~R. BIBL. NAZ.
Vitt. Emanusle lil |
RflUA-.
• ii
■ii
— - NAPOLI^—
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LEHRBUCH
DER
PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN *
#
VON
C. LUDWIG,
PROFESSOR AN DER J08EPHSAKADEMJE IN WIEN. *
LEIPZIG UND HEIDELBERG.
C. F. WINTEKSCHE VERLAGSHANDLUNG.
1861.
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Verfemter and Vcrlegor behalten sich das Hecht der Vebersetzung In fremde Sprachen vor.
-j —
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Inhalt des zweiten Bandes.
Sechster Abschnitt.
Seite.
Physiologie der Ernährung
L Blut -
Blutzusammensetzung
Blutbewegung
It. Absonderungen
Epithclien
Nägel . . .. .
Haare .
Elastisches Gewebe
Bindegewebe
Seröse Häute
Hornhaut
Augenwasser .,
Glaskörper
Linse
Knorpel
Knochen
Zähne ....
Fettzellen
Nervenröhren
Hirn und Rückenmark
Muskeln ....
Blutgefässwandungen
Mil* ....
Thymus ....
Leber ....
Speicheldrüsen
Schleimdrüsen
Thräncndrüsen
t
t
44
202
234
240
244
249
251
256
260
264 -
265
294
297
299
306
306
336
346
349
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Ti " Inhalt '
Bauchspeicheldrüse 350
Magendrüsen . • . , 355
Fettdrüsen .. . . 365
Schweissdrüsen . > . 367
Nieren 373
Männliche Geschlecbtawerkzeuge . 434
Weibliche Geschlechtswcrkzouge ...... . - 442
Milchdrüsen . . ... . 448
Athmung 462
Besondere Athen) Werkzeuge 479
jungen . .* ; ' . 541
Hautathroung 550
Umsetzung des Blutes in den Gefässen 560
III. Blutbildung . . 561
Aufsaugung aus den, Geweben 561
Aufsaugung von den Blutgefässen 563
Aufsaugung durch die Lymphgefässe 567
. Zufuhr durch die Speisen (Verdauung) . ~ . . . . . . . 583
IV. Yergieiohung des Verlustes und Gewinnes an wägbaren Stoffen .671
Siebenter Abschnitt.
Thierisohe Wärme •
— . ^ . Dici iüz cci by.Goo ok
Sechster Abschnitt.
Physiologie der Ernährung.
I. Blut
Zusammensetzung des Blutes.
Die Gefässröhren , die vom Herzen aus und zu ihm zurtick-
gehen, sind im Leben mit einem verwickelten Gemenge fester und
flüssiger Stoffe, dem Blute, gefüllt, das nach Zusammensetzung und
Eigenschaften, mit der Zeit und dem Orte seines Aufenthalts wechselt;
um eine Uebcrsicht zu gewinnen, werden wir zuerst die am besten
gekannte Blutart möglichst genau beschreiben und dann die Ab-
weichungen der übrigen angeben.
Hautaderblut der Erwachsenen.
Die anatomische Zergliederung zerlegt das Blut des Lebenden
in eine Flüssigkeit , das Plasma , und in Festes , Aufgeschwemmtes,
welches, je nach seiner Gestalt, Blut- und Lymphkörpcrehen,
Elementarkörnchen, Faserstoffscholle u. s. w. genannt wird.
A. Blutflüssigkeit, Plasma.
Die bekannten ßestandtheile derselben sind: Faserstoff, Eiweiss,
Case'tn, Oxyproteln, Lecithin, Cerebrin, Olefn, Margarin, Cholestearin,
Zucker, Margarin-, Oel-, Butter-, Milch-, Hippur- und Harn-Säure,
Kreatin, Harnstoff, braune Farbstoffe, Kali, Natron, Kalk, Magnesia,
Eisenoxyd, Wasser, Salz-, Schwefel-, Phosphor-, Kiesel- und Kohlen-
säure, Fluor, Sauerstoff- und Stickgas.
1. Faserstoff. Aus 100 Theilen Blut gewinnt man ungefähr
0,2 bis 0,3 Theil.
Beim Pferd enthalt nach Lehmann da« Blut der Vena jugularie 0,45, das der
Finger- und 8porader 0,64 Faserstoff. Daraus au schliessen, dass das Blut während
seines Laufes aus den kleinern in die gTÖssern Venen Faserstoff einbüsst, entbehrt jeg-
licher Grundlage, so lange nicht feststeht, ob der Fasorstoffgehalt der kleinen Venen,
Ludwig, Physiologie 11. 2. Auflage. 1
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Faserstoff.
aus denen sich das Drosseladerblut sammelt, sich gerade so verhält, wie jener der vor-
hin erwähnten. Gesetzt aber, es sei dieses bewiesen, so würde diese Thatsache immer
noch nicht aussagen , dass sich der Faserstoff vermindert hätte; denn wir müssen den
Faserstoff als einen Bestandtheil des Plasmas ansehen , da aber Blut aus Plasma und
Körperchen besteht, so könnte ein abweichendes Verhältnis des Faserstoffs auch auf
eine Aenderung dcrjtelatioii zwischen jenen beiden Gemengbestandtheilen bezogen werden.
Zur Gewichtsbestimmung wird der Faserstoff auf zwei Weisen gewonnen. Ent-
weder man lässt das aus der Ader getretene Blut ungestört gerinnen ; da in diesem
Falle das durch die ganze Masse des Bluts fest gewordene Fibrin die Blutflüssigkeit
und Blutkörperchen in sich schlicsst, indem sich der sog. Blutkuchen bildet, so muss
man dasselbe nachträglich von diesen Beimengungen befreien. Zu diesem Behuf zer-
schneidet man den Blutkuchen in kleine Stücke , füllt diese in ein leinenes oder sei-
denes Tuch und spült sie so lange mit Wasser aus , als dieses noch eine Spur mther
Farbe zeigt; durch Aufhängen des Beutels in destillirtes Wasser sucht man endlich
auch die letzten Spuren löslicher Stoffe zu entfernen, ein Unternehmen, das jedoch oft
wegen der eintretenden Fäulniss des Faserstoffs nicht zum vollkommenen Ziele geführt
werden kann. — Oder man schlägt auch mit einem Glasstab das aus der Ader gelas-
sene Blut, wobei sich der Faserstoff in Flocken ausscheidet. Das geschlagene Blut
flltrirt man durch eine feine Leinwand und befreit den zurückbleibenden Faserstoff von
den anhängenden übrigen Blutbestandtheilen wie oben. Den auf eine von beiden
Arten gewonnenen Faserstoff spült man vorsichtig von der Leinwand ab, trocknet ihn
bei 120° 0. mit aller für hygroskopische Stoffe nöthigen Vorsicht. Darauf pulvert
man denselben, zieht eine gewogeno Menge mit Aether aus und trocknet von Neuom;
der Gewichtsunterschied vor und nach dem Acthcrauszug gibt den Fettgehalt des
Faserstoffs. Schliesslich verbrennt man den entfetteten Antheil, um seinen Aschen-
gehalt festzustellcn. Diese Methode selbst mit aller Sorgsamkeit ausgeführt, gibt nur
ungenaue Ergebnisse , weil durch das Loinwandfilter feine Flocken dringen , und weil
der Faserstoff, auf die eine oder andere Art gewonnen, immer Blut- und Lymplikör-
perchen einschliesst, die durch das Waschen nicht entfernt werden können. Dieser
Einschluss bedingt cs, dass man aus demselben Blute verschiedene Wertlie des Fascr-
stnffgehaltcs erhalt, je nachdem man denselben durch Schlagen oder aus dem Blut-
kuchen gewonnen (v. Gorup, Hinterbegcr, Mol esc hott) *).
Wenn sich die Erfahrung von Marchal, dass das Blut in höherer Teinporatur
mehr Faserstoff ausscheidet als in niederer, bestätigte, so müsste man, was bisher nicht
geschehen, auch Rücksicht auf die Gerinnungstemperatur nehmen. Lehmann bestreitet
Übrigens den Einfluss der Temperatur auf die Menge des abgeschiedenen Faserstoffs.
Wenn das Blutplasma (oder auch das Gesanmitblut) einige
Zeit hindurch nicht mehr nnter dem Einfluss der lebenden Wand
eines Blutgefässes steht, fallt aus ihm ein Gemenge oder eine Ver-
bindung eines Eiweissstoffes mit Kalk und Magnesiasalzen, der sog.
Faserstoff nieder (Taekrah, Brücke**). Demnach wird Blut,
ohne dass wir eine Veränderung an demselben wahrnehmeu, ge-
*) v. Gorup, Vergleichende Untersuchungen etc. Erlangen 1850 p. 8. — Molcschott, Phy-
siologie des Stoffwochneis. Erlangen 1851 p. 232 o. 236. — Lehmann, phyaiolng. Chemie I. 366.
**) Brilcke in Yirchows Archiv XI. Bd. N. F. — L later Edinburgh medical Journ. Apr.
1858. — Richarchaon the onuso of the Coagulatton of the Blood ; London 1858.
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Faserstoff.
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rinnen, wenn es ans der Ader gelassen wird, oder in GefBssen von
grossem Durchmesser vollkommen ruht, oder von Gefiissen um-
schlossen wird, dessen Wandungen die Eigenschaft einblissteu, welche
man mit einem vorläufigen Ausdruck lebendige nennt ; aber obwohl
Blut unter diesen Umständen sich selbst überlassen sicher gerinnt,
so geschieht diess doch nicht momentan und nicht unter allen Be-
dingungen gleich rasch, auch können chemische Zusätze die Ge-
rinnungsfähigkeit des Blutes ganz vernichten. Der Gerinnungs-
beginn wird hinausgeschoben: durch die Entfernung des im Blute
aufgelösten .Sauerstoffs, eine niedere dem Nullpunkt nahe positive
Temperatur, durch einen dem normalen Maximum sich annähernden
Salzgehalt des Plasmas, ferner kann er auf Stunden hin verzögert
werden durch einen Zusatz von einigen Neutralsalzen mit alkalischer
Basis, von Zucker und Gummi, durch eine geringere Zugabe von
kaustischem Kali und Ammoniak und endlich durch Eintröpfeln von
soviel Essig-, Salpetersäure u. s. w., dass das Blut schwach saner
reagirt; durch Neutralisation des ungesäuerten Blutes mit Ammoniak
wird die Gerinnbarkeit vollkommen aufgehoben. (Brücke.) Der
Gerinnungseintritt wird näher gerückt durch einen die Blutwärme
um etwas übersteigenden Temperaturgrad, durch Berührung des
Blutes mit mineralischen Stoffen Luft, Erden, Metall, durch Bewe-
gung des aus der Ader gelassenen Blutes. Unabhängig ist dagegen
der Gerinnungseintritt einer weit verbreiteten Ansicht entgegen von
dem Gehalt des Blutes im Faserstoff (Brücke), wie nach dem
Bestehen oder Verlust der Nerven-' und Muskelerregbarkeit (Brücke,
Lister) und — da zu diesen bekannten auch noch unbekannte
in dem Blut selbst gelegene Gründe den Zeitpunkt der Gerinnung
bestimmen, so lässt sich derselbe nicht allgemein gültig festsetzen.
Meist jedoch gerinnt jedoch das abgelasseuc Blut wenige Minuten
nach der Eutfernung aus der Ader, das in der Leiche zurück-
bleibende aber hält sich stunden- und tagelang flüssig. Ebenso
kann Pferdeblnt eine Temperatur von 0° bis -f- 1° ausgesetzt
stundenlang flüssig bleiben.
Den vollendeten Beweis fdr den durch Tack r all wahrscheinlich gemachten Satz,
dass die Oefäss wandung die Blutgerinnung verhindere, erbrachte Brücke; er nahm
Blut aus den Gefäasen bei einer Temperatur von nahe 0°, setzte es der atmosphärischen
Luft ungefähr 15 Minuten lang aus, füllte dann das Blut in das Herz oder ein grosses
Oefäss des eben getödteten Thieres zurück , und hing das wohl zugebundene Gefäss
in einen mit Wasserdainpf gesättigten Luftraum von mittlerer Zimmerwärme. Auf
diese Weise erhält sich das Blut der Säugethiere im Herzen derselben vier bis fünf
Stunden hindurch d. h. so lange flüssig als das Herz seine Erregbarkeit behauptet,
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Faserstoff.
und es gerinnt mit dem Erlöschen des letzteren. Dasselbe leisten \ enen und arterielle
Blutgefässe. Länger, bis zu acht Tagen bleibt das Blut der Kaltblüter im ausge-
schnittenen Herzen flüssig, also länger als sich die Beweglichkeit des Herzens erhält.
Den Unterschied der Gerinnungszeiten zwischen beiden Blutarten begründet ihr Tem-
peraturunterschied und ihre verschiedene Neigung zu gerinnen ; denn in dem auf 30® C.
erwärmten Amphibienherzen erfolgt zwar die Gerinnung früher, aber immer noch um
viele Stunden später als im Säugethierherzen, und anderseits ist auch das Amphibien-
herz nicht befähigt die Gerinnung des in dasselbe eingefüllten Säugethierbluts aufzu-
halten, obwohl das Herz einer Amphibienart alles andere Amphibienblut flüssig erhält.
Die starke Neigung des Säugethierblutes zum Gerinnen wird auch dadurch bethätigt,
dass cs in dem Herzen sehr zählebiger Thiere wie z. B. dcB Igels schon um ein Kurzes
früher fest geworden ist als das Absterben der Muskeln vor sich gegangen. Dass nun
aber bei dieser Aufbewahrungsmethode die Gerinnung in Folge einer Wirkung von
Seiten der Wand ausbleibt, ergiebt sich: weil ein jeder Tropfen Blut, der aus dem
wie oben zubereiteten Gelass genommen war, alsbald gerinnt ; ferner bringt man Luft,
Quecksilber u. s. w. zu dem Blut in das Gefriss, so gerinnt nur der kleine in der un-
mittelbaren Nachbarschaft des fremden Körpers liegende Blutantheil ; schliesst man
endlich einen Theil des im Gelass enthaltenen Blutes dadurch ab, dass man in das
Blut ein Glasrohr schiebt so findet man nur den Inhalt des (an beiden Seiten offenen)
Glasrohrs geronnen. Diese letzteren Erfahrungen beweisen auch, dass man sich nicht
etwa so ausdrücken dürfe : alle Stoffe, die Gelasswandung ausgenommen, erzeugen durch
ihre Berührung mit dem Blut die Gerinnung , denn dann dürfte das um den fremden
Körper vor sich gehende Festwerden nicht local bleiben und noch mehr cs müsste
in einem Gefäss voll ruhenden Blutes die Gerinnung nicht rascher erfolgen als in
einem bewegten. Da dieses aber geschieht, so bedarf das Blut zum Flüssigbleiben
der Wandberührung. Den Beweis hierfür hat Lisler noch durch die Thatsache ver-
vollständigt, da>s das gerinnbare Leichenblut in engen Gefiisscn länger flüssig bleibt
als in den weitem, fiiehardson, welcher die durch Athmungsvcrsuche längst be-
kannte Thatsache bestätigt fand, dass sich aus dem Blut bei einer Berührung mit Luft
Ammoniak entwickelt, und sich ebenfalls davon überzeugt, (lass eine Zumischung von
einer sehr geringen Ammoniakmenge zum Blut, die Gerinnung desselben zu verzögern
vermag, glaubt sich darum berechtigt, die Ursache der Gerinnung auf den Verlust der
äusBerst geringen Menge von Ammoniakdunst schieben zu dürfen, welchen das gelassene
Blut erleidet. Wenn man auch die von ihm in den Vordergrund geschobenen That-
sachcn als richtig anerkennen muss, so darf man dennoch seiner Folgerung nicht bei-
treten, weil cs eine ebenfalls ganz bekannte Erscheinung ist, dass das mit Ausschluss
aller Luft aus der Ader unter Quecksilber aufgefangene Blut dort gerinnt; hierzu kommt,
da** Listcr, der seinen eigenen Beobachtungen entgegen der Unterstellung von Richard-
son anhängt, das in dem Gcfässe einer Leiche zurückgehaltene Blut flüssig erhielt,
wenn er auch Luft mit ihm in Berührung brachte, oder wenn er eine blutgefüllte Veno
eines eben getödteten Thieres der Luft so lange aussetzte, dass sich das dunkle Blut
hollroth färbte. Im noch vollkommncrcn Widerspruch mit Richardson's Annahme
steht endlich der von Lister ausgeführte Versuch, dass das Blut in den Gefässen
eines lebenden oder eben getödteten Thieres , deren Wandungen er mit kaustischen
Ammoniak bestrich, gerann; dieses erläutert Bich nach Brücke einfach daraus, dass
die Lebenseigenschaften der Gefässwand zerstört worden sind.
Wie die der Blutgefässe wirkt auch die Wand der Lymphgc fasse der Gerinnung
des Faserstoffs entgegen; die serösen Häute und die Darmschleimhaut thun es nicht.
Faserstoff.
s
Da der Faserstoff aus der Blutflüssigkeit und nicht aus den
Körperchen ausfällt, (J. Müller*) so setzte man ihn auch schon
im Plasma als einen besonderen Stoff, als flüssiges Fibrin voraus.
Brücke zeigte jedoch, dsiss zu der letzteren Annahme kein Grund
vorhanden sei, indem ein Blutplasma, welches durch Zusatz von
Essigsäure und einen nachträglichen von Ammoniak am Gerinnen
verhindert wurde, gerade so viel durch Hitze coagulabeles Eiweiss
mehr enthält, als es, wenn es geronnen wäre, an Faseretofl aus-
geschieden hätte. Demnach wäre es am wahrscheinlichsten, dass
im flüssigen Blute der Faserstoff als Blutalbumin nie vorhanden ist.
Als Grund dafür, dass ein Antheil des Bluteiwcisses in der Form
von Faserstoff zum Gerinnen kommt, würde sich dann am unge-
zwungensten darbieten, dass ein Theil des Albumins nach seiner
Entfernung aus dem Gefässe mit irgend einem anderen Stoffe des
Plasmas eine natürliche Verbindung eingeht, deren Entstehen u. A.
auch durch eine verdünnte Säure verhütet würde. Hierfür spricht
einmal der negative Beweis, dass die Gerinnung nicht darum ge-
schieht, weil das Blut mit Albumin übersättigt war, weil, wenn
einmal die Faserstoffgerinnnng beendet ist, weder durch Abkühlen
des Blutes, noch durch einen Wasserverlust eine neue Abscheidnrrg
bewerkstelligt werden kann, und positiv lässt sich für jene An-
schauung von Brücke anführen, dass in dem nicdergefallenen
Gerinnsel immer noch basisch phosphorsaurer Kalk und Talk ent-
halten ist.
Unter der soeben entwickelten Unterstellung lässt sich auch ein Mechanismus
denken, dessen sich die Gefässwand zur Flüssigerhaltung des Blutes bedient; denn
dann wäre es nur nöthig anzunehmen, dass eins der chemischen Produkte, die sich
fortwährend in der Gefässwand bilden, in das Blut difTundirc, und dort das Ent-
stehen der gerinnenden Eiweissverbindung verhüte; dieser Stoff müsste aber selbst im
Blute verändert werden, so dass nur in dem Maasse, in dem er sich umsetzt, auch die
Gerinnung vor sich gehen könnte. Mit dieser freilich noch gewagten Hypothese steht
es aber im Einklang, dass die Gerinnung nicht momentan, sondern erst einige Zeit
nach der Trennung des Bluts von der Gefässwand beginnt, und dass sie verzögert
wird durch dio Bedingungen , welcho den Blutumsatz mindern , also durch Tem-
peraturerniedrigung, Salzlösungen, Sauerstoffmangel; diese Hypothese gibt auch einen
Hinweis auf neue Untersuchungen über die Beziehungen der Gefässwand zur Blvt-
gcrinnung. Die Versuche von Joh. Müller, auf dio oben hingedeutet wurde, be-
stehen darin, dass man zum Blute Zucker oder ülaubcrsalzlösung fügt, und es filtrirt
oder sich die Körperchen zu Boden senken lässt, die Gerinnung geht in der körper-
chenfreien Flüssigkeit vor sich.
•) Handbuch der Physiologie 4. Aofl. I. Bd. p. 117.
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Albumin.
Nachdem »ich der Faserstoff fest ausgeschieden hat, erfährt
er einige Zeit hindurch noch fortlaufende Veränderungen, die sich
augenfällig dadurch äussern, dass er aus einem lockern ein festes
Gefüge annimmt, und dadurch, dass er sich aus einen grösseren
auf ein* kleineres Volumen zusammenzieht. Diese Erscheinung
macht den Eindruck, als oh sich der Quellungseoeffizient des Faser-
stoffs während des Zeitraums, der unmittelbar auf die Gerinnung
folgt, ändere. Brück o verweist auf die Aelinlichkeit, die in dieser
und in anderen Beziehungen der Faserstoff mit dem Eiweissstoff
besitzt, der durch Auswaschen des Kalialbuminats mit verdünnten
Säuren erhalten werden kann. Von den elementaren Formen des
Fascrstoffgerinnsels handelt Bd. I. pag. 42.
2. Alb u m i n. Das Eiweiss soll auf zweierlei Art in der Blut-
flüssigkeit Vorkommen, als freies und als neutrales Natronei weiss.
Als freies Eiweiss bezeichnet man dasjenige, welches durch Erhitzung
der Blutflüssigkeit ohne vorgängigen Säurezusatz zum Gerinnen ge-
bracht werden kann. Dieses Eiweiss enthält, nach den überein-
stimmenden Angaben von Rüling und Mul der, 1,3 pCt. Schwefel
und ist somit um -0,3 bis 0,4 pCt. schwefelärmer als das Hühner-
eiweiss. Durch Erwärmen mit Kali ist aus dem Blutciweiss die
Hälfte des Schwefels abseheidbar, aus dem llühnereiweisse dagegen
kaum ein Viertel, so dass das letztere fast noch einmal so reich
an festgebundenem Schwefel ist, als das erstere. — Als Natron-
albuminat (eiweisssanres Natron) sieht man die Eiweissmenge an,
welche ans dem Blntsprum erst durch Erhitzung abscheidbar ist,
nachdem man die alkalisch reagirende Blutflüssigkeit genau neu-
tralisirt hat.
Die Behauptung von C. Schmidt*), dass das freie Eiweiss in der Blutflüssig-
keit mit dem Chlornatrium in einer Verbindung ähnlich dem Kochsalz-Zucker vorhan-
den sei , stützt sich darauf, dass der geronnene Faserstoff in einer wässerigen Losung
von Kalisalpeter zu einer dem Bluteiwoiss ähnlichen Substanz 'umgewandelt werde,
und dass das Blut nach der beträchtlichen Entleerung seiner salz&rtigen Bestandteile,
welche es in der epidemischen Cholera erleidet, von seinem NaCl noch ungefähr so
viel zurückhält, als nach gewissen wenig begründeten Annahmen nöthig ist, um mit
dem Eiweiss die bezcichnctc hypothetische Verbindung zu bilden.
Der Gehalt der Blutflüssigkeit an Eiweiss, freiem und au
Natron gebundenem, schwankt zwischen 7,9 bis 9,8 pCt.
Das Eiweiss wird aus der Blutflüssigkeit entweder durch Gerinnung in der Hitze
oder mittelst des Polarisationsapparate* quantitativ bestimmt. — Bedient man sich der
ersteren Methode, so muss das Blut, bevor cs erhitzt wird, durch Essigsäure genau
neutralisirt werden (8 c h e rer). Das Coagulum wird filtrirt, gewaschen und bei 120° C.
•) l. r. p. l.vo.
Ander« Eiweissstoffc der Blutflüssigkeit.
.7
getrocknet ; darauf wird ein Antlieil gepulvert mit Aether ausgezogeii, uni «einen Fett*
ge halt zu ermitteln, uud endlieb verbrannt, wodurch der Aschcurückstäud gegeben
wird. Die Anwendung dieser VorsichUinaassregeln schlitzt aber doch noch nicht vor
Fehlem, weil das Eiweiss bei seiner Gerinnung, ausser Na CI, 2NaO PO8 •) und Fetten,
auch noch andere, von dem Gerinnsel nicht mehr zu sondernde Stoffe einschliesst. wie
*z. B. die Hüllen der Lymphkörperchen, organische Salze, Farbstoffe u. s. w Die Ge*
rinnungsmethode würde aber als ganz unsicher zu verlassen sein, wenn sich die An-
gabe von Lieberkühn**) bestätigte, wonach nicht allein Albumin, sondern auch
Casein aus neutralen oder sauren Salzlösungen durch Kochen gefallt wird. — Das Ver-
fahren von Becquerel die Drehung der Polarisationsebcne zur quantitativen Eiweiss-
bestimmung zu benutzen, ist von F. Hoppe***) aufgenommen und verbessert worden.
Statt des Apparates von Sol eil wendet er den von Vcntzke an, und bedient sich
statt der sehr viel längeren Eiweissschicht von Becquerel einer von 100 Mm., bei
gelbgefSrbtem Serum sogar nur einer von 25 Mm. Dicke. Das flüssige Eiweiss dreht
nach F. Hoppe ungefähr in dem Maasse links , in welchem der Rohrzucker rechts
dreht. —
Da der Zucker je nach der Spezies (Rohr-, Trauben-, Frucht-, Svrupzucker u. s. w.),
der er angehört, der Zeit, während welcher er gelöst war, der Temperatur, in der er
sioh findet, und den Zusätzen, die zu seiner Lösung geschehen, bald rechts, bald links
oder auch gar nicht dreht, so müsste das Eiweiss und seine Modifikationen, welche
im Blut Vorkommen, ebenfalls mit Rücksicht auf die bezeichneten Bedingungen geprüft
werden. Einen Theil der hierher gehörigen Versuche hat Hoppe angestellt; nach diesen
behauptet er, dass sich das DrchungsvennÖgcn des gelösten Eiwcisscs in der Zeit, in-
sofern keine Zersetzung eintrete , nicht ändere : trete eine solche ein , die sich durch
Trübung der Lösung anzeigt, so mindere sich das DrchungsvennÖgcn. Durch einen die
Flüssigkeit aufhellenden Zusatz von Essigsäure kann die frühere Drehkraft wieder her-
gestellt werden. Durch einen Zusatz von Natron zum Bluteiweiss wird sein Drehungs-
vermögen vermehrt, durch Kochen mit demselben wird es anfangs vermindert, dann
aber bleibe es constant. — Zur Graduirung der Ablenkungen braucht er die Bestim-
mung durch Ausfällung in der Hitze; er erklärt sich danach für berechtigt anzuneh-
men, dass, wenn man die quantitative Genauigkeit nicht Uber 0,1 p. L\ treiben wolle,
das entgegengesetzte oder gleichgerichtete Drehungsbestrcbcn anderer in dem Blutserum
gelöster Stoffe nicht zu berücksichtigen sei. Er bestätigt dieses noch dadurch, dass
er das Blut mit Aether und NaCO* schüttelt, wodurch das Eiweiss vollends abgeschie-
den, die andern drehenden Bestandteile des Serums aber in Lösung bleiben. Dieser
flüssige Rückstand lenke die Polarisationsebene nur um ein Unbedeutendes ab.
3. Anderweite Eiweissstoffe der Blutflüssigkeit-)-).
In der Flüssigkeit, aus der man noch so vorsichtig und vollkommen
nach den angegebenen Verfahren Faserstoff und Eiweiss heraus-
geschlagen, bleiben Stoffe zurück, die nach den Resultaten der
Elementaranalysc und ihren Reactionen zu der Gruppe der eiweiss-
*) Roser, Lleblgs Annalen. Bd. 73 p. .134.
••) Poggcndorf, Annalen. 86. Bd. p. 117 u. 398.
•••) Vlrchow» Archiv XI. Bd. p. 547.
t) Mul der, Versuch einer allg. phys. Chemie. Braunachwelg 1851 p. 1107. — Moleschott,
Physiologie dea Stoffwechsels. Erlangen 1861 p. 340. — Pan um, Archiv für palholog. Anatomie,
v. Vlrchow, UI. Bd. 361.
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Fette und Eitraete.
artigen gehören, lieber die besondere Natur derselben hat man
sehr verschiedene Meinungen aufgestellt, bald hält man sie fllr
Natronalbuminat, bald für Käsestoff, bald für Protelnbioxyd und
endlich erklärt man sie auch fUr ein Gemenge der genannten und
noch anderer eiweissartiger Stoffe. Bei dem sich stets klarer heraus-'
stellenden Mangel an unterscheidenden Kennzeichen zwischen den
einzelnen Gliedern der Eiweissgruppe und den wenigen genauen
Untersuchungen Uber die fraglichen Körper scheint eine Entschei-
dung zwischen den Tagesmeinungen sehr gewagt. — Nach eigenen
Untersuchungen kann ich versichern, dass zu allen Zeiten ein Stoff
in der Blutflüssigkeit vorkommt von der prozentischen Zusammen-
setzung, wie sie Bd. 1. p. 38. C. angegeben wurde. Der in diesem
Stoffe enthaltene Schwefel ist gleich demjenigen des Proteins durch
Erwärmen in Kaliauflösung nicht abseheidbar. —
4. Fette*), wahrscheinlich fette Säuren, werden nur in sehr
geringer Menge aus der Blutflüssigkeit gewonnen; sie sind, wie
man vermuthet, entweder an die Alkalien des Bluts, mit denen
sie Seifen darstellen, gebunden gewesen, oder sie sind Zersetzungs-
produkte der phosphorhaltigen Fette (Gobley). Man erhält sie,
wenn man die Flüssigkeit, welche nach Gerinnung des Eiweisses
durch die Hitze zurückbleibt, filtrirt, eindampft und mit Aether
auszieht. — Ausserdem enthalten, wie erwähnt, Faserstoff und
Eiweiss, wenn sie niedergefallen sind, Fette, Uber deren Ursprung
wir im Unklaren sind ; vielleicht waren sie in den Blut- und Lymph-
körperchen eingeschlossen, welche jene Stoffe beim Coaguliren mit
sich rissen. —
5. Fettäh nliche Stoffe**). Das Cholestearin, welches in
der Blutflüssigkeit vorkommt (Marcet), soll in den Seifen der-
selben gelöst sein. — Das Gemenge fettartiger, fllr sich in Wasser
unlöslicher Körper, welchem Boudet den Namen Serolin gab, ist
später häufig wiedergefunden; Uber seine Zusammensetzung und
die Art, wie es im Blutwasser gelöst ist, fehlt eine Angabe. Gobley
zählt unter die Bestandtheile des Serolin : Lecithin, Cerebrin, Olein,
Margarin, eine Angabe, die eine weitere Bestätigung erwartet. —
6. Der Zucker des Plasma’s ist gährungsfähig, und wahr-
scheinlich Traubenzucker. Nach der Nahrung, und den Zuständen
der Leber kann sich der Zuckergehalt des Hautvenenblutes von
•) Marcet in Licblga und Kopps Jahresbericht für 1851. 587.
••) V e r d e i 1 nnd Mnrcet In Iriebigs and Koppe Jahresbericht Air 1861, p. 588. — O o b .
I fi r ibid.
Minerale.
9
0,5 pCt. bis znm gänzlichen Verschwinden ändern; fllr gewöhnlich
scheint sein Prozentgehalt den Werth von 0,15 nicht zu übersteigen.
Die quantitative Bestimmung geschieht entweder durch Titriren mit Kupferlösung
oder durch Gährung, beides nach vorgängiger Ausfällung der Kiweissttoffe mit Alkohol.
Diese Methoden geben nur angenäherte Werthe. — Die Sitzungen in den Pariser Aka-
demien sind in den Jahren 1855 und 56 häufig durch Besprechungen über den Zucker-
gehalt des Bluts ausgefüllt worden, an dem sich einerseits Longot, Coli in, Figuier
und anderseits CI. Bernard, Lehmann, Poggiale, Moleschott, Leconte,
Delore betheiligt haben. Bei dem Leberblut und der Leber werden wir auf diese
meist unfruchtbare Diskussion zurückkomraen.
7. Harnstoff. Nach Picard**) enthält das Blut ganz
gesunder Menschen von 0,014 bis 0,017 im Mittel 0,016 pCt. dieses
Körpers; nach einer der Gesundheit nicht wesentlich beeinträchti-
genden Unterdrückung der Regeln ohne bestehende Schwangerschaft
steigt er bis zu 0,030 pCt. Diese Zahlen würden nach den Angaben
v. Recklinghausen’ s kein Zutrauen verdienen.
Picard fällt das Eiweiss des Bluts mit Alkohol, presst den schwach angesäuer-
ten Niederschlag wiederholt aus und verdampft dann die tiltrirten Flüssigkeiten. Der
Bückstand wird mit Alkohol ausgezogeu, noch einmal verdunstet und das Besiduum
abermals mit einem Gemenge von Aether und Alkohol extrahirt ; dieser Auszug wird
abgedampft und sein Rückstand in Wasser gelöst; aus dieser Lösung werden die noch
vorhandenen Extrakte mit Blei gefällt. Nachdem der Bleiüberschuss mit SH entfernt
wurde, bestimmt er endlich den Harnstoff durch eine titrirte Lösung von salpetersaurem
Quecksilberoxyd nach Liebig. Der Quecksilberniederschlag enthält keinen andern
organischen Körper als Harnstoff. Trotz der vielen mit der HamstofTlösung vorgenora-
menen Operationen soll, wie sich Picard überzeugte, bei der Arbeit kein nennens-
werter Verlust Vorkommen. — Mit dieser Angabe steht eine Mittheilung von Reck-
linghausen in grellem Widerspruch, welcher in dem durch die Liebig’ sehe Flüssig-
keit erzeugten Niederschlag des Blutextractes Ammoniak und Natron antraf, und der
in den aus solchem Blut zum Titriren bereiteten Lösung noch C1N& vorfand.
8 — 12. Kreatin, Kreatinin, Harn-, Hippur- undMilch-
säure enthält das Blutwasser in sehr geringer Menge. Die hier anf-
gezählten Stoffe machen, den Zucker- und den Harnstoff einge-
schlossen, wesentlich das aus, was man als den organischen Theil
des spiritnösen Blutextractes bezeichnet, ein Namen, der darum
aufzugeben ist, weil die einzelnen Glieder des Gemenges, weder
quantitativ, noch qualitativ sich gleich bleiben. —
13. Die mineralischen Bestandteile der menschlichen
Blutflüssigkeit hat man bis dahin meist aus der Asche ihres ein-
getroekneten Rückstandes bestimmt, aus diesem Grunde müssen
den Angaben Fehler anhaften über den Gehalt an Chlor, Schwefel-
und Phosphorsäure; und da man bei der Aschendarstellung die
•) De U prdeence de l'uräe dana le sang. Strasbourg 18M, — v. Recklinghausen, Virchowe
Archiv \m,
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10
Minerale.
Vorichtsmassregeln nicht in Anwendung brachte, welche nach den
Versuchen von Erdmann, Strecker*), H. Rose**), Mitscher-
lich und Heintz***) nothvvendig sind, so ist auch der Gehalt an
Kalium und Natrium fehlerhaft bekannt geworden.
Die Veränderungen , welche mit den Blutmineralen bei der Aschenbereitung vor
sich gehen , bestehen darin , dass die Mengo der SO3 und unter Umständen die der
Ph*05 vermehrt wird , in Folge einer Oxydation des Schwefels der eiweisshaltigen
und des Phosphors der fettartigen Körper. Die überschüssige Schwefelsäure wird
aber CI austreiben, was auch schon durch die überschüssige Kohlen- und die bei dej
Verbrennung sich bildende Cyansäuro geschehen kann. In höheren Temperaturen ver-
flüchtigen sich die Chloralkalien. Die vorhandenen phosphorsauren Salze, mit zwei
Atomen fixer Basis , werden durch die neugebildcte Schwefelsäure zum Theil in saure
verwandelt, aus denen die Phosphorsäure durch die Kohle zu Phosphor reduzirt und
dann verflüchtigt w'ird; oder es kann auch in höheren Temperaturen das erwähnte
phosphorsaure Salz sich in ein solchos mit 3 Atomen fixer Basis umwandeln, wenn
nämlich gleichzeitig ein kohlensaures vorhanden ist.
Verfah rungsarten, die Salze ganz oder theilweise ohne Einäscherung zu bestimmen,
geben M i 1 1 o n **♦♦) und H e i n t z +) an.
Aus der' grossen Anzahl bekannt gewordener Aschenanalysen
von Denis, Lecanu, Marcet, Marchand, Nasse, Weber,
Verdeil und Schmidt ff) wählen wir die des letztem Beobach-
ters aus; sie kann, wie die übrigen, nur als eine Annäherung an
die Wahrheit angesehen werden; denn die ihr zu Grunde liegende
Asche ist nach einem Verfahren gewonnen, welches dem älteren
R 0 s e ’schen ff+) sehr ähnlich sieht. Immmerhin scheint sie aber
doch die zuverlässigste.
Nach Schmidt gewinnt man aus 100 Th. Blutflüssigkeit 0,85 Th.
Asche ; diese bestehen ans : Cl = 0,533, SO, =0,013, PhO, =0,032,
CaO = 0,016, MgO=0,010, Ka = 0,031, Na = 0,341, 0 = 0,045.
Diese Asche zählt nicht zu denjenigen, welche alle die mine-
ralischen Bestandtheile enthält, die schon von andern Chemikern
in der Blutflüssigkeit gefunden sind. Namentlich fehlen die -häufig
Vorgefundenen: CO, und Eisenoxyd und die seltener vorhandenen:
Kieselsäure ffff), Mangan, Kupfer, Blei, und endlich das von Mar-
chand angegebene Ammoniak.
•) Liehigs Annalen. 73. Bd.
**) PogKOnd. Annalen. 79. Bd.
■•*) Zoochemie, Berlin 1863. p. 868.
*•*“) Annalen de chlmie et de physique liieinc atfr. XIX. (de la preeence normal eie.)
t) I. c. 868.
H) 1. C. p. 19. p. 31.
ttt) Poggendorfa Annalen 76. Bd. n. 81. Bd. 410.
Wtt) Kieselsäure fand Weber Im Ochsen Henneberg, Enderlin und O o r o p im Vogel-
blut. Da unter die Bestandtheile des Menw-henhaera Kieselsäure gehört (v. Laer), so mnsa sie auch
im Menschenblut verkommen.
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Minerale.
11
Diese Besiandtheile werden nun nach bekannten Prinzipien
zu Salzen zusammengeordnet; man giebt nämlich der stärksten
SHnre die stärkste Base bei, und bereehnet ausserdem die phosphor-
sanren Salzen als solche mit 3 Atomen fixer Basis. So erhält mau
KO SO, =0,028; KCL =0,036; N* CI =0,554; 3NaO PhO, =0,032;
3 CaO PhO, =0,030 ; 3MgOPhO. = 0,022; NaO=0,093
Da diese Berechnung namentlich in Beziehung auf die Verbin-
dungen der Phosphorsäure mit Alkalien ganz willktlhrlich ist, so
kann sie nicht in der Absicht angestellt worden sein, um den
wahren Ausdruck des Salzgemenges in der Blutasche zu geben.
Aber dennoch ist sie von Wichtigkeit, denn sie zeigt 1) dass die
fixen Säuren SO,, Ph05, C1H nicht hinreichen, um alle Basen zu
sättigen. Dieses Resultat ist nicht in Uebereinstimmung mit den
Angaben anderer Asehenanalytiker; denn wenn man auch niemals
saure Blutaschen beobachtete, so fand man doch öfter auch solche,
in denen die Basen grade zur Neutralisirung der angegebenen
Sänren hinreichten. 2) Die Natronsalze überwiegen ausserordentlich,
nnd unter diesen wieder das NaC'l in der Art, dass die Summe
aller übrigen sich zu dem Kochsalz wie 3 und 5 verhält. — Auf
dieses Verhalten hat, wie es scheint, Denis zuerst die Aufmerk-
samkeit gelenkt.
Hiernächst entsteht nun die viel wichtigere Frage, in welcher
Verbindung die in der Asche gefundenen Minerale in der Blut-
flüssigkeit enthalten sind. Leider befinden wir uns nicht in der
Lage, über diesen wesentlichsten Theil der Aufgabe Aufschluss zu
geben; denn 1) wissen wir überhaupt nicht, in welchen gegenseiti-
gen Anziehungen sich die Bestandtheile mehrerer Salze befinden,
die neben einander gelöst sind, mit andern Worten, ob z. B. ClKa
und 2NaOPhO,, und wenn sie in ein und derselben Flüssigkeit
gelöst werden, in dieser noch als solche befindlich sind, 2) kennen
wir die Verbindungen der organischen Sänren des Blutes nicht,
insbesondere ist uns die Stellung der eiweissartigen Stoffe, welche
nach Wurtz und Lieberkllhn schwache Säuren darstellen, zu
den Basen unbekannt, 3) Ist bis jetzt noch keine Angabe geschehen,
ob in der Blutflüssigkeit schwefelsaure Salze Vorkommen und in
welcher Menge. 4) Wie mehrt sich mit der Verbrennung die Menge
der Phosphorsäure? Angesichts dieser Bedenken lässt sich nur Fol-
gendes aussprechen.
Ein Theil des KO oder NaO ist mit den eiweissartigen Stoffen
verbunden, da wie schon erwähnt, diese zum Theil durch Zusetzen
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12
Minerale.
einer Säure zum Serum und zwar eutweder sogleich, oder nach
. vorgängigem Kochen gefällt werden.
Die phosphorsaure Kalk- und Bittererde ist mit den Eiweiss-
körpern verbunden, und zwar wahrscheinlich als dreibasisch phos-
phorsaure. Diese Annahme gründet sich darauf, dass in einer
alkalisch reagirendcn Flüssigkeit, wie sie das Blut darstellt, die
erwähnten «Salze nur dann löslich sind, wenn sie mit Eiweissstoffen
-verbunden Vorkommen; die mit dem Eiweisstoffe des Blutserums
verbundene phosphorsaure Kalkerde (und Magnesia?) ist aber
nach Heintz dreibasische.
Die Blutflüssigkeit enthält wahrscheinlich kohlensaure Alkalien.
Denn wenn man aus der Blutflüssigkeit durch Kochen und die
Luftpumpe alle mechanisch eingemengte CO, entfernt hat, kann
durch eine zugesetzte «Säure eine neue Quantität CO, unter der
Luftpumpe aus ihr erhalten werden*).
Die Gründe, aus denen Liebig und End erlin die Anwesenheit der kohlen-
sauren Salze läugneten, scheinen wiedcrlegt zu sein. Jene Chemiker stützten sich
darauf, dass die Blutasche des Menschen und der Fleischfresser (wohl aber die der
Grasfresser) mit Säuren übergossen , nicht brausst. Wir haben schon angegeben, dass
die kohlensäurehaltige oder knhlensaurenfreie Asche weder die Abwesenheit, noch An-
wesenheit von kohlonsauren Salzen in der Blutflüssigkeit beweisen kann. — Liebig
macht ausserdem geltend , dass die gekochte und filtrirte Blutflüssigkeit bei Einträu-
feln von fiien Säuren keine CO* entwickle. Diese Thatsache ist aber ebenfalls nicht
schlagend, weil die CO, - freie Flüssigkeit begierig die in ihr entwickelte CO* absorbirt,
wie March and und Mul der darthaten , indem sic zeigten, dass, selbst wenn ein
Zusatz von NaOCO* zum Blut gemacht war, starke Säuren keine Kohlensäure aus ihm
frei machten.
Von dem phosphorsauren Natron der Blutflüssigkeit behauptet
man bald, dass es zweibasisches (1’hO,, 2NaO, HO), bald, dass
es dreibasisches (PhOs, 3NaO) sei. Für die letzte Meinung spricht
die Asche, welche kein pyrophosphorsaures Natron enthält. Hiergegen
lässt sieh einwenden, dass das zweibasisch phosphorsaure NaO sich
beim Glühen mit kohlensaurem «Salze in dreibasisches umwandelt,
woraus sich zur Genüge die Abwesenheit von phosphorsaurem
Natron in der Asche erklärt, selbst wenn zweibasisches Salz in
der Flüssigkeit vorkommt. Die Vertheidiger des zweibasisch' phos-
phorsauren Natrons behaupten noch dazu, dass im Blut, d. i. in
einer mit Kohlensäure geschwängerten Flüssigkeit, gar kein drei-
•) March And. Jonrn. für pr. Chemie 37. Bd. p. 321. — Ueber die Controrersc siehe ttasser
der alten Literatur von Grnelln, Tiedcmann , v. Ensehut u. s. w. — Liehig. Annaion 57. Bd.
126. — Lehmann, Journal für pr. Chemie. 40. Bd. 138. — Mulder, Schelk. Ondentoek. V.
Deel. 438.
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Kohlensäure.
13
basisch phosphorsaures Natron bestehen könne, indem es augen-
blicklich in zweibasisches und kohlensaures Salz zerfalle. Da auch
diese letztere Behauptung nicht durch unwidersprechliche That-
sachen erwiesen ist, so muss die ganze Frage dahin gestellt bleibeD.
Die Gegenwart von NaCl und KaCl ist wohl niemals geläugnet
worden. Die Kieselsäure muss, wenn sie vorhanden, in Verbindung
mit Alkalien Vorkommen.
lieber die Art und Weise, wie die Metalle, namentlich die
häutigen, Eisen und Mangan und die seltenen, Blei und Kupfer, ge-
bunden sind, wissen wir nichts.
Den hier angezweifelten Beweis für die Zusammenordnung der einfachen Bestand*
theile zu complizirten glaubt C. Schmidt durch Vergleichung des beobachteten und
des hypothetischen spezifischen Gewichtes der Flüssigkeit gegeben zu haben. Das
hypothetische spezifische Gewicht der Blutflüssigkeit lässt sich über nuch seinen Vor-
aussetzungen ableiten, wenn man weiss, um wie viel die bekannten Volumina des
Wassers und eines löslichen festen Stoffs bei wirklich geschehener Lösung dieses letz-
teren abnahmen , mit andern Worten: wenn man die Verdichtungscoefficienten kennt
Nachdem er diese letzteren bestimmt hat für alle die Stoffe , welche seiner Voraus-
setzung naeh in dem Blutwasscr gelöst sind, macht er die weitere Annahme, dio Ver-
dichtung bleibe dieselbe selbst für den Fall, dass die einzelnen StofTe, statt in Wasser,
in einem solchen Salz - Gemenge , wie es die Blutflüssigkeit darstellt, gelöst seien. —
Diese 'Voraussetzung ist nun freilich willktthrlich j man könnte sie jedoch diessmal eine
glückliche nennen in . Anbetracht der von ihm gefundenen Ueberstimmung zwischen
dem hypothetischen und dem wirklich beobachteten spezifischen Gewichte. Bei ge-
nauerer Ueberlcgung ist aber gerade diese Uebercinstimmung geeignet, Misstrauen zu
erregen. Denn es sind die von ihm angenommenen Stoffe der Blutflüssigkeit : KOSO3;
KaCl; NaCl; 2Na0Ph08; NaO; 3CaOPhü5; 2MgOPh()s; Albumin, Fibrin. — Wie
man sogleich sieht , sind dieso Stoffe zum Theil offenbar gar nicht im Blute vorhan-
den, wie z. B. KO SO3; NaO, und andere übersehen wie das Albumin-Natron, die Fette
u. s. w. , Umstände, welche im günstigsten Falle beweisen, dass für die Solzbcstand-
thcile die vorgeschlagcno C'ontrolc nichts leistet.
14. Die Kohlensäure nimmt der Menge und ihres beson-
deren Verhaltens wegen den ersten l'latz unter den diffusibleu
Gasarten der Blutflüssigkeit ein. Auf die Menge schliessen wir in
Ermangelung einer genllgenden Analyse aus dem grossen Absorp-
tionsvermögen (der faserstofffreien) Blutflüssigkeit*), welche unter
dem Atmosphärendruck mit CO, gesperrt das anderthalbfache bis
doppelte ihres Volumens von dem Gas aufnimmt (Scherer **),
M nid er )***). Da H. Nasse diese Beobachtung dahin erweitert
hat, dass ein Blut um so mehr CO, absorbirt, je reieher seine
*) Nachdem alc vorher durch Stehen an der Luft ihre verdunstbare COa verloren ?
**) Lleblga Annalen, so. Bd. p. 30.
Phyalolog. Chemie, Braunnchweig 1186.
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14
Sauerstoff und Serum.
Asche an NaOCO, ist; da nach der vollkommenen Sättigung mit
CO, die Flüssigkeit noch alkalisch reagirt, und da die gesättigte
Blutflüssigkeit mit fixen Säuren versetzt, die Hälfte ihrer CO, selbst
in einer kohlensänrehaltigen Atmosphäre verliert, so kann man
nicht im Zweifel sein, dass dieser CO, — Antheil durch eins der
alkalisch reagirenden Blutsalze NaOCO, oder 2Na0Ph05 auf-
genommen und verdichtet wurde. Vergleiche die Gase des Ge-
sammtblutes.
1 5. Die Gegenwart des Stick- und Sauerstoffs vermuthen
wir, weil die Blutflüssigkeit als eine wässerige Lösung beide Luft-
arten in geringen Mengen anfnimmt. Wir haben keinen Grand, anzu-
nehmen, dass die Gasarten anders als diffundirt darin enthalten seien.
16. Der Wassergehalt der Blutflüssigkeit ist im Mittel auf
90 bis 93 pCt. gefunden worden.
S e r u ui. Derjenige Antheil der Blutflüssigkeit, welcher zurlick-
bleibt, nachdem der Faserstoff ausgeschieden ist, wird altem ärzt-
lichem Herkommen gemäss Serum sanguinis genannt. Dieses
Serum ist von praktischer Bedeutung für die Blutanalytiker, weil
nur diese, nicht aber das gesummte Plasma der Untersuchung so
weit zugänglich ist, dass spez. Gewicht, Farbe, Cousistenz u. s.lw.
beobachtet werden können.
Da in der That die Menge des ausfallenden Faserstoffs sehr
gering ist, und die Eigenschaften desselben, so lange er in Lösung
befindlich, soweit wir wissen, sich nicht von denjenigen der übrigen
Eivveissstofl'e unterscheiden, so würde eine Uebereinstimmung in
den physikalischen Verhältnissen von Plasma und Berum statuirt
werden dürfen, wenn dieses letztere nur hinreichend rein erhalten
werden könnte. Dies ist aber nur selten der Fall.
Das Serum gewinnt man entweder so, dass inan das aus der Ader gelassene Blut
sogleich gerinnen lässt. Der durch die ganze Masse de* Blutes vertheiltc Faserstoff
Bchlicsst bei seiner Gerinnung sämmtlichc Blutkörperchen sammt der Blutflüssigkeit
ein, so dass unmittelbar nach derselben das Blut einen zusammenhängenden, sehr
lockeren Xuehen bildet. Nach einiger Zeit aber beginnt die Zusammenzichung des
Faserstoffs, so dass nun die Blutflüssigkeit aus dem Kuchen ausgetricben wird, wäh-
rend ein sehr grosser Theil der Körperchen des Blutes, welcher auf dem Fascrstoff-
balken aufgelagert ist, den Bewegungen derselben folgt und in dem Kuchen eingc-
schlossen bleibt So unternimmt das Blut selbst eine Filtration , die wir vergebens
künstlich nachauahmen versuchen. — Begreiflich ist aber auch diese Filtration keine
vollkommene und namentlich tritt ein aufgeschwemmter Bestandtheil, der dem Faser-
stoff- weniger stark zu adhäriren scheint, die sog. Lj-mphkörperchen , mit dem Serum
aus dem Kuchen. Diese Körperchen sind nun entweder spez. leichter'als das Serum,
sie treten nach oben (und können zura Theil wenigstens abgehoben werden?) oder sie
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Blutscheiben.
15
Hind von gleicher Eigenschwere ; diese verunreinigen also das Serum. Da das Filter,
welches dem Blutserum noch den Durchtritt gestattet, sie nicht zurückhält, so werden
aie nicht von der Blutflüssigkeit getrennt und bilden immer vorkommende Verunrei-
nigungen derselben. — Zuweilen zieht man es vor, das Blut nach dem Austritt aus
der Ader sogleich zu schlagen zur Abscheidung des Faserstoffs und die zurtickhleibende
Flüssigkeit sich selbst zu überlassen ; bei vollkommener Ruhe derselben senken sich
dann die rothen Körperchen desselben allmählig zu Boden. Das auf die eine oder
andere Art geschiedene Serum hebt man dann vorsichtig mit der Pipette vom Boden-
satz oder dem Blutkuchen ab.
Das. spez. Gewicht des meist gelblich gefärbten Serums wird
im Mittel zu 1028, das des Wassers = 1000 gesetzt, angegeben.
B. Aufgesebwemmte Blutbestandtheile.
Zu ihnen gehören die Blutscheiben, die Lymphkörpercheu, die
Molekularkömeben und Faserstoffschollen.
a. Die Bluts eh eiben sind im Blute ungemein zahlreich
vertreten, indem nach den Zählungen von Vierordt*) und
II. Welker**) in einem Cubikmillimeter Blut 4 bis 5,5 Millionen
Stück enthalten sind.
Die Zählung der Blutkörperchen ln einem genau gemessenen Blutvolumen ist zu-
erst von Vierordt ausgeführt; diese mühsame Arbeit ist durch die Welkcr'schen
Verbesserungen der Technik wesentlich vereinfacht worden. Sie würde nach diesem
letzteren Autor zu einer verhältmssmässig sehr leichten werden, wenn sich die An-
nahme desselben bestätigte, dass die färbende Kraft des Bluts in einer- festen Be-
ziehung zu der Zahl seiner Körperchen stände. Wäre dieses der Fall so würden die
Körperchen in einem C.-Mm. Blut gezählt, und zugleich ein anderes bestimmtes Volum
desselben Bluts mit einem gemessenem Volum einer farblosen Flüssigkeit z. Bi ver-
dünntem Alkohol zu vermischen sein ; sollte nun der Blutkörperchcngch< einer andern
Blutprobe ermittelt werden, so verdünnt man diese so lange mit derselben farblosen
Flüssigkeit, bis sie die Farbe der ersten Mischung angenommen. Die Blutkörperchcn-
xahlcn verhalten sich wie die Volumina der Zusatzflüssigkciten.
1. Anatomisches Verhalten ***). Die Blutscheiben sind kleine
Zellen, deren Inhalt rotli oder grlln (Brücke) gefärbt ist; obwohl
ihre Form keineswegs als eine beständige anzusehen ist, so stellt
doch die weitaus grösste Zahl derselben Rundscheiben dar, die auf
der Fläche liegend, sich wie eine oben hohle Linse ausnehmen,
während sie auf dem Rande stehend das Ansehen eines Biscuits
darbieten. Auf eine Vertiefung der obern Fläche schliessen wir
aus der Vertheilung, die hier das Licht eines Büschels erfährt,
welches von der untern Fläche her mit parallelen Strahlen in die
Blntscheiben eingedrungen ist; bekanntlich erscheint beim durch-
«) Archiv f. phyilol. Heilkunde. Xi. 20. 227. OM. Xlll. 299.
Prager Vlerteljehrechrm. XI, IV. 11.
•••) Kü 111k er, Handbuch der Gewebelehre. 5. 0«. — Vierordt, Archiv fiir phyalnlog. Heil-
kunde. XI. 864.
'S
JDigiti^ed-by Google
16
Blutacheiben.
fallenden Liebt die belle Mitte des Blutkörperchens von einer
leichten Verdunklung umgeben, auf die nach aussen ein heller
Ring folgt; analysirt man aber den Gang der parallelen Strahlen
1234 Fig. 1. durch die planeocave
Linse aa. , so wird man sogleich
sehen, dass auf der oberen Fläche
die Mitte hell, der ausgebogene
Theil lichtschwach, und der Rand
wieder lichtstark erscheinen muss.
— Die Biscuitform der auf der
Kante stehenden Blutscheiben be-
weist, dass der Rand nicht überall
gleich breit ist, denn sonst müsste
diese Ansicht ein Rechteck darstellen. — Ausser dieser häufigsten
Gestalt kommen noch andere vor, zuweilen steht die Vertiefung
excentrisch, oder die Scheibe ist auf beiden Flächen erhaben, oder
die Ränder tragen Zacken.
Die Blutkörperchen der ersten Form kann man in ein kugeliges Gebilde verwan-
deln, wenn man die Blutflüssigkeit, in der sie schwimmen, mit Wasser verdünnt, wo-
durch wahrscheinlich in Folge einer Diffusionsströmung der Inhalt vermehrt wird. —
Die Zackenform erhalten die Körperchen, wenn sie in eine concentrirte Lösung von
Glaubersal», Zucker u. s. w. gebracht werden. Ueber andere Formveränderungen siehe
bei Lind wurm *) , Donders, Moleschott ••), 8 tanni u s •**) , Lehmann f).
Der Inhalt der Blutscheiben ist bald mehr, bald weniger tief
gefärbt, bald ist er klar, bald noch mit Körnchen und Krümeln
gefüllt.
2. Chemische Beschaffenheit. Um das Blutkörperchen behufs
seiner quantitativen Zerlegung vom Plasma zu sondern, hat F.
Hoppe ff) einen schon von Zimmer mann fff) angedeuteten Weg
eingcschlagen. Er ist ausführbar an Blut, dessen Körperchen sich
schon merklich gesenkt haben, bevor die Gerinnung des Faserrtoffs
eingetreten. Von einem solchen Blut schöpft man das über dem
rothen Theil stehende Plasma ab, und bestimmt, nachdem die Ge-
rinnung in den beiden gewogenen Portionen (der farblosen und
der gefärbten) cingetreteu, den Faserstoff. Da man den Faserstoff
als nur dem Plasma angehörig ansehen darf, so gewinnt mau aus
Fig. I.
*) Zeitschrift v* llcnlc u. Pfeuffer. VI. Bd. 266.
*•) Holland, Beiträge p. 360 u lllaatr. mod. Zeitg. III. 79.
■■•) Beohachtg. Über VerjUngunguvorgÄnge. Rostock 185.1.
t) Physiolog. Chemie. II. 164.
ff) Archiv für phyaiolog. Heilkunde. XI. 398.
ftt) Virchowa Archiv XU. Bd. 4M.
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Blutsoheiben.
17
der bekannten Verhftltnisszahl zwischen Plasma nnd Faserstoff nnd
dem bekannten Faserstoff des Blutkuchens, den Plasmagehalt des
letztem durch Proportionsrechnung. Wäre nun der Blutkuchen und
das reine Plasma weiter zerlegt, so würde man auch die Zusammen-
setzung des im Blutkuchen enthaltenen Plasma’s finden können,
und es würde durch Snbtraction der ihm augehörigen Stoffe von
den entsprechenden im gesummten Blutkuehen gefundenen die Zu-
sammensetzung der Blutkörperchen zu berechnen sein.
Diese Methode verlangt, was besonders zu betonen ist, dass die Scheidung von
Plasma und dem gefärbten Blutanthcil vorgenommen wird , bevor die Gerinnung ein-
trat; denn ohne diess würde man das wahre Verhältniss zwischen Plasma und Faser-
stoff nicht finden, weil nach Ausscheidung des letztem augenblicklich das diffusive
Gleichgewicht zwischen den rothen Scheiben und der umgebenden Flüssigkeit gestört
sein würde. — F. Hoppe fordert auch, und zwar mit Recht, eine noch viel ge-
nauere Bestimmung des Faserstoffs als die bisher gebräuchliche , hei der man weder
die geformten Einschlüsse in das Gerinnsel , noch auch dieses selbst ohne Zersetzung
auswaschen kann. Würde das Verfahren zu einem wirklich strengen erhoben, so müsste
es als ein grosser Fortschritt begrüsst werden. Diese Hoffnung steigt um so mehr,
als Brücke uns das Blut sehr langsam gerinnen lehrte. — Alle andern Methoden,
welche zur Sonderung dor Blutkörperchen vorgeschlagen sind , beruhen entweder auf
unrichtigen Voraussetzungen oder die an und für sich richtigen Vorschläge sind un-
ausführbar. Sie sind der Reihe nach aufgezählt:
1. Filtration. Vorsetzt man ein von Faserstoff befreites Blut mit seinem
mehrfachen Volum einer concentrirten Glaubersalzlösung , und leitet durch dasselbe,
nachdem es auf ein Papierfilter gebracht worden, Sauerstoffgas, so wird nicht allein
die Mehrzahl der Körperchen zurückgehalten, sondern es lässt sich auch durch Glauber-
salz der Rückstand so vollkommen auswaschen, dass die Waschflüssigkcit kein CINa
und keine organischen Bestandtheile, namentlich kein Eiwciss mehr onthält. (Bcrze-
lius, Dumas*), Lecanu**)). Diesen ausgewaschenen Rückstand haben einzelne
Chemiker für reine Blutkörperchen angesehen, eine Meinung, welche sowohl die phy-
sikalische Ueberlegung wie auch das optische Verhalten als unrichtig erweist, indem
die Körperchen, wie wir schon erfuhren, unter dem Einfluss der Salzlösung ver-
schrumpfen und ihre Form ändern; diese Formänderung, namentlich das Schrumpfen
derselben, ist nothwendig, wenn man bedenkt, dass der Inhalt durch die für wässrige
Lösungen durchgängige Membran auf diffusivem Wege der Glaubersalzlösung einen
Theil seiner Bestandtheile abgeben und dafür andere empfangen muss. Einen weiteren
Beweis für diese Behauptung wird man zu liefern im Stande soin, wenn man eine
solche mit Glaubcrsalxlösung gewaschene Blutkörperchenmasse einige Zeit in dieser
Lösung aufbewahren und diese letztere auf ihre Bestandtheile untersuchen würde. Diese
Einwendungen, können natürlich dem Filtrationsverfahren seinen grossen Werth für die
qualitative Untersuchung des Blutkörperchens nicht rauben.
2. Man behauptete zu verschiedenen Zeiten (Dumas-Prevost, C. 8chmidt***),
dass ein oder der andre Stoff nur der Blutflüssigkeit oder dem Serum, nicht aber den
•) Compt. rend. XXII. 900.
••) tbld. XXV. U.
—) I. c. p. 18.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 2
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18
Blutscheiben.
Körperchen eigen sei. So hielten Dumas und Prevost dafür, die Blutkörperchen
seien mit Serum durch tränkte und gefüllte Säcke ; indem somit das EigentUümliche
der Blutscheibe nur in ihrer Haut bestehen sollte, sprachen sie ihr allen Wassergehalt
ab. Diese Annahme ist aber durch mancherlei Thatsachen, insbesondere durch die
Untersuchung der Ältrirtcn Blutkörper widerlegt. — C. Schmidt*) nimmt an,
dass das Chlor der Blutscheiben mit Kalium , das des Serums mit Natrium verbunden
sei, so dass also dem einen Bestandteil das Chlorkalium, dem andern das Kochsalz
abgehe. Diese Annahme ist aber rollkomen willkürlich, weil selbst nach seinen Beob-
achtungen neben NaCl und KaCl noch die Anwesenheit von NaO in den Blutscheiben
und von KaO in dem Serum fcststeht. —
3. Zimmermann und Vierordt haben vorgeschlagen, ein Gemenge von
Serum und Scheiben einem Stoff von beliebiger Zusammensetzung beizumischen , für
welchen die Blutscheibenhülle undurchdringlich sei und der, obwohl er sich im Wasser
löse, weder Wasser, noch irgend einen andern Bestandteil des Blutscheibeninhaltes
an sich ziehe. Gabe cs einen solchen Körper, so, würde die Aufgabe gelöst sein : den
Gehalt einer beliebigen Blutmenge an Serum und Scheiben und daraus die Zusammen-
setzung der letztem zu bestimmen. Denn man hätte zu einem bekannten Gewicht Blut
eine gewogene Menge des fraglichen Stoffs zu setzen , aus diesem Blut Serum zu ge-
winnen und den prozentischen Gehalt desselben an dem zugesetzten StofT zu ermit-
teln; offenbar würde dann aus der eingetretenen Verdünnung die Masse dos anwesen-
den Serums gefolgert werden können. Dieser einfache Vorschlag scheitert aber daran,
dass es schwerlich einen Stoff von den verlangten Eigenschaften giebt; nach den bis
dahin vorliegenden Thatsachen Über Diffusion, würde nur der Zusatz die verlangten
Eigenschaften besitzen, dessen Zusammensetzung mit der des Serums znsamroenfielen,
mit andern Worten: ein solcher, der sich schon diffusiv mit dem Inhalt der Blutkör-
perchen ausgeglichen. Dieser Zusatz würde uns aber nichts helfen, denn damit würde
die prozentische Zusammensetzung des Serums nicht umgeändert und auf dieser Um-
wandlung beruht die Brauchbarkeit des Verfahrens.
4. Man hat auch den Versuch gemacht, das Volum der Blutkörperchen oder des
Serums zu bestimmen, entweder, indem man die Blutkörperchen eines bekannten Volums
Blut zählte und die Zahl mit dem Volum eines Blutkörperchens multiplizirte , dessen
Durchmesser man unter dem Mikroskop bestimmt hatte, oder indem man Scheiben aus
dem Blutkuchen schnitt und die Zwischenräume zwischen den einzelnen Blutkörperchen
zu messen suchte u. s. w. Man kann kaum der Meinung sein, dass es mit diesem
Vorhaben Emst gewesen sei.
Von quantitativen Bestimmungen liegt nur die des Wassergehalts
der Blutkörperchen vor. Er betrug im Blute eines Pferdes, dessen
Serum in 100 Theilen = 90,824 Wasser enthielt =* 56,5 pCt.
(F. Hoppe) **).
An andern bis dahin nur qualitativ bestimmten Stoffen sind die
Blntscheiben eigen:
•) 1. c. p. 18.
••) Hoppe rechnet nach seinen Beobachtnngszahlen G'i.M* pCt. Wasser am, wozu sie aber
nicht fuhren.
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Blutacheiben.
19
Eiweissstoffe*) und zwar als Hülle der Blutkörperchen in
fester und iminhalt derselben in flüssiger Form (Globulin). Die
chemischen Eigenschaften und die Zusammensetzung lässt sich nicht
angeben, da keiner von beiden rein genug dargestellt ist.
Haematin. Der rothe Stoff, gewonnen nach dem Verfahren
von Lecanu, Gmelin und Wittich **) scheint weder rein noch un-
verändert zu sein, doeh steht er den unveränderten mindestens sehr
nahe, denn er kann wie der Blutfarbstoff den dichroitischen Zustand
annehmen, d. b. er erscheint bei auffallendem Lichte roth und bei
durchfallendem grün, wenn seine ammoniakalische Alkohollösung
mit viel Wasser, oder mit Kali, Natron, NaoCO, , KOCO,,
Amo. CO, oder CO, versetzt wird (Brücke)***). Ausserdem theilt
er mit dem frischen Blutfarbstoff die Eigenschaft, die Guajaetinktur
blau zu färben, wenn er ihr gemeinsam mit altem Terpentbinöl
oder Wasserstoffsuperoxyd zugesetzt wird. Dieses Verhalten stellt
ihn in die Reihe der Körper, welche den gewöhnlichen Sauerstoff
in Ozon umwandeln (His ****), Schönbein).
liaeiuatin und Globulin im Gemenge (Hacmin und Haematocryst&llin) sind neuer*
dings vielfach auf ihre KrysUllitationsersohein ungen untersucht worden von Kunde,
Funke, Lehmann f), Toichmannff), Meckel fff). Diese ungemein interes-
santen Thatsachen sind leider noch von keiner tüchtigen chemischen Hand benutzt
worden, um uns Aufklärung Uber die chemische Natur der genannten Stoffe zu Ver-
schaffen. — Wesentlliche Fehler in den Resultaten dor L e c a n u * sehen ttt+) Unter-
suchung über die Eigenschaften desselben Gemenges weist Wittich nach; dem ent-
sprechend verlieren auch die Dumas 'sehen Elementaranalysen der hltrirtcn und ge-
trockneten Körperchen ihren letzten Werth.
Ein phosphorhaltiges Fett; der ätherische fettartige Aus-
zug der mit Glaubersalz filtrirten Scheiben binterlässt 22pCt. einer
sauren phosphorsauren Kalkasche.
Die Asche der Blutkörperchen ist reicher an Eisenoxyd und
phosphorsauren Alkalien und reicher an Kali (H. Nasse §),
Schmidt §§), Wcber§§§) und die Summe der Kalien und Erden
*) Doudcrs und Moleac hott in den holländischen Beiträgen p. 40 und cbcudaselb«t
p. 360. — Lehmann, pbyslolog. Chemie. II. Bd. 165. •
••) Journ. f. prakt. Chemie. Gl. Bd. 11. — Pharma*. Centlall. I. 1S54. Nr. t3.
***) Sitzungsbericht der Wiener Akademie. XI. Bd. 1070. Pbarmaz. Ccntralbi. IBM. Nr. 14.
••••) Virchowe Archiv X. Bd. 499.
" f) Leipziger akadem. Berichte. 1862 p. und 29. 1863 p. 111. Auagczogen im Journal für
prakt. Chemie. —
ft) Zeitschrift , Heule und Pfeuffer N. F. III. 376.
ttt) Ceber Haematogiobnlin , Dänisch« Klinik 1862.
ttt!) Pharm az. Ceatralbl. 1862. 708.
f) Wagners Handwörterbuch. 1. Bd. 177 u. 180.
H) I. c. p. 30.
W§) Pogg. Annal. 81. Bd. 91.
2*
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20
Blutscbeibeu.
ist in gleichen Gewichtetheilen Blutkörperchen geringer als in dem
Serum. —
Die Blutkörperchen enthalten endlich auch auf mechanischem
Wege abscheidbare Gase, insbesondere Sauerstoffgas, da die Volum-
einheit eines Gemenges von Körperchen nnd Serum mehr Sauerstoff
zu absorbiren vermag als die des Serums. (J. Davy, H. Nasse *).
Da die Volumeinheit des Gesammtbluts noch weniger CO, aufnimmt
als die des Serums, so beweist dies», dass die Körperchen wenig
oder gar keine CO, anfsaugen. Leitet man Sauerstoffgas durch
Blut, so nimmt es eine hellrothe Farbe an; fttgt man während, die
Einleitung von 0 fortdauert, dem Blute Rohrzucker, Weinstein oder
essigsäurefreien Alkohol, oder ameisensäurefreien Methylalkohol
oder ölsaures Natron oder kohlensaures Ammoniak zu, so findet
man nach 21 bis 22 Stunden den Rohrzucker und Weinstein gar
nicht die Oelseife nur theilweise wieder, statt des Alkohols und
Essigsäure und statt des Methyls Ameisensäure und statt des Am-
moniaks Salpetersäure. Trägt man unter gleichen Bedingungen
die oben erwähnten Stoffe in das Serum ein, so findet man sie
unverändert (Ketzinsky **). Hieran schliesst sich die Betrachtung
von Schönbein***), dass eine mit Terpenthinöl oder Wasserstoff-
superoxyd vermengte Guajactinktur durch einen Zusatz von Blut,
nicht aber durch Serum blau gefärbt wird. Diese Eigenschaft ist
vom Eisengehalt der Körperchen abhängig, da weder Fäulniss
noch Siedehitze, wohl aber Entziehung des Eisens die Erscheinung
aufhebt — Nach Lothar Meyer f) kann der in das Blut aufge-
nommene Sauerstoff durch Kochen leicht wieder aus ihm entfernt
werden; setzt man aber dem Blut bis zum schwachen Ansäuren
Weinsteinsäure zu, so wird der Ostoff zum grössten Theil so fest
gebunden, dass er nicht wieder ausgetrieben werden kann. —
Endlich beobachtete Harlayff) dass, wenn man mit geschla-
genem Blut atmosphärische Luft 24 Stunden hindurch in Berührung
lässt, dieses Ostoff bindet und CO, in mehr als doppelt so grosser
' Quantität ausgiebt, als das Serum unter gleichen Umständen.
Alle diese Thatsachen zeigen, dass die Blutkörperchen nicht allein
eine ausgesprochene Verwandschaft zum Sauerstoff besitzen, son-
•) I. c. 177.
*•) Scherer** Jahresbericht fUr pbysiulof. Chemie fUr IBM. p. 104.
•••) MUnchncr akademische Denkschriften nnd Schriften der natnrforschsnden Gesellschaft in
Basel 1 HAH. II. 9.
■f) Henle's und Pfenffer's Zeitschrift. N. F. VIII. Bd.
■J Scherer, Jahresbericht fUr phyalolog. Chemie fUr IHM» p. 1A7.
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Lymphkörperchen.
21
dem noch mehr, dass eie dieees Element anch befähigen, chemische
Verbindungen einzugehen, die ohne ihre Vermittelung nicht zu
Stande gekommen wären.
Schüttelt man das Blut einige Minuten lang mit C0„ so nimmt
es eine dunkle Farbe an, und wird dichroitisch. Diese Doppel-
farbigkeit kann ihm durch Berührung mit Ogas wieder entzogen
werden (Brücke). Schüttelt man das stark mit Wasser verdünnte
Blut dagegen 10 — 15 Minuten lang mit CO,, so wird das Blut
braun und die rothe Färbung kann ihm durch Zufuhr von Sauer-
stoffgas nicht wieder gegeben werden (Heidenhain)*).
Kohlenoxyd treibt da« mit den Körperchen verbundene Ogaa au« und färbt die-
selben kirschroth, diese Färbung kann durch 0, COt, Kochen und da« Vacuura nicht ent-
fernt werden, woraus in Verbindung mit der allbekannten Erfahrung, dass das Athmen
dieses Gases zur Erstickung fährt, zu schliessen ist, dass .die Verbindung des Blut-
roths mit CO die Aufnahme von 0 verhindert. (F. Hoppe)**), CI. Bernard,
L. Meyer.)
b — d. Lymphkörperchen, Molokularkörnchen, Fa-
serstoffschollen finden sich neben den farbigen Körperchen im
Blut aufgeschwemmt ; da weder Uber die chemische Zusammen-
setzung und noch weniger über die physiologischen Beziehungen
dieser Stoffe etwa» bekannt geworden, so unterlassen wir es hier,
ihre Form darzustellen, welche ausführlich in den Lehrbüchern
der mikroskopischen Anatomie behandelt wird. Diese Gebilde
zeigen***) (Wharton, Jones, Robin, Lebert, Lieber-
kühn, Ecker, Häckel) sehr langsame Bewegungen, in Folge
deren sie aus der Kngel- in die Stern- und noch manche andere
Formen übergehen.
Die Zahl der farblosen Körperchen ist viel geringer als die
der farbigen; nach den Zählungen von Welker f) sind in
1 Cubikmillimeter Blut zwischen 8000 bis 13000 enthalten, so dass
nach zwei vergleichenden Zählungen auf 350 bis 500 rothe 1 farb-
loses kam. Ueber die wechselnden Mengenverhältnisse der Lymph-
körperchen sind die Artikel: Milz, Leberblnt, Blut während der
Verdauung nach gewissen Nahrungsmitteln, und Uber die Bezie-
hung zwischen Blut und Lymphkörperchen ist der Abschnitt Uber
Lymphe nachzusehen. —
*) Disqalsitionea critlcae et experimentale« de sanguinis quantitato. Halae 1857. p. 33.
**) Vlychows Archiv XI. Bd. 388.
•••) Müllers Archiv 1857. HO. Würzburger Verhandlungen Dsscmber 1858. —
|) I. c. p. 34.
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22
BluUnalysf
C. Oesammtblut.
1. Eine erschöpfende quantitative Analyse des Gesammtblnts
kann erst dann 7,nr Ausführung kommen, wenn es gelungen ist,
die Blutkörperchen von der Blutflüssigkeit scharf zu trennen und
wenn uns nicht allein alle Blntbcstandtheile, sondern auch eine
quantitative Bestimmungsmethode jedes einzelnen bekannt ist. In
Ermangelung einer solchen begnügt man sich mit der annährend
richtigen Bestimmung einzelner Bestandtheile des Bluts, und nament-
lich ermittelt man den Wassergehalt, die Summe der im kochenden
Wasser unlöslichen Bestandtheile (Hüllen der Blutkörperchen, Eiweiss-
stoffe der Körperchen und der Flüssigkeit mit eingeschlossenen
Salzen), der in Aether, in kochendem Alkohol und in Wasser lös-
lichen nnd der nnverbrennlichen Bestandtheile, sowie ferner des
Wassergehaltes der Blutkörperchen. Obwohl man auf der von
Hoppe verfolgten Bahn noch weiter Vordringen könnte, so kann
doch aus diesen Beobachtungen niemals die ganze Bedeutung des
Bluts nnd seiner Veränderungen gefunden werden. Damit ist nicht
ausgeschlossen, dass die gewonnenen Erfahrungen über diesen oder
jenen Punkt Aufschluss gewähren.
Unter den Methoden, welche Plasma und Blutkörperchen bestimmen wollen, ist nach
Princip und Ausführung zugleich die einzig richtige schon erwähnte, welche Zimmermann
vorschlug; allen äbrigen gelingt es nur die Bestandtheile im Ganzen zu bestimmen,
ohne dass sic auf das Plasma oder die Körperchen bezogen werden könnten. Unter
diesen beschränkteren V erfahrungsarten zeichet sich, nach übereinstimmenden Angaben,
die von Prcvost und Dumas, welche Scherer*) verbessert hat, aus. Letzterer
fängt zwei Portionen Blut, jede Von ungefähr 60 Gr. gesondert auf. Aus einer der-
selben gewinnt er Serum und bestimmt in diesem das Wasser, das Eiwoiss, die Ex-
trakte und die in Wasser löslichen Bestandtheile der Asche, aus der andern das Wasser,
den Faserstoff, das Gemenge der in kochendem Wasser unlöslichen Bestandtheile der
Blutkörperchen und dos Serums, die Extrakte, das Fett und die in Wasser löslichen
Bestandtheile der Asche im Gesammtblut. — Indem er dann der Annahme von Pre-
vost und Dumas folgt, dass die Blutkörperchen aus unlöslichen StofTcn bestehen,
welche von Serum durchdrungen in dem Blute schwimmen, berechnet er aus dom bekannten
Wassergehalt des gesammten Bluts und des Serums die sogenannten trocknen Blutkörperchen.
Obwohl schon dargethan ist, dass diese letztere Berechnung nicht mehr zulässig ist,
so wollen wir doch noch einmal in ganz populärer Form unsern Gegenbeweis wieder-
holen. Wenn die Flüssigkeit, welche die Blutscheiben durchtr&nkt, eine andere Zu-
sammensetzung als die des Serums besitzt, so kann tfus dem bekannten Wassergehalt
des Serums und des Blutes derjenige der Blutkörperchen nicht abgeleitet werden.
Offenbar nämlich kann z. B. ein Blut, das in 100 Theilen 20 Theile Rückstand und
dessen Serum in 100 Theilen 10 Theile Rückstand lässt, auf millionfache Weise zu-
•) Scherer, patholog. chemische Untersuchungen. Haesers Archiv 1848. — A. Otto Bei-
trag zu den Analysen des gesunden Bluts. Würxburg 1848. — Gorup-Besanes. Vergleichende
Untersuchungen- etc. Erlangen 1880.
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Blutanalys«.
23
sammengesetzt gedacht werden and so a. A. einmal in der Art, das» 100 Theile aus
25 Theilen Serum und 75 Theilen Blutkörperchen mit 23,33 pCt. Rückstand oder aus
75 Theilen Serum und 25 Theilen Blutkörperchen mit 54,0 pCt Rückstand bestehen,
ln beiden Fällen würde aber das Serum 10 pCt. und das Gesammtblut 20 pCt Rück-
stand gegeben haben. — Dieser .Einwurf behauptet also, dass innerhalb eine» Serums
von gleicher Zusammensetzung Blutkörperchen des allervorschiedenartigsten Wasserge-
halte« schwimmen können. — * Dieser Einwurf ist aber nicht im Entferntesten unwahr-
scheinlich, einmal, weil ein und dasselbe Blutkörperchen von seinem Auftreten in dem
Blut bis zu seinem Verschwinden wahrscheinlich mancherlei Umänderungen in seiner
Zusammensetzung erfuhrt und dann, weil selbst unter der Yoranssotznng, dass alle
gleichzeitig vorhandenen Blutkörperchen mit einer wässrigen Flüssigkeit von derselben
Zusammensetzung durchtränkt wären, doch das Verhältnis* dieser Flüssigkeit zu den
Fetten und der Hülle sehr veränderlich sein kann. Darum gilt auch die Ausflucht
nicht, welche man zur Festhaltung der Dumas-Pre v ost’ sehen Berechnung benutzt
hat, die nämlich: dass wenn dss Serum gleich zusammengesetzt wäre, so müsste auch
jedes Blutkörperchen gleiche Zusammensetzung tragen und demgemäss könnten , Wenn
die RUckstandsprozente zweier Blutarten mit gleich zusammengesetztem Serum ver-
schieden ausfalleu, die Unterschiede nur bedingt sein durch die ungleiche Zahl der
Blutkörperchen. Dies vorausgesetzt, geben die Analysen allerdings keinen Aufschluss
über die absolute Quantität dieser letztem , wohl aber über das Verhältniss derselben
zwischen den beiden Blutarten, und somit sei die Berechnung auch von relativem
Werth. — Diese erst noch zu beweisende Annahme wird aber ganz willkührlich,
wenn wie gewöhnlich gar auch noch Blutarten verglichen werden , deren Serum von
ungleicher Zusammensetzung ist. In diesem Fall kann unbczweifclbar die Auslegung
auf verschiedene Weise geschehen, auf die nämlich, dass bei gleicher Zusammensetzung
die Zahl, oder bei gloicher Zahl die Zusammensetzung f oder Zahl und Zusammen-
setzung der Scheiben in den beiden Blntarten abweiche.
Dem Vorschlag von Yierordt*) folgen wir, da er unausführbar ist, nicht in
seinen vielfältigen Verwicklungen , sondern begnügen uns, die theoretische Grundlage
desselben an einem Beispiel klar zu machen; der Einfachheit wegen denken wir uns
statt des Serums reines Wasser und statt der Blutkörperchen eine mit Wasser gefüllte
Seifenblase in ihm schwimmend, von so zarter Constitution, dass sie ohne zu zerreissen
nicht aus dem umgebenden Wasser genommen werden könnte. Um zu bestimmen, wie
viel Wasser ausser - und innerhalb der Seifenblase gelegen wäre, hatte man nach Vier-
ordt so zu verfahren, dass man einen beliebigen Stoff in dem äussern Wasser auflöstc,
der die Eigentümlichkeit besasse, weder durch die Seifenhaut hindurch in das innere
Wasser zn dringen, noch anch durch diese Wasser an sich zu ziehen. Gäbe es einen
solchen Stoff, so würde dies Verfahren einfach zum Ziols führe»; denn hätte man
z. B. 1 Gr. des Stoffs in die äussere Flüssigkeit geworfen und nähme man , nachdem
dieses Gramm gelöst und gleichmässig vertheilt wäre, einen gewissen Antheil, z. B.
20 Gr. ans der Flüssigkeit heraus und fände bei der Untersuchung derselben 0,25 Gr.
des Satzes darin, so müsste die ganze Menge der Flüssigkeit 79 Gr. betragen haben. —
Nun ist aber sogleich ersichtlich , dass es aus bekannten Gründon der Diffusion einen
solchen Stoff nicht geben kann, vorausgesetzt, dass er nicht mit der umgebenden Flüs-
sigkeit gleich zusammengesetzt wäre. Ein solcher Stoff müsste nämlich die Eigcn-
•) Archiv für pbysiolog. Heilkunde. XI. 24 u. H7.
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24
Blutanalyse.
schaft haben, zu dem Wasser der Blase keine, zu dem der flüssigen Umgebung aber
Verwandtschaft zu zeigen.
Wem es anliegt eine vollkommene Einsicht in die Unzugänglichkeit der bis dahin
aufgezählten Methoden zu gewinnen, den verweisen wir auf die gediegene Diskussion
unseres Gegenstandes, welchen P. du Boizt) vom ganz allgemeinen Standpunkt an-
gestellt hat. «
Par c happe**) und Zimmer mann ***) versuchen die Blutkörperchen einfach
durch Filtration, resp. durch Abtropfon des Blutserums von den Blutkügelchen zu sondern.
Natürlich wird Niemand glauben, dass das auf dem I^einwandfilter liegende Blutkör-
perchen bis zur ehern. Reinheit von Serum befreit werde. Die Analyse kann also nur
in der Hoffnung unternommen sein, dass bei verschiedenen Blutarten immer ein relativ
gleichor Antheil von Serum an dem Kuchen zurückbleibe. Diese etwas unwahrschein-
liche Unterstellung kann nicht bewiesen werden.
Wir fühlen uns ausserdem noch veranlasst zu bemerken, dass auf die Arbeiten
von Becquorel und Rodior keine Rücksicht genommen wurde. Den Grund dafür
findet man auf Seite 4 ihrer neuen Untersuchung, übersetzt von Eisen mann. Er-
langen 1847.
a) Zusammensetzung des Gesammtblutes. Nach F. Hoppef)
enthielt, das Blut eines Pferdes in 100 Theilen:
Gesammtblut. Körperchen.
Plasma 67,38 Festen Rückstand 43,50
Körpereben 32,62 Wasser . . . 56,50
Diese Zahlen betrachtet Hoppe selbst nur
als Annäherungen an die Wahrheit.
Für das Menschenblut fanden Scherer
Zahlen.
Plasma.
Faserstoff 1,01
Albumin 7,76
Fette 0,12
Extracte 0,40
lös]. Salze 0,64
unlösl. Salze 0,17
Wasser 90,84
und Otto folgende
Scherer:
Sernm.
Wasser 91,04
Albumin 7,41
Extracte 0,59
Lösliche Salze . . . 0,87
Gesammtblut.
Wasser 78,31
Fibrin 0,23
In kochendem Wasser)
unlösliche Bestandteile) ’
Extracte 0,51
Lösliche Salze . . . 0,88
Fett 0,17
*) Henlc and Pfeuffer« Zeitschrift. N. Folg« IV. Bd.
••) Gazette medical« 1856. p. 273.
•*") Die Methode der Blutanalyse. Hamm 1863.
+) Vlrchows Archiv XII. 435.
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Blatanalrie.
25
Otto:
Serum. Gesammtblut.
I. n. I. n.
Wasser . . . 90,36 — 91,64 Wasser 80,57—80,34
Albumin . . 8,03— 6,77 Fibrin 0,15 — 0,21
Extraete . . 0,45 — 0,64 In kochendem Wasseri .703 i«oi
Lösliche Salze 1,16 — 0,95 unlösl. Bestandtheilei ’ ’
Extraete .... '0,54 — 0,67
Lösliche Salze . . 0,78 — 0,80
Als Mittelzahlen der Wägungen von Scherer und Otto be-
rechnen sich:
Serum. Gesammtblut.
Wasser- 90,66 Wasser ...... 79,06
Albumin 7,76 Fibrin 0,20
Extraete 0,51 ln kochendem Wasser) .qjj
Lösliche Salze . . . 0,94 unlösliche Theile ' ’
Extraete 0,48
Lösliche Salze . . ... 0,83
Diese Beobachtungen lassen erkennen, dass das Gesammtblut
in 100 Theilen sehr viel mehr feste Bestandtheile enthält, als das
Serum, dass diese Vermehrung aber nicht gleichmässig fUr alle
Stoffe gilt, und dass namentlich das Blut relativ weniger lösliche
Salze und Extraete enthalte, als das Serum. —
Bei der geringen Ausbeute, die diese Thatsachen für die Phy-
siologen liefern, Ubergehen wir die ähnlichen Arbeiten von Popp,
Andral u. s. w. u. s. w. — Eine Zusammenstellung der älteren
Beobachtungen findet sich in H e n 1 e ’ s rationeller Pathologie 11. Bd.
und eine solche der neueren in den Jahresberichten von Scherer
fUr physiolog. Chemie.
b. Die Asche des Gesammtblutes hat V erdeil*) nach einer
nicht vollkommen tadelfreien Methode dargestellt und analysirt.
100 Theile Asche bestehen nach ihm aus:
I.
II.
I.
11.
KO
12,70
11,24
Fc,0,
8,06
8,68
Na
24,49
21,87
CI
37,50
33,70
NaO
2,03
- 6,27
SO,
1,70
1,64
MgO
0,99
1,26
PhO,
9,35
11,10
CaO
1,68
1,85
CO,
1,43
0,95
a) Li« big« Annalen. 69. Bd. 69.
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26
Blutanalyse .
Din Asche 1. war aus dem Hlule eines Mannes, die II. ans
dem eines Mädchens bereitet.
Verde il hat, um die Asche darzustellen, das Blut bei nicht zu hoher Tempe-
ratur an der Luft verkohlt, die Kohle in der Muffel geglüht und den Rest derselben
endlich durch Zufügen von salpctcrBaurcm Ammoniak verbrannt.
c. Die Gasarten des Gesammtblntes. Ansser den ziemlich
aphoristischen Angaben*) über den Gehalt und die Beziehung von
gasförmigem Sauerstoff, Kohlensäure und Stickstoff zu dem l’lasma
uud den Körperchen haben wir noch sehr gründlichen Aufschluss
über das Verhalten dieser Gase zum Gesammtblut von Magnus **)
und Lothar Meyer***) erhalten. Ihre Angaben, gleichviel, ob
sie sich auf venöses oder arterielles Blut beziehen, sind hier zusam-
mengestellt.
Nach Magnus und Meyer konnte aus 100 Vol. arteriellen
Bluts durch Schütteln mit CO, oder durch Kochen im luftleeren
Raum mit und ohne Zusatz von Weinsäure ausgetrieben werden:
Bcobachtangsthieru.
freies
| Gas.
! °*
N.
EP
5*
9 |
g?
I S*
g
1?
M
? 1
ganzes
Gas.
Beobachter.
Carotidenblut eines 1
f '20,88
12,43 1
2,83
<M
C
tc
28,61
34,23
49,49
.
alten Hundes
14,29
j
2
25,50
5,04
6,17
26,59
31,75
54,08
(33,84)'
,
Carotidenblut eines 3
r
(3,79) (2,94)
—
j
(27,10)
1
jungen Hundes
1
1 ;38,24
18,42
4,55
5,28
20,97
2ß,25 j
49,21 1
> L. Meyer.
Defibrinirtcs Kalbs- 5
r tT.oi
11,55
4,40
1,09
18,12
19,21
35,16 1
1
blut
Lp., \ 1
1 9
6
1
(5,81) (4,12)
—
—
(21,56)
(3 1 ,94)1
1
Arterielles Tferde- -
10,5
2,0 bis
J Magnus.
blut '
Ibis 10,2
1 3,3
”T
“ 1
Die Gasvolumina sind auf 0° und 0,76 M. Druck berechnet;
hei 1, 2, 4, 5 wurde das Blut orst durch mechanische Mittel luft-
leer gemacht, und dann erst durch Weinsäure von seiner gebun-
denen CO, befreit.
L. Mcver Hess das Blut der Hunde aus der A. Carotis direkt in das 10 bis
20 fache Volum luftfreien Wassers fliessen, setzte über die Mischung von Wasser einen
luftleeren Raum und erwärmte das Blut gclind , aber bis zum Kochen +) so lange, als
bis aus ihm reiner Wasserdampf emporstieg, also bis alle Gase aus ihm verdrängt
•) J. Müller, Lehrbuch der Physiologie. IV. Aufl. 1. ‘248.
••) Poggcndorf, Annalen. 40. Bd. p. 588. and 66. Bd. p. 177.
•••) He nies und Pfcuffera Zeitschrift. N.F.
f) Ws» bei dem geringen Druck In einer Temperatur unter dom Coagulationsgrad de« Eiweisses
geschehen kann.
Digitized by Goc
Gasarten des Bluts.
27
sind ; darauf setate er mit besonder* Voreichtsmassrcgeln einige grosse Kry stalle von
Weinsäure su dem Blut, legte ein neues luftleeres Ge fass vor, und kochte von Neuem.
Die erhaltenen Gase werden nach der Methode von Bunsen analysirt. Die genauere
Darstellung des Verfahrens ist in der Abhandlung von L. Meyer nuchzusehen.
Von den Blutgasen ist der Stickstoff wahrscheinlich nur absor-
birt, von der CO, und dem 0 ist dagegen ein Tbeil absorhirt und
ein anderer chemisch gebunden, und zwar ist von der durch Kochen
abscheidbaren Kohlensäure der kleinste Theil gebunden, der grössere
diffundirt, während es sich umgekehrt mit dem Sauerstoffgas ver-
hält. Den Beweis dafür liefern Absorptionsversuehe mit unver-
mischtem gasfrei gemachtem Blut ; die von denselben aufgeuommenen
Sauerstoff - und Kohleusünremengen wachsen nändich mit dem
Druck, unter dem die Aufnahme vor sich geht, aber nicht in dem
Maass, in welchem der Druck ansteigt, was dem Dalton-Bun-
s en 'sehen Gesetz gemäss. geschehen müsste, wenn die Gase nur
als solche im Blut aufgelöst wären. Bei Absorptionsversnchen unter
variablem Druck steigt aber die aufgenoinmene CO, rascher an,
als der Sauerstoff, woraus sich auf das angegebene Verhalten
schliessen lässt (Magnus). L. Meyer hat in einer eignen Ver-
suchsreihe den Anthcil der gebundenen und freien Gase be-
stimmt.
Machen wir die Unterstellung, dass von der in der gesammten, in der Volum-
einheit Blut aufgenommenen Gasmenge (A) ein Theil durch chemische Verwandtschaft
gebunden werde, dass ein anderer dagegen diffundirt sei, ao wird die Menge des ersten
Antheils x, weil sie nur von der chemischen Verwandtschaft bedingt ist, unabhängig
von dem Luftdruck sein, unter welchem das Gas absorhirt wurde; die Menge der
zweiten wird aber mit dem Druck wachsen; wäre also y der Absorptionseocffizient
des Bluts für das zu betrachtende Gas, so würde die absorbirte Monge yP sein, wenn
P den Abgorptionsdruck darstellt Demnach wäre also A = x-\-yP. Führt man bei
verändertem Druck mehrere Absorptionsvorsuchc aus, so wird man ao viel verschiedene
Gleichungen erhalten, als man Beobachtungen anstellt, und daraus x und y mit grosser
Genauigkeit berechnen können. Dieses ist von L. Meyer für CO* und 0 geschehen.
Verhalten der CO, zum Blut. Die Volumeinheit frischen, unver-
mischten, von seinen Gasen befreiten Kalbs- oder Kindsblutes nahm
in einer Atmosphäre von reiner CO, bei einer Temperatur von
11° bis 12° C. und 0,76 M. Druck = 1,783 Vol. CO, auf; hiervon
waren einfach diffundirt 1,151 Vol. nud gebunden 0,630 Vol. —
Merkwürdiger Weise ist der Absorptionseoeffizient des Blutes für
CO, (1,151) bei 12° ganz derselbe, welchem Bunsen für reines
Wasser bei dieser Temperatur gefunden. Es würde nun interessant
sein zu wissen, wie sich dieser Coeffizieut mit der Temperatur
ändert. Diese Frage hat Meyer nicht direkt erledigt.
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28
G&s&rten des Bluts.
Wenn das ans der Ader genommene Blut vollkommen mit CO,
gesättigt wird, so kann der chemisch gehnndene Antheil der
aufgenommenen CO, nicht allein zur Umwandlung des etwa vor-
handenen einfach kohlensauren Natrons in doppelt kohlensaures ver-
wendet worden sein. Wahrscheinlich hat sich cinTheil mit dem2NaO
PhO, vereinigt, welches bekanntlich CO, chemisch verbinden kann.
Den vorstehenden Satz beweist L. Meyer folgendennassen. Nachdem er Blut
in luftleerem Raum von Gase befreit hatte, th eilte er dasselbe in zwei Portionen. Aus
der ersten trieb er durch Weinsäure die chemisch gebundene UO* aus; dieselbe betrug
auf 1 Vol. Blut — 0,338 Vol. — Die »weite Portion sättigte et in einer reinen CO*-
Atmosphärc mit diesem Gas und bestimmte dann mittelst des auf der vorigen Seite
geschilderten Verfahrens, wieviel von dieser CO« chemisch gebunden war; er fand dabei,
dass noch 0,630 Vol. CO* mit Blut sich verbunden hatte. Wäre nun alle vor der Ab-
sorption chemisch gebunden vorhandene CO« mit dem Natron zu einfach Vohlensaurem
Salz vereinigt gewesen, so hätte das Blut nur noch einmal 0,338 Vol. CO« binden
können; da dasselbe aber in der That viel mehr in chemischen Verband überführt«, so
folgt daraus die Richtigkeit der obigen Schlussfolge.
So eben wurde vorausgesetzt, dass die gebundene CO, im lebenden
Blnt als NaO CO, vorkomme ; dieses lässt sich nicht beweisen, wohl
aber lässt sich wider alles Erwarten darthun, dass kein Na02C0,
vorkommt Wir sagen wider alles Erwarten, weil L. Meyer gezeigt
hat, dass eine Lösung von Soda aus einer Atmosphäre, welche mehr
als 1 pCt. CO, enthält, so lange dieses Gas anzieht, bis die ganze
Sodamenge der Lösung in doppelt kohlensaures Salz verwandelt
ist. Nun enthält aber die Lnngenlnft immer mehr als 1 pCt. des
genannten Gases, also hätte man allerdings das Na02C0, im Blnt
erwarten sollen. Seine Abwesenheit in demselben geht aber daraus
hervor, dass das für sich gekochte frische Blut, nachdem es einmal
rasch die vorhin erwähnte CO, - Menge abgegeben , selbst während
darauf folgenden 3stündigen Kochen» keine CO, mehr fahren lässt.
Diese Thatsaehe ist aber darum mit der Anwesenheit desNa02C0,
unvereinbar, weil dieses Salz ein Atom CO, der Art gebunden hält,
dass es zwar durch Kochen von ihm getrennt werden kann, aber
nicht durch ein vorübergehendes Aufwallen, sondern erst durch ein
längeres Kochen abznspalten ist.
Verhalten gegen Sauerstoffgas. 1 Volum deflbrinirtes gasfreie«
Kalbsblnt nahm aus reinem Sauerstoff bei 21,5#C. = 0,092 bis 0,095
Vol. dieses Gases auf, wenn der Druck des Gases auch zwischen
0,835 nnd 0,587 M. schwankt. Die aufgenommene Menge war also
innerhalb der Fehlergrenzen unabhängig vomDruck. WennL. Meyer
dennoch aussagt, dass neben dem gebundenen auch noch absor-
birtes Sanerstoffgas im Blute vorhanden sei, so geschieht dieses
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Spezifische« Gewicht u. Wärme des Blutes.
29
einmal darum, weil das Wasser des Blutes einen Absorbenten dar-
stellt, und dann auch weil das mit Wasser verdünnte Blut in der
That Sauerstoff absorbirt, obwohl es daneben noöh immer die Menge
von Sauerstoff bindet, die der mit Wasser vermischte Blutantheil
für sich allein verschlingen würde. Wie der Sauerstoff im Blute
gebunden ist, bleibt unbekannt, man kann sich ebensowohl denken,
dass er auf den Oberflächen der Blutkörperchen verdichtet ist, als
dass er irgendwie anders aufgehoben wird , etwa wie das Chlor
im Wasser, welches nach Roscoe darin ebenfalls theilweise
gebunden und theilweise diffundirt ist. — Sehr auffallend ist es,
dass ein Zusatz von Weinsäure zum Blut den sonst so locker
gebundenen Sauerstoff soweit befestigt, dass er nun zum grössten
Theil durch Kochen nicht mehr auszutreiben ist. Siehe die Tafel
Seite (26) Beobachtung 3 und 6, in welchen die nnter der Rubrik 0
eingeklammerten Zahlen diejenigen 0- Volumina bedeuten, welche
nach Zusatz von Weinsäure ausgetrieben werden konnten. Hierbei
entsteht aber, wie sich L. Meyer überzeugte, keine COt.
Der Absorptionscoöffizient des Stickgases, der am wenigsten
genau bestimmbar, beträgt nach L. Meyer etwa 0,02 Vol. für die
Volumeinheit Blut.
Uaber den Unterschied im Gasgehalt des venösen und arteriellen Blutes versuchte
sich Magnus au unterrichten durch Analyse eines nur geringen Antheils der ganzeu
Blutluft. Zu dem Ende fing er Blut über Quecksilber auf, defibrinirte cs dort, schraubte
eine luftleere Flasche über das Blut und analysirte den iu diese Flasche gedrungenen
Gasantheil. Indem er verrauthete, dass die Luft in diesem Vacuum ungefähr die-
selbe prozentische Zusammensetzung habe, wie die des Bluts, konnte er hoffen, den
Unterschied in der prozenfcischen Zusammensetzung der Venen- und Arteriengase zu
finden. Diese Annahme hat .«ich aber nicht bestätigt ; nichts destoweniger dürfte sich die
Mittheilung der von Magnus gefundenen Zahlen rechtfertigen, weil sie zeigen, dass
die CO« weniger fest als der Sauerstoff am Blute hafte. — Die Luftblase aus venösem
Blut des Kalbes enthielt in 100 Theilen = 76,7 CO«; 13,6 0 und 9,7 N. — aus
arteriellem Blute 72,1 CO«; 18,8 0; 9,1 N.
Das spezifische Gewicht des Bluts giebt man imMittel zu
1055 (das des Wassers = 1000) an. — Die Bestimmung dieser Eigen-
schaft ist bei einem so complizirten Gemenge wie das Blut im Allge-
meinen von untergeordnetem Werth, da bei gleichem spez. Gewicht
eine bedeutende Variation in der chemischen Zusammensetzung
eintreten kann, je nachdem sich spez. leichte und spez. schwere
Bestandteile mit einander ausgleichen ; demnach kann ein Ab- oder
Zunehmen des Eigengewichtes zahlreiche Auslegungen erfahren.
Der Wärmegrad des Blutes in den Hautvenen schwankt uni
mehre Grade der huuderttheiligen Scala; der Abschnitt von der
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30
Vergleichung der Blutarten.
thierischen Wärme wird darauf eingehen, der auch die Wärme der
andern Bhitarten behandelt. — Die -Wärmekapazität des Blutes ist
von J. Davy*) nach der Mischung»- und Abklthlungsmethode be-
stimmt worden und nach der ersteren ssu 0,83 und nach der zweiten
zu 0,93 gefunden. Die Versuche scheinen aber kaum mit der
nöthigen Vorsicht ausgeftihrt zu sein.
Die chemischen Pathologen beschäftigen sich vielfach noch mit einigen Erschei-
nungen, z. B. wie fest und wie rasch der Blutkuchen geronnen sei, auf welches Volum
er Bich ausaramenzieht , wie rasch die Blutkörperchen sinken u. s. w. Unzweifelhaft
deuten diese Erscheinungen auf besondere Zustände des Bluts; aber es gewähren
uns die bis dahin gewonnenen Erfahrungen keine Einsicht in das Innere des Blutes.
Uenle **) und Lehmann ***) sind hierüber nachrusehen.
Vergleichung anderer Blntarten.
Um festzustellen , ob die Abweichungen, welche das Blut von
dem so eben geschilderten, je nach den verschiedenen Gefässen,
Altersstufen, Geschlechtern n. s. w. bietet, in Wahrheit abhängig sind
von dem Fundort und den andern so eben berührten Verhältnissen,
müssten begreiflich entweder alle übrigen Bedingungen, die auf
die Blutzusammensetznng Einfluss üben, gleich gemacht werden,
oder es müsste das Mittel so zahlreicher Analysen verglichen werden,
dass man mit Wahrscheinlichkeit die Annahme machen könnte, es
sei die jeder Blutart unwesentliche Eigentümlichkeit durch gegen-
seitige Compensation eliminirt worden. Diese Forderungen sind
nicht überall erfüllt und es bleibt schon aus diesem Grunde in den
folgenden Mitteilungen manches Schwankende. Noch mehr aber
aus einem andern. Das Blut ist ein Gemenge aus aufgeschwemmten
und flüssigen Theilen die nicht alle in ein und demselben Behälter
sorgfältig gemischt werden können, bevor die Probe zur Analyse
herausgenommen wird. Also liegt von vorneherein der Verdacht
nahe, dass sich die Mischung von Plasma und Scheiben in ein and
demselben Gefäss in sehr kurz aufeinander folgenden Zeiten merk-
lich geändert hat. Bedenkt man dazu, dass sich in dem Strom
des Blutes der Flüssigkeit ganz andre Widerstände entgegensetzen
als den Körperchen, so muss sogar die so eben gemachte Unter-
stellung eintreten, und es muss sich oft genug ereignen, dass das
aus einer beliebigen Arterie ausgegangene und dort gleichmässig
gemengte Blut volum in den Venen ungleichgemischt anlange, indem
je nach der Geschwindigkeit des Stroms, aus dem das Blut ge-
*) Schweigger’g Journal für Chemie und Pbyg. XV. 40*i.
••) Rationelle Pathologie. IL 15.
■•“) Phyglolog. Chen. II. 147.
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Arterienblut.
31
nominell, dieses bald reicher und bald ärmer an Blutkörperchen,
also in der Vene und Arterie constant verschieden «ein muss; daraus
folgt, dass die zu denselben Zeiten an verschiedenen Orten oder zu
verschiedenen. Zeiten au demselben Ort aufgefangenen Blutmengen
sehr verschieden an Zusammensetzung sind, ohne dass irgend welche
chemische Alteration mit dem l'lasma oder den Scheiben und Lymph-
körperchen vorgegangen ist. Da nun aber die zur Vergleichung
benutzten Analysen des Gesammtblutes die Scheiben, und Plasma
nicht gesondert zerlegt haben, so ist aus der ungleichen procentischen
Zusammensetzung des Bluts nicht zu entscheiden, ob eiu Unterschied
an Faserstoff, .Salzen, Fetteu, Wasser auf Kosten der veränderten
chemischen Constitution eines oder beider Mischtheile oder auf ein
anderes Verhältniss zwischen den Gemengtheilen zu schieben sei.
Die Erfahrung, dass verschiedene Portionen an ein und demselben
Ort unmittelbar hintereinander gelassenen Bluts ungleich zusammen-
gesetzt sind, giebt von Seiten der Erfahrung den vorgebraebten
Bedenken Gewicht.
Der den vergleichenden Blutanalysen gemachte Einwand gilt
aber nicht mehr den vergleichenden Zerlegungen des Serums; hier
lassen sich die etwa Vorgefundenen Unterschiede nur auf eine
Aenderung der chemischen Constitution beziehen. Dieser Aufschluss
ist wichtig, aber er lässt sich, wenn nicht noch andere Hilfsmittel
aufklärend eintreten, nicht benutzen, um die Ursache der Ver-
änderung aufzutinden; denn so lange die Menge nnd die Zusammen-
setzung der Blutkörperchen unbekannt bleibt, kann man jene che-
mische Umformung ableiten aus dem Eintritt oder Austritt von
Flüssigkeit oder aus dem Gefäss oder aber aus einer veränderten
Zusammensetzung der Körperchen.
Arterienblut.
Das in den Arterien enthaltene Blut des Menschen kann nur
selten gewonnen werden; alle ausführlichen Untersuchungen sind
darum am Thiere unternommen worden. Die Vergleichungen be-
ziehen sich auf dieselbe .Spezies und womöglich dasselbe oder die-
selben Individuen.
Das Blut der Arterien*) ist in 100 Thcilen reicher an Fibrin
als das Blut der Vena jugularis (Pferd) nnd Vena renalis (Hund)
*) Nasse, Artikel Blut, Wignor« Handwörterbuch. I. Bd. 1G8. — Lehmann, physlolog.
Chemie. 11. Bd. 258. — Pharmazeutisches Centralblatt 1868. p. 438* — Wisg, Virchow, Archiv.
I. Bd. 26G. — Funke, Uenles und Pfeuffers Zeitschrift , Neue Folge I. Bd. 172. — Cle-
ment compt. rend. XXI. 280.
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32
Arterienblut.
ärmer dagegen als das Blut der V'en. abdominal, externa, digitalis
und cephalica (Pferd). Das venöse Fibrin ist durch seine Löslich-
keit in Salpeterlösung vor dem arteriellen ausgezeichnet. Die arte-
rielle Blutflüssigkeit enthält etwas mehr Wasser, Extracte und Salze
als die venöse, an Albumin ist es bald weniger und bald ebenso reich.
Diese Angaben stützen sich vorzugsweise auf die Untersuchungen von Nasse,
von Lehmann, (das Blut der Verzweigung der A. carotis und der Venae jugularis,
cephalica, digitalis, abdominalis externa des Pferdes) und von Wiss (das Blut der
A. carotis und Vena renalis vom Hunde). — Die Unterschiede in den einzelnen Be-
standtheilen sind wie folgend gefunden worden: 100 Theile des Blutes der Arterien
vom Pferde enthalten im Mittel 0,57 pCt., aus der Drosselvene aber 0,49 pCt. Faser-
stoff (Lehmann), das Blut der Venae abdominalis, cephalica und b&silica enthielt
im Mittel 0,53 pCt. , das der Art. carotis derselben Thiere im Mittel ,mur 0,35 pCt ;
100 Theile des Bluts vom Hunde, (Carotiden), enthalten 0,20 bis 0,22 pCt. und das
der Nierenvenc 0,16 Faserstoff (W i s s). Dasselbe bestätigt Nasse aus Untersuchungen
am Menschen. — 100 Theile Serum vom Pferdeblut gaben Eiweiss aus der Arterie
9,22 pCt. , aus der Vene 11,42 pCt. (Lehmann); in neuem Beobachtungen findet
derselbe Blutanalytiker im Serum aus den Venae jugularis, abdominalis, digitalis und
cephalica im Mittel 7 ,02 pCt. , in den Carotiden der entsprechenden Thiere im Mittel
7,01 pCt. Die Extrakte finden sich im Mittel im Serum der Venae jugularis, cepha-
lica, digitalis und abdominalis 0,71 pCt. , im arteriellen, aber 0,91 (Lehmann). —
Salze gab das Serum der genannten Venen 0,83, das der Arterien 0,86, Fette, das
erstere 0,26, das letztere 0,39 pCt. (Lehmann). — Derselbe Chemiker fand früher
im Serum der jugularis 86,62, in dem der Art. temporalis 89,33 pCt Wasser; nimmt
man das Generalniittel aus seinen neuem Versuchen so stellt es Rieh für das Serum
aller oben aufgezählten Versuche zu 91,428, in dem der Arterien zu 91,206. Es un-
terscheidet sich also nur der Gehalt um wenige Zehntheile eines Prozentes. Werden
nach Lehmann die Verhältnisse verglichen, in welchen Albumin, Salze und Extracte:
Serum der Venen (jugularis, abdom. externa, cephalica, digitalis) und Arterien Vor-
kommen, so ergeben sie in 100 Theilen trocknen Rückstands der
Arterien Venen Der Eiweissgehalt hat sich nach dem Durchgang
Album. 78,47 . . . 82,11 durch die Capillaren relativ erhöht, der Salz-
Salze 9,94 . . . 9,39 gehalt um ein Geringes, die Extracte um ein
Extr. 11,73 . . . 6,89 Bedeutendes vennehrt Da auf dem bezeichne ten
Wege schwerlich Eiweiss in das Serum gekommen ist, so würde diese Zusammenstel-
lung auf einen absoluten Verlust an Extractcn hindeuten. Natürlich lässt es diese Zu-
sammenstellung ungewiss, ob nicht auch Eiweiss und Salze aus dem Serum getreten sind.
Das Resultat , welches aus dem Gesammtraittel aller Beobachtungen gezogen ist
stimmt übrigens nicht durchweg mit dem Ergebniss der Einzelbcnbachtungcn , in dem
unter ihnen auch Fälle erscheinen, in welchen die Eiweissprozente deir festen Rück-
standes aus dem Venenseruni niedriger* und die Extractprozente höher sind als im
Serum der entsprechenden Arterie.
Die Behauptung, dass die arteriellen und venösen Blutkörper'
chen sich rUcksichtlich ihrer Zusammensetzung von einander unter-
scheiden, ist nicht erwiesen, da noch niemals ein reines Blutkör-
perchen untersucht werden konnte.
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Milsaderblut.
33
Angaben Uber die vergleichende Zusammensetzung des Ge-
sanuntblutes giebt Lehmann; wegen des zweifelhaften Werthes
solcher Bestimmungen müssen wir den Leser auf die Abhandlung
selbst verweisen.
Beispielsweise erwähnen wir, dass der feste Rückstand des Gesumm tblutes der Vena
abdom. externa im Mittel um 3,0 pCt., der digitalis u. cephal. im Mittel um 7,0 pCt.
geringer war als der der A. carotis; die festen Stoffe des Blutes der Vena jugularis
waren einmal um 0,0 pCt. niedriger, und ein andermal um 1,4 pCt. höher als in dem
Carotidenblut
Die arteriellen illntkörperchen sind im Gegensatz zu den venösen
bellroth und entbehren des Dichroismus. Diese Veränderung ihrer
Farbe verdanken sie dem vermehrten Gehalt an Sauerstoff und dem
verminderten an CO, , da man das Blut eben so wohl durch Zusatz
von CO, als durch Auspumpen des Sauerstoffs dunkel und dich-
roitisch machen kann. — Wie im ungemischten Blut verhält sich
auch das Roth eines stark mit Wasser versetzten Blutes. Bruch*).
Die Yolumcinheit des aus der Ven. jugularis genommenen Blutes
giebt mit Wasser vermischt eine tiefere rothe Farbe als die Volum-
einheit des Carotiden- Blutes mit derselben Wassennenge. Dieser
Unterschied besteht auch dann noch, wenn das venöse Blut durch
Schütteln vorher bellroth gemacht wurde. Heiden hain**) schlicsst
daraus auf einen grossen Gehalt des venösen Bluts an Haematin,
respective an Blutkörperchen.
Picard fand im arteriellen Blnt des Pferdes = 0,029 pCt.
Harnstoff, im venösen desselben Thieres 0,035 pCt.
Blnt der Milzader***).
Die zahlreichen Untersuchungen über diese Blutgattung sind
an dem Inhalt der Milzgef ässe eben getödteter Thiere, insbesondere
der Pferde angestellt.
Die rothen Scheiben des Milzvenenblutes sind kleiner als die
des Milzarterienblutes (Funke), oft nicht mehr rund sondern zackig
und oft sehr bellroth bis zum Verschwinden aller Färbung (Gray).
Ihr Inhalt krystallisirt vorzugsweise leicht. An farblosen, kugeligen
Elementen (Lyraphkörperchen, Körnchenzellcn) ist das Milzvencn-
blut sehr reich, namentlich im Vcrhältniss zu den rothen Zellen.
Hirt zählt im Milzartericnblnt auf 1 farbloses 2179 gefärbte,
in den Milzvenen aber anf 1 der erstem nur 70 der letztem. In
•) Zeitschrift fUr wissenschaftliche Zoologie. IV. 873.
**) Dlsqulsitlones crlticae u. s. w. Halle 18*7.
•••) Funke, Henle's und Pfeuflers Zeitschrift. N. F. 1. 172. Bcclard, Annalea de chlm. et
phys. 3. sdr. XXI. *06. — H.Gray, on the structare and ase ofthe spieen; LowlonlSM. p 139 sq. —
Hirt, Milllcrs Archiv IftV;. — Vlerordt, Ilcnle's Jahresbericht für IWV4 p. 45.
Ludwig, Physiologie 11. 3
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34
Milzadcrblut.
dem aus der Milz gedrückten Blut eines Hingerichteten fand V i e r-
ordt gar nur auf 4,9 gefärbte 1 farbloses. — Weiter weist das
Mikroskop hier auch dunkelroth bis schwarz gefärbte Pigmentkör-
perchen nach, die frei und dann entweder einzeln oder zu Klümpchen
geballt oder auch in Zellen eingeschlossen verkommen. Auch er-
scheinen Epithelialzellen (Faserstoffschollen) in dem Milzvenenblute.
Das Serum des Milzvenenblutes unterscheidet sich in seiner
Zusammensetzung den nachstehenden Zahlen gemäss wenig oder
gar nicht vou den andern Blutarten. Die Beobachtungsthiere sind
Pferde :
Arterien.
Wasser.
Eiwei.ss. |
Arterialienzlis
91,3
6,7
Vena lienalis
91,4
6,1
Aorta
90,5
8,3
Vena jugularia
90,9
7,7
Vena lienalis
90,7
7,9
Kxtracte.
Fette.
Salze.
Beobachter.
- 1
1, 0
8,8
> Funke.
1, 3 '
1,0
I
1,0
0,03
0,8
)
1,2
0,05
0,7
} ßny.
i,i !
0,10
0,7
Den einzigen qualitativen Unterschied begründet Gray durch
die tiefrothbraune Färbung des eingedampften Serumrückstandes.
Sehr auffallend weicht dagegen das Gesammtblut von dem
anderer Gefässe ab. Zuerst durch einen höheren Faserstoffgehalt
(Funke, Gray); denn während er in dem Aorten- und Milzarterien-
blut zwischen 0,17 bis 0,49, in der Vena jugularis zwischen 0,23 bis
0,62 schwankte, bewegte er sich im Blut der Milzvenen zwischen
0,28 bis 1,15 pCt In ähnlicher Weise wie der Gehalt des Faser-
stoffs zeigte sich auch der des Wassers höher (Beclard, Gray).
Denn während er im Aortenblut i
swischen 71,9 bis 83,0
pCi lag,
steigt er in der Vena splenica auf
88,0 pCt.
Als Mittel
aus zahl-
reichen Bestimmungen giebt Gray
folgende :
Aorta. V,
jugular. V.
splenica.
Faserstoff
0,22
0,41
0,65
In kochendem W'asser unlöslich
19,9
19,8
15,1
Fette und Extracte
1,0
1,1
1,0
Wasser
78,9
79,3
83,0
Die einfachste Erklärung, welche dieser Thatsache zu Grunde
gelegt werden kann, namentlich unter Berücksichtigung der gleich-
zeitigen Vermehrung des Wassers und des dem Plasma ungehöri-
gen Faserstoffs ist die, dass in Folge des im Sterbeakt veränderten
Blutstroms die rothen Blutkörperchen in der Milz zurückgehalten
werden, während das Plasma und die farblosen Körperchen noch
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Pfortnderblut.
35
anstreten konnten. Andere Krklärungsweiscn dieser jedenfalls be-
achtenswertben Thatsachen sind bei der Milz erwähnt.
Eine bestimmte Beziehung zwischen der Zeit, in welcher die Nahrung aufgenom-
men wurde, und der Zusammensetzung des Bluts ist von Gray nicht aufgefunden worden.
Wenn man bis dahin im Extrakt keinen Zucker, Uarnstotf, noch Harn- und Gallen-
saure fand, so wird dieses zum Theil wenigstens mit Wahrscheinlichkeit daher rühren,
dass die zur Prüfung angewendeten Blutmengen zu gering waren. Das Beobachtung»
ergebniss zeigt aber wenigstens, dass jene Stoffe nicht in sehr reichlichem Maasse ver*
treten sind.
Blnt der Pfort- und Leberader*).
Au Faserstoff enthält nach Lehmann das Pfortaderblut der
Pferde 0,42 bis 0^59 pCt, das der Hunde 0,45 pCt, während
das der Lebervene beider Thierspezies ganz frei davon sein soll. —
Das Serum beider Blutarten verglichen, ergab für das Pferd:
Pferd 5 Stunden nach der
Fütterung getödtet.
Pferd 10 8tundcn nach der
Fütterung getödtet,
ii
Pfortader.
Leberader.
Pfortader.
Leberader.
Wuwr ; .
’ 92,26
69,30
92,17
89,42
Albumin .. . .
• 6,20
7,47
H,01
■ 7,70
8*1» .. . . .
0,78
0,70
0,83
0,88
Extracte und Fette
0,76
2,53
0,98
2,00
Die Zusammensetzung von
des war:
100 Theilen festen Sernmrtickstan-
Fett
3,61
2,68
*3,76
2,50
Extracte u. löal. Salze
14, SO
25,95
13,50
22,33
Eiweiss . . « . . .
Für den Hund
, 61,96
71,37
82,73
75,12
TWrtim
In 100 Theilen Serum.
In 100 Theil. Sen^nrückstaud.
Pfortader.
Leberader.
Pfortader.
Leberader.
Wawer .....
89,86
87,48
—
—
Albumin '.....
8,29
8,83
81,21
70,52
Salze . ; t v • *
0,97
0,87
9,51
6,90
Extracte und Fette .
0,92
3,17
9,28
23,54
Die Extracte der Pfortader enthalten, wie CI. Bernard ent-
deckte und Lehmann bestätigt, nur sehr wenig oder keinen Zucker,
während die der Leberader sehr reich daran sind. So fand Leh-
mann in 100 Theilen trockenen Rückstandes vom Pfortaderblut
der Pferde hiiehstens 0,01 bis 0,05 pCt. Zucker, während die gleiche
*) Lc hmm n,
bl alt 185C. 433.
Leipziger Berichte ; mathemat. phyaik. Klasse. III. 181. — Pharmazeut. Central
3 *
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36
DUnndarmaderblut.
Menge trockenen Rückstandes der Leberader 0,63 bis 0,89 pCt.
gaben. Bei Hunden fand er nach 48 ständigem Hungern im Leber-
venen-Blut 0,7 pCt., nach 2 tägiger Fieischftttterung 0,8 pCt. und
nach 2tägiger Kartoffelkost 0,8 pCt. Zucker. In allen Fallen ent-
hielt die Pfortader nichts oder nur Spuren von diesem Stoffe.
Dieser Punkt findet noch einmal eine ausführlichere Berücksich-
tigung bei der Leber.
Die farbigen Zellen des Lebervenenblutes sind kleiner und
mehr kugelig, als die der Pfortader; sie werden vom Wasser weniger
leicht ausgedehnt. Neben diesen veränderten farbigen kommen im
Leberaderblut sehr viele farblose Zellen vor. Nach Hirt kommen
auf ein farbloses Körperchen in der Pfortader 524 farbige, in der
Leberader aber 136.
Das Gesammtblut der Thiere, von denen die Serumanalyse
mitgetheilt wurde, enthielt in 100 Theilen:
I. II.
Pfortader. Leberader. Pfortader. Leberader.
Pferd. Wasser 76,92 68,64 86,23 74,31
Hund. „ 79,24 71,55 13,76 25,69
Der Eisengehalt in 100 Theilen Rückstand des Gesammtbluts
schwankte bei Pferden in der Pfortader zwischen 0,213 bis 0,164 pCt.,
in der Leberader zwischen 0,140 und 0,112. Der Fettgehalt des-
selben Rückstandes betrug im Mittel aus der Pfortader 3,4 pCt.,
aus der Leberader 2,1 pCt. Beim Hunde in der Pfortader 5,0 in
der Leberader 3,0 pCt.
Das Blut aus der Pfortader wurde schon öfter aus dem Blutstrom, meist aber dem
eben getod&ten Thier genommen; das der Leberader wurde immer dem todten Thier
entzogen, in welchem also die difiusive Ausgleichung zwischen den Flüssigkeiten der
Leber und des Blutes weiter als im Leben vorgeschritten sein dürfte. — Namentlich
beziehen sich die angegebenen Untersuchungen von Lehmann auf das Blut getödteter
Thiere. — Um die Vermischung der Blutarten in den Gefässen während des Auffangens
zu hindern, muss man nach CI. Bernard, vor dem Auslassen des Pfortaderblutes
ent ihre in die Leber gehenden Zweige, und vor dem Entleeren der Leberader die
Yena cava ober- und unterhalb der Vena hepatica unterbinden. Rein wird dann das
Lebervenenblut immer noch nicht »ein. —
Blut der Dttnndarmader*).
Vergleichende Bestimmungen des Hundebluts aus der Vena
jugularis und mesaraica gaben (Wiss):
•) Vlrchow's Archiv. I. 256.
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Nierenaderblut. — Veränderung der Blutzusaramensetzung mit der Nahrung. 37
Serum.
Gesammtblut.
Darmader.
Halsader.
Darmader.
Halsader.
Wasaer.
91,65
92,23
78,71
78,79
Rückstand . . . .
8,35
7,77
21,28
| 21,20
Blut der Nierenader.
Der Wasser- und Faserstoffgehalt des Blutes der Nierenader
(beim Hunde), verglichen mit dem der Carotis und der Nierenarterie
gaben (Wiss):
Gesammtblut.
Serum.
Carotis.
Nierenader.
Carotis.
Nicrcnader.
Wasser
91,38
91,17
79,15
78,43
Feste Bestandtheile. .
8,62
8,83
20,08
21,57
Faserstoff ....
—
0,25
0,16
Nierenarterie.
Nierenader.
Nierenarterie.
Nierenader.
Wasser
92,68
92,25
77,97
78,45
Feste Bestandtheile .
7,34
7,75
22,02
21,54
Faserstoff ....
—
—
0,15
0,15
Picard traf beim Hunde in der Nierenarterie 0,036 und 0,040,
in der Nierenvene 0,018 und 0,02 Harnstoff.
Blut der untern Hohlvene.
Nach Lehmann enthalten 100 Theile Serum vom Pferde:
; Wasser.
Albumin.
Salze.
Extracte.
Der Hohlrene . .
1 90,56
7,42
0,82
1,16
Der Arterie . . .
90,51
7,17
0,84
1,13
Das Verhalten des Gesammtblutea dieser Vene belegt Lehmann am eitirten Orte
ebenfalls mit Zahlen.
Die Veränderung der Blutzusammensetzung mit
der Nahrung•) **).
Bei den Worten Vermehrung und Verminderung ist fortlaufend
der procentische Werth zu suppliren.
DerFaserstoffgehalt des Hundcblntes nimmt nach Fleisch-
genuss in den ersten sieben Stunden eher ab als zu (Andral,
Nasse). Nach anhaltender Fleischnahrung wird der Faserstoff
beträchtlich vermehrt (Lehmann, Nasse), rein vegetabilische
•) Nasse, Ueber den Einfluss der Nahrungsmittel auf das Blut. 1850. Poggiale, compt.
rend. XXV. 110. Verdeil, Liablga Annalen. 69. Bd. p. 89. — Thomson, London medical.
Gazette 1846.
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Yerarnl* ruii« der Blutzusamrm ruieUuiiK mit der Nahrung.
38
vermindert ihn (Lehmann). Hungern soll nach Andral ihn ver-
mehren, nach Nasse vermindern; der letztere Autor leitet den
Widersprach zwischen diesen Beobachtungen aus den häufigen
(Faserstoffvermehrung bewirkenden) Aderlässen her, welche Andral
an seinen Thicren behufs der Untersuchung ausfllhrte.
Der Serumrttckstand (Eiweiss, Salze und Fett) nimmt einige
Zeit nach der AnfHllnng des Magens mit verdaulichen Stoffen zu.
Nach anhaltender vegetabilischer Nahrung und besonders nach
Zucker ist er höher, als nach ausschliesslicher Fleischnahrnng;
durch Hunger vermindert (Nasse).
Nach Flcischnahrung enthält das Serum den aus dem ver-
dünnten Blut durch Essigsäure fällbaren Eiweisstoff in grösserer
Menge (Nasse).
Der Fettgehalt des Serums steigert sich vorzugsweise nach
dem Genuss von Schweinefett, Knochenmark und Butter; weniger
nach Oel, Seife, Talg. — Schliesst man aus der Trübung des
Serums durch Fettpartikelchen (Serum -Rahm) auf vermehrten
Fettgehalt, so beginnt die Vermehrung des Fettes eine halbe Stunde
nach der fettreichen Mahlzeit; nach 12 Stunden ist das Ansehen
des Serums wieder zu seiner normalen Beschaffenheit zurückge-
kehrt. Zusatz von Mineralsäuren und kohlensaurem Natron ver-
spätet, von phosphorsaurem Natron beschleunigt den Eintritt der
Serumtrtibung nach fettreicher Nahrung. — Das klare Serum kann
aber auch fettreich sein; das Fett des trüben ist flüssiger und ver-
seifbarer, als das des klaren Serums.
Nach Genuss von Brod erscheint im Blute Traubenzucker;
kurze Zeit nach dem Essen ist Zucker deutlicher nachweisbar, als
sonst (Thomson). .
Die Zahl der Lymphkörperchen nimmt bei hungernden
Fröschen im Verhältniss zu den rothen Blutkörperchen ab (Wagner,
D o n d e r 8 und Mole schott); ebenso bei Kaninchen. — Beim Men-
schen steigert sich die Zahl nach der Mahlzeit und nimmt wenige
Stunden nach derselben beträchtlich ab (Harting, Kölliker).
Hirt giebt folgende Verhältnisszahlen zwischen weissen und rotheu
Körperchen, die Zahl der ersteren als Einheit gesetzt:
Früh, nüchtern 10 bis 12 Stunden nach dem Abendessen 716;
Stunde nach dem Frühstück 347; 2‘/i bis 3 Stunden nach dem
Frühstück 1514; 10 Minuten nach dem Mittagessen 1592 ; ‘/s Stunde
nach dem Mittagessen 429; 2'/i bis 4 Stnnden nach dem Mittag-
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Veränderung der BlutzuH&mmeosetzung mit der Nahrung.
39
essen 1481 ; */i Stunde nach dem Abendessen 544 ; 2'/i bis 3 '/j Stunde
nach dem Abendessen 1227.
Das allgemeine Resultat dieser Zahlungen bestätigen Mar-
fels*) und Lorange**).
In der Tabelle ton Hirt fällt es auf, dass nach dem Schlafe die Verhältniswahl
eine kleinere ist als vor demselben, daraus würde folgen, dass die Zeit, welche seit
der letzten Mahlzeit verstrich, nicht allein über die Verhältnisszahl entscheidet. —
Ueber die Veränderung der Verhältnisszahl nach dem Gebrauch von China, Myrrhe,
Eisen und Quecksilber siehe die citirten Abhandlungen, über die Veränderungen
der absoluten Zahl rother Körperchen Stölzing***).
Der Wassergehalt des Gesammtbluts ist nach Fleischkost
geringer, als nach Brod- und Kartoffelnahrung. Im Mittel betrug
der Wassergehalt nach Fleischdiät 78,4 pCt. und nach Pflanzen-
kost 79,2 pCt. — Entziehung jeglicher (fester und flüssiger) Nahrung
vermindert in den ersten Tagen den Wassergehalt. Entziehung
der festen Nahrung bei Wassergenuss vermehrt in den ersten Tagen
den Wassergehalt, später aber vermindert er sich bei dieser Lebens-
weise ebenfalls (Simon, H. Nasse). — Vermehrung des Wasser-
genusses bei gleichbleibender Menge fester Nahrungsstoffe ist ohne
Einfluss auf den Wassergehalt des Blutes. Durch Vermehrung der
festen Nahrungsbestandtheile soll der Wassergehalt des Bluts zu
vermindern sein. — In den ersten acht bis nenn Stunden nach der
Mahlzeit soll der Wassergehalt im Abnehmen und dann wieder im
Zunehmen begriffen sein (H. Nasse). Nach Poggiale undPlou-
vier soll durch reichlichen Kochsalzgenuss der Wassergehalt bei
den Wiederkäuern und dem Menschen abnehmen, eine Thatsache
welche Nasse für das Hundeblut ungültig fand.
Der Fettgehalt des Gesammtbluts verhielt sich der Nahrung
entsprechend folgendennassen beim Hunde : nach 4 tägigem Hungern
0,26; nach Brodnahrung 0,31; nach Fleisch 0,38; nach Schmalz
und Stärkemehl 0,41 (H. Nasse). Diese Angaben findet Bous-
^singault bei Vtigeln nicht bestätigt. — Nach Pflanzenkost ist das
Blutfett fester und weisser, als nach Fettnahrung (Nasse).
Das Kochsalz vermehrt sich nach Kochsalzgenuss ; dieser Salz-
ttbersöhuss verschwindet bald wieder (Poggiale, Nasse); die
Phosphorsäure ist reichlicher nach Fleischkost, als nach Pflanzen-
nahrung (Verdeil, Nasse); Magnesia und Kalk mehr nach
Pflanzen-, als nach Fleischkost. Durch Hunger werden der Kalk
*) Molcichott, Untersuchungen zur Naturlehre I. 61.
••) V irchows Archiv XII. Bd. 117.
•••) Valeutlna Jahresbericht dir IBM. p. 102.
40
Blut verschiedener Geschlechter und Lebensalter. Blutmenge.
und die kohlensauren Alkalien nicht geändert. — Der Salzgehalt
im Ganzen ist hei der Fleisehnahrung grösser als bei Pflanzen-
nahrung. — Lieber relative Veränderungen des Salzgehaltes in der
Asche siehe Verdeil 1. c.
Das Blut der nüchteren und einige Stunden vorher gespeisten
Menschen ist gleich reich an Harnstoff (Picard).
Die Angaben von H. Nasse beziehen sich sämmtlich auf das Hundeblut; die
Voreichtsmassrcgcln, die bei dun Untersuchungen über die Variation der Blutzusammen-
setzung mit der Nahrung zu nehmen sind, siche bei diesem Schriftsteller.
Die Veränderungen, welche das Blut durch einen Aderlass erfahrt, sind hier noch
namentlich der Untersuchungsmethoden des Bluts wegen zu erwähnen. Das Serum
des Bluts in den verschiedenen Partien eines Aderlasses zeigt ungefähr dieselbe Zu-
sammensetzung; nm ein geringes mehrt sich sein procentischcs Wasser und dafür min-
dern sich Eiweis«* und Extracte (Lehmann). — Im Gesararatblut boII der Wasser-
und Faserstotfgehalt des Bluts vermehrt werden. (Zimmermann, Nasse, Poppe,
Lehmann*). — Im Gegensatz hierzu findet Brücke**), dass der Procentgchalt des
Blut« an Faserstoff in 4 bi« 5 hintereinander aufgefangenon Blutproben eines verblu-
tenden Hundes von 0,224 pCt. hi« 0,068 pCt. abnahin. — Die Lymphkdrpcrchcn sollen
«ich im VerhaltnisR zu den farbigen Körperchen sehr vermehren (Remak) und die
Zahl der farbigen absolut abnehmen ( V i e ror d t ***). Was mit der Angabe der unver-
änderten Zusammensetzung de« Serums bei steigendem Wassergehalt des Gesammtblutes
Übereinstimmt.
Blut verschiedener Geschlechter und Lebensalter.
Das Blut im kindlichen Alter soll am reichsten, das im hühern
Alter am ärmsten an festen Bestandteilen sein.
Das Blut der Frauen fand man im Allgemeinen reicher an
Wasser und Fett und ärmer an löslichen Salzen, als da« der
Männer.
In der Schwangerschaft soll das Blut faserstoff- und wasser-
reicher, dagegen eiweissärmer als gewöhnlich sein.
Blutmenget).
Die Blutmenge des Menschen wird sich im Allgemeinen mit
dem Gewicht des letztem verändern; fraglich bleibt cs aber, ob
seihst innerhalb der Grenzen der Gesundheit die Verhältnisszalil
zwischen Blut- und Körpergewicht eine constante bleibt, da offen-
bar die verschiedenen Organe des Menschen sieh einer sehr ungleichen
Blutftille erfreuen und die verschiedenen Individuen sieh von ein-
•) Pharmazeut. Ccntralblatt 1R56. 444.
••) Vlrchow s Archiv XII. 179.
•••) Archiv f. jihyslol. Heilkunde. XIII. 259.
4) Welker, Prager Vierteljahrs« hrfA 1854. 4. Bd. — Derselbe, Hcnle's u Pfcnffer's Zcitschr.
3.R. IV. Bd. 145. — Heidenhain, Disqulaltiones rritlcac de »anguiuis quarititatc 1857. — /Valen-
tin, Physiologie. 2. Anfl. I. 494. — Veit, ObservalJonnm de sanguinis quantiute recctuio 1848.
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Blutraengc.
41
i ander ahheben durch ein ungleiches Verhältnis« der einzelnen Organe
zn einander.
Nach den vorliegenden Beobachtungen am erwachsenen Men-
schen selbst enthalten 100 Gr. desselben 12,5 Gr. (Ed. Weber >
i und Lehmann) bis 7,7 Gr. (Bischoff), der Neugebornen aber
5,2 Gr. (Welker) Blut. — Nach ausgiebigeren Bestimmungen von
Säugethieren enthielten 100 Theile der folgenden Thiere die bei-
geschriebenen Blutmengen. Maus 7,2 — 8,0 (Welker); Kaninchen
6,08 — 4,81, im Mittel 5,5; ein schwangeres Thier ohne Junge 6,7
(Ileidenhain); die junge Katze 6,2 (Welker); Hund 6,6 bis
8,1, im Mittel 7,4 (Heidenhain). Bei Hunden, welche durch
, anhaltende Nahrungsentziehung 20 bis 30 pCt. von ihrem ursprüng-
lichen Gewicht eingebüsst hatten, blieb die Verhältnisszahl zwischen
Blut und Gesammtkörper dieselbe, nämlich 8,1 bis 7,8 (Heiden-
bain). Wesentlich abweichende Zahlen giebt Valentin, indem
er den 100 Theilen Hund 20 bis 25 Theile Blut zusebreibt.
Zur Bestimmung der Blntmenge giebt et» drei Methoden : 1) Verfahren von
Welker mit V erbesserungen von Ileidenhain. Sic benutzt die Färbekraft des
Bluts, d. h. den Farbenton , * den eine bestimmte Menge von Blut einer bestimmten
Menge von Wasser ertheilen kann. Sind zwei verschiedene Blutvolnmina a u. u. a'
desselben Individuums mit bekannten Wassermengen b u. b' so gemischt, dass beide
Mischungen denselben Farbenton geben, so werden sich vorausgesetzt, dass die Färbekraft
I der beiden Blutproben dieselbe war, in beiden Mischungen gleiche Verhältnisse zwischen
a a'
Blut und Wasser finden, also 8C^D* ®in<* d*0* Werthe dieser Gleichung be-
kannt, z. B. a, b n. b', so wird a'=^b' sein. In der Ausführung Wird sich also
die Welk er 'sehe Blutbestimmung so gestalten, dass man ein gegebenes Gewicht
reinen Bluts niit einer gegebenen Wassermenge vermischt, dann den gesammten Blut-
farbstoff des Individuums (durch Verbluten, Ausspritzen und Auspressen desselben)
sich verschafft, und diesen so lange mit Wasser verdünnt, bis sein Farbenton der
zuerst bereiteten Blutroischung gleich ist. Die Sicherheit, welche dieses Verfahren
bietet, wird abhängig sein: a° von der Genauigkeit, mit welcher die Messungen der Vo-
lumina anzustellen sind; diese können durch Anwendung genau graduirter Maassge-
fässe, respektive einer gnten Waage die Grenzen wissenschaftlicher Genauigkeit über-
haupt erreichen; b° von der Befähigung des Auges, den Farbenunterschied aufzu-
decken; diese ist zwar eine sehr grosse, aber nach Heidenhain selbst nach erlangter
Uebung unter Anwendung möglichst günstig ausgewählter Bedingungen (nämlich im
Verhältnis« des Bluts zum Wasser = 1 :50ü und 1 : 1000; eine Dicke der 7,5CM.-Lösungs-
schicht; eine Vergleichung der Farben, während die mit den Blutlösungen gefüllten
Flaschen vor eine weisse Fläche gehalten werden) eine beschränkte. Unter diesen
Voraussetzungen konnto sich der Fehler belaufen nuf 2,5 bis 4 pCt, d. h. cs wurde
eine Lösung, welche guf 100,000 Wasser 100 Theile Blut enthielt, gleichgefärbt
erachtet mit einer solchen von 102,5, resp. 104,0 Theilen Blut c®. Es fragt sich, ob
die beiden verglichenen Blutproben gleiche Färbekraft besitzen. Dieses würde unzwei-
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Blutmenge.
felhat t der Fall sein, wenn man das ganze Blut des Thieres, Tor der Vermischung
mit Wasser gleichmässig mengen könnte, so dass überall das Verhältnis« »wischen
Plasma und Körperchen dassejbe wäre. Statt dessen muas man sich begnügen,
aus einem oder dem andern Gefass eine Blutprobe zur Vergleichung mit dem ausge-
waschenen Blut zu nehmen. Hier erscheint es nun bekannte Thatsache und einer
eigends ansgefährten Bestimmung Ton Heidenhain gegenüber nicht gleichgültig,
ob man das Blut aus der Vena jugularis oder aus der Arteria carotis wählte; da»
letztere besass weniger färbende Kraft als das erster«. Da nun jedes Uefäss Blut von
spezif. Färbekraft besitzen wird, so würde zu verlangen sein eine Kenntnis»
der Färbekraft aller einzelnen Blutarten, namentlich der Venen (Vena hepatica,
lienalis, renalis u. s. w.) und zugleich der Blutmengen in den einzelnen Gef&ssab-
schnitten. 8tatt dessen begnügte sich Heidenhain mit dem Mittel aus dem Färbungs-
vermögen des Venen- und Arterienbluts am Halse, zur Vergleichung mit dom des ent-
leerten Blutes. Durch dieses Verfahren ist der Fehler vermindert, aber nicht aufgehoben,
namentlich weil das venöse Blut viel reichlicher vorhanden ist als das arterielle.
Heidenhain, der mit Sorgfalt diese Fehler in Betracht zieht , giebt an , dass er
die Blutmenge des Thieres, wenn er sie auf Grundlage der arteriellen Probe bestimmte,
bis za 13 pCt. höher fand, als wenn dieses mittelst der venösen geschah. —
d° Das Blut muss immer möglichst auf das gleiche Roth »urückgeb rächt werden, durch
Schütteln mit Luft. — e° Das zum Mischen angewendete Wasser muss immer gleiche
Eigenschaften besitzen, also destillirtes sein. — f° Die Blutproben müssen wegen der
raschen Veränderung ihres Farbstoffs, die um so eher eintritt, wenn das Blut schon
mit Wasser verdünnt war, möglichst bald nach der Entleerung aus den Gefässen ver-
glichen werden. — g° Zur Erschöpfung des Leichnams von Blutfarbstoff lässt man das
Thier orst wie gewöhnlich verbluten, dann spritzt man rasch, und zwar möglichst vor
der Blutgerinnung, die Gefässe mit Wasser durch, und nun erst zerkleinert man das
Thier und laugt es in der Presse mit Wasser aus. Die durchgespritzten und ausge-
pressten Flüssigkeiten werden filtrirt. Dieser Theil des Verfahrens würde die Angaben
über Blutmenge eher zu gross als zu gering machen , da dabei ein Verlust an Blut-
farbstoff kaum zu fürchten ist, während andere thierische Farbstoffe sicher in die
Lösung übergehen. Die Umständlichkeit dieser Operation erschwert die Anwendung
auf grosse Individuen, so dass nur Welker und Bischoff die Beobachtungen auf
den Menschen ausdehnen konnten. — Aus diesen Bemerkungen wäre zu schliessen, dass
sich allerdings Welkere Methode um eine noch nicht genau angebbare Zahl von Pro-
zenten irren könne , dass sie aber dennoch eine grössere Genauigkeit gibt , als die
andern bis dahin angewendeten.
2) Valentin geht bei der Blutbestimmung von folgender Betrachtung aus: Ge-
setzt, es sei X die Menge des Rückstandes, welchen das gesammte eingetrocknete Blut
eine» Thieres hinterlassen würde, und Y das Wasser dieses Bluts, so würde Y-|-X
die Blutmasse dieses Thieres darstellen. 100 Theile dieses Bluts würden eingetrocknet
hinterlassen R ■
100 X
(1). Fügt man nun zu der Blutmasse X-f-Y ein bekanntes
X-f-Y
Gewicht destillirten Wassers a, so wird die in den Blutgefässen vorhandene Flüssigkeit
jetzt =X-f Y -f- a. u. R' =
Wir hätten somit X =
100 X
X + Y + »
a K K'
£2).
. _ (100— J0 R'a . . .
_ und Y = -= — r— , iwei Gleichun-
(R — R-) 100 (R — R') 100’
gen, welche zu Innen sind, wenn R und R' bekannt geworden; um sie bekannt au
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43
#
Blut men ge
machen, entzieht man einem Thiere eine kleine Blutmenge, injizirt darauf in die geöff-
nete Vene ein bekannte» Gewicht destillirten Wasser» und entzieht nach einiger Zeit
abermals Blut. Dann bestimmt man durch Eintrocknen den Gehalt beider Blutarten
an festen Bestandtheilen. — Valentin und Veit*) führten eine Reihe solcher Unter-
suchungen an Hunden , Katzen , Schafen , Ziegen und Kaninchen aus. Da sich die
Blutmengen der Hunde ziemlich übereinstimmend zu */♦ bis des Körpergewichts
berechneten, so hielt man das Resultat Blr ein richtiges. Statt dessen konnte man
aber sagen, die Kehler der Methode sind constant, ohne dass man Uber ihre Grösse
Etwas auszusagen im Stande wäre. — Die Fehler, welche man ihr vorwirft, sind fol-
gende: Einmal glaubt man, dass das blutverdünnende Wasser in den Gefiisscn nicht
zurückgehalten werde, sondern durch dio Nieren, Speicheldrüsen, serösen Häute u. s. w.
austrete. Dieser Vorwurf ist nicht so gegründet, wie er auf den ersten Blick erscheint ;
mindestens geht in der ersten halben Stunde nach der Wassereinspritzung keine Stei-
gerung der Conzentration des Blutes vor sich , selbst wenn das Blut bedeutend ver-
dünnt worden war (Veit, Kierulf). • — Dann kann sich das verdünnte Blut durch
Diffusion in das Gleichgewicht setzen mit der Umgebung , älso wird es auch feste
Stoffe aufnehmen (Donders). — Wichtiger erscheint der Einwand, dass die Mischung
von Blut und Wasser nicht gleichmässig sein könne, da das Wasser nicht auf einmal
mit dem ganzen Blute durchgeschüttolt werde. — Endlich aber, und dieses dürfte bei
Bestimmungen des Wassergehaltes vom Gcsammtblut am schwersten in die Wag-
schale fallen, sind wegen der ungleichen Mischung von Körperchen und Plasma alle
Wasserbestiinmungen am Gcsammtblut illusorisch. Irgend welche Geschwindigkeits-
änderung im Strom des Gefässes, aus dem der Aderlass kam, kann hier grössere Ab-
weichungen erzeugen als die Wasserinjection.
3. Ed. Weber licss Verbrecher vor und nach der Enthauptung Prägen. Den
Unterschied gab das nach der Enthauptung entleerte Blut und zu gleicher Zeit be-
stimmte er den prozentigen Werth des festen Rückstandes in dem ausgeflossenen Blut.
Ausserdem spritzte er so lange in die Arterien des Kopfs und Rumpfs Wasser, als
aus den Venen noch eine rothgefärbte Flüssigkeit drang. Diese Flüssigkeit verdampfte
er zur Trockno und wog ihren Rückstand. Aus dem Gewicht dieses letztem und dem
bekannten Gehalt des Bluts an festen Bestandtheilen konnte berechnet werden, wie
viel Blut durch das cingespritzte Wasser ausgespült war.
Heidenhain hat später gefunden, dass selbst ein vorsichtiges Ausspritzen
namentlich in den Knochen, Nieren, Leber u. s. w. Blut zurücklässt; und ausserdem
ist längst bekannt, dass durch Wasserinjection Ocdem eintritt, dass also oin Theil, der
mit fester Masse geschwängerten Flüssigkeit in die Gefässe tritt. Man hätte also er-
warten sollen, dass diese Methode weniger Blut als die Wolke r’ »che haben würde
und doch verhält es sich umgekehrt.
Andere Methoden zur Ermittelung dos Blutgehaltes sind entweder sichtlich un-
vollkommen, oder sic führen zu etwas ganz Anderem, als beabsichtigt. — Dahin ge-
hört die Wägung einer erstarrenden Masse , welche in das Gefässsystem eingespritzt
ist; man erhält hieraus begreiflich nur eine Aussage über die Räumlichkeit der Ge-
fässe bei einer bestimmten Spannung der Wände.
•) Obscrvationum de nanguinta quantitate rcccnaio. Halle 1848.
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44
Blutbewegung. Einleitung.
Blutbewegung.
Einleitung *).
1. Physikalischer Begriff des Wasser». Die Beobachtung lehrt: dass, wenn wir
eine Wassermasse susammcndrücken das Volum desselben sich mindert und zwar in
dom Maassc, in welchen der Druck steigt. Der relative Werth dieser Volumvermin-
v*
derung — , wo v* die Volum Verminderung, ▼ das Volum des Wassers vor der Zusam-
menprcssung bedeutet, ist aber ein so geringer, dass man ihn mit einer für das all-
tägliche Leben genügenden Genauigkeit vernachlässigen , also das Wasser als unzusam-
mendrückbar an sehen kann. Auch nimmt dio Flüssigkeit ihr früheres Yolum wieder
ein , wenn sio dem Druck , der auf ihr lastete, entzogen wird. — Die Erfahrung
lehrt ferner, dass der einer ruhenden Wasserraasse beigebrachte Druck, wenn er auch
nur einseitig wirkt, sich nach allen Richtungen hin gleichmässig fortpflanzt, so dass,
wenn z. B. ein Druck senkrecht auf das Wasser erfolgte, er sich in diesem auch nach
der wagrechten Richtung ausbreitet. — Ferner steht es fest, dass die Flüssigkeit durch
eine Zunahme ihrer Temperatur sich allseitig gleichmässig ausdehnt und umgekehrt, dass
sie bei Abnahme derselben sich allseitig gleichmässig zusamraenzieht. — Die verschie-
denen Querschnitte einer Wasserraasse hängen mit einer beträchtlichen, und dazu mit
einer nach allen Richtungen gleichgrossen Kraft zusammen, dabei sind aber die ver-
schiedenen Schichten im Innern der Wassermasse mit Leichtigkeit aneinander verschieb-
bar. Endlich kann, wie die Lehre von der Lösung und Diffusion zeigt, in dem Raum,
der scheinbar schon vollkommen vom Wasser erfüllt war, noch ein anderer flüssiger
Körper eingeführt werden, so dass eine solche Losung angesehen werden muss als eine
nach allen Richtungen gleich beschaffene Schichtung von Wasser mit dem aufgelösten
Stoff. — Alle Erfahrungen, welche sich auf die allgemeinen physikalischen Eigen-
schaften des Wassers beziehen , gelten auch für die Lösung nur mit dem Unterschied,
dass die Cocffizicnten der Verdichtung, der Ausdehnbarkeit, der Temperatur und der
Cohäsion andere sind, und dass die Ausgleichung des Druckes im Innern des Flüssig-
keitsvolums in einzelnen Losungen z. B. bei der des Eiweisses, des Zuckere, Gummis
u. 8. w. nicht momentan erfolgt, sondern dass eine unter Umständen merkliche Zeit
dazu gehört, bis diese Lösungen die Form angenommen haben, welche der Bedingung
einer allseitigcn Druckausgleichung entsprechen. Solche Lösungen nennt man zäh oder
dickflüssig.
Dicso unbestreitbaren Thatsachen führen ungezwungen zu einer Vorstellung über
die mechanische Anordnung des Wassere und der wässerigen Lösungen. Nach ihr be-
steht das Wasser aus kleinsten Theilchen, welche sich nicht unmittelbar berühren,
sondern in einem gewissen Abstand voneinander stehen ; der mittlere senkrechte Ab-
stand zweier Nachbartheile ist nach allen Richtungen derselbe, und bei gegebener Tem-
peratur und gegebenem Druck ein fest bestimmter, er mindert sich dagegen mit der
abnehmenden Temperatur und dem steigenden Druck, dagegen bleibt der Ort, oder
*) Frankenheim, Die CohKaion. 1835. — Kryatalliaation and Amorphie. Breslau, ohne Jahr-
zahl (185t). — Dove, Repertorium. I. Bd. 85. 98. 112 u. f. , Ibld. VII. Bd. — Berliner Berichte.
II. Jahrg. p. 14 u. f. — Poisaon, dquatlona generales de l'dqulllhre et du mouvement etc. Jour-
nal de l’ecolc polytcchniqtie. 20. Heft. — Weiesbach, Ingenieur und Maschinenmechanik, 3. Aufl.
1856. — Darcy, aur le mouvement» dea fluides dana tnyanx. Paria 1857. — C Ludwig und
Stefan, Wiener akadem. Berichte. April 1858. — Magnus, Poggendorfa Annalen 80. Bd.
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Spannung des Wassers.
4%
anders ausgedrückt die Richtung, in welcher sich ein Theilchen »um andern stellt* un-
bestimmt* so dass das eine relativ cum andern unzählige Lagen annehioen kann, wenn
nur der immer gleiche Abstand «wischen beiden gewahrt wird.
Man verlasst dagegen das Gebiet der Thatsachen und begiebt sich auf das der
Hypothese, wenn man bestimmte Vorstellungen über die Bedingungen ausspricht, von
welche die allseitige gleiche Elastizität des Wassers abhängig ist. Solcher Hypothesen
lassen «ich mehrere bilden ; wir wählen, als für unsere Zwecke genügend, die von ihnen,
welche sich am leichtesten aussprechen lässt, obwohl sie gerade nicht die wahrschein-
lichste ist; nach ihr sind die Theilchen mit anziehenden und abstossenden Kräften
begabt, welche bei einer bestimmten Entfernung der Theilchen im Gleichgewicht stehen.
Aeudert sich der Zwischenraum, so kann dieses nur geschehen, indem anziehende oder
abstossende Kräfte frei werden.
2. Spannung des Wassers. Ueberlasseu wir die Flüssigkeit den Anziehungen
und Abstossungen , welche zwischen ihren Theilchen wirken, so ordnet sich dieselbe
so an , dass, ein Gleichgewichtszustand zwischen jenen Kräften eintritt ; vermindern
oder vermehren wir den Abstand der Theilchen, den sie in dieser Gleichgewichtslage
einnehmen, so werden wir in ihnen das Bestreben hervorrufen, sich wieder bis auf
die frühere Lage zu nähern odeT zu entfernen; dieses Bestreben nennen wir Spannung.
Die Grösse dieser Spannung wachst mit der Entfernung von der Gleichgewichtslage,
und es müsste somit die Spannung durch diese Entfernung gemessen werden. Da
dieses aus technischen Gründen unthunlich ist, bo benützen wir statt dessen das
Höhenmaasa einer Wassersäule, welche auf die FlUssigkeitsschicht gesetzt werden muss,
um dieser letzten die verlangte Zusammenpreasung zu erthcilen. Die Berechtigung
hierfür erweiset sich folgendermassen : Die zwischen den Theilchen des Wassers ent-
wickelte Kraft kann man natürlich durch jede andre messen, welche derselben das
Gleichgewicht hält, also auch durch das Gewicht P, mit welcher man die Flächenein-
heit der Wasserschicht belasten muss, damit zwischen den Theilchen die verlangte
Spannung geweckt werde. Als Gewicht kanq man nun offenbar ein Wasservolum
aufgesetzt denken, dessen Basis gleich ist der Flächen- Fig. 2.
einhsit (Q), und dessen Höhe (H) unter Berücksichtigung
des spezifischen Gewicht« (8) des Wassers so hoch ge-
nommen werden muss, dass P^OHS wird. Gesetzt wir
hätten dieses gethan, und wir hätten ferner das spezi-
fische Gewicht des Wassers wie gewöhnlich = 1 ange-
nommen, so würden wir jetat auch von dem Faktor Q
abschen können, und nur die Hohe des drückenden Was-
servolums als Spannungsmaass in Betracht zu ziehen haben.
Die Rechtfertigung hierfür liegt in der Eigenschaft des
Wassers, den von einer Seite empfangenen Druck allseitig
fortzupflanzen. Gesetzt, es laste auf der sehr dünnen
Wasserschicht abcd (Fig. 2.) das Gewicht des prismati-
schen W&sscrvolums abedefgh. Ueberlcgen wir nun,
welche Wirkung ein beliebiges Längenstück dieses Volums,
etwa aeiklm, in der unmittelbar unter ihm liegenden
Abtheilung der Wasserschicht erzeugen werde, so finden wir,
dass es die dort befindlichen Theilehen einander nähern
*i*d» ao lange bis ihre Spannungen jenem Druck das Gleichgewicht halten werden,
bie hierdurch erzeugte Spannung theilt eich nun aber sogleich auch allen Übrigen in
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4fi Druck ninnss des Wassers. Arbeitsmaass der Spannung.
m
abcd enthaltenen Thei lohen mit, gerade so als oh auch noch der Rest des drückenden
Prismas efghabcd gewirkt hätte. Wenn wir sie uns also noch wirksam denken, so
wird dadurch keine Spannungsvermchrung ein treten. Nun können wir aber die Grund-
fläche des wirksam gedachten Prisma aeiklm so klein annehmen, als wir wollen, ohne
an dem spannenden Effekt desselben etwas zu ändern, d. h. also, es ist die Spannung
des Wassers in der gedrückten Schicht nur abhängig von der Höhe der Säule und
dem spezifischen Gewichte ihres Inhalts, dagegen unabhängig vom absoluten Gewicht«
derselben.
3. GruckmaassderSpannung. Von dem Spannungsmaass des Wassers müssen
wir unterscheiden dos Drnckmaass dosseiben. Ist eine gespannte Flüssigkeit in einem
Behälter mit unnachgiebigen Wänden eingeschlossen, so wird sie vermöge ihrer Elasti-
zität auf die letzteren einen Druck ausüben. Dieser aber wird wachsen mit der
Höhe, der die Spannung ansdrückenden Wassersäule H und der Fläche F, welche das
Wasser benetzt Also ist der Druck D = HF d. h. gleich dem Gewicht eines Was-
servolums, dessen Grundfläche durch die Ausdehnung der gedrückten Wand und dessen
Höhe durch die spannende Säule bestimmt ist Demnach ist auch der Druck unab-
hängig von dem Gewicht des Wassers welches in der That auf die Wände geschichtet
ist; dieses kann gleich, grösser oder kleiner als das Produkt HF sein.
4. Arbeitsmaass der Spannung. Die Arbeit, welche eine gehobene Wasser-
säule hervorbringen kann, ist gleich dem Gewicht des gehobenen Wassert» (p) raultipli-
* zirt mit der Höhe (h°), auf welche dieses Gewicht gehoben wurde, also = ph oder,
da «las Gewicht gleich ist der Masse (m) multiplizirt mit der Beschleunigung der
Schwere (g) auch = mgh. Die Rechtfertigung für die Einführung dieser Werthe in das
Arbeitsmaass ergiebt sich, wenn man bedenkt, dass die Arbeit das Produkt einer con-
stanten Kraft mit dom Weg ist, den ihr Angriffs-
punkt im Sinne der Kraft während einer beliebigen
Zeit zurücklcgt. Es kann also von der Arbeit der
Spannung nur insofern die Rede sein , als sie sich
in Geschwindigkeit umwandelt Indem sie dieses
thut ist aber ersichtlich, dass die Wirkung, die sie
dabei austibt, proportional sein muss der Anzahl
von schweren Theilchcn, also der Masse (m), dann
aber auch die Grosse des Zuges, welchen die Schwere
(g) auf jedes einzelne Theilchen austibt und endlich
der Anzahl von Elcmementarzügen , resp. der Zeit-
dauer, während welcher die beschleunigende Kraft
wirkte, bevor wir sie in Betracht zogen, also der
Höhe (h), aus welcher die Flüssigkeit herab ge-
fallen ist. Dieser Auseinandersetzung entsprechend
würde die Flüssigkeit zweier Behälter A und B
(Fig. 3.), die wir uns gefüllt denken , zwar an dem
Boden gleicho Spannung besitzen , und auf diesen
gleichen Druck ausüben , aber dennoch eine ganz
verschiedene Arbeit leisten. Denn zur Gleichheit des Druckes und der Spannung
ist nur nöthig, dass A und B einen Boden von gleicher Grundfläche und eine Seiten-
wand von gleicher Höhe darbieten. Daneben kann sie aber, wie die Figuren zeigen,
ganz verschiedene Wassernüssen beherbergen. Nehmen wir nun an, es werde am
Boden beider Behälter eine gleichgrosse Oeffnung angebracht , so werden aus beiden
. Fig. 3.
A
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Beziehung zwischen Spannung und Geschwindigkeit. 47
Gefassen die ersten auaflieasenden Tropfen mit gleicher Geschwindigkeit hervorgehen
und also auch gleiche Arbeit leisten, aber bald wird die H5he in beiden Gefassen
merklich verschieden sein, weil sich der schmale Hals des Üefässes A rascher entleert
als der weite Bauch von B, und nun wird aus dieser letztem mehr und zugleich dieses
Mehr mit einer grossem Geschwindigkeit ausfliessen als aus A. Also leistet A von
jetzt an mehr Arbeit als B.
5. Beziehung zwischen Spannung und Geschwindigkeit. Eine ge-
drückte Flüssigkeit kann in 8ponnung oder in Bewegung kommen ; ob das eine oder
das andere geschieht, ist nicht vom Druck, sondern davon abhängig, ob die Flüssig-
keit dem Druck ausweichen oder nicht ausweichen kann. Findet eine gedrückte Flüs-
sigkeit gar keinen Widerstand, »o geräth sie in Bewegung, und zwar in der Art, dass
die bisher vorhandene Spannung verschwindet nnd die ganze drückende Kraft zur Er-
zeugung von Geschwindigkeit verwendet wird. Die Geschwindigkeit v, welche eine
Flüssigkeit unter dem Drucke einer Säule von der Höhe h erlangt, ist bekanntlich v = f/2gh,
wo g wieder die Schwerkraft bedeutet. Diese Beziehung zwischen Druckhöhe, Schwere und
Geschwindigkeit ergiebt sich aus den bekannten Fallgesetzen, die ihre Anwendung finden,
weil die bewegende Kraft auch hier die Schwere ist, und weil die Höhe, die in dem
freien Fall in Betracht kommt, wegen der Zeit, während welcher der Körper herabsinkt,
hier bei der unter einem Druck bewegten «Flüssigkeit als die Zahl der gleichzeitig von
der Schwere angegriffenen Theilchen zu nehmen ist. Im physikalischen Vorgang be-
steht also der Unterschied, dass schwere Körper beim Fall die Orte successiv erreichen,
welche in der drückenden Säule gleichzeitig von schweren Massen erfüllt sind, und
dass im fallenden Körper die vorhergegangenen Anziehungen sich als Geschwindig-
keiten zu den folgenden addiren, während die in der drückenden Flüssigkeit über-
einandergeschichteten schweren Massen der Beihe nach ihre Spannungen zu einander
addiren. Bei einer somit gleichhäufigen Wirkung einer gleichstarken Kraft muss ein
und dasselbe Endergebniss zum Vorschein kommen.
Bei einer gedrückten Flüssigkeit muss es auch Vorkommen können, dass der
Widerstand, welcher dem Druck entgegensteht, zwar geringer als dieser, aber doch
immer noch merklich vorhanden ist, so dass sieh die in Bewegung gesetzte Flüssig-
keit selbst noch in einem Spannungszustand befindet In diesem Fall hat sich also
ein Theil , der durch die drückende Säule hervorgebrachten Spannung in Geschwin-
digkeit umgesetzt, während ein anderer noch der Spannung verblieb. Die ursprüng-
liche Spannung h ist somit als eine Summe zweier anderer Zustände vorhanden, deren
Kräfte im Spannungsmaass , also durch drückende Säulen h' und h" ausgedrückt
werden können. Zwischen den Höhen deT ganzen Säule und ihren Antheilen, die als
Geschwindigkeit h' und Spannung h" der geschwinden Masse vorhanden sind, muss
natürlich die Beziehung bestehen, dass h = h' -\- h" ist Mit andern Worten der
zur Geschwindigkeit verbrauchte Kraftantheil der ursprünglichen Spannung (dio Ge-
schwindigkeitshöhe) und der noch als Spannung übrig gebliebene (die Widerstands-
höhe) sind gleich der ursprünglichen Druckhöhe. Daraus folgt auch, dass h — h" = h'.
6. * Arbeitsmaass für die bewegte Masse; lebendige Kraft Wenn
ein Gewicht p = mg unter 1 dem Druck h in Bewegung kommt , so dass die Masse
ihre ganze Spannung in Geschwindigkeit v umsetzt, so muss die Arbeit, welche die
gespannte Masse ausführen kann, gleich sein der, welche von der bewegten zu ver-
mv* .
richten ist. Dieses führt zu dem Ausdruck mgh =■■ » ; diese Gleichung leitet sich
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Die bewegte Flüssigkeit.
v* vs
daraus ab, dass v = y 2 gl» also h = ^ ist; setzt man ^ statt das h in ragh , so
ragv* mv*
geht dieses über in oder in „ . Also ist in den beiden Gliedern der obigen
2* 2
Gleichung derselbe Kraftwerth durch verschiedene Zeichen, entsprechend don verän-
derten physikalischen Bedingungen ausgedrückt.
7. Die bewegte Flüssigkeit Die Bahnen , welche die einzelnen Theilchen
einer bewegten Flüssigkeitsmasse beschreiben, sind entweder geradlinig oder krumm-
linig fortschreitende; im letzten Fall können die Bahnen in sich zurücklaufcn ; solche
Bahnen, die entweder geschlossen oder nahezu geschlossen sind, nennt man Kreis-,
Wirbel-, unter Umständen Wellenbahn. —
Die Geschwindigkeit des einzelnen Theilchens kann mit der Zeit und dem Orte
der Bahn veränderlich oder nicht veränderlich sein. Ist sie unabhängig von der Zeit,
so dass die während der ganzen Stromdauer an ein nnd demselben Orte befind-
lichen Theilchen dieselbe Geschwindigkeit haben, so gehört die Bowegung einem
Strome an, der in den Beharrungszustand getreten. Dieses kann sich nur dann
ereignen, wenn die auf die Bewegung der Theilchen wirkenden Beschleunigungen und
Hemmungen gleich gross sind. Denn nähmen mit wachsender Zeit die Beschleu-
nigungen zu, so müsste die Geschwindigkeit der duroh den betrachteten Ort gehen-
den Theilchen steigen , und nähmeu umgekehrt die Hemmungen zu , so müsste die
Geschwindigkeit mit der Zeit sinken. — Verändert sich dagegen die Geschwindig-
keit der Theilchen, die durch ein und denselben Querschnitt des Stromes, oder den-
selben Stromfaden zu verschiedenen Zeiten gehen und zwar in der Art, dass die Ge-
schwindigkeit nach einor regelmässigen Periode steigt und fallt, so nennt man die Be-
wegung eine wellenförmige.
Die bewegende Kraft, welche die Massencinheit der bewegten Flüssigkeit
besitzt , kann auf der Bahn gleich bleiben, zu oder abnehmen. Bleibt die bewegende
Kraft ccmstant, so kann dennoch die Geschwindigkeit, oder die Spannung in einem
Zu- oder Abnehmen begriffen sein. Denn da die ganze bewegende Kraft durch k = p
gemessen wird, wo p die Gewichtseinheit, h ihre Spannung, g dio Schwere,
(‘+ö
(also — die Masse m) und v dio Geschwindigkeit bedeutet, so kann die ganze bewe-
8
gende Kraft der Masseneinheit dieselbe blcibeh, selbst wenn z. B. v abnimmt, vorausgesetzt
nur dass so viel Kraft, als die Geschwindigkeit verlor, verwendet wurde zur Erhöhung
der Spannung. Ein solcher Austausch von Spannung und Geschwindigkeit kann sich sowohl
bei constantem als boim wellenförmigen Strom ereignen ; bei einer stehenden Welle z. B.
in der Art, dass die Summe der bewegenden Kräfte eines jeden in einem bestimmten
Bahnschnitte befindlichen Theilchens zu allen Zeiten dieselbe bleibt, so dass, wenn nach
einer gewissen Periode die Geschwindigkeit desselben abnimmt, die Spannung nach
derselben Periode wrächst und umgekehrt. — Bei einem gleichförmigen Strom , dessen
Merkmal in einer zu allen Zeiten stets gleichen Geschwindigkeit auf einem gewissen
Bahnabschnitt besteht, kann die Bedingung gleicher Kräfte trotz ungleicher Geschwin-
digkeit nur für jedes Theilchen bestehen, während dasselbe verschiedene Orte der Bahn
durchläuft. Betrachten wir z. B als Masscncinheit einen Kubikmillimeter und denken
wir uns, dass dieselbe boim Durchgang durch die Strombahn bald einen Querschnitt
von einem und bald von zwei Quadratmillimctem anszufiUlen habe, so wird die Ge-
schwindigkeit eines jeden Theilchens in dem Maasse abnehracn, in welcher der Quer-
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Mitteilung der Bewegung des* Stromes über seine Grenzen.
49
schnitt der Strombahn cunimmt; dieses aber wegen der Bedingung, dass die Flüssig-
keitsmenge, welche in derselben Zeit durch die verschiedenen Querschnitte eines con-
stanten Stromes hindurchgeht dieselbe sein muss; eine Bedingung, welche sich durch
die Cohäsion und Unxusammcndrückbarkeit des Wassers begründet. Bleiben also der
obersten Forderung gemäss die bewegenden Kräfte des Theilchens auf dom Quer-
schnitt von 1 und 2 □ M.M. gleich, so muss in dem Maasse, in welcher die Ge-
schwindigkeitshöhe abnimmt, die Spannung attnehmen.
Aus der soeben geführten Erörterung lässt sich für den Fall , wobei die Kräfte
auf der Strombahn in Abnahme begriffen sind, ableiten, dass, wenn die Geschwindig-
keit auf allen Orten eines Stromfadens dieselbe ist, die Abnahme der Kräfte durch
die Abnahme an den Spannungen gemessen wird , so dass , wenn der Spannungsunter-
schied, der zwischen zwei auf einander folgenden Querschnitten besteht, bekannt ist,
dieser den Kraftverlust der Flüssigkeit von einem zum andern Querschnitt ausdrückt.
Wäre umgekehrt die Spannung auf allen Orten eines Stromfadens dieselbe, so kann
die Abnahme der Kräfte durch den Geschwindigkeitsunterschied zweier auf einander
folgenden Querschnitte ansgedrückt werden. — Wenn dagegen Spannung und Geschwin-
digkeit von Querschnitt zu Querschnitt wechseln , so kann der Kraftunterschied nur
dann hervorgehen, wenn man aus den in jedem Querschnitt vorhandenen lebendigen
und spannenden Kräften eine Summe bildet und die eine von der andern absieht Der
Unterschied bildet jetzt den Kraftverlust, welchen der Strom vom einem Querschnitt
zum andern erlitten hat
Zieht man statt der Geschwindigkeit nur eines Theilchens oder der eines sehr
feinen Fadens, die eines Stroms von endlicher Ausdehnung in Betracht, auf dem alle
Theile gleiche Richtung verfolgen, so findet man für gewöhnlich, dass die Geschwin-
digkeit an verschiedenen Orten eines Stromquerschnittes, der senkrecht gegen die Strom-
richtung geht, ungleich ist Der Grund für die ungleiche Geschwindigkeit kann ent-
weder darin liegen , dass die Flüssigkeit in die verschiedenen Orte des ersten Strom-
querschnitts mit ungleicher Geschwindigkeit cinstromte, oder darin, dass sich beim
Fortgang des Stroms den verschiedenen Fäden ungleiche Widerstände entgegensetzten,
wodurch ungleiche Kraftverluste erzeugt wurden. In solchen Fällen hat es also keinen
Sinn mehr, von einer einzigen Geschwindigkeit auf diesem Querschnitt zu sprechen,
wenn man damit nicht den besondem Begriff der mittlem Geschwindigkeit verbindet,
d. h. derjenigen, welche, Wenn sie allen vorhandenen Fäden untergelegt würde, durch
den Querschnitt gerade so viel Flüssigkeit fördern würde, als es in der That beim
Bestehen der besondem Geschwindigkeit jedes einzelnen Fadens geschieht. Da diese
mittlere Geschwindigkeit sehr viel leichter zu messen ist, als die Geschwindigkeit der «
einzelnen Stromfäden, und ihre Bestimmung zur Lösung vieler hydraulischer Aufgaben
genügt, so ist dieser Ausdruck sehr in Gebrauch gekommen.
8. Mittheilung der Bewegung des Stromes über seine Grenzen,
a. Geht der Strom in ein gleichartiges Mittel von andern Bewegungszuständen, z. B
in eine ruhende Flüssigkeit, so höhlt sich der Strom in dieser, nicht etwa durch Fort-
schieben der vor ihm liegenden Tbeile ein Bett aus, dessen Querschnitt mit dem des *
Stromes übereinkommt, sondern er verändert sein Bett, seine Geschwindigkeit und
seine Masse. Die Massenveränderung des Stroms kommt dadurch zu Stande, dass ein
Theil des letztem in die ruhende Flüssigkeit und umgekohrt Thoile dieser in den
Strom dringen (Magnus). Die Noth Wendigkeit dieser Erscheinung leitet sich aus
der Cohäsion, und der Unznsammendrückbarkeit der Flüssigkeit ab. Aus der Massen
Zunahme des Stromes folgt dann , dass seine Geschwindigkeit proportional der Ycr-
Ludwig, Physiologie II. 2. Au (luge. 4
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50 Mittheilung der Bewegung des Stromes Uber seine Grenzen.
grossem ng des Stromquersehnittes abniramt — Was nun für den Strom in eine ruhende
Flüssigkeit gilt, findet auch seine Anwendung auf awei sich berührende Stromfaden
von gleicher Richtung aber ungleicher Geschwindigkeit
Nehmen wir an , es seien in
Fig. 4 AAf BB‘ CC* drei
flüssige Fäden, jede enthalte
drei Molekeln in dem gegensei-
tigen Abstand, welchen die gerade
vorhandene Spannung verlangt.
Denken wir nun, es seien A und C
eine gleiche und B eine doppelt
so grosse Geschwindigkeit er-
tbeilt, so wird s. B. das Theil-
chen 5 nach 6' gehen, während im obem Faden 1 und 2 au 1' und 2', und im
untern 7 und 8 au 7' und 8' gelangen. Damit wird sich aber der Abstand von 6
tu 1' und 7' vergrössert und tu V und 8' vermindert haben; träte dieses aber ein,
so würde vermöge der allgemeinen Eigenschaften der Flüssigkeit 6 an T und 7 *
ziehen, auf 3 und 9 aber drücken; mit andern Worten, es wird ein Theil der Ge-
schwindigkeit von 6' auf die Nachbarn Übergehen. Ueberlegt man sich unter Voraus-
setzung dieses Annahme den Gang der Flüssigkeit noch weiter, so müsste man
erwarten, dass eine ungleiche Geschwindigkeit zweier benachbarter Fäden überhaupt
gar nicht bestehen könnte, weil, wenn ein gradliniger Weg aller Schichten verlangt
wird , die in ihr enthaltenen Theilchen nur dann bei der Bewegung in gleichem Ab-
stand bleiben, wenn sie alle dieselbe Verschiebung erleiden. Da aber ungleiche Ge-
schwindigkeiten benachbarter Schichten in der That Vorkommen, so muss eine d«r
Bedingungen , die wir in unserm Beispiel unterlegt haben , die Gradlinigkeit des
Wegs, als unverträglich mit der Untusammendrtickbarkeit der Flüssigkeit für den
wirklich vorkommenden Strom keine Geltung haben, dann aber muss das Theil-
chen eines Fadens bei dem Fortschreiten um die Achse des Fadens hin und her
schwingen , wodurch Abweichungen von der geraden Linie des Wegs Vorkommen , die
allerdings entsprechend dem geringen Abstand der Nachbartheilchen für unsere Beob-
achtungsmittel unmerklich sind. — Jedenfalls geht aus unsern Betrachtungen hervor,
dass durch eine ungleiche Geschwindigkeit benachbarter Fäden eine andere Verthcilung
der bisher bestandenen Spannungen und damit eine Uebertragung von Kräften ein-
treten muss.
Eine andre, mit der eben erörterten innig zusammenhängenden Frage ist die, ob
bei dieser Gegenwirkung ungleich geschwinder Stromfäden auf einander bewegende
Kraft verloren geht Ware die Flüssigkeit vollkommen elastiseh und ihre Theilchen
vollkommen aneinander verschiebbar, so könnte kein Kraftverlust cintreten, indem
dann jedesmal die Einbusse an Kraft, welche das eine Theilchen erleidet, dem andern
tu Gute kommt Da cs aber Lösungen, wie s. B. die des Eiweisses, Schleimt, Zuckers
u. s. w. giebt, welche unzweifelhaft diesen Bedingungen nicht entsprechen, so ist
die Möglichkeit eines Kraftrerluttes durch die sogenannte innere Reibung nicht su be-
streiten. Die Erfahrung hat ihn jedoch noch tu bestätigen.
b. Bewegt sich die Flüssigkeit gegen einen festen ruhenden Körper, so über-
trägt sie auf diesen, insofern er der Richtung des Stroms entgegensteht, immer Ge-
schwindigkeit Diese letzte wird entweder in Spannung der Flüssigkeit oder auch des
festen Körpers umgesetzt, welche unter veränderten Umständen der Bewegung der Flüs-
Fig. 4.
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Constanter Strom in Röhren.
51
»igkeit wieder zu gute kommen kann. — Dass die verlorne Geschwindigkeitshöhe sich
auf die beseichnete Weise umsetxen kann , ist aus der Elasticität der Flüssigkeit und
der Widerstand leistenden Körper begreiflich ; daraus folgt auch, dass die herbeigeflihrte
Spannung auf den Strom wieder übertragbar ist Um der Anschauung au Hilfe au
kommen, wollen wir uns vorstellcn, dass ein Strom in einen schon mit Flüssigkeit er*
füllten , aber dnreh diese nicht ausgedehnten elastischen Beutel geschehe. Der Strom
wird in diesen Beutel also nur insofern eindringen können als er ihn ausdehnt und
darum nur so lange, bis die Wandspannung desselben den Stromkräften das Gleich-
gewicht hält Würde, nachdem dieses geschehn, der einfliessende Strom unterbrochen,
so würde nun aus der Oefftoung des elastischen Sackes ein Flüssigkeitsvolum austreten,
welches gleich wäre dem Räumlichkeitsunterschied des Beutels bei gespannten und
ungespannten Wandungen. Vorausgesetzt, dass die Elasticität des Beutels vollkommen
wäre, würde dieses Flüssigkeitsvolum auch den ganzen Werth der Kräfte mitnehmen,
den es früher als Strom bcsass, und dann als Spannung in die elastischen Wände
niederlegte. — In Wirklichkeit erleidet aber deT Strom beim Anstoss an feste Körper
eine wirkliche Einbusse an Kraft, indem sich die Bewegung der wägbaren Masse ent-
weder in Wärme umsetzt, die beim Zusammendrücken der festen und flüssigen Massen
entwickelt wird; oder der Kraftverlust geschieht dadurch, dass die auf den festen
Körper übertragene Geschwindigkeit diesem verbleibt oder durch ihn hindurch auf
andre Massen übergeht. Dieser ganze Verlust oder, wie man gewöhnlich sagt, die
äussere Reibung, ist abhängig von der Geschwindigkeit des Stroms, nicht aber von
der Spannung desselben, von dem Winkel, unter welchen die Stromrichtung die wie-
derstehende' Fläche trifft , von der Berührungsfläche zwischen Strom und festem Kör-
per, von der Elasticität und Oberflächenbeschaffenheit der letzten (die Benetzbarkeit
ein geschlossen) , von der Temperatur und chemischen Zusammensetzung der Flüssigkeit.
Die Beziehungen zwischen dem festen Körper und der Flüssigkeit müssen sich aber
wesentlich ändern, wenn die bisherigen Annahmen dahin' umgestaltet werden, dass der
feste Körper sich mit der Flüssigkeit bewegt. Denn dann machen sich ausser den schon
aufgezühlten Umständen noch die Eigenbewegungen des schwimmenden Körpers gel-
tend. Diese können sich darstellen als Drehungen, die von asyraetrischer Vortheilung f
der Dimensionen um den Schwerpunkt des schwimmenden Körpers, oder von unglei-
cher Geschwindigkeit der auf seine Oberfläche treffenden Stromfäden bedingt sind,
oder als ein Auf- oder Niederstreben des Körpers, bedingt durch ein von der
Flüssigkeit abweichendes Eigengewicht.
9. Constanter Strom in Röhren. Ausser den schon hervorgehobenen allge-
meinen Eigenschaften eines jeden Stromes, kommen bei einem solchen in Röhren noch
einige besondere zum Vorschein , die durch die Gestalt und die Oberfläehenbeschaflen-
heit der Wand bedingt sind. — Die Spannung eines jeden in dem cylindrischen Strom
enthaltenen Fadens, ändert sich mit der Entfernung des in ihm betrachteten Punktes
vom Ursprung des Stroms; je nachdem die Spannung mit dem wachsenden Weg ab-
nimmt, wird der Unterschied der Spannung, zweier auf einander folgender Punkte ein
■u oder abnehmender genannt, und zwar ist der Spannungsunterschied nach dem ge-
wöhnlichen Sprachgebrauch abnehmend, wenn die Spannung mit dem wachsenden Weg
sich mindert, im umgekehrten Falle ist er zunehmend. Denkt man sich die auf ein-
ander folgenden Spannungen eines Stromfadens ausgedrückt durch Plüssigkeitssäulen,
und errichtet man dann Fig. 5 auf dem Stromfaden A E als Abszisse, die jedem
Punkt desselben angehörige Spannung als Ordinate, h h,1 hlt hm ...., so stellt die Ver-
bindungslinie aller obem Endpunkte dieser Ordlnaten die Ourve der Spannungen dar.
4*
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Constanter Strom in Rohren.
Diese Curve kann entweder eine gerade Linie sein ; in diesem Fall bleibt der vor-
handen e Spannungsunterschied für die Längeneinheit des Stromes also /*«, h\b der-
selbe, oder es kann die Curve eine gebogene Linie sein, wo also der Spannungsunter-
Fig. 5.
h
schied in swei auf einander folgenden Längeneinheiten der Strombahn ab oder zunimmt
wie bei huc A‘V</. Endlich kann die Curve sogenannte ausgeseicbnete Punkte be-
sitzen, wo , wie bei An nnd hmy der Spannungswerth sich plötzlich ändert; obwohl
auch hier zwischen zwei auf einander folgenden Punkten des Stromfadens ein allmäh-
liger Uebergang in der Spannung stattfinden wird, so sieht man doch fllr gewöhnlich
die Spannungsanderung als eine plötzliche an. —
Betrachtet man, statt der mit der Länge veränderlichen Spannung eines Strom-
fadens , diejenige der vielen Fäden , welche auf einem Querschnitt enthalten sind,
der senkrecht gegen die Strorarichtung geführt wurde, so gewahrt man, dass die
Spannung auf einer solchen Normalfläche selbst wieder veränderlich ist So kommt es
z. B. vor, dass die der Röhrenachte näher gelegenen Stromfäden mit einer geringem
Spannung behaftet sind, als die gegen die Wand hingelcgenen. Demnach wird man
die Spannungscurve der Normalfläche einzustellen haben, welche man erhält, wenn man
sich auf einem beliebigen Radius derselben als Abszisse, alle Spannungen der Strom-
fiiden als Ordinatcn aufgerichtet denkt, welche der Radius bei seinem Hingang vom
Mittelpunkte nach der Peripherie hin schneidet. Die Spannungsfläche des Normal-
schnittes wird man aber erhalten, wenn man sich die 8pannnngscurve desselben um den
Mittelpunkt der Röhre im Kreis bewegen lasst Dieses Verhalten der Spannung
auf dem Querschnitt verlangt die Sonderung der Begriffe von Theil- nnd Gesammt-
spannung. Unter der ersten versteht man die Spannung eines einzelnen Fadens, der
in einem gegebenen gradlinigen Abstand vom Mittelpunkte die Normalfläche schneidet.
Bei vollkommener Symmetrie des Stroms werden die auf einer Kreislinie einschnei-
denden Strorafäden, die mit demselben Radius aus dem Mittelpunkte des Stromquerschnitts
beschrieben wurde , unter einander gleich sein. Der Gesaramtschnitt kann also in un-
zählige Kreise gleicher Spannung zerlegt werden. Central Spannung würde die genannt
werden, wo der Radius den Werth 0, Wandspannnng die, welche in dem Kreise
herrscht, dessen Radius gleich dem des Röhrenlumens wäre. — Die Gesammtspannung
oder mittlere Spannung der Norraalfläche würde man erhalten, wenn man allo auf der
Normalfläche vorhandenen Einzel - oder Theilspannungen addirte nnd die Summe durch
den Flächeninhalt dividirte.
Die Geschwindigkeit eines jeden »Stromfadens in seinem Verlauf durch die Röhren
ist, allen Uebrige gleich gesetzt , mit dem Flächeninhalt des Querschnitte veränderlieh ;
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Constantor Strom in Köhren.
53
bleibt dieser gleich, so verhalt sich auch die Geschwindigkeit durch den ganzen Strom-
faden hindurch unverändert, wächst aber der Querschnitt, so soll in demselben Maass
die Geschwindigkeit abnehmen. Die umgekehrte Behauptung spricht, man bei der Ver-
kleinerung des Querschnitts aus.
Die Geschwindigkeit der Fäden, welche gleichzeitig eine beliebige Normaltläche
durchsetzen, ist immer ungleich, die Centralfaden sind immer geschwinder als die
Wandfäden. Man unterscheidet also auch hier die Theil- und die Gcsammtgeschwin-
digkcit. Unter Gesammt- oder mittlerer Geschwindigkeit würde man aber dem Frühem
gemäss die zu verstehen haben, welche, wenn sie allen Fäden des Normalsohnitts gleich-
zeitig mitgetheilt würde, durch diese in der Zeiteinheit gerade soviel Flüssigkeit führte,
als durch ihn vermöge der wirklich vorhandenen Theilgeschwindigkeit getrieben wird.
Methoden zur Bestimmung der Spannung und Geschwindigkeit
eines Böhrenstroms.
Die Spannung misst man mit dem Druckmesser (Mano- oder Piezometer), d. h.
durch Böhren, deren Lumen mit dem der Stromröhre communizirt und die senkrecht
gegen die Achse der Stromröhre aufsitzen; ihrer Form nach sind sie entweder gerade
oder heberförmig gebogen ; gerade, wenn man eine positive Spannung des Stroms durch
Ansteigen der in sie eingehenden Flüssigkeit messen will; heberförmige Instrument«
aber gebraucht man entweder, wenn man negative Spannung durch gleichartige oder die
positive eines Wasserstroms durch eine Quecksilbersäule messen will. Um die Mano-
meteröft’nung mit jedem beliebigen Faden des Querschnitts, auf dem er steht, in Berüh-
rung bringen zu können, muss der Druckmesser an seiner Durchbruchsstelle durch die
Wand der Stromröhre verschiebbar sein.
Zur Auswerthung der Geschwindigkeit wird benutzt 1° das FliUsigkeitsvolum, wel-
ches in der Zeiteinheit aus einem Bohr von bekanntem Querschnitt ausfliesst. Da offen-
bar das ausgeflosseno Volum v = c q ist, wenn c die mittlere Geschwindigkeit in dem
Querschnitt q ist , so wird die mittlere Geschwindigkeit c = - . — 2* Man misst den
• • ü
Weg, welchen ein sichtbar gemachter Abschnitt des Stroms in der Zeiteinheit durch-
läuft. Dieses geschieht, indem man die Geschwindigkeit eines im Strom schwim-
menden festen Körpers misst Durch diese Methode kann nach Umständen die
partielle oder auch die mittlere Geschwindigkeit gefunden werden, vorausgesetzt,
dass der Körper rUcksichtlich seiner Bewegung angosehen werden darf wie ein Theil-
chen des Strorafadens, in dem er schwimmt, wenn er also dasselbe specifische Gewicht,
und dieselbe Adhäsion an den Flüssigkeitstheilchen besitzt, die diesen unter einander
zukommt, und endlich wenn er ohne Drehbewegungen auszuführen im Strom fort-
schreitet. Diese Bedingungen werden entweder nur von Flüssigkeit selbst erfüllt oder von
symmetrisch geformten Körperchen, welche sich nur über Stromfaden von möglichst
gleicher Geschwindigkeit erstrecken und dabei aus einem Stoff bestehen, der möglichst
innig von der Flüssigkeit des Stromes durchtränkt wird. — Benutzt man als Index
für die Geschwindigkeit des Stromfadens ein in ihm schwimmendes festes Körperchen,
so genügt es den Weg zu bestimmen, welchen dieses in der Zeiteinheit zurücklegt.
Bedient man sich dagegen zur Geschwindigkeitsmessung einer in den Strom gebrachten
Flüssigkeit, so muss man vor Allem auf ein Mittel denken, um diese Flüssigkeit sicht-
bar zu machen und zwar entweder während der ganzen oder zu Ende der Beobach-
tungszcit. Hering verfährt auf die letztere Weise; er bringt an einen bestimmten
Stromort zu einer gegebenen Zeit einen Tropfen aufgelösten Blutlaugensalzes , und
imprägnirt einen andern Stroraort, mit der Lösung eines Kisensalxes, welches mit Cyan-
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54
Constanter Strom in Böhren.
ciscnkaliura einen blauon Niederschlag giebt. Beobachtet man nun den Zeitpunkt, in wel-
chem der Niederschlag ein tritt, und kennt man den Abstand zwischen den Applications-
orten von Blutlaugen • und Kisens&lz, so hat man damit die Grundlagen für die ver-
langte Messung. — Volkmann schaltet dagegen in den Strom eine gefärbte Flüssigkeit,
z. B. in den rothen Blutstrom eine farblose Wassersäule von beträchtlicher Länge und
▼on einem dem Strom möglichst gleichen Querschnitt ein. Indem der Strom die Säule
vor sich her schiebt, ist man im Stande das Fortschreiten der Grenze v%n gefärbter
und farbloser Flüssigkeit zu beobachten. Die Methode ron Volk mann hat hierbei
mit dem Uebelstand zu kämpfen, dass sich die Grenze nicht scharf erhalt, theils we-
gen des ungleichen speciüschen Gewichts der Flüssigkeit , theils wegen des unglei-
chen Fortschreitens der Wand- und Mittelfaden. — 3° Zur Geschwindigkeitsbestimmung
benutzt man ferner das Gewicht, mit dem man eine gegen den Strom gestellte Fläche
belasten muss, um sie in einer senkrecht zur Stromrichtung gehenden Lage zu erhal-
ten; oder man hangt ein constantes Gewicht von bestimmter Gestalt derartig in den
Strom, dass es vom Strom um einen gegebenen Mittelpunkt gedreht werden kann und
bestimmt aus dem Ablenkungswinkel, den es durch den constanten Strom erfährt , die
Geschwindigkeit des letztem. Von diesen beiden erwähnten Verfahrungsarten hat nur
die letztere eine Anwendung in der physiologischen Hydraulik gefunden, und zwar
unter der Form des sogenannten Stromquadranten, dem in der Wasscrhaukunde be-
sonders Eytelwein und Gcrstner*) Kingang verschafft haben. Der Stromquadrant
oder Strompendel besteht, wie die Fig. 6 zeigt, aus dem Viertel einer* Kreisfläche, die
pig an dem Umfang in Grade gethcilt ist; an einem im Mit-
telpunkt geschlagenen Stift hängt ein steifer Faden,
(ab), der an seinem entgegengesetzten Ende eine Kugel
hält. Will man das Instrument anwenden, so bringt
man cs zuerst in eine solche Stellung, dass der Faden
desselben auf der Null der Thcilung einspielt; über-
giebt man nun die Kugel dem Strom, so wird sie,
etwa nach c abgclenkt; die Theorie verlangt, dass die
Tangente des Ablenkungswinkels (bac) sich verhalten
solle wie dio Stosskräfte, und da diese sich verhalten,
wie die Quadrate der Geschwindigkeit, so würden
diese letzteren, wie die Wurzel aus der Tangente des
Ablenkungswinkels wachsen, vorausgesetzt, dass immer
dieselbe Kugel in Anwendung gekommen ist. Diese Voraussage bestätigt die Erfah-
rung nicht und cs sind somit von der Theorie nicht alle Bedingungen in Rechnung
gebracht; das Instrument verlangt also, um
brauchbar zu werden, einer empirischen Gradui-
rung, und es misst mit dieser die durch die
eingesetzte Kugel veränderte Gesehwindigkeit
der Strom ßden, in welche sie gehalten wird.
Vierordt, der den Apparat in der Physio-
logie einlührte, mit der Absicht, die mittlere
Geschwindigkeit auf dem Stromquerschnitt zu
erhalten, brachte das Pendel p (Fig. 7.) in ein
kubisches Kästchen KK\ auf ungleichen Höhen
•) Anmnerkugen Uber da» hydrometr. Pendel. Prag 1819.
Fig'. 7.
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Constantcr Strom in Röhren.
55
zweier gegenüberstehender Seiten desselben öffnen sich zwei cylindrischc Röhren
R R. Dieses Instrument nennt Yierordt Tachometer; die Figur giebt es in natür-
licher Grösse wieder. Seinen Apparat aicht er dadurch, dass er die cylindrischen
Ansätze RR in einen Strom ron gegebenem Querschnitt einschaltet und einerseits
die Ablenkung des Fendels, andererseits aber die Ausflussmenge aus dem Ende des
Stromrohrs und damit die mittlere Geschwindigkeit in dem letzteren bestimmt. Hier-
durch gewinnt er eine Beziehung zwischen der mittleren Geschwindigkeit, die im Rohr
besteht, während das Instrument eingeschaltet ist, und der Pcndclablcnkung. Fraglich
bleibt nur, was durch Versuche entschieden werden könnte, ob Ströme von ungleichen
Durchmessern, aber gleichen mittleren Geschwindigkeiten dieselbe Ablenkung erzeugen,
weil es zweifelhaft ist, ob die Störung, die der Apparat veranlasst, nur sich ändert
mit der mittleren Geschwindigkeit, nicht aber mit dem Querschnitt, in welchen er
eingefdgt ist Ein anderes Bedenken bieten Ströme, deren mittlere Querschnittsge-
schwindigkeit mit der Zeit sich fortwährend ändert, so dass dem Pendel dann niemals
eine Ruhelage vergönnt wird, sondern hin und her schwankt Denn in diesem Fall kommt
ausser der Schwere auch noch die Geschwindigkeit der Pendellinse in Betracht. Vier-
ordt glaubt für den arteriellen Blutstrom, wolcher mit einer veränderlichen Geschwin-
digkeit begabt ist, jenes Bedenken beseitigt zu haben. Siehe die Geschwindigkeit
des Blutstroms. — 4° Die Geschwindigkeitsmessung wurde auch durch das Kohr von
Pi tot versucht. Dieses ist, wie Fig. 8 zeigt, eine mit einer rechtwinkligen Biegung
versehene Glasröhre ; die Schenkel derselben
sind ungleich lang; der kürzere wird, wenn
die Messung ausgeführt werden soll, der Art
in das Stromrohr gesetzt, dass die Fläche sei-
ner Mündung senkrecht auf der Stromrich-
tung steht. Wenn die in diesen Schenkel
mündenden Fäden des Stroms vollkommen zur
Ruhe gebracht würden, so müsste nach der
Bernoulli 'sehen Theorie die Flüssigkeit in
dem langen Schenkel zu einer Höhe (H) emporsteigen, welche dem Druck entspräche»
den die betreffenden Fäden vermöge ihrer Spannung (h) und ihrer Geschwindigkeit (h‘)
ausüben können; es wäre also H = h-f-h\ Aus dieser Gleichung ist h' oder die Ge-
schwindigkeitshöhe zu finden, wenn h oder die Spannungshöhe bekannt ist ; diese letztere
kann aber auch durch ein senkrecht auf den betreffenden Stromfaden gesetztes Ma-
nometer gefunden werden. So oft bis dahin dieses Verfahren für den Strom in Röhren
in Anwendung kam, wie z. B. in der ausgedehnten Arbeit von Darcy, hat man die
Pi tot 'sehe und das Manometerrohr nicht in dieselben, sondern in verschiedene Strom-
fäden gesetzt und die an beiden Instrumenten gefundeno Druckdifferenz als Gescbwindig-
keitahöhe angesehen; diese Unterstellung ist aber den neueren Untersuchungen gemäss
nicht mehr annehmbar, somit sind die bis dahin erworbenen Resultate nicht zu ge-
brauchen. Aber selbst eine Verbesserung dieses Fehlers würde immer noch nicht zum
Ziel führen, da die Bedingung, dass die in den kurzen Schenkel der Röhre eindringen-
den Fäden vollkommen ruhen sollen, sich nicht herstellen lässt und namentlich bei
gleicher Strorageschwindigkeit , aber ungleicher Form der Mündung die Höhe des An-
steigens sich ändert. Ans diesem Grunde haben die Wasserbaumcister schon seit du
Buat, das Verfahren entweder bei Seite gesetzt, oder sie graduiren jedes Rohr be-
sonders. Zweckmässige Formen des Rohrs siche bei Weissbach und Darcy.
Fig. 8.
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56 Geschwindigkeit in geraden Cylindcrrohr.
Die Erscheinungen des constanten Stromes in Rühren sind aber wiederum verän-
derlich mit der Form und Beschaffenheit der letztem. In Folgendem sind die wich-
tigsten Falle behandelt.
10. Wagerechte, gerade, überall gleichweite Röhren. — Die Regeln, nach welchen
der Strom in geraden Röhren verläuft, haben dis dahin nur unter der Bedingung er-
mittelt werden können , dass ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Länge und dem
Durchmesser der Röhro bestand. Insbesondere musste die Lange der Röhre in Verhält-
nis zu ihrem Durchmesser um so beträchtlicher worden, je bedeutender der letztere war.
(Girard, Poiseuille)*). Mengt man der strömenden Flüssigkeit sichtbare Theilchea
bei, so bemerkt man in Röhren von genügender Länge, dass die Theilchen nahezu geradlinig
und mit den Wandungen parallel gehen, während sie geschlängelt in den zu kurzen Röhren
verlaufen. Dem entsprechend hält man dafür, dass der Strom in langen Röhren aus gera-
den Fäden bestehe. Für diesen geradlinigen Strom gelten die folgenden Ermittlungen.
Geschwindigkeit. Die mittlere Geschwindigkeit ist auf allen Querschnitten
die senkrecht zur Röhronachso gelegt werden könnon dieselbe, dieses folgt mit Noth-
Wendigkeit aus der Cohösion und L'nzusammendrückbarkeit der Flüssigkeit. Die Ge-
schwindigkeit der Fäden aber, welche auf einem Querschnitt senkrecht stehen, ist mit
ihrem Abstand vom Mittelpunkt veränderlich. Zerlegt man den Querschnitt in unzäh-
lige concentrisehc Kreise, die sämmtlich .vom Mittelpunkt der Röhre aus mit Radien
beschrieben sind, die von Null an bis zum ganzen Werth des Röhren durchmessers
wachsen, so wird ein jeder solcher Kreis von Stromfäden gleichor Geschwindigkeit
durchsetzt, und zwar nehmen dio Geschwindigkeiten von den kleinen nach den grossen
Kreisen oder vom Ceutrnra nach dem Umfang hin ab. Das Gesetz, nach welchem diese
Geschwindigkeiten in dor bezciebneten Richtung abnehmen, ist unbekannt. Namentlich
verdient es der Erwähnung, dass die Beobachtungen von Darcy**) nicht su dem
gewünschten Ziel geführt haben. Dagegen ist es wahrscheinlich , dass die über einen
Röhrendurchmcflser aufgetragene Uurve der Theilgeschwindigkeiten veränderlich ist mit
der Weite und Wandbeschaffenheit der Röhre, ferner mit der mittleren Geschwindig-
keit, der chemischen Eigenschaft, und der Temperatur der strömenden Flüssigkeit, ln
ein und demselben Strom soll jedoch die Curvc der Geschwindigkeiten, bezogen auf
den Durchmesser der Rohre für alle Querschnitte dieselbe sein , d. h. es soll die
Geschwindigkeit eines Stromfadens vom Beginn bis zu seinem Ende unveränderlich
bleiben ; demnach würde der gradlinige Strom, welcher ein cylindrisches Rohr ausfüllt,
zusammengesetzt sein aus zahlreichen in einander steckenden Cylindermänteln , von
denen jeder einzeln eine constante Geschwindigkeit besitzen würde.
Von der mittlem Geschwindigkeit gilt erfahrungsgemäß* folgendes: 1° dio Ge-
schwindigkeit steigt, wie die Druckhöhen, welche auf den Flüssigkeiten lasten, so
dass entgegen dem Ausfluss aus Mündungen durch dünne Platten bei einem Aufsteigen
der Druckhöhen von 1 zu 4 zu 9 zu 16 u. s. w. , die Geschwindigkeiten wie diese
Zahlen und nicht wie 1, 2, 3, 4 u. s. w. an wachsen. — 2° Alles andere gleichgesctzt,
nimmt die mittlere Geschwindigkeit ab, wie die Längen der Röhren zunehmen. —
3° Weniger einfach ist die Beziehung der mittleren Geschwindigkeit zu dom Durch-
messer; im Allgemeinen ist durch mannigfache hydraulische Beobachtungen, insbeson-
dere durch die von Gcrstnor, Young, Girard, Poiseuille und Volkmann
•) Memoire* de l'lnstitut 1813 — 16. 286. — Poggondorf, Annalen |. c.
*•) Recherrhes experimentales relative* au mouveinent etc. Par. 1857. (XV. Bd. der Memoiren
der Pariser Akademie.)
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Spannung in geraden Cylinderröhren.
57
festgestellt, dass in weiten Röhren die Geschwindigkeit geradezu abnimmt wie der
Durchmesser, in Mehr engen aber wie das Quadrat des Durchmessers ; in Röhren mitt-
leren Kalibers nimmt die Geschwindigkeit nach irgend einer andern Potenz des Durch«
messen, die in der Mitte zwischen den erwähnten liegt, ab. Die Grenzen der Durch-
messer, für welche die eine oder andere Angabe giltig ist, sind nicht ermittelt worden. —
4° Die Geschwindigkeit nimmt zu, wenn die Temperatur der Flüssigkeit wächst, und
zwar in engen Röhren beträchtlicher, als in weiten. Diese Beobachtung Gerstners*)
ist von Girard, insbesondere aber für sehr enge Röhren von Hagen und Poi-
seuille erweitert worden, welche für Wasser, in Glas und Kupfer strömend, den
empirischen Coeffizicnten des Wachsthums gefunden haben. Dieser letztere kann jedoch
nur auf dio erwähnten Stoffe und nur für sehr engo Röhren angewendet werden, da
nach Girard mit der Flüssigkeit und bei weiten Röhren mit dem Durchmesser sich
auch der von der Temperatur abhängige Geschwindigkeitsvcrlust ändert. — 5° Die Ge-
schwindigkeit ist ferner veränderlich mit der Zusammensetzung der Flüssigkeit; Du-
buat, Girard**), Poiseuillc***). Wesentlich unterscheiden sich die Flüssigkeiten,
je nachdem sie die Röhrenwand benetzen, oder dieses nicht thun. Wir berücksichtigen
nur die enteren. Für sie ist festgestellt : a) die Geschwindigkeit in jeder Flüssigkeit
(unter Voraussetzung gleicher Druckhöhen und Röhrenweiten) ist unabhängig von dem
Stoff, aus dem die Röhrenwand besteht; namentlich hat Poiseuille Glas, Metall
und die Membranen der Blutgefässe hierauf untenuebt. — b) Die verzögernde Kraft
oder, wie man gewöhnlich sagt, die Reibung einer Flüssigkeit ist unabhängig von dem
spezifischen Gewicht, der Dünnfiüssigkeit , der Capillarattraclion u. s. w. — c) Dio
Reibung des Wassers oder Blutserums wird wesentlich geändert durch geringe Bei-
mengung von Salzen, Basen oder Säuren. — Von den besonderen Bestimmungen Poi-
seuille’s heben wir hervor: das Serum des Ochaenbluts fliesst, alles Uebrige gleich-
gesetzt, nahebei noch einmal so langsam, als reines Wasser, und faserstofTfreies (Blut-
körperchen haltendes) Ochsenblut fliesst dreimal langsamer, als Serum. — Im Allge-
meinen erniedrigt ein Zusatz von Neutralsalzen zum Wasser die Reibung, wahrend sie
durch Zusätze von Basen und von Säuren (eine Ausnahme machen unter letztem nur
Blausäure und Schwefelwasserstoff) erhöht wird ; ein Zusatz von Ammoniak zum Serum
erniedrigt dagegen die Reibung desselben. N —
Spannung. Man hatte bis dahin angenommen, dass der Seitendruck aller der
Stromfäden gleich sei, welcho einen und denselben senkrecht zur Stromrichtung ge-
führten Querschnitt ausfüllen ; diese Annahme hat sich jedoch als fehlerhaft erwiesen ;
denn wenn man ein Manometer, dessen dem Strom zugekehrte Mündung senkrecht gegen
die Richtung desselben steht, von der Wand aus gegen die Stromachsc führt, so sinkt
der Druck hiebei sehr auffallend (Darcy, C. Ludwig und Stefan) f); ebenso kann
man durch ein Rohr, welches die Wand - und Achsenfäden eines und desselben Strom-
schnittes verbindet, wie es die Fig. 9 (s. folg. Seite) angiebt, ein Flicssen des Wassers
von der Wand zum Röhren-Centrum, in der Richtung des Pfeiles erzielen, und endlich
kann man auf zwei diametral entgegengesetzten Wandstellen verschiedene hohe Wasser-
säulen aufsetzen, ohne dass sich der Druck durch den Strom hindurch ausgleicht,
(C. Ludwig und Stefan).
•) Gilberts Annalen der Physik. V. Bd. ISO. — Die Ucbereiustimmung zwischen dem Cofcffl-
zienten von Hagen und Poiseuille ist dargclcgt in Doves Repertorium. 7. Bd. p.
••) Mlmolrea de rinstilut. 1816.
•••) Annalcs de chim. et physiqne. III. f*<5r. Bd. 7.
|) Wiener Sitzungsberichte XXX11. Bd. 18f>8.
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58
Spannung.
Bis dahin ist es noch nicht gelungen , das Gesetz der Druck abnahme von der
Wand gegen das Centrum in ihrer Abhängigkeit von den Dimensionen und Geschwin-
digkeiten des Stroms hinzustellen, weil die in den Strom geführten Manometer in
diesem selbst den wahren Druck sehr merklich ändern ; nur ganz im Allgemeinen lässt
Fig. 9.
sich sagen : bei gleichem Stromdurchmesser wächst der Unterschied des Seitendrucks
zwischen Wand und Achsenfaden mit der mittlcrn Geschwindigkeit; denkt man sich
ferner den Durchmesser der Röhre in beliebig viele, aber unter einander gleiche
Stücke zerlegt, so ist immer das der Wand zunächst gelegene Ende eines solchen
Abschnitts mit einem hohem Druck versehen, als das dem Centrum zugewendete, und
der Unterschied des Drucks, den beide Enden gewahren lassen, ist um so grösser, je
näher sich das in Betracht gezogeno Stück an der Wand befindet, d. h. es fällt der
Druck in der Nähe der Wand rascher als gegen die Röhrenachse hin ab; ferner ist
es wahrscheinlich, dass die Curve der S eiten drücke , aufgetragen auf die Röhrenlänge
als Abszissenachse, in ein und demselben Strom für alle Flüssigkeitsfäden parallel
bleibt, oder anders ausgedrückt, dass, wie entfernt auch der Querschnitt eines Stromes,
den man beobachtet, Ton der Einflussmündung sein mag, doch immer der Unter-
schied des Seitondracks zwischen Wand und Achsenstrom gleich gross ist Da nun
der Wanddruck, mag er an der Einflussmündung noch so hoch gewesen sein, an der
Ausflussmttndung Null wird, der Unterschied zwischen Achsen und Wanddruck
aber, je nach der mittlom Geschwindigkeit, auf hunderte von Millimeter steigen
kann, so muss es im Verlauf des Stroms immer einen Punkt geben, an welchem der
bis dahin positive Seitendruck des Achsenfadens durch Null hindurch zu einem nega-
tiven Werth gelangt, der um so mächtiger anschwillt, je mehr sich der Strom seinem
Ende nähert
Da man bisher allgemein annahm, dass die einen und denselben Querschnitt durch-
setzenden Stromfäden gleiche Spannung besässon, so hat man sich in allen altern Beob-
achtungen begnügt, dem Seitendruck dcB Wandfadens, den man sicher nnd leicht be-
stimmen konnte, zu messen und seine Veränderungen aufzusuchen; ans den bis dahin
gewonnenen Messungen ergiebt sich nun: 1° die Spannungen des Wandfadens nehmen
vom Anfang bis zum Ende des Stromes nach einer geraden Linie ab ; graphisch würde
sich dieses folgcndermassen ausdrücken lassen: gesetzt es läge (Fig. 10) bei A der An-
fang und bei E das Ende des gradlinigen Wandstroms A E und man errichtete auf ihm
bei Ay ff, a',a“ und E Manometer, so würde z. B, dio den Druck messende Flüssigkeits-
säule in A bis /?, in a bis b , in n' bis b\ in a " bis b " und in E um eine nicht
mehr messbare Höhe steigen. Verbindet man die obem Enden aller dieser Höhen durch
eine Linie, so würde man finden, dass dieselbe eine gerade wäre. Hätte man, wie cs
hier geschehen, die Manometer in gleiche Abstände gestellt, so würden also die Höhen-
Spannung.
59
unterschiede des Wasserstandes in je zwei auf einander folgenden Manometern B(\ bcf
b‘c‘ , b,,et' einander gleich sein. Es bedarf nach diesem kaum der Erinnerung, dass
Fig. 10.
der Spannungsunterschied zwischen den Manometern am Anfang und Ende geradezu
wächst, wie die Länge der letztem. 2° Die Steilheit des Abfalls dieser Graden, oder,
was dasselbe sagt, der Spannungsunterschied für die Längeneinheit wächst mit der mitt-
leren Geschwindigkeit des Stroms. Nennen wir den Spannungguntorschied auf der Längen-
einheit w und die mittlere Geschwindigkeit v, so lässt sich rücksichtlich der Beziehung
der beiden Grössen noch aussagen : Wenn die Geschwindigkeit des Stromes von 0 bis
100 M.M. in der Sekunde wächst, so ist der Spannungsunterschied w = av, d. h.
gleich der mittleren Geschwindigkeit multiplizirt mit einem empirisch zu bestimmenden
UoÖfßsienten, der kleiner als die Einheit ist. Wenn dagegen die Geschwindigkeit über
100 M. M. anwächst, so ist der Spannungsunterschied w= av -j- bv* d. h. gleich der
Geschwindigkeit multiplizirt mit dem frühem Coäffizienten mehr dem Producte aus
dem Quadrate der Geschwindigkeit in eine andere ebenfalls empirisch zu bestim-
mende Zahl, die kleiner als die Einheit ist. — 3° Der Spannungsunterschied
ändert sich ferner mit der mechanischen Beschaffenheit der Wandfläche, an der der
Strom hingeht. Wenn ein Strom von mehr als 100 M.M. Geschwindigkeit an einer
unebenen Wand hingeht, so verschwindet aui der Gleichung für w das erste Glied der
rechten Seite, so dass w = bv* wird. Diese Erfahrung scheint zu bedeuten, dass der
Coäffizient, welcher mit dem Quadrat der Geschwindigkeit multiplizirt in die Gleichung
für w eintritt, abhängig ist von den Stössen, welche die Flüssigkeit gegen die Her-
vorragung in der Wand ausführt — Das Verschwinden von av oder das von bv* aus
der Gleichung für w will natürlich nichts anderes sagen, als dass in dem einen oder
andern Fall der Coöfßzient a oder b gegen den andern so klein wird, dass das ihn
enthaltende Glied in der Rechnung ohne Schaden gegen das andere vernachlässigt wer-
den kann. — 4° Von der chemischen Beschaffenheit der Röhrenwand, vorausgesetzt,
dass nur ihre Glätte gleich ist, ist der Spannungsunterschied unabhängig. — 5° Der
Spannungsunterschied wächst, alles andere gleich gesetzt, wenn der Durchmcssor der
Röhre, in welcher der Strom geht, abnimmt. Dio ältere Formel von Prony erörternd,
hat Darey, jiach seinen ausgedehnten Untersuchungen für dieses Abhängigkcitsverhält-
niss, folgende Regel aufgestellt; bezeichnet R den Halbmesser der Röhre und ist in dem
Ausdruck av das a = cc-}-~, und in bv* das b ■
K
wo a, ß} a‘ und ß' em-
pirisch zu bestimmende Zahlen bedeuten, so gestaltet sich das Abhängigkeitavorhält-
niss zwischen w, R und v so, dass Rw = -f- v -{- “l" v*
Aus dieser Regel lässt sich such eine physiologisch wichtige Ableitung machen.
Denn weun der Strom langsam durch eine glatte Röhre läuft, so ist dem obigen (2*)
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60
Verlust des Stromes an Arbeit.
entsprechend R w
(• + I)
v. Wird nun die Röhre eng also R sehr klein, wie
dieses z. B. in den Capillargefassen des Menschen geschieht, so gewinnt in der Rech-
a
nung das ^ ein solches (Jebergewicht über a , dass das letztere ohne Schaden ver-
nachlässigt werden kann; es geht also die Qieichung in Rw = —■ v über, oder cs
R
wird w -*=
Das heisst in Worten, der Spannungsunterschied wächst in engen
glatten Rohren und bei Strömen geringerer Geschwindigkeit umgekehrt, wie das Qua-
drat den Kölmndurchmessors, ein Ausdruck, welchen die Erfahrungen von Girard,
üagen und Poiseuille bestätigt haben. Wird dagegen die Röhre weit und der
Strom rasch , so verschwindet (nach 2°) das erste Glied der rechten Seite und es ist
Rw “ (“' + k) ’*•
Da nun aber, wenn R gross wird
ß'
R
gegen cc' zum Verschwin-
den kommt, so ist hier Rw = «' v* und w —
a*
R
v* d. h. es wächst in weiten Röhren
der Spannungsunterschied umgekehrt wie der einfache Durchmesser. — 6° Der Span-
nungsunterscliied ist endlich von der Temperatur und der chemischen und mechanischen
Zusammensetzung der Flüssigkeit abhängig und zwar wächst er mit den die Reibung
befördernden Eigenschaften der Flüssigkeit, worüber die bei der Geschwindigkeit des
Stroms in geroden Röhren unter 5° luitgcthcillen Erfahrungen zu vergleichen sind.
Verlust des Stroms an Arbeit. Der Strom erleidet beim Durchgang durch
die Röhre einen Verlust an Kräften; die Grösse dieses Verlustes auf der Längenein-
heit ergiebt sich aua dem Unterschied der Kräfte, welche die den Querschnitt erfül-
lende Masse am Beginn und am Ende der Längeneinheit besitzt Um den Werth der
Arbeit an beiden Orten zu finden muss man daselbst die Masse, die mittlere Geschwin-
digkeit und die. mittlere Spannung des Stroms kennen. Setzen wir die Masse, welche
wegen der Gleichheit des Querschnitts an beiden Orten dieselbe ist, =» m, die mittlere
Geschwindigkeit am Anfangsquerschnitt und am Endquerschnitt, welche ebenfalls dieselben
sein müssen, gleich v, und neunen wir die Spannung des Anfangschnitts h und die des
Endschnitts h' und endlich die Beschleunigung der Schwere g, so wird der V erlust an
Arbeit x = m gh^ — m -f- 8^ = mg (h — h') sein, oder in
Worten, es war dio Einbusse an Arbeit gerade zu durch den Unterschied der mittleren
Spannungen auf beideu Querschnitten gegeben. Wollte man nun aber dazu schreiten,
für einen bestimmten Fall den Kraftverlust auszuwertben, so würde ein solches Unter-
nehmen daran scheitern, dass wir die mittlere Spannung auf einem Querschnitt nicht
anzugeben vermöchten.
Dio Anordnung der Masse im Innern eines Stromes hat man sich nach den ge-
machten Mittheilungen so verwickelt zu denken, dass man vorerst darauf verzichten
muss, nähere Angaben über dieselbe zu machen. Die am meisten auffallende Thatsache,
dass der Strom nicht durchweg von den Orten höheren zu denen niederen Druckes
gerichtet ist, kann wie es scheint ihre Erklärung nur in der Trägheit der die Flüssig*
keit zusammensetzenden Massen finden.
2. Glcichweitc, gebogene Röhren. Zu den bei geraden Röhren betrachte-
ten Hemmungen der Geschwindigkeit kommen noch die StÖsse, welcho der Strom
gegen dio Wandungon ausübt und die von der Centrifugalkraft herrührenden Pressua-
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Gleichweite, gebogene Röhren.
61
gen. Der Einfluss dieses letztem Momentes wächst bekanntlich wie das Quadrat der
Geschwindigkeit, und umgekehrt, wie der Durchmesser des durchlaufenen Kreisbogens.
Die Grösse der Hemmung aber, welche von dem Stoss gegen die winklig gebogene
Wandung abhängt, ist veränderlich a) mit der Gradzahl des Winkels, in der Art, dass,
wenn er von 0« auf 1800 steigt, der Widerstand von einem Maximum auf ein Mini-
mum abfällt. Mit welcher Funktion des Winkels dieses aber geschieht, ist unbe-
kannt*); b) zum zweiten wichst aber die Stromhemraung in sder Winkelbiegung mit
dem Quadrat der Geschwindigkeit, was nach dem Frühem keiner Erörterung bedarf. —
Die Hemmung ist eine beträchtlich geringere, wenn die Biegung statt eine plötzliche
zu sein, sehr allmählig geschieht. Der Grund für diese Erscheinung liegt darin , dass
bei plötzlichen Biegungen (2 3 ln der Röhre A E Fig 11.) hinter der vorspringenden
Fig. 11.
Kante eine wirbelnde Stelle entsteht, die an der Strömung keinen Antheil nimmt; es
verengert sich demnach das Stromrohr gleichsam. —
Dieser verlangsamten Bewegung entsprechend wird die Flüssigkeit in den auf die
Röhre gesetzten Manometern ansteigcn und zwar werden, wenn man die Manometer
aufsetzon würde in 1, 2, 3, 4 die Steigungen nach dem Gesetz der unter der Röhre
gezeichneten Curve geschehen. Beginnen wir vom Ende des Rohrs (£), so würde von
4 nach 3 dem Frühem gemäss, je nach der Röhrenweite und Stromgeschwindigkeit,
das Aufsteigen mehr oder weniger allmählig auf der geraden Linie a b erfolgen, dann
würde plötzlich in der Winkelbiegung von b nach c ein sehr rasches Aufsteigen ge-
schehen, in Folge der besondera Widerstande, die sich hier häufen, und hinter dieser
Biegung, wenn das Rohr wieder gerade fortläuft, wird sich auch das allmahlige Auf-
steigen e d wieder einstellen, ln dem Gang der Linie, welche die Niveaux der Flüs-
sigkeit in 'den verschiedenen Manometern verbindet, findet sich also ein plötzlicher
Knick, oder wie man auch sagt, ein ausgezeichneter Punkt. —
•) Siehe hierüber für einzelne Fälle empirischer Gesetze : von <1 o Buat, bei Eytelweln,
Handbuch der Mechanik und Hydraulik. 3. Aufl. IMS. 172. — Volkmann. Haemodynamlk. p. 61.
— Weitab ach, Lehrbuch der Ingenieur - und Mnachineitmechanik. 1. Bd. 18W) 648.
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62
ITngleichweitc Rohren.
3. U n g 1 e i c h w e i t e Rohren. Wir beschränken uns auf die Betrachtung der
beiden Fälle, wo eine Erweitung in eine Verengung übergeht, und wo eine Erweite-
rung von zwei verengten Stellen eingeschlossen wird.
a. Die Erweiterung mit darauffolgender Enge (Fig. 12). Di* mittlere Geschwin-
digkeit im Rohrstück B wird zu der in A in dem umgekehrten Verhältnisa ihrer Quer-
schnitte stehen. Diese
verhalten sich aber wie
die Quadrate der Durch-
messer. Beim Ueber-
gang aus dem weiten in
das enge Rohr schiessen
die Flüssigkeitsstrahlen
allseitig zusammen; wo-
bei sich die Strömung
in den Ecken des gros-
sen Rohrs in Wirbel d
umsetzt. — Die Gurre
der Spannung aufgetragen auf die Röhrenachse wird in B ton e bis d gleicftmässig
aufsteigen, von d bis b ungleichmäßig, aber rascher als in d e , wegen des erwähnten
Zusammenstoßes der Theilchen und von b bis a gradlinig, aber viel allmähliger, als
in e d. — Der absolute Werth, welchen die Spannung in dem Abschnitt d b gewinnt,
ist abhängig von der Triebkraft der Flüssigkeit und von dem Verbältniss der Quer-
schnitte von A und B.
b. Erweiterung zwischen zwei Verengerungen (Fig. 13.). Die Bahnen, welche die
flüssigen Theilchen, so weit man darauf schlossen kann, aus den in dem Strom ge-
worfenen Bärlappsamen , sind in der Fig. 13. durch die getüpfelten Linien angedeutet;
nachdem die Stromfäden im Rohr A parallel der Achse verliefen , erweitert der fort-
schreitende Strom nur allmählig sein Bett bis er das ganze Rohr ausfUllt; in dem
Fig. 12.
A
Fig. 13.
Trichter, der zwischen der Einflussmiindung in das weite Rohr bis znm Anschluss des
Stroms an die Wandungen der letztem liegt, bewegen sich die Theilchen nicht bloss
in, sondern auch senkreht gegen die Richtung des Stroms, indem sie annähernd senk-
recht zur Röhrenachse auf und abschwingen. Zwischen dem Trichter und der Wand
liegen aber stehende Wirbel, deren Längenschnitt bimförmig nach Art der gezeichne-
ten Figuren »r ir ' sich darstellt. Am Uebergang der Erweiterung in die Verengnng
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Verzweigte Köhren.
63
verhalten sich die Bewegungsrichtungen, wie sie auch schon in der vorigen Figur an-
gegeben wurden. — An der Grenze des engen and weiten Rohrs, bis zur grössten
Erweiterung des Stromtrichters , gestaltet sich der Druck in einer zur Röhrenachse
senkrechten Richtung so, dass er innerhalb der beiden Greuzwirbel beträchtlich höher
als im Stroratrichter ist. Setzt man aber fortlaufend auf die Wand den Manometer a
bedefg , so erhält man Druck, welcher nach dem in der Curve 1, 2, 3 ... 7 darge-
stellten Gesetz sich ändert. Eine Theorie für dieselbe lässt sich nicht geben.
Ans diesen Mittheilungen lassen sich mancherlei Folgerungen ziehen, von denen
wir zwei wegen ihrer praktischen Bedeutung hervorheben. Sie beziehen sich auf die
Veränderungen, welche ein Strom in einer Röhre erfährt, dessen Aus- oder Einfluss-
mündung verengert worden ist.
Setzen wir also, es sei in einem Überall gleichweiten Rohr Spannung und mittlere
Geschwindigkeit bestimmt worden, und es werde nun plötzlich die Ausflussmündung
des Rohrs verengert, während die am Einfluss desselben wirksamen Kräfte unverändert
erhalten würden, so wird offenbar in dem Rohr die Stromgeschwindigkeit abnehmen
nnd dafür sich die Spannung erhöhen, ln der verengten Ausflussmündung muss da-
gegen die Geschwindigkeit steigen, jedoch nicht in dem Verhältniss, in welchem der
Querschnitt abgenommen hat, so dass dor nun raschere Strom aus der engen Ocffnung
nicht soviel Flüssigkeit fördert, als dieses der langsamere aus der weiten vermochte.
Die Nothwendigkeit dieses letztem Ergebnisses sieht man gleich daraus ein , weil in
dem Theil der Röhre, dessen Durchmesser unverändert erhalten wurde, die Stromge-
schwindigkeit abgenommen hat Der physikalischo Grund hierfür ist aber darin zu
suchen, dass die Flüssigkeit in der engen Mündung durch Reibung mehr an ihrer
lebendigen Kraft einbÜBst, als dieses in der weiten geschah. — Verengert man aber,
während in dem Rohr von den bezeichneten Eigenschaften die Ausflussmündung un-
verändert erhalten wurde, die EinfluasmÜndung , so wird in dem unveränderten Stück
Spannung und Geschwindigkeit abnehmen, und zwar darum, weil die lebendigen Kräfte
jedes einzelnen eintretenden Theilchens durch Reibung mehr, als früher abgeschwächt
werden, und weil zugleich die Masse der Flüssigkeit, welche an der Einflussmündung
bewegt wird, abnimmt.
4. Verzweigte Röhren. Von den zahlreichen Formen, wolche durch die
Verzweigung der Ströme hergestellt werden können, berücksichtigen wir nur diejeni-
gen , bei denen ein ursprünglich einfaches Rohr sich theiit und wieder in ein ein-
faches zusammcnläuft. Die mitgetheilten Thatsachen sind von Volk mann beobachtet.
, Vergleicht man die Erscheinungen eines Stroms im vorzweigten Rohr mit denen
im unverzweigten, so kann man behaupten, dass ein und dieselbe Menge Flüssigkeit,
welche mit gleichen lebendigen Kräften begabt, an der Einflussmündung anlangtc, auf
ihrem Lauf durch ein gleich langes Wegstück des verzweigten Rohrs mehr von ihren
lebendigen Kräften einbüsst, als in einem uuverzweigten. Dieses orgiebt sich sogleich,
wenn man bedenkt, dass im verzweigten Rohr im Verhältniss zum Inhalt eine grössere
Wandfläche vorhanden ist, als im unverzweigten, und ferner, dass im verzweigten
Rohr nothwendig Winkelbiegungen vorhanden sein müssen, die dem unverzweigten
fehlen können. Dieser einfachen Betrachtung entsprechend wird die Hemmung in
einem Röhrensystem von gleichem Querschnitt und gleicher Länge in einem raschen
Verhältniss steigen mit der Anzahl der Einzclröhren , auf welchen dieser Querschnitt
vertheilt ist
Rücksichtlich des Verhältnisses der Geschwindigkeit gilt in einem verzweigten
RÖhrensystem alles das, was für das unverzweigto behauptet wurde, d. h. es nimmt, in
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64
Verzweigte Rohren.
dem Strom die Geschwindigkeit' ab, wenn der Querschnitt zunimmt und um-
gekehrt.
a. Ebenmassig verzweigte Röhren (Fig. 14). Wir nehmen an, dass die
einzelnen Stromglieder ABC D von überall gleichem Querschnitt seien und dass die
Schenkel B und C gleiche Krümmung und gleiche Länge besitzen. — Da der Strom
in B C ein noch einmal so grosses Bett , als in A oder I) hat , so wird er in dem
fig 14, letzten Abschnitt doppelt
so geschwind wie in £
und C laufen. — Ver-
folgen wir die Curve der
Spannung, indem wir
hierbei vom Ende des
Stückes D ausgehen,
so werden wir finden,
dass sie in D allmählig
anwächst (von / bis #),
dann hinter der Mün-
dungsstelle beider Roh-
ren in dem einfachen
Rohr (bei d e) plötzlich
ansteigt, vyeil hier die
Strome zusaramenstossen ; durch C und das gleichartige I) wichst sie allmählig wegen
der geringen Geschwindigkeit (</ bis c). Bei b c kreuzen sich nun die Einflüsse ; ein-
mal nämlich stösst sich der aus A kommende $trom an die entgegenstehende Wandung
und darum muss die Spannung hier steigen, dann aber erweitert sich auch der Strom
plötzlich und darum muss an diesem Orte die Spannung sinkon ; je nach dem Ueber-
gewicht des einen oder andern Momentes muss also hier eine Steigerung oder ein
Sinken der Spannung resultiren. In der gezeichneten Curve ist darum dieser Abschnitt
mit einer horizontalen Linie dargestellt. In dem Stücke A endlich muss die Spannung
wieder wie in 1) anwachsen.
b. Asymetrische Röhren ve rz we i gun g (Fig. 15 und Fig. 16). — ln dem
ersten Fall geben wir allen Röhrenstücken gleiche Weite. Um Wiederholungen zu ver-
Fig. 15. meiden, betrachten wir
nnn das verzweigte
Stück von dem Punkt a
bis zu hy d. h. von den
Stellen , wo sich die
Strome trennen, bis zu
dem , wo sie aufeinau-
derstossen. — An den
beiden Enden der
Schlinge ist offenbar
die Spannung der aus
beiden Röhren kommen-
den Flüssigkeitsmassen
ausgeglichen. Gesetzt,
es sei uns der Werth dieser Spannung bei a und b gegeben, so würden wir uns
zwei Abszissenachsen von der Länge der Rohren B und C = ab und ab' legen, und
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Verzweigte Rohren.
65
auf den Endpunkten a, b, b * die gegebenen Spannungen auftragen. Eine Verbin-
dungslinie von b und b‘ nach a würde eine ungefähre Vorstellung von dem Ver-
lauf der Spannung auf dem langen und kurzen Rohrstück geben. Wir sagen eine
angenäherte Vorstellung, weilin dieser Curve einige besondere Punkte nicht berück-
sichtigt sind, welche sich durch Zusammenstoss und Auseinanderweichen der Flüssig-
keiten u. s. w. bilden: — Das Verhältniss der Geschwindigkeit in den beiden Armen
ist dadurch bestimmt, dass die Gurre der Spannung in dem Röhrenstück C steiler aus-
fallt , als in B ; sie muss in C grösser sein , als in B , weil im Rohre von gleichem
Querschnitt die Steilheit der Spannungs-Curve wächst mit der Geschwindigkeit.
ln dem andern Fall (Fig. 15.) ist den verzweigten Stücken gleiche Länge, aber
ein ungleicher Durchmesser gegeben worden.
Bei einer ähnlichen Anordnung, welche V olkmann beobachtete, fiel die Curve
der Seitendrücke von a nach d in B zuerst (zwischen a und c) allmählig und gegen
das Ende (zwischen c und d)
des Rohrs sehr steil ab;
in C fiel sie zuerst sehr
steil, dann langsamer als
in B und schliesslich wie-
der sehr steil , aber aber-
mals weniger rasch als in
der entsprechenden Stelle
von B ab.
Die vorliegenden Beob-
achtungen genügen , um
abzuleiten , was eintritt,
wenn man in einem ver-
zweigten Rohr plötzlich
einen Ast verstopft, oder
einen bis dahin verstopften Öffnet; vorausgesetzt, dass die Kräfte, welche an der Ein-
fiussstelle wirksam sind, unverändert bleiben. Wir wollen zur beispielsweisen Betrach-
tung ein symmetrisches pj» 17,
Rohr (Fig. 17.) wählen.
Wenn dem Strome beide
Röhren geöffnet sind, so
wird die Curve der
Spannung bekanntlich
(s. Fig. 14.) das durch
abed dargestellte Ge-
setz, inne halten, wobei
das Stück b e gleich-
massig für die beiden
Aeste B und C gilt.
Yerschliesst man dar-
auf den Anfang von C
bei Zy so muss der
Strom nun durch B
gehen und die Flüssigkeit in C zur Ruhe kommen; in diesem letztem Schenkel wird
demnach die Spaunung überall einen gleichen Werth annehmen nnd zwar denjenigen,
Ludwig, Physiologie II. 2. Aullage. 5
Fig. 16.
B
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66
Klastische Röhren.
welchen der Strom AB D an der Stelle besitzt wo der todt« Schenkel 0 in ihn
mündet; er wird eich ganz wie ein Manometer verhalten, ln dem Rohr ABI) wird
nun der Strom, da er in einem überall gleichweiten Bett flieset, eine Spannung an-
nehmen, die annähernd vom Anfang bis zu Ende nach einer geraden Linie etwa wie
ad abfällt; das einzige unbestimmte, welches nun noch bleibt, liegt in der Steilheit,
mit welcher a d absteigt. Die Erfahrung hat nun dafür entschied» (Volkmann),
dass, wenn im unveratopften Rohr die Spannungscurve wie a bc rf, sie im verstopften
wie aed läuft, d.h. es ist nach der Verstopfung die Spannung in allen den Röhren-
stücken, die zwischen der Einflussmündung und dem verstopften Orte liegen, erhöht,
und es erstreekt sich diese Erhöhung auch noch ein Stück jenseits der letzten Stelle;
von da ab fallt dann die Spannung unter diejenige, welche der Strom im unverstopf-
ten Rohr besass. Die theoretische Rechtfertigung hierfür ist dadurch gegeben, dass
die Stromgeschwindigkeit in dem unveratopften Rohr wegen der relativ geringeren
Menge von Hemmungen grösser als in dem verstopften ist. Bleiben sich aber in bei-
den Fällen die an der Einflussmündung wirkenden Kräfte gleich , so muss der Kraft-
antheil, der zuerst auf die Geschwindigkeit verwendet wurde , nun als Spannung auf-
treten.
Bei einigem Nachdenken dürfte es nun gelingen , auch andere verwickelte Fälle
abzuleiten , wenn die Bedingungen derselben mit hinreichender Genauigkeit gege-
ben sind.
5. Ströme durch elastische, leicht dehnbare Röhren*). Bis dahin
sind nur Ströme durch Röhren in Betracht gezogen, deren Wandungen, wenn auch
elastisch, doch so wenig ausdehnbar angenommen werden konnten, dass die Verän-
derung des Durchmessers, welche sie durch die Spannung der strömenden Flüssigkeit
erfuhren, vernachlässigt werden konnte. Anders verhalten sich die Ströme, welche im
Rohr mit ausdehnbaren Wandungen verlaufen. Indem wir zu diesen letztem Über-
gehen, werden wir aber nicht, wie bisher, unsere Untersuchung beschränken auf
Strön^e von einer während der Beobachtungsdauer gleichbleibenden Spannung und Ge-
schwindigkeit, sondern zugleich Ströme, in denen diese beiden Eigenschaften verän-
derlich sind, in Betracht ziehen.
a. Gleich massige Ströme in ausdehnbaren Röhren. Wenn wir vor-
aussetzen, dass das elastische Rohr vor Beginn des Stroms in Buhe gewesen sei, mit
andern Worten, dass es den Durchmesser und die Lange angenommen habe, welche
ihm in Folge seiner elastischen Kräfte zukommen, so muss mit dem Beginn des Stro-
mes sich der Durchmesser und die Länge des Rohrs ändern, und zwar in Folge der
Spannung, welche sich jedesmal in einer Flüssigkeit entwickelt, die sich in einem
von Wandungen umgebenen Raum bewegt Der Umfang dieser Ausdehnung wird aber
abhängen von der Grösse der Spannung, der Ausdehnung der Wandung und dem Werth
ihres Elaatizitätscoeffizienten.
Die Grösse der Spannung in der Flüssigkeit ist , wie wir wissen , zu bemessen
nach den Triebkräften, welche die Flüssigkeit in Bewegung setzen, ihrer Reibung,
ihrem Anstoss gegen die Röhrenwand u. s. w. — Die Ausdehnung der Röhrenilichen
kommt aber in Betracht, weil hierdurch die Summe der Drücke, oder anders ausge-
•) E. H. and W. Weber, Wellenlehre nach Versuchen. Leipzig 1826. — H. Frey, Versuch
einer Theorie der Wellenbewegung. Müllers Archiv. 1845. — Volk mann, Haemodynaniik.
p. 80. — E. H. Weber, Ueber Anwendung der Wellenlehre Leipziger Berichte. Mathemat. phy-
sische CI aase. 1861. 164.
Ungleichmässiger Strom in dehnbaren Röhren.
67
drückt, das Gewicht bestimmt wird, welches die Röhrenwand nach Länge und Quere
rieht; denn es ist dieses Gewicht gleich dem Produkt der Spannung in der Flächen-
ausdehnung , auf welche der Druck wirkt. —* Dass schliesslich die Ausdehnbarkeit in
Betracht gezogen werden muss, versteht sich von selbst. Insbesondere ist aber auch
noch Rücksicht zu nehmen auf die Veränderlichkeit derselben mit der wachsenden
Spannung (siehe Bd. I. p. 53.) und auf die Ungleichheit der Ausdehnbarkeit nach ver-
schiedenen Richtungen (der Länge und dem Umfang des Rohrs), wie sie sich in un-
gleich angeordneten, festen Massen immer vorfindet. — Die Gestalt, welche die ge-
spannte Röhre annimmt und die Ausdehnung, welche sie unter einer gegebenen Span-
nung erfährt, hat Ad. Fick*) unter besonderen Bedingungen in Erwägung gezogen.
Von dem Augenblick an, in welchem der Strom in dem ausdehnbaren Rohr zu
seinem Beharrungszustand , d. h. zu der Spannung und Geschwindigkeit gelangt ist,
welche ihm während seiner Dauer gleichmäasig eigen sein soll, wird er sich nun ver-
halten wie in einem festen Rohr von gleichen Dimensionen und gleichem Reibunga-
coeffizienten. — Der Unterschied zwischen einem Strom in der ausdehnbaren und
nicht ausdehnbaren Rohre bezieht sich also wesentlich auf die dem Strom sich anpas-
sende Ausdehnung des Rohrs. Dieses schliesst die Folge in sich, dass das Ausströmen
aus dem Röhrenende nicht in dem Momente erfolgt, in dem das Einströmen in den
Röhrenanfang geschah, und ebenso, dass nicht in dem Augenblick das Ausströmen aus
dem Röhrenende aufhört, in dem das Einströmen in den Köhrenanfang unterbrochen
wird. Man sieht den letzten für uns bemerkenswerthen Erfolg sogleich ein, wenn man
erwägt, dass der 8trom aus der Röhre auch nach geschlossener EinfiussmUndung erst
dann aufhören kann, wenn sich dasselbe wieder um soviel verkürzt und verengert hat,
als es durch den von der EinfiussmUndung her erregten Strom erweitert und verlängert
worden war.
b. Ungleichmässiger Strom in ausdehnbaren Röhren. Ein Strom
in leicht dehnbaren Röhren kann aus vielerlei Gründen und auf mannigfache Art un-
gleichförmig werden. Indem wir uns vom physiologischen Bedürfnis leiten lassen,
beschränken wir uns auf die Betrachtung der Fälle, in denen eine rhythmisch wieder-
kehrende Steigerung oder Minderung der an der Ein- oder Ausflussmündung des
Rohrs wirkenden Kräfte, die Geschwindigkeit, Spannung und den Querschnitt des
Stroms nach einer regelmässigen, wiederkehrenden Zeitfolge ändern. Unsere etwas
verwickelte Betrachtung zergliedern wir in der Art, dass wir die Erscheinungen,
welche an der Wandung beobachtet werden, gesondert schildern von denen, welche
der Flüssigkeit eigen sind. Hierbei behandeln wir jedesmal gesondert die Vorgänge,
welche in zeitlicher Reihenfolge in ein und demselben Wandumfang oder Stromquer-
schnitt auftreten und darauf diejenige, welche gleichzeitig au verschiedenen Orten des
Stromrohrs sich geltend machen.
o. Die Voraussetzungen, die wir zuerst als erfüllt annehmen, bestehen darin,
dass in die Einflussmündung eines am Ausflussende stets offenen Rohrs eine mit der
wachsenden Zeit veränderliche Flttssigkeitsmenge einströme. Insbesondere soll die ein-
strömende Menge mit der Zeit so veränderlich gedacht werden , dass während der be-
liebigen Zeiteinheiten, in welche dio ganze Stromdauer zerfallt werden kann, die in
das Rohr gelangende Flüssigkeitsmenge mit dem Beginn einer jeden Zeiteinheit Null
ist, von da bis zur Hälfte der Zeiteinheit zu einem Maximum anwächst, and dann in
der zweiten Hälfte der Zeiteinheit wieder bis zu Null abnimmt. Die Kraft, welche
*) Med. Phymk p. 71«
5*
■ i— inogle
68
Wellenbewegung im elastischen Rohr.
während dieser Zeit jeder in das Rohr geworfenen Masseneinheit zukommt, soll, wenn
nicht das Oegentheil angegeben, als gleich gross angesehen werden. — Die hier ver-
langten Bedingungen würden u. A. verwirklicht sein, wenn mau einen horizontalen
Schlauch aus vulkanisirtem Kautschouk an eine steife Röhre gebunden hätte, welche
in einen grossen Wasserbehälter mündete. Das Verbindungsstück zwischen dem Was-
serbehälter und dem Kautschouk müsste noch mit einem Hahn versahen sein , der in
regelmässiger Zeitfolge geöffnet und geschlossen würde, wahrend das Niveau der Flüs-
sigkeit in dem Behälter unveränderlich bliebe.
Erfahrungsgemäss erweitern und verlängern sich die der Einilussmündung zunächst
gelegenen Röhrenabschnitte, während ein solches Einströmen geschieht, mit dem
Ansteigen der eingeworfenen Flüssigkeitsmenge; sie verkürzen und verengern sich da-
gegen wiederum bis zu ihrem ursprünglichen Umfang, wenn in der zweiten Hälfte
der Zeiteinheit das eingeworfene Wasserquantum wieder abnimmt. Auf dieser letztem
Lage verharren sie ruhig, vorausgesetzt, dass sie nicht durch einen neuen Stoss aus
derselben getrieben werden. In Folge dieser Bewegung der Wandtheilchen von dem
Ort, den sie bisher einnahmen , zu einem andern und ihrer Rückkehr zu der alten
Stelle, verändert sich zugleich die Spannung zwischen zwei zunächst gelegenen Theil*
ehen, entsprechend der Ausdehnung und dem Ausdehnbarkeitsmaass der erweiterten
Wandungen. — Die so eben geschilderte Bewegung in den Wandtheilchen, welche der
Einflussmündung zunächst gelegen sind, pflanzt sich nun allmählig durch das ganze
Rohr hindurch fort in der Art, dass die von der Einflussmündung entfernten Theil-
chen immer etwas später gerade die Wegrichtung einschlagen, in welcher kurz vorher
die vor ihnen liegenden gingen , so dass nach der AuaflussmÜndung hin die Wand
immer noch in Bewegung begriffen ist, wenn sie an der Einflussmündung schon znr
Ruhe kam. Bekanntlich nennt man eine solche Bewegung eines jeden Punktes eine
Schwingung, die Qesammtheit aller durch einen Stoss von bestimmter Dauer gleich-
zeitig in Bewegung gesetzter Theilchen aber eine Welle. — Die Länge des Wegs (der
Schwingungsumfang), welchen jeder einzelne Wandtheil bei einer Wellenbewegung xu-
rücklegt , wächst mit der Nachgiebigkeit der Röhrenwand , mit der Ueschwindigkeit
und dem Volum der eingestossenen Flüssigkeit (d. h. der Stärke des Stosses, den das
Theilchen empfangen kann) und den Widerständen für die Fortbewegung der letzteren
im Rohre. — Obwohl sich nun, wie wir erfuhren, die Schwingung, welche ein ein-
zelnes Theilchen ausführt, mit der Zeit verbreitet über alle übrigen, so erreicht sie
doch nicht überall denselben Umfang; insbesondere steht fest, dass die Rohrenstücke,
welche von der Flüssigkeit zuerst gestossen werden, eine grössere Ausdehnung erfah-
ren, als diejenigen, welche gegen die Ausflussmündung liegen ; oder anders ausgedrückt,
cs nimmt die Excursion der Welle von der Einfluss- zur Ausflussmündung des Rohrs
allmählig ab. Diese Abflachung der Welle bei ihrem Fortschreiten ist in engen und
gespannten Böhren merklicher, als in weiten (E. H. Weber). — Die Zeit, welche
vergeht zwischen dem Auftreten der Bewegung an einem gegebenen Orte und einem
andern von bekannter Entfernung (Fortpflanzungsgeschwindigkeit) scheint nur innerhalb
enger Grenzen abhängig zu sein von der Spannung der Wandung. Man achliesst hier-
auf aus den Beobachtungen von E. H. Weber, wonach in einem vulkanisirten Kaut-
schoukrohr von 27,5 MM. Durchmesser der von der Wellenbewegung in der Sekunde
durchlaufene Weg 11,470 Meter betrug, gleichgiltig , ob das Rohr unter dem Druck
einer 3,5 oder 0,008 Meter hohen Wassersäule gespannt war. In einem Schaafdanu
fand er dagegen die Fortpflanzungsgeschwindigkeit so gering, dass der Weitergang der
Welle mit dem Auge beobachtet werden konnte; ähnlich wie im letzteren Fall verhält
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Bewegung der Wassertheilchen in den Schlauchwellen.
69
•ich auch die Sache in einer weiten, dünnwandigen Kautschoukröhre. — Die Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit ist, wie besonders hervorzuheben, an den dickwandigen Kaut-
schoukröhren unabhängig von dem Volum und der Geschwindigkeit der in das Rohr
gestossenen Flüssigkeit. — Die Länge der Welle, oder der Abstand jener Wandtheil-
chen, welche genau in derselben Bewegungsphase, z. B. auf dem Maximum ihrer Er-
hebung, begriffen sind, ist abhängig von der Zeitdauer, während welcher der Stoss
wirksam ist, und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit.
Die Richtung, nach welcher sich dieWassertheilchen in Folge des wellen-
erseugenden Stosses in der Rohre bewegen, kann niemals der Langenachse dieser letz-
teren parallel laufen , weil sich die Röhre erweitert und verengert, indem die Flüssig-
keit in sie und aus ihr dringt; die Abweichung der Bewegungsrichtung von der grad-
linigen wird aber nur in dem besondern Fall bedeutend sein, wenn die Widerstande,
welche die Flüssigkeit nach der Längenachse des Rohrs findet , auffallend sind , wäh-
rend zugleich die Wand sehr nachgiebig ist — Die Geschwindigkeit, welche dem
einzelnen Theilchen , während es in einer Welle schwingt, zukommt, ist eine mit der
Zeit veränderliche, ln allen Fallen nimmt die Geschwindigkeit der Wassertheilchen an
der Grenze zwischen dem elastischen und dem steifen Zuflussrohr mit der steigenden
Oeffnung des Hahns zu und mit der beginnenden Schliessung wieder ab. Diese von
Null zu einem Maximum aufsteigondc und von da wieder zu Null abfallende Geschwin-
digkeit verbreitet sich nun allmählig durch den Inhalt des Rohrs und zwar den Ge-
setzen der Stossiib ertrag ung entsprechend , so dass in dem Maasse , in welchem neue
Massen nach der Seite der Ausflussmündung hin in die Bewegung eintreten, andere
bisher in ihr begriffeno zur Ruhe kommen. Indem sich nun die Bewegung vom An-
fang zum Ende des Wcllenrohrs fortpflanzt, ändern sich aber die Unterschiede in der
Geschwindigkeit , welcho dem einzelnen Theilchen zu verschiedenen Zeiten zukommen,
und zwar beobachtungsgemäss in der Art, dass mit dem Fortschreiten der Bewegung
das Maximum der erreichten Geschwindigkeit geringer wird, mit andern Worten, es
nähert sich die ungleichförmige Bewegung mehr und mehr der gleichförmigen an;
diese Umwandlung der Bewegungsart geschieht, soweit wir wissen, in engen Rohren
vollkommener, als in weiten. — Die Grösse des Wegs, welchen ein Theilchen nach
der Längenachse des Rohrs zurücklegt, ist abhängig von dem Verhältniss des einge-
worfenen Flüssigkeitsvolums zu der Räumlichkeit des Röhrenquerschnitts. Da nun das
über die Wellenlänge und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wandtheilchen Aus-
gesagte zuaamraenfällt mit demjenigen des Röhreninhalts, indem die betreffenden Ver-
hältnisse der letzteren die der enteren bedingen, so ist es klar, dass die einzelnen
Flüssigkeitstheilchen in der Zeiteinheit einen viel kürzeren Weg zurücklegen, als die
Welle selbst. So wird z. B. , wenn wir annehmen , es sef in einer Sekunde so viel
Flüssigkeit in das Rohr, wie es Weber benutzte, geworfen, dass sein Inhalt um
0,1 M. vorwärts goschoben worden wäre, in dieser Zeit die Bewegung durch Mitthei-
lung des Stosses von einem zum andern Querschnitt um 11,7 M. fortgeschritten sein.
— Mit der Bewegung der Flüssigkeitstheilchen findet sich aber zugleich auch eine
Spannung zwischen ihnen ein , die aus bekannten Grundsätzen mit der steigenden Ge-
schwindigkeit zunimmt Somit- wandert auch durch die Flüssigkeit allmählig eine xu-
und abnehmende Spannung, wenn eine Wellenbewegung durch dieselbe läuft
Nachdem wir uns das Wesentlichste des Thatsächlichen bemerkt haben, welehes
in einem möglichst einfachen Wellenschlauch vorgeht, wenn er von einer sog. Berg-
welle durchlaufen wird, wollen wir den inneren Zusammenhang der Erscheinungen,
insofern er für die Welle des Schlauchs ein besonderer ist, klar zu machen suchen.
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70
Theorie der Schlauchwollen.
Fig. 18.
‘w.-
.9
—
’
(t ,
_
4} ßf
A'
— Die erste Frage, «eiche wir uns vorlegen, besteht darin, warum und wie erweitert
sich durch die eingeworfene Flüssigkeit der Schlauch, und auf welchem Wege kommt
das Fortschreiten der Erweiterung zu Stande, während die zuerst bewegten Stellen
annähernd in ihre erste Lage zurückk ehren, um dort in Ruhe zu verharren.
Nehmen wir an, es sei in die schon angefüllte Röhre aa* kk* (Fig. 18.) von
Neuem Flüssigkeit eingestossen , welche im Beginn des Einflusses über den ersten , in
horizontaler Richtung nicht
verschiebbaren Querschnitt a a‘
hinaus nach ee* gedrungen
sei, so muss sich aus bekann-
ten Gründen eine von e nach
a zunehmende Spannung ent-
wickeln. Dem entsprechend
wird sich das Wandtheilchen
a auf den Weg nach c hin
-O begeben und nach Beendigung
des ersten Angenblicks etwa
in b angelangt sein. Dringt nun im zweiten Augenblick abermals ein Strom durch
den Querschnitt bb' ho muss sich zwischen b und e die Flüssigkeit beträchtlich mehr
spannen, als dieses im ersten Augenblick der Fall war. Denn einmal bestehen alle
frühem Gründe für das Entstehen der Spannung und dann aber ist auch jetzt die
Wand schräg gegen die Ötromrichtung gestellt. Indem also b wiederum gegen e auf-
steigt, wird es während derselben Zeit in dieser Richtung einen grossem Weg zurück-
legen, als vorher; wie wollen annehmen es gelange auf ee*. Die nothwendige Folge
des andauernden Einströmons von a her ist aber die, dass sich die Flüssigkeit über
ee* etwa nach hh' hin verbreitet; auch in diesem Abschnitt des 8troms wird sich
eine ßpannung uinstcllen, welcher im zweiten Augenblick des Stroms ungefähr der
Werth zukoraraen wird, den bb * ee* im ersten besass. —
Gesetzt, wir hätten nun aber, als das
Rohr in Fig. 19. die Gestalt cfh efh
angenommen hatte, die Einflussmündung
bei ee geschlossen, so ist es zunächst klar,
dass ein Strom in der Richtung des Pfeils
statt Anden muss , da bei e e eine be-
trächtliche, bei hh aber gar keine Span-
nung stattfindet. Ueberlegt man sich aber
genauer, wie sich die Kräfte verhalten in
den Querschnitten, die man durch die
Punkte ee, ff hh , des Rohrs legen kann,
sieht man ein, dass die Unterschiede der Spannungen zwischen ff und ee* grosser, als
zwischen hh und ff sind. Da sich nun auch zugleich das Rohr von c nach h ver-
engt, so ist auch die Mündung, durch welche die Flüssigkeit von c nach f strömt,
weiter als die, durch welche sie von / nach i ausfliesst. Es sind also hinreichende
Gründe dafür vorhanden , dass mehr Wasser nach f hin - , als von f wegströmt.
Wenn sich somit dio Flüssigkeit in f anhäuft, so muss auch der Punkt / nach g
hin steigen, während c gegen a bin zurückgeht — Dieses Zurückgehen des Punktes
von c nach a und das Aufsteigen des Punktes f nach g hin muss aber so lange dauern,
bis in dem Querschnitt// die in der Richtung von « e wirksamen Kräfte denen in
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Theorie der Schlauehwellen-
71
der Richtung e h thätigen das Geichgewicht halten. Diese« ist aber offenbar noch
nicht eingetreten, wenn die elastische Spannung des Kreisumfangs, auf dem ff liegen,
gleich ist derjenigen, welcher e c angeboren. Denn es haben dann noch die Punkte e e
eine Geschwindigkeit nach der Röhrenachse hin, während die Punkte ff eine solche
nach g g hin besitzen , so dass demnach wegen der Beharrung beide Stücke noch eine
Zeitlang in entgegengesetzter Richtung gehen. Dem entsprechend wird sich die Röhre
der Form a gi annähern. — Hat nun aber einmal das Rohr diese Stellung (Fig. 20.)
angenommen, so wird die Yertheilung der Kräfte in ihm etwa folgende sein. Auf
dem Querschnitt b b kommt der Flüssigkeit
wegen des ursprünglich empfangenen Stosses
eine Geschwindigkeit zu in der Richtung
des Pfeils, und ausserdem hat sie eine Span-
nung, rermögon deren sie ebensowohl nach «a,
als nach ee getrieben wird. Die Strömung nach
a a wird gehemmt durch die in entgegengesetzter
Richtung wirkende Geschwindigkeit, die Strö-
mung nach ec wird dagegen durch dieselbe Ge-
schwindigkeit unterstützt und es wird somit ein
beschleunigter Strom nach ec gehen, während die
Die an diesem Ort beruhigte Flüssigkeit wird jedoch einen merklichen Grad von Span-
nung mehr besitzen, als er ihr vor Rinleitung des 8troms eigen war, und darum wird
auch das Rohr hier um etwas weiter bleiben, wenn auch die Bewegung von da nach
dem Röhrenende weiter fortgeschritten ist
Eine zweite Erscheinung, auffallend für eine Beugungswelle des Wassers, besteht
darin , dass die Fortleitungsgeschwindigkeit unabhängig von dem Yolum der einge-
sessenen Flüssigkeit, von der Geschwindigkeit des einzelnen Flüssigkeitstheilchen, und
in weiten Grenzen auch unabhängig von der Wandspannung ist. Wir sind hiermit
gezwungen, das Rohr und seinen Inhalt als ein zusammengehöriges Stück aufzuf&ssen,
in dem die Welle nach Art der Schallwellen fortschreitet. Wie man sich das Zustande-
kommen dieser Erscheinung aber zu denken habe, ist schon früher Bd. 1. p. 355 aus-
einandergelegt. Wenn aber das Rohr sehr nachgiebig wird, sodass gleichsam das in
ihm enthaltene Wasser mit einer freien Oberfläche versehen ist, so müssen nun auch
auf das Fortschrciten der Welle im Wasser die Gesetze giltig sein, welche E. H. und
W. Weber in ihrer Wellenlehre •) dafür entwickelt haben.
Die Gründe, weshalb sich die Welle während ihres Fortgangs durch das überall
gleichgestaltete Rohr abflacht, können allgemein nur darin liegen, dass die Geschwin-
digkeit der Wasserthcilchen , welche sich jeweilig an einer Welle betheiligen, in einer
Abnahme begriffen ist, denn nur hiervon kann eine Aenderung in der Spannung ab-
hängig sein. Diese Verminderung der Geschwindigkeit kann und wird, wie es scheint,
auf zweifache Weise zu 8tande gebracht werden. Einmal verlangsamt sich das schwin-
gende Theilchen darum, weil sich wegen der Aenderung des Röhrenquerschnitts das
Volum der W’elle beim Fortgang durch das Rohr vergrössert; da nun aber die Welle
nur Über ein bestimmtes Kraftmaass disponirt, so muss noth wendig die Geschwindig-
keit des einzelnen Theilchens abnehmen, wenn die Zahl der bewegten zunimmt. Neben
diesem Grunde, der auf einer andern Yertheilung der lebendigen Kräfte beruht, steht
ein anderer, der sich von einem Verlust an Kräften herschreibt. Dass bei der Bcwe-
Fig. 20.
.4 ,
•) p. le«.
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72 Mittlere Spannung und Geschwindigkeit der Schlauchwelle.
gung des Wassers in einem Wcllenschlauch Verlust an Kraft stattfinden muss, ergiebt
sich daraus, weil auch hier eine Fortbewegung des Wassers an den Wandungen, also
Reibung, statt findet, weil sich die einzelnen Wassertheilchen im lrfncrn des Kohrs
mit ungleicher Geschwindigkeit bewegen, sich also von einander losreissen müssen
und endlich, weil sich die Theilchen der Wandung gegeneinander bewegen, wobei
ebenfalls Kräfte durch innero Reibung verbraucht werden. — ln Ermangelung einer
Theorie hat Volk mann Versuche angestellt, um die Beziehungen zu ermitteln, welche
bestehen zwischen der tnittlercn Sp&nnnung und der mittleren Geschwindigkeit Zu
diesen bediente er sich der in Fig. 21. dargestellten Einrichtung. K stellt einen
Pig. 21.
K
Wasserbehälter vor, in desson einer Seiten wand nahe über dem Boden ein mit einem
Hahn verschliessbares Rohr // eingefügt ist; an dieses Rohr ist ein Darmstück D ein-
gebunden, in dessen Seitenwand eine senkrechte Glasröhre angebracht ist, deren Lumen
sich in der DarmhBhle Öffnet. An das Ende des Darms S ist ein messingenes Ausflussrohr
eingefügt. Nachdem der Behälter bis zu einer beliebigen, aber genau bekannten Höho
mit Wasser gefüllt ist, öffnet und schliosst man in regelmässiger Wiederkehr den Hahn,
sodass das Wasser in steigender und abnehmender Menge in den Darm eindringt.
Wenn der Spiegel des Wassers auf gleicher Höhe erhalten wird und die Umdrehung
des Hahns nach einer sich glcichbleibenden Regel geschieht, so geht durch den
Schlauch eine Reihe gleichgearteter Wellen, und in Folge dessen wird die Spannung,
welche in H abgelesen werden kann, und der Ausfluss aus der Mündung S innerhalb
bestimmter Grenzen schwanken. Kennt man nun das Flüssigkeitsvolum, welches in der
Zeiteinheit aus dem Rohr strömt, so erhält man daraus auch sogleich die mittlere Ge-
schwindigkeit der Flüssigkeit in der Oeffhung. Indem man die Mitte nimmt aus dem
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Thalwellen.
73
)
höchsten und niedersten Stand der Flüssigkeit in der spannungsanzeigenden Glasröhre,
erhält man auch zugleich die mittlere Spannung in dem Darm an der Stelle, in wel-
cher die Glasröhre eingefdgt war. Indem Volk mann dioso beiden mittleren Werthe
bei verschiedenen mittleren Geschwindigkeiten, oder was dasselbe bedeutet, für ungleich
hohe Wasserstände in dem Kasten verglich, kam er zu der Regel, dass sich flir jedes
Darmrohr zwei Coeffizientcn a und b finden lassen , welche die Spannung in diesem
angeben, wenn man den einen von ihnen mit der einfachen Geschwindigkeit und den
andern mit dem Quadrat derselben multiplizirt. Mit Zeichen ausgedrückt war also,
wenn •> den mittleren Spannungsunterschied in der Längeneinheit und v die mittlere
Geschwindigkeit bedeutet, s = a t -f- b v*. Es kann demnach, wie man sieht, der
Zusammenhang zwischen Spannung und Geschwindigkeit auf scheinbar denselben
Ausdruck gebracht worden, welcher ihn auch für steife Röhren und parallele
Ströme darstellte. — Diese Uobereinstimmung hat insofern nichts Auffallendes, als
- hier wie dort die hemmenden Ursachen (Reibung und Stösse) zugleich in dem ein-
fachen und dem quadratischen Yorhältniss der Geschwindigkeit steigen. Der
Unterschied zwischen beiden Vorgängen muss dagegen in dem Coeffizienten gele-
gen sein.
ß. Dio zweite Bedingungsreihe, durch welche wir eine Flüssigkeitsbewegung in
einem dehnbaren Schlauche ungleichmässig zu machen gedachten, würde z. B. erfüllt
sein : durch die Anwesenheit eines durch Flüssigkeit ausgedehnten elastischen Schlauche,
der an beiden Enden verschlossen wäre, aber an einem von beiden auf beliebige Weise,
z. B. durch einen eingesetzten Hahn, vorübergehend geöffnet werden könnte; oder
auch dadurch, dass man an der Ausflussmündung eines elastischen Rohres, welches
von einem constanten Strom durchflossen wird , wechselnd eine Erweiterung oder Ver-
engerung von beträchtlichem Umfang anbringt Der Einfachheit wegen wenden wir
uns zu dem Apparat mit ursprünglich ruhender, aber gespannter Flüssigkeit. Gesetzt,
es sei das bis dahin geschlossene Rohr A A, B B (Fig. 22.) bei BB plötzlich geöffnet,
Fig. 23.
und nachdem eine kleine Fftsssig-
keitsmenge ausgeflossen sei , wieder
geschlossen worden, so nimmt das
Rohr erfahrungsgemäss während der
kurzen Zeit des Ausfliesgens die Form
A Ay C C an. Nach dem Schluss der
Mündung strömt nun aus dem nächst
gelegenen Stück des Rohrs, welches
höher als das Ende gespannt ist,
Flüssigkeit in dieses abgespannte
Ende, sodass, während sich dieses
letztere wieder anfüllt, das erster©
zusammenfällt. Es geht somit wie
in Fig. 23. dargestellt ist, die Abspannung in der Richtung des Pfeils A A durch die
Röhrenwand fort , während die Flüssigkeit durch das Rohr in der entgegengesetzten
Richtung nach der des Pfeils B weiter bewegt wird. Diese Welle, welche im Gegen-
satz zu der früher beschriebenen mit einer Einbiegung des Rohrs verbunden ist, nennt
man die negative oder die Thalwellc. Die Erscheinungen , welche diese Welle ausser-
dem noch bietet, und somit auch die Theorie derselben, treffen ganz zusammen mit
denen der Bergwelle, wie man nach einer kurzen Uebcrlegung cinschcn wird.
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74
E. H. Webers Schema des Blutkreislaufs.
Da auf die Welleu des Schlauches alle allgemeinen Grundsätze, nach welchen die
Wellenbewegung zu bcurtbeilen Ist, anwendbar sind, so müssen noth wendig auch die
Reflexion, die Beugung und das Durcheinanderachreiten beobachtet werden. In dem
letztem Fall wird eine Steigerung oder Verminderung des Bergs oder des Thals ein-
treten können, je nachdem durch das Rohr gleichartige oder ungleichartige (Berg- und
Thal wellen) laufen.
E. H. Webers Schema des Blutkreislaufs. —
Nach allem diesen wird es, bevor wir die Erscheinungen des BlutlaufB selbst
schildern, noch von Nutzen sein, das lehrreiche Schema desselben, welches E. H. Weber
gegeben hat, zu erklären. Dieses (Fig. 24.) setzt sich aus awei elastischen Rohren zu-
sammen, einer kürzeren a c
und einer längeren b de. Jede
dieser beiden Rohren iat an
dem einen ihrer Enden mit
einem Röhrenventil vorsehen,
dessen Einrichtung durch
^ Fig. 25. dargestellt wird. Ein
solches Ventil wird hergestellt, indem man zwei steife Röhren n und b ineinander
steckt; an die innerste derselben an ist ein Dannstück e angebunden, von dessen freiem
Rand die Fäden ausgehen, die an der äussera Rohre angeknüpft sind; verläuft in den
Fig. 24.
Röhren ein 'Wasserstrom, so wird er je nach seiner Richtung das Ventil ec schliessen
oder öffnen, und zwar wird das letztere geschehen, wenn der Strom nach der Rich-
tung des Tfeilos f, das erstere, wenn er in umgekehrter Richtung geht. Damit bei
diesen verschiedenen Strömen der Rand des Ventils nicht in b eingestülpt, oder genau
an bb angepresst werde, sind die Fäden an Ränder angeknüpft, welche dem Spielraum
der Bewegung gewisse Grenzen an weisen. Kehren wir nun zurück zu Fig. 24. Die
beiden Darmstückc, das kürzere und das längere, werden so in einander gesteckt, dass
die Ventile einen fortlaufenden Strom durch den in sich zurücklaufenden Bogen aed
gestatten, wie ihn in unserer Figur die kleinen Pfeile anzeigen. Darauf wird durch
eine verschliessbarc Seitenöffnung, z. B. den Trichter bei «, der Darm bis zu einem
bestimmten Grade mit Wasser gefüllt. Drückt man, nachdem dieses geschehen ist, das
freiliegende Stück v der kurzen Darmabtheilung zusammen, so wird sein Inhalt, da er
nach e hin nicht ausweichen kann, durch c in die grosse Röhre treten und in dieser
eine fortschreitende Bergwclle erzeugen, welche in der Richtung des Pfeils nach <t hin
laufend, successiv die Flüssigkeit in dieser Richtung weiter führt. Löst man nun
aber den Druck, welchen man auf r angebracht hatte, plötzlich, so wird die Flüssig-
in diesen Raum von der gesammten Umgebung eingedrängt; dieses wird aber, wegen
der Ventile, nur von a nach e gelingen, und dadurch wird eine Beugungswelle erzeugt,
die von a durch d nach e fortschreitet und demnach die Flüssigkeit in der Richtung
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E. H. Weher* Sohema des Blutkreislaufs.
75
von e. nach n fortführt; d. h. in derselben, in welcher sio auch durch die Bergwelle,
die von t nach n lief, getrieben wurde. So kann also durch eine Wellenbewegung die
Flüssigkeit in einer in sich geschlossenen Röhre herumgeführt werden. Vorausgesetzt
nun , dass das Lumen des Dannrohrs überall von normaler Weite sei , so werden sich
die in ihm erregten Wellen sehr rasch durch das ganze Kohr hindurch verbreiten und
sich somit auch die Ungleichheit in dor Spannung, welche durch das Zusammenpressen
von v eingetreten war, ausgleichcn. Bringt man dagegen irgendwo im Lichten eine
Verengerung an, *. B. dadurch, dass man bei d einen Badeschwamm einlegt, so wird
die von c herkommende Flüssigkeit nur sehr allmählig Übel* die verengerte Oefftiung
hinausdringen; die Welle aber wird, wenn die Ocffnungen in dem Badeschwamm eng
und wenig zahlreich sind, «ich gar nicht Über d fortpflanzen. Wenn aber die Flüssig-
keitsmenge, welche in das Röhrenstück e d geworfen ist, sich nicht sogleich wieder
aus ihm entleeren kann, so muss sie sich in seinem Raum vertheilen und die Spannung
seiner Wand erhöhen. Umgekehrt muss dagegen in dem Stück de die Spannung ab-
nehmen, weil dieses einen Theil seines Inhalts in das vorhin entleerte r geworfen hat.
Vermöge dieses Spannungsunterschiedes wird nun auch ein Strom durch d hindurch,
von ed nach de gehen und zwar so lange, bis die Spannung beider gleich geworden
ist, ein Strom, der somit auch noch fortdauert, wenn längst die Welle verschwunden ist.
In dem Rohr besteht, bevor irgend eine Welle darin erregt worden ist, durch die
Anfüllung desselben cino Spannung, die in jedem Ort der Röhre und somit auch
überall in der Wandung gleich ist. Die Summe dieser Spannungen, welche auf der
Wand lastet, wird demnach zu finden sein, wenn der auf ihrer Flächeneinheit ausgeübte
Druck (p) multiplizirt wird mit der Anzahl der Flächeneinheiten (q), die sie enthält.
Wird nun eine Wolle erregt dadurch, dass die Wand an einer Stelle zusammengepresst
wird, so muss sich diese an andern erweitern; und weil eine Ausdehnung oder ein
Zusammendrücken der Wand gleichbedeutend ist mit einer Ent-, resp. einer Belastung,
so müssen nun die Spannungen, die auf verschiedenen Orten der Wrandung liegen,
ungleich werden. Belegen wir nun die verschiedenen Spannungen mit p', p" u. s. w.
und die Wandflächen, auf denen die bezeichnten Spannungen Vorkommen , mit q', q''
u. s. w. — so wird die Summe der veränderten Spannungen gleich sein der Summe
>
q' p' -f- q" p" u. s. w. — Es ist nun die Frage, ob q' p' -f- q" p" = p q sei,
<
oder mit Worten, ob die 8umme der Spannungen in dem Rohre nach der eingeleiteten
Wellenbewegung im Vergleich zur früher bestandenen sich unverändert erhalten, vsr-
grössert oder verkleinert habe. Diese Frage ist leicht zu entscheiden. Da die wässe-
rigen Flüssigkeiten sich nicht merklich zusammendrucken lassen, so wird das Volum
derselben vor und nach ihrer Lagenveränderung unverändert geblieben sein. Setzen
wir also voraus, dass R der mittlere Durchmesser des Rohrs vor der Umlagerung der
Flüssigkeit gewesen sei, und dass L die Länge desselben sei, dass aber R -f- r und 1
die gleichen Bedeutungen für das durch die Umlagerung erweiterte; R — q und 1'
aber dieselben Eigenschaften des abgespannten Stückes besitzen, so muss (R — p)1 »l'-f-
(R-f-r)*« I s R* n L sein. Nehmen wir nun der Einfachheit wegen an, dass 1 = 1'*)
und somit L =21 sei, so ändert sich nach Weglassung von 1 und », welche allen Glie-
dern zukommen , die Gleichung in (R — p*) -f- (R -f- r)* = 2 R*. Setzt man in
•) Eine Unterstellung , die wegen der annähernd gleichen Länge des Venen- und Arterien-
systems für da» Schema des menschlichen Kreislaufs gemacht werden darf*
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76
Inhalt der Herzkammern.
diesem Ausdruck q = r, so fuhrt derselbe zu der widersinnigen Behauptung, dass
o •» 2 r* »ei. Daraus geht also herror, dass die Zunahme der Peripherie in der ge-
spannteren Seite nicht so gross sein kann als die Abnahme in dem abgespannten.
Führt man nun die Betrachtung in ähnlicher Weise weiter, so kommt man auf dis
Folgerung, dass wenn die Kadien der beiden Stücke von Anfang an ungleich gewesen
sind, und dann aus dem engern Hohr Flüssigkeit in das weitere geworfen wird, in
diesem letzteren eine absolut geringere Zunahme des Umfangs stattfindet, als die Ab-
nahme des engern Kohrs beträgt, währond im umgekehrten Fall (bei grossen Unter-
schieden) natürlich das Umgekehrte Statt finden kann. Setxt man nun die Elastizität«-
coeffisienten der Wandung des engern und weiteren Kohrs einander gleich, so würde
daraus folgen, dass beim Uebertritt der Flüssigkeit aus dem engen in das weite Kohr
jedenfalls weniger spannende Kräfte verhaucht wurden, als im umgekehrten Fall. Aus
dieser Betrachtung werden wir demnächst ableiten, dass beim Uebertritt des Bluts aus
dem weitern Venensystem in das engere arterielle ein beträchtlicher Antheil der lien-
kraft zur Spannung des Bluts verbraucht werden muss.
In den zunächst folgenden Stücken werden im Gegensatz zu
einer natürlichen Anordnung des Stoffs, das Herz und die Gefässc
vorah, losgetrennt aus dem logischen Zusammenhang behandelt.
I)a dieses ohne Eintrag fiir das Verständniss geschehen kann, so
mögen Gründe der Zweckmässigkeit die Inconsequenz entschuldigen.
Das Herz und seine Bewegungen.
I. Inhalt der Herzkammern. Das Blut, welches die bei-
den Herzkammern eines Erwachsenen im erschlafften Zustand fas-
sen kann, schätzt man nach den genauesten Messungen von
Krause*) auf 170 Gr. Volkmann**) bestimmt die Blutmenge,
welche durch eine Zusammenziehnng von mittlerem Umfang aus
einem Ventrikel von mittlerer Räumlichkeit in die Gefässe entleert
wird, bis zu 188 Gr., Vierordt***) zu 180 Gr. In Anbetracht
dessen, dass cs sich hier nur um Mittelzahlen handelt, ist die Ueber-
einstimmung derselben um so bemerkenswerther , als die drei ge-
nannten Beobachter auf wesentlich verschiedenen Wegen zu ihrem
Ziele gelangten. — In welchen Grenzen dieses Verhältniss zwi-
schen dem mittlcm Kammerinhalt und dem Körpergewicht schwan-
ken und in wieweit der Kammerinhalt vom sogenannten mittlern,
ohne die Gesundheit zu gefährden, abweichen kann, bleibt noch
zu ermitteln.
Den Inhalt der Kammer bestimmt man meistentheils durch Anfüllung derselben
mit Flüssigkeit. Da da» Herz einen elastischen Beutel darstellt, so wird sein Inhalt
veränderlich sein mit dem Druck, unter dem es gefüllt ist, der Ausdehnung, der Dicke
dem EHwtizitätscoöflizienten seiner Wandung und endlich mit dem Widerstand seiner
•) Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie. 2. Aufl. I. 787.
••) Haemndynsrolk nach Versuchen. Leipzig 1860. p. 206.
•••) Die Erscheinungen und Gesetze der Stromgeschwindigkeiten. 1868. p. 103.
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Inhalt der Herzkammern.
77
Umgebung. Sollten also die Ausmessungen des Cubik Inhaltes seiner Höhle werthvoll
sein, so müssten sie am todten aber noch nicht todtenstarren Herzen als eine Funktion
dieser Umstande bestimmt werden und darauf müsste man zu ermitteln versuchen,
unter welchem Druck u. s. w, das lebende Herz gefüllt wird, wenn man die Er-
gebnisse des todten auf das lebende Herz übertragen wollte. Dieses ist bis
dahin nicht geschehen, somit geben die Beobachtungen nur angenäherte Werthe. —
Volk mann*), der, wie wir erfahren werden, die mittlere Geschwindigkeit des
Blutes in der Aorta schätzen lehrte, benutzte diese Beobachtung zur Erledigung der
wichtigeren Frage , wieviel Blut mittelst eines jeden Herzschlags aus der linken Kam-
mer getrieben wird. Kennt man nun die Weite der Aorta, die Geschwindigkeit, mit
welcher sich das Blut in ihr bewegt, so weiss man natürlich, wie viel Blut das Herz
in einer gegebenen Zeit, z. B. in der Minute, entleert; daraus berechnet sich nun auch
gleich die Menge, welche jeder einzelne Herzschlag liefert, wenn man die Zahl der
Herzschläge in dieser Minute gezählt hat. Nachdem er eine grössere Zahl von solchen
Beobachtungen an Hunden, Schafen , Ziegen und Pferden ausgeführt hatte , verglich er
das Gewicht einer Ventrikelentleerung mit dem eigends ermittelten Gesammtgcwicht
der Beobachtungsthiere. Diese Yergleichung führte zu dem Ergebnis*, dass mit Aus-
nahme von zwei ganz abweichenden Fällen das aus dem linken Ventrikel entleerte
Blutgewicht den 0,003 bis 0,002ten im Mittel also den 0,0025ten Theil vom Gcsammt-
gewicht des Thiers ausmachte. Erlaubt man sich nun diese Verhältnisszahl auf den roitt-
lem erwachsenen Menschen zu übertragen, dessen Gewicht zu 75 Kilogramm angenommen
werden kann, so gelangt man zu obiger Annahme. — Vierordt legt seiner Schätzung
zu Grunde die von ihm bestimmte mittlere Geschwindigkeit der Carotis, und die von
Krause und ihm gemessenen Querschnitte der Art. carotis, subclavia, anonyma und
des Are. aortae, des Menschen und die Voraussetzung, dass sich die mittleren Geschwin-
digkeiten umgekehrt wie die Querschnitte verhalten.
lieber das Verhältnis« des Rauminhaltes der beiden Kammern
eines und desselben Herzens lässt sich mit Wahrscheinlichkeit aus-
sagen, dass die rechte Kammer etwas mehr Blut zu fassen ver-
möge, als die linke. Hierfür sprechen wenigstens die Ausmessun-
gen des todten Herzens, denn wenn die beiden Herzhälften selbst
unter Wasser, also mit Vermeidung alles Druckes, gefüllt wurden,
so ergab sich doch constant ein Uebergewieht des rechten Inhaltes
Uber den linken. — Dagegen muss der Theil des Inhalts, welcher
während des Lebens in das Gefässsystem strömt, für beide Ventrikel
derselbe sein; denn es entleert sich ja mit mancherlei Umwegen
schliesslich der eine Ventrikel in den andern, und somit würde eine
Anhäufung des Bluts rechts oder links geschehen, wenn nicht fort-
während aus beiden Höhlen gleichviel ausgestossen würde. —
2. Anordnung und Wirkung der Muskelröhren**).
Die Vorhöfe werden bekanntlich von einer dünnen, nicht überall
*) Haemodynamik nach Verwichen. Leipzig 1860. p. 206.
**) C. Ludwig, Henle u. Pfeuffers Zeitschrift. VII. 189. — Dontiers Physiologie des
Menschen I. Bd. I. png. 14. o. f. — K Ul liker, mikroskopische Anatomie. II. Brl. 483. — CJha-
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78
Anordnung und Wirkung der Muskelröhren des Herzens.
vollständigen Lage von Mnskelmasse umzogen, die an keinem Orte
in die Muskeln der Kammern übergeht (Donders); an einzelnen
Stellen läuft die Faserung annähernd parallel, an andern senkrecht
mit der Lüngenachse des Herzens, nur an wenigen Orten kommen
gleichzeitig Fasern von beiden Richtungen vor. Die Fasern beider
Vorhöfe gehen an der vordem Fläche ineinander Uber. An den
Venenmündungen finden sich Ringfasern. Nach allen diesen müs-
sen bei der Muskelverkürzung die Vorhöfe zusammengezogen wer-
den; die Höhle eines jeden einzelnen Vorhofs kann nicht überall
in zwei aufeinander senkrechten Ebenen verengert werden; der
Durchmesser der Venenmündungen wird verkleinert, derjenige der
arteriellen (ostia atrioventricularia) bleibt dagegen unverändert.
Die Kammern, a. Ihre Fasern gehen nur in Sehnen Uber,
entweder geradezu in dem fibrösen Kranze, welcher die an der
Kammerbasis gelegenen Oeffnungen umgiebt, oder in solche, welche
in diesem Kranze ein Ende nehmen. Zwischen diesem Anfang und
Ende umspannen sie jedesmal eine, öfter auch zwei Kammern, sie
bilden also Schleifen, die, wie die freilich unvollkommene Herz-
präparation wahrscheinlich macht, häufig sogar in sich zurücklaufen,
Fig. 26 A. Fig. 26 B.
indem Ursprung und Ende einer Faser an demselben Ort zu lie-
gen scheinen. — b. Für sehr viele Fasern ist es sehr wahrschein-
lich, dass sie nicht blos mit einfacher, sondern mit doppelter
Schlinge den Herzkegel umschliessen, indem sie einen 8 förmigen
venu u. Fa irre. Gazette mldicale de Paria l&»6. 407. — Hammernik. daa Herz u. aeine Be-
wegungen. Prag 18&8. ^
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Anordnung und Wirkung der Muskelrßbren de» Heroen». 79
Umgang machen wie dieses die schematischen Figuren 26 A. und B,
andeuten. Die von links nach rechts gehenden Richtungen dieser
Fasern liegen im Allgemeinen näher gegen die äussere Herzober-
fläche, die umgekehrt laufenden aber näher gegen die Höhlenober-
fläche. Zu dem scheint noch die Anordnung zu gelten, dass die
oberflächlichsten Fasern, welche rings an der Herzbasis (gleicbgil-
tig, ob von dem Rand des Ostium venosum dextrum, oder sinistrum)
entspringen, durch den an der Spitze des linken Herzens gelegenen
Wirbel hindurch auf die innere Oberfläche des linken Ventrikels
dringen, und an dieser emporlaufen. — c. Die zunächst den Herz-
oberflächen gelegenen Fasern laufen am meisten steil, und sie sind
die einzigen, welche die Herzspitze erreichen, die Fasern aber,
welche mehr im Innern der an der Basis dickem Herzwand liegen, ver-
laufen weniger steil. — d. Aus dem
bisher angegebenen Verhalten folgt,
dass an allen Orten der Kammer-
wandung sich Fasern von der ver-
schiedensten Richtung finden , wie
dieses an dem in Fig. 27. dargestellten
Schema durch die gezeichnete Faser
uns versinnlicht wird. Die Fasern
von der Richtung, welche a enthält,
verlaufen zunächst unter dem Pericar-
dium, diejenigen, welche dem Zuge
/ folgen, grenzen an das Endocardium
an. — e. Ein grosser Theil von den
Fasern, welche der Herzhöhle zu-
nächst laufen, erreicht sein Ende in
Sehnen, welche erst durch die Klap-
pen hindurch zu den sehnigen Rän-
dern der venösen KammermUndungen
gelangen. — Mehrere solcher auf der
innern Herzfläche frei hervorragender
Muskelenden (Papfllarmuskeln), deren
Zusammenhang mit den äussern Fa-
sern Fig. 28. erläutert, convergiren
gegeneinander (a b). Sie können somit
als Stücke eines unvollkommen vor-
handenen inneren Herzkegels angesehen werden, der seine Spitze
nach der Basis des äussern kehrt. Die Sehnen dieser Muskeln
Vig. 27.
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80 Anordnung und Wirkung der Muskelrohren des Herzens.
welche in die Klappen dringen, fahren nach verschiedenen Rich-
tungen hin auseinander nnd enden niemals sämmtlich in einer,
sondern jedesmal in zwei benachbarten Klappen, wie dieses durch
Fig. 29. dargestellt ist. Jeder Hauptlappen einer Klappe empfängt
somit aus zwei Papillar-
muskeln seine Chorden,
auf denen er im ausge-
spannten Zustand wie anf
einem Kniegebälke ruht.
(Fig. 29. a a im Durch-
schnitt). — f. Der bei wei
tem grösste Theil der Fa-
sern, welche sich in der
freien Wand des rechten
Ventrikels vorfinden, ist
schon einmal Bestandtheil
der freien Wand des lin-
ken Ventrikels gewesen,
sodass die Muskelschleifen,
welche sich um die rechte
Kammer begeben, auch die
linke einschliessen. Dieses
Verhalten wird schon klar
durch die Betrachtung der gegenseitigen Lagerung beider Herz
höhlen ; auf einem zur Längenachse des Herzens senkrechten
Querschnitt erscheint nemlich die rechte um die linke herum ge-
krtimmt. Die auf der zur rechten Herzhöhle zugewendeten Scheide-
wandfläche verlaufenden Fasern verhalten sich aber zum linken
Herzen wie diejenigen, welche auf der Herzoberfläche verlaufen.
Ein System so verwickelter Mnskelröhren, wie das beschrie-
bene, wird bei seiner Zusammenziehung je nach der Vertheilung
seiner Masse, der relativen Verkürzung einzelner Theile u. s. w.,
die mannigfachsten Erscheinungen bieten, die sich bis in ihre Ein-
zelheiten in keinem Falle werden Voraussagen lassen, theils weil
die Verflechtung der Fasern zu complizirt, theils auch noch zo
wenig bekannt ist, um sie mittelst der mechanischen Theorie zu
behandeln. Wir sind darum auf die Beobachtung des lebenden
Herzens angewiesen, wenn wir erfahren wollen, wie es sich, wäh-
rend es im Kreislauf thätig ist, bewegt. Die Beobachtung dieser
Bewegung wird aber, weil die Untersuchung rein im technischen
Fig. 29.
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Anordnung und Wirkung der Muakelröliren des Herzens.
81
Interesse unternommen wird, nur dann werthvoll sein, wenn sie
unter den mittleren Bedingungen des normalen Lebens angestellt
ist. Dahin zählen wir aber: eine» ungestörten Kreislauf des Bluts,
eine ungeschwächte Muskelkraft und eine der Norm möglichst an-'
genäherte Lage.
Die Erscheinungen, die das bewegte Herz fllr sich, abgesehen
von 'der Veränderung seiner Gesammtlage , bietet, sind: a. die
Herzkammer übt bei ihrer Zusammenziehung auf ihren Inhalt
überall, ausgenommen von der arteriellen Mündung her, einen.
Druck aus. Die Möglichkeit, dass das zusammengezogene Herz
auch von seiner venOsen Mündung her gegen den Inhalt drückt,
48t durch die Papillarmuskeln und deren Anheftung an die venOsen
Klappen gegeben. Denn da der Papillarmuskel frei in die Herz-
höhle ragt, so wird er bei «einer Verkürzung sich gegen die Wand
zürttckziehen und somit einen Zug von innen und oben nach
aussen und unten gegen die Klappen üben. Da aber jede Klappe
zwei Papillarmuskeln besitzt, welche einander gegenttberstehen, so
wird der aus beiden Zügen reBultirende Weg der Klappe gerade
gegen die Mitte der Herzhohle fallen. Wenn z. B. in Fig. 30. AA
einen freien Klappenrand der linken venOsen Herzmündung dar-
stellt, so werden sich die beiden Papillarmuskeln mit zwei einan-
der entsprechenden Sehnen nach dem Schema a b und c d an ihn
festsetzen. Ziehen sich die Papillarmuskeln Fig. so.
zusammen, in der Art, dass sie ihren Sehnen
in der Richtung von b nach a und d nach e
einen Zug ertheilen, so wird die Klappe in
der Richtung des Pfeils p gehen, wie dieses
der Grundsatz vom Parallelogramm der Kräfte
verlangt. Das, was hier für die zugehörigen
Sehnen zweier Papillarmuskeln bewiesen
wurde, gilt bei dem symmetrischen Ansatz
derselben auch für alle übrigen. Die Papil-
larmuskeln werden aber durch ihre Sehnen
den Klappen nur dann einen Zug mittheilen können, wenn diese
letzteren in einer annähernd senkrechten Richtung zur Längen-
achse des Herzens stehen, wenn also, um mit den Aerzten zu
reden, die Klappen gestellt sind. Denn nur in diesem Falle span-
nen sich die winklig abgehenden Sehnen (zweiter und dritter Ord-
nung) zwischen Klappe und Papillarmuskel aus. — b. Indem sich
das Herz allseitig verkürzt und verschmälert, sucht es dabei
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. f>
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*2
Anordnung und Wirkung der Muskelrfihren de* Herzens.
zugleich eine ganz bestimmte Form anzunehmen. Die Basis de6
Herzens wird nendich aut' dem Querschnitt annähernd kreisförmig,
und die Spitze sucht sich dem Mittelpunkt dieses Kreises in einem
ganz bestimmten Abstand gegenüber zu stellen, mit einem Worte,
das Herz zieht, sich selbst überlassen, sieh zu einem regelmässigen
Kegel zusammen. Hierbei wird das Herz zugleich sehr hart, so dass
nur durch beträchtliche Drücke die Form des zusammengezogenen
Herzens merklich geändert werden kann. — Der Grund für die
. Erhärtung des znsammengezogenen Herzens liegt in der besonde-
ren Muskelanordnung,, vermöge deren die einzelnen Fasern sich
nach einer Richtung hin unterstützen, nach der andern aber hem-
men. oder anders ansgedrttekt, sieh gegenseitig spannen. Dies«
ist ohne weitere Auseinandersetzung sogleich einleuchtend, wenn
man die Wirkungen zweier oder mehrer nebeneinanderliegender
Fasern des Schemas (Fig. 27.) zergliedert. — Die Kegelgestalt
des zusaramengezogenen Herzens wird wahrscheinlich dadurch
veranlasst, dass vom ganzen Umfang der Herzbasis Fasern gegen
die Spitze zusammenlaufen , welche durch ihre Gegenwirkungen
dieser letzteren eine bestimmte Stellung zu der ersteren anweisen
müssen. Zugleich darf im Allgemeinen vorausgesetzt werden, dass
die mehr gegen die Spitze liegenden Muskelmassen das Herz ver-
kürzen, während die an der Basis gelegenen seinen Umfang min-
dern; denn dort läuft die überwiegende Zahl annähernd parallel
und hier annähernd senkrecht gegen die Längenaehse des Her-
zens. — Die Zusammenziehung beengt, soweit aus der Beobachtung
ersichtlich, die arteriellen Mündungen nicht; es ist noch nicht klar,
wie diess geschieht.
Da die Bewegungen des Herzens sehr rasch erfolgen und der susammengesogene
Zustand desselben nur sehr kurze Zeit anhält, so ist es unmöglich, die Form des xu-
sanimengezogenen Säugethierherzens anders aufzufassen , als mittelst Einrichtungen,
welche alle oder einige Punkte desselben graphisch fixiren. Eine der vielen möglichen
solcher Einrichtungen ist von mir zur Feste llung der obigen Th&tsachen benutzt wor-
den. Ein ungefähres Bild des Hergangs kann inan sich auch an einem frisch heraus-
gcschnittenen , noch schlagenden Säugethierheraen verschaffen. Hebt man ein solches
schwebend, indem man c» mit der Pinzette an dem Vorhofe oder den grossen Gefassen
fasst, so sieht man, wie sich die Spitze der Basis nähert; legt man es dagegen auf
die Basis, so dass die Spitze der erschlafften Kammern herabfällt, so entfernt sich
jedesmal bei der Zusammenziehung die Spitze von der Basis, sodass sie sich steif
emporstellt. Legt man es abor auf eine ebene Unterlage, wobei in der Erschlaffung
die Wandungen an 'der Peripherie zusammenfallen, sodaas sich der Durchmesser der
Basis nach der einen Richtung verlängert und nach der andern verschmälert , während
die Spitze schief gegen die Unterlage fällt, dann wölbt sich während der Zusammen-
ziehung die zusamm« ngcfallenc Wand an der Basis , indem ihr Querschnitt aus der
Herwtoss.
83
•Uiptiflfhen Form in die runde übergeht und zugleich hobt eich die Spitze um etwa*
▼on der Unterlage ab. — Die Angaben, welcfie da« blutleere, aus der Brusthöhle ge-
schnittene oder auf besondere VVeise in ihr befestigte Herz Über die Form macht,
welche es in der Zusammenziehung annimmt, sind brauchbar auch fUr das normal
gelagerte und gefüllte Herz, weil sich bei der Zusammenziehung die Herzfasem gegen-
seitig spannen und somit ihre Form selbst bestimmen. Die einzige Voraussetzung,
welche ton den oben verlangten hier bestehen muss, ist also die, dass die Erregbar-
keit des Herzens auf einer normalen Stufe steht.
Herzstoss. Während der Zusammenziehung verändert das
Herz seine Lage und druckt dabei auf die Theile seiner Umgebung,
welche sich dieser Lagenveränderung entgegensetzen, und nament-
lich Ubt es einen fühlbaren Stoss gegen die Brustwandung aus.
Dieser letztere, der sogenannte Herzstoss, wird unter sonst gleichen
Bedingungen mit der Ausgiebigkeit der Herzzusammenziehung und
in der Exspirationsstellung des Brustkorbes stärker empfunden. —
Die Bewegungen, welche das Herz hierbei ausfuhrt, werden bald als
fortschreitende and bald als drehende geschildert. Wenn das Fort-
schreiten gleichzeitig alle Theile des Herzens ergreift, so soll es
von oben und hinten nach vom und unten geschehen; beschränkt
sich die Bewegung nur auf einzelne Herzstücke, so soll sie bald
nur die Spitze gegen die feststehende Basis hinauftlibren oder um-
gekehrt, es soll die Basis gegen die Spitze wandern, oder es sollen
sich an der Basis die beiden Wände von einander entfernen. Bei
den Drehbewegungen liegt die Achse entweder in dem Längen- oder
in dem Querschnitt des Ventrikels, im letztem Fall kreuzt sie die
Linie, welche die Centra der beiden arteriellen Mündungen verbindet.
Vergegenwärtigt man sich, dass die Masse, (wegen der ver-
änderlichen Anflillnng der Höhlen), die Lage des Schwerpunkts, die
Elastizität und die Unterstützungsflächen des Herzens fortwährenden
Veränderungen unterworfen sind, so versteht es sich von selbst,
dass die Lagenverschiebungen dieses Organs unzählige sein kön-
nen, so dass es hier, wie es scheint, nur von Interesse ist, ganz
allgemein die Bedingungen aufzusuchen, von welchen die Verschiebung
abhängig sein kann. Wären sie allseitig erkannt, so würde man
dann vielleicht die einzelne, gerade beobachtete Veränderung auf
ihren wahren Grund beziehen können. In dieser Richtung sind
folgende Fortschritte gemacht worden: 1° als eine Verschiebungs-
ursache sind anznsehen die Form und Elastizitätsänderung, welche
da« Herz ‘durch die Verkürzung und Ausdehnung der Muskeln er-
fährt. Wenn das Herz an der Brustwandung nicht insgesammt fort-
schreitet, sondern nnr theihveisc Verschiebungen und Drehungen
o*
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84
Herzstoss.
erfährt, so lässt sich aus dem ebengenannten Umstand sein An-
schlägen an die Brustwand leicht erklären. Nun findet aber bei
Säugethieren, namentlich bei Kaninchen, das eben Angeführte statt,
wie dieses nach dem Vorgang von Ki wisch dadurch zu beweisen
ist, dass man lange Nadeln durch die am kräftigsten gestossene
Stelle der Brustwand in das Herz einsticht, ihre Bewegung wäh-
rend des Herzschlags beobachtet und nach dem Tod den Ort des
Herzens aufsucht, in welchen die Nadel eingedrungen ist Die
Nadel trifft entweder den Umfang der Basis oder die Spitze. Ist
das Letzte geschehen, so beschreibt das freie Ende der senkrecht
eingestocheuen Nadel weder einen Bogen nach oben oder unten, son-
dern bleibt senkrecht, also hat die Spitze während des Herzstosses
sich an der Brustwand nicht verschoben. Ein ähnliches Verhalten wies,
wenn auch nicht mit derselben Sicherheit Jos. Meyer*) am Men-
schenherzeu nach; bei sterbenden Menschen färbte er die vom
Herzstoss emporgehobene Stelle und nach dem Tode senkte er
durch den markirten Ort eine Nadel in das Herz; dieses Verfahren
leidet darum an einer gewissen Unsicherheit, weil sich nach An-
gabe einer im Leben eingestochenen Nadel die Lage des Herzens
beim Kaninchen wenigstens mit dem Tode ändert. Lässt man die
yon Ki wisch gewonnenen Voraussetzungen gelten und erwägt
man, dass die schlaffen und weichen Wandungen der nicht zusam-
mengezogenen Kammern innerhalb weiter Grenzen formverändern
den Einflüssen folgen, und dass die Kammern insbesondere in dem
menschlichen Brpstraum geformt werden durch den Druck des ein-
striimenden Bluts, die eigene Schwere und die drückenden und
ziehenden Wirkungen der umgebenden Brustwand, so dürften in
der Diastole die Herzthcile eine andere Lage zu einander anneh-
men, als sie ihnen durch die Zusammenziehung des HerzenB gebo-
ten wird. Stellen sich danach die Brustwandungen den Formver-
äuderungen entgegen, welche das Herz in Folge seiner Zusammen
Ziehung anzunehmen strebt, so wird letzteres hei seiner Verkttr
zung, wenn es sonst nicht answeichen kann, die Brustwand vor
sich hertreiben. Dieser Druck gegen den Zwischenrippenraum wird,
alles Uebrige gleichgesetzt, um so fühlbarer sein, je inniger sich das
Herz an die Brust anlegt. Aus diesem Grunde wird in der Inspi-
ration (wobei die Lungen die vordere Herzfläche zum grossen
Theil von der Brustwand trennen), der Stoss diese letzteren weni
•) Virchowx Archiv III. Itt.
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HerzstosB.
85
ger heftig treffen, als in der Exspiration. — Nach den von Ki-
wi sch, Jos. Meyer n. A. gemachten Angaben und ans der be-
kannten Form des zusammengezogenen Herzens muss man sich
das Zustandekommen des Pig. 31.
Herzstosses nun auf fol-
gende Art denken. — —
a. Stoss durch die
Kammerbasis. — Das
schlaffe Herz wird durch
die Brustwandung (Fig. 31.)
B B so zusammengedrückt,
dass seine Peripherie eine
Elipse H H darstellt, de-
ren kleiner Durchmesser
kürzer ist, als derjenige
des Kreises K, welchen
der Kammergrund bei seiner Zusammenziehung einzunehmen
strebt; es muss dieser also die Brustwand aufwölben. Auf diese
Art hat Fr. Arnold zuerst den Herzstoss erklärt. — b. Spitz en-
8t 088. Drückt dagegen (Fig. 32.) die Bmstwandung die Herz-
spitze während der Erschlaffung nach unten und hinten, so dass
sie nicht mehr senkrecht Uber dem Mittelpunkt der Kammerbasis
steht, so wird, indem bei der Zusammenziehnng die Herzform aus
U H S in H H P überzugehen sucht, die Spitze sich gegen die
Brustwand mit Gewalt andrängen (C. Ludwig). Gegen diese
Auseinandersetzung wendet Hammernik*) ein, dass die Herz-
spitze an der menschlichen Brustwand nie anschlagen könne, weil
eich zwischen beide immer Lungengewebe einschiebe.
Zur Aenderung der Herzlage kommt weiter in Betracht der
Druck, welchen die den Arterienmündungen gegenüber liegenden
Wandflächen zu ertragen haben, wenn das gespannte Blut aus ihren
Oeffnungen ausfliesst — Rückstoss — (Gutbrod, Scoda, Hiffels-
heim). Aus der physikalischen Anschauung heraus hat man die
Möglichkeit eines solchen Rückstosses bestritten, weil es undenkbar
sei, dass die hinter dem Blutstrom herschreitende und ihn eben
darum veranlassende Herzwand zugleich vom Blut in entgegenge-
setzter Richtung bewegt werden solle; dieser Einwnrf würde richtig
sein, wenn die den Ostia arteriosa gegenübergelegenen Wandflächen
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•) t. c. p. le. o. r.
86
liurXHtOKB.
gerade so rasch fortschritten wie das Blut in der Mündung; da die-
ses aber nicht eintrifft, also in der Artericnmttndung die Spannung
immer niederer sein muss als zwischen dem Blut und der Herz-
Fig. 32.
wand, so wird auch der RUckstoss nicht ausbleiben können; Hif-
felsheim*) der das Herz durch einen unter Druck gefüllten Gumrui-
schlauch und die Aorta durch ein aus ihm hervorgehendes Gnmmi-
rohr ersetzte, zeigte denn auch in der That sein Bestehen nnter
diesen den Herzbewegungen sehr analogen Bedingungen. Bei den
Bewegungen, welche das Herz vom RUckstoss getrieben auaführt,
müssen also die gesammten Herzkammern in einem dem Blutstrom
entgegengesetzten Sinne fortschreiten ; Scoda und Donders haben
in der That an freiliegenden Herzen des Menschen und Hundes diese
•) Compt. rend. Dtfcemb. 1854. AoAt. 1855.
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Reihenfolge der Herzbewegung.
87
Bewegung gesehen; am Kaninchen konnte ich bis dahin keine
solche Bewegung darstellen, selbst wenn das Herz nach Eröffnung
seines Beutels auf einer sehr leicht beweglichen an langen Fäden
hängenden Unterlage ruhte, und seine Spitze auf passende Weise mit
einem Fühlhebel in Verbindung stand. Ebenso vermissten sie
Faivre und Chauveau*) beim Pferde. — Wenn nun aber bei
andern Thieren als dem Kaninchen die Wirkung des Uüekstosses
nicht bestritten werden kann, so darf man aber auch nicht ver-
kennen, dass für gewöhnlich das Herz nicht einmal vorzugsweise,
aus diesem Grunde gegen die Brustwand stösst, da es auch blut-
leer diesen Druck kräftig ausftihrt. — c. Das Verläugerungsbestreben
der durch die Systole gefüllten grossen Arterienstämme, die aus
dem Herzen hervorgehen, soll die Ventrikel nach unten verschie-
ben (Bamberger**). Da die Art. pulmonalis und Aorta auch
spiralig gewunden sind um eine Achse, die annähernd mit dem
längsten Durchmesser der Ventrikel parallel läuft, so sollen sie bei
ihrer An- und Abschwellung auch das llcrz um seine Längsachse
drehen, vorausgesetzt, dass die Zahl der Winkelgrade, welche die
Spiraiwindnngen einschliessen bei der Anfllllung vermehrt werden,
mit andern Worten, dass sich die Spirale bei der Herzsystole zu-
und bei der Diastole abwickelt (Kornit zer***). Diese Achsen-
bedingung bedarf vor Allem einer genauem Untersuchung, ehe sie
als berechtigt aufgenommen wird. Gegen die alleinige Abhängig-
keit des Herzstosses von diesen Bedingungen gilt abermals der aus
dem blutleeren Herzen hergenommene Einwand. — d. Neben diesen
von dem Herzen und seinen Gefässcn abgeleiteten Verschiebungs-
Ursachen ist genaue Rücksicht zu nehmen auf den Zustand der
Lungen, der Brustwand und des Zwerchfells, weil diese die Lage
des Herzens wesentlich mit bestimmen; es ist hierauf um so mehr
zu dringen, als dasselbe Verschiebungsmoment dem Hcrzstoss eine
ganz verschiedene Stärke ertheilen kann, je nach der Lage, in
der sich das Herz befindet; und dieser Umstand scheint gerade flir
ärztliche Zwecke von Bedeutung.
3. Rhythmus der Herzbewegnngf). Die Muskeln des
lebenden Herzens gerathen nach einer ganz bestimmten, örtlichen
•) Gazette mtfd. de Paria 1866. 469.
**) Vlrchow’» Archiv. IX. Bd. 328.
•••) Wiener Akad. .‘Sitzungsberichte XXIV. Bd. 120.
t) Volkmann, Haeraodynamlk. p. 369. — Ludwig und Hoffe, Henle ti. Pfeuffer'a
Zeitschrift, IX. Bd. 102. »Stannins, Mil Iler« Archiv. 1862. p. 86. — B Id der. Jbidoai. 1862.
p. 163. — Wagner, Handwörterbuch d. Physiologie. III. Bd. 1. Abtheil. 407. — llcidcnhsin.
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88
Reihenfolge der Herabewegnng.
und zeitlichen Reihenfolge in Zusammenstellungen, welche von
Zeiten der Erschlaffung unterbrochen werden.
a. Reihenfolge der Bewegungen. Der Schlag des Herzens
von einem vollkommen lebenskräftigen Thiere beginnt nach vorans-
gegangener Ruhe aller seiner Theile mit der gleichzeitigen Zusam-
menziehung beider Vorhöfe; nach der Beendigung oder kurz vor
der Beendigung ihrer Bewegung tritt dann jedesmal die Znsammen-
ziehnng beider Kammern ein. Diese verlassen darauf ebenfalls
nach kurzer Zeit den verkürzten Zustand, so dass schliesslich wie-
der ein Zeitraum besteht, ih welchem alle Theile des Herzens, Vor-
höfe und Kammern, sich in Ruhe befinden. Den Akt der Znsam-
menziehung belegt man gewöhnlich mit dem Namen der Systole
(Vorhof- und Kammersystole), den der Erschlafftmg mit dem der
Diastole oder Panse. Diese ebengeschilderte Reihenfolge der Be-
wegungen ist jedoch keine nothwendige; denn es können erfah-
rungsgemäss, namentlich wenn das Herz im Absterben begriffen
ist, entweder mehrere Bewegungen der Vorhöfe hintereinander fol-
gen, ohne von einer Bewegung der Kammern unterbrochen zu wer-
den, so dass in gleichen Zeiten die Vorhöfe zwei-, drei- und mehr-
mal so viel schlagen, als die Kammern; oder es kami gar auch
Vorkommen, wie namentlich nach Einträufeln von Opiumtinktur in
die Höhlen, dass nach der Ruhe des ganzen Herzens zuerst die
Herzkammern und dann erst die Vorhöfe in Zusammenziehung kom-
men , so dass sich die Reihenfolge der Bewegungen umkehrt
(Hoffa, C. Ludwig). Die Gründe sind nicht anzugeben, aus
welchen die Nothwendigkeit der einen oder andern Reihenfolge der
geschilderten Bewegungen hervorginge.
b. Relative Dauer der Bewegung und Ruhe von Kammer und
Vorhof. Da das Herz in der Minute eine beträchtliche Zahl von
Schlägen ausftthrt, so wird die Dauer eines jeden einzelnen Be-
wegungsaktes sehr kurz ausfallen, und offenbar im Allgemeinen um
so kürzer, je häufiger die Herzbewegung in der Zeiteinheit wieder-
kehrt. Wegen der so sehr verschiedenen Zahl der Herzschläge in
der Zeiteinheit, ist es unmöglich, eine allgemein gütige Angabe
über die absolute Dauer der Zusammenziehung und der Erschlaf-
fung zu machen. Es hat dagegen einen Sinn, die relative Bewe-
Disquisitione» de nervi* eto. centrallb. cordi*. Berlin 1864. — Eckhard. Beiträge lur Anatomie u.
Physiologie, Giessen 1868, p. 146. — v. Hczold, Virchow'* Archiv XIV. Bd. — Arnold, die
physiol. Anstalt der Universität Heidelberg 1868. p. 98.
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Erregbarkeit dea Herzen*.
89
gungs- und Ruhezeit der einzelnen Ilerzabtheilnngen zu messen.
Volk mann, der in dieser Richtung genaue Beobachtungen am
Menschen angestellt hat, giebt an, dass die Zeit, während welcher
die Ventrikel im zusammengezogenen Zustand verharren, genau so
gross ist, als diejenige > welche die Zusammenzichung der Vorhöfe
und die Erschlaffung des ganzen Herzens umfasst. Diesem Be-
obachtungsresultat dürfte jedoch, wenn die hier in Betracht kom-
menden Erscheinungen bei Menschen und Säugethieren an-
nähernd sich gleich verhalten, keine allgemeine Giltigkeit zuzu-
schreiben sein, da sich bei letztem mit einem Wechsel in der
Beschleunigung des Herzschlags dieses Verhältniss ändert, indem
bei langsamem Herzschlag die Zeit der Herzpanse beträchtlich
tiberwiegt Uber die der Ventrikularkontraktion, während umgekehrt,
bei sehr beschleunigter Herzbewegung auch die Zeit der Kammer-
zusammenziehung die der Herzpanse tibertreffen kann (C. Lud-
wig). Mit andern Worten, es schwankt, wenn sich die Zahl der
Herzschläge beträchtlich ändert, derZeitraum der Diastole viel be-
deutender, als derjenige der Kammerasystole. — Die Dauer der
Vorhofssystole ist immer nnr ein kleiner Bruchtheil von derjenigen
der Kammerzusammenziehung.
Volk mann benutzte zu seinen Messungen die Töne, welche das Hers bei seinen
Bewegungen hervorbringt, ein anwendbares Verfahren, da der erste beim Herzschlag
hörbare Ton gerade so lange anhält, als die Kammersystole. Die Dauer des ersten
Tons maass er aber dadurch, dass er einen Pendel mit verschiebbarer Linse so lange
eins teilte, bis seine Schwingungsxeit gerade so lang war, als die des (mit dem Ste-
thoskop) gehörten Tons. — Eine andere Methode (Filhlhebel und rotirender Cylinder),
welche am blossgelegten Herzen des Thieres angewendet wurde, s. bei Ludwig*). —
c. Erregbarkeitdes Herzens. Man pflegt sie zu schätzen :
durch die Zahl der Schläge in der Zeiteinheit, durch den Umfang
auf den sich der Herzmuskel zusammenzieht, und zwar entweder
durch jeden der beiden Umstände für sich allein oder durch Combi-
nation beider, so dass ein Herz, welches schnell und wenig aus-
giebig schlägt, für ebenso, wenn nicht für weniger erregbar
gilt, als ein solches, welches seltener, aber jedesmal kräftiger
schlägt Man bemisst die Erregbarkeit ferner nach der Intensität
der Erreger, die nothwendig, um ein schon zur Ruhe gekommenes
Herz wieder in Bewegung zu setzen, und endlich nach der Zeit-
dauer, während welcher ein Herz seine Scblagfähigkeit zubewahren
•) L e. 10«.
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90
Erregbarkeit des Hortons.
vermag unter Umständen, die seinen Lebenseigenschaften erfahrungs-
gemäss entgegen wirken.
Da ein ausgeschnittenes Herz, auch ohne dass es von aussen
her gereizt wird, fortfährt zu schlagen mit andern Worten, da es
also ausser erregbaren Nerven und Muskeln auch noch reizende
(automatische) Einrichtungen besitzt, so umfasst nach den obigen
Auseinandersetzungen der Begriff der Erregbarkeit die Arbeits-
fähigkeit der automatischen und reflektorischen Organe gleich-
zeitig mit denen der Nerven und Muskelröhren. Die Aufgabe, die
Erregbarkeit eines jeden dieser Organe gesondert zu schätzen, ge-
lingt nur filr den Fall, dass die Nerven und Muskeln ihre Erreg-
barkeit behaupten, während sie die automatischen .Massen einblissen,
denn nur hier, nicht aber beim umgekehrten Verhalten giebt es
Prtifungsmittel fllr die orreghar zurückgebliebenen Bestandteile.
Viele der Bedingungen, durch welche die Erregbarkeit der
cerebrospinalen Muskeln und Nervenmassen erhalten wird, wirken
in gleicherweise auf das Herz; so verlangt das letztere namentlich
sauerstoffhaltiges Blut, gewisse Temperatnrgrenzen , eine gewisse
Andauer der Ruhezeiten zwischen den vollfUbrten Anstrengungen;
das ausgeschnittene Herz schlägt in einem mit Wasser gesättigten
Raume länger als in trocken erhaltener Luft u. s. w.
Ein ausgeschnittenes oder das in der Brusthöhle befindliche Hera eines Säuge-
thiers, dessen Hirn und Rückenmark abgestorben ist, schlagt, sich selbst überlassen,
nur noch kurze Zeit fort; die Zeitdauer seiner Bewegungen kann aber beträchtlich
vergrößert werden, wenn man entweder in die Lungen des getödtoten Thicres Luft
einbläst, oder aber wenn man durch die Kranzgefasse des ausgeschnittenen Honens
einen arteriellen Blutstrom leitet (C. Ludwig)*). Ein ausgeschnittenes Fmschherz
erhält dagegen . seine Bewegungen stundenlang nur mit Zuthun des Blut« oder der
Ernährungsflüssigkeit, welche in seinem Gewebe enthalten ist. Bringt man ein sol-
ches Herz in eine reine Sauerstoffatmosphäre, so schlägt es um viele Stunden länger
und kräftiger, als in der atmosphärischen Luft (Castell), führt man es dagegen in
den luftleeren Raum (Fontana, Tiedeman n**), Pickford) ***), in Wasserstoffgaa
(Schulst), Castell)++), Stickgas, Kohlensäure, Schwefelwasserstoff und luftleer««
Wasser (Castell), so hört das Herz früher zu schlagen auf. Während seines Auf-
enthaltes in den beruhigenden Mitteln haben die gewöhnlichen Erreger der Nerven
ihre Wirkungskräfte verloren ; bringt man aber dann das Herz, dessen automatische
Erregung und dessen Erregbarkeit ganz verloren, wieder au die atmosphärische Luft,
so beginnt die selbstständige Bewegung von Neuem. Beiläufig ist hier noch zu be-
*; Heule u. Ffeufer. 1. Reihe. V. Bd. j». 76.
•*) Müller« Archiv. 1847. 4M.
••*) Heule u. Pfeufer. Neue Folge. I. Bd. *40.
t) De motn coidis ransc. Berlin 1849.
tt) Milli er« Archiv. 1854. *36.
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Eigenthümlichkeitcn der Herzerregbarkeit.
91
m*rk«n, dass die erwähnten Umstände und Oase nicht in gleichen Zeiten die Bew«>
gung unterbrechen. Länger dauert der Herzschlag in Stick- und Wasaerstoffgas, kür-
zer in Kohlensäure und Schwefelwasserstoff; ebenso schlägt das Herz länger unter der
Luftpumpe, wenn in den Rezipienten noch ein Behälter mit ausgekochtem Wasser
steht; kürzer wenn ein Gefösa mit CaCl darin enthalten ist. (Arnold). Das ausge-
schnittene Hera eines Frosches, welches zwischen zwei aufeinandergepassten Uhrglä-
sern liegt, verlangsamt seine Schlagfolge um ein Beträchtliches, wenn man es auf Eia
setzt, während es umgekehrt dieselbe sehr beschleunigt, wenn man es auf einen er-
wärmten Gegenstand bringt — Aus ähnlichen Gründen hat auch Bezold einen durch
ihn aus der Vergessenheit gezogenen Versuch Humboldts zu erklären gewusst
Ein Herz, das an den angebundenen Arterien aufgehängt ist, schlägt rascher und länger,
als ein solches, das unter gleichen Bedingungen auf eine Glastafel so gelegt wird,
dass seine Sinus mit den Unterlagen in Berührung sind. Die Ursache dieses verschie-
denen Verhaltens liegt in der Ansammlung schädlicher Flüssigkeiten in der Nahe der
Sinus und nicht in der Lage als solcher, wie Bezold durch verschiedene Versuche
darthut — Verlängert man die Herzpausen durch Erregung der NN. vagi und leitet
darauf durch Berührung des Herzens eine Bewegung ein , so ist diese dem Anschein
nach kräftiger als vor der Vagusreizung, wo die Herzschläge schneller aufein&nder-
folgtcn- Wenn man aber umgekehrt mittelst des Elektromotors die Hcrzjtchläge sehr
beschleunigt, so wird jeder einzelne derselben so schwach, dass sich trotz seiner un-
zählbaren Schlagfolge das Herz immer weiter ausdehnt, bis es endlich stillsteht.
Auf diese Weise gelingt es leicht ein Thier zu tödten. (C. Ludwig.} Ein andres
Beispiel hierfür giebt Bezold; wenn ein Hera im Absterben begriffen ist, so schlägt
gemeiniglich der Ventrikel seltener als die Vorkammern ; werden nun durch Vagus-
reizung beide Horzabtheilungen für einige Zeit zur Ruhe gebracht, so kommt beim
Wiederbeginn der Schläge auf jeden Vorhof auch eine Kammexzuckung, und zugleich
folgen jetzt die Schläge des ganzen Herzens so rasch aufeinander wie vor der Vagus-
reizung die der Vorhöfe ; während der längeren durch Vagusreizung eingeleiteten
Ruhezeit hat sich also die Erregbarkeit der Vorkammer erhöht. — Hierher scheint
auch die Beobachtung von Czermak u. Piotrowsky*) zu gehören, welche fanden,
dass das ausgeschnittene Herz des Kaninchens seine Schläge später einstellt, wenn
vor dem Tode des Thieres die NN. vagi gereizt, früher, wenn sie vorher durchschnitten
waren. In welchem Verhältniss mit der Ruhezeit die Erregbarkeit steigt, ist unbe-
kannt; unter günstigen Verhältnissen genügen zur Wiederherstellung der letztem sehr
kurze Pausen, wie z. B. nach Durchschneidung der NN. vagi sehr kräftige Schläge
einander sehr rasch folgen.
d. Eigentümlichkeiten der Herzerregbarkeit. Neben
den genannten Uebcreinstimmungen bietet aber die Erregbarkeit
des Herzens auch viel Abweichungen von andern Nerven und Mus-
keln. Dabin gehört : 1) die Schläge eines Induktionsapparats, welche
genügend sind, jeden andern Nerven und Muskel in Starrkrampf zu
versetzen, vermögen das lebende noch vom normalen Blut durch-
strömte Herz nur zu beschleunigten Bewegungen zu veranlassen.
Also verhindern die Erregbarkeitszustände des Herzens, dass es
•) Wiener Akad. Sitzungsberichte XXV. 4SI.
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92
Erregung des Hereens.
in Tetanus kommen könne. Diese Erscheinung ist um so auffal-
lender; als man durch heftige Induktionsschläge an einzelnen Ab-
schnitten des Herzens weisse wulstfiinnige Hervorhebungen erzeugen
kann, welche anscheinend grosse Aehnlichkeit mit dem lokalen Te-
tanus der Kumpf- nnd Darm-Muskeln darbieten. 2) Ein constan-
ter elektrischer Strom, gleichgiltig in welcher Richtnng er durch
das Herz fliesst, vermag den bestehenden Herzschlag nicht zu be-
ruhigen; im Gegentheil regt er das durch Ansschneidung der Vor-
hofsscheidewand beruhigte Herz wieder zu Bewegungen an (Eck-
hard*). Da das Herz in seiner Gesammtheit durch ein anhalten-
des Erregen nicht tetanisch wird, und' da anderseits Pflttger
nachgewiesen, dass auch ein constanter Strom von sehr geringer
Intensität einen KUckcnmarksnerven und zwar tetanisch erregt, so
könnte man geneigt sein, statt eines Gegensatzes durch diese That-
sache eine Uebercinstimmung zwischen den Erregbarkeiten des Her-
zens und andererNervcn zu finden. Hierbei wäre nur zu bedenken,
dass jene Ströme, welche das ruhende Herz erregen, zu den kräf-
tigen gehören, welche auch die Rtlckenmarksnerven vollkommen
in Ruhe lassen, resp. je nach ihrer Richtnng die Wirkungen an-
derer Erreger herabsetzen. 3) Curare, welches die motorischen
Nerven der Skeletmuskeln lähmt, geht an dem des Herzens ohne
alle Wirkung vorüber (Kölliker, Bernard.)
d. Erregung des Herzens, a. DieZald der Herzschläge
in der Zeiteinheit ändert sich mit den Zuständen der Selbsterreger
im Herzen. Unzweifelhaft geht überhanpt von einer im Herzen ent-
haltenen an besondern Orten eingebetteten Vorrichtung die Anre-
gung zur Bewegung aus, da einerseits das ausgeschnittene, blut-
leere, den von aussen her dringenden Reizen entzogene Herz
noch in regelmässiger Zeitfolge schlägt und da anderseits ein aus-
geschnittenes Herz oft bis zum vollkommenen Absterben in Ruhe
bleibt, aber augenblicklich einen regelrechten Schlag ansflthrt, wenn
irgend ein Theil seiner Oberfläche mit einer Nadel berührt wird.
Wie der erstere Erfahrungssatz den Beweis dafür liefert, dass im
Herzen selbst alle Bedingungen für das Eintreten seiner Be wegungen
enthalten sind, so thut der zweite dar, dass das Bestehen der
Nerven- und Muskelerregbarkeit für sich noch nicht genügt, um
die rhythmische Bewegung einzuleiten.
*) Beiträge zur Anatomie u. Physiologie I. Bd. p. 145.
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Erregung de« Herzens
93
lieber den erregenden Vorgang selbst sind wir vollkommen im
Unklaren; den Ort, an denen er sieh entwickelt, verlegen dagegen
die meisten Physiologen in die Ganglienbaufen des Herzens, na-
mentlich in die am Beginn der Arterien nnd Kammern gelegenen.
(Bidder, Bezold.)
Nach den vorliegenden Beobachtungen am Frogchberxen sind vorzugsweise
die Ganglienhaufen am Beginne der Scheidewand deg Vorhofs und an der Furche
zwischen letzterm und dem Ventrikel als die Stätten des selbsterregenden Vorganges
anzugehen. Denn ein Ventrikel , der unterhalb der letzten Grenze abgeschnitten ist,
bleibt, wenn er nicht von aussen her gereizt wird, meist bewegungslos bis zum Tod
liegen. Diese Erscheinung erleidet jedoch . zahlreiche Ausnahmen ; wird ein solcher
Stumpf in Froschblut zwischen zwei luftdicht schliessenden Uhrgläsem aufgehoben
und dann etwa */4 b»8 V* Stunde nach seiner Trennuug von den Ganglienhaufen mit
einer Nadel bestrichen, so kehrt sehr häufig rhythmische Bewegung durch längere Zeit
hindurch wieder (Hoffa). Obwohl diese Erfahrung darthut, dass die abgeschnittenen
Ganglien nicht allein die automatischen Organe sind, so bleibt es doch immer bemer-
kenswerth, 1° dass gehr viele Herzen ohne Znthun äusserer Beize bewegungslos ab-
sterben, wenn man die Ganglien an den obem Thcil der Scheidewand durch einen
urogelegten Faden gequetscht (Stannius), oder ausgeschnitten (Bidder), oder galva-
nokaustisch (Eckhard) zerstört hat; 2° dass aber nach Unterbindung der Scheide-
wandganglien die Bewegung für längere Zeit wiederkehrt, wenn man einen Faden um
die Gegend von Vorhof und Herzkammer schnürt (Stannius). Siehe hierüber noch
Heidenhain und Eckhard 1. c.
ß. Die Zahl der Herzschläge mindert sich, wenn der n. vagus,
bevor er in das Herz tritt , erregt wird (Ed. Weber).
Hier sind die Thatsachen zusammenzustellen , welche sieb auf
eine Veränderung des Herzschlags durch Erregung des Vagus be-
ziehen. — 1) Die Bewegungen des Herzens werden um so anhal-
tender unterbrochen, je intensiver die Erregungen des n. vagus
sind. Diese Behauptung begründet sich dadurch, weil ein Erre-
gungsmittel von sehr geringer Stärke, das, auf den ungeschwächten
n. vagus angewendet, noch eine Verlängerung der Pause erzeugt,
sich in dem ermüdeten nicht mehr als wirksam erweist ; weil inner
halb enger Grenzen je nach der Stärke des Erregers eine kürzere
oder länger dauernde Pause erzeugt wird, weil dasselbe Erregungs-
mittel von immer gleicher Intensität, wie z. B. die elektrischen
Schläge, zuerst, so lange das zwischen den Drahtenden liegende
Nervenstück noch unversehrt ist, die Pause des Herzeus beträchtlich
verlängert, während mit andauernder Erregung, d. h. mit steigen-
der Veränderung des durchströmten Nervenstückes die Herzpause
mehr und mehr an Dauer abnimmt u. s. w. Demnach kann man
bei einer passenden Anordnung der Erregungsmittel die Herzpanse
bis zur Dauer vieler Sekunden verlängern, z. B. wenn man an
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Erregung de* Hmen*.
einem langhalsigen Hunde den nerv, vagus derma assen in den
Kreis eines Induktionsstroms bringt, dass man das vom Strom
durchflossene Stück ganz allmählig und stetig verlängert, so dass
fortwährend neue von der durehströmenden Elektrizität noch nicht
umgewandelte Nervenelemente in den Kreis aufgenommen werden,
— 2) Die gleichzeitige Erregung der beiden n. vagi scheint, alles
Andere (Stärke des Erregers, der Erregbarkeit und die Länge des
erregten Nervenstückes) gleichgesetzt, die Zusammenziehung des
Herzens anhaltender zu unterbrechen, als die eines einzigen. Zur
Bestätigung dieses Satzes bedarf es jedoch noch genauerer Ver-
suche. 3) Hat man die n. vagi eines Sängethiers 6 bis 15 Mi
unten mittelst des elektrischen Induktionsstromes erregt, so hört
mit der Entfernung der stromführenden Drahtenden nicht momentan
die in Folge der Erregung vorhandene Verlangsamung des Herz-
schlages auf, sondern es verbleibt noch eine mehrere Minuten an-
dauernde Nachwirkung, so dass erst nach Vcrfluss derselben die
Herzschläge wieder mit derselben Geschwindigkeit einander folgen,
die sie vor aller Erregung besassen (Hoffa). — 4) Hieran reiht
sich, dass eine Anzahl von elektrischen Schlägen, die viel zu selten
aufeinander folgen, um in einem gewöhnlichen Muskeinerven Teta-
nus zu veranlassen, einen dauernden (tetanischen) Ruhezustand des
Herzens durch den n. vagus einleiten können; 70 — 120 einfache
Oeffnungs- und Sehliessungsschläge in der Minute brachten ein
Froschherz auf mehre Minuten zur Ruhe. Diese, letztere tritt jedoch
nicht plötzlich ein, sondern mit dem Beginn und dem Fortschritte
der Reizung werden zunächst die Pausen zwischen je zwei Herz-
schlägen länger und länger. Daraus folgt nicht allein, daBS ein je-
der einzelne Reiz eine Nachwirkung hinterlässt, die sich noch jen-
seits einer ausgetührten Herzbewegnng erstreckt, sondern auch, dass
sich di^ von mehrem aufeinander folgenden Reizen herrührenden
Nachwirkungen summiren. (Bezold). — Für die Zwecke des Ex-
perimcntircns folgt aus dieser Beobachtung, dass man dem n. vagus
am schonendsten durch solche seltener aufeinander folgende Schläge
reizt. — 5) Die Anzahl der einzelnen elektrischen Schläge, welche
in der Zeiteinheit nothwendig ist, um die PaUBe auf Minutenlänge
zu steigern, sinkt, wenn die Elektrizitätsmengc, die sich durch
jeden Schlag ausgleicht, wächst. Die Anzahl der Reizungen muss
sich mehren in dem Maasse, in welchem die natürlich vorhan-
denen Thiere Zusammenziehung erweckenden Vorgänge des Her-
zens Uberwiegen Uber die beruhigenden; also ist beim Bestehen
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Erregung des Herzens.
95
einer grossen Zahl energischer Herzkontraktionen eine grössere Zahl
von Einzelreizen in der Zeiteinheit nöthig, als bei einen) im Absterben
begriffenen Herzen. (Bezold). — 6) Erregt man mittelst des Indnk-
tionsstroms den Vagus nach seinem Eintritt in das Herz, so ver-
längert sioh nicht die Panse aller Herztheile. In unveränderter
Geschwindigkeit schlagen nemlich die Theile, welche ihre Nerven
ans dem Stücke' des n. vagns erhalten, das oberhalb des erregten
Ortes liegt, während die Pausen aller der Herzabtheilungen sich
verlängern, deren Nerven erst unterhalb des erregten Ortes aus dem
Stamme treten (Hoffa). — 7) Wenn man während einer durch ^
die Erregung des n. vagus verlängerten Pause die Herzoberfläche
drückt, elektrisch schlägt u. s. w., so erfolgt jedesmal eine Systole.
Daraus folgt auch, dass, wenn man durch die Oberfläche des
Herzens elektrische Schläge dringen lässt, die hierdurch hervorge-
rufenen Bewegungen durch Vaguserregnng nicht beruhigt werden
können. — 8) Im gewöhnlichen Verlauf des Lebens ist bei Hun-
den, Pferden u. s. w. innerhalb des Hirns der n. vagus einer ge-
linden Erregung ausgesetzt. Wir scbliessen hierauf, weil bei den
erwähnten Thieren nach Durchschneidung des n. vagus, oder
nach Einleitung eines lähmenden Stroms (Heidenhain) der
Herzschlag plötzlich ausserordentlich viel rascher wird, als vor
derselben. Nach der soeben (ß. 4) mitgetheilten Erfahrung,
dass zeitlich gesonderte Erregungen des Vagus den Znstand des
Herzens dauernd ändern können, ist es erlaubt zu vermuthen,
dass auch vom verlängerten Mark nicht stetige, sondern durch
merkliche Zeiträume unterbrochene Erregungen in den n. va-
gus gelangen. (Bezold). — 9) Einen besondem Abschnitt ver-
dienen die Reizungs- und Durchschneidungsversuche am Frosch-
herzen. Zu ihrem Verständnis diene, dass die NN. vagi die einzigen
Nervenstämme sind, die von aussen her in das Froschherz verfolgt
werden können; sie laufen auf den Ingularvenen bis zu den Stamm
der venae pulmonales, durchbohren neben diesen den Venensack,
und gelangen dann auf die linke Fläche der Vorhofsscheidewand.
Hier tauschen sie neben der Einmündnngsstelle der vena pulmonalis
Fasern aus und gehen von da in zwei gesonderten Strängen zum
Anheftungsort der Scheidewand in die Kammerbasis, um dort in
das Kammerfleisch überzutreten. Auf diesem Wege geben sie zuerst
Aeste an den Venensaek, die mit einzelnen Ganglienkugeln belegt
sind; neben der Lungenadermündung in den Winkeln, ans denen
die Fasern zum Plexus hervorgehen, treten dagegen zuerst niassen-
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Erregung des Herzens.
hafte Ganglienanhäufuugeu auf und ebenso sind die. Stämme auf der
Herzscheitjewand, wie die Zweige, welche von hieraus in Vorhofs-
muskeln gehen, reichlich mit Ganglienkörpern versehen, die endlich
wieder zu grossem Haufen vereinigt in der Furche zwischen Kammer
und Vorhof auftreten, wo die Stämme der Vagi aus der Scheide-
wand in das Kammerfleisch tibergehen; auch sind die Aeste für
das letzte am Beginn wenigstens mit Ganglien versehen.
Eine festzugeschntlrte Schleife um die obersten Vorhofgang-
lien (Stannius) oder ein Ausschneiden derselben (Bidder) be-
dingt einen 5 — 10 Minuten langen Stillstand des ganzen Herzens.
Schneidet man statt auf einmal successiv den Venensack ab, so
verlangsamt sich mit dem Fortsehreiten des Schnittes die Herzbe-
wegung, aber erst, wenn man die Grenze zwischen Venensack
und Vorhof überschritten hat, tritt plötzlich der Stillstand ein.
(Bezold). — Wenn nach Austilgung der obem Vorhofsganglien
und während des dadurch erzeugten Stillstandes eine Schnur um die
Grenze zwischen Kammer und Vorhof gebunden wird (Stannius)
oder wenn in der Begrenzungsfurche die Kammer abgetragen wird,
so beginnt die Kammer von Neuem zu schlagen, während der Vor-
hof ruht. Wird dagegen unter denselben .Umständen der Schnitt
unterhalb der Trennungsfurche im Kammerfleisch selbst geführt,
so beginnen meist der mit dem Vorhof in Verbindung gebliebene
Fleischring der Kammer und der Vorhof ihre Bewegungen wieder
und zwar in solcher Reihenfolge, dass zuerst der Kammerrest und
gleich nachher der Vorhof schlägt. — Ein Reiz, der das Herz trifft,
während es in Folge eines Schnittes unterhalb der obern Vorhofs-
ganglien stillsteht, bedingt eine totale Zusammenziehung, die meist
an der Herzabtheilung beginnt, welche vom Reiz (einen Nadelstich)
getroffen wurde. — Die ganze Reihe der Erscheinungen lässt sich an
dem Herzen eines Frosches hervorbringen, der mit Curare vergiftet ist.
y. Die Zahl der Herzschläge mehrt sieh, wenn diejenigen
Einflüsse, welche früher als nervenerregende bezeichnet wurden,
wenn auch beschränkt, auf das Herz wirken, also nach elektrischen,
mechanischen, einer bestimmten Zahl chemischer Eingriffe, Tempe-
raturerhöhungen u. s. w.
Der Beweis, dass die angegebenen Mittel das Herz zur Be-
wegung anregen, ist entweder nur so zu geben, dass sie zu einer
Zeit ihre Wirksamkeit für das Herz entfalten, in der das Herz
ohne ihre Gegenwart still stehen würde (z. B. in der langen Pause
während der Vaguserregnng , oder kurz vor dem vollkommenen
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Erregung des llerzeüs.
97
Absterben des Herzens), oder dass sie die Zahl der Herzschläge
für längere Zeit beträchtlich zu vermehren im Stande sind. — Mit
Kticksicht auf die Wirkung der genannten Erreger ist noch zu be-
merken: 1) Der Werth ihrer erregenden Wirkung wechselt mit
dem Ort, auf den sie angewendet werden; so erzeugt, namentlich
nach Bidder, ein Nadelstich sicherer eine Herzbewegung, wenn
er auf die äussere Fläche der Ventrikel, als auf die der Vorhöfe
angewendet wird; im Allgemeinen erweckt ein Erregungsmittel, auf
die inneren Flächen des Herzens gebracht, leichter Bewegung, als
von den änsseni her. — 2) Eine einmalige, sehr vorübergehende
Erregung des Herzens (auch wenn es ausgeschnitten und blutleer
ist) ist nicht allein im Stande eine einmalige Zusammenziehung
desselben zu erregen-, sondern auch längere Zeit hindurch die Pause
zu verkürzen, mit andern Worten, die Zahl der Herzschläge in der
Zeiteinheit zu vermehren. Diese Erscheinung tritt in sehr auffallen-
der Weise öfter an dem Ventrikel des Froschherzens auf, der in
der Qnerfurche von den Vorhöfen getrennt ist. Ohne Zuthun eines
Erregers liegt derselbe meist vollkommen ruhig; bestreicht man ihn
aber mit der Spitze einer Nadel, so geräth er in viele rasch auf-
einander folgende Zusammenziehungen. Wie hier ein rasch vorüber-
gehender Erreger eine Nachwirkung hinterliess, so kommt diese
unter andern Umständen erst zum Vorschein . wenn der Erreger
das Herz längere Zeit hindurch angegriffen. So muss ein möglichst
lebenskräftiges Herz anhaltend, mehrere Sekunden hindurch von
den Schlügen eines starken Induktionsstromes getroffen werden,
wenn auch das Herz nach der Entfernung desselben die ausser-
ordentliche Zahl von Schlägen (bis zu 600 in der Minute) zeigen
soll, die der Strom bei seiner Anwesenheit erweckt. — 3) Eine
andauernde elektrische Erregung, die in allen andern Muskeln teta-
nische Krämpfe erzeugt, bringt das Herz im Ganzen mir zu schnel-
leren Bewegungen, aber nicht in eine tetanische Zusammenziehung.
Dagegen wird die Muskelsubstanz in einem beschränkten Umfang
an den Berührnngsstellen des Herzens mit den l’oldrähten zu einer
tetanisehen Zusammenziehung veranlasst, welche sich noch viele Mi-
nuten nach Entfernung des Errcgnngsmittels erhält. — 4) Die Auflö-
sung vieler chemischer Stoffe, namentlich des Opiums, Strychnins, des
Alkohols u. s. w., welche in die Herzhöhle gebracht wurden , be-
schleunigt für kürzere Zeit den Herzschlag, verlangsamt ihn aber
dann, indem sie endlich das vollkommene Absterben des Herzens
bedingt. — Ein Froschherz, welches in eine reine Sauerstoff'atmo-
Ludwig, Physiologie 11. 2. Auflage. 7
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Erregung des Heran«.
Sphäre gebracht wird, schlägt rascher (Castell). Ein Gemenge
von CO, nnd atmosphärischer Luft soll den Herzschlag kräftigen
(Brown-S6quard). ,
Ans den mitgetheilten Beobachtungen sind einige Ableitungen
über die Abhängigkeit der rhythmischen Herzzusammenziehung von
den in ihm eingebetteten Nerven hervorgegangen, welche wenigstens
als Ausgangspunkte neuer Untersuchungen erwähnenswertb sind. —
<)'. Die Buhe sowohl wie die Zuckung des lebenden Herzens
sind Folgen einer im Herzen stattfindenden Erregung; beide Er
regungsarten sind an räumlich getrennte Organe geknüpft, welche
wahrscheinlich durch die Ganglienkörper dargestellt werden. Iui
Froschherzen, das aus Venensack, Vorhof und Kammer besteht,
Uberwiegen die Organe, welche Zuckung erregen; in der Combi
nation, die nur noch aus Vorhof und Kammer besteht, halten sich
die bewegenden und beruhigenden das Gleichgewicht; in der los-
getrennten Kammer endlich Uberwiegen wieder die bewegende«
Kräfte. Dieses folgert man : weil ein Reiz , der das gesammte
Herz trifft, nicht tetanus, sondern wechselnde Bewegung erzeugt,
obwohl die einzelnen Muskelfasern tetanisirt werden können; weil
der Auschnitt der obern Vorhofsganglien Ruhe, und das Ab-
schneiden des Vorhofs wieder Erregung erzeugt. Setzt man hin-
zu, dass durch einen starken constanten elektrischen Strom nur
die beruhigenden Nervennmsseu in ihrer Erregbarkeit beeinträch
tigt werden, so würde es auch begreiflich, warum ein solcher
Zuckungen einleitet. —
Die Eigentümlichkeit, dass ein vorübergehender Reiz auf
das Herz wie auf den n. vagus in grösserer Zahl aufeinander fol-
gender Bewegungen oder die eine längere dauernde Ruhe erzeugt
soll sich ableiten aus der Verbindung jener Nerven mit den Gang
lien, da es gegen die Analogie verstösst, dem Nervenrohr diese
Eigenthümlichkeit zuauweisen. Das Nähere geben die angezugenen
Schriften von Bidd er, Eckhard, Bezold, Hoffa, Heidenbaiu.
t. Eine auffallende Beschleunigung des Herzschlags soll er
zeugt werden durch Erregung der in das Herz tretenden Zweige
des n. sympathicus, oder seiner Ursprünge in dem Hirn nnd
Rückenmark. Diese Behauptung scheint nicht ftlr alle Tbiere iu
gleicher Weise zu gelten. Mit Sicherheit lässt sich behaupten,
dass eine Erregung des Grenzstrungs am Halse und in der obern
ßrustgegend beim Kaninchen den Herzschlag nicht beschleunigt
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Erregung des „Herzen*.
' 99
(Wein mann). Henle*) hat beim Menschen und CI. Ber-
nard**) beim Hunde nach Beizung; de» ersten Brustganglions
eine Beschleunigung gefunden. Budge endlich konnte heim
Frosch die im Erlöschen begriffene Herzbewegung wieder anregen
durch Reizung des vom Schwanzbein bis in die Nähe des Horzens
verlanfenden Grenzstrauges, vorausgesetzt dass vorher die vagi
durchschnitten oder die rnctl. oblongata zerstört war.' Don-
ders***) bestätigt diese sehr merkwürdige Erscheinung. Die
entgegengesetzte Ansicht, welche B. Wagnerf) vertritt, die uem-
lich, diiss die Erregung des Sympathicus eine Verlangsamung er-
zeugen kann, ist weder durch Wein manu, noch durch Heiden-
hain auf dem Wege des Versuchs bestätigt worden.
Die älteren Versuche, welche in der Absicht angestellt wur-
den, um den Beweis zu liefern, dass mit der Bewegung des Hirns,
Rückenmarkes oder des sympathischen Grenzstranges die Herzbe-
vrcgnng beschleunigt, oder mit Zerstörung der erwähnten Theile
verlangsamt, resp. vernichtet werde, leiden an so vielfachen Feh-
lern, dass es vollkommen unmöglich ist, ihnen noch irgend wel-
chen Einfluss auf die Bildung eines Urtheils zu gestatten. Zu-
nächst übersah man meist, dass das blossgelegte Herz eines
absterbenden, mangelhaft oder gar nicht mehr athmendcn Thieres
aus Gründen, die zunächst in der veränderten Zusammensetzung
des einströmenden Blutes liegen, in sehr unregelmässiger Weise
schlägt. Volk mann ff) hat hierauf zuerst die Aufmerksamkeit
gelenkt — Da nun auch ausserdem den Viviseetoren bis auf Ed.
Weber und Budge die besondere Art des Einflusses, welche der
n. vagus auf das Iler/, übt, entgangen war, so befanden sie sich
ausser Htande, zu entscheiden: ob die Veränderung, welche nach
Erregung oder Zerstörung einzelner Theile des Hirns, Rücken-
markes oder des peripherischen Nervensystems eintritt, die Folge
einer dirccten Beziehung zwischen jenen Theilen und dem Herzen
waren, oder ob sie es nur mit einer Veränderung zu thun hatten,
welche an den Ursprungsstellen des n. vagus auf irgend welchem
Umweg erzeugt war.
•) Henle ln seiner und Pfeufera Zeitschrift. Neue Folge. II. Bd. p. 300.
••J Le? ona de Physiologie experimentale 11. 4.TÖ.
•••) Physiologie des Menschen. Leipzig lHW*. p. Ki.
|) Göttinger gelehrt« Anzeigen. 1«M. &1S1.
ff) M U Ilers Archlr. lMft.
7*
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100 lieber die Häufigkeit de« Herzschlags beim Menschen.
Eine ausführlichere Besprechung der Älteren Versuche von
Humboldt, Legallois, Brächet u. s. w. siehe bei Johann
Müller und Longet*).
Ueber die Häufigkeit des Herzschlags beim Men
sehen. — Da die Orte des Hirns, aus welchen der n. vagus sei-
nen Ursprung nimmt, durch Seelenzustände, Reflexe oder Verän-
derungen in der Blutzusammensetzung in vielfach abgestufte Erre
gnng komme« können, da die wechselnde Zusammensetzung des
Bluts, die Bewegung des Brustkastens, der verschiedene) Wider
stand des vom und. zum Herzen strömenden Blutes u. s. w. man-
nigfache Grade der Erregung und Erregbarkeit des Herzens selbst
bedingen können, so lässt sich voraussehen, dass die Zahl der
Schläge, welche das Herz des lebenden Menschen iu gegebener
Zeit vollftlhrt, keine sich gleichbieibende sein wird. Eine sorg
saniere Beobachtung der Herzschläge des lebenden Menschen hat
nun in der That nicht allein die Schwankungen in den Zahlen der
Pulsschläge erwiesen, sondern auch diese zu gewissen Lebensver-
hältnissen in Beziehungen zu bringen gewusst, so namentlich, dass
die Beschleunigung des Pulses veränderlich sei mit dem Genus»
der Nahrungsmittel, der Mttskelbewegungen, dem Alter, Geschlecht
der Körpergrösse, dem Blutgehalt u. s. f. — Nach dem Mechanis-
mus, durch den diese Umstände den Herzschlag umändern, hat
man bis dahin nicht weiter gesucht, und es ist darum nicht zu
entscheiden, durch welche der eben bezeichneten Weisen sie wirk-
sam sind und ob dieselben die einzigen sind, welche den Herz-
schlag eines lebenden Menschen umändern können.
Da der Pulsscblag für den Arzt von grosser Bedeutung ist.
so wird die Angabe der Regeln, nach welchen die Pulsveränderuug
zu beurtheilen ist, nothwendig sein. —
1. Die Zahl der Pnlse in der Minute ändert »ich mit der Tageszeit, und «wir
unabhängig ton der Nahrung und den Körperbewegungen. Fröhlich und Lichten-
fela*) fanden, dass frühmorgens, 10 Stunden nach dem letzten Essen, die Pulszahl d"
Minute 69,3 betrug, 16 Stunden nach dem letzten Essen war sie auf 50 gesunken
und 20 Stunden nach dem bezeichneten Zeitpunkt, war sie wieder auf 53,3 gestiegen.
Die genauere Veränderlichkeit der Pulszahl mit der Zeit an dem Hungertage giebt
die beistehendc Curve (Fig. 33) ; auf die y sind die Pulszahlen , auf die x die Zeiten
in Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme verzeichnet.
•) L enget, Tratte de phyetolog. II. Bd. deux. p. IM. 211. 347. — Anatomie et pbyaiolof*
du aysttae nerveux. 11. f.S*7.
••) Wiener Akadein. Denkschriften. III. 121.
jj
Ueber die Häufigkeit des Herzschlags beim Menschen. 101
2. Die Zahl der Pulsschläge ändert sich mit dem Genuss der Nahrungsmittel.
Fröhlich und Liehtenfels geben an, dass nach dem Genuas eines Frühstücks aus
Kaffee der Puls rasch ansteige, dann allraäh-
lig bis sum Mittagsessen sinke, von hier
wieder, jedoch nicht so hoch wie früher,
ansteige, bis sum Abendbrot falle, nach die-
sem abermals steige u. s. f. Dieser Gang
wird durch die Curve (Fig. 34.) genauer dar-
gestellt ln dieser Curve sind auf der Achse
x die Zeiten nach Stunden aufgetragen, in
der Art, dass sugleich die Zeitendes Essens
angegeben sind; auf die erste 0 fällt das
Frühstück, auf die zweite das Mittagsessen
auf die dritte der Abendkaffee und auf die
letzte das Nachtessen ; unter diesen die Essens-
stunde bezeichnenden Zahlen sind die fortlau-
fenden Tagesstundcu aufgetragen von 7,5 Uhr
Morgens bis 1 1,5 Uhr Abends. Auf der
Achse y ist die Anzahl der Schläge aufge-
zeichnet, um welche sich in der Minute der
Puls zu der bczeichneten Zeit vermehrt oder
vermindert hatte. Um die ganze Zahl der Pulsschläge zu finden, muss man also je-
desmal die in der Curve verzeichneten zufUgen oder abziehen zu oder von denen,
welche sich nach lOstündigem Enthalten von aller Nahrung vorfanden, ln dem vor-
gezeichneten Beispiel betrug dieselbe aber 60,3 Schläge. Aehnliche Beobachtungen
giebt V i e r o r d t •).
Fig. 34.
Mit einer Verlegubg der Mahlzeiten muss diese Curve natürlich sehr verschiedene
Gestalten annehmen. — Ein jedes Nahrungsmittel wirkt aber nicht auf gleiche Weise.
Fig. 33.
') Vicrerdt, Physiologie d. Atlimeus. 104 b. p. 6V.
102
lieber die Häufigkeit des Herzschlags beim Menschen.
Bei Fleischnahrung soll der Pul* rascher sein, als bei vegetabilischer (Guy). — Nach
dem Genus« von Alkohol (Bier, Wein, Branntwein) steigt in den ersten Minuten die
Zahl der Pulsschläge weit unter diejenige vor dem Genuss dieser Mittel, in den darauf
folgenden aber erhebt sie sich hoch iibor die ursprüngliche Zahl, sinkt und steigt
wieder, und kehrt so allmählich mit Schwankungen zu der alten -Zahl surück. — Koh-
lensäure (nach Genuss von Brausepulver) bringt den Puls gegen 20 Minuten lang zum
Sinken, ebenso kaltes Wasser, während warmes Getränk, namentlich Kaffee, umgekehrt
ihn zunächst steigen macht u. s. w. — Weitere Beobachtungen über Arzneistoffe siehe
bei Lichtenfels und Fröhlich, Blacke*), Stannius**), Lena***), Brun-
ner f) nnd Trau b eff). Indem wir die ausführliche Erwähnung dieser Beobachtungen
den Lehrbüchern der Heilkunde überlassen müssen, können wir uns nicht versagen,
hervorzuheben, dass durch die genauen Versuche von Traube dem Digitalin eine
eigentümliche Stellung angewiesen ist Dieses Gift erzeugt, wenn es in kleinen Dosen
in den Kreislauf eingobracht wird, eine Verlangsamung, wenn es aber in grossen Dosen
gegeben, so bedingt es eine Beschleunigung des Herzschlags; Traube erläutert diese
j Erscheinung daraus, dass das Digitalin vermöge seiner besondem Verwandtschaften auf
die Hirnabtheilung wirkt, von welcher die Herzzweige des n. vagus erregt werden.
In kleinen Mengen soll nun, nach Analogie vieler chemischer Erregungsmittel, das
Gift erregend, in grossen Gaben vernichtend wirken, so dass das Hers im erstem Fall
unter dem Einfluss des erregten, im letstem unter dem Einfluss des Vagus schlüge,
der seiner normalen Erregung entzogen wäre. — Diese Erklärung wird bestätigt durch
dio Erfahrung, dass die den Puls verlangsamende Wirkung des Digitalins meiBtentheils
augenblicklich aufgehoben wird nach einer Durchschneidung der n. vagL Neben dieser
Wirkung durch den n. vagus hindurch besitzt das Gift noch eine zweite, direkt ge-
gen das Herz gehende, wie uns dieses die Versuche von Stannins und Traube
bestätigen. *
3. Die Zahl der Pulsschläge ändert sich mit den Zustäden aller übrigen Muskel-
massen des zugehörigen Individuums, resp. mit ihrer Kühe, Zusammenziehung, Ermü-
dung. — Fröhlich und Lichtenfels geben .an, dass, wenn die Muskelmaasc de«
Armes durch das Anhängen eines Gewichtes von 10 Pfund ausgedehnt worden, der
Puls um ein weniges steigt; um mehr, wenn man den Arm bis zur Ermüdung ge-
streckt hält; und noch beträchtlicher, wenn man ein schweres Gewicht möglichst rasch
hin- und herschwingt. Diese Steigerungen erhalten sich nur kurze Zeit, minutenlang,
während sie stundenlang andauern nach starken Ermüdungen der Muskulatur des Geh-
apparates. Daraus ergiebt sich, dass der Puls im Stehen ein anderer ist, ab im Sitzen
und hier ein anderer, als im Liegen. Bei vielen Menschen wird schon durch Kiefer-
bewegung der Pulsschlag beschleunigt. — Nach Guy*) soll mit passiven Bewegun-
gen des Körpers die Zahl der Pulsschläge wachsen und durch Niederhängen des
Kopfes abnehmen, lra Schlaf nimmt aus hier zum Theil entwickelten Gründen die
Zahl der Pubschläge ab.
») Archive gdneral. 1839. VI. Bd.
♦•) Archiv f. physiolug. flellkunde. X. Bd.
*••) Experiment« de ratlonc Inter pulsus frequenliam etc. Dorpat. 1853.
j-) Ucber mittlere Spannung im Gcfässaystcm. Zürich 1854.
ft) Annalen dea Charit&rankenhausca. 1861 u. 1863.
}-ft) Valentina Jahresbericht Uber Physiologie. 1848. p. 128.
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Ueber die Häufigkeit des Herzschlags beim Menschen.
103
4. Ein Sturz- oder Regen bad von -j- 4 3® bi* 23« C. u. von kurzer Dauer än-
dert den Puls nicht; in einem solchen von kurzer Dauer mit Wasser von 5# C.
wird der Puls klein, aber er ändert seine Zahl nicht — Bei einem anhaltend wirken-
den Sturzbad von -(-11* bis 21<* wird der Tuls zunächst schwach, langsam und unre-
gelmässig; tritt in Folge des Bades allgemeines Zittern ein, so wird der Puls schwach,
aussetaend und zuweilen unfühlbar. Diese Erscheinungen bleiben aus, oder mit andern
Worten der Puls bleibt nach Zahl und Stärke unverändert, wenn statt der allgemeinen
Douche nur der Arm gespritzt oder gebadet wird, wie auch die Temperatur des Was-
sers besc halfen sein mag (Bencc Jones und Dickinson)*).
5. Bei hohem Temperaturen der Umgebung wird die Pulsfolge rascher als bei
niedem.
6. Nach Volk mann**) und Guy nimmt in den ersten Jahren die mittlere
Pulszahl rasch ab, dann aber allmählig bis zur Zeit der Pubertät zu, von da an er-
hält sie sich constant bis in das höhere G reisenalter , wo sie sich wieder um etwas
hebt. Die Beobachtungen, welche diesen Behauptuugen zu Grunde liegen, sind sämmt-
lich im Sitzen vor dem Mittagsmahl genommen ; wie lange nach dem Genuss von
Nahrung oder nach Bewegungen, ist nicht angegeben. Ueber den Puls Neugebomer
siehe Seuz*^).
7. Mit der Körperlänge nimmt der Puls ab, so dass namentlich das grossere
unter swei gleich alten Individuen einen langsameren Puls hat, als das kleinere. Ver-
suche, Pulszahl und Körperlänge durch eine empirische Formel in Zusammenhang zu
bringen, siehe bei Volkmannt), Rameaux und Serrustt) etc.
8. Der Puls der Frauen ist im Allgemeinen schneller, als der der Männer bei
Gleichheit des Alters, der Lebensart und Körpergrösse. Im Kindssalter tritt die Dif-
ferenz weniger zu Tage, als im spätem.
9. Nach einem voluminösen Aderlässe belebt sich die Schlagfolge des Herzens
(V o 1 k m a n n) t+t)-
Ueber die Beziehungen zwischen Athemziigeh und Pulsschlägen, siehe die Athem-
be wegungen.
4. Ueber die Gleichzeitigkeit der Bewegung in
den Elementartheilen der einzelnen Abtheiinngen des
Herzens. — Da das Herz aus einer grossen Zahl getrennter nur
in Berührung befindlicher nervöser und muskulöser Elementartbeile
besteht, so kann die gleichzeitige Bewegung der beiden Vorhöfe
und der beiden Kammern sich nur erläutern aus einer gegensei-
tigen Mittheilung der inneren Zustände der Elementartheile, aus
welchen sich die erwähnten Abtheilungen zusammensetzen. Die
Bedingungen, welche zum Zustandekommen dieser gegenseitigen
•) Brown Sdquard, Journal de ls Physiologie. 1. Bd. 7'i.
••) Haemnrtynamik. p. 433.
•*•) Valentins Jahresbericht Uber Physiologie für 1865. p. 89.
t) I. c. p. 430.
ft) Bulletin de l'acsdcmie de Bruxelles, 1839.
ttt) 1. c. p. 371.
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104
Herrtöne.
Mittheilung gehören, bestehen: a. In der unmittelbaren Berührung
der einzelnen Theile. Schneidet man nemlich ein schlagendes
Froschherz in mehrere Theile, so pulsirt jeder derselben zwar fort,
aber die einzelnen Stücke bewegen sich nicht mehr gleichzeitig,
(Volkmann*)). — b. Die einzelnen Abtheilungen müssen sich in
annähernd gleichem Erregungszustände befinden, denn es verlieren
auch an dem unversehrten Herzen die einzelnen Mnskelbündel der
Kammern die Gleichzeitigkeit ihrer Bewegung, wenn man schäd-
liche Einflüsse in beschränkter Ausdehnung auf sie wirken liess.
Namentlich geschieht dieses, wenn man anhaltend elektrische
Schläge durch die Kammern sendet; hierdurch zieht sich bald die-
ser und bald jener Theil der letztem zusammen, ohne Betheiligung
der übrigen. — c. Die Orte, an denen diese Ucbcrtragnng statt-
findet, lassen sich nicht angeben; es ist nur zu behaupten, dass
sie sehr verbreitet im Herzen vorhanden sein müssen, da jedes
Stück eines zerschnittenen Herzens in Folge einer beschränkten
Berührung, z. B. eines Nadelstichs, noch in eine totale Zusammen-
ziehung gerathen kann.
Herztöne**). — Das mit Blut erfüllte, noch in normaler
Verbindung mit seinen Arterien befindliche Herz erzeugt bei sei-
ner Zusammenziehung zwei Töne, welche ebensowohl bei unver-
sehrter Brustwandung gehört werden, wenn man das Ohr in der
Nähe des Herzens auf die Brustwand legt, als auch, wenn man
nach eröffneter Brusthöhle das Ohr mit dem freigelegten Herzen
in Berührung bringt. —
Der erste dieser Töne, von dumpfem Klang, hält gerade so
lange an, als die Zusammenziehnng der Kammern währt, der
zweite aber ist höher und kürzer, und erscheint als ein heller
Nachschlag zum ersten, also gerade nach Schluss der Kammer-
systole. Die beiden Töne ändern sich, wenn die venösen und
arteriellen Klappen der Ventrikel irgend welche Umwandlung ihrer
Form oder ihrer Elastizität erfahren haben, und namentlich soll
der erste mit der Veränderung der venösen, der zweite mit
derjenigen der arteriösen (Semilunar-) Klappe nach Klang und
Höhe wechseln. Daraus schliesst man, dass der erste Ton ent-
•) Mutier. Archiv, lau. — Bldder, Ibidem. 1852. p. 153.
••) Kiwi sch r. Rotte rau, Würzburger Berichte. I. Bd. 9. — Ncga, Beiträge zur Kennt-
niaa u. «. w. Breslau 1862.
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Blutgefässe.
105
stehe durch Wellenbewegungen, die das strömende Blnt in den
Klappen und Chorden einleitet, welche die venösen Mttndungen
decken, der «weite aber durch das plötzliche Zusammenschlagen
der arteriellen Klappen, die, wie wir später erfahren werden,
in der That am Ende der Systole ^ntfaltet werden. Diese Annah-
men werden auf exclusivem Wege bestätigt durch die Erfahrung,
dass sich innemalb eines Stroms tropfbarer Flüssigkeit, der in
steifen Wänden durch unebene Oeffnnngen dahin geht, nur sehr
schwer Töne erzeugen; im Herzen liegt somit gar keine andere
Möglichkeit des Tönens vor. Zudem finden sich, wie es scheint,
die Sehnen und Klappen in einer zum Tönen hinreichenden
Spannung.
Blutgefässe.
Vom hydraulischen Gesichtspunkte aus sind die Wandungen
und die Binnenräume der ßefässe bedeutungsvoll.
1. Bau der Wandungen. — Sie sind, wenn ihr Ban die
grösste Complikation zeigt, ein Gefüge ans elastischem, «eiligen
und muskulösem Gewebe, das auf der dem Lumen zngekehrten
Fläche mit Epithelien versehen ist (Henle). — a. Das ela-
stische Gewebe ist insofern der Grundtheil der Gefässwandun-
gen, als es keiner Abtheilung desselben fehlt und einzelne wie
z. B. die meisten Capillaren, nur aus demselben gebildet sind. —
Dieses Gewebe zeichnet sich durch seine Dichtheit, Dehnbarkeit
und seine Fähigkeit aus, sowohl in Faser- als in Plattenform er-
scheinen zu können. Unter Dichtheit (oder Porosität) verstehen
wir den Widerstand, den es dem Durchritt von Flüssigkeit ent-
gegenstellt, welche auf dem Wege der Filtration, also in Folge
eines beliebigen Druckes, durch das Gewebe getrieben werden
sollen. RUcksichtlich dieser wichtigen Eigenschaft ist es noch nie-
mals einer genauen Untersuchung unterworfen worden, die mit be-
sondere Schwierigkeiten verknüpft ist, weil wir bis jetzt noch
keinen Fundort ermittelt haben, an dem man grössere Stücke ho-
mogener, nicht von groben Löchern durchbrochener Platten gewin-
nen konnte. Wir wissen nur, dass selbst sehr dünne Platten der
sogenannten Innersten Arterienhaut einen nicht unbeträchtlichen
Dreck einer überstehenden Wassersäule vertragen, bevor Wasser
mit einer merklichen Geschwindigkeit durch sie dringt, und dass
bei gleichen Drücken die Durchgangsfähigkeit der Membran mit
der chemischen Zusammensetzung der Flüssigkeit wechselt und
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Blutgefässe.
106
dass namentlich Salz- und Eiweisalösungen schwieriger filtriren,
als reines Wasser. — Die elastischen Eigenschaften des homogenen
Gewebes haben ebenfalls aus Mangel desselben noch nicht unter-
sucht werden können. Aus Versuchen, die mit möglichst reinen
Fasernetzen angestellt worden sind, darf man schliessen, dass das
durchfeuchtete elastische Gewebe Theil nimmt an den bemerkens-
werthen Eigentümlichkeiten vieler durohtränkter tierischer Sub-
stanzen, die auf p. 109 dieses Bandes erörtert sind. — Mit der
Abnahme des Wassergehalts, oder der Gegenwart von Salzlösung
in seinen Poren ist der absolute Werth der CoöffizienteB in einer
Zunahme begriffen. — Bei der Beurteilung der elastischen Eigen-
schaften eines besondern Stückes unseres Gewebes kommt es
natürlich auch darauf an, ob dasselbe aus einer homogenen
Platte, oder aus Fasern besteht; in dem letzten, dem häutigst
vorkommenden Falle, wird namentlich zu berücksichtigen sein,
nach welchen Richtungen die Fasern verlaufen, und wie die
Unterbrechungen angeordnet sind. — Da endlich das elastische
Gewebe ebensowohl als eine vollkommen gleichartige Platte wie
auch als ein Netz von Fasern der verschiedenartigsten Feinheit
erscheinen kann, so ist dasselbe geeignet, einerseits vollkommen
geschlossene Röhren von beliebigem Durchmesser und andrerseits
aueh ein die Wandungen derselben verstärkendes Netzwerk dar
zustellen.
ß. Die Muskclschicht*) der Gefässe besteht überall aus
der muskulösen Faserzelle; da die Eigenschaften derselben schon
abgehandelt sind (I. Bd. p. 474.), so werden wir uns hier zu be-
schränken haben auf die Folgen, welche aus der besondern An-
ordnung derselben an den Gefässen hervorgehen. Zunächst ist
hervorzuheben, dass die Muskeln nicht an allen Gefässen Vor-
kommen; namentlich fehlen sie vielen Venen und durchgreifend
den allerfeinsten Röhren. Wo sie erscheinen, kommen sie ent-
weder nur als Ringlagen, wie in den Arterien (Ilenle), oder
nur als Längsschicht, wie in den N'erjen , oder zugleich in beiden
Lagerungen vor, wie in den meisten mitteldicken Venen (Köl-
likcr). —
Das Bindegewebe und die Epithclien der Gefässe geben in
keiner weitern Betrachtung Veranlassung.
*) Kol liker, Handbuch der Gewebelehre. 1862. p. 55&. u. f.
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Verknüpfung der Gewebe unter einander. 107
y. Verknüpfung der Gewebe unter einander. Auf
die schwierige Frage, wie diese Baumittel in der Gefässwand zu-
sammengethgt sind, hat zuerst Heule*) Antwort gegeben.
Alle Gefitsse, weite wie enge, Arterien und Venen, enthalten
eine Lage gleichartiger elastischer Substanz, welche an das I.nmen
der Röhre entweder unmittelbar angrenzt, z. B. in den Arterien
ersten Ranges, oder nur durch das Epithelium von ihm geschieden
ist ; sie stellt gleichsam das Grundrohr dar, an welches sich die
andern Stoffe anlehnen. Zu diesen kommen in den Arterien
noch weitere Lagen von elastischen Netzen und Muskeln. Die
elastischen Netze enthalten um so breitere Fasern und demnach
um so geringere Mengen von Oeffnungen, je weiter nach dem
Innern sie liegen; diese dichten Lagen sind im Ganzen als innere
Gefässhaut beschrieben und ihre einzelnen Blätter hat man als
Fensterhäute u. s. w. bezeichnet. Je grösser der Durchmesser der
Gefässe, um so stärker ist auch im Allgemeinen diese Haut.
Weiter gegen den Umfang hin finden sich weitmaschige Faser-
netze, welche zuerst von Muskeln und dann weiter nach aussen
von Bindegewebe durchzogen sind. Bekanntlich nennt man die
eine dieser Schichten die mittlere Arterienhaut, oder auch t. mus-
culo-elastica ; die andere aber die Zellhaut oder auch t. elastico-
conjunctiva. Die Mächtigkeit dieser beiden letztem Gewebeabthei-
lungen zusammengenommen wächst im Allgemeinen mit dem
Durchmesser der Arterienhifhle, eine Regel, die nur dann eine
Ausnahme erleidet, wenn das Gefäss, statt wie gewöhnlich in
einer Umgebung von lockerem Bindegewebe, durch steife, wider-
standleistende Substanzen, z. B. durch Knochen dahin läuft Im
Einzelnen soll dagegen die Dicke der beiden Schichten im umge-
kehrten Verhältniss stehen, so dass, wenn die mittlere Haut ab-
nimmt, die äussere im Zunehmen begriffen ist (Kölliker).
S. Menge der Muskeln. Schliesslich sind die Schwankungen
in den relativen Mengen der Muskeln und elastischen Substanz zu
erwähnen. Im Allgemeinen Uberwiegt in den Arterien geringsten
Durchmessers in der mittlern Haut die Muskelsubstanz in einem
solchen Grade, dass man, ohne merklichen Fehler, sie geradezu
als eine Muskelhaut bezeichnen kann, während in den stärkeren
*) Allgemeine Anatomie. Leipzig 1841. p. 490 n. f. - Dondrn and J atmen, Archiv für
pbyziolog. Heilkunde. VI. p. 361.
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108
Physikalische Eigenschaften der Gefässwand.
Gelassen die elastische Schicht ebenfalls beträchtlich vertreten ist
In den letzten Gefftssen, den sogen. Arterienatänmien und Zweigen
erster Ordnung finden sich jedoch mannigfache Verschiedenheiten;
nach Don der s und Jansen Ubenviegt in den aa. aorta, ano
nyma, carotides, subclaviac, axillares und iliacae die elastische,
in den aa. vertebrales, radiales, ulnares, coeliaca, mesaraicae, re-
nales, crurales, popliteae die muskulöse Substanz.
Die feinsten Gefässe, oder Capillaren enthalten in der
Grundhaut noch eine Kemscbicht. *)
In den Venen**) sind die elastischen und muskulösen Be
standtheile in viel geringerer Menge enthalten, als in den Arterien
von entsprechendem Durchmesser; aber auch hier gilt die Regel,
dass die Wandungsdicke im Zunehmen begriffen ist, wenn der
Durchmesser des Immens wächst. Zudem sind die Wandnngcn
der Venen in der unteren Körperhälfte im Allgemeinen denen in
der obern überlegen. Die weiten Venen enthalten auch verhält
nissmässig weniger Muskeln, als die engem; nach Wahlgren
haben in allen grössem Venen die nach der Länge des Gefässes
laufenden Muskeln das Uebergewicht, in der Art, dass nur die
vena portamm, pulmonalis und die grösseren Extremitätenvenen
merkliche Lagen von Qnermuskeln tragen. Alle Venen unter
1 MM. Durchmesser sind dagegen von Längsmuskeln vollkommen
entblösst. ,
Muskelfrei sind nach K öllik er die Venen und Sinus der
Retina und der , Schädelhöhle, der eorpora cavemosa penis und der
Milz. Der Bau der Klappen, welche allen Venen zukomrnen, mit
Ausnahme der in den Lungen, dem Darm und dem Hirn vorhan
denen, kann als bekannt vorausgesetzt werden.
2. Physikalische Eigenschaften der Gefässwand. —
Da die Ableitung der Eigenschaften des Gemenges aus denen der
einzelnen Bcstandtheilc nicht geschehen kann, so hat man zuweilen
versucht, die der Gefässhaut insgesammt zu bestimmen nnd ns
•) Herr Prof. Meissner hat In seinem dankenswert!»«» Jahresbericht für 1R56. p. W5 gegen
den io der ersten Auflage de« Werkes (früher mehr Als jetzt] gebrauchten Ausdruck Epithelial-
schiebt für Zellen oder Kerne, welche durch elno elastische Platte oder Faser verschmolzen sind,
lebhaft protestlrt. Die Form seines Auftretens wird er mindestens bedauern, wenn er 8. 75, Z«Ue 10
von unten In der 1. Auflage dieses Werkes gelesen. '
•) Schrsnt, over de aderligke bloctvatcn u. s. w. — Wahlgren, framstkUnlng «f Venen-
systeuis allnattna anatomie. Beide in Heule's Jahresbericht fUr 1801. p. 31. u. 66.
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Elastizi tä tacoä ffizi en t .
109
mentlich — den ReibungBcofiffizienten, der zwischen der
innem Membran nnd einer vortibergleitenden Flüssigkeit besteht.
Man vermuthet, dass er bei der Glätte und der vollkommenen
Dehnbarkeit derselben nicht beträchtlich sei. — Die Cohäsion der
Venen fand Werthheim viel beträchtlicher, als die der Arterien,
doch hat er beim Menschen nur die vena saphena nnd arteria
femoralis verglichen ; da er die Untersuchung begann, als die Mus-
keln schon in Fäulniss begriffen waren, so möchten seine Angaben
gerade nicht sehr werthvoll sein. Seinen Beobachtungen wider-
spricht auch Volkmann*).
ElastizitätscoSffizicnt. Bei einem Gewebe, dessen Ela-
stizität, weil es vorzugsweise durch diese Eigenschaft wirksam ist,
wiederholt der Gegenstand eigner Untersuchungen geworden, durfte
es erlaubt sein, die neuen Angaben von Wundt**) Uber die Ela-
stizität der thierischen Stoffe Überhaupt einzuschalten.
Wenn ein bis dahin unbelastetes Gewebe durch ein angehängtes Gewicht ver-
längert wird, so nimmt es die Länge, welche ihm unter dem Einfluss des Gewichtes
xukommt, nicht augenblicklich, sondern nur allmählig an, wie schon Bd. L p. 430 fUr
den Muskel erörtert wurde. Demnach unterscheidet man eine augenblickliche (Anfangs-),
wie eine nachträgliche (Schluss-) Dehnung. Dieser Ausdruck darf jedoch nicht zu
der Annahme verführen, dass die Bewegung, welche in der elastischen Masse die
Form Veränderung bedingt, in zwei zeitlich getrennten Absätzen geschehe; da im
Gegentheil die Bewegung eine fortlaufende ist , deren Geschwindigkeit mit der fort-
schreitenden Zeit ungemein rasch abnimmt, offenbar darum, weil die Widerstände,
welche sich ih der Masse der Form Veränderung entgegensetzen, mit der steigenden
Dehnung sehr rasch zunehmen. Entlastet man die gedehnte elastische Masse , so
strebt sic ihrer alten Form wieder zu, und erreicht dieselbe auch, vorausgesetzt, dass die
Ausdehnung, welche die Längcnheit der Masse erfuhr, nicht allzu beträchtlich ge-
wesen, oder wenn, wie man sich gewöhnlich ausdrückt, die Elastizitätsgrenze durch die
Ausdehnung nicht Überschritten wurde. Ueber den zeitlichen Verlauf dieser Dehnung
theilt Wundt mit: 1. Wird eine eingeleitete aber noch nicht vollendete elastische
Bewegung durch einen Einfluss unterbrochen, der in einem zur bestehenden Bewegung
entgegengesetzten Sinne wirkt, wird also z. B. die Belastung entfernt, bevor der Kör-
per die Lange angenommen, welche dem Gewicht entspricht, und umgekehrt, so ändert
das in Folge des vorher vorhandenen Einflnsses bestehende Bewegungsbestreben
den Gang der neuen Bewegung nach einem noch unbekannten Gesetz ab. — 2. Der
zeitliche Verlauf der hin- und der rückgehenden Bewegung entspricht sich nur dann
genau , wenn von dem belasteten Körper erst das Gewicht abgenommen wurde , als er
die Gleichgewichtslage vollkommen erreicht hatte , welche ihm in Folge der Last xu-
kam. Im andern Fall überdauert die Zeit der Verkürzung die der Ausdehnung. —
3. Die Geschwindigkeit, mit welcher die Formveränderung fortschreitet, ist nicht pro-
•) Hoemodynsmik. 389 u. 390.
* ••) Die Lehre von den Moskelbewcgnngen. Branwichwclg 1868.
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110
Elan tizitäUcoeffizi ent.
portional dem Unterschied der Längen, welche der ausgedehnte Körper schon ange-
nommen und derjenigen, welche er dem angehängten Gewicht gemäss annehmen sollte. —
4. Die Geschwindigkeit ist abhängig von der schon vorhandenen Dehnung, so dass,
wenn zwei gleiche Gewichtszusätze dieselbe schliessliche Ausdehnung erzeugen , diese
früher erreicht wird , wenn die Bewegung vom Ruhezustand , später , wenn sie von
der Dehnung durch ein schon vorhandenes Gewicht ausgeht.
Soll also der Klaati*ität»co6ffizient, d. h. das Gewicht gefunden werden, welches
die Querachnitlseinheit eines Körpers zu seiner doppelten Länge ausdehnen würde, so
muss die gesäumte Dehnung abgewartet werden. Da dieses bei thierischen Geweben
wegen ihrer grossen Veränderlichkeit nicht angeht, so hat man sich mit einem Nähe-
rungsverfahren zu begnügeu, indem man den Schluss der Dehnung, dann als einge-
treten ansieht, wenn sich während fünf Minuten selbst durch das Mikroskop kein
Längenzuwachs mehr nachweisen lässt y dieses Mittel ist aber nur unter der Voraus-
setzung anwendbar, dass bei jeder Belastung von demselben Ruhezustand ausgegangen
wird. — Ausserdem ist bei der grossen Ausdehnbarkeit der thierischen Gewebe noch
zu bedenken, dass man, um ein ElastmtÄtsmaass innerhalb der Elastizitätsgrenze zu finden,
sich nur kleiner Belastungen zu bedienen hat. Denn die Elastizitätsgrenze kann nur
innegehalten werden innerhalb gewisser Formveranderungen ; sie ist also allgemein
nicht von der Grosse des Gewichts, sondern von der Ausdehnbarkeit abhängig. Ueber
die Einzelnheiten der Methode ist auf die Abhandlung von W u n d t zu verweisen.
Die von W u n d t den feuchten thierischen Geweben allgemein
zugeschriebenen elastischen Eigenschaften sind: 1* Innerhalb ge-
wisser Grenzen ist die Verlängerung den dehnenden Gewichten
proportional. Dieser Satz widerspricht den von Werthheim
(1. Bd. p. 52.) aufgestellten; der Widerspruch scheint wesentlich
darin begründet, dass der letztre Physiker nur die augenblickliche
Dehnung gemessen und wahrscheinlich nicht jedesmal von der-
selben Ruhelage ans gemessen hat. — Als Beispiel für das Ela-
stizitätsmaass für 1 Q M. M. Querschnitt giebt Wundt für die Ar-
terienhaut 72 Gr., für die Sehne 1669 Gr., den Nerven 1090 Gr., den
todtenstarren Muskel 273 Gr., die drei ersten dieser Zahlen be-
ziehen sich auf Theilc des frischgetbdteten Kalbes, die letzten auf
einen Muskel des Rindes. — 2* die Elastizitätsgrenzen sind für ver-
schiedene Gewebe verschieden, gross für Sehne und Vencuhant,
klein ftlr den Muskel. — 3° Alle Gewebe sind durch eine grosse
Dehnbarkeit . und eine beträchtliche elastische Nachwirkung und
zugleich durch die grosse Veränderlichkeit derselben ausgezeich-
net. — 4° Jenseits der Elastizitätsgrenzen nimmt wie bei allen
Stoffen, die Ausdehnbarkeit mit den wachsenden Gewichten ab. —
Die für den quergestreiften Muskel insbesondere geltenden Gesetze würden für
unsern Fall von Belang »ein , wenn die Gleichartigkeit des Verhaltens zwischen ihm
und dem glatten Muskel feststünde, ln Ermangelung dieses Nachweises dürfte es ge-
rathen »ein , nur den einen Umstand hervorzuheben , dass der vom Blut durchströmte m
. Qigitized by Gpc
Einfluss der Muskeln.
111
Froschmuskel ein geringes Klastizitätsmaas» beaitat, als das vom Blut befreite, wenn
auch noch reizbare Fleisch. Diese Thatsachc muss gegen den Werth aller vorliegen-
den Bestimmungen den Elastizitätscoeffiaienten der gesummten Ge fass haut Zweifel er-
regen. Die Ausdehnbarkeit der Arterienhaut und insbesondere der Aorta fand Har-
le ss*) nach Länge und Breite gleich gross, während andere Beobachter und nament-
lich Y olkmann die Arterienhaut nach der Länge ansdehnbarer antrafen, als nach
der Quere. Von der Menge, welche ein üefäsa unter steigendem Druck fassen kann,
handeln Donders**) u. Ounning.
Sichere Angaben Itber die Ausdehnbarkeit der freien Gefäss-
wand wurden übrigens noch nicht hinreichen, um einen Schluss
auf ihre Widerstandsfähigkeit innerhalb des Körpers zu ermög-
lichen, da offenbar diese ebenso durch die mehr oder weniger
grosse Nachgiebigkeit der Umgebung des Gefüsses wie durch den '
zeitweiligen VerkUrznngsgrad der Mnskeln in der Gefässwand be-
dingt ist.
Aus allen vorliegenden Thatsachen kann aber mindestens
das abgeleitet werden, dass die Arterien von grösserem Quer-
schnitt, bevor sie zerreissen, einen stärkern Druck zu ertragen
vermögen, als alle Übrigen Gefässe, und zugleich werden sie den
filtrirenden Flüssigkeiten den bedeutendsten Widerstand entgegen-
setzen.
3. Einfluss der Muskeln. Eine von dem Druck des In-
haltes und der Umgebung unabhängige Veränderung ihres Durch-
messers werden nur die Gefässe erleiden können, welche mit
Muskeln versehen sind***). Dem anatomischen Befunde entspre-
chend, verengern sich nun in der That unter dem Einfluss der
elektrischen Schläge eines Induktionsapparates die Capiliaren gar
nicht (vorausgesetzt, dass sie nicht in niHskelbaltigem Gewebe
sich verbreiten), wenig die Venen und grossen Arterienstämme,
am meisten aber die engeren und engsten Arterienstämme, welche
sich bis zum vollkommenen Verschwinden ihres Lumens con-
trahiren können (E. II. und Ed. Weber). Diese Zusammen-
ziehungen der Gefässe treten, den Eigenschaften der Muskeln ent-
sprechend, in Folge der erregenden Einwirkungen nur sehr allmüh-
lig ein und erhalten sich auch noch lange Zeit nach Entfernung
des Erregers. — Die Muskeln sind übrigens nicht allein von Be-
•) Valentin« Jahresbericht fUr lR&fl. p. 154.
••) Physiologie den Menschen; ans dem Holländischen ron Th eile. Leipzig I85G.
•••) Hildebrandt« Anatomie, Ausgabe von E. H. Weber. III. ßd. 7V. — E. II. u. Ed.
Weber, M Uli er« Archiv. 1H47. ‘Ml. — ■ Kolli kor u. Vlrehow in den Würzburger Verhand-
lungen. V. Bd. 30.
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112
Nerven der GeßaawandunK.
deutung durch ihre Fähigkeit, sieh zu verkürzen, sondern auch
durch ihre elastischen Kräfte; denn die vorzugsweise muskelhal-
tigen GefUsse werden durch denselben Blutdruck in ganz verschie-
dener Weise ausgedehnt, je nachdem ihre Muskeln in Folge einer
heftigen und anhaltenden Zusammenziehung ermüdet waren, oder
je nachdem sie im vollkommen erregbaren Zustand sich befanden.
Entsprechend der Beobachtung, dass der Elastizitätscodffizient der
ermüdeten Muskeln niedriger ist, als der erregbaren, dehnt sich in
den erstem der bezeichneten Fälle das Gefäss durch denselben
Druck viel weiter aus, als in letzteren (E. H. und Ed. Weber).
Diese Thatsache könnte allerdings neben dieser auch noch die
andere Auslegung erfahren, dass die Nerven desselben fltr ge-
wöhnlich eine tonische Erregung in die Muskeln senden; ja es
wird diese letztere Annahme sehr viel wahrscheinlicher in Anbe-
tracht des Umstandes, dass GefUsse deren Nerven durchschnitten
sind, sich auf die Dauer ausweiten, — Indem aber die Muskeln
zeitweise in den Zustand einer stärkeren Zusammenziehung treten,
werden sie zugleich die bleibende Verlängerung oder Reckung
anfheben, welche in allen elastischen Stoffen vorkommt, die einem
constanten Druck ausgesetzt sind; denn während einer Zusamnien-
ziehung der Muskeln werden die elastischen Gewebe gleichsam
entlastet, und es wird ihnen somit Zeit gegeben, sich wieder auf
ihre wahre Länge zu verkürzen. Alle GefUsse, deren Muskeln,
resp. Nerven, den natürlichen Erregern entzogen sind, werden
darum sich allmählig erweitern.
4. Die Nerven der Gefässwandung*). Die cerebrospi-
nalen Bahnen derselben sind : die n. n. trigeminus, facialis (?), va-
gus (?), spinales, sympathicus. Aus dein Trigeminus giebt es
Aeste für die GefUsse der conjunet. bulbi und Iris, vielleicht auch für
die der Schleimhautdecke des Oberkiefers (Mageudie). — Aus dem
facialis für die Haut des Ohrs (?) (Be mar d). — Aus dem Va-
gus flir Ohr (Schiff) und Lungengefässe (?) — Aus dem plex.
cervicalis zuweilen Haut des Ohrs und Hinterhaupts (Schiff). -
Aus dem plex. brachialis für die Gefässe von Haut und Muskeln
•) Günther, Untersuchungen und Erfahrungen im Gebiete der Anatomie etc. Hannos
1837. — CI. Beraard Recherche« experimentale« »ur le graud Sympathique. Paria 18M. —
Pflüg er, Allgemeine medix. Centralzeitung 1865. Stück. 68 u. 76. 1856. Stück. 33. — Schiff,
neurolog. Untersuchungen. Frankfurt 1855. — Sn eilen, Archiv für Holland. Beitrüge. Utrecht
1857. l.Bd. 306. Gunning, Ibld. 305. — Bernatd, Galette mddicale 1858. p. 428. — v. Boxold.
l'eber diu gekreutzten Wirkungen de« RUckenraarkx. Zeitschrift flir wl»«. Zoologie 1858.
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Nerren der GefiiuvMidiing.
113
*
der oben» Extremität (Schiff). — Ans den Dorsal- nnd Lnmbal-
nerven die Gefässe der Rumpfhant (?) — Ans denen der plex.
luinbalis und saeralis die GefUsse der unteni Extremität (Pflü-
ger, Schiff). — Ans dem Symp&thicns und zwar dem Hals-
strang fllr die Gefässe : der Hirnhaut (Donders) der Conjunctiva
und Chorioidea bulbi, (Snellen) der Iris (?), der Kopf- und Ge-
sichtshaut (Budge, Bernard, Waller), der Speicheldrüsen
(Bernard). — Aus dem Bruststrang für die Gefässe der obere
Extremität (Schiff) und die Zweige der a. coeliaca. — Aus dem
Lendenstrang für die Darm-, (Pflüger) Nieren-, Leber-, Milz-,
Penisgefilsse (Günther). — Aus dem Kreuzbeinstrang für die
Gelasse der untere Extremitäten.
Die in den spinalen nnd sympathischen Bahnen enthaltenen
Gefässnerven lassen sich durch das Rückenmark hindurch bis*in
das verlängerte Mark hinein, aber nicht darüber hinaus verfolgen
(Nasse, Budge, Brown - Söquard, Schiff, Pflüger, Be-
zold); denn nur eine Durchschneidung des Rückenmarkes trennt sie
von ihren natürlichen Erregern. Schiff giebt an, dass die Gefäss-
nerven der Füsse und Unterschenkel in das Rückenmark eintreten
nnd dort auf derselben Seite bis in das verlängerte Mark lau-
fen; die für den Oberschenkel sollen wahrscheinlich erst in das
Brustmark eingeben; die- Gefässnerven für den Kopf und die
obere Extremität treten in das obere Brest- und das untere Hals-
mark. (Budge). Im verlängerten Mark selbst sollen sie nach
Schiff so liegen, dass die des Kopfs, des Vorderarms und Unter-
schenkels, der Vorder- und liinterfUsse auf der gleichnamigen, die
des Rumpfes, der Schultern des Oberarms und Unterschenkels
aber auf der entgegengesetzten Markhälfte zu finden seien. Be-
zold bestreitet, dass es nöthig sei, eine gekreuzte Lage der zu-
letzt genannten Gefässnerven im Mark anzunchmen.
Als Kennzeichen für die Abhängigkeit eines Gefässbczirks vom betreifenden Ner-
ven diente die mit blossem Auge oder durch das Mikroskop sichtbare Verengung der
Gefässstämrae , oder die Entleerung des aus jenen Stämmen gespeisten Capillarbezirkes
(Erblassen), Beides in Folge einer bestehenden Erregung der zugehörigen Nerven (Budge,
Waller). Abgesehen von den allgemeinen Vorsichtamaassregeln gegen die bei der
Reizung sich einschleichcnden Fehler ist hier nooh für besondere Fälle, namentlich die
Extremitäten zu beachten, dass auch ein zusammengezogener Skelet-Muskel einen grossen
Gefässstamm zusammendrücken und dadurch das Erblassen des von jenem Stamm ab-
hängigen Gefassgaues erzeugen könnte. Man muss sich also zu vergewissern suchen,
dass in solchen Fällen das Erblassen auch noch eintritt, ohne dass eine Zusammen-
ziehung solcher Muskeln ins Spiel kommt (Pflüger). — Als Merkmal der Abhängig-
keit dient ferner, dass einige Zeit nach erfolgter Durchschneidung die feinsten Aeste
Ludwig, Physiologie II. 3. Auflage. 9
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114
Nerven der Gefäaswandung.
des zugehörigen Gefässbauniee sich strotzend füllen (Hausmann), so dass ihre Ge-
biete nach kleinen Verletzungen (Nadelstichen) stark bluten (Tttrck), und diese letz-
tem auch das Blut warm erhalten trotz solcher Einflüsse, die in wie gewöhnlich durch-
strömten Bezirken eine merkliche Abkühlung erzeugen (Bernard). Letzte beiden
Hilfsmittel gewahren bei undurchsichtiger Oberhaut schätzbare Auskunft. — Mit der
Steigerung der Temperatur in den Provinzen , deren Gefässnerven durch den Schnitt
gelähmt sind, geht meist eine Abkühlung der gleichnamigen in der entgegengesetzten
Kürperseite Hand in Hand. — Versorgen gleichzeitig zwei Gefässnerven ein Körperstück,
und sind dessen Gefässe der unmittelbaren Anschauung zugängig, so soll man dadurch
ein Resultat gewinnen, dass die beiden Nerven nicht unmittelbar nacheinander, son-
dern nach einer grossem Zwischenzeit durchschnitten werden ; die GefSsscrweiterung
und ihre Folgen, welche nach der Durchschneidung des ersten Nerven eintreten, ver-
schwinden nämlich unter dem Einfluss des noch vorhandenen und kommen nun ent
wieder nach Durchschneidung des zweiten und zwar verstärkt und dauernd zum Ver-
schwinden (Schiff). — Eine eigenthümliche Verwicklung bietet die Durchschneidung
de* obersten Halsmarkes ; sie ist begleitet von dom Steigen der Temperatur in den End-
theilen der gleichseitigen Gliedmaassen , während die Temperatur des Rumpfs, des
Oberarms und der Oberschenkel auf der verletzten Seite etwas unter die der ent-
gegengesetzten sinkt. Schiff schloss hieraus sogleich, dass alle wärmern Theile ihre
Gefässnerven aus der durchschnittenen Markhälfte empfingen, die kaltem aber aus der
entgegengesetzten. Bezold giebt mit Recht zu bedenken, dass die abgckühltc Haut
über Muskeln sich ausbreitc, welche durch den Markschnitt gelähmt und somit niedri-
ger temperirt sind , so dass sich die Tempcratureraiedrigung der Haut auch ans der
Berührung mit der kühlem Unterlage erklären lasse.
Die Erregungen welche die Gefässnerven im gewöhnlichen
Verlauf des Lebens empfangen, sind ihrem zeitlichen Verlaufe
nach tonische oder vorübergehende. Dafltr dass der Durchmesser
der Gefässe, wie er beim mittleren Stand des Lebens erhalten
wird, in der That von einer danemden Nervenerregung abhifngt,
spricht unwiderleglich die Thatsaehe, dass nach Durchschneidung
eines Gefässnerven die von ihm abhängigen Gefässe sich erweitern,
ohne dass etwas Aehnliches in andern Gefässen mit unverletzten
Nerven vorgeht. Die Veranlassung zur tonischen Erregung geht in
allen uns bekannten Fällen vom centralen Mark und nicht von den in
die Gefässnerven eingestreuten Ganglien aus, da sieh der Erfolg
der Lähmung gleiehblcibt, ob man das verlängerte Mark, oder die
Nerven unmittelbar nach dem Austritt aus letzterem, oder nach
ihrem Durchgang durch die Ganglien durchschneidet. — Die tonische
Erregung der Nerven ftlr die Gefässe der Cutis macht Donders
abhängig von der Temperatur des Bluts; mit der steigenden
Wärme desselben sinkt und mit der abnehmenden steigt die Zu-
sammenziehung der Gefässmuskeln. Aber dieser Erfolg ist kein
nothwendiger; denn im Kältestadium des Wechselfiebers ist die
Blutwärme gestiegen nnd zugleich ein heftiger Krampf in den
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Nerven der Gefasswtndung.
115
Blutgefässen der Haut zugegen. — Die vorübergehende Reizung
oder Mindemng der tonischen Erregung kommt zn Stande ent-
weder a) automatisch; das deutlichste Beispiel liefert hierfür das
Ohr des Kaninchens, in welchem die Gefässe nach einer sehr un-
regelmässigen Zeitfolge sich verengern oder erweitern; diese rhyth-
mische Erregung findet sich am leichtesten ein, wenn die Gefäss-
muskeln in einem mittleren Grad von Zusammenziehung sind, also
nicht am blassen und auch nicht am gepurpurten Ohr (Schiff);
fl) durch leidenschaftliche Erregung, wie Jedermann z. B. die Angst-
blässe bekannt ist; — •/) durch Mitbewegung, d. h., wenn die
Nerven willkührlichcr Muskeln erregt werden, so ziehen sich auch
die Gefässe zusammen, deren Nerven in einem gemeinsamen
Stamme mit denen jener Muskeln laufen. Diese Zusammenziehung 1
geschieht an Orten, an welchen sie nicht durch ein Zusammen-
drückcn von Seiten der Muskeln erklärbar wird, z. B. nach Be-
wegung der Schenkelmuskeln in der Schwimmhaut des Frosches
(Gunning). Siehe hierüber noch: Muskelernährung. — S) Auf
reflektorischem Wege nach Erregung der sensiblen Nerven, welche
in der Nähe eines Gefässbuums enden. So-z. B. die Gefässe im
Ohr des Kaninchens nach vorgängigem Kneifen dieses Organs
(Snellen); es würde vielleicht für den Praktiker von Belang sein,
die reflektorischen Beziehungen der einzelnen Gefässgauen festzu-
stellen.
Die bisher geschilderten Erregungen erzeugen sämmtlich eine
Verengerung der Gefässe wie sie die Zusammcuziehung ihrer ring-
förmigen Muskeln verlangt. Wenn diese Zusammenziehung längere
Zeit hindurch in hohem Grade bestand, so folgt gewöhnlich eine
Ermüdung der Nerven und Muskeln und in Folge dessen eine über
das gewöhnliche Maas hinausgehende Erweiterung der Gefässe.
Im Gegensatz zu dieser nachträglichen beschreibt CL Ber-
nard auch eine ursprüngliche Erweiterung der Gefässe unter dem
Einflüsse der Nervenreizung. Sie ereignet sich, wenn die vom
Kam ling. trigemini zur Uuterkieferspeicheldrüse verlaufenden
Nerven gereizt werden, und äussert sich durch ein rascheres Ans-
strömen von Blut aus den Speichelvencn. Wenn diese Erschei-
nung eine unmittelbare Folge der Nervenreizung ist, so konnte sie
nur durch die Erschlaffung der gewöhnlich tonisch angespann-
ten Muskeln nach Analogie der Vaguswirkung auf das Herz erklärt
werden. Unter diesem Gesichtspunkt kommen viele Gefässerwei-
terungen, wie z. B. die Scbaamrüthe, die Röthung des Pankreas _
8*
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116
GefiUsräum 1 ichkeit.
während seiner Absonderungszeit , die Hautröthungen bei Neural-
gien u. s. w. in ein neues Licht —
Ausser den durch Vermittlung des Hirn- und Rückenmarkes
erzeugten Gefässveränderungen treten viele in Folge örtlicher Ein-
wirkungen auf; die ZurtickfUhrnug derselben auf ihre wahre Ur-
sache ist oft schwierig, weil sich neben der unmittelbaren Bethei-
ligung der Nerven und Muskeln auch noch die Wirkungen des
veränderten Blutstroms einstellen; dieser letztere kann aber durch
Umstände alterirt werden, welche zugleich Nerven- und Muskel-
reize sind, wie z. B. durch Wärme, die den Reiz mindert; durch
Salze, welche die Blutflüssigkeit verdicken (Virchow); durch
Säuren und Alkali, welche die Gefässwand tiidten und das Blut
gerinnen u. s. w. Es ist daher fllr unsere Zwecke nothwendig,
bei örtlicher Anwendung der Reize zuerst den Blntstrom durch Un-
terbindung grösserer Gefässe zu beseitigen, wie dieses von H. We-
ber und Gunning geschehen. Von den auf diesem Gebiete ge-
wonnenen noch spärlichen Erfahrungen heben wir hervor, dass nach
örtlicher Anwendung der Electrizität die Zusammenziehung der
Gefässe öfter peristaltisch weiterschreitet, und nach Entfernung des
Reizes oft noch länger als eine halbe Stunde stehen bleibt
(Wharton, Jones, Gunning). —
Eine ganz eigentümliche zeitweise wiederkehrende Bewegung
bemerkte Gunning in der Schwimmhaut junger Frösche; sie er-
regt dadurch unsre Aufmerksamkeit, dass sic auch in einem Thiere
beobachtet wurde, welchem 14 Tage vorher der plex. ischiadicus
und die sympathischen Zweige durchschnitten waren.
5. Gefässräumlichkeit. So wenig es von Belang sein
würde, den mittleren Gesammtraum, der von den Gefässwänden
umschlossen wird, und die Veränderungen desselben durch den
steigenden Druck des Inhalts oder die Zusammenziehung der
Wand anzugeben, ebenso wichtig dürften die Fragen sein: wie
verhält sich der Inhalt der einzelnen Gcfässarten zu einander, der
Arterien zu den Capillaren, zu den Venen; oder wie stellt sich
zueinander die Räumlichkeit der einzelnen Abtheilungen des Gc-
fässsystems, z. B. der Lungen- zu den Körpergefässen, zu den
Dann-, den Nieren-, Leber-, Hirn- u. s. w. Gefässen; in welchem
Verbältniss variirt die Räumlichkeit der einzelnen Gefässarten und
Abtheilungen mit dem veränderlichen Drucke der einströmenden
Flüssigkeit u. s. w.
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Lumen Veränderung mit der GefoMvertheilung.
117
Die hier berührten Fragen sind wiederholt aufgeworfen, zum Theil ist sogar ihre
Lösung versucht, aber mit nicht hinreichenden Hilfsmitteln. Namentlich hat man
öfter die Gefässe mit erstarrenden Massen ausgespritzt und aus der Menge und dem
spezifischen Gewicht des hierzu verbrauchten Materials das erfüllt« Volum berechnet.
Diese Versuche, die man meist zu andern Zwecken angostellt hat, würden für den
vorliegenden brauchbar sein , wenn man darauf bedacht gewesen wäre , entweder das
ganze , oder nur eine bestimmte Abtheilung des Gefässsystems vollkommen zu füllen
und wenn man den Druck, unter dem die Füllung geschehen wäre, gemessen hätte *). —
Dem Augenschein nach ist im Körperkreislauf ganz unzwei-
felhaft das Gesammtlumen der venösen Gefässe dem der Arterien
ausserordentlich überlegen, da die Länge der den beiden Abtheilun-
gen zukommenden Gefässe mindestens gleich, die Stämme und
Aeste im Venenbereieh aber zahlreicher vorhanden und zugleich
von grösserem Durchmesser sind; da die Venen, mit den Arterien
verglichen, dünnwandiger sind, und da ein sehr beträchtlicher
Theil derselben in der Haut, d. b. in ein sehr nachgiebiges Ge-
webe eingebettet ist, so werden hydrostatische Drücke von glei-
chem Werth die Venen weiter ansdehnen, als die Arterien. — Im
Lungenkreislauf sind dem Augenschein nach die Unterschiede zwi-
schen dem Venen- nnd Arterieninhalt nicht so beträchtlich; nach
den Messungen von Abegg soll hier sogar die venöse Abtheilung
weniger räumlich, als die arterielle sein.
Wie sich die Räumlichkeiten der Capillaren verhalten mögen,
liegt ganz im Unklaren. Jedenfalls muss die Veränderlichkeit der-
selben in der innigsten Beziehung stehen zn der Nachgiebigkeit
des Gewebes, in dem sie verlaufen, da sie sich an das Lager eng
anschliessen, in das sie eingebettet sind.
Veränderung des Lumens mit der Vertheilung der
Gefässe. Eine dem Hydrauliker nützliche Beschreibung der Ge-
fässlumina fehlt noch gänzlich; es lassen sich nur wenige wichti-
gere Bemerkungen ans den bis dahin gelieferten Beschreibungen
ziehen, a. Die mittlere Länge eines Gefässes ist im Allgemeinen
nm so geringer, je kleiner sein mittlerer Durchmesser ist. — Aus
diesem Gesetz folgt, dass die Capillaren nach beiden Seiten hin
in kurze Stammelten zusammenlaufen, welche möglichst rasch zu
immer weitern und langem sich vereinigen ; die relative Länge der
einzelnen Stücke ist noch nicht gemessen worden. — Bei der
Verästelung der Arterien gilt die Regel, dass jeder Zweig, der aus
•) Literatur siehe bei Valentin, Lehrbuch. L Bd. 2. Aull. p. 494 u. 495. und Abbcg in
Valentina Jahresbericht Uber Physiologie für 181«. j». 120.
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118
Lumenverändorung mit der Gcfässvertheilung.
einem Stamme hervortritt, einen geringeren Durchmesser besitzt,
als dieser. Zählt man dagegen die Querschnitte sämmtlicher Aeste
zusammen, welche von einem Stamme abgehen, so ist die hieraus
hervorgehende Summe grösser, als der Querschnitt des Stammes
vor der Verästelung. Von dieser Regel sollen nach Paget, Don-
ders und Jansen*) nur eine Ausnahme machen: das Aortaende
und die iliacae, indem von dem erstem zu den iliacis, und von den
iliac. common, zur externa und interna das Lumen enger werden
soll. Die Zahlen der folgenden Tabelle, welche das Verhältniss
der Querschnitte ausdrücken, verdeutlichen dieses.
Bogen der Aorta zu den Aesten = 1 : 1,055
Carotis communis „ „ ,,
Subclavia „
Iliaca comraun. „
Innominata „
Carotis extern. „
Aorta abdominalis)
über den Iliacae) ”
Iliaca extern. „
1 : 1,013
1 : 1,055
1 : 0,982
1 : 1,147
1 : 1,190
1 : 0,893
» » n — 1 : 1>150
Das erwähnte verhalten des Strombettes an der Gabel der
Bauchaorta fand auch Folmer**) ausnahmslos bestätigt; er be-
streitet dagegen, dass bei allen andern Theilungen ebenso aus-
nahmslos die Erweiterung gelte; so fand er
das Flussbett der auonyraa in 9 Fallen durch Theilung nur 8 mal rorgrössert
„ „ carotis comm. in 14 „ „ „ „4 „ „
„ „ iliaca comm. in 18 „ „ „ „ 3 „ „
„ „ cruralis in 12 „ „ „ „10 „ „
„ „ coeliaca u. renalis in allen untersuchten Fällen vergrößert.
Der Gesammtquerschnitt der Capillaren übertrifft höchst wahr-
scheinlich den des Arteriensystems im Beginn um ein sehr Be-
trächtliches. In den verschiedenen Körperthcilcn stellt sich aber
offenbar das Verhältniss der Querschnitte zwischen den znführen-
den Arterien und den aus ihnen hervorgehenden Capillaren
sehr verschieden. Innerhalb des Capillarsysteins selbst, d. h. so
lange jedes einzelne Gefäss seinen mittleren Durchmesser nicht
verändert, finden sieh, wie später im Einzelnen dargethan werden
soll, offenbar ebenfalls Schwankungen im Gesammtquerschnitt.
Bei der Sammlung der vielen Einzelquerschnitte in die wenigen
•) Donders u. Bauduin, Haodlelding tot de natnurkundo. II. a. p. VI. —
**) Valentina Jahresbericht für 1850. etc.
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Lumen Veränderung mit der Gefüsvertheüung.
119
der grössere Venen sollen sich die Verhältnisse gestalten wie in
den Arterien, d. h. es sollen in der Richtung nach den grössere
Venenstämmen hin die Gesammtqaerschnitte in einer Abnahme be-
griffen sein.
Den Gefäsaquerschnitt findet man am todten oder mindesten» am blossgelegten
Ge fass entweder aus dem Umfang des aufgeschnittenen oder aus dem Durchmesser des
geschlossenen durch Blut ausgedehnten oder mit einer Pinzette plattgedrückten Gefässes.
Im letztem Fall zieht man von der Bruttozahl die doppelte Wanddicke ab. Zur
Ermittlung der letztem bedient sich Vierordt einiger besonderer HÜlfemittel. —
Jedenfalls würden solche Messungen der Wissenschaft noch nützlicher sein, wenn sie
statt eines die verschiedenen Werthe des Durchmessers angäben, weichen das Gefäas
bei wechselndem Druck und bei gleichem Erregungszustand der Muskeln oder bei
gleichem und wechselndem Zusammenziehungsbestreben der letztem annimmt. — Den
Durchmesser der lebenden und zugleich bedeckten Gefässe sucht Vierordt*) durch
Rechnung und Messung auf. — Im erstem Fall setzt er auf eine Schlagader, die
über einen .Knochen hingeht, ein leichtes Plättchen mit einem senkrecht gehaltenen Stab
auf, und bestimmt, um wieriel sich das obere Ende des letzteren senkt, wenn nun du
Plättchen soweit belastet wird, dass sich die innera Gcfässwandungen berühren.
Obwohl dieses Verfahren vom Erfinder selbst nur als Schätzung bezeichnet wird, ist
es doch unzweifelhaft namentlich als Fingerzeig von Werth. — Die zweite Methode
zieht den Satz zu Hilfe, dass sich innerhalb eines Röhrensvstems von veränderlicher
Weite an den verschiedenen Abschnitten desselben die Geschwindigkeiten eines sie
durchkreisenden Stromes umgekehrt verhalten müssen, wie die Querschnitte. Würde
also die mittlere Geschwindigkeit in der Aorta oder einem beliebigen Arterienstamm
bekannt sein, und ferner der Durchmesser, der ihr während der beobachteten Strom*
geschwindigkeit zukommt, und zugleich die Geschwindigkeit eines Stroms, welcher 2u
derselben Zeit in allen Aesten der Aorta oder des beliebigen Stammes vorkäme, so
könnte man daraus die Gesammtquerschnitte dieser Acste berechnen. Alle diese Vor*
kenntnisse, so weit sie vorhanden, sind aber mit so grossen Fehlem behaftet, dass
faktisch die Methode nicht anwendbar ist.
y. Die kleinern Abtheilungen des thierischen Körpers (Organe
und GliedstUcke) erhalten aus verschiedenen Stämmen oder Aesten
der Arterien gleichzeitig Gefässe; diese Gefässe verbinden sich
nun entweder (wie im Hirn, der Hand, den Mesenterien), bevor
sie zur Capillarvertheilnng schreiten, so dass aus den grossen Ver-
bindungsbogen erst die Arterien der letztere Ordnungen ausgehen,
oder es verästeln sich die einzelnen Arterien isolirt bis zu den
letzten Zweigen, die dann erst unmittelbar vor oder innerhalb des
Capillarsystems sich verbinden. In der ausgedehntesten Weise
bilden sich dagegen Capillar- und Venennetze. — Ö. Da der Blutr
ström nur von einem Ort ausgeht und wieder zu ihm zurtick-
kehrt, da die Aeste auf ihrem Wege noch anastomosiren , so mUs-
•) Die Erscheinungen u. Gesetze der Strcmgcachwinfllgkclt. Frank f. 1WS. M. u. 1. c. p.66. u.f.
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120
Von dem Verhalten des Blutes in den Gefäseen.
sen in dem Gefässsystem unzählige Bogen und Winkel liegen,
deren Werthe veränderlich werden mit den Körperstellungen und
den Spannungen innerhalb des GefUsssystems. Man muss sich
darüber verständigen, dass diese Bogen und Winkel und deren
Variationen unter den bezeichneten Verhältnissen mit wenigen Aus-
nahmen nicht messbar sind, dass aber die Bestimmung dieser we-
nigen zu keinen für die physiologische Hydraulik wichtigen Auf-
schlüssen führen kann. —
Von dem Verhalten des Blutes in den Gefässen.
1. Spannung des ruhenden Blutes in den Gefässen.
— Wenn alle Bewegungsursachen des für gewöhnlich bestehenden
Blntstroms ausser Wirksamkeit gesetzt sind, so muss nach Verfluss
einer gewissen Zeit unzweifelhaft im Gefässsystem ein Zustand der
Ruhe eintreten, der sich dadurch markirt, dass die Spannung des
Blutes, insofern sie nicht von der Schwere abhängig ist, überall
die gleiche ist. Es fragt sich nun, ob nach dem Eintritt dieser
Ruhe sich das Blut an jedem beliebigen Ort in der Spannung be-
finde, welche ihm vermöge der Schwere, resp. der auf ihm lasten-
den ßlutsäule, zukommt, oder ob diese Spannung eine höhere oder
niedrigere sei. — Diese wichtige Frage, welche E. H. Weber
angeregt hat, kann einer bestimmten Erledigung am lebenden Thier
entgegen gehen, wenn man im Stande ist, die Spannung des Bluts
zu messen, während man die Bewegung des Brustkastens, des
Herzens und der Gliedmassen zum Stillstand gebracht hat. An-
nähernd gelingt dieses wenn man die unteren Enden der durch-
schnittenen nervi vagi mittelst elektrischer Schläge erregt, während
die Thiere durch Opium oder Chloroform in den Schlaf versetzt
worden sind. —
Die Ausführung dieses Versuchs lässt erkennen, dass das
Blut auch in der Ruhe noch einer Spannung unterworfen ist,
welche aber nach den Ergebnissen der Beobachtung und der
Ueberlegung keineswegs für ein und dasselbe Thier von gleichem
Werthe ist (Brunner)*). — Der Grund dieser Spannung ist
nemlieh nur darin zu suchen, dass der Cnbikinhalt des inneren
Gefässraumes, vorausgesetzt, dass seine Wandungen in elastischem
Gleichgewicht sind, kleiner ist als das in Wirklichkeit in ihnen
enthaltene Blutvolum , so dass dieses letztere nur nach einer
vorausgegangenen Ausdehnung der Gefässwand im Gefüssraum
•) L'cbcr die mittlere Spannung im GcfiUaayatem. Zürich IBM.
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Spannung des ruhenden Blutes.
121
Platz linden kann. Unter dieser Voraussetzung ist die Grösse
der Spannung in den Gcfilssen abhängig a) von dem Verhältnis
des Gefässraums und des Blutvolumens, und insbesondere muss
bei ein und demselben Thier die Spannung mit seiner Blutmenge
abnehmen. *Dic Beobachtung ergab folgende Spannungen des
Bluts in der Carotis von Hunden, deren Vagi erregt wurden, wäh-
rend sie mit Opium narkotisirt waren:
Spannungen des Bluts
Thier. in MM., Quocks. Bemerkungen.
1. Ilund, klein . .
2. Hund von mitt-
lerer Grösse
10,4
19.0
8,5
(15,2
22.0
( 12,5
Unveränderte Blutmenge.
Nach Injektion von 280 Gr. Blut.
Nach Entziehung von 256 Gr. Blut.
Unveränderte Blutmenge.
Nach Injektion von 487 Gr. Blut.
Nach Entziehung von 609 Gr. Blut.
Die Blutmenge, die das Gefässsystem aber beherbergt, muss in
der Zeit veränderlich sein, weil zu dem vorhandenen Blute mittelst
der Ernährung stets neue Massen zugeflthrt und aus ihm auf dem
Wege der Absonderung andere entfernt t^prden. Je nach dem
Uebergewicht des einen oder andern Hergangs wird also auch die
Blutmenge zu- oder abnehmen. — b. Die Spannung in der Ruhe ist
bei gleicher Anordnung der Gefässröhren von der Ausdehnbarkeit
der Röhrenwand abhängig, indem sich nach dieser die ftir die
verlangte Ausdehnung nöthigen Drücke bestimmen. Weil nun die
Gefässwandung im engem und weitem Wortsinn wegen ihres Ge-
haltes an Muskeln die verschiedenartigste Dehnbarkeit darbietet,
je nachdem diese letzteren zusammengezogen oder erschlafft sind,
und je nachdem wir den Gliedmassen diese oder ^enc Stellung ge-
geben haben, so kann die Spannung des Bluts bei unveränderter
Menge derselben sich nicht unverändert erhalten. Die Aufgabe des
Versuchs mit Rücksicht auf diese Fakten stellt sich also dahin, die
Spannuug zu bestimmen, einmal während die Gefässhöhlen durch
Mnskelwirknng, soweit als dieses überhaupt möglich, beengt und
zugleich die Wandungen möglichst widerstandsfähig sind, und das
anderemal während gerade das Gegentheil beider Umstände vor-
handen ist, weil mit diesen Angaben die Grenzen der möglichen
Spannnng gegeben wären. Die Bedingungen für diesen Versuch
sind aber nicht mit genügender Schärfe zu, erhalten und zudem
würde sein Ergebniss doch nur individuelle Giltigkeit haben. —
Aus diesen und ähnlichen Gründen müssen wir es ableiten, wenn
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122
Spannung des ruhenden Blutes.
hei ein und demselben Thier, während seine Blutmasse ungeän-
dert bleibt, der Werth der Spannung wechselt, je nachdem es nur
mit Opium, welches die Nerven nicht lähmt, oder mit Chloroform
in den Sehlaf gebracht, oder, durch letzteres Mittel getödtet, dem
Versuch unterworfen würde.
Spannung; in MM. Quecks.
Thier.
Carotis.
Bemerkungen.
27,5
Mit Opium eingeschläfert.
Hund . . .
. 21,8
Chloroforminhalation.
2,8
Im Augenblick des Todes.
Wir müssen wegen der Einzelheiten des Verfahrens auf die Brunn er’ sehe Ar-
beit verweisen. Hier soll nur der allgemeinen Wichtigkeit wegen die Bestimmung
Fig. 35. des Blutdrucks über-
in
haupt angegeben wer-
den. — Haies, wel-
cher den Blutdruck zu-
erst bestimmte, bediente
sich des Verfahrens,
welches die Hydrauli-
ker bei Wassern tromen
gewöhnlich anwenden ,
einer einfachen, geraden
Glasröhre. Diese etwas
gröbliche Methode wurde
von Poiseuille zu-
erst dahin verbessert,
dass er die in das Ge-
fäa* finge fügte Glas-
röhre (ab c Fig. 35.),
deren Schenkel ab und
b e gleichen Durchmes-
ser belassen , heberfor-
mig bog. In dio Schen-
kel füllte er, etwa so-
weit der schwarzbe-
zeichnete Inhalt des
Rohres geht, Quecksil-
ber, und auf dieses in
dem kürzem , dessen
Ende mit einem Mes-
siughahn Versehen ist,
kohlcnsaures Natron. —
Darauf fügt er die
Dille rf, während der
Hahn geschlossen ist,
das Blutgofass, in dem er die Spannung messen will, stellt das Rohr senkrecht
Sichtung eines dauernden Blutstroms.
123
und öffnet nun den Hahn, so dass das Lumen des Qcfässea und des gebogenen Rohres
coramuniziren. ln diosem Moment suchen sich auch die Spannungen der Flüssigkei-
ten in beiden Röhrensystemen in das Gleichgewicht xu setzen , so dass, wenn die
Spannung des Blutes höher als die des Rührcninhaltcs ist, Blut aus dem Ge fass in
das gebogene Messrohr eindringt, und das Quecksilber aus dem kurzen in den langen
Schenkel eintreibt. Man erhält dann, mit Hilfe einiger Corrckturon, aus dem Niveau-
unterschied des Quecksilbers in beiden Schenkeln den Druck, den das Blut ausilbt.
Da nun aber der Blutdruck im Verlaufe der Zeit oft so beträchtliche Veränderungen
erfahrt, dass das Auge der auf- und absteigenden Quecksilbersäule nicht xu folgen
vermag, so verband C. Ludwig mit den Messröhren ein Schreibzeug, vermöge
dessen die in der Zeit veränderlichen Quecksilberdrücke sich selbst aufzeichneten.
Diese Einrichtung beruht auf einem Prinzip, welches der berühmte Mechaniker Watt
zuerst in Anwendung gebracht haben soll. Man setzt nämlich auf den Spiegel des im
Schenkel br vorhandenen Quecksilbers einen schwimmenden Stab tf auf, dessen freies
Ende an einem Querholz einen Pinsel g tragt, der sich sanft gegen einen Cylinder hh
anlcgt; dieser wird mittelst des Uhrwerkes tt in gleichmässiger und bekannter Ge-
schwindigkeit herumgedreht. Da der mit Papier überzogene Cylinder während deB
Umgangs fortlaufend andere Orte mit dem Pinsel in Berührung bringt, so schreibt
dieser seine etwaigen auf- und absteigenden Bewegungen in Form einer Curve auf.
Das Genauere dieses Verfahrens, das in seinen Einzelheiten zahlreicher Modificationen
fähig ist, siehe bei Volk mann*), der einige wesentliche Verbesserungen in der
ersten Angabe angebracht hat. Inwiefern der Apparat zur Messung rasch veränderlicher
Spannungen dient, sieho bei den absoluten Werthen der veränderlichen Spannungen des
Blutstroms. —
Bei der besonderen Anwendung für die Spannung der Ruhe muss man annehraen,
dass das Gleichgewicht im Gefässsystemc hergestellt ist, wenn entweder der Pinsel
längere Zeit hindurch eine horizontale Linie auf das Papier des Cylinder» anschreibt,
oder, was wegen der langsamen Ausgleichung niederer Drücke durch die Capillaren
hindurch sicherer ist, wenn der Druck in einer Vene und Arterie, die beide dom
Herzen möglichst nahe liegen (carotis und vena jugularis), derselbe geworden ist.
2. Von der Richtung, welche ein dauernder Strom
im Gefässsystem nehmen muss. Das Gleichgewicht der
Spannung, von dem soeben die Rede war, besteht im Blute des
Lebenden niemals, da fortlaufend Umstände auf dasselbe einwir-
ken, welche seine Spannung an verschiedenen Orten ungleich
machen. Diese Ungleichheiten, wie und wo sie auch entstanden
sein mögen, können zur Ausgleichung gelangen durch einen Strom
von nur einer Richtung, eine Richtung, die demgemäss ein jeder
in dem Gefässsystem erregte Strom einschlägt. Diese Erschei-
nung ist begründet in der Anwesenheit von Klappen, welche
sämmtlich so gestellt sind, dass sie durch den Stoss nach der
einen Richtung geöffnet und durch den entgegengesetzten zuge-
schlagen werden. Diese Richtung geht nun, wenn wir von der
•) Hacmodynamlk. p. 148.
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124
Störungen des Gleichgewichts der Spannung.
linken Herzkammer a (Fig. 36.) beginnen, durch die grosse Rlnt-
balin, d. h. die Capillaren und Venen des Körpers, zu dem rech-
ten Vorbof b und tritt dann in die kleine Blutbahn über, indem
sie in die rechte Kammer c und von dort durch Arterien, Capil-
laren, Venen der Lungen zurück in
den linken Vorhof d kommt. — In-
dem man das beistehende Schema
betrachtet, in welchem der Einfach-
heit wegen die Venenklappen weg-
geblieben und nur die gleichgerich-
ten Ventile der Herzmündung aßyfi
dargestellt sind, sicht man, dass sich
diese letztem sämmtlich nach der
Richtung des Pfeils öffnen. Würde
also durch irgend welchen Umstand
ein Strom in der entgegengesetzten
Richtung eingeleitet, so würde sich
dieser nur bis zur nächsteu Klappe
erstrecken können, da durch diese Strömung jene geschlossen
würde. Der Strom würde dann von dieser Klappe reflektirt wer-
den und in umgekehrter Richtung, durch nichts gehindert, weiter
schreiten, so lange noch eine Strömungsursache vorläge.
Gewöhnliche Veranlassungen zur Störung des
Gleichgewichts der Spannung. — Zu den wichtigeren zählt
man die Bewegungen des Herzens, der Brust- und Bauchwandun-
gen, zu den untergeordneteren die Bewegungen der Gliedmaassen
und der Gefässwandungen, die Schwere des Bluts, den Lymph-
strom aus dem ductus thoracicns und die Absonderung in den
Drüsen.
3. Herzbewegung. Indem wir die Bedeutung des Herzens
fttr den Blutstrom erläutern, gehen wir von den Voraussetzungen
des lebenden Zustandes aus. Dieser verlangt aber, dass ein ste-
tiger Strom von Seiten der Venen gegen die Vorhöfe gehe und
dass die Aorta stets mit Blut gefüllt sei.
a. Vorkammern. Die Erscheinungen, welche sich während
des Blutkreislaufs innerhalb der Vorhöfe ereignen, sind für beide
nur bis zu einem gewissen Punkte dieselben. — Nachdem sie
während ihrer Diastole durch den Venenstrom strotzend mit Blnt
gefüllt sind, ziehen sie sich in 'der früher beschriebenen Weise zu-
sammen und treiben damit ihren Inhalt sowohl gegen die venöseu
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Storungen des Gleichgewicht« der Spannung.
125
wie gegen die ventrikulären Mttndnngen. Dieser Staus erzielt an
beiden Orten verschiedene Effekte. — In den ventisen Mündungen
trifft unser neuer Strom, der vom Vorhof gegen die Venen dringt,
anf den ahen entgegengesetzt verlaufenden, und es wird darum
jedenfalls die Flüssigkeit am äussersten Ende der Venen in eine
gesteigerte Spannung gerathen. Zu gleicher Zeit wird auch ihre
Strömung verändert und zwar jedenfalls in der Geschwindigkeit,
vielleicht auch in der Richtung. Denn es wird, selbst wenn der
Vorhofsstoss unbedeutend ist, jedenfalls die Geschwindigkeit des
alten Venenstroms vermindert; sind dagegen die Kräfte des Vor-
hofs bedeutend, so wird das Blut in die Venen zurUekgcschleudert
und es kehrt sich also die alte Stromrichtung um. Erfahrungs-
gemäss dürfte häufiger das letztere als das erstere eintreten, und
es würde sich für gewöhnlich der Rückstrom des Bluts bedeutend
geltend machen, wenn sein Querschnitt an der Venen-Vorhofsgrenze
nicht beschränkt würde. Dieses besorgen aber die muskulösen
Ringe der Venen, welche, indem sie sich mit den Vorhofsmuskeln
gleichzeitig zusammenziehen, die Mündungen jener verengen. Die
Wirkung dieser Verengerung, also die Hemmung des Rückstroms,
wird an dem rechten Herzen durch die Klappen unterstützt,
welche entweder, wie in der vena cava superior, etwas entfernt
vom Herzen in dem Venenlumen liegen, oder, wie an der vena
cava inferior und coronaria cordis, unmittelbar im Herzen sitzen.
Diese letzteren beiden Klappen sind namentlich darauf berechnet,
die Mündungen der erwähnten Venen zu schliessen, wenn die-
selben schon um einen gewissen Antheil ihrer Weite verengt
sind, und ausserdem sind sie mit kleinen Haftfäden versehen (ge-
wöhnlich beschreibt inan sie als durchlöchert), welche es verhüten,
dass der Vorhofstoss die Falten in die Venenöffnung hereintreibt.
— Wir schreiten zur Betrachtung der Vorgänge, welche die Vor-
hofszusammenziehung gegen die Ventrikulamiündungen veranlasst.
Die Kammern sind, wenn die Zusammenziehung des Vorhofs be-
ginnt, ebenfalls schon mit Blut angetllllt, und zwar mnss das Blut
aus naheliegenden Gründen in den Vorhöfen und Herzkammern
dieselbe oder wenigstens annähernd dieselbe Spannung besitzen.
Wenn nun plötzlich das Blut in den Vorhöfen eine höhere Pres-
sung erleidet, so wird ein Strom von diesem gegen die Herzkam-
mer geschehen, der eine merkliche Dauer haben wird, weil die
Kaminerwandungen ausdehnbar sind. Er kann also so lange an
halten, bis die elastische Spannung, welche diese Wandungen
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Zusammenziehung der Vorhofe.
120
vermöge ihrer Ausdehnung Annahmen, gleich dem Druck ist, den
die Muskeln des Vorhofs dem Blute mittheilen. Da aber die
Ausdehnbarkeit mit der Dicke der Wandung abninnnt und umge-
kehrt mit dem Querschnitt des Muskels die von seiner Zusammen-
ziehung ausgehende mechanische Leistung wächst, so ist es von Be-
deutung , dass der linke Vorhof, der den dickwandigem linken
Ventrikel auszndehnen hat, auch stärkere Mnskelmasscn besitzt,
als der rechte Vorhof, der auf die dünnwandige rechte Kammer
wirkt. — Die Zusammenziehung der Vorhöfe wird nun, entspre-
chend allen uns bekannten Muskelwirkungen, nicht während der
ganzen Dauer ihres Bestehens mit einer gleichen Kraft geschehen;
sie wird im Gcgentheil allmählig gegen ein Maximum anwachsen
und ebenso allmählig von diesem Maximum absinken; demgemäss
wird sie ihrem Inhalt eine allmählig steigende und dann auch
wieder abnehmende Spannung mitthcilen, und somit wird zuerst
das Blut in den Ventrikel einströmen, dann wird, wenn die Vor-
hofskontraktion nachlässt, die elastische Spannung des Ventrikels
das Blut wieder gegen den Vorhof zurUcktrciben, wobei sich aber
die Zipfelklappen der Ventrikelmtindungen sehliessen werden
(A. Baumgarten)*). Hierbei wird also ein geringer Theil des
Blutes, der aus dem Vorhofe in die Herzkammer getrieben wurde,
wieder in sie zurückgehen. Die Bedeutung, welche den Vorhöfen
gegenüber den Herzkammern zukommt, wird also eine zweifache
sein. Sie machen nemlich einmal den Füllungsgrad dieser letz-
tem unabhängig von der bald grossem oder geringem Geschwin-
digkeit und Spannung, welche dem Strom znkommt, der von den
Venen in das Herz hinein geschieht, so dass von diesem Ge-
sichtspunkte aus mit E. H. Weber die Vorhöfe als Regulatoren
der Kammerfüllung angesehen werden dürfen. Zum andern aber
besorgen sie den Klappenschluss an der Venenseite der Ventrikel,
so dass sogleich mit dem Beginn der Ventrikularzusammenzichung
sein Inhalt auch eine Pressung von Seiten dieser Mündung er-
fahren kann.
Wenn nun die Zusammenziehung der Vorhöfe ganz nachlässt,
so wird sich wegen der Entleerung eines Theils von ihrem Inhalt
auch ihre elastische Spannung erniedrigt haben, so dass dann die
in den N euen gespannte Flüssigkeit mit Leichtigkeit in den Vor-
hot einströmt. Diese plötzliche Entleerung wird aber eine Beu-
") ('omnicntfltio de mechanUmo, quo ralvulae venosno etc. Marburg! 1849.
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Zuaammenaiehung der Herzkammern.
127
gungswellc in den Venen erzeugen, die sich von dem Herzen ge-
gen die Peripherie fortpflanzt Diese Beugungswelle soll später
behandelt werden.
b. Herzkammern. Die Betrachtung der Ventrikel beginnen
wir mit der Zeit, in welcher ihre Höhle noch auf dem Maas der
Ausdehnung beharrt, die sie durch die eben beendigte Zusammen-
ziehnng der Vorhöfe erhalten ; dann decken auch gerade die venö-
sen Klappen ihre zugehörigen Mttndungen der Art, dass die win-
kelförmig gebogenen Sehnen, welche ans den Papillarmuskeln in
die Klappensegel treten, ausgespannt sind, ln diesem Augenblick
sind während des Lebens auch die halbmondförmigen Klappen
geschlossen, da von der Arterienseite her noch ein stärkerer
Druck auf ihnen lastet, als von der nerzscite. So wie dieser Zu-
, stand eingetreten ist, beginnt aber sogleich auch die Zusammen-
ziehung der Kammermuskeln, welche dem Inhalt von überall her,
mit Ausnahme der arteriellen Mündung, einen erhöhten Druck mit-
theilt. Diese Pressung schlendert den Inhalt in die Arterie nach
Oeffnung der halbmondförmigen Klappen und drückt sie zugleich
gegen die Wand der Sinus Valsalvae, wodurch in der Kegel die
Mündungen der aus den Sinus entspringenden Art. coronariae
geschlossen werden. Dieser letztere Umstand gewährt den mecha-
nischen Vortheil, dass die Muskelfasern während ihrer Bewegung
gegen die Höhle hin nicht zugleich durch die vom Blutdruck aus-
gespannten Hcrzcapillaren nach entgegengesetzter Richtung hin ge-
zerrt werden. — Ob sich bei seiner Systole der Ventrikel ganz entleert,
wird abhängig sein einerseits von dem Umfang oder der Kraft seiner
Zusammenzichung und andrerseits von dem Widerstand, den das Blut
in der Arterienmündung findet. Wenn dann die Zusammenziehung
nachlässt, so werden, weil in den Arterien jetzt die Spannung des Bluts
grösser, als in den Ventrikelhöhlen ist, die Semilunarklappen sich
vor die ostia arteriosa der Vorkammer legen, so dass aus den
Arterien kein Rückfluss in den Ventrikel geschieht. Hiermit wer-
den aber die Mündungen der Coronararterien sich öffnen, und sich
nun ein Strom durch sie bis in die Capillarcn ergiessen. Von
Seiten der Vorhöfe wird dagegen mit dem Eintritt der Er-
schlaffung des Ventrikels ein Strom in dieselben gelangen; denn
einmal haben sich die Zipfelklappen, nachdem das ansspannendc,
von den Ventrikeln gegen die Vorhöfe drängende Blut entfernt ist,
geöffnet, und dann hat sich das Blut in den Vorhöfen während
der Ventrikularkontraktion angesammelt, so dass jene nun im
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128
Zusammenstellung der Herzkammern,
Maximum ihrer Füllung sieh befinden. Die ausgedehnten Vorhßfe
treiben somit das Blut in den schlaffen, widerstandslosen Ventrikel,
dessen Erweiterung noch begünstigt wird durch die gerade jetzt
stattfindende Ausdehnung der Blutcapillaren (Marshall Hall,
Brücke)*).
Die Annahme , dass sich die Klappen wahrend der Kammenystole in den Sinns
Valsalvac bis zum Verschluss der Kranzarterie oinlegen, hat man aus mehre rn Grün-
den bestritten. Zuerst sollte der Ursprung der art. coronariae aus dem Sinus nicht
tief genug erfolgen, um noch von den Klappen gedeckt werden zu können. Nun er-
giebt sich aber, dass nur bei vier bis fünf pC. aller bisher untersuchten Aorten jene
Gefässe über den 8inus Valsalvac entspringen , eine Beobachtung, die gerade zeigt,
dass in der überwiegenden Mehrzahl der Falle, die Klappe hoch genug hinaufreicht. —
Aber selbst, wenn die Arterie den gewöhnlichen tiefen Ursprung nehmen, kann die
Klappe am todtenstarren Herzen nicht bis Uber die Mündung der Kranzarterie bin-
aufgezogen werden ; hierauf dient zur Antwort, dass dieses nur bei den Klappen nicht
gelingt, wo der Grund ganz oder halb an das Herztleisch angewachsen ist, während
mit den freien dieses leicht auszttführen ist. Solcher angewachsener Klappen haben nur
einzelne Säugcthiere, wie x. B. das Schwein nur eine, andere wie der Hund zwei.
Hier ist nun leicht cinzusehen, dass das weiche lebende Fleisch der Klappen eine
Beweglichkeit erlaubt, die das todtenstarre unmöglich macht, so dass, eine Nachgiebig-
keit des Fleischgrundes vorausgesetzt, auch hier die Deckung möglich wird. — Auch
sollte die Klappenfläche nicht genügen, um sich dem durch den systolischon Blutdruck
ausgedehnten Sinus überall anzupassen, und namentlich sollte der freie Klappenrand
noch Art einer Chorda durch den ausgedehnten Sinus horgesogen sein (Hyrtl, KÜ-
dinger). Die Entscheidung hierfür kann nur durch eine Messung des Längen Ver-
hältnisses zwischen den freion Bändern und dem Sinusumfange gegeben werden während
einer Stellung, wie sie durch eine hoho
Spannung verlangt wird. Zu dem
Zwecke füllte Brücke in menschliche
Aorten flüssigen Gyps unter Drücken
von 0,1$ bis 3,17 M. und zwar so,
dass sich die Taschen entfalten muss-
ten. Nachdem der Gyps erhärtet war,
lössto er „ die Arterienhaut vorsichtig
ab , und schnitt am Bulbus der Aorta
eine dreiseitige Pyramide an, deren
Kanten gebildet wurden durch die Be-
rührungulinio je zweier Klappen, de-
ren Flächen bestimmt waren durch die
Ebenen, in welcher die freien Ränder je
einer Klappe lagen , und deren Spitze
endlich am Vercinigungspunkt der drei
Klappen lag; die Fig. 37 giebt eine Anleitung zur Führung der Schnitte. —
■) E. Br ii c k e; Versohl um der KrsnMchlsgailcm Horch H. Aortenklappen. Wien 1855; J. Hyrtl üb.
d. Selbststeuerung d. Herzens. Wien 1W«G. — Witt ich; Ponneri Allg. ümmI. Centmlifg. lfö". 5. Sich .
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Verschluss der Kranzarterien durch die Setnilunar-Klappen. 129
ln Fi;. 38 (welche die Pyramide von der Spitze gesehen dantelU) muss also
a c -f c h grösser oder so gross wie a b sein , wenn der freie Klappenrand die Sinus-
bucht aasfüllen soll. Diese Länge wird jener Rand aber nur dann erreichen , wenn
die Spitze c über der Ebene des Sinusringos a b her-
vorsteht, und «war natürlich um so eher, je weiter sie
hinausfallt; in dom Maasse, in dem dieses geschieht,
wird aber auch der Winkel acb kleiner werden. Nach-
dem Brücke durch Rechnung gefunden, dass der Winkel
acb nicht Über 111 — 112° steigen dürfe, wenn a e -f-
c b gleich lang mit a b bleiben soll, fand er, dass in der
unter so verschiedenem Druck gefüllten Aorta der
Winkel sieh zwischen 92 — 100° bewegte und diesen
Werth niemals überschritt Hierbei stellte sich auch
noch heraus, dass der Winkel keineswegs in den bo-
zeirhneten Grenzen mit dem Füllungsdruck wuchs, sondern dass er öfter kleiner
war bei geringerem als boi grösserem Druck. Somit genügt auch die Ausdehnung der
Klappen von rechts nach links, um den Sinus auszuklcidcn. — >
Diese aus dem Bau hergenommenen Beweise für die Möglichkeit des K lappen -
Schlüsse« hat Wittich durch einen einfachen Versuch vervollständigt, in welchem der
Strom des Blutes aus der Kammer in die Aorta möglichst nachgeahmt wird, leb
nehme mir die Erlaubnis, den Versuch so zu beschreiben, wie ich ihn wiederholt in
Vorlesungen und Cursen mit günstigem Erfolg ausgeführt habe.
An einem (absichtlich zu gross gezeichneten) Schweine herzen in Flg. 39 bindet man
die art coron. dextra zu und setzt ein Röhrchen (b) in die linke ein, vor welcher
eine freie Klappe steht Hierauf fügt man an das Ende des Bogens der Aorta*)
ein Öummirohr (c) etwa von der Weite der Aorta und in den linken Vorhof endlich
setzt man ein Rohr (d), das durch einen Hahn verschliessbmr ist. Derselbe hat eine
anderthalbfache Bohrung, vermöge welcher bald ein Strom nach der Längenrichtung des
Rohres und bald ein solcher senkrecht auf dieselbe durch die freien Mündungen e e
in der Seitenwand des Rohres gehen kann. Es soll hier gleich bemerkt werden, dass
diese letztere Einrichtung dazu dient, bald um das Herz durch den Strom aus einem
Wasserbehälter zu füllen, bald um den vom Wrasserbehälter abgeschlossenen Vorhof
wieder theilweise zu entleeren, weil dieses wegen des Schlusses der Semilunarklappen
in die Aorta nicht möglich ist Dieses so vorgerichtete Herz stellt man dann nach An-
leitung der Fig. 39 auf; in dieser bedeutet f ein kleines Holzgefäss zur Aufnahme
des Ventrikels, g einen Halter zur Fixirung dos Aortenstumpfs, h h ein (mit Einschluss
des Hahnrohres) 1,9 M. langes Zuflussrohr, das aus einem .obern Behälter gespeisst
werden kann , und i einen Wasserzuber, der um einen halben Meter über dem Aorten-
anfang erhaben ist und auf dessen Boden sieb eino Schicht Wasser befindet, unter
welches das Rohr c mündet. OeflTnet man nun, nachdem alles mit Wasser gefüllt ist,
den Hahn d, so dass der volle Strom das Herz durchsetzt und rasch aus dem Kaut-
choukrohr in den Wasserzuber fliesst, so tritt nichts aus dem Röhrchen b, welches
aus der Kranzarterie hervorgeht, wahrend, wenn man den Hahn schliesst, plötzlich ein Strahl
aus der Coronaria hervorgeht, der durch den Druck des erhobenen Kaulcboukrohres
eingcleitet wird, ein Druck, unter dem sich auch die Aortenklappen entfalten. Dieser
•) Wird die Aort« nicht am Bogen so ml cm kürzer «bgeMchnitte», so gelingt der Versuch meist
nicht.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. ^
Fig. 38.
"Dtgmzsd by Google
J30 Verschluss der Kranzarterien durch die Klappen.
sehr schlagende Versuch gelingt jedoch nicht immer und zwar versagt er, was beson-
dere eu erwähnen, zuweilen an einem Heraen, an dem er so eben noch gelungen
war, und an dem er sich dann auch später wieder erfolgreich hersteilen Wisst. Es
Fig. 39. scheint, als ob kleine Verän-
derungen in der Klappenstel-
lung durch Zerren, Zusam-
raenschicben u. s. w. die
Schuld an dem Misslingen
tragen. Dieser Yereuch be-
seitigt auch die wiederholt
ausgesprochene Befürchtung,
als ob die an den Sinus-
rand angelegte Klappe durch
den Kückstoss des Bluts aus
der Aorta nicht wieder her-
vorgeholt werden könnte.
Eine Hindeutung darauf,
dass sich auch während des
Lebens die Klappen an die
obem Begremungen der Si-
nus anlcgcn, findet Brücke
endlich in den Klappenspuren,
kleinen linearen Eindrücken an
der innern Fläche jener Si-
nus, in welche die Klappen-
ränder mit ihren kleinen
Vertiefungen und Erhaben-
heiten oft auf das genaueste
hineinpassen , die also ver-
muthlich durch das An-
schlägen der Klappen an die
Sinuswand entstanden sind.
Das einzige Unbestimmte,
was dem beschriebenen Vor-
gang noch anklebt , be-
zieht sich auf die Zeit, in
welcher das Anlegen der
Klappen an die Sinus vollen-
det ist und die Vorgänge, welche in dieser SehliessungBieit ein treten. Denn wenn diese
Zeit eine merkliche ist, so bleibt in dieser dem Blut, welches zwischen Klappe und
Sinus steht, ausser dem Weg in die Aorta, auch noch ein andrer in die a. eoronaria
übrig. Ganz in Uebereinstimmung mit dieser Unterstellung sicht man zuweilen bei
dem Versuch mit dem todten Herzen , dass in dem Moment des beginnenden Stroms
durch die Aorta nicht auch sogleich der Strahl aus der art. eoronaria, sondern merk-
lich später unterbrochen wird, ln andern Fällen hört dagegen momentan mit der
Drehung des Hahnes d der Strahl aus der eoronaria auf, woraus hervorgeht, dass die
zum Anlegen nöthige Zeit sich merklich verschieden stellen muss.
i
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131
/
Folgen der Herabowcgung in den Gefäzzen.
Kldi eilen diesen Beweisen und Einsichten halte ich die Bestätigung oder Wider-
legung der Annahme von Marshall und Brücke durch die Vivisektion nicht allein
fEr unnöthig, sondern sogar für unthunlich , da schon die geringsten Verzerrungen
und Verschiebungen des blosgolegtcn Herzens den Erfolg gefährden können.
Die Annahme , dass sich die Höhle der Herzventrikel, bevor diese in die Todten-
•tarre übergegangen sind, beim Eintritt der Diastole auch ohne Beihilfe des einströ-
nenden Bluts, etwa in Folge der Elastizität ihror Wandungen, erweitern kann, ist
am bündigsten durch L. Fick*) widerlegt. Im wahren Wortsinn genommen, giebt
es also keine Aspiration der Vorhöfc. Die Erscheinung, welche zu ihrer 'Annahme
fuhrt, und die neuerdings genauer von Wey rieh und Biddor untersucht wurde,
wird insofern dieses nicht schon bei der Betrachtung des Stroms durch die a. coronaria
geschehen, noch Berücksichtigung linden. — Dos tubcrculum Loweri, ein Muskelhöcker,
der an der Schaidewandsilächc zwischen veua cava superior und inferior liegt, soll
durch Ablenkung des ursprünglich senkrechten Stroms beider Venen aufeinander be-
deutsam sein ; er soll verhüten , dass wenn , wie wahrscheinlich , eine Ungleichheit in
der Geschwindigkeit und Spannung des Bluts in den beiden Strömen besteht, die
Resultante ihrer Geschwindigkeiten nicht in eins der beiden Venenlumina, sondern ge-
gen den Yorhof gerichtet ist. Diese Annahme steht auf zweifelhafter Basis. —
c. Folgen der Herzbewegung in den Gefässröhrcn. Die Blut-
mengen, welche der Ventrikel in die grossen Arterien wirft, wer-
den dort einen Strom erzeugen, der die in Fig. 3fi gegebene
Richtung einhält. Da sich die beiden Herzkammern immer gleich-
zeitig zusammenziehen, so erscheint die stromerzeugende Ur-
sache innerhalb des Gefässsystems immer zugleich an zwei Orten,
nemlich dem Anfang der grossen und kleinen Blutbahn. Bei einer
solchen Anordnung stellt sich, abgesehen von allen übrigen Eigen-
schaften, die Forderung, dass aus jeder Herzhälfte immer gleich-
viel Blut ausströmen müsse, weil der eine Ventrikel dem andern
die Flüssigkeit zusendet, so dass, wenn dem nicht Genüge ge-
leistet würde, sehr bald die eine Ahtheilung ihren Gesammtinhalt
in die andere entleert haben würde.
Der Strom, weichet vom Herzen aus erregt wird, pflanzt .sich
in der entsprechenden Gefdssabtheilung bis zum Herzen zurück
durch Wellenbewegungen, Sp annungsvfntersehiede und
das Beharrungsvermögen fort. Obwohl diese Vorgänge
namentlich in den Arterien, durcheinander greifen, so müssen sie
doch gesondert behandelt werden. Zunächst wenden wir uns zu
den Wellen.
Da an der Grenze des Herzens und der grossen Gefässe die
Bedingungen für die Wellenbewegungen vorhanden sind, welche
die theoretische Auseinandersetzung (p. (!7.) für ihre Entstehung
’) L. Fick, Stiller. Archiv. 1S49. p. 303.
9*
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Blutwollen, SpaanungsunUrsehiede.
verlangte, so müssen sie auch entstehen. Und zwar bildet sich
eine Borgwelle in den Arterien gegen die Capillarcn, hinter der
im Arteriensystem keine Thalwelle herschreitet; in den Venen da-
gegen bildet sich eine Thalwelle, die wiederum, ohne dass eine
Spannungswelle auf Bie folgte, gegen die Capillaren hinschreitet
Der Grund, aus dem die Thalwelle nach der Artericnscite hin
ausbleibt, liegt darin, dass die Scmilnnarklappe die Höhlung der
Arterien und des Herzens abschliesst, sodass keine Entleerung der
Arterien gegen das Herz hin stattfinden kann; nach der Yenen-
seite kaun aber vom Herzen aus keine Bergwelle erregt werden,
weil das in die Ventrikel eingesttlrzte Blut wegen des Schlusses
der Zipfelklappen nicht wieder direkt in die Vene zurückgeschleu-
dert werden kann. Das Hervorstechende ftlr die Bewegung der
Flüssigkeit in einer solchen Welle bestand darin, dass jedes in
dem elastischen Kohr enthaltene Theilchen in der Richtung der
Längenachse des Kohrs eine Geschwindigkeit erhielt, die von
einem Minimum zu einem Maximum anwuchs und dann wieder
absank. Diese verschiedenen Stadien der Geschwindigkeit erlang-
ten nun aber die Theilchen nicht säipmtlich gleichzeitig, sondern
snccessive, sodass, wenn z. B. die dem Herzen zunächst gelegenen
Flüssigkeitsabschnitte eine erhöhte Geschwindigkeit empfangen
haben, diese den entfernteren noch nicht zukommt, und umge-
kehrt. dass,' wenn die vom Herzen entfernteren noch mit irgend
welcher geringem oder grössern Geschwindigkeit begabt sind, die
dem Herzen näher liegenden schon zur Ruhe gekommen waren.
Durch eine solche Welle rücken nun alle Theilchen um eine ge-
wisse Wegstrecke in dem Lumen der Gefässe weiter, und zwar ge-
langen sie durch die Bergwelle in den Arterien von dem Herzen
geg^n die Capillaren, durch die Thalweye in den Venen von
den Capillaren gegen das Herz hin. Obwohl demnach beide Wel-
len eine Bewegung der Flüssigkeit in gleichem Sinne erzeugen,
reichen sie doch erfahrungsgemäss nicht zur Erhaltung des Stromes
in den Gefässröhren hin, da sie auf ihrem Wege durch dieselben
vernichtet werden. Der Grund dieser Vernichtung liegt in dem
Kraftverlust, der durch den kraftubertragenden Stnss und die Rei-
bung an den Wandungen bedingt wird. Da in unserem Röhren-
werke aber die Biegungen, Theilungen und der Umfang der Wand-
flächen selbst gegen die Capillarcn hin in ausserordentlicher Zu-
nahme begriffen sind, so müssen auch die in der Welle vorhandenen
Bewegungen der Flüssigkeit in den unmittelbar an die Capillaren
Blutwellen, Spannunpsunterschiede. 233
grenzenden Arterienstttcken anf gleich langen Sttlcken viel be-
trächtlicher abnehmen, als in den grössern Gelassen. Und weil
die Kräfte, welche die Welle in der Arterie erzeugen, sehr viel
bedeutender sind, als die, welche das Zusammenfällen der Venen-
anfänge erzeugt, so wird die arterielle Welle kräftiger sein, als
die venöse, und diese somit auch eher (d. h. entfernter von den
Capillaren) schwinden, als die erstere. —
Wenn die Wellenbewegung, welche den Theilchen des Inhalts
in den grossen Arterien eigen war, gegen die Capillaren hin er-
lischt, so müsste offenbar, wenn die Blutbewegung allein abhängig
wäre von der Wellenbewegung, der Ilerzinhalt nur bis zu den
Capillaren, aber nicht durch sie hindnrehdringen ; und aus dem-
selben Grunde könnte die Beugungswelle das Blut, welches sie
schliesslich in das Herz wirft, nicht aus den Capillaren beziehen.
Beides trifft nun aber nicht ein, indem thatsächlich in den Capil-
laren ein ruhiger und gleichmässiger (nur unter ganz besondem
Umständen ungleichförmig beschleunigter) Strom von den Arterien
zu den Venen dringt. Die erste Veranlassung dieses Stroms liegt
in den Spaunungsunterschieden, welche den Fltlssigkeitstheiichen
auf den verschiedenen Abschnitten der Bahn vom Herzen aus bis
zurück zu ihm zukommen. Dieselben entstehen aber folgender-
maassen: Durch die Herzmündung dringt mit jeder Zusammen-
ziehung der Kammermuskeln in einem kurzen Zeitraum, also mit
grosser Geschwindigkeit, der Herzinhalt ein, und da dieser auf
seinem Wege bis zu den Capillaren, seine Geschwindigkeit einbüsst,
so muss er sich in dem arteriellen System anhäufen. Dieses kann
nun aber nur durch eine Ausdehnung des Hohlraums der Arterien,
also durch eine. Ausspannung ihrer Wandungen geschehen, welche
letztere aber relativ eine sehr beträchtliche sein muss, da der In-
halt der Arterien im Verhältnis zu dem der Ventrikel nicht gerade
bedeutend ist; bedenkt man noch, dass der bedeutendste Theil der
arteriellen Gefässwandung wegen ihrer Dicke weniger ausdehnbar
ist, so ist ersichtlich^ dass Kräfte von einem nicht unbedeutenden
Werthe dazu gehören, um die arterielle Gefässhöble bis zu dem
Umfang zu erweitern, dass sie zu ihrem normalen Inhalt auch
noch den des Herzens aufnehmeu kann. Mit andern Worten, es
werden die ausgedehnten Membranen, weil sie nach der Ausdeh-
nung wieder ihren ursprünglichen Flächenranm eiuzunehmen stre-
ben, einen Druck auf ihren Inhalt ansüben, der den Druck ira
ruhenden Blut beträchtlich übersteigt. — Im umgekehrten Verhält-
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184
Spannungen des strömenden Bluts.
nisse finden sich nun gerade die Venen. Durch die Blutmenge,
welche nach der Herzkontraktion aus ihnen strömt, wird ihre ur-
sprüngliche Spannung vermindert, eine Verminderung, die nach
einer einmaligen Zusnmmenziehung allerdings nicht sehr auffällig
sein kann, da der Inhalt des Herzens im Vergleich zu dem der
Venen sehr unbeträchtlich ist.
Nun kann aber in der sonst gleichbcschaffenen Flüssigkeit
innerhalb eines zusammenhängenden Röhrenwerks kein ungleicher
Druck bestehen, ohne das Bestreben einer Ausgleichung zu wek-
ken, d. h. ohne dass die gespanntere Flüssigkeit gegen die minder
gespannte hinsrömte, und somit muss von den Arterien durch die
Capillaren hindurch eine Strömung eintreten, welche auch dann
noch fortdauert, wenn schon die Herzkontraktion beendet ist.
Der einmal eingeleitete Strom verfolgt aber seine ursprüng-
liche Richtung der Trägheit wegen weiter, selbst wenn die
Drücke in den Stromrichtungen zunehmen, statt abzunehmen, wie
dieses in der allgemeinen Einleitung gezeigt wurde (p. 60). —
Dieser Umstand muss sich also auch im Kreislauf geltend machen,
wie wir noch sehen werden. — Da nun aber die vorhandene Ge-
schwindigkeit im Blutstrom immer vorher als Spannungsunter-
schied bestand, so können wir diese im Allgemeinen auch als die
wesentliche Bedingung des Stroms ansehen.
d. Spannungen des strömenden Blutes. Was von ihnen
bekannt ist, bezieht sich immer nur auf die Wandspannung, da
man bis dahin noch nicht daran denken konnte, die mit dem
Querschnittsort veränderliche Spannung zu bestimmen. Obwohl
diese Lücke vom theoretischen Gesichtspunkte aus zu beklagen
ist, so ist sie doch für den praktischen Physiologen weniger fühl-
bar. Die wichtigsten Folgen des Drucks, die Berührungsfläche des
Bluts mit den Geweben (Ausdehnung der Gefässwände und ihrer
Poren), und der Einfluss der Spannung auf die Bewegungen der
Flüssigkeit innerhalb der Poren sind von dem Wanddruck ab-
hängig. _ r
Die Spannung, die in einem jeglichen Gefässabschnitt herrscht,
ist unzweifelhaft abhängig von der Ausdehnbarkeit seiner Wandnng
und der Ausdehnung, die seine Wandnng wirklich erfahren, mit
andern Worten: bei gegebenem Elastizitätscoeftizicnten von dem
Flüssigkeits volum, das er mehr enthält, als er im Ruhezu-
stand fassen kann. Die Ausdehnbarkeit wechselt an demsel-
ben Gefäss<]nerschnitt mit dem Zustand (der Erschlaffung oder
i '
' Coogl
Spannung in dem Anfang des Artcrionwcrk.es.
135
Zusammenziebuug) der Wandnmskela nnd noch mehr in dem Ver-
lauf des Systems von einem Ort zum andern. Das Volum des
Flüssigkeitszuwachses ist abhängig von dem Verhältniss zwischen
Zufluss und Abfluss. — Der Zufluss ist bedingt durch die Zahl
und den Umfang der Herzzusammenziehungen, der Abfluss durch
die Widerstände in dem betreffenden Abschnitt und an den Gren-
zen desselben, das will sagen: durch die Spannungsunterschiede,
welche bestehen an der Einfluss- und AusflussmUndung des betrach-
teten Abschnitts und das Verhältniss der Ein- und Ausflussöffnung.
Aus allem diesen, in Combination mit dem, was schon Uber
den Bau des Gefässsystems, die Herzschläge und deren Variation
beigebracht ist, ergiebt sich, dass die Mannigfaltigkeit der Span-
nungen, welche in dem Gcfässsystem eines Menschen entweder
gleichzeitig an verschiedenen Orten, oder an demselben Orte zu
verschiedenen Zeiten erzeugbar sind, unendlich sein kann; zu-
gleich ist ersichtlich, dass eine theoretische Voraussicht der ein-
zelnen Fälle unmöglich ist
Hehr zahlreiche Erfahrungen, die Uber die durch den Herz-
schlag veränderten Spannungserseheinungen vorliegen, erlauben
aber dennoch einige allgemeine Bemerkungen von praktischer
Wichtigkeit; wir werden bei ihrer Aufzählung den Weg einschla-
gen, dass wir an verschiedenen Orten der Reibe nach die mit den
Herzzuständen wechselnden Spannungen in das Auge fassen. —
Die Thatsachcn werden in der anschaulichen Form, in der sie ge-
wonnen sind, der Betrachtung zu Grunde gelegt, nemlieh als Cur-
ven, wie sie der in Fig. 35. dargestellte Spannungszeichner lie-
ferte. Die Achse der X von dem Coordinatensystem, in dass sie
eingetragen sind, gieht die Zeit, die der Y dagegen die Spannun-
gen an, gemessen durch die in Millimetern ausgedrUckte Höhe
einer Quecksilbersäule.
A. Anfang des arteriellen Systems; insbesondere
a. carotis oder a. cruralis. Zuerst werden wir den Fall be-
handeln, in welchem sehr kräftige Herzschläge in langen Pausen
einander folgen, wie man sie erhält, wenn man die nervi vagi in
eine gelinde Erregung versetzt; und zwar darum, weil die Folgen
der Herzwirkung an ihnen am deutlichsten hervortreten. Mässigt
man, nachdem die n. vagi so anhaltend und kräftig erregt sind,
dass das Herz längere Zeit vollkommen Stillstand und das Quck-
silber des Manometers endlich auf einer Höhe, die sich fttr längere
Zeit constant erhielt, anlangte, die Schläge des Induktionsappa-
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1
136 Spannongswcchwl bei rcrschiedener Sehlagfolge de* Herzen*
rates, so schreibt der Druekzeicbner die Curvcn von beistehender
Form. Mit dem Eintritt des ersten Herzschlags erhebt sich der
Drnck, von dem der Ruhe (Fig. 40.) y1, und zwar zuerst sehr
rasch, dann aber allmähli-
ger, bis er auf das Maxi-
mum seines Werthes ange-
langt ist; von hier fällt er
dann , und zwar zuerst
rasch , dann aber immer
langsamer, je näher er der
Höhe kommt, von welcher
der Druck bei Beginn des
Herzschlags ausging , wie
dieses an den Unterschie-
den der Ordinaten ab cd tfg
in den gleichen Zeitabständen 1 2 3 4 5 6 7 zu sehen ist. Folgen
nun die Herzschläge in nicht gar zu langen Pausen aufeinander,
so werden, bevor die Einwirkungen des ersten von ihnen ver-
schwunden sind, die des zweiten eintreten und das Ansteigen, das
der zweite veranlasst, somit von einem höhern Druck beginnen.
Bleibt sich nun der Umfang und der zeitliche Abstand dieser und
der folgenden Zusammenziehungen gleich, so wird dieses auch
mit den im zeitlichen Verlauf erscheinenden Drtlcken der Fall sein.
Genauer ausgedrttckt wird also die constante Gefässspannung
von y« bis y‘“ vorhanden sein, so dass sie unter diesen Werth zu
keiner Zeit herabsinkt; ausserdem aber wird in constanten Gren-
zen von y“ bis y"" ein variabler Ueberdrnck vorhanden sein, des-
sen Maximum und Minimum fllr jeden Pulsschlag dasselbe bleibt,
und endlich wird die mittlere Spannung*) y" y'", die sich aus
den Spannungsschwankungen von einem znm andern Herz-
schlag berechnen lässt, fUr alle Herzschläge o t, tt“ u. s. w.
gleich sein.
Wenn sich nun die Herzschläge statt des bisher innegehaltc-
nen Rhythmus sehr beträchtlich beschleunigen (was jedesmal ein-
tritt, wenn man nach den vorigen Versuchen die Erregung des
Fig. 40.
*) Mittlere Spannung bedeutet alao hier die Spannung, welche man erhalten würde, wenn man
die In den einzelnen Zeitthellchon bestehehende Spannung addirte und durch die tfumme der Zeit-
theilchen dlvldlrte. —
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in den groseem Arturien.
137
t’ig. 41
fl2V\A AAA^VV
n. vagus beendet), so erscheint die Cnrve, welche Fig. 41. wieder-
giebt. Bei einer Vergleichung derselben mit der vorhergehenden
ist sogleich einlenchtend, dass der constante Druck y» y“ ganz
aasserordentlich gewachsen ist im Ver-
gleich zum variablen; die Folge davon
ist n. A. auch die, dass die Werthc des
Mitteldrucks und des constanten Drucks
sich sehr nahe kommen, indem die
Grenzen des schwankenden Ucbcrdrueks
überhaupt sehr nahe bei einander lie-
gen. — Was die Form der Curven-
stücke, die während je eines Herz-
schlags erzeugt "werden, anlangt, so be-
merkt man, dass sie sich sehr derjeni-
gen des Gipfels in Fig. 40. annfthert;
denn der kurze aufsteigendc Theil wird
sogleich stark convex nach oben und
der absteigende besitzt nur den steil ab-
fallenden Abschnitt.
Die zwischen diesen beiden Extremen liegenden Pulszahlen
erzeugen Curven, welche sich mehr und mehr von der letztem
zur erstem Form annfthem, so dass man , wenn die Zahl der
Pulsschläge gegeben, ungefähr die Reihenfolge der in der Zeit
wechselnden »Spannungen angeben kann. „
Wir haben demnach die allgemeine Form der zeitlichen Span-
nnngscurve abhängig gefunden von der Zahl der Herzzusammen-
ziehungen. Anders verhält es sich mit den absoluten Werthen der
Spannungen und namentlich derjenigen, welche wir mit dem Na-
men der mittleren belpgt haben; sie wechseln an demselben Thier
trotz einer gleichen Zahl von Herzschlägen. Mit Sicherheit lässt
sich angeben, dass der Werth der mittlera Spannung, alles übrige
gleichgesetzt, steige, wenn sich die Anfüllung des Gefässsystems
mit Flüssigkeit überhaupt mehrt; wenn die Widerstände zwischen
der beobachteten Stelle und den Capillaren zunehmen; wenn der
Umfang oder die Intensität der Herzzusammenziehungen sich stei-
gern. Den Nachweis für diese Behauptungen kann man sehr
leicht führen, weil man mittelst einer vorsichtig geleiteten Erre-
gung der n. vagi die Zahl der Schläge annähernd auf einer be-
stimmten Zahl fcsthalten, zugleich aber durch Ablassen oder Ein-
fttllen des Bluts aus den Getassen, durch Unterbindung einiger
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138
Spannunfcswcchael bti vemhiedener Bchlagfolgc dos Herzens.
Arterienstämme n. s. w. die Normalspannung und den Widerstand
in einem Thier verändern kann. Weil non aber trotz gleichblei-
bendem Widerstande und unverändertem Normaldruck und gleicher
Zahl der Herzschläge die mittlere Spannung steigt, so schliessen
wir daraus, dass auch der (Imfang der Zusammenziehung des
Herzens wechselvoll sein möge.
Wenn ein Mitteldruck von bestimmtem Werth, welcher wäh-
rend einer gewissen Zeit hindurch unverändert bestand, übergeht
in einen solchen von aaderm Werth, so muss nothwondig während
dieser Uehergangszeit der Mitteldruck von einem Herzschlag zum
andern in einer Schwankung begriffen sein; dieser Uebergang, so
mannigfaltig er auch sein kann, führt aber doch jedesmal zu einem
neuen Zustand dynamischen Gleichgewichts, bei dem nemlicli der
Mittcldruck für die Zeit eines jeden Herzschlags gleich ist; dem-
nach darf man behaupten, es bestehe fUr eine jede Combination
von Herzzusammenziehungen, Widerständen und GefässMlungen
ein Zustand, in dem die Menge der in der Zeiteinheit zu den Ar-
terien strömenden Masse das Gleichgewicht hält der ausströnien-
den, so dass mit der Geschwindigkeit des Zuflusses auch die des
Abflusses steigt.
B. Ende des arteriellen Systems. Wie sich in den
feinen Arterien während der einzelnen Phasen des Herzschlags die
Spftnnungscurve gestaltet, hat noch nicht untersucht werden kön-
nen..— Mit Sicherheit ist dagegen ermittelt, dass die der Systole
1*- und Diastole des Her-
zens entsprechenden Ma-
xima und Minima der
Spannnngswerthe sich ein-
ander immer mehr nähern,
je enger die Arterien
sind , in welche der
Strom eindringt, bis end-
lich in den Capillar-
netzen die Unterschiede
ganz schwinden, so dass
an diesem Ort während
der ganzen Herzschlags-
dancr die Spannung un-
verändert dieselbe bleibt. Um eine Vorstellung von dieser Thatsachc
zu erhalten, hat Volkmann die nebenstehende Curve (Fig. 42.)
“D qwzeci " -Gosglc
Aufhören des Tnlses in den kleinsten Arterien. 139
entworfen. Er ist dieselbe in ein Coordinatensystem eingetragen
dessen Abszissenachse A x die Achse eines Gefässrohrs von sei-
nem Beginn am Herzen bis zu den Capillaren hin darstellt, so dass
z. B. bei A der Wandpunkt des Durchmessers von einem beliebi-
gen Stück Aorta, bei D derjenige eines kleinsten Arterienastes
gelegen wäre. — Die Ordinalen Y bedeuten die Wandspannungen
nach der schon früher festgestellten Uebereinkunft. Wenn nun
die Spannung in der Aorta in Folge einer Herzzusammenziehung
auf A Y gestiegen wäre, so würde sie iy einem Aste ersterer
Ordnung hierdurch etwa auf B Y, in einem Aste dritter Ordnung
aber nur auf C Y und in einem Aste letzter Ordnung endlich nur
auf I) Y kommen. Während der darauf folgenden Herzpause
würde in A die Spannung bis auf A y herab gehen, in den Aesten
erster Ordnung schon nm weniger und in den darauf folgenden
noch weniger, bis endlich bei 1) die Spannungen der Systole und
Diastole zusammcnfallen. — Mit dieser Abnahme der Spannungs-
differenzen nimmt aber zugleich die mittlere Spannung ab. Die
ungefähre Lage dieser Mittelspannung ist durch die Ordinaten
AM, BM, CM angedentet. —
Mit Rücksicht auf diese Thatsachen wäre nun zuerst zu über-
legen: Woher rührt dieses Verschwinden der Spannungsunter-
schiede, oder anders ausgedrUckt, warum strömt in den Quer-
schnitt bei D zu jeder Zeit so viel ein als aus, obwohl am Röhren-
anfang ein unterbrochenes Einströmen stattfindet. Wenn die
Spannungsunterschiede daher rühren, einmal, das plötzlich alle
Theilchen eines Querschnitts einen Stoss bekommen, der sie gegen
diejenigen eines nächstgelegenen hineinzudrängen suchte, und
ausserdem daher, dass in einen Querschnitt plötzlich mehr Flüs-
sigkeit eingeschoben werden konnte, als aus ihm anstreten konnte,
so wird unsere Erscheinung erklärt sein, wenn sich zeigen lässt,
dass die Wellenbewegung, d. h. die von Molekel auf Molekel
fortgepflanzten Stösse im Verlanf des Röhrensystems verschwin-
den, und wenn ausserdem nachgewiesen wird, wie sich das tu-
multuarische Einströmen der Flüssigkeit in den Beginn dos Arte-
riensystems in diesem allmählig in einen gleichförmigen Strom
umwandelt. — Beides ist aber in der allgemeinen Betrachtung der
Flüssigkeitsbewegung durch elastische Röhren geschehen (vergl.
p. 60 u. f.). Denn es ergab sich dort schon, dass die lebendige
Kraft, welche die Welle besass, von Beginn gegen das Ende des
Rohres hin abnehmen musste, weil die Welle mit einer Bewegung
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140
Dit* Abnahme der mittleren Spannung.
der in ihr enthaltenen Theilchen verknüpft war, so dass eine Rei-
bung und damit ein Verlust an Kräften entstand. — Zugleich ist
aber auch ersichtlich, dass eine jede Geschwindigkeit, bevor sie
in dem Rohr eine constante geworden ist, sieh beim Verlauf der
Flüssigkeit durch die Röhrenlänge verlangsamen muss; dieses
würde also die nothwendige Folgerung in sich sehliessen, dass,
wenn ein und dasselbe Flüssigkeitsquantum durch denselben
Querschnitt strömt, es am Ende des Rohrs hierzu längere Zeit nü-
thig hat, als am Beginn desselben. Wendet man diese Betrach-
tung auf die arteriellen Röhren an, so würde die eben vorgelegtc
Thatsacbe nichts anderes sagen, als: Es ist die Geschwindigkeit
der Flüssigkeit am Ende des Arteriensystems so verlangsamt, dass
vom Beginn eines Herzschlags zum andern durch den viel grossem
Gesammtqucrsehnitt gerade so viel strömt, als während der Dauer
einer Herzzusammenziehung durch die Aortenmündung floss. In-
dem dieses geschieht, muss aber endlich eine Geschwindigkeit der
in einen beliebigen Querschnitt einströmenden Flüssigkeit erreicht
werden, welche gerade so gross ist, als die der ausströmenden. —
Der Ort im Gefässy stem, an welchem sich der Strom mit steigen-
der nnd fallender Spannung umsetzt in einen solchen mit gleich-
förmiger, hat erfahrungsgemäss keine feste Lage; er rückt unter
Umständen nicht allein weiter hinaus, z. B. in das Capillarensy-
stem hinein, sondern es kommt zuweilen ein Ort gleichförmiger
Spannung gar nicht zu Stande. Die Theorie behauptet, es müsse
das Hinausrücken des Ortes von gleichmässiger Spannung ge-
schehen entweder, wenn bei gleichbleibenden Verhältnissen an der
Herzmündung die Widerstände, die sich dem Abfluss in die Ca-
pillarcn und Venen entgegensetzen, vermehrt werden, oder wenn
bei gleichbleibenden Widerständen an letzterer Stelle der Umfang
und die Geschwindigkeit der Herzschläge in der Weise sich än-
dern, dass in gleichen Zeiten mehr Flüssigkeit in die Aorta dringt.
- In der That wird dieses von der Erfahrung bestätigt, insofern
z. B. Arterien plötzlich zu pnlsiren beginnen, die es vorher nicht
thaten, wenn entweder ihre Abflussröhren verstopft sind (bei sog.
• Entzündungen), oder wenn das Herz in grosser Aufregung sich
bewegt. — Die Erscheinung, dass irgendwo im Gefässrohr ein
Ort gleichbleibendcr Spannung zum Vorschein kommt, muss dage
gen ganz ausbleibeu, wenn die Herzschläge so spärlich aufeinan-
der folgen, dass es Zeiten giebt, in denen überhaupt keine Bewe-
gung im Gefässrohr mehr stattfindet. Dieses tritt aber gewöhnlich
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Folgen der Hembewegung. Spannung in den Capillaren und Venen. 141
erst beim Absterben eines Thieres ein, weshalb auch dort noeh
ein wenn auch schwacher Fnls in den Capillaren beobachtet wird.
» Die Corvo (Fig. 42.) thnt demnächst dar, daBs die mittlere
Spannung in den Arterien von der Aorta nach den Capillaren in
Abnahme begriffen sei. Diese Thatsache ist sogleich begreiflich,
wenn man erwägt, dass die mittlere Spannung nichts anderes ist,
als ein Ausdruck für das Maass der spannenden Kräfte, welche in
dem gerade betrachteten Querschnitt von einer zur andern Zeit
wirksam sind. Dass sie dieses aber bedeutet, geht aus der Defi-
nition der mittleren Kraft selbst hervor. Denn sie wird gefunden,
wenn man alle die verschiedenen Spannungen addirt, welche an
einem Ort während einer bestimmten Summe von Zeiteinheiten be-
stehen, und die hieraus gebildete Gesamrotzahl dividirt durch die
Summe der genannten Zeiteinheiten. Nun sind aber alle Ordina-
ten unserer Curve aus gleichlangen Zeiten abgeleitet, d. h. es sind
alle die Spannnngssummen dividirt worden durch dieselbe Zahl;
das Verhältniss zwischen den mittleren Spannungen verschiedener
Orte ist also gleich demjenigen der Spannnngssummen. In einem
jeden Strom nehmen aber die bewegenden und damit auch die span-
nenden Kräfte von dem Anfang zum Ende hin ab, wegen des
Verlustes durch Reibung u. s. w. Der Verlauf dieser mittleren
Curve bedeutet also, dass der Strom im Arteriensystem unter die-
ses allgemeine Gesetz fällt Wir kommen hierauf bei einer andern
Gelegenheit noch zurück.
Unsere Curve lässt endlich schliessen, dass es Zeiten geben
mtlsse, in welchen die Spannung in den vom Herzen entfernter
liegenden Gefässabschuitten eine höhere sei, als diejenige, welche
gleichzeitig in den dem Herzen näher liegenden Theilen Vorkom-
men. Wir brauchen nur anzudeuten, dass diese Erscheinung mit
der Wellenbewegung und der Trägheit in Verbindung steht, indem
sie die Folge einer raschen, durch das System fortschreitenden
Bewegung ist.
C. In den Capillaren und den Venen, wenn letztere nicht
allzu nahe am Herzen liegen, leitet die Herzbewegung einen gleich-
mäBsigen Strom ein, der nach allgemeingiltigen Regeln in seinem
Verlaufe mehr oder weniger rasch an Spannung verliert, je nach
den Widerständen, die er in den einzelnen Abtheilungen findet.
Der absolute Werth der Spannung in jedem Querschnitt wird na-
türlich bestimmt durch die bewegenden Kräfte des Stroms am Be-
ginn des Capillarsystems. — In den Venen dagegen, welche nahe
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142 Folgen der Herzbewegurg. Spannung in den Capilltren und Venen.
am Herzen gelegen sind, wird jedesmal während der beginnenden
Her/.erschlaffnng eine Thalwelle erregt, welche naeh der Peripherie
hin fortschrcitet. Sie wird, offenbar weil ihre lebendigen Kräfte ge-
ring sind, rasch zerstört, so dass sie selbst mit feinen Mitteln nicht
jenseits der grossen Kopf- nnd Armvenen sichtbar zu machen ist.
Diese Thalwelle hat man früher davon nbleiten wollen, dass sich
das Organ nach seiner Zusammenziehnng vermöge seiner elastischen
Kräfte erweitere. Diese Eigenschaft kommt aber in der That dem
Herzen nicht zu, und zudem liegen andere Erklärungen auch nahe.
Während der Vorhofszusammenziehung sind die Venen, weil sie
sich nicht entleeren können, bedeutender gespannt worden. Löst
sich nun die Zusammen/.iehung des Vorhofs und rasch hinterher
die der Kammern, so wird die gespannte Flüssigkeit in den wenig
Widerstand bietenden Kaum plötzlich herausstttrzen , wodurch in
hydraulischer Beziehung dasselbe erzielt wird, als ob sich das
Herz erweitert habe.
In allen Fällen, in welchen die Semilunar-K lappen die Mün-
dungen der Kranzarterien während der Systole des Herzens ver-
schlicssen, kann nach Beendigung der letztem eine plötzliche
Ausdehnung der Herzhöhle entstehen durch das Blut, welches nach
Entfaltung der Klappen plötzlich in die kleinen Aeste der Kranz-
arterien eindringt. Diese Wirkung des Stroms lässt sich an
einem todten schlaffen Herzen nachahmen in dessen Coronararte-
rien Flüssigkeit unter einem Drucke gefüllt wurde, der dem ge-
wöhnlichen der Aorta gleichkommt (Brücke).
Wie sich die Geschwindigkeit des Blutstroms unter dem
Einflüsse des Herzens allein gestalten würde ist uns unbekannt.
2. Bewegungen des Brustkastens und seiner Ein-
geweide*). Da das Herz und die grossen GefÜssc von den
Lungen und demnächst von den Brnstwandnngen umschlossen
werden, so müssen deren Spannungen und Bewegungen von eiuein
wesentlichen Einfluss auf den Bildlauf sein. —
a. Die Beziehung der elastischen Kräfte der Lungensubstanz
anf den Blntstrom erläuterten wir zunächst ftlr den Zustand des
Brustkastens, in welchem er sich findet, nach der Ex- und vor der
Inspiration, in welchem er also die Stellung eingenommen hat, die
•) Pondcn, IT o n l e * * und Pfeufer'a Zeitschrift. N. F. III. 287. und dessen wichtige Ab-
handlung. ibid. IV. Bd. 211. — llniidlrlding. If. Bd. n. 39*. — C. Ludwig, Müllers Archiv.
1817. p. 242. — Ed. Weber, Leipz. Berichte; mntbemat. physik. Claste. 1860. p. 29.
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9
Einfluss der Brustbewegung auf den Blutstrom. 143
ihm vermöge der elastischen Kräfte seiner Bestandtbeile znkommt.
In dieser Zeit wird anf die Lnngenoberfläche von Seiten der Brust-
wand kein Druck ausgetlbt; denn es fehlt jede selbstständige Be-
wegung des Brustkastens, und es ist ausserdem die Wandung des-
selben steif genug, um nicht bewegt zu werden von einem milssi-
gen Unterschied des Luftdrucks, der anf der innern und äussern
Fläche der Brustwand etwa vorhanden wäre. Die Lungenober-
fläche, welche an der Brustwand anruht, ist darum nur zwei Kräf-
ten ausgesetzt : dem Lnftdrnek und den elastischen Spannungen i
der Lungensubstanz. Diese beiden Kräfte wirken aber in entge-
gengesetzter Kichtnng. Die Luft nemlich, die nur dnreh die
Trachea, nicht aber von Seiten der innern Brustffäche drückt, ent-
feint die Oberfläche von der Wurzel der Lunge, indem sie die
Lunge entfaltet. Die elastischen Kräfte der Lungensubstanz wir-
ken dagegen von der Oberfläche der Lnnge gegen die Wurzel
hin; sic suchen die entfaltete Lunge zusammenzndrflcken. Der
Beweis dafür, dass diese Kraft, und zwar in der angegebenen
Richtung, wirkt, liegt darin, dass eine möglichst gesunde Lunge,
welche man aus der Brnsthöhle herausgenommen und zu dem Vo-
lum aufgeblasen hat, das sie in der Brusthöhle einnimmt, augen-
blicklich zusammcnfällt, sowie man die Trachea öffnet, d. h. den
Luftdruck aller Orten glcichmacht. Die Lunge kann in ihrer na-
türlichen Lage also nur darum ausgespannt erhalten werden, weil
der Luftdruck das l.'ebergewicht besitzt Uber die elastischen Kräfte
der Lunge. Dieses Uebcrgewicht ist durch Messungen nachge-
wiesen, indem Donders durch ein besonderes Verfahren ermit-
telte, dass, im hydrostatischen Maasse ausgedrückt, die elastischen
Kräfte der Lnnge im Maximum 30 MM. Quecksilber betragen, wäh-
rend der Luftdruck in den bewohnten Gegenden sich meist über
500 MM. hält. — Aus allem diesen folgt nun, dass die Theile,
welche innerhalb des Brustkastens an der von der Pleura umklei-
deten Lnngcnfläehe anliegen, einen geringem als den Luftdruck zu
ertragen haben, und zwar einen um das Maas der elastischen
Lungenkräfte verminderten Luftdruck. Diese Verminderung des
Druckes wird sich an der Grenze zwischen Brustwand und Lunge
nur als Spannung äussern können, da jene, wie erwähnt, zu steif
ist, um durch einen Druokunterschicd von wenigen MM. Hg. be-
wegt zu werden. — Anders gestalten sich dagegen die Dinge an
der Grenze zwischen den Lungen und dem Herzen mit seinen Ge-
fässausläufero. Der Inhalt dieser hohleu Organe steht nemlich
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144
Einathmungsbewegung.
unter dem Luftdruck, da er in unmittelbarer Berührung steht mit
dem Blut, welches sich in den Gefässen ausserhalb des Brustka-
stens findet, die diesem Drucke zugänglich sind, und ausserdem
ist er noch in einer Spannung, welche von der Ueberftllluug der
Gefässröhren mit Blut herrührt. Von diesen Kräften wirkt nun der
Luftdruck demjenigen entgegen, welcher von der Längenoberflächc
her auf das Hera trifft; sie würden sich also auf heben, vorausge-
setzt, dass beide Drücke gleichen Werth besässeu. Da nun aber
der von der Lunge her treibende Luftdruck vermindert ist um den
Werth der elastischen Kraft in der Lunge, so gewinnt der von
dem Blutbchälter her wirkende Druck das Uebergewicht. Er
sucht somit diese letztem auszudehnen. Da zu diesen ausdehnen-
den Kräften sich aqch noch die hinzuzählen, welche von der
Spannung des Bluts in den Gefässen lierrUbren, so müssen unzwei-
felhaft die in den Lungen eingebetteten Blutbehälter ein Ansdeh-
nungsbestreben besitzen. Diesem Bestreben kann aber in diesem
Falle Folge geleistet werden, da die Wandungen der Hera- und Ge-
füsshühlcn in der That sehr nachgiebig sind. Der Bewegung, welche
durch diese Mittel cingeleitct wird, ist erst dann eine Grenze ge-
setzt, wenn unsere Gefässe so weit durch Blut ausgedehnt sind,
dass die elastische Spannung, in die ihre Wandungen treten, den
ausdehnenden Kräften das Gleichgewicht hält. Zu diesem Grade
der Spannung scheinen aber die venösen Wandungen der Gefässe
niemals zu kommen, indem aus ihnen nach jeder Herzbewegung
schon wieder Blut entleert wird, bevor cs sich in dem verlangten
Maasse aufgehäuft hat. Wir schliessen hierauf, weil im Leben
immer Luft durch die vena jngularis in das Hera eindringt, wenn
man sie biosgelegt und ihre Wand so durchschnitten hat, dass die
Oeffnung klaffen kann; es muss also die Spannung, welche ihrem
Inhalt zukommt, niedriger sein, als die der Luft. Um diese für
den Kreislauf bedeutungsvolle Einrichtung zur Anschauung zu brin-
gen, ist die Fig. 43. gezeichnet worden, welche ohne weitere Er-
klärung verständlich sein muss. Die Pfeile in der Herzhöhle und
auf der Lunge deuten die Richtung an, naeh welcher die ela-
stischen Kräfte der Lunge wirksam sind, den Lungeninhalt pres-
sen und den Herzinhalt auseinanderziehen.
Diese Saugkraft der Lunge muss aber den Blutstrom, welcher
schon in Folge der Herztkätigkeit besteht, modifiziren, und zwar
dadurch, dass sie alle Strömungen aus dem Brustkasten hemmt,
indem sie die Zusammenziehung der Aorta hindert, dagegen alle
DOjitized byGoQjle
Bedeutung der Einathmung für den Blutatrom. 145
Fig. 43.
Strömung nach dem Brustkasten fördert, indem sie in die Venen
desselben den Ort der niedrigsten Spannung legt, wohin selbst
dann noch Flüssigkeit läuft, wenn auch die vom Stoss des Her-
zens und der Spannung der Gefässwände herrllhrenden Kräfte ver-
zehrt sind. — Nun ist aber nicht zu verkennen, dass der letztere
Effect seinem Werth nach das Uebergewicht Uber den ersteren
hat; denn da die Venen eine grössere Flächcnausdehnung haben,
als die Arterien, so muss ihr Hohlraum durch dieselben Zugkräfte, die
an mehreren Orten wirken, offenbar vielmehr erweitert werden, als
der der Arterien; zudem sind die Arterienwandungeu auch viel
steifer, als die der Venen. Man kann also sagen, es werde die
Blutströmung durch diese Einrichtung unterstützt.
Ludwig, Physiologie 11. #. Auflage. |()
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146
Bed^utun^ der Ausatmung für den ßlutstrom.
I>. Einatbmungsbewegnng. Diese Bewegung verbreitert und
verlängert den Brustraum; sie wird auf verschiedene Weise fltr
die grossen Blutbehälter in der Brust wirksam. 1) Da das Herz
und die Gefässe an der Brustwand selbst angewachsen sind, so
werden sie geradezu durch die Bewegungen ansgespannt. 2) Die
Lungenoberfläche folgt der Innern Brustfläche, und damit mindert
sich uoch der Widerhalt, den die Lunge den grossen Gefässen bie-
tet. Diese Verminderung des Widerhalts rlthrt nun nicht etwa
daher', dass während der Einatbmung eine merkliche Differenz der
Dichtigkeit in der äussern und innern Luft vorhanden wäre. Denn
in der That ist die Verbindung der äussern mit der Lungenluft
ergiebig genug, um es dahin zu bringen, dass in dem Momeut,
in welchem eine Luftverdünnung in den Lungen eintritt, sie auch
durch Nachströmen aus der Atmosphäre ausgeglichen wird. Es
rührt die Verminderung des Widerstandes, welche die äussere
Gefüssfläche erfährt, vielmehr von der grössern Ausdehnung der
Lunge her. Denn in Folge dieser Ausdehnung wird auch ihre
zusammenziehende Kraft vermehrt und darum vernichtet sie einen
grössern Antheil des Luftdruckes, der durch ihre Oberfläche hin-
durch auf die äussern Geftissflächen wirkt. Diese beiden Gründe
vereinigen sich somit wiederum, den Strom des Bluts aus der
Brust zu hemmen und den nach der Brusthöhle hin zu för-
dern. — Donders hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese
Folge ebenso giltig ist für den kleinen, als für den grossen Kreis-
lauf, da in beiden Fällen die Capillaren desselben in Flächen lau-
fen, die unmittelbar dem Luftdruck ausgesetzt sind. — Von be-
sonderer Wichtigkeit wird aber die Inspirationsbewegung fltr
den Kreislauf in der Unterleibshöhle, weil mit der Erweiterung
der Brusthöhle der Inhalt der Unterleibshöhle zusammengepresst
und hierdurch vorzugsweise die Enleeruug der Bauchvenen be-
günstigt wird.
c. Ausathmungsbewegung. Da diese Bewegung im Gegensatz
zur Inspiration den Brustkasten zusammendrückt, so wird sie auch
für die grossen Blutbehälter der Brust im entgegengesetzten Sinne
wirken, indem sie nicht allein die Ausdehnungsfähigkeit derselben
beschränkt, sondern auch geradezu dieselben auspresst. ln Folge
davon wird das Blut durch die Arterien mit gesteigerter Kraft aus
dem Brustkasten geworfen und zugleich auch in die Venen zn-
rückgeschleudert , resp. wegen der anwesenden Klappen gestaut
werden. — Unter günstigen Umständen kann durch diese Stauung
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t Einwirkung der Bauchwändc und der Schwere auf den ßlatstrnm.
147
eine so vollkommene Unterbrechung des Einströmens von Blut in
die Brusthöhle stattfinden, dass dadurch für längere Zeit eine voll-
kommene Unterbrechung des Kreislaufs bedingt wird. Dieses tritt
nach Ed. Weber ein, wenn man tief inspirirt, die Stimmritze
schliesst und dann eine kräftige Ausathraungsbewegung ausfuhrt.
Die eomprimirte Luft kann die Venen vollkommen zuscbliessen.
Man wird nach diesen Auseinandersetzungen erkennen, dass die
Bewegungen des Brustkastens im Ganzen und Grossen ganz das-
selbe leisten, was auch die Herzbewegung vermag, denn auch sie
pumpen das Blut aus den grossen Stämmen gegen die Peripherie.
Neben dem unwesentlichen Unterschied, dass filr gewöhnlich die
Brustbewegungen länger anhalten und seltener wiederkehren, als
die des Herzens, besteht aber noch der eingreifendere, dass sie an
den Arterien und Venen jedesmal in gleichem Sinn die Spannung
ändern; denn die Inspiration minderte, dje Exspiration mehrte sie
in beidch, während das Herz für beide gerade im ungleichen
Sinne wirksam war. — Die besondem Hergänge, welche die
durch die Brustbewegung veränderten Spannungen ;n dem Blut-
strom einleiten, sind nach den früher mitgetlieilten Hegeln zu be-
nrtheilen. Versuche, die den Einfluss der Respirationsbeweguug
auf das Blut, gesondert von der des Herzens, bestimmen, sind
nicht ausgefUhrt.
3. Die Verkürzung oder Erschlaffung der Bauchmus-
keln, wodurch der Inhalt der Unterleibshöhle sehr verschiedene
Spannungen erfährt, muss natürlich auch unterstützend oder
hemmend auf den Blutstrom wirken, da in der Unterleibshöhle
grosse GefUsse eingeschlossen sind. Die Beurtheilung der Ver-
hältnisse bietet keine Schwierigkeit. Auf einige kleine Besonder-
heiten werden wir noch später die Rede bringen, z. B. bei der
Leber.
4. Die Schwerkraft Man sollte auf den ersten Blick
denken, dass durch eine Lagenveränderung einzelner Theile eines
Köhrenwerks von den Eigenschaften des Blntgefässsystems gar
keine Bewegung erzeugt werden könnte. Betrachten wir in der
That ein System (Fig. 44.), welches sich dadurch hervorhebt, dass
von demselben Punkte, dem Herzen // aus, Röhren ausgehn und
zu ihm znrtlekkehren, so kann, vorausgesetzt, dass die Wandungen
unnachgiebig sind , keine Bewegung dadurch eingeleitet werden,
dass die einzelnen oder die Gcsammtzahl der Röhren in eine
andere Lage übergeht. Setzen wir z. B., dass der Röhrenbogen
io*
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148
Blututrömnngrn in Folge der Sckwerkmfl.
Fig. 44.
A V ans der gehobenen Lage 1 in die gesenkte TT übergeht, so
wird nun allerdings die Flüssigkeit der Spitzen hei TT, die vor
her keine Last von Seiten der Schwere zu ertragen hatte, ge-
drückt werden durch eine Säule von der senkrechten Hiihe o q.
Aber dieser Druck wird mit gleichem Werth ebensowohl durch
den Zweig A als durch den von V hindurch auf die Spitze ausge-
Ubt, und somit ist die Bewegung unmöglich. Wenn aber, wie in
unserm Rührensystem, die Wandungen ausdehnbar sind, so muss
beim Uebergang aus der einen in die andere Stellung unzweifel-
haft eine Bewegung auftreten ; denn in der ersten Stellung lastete
auf der Spitze des Rübrensystems kein Druck, wohl aber auf dem
Beginn desselben ein solcher von dem Werthe o p. Gerade umge-
kehrt verhält sich die Sache bei der Stellung von IT, wo die
Spitze unter dem grossem und der Anfang der Schlinge unter dem
geringeren Druck steht; somit wird sich in dem erstem Fall der
Anfang, in dem letztem die Spitze erweitern, und dieses geschieht
dadurch, dass beim l.'ebergang aus 1 in II ein Strom von dem
Anfaug gegen das Ende der Schlinge und bei Ueberragung aus
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Blutstrome «durch Wirkung der GefaMmnskeln.
149
II in I da» umgekehrte eintritt. Dieser Strom kann jedoch nur
so lange andauern, bi» die betreffende Stelle zu einer dem Druck
entsprechenden Erweiterung oder Verengerung gekommen ist.
Ebensowenig kann, wenn die neue Verkeilung des Inhalts einmal
geschehen ist, durch den eben betrachteten Uebergang aus einer
in die andere Stellung einer andern Bewegnngsursache, die an der
Mündung eines Kohr» wirkt, eine Hemmung oder Begünstigung
ztigefligt werden, da die Schwere immer nur gerade so viel die
andern treibenden Kräfte in dem absteigenden Köhrenstück stei-
gert, als sie dieselben in dem aufsteigenden mindert.
5. Verkürzung der Muskeln in der Gefäss wand und
in den Umgebungen der Gefässe. Diese Muskeln können
trotz ihrer verschiedenen Lagerung ihrer Wirkung nach doch ge-
meinsam behandelt werden, wegen der zahlreichen Analogien in
dieser Richtung. — Die Zusammenziehung dieser Muskeln erzeugt
zunächst in allen Fällen eine Verengerung des Gefässlumens, und
insofern müssen durch dieselbe, vorausgesetzt, dass sie sich nicht
Uber das ganze, sondern nur Uber einen grossem oder kleinern
Theil der Gefässe erstrecken, Blutbewegungen eingeleitet werden,
welche ganz den Charakter der durch die Herzbewegung eingo-
leiteten tragen. Denn es ist ersichtlich, dass durch eine mehr oder
weniger plötzliche Verengerung, die die Gefässe in beschränkter
Ausdehnung erleiden, eine Welle entstehen muss, dass ferner we-
gen eintretender Spannungsungleicbheit ein Strömen beginnt, und
endlich dass wegen der Ventile, die in das Röhrenwerk gelegt
sind, der Strom die der ßlutbewegung allgemein zukommende Rich-
tung annehmen muss. — Trotz alle dem muss aber doch dem
Strom aus diesen Gründen eine nur untergeordnete Bedeutung zu-
geschriebeu werden. Denn einmal erfolgen diese Bewegungen zu
unregelmässig, und namentlich fehlen sie oft lange Zeit, wie z. B.
im Schlaf u. s. w. Dann aber erfolgen die Bewegungen der
Gefässe, da sie von glatten Muskeln ausgefUhrt werden, sehr all-
mählig, und noch mehr die einmal eingetretene Verkürzung bleibt,
wie die nun schon sehr zahlreichen Erfahrungen an theils
blossgelegten, theils durch die Haut sichtbaren GefÄssen erwei-
sen, sehr lange stabil, so dass eine dauernde Veränderung des
Lumens besteht. Endlich aber, und dieses ist besonders zu beto-
nen, hemmen die verengerten Stellen den von dem Herzen aus-
gehenden Strom, so dass die Zusammenziehungen eher als Be-
schränkung»-, denn als Förderungsmittel des Blutstroms anzusehen
t
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150 Strömung wegen des Austritts von Flüssigkeit^ durch die Gefasswand.
sind. Diese Bemerkungen schliessen den bekannten Satz nicht
ans, dass die GefUssnraskeln von Wichtigkeit flir die Blutver-
theiinng sind.
6. Ein- nnd Austritt von Fltlssigkeiten in die Ge-
fässlnmina. Während des Lebens treten ununterbrochen in die
Gefässröhren Flüssigkeiten; am hervorragendsten geschieht dieses
durch einen bald stärkern, bald schwachem Einfluss in die venae
jugulares aus den Lyniphgängen , und durch üiffussion in die
Dannvenen während der Verdauung. Nicht minder entlässt auch,
insbesondere durch Verdunstung auf Lungen und Haut und durch
flüssige Entleerung in den Nieren-, Speichel-, Schweissdrüsen u. s. f.
das Gefässlumen einen merklichen Theil seines Inhalts. Durch
den Eintritt wird unzweifelhaft an dem einen Orte die Spannung
erhöht und durch den Austritt an dem andern erniedrigt, und so-
mit müsste auch ohne Zuthun anderer Hilfsmittel ein Strom von
den ersteren zu den letzteren Stellen gehen. Diese Strömungen
können aber neben den andern intensiven Störungen des Gleich-
gewichts nur von untergeordneter Bedeutung werden, nm so mehr,
als der Zu- und Abfluss, den sie veranlassen, nur sehr allmählig
geschieht. Sie sind dagegen, wie schon oben bemerkt wnrde,
entscheidend für die Erhaltung der Gesammtspannung der Stroni-
röhren, resp. für die Anfüllung derselben mit Flüssigkeit über-
haupt.
Ausser diesen Hilfsmitteln, welche mit messbaren Kräften zur Erhaltung des
Kreislaufs beitragen , glauben viele Schriftsteller älterer und neuerer Zeit noch au der
Annahme anderer gezwungen zu sein. Sie begründen diese Forderung entweder mit
einem physikalischen Missverstandniss, oder durch meist sehr verwickelte, zum Theil
pathologische Vorgänge. Ein physikalisches Missverstandniss, auf welches hier ange-
spielt wird, liegt der Behauptung zu Grunde; dass die Kräfte des Herzens und des
Brustkastens nicht hinreichen, um die Reibungs- und sonstigen Widerstande zu über-
winden, welche sich dem Blntstrora in den kleinsten Gefässen entgegensetzen. Indem
man dieses aussprach, bedachte man nicht, dass alle Widerstände, welche sich in
einer beliebigen Röhre am Strom entgegenstemmen, mit den lebendigen Kräften dieses
letztem steigen und fallen, so dass ein langsam und mit geringer Spannung fließender
Strom auch geringe Widerstande zu überwinden hat. Darum kann behauptet werden,
dass die Bewegungen der Herz- und Brustmuskeln, auch wenn sie tausendmal weniger
Kraft entwickelten, als sic in der Tbat ausüben , doch einen Strom vom Herzen bis
zurück zu ihm erzeugen würden, vorausgesetzt nur, dass diese Bewegungen hinreichten,
um einen Spannungsunterschied der Flüssigkeit im arteriellen und venösen System
hervorzurufen. Der Strom würde dann freilich mit einer viel geringeren Geschwindig-
keit und Spannung dahin gehen. — Eine andere Reihe von Autoren giebt jenen
Grund preis, beruft sich aber auf den reichlicheren Zufluss von Blut, welcher zu den
Körpertheilen zn Stande kommt, in denen eine vermehrte Absonderung von Flüssig -
t
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Heber andere Stromungsursachen.
151
keit, eine gesteigerte Neubildung von GewebsbesUndtheilen , oder eine Entzündung
vorkommt. Man glaubt diese Steigerung der' Blutzufuhr erklären zu müssen aus einer
Anziehung , welche sich entweder zwischen dem thätigern ticwebe und dem Blute neu
entwickelt hat, oder aus der Steigerung einer schon bis dahin nur im schwächeren
tirade bestehenden Verwandtschaft. Wenn man nicht in ganz willk&hrliche Annahmen
verfallen will, so kann man mit dieser Verwandtschaft entweder nur eine partielle
Stockung des lllutstroms erklären, oder eine sehr unbedeutende Vermehrung des
Stroms von den Arterien zu den Capillaren, verbunden mit einer Schwächung dessel-
ben von den letztem tiefässen zu den Venen. Das ersten' würde eintreten , wenn die
auf das Blut wirkende Anziehung ihren Sitz an der innem Wandfläche des Gefässe*
besässc ; sic würde die unmessbar dünne Wandschicht des Stromes hemmen, die Mittel-
schicht desselben dagegen ungestört strömen lassen, da alle chemischen Anziehungen
nur in unmossbar kleinen Entfernungen wirken. — Der andere Fall aber würde ein-
treten, wenn die anziehende Substanz an der äusscra Wandfläche gelegen wäre; sie
würde dann aus der Wand die betreffenden, in sic eingedrungenen Blutbestandtheile
anziehen , und ihre Wand würde sich dann wieder aus dem Blute mit Flüssigkeit
tränken und somit einen Zweigstrom durch die Wand hindurch bedingen. Hierdurch
würde dio Spannung des strömenden Blnts an der Stelle des Rohrs erniedrigt, an
welcher der Austritt von Flüssigkeit stattgefunden , und somit auch der Widerstand,
welcher sieh dem vom Herzen nach drückenden Blut entgegensetzt. Zugleich aber wür-
den mit der Wegnahme bewegter Flüssigkeit aus dem Rohr die lebendigen Kräfte der
Flüssigkeit innerhalb der absnndemden Röhren vermindert und damit die Triebkraft für
den Strom von dieser Stolle aus geschwächt. — Wollte man beides, einen gesteigerten
Zu- und Abfluss erklären mit Hilfe solcher Kräfte, dio an und in der Wand thätig
sind, so wäre man genöthigt, anziehende und abstossende Wirkungen in kurz aufeinan-
dorfolgenden Zeiten abwechselnd von demselben Orte ausgehen zu lassen. — Bevor
inan nun die einfacheren Wege, welche zu einer Erklärung führen, verlässt und sieh
zu dunklem wendet , wäre , wie billig, der Hergang, der zu solchen Annahmen führte,
genauer zu untersuchen gowesen. Da man diese Bedingung bis dahin nur sehr mangel-
haft befriedigt hat, so lässt sich der einen nur die andere Hypothese entgegenstellen.
Indem man sich hierzu versteht, kaun man wahrscheinlich machen, dass die An-
ziehungen (ihr Bestehen vorausgesetzt) gar nicht im Stande sind, den Blutstrom in der
auffallenden Weise zu verändern , in der dies meist in entzündeten , hypertropischen,
stark absondernden Organen geschehen ist. — Zuerst übersehen wir, indem wir die
Abhangigkeitaverhältnisse zwischen Stromwandung und anziehenden Kräften überlegen,
dass der Strom in den Arterien in dem Maasse an Geschwindigkeit zunehmen musste,
in welchem durch die Anziehung Flüssigkeit aus dem Gefässlumcn herausgezogen wird-
Wir sehen, nun aber sogleich, dass in den meisten Fällen, besonders in allen Ent-
zündungen fester Tkeile, die ans der Gefässhökle geführte Flüssigkeitsmenge nur sehr
gering sein kann und dass sie unter allen Umständen verschwindet gegon da» Flüssig-
keitsvolum, uas aus andern Gründen durch das Stromrohr geführt wird. Also muss
auch die beschleunigende Wirkung der Anziehung verschwinden. — Dann aber
ist ersichtlich , dass die Spannung in der zuftihrenden Arterie in den erwähnten
Fällen immer niedriger als im Normalzustände sein müsste, wenn in Folge der An-
ziehung Blutflüssigkeit aus den Capillaren entleert würde , nnd dass sic nur um ein
unmessbarcs erhöht sein dürfte, wenn durch die Anziehung die stockende Wandschicht
des Stroms an Durchmesser zunähine. Nun sehen wir aber, dass auch Absonderungen
insofern sie von einer Aenderung des Blutstroms begleitet sind , immer eine erhöhte
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152 Wesentliche und unwesentliche Triebkräfte.
Spannung in den zufuhrenden Arterien mit sich bringen. Diese Erscheinung macht
also sogleich die Anziehungshypothcsc unwahrscheinlich , indem sie ihren Folgerungen
widerspricht. — Viel annehmbarer erscheint darum die Behauptung, dass die Ver-
änderung des Stroms sich erst einfindet, wenn aus irgend welchen Gründen eine Vor- •
ongerung oder Erweiterung der leicht beweglichen GefässrShren des entzündeten oder
absondemden Organes eingetreten ist. Dass aber hieraus wesentliche Veränderungen
des gewöhnlichen Stromes entstehen können, werden wir, soweit dieses nicht schon
geschehen ist, demnächst noch zu sehep Gelegenheit haben.
Wir haben einem alten Gebrauch zufolge*) wesentliche und un-
wesentliche Triebkräfte des Blutstroms unterschieden. Nach unseren
Mittheilungen kann sieh diese Trennung nur beziehen auf den An-
thcil, welchen die einzelnen Bewegnngsursachen an der Gesammt-
kraft des Stromes besitzen , so dass wir die Kräfte , denen der Strom
den grössten Theil seiner Spannung und Geschwindigkeit verdankt,
die wesentlichen nennen. Als wesentliche wurden aber bezeichnet
die Herz - und Brustbewegung, weil erfahrungsgemäss der Blutstrom
den bei weitem grössten Theil seiner Spannung und Geschwindig-
keit verliert, so wie diese bewegenden Kräfte ausfallen. Die Ver-
suche, auf welche sich dieser Ausspruch stützt, sind vollkommen
beweisend, wenn sie auch nicht bis zu dem Grade von Genauig-
keit geführt werden können, um den Einfluss eines jeden einzelnen
Einflusses in scharfem Maasse anzugeben. — Denn wenn man
z. B. durch Vaguserregung das Hera zum Stillstand zwingt, so
sinkt alsbald die Spannung ih den Arterien fast bis zur Spannung
der Buhe, der Strom in den Capillaren wird so langsam, dass in
ihnen keine Bewegung zu sehen, selbst wenn die etwa bestehende
Geschwindigkeit durch das Mikroskop um mehrhundertfach ver-
gröBscrt wird, und die Spannung in den Venen mehrt sieh in der
Ruhe, Spannungsunterschiede und Geschwindigkeiten kehren aber
wieder zurUck in dem Maasse, in welchem die Herzschläge wieder-
kehren. Nichts ähnliches tritt ein, wenn wir die Gliederbewegung
aussetzen, die Diffussionen und Absonderungen beschränken, wäh-
rend das Hera schlägt. — Nächst dem Herzen setzen wir den
Brustkorb, einmal darum, weil für gewöhnlich dieses Gebilde in
die Gcfässbahn einen Ort von sehr niederer Spannung bringt, dann
aber auch, weil die Bewegungen des Brustkastens, wenn sie ener-
gisch sind,- dem Blut sehr kräftige Stösse zu geben im Stande sind,
wie uns das die Messungen noch zeigen werden. Wir sind leider
nicht im Stande, die kräftigen einander rasch folgenden Brustbe-
•) Volkmann, Hacmodynamik. p. 292.
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Absolute Werthe der Strnmspanming.
153
wegnngen herbeizuführen, wenn der Herzschlag steht. — Aehnliche,
aber schon untergeordnete Wirkungen zeigen die Bewegungen der
Muskeln am Bauch, den Gliedmaassen und den Gefasswänden. —
Wenig einflussreich künnen der Natur der Sache nach auch die
Kräfte sein, welche durch die Gefässwandungen hindurch Flüssig-
keit aus dein Gefässsvstem ansziehen oder in dasselbe treiben.
Wie gross diese Kräfte auch an und für sich sein miigen, sie sind
fllr den Blutstrom nur in so fern von Bedeutung, als sie im Stande
sind , den Inhalt der Gefässrühren zu mehren oder zu mindern, oder
anders ansgedrttckt, durch die Geschwindigkeit und den Umfang -
des Stroms, welchen sie durch die Gefasswand fuhren , denn cs
kann von den übrigen Gefässprovinzcn in die absondemden nur
so viel einfliessen, als aus diesen letzteren durch die Absonderung
entfernt wird. Nun treten in der That aus den Nieren oder den
Lungen täglich nur einige Tausend Cnbikeentimeter Flüssigkeit
aus, der Blutstrom führt durch diese Organe, wie uns eiue über-
schlägliche Rechnung zeigt, aber täglich Millionen von Cubikcenti-
meter Blut; es verschwindet also der Sekretionsstrom gegen den,
welchen die andern Kräfte erzeugen.
Man hat zuweilen neben diesem hier herrorgehobenen Unterschied die erzeugen-
den Kräfte des Blutstroms auch danach geschieden , ob sie im Stande wären , den
Strom nur durch einzelne, z. B. die Arterien, Venen u. dgl. , oder auch sämmtliche
Abschnitte des Gefüsstystems zu führen. Dieser Unterscheidung ist aber kein Werth
heizulcgon, da jede Kraft, welche zwei Orten, die durch eine Klappe getrennt, eine
ungleiche Spannung zu ertheilen vermag, auch einen Strom durch das ganze System
herbeiführen muss. Es würde hierzu also eben so wohl die Saugkraft der Brust als
die Stosskraft des Herzens hinreichen, weil im kommunizirenden Köhrensystem sich
die ungleichen Spannungen des Inhalts ausgleichen.
Die absoluten Werthe der Spannungen im Blutstrom.
Die Versuche, welche die Spannungen im Blntstrom und die
Veränderungen in der Zeit zu messen oder zu schätzen trachteten,
sind meist so angestellt worden, dass der Antheil, den die ein-
zelnen .stromerzeugenden Kräfte an ihnen nehmen, nicht gesondert
zu bemessen ist. — Die Hilfsmittel, welche man beim Menschen
zu Rathe ziehen kann, um den Werth der bestehenden Spannung
zn messen, Bind so unvollkommen, dass sie niemals mehr als ganz
grobe Unterschiede zweier verschiedenen Werthe erkennen lassen;
ttber die absoluten Werthe der verglichenen Spannungen erhalten
wir aber dnreh sie gar keinen Aufschluss. Genaue aber weitaus
nicht überall genügende Messungen dieser Verhältnisse lassen sich
durch das Manometer bei Thieren gewinnen. — Gewisse Kigen-
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154
Messung der Stromspannung ; Spbygmograph.
tkttrnlichkciten der zeitlichen Veränderungen in den Drücken sind
dagegen beim Menschen und in noch ausgedehnterem Maasse bei
Thieren scharf zu bestimmen.
lieber die Spannung de» menschlichen Blute» kann inan, seltene Ausnahmen abge-
rechnet, nur Erfahrungen sammeln durch die Veränderungen, welche in Folge dcsscl-
Fig. 45. r
ben die Gefässwandungen erleiden. — Hierzu bedient
man »ich am schmucklosesten des Fingers, welcher den
Widerstand schätzt, den ein Gefass der Zusammenpressung
entgegenstellt, oder auch der sichtbaren Ausdehnung und
Farbenveränderung gewisser Gefässrcgionen. Diese Boob-
achtungsweise hat man zu vervollkommnen getrachtet durch
die Auwendung eines Glasröhrchens, das an seinem obern
Ende zu einer offenen Capillarc ausgezogen, an seinem
untern aber mit einer nachgiebigen Blase geschlossen
war. Man soll dieses Gefass mit Flüssigkeit füllen, die
Blase auf die Haut setzen, welche über eiue Arterie wog-
läuft, andrücken, und 4** Spiel der Flüssigkeit, welches
durch das Klopfen der Arterie herbeigeführt wird, in dem
engen Ausläufer vergrössert beobachten (Herisson). —
Weit vollkommener als hierdurch gelingt die Nachweisung
wesentlicher Eigenschaften des Pulses durch den schreiben-
den Fühlhebel , dem Vierordt*) als Sp hy ginogra ph
(Fig. 45) folgende Einrichtung gegeben hat. Auf die
Haut, welche eine leicht zugängliche Arterie bedeckt, legt
er ein Plättchen («), Ton dem ein Stäbchen senkrecht zu
dem Ende des kurzen Arms eines Fühlhebels bc aufsteigt,
an dem es sich befestigt. Der lange Arm des Hebels d r,
der die Ausschläge des kurzen 10 bis 30 mal vergrössert,
ist am freien Ende tnit einer der zarter gehenden Vorrich-
tungen in Verbindung, welche die Kreisbewegung die-
ses Endes in eine gradlinige übersetzen ; diese Einrichtung
trägt ein Menschenhaar *, das die Auf- und Abgänge des
Hebels auf ein hcrusstes Papier fixirt, welches über den
Umfang eine« mit bekannter Geschwindigkeit sich drehen-
den Cylinders gespannt ist.
Um den Gang des Hebels von mancherlei andern
Bewegungsursachen unabhängig zu machen, die sich hier
cinmischen könnten, giebt Y i erordt zahlreiche Vorschrif-
ten; so »teilt er die Gliedmaasse fest, welche die Arterie
trägt, und Überzeugt sich durch ein sicheres Verfahren,
dass ihm dieses gelungen; die Schwingungen in Folge
der Trägheit beseitigt er dadurch, dass er sowohl die
Gesammtmasse des Hebels durch Auflegen von Gewichten
als auch den Druck, welche dieselbe auf das Gefüss ausübt.
so lange (durch Acquilirriren des entgegengesetzten Armes) regelt, bis der Hebel mit
der gewünschten Geschwindigkeit aufgehoben wird. Nicht mindere Aufmerksamkeit
•)
Die Lehre von» Arterienpula. ltraun»cl>nelg>ltgH».
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lieber die Messung durch da« regi«trirende Manometer.
155
schenkt er der Verbindung zwischen Uaut und Plättchen , um die erste so nachgiebig
zu machen, dass das letztere jeder Pulslage auch wirklich folgen könne. Eine Ein-
richtung ist Yierordt jedoch noch nicht gelungen, nämlich die Herstellung einer
solchen Verbindung, dass in zwei verschiedenen Versuchen aus der Grosse des Hebel-
Ausschlages die Durchmesser - Vermehrung der Arterien abgeleitet werden könnte.
Unter vorsichtiger Benutzung in sachverständigen Händen wird dieses Instrument
ebensowohl den Zeitraum bestimmen, der zur Vollendung sei es einer ganzen oder nur
der auf- oder absteigendeu Pulsbewegung verbraucht wird, und unter Umständen auch
die Abhängigkeit darstellen, in welcher das Wachsthum des Artericn-Durchrnessers zur
Zeit steht. Dieses ist natürlich nicht gleichbedeutend mit dem Wachsthum des Blut-
drucks, wegen der bekannten Eigenschaft der Arterieuwand, sich nicht direkt pmportinal
mit der steigenden Belastung auszudehnen, vorausgesetzt, dass diese letztere nur kürzere
Zeit hindurch einwirkt. Aus diesen and andern Gründen ist das Instrument auch
nicht geeignet, relative oder absolute Angaben über den Blutdruck zu machen, voraus-
gesetzt, man wollte über die Angaben hinausgehen , dass einem grösseren Durchmesser
der Arterie eine höhere Blutspannung entspreche als einem geringeren.
ln einzelnen Fällen ist es auch vorteilhaft gewesen, das Metronom zu ge-
brauchen , um ein ungefähre« Maas« für den zeitlichen Abstand zweier Pulsschlägc zu
erhalten. Donders stellt das Instrument so ein, dass die Schläge desselben mit
denen des Pulses zusammenfallen. Wird nun durch irgend welchen Umstand die
Schlagfolge des Herzens vorübergehend geändert, so ist aus der Vergleichung mit dem
Metronom leicht anzugeben, ob die Uerzpausen verlängert oder verkürzt sind.
Zur Messung der Spannungen bei Thicren bedient man sich auch hier des Druck-
zeichners (Fig. 35). Er hat vor allen übrigen denkbaren Instrumenten den Vorzug,
dass die Blutspannung durch eine Flüssigkeit gemessen wird, so dass die Angaben des
Messinstruments sogleich brauchbar sind, ohne irgend welchen Umsatz in ein anderes
Maas« erfahren zu müssen.
Wenn nun aber das registrirende Manometer dazu benutzt wer-
den soll, um Drücke zu messen und aufznschreiben , die mit der
steigenden Zeit in sehr auffallendem Grade wachsen und sinken,
so ist eine besondere Betrachtung nöthig, ob die vom Instrument
gegebene Curve das wahre Spiegelbild des Vorgangs in dem Ge-
fässe ist, mit andern Worten ob in der That der in jedem Augen-
blick anfgczeichnete Druck auch im Gefäss als solcher vorhanden
ist. Diese Voraussetzung würde erfüllt sein, wenn der Druck im
Blute und im Glasgefäss sich momentan ansgleichen könnte und
wenn das Quecksilber sich nur unter dem Einflugs des jeweilig
vorhandenen Blutdruckes bewegte.
Indem wir zuerst den letzten Punkt ins Auge fassen , leuchtet
sogleich ein, dass das Quecksilber, welches bisher unter dem Ein-
fluss der stets geänderten Blntdrücke auf- und abgeht, vermöge
seiner Trägheit auch noch dann mit seiner bisherigen Uesehwindig-
keit fortschreiten würde , seihst wenn es dem Einflüsse des Blut-
druckes entzogen wäre. Demnach würde also die wahre Bewegung,
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156
Dm repistrirende Manomnter.
die das Quecksilber in jedem Angenblick annimmt , abhängen von
dem Stoss , den es in ihm empfängt und dem Bewegungsbestreben,
welches ihm seiner Trägheit wegen noch anklebt. Hieraus leuchtet
sogleich weiter ein , dass die Bewegung des Quecksilbers nur dann
dem Gange des Blutdruckes entspricht, wenn es gelingt, den ihm
wegen der Trägheit anhaftenden Stoss der bewegenden Kräfte ver-
schwindend klein zu machen gegen denjenigen, der hervorgeht aus
dem in jedem Augenblicke neu hinzukommenden positiven oder
negativen Spanuungszuwachs, Diese Forderung lässt sich aber
auf genügende Weise befriedigen. Zu dem Ende muss die Masse
des im Manometer aufgehäuften Quecksilbers möglichst gering ge-
nommen werden; eine Maassregel, die jedoch hald darin ihre Grenze
findet, dass die Länge der Quecksilbersäule nicht unter einen be-
stimmten Werth herabsinken darf, soll sie anders dem Blutdrücke
noch das Gleichgewicht halten, und dass sich der Anwendung
des zeichnenden Schwimmers Schwierigkeiten in den Weg setzen,
wenn ihr Querschnitt unter 2 — 4 Mm. Durchmesser absteigt. Daraus
folgt, dass in die Röhre 25 bis 50 Gr. Quecksilber gefttllt werden
mtlssen. In der That kann aber auch bis zur letzten Gewichtsmenge
gestiegen werden, vorausgesetzt, dass man den Blutdruck einer
grösseren Arterie bei Hunden von mittlerem Körpergewicht messen
will. — Zweitens müssen die Wandungen der Verbindungsröhre
zwischen Blut und Quecksilber aus steifen Stoffen (Messing, Blei
oder Zinn) gebaut und ihr Hohlraum durchaus nur mit tropfbarer
Flüssigkeit gefüllt und somit alle Luftblasen vermieden sein. Der
Vortheil, welchen diese Verbindungsart bietet, besteht darin, dass
sich dann das Quecksilber nur in so weit bewegen kann, als Blut
aus den Gefässröhrcn nachdringt oder dorthin ausweicht. Hierdurch
wird aber offenbar die Bewegung des Quecksilbers mit allen «len
bewegungsverzehrenden Widerständen behaftet, welche sich dem
Blutstrom selbst entgegen stellen. Es würde darum sehr fehlerhaft
sein , wenn man Luftblasen in dem Instrument dulden oder gar
das Blutgefäss mit dem Glasrohr durch einen leicht in Schwingungen
zu versetzenden Kautschoukschlauch verbinden wollte. — Endlich
muss in das Verbindungsrohr zwischen Blut und Quecksilber ein
Hahn eingesetzt werden, um die Ausgleichungsgeschwindigkeit des
Drucks zwischen den beiden genannten Flüssigkeiten gewisse Gren-
zen nicht übersteigen zu lassen; denn offenbar ist es eine Be-
dingung für die brauchbare Messung, dass die Geschwindigkeit,
mit der das Quecksilber im Glasrohr ansteigt oder absinkt, niemals
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Beseitigung der Einwfinde gegen den Druckzeichner.
K7
einen allzu beträchtlichen Werth annimmt. Die Erfahrung hat ge-
lehrt, dass eine Spiegeländerung von 20 — 40 Mm. in 0,3 bis 0,4 Seed.
unschädlich ist; man ktinute aber durch Stellung der llahnöffnung
das Ansteigen und Absiuken noch weit langsamer geschehen lassen.
Wendet man diese selbstverständlichen Vorsichtsmaassregehi
an, so wird man sicher sein, dass sich das Quecksilber im Mano-
meter und der Druck in deu Arterien immer im. gleichen Sinne
ändern, und dass namentlich, wie man behauptet, im Manometer
niemals mehr Wendepunkte des Drucks, als Pulsschläge geschehen
sind, Vorkommen. Um mich zu überzeugen, dass diese Vorsichts-
maassregeln genügen, um den Gang des Quecksilber- und Blut-
druckes in zeitliche Uebereinstimmung zu bringen , wendete ich in
meiner vor 12 Jahren erschienenen Arbeit Uber den Druckzeichner
mehrere Prttfungsmittel an. So legte ich zwischen die innere Brust-
wandfläche und das Herz des Thieres, dessen Blutdruck untersucht
werden sollte, ein kleines mit Wasser gefülltes Bläschen luftdicht
ein, führte aus demselben ein steifes Rohr in ein mit Quecksilber
gefülltes Manometer, dessen Schwimmer auf die rotirende Trommel
schreiben konnte. Da sieh das Herz bei der Systole der Brustwand
nähert, bei der Diastole von ihr entfernt, so wird das Bläschen
dazu dienen können, Senkungen und Erhebungen des Quecksilbers
im Manometer zu veranlassen, die gleichzeitig mit dem Steigen und
Fallen des Druckes in der Arterie gehen. Hat man nun gleich-
zeitig aus dem Bläschen und einer Arterie zwei Curven schreiben
lassen , und legt man daun die zu einander gehörigen Stücke der
beiden Curven übereinander*), so ist die Zeit, welche zur Vollendung
einer Herzbewegung gehört, in der Herz - und Arteriencurve ganz
dieselbe. Es finden sieh dagegen Unterschiede rüeksichtlich der
Mittheilung dieser Gesammtzcit auf den auf- und absteigenden
Theil einer jeden Herzcurve, was nicht anders sein kann, da sich
in dem arteriellen Blut noch die Respirationsstösse ausprägen, die
in dem auf das Herz gelegten Beutelelien nicht ganz fehlen, aber
doch weniger merklich sind. Da nun aber die Excursionen der
vom Herzen geradaus gezeichneten Curve oft um das neunfache
geringer sind, als die des arteriellen Manometers, so .folgt eben
daraus, dass die Vollendungszeit einer Schwankung unabhängig
war von der Elongation, die sie besass. — Eine andere Probe
gewann ich dadurch, dass ich gleichzeitig auf Carotis und
•) I. c. In MDlIera Archiv IM7. |>. 1*1. Hin Znhlon der Tabelle XIII. Fl». ‘.'I n. TW. XI. Fl». 13.
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1.1*
Theorie de» Drucksaichnera.
Cruralis oder zwei Carotiden u.s. w. zwei Manometer mit ungleichen
Quecksilbermengen und Hahnöffnungen einsetzte; hierdurch erhielt
ich Cnrven, deren variable Ordinaten sehr ungleich hoch waren,
und doch deckten sich beide zeitlich vollkommen*).
Diesen ans der Erfahrung geschöpften Beweis ftlr die Be-
hauptung, dass der Druck des Blutes und des Quecksilbers gleich-
viel Hebungen und Senkungen macht, hat Bedtenbacher**) auf
theoretische Betrachtungen gesttlzt, angezweifelt. Die Voraus-
setzungen seiner Rechnung fallen aber mit denen des Manometers
nicht zusammen. Denn während das Instrument gerade auf einer
vorsichtigen Benutzung- der Reibung des Bluts im Gefässsysteni und
auf der Regelung der Ausgleichungszeiten der Drücke in dem Gefäss
und Glasrohr beruht, wendet er auf dasselbe die elementaren Sätze
an, welche ftlr die Verflechtung zweier Schwingungsursachen gütig
sind. Demgemäss muss er zu Folgerungen kommen, die ein passend
eingerichtetes Manometer niemals bestätigen kann. — Ad. Fick ***)
bat das Versehen von Bedtenbacher in so fern verbessert, als
er in seine Formel einen die Reibung bezeichnenden Ausdruck ein-
setzt, wodurch sich, wenige Umformungen abgerechnet, die Betrach-
tung gerade so gestaltet, wie sic S eebeekf) ftlr die Trommelfell-
bewegung gegeben hat. Unter dieser ganz allgemeinen Voraus-
setzung stimmt nun auch schon Erfahrung und Rechnung besser. —
Vom praktischen Standpunkt aus hat Vierordt und nach ihm Valen-
tin Bedenken gegen das Manometer erhoben; unbestreitbar giebt
es Einrichtungen , die nicht das Gewünschte leisten , obwohl sie
nach dem .Schema der Manometer gebaut sind. Bevor also eine
Besprechung jener Bedenken fruchtbar werden könnte , müsste der
Ban und die Anwendungsweise ihrer Instrumente bekannt sein.
Vierordt gebührt jedoch das Verdienst, gezeigt zu haben, dass
das Manometer nicht in Jedermanns Hand nützlich werden muss;
er hat damit hoffentlich den Gebrauch des Instruments heilsam
eingeschränkt. —
Die bisherigen Betrachtungen haben ungesucht den Beweis ge-
liefert, dass die Quecksilberdrücke den jeweilig vorhandenen Blut-
drücken nicht entsprechen, weil absichtlich die Ausgleichung der
•) I. o T«f. 14. Fl*. S6.
■•) Vierordt, Lettre vom Arterienpuls p. 11.
•••) Med Physik p. 4GB.
{) Dieses Lehrbuch I. IM. p.
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Beobachtete Spannungen in den Arterien.
159
fortlaufend sich ändernden Blotdrtteke gehemmt wurde; es wird
also die Hgsänle im Manometer nie so hoch steigen nnd sinken,
als der Blutdruck fordert. Dieser Umstand verhindert es aber nicht,
dass ans den fortlaufend veränderten Höhen, welche das Queck-
silber erreicht, der wahre Mitteldrnck des Bluts gefunden werden
kann , weil nämlich die Einflüsse, welche die Ausgleichung hindern,
sich in ganz derselben Weise für das Auf- wie das AbBteigen gel-
tend machen.
Aus der gelieferten Cnrvc findet man nun den Mitteldruek ent-
weder durch Wägung des Papierstttckes , welches die Curve um-
grenzt oder durch das Planimeter, worüber auf die medicinische
Physik von Ad. Pick*) zu verweisen ist.
Ueber die Verbindungen dea Manometers mit dem Gefitss je nach der Messung
des Seiten- oder Achsendrucks und je nach der Messung in Arterien und Venen siehe
C. Ludwig und Volkmann**).
Beobachtete Spannungen in der grossen Blutbahn.
Arterien.
1. Puls. Jede Zusammeuzichung des Herzens bedingt in den
Arterien eine rasch vorübergehende, durch das ganze System fort-
laufende Erweiterung, welche als Folge der Welle angesehen wer-
den muss, die vom Herzen erregt wird. — Die Ausdehnung der
Arterie geschieht, wie dieses namentlich an einem blos gelegten
Uefässe sichtbar wird, eben so wohl nach der Länge als nach dem
Durchmesser. Die Ausweitung nach der letztem Richtung ist jedoch
weniger augenfällig, als die Verlängerung, welche sich durch eine
Bewegung der bisher gestreckten Gefässe besonders einleuchtend
Uusscrt. Dieser Unterschied ist einmal begründet in der meist ge-
ringem Dehnbarkeit nach der queren Richtung und nächstdem
dadurch, dass das blossgelegte Gefäss nach der Länge hin in
grösserer Ausdehnung sichtbar ist, als sie der Peripherie der Ar-
terie zukommt; wenn also die Ausdehnung, welche die Arterien-
wand nach beiden Richtungen hin erfährt, relativ gleich gross ist.
so wird doch die nach der Länge absolut bedeutender sein.
Po in e ui Ile ***) hat ii^ einigen Fällen bei Thieren die Vermehrung der Räumlich*
keit gemessen, welche ein aliquoter Abschnitt einer Arterio erfahrt ; leider fehlen gleich-
eeitige Druckbestimmungen, so dass das Resultat auf kein allgemeines Interesse An-
spruch machen kann. — Ueber den Streit, ob die Ansdehnung nach der Länge allein
oder nach beiden Richtungen erfolge, siche K. H. Weberf).
•) r. 464-
Mngk, Heule u. Pfeufcr ’s Zeitschrift. III. B<l. — Hnoinodyuamik. 14f>.
•*•) Valentin, Lehrbuch der Physiologie. 2. And. I. p. 448.
t) Hl i d • br an d’« Anatomie. HI. Bd. p. 73.
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IGO
Beobachtete Spannungen in den Arterien der groHsen Blutbahn.
Wenn die Erweiterung der Arterien beim Puls die Folge der
fortschreitenden Wellenbewegung ist, so muss derselbe, wie dieses
auch thatsächlich der Fall, in jedem dem Herzen näher gelegenen
Arterienabschnitt früher erscheinen, als in den entfernteren. Kennt
man nun die Zeit, welche nothwendig, damit das Maximum der
Erweiterung von einem Ort zu einem andern von bekannter Ent-
fernung fortschreitet, so ist damit die Geschwindigkeit des Fort-
schreitens der Welle im Arteriensystem gegeben. E. H. Weber*)
hat mit der Tertienuhr eine solche Bestimmung an sich ausge-
fUhrt und gefunden, dass die Welle in 1 Bekunde um 11,250 Me-
ter «= 34,5 Fuss fortschreitet. Bemerkenswerther Weise stimmt
diese Fortleitungsgeschwindigkeit mit der von ihm am Kautschouk-
rohr beobachteten Uberein. — Macht man nun die Annahme, dass
in einer Arterie die Wellen von einem zum andern Herzschlag an-
dauern, so muss die Wellenlänge gefunden werden, wenn man
diese Zeit mit der Fortleitungsgeschwindigkeit multiplizirt. Aus
einer solchen Rechnung geht hervor, dass selbst bei einem sehr
rasch auf einander folgenden Herzschlag die Länge der Arte-
riemvelle die des menschlichen Körpers weit Ubertrifft.
• 2. An einer und derselben Gefässstelle erscheint die Wider-
standsfähigkeit der pulsirenden Arterie dem druckenden Finger
veränderlich mit der Blutfltlle des ganzen Gefüsssystems, mit der
Zahl und Kraft der Athem- und Herzbewegungen, mit dem Ein-
tritt von Stromhemmnissen im Allgemeinen, oder solchen, die dies-
seits und jenseits der untersuchten Stelle gelegen sind.
Den genauen Ausdruck für diese Thatsachen liefert der Druck-
zeichner; die folgenden Beobachtungen beziehen sich auf die art.
carotis, wenn nicht das Gegentheil bemerkt wird.
a. Veränderlichkeit des Mitteldrucks eines Blut-
stroms mit der BlutfUlle**). Nach einer Injection von er-
wärmtem und geschlagenem Blut eines Thiers in die Adern eines
gleichartigen andern pflegt, wie Volk mann, Goll u. A. erwiesen
haben, die mittlere Spannung des Stroms iji der Carotis zu stei-
gen, während sie abnimmt nach grossen Aderlässen. Dieser Er-
folg muss jedoch nicht nothwendig eintreten, da eine Vermehrung
oder Verminderung in der Beschleunigung und in dem Umfang der
•) leipziger Berichte. MiUhematlitclt-phyaitche CIjusc. 1851. 19rt n. 118.
•*) Volkinann, Hufcmo.lyiumlk. p. 464. — Goll, Heule n. Pfeufer'a Zeitschrift. N. F.
IV. p. 78. — Brauner, I. c,
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Veränderlichkeit der Stroraapannung mit der Athemhewe^unj;. ](]}
Herzschläge compensirend anftrcten kann. Diese Compcnsation
muss jedoch innerhalb gewisser Grenzen eingeschlosscn sein, die
sieh aber vorerst nicht näher bezeichnen lassen. — Während eines
Aderlasses mnss nach den Versuchen, welche Volkmann an
starren Köhren anstellte, die Spannungsabnahme am gröss-
ten sein in den Gefässen, welche der Oeffnung zunächst liegen,
und namentlich in denjenigen, welche zwischen diesen letzlern und
den Capillaren sich befinden.
Nach einer merkwürdigen Beobachtung von jVierordt und
Aberle*)hat die a. radialis der lebenden Menschen vor dem Mittags-
cssen einen geringeren Durchmesser als nach demselben; das bela-
stete Stäbchen (p. 154) fand im Mittel den Durchmesser der Arterie
nach Tisch = 2,9 MM.; vor Tisch aber = 2,3 MM. Dieses Span-
nungswachsthum des Bluts kann abgeleitet werden aus einem
durch die Verdauung vermehrten Inhalt des Gefässsystems , aus
der Stauung, welche die zu jener Zeit zahlreich vorhandenen
farblosen Blutkörperchen in den Capillaren erzeugen, oder sie
kann Folge einer Mischung beider Ursachen sein.
b. Wie sich unter dem Einfluss der veränderten Herz-
bewegung die Spannung ändert, ist schon irtlher mitgetheilt
worden, siehe pag. 131.
e. Veränderlichkeit der Spannung riiit den Athem-
bewegungen**). Der Einfluss der Athembewegung auf die Span-
nung des arteriellen Blutes fällt bei verschiedenen Thiergattungen
und bei denselben Individuen unter abweichenden l.'mständen sehr
verschieden aus. Wir betrachten hier als Prototype die Erschei-
nungen beim Hund und dem Pferd.
Hund. Hier ist zu unterscheiden: er. Jeder einzelne Akt einer
Athembewegung (eine In- und eine Exspiration) besitzt die Dauer
mehrer Herzschläge; die Zahl dieser letzten) in der Minute ist
eine mittlere (keine beschleunigte). — In diesem Fall gewinnt die
Spannungscurve das in Fig. 46. wiedergegebene Ansehen. Mit der
beginnenden Exspiration folgen die Zusammenziehungen des Her-
zens einander sehr rasch (1 bis 6). In dieser Zeit ( E bis Ii)
steigt die mittlere Spannung sehr beträchtlich, so dass selbst wäh-
rend der zwischen zwei Zusammenziehungen gelegenen Erschlaf-
fung des Herzens entweder gar kein oder ein nur sehr unbedeu-
*) Die M*«»ung des Arteriendnreltmeuer Tübingen 18&6.
**) C. Ludwig, Mit ller'a Archiv. 1B47. — Don der» an den angeführten Urten.
Ludwig, Physiologie II. 2. Au ringe. tl
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162
Einfluss der Atberabcwcgung beim Hund.
teudes Sinken der Spannnng zu Stande kommt Jeder neue Herz-
schlag trifft also eine höhere Spannung an, als der vorhergehende.
Mit Vollendung der Exspirationsbewegung (R), wenn der verengte
Thorax zu seiner normalen Weite zurllckkehrt , tritt nun plötzlich
eiue lange Herzpanse ein, während welcher die Spannung sehr be-
Fig. 41» beträchtlich herabsinkt; anf
diese folgen dann die Herz-
schläge seltener. In der dar-
auf eintretenden Inspiration
( 7) ereignet es sich nun, dass
während jeder Herzsystole die
Spannnng weniger steigt, als
sie in der zugehörigen Dia-
stole sinkt, so dass jeder fol-
gende Herzschlag die Span-
nung anf einem niederen
Grade antrifft, als der vorher-
gehende. — Um eine Vor-
stellung davon zu erhalten, wie sich der Mitteldruck von einem
Herzschlage zum andern in einer vollendeten Respirationsbewegnng
ändert, ist es nothwendig, die Curve M M aus der unmittelbar ge-
wonnenen dadurch zu constmiren, dass man aus den während
einer Herzzusammenziehung bestehenden Spannungen das Mittel
nimmt, diese mittleren Wcrthe auf die halbe Zeit zwischen Anfang
und Ende der Herzbewegung aufträgt und darauf die Punkte
durch eine Linie verbindet.
Diese Werthänderungen der mittleren »Spannung hängen nach-
weislich von zwei Umständen ab, einmal von den Herzkräften
und dann von dem .Spannungszuwachse, welchen das Blut in der
Brusthöhle durch die Bewegungen der Brustwaudungen erhält. Der
Beweis flir die Behauptung, dass den Bewegungen der Brustwan-
dnng ein Antheil an den Veränderungen der mittleren Spannung
zugeschrieben werden müsse, liegt schon darin, dass eine Propor-
tionalität besteht zwischen den Spannungsveränderungen des In-
halts der Brust und der Arterien; denn erfabrungsgemüss steigt
die arterielle Spannungseurve gerade so lange an , als die Exspi-
ratiousbewegung anhält, nnd nicht minder steigt und sinkt dieselbe
um so beträchtlicher, je umfänglicher die Aus- oder Einathinung
geschieht. — Den Zuwachs, welchen die mittlere Spannnng des
Bluts während der Dauer einer Ausathniung erfährt, kann man
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HinAus* der Athembewcgung beim Pferd.
163
sich aber nicht allein abhängig denken von dem Druck der zu-
sammenfallenden Brust. Dieses vorausgesetzt, mttsste offenbar die
Spannung, welche während der Exspiration zwischen Brust und
der äussern Fläche der Gefüsswand besteht, gleich sein dem Zu-
wachs der Spannung in den Binnenräumen der Gefdsse. Dieses
ist aber nicht der Fall; denn eine Messung dieser Spannung in
dem verschlossenen Brustkasten ergab, dass diese immer geringer
als der Spannungszuwachs in den Arterien war (C. Ludwig). —
Die Veränderung in der Zahl der Herzschläge kann bedingt sein
entweder von einem erregenden Einfluss, welchen der zusammen-
fallende Brustraum auf das ausgedehnte Ilerz tlbt, oder von Erre-
gungen des n. vagus. Die Annahme, dass der zuletzt erwähnte
Nerv hierbei im Spiel sei, wird durch die Thatsachen des folgen-
den Satzes bestätigt.
ß. Jeder einzelne Akt einer AthembeWcgung besitzt die Dauer
mehrerer Herzschläge, die Zahl der letzteren ist eine beschleunigte.
Diesen Fall kann man künstlich erzeugen, Fig. 47.
wenn man die n. vagi durchschneidet.
Die Erscheinungen, welche in Fig. 47.
dargestellt sind, unterscheiden sich von
den vorhergehenden dadurch , dass die
Dauer und die Intensität der einzelnen
Herzschläge in der Ausathmung von denen
in der Einatlimung nieht abweichen; der
Spannnngszuwachs ist somit nur abhängig von dem Druck der
Brnstwandung, was die direkten Messungen bestätigen.
y. Die Athem- und Herzbewegungen sind ungefähr gleich an
Zahl; bei dieser Combination sind an der arteriellen Bpannungs-
curve die einzelnen Phasen der Athembewegung nieht mehr zu er-
kennen, obwohl ihr Einfluss offenbar noch vorhanden sein muss.
Pferd. Bei diesem Thiere gestalten sich die Erscheinungen
darum sehr viel einfacher, weil die regelmässige Wiederkehr des
Herzschlags durch die Bedingungen, welche die Athembewegnngen
einlciten, nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Es beziehen sich
demnach die durch die letzteren erzeugten Veränderungen in der
arteriellen Spannungscurve nur auf eine Steigerung oder Minderung
der durch die Herzkräfte erzeugten Drücke, so dass während der
Herzpause die Spannung beträchtlich abnimmt, wenn sie sich zu
einer Inspirationsbewegung gesellt., während keine oder nur eine
II*
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n;4
Einfluss der Athembenregung beim Menschen.
geringe Abnahme bemerklieli ist, wenn eine Herzpanse und eine
Exspirationsbewegung Zusammentreffen. Das Umgekehrte aber
gilt von dem Steigen wälirend der Herzzusammenziehung. — Diese
Alteration der arteriellen Spannungscurve ist nun aber bemerkens-
werther Weise nur dann wahrzunehmen, wenn die Herzzusammen-
ziehungen wenig umfangreieh sind und rasch aufeinander folgen
und zugleich die Athembeweguugeu sehr intensiv werden. Im an-
dern Falle ist ein Einfluss der Bewegungen der Brustwandung
nicht bemerklick.
Mensch. Bei ruhigem ungehemmtem Athmen sind die am Hills zu
beobachtenden Aenderungen, wenn sie Vorkommen, was aber nicht
immer geschieht, so geringfügig, dass sie nur der schreibende Ftlhl-
hebel darthnn kann. .Sie beziehen sich auf die Pulsdauer (die
Geschwindigkeit der Pulsfolge), auf die Pulsschnelle (das Verkült-
niss zwischen .Ausdeknungs- und Yerengerungszeit des Gefässes),
und auf die Pnlsgrösse (Durchmesseränderung). — Verändert sich
die Pulsfolge, so beschleunigt sie sich in der beginnenden Exspi-
ration am meisten, während sich mit der beginnenden Inspiration
das Gegentheil ereignet, und es fallen die Unterschiede bei lang-
samer Athemfolge mehr in das Auge als bei rascherer. In den
extremsten Fällen ist die kürzeste exspiratorische Pulsdauer 37,
wenn die längste inspiratorische 100 ist. — Erleidet die Ausdeh-
nungsgesebwindigkeit des Pulses eine Aenderung, so geschieht
dieses immer so, dass sic in der ersten Hälfte der Exspiration am
grössten und in der gleichen Hälfte der Inspirationsdauer am ge-
ringsten ist. Benutzt man als Maass der Pulsschnelle den Brach,
der aus der Division der Ausdehnungszeit in die Verengerangszeit
der Arterie hervorgeht, so verhalten sich die beobachteten
Extreme der Pulsschnelle wie 1,00: 1,05 — Was endlich die
Umfangsänderung des Pulses anlangt, so ist sie in der In-
spiration grösser als in der Exspiration. Diese von Vier-
ordt*) hingestellten Tbatsachen sind, soweit eine Vergleichung
zulässig ist , in voller Uebereinstimmung mit den am Hund
beobachteten. — Bei sehr tiefer und angehaltener Athmnng stel-
len sich die Erscheinungen nach den Erfahrungen und Erör-
terungen von Donders und Ed. Weber merklich anders. — Bei
sehr tiefer Inspiration wird der Puls langsamer und weniger fühl-
•) Die Lehre vom Artet ienpoU. Itrauuschtvcig IW»'». |i. 1WI
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Einfluss der angehalteneu Einathmung.
1H5
bar, indem häutig der Herzschlag so schwach wird, dass man seine
Töno mittelst des aufgelegten Ohrs nicht mehr zu hären ver-
mag. Diese Erscheinungsreihe wird beobachtet, gleichgültig, ob
Mund und Nase während der Erweiterung des Brustkorbs ge-
schlossen oder geüfl'nct war. — Geht nun eine Inspiration in eine
Exspiration über, so wird der Pulsschlag schneller und voller, vor-
ausgesetzt, dass aus dem verengten Brustkorb die Luft ent-
weichen konnte. Schliesst man dagegen nach einer tiefen In-
spiration Mund und Nase, und presst dann die Luft in der
Brusthöhle mittelst einer Exspirationsbewegung zusammen, ohne
dass sie entweichen kann, so wird der l'uls zwar ebenfalls
schneller, aber die Herzschläge werden dabei so schwach,
dass bei vielen Individuen Puls und Herztöne gänzlich zum Ver- .
schwinden kommen. Der innere Zusammenhang, der den zuletzt
mitgetheilten Thatsachen gemäss zwischen Atliem- und Herzbe-
wegungen besteht, ist noch nicht überall klar; so viel scheint je-
doch festzustchen , dass er zum grossen Theil bedingt wird durch
die veränderten Pressungen, unter welche die Blutbehältcr des
Brustkastens gesetzt werden. — In der tiefen Inspiration werden
die Saugkräfte der Lungen vermehrt; indem sich nun das Herz
zusammenzieht, muss der linke Ventritcl nicht allein die Gewalt,
überwinden, mit welcher das in der Aorta gespannte Blut die ar-
terielle Mündung zupresst, sondern auch noch den Unterschied des
Luftdrucks, welchem die änssem Herzflächen und der Aorteninhalt
ansgesetzt sind. Es ist denkbar, dass die Summe dieser beiden
Drücke gross genug wird, um die Entleerung des Herzens unmög-
lich zu machen. — In der Exspiration, und insbesondere wenn die
Zusammenziehung des Brustkastens energisch ist, während die
Stimmritze geschlossen und die Lungen mit Luft erfüllt sind, wird
eine so starke Pressung auf die grossen Körpervenen in dem
Brust- und Bauehramn ausgeübt, dass es denjenigen des Bluts in
den grossen Kopf- und Extremitätenvenen übertrifft; das Blut wird
also ans ihnen nicht mehr nachströmen können, und wenn dann
das Herz den Vorrath an Blut, den es in der Brusthöhle findet,
erschöpft hat, so wird es bei weiteren Zusammenziehungen kein
Blut mehr aus der Brusthöhle entleeren können, so dass dann der
Pulsschlag verschwinden muss.
Die Beschleunigung, welche die Herzschläge erfahren, kann
man sich abhängig denken zum Theil von den Erregungen, welehe
das Herz durch das Zusammendrucken des Brustkastens empfängt,
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166
Spannung&änderung nach Arterienuntorbindung.
zum Theil aber auch von den Reflexen, welche der n. vagus in
Folge der veränderten Erregungsverhältnisse seiner peripheren
Enden auslüsst. —
d. Der Verschluss*) einer oder mehrerer Arterien
ändert, selbst wenn alle andern Strombedingungen dieselben
bleiben den Mitteldruck im ganzen Arterieubereich. Im Allgemei-
nen wird in der unterbundenen Arterie zwischen Herz und der
Uutcrbindungsstelle und ebenso in allen andern nicht unterbundenen
Arterien der Wanddruck steigen, während er in der geschlossenen
Arterie und ihren Aesten zwischen der Ligatur und Capillarver-
theilung abnehmen wird. — Die einfachste Ueberlegung lässt
erwarten, dass in der Aorta und ihren Zweigen die Druckvermeh-
. rung wachsen werde mit der Zahl und dem Umfang der geschlos-
senen Arterien d. h. mit der Ausdehnung der verödeten Abzugs-
rohren. Magendie und Goll haben diese Voraussicht thatsäch-
lich bestätigt; so fand u. A. der Letztere, dass in der Art. carotis
des Hundes der Druck von 122 MM. zu 157 MM. aufstieg, als
gleichzeitig beiderseits die Carotiden, die Schenkelarterie, die linke
Unter8cldlls8elbeinarterie und die rechte quere Halsarterie unter-
bunden wurden; nach Lösung aller dieser Ligaturen ging der
Druck auf 129 MM. zurtlck. — Da bestätigende Versuche fehlen,
so lässt sich weiterhin nur als wahrscheinlich aussagen, dass der
drueksteigernde Einfluss der Unterbindung um so grösser sein
wird, je näher der in Reziehung hiorauf untersuchte Stromort dem
geschlossenen Querschnitt liegt; so dass z. B. nach Unterbindung^
der Carotis die Spannung in dieser höher gebracht wird als in der
andern a. carotis oder gar in der a. cruralis ; -denn es ist wohl an-
zunchmcn, dass sieh der Blutüberschuss welcher der Aorta wegen
Verschliessung einer Abzugsröhre verbleibt sich vorzüglich auf die
der letztem nahestehenden und noch offen verbliebenen Arterien
vcrthcilt. — Fragen wir noch etwas näher nach der Druckver-
mehrung, welche ira geschlossenen Gefäss vor dem Unterbindungs-
fäden cintritt, so wird man im Allgemeinen behaupten dürfen, dass
sie um so grösser ausfalle, je geschwinder der Strom war, der
durch die Unterbindung zum Stillstand gebracht wurde, und je
grösser bei noch bestehendem Strom der Druckunterschied zwischen
dem nun unterbundenen Gefäss und demjenigen ist, aus welchem
es gespeist wurde. Die erste Position gilt darum, weil sich in der
*) Spengler, Müller'» Archiv. 1844. — Volkminn, I. c. p. 446. — Goll , 1. c. p. A4.
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Spannungsänderung in der geschlossenen Arterie.
167
Unterbindung die Kraft, welche sich bis dahin in Geschwindig-
keit ilnsserte, in Spannung nmsetzt, und die andere desshalb, weil
das unterbundene Gcfilss ein todter Anhang der nächst hiiliergc-
legenen wird, so dass seine Spannung nun gleich wird dem in
dem ersteren Gefäss vorhandenen Seitendrnck. Die bis dahin vor-
liegenden Beobachtungen machten es wahrscheinlich, dass die Un-
terbindung in kleineren Arterien eine beträchtlichere Druckstei-
gerung hervorbrächten als in grösseren; weil man nämlich voraus-
setzen muste, dass der Druckunterschied zwischen dem Strom in
einer Arterie erster und zweiter Ordnung geringer sei, als zwi-
schen dem in Arterien zweiter nnd dritter, dritter und vierter u. s. w.
und weil der geringe aus der GeschwindigkeitsuntcrdrUekung her-
vorgehende Spannungszuwachs überhaupt der Messung nicht mehr
zugänglich sei. Den ^tatsächlichen Beweis für diese Unterstellung
fand man darin, dass kleine Arterien, wenn sie durch SchnUrfadcn
oder Blntpfröpfe verstopft waren viel lebhafter als früher pulsirten,
während Spengler ausgesagt hatte, dass der Mitteldruek in dem
Herzende der Carotis sich nicht änderte, mochte sie unterbunden
oder offen sein. Diese letztere Angabe scheint aber auf der
mangelhaften noch ohne Seil reibsch wimmer ausgcflthrten Manometer-
beobachtung zu beruhen, da der Druckzeichner jedesmal angiebt,
dass die Spannung merklich steigt, wenn man die bis dahin offene
Carotis gegen die Capillaren hin abschlicsst. In einer von AV.
Müller und mir gemeinsam ausgeftthrten Beobachtung stieg der
Mitteldruck der Carotis des Hundes beim Schliessen von 105 MM.
auf 128 MM. und bei demselben Hund ein anderes Mal von 115 MM.
auf 131, also um 23 resp. 16 MM. Bei einem zweiten Hund än-
derte sich unter denselben Bedingungen der Mitteldruck von
124 MM. auf 135, also um 11 MM. Dieses Resultat ist in der
That so constant und auffällig, dass ich seit mehren Jahren den
Versuch unter die in der Vorlesung aufzeigbaren aufgenommen
habe. Die Entscheidung der obigen Alternative muss also einst-
weilen dahingestellt bleiben. —
Im Gegensatz zum bisherigen nimmt dagegen der Druck un-
terhalb der Unterbindungsstelle, d. h. zwischen dieser und den
Capillaren ah. Diese Druckminderung wird abhängen von dem
Spannnngswcrth, welchen der Strom in dem Gefäss vor der Unter-
bindung besass, und von dem Querschnitt und der Spannung der
arteriellen Strömungen, welche unterhalb der Unterbindung aus
dem noch wegsamen in den verödeten Bezirk führen. Ein gutes '
168 Veränderung des Mitteldrucks mit der Entfernung vom Herzen.
. Beispiel flir dieses Vorkommen liefert das .Schlagaderwerk des
Kopfes, welches aus den beiden Carotiden und einem Antiteil der
Subclavien gespeist wird. Aus einer mit W. Müller angestellten
Versuchsweise führe ich an, dass : der Seitendrnck in der a. caro-
tis des Hundes vor der Unterbindung 108 MM. betrug, unmittel-
bar nach Anbringung der Ligatur in einem dem Herzen näher ge-
legenen Ort sank der Druck auf 88 MM. und nach Unterbindung
der entgegengesetzten Carotis auf 78 MM. — Bei einem andern
Hund ergab sich: Seitendruck der wegsamen Carotis = 120 MM.,
nach Unterbindung des Herzendes derselben = 76; nach Schlies-
sung der entgegengesetzten carotis = 71 MM. Unterbindet man
nach Schliessung einer oder beider Carotiden der Reihe nach noch
die Aeste, welche aus der Carotis hervorgehen, deren Druck beob-
achtet wurde , so steigt nach der Ligatur der einen der Druck
wieder an und nach der der andern mindert er sich wieder. Die-
ser Gegensatz kann wohl nur dadurch bedingt sein, dass die
Aeste, deren Verschluss das Steigen im Carotidcnstumpf erzeugt,
vorzugsweise Blut nach den Capillaren hin abflthren, während
die sich entgegengesetzt verhaltenden überwiegend Verbindungs-
zweige mit den lebendigem Stroniarmen sind.
e. Veränderlichkeit des Mitteldrucks mit der Ent-
fernung des Arterienquerschnitts vom Herzen*). Die
Versuche, durch welche man festzustellen sucht, welche Spannun-
gen gleichzeitig in verschiedenen Arterien bestehen, gehören zu
den schwierigem; nach eigenen vielfachen Erfahrungen ist nur
denjenigen Resultaten ein Werth bcizulegen, welche mittels des
Druckzeichners gewonnen sind, und, wie sich von selbst versteht,
nur denjenigen, bei welchen die untersuchten Arterien in gleichem
Niveau gelegen sind, so dass die von der Schwere des Bluts her-
rührenden Spannungsungleichheiten als climinirt anzusehen sind.
Die unter diesen Bedingungen gewonnenen Erfahrungen sind noch
sehr wenig zahlreich. — Aus ihnen scheint aber mit Sicherheit
hervorzugehen , dass in den grossen Arterien mit der wachsenden
Entfernung vom Herzen die Spannung sehr wenig abnimmt, wäh-
rend in den Arterien kleinen Kalibers dieselbe sehr merklich ab-
nimmt im Vergleich zu der in den grossem. Insbesondere ist
festgestellt, dass die Spannung in der art. cruralis trotz ihrer be-
trächtlichen Entfernung vom Herzen doch eben so gross ist, als in
*) C'. Ludwig, I. c. p. 524 und 300. — Volk mann, Hacmodynamlk. p. 173 u. f.
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Schlüsse über Spannung aus «lern Pulsfiihlen.
169
der art. carotis. Die Erläuterung dieser Erscheinung hat keine
Schwierigkeit, wenn man erwägt, dass der Strom in den Arterien
weder sehr rasch ist, noch auch, dass die Stösse und die Keibun-
gen irv der Aorta bis zur art. cruralis hin sehr beträchtlich sind.
In Anbetracht der Thatsache, dass das Blutgefässwerk ein sehr
vernickeltes Zweigsystem darstellt, lässt es sich sogar denken,
dass der Druck in der Cruralis noch höh*r ajs in der Carotis sei,
wie dieses in der That wiederholt beobachtet wurde. In den klei-
nen Arterien findet sich dagegen nach Volkmann die Spannung
constant sehr viel niedriger als in den grössem; aber auch hier
fällt sie keineswegs in dem Maasse, in welchem der Abstand des
Gefässcs vom Herzen zunimmt. Beispielsweise fuhren wir an, dass
bei einem Kalb der Mitteldruck in der a. carotis 165,5 MM. und
gleichzeitig in der a. metatarsi 146 MM. Quecksilber betrug.
f. lieber die Ergebnisse des Pnlsfilhlens. ■ Ein ge-
übter Beobachter soll mit dem Finger ausser der Häufigkeit der
Wiederkehr an dem Puls unterscheiden: ob er rasch oder allmäh-
lig anschwillt (p. celer und tardus); wie weit dabei die Arterie
ansgedehnt sei (plenus und vacuus) und in welchem Grade von
mittlerer Spannung sich hierbei das Gefäss befindet (p. mollis und
dnrus). Wenn der Arzt das Zugeständniss macht, dass selbst ein
sehr feiner Finger nur grobe Unterschiede feststellen kann, so wird
derjenige, welcher den Strom mit scharfen Mitteln zu messen ge-
wöhnt ist, in der That nichts einwenden gegen die Glaubwürdig-
keit der Behauptung; um so weniger, weil die obigen Angaben
Bezeichnungen wirklich vorkommender Zustände enthalten. — Denn
celer oder tardus kann der Puls werden, wie die Curven des
Druckzeichners darthun ; der ansteigende oder absteigende Curven-
ast braucht* zu einer gleichen Erhebung oder Senknng oft sehr
verschiedene Zeit. Der Puls muss aber darum celer oder tardus
werden können, weil z. B. das Herz erfahrungsgemäss einen glei-
chen Umfang der Verkürzung zu verschiedenen Zeiten in ungleich
langen Zeiten dnrchläuft. — Dass die pnlsirende Arterie bald ge-
füllt und bald leer sein kann, versteht sich nach einer ganzen
Reihe von Mittheilungen über den Puls von selbst. Dass aber die
Arterien in gefülltem Zustande auch weich und im leeren auch
hart sein können, lässt sich nicht bestreiten, weil der Spannungs-
grad, abgesehen von der Füllung, auch abhängig ist von dem
Elastizitätseoöffizienten der Wandung, so dass, wenn die Gefäss-
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170
Untersuchung dos Pulses durch den Sphygmograivh.
wtuidung schon an and für sich steif ist, auch die wenig gefüllte
Arterie sich sehr hart anftlhlen kann.
Der Pulshebel von Vierordt*) hat unser empirisches Wissen
Uber den Puls beträchtlich bereichert; er lieferte darüber Nach-
weise, 1) dass unter scheinbar gleichen Verhältnissen die Dauer
der einzelnen unmittelbar aufeinander folgenden Schläge eine merk-
lich ungleiche sein kau«; 2) dass das Verhältniss zwischen der
Ausdehnungs- und Zusammenziehungszeit zweier Pulse wesentlich
von einander abweichen kann, selbst wenn ihre Gesammtdauer die-
selbe war; 3) dass er annähernd das Gesetz entwickelte, nach wel-
chem sich die Ausdehnung sowohl wie die Zusammenziehung der Ar-
terienwand mit der wachsenden Zeit ändert. Endlich lehrte er
4) auch Beziehungen kennen zwischen der Dauer der Celerität
und dem Waehsthumsgesetz des Pulses, worüber die Abhandlung
von Vierordt nachzuschen.
Au« Vierordt» Werk haben wir folgende den Gesunden betreffende Zahlen:
Setzt inan die Dancr des kürzesten Pulses = 1, so ist die des längsten im Mittel zu
1,37, in den Extremen zu 1,17 und zu 1,02 gefunden worden, ln einer jeden vom Puls-
hebel geschriebenen Curvo liegen Unregelmässigkeiten der Pulse vor; sie scheinen aber
bei raschem Puls, z. B. nach Tisch, sich in engere Grenzen cinzuschliesscn, als bei lang-
samem Puls. — l)ie Vergleichung aller Erweiterungszeiten und andererseits aller Ver-
engerungszeiten oiner Pulsreihe unter einander ergiebt, dass die ersten grosseren Un-
regelmässigkeiten unterworfen sind als die letzteren. — Die relative Schlagfertigkcit
des Pulses (Celeritas) drückt Vierordt so aus, dass er die Erwoiterungsseit immer
= 100 sotst, also drückt er die Variation der relativen Geschwindigkeit, mit welcher
die Erweiterung vollendet wird, durch die Veränderung der Verengungszeit aus, woraus
folgt, dass mit der wachsenden Vcrhältnisszahl die relative Erwciterungsgeschwindigkcit
zunimmt. Verfolgt man nun die Resultate, so stellt sich heraus, dass im Allgemeinen
die Erweitcrungszcit kürzer dauert als die V erkürtun gszcit, dass aber auch das umge-
kehrte Verhältniss eintreten kann. Dio Mittelzahl für die Schlagfertigkeit ist 100; ihre
Grenzen liegen von 86 bis 143; während der Verdauung und des angestrengten Athraens
ist die relative Pulsschncllc am grössten. Je kürzer die ganze Pulsdaucr, umso grösser ist
auch die relative Schnellkraft des Pulses, d. h. es nimmt bei rascher Pulsfolgc die Dauer
der Verengung weniger ab als dir der Erweiterung. Vierordt theilt die Erweiterungs-
und Verengerungszeiten der Pulse (dio Abszissen der Curven) in jo 5 Theile und
misst den positiven oder negativen Durchmesserzuwachs der Arterien in einem solchen
Zeitraum. Die hier gefundenen Wcrthc zeigen, dass die ]>ositive und negative Aus-
dehnungsgeschwindigkeit bis zu jenen 3 Zeiträumen wächst, dann aber abniinmt, —
]n diesem letzten Gebiet dürfte der Sphygmograph an die Grenze seiner Leistungsfähig-
keit gelangt sein.
g. lieber die zeitliche Abhängigkeit der Herz- und
Pnlsschläge; pulsus dicrotus. Alle Betrachtungen, die wir
•) Die Lehre vom Artcrlcnpala. tlraunschwcig 1855.
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Pulsus dicrotus.
171
bis dahin anstellten, führten darauf, dass in bestimmten Zeitab-
schnitten die grossem Arterien mindestens so vielmal pulsiren
iullsscn, als während derselben das Herz geschlagen hat. Diese
Behauptung wird so sehr durch die Erfahrung bestätigt, dass Alles,
was früher Uber die Sehlagfolge des Herzens angemerkt ist, auch
für die Pnlsfolgc der Arterien gilt Diese Behauptung schliesst
aber die Möglichkeit nicht aus, dass auf einen Herzschlag mehrere
l’ulssehläge fallen, eine Möglichkeit, die erfahrungsgemäss besteht,
indem sehr häufig bei einzelnen Thieren (z. B. beim Pferd) und
zuweilen wenigstens beim Menschen auf je einen Herzschlag zwei
Pulsschläge beobachtet werden, von denen der eine gewöhnlich
weniger kräftig und kürzer dauernd ist, als der andere. Diese
Erscheinung ist unter dem Namen des pulsus dicrotus berühmt. —
Diejenigen Eigentümlichkeiten dieses Doppelschlags, welche be-
kannt sein müssten, weun der Mechanismus ihres Zustandekom-
mens erklärt werden sollte, sind leider noch nicht beobachtet. Es
bleibt also nichts übrig, als einige Möglichkeiten zu erörtern und
daraus abzuleiten, auf welche Eigentümlichkeiten sich künftighin
die Aufmerksamkeit zu richten hat.
Mit ililfe des Apparats, der Seite 72 abgcbildct wurde, lassen sich für eine
Hahn Öffnung auf verschiedene Weise Doppelschläge in dem pulsirenden Rohr
hervorbringen. 1) Die zweite Erhebung des Doppelschlags ist die Folge der elastischen
Nachwirkung des ersten. Diese Nachschwingung ereignet sich jedesmal in einer aus-
geprägten Weise, wenn man den Wasserbehälter bis zu der Höhe von ungefähr 1 Meter
mit Wasser gefüllt, das elastische Rohr und den Wasserbehälter mittelst eines Hahns
von weiter Ocffnung in Verbindung gebracht und diesen letzteren sehr rasch geöffnet hat.
Der Lehre von der Erhaltung der lebendigen Kräfte und der Trägheit gemäss muss die
Flüssigkeit in der Schlauchwellc zu einer hohem Spannung als in dem Wasserbehälter
gelangen, ln Folge hiervon wird sich die 8cblauchwand mit einer grossen Geschwindig-
keit ausdehnen und ebenso rasch wieder xusammenfallen ; wenn nun die Schlauchvy&nd
noch der einen Seite hin vermöge der Beharrung sich über den Grad von Ausdehnung
spannte, der ihr vermöge des Drucks aus dem Wasserbehälter her zukam , so fallt sie
auch bei dem Rückgang aus dieser Spannung beträchtlicher zusammen, als es ihr, ohne
die grosse Geschwindigkeit ihrer Bewegung, die Widerstände der umliegendon Wand-
thcile möglich machen würden. Hat sich aber die Geschwindigkeit eben in Folge
dieser Widerstände erschöpft, so wird sie durch die Spannung der Umgebung nun
wieder aufwärts getrieben ; dann erst entleert sich das Röhrenstück, vorausgesetzt, dass
der Hahn geschlossen bleibt, allmälilig. Der zweite Schlag ist also jedesmal weniger
energisch, als der erste. — Würde nach Analogie dieses Vorgangs der pulsus dicrotus
auftreten, so müssten : die Herzschläge nicht allzurasch einander folgen, damit sich die
Arterie während der Herzpausc bedeutend abspannen könnte , so dass die Bewegung
der Arterienwand vom Beginn bis zum Ende des Herzschlags eine grosse Geschwindig-
keit zu erlangen vermöchte ; die Herzzusammenziehung selbst müsste aber sehr umfänglich
und dabei rasch vollendet sein; der zweite Schlag müsste dem ersten an Kraft nach-
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172
Pulsus dicrotus.
stehen und in den vom Herzen entfernteren Artcrionslückcn schwächer als in den ihm
näheron gefühlt worden. — 2) In dem elastischem Rohr erfolgt ein Doppelschlag, wenn
die Geschwindigkeit, mit welcher der Hahn geöffnet wird, eine ungleichförmige ist
Also z. B. wenn man die erste Hälfte der Hahnmündung geschwind Öffnet, dann sehr
kurze Zeit langsamer weiter dreht und darauf zur frühem Umdrehungsgeschwindigkeit
zurück kehrt. In Folge dieser Art zu drehen, steigt die Spannung in dem Röhren-
umfang in kurzer Zeit zuerst sehr bedeutend , dann vermindert sich die Plötzlichkeit
derselben , um beim letzten Akt der Hahndrehung wieder rasch zu steigen. Damit er-
hält der Schlauchpuls eine fühlbare Einbiegung, die unter günstigen Umständen einen
deutlichen Doppelschlag zum Vorschein bringt. — Wenn sich im menschlichen Kreislauf
dieses ereignen sollte, so müsste die Zus&mraenziehüng der Kammern mit einer während
ihrer Dauer variablen Geschwindigkeit erfolgen ; die Erscheinung würde wahrscheinlich
sehr deutlich hervortroten. Man würde auf diesen Mechanismus des pulsus dicrotus
schlie8sen dürfen, wenn der erste Schlag desselben dio Arterien zu einer geringem
Spannung führte, als der zweite, so dass er gleichsam als ein Vorschlag des ersten er-
schien. Eine Bestätigung für dio Annahme, dass der pulsus dicrotus auf diese Weise
erzeugt sei , würde darin liegen , dass der erste Ucrzton , der durch die Zusammen-
ziehung der Kammern cnsteht, sehr anhaltond und mit schwankender Intensität gehört
würde. — 3) Endlich kann man durch WellenreÜexion einen Doppelschlag hervorbringen,
vorausgesetzt nämlich, dass man in das Rohr einen Widerstand, z. B. einen dos Lumen
desselben zum grossen Theil erfüllenden und zugleich feststehenden Körper einfügt,
der die Bergwellcn zuriiekzuwerfen vermag. Auch in diesem Fall ist der zweite Schlag
schwächer, als der erste, er folgt aber diesem um so rascher, je näher das Röhren*
stück an dem reüektircndcn Widerstand 'liegt. Durch diese letztere Eigenschaft, durch
den Nachweis des rcflektirondcn Widerstandes, und schliesslich dadurch, dass der pulsus
dicrotus nur einzelnen, nicht aber allen Arterien zukäme, würde sich im Leben diese
Art von Entstehung einos Doppelpulscs erkennen lassen. — Volkmann*) hat die
unter den Bedingungen l)und 2) entstehenden Doppelschläge vermuthungsweise abgeleitet
aus Interferenzen zweier ungleich rasch fortgepflanzter Wellensystome, deren Vorhanden-
sein er im Schlauche statuirte. Der eine von diesen Wcllenzügen sollte in der Schlatich-
wand , der andere in der Flüssigkeit fortschreiten. Abgesehen davon , dass überhaupt
kein Grund zur Annahme gesonderter Wcllensysteme vorliegt,- bleibt dieselbe immer
noch die Erklärung dafür schuldig, warum nur unter den geschilderten Bedingungen
die Welle des Schlauchs und der Flüssigkeit unabhängig y»n einander werden. — Die
älteren Pathologen, welche der Ansicht zuneigten, dass die Muskeln der Uefasswand
sich ebenso rythmisch contrahirten , wie die des Herzens, erklärten den pulsus dicrotus
aus einem eigentümlichen Rythmus der Gefässbcwegung. Diese Annahme bedarf keiner
Widerlegung mehr, seitdem die Bewegungen, welche in der arteriellen Gcfässw&nd Vor-
kommen können, genauer untersucht worden sind. —
2. Mittelzahlen ftlr die Spannnng des Bluts in
den grössern Arterien**). Aus zahlreichen Beobachtun-
gen , welche sieh meist auf eine minutenlange Beobachtungs-
zeit beziehen, geht hervor, dass der Mitteldruck schwankte beim
•) Hacntotlynamik. 118 u. f.
*•) Volkmann, 1. c. p. 177. — Beutner, Hcnle und Pfeu f er *a Zeitschrift. Neue Folge.
II. Bnnd.
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Zahlenanggbon Uber mittlere Spannung.
173
Pferd zwischen 321 bis 110 MM. Hg., beiin Schaaf zwischen
' 206 bis 98 MM., beim Hund von 172 bis 88 MM. Hg., bei der
Katze von 150 bis 71 MM. Hg, beim Kaninchen von 90 bis 50 MM.
Hg.*). — Diese Erfahrungen lehren, dass zwar im Allgemeinen
die Grösse des Thiers und der mittlere Blutdruck in der a. carotis
abnehmen, aber keineswegs so, dass das bei einer kleinern Thier-
art beobachtete Maximum nnter das bei dem grösseren gefundene
Minimum herabsinkt. Die auf den ersten Blick auffallende Er-
scheinung, dass Thiere von sehr verschiedener Grösse, wie Katzen
und Pferde, einen so annähernd gleichen Blutdruck darbieten, be-
weist, dass in ihnen die den Blutdruck bestimmenden Umstände:
Herzkraft, Blutmeuge, Gesammtblut der Arterien, Wandungsdicke
im Verhältniss zum Lumen, Widerstände u. s. w. in den Kreis-
laufsapparatcn der einzelnen Thiere jedesmal in der Weise gegen-
einander geordnet sind, dass aus ihnen ein annähernd gleicher
Werth des mittleren Druckes resultirt.
Es darf nun als wahrscheinlich angenommen werden, dass der
absolute Werth des Mitteldrucks in der a. carotis des Menschen
ebenfalls in die fltr die Sängethiere festgestellten Grenzen fällt;
indem man dieses anerkennt, wird man aber zugleich die Unmög-
lichkeit des schon öfter unternommenen Beginnens einsehen, eine
ftlr den Menschen allgemein gütige Zahlenangabe zu machen;
denn offenbar wird beim Menschen gerade wie in den einzelnen
Thiergattungen der Spannungswerth innerhalb sehr weiter Gren-
zen schwanken können. Um sich unmittelbar von der Rich-
tigkeit jener Voraussetzungen zu Überzeugen, führte Faivre**)
mit Zustimmung der Aerzte des Hötel-Dieu in Lyon Versuche an
drei amputirten Männern ans. Die arter. hrachialis eines hinfäl-
ligen Alten von 60 Jahren und die a. femoral. eines muskelkräf-
tigen Mannes von 30 Jahren zeigen übereinstimmend einen unge-
fähren Mitteldruck von 120 MM. mit Respirationsschwankungen
von 10 bis 20 MM. n. Herzschwankungen von 2 bis 3 MM. — An
der Armarterie eines 23jährigen durch tumor albus herabgekom-
nienen Mannes erhob sich die Säule auf etwa 110 MM. Wie gross
der Blutverlust vor der Einfttgung des Instrumentes gewesen, ob,
*) Dem weniger Geübten wird der beträchtliche Werth der Drücke, um die tu aich handelt,
vielleicht lebhafter werden, wenn er «ich den Qneckallber- in den Wasserdruck übersetzt, was in
Jedem Pall tfeachleht, wenn er die obigen Zahlen mit 13,5 MM. multiplizirt.
••) Gazette roldirale ItlMI p. 797. n f.
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174
Spannung in den II aarg^ fassen.
wie doch wahrscheinlich, Chloroformnarkose verbanden gewesen,
ist nicht angegeben.
Ueber Spannungsminderungen nach dem Einfuhren von Arz-
neistoffen (Neutralsalzen, Digitalin, Chloroforni, Breehweinstein)
geben die schon erwähnten Arbeiten von Blake, Brunner und
Lenz Aufschluss.
Spannung in den Haargefässen.
Ihre durch Gesicht und Geftlhl bestimmbare Ausdehnung, oder,,
was dasselbe sagt, die Spannung ihres Inhalts in ein und der-
selben Provinz wechselt mit dem Blutdruck in den Arterien und
Venen, mit dem Durchmesser der Arterien und Venen nnd nament-
lich der zu- und abführenden , mit der Widerstandsfähigkeit und
den Bewegungen der sie umschliessenden Gewebe. Dem ent-
sprechend strömt wahrscheinlich ftlr gewöhnlich das Blut in den
verschiedenen Abtheilungen des Capillarsystems unter verschiede-
nen Spannungen.
a. Wenn die Spannung in den Arterien steigt, so ist damit
zugleich die Kraft gewachsen, welche den Einfluss in die Capil-
laren bestimmt, und damit nach bekannten Grundsätzen die Span-
nung des Bluts in diesen selbst. Bestätigungen hierfür finden wir an
leicht ausdehnbaren Gefässrcgionen ; so dchuen sic sich aus, d. h.
die von ihnen versorgten Hautstücke röthen sich, wenn das Herz
rascher und intensiver schlägt, oder wenn in anderen als den zu-
führenden Arterien der Strom unterbrochen ist; nach einem Ader-
lass dagegen werden die Capillarprovinzen blass u. s. w. — Gestutzt
auf die Theorie , dürfen wir vermutben, dass die Spannung in den
Capillaren nicht direkt proportional mit derjenigen in den grösse-
ren Arterien steige, sondern immer weit hinter derselben zurllok-
bleibe. Denn wenn in Folge eines Spannungsznwachses in den
Arterien das Einströmen in die Capillaren auch beschleunigt wird,
so kann dieses doch nicht in dem Maasse geschehen, in dem der
Druck gestiegen ist, da in den engen und gebogenen Zuleitungs-
röhren (den feinsten Arterien) der Widerstand mit der steigenden
Stromgeschwindigkeit ungeheuer wächst.
b. Steigt dagegen die Spannung in den Venen, so muss in
demselben Vcrhältniss auch diejenige in den Capillaren wachsen,
welche die betreffenden Venen als Abflussrohren benutzen. Dieses
ist sogleich einleuchtend für den Fall, dass alle Venen, die den
Abfluss aus einem Capillarengau besorgen, verstopft sind, denn
dann werden offenbar die Capillaren ein blindes Anhängsel an den
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Spannung in den Haargefasaen.
175
zuftlhrenden Arterien darstellen und es muss darum hier die
Spannung so hoch steigen, als sie in der Arterie selbst steht. Da
wir nun ans der Theorie sehliessen dürfen, dass im normalen Zu-
stand in den Capillaren die Spannung eine viel niedrigere sei, als
selbst in den letzten Artcrienästen , so muss unter den bezeichne-
ten Umständen die Spannung in den erstem sehr beträchtlich an-
wachscn. In vollkommener Uebereinstimmung hiermit sehen wir
denn auch, dass', wenn einigermaassen beträchtliche Hemmungen
in den abführenden Venen eines Capillareusystcuis eintreten, die
Spannung in diesem ungemein ansteigt; so schwellen z. B. die
Finger nach Umlegung einer Ligatur um dieselben sehr beträcht-
lich an.
c. Mit der Verengerung des Durchmessers der kleinen in das
Capillarensystem fahrenden Arterien muss unzweifelhaft die Span-
nung in den erstem niedriger werden, weil unter diesen Umstän-
den die in dasselbe strömende Blutmasse abnimmt; der Grund
hierfür liegt in der bekannten Thatsache, dass eine strömende
Flüssigkeit beiin Durchgang durch enge Röhren an ihren leben-
digen Kräften mehr einbtisst, als beim Fliessen durch weite. Diese
theoretische Folgerung hat man gewöhnlich bestritten unter An-
führung der ebenfalls feststehenden Beobachtung, dass, wenn man
innerhalb eines Röhrensystems statt eines vorher vorhandenen wei-
ten StUckes ein enges einfügt, während man die Kräfte, welche
die Flüssigkeit in den Anfang des Röhrensystems eintreiben, un-
verändert erhält, in dem engen Stück die Flüssigkeit nun ge-
schwinder fliesst. Die obige Bchanptung steht aber in gar keinem
Widerspruch mit dieser letzten Thatsache; denn die aus dem engen
Stück hervortretende Flüssigkeitsmenge ist ein Produkt aus dem
Querschnitt der Röhre in die Geschwindigkeit des in ihnen vor-
gehenden Stroms, und sie behauptet darum nur, dass die Ge-
schwindigkeit nicht in dem Maasse steigt, wie der Röhrenquerschnitt
abnahm, eine Annahme, welche durch die hydraulischen Unter-
suchungen als vollkommen feststehend anzusehen ist. — Hieraus
müsste man nun folgern, dass, wenn eine Verengerung in den
kleinen Arterien einträte, die zu ihnen gehörigen Capillaren leerer
und die von ihnen durchsetzten Gewebe somit blasser werden
müssten. Dieser Erfolg würde unmöglich ausbleiben können, wenn
das Blut statt eines Gemenges aus flüssigen und festen Stoffen
von ungleicher Eigeuschwere eine homogene Flüssigkeit darstellte.
Bei der berührten mechanischen Zusammensetzung kann aber eine
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176 Spannungen nach Veränderungen im Durchmeaaer kleiner Arterien und Venen.
verminderte Spannung, selbst wenn sieb die i&flussröhren veren-
engert haben , nur kurze Zeit bestehen , und zwar bis zu einem
gewissen Grad um so kürzere Zeit, je beträchtlicher die kleinen
Arterien verengert sind. Denn in dem langsamen Strom, der dann
durch das Capillarsystem geht, mttssen sieh die schweren Blutkör-
perchen anhäufen und zusammendrängen, also muss wegen des
gesteigerten Widerstandes die Spannung wieder steigen. Diese
Folgerung ist zuerst von Brücke*) gezogen worden, obwohl
schon Poiseuille**) den Hergang mit dem Mikroskop beobach-
tet hat, als er künstlich den Zufluss in ein Capillarsystem
minderte.
Mit der Erweiterung der kleinen Arterien muss dagegen die
Spannung des Bluts der Capillaren zunehiueu, da hiermit sieh die
Menge der in sie einströmenden Flüssigkeit mehrt. Diese Stei-
gerung der Spannung scheint beträchtlich werden zu können,
wie man dieses z. B. nach Durchschneidung der Gefüssnerven
sieht. — Verbinden sieh Arterienerweiternngen und ein kräftiger
Herzschlag, wie dieses bei Uebernährung des Herzens beobachtet
wird, so ereignet es sieh zuweilen, dass sich der Pulsschlag noch
bis in die Capillaren fortsetzt, so dass jedesmal unmittelbar nach
einer Herzzusammenziehung eine vermehrte liöthung derjenigeu
Hautstellcn cintritt, in welche sich die Capillaren mit erweiterten
Zuflussrohren begeben.
Die Erscheinungen werden sieh nun, wie ohne weiteres klar
sein wird, gerade in umgekehrter Weise einiinden müssen, wenn
sich die kleinen Venen, in die die Capillaren übergehen, verengern
oder erweitern; denn offenbar wird in dem erstem Fall der Ab
fluss beschränkt, in dem letztem begünstigt und somit die .Span
nung in dem einen steigen, in dem andern aber sinken mttssen.
Bei den wichtigen Folgen, die eine veränderte Spannung des
Bluts in den Capillaren für die Absonderungserscheiuuugcn und
den Wärmeverlust mit sich führt, ist es von Bedeutung, dass ge-
rade die den Capillaren- zunächst gelegenen Arterien und Venen
mit Muskelfasern begabt sind, mit deren Zusammenziehung und
Erschlaffung der Durchmesser dieser Gefässe beträchtliche«
Schwankungen unterworfen ist; hierdurch ist ein regulatorischer
Apparat gegeben, der den Stromlauf' in der einen oder andern
•) Uebor die Mechanik de« Enteündungaprozesae*. Archiv f. physlolog. Heilkunde. IX. Bd 4t*3.
**) Ktcherthei sur lea citun da inouvement du sang dana let viliieaux capillnlre*. Pari«. lnkV
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Spannung in der vena jugularia.
177
Capillarenabtheilnng bis zu einem gewissen Grade unabhängig von
allen übrigen erhalten kann; und in Wirklichkeit deuten viele Er-
scheinungen, die p. 111 bis 115 schon erwähnt wurden, darauf hin,
dass er diese Aufgabe auch erfüllt.
d. Die steigende oder abnehmende Widerstandsfähigkeit der
Gewebe, in welchen die Capillaren verlaufen, ändert nothwendig
den Durchmesser ihres Querschnitts und dem entsprechend nach
bekannten Grundsätzen ihren Strom. Beispiele für dieses Verhal-
ten liefert die Gänsehaut, Verlust der Epidermis, Erschlaffungen *
der Haut, Wasserergüsse in das Bindegewebe u. s. w.
Die Annahme, dass an den verschiedenen Orten desselben
Capillarensystems, und noch mehr, dass in verschiedenen Capilla-
rensystemen die Spannungen wechseln, gründet sich weniger auf
messende oder schätzende Versuche am Strom seihst, als auf die
Vergleichung der Können der Capillaren und auf die Anwendung
hydraulischer Prinzipien für diese; bei den einzelnen Organen wer-
den wir des genauem hierauf eingehen.
Zu Messungen Uber den wahren Werth der Spannung des
Blutes in den Ilaargefässen fehlt es bis dahin an einer Methode.
Beobachtete Spannung in den Venen.
Die Spannung in den Venen ist erfabrungsgemäss veränder-
lich mit der Blutfülle, der mittleren Spannung im arteriellen System
und ausserdem noch mit den Herzschlägen, den Respirationsbe-
wegungen, den Bewegungen und Stellungen der Glieder; da aber
diese Umstände nicht in jeder Vene sich gleich geltend machen,
so werden wir ihre Folgen zunächst in einer derselben, der vena
jngnlaris externa angeben und darauf die Variation der Erschei-
nung, so weit sie an andern Venen beobachtet ist, folgen lassen.
Wir bemerken im Voraus, dass Uber die Folgen der veränderlichen
Blutfülle zu den wiederholt mitgctheilten Bemerkungen nichts Wei-
teres zuzufügen ist.
Vena jugularis. a. Wenn die vena jugularis sich in
mittlerer Fülle befindet und die Herzschläge kräftig sind, so ist
an ihr jede Vorhofsbewegung sichtbar, indem die Vene mit
der beginnenden Zusammcnziehnng an- und mit der eintretenden
Diastole abschwillt; in allen, selbst in den günstigsten Fäl-
len, ist die sichtbare Veränderung in dem Gcfässdurchmcsser
nicht eben beträchtlich. Wey rieh*) fand, dass die Spannungs-
•) De cordis adspirutiono experimenta. Dorpat. 1863.
Ludwig, Physiologie II. 2. Aullage.
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178
Spannung in der v. jugularis.
abnahmc, welche während der Diastole des Herzens eintritt, höch-
stens einigen MM. Quecksilber entspricht. Hammernik*) giebt
an, dass die Erweiterung der Venen bei der Vorhofszusammen-
ziehung am Halse des Menschen niemals merklich sei, vorausge-
setzt, dass die Klappen in den Gewissen hinreichend schliessen.
b. Die analogen Wirkungen der Brustbewegungen treten be-
deutsamer hervor, indem die Vene bei kräftiger Exspiration jedes-
mal deutlich anschwillt, während sie in der vorhergehenden Inspi-
ration ebenso bedeutend zusammentallt. Das Uebergcwicht dieser
Schwankungen Uber die vorhergehenden prägt sich nun auch in
dem mit dem Lumen der Venen eontmunizirenden Manometer aus.
Es schwankt nemlich bei einer gewöhnlichen Einathmung der
Druck um das doppelte und bei einer tiefen Inspiration um mehr
als das vierfache von dem, um welches ihn die Herzbewegung ver-
änderte. Schwerlich dürfte es jedoeh gelingen, den absoluten
Werth der Druckschwankungen zu erhalten, da sie meist in zu
rascher Folge wechseln, als dass eine vollständige Ausgleichung
der Spannung im Manometer und in der Vene erreicht werden
könnte.
c. Die eben erwähnten Wirkungen des Herzschlags und der
Athembewegung geschehen offenbar unmittelbar durch die hohlen
und ungenannten Venenstämme auf die Drosselvene. Von der
anderen Seite her durch die C'apillhren und die Venenzweige nie-
derer Ordnung müssen sich dagegen beide Bewegungen geltend
machen, insofern sie die Spannung in den Arterien bestimmen.
Auf diesem Wege erzeugen sie allerdings ebenfalls Druckverän-
derungen in dem Blute der Jugularvene, jedoch keineswegs solche,
welche zeitlich oder der Grösse nach genau den in den Arterien
bedingten entsprechen, so dass man noch die einzelnen Herz-
schläge und Respirationsbewegungen unterscheiden könnte. Im
Allgemeinen ändert sich nur, wenn während längerer Zeit hindurch
eine mittlere Spannung in der Arterie constant bleibt, auch die-
jenige der Vene. Als eine im Wesentlichen richtige Regel kann
hier nach den Untersuchungen von Brunner angegeben werden,
dass, wenn längere Zeit hindurch die Spannung in den Arterien
herabsinkt, sie in der Jugularvene zuuimmt und umgekehrt; der
absolute Werth, um welchen die Spannung in den Venen hierbei ge-
ändert wird, ist immer sehr gering gegen den, um welchen sie in
•) Prager Vicrtcljilinichrlft. If&3. III. Bd. p. 68.
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Einfluss der Brust* und Henbewegung auf dieselbe.
179
den Arterien schwankt. So wurde z. B. der mittlere Druck iu der
art. carotis eines Hundes, dessen n. vagi durchschnitten waren, auf
122,4 MM. Quecksilber, der gleichzeitige in der Vene Uber dein
Sternum zu 1 bis 1,9 MM. Quecksilber bestimmt. Als nun die mit
den Herzen in Verbindung stehenden Enden der n. vagi ungefähr
30 Sekunden hindurch erregt wurden, so dass in dieser Zeit gar
keine Herz- (und auch keine Athem-) Bewegung zu Stande kam,
fiel der Druck in der Arterie auf 13,3 MM., in der Vene stieg er
aber auf 3,8 MM. Während er also in der Carotis um 109,1 MM.
gesunken, hatte er sich in der Vene nur um 2,8 bis 1,9 MM. er-
hoben. Diese Erscheinung ist daraus erklärlich, dass die AufUl-
lung des arteriellen Hohlraums nur auf Kosten des venösen ge-
schehen kann und umgekehrt; es muss also', wenn der Druck in
dem einen System sinkt, nothwendig im andern ein Steigen eintre-
ten (Ed. Weber). Dieser Verlust der einen Seite kann aber dem
Gewinn auf der andern nicht gleich sein, weil das arterielle Ge-
sammtlumcn im Vergleich zum venösen enger ist, so dass, was dort
eine beträchtliche Quote des Gesammtinhalts darstellt, hier nur als
eine geringe betrachtet werden muss, nnd weil eine Ausdehnung
des arteriellen Lumens wegen seiner starken elastischen Wandun-
gen mehr Kraft erfordert, als die dünne Venenwand verbraucht.
d. Die Bewegungen der Muskeln in den Fortsätzen des
Rumpfs, dem Hals, Arm u. s. w. bringen eine merkliche Steigerung
der Spannung in der Jugularvenc hervor; diese ist um so bedeu-
tender, je gefüllter die Venen der bewegten Körpertheile sind, und
je rascher und je mehr ihre Lumina durch die Bewegungen zu-
sammengedrtlckt werden.
Die Spannungserscheinungen in den übrigen Ve-
nen. Dio mittlere Spannung nimmt in den Venen von den Zwei-
gen gegen die Stämme hin nach Versuchen an Pferden, Kälbern,
Ziegen und Hunden ab.
In der Hohlvene des Hundes selbst ist die mittlere Spannung
geringer als der Luftdruck gefunden worden (V o 1 k m a n n , C.
Ludwig)*), eine Thatsache, die in vollkommener Uebereinstim-
mung steht mit der von Donders gegebenen Entwickelung Uber
die Spannung in der Brusthöhle ausserhalb der Lungen (p. 143.);
beim Hunde schwankt nach zahlreichen Versuchen der Mitteldruck
in der vena jugularis von 2 bis zu 15 MM. Hg, in den venae
•) Ilaemodyiuiiiik. p. 3M.
12*
180
Spannungen anderer Körpervenen.
brachialis und cruralis von 10 bis zu 30 MM, Hg Mogk*); Volk-
mann**) fand ihn in der ven. facialis der Ziege zn 41 MM. Hg
und gleichzeitig in der vena jugnlaris desselben Thiers aber zu
18 MM. Hg.
Dio Wellen, welche der Herzschlag von den Vorhöfen her er-
zeugt, erstrecken sich beobachtungsgemäss niemals weit in die
Zweige der obern Ilohlader hinein; sie sind z. B. nur in seltenen
Fällen bis in die vena axillaris zn verfolgen. — In grösserer Aus-
dehnung sind aber die von den Brustbewegungen abhängigen
Spannungen nach weisslich , namentlich beobachtet man sie
noch in den Hirnvenen (Ecker***), Donders)f) und in der
vena cruralis , auf welche wahrscheinlich die mit dem Ath-
men zusammenhängenden Bewegungen der Baucheingeweide ver-
mittelnd wirken. Dass ihre Wirksamkeit sich beim Menschen
nicht weniger weit erstreckt, geht daraus hervor, dass die Kopf-
und Halsvenen bei tiefer Exspiration anschwellen und bei tiefer
Inspiration zusammenfallen. Das Volum des Arms soll ebenfalls
bei tiefer Inspiration geringer werden. Hammernikft). — Zu-
sammenpressungen der Venen durch die Muskeln der Glieder, in
welchen sich' dieselben verbreiten, müssen selbstverständlich vor-
zugsweise in den Venen der Extremitäten und der Rumpfwandun-
gen Vorkommen. Diese Pressungen werden nun offenbar den
Röhreninhalt zugleich nach dem Herzen und den Capillaren hin-
treiben; dieser letzte Weg wird dem Strom aber durch die Klap-
pen abgeschnitten, die in den erwähnten Venen besonders zahl-
reich Vorkommen.
Beobachtete Spannungen innerhalb der kleinen
Blutbahn.
1. Die Spannungswerthe des arteriellen Blutes in den Lungen
können gemessen werden: a) nachdem der Brustkasten vorher er-
öffnet ist und der zum Leben nothwendige Luftwechsel in den
Lungen durch einen in die Luftröhre eingesetzten Blasebalg (künst-
liche Athmnng) erhalten wird (Beutner) fff), b) Ein Troicart
wird durch die sonst unverletzte Brustwandung in die art. pul-
•) He nie und Pfeufer. III. Ud. p. 78.
*•) 1. c. p. 178.
••*) Phy*iologi*che Untersuchungen über die Bewegungen de* Gehirn* etc. Stuttg. 1845.
t) De beweglngen der hersenen. Nederl. lancet 2. Serie. 1850.
U) l. c. p. 57.
ttt) Heule # und Pfoufcr'a Zeitschrift. N. F. II. Bd.
Digitized by Gocv
Spannungen in der kleinen Blutbahn.
181
monalis gestochen; nach Entfernung des Stichels wird in die lie-
gengebliebene Scheide der Druckmesser eingesetzt (Chaveau). —
c) Durch die vena jugularis dextra schiebt man einen mettallenen
Catheter in das ost. venosum des rechten Ventrikels (Faivre*). —
d) an einem Thier, dessen Herz in Folge eines Bildungsfchlers
vor der Brustwand liegt, konnte das Verbindungsrohr zwischen
Blut und Messwerkzeug unmittelbar durch das Herzfleisch in die
Vontrikelhöhle gebracht werden (Hering**). — Vermöge der be-
sondern Anwendungsweise des Druckmessers im erstem und letz-
ten! Verfahren erhalten wir keinen Aufschluss Uber die span-
nenden Wirkungen des Brustkastens, sondern nur Uber die des
Herzens. Nicht minder liegt ausser besondem Fehlem in allen
Fällen der Verdacht nahe, dass wesentliche Störungen in der Herz-
thätigkeit eingeführt werden; darum muss jedesmal gleichzeitig
mit dem Druck in den Lungenkreisläufe der in der Carotis be-
stimmt werden, so dass die Spannungen beider mit einander ver-
glichen werden können.
Als Beutner den Druckmesser gleichzeitig in die artt. pul-
monalis und carotis einsetzte, fand er das Verhältniss des Mittel-
drucks in der a. pulmonalis zur a. carotis bei Kaninchen wie 1 : 4,
bei Katzen wie 1 : 5, bei Hunden wie 1:3. — In diesen Ver-
suchen näherte sich die Spannnng in der a. carotis derjenigen sehr
an, welche man auch bei uneröffheter Brusthöhle erhält; darum
darf angenommen werden, dass mindestens die nerzkräfte keine
Schwächung erlitten hatten; dagegen war durch Einsetzung der
Cantile in einen grossen Ast der Pulmonalartcrie offenbar die
Spannung in dieser weit jenseits der normalen Grenzen gesteigert.
Demnach kann man wohl, ohne einen zu grossen Fehler zu be-
gehen, behaupten, dass eine über das gewöhnliche Mittel gestei-
gerte Spannung in der Lungenarterie, so weit diese von der Herz-
kraft abhängig ist, sich verglichen habe mit der annähernd nor-
malen in der Carotis. — •
Die für den Mitteldruck gefundenen Zahlen betragen an Kanin-
chen 22 MM., an Katzen 17 MM., an Hunden 29 MM. Queck-
silber.
Beutner hat auch für einen Fall die Spannung in den Lun-
genvenen der Katzen untersucht und sie zu 10 MM. Hg. ge-
funden.
•) Gazette medical* de Pari* 1W6. p. 7».
••) Archiv fUr phyalolog. Heilkunde. IX. Bd.
182
Spannnngen in der kleinen Blutbahn.
II c rin", welcher seine Beobachtungen an einem Kalbe an-
stellte, das die angegebene Bildungshemmung • (ectopia cordis)
zeigte, brachte seine Messröhren unmittelbar in die linke und
rechte Herzkammer, ln diesen Röhren, welche wasserdicht von der
Muskolsnbstanz umschlossen wurden, stieg die Flüssigkeit in einem
Verhältniss von 1 : 1,7, die grössere Zahl gehörte dem linken Ven-
trikel an.
Faivre, der sich der Methode vonChaveau bediente, giebt
an, dass beim Pferd der Druck in der a. pulmonalis etwa ein
Drittheil von dem in der a. carotis betragen habe.
Da nun der Einfluss der Brustbewegung auf den Lauf des Lun-
genblntes dem Versuch noch nicht zugängig gewesen ist, so können
wir zur Aufhellung dieser wichtigen Verhältnisse nur gelangen
durch theoretische Schlüsse über die Veränderungen, welche die
Athembewegungen an dem Verhalten der Gefässe erzeugen. — -
Mit Rücksicht hierauf ist zweierlei zu unterscheiden. Einmal
nemlich ändert sich die Länge der Gefässe und insbesondere der
Capillaren dadurch, dass sieh die Lungenbläschen bei der Inspi-
ration ansdehnen, während sie bei der Exspiration Zusammen-
fällen; die wesentliche Frage, ob sich hierbei die Widerstände än-
dern, indem mit der Ausdehnung der Lungenbläschen sich die
Capillaren verlängern und verengen, hat Pois euille auf verschie-
dene Art zu erledigen gesucht. Zuerst injicirte er mit einer in der
Kälte erstarrenden Masse die erwärmten Lungengefässe, dann blies
er einen Lappen der Lunge durch den Bronchus auf und unterband
den letztem; die andern blieben im zusammengefallenen Zustand.
Die mikroskopische Messung der Capillaren in der erkalteten
Lunge ergab einen grösseren Durchmesser für die zusammenge-
fallenen, einen kleineren für die aufgeblasenen Lungennmssen. —
Dann bestimmte er die Ausflussgeschwindigkeit eines Stromes, der
unter constantem Dmek in die Lungenarterie ein- und durch die
Lungenvepe ausging. In der zusammcngcfallenen Lunge war der
Strom geschwinder als in der mässig aufgeblasenen und in dieser
wiederum rascher als in der stark aufgeblasenen. Auf diese That-
sachen kommt die Respirationslehre noch einmal zurück. — Nächst-
dem ändert sich aber auch mit der Brnstbewegung die Spannung
der grossen Lungengefässe, welche ausserhalb des Pleurasackes
gelegen sind. Auf sie ist nemlich offenbar alles das anwendbar,
welches für die grossen Gefässe des Aortenwerkes innerhalb der
Brusthöhle galt, so dass in den Venen und Arterien der Lungen
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Geschwindigkeit des Blutetronis.
183
die Spannung mit der Exspiration steigt, mit der Inspiration aber
abnimmt
2. Verbindung zwischen Lungen und Körperkreislauf. Eine
besondere Hervorhebung verdient schliesslich noch die eigenthüm-
liche Verbindung, welche zwischen dem Aorten- und Lungenwerk
durch die a. bronchialis besteht ; diese bezieht, wie bekannt, ihr Blut
ans der Aorta und liefert es theilweise wenigstens unmittelbar in
die v. pulmonalix. Diese Gefässe durften vielleicht .angesehen wer-
den als Mittel, durch welche relative l'eberfUllungen der einen
oder andern Abtheilung ausgeglichen werden können.
Die Geschwindigkeit des Blutstroms.
Die Geschwindigkeit, welche den einzelnen im Blutstrom krei-
senden Thcilchen zukommt, wechselt mit der Zeit und dem Ort
und dem Aggregatzustand des Strömenden. — Zunächst ist es
offenbar, dass von den Thcilchen, welche gleichzeitig in einem und
demselben Stromqu'ersehnitte enthalten sind, diejenigen, welche an
der Röhremvaud laufen, sich langsamer bewegen, als die in der •
Mitte gelegenen, weil ausnahmslos in allen Röhren die Wand-
schicht an Geschwindigkeit der Mittelschicht unterlegen ist. Zu-
dem ist die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes auf den Blutlauf
erfahrungsgemäss fcstgestellt — Ein und dasselbe Thcilchen wird
aber eine verschiedene Geschwindigkeit empfangen, je nachdem
es in den Stämmen oder Aestcn der Arterien und Venen, oder in
den Capillaren sich bewegt, und dieses wird selbst noch gelten,
wenn auch das Theilchcn immer in derselben relativen Stellung
zu der Wand, z. B. in der Mittelschicht, bleibt. Denn da die
Querschnitte der gesummten Blutbahn auf ihrem Verlauf bald
grösser und bald kleiner werden, da trotzdem durch jeden Quer-
schnitt der Gesamintbakn immer gleich viel Blut strömmen muss, ■
so wird in den grössern Querschnitten die Geschwindigkeit sich
vermindern müssen. — Mit der Zeit verändert sich aber die Ge-
schwindigkeit, weil die treibenden Kräfte, oder anders ausgedrüekt,
die Spannungsunterschiede zweier unmittelbar aufeinanderfolgender
Querschnitte mit der Zeit wechseln. Dieser Wechsel ist nun aber
fUr die einzelnen Gefässabtheilungen, wie wir wissen, nicht gleich.
Im normalen Blutstrom sind diese Unterschiede in merklicher Weise
und zwar ununterbrochen vorhanden in den grossen Arterien, insbe-
sondere des Aortensystems, dann in den grossen Körpervenen, am
wenigsten ausgesprochen sind dagegen die erwähnten zeitlichen
Veränderungen in den Capillaren.
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184 Geschwindigkeitsmessung nach K. II. Weber, Vierordt, Wagner, Weller.
Wenn man also die lilotstrUmnng messen will, so muss
sieh vor Allem darüber verständigen, ob man eine l’artialgesel
digkeit, d. h. die an einem Ort und zu einer begrenzten Zei
stehende , oder ciu Mittel aus den zeitlichen und örtlichen V
tionen zu bestimmen gedenkt. Dieses hervorzuheben ist m
weniger nuniltz, als in der That die verschiedenen bis dahii
knnnt gewordenen Methoden bald das eine und bald das ai
Ziel verfolgen.
a. Die Centralgeschwindigkcit des Capillarcnstroms *) kann durch die sic
Bewegung der Blutkörperchen gemessen werden. Dieses geschieht 1. nach E. II. V
durch mikroskopische Ausmessung der Wegstrecke, welche ein Blutkörperchen
Zeiteinheit zurik-klcgt. Um aus diesen Daten die wahre Geschwindigkeit zu :
muss man den durchlaufenen Weg durch die Yergrösserungszahl des Mikroskop«
diren, wio sich von selbst versteht. Als vorzügliche Beobachtungsorte empfehlen s:
Schwimmhaut, und da# Mesenterium der Frösche (E. H. W ober), da« Mesenterium •
Siiugethicro (Volk mann, lt. Wagner), das luxirtc pigmentfreie Auge kleiner
thicre (Waller). — Die Beobachtung selbst ist schwer; auf die Aufstellung d
beobachtenden Tlieilo unter das Mikroskop ist dio grössto Sorgfalt zu verwenden,
die Beobachtung nicht durch örtliche Störungen vereitelt werde. — 2. Ein andei
Menschen anwendbares Verfahren, auf welches schon in der ersten Auflage diese#
buchcs hingewiesen wurde, konnte Vierordt ausführen, weil er, wie Seite 35
1. Bandes erwähnt wurde, sich den eigenen Ketin alkreislauf sichtbar machen
Um diesen Versuch zu dem vorliegenden Zwecke zu benutzen, projizirt er die Ü
flgur auf eine von hinten stark erleuchtete Milchglasscheibe, die in genau gek:
Entfernung vom Auge stellt; dann notirt er die Zeit, in welcher ein Körperchci
gradlinige Bahn von gemessener Länge durchlauft. Ist a der Abstand der l
glasebene vom vordem Knotenpunkt des Auges, b der der Kctina von hintern i
die vom Blutkörperchen auf der Milchglasscheibe durchlaufene Wegstrecke, so i
b c
auf der Kctina durchlaufene =» — . — 3. Vierordt schlägt endlich auch die rc
a
den Scheiben von Plateau und Doppler als Mittel für die Messung an durchsic
thierischcn Thailen vor. —
Da nun bekanntlich die rotlien Körperchen im Centralstrom der Capillarci
fen und da des geringen specifUchen Gewichtsunterschieds wegen ihre Geschwind
mit der der Blutflüssigkeit übereinstiramt, so leistet die Messung ihrer Geschwind
wahrscheinlich mit hoher Vollkommenheit das Verlangte.
b. Das Dmmometcr von Volk mann**) findet seinem Bau gemäss einen !
werth aus den auf dem Querschnitt eines grösseren Gefässes nach Zeit und Raur
widerlichen Geschwindigkeiten. Mit andern Worten, cs misst die Geschwind
welche, wenn sio während der ganzen Beobachtungsdauer auf allen Orten des C
Schnittes gleich wäre, gerade soviel Blut durch den letzten fordern würde, ala
•) Müllers Archiv. Ih3ä. Vierordt. Die Gesetze der Stronigcscliwindijrkeit««. Fn
Ifcv«. p. 33 n. f. — Waller Coinpt. read. Dd. 43. j». 669. — R. Wagner ln Valentins Ja
rieht für 1WV6. p. 7K. —
••) llat'iundyiiAinik. p. K>. Lenz, ezperiineuta de raiioue inter jiuUu» fmiueaitu
Dorpat I8M. p. lt. Vierordt L c. p. 7.
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Geschwindigkeitsmessung nach Vicrordt und Volkmamt
18j
Thal durch ihn lauft, während di.« Gesehw in.ligkeit von der Wund gegen da» Uöhron-
contrum und m jod. ru einzeln« n Faden wiederum mit dom Schlag und der Kühe de»
Herzen.* veränderlich ist Dio besondere Anwendung des Dromomcter* für den Blut-
strom erläutert die Fig. (|s). ln ihr ljczeichneti n u die Kaden des durchschnittenen
Gcfässes, in welche das Huemodromometcr bedeb
eingebunden ist Dieses let/tero hat einen geraden
Schenkel b t e b au* Messing und einen gebogenen
ede aus Glu». An den Orten ee, wo dio Arme des
gläsernen Kohrs in das gerade münden, sind zwei
Uähno mit anderthalbfacher Durchbohrung angebracht,
die in der Zeichnung ini Grundriss dargestellt sind ;
die durchbohrten Gänge sind ^sch wäre schrafftrh Man
erkennt, dass, wenn die durchbohrten Tbcilc der
Hähne dio gezeichnete Stellung eiitnehmcn, das Blut
aus dem Gefässe n unmittelbar durch den geboge-
nen Schenkel e d e dringt , während der gerade abge-
schlossen ist; werden dagegen die Hahne um HO0
gedreht, so ist umgekehrt der gerade Schenkel für
den Blutstrom eröffnet und der gebogene ihm verschlos-
sen. An diesen Hahnen ist endlich noch die hier nicht
angegebene Hinrichtung angebracht, du** immer mit
dum einen Hahne sich der andere zugleich umdrchcii
muss, so das* tu sehr kurzen Zeiten der Strom b e c b
in den von bedeb umgesetzt werden kann. — Will
man eine Messung ausführen, so füllt man das Iiacniu-
droinometcr mit Wasser und bringt einen »einer Hähne
in eine solch. Stellung, dass das einströmendu Blut durch
den geraden Schenkel beeb dringen muss. Hierauf n
dreht man zu einer genau bestimmten Zeit diu
Hähne plötzlich um , so dass nun da* Blut nur
durch den gläsernen Schenkel einen Ausweg Üiulet. Da* in ihn ciudringctido Blut
treibt das Wasser vor sich her. Dieses geschieht jedoch nicht in der Weise, dass un-
mittelbar diu dunklo Farbe des Bluts sich absetzte gegen die helle des Wassers , son-
dern es mischen sich beide , so dass hierdurch auf einer Wegstrecke alle möglichen
Abstufungen de* Blutrnths vom Wasser bis zum reinen Blut hin Vorkommen. Da die
Lingenausdehnung dieser Mischung keineswegs verschwindet gegen die von dein Blut
während der Beolmchtungszcit durchlauft« Bahn, so muss man sich darüber verstän-
digen, welche Tinte man als Marko wählen will, oder ander* ausgedrückt, wie tief die
Farbe der am Hude des Kohrs »»kommenden Mischung sein muss, wenn man die Be-
obachtung für geschlossen erklären will; Volk mann wartet« jedesmal so lange, bi»
die tiefste Farbe, die de* ungemischten Blutes, an dem Grenzstrich angelangt war. Er
versichert, dass unter Berücksichtigung dieses Umstandes und bei der von ihm gewählten
Art, die Zeit zu bestimmen, diu Geschwindigkeit in der Holm« bis auf 0,9 ihres
wahren Werthes genau gemessen werden kann, so das* von dieser Seite der Fehler iu
die Grenzen eine* Zehntheil.* vom ganzen Werth tdngoschloiwen sei.
Einige Willkührliebkeiten, die in diesur Annahme liegen, sucht Vioror.lt zu
beseitigen, indem er vorschlägt, die Zeit zu lurKscii, welche jedesmal zur Volleudung
der Uahnumdrchiing verbraucht wird, und indem er darauf dringt, den BluUulhcil zu
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186 Geschwindigkcitsinessuog nach Yolkraann und Yierordt
bestimmen , welcher auf jeder beliebigen Strecke der gebogenen Bohre in das
eingedrungen ist Ebenso macht er darauf aufmerksam, dass das Dromometer
betracht der kurzen Beobachtuugsdauer, die es zulässt, nur bei rascher Pulsfolge
bar sei, da cs natürlich nicht möglich sei, die Beobachtung mit der Phi
Herzbewegung zu schliessen, mit welcher sie begonnen. — Die etwas schwierig
messung Volkmanns hat B i d d e r vereinfacht und zugleich verschärft
Gesetzt nun aber, es sei die Geschwindigkeit, welche im Dromometer w
der Beobachtung bestand, mit hinreichender Schärfe gemessen worden, so bleil
zu erforschen, in welchem Verhältnis» die Geschwindigkeit des Blutstroms in de
röhre zu derjenigen steht, welche in dem Blutgefäss vorhanden gewesen wäre
dass die Einführung des Instruments stattgefunden hätte. Gleich kann die Ges
digkeit in beiden Umständen nicht sein, da das Verhältnis» zwischen Widerst«
Triebkraft nicht dasselbe geblieben ist — Die Triobkraft dos Bluts ist näml
beide Palle gleich ; denn in ihr würden nur dann Veränderungen eingetreten sein
sich durch das Instrument zwischen dem Herzen und seinem Einftigungsorte etw
gestaltet hätte, was aber nicht geschehen ist Dagegen sind die Widerstande, <
Strom findet, vermehrt ; denn cs hat sich mit der Einsetzung des Instruments di
bahn nach den Capillarcn hin verlängert und auch verengert, weil unter alle
ständon das Lumen der eingebundenen Glasröhre dem der Arterien nicht gleich k
kann ; demgemäss muss die Flüssigkeit langsamer strömen. Zu dieser Betracht«
nun aber Volkmann die Behauptung, dass die Verlangsamung des Stroms nid
bodcutt'nd sei, weil der Widerstand aus den Capillaren hör in beiden Fällen gern
seiund gegen diesen der in der GlasrÖhro verschwinde. Zur Kräftigung seiner Anm
hat er den Widerstand ermittelt, der sich in einem Dromomoter entwickelt, i
in eine Arterie eingefügt ist; dieses geschah anf die gebräuchliche Weise, ind
einen Druckmesser am Beginn und am Ende des Dromometer» einsetst. In de
bestätigt sich seine Ansicht durch den Versuch mindestens in so weit, dass der
stand im Djnmomctor gering ist gegen den jenseits desselben. Zu gleicher Z<
winnt man aber auch bei diesen Beobachtungen die Ueberzeugung, dass die Röhr
Dromometer» nicht wohl länger und enger hätten »ein dürfen.
Au» den Erläuterungen Volkmann’t zu seinem Verfahren geht hervor
das Mittel, welches er au» den verschiedenen zeitlichen und örtlichen Geschwind^
findet, um einen nicht näher anzugebenden Bruch theil niedrigor ist, als das wal
c. Das Tachometer von Yierordt bestimmt nach den Erörterungen,
ihm auf Seite 54 zu Theil geworden sind, da» Mittel au» den verschiedenen Ges
digkeiten eines grössem Gcfässqucrsehnitt», und durch eine besondere Einrichtung, <
gegeben wurde, auch noch die Variationen, die diese mittlere Geschwindigkeit w
de» 8chlag» und der Ruhe de» Herzens erfährt Denn das Peudelchen, welches i
Blutstrome hängt, entfernt sich während der Systole des Herzens um einen gri
Winkel aus seiner Ruhelage, als während der Diastole. Um dio Vermuthung
schneiden, dass die Geschwindigkeit, welche der Pendel bei diesen Bewegung«
pfange, in die Geschwindigkeitsbestimmung des Stroms störend eingreife, e:
Yierordt, dass di« Zahl und Zeit der Pendelschwingungen genau denen des
schlage» entsprechen. Um diese raschen veränderlichen Stellungen des Pendola
fassen, setzt Yierordt auf die äussere Seite des Glaskästchens, in welchem der
geht, einen beweglichen Zeiger, der um eine Achse mit der Hand so hin und h
•) L c. p. 9*3 u. f.
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Gesch windigkeitsmesdbg nach Hering.
187
dreht werden kann , das« er mit dem Pendel immer genau gleich goht. Mit diesem
Zeiger ist schliesslich ein leicht beweglicher Rahmen verbanden, der mittelst eines an
seinem freien Ende befindlichen Pinsels die Ausschlüge auf eine rotirende Trommel
schreibt — Bei den Vorzügen, welche das Tachometer in der vorliegenden Einrichtung ^
besitzt und in Anbetracht der Sorgfalt, welche ihm Vierordt zugewendet hat, würden
noch einige Prüfungen auf den Umfang seiner Brauchbarkeit wünschenswert sein. Um
aufzuhellen, in wie weit der Widerstand ron Bedeutung sei, den das Instrument indem
Gefäss erzeugt , in welches man es setzt , hatte man sieh ein verzweigtes Rohrensystem
herstellen können, ln welchem der Strom bei ähnlicher Druckkraft mit Inhnlichen
Widerständen wie im Gefasssynteme zu kämpfen gehabt hätte; dann würde aus einem
der Zweige die mittlere Geschwindigkeit zu bestimmen gewesen sein, bevor und nach-
dem das Pendelkästchen in ihn eingeschaltet gewesen. Ein anderer Zweifel liesse sich
dadurch beseitigen, dass man in einen Strom, der das Pendclchen trifft, die mittlere
Geschwindigkeit rasch und in bekannter Weise änderte und dann nachsähe, ob der
Pelldel bei jeder Goschwindigkcitsändcrung die verlangte Stellung cinnähme.
d. Vierordt benutzt auch die aus einer künstlichen GcfässmUndnng fliessende
Blutmenge zur Messung der mittleren Geschwindigkeit Um die letztere durch die
künstliche Ausflussöffnung nicht zn erhöhen, setzt er in das an seiner Capillaremcite
zugebondene Gefäss ein Manometer und lässt durch die Gcfaasöffnung nur so viel Blut
strömen , dass die Spannung im Gefäss immer der normalen angenähert bleibt Der
Erfinder betrachtet diese Methode einstweilen noch als eine solche, die wesentlicher
Verbesserungen fähig sei.
e. Hering erdachte einen sinnreichen und praktisch wichtigen Versuch, dessen
Erfolg aufs Innigste an die Stromgeschwindigkeit gebunden ist; dor Versuch beab-
sichtigt, die Zoit fcstzustollen , welche verstreicht zwischen der Einspritzung einer
Salzlösung in einen bestimmton Gefaasort und dem Erscheinen der ersten nachweisbaren
Spuren der Losung in dem Blut« eines andern Gefässortes. Da diesem Versuche die
Weglänge unbekannt bleibt, so bestimmt er nicht die Geschwindigkeit, sondern nur die
Uebertragungszeit der cingcspritxten Masse von einem Gcfä* ••)M|Uerschnitt zu einem andern;
und insofern er den Zeitwerth misst, welcher zum Hinübersrhaffcn der ersten Spuren
gehört, bestimmt er die Uebertragungszeit, welche nahebei aus der mittleren Centralge-
schwindigkeit*) zwischen den beiden Gefaaaorten hervorgeht Die Ausführung des Ver-
suchs verlangt einmal dio Anwendung eines Salzes, welches ohne Schaden in den Kreis-
lauf gebracht und doch in der geringsten Menge schon mit Sicherheit nachgewiesen
werden kann ; als solches führt Hering eine verdünnte Lösung blausäurefreien Blutlau-
gensalzes ein. Zweitens verlangt der Versuch eine genaue Bestimmung des Zeitraumes
zwischen den Einführungen des Salzes an den einen und dem Erscheinen an den andern
Orte. Diesem Erforderniss hat Vierordt mit grosser Genauigkeit dadurch Genüge
geleistet, dass er die zum Auffangen des entleerten Blutes bestimmten Töpfchen auf den
Umfang einer rotirenden Schcibo stellt, weiche letztere in 0,6 Scc. je eins der erstoron
•) Versuche, die Schnelligkeit des Blutlaufs zu bestimmen. Zeitschrift für Physiologie von Tls-
demioo und Treviranus. III. Bd. — Ibidem. V. Bd. — Archiv für physiolog. Heilkunde.
ZU. Bd. p. 113. — Vierordt, Stromgeschwlndigkclten des Blutss. p. 4H.
••) d. h. eine Geschwindigkeit welche dasselbe leistet, wlo die mit Zelt und Raum veränder-
liche Geschwindigkeit In der Achse der RöhrenstrSmo, welche den Einsprlzungs- und Auftkngungs-
•it mit einander verbinden.
188
Geschwindigkcitnmcsaung nach Hering.
vor der Gefässöffuung vorüberführte, und dass er die Nachweisung des Blutlaugensalses
verschärfte. — Mit diesen Mitteln geht nun der Versuch so vor sich: Man legt zwei
Gefäsne bloss; in dus eine derselben setzt man nach der Richtung des Stromes eine
Spritze mit der nöthigen Salzlösung gefüllt ; in das andere setzt man ein mit einem
Hohne versehenes Röhrchen; die Mündung dieses Röhrchens steht Uber dem Rande der
Scheibe , so dass das aus ihm strömende Blut sich in das gerade vorübcrgefUhrte
Kästchen ergiesst Nachdem man die Scheibe in Bewegung gesetzt , spritzt man die
Lösung ein und öffnet gleichzeitig den Hahn des Ausflussröhrchens, dessen Strahl nun
die gewünschte Zahl von Töpfchen füllt, worauf man den Hahn wieder schliesst
Hierauf prüft -man der Reihe nach den Inhalt der Töpfe auf ihren Blutlaugensalz-
gehalt. Aus der Zahl der Töpfchen, die vom Beginn des Versuchs bis zu dem, welches
die erste Spur des Salzes enthält, gefüllt sind, ergiebt sich die gesuchte Zeit, indem
man 0,0 Sec. mit jener Töpfchenzahl multiplizirt —
Diesem Versuch hat man die Einwendung gemocht, er gebe nicht die wahre Ueber-
tragungszuit an, einmal weil durch die Oeffnung im Gofässsystemc der normale Druck-
unterschied zwischen dem Zu- und Abflussort und also auch die Geschwindigkeit zwischen
beiden geändert werde (Volk mann). Dieser Ein wurf verliert orfahmngsgemäss indem
Maassc an Gewicht, als man aus der Gefässöffnung ungefähr nur soviel ausströmen
lässt, als für gewöhnlich durch den Querschnitt des ungeöffneten abströmen würde
(Hering). — Poiseuille stützt eine Einsprache gegen die Anwendbarkeit des ‘Ver-
fahrens auf die Aenderangen , welche nachweislich ein Salzzusatz in der Blutreibung
hervorbringt. Diese Ausstellung scheint aber allerdings bedeutungslos zu werden,
wenn dem Blute so wenig Salz zugefügt wird, wie dies neuerlichst Yierordt gethan.
Vielleicht liesse sich die Frage durch den Versuch entscheiden, ob sich proportional
dem vermehrten Zusatz die Uebertragungszcit verkürzte oder verlängerte.
Im Gegensatz zu der vorliegenden Betrachtungsweise sehen Hering und Viorordt
die Uebertragungszcit nicht als eine Funktion der grössten Geschwindigkeit in der Bahn,
sondern als eine der mittleren an. Der Versuch würde zu ihrem Gunsten entscheiden,
wenn die aufgefangene Blutprobe ungefähr so viel Salzprozentc enthielt, als ihr zu-
kommen würde unter der Voraussetzung, dass eine gloichmassige Mischung des einge-
spritzten Salzgewichtes mit der Blutmenge stattgefunden hätte, die in den Gefassen
enthalten war, durch welche das Salz strömte. So müsste z. B., wenn das Salz in die
linke v.juguloris eingespritzt wurde und von da zum rechten Herzen, zur Lunge und dem
linken Herzen, durch den Kopf zur Yen. jugul. dextr. gekommen wäre, die Blutprobe
eine so intensiv gefärbte Reaktion geben , als sie sich von einer glcichgrossen Probe
erzielen lässt , die einem Gemenge entnommen würde , das aus ebensoviel Blut und
Blutlaugensalz besteht, wie im Versuchstiere enthalten war. Da dieser oder ein ähn-
licher Beweis noch nicht geliefert ist, so wurde der ersten Anschauungsweise der
Vorrang gestattet, und zwar darum, weil das Blut gorado in den Gefässcn am läng-
sten verweilt, in welchen die Wand die mittlere Geschwindigkeit am meisten ernie-
drigt, und in welchen keine Pulsbewegung die centralen und die wandständigen Schich-
ten des Inhalts mischt
Für die Berechnung der mittleren Geschwindigkeiten in verschiedenen Blutgefässen
und einiger daraus ableitbaren Worthe bedient man sich einiger Voraussetzungen, welche
jedoch nur da zulässig sind , wo es sich nicht um eine grosse Genauigkeit handelt. — -
Wollte man z. B. die mittlere Geschwindigkeit in der aufsteigenden Aorta berechnen,
so würde dieses thunlich sein, wenn Gefässquerschnitte und StromgeschwindigkeiUn
der Acste , also der C'arotiden, Subclavien und der absteigenden Aorta bekannt wären.,
Sondergeschwindigkeit auf demselben Querschnitt.
189
Da aber nur die Geschwindigkeit in der Carotis bestimmt ist, so macht man die An>
nähme, in allen andern Aesten sei die Geschwindigkeit dieselbe. Hierauf misst man
den Querschnitt aller in Betracht kommenden Bahneu und findet daraus die Menge von
Flüssigkeit, welche in der Zeiteinheit dieselbe durchsetzt. Da nun aber dieses Blutvolum
in derselben Zeit durch die aufsteigendo Aorta gegangen sein muss, und da man auch
ihren Querschnitt annähernd messen kann , so ergiebt sich nun auch die mittlere Ge-
schwindigkeit in ihr. — Auf diese Art hat man nicht allein (s. p. 70.) das mit jedem
Herzschlag entleerte Blutvolum geschätzt, sondern man hat auch, indem man auf die
angegebene Weise zu schliessen fortfuhr, die Geschwindigkeit des Stroms in den Aesten
der absteigenden Aorta und endlich auch mit Zuhülfenahme anderer Daten die Quer-
schnitte einzelner nicht mehr messbarer Gefassabtheilungen berechnet. — Siehe Über
diese Art von Betrachtungen in Vierordt’s Gesetzen der Stromgeschwindigkeiten,
p. 69. 103. 112. —
1. Von den Sondergeschwindigkeiten auf demselben
Querschnitt.
a. Die Centralfäden des Stroms in den Blutgefässen bewegen
sich rascher als die Wandfäden, gerade so wie dieses in allen
cylindrisehen Strömen vorkommt. Den Beweis hierfür liefert die
mikroskopische Erfahrung, dass die im Centrum kleiner Gefässe
hingehenden Körperchen viel rascher laufen, als die unmittelbar
an der Wand hinstreichenden. — Da sich die letztem rollend be-
wegen, so giebt die bekannte Geschwindigkeit ihres Fortschreitens
keinen Anfsehlnss Uber die Geschwindigkeit der FHlssigkeitsschieht,
in der sie einhergehen. — b. Die LymphkUgelcben, Blutscheiben
und das Plasma des Blutes sind in dem Blutstrom nicht Überall gleicli-
miissig vertheilt, und die in analogen Querselinittsorten verschiedener
Gefässe enthaltenen flüssigen Massen bewegen sieh nicht gleich
geschwind. Die Erfahrung sagt hierüber Folgendes aus: 1° Das
Venenblnt enthält in 100 Theilen im Allgemeinen mehr Körperchen
als das der Arterien (Heidenhain, Vierordt); wahrscheinlich
ist das Pfortaderblut am reichsten an anfgesehwemmten Theilen. (
Drückt man diese Erfahrung mit Rücksicht auf die Strömung und
auf den selbstverständlichen Grundsatz aus, dass in die Arterie
soviel Körperchen eintreten müssen, als aus den Venen hervor-
strömen, so heist sie: die Blutscheiben nahmen in der Arterie die
relativ geschwinder, in den Venen dagegen die relativ lang-
samer strömenden Orte des Querschnitts ein. — 2° In den kleinsten
dem Mikroskop zugänglichen Arterien des Aortenwerks schwimmen,
wenn die Stromgeschwindigkeit sich über einer nieht näher zu be-
zeichnenden Grenze hält, die rothen Körperchen immer nur in der
centralen, niemals in der Wandschicht, so dass ein solches Gefäss
in der Projektion auf die Ebene aus einem rothen Centralfadcn,
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190
Vertheilung der Körperchen im Blutstrom.
der von zwei farblosen Streifen umgeben ist, zusammengesetzt er-
scheint. ln dem Theile der farblosen Schicht, welcher die Wand
unmittelbar berührt, bewegen sich die Lymphkügelchen theils 'fort-
schreitend und theils rollend (E. H. Weber, Acherson). —
Nimmt die Geschwindigkeit ab, so wird der rothe Centralfaden
breiter und die Lymphkügelchen hänfen sich in der farblosen Schiebt
an (Acherson); sinkt endlich die Geschwindigkeit noch mehr,
so dringen auch die rothen Scheiben in den Wandsaum, mit an-
dern Worten, das Gefäss scheint durchweg mit rothen Massen er-
füllt, so dass der farblose Raum verschwindet. — 3° In den kleinen
Venen des Aortenwerks verhalten sich die Dinge wie in den kleinen
Arterien, nur ist im Allgemeinen in den erstem der rothe Mittel-
faden im Verhältnis zur farblosen Wandschicht breiter als in den
letztem (Acherson). — 4“ ln den kleinen Arterien und Venen
des Lungenwerkes schwimmen unter Umständen im centralen Theile
Blutscheiben und Lymphkügelchen unter einander vertheilt, so dass
der farblose Wandsaum ganz frei von Körperchen ist (R. Wagner),
unter andern verhalten sie sich wie im Aortencapillaren (Gunning).
— 5° ln den Capillaren nehmen Blut- und Lymphkörperchen den
mittlera Theil des Stroms ein, die letztem schreiten jedoch lang-
samer vorwärts als die erstem; die Dichtigkeit, mit welcher die
Körperchen einander folgen, ist mit der Zeit sehr veränderlich. —
Die Erklärung dieser Thatsachen ist enthalten in der beson-
dern Vertheilung der Stromkräfte auf dem Gefässquerscbnitt , in
dem spezifischen Gewicht, der Form und der Masse der Körper-
chen. — Insofern das spezifische Gewicht der Flüssigkeit und des
in ihr schwimmenden Körperchens ungleich ist, wird das letztere
von dem Stosse der Stromfäden und daneben auch noch von dem
Zuge der Schwere angegriffen werden. In einem horizontal ver-
kaufenden Strome wird also das Körperchen, je nachdem es spe-
zifisch leichter oder schwerer als die Blutflüssigkeit ist, gegen die
obere oder untere Wand hinstreben, und zwar mit um so grösserer
Geschwindigkeit, je merklicher jener Gewichtsunterschied ist Dem
Zuge der positiven oder negativen Schwere wirkt direkt entgegen
der Unterschied der Seitendrucke, welchen die einzelnen Stromfäden
ausüben. Denn je näher der Peripherie ein Stromfäden liegt, um so
grösser ist sein Seitendruck, also treibt dieser ein aus dem Centrum
sich bewegendes Körperchen wieder dahin zurück, und zwar mit
um so grösserer Kraft, je geschwinder der Strom flieset, weil hier-
mit auch die Unterschiede der genannten Seitendrucke wachsen. —
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Ursachen der beaondern Verthcilung und Bewegung der Körperchen. 191
Die Unterschiede der Geschwindigkeit, welche die Stromfüden
zeigen, je nachdem sie im Centrum oder an der Wand fliessen,
bedingen, insofern das Körperchen sich nicht im Centrum bewegt,
ungleiche starke Stösse diesseits und jenseits seines .Schwerpunktes
nnd hiermit eigentümliche ßewcgungsfomien der schwimmenden
Masse. —
Diese Erörterungen machen cs begreiflich, warum sich die
Lymphkörperchcn rascher aus dem centralen Strom ansscheiden,
als die Blutscheiben, nnd warum erst der Strom sich sehr ver-
langsamt haben muss, bevor auch die letztem in die Wandschicht
treten.
Ebenso erklärlich ist es, dass jede rothe Scheibe sish mit
ihrem schmalen Rand gegen die Stromrichtung stellt und zwar so,
dass ihr Schwerpunkt womöglich in die Stromachse fällt, so dass
die dem Stoss ausgesetzten Flächen des Körperchens sich symme-
trisch um die Achse vertheilen. Denn befände sich die Scheibe
ausserhalb der Stromachse und zugleich so gelagert, dass ihre
Grundfläche senkrecht gegen die Stromrichtung läge, so würde
sie von den raschem mehr gegen das Centrum gelegenen Strom-
fäden stärker als von den Wandfäden gestossen werden, weshalb
sich die Scheibe so lange drehen würde, bis sie ihren schmalen
Rand gegen den Strom kehrt; denn dann wäre der Unterschied
der Stosskraft auf die Flächen diesseits nnd jenseits der Schwer-
punktsebene ein Minimum. Liegt nun die Scheibe einmal mit ihrer
grössem Fläche parallel der Strom richtung, aber so, dass ihr
Schwerpunkt ausserhalb des Centralfadcns fällt, so wird sie
wegen des von der Achse gegen die Wand wachsenden Seiten-
druckes von der letzteren Seite her einen grüssem. Druck als von
der ersteren her auszuhalten haben , nnd darum tnuss sie gegen
das Centrum geführt werden, wo sic fortan, ohne sich zu drehen,
weiter schwimmt. —
Kugelige Körperchen, wie es die farblosen sind, müssen, wenn
sic einmal aus der Wandschicht ausgeschieden wurden, sich drehen
wegen der ungleich starken Stössc, die sic in der Stromrichttmg
empfangen (Dondcrs), und sich langsamer als die Flüssigkeit be-
wegen, weil durch die Drehung immer ein Theil der Kugclmassc
entgegengesetzt der Stromrichtung geht. Desshalb müssen auch fort-
schreitend verlaufende Blutscheiben an ihnen vorllbcrstrcichen, selbst
wenn sie in denselben Stromfäden vorhauden sind, und cs werden,
192
Mittlere Querschnittageschwindigkeit und ihre Aenderungen.
wie Gunning*) ausführlicher entwickelt, auch darum die Kügel-
chen an die Wand angedrlickt.
2. Die mittlere Querschnittsgeschwindigkeit ändert
sich in weiten Grenzen mit den Phasen der Bewegungen des Herzens
(Systole und Diastole), mit dem Umfang und der Folge seiner Zu-
sammenziehung, mit der Tiefe und der Zahl der Äthemzüge, mit der
Blutmenge, dem Orte des betrachteten Querschnitts, dem Spannungs-
unterschiede auf der Längeneinheit, mit der Temperatur u. s. w.
a. Die Mittel- und Grcnzwerthe der bis dahin gefundenen
mittleren Querschnittsgcschwindigkcit zählt die nachstehende Ta-
belle auf; die Zahlen bedeuten die MM., welche in der Seeunde
durchlaufen wurden.
Gefäss.
Geschwindigkeit.
geringste. grösste. 1 mittlere.
Beobachter.
Carotis des Hundes
100
342
264
Volkmann, Lenz, Vierordt
„ „ Pferdes .
220
431
303
)
„ der Ziege . .
240
35S
203
/ Volkmann
„ des Schaafa .
241
350
2S0
)
,, „ Kalbs . .
02
431
205
Volkmann, Lenz *
Cruralis des Hundes .
114
237
162
Vierordt, Lenz
Maxillaril d. Pferdes .
«9
232
165
> Volkmann
Metatarsea d. Pferde« .
—
—
56
f
Die mittlere Qnerschnittsgcsehwindigkeit in der carotis ver-
schiedener Tliiere steht sieh demnach ungefähr in ähnlicher Weise
nahe, wie es daselbst mit den Wanddrtleken der Fall war.
Die Geschwindigkeit mit welcher die Blutkörperchen in den
Capillaren laufen ist:
Ort
geringste
grösste
mittlere
Beobachter
Retina der Menschen
0, 6
0,9
0,75
Vierordt
Schwanz der Froschlarve
0,45
0,67
0,57
E. H. Weber
Schwimmhaut d. Frosches
0,17
1,11
0,51
Valentin
Mesenterium d. Hundes
—
—
0,80 (?)
Volkmann.
Diese letztem auf die Capillaren sich beziehenden Zahlen
drücken offenbar nicht die mittlere Geschwindigkeit des Stroms
aus; nach welcher Richtung sie abweichen, ist unbekannt.
b. Uebcr Gescbwindigkeitsuuterschiedc zur Zeit der vollende-
ten Systole und Diastole in Carotis und Cruralis des Hundes er-
hielten wir durch Vierordt**) Aufschluss; so war:
*) Archlr für hotlünd. Beiträge. I. Bd. 320.
*•) StromgeachwIndigkcU p. 144 u. 206.
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Die Geachwindigkeitsänderung des Blutitroms mit dem Herzschlag. 193
Carotis, zu Ende der zn Ende der Cruralis zu Ende der zu Ende der
Diastole 8ystole Diastole Systole
215 297 140 239
Der systolische Zuwachs zur diastolischen Geschwindigkeit
betrag im ersten Falle 39 p. c., im zweiten 70 p. c. In fünf an-
dern Fällen lag der systolische Zuwachs zwischen 14 bis 25 p. c. —
Diese in den grossen Arterien so sichtbare Geschwindigkeitsän-
derung verliert sich allmälig gegen die kleinen Gcfässe hin und end-
lich vollständig da, wo auch die aus gleichen Gründen herrührenden
Druckschwankungen unsichtbar werden, also in den kleinsten Ar-
terien. Eine Ausnahme machen hiervon die kleinsten Gefässe der
Retina*) deren Arterien (Ed. Jaeger) und Venen (v. Tright,
Coccius) sehr häufig wenigstens pulsiren.
c. Eine der wesentlichsten Bedingungen für die Strombe-
schleunigung ist gegeben durch die Menge und die Geschwindig-
keit des Zuflusses in das arterielle System, also durch Zahl, Umfang
und Schnelligkeit (Kraft) der Herzzusammenziehungen. In der That
würde die mittlere Geschwindigkeit eines jeden Gesammtquer-
schnitts des Gefässsystems geradezu mit jenen Vorgängen wach-
sen, wenn nicht mit ihnen zugleich die Blutspannung und die Di-
mensionen der Gefässe in einer Zunahme begriffen wären, so
dass der dem vermehrten Zufluss entsprechende Abfluss durch eine
Steigerung der Geschwindigkeit und des Querschnitts zugleich er-
reicht wird.
Eine andere Seite gewinnt unsere Frage durch die Betrach-
tung, ob vielleicht zwischen der Folge, dem Umfang und der Ge-
schwindigkeit der Zusammenziehungen gewisse Beziehungen be-
stehen, so dass z. B. jedesmal mit der beschleunigten Sehlagfolge
die Stromgeschwindigkeiten zu- oder abnehmen. Aus den hierher
gehörigen Versuchen von Lenz geht hervor, dass allerdings häufig
mit der Pulszahl die Geschwindigkeit in einem freilich ganz unbe-
stimmbaren Verhältniss zunimmt, dass aber dieses keineswegs noth-
wendig ist, namentlich bei Variationen der Schlagzahl in den mitt-
lere Grenzen, indem hier oft genug der Fall eintritt, dass die Ge-
schwindigkeit mit sinkender Pulszahl sich mehrt oder umgekehrt
mit steigender sich mindert.
Lens variirte die Schlagfolge mitte lat Durchschneidung and Reizung des n. vagus.
Um zu vergleichen, mussten jedesmal an demselben Thierc mehrere Geschwindigkeit**
messungen hinter einander angcstellt werden ; vor jeder derselben führte er eine dem Inhalt
") Donderi, Onderzoeklngen in bet Uborator etc. Utrecht 1854—45. p. 90. - 7
Ludwig, Physiologie 11. 2. Auflage. 13
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194 Die Geschwindigkeit des Biutstroms steigt mit dem Drnckuntenchied.
des Volkmann sehen Droniomoters entsprechende Natroninenge in das Blut und in Folge
dessen wurde, wie bekannt, die Kraft der Herzzusammenziehungen sehr gemindert
Da nun demnach in den Versuchen ausser der aufzufindenden Zahl der Herzschläge
noch zwei andere unbestimmbare Variable (Umfang und Intensität der Zusammenziehung)
enthalten sind, so ist die Auskunft, welche sie gehen, selbst eine unbestimmte. Dass
mit der steigenden Beschleunigung in der Schlagfolge der Umfang jeder einzelnen Herz-
zusammenziehung abnimmt, ist einleuchtend aus der geringen Geschwindigkeit des
Stroms in den zum Herzen führenden Venen, welcher immer einer gewissen Zeit bedarf,
um das Herz anzufüllen. Mit Berücksichtigung dieses Umstandes lässt sich eimehen,
dass bis zu einem gewissen Grad mit der Beschleunigung des Herzschlages auch die
Stromgeschwindigkeit zunehmen muss, während sie bei noch weiter zunehmender Schlagzahl
in der Zeiteinheit wieder abnimmt. — Eine besondere Berücksichtigung verdient die
Energie der Vorhofszuckung, weil auch von ihr die Menge des Blut« abhängt, die in
die Kammer eingeworfen wird.
d. Die Athembcwegung muss in ihrem Einfluss auf die Strom-
gesehwindigkeit ähnlich beurtheilt werden wie die Herzbewegung,
was sich schon darans ergiebt, dass sie vor Allem den Bhrt-
reichthum der grossen zum Herzen führenden Venenstämme be-
stimmt.
e. Die mittlere Querschnittsgeschwindigkeit steigt nicht mit der
Spannung auf einem Querschnitt, wohl aber mit Unterschied der
Spannung zweier auf einander folgender Querschnitte. — Für den
ersten Thcil dieser Behauptung sind mancherlei Belege beizubringen.
Wir haben gesehen, dass mit der steigenden Blutftllle des ge-
sammten Gefässwerks die Spannung des Bluts stieg, denn ein
Aderlass mindert den Druck des Bluts, gleichgiltig ob dieses in
der Ruhe oder in der Bewegung war, und eine Einspritzung von
Blut in das Getässsystem mehrte ihn; unter diesen Umständen
mehrt oder mindert sich aber nach Volk mann und Hering die
Geschwindigkeit nicht. Eine kurze Ueberlegung zeigt sogar, dass
die Geschwindigkeit des Stroms Null werden müsse, wenn die An-
füllung der gesummten Gefiisshiihlen mit Blut zu einem gewissen
Werthe angestiegen wäre. Dieser Werth würde erreicht sein,
wenn das Gefässsystem so weit durch seinen Inhalt ausge-
dehnt wäre, dass die aus dieser Auhdehnung hervorgehende Span-
nung der Gefässwände hinreichend wäre, um allen den Drücken
das Gegengewicht zu halten, welche vom Herzen, dem Brustkasten
u. s. w. ausgehend dieselben noch weiter anszudehnen oder zu-
sammenznpressen strebten. — Lenz hat eine grosse Zahl von
Beobachtungen gesammelt, in welchen der Druck und die Ge-
schwindigkeit mit einem Dromometer bestimmt wurden; er bestätigte
ebenfalls die oben ausgesprochene Behauptung.
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Gleich- und ungleichförmige Geschwindigkeit im Blutstroni.
195
Das auffallendste Beispiel für die Unabhängigkeit der Ge-
schwindigkeit von dem absoluten Werthe der Spannungen eines
oder des andern Querschnitts eines Gcfässes gewährt die Betrach-
tung des Lungen- oder Körperkreislaufs, ln den Anfängen beider,
in der a. pulmonalis und der a. aorta, muss die Geschwindigkeit
gleich sein, weil der Durchmesser beider Gcfässe nicht wesentlich
von einander abweicht und beide gleich viel Blut aus dem Herzen
befördern müssen. Und dennoch sind die Spannungen in beiden
Gefässen so ungemein verschieden.
Anders aber verhält sich die Geschwindigkeit, wenn man die
Spannungsunterechiede in zwei aufeinander folgenden Gefössab-
schnitten zu ändern versteht. So sinkt bekanntlich die Spannung
in den Arterien nach einer Erregung der nervi vagi sehr bedeu-
tend, und sie nimmt in den grossen Venen zu, während nach
Durchschneidung der erwähnten Nerven das Umgekehrte eiutritt.
Dem entsprechend fand Lenz die Geschwindigkeit in der Carotis
verlangsamt im ersten und erhöht im zweiten Fall. — Augenschein-
lich beschleunigt jede Zusammenpressung einer oberflächlichen
Vene den Strom ans derselben und umgekehrt strömt mit grosser
Geschwindigkeit das anliegende Blut in eine entleerte Vene. —
Mit Rücksicht auf den Spannungsuntcrschied zweier aufeinander-
folgender Querschnitte verhalten sich nun, wie bekannt, die Ge-
fässe unseres Körpere sehr verschieden. In den grossen Arterien
und Venen ist dieser nemlich mit der Zeit ununterbrochen verän-
derlich, in den Röhren kleinem und kleinsten Lumens kommt
es dagegen vor, dass die Spannungsunterechiede, die nach
der Länge derselben bestehen, unabhängig von der Zeit sind.
Dieses wurde schon früher ausführlicher auseinandergesetzt. Un-
sere Behauptung verlangt also, dass in den Gefässen grössere
Durchmessers auch die Geschwindigkeit einem stetigen Wechsel
unterworfen ist, während sie in den kleinsten Gefässen eine gleich-
förmige sein muss. So verhält sich die Sache auch in der That,
wie die angeführten Beobachtungen von Vicrordt in Arterien-
stämmen und die mikroskopische Betrachtung kleiner Gefässe
darthut.
Diese Erfahrungen eröffnen, wie eB scheint, die Anssieht, auch
im Blutstrom die gesetzmässige Beziehung zwischen der Geschwin-
digkeit und dem Spannungsunterechiede zweier Querschnitte fest-
zustellen; aber leider trübt sich dieselbe sogleich, wenn man be-
denkt, dass mit einer veränderten Spannung auch alle andern
13*
]96 Getchwindigkeitgindenuig mit dem Querschnitt, der Reibung etc.
Verhältnisse, die auf die Geschwindigkeit einen Einfluss üben, sieb
umgestalten , und so insbesondere die Weite und Länge der Röh-
ren. So lange man nun weder die Grösse dieser Umgestaltung
noch den Einfluss derselben auf den Widerstand festzustellen ver-
mag, wird es unmöglich sein, die soeben hingestellte Aufgabe zn
lösen. —
f. Die Geschwindigkeiten in verschiedenen Durchschnitten der
gesummten Strombahn verhalten sich umgekehrt wie die Flächen-
inhalte der Querschnitte. Wenn also ein Querschnitt durch den
Aortenbeginn einen geringeren Flächeninhalt besitzt als ein sol-
cher durch alle Aeste des Aortenstammes, so muss die mittlere Ge-
schwindigkeit in diesem letzteren um so viel geringer sein, als ibr
Flächeninhalt den des erwähnten Aortenquerschnitts tibertrifft.
Diese Behauptung findet ihre Bestätigung in den Beobachtungen
von Volk mann, welcher die Geschwindigkeit bedeutender in der
a. carotis als in der a. facialis, und in dieser wieder grösser als
in der a. metatarsea fand; in der vena jugularis, wo sieh das
Strombett wieder verengt hat, war auch die Geschwindigkeit
wieder gestiegen. — Ein ähnliches Resultat, wie diese Versuche
mit dem Dromometer, giebt auch die mikroskopische Untersuchung
der kleinsten Arterien und Capillaren. Man erkennt sogleich auch
ohne genaue Messungen, dass der Achsenstrom, dem die rothen
Blutkörperchen folgen, sieh in den kleinen Arterien viel rascher
als in den Haargefässen bewegt. — Alles dieses ist aber die noth-
wendige Folge der allgemeinen Bewegungsgesetze, wonach bei
demselben Vorrath an lebendiger Kraft die Geschwindigkeit ab-
nimmt, wenn die bewegte Masse zugenommen hat.
g. Mit einer Veränderung in den Bedingungen, welche die
Reihung bestimmen, verändert sich auch die Geschwindigkeit des
Blutstroms. Zu den Beweisen fUr diesen Satz wären zu zählen die
Erfahrungen von Poiseuille, wonach in erkalteten Gefässen die
Geschwindigkeit viel geringer ausfällt, als in denjenigen von nor-
maler Temperatur. Diese Erscheinung muss nach demselben Be-
obachter*) abgeleitet werden aus der bekannten Erfahrung, dass
eine kalte Flüssigkeit sich bedeutender reibt als eine warme; zu
dieser Erklärung muss man sich hier darum wenden, weil wäh-
rend der durch die Abkühlung eines beschränkten Gefässreviers
*) Sur le» CÄUsm «tc. p. M. n. f.
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Abhängigkeit der Stromaweige von einander
197
erzeugten Stromhemmung nicht auch gleichzeitig eine Veränderung
im Durchmesser der beobachteten Gefässe zu Stande kam. — CI.
Bernard verdanken wir ebenfalls einige hierher eiuschlagende
Bemerkungen. Er fand, dass das Vencnblnt, welches ans den
Capillaren der Gesichtshaut zurttckkommt , deren zufllhrende Arte-
rien in Folge der Durchschneidung des sympathischen Grenz-
stranges erweitert sind, noch arterielle Eigenschaften besitzt; es
scheint demnach, als ob das Blut bo rasch durch die erweiterten
Gefässe geflossen sei, dass ihm die Zeit zu seiner Umwandlung
gefehlt habe. Dasselbe ereignet sich an den Venen der Speichel-
drüsen, Nieren u. s. w., wenn diese letztem Drüsen in der Abson-
derung begriffen sind. Hier lässt sich zugleich durch Messung
nach weisen, dass das Blut während der Absonderung rascher
strömt (CI. Bernard).*)
h. In einem so vielfach verzweigten System, wie das der
Blutgefässe, müssen, gleiche Ausflussmengen aus dem Herzen vor-
ausgesetzt, zwischen den Geschwindigkeiten der einzelnen Abthei-
lungen Compcnsationen bestehen, so dass, wenn dieselbo in einem
oder einigen Aesten der Aorta sinkt, sie in andern zunimmt, und
umgekehrt. Andentungen für das Bestehen solcher Verhältnisse
besitzen wir in der That ; so bleibt z. B. bei einem Kaninchen, an
dem einseitig der Grenzstrang des Halses durchschnitten ist, der
Druck in beiden Carotidcn derselbe, trotzdem nimmt die Anfüllnng
der Gefässe auf der Seite des durchschnittenen Nerven zu und in
den der andern ab. Diese Erscheinung ist nur daraus erklärbar,
dass durch die Verbindnngsäste beidcrGesichtshälftcn der Strom von
der Seite des unverletzten auf diejenige des verletzten Nerven
geht (CI. Bernard). — In gleicher Weise kann man die Gefäss-
flllle aller übrigen Theile mindern, wenn man durch Anlegung
einer Sangpumpe um ein Glied, z. B. durch Anbringung des soge-
nannten Schröpfstiefcls, den Luftdruck auf dieses Glied hcrabsetzt.
Indem sieh damit die Gefässe des Gliedes erweitern, nimmt der
Widerstand in den Strombahnen desselben ab, und darum be-
schleunigt sich der Strom hier, während er anderswo sich verlang-
samt.— Es würde unbezweifclhaft von grosser Wichtigkeit sein, das
Verhältniss der mittleren Geschwindigkeit in den einzelnen grösse-
ren Gcfässabtheilungen , z. B. den Darin-, Nieren-, Hirn-, Muskel-
arterien zu kennen, weil uns mit Berücksichtigung des Quer-
*) Brown-S<Squard, Journal da la Phyalologie L 23-J.
198 Uebtrtnguigaeit von 8al*lösungen
Schnitts daraus mannigfache Aufschlüsse erwachsen würden
den Stoffwechsel in den von diesen Gefässen versorgte Or;
Leider sind wir aber hierüber noch vollkommen im Uni
Siehe einige Annahmen hierüber bei VierordL*)
2. Die Versuche nach dem Verfahren von Hering
allerdings weder geradezu die mittlere Längengeschwind
noch auch nur eine proportionale für den Mittelwerth aus de
schiedenen mittleren Längengeschwindigkeiten, welche zw
den salzempfangenden und salzabgebenden Querschnitt ▼(
men; aber sie erbringen doch jedenfalls eine Angabe, die
innigste zusammenhängt, mit irgend einer der wirklich V(
inenden mittleren Längengeschwindigkeiten. Indem man di
lieh nicht zu beweisende Voraussetzung macht, dass in de
schiedenen Gefässabtheilungen desselben Thiers oder in der
Abtheilung verschiedener Thiere immer dieselbe Beziehung zw
der gemessenen und dem Mittelwerth der mittlern Längenges
digkeit bestehe, liefert die Uebertragungszeit des Salzes Az
über die Aendorung der mittlern Längengeschwindigkeit m
und Ort.
a. Die folgende Tabelle verzeichnet die Zeit in Sek
welche das Balz verbraucht um aus der vena jugularis dun
rechte und linke Herz in das in der zweiten Columne verzei
Gefäss zu gelangen.
Thier.
Bahn.
Mittel-
werth.
geringster
Werth.
gröster
Werth.
B®
Pferd
zur vena jugularis later.opp.
28,8
17,5
32,5
»»
„ vena thor&c. externa.
26,5
—
—
»
„ Ten. saph. magna.
17,5
—
—
»H.
»»
„ vona maasetcr.
22,5
15,0
30,0
>»
„ vena maxill. externa.
17,5
12,5
22,5
»1
„ arter. metatars.
30,0
20,0
40,0
>»
„ vena metatars.
32,0
20,0
45,0
Jlund
„ venajugular.later.opp.
15,2
10,4
19,8
t*
„ vena cruralis
18,1
13,5
23,3
Vi
Kaninchen
„ venajugular.later.opp.
6,9
6,8
7,2
Diese Tabelle sagt nun aus dass das Salz zum Uebt
aus den Arterien in die Venen dos Kusses niemals me)
•) Gesetze der Strom Geschwindigkeit p. 103.
**) Die unter diesem Namen cltlrten Zahlen aind mit Auauahme der beiden letaten R
dem Werke von Vierordt genommen, der »le mit einer Correotion von 3,6 Sec. versehe:
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aus einem Uefnss in ein anderes.
199
5 Sekunden, zuweilen aber ancb eine so kurze Zeit braucht, dass
sie der etwas unvollkommenen Zeitbestimmung von Hering ent-
geht; ferner dass der Weg zur Sehenkelvene meist etwas längere
Zeit in Anspruch nimmt als der zur entgegengesetzten Drossel-
nder; der Quotient beider Zeiten nähert sich zwar der Einheit,
aber er ist kein constanter; dieses fuhrt eine Reihe von Vierordt
noch weiter aus.
i. jugular. —
arter. crural. =
Quotient
18,9
21,8
0,87
18,0
20,5
0,88
15,0
16,7
0,90
13,5
13,5
1,00
Der geringe absolute Zeitunterschied fUr den Durchgang durch
Bahnen von so wesentlich verschiedenen Längenunterschieden be-
greift sich aus Folgendem. Die mittlere um wie viel mehr die
centrale Geschwindigkeit in den grösseren Arterien ist im Verhält-
niss zu ihrer Länge eine beträchtliche, d. h. es werden Arterien-
strecken von der Länge des menschlichen Körpers in wenigen Se-
kunden durchlaufen. Daraus folgt unmittelbar, dass wenn ein glei-
chen Widerstand leistendes Capillarensystem am Herzen und an den
Fttssen bestände und man die Zeit bestimmen wollte, welche zwei
gleichzeitig vom Herzen ausgehende Bluttheilchen verbrauchten, um
durch das eine und das andere in die Venenanfänge zu gelangen,
die durch die entferntem Systeme laufenden Thcilchen nur um we-
nige Sekunden später dort anlangen würden, als das durch die
nähern gehenden. Aehnliches wie von den Arterien dürfte von den
grossen Venenstämmen gelten.
Die obigen Erfahrungen bedeuteten also auch, dass das Blut
in allen Fällen den grössten Antheil der Uebertragungszeit in den
Gefässen geringerer und geringster Lichtung zubringt.
So gering die absoluten Zeitunterschiede sind, % so merklich
weichen die Quotienten der Geschwindigkeit von der Einheit ab
und Vierordt vermnthet mit Recht, dass dieses in noch höherm
Maasse geschehen sein würde, wenn man das aus der untern Ex-
tremität kommende Blut statt ans der cruralis so nahe am Herzen
aufgefangen hätte, wie an der entgegengesetzten jugnlaris. Da aber
gerade bei der Vergleichung der Leistungsfähigkeit zweier Organe
das Verhältniss, in welchem ihr Blut erneuert wird, in Betracht kom-
men dürfte, so ist es eine nicht zu vernachlässigende Aufgabe des Ver-
suchs, noch so kleine Geschwindigkcitsnnterschiedc sicher zu stellen
200
Ucber einige (konstante des Blutstroms.
b. Zieht man bei Berücksichtigung der Uebertragungszeit noch
andere Umstände in dem sich die Thiere finden in Betracht, so
ergiebt sich: 1°. In erwachsenen Thieren gleicher Gattung nimmt
mit dem Gewicht auch die Uebertragungszeit zu. Vierordt giebt
hierfür folgende Zahlen vom Hund. (
Körpergewicht. Uebertragungszeit zur ven. jugular.
1,8 Kilo
10,4'
6,8
14,3
8,8
15,7
22,5
19,4
2° Von Einfluss, doch nicht von immer gleichem ist auch die
Schlagfolge des Herzens; namentlich fand Hering an denselben
Pferd, welches bis dahin geruht hatte, 36 Pulsschläge mit der Ueber-
tragungszeit von 22 Sec. War das Thier im Trab herumgetrieben,
so erhob sich die Pulszahl auf 100 in der Minute und die Ueber-
tragungszeit sank auf 17,5 Sec. — 3° Aderlässe mehren und min-
dern die Uebertragungszeit entsprechend dem bei der mittleren
Querschnittsgeschwindigkeit Erörterten. — 4° Poiseuille giebt an,
dass ein Zusatz von essigsauren Ammoniak und salpetersaurem
Kali in sehr verdünnter Lösung dem Blut zugesetzt, die Ueber-
tragungszeit des Salzes aus einer in die andere jugularis des Pfer-
des kürzt, ein Zusatz von Alkohol sie verlängert. Diesen Erfolg
sah er aus seinen Versuchen über Aenderung der Reibung eines
Wasserstroms in Röhren voraus.
Den Einfluss der Athmung, des Altere und Geschlechts bespricht
ebenfalls Vierordt; die zu Grunde gelegten Versuche sind an Zahl
zu gering, um zu allgemein gütigen Resultaten zu führen.
I. Ueber die Beziehungen der Constanten des Blut-
stroms zum Körpergewicht.
Vierordt benutzt die von ihm, Hering, Volkmann u. A. gefundenen Zahlen
zur Bildung von Mittelwerthen für da« Körpergewicht (k), dio Blutmenge (b), die
Hauer (t) und den Umfang (v) eines Herzschlags und die Uebertragungszeit (T) des
Salzes von einem dem rechten Herzen nahen Orte bis zurück zu ihm, nachdem es den
kleinen und grossen Kreislauf durchwandert hat Indem er den derart beobachteten
2
Werth der zuletzt genannten Zeit nach einer ihm annehmbaren Ueberlegung um —
ib
erhöht hat, betrachtet er dieselbe als das Maas« für die Zeit, welche nothwendig ist,
tun ein der Gesammtmenge des Blutes gleiches Yolum durch das Herz zn führen. Die
Mittelzahlen und Beziehungen, die sich darnach ergeben, sind für den Menschen, den
Hund, das Ziegsnböckchen und Kaninchen folgende: k=al3,5b; b = 26,5 v; k = 353 v;
Tv T Tb
T = 26,5t Demnach ist — = — = 13,3: —■=*—* 26,5, und somit rT = bt
tk k t v
Bezeichnet man für ein Thier die Werthe mit T, v, t, k und für ein anderes
Verftgtare und verlorne Arbeitskräfte ira Blutstrom.
201
mit T t', k', so muss, weil — eine Constante ist, —
T ▼ k1 T'v'k
auch — - — ■= — — — , ab»« vk' = v'k u. s. w.
TV
t'k'
sein ;
deshalb ist
Die Zahl der Betrachtungen, aus welchen jene Mittel berechnet wurden, ist oine
•ehr geringe, was um so mehr ins Gewicht fällt, als die wirklich beobachteten Werthe
in sehr weiten Grensen auseinander liegen.
II. Von den verfügbaren und verlornen Arbeitskräften
im Blntstrom*).
Um eine Summe aus den Kräften zu bilden, die zu irgend einem Zeitmoment
dem bekannten Inhalt eines beliebigen Gefassabschnitts zukommt, muss man die Kraft
dieses Blutvolums erst unter gleiche Benennung bringen. Dieses geschieht, wenn man
nach den schon früher (p. 47) entwickelten Kegeln die der Masse zukommende mittlere
Geschwindigkeit in die entsprechende Spannung umsetzt Diese Spannung addirt man
dann zu derjenigen, welche als solche schon in jenem Blutgewicht enthalten ist, und
multiplizirt endlich das letztere mit jener Spannungssumme. —
Geht man mit diesen einfachen Regeln an die thatsarhliche Auswertkung, so stellt
•ich selbst in den am genauesten untersuchten Gcfuasabthoilungen überall ein Mangel
an empirisrhen Daten heraus. Denn wenn es auch annähernd möglich ist, den Inhalt
eines jeden Uefässrohrs an zu geben , und ebenzo nach Viernrdt sogar annähernd dio
mittlere Geschwindigkeit für jede einzelne lierzphaso gegeben werden kann, so gilt
dieses doch nicht mehr für die Spannungen , da uns in einem jeden Gcfässe nur die
Wand-, nicht aber dio Centralsparmung bekannt ist; wir können also nicht das Mittel
aus allen Spannungen in einem solchen Blutvolum bilden ; und dieses müsst« doch
offenbar der Rechnung zu Grunde golugt werden. Dieser Ausfall ist aber nicht zu ver-
nachlässigen, weil gerade in der Spannung die grössten Kraftantheilc liegen, wie man
sogleich sieht, wenn man x. B. den in der Carotis- oder Jugularengeschwindigkeit ver-
grabenen Kraftantheil mit der dort vorhandenen Wandspannung vergleicht. Setzt man
z. B. als mittleren Werth für die Geschwindigkeit in der Carotis 292 Mm. in der
Secdo , so wird die daraus berechnete Geschwindigkeitshöhe = 0,4 1 Mm. Hg. Diese
Zahl ist aber nur der 0,004. Theil von 110 Mm. 11g. , wodurch die mittlere Wand-
spannung an jenem Orte ausgedrückt wird. Aber selbst in der vena jugul&ris, wo doch
die Wandspannung sehr abgenommen , stellt sich dos Verhältnis« für praktische Be-
dürfnisse auch nicht wesentlich anders. Nach einer Bestimmung von Volkmann ist
daselbst die mittlere Geschwindigkeit «= 225 Mm. Dieses giebt eine Geschwindig-
keitihöhe von 0,26 Mm. Hg.; dieses ist der 0,030. Theil der mittleren 6,5 Mm. be-
tragenden Wandspannung.
Beabsichtigt man statt der lebendigen Kräfte der Blutmassen, die in einem Zeit-
moment in einem Gefassabschnitt enthalten sind , diejenigen restzustellen , welche
durch einen Querschnitt in einer beliebigen Zeit, z. B. während der Dauer einer Herz-
bewegung, flicsscn, so würde man das Mittel aus den zeitlichen und räumlichen
Druck- und Geechwindigkcitswerthen zugleich zu verwenden habun. Nun ist uns ein
solches Mittel zwar für die Geschwindigkeit und die Wandspannung in einzelnen Fallen
gegeben, aber dieses genügt nach dem schon Erwähnten nicht Früher, als man noch
•) Dieses Lehrbuch 7. Bd. I. Auft p. I.W. — «J. K. Mayer, Archiv flir physlol. Heilkunde
IX. und X. Bd, — Ad. Fick Medicinische Physik p. 13«.
202
Die Absonderungen.
unbekannt war mit der Veränderlichkeit des Drucke auf demselben Stromquerschnitt,
setzte man nach dem Vorgang von J. R. Mayer die während einer Herzbewegung
durch die Aorta strömende Blutmenge etwa = 0,175 Kilogramm, die mittlere Ge-
schwindigkeit ungefähr = 0,4 Meter und das Mittel aus den zeitlichen Spannungs-
änderungen = 2,24 Meter; hieraus berechnen sich 0,406 Kilogrammeter als ungefährer
Schätzungswerth für die disponible Arbeitskraft der Blutmenge, welche während der
Dauer eines ganzen Herzschlages (systole und diastole) durch den Aortabogen geht
Um endlich den Kraftverlust oder Kraftgewinn auf irgend einer Wegstrecke zu
erfahren, muss der Unterschied der an jedem Orte zur Verfügung stehenden Arbeits-
kraft bekannt sein. Wäre also z. B. die Summe der Geschwindigkeit«- und Spannungs-
höhe des in der Zeiteinheit durch die Vorhofsmündung strömenden Blutvolums bekannt
und dasselbe von der in der Zeiteinheit durch die Aortamündung fliessenden Blutmasse,
so würde aus dem Unterschiede beider die Arbeit hervorgehen, welche das Herz in
das Blut gelegt hat (A. Fick). Man kann in diesem letzten Falle vor und hinter dem
Herzen wiederum den auf die Geschwindigkeit entfallenden Antheil als verschwindend
gegen den durch die Spannung dargestellten ansehen, und dann ergiebt sich, dass der
Gewinn an Arbeitskraft durch das Herz für gleiche Volumina mit dem Unterschied zwi-
schen der mittleren Wandspannung des Vorhofs und der Aorta proportional geht
II. Von den Absonderungen.
Die Bewegungen der flüssigen Bestandtheile des Blutes be-
schränken sich nicht blos auf die Bahnen, welche ihnen durch die
Gefassröhren vorgezeichnet sind, sondern sie durchbrechen anch
die unverletzte Gefässwand. Diesem Vorgang, den man als Ab-
sonderung (secretio) bezeichnet, steht ein anderer, die Auf-
saugung (resorptio), entgegen, welcher Flüssigkeiten, die die Ge-
fässrölyen umspülen, in diese selbst hineinftihrt. Diese beiden
Bewegungen von entgegengesetzter Richtung erscheinen häufig
gleichzeitig an demselben Orte, häufig auch getrennt von einander.
Die Vermischung und Sonderung derselben ist wohl Veranlassung
geworden, dass man diese Prozesse zum Theil vereint, zum Theil
getrennt, gerade wie sie im Organismus erscheinen, ahgehandelt
hat Wir werden im Nachfolgenden, dem Gebrauch der physio-
logischen Lehrer folgend, zwar vorzugsweise die Hergänge be-
sprechen, welche mit einer Bewegung der flüssigen Blutbestand-
tlieile von der innern auf die äussere Gefässwand verbunden sind;
dabei beschränken wir uns aber nicht auf diese Betrachtung, son-
dern wir verfolgen auch die ausgetretenen Säfte in ihren weiteren
Schicksalen und nehmen zugleich die Untersuchung einer umge-
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Die bei der Absonderung thätigen Bedingungen.
203
kehrten Saftbewegung, einer Anftangnng mit auf, wenn eie innig
mit der Absonderung verbunden sein sollte.
Allgemeiner Theil.
Die allgemeinsten Forderungen, welche nach gewonnener Ein-
sicht in die Eigenschaften des Gcfässinhalts gestellt werden müs-
sen, wenn wir die Absonderungserscheinungen begreifen sollen,
verlangen: dass wir zu erfahren trachten die Eigenschaften der
Flüssigkeit (Säfte, Sekrete), welche auf der äussern GefäsBwand
zum Vorschein kommen, die Beschaffenheit der Wege, auf welchen
die Säfte durch die Gefässwand dringen, und endlich die Wir-
kungsweise der Kräfte, welche die Säfte aus den Gefässröhren
herausbefördern. Ueber die Eigenschaften der Säfte lässt sich,
wie es scheint, nichts allgemein Gütiges sagen, vorausgesetzt, es
wollte die Aussage darüber hinausgehen, dass dieselben tropfbar
oder gasförmig sein mussten. Anders verhält es sich dagegen mit
den beiden andern Punkten.
1. Die Häute, durch welche die Absonderung stattfinden soll,
mttssen unzweifelhaft von Oeffnungen durchbrochen sein, weü sonst
der Durchgang einer Flüssigkeit geradezu unmöglich sein würde.
Die Umstände, durch welche die Häute auf die Absonderung von
Einfluss werden, lassen sich somit zurückftlhren auf die Eigenschaf-
ten der Poren.
Gestützt auf unsere bisherigen Erfahrungen Uber die mecha-
nische Zusammensetzung einer endlichen festen Masse überhaupt
und die der thierischen Scheidewände insbesondere, wird man ge-
neigt sein, zu unterscheiden zwischen wesentlichen und zu-
fälligen Poren. Unter wesentlichen würden diejenigen zu ver-
stehen seien, welche mit jedem Stoffe an und für sich gegeben
wären; sie würden also die Zwischenräume darsteüen, welche die
Molekülen einer jeden endlichen festen, noch so gleichartigen Masse
trennen. Die zufälligen Poren würden dagegen da zu finden Bein,
wo sich einzelne Stücke gleichartiger oder ungleichartiger Massen
berühren. Während also die Form und Grösse der wesentlichen
Poren nur abhängig wäre von den Molekularkräften innerhalb
der gleichartigen Masse, würden die zufälligen bedingt sein durch
die Gestalt der gleichartigen oder ungleichartigen Massenhäufchen,
und den Druck, unter dem sie zusammengebullt wären. — Die
mikroskopischen Aufschlüsse die wir Uber die meisten thierischen
Häute und die der Gefässe insbesondere besitzen, deuten dar-
auf hin, dass die zufälligen Poren sehr verbreitet vorkonunen,
204
Die bei der Absonderung thätigen Bedingungen.
weil sie in Platten, Fasern, Kerne, Zellen u. s. w. zerlegt werden
können.
Daneben wäre es aber möglich, dass in Hauttheilen, die uns unsern optischen
Hilfsmitteln nach gleichartig erscheinen, namentlich insofern sic aus eiweissartigen und
leimgebenden Stoffen zusammengesetzt sind , noch zufällige Toren Vorkommen. Diese
Annahme liegt darum nahe, weil es immer noch zweifelhaft ist, ob die sogenannten
Lösungen jener Stoffe aus einer bis zur Spaltung des chemischen Atoms gehenden Ver-
theilung im Lösungsmittel oder aus einer Aufschwemmung sehr feiner Klümpchen jener
Stoffe bestehen. Wäre , wie oft behauptet wird , das letztere der Fall , so wäre es
auch fraglich, ob ein Niederschlag aus dieser in Wasser fein zertheilten Masse zur
Darstellung einer homogenen Haut führen könnte.
Ein FlUssigkeitsstrom durch jede Art von Poren wird sich
aber regeln nach der Form und den Ausmessungen der Porenlichte
und nach dem Werth und der Richtung der Kräfte, welche von der
Porenwand in die Lichtung hineinwirken ; wobei es vorerst noch
gleichgiltig ist, ob wir uns die Wandmolekulen bewegt oder ruhig
denken. Die Untersuchungen hätten also die ganze oder wenig-
stens die relative Veränderung jener Grössen mit den variablen
Bedingungen zu bestimmen.
Die Mittel, welche uns über die vorgenannten Eigenschaften unterrichten sollen,
bestehen, insofern die Porosität dem Mikroskop unzugänglich ist, in dem polarisirten
Licht, der Quellung, der Filtration, der Diffussion, und insbesondere werden alle diese
Mittel bei verschiedenen Zuständen der Haut, als da sind Spannung, Yolumsänderung,
Temperatur u. s. w., angewendet.
Das polarisirte Licht giebt den Nachweis, ob die Häute ganz oder theilweise
doppelt oder cinfachbrecliondc Substanzen enthalten ; cs entdeckt also noch dort Un-
gleichartigkeiten , wo uns die Betrachtung mit gewöhnlichem Lieht im Stich lässt.
Dasselbe Mittel bei verschiedenem Quellungsgrad in Anwendung gebracht, zeigt unter
Voraussetzung einer gemischten Struktur, ob die durch die Quellung erzeugte Aus-
dehnung sich vorzugsweise auf die einfach oder doppoltbrechendcn Stoffe erstreckt
u. w> — Dieses Mittel ist noch zu wenig benutzt worden. — Das Flüssigkeitsvolum,
welches bei der Filtration durch die Flächeneinheit einer Membran strömt, giebt
Andeutungen über die relative Poren weite, Porenllnge und den Reibungscoeffizienten,
insofern bei gleichem Druck und gleicher Temperatur die durchgehende Menge nur von
jenen Bedingungen abhängt; ändert man die Temperatur der durchgehenden Flüssig-
keit, die Quellung und den Spannungsgrad der Haut, so giebt sie auch Aufklärungen
über die Veränderlichkeit jener Porencigenschaften mit den erwähnten Variablen. Da
insbesondere der Zustand der Poren von dor Quellung abhängig ist, und diese letztre
mit der Temperatur und der Zusammensetzung der filtrirten Flüssigkeit Hand in Hand
geht, so sind die beim Filtrationsversuch gewonnenen Thatsachen nur dann zur Erklärung
der Lcbcnscigcnschaftcn zu verwenden , wenn sie sich rücksichtlich der erwähnten Be-
dingungen aufs genaueste den im Leben vorkommenden angcschlossen haben. — Die
Flüssigkeitsbewegung, welche die Diffussion einleitet, unterscheidet sich von der
durch den hydrostatischen Druck (Filtration) erzeugten dadurch, dass sie sich auch
noch in Porenräume erstreckt, in welchen bei der letztem die Flüssigkeiten in Ruhe
bleiben. Sie vervollständigt somit die Angaben der Filtration. — Da der Grad der
I^ren der Häute.
205
Quellung endlich einerseits von den Verwandtschaften der eingedrungenen Flüssigkeit
in die Forenwand und andrerseits von der Cohäsion der festen Masscntheilchen su
einander abhängt, so lassen ihre Ergebnisse Schlüsse Über die Eigenschaften der
Haut zu.
Die kurze Auseinandersetzung dessen, was die genannten
Mittel leisten, lässt erkennen, dass sie mit einziger Ausnahme des
polarisirten Lichtes nur sehr indirekte Aufschlüsse, die grössten
Theils dazu noch mehrdeutig sind, über die Poreneigenschaften
geben. Sie sind also mehr von praktischer als von theoretischer
Bedeutung. Sollte aber die Verwicklung der Bedingungen auch
hier die Theorie für immer illusorisch machen, so würde es um so
dringender nothwendig sein, auf dem Wege des Versuchs vorzu-
schreiten, da ohne eine genaue Kenntniss dessen, was der Porus
zur Absonderung beiträgt, das Eindringen in die letztere unmög-
lich ist
Da unsre gegenwärtigen Vorstellungen über die thierischen
Poren vorzugsweise aus der Diffusions- und Filtrationslehre ge-
schöpft sind, so würde cs im allgemeinen Thcil zu Wiederholungen
führen, wenn man die Thatsache mit Kücksicht auf die Porosität
hier zusammenstellen wollte. Wir gehen also sogleich zu den
Kräften über, welche Absonderung erzeugen. Rttcksiehtlich einiger
Einzelheiten verweisen wir auf die besondern Hänte, die Epi-
dermis, Geföss-, Darmschlcimhaut u. s. w.
2. Die Kräfte, welche die Flüssigkeiten und Gase des Bluts
durch die Poren treiben, bestehen nachweislich in Spannungsunter-
schieden der Flüssigkeit aut den beiden Seiten der Gefässhaut
(Filtration und Gasdiffusion), in Anziehungen zwischen den Stof-
fen, die ausserhalb und innerhalb der Gefasse liegen (Ilydrodif-
fusion), und endlich in eigenthümlichen Wirkungen der erregten
Nerven auf den Gefässinhalt
Daraus, dass uns keine weiteren Absonderungskräftc bekannt
sind, schlicsscn wir natürlich nicht, dass ihre Aufzählung mit die-
sen dreien erschöpft sei.
a. Filtration.*) Unter diesem Vorgang versteht man einen
Strom von Flüssigkeit, welchen ein hydrostatischer Druck durch
•) Li «big, Unterauchungen Uber einige Ursachen der Saftbewegung. 1848. fl. — Wiating-
haaaen, experlmenta qtiaed. endoamotira. Dorp. 1851. — C. II offmann, Uber die Aafnithme
des <^a«ckallberv und dar Fett«. Wfirtburg *854. — W. Schmidt Poggendorfa Annalen
99 Bd. 337. — Eckhard, Beitriigo zur Anatomie und Physiologie 1858. p. 97. — Valentin,
L«hrbuch der Phyhlologle 9. Auflage. 1847. L Bd. p. 59. — Wittich, Virchow'a Archiv
X Bd. 337.
206
Absonderung durch Druckunterschied.
die eapillaren Forenräume der Membran hindurchtreibt. Mit
Sicherheit sind solche Ströme bis dahin nur an Häuten beobachtet
worden, welche aus gesondert unterscheidbaren anatomischen Ele-
menten gewebt sind, wie die Harnblase, der Herzbeutel, das Bauch-
fell u. s. w. Der Nachweis wäre darum noch zu liefern, ob auch
durch homogene Häute Filtration eingeleitet werden könnte und
ob dies namentlich möglich wäre mittelst der verhältnissmässig
niedrigen Drtlcke, deren Anwendung die thierischen Massen we-
gen ihrer geringen Festigkeit gestatten.
Am Filtrationstrom kann gegenwärtig nur zweierlei Gegen-
stand der Untersuchung sein, nämlich die chemische Zusammen-
setzung der strömenden Flüssigkeit vor und nach ihrem Durch-
gang durch die Membran und das Flüssigkeitsmaas, welches in der
Zeiteinheit durch die Flächeneinheit der Membran geht
Statt des leUteren Ausdruckes kann derjenige der relativen mittlern Geschwindig-
keit darum nicht gewählt werden, weil die Ausmaase der Poren sich mit den Be-
dingungen selbst ändern, die auf die Geschwindigkeit von Einfluss sind; denn wegen
der unvollkommenen Elastizität der Haut ändern sich die Poreneigenschaften mit dem
Werthe und der Dauer des wirksamen Druckes, wegen der Quellbarkeit geschieht
dasselbe mit der Zusammensetzung und der Temperatur d«T Flüssigkeit u. s. w.
Aber selbst wenn man nur beabsichtigt, das Volum der filtrirten Flüssigkeit als
Folge der gleichzeitigen Aenderung in der Stromgeschwindigkeit und der Porendimension
zu racBSon, ist es sehr schwer, vergleichbare Versuche zu erhalten, weil ausser der
willkührlich und messbar eingeftlhrten Aenderung im Druck, der Temperatur, der Zu-
sammensetzung der Flüssigkeit u. s. w. und der davon ahhängenden nicht weiter zu
bestimmenden, aber gesetzmassig erfolgenden Porenänderung auch noch ganz andere
Umstände, die sich weder bewältigen, noch ermessen lassen, anftreten und einen Ein-
fluss auf das Beobachtungsresultat erhalten. Dahin gehört die Selbstzersetzung der
Häute, das Löslich- oder Unlöslichwerden einzelner Bestandteile derselben durch die
strömende Flüssigkeit, ferner die Umänderung, welche die Haut in den physikalischen
Zuständen erfährt, je nachdem sie vor dem Versuch kürzere oder längere Zeit einge-
trocknet war u. s. w.
Wir stellen hier die Thatsachen zusammen, welche bei künst-
lich eingeleiteter Filtration beobachtet sind.
1° Bei gleichem Druck und gleicher Membran nimmt die durchfli essende Menge
von einem zum andern Versuche ab., wenn zwischen den beiden die Membran einige
Zeit hindurch im eingetrockneten Zustand verweilt hatte. War sie dagegen in der
Zwischenzeit feucht erhalten worden, und war sie vor Beginn des zweiten Versuchs
einem hohen Druck ausgesetzt gewesen , so nimmt die durchgehende Menge zu. —
2° Bei gleichem Druck und gleichem Quellungszustand nimmt bei einem über längere
Zeit sich erstreckenden Filtrationsversuch die durchgehende Menge mit der Zeit zu.
(Liebig, Wisting shausen, Schmidt.) Im Gegentheil fand Kekhard, der wie
Schmidt mit destillirtem Wasser arbeitete, dass in der ersten Zeit eines solchen
Filtrationsversuch« mit einer vollkommen aufgequollenen Membran die durchgehende
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Filtration durch todte Häute.
207
Menge wechselnd steigt und fällt; bei der weiteren Dauer des Versuchs nimmt aber
dann die durchgehende Menge mit derZeit ab. Entlastet man, nachdem die Wegsam-
keit der Membran merklich gesunken , diese für einige Zeit und bewahrt sie im ge-
quollenen Zustand auf und beginnt dann den Versuch Ton Neuem, so ist die
durchgegangone Menge wieder gestiegen, wenn auch nicht au dem ursprünglichen
Werthe. — Für andere Flüssigkeit als destillirtes Wasser dürfte nach Analogie der
Vorgänge an Papierfiltern mit der dauernden Filtration sich immer eine Verminderung
der Wegsamkeit einfinden. — 3° Alles andere gleich, wächst das durchgehende Volum
mit deT Spannung, die man der Haut beim Aufbinden gegeben (Schmidt).
4° Nicht in allen, wohl aber in einzelnen Fällen verändert sich die durchgehende Menge
mit der Seite, welche die Membran gegen die Druckrichtung wendet ; so a. B. bei dem
Eischaalenhäutchen (Meckel). — 5° Mit der Temperaturerhöhung der Membran, also
auch derjenigen der durch letstre wandernden Flüssigkeit, steigert sich die Durchfluss-
roenge. Das Geseta, nach welchem die letztere wächst, lässt sich in einen empirischen
Ausdruck fassen, der dem ähnlich ist, welchen l’oiseuille und Hagen für die
unter gleichen Umständen eintretende Geschwindigkeitssteigerung in Capillarröhren ent-
worfen haben (Schmidt). — 6° Mit dem steigenden Druck wachsen die durchlaufenden
Mengen jedoch nicht so, wie es für Capillarröhren gilt, dass sich die bei verschiedenen
Drücken durchgehenden Volumina verhalten wie diese ; sondern so, dass, wenn der Druck
um dieselben Unterschiede wächst, auch die Ausflussmengen jedesmal um einen constanten
Unterschied wachsen. Daraus folgt, dass , wenn man die durchfliessenden Volumina als
Ordinaten auf die als Abszissen geltenden Drücke aufrichtet, die Abhängigkeit zwischen
beiden durch eine gerade Linie dargestellt wird. Die gegenwärtigen Versuche machen
es ausserdem wahrscheinlich, dass der Druck erst zu einem gewissen Werthe ange-
wachsen sein muss, bevor er ein Durchfliessen einlciten kann (Schmidt). Ueber die
sorgsame Methode, durch welche dieses Ergebnis« gefunden wurde, ist die Abhand-
lung von Schmidt nachzusehen. — 7° Ueber den Einfluss der Zusammensetzung der
filtrirenden Flüssigkeit gilt Folgendes: Hei Anwendung verschiedener gehaltvoller Lö-
sungen desselben Salzes sinkt in allen Fällen die durchgehende Menge, wenn die
Concentration von 0 bis 5 pCt steigt; jenseits dieser Grenze steigt die Menge bei
Anwendung von KONOs und N&OSO3, sie sinkt noch weiter aber langsamer bei NaONOs
und Na CI. (Schmidt). Diese Ergebnisse weichen in wesentlichen Punkten ab von
den durch Poiseuille an steifen Capillarröhren gefundenem. — Aus einem Gemenge
jener Salze gehen Kesultate hervor, die im Allgemeinen zwar in der Mitte zwischen
denen liegen, welche die Componenten hervorgebracht haben würden; aber sie lassen
sich nicht mit Genauigkeit im Voraus berechnen (Schmidt). — ltücksichtl ich einiger
anderer Flüssigkeiten stellt Wist in gs hausen die Regel auf, dass der Druck, welcher
nothwendig «ei, um in gleichen Zeiten eine merkliche Menge von Flüssigkeit durch
eine Haut zu treiben, in dem Maasse abnehme, in welchem das Quellungsverhältniss
zunehme. In der That ist es eine bekannte Erfahrung, dass man den Druck der Reihe
nach steigern muss, wenn man durch Harnblasenwand oder Peritonäalhaut in gleichen
Zeiten annähernd gleich viel Wasser, Salzlösung, Oel, Alkohol (Quecksilber?) hindurch
treiben will. Wie aber Wasser zur Filtration den niedrigsten , Alkohol den höchsten
Druck verlangt, so quellen auch die erwähnten Membranen viel mehr in Wasser als in
Alkohol auf. — 8° Durch die Anwesenheit einer Flüssigkeit in den Poren kann der
Durchtritt einer andern erschwert oder erleichtert werden; so giebt z.B. die Anwesen-
heit von Oel in einer Harnblasenwand eine Hemmung für den Durchgang von Wasser
und umgekehrt hindert das eingedrungene Wasser den Durchtritt des Oels. Der
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208 Chemische Scheidung durch Filtration
Grund dieser Erscheinung wird zum Theil wenigstens abhängig sein von der Spannung, j
in welche die einander zugekehrten Oberflächen zweier sich berührenden, aber nicht
mischenden Flüssigkeiten gorathen müssen, weil die auf der Berührungsfläche gelegenen
Theilchen von Seiten der gleichartigen einen stärkern Zug empfangen, als von 8eiten
der ungleichartigen. Diese Spannung drängt die Theilchen der Oberfläche zusammen,
so dass jede derselben gleichsam mit einer Haut überzogen ist, welche ihr den Eintritt
in den Poms verwehrt. Die Festigkeit dieser Haut wird sich aber steigern mit dem
Unterschied der Züge nach der einen und der andern Richtung , indem diese alle mög-
lichen Werthe zwischen einem Maximum und einem Minimum annehmen kann; je nach-
dem die beiden Flüssigkeiten entweder gar keine oder oine merkliche Anziehung zu
einander zeigen , wird auch die Oberflächenspannung sehr verschiedenartig ausfallen.
Es scheint nun, als ob auf diesem Wege eine Veränderung in der Dichtigkeit der
einander berührenden Oberflächen zweier sich nicht mischender Flüssigkeiten, z. B. des
Oels und Wassers, dadurch erzeugt werden könnte, dass man in dem Wasser gewisse
Salze , z. B. gallensaures Natron , auflöst Denn es sollen Fette durch eine mit einer
wässerigen Lösung dieses Salzes getränkte Haut hindurchtreten können (Ochlenowits,
Hoffmann). —
Die Frage, ob mittelst der Filtration durch eine thierische
Haut in einer homogenen Flüssigkeit eine chemische Scheidung
veranlasst werden könne, ist durch die bisherigen Versuche je
nach der Natur der aufgegossenen Flüssigkeit verschieden beant-
wortet. — Wird eine leichtflüssige Lösung wie z. B. der neutralen
Salze und des Zuckers auf das Filter gebracht, so zeigte die
durch das letztere gedrungene Flüssigkeit die Zusammensetzung
der aufgegossenen. Diese Erseheinung ist besonders dann auf-
fallend, wenn man die Flüssigkeiten auf die Membran bringt,
welche von dieser scheinbar gar nicht unverändert aufgenommen
werden können, wie z. B. conzentrirte Lösungen von Glauber- und
Kochsalz. Diese Thatsache scheint in Verbindung mit anderen
einmal zu erweisen (Bd. I. p. 72.), dass die in die Poren der auf-
quellenden Häute eingedrungenen Flüssigkeiten dort auf eine ver-
schiedene Weise angeordnet sind, und dann, dass die Drücke,
welche man zur Erzeugung des Filtrationsstromes angewendet hat,
gerade nur hinreichen, um die Mittelschicht, nicht aber die Wand-
schicht der eingedrungenen Lösung zu bewegen. Sollte sich in
der That ein allgemeiner Beweis für die Behauptung erbringen
lassen, dass die Drücke, welche thierische Häute, ohne zu zerrci-
sen ertragen können, nicht genügten, um die Wandschicht in Be-
wegung zn setzen, so würde damit dargethan sein, dass die Fil-
tration durch eine thierische Haut keine chemische Scheidung in
einer wahren Lösung veranlassen könnte. Jedenfalls müssen wir,
so lange ein empirischer Gegenbeweis fehlt, an diesem Grundsatz
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Filtration; chemische Scheidung durch dieselbe.
209
festhalten. Mit dieser Vorsicht ist man freilich nicht immer zu
Werke gegangen , indem man sich auf die Ergebnisse der Filtra-
tion durch Kohle, Ziegelsteine' u. s. w. berief, bei denen in der
That die Zusammensetzung der dnrcbgegnngcnen und der anfge-
gossenen Lösung verschieden sein können. Man übersah aber
hierbei, dnss die Kohle nur durch ihre Verwandtschaft zu den im
Filtrat fehlenden Bestandthcilcn jene Scheidung erzeugt. Denn
der Stoff, welcher der durchgelaufenen Flüssigkeit fehlt, ist, wie
die chemische Untersuchung des Kohlenfiltcrs erweist, in ihm zu-
rückgehaltcn worden. Aus diesem Grunde ist eine beliebige
Menge von Kohle auch nur so lange als Scheidungsmittel brauch-
bar, als sie sich nicht mit jenem Stoff gesättigt hat ; so wie dieses
geschehen, geht auch die aufgegossene Flüssigkeit unverändert
durch dieselbe. Käme nun in der That den thicrischen Häuten,
dem Blut oder andern Flüssigkeiten gegenüber, eine ähnliche
Eigenschaft zu, so würde dadurch doch keine chemische Scheidung
bewirkt werden können. Denn die thierischen Häute, welche sich
an der Sekretion betheiligen , sind sehr dünn, und die Filtrations-
ströme gehen in gleicher Weise sehr lange Zeit dnreh sie hin-
durch, so dass der Stoff ihrer Porenwanduugen sehr bald mit dem
ßlutbestandtheile, den sie znrflekhalten könnten, gesättigt sein würde.
Dauernd würden sie nur dann als chemisches Scheidungsmittel zu
benutzen sein, wenn ihnen die Eigenschaft znkiime, gewissen Ile-
standtheilen einer aufgegossenen Flüssigkeit geradezu den Eintritt
in ihre Poren zu verwehren.
Anders soll sich der Erfolg gestalten, wenn durch Papier filtrirte
Lösungen von Gummi und Eiweiss noch einmal durch eine thierische
Haut getrieben werden. Valentin und Schmidt stimmen (im
Gegensatz zu WittiehV) darin überein, dass die durchgegangene
weniger Eiweiss enthalte als die aufgegossene Flüssigkeit. Valen-
tin giebt beispielsweise art, dass Hühnereiweiss, welches mit dem
6 bis 7fachen Volum Wasser verdünnt war, auf dem Filter 1,027,
unter ihm aber 1,023 spccifiscben Gewichtes besass. Die beiden
Autoren widersprechen sich aber insofern, als Valentin behauptet,
dass der Dichtigkeitsnntcrschied beider Flüssigkeiten mit dem stei-
genden Druck abnehme, während Schmidt das Umgekehrte aussagt;
nach ihm soll auch der Unterschied mit der Temperatur wachsen.
Die physiologische Bedeutung des Filtrationsstroins über-
haupt erhellt , wenn man bedenkt , dass innerhalb des Thierleibs
sehr häutig Flüssigkeiten von einem merklich verschiedenen
Ludwig, Physiologie IL '2. Auflage. 14
210
Physiologisches Vorkommen der Filtration.
Spannungsgrad durch oft äusserst dünne Scheidewände getrennt
sind. Als ein naheliegendes Beispiel hierfUr dient die Blutflüssig-
keit im Gegensatz zn den die Gefässe umsptllendcn Säften; denn
für gewöhnlich Uberwiegt die Spannung der erstem die der letz-
tem; darum sehen wir sehr häufig eine Absonderung lebhafter
werden, wenn der Unterschied der Drücke zwischen beiden er-
wähnten Flüssigkeiten im Steigen begriffen ist. Diese mit einiger
Wahrscheinlichkeit der Filtration zugeschriebene Fiüssigkeitsbewe-
gung tritt den Voraussetzungen entsprechend ein, wenn bei gleich-
bleibender Spannung des Bluts diejenige erniedrigt wird, welche den
Lösungen ausserhalb der Gefässe zukommt, wie z. B. nach Ent-
leerung der vordem Augenkammer, dem Abzapfen der Cerebro-
spinalflüssigkeit , der Entfernung oder Lockerung des Epithelioms,
der Minderung des Luftdrucks u. s. f. Dasselbe ereignet sieb,
wenn bei gleichbleibender Spannung in der Umgebung der Ge-
fässe die des Bluts sich steigert, sei es durch Vermehrung des ge-
sammten Blutvolums oder durch Einführung von Stromhemmnissen
u. s. w. — Von nicht geringer Bedeutung würde bei dem häu-
figen Vorkommen von Eiweisslösungen die Thatsache sein, dass
diese, selbst wenn noch so sehr der Anschein des Gegentheils vor-
liegt, doch keine wahren Lösungen sind, so dass seine in dem
Wasser schwimmende und durch dasselbe aufgelockerte Molekular-
haufen zum Theil zu gross wären, um sich durch die engen Foren
der thierischen Gewebe durehzwängen zu können. Denn damit
würde je nach der Porendimension und der Vertheilung des Ei-
weisses ein sehr einfaches Mittel gegeben sein, um Flüssigkeiten
mit ganz verschiedenem Prozentgchait an Eiweiss ans derselben
Mutterlösung zu erhalten und in den Gewebssäflen zu vertheilen.
b. Diffusion. Die Theorie der Hydrodiffusion und insbe-
sondere der Endosmose hat seit dem Erscheinen des entsprechen-
den Abschnittes im 1. Bd. nennenswerthe Fortschritte gemacht*)
Die Veränderlichkeit der thierischen Haut, welche das Ge-
winnen gesetzmässiger Erscheinungen erschwert, die Ueberzeugung,
dass die Diffussion durch Poren gleichartiger Häute (wir nannten
sie die wesentlichen) sich anders gestalten müsse, als durch die
zufälligen Poren solcher Stoffe, die aus sichtbar verschiedenen Ge-
fl) A. Fick In Molescholtta Untersuchungen III. 204. — W. Schmidt, Poggendorffc Annalen
B. 102. p. Ul — Eckhard, Beiträge nur Anatomie und Physiologie. 2 lieft. 1858. 112. —
E. Hoffman n, des endosmot. Aequir. des Glaubersalzes. Giessen 1858. Meissner, Jahresbe-*
riebt fUr 1*57. 105.
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Diffusion durch- Thon - Collodium - HerzbeutelplatUn.
211
webstlieilen zusammengesetzt waren, fltbrte theils znr Anwendung
von Scheidewänden ans gebranntem Thon im Gegensatz zn sol-
chen aus Collodium (Buchheim, A. Fick), theils zur Anwen-
dung der Linsenkapsel als einer möglichst gleichartigen thierischen
Haut (Wittich, Virchow, Meissner), ferner zur Aufsuchung
der Veränderungen, welche verwickelter gebaute Häute, wie z. B.
der Herzbeutel selbst unter solchen Umständen erfahren, die man
bisher fllr einflusslos gehalten hatte (Eckhard, W. Schmidt.)
Die sehr feinen Collodiumhiiuto , welche A. Fick zu seinen Versuchen brauchte,
empfehlen sich dadurch, dass sich an ihnen höchst wahrscheinlich nur cinStmm durch
die wesentlichen Poren geltend macht; immerhin kann aber, wenn man ihre Entstehung
durch Verdunstung berücksichtigt, nicht geleugnet werden, dass sie auch anfällige Poren
enthalten möchten, dargestellt durch feine Spalten, welche bei ungleichmassigem und
ungleichseitigem Eintrocknen im Innern der Haut entstehen müssen, während das äuaserste
Blatt schon fest geworden ist. Für das Vorhandensein dieser oder ähnlicher Unregelmässig-
keiten spricht insbesondere der Umstand, dass der Widerstand, welchen sie dem Diffus-
sionsstmm bieten , nicht mit der Dicke wichst Unerwarteter als diese Erfahrung ist
die andere, dass beim .Aufenthalt in Salzlösungen (Na CI) sich ihre Durchgängigkeit
Hir das Salz mehrte (A. Fick), während sie sieh für dos Wasser unverändert erhält —
Die Veränderungen, welche der Herzbeutel mit der Versuchsxeit eingeht, bewirken eine
Aenderung der Quellungsfähigkcit, der Wegsamkeit für den Salzstrom und die Aenderung
des endosmotischen Aequivalent«. Wendet man ein frisches, nur mit Wasser ausge-
waschenes, aber vor Beginn des Versuchs nicht getrocknetes Stück an, so gewinnt man
mit ihm (für NaCl und NaO SOs) sehr übereinstimmende end osmotische Aequivalente,
selbst wenn man die Häute aus ganz verschiedenen Thieren benutzt hat Kingetrock-
nete und wieder aufgeweichte Haut« geben ein höhers etidosmotisches Aequivalent
(Eckhard), was wahrscheinlich von einer Vermehrung des Widerstandes fllr den Salz-
strom abhängt (8chmidt). Gerade wie bei Collodiumhaut wird aber auch hier durch
längeren Aufenthalt in der Lösung eines Salzes die Wegsamkeit fUr das letztere erhöht-
Statt dem bisherigen Gebrauch gemäss nur das Verhältnis«
der Ströme, die von den beiden Grenzflächen ausgehen (das en-
dosmot. Aequivalent), zu messen, haben die neueren Arbeiten indem
sie Zeitbestimmungen mit Aufnahmen, die absolute Geschwindigkeit
der einzelnen Ströme festgestellt. Solche Geschwindigkeitsmessun-
gen sind augge fuhrt an Strömen, die nach der einen Richtung
Wasser, nach der andern Kochsalz, Glaubersalz, Cblorkalcium und
Zucker mitnahmen.
Der Wasserstrom gewinnt an Geschwindigkeit 1° mit
der Temperatur der diffundirenden Massen (Fick, Eckhard) nnd
zwar am Herzbeutel nach einem Gesetze, welches durch dieselben
Coeffizienten dargestellt wird, das den Filtrationsstrom durch
dieselbe Haut regelt — 2» Seine Geschwindigkeit wächst mit
dem Unterschied des Gehaltes an den Stoffen in den beider-
14*
212
Diffusion; Geschwindigkeit des Salz- und Wassers trorns. -
seitigen Flüssigkeiten. Versteht man untet Gehalt den Bruch aus
dem Gewicht des aufgelösten Salzes (s) durch das Gewicht der
gesammten- in der Lösung vorhandenen Einzelgewichte des Was-
sers (w) und des Salzes s also -r~ , so gilt für Collodiumhaut und
Na CI Lösung, dass der Wasserstrom um ein weniges langsamer steigt
als der Gehalt (A. Fick); für Herzbeutel und Na 0 SOa-Lüsung
steigt die Geschwindigkeit des Wasserstroms, wenn .der Gehalt der
Lösung von 0 bis zu etwa 1 p. c. anwächst, dann sinkt sie rasch
und wächst bei weiter steigendem Gehalt abermals und zwar bis
zum möglichen Maximum des Salzgehaltes proportional der Dich-
tigkeit. Befindet sieh ungelöstes Glaubersalz auf der Membran,
so steigt abermals die Geschwindigkeit plötzlich (W. Schmidt). —
RUcksichtlich der niedern Conzentration verhält sieh der Wasser-
strom, der durch eine Thonscheidewand zum Na CI geht, ähnlich,
indem die Geschwindigkeit bei dem Wachsen der Conzentration von
0 bis 0,2 p. c. sehr rasch zunimmt,’ von da bis 1,0 p. o. wieder
rasch abnimmt und von da ab wieder bis zu 26,5 p. c. stetig mit
der Conzentration steigt (A. Fick, Graham). — 3" Wenn der
Wasserstrom welcher durch eine Collodiumhaut zum Kochsalz
geht = l gesetzt wird, so ist, gleicher Prozentgehalt der entgegen-
stellenden Lösung vorausgesetzt, die Geschwindigkeit des Stroms
zum Zucker = 0,15 und zum Chlorkalcium = 0,7. (A. Fick).
Die Geschwindigkeit des Salzstroms steigt 1° mit der Tem-
peratur genau wie der Wasserstrom (Schmidt); 2° mit dem Ge-
halte der Lösung und zwar bei Anwendung von Na CI und Thon-
scheidewand oder NaOSOv und Herzbeutel direkt wie das Wachs-
thum des Gehaltes (A. Fick, W. Schmidt); 3° bei frischen
Collodiumhäuten und getrockneten Herzbeuteln mit der Aufenthalts-
zeit in der betreffenden Lösung.
Aus diesen Erfahrungen leitet sich ab 1° dass das endosmot.
Aeqnivalent von der Temperatur unabhängig ist; 2o dass es sich
für Koch- und Glaubersalz mit der Conzentration ändert und
zwar für Glaubersalz und Herzbeutel ganz nach der von C. Lud-
wig angegebenen Weise (Schmidt); 3" dass die Aequi valente bei
Anwendung getrockneter Herzbeutel und frischer Collodiumhaut
höher sind als bei langer Zeit in der betreffenden Lösung aufge-
weichten; hierzn fügt Eckhard, dass es für den Werth der endos-
motischen Aequivalentes gleichgültig sei, ob man die freie oder die
angewachsene Fläche des Pericardiums gegen die Salzlösung wende,
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Physiologisches Vorkommen der Diffusion.
213
and ebenso ob der Salzstrom auf- oder absteigend dnrch die Mem-
bran gehe.
Anf dem Wege der Diffussion müssen unzweifelhaft Blutbe-
standtheile aus den Gefilssriihren in die umgebenden Gewebe ge-
führt werden, weil diese letztem mit wässerigen Flüssigkeiten er-
füllt sind, deren Zusammensetzung von der Blutflüssigkeit abweiebt
lieber diese Strömungen lässt sich im Allgemeinen angeben : 1) Sie
werden naoh den Prinzipien für die endosmotisehen Strömungen zu
beurtbeilen sein, weil die beiden Flüssigkeiten durch eine thie-
rische Haut getrennt sind. — 2) Die Ströme werden während der
ganzen Lebensdauer ununterbrochen fortbestehen , weil nemlich
zahlreiche Einrichtungen angebracht sind, welche es verhüten, dass
die Flüssigkeiten an den beiden Seiten der Membran eine gleiche
Zusammensetzung erlangen. Diese ununterbrochene Dauer des
Stroms schliesst aber natürlich ein Steigen oder Fallen seiner Ge-
schwindigkeit nicht aus , im Gegentheil, es wechselt aus verschiede-
nen Gründen die mittlere Geschwindigkeit der Diffusionsströme mit
der Zeit sehr merklich. — 3) Die Flüssigkeit, welche sich in
dem Strom bewegt, kann niemals die Zusammensetzung des Blu-
tes haben; denn es besitzen die einzelnen ßlutbestandtheile eine
ganz ausserordentlich ungleiche Diffusionsgeschwindigkeit, ein Un-
terschied, der namentlich zu gross zu sein scheint, als dass er
durch die ungleichen Prozentgehalte wieder compensirt werden
könnte. — 4) Die Ströme, welche an verschiedenen Orten des
tbierischen Körpers Vorkommen, werden Flüssigkeiten von ganz
abweichender Zusammensetzung führen. Dieses geschieht nach-
weislich darum, weil die auf der äussern Gefässfläche dem Blute
entgegengesetzten Stoffe nicht überall dieselben sind. So ist z. B.
an dem einen Orte das Gefäss von Luft, an dem andern aber von
wässeriger Feuchtigkeit umgeben und demnach tritt dort eine Gas-
und hier eine Hydrodiffusion ein. Dabei bleibt aber der Unter-
schied nicht bestehen, sondern es finden sich auch bedeutende Ab
weichungen in den die Gefiisshaut umgebenden wässerigen Lösun-
gen. Je nachdem also der eine oder andere Stoff in der Lösung
vorkommt , wird auch bald dieser oder jener Blutbestandtheil leb-
hafter angezogen werden oder auf seinem Wege dureh die Haut
mehr oder weniger Widerstand finden. — Zu diesen nachweis-
lichen Gründen für eine grosse Mannigfaltigkeit in der Zusammen-
setzung der aus dem Blute tretenden Säfte fügt man' vermuthungs-
weise noch einen andern, den nemlich, dass die verschiedenen
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214
Absonderung durch Nervenerregung.
thierischen Häute wegen der ursprünglichen Abweichung in ihrer
Zusammensetzung oder in ihrer sonstigen molekularen Anordnung
eine ungleiche Durchgangsfäbigkeit für dieselben Flüssigkeiten be-
sitzen sollen. Diese Vermuthung stützt man auf die im I. Bd.
p. 79. 3 angeführten Versuche, welche allerdings noch einer wei-
tern Bestätigung bedürfen, die Meissner*) zu geben verspricht. —
5) Die auf Diffusion beruhenden Absonderungen sind jedesmal mit
einem Strom im umgekehrten Sinn, mit einer Resorption, verbun-
bunden.
c. Nervenerregung**). Eine beschränkte Zahl von Drü-
sen (und dieLymphgefdssanfänge?) bringen die Absonderung ihrer
Säfte zu Stande unter Mitwirkung der in sie eintretenden Nerven.
Der Mechanismus, durch welchen der erregte Nerv die Abson-
derung einleitet, ist unbekannt; keines Falls aber ist der Nerv
dadurch wirksam, dass er den Blutdruck innerhalb der Gefässe,
welche die Drüse durchsetzen, partiell steigert, indem er die
Durchmesser jener Gefässe verändert. Dieses wird darum zur Ge-
wissheit, weil der Druck, unter welchem der abgesonderte Saft in
den Drttsengang einströmt, weit grösser ist, als der, unter welchem
gleichzeitig der Inhalt der Blutgefässe gespannt ist; ja noch mehr,
es kann der erregte Nerv auch noch zu einer Zeit die Abson-
derung hervorrufen, in welcher das in der Drüse enthaltene Blut
weder strömt, noch überhaupt gespannt ist.
Der Absonderungsdruck wird dadurch gemessen,
dass man in den Ausfilhrongsgang einer Drüse A (in
der schematischen Fig. 49.) ein Manometer B einbin-
det. Dringt Flüssigkeit durch die Poren der Drüsen-
wand hh in das Innere des Drüsenbläschens, so wird
sie allmählig auch in das den AusfÜhrungsgang ver-
schliessende Manometer dringen und das. Quecksilber
desselben so lange emporheben, bis der Druck, den die
Quecksilbersäule ausübt, gross genug ist, um der Ge-
walt , mit welcher der Drüsensaft durch die Poren
strömt, das Gleichgewicht zu halten. Der Abson-
derungsdruck ist also nichts anderes, als die in einer
beliebigen Flüssigkeit ausgedrückte Druckhöhe, unter
welcher die abgesonderten Säfte in die Drüse gepresst
werden.
Obwohl die Absonderung unabhängig vom Blutstrom eintreten kann, so vermag
sie sich doch nicht ohne Zuthun desselben auf die Dauer zu erhalten. So bat
•) Jahresbericht Uber Physiologie für 1867.
**) C. Ludwig In Hcnle’s und Pfeufer's Zeitschrift. N. F. I. Bd. — Cscrmak, Wiener
Sitzungsberichte Dd. XXV. — C. Ludwig und A. Splces, Wiener Sitzungsbericht«.
Eigenschaften der nervöson Absonderung.
215
Czerraak gefunden, dass die Erregung der zur gl. submaxillaris gehenden sympathi-
schen Zweige die Speichelabsonderung, welche durch die gleichzeitige Erregung des
Astes ron Ram. lingualis eingelcitet war, ziemlich rasch zu unterdrücken vermag ; die
Reizung des Srmpathicus bringt aber auch zuglcieh eine auffallende Verlangsamung,
ja eine vollständige Stockung des Blutstroms hervor. Umgekehrt pflegt sich zu jedor
im gesunden Thier eintretenden Absonderung auch eine raschere Blutstrüraung durch
die Drüsen zu gesellen. (CI. Berns rd). Die von Czermak gefundene Thatsarhe lässt
freilich auch noch, andere Erklärungen zu.
Den Eigenschaften der Nerven entsprechend wird die von
ihnen abhängige Absonderung keine stetige, sondern eine durch
längere oder kürzere Zeiten unterbrochene sein, sie wird nur ein-
treten können, wenn der Nerv erregbar ist. In der That tritt sie
aber, die Erregbarkeit der Nerven vorausgesetzt, nur dann ein,
wenn der Drttscnnerv wirklich erregt wird; dieses geschieht aber,
soweit wir wissen, ganz unter denselben Umständen, unter denen
auch der Muskelnerv zur Erregung kommt; und es wächst dann
die Geschwindigkeit der Absonderung, alles andere gleichgesetzt,
mit der Intensität der Erregung.
Mit dem Eintritt der Absonderung erhöht sich jedesmal -die
Temperatur der Drüse, denn es sind die aus ihr hervorkommei»-
den Speichel- und Blutpiassen höher erwärmt als das eintretende
Blut. Dieser Wärmezuwaehs scheint mit dem Erregungswerth der
Drüsen zuzunehmen (C. Ludwig, A. Spiess).
Die Säfte, welche durch dieses Hilfsmittel dem Blute entzogen
werden, sind erfahmngsgemäss durchaus anders zusammengesetzt,
als die Blutflüssigkeit. Ob sie aber in allen dem Nervencinfluss
unterworfenen Drüsen gleich oder ungleich sind, lässt sich nicht
angeben. Allerdings weicht die Zusammensetzung der einzelnen
Nervensekrete, wie z. B. Thränen und Speichel, von einander ab,
aber es kann diese Thatsache nicht als ein Beweis dafür ange-
sehen werden, dass durch Vermittelung des Nerven in die beiden
Drüsen verschiedenartige Säfte geführt worden seien, und zwar
darum nicht, weil es sich nicht darthun lässt, ob nicht noch an-
dere Sekretionsursachen, z. B. eine Diffusion, sich an der Bildung
von Thränen oder Speichel betheiligt haben.
Um den Einfluss der Nerven auf die Absonderung zu erklären , hat man die
Führung der Flüssigkeit durch den elektrischen Strom zu Hilfe genommen. Obwohl
sich sehr viele Wahrscheinlichkeitsgründe zur Unterstützung dieser Annahme zuaammen-
finden lassen, so fehlt doch noch viel, bevor es erlaubt sein dürfte, dieses ganz neue Er-
klärungsprinzip in einem Lehrbuch zu erörtern.
3. Weitere Veränderungen der abgeschiedenen Säfite. Die
Flüssigkeiten, welche durch irgend eine der bezeichnetcn Kräfte
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216
Chemische Umsetzung der ausgeschiedenen Safte.
aus dem Blutstrom auf die äussere Fläche der Gefässhaut beför-
dert sind, gelangen dort, je nach dem Organ, in welchem die Ab-
sonderung vor sich ging, unter besondere Bedingungen, welche bei
aller sonstigen Verschiedenheit doch darin Ubereinstimmen, dass
sie eine Veränderung der ausgeschiedenen Säfte anbahnen und
vollenden ; diese Veränderungen betreffen ebensowohl die chemische
Zusammensetzung, als auch den Aggregatzustand derselben.
a. Chemische Umsetzungen der ausgeschiedenen
Stoffe. Die Thatsachen, auf welche eine theoretische Uebersicht
derselben gebaut werden könnte, sind gegenwärtig noch in keinem
Falle mit genügender Schärfe 'festzustellen. Hierzu gehörte vor
Allem eine genaue Einsicht in die Zusammensetzung ebensowohl
der ursprünglich ansgeschiedenen als auch der später veränderten
Flüssigkeiten, und nicht minder eine Kenntniss aller der Umstände,
durch welche der jedesmal in Betracht gezogene Ort eine che-
mische Umwandlung einzuleiten vermöchte. Der organischen
Chemie kann es nicht zum Vorwurf gereichen, dass sie die Schwie-
rigkeiten, welche sich der Lösung einer solchen Aufgabe entgegen-
Btellen, bis dahin nicht zu heben vermochte.
Wir vermuthen mit einem hohen Grade von Wahrscheinlich-
keit, dass die chemischen Umsetzungen, welche in den ausge-
schiedenen ßlutbestandtheilen vor sieh gehen, sich erstens vorzugs-
weise beziehen auf die organischen Substanzen derselben und
insbesondere auf die eiweiss- und fettartigen Stoffe. Diese Vermu-
thung entspringt aus der nicht unbeträchtlichen Zahl von Erfah-
rungen über die Zusammensetzung einzelner in den thierischen
Geweben vorkommender Stbffe; diese letztem bestehen nemlich
fast sämmtlich aus Atomen, welche nur mittels des Eiweisses oder
der Fette in die Gewebe gelangt sein können. Die einzigen Aus-
nahmen von dieser Regel bilden, so weit wir wissen, die Salzsäure
des Magens und einige Verbindungen organischer Säuren mit Na-
tron, welche durch die Zersetzung des Chlomatriums und des
kohlensanren Natrons entstanden sein müssen.
Wir geben sogleich ein Verzeiehniss derjenigen Stoffe, welche
aus einer Umsetzung des Eiweisses und der Fette abgeleitet wer-
den müssen. Aus dieser Aufzählung schliesscn wir jedoch alle
diejenigen Produkte aus, die uns, wie das Lecithin, Excrctin, Xan-
thoglobulin, einige Farbcstoffe u. s. w., nur nach ihren Verwandt-
sehafts- oder Crystallisationseigenschaften , nicht aber nach ihrer
Zusammensetzung bekannt sind.
Abkömmlinge der Fette und des Eiwciases.
217
Die in die Tabelle aufgenommenen Stoffe sind in zwei Spalten
geordnet, von denen die eine alle diejenigen Atomgruppen enthält,
welche man mit Gewissheit oder Wahrscheinlichkeit als Abkömm-
linge des Eiweisses ansieht, während die andere die Abkömmlinge
der Fette enthält. — Die Atomgruppen der ersten Spalte sind
mit wenigen Ausnahmen nach ihrem relativen Gehalt an Stickstoff
in der Art geordnet, dass die an diesem Elemente ärmeren voran-
gestellt wurden.
Zcrsetzungsprodukte, an deren Bildung betheiligt
Zersetzungsprodukte, an deicn Bil-
war Kiwoias = C:a Hm N9 0« S| (Lieber-
«lung betheiligt wird Stearin =
kühn), Verhältnis« de« C : N = 8
: I.
C| t4 11 1 14 0«: u. 01 0 i n =
= O4; iUoO*
Verhält»
niftNznhl
Zusammen*
Nunen der Abkömmlinge.
Zusammensetzung.
C- und N-
atnmun ;
Namen der Abkömmlinge.
setzung.
N-l.
Zucker (Amvlon)
Cis HiiOü
Margarinsaure
C34 Hm O4
Milchsäure
Ce 11« Ob
Palmitinsäure
C'3i Um O4
PhenyUäure
C|* II7 0*
Cmpronsiure
CifUi* O4
TauryUäurc
C.,1P0,
Buttersnurc
CflHflO,
Dwnaiursuurc
Ci4U«tO«
Propionsäure
6,11.0,
Taurochf>Uäuro ' *
C51 H«aN| Oh S*
52
Ameisensäure
Ca Hf O4
ülycoeholsäure
C51 U43 N» Oh
52
Oxalsäure
Ca Os
indicau
Cat U35 N* Os«
52
Hemsteinsäuru
C, Ha 0,
Cercbrin (Müller)
L’a« Um N, 0«
34
Ulycerin
C„ 11» 0„
Tyrosin
Ciftllii Ni 0«
18
Cholcstearin
C*H H»4 0
Uippursuurc
Cu U„ N4 0|',
18
Kohlensäure
COf
Biliverdin
Cm U9 O5
16
Wasser
HO
Biliphain
CjjJInNjOo
16
| Müller
c» HfN* O4
8 _
Lcucinreihe J Oorup
Cia 11 1 3 Ni O4
12
( gewöhnl.
C10II11 Ni O4
10
Hydro tsiiure
C10 Hfl N| t)n
in
Chondrigen
Cjt Htr. N,OuS(?)
8
Klastischer Stoff
C51H40N7O14
7,4
CoU»
Ctj IIio Na Os
(;/> 1
Cystin
C«; H«i N 1 04 Si
6
Taurin
C,H, N,Or,S,
4
lnosinsüure
OioUiSjOh
5
Kreatin
C»H„N,0,
2,6 .
Kreatinin
C«H, N,0,.
2,6
Hypoxanthin (Sarkin)
Ca Hi N,0
2.5 .
Harnsäure
C5H,NjOj
2,5
Alantoin
CflHe NflOfl
2
•
Harnstoff
C,H,N,0,
1
Trinicthvlummin
CflllyNl
6
Ammoniak
11I.N,
Stickgas
N
•; "t/ v
Schwefelsäure
SOj
. •
Kohlensäure
CO,
Wasser '
HO
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218
Abkömmlinge erster und zweiter Ordnung.
Die Arbeiten der Chemiker haben uns die wichtige Auf-
klärung verschafft, dass zwischen den verschiedenen Gliedern die-
ser grossen Reihe eine eigentümliche Beziehung besteht, die darin
liegt, dass alle Abkömmlinge des Eiweisses innerhalb des tbie-
rischen Leibes, so verschieden sie auch ursprünglich gewesen sein
mögen, sich doch schliesslich verwandeln in Harnstoff, Ammoniak,
Stickgas, Schwefelsäure, Kohlensäure und Wasser, und diejenigen
der Fette in Kohlensäure und Wasser. Diese eben erwähnten
Stoffe haben die eine physiologische Eigentümlichkeit gemein,
dass sie sämmtlich in die Organe (Lunge, Haut, Niere) abge-
sondert werden, deren Inhalt im regelmässigen Verlaufe des
Lebens aus dem tierischen Körper wieder entleert wird. Darum
ist man auch Ubercingekommen , sie mit dem Namen der Auswürf-
linge zu bezeichnen.
Zwischen den Fetten und dem Eiweiss einerseits und den
Auswürflingen oder den letzten Produkten des tierischen Stoff-
wechsels anderseits liegt somit eine grosse Zahl von Atomgruppen
in der Mitte, welche man als die allmähligen Uebergänge der we-
sentlichen Bestandteile des Bluts in die des Harns, der Lungen
und des Hautdnnstes anseheu kann. Diese Mittelprodukte ver-
dienen hier noch einige Aufmerksamkeit.
Rücksichtlich ihrer Entstehung kann als gewiss angesehen
werden, dass die Bedingungen für diese Umsetzungen erster Ord-
nung, wie wir sie nennen wollen, sich nicht gleichmässig durch
den ganzen Körper hindurch vertheilt finden, so dass in einem je-
den Organe ein jedes dieser Produkte zum Vorschein kommen
könnte, im Gegenteil, es knüpfen sich an bestimmte Organe auch
ganz bestimmte Umsetzungsprozesse. In diesem Sinne kann also
ein jedes Organ als ein spccifischcr chemischer Herd betrachtet
werden. So wird u. A. gebildet im Hirn : Cerebrin, Lecithin, Krea-
tin, Milchsäure, flüchtige Fettsäuren aus der Gruppe C211 Hin Oi,
Cholestearin (?) (Frem, Gobley, W. Müller); in den Muskeln:
die niedem Glieder der Fettsäurenreihe von der Buttersäure ab-
wärts ; Milchsäure, Inosinsäure, Hypoxanthin, Kreatin, Kreatinin und
Muskelzucker (Liebig und Scherer); in der Leber: Bilipbain und
Biliverdin (Heintz), Haematoidin ( Valentiner), Glyco- nnd
Taurocholsänre (Strecker), Tyrosin und Leucin (Frerichs und
S t a e d e 1 e r), Amylon, T raubenzucker (Bernard); Inosit (C 1 o e tt a) ;
in der Milz und dem Pankreas: Leucin (Frerichs, Staedcler,
Virchow), Hypoxanthin, Harnsäure (Scherer) und Inosit (Cloetta);
>y-G©©gle
Oxydation der Mittelproducte.
219
in der Lunge: Taurin Harnsäure, Inosit(Clogtta); in denSynovial-
säcken, Schleim- und Speicheldrüsen: Schleimstoff; in den Milch-
drüsen : Casein und Milchzucker ; in dem Bindegewebe und den Knochen
Collagen ; in dem elastischen Gewebe : elastischer Stoff ; in den Knor-
peln: Chondrin (J. Müller); in den Epithelialzellen und den Haa-
ren: eine sehr schwefelreiche Atomgnippe (Mulder) u. s. w.
Der Mechanismus, durch welchen in den bezeichneten Orten
die Umsetzung eingeleitet wird, ist nun freilich noch in Finstemiss
gehüllt, welche, so tief sie auch sein mag, uns doch wenigstens
erkennen läst, dass die aufgezählten Prodnktc ans Fetten und
Eiweiss gebildet wurden, entweder mittelst einer blossen Umlegung
ihrer Atome ohne gleichzeitige Veränderung ihrer Zahl, oder durch
eine einfache Spaltung, oder durch eine Spaltung mit nachfolgen-
der Wiedervereinigung einzelner Spaltungsprodukte, oder endlich
durch eine Spaltung, welche von einer theilweisen Oxydation be-
gleitet wurde. Es wird erst die Aufgabe der besondem Abson-
dernngslehre sein können, im einzelnen Fall auf die wahrschein-
lichste Entstehungsweise der einzelnen Produkte hin zu deuten;
im Allgemeinen lässt sich aber hier gleich cinsehen, dass das
gleichzeitige Erscheinen von stickstofffreien und stickstoffreichen
oder schwefelfreien und schwefelreichen Atomgruppen in einem
und demselben Organe sich am einfachsten erklärt durch eine
Spaltung der Eiweissatome.
Die Zusammensetzung der Auswürflinge oder derjenigen
Stoffe, welche als Abkömmlinge aus der ersten Umsetzung anzu-
sehen sind, deutet auf eine einfachere Entstehungsweise. Sie
tragen nemlich sämmtlich den Stempel des Oxydationsprozesses,
indem sie entweder , wie das HO, COi, SO3 und Harnstoff, selbst
sehr sauerstoffreiche Atome darstellen , oder , wie H3N und N gas,
zu den Produkten gehören, welche bei einer energischen Oxy-
dation der eiweissartigen Stoffe immer auftreten. Da nun die
gesammten aus dem Blut ergossenen und dem Umsatz anheim-
gegebenen Eiweiss- und Fettstoffe schliesslich in diese Verbren-
nungsprodukte übergehen, so ist es erlaubt, den thierischen
Stoffumsatz im Ganzen mit einem Verbrennungsprozess zu ver-
gleichen; dieser Oxydation muss aber immer erst eine anderweite
Zerlegung der wesentlichen Blutbestandtheile vorausgegangen sein,
welche ihr die Brennstoffe liefert.
Dieser letzte Akt des thierischen Stoffumsatzes, die Verbren-
nung, findet seine Bedingungen demnach auch im thierischen Körper
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220
Oxydation der Mittolprodnkte.
häufiger vor als der, welcher die Bildung jedes einzelnen der Zer-
setzungsprodukte erster Ordnung veranlasst, denn es muss überall,
wo überhaupt eine Zersetzung statt findet, auch die Verbrennung
sich einfinden, vorausgesetzt nur, dass dem mit Sauerstoff ge-
schwängerten Blutstrom Zutritt zu dem Herde der Umsetzung ge-
stattet ist Aber seihst die erstere der eben aufgestellten Be-
dingungen braucht nioht einmal erfüllt zu sein. Denn es werden
auch Zersetznngsprodnkte nach den Orten, welche selbst keine er-
zeugen konnten , hingeflthrt werden müssen ; viele derselben sind
nicht allein löslich, sondern sie diffundiren auch leicht durch die
GefässhUute, so dass sie mit dem Blute überall hindringen. Mög-
licher Weise stellen sich sogar in diesen Orten die Bedingungen
für die weitere Umsetzung günstiger als in den Ursprungsstätten, so
dass man sagen kann, es führe das zweite Organ die Zersetzung
weiter, welche das erste eingeleitet hatte.
Diese allgemeinen Betrachtungen können vielleicht zu zwei
irrthümlichen Schlussfolgerungen verleiten; man könnte erstens
zu der Annahme verführt werden, dass erst dann eine Zer-
setzung der wesentlichen Blutbestandtheile möglich sei, nachdem
sie ausserhalb des GefHssranms getreten wären. Dieses ist aber
weder zu beweisen, noch auch wahrscheinlich; denn, wenn man
auch von allen andern Gründen absieht, die erst später verständ-
lich sind, so ist doch mindestens sogleich einleuchtend, dass im
Blute die leicht oxydablen Abkömmlinge der Fette und des Ei-
weisscs eben so gut der Verwesung anheimfallen müssen, als in
diesem oder jenem Organe um so mehr als das Blut ein nach-
weisliches Ferment enthält. — Im Gegensatz hierzu könnten die
obigen Bemerkungen zu der Behauptung veranlassen, dass alles
Eiweiss und alle Fette, welche einmal die Blutgefässe verlassen
hätten, auch nothwendig eine Beute des Umsatzes würden, so dass
die Atome , welche dieses Eiweiss zusammensetzten , nicht eher
wieder in das Blut zurückkehren könnten, bis sie sich zn Zer-
setzungsprodukten erster oder zweiter Ordnung umgestaltet hätten.
Diese Annahme würde aber mit der Erfahrung nicht übereinstim-
men, dass aus allen Organen, und insbesondere aus deren Binde-
gewebsräumen, eigenthümliche Kanäle, die LymphgefUsse, entsprin-
gen, welche neben andern Stoffen auch Eiweiss und Fett ans den
Geweben in das Blut zurückleiten.
b. Veränderungen im Aggregatzustande der aus-
geschiedenen Säfte. Die flüssigen Bestandttheile der Säfte
Veränderungen des Aggregatxu Standes in den Säften.
221
nehmen je nach ihrer Natur und den Umständen, in die sie ge-
langen, den gasförmigen oder den festen Aggregat zu st and an. Die
erstere Umformung erfolgt unter den einfachen Bedingungen, die
wir jedesmal bei einer Verdunstung auftreten selten. Da diese
aller Orten und namentlich auch wiederholt schon in diesem Werke
raitgetheilt sind und noch mitgetheilt werden sollen, soweit sie'
sich eigentümlich gestalten, so wird ihnen hier keine weitere
Aufmerksamkeit geschenkt. Anders verhält es sich aber mit dem
Festwerden des Flüssigen.
Der feste Aggregatzustand, wo er auch entstehen mag, führt
im tierischen Körper jedesmal zur Bildung eigentümlicher For-
men. So weit dieselben mit unseren VergrSsserungsgläsem zerlegt
werden können, sind dieselben so beschaffen, dass sie aus allge-
mein wiederkehrenden Massenanordnungen, die man gemeinhin als
Korn, Faser und Haut bezeichnet, anfgebaut sind. Körner, Fasern
und Häute sind nemlich, entweder jedes für sich oder in Verbin-
dung mit einander und zugleich mit Flüssigkeit, benutzt zur Her-
stellung eigenthümlieh begrenzter Gebilde, der Zellen, Böhren Fa-
sernetze u. s. w., welche immer noch von mikroskopischer Grösse
von den Anatmen als Elementarformen der Organe oder als Ge-
webselemente bezeichnet werden. Solche Elementarformen grup-
piren sich endlich in sehr verschiedenartiger Weise zu Organen.
Wir wenden unsere Blicke zuerst zu den Elementarformen ;
hier gewahren wir zunächst, dass einer jeden derselben eine be-
sondere Lebensgeschichte zukommt, deren sichtbarster Inhalt zu-
nächst darin besteht, dass sich ein jedes Gcwebselement ans der
Flüssigkeit allmäblig hervorbildet und dann unter stetiger, wenn
auch oft sehr langsamer, Veränderung seiner Form wieder zu
Grunde geht; mit der letztem verändert sich auch zugleich die
chemische und physikalische Beschaffenheit der Stoffe, aus wel-
chen sie gebaut ist.
Belegt man die gesummte Summe dieser Veränderungen mit
dem Namen der Entwickelungsgeschiehte, so muss zur vollendeten
Herstellung derselben nicht blos die Formfolge, sondern auch die
Umgestaltung der andern Eigentümlichkeiten gegeben sein. Sehen
wie zu, was in dieser Beziehung unsere gegenwärtigen Methoden zu
leisten vermögen.
Form folge. Die Darlegung des Formwechscls, den ein Ge-
bilde während seiner Lebensdauer erfährt, setzt voraus, dass die
Gestalt eines mikroskopischen Gegenstandes überhaupt erkannt sei.
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222
Fester Aggregatzustand , Form folge.
Insofern man hierbei, wie es gewöhnlich geschieht, zugleich ermit-
teln will, wovon das verschiedene Liehtbrechungsvermögen der ein-
zelnen Sttlcke eines solchen Gebildes abhängig ist, ob von der
Anordnung des Aggregatznstandes, der chemischen Zusammensetzung,
der besondem Gestalt der Oberflächen, gentlgt die einfach mikros-
kopische Betrachtung der nach verschiedenen Richtungen geführten
Durchschnitte des Gegenstandes nicht, sondern sie ist mit beson-
dem Hilfsmitteln zu verbinden , wie z. B. mit der Prüfung auf die
Cohäsion, durch Druck oder Zerrung mit der Anwendung schrum-
pfender und quellender, theil weise lösender, färbender die Unterschiede
der Lichtbrechung steigernder oder mindernder Reagentien. Seitdem
diese Einsicht einen praktischen Einfluss gewonnen, hat sich das
Urtheil Uber viele Formen anders gestellt, und manchem dürfte
noch ein ähnliches Schicksal bevorstehen. Nach einer, wie es
meist geschehen, genügenden Lösung dieses Problems, erhebt sich
die zweite, viel schwieriger zu befriedigende Forderung, die Reihen-
folge der Gestalten, welche ein Gebilde während seiner ganzen
oder eines Theils seiner Lebenszeit erfährt, auszumitteln. Da man
beim Thier auf die bei einzelnen Pflanzen anwendbare Methode
verzichten muss, die verschiedenen durch das steigende Alter be
stimmten Fonnunterschiede eines und desselben Objekts zn er-
kennen, so ist man genöthigt die verlangte Reihenfolge dadurch
zu gewinnen , ’ dass man sie aus der Formen verschiedener Indivi-
duen zusammenreimt, deren Alter durch irgend ein Kennzeichen
mehr oder weniger genau festgestellt ist.
Bei diesem Verfahren kommt es also durchaus noch darauf
an, unverfängliche Kennzeichen für das Alter der betrachteten Ge-
genstände zu gewinnen, ferner die Beobachtungen ihrer zeitlichen
Reihenfolge nach möglichst zu häufen, und endlich dafür zu sor-
gen, dass die verschiedenen Formen, welche man als zueinander
gehörige ansicht, auch wirklich dieser Bedingung entsprechen.
Als Kennzeichen für die Lebensdauer dient einmal das be-
kannte Alter des Thieres aus dem das mikroskopische Objekt ge-
nommen ist, oder die Lagerungsstätte, welche eine Elementarform
einnimmt; so namentlich die Entfernung, um welche die letztere
von dem Orte der ersten Erzeugung durch neu gebildete Formen
verschoben ist; dieses gilt u. A. für die Zellen in den verschie-
denen Lagen des Pflasterepithels ; oder der Abstand, in wel-
chem ein Gebilde von dem Ausgangspunkt eines formgestaltenden
Vorgangs liegt, der sich nach dieser oder jener Richtung fort-
Mischungsfolge.
223
pflanzt; hierher gehören z. B. die Formen, welche während der
Verknöcherung vom Orte schon vollendeter Knochenbildung bis zum
unveränderten Bindegewebe oder Knorpel hingestreckt sind. Die
aus dieser Betrachtung hervorgehenden Schlüsse sind so lange un-
verfänglich, als auf demselben Orte nur die verschiedene L'mbil-
dungsstufe ein- und derselben Formate vorfindig sind. Sie hören
es auf zu sein, wenn wie es meist der Fall, gleichzeitig und
durcheinander verschiedene in auf- und absteigender Ordnung wach-
sende Gebilde Vorkommen. Der Beweis, dass eine im spätem
Lebensalter beobachtete Form wirklich die weitere Uinwandlungs-
stufe einer andern früher gesehenen ist, kann dann nur durch be-
sondere Hilfsmittel geführt werden, wie z. B. dadurch, dass sich
eine chemische oder funktionelle Identität hersteilen lässt, oder
dass das Zahlenverhältniss der verschiedenen Formen in aufeinan-
derfolgender Alterstufe dasselbe geblieben ist, oder dass man so
viele und rucksichtlich des. Zeitabstandes einander so nahe ge-
legene Formstufen untersucht hat, dass sich durch sehr nahe-
liegende Uebergänge der Stammbaum entwickeln lässt u. s. w.
Da diesen letztem Bedingungen in zahlreichen Fällen nicht genügt
wurde oder nicht werden konnte, so haftet vielen sogenannten Ent-
wickelungsvorg'üngen ein solcher Grad von Unsicherheit an, dass
nach dem Ausspruch Henles der unermüdlichsten und überlegen-
sten kritischen Autorität auf diesem Gebiete die Veröffentlichung
von Beobachtungsresultaten Uber Formfolge nur noch die Geltung
einer Abstimmung hak*)
Mischung s folge. Obwohl nun dem Mikroskop noch viel
zu thnn übrig bleibt, so sind doch noch immer seine Aufklärungen
weit voraus denen, die uns die chemische und physikalische Durch-
forschung leisten müssen. Wir haben in keinem Falle eine klare
Vorstellung von der ganzen chemischen Zusammensetzung der
Elementarformen zu irgend einer Zeit, geschweige denn von der
chemischen Entwickelung der Gewebe, ebenso ist uns nur sehr
theilweise bekannt der atomistische Bau der Flüssigkeiten , in wel-
chen jene Elementargebilde wachsen oder vergehen, und noch weniger
die Dehnbarkeit, Festigkeit, die Quellungsfähigkeit, die Spannung,
das Lichtbrechungsvermögen und deren Aenderungen in der Zeit
Da aber mindestens alle diese Fragen beantwortet sein müssten,
um auch nur den Versuch einer Theorie der Gewebsentwickelungen
*) Anatomlächcr Jahresbericht fUr 1866. Leipzig o. Heidelberg 1867. p. 1.
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224
Entstehung des festen Aggregatiustandes.
möglich zu machen, so folgt sogleich, dass uns für jetzt nichts
Übrig bleibt, als nach neuen Angriffspunkten für die Beobachtung
zn suchen. Hierher dürfte Folgendes zu rechnen sein.
n. Zur Entstehung eines jeden Formelements ist zunächst die
Umwandlung des flüssigen in den festen Aggregatzustand nöthig,
also wird auch zuerst zu fragen sein aus welchen Gründen ent-
steht in den Flüssigkeiten des thierischen Leibes ein Niederschlag?
Indem wir zur Aufzählung der Ilülfsmittcl schreiten, welche der
Organismus besitzt, um den flüssigen Aggregatzustand seiner Be-
standtheile in den festen zu verkehren, darf die Bemerkung nicht
unterdrückt werden, dass sie uns, so weit wir sie kennen, nicht
etwa durch besondere auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen
aufgeschlossen wurden. Sie sind im Gcgcutheil nur ein beiläufiger
Erwerb anderer Beobachtungsreihen, die mit den chemischen Ile-
standtheilen des Thierleibcs inner- und ausserhalb dieses letzteren
angestellt wurden. Diese Mitthcilnng bürgt hinlänglich dafür, dass
die folgenden Angaben nur einen sehr kleinen Theil der wirklich
vorhandenen Mittel umgreifen.
Die Salze mit alkalischer und ammonikalischer Basis, ferner
Ca CI, Mg CI, Zucker, Milchsäure, Harnstoff, Kreatin, die niedem
Glieder der Fettsäurenreihe, sind immer flüssig im thierischen Or-
ganismus vorhanden; dieses steht in Uebereinstimmung mit unse-
ren Einsichten in die chemischen Eigenschaften der aufgezählten
Körper, da wir in der That keine Veranlassung anzugeben wüss-
ten, warum das überall vorhandene Wasser sein Vermögen, sie zu
lösen, cinbüssen sollte.
Da die freien kohlensauren und phosphorsauren Kalksalze nur
in .Säuren löslich sind, so müssen sie ans ihren Lösungen aus-
fallen, so wie die freie Säure neutralisirt oder gar übersättigt
wird. — Die gewöhnliche Verbindung mit eiweissartigen Stoffen,
in der die phosphorsaure Kalkerde in den thierischen Säften ge-
löst vorkommt, ist nur flüssig mit Hülfe eines alkalischen oder
schwachsauren Zusatzes. Um sie zu fällen, genügt also eine Neu-
tralisation der einen oder andern Reaktion.
Die Fette und ihre Säuren werden entweder fest, indem aus
einem Gemenge derselben die leichtschmelzbaren Thcilc (die Oel-
fette) entfernt werden, so dass nur noch die Zurückbleiben, welche
bei der Temperatur des thierischen Körpers erstarren; oder es
werden durch stärkere Säuren die löslichen Kali- und Natrouver-
Entstehung des festen Aggregatsustandea und der Cohiisinn. 225
bmdnngen der an und für sich unslöslichen fetten Säuren zersetzt,
so dass nun diese letztem ausgeschiedeu werden.
Die Eiweisskörper, welche vorzugsweise in Betracht kommen,
da aus ihnen und ihren Zersetzungsprodukten die meisten thie-
rischen Formen zum weitaus grössten Theil bestehen, können aul
»ehr vielfältige Art fest werden und Festes erzeugeu. Einmal er-
eignet sich dieses, wenn sie in unlösliche Moditicationen verwan-
delt werden, in Folge der Umsetzungsprozesse, welche sie in dem
Lebenshergang erfahren. Als Beispiele hierfür sind vorzufllhren
die Entstehung des Faserstoffs aus dem flüssigen Bluteiweiss, die Um-
wandelung des letztem in Proteinbioxyd, in die leimgebenden und
in den elastischen .Stoff. Daun kanu die Fällung geschehen durch
eine Veränderung in den Eigenschaften der lösenden Flüssigkeit.
Hierher wäre zu rechnen die Ausfüllung des Eiweisses aus alka-
lisch oder schwach sauer reagirenden Flüssigkeiten durch Neutra-
lisation, durch Zusatz von conzentrirten Salzlösungen oder auch
durch sehr reichliche Verdünnung mit Wasser. So wird z. B.
durch Zusatz einer beliebigen verdünnten Säure zu Lösungen von
Casein und Natronalbuminat, durch Zusatz von fetten Säuren zu
Htlhnereiweiss und Blutserum (Witt ich)*) ein Niederschlag ge-
bildet; fernerhin erzeugt ein reichlicher Zusatz von Kochsalz zu
Blutserum und zu dem Inhalt seröser Säcke eine Fällung (Vir-
chow)**), endlich trübt eine reichliche Beimengung reinen Wassers
das Blutserum (Scherer) und den Inhalt der Furchungskugcln
(Bisch off). — Drittens ist es möglich, die eiweissartigen Stoffe
unlöslich zu machen durch Herbeiführung einer Verbindung der-
selben mit andern chemischen Körpern. Fälle, welche unter dieser
letzten Rubrik aufzuzählen wären, sind uns in den Vorkommnissen
des thierischen Lebens nicht bekannt. Sie könnten sich möglicher
Weise ereignen durch Elektrolyse des Na CI in der Verbindung des
freigewordenen Chlors mit dem Eiweiss.
ß, Eine zweite Frage von nicht minderem Interesse würde zu
wissen verlangen, wovon der Grad der Cohäsion in dem Nieder-
schlag abhängig sei. Beim Mangel aller einschlagenden Unter-
suchungen wäre nur an die bekannte Thatsache zu erinnern, dass
ein und derselbe Eiweisskörper je nach der Dichtigkeit, der sauren
oder alkalischen Reaktion seiner Lösung beim Niederfallen in
B) Lieblos Annalen. 9t . Il«l. 334.
••) Da bymcnogenla albuminla. Regiomontil 18&0.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 1!>
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226
Krytftallinisches und amorphes Oe füge.
festzusammenhängendcn oder in krümlichen Niederschlägen er-
scheint.
■/. Wovon sind die Gestalten der primären Niederschläge ab-
hängig? Die geometrischen Eigenschaften der Flächen, welche
einen Niederschlag begrenzen, müssen entweder hervorgernfeu sein
von Kräften, welche innerhalb seiner Masse thätig sind, also von
innern, oder von Umständen, welche mit Rücksicht auf die Masse,
aus welcher der Niederschlag besteht, äussere zu nennen sind.
Da im ersten Fall der Niederschlag, wie gross oder klein er auch
erscheinen mag, immer mit einer bestimmten Form auftreten ninsg,
weil diese ja von den Eigenschaften seiner (wäg- und unwägbaren)
Substanz abhängig ist, so nennt man alle Massen, zwischen deren
Molekeln formbestimmende Kräfte sich geltend machen, geformte,
alle andern dagegen, deren Gestalt sich nach den Umständen
richtet, die von aussen her auf ihre Grenzen wirken, formlose.
Die Erfahrung hat nun längst Kennzeichen aufgestellt, aus wel-
chen entschieden werden kann, ob eine Masse zu der einen oder
andem Kategorie zu stellen sei. Die Richtkräfte nemlich, welche
die Molekeln der geformten Masse anordnen, führen jedesmal zur
Bildung von Krystallen, d. h. zu Figuren, die von Ebenen, welche
unter bestimmten Winkeln zusammenstossen , begrenzt sind; zu-
gleich sind die Molekeln innerhalb der Krystalle mindestens in
zwei aufeinander, senkrechten Richtungen, welche durch die sog.
Krystallachsen bestimmt werden, in einer ungleichen Anordnung
enthalten, vermöge deren die Widerstände für den Durchgang des
Lichtes, der Wärme und Elektrizität und ebenso die Cohäsion und
Elastizität nach der einen der bezeichnten Richtungen grösser
sind, als nach der andern. — Gerade umgekehrt verhalten sich
die formlosen Stoffe; in ihnen findet Licht, Wärme und Elektrizität
den Weg nach allen Richtungen hin auf gleiche Weise gebahnt,
und ebensowenig ist die eine Dimension vor der andern durch
Elastizität und Cohäsion bevorzugt.
Der Versuch, das Gefüge der festen Massen des menschlichen
Körpers unter die beiden grossen Gruppen zu vcrtheilen, sieht sich
gezwungen zu unterscheiden zwischen den Formen der nicht mehr
sichtbaren Molekeln und denjenigen der sichtbaren Molekular-
haufen.
Unzweifelhafte Krystallmolekeln kommen sehr verbreitet vor.
Wir dürfen ihre Anwesenheit voraussetzen in den als solchen sicht-
baren Krystallindividuen des kohlensauren Kalks, der neutralen
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Gefüge der sichtbaren und unsichtbaren Formen.
227
und sauren Fette, des Cholestearins, der Harnsäure. Nächstdem
deckt uns das polarisirte Licht krystallinische Molekeln auf, die
iwischen andere amoqrhe Stoffe eingestreut sind in mannigfachen
im Allgemeinen nicht krystallinischen Elementarformen , so in den
Muskelrohren, Bindegewebsfasern u. s. w. *) (Boek, Erlach,
Brücke, His). — An einem andern nicht minder reichlich vertre-
tenen Antheil der thierischen festen Masse kann dagegen bis
dahin durch kein Hilfemittel eine krystallinische Molekularstruktur
erkannt werden. Man wird sie also einstweilen aus kleinsten
Theilehen von unbestimmter Form zusammengesetzt ansehen, dabei
aber nicht vergessen, dass aber auch das Gegentheil möglich ist.
Für eine krystallinische Struktur einzelner unter ihnen würde z. B.
die Befähigung des Fibrins sprechen, beim Festwerden in Fasern
zu gerinnen, was darauf hindeutet, dass die in der Masse wirk-
samen Anziehungskräfte nach der einen Richtung hin bevorzugt
sind. In allen übrigen könnte man auch mit Franken heim**)
ein sehr inniges Gemenge von unregelmässig gelagerten und sehr
verschiedenartigen Krystallmolckeln mit gleicherEigenschwere und
grosser gegenseitiger Adhäsion voraussetzen.
Die Kräfte, welche sich an der Formung der sichtbaren Mo-
lekularhaufen betheiligen, sind in einigen seltenen Fällen dieselben,
welche die krystallinischen Molekeln gestalteten. Denn diese sicht
baren Gruppen stellten selbst wieder Krystalle vor wie z. B. die
Gehörsteine, der krystallinische Inhalt der Fettzellen, das Chole-
stearin in serösen Flüssigkeiten u. s. w. — Für weitaus die grösste
Mehrzahl der Elementarformen gilt dieses jedoch nicht, da die Be-
grenzungsflächen der hier znsammengcballten Molekeln, mögen sie
selbst krystallinisch oder nicht kristallinisch sein, nicht mehr die
Eigenschaften der krystalhirtigen tragen. Der Grund dafür, dass
die Kräfte , welche den Aufbau der Molekeln besorgen , nicht mehr
maassgebend sind für die Bildung der sichtbaren Gestalten von der
letzteren Art, ist mit Wahrscheinlichkeit in den Eigenschaften der
zusammengefügten Stoffe selbst zu suchen; denn erfahrungsgemüss
wirken auf die gröbem Gestaltungen welche das Eiweiss, der Faser-
stoff, der Leim u. s. w. beim Gerinnen annehmen, Bedingungen ein,
welche die sichtbaren Krystallgestalten entweder gar nicht oder
wenigstens nicht in der Weise beeinflussen.
•) M U Ile r s Archiv 1847. 313. — Denkschriften der k. Akademie der Wissenschaften XV. Bd. —
Beitrüge xur Histologie der Hornhaut v. W. Hia 1866.
**) L'ryataliiaation und Amorphie. Breslau 1861.
15*
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22B
Prägung der formlosen Massen.
Zur Erläuterung des Gesagten diene, dass die Krystall-
formen des Margarine, Stearins, des kohlensauren Kalkes u. s. w.
in keinem Fall sich ändern mit den Gestalten des Tropfens oder
der Dichtigkeit der Lösung, aus der sie herauskrystallisirten ; alles
dieses hat aber Einflnss auf die Gestalt, welche das Eiweiss oder
der Faserstoff beim Gerinnen annimmt; ans verdünnten Lösungen
fallen Flocken, aus eonzentrirten compakte Massen heraus; sie ge-
rinnen bautartig oder zu mannigfach geformten Gebilden, je nach
der Zahl, der Anordnung und dem zeitlichen Wirken der Be-
rührungspunkte des Eiweisses mit einer andern Flüssigkeit, welche
die Gerinnung erzeugt; Eiweiss und Faserstoff nehmen beim Ge-
rinnen die Gestalt der Gefässe an, in der dasselbe vor sich ging
u. s. w.
Daraus folgt mit Nothwendigkeit, dass auch die besondem
Gestalten, welche jene .Stoffe beim Festwerden im Thierleib an-
nehmen, die Folgen einer gestaltgebenden Einrichtung, wir wollen
kurz sagen, einer Prägung, sein müssen.
Um diesen Satz, der von den Eigenschaften der Stoffe herge-
lcitet ist, welche vorzugsweise zu dem Aufbau der thierischen
'Formen verwendet sind, aus dem Bereich der Probabilität zu be-
heben, müssten wir im Stande sein, die besondem prägenden Ein-
richtungen, die bei der Gewebsbildung thätig sind, nachzuweisen.
Dieses ist freilich bis dahin nicht möglich. Die folgende Dar-
stellung muss sich deshalb darauf beschränken, den Begriff der
Prägung in den allerallgemeinsten Zügen hinzustellen, und die
Möglichkeit ihres Bestehens aus den Einrichtungen des thierischen
Körpers nachzuweisen.
Da die einfachsten Formen des thierischen Körpers, die Platte,
die Faser, das Koni sich nur durch ihre Dimensionen unterscheiden,
so werden die Bedingungen, ob die eine oder andere Form erscheint,
sich im Allgemeinen leicht zusammen lassen. Zunächst kommt in
Betracht, ob die Niederschläge, welche aus der Berührung zweier
Flüssigkeiten hervorgehen, cohärent sind oder nicht, ein Umstand,
der wohl von der chemischen Natur der Flüssigkeit abhängt. Bei
Gleichheit der chemischen Natur der Niederschläge, resp. der erzeu-
genden Flüssigkeiten wird die Ausdehnung der Berührungsflächen
zwischen den beiden sich niederschlagenden Lösungen in Betracht
kommen , und endlich bei Gleichheit der beiden genannten Beding-
ungen wird die Zeitdauer, während welcher die Fällung geschieht,
und der Umstand, ob die Flüssigkeiten ruhen oder in Bewegung sind,
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Prägung besonderer Gestalten.
229
bestimmend wirken. Diese einfachen Bedingungen, deren Folgen
sieh von selbst verstehen, werden oft genug erfüllt sein in dem formen-
reichen Organismus, der mit ruhenden und bewegten und zugleich
verschiedenartig zusammengesetzten Flüssigkeiten dnrehtränkt ist. — *
Nicht minder lassen sich, wenn einmal irgend welche Formen ge-
geben sind, aus den überall gebotenen Einrichtungen Gründe
ableiten, welche den Häuten oder Fasern noch besondere Gestal-
ten geben, oder die schon vorhandenen verändern. Hier bieten
sich zu beliebiger und mannigfaltiger Verwendung die Quellungs-
fähigkeit, die Elastizität, die ungleiche Spannung, die Zersetzung
durch den elektrischen Strom, die Vorgänge der Gährung, die
Tropfenspannung, die ungleiche Cohäsion der festen Theile dar. Je
nachdem man über diese Bedingungen disponirt, können Ver-
dickungen, Auflösungen, ein- oder allseitiges Wachsthum, Spaltun-
gen eines festen Körpers herbeigefllhrt werden, und es kann hier-
bei noch die Aufgabe gelöst werden auf sehr beschränkten Räu-
men ganz betrogene Vorgänge einzuleiten. Obwohl ganz unzwei-
felhaft mit der Aufzählung der obigen Bedingungen die der wirk-
lich vorhandenen noch nicht erschöpft ist, so geben sie doch
schon, wie ein kurzes Nachdenken zeigt, unzählige prägende Ein-
richtungen an die Hand. Die Versuchung , die Tragweite dieser
ausserordentlich biegsamen Principien für die Gestaltungen des
thierischen Körpers weiter zu verfolgen, liegt in derTbat so nahe,
dass sie nur durch die Befürchtung überwunden werden kann, hier-
bei in eben so nahe liegende WillkUhrliebkeitcn und in Ausein-
andersetzungen zu verfallen, die der Natur nicht entsprechen
möchten.
Wir kehren nach dieser nur auf Wahrscheinlichkeiten beruhen-
den Auseinandersetzung zu denThatsachen zurück. Dieselehren, dass
die Platten, Fasern, und Körnchen von eigenthümlieher Form nicht
sogleich vollkommen fertig aus der Flüssigkeit hervorgehen, sondern
dass den Kugel - und Cylindermänteln, den Bündeln und Netzen aus
Faser u. 8. w. erst Gestalten vorausgehen, welche für jene genannten
formgebend wirken. Zu diesen ursprünglichen, formgebenden Werk-
zeugen zählt die anatomische Beobachtung vor allen die Zelle.
Die Gestalten welche man wegen ihres prägenden oder formbil-
denden Einflusses unter dem Namen der Zellen zusammenstellt, zeigen
zwar rücksichtlich ihrer Form gewisse Aehnlichkciten , aber auch
reichliche Unterschiede. Ho lassen sich namentlich, abgesehen von
den Abweichungen in den Grössen, in den Verhältnissen der Durch-
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230
Bedingungen für die Zellenbildung.
messer nach verschiedenen Richtungen, der Durchsichtigkeit u. s. w.
als besondere Zellenarten hinstellen die freien Kerne, kernhaltige Zellen
und Furehnngskugeln; diese letztere Gattung ist nach der Angabe
Vieler Embrologen insofern von dem Typus der Sch w an n sehen Zelle
sehr abweichend, als weder der Kern, noch die äussere Begrenzung
mit einer Haut umzogen ist.
Ucber die chemische Anordnung der thierischen ßildungszelle
sind wir nur durch einige mikrochemische Reaktionen unterrichtet;
diesen entsprechend kommt ihr mindestens ein Vertreter aus einer
jeden der grössern chemischen Gruppen zu, welche im Blute des
Menschen Vorkommen, also Eiweissstoffe, Fette, Salze, Wasser, nnd
ausser diesen in der Hülle und im Kern noch andere dem Blut
wahrscheinlich nicht angehörende Körper. Ausserdem ist bekannt,
dass die festen eiweissartigen Stoffe der äusseren Hülle und des
Kerns nicht dieselben Reaktionen darbieten und dass in einzelnen
Zeilen für die verschiedenen Schichten der äusseren Hülle sogar
ein Gleiches gilt. — Von sonstigen physikalischen Eigenthümlich-
keiten ist uns nur bekannt, dass die Hülle quellungsfähig, elastisch
und meist durch den Inhalt gespannt ist. Zudem sind an einzel-
nen rhythmische Bewegungen des Inhalts erkannt worden, was
vielleicht noch allgemeiner geschehen sein würde, wenn man die
Objekte genügend frisch und unter möglichst normalen Bedingun-
gen hätte untersuchen können.
Die Entsehung einer solchen Zelle setzt eine bestimmt
zusammengesetzte Flüssigkeit und gewisse nicht sehr weit ge-
zogene Temperaturgrenzen voraus; ausserdem aber muss diese
Flüssigkeit nach den Angaben von Rcmack, Virchow, Ley-
dig u. A. jedesmal in einer andern Zelle enthalten sein, während
Schwann, Henle u. A. nur verlangen, dass in der Mutterlauge
der Zellen andere schon fertige enthalten sind. Den Gegensatz
dieser Meinungen bezeichnet man gewöhnlich durch die Ausdrücke
der innem und der freien Zellenbildung.
Die -Entstehung der Zellen aus einer andern schon vorgebil-
deten geschieht durch Theilung, Knospenbildung oder Einschach-
telung. In jedem dieser Fälle zergeht zunächst der Kern in zwei
oder mehrere kleinere, die sich, in dem sie sich von einander ent-
fernen vergrös8em. Ist dieses bis zu einem gewissen Grade voll-
ftihrt, so faltet sich bei der Knospenbildung die Haut um einen
jeden Kern, so dass die alte Zelle unmittelbar vor dem Abfall der
neuen das Ansehen einer Traube bekommt, deren einzelne Beeren
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Inner« und freie Zellenbildung.
231
auf sehr feinen Stielen sitzen. Bei der Theilung wächst zwischen
den nenen Kernen eine Scheidewand, welche sich von der äussera
Haut durch die ganze Zelle hindurch erstreckt; indem die Scheide-
wand zerfällt, gehen aus der alten zwei oder mehrere neue her-
vor. Bei der endogenen Bildung endlich umhtlllt sich jeder Kern
mit einem Antheil des zähen Zelleninhalts , und dieser wieder mit
einer eigenen rings geschlossenen Haut Hiernach kann die Haut
der alten die neu entstandene umschliessenden Zelle entweder fort-
bestehen oder sich aufliisen.
Die freie Zellenbildung soll entweder um einen schon vorhan-
denen in einer fertigen Zelle vorgebildetcn Kern geschehen, oder es
soll sich auch dieser selbstständig entwickeln. Bei dem Wachsthum
der Zellen um den vorgebildeten Kern geht der Aufbau derselben
wesentlich nach den Regeln, die für die endogene Entstehung hin-
gestellt wurden, nur dass hier die umschliessende Mutterhaut fehlt;
ist der Kern nicht vorgebildet, so soll entweder der Ausgangspunkt
der Zellenentwickelung durch einen freien Tropfen gegeben sein, der
in einer homogenen Flüssigkeit schwimmt, — indem sich die Be-
rührungsfläche der beiden Flüssigkeiten durch einen hantartigen Nie-
derschlag abgrenzt, ist der Tropfen zu einer Zelle umgewandelt, —
oder es soll auch eine kleine oder grosse Menge von Körnchen
die in einer Flüssigkeit schwimmen, sich zu einem Klümpchen zu-
sammenballen und auf der Oberfläche entweder durch einen neu-
entstandenen Niederschlag oder durch Verschmelzung der Grenz-
theilchen eine Zcllenbaut entstehen.
Auch ohne eine tiefer gehende Kritik leuchtet ein, dass die
Anhänger der innern Zellenbildnng nicht im Stande sind, die Un-
statthaftigkeit der freien zu beweisen. Andererseits ist es auch klar,
dass die Vertreter der letztem Meinung so lange nicht auf allge-
meine Zustimmung rechnen können, als sie nicht die Neubildung
von Zellen in einer vollkommen zellenfreien Flüssigkeit darthun,
oder so lange sie nicht den scharfen Beweis beibringen, dass die
vorhandenen Zellen sich zu keiner Zeit ihres Bestehens mit ihrer
Form an der Neubildung betheiligten.
Gesetzt, wir Hessen nun, wie es neuerlichst bei den Ana-
tomen Brauch geworden, die Zeugung der neuen nur in alten
schon vorhandenen Zellen zu, so würde sich sogleich fragen las-
sen wie und warum mehrt sich die Masse des Kerns, warum und
wie zerfällt sie in zwei andre Massen von kleinerem Umfang, warnm
weichen diese beiden auseinander u. s. w. Würde man den Ver-
232
Einfluss der Zelle auf ihre Umgebung.
such machen, wie weit man sich der Lösung jedes einzelnen Her-
ganges nähern könne, so wurde man dabei dann auch erfahren, wie
weit sich die Zellen und wie weit sich die in ihrer Umgebung
vorhandenen Bedingungen an jenen Vorgängen betheiligten. Dass
diese letzteren nicht gleichgültig sind, kann nicht bezweifelt werden ;
denn, wenn auch dem Begriff der innern Zellenzeugung gemäss
selbst die Stoffe und die Wärme, welche zum Erscheinen der Zeu-
gung nöthig sind, der ältcrn Zelle angehört haben müssen, so wird
die letztere nicht jedes Rohmaterial für einen gleich brauchbaren
Baustein erachten und noch weniger wird sie sich die nöthige
Wänne selbst erzeugen. Die kürzeste Umschau in diesem Gebiete
zeigt gleich, dass auch hier dem Chemiker und Physiker der
grösste Arbeitsantheil zufällt und dass, wenn ihr Lieht tiefer dringt,
erst mit den Versuchen begonnen werden kann, welche die Vollen-
dung der Theorie versprechen. Wären wir erst Herr der Bedingungen,
durch welche wir Eiweis in diesen oder jenen beliebigen Ferment-
körper nmwandeln, oder überhaupt derjenigen, durch welche wir
das Eiweiss in jedes abgeleitete und zum Zellenwachsthnm
brauchbare Atom Umsetzen könnten, durch welche wir elek-
trische Gegensätze in ihnen zu entwickeln im .Stande wären u.s.w.,
so würde auch die künstliche Bildung und Entwickelung der Zelle
nicht lange auf sich warten lassen; dann aber erst würde man die
nöthigen Bedingungen so veränderlich machen können, dass man
den Einfluss aller einzelnen Bildungsvorgänge genau ermitteln
könnte, eine Aufgabe, die die blosse Beobachtung voraussichtlich
nie lösen kann.
Die soeben angestelltc Betrachtung sucht also den verwickelten
Begriffen Zellenfunktion, Zellenfortpflanzung u. s. w. die einfachen
Erklärungsgründe unterzuschieben, so dass man am Ende der Un-
tersuchung sagen könnte, so weit betheiligt sich an der Neubil-
dung Haut, Kern und Flüssigkeit der Zelle, und die Haut wieder
so weit mit ihrer Elastizität, ihrer Durchdringlichkeit, ihrer chemi-
schen Anregung, die Flüssigkeit aber durch diese oder jene ihrer
Stoffe, durch ihren Zähigkeitsgrad; und noch weiter diese und
jene Eigenschaft wird gesteigert oder gemindert durch die Ein-
flüsse des Aufenthaltsortes.
Eine fertige Zelle ist aber nicht bloss die Mutter neuer, son-
dern sie selbst verändert sich weiter. Diese Eigenschaft führt in
unserer Betrachtung begreiflich keine neue prinzipielle Schwierigkeit
ein, da wir die Zelle einmal als einen in Bewegung begriffenen Me-
Einfluss dor Umgebung auf die Zelle.
233
chanismus können gelernt haben. Diese Bewegung muss je nach-
dem sie zu einem bestimmten Gleichgewichtszustand gelegt oder
ihn zu erreichen gehindert wird, zu den verschiedenartigsten Fol-
gen führen. Allgemein lässt sich wohl aussagen , dass bei den
beschränkten Mitteln der Zelle und bei ihrer Berührung mit
andern beweglichen Theilen ihre Bewegungen bald zur Ruhe kom-
men würden, wenn sie nicht von aussen neue Anregungen em-
pfing, Anregungen die nachweislich zum grossen Theil durch die
aus der Umgebung eintretende Wärme und durch die Diffusion
flüssiger und luftformiger Stoffe bewerkstelligt werden. Anders
ausgedrückt würde dies heissen, dass die Entwickelung von der
Umgebung wesentlich bestimmt werde.
So gefasst, wird man es nun ebenso begreiflich finden, warum
ursprünglich gleichartige Zellen wie die Bildungszellcn des Eies
sieh zu verschiedenen Geweben entwickeln ; denn dazu gehört nur,
dass sie in räumlich getrennte Gruppen geschieden werden, wo-
durch die Möglichkeit gegeben ist, sie mit ungleichen Wärmemengen
und verschiedenartig zusammengesetzter Flüssigkeit in Berührung
zu bringen u. s. w. Andrerseits können aber auch unmittelbar an-
einander grenzende Zellen einen ungleichen Bildungsgang einschla-
gen, da schon in der ersten Einrichtung, die sie mitbringen, der
Grund liegen kann, warum zwei Zellen von denselben Einflüssen
zu ganz verschiedenen Aeussernngen bestimmt werden.
Wie endlich die Zellen (von ihren Umgebungen Masse und
Bewegungen empfangen, so geben sie offenbar diesen auch beides
und zwar durch die innere Arbeit der Zelle umgeändert zurück
und aus diesem Grunde kann man sagen, wirke die Zelle auch
bildend auf ihre Umgebung ; wie und in wie weit sie dieses vermag,
liegt jedoch noch ganz im Dunkeln, so viel man auch schon von
Zellenregion, Aneignung der Nachbarschaft u. s. w. u. s. w. ^ge-
sprochen hat.
Es würde nicht schwer sein, an der Hand allgemein mecha-
nischer Betrachtung noch Mancherlei zu sagen, aber Alles würde
doch unbefriedigend bleiben, so lange nicht von speziellen Mecha-
nismen ausgegangen werden kann; dazu gehört aber erst die
mühsame Spezialforschung. Ob und wann diese in Angriff genom-
men wird, dies wird von dem Talente der Arbeitskräfte abhängen,
welche das Geschick unserer Wissenschaft besonders und zunächst
auf dem chemischen Gebiete zuflihren wird.
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234
Geschichtete Epithelien.
Specieller Thcil.
Oberhäute, Epithelien.
Die anatomischen Elemente der Oberhäute sind Zellen, deren
Form sich der kugeligen, cylindrischen oder plattenartigen annähert.
Geschichtete Pflasterhäute. Sic bedecken die Cutis
und die Fortsetzungen derselben in die Mund-, After-, Harn und
Geschlechtsöffnung.
1. Anatomische Eigenschaften*). Um ihre Aufhellung hat
sich Henle besondere Verdienste erworben. Die geschichteten
Pflasterhäute enthalten längliche, kugelige und plattenförmige Zel-
len. Die zuerst genannte Formation, welche meist mit länglichen
Kernen versehen ist, sitzt mit einer ihrer schmalen Flächen un-
mittelbar auf der Cutis auf (K Öllik er) ihre Anwesenheit ist am
Gaumen (Szontagh) an der Vaginalportion des Uterus (Wag-
ner) und an der Cutis (Leydig) bestätigt Reichert erklärt
sie jedoch überall für eine durch die Präparation erzeugte Täu-
schung. Ueber dieser finden sich mehrere Lagen von kleinen Kn-
gelzellen, die immer einen relativ grossen Kern einschliessen, wel-
cher nahebei den ganzen Binnenraum der Zellen ausfllllt; in den
noch weiter nach aussen gelegenen Schichten trifft man dann
grössere Zellen, deren Form zwischen der Kugel und Platte die
Mitte hält, und endlich sind die äussersten Lagen aus Plättchen
gebildet; der geringe Binnenraum in diesen platten Zellen ist
durch einen Kern ausgefüljt, welcher an Grösse den der kugeligen
kaum Ubertrifft. In der/ äussersten Zellenlagen der Epidermis
scheint jedoch der Kern za fehlen (Moleschott). — Zwischen
den Zellen der tieferen Schichten findet sich noch etwas Flüssig-
keit ergossen, die zwischen den oberflächlicheren fehlt.
Die Gesammtzahl der Zellen, welche in einem senkrecht ge-
gen die Cutis geführten Schnitte übereinander liegen (oder die
Dicke der Epidermis), und ebenso die Verhältnisszahl zwischen
cylindrischen und kugeligen einerseits und plattenförmigen ande-
rerseits ist veränderlich mit den Hantstellen, deren Bedeckung sie
bilden. Diese mit dem Standort veränderlichen Verhältnisse prä-
gen sich schon im fötalen Leben aus (Alb in, Krause), so dass
sie als eine Folge der eingeborenen Bildungsmcchanismen ange-
sehen werden müssen. Die Messungen von Krause, Kölliker
*) Klause, „Haut“ ln Wagner*« Handwörterbuch. II. Bd. — Harting, Recherche» micro-
metrique*. Utrecht 1845. p. 47. — Kölliker, Mikroskop. Anatomie. II. Bd. I. Abthei). p. 15. —
Uenle, Jahresbericht Uber allgcm. Anatomie fUr 1850. p. 30.
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Anatomischer und chemischer Bau der Epithelien. 235
nnd Wcndt stellen heraus, dass die Dicke der gesammten Ober-
bant am mächtigsten in der Fnsssohlc und den Handtellern, am
geringsten an dem Kinn, den Lippen, der Stirn, den Wangen, den
Angenlidern nnd dem änssem Gchiirgang ist. In einzelnen Fällen
flbertrifft die Zahl der Uber einander geschichteten Cylinder nnd
Kngelzellen (rete Malpighi) diejenige der plattenfformigen (Horn-
schicht); für gewöhnlich gilt jedoch das umgekehrte.
Die Grösse der einzelnen Zellen ist unabhängig vom Lebens-
alter ihres Trägers; diejenigen des Neugeborenen sind eben so
gross wie die des Erwachsenen (Harting).
2. Chemische Zusammensetzung*). Die bisherigen Unter-
suchungen scheinen zu ergeben, dass die verschiedenen morpholo-
gischen Bestandteile, die Kerne, die Zellenwand und der die Zel-
len mit einander verbindende Stoff aus irgend wie verschieden
beschaffenen Atomen gebaut sind. Denn der verklebende Stoff ist
löslich in Ammoniak, Kupferoxydammoniak und in einer Kalilauge,
welche 25 bis 35 p. c. KOIIO enthält ; vielleicht auch beim Kochen
im Papinschen Topf. — Die Kerne der Hornschicht sind löslich in
15 p. C. und die Zellenwände endlich in 5 p. C. Kalihydratlösung. —
Aus der letztren Lösung kann durch Essigsäure ein Körper der
Proteingruppe gefällt werden (Donders Moleschott). — Die
Zellcnwand besitzt in verschiedenen Altersstufen nicht dieselben
Reaktionen ; die der Sehleimschicht ist im Gegensatz zu der in der
Homschicht in Essigsäure löslich (Henle).
Uebcr die Hornachiclit im Ganzen ist noch Folgendes bekannt: Kaltes Wasser
licht aus derselben eine salzhaltige, sauer reagirende Flüssigkeit aus, welche nach
altern Analysen aus Verbindungen von Ammoniak, Natron, Kali, Eisenoxyd mit Essig-
*äorc, Milchsäure, Phosphorsäure und Chlor bestehen soll (Berzelius). Kochendes
Wawer löst unter Schwefelwaaserstoffentnicklung einen leimartigen Körper auf (John);
Schloss berg er erhielt dagegen aus Ichthyosfsschuppen durch dreistündiges Kochen
unter einem Druck von 3 Atmosphären wohl ein Extract, aber keinen Leim. Alkohol
and Aether entziehen ihm Fett. • — Das nach dieser Behandlung zurückbleibende Ge-
menge (dor sog. Harnstoff) gab bei der Verbrennungsanalyse von Scherer und Mul-
der in 100 Theilen: C50,3; Hb, 7; Nl",2; 027,0; S0,7. — Mit Salpetersäure ge-
winnt man die sog. Xanthoproteinsäure aus derselben ; bei der Auflösung der Epidertui-
»eilen in Kali bildet sich SH und Nila neben dem schon erwähnten, dem Protein nach
protentischer Zusammensetzung .und Reaktionen ähnlichen Stoff. Beim Verbrennen ent-
wickeln sie den Geruch eiweissartiger Stoffe. — Die verbrannten Hornxellen hinter-
lassen eine Asche, welche bis zu 2 p. C. der trockenen Substanz ausmacht und aus
*) M a I d e r , Versuch einer allgemeinen physlolog. Chemie. Braunschwetg. p. 548. — Schinna-
berger; allgemeine Thierchemie, Leipzig 16&6. 2*55. — Moleschott in dessen Untersuchungen
ior Naturlehre IV. 97.
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236
Quellungserscheinungen der Epithclien.
SCaOPOj und Ke* Os besteht. — In der Asche der Ichthyosisschuppcn fand Schloss-
borg er NaO, KCl, CaOSOs, SiOs, und 3 (Mgo, CaO, Fei Os) PhOs.
3. Quellnngserscheinungen *). Reines Wasser dringt sehr
schwer in die Epidermis ein; legt man dickere Stücke derselben
in Wasser, so findet man selbst nach tagelanger Einwirkung nur
die obersten Lagen der Hornschicht aufgeweicht, ln einer auf
diese Weise behandelten Deckhaut ist der Zusammenhang zwi-
schen den Zellen gelüst, der Umfang dieser letzteren selbst aber
nur um ein Unbedeutendes vergrössert. — Bindet man einen mit
Epidermis bedeckten Hantlappen Uber - die eine Mündnng eines
Glasrohrs und füllt dieses letztere bis zu beträchtlicher Höhe mit
Wasffer an, so dringt dieses durch die Lederhaut und hebt die
Epidermis von derselben ab, so dass sich die letztere in Form
einer Blase auftreibt. — Als endosmotischc Scheidewand aufge-
stellt, verwehrt die Epidermis , so weit wir wissen , durchgreifend
die Ausgleichung zwischen Wasser und wässerigen Salzlösungen;
-sie erlaubt dieselbe dagegen zwischen Wasser und verdünnten
Säuren; wie zwischen Alkohol, alkoholischen oder ätherischen
Salzlösungen und Wasser; in beiden Fällen geht der stärkere
Strom vom Wasser zum Alkohol (Krause).
Die Epidermis ist im trocknen und feuchten Zustand für Gase
jeder Art durchgängig.
Krause reinigt die als Filtrations- oder Diffusionsmembran angewendete Epider-
mis mit Wasser, Seife und Aethcr; cs könnte auffallend erscheinen, dass die Schwciss-
kanülchen (dio ron ihm angewendeten Stücke waren aus dem Handteller genommen)
sich nicht eröffnet und einen raschen und beliebigen Diffusionstrom erlaubt haben.
Dieses geschah wahrscheinlich darum nicht, weil Krause den Flüssigkeitsdruck auf
der einen Seite höher, als auf der andern machte, wodurch die schieflaufenden Gänge
sammengepresst werden.
Ueber den Durchgang der tropfbaren und gasartigen Flüssig-
keiten durch die unverletzte Epidermis des lebenden Menschen in
die Flüssigkeiten resp. die Blutgefässe der Cutis, sind zahlreiche
Versuche von Aerzten**) angestellt. Der Unters Aied zwischen
diesen und den erwähnten Versuchen von Krause leuchtet ein,
•) Krame, 1. e. IM. — KKlIlker, I. e. p. M.
•*) Die Kltoren Beobachtungen von Yoang, Madrten, Collard, Em inert u. n. w. siche
hei Kran ec I. e. Ausserdem Oester len in Hcnlc's und l’fcufer's Zeitschrift. X. Hd. 434.
Go s sei in, Gazette mtfdicale 18 AB. Nr. 2U. — K. Voit Physiolog.-chcmische Untersuchungen 1837.
p. 45. — Braune, De rutlfl farnltate jorinm resorbendi. Archiv für patholog. Anatomie XI. Rd.
2W. — Kletslnsky. Wochenblatt der Wiener Aerxte. IHM. Nr. 28. und 1865. Nr. 21. — Du*
riau; Kccherchea experimentales snr 1' Absorption etc. Paris 1856. (E. Meissner« Jahresbericht p.
243.) — Poulet Coropu rend. Bd. 42. 8. 435.
Durchdringbarkeit der Epidermis am Lebenden.
237
wenn man bedenkt, dass die endosmotisebe Scheidewand zwischen
den auf die Körperoberfläche gebrachten Steifen und den in der
Lederkaut enthaltenen Flüssigkeiten offenbar durch die Epidermis
nicht mehr allein dargestellt wird, sondern dass auch durch die
mit Sehweiss und andern Flüssigkeiten erfüllten Schwcisskanälchen
die Ausgleichung erfolgen muss. — Die hierhergehörigen Versuche
bieten meist so grosse Schwierigkeiten, dass man sieh für ge-
wöhnlich mit einer qualitativen Antwort befriedigen musste, welche
wohl etwas Uber das Zustandekommen, nichts aber Uber die Ge-
schwindigkeit des Durchgangs der betreffenden Substanzen aus-
sagte. — Ans den vorliegenden Beobachtungen scheint sich zu
ergeben, dass von aussen nach innen eindringt: Wasser, und zwar
laues besser als heisses, die in der Fleischbrühe und Milch ge-
lösten Stoffe (?), verdünnte Schwefel-, Salz-, Salpetersäure, ver-
dünnte Lösungen von Chlorbaryum, Brechweinstein , Quecksilber-
chlorid; Blutlaugensalz, Jodknlium, Crotonöl, aromatische Oele,
Cantharidin, unter Umständen Jod und Quecksilber. Umgekehrt
geht aus der Haut Kochsalz in ein Wasserbad Uber; nach Barral
hatte ein Bäd aus 174 Kilogr. von 37° C. während einer Stunde
1 Gr. dieses leztem Salzes aus der Haut ausgewaschen.
Dem Durchtritt der Gasarten stellt die mit der lebenden Haut
in Verbindung stehende Epidermis ebensowenig einen Widerstand
entgegen, als die von ihr losgelöste.
Der Uebergang eines Stoffes durch die Epidermis des lebenden Menschen lässt
»ich jedesmal leicht feststcllen , wenn er im Beginn des Versuchs entweder im Or-
ganismus oder in dem die Oberhaut umgebenden Bade fehlte. Hierzu bietet die che-
mische Reaktion meist genügende Hilfsmittel, und wo diese uicht mehr anwendbar,
tritt oft eine physiologische an ihre Stelle; dieses gilt z. B. unter den oben angeführ-
ten Stoffen für Crotonöl, Cantharidin u. A., welche im Blute anwesend eigentümliche
Arzneiwirkungen bedingen. Schwieriger ist der Nachweis für den Uebertritt solcher
Stoffe, welche schon im Organismus Vorkommen, oder gar die genaue qauantitative Be-
stimmung der übergetretenen Mengen. Um diese zu gewinnen, wie z. B. die des über-
gehenden Wassers, muss man entweder den Gewichtsverlust des Bades oder dio Ge-
wichtszunahme des thierisehen Körpers feststellen. Beide Wägungen sind aber inso-
fern der ganze Körper gebadet wurde, mit zahlreichen Fehlerquellen behaftet; denn
einmal nimmt der menschliche Körper während des Bades auch an Gewicht ab durch
die Lungenausdünstung, diese müsste also während des Bades bestimmt werden, weil
»ic mit der Temperatur des Bades veränderlich ist. Nachstdem möchte man einem •
Menschen die Haut nicht gerade soweit wieder abtrocknen können, wio sie vor dem Bade
war. Die Wägung des Bades führt Unsicherheit ein wegen der Verdunstung der Flüssig-
keit während des Abtrocknens, des Hängenbleibens derselben an* der Haut u. s. w.
Grossere Sicherheit kann bei localen Bädern bewirkt werden, siehe hierüber Klet-
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238
Ernährung der Epidermis.
sinsky 1. c. — Den Eintritt von Quecksilberkügelchen nach Einreiben von grauer
Salbe beweist V o i t durch das Mikroskop nach dem Tode.
4. Auch ohne «lass eine besondere Untersuchung vorliegt,
kann die Epidermis ein schlechter Wärmeleiter genannt werden.
Dem elektrischen Strom setzt sie einen beträchtlichen Widerstand
entgegen; dieser verringert sich mit ihrer Dicke, ihrer Durch-
feuchtung mit gut leitenden Flüssigkeiten, ihrer Erwärmung (Kit-
ter, Ed. Weber, du Bois)*)
Ueber die Methode den Widerstand fiir den .galv&nischon Strom au bestimmen,
siehe du Bois L c.
5. Von der Ernährung der Epidermis. — Den Muttersaft der
Pflastcrzellen liefern die oberflächlichsten Gefässe der Cutis. Aus
ihm entstehen zunächst die Zellen, welche in den tiefsten Schich-
ten der Oberhaut enthalten sind. Der Beweis hierfllr liegt in der
bekannten Erfahrung, dass eine LUcke, die man in die Epidermis
geschnitten, sich nicht dadurch aus f II 11t, dass auf der freien Ober-
fläche der Lücke neue Zellenlagen entstehen, sondere in der Weise
dass sich der Boden derselben allmählig erhebt, durch einen von
der Cutisoberfläche her erfolgenden Nachschub von Zellen. —
Die Ursachen der Absonderung jenes Bildungssaftes sind uns un-
bekannt, und nicht minder die Zusammensetzung der ursprünglich
ergossenen Flüssigkeit. — Zwischen der Absonderangsgeschwin-
digkeit des Muttersaftes und der Zellenbildung scheint das Ab-
hängigkeitsverhältniss zu bestehen, dass sich nur bis zu einem ge-
wissen Grade die Bildung neuer Zellen mehrt mit der Menge der
abgesonderten Flüssigkeit; steigert sich die Absondernngsgcschwin-
digkeit noch weiter, so hört alle Bildung von Epidermis auf. —
Diesen Satz stützen wir damit, dass eine Erweiterung der Capil-
largefässe in der Cutis, also eine vermehrte Spannung des Blutes
in ihnen, wie wir sie nach gelindem Dreck, höheren Erwärmungen
u. dgl. gewahren, die Epidermisbildung mehrt (Schwielen der
Hand- und Feuerarbeiter); eine weiter getriebene Ausdehnung der
Gefässe, die in kurzer Zeit den Austritt grösserer Mengen von
Flüssigkeit zur Folge hat, hebt dagegen die Epidermis ab, und in
der Blasenflüssigkcit entstehen keine Epithelien; ihre Bildung be-
ginnt erst wieder mit dem Austrocknen der Blase, ln der That
scheint ein grosser Theil der oberhautbildenden Mittel der Aerzte
*) Ed. Weber, Qaaeationes physlologicac de phaenom. etc. 1836. — daBoisRcytnond,
Berliner akadein. Monatsberichte. 1852. 15. März.
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Ernährung der Epidermis.
239
die Aufgabe zu haben, das Maass der Absonderung zu regeln, in-
dem sie entweder anf die Erhöhung des Elastizitäiscoüftizienteu
der Gefässliäute (Blei-, Silbersalpeter) oder auf die Verringerung
des Gefässdurchmessers (Einwickelungen) hinzielen. — Der che-
mische und mechanische Vorgang, der die Leberführung der Flüs-
sigkeit in die Zelle bedingt, ist unbekannt Man behauptete mit
Rücksicht auf den letztem früherhin, dass in dem Muttersaft zuerst
aus irgend welchem Grunde Zellenkeme entstünden, welche sich
mit einer llant umhüllten (He nie). Neuerlichst bestreitet man
dieses und setzt an die Stelle der alten Hypothese eine andere,
wonach die tiefsten, cylindrisch geformten Zellen sich an ihrem
freien, von der Cutis abgewendeten Ende abschnüren und damit
zur Entstehung der kleinen Kugelzellen Veranlassung geben sollen
(Kölliker). Billroth*) der die Epithelialbildung auf vernar-
benden Wunden studirte, stellt sogar die Möglichkeit hin, das die
Zellen aus einer Zerspaltung der amorphen Schicht hervorgehen,
welche die Granulation vor beginnender Vernarbung zu bedecken
pflegt. — Die Zellen der Hornsehieht gehen unzweifelhaft aus de-
nen der Kugelschicht hervor, was sich ohne Weiteres durch die
Lagerungsverhältnisse beweisen lässt. Man stellt sich das Zu.
standekommen der Abplattung in der Weise vor, dass die im Zcl-
lenraume enthaltenen löslichen Bestandtbeile allmählig unlöslich
würden, worauf das Wasser durch Diffusion oder Verdunstung
entfernt würde. Gesetzt^ diese Meinung wäre bewiessen, so müsste
nun noch gezeigt werden, warum das Zusammenfällen der Wand
in der Richtung des Üickendurchmessers der Oberhaut erfolgt. —
Unerklärt ist es ferner, womit sich der Zusammenhang der Zellen
ändert; nachweisslich schuppen sich (durch Verlust dieses Zusam-
menhangs) unter gewissen, nicht näher bestimmten Umständen die
oberflächlichsten Lagen leichter ab. Aus dem Verhältniss zwischen
Neubildung und Abschuppung ist natürlich auch die Dicke der
Epidermis an den verschiedenen Körperregionen zu erklären. In
diesem Sinne ist cs bemerkenswerth, dass aller Orten eine Grenze
für die Dicke der Epidennis besteht, und dass eine über dal Nor-
male gehende Dicke derselben, wie wir sie bei Schwielenbildung
beobachten, wieder auf den gewöhnlichen Werth herabsinkt, wenn
die Ursachen verschwinden, welche eine reichlichere Absonderung
des Muttersaftes veranlassten. — Ob in der ausgewachsenen
•) Untersuchungen über Entwickelung der Blutgefässe. Berlin 1856. p. 34.
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240
NI*«!.
Plattenzelle ein Stoffumsatz geschieht, wissen wir Dieht; fltr einen
solchen spricht das Verschwinden der Kerne, gegen ihn die Wider-
standsfähigkeit der Plättchen gegen die chemischen Angriffe, wel-
chen sie im normalen Leben ansgesetzt sind.
Nägel. •
1. Anatomische Eigenschaften. Der Nagel ist ein Gebilde
aus Zellen von derselben Form und Anordnung wie in den ge-
schichteten Pflasterhäuten. Vor diesen ist er ausgezeichnet einmal
dadurch, dass alle Zellen Kerne enthalten, ferner durch das Ver-
hältniss zwischen der Dicke der Horn- und Schleimschicht, indem
an den Nägeln die erstere ganz ausserordentlich die letztere Uber-
trifft, und endlich dadurch, dass die Zellen in der Hornschicht des
Nagels noch trockner, fester und inniger mit einander vereinigt
sind.
2. Chemische Eigenschaften. Am Nagel ist bis dahin nur die
Hornschicht untersucht; ihre Eigenthömlichkeiteu stimmen im All-
gemeinen mit denen der Pflasterhaut Uberein.
Der Bogenannte Hornstoff des Nagels besteht nach Scherer und Mulder in
100 Theilen aus C«>l,0; H6»9; Nl7,5; 02t,7; S2,8. Sein Sgehalt ist also dem der
Epidermis überlegen; verbrannt hinterlässt er 1 pCt Asche aus 3CaOPO.
3. Von der Ernährung. — Die Bildung des Nagels geht nur
dann vor sich, wenn ein besonders geformter Boden der Cutis, der
Nagelfalz und das Nagelbett, vorhanden ist Diese Einrichtung,
worin auch sonst noch ihre Wirkungen bestehen mögen, hat jeden-
falls die Folge, dass die neugebildeten Zellen sich durch das Ent-
gegenwachsen von zwei verschiedenen Seiten her zusammen-
pressen. Durch die Aufschichtung von Zellen im Falz wird die
Längenzunahme und durch diejenige im Nagelbett zum Theil min-
destens das Wachsthum nach der Dicke bestimmt (E. H. We-
ber). — Nach Bert hold*) wachsen die Nägel in der Jugend
und im Sommer rascher als im Winter, an der rechten Hand
mehr als an der linken; unter allen Fingern geht am mittleren
das Wachsthum am raschesten und in abnehmender Reihenfolge
am Ring-, Zeige-, Ohrfinger und Daumen vor sich. Schneiden der
Nägel befördert die Zellenneubildting; wenn man dieselben nie-
mals verkürzt, so erreichen sie eine bestimmte, nicht weiter ver-
änderliche Länge.
•) A. Berthold, Beobachtungen über das quantitative Verhältnis* der Hagel- nnd Haarbil-
dung. Güttingen 1860.
DttjifeKfbyGTTogle
Einfachere Deckhäute. — Fiiramerhaare.
241
BeispielaweUe sei erwähnt, dass sich nach Berthold der Nagel in 11 Tagen
um etwa 1 MM. verlängert
Einfachere Deckhäute. An diese Pflasterepithelien voll-
kommenster Ausbildung schliessen sich nun eine Reihe anderer Ober-
häute an , welche entweder nur aus einer oder aus mehreren der be-
schriebenen Zellenformen zusammengesetzt sind. Die einfachsten
Oberhäute sind die einschichtigen ; sie bestehen immer nur aus einer
Lage und zwar entweder aus platten, wie z. B. in den serösen
Häuten, oder aus cy lindrischen Zellen, wie im Darmkanal u. s. w.
— Die eomplizirteren enthalten dagegen entweder kugelige und
cylindrische (Bronchialschleimhaut) oder cylindrische, kugelige und
platte (Mundschleimhaut). Die letztem, welche der Epidermis am
nächsten stehen, unterscheiden sich jedoch meist wesentlich dadurch,
dass ihre platten Zellen nur stellenweise und zwar im Ueberzug
der pap. filiformes als dllnne Hornsehtlppchen erscheinen.
Diese Gebilde bieten unter dem Mikroskop annähernd dieselben
Erscheinungen, wie die Epidermiszellen.
Nach Gorup*) enthält das Plattenepithelium der Mundschleimhaut der Wall-
fische 2,5 pCt. Schwefel , also so viel wie die Nägel des Menschen ; ob dieses auch
für die Oberhaut unserer Mundschleimhaut gilt?
Die Durchdringlichkeit der weniger ausgebildeten Oberhäute
für gasförmige und namentlich flüssige Stoffe ist viel beträchtlicher
als die der Epidermis; am leichtesten durchgängig sind diejenigen,
welche nur aus einer Zellenläge bestehen; zum Theil mag dieses
daher rühren, dass in den Zwischenräumen zwischen je zwei Zellen
Poren gelegen sind, die der Diffusion weniger Widerstand bieten,
zum Theil aber sind die Zellen selbst leichter durchgängig, lieber
die Wachsthumserscheinungen der einfachen Epithelien ist nur be-
kannt, dass sich auch hier Uebergangsstufen zwischen den kugeligen
und den cylindrischen Zellen finden finden. Die kugeligen Zellen
sollen sich durch Theilnng fortpflanzen**).
Flimmerhaare.
Auf einzelnen Standorten tragen die Cylinderzellen gegen ihre
freie , von Flüssigkeit oder Luft begrenzte Fläche feine weiche,
haarformige Anhänge, die Wimper- oder Flimmerhaare.
Diese Haare sind unter gewissen Umständen, und namentlich
während ihres Aufenthaltes im lebenden Körper in einer Bewegung,
bei der ihre Spitze ungefähr ein Viertel von der Peripherie eines
Kreises zurücklegt, welcher mit der ganzen Länge als Radius be-
•) Jonm. für prakt. Chemie. 39. Bd. p. 844.
**) K U 1 1 1 k e r , Handbuch der Gewebelehre. 1858. p. 343.
Ludwig, Physiologie II. i. Auflage. 1 6
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• 242 Fliraraerhawe; Beschleunigung ihrer Bewegung.
schrieben wird. Genauer betrachtet, verhält sich nun diese Be-
wegung so, dass ein Haar, welches soeben gegen den Boden,
auf dem es eingepflanzt ist, senkrecht stand, plötzlich zusammen-
knickt und sich dabei mit seiner Spitze gegen den Boden biegt,
kaum hier angelangt, ' wieder aufsteht, um von Neuem die eben
vollendete Bahn umgekehrt zu durchlaufen. Diese Bewegungen
folgen sehr rasch aufeinander, so dass namentlich an den Wende-
punkten keine Zeiten des Stillstandes zu beobachten sind, und nicht
minder werden die Bewegungen rasch vollendet, indem nach den
Messungen von Valentin und Krause ein Haar zu einem Auf-
und Niedergang 0,2 bis 0,8 Sec. nöthig hat. — Die Kraft, mit
welcher die Schwingung geschieht, ist nicht nach beiden Richtungen
gleich, sondern nach der einen bedeutender als nach der andern.
Dieses erkennt man aus der einseitigen Strömung, welche das flim-
mernde Haar in einer sie bedeckenden Flüssigkeit zu erzeugen
vermag, eine Strömung, welche statt einer einseitigen offenbar eben-
falls eine pendelnde sein müsste, wenn die Stösse, welche ihr von
dem Haar nach den verschiedenen Richtungen hin mitgetheilt werden,
an Kraft einander gleich kämen. — Die Richtung der Schwingung
ist zwar nicht auf den Zellen verschiedenen, wohl aber auf denen
desselben Standortes gleich, sodass alle Haare der Bronchial-, der
Tubenschleimhaut u. s. w. immer nach derselben Seite hin zusam-
menfallen und somit auch aufstchen.
Von don Haaren auf den Epitkelien der Musdielkiemen behauptet Valentin
jedoch dae Gegentheil, sie sollen unter Umständen plötzlich ihre Schwingungsrichtung
andern.
Die Beschleunigung der Bewegung ist nach den Beobachtungen
von Purkinje, Valentin, Sharpcy, Calliburcds und Vir-
chow*) abhängig 1) von der chemischen und mechanischen Un-
versehrheit des einzelnen Wimperhaars ; ist diese erhalten, so kann
die Zelle von ihrem natürlichen Standort entfernt, oder gar bis zur
Zerstörung der benachbarten Haare verstümmelt sein, ohne dass
die Bewegung erlischt. — Wird dagegen das Haar durch conzen-
trirte Säuren, Alkalien, Salze, durch Eintrocknen u. s. w. zerstört,
so ist die Befähigung zur Bewegung verloren ; sie kehrt nament-
lich auch nicht wieder, wenn man das einmal eingetrocknete Haar
wieder aufweieht. — 2) Die Schlagfähigkeit der Haare auf solchen
Zellen, welche aus ihrem natürlichen Standort entfernt sind, wird
*) Valentin, Lchrb. der Phyaiol. UI. a. 18 u. b. 011. — Virchow'a Archiv. VI. Bd.
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Fiimmerhaare ; Beschleunigung ihrer Bewegung.
243
verlängert, wenn sie in Lymphe, Blutserum oder in verdünntem
Hüknereiweiss aufgehoben werden. — 3) Die verlangsamte oder
auch kurze Zeit erloschene Bewegung kann wieder belebt werden
durch verdünnte Kalilauge. (Virchow). — Auch soll die verlang-
samte Bewegung wieder beschleunigt werden können durch mecha-
nische Erschütterungen (Valentin und Purkinje). — 4) Die Be-
wegung erhält sich nur zwischen bestimmten Temperaturgrenzen,
welche nach Valentin durch + 6° und +°81 C. gegeben sind.
Zahl (und Intensität) der Schläge in der Zeiteinheit wird bedeutend
vermehrt durch die steigende Temperatur. (Calliburcös) *).
Um die Veränderlichkeit der Wimperbewegung durch die Temperatur zu beweisen,
wendet Calliburc£s den Apparat an, ron dem Fig. 50 ein Schema giebt. Zwei Punkte
von zwei gegenüberliegenden Seiten
eines cubischen Glasgefässes ABC
verbindet er durch die leicht dreh-
bare Achse aus Aluminium , die in
einen sehr leichten hohlen Glascylin-
der emgeschmolzen ist R R. Die
Achse tragt auf der Seite, an welcher
sie Über die Wand des kubischen Ge-
fasses hervorragt, einen Zeiger J Jy
welcher auf einen in der Glaswand
eingeätzten getheilten Kreis zeigt ; der
Mittelpunkt des Kreises liegt im Be-
rührungspunkt der Achse mit der Glas-
wand. Gegen die im Ganzen 73 Mgr.
wiegende Rolle lasst sich mittelst einer
hier nicht gezeichneten Mikrometer-
schraube eine ebene Platte P P be-
wegen, und somit auf immer gleichen
Abstand von der Rolle einstellcn. Auf
dieser Platte ist ein Stück Schleim-
haut 8 8 des Froschrachens aufge-
spannt , so dass die Cilien derselben gegen den Cylinder schlagen und ihn drehen.
T ist ein Thermometer, welcher den hermetisch schliessenden Deckel des Gefässes durch-
bohrt Die Zeit, welche der Cylinder zu einer ganzen Umdrehung verbrauchte, war im
Mittel aus 52 Versuchen bei 12 bis -f- 19» C. = 22 Min. 3 Sec., — bei + 28° C.
3 Min. 7 Sec.
5) Inhalation von Aether hebt die Bewegungen der Haare so
lange auf, als die Aethemarkose andauert (Clemens, Gosselin**).
— 6) Je nach dem Standorte erlischt die Bewegung mehr oder
weniger rasch nach dem Tode des Individuums oder in Folge der
•) Compt. rend. 47. Bd. 5. Oktbr.
CI. Bernard, sur les effeta des substances toxlqaes 1867. 433.
16 •
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244
Anatomische und chemische Eigenschaften des Haars.
veränderten Temperatur. Am empfindlichsten sind die Haare in
den Geschlechtstheilen. — 7) Als negative Charakteristik , den
Muskel - und Nervenmassen gegenüber, ist bemerkenswert!! , dass
durch verdünnte Lösungen von Blausäure, Opium, Strychnin, Kreosot
u. s. w. und durch elektrische Ströme die Bewegungen weder be-
schleunigt, noch verlangsamt werden.
Von den Ernährungserseheinungen der Flimmerhaare ist nichts
bekannt.
Haare.
1. Anatomische Eigenschaften *). Der Haarknopf, oder der
Theil des Haars, welcher unmittelbar an die Warze grenzt, be-
steht durchweg aus kugeligen, kernhaltigen Zellen und freien
Kernen (7), ähnlich denen, welche in der Oberhaut auf den Cylin-
derendcn ruhen. Im Haarschaft treten dagegen drei wesentlich
verschiedene Formen auf; die Oberfläche desselben wird rings um-
kleidet von einer mehrfachen Lage dachziegelförmig Ubereinander-
geschichteter kernloser Homschüppchen , welche durch quellende
Flüssigkeiten bis jetzt nicht in Bläschen umgewandelt werden
konnten; dieses Haarepitbelium schliesst eine mehrfache Schicht
bandartiger Fasern ein, von denen jede einzelne aus länglichen
kernhaltigen Hornschuppen besteht, welche an ihren schmalen Seiten
mit einander verwachsen sind; die auf einer Peripherie des Haars
liegenden Fasern sind jedoch ebenfalls untereinander zu Cylinder-
mänteln verklebt; im Centrum der Faserschicht endlich liegt das
Haannark. ln dieses ragen, so weit das Haar noch in dem Balg
versteckt liegt, Fortsätze aus der Haarwarze, die auch häufig noch
eine Blutgefässschlinge in sich fassen, und ausserdem ist es ans
kugeligen Zellen gebildet, die jedoch an dem freistehenden Theile
des Haars vertrocknen und somit zur Bildung lufthaltiger Lücken
Veranlassung geben. Zur Einsicht in den Ban des Haars und
seines gleich zu erwähnenden Säckchens haben uns vor Allem die
Arbeiten von Heusinger, E. H. Weber, Gurlt, Henlc,
H. Meyer, Steinlin und Kölliker verholfen.
2. Chemische Zusammensetzung **). Die festen Theile des
Haars sind innerhalb des Balgs mit wässerigen und ausserhalb
desselben mit Öligen Flüssigkeiten durchtrankt. Diese letztem
sind ein Gemenge aus Olein und Margarin, Olein- und Margarin-
•) KilHikcr, Handbach der Gewebelehre. 8. Auflage, Leipzig 1849. p. 129.
*•) Muidor, phyaiol. Chemie. Brannschwoig. p. 670. — Lcyer u. Köl liker. Lieb lg'*
Annalen. 83. Rd. p. 332. — Oorup, ibid. 66. Bd. p. 221.
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Physikalische Eigenschaften und Ernährung des Haars.
245
säure. — Die geformten Bestandtheile des Markes, der llinde und
der Deckschicht sind von ungleichartiger Zusammensetzung und
ebenso sind die Zellenindividnen einer jeden Formation ein Ge-
menge mehrerer Substanzen; man schlicsst dieses aus dem Ver-
halten jener Formen gegen Kali, Schwefel und Essigsäure. — Eine
Elementaranalyse des mit Wasser, Alkohol und Aether ausgekochten
Haars gab nach v. Laer und Scherer in 100 Theilen: C 50,6;
H 6,4; N 17,1; 0 20,8; S 5,0. Da die diesen Zerlegungen unter-
worfenen Haare ans ganz verschiedenen Orten stammten, so deutet
jene Uebereinstimmung darauf hin, dass das Haar ein constantes
Gemenge aus den verschiedenen Stoffen darstelle. Die Zersetzungs-
produkte des Haars mit Schwefel-, Salpetersäure und Kali stellen
fest, dass dasselbe Substanzen enthalte, welche zur Gruppe der
eiweissartigen Körper gehören.
Durch Behandlung mit warmer verdünnter Kalilauge gewinnt man aus ihm sog.
Protein und Proteinbioxyd unter Abscheidung von S und NHj (Mulder). Durch SOs
kann man Tyrosin und Leucin aus dem Haar gewinnen (Leycr und Koller), und
N0s verwandelt sie zum Theil in Xanthoproteinsäure (Mulder). Es bedarf kaum des
Hinweises auf den grossen S-gelialt, um den Unterschied zwischen Haar und Epider-
mis deutlich zu machen. Nach Che vre ul*) soll das Haar seinen Schwefel, ohne
Strukturanderungen zu erleiden, verlieren können.
Der Gehalt des Haares an Asche wechselt zwischen 0,5 bis
1,8 pCt. Sie besteht aus Eisenoxyd, Kieselsäure, phosphorsaurem
Kalk und Magnesia (v. Laer und Gorup).
3. Physikalische Eigenschaften. Im trocknen Zustand zieht das
Haar begierig Wasserdampf an und condensirt ihn; in Wasser gelegt
quillt es ein wenig auf. Mit Fetten durchtränkt sich das trockene
Haar ebenfalls leicht. In welchem Verhältniss seine Adhäsions-
kräfte zum Fett und Wasser stehen, ist unbekannt. — Das durch
Fett und Wasser getränkte Haar ist sehr dehnbar, und dehnbarer
als im trocknen Zustand. Die wenigen über Elastizität und Cohä-
sion des Haars vorliegenden Beobachtungen **) genügen nicht, um
eine Vorstellung über die hierauf bezüglichen Kräfte desselben zu
gewinnen. — Das Haar ist ein schlechter Leiter der Wärme und
ein Isolator der Elektricität.
4. Ernährung des Haares. — Die Anordnung der Zellen in
der Form des Haars geschieht für gewöhnlich mit Hilfe einer eigen-
thümlichen in die Cutis eingelagerten Vorrichtung, die Haarwarze
und den Haarbalg. Die Warze ist ein kugelförmiger Auswuchs
•) Schlossberger, allgemeine Thier - Chemie ; Horngewebe 281.
••) E. H. Weber, Allgemeine Anatomie. Stuttgart 1844. p. 216.
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246
Ernährung des Haars. Säckchen.
auf dem Boden des Haarsäckehens, in welchen eine Gefässschlinge
einkehrt; aus ihrer Oberfläche dringt der Saft, welchen die Zellen
des Haarknopfs verbrauchen. Die Höhle des Haarsäckchens stellt
einen kolbenförmigen Baum dar, der sich überall auf das innigste
an das Haar anlegt, so dass es entsprechend den Durchmessern
dieses letztem unten am Knopf desselben weiter und oben gegen
den Schaft hin enger wird. Die Wand, welche den engem, dem
Kolbenhals entsprechenden Theil der Höhle umsehliesst, ist aus
sechs Schichten gebaut; zählt man von aussen nach innen, so trifft
man zuerst auf eine Lage von dem anatomischen Bau der Cutis,
nemlich auf ein Gemenge von elastischem und Bindegewebe; dann
folgt eine einfache Lage von kemtragenden Fasern, welche die
kreisförmige Peripherie des Balgs umschlingen. Diese Fasern
schliessen eine strukturlose Haut ein, auf welcher zuweilen fein-
streifige Netzformen aufsitzen ; sie wird wiederum bedeckt von einer
Lage kugeliger Zellen, welche an der Mündung des Säckchens in
die Schleimschicht der Oberhaut übergehen und dämm als tiefste
Lage vom Epithelium angesehen werden; auf sie folgen mehrere
Schichten innig mit einander verbundener Horaschüppchen und
schliesslich eine Lage von Platten, welche denen vollkommen glei-
chen, die als sog. Oberhaut des Haars die Faserschicht der-
selben einschliessen. — Nahe an der Ausmündung des Haarbalgs
öffnen sich in denselben die Gänge kleiner Fettdrüsen, welche auf
der änssem Seite des Balgs gelegen sind. An den Grund des
Sackes geht ein kleiner, aus Faserzellen zusammengesetzter Mus-
kelstreifen, der in den oberflächlichen Schichten der zunächst ge-
legenen Cutis entspringt.
Der Hergang, durch den die Kugelzellen des Knopfs aus der
Flüssigkeit entstehen, welche sich aus den Gefässen der Warze
ergiesst, ist hier wie überall unbekannt; es ist sogar noch zweifel-
haft, wie die Form beschaffen sei, welche ursprünglich auftritt.
Einige Autoren, namentlich Henle, stellen die Behauptung auf,
dass in den die Warze unmittelbar begrenzenden Schichten des
Haarknopfs nur Gebilde von der Form der Kerne jener Kugelzellen
enthalten seien; sie sind geneigt, aus dieser Beobachtung abzu-
leiten, dass zuerst diese Kerne und mit Beihilfe derselben dann
erst die fertigen Zellen entstehen. Andere Mikroskopiker, nament-
lich K öllik er, läugnen aber die beständige Anwesenheit dieser
Kerne. — Unzweifelhaft gehen aber die ausgebildeten Zellen des
Haarknopfs in die Horaschüppchen der Faserschicht und die ver-
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Ernährung des Haara, ßpitzenwachsthum.
247
trockneten Markzellen über, während die Plättchen des Oberhäut-
chens aus der oberflächlichsten Epithelienlage des Haarbalgs ab-
stammen , die das emponvaehseude Haar an sich klebt und mit
sich emporschiebt. — Kinde und Mark des Haares ist somit nichts
anderes, als ein Epitheliallibergang der Warze, der insofern eigen-
thiimlich ist, als nur die Rindenzellen verhorueu, während die Mark-
zellen, ehe sie zu dieser Umwandlung gekommen sind, vertrocknen,
so dass sich in den Epithelialfortsatz die mumifizirten Zellen der
Sehleimschicht hinein erstrecken. — Aus den Eigenschaften der
Warze ist es begreiflich, dass das Ilaar, gleich ihr, an seinem
natürlichen Ende zugespitzt ist; ans dem für die Klutflllssigkeit
undurchdringlichen Epithelialübergang des Haarbalgs, im Gegen-
satz zu der für sie durchgängigen Warzenoberfläehe, wird cs er-
klärlich, dass das Haar nur von der letzteren aus neue Zellen an-
setzen kann, und endlich ist einleuchtend, dass der Hals des Kalges
den am Knopfe breitem Querdurchschnitt des Haars beim Ueber-
gang desselben in den Schaft zusammenpresst und soweit wenig-
stens mit dazu beiträgt, dass die Kugelzellen in längliche Schüpp-
chen nmgewandelt werden. Die Stärke des Haarschaftes muss
darum bestimmt sein von dem Durchmesser des Hohlraums, wel-
chen der Balg umschliesst.
Neben der so eben geschilderten stellt Engel*) nach Reinen Beobachtungen noch
eine andere Entstehung des Haars hin, die von der Schnittfläche eines abgcschnitte-
nen Haars ausgeht. Da dieselbe bis dahin noch keinem andern Beobachter au Gesicht
gekommen, so würde daraus folgen, dass sie nicht allen Haaren gemein ist Den Be-
weis , dass die Haare rom Schnittende auswachsen , findet Engel, vom mikroskopi-
schen Verhalten abgesehen, darin, dass sich an der Schnittfläche oft eine knopfförmige
Anschwellung bildet, auf welcher eine Spitze anwächst ; schneidet man die neue Spitse
etwas über jenem Kolben weg, so entsteht ein sweiter Knopf und von da aus erhebt
sich abermals eine Spitze u. s. f. Hier dient also die mit blossem Auge sichtbare erste
Anschwellung als Marke dafür, dass die neue Spitze in der That aus der Haarwunde
entsprungen ist. Diese neugebildcte , oft linienlange Haarspitze enthält alle Elemente
des ans dem Säckchen gebildeten Haarschaftes. Ueber die hierbei auftretende Form-
folge verweisen wir auf die Abhandlung; begreiflich würde eine Bestätigung der von
Engel raitgctheilten Thatsachcn von grosser Wichtigkeit für die Zellentheorie sein.
Nach Don der s**) hat jedes Haar nur ein# gewisse Lebens-
dauer, hat es diese erreicht, so stirbt es ab und wird durch ein
neues ersetzt. So lange es lebt, wächst es aber mit ungleicher
Geschwindigkeit.
•) Wiener akad. Monatsberichte 1864. Februarheft. — Hcnle’s Jahresbericht fUr 1864. p. 61. —
Förster, Virchow's Archiv XII. 569.
**) Archiv für Ophthalmologie von Arlt, Dooders, Graefe, IV. Bd. 1. Abthlg.
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248
Lebensdauer de« Haars.
Die Cilien, deren Wachsthum von Donders genauer verfolgt
wurde, verhalten sich nach folgenden Angaben. Das Lebensalter
ist von dem Zeitpunkt an gerechnet, wo die erste Spur des Haars
aus dem Balg hervortrat.
Lebensalter in Tägl. Wachsth.
Tagen. in Mm.
Gesammtlänge
in Mm.
0—21
0,21
4,50
22—28 ,
0,18
5,75
29—52,55
0,12
i 8,75
53—140 |
0,02
1 11,0
Diese Zahlen zeigen, dass die Geschwindigkeit des Wachs-
thums mit dem steigenden Alter abnimmt. Kürzere Cilien erreichten
auch nur eine kürzere Lebensdauer. Insofern man diese schönen
Beobachtungen verallgemeinern darf, wofür das stete Ausfallen der
Kopf- und Barthaare genügende Berechtigung zn geben scheint
(Langer), so würde sich die typische Länge, welche die Haare
auf den verschiedenen Körperorten (Kopf-, Lippenhaut u. s. w.)
erreichen, dadurch erklären, dass jedem eine bestimmte Lebens-
dauer gegönnt wäre.
Auf die Geschwindigkeit des Haarwachsthums soll einen Ein-
fluss üben: das Abschneiden , was Donders an den Cilien nicht
bestätigt fand; ferner das Lebensalter der Individuen und die
Tages- und Jahreszeit, indem bei jugendlichen Menschen, bei Tag
und im Sommer die Längenzunahme in der Zeiteinheit grösser sei,
als im Alter, bei Nacht und im Winter (Berthold).
Der Stoffwechsel in dem fertigen Haar ist gering, aber nicht
immer gänzlich fehlend. Einmal nemlich wifd das Haar durch die
Säfte, welche ans den Fettdrüsen der Haarbälge austreten, eingeölt ;
dieses Oel muss natürlich in dem der Luft ausgesetzten Schafte
verwesen, und der daraus erfolgende Abgang wird wenigstens in
allen fetten Haaren durch neues aus dem Balge nachdringendes
ersetzt. -- Auf eine Umwandlung der Stoffe des fertigen Haares
deutet das Ergrauen derselben; dieses kommt durch eine Vermeh-
rung seines Luftgchaltes zu Stande, indem sich derselbe nicht mehr
auf das Mark beschränkt, sondern auch auf die Rinde ausdehnt.
Diese merkwürdige Lückenbildung in der Rinde tritt nemlich häufig
auch in den Theilen des Haares ein, welche den Balg schon ver-
lassen haben (Ergrauen der Spitzen). — Ueber pathologische Luft-
bildung in den Haaren handelt A. Spiess *).
•) He nie'» and Pfeafer's Zeitschrift. 3. Reihe. V. Bd. 1.
Elastisches Gewebe.
249
Ueber den periodischen Haarwechsel der Thiere und insbesondere Aber das anato-
mische Verhalten der Warze und der aus ihren Flüssigkeiten herrührenden Zellen hat
Steinl in*) sehr genaue Beobachtungen mitgetheilt. Siehe hierüber auch K öllik er
und Langer.
Die Bewegungen des Haars (das Haarsträuben) bestehen, wie
es die Lagerung des Balgmuskcls erwarten lässt, in einem Auf-
richten des schiefgelegten Haares.
Elastisches Gewebe.
1. Seine elementare anatomische Anordnung**) ist mannig-
faltig; bald erscheint es als homogene oder auch als durchlöcherte
Haut, bald in schmalen oder breiten Fasern, die einfach geschlängelt
und verästelt oder mit nebenliegenden zu Netzen verbunden sind,
und endlich soll es auch in feinen, einfachen oder verästelten
Böhren, die mit den anliegenden zu einem feinen Gefässwerk ver-
schmolzen sind, auftreten (Virchow, Donders).
2. Chemische Beschaffenheit. Die Zusammensetzung der Flüssig-
keit , welche die festen Theile des elastischen Gewebes dnrchtränkt
oder zwischen den Lücken und Höhlen desselben enthalten ist,
kennen wir nicht. Die feste Masse selbst zeichnet sich aus durch
ihre Unlöslichkeit in kalten verdünnten Mineralsäuren und ihre
Schwerlöslichkeit in Kalilauge. Mit Säuren, Kali, Aether, Alkohol
und Wasser gereinigt, zeigt der Stoff die im I. Bd. p. 56 ange-
führte prozentische Zusammensetzung.
3. Physikalische Eigenschaften, a) Im durchfeuchteten Zustand
ist seine Elasticität sehr vollkommen und sein Elasticitätscoöfhzient
ein niedriger. Seine Cohäsion ist unter allen Umständen beträcht-
lich, sie scheint dabei jedoch nach verschiedenen Richtungen hin
nicht gleichmässig zu sein. — Seine endosmotischen Eigenschaften
sind sehr unvollkommen bekannt. Es zieht begierig Wasser an,
quillt in kaltem Wasser bedeutender als in heissem auf; im Gegen-
satz zum Bindegewebe wird es durch Essigsäure nicht aufgeschwellt.
Als Scheidewand zwischen diffundirende Flüssigkeit aufgestellt,
verhält es sich unter Umständen eigenthümlich ; so verwehrt z. B. nach
Brücke das aus elastischem Stoff bestehende Schaalenhäutchen
des Hühnereies dem flüssigen Eiweiss den Durchgang; dasselbe
*) Henle’a and Pfeafer'e Zeitschrift. I. Reihe. IX. bd.
••jKölllker, Gewebelehre. 3. Auflege. p. 68. — Virchow, Würzburger Verhandlungen.
II. Bd. p. 150. — Hcnle, im Jahresbericht über allgcm. Anatomie für 1851 p. 38 und 1853
p. 20.
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250
Elastisches Gewebe.
leistet die innere Arterienhaut, wenn sie vorher in einer zweipro-
zentigen Kochsalzlösung gelegen (C. Ludwig). Eine genauere
Untersuchung der hier cinschlagenden Eigenschaften wäre insbe-
sondere wltnschenswerth , wenn sich die Vermuthung rechtfertigt,
dass die Haut der BlutgefHsscapillarcn und die der feinsten Driisen-
gängc aus elastischem Gewebe gebildet ist.
4. Ernährung, a) Die Zusammensetzung des festen Stoffs be-
weist, dass er aus eiweissartigen Atomen hervorgegangen sein muss;
eine Hindeutung auf die hierbei vorkommende chemische Umsetzung
gewährt die (Bd. 1. p. 56) mitgetheilte Erfahrung von Zollikofer,
welche darthut, dass aus dem Etweiss, indem es in elastisches
Gewebe Ubergegangeu , die Atomgruppe entfernt wurde , aus der
Tyrosin bei der durch Schwefelsäure eingeleiteten Zersetzung her-
vorgehen kann. — Die Formfolge, welche bei der Hervorbildung
des elastischen Stoffs aus der Flüssigkeit auftritt, ist bis dahin noch
Gegenstand des Streites; einige Anatomen, unter ihnen Schwann,
Kölliker, Virchow und Donders, behaupten, dass es ein
Umwandlnngsprodukt vorgängig entstandener Zellen sei, während
He nie*) aus der Untersuchung des Nackenbrandes die Berechti-
gung fllr eine solche Annahme bestreitet. Bei der bekannten Gründ-
lichkeit beider Parteien kann die Ursache der Abweichung nur
in der noch mangelhaften Methodik gefunden werden. Die elasti-
schen GewebsformCn gehören zu denjenigen, welche sich auch im
ausgewachsenen Organismus neu bilden können. — b) Von den
Veränderungen des einmal au%ebautcn Gewebes ist wenig bekannt.
Seine Arrnuth an Blutgefässen lässt schliessen, dass sein Umsatz
während des Lebens gering sei ; hiermit in Uebereinstimmung steht
die Thatsache, dass es bei Abmagerung aller übrigen Körper-
bestandtheile an Gewicht und Umfang nicht beträehtlich abnimmt.
Von einer jeglichen Veränderung während des Lebens ist es jedoch
nicht ausgeschlossen, denn es kann an einzelnen Orten unter gün-
stigen Umständen schwinden, wie dieses thatsächlich an den
Wandungen solcher Gefässe feststeht , deren Lumen verschlossen
wurde. — Einen besondem Weg würde die sich in ihm verbreitende
Flüssigkeit finden , wenn die Röhrennatur der sog. Kernfasern fest-
gestellt würde ; in diesem kleinen geschlossenen Canalsystem würde
sich die Flüssigkeit, nachdem sie in dasselbe auf endosmotischem
Wege eingedrungen wäre, weiter verbreiten können.
•) h. c. 1651. p. 29.
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Bindegewebe.
251
Bindegewebe.
1. Dag Mikroskop in Verbindung*) mit der chemischen Zer-
legung weist in dem Bindegewebe nach: leimgebende Fasern und
Fibrillen, einen eiweissartigen Zwisehenstoff, elastische Fasern und
zellen artige Gebilde (Jordan, He nie, Baur, ltollet). Die
leimgebenden Faserzüge, welche den weitaus grössten Theil des
Bindegewebes ausmachen, können entweder (in Sehnen, Aponeurosen,
Bändern , der Selerotica) sogleich in sehr feine Fäden auseinander-
gezerrt werden, oder die mechanischen Hilfsmittel zerlegen sie (in
der Lederhaut, im formlosen Bindegewebe, in der tunica con-
junctiva, adventitia, submucosa) vorerst nur in breite Fasern, welche
sich durch Kalk- oder Barytwasser schliesslich ebenfalls in Fibrillen
spalten lassen. Die breitem und feinem Fasern sind zu Bündeln
vereinigt, indem eine grössere Zahl paralleler Fasern durch eiweiss-
artigen Bindestoff verklebt ist. Diese Bündel werden von einander
geschieden durch strukturlose Scheiden (Reichert, Henle) oder
auch durch umspinnende und zum Theil in die Bündel eindringende
Faserzüge (Rollet, Henle). In und zwischen diese leimgebenden
Faserzüge sind eingebettet feine, oft zu Netzen verbundene elastische
Fasern und eine besondere Art von Körperchen , welche zusammen-
gefallenen Zellen ähnlich sehen, die nach zwei Seiten hin in feine
Fäden auslaufen. Ausser diesen allgemein anerkannten Einlagerungen
fanden sich Virchow und nach ihm Leydig u. A. veranlasst,
und zwar in Folge der Bilder, welche ein senkrecht gegen die
Richtung der Faserbündel geführter Schnitt zum Vorschein bringt,
noch sternförmig verästelte Zellen zwischen den Bündeln anzu-
nehmen. Da diese sternförmig verästelten Zellen bis dahin noch
nicht gesondert dargestellt werden konnten, so lassen andere
Anatomen (Henle, Rollet) die sternförmigen Figuren, welche
die Annahme von Zellen hervorriefen, nur als einen Ausdruck für
die Lücken gelten, welche zwischen den Bündeln übrig blieben.
Die Bündel sind mannigfach angeordnet, bald verlaufen sie an-
nähernd parallel, bald durchflechten sie sich nach den verschieden-
sten Richtungen und zuweilen so innig, dass wie z. B. an der Ober-
fläche des Coriums und der Cornea der Anschein einer strukturlosen
Schicht entstehen kann (Rollet). — Die molekulare Struktur der
Fasern scheint eine sehr eigentümliche zu sein, denn die Fasern
■) Siehe die Literatur des elastischen Gewebe« und ausserdem — Henle, Jahresbericht für 1857
p. 35. — Rollet, Wiener akad. Sitzungsberichte. XXX. Bd. p. 37. — Alb. Baur, die Ent-
Wicklung der Bindesabstanx. Tübingen 1838.
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252
Chemische Eigenschaften des Bindegewebes.
brechen das Licht doppelt, eine Eigenschaft, die sie im gequollenen
Zustand entweder aufgeben oder beibehalten (W. Mit 11 er). Dem
entsprechend ist die Formänderung, welche die Fasern bei der
Quellung annehmen, eine verschiedene, indem sie durch gewisse
Mittel nur nach einer, und durch andere nach verschiedenen Seiten
sich ausdehnen. So dehnen sie sich durch Essigsäure allseitig (?),
durch CI Ca nur nach der Breite aus, durch kochendes Wasser
werden sie verkürzt u. s. w.
2) Chemische Beschaffenheit. Die Formbestandtheile des Binde-
gewebes sind im Leben mit einer Feuchtigkeit durchtränkt, und
ausserdem liegt in den Lücken zwischen den Blättern und Faser-
bündeln Feuchtigkeit eingeschlossen. Ihre Zusammensetzung ist
unbekannt. — Die festen organischen Bestandteile bieten, mit
Alkohol, Aether und Wasser gereinigt, die prozentische Zusammen-
setzung des Leims dar (Scherer und Winkler). Wenn man
aus dieser Thatsache schliesst, dass sich das Bindegewebe beim
Kochen ohne Veränderung seiner Zusammensetzung in Leim anf-
löse, so ist damit nur ausgesprochen, dass die Analyse dieses
Körpers nur in sehr weiter Fehlergrenze das Richtige trifft. Ohne
dieses müsste man nemlich gerade das Entgegengesetzte behaupten,
weil Bindegewebe selbst da, wo es am reinsten vorkommt, einen
in Kalk- und Barytwasser löslichen Eiweissstoff (Rollet) und
zudem immer noch bedeutende Mengen von solchen Geweben ent-
hält, welche sich beim Kochen nicht auflösen. Zellinsky*) fand
den unlöslichen Rückstand der 4—6 Tage lang gekochten Sehnen
zu 4 — 5 pCt.
M&n hat sich erlaubt, auf die chemische Beschaffenheit der Bindegewebsflüssigkeit,
su schliessen aus derjenigen , welche beim Zellgewebsödem das Bindegewebe erfüllt
oder gar sub dem Safte, welcher in Folge von Entsandungen aus den Gefassen des
Bindegewebes austritt ••). Diese letzte Annahme verdient keine Berücksichtigung. Die
Oedem erzeugende Flüssigkeit, welche nach Schmidt stark alkalisch reagirt, besteht
in 100 Theilen aus 0,36 pCt. organischer Bestandtheile (die vorzugsweise Eiwciss, aber
keinen Faserstoff enthalten), aus 0,77 Salzen und 9H,87 Wasser. — Die Annahme einer
Uebereinstimmung zwischen dieser und der normalen Zellgewebsfeuchtigkeit dürfte
darum gewagt erscheinen, weil, so weit wir wissen, ein Oedem nur eintritt, wenn
eine wesentliche Veränderung in der Zusammensetzung des Bluts vor sich gegangen,
oder wenn der Strom in den Blutgefässen des Bindegewebes in Folge einer Hemmung
desselben in den Venen unter einer erhöhten Spannung flieset. — Viel wahrscheinlicher
ist es, dass die LymphgefKsse , und namentlich ehe sie in die Drüse eintreten , den
Saft der Zellgewcbslücken enthalten, welchem wir, gesttizt auf die Quellungserschei-
•) Heul«'» Jahresbericht fHr nlljrem. Anatomie für 1868 p. 28.
••) C. Schmidt, Charakteristik der epidem. Cholera. Mltaa 1860. 123.
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Ernährung des Bindegowebes.
253
Dungen, nicht ohne Weitem dieselbe Zusammensetzung «»schreiben dürfen mit dem-
jenigen, der die feste Masse selbst durchfeuchtet.
3. Ernährungserscheinungen. Das leitngebende Bindegewebe
entsteht unzweifelhaft ans eiweissartigen Stoffen, denn es enthalten
Blut and Eier keinen oder wenigstens nur sehr sehr selten Leim,
und die Analogie in der Zusammensetzung und der chemischen
Constitution bürgt dafür, dass der Leim ein umgewandeltes Eiweiss
ist. Hiermit befindet sich die Thatsache nicht im Widerspruch,
dass die sog. Granulationsgebilde, welche im Begriff stehen, zu
Bindegeweben zn werden, und ebensowenig das in der Bildung
begriffene schon deutliche Faserung zeigende Bindegewebe beim
Kochen keinen Leim liefern (Gtitcrbock, Schwann, Drum-
mond) *). Wie diese Umwandlung des Eiweisses in Leim vor
sich geht , kann nieht einmal vermuthungsweise ausgesprochen
werden; der gewöhnliche Ausdruck, dass dieser Vorgang zu den
Oxydationsprozessen zähle, begründet sich dadurch, dass 100 Theile
Leim mehr Sauerstoff, als das Eiweiss enthalten.
Das Bindegewebe**) gehört zu den festen Bestandteilen des
Thierkörpers, welche sich während des Wachsthums und auch in
erwachsenem Zustande sehr leicht neu bilden. Die Formen , welche
man an den Orten findet, an welchen neues Bindegewebe entsteht,
sind mannigfache, und zwar: 1) eine gedrängte Masse von rund-
lichen Zellen, deren Wand in Essigsäure unlöslich ist und die im
Innern eine durchsichtige Flüssigkeit und eine oder zwei stark
licbtbrechende Kügelchen enthalten ; 2) zwischen diesen Zellen oder
Kernen ist eine gallertartige, formlose Substanz eingebettet , 3) oder
eine homogene zähe Masse, in der einzelne Zellen liegen, deren
Wandungen mit jener Masse verschmolzen sind; 4) kernhaltige
Zellen, von deren Wand Ausläufer abgehen, die mit den ent-
sprechenden Verlängerungen der benachbarten Zellen verschmelzen
und somit Zellennetze darstellen; ii| dem Kaum, den diese Netze
mnschliessen, ist eine formlose Masse eingebettet; 5) eine gedrängte
Masse von platten, oblongen oder aber von spindelförmigen Kör-
perchen , die einen sog. Zellcnkem enthalten. Die schmalen Enden
•) J. Vogel, Pathol. Anatomie, p. 143. — Sch I o s s b c r g er , Allgemeine Thierchemie,
Bindegewebe 1JO. •
••) He nie, Rationelle Pathologie. II. 1. Abth. p. 71« u. f. u. 821. — Reichert« Bemer-
kungen zur vergl. Natnrforachnng. 1846. p. 1(N>. — Külliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Auf-
lage. p. 71. — Henle's Jahresbericht Uber allgcm. Anatomie für 1852. p. 20. — Remnk, Mül-
ler'« Archiv. 1862. p. 63. — Thier Felder, De regeneratione tendinum. Miaonae 1862. —
J. Meyer, Annalen der Charltd. IV. Bd. — A. Banr, die Entwicklong der Rlndcsubstanz.
Tübingen 1868.
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254
Formfolge des Bindegewebes.
dieses Gebildes sind öfter mit den entsprechenden Rändern der
anstossendcn verwachsen.
Je nachdem man diese Thatsachen verknüpft, lassen sich ver-
schiedene Vorstellungen bilden Uber die Formfolge des entstehenden
Bindegewebes. Man hat u. A. nachstehende Zusammenstellungen
versucht: 1) Das Bindegewebe geht hervor aus den vergrösserten
und verschmolzenen Zellhänten. 2) Die freien Kerne, welche in
der formlosen Grundmasse liegen, bestimmen ihre nächste Um-
gebung dahin, sich loszureissen von den Nachbarorten, so dass
damit die Grundmasse in einzelne Plättchen oder Fasern zerfallt
3) Die Ausläufer der verästelten Zellenhäute verwandeln sich in
Bindegewebsstränge. 4) Die ursprünglich strukturlose gallertartige
Masse wird zähe, faltet oder fasert sich aus, die eingesprengten
Kerne verschmelzen mit derselben. 5) Die strukturlose Masse ver-
ändert sich, wie unter 4. angegeben wurde, und die verästelten
Zellen stellen die Vircho w’ sehen Bindegewebskörper dar. 6) Aus
den Zellen gehen Formen hervor, welche mit dem Bindegewebe
im engem Wortsinn nichts gemein haben, wie z. B. Gefässe,
elastische Fasern u. dergl. — Es dürfte kaum anzugeben sein,
welche Meinung das Uebergewicht über die andere hat , oder ob
gleichzeitig mehrere oder vielleicht keine von ihnen berechtigt ist.
RUcksichtlich der übrigen Erfordernisse für die Neubildung von
Bindegewebe steht fest, dass sich dasselbe nur in denjenigen
flüssigen Absonderungen bildet, welche sich in geringer Menge
zwischen den festen Theilen des thierischen Körpers linden; dass
sich aber niemals die festen Massen, welche frei in einer Flüssig-
keit schwimmen , zu Bindegewebe uniformen. So tritt z. B. an die
Stelle eines Blutpfropfs, der sich in einer unterbundenen Arterie
findet, mit der Zeit eine Bindegewebsmasse, während eine Flocke
von Faserstoff, die in einer Flüssigkeit schwimmt, welche in einem
serösen Sacke ansgetreten ist, niemals zu Bindegewebe w’ird, und
ebenso bilden sich auf dem Boden einer eiternden Fläche Binde-
gewebsmassen , aber die Eiterkörperchen selbst, welche im Eiter-
serum suspendirt sind, wandeln sich nicht darin um. — Eine andere
Frage, die man öfter erhoben, aber niemals mit Sicherheit beant-
wortet bat, bestellt darin, ob die Flüssigkeit Faserstoff enthalten
müsse, wenn sie zur Entstehung neuen Bindegewebes Veranlassung
geben solle.
Ueber den Umsatz des einmal fertigen Bindegewebes ist wenig
bekannt. Die gewöhnliche Annahme geht dahin, dass es sich uu-
Diqitizedi
Bindegewebe ; Narbenschrumpfung.
255
verändert erhalte oder mindestens sehr wenig verändere. Die
Gründe dafür findet man darin, dass dasselbe nach dem Tode
langsamer als die Muskeln und Nerven fault; darin, dass bei einer
eintretenden Abntagerung die vorzugsweise aus Bindegewebe be-
stehenden Theile, wie z. B. die Sehnen, wenig an ihrem Umfang
verlieren; nnd endlich darin, dass viele der Bindegewebsorgane
(Sehnen, Unterhautzellgewebe, seröse Häute) mit nicht sehr zahl-
reichen Gefässen versehen sind. — Chirurgischen Erfahrungen zu-
folge verhält sich das neugebildete, in Narben eingelagerte Binde-
gewebe oft eigenthümlich, da es häufig nicht für die Dauer besteht,
sondern kaum gebildet , auch wieder verschwindet. Auf diese Weise
deutet Roser*), und wie es scheint mit Recht, die bekannte That-
saelie der Narbenschriunpfung, die darin besteht, dass die Narben-
masse, welche die mit Gewebsverlust verbundenen Wunden aus-
fliJlt , allmählig wieder und zwar so weit aufgelöst wird, dass sieh
die Ränder der unverletzten Haut, welche bis dahin auseinander-
gehalten wurden, wieder aneinander legen. Diese Verschrumpfung
erfolgt nach Roser nur dann, wenn die Haut bis zum Unterhaut-
bindegewebe zerstört war, und unter diesen Bedingungen am
leichtesen bei kräftig constituirten Menschen und da, wo die Narbe
von einer leicht dehnbaren und nachgiebigen Haut umgeben wird.
Wo sie aber auch cintritt, erfolgt sie nach gewissen Richtungen
leiehter, als nach andern, so am Hals, am Penis, der hintern
Wand der Scheide, vorzugsweise nach der Längenachsc jener
Organe. Die grosse Bedeutung dieses Vorgangs als Heilmittel hat
lloser wiederholt hervorgehoben. •
Die Anordnung des Bindegewebes aus verschieden gerichteten
ungleich starken Faserzügen müssen die Entstehung vieler Lücken
veranlassen, welche, insofern sie nicht znsammengepresst werden,
sich mit Flüssigkeit füllen können, wie diese in ungewöhnlich reich-
lichem Maassc beim sog. Oedem beobachtet wird. Diese besondere
Struktur wird also unter allen Umständen der aus dem Blut in
das Bindegewebe eingetretenen Flüssigkeit die Bewegung erleich-
tern. — Ausser diesen durch die zufälligen Poren vorgezeichneten
Wegen weisen einige Physiologen der BindegewebsflUssigkeit
noch einen andern an, nemlich durch die unterstellten Höhlungen
der netzförmig verflochtenen, feinen elastischen Fasern in dem
mit feinen Ausläufern versehenen zcllenartigen Gebilde; diese An-
•) Schriften der Ge»elUcb*A der XatarwtMcnachtrtcn zu Marburg. VIII. Bd. 1B57. 361.
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256
Gemenge aus elastuchem und Bindegewebe. Seröse Haute.
sicht wird von dem Tage an sehr belangreich werden, wo die
behauptete anatomische Thatsache sicher gestellt ist
Gemenge ans elastischem und Bindegewebe. i
Aus einer Verbindung des elastischen und des Bindegewebes, t
bei der bald das eine und bald das andere überwiegt, sind sehr i
zahlreiche Platten, Stränge, Beutel, Falten n. s. w. aufgebaut. Wir
erinnern hier nur an die Cutis mit dem panniculus, die Schleim- i
häute mit der tunica nervea, die Faszien, die weiten und engen
Gefäss-. Muskel- und Sehnenscheiden, die Sehnen, die serösen
Häute, ilie Sclerotica, Cornea u. s. w. Woher die auffallenden (
Abweichungen, die sich beziehen auf das Uebergewicht entweder
des Binde- oder des elastischen Gewebes, die Anordnung und Ge- t
drängtheit der Bindegewebsbündel u. s. w. , rühren, ist unbekannt t
Je nach dem Gefässreichthum nnd ihrer Einordnung in andere
Gewebe nnd Flüssigkeiten werden ihre Lebenseigenschatten mannig-
fach verschieden sein, Verschiedenheiten, die wir an mancherlei
Orten hervorgehoben haben und noch hervorheben werden.
Die Rolle, welche die auf diese Art zusammengesetzten Ge-
bilde spielen, ist, so weit wir wissen, meist bedingt durch ihre
cohäsiven und elastischen Eigenschaften. Unter diesem Gesichts-
punkte haben wir Sehnen und Faszien schon erwähnt; wir weisen
noch hin auf die Cutis, welche einmal ein elastischer Ueberzug
Uber alle andern tiefer gelegenen Organe darstellt, und dann als
Lager der Haarbälge, der Gefässe ftlr die Absonderung der Ober-
haut, der Schweiss- nnd Fettdrüsen und endlich als ein Hilfswerk-
zeng ttlr den Tastsinn hervorragt.
b> anderer Weise als die bisher aufgezählten Gebilde sind die
serösen Häute, die Sehnenscheiden und die Cornea wichtig.
Seröse Häute.
1. Anatomische Beschaffenheit. Die serösen Häute bestehen
bekanntlich ans elastischem und Bindegewebe, auf ihrer freien
Fläche sind sie meistentheils mit einem Epitheliuiu besetzt, das
bald ein einschichtiges und bald ein mehrschichtiges ist. Die Zellen
selbst gleichen denen in der mittleren Lage der Epidermis. Nach
einzelnen Autoren (Todd und Bowmann) sitzen diese nicht un-
mittelbar auf dem Bindegewebe, sondern auf einer sehr dünnen,
glashellen, strukturlosen Membran, die sich zwischen die Deck-
zellen und das Bindegewebe einschiebt. Hier wie an der Cutis
nnd Cornea dürfte diese Stnikturlosigkeit nur eine scheinbare sein
und das Bindegewebe bis zum Epithelium reichen.
Dipitized bv Go^wle
Hirnwuter.
257
2. Seröse Flüssigkeiten. In der Höhle der serösen Säcke ist
eine Flüssigkeit enthalten, die an den verschiedenen Orten nach
Zusammensetzung und Menge Abweichungen bietet. Die Beding-
msse dieser Abweichungen, insbesondere die von dem Ort, der
Absondernngsflächc , dem Drnckunterschicd in dem serösen Sack
und dem Blutstrom, der Aufenhaltsdauer im Körper n. s. w. könnte
leicht Gegenstand genauer Versuche an Thieren werden.
a. Hirnwasser*). In den Lücken zwischen Arachnoidea
und der Hirn- und Kückenmarksfiäche, wenn man will in den
Maschen der oberHächlithsten Gefässhautschichten, liegt eine Flüssig-
keit, welche aus Eiweiss, Extraktivstoffen und den Salzen des
Bluts besteht. — Die <|uantitative Zusammensetzung derselben
scheint bei verschiedenen Individnen und selbst dann, wenn sie in
krankhaft vermehrter Menge abgesondert wird , wenig Verschieden-
heit zu bieten.
Nach den Analysen von Tennant, Bostock, Marcet,
Lassaign e , L’hdritier, Barruel, Haldat, Berzelius,
Mulder, Länderer, C. Schmidt and Schlossberger liegt ihr
Wassergehalt zwischen 98,0 und 99,1 pCt. Unter den festen Be-
standteilen findet sich 1,3 bis 0,05 Eiweiss, 0,4 bis 0,2 Extrakte;
diesen kommt ein Bestandteil zu, welcher CuO reduzirt (Bussy),
da er jedoch mit Fermenten keine COj liefert, so kann es kein
Zucker sein (Turner); CI. Bernard**) findet dagegen in allen
gut genährten Thieren das Hirnwasser zuckerhaltig; verschwindet in
Folge von Nahrungsentziehung der Zucker aus der Leber, so ist er
auch an nnserrn Ort nicht mehr zu finden. Endlich enthält das Hirn-
wasser 1,0 bis 0,5 pCt. Salze; unter ihnen ist das NaCl vorwiegend.
Als Beispiel geben wir eine vollkommene Analyse von C. Schmidt:
Wasser = 98,67 ; organ. Subst. = 0,37 ; 2 NaOPO, =0,06; KOSO3
= 0,01; NaO = 0,18; KaCl = 0,22; NaCl = 0,44; 3Ca0P05
und 3MgOPOs = 0,03. Nach den Beobachtungen von Schmidt
soll ein wesentlicher Unterschied zwischen den in der Hirnhöhle
und den anf der Himoberfläche enthaltenen Flüssigkeiten bestehen.
Die erstere soll constant nur Spuren von Eiweiss zeigen, während
die letztere eiweisshaltiger ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese
Zusammensetzung den Flüssigkeiten während des Lebens angehöre
*) Berzelius, Handbuch d. Chemie. IX. Bd. p. 198. — L'hlrltler, chlmie pathnl. p. 578. —
Wanderer, Bnchn er * e Kepertoriom. W. Bd. — Tennant, Journal de chlmie midie. 1838. —
Schmidt, Charakteristik der epidemischen Cholera, p. 118 0. f. — Valentin, Lehrbuch 1. Bd.
p. 4M. — Schlossberger, allgemeine Thierchemie. Nervensystem p. 140.
**) Ltfons de Physiologie 1865. 1. lid. p. 113.
Ludwig, Physiologie IL 3. Auflage. 17
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258
Her*-, Brust-, Bauch wasser.
und namentlich nicht in der Leiche wesentliche Veränderungen er-
fahren habe, wird begründet durch die gleichlautende Analyse des
Hirnwassers, was man durch Punktion von lebenden Wasserköpfen
(Länderer, Schmidt, Schlossberger) oder aus lebenden
Thieren gewonnen (Lasseigne, Schmidt). Wenn die Flüssig-
keit durch Funktion entleert wird, so bildet sie sich rasch von
Neuem, und es zeigt die neue Flüssigkeit die Zusammensetzung
der frühem (Schmidt).
b. Herz wasser*). Der flüssige Inhalt des Herzbeutels ist
bei gesunden Enthaupteten von Lehmann nndGorup untersucht
In 100 Theilen- wechselte das Wasser zwischen 95,51 bis 99,2, das
Eiweiss zwischen 2,47 bis 0,1, die Salze zwischen 0,73 bis 0,1.
Ein faserstoffhaltiges Gerinnsel fiel unter den drei Beobachtungen
nur einmal aus die Flüssigkeit
Krankhafte Ansammlungen sind häufiger und mit sehr wechselnden Resultaten unter-
sucht worden; sie erwiesen sich ebenfalls bald faserstoffhaltig und bald faseratofffrei.
Unter den Salzen fiberwog immer das Kochsalz.
c. Brust wasser **). Der Inhalt der Pleura ist noch nicht
aus dem lebenden gesunden Menschen oder Thier untersucht worden. —
Wenn das Brustwasser krankhaft vermehrt ist und dann abgelassen
wird, so ersetzt es sich rasch wieder, vorausgesetzt, dass sich die
Lunge nicht mehr bis zur vollständigen Ausfüllung des Brustraums
ausdehnen kann. Wird dann die Flüssigkeit wiederholt abgelassen,
so besitzt sie jedesmal annähernd dieselbe Zusammensetzung (Vogel,
Scherer, Schmidt).
d. Bauchwasser. Dasselbe ist nur dann untersucht,
wenn es in krankhafter Menge abgeschieden war. t Man fand in
ihm constant Eiweiss, Extrakte und die Blutsalze; in einzelnen
Fällen Faserstoff, Harnstoff (bei Nierenleiden?), Zucker, Fette und
Gallenpigment. — Wird die Flüssigkeit entleert, so entsteht sie
meist rasch wieder und behält die Zusammensetzung, die sie ur-
sprünglich besass (Schmidt, J. Vogel).
Vergleichung der Flüssigkeiten aus der Hirn-, Brust- und Bauchhöhle. Aus einer
grösseren Zahl von Beobachtungen des Hirn-, Brust- und Bauchwassers an verschie-
denen Individuen und einer gleichzeitigen an den drei Flüssigkeiten desselben Menschen
zieht Schmidt einige allgemeine Schlüsse. — a. Dor Eiweissgehalt der wässrigen
Ergüsse in den genannten Höhlen erreicht niemals den des Blutserums. — b. Findet
gleichzeitig in einem Individuum eine vermehrte Absonderung in den drei Höhlen
•) L'h dritter, 1. c. — Lehmann, Lehrbach der physiol. Chemie. II Bd. 309. — Gornp,
Jahresbericht ron Scherer für 1851. p. 97.
•*) L'hdritlcr, 1. c. — J. Vogel, Putholog. Anatomie, j». 2(1. — Scherer, Chemische
Untersuchungen sur Pathologie. 1843. 106 u. f. — Schmidt, I. c. p. 129.
Hodenwasser, Gelenkschmiere.
259
statt, so ist in dem Hirnwasser am wenigsten und in dem Brustwasser am meisten
Eiweiss. — F. Hoppe*) bestätigt diesen Satz mit dem Beifügen, dass die wässerige
Ansammlung im Bindegewebe (Oedem) armer an Albumin als das Brust- und Bauch-
wasser sei. Damit sich jedoch die Flüssigkeiten der genannten .Reihenfolge v. Schmidt
einfügon , müssen sie ungefähr zu gleicher Zeit gebildet sein und gleich lange an der
natürlichen Lagerungsstätte verweilt haben.
e. Hodenwasser. Die Flüssigkeit der vagina testis propria,
die nur bei krankhafter Vermehrung derselben untersucht wurde,
enthält ausser den wiederholt aufgezählten Bestandteilen der ttbrigen
serösen Säfte meist noch Cholestearin in reichlicher Menge und
Bernsteinsäure (W. Müller)**). Die Verhältnisse, in denen die
genannten Stoffe gemischt sind, und namentlich die Menge des
Eiweisses und Choicstearins wechselt ohne bekannte Veranlassung
so ausserordentlich, dass die Zusammenstellung von Zahlcnwerthen
für Flüssigkeiten, die ans verschiedenen Menschen genommen wurden,
ohne Bedeutung ist.
W. Mittler fand in einer UydrocelefliUeigkeit, die xu vier verschiedenen Zeiten dem-
■eiben Menschen entzogen wurde, Folgende» (die Zusammensetzung ist in Pros, nusgedrilckt) :
Entleerung. \
Anwosenheitsdauer in
der Scheidenhaut.
Menge d. Flüs-j
i sigkeit.
Eiweiss. |
Saite.
Wasser.
t.
unbestimmt
j 210 C.C.
4,87
0,97
93,56
2.
18 Tage.
| 180 C.C.
4,38
0,52
94,01
3.
33 „
215 C.C.
4,79
0,85 !
93,65
4.
52 „
|U<,ber 250 C.C.
5,17
l 0,92
93,40
f. Gelenks chmiere. Ihre Bestandteile sind diejenigen,
welche den serösen Flüssigkeiten überhaupt zukommen, und ausser-
dem noch Sehleimstoff und unter allen Umständen abgestossene
Epiüielialzellen. Die quantitative Zusammensetzung soll nach Fre-
richs ***) mit dem Alter und dem Bewegungszustande des Gelenkes
wechseln; er stützt sich hierbei auf die Untersuchung je eines Falles.
Nach Freriehs enthält die Synovia:
Wasser
Kalb.
96,56
Im Stall
gemästeter Ochse.
96,99
Ochse, der auf der Weide
zugebracht hatte.
94,85
Schleim und Epithelien .
0,32
0,24
0,56
Fett
0,06
0,06
0,08 '
Eiweiss und Extrakte .
1,99
1,57
3,51
NaOCl, KO SG), CaOCGt,
phosphorsanre Salze
j 1,06
1,13
1,00
•) V i reb o w 's Archiv. IX. Bd. 345.
Henle'i and Ffeufer’a Zeitschrift. 1
S. F. VIII. Bd. 130.
Wagner'a Handwörterb. UI. 6. p. 403.
17*
Jiigitizectby Google
260
Sehnenscheiden und Schleimbeutel , Hornhaut.
Die Gelenke des jungen und des ruhenden Thiers enthielten
mehr Flüssigkeit als die des sich bewegenden. — Die abgestossenen
Epithelialschuppen sollen sich nach Frerichs mit Hinterlassung
der Zellenkerne in der alkalisch rcagircnden Gelenkschmiere auf-
lösen , und diese Auflösung soll die Quelle des Schleims sein. Nach
Luschka*) dagegen soll sich die Höhlung der Zellen mit Fett
füllen , worauf diese selbst aflmählig zu Grunde gehen.
Sehnenscheiden und Schleimbeutel. Die Wand dieser
Höhlungen schliesst sich den serösen Säcken insofern an, als sie
aus einer Grundlage von Bindegewebe und einer diesem aufsitzenden,
nach der Höhlung gerichteten einfachen 1‘flasteroberhaut besteht;
die vollkommene Uebereinstimmung wird aber getrübt, einmal da-
durch, dass die Bindegewebshaut der meisten Sehleimbeutel und
alle Sehnenscheiden keinen vollkommenen Sack von den anliegenden
Bindegewebsräumen abschliesst, und nächstdem auch durch die
unvollkommene Ueberkleidung der vorhandenen Wände mittelst
Oberhaut. — Die schleimige, nach dem äussern Ansehen der Ge-
lenkschmiere ähnliche Flüssigkeit, welche in diesen Höhlen ent-
halten ist, hat noch keine Untersuchung erfahren. In ihr setzen
sich häufig durchscheinende, gelbliche Klümpchen eines stark mit
Flüssigkeiten durchtränkten Stoffes ab. Nach Virchow **) reagiren
sie stark alkalisch, lösen sich nur theilweise in Wasser, hinter-
lassen verbrannt eine stark alkalische Asche und stellen sich durch
ihre Reaktion unter die eiweissartigen Stoffe. Mit Schleim sind sie
nicht identisch.
Hornhaut.
Die anatomischen Elemente ***) der Hornhaut im engem Wort-
sinn sind Fasern und zellenartige Gebilde. Die erstem sind platt
und lassen sich nicht in Fibrillen zerspalten; indem sich eine grosse
Zahl derselben mit je ihrer breitem Fläche zusammenlegt, entstehen
aus ihnen bandartige Bündel, in denen also die breite Seite der
Fasern senkrecht auf der breitem Fläche des Bündels steht. In
den mittlem und innem Schichten des Hornhautkörpers laufen die
Bündel parallel der Homhautwölbung, wobei sich die in derselben
Ebene liegenden nach Art einer Matte verflechten. Hiernach besteht
der genannte Theil der Cornea aus vielen conzentrischen Lagen,
von denen jede einzeln wieder aus jenem Fasergeflecht hervorgeht.
•) Structur der serösen Häute. Tübingen 1851. p. 18.
••) Würzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 281.
•••) His, Beiträge zur Histologie der Hornhaut. Baiei 1858. — Henlt'i Jahresberichte von
1652 an. — Rollet, Wiener akad. Sitzungsberichte. XXXIII. 616.
Hornhaut.
261
Nahe der vordem Grenze der Cornea neigen eich die Bündel auch
gegen die Homhautflilche, so dass hier wegen allseitiger Faserndurch-
krenznng eine innige Verfilzung zu Stande kommt, welche den An-
schein einer homogenen Platte, die sog. vordere Glaslage der Horn-
haut erzeugt (Rollet). Zwischen den Netzplatten der Hornhaut
sind zellenartige Gebilde eingelagert, welche nach mehreren Seiten
hin Fortsätze schicken (Toynbee, Virchow, His). Der hintern
Fläche der Hornhaut schliesst sich eine wahre Glashaut (membrana
descemetii), der vordem ein Epithelium an , welches in den gleich-
namigen Theil der conjunctiva übergeht. — Blutgefässe besitzt die
Hornhaut nur am änssereten Rande. Ihre Nerven empfängt sie
zum Theil aus dem hintern Ciliamerven , zum Theil ans dem der
conjunctiva ; sie verbreiten sich vorzugsweise in den vordem Lagen
der Hornhaut; Lymphgefässe sind nicht mit Sicherheit beobachtet
Die Formen der Hornhaut im engern Sinne gewinnen je nach der Praparationa-
weise ein verschiedenes Ansehen. Die obige Schilderung ist nach den Angaben von
Rollet entworfen , welcher sich des übermangansauren Kalis als Zerlegungsmittel be-
diente, in welchem die Hornhaut, ohne wesentlich zu quellen und zu schrumpfen, in
jene Fasern zerfallt, üenle trocknet die Hornhaut und weicht ihre feinen Schnitte
wieder auf; Yirehow und His härteten sie in Holzessig.
2. Chemische Eigenschaften. Das Fasergewebe giebt beim
Kochen einen Leim, der sich den Reaktionen nach dem Chondrin
annähert (J. Müller), ohne mit ihm identisch zn sein (His).
Die eingelagerten Zellen und ihr Inhalt geben die Reaktionen auf
Eiweisskörper; die Flüssigkeit, welche die Hornhaut durchtränkt,
ist nach Funke eiweiss- und caselnhaltig. Durch längeres Liegen
in übermangansaurem Kali werden ihr alle Bestandteile entzogen,
welche die Reaktionen des Eiweiss zeigen (Rollet). Die tunica
descemetii zeigt im Wesentlichen die Reaktionen des Elastins. —
Die epitheliumfreie Hornhaut des Ochsen enthält nach His in
100 Theilen 78 bis 74 Theile Wasser, 20,4 Chondrigen; 2,8 Zell-
und Glashaut, 1,0 Salze.
Quantitative Analysen der menschlichen Augenkapscl (Cornea und Sclerotica) theilt
Schneyder*) mit.
3. Physikalische Eigenschaften **). Für humor aqneus ist sie
so durchgängig, dass derselbe unter einem Druck von 200 — 300 Mm.
Hg tropfenweise durch sie tritt (His). — Die Hornhaut schrumpft
in Lösungen von Koch- and Glaubersalz ein, und zwar so, dass
•) Chem. Unterau c hangen verachieilener Augen. Freiburg im B. IM*.
••) Archiv fUr Ophthalmologie 18&7. III. Bd. L IW.
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262
Quellung der Hornhaut
mit dev steigenden Dichtigkeit das Volum abnimmt. Hierbei ist
es bemerkeuswerth , dass ein schon sehr geringer »Salzgehalt das
Schrumpfen sehr merklich machen kann, ln Essigsäure schrumpft
dagegen die Hornhaut zuerst mit steigendem Säuregehalt und dann
quillt sie wieder auf mit noch weiterer Zunahme des prozentischen
Gehaltes an Säure, ln »Salzsäure erreicht sie dagegen mit stei-
gendem Prozentgehalt zwei Ausdehnungsminima, zwischen denen
ein Ansdehnungsmaximnm gelegen ist (Donders).
Folgende Tabellen sind der Abhandlung von Donders entnommen. Die Aus-
dehnung wurde bestimmt durch Messung einer Dimension eines feinen Hornhaut-
Schnittes, der in die betreffende Flüssigkeit gelegt war; die Angaben über die Ausdeh-
nung sind Verhältniswahlen.
Dest. Wasser.
Na CI Lösung inProz.
Dest. Wasser.
NaO SOj Lösung in Pro*.
IIS
j 0,003 | 0,030 0,300
1
129
0,0037 0,0370
0,3700
102 i 78,5 , 72,5
118,5 109
70,5
Essigsäure in Prozenten.
Dest.
C1H in Prozenten.
0,005 | 0,020 1,0 100,0
W asser.
0,025 [0,005 0,020 1,0 20,0
I I 1 1
22,5 1 10,0 59,0 1 66,5
1 1 1
21,0
18 20,5 ! S2,0 jn! 6
1 1 11
Die herausgesebnittene epithelienfreie Hornhaut quillt merk-
würdiger Weise auch im Augenwasser auf; so nahm eine solche,
als sie 90 Stunden im bumor aqueus lag, um nahe das 5 fache
Gewicht zu (11 is)*) — Hei der Quellung ereignet es sich auch an
diesem Gewebe, dass es bald nach der Flüche und bald nach der
Dicke an Ausdehnung zunimmt.
Die lebende Hornhaut ist dnrehgängig für Jodkali, Aetzkalk,
der in ihr theilweise als kohlensaurer Kalk niedergeschlagen wird,
salpetersaures Silber, das als Chlorsilber niederfällt und dann re-
duzirt wird, für verdünnte Säuren, Atropin und Farbstofflösungen
(Coceius, His, Gosselin)**).
Die Durchsichtigkeit der Cornea ist bedingt sowohl durch den
Quellungszustand als auch durch die Natur der quellenden Flüssig-
keit; denn sie wird durch Trocknen und durch ein jedes Schrumpfung
erzeugende Mittel trüb; bei einer über das Normale gehenden
Quellung kann sie dagegen durchsichtig bleibeu (Essigsäure) oder
sich trüben (Wasser). Ihre Fasern brechen das Lieht doppelt,
•) 1». o. p. 34.
••) Meissners Jahresbericht für 18&C. p. 190.
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Ernährungserscheinungen der Hornhaut.
263
die optische Achse derselben scheint mit der Längenachse der Fasern
zusammenzufallen. So lange in der Fötalperiode der Cornea die
Faserung fehlt, bricht sie einfach (His). — Ueber den Brechungs-
coeffizienten siehe Bd. 1. 262.
4. Ernährungserscheinungen. Die Hornhaut sehr junger Em-
bryonen scheint aus ovalen und rundlichen Kernen zu bestehen.
Durch Zerzupfen soll sie sich in runde oder spindelförmige Zellen
zerlegen lassen, welche jene Kerne cinschliessen. ln einem etwas
spätem Zeitraum des Embryonallebens finden sich die Kerne in
deutlichen Zellen, diese sind abgeflacht und in Schichten gelegt,
und obwohl noch klein, doch schon mit Ausläufern versehen ; hieraus
geht hervor, dass schon Zwischenzellstoff vorhanden. In der
zweiten Hälfte des fötalen Lebens wird der letztere aber erst doppelt
brechend (also faserig), die Zellen und ihre Ausläufer sind grösser
geworden. Im Neugeborenen ist die Cornea immer noch relativ
zellenreicher als im Erwachsenen, und die Ausläufer, von je einer
Zelle meist vier, bilden ein dichtes Maschenwerk (His). — Die
tunica desceroetii nimmt mit den steigenden Jahren an Dicke zu
(H. Müller, Donders).
Im ausgewachsenen Kaninchen kann sich ein aus der Cornea
ausgeschnittenes Stück wieder vollkommen hersteilen. Auf der
verletzten Oberfläche erscheinen zuerst kleine Fetttröpfchen, dann
kugelige Kernzellen, die sich nach wenigen Tagen schon in ein
deutliches Epithelium umgewandelt haben. Von der kugeligen
Zellenschicht aus sieht man dann die Entstehung neuer Hornhaut-
schichten vor sich gehen, die genau das optische Verhältniss der
älteren darbieten. Gefässbildung wurde hierbei nicht beobachtet
(Donders) *).
Die Art und der Umfang der Stoffbewegung in der fertigen Horn-
haut ist unbekannt. Die zu einer solchen nöthigen Zu- und Wegfuhr
lässt man in Ermangelung andererWege durch die Lücken oder Zellfort-
sätze geschehen, welche zwischen den Fasernetzen der Homhautblätter
liegen. Die Flüssigkeit, die sich hier bewegt, kann ihren Ursprung
nehmen aus den Thränen, dem humor aqueus und dem Blut, welches
in den Randgefässen der Hornhaut strömt. Je nach dem Druck,
unter dem das Augen- und Blutwasser liegt, der Verdunstung auf
der freien Oberfläche der Cornea oder der nachweislich veränder-
lichen Zusammensetzung des humor aqueus kann der Strom bald
•) HollSodtoch« Beitrfg« 184». p. 3S7.
— — Digitized'by Google
264
Augenwaaser.
nach dieser, bald nach jener Seite ins Uebergcwicht kommen.
Wie es sich aber im Einzelnen gestaltet und welche Folgen sie für
das normale Bestehen der Hornhaut haben, bleibt unbekannt. So i
viel ist nur einleuchtend bei der Wegsamkeit der Hornhaut flir t
filtrirende und diffundirende Flüssigkeiten und bei ihrer grossen
Quellungsempfindlichkeit, dass jede wesentliche Abweichung in der
Zusammensetzung der einen oder andern Flüssigkeit sogleieh eine
Aenderung der Durchsichtigkeit und des Volums der Hornhaut er-
zeugen muss.
Ei|ie eigentümlich!» Rolle Rollen die Zellen der Hornhaut dadurch gewinnen,
da*« sie mit eigentümlichem, an die Reizbarkeit von Muskeln und NerTen erinnerndem
Vermögen begabt seien , wonach sie jede Art von Störung, die ihren normalen Zustand
betrifft, mit derselben Aeusserung beantworten (Virchow, Hi»). Bevor man sich zu
dieser Annahme verstehen kann , muss ermittelt »ein , ob nicht darum die pathologi-
schen Veränderungen , die nach dem Einziehen eines Fadens , dem Brennen und Aetzcn
eintreten , »ich gleich bleiben , weil alle diese Eingriffe zu demselben nächsten Erfolg
führen , nemlich zur Bildung eines fremden Körpers (Brand und Aetzschorf) mit Auf-
hebung de» HornhautzURammenhangs.
Au gen wasser. Diese Flüssigkeit enthält Eiweiss, Harn-
stoff*), Extrakte, Clilornatrinm und geringe Mengen der andern
Blutsalze in Auflösung. Nach einer Analyse von Berzelius**)
und zwttlfen von Lohmeyer***) schwanken in Kalbsaugen ihre
festen Bestandteile zwischen 1,07 und 1,50 pCt., der organische
Antheil derselben bewegt sich zwischen 0,38 und 0,59 (= 28,1 bis
45,4 pCt. des Rückstandes). -— Zieht man aus allen Analysen
Lohmeyer’s das Mittel, so erhält man: Wasser = 98,60; feste
Bestandteile = 1,31; davon organische = 0,467; unorganische
— 0,846; Natronalb. = 0,122; Extrakte = 0,421 ; Na CI = 0,689;
KaCL = 0,011; KO SOi = 0,022; phosphorsanre Erden — 0,021;
Kalkerde = 0,026.
Die Untersuchungen von Schneyder beziehen »ich, insofern sie Mensehenaugen
betreffen, auf Solche, welche mehr als 48 Stunden nach dem Tode ausgeschnitten
wurden. Sie stimmen jedoch annähernd mit den Angaben Lohmeyer’s.
Wenn das Augenwasser durch Punktion der Hornhaut entleert
wird, so sammelt es sich rasch wieder an; die neu entstandene
Flüssigkeit enthält häufig so viel Faserstoff,, dass sie nach der
Entleerung durchweg gerinnt. — Die Gefasse, aus denen sie aus-
•) M Ilion, Compt. rend. XXVI. 131. — Bchneyder, Chem. Untersuchungen verschiedener
Augen. 1355.
•■) Handbuch der Chemie. IX. Bd. p. 530.
•**) Henle’s und Pfeufer's Zeltschr. V. Bd. — Don ca n, onderzockingen etc. Utr.
1MU— 54. 171. 1
-
Glaskörper. Linse.
265
geschieden wird, gehören wahrscheinlich der Iris und den Ciliar-
fortsätzen an, weil mit einer Stockung des Blutjaufw in denselben
sich die Znsammensetznng der Flüssigkeit so weit ändern kann,
dass in ihr Eiterkörperchen entstehen. Nach Gosselin nehmen
auch die Thränen an ihrer Bildung Antheil.
Glaskörper.
In Chromsäure gehärtet, zeigt er auf äquatorialen Durch-
schnitten eine Streifung, welche von der Glashant gegen den von
vom nach hinten gezogenen Durchmesser (die Glaskörperachse)
zusammenläuft (Hannover). Häute, die in dieser Richtung
verlaufen, können nicht aufgefunden werden (l)onders). Da-
gegen erkennt man in ihm Fasemetze, unregelmässig gelegene,
strukturlose Hantsttlckchen , Zellen mit und ohne Ausläufer, die
bald einzeln laufen und bald zu Gruppen vereinigt sind (Bow-
raan, Virchow, Doncan). — In den Zwischenräumen, welche
diese feste Masse einschliessen, liegt eine wässerige Lösung von
Eiweiss, Harnstoff (Millon, Wühler, Marchand), Extrakten
und Salzen. Nach den Beobachtungen von Berzelius, Frerichs
und Lohmeyer schwankt der Wassergehalt des Glaskörpers
zwischen 98,23 und 98,86 pCt. ; der feste Rückstand, welcher im
Mittel 1,36 pCt.’ beträgt, enthielt von 0,39 bis 0,48 pCt. organische
Bestandteile. Aus seinen Analysen leitet Lohmeyer die mitt-
lere Zusammensetzung des Glaskörpers ab: Wasser = 98,64;
Häute = 0,02; Natronalbuminat = 0,14; Fettspuren; Extrakte
= 0,32; Na CI — 0,77; KaCl — 0,06; KaS03 = 0,01; 3 (MgO,
CaO, FejOs) POs = 0,02; CaO — 0,01.
Die Schwankungen in der Zusammensetzung lassen die endos-
motischen Beziehungen zwischen der Blut- und der GlasflUssigkeit
erkennen ; eine Erklärung, welche durch die Erfahrung bestätigt wird,
dass die mit Krapproth gefütterten Thiere eine gefärbte Glasflüssig-
keit besitzen. — Wird der Glaskörper nach der Geburt zerstört,
so bildet er sich nicht wieder.
Virchow giebt an, dass der Glaskörper 8ehleim enthalte; eine Thataache, die
ron verschiedenen Seiten, u. A. von Sch lossberger bestritten wird. — Nach Loh-
me je r enthalt derselbe nicht immer Harnstoff. Ueber den Brechungsindez siehe
L Bd. p. 262.
Linse.
1. Anatomische Eigenschaften. Die strukturlose Linsenkapsel
trägt auf der Innenfläche ihrer Vorderwand eine Decke von kern-
— * Digifeed by Google
266
Zusammensetzung der Linse.
haltigen Pt) asterzellen (Heule)*), an der sich noch weiter nach
Innen unmittelbar die Linsenröhren mit ihren fernen Wandungen
und sehr durchsichtigem Inhalt anschliessen. An dem Rand zwischen
hinterer und vorderer Fläche befinden sich nach Kölliker**)
Uebergänge zwischen den Epithelialzellen und Linsenröhren. Der
Kern enthält keine deutlichen Röhrenelemente mehr. Die Schich-
tung der Linsenfaserung fuhrt zu Blättern, welche der Kapselwand
gleich laufen.
2. Chemische Zusammensetzung. Von der Kapselhant weiss
man bis dahin nur, dass sie sich bei anhaltendem Kochen in zwei
durch ihre Reaktionen verschiedene, in Wasser lösliche Stoffe um-
setzt (Strahl). — Die Wand der Linsenröhre besteht ans einem
im Wasser nnlösliehen Stoff. Der Röbreninhalt hält einen Stoff in
Auflösung, der nach Mulder’s Analyse zu den eiweisshaltigen
mit locker gebundenem Schwefel gehört ; seiner Reaktion nach stellt
ihn Berzelins zum Globulin. Vintschgau***) zeigte jedoch,
dass er mit Albumin identisch sei. Fällt man denselben durch Er-
hitzen ans der Flüssigkeit, so soll, wie Berzelins berichtet, eine
saure ExtraktflUssigkeit Zurückbleiben, welche in ihren Eigenschaften
an die FleischflUssigkeit (?) erinnert. Nach Lohmeyer kommt in
der Linse ziemlich viel Cholestearin vor. Die Menge der in Wasser
unlöslichen Linsenbestandtheile (der Röhrenwand) ist sehr gering-
fügig. Der Wassergehalt der Linse nimmt von aussen nach innen
ab. Payenf) giebt folgende prozent. Zusammensetzung für die
Linse der Ochsen:
Aeussere Schicht Mittlere Schicht Innere Schicht
Wasser 70,50, 54,88, 45,74.
In Wasser unlösl. Faser . 0,002, 0,033, 0,027.
Sie enthält 0,35 pCt. Asche, also nur etwa halb so viel, als
im humor aqueus vorhanden ist.
Preray nnd V alcnci enn e sft) behaupten eine Verschiedenheit des im Kern ent-
haltenen Albumins von dem in den äussern Schichten Torkommenden. Diese Angabe
widerlegt Payen. Eine viel grössere Zahl = 3,5 pCt giebt Schneyder f++)
den Röhrenwanden der Menschenlinsen ; vielleicht darum , weil er die Linse vor Beginn
der Analyse trocknet.
*) Henle’s und Pfeufer's Zeitschrift. N. F. V. Bd.
**) Handbuch der Gewebelehre, II. Bd. 731.
•**) Wiener akad. Sitzungsberichte. XXIV. 493.
t> Gazette mddicale. 1857.
tt) Compt. rend. 44. Bd. Juni.
1 S 1) L, c. p. 35.
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Wachst hum der Linse.
267
3. Physikalische Eigentümlichkeiten. Die Kapselhaut ist sehr
elastisch, aber nicht sehr fest, sie ist für Wasser und Na CI leicht
durchgängig. — Das spez. Gewicht der Faserung beträgt an dem
Linsenumfang = 1,076 und im Linsenkern = 1,194 (Chevenix).
Zu den breehenden und polarisirenden Eigenschaften der Linse, die
schon früher erwähnt sind, fügt Valentin*), dass jedes aus
mehreren Lagen zusammengesetzte Linsenstltek sich wie ein
negativ einachsiger Krvstall verhalte ; die doppeltbrechenden Eigen-
schaften treten in frischen Linsen weniger hervor als in getrübten
oder getrockneten. — Die Füllung der Linsenröhren mit einer con-
zentrirten Eiweisslösung kommt unzweifelhaft der Durchsichtigkeit
zu Gute. Diese Flüssigkeit wirkt hier ganz nach demselben Prinzip,
nach welchem Brücke mit einer ähnlichen die Darmhaut zu
mikroskopischen Untersuchungen durchsichtig machte. Die Gegen-
wart des Eiweissstoffes hebt nemlich den Unterschied der Brechungs-
coöffizienten zwischen Wasser und den Häuten der Linsenröhren auf.
4. Die Linsenernährung. — Bei der Vergrösserung der Linse
während des Wachsthums nimmt die Zahl, nicht aber der Umfang
der Röhren zu (Harting). Die Linsenröhren bilden sich nur
unter Beihülfe der Kapsel, wie von Valentin**) durch Versuche
am Kaninchen, von Sömmering'und Textordurch Beobachtungen
am Menschen erwiesen ist. Die Formfolge, welche bei ihrer Ent-
stehung vorkommt, beschreibt H. Meyer***) in der Art, dass
zunächst Epithelialzellen auftreten, welche ailmählig zu Röhren aus-
wachsen und sich dabei Uber die vordere und hintere Linsenfläche
gleichzeitig hinüberschlagen. Die jüngsten Schichten der Linse sind
demnach auf der vorderen mit Epithelien bedeckten Wand zu
suchen, während die ältesten den Kern einschliessen. Die Kapsel-
wand ist also die Form, in welche die Linse gegossen. — Daraus
folgt , wie Valentin bestätigt , dass die Schichtung der Linse,
welche sich in einer entleerten Kapsel neu bildete, Unregelmässig-
keiten zeigen muss, da die Vorderwand der letztem durch den
Einschnitt theilweise zerstört und jedenfalls verbogen ist. Die
chemischen Umsetzungen, welche diese Entstehung begleiten, sind
unbekannt; der zur Bildung führende Stoff wird bei dem ersten
Auftreten aus einem Blutgefässnetz geliefert, welches in der Fötal-
*) Graefc’s Archiv für Ophthalmologie. 111. 2. p. 82?.
*+) Henle'a and Pfeufer'e Zeitschrift. 11. Bd.
*••) M tt 1 1 e r * a Archiv. 1862.
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268
Ernährung der Linse.
periode bis zu der Kapsel reicht. Bei der Regeneration der aus-
geschnittenen Linse muss er durch die wässerige Feuchtigkeit hin-
durchwandem. — Verwundungen der Kapsel heilen beim Thiere
leicht, schwerer beim Menschen (Dieterich), aber sehr voll-
kommen (Donders)*). Die ausgebildete Linse soll während der
Lebensdauer in Umsetzungen begriffen sein. Ftir diese Behauptung
fehlt allerdings das beweisende Maass, aber sie ist sehr wahr-
scheinlich. Denn einmal ist die Natur der flüssigen Linsensubstanz
zur Umsetzung geneigt , und die von Berzelius, wenn auch noch
so unvollkommen beobachteten Extrakte deuten auf das Bestehen
einer solchen Umsetzung hin. Dabei braucht man aber nicht noth-
wendig an ein stetiges Auflösen und Neubilden von Linsenröhren
zu denken, obwohl dieser Vorgang Vorkommen könnte. Man fühlt
sich sogar veranlasst, an ihn zu denken, weil nur die Vorderfläche
der Linsenzellen und der Linsenränder Mittelstufen zwischen diesen
und ausgebildeten Röhren tragen. Analog der Epithelienlagen
kommen also die jttngern Formen an der Seite vor, wo die Linse
mit einer Gefässschieht, in unsermFall mit den hintern Irisgefässen
und den Ciliarfortsätzen, in Berührung ist. — Die eigentümliche
Lagerung der Linse scheint auch eine Regeneration der Eiweiss-
stoffe zu verlangen; denn es sind diese in dem Wasser der vor-
dem Augenkammer und in der Glasfeuchtigkeit löslich (Auflösung
der Linse bei der Zerstückelung), die Kapselhaut erlaubt ihren
Durchgang, also müssen sie in diese Flüssigkeiten diffundiren, und
weil sie hier nicht Vorkommen, so müssen sie auch wieder von da
entfernt werden, so dass die Diffusion zwischen Linseninhalt und
umgebenden Flüssigkeiten unverändert fortdanert. Vergiftet man nach
Kunde einen im Trocknen auf bewahrten Frosch mit Kochsalz,
so trübt sich die Linse , wobei das Eiweiss in den Röhren niederge-
schlagen wird und die lösende Flüssigkeit als durchsichtige Tropfen
inden Röhren zurückbleibt. Diese Trübung schwindet, wenn sich der
Frosch wieder erholt. Dieselbe Erscheinung lässt sich erzeugen,
wenn man einen Frosch unter 0° aufbewahrt, wobei er gefriert;
lebt das Thier in höherer Temperatur wieder auf, so kehrt die
Durchsichtigkeit wieder. — An der ausgeschnittenen Linse der
Bäugethiere lassen sich durch Kochsalz und Gefrieren die gleichen
Resultate erzielen (Kunde) **).
•) Ondentoek Ingen In bet phyalologlsch Laboratorium.
••) Würzburger Verbind lungen. VII. Bd. 1866. —
*. 376.
Jeur VII. (1865—66.) p. 17*.
Archiv fllr Ophthalmologie.
in. Bd.
Knorpel.
269
Knorpel.
1. Die anatomische Beschreibung*) theilt dem Knorpel Zellen
und eine Grundmasse zu; durch die Besonderheit dieser letzten»
unterscheidet sich der durchscheinende (hyaline) und der Netz- oder
Faserknorpel. Die Grundmasse des hyalinen Knorpels ist durch-
scheinend gleichartig, elastisch härtlieh; in sie sind Höhlen ein-
gegraben, welche in frischem Zustande vollkommen erfüllt werden
von einer zartwandigen Zelle , die einen Kern und eine bald klare,
bald mit Körnchen oder Fetttröpfchen getrübte Flüssigkeit ein-
schliesst. Ausser diesem Befund lässt zuweilen der frische oder
der mit Schwefelsäure behandelte Knorpel in der Grundmasse
noch einen Umriss sehen, der in geringer Entfernung von der
Knorpelhöhle läuft Daraus schliesst man, dass die Knorpelböhlen,
welche die Zelle einschliesst , selbst wieder eine von der Gmnd-
masse gesonderte, aus dem chemischen Stoff dieser letztem ge-
bildete dicke Hülle , die Knorpelkapsel , besitzt, ln häufigen
Fällen ist aber die Grundmasse des hyalinen Knorpels nicht gleich-
artig, sondern von Krümeln (Kalkerde) durchsetzt, welche bis in
die Knorpelkapsel reichen, oder es sind nnregelmässige Höhlen in
ihr vorhanden, welche mit Fettzellen und Blutgefässen (Knorpel-
mark) erfüllt sind. — Im Faserknorpel finden sich die Knorpel-
zellen und Knorpelkapseln eingebettet in eine faserige Grandlage.
Ihre Fasern können bald steif und geradlinig begrenzt, bald aus
den fein gewellten Bindegewebsfibrillen , bald endlich aus den netz-
förmigen, elastischen Fasern gebildet sein. An den Orten, an
welchen die Grundsubstanz durch elastisches Gewebe gebildet wird,
sollen von der Wand der umschliessenden Zellen feine Fasern
auslaufen.
2. Chemische Zusammensetzung**). — Die durchscheinende,
körnige oder glattfaserige Zwischenmasse ist vorzugsweise Chon-
•) Benl«, Allgemeine Anatomie. Leipzig 1842.— Mold er, Physlolog leche Chemie, p. 697.—
B. Meyer, Der Knorpel and «eine Verknöcherung. — Müller*« Archiv. 1849. — Donder«,
Mikroskopische und mikrochemische Untersuchungen Oder. Gewebe. Holländische Beiträge. 260. —
Derselbe, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. III. Bd. 348. — Virchow, Verbs nd langen
der physlkal. mediz. Gesellschaft In Würzburg. II. Bd. p. 152. — Remak, Ueber extracellulare
Entstehung thierischcr Zellen. - Mül ler 's Archiv. 1852, 53 u. 56 ; Entstehung des Bindegewebes
und Knorpels, ibid. 58. — Rhein er, Beiträge zur Histologie des Kehlkopf». WUrzburg 1852. —
Bergmann, Disqnlsitiones microscop. de cartllagi albus. Dorp. 1850.— Bruch. Beiträge zur
Entwicklungsgeschichte des Knochensystems. Basel 1851. p. 29 u. f. — Brandt, Disqnlsitiones
de ossificationls procesau. Dorpat 1852. — K Öllik er, Handbuch der Gewebelehre. 3. Aull.
1859. 63. — Aeby, Göttinger Nachrichten. 1867. — Füratenberg, MUllcr’fl Archiv. 1857.—
Freund, Beiträge zur Histologie der Rippenknorpel. Breslau 1858.
**) Simon, medizinische Chemie. II. Bd. 510. — Mn Id er, physiolog. Chemie. 697. —
v. Bibra, Chem. Untersuchungen über Knochen and Zähne des Menschen. Schweiufurt 1844. —
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270
Knorpel.
(Ingen. Denn cs wird beim Kochen nur die Grundsubstanz auf-
gelöst, während die Zellen ungelösst Zurückbleiben (Mulder,
Donders). Die Wand der Knorpelzellen soll annähernd die
Reaktionen des elastischen Gewebes und der Eiweisskörper dar-
bieten; der Inhalt der Knorpelzellen fährt Fett. — Der hyaline
Knorpel hiuterlässt beim Verbrennen eine Asche, die aus CI, SOs,
Püs, OOa, MgO, CaO, NaO besteht, sie enthält also kein KO. —
Von diesen Mineralbestandtheilen bildet sieh die SO3 zum Theil
aus dem Schwefel der Chondrigens ; die ganze Menge dieser Säure
soll jedoch zu gross sein, als dass sie ans dem Schwefel des ge-
nannten Körpers abgeleitet werden könnte (Schlossberger).
Die l’Os, welche mit CaO verbunden ist, scheint iu dem Chondrigen
enthalten zu sein; denn jede Chondrinlösung fährt phosphorsaure
Kalkerde. Die prozentische Zusammensetzung des Knorpels ist
sehr variabel, wie cs schon die mikroskopischen Ansichten desselben
erwarten lassen. Bibra faud Ln 100 Theileu menschlichen Knorpels
festen Rückstand 30 bis 46, und in diesem Asche 2 bis 7 Theile. —
Der Knorpel mit einer Grundmasse aus Bindegewebe liefert beim
Kochen Colla; ob auch Chondrin, ist zweifelhaft. Man erhält dieses
letztere dagegen aus elastischem Knorpel; da sich hierbei die
Knorpelzelleu erhalten und nur insofern sich verändern , als ihre
Wand sich verdünnt (Mulder, Donders, Hoppe), so muss
Chondrigen iu den Verdickungsschichten enthalten sein. Das
Zwischengewebe der zuletzt erwähnten Knorpelart ist elastischer Stoff.
Zu den Uber Chondrin mitgetheilten Thatsachon (Bd. V. p. 5<i) ist nach neuern
Beobachtungen noch hinzuzufügon , dass Hochleder und Mayr*) das Chondrin aus
Albumin dargeatellt haben, welches in einer sau e rsto fff r eien Atmosphäre mit Salzsäure
oder Baryt warm behandelt wurde.
3. Waehsthum und Ernährung, ln der Fütalperiode werden
die einfachen Bildungszellen an den Orten, die späterhin Knorpel
enthalten, allmählig grösser und nehmen statt der kugeligen eine
Eiform an, dabei verdickt sich die Wand und es mehrt sich die
Zwischenmasse. Zugleich nimmt die Zahl der Zellen in der Weise
zu, dass sie nach vorgängiger Spaltung des Kerns sieh theilen,
worauf dann ein Fortsatz der Zwischenmasse zwischen die beiden
ursprünglich zusammengehörigen Gebilde sich einschiebt (Virchow,
Hoppe, Virehow'a Archir. V. bd. — Derselbe, Journal für prakt. Chemie. 66. Bd. 12$. —
Zellinsky In Henlo's Jahresbericht flir 1853. p. 67. — Scheier, Liebig'a Annalen. 40. Bd.
p. 49. — Schlossberger, allgemeine Thierchemie. 1. Bd.
*) Wiener Akud. Sitzungsberichte. XXIV. 39.
Wachsthum des Knorpels.
271
Aeby). Die Veränderungen im wachsenden Knorpel der Gebo-
renen sind nicht an allen Oertlichkeiten Übereinstimmend. — Ver-
gleicht man die Kippenknorpel eines Neugeborenen und Erwachsenen,
so zeigt sich, dass die Gesammtsunime der Höhlen im erwachsenen
Knorpel ahgenommen , die Höhlungen selbst grösser geworden und
durch eine stärkere Einlagerung von Grundgewebe auseinander
gedrängt sind (Harting)*). Fllgt man zu diesen Erfahrungen
die allerdings noch zu beweisende Voraussetzung, dass die einmal
gebildete Knorpelzelle während der ganzen Lebensdauer Bestand
hat, so würde gefolgert werden müssen, dass Zellenraum und
Grundgewebe gleichzeitig an Ausdehnung zunebmen; zugleich aber
darf die Einlagerung auf der einen und die Auflösung auf der
andern Seite nicht gleichen Schritt halten; namentlich muss die
Auflösung öfter so weit sich erstrecken, dass zwei Knorpelhöhlen
miteinander verschmelzen, weil sonst die Zahl derselben im Er-
wachsenen nicht geringer als in der Jugend sein könnte. Neben
den geschilderten YVachstkumserscheinungen treten in den hyalinen
Knorpeln noch andere sichtbare Veränderungen auf. Insbesondere
wird die Grundsubstanz körnig, faserig, zuweilen auch so erweieht,
dass sieh kleinere unregelmässige Höhlen bilden , die sich mit Fett-
tröpfchen, Blutgefässen, Bindegewebe füllen (II. Meyer, Don-
ders). — In den Faserknorpeln dagegen, namentlich in der lig-
intervertebralia und den Synchondroseu sind ausnahmslos die Zellen-
höhlen des spätem Lebens kleiner als die des frühem; da die
ältere Waud aus eonzentrischen Schichten besteht, so scheint es
fast, als sei die Zellenhöhle durch periodisch auf die innere Wand-
fläche erfolgende Absätze verengert worden (Donders).
Der Knorpel gehört zu den Formbestandthcilen, welche sich
auch im Erwachsenen neu bilden können. Um so auffallender
ist cs, dass Knorpelwunden durch Bindegewebe heilen (lied-
fern) **).
Da der Knorpel nur änsserst selten mit Gefässen durchzogen
ist, so müssen die Flüssigkeiten durch Diffusion fortschreiten, welche
die Atome ein- und ausfilhren zum Vortheil des Stoffumsatzes,
der nach den anatomischen Beobachtungen unzweifelhaft vor-
handen ist.
Das Wenige, was wir Uber physikalische Eigenschaften kennen,
ist schon früher erwähnt (Bd. I. p. 492).
•) Recherche* micrometr. p. 76.
■•) He nie 's Jahregberlcht fUr 1661. p. 52.
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272
Knochen.
Knochen.
1. • Anatomische Beschaffenheit *). Die Knocbenmasse setzt
sich aus dünnen mit einander verwachsenen Platten zusammen,
welche in conzentrischen Lagen nm die mikroskopischen Röhren
geschichtet sind, die als Leitungsrühren der Rlutgefässcapillaren
den Knochen netzförmig durchziehen. Die Substanz der Knochen-
plättchen (also die knöchernen Wandungen der Gefässröhren), welche
öfter optisch homogen, zuweilen aber auch gekörnt erscheint, ist
abermals von einem besondem Höhlensystem, den Knochen- oder
Strahlenkörperchen und ihren Ausläufern, durchbrochen. Ein jedes
dieser Strahlenkörperchen ist nemlich nichts anderes, als eine ei-
förmige Lücke in der Knochensubstanz, von welcher eine grössere
oder geringere Zahl hohler Ausläufer ausstrahlt; die Ausläufer be-
nachbarter Knochenkörperchen anastomisiren mit einander, und
diejenigen, welche unmittelbar an die Gefässröhren und an die
Knochenoberfläche grenzen, münden frei in die erstereu und unter
das Periost, so dass durch jeden Knochen ausser dem Netz der
Gefässröhren noch ein zweites ausserordentlich viel feineres, aber
dafür dichteres und verbreiteteres, herläuft. Da die Knochen-
körperchen in den Knochensebichten in ziemlich regelmässigen Ab-
ständen gelagert sind, so bilden die Verbindungslinien derjenigen
von ihnen, welche in einer Horizontalebcne liegen und zu einem
der conzentrisch gelagerten Knochenplättchen gehören, eine ähn-
liche Form wie die Contur der Knochenplättchen selbst, d. b. die
Zellenhöhlen liegen abermals in mehreren Lagen conzentrisch um
die Gefässröhren. Zu den beiden eben beschriebenen Lticken-
systemen kommt endlich noch ein drittes sehr unregelmässig ge-
staltetes, welches vorzugsweise das Innere des Knochens durch-
zieht, wo es als Markhöhle, diploötisches oder spongiöses Gewebe
bekannt ist. — Jede der drei Hühlenarten schliesst nun auch be-
sondere Weicbgebilde ein. Die strahlenförmigen Hohlen sind bis
in ihre letzten Zweige nach V i r c h o w **) ausgekleidet mit einem
ihren Wandungen eng anliegenden Häutchen; fasst man also die
Haut der eiförmigen Höhle als einen Zellenkörper und die der Aus-
läufer als Zellenstrahlen auf, so kann man sich auch dahin aus-
tlrUcken, dass der Knochen von einem Netz strahlig verästelter,
•) H. Meyer, der Knorpel und «eine Vcrknochung. Müller’* Archiv. 1M9. — Kölllker,
mikroskopische Anatomie. II. Bd. I. Abthl.
••) WUrxbnrger Verhandlungen. II. Bd 160. — Hoppe, Vlrchow’« Archiv. V. Bd. 174.—
Vir che w, itJd. p. 446.
Chemische Zusammensetzung der Knochen.
273
anastomisirender Zellen durchzogen sei. Jedes Körperchen schliesst
ausserdem noch ein anderes kleines Zellengebilde, einen sog, Kern,
und Flüssigkeiten in sich. Die Gefässkanäle umschliessen die Blut-
gefässe, Bindegewebe, Nerven , und in den Marklllcken ist ein
Gemenge von Bindegewebe, Fetttropfen, Fett- und Markzellen,
Blutgefässen und wässerigen Feuchtigkeiten enthalten. Die Knochen-
oberfläche ist schliesslich von einer Bindegewebshaut, dem Periost,
überzogen, in welcher die Gefiisse und Nerven laufen, bevor sie
in die Gefässkanälchen des Knochens eindringen.
2. Chemische Zusammensetzung*). Der Analytiker bereitet
sich das Knochengewebe so vor, dass er einen Knochen pulvert,
das Flockige durch Schlemmen wegschafft, den schweren Boden-
satz mit Wasser und Alkohol und Aether vollkommen erschöpft.
Dieser Rest ist meist frei von Bindegewebe, Zell- und GefUsshäuten,
und das Wasser hat offenbar manche dem Knochengewebe unge-
hörige Bestandtheile entfernt. — Dieses sog. Knochengewebe enthält
an organischen Bestandteilen solche, die leicht in Säure löslich sind
(Fremy) und andere darin schwer lösliche; diese letztere nennt
man Knochenknoi;pel, sie geben bei der Verbrennungsanalyse
die prozentische Zusammensetzung der Colla, nemlieh C50,l;
117,1; N 18,4; 0 und S 24,3 (v. Bibra). — Die Knochenerde,
welche durch Einäscherung eines Knochen dargestellt wird, besteht
aus Fluorcalcium, CaOCOj, 3CaOPOo, 3MgOPO:, (Heintz). —
ln dem Waschwasser des Knochens oder in der Asche nicht voll-
kommen ausgewaschener Knochen ist noch enthalten Na Gl, NaOCOs,
HN:i, FczOs. — Nach den Analysen von lieintz, den genauesten,
welche wir besitzen, bestehen 100 Theile Knochenerde aus CaO CO2
- 9,1; 3 CaO POs = 85,7; 3MgOPOä — 1,7; CaFl — 3,0. Alle
übrigen Analysen, welche Ausstellungen inan auch sonst an ihnen
machen kann, bestätigen doch, dass immer die phosphorsaure Kalk-
erde weit überwiegt, und dass das Verhältniss zwischen den ein-
zelnen Erdsalzen durchaus kein gleichbleibendes ist. Nur wenn mau
sich mit einem Ungefähr befriedigt, kann die Annahme von Fremy
bestehen, dass auf 1 Aeq. Kohlensäure 3 Aeq. Phosphorsäure
kommen. — Der Knorpel und die Erden sind innig nebeneinander-
•) Berzelius, Lehrbuch der Chemie- IX. Bd. 1840. — Marchand, phyaiolog. Chemie. Berlin
1842. 81. — v. Blbrn, ehern. Untersuchungen etc. Schwelnftirt 1844. — Heintz, Uber die Zu-
’axnm^n Atzung der Knochenerde. Berliner Monatsberichte. 1841». 1. Heft. — Keghau Id und
Gossel in, Archiv, glnlru). du mtfd. 1849. Juliheft. — Mulder, phvsiolog. Chemie, p. CIO. —
Fremy, Annalee de chimie et pbyslque 186S. Bd. 43. p. 4«. — v. Recklinghausen, Archiv
fUr patholog. Chemie. XIII. Bd.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 16
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274
Veränderlichkeit der KnocheMusammeneetsting.
gelegt, aber nicht nach Aeqnivalenten verbunden. Man kann be-
kanntlich ans dem Knochen die Erde dnreh Säuren und den Knorpel
äureh Kalien ausziehen , ohne dass die anatomische Elementar-
struktur verloren geht.
Das Verhältniss, in dem die organischen (Knochenknorpel,
Bindegewebs - und Gefässreste) und unorganischen Stoffe im Knochen
enthalten sind, ist nicht constant. — a) Ordnet man die substantia
dura der trockenen Knochen der Erwachsenen nach ihrem Gehalt
an Erde, so erhält man folgende Reihe: os tcmporum, humerus,
femur, nlna, radius, tibia, fibula, os ilium, clavicula, vertebrae,
costae, steraum, os metatarsi, scapula. Das os tempor. enthielt
63,5, die scapula 54,5 pCt. Knochenerde (Rees)*). — Bibra fand
beim Weib eine etwas andere Reihenfolge: humerus, femur, tibia,
fibula, ulna, radius, metacarpus, os occipitis, clavicula, scapula,
costa, os ilium, vertebrae, sternum; in dem ersten Glied 69 und
in dem letzten 51 pCt. Knochenerde. Diese Unterschiede sind, wie
wohl zu merken, nur giltig für die Knochen des Geborenen, nicht
aber für die des Foetus (v. Bibra). — b) Die spongiöse Knochen-
substanz enthält einige Prozente feuerfltiektiger Bestandteile mehr
als die compakte (Rees, Fremy). Theilt man willkürlich einen
Röhrenknochen seiner Dicke nach (vom Periost zur Markhaut) in
mehrere Schichten, so hinterlässt die äussere zuweilen um 1 bis
2 Prozent weniger Asche, als die innere , zuweilen ist der Knochen
auch durchweg gleich zusammengesetzt (Fremy). Der Unterschied
zwischen schwammigen und festen Knochen verschwindet um
so mehr , je sorgsamer die anhängenden Gefässe und Bindegewebs-
theile entfernt werden (Recklinghausen). — c) An einer und
derselben Knochenstelle soll der Gehalt an Kalkerde mit dem Alter
zunehmen; so betrug er z. B. in dem Femur männlicher Individuen
beim Foetus = 59 pCt. , beim dreivierteljährigen Kinde = 56,4,
beim ftlnfjähr. 67 pCt. und endlich beim 25jähr. Indiv. 68 pCt. —
Das Steigen des Kalkgehaltes geht nun aber keinesweges in allen
Knochen gleich rasch vor sich. So nähert sich u. A. die Knochen-
substanz in den obem Gliedmaassen früher ihrem höchsten Werth
als in den untern (v. Bibra). Im Gegensatz hierzu führten
die Beobachtungen von Fremy und Recklinghausen über-
haupt zu keinem Altersunterschied. Die Knochenpunkte am Femur
•) ßerzellus vermuthet, dau die von Reea untersuchten Knochen nicht vollkommen ge*
trocknet gewesen »eien.
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Ernährung der Knochen.
275
des Foetus und den gleichnamigen Knochen des Erwachsenen und
Greises fand Fremv annähernd gleich reich an Erden. — d) Ein
bemerkenswerther Unterschied zwischen dem prozentischen Erd-
gehalt in den gleichnamigen Knochen des Mannes und des Weibes
hat sich nicht herausgestellt.
Das Knochenmark unterscheidet man seinem Ansehen nach in
ein fettes und ein gelatinöses. Das ersterc besteht vorzugsweise
aus einem sehr oleinhaltigen Fett und daneben aus einer eiweiss-
uud salzhaltigen Flüssigkeit, den Hüllensubstanzen der Mark- und
Fettzellen , aus Gefässen und Bindegewebe. Das gelatinöse enthält
dagegen überwiegend die salz - und eiweisshaltige Lösung und sehr
geringe Mengen von Fett; die beiden Markarten scheinen also Ge-
menge derselben Stoffe in verschiedenen Verhältnissen zu sein. —
Das Periost enthält die Bestandteile des Bindegewebes und der
elastischen Faser. Die Flüssigkeit, welche neben den Gefässen
die Gefässröhren und die Zcllenräume füllt, ist unbekannt. Einige
Angaben , die über den Gehalt des Gesammtknochens an Wasser
vorliegen, sind ohne Bedeutung, da dieser mit zahlreichen, zu-
fälligen Umständen, z. B. dem Markgehalt, der Menge der Zellen
und Gefässröhren u. s. w., wechseln muss.
3. Das Wenige, was von den physikalischen Eigenschaften des
Knochens bekannt ist, wurde schon Bd. 1. p. 491 mitgetheilt.
4. Ernährung *). Wo sich wahres Knochengewebe bilden will,
da entsteht jedesmal zuerst in der Nähe oder im Umfang eines Blut-
gefässes eine homogene oder faserige, wahrscheinlich collagene
Grundlage, in welche sich sternförmig verästelte Zellen einbetten,
darauf schlägt sich in der Grundlage Knochenerde, und zwar so
nieder, dass sie ein homogenes, in feinen Schnitten durchschei-
nendes Ansehen annimmt. Die Zellenhöhle und ihre Wände
bleiben dagegen nicht allein von der Inkrustation verschont, son-
dern es wachsen sich sogar die Fortsätze der benachbarten Zellen
so weit entgegen, bis sie mit einander in Verbindung treten
(Sharpey, Virchow, H. Müller, A. Baur).
Die besondem Gestalten, die das Knochengewebe in den
Skelettheilen — den sog. Knochen der Osteographen — annimmt,
wird dennoch abhängig sein von den Formen, in welchen die weiche
Grundlage des Knochens auftritt. Diese letztere wird aber hingelegt
•) Kü 111k er, Handbach der Gewebelehre. 3. Auflage, p. 83. — Banr, die BindesubaUnz
Tübingen 18&8. — H. Miller, Zeltachr. für wlas. Zoologie. IX. bd. — brach, Beitrüge zar Ent*
wickelungsgetchichte de« Knoehensy «tetns. Denkschriften der schwerer, naturf. Gesellschaft. II. Bd.
18*
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27ß
Entstehung der Knochenform.
unter dem Einfluss von bestimmt begrenzten und gebauten Gebilden,
nemlich dem fötalen Knorpelskelet mit seinem Periebondrium und
der faserhiiutigen Vorstufe der meisten Gesiclitsknoelien und der
Schädeldecke. Wo die Knoehenbildung unter dem Einfluss des
knorpeligen Skelets vor sieh geht, da entwickelt sieh zugleich die
verknöchernde Grundlage im Innern des Knorpels und an seiner
Oberfläche, zwischen ihm und dem Perichondrium. Hiebei hat mau
Folgendes beobachtet: Wenn die Bildung des Knochens im Innern
eines Knorpels stattfinden soll, so vergrössern sich zuerst an einer
beschränkten Stelle die Knorpelhöhlen und ordnen sich in Reihen
oder Strahlen an , je nachdem der Knorpel eine röhrige oder ge-
ballte Form besitzt; es mehren sich ferner die in den Höhlen ent-
haltenen Zellen und darauf lagert sich eine erdige Masse in das
Knorpelgrundgewebe ab (Knorpelverkalkung). Zu derselben Zeit
oder etwas früher haben sich auch im Knorpel Kanäle gebildet,
welche von der Knorpeloberfläche, resp. dem Perichondrium zu
den verkalkten Stellen hinziehen. Diese Kanäle enthalten Zellen,
die denen des Knorpels ähneln, in einer mehr oder weniger strei-
figen Grundlage, dann weiche markähnliche Zellen mit bindegewebs-
artiger Zwischenmasse , und endlich Blutgefässe , welche mit denen
des Perichondrium in Verbindung stehen. Die Knorpelcanäle
leiten die Auflösung des Knorpels und die Entstehung des Knochens
ein. Sie dringen nemlich in den Knorpel bis an und durch die Ver-
kalkungsstelle, verflüssigen die feste Grundmasse, welche die
Knorpelhöhlen scheidet, und bewerkstelligen es somit, dass diese
letztem Höhlen zu einem mannichfach ausgebnehteten Systeme von
Lücken zusammeufliessen. Ein Theil dieser Lücken wird mit Binde-
gewebe, Fett, Markzellen und Gefössen ausgefüllt und stellt dann
die spätem Markräume dar, in einem andern werden dagegen
strahlige Zellen und die gleichartige Grundlage, welche sich zu
wirklichen Knochen umwandeln, eingelegt. Der Knorpel wandelt
sich also nicht in Knochen um, sondern er jwird zerstört und
seinen Ort nimmt die Knochenmasse ein (A. Baur, H. Müller).
Das neugebildete Knochengewebe bleibt nun aber auch nicht immer
bestehen, sondern es löst sich oft von Neuem auf, und dann erst
findet sich statt seiner der bleibende Knochen ein. — Dieser eben
geschilderte Vorgang geht nun im Knorpel nicht überall gleichzeitig
vor sich, sondern er beginnt, wie schon erwähnt, an einem oder
mehreren Punkten ; um diese sind alle Uebergangsstufen vom
vollendeten Knochen bis zum hyalinen Knorpel zu finden. — Ein
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Wachs th um der Knochen nach der Geburt.
277
facher als im Innern ist die Entstehung des Knochens zwischen der
Oberfläche des Knorpels und dem Perichondrium ; denn hier lagert
sich gleich in conzentrischen Schichten um die Gefösse eine weiche
gleichartige oder gestreifte Schicht ab, welche verästelte Zellen
umschliesst und darauf inkrustirt. — Mit dem Vorgang im Peri-
chondrium stimmt auch der überein, welcher in der häutigen Grund-
lage der Schädel- und Gesichtsknochen beobachtet wird.
Das Fortwachsen der Skeletstücke nach der Geburt geschieht
von zwei Orten aus, nemlich von den knorpeligen Rändern (inso-
fern diese nicht an Synovialflächen stossen) und von dem Periost
aus. Die erste Art des Wachsthums ereignet sich also an den
Röhrenknochen in den Epiphysen, an den Scbädelknochen zwischen
den Nähten. Diese Art der Vergrösserung bedingt immer die An-
bildung neuer Knochenschichten, die den Knorpelflächen gleichläufig
liegen, mit einem Worte das Längenwachsthum, während die vom
Periost aus eingeleitete Verknöcherung die Verdickung bedingt. Um
den Vorgang zu verdeutlichen, hat zuerst H. Meyer ^ M
das Schema eines sich vergrössernden Röhren- f
knochens (in Fig. 51) entworfen. Wenn 12 2 1
einen Röhrenknochen der Neugeborenen und darin
2 2 das Mittelstuck , 1 2 und 2 1 die Endstücke,
I II II I dagegen den gleichnamigen Knochen des
Erwachsenen darstellt, so ist 2 11 durch Wachs-
thum und Verknöcherung des Knorpels, aa bb durch
Auflagerung aus dem Periost entstanden. Die Neubil-
dung im Knorpel sowohl wie die von der Knochenhaut
aus geschieht ganz nach denselben Regeln, die auch
für das fötale Leben giltig waren, also in den
Nähten und Epiphysen dadurch, dass fort und fort
Knorpelzellen und Zwischenmasse entstehen, dass
diese letztere verkalkt, dass dann von den blut-
gefässftthrenden Kanälen des Knochens der ver-
kalkte Knorpel wieder angefressen wird, dass sich
in die Knorpelhöhlen sternförmige Zellen und eine
strukturlose Grundlage hinlegen, welche letztere
endlich von Knochenerde durchsetzt wird. Auf
der Grenze zwischen Knochen und Periost erscheinen
dagegen, ohne dass Knorpel vorausgeht, die stern-
förmigen Zellen und die verknöchernde Zwischen-
masse.
\b
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278
Bedingungen des Knochenwaclisthum*.
lieber die Bedingungen*), welche dem Knochenwachsthum ein
Ende setzen und zugleich die Stoffbewegung in den Räumen des
fertigen Knochens regeln , ist Folgendes bekannt : 1) Die Knochen
hören meist auf nach der Länge zu wachsen, wenn ihre knor-
peligen Verbindungsstücke verknöchert sind , also : die Röhren nach
vollkommener Verknöchernng der Epiphysen, die Schädeldecken
nach Verwachsung der Nähte (H. Weber). Ob diese Regel eine
ausnahmslose ist, steht dahin, und ebenso darf sie keinenfalls
dahin verstanden werden, dass das Wachsthum nicht eher auf hören
kann, bevor nicht jene Verknöcherungen zu Stande kamen, da
die Röhrenknochen der Zwerge z. B. trotz bestehenden Empiphysen
ihr Wacbsthum einstellen (Virchow). — 2) Schneidet man bei
jungen Thieren die Kaumuskeln aus oder entleert man die Augen-
fltlssigkeit, so verdicken sieh die Knochen, welche die Höhlen be-
grenzen , nach diesen letztem hin , nicht aber gegen die Schädel-
höhle. -Dieselbe Operation fährt bei erwachsenen Thieren zu keiner
Knochenwucherung (L. Fick). — 3) Nach einer einseitigem Zer-
störung der Kieferschliesser wird der Kieferast derselben Seite
kürzer und sein Gelenkkopf dicker (L. Fick). — 4) Wenn die
Muskeln einer Extremität vor der Pubertät gelähmt werden , so
bleibt der Knochen derselben kürzer und dünner. -*■ 5) Wenn sich
die Muskeln vor oder nach der Pubertät kräftig entwickeln, so
nimmt der ■ Knochen und namentlich an den Muskelansätzen an
Masse zu. — 6) In dem Maasse, in welchem die vom Schädel
umschlossenen Weichtheile (Hirnfaser, Ganglienkörper, Blutgefässe,
Hirnwasser) wachsen, dehnen sich auch die Schädelknochen mehr
oder weniger aus. Hierbei geschieht jedoch das Wachsthum nicht
in allen Nähten gleiclimässig, sondern bald in der eineu und bald
in der andern mehr, so dass der Schädel verschiedener Individuen
trotz gleichen Hirnvoltims doch ganz verschiedene Formen darbietet,
weil nemlich das geringere Wachsthum in einer Naht durch ein
grösseres in einer andern ausgeglichen wird (H. M e v e r, Virchow). —
7) Nimmt das Markfett zu, wie dieses bei künstlicher Mästung der
Thiere vorkommt , so vergrössern sich unter Abnahme der Knochen-
•) Virchow, Entwickelung: de« Schtdelgnndps. Berlin 1857. — L. Pick, Ueber die Ur-
sache der Knochcnfonnen. Otfttlngen 1857. — Derselbe, Neue Beitrüge. Marburg
U. Meyer, Henle's Zeitschrift. N. F. 111. Bd. 166. — Schiff, Neurolog. Intersuthungcn.
Frankfurt 1855. 1. p. 122. — Freund, Hintnlngl«* der Rippenknorpel. Itreslsn 1868. — Heine,
Graefe's und Walther'« Journal. 1836. — Boussingeult, Annaleu de chlmie ct physlque.
3. Ser. XIV. Bd. 419. — Olli er, Compl rend. Dlcembre 1858. — Die ältore Literatur Hher
Knochencrnährung siche bei Schlossberger Op. citaL Knochen a. Knorpel.
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Bedingungen des Knochenwachsthum». 279
•
mas.se die centralen Markhöhlen (Boussingault). — 8) Jeder
Druck, der anhaltend auf eine bestimmte Stelle der Knochenober-
fläche wirkt, bringt hier den Knochen zum Schwinden. Dieses
ereignet sich z. B. wenn Weichtheile gegen die innere Schädel-
fläche wachsen, wo Arterien den Knochen anfliegen, wenn man
Metallplatten zwischen den Knochen und das Periost legt u. s. w. —
9) Einer Lähmung der Gefässnerven folgt an den Stellen, welche
von jenen Gcfässen versorgt werden, eine Knochenwucherung
(Schiff). — 10) Reizungen des Periosts, die eine Erweiterung
seiner Blutkapillaren zur Folge haben, bedingen Knochenwuchcrung. —
11) Umgekehrt führt eine Zerstörung des Periosts zu einem Ab-
sterben des zugehörigen Knochens. — 12) Nach einer Zerstörung
oder Entfernung des Knochens mit Erhaltung des Periosts bildet
sich der Knochen von Neuem (Knochenbrüche, Ausschälung der
Rippen aus dem Periost). (Heine.) — 13) Ucberpflanzt man das
Periost eines jungen Thieres aus seiner normalen Lage in eine
beliebige andere, gleichgiltig ob dabei die Gefässe desselben in
Verbindung mit den alten bleiben oder mit neuen sich zusammen-
finden, so wird immer an einer seiner Flächen eine Knochen-
neubildung eingeleitet. Bei schon erwachsenen Thieren gelingt der
Versuch ebenfalls , doch ist die neugebildete Knochenmasse weniger
reichlich (Ollier). — 14) Bei Mangel an Kalksalzen in der Nah-
rung erweichen die schon gebildeten Knochen, und umgekehrt be-
schleunigt ein reichlicher Kalkzusatz zur Nahrung nach einem
Knochenbruch die Knochenncubildung (Milne Edwards).
Aus diesen Thatsachen scheint sich ableiten zu lassen, dass
die Ansdehnung, welche der Knochen einnimmt, die Resultirende
ist einerseits aus einer Summe von Bedingungen, die wir kurzhin
die knochenbildenden nennen wollen, und andererseits aus den Wider-
ständen, die sieh an seinen Grenzen einfinden.
Daraus folgt, dass die Knochenroasse die Augenhöhle nicht ausfüllt, so lange der
durch die gespannten Augenmuskeln in die Höhle gezogene Bulbus wie ein Prcsskegel
wirkt, und weiter, dass die Muskeln, welche nicht mehr wachsen, durch ihre sonk-
recht auf die Epiphysen wirkenden Zugkräfte das Längenwachsth*» der Röhren hin-
dern, oder dass die Knochenneubildung in der Markhöhle gehen»# wird, wenn die
Markmasse reichlich wächst, und umgekehrt werden die Weichtheile Tordrängt bei
lebhafter Knochenentwickelung, wie bei Exostenbildung u. s. w.
Und ferner, dass obwohl uns weitaus die meisten Faktoren
unbekannt sind, welche die Knochenbildung fördern und hemmen,
zu ihnen doch zu zählen ist: der Zustand der Capillargefässe in
den Knochenkanälen und imPeriost, indem alle Umstände, welche
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280
Bedingungen des Knochenwachsthums.
die Erweiterung derselben begünstigen, die Knoehenentwickelung
fördern und die entgegengesetzten sie hemmen.
Darauf fuhren hin die Erfahrungen Uber gesteigertes K nochen wachsthum : bei
Rcizungszustand des Periosts, der Ton Gefässerweiteruug begleitet ist, ebenso in Folge
kräftigeren Zuges der Muskeln an den Ansatzpunkten, und ferner bei Ausspannung der
Schädclnuhtc durch das wachsende Hirn und nach Durchschncidung der Gefässncrven.
Dio umgekehrten Fälle finden sich aus den obenstehenden Nummern leicht heraus.
Weiter wird das Knochenwachsthum begünstigt dureh die Eigen-
schaften, welche gewisse Lebensalter mit sich führen.
Dieses ergiebt sich daraus, dass der jugendliche Knochen in die von Weichtheilen
befreiten Gruben hincinwächst, während der ausgewachsene dieses unterlässt.
Ferner wird bei sonst günstigen Verhältnissen die Knochen-
bildung durch reichliche Anwesenheit der Kalksalze im Blut ge-
fordert, so wie durch das Gegentheil gehemmt, und endlich folgt aus
Allem, dass, weil der Knochen von Geweben durchzogen und um-
geben ist, die einen veränderlichen Und dazu an verschiedenen Orten
von einanander unabhängig veränderlichen Druck ausüben können,
sich in dem Raume, den er einnimmt, abwechselnd Aufsaugnng
und Neubildung einstellen muss , so oft sich solche Druckvariationen
einfinden. Daraus wird es wahrscheinlich, dass während des ganzen
Lebens nicht bloss ein intcrmolekulärer, sondern ein auf grosse
Strecken ausgedehnter Knochcnwechsel besteht.
Die chemischen Vorgänge bei der Entstehung, Auflösung und
der Erhaltung des Knochens sind uns fast durchweg unbekannt.
Durch die Untersuchungen von Baur und Müller Uber die Um-
wandlung des vorgebildetcn Knorpels im Knochen ist festgestellt,
dass hierbei nicht wie man früher annahm, das Chondrigcn in
collagencs öewebe umgewandclt wird, sondern dass sich das letztere
sogleich als solches hinlegt.
Die Knochenkörperchen und ihre Ausläufer führen einen Saft;
man betrachtet sie darum als Vermittler des Stoffaustausches zwischen
Blut und Knochenmasse.
Die Markumbildung »oll nach Freund unterstützt werden durch Verseifung der
knhlonsauron Kalkerde, welche durch das Knochen fett unter Beihülfe des kohlcnsaurcn
Natrons und Ammoniaks der Knochon eingeleitut würde.
Nach Krappfutterung färbt sich der Knochen, uud zwar zumeist um die Gcfiss-
röhren; die Hoffnung, dass man durch solche Färbungen dem Knochenumsatz näher
kommen kann , hat sich nicht bestätigt.
Der Knochen gehört zu denjenigen Geweben, welche sich im
Erwachsenen neu bilden, und zwar auch an solchen Stellen, die
ursprünglich keine Knochenaulagen enthalten, wie H. Meyer,
- -
Zähne.
281
R. Wagner, Wittich u. A. nachweisen, welche wahre Knochen-
bildung in der Haut, der Linse, dem Glaskörper aufdeckten.
Der Fettgehalt des Knochenmarkes schwankt sichtlich mit dem
des ganzen Körpers.
Zähne.
1. Die anatomische Beschreibung*) unterscheidet an ihnen die
.Schmelzoberhaut, den Schmelz, das Zahnbein, den Kitt und das
in der Zahnhöhle liegende Mark. — Das Schmelzoberhäutchen ist
ein dünner, sehr harter und strukturloser Ueberzug des Schmelzes;
dieser selbst setzt sich aus kurzen und breiten auf dem Querschnitt
sechseckigen Fasern zusammen, die dichtgedrängt ohne verbinden-
den Stoff an einander und nahezu senkrecht auf der Oberfläche
der Krone des Zahnbeins aufstehen. — Das Zahnbein, welches
den weitaus grössten Theil von Wurzel und Krone einnimmt, ist
aus einem homogenen Grundgewebe aufgeführt, welches von zahl-
reichen feinen Röhren , den Zahnröhrchen , durchzogen wird. Diese
Röhrchen beginnen mit einer offenen Mündung in der Zahnhöhle
und laufen von ihr nach allen Seiten gegen die äussere Begrenzung
des Zahnbeins ; auf diesem Wege theilen sie sich unter sehr spitzen
Winkeln in einige Hauptäste, und aus diesen Aesten gehen zahl-
reiche Zweige ab, welche theils mit den Nachbarn, theils auch
mit den Ausläufern der Knochenhöhlen des Kitts anastomisiren.
Neben den Zahnröhren finden sich auch noch spärliche kugelige
Hohlräume in dem Zahnbein. — Der Kitt endlich ist ein feines
Knochenlager, welches die Wurzel überzieht. — Der Kern-' des
Zahnmarkes, in dem sich Gefässe und Nerven verbreiten, ist aus
undeutlichen Fasern mit cingestreuten Kernen gewebt und an seiner
gegen die Höhlenwand gekehrten Oberfläche mit einer mehrfachen
Schicht cylindrischer, kernhaltiger Zellen überzogen, die von dem
Zahnbein durch ein strukturloses Häutchen abgegrenzt werden, so
dass die Mündungen der Zahnröhren nicht direkt auf die Zellen-
oberfläche treffen. — Zur Befestigung des Zahns in den knöchernen
Zahnfächern dient das Periost dieses letztem und das Zahnfleisch.
2. Chemische Zusammensetzung **). Schmelzoberhaut, Schmelz,
Zahnbein nnd Kitt besitzen eine weiche Grundlage, in welche
Erden eingelagert sind. Die von letzteren befreite Schmelzober-
haut nähert sich ihrer Reaktion nach dem elastischen Gewebe; die
•) KO Ulk er, Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 588.
B er zell us, Chemie- 1810. IX. Bd. 651 — v. Bibra, Chemische Untersuchungen Uber
Knoehcn und Zähne. 1841. — Hoppe, Vlrchow’s Archiv. V. Bd. 185.
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282
Chemische Zusammensetzung der ZShne.
der Schmelzprismen aber den Epithelialstoffen (Hoppe); das er-
weichte Zwischengewebe im Zahnbein und Kitt ist Collagen, die
nächste Umgebung der Röhren , Kugelräume und Knochenkörperchen
aber eine besondere in kochendem Wasser unlösliche Stubstanz
(Hoppe). — Die in diesen Substanzen eingelagerten Salze ent-
halten nach Berzelius phosphorsauren Kalk und Talk, kohlen-
sauren Kalk, Fluorcalcium und Talk; die phosphorsaure Kalkerde
tiberwiegt hier in derselben Weise wie im Knochen. Die Verhält-
nisse , in welchen die organischen und unorganischen Bestandtheile
in den einzelnen der erwähnten Gebilde enthalten sind, wechseln.
In der Oberhaut und den Prismen des getrockneten Schmelzes
fand v. Bibra zwischen 3,6 bis 6,0 pCt. organische und 94,0 bis
96,4 pCt. unorganische, in dem Zahnbein 21,0 bis 29,4 pCt. or-
ganische und 79,0 bis 70,6 unorganische Bestandtheile. Aus der
Flüssigkeit, welche das Zahnmark durchtränkt, kann durch Essig-
säure ein schleimartiger Körper gefällt werden ; das Streifengewebe
desselben reagirt dem Bindegewebe nicht in allen Stücken ähnlich.
3. Ernährung. Der Entstehung des Zahns muss der Aufbau
eines besondern Werkzeugs vorausgehen, das aus einem Säckchen,
den Zahn- und Schmelzkeimen besteht. Das Säckchen ist eine
Aushöhlung in den Zahnrändem des Kiefers, die, von einer derben
Haut umgeben, nach der einen Seite von dem Knochen und nach
der andern von dem knorpelharten Zahnfleisch begrenzt wird. An
den entgegengesetzten Wandungen des Säckchens treten die beiden
Keime in die Höhle hervor und zwar der Zahnkeim von der Al-
veolarseite und der des Schmelzes von der Zahnfleischseite des
Säckchens. Damit ist zugleich ausgedrUckt, dass der erste nur
einen kleinen Theil von der Wandung des Zahnsacks bedeckt,
während der zweite dem weitaus grössten Theil der innern Wand-
fläche anliegt Umgekehrt wie der Querschnitt verhält sich die
Höhe beider Auswüchse, denn während der Zahnkeim wie eine
starke an dem freistehenden Theil verbreiterte Warze in den Zahn-
sack hineinragt, bildet der Schmelzkeim nur eine niedrige Lage. —
Beide Keime liegen in dem Sack so, dass sie mit ihren freien in
die Höhle schauenden Oberflächen unmittelbar wider einander liegen.
Sie füllen ihn jedoch nicht vollkommen aus , indem zwischendem Um-
fang der Zahn- und Schmelzgrenze ein kleiner mit Eiweiss- und
Salzlösung gefüllter Hohlranm übrig bleibt (Meissner, Magitot)*).
•) Archive» generales de Mldidne 186«. ]. Bd. p. 48flgde.
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Form folge bei der Entstehung de* Zähne.
283
Der Sehmelzkeim besteht nun, vom Zahnsäckchen aus gerech-
net, aus einer Schicht Bindegewebe mit Gefässen, dann einer
stärkern Lage schwammigen Gewebes , das von verästelten
und communizirenden Zellen durchzogen und mit einer eiweiss-
haltigen Flüssigkeit durchtränkt ist, auf diesem sitzt ein Cy linder-,
epithelium, dessen Oberfläche von einer strukturlosen Haut bedeckt
wird, auf der endlich die Schmelzprismen stehen. — Der Zahn-
keim ist an die Wand des Säckchens geheftet durch eine faserige
bindegewebsnrtige Masse, welche von Blutgefässen durchzogen ist;
auf ihm sitzt ein Zellenlager, welches gegen den Schmelz hin in
lange Aeste auswächst, zwischen denen eine strukturlose Aus-
fttllungsmasse liegt. Diese Ausläufer stossen unmittelbar an die
Schmelzprismen. Zahnbein und Schmelz wachsen sich somit ent-
gegen und werden zusammengepresst durch den Druck, welchen
die Blutgefässe und die aus ihnen geschiedenen Stoffe in dem ge-
schlossenen Säckchen erzeugen. An der Grenze von Schmelzfasern
und Zahnröhren beginnt nun auch jedesmal die Verkalkung und
zwar gleichzeitig in beiden Gebilden; Wachsthum der Grundlagen
und Verknöcherung derselben schreitet dann in dem Schmelz und
Zahnbein nach entgegengesetzten Richtungen fort. Da das Säckchen
einen starken Widerstand leistet, so muss die in dasselbe abge-
sonderte Masse allmählig die eintretenden Gefässe zusammendrücken ;
dieses wird aber zuerst denen des Schmelzkeims begegnen, weil
ihre zuführenden Arterien enger und darum auch der Strom in
ihnen schwächer ist; die Schmelzbildung ist dann natürlich ge-
schlossen. Wenn dieses geschehen ist, so verlängert sich das
Säckchen gegen die Alveolarhöhle aus unbekannten Gründen; das
Zahnbein, welches in dieser Verlängerung entsteht, kann aber na-
türlich nicht mehr mit Schmelz überzogen sein, es stellt die spätere
Wurzel dar; da die ihn umkleidende Wand des Säckchens zum
Periost der Alveolarhöhle wird, so scheidet dieses nun nach zwei
Seiten Knochensubstanz aus, nemlich auf den Zahn als Kitt und
ausserdem in den Alveolarrand. So wie nun der Wurzeltheil des
Zahns gegen den Kieferknochen sich andrängt, muss bei noch
weiterm Wachsen das nachgiebigere Zahnfleisch ausgespannt nnd
seine Gefässe zusammengedruckt werden, und darum wird der
Zahn dasselbe dnrohbrechen , wobei die zuerst gebildete Krone
durch die allmählich sich entwickelnde Wurzel vorgeschoben wird. —
Ein grösserer Theil der zuerst hervorbrechenden Zähne , die Milch-
zähne, fallen bekanntlich in der Kindheit wieder aus, um durch
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284
Fettzellen.
neue ersetzt za werden. Die neuen Zähne entstehen aber genau
wie die Milchzähne in Säckchen, welche schon in der Fötalperiode
gebaut wurden. Indem sie sich entwickeln, schieben sie nicht
einfach den alten Zahn vor sich her, sondern sie leiten eine Auf-
lösung der Wurzel ein.
Von den Milchzähnen brechen zuerst die innem und dann die
äussern Schneidezähne durch, hierauf die ersten Back-, dann die
Eck - und schliesslich die zweiten Backzähne. Der erste von diesen
Zähnen pflegt gegen den 7., der letzte gegen den 30. Monat nach
der Geburt hervorzukommen. Von den bleibenden Zähnen erscheint
zuerst der dritte Backzahn, darauf die innern Schneidezähne und
die tibrigen in einer ähnlichen Reihenfolge wie die Milchzähnc.
Das zweite Zahnen beginnt mit dem 7. und endet mit dem 18. Jahre.
Die Veränderungen, welche die ausgewachsenen Zähne dar-
bieten, sind äusserst unbedeutend. Sie beschränken sich, abge-
sehen von Krankheiten , auf eine Abnutzung der Krone beim Kauen
und die Einlagerung von Kalksalzen in die Zahnhöhle, die im
hohen Alter oft sehr verengt angetroffen wird. — Die Zahnröhren
ftibren, wie es danach scheint, keine Flüssigkeit, die umsetzend
auf das Zahnbein wirkt; ihre Wirksamkeit beschränkt sich wahr-
scheinlich darauf, das Zahnbein gleichmässig zu durchfeuchten,
wodurch die Sprödigkeit desselben vermindert wird.
Das Periost des Zahnfächers kann dagegen mancherlei Ver-
änderungen in der Zahnstellung herbeiftlhren. Namentlich kann
es einen locker gewordenen oder gar schon einmal ansgezogenen
Zahn wieder befestigen durch Anlagerung von neuem Kitt; mit
seiner Hilfe sollen sich sogar die Nerven und Blutgefässe des
Zahns wieder hcrstellen. Das Periost kann aber auch schwinden,
so dass der Zahn in dem Fächer gelockert wird, oder aber es
kann von ihm die Knochenbildung in den Fächer hinein so weit
vorschreiten, dass der Zahn ausgedrängt wird.
Dio Carics der Zähne wird durch den deutschen Namen Fäule gut beaeichnet,
da sie in einem der Fäulnis» ähnlichen von l'ilzbildung begleiteten chemischen Pro-
zess besteht.
Fettzellen.
Gemenge von neutralen und sauren Fetten Bind im mensch-
lichen Körper sehr verbreitet, sie durchtränken die Horustoffe,
schwimmen als Tröpfchen oder KUgelehen in wässerigen Flüssig-
keiten, die entweder frei (seröse Säfte, Galle, Speichel u. s. w.)
Vorkommen, oder die, mit eiweissartigen Stoffen gemengt oder ver-
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Anatomische und chemische Zusammensetzung der Fettsellen.
285
banden, Nerven und Muskelröhren füllen. Ausserdem aber sind
sie abgelagert in zahlreichen Zellen , welche von den Anatomen
als Fettzellen bezeichnet, in dem lockern Bindegewebe zu grossen
oder kleinen Haufen vereinigt Vorkommen; diese sollen hier be-
sprochen werden.
1. Anatomische Beschaffenheit*). In die strukturlose Zellen-
haut soll immer ein wandstilndiger Kerne ingelagert sein, der aber ge-
wöhnlich nur dann sichtbar wird , wenn die Zelle durch Entfernung
ihres trüben Inhalts durchsichtig gemacht wird. Der Binnenraum ist
entweder strotzend mit Fett erfüllt, das bei der Normaltemperatur
des Menschen (36° bis 39° C.) halb und auch ganz flüssig ist,
oder er enthält neben einer wässerigen Flüssigkeit Tropfen oder
Krystalle eines Fettes, oder endlich die zusammengefallene Zelle
schliesst nur wässerige Flüssigkeit in sich. Die Zellen sind an Grösse
zwar sehr variabel sowohl an den gleichen als an verschiedenartigen
Lagerungstätten ; aber an einzelnen Orten doch durch dieselbe aus-
gezeichnet; so enthält z. B. das Bindegewebe in den Markhöhlen
des Knochens constant eine kleine Art von Fettzellen (Markzellen)
(Kölliker, Kob in). Die einzelnen Zellen eines Fettklümpchens
sind gewöhnlich durch eine strukturlose Haut zusammengekettet;
in dieser verlaufen Blutgefässe.
2. Chemische Zusammensetzung**). Die Membran, welche
die Zellen zu einem Träubchen vereinigt, zeigt die Eigenschaften
des Bindegewebes. — Die Haut der Zelle selbst nähert sich, so
weit dieses aus ihrer chemischen Reaktion geschlossen werden
kann, dem elastischen Stoff (Mulder). — Der fette Antheil des
Inhalts besteht aus Tristearin, Palmitin, Olein und einem andern
ölartigen Fette (Chevreul, Heintz). Das Verhältniss, in
welchem die einzelnen Bestandtheile dieses Gemenges zu einander
stehen, bewegt sich in weiten Grenzen. Lassaigne giebt nach
einer allerdings ungenauen Methode an, dass z. B. beim Kind das
Netzfett das der Nierenkapsel und dieses das der Kreuzbeingegend
an Stearingehalt Ubertreffe. Aus der Erfahrung von Berzelius,
dass das Nierenfett des Menschen bei 25°, das Zellgewebsfett und
das der Wade aber erst bei 15° C. erstarrt, würde man auf einen
•) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 3. Auflage. 185®. p. 103 u. 2t3.
••) Mol der, Phyalolog. Chemie. Brannschwelg. p. 61». — He int*, Lehrbuch der Zoochemle.
Berlin 1853. p. 388 and 438. — Derselbe, Berichte der Berliner Akademie. 1854. p. 207 und 484.
lkld. 1857. p. 417. — Derselbe, Jouni. für prakt. Chemie. 6Ö. Bd. I. — R e d te n b sehe r, Lie-
big’s Annalen. 59. Bd. 41. — Lassaigne, Pharma*. Centr. 1851. 701. — * Berzelius, l. c.
IX. Bd. 560.
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286
Wwhsthura der Zcllenhaut.
grössem Oelgehalt des letztem schliessen dürfen, wenn Heintz
nicht dargethan hätte, dass die Fette ihre Schmelzbarkeit voll-
kommen ändern nach dem Verhältniss ihrer Gemengtheile.
Seit Chcvreul wurde auch noch die Anwesenheit des Margarins im Menschen-
fett als feststehend angesehn. Heintz, welcher die Margarinsäure künstlich darstellte,
konnte nachweisen, dass die aus dem sog. Margarin des Menschenfetts gewonnene
Säure ein Gemisch aus Palmitin und Stearinsäure sei, welches wohl hinsichtlich seines
Schmelzpunktes, nicht aber seiner andern Eigenschaften mit der reinen Margarinsäure
übereinstimmt. —
Die Zusammensetzung der Flüssigkeit, welche entweder nur
die Zellenhaut durchtränkt, oder auch einen Theil des Inhalts ans-
macht, ist noch nicht untersucht; -in strotzend mit Fett gefüllten
Zellen ist sie nur in sehr geringer Menge vorhanden (Berzelius).
Von den wesentlichen physikalischen Eigenschaften der in den Fett-
zellen enthaltenen Fettgemenge ist schon früher (Bd. I. p. 30) gehandelt.
3. Ernährung*). Die Fettzellen entwickeln sich aus Bildungs-
zellen. Beim Wachsthum des Kindes scheint der Umfang des Fett-
gewebes weniger durch eine Neubildung von Zellen als vielmehr
durch ein Wachsthum der vorhandenen zuzunehmen (Harting).
Wahrscheinlich kann jedoch im spätem Leben eine Neubildung
derselben vor sich gehen.
Der Fettgehalt des Zellenraums , der sich bekanntlich während
des Lebens beträchtlich ändert, wechselt a) mit der Nahrung. Ein
Futter, welches die Thiere mästen soll, muss enthalten: Eiweiss-
kttrper, Amylon und Fette; fehlt einer dieser Bestandtheile
und namentlich der letztere, so lagert sich kein Fett ab (Bous-
singault); zudem müssen aber auch die aufgezählten Nahrungs-
mittel in einem gewissen Verhältniss gereicht werden, wenn die
Mästung überhaupt oder wenigstens auf die vortheilhafteste Weise
gelingen soll. So bedingt ein überreichlicher Fettznsatz zur Nah-
rung eine Abmagerung aller Fettzellen, der des Netzes ausge-
nommen (Emanuel). Aehnliches gilt für Amylacea. Wenn die
eiweissartigen Stoffe •/» der Amylacea ausmachen, so gelingt dieMast
am besten, sinken sie bis auf '/s, so misslingt die Feistung, wie
reichlich man auch das Futter geben mag (Fürstenberg). —
•) Hartlug, Recherchen micromotr. Utrecht 1845. 51. — Chossat, Recherche* expdriment. *ur
l’inenition. Paria 1843. — Schuchardt, Quaedam de efTectu, quem privatlo etc. Marburg 1847. trnd
Valentin'* Jahresbericht für 1848. — Emanuel, Quacdam de efTectu, quem olea etc. Mar-
burg 1847. und Valentin'* Jahresbericht für 1848. — Lleblg in aeinen Annalen. 41. Bd. 77).
45. Bd. 113. 48. Bd. 126. — Dumas, Anuaiea de chimie et physique. VIII. Bd. 63. und XI. Bd. —
Letellier, Observation »ur l'actlon du euere, ibid. — Person, L'lnstitnt. 1844. N. »73.— Bons-
ai nga ult, Recherche* experimentale* *ur le ddveloppemcnt de graiiae. Annalea de chimie et
de phjralque. XIV. — Hoppe, Archiv fdr patbol. Anatomie. X. Bd. 144.
Füllung der B'ettzellen.
287
Die Fettmeng«, um welche die Thiere zunehmen, übersteigt den Fettge-
halt der Nahrungmittcl (Gundlach, Liebig, Boussingault). —
Bei gänzlicher Entziehung der Nahrung schwindet, das Wasser
ausgenommen, kein Bestandteil unseres Körpers so rasch, als
das Fett (Chossat, Schuchardt). — b) Unter sonst günstigen
Umständen häuft körperliche Ruhe das Fett, während es durch
Muskelanstrengung verzehrt wird. — c) Das Auftreten neuer oder
die Steigerung bestehender fetthaltenc^er Absonderungen (Eiter,
Milch u. s. w.) bedingt ein Schwinden des fettigen Zelleninhalts. —
d) Das spätere Lebensalter, insbesondere bei Frauen die Zeit jen-
seits der Menstrualperiode , sind der Fettablagerung günstig.
Um den Kinflnsa irgend einer Bedingung auf die Fetterzeugung au bestimmen,
wählt man nach Chossat und Boussingault möglichst gleiche Exemplare eines und
desselben Wurfs oder derselben Brut heraus, in denen man denselben Fettgehalt voraus*
setzen darf. Tödtct man ein Thier vor Beginn und das andere nach Vollendung der
• Venuchsreihc , so stellt der absolute Unterschied des Fettgehaltes beider Thiore, der
wenigstens annähernd eu finden ist, die Zu- odor Abnahme dea Fettes in dem der
Versuchsreihe unterworfenen Thiere dar. Dieser Unterschied stellt nun aber offenbar
nicht die ganze Menge des Fetts dar, welches von Beginn bis zu Ende des Versuchs
in den Fettzcllen niedergelegt wurde; denn der zuletzt gefundene Grad ihrer Füllung
dürfte nichts anderes sein, als der Unterschied der wahrend der Versnchszcit in ihnen
ein- und ausgetretenen Mengen. Auf die Gegenwart eines solchen stetigen Verkehrs
deuten nemlich obige Thatsachen von selbst hin.
Die Anhäufung des Fetts in den Zellen geht gewissermaassen
mit einer Auswahl des Orts von Statten. Die meiste Anziehung
zum Fett haben die Zellen der Augenhöhle, die Wangenlücken,
panniculus adiposns der Fusssohle und der Fingerspitzen und die
Markhöhlen , welche selbst in der äussersten Abzehrung nie fettleer
gefunden werden. Mehrt sich das Fett, so tritt es zuerst im pan-
nicnlus der Hinterbacken, dem Baneh, den Waden, der Brust und
gleichzeitig oder noch früher in der Umgebung des Kniegelenks
und in den spongiösen Gelenkenden auf; erst wenn hier die Fül-
lung einen gewissen Grad erreicht hat, schwellen auch die Zellen
des Bauchfells und der Nierengegend.
Nach den Erfahrungen von Liebig und Gundlach, welche
Boussingault bestätigt hat, kann kein Zweifel darüber sein,
dass das Fett des Zelleninhaltes nicht unter allen Umständen seinen
Ursprung dem mit der Nahrung eingeführten Fett verdanken kann;
aus welchen Atomen es nun aber entspringt, ob ans Amylon oder
eiweissartige nStoffen, lässt sieh nicht angelten. — Nochw eniger ent-
schieden ist die Frage, ob das Fett in die Zellen aus- und eingeführt
werde , oder ob es in ihnen selbst entstehe und vergehe. — Nach-
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288
Meohanismun zur Füllung der Fettzellen.
dem nemlich einmal die Möglichkeit der Entstehung des Fettes aus
andern in Wasser löslichen Atomgruppen des Thierleibes nicht mehr
bestritten werden kann, so gewinnt die Annahme, dass dieselbe
innerhalb der Fettzellen vor sich gehe, an Wahrscheinlichkeit, na-
mentlich wenn man die Schwierigkeiten enviigt, welche sich dem
Uebergang des Fettes aus den Nahrungsmitteln in die Fettzelleu
entgegenstellen ; kaum ist es nemlich aus dem Darmrohr auf einem
wie es scheint, bequemen .Weg in die Lymphgefäße eingegangen,
so wird jedes kleinste Tröpfchen mit einer von Wasser getränkten
Haut umgeben. Um aus dem Blut in seine neue Lagerstätte zu
kommen, muss das Fett die HUlle der Lymphkörperchen , die Wan-
dung der Capillargefässe und die Häute der Fettzellen durch-
brechen. Dazu kommt noch, dass in der Tbat bei einer reich-
lichen Fettnahrung nur die Zellen des Netzes, wohin das Fett un-
mittelbar aus den Lymphgefässen gedrungen sein könnte, sich
mit Fett fltllen. Hiergegen lässt sich allerdings einwenden, dass
es Stoffe giebt, welche dem Fette auch den Durchgang durch
Wasser erleichtern, wohin namentlich die Seifen und die Galle
zählen. Ausserdem könnte man flir die Hypothese von der ein-
fachen UeberfUhrung auch noch die Thatsache anfUhren, dass die
Steigerung der Butterausscheidung u. dergl. die Fettablagerung in
dem Bindegewebe hemme; bei genauerer Ueberlegung zeigt sich
aber sogleich, dass diese Beobachtung nur dafür cinsteht, dass
das Fett der Butter und des Eiters einerseits und des Bindegewebes
anderseits ihr Bildungsmaterial aus einer Quelle ziehen. — Zur
Entscheidung können auch nicht die Versuche von R. Wagner*),
Burdach und Witt ich**) dienen, aus denen hervorgeht, dass
eine Crystalllinse, Muskelstücke, Hollundermark u. dergl., welche
in die Unterleibshöhle geschoben werden, nach einiger Zeit sich
in Fette umgewandelt oder damit durchtränkt haben. Denn selbst
das Fett, welches in das Hollundermark abgesetzt war, kann aus
Stoffen abstammen, welche in wässerigen Lösungen in dasselbe
eingedrungen und dort erst verändert sind. Siehe hierüber noch
Michaelis***).
Das Schwinden des Fettes in den Zellen lässt sich ebenfalls
nach Analogie bekannter Fettzersetzungen wohl erklären, aber es
fehlt uns ein Beweis für das Bestehen eines solehen Prozesses in
*
•) Mittheilungon einer einfachen Methode etc. Göttinger gelehrte Anzeigen 1851.
**) W. Burdach, experimenta quaedam de cotnmutaUone etc. Königsberg 1853.
*«•) Ptager Vierteljahrachilft. IHM. UI. Bd.
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Chemische Zusammensetzung der Nervenröhren.
289
der Fettzelle. Man könnte nemlich veraussetzen , dass in dieser
letztem nach Art der oxydirenden Fettgährnng die neutralen Fette
erst in Glycerin und fette Säuren und diese dann wieder durch
allmählige Abspaltung in CjHj und CO2, HO und eine fette Säure
niederer Ordnung zerfielen. Um dieser Hypothese Eingang zu ver-
schaffen, fehlt selbst der Nachweis von Capron-, Capryl-, Baldrian-,
Buttersäure n. s. w. in dem Fettgewebe.
Nervenröhren.
1. Die anatomischen Eigenschaften derselben sind schon frtlher
(Bd. I. p. 85) auseinandergesetzt.
2. Chemische Zusammensetzung*). Die mikrochemische Unter-
suchung, deren Ergebnisse ebenfalls schon frllher erwähnt sind,
lässt die Scheide des Rohrs aus elastischem Gewebe und den In-
halt desselben aus einem Gemenge von Fetten, Eiweissstoffen,
Salzen und Wasser bestehen, v. Bibra hat die Fette und Salze
der Nerven und ebenso einige quantitative Verhältnisse derselben
im Grossen untersucht; die Fette bestehen nach ihm aus Olein
und Margarin, Cerebrinsäure , Cholestearin und einigen andern
nicht näher bestimmbaren festen und flüssigen Fettarten; die Asche
enthielt Eisen, Kochsalz und Verbindungen der Phosphorsäure mit
Kali, Natron, Kalk- und Talkerde.
Die quantitative Schärfe wird beeinträchtigt durch den Mangel an Reinheit de«
Gewebes, welches nur mit Bindegewebe und u. s. w. vermischt, der Zerlegung an-
gängig ist. — Quantitativ sind bestimmt worden die in Aether löslichen und unlös-
lichen Bestandtheile , das Wasser und die Aschen am nerv, opticus, brachialis, cru-
ralis, ein oberer und unterer Abschnitt des ischiadicus bei Menschen von 3 bis 93 Jahren,
männlichen und weiblichen Geschlechts. Diese Beobachtungen Ussen erkennen , dass
das analytische Object von sehr variabler Natur ist und in keiner Abhängigkeit zum
Alter des Menschen und der Localität des Nerven steht. So schwankt z. B. der Aether-
auszug in 100 Theilen des n. cruralis zwischen 13 und 38 pCt, im n. brach, zwischen
4 und 30 pCt. , im obern Stück des n. ischiadicus zwischen 18 und 26 pCt. und im
untern zwischen 11 und 24 pCt An Wasser enthielt ein Hingerichteter im n. ischia-
dicus oberer Hälfte rechter Seite 72,4 pCt., linker Seite 68,2 pCt., unterer Hafte rechter
Seite 69,7 pCt, linker Seite 68,6 pCt In einer andern auf gleiche Weise dargestellten
Leiche gab der n. crualis linker Seite 63,6 pCt., rechterseits 64,0 pCt. Wasser (Birk-
ner). Achnliche Unterschiede zeigt der Gehalt der in Aether unlöslichen Bestand-
theile. Dabei kommt auch kein bestimmtes Verhältniss zwischen dem Wassergehalt
und dem Aetherauszug heraus ; die Nerven mit der geringsten Menge Aetherextract er-
weisen sich allerdings am wasserreichsten, aber sehr häufig ist der Wassergehalt
zweier Nerven annähernd einander gleich, während ihr Gehalt an Aetherextract weit
von einander abweicht. — Die prozentische Aschenmenge steigt dagegegen mit der-
•) Schloasberger vergleichende Thlerchemie. I. Bd. Nervengewebe. — Bibra, L l e b i g *
Annalen. 91. Bd. — Birkner, das Wasser der Nerven Augsburg 1867.
Ludwig, Physiologie II. % Auüagc. 19
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290
Ernährung der Nervenröhren.
jenigen der in Aether unlöslichen Stoffe. Sie wechselt «wischen 1,2 bis 0,6 des feuchten
Nerven. — Die Zusammensetzung der Fette ist ebenfalls qualitativ und quantitativ
wechselvoll; gewöhnlich Qberwiegt Margarin und Olein, das bis zu 94,9 pCt des
trockenen ätherischen Auszugs sich erhebt. Die Asche besteht wesentlich aus phos-
phorsauren Salzen , unter denen bald die phosphorsauren Alkalien und bald die Erden
überwiegen. In 100 Theilen Asche hält sich das Chlornatrium zwischen 1$ und 27 pCt.
und das Eisen «wischen 1 und 2 pCt. — Der n. cruralis und ischiadicus einer ein-
seitig gelähmten 78jährigen Frau waren beiderseits sehr fettreich, der n. brachialis,
welcher gmr auf der gelähmten Seite untersucht wurde, dagegen keineswegs.
3. Ernährung. Die entstehenden Nervenröhren sollen aus ver-
längerten und mit einander verwachsenen Bildungszellen hervorgeben.
Eine vollkommene Neubildung ist auch im erwachsenen Menschen
möglich (Virchow)*), obwohl sie selten vorzukommen scheint.
Der Wiederersatz eines ausgeschnittenen Stücks Nervenrohr mit
der Wiederherstellung eines Kanals ist dagegen sehr häufig be-
obachtet und tritt, obwohl sehr langsam, im gesunden Individuum
jedesmal ein, vorausgesetzt, dass die beiden zugehörigen Enden des
durchschnittenen Nerven durch einen Zwischenraum von nicht mehr
als höchstens 8 — 12 Linien getrennt und mit ihren Schnittflächen
einander zugekehrt sind. Diese Thatsachen in Verbindung mit
den Ergebnissen, welche die mikroskopischen Beobachtungen von
Kölliker und Valentin**) lieferten, lassen darauf schliessen,
dass die beiden Enden wieder mit einander verwachsen. Im Gegen-
satz hierzu behauptet Walther***), dass das peripherische von
seiner Verbindung mit Hirn oder Rückenmark getrennte Stück ganz
absterbe und sich an der Stelle desselben ganz neue Nervenröhren
entwickelten, die mit denen im centralen Stumpf enthaltenen sich
verbinden. Hierzu würden die Erfahrungen in der Rhinoplastik
stimmen, welche zeigen, das ein aus der Stimhaut auf die Nase
gesetzter Lappen nach Jahren wieder als ein Theil der Nase em-
pfunden, also von den Nervenstämmchen der letzteren aus
versorgt wird (Dieffenbach)f). — Die Zahl der Röhren, welche
von gleichnamigen Nervenstämmen eines Kindes und eines Er-
wachsenen eingeschlossen werden, ist annähernd gleich, der mittlere
.Querschnitt der kindlichen Nervenröhren ist dagegen viel geringer,
als im spätem Lebensalter (Harting). Daraus darf wohl gefol-
gert werden, dass sich beim Wachsthum des Körpers nicht die Zah-
len, sondern nur die Dimensionen der Nervenröhren vergrössern.
•) WUrzburger Verhandlungen II. Bd. 141.
••) Lehrbuch der Physiologie. 3. Autl p. 716.
••*) Kölliker, Handbuch der Gewebelehr«. 2. Aufl. 366.
t) Romberg, Lehrbuch der Nervenkrankheiten. 1. 1. Aufl. 311.
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Hirn und Rückenmark.
291
Im ausgewachsenen Nerven setzt man einen lebhaften Stoff-
wechsel voraus; dieses gründet man in Ermangelung chemischer
Beweise darauf, dass ein Nerv seine Fähigkeit, lebendige Kräfte
zu entwickeln, rasch einbüsst, wenn ihm die Blutzufuhr abgeschnitten
wird, und sie ebenso rasch nach dem Zutritt von Blut wieder ge-
winnt. — Die einzigen sicheren Erfahrungen Uber die inneren Um-
setzungen des Nerven , hat die mikroskopische Anschauung geliefert.
Sie lehrt, dass ein Nerv der längere Zeit den Zustand der Erre-
gung entbehrt hat, blass und zusammengefallen ist nnd zuweilen
mit kleinen kernhaltigen in Aether unlöslichen Zellen (Marfels)*)
oder kleinen Fetttröpfchen gefüllt ist (L. Fick, Kölliker, Vir-
chow). Diese Veränderung kann aber, so lange als die Verbin-
dung des Nerven mit dem Hirn nnd Rückenmark noch besteht,
wieder aufgehoben werden; denn ohne diese Annahme würde es
unerklärlich sein , dass die atrophischen Muskeln und Nerven eines
Klumpfusses wieder in normale Funktion treten , nachdem durch eine
passende orthopädische Behandlung die Beweglichkeit des Gliedes
hergestellt ist. Ueber Nervenhypertrophie berichtet H. Mtlller**). —
Die mikroskopische Untersuchung thut ausserdem dar, dass ein
von den nervösen Centrcn getrennter Nerv rasch seine Struktur
einbüsst, indem namentlich das Mark gerinnt und die doppelten
Contouren verloren gehen. Diese Beobachtungen zeigen, dass der
Nerv, um seine chemische Zusammensetzung zu behaupten, eben-
sowohl der Beihüfe des Blutes, als auch der Einwirkungen bedarf,
welche vom Hirn- und Rückenmark aus auf sie zu geschehen
pflegen. Ob diese in noch etwas andern, als in der von dort aus-
gehenden Erregung bestehen, ist nicht bekannt.
Von den Ernährungsverhältnissen der übrigen nervösen Ele-
mentarformen , z. B. der Ganglienkugel, der Stäbchenschicht u. s.w.,
weiss die Physiologie noch nichts dem betreffenden Inhalt der
histologischen Lehrbücher zuzusetzen.
Hirn und Rückenmark.
1. Chemische Zusammensetzung***). Der wässerige Auszug
des Hirns enthält mehrere Ei weisstoffe, Kreatin, Mensch (W. MUL
ler), Hund, Taube (Staedeler), nicht aber das Rind (W. Mül-
ler), viel Milchsäure (Bibra, W. Müller) und geringe Menge
*) Archiv für patholog. Anatomie. XI. Bd. 200.
••) Oraefe’s Archiv für Ophthalmologie.
••*) Freroy, Annalea de chlm. et pbys. 3 »Ihme »er. 1. Bd. 403. — Bertel ins, I.ehrb. d.
Chemie. IX. Bd. — v. Bibra. Vergleichende Untersuchungen Uber das Gehirn des Menschen.
Mannh. IBM. — Derselbe In Liebig's Annalen. 91. Bd. — Hsnff n. Walther, Archiv für
19*
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292
Chemische Zusammensetzung Ton Hirn und Rückenmark.
flüchtiger Fettsäuren von der allgemeinen Formel Chn Hjn O4 (W. Mül-
ler), phosphorsanre neben Spuren von Schwefel- und salzsauren
Alkalien (Bibra). Im Hirn einer Choleraleiche fand Voit Harn-
stoff. Im Aetherauszng hat man gefunden: einen indifferenten
Körper, das Cerebrin = CmHaaNOe (W. Müller), das also den älte-
sten Angaben entgegen weder Ph. enthält, noch eine Säure ist, Gly-
cerinphosphorsäure (V), viel Cholestearin , Olein, Margarin (?) und
ein Gemenge anderer nicht näher untersuchter, fettartiger Stoffe.
Der nach Behandlung mit Wasser und Aether verbleibende Rück-
stand enthält unlösliche Eiweisskörper, die Bestandtheile der Ge-
fässe und des Bindegewebes Eisen , Kieselsäure, phosphorsauren
Kalk und Talk. — Das Verhältniss, in welchem diese Stoffe in
den verschiedenen Himtheilen Vorkommen, ist nicht gleich. John
und Lassaigne hatten schon gefunden, dass die weisse, nur ans
Nervenröhren zusammengesetzte Substanz viel reicher an in Aether
löslichen Stoffen und dagegen viel ärmnr an Wasser sei, als die
graue. Diese Beobachtung ist durch eine ausgedehnte Versuchs-
reihe von Hauff, Walther und v. Bibra bestätigt worden,
welche in der weissen Substanz 69,9 bis 70,6 pCt., in der grauen
dagegen nur 84,8 bis 86,4 pCt. Wasser fanden, während die er-
stere 14,9 bis 17,0 pCt., die letztere dagegen 4,8 bis 5,1 pCt. Aether-
extract enthielt Sehlossberger fügt hierzu die Erfahrung, dass
diese Unterschiede zwischen weisser und grauer Substanz in dem
Hirn von Neugeborenen noch nicht bestehen , indem beide zwischen
88,5 und 89,8 pCt. Wasser und 3,5 bis 3,8 ätherisches Extract
enthalten. Die Rückstände der ätherischen Auszüge aus beiden
Substanzen unterscheiden sich dadurch, dass in der weissen das
Cerebrin , in der grauen dagegen die Fettarten Uberwiegen. Chole-
stearin scheint in beiden ungefähr gleich viel zu sein (v. Bibra).
Die Asche der beiden Hirnmassen ist weder eine gleich reichliche
noch eine gleich zusammengesetzte. Die weisse Substanz liefert
um 95 pCt. weniger Asche, diese ist stark sauer, während die der
grauen alkalisch reagirt (Lassaigne, Schlossberger). Der
Grund für die saure Beschaffenheit der Asche des Markstoffes ist
gelegen in dem starken Gehalt des letzteren an phosphor- (?) und
phosphorsäurehaltigen Fetten.
phyaiolog. Heikonde. 1868. 100. — S c h 1 o aa b er g er , Liebiga Annalen. 66. Bd. 119 und Ibid.
90. Bd. 361. — B r e e d , ibid. 80. Bd. l‘J4. — W. Müller, ibid. 103. p. 131 und 106. Bd. 3«1. -
Staedeler, (Jhcm. Central bl alt 1866. 112. — Schlonberger, allgemeine Tbierchemie. L Bd.
Nervengewebe.
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Capillaron im Hirn und Rückenmark.
293
Beliebige Stücke der Hirnsubstanz, die man ohne Sonderung
der weissen und grauen Masse ausgeschnitten hatte, sind demnach
begreiflich nicht überall gleich zusammengesetzt. Vauquelin
beobachtete, dass medulla spinalis und oblongata am meisten Aether-
extract liefern, und Bibra; der dieses bestätigt, setzt hinzu, dass
von den aus weisser und grauer Masse gemischten Hirntheilen mit
abnehmendem Gehalt an jenem Extract der Reihe nach folgen : die
Grosshimhemisphären, cerebellum und pons, crura cerebri, corpora
striata und thalami optici. Diese Reihe ist nach Schlossberger
keine constante. Der ätherische Extractgehalt ist bei Embryonen
und jungen Kindern geringer, späterhin, namentlich jenseits der
Pubertät ist er unabhängig vom Alter; vielleicht dass im Greisen-
thum der Gehalt an in Aether löslichen Stoffen ab-, und der an
WasBer wieder zunimmt; dieselbe Unabhängigkeit gilt von dem
Fettreichthum des übrigen Körpers, indem magere und fette Per-
sonen ganz dieselbe Menge von Aetherextract bieten (v. Bibra). —
Um einen Begriff von der Zusammensetzung der mineralischen
Hirnbestandtheile zu geben, fügen wir eine Analyse derselben von
Breed bei. 100 Theile frischen Hirns hinterliessen 0,027 Asche,
welche in 100 Theilen aus 55,24 pyrophosphorsanrem Kali; 22,93
pyroph. Natron; 1,23 pyroph. Eisen; 1,62 pyroph. Kalk; 3,4 pyroph.
Magnesia; 4,74 Chlornatrium ; 1,64 schwefelsaurem Kali ; 9,15 Phos-
pborsäure und 0,42 Kieselsäure bestanden. Analysen der ent
fetteten Hirnmasse theilt v. Bibra*) mit.
Der Reichthum der Nervencentren an Capillargefässen ist mit
der Elementarstruktur des versorgten Orts veränderlich; die weisse
Masse enthielt weite nach der Länge des Faserverlaufs gestreckte
Maschen, die Körnerschicht, die dichtesten und engsten Netze,
die Zellensehieht steht an Gefässreichthum in der Mitte zwischen
Körner- und Zellenschicht; die äusserste Oberfläche des Kleinge-
hirns ist frei von Capillargefässen (Oegg, Gcrlach)**). Die grosse
Menge von Gefässen in der grauen Substanz erweckt die Ver-
muthung, dass dort eine lebhafte chemische Thätigkeit stattfinden
möge; diese Anschauung wird unterstützt durch die bekannte Er-
fahrung, dass das Hirn rasch abstirbt, wenn der Strom des ar-
teriellen Blutes zum Hirn oder Rückenmark nur kurze Zeit unter-
brochen ist. Gegen die obige Annahme spricht scheinbar die mehr-
fach bestätigte Erfahrung Chossat’s; dass das Hirn verhungerter
■) Vcrgl. Untersuchungen u. a. w. p. 75.
•*) Ge risch, Mikroskop. Studien. Erlangen 1858. p. 18.
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294
Ernährung des Hirns und Rückenmarks.
Thiere im Gegensatz zu Fett, Muskeln u. s. w. einen nur unbe-
deutenden Gewichtsverlust erlitten hat; eine kurze Ueberlegung
führt uns aber sogleich noch eine andere Erklärung dieser Er-
scheinung zu; denn es steht uns nichts entgegen, anzunehmen,
es sei das Hirn mit so energischer Verwandtschaft zu den Btut-
bestandtheilen begabt, dass es auch noch aus dem Blut des hun-
gernden Thiers, gleichsam auf Kosten der übrigen Organe, den
Verlust ersetze, welchen es während seines Bestehens fortdauernd
erleidet. — Wie das Hirn nach der ‘Geburt sein Wachsthum
fortsetzt, ist unbekannt. Ob alle Elemente vor derselben schon
angelegt sind , oder ob nach der Geburt noch neue entstehen, bleibt
unermittelt. Für die letztere Annahme könnte man geltend machen,
dass sich in seltenen Fällen graue Hirnmasse an solchen Stellen
und unter solchen Umständen gefunden hat, die auf eine patho-
logische Neubildung schliessen lassen (Virchow)*). — Da die
chemische Zusammensetzung des Hirns nicht überall dieselbe ist,
so wird es daraus wenigstens ganz im Groben erklärlich, warum
Gifte, insbesondere Kohlensäure und Narkotika nicht alle Orte
desselben gleichmässig angreifen, so dass z. B. Digitalin die Ur-
sprünge des n. vagus, Opium die mit dem Bewusstsein in Ver-
bindung stehenden Stellen, Strychnin die reflector. Apparate ab-
tödtet, resp. aufregt. — Dabei könnten allerdings noch andere
Bedingungen als die chcm. Zusammensetzung in Frage kommen, wie
dieses zu vermuthen ist aus einer merkwürdigen Versuchsreihe von
Kunde**): über den Einfluss der Temperatur auf die Entwicklung
des Strychnintetanus.
Er bringt irisch cingefengne Frösche in Strychninlösung und läset eie hier so
lange verweilen bis die allerersten Spuren erhöhter Reflexthätigkcit cintrcten. Setst
er sie dann in warmes Wasser (32°C), so stellt sich Tetanus ein. Hierauf entfernt er sie
aus dem warmen Wasser und hält sie in feuchtem Raume bei gewöhnlicher Zimmer-
temperatur, wo sie sich rollkommen erholen und nach 24 Stunden ohne Zeichen der
Vergiftung herumhüpfen. Sie gerathen dagegen alsbald in Tetanus, wenn man sie mit
dem Kücken auf ein Eisstück legt
Muskeln.
Der anatomische und chemische Bau der glatten und gestreiften
Muskelröhre ist schon abgeliandelt***). Zu den dort gegebenen Mit-
theilungen über chemische Zusammensetzung hat Kühnef) die
•) Gesammelt« Abhandlungen. 1*5«. Nr. ÖS*.
•*) Würsburger Verhandlungen. VIII. 1867.
•••) I. Bd. p. 421.
f) Posner, Modi*. Ccntralzeitung. 1868.
rTT
Formfolge der Muskeln.
295
Beobachtung gefügt , dass aus einem in Zuckerwasser aufbewahrten
Froschmuskel der lange gesuchte, flüssige und erst später gerin-
nende Faserstoff ausgepresst werden kann; Bloxam*) hat aus
der Ocbsenfleischbrtlhe eine neue stickstoffhaltige Säure und eine
neue Base «CisHnNjQj aufgefnnden. Das Vorkommen der Butter-
säure hat er bestätigt. Scherer**) erklärt sein Hypoxanthin
für identisch mit Streckers Sarcin. — Bei der Quellung nimmt der
lebende, noch unter dem Nerveneinfluss stehende, aber seines Blut-
stroms beraubte Muskel 20 pCt. Wasser weniger auf als der todte
(Arnold)***).
Der letztere Versuch gestaltet sich so, dass man die Gcfasse des Froschgastrocnemius
unterbindet und das Thier nach aufgeschlitzter Wadenhaut in Wasser setzt. Nach-
dem voraussichtlich die Gewichtszunahme des Wadenmuskela aufgehört hat (nach 24 Stun-
den) schneidet man denselben aus, wägt und legt ihn von Neuem in Wasser. Ueber an-
dere Eigonthümlichkeiten der Muskolquellung siehe a. a. 0.
1. Ernährungserscheinungen f). An der ersten Formung der Mus-
kelröhre betheiligt sich nach übereinstimmenden Aussagen die Bil-
dungszelle; das Wie ist dagegen streitig. — Nach der einfachsten
Annahme verlängert sich nach einer Richtung hin die Zelle, ihr
Kern theilt sich mehrmals und der Hohlraum füllt sich von der
Peripherie nach dem Centrnm mit dem Inhalt. Eine andere An-
schauung lässt die Muskelröhre aus verlängerten und mit ihrer
schmalen Seite verwachsenen Zellen hervorgehen. Eine dritte An-
nahme lässt den Inhalt der Mnskelröhre und zwar jede sog. Fi-
brille aus einer Zelle hervorgehen, mehrere solcher vereinigen sich
zur Bildung eines Bündels, das dann mit einer Haut umlagert
wird. — In der Fötalperiode entsteht ein Muskelrohr nur dann,
wenn die ihm zugehörigen Nerven vorhanden sind (E. H. und Ed.
*) Kopp'i Jahresbericht für 1857. p. 568
••) Scherer, Jahresbericht für 1857. p. 178.
*••) Die |>hysiolog. Anat. d. Cniv. Heidelberg. 1858. 104.
f) Aus einer während dea Drucke» dieses Bogens erschienenen wichtigen Abhandlung Uber Bau
und Entwicklung der Muskeln von Margo (Wiener Sitzungsberichte XXV. Bd.) hebe ich Folgendes
aus. — Das Sarcolemma ist keine Zelleiunerabran und auch nicht durch Verschmelzung von Zellen*
membranen entstanden; ea bildet alch aus dem homogenen, fibrillären Bindestoff ln Gestalt einet
elastischen Begrenzungshäutchens. — Die contrsk Ule Substanz ist das Product eigentümlicher Zellen,
welche sich durch Theilung der Kerne und Endogenes« vermehren. Ihr Inhalt wandelt sich inFleisch-
stnff um ; dieses geschieht so , dass sich Im homogenen Inhalt der Zelle anfangs sehr kleine , stark
lichtbrechende Körperchen hervorheben, die alch allmählig in Qocrrelhen längs der Zellenwand ab-
lagern; dieses Letztere wiederholt sieh so oft, bis der Inhalt vollkommen mit Fleischmasse erfüllt Ist.
In diesem Zustand steiles die Sarcoplasten inehr oder weniger abgestutxte und gebogene C'yllnder-
■plndeln dar mit deutlicher Querstreifung; sie enthalten oft 1 — 8 helle Bläschen; Zellenhaut ist ao
vollständig mit dem Inhalt verwachsen, dass sie nicht gesondert nachgewiesen werden kann. Die
8arcoplasten können Fortsätze (reiben in einfachen Reihen (mit der schmalen) oder ln mehrfachen
(mit der schmalen und langen Wand) mit einander verwachsenen. — Die ursprüngliche Längen-
und Dlckenzunahrae der Muskeirohre geschieht durch Anfügung von Sarcoplasten.
296
Ernährung der Muskeln.
Weber)*). Im erwachsenen Menschen gehört ihre Neubildung ebenso
wie die Verheilung eines durchschnittenen Rohres mit Muskelsubstanz
zu den höchsten Seltenheiten; sie ist nur wenigemal von Roki-
tansky, Virchow und Billroth**) beobachtet worden; ob sich
mit ihr gleichzeitig Nerven entwickelten? — Bei dem Wachs-
thum der menschlichen Muskeln nimmt nicht die Zahl , sondern der
Umfang der in ihnen enthaltenen Röhren zu (Harting, Hepp)***).
Damit in Uebereinstimmung fand Liebig, dass verdünnte Salz-
säure, welche die Röhrenwände und Scheiden zurücklässt, das Röhren-
mark aber löst, aus den Muskeln alter Thiere einen grössern proportio-
nalen Antheil auflöst, als aus denen junger. — Bei den Wirbelthieren
gestaltet sich die Sache anders , indem beim Auswachsen des jungen
Thiers sich auch die Zahl der Röhren mehrt (Budge, Margo)f).
Im Gastrocnemius einoa Thieres, dessen Rumpflänge = 13,0 M. M. gefunden
wurde, betrug die Zahl der Röhren 1053 und in einem andern dagegen, dessen Rumpflänge
80,0 M. M. betrug, war die Röhrensahl = 5710. Auch bei Abmagern der Frösche
soll die Röhrenzahl sich mindern und bei der Fütterung sich wieder mehren; dabei
ändert sich aber auch gleichzeitig der Röhrenumpfang (Budge).
Die glatte Muskelzelle entsteht durch Auswachsen der Bil-
dungszelle; im spätem Leben bildet sie sich sehr leicht nach ihrer
Zerstörung wieder, ohne dass die gleichzeitige Entwickelung von
Nerven beobachtet wird.
Der Inhalt des lebenden Muskelrohrs kommt niemals zu einem
chemischen Gleichgewicht, wie aus den früheren Mittheilungen
hierüber hervorgeht. Ueber die Geschwindigkeit des Stoffwechsels
fehlen Angaben ; etwas weniges ist uns nur bekannt Uber das Ver-
hältniss der zu- und abgehenden Strömung. Die Zufuhr überwiegt
den Abfluss, wenn bei hinreichender und insbesondere bei fleisch-
haltiger Nahrung die Muskeln häufig und angestrengt in Verkür-
zung gerathen. ln diesem Falle nehmen nemlicb die Muskeln an
Umfang zu. — Umgekehrt verhalten sich die Dinge bei Entziehung
der Nahrung; namentlich verdünnen sich die Muskelröhren auch,
wenn die Thiere nur mit Eiweiss gefüttert werden, so dass sie
aus Mangel an Fett oder Amylon verhungern. Doch ist die Ab-
nahme derselben dann geringer, als wenn sie umgekehrt durch
Entziehung des Ei weisses verhungern (Schuchardt) ff). Die Mus-
•) Leipziger Berichte. IMS. p. 130
••) Köl liker, Handbuch der Gewebelehre. 3. Anfl. p. 300.
•••) Harting, i. c. — Hcpp, Henle'a and Pfeafer’a Zeitschrift. N. F. IV. 157.
|) Compt. rend. 47. Bd. 587.
||) <jaaedam de effectu quem priratio etc. Marbarg 1847.
Digi^ed-by Google
Blutgefasswände.
297
kein nehmen auch an (Jewicht ab, wenn sie bei noch so guter
Ernährung lange Zeit in dem verlängerten Zustand verharren, hierbei
ist es gleichgiltig , ob dasselbe bedingt war durch Abwesenheit der
Nervenerregung, Zerstörung eines Gelenkes u. s. w. Die Um-
setzung der Stoffe im Rohr wird damit auch qualitativ geändert, da
die verkümmerten Muskeln sehr reich an Fett werden, was jedoch
H. Weber bestreitet und Böttcher wenigstens nicht bestätigt.
Die LUckensystemc , welche im Innern des Mnskelrohres
beobachtet sind, müssen für die Leichtigkeit der Zufuhr vom Muskel
zum Blut jedenfalls bedeutungsvoll sein, gleichgiltig, ob die Lücken,
wie Böttcher*) will, Ausläufer sogen. Bindegewebskiirper sind
oder nicht. — Für den Zusammenhang zwischen Muskelernäh-
rung und Muskelzusammenziehung sind die Angaben von Gun-
ning**) belangreich. Nach ihm zieht sich in Folge einer gleich-
zeitigen Nervenerregung mit dem Muskel auch die Wand der Blut-
gefässe in demselben zusammen, so dass der verkürzte Muskel
weniger Blut erhält. Nach beendigter Zusammenziehung des Muskels
erschlafft auch gleichzeitig die Gefässwand, so dass nun die Berührung
zwischen Blut und Muskel eine ausgedehntere und zugleich dcrBlut-
strom ein rascherer wird. Hiermit stimmt es, dass CI. Bernard ***)
das Blut, welches aus dem zusammengezogenen Muskel kommt,
dunkler findet, als das aus dem ruhenden zurtickkehrendc.
Die Muskeln sind öfter auch im Ganzen analysirt worden f); bei einem Mangel
an genügenden Hilfsmitteln, um Bindegewebe, Ge fasse , Fett, Muskelröhren, Blut und
Muskelsäfte su scheiden , Bind diese Beobachtungen natürlich unvollkommen ; für die
Physiologie der Muskel ernährung sind sie auch noch nicht von Bedeutung geworden ;
dagegen nehmen sio ihren wahren Platz ein in den Verzeichnissen der Nahrungs-
mittel. — Das einzige, wa* vielleicht schon hier bemerkt werden musste, ist die
Beobachtung von Schottin, nach welcher das Blutserum eines Thiers 10 pCt Wasser
mehr enthält, als die Muskeln, welche möglichst von Fett und Bindegewebe befreit
sind. Damit kommt nun allerdings die Erfahrung von Schlossberger und Bibra
nicht überein, wonach die Muskeln junger Thierc um 2 pCt. wasserhaltiger sind, als
die der ältern. — Foetale Muskeln sind sehr viel wasserreicher (Schlossberger).
Blutgefässwandungen.
Die anatomischen Eigenschaften der ausgebildeten Gefässwan-
dungen sind auf Seite 105 u. f. dieses Bandes beschrieben.
2. Die chemische Zusammensetzung ff) der Gefässhaut wechselt
mit ihrer anatomischen Struktur; je nach dieser bietet sie bald die
•) VlrchoW, Archiv. XIII. Bd.
••) Archiv lUr holMnd. Bel trüge. I. 331.
•••) Le^ons >ur Iss proprldtds des liquides. 1859. 1. p. 816.
f) Schlossberger, allgem. u. verg. Thierchemlc. 1. Bd. Muskelgewebe,
tt) Schnitze, Lleblg's Annalen. 71. Bd. *77. — Lehmsnn, physiolog. Chemie. 8. Bd. p. 64.
298
Ernährung der Blutgefäss wände.
Eigentümlichkeiten des elastischen oder eines Gemenges aus
elastischen), Muskel- dnd Bindegewebe dar. Die Flüssigkeit, welche
die grossen Arterien durchtränkt, reagirt alkalisch und enthält
ausser den Bestandteilen der Fleischflüssigkeit einen eiweiss-
artigen Körper, welcher seiner Reaktionen wegen für Casetn an-
gesprochen wird (Schulze, Lehmann).
3. Emährungserscheinungen. Die ersten Anlagen der Gefässe *)
bestehen nach Köl liker und Remak aus trüben Strängen, welche
sich aus Zellen zusammensetzen, von denen jedesmal mindestens
drei auf dem Querschnitt eines Stranges liegen. Die auf der Aussen-
fläche des Stranges gelegenen Zellen verwachsen, die gegen das
Centrum liegenden werden aufgelöst. Die primitive Röhrenwand
ist also immer nur aus Zellen zusammengesetzt; ihren spätem
Platten, Fasern, Zellen sollen zellige Auflagerungen auf die äussere
Fläche der primitiven Wand vorausgehen. Beim Auftreten aller
spätem Gefässe im Fötus und Gebomen und namentlich anch der-
jenigen, welche sich bei der Vernarbung von Wunden u. dgl.
bilden, zeigt sich dagegen eine ganz andere Formfolge. Die fer-
tigen GefUssröhren werden nach Remak und J. Meyer da, wo
eine Neubildung im Werke ist, verbunden durch sehr feine und
solide Faden, welche von einem stumpfen Ende eines bestehenden
Gefässes ihren Anfang nehmen; der Faden wird breiter und zu-
gleich erweicht sich sein Inhalt, so dass eine Höhle in ihm ent-
steht, welche sich in die anfänglich noch viel weiteren Gefässröhrcn
öffnet, und dann sich bis dahin ausweitet, dass ihr Binnenraum
Blutkörperchen aufnehmen kann. Schwann und nach ihm
K Öllik er u. A. beschreiben im Gegensatz za diesen Erfahrungen
an den Orten, wo neue Gefässe auftreten , sternförmig verästelte
Zellen ; die benachbarten Acste der Zellen erreichen sich zum Theil
und verschmelzen vollkommen, so dass die Höhlungen derselben
sich einander öffnen ; andere Ausläufer treffen dagegen auf die Wan-
dungen schon fertiger Capillargefässe, mit denen sie verwachsen;
an diesen Vcrwachsungsstellen verschwindet endlich auch die
Scheidewand zwischen Zellen und Gefässhöhlen , so dass nun die
Blutflüssigkeit aus der letztem in die erstere eindringt und den
Binnenraum derselben erweitern kann. Ausser diesen Bildungen,
die er sämmtlieh gelten lässt, beschreibt Billroth noch zwei andere;
•) KO 11 ik er, mikroskopisch« Anatomie. II. 9. AbtheMf. — Remak, Untersuchungen über
Entwickelung der WirbeUhlere. Berlin 1861. 13. — Joe. Meyer, Annalen der Berliner Charltl.
IV. Bd. p. 41 — Billroth, Untersuchungen Uber Entwickelung der Blutgcfaaec. Berlin 1866.
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Hili.
299
nach der einen sollen reihenweise aneinander gelagerte Zellen an
ihren Berühnngsstcllen verwachsen, die ihre Höhle trennende Scheide-
wand soll verschwinden und der Inhalt der Zellen sich in Blut um-
wandeln. Nach der andern verwachsen zwei Reihen spindelförmiger
Zellen erst untereinander und dann die eine Reihe mit der andern,
jedoch so, dass eine, der Längenrichtung der Reihe parallele Höh-
lung (also ein Zwischenzellenranm) übrig bleibt. — Die fertigen
Capillaren wandeln sich nun unter gewissen Bedingungen in Ge-
lasse höherer Ordnung uro, indem sich ihre Höhle ausweitet
und ihre Wand durch Auflagerung von elastischem und musku-
lösem Gewebe verdickt. Dem Anschein nach spielt hierbei der
Blutdruck selbst eine Rolle, in der Art, dass wenn derselbe zu-
nimmt, auch die Höhle und Wandung umfänglicher werden. Diese
Meinung gründet sich auf die Erfahrung, dass sich die Aeste eines
Stammes erweitern, wenn dieser letztere unterbunden wurde, eine
Erscheinung, welche bei den Chirurgen unter dem Namen der Ent-
wickelung des Collateralkreislaufes bekannt ist.
Die eiweissartigen Bestandteile der Gefässwand und wahr-
scheinlich diejenigen .der Muskelzellen setzen sich während des
Lebens in andere Atome um, wie dieses aus der Untersuchung der
sie durchtränkcnden Flüssigkeit hervorgeht. Unter welchen Be-
dingungen dieser Stoffwechsel steigt und fällt und wie umfangreich
er überhaupt ist , wissen wir nicht. Man könnte vermuten, dass er
nicht unbedeutend wäre, wenn man die zahlreichen Capillaren, welche
sich in der Wand der grossem Arterien verbreiten, bedenkt. — Die An-
wesenheit dervasavasoram gewährt ausserdem noch Interesse, weil sie
zeigt, dass die tunica elastica der grösseren Gefässe die Stoffe, welche
zur Mnskeleraährang notwendig sind, nicht in genügender Menge
durchlässt , obwohl das Blut unter einem hohen Druck in ihnen strömt.
Die Neubildung von üefässen in Geborenen ist von Bruch, Rokitansky’
W e d 1 •) u. A. abweichend von den gegebenen Mittheilungen dargeetellt worden,
worüber die untenstehende Literatur und die auf sehr genaue Untersuchungen ge-
stützten Gegenbemerkungen von J. Meyer und H e n 1 c nachzusehen sind.
Die Milz.
1. Anatomische Zusammensetzung**). In den Rau der Milz
gehen ein : die Kapsel mit ihren Fortsätzen (die sog. Balken), Blut-
•) Brach, Diagnose der bösartigen Geschwülste. Mainz 1847. — Rokitansky, patholog.
Anatomie. l.Bd. Wien 1846. p 271. — Wedl, Zeltachr. d. Wiener Aerzte. IX. Jahr;. I. Bd. 495. —
Engel, Zeltachr. d. Wiener Aerzte. IV. Jahr;. I. Bd. 1. — He nie; Jahresbericht für 1851. p. 4L
••) Ecker, Wipir'i Handwörterbuch. IV. Bd. 180. — K ö 1 1 1 k e r , Handbuch der Ge-
webelehre. 3. Aufl. 1859. 454. — Derselbe, Würzburger Verhandlungen. VII. Bd. — Hlasek,
de struetura licnls. Dorpat 1853. — Gray, on the atracture and use of the eplten. 1854.
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300
Bau der Milz.
und Lympbgefässe, Nerven, die Milzbläschen und das Mark. —
Kapsel und Balken sind aus den Elementen des Bindegewebe» ge-
formt. Die Kapsel, welche die übrigen anatomischen Bestandteile
der Milz einscbliesst, sendet von ihrer innern Fläche zahlreiche
Fortsätze aus, die sieh vielfach verästeln und sich untereinander
verbinden, so dass im Hohlraum der Kapsel ein Netzwerk mit
weitern und engem Maschen entsteht. — Die Blutgefässe stülpen
an ihren Eintrittsstellen die Kapselwand in den Hohlraum , oder mit
andern Worten, sie überziehen sich mit einer Scheide, welche letztere
die grossen Stämme der Venen und Arterien nebst Lymphgefässen
und Nerven umkleidet, und schliesslich, indem sie den feinen
Arterienzweigen folgt, mit eingeht in das Balkenwerk der Milz.
Die Arterien zerfallen nach ihrem Eintritt in den Milzraum sehr
rasch und vertheilen sich schliesslich, ohne dass ihre Aeste vorher
communiziren in Capillaren. Diese letztem gehen zum Theil in
die Kapsel, zum Theil auf und in die Milzbläschen (K öl liker,
Gray) und die übrigen endlich unter VerluBt ihrer selbsständigen
Wandungen in die Räume, welche zwischen der zu Häufchen ge-
ballten Pulpa verbleiben (Gray). Die Venen entspringen theils
aus den Capillaren der Kapsel, theils sammeln sie sich in reich-
lichen Netzen auf der Oberfläche der Milzbläschen und endlich gehen
auch feine Aeste aus den Räumen hervor, in welche die Pulpa ein-
gelagert ist (Hlasek, Gray). Mit Rücksicht auf die letzteren Ge-
fässe wäre es erlaubt, die von den Balken umschlossenen Räume als
sehr erweiterte Gefässhöhlen anzusehen, die mit Milzmark gefüllt
und mit feinen Ein- und Ausmündungen von GefÜsscn begabt wären.
Die Wandungen der Blutgefässe sind im Allgemeinen dünn;
auf ihrer innern Fläche mit einer Oberhaut aus Spindelzellen be-
kleidet und in ihrer Media mit Muskelzellen versehen. — Die
grössem Lymphgetässstämme folgen den Blutgefässen; Uber ihre
Anfänge steht nur so viel fest, dass ein Theil derselben aus dem
Mark und ein anderer von der Milzoberfläche sich sammelt. — Die
Nerven, zum kleinsten Theil aus doppeltrandigcn Röhren, zum
grössten aus Rem ak’ sehen Fasern zusammengesetzt, folgen den
Arterien, an deren feinsten Zweigen sie noch aufznfinden sind ; wie
und wo sie enden , ist noch anfzudeeken. — Die Miizbläschen sind
kleine kugelartige Kapseln , welche vorzugsweise von Lymph-
körperchen, freien Kernen und einer geringen Menge von Flüssig-
keit ausgefüllt sind, zwischen denen sich ein Capillaraetz aus Blut-
gefässen ausbreitet; dieses zieht seinen Ursprung aus einem be-
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Chemische Zusammensetzung der Milz.
301
sondern kleinen Arterienästchen , welches die Kapsel des Bläschens
durchbohrt Das Blot sammelt sich dann wieder in dem schon
oben erwähnten Venennetz. Die Milzbläschen, welche ihre Lagerungs-
stätte in den Scheiden an den Aesten der Arterienpinsel haben,
sollen ihren Uohlraum in die Lymphgefässe öffnen. Diese An-
nahme, welche aus ihrem, den Lymphdrtlsen analogen Bau hervor-
gegangen ist, würde, wie es scheint, bewiesen sein, wenn sich die
Beobachtung von Gerlach bestätigte, welcher die in ihre Arterien
injizirte Leimmasse in die Lymphgefässe übergehen sah , wenn die
ersteren in Folge des Injektionsdruckes gerissen waren. — Das
Mark, welches mit vorsichtiger Vermeidung der Milzbläschen heraus-
genommen wurde, enthält ausser Gefässen und Bälkchen: die Deck-
zellen der Gefässwand, Lymphkörperchen, freie Kerne (?) , kleinere
und grössere farblose Zellen entweder mit einem und mehr Kernen
oder auch nur mit Körnchen im Inhalt, in reichlicher Menge sehr
feinen Molekularstaub ; ausser den bis dahin aufgezählten farblosen
Formbestandtheilen kommen noch vor: reichlich rothe Blutscheibe,
unregelmässig geformte, an umgewandelte Blutkörperchen erinnernde
Zellen, bräunliche und rothbräunliche , einzeln oder geballt lie-
gende Körnchen von sehr ungleicher Grösse entweder frei oder
in Zellen eingescblossen , und endlich auch zuweilen bei Menschen
Blutkörperchen haltende Zellen. Ob die Hülle, welche ein solches
Häufchen von Blutkörperchen umgiebt, eine wohlorganisirte Zellen-
haut, oder nur ein verbindendes Faserstoffgerinnsel ist, lassen einige
Anatomen dahingestellt sein.
In dem Mark einiger sehr junger Thiere fand K ö 1 1 i k e r noch kleine , gelbliche,
den Blutkörperchen sehr ähnlich geformte Zellen, dann fein granulirte Zellen mit 4 bis
10 Kernen und biequitformige Zellen mit zwei Kernen.
Die farblosen Gestalten machen meist und namentlich in wohl-
genährten Thieren die Hälfte bis bei zwei Dritttheile des Milzgewebes
aus (Gray). Wenn, wie es in solchen Fällen meist vorkommt, zu-
gleich das Gesammtgewicht der Milz gewachsen ist, so kann daraus
ohne Weiteres auf eine Vermehrung der farblosen Gebilde geschlossen
werden. Im hungernden Tbier nimmt mit dem Milzgewicht zugleich
die Verbältnisszahl der farblosen zu den farbigen ab (Gray).
2. Chemische Zusammensetzung*). Die Zusammensetzung des
Milzblutes ist schon S. 33 abgchandelt; dort wurde auch auf den
•) Scherer, Würzburger Verhandlungen. Bd. II. 408. — Gray, on the atructura etc. 1864. —
Oidtmaoo, die anorganiachen Beatandthelle der Leber und Milz. Linnich 1868.— Gorop, Lie-
big’a Annalen. 98 Bd. 1. — Cloetta, ibld. 99. Bd. — Frerlcha und Staedeler, Verband-
langen der natarf. Geeellaehaft in Zürich. IV. Bd.
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302
Eigentümliche Stoffe der Milz, Milzasche.
Einfluss des Blutetroms auf die Zusammensetzung hingewiesen. —
Das Milzmark, wie es der Chemiker untersucht , stellt ein Gemenge
ans Blntgefässwandnngen, Balken, dem Inhalt der Blut -, der Lymph-
gefSsse und der Milzbläschen und endlich aus Pulpa im anato-
mischen Sinne dar. Diesem entsprechend kann es nur von Belang
sein, ob in ihm ausser den bekannten Bestandteilen des Blutes u.s.w.
noch andere, der Lymphe, dem Blut u. s. w. gar nicht, oder wenigstens
nicht in solcher Menge zukommende Stoffe enthalten sind, ln derThat
wnrden als solche aufgefunden: Inosit(Cloetta), Milch-, Butter-,
Essig-, Ameisen-, Harnsäure , Sarcin (Scherer), Leucin (Fre-
richs und Staedeler), ein Homologon des Leucins (Gorup),
einige andere noch unbestimmbare stickstoffhaltige Krystalle
(Cloetta), Cholestearin , ein eisenreieher eiweissartiger Körper
(Scherer), mancherlei Farbstoffe. — Die Milzasche fand Oidt-
mann in 100 Theilen bestehend aus:
i
Mann.
Weib.
Neugeborner.
CI
0,55
1,31
33,03
PhOs
27,11
18,87
9,53
SOa
2,54
1,43
0,50
SiOs
0,07
0,72
0,95
KO
9,19
17,41
J 43,87
NaO
43,30
35,12
CaO
7,50
7,26
3,35
MgO
0,39
1,02
0,20
FejOj
7,27
16,20
—
MgO
0,08
0,04
—
CuO
0,01
0,40
—
PbO 1
—
0,03
—
Bemerkenswerth ist der geringe Gehalt an CI und der grosse
an Phosphorsäure und Eisenoxyd. Dieses Verhalten geht auch
aus einer schon früher angestellten Analyse von Gray hervor, welche
insofern abweicht, als sie mehr Kali als Natron findet
lieber quantitative Bestimmungen des Wassers, der Extrakte, der EiweUskörper,
des Aschegehalte« der frischen Mil* siehe Gray nnd wm Theil Oidtmann.
In den Milzbloschen beobachteten Virchow*) und Meckel einen Stoff, welcher
nach Zusatz von Schwefelsäure nnd Jod hellruth oder blassblau, nach Zusatz von
Schwefelsäure und Jod schon blau, ähnlich wie die Stärke, gefärbt wird; er wider*
•) Vlrcbow, Archiv f. patbolog. Aast. VI. Bd. p. 136. 2fi8. 41C. — Luschka, Ibld. 971.—
Do adern, NederUad. Lautet. 18M. p. 978. — H. Meckel, Aanalen der Berliner Charit*. IV.
p. JM.
Digitnrcd by Goeglöi
Blutstrom in der Mil*.
303
•teht der FäülnisB viel längere Zeit , als die meisten eiweissartigen Körper , und ist in
Aether unlöslich (Naegeli). Dieser Körper, den man ftlr Cholestearin oder einen
stärkeartigen Stoff ansah, ist von Kekule durch die Elementaranalyse in die Eiweiss-
reihe gewiesen worden.
Die Milzlymphe unterscheidet sich, so weit bekannt, dadurch
von anderer, dass sie häufiger, und zwar ebensowohl während der
Verdauungsperiode (Tiedemann, Gmelin), als auch während
des Hungers (H. Nasse) Blutkörperchen enthält.
3. Der Blutstrom in der Milz *). Das Strombett des Milzblutes
ändert sich mit der Erregung, welche die Muskelnerven in der
Milz trifft; denn unter der Voraussetzung, dass der Blutstrom un-
verändert vor sich geht, zieht sich die Milz nach Reizung ihrer
Nerven zusammen und nach Durchschneidung vergrössert sie sich
(Jaschkowiz). Die Zusammenziehungen geschehen jedoch so
allmählig, dass die Zunahmen der Geschwindigkeit, welche das Blut
durch die Muskelbewegung als solche erfährt, kaum in Betracht
kommen können. — Ausser der hierdurch gebotenen Veränderung
in der Spannung und Geschwindigkeit des Blutstroms wird auch
eine solche eintreten je nach der Gestaltung der Widerstände in
den Capillargefässen des Magens , Darms und des Pankreas. Denn
das Blut , welches aus allgemeinen im Kreislauf überhaupt gelegenen
Gründen in die Arteria coeliaca eindringt, muss durch die Capillaren
der Milz und der so eben genannten Organe abfliessen. Es wird
sich also die Spannung und Geschwindigkeit des Blutes und damit
der Umfang der Milz mehren, wenn die Durchgängigkeit der andern
aus der A. coeliaca hervorgegangenen Capillaren verringert ist,
während sich im umgekehrten Falle die Milz verkleinern wird. —
Diese Bemerkung verdient deshalb eine Berücksichtigung, weil
die Milz in den Verdauungszeiten Veränderungen ihres Volums
zeigt; bliebe der Erregungszustand der Milznerven, also die Wider-
standsfähigkeit der Milz sich gleich, so müsste sie während der
gesteigerten Absonderung des Magensaftes und Bauchspeichels zu-
sammenfallen, denn zu dieser Zeit sind die kleinen Arterien, resp.
die Capillaren am Magen und Pankreas erweitert; nach dem Ver-
russ der genannten Zeit müsste sie dagegen schwellen. Ob und
in wie weit diese Bedingung den Umfangsveränderungen der Milz
zu Grunde liegt, ist unbekannt. — Die in die Milz wirklich ein-
tretende Blutmenge vertheilt sich auf ihre drei verschiedenen Capillar-
•) Müller'* Handbuch der Physiologie. 4. Auflage. 488. — Jas hkowitz, Virchow's
Archiv. XI. Bd. 335. - L. Fick, Archiv fUr Phys. 1858.
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304
Stoffbewegung in der Mil*.
Systeme. Gehen immer dieselben Bruchtbeile des Blntes durch
jedes der drei Gefössarten? — Höchst eigentümlich muss der
Strom in den Lücken der Pulpa sein, insofern er hier wirklich ohne
besondere Wände verläuft; denn dann werden Blut- und Lymph-
körperchen des Blutsstroms hängen bleiben und dafür Zellen des
Markes ausgespült werden. Darauf deuten nun allerdings die Er-
fahrungen, dass in dem Milzaderblut Formbestandtheile der Pulpa
Vorkommen. Je nach der Form der Lücken und dem Gehalt des
Blutes an aufgeschwemraten Theilen müssen verschiedene Mengen
der letzten hängen bleiben , wodurch ebenfalls eine Schwellung des
ganzen Organs möglich wäre, ebenso wie nach Ausschwemmung
der Pulpa in die Arterien und einer davon abhängigen Wegräumung
der Stromhindernisse die Milz zusammenfallen müsste.
4. Stoffbewegungen im Milzparenchym.
a) Der Inhalt der Bläschen ist unzweifelhaft in einer chemi-
schen Bewegung, veränderlich nach Art und Grösse, begriffen. Bei
Thieren findet man dieselben nemlich bald prall und bald nur wenig
gefüllt. Gray fand sie bei Thieren zuweilen bo ausgedehnt, dass
sie nach ungefährer Schätzung ein Viertel des Milzvolums ein-
nahmen ; in andern Fällen sind sie kaum oder gar nicht mit blossem
Auge sichtbar; ihr Volum beträgt dann kaum die Hälfte von dem
eben erwähnten. Dieser Unterschied stellt sich nach Ecker auch
dann noch heraus, wenn man die Gefässe, welche aus dem Hilns
der Milz austreten, nach dem Tode sogleich unterbunden hat. Da
sich der Inhalt der Bläschen immer rasch minderte, wenn diese
Vorsichtsmaassregel unterlassen wurde, so sind nur die Beobach-
tungen brauchbar, bei welchen die Grösse der Bläschen unter ähn-
lichen Bedingungen mit einander verglichen wurde. Unter die Um-
stände, welche den Bläschenumfang verändern, zählt Gray 1) den
allgemeinen Ernährungszustand des Körpers ; je günstiger derselbe,
um so grösser sind sie. Bei abgemagerten Thieren werden sie
dem blossen Auge unsichtbar. Ecker fand im Gegentheil bei
hungernden Katzen die Bläschen auffallend deutlich. — 2) Die Art
des Futters; bei einer Nahrung aus Fett und Fleisch, Milch und
Brod, gekochtem Eiweiss waren die Körperchen gross und bei
reichlichem Wassergenuss (eingeweichtem Brod) zerfliesslich. Klein
waren sie dagegen nach Genuss von trockenem Brod, Fett und
Gelatine oder Faserstoff. Die Grösse und Zerfliesslichkeit der
Bläschen nach reichlichem Wassergenuss behauptet auch Spring. —
3) Die Verdauungsperiode; einige Stunden nach vollendeter Magen-
Stoffbewegung ln der Milz.
305
Verdauung (15 Stunden nach eingenommener Nahrung) sollen sie
am geschwollensten sein Dieses gilt jedoch nur flir gut ernährte
Thiere; bei bedeutend abgemagerten zeigt sich kein Einfluss der
Verdauungszeit. — Auf eine Verschiedenartigkeit des chemischen
Umsatzes weist die wechselnde Consistenz und Färbung des Bläschen-
inhaltes hin; Ecker und Giesker fanden ihn zuweilen zu einem
Klümpchen geronnen, Spring und Ecker zuweilen röthlich oder
gelb, während er von den übrigen Beobachtern als farblos an-
gegeben wird. In menschlichen Leichen ist das Milzbläschen ge-
wöhnlich nur dann deutlich sichtbar, wenn der Tod plötzlich oder
während der Verdauung erfolgte (v. Hessling); seine häufige Ab-
wesenheit erklärt sich entweder aus einer rasch eintretenden Fäul-
niss, oder aus der dem Tod vorangegangenen Abmagerung.
b) Das Mark der Milz im engem Sinne scheint ein Ort zu
sein, in welchem für gewöhnlich eine Neubildung und unter Um-
ständen auch eine Zerstörung von Blutkörperchen angebahnt und
vollendet wird. Für die Neubildung spricht (nach Gerl ach,
0. Funke u. A.) die reichliche Anwesenheit farbloser Zeilen im
Milzvenenblut. Bedenken gegen diesen Grund wurden schon bei der
Zusammensetzung des Milzbluts erwähnt. — Ferner enthält das Milz-
mark alle möglichen Formübergänge von den farblosen zu den rothen
Körperchen, und endlich spricht für eine Zellenneubildung auch das
ausserordentlicheUebergewicht derfarblosen Blutzellen und dasZurück-
treten der farbigen, welches nach Virchow mit einer eigenthüm-
lichcn Krankheit der Milz, dem Tumor derselben, Hand in Hand
geht. In der That ist nach den Beobachtungen unseres berühmten
Pathologen das Missverhältniss beider Blutzellenarten so gross, dass
das Blut statt der normalen rothen eine weisse Farbe annimmt. —
Für die Zerstörung der Blutkörperchen in der Milz führen Ecker
und Köl liker die häufig gefundenen verschrumpften Körperchen,
die Pigmenthäufchen und die reichliche Anwesenheit eines eisen-
haltigen Aschenbestandtheils an. Beide Behauptungen könnten in
der That bei den Eigentümlichkeiten des Blutstroms in der Milz
und der Bildung des Milzmarkes, das einer Lymphdrtlse nicht ganz
unähnlich ist, wohl neben einander bestehen.
c) Milz im Ganzen. Ueber die Bedingungen und den Ort der
eigentümlichen ehern. Umsetzungen in der Milz, von deren Gegen-
wart Scherer, Cloetta, Frerichs und. Staedeler Zeugniss
ablegen, ist man ganz im Unklaren. Da das Blut, welches aus
der an Milchsäure reichen Milz zurlickkehrt, alkalisch reagirt, so
Ludwig, Physiologie □. 1. Auflage. 20 ♦
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306
Milz, Thymus.
kann wenigstens mit Bestimmtheit behauptet werden, dass diese
Säure entweder in den Zellen des Marks oder in der Flüssigkeit des
Balkengewebes entsteht.
d) Die ganze Milz eines wohlgeflltterten (nicht aber des magern)
Thieres soll nach Gray 10 bis 15, nach Schönfeld*) aber
5 Stunden nach der letzten Fütterung am schwersten sein. Dass
diese Schwellung, welche durch Wägen der ausgeschnittenen Milz
ermittelt wurde, nicht von einem Mehrgehalt an Blut überhaupt
herrühre, scheint sich aus dem geringen Cl-Gehalt der Milzasche
zu ergeben.
e) Verglichen mit dem Körpergewicht, nimmt sie vom Neugebornen
(1 : 350) bis zum Erwachsenen (1 : 320 bis 400) nicht wesentlich
zu oder ab, im höheren Alter soll sie relativ klein werden (1 : 700)
(Gray).
Die Ausschneidung der ganzen Milz erzeugt keine merklichen
Folgen, wie schon im Alterthuin Plinius wusste und in neuerer
Zeit Czermak, Quittenbaura, Bardeleben u. A. genauer
beobachteten. Die Erfahrung, dass nach dieser Operation die weissen
Blutkörperchen sich mehren und die Lymphdrüsen anschwellen, ist
nicht constant. Bemerkenswerth scheint es, dass die Thiere die
Operation schwieriger überstehen, wenn ihnen vorher die Schild-
drüse genommen war. Siehe noch Thymus.
Die Literatur giebt Simon *•). — Ueber eigentümliche Folgen der Milz-
exstirpation bei Fröschen, welche Gerl ach und Eberhard ausführten, ziehe den
letzteren.
Thymus.
1. Ein Gerüst ***) aus Bindegewebssträngen fasst zahlreiche,
ringsum abgeschlossene Säckchen in sich. In dem Gerüst ver-
laufen Nerven, Lymph- und Blutgefässe; der Hohlraum der Säck-
chen ist gefüllt mit einem Capillarnetz von Blutgefässen , in dessen
Zwischenräumen neben wenig Flüssigkeit Fettmoleküle , freie
Kerne oder Kernzellen und conzentrisch geschichtete kugelige Körper
gelegen sind. In den um die grössem Gewebe liegenden Binde-
gewebssträngen sind nicht immer, aber doch häufig grosse canal-
artige Lücken enthalten, die entweder nur den, die beiden Drüsen-
•) Mtlsiner'i Jahresbericht fUr 1666. p. 235.
••) Die Exstirpation der Milz am Menachen. Giessen 1657. — Eberhard, Beitrüge zurMorphoI.
und Funkt, d. Müz. Erlangen 1056.
***) Kill liker, Handbuch der Gewebelehre. 3. Anti. 1959. p. 488. — Jendrassik, Wiener
akad. Sitzungsberichte. XXII. 76. — Ecker, Hamlworterb. d. Physiologie. IV. Bd. — Berlin»
Archiv für Hollind. Beitrüge. 1667. 1. Bd. 232.
Chemische BesUudtheilu der Thymus.
307
hälften verbindenden Bindegewebsstrang, oder auch die seitlichen
Bindegewebsäste aushöhlen, ln diesen sog. Central- und Neben-
höhlen, die weder durch eine eigene Haut, noch durch ein Epithelium
abgegrenzt sind, kommen dieselben Elementartheile wie in den
Bläschen vor (Simon, Ecker, Kölliker, Jendrassik). Die
Nerven stammen nach Durchschneidungsversnchen aus dem Ganglion
cervicale infirn. und thorac. I. (Fried leben).
Rentelli und nsch ihm Friedleben fanden in dem Blut der vena thymica 9
die Kerne aus dem Inhalt der Thymussäckchen. Daraus würde au schliessen »ein, dass
die Gefdsshöhleu mit denen der Säckchen in offener Verbindung standen.
2. Ausser dem Collagen *), Elastin u. s. w. des Gerüstes und
der GefÜsse, den Eiweisskörpern und Fetten des Bläscheninhaltes
wurde gefunden Ammoniak, Leucin (Frerichs und Staedeler),
Hypoxanthin, Bernstein-, Milch-, Essig-, Ameisensäure (Gorup),
Zucker (Friedleben). — Die lösliche Asche enthält vorzugs-
wesie Kali, weniger Natron, Basen, die meist an Pljft, , zum ge-
ringem Theile an CI und nur in sehr kleinen Mengen an S03 ge-
bunden sind (Staedeler und Frerichs, Gorup). Fried-
leben fand in 100 Theilen der
gesammten Asche
1
KO
NaO
CaO
MgO
C1
; PbOo i
SOs
Kalb von 3 Wochen j
32,8
16,6
104
; 4,3
54"
30,0
0,6
Rind von 12 Monaten,'
32,3
23,7
6,7
2,4
2,0
1 32,4 1
0,6
Die ganz frische Thymus reagirt nach Staedeler und Frerichs neutral;
später reagirt sie sauer; dieser Widerspruch lösst sich vielleicht dadurch, dass der
Zucker der Thymus in llilchsauregährung übergeht — Die Ausstellungen, welche
Vriedleben an den Beobachtungen von Staedeler, Freriohs und Gorup macht,
sind unverständlich ; selbst durch Kochen mit Kali konnte er aus der Drüse keine Ak
erhalten ; eben so wenig fand er Leuoin, dessen Entstehung er durch FSulniss eines
alkoholischen Auszugs erklärt u. s. w. — Quantitative Analysen der gesammten Thymus
geben Morin, Dowler, Miller, Friedleben, die bei dem letzten nachznsehen.
derselbe handelt auch über die Aenderung der Asche mit dem Alter.
3. Ernährangserscheinnngen. Ihre Elementarformen entstehen
auf die dem Bindegewebe, den Gefässen und den Zellen eigene
Weise; über die Formfolge der geschichteten Körper ist man im
Unklaren. Nach der Geburt mehren sich anfänglich noch die Bälge
und ihr Inhalt, etwa bis znm zweiten Jahr, von da wächst zwar
die Thymus noch bis zur vollendeten Pubertät, aber es mindert
Bich die Füllung der Bälge und es tritt statt ihrer mehr Binde-
gewebe auf, so dass trotz zunehmender Länge das absolute Ge-
•) Pr led le b e d , Die Physiologie d. Thymusdrüse. Frankfurt 1858. — Frerichs und
Staedeler, Züricher Mitthellungen. IV. Bd. 1855. — Üorup, Lloblg'a Annalen. 98. Bd.
20*
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308
Thymus , Nebenniere, Thyreoidea, Leber.
wicht namentlich zwischen dem 15. bis 25. Jahre sehr abnimmt
(Friedleben). Nach vollendetem Wachsthum des Gesammt-
körpers schwindet sie vollständig, indem ihr Gewebe derber, fetter
und bindegewebsreicher wird, die Arterien obliteriren und die Nerven
in fettige Umwandlung eingehen. — In wohlgenährten Thieren sind
Kapseln der Thymus gespannter und reicher an Zellen. — Das in’s
Blut UbergefUhrte Ferrocyankalium soll nicht in der Drüse zu finden
sein (Haugsted). — Um ihren Eingriff in das Gesammtleben der
Thiere zu finden, hat man die Thymus exstirpirt (Restelli,
Friedleben). Diese Versuche bestätigen das Ergebnis» einiger
zufälliger Beobachtungen an Menschen, welchen die Thymus fehlte,
ohne dass ihr Mangel während des Lebens bemerklich gewesen
wäre (Bi sch off, Friedleben).
Ins Genauere suchte Friedleben su dringen, indem er au Thieren, deren Thymus
allein oder Thymus und Milz exstirpirt war, die Menge des ausgeschiedenen COt, des
Harnstoffs, die Temperatur, Blutzusammensetzung u. s. w bestimmte, worüber bei
diesem Autor nachzusehen.
Die physiologischen Nachrichten Uber die Nebenniere und
die Thyreoidea lauten noch sehr unbefriedigend. Die Structur
und das Wenige, was über ihre Zusammensetzung bekannt ist,
geben die Lehrbücher der mikroskopischen Anatomie.
Leber.
Der anatomische Bau*) der Leber ist vorzugsweise aufgehellt
durch die Untersuchungen von Kiernan, E.H. Weber, Schrö-
der v. d. Kolk, Henle, Kölliker und Beale. In die Leber
strömt das Blut durch den Stamm der vena portarum, durch eine
kleine gesonderte Vene, welche aus Zweigen der pyloricae und
pancreaticae entspringt, neben dem Gallengang herläuft und endlich
in die Pfortader übergeht (Devalez) und durch die Arteria
hepatica. Alles dieses Blut wird durch die vena hepatica ausge-
geführt. — Das durch die Venen eingehende Blut vertheilt sich
ohne Ausnahme sogleich in das Capillarsystem der Leberinseln,
oder anders ausgedrückt in dasjenige, welches die Anfänge der
gallenbereitenden Wandungen umfasst; es gelangt hierhin auf die
Weise, dass sich die vena portarum und ihre Aeste zunächst baum-
förmig verzweigen und schliesslieh in kleine bogenförmig auseinander
*) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 8. Aufl. 1869. p. 436. — H. E. Weber. Zusätze
sa »einen Untersuchungen. Leipziger Berichte; mathenist.-phjrsische Klasse. 1849. p. 161. — Der*
selbe, ibld. 1860. p. 16.— Oerlach, Handbuch der Gewebelehre. Mains 1849. — Beale,
Philosophien! Tranaacttona. 1866. 1. Bd. — Vlrchow, dessen Archiv. XI. 674.
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Anatomischer Bau der Leber.
909
laufende Aestchen enden; mehrere solche Aestchen (die Ring- oder
Zwischenlappenvenen), welche in ein und derselben Ebene liegen,
nmschliessen einen Raum, die Leberinseln, welcher von eng-
maschigen Capillametzen durchzogen wird, die aus den Ringvenen
hervorgehen. In der Mitte eines solchen Raumes sammeln sich
dann wieder ziemlich plötzlich die feinen Lumina zu einem grossem,
der Mittelvene (vena centralis), welche nach der vollbrachten Ver-
bindung mit den benachbarten als vena hepatica auf dem kürzesten
Wege gegen den Ort der vena cava zu dringen sucht, wo sie sich
mit dem Zwerchfell kreuzt. — Die Art. hepatica geht zum Theil
mit seinen Aestchen, welche der vena portarum bis zu den Ring-
venen folgen, geradezu in das Gefässnetz der Leberinscln über,
zum Theil versorgt sie, ehe sie ihr Blut dorthin schickt, vorerst die
Wandung der Gallen- und Blutgefässe, die Kapsel und den serösen
Ueberzug der Leber. Das auf diese Weise in Capillaren Uber-
geführte Blut sammelt sich, und zwar theilweise durch eigene Venen,
in der vena portarum , um dann durch die Capillaren der Leber-
inseln zu den Mittelvenen zu gelangen.
Die Lücken, welche zwischen den Capillaren der Leberinseln
übrig bleiben, werden ausgefüllt durch ein anderes netzförmig ver-
bundenes Höhlensystem, das umschlossen wird von einer struktur-
losen Haut, die meist untrennbar mit der der Blntcapillarenwand
verwachsen ist und die nur an den Umgrenzungen der Insel ge-
sondert dargestellt werden kann. Der Hohlraum dieses Anfang-
netzes der Gallengänge ist ausgefüllt mit den Lcberzellcn, grossen
kernhaltigen, von Flüssigkeit strotzenden Zellen. Wenn diese eben-
geschilderten netzförmigen Gänge gegen die Umgrenzung der Leber-
inseln gekommen sind, so lagert sich auf ihrer nun selbstständig
gewordenen, bis dahin strukturlosen Haut eine Epithelialschicht
ab ; da , wo dieses geschieht , verengert sich ihr Hohlraum sehr be-
trächtlich und zugleich verschwinden aus ihm die Leberzellen. Da
man die letztem als die Stätte ansehcn muss, in welcher die Galle
bereitet wird, so unterscheidet man die Gänge innerhalb der Leber-
inseln als gallenbereitende von den gallcnausführenden, ausserhalb der
Inseln verlaufenden. Die ausftihrenden , ursprünglich sehr engen,
neben den Ringvenen gelegenen Gallengänge vereinigen sich, indem
sie immer neben den Pfortaderästen laufen, zu grössern; in die
Wandung der letztem lagert sich zu den vorhergehenden Bestand-
theilen ein streifiges Bindegewebe, elastische Fasern, einzelne
muskulöse Faserzellen, und endlich ist die innere Fläche statt des
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310
Ferment und Amyloid der Leber.
frühem mit einem deutlichen Cylinderepitlielium überzogen. In
ähnlicher Weise ist auch die Wand der Gallenblase gebaut, mit
dem Unterschied jedoch, dass die Mnskclmassen eine vollkommene
Haut um die Gallenblase bilden , und dass ihr Epithelium dem der
Darmschleimhaut gleicht.
In die grössere AnsfÜhrungsgänge [die Gallenblase mit ein-
gerechnet? — ) münden noch andere Hoffnungen, die theils in kleine
traubenförmige Drüschen (Schleimdrüsen), theils in längere netz-
förmig verbundene cylindrische Kanäle (abortive Zellengänge) führen.
Aus der Leber, und zwar an der Oberfläche sowohl als aus der
Porta, treten zahlreiche Lymphgefässe hervor.
In die Leber gelangen aus dem plex. eocliac. Nervenzweige,
die nach angestellten Vivisectioncn zunächst aus dem n. splanchnicus
und in letzter Instanz vom Boden der vierten Hirnhöhle kommen
und in die Gefässe der Leber eingehen (CI. Bernard, Graefc,
Hensen).
2. Chemischer Bau der Leber. Das Gerüst der Leber, ins-
besondere die Häute der Blut- und Gallengefässe, besteht aus den
gewöhnlichen Stoffen dieser Formelemente. Die Flüssigkeit, welche
aus der zerquetzschten Leber erhalten wird, ist ein Gemenge des
Inhaltes der Blutgefässe, der Leberzellen, Lymphgefässe und Schleim-
drüsen. Ausser den zu erwartenden Bestandteilen jener Flüssig-
keiten kann der Lebersaft noch enthalten : a) Einen wahrscheinlich
eiweissartigen Fermentkörper, welcher Arnylon in Zucker umwan-
delt (Bernard, Hensen). Nach einer längem Entziehung von
Nahrung scheint das Ferment zu schwinden. — b) Einen dem
Arnylon ähnlichen, in Wasser löslichen Stoff (Bernard)*). Nach
Kekulö*) hat er die Zusammensetzung C12 HioOio, nach E. Pelouze
CnHijOn. Derselbe verwandelt sich durch kochende Mineralsäuren
und durch das Ferment der Leber, des Bluts, des Kopf- und
Bauchspcichcls in Zucker um. Der Gehalt der Leber an diesem
Stoff steht in Beziehung zu dem allgemeinen Emährungsstand des
Thiers, und namentlich wächst er mit demselben; gleichgiltig ob
derselbe mittelst eines von Zucker und Arnylon befreiten oder da-
mit behafteten Futters erzeugt wurde, er scheint jedoch im letzteren
Falle reichlicher vorhanden zu sein. Die Menge des Amylons nimmt
dagegen um so mehr ab, je rascher seine Umwandlung in Zucker
erfolgt. — c) Einen in Wasser unlöslichen, Zucker bildenden Stoff
•) CI. Bernard, Lefous «ur los propridtl« des fluide*. 1659. IL p. 69 ff.
••) Chemisches Centralblatt. 1656. p. 900.
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Traubensncker der Leber.
311
von unbekannten Eigenschaften. Auf seine Anwesenheit schliesst
Hensen*) aus der Beobachtung, dass auch solche Lebern mit
Ferment oder Salzsäure behandelt Zucker geben, aus welchen durch
Wasser weder Zucker noch Amylon ausgezogen werden kann.
Nach S c h i f f *•) »oll bei Fröschen der Zucker gebende Stoff als Körnchen in
den Lebenellen zu finden sein.
d) Traubenzucker ***). lieber seine Menge im Leber-
gewebe giebt ausser der Zerlegung dieses letzteren auch noch der
Zuckergehalt des Leberblutes und des Harns Aufschluss, voraus-
gesetzt, dass man im ersten Falle weise, wie viel Zucker die Pfort-
ader führte, und im zweiten Falle nachweisen kann, dass der
Hanizucker nur aus der Leber entsprungen ist. — 1) Ein gesundes
Individuum, das hinreichende Nahrung erhält, gleichgiltig , ob die
letztere aus Fleisch allein oder neben diesem auch aus Amylaceen
besteht, hat eine zuckerhaltige Leber. Wird die Fütterung unvoll-
ständig, so kann der Zuckerreichthum der Leber gleich bleiben,
sich mindern oder auch ganz verschwinden. Das letztere kann
eintreten, wenn man den Thieren alles Futter entzieht, so dass
sie auf ihr eigenes Fleisch und Blut angewiesen gind. In den
ersten Tagen der Hungerzeit findet sich jedoch immer noch Zucker,
so dass erst in einem spätem Zeitpunkt, der dem vollkommenen
Hungertode sich jedoch bis auf Stunden nähern kann, der Zucker
vollständig verschwindet (Bernard, Stokvis). Füttert man
ausschliesslich mit Wasser und Leim oder Wasser und Amylon, so
sinkt der Zucker kaum unter die Normalmenge; durch alleinige
Nahrung von Fett und Wasser sinkt der Zucker beträchtlich. —
2) Einige Stunden nach einer reichlichen Mahlzeit steht der Zucker-
gehalt der Leber am höchsten (Bernard). — 3) Nach einer
punktförmigen Verletzung in der Mittelfurche der vierten Hirnhöhle
zwischen dem Ursprung des n. acusticus und n. vagus, selbst wenn
vorgängig der n. vagus am Hals durchschnitten wurde, mehrt sich
der Zuckergehalt (CI. Bernard). Dasselbe geschieht nach Durch-
schneidung der n. splanchnici (Graefe, Heiden). In beiden
Fällen sind die Gefässe der Unterleibshöhle erweitert — 4) Wenn
bei Fröschen das Rückenmark gereizt wird, so wird der Ham
•) Virchow'* Archiv. XI. Bd. 306.
••) Schiff ln Melaanar's Jahresbericht fUr 1667. p. 968.
•M) c 1. Bernard, Lepons de Physiologie. 1864 — 1866. Paria 1866.— Mooa, Phannaz. Central-
blatt. 1868. 278. — Stokvla, Wiener med. Wochenschrift. 1867. 236. — Sanson, Journal de
la Physiologie par Brown-Sdqnard. 1. Bd. p. 244. — Derselbe, Poggiale etc. ibidem 649*
L)I zed bv Google
312
Trauben*ucker der Leber
zuckerhaltig, eine Erscheinung, welche ausbleibt, wenn vorgängig
die Blutgefässe der Leber unterbunden waren (Schiff, Moos). —
5) Nach der Durchschneidung des Rückenmarks unterhalb der
Halsanschwellung verschwindet der Zucker, aber das Amyloid ist
noch nachweisbar. Da die Temperatur des Säugethieres nach dieser
Operation sehr beträchtlich (auf 24°C.) herabsinkt, so war Bernard
geneigt, den Grand für die Abwesenheit des Zuckers darin zu
finden, dass die Temperatur nicht genügt, um eine reichliche Um-
wandlung des Glycogens in Zucker unter dem Einfluss der Gäh-
rnng zu ermöglichen. Dieser Erklärung widerspricht die Erfahrung,
dass in der todten Sängethierleber auch Doch bei einer viel niedri-
geren Temperatur die Umsetzung vor sich geht und dass ein gleicher
Erfolg nach Durchschneidung des Froschrückenmarkes von Moos
beobachtet wurde. Nach Durchschneidung des Rückenmarkes über
der Halsanschwellung verschwinden Zucker und Amyloid aus der
Leber (Bernard). — 6) Nach Durchschneidung des n. vagus am
Halse mindert sich der Leberzucker sehr auffallend (Bernard),
jedoch nicht immer bis zum vollkommenen Verschwinden, wenn
der Tod ungefähr 29 Stunden nach der Verwundung eintrat (Moos ).
Der letzte Beobachter ist geneigt, die Ursache der Abnahme in
dem Allgemeinleiden zu suchen, welches die Durchschneidung
mit sich führte. — Durchschneidung der vagus unter der Brusthöhle
soll den Leberzucker unverändert lassen; Reizung des centralen
Stumpfes eines am Hals durchschnittenen vagus ihn mehren
(Bernard). — 7) In fieberhaften Krankheiten verliert sich, voraus-
gesetzt, dass die Thiere sich der Nahrung enthalten, der Zucker
vollkommen. Nehmen die fieberkranken Thiere Futter zu sich, wie
dieses z. B. die Pferde thun, so verschwindet zwar der glycogene
Stoff aus der Leber, nicht aber der Zucker (Bernard). — 8) Die
Leber eines Thieres, das bis zur Todeskälte (18 — 20 0 C.) abgekühlt
ist, verliert den Zucker, behält aber das Amyloid. Wird das Thier
wieder erwärmt, so kehrt der Zucker wieder. Ein auf 50 — 60°
erwärmtes Thier btftst das Amyloid und den Zucker ein (Bernard). —
9) Zur Zeit der bestehenden Milchabsonderung in den Brüsten soll
der Leberzucker nach Moos vermehrt, nach Bernard in Menge
unverändert sein. — 10) In dem sog. Diabetes mellitus ist der
Zuckergehalt der Leber vermehrt (Bernard, Stokvis). —
11) Der Leberzncker ist reichlicher vorhanden nach Vergiftung mit
Curare, vorausgesetzt, dass eine künstliche Athmung eingeleitet
wurde (Bernard). Dasselbe geschieht nach Einspritzung von
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Traubenzucker der Leber.
313
Aetber und verdünnter Ammoniaklösung in die Pfortader (Harley)
and nach Einathnmng von Aetherdämpfen (Keyno so).
Für die ausgesprochenen Behauptungen stehen die Thatsachen der folgenden
Tabelle (wenigstens theilweise) ein :
Beobachtung»- Bemerkungen.
gegenständ
Mensch.
Hund.
In diesen Be- |
obachtungen
worden die
Tblere gleich
nach der
Fütterung
getodtel.
Hund.
Plötal.Tod; nüchtern.
„ „ im Magen
Speisen.
„ n 2 Tage nach
dem Tode
untersucht.
Magen leer.
„ „ Diahet.mell.
» ,, Diahet.mell.
dem Tod
untersucht.
v „ Verdauungs-
aeit
Fleischnahrung.
»* n
Bmd und Fleisch.
und Zucker.
.L
Mehl.
8,'jNahrung aus ungesalz.
Speck.
10.
11.
12.
13.
Kaninchen.
schmalz.
„ aus Leim.
„ aus Hammels-
füssenfett.
„ Mehl.
KartoiTeln , Amylon,
Zucker.
8 tägiger Hunger.
Nach b tägig. Hunger
Fleisch.
Pro*
ln dom Lebcr-
gewebo.
entgehalt an
in der Pfort-
ader.
ockcr
In der Leber-
ader.
Beobachter.
0,79
\
2.14
—
—
J
1,1
—
>Bemard.
2,9
)
1,79
— *
Stokris.
1,55
—
—
1,9
1,4
1,7
1,3
1,3
1,9
1,5
0,9
CI Beraard
0,6
1,33
1,65
1,25
1,88
!
0
1,3
Stokris.
2,17
, 1
2,70
Nach Moos gaben 500 Gr. Kaninchen normal 0,7 Gr. Zucker, milchgebend
2,3 Gt., nach Vagus Durchschnitt (Tod nach 23 Stunden) im Mittel 0,1 Gr. — 500 Gr.
Hund unter den letzten Bedingungen (Tod nach 29,75 Stunden) 0,09 Gr. Zucker.
e) Inosit (Cloetta) *). — f) Milchsäure (v. Bibra)**). —
g) h) i) Olein, Margarin (Stearin und Palmitin), Chole-
•) Liebig's Annalen. »9. Bd. 989.
••) r. Bibra, Chemische Fragmente Uber Leber und Oalle. Braunschw. 1849.
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314
Fette und andere Bestandtheile der Leber.
Stearin. Der Gehalt der Leber an Fetten kann sehr veränder-
lich sein. In der gesnnden Leber scheint er mit dem allgemeinen
Fettreichthnm des Körpers zu wachsen; jedenfalls mehrt er sich
mit dem Fettreichthum der Nahrung. Diesen letzten, schon von
Magendie, Gray, Laue u. A. behaupteten Satz beweist Fre-
richs*) dadurch, dass er Hnnde, denen er ein Sttlckchen Leber
ausgeschnitten, mit fettreicher Nahrung fltttert ; 22 Stunden nach
Beginn der letztem steigt schon der Fettgehalt der Leber merklich an,
und nach 8 X 24 Stunden ist die Leber mit Fetten aufs Reich-
lichste erfüllt. Wird dann umgekehrt fettarme Nahrang gereicht,
so schwinden nach einiger Zeit die Leberfette wieder. Die Fette
werden in das Innere der Leberzellen, welche sich dabei vergrössern,
als Körnchen und Tröpfchen, zuweilen auch als Krystalle abge-
lagert. Wenn die Füllung der Leber mit Fett im Steigen begriffen
ist, so scheinen sich zuerst die Zellen, welche in der Nähe der
Ringvenen liegen, und dann erst die Nachbarn der Mittelvenen mit
Fett zu sättigen. — Ausser in den Zellen soll auch das Fett in
den Gallengängen frei Vorkommen (Vogel, Wedl), ein Verhalten,
das wegen des Fettgehaltes der Galle schwerlich bestritten werden
kann. Krankhafter Weise häuft sich auch bei sonst abgeraagerten
Individuen Fett in der Leber an. — k) Gal len säuren **). Sie
finden sich jeder Zeit in der Leberflüssigkeit; da sie im Pfortader-
und Lebervenenblut der Säugethiere fehlen (Lehmann) und bei
Fröschen im Blut auch nach AuBschneidnng der Leber nicht
beobachtet werden (Kunde), selbst dann nicht, wenn jeneThiere
die Ausschneidung ihrer Leber 21 Tage überlebt haben (Mole-
schott), so sind sie unzweifelhaft als eine chemische Neubildung
der Leber anzusehen. Die mikrochemische Reaktion hat sie als
einen Bestandtheil des Leberzelleninhaltes nachgewiesen. — 1) Einen
in Chloroform löslichen und daraus in rothen Krystallen aus-
schiessenden Farbstoff (Valentiner ***). Nach dem Entdecker
dieses Verhaltens mit Haematoidin, nach Brücke sicher mit
Gallenbraun identisch. — m) Andere im Weiteren unbekannte
Farbstoffe; die letztem insgesammt werden in den Lebcrzellcn an-
getroffen — n) Harnsäure (Cloetta). — o) Xanthoglo-
bulin (Scherer) f). — In kranken Lebern, insbesondere bei
>) Klinik der CeWkrnnkhtlUn. I. Bd. ISi IT.
••) Kund«, De hepatia ranarum cutirpatione. Berlin 1850. — Moleachott, Arch. für phjr«.
Heilkunde. XI. Bd. 479. — He nie*« Ailgem. Anatomie. 1841. 903.
*+*) GUnaburg's Zeitschrift. Dezember 1858. Wiener akad. Berichte. März 1859
t) W’tJrZburger Verhandlungen. VH. Bd. 282.
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Salze der Leber.
315
Typhus, Pyaemie, bösartigen Wechselfiebern u. s. w. Len ein,
Tyrosin (Frerichs, Staedeler)*), Sarkin und zuweilen
Cystin (Scherer). Wenn diese letzteren vier Körper reichlich
auftreten, so ist meist die Zucker- und Gallenbildung beeinträchtigt —
p) Die Leberasche **) ist von Oidtmann zerlegt; die folgenden
Zahlen sind von denselben Individuen hergenommen, welche schon
die Milzasche lieferten (p. 302). In 100 Theilen enthält die Leber
und die Leberasche:
Mann.
Kind.
Wasser ....
74,0
82,50
Anorgan. Stoffe . .
1,1
0,91
Chlor
2,50
4,21
PhOs
49,37
42,75
SOj
0,91
0,91
SiO»
0,27
0,18
KO
25,17
34,72
NaO
14,47
11,27
CaO
3,02
0,33
MgO
0,19
0,07
Fe20s
2,75
1
2 Mn Os ....
0,10
/
CuO
0,05
[ 5,45
Pb .
0,01
1
Phosphorsaure Erde
—
Die Asche reiht sich an die der Blutkörperchen, Milz, Muskeln
durch ihren Gehalt an KO und PbOr,. Eigen ist ihr Reichthum an
Cu und Pb. Nach Fütterung mit unschädlichen Kupfersalzen
(Stearin und margarinsaures CuO) kann das CuO zu 0,02 pCt der
feuchten Leber steigen (Staedeler). Im jugendlichen Individuum
enthält die Leber weniger Cu als im Erwachsenen (Devergie,
Munk).
Quantitative Analysen der ganzen Leber siehe bei Bibra.
3. Vergleichung des Blutes in der Pfort- und Leberader. Das
Pfortaderblnt ist bis dahin in seiner qualitativen Zusammensetzung
wenig abweichend von dem der andern Venen gefunden worden.
*) Frerichs, Klinik der Leberkrankheltcn 181.
**) 0 tdt ma d n, dl« anorgun. Beatandtbeile der Leber nnd MUa. Linnich 1858. — Bibra,
L C. — Langenbeck und Staedeler, Uobcr die Wirkung der Verbindungen de» Kupferoxyda
mit fetten Säuren. Züricher Mittheilungen. 1868. — Munk, De cnpro in orgaalca etc. obrlo. 1866.
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316
Blut der Pfort- und Leberader.
Dieses gilt selbst fUr das Blut, welches zur Zeit der Verdauung in
den ausgedehnten Wurzeln der Pfortader vom Darminhalt uraspült
worden ist. Wenn man diese Erfahrungen nicht auf die Mangel-
haftigkeit der analytischen Hilfsmittel schieben will, so bleibt nur
die Annahme ttbrig, dass, ganz günstige Fälle ausgenommen, die
Menge von Flüssigkeit , welche durch den Diffusionsstrom aus dem
Dannkanal in die GetUssröhren gefördert wird, verschwindet gegen
die, welche der Blutstrom selbst in sie führt. Mit dieser letzten
Annahme stimmt auch die quantitative Zusammensetzung des Serums,
welches 5 und 10 Stunden nach der Fütterung analysirt, gleiche
Zusammensetzung bot (Lehmann). Auffallender Weise gab da-
gegen diesem letztem Beobachter das gesammte Pfortaderblut der
Pferde 10 Stunden nach der Fütterung 0,4 pCt. Extrakte und die
ungeheure Quantität von 8,6 pCt. Wasser mehr als 5 Stunden nach
derselben. Diese Abweichung, welche bei gleicher Zusammen-
setzung des Serums nur bedingt sein könnte durch eine Verände-
rung in der Menge der Blutkörperchen, verdient mit Zuhilfenahme
der Färbekraft bestätigt zu werden. — Unter Hinweisung auf
p. 33 d. B. dürfte hier noch Folgendes hervorzuheben sein:
a) Die rothen Scheiben im Blut der Lebervenen sollen, wie 1. c.
schon geschildert wurde, in Gestalt und chem. Reaktion von denen
des Pfortaderinhaltes abweichen; ebenso sei auch ihre Zahl im
Verhältniss zu den farblosen geringer. Daraus hat man theils anf
eine Neubildung, theils auf eine Entfärbung vorhandener Körper-
chen schliessen wollen. Seitdem man jedoch die durch den Blut-
strom selbst herbeigefÜhrte.Vertheilung der Körperchen in den ver-
schiedenen Gefässstücken genauer berücksichtigte, ist man geneigt,
jene Thatsachen dahin zu deuten, dass sich wegen des langsamen
Stroms in der Leberader die rothen und weissen Körperchen dort an-
häufen möchten. Eine Unterstützung hierfür zieht man aus den Beobach-
tungen von Lehmann, nach welchen der Wassergehalt des Pfort-
aderblutes den des Leberblutes um 8 bis 9 jJCt. übertritft. Denn
nähme man in der That an, dass in der Leberader die Körperchen
gerade so rasch strömten, als in der Pfortader, so würde der
Unterschied des Wassergehaltes nur aus einem Verlust an Wasser
in der Leber abgeleitet werden können, und wohin sollte es sich
dort verloren haben? (p. 31.) — b) Früher glaubte man, gestützt
auf die Angaben von Bernard, dass unter allen Umständen, und
gelbst nach reichlichem Genuss von Zucker nur ausnahmsweise
dieser Stoff im Pfortaderblnt gefunden werde. In dieser Ausdeh-
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Blut der Pfort- und Leberader.
317
nnng ist jedoch die Sache nicht bestätigt worden. Allerdings finden
Leconte, Lehmann und Poggiale nach Hnnger nnd Fleisch-
nahrung für gewöhnlich keinen Zucker in der Pfortader , aber nach
Fütterung mit Amylon nnd Zucker ist der letztere Körper von allen
Beobachtern übereinstimmend gefunden worden, und dazu ist von
Sanson nicht allein im Blut überhaupt, sondern auch in den
Muskeln, der Lunge u. s. w. ein dextrinartiger Körper nachge-
wiesen , welcher durch Gährung in Zucker verwandelt wird. Dieses
bestätigten Hensen, Bernard und Poggiale für den Fall, dass
die Thiere kurz vor dem Tode reichlich mit Amylon gefüttert
wurden. Das Amyloid fehlt dagegen sowohl im Blut, als auch in
allen andern Organen, die Leber ausgenommen, wenn die Thiere
allein mit Fleisch oder einer schwach amylonhaltigen Nahrung ge-
füttert werden (Bernard, Poggiale, Sanson). Endlich ist
auch gefunden worden , dass das arterielle Blut meist mehr Zucker
enthält, als das der Haut- und Muskelvenen (Harley, Chaveau),
so dass möglicher Weise auch das der Arteria hepatica noch Zucker
führt, wenn er selbst dem Blut der Vena portarum fehlt. Fasst man
Alles zusammen, so ergiebt sieh, dass es Fälle giebt, in welehen
das zur letzteren strömende Blut vollkommen frei an Kohlenhydrat
ist, während das aus ihr hervorgehende zuckerhaltig ist, und dass
in andern Fällen der Leber zwar Kohlenhydrate zugefiikrt werden,
dass diese aber an Menge dem Traubenzucker nachstehen, welche
durch das Lebervenenblut abströmen. — Die Kohlenhydrate und
insbesondere Rohrzucker, welcher durch die vena portarum ein-
strörat, soll in der Leber in Traubenzucker umgewandelt werden,
indem die Lebervene nur diesen letztem enthält (Bernard). —
c) Brown-Säquard *) bestätigt die Angabe von Lehmann, dass
das Lebervenenblut des Hundes, wenn es am lebenden gallen-
absondemden Thier aufgefangen wird, nicht mehr von selbst ge-
rinnt. Zuweilen gerinnt es jedoch noch, und zwar dann, wenn
wie Brown-Söquard vermutbet, die Gallenabsonderung unter-
drückt ist. Das aus dem todten Thier gewonnene Blut ist meist
geronnen.
lieber die Zusammensetzung des Bluts in der Leberarterie und
insbesondere über seine Veränderungen beim Durchgang durch die
Leber ist nichts bekannt.
4. Von dem Strom des Leberblutes. Die Richtung des Stroms
in den Blutgefässen der Leber wird für gewöhnlich von der Porta
*) Journal de Ja Physiologie. I. p. 2twt.
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318
Ulutstrom in der Leber.
zu der Lebervenc geben ; doch ist wegen der Abwesenheit aller Klappen
in den Leber- und Pfortadervenen und der leichten Ausdehnbarkeit
der Darmgefässe auch das Umgekehrte möglich. — Die Geschwindig-
keit des Stroms in der Pfortader muss unter Voraussetzung gleicher
Widerstände in und jenseits der Leber veränderlich sein; denn
einmal sind die Durchmesser der Ulutgcfässcapillaren in den Wan-
dungen der UnterleibsdrUsen veränderlich, wie die in diesen Organen
vor sich gehende Saftbildung, die insbesondere zunimmt zur Zeit
der Verdauung; da nun in den weiteren Röhren die Reibung re-
lativ zur durchgehenden Blutmasse geringer ist, als in den engeren,
so muss während der Verdauungsperiode das Blut mit grösserer
Kraft in die Pfortader einströmen, als in anderen Zeiten. Dann
wird aber auch bei jeder nicht allzutiefen Inspiration die schlaffe
Masse des Baucbinhaltes zusammengedruckt, entsprechend der
Kraft, mit welcher das Zwerchfell sich zusammenzieht, und dieser
Druck muss nothwendig das Blut • in der Pfortader beschleunigen,
das durch die steife Leber seinen ungehemmten Ausweg findet —
Aber auch bei gleicher Triebkraft muss die Geschwindigkeit ver-
änderlich sein, weil die Lebergefässe selbst unter dem Einfluss
ihrer ungleich erregten Nerven verschiedene Durchmesser annehmen
und weil die Widerstände namentlich jenseits der Leber in der
Brusthöhle gar nicht unbeträchtlich variabel sind. Bei jeder In-
spiration mindert und bei jeder Exspiration mehrt er sich bekannt
lieh. So deuten also alle Umstände darauf hin, dass in der ge
wöhnlichen Ausathmung das Fliessen langsamer und in der Ein-
athmung rascher ist. — Aehnliches gilt auch fUr den Strom in der
Leberarterie. — Ueber das Verhältniss der Geschwindigkeiten in
den beiden Gefässen pflegt man sich gewöhnlich dahin auszu-
drttcken, dass die Strömung in der Leberarterie viel rascher als
in der Pfortader sei, weil die lebendige Kraft des frisch aus dem
Herzen dringenden Artcrienblntes weit bedeutender sei , als die des
Pfortaderblutes, das aus den Darmcapillaren zurtlckkehrt, während
die Hemmungen, welche beiden in der Leber berorstehen, voll-
kommen gleich seien. Man bedenkt dabei nicht, dass auch ein
grosser Theil des Blutes der a. hepatica durch zwei Capillaren-
netze, die beide in der Leber liegen, wandern muss. Zudem ist
es fraglich , ob das Blut in den Darmcapillaren sehr bedeutend ge-
hemmt wird; denn das Bett der Darmarterien erweitert sich dem
Anschein nach beim Uebergang in das Capillarensystem der Darrn-
und Drltsenwände viel beträchtlicher, als das der Leberarterie bei
Blutstrom in der Leber.
319
ihrer Verkeilung in vasa vasorum. Unter dieser Voraussetzung
wurde aber nach bekannten hydraulischen Grundsätzen der Theil
des Leberarterien blutes , welcher durch die vasa vasorum ginge,
mehr gehemmt, als das Blut in den Darmcapillaren. Endlich wirkt
auch das Blut der Pfortader hemmend auf das der Leberarterien,
denn beide münden in dasselbe Capiliarnetz.
Die absoluten Werthe der Geschwindigkeit sind nicht bekannt;
man vermuthet, dass der Strom in der vena portae sehr langsam
sein möchte. Dafür spricht aber nicht einmal die Theorie; denn
gesetzt, es besässe das Pfortaderblut nur schwache lebendige
Kräfte, so würden sie doch hinreichen, um bei geringen Wider-
ständen in der Leber immer noch eine Geschwindigkeit zu erzeugen,
die, verglichen mit der des Kreislaufes überhaupt, beträchtlich ge-
nannt werden könnte. Nun spricht die enorme Zahl der Leber-
capillaren und demnach der langsame Strom in ihnen sehr dafür,
dass das Blut in der Leber wenig Hindernisse erfährt, und die
Einfügung der Lebervene in die untere Hohlvene geschieht an einer
so günstigen Stelle, dass jenseits der Leber dem Strom die mög-
lichst geringe Hemmung entgegensteht. Mit dieser Anschanung
stimmt die Erfahrung von Volk mann, welcher den Centralstrom
in den Mesenterialcapillaren eines Hundes gerade so geschwind
fand, als Vierordt den der Retinacapillaren.
In den Capillaren der Leberinseln wird der Strom jedenfalls
langsam sein aus schon angeführten Gründen, aber trotzdem wird
dennoch durch die Gesammtsumme derselben sehr viel Blut gehen,
da die Räumlichkeit eines Durchschnittes durch ihr Gesammtluraen
den grössten Querschnitt der Leber um Vieles Übertreffen muss;
denn von der Fläche eines jeden Partialschnitts derselben gehört
den Gefässöffnungen mindestens ein Dritttheil zu; und wie oft kann
sich bei dem geringen Durchmesser und dem kurzen Längsverlanf
der Capillaren dieser Antheil in der dicken Leber wiederholen.
Die Spannung des Blutstroms muss dem Vorstehenden gemäss
gewiss ebenfalls variiren; unter Umständen steigert sich dieselbe
in den Lebercapillaren so beträchtlich, dass eine sehr merkliche
Ausdehnung der Leber erzeugt wird (Anschoppungen der Leber).
Ueber ihren absoluten Werth ist nichts bekannt
5. Galle im engem Wortsinn. Die Flüssigkeit in den grössere
Lebergängen und der Gallenblase ist ein Gemisch des Absonde-
rangsproduktes der Leberzellen und der Schleimdrüsen. Aus diesem
Gemenge lassen sich zum Theil nur vermuthungsweise die Bestand-
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320
Leber ; Galle.
theile aasscheiden, welche aas dem Inhalt der Lebcrzellen aus-
getreten sind. Wir zählen zn ihnen : taurocholsaures (und glycochol-
saures) Natron, Lecithin (Gobley)*), Cholestearin , Olein, Mar-
garin, ßiliphain and Biliverdin, Traubenzucker **> (ätokvis,
Frerichs), Chlornatrinm , kohlensaure und phosphorsaure Kalk-
und Talkerde, Eisenoxyd, zuweilen Kupferoxyd, Wasser. — Dieses
Lösungsgemenge reagirt, vorausgesetzt, dass ihm kein Schleim
beigemengt ist, neutral.
Gorup***) spricht der Menschengallo die Glycocholsäure ab, weil er unter den
Zersetzungsproduktcn der Galle kein Glycin fand. Strecker f) zeigte schon früher
dasselbe Verhalten für die Hundegalle. Unter dieser Voraussetzung würde das Auf-
treten von Hippursäure im Harn schwer begreiflich sein , da sich diese im Blut unter
Zuhilfenahme des Glycins der Glycocholsäure bildet (Kühne und Hallwachs). —
Galle, welche unmittelbar aus den Lebergangen oder nur nach kurzer Anwesenheit in
der Blase aufgefangen wird, enthält nur Gallenbraun, aber kein Gallengrün. Der
letztere Farbstoff geht also erst während des Aufenthalts der Galle in der Blase aus
dem erstem hervor, eine Umwandlung, welche nach den Untersuchungen von H eints ff)
auf einer Oxydation beruht, indem 1 Atom Gallenbraun (CaHisXtOg) unter Aufnahme
von 1 Atom 8auerstoff in 2 Atome Gallengrün (CisHeNOs) zerfällt —
In der frischen Galle des Hundes findet Bernard keinen Zucker; Mosler be-
merkte ihn hier erst dann, wenn grossere Mengen in das Blut eingespritzt waren. Wie
in den Ham, so geht auch in die Galle der Rohrzucker leichter über als der Trauben-
zucker, d. h. es müssen grössere Mengen von der letzteren Zuckerart, als von der
ersteren im Blut vorhanden sein , wenn er in der Galle gefunden werden soll. — ln
der Menschengalle, selbst in der möglichst frischen, bemerkten Zucker Stokvis und
Frerichs; Bernard vermuthet, dass er durch eine nach dem Tod eingetretene
Diffusion aus der Leber dorthin gekommen sei. — Aus dem Blut gehen ausserdem,
wenn sie dort vorhanden sind, in die Galle über: KJ nnd CuOSOs; es treten dagegen
nicht Über: KOKOg, 2 Hg CI, Chinin; Benzoesäure erscheint in der Galle nicht als
Hippursäure (Mosler).
a. Die Zusammensetzung der Galle fff) ist veränderlich : 1) mit
der Nalimng. Ein reichlicher Zusatz von Wasser zu einer hin-
reichenden Brot- oder Fleischkost, und ebenso Entziehung der
Nahrung mindert den Prozentgehalt der festen Bestaudtheile
(Bidder, Schmidt, H. Nasse, Arnold). — 2) Bei genügender
Nahrung aus Fleisch ist die Galle reicher an festem Rückstand,
•) Chemisches CentrslbUtt 1866. p. 879.
**> Stokvis, Wieoer med. Wochenschrift. 1867. p. 238. — Preriche, Klinik der Leber -
krankheltcn. I. Bd. 90. — Mosler, Ueber den L’ebergang von Stoffen aus dem Blut in die Geile.
Glessen 1867. — Bern erd, Le?ons. I. Bd. 1867. p. 94.
•••) P reger Vlerteljahwechrlft. 1861. III. Bd. 86.
t) Lieb lg' s Annalen. 70. Bd. 149.
ft) Lehrbuch der Zoochemlc. Berlin 1868. p. 791.
ttt) Bidder nnd Schmidt, Die VerdeuungssäAe. Leipzig 1862, p. 116 und 312. — H. Nesse,
CommeuUtio de bllis quotidie a cane secreta etc. Marb. 1851. — Arnold, Die philologische
Anstalt Heidelbergs. 1868. p. 91.
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Leber; Galle, Veränderlichkeit der Zusammensetzung.
321
als bei genügender Brodnahrung (Arnold). Hierbei versteht man
unter genügender Nahrung eine solche, bei welcher das mittlere
Körpergewicht sich gleich bleibt. — 3) Die Galle verliert durch
einen längeru Aufenthalt in der Blase Wasser, und zwar in einem
solchen Grade, dass die Blasengalle in 100 Theilen meist doppelt
so viel festen Rückstand enthält, als die aus den Lebergängen auf-
aufgefaugene. — ln der Blase ändert sich die braune Farbe der Galle
in die grüne (Bidder, Schmidt). Auch soll sich in ihr die
Gallensäure in harzige Produkte umsetzen (Mulder). — 4) Der
Wassergehalt der Galle, welche bei Nacht abgesondert wird, ist
etwas niedriger, als der am Tage gelieferte (H. Nasse). — 5) Die
Schwankungen, welehe die Prozente des festen Rückstandes be-
treffen, rühren vorzugsweise von einer Veränderlichkeit der organi-
schen Bestandtheile her, während der Prozentgehalt an Salzen sich
annähernd gleich bleibt (H. Nasse). — 6) Der Gehalt der Galle
an festen Bestandtheilen steht in keiner nothwendigen Beziehung
zu der Geschwindigkeit der Absonderug, so dass z. B. der erstere
in dem Grade abnimmt, in welchem der letztere zunimmt. -
Die Schwankungen des Prozentgehalts der Galle an festen
Bestandtheilen wechseln nach Bidder und Schmidt bei Sänge-
thieren zwischen 1,2 bis 11,0 pCt. ,
lieber die quantitative Zusammensetzung der schlcimhaltigen
Menschengallen besitzen wir Untersuchungen von Frerichs*) und
Gorup**). Das Beobachtungsmaterial bezog Gorup aus den
Leichen zweier Hingerichteten.
Frerichs.
Gorup.
Wasser
. 85,92 —
89,81—82,27
Gallensaures Natron . .
. 9,14 —
5,65—10,79
Cholestearin
. 0,26)
3,09 — 4,73
Margarin und Olein . .
. 0,92)
Schleim- und Farbstoff
. 2,98 —
1,45— 2,21
Na CI
. 0,20\
3Na0P05
. 0,251 '
3MgO)
3 CaO)
. 0,28> 0,77 —
0,63— 1,08
CaOSOs
. 0,04]
Fe203
, Spuren/
•) Scherer'» Jahresbericht für physiologische Chemie für 1846. p. 146.
••) L. c.
Ludwig, Physiologie II. 2. Aullage. 21
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322
Geschwindigkeit der Gallenabsonderung.
Diese Zahlen deuten zwar auf kein festes Verhältnis« zwischen
den einzelnen Stoffen der festen Bestandteile hin, doch scheinen
die Salze ungefähr wie die Gallensäuren zuzunehmen. Die analy-
tische Methode der Galle, welche von Frerichs herrtlhrt, siehe
bei Heintz *).
b. Geschwindigkeit der Gallenabsonderung. Wir verstehen
hierunter den Quotienten aus dem Lebergewicht in die Gallen-
menge, welche während einer beliebigen (aber jedesmal festge-
setzten) Zeiteinheit aufgefangen wurde; dieser Ausdruck ist also
auch gleichbedeutend mit der Gallenbildung in der Einheit des
Lebergewichts. Wenn man nach einem Mittel sucht, um die an
verschiedenen Thiercn gewonnenen Beobachtungen vergleichbar zu
machen, so verdient der soeben aufgesteUte allgemeine Maassstab
jedenfalls den Vorzug vor dem gebräuchlichen Quotienten der Gallen-
menge in das Körpergewicht. Denn es bildet sich nicht, wie es
z. B. mit der Kohlensäure der Fall, an allen Orteu des Organis-
mus Galle, sondern nur in der Leber. Darum durfte statt des Ge-
wichts der Leber nur dann da des Gesammtkörpers substituirt werden,
wenn ein bestimmtes Verhältnis zw'ischen diesen beiden letzten
Gewichten naebgewiesen wäre; bekanntlich ist dieses, wie zu er-
warten, nicht der,Fall**). — Da nun aber gerade in den gründ-
lichsten und ausführlichsten Beobachtungen über Gallenmenge, welche
Bidder und Schmidt angCBtellt haben, das Lebergewicht fehlt,
und selbst da, wo es bestimmt wurde, dieses nach ihrer eigenen
Aussage nicht mit allen Cantelen geschah, so ist man für die
meisten Fälle beschränkt auf den Vergleich zwischen den verschie-
denen Absonderungsmengen eines und desselben Thieres.
Die Galle gehört zu denjenigen Säften, weiche während der
ganzen Dauer des Lebens gebildet werden, so lange die normal
gebaute Leber vom Blut durchströmt ist. Sehr zu beachten ist es,
dass nach Abschliessung des Pfortaderblutes die Absonderung nicht
aufhört, vorausgesetzt, dass die Leberarterie noch wegsam ist
(Gintrac, Orö, Andral, Frerichs)***). ln den beobachteten
Fällen bleibt es freilich wegen der von Devalez beschriebenen
Verbindung der Pfort- und Zwölffingerdarmader ungewiss, ob alles
Pfortaderblut von der Leber abgeschnitten war. — Die Unterbin -
•) L. c. p. 939. "
••) Bidder and Schmidt, 1. e. p. 153.
•••) Fr erlebt, Klinik der I.ubcrkrankheiten. 357. — Or6, Compt. rend. 43. Btl. Sept. 1856. —
Uernard, Le^ona aar lee liquide*. 1J. Bd. 185V. 1V5.
Digilize
Abhängigkeit der Gallenabsondenwg von der Nahrung.
323
düng der Leberarterie bei Kaninchen scheint dagegen die Abson-
derung zum Stillstand zu bringen (Kottmeyer)*). Für das Gegen-
theil wird Le dien eitirt, welcher nach Obliteration der Arterie
beim Menschen die Absonderung fortdauern sah.
Die Absonderungsgeschwindigkeit der Galle ist jedoch beträcht-
lichen Aenderungen unterworfen. 1) Fester Rückstand der Galle.
a) Nach gänzlicher Entziehung der Nahrung nimmt die Menge der-
selben beträchtlich ab; aber selbst Katzen, die 10 Tage lang ge-
hungert hatten, entleerten noch Galle. Arnold**), der am Hund
die Gailenabsonderung von der 18. bis 42. Stunde der Hungerzeit
, Stunde um Stunde verfolgte, fand, dass der feste Rückstand auf- und
abschwankte; namentlich erreichte Morgens und Abends die Menge der
festen Galle ein Maximum und Mittag und Mitternacht ein Minimum. —
b) Der Einfluss der genossenen Nahrung macht sich in der Weise
geltend, dass einige Zeit nach derselben die Absonderung der festen
Gallenstoffe steigt und nach Vcrfluss von einer (Arnold) ***), von
zwei bis vier (Voit) oder gar bis zu 14 Stunden (Bidder und
Schmidt) ihr Maximum erreicht und von da zuerst rascherund dann
langsamer absinkt. Diese Unbestimmtheit für die Zeit des eintretenden
Maximums ist wahrscheinlicher Weise bedingt durch die Verdau-
lichkeit der Speisen und die Energie der Verdauungsorgane. — Der
Werth des beobachteten Maximums steigt mit der Menge der ge-
nossenen Nahrungsmittel, woraus diese auch bestehen mögen,
vorausgesetzt nur, dass sie befähigt sind, das Leben zu unter-
halten (H. Nasse). — Von einem sehr eingreifenden Einfluss er-
weisst sich endlich die Art der Nahrung. Ganz unwirksam auf
die Steigerung der Abscheidung ist der ausschliessliche Genuss von
Fetten (Bidder und Schmidt), so dass sich hierbei die Gallen-
absonderung- verhält, wie bei gänzlichem Nahrungsmangel; eine
rein vegetabilische Nahrung (Brod und Kartoffeln) steigert die Ab-
sonderung weniger, als eine reine Fleischkost (Schmidt, Bidder,
H. Nasse, Arnold), mageres Fleisch weniger als fetthaltiges,
und ein Zusatz von Leber zur Nahrung scheint noch eingreifender
als der von Fetten zu wirken (Bidder und Schmidt). Zusatz
von kohlensaurem Natron (H. Nasse) oder Queeksilberchiorttr
(H. Nasse, Kölliker und H. Müller) +) zur Nahrung mindern
•) Zur Kenntnis* der Leber. Würzburg 1857. — Ledieu bei Fr er ich«, L c.
••) Dm physiologische Institut Heidelberg*. 1858.
Zur Physiologie der Galle. Mannheim 1854. — Voit, Phy»lolog.-chem. Untersuchungen.
Augsburg 1857. p. 41.
f) Würzburger Verhandlungen. V. Bd. 231.
21 •
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324
Absonderungsgeschwindigkeit des Gallenwassers.
den günstigen Einfluss anderer Speisen. — Beim Uebergang von
einer Kost zur andern tritt die entsprechende Wirkung derselben
nicht sogleich, sondern erst einen Tag nach dem Nahrungswechsel
hervor. — 2) Die Absonderungsgeschwindigkeit des Wassers der
Galle ändert sich in dem Versuche von Arnold mit vollkommener
Entziehung der Nahrung ungefähr ähnlieh, wie die der festen
Gallenbestandtheile. — Nach dem Genuss von Wasser mehrt sich
auch das der Galle; derZeitraum, welcher verfliesst zwischen dem
Eindringen des Wassers in den Magen und dem Erscheinen in dem
Lebergang ist sehr wechselnd befunden worden. Ein Zusatz von
anderthalbfach kohlensaurem Natron zum Wasser vermindert die
Ausscheidung dieses letztem durch die Galle (H. Nasse).
Hiermit ist die Aufzählung der Bedingungen für die Geschwin-
digkeit des Absonderungsstroms der Leber zwar noch nicht beendet,
aber sie kann nur durch die unbefriedigenden Worte weiter fort-
gesetzt werden, dass entweder die Individualität des Gesammt-
organismus oder die der Leber ihn bestimmen helfe. Dass das
erste noth wendig, ergiebt sich schon aus einer Ueberlegung der
mitgetheilten Thatsachen ; denn die Nahrung wird, theilweise wenig-
stens, dadurch von Bedeutung für die Gallenabsonderung werden,
dass sie zunächst die Blutzusammensetzung ändert Diese ist aber
nicht blos eine Funktion der Nahrung, sondern sie ist auch ab-
hängig von den Zusätzen und den Verlusten, die dem Gefässinhalt
in den verschiedenartigen Organen des Körpers zugefUgt werden.
Insofern nun nicht in jedem Thier die Massen und Kräfte der ver-
schiedenen Organe in demselben Verhältniss zu einander stehen,
muss auch das Resultat aus ihren Wirkungen verschieden ausfallen ;
d. h. trotz gleicher Nahrung wird die Zusammensetzung des Blutes
und damit auch die Gallenabsonderung in verschiedenen Thieren
abweichen. Aus einer ähnlichen Betrachtung könnte nun aber auch
die Individualität des Lebergewebes abgeleitet werden, und da
unter dessen Einfluss die Gallenabsonderung vor sich geht, so
muss sich die Geschwindigkeit derselben auch mit den Besonder-
heiten der Leber verändern.
Um die Gallenmenge zu erfahren, welche in der Zeiteinheit abgesondert wird,
legt man nach dom Vorgang von Schwann meist permanente Fisteln der Gallenblase
an, nachdem man den gemeinschaftlichen Gallengang unterbunden hat Die Beobach*
tung beginnt man erst dann, wenn die Wunde vollkommen vernarbt und die in Folge
des operativen Eingriffs eingetretene Bauchfellentzündung gehoben ist. Bei Anwendung
dieses allerdings unschätzbaren Verfahrens hat man zu berücksichtigen: 1) Der Ab-
schluss der Galle von dem Darmrohr verändert die Verdauung insofern, als sie die
GallenfUteln; Bestimmung des Lebergeiricht«.
325
Aufnahme der genossenen Fette in das Blut hindert oder mindesten« erschwert; zu-
gleich aber wird die Galle, welche unter normalen Verhältnissen in den Darmkana}
ergossen und von dort wieder in das Blut zurück ge führt worden wäre, jetat sub dem
Kreislauf des Lebens entfernt. Aus beiden Gründen magern die Thicre, vorausgesetzt
dass man ihnen das Maass der im gewöhnlichen Leben hinreichenden Kost giebt, so
beträchtlich ab, dass sie in Folge davon zu Grunde gehen. Man muss also, um diesen
Ausfall zu decken, das Qewicht ihrer Nahrung steigern; aber eine einfache Deckung
desselben scheint nach den Beobachtungen von Arnold nicht zu genügen, sondern es
muss ein sehr beträchtlicher Ueberschuss gegeben werden. Wenn sich diese interessante
Entdeckung bestätigt, so kann sie nur durch die Annahme erklärt werden, dass bei
der Anwesenheit der Gallenbestandtheile im Blut der Stoffumsatz im thierischen Körper
langsamer als bei ihrer Abwesenheit vor sich geht. Daraus resultirt aber, dass die
quantitativen Verhältnisse der Gallenabsonderung nicht die normalen sein können.
Arnold ist geneigt anzunehraen, dass sie wegen der reichlichen Fütterung gesteigert
sein möchte. — 2) Die Zustände der Leber oder des Körpers überhaupt scheinen sich
sich während des Bestehens der Fistel allmählig dahin zu ändern, dass aus denselben
eine Verminderung der Gallenabsonderung resultirt; es ist also die Gallenabsonderung
bei ein und demselben Thier zu Anfang und zu Ende einer länger dauernden Beobach-
tungsreihe nicht vergleichbar (U. Nasse).
Diesen Uebelständen suchten Bi d der und Schmidt dadurch aus dem Wege zu
gehen, dass sie temporäre Gallenfisteln benutzten, indem sie einige Stunden nach der
Anlegung derselben, und namentlich bevor entzündlmhe Erscheinungen ira Unterleibe
eingetreten, die Galle auffingen. So sehr es nach den vorliegenden Beobachtungen
den Anschein hat, als ob dieses freilich nur für kurze Zeiträume verwendbare Ver-
fahren die obigen Bedenken ausschliesst, so wäre es doch wünschenswert , an einem
und demselben Thiere beide Methoden zu benutzen, um sich von ihren» relativen
Werthe zu überzeugen. — 3) Der Ableitung und dem Auffangen der Galle aus der
Fistelöffnung muss endlich die grösste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wird sie
nicht sorgsam entleert, und verstopft sich namentlich die Fistelöffnung, so dass der
Inhalt der Gallengefisse unter eine erhöhte Spannung kommt, so tritt ein Theil und
unter Umständen die ganze Galle in das Blut zurück (Kölliker und Müller), so
dass aus der Fistel, selbst wenn sie nun eröflhet wird, gar keine Galle zum Vorschein
kommt Um diesen Ausfluss zu reguliren, sind verschiedene CanÜlen angegeben, unter
denen die von Arnold eropfehlenswerth zu sein scheint, indem ihre Anwendung
den Vortheil gewährt, dass die ausgetretene Galle in einen vor Verdunstung geschützten
Ort zu liegen kommt. — Ein ganz eigentümlicher Fehler wird in die Gallenbestim-
mung noch dadurch eingeführt, dass der unterbundene und durchschnittene Gallengang
sich häufig wieder herstellt, so dass sich dann die Galle ganz oder teilweise wieder
in den Darrakanal ergiessen kann. Ira zweifelhaften Fall kann am lebenden Thier die
Wiederherstellung des Gallengangs ermittelt werden durch eine Injektion der Gallen-
blase mit Wasser, in dem gefärbte Partikelchen aufgeschwemmt sind. Erscheinen
diese im Koth wieder, so war der Gang natürlich wieder hergostellt; meistenteils
leistet den Dienst des eben vorgeschlagenen Mittels schon der Gallenfarbstoif.
Das Leber gewicht wissen wir bis dahin noch auf keine sichere Weise zu
unaerm Zweck zu bestimmen ; es würde natürlich für die Bildung des vorhin erwähnten
Quotienten eigentlich notwendig sein, entweder das Gewicht der Leberzellen für sich
zu kennen , oder die Leber jedesmal vor der Wägung in einen solchen Zustand zu ver-
setzen, dass das Gewicht derselben jenen Zellen proportional wäre. Da nun aber aller
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326
Zahlen Uber die Gallenmcngen
Wahrscheinlichkeit nach die Gewichte der Gallengäng - und Blutgefässhäute mit dem
der Leberzellen proportional steigen, so wäre nur dafür zu sorgen, dass der Inhalt
der Gallengänge und Blutgefässe vor der Wägung bis auf ein Minimum entfernt wird.
Um eine Anschauung ron dem Umfang der Absonderungs-Schwankungen zu ver-
schaffen , welche oben erwähnt wurden , geben wir einige Zahlen ; wir beschränken uns
bei der Auswahl unter den vorhandenen auf die Beobachtungsresultate an Hunden und
Katzen, weil nachweislich die Galle der Grasfresser anders zusammengesetzt ist, als
die des Menschen.
Die folgende Tabelle ist nach Bidder und Schmidt entworfen; die Beobach-
tungsthiere sind Katzen , die Fisteln temporäre , die Beobachtungszeit immer drei
Stunden.
Citat
Termin der letzten
Beobachtete Menge.
Leber-
gewicht.
Quotient des
festen Rückst,
in das Lrber-
gewicht.
Quotient des
W assers in
da« Leber-
gewicht.
des
Versuchs.
Hitterang v. dem
Versuch.
•
Fester
Rückstand.
Wasser.
2
2,5 St.
0,190 Gr.
2,751 Gr.
52,66 Gr.
0,0036
0,0522
4
3,0 „
0,364 „
6,893 „
99,2 „
0,0036
0,0695
5
2,0 St v. Beginn
d. Versuchs 100
Gr. Wasser ein-
genommen.
0,362 „
3,574 „
85,6 „
0,0042
0,0417
7
12 St
0,432 „
6,806 „
97,0 „
0,0044
0,0701
8
12 „
0,306 „
5,125 „
61,5 „
0,0050
0,0633
9
14
0,323 „
6,463 „
120,2 „
0,0027
0,0537
10
14 „
0,591 „
7,236 „
97,5 „
0,0060
0,0742
12
24 „
0,277 „
6,606 „
151,6 „
0,0018
0,0436
14
24 „
0,168 „
1,574 „
67,86 „
0,0025
0,0232
15
48 „
0,171 „
2,729 „
112,0 „
0,0019
0,0243
16
48 „
0,209 „
2,063 „
109,8 „
0,0019
0,0188
18
168 „
0,131 „
1,293 „
65,65 „
0,9023
0,0197
19
168 St. Thier
schwanger.
0,081 „
1,415 „
120,0 „
0,0008
0,0139
20
240 St
0,094 „
1,033 ,,
83,97 „
0,0010
0,0123
Sehen wir von Versuch 9 ab, welcher stark aus der Reihe fällt, so führen die
Resultate dieser Beobachtungen auf die Bohauptung, dass die Absonderungsgeschwindig-
koit der festen Gallenbestandtheile von der 2. bis zur 14., ja 17. Stunde nach der Essenszeit
im Wachsthum begriffen ist, dass sie von da ab aber absinkt und sich von der 24. bis
168. Stunde in annähernd gleichem Werth« erhält und von da bis zur 240. Stunde
sich sehr allmählig emiedigt. — Die Absonderung des Wassers geschieht dagegen nach
einem sehr unregelmässigen Modus.
Die folgenden Beobachtungen sind (die vier ersten von H. Nasse, die letzten
von Arnold) an Hunden mit permanenten Fisteln gewonnen; die Beobachtungazeit
ist 24 Stunden.
nach Bidder, ßchmidt, Arnold, Nasse.
327
Gewicht des
Hundes.
Futter.
Rückstand
Wasser
Leber-
gewicht.
Quotient Quotient
aus festem aus dem
KUckstd. u. Wasser u.
Leber- , Leber-
gewicht. ; gewicht.
der Galle.
9.0« Kilo.
1,75 Kilo Fleisch.
6,74'! Gr.
174,258 Gr.
299,5
0,0225 1 0,5818
9,54 „
Brod und Kartoffeln
164,54« „
1» 11
0,0209 f 0,5494
nach Belieben.
6,252 „
,, „
>
1,4 Kilo Fleuch.
6,168 „
167,234 „
0,0206 ! 0,5583
8,89 „
0,78 Kilo Brod.
4,490 „
104,110 „
4» 44
0,0150 0,3476
7,75 „
0,75 Kilo Fleisch und
2,89 „
68,03 „
460,0
0,0063 0,1914
0,340 Kilo Wasser.
\
8,00 „
0,47 Kilo Brod und
2,64 „
60,38 „
»» 44
0,0057 j 0,1313
0,45 Kilo Wasser.
1
Eine Vergleichung dieser Beobachtungen ergiebt ausser den im Text mitgetheilten
Resultaten, dass die Absondernngsgeschwindigkeit in dem Hunde, welchen Nasse
beobachtete, um das 3 bis 4 fache diejenige in dem von Arnold beobachteten Hunde
übertraf. Der Grund ist theilwei.se wenigstens darin au suchen , dass der erste Hund
in einem Zustand starb, der mit grosser Magerkeit und Blutleere verbanden war, in
Folge dessen wohl das Gewicht der Leber geringer ausgefallen ist; wahrscheinlich war
das Lebergewicht zur Beobachtungszeit, welche zu Beginn der ganzen Versuchsreihe
fiel, beträchtlich höher gewesen*). — Vergleichen wir nun aber auch den Arnold-
sehen Hund mit den von Katzen gelieferten Zahlen, so finden wis, dass die mittlere
tägliche Absonderungsgeschwindigkeit der festen Bestandteile bei Hunden das tägliche
Maximum derselben bei den Katzen erreicht und Ubertrifft. Es muss dahin gestellt
bleiben, ob dieses eine Folge der Verschiedenheit der Thiere oder der grossem re-
lativen Futtermenge ist, welche bei Anwesenheit permanenter Fisteln verzehrt wird.
Die Geschwindigkeit der Wasserabsonderung ist bei Hunden sehr viel bedeutender, Ms
bei den Katzen.
Aus den neueren Mitteilungen von Arnold ist ferner hervorzuheben, dass
1 Kilogr. Hund täglich gab :
bei 58 Gr. Brodnahrung (auf den Kilo Thier) 9 Gt. Galle mit 0,26 Gr. Rückstand,
bei 96 Gr. Rindfleisch „ „ „ „ 11,6„ „ „ 0,54 „ „
bei Eiernahrung »9 „ „ „ 0,26 „ „
Berechnet man den festen Rückstand der Galle auf 100 Theile fester Nahrung,
so ergab sieb, dass von 100 Theilen trockenem Rindfleisch 1,99 trockene Galle und
von 100 Theilen getrockneten Brodes 0,87 trockene Galle horvorgeht.
Der Versuch, aue den vorliegenden Beobachtungen an Thieren
die Geschwindigkeit flir die Gallenabsonderung des Menschen ab-
zuleiten, möchte freilich gewagt erscheinen; behält man aber im
Auge , dass das Tagesmittel derselben auch bei Menschen, je nach
*) Bidder a. Schmidt beobachteten n. A. unter sehr verschiedenen Bedingungen and zu den
verschiedensten Tagesselten einen Hnnd 8 Wochen hindurch. Aus dem Versuch leiten sie ab, dass
der Huod im Mittel täglich 8,45 Rückstand und 156,30 Wasser entleert habe. Die Leber de«
5,190 Gr. schweren Thiercs wog 27R Or. Dieses würde einer Absonderungsgeschwindigkeit von gar
0,0300 fllr die festen Stoffe und von 0,5626 rtlr das Wasser entsprechen.
■ . Qigilized by Google
328
Chemische Vorgänge in der Leberzelle.
Individualität und Lebensart, bedeutend schwanken mag, so kann
man immerhin die bei Hunden beobachteten Grenzfälle, welche
für die Absonderungsgeschwindigkeit der festen Bestandtheile
= 0,0225 und 0,0057 waren, auch flir solche annchraen, die ein-
mal beim Menschen Vorkommen können. Um mit Hilfe derselben
den absoluten Werth der täglichen Gallenmenge des Menschen ab-
zuleiten, hat man darauf nur nötliig, die obigen Zahlen mit dem
mittleren Lebergewicht des Menschen (nach Huschke, offenbar
zu hoch, = 2500 Gr.) zu multipliciren. Das Ergebniss dieser
Operation würde sein, dass aus der Menschenleber täglich zwischen
13 bis 45 Gr. fester Substanz austreten. Da nun die Menschen-
gallen nach Frerichs und Gorup (nach Abrechnung von 1 bis
bis 2 pCt. Schleim) zwischen 8 und 16 Procent fester Bestandtheile
enthalten, so würde die angenommene Menge des festen Rück-
standes entsprechen einem Gallengewicht, das zwischen 80 und
600 Gr. liegt. Da nun aber die Galle, welche jene Analytiker zer-
legten, Blasengalle war und diese nach Nasse ungefähr noch
einmal so conzentrirt ist, als die Galle des Lebergangs, so würde
man diese Gewichte verdoppeln können u. s. w. — So schwankend
unsere Grundlagen aber auch sind, sie führen jedenfalls zu der
Ueberzeugung , dass die Masse von Flüssigkeit, welche aus den
Lebergängen ausgeführt wird, keine sehr beträchtliche ist.
6. Chemische Vorgänge in der Leberzelle. Die Leberzelle
darf als eine chemische Werkstätte angesehen werden, deren
Thätigkeit nicht allein an Umfang, sondern auch an Art ver-
schieden ausfallen kann. Insofern man die Art der Umsetzung
in’s Auge fasst, gewinnt es den Anschein, als ob sich zwei ganz
verschiedene, gegenseitig ausschliessende Vorgänge hier entwickeln
könnten. Wollte man dieselben durch ihre Endproducte kenn-
zeichnen, so könnte man den einen Bildungsakt den von Galle und
Zucker, den andern den von Leucin, Tyrosin und Cystin nennen.
Diese Unterscheidung rechtfertigt sich durch die Erfahrung, dass in
dem Maassc, in welchem die ersten Stoffe in der Leber gefunden
werden, die zweiten darin fehlen und umgekehrt. — Da der erste
Vorgang der gesunde ist, so werden sich die folgenden Betrach-
tungen vorzugsweise auf ihn beziehen.
Die oft behandelte Frage, ob in der That die Gallensäure,
der Gallenfarbstoff, das Amyloid oder der Traubenzucker in der
Leber aus andern in sie eingeführten Atomen ihren Ursprung
nehmen , scheint unbedingt bejaht werden zu müssen. Für die Ent-
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Chemiseho Vorgänge in der Loberaelle.
329
stehnng der Gallensäure in unsemi Organ erbeben sieh der Mangel
an Gallensäure in dem zuströmenden Blut , und vor Allem das von
Kunde entdeckte und von Moleschott bestätigte gänzliche Ver-
schwinden der Gallenstoffe aus dem thierischen Körper, welcher
mit ausgeschnittener Leber längere Zeit fortlebt. Für die Neubil-
dung von Gallenfarbstoff insbesondere spricht ausserdem noch die
klinische Erfahrung, dass nach einer chronischen Verödung der
Leberzellen die Darmentleerungen wenig braun gefärbt sind, ohne
dass sich Gelbsucht einfindet (Frerichs). — Die Entstehung der
Kohlenhydrate (der löslichen und unlöslichen Amyloider, des Trauben-
zuckers, des Inosits und der Milchsäure) wird bezeugt durch die
Menge von Traubenzucker, welche mit dem Lebervenenblut fort-
strömt, ohne dass überhaupt eine Zufuhr, oder wenigstens keine an
Menge entsprechende, von Kohlenhydraten stattfände. — Da nun
die zuckerreiche und gallenbildende Leber noch andere Stoffe , ins-
besondere Harnsäure, das der Zusammensetzung nach so nahe-
stehende Hypoxanthin und auch Cholestearin enthält, so erscheint
es annehmbar, dass auch diese Atomgruppen in der Leber
ihren Ursprung nehmen. Unzweifelhaft erschöpft diese Aufzäh-
lung (Gallensäure, Gallenfarbstoff, Kohlenhydrate, Harnsäure, Hy-
poxanthin, Cholestearin (?) noch nicht die Reihe von Neubildungen ;
denn einmal haben wir Andeutungen dafür, dass der Leber ein
Fermentkörper eigenthümlich sei , dann spricht die Erfahrung, dass
das Lebervenenblut wärmer als alles übrige ist, dafür, dass hier
Oxydationen irgendwelcher Art vor sich gehen , und endlich ist das
Verhalten der Fette in der Leber eigenthümlich genug, um es min-
destens fraglich erscheinen zu lassen, ob sich nicht dort etwas beson-
deres mit ihnen ereignet. Man könnte allerdings die Erfahrung,
dass nach dem Genuss von Fetten die Leber sich strotzend mit
diesem Stoff füllt, darauf deuten, dass der feinkörnige Rahm des
fettreichen Blutes in die Leberzellen filtrire, um so mehr, als bc-
kanntennaassen die Galle ein Beförderungsmittel für den Durch-
gang der Fette durch wassergetränkte Häute ist; aber dieser Deu-
tung stehen doch auch Hindernisse entgegen, denn das Fett er-
scheint im Blut nicht in freien Tropfen, sondern umschlossen von
einer mit Wasser durchfeuchteten Haut; durch sie hindurch gelangt
es nicht in Anfänge der gallenführenden Kanäle, sondern in die
von diesen eingescblossenen Leberzellen, und zwar dort in eine
Flüssigkeit, mit welcher es sich nicht mischt, sondern gegen die es
Tropfenspannung entwickelt. Dazu kommt endlich, dass das Fett
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330
Charoiache Vorgänge in der Leberzelle.
dort bo mächtig werden kann, dass die ausgedehnten Zellen
die kleinen Blutgefässe bis zum Verschwinden ihres Hohlraums
zusammendrücken. Diese Thatsachen insgesammt thun dar,
dass hier zum mindesten kein Durchsickern des Fettes in Folge
höheren Druckes von Seiten des Inhaltes der Blutgefässe statt-
finden kann.
Zu den Stammatomen , ans welchen Taurocholsäurc, Harnsäure
und Zucker hervorgehen, müssen unzweifelhaft die Ei weisskörper
gehören, da nur sie von allen Blutbestandtheilen Schwefel und so
viel Sticktoff mitbringen, als zur Darstellung der Gallen- und Harn-
säure nöthig ist Die Kohlenhydrate fuhren allerdings jene Ur-
sprungszeugen nicht mit sich, aber statt dessen lässt sich geltend
machen, dass beim Fleischfresser kein anderes Atom reichlich
genug vorhanden ist, um zur Entstehung von so viel Zucker Ver-
anlassung zu geben. Dann ist auch die Entstehung der Gallen-
säure an die des Leberzuckers sehr innig geknüpft, indem, wie
wir schon sahen, Gallensäuren und Zucker zu derselben Zeit und
in immer proportionaler Menge auftreten; so steigerte namentlich
ein reichliches Mahl aus Fleisch die Bildung des Zuckers und der
Galle zugleich. Woher der Gallenfarbstoff kommt, bleibt ungewiss ;
man hat ihn aus dem Blutfarbstoff (Kühne) oder auch aus den
Gallensäuren (Frerichs und Staedeler) abzuleiten gesucht. Die
Thatsachen, welche man zum Beweis bringt, werden bei der Aus-
scheidung des Farbstoffs und der Säure der Galle durch den Harn
besprochen werden. — Wenn nun auch feststeht, dass die Eiweiss-
stoffe in den vorliegenden Zersetzungsprozess eingehen, so bleibt
natürlich die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sich nicht noch
andere Atomgruppen, wie z. B. die Fette, an der Neubildung be-
theiligen. Ob und wie dieses geschieht, wird sich erst darthun
lassen , wenn einmal die Zusammensetzung sämmtlicher neuer Atome
und das Mengen verhältniss , in dem sie auftreten, bekannt ist.
Dann erst wird sich eine chemische Gleichung von wahrem Werth
entwickeln lassen. Um einen Fingerzeig für ihre Auffindung zu
gewinnen, wird es am nächsten liegen, annähernd die Menge von
Harnsäure und Hypoxanthin der Leber im Vergleich zu den neu-
gebildeten Kohlenhydraten zu bestimmen.
Selbstverständlich kann man nicht über VermUthungen hinaus-
gehen, wenn man Rechenschaft geben will von den Bedingungen,
welche jenen Umsetzungsprozess einleiten. Unter diesen dürften
aber wohl eine Rolle spielen die Fermente , welche in dem Gewebe
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Chemische Vorgänge in der Lebertelle.
331
und dem Blut der Leber beobachtet worden; diese Annahme geht
insofern Uber die blosse Wahrscheinlichkeit hinaus, als die Bethei-
ligung der Fermente an der Umwandlung des Amyloids in Zucker
erwiesen ist. Neben den Fermenten mischt sich unzweifelhaft der
Sauerstoffgchalt des Blutes ein, weil ohne ihn die durch die Wärme-
bildung erwiesene Oxydation nicht möglich wäre; in der That ist
auch, wenn man aus der Farbe schliessen darf, das Lebervenen-
blut sauerstofffrei. Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt einmal das
Einströmen von arteriellem Blut in die Gefässe der Leberinscln
Bedeutung, und zugleich wäre es möglich, daraus zu erklären,
warum zur Verdauungszeit , wo das Blut in den Darm- und Drüsen-
capillaren des Unterleibs rascher und demnach noch sauerstoff-
haltiger in die Pfortader fliesst, die Gallen- und Zuckerbildung,
resp. der Umsetzungsprozess in der Leber mächtiger wird. Diese
Anschauung scheint unterstützt zu werden durch die ganz ähnlichen
Folgen, welche nach Durchschneidung der Gefässnerven eintreten.
Die Steigerung der Umsetzungen nach einer reichlichen Mahl-
zeit könnte man, wie es wiederholt geschehen, aber auch
darauf zurückfüliren , dass zu dieser Zeit die fermentirenden
Säfte der Kopf- und Bauchspeicheldrüsen im Pfortaderblut reich-
licher vertreten seien. — Neben den Wirkungen , die man aus der
Zufuhr des Sauerstoffs und des Fermentes ableitet, steht es aber
noch fest, das der Blutstrom während der Verdauung geradezu
auch Stoffe in die Leber, die sich zur Gallenbildung zu eignen
scheinen, ablagert, da nach Bidder und Schmidt sich zu dieser
Zeit das Gewicht der Leber mehrt; diese Gewichtserhöhung stellt
sich schon eine bis mehrere Stunden vor dem Eintritt der gestei-
gerten Absonderung ein. Für einen in der Leber auftretenden
Gährungs Vorgang führt Bernard auch das von ihm beobachtete
Verschwinden bald nur des Zuckers und bald des Zuckers und
Amylons an, wenn die Temperatur des Thieres um mehr als 10°
nach oben oder unten von der normalen abweicht. Es wäre sehr
wünschens werth, auch das Verhalten der andern Leberbestandtheile
unter diesen Umständen zu untersuchen. — Ob ausser der schon
angedeuteten Wirkung auf den Blutstrom die Nerven noch ander-
weit in die chemischen Vorgänge der Leber eingreifen, ist unbe-
kannt. — Die Annahme, dass das Pfortaderblut sich noch durch
andere als Fermentstoffe an der Gallenbildung betheilige, z. B. durch
Bestandtheile, die es aus der Milz u. s. w. mitführe, empfängt min-
destens keine Bestätigung durch die Erfahrung, dass nach langsam
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332
Leberlymphe.
vorsehreitender Veretopfhng der Pfortader die normalen chemischen
Umsetzungen sogar bis zum Erscheinen des Diabetes mellitus
(Andral) bestehen können.
Seit wir durch die abschliessenden Versuche von Strecker über die Zusammen-
setzung und Atomgliederung der Gallensäure aufgeklärt worden sind, hat man auch
Versuche gemacht, die Atomgruppen genauer zu bezeichnen, welche sich an ihrer Ent-
stehung betheiligen. Man scheint mit Beziehung darauf allgemein der Ansicht zu sein,
dass jede der beiden Säuren aus zwei Gruppen, die vorher getrennt waren, hervor-
gehen, einerseits aus der Ckolsäure und anderseits aus Taurin oder Glycin. —
Die Cholsäure glaubt Lehmann*) aus der Oelsäure ableiten zu können, welche
einen andern Atomcomplex (CnH«Oß) aufgenommen habe. In der That ist Oelsäure
(CasHasOs-^HO) -f- (CiilieOs) =■= Cholsäure (C«aü]909 -f- HO); diese Annahme begrün-
dete er durch die Beobachtung von Bedtenbacher, welcher durch NOt aus der
Cholsäure, gerade so wie aus der Oelsäure, allo Glieder der Reihe (CgH|)nO< von der
Caprinsäure abwärts und daneben andere Produkte erhielt, die sich nicht aus der
Oelsäure ableitcn lassen, und u. A. auch ein solches, in welchem C, H und 0 in
ähnlichem Verhältnis« stehen, wie in dem oben Bupponirten Paarling ; er macht ausser-
dem geltend, dass ein Zusatz von Fett zu den Nahrungsmitteln die gallenbildende
Kraft derselben erhöht — Frerichs und Staedeler scheinen zu vennuthen, dass
das Glycin aus Tyrosin, dem bekannten Zersetzungsprodukte des Eiweisses, entstehe.
Tyrosin (Ci8HnN0G) = (C4HsN04-f-2H0-l-Cj4Hg0|); Tyrosin haben sie aber, wie schon
erwähnt, in solchen Lebern aufgefunden, deren Gallenbildung gehemmt war; sie
scheinen zu vermuteten, dass der Abfall des Tyrosins in das Blut übergehe, denn es
sind Verbindungen der Salicylgruppe im Ham mit Sicherheit nachgewiesen.
7. Leberlymphe. Sie ist eine vollkommen wasserhelle Flüssig,
keit, welche gar keine Körperchen enthält (Kölli ker) **). Sie
ist zuckerhaltig (Bernard), ob mehr als andere Lymphe, ist un-
bekannt. Dem Anschein nach sind die Gefässe zur Zeit der leb-
haften Gallenabsonderungen strotzender gefüllt als sonst Woher
die Lymphe ihren Ursprung nimmt, ob aus dem Blut oder aus der
Flüssigkeit der Leberzelle, ist nicht bekannt
8. Ausfuhr der neugebildeten Stoffe aus der Leber. Der Inhalt
der Leberzellen entleert sich mindestens nach zwei Seiten hin,
nach der einen, dem Blut, geht der Zucker und die stickstoff-
reichen Bestandteile , nach der andern , den Lebergängen , die
Galle. Diese Scheidung erfolgt jedoch nicht zn allen Zeiten. Wenn
die Gallengänge gegen den Darm hin unwegsam sind, so tritt auch
die Galle in’s Blut über, und wenn das Blut sehr zuckerreich ist,
so enthält auch die frische Galle Zucker. — Der Uehergang der
Galle in die Gallengänge könnte durch Filtration geschehen. Der
Uehergang des Zuckers in das Blut kann weder durch Filtration,
•) Pbyelolo*. Chemie. 1. Ad II I. Kd. 131.
Mj Zeitschrift für wiucnschafll. Zoologie. VII. Dd.
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Ausfuhr der neugebildeten Stoffe aus der Leber.
333
noch durch gewöhnliche Diffusion vor sich gehen. Denn nach
Mossler ist selbst dann noch die Galle zuckerfrei, wenn selbst
nicht unbeträchtliche Mengen von Zucker in dem gesammten Blut
enthalten sind. Verbreitete er sich auf dem Wege der Diffusion
oder Filtration , so müsste er gleichzeitig in das Blut und die Galle
eingehen. Einmal in die letztere Flüssigkeit gelangt, könnte er
nicht aus ihr bis zum vollständigen Verschwinden in das Blut
zurückkehren, denn dann würde er in den von Mossler beobach-
teten Fällen aus der verdünnteren in die dichtere Lösung diffun-
diren. Man sieht sich also genüthigt, an eine Anziehung zu denken,
die auf irgend eine Weise vom Blut ausgeht.
Der Zucker tritt mit dem Lebervenenblut in das Herz und von
dort in die Lungen. Auf diesem Wege verschwindet er rasch, so
dass off schon in dem linken Herzen nur noch Spuren desselben
nachweisbar sind, wenn nicht grosse Mengen von Zucker aus der
Leber traten (CI. Bernard, Pavy).
Die Galle kommt in die Lebergänge und wird in diesen
weiter befördert durch die Kräfte, welche sie in den Anfang der-
selben einpressten. Wir sind zu dieser Vermuthung gedrängt durch
die Abwesenheit von Muskelfasern in den Wänden der Gänge , oder
mit andern Worten durch die Unmöglichkeit, den Strom durch die
Gänge anders zu erklären. — Anders verhält es sich mit dem
Blaseninhalt; er kann nicht durch die von den Wurzeln der Leber-
gefUsse herrührenden Drücke aus ihr gepresst werden. Man ist
darum geneigt, ihrer Muskelschicht die Austreibung der Galle zu-
zuschreiben, und zwar um so mehr, als man zuweilen wenig-
stens Zusammenziehungen derselben gesehen hat (H. Meyer*),
E. Brücke) **). Jedenfalls geschieht aber diese Zusammen-
ziehung in grossen Intervallen, ähnlich den Darmmuskeln. Wie
es scheint , fallen die Zeiten lebhafter Gallenabsonderung zusammen
mit denen der erhöhten Erregbarkeit in den Blascnmuskeln ; denn
es fanden Bidder und Schmidt***) die Blase bei hungernden
Thieren immer gefüllt, bei gefütterten dagegen leer. — Auch kann
ein heftiger Druck auf die Bauchmuskeln die Gallenblase entleeren.
Frerichs fand sie bei Hunden, die an Erbrechen gelitten,
immer leer.
•) De niuat nli* ln duetn effer. glandulär. Berollni 1887. p. 29
••) 8lt*ung»bericbte der Wiener Akademie. IBM. 420.
•••) L. c. p. 20».
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334
Lebemhleim.
Die Galle gelangt nun weiter ans den düngen in den Dann-
kanal. Hier geht abermals eine Scheidung mit ihr vor; die gallen-
sauren Salze, die Fette, zum Theil der Farbstoff, die alkalischen
Mineralsalze und das Wasser gehen in das Blut Uber, der andere
Theil des Farbstoffs, das Cholestearin (?) und die mit dem Schleim (?)
verbundenen Erdsalze werden mit dem Faeces entleert. — Der
in das Blut Ubergegangene Theil unserer Flüssigkeit tritt zum Theil
im Harn aus, insbesondere begegnet dieses dem Farbstoff und der
Gallensäure, w'enn sie sehr reichlich im Blut vorhanden sind, wie
z. B. bei Gelbsucht und nach Einspritzung einer Lösung von
krystallinischer Galle. Für gewöhnlich werden sie im Blut rasch
zerlegt, so dass es nicht gelingt, sie dort aufzufinden. Dagegen
finden sich Producte dieses Umsetzungsprozesses, und zwar Taurin
in dem Lungen- und Nierengewebe (Cloetta)*) und Hippursäure
im Harn, welche dadurch entstand, dass sich das aus der Gly-
cocholsäure abgespaltene Glycin mit der vorhandenen Benzoesäure
paarte (U re, Wöhler, Frerichs, Kühne, Hallwachs)**).
Wenn die Benzoösäure in nicht genügender Menge vorhanden, so muss
das Glycin auf einem andern uns unbekannten Wege verschwinden.
Die aus der Tauro- und Glycocholsäure abgcspaltene Cholsäure
bleibt wahrscheinlich in Verbindung mit dem Natron und geht in
kohlensaures Natron über (Kühne)***). — Eine andere Um-
setzung der Gallensäuren vermuthen Frerichs f) und St ae de ler;
sie sollen sich zu Gallenfarbstoff umwandeln, der mit dem Harn
(siehe diesen) austritt.
8. Der Leberschleim. Der Saft, welchen die Schleimdrüsen
in die Lebergängc und Gallenblase ergiessen, mengt sich für ge-
wöhnlich mit der Galle, und somit ist es bis dahin unmöglich ge-
wesen, seine Zusammensetzung und seine Absonderungsverhältnisse
zu ergründen. — Um Beides möglich zu machen, wäre es nur
uöthig, den Blascngang zu unterbinden und darauf eine Blasen-
fistel anzulegen; cs dürfte sich dann leicht heraussteilen, dass
mancherlei Veränderungen in der Absonderung, die man jetzt auf
die Vorgänge in den Leberzellen schiebt, in den Schleimdrüsen
begründet sind; namentlich deutet die stärkere Anschwellung
der Blasenblntgefässc zur Zeit der Verdauung (Bidder und
•) Journal für prakt. Chemie. 66. Bd.
•*) Archiv für patholog. Anatomie. XII. Bd.
•••) Ibidem. XIV. Bd.
t) Klinik der Loberkrankhelten. L Bd. 404.
taif^uerby
Ernährung der Leber.
335
Schmidt) darauf hin, dass auch dann diese Drüsen rascher ab-
sondern.
Das Wenige, was wir von dem Schieimsaft wissen, beschränkt
sich darauf, dass er, wie die ihm verwandten Säfte, einen Körper
enthält, der alkalisch reagirt (Bidder und Schmidt*) und die
Eigenschaften und die Zusammensetzung des Mucins (Gorup)**)
Irägt. Da er mit der Galle in den Dann entleert wird, so theilt
er dort die Schicksale des übrigen Damischleims.
9. Ernährung der Leber. Beim Fötus nimmt den Ort der
späteren Leber zuerst ein kleines, mit dem Darmrohr communi-
zirendes Hohlgebilde ein, dessen Wandungen aus verschiedenen
Zellenlugcn bestehen, von denen die eine in die Epithelialschicht
und die andere in die Zellenfaserschicht der Darmwanduug über-
geht ; an der einander zugekehrten Grenze beider Lagen treten mit
dem steigenden Alter des Fötus aus der Epithelialschicht neue
Zellen auf, welche, indem sie sich zu netzförmig verbundenen
ßälkchen anordnen , die ebenfalls an Zahl zunehmenden Zellen der
Faserschicht vor sich hertreiben, so dass diese letztem immer die
äusseren Flächen der Epithelialschiclit umkleiden. Aus den Bälkchen
gehen die Gallengänge und Leberzellen, aus den umkleidenden
Zellen die Nerven, Gefässe und das Bindegewebe der Leber hervor
(Bischoff, Remak). — Beim Wachsthum der Leber verhalten
sich die Gefässe und das Bindegewebe derselben, so weit be-
kannt, wie an allen anderen Orten; wie sich dagegen die Um-
faugszunahme der Leberzellenregionen gestaltet, ist noch nicht hin-
reichend klar; am wahrscheinlichsten ist es nach den Messungen
von Harting allerdings, dass nicht die Zahl, sondern der Umfang
der Zellen zunimmt. Denn es verhalten sich nach ihm die Durch-
messer der Leberzellen des 4 monatlichen Fötus zu denen des Er-
wachsenen wie 1 : 4.
Die Veränderungen, welche die festen Bestandtheile der aus-
gewachsenen Leber und namentlich die Wandungen der Gefässe
erleiden, scheinen, in Anbetracht des reichlichen Capillarnetzes
auf ihnen, nicht unbeträchtlich zu sein. Dieser Schluss ist aller-
dings gewagt, da das arterielle Blut der Leber auch in die Capillaren
der Schleimdrüsen eingeht — Der Umfang der Leber wechselt bei
einem und demselben Erwachsenen, wie es scheint, nicht unbe-
•) L. €. p. 214.
Lieblf , Annalen. 69. Bd. 191.
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336
Ernährung der Leber. Speicheldrüsen.
trächtlich; namentlich nimmt sie beim Hungern ab und bei der
Mästung sehr zu.
Hierüber giebt folgende Zusammenstellung Aufschluss:
Beobachtungagegenstand.
Zelt nach der I. Mahlzeit
ln Standen.
VcrhiUtniaNzahl
zwischen Leber-
and
Körpergewicht.
■•b . MdttU
Beobachter.
fn*»
Mann von 27 Jahren . .
Kura nach der Mahlzeit.
i
26,5
„ „ 36 „ . .
1
37
y '*i>
»» >» 25 „ . .
72 8tunden.
i
40
l Freriehs.
Prau „ 33 „
168 „
i
50
)
Katze
3
1
30
*
12 — 15 Stunden.
t
25
\ Bidder
24-48
31
\ und
»» •
168 Stunden.
t
37
1 Schmidt.
Bei chronischem Hunger, wie ihn Stricturen des Oesophagus mit sich bringen,
nähert sich nach Freriehs das Verhältniss mehr wieder der Norm; er fand im Mittel
von 4 Fällen = t : 29,5.
Der Zusammenhang zwischen der Umfangsänderung und der
Gallenbildung ist schon erwähnt; ebenso dass bei einer Anhäufung
des Fettes im thierischen Körper der Inhalt der Leberzellen sieb
beträchtlich mästet *) , und zwar so weit., dass die durch Fett
weit ausgedehnten Zellen die Blutgefässe zudrllcken. — Die
öfter ausgesprochene Annahme, dass die Lcberzellen, welche an
die GaÜengänge grenzen, aufgelöst und an ihrer Stelle neue gebildet
werden, entbehrt vorerst noch der Begründung, die um so mehr
uöthig, als die Leberzellen der Säugethiere in Galle unlöslich
sind (Kühne).
Speicheldrüsen.
1. Anatomischer Bau. Ein Abguss der Speicheldrttsenhöhlen
besitzt bekanntlich eine grosse Aeknlichkeit mit einer sehr dicht-
end feinbeerigen Weintraube (E. H. Weber, Joh. Müller). Die
Grösse derselben, oder was dasselbe bedeutet, die Zahl der Beeren
und die der Nebenstiele, welche in den Hauptstiel einmünden, ist
sehr veränderlich. — Die Röhrenwände bestehen in den Endbläschen
aus einer sehr feinen, durchsichtigen Grundhaut und einem Epi-
thelium. Die Zellen des letztem , welche man Speichelzellen nennen
könnte, sitzen dicht gedrängt und sind überall kugelig, kernhaltig.
Sie füllen die Höhle des Blächens fast vollkommen aus. In der
') Lereboallot, Mdmoire sur U atructare intim« de 1« foie etc. Paria 1863.
/ - Blut irnd Blutstrom in der Speichel >, insbesondere der Unterkieferdrüse. 337
Parotis weicht ihr Inhalt von dem in den übrigen Speicheldrüsen
etwas ab, es fehlt ihm das körnige, getrübte Ansehen, und er
wird durch Wasser und Essigsänrezusatz nicht gefällt (Do n de rs )*).
ln den grossem Drüsengiingen ist die Grundmasse der Wand aus
elastischem Bindegewebe gebildet, in das meist sehr sparsame und
nur in den Unterkieferdrüsengängen häufigere Muskelzelleu cin-
gostreut sind (Kölliker). Die Kpithclialzellen der grossen Gänge
besitzen einen viel geringeren Durchmesser als diejenigen der End-
bläschen. Man könnte die letztem Öp eiche lzellcn nennen. —
Die Arterien der Speicheldrüsen verästeln sich auf den ltläschen
zur Bildung eines weitmaschigen Netzes. Die kleinsten zuflthrenden
Arterien sind mit sehr kräftigen Muskellagen versehen. — Nerven-
fäden erhalten die Speicheldrüsen aus den nn. trigeminus, facialis,
sympathicus ; in ihrem Verlauf durch die Drüse sind sie mit Ganglion-
kugelu belegt; die Primitivrühreu verästeln sich auf ihrem Verlauf
wie in den Skelctmuskeln (Donders). Ihre Enden sind der ana-
tomischen Zergliederung noch unbekannt; der physiologischen Er-
fahrung zufolge verzweigt sich der Sympathicus in den Gefässmiftkeln
(Czcrmak, CI. ßernard).
Die chemische Kenntniss der Speicheldrüsen beschränkt sich
auf die Notiz, dass das Gewebe Leucin und Schleimstoffc enthält
(Stacdeler).
2. Blut der Speichel -, insbesondere dcrUnterkicfcrspeicheldrlise.
Während der bestehenden Speichelabsonderung wurde Blut aus den
beträchtlichsten Drüsenvenen und zugleich ans einem den Drtlsen-
arterien benachbarten Zweig der Carotis anfgesannnelt. Das erste
enthielt 74,6, da« zweite 78,0 pCt. Wasser. Das Blut kam ans
der Vene hellroth hervor; es hatte also sehr rasch die Drüse durch-
eilt, G. Bernard **). -— Während der Absonderung des Speichels
steigt die Temperatur des Venenblutes (,C. Ludwig).
Der Unterschied von 3,4 pCt. Wasser im arteriellen und venösen Blut dürfte
nur aus einem ungleichen KörporchenKchalt beider Blutadern zu erklären sein.
3. Der Blutstrom durch die Speichel-, insbesondere die Unter-
kieferdrüse. Uebor die Veränderungen des Strombettes von den
Arterien durch die Capillareu zu den Vcneu und von dem absoluten
Wertlie der Geschwindigkeit und Spannung in den einzelnen Ab-
theilnngen ist nichts bekannt. Die starken Muskellagen der kleinen
Arterien können Veranlassung zu weseutlicben Aenderungen des
•) Oud^pxockingan gfdnn in heb pb^sioU laborat. L'trscht 1862—63. p. 61.
••) L<s$otj* nur lea liquide*. 1. TW. 3W.
Ludwig, Pbyaiologfa II. 2. Auflage.
22
338
Speichelbestandtheile <ler Unterkieferdrüse.
Stromqnerschnittes geben , welcher die Capillareu speiast. Nament-
lich weist CI. Bernard nach, dass während der Reizung des
Sympathieus das Blut ans den llauptdrtisen venen nur sehr langsam
und dnnkelroth, nach Durchschneidung jenes Nerven aber rasch
und hellroth kommt. Bei Reizung des rain. lingualis strömt das
Blut rasch und hellroth, und, wenn noch gleichzeitig der n. sympatli.
durchschnitten ist, oft selbst pulsirend aus der Vene.
Beispielsweise fuhrt Bernard*) an, dass während der Heizung des n. lingualis
das* Blut aus der Drüsenrene um 4 mal rascher ausgeflossen sei, als bei Ruhe der-
selben. — Die Erscheinungen bei Reizung und nach Durchschneidung des n. Sympathien»
erklären sich auf bekannt* Weise. Die ücfä&serweiternng auf Reizung de« n lingualis
lat schwierigerz erklären, weil uns eine Muskulatur, welche vermöge ihrer Zusammen-
ziehung die Gefässe erweitert, unbekannt ist; die Erklärungsgründe können also nur die
Erschlaffung der Kreismuskulatur berücksichtigen ; diese aber könnte eingeleitet werden
entweder durch eino ähnliche Beziehung des nun. lingualis zu den Circularmuskeln,
wie sie der Vagus zum Herzen besitzt, oder durch die Temperaturerhöhung, welche
nach Roizung der Nerven im Blut und in der Drüse eintritt (?). — Bernard, der
die erste Erklärung hinstellt, glaubt, dass ununterbrochen von beiden Nerven Wir-
kungen auf die Gefiisse ausgehen und dass in Folge dessen oin Gleichgewicht eintrete,
weichet jedoch zu Gunsten bald dieses und bald jenes Nerven aufgehoben werde.
4. Speichel. Er gehört, wie im Voraus zu bemerken, zu
den Säften, welche nur dann fliessen, wenn die zur Drüse gehenden
Nerven geradans oder reflectorisch gereizt werden (C. Ludwig).
Die qualitative chemische Zusammensetzung des Speichels aus den
verschiedenen Speicheldrüsen stimmt allerdings zwar in den meisten,
aber nicht in allen Stücken überein.
a. Der Speichel der Unterkieferdrllse **) enthält unter allen
Umständen Wasser, Mucin, einen eiweissartigen Extraktivstoff, dessen
Eigenschaften von der Darstellungsart (nach Berzclius, Gmclin
oder G. Mitscherlich) abhängig sind***), einen in Alkohol lös-
lichen Extraktivstoff, eine Kallscife, Chlorkalium, Kochsalz, phosphor-
saure Salze , - Rhodankalium und Wasser, zuweilen führt er auch
schwefelsaures Kali. — Die quantitative Mischung f) des Speichels
ist veränderlich: 1) mit der Zeitdauer der Reizung, resp. der
Speichelabsonderung. Beginnt nach einer längern Ruhe die Speichel-
absonderung wieder, so ist jedesmal der erste Tropfen durch
Molekularkönichen getrübt. Hält man die Absonderung eine Stunde
und mehr im Gange und fängt den in je 10 oder 15 Minuten aus-
•) Le^on* *ur le* liquid«*. II. 8*1 *70.
•■) Bl d der urnl Schmidt, VMinnjipillte. p. 7.
*••) Lehmann, phyaloluf. Chemie. II. Bd. 17/
f) II eint*, Zoochendc. p. 8/7.
Veränderung der Speie helbestamltlicile der irnterkieferdrüso. 33$
tretenden Speichel gesondert auf, so findet sich , dass der im Be-
ginn einer solchen Speichelnngsperiode austretende Saft reicher an
festen Bestandtheilen ist, als der spiiter erscheinende; es nimmt also
mit der Dauer der Speichelung der prozentische Gehalt an festen
Bestandtheilen ab. Diese Verdünnung unseres Saftes ist vorzugs-
weise bedingt durch die Verminderung der organischen Bestand-
theile; denn diese werden in einer langen Spciehelungszeit bis zur
Hälfte oder zum Viertel des ursprünglichen Gehaltes herabgedrliekt,
während der Salzgehalt sich entweder gar nicht, oder jedenfalls
mn viel weniger als die Hälfte, verändert (C. Ludwig, .Be eher)*). —
2) Diese Erscheinung muss abhängen von irgend einer Aenderung,
welche in der Drüse durch die Absonderungsdauer eingeleitet wird.
Denn wenn man erst die Drüse einer Seite so lange reizt, bis der
ausfliessende Saft arm an organischen Bestandtheilen geworden ist
und dann mit der Reizung der Drüse an der andern Seite beginnt,
so gewinnt man dort anfänglich einen Speichel , der eben so reich
an organischen Bestandtheilen ist, wie es der Anfangsspeichel der
zuerst gereizten Drüse war, und es nimmt mit dauernder Reizung
der verbrennliche Rückstand gerade so ab , wie vorher an der
ersten Drüse (Setschenow, C. Ludwig). — 3) Die Zusammen-
setzung ändert sich mit dem gereizten Nerven **). NachBernard,
Eckhard und Adrian ist Speichel, der nach Reizung des Sytn-
pathieus abgesetzt wird, zäher als der, den die Reizung des
Facialis und Trigeminus hervorbringt. — Der auf Gescbmacks-
reflexe ausfliessende Speichel soll weniger zäh sein als der durch
die direkte Reizung des ram. lingnalis ausfliessende (Ilernard) ***). —
5) Mit einer bedeutenden Steigerung des Kochsalzgehaltes im Blut
mehrt sich der Salzgehalt des Speichels um ein Geringes; die
organischen Bestandtheile erhalten sich unverändert. — Auffallender
Weise erleidet dagegen die Zusammensetzung des Speichels keine
merkliche Veränderung durch eine beträchtliche Vermehrung der
prozentischen Menge des Blutwassers , welche man durch eine Ein-
spritzung voii Wasser in die Venen erzeugt hat (E. Becher,
C. Ludwig). — 6) Ebenso unabhängig ist auch die Zusammen-
setzung von der Absondernngsgeschwindigkeit; der in der spatem
Zeit der Speichelungsperiodc gewonnene Speichel ist immer ärmer
r ; .
E. I* ec her tind C. Ludwig, Hcnl e*B und Pfeb for'i Zeitschrift. N F. I. Bd. 278.-
**) Bornctrd, Le^ons nur lea liquide«. 18M. n. Bd. 276.— Eckhard, Beitrüge *ur Anatomie
bnd Physiologie. 11. Bd« p. 86.
Mt) t. c. p. 261*
W
«
340
OhT-, Untemingen - und Munddrüsenspeichel.
an festen Theilen als der früher abgesonderte, gleichgiltig ob der
eine oder der andere rasch oder langsam, also bei grösserer oder
geringerer Nervenerregung abgesondert wurde (C. Ludwig,
Setscbenow).
Nach den bis dahin bekannt gewordenen Bestimmungen
schwanken beim Hunde in 100 Theilen: der Rückstand von 1,98
zu 0,39, die Salze von 0,79 bis 0,24, die organischen Qestandtheile
von 1,26 zu 0,15. — Ein Speichel von annähernd mittlerer Zu-
sammensetzung enthielt nach C. Schmidt: Wasser = 91,14;
organische Stoffe =0,29; Ka und NaCI = 0,45; Kalksalze = 0,12.
b. Der Speichel der Ohrdrüse unterscheidet sich von dem vor-
hergehenden nur dadurch, dass er Harnstoff (Poisenille und
Goblcy)*) und kohlensauren Kalk enthält, während er das
Mucin entbehrt (Gurlt); darum fehlt ihm der fadenziehende
Aggregatzustand; seine quantitative Zusammensetzung zeigt eben-
falls grosse Variationen; eine derselben besteht darin, dass durch
dauernde Absonderung das spezifische Gewicht erniedrigt, durch
Ruhe aber erhöht wird (Lehmann)**). — Nach Mitscherlich
bewegt sich beim Menschen der Prozentgehalt der festen Stoffe von
1,6 zu 1,4, von diesen letzteren waren 0,9 verbrennlich und 0,5 un-
verbrcnnlich ; beim Hunde schwankt nachGmelin und Mitscher-
lich der Rückstand zwischen 2,6 bis 0,5 pCt. — Ucber das un-
gefähre Verhältnis8 der Salze zu einander giebt die nachstehende
Analyse von C. Schmidt Rechenschaft: Wasser = 99,53; organ.
Stoffe = 0,14; Ka und Na CI = 0,21; CaO CO* = 0,12.
c. Der Speichel der Unterzungendrüse enthält, wenn er durch
Druck entleert wird, die sogen. Speichelkörperchen, kleine, kugelige,
gekörnte, kernhaltige Zellen (Donders) ***).
d. Mundspeichel. Der Speichel der Sublingual-, Lingual-,
Lippen- und Backendrüsen ist noch nicht gesondert untersucht
worden. Trotzdem lässt sich anssagen, dass seine Zusammen-
setzung nicht wesentlich abweiche von derjenigen der Untersuchten
Speichelsortcn, weil nämlich der Mundspeichel, oder das Gemenge
aus den Säften aller Speicheldrüsen, wie es aus der Mundhöhle
gewonnen werden kann, annähernd gleich mit jenen constituirt ist.
Die einzigen wesentlichen Unterschiede, die sich finden, bestehen
nach Berzelius, Gmelin, Schmidt, Frerichs, L’heritier
*) (Jouipt, rend. Bd. 49. p. 164.
••) Phyalolog. Chemie. 1L Bd. p. 12.
•••) Physiologie des Meuschcn. Leipzig 1896, I. 181.
Ungewöhnliche Spcichelbcstandtheile, Speichelwärme.
311
and Lehmann darin, dass der Mundspeichel losgestossene Epithelial-
zellen der Mundschleimhaut (Spcichelzellen) und phosphorsaures
Natron enthält.
Der Mundspeichel, welchen man zu verschiedenen Zeiten anf-
fängt, kann nach den schon mitgetheilten Erfahrungen nicht gleich-
artig zusammengesetzt sein; dieses haben in der That CI. Bernard,
C. Schmidt, Wright und Donders bestätigt. Donders*)
hat den Speichel der Mundhöhle vor und nach dem Fressen auf-
gefangen und aus der Analyse desselben das unerwartete Resultat
erhalten, dass der erstere weniger feste Bestandteile enthielt als
der letztere. Ebenso giebt Wright an, dass der menschliche
Speichel nach dem Essen specifisch schwerer sei als vor demselben.
In 100 Theilen wechselt sein fester Rückstand zwischen 1,35'
bis 0,35. <•
Ungewöhnliche Spcichelbcstandtheile. Wenn man in das Blut Jodkalium bringt,
so zeigt sich dieses im Speichel wieder, nnd zwar sehr bald (CI. Bernard)**). —
Blutlaugensalz kommt unter gleichen Bedingungen nicht in ihm ror (H äugst edt***),
CI. Bernard). £urde das Blutlaugensalz in die Höhlung der Speicheldrüse selbst
eingespritzt, so verschwand cs nach kurzer Zeit (CI. Bernard). — Zucker geht nie-
mals in den Speichel über, selbst nicht bei Diabetes (CI. Bernard).
5. Speichelwärme. Der nach Reizung des ram. lingualis aus
der Untcrkheferdrtlse fliessende Speichel ist mit dem Thermometer
bis zu 1,5° C. wärmer gefunden worden als das im Ursprung der
anderseitigen Carotis fliessende Blut; der Temperaturunterschied zu
Gunsten des Speichels war um so grösser, je rascher derselbe aus
dem Gange floss (C. Ludwig, A. Spiess).
Bei der Messung der Temperaturen wurde auf folgende Weise verfahren (siehe
umstehend Big. 52):
•) Ondcrxoekingen godan in het physiologish Uboratorium. Utrecht. 1852 — 53. p. 66.
*•) Leftms nur los liquides etc. II. 250.
*•) Friedlcben, die Physiologie der Thymusdrüse. 1858. 98.
342 Bestimmung der Speichelwärme ; Absonderungsgeschwindigkeit des Speichels.
Fig. 52.
Der Hg -Behälter eines
feinen, in */«•* getheilten
Thermometers a wird in
den senkrechten Schenkel b
des j. förmigen Röhrchens
eingesetzt. ln den vom
TJiermometcrgefass freige-
lassenen fest capillären
Raum dieses Schenkels
dringt der Speichel aus
dem Arm e, der in das
Drüsenende des Ganges ge-
bunden ist, und er fiiesst
aus dem gebogenen Arm d
weiter. Der Arm € des
horizontalen Schenkels ist
ein solidur Stift, der in
das Mundende des Speichel-
ganges eingebunden wird,
um die Lage der CanÜle
au sichern. Ein zweiter,
genau mit dem Speichel-
thermometer verglichener
Wärmemesser wird in die
Carotis bi^zura Brustbein
eingeschoben und dort ein-
gebunden. Die zahlreichen
Vorsichtsmaassregeln, die
dieser Versuch verlangt,
werden an einem andern
Orte veröffentlicht werden.
6. Absonderungs-
geschwindigkeit des
Speichels. Der Spei-
chel flieset aus den
Drtisen -Bläschen in
dieAusfilbrungsgänge
nicht zu allen, son-
dern nur zu gewissen
Zeiten über. Insofern
darf man die Abson-
derung eine periodi-
sche nennen. Es
könnte jedoch auch
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Absonderungsgeschwindigkeit des Speichels.
843
möglich sein, dass während der sogen. Speichelrnhe ein oder
mehrere Stoffe aus dem Blut in den Drüsenraum abgesetzt würden,
die dort so lange verweilten, bis sie von dort mit Hülfe derjenigen
Speichelbestandtheile ausgewaschen würden, welche nur zeitweise
aus dem Blut abgeschieden werden. Dann würde man sagen, die
Absonderung einzelner Speichelstoffe ist eine zwar langsame, aber
stetige, diejenige anderer eine raschere, aber nur zeitweilige. Ist
diese letztere Unterscheidung begründet, so müssen alle oder
wenigstens Antheile der organischen Stoffe zu jenen gehören, welche
stetig abgesondert werden, während das Wasser und die alkalischen
Neutralsalze die zeitweilig erscheinenden Stoffe sind. Die so eben
hingestellte Annahme findet ihren bedeutendsten Rechtfertigungsgrund
in der Thatsache, dass die beim Beginn des periodisch eintretenden-
Speichelausflusses hervortretende Flüssigkeitsmenge in 100 Theilen
reicher an organischem Rückstände sind, als die später hervor-
gehenden; somit könnte man annehmen, dass die zu jener Zeit in
die Drüse tretende Salzlösung den schon früher vorhandenen lös-
lichen organischen Stoff ausgewaschen hätte. Dabei bleit£ es aber
bedenklich, dass die Ausflussgeschwindigkeit des Speichels aus den
Gängen, oder anders ausgedrückt, dass die Zeit des Verweilens
jener Lösung in den Drüsenbläschen ohne Einfluss auf die Zu-
sammensetzung ist. Jedenfalls ergiebt sich aber aus dem Vor-
stehenden, dass die Ausscheidung der organischen Stoffe einerseits
und die der Salze und des Wassers anderseits nicht mit gleicher
Geschwindigkeit erfolgt und dass uns nur Uber die Absonderungs-
geschwindigkeit der letzteren etwas auszusagen möglich ist.
Die Absonderungsgeschwindigkeit des Wassers und der Salze
ist abhängig von einer bestimmten, aber noch nicht näher be-
kannten Anordnung der Drtlsenelemente, der Zusammensetzung des
JBlnts und der Erregung gewisser Nerven (C. Ludwig)*), a) Die
Nerven, deren Erregung die Absonderung beeinflusst, verlaufen im
ram. IU. n. trigemini (ram. lingualis, auriculo - temporalis (?)
(Rahn)**) und mylohyoideus (CI. Bern ard) ***); ferner im
n. facialis (chorda tympani, rami parotidei posteriores) (Rahn)
*) Heule’» und Pfeufer’« Zeitschrift. Zweite Folge. L <66.
♦•) Ibidem. <86.
**•) Laotin nur liquide». II. ßd. 303. — Der berühmte Pariser Akademiker beschreibt seit Jahren
Versuche, weiche Hingst vor ihm von Dr. Kahn lu meinem Laboratorium anagefUbrt sind. Da
Herr Bernard, wie er wiederholt gezeigt, einen reinen Sinn ftir literarisches Eigenthum besitzt,
»o kann »ein Stillschweigen Über die wahren Urheber Jener Versuche nur aus seiner Unbekannt-
achaft mit jenen Beobachtungen abgeleitet werde».
344
Absonderusgageschwindigkcit des Speiebels.
und im Halsstrang des n. sympathicus (€. Ludwig, Czermak)*),
im nervus glossopharyngcus (Rahn). — b) Von diesen Nerven wirken
einige geradezu auf die Drüse , d. h. die Absonderung wird hervor-
gerufen, auch wenn ihr vom Hirn oder Rückenmark getrennter
Stamm gereizt wird; die hier gehörigen Nerven verlaufen in der
Bahn des n. trigeminus, facialis und sympathicus und enden in
den Drüsen selbst. Ein anderer Theil der vorhin genannten Nerven
wirkt reflectorisch , es sind die in der Mundschleimhaut sich ver-
breitenden sensiblen Aeste des n. trigeminus und glossopharyngeus.—
c) Wird einer der geradaus wirkenden Nerven durch den tetani-
sirenden Induktionsstrom gereizt, so beginnt nicht sogleich mit der
Reizung die Absonderung, und nach Schluss der Reizung hört sie
nicht immer alsbald auf. Die Dauer der Nachwirkung scheint mit
dem Erregbarkeitsgrade der Drüsen zu wachsen (C. Ludwig). —
d) Gleichstarke Induktionsschläge erzeugen nicht von allen Nerven
ans gleichstarke Absonderung. Am mächtigsten wirkt durch die
Unterkieferdrüsc der n. facialis, am schwächsten der n. sympathicus
(C. Lu^jyig). — e) Werden gleichzeitig der ram. lingualis und der
n. sympathicus gereizt, so wird zuerst die Absonderung in der
Unterkieferdrüsc rascher, alsbald aber viel weniger rasch als nach
Reizung jedes einzelnen Nerven (Czermak). — f) Die normalen
Erregungen der Speichelnerven treten willkürlich zugleich mit den
Kaubewegungen und reflectorisch nach Geschmacksempfindungen
ein. Die Kaubewegungen sollen vorzugsweise die gl. parotis, die
Geschmacksreflexe die gl. submaxillaris zur Absonderung veran-
lassen (CI. Bernard). — g) Elektrische Schläge, die geradezu
in die Drüsen eintreffen, erzeugen keine Absonderung. — h) Thiere,
die mit Curare vergiftet sind und durch künstliche Respiration am
Leben erhalten werden^ speicheln ununterbrochen (Bernard).
Kölliker**) fand dieses nicht bestätigt. — i) Die Anwesenheit
von sauerstoffhaltigem Blute unterstützt die Absonderung; hält man
die stärkste der Venen , welche aus der gl. submaxillaris hervor-
gehen, zu, und erregt gleichzeitig den ram. lingualis, so hört all-
mählig die Speichelabsonderung auf; öffnet man die Vene, so fliesst
ein schwarzes (also sauerstofflfreies) Blut aus; hat sich dieses ent-
leert und ist durch anderes, aus der Arterie nachrückendes ersetzt,
so lockt die Nervcnreizung den Speichel wieder hervor. Aus diesen
Gründen kann die Beschleunigung des Blutstroms, namentlich der
•) Wiener akadem. Sitzungsberichte. XXV. 8.
••) Virchow'a Archiv. X. Bd. 20.
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Absondcrungsgeachwindigkeit des Speichels; Speiehelbereitung. 345
dadurch herbeigeftlhrte Blntweehscl, die Absonderungsgeschwindig-
keit steigern.
Die Absonderungsgesohwindigkcit bestimmte man entweder durch Wägen des in
der Zeiteinheit abflieseenden Speichels, oder durch Messung des ausfliessenden Volums
durch ein getheiltes Kohr, das man an die Speichelcanüle setzt. Genauer endlich misst
man die Aendcrungcn der Absonderungsgeschwindigkcit durch den in Fig. 52 gezeich-
neten Apparat. — Der Speichel entleert sich aus dem Röhrchen e d in den Kaut-
schukschlauch / und von da gegen die Decke des umgestürzten Glases g. Das Glas
selbst ist mit Quecksilber gefüllt ; dieses wird durch den eintretenden Speichel vor-
drängt und fliegst durch das Röhrchen h aus. Die ausfallenden Tropfen gelangen,
durch den Trichter * in das Kölbchen k. Dieses Kölbchen, welches in einer senk-
rechten Führung (l /) geht, hängt an einer Spiralfeder aus Messing m m. In dem
Maasse, wie Speichel ausfliesst, mehrt sich also das Gewicht des Kölbchens und damit
die Ausdehnung der Feder; die Verlängerung der Feder misst also das Speichelvolumen,
vorausgesetzt, dass man das Verhältnis» zwischen Federausdehnung und GewiAtsver-
mehrung kennt. Die zur Fixirung der Absondcrungsgeschwindigkeit nöthige Zeitbestim-
mung giebt die kreisende Trommel, auf welche die Kiolfeder o schreibt; sie ist am
Kölbchen befestigt. — Alle auf dem einen oder andern Wege gefundenen Zahlen sind
nur vergleichbar, insofern sie aus einer Drüse genommen sind. — Der Versuch, all-
gemein vergleichbare Zahlen zu erhalten, indem man die jeweilig ausgeflossene Menge
durch das Gewicht der nach dem Tode gewogenen Speicheldrüse di vidirt* hätte, ist
aus leicht begreiflichen Gründen unterblieben.
Die mittlere tägliche Speichelmenge ist unzweifelhaft
sehr verschieden nach der Festigkeit, Schmackhaftigkeit, Menge der
Speisen u. s. w. Um ungefähre Anhaltepunktc zu gewinnen, dient
das Folgende-:
Mitscherlich konnte aus einer Fistel des duct. stenonianus eines kränklichen,
sehr raässig lebenden Mannes täglich ungefähr 100 Gr. auffangen. Bidder und ,
Schmidt waren im Stande, in einer Stunde, während welcher sie weder schmeckten
noch kauten, 100—120 Gr. aus dem Munde zu entleeren. Wenn während der ganzen
Zeit des Wachens (17 Stunden) ihre Speichelabsonderung mit derselben Geschwindig-
keit vor sich geht, so würden sie täglich mindestens 1700 bis 2000 Gr. Speichel ab-
gesondert haben. In welchem Maasse die Bewegungen der Kiefer-, Zungen- und
Lippenmuskeln erhöhend auf die Absonderung wirkten, wie sich die Absonderung wäh-
rend des Essens steigert, ist nicht zu ermitteln.
4. Speichelbereitung. Die organischen Bestandteile und ins-
besondere das Mncin des Speichels sind nicht im Blute vorgebildet,
man muss sie darum als eine Neubildung im Innern des Driisen-
raums ansehen. Da man nun das Mucin in den Epithelialzellcn
der Drüsenbläschen aufgefunden hat, so ist Donders*) geneigt
anznnehmen, dass sich das Mucin durch Auflösung der Zellenwan-
dung in dem alkalisch reagirenden Speichel bilde; er stützt seine
•) I. c. p. Kl.
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346
Spei^helbereitung.
Meinung durch eine Beobachtung von Frerichs, wonach verdünnte
alkalische Lösungen imstande sind, die Epithel ien zu einer schlei-
migen Flüssigkeit zu lösen; ferner darauf, dass frischer Speichel
bei 37® C. in 24 Stunden die in ihn gebrachten Epithelialzellen
aus den Bläschen der Speicheldrüsen vollständig löse, während
mit Essigsäure neutralisirter Speichel sie unberührt lasse; für seine
Ansicht spricht auch die Erfahrung von Staedeler*), dass bei
der Zersetzung mit SO3 kein Körper der Eiweissgruppe so viel
Tyrosin liefert, als die Epithelialzellen und der gereinigte Schleim-
stoff. Hiergegen wäre das Bedenken zu erheben, dass die
Parotis kein Mucin liefert, obwohl die Wandung ihrer Epithelial-
zellcn und die aus ihr hervortretende Salzlösung, so weit wir es
wisswt, nicht abweicht von der Mucin liefernden Submaxillaris. —
Die alkalisch reagirende Salzlösung des Speichels wird offenbar
direkt aus dem Blute bezogen. Der Uebertritt derselben aus den
Blutgefässen in die Drüsenräume wird angeregt durch die Nerven,
und zwar muss man annehmen, dass sie eine Veränderung der
Drüsensflbstanz bewirken, welche einen Flüssigkeitsstrom aus dem
Blute in den Drüsenanfaug zu bewerkstelligen vermag. Diese Be-
hauptung gründet sich darauf, dass bei anhaltender Nervenerregung
aus den Ansführungsgängen in ununterbrochenem Strom ein die
Drüse weit übertreffendes Volum von Speichel ausfliesst (E. Becher,
C. Ludwig), also kann der etwa in der Drüse enthaltene Saft
nicht ausgedrückt worden sein. Und ferner ist auch der Druck,
unter dem die Flüssigkeit in die Drüse geliefert wird, oft sehr viel
höher als derjenige , welcher zur Zeit in der a. carotis besteht, und
noch mehr, es kann selbst, die Erregbarkeit der Nerven voraus-
gesetzt, Speichel abgesondert werden aus der Parotis eines ab-
geschnittenen Kaninchenkopfes, also wenn der Blutstrom
vollkommen still steht (C. Ludwig). Daraus geht hervor, dass
der Blutdruck nicht die Ursache der Flüssigkeitsströmung in die
Drüsenanfänge sein kann. Zu diesem Vorgang steht vielleicht in
näherer Beziehung die chemische Umsetzung, welche in der Drüse
zugleich mit der Speichelabsonderung anftritt, eine Umsetzung, die
sich durch die gesteigerte Wärmebildung als eine Oxydation an-
ktindigt. Diese letztere wird wahrscheinlich begünstigt durch die
Beschleunigung des Blutstroms, welche ebenfalls zugleich mit der
Speichelabsonderung eingeleitet wird. Sie versorgt die Drüse
•) Chemische« CentralblaU. 106V. p. 710.
Spcichelbereitnog ; Ausstossung des Speichels.
347
stets mit so viel arteriellem Blut, dass trotz des gesteigerten
Sauerstoffverbrauchs das Blut noch hellroth aus der Vene fliesst-
Beides , der vermehrte Sauerstoffverbrauch und die arterielle Farbe,
also ein vermehrter Sauerstoffgehalt des Venenblutes, ist möglich,
wenn während der Absonderungszeit die Geschwindigkeit des Blut-
stroms rascher zunimmt als der Sauerstoffverbrauch.
Nehmen wir, um den letztem Satz zu erläutern, an, es ströme zu allen Zeiten
in die Drüse ein Blut mit 15 pCt. Sauerstoff. Nehmen wir nun den von Bernard
beobachteten Fall als Paradigma an , wonach wahrend der Drüsenruhe aus der Drilaen-
vene 5C. C.f während der Speichelabsonderung aber 20 C,C. Blut ausflossen. ' Nehmen
wir weiter an, das langsam strömende Blut komme mit 0,0 pCt. 0 in die Vene,
während der Absonderungszeit aber noch mit 8 pCt., wobei das Blut noch arteriell
aussieht. Im ersten Fall würden dann, in der Drüse 0,75 C. C., im letzten dagegen
1,4 C. C. 0 verbraucht «ein. Jedenfalls würde es in Anbetracht der gesteigerten -Winne
»•wagt sein , die helle Farbe des • Venenblutes von einem verminderten Sauerstoff-
verbrauch abzuleiten.
Dass die von Bernard beobachtete Aenderung des Blutstroms
nicht wesentlich filr die Speichelbildung ist, geht, abgesehen von
allem Uebrigen, daraus hervor, dass die Reizung des Sympathieus
wie des Lingualis die Speichelung hervorrufen, obwohl die eine
den Blutstrom verlangsamt, die andere ihn belebt.
Die von Czermak beobachtete Thatsache, dass gleichzeitige
Reizung des r. lingualis und n. sympathieus die Absonderung still
stellt, erklärt man durch Interferenz der Nervenerregung, oder durch
Stockung des Blutstroms und endlich durch Verstopfung der Speichel-
gänge mittelst des zähen Saftes nach der Sympathieusreizung.
Zwischen diesen Probabilitäten kann noch nicht entschieden werden. — •
Ohne jeglichen Erklärungsversuch sind bis dahin die behaupteten
Thatsaehen geblieben, dass Curarevergiftung die Speichelabson-
derung beschleunigt und dass sich mit der Art des gereizten .Nerven
die chemische Zusammensetzung des Speichels ändern soll.
5. Die Austreibung des Speichels aus den Bläschen und Gängen
wird unzweifelhaft besorgt durch die Kräfte, welche ihn in erstere
eintreiben; denn einmal fehlt den Drüsenelementen jede selbst-
ständige Beweglichkeit, und dann genügt der Absonderungsdrnck
der Aufgabe vollkommen, da er unter Umständen einer Säule von
mehr als 200 M.M. Hg-Druck das Gleichgewicht hält.
Nachdem der Speichel in die Mundhöhle getreten, wird er
durch Schlingbewegungen in den Magen niedergebracht, wo er
grösstentheils in das Blut zurücktritt. Wir werden ihn bei der
Verdauungslehre auf diesem Wege wieder aufsuchen.
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348
Ernährungserscheinungen des Drüsengewebes : Schleimdrüsen.
6. Die Ernährungserscheinnngen des fertigen Drüsengewebes
bieten die Aehnlichkeit mit denen der Muskeln, dass dasselbe bei
einer dauernden Hemmung der Absonderung, wie sie z. B. in Folge
der Unterbindung der AusfUhrungsg'änge anftritt, nllmählig zu Grunde
geht; namentlfbh wird ihm die Fähigkeit geraubt, Speichel zu
liefern. Etwas weiteres ist nicht bekannt.
Schleimdrüsen.
Zu ihnen zählt man die Schleimdrüsen der Mundhöhle, des
Rachens, der Speiseröhre, der Gallengänge, die Brunn ’ sehen
Drüsen; die Drüsen der Schneid er’ sehen Haut, des Kehlkopfes,
der Bronchien, der Harnblase, der Harnröhre (Cowper’sche und
Littre’sche) und der Scheide.
1. Diese Gebilde haben in der Anordnung ihrer Höhlen wed*r
etwas Gemeinsames, noch etwas Charakteristisches. — Eine grössere
Zahl derselben gehört nämlich zu den traubigen Drüsen, die dann
auch in allen Stücken den Speicheldrüsen gleichen; ein anderer
Theil, wie die der Harnblase, sind einfache Schlauchdrüsen, und
die Litt re’ sehen endlich nähern sich in ihrer Form, durch die
Weite und den gezogenen Verlauf der Endbläschen den Samen-
drüsen an. — Die Struktur der Wandungen ist dagegen bei allen
diesen Drüsen diejenige, welche den Speicheldrüsen zukommt.
Diesen Mangel an anatomischer Charakteristik ersetzte bis vor
Kurzem scheinbar ein gemeinsames physiologisches Merkmal, die
Absonderung eines eigentümlichen Stoffes, des Schleims; dieses
ist aber ebenfalls durch genauere Beobachtungen aufgehoben. Alle
diese Drüsen sondern allerdings Schleimstoff ab, aber diese Eigen-
schaft theilen sie mit noch andern , z. B. der gl. submaxillaris, und
sogar mit Flächen, welche gar keine Drüsen enthalten, wie die
Synovialhaut.
2. Schleimsaft*), ln den Absonderungen der erwähnten
Drüsen hat man constant gefunden: Schleimstoff, Extrakte, sämmt-
lichc Salze des Bluts und Wasser, zuweilen auch Eiweiss. — Die
quantitative Zusammensetzung der einzelnen Säfte ist aber zu wenig
untersucht, um bestimmen zu können, wie sie sich zu verschiedenen
Zeiten verhalten und ob oder wie die verschiedenen Drüsensäfte
von einander abweichen.
*) Uerzellus, Chemie. IX. Bd. 634. — L' h dr liier , 1. e. 681 und 642. — Scherer,
Chemische Untersuchungen, p. 93. — Tilanuit, De ssliva «t muco. Amst. 1840. p. 56. — Leh-
mann, Phyiiol. Chemie. II. Bd. 8&4. — Nasse, Journal f. prakt. Chemie. XXIX. M.
Thränendrüsen.
349
Die Schwierigkeiten, die sich der Untersuchung entgegenstellen, sind ausser den
allgemeinen noch vorzugsweise darin zu suchen , dass es theils nicht gelingt, die Säfte
rein zu erhalten. Der Nasenschleim mischt sich z. B. mit den Thränen , der des
Mundes mit dem Speichel u. s. w. ; theils aber wird der Schleim in zu geringer Menge
abgesondert, um für Analysen hinzureichen, so namentlich in der Scheide. Wir ver-
zichten darum auf weitere Angaben und verweisen auf die Analysen von Berzelius,
Nasse, Scherer und L’h£ritier.
Thränen drüsen.
1. Anatomischer Bau *). Zu dieser Drüsengattung zählt man
die Uber der äussem Seite des bulbus oculi gelegenen Drüsen,
welche das obere Augenlid durchbohren und sich auf der Con-
jnnctiva öffnen, und die Krause’schen Drüsen, welche unter der
Conjunctiva, und zwar an ihrer Umbicgungsstellc vom Bulbus auf
die Lider liegen. Sie gleichen in ihrem Bau den Speicheldrüsen
vollkommen. Ihre Nerven empfangen sic aus dem ersten (nnd
zweiten?) Aste des Trigeminus und dem n. patheticus (C u ri d) **).
2. Thränen***). Siebestehen aus einem eiweissartigen Stoff,
Schleim, Spuren von Fett (welches aus den Epitüelien der Drüsenröhre
stammt), Na CI , phosphorsauren Erden und Alkalien nnd aus Wasser.
Die Reaktion der Flüssigkeit ist alkalisch. Nach Frerichs ent-
hielten Thränen, welche in reichlicher Menge abgesondert wurden,
zwischen 0,8 und 0,9 feste Bestandtheile in Lösung; die Aseben-
prozente variirten zwischen 0,42 und 0,54, welche vorzugsweise aus
Na CI und aus sehr geringen Mengen phosphorsauren Alkalien be-
stehen (Vauquelin, Fourcroy, Frerichs). Die Erdphosphate
waren an den eiweissartigen Stoff gebunden. In 100 Theilen einer
aus der Thränendrlise von Arltf) aufgefangenen Flüssigkeit fand
Lerch 98,2 Wasser; 1,3 NaCl; 0,02 NaOCOj, CaOSOs und
3CaOPOj; 0,5 Albumin.
3. Die AbÄmderungsgeschwindigkeit der Thränen variirt mit
leidenschaftlichen Erregungen der Seele und reflektorischen Er-
regungen, die von der Oberfläche der Conjunctiva, der innern
Nasenfläche und dem Opticus (?) ausgehen. Sie ist vermehrt bei
Anfällen von Trigeminusschmerz, während des Absterbens der
Thiere nach Curarevergiftung (CI. Bernard) oder nach dem
Naekenstich; letzteres besonders bei Pferden. *
•) W. Krause, Henle'i und I’feufer's Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 387.
••> Ürown-Hdqunrd, Journ. de phys. I. 806.
*••) Frerichs. Wagner'« Handwörterbuch der Physiologie. III. Bd. 1. Abthl. €17. — Arlt,
Archiv ftir Ophthalmologie. I. 2. 137.
t) Archiv ftir Ophthalmologie. I. 2. 138.
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350
Thruncndrüscn ; Pankreas.
Da die Drüse analog der Speicheldrüse gebaut ist, da die
Thränen wesentlich mit dem Farotisspeichel übereinstimmen und
die gesteigerte Absonderung unter denselben Bedingungen wie in
der Speicheldrüse auftritt, so kann man nicht anstehen, unsere
Drüsen fUr eine Modifikation der Speicheldrüsen zu halten.
4. Die aus den Ausführungsgängen getretenen Thränen *)
verbreiten sich Uber die Conjunctiva, gelangen in den sogen. Tliräuen-
see und von da durch die Thränenpunkte in den Thränensack.
lieber die Weise, wie sie zu den letztem kommen nnd von ihnen gehen, ist
Bd. I. p. 347 n&chzusehen. Zu dem dort Gemeldeten ist noch nachzutragen eine sorg-
same Arbeit von Henke, welche nachweist, dass das ligain. palpebralc intern, in der
Ruhelage des m. orbicular. palpebar. der Grube des Thränenbeins ausfüllt und damit
zugleich die Höhle des Thränensacks zum Verschwinden bringt. Diese Lage kann dem
Ligamentum angewiesen werden durch die Elastizität des Bandes, oder durch die Zu-
saramenziehung des Horner' scheu Muskels, der bekanntlich von dem Kamm des Thränen-
beins entspringt und an der hinten) Fläche des Sacks theils zum lig. p&lpeb. intern., theils
auf die hintere und vordero Fläche des Tarsus läuft, so dass seine Fasern die Thränen-
rührchen zwischen sich aufcichmcn. Aufnahme und Ausstossung der Thränen in und
aus dem Sack stellt man sich demgemäss so vor: bei der Zusammenziehung des
m. orbicularis, wie sie beim Lidschlag erfolgt, hebt sich das innere Augenlidbändchen
aus der Thränengrube nach vorn und aussen hervor, und damit auch die vordere
Fläche des Thränensacks, die mit dem Bändchen verwachsen ist. Dadurch Öffnet sich
die Höhle des Sacks und saugt die Thränen an (llosor). Dieser Satz, den die anato-
mische Anordnung verlangt, wird noch bewiesen durch die Erfahrung, dass der
Tropfen , welcher in einer Thrnnenfistel steht , gegen die Höhle des Sacks emporsteigt,
wenn das Lid geschlossen wird (Roser), und dass bei sonst ganz nomftden Verhält-
nissen Thränenträufeln eintritt, wenn der ro. orbicularis gelähmt ist (Arlt). Die
Thränen, welcho in den Sack gelangt sind, werden von dort wieder weggeschaffL , so
wie sich die vordere Wand des Sackes der hintern nähert. Dieses soll geschehen, wie
Henke will, durch eine Ztisamrocnzichung des Horn er' sehen Muskels, die jedesmal
nach Lösung der Verkürzung des ra. orbicular. palpebrar. eintreten «oll; für diese An-
nahme liegt jedoch kein Beweis vor; ebenso, wenn nicht wahrscheinlicher, ist es an-
zunehmen , dass das bei der Zusaiuraenziehung des Augenlid£hliessens gespannte
Bändchen nach dem Nachlass des letztem durch seine Elastizität wieder in die Höhle
zurückschnappt und die Thränen in die Nase schiebt. Dort verdunsten sie in der
Luft, welche bei der Einathmung durch die Nase strömt. *
Ein Eindringen von Nasenschleim in den Thränencanal wird
verhütet dureb eine Klappe , die sich an der Mündung des letzteren
in der Nase vorfindet.
Bauchspeicheldrüse.
1. Der anatomische Bau des Pankreas gleicht ira Wesentlichen
dem der Kopfspeicheldrüsen ; unterschieden ist er dadurch, dass die
■) Henke ln G ra cf «’» Archiv fUr Opbthalmologio. IV. Dü. Abth. II. — llenle. Mnskel-
lebre. 140. — Maier, l'ebcr den Bau der Thränenorgan?. IBM). — Arlt, Archiv fUr Ophthal-
mologie. I. 3. 136.
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Chemische Zusammensetzung des Pankreas; Bauchspeichel.
351
beiden Ausftlhrungsgänge der Drüsen vor ihrer Ausmttndung com-
muniziren (Vernenil). — Die Nerven erhält es aus den plex.
coeliacus, hepaticus, lienalis, meseuteric. «uperior. ( Verneuil)*).
2. Chemische Zusammensetzung der Drüse**). Aus dem' was- _
serigen Auszug derselben wird gewonnen: Tyrosin, Leucin (Fre-
richs, Staedeler, Virchow), ein Homologon des Leucins
(C10H11 NO. , Gorup), Guanin (Cio Hi Nr, Oa , Scherer), flüchtige
fette Säuren und Milchsäure (Gorup).
ln dem während eines bis zu mehren Tagen sioh selbst Überlassenen Auszug kommt
ein Körper vor, der ausser andern Reaktionen sich mit Chlorwasser oder salpetriger
Säure roth färbt Einen Stoff mit ganz denselben Eigenschaften stellte Bödeker
aus Eiter und Exaudatflüssigkeiten dar; er erklärt diesen Körper, den er seiner sauren
Eigenschaften wegen Chlorrhodinsäure nennt, für identisch mit dem des Pankreas und
seines Saftes.
3. B a u c h s p e i c h e 1 ***). Seiner chemischen Zusammensetzung
nach besteht er aus einem besondere eiweissartigen Fermentkörper,
der gekochtes Amylon in Dextrin umwandelt und aus Butyrin
Buttersäure darstellt, einem bntterartigen Fett, Leucin, Chlor,
Schwefelsäure, Phosphorsäure, Kohlensäure, Kali, Natron", Kalk,
Eisenoxyd und Wasser. — Er stellt eine klare, klebrige, alkalisch
reagirende, mit Säuren brausende Flüssigkeit dar. — Die quan-
titative Zusammensetzung des Bauchspeichels ist, so weit wir wissen,
bi« zu einem gewissen Punkte veränderlich mit der Absondcrungs-
geschwindigkcit; die Veränderungen betreffen vorzugsweise das
Verhältniss zwischen dem Wasser und den organischen Stoffen.
Der prozentische Gehalt an Wasser nimmt innerhalb gewisser
Grenzen mit der Absonderungsgeschwindigkeit zu, jenseits derselben
hält er sich aber unverändert, wie auch die Saftmenge anwachsen
mag. So fiel beim Hunde der prozentische Wassergehalt von 98
auf 94, als die in der Minute abgesonderte Saftmenge von 0,5 Gr.
bis zu 0,05 Gr. abnahin; und es hielt sich dagegen der Wasser-
gehalt unverändert auf 98, als das Gewicht des in der Minute ab-
•) Gazette nildicaic. 1851. No. 26 and 26.
Fr er Ich* und Staedeler, Züricher Verhandlungen. IV. Bd. 1855.— Virchow, deasen
Archiv. VII. Bd. — Gorup, Chcm. Central Blatt. 1856. 386.— Schorcr, VI rc how’s Archiv.
1859. — 01. Bornurd, Lebens de Physiologie. II. Bd. 1856. p. 245 sqq. und 362. — BUdeker,
Henle’a und Pfeufer'a Zeitschrift. N. F. VI. Bd. 198. ,
•••)Bldder und Schmidt, die VerdauungMäfte , Ml tau 1852. 240. — Fr er Ich«, Artikel
Verdauuug ln Wagner** Handwörterbuch. III. a. 842. — Her zell us, Handbuch der Chemie.
IX. Bd. — Weinmann, Henle** und Pfeufor's Zeitschrift. N F. m. Bd. 247. — C. Schmidt,
Lleblg's Annalen, 92. Bd. 33. — Kröger, de socco pancreatlco. Dorpat. 1854. — Kölilker
und Müller, zweiter Bericht Uber die physiologische Anstalt. WUrzburg. 1856. — Hoppe«
Virchow’* Archiv. XI. Bd. 96. — CI. Ilern ard, Memoire *ur lc paucreaj et aur le role du
•ucpancr&tiqae etc. Tarl*. 1856.
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352
Pankreas; Bauchspeichel.
gesonderten Saftes von 0,5 auf 2,2 Gr. wuchs (Weinmann). —
Aehnlich den beim Kopfspeichel beobachteten Verhältnissen kommt
auch hier die Veränderlichkeit des Rückstandes vorzugsweise auf
Rechnung der organischen Bestandtheile. Denn in den von G m e 1 i n ,
Frerichs und Schmidt veröffentlichten Analysen des Saftes vom
Hund, Schaaf und Esel wechselte der Gehalt an organischen Rück-
standsprozenten von 9,0 bis zu 1,3, und derjenige der Salzmasse
nur zwischen 1,0 bis 0,7. — Die Zusammensetzung gestaltet sich
in den Grenzfällen nach Schmidt (beim Hunde I. und H.) und
nach Fr er ich 8 (heim Esel HI.) folgendcrmaassen :
I.
U.
HI.
Wasser . . =
90,08
98,04
Wasser — 98,64
Organ. Stoffe =
9,04
1,27
Organ. Stoffe. . = 0,05
Mit 1 Natron . . . =
0,06
0,33
Lösliche Salze . = 0,89
d. Ferment \ CaO . . . . =
0,03
—
Unlösliche Salze = 0,12
verbunden. ( MgO —
—
0,01
NaCl . . . =
0,74
0,21
KaO . . . . =
Spuren
0,07
3 CaO PO;, . =
0,01
0,04
3MgOPOs . =
Spuren
0,01
3NaOPO.> . =
Spuren
—
Aus dem stark erweiterten Gang der Pankreas einer stark ikteriechen Person
sammelte F. Hoppe 5,6 Gr. Saft, der in 100 Theilen *2,0 pCt. festen Rückstand und
darunter 0,12 pCt. Harnstoff enthielt. Hoppe wirft die Frage auf, ob der letztere
nicht beständig im Pankrcassaft vorkomme.
4. Die Absonderungsgeschwindigkeit des Banchspeichels ist
a) von der Nahrung abhängig, jedoch nicht in dem Grade, dass
sie bei vollkommener Entziehung derselben ifull würde. Wein-
mann beobachtete, dass ein Hund in der ersten Stunde nach einer
reichlichen Nahrung = 97,8 Gr. Pankreassaft, nach 45stUndigem
Hungern aber in derselben Zeit nur 0,48 Gr. lieferte. Kroeger
fand die Saftmenge des Hundes für je eine Stunde in der ersten
Stunde nach der Nahrung = 24,9 Gr.; in der 2ten = 17,58; in
der 3ten bis öten — 14,6; in der 7ten bis 9ten = 11,43; in der
lOten bis 14ten = 10,7; in der 19ten bis 24sten = 6,66. — Die
Beschleunigung der Absonderung macht sich so rasch geltend, dass
lji bis */i Stunde nach dem Genuss von fester Nahrung und einige
Minuten nach dem Genuss von Wasser (Weinmann) schon das
Maximum der Geschwindigkeit erreicht ist; der absolute Werth der
erzeugten Geschwindigkeitscrhöhung scheint der Menge der genossenen
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Pankreas; Absonderungsgeschwindigkeit des Saftes.
353
Nahrang proportional zu gehen nnd ist nach dem Fressen bedeutender,
als nach dem Saufen, ln Folge dieser Erfahrungen statnirten ßidder
und Schmidt die Beziehungen zwischen der Absonderung des
.alkalischen Bauchspeichels und des sauren Magensaftes, dass mit
der steigenden Bildung des letzteren auch die des ersteren zu-
nehme. — b) Während der Brechbewegnng stockt die Abson-
derung des Bauchspeichels (Weinmann, CI. Bernard). — c) Die
Absonderungsgeschwindigkeit wird weiterhin bestimmt durch ge-
wisse, nicht näher gekannte Zustände der die Bauchspeicheldrüse
umgebenden Organe, wie sie insbesondere erzeugt werden durch
Eröffnung der Unterleibshöhle; nach einer solchen Operation stockt
die Absonderung fast vollständig.
Zur Gewinnung de» Saftes legt man entweder temporäre (Tie de mann, Leuret
und Lassaigne, Prcrichs u. s. w.) oder dauernde (0. Ludwig) Fisteln des
Wir8U ng 'sehen Ganges an. Unmittelbar nach der Operation erhält man nur bei
Grasfressern reichliche Saftmengen. Bei Hunden fliesst in den ersten Tagen nach der-
selben nur sehr wenig eines an organischen Bestand thcilen sehr reichen Saftes aus, und
erst später wird der Ausfluss reichlicher. Darum eignen sich temporäre Fisteln gor
nicht zur Untersuchung der Absonderungserscheinungen. Das Umgekehrte behaupten
Bernard und Longct, indem sie dauernde Fisteln für ungeeignet halten; sie nehmen
nämlich an, dass der Saft, welcher einige Tage nach der Operation ausflicsst, von
einer kranken Drilse abgesondert werde. Hierfür liegen jedoch keine Beweise vor,
wohl aber für das Gegenthcil ihror Meinung. Von vorne herein ist es schon viel
wahrscheinlicher, dass die Unterleibsorgane des Hundes unmittelbar nach der Operation
gestört sind, und dafür bürgt auch die zn jener Zeit ganz erloschene Fresslust. Dafür,
dass dor später abgesonderte Saft aus einer gesunden Drüse komme und normal sei,
sprechen zunächst die Beobachtungen von 0. Schmidt, denen gemäss der aus per-
manenten Fisteln fliessende Saft seiner qualitativen Zusammensetzung nach als ein. nor-
maler Bauchtjpeichel angesehen werden muss, denn er emulsionirt und zerlegt neutrale
Fette und verdaut Amylon , wie ich bestätigen kann. Das Bedenken der französischen
Physiologen wird ferner widerlegt durch die Beobachtung (Weinmann), dass der-
selbe Hund je nach dem Füllungszustande seines Magens bald mehr, und zwar verdünnten,
bald weniger, und zwar conzcntrirtcn Saft absondert. Zudem findet sich bei der Sektion
solcher Hunde, die dauernde Fisteln getragen, auch nicht eine Spur von anatomischer
Abweichung im Pankreas, und ebenso beseitigt die Fresslust und die normale Koth-
bildung, welche Hunde mit Pankreastistein darhieten, dio Annahme, dass eine Krank-
heit der Yerdauungsorgane bestehe. Auch ist die Menge des Abgesonderten in gar
keinem Missverhältnis» zum Umfang der Drüse.
fein absoluter Werth für die Geschwindigkeit der Absonderung (Quotient aus dem
Gewicht des Pankreas und. des in der Zeiteinheit abgesonderten Bauchspeiehels)
kann nicht gegeben werden. Statt dessen substituirt man etwas willkürlich den
Quotient aus dem Gewicht des ganzen Thiores in das Gewicht des in der Zeiteinheit
gelieferten Saftes. Nimmt man nach Schmidt unter Anwendung dieser Berechnungs-
weise das Mittel aus säramtlichcn zu verschiedencu Zeiten und bei verschiedenen
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 23
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354
Pankreas ; Bereitung des Bauchspeichels.
FÜtterung6arten allgestellten Beobachtungen eines und desselben Thieres, so erhält man
für die drei Hunde , deren Saft er aus permanenten Fisteln auffing :
Nr. des
Versuchs.
Körper-
gewicht.
Mittlere
pCL-Gthalt des Saftes
2 Kilogr. Thier liefert stündlich
Saflmenge
in der
Stunde.
an festen
Stoffen.
an organ.
Stoffen.
San.
HBcluW. gujfe
vnoRfram.
Stoffe.
1. Hund.
8 Kilogr.
40,24
2,16
~
5,03 Gr.
0,10« , 0,063
0,043
2.
18 „
55,98
1,99
i,n
3,11 ,.
0,061 ! 0,035
0,026
3. „
20 „
07,74
2,45
1,58
2,99 „
0,730 1 0,047
0,063
Aua dieser Zusammenstellung geht hervor, dass ein Thier von geringem Körper-
gewicht verhältnissmässig mehr Wasser durch das Pankreas ausgiebt, als ein solches
von gTÖssern , und dass diese Beziehung zwischen den festen Bcstandtheilen nicht be-
steht. — Unter diesen Umständen möchte es gewagt sein, dio Beobachtungen am Thier
auf den Menschen zu übertragen. (Siehe auch Müller und K Öllik er 1. e.)
5. Die Bereitung des Bauchspeichels. Der fermentartige Körper
durfte in den Zellen des Epitheliums entstehen; wenigstens ist er
durch mikrochemische Reaktion in diesem, bis dahin aber noch
nicht im arteriellen Blut nachgewiesen. Zu den vielfachen Ärm-
lichkeiten zwischen der Absonderung des Kopf- und Bauchspeichels,
welche schon erwähnt sind, kommt noch die fernere, dass
in den Zeiten, in welchen die Ausscheidung des pankreatisehen
Saftes lebhaft ist, die Drüse von den erweiterten Capillaren rüthlich
gefärbt ist, während zur Zeit der Absonderungsruhe die Färbung
eine blasse ist. Aber auch hier führt die Gcfässerweiterung nicht
noth wendig zur Saftbildung; denn wreiin man die Drüse eines
Thieres, das in der Magenverdauung begriffen ist, blosslcgt, so
findet man sie wohl roth, aber es fliessen kaum einige Tropfen
von Saft aus ihrem Gange.
Alle diese L'ebereinstimmungen machen es wahrscheinlich, dass
die Absonderung im Pankreas auf ähnliche Weise wie in der Kopf-
speieheldrüse geschieht, und dass sich namentlich die Schleimhaut
des Magens , resp. die seines Pfortnertheils, ähnlich zum Pankreas
verhält, wie die der Mundhöhle zu den Kopfspeicheldrüsen. Einen
Grund gegen diese Annahme könnte man schwerlich daraus nehmen
wollen, dass es bisher noch nicht »gelang , die Absonderangsnerven
des Pankres aufzutinden. Denn es setzen sich der Lösung dieser
Aufgabe darum besondere Schwierigkeiten entgegen, weil nach
Eröffnung der Bauchhöhle die Absonderung aus noch unbekannten
Gründen überhaupt stockt Ucbrigens ist Grund zur Vermuthung
vorhanden, dass die Reizung des u. vagus hierbei eine Rolle spielt;
denn wenn man an einem Thier, das eine pankreatische Fistel
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Ausstoßung des Bauchspeiehcls ; Ernährung der Drüsen ; Magendrüsen. 355
trägt, den centralen Stumpf des durchschnittenen n. vagns durch
Induktionsschläge reizt, so stockt sogleich der Ausfluss des Saftes.
6. Ausstossung des Bnuchspeichels. Den Gängen fehlen Muskeln,
also muss die Austreibung des Saftes durch die Kräfte geschehen,
welche ihn in die Drüsen führen, welche oft stark genug sind , um
ihn in einem Strahl austreten zu lassen. In dem Duodenum mengt
er sich mit dem sauren Magensaft, wird neutralisirt und wirkt ver-
ändernd auf die Speisen. Da dem Koth der Fermentkürper fehlt,
so muss dieser in das Blut zurtickkehren, zugleich mit den reich-
lichen Wassermengen, welche er mit führt; indem sich das Ferment
dem Blut der Pfortader beimengt, soll es in der Leber verändernd
auf die Amyloide derselben wirken ; diese Anschauung ist noch hypo-
thetisch. Die Bedeutung, welche er für die Verdauung gewinnt,
ist später zu behandeln.
7. lieber die Ernährung der Drüsen ist ausser der Formfolge
bei der ernten Entwickelung wenig bekannt. Die unterbundenen
und durchschnittenen Drüsengänge stellen sich leicht wieder her.
Magendrüsen.
Ln die Magenwände sind zwei Drüsenarten eingebettet, die
sich durch ihre Form wenig, durch ihre absondernden Kräfte aber
bedeutend unterscheiden (Wassmann).
A. Labdrüsen.
1. Anatomischer Bau *). Die Labdrüsen erstrecken sich von
der Cardia bis zum Pförtner. In dieser Ausdehnung ist die Schleim-
haut des Magens ausgehöhlt von so dichtgedrängten Drüsen-
schläuchen, dass von der Substanz nur äussert wenig übrig bleibt.
Die Lichtung dieser Drüsen ist nahe an der innern Magenoberfläehe
cylindrisch; gegen die Bindegewebshaut des Magens hin, wo die
Höhle blind endigt, ist sie seitlich mit rundlichen Ausbuchtungen
versehen (Sprott Bo yd, Henle). Meist sind die Höhlen vom
Grund bis zur Mündung hin einfach, und nur zuweilen , namentlich
in der unmittelbaren Nähe der Cardia, münden mehrere solcher
DrUsenschläuche durch eine Oeffnung in den Magen aus (Bischof f,
K öllik er). — Die Wand ist durchweg durch eine strukturlose
Haut dargestellt, deren innere Fläche nahe an der Drüsenmündung
•) Henle, In »einer und rfenfer'* Zeitschrift. N. F. II. Bd. 299. — E. Brücke, Berichte
der Wiener Akademie. 1KJ1. — II. Frey, Henlc'a und I’fcufer's Zeitschrift. IX. Bd, 816. —
Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Aud. 420. — Dun der», Ondcrxoekingcn iu het phys.
Labofator. to Clrecht. 1862 — 53. p. 70.
23*
•
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356
Labdrüsen ; Labsaft.
vou einem Cylmdcrcpitbelium und von da ab bis zum blinden Ende
mit einer kugeligen Zellenformation, den Labzellen, bedeckt ist.
Der Binnenraum dieser letztem ist ausgefüllt durch einen Kern und
und eine trübe Flüssigkeit, ln dem Grunde der DrUsen findet sich
statt der Labzellen Öfter auch nur eine körnige Masse mit ein-
gestreuten kleinen Zellen, welche dem Ansehen nach den Kernen
der Labzcllen vollkommen gleichen ( Sprott Boyd, Frerichs). —
Um die DrUsen ist in der Schleim- und Zellhaut des Magens ein
langer, glatter Muskel geschlagen; er besteht aus einem Geflecht
von Huskelzcllcn , welche theils nach der Längen- und theils nach
der Querrichtung der Drtlsenschläuche verlaufen uud, unmittelbar
an die strukturlose Haut derselben sich anschliessend, sie bis in
die Schleimhaut hinein verfolgen ( E. Brücke). — Die Blutgefässe
beziehen ihr Blut aus den Arterien, welche in die Zellhaut des
Magens eindringen; aus dieser treten feine Aestchen empor mit der
allgemeinen Richtung gegen die Magenoberfläche. Indem sie sich
an die DrUsen anschmiegen, zerfallen sie in feine Capillaren, welche,
netzförmig sich verbindend, die Drlisensehläuche umspinnen. Diese
Netze schicken darauf stärkere Zweige gegen die Sckleimhautober-
flilehe, wo sich dieselben von neuem zu grössern Maschen anordnen,
aus denen endlich die Venen hervorgeben (H. Frey).
2. Labsaft*). Obwohl die Gewinnung des reinen Labsaftes in
grösserem Maasstab bis dahin nicht gelungen ist, so hat man doch
vermocht, einige chemische Eigenthümlichkciten desselben nach-
zuweisen.
Den Labsaft, resp. einzelne seiner Bestandteile gewinnt man auf zwei ver-
schiedene Weisen. 1) Man schneidet die Stellen der Magenschleimhaut, in welche
die Labdrüsen eingebettet sind , aus , spült sie mit Wasser und presst dann ent-
weder die Flüssigkeit ab, oder man zieht die Stücke mit Wasser aus; oder man
knetet unter Wasser die letztem zwischen Leinwand, durch die Maschen gehen die
Labzellen hindurch; diese setzen sich im "Wasser zn Boden und können dann weiter
behandelt werden. Auf diesen Wegen erhalt man vorzugsweise das Pepsin (Sch wann,
Brücke). — 2) Man legte bei Thicrcn Magcnfisteln an (Blondlot) oder benutzte
die seltenen Fälle, in denen bei Menschen Magenfisteln Vorkommen (Beaumont,
Smith, Schmidt). Da nun aber in dem Magen enthalten sind : Speisereste, Speichel,
Schleim aus den DrUsen des Oesophagus und des Magens selbst , so gewinnt man auch
•) Bcrzcliue, Lehrbuch der Chemie. IX. Bd. 1&40. 205. — Frerichs, Artikel Verdauung
In Wagner'» Handwörterbuch. III. Itd.— Lehmann, Physiol. Chemie. II. 11*1. p. 80. — Bi d der
und Schmidt, Vcrdaunngssäftc. p, 20. — Schmidt, Liebig’s Annalen 92. lld. 42. — .
UrUnewnldt, Hucci gastrici humnni Indole». Dorp. 1853. p. 42. — Schröder, Socci gastrici
huinani via digestiv». Dorp. 1863. p. 84. — F. Smith, Journal de Physiologie par Brown-
Srfqnard. I. 144» — E. Br ticke, Wiener akadem. Sitzungsberichte. 27. Bd. 131.— Bnsch,
Virchow'* Archiv. XIV. Bd.
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Labsaft.
357
auf diesem Wege den Labsaft nicht rein. Um ihm aber wenigstens das IJehergewicht
über die andern Gemengtheile zu verschaffen , hat man den Inhalt des Magens bei
hungernden Thieren aufgefangen, nachdem mau vorgängig von der FistelofTnung aus
den Magen mit Wasser ausgespült hatte. Dadurch sicherte man sich vor allzugrob-
li eben Verunreinigungen mit Speisen (Bidder und Schmidt, Heintz). — Um den
SpeichcL ganz oder theil weise zu eliminiren, legte Bardeleben neben der Magen-
fistel auch noch eine Speiseröhrenfistel an, durch welche der verschlungene Speichel
nach aussen abfloss , oder es wurden die Ausführungsgänge der wesentlichen Speichel-
drüsen unterbunden (Bidder und Schmidt). — Eine Ausschliessung des .Magen-
und Speiseröhrenschleims aus dem Labsaft ist also noch nicht versucht worden, ln
keinem Fall genügt daher die gewonnene Saftart, um alle Eigenschaften der Labflüssig-
keit festzustellen, aber sie reicht hin, um diejenigen derselben aufzudecken, welche
ihm vor dem Schleim und Speichel zukommen , und zwar so weit , als uns die Zu-
sammensetzung dieser letztem bekannt ist.
Dem Labsaft kommen als eigentümliche Stoffe zn: ein beson-
derer Körper, das Pepsin, welches in Ermangelung anderer Kenn-
zeichen dadurch charakterisirt wird, dass es unter Betheiligung ver-
dünnter Säuren feste Eiweisskörper sehr rasch löst (Eberle,
Schwann); der Labsaft enthält ferner Salmiak, Chlorcalcium und
freie Säuren, namentlich Salz-, Milch- und Buttersäure; Salzsäure
ist entweder allein oder mit wenig Milchsäure vermischt gefunden
worden in dem Saft, der ans dem Beit vielen Stunden nUehtemen
Magen genommen wurde (Gmelin, Prout, Schmidt). War
dagegen der Saft aus dem gefüllten Magen gewonnen, so ist immer
Milchsänre, zuweilen mit Buttersäure vermischt, vorhanden; die
Salzsäure fehlte dann entweder ganz, oder es waren nur Spuren
derselben vorhanden (Lehmann, Schmidt, Heintz, Bernard
uhd Barreswil, Smith).« Dieser Befund blieb nun derselbe,
gleichgültig ob der Magen mit entfetteten Knochen, Amylaceen oder
Fleisch gefüllt war; auch blieb der Erfolg unabhängig von der
Gattung des untersuchten Individuums. Man könnte sich ent-
schliessen , den Unterschied der Säure des gefüllten und nüchternen
Magens dadurch zu erklären, dass man annäbme, es werde ur-
sprünglich immer nur Salzsäure abgesondert, dass diese aber nur
dann als solche erscheinen könnte, wenn nicht zufällig andere
Salze im Magen vorhanden seien, die von der Salzsänre nicht an-
gegriffen würden. Da nun nach dem Genuss von Fleisch und
Mehlspeisen milchsanrc Salze im Magen nothwendig Vorkommen
müssen, so würde sich aus ihrer Zersetzung durch das CI II die
beständige Anwesenheit der Milchsänre erklären lassen. Woher
kommt aber diese Säure bei der Nahrung aus entfetteten Knochen?
Dieser Gegenstand verlangt also eine none Untersuchung.
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358 Labdrüaen ; Ahsonderungiigescliwindigkeit des Saftes.
Das Pepsin ist geradezu in dom Inhalt der Labzellen aufgefunden worden
(Frerichs), und zwar in neutralem Zustande (Brücke). — Um eine Vorstellung
ron dem relativen (jehalt eines beliebigen Saftes an Pepsin zu gewinnen, verfahrt
Brücke folgendcrmaassen. Er ermittelt die Zeit, welche die Volumseinheit einer
sehr verdünnten Lösung mit dem Säuregehalt von 0,1 pCt. bedarf, um einen Würfel
aus geronnenem Eiweiss von bekannten Dimensionen zu lösen. Diese Pepsin-Lösung
betrachtet er als Normalflttssigkeit , or setzt ihren Pepsingehalt gleich dem der Einheit.
Um nun zu bestimmen , um wie viel reicher eine andere Flüssigkeit an Pepsin sei,
verdünnte er ein bekanntes Maass derselben so lange mit Säure von 0,1 pCt. , bis die
Volumcinheit den bekannten Eiweisswürfel wieder gerade so geschwind auflöst , wie
die Normallösung. Das Volum verdünnter Säure , welches er zur Volumeinheit der
verglichenen Lösung setzen musste, um ihre Verdauungskraft auf diejenige der Normal-
lösung herabzudrücken, giebt an, um wie vielmal der Pepsingehalt der ersten Lösung
den der Normallösuug Ubertrifft. — Ueber die häufige Anwesenheit der Salzsäure in dom
Labsaft der Menschen und Thiere kann nach den Versuchen von C. Schmidt kein
Zweifel mehr bestehen; er bestimmte nämlich aus der frischen Flüssigkeit die Monge
des Chlors und Ammoniaks und aus der Asche des cingetroeknetcn Saftes die Menge
der* Basen. Es reichte der Ochalt an Ammoniak und festen Basen nicht hin, um da«
ganze Gewichts des Chlors zu sättigen ; er zeigt zugleich, dass gewöhnlich keine andere
freie Saure vorhanden gewesen sein konnte, indem zur Neutralisation des frischen
sauren Saftes, dessen Gehalt an freier Salzsäure er kannte, gerade so viel Ilasis nöthig
war, als dis freie Salzsäure zur Darstellung eine» neutralen Salzes bedurftes. — Leh-
mann dagegen fand Milchsäure im Magen von Hunden, die er nach vorgängigem
Hungern mit entfetteten Knochen gefüttert und 10 bis 15 Minuten danach getödtet
hatte. Ueber die Natur der von ihm gefundenen Saure kann kein Zweifel bestehen,
weil sie durch die Elcmentaranalyse festgestellt wurde. Ebenso traf lieintz in einer
erbrochenen Flüssigkeit Milchsäure an, und Schmidt selbst konnte in dem mit Zucker,
Eiweiss u. s. w. verunreinigten Magensaft, welcher aus der von ihm beobachteten
Magenfistel eine« Menschen genommen war, keine freie Salzsäure, wohl aber Butter-
und Milchsäure auffinden; Smith fand Milchsäure und Spuren von Salzsäure.
Ol» und wie die Zusammensetzung des reinen Labsaftes ver-
änderlich ist, muss dahingestellt bleiben; die Thatsacbe, dass der
Mageninhalt bald sauer und bald alkaliseh reagirt, kann ihren
Grund begreiflich eben so gut bilden in einer veränderlichen Zu-
sammensetzung des Labsaftes, als auch in einer ungleich reich-
lichen Absonderung der verschiedenen (alkalischen und sauren)
Säfte, welche in den Magen entleert werden.
3. Absonderungsgeschwindigkeit. Da man zu allen Zeiten in
dem Magen Pepsin und nur zeitweise eine freie Säure antrifft , so
wäre es möglich, dass sich das erstere fortwährend bildet ; die Ab-
sonderung der Säure geschieht dagegen offenbar nur periodisch.
Die Menge von saurer und pepsinhaltiger Flüssigkeit , welche in
der Zeiteinheit, und zwar sichtlich aus den zu Tage gelegten innere
Wandflächen des Magens ansgestossen wird, ist sehr veränderlich.
Zur Zeit, in welcher der Magen leer oder nur mit verschlucktem
Labdriisen ; Bereitung dos Saftes.
359
Speichel gefüllt ist, wird gar kein Saft aus den Drüsenmündungen
geliefert. Dieses geschieht aber sogleich, wenn in den leeren
Magen beliebige feste oder flüssige nervenerregende Stoffe (Speisen,
Steine, Pfeffer, Kochsalz n. s. w.) eingebracht werden, ja nach
Bidder und Schmidt *) selbst dann, wenn man hungrigen Thieren
(deren Speickeigange unterbunden waren) Nahrungsmittel vorhält,
ohne sie ihnen zum Fressen zti geben. Daraus schlicssen wir nun,
dass die Absondemngsgeschwindigkeit mit der bestehenden Nerven-
erregung des Magens steigt..
Wenn man dagegen statt der sanften mechanischen Erregung
eine heftigere eintreten lässt (Beaumont), oder noch mehr, wenn
man den Cardiatheil des Magens dureli elektrische Schläge dahin
bringt, dass er Erbrechen einleitet, so hört augenblicklich eine
bis dahin bestandene Absondernng des Magensaftes auf ; also scheint
die Drlise auch ihre Ilcmmungsnervcn zu besitzen.
Die täglich ausgeschiedene Menge von Pepsin und Säure ist
nicht einmal schätzungsweise zu bestimmen.
Der von Biddor und Schmidt ausgegangene Vorschlag, aus dom verdauenden
Vermögen von Pepsin und Säure und der Menge der wirklich im Magen verdauten
Speisen auf die Menge des täglich abgesonderten Saftes zu schliesscn, ist im Prinzip
unhaltbar (vid. 1. Aufl. II. Bd. 248). Denn es ist indes« von Brücke erwiesen, dass
die verdauende Kraft des Magensaftes nicht bloss von seinem Gehalt an Pepsin und
Saure , sondern auch noch von andern Beimengungen , z. B. der des löslichen Ki-
weisses, abhängig ist.
4. Bereitung des Labsafte«, a) Das Pepsin geht aus den Lab-
zellen hervor; denn dort finden wir es schon reichlich, und zwar
als neutralen Körper vor (Frerichs, Br Ucke). Ausserdem aber
erscheint es in keinem Körpertlieil mehr, ausgenommen in den
Flüssigkeiten des Magens, welche, bevor sie auf die Magenober-
fläcbe gelangen, die Drüsen durchsetzten. Der Vorrath von Pepsin,
welcher in der Drüse angelläuft liegt, ist ein relativ sehr bedeutender
( Brücke); denn es kann ein geschlemmter Magen, oder statt dessen
die aus ihm ausgeknetete Zellenmasse eines sehr grossen Menge von
Flüssigkeit verdauende Fähigkeiten verleihen. In schwach an-
gesäuertem Wasser (mit 0,1 pCt, Säure) ist es reichlicher löslich
als in reinem Wasser (Brücke). — Da das reine Pepsin uns un-
bekannt ist, so verhält es sich natürlich gerade so mit der Mehr-'
zahl seiner chemischen Beziehungen und seiner Zusammensetzung.
•) 1. c. f. 32.
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360
Bereitung des Pepsins und der Magensuuren.
Dennoch hat man sich angewöhnt, es als ein Glied oder wenig-
stens als einen Abkömmling der Eiweissgruppe anzusehen, und
zwar nur darum, weil viele Fermente, und für ein solches hält
man auch das Pepsin,' aus den Eiweissstoffen hervorgehen.
Man hat behauptet, dass Pepsin, welches, mit verdünnter Salzsäure versetzt,
längere Zeit hindurch mit einem Eiweisskörper in Berührung blieb, diesen letztem
allinälig in Pepsin umwandle. Wäre dieses der Fall, so müsste man, wie dieses mit der
Hefe möglich ist, im Stande sein, in’s Endlose Pepsin zu erzeugen mit Hülfe einer
geringen Menge, die ursprünglich aus dem Magen genommen wurde. Brücke zeigte
jedoch, dass diese nicht der Fall ist; denn indem* er Pepsin mit Fibrin und verdünnter
Säure mischte und dann nach einiger Zeit einen Theil dieses ersten Gemisches wieder
zu Fibrin und verdünnter Säure brachte , und darauf wieder einen Theil dieses zweiten
zum drittenmal zu einer sauren Flüssigkeit mit den Fibrinflocken goss u. s. f., sah er,
dass in der zweiten l'cbergiessung schon viel langsamer verdaut wurde als in der
ersten , und in der dritten langsamer als in der zweiten , und dass endlich ein Glas
späterer Ordnung gefunden wurde, in welchem die Säure das Fibrin gar nicht mehr
gelöst hatte.
b) Magensäure. Wenn der Labsaft freie Salzsäure enthält, so
kann diese nur ans der Zerlegung einer neutralen Chlorverbindung
hervorgegangen sein; wie, bleibt problematisch, da die verschie-
dentlich ausgesprochene Annahme, es finde eine elektrolytische
Zerlegung eines Chlorsalzes im Magen statt, doch immer nur eine
wahrscheinliche Unterstellung ist. — Eine andere Säure, welche
Brücke nach dem Tode in den bis dahin neutralen Drüsen ent-
stehen sah, ist vielleicht Michsäure; denn es bildet sieh die ge-
nannte Säure an sehr vielen Orten des todten und lebenden Thieres,
also gehört sie zu denen, auf welche. zu achten wäre. Dringender
macht sich Folgendes geltend: als Brücke den wohl ausgewasche-
nen Drüsenmagen der Vögel mit verdünnter Schwefelsänre kochte,
gewann er aus ihm einen Stoff, der sich in seinen reduzirenden
Eigenschaften ganz wie Zucker verhielt; damit wäre also im Magen
ein Körper aufgedeekt, der zur Bildung von Milchsäure Veran-
lassung geben könnte.
Der Ort, an wclehenf sich die freie Säure des Magens während des .
Lebens meist und ausschliesslich aufhält, ist die Magenoberfläche (CI.
Bernard, Brücke). Dieses wird einfach dadurch bewiesen , dass
die vorsichtig ausgeschnittenen Drüsenkörner des selbst mit sanrer
FlüssigkeitjgefUllten Magens neutral oder sehr schwach sauer reagiren
(Brücke). Es kommt jedoch auch der Fall vor, dass die Drüsen-
körner stark saner sind, trotzdem dass die Magenoberfläche, wie
z. B. nach Injection von Magnesiamilch, vollkommen neutral ist.
Wo bildet sich die Säure? Nerveneinfluss »uf die Absonderung des Saftes. 361
Demnach muss die Säure entweder nur auf der Magenoberfläcbe
gebildet werden , oder wenn dieses im Innern der Drtlse geschieht,
so muss sie nach ihrer Bildnng rasch ans der Drllse gestossen, oder
die dort verbleibende muss durch die Alkalien des Blutes wieder
rasch nentralisirt werden. Die Säure, welche man einige Zeit nach
dem Tode in den Drüsen der in Verdauung begriffenen Thiere
findet, ist also dahingekommen entweder in Folge von Leieheninfil-
tration, oder in Folge einer Neubildung nach dem Tode, und sie
tritt jetzt dort frei auf, weil die nentralisirenden Alkalien fehlen.
Die Absonderung des Labsaftes ist eine periodische; sic wird
angeregt, oder, wenn sie vorhanden war, unterdrückt durch Um-
stände, welche wir als Nervenreize kennen. Daraus schliessen wir,
dass die Absonderung von irgendwelchen Nerven aus eingeleitet
werde; wo diese Nerven verlaufen, ist unbekannt. Nach Durch-
sehneidnng der n. vagi am Hals hat man allerdings öfter Gelegen-
heit, Verdauungsstörungen zu beobachten; aber es steht aus zahl-
reichen Versuchen auch fest, dass beiThieren, welche jene Operation
länger überlebten, der Mageninhalt noch sauer reagirt, und dass
die in den Magen eingebrachten Speisen verdaut werden. Pan um*)
sah auch durch die Magenfistel die Absonderung 10 Stunden nach
Durchschneidung des n. vagus wiederkommen.
Während der Absonderung des Saftes füllen sieh die Blut-
gefässe des Magens, so dass sich die neutrale Oberfläche des
letztem schön roth färbt; diese Füllung kann als ein Förderungs-
mittel, nicht aber als die Ursache der Absonderang betrachtet
werden, denn es ist oft der Magen stark roth gefärbt, ohne dass
Labsaft abgesondert wird.
5. Die Ausstossung des Saftes aus den Drüsen kann min-
destens unter dem Einfluss der Brücke 'sehen Muskelschicht ge-
schehen. Fr e rieh s hat die Meinung ausgesprochen, dass bei der
Entleerung des Saftes die Labzellen in den Magen gespült würden;
durch die Untersuchungen von Kolli k er und Donders ist die-
selbe dahin beschränkt worden, dass die Ausführung der ganzen
Zellen nicht zu den nothjvendigen Ereignissen gehöre, da nach
geschlossener Verdanung, also, zu einer Zeit, in welcher die reich-
lichsten Ausleerungen aus den Drüsen stattgefunden haben müssten,
die Drüsen noch durchweg mit Zellen gefüllt sind. — Der Saft,
welcher in den Magen gelangte, wird dort mit den andern Säften
f) Melssnor'a Jahresbericht ftlr 1856. 351.
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362
.Schleimdrüsen des Magens ; Magensaft.
und den durch ihn veränderten »Speisen in den Zwölffingerdarm
geführt.
B. Schleimdrüsen des Magens.
Der anatomische Bau dieser Drüsen nähert sieh sehr dem vor-
her beschriebenen an; der wesentlichste Unterschied zwischen
Beiden besteht einmal in dem Mangel seitlicher Ausbuchtungen der
schlauchförmigen Höhle und der Epithelialbildung auf der Gruud-
haut; in den Schleimdrüsen ist sie nämlich mit einem Cylinder-
epithelium belegt, welches dem in der innem Magenfläche voll-
kommen gleicht (W assmann). Gegen den Pylorus ist der ein-
fache Schlauch öfter getheilt, d. h. es münden durch eine Ocffnung
mehrere Drüsenröhren in den Magen ; diese Anordnung bildet den
allmäligen Uebergang zu den Brunn’sehen Drüsen des Duodenums
(Douders).
Der Saft, welchen sie absondern, enthält Mucin, das nach
»Sehr an t und Donders aus den sich allmälig auflösenden Epi-
thelialzellen hervorgeht; Pepsin sondern sie nicht ab (W assmann,
Go 11) und wahrscheinlich auch keine freie Säure.
C. Der Magensaft.
Das Gemenge aus dem »Speichel, dem Schleim und dem Lab-
salt, welche sich in den Magen ergiesseu, verdient als ein wich-
tiges Verdauungsmittel noch der Erwähnung.
Die chemische Zusammensetzung desselben ist natürlich so
mannigfach veränderlich, je nachdem der Erguss des einen oder
audern DrUsensaftes überwiegt, dass sich allgemeine Kegeln über
dieselbe selbst dann nicht aufstellen lassen, wenn auch eine Verun-
reinigung durch Speisen fern gehalten -worden ist. Das Einzige,
was mau constant beobachtet hat, besteht darin (Schmidj,
Biddcr und- Grünewaldt), dass nach .längerem Entbehren von
Nahrung, beim Menschen also jedesmal nach dem Erwachen aus
dem Schlafe, der Magen eine stark schleimhaltige, alkalisch
reagirende Flüssigkeit in sich fasst, während nach dem Genuss
von Speisen oder irgendwelchen andern festen Körpern eine saure
Flüssigkeit in ihm vorkommt. Schmidt hat bei der schon er-
wähnten Frau mit einer Magenfistel die Flüssigkeit aufgefangen
und zerlegt, welche in dem Magen enthalten war, nachdem die
Frau Morgens nüchtern einige Erbsen verschlungen hatte. Im
Mittel aus zwei wenig von einander abweichenden Analysen ergab
sich: Wasser — 99,44; Ferment mit Spuren von Ammoniak = 0,32;
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Menge des stündlichen Magensaftes.
363
Salzsäure =0,02; Chlorcalcium =0,01 ; Kochsalz = 0,15; phosphor-
saure Erden = 0,06.
Die mittlere Menge des Saftes, welche stündlich im Magen
abgesondert wird, schätzt GrUnewaldt bei der vorgenannten,
53 Kilo schweren Frau auf 0,584 Kilo, und somit in 24 Stunden
auf 14,0 Kilo. Zu dieser Zahl, die ihrer Grösse wegen Aufsehen
erregte, gelangt er folgendermaassen. Er führte durch die Fistel-
öffnung 62 mal in verschiedenen, von dem zuletzt genommenen Mahl
ungleich weit abstehenden Zeiten ein Röhrchen ein, liess dieses
während ungleich langer, aber jedesmal bekannter Zeit liegen, wog
das Ausgeflossene, berechnete dann aus jeder Beobachtung unter
Voraussetzung, dass das Ausströmen gleiehmässig angedauert haben
würde, die stündliche Ausflussmenge und zog endlich aus den
62 berechneten Stunden das stündliche Endmittel. Von diesem zog
er 65 Gr. ab, weil es ihm aus andern) Gruude wahrscheinlich war,
dass die Frau in der Stunde so viel Speichel gebildet und ver-
schluckt hatte. — Die verbleibenden 0,584 Kilo hält er nun eher
für ein zu geringes, als für ein zu hohes Maass des stündlichen
Saftes; denn wenn auch das während der Beobachtungszeit Aus-
geflossene nicht sitinmtlich während derselben abgesondert wäre,
sondern zum Theil aus dem Vorrath stamme, der von frühem Ab-
sonderungen und von den genossenen Speisen herrühre, so werde
doch das hieraus abzuleitende Mehr weithin dadurch ausgeglichen,
dass dem Mageninhalt zum Ausflicsseu neben der engen Mündung
des Röhrchens noch die weite Oeffnuug des Pylorus übrig bleibe;
so viel fremde Zumiscluing zu dem Magensall durch das Röhrchen
Zuwachse, so viel reiner Magensaft werde also auch mindestens
durch den l’förtnermnnd davongehen.
Diese Betrachtungen werden aber widerlegt durch die Beobach-
tnngszablen von GrUnewaldt selbst. Unter 54 seiner Beobach-
tungen (die andern sind nicht zur Erörterung geeignet) finden sich
8 mit einer Beobachtungszeit von 5 Minuten; 5 mit einer solchen
von 10 Min.; 14 von 15 Min.; 27 von 30 Min. Berechnet man für
jede der genannten Zeit die mittlere stündliche Ausflussmenge, so
geht hervor aus der 5 Minuten langen Reihe = 2,20 Kilo, aus
der 10 minütlichen = 0,01 Kilo, ans der 15min. = 0,52 Kilo, aus
der 30 min. = 0,30 Kilo. Die einzige Erklärung für dieses Ver-
halten, dass das Stundenmittel mit der abnehmenden Beobachtungs-
zeit wächst, liegt darin, dass die aus dem aufgehäuften Vorrath
abgezapfte Flüssigkeitsmenge das während der Beobachtung wirk-
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364
Kritik der Annahmen über die mittlere Magensaftmenge.
lieh Abgesonderte weitaus Ubertroffen habe. Jedenfalls mtlssen die
ans der kurzen Beobachtnngszeit berechneten Werthe bei der Bil-
dung des Gesammtmittels ganz vernachlässigt werden. Verwendet
man demnach nur die 30 Minuten langen Beobachtungen zur Ab-
leitung der täglichen Saftmenge, so gewinnt man unter Beibehal-
tung der Grtlnewal dt’ sehen Speichel-Correction in 24 Stunden
5,6 Kilo, also etwa */a seines Tagesmittels. Aber auch diese
Zahl ist noch viel zu gross, und zwar, abgesehen von andern, aus
folgendem Grunde: Busch hatte Gelegenheit, eine Frau zu
beobachten, die im obersten Theil des Dttnndarms eine Fistel von
solcher Art besass, dass das, was den Magen verlassen hatte,
sammt der Galle und den» Bauchspeichel durch sie entleert wurde,
ln diesem Fall konnte man dasselbe gewahren, was vom Hunde
schon längst bekannt ist, dass nämlich der Ausfluss aus dem Magen
viele Stunden, namentlich aber in der Nacht ganz unterbrochen
war. Also darf man zur Herstellung des täglichen Mittels nicht so
verfahren , dass man das während der Absonderungszeit gefundene
Stundenmittel mit 24 vervielfacht. Aus alle dem folgt, dass man
die tägliche Magensaftmenge selbst bei der von Grünewaldt
beobachteten Frau nicht kennt und sie auch nicht einmal, selbst
wenn man sehr gewagte Voraussetzungen machen wollte, ab-
leiten kann.
Analysen von möglichst speichelfreiem und von stark spcichelhal tigern Magensaft
des Hundes gaben Bi d der nnd Schmidt.
1. Mittel aus 0 Analysen; die Hunde waren in S Fällen mit Fleisch gefuttert,
die wesentlichsten Speichelgänge unterbunden ; der Saft wurde aus dem leeren Magen
nach vorgängiger Erregung des Magens durch mechanische Mittel aufgefangen.
2. Bei einem wie vorher behandelten Hund, dessen n. vagi durchschnitten waren.
3. Mittel aus 3 Analysen bei Fleisch- und Pflanzendiät; Spcichelgänge nicht
unterbunden.
4. Spcichelgänge nicht unterbunden; 12 bis 24 Stunden vorher die n. vagi
durchschnitten.
Wasser Ferment
cm
K»C1
N»C1
C.C1
•VlIjCl
3C.OPO,
MgOKIj
FeoOjPOj
i.
97,30
1,71
0,31
0,11
0,25
0,06
0,05
0,17
0,02
0,01
j.
97,18
. 1,67
0,20
0,0S
0,14
0,01
0,45
0,30
0,04
0,03
3.
97,12
1,73
0,23
0,11
0,31
0,17
0,05
0,23
0,03
0,01
4.
97,11
1,72
0,19
0,13
0,49
0,01
0,07
0,23
0,04
0,01
Die mittlere Menge des stündlich aus dem Hundemagen zu erhaltenden Saftes
schätzen Bidder und Schmidt zu 4,6 Gr. für ein Kilogr. Thier, indem sic, wie
es scheint , voraussetzen , dass NahrungsbedÜrfniss und Drüsenoberfläche anwachsen
wie das Kürpergewicht.
Dinifcgfl hv Google
Schlauchförmige Darmdrüsen; Fettdrüsen.
365
• Schlauchförmige Darmdrüsen.
Ihrem Ban nach stimmen sie ganz über ein mit der einfacheren Form
der Magenschleimdrüsen. — In die Dttnndarmhöhle des Menschen
und Hundes, die für die Säfte des Magens und der grossen Bauch-
drüsen unzugängig gemacht waren, wird eine zähe, dem Nasenschleim
ähnliche Flüssigkeit in geringer Menge ergossen; sie reagirt alkalisch
(Bidder und Schmidt) und soll in 100 Theilen zwischen 7,4
und 3,8 Theile festen Rückstand enthalten (Busch). Man darf
vermuthen, dass die schleimigen Antheile dieses Saftes ans dem
Inhalt des Epithelialcylinders des Darms und vorzugsweise der
schlauchförmigen Drüsen kommt, da diese mit Schleim gefüllt sind.
Buiich gewann das Object seiner Untersuchung dadurch , dass er in eine Fistel
des menschlichen Darms einen bei 100* C. getrockneten, wohlgereinigten Badeschwamm
von bekanntem Gewicht einführte ; die Gewichtszunahme desselben bestimmte er nach
dem lierausziehen vor und nach dem Trocknen. Dio Fintel besass einen Bau, der den
Zutritt der Safte aus dem ohern Thcil des Dünndarms in den untern verhinderte,
welcher den Schwamm aufgenommen hatte. — Bidder und Schmidt suchten den
Darm sa ft zu gewinnen aus einer Darmfistel des Hundes, nachdem sie vorher Gallen*
und Pankreasgänge unterbunden hatten. Sie erhielten jedoch auch auf diesem Wego
eine so geringe Menge einer alkalisch rcagirenden Flüssigkeit, dass sie nicht hin-
reichte, um eine Analyse damit anstellen zu können. Aus dem Dickdarm erhielten
sie auch nicht einmal dieses geringe Quantum. — Frerichs untersuchte eine Flüssigkeit,
die er für ein nonuales Absonderungsprodukt jener Drüsen hält, aus dem Katzendarm.
Um sie aufzufangen , hatte er ein Darmstück durch zwei Ligaturen von den benach-
barten Stellen abgeschnürt, nachdem dasselbe vorher von seinem Inhalt durch Streichen
mit den Fingern möglichst befreit worden. Die Flüssigkeit reagirte stark alkalisch und ent-
hielt in 100 Theilen: Wasser = 97,0; unaufgelöstc Stoffe 0,9; löslichen Schleim = 0,5;
Fett = 0,2 ; Salze = 0,8. Die Flüssigkeiten des Dünn - und Dickdarms waren gleich
zusammengesetzt. Bidder und Schmidt konnten auf diesem Wege keinen D&rmsaft
erhalten.
r
Nach Bidder und Schmidt soll sich unmittelbar nach dem
Wassertrinken die Absonderung etwas vermehrt haben.
Fettdrüsen.
Zu dieser Drüsengattung rechnet man die Hautfollikel (Haar-
balgdrüsen) , die Meibom 'scheu Bälge und die Ohrenschmalz-
drüsen. Die Berechtigung für die Zusammenstellung dieser in vielen
Beziehungen von einander abweichenden Werkzeuge findet man in
dem grossen Fettgehalt des von ihnen abgesonderten Saftes.
Obwohl dieser Grund mehr als nichtssagend ist, wollen wir doch
das Wenige, welches von diesen Drüsen bekannt ist, hier zu-
sanmienstellen.
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3«6
Haarbalg Moibom’arhc und OhrenRchTnalsdrttaen.
1. Haarbalgdrüscn*). Ihre Höhle besitzt entweder die
Gestalt eines einfachen bimförmigen oder die eines verästelten
Schlauche. Die Wand besteht nach aussen aus Bindegewebe, die
auf ihrer inneren Fläche ein Epithclium trägt, dessen einzelne
Zellen einen grossen oder mehrere kleinere Fetttröpfchen um-
scbliessen. Gegen das Centrum des Drüsenbalges folgen dann
Zellen, die reichlicher mit Fett gefüllt sind, vermischt mit freien
Oeltröpfchen, welche letzteren gegen die Mündung des Balges hin das
Uebergewicht bekommen. — Die freie Ocffnung des Schlauche ge-
schieht immer in einen Haarbalg hinein, und der einzige Unter-
schied, der in dieser Beziehung zwischen den verschiedenen Talg-
drüsen besteht, liegt darin, dass bald der Haarbalg an Grösse die
Fettdrüse und umgekehrt bald die letztere den erstem tibertrifft. —
Das Fett, welches aus den Drüsen zum Vorschein kommt, ist ein
Gemenge von Elain und Margarin. Ausserdem kommt in ihrem
Sekret vor: ein ei weissartiger Stoff, Cholestearin , Margarin- und
Elainseifen, Kochsalz, Salmiak, etwas phosphorsaures Natron nnd
Wasser. — Der fettige Antheil geht meist in die Haare Uber.
2. M e i b o m ' s c h e Drüsen**). Sie schliessen sich rück-
sichtlich ihrer Form und des Baues von Wandung und Höhle an
die Talgdrüsen an. Ihr Sekret ist noch nicht untersucht; sie liefern
dasselbe auf die Augendlidräuder, welche, mit dem fettigen Saft
bestrichen, den Thränen den Uebertritt auf die Wangen erschweren.
3. Obre nsch m alz drtisen. In dem äussern Gehörgang
kommen zwei Drüsenarten vor, die eine, welche in die Haarbälge
mündet und somit den Talgdrüsen vollkommen gleichartig gebaut
ist, uud eine andere, die Ohrenschmalzdrüsen im engem Wortsinn,
welche dem Bau ihrer Höhlung und Wandung nach den mit
Muskeln versehenen Schwcissdrüsen sehr ähnlich ist. Der einzige
Unterschied, welcher zwischen Schweiss- und Ohrenschmalzdrüsen
besteht, wird durch das Epithelium gegeben, welches in den letztem
durch seinen fetthaltigen Inhalt ausgezeichnet ist (Kölliker) ***).
Die Bestandtheile des Ohrenschmalzes t), das vorzugsweise der
zuletzt erwähnten Drüse seinen Ursprung verdanken möchte, sind:
Ole'fn, Margarin, eine eiweisshaltige Materie, ein in Wasser lös-
licher, gelbgefärbter, bitterschmeckender Körper und die gewöhn-
•) Külllker, Gewebelehre. 2. Auflape, p. 17ii. — Lehmann, Physiologische Chemie. II. Bd.
p. 372.
••) Kliniker, 1. c. p. er» 3.
•*•) 1. c. p. 171.
t) Bcreelln*. Lehrbuch der Chemie. IX. Bd. 637#
Dlgitiz?
rtkro^fe
Schweißdrüsen ; Schwei«*.
367
liehen Blutsalze. — Die quantitative Zusammensetzung des Ohren-
schmalzes ist unzweifelhaft sehr variabel, da es einmal dunkel und
fest, das anderemal sehr hell und mehr wasserhaltig abgesondert wird.
Schweissdrtlsen.
1. Anatomischer Bau *). Das röhrenförmige Lumen der Schweiss-
drüsen mlindet auf der EpidermisoberflUche, dringt spiralig durch
die Epidermis zur Cutis, verengert sich innerhalb derselben und
geht dann gestreckt bis in die tiefsten Schichten der Haut, wo es
sich abermals etwas erweitert, dann knaulförmig aufwindet, um
schliesslich blind zu enden. An den grösseren Schweissdrtlsen,
z. B. denen der Achselhöhle, theilt sich das Rohr in mehrere Acste,
von denen ein jeder sich verhält wie eine einfache Drüse. Die
Wand der Drüse besteht, wo sie auch Vorkommen mag, so lange
sie durch die Cutis läuft, aus einer strukturlosen Gruudhaut
(Virchow). Diese fehlt aber, wenn das Drüscnlumen die Epi-
dennis erreicht hat, so dass, sich der Canal zwischen den Zellen
derselben hinzicht. Auf der innern Fläche der Gruudhaut sitzt ein
Epithelium, das in den Drüsen von mittlerer und geringerer Grösse
aus einer einfachen Lage rundlicher Zellen besteht, deren Binnen-
raum ausser dem Kern meist auch Fetttröpfchen enthält. In den
Schweissdrüscn der Achselhöhle, der 1‘eniswurzel und der Scham-
lippen kommt dazu eine trübe, fettige Masse, welche Körnchen,
kleinere und grössere Zellen in sich schliesst. Auf der äussern
Fläche der Grundhant tragen die zuletzt erwähnten Drüsen eine
Schicht längs verlaufender Muskelzellen, und an diese schliesst
sich eine streifige Bindegewebshülle an, welche in allen andern
Drüsen, denen die Muskeln fehlen, sich unmittelbar an die Grund-
hant anlcgt. — Das dichte Netz von Blutgefässen, welches den
Drüsenknänel umspinnt, entsteht aus den Arterien des l.'nterhaut-
hindegewebes und geht durch Verbindungszweige, welche dem
Ausführungsgang entlang laufen, in das Netzwerk der Cutis-
gefässe über.
Nerven hat man in die .Schweissdrtlsen noch nicht verfolgen
können.
2. Schweiss**). Der Watt der Schweissdrüscn ist im voll-
kommen reinen Zustande vielleicht noch keinmal Gegenstand einer
•) Kliniker, Handbuch der Gewebelehre. *2. Auf]. IHM. lt*2.
*•) Anscliulno (u. I.. G mel in ) . Zeitschrift von Tie denm n n und Treviranus. li. lid. —
Schottin, Zeitschrift llir phyalolog. Heilkunde. XI. Ild. — Favre, compt. rend. XXXV. Hl.
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368
SchweissdrÜaeu ; Aufsammlung des Schweisses.
Untersuchung gewesen; vielleicht ist ihm verdichteter Hautdunst,
jedenfalls aber immer Hautschmiere und Epidermisschuppeuextrakt
beigemengt geivesen ; zuweilen hat man sich auch mit der Analyse
des festen IiUckstandes jenes FlUssigkeitsgemenges begnttgt.
Jo nachdem man alle oder nur einzelne Thcile des Schweisses auffangen will,
verfährt man auf verschiedene Weise. Im ersten Falle wird entweder der nackte
Mensch im Dunstbad auf eine metallene Wanne gelegt und der abfliessendc ächweiss
gesammelt, oder es wird nur eine Gliedmaassc (Arm oder Bein) in einen luftdichten
Beutel eingebunden. Die aufgefangene Flüssigkeit wird zwar als reiner Schweiss an*
gesehen; sie kann verunreinigt sein mit dem Wasserauszug der Oberhautschuppen, mit
Hautschmiere und mit verdichtetem Hautdunst, d. h. mit Wasser, das sich an den
Wänden des Sackes aus dem Dunst niedergeschlagen hat, der emporgestiegen ist aus
der Epidermis zwischen den Schweissdrilsenmündungen. Die erstem Verunreinigungen
können durch vorsichtiges Reinigen der Haut vor Beginn des Versuchs sehr vermindert
werden, und die letztere ist ganz zu beseitigen, wenn man der Wand dos um-
schliessenden Sacks die Temperatur der Haut zu geben versteht, Uebrigens dürfte sie
auoh ohnedies» vernachlässigt werden, wenn die Sch Weissabsonderung lebhaft genug
ist , um die ganze Oberfläche des cingeschlosscncn Gliedes mit einer Flüssigkeitsschicht
zu Überziehen. Mittelst dieses Verfahrens würden zahlreiche Aufschlüsse gewonnen
werden können : z. B. über die Abhängigkeit der Zusammensetzung des Schweisses von
der Absonderungsgeschwindigkeit desselben, und ferner über die Abhängigkeit beider
Veränderlichkeiten von der Ernährung, der Temperatur, der Muskelbewegung des Ge-
sainmtkörpers , der Blutfülle, der elektrischen Erregung, dem Luftdruck von und auf
die absondernde Hautstelle selbst, der Absonderungsdauer des Schweisses u. b. w. —
Hm über einzelne Eigenschaften des Schweisses Nachricht zu bekommen, hat man ent-
weder nur einzelne wenige Tropfen des gewöhnlich abgesonderten Schweisses auf-
gefangen, oder, war es nnr um den Schwcissrückstand zu thun, so umhüllte man die
schwitzenden Glieder mit gereinigter Leinwand , die später mit destillirtera Wasser^
ausgelaugt wurde , oder man spülte auch nur die Haut ah , auf welcher ein Schweiss-
rückstand sass.
Der Schweiss, welcher aus dem gesunden Blut abgeschieden
wird, scheint nach den vorliegenden Betrachtungen beständige und
unbeständige Stoffe zu enthalten. Zu den ersten zählen : ein eiweiss-
artiger Körper, ein ölartiges Fett, Cbolestearin , Harnstoff, Milch-
und Schweissäure (Hydrotsäurc, Cm, NHs, O13 ; HO), Kali, Natron,
Kalk, Eisenoxyd, Chlor, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Kohlen-
säure (Anselmino, Favre, Schottin, 0. Funke). Die neueste
Untersuchung des Schweisses von Funke ignorirt die Schweiss-
säure und bestreitet die Milchsäure ; wohl nur darum, weil sie sieh
auf viel geringere SafTtmengeu bezieht als die Arbeit von Favre;
und Archiv. jr«?nt:r. Julilet 1853. — Gillibert d’IIercourt, Valentin*! Jahresbericht Uber
Physiologie für 1853. p. 168. — O. Funke, M» lese hott'* Untersuchungen zor Naturlehre.
IV. Bd. 36. — Schiff, neurolog. Untersuchungen, |. Bd. p. 165 und 189. — Schuh, Wochen-
blatt der Geaellachaft der Wleucr Aerztc. 1857. 821. — Viale und Latinl, Scherer'» Jahres-
bericht für 1855. 202.
nifüirrr^-.c '.onplc
%
Aenderung dea Schweisses mit der Absondernngsgeschwindigkeit. 369
zu den unbeständigen gehören : Ammoniak, feste Fette und flüch-
tige Säuren, namentlich Butter-, Essig- und Ameisensäure (Schottin,
Funke, G-illibert).
Die Aenderungen in der Schweisszusammensetznng, welche
bis dahin beobachtet wurden , scheinen abzuhängen von der Ab-
sonderungsgescliwindigkeit, der Absouderungsdauer, der Lage der
schweisserzeugenden Fläche, vielleicht auch von der Menge des
genossenen Getränkes und der Individualität des Schwitzenden.
a) Mit der Absonderungsgeschwindigkeit ändert sich die Zu-
sammensetzung in der Art, dass der Gehalt des Schweisses an
organischen Stoffen um ein Weniges abnimmt, wenn die Schweiss-
menge von einem Minimum bis zu einem gewissen, nicht allzu-
hohen Werth an wächst; dass aber, wenn dieser leßtere erreicht
ist, die Zusammensetzung des Schweisses unverändert bleibt, wie
auch von diesem Grenzwerth an die in der Zeiteinheit abgesonderte
Saftmenge wachsen mag. Dieses Gesetz scheint sich aus den
Zahlen von 0. Funke ableiten zu lassen.
Beobachtungftort
und
V erauctunummer.
. Schwergewicht
in Ur. auf die
Stunde.
Rückstand
in
Prozenten.
Asche
in
Prozenten.
Harnstoff.
■ -Aw
Mann A.
4,46
1,44
2.1
5,99
1,36
0,24
—
3.1
12,65
0,79
0,199
Vorderarm ^ j
17,68
1,17
370 QCtm. Fläche. . <
30,20
0,84
0,31
6.1
33,04
0,70
—
1,112
1.1
36,41
0,82
—
— ■
8.'
47,96
0,86
0,36
Mann B.
1.
•' • • ü
3,12 i
2,56
0,63
Vorderarm. 2
6,60
1,13
-
Mann C.
1.
6,90
1,17
Vorderarm. 2
10,62
1 I
0,84
-
Für den Theil unseres Satzes, dass von einer gewissen Grenze
angefangen die Zusammensetzung des Schweisses unabhängig von
seiner Absonderungsgeschwindigkeit sei, sprechen auch die Zahlen
von Favre. Der Sehweiss, auf den sie sich beziehen, ist ge-
wonnen von der Gesammthaut eines Mannes, der in einem Dunst-
bad auf einer Metallrinne lag. Die Beobachtungszeit scheint aller-
Ludwig, Physiologie II. 3. Au/lage. 24
k
Digitized by Google
370 Aeuderung des Schweisses mit der Absonderungs-Dauer, -Fläche etc.
dings nicht in allen Beobachtungen gleich lang gewesen zu sein;
sie wird annähernd auf l'/j Stunde angegeben. — In 8 verschie-
denen Tagen schwankte die in l'/j Stunde aufgefangeno Schweiss-
meuge zwischen 2559 und 1521 Gr. Die^ Rückstandprozente waren
in beiden Fällen gleich 0,5. — Unter diesen Umständen mag es
erlaubt sein, die Zahlen einer vollkommenen Schweissanalyse aus
F a v r e ' s Abhandlung ausznschreiben. Sie ist mit 14 Liter Schweiss
augestellt und auf 1000 berechnet
Na CI 2,230 Natronphosphat 1 Milchsaures KO 0,317 Fette . . . 0,013
KaCl 0,241 Btdphosphat ) 8pUr*n SchwoisMurc, KO 1,562 Wasser 995,513
KOSOj 0,011 Kalialburainat . 0,00.5 Harnstoff .... 0,044
b) Der erste Schweiss , welcher nach einer langem Drttsenruhe
hervortritt, Sf sauer, dauert die Absonderung längere Zeit, so wird
sie neutral und alsbald alkalisch ; die zuerst ausströmende Flüssigkeit
enthält auch mehr flüchtige Fettsäure und mehr des eiweissartigen
Körpers (?) als die spätere (Gillibert, Favre). Der letztere
Beobachter spaltete die in l'/s Stunde abgeflossene Menge in
3 Theile, von denen jeder in je */a Stunde aufgefangen war.
100 Theile enthielten:
Au* der ersten
1 j Stunde.
Aus der zweiten
Stunde.
Aus der dritten
*,1 Stunde.
Wasser j
99,66
99,53
99,68
In absolut. Alkohol lösliche Best. . j
0,17
0,11
0,15
In absolut. Alkohol unlösliche Beet. .
0,16
0,29
0,22
Demnach waren in der ersten Masse die mineralischen Salze
am geringsten vertreten.
c) Auf eine Veränderung des Schweisses mit der erzeugenden
Fläche deutet der Geruch hin, den der Schweiss aus einzelnen
Oertlichkciten vor dem anderer voraus hat. Auch scheinen die Salze
sieh zu ändern. So liefert u. A. das Individuum, welches Funke
untersuchte, einen Fussschweiss mit 1,37 Rückstand, darunter war
0,40 Asche ; ein Armschweiss von gleichen Ruckstandsprozenten gab
nur 0,24 pCt. Asche. — Nach einer Angabe von Schottin war,
wenn das Na der Asche = 100 gesetzt wird, das Ka im Arm-
schweiss = 39 und im Fussschweiss = 57.
d) Der Schweiss, welchen Favre sammelte, enthielt, wie
schon erwähnt, nie mehr als 0,68 pCt. Rückstand; der von Funke
nie weniger als 0,70. Hier war verschieden der Ort des Auf-
fangens, die Individualität und die Diät; und die letztere ins-
Absonderangsgeschwindigkeit des Schweiases.
371
besondere darin, dass der Mann, welcher Favre den Schweiss
erzeugte, während des Dnnstbades etwa 2 Liter Wasser trank.
Innerlich genommen gehn in den Schweiss über : Bernstein-, Weinstein-, Benzoe-
säure; es erscheinen dagegen nicht: Jod, Chinin, Salicin (Schottin).
3. Absonderungsgesehwindigkeit. Der Schweiss wird nur zeit-
weise abgesondert; bekanntlich kann seine Bildung Monate lang
unterdrückt sein. Die Bedingungen, von denen sein Eintritt und
die Lebhaftigkeit seines Flicssens abhängen, sind, so weit bekannt,
folgende: 1) die Haut beginnt zu schwitzen, wenn die Temperatur
derselben Uber eine noch näher zu bestimmende Grenze steigt.
Hierauf dürfte zurückzuführen sein der Eintritt des Schweisses nach
Muskelanstrengungen; bei Anfällen von Hyperästhesie, die mit
Rüthung der Haut verbunden sind ; nach Durchschneidung von Ge-
fässnerven, namentlich bei l’ferden (Dupuy, Mayer, Colin);
bei Aufenthalt in warmer, mit Wasserdunst gesättigter Luft. —
2) Der Schweiss fliesst, alles Andere gleich gesetzt, stärker nach
Genuss von warmen wässerigen Getränken und einigen fluchtigen
Arzneistoffen (?). — Die Anwesenheit der bis dahin aufgezählten
Bedingungen genügt jedoch nur dann, wenn noch andere unbe-
kannte Bestimmungen schon vorhanden sind. Dieses geht aus den
ärztlichen Erfahrungen hervor, dass öfters von einer sehr warmen,
mit Blut gefüllten Haut trotz des reichlichsten Genusses von warmem
Wasser kein Schweiss erzielt werden kann. Umgekehrt schwitzt
auch oft ein Individuum mit relativ kalter Haut, und zu Zeiten,
in denen es sich längere Zeit des Trinkens enthalten hat. — 3) Die
Lebhaftigkeit der Absonderung sinkt mit der Absonderungsdauer
(Gillibert, Funke). Nach den Angaben des erstem Beobach-
ters hört der Schweiss, wenn er während einer gewissen Zeit ab-
gesondert wurde, zu strömen auf, selbst wenn das Individuum unter
reichlichem Wassertrinken im Dunstbad verbleibt. — 4) Einzelne
Oertlichkeiten der Haut sind vor andern bevorzugt durch ihre Be-
fähigung in Schweiss zu gerathen und bei gleichen schweisstreibenden
Ursachen mehr Flüssigkeit als andere zu liefern; es scheint, als
ob hierzu die Orte gehörten, die sich entweder durch zahlreichere
oder durch grössere Drüsen vor andern auszeichnen (Stirn, Hand-
teller, Achselhöhle u. s. w.).
Ausser einigen Angaben von Favre, Gillibert und Funke, in denen gleich-
zeitig die Muskclbewcgungcn , die Temperatur und die Diät verändert wurden, liegen
für die soeben ausgesprochenen Sätze keine Zahlenbeispiele vor ; in der Unbestimmtheit,
in der sie hingestellt sind , genügen jedoch auch zum Beweis derselben die Thatsachen
der täglichen Erfahrung.
24*
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372
Statiatik des Schweisses; Schweissbildung.
Die Statistik des Schwcisses, d. h. die Frage, wie viel dieser
Flüssigkeit von der gesanunten Haut unter gewissen Umständen
abgesondert werde, konnte noch nicht in Angriff genommen
werden, da es an einem Hülfsmittel fehlt, um unter gewöhnlichen
Verhältnissen den Sehwciss gesondert vom Hautdunst aufzufangen.
Eine Aussicht hierzu würde sich bieten, wenn es sich herausstellte,
dass innerhalb gewisser Grenzen der Absonderungsgeschwindigkeit,
das Verhältniss zwischen festen und flüssigen Bestandtheilen un-
veränderlich und aller Orten dasselbe wäre; dann würde man aus
dem auf der Haut, beziehungsweise ihren Bedeckungen verblei-
benden Rückstand, auf die Menge der abgesonderten Flüssigkeit
schliessen , und also auch Versuche Uber Schweissmengen bei ge-
wöhnlicher Bekleidung anstellen können. Sollten die Thatsachen
diese Unterstellung widerlegen, so müsBte sich die Statistik auf
die Bestimmung der festen Stoffe beschränken. — Um einen Maass-
stab zu gewinnen, wie hoch unter günstigen Umständen dieSchweiss-
menge der gesammten Haut anwachsen kann, dienen die Erfah-
rungen von Favre. Er gewann in l'/s Stunde bis zu 2560 Gr.
Schweiss ; bei einer so reichlichen Erzeugung erschöpft sich jedoch
die Absonderung nach einiger Zeit (Gillibert).
4. Schweissbereitung. Die fetten und die flüchtigen Säuren
gehen unzweifelhaft aus den Epithelien hervor, da namentlich die
Drüsen , welche einen starkriechenden Schweiss hervorbringen,
reichlich mit Fett gefüllte Zellen bergen. — Die Absonderung der
Flüssigkeit würde man wegen ihres periodisehen Auftretens, und
auch darum, weil leidenschaftliche Erregungen öfter mit Schweiss-
bildung gepaart sind, wohl bereitwillig von einer Beihülfe der
Nerven ableiten , wenn nur irgend eine Art von Nerv zu den Drüsen
verfolgt werden könnte. — Da die von Blut strotzende Haut leicht
und die zusammengezogene nicht schwitzt, so wäre daran zu
denken, dass eine Erschlaffung der Gefässmuskcln und die daraus
entspringende Erweiterung des Gefässlumens eine nothwendige Be-
dingung zur Einleitung der Schweissbildung sei. Damit ist es aber
nicht zu vereinigen, dass die Absonderung, welche schon einge-
treten war, auch wieder zurücktritt, trotz der noch bestehenden
Blutfülle. ' Sollte etwa die Haut der Schweissdrtiscn sich unab-
hängig von Nerven und Muskeln verändern?
Der Widerspruch*) gegen die gangbare Ansicht, wonach der Schweiss aus den
DTtisen und nicht aus der «wischen ihnen gelegenen Oberhaut iierrorkoinme , wird sich
•) Meissner'« Jahresbericht ftir 18.S6. p. 2*5.
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Harn Werkzeuge ; anatomischer Bau der Nieren.
373
schwerlich Geltung verschaffen; denn es gelingt dem mit der Loupe bewaffneten Auge
leicht, den Tropfen aus den DrUsenmflndungen hervorkommen zu sehen.
5. Aus den Drüsen , welchen Muskeln fehlen, kann der Inhalt
nur durch die absondernden Kräfte selbst ausgetrieben werden; die
Muskeln in den grössere Drüsen sind vielleicht geeignet, den zäh-
flüssigen Inhalt, der auf ihrem Grund sitzt, zu entleerren. — Der
auf die Hautoberfläche ergossene Saft wird uns bei der thierischen
Wärme noch einmal Veranlassung zu Bemerkungen geben.
Harnwerkzeuge.
A. Nieren.
1. Anatomischer Bau. Ein jedes Harnkanälchen beginnt in
der Nierenrinde mit einem kugeligen Säckchen und geht dann in
einen engen Schlauch über, der gewunden durch die Kinde, gestreckt
durch das Nierenmark hinläuft. Auf diesem Wege verbindet sich
vorerst ein jedes unter einem spitzigen- Winkel mit einem benach-
barten ltöbrehen , und der aus beiden zusammengeflossene Schlauch
läuft wieder mit einem ähnlich entstandenen Nachbar zusammen.
Diese Verbindungen wiederholen sich öfter, so dass schliesslich
eine grosse Anzahl von Röhren in eine einzige zusammenmündet, die
anf der Papille sich öffnet. Das Gesammtlumen der Harnröhren
nimmt auf dem Wege von der Rinde zur Papille zuerst sehr rasch
und dann allmäliger ab, da die aus den ersten Zusammenflüssen *
entstandenen Röhren von demselben, die durch die spätem Ver-
einigungen entstandenen von nicht sehr bedeutend grösserem Durch-
messer sind, als jede der einzelnen vor der Vereinigung. — Die
Wandung des Hameanälchens ist ans einer strukturlosen, sehr
feinen, aber festen Haut gebildet, auf deren Innenfläche eine ein-
fache Lage von Keimzellen aufsitzt, die mit Flüssigkeit mässig ge-
füllt sind. — Wittich*) beschreibt das Element der Deckhaut
als ein kugeliges Häufchen feinkörnigen Stoffes mit einem Kern
in der Mitte; eine umkleidende Haut soll ihnen fehlen. — Die
Papille, auf welche das bis dahin beschriebene Ilamcauälchen zu-
gleich mit vielen andern aus der Niere in den Kelch tritt , ist eine
kegelförmige Warze, die mit der Basis an den Nieren festsitzt und
mit der Spitze frei in den Kelchraum ragt.
Die art. renalis zerfällt in Zweige für die Capsel, die Rinde,
das Mark. Die weitaus grösste Menge der Aeste geht in die Rinde
•) Vlrchow'i AfchlT. X. Bd. 827.
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374
Hftrnwerkxeuge ; Blutgefässe der Nieren.
und läuft dort in kurze Arterien von schon mikroskopischem Durch-
messer ans. Diese durchbrechen als sogen, vasa affercntia die
Wand des sackartigen Anfangs der Harngänge und zerfahren inner-
halb dieser Höhle in ein Blindei von feinsten Gefässen (glomendns).
Diese sammeln sich wieder in ein grösseres Gcfäss, das vas efferens,
welches den Hohlraum des Harnganges alsbald verlässt, indem es
seine Wand abermals durchbricht. Der Blutstrom biegt also in
die Höhlung des Harncanälchcns ein und aus (Bowmann). Die
Gefässe des Nierenkorns (glomerulus) sind unter einander durch
eine strukturlose Masse verklebt, und auf seiner freien Oberfläche
hat man oft eine Lage zellenartiger Gebilde gefunden. — Wenn
das ausftlhrende Blutgefäss wieder zwischen die Harncanälchen ge-
treten ist, so zerspaltet es sich noch einmal zu einem weitmaschigen
Netze, das in Verbindung mit den Verästelungen der umliegenden
vasa efferentia die Harncanälchen auf ihren gewundenen und geraden
Wegen umspinnt und aus dem die Wurzeln der Nierenvenen ihren
Ursprung nehmen. Dieser Beschreibung entsprechend, würde das
fiir die Rinde bestimmte Blut der a. renalis durch ein doppeltes
Capiliarensystem laufen, von denen das erste in das Lumen des
Hamcanälchens ragt und das zweite ausserhalb auf der Wandung
desselben liegt Die Veränderung des Lumens, welche die Gefässe
in der Rinde und insbesondere von den zufllhrenden Gefässen des
Nierenkorns nach abwärts erfahren, verhält sich sehr wahrschein-
lich in der Art, dass der Querschnitt in dem zuführenden und ab-
führenden Gefässe sehr viel kleiner ist, als derjenige, welcher von
der Summe der Gefässe des Knäuels dargestellt wird; die Summe
der Querschnitte sämmtlicher Capillaren des zweiten Netzes dürfte
Fig. 53.
grösser sein , als diejenige des ansftlhrenden Gcfässes. Das Schema
dieser Anordnung des Lumens drückt Fig. 53 aus; a entspricht
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Hamwcrkzeuge ; Oefitac des Marks und der Kinde der Nieren.
375
dem vas afferens, g sind die vereinigten Querschnitte der einzelnen
Gefässe im Glomerulus, e passt auf das vas efferens und v auf
das zweite Netz und die Venenwurzeln.
Die Capillaren ftlr das Mark gehen zum Theil aus den Maschen
des zweiten Netzes der Rindengcfässe hervor, zum Theil entstehen
sie selbstständig aus den grosseren Aesten der Nierenarterie
(Virehow) *). In welchem Verhältniss die Summe ihrer Lich-
tungeu zu der der vasa afferentia in den Knäueln steht, ist nn- '
bekannt, aber jedenfalls überwiegt die Gcsammtlicktung der vasa
afferentia jene um das Vielfache. — Ein kleiner Rest der Arterien-
zweige endlich, welche, von dem Mark zur Rinde aufsteigend, die
vasa afferentia abgegeben haben, gelangt schliesslich auf die Ober-
fläche der Niere, wo sie sogleich in ein Netz zerfallen, das die
Capsel auskleidet. Die Venen dieser Gefässe, verstärkt durch Zu-
flüsse au» der Fettcapsel, bilden den Anfang der Stämme, welche
das Blut aus der Niere fortführen.
Von dem Bau der Häute ist hervorzuheben, dass das vas af- und
efferens Mnskelzellen tragen, ferner, dass die äusserste Wandschicht
des Nicrenvenenstammes mit einer starken Muskellage ausgestattet
ist und dass in ihre Höhlung öfter eine Klappe ragen soll. — Aus
der Niere tritt eine nicht sehr beträchtliche Zahl von dünnen Lymph-
gefässen aus, die ebensowohl ans der Tiefe wie von der Ober-
fläche ihren Zufluss beziehen. — In die Niere, und zwar längs der
Arterie gehen Nerven ein, welche aus dem plex. coeliacus stammen;
sie sind aus wenigen breiten und vielen Rem ak 'sehen Fasern
zusammengestellt und werden auf ihrem Wege mit kleinen Ganglien-
haufen belegt; die Anordnung ihrer anatomischen Elemente inner-
halb der Nieren ist noch nicht dargelegt. Der Ursprung derselben
ist theilweise wenigstens unzweifelhaft in dem Hirn zu suchen, da
die Verletzung derselben sehr schmerzhaft empfunden wird. — Alle
diese Gebilde sind in der Niere selbst eingebettet in eine geringe
Menge sturkturloser Zwisehenmasse und umschlossen von einer
festen Bindegewebscapsel.
2. Chemischer Bau der Nieren**). Die strukturlose
Membran der narncanälchen nähert sich nach ihren chemischen
•) D«mn Arclilr. XII. 310.
**) Simon, Medix. Chemie. Berlin 1842. II. Bd. 533. — G. Lang, De adipe in nrina et
renibu*. Dorpat 1852. — Frer ichi,» Bright’sche Krankheit. Bratinschw. 1851. 42. — Cloctta,
Llcbljr’s Annalen. 89. Bd. 289. — O. B er k m an n , VI reb o w' » Archiv. XI. Bd. 127. — Her-
mann, Wiener akadera. Sitzungsberichte. XXXVI. 349.
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376
Cheraiflchcr Bau und Blut der Niere.
Reaktionen dem elastischen Gewebe. Der Inhalt der Deckzellen
besteht aus Eiweiss (?), zuweilen, namentlich bei Vögeln, aus
Harnsäure, aus Fetten (vorzugsweise nach Fett- und Fleischnah-
rung). — Die Gefässhäute zeigen die bekannten Eigenschaften. —
Aus dom wässerigen Auszug der Niere ist bis dahin ausser den
Bestandtheilen des Bluts und Harns dargestellt worden: Inosit,
Taurin, Cystin (Cloötta), Sarkin (?) (Cloötta, 0. Beck-
mann), Leucin und Tyrosin (Beckmann), Kreatin (Her-
mann). Alle diese Stoffe kommen jedoch nicht immer zusammen
vor. — In der frischen , bis zum Tod thätigen Niere des Menschen
und Ochsen wurde Inosit , und in der gleichbeschaffenen Niere des
letzten Thiercs ein dem Xanthin oder Sarkin ähnlicher Körper und
entweder Cystin oder statt dessen Taurin gefunden. — Aus der
menschlichen Niere (wie lange nach dem Tode?) wurde Sarkin,
Zucker, Leucin und daneben zuweilen auch Tyrosin gewonnen. —
In der Niere von Hunden, deren Ureter 2 bis 24 Stunden unter-
bunden war, faud sich Kreatin. Blieb der Ureter mehrere Tage
lang geschlossen, so war das Kreatin verschwunden und statt dessen
trat neben andern krystallinischen , auch ein dem Leucin ähnlich
sehender Körper auf. — Welches die natürlichen Bildungs- oder
Lagerstätten dieser Verbindung sind, bleibt unentschieden ; in welcher
Beziehung sic zu einander stehen, lässt sich um so weniger sagen,
als ausser den genannten gewiss auch noch andere eigenthümliche
Stoffe Vorkommen.
3. Das Blut*), welches aus der absondernden Niere fliesst,
ist hellroth, dem arteriellen ähnlich, gefärbt; es enthält mehr 0 und
weniger C0S als das dunkle venöse (Bernard); auch ist cs frei von
Faserstoff, oder wenigstens arm daran (Simon). Aus der ruhen-
den Niere kommt das Blut dunkel (Bernard) und faserstoffhaltig
(Brown-Säquard). Das Blut der Nierenarterie soll mehr (0,038 pCt.)
Harnstoff enthalten als das venöse (0,010 pCt) Picard; nach dem
Angriff auf Picards Methode (v. Recklinghausen) dürfte dieser
Satz weniger durch die aufgefUhrten Zahlen als vielmehr durch die
Erfahrung bewiesen sein: dass nach Ausrottung der Niere (Dumas,
Prout) oder Unterdrückung der Harnabsonderung (Babington)
der Harnstoffgehalt des Bluts überhaupt zunimmt; also hat sich
das arterielle Blut beim Durchgang durch die Niere eines Theilcs
seines Harnstoffes entledigt.
*)C1. Bernard, Lecona aur les liquide« de rorganisme. Paria 1859. II. Bd. 147 u. f. -
Poiseullle und Qu hier, Compt. rend. 49. Bd. 164.
Blut und Blutfttrom der Niere.
377
Die Zahlen, welche Bernard Aber den Gasgehalt des hell- und dunkclrothen
venösen und arteriellen Blutes mittheilt, sind nicht genau vergleichbar, da Über das
Yerhältniss ihres Körperchengehaltes nichts bekannt ist, und noch mehr, weil Bornard
die Gew.innungsraethode des Gases selbst als eine provisorische bezeichnet. Beispiels-
weise mögen gelten ;
1
Arterla
Vena rcnalia
*
hellroth.
dunkelroth.
0
19,4
17,2
1 6,4
CO, I
3,0
1 3,13
6,4
* Die Zahlen bedeuten Volumen-Prozente eines Gases von unbekannter Dichtigkeit.
Das Blut oder überhaupt die Körpermasse eines Thieres, dem man die Nieren
genommen hat, enthält nach den Angaben von Bernard, Barreswill*) und Stan-
nius **) immer auffallend viel weniger Harnstoff, als in der Zeit, während welcher
die Nieren fehlten, durch diese ausgesondert sein würde. Dieses wird erklärlich,
wenn man annimmt, dass der zurückgehaltene Harnstoff sich in kohlensaures Ammoniak
umsetzt, das durch an dere Secretionen, z. B. die des Magens und Darms, ausge-
schieden wird. In der That hat sich in dem Magen der entnierten Hunde eine
ammoniakalische Flüssigkeit gefunden (Bernard). — Der Angabe von Fieard
entgegen geben Gabler und Poiseuille an, dass dos Blut der Nierenvene Öfter
mehr Harnstoff enthält, als das der Nierenarterie. Da ihr analytisches Verfahren von
Würz erfunden und erprobt ist, so dürfte es wohl von den Fehlern des Picard’ sehen
frei sein; aber nicht weniger sicher ist es auch, dass das von ihnen gefundene
Verhalten der beiden Blutarten zu einander nicht das normale ist, denn die Nieren
sind ira Wesentlichen die einzigen Organe, welche Harnstoff entleeren, und durch sie
wird im Allgemeinen fast sammtlicher durch die Nahrung eingebrachte Stickstoff wieder
aus dem thierischen Körper entfernt.
4. Blutstrom dnreh die Niere***). Wie viel Blut überhaupt in
der Zeiteinheit durch die Niere geht, wird bei unveränderlichem
Spannungsunterschied zwischen dem Inhalt der Arterie und Vene
abhängig von den Widerständen in der Niere. Diese sind aber
thatsächlich veränderlich; denn es durchsetzt meist während der
bestehenden Hamabsonderung und nach Durchschneidung der Ge-
fässnerven das Blut die Niere so rasch, dass cs in den Venen noch
hellroth anlangt, während es umgekehrt dort dunkel ankommt,
wenn die Absonderung ruht oder die Nierennerven gereitzt werden
(Bernard). — Bei dem grossen Durchmesser der Nicrenarterie
und dem jedenfalls nicht unbedentenden Spannungsunterschiede
•) Archive« gfolrales. 1847,
••) Scheven, Ueber die AoMchneiriung der Niere und deren Wirkung, ltoetock 1848.
••*) C. Ludwig, Artikel Ilarnabnondemng ln Wagner* • Handwörterbuch der Physiologie. —
R. V I r c h o w , in denken Archiv. Xll. Bd. 310. — CI. Bernard, Le$ onn nur lee liquides de
l'organlsme. Paria 1869. p. 147 u. ff.
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378
Blutstrom der Nier«; Hum.
zwischen der Arterie und Vene kann bei geringem Widerstand
sehr viel Blut durch die Niere gehen. Wenn aber der Wider-
stand bedeutend geworden, so kann auch die Blutmenge gering
werden.
Das Blut kann durch die Niere auf drei Wegen in die Vene
zuriiekgehen. Der Anthcil, den jede Abtheilung von der Gesammt-
heit durchlässt, wird ablmngen von dem Verhältniss der Quer-
schnitte und Bahnlängen zu einander. Offenbar kann man sogleich
sagen, dass das Netz der C'apsel immer sehr wenig Flüssigkeit
abftthrt. Es kommen also nur die Verhältnisse zwischen dem Ans-
maass an den Rinden- und Markgelassen in Betracht. Diese sind aber
wegen der Muskeln an den kleinen Arterien (vasa af- und fiflferentia
des Nierenkornes und die artcriolac reetae des Marks) nicht unverän-
derlich, und somit wird der Anthcil des durch das Mark gehenden
Blutes auf Kosten des Rindenstroms wachsen, wenn die Muskeln
der Gelasse des Nicrcnkorns zusammengezogen und die des Marks
unverändert oder umgekehrt die Durchmesser der letzten Zufluss-
rohren erweitert und die der Rinde unverändert sind. Wie viel Blut
aber hierdurch von der Rinde abgeleitet werden kann, ist wegen
der Unbekanntschaft mit den in Frage kommenden Ausmaassen
nicht einmal schätzungsweise anzugeben.
Das ungefähre Gesetz ftir die For-
men der Spannungscurvc innerhalb
der beiden aufeinanderfolgenden Ca-
pillarnetze in der Rinde kann nach
den Angaben Uber die fortlaufende
Veränderung des Lumens (Fig. 53)
hingestellt werden. Sie muss, ent-
sprechend den Grundsätzen, welche
Seite 64 u. f. entwickelt sind, die in
Fig. 54 angegebene ännehmen.
Gl. Born&rd giebt an, dass man die von ihm beobachteten Erscheinungen,
welche die Veränderlichkeit des Blutstroms durch die Niere beweisen, am besten an
Thieren sehen kann, die mit Curare vergiftet und durch künstliche Respiration am
Lebon erhalten werden.
5. Harn. Die Flüssigkeit, welche aus den Harneanälchen
ausgeschieden wird, enthält sehr verschiedene Stoffe in Lösung, je
nach der Lebensart, den Nahrungsmitteln nnd besonderen allge-
meinen körperlichen Zuständen. Man hat darum bestimmt, den-
jenigen Ham als den normalen anzusehen, welcher entleert wird
Fi*. 54.
ß
4/
Harn ; Harnstoff. 379
bei gänzlichem Enthalten von Nahrung oder bei Aufnahme einer
solchen, welche wesentlich aus eiweissartigen Körpern, Fetten, Amy-
lon , den gewöhnlichen Blutsalzen und Wasser besteht. Unter dieser
Voraussetzung erscheinen im Harn: Harnstoff, Kreatinin, Harnsäure,
Hippursäure, Farbstoffe, Zucker, Fette, Ammoniak, NaO, KO,
CaO, MgO, C1H, CO-i, PO:., SOn , dazu eine geringe Menge orga-
nischer Stoffe von unbekannter Zusammensetzung (Extrakte) und
in Gasform anfgelöst N, 0, COj.
Je nach dem Ziel, das der Harnanalytiker verfolgt, hat man
entweder allen Harn, der in 24 Stunden gelassen wurde, in ein
Gefäss vereinigt, gewogen und ein oder mehr Proben dieses Durch-
schnittsharns zerlegt; oder es wurde von einer zur andern und
zwar jedesmal bekannten Zeit der Ham besonders entleert, ge-
wogen und zerlegt. Die erste Beobachtung giebt die Menge der
täglich entleerten Harnbestandtheile ; die zweite giebt die mit der
Tageszeit veränderliche Menge der letztem. — Um die von ver-
schieden schweren Individuen ansgegebenen Gewichte an Ham-
bestandtheilen vergleichbar zu machen , hat man die letztem durch
das Körpergewicht dividirt, d. h. man hat die von der Einheit des
Körpergewichts gelieferten Harnbestandtheile aufgesucht. Die in
gleicher Zeit und von gleichem Thiergewicht gelieferte Stoffmenge
kann man als Maass fUr die Bildungs-, resp. Absonderungsgeschwin-
digkeit anschcn. Dieser Berechnung liegt die wahrscheinliche
Voraussetzung zu Grunde, dass, alles Andre gleichgenommen, die
Gewichte des bildenden Thierlcibes und der gebildeten Harnbestand-
theile im geraden Verhältnis miteinander wachsen.
Harnstoff*). Er kommt im Ham frei, vielleicht auch mit NaCl
und AmCl verbunden vor. Die Bedingungen fltr die Hamstoffaus-
scheidung durch den Harn dürften gelegen sein : in dem Umfang und
der Geschwindigkeit, in und mit welcher er gebildet und auch wieder
weiter zerlegt wird (z. B. in AmO u. s. w.) , ferner in der Thätigkeit,
welche Haut und Niere entwickeln, um ihn aus dem Körper zu
•) Lehmann, Physlolog. Chemie. II. ßd. 167. — Frerich's, M Uli er 's Archiv. 1848.467. —
Bldder und Schmidt, Die Verdauungssäftc and der Stoffwechsel. 1852. p. 292 u. f. — ächerer,
Wttribargcr Verhandlungen. II. Bd. 180. — Bischof/, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels.
Giessen 1853. — Bsrral, Statiquc chim. des anlmaux. Paris 1850. 437. — E. Becher, Studien
Ifber Respiration. Zürich 1855. — J. Lehmann, Liebig's Annalen. 87. Bd. 205. — Bisch off,
Liebig's Annalen. 88. Bd. 102. — Hoppe, Vlrchow’s Archiv. X. Bd. 144. *— Ksupp<
Archiv ftlr pbya. Heilkunde. 1855. p. 385. u. 1856. p. 125. — Volt, Physlol.-chcm. t’ntcrsuchungcn.
München 1857. — Beigel, Untersuchungen Über Harn und Harnstoffmcngen, nova acta. Iid. XXV.
(Separatdrnck.). — Hermann, Wiener akad. Berichte. Bd. XXXVI. 349. — Geuth, Untersuchungen
Uber den Einfluss des Wassertrinkeu«. Wiesbaden 1856. — Hchirks, Valentin 's Jahresbericht
für 1857. p. «4. — Botkln, VlrehWs Archiv. XV 380.
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380 Veränderlichkeit dee täglichen Harnstoffs von der Gewichtseinheit Thier.
schaffen. Dieses Alles ist an sich klar, weil nnr überhaupt der
Harnstoff ausgcfllhrt werden kann, der im thierischen Körper ge-
bildet und dort nicht auch sogleich weiter zerlegt ist. Von diesem
Harnstoff kann aber nur der dem Harne zu Gute kommen, welcher
nicht durch die Haut abströmt; der noch übrige Rest muss aber
nicht nothwendig durch die Niere abfliessen , denn dieses ge-
schieht nur so weit, als es dieses Werkzeug gestattet; was es an
Harnstoff zurücklässt, vertheilt sich in den Säften des thierisehen
Körpers.
Täglicher Harnstoff von der Gewichtseinheit Thier. Natür-
lich war es bis dahin unthunlich , auch nur den Versuch zu wagen,
den Harnstoff des täglichen Harns aus dem mittleren Harnstoffgehalt
unserer Säfte und der Arbeitskraft der Niere herzuleiten. Man hat
statt dessen die Abhängigkeit desselben von andern Umständen
untersucht, welche in jedem Fall aus mehrfachen Gründen, je nach
den Zuständen des thierischen Körpers aber sogar in entgegen-
gesetzter Richtnng auf die Harnstoffausscheidung wirken können.
Nach diesen vorläufigen Bemerkungen zählen wir auf:
1) die Harnstoffausscheidung bei Entziehung aller Nahrung;
die Ausscheidung des genannten Stoffes durch den Harn geht bis
zum eintretenden Hungertode des Thieres fort; sie geschieht also
aus dem Inhalt des hungernden Thieres (Lassaigne, Scherer,
Becher, Schmidt, Frerichs, Bischoff). Da nun der Harn-
stoff offenbar nur aus den Leim- und Eiweisskörpern hervor-
gehen kann , so wird sich seine Menge richten nach der Zusammen-
setzung des hungernden Thiers (seinem Fett-, Fleisch-, Bindege-
webe-, Knochengehalt), nach seiner Lebensweise, der Temperatur,
seiner Umgebung etc. — Andeutungen für solche Variationen liegen
darin, dass gemästete Thiere mehr Harnstoff liefern als 'magere
(Bischoff); dass mit der Dauer des Hungers sich die Hamstoff-
abscheidung ändert. Das Gesetz, nach welchem dieses letztere geschieht,
zeigt im Allgemeinen ein Abfallen des Harnstoffs; wie dieses sieh
aber im Einzelnen gestaltet, wird von mannigfachen Umständen
abhängen.
2) Veränderlichkeit der Harnstoffansscheidung mit der Art und
Menge der festen Nahrung. Man snehte natürlich meist die Be-
ziehungen zwischen der chemischen Zusammensetzung der Nahrung
und den ausgeschiedenen Harnstoff auf. Soll hierbei die wirklich
in die thierische Umsetzung eingegangene Nahrung in Betracht
kommen , so kann dieselbe nur dann für -übereinstimmend mit der
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Harnatoffabftonderung abhängig von der Nahrung.
381
eingenommenen angesehen werden, wenn bei ihrem Genuss durch
längere Zeit nicht allein das Körpergewicht, sondern auch die Ge-
sundheit unverändert geblieben; denn dann wird wohl auch die
prozentische Zusammensetzung des Thierkörpers sich gleich geblie-
ben sein. Wenn dagegen bei der Nahrung das Körpergewicht zu-
oder abnimmt, so bleibt die Zusammensetzung des Stoffgemenges
die in die thierische Zersetzung einging, unbekannt. — Aber auch
zwischen der mit bekannter Zusammensetzung in die lebendige Um-
setzung eingehenden Nahrung und dem ausgeschiedenen Harnstoff
ist keine feste Beziehung zu erwarten; denn Eiweiss- und Leimatome
zerfallen nicht sogleich in Harnstoff, sondern zunächst in Produkte,
die als solche entleerbar sind, wie in Harnsäure und Kreatin u.s.w
Ferner gehen sie theilweise gar nicht in Harnstoff Uber, sondern in
Gallensäure, Farbstoffe und vielleicht auch geradezu oder mindestens
mit 'dem Harnstoff nur als Durchgangspunkt in andre gasförmig oder
flüssig entleerte stickstoffhaltige Atome. Ob und wie viel von N der
Nahrung zur Harnstoff bildung verwendet wird, ist demnach ab-
hängig von der Arbeit mannichfacher Körperstücke. Aus diesem
Grund können die Versuche an Thieren mehr dazu dienen, die
Eigentümlichkeiten des inneren Zcrsetznngsganges bei denselben
hinzustellen, als dazu um aus ihnen einen Schluss auf die Ham-
stoffabscheidung des Menschen zu ziehen. — Da aber die Versuche
gelehrt haben, dass nicht bloss der Eiweiss- und Leimgehalt der
Nahrung, sondern auch* der Antheil an Wasser, Fetten, Zucker,
und Salzen die Art der Umsetzung bedingt, so durfte es bei zukünf-
tigen Versuchen unerlässlich sein, diese genau zu bestimmen, was
aus bekanntem Grnnde nur dann möglich wäre, wenn man die
Speisen aus künstlichen Gemengen chemisch reiner Nahrungsmittel
herstellte.
Aus den bekannt gewordenen Beobachtungen geht hervor:
a) Fett und Amylon «mindern die Harnstoffabscheidung, so dass
dasselbe Thier weniger Harnstoff liefert beim ausschliesslichen Ge-
nüsse von Wasser und Fett, oder selbst bei einem reichlichen
Futter aus Amylon und Fett mit einem schwachen Zusatz eiweiss-
artiger Stoffe, als bei vollständiger Nahrungsentziehung. Eine aus
Mehl , Fett und Fleisch gemischte Nahrang erzeugt, gleiche Nieren-
thätigkeit vorausgesetzt, weniger Harnstoff, als dieselbe Menge von
Fleisch für sich allein genommen hervorbringt (Bischof f, Hoppe,
Botkin). — b) Eine Nahrung von Eiern, Muskelfleisch , leimgeben-
dem Gewebe steigert die Harnstoffbildung (Bischoff, Lehmann),
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382 Besiohung de* Harnstoff« rum N- und Wassergehalt der Nahrung.
und zwar nimmt das tägliche Harnstoffgewicht annähernd in dem
Maasse zu, in dem die Menge jener Nährstoffe wächst, gleichgültig
ob unter dem Einfluss der Fütterung das Körpergewicht des Thie-
res zunimmt oder sich gleich bleibt. — Nach Voit kann bei Hun-
den nahezu der ganze N-GekaltderNahrungmit Abzug dessen, welcher
im Koth verbleibt , also der N des Futters , welches wirklich ins Blut
überging , durch den Harnstoff entleert werden ; dieses gilt natürlich
nur für den Fall, dass sich das Gewicht des Thieres während der
Versuchszeit unverändert hielt. Diese Erscheinung trifft jedoch we-
der allgemein für den Hund, noch weniger aber für den Menschen
ein, denn für gewöhnlich enthält der ausgeschiedene Harnstoff kei-
neswegs den ganzen Stickstoff, welcher mit der Nahrung eingefllhrt
wurde (Boussin gault, Lehmann, Barral, Bisckoffj, selbst
dann nicht, wenn sich das Körpergewicht durch die Nahrung nicht
mehrt. Der Unterschied zwischen den Stickstoffmengen , welche
mit der Nahrung ein- und durch den Harnstoff ausgeftihrt werden,
ist nach Bise ho ff beim Hund in weiten Grenzen unabhängig ge-
funden worden von dem Nahrungsmaasse, so dass er bei einer
kärglichen und übermässig reichlichen Fleischfütterung sich gleich
blieb. Dieses würde daraufhindeuten, dass in den von Bise hoff
beobachteten Thieren neben einer mit der Fleischmasse veränder-
lichen Harnstoffbildung eine andere von dem Fleischgenuss unab-
hängige, immer gleichmächtige Umsetzung des Eiweisses stattfände.
Diese nicht in Harnstoff ausmündende odef Uber ihn hinausgehende
Umwandlung des Eiweisses wird aber beschränkt, wenn dem Fleisch
noch Kochsalz, Fett oder Wasser so zugesetzt werden, dass sich
das Volum des täglichen Gesammtkarns mehrt; denn dann steigt
der Harnstoff und nähert sich der Grenze, die ihm durch den Stick-
stoffgehalt der Nahrung gezogen ist. — c) Der Wassergehalt der
Nahrung beeinflusst, gleichbeschaffene und gleichviel feste Speise
vorausgesetzt, die Harnstoffausscheidung; seine Wirkung ist ver-
änderlich mit der Wassermenge, welche aus dem Getränk in
den Ham übergeht, mit der Tageszeit, in welcher sie genommen
und mit dem Wasser, das in der vorhergegangenen Zeit in der
Nahrung vorhanden war. Die vorliegenden Untersuchungen zei-
gen, dass bei gleichbleibender Nahrung und Muskelanstrengung
der tägliche Werth des Harnstoffs znnimmt, wenn sich das Harn-
maass mehrt ('Bisch off, Becher, Kaupp, Genth u. s. w.). Der
reichlicher gelassene, an llarnprodukten ärmere Harn entführt mehr
Harnstoff als der sparsamer ausgeschiedene, aber an Harnstoffpro-
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Beziehung des Harnstoffs zum Harnrolum.
383
dnkten reichere Ham. Dieses gilt selbst flir den Ham, der zu
derselben Zeit aus den beiden Nieren desselben 'fhiers hervorge-
gangen ist ('Hermann). Legt man den Ureter beiderseits bloss
nnd fängt den Harn auf, so zeigt sieh, dass die Nieren zu gleichen
Zeiten ungleiche Hamvolumina absondern (Go 11) und zwar wech-
selnd bald die eine und bald die andere mehr. Wenn eine der
Seiten merklich mehr Ham entleert , so fördert sie dann auch mehr
Harnstoff zu Tage. Aus der Beobachtung, dass der prozentische
Harnstoffgehalt mit dem abnehmenden Harnmaass und zwar un-
regelmässig wächst, geht jedoch hervor, dass kein festes Verhältnis
zwischen den beiden genannten Werthen besteht. — Diese Vorbe-
merkung zeigt, dass der Genuss von Wasser nur dann die Harn-
stoffabscheidung mehrt , wenn das Wasser nicht durch Darm, Hant,
Lunge, sondern durch den Harn entleert wird. Nur insofern, als
im Allgemeinen bei einem grösseren Wassergehalt der Nahrung
auch das tägliche Ilarnvolum wächst und zwar meist in dem Maasse,
in welchem die Wassernahrung zunimmt, ist es auch erlaubt, ge-
radezu die Steigerung des Harnstoffes von der des Getränkes ab-
hängig hinzustellen.
Aber gleiche Mengen fester und flüssiger Nahrung erzeugen
unter sonst gleichen Bedingungen nicht gleichviel Harnstoff. War
die Nahrung zuerst relativ trocken gewesen und wurde sie dann
mit Wasser versetzt, so wirkt dieselbe Menge Wasser viel mehr
steigernd, als wenn längere Zeit hindurch die Nahrung schon
wasserreich war (Mosler). Daraus folgt, dass wenn nach einem
Uebergang von wenig zu mehr Wasser die letzte Lebensweise an-
haltend eingebalten wird, der Gang des Harnstoffes sich folgender-
maassen stellt: seine Menge erhebt sich von ihrem niedem, der
trockenen Nahrung entsprechenden Werth plötzlich beträchtlich, und
so wie der Nalirungswechsel eintritt, dann sinkt sie während einiger
Tage langsam herab und schwankt nun während der Zeit, in
welcher das Getränk sich gleich blieb, in engeren Grenzen um einen
mittleren Werth (Genth), der jedoch höher ist, als er ohne den
vennehrten Wassergenuss sein würde. Geht der Versuch umge-
kehrt von der wasserreichen zur trockenen Diät Uber , so erniedrigt
sich, die Harnstoffmenge an dem Tage des Nahrungswechsels unter
den Werth, welcher sonst der trockenen Diät znkommt; während
einiger Tage erhebt sich dann der Harnstoff wieder auf den Durch-
schnitt, welcher vor der Wasservermehrting in der Nahrung vorhanden
war (Becher). — Wird das Wasser, welches man der Nahrung
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384 Harnstoff im Ham und KOJNOs, Na CI, Harnstoff und Harnsäure in der Nahrung.
zusetzt, auf einmal mit den trockenen Speisen genommen; so hat
dasselbe für die Harastoffaussckeidung einen grossem Erfolg, als
wenn es erst nach der Verdauung der festen Speisen getrunken
wird (Genth).
Wie das reichliche Trinken einerseits durch Anregung der
Nierenthätigkeit die Ausscheidung des Harnstoff* mehrt, so steigert
sie anderseits auch die Harastoffbildung. Dafür sprechen folgende
Aussagen: bei vielem Trinken von Wasser verschwindet aus dem
Ham die Harnsäure (Genth); es nimmt während längeren
Wassergebrauchs das Körpergewicht trotz einer unveränderten
festen Nahrung ab; es genügt zur Stillung des Hungers die Nah-
rung nicht mehr, welche ohue die Wasserdiät hinreichte; es
nimmt das Körpergewicht nach Aussetzung des Wassergebrauchs
durch die unveränderte Menge fester Speisen zu (Be necke,
Genth, Mosler).
tn Folge von Kalt- und Warmwasserbädern kann Bich die tägliche Harastoff-
auascheidung mehren und mindern (Neubauer, Genth, J. Lehmann)*), je
nachdem das Bad auf die Absonderungen durch die Haut gewirkt hat.
d) Ein Salpeter- und Kochsalz-Mehr in der Nahrung erhöhen
den Harnstoff (Boussingault, Barral, Bischoff, Kaupp,
Schirks). — Diese Wirkung des Kochsalzes schlägt in das Gegen-
tlieil um, wenn die Kochsalz-Nahrung ohne Vermehrung des Trink-
wasser längere Zeit andauert (Botkiu).
Als hamgtoffinindemd sieht man auch den Kaffeeaufguss an (Bück er, J. Lehj-
mann). — Die Ramstotfabscheidung wird noch geändert durch Darreichung einiger
chemischer Präparate, und zwar wird sie vermehrt durch die Kinnahme von Ham-
it o ff ( Wohl er, Frerichs**), Galloia***), vorausgesetat , dass er nicht in sehr
beträchtlicher Menge gegeben wird, denn dann ist er ein Gift. Schon 30 bis 40 Minuten
nach Einführung von 5 Gr. Harnstoff in den Kaninchenmagen beginnt die vermehrte
Abscheidung; sie ist erst nach 60 bia 70 Stunden beendigt — Vermehrend wirkt auch
Harnsäure (Wühler, Frerichs, Neubauerf). Die Art ihrer Wirkung veran-
schaulicht der folgende Versuch von Neubauer. Ein Kaninchen gab mit der bestimmten
Menge Rübenfutter täglich 1,34 Gr. Urin. Als es daneben in 2 Tagen 24 Gr. Harn- i
säure empfing, lieferte cs nun in 3 aufeinander folgenden Tagen 5,3, 8,5, 6,2 Gr. Ur.
Am 4. Tag kam es erst wieder au 1,33 Gr. In jenen 3 Tagen waren also 16,0 Gr.
Harnstoff mehr, als die Rüben liefern, ausgeschiedeD ; die Harnsäure hatte 17,1 Gr. Harn-
stoff geben können. — Gallo is fand dagegen nach Einverleibung von harnsaurem
*) Meissner' s Jahresbericht dir 1866. 300 and 336.
**) Li e big'« Annalen. 66. Bd. 336.
•■•) Gazette tnddicalc de l’aris. Juln 1867.
t) Liebig’s Annalen. 99. Bd. ,
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Acnderung der Harnstoffausscheidung mit der Temperatur, Körperbewegung etc. 3S5 -
Kali keine Harnstoffvcrmehrung. — Vid. Oxalsäuro des Harns. — Aehnlich wirken
Guanin (Kerner)*), welches sich jedoch nicht so vollständig wie Harnsäuro in Harn-
stoff umzusetzen scheint; Thein und Theobromin (Frerichs, Wöhlor, Lehmann);
Cubebcn und Cantharidontinktur (Sigmund)**), wobei sich jedoch nach Beckmann
die Verhältnisse sehr verwickeln; Ol. terebinth. aether. (Beckmann), Digitalis sollen
die Harnstoffausscheidung mindern (Sigmund, Becher).
2) Gleiche Lebensart führt bei höherer Lufttemperatur zu et-
was weniger Harnstoff als bei niederer (Kau pp).
3) Alles Andere gleich, wird die tägliche Hamstoffmengc
etwas geringer, wenn die Blase selten, grösser, wenn sie öfters
entleert wird (Kaupp). — Bei den unter 2 und 3 hervorge-
hobenen Umständen änderte sich das Hamvolum durch Hebung der
Schweissbildung und Minderung des Harnwassers.
4) Muskclanstrcngung mehrt die Harnstoffausscheidung, wenn
das für die genossene Nahrung erreichbare Maximum noch nicht
gewonnen ist, selbst dann, wenn sich das Harnvolum nicht ändert;
also bei einer Kost von mittlerem Wassergehalt wird die Harn-
stoffausscheidnng reichlicher, wenn die Muskeln anhaltend gebraucht
werden; ist dagegen die Kost sehr wasserreich, so mindert die
hiuzukommendc Bewegung den Harnstoff eher, als dass sie ihn mehrt.
(Genth, Mosler). Da sich zugleich das Harnvolum bei der
Bewegung gemindert hat, so würde die Beobachtung sagen, dass
die Mnskelbewegung die Harnstoffausscheidungen nicht so weit ge-
steigert habe, dass der durch die Schweissbildung erzeugte Ver-
lust habe gedeckt werden können.
5) In allen bis dahin beobachteten Individuen , wie sehr auch
ihre Lebensweise mit Rücksicht aut den Genuss von festen und flüssi-
gen Speisen, Körperbewegung und Temperatur geregelt war, stellte
sich die tägliche Harnstoffmenge nicht von einem zum andern Tage
vollkommen gleich her, sondern sie schwankte auf und ab in mehr
oder weniger regelmässigen Perioden und Abständen. Diese That-
sachen fordern die Annahme , dass die an der Bildung oder Aus-
scheidung des Harnstoffes betheiligten Vorgänge aus inneren in dem tliic-
risehen Haushalt begründeten Einrichtungen veränderliche W crtlie sind.
Bcigel fand in zwei Fallen während der Menstruation weniger Harnstoff, als un-
mittelbar vor und nachher; da vor der Menstruation weniger Harn (mit mehr Harnstoff),
als während derselben geliefert wurde, so wäre daraus zu schliosnen, dass bei diesem
Zustand die Harns toffbil düng vermindert sei. — Auch in einigen Krankheiten, z. B. dem
Typhus, ist die Harnstoffausscheidung vermehrt, in anderen, z. B. der Bright’schcn
•) Virchow's Archiv. VI. Bd 215.
*•) Meissner'« Jahresbericht flir 1857. 313.
Ludwig, Physiologie II. 3. Auflage. • 25
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_ 386 Einfluss der Tageszeiten auf die üamatoffansscheidung.
Nierendegeneration und dem gelben Fieber, mindert sich die Menge des ausgeschie-
denen Harn* sehr merklich, ln dem ersten Fall (Nierendegeneration) häuft er sich im
Blute an; der Grund der Verminderung liegt darum nur in dem ausscheidenden Apparat
Eine Vergleichung der täglichen Absonderungsgeschwindigkeit
des Harnstoffs in verschiedenen Lebensaltern und Geschlechtern
hat Thatsachen ergeben, welche, wie es scheint, in vollkommener
Uebereinstimmung mit den Ableituugm aus dem bis dahin Mitge-
theilten sind, insofern im Allgemeinen Männer und Kinder mehr
essen und sich bewegen, als Frauen und Greise. — 1) Bei Kin-
dern ist die Bildung des Harnstoffs lebhafter, als bei Erwachsenen,
sehr bedeutend gehemmt ist sie im Greisenaltcr (Lecanu*),
Scherer**), Bisehoff). 2) Beim männlichen Geschlecht soll im
Allgemeinen die Harnstoff bildung in grösserem Maassstab vor sich
gehen, als beim weiblichen (Becquerel***) Lecanu, Bischoff).
lieber die Hnrustoffabscheidung schwangerer Frauen s. Böckerf).
B. Aenderung des Harnstoffs mit den Tageszeiten. 1) Im
ruhenden und hungernden Individuum bleibt die Geschwindigkeit
der Harnstoffausscheidung nicht fortwährend gleich. In einer von
Becher an sieh selbst gewonnenen Beobachtung ging Harn und
Harnstoffmenge vom Morgen bis in die späteren Nachmittagsstunden
unter Auf- uud Abschwankungen der höchsten Erhebung zu und
sank von da wieder. Diese Erscheinung schliesst sich den
ähnlichen der Gallen- und COs-Ausscheidung durch Leber und Lunge
an,, und zeugt fltr den schaukelnden Gang der Umsetzungen und
Ausscheidungen aus einem uns unbekannten Grunde. — 2) Beim
speisenden Individuum macht sich die Zeit, in der feste und flüssige
Speise genommen wird, merklich. Fig. 55 und 56 (umstehend). Die
Speisezeit ist in dem Abrisse durch einen Strich angedeutet; das
Mahl hatte einen beträchtlichen Fleischantheil. Die erste Curve ist
nach Becher’s, die zweite nach Voit’s Angabe entworfen.
Kurze Zeit nach der Fleischmahlzeit steigt der Harnstoffgehalt,
erreicht etwa nach sechs Stunden seinen Höhepunkt und sinkt
dann wieder. Sinken und Steigen geht mit Schwankungen um
eine mittlere Linie vor sieh. — Auch der blosse Genuss von Wasser
steigert nach Mos ler die Hamstoffmenge. — Legt man gleich-
zeitig die Curve der stündlichen Aenderung des Gesammthams Uber
•) Journal de Pharmacia. XXV. lld. 1S30.
■*) Würzburger Verhandlungen. IU. Bd. 180.
*••) Der Urin. Leipzig 1842. 26.
t) Scherer’* Jahrunbericht fUr 1848. i»3.
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Einfluss «1er Tageszeiten auf die Hamstoffiausacheidung.
Fig. 55 und 5t>.-
387
i -i
die des Harnstoffes, so ist ersichtlich, dass beide Linien, unter-
geordnete Ausnahmen abgerechnet, gleichzeitig zu steigen und zu
fallen beginnen. Dabei ist jedoch der Gang durchaus kein pro-
portionaler. Dieses erklärt sich insbesondere bei den Cnrvcn der
Speisetagc sehr leicht, wenn man sich erinnert, dass der
Wasser- und Harnstoffgehalt des thierisehen Körpers nicht in einem
bestimmten Verhültniss stehe; wäre also nach Tische das Wasser
der Organe und des Blutes rascher vermehrt als ihr Harnstoff, so
würde, gleiche Nierenthätigkeit vorausgesetzt, jetzt mehr Wasser,
weniger Harnstoff, später mehr Harnstoff und weniger Wasser aus-
geschieden.
Einige Mittelzahlen aus Beobachtungen am Menschen sind
zum Beleg der aufgestellten Regeln in der folgenden Tafel ver-
zeichnet.
25*
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388
Mittelzahlen der Harnstoffausschcidung.
tieitc hlecht Kfirpcr-
und gewicht Lj
Aller. Kilo.
Männl. 35 J.
llarnmgo. Harn»HT KirnitlTj
Nahrung. in C.C. in Gr. f. 1 Kilo Bemerkungen. j Beobachter.
Männl. 24 J.
Männl. 45 1. 10S
Woibl 43 J. 89,75
Männl. I6J. 48.5
Wcibl. I S J. 55,1)
Männl. 3, 5J. j 3g6
*» ' 1
22 J .'ln50
38 J.|( 135,0
'gemischte
Pflanzenkost
Zucker
'gemischte
■ gemischt
her idem
Staude
gemischt
r|
53,0
>
32,0
?
22,5
15,4
47,2
II
tj
30,6
r
71,16
?
1
fl
40,36
:
47,79
' 1662,7
37,7
0,35
r »51,2
25,3
0,28
i 741,6
19,9
0,41
1 723,3
20,9
0,32
12,98
18,29
jo, 81
1 "
27,00
29,82
jo, 42
> Lehmann.
/ Becher.
>Bischoff.
>Scherer.
In den nun folgenden Versuchen war die Kost eine geregelte, gemischte; jeder
Beobachtete genoss zwar eine von der andern verschiedene, aber während der
Versuchsd&ucr immer dieselbe.
Männl. 39 J
Männl. 26 J. <
Weibl. 30 J.
Männl. 20 J.
1/74,10
1 . w 1 1252
u. ohncWass.1 ......
) i 1 2o'J
40,21
0,54
mit vermehrter \
474,56
44,99
0,60
Körperbeweg. J
174,04
(und 2 Liter 3251
46,60
0,62
d. Wasser aus». 1
174,19
( Wasser 1 3175
50,12
0,68
der Mahlzeit (
1 173,99
/und 4 Liter! 5514
54,26
0,73
währ. d. Mahlz. f
^ 473,68
j Wasser j 5075
52,13
0,71
0,62
ohne Bewegung 1
[74,35
und 1 Liter; 2325
46,38
mit Bewegung 1
Wasser
Dieselbe Kost j
u.33,6 Gr.NaCli 2369,6
35.80
0,53
)
<67,0
u. 1,5 Gr. NaCl 2102,0
33,50
0,50
1
gemischte \ 1369,1
37,77
0,56
12 ( Humen tl. (
! V
Kost | I34S,6
34,75
0,52
2( in 24 Std. /
1
65,0
|(
gemischte )j
Ko8t jj
27,17
24,70
28,39
0,42
0,3S
0,44
'°.r, ,)d. Men-!)
wahrd} . . ;>
nach (8lru*‘- 1
gemischt. Kost 1723
41,0
0,85
ruhig zu Hause
44,5
u. 2500 kalt.i 3977
Wasser.
46,17
0,95
Beweg, i. Freien
gemischtKost 1943
52,25
1,08
ruhig zu Hause1
1.
u.2500wonn. 3663
Wasser. 1
54,0
1,12
Beweg. i.FreienJ
f Genth.
kaupp.
Beigcl.
Zur quantitativen Bestimmung des Harnstoffs dürften von nun an nur noch die
Methoden von Liebig, Bunsen oder Hei nt z angewendet werden, da die ältem
V erfahrungsarten zu Verlusten führen. Die Zahlen von Bischoff, ßcherer und
Becher, welche nach Liebig’s Vorschrift analysirten, sind darum nicht vergleichbar
mit den Lehmann 'sehen.
Digit teöd-by Google
Kreatin ; Harnsäure.
389
Kreatin* ••)) und Kreatinin können fast immer aus dem
Harn dargestellt werden (Heintz, Pettenhofcr, Liebig). Da
das letztere sieb sehr leicht in das erstere umwandelt, so ist man
geneigt, alles Kreatin aus dein Kreatinin abzuleiten. Seine Menge
wechselt; es ist reichlicher im Harn Fleisch- (resp. Milch-) fressender
Thiere, z. B. der Kälber (Socoloff), der Hunde (Liebig).
Vorzugsweise reich ist der Harn an Kreatin, welcher nach ein- bis
mehrstündiger Unterbindung eines Ureters ans der bis dahin ruhen-
den Niere ausgeschieden wird (Hermann).
DP'Bsaigncs fand in 100 C.C. Menscherham 0,2 Gr. Kreatinin.
Harnsäure*). Das 2NaO, HO, POr. des Urins soll sie flüssig
erhalten, indem dieses Salz durch freie Harnsäure inNaO,2HO, PCL und
Na02Ur verwandelt wird (Liebig); auch sollen die Hamfarbstoffe
zur Lösung der Harnsäure beitragen (Dnvcrnoy). Hierdurch er-
klärt es sich, warum der Ham so viel mehr Harnsäure gelöst ent-
hält als das Wasser von gleicher Temperatur.
Hie Harnsäure-Niederschläge im gelassenen Ham sind veranlasst entweder durch
Abkühlung der aus der Blase entleerten Flüssigkeit oder durch eine in Folge der
Hamgährung eintretendc Säurebildung, die die Löslichkeit der Harnsäure um so mehr
beeinträchtigt, wenn sie auch die lösenden Farbstoffe zerstört.
Das Maximum der täglichen Hamsäureansscheidung, zu welchem
es der gesunde Mensch bringt , ist nach absolutem Maass immer
nur ein geringes; die Schwankungen aber, die jene Absonderung
in ihren (engen) Grenzen erleidet, sind verhältnissmässig bedeutend;
diese Schwankungen treten zum Theil scheinbar unbegründet, d. h.
während ganz unveränderter Lebensuiuständc auf; diese Unregel-
mässigkeiten werden aber geringer, wenn man statt der täglichen
Ausscheidungen mehrtägige miteinander vergleicht (Ranke). Eine
Acnderung der Ausscheidung bewirkt die Ernährungsweise; der
Hungernde entleert wenig Harnsäure und zwar mit der steigernden
Fastenzeit weniger (Ranke). Fleischnahrung giebt am meisten,
weniger Pflanzenspeise, noch weniger eine Kost aus Zucker (Leh-
mann, Ranke). Ganz verschwindet sie nach sehr reichlichem
Genuss von Wasser (Genth), dagegen sollen alkoholische Ge-
tränke sie vermehren. Geringe Körperbewegungen sollen sie mindern,
•) Hel nt z, Zoocbemle 1883. 192. — Liebig, dessen Annalen. Bd. 108. — Pcasmignes,
Glossen. Jahrcsber. 1857. 543. — Hermann, Wiener akadem. Berichte. 1. c.
••) LicMg, Annalen, 80. Bd. 1dl. — Bcncc Jonei , rhlloaophloal tranaaettona. 1*43. 250. —
Banke, 1‘ebor die Ausscheidung der Harnsäure. München 1868. — Hocker, Virchow’a Archiv.
XL 225.
♦
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390
Harnsäure; Xanthin.
kräftige sie mehren (Ranke ); das Letztere soll auch durch Minde-
rung der Hantausdünstung erreicht werden, vorausgesetzt, dass das
Harnmaass dadurch entsprechend gesteigert ist (Marcet). — Sek-
tionen von Kindern, die innerhalb einiger Wochen nach der Geburt
gestorben sind, zeigen öfters Nieren, deren Canälchen mit Ham-
säurekrjstallen gefüllt sind (Cless). Ob dieses allen gesunden
Neugebomen eigen ist, wann nach der Geburt die Harnsäure er-
scheint und wie lange sie besteht, ob dabei eine Vermehrung der
Harnsäure eintritt, ob die Harnsäure die Nieren als solche verlässt
oder dort vorher verändert wird, darüber geben, wenn auch noch
unbestimmte Aufklärung, die Beobachtungen von Virchow, Ho-
dann, Hecker.
In Krankheiten, namontlich in fieberhaften, ist die tägliche Harnsäurcmengo oft
ungewöhnlich vermehrt; auch im Icterus ist sie reichlicher vorhanden (Kühne);
ebenso in der Leukämie (Virchow, Ranke). — Vermindert soll sie werden nach
Chiningebrauch (Rauke).
Das Mittel der täglichen Menge setzt Becquerel auf 0,5;
Bence Jones von 0,4 bis 0,6 Gr. — Lehmann fand bei Fleisch-
kost l,5Gr., bei gemischter Kost 1,2 Gr., bei Pflanzennahrung 1,0 Gr.,
bei Zuckerftitterung 0,74 Gr. — Ranke bei Pflanzcnnabrung im
Mittel 0,7 Gr., bei Flcischnahruug 0,9 Gr.
Die Veränderung der Harnsäureausscheidung mit der Tages-
zeit wird bestimmt durch die Vertheilung des Essens; bei einer
täglichen Hauptmahlzeit fällt das Maximum der stündlichen Aus-
scheidung einige .Stunden hinter dieselbe, daB Minimum aber un-
mittelbar vor sie.
Violen Thieron, 2. B. den Hunden, den Katzen, den Wiederkäuern , fehlt die
Harnsäure zwar nicht immer, aber doch meist; andere, wie Vögel, Schlangen u. s. w.,
entleeren sic massenhaft. Die Lagerung der Harnsäure bei Vögeln und Schnecken im
Innern der Zellen, welche die Hamcanälchen auskleiden (Busch, Wittich), hat die
Aufmerksamkeit erregt.
Man unterstellt eine enge Beziehung zwischen Harnsäure nnd
Harnstoff, indem man die erste als eine Uebergangsstnfe znm Harn-
stoff bei der Zersetzung von Leim und Eiweiss ansieht. Ausser den
Wabrscheinlicbkeitsgründeu, welche die chemischen Formeln in
die bekannten Zerfällungsprodukte der Harnsäure darbieten, ist
anzufltbren, dass die eingenommene Harnsäure als Harnstoff aus-
tritt, und dass sie in den Geweben auch solcher Tliiere zu finden
ist , deren Ham frei von unserer oder einer ihr ähnlichen Säure ist.
Xanthin. In sehr geringer Menge (Strahl, Lieberkühn,
Strecker) zuweilen als Harnstein (Marcet, Liebig, Wühler).
Hippursäure.
391
Hippur säure*). Sie wird durch das 2NaO, HO, POs des
Harns gelöst erhaben. Sie bildet einen meist noch geringem An-
theil des Menschen -Harns als die Harnsäure; nach Ranke, Du-
chek u. A. soll sie häufig ganz fehlen. — Vermehrt wird ihre täg-
liche Menge in erster Linie durch den Genuss von Benzoesäure
und solchen Nahrnngs- und Arzneimitteln, die sie und ihre Salze,
oder solche Benzoylverbindungen enthalten, die sich leicht zu Ben-
zofc'säure oxydiren. Ihr mehrender Einfluss ist jedoch in enge
Grenzen geschlossen (Ure, Wöhler, Frerichs). Nimmt ein
Mann von mittlerer Grösse täglich mehr als 2 Gr. Bcnzotfsäure, so
erscheint ein Thcil der letztem als solche, und nicht zu Hippur-
säure verwandelt, im Harn (Duchek). Vermehrt wird die Hippur-
säure ferner durch den Genuss von Zinuntsäure (CisHsOrj (Mar-
ch and), Bernsteinsäure , wie Buchheim und Ktihne behaupten,
denen jedoch Hall wachs entgegentritt, und endlich durch den
Genuss von Gräsern , Gemüsen , Früchten , die nur sehr wenig oder
auch gar keine Benzoylverbindungen enthalten (Hall wachs, \V eise-
rn ann, Duchek). Vermindert wird sie dei Grasfressern durch
Brodnabrung (Weissmann), beim Menschen, Hunden, Kälbern
durch Fleischnahrong; Ranke, Wurtz und JCüh ne sahen sie nach
dieser Kost ganz schwinden. Bei der Harnruhr kommt sie jedoch
auch während ausschliesslicher Fleischkost vor. Nach der Beobach-
tungen von Roussin, die Hall wachs im Allgemeinen bestätigt,
geben Arbeitspferde mehr Hippursäure als Luxuspferde. Die beiden
Beobachter legen den Grund für das Mehr in die stärkere Mus-
kelanstrcngung; ob ihn nicht das Futter bedingt ?
Hall wachs fand bei gemischter Diät bis zu 1 Qr. Hippursäure täglich; Wciss-
mann nach einer weniger genauen Scheidungbart bei gemilchter Kost zu 2,4 bis 3,4,
bei Fleischkost bis zu 0,8 — 1,8 Gr.
Da die Uippursäure aus der Summe der Atome der Benzoö-
säure und des Glycins weniger 2 At. Wasser besteht, da sieh
ans den genannten Stoffen die Hippursäure darstellen und diese
sich auch wieder in Benzoesäure und Glycin zerlegen lässt (Des-
saignes), so darf man wohl behaupten, dass sich die genossene
Benzoesäure mit dem im thierischen Körper vorfindigen Glycin
•) H. Ranke, Physlolog. - chemisch« Untersuchungen etc. Krlangon IBM. — Roussin,
Compt. rend. 42. Bd. 583. — Ha 11 wachs, IJeber den Ursprung der Hippursäure Int Harn der
Pflanzenfresser. 1857. — Weissmunn, Ueber den Ursprung der Hipp. Im Harn der Pflanzen-
fresser. 1857. — Kühne und 11 all wachs, Archiv fUr path«l. Anatomie. XII. Bd. 38G. —
Kühne, Ibld. 396. — Meissner’* Jahresbericht flir 1856. 271. — Duchek, Chemisches Central-
blatl 1656. 900.
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392
llippursäure; Kohlenhydrate.
paare. Dieses letzte liefert die Leber in der GlycochoMure und die
Paarung geht im Blute vor sich (Kühne, Hall wachs).
K. und H. geben in oincr durchdachten Arbeit folgende Gründe ftlr ihre Be-
hauptung. Benzoesäure allem in da* Blut gespritzt gebt alsbald wieder als Bolche in
den Harn über, die plötzliche Mehrung dieses Atoms im Blut entspricht keiner gloichcn
des Glycins; spritzt man aber Benzoesäure und zugleich eine entsprechende Menge
glycocholsaurcs Natron ein, so wird der Harn entsprechend hippursäurehaltig. —
Briugt man Benzoesäure in den Magen, so entsteht, weil sic nur langsam, und zwar
der Glycinbildung in der Leber gemäss, zum Blut kommt, auch Ilippursäurc , selbst
dann noch, wenn man eine Gallcnßstel anlegt, die alle Galle, welche zur Blase kam,
nach aussen fuhrt ; also geht die Paarung nicht im Darm , sondern im Blut vor sich.
Die Bildung der Hippursäure steht aber still, wenn man nach dem Eingeben von
Benzoesäure die Gallen- und Blutgefässe im Hilus der Leber unterbindet; also liefert
die Leber das Glycin. — Dunkel ist es noch, woher die Benzoesäure kommt, wenn
im Futter keine Benzoylverbindungen enthalten sind. Man hat verschiedene Ver-
muthungon Uber ihren Ursprung festgestellt ; so glaubte man sie u. A. ableiten zu
können aus der lebendigen Umsetzung des Eiweisses und Leimatomo, weil siu durch
Oxydation der letztem künstlich dargestellt werden kann. Wenn e/ sich bestätigt, dass
die Hippursaure mit Hülfe der Bernsteinsiiure entstehen könnte, so würde um so eher
die letzte Ursache ihrer Bildung im thicrischen Stoffwechsel gesucht werden müssen,
als Bemsteinsäure schon im lebenden Körper gefunden wurde. Auf denselben Ursprung
deutet auch dio Beobachtung von Lohmann, dass diabetische Kranke nach viel-
tägiger Fleischkost noch Hippursäure ausharnen.
Die Bedingungen , welche die Entstehung der Ilippursäurc aus ihren Compo-
nenten veranlassen, sind unbekannt. Durch gleichzeitige Digestion von Blut, Lebor,
Galle und Benzoesäure bei der normalen ßäugcthicrwiirme kann sie nicht erzeugt
worden, auch dann nicht, wenn durch jenes Gemenge ein Sauerstoffstrom geleitet wird
(Kühne).
Nach einer belangreichen Beobachtung von Kühne geht bei
gelbsüchtigen Menschen oder Hunden, deren duet. choledochus
allein unterbunden war, die eingegehene Benzoesäure als solche
in den Harn Uber, obwohl dieser letztere dann Cbolalsiinrc enthält.
Also muss bei der in jenem Falle bestehenden Gallcnstauung die
Bildung des Glycins in der Leber unterbrochen sein. »
Kohlenhydrate. Im Harn sind aus dieser Classc beobach-
tet worden: Trauben-, Rohr-, Milchzucker, ein nicht krvstallisircnder
gührnngsfähiger, die Polarisationsebene links drchenderZucker*), Ino-
sit, Mannit, Milchsäure.
Der Trauben- oder Leberzucker**). CI. Bcrnard hält
die beiden nicht für gleichartig wegen ihres ungleichen Widerstandes
•) Liiwlg, Chemie dor orgno. Verbindungen. IMS. I. 422.
••) E. B r tt c k o, Wiener akad. Si tzutijraber. 28. u. 28. Bd. 286. — Blot , Compt. read. 4*. Bd. p. 67R. —
Leconte, ibid. 44. Bd. Juin. — Wieder hold, Cbeni. Centralbl. . ,M c i . » n c r , Uenle'i
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Trauben - oder LeberrucVer.
393
gegen die zersetzenden Einflüsse des thierischen Körpers. Dieser Zncker
kommt fast regelmässig, jedoch in sehr veränderlichen Mengen, im
Harn vor; er scheint in dem Maasse durch die Niere zu treten, in
welchem er im arteriellen Illut enthalten ist. — Im Ham eines auf
gewöhnliche Weise ernährten Menschen fand ihn Brücke jedoch
in so geringer Menge , dass das durch ihn bei der Trommerschen
Probe zu Oxydul reducirtc Oxyd sich im Ammoniak des Harns löste;
indem man diese Wirkung des Ammoniaks nicht beachtete, über-
sah man bisher, dass der gesunde Ham Zucker enthält. — In ver-
mehrter Menge wird er nach eiuer reichlichen Mahlzeit beobachtet,
namentlich wenn diese viel Zncker führt und genossen wurde, nach-
dem ein 24 bis 36stündiges Fasten vorausgegangen war (CI. Ber-
nard). — Vennehrt ist er ferner bei Säugenden (Blot), was von
Leconte, Meissner u. A. jedoch ohne genügenden Gegenbeweis
bestritten wird ; namentlich vermehrt ist er bei Säugenden nach Unter-
drückung der Milchabsonderung. Ferner, wenn die Bildung des Zuckers
in der Leber lebhafter ist, also beim diabetes mellitus, nach einem
Stich in die Mittellinie des verlängerten Markes, nach der Dureh-
schneidung des nervus splanchnicus in der Unterleibshöhle; die in
Folge der beiden letzten Verwundungen gesteigerte Zuckeraussehei-
dung verschwindet, wenn das Thier sonst gesund bleibt, nach
mehreren Stunden wieder (CI. Bernard). Der Hamzucker ver-
mehrt sich ferner nach Curare -Vergiftung, wenn das Leben durch
künstliche Respiration erhalten wird (CI. Bernard), ferner nach
Einspritzung von Acther und verdünnter Ammoniaklösung in die
Pfortader (Harley), nach Einathmunng von A etherdämpfen (Rcy-
noso). — Endlich erscheint er reichlicher, wenn eine Traubenzueker-
lösung in das Blut gespritzt wird. Um eine deutliche Vermehrung
des Harnzuckers zu erzielen, mussten Hunden von etwa 6700 Gr.
Gewicht 10 bis 13 Gr. Zneker injicirt werden; es gingen dann in
den Ham etwa 1,4 bis 0,2 Gr. Zucker Uber; die Ausscheidung ge-
schah in -den ersten fünf auf die Einspritzung folgenden Stunden.
Als nur 5 bis 7 Gr. Zucker injicirt waren, hatte sich der des
Harns nicht merklich vermehrt (Falk, Limpert). Aehnliche Er-
fahrungen machten am Kaninchen CI. Bernard, Lehmann,
Uhle, Becker.
und Pfeufer’a Zeitschrift. — Boedcker. ibid. 3. R. VII. Bd. — Limpert und Falk in
Vlrchow’ s Archiv, 0. Bd. fifi, wo wich die Literatur über Zuckeroinsprltzungen xb finden. —
CI. Bernard, Legona aur Im liquides. II. Bd. 74 ff. — llcyuaiua, Archiv flir Holland. Bei-
träge. 1857. I. Bd. 243. — 8. auch die Literatur auf 8. 311 dloaes Bandes unter
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394
Rohrzucker; Inosit; Milchsäure.
Ausser der im Text erwähnten verdeckenden Eigenschaft des Ammoniaks enthält
der Harn noch zwei andere Verbindungen, welche zu Fehlern in der Zuckerbestim-
mung , und zwar nach der entgegengesetzten Richtung hin , führen können. Der von
Schunck im Ham aufgefuudene indigobildendc Stoff giebt sehr leicht den mit ihm
gepaarten Zucker ab und die Harnsäure reducirt ebenfalls das Kupferoxyd. Um diesen
Täuschungen zu entgehen, stellte Brücke aus dem frischen, nicht eingedampften
Harn durch Zusatz von viel Alkohol und von etwas reinem Kali Zuckerkali dar; die in der
alkoholischen Flüssigkeit unlöslichen Krystalle löste er in Wasser auf; dann bewies
er die Abwesenheit der Harnsäure durch den negativen Erfolg der Murexidprobe und
die Anwesenheit des Zuckers durch die nun gelingende Tromm er’ sehe Reaktion und
durch die Reduktion dos basisch Salpetersäuren Wismuthoxyds. — Nach diesen neueren
Erfahrungen verlieren ebensowohl die quantitativen Zuckerbestimmungen des Harns
durch die Fehling’ sehe Flüssigkeit ihren Werth, als auch die Angabe, die man
gemacht hat über die Gronzen, innerhalb deren Bich der Zuckergehalt des Blutes be-
wegen könne, bevor der Ham zuckerhaltig werde. — Die Angabe von Blot, dass
Saugende häufig zuckerreichen Urin entleeren, wird von den Fehlern, welche so eben
erwähnt wurdon, nicht berührt, weil er ausser der Tromrae r’ sehen auch noch die
Probe durch Gährung in Anwendung brachte.
Rohrzucker findet man im Harn öfter aber nicht immer
nach reichlichem Genuss desselben, und dann nach Injektion des-
selben ins Blat. Unter den letzten Umständen gilt das Gleiche
vom Milchzucker. Doch besteht nach CI. Bernard, Falk
und Limpert zwischen den Erfolgen, die das Einspritzen von
Rohr- nnd Milchzucker nach sich ziehen, der Unterschied, dass
mehr Milchzucker dem Blut zugesetzt werden muss, wenn er in
den Harn übergehen soll, und dass von gleicher, in das Blut ein-
geftthrten Menge Rohr- und Milchzuckers von letzterem ein geringerer
Äntheil in den Ham übergeht. Es steht also der Milchzucker rück-
sichtlich seiner Ueberftlhrbarkeit in den Ilam und seiner Ersetz-
barkeit in dem Blut in der Mitte zwischen Trauben- und Rohr-
zucker.
Inosit, der in der Niere selbst enthalten ist, wurde nur ein-
mal von Cloötta im Ham bei Brightscher Entartung beobachtet;
im gesunden Harn fehlt er. — Mannit geht aus dem Magen in
den Harn über, aber nur zum kleinen Theil, znm grössere, wenn
er in das Blut gespritzt wird. Der Unterschied soll davon ab-
hängen, dass das Mannit im Darmkanal schon in Milchsäure sich
umsetzt (Biddor, Witte)*).
Milchsäure fehlt dem Harn für gewöhnlich , gie soll zuweilen
nach zuckerhaltiger Kost zugleich mit oxalsaurem Kalk Vorkommen
(Lehmann). In dem aus der Niere getretenen , in der Blase ver-
•) Meissner'* .Jahresbericht für 185B. U73.
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Harnfarbstoffe; Urhaematin; Gallenfarbstoff.
395
weilenden oder in schon gelassenem Harn entsteht sie bei der säuern
Gährung desselben.
Farbstoffe*). Der Harn kann roth, gelb, grün, blau,
braun , schwarz gefärbt sein. Von den diese Färbungen bedingenden
Stoffen sind uns bekannt
a) der Urhaematin, Hamroth; es enthält Eisen (Harley)
nnd N (Scherer) und zeigt auch Aehnlichkeit in seinen Reaktionen
mit Blutroth ; vielleicht stimmt cs vollkommen mit ihm überein. Im
Harn mehrt es sieh, wenn im Blute das Roth von den Körperchen
auf das Plasma übertragen wird, z. B. nach Einspritzungen in die
Blutgefässe und zwar von Gallensäuren (Dusch, Frerichs), die
die Blutkörperchen lösen (Hünefeld, Kühne), oder von Wasser,
welches die Blutkörperchen auswäscht (Kierulf, Härtner).
b) Brauner Gallenfarbstoff, welcher mit NOs Ubergossen
das bekannte Farbenspiel giebt, erscheint im Harn, wenn er aus
der Galle in das Blut tritt, z. B. nach Hemmungen des Gallen-
abflusses; ferner wenn farblose Galle in das Blut gespritzt wird
(Frerichs); seine Anwesenheit im Harn „ist dann constant, aber
seine Menge nicht im Verhältniss zu der der eingesprizten Gallen-
sänren ; es erscheint am meisten Farbstoff, wenn mit sehr geringen
Mengen von Galle zugleich eine Lösung von Haematoglobulin ein-
gespritzt wird. Ebenso entleeren Hunde, die durch Unterbindung
der Gallengänge ikterisch wurden, einen ungewöhnlich gallenfarb-
stoffreichen Harn, wenn man in ihr Blnt eine Auflösung des Blut-
körpercheninhalts einspritzt (Kühne).
Die Erklärungen für das Auftreten des Farbstoffs noch der Einspritzung von
Gallensäure in das Blut sind doppelt. Frerichs und Stacdeler lassen ans den
in den genannten Säuren selbst enthaltenen Atomen die Farbstoffe entstehen. Denn es
kann nach Stacdeler durch SO3 aus der Glycocholsäuro ein Körper hergestellt werden,
der an der Luft ein ähnliches Farbenspiel zeigt, wie der Gallen farbsto ff mit NO5.
Frerichs unterstützt seine Meinung noch dadurch, dass er im Harn von Hunden
die Gallensäurc nicht wiederfinden konnte, wenn er diese letztere dem Blut der ge-
nannten Thiere beigemischt hatte. Mit dem genauon Verfahren von F. Hoppe ist cs
jedoch Ktihno gelungen, im beregton Fall immer Gallensäuro im Harn nachzuweisen.
Hält man damit zusammen, dass niemals ein der eingespritzten Gallenmenge auch nur
entfernt sich annäherndes FarbstofTgewicht im Harn vorkommt, ja dass Frerichs
bei 35 pCt. seiner Beobachtungen gar keinen Farbstoff fand, so muss man, um die
Annahme des Letzteren zu halten, sagen, dass es noch besonderer, nicht immer gloich-
•) Harley, Wllrzburger Berichte. V. IW. April. — Frerichs, Klinik der Leberkrankheiton.
p. 95 nnd 404. — Kühne, Vlrchnw’s Archir. XIV. 810. — Bchunck, Chcui. Centralblatt.
1851 957.— Vlrchow, Wllrzb. Berichte. II. Bd. 303.— fllmon, BeltrÜjre. I. Bd. 118. —
Hansa). Pharmazeut. Ccntralblatt. 1854. 255 and 768. — Scherer, Lieblg’s Annalen.
90. Bd. 181.
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396
Harnfarbstoffe ; Indigo : Ammoniak.
massig erfüllter Bedingungen bedürfe, damit die Gallensäure zum Farbstoff werden
könne. — Kühne sieht dagegen das Blutroth als den Stamm des Gallenfarbstoffs an
und betrachtet die Galle nur insofern an der Farbatoffbildung betheiligt, als sie das
Blntroth aus den Körperchen befreie. Wollte man dieser Unterstellung auch erlassen
zu erklären , warum das Blutroth erst die Körperchen verlassen müsse , um sich um-
zugestalten , so würde sie doch immer noch angeben müssen , warum fast immer Blut-
roth unverändert in den Harn übergeht, ohne dass der Harn für gewöhnlich Gallen-
farbst. enthält, warum, wie Kühne solbst gefunden, eine Lösung von Uaematoglobulin
für sich dem Ham keine Gftllenfarbc bringt, und warum dieses erst geschieht, nach-
dem der einzufüllcnden Masse Gallensäure zugefügt wird.
c) Im Ham kommt öfter Indigo vor (Front, Martin, Mit-
scherlich n. A.). Dieser entsteht aus einem andern indigobildcn-
den Stoff, den Schunck im Harn gesucht und auch hiinffg dort
gefunden hat. Dieser Stoff zerlegt sich durch Säuren (nnd Gährung?)
in Zucker nnd Indigo; der Ham wird also nur dann blau, wenn
jener Indigopaarling zerlegt ist.
Sollte jener Indigobildner mit dem Indican von Schunck gleich sein, so würden
sich aus seiner Zersetzung noch andere Verbindungen im Harn herlciten lassen, die man
auch schon dort gefunden hat, namentlich Harze, Leucin, Ameisen-, Essig-, Propion-
säure, und das Indiggluzin (Cf* H»o Oit) würde sich durch Gäbrung in Essigsäure um-
wandeln können , ohne vorher Alkohol gewesen zu Bein.
In Ermangelung einer Abscheidungsmcthode bedient sich J. Vogel*) der fär-
benden Kraft des Urins, um die relativen Mengen von Farbstoff zu finden, welche in
zwei Hamen vorhanden sind. Da nach seinen Beobachtungen die dunkeln von den
hellen Harnen sich nicht durch eine besondere Art, sondern durch eine stärkere Con-
zentration des Farbstoffs unterscheiden , so stellte er Normalfarbungen (Farhensknla)
her und zugleich die Verdünnung fest, welche die tieferen Farben erfahren müssen,
um in die helleren überzugehen.
Ammoniak. Der frische Ham entwickelt immer Ammoniak,
selbst bei Anwendung eines analytischen Verfahrens, welches die
Hamstoflzersetzung vermeidet (Boussingault, Neubauer)**).
Je nach Umständen scheint es als AmO, CO* oder als Ara CI vor-
zukommen. Da auch Ammoniak ausgeathmet wird, so kann kein
Zweifel sein, dass ein Theil des Haraammoniaks schon ans dem
Blute der Niere abgeschieden wird; unzweifelhaft bildet sich aber
auch unter Umständen im Harn Ammoniak.
Neubauer und Genth fanden die Ammoniakmengen von
Tag zu Tag veränderlich; die Grenzen lagen zwischen 0,3 bis
1,2 Gr. Am. = 1,4 bis 3,8 Salmiak. Nach Genth scheint es als
•) Archiv des Vereins für wissensch. Arbeiten. I. 1W1. p !X».
••) Annale« de chimie ot physique. XXIX. 472.(1851). — Pharmazeut. OntrnlM. 1855. 257 0. 281. —
Genth, Ucber den Einfluss des Wiuwertrinkens. 1856. — Desssignes, Compt. rend. iS. Bd.
.DigifcsslöX.GoQgle
Harze; Extrakte; Chlor.
397
ob viel Wasser in der Nahrung die Amnioniakmengen mehre. Sal-
miak geht aus den- Speisen leicht und vollständig in den Harn
Uber. — Im Harn ist auch dreifach Methyl-Ammoniak (Trimetbyl-
amrnin) gefunden worden (üessaignes).
Harze*) (Omychmyl); sie erinnern nach Scharling durch ihre
prozentische Zusammensetzung an die Körper der Salicylgruppe;
wann und wie ihre Menge im Harn steigt und fällt, ist noch un-
bekannt.
Extrakte. Farbstoff, Harnharze, die Spuren der fluchtigen
Säuren des Harns** •*•)) (Stacdeler) und wahrscheinlich noch einige
andere Körper, die man nicht von einander scheiden kann, be-
stimmt man gewöhnlich zusammen und nennt dann dieses Gemenge
Extrakte. Nach Lehmann sollen die täglich entleerten Mengen
zunehmen bei vegetabilischer Kost; Scherer fand relativ zum
Körpergewicht im Harn zweier Kinder (3 und 7 Jahre) weniger
Extrakte, als bei Erwachsenen.
Das Chlor des Harns ist an mehrere Basen gebunden; man
kann es je nach seiner und der Menge der letzteren zutheilen dem
Natrium, Kalium, Calcium, Ammonium. Die alte Annahme, das
das Na genlige, um alles CI zu binden, hat Genth fUr den Harn
nach gewöhnlicher Kost nicht bestätigt gefunden.
Wie viel Chlor täglich aus der Niere fliesst, wird bestimmt
durch den Sättigungsgrad der thierischen Säfte mit Chlorsalzen
und durch dasUaass der Nierenthätigkeit, oder, was dasselbe sagt,
durch die Grösse der Zufuhr mit Abzug dessen, was durch Koth
und Scbweiss austritt.
Das Clilor ist nicht in dem Sinne Auswürfling wie Harnstoff, Hippur-, Schwefel-
säure u. s. w. Was Uber seine Ausscheidung und seine Stellung im Thierleib bekannt ist,
führt ungezwungen zu der Annahme, dass der gesammte Chlorbesitz desselben seiner
Bedeutung nach zerfalle in einen das Leben erhaltenden, sesshaften, und in einen dem
Leben nicht nothwemiigen , fliegenden Anthi.il. Haut und Niere sind also in erster
Linie angewiesen auf das fliegende Chlor mit der besondern Aufgabe , dahin zu
wirken , dass sich das Chlor nicht bis zu einem die Gesundheit störenden M&asse an-
häufe. Die Grenze, welche hiermit dem ausscheidbaren Chlor* gezogen wird, ist jedoch
keine feste, indem es scheint, als ob der sesshafte Antheil desselben keine im Vcr-
hältniss zum Körperge wicht unveränderliche Grösse sei, sondern dass er je nach der
•) LIebig’s Annalen. 42. Dd. 295.
•*) I. Bd. p. 92. '
•*•) Bischoff, Der Harnstoff als Maas* des Stoffwechsels. Giessen 1863. — Derselbe, Lie-
big’* Annalen. 88. Bd. 109. — Biddcr und Schmidt, VcrdauuugsaäiU. 1852. 312. — Hcgar,
Scherer’ s Jahresbericht über phyilolog. Chemie fUr 18ft2. p. 121. — Wundt, Ibld. fllr 1863.
p. 135. — Hinkelbein, U ubergang des Na Ci in den Harn. Marburg 1859. — Ausserdem Genth,
Riupp, Mosler, Volt 1. cit.
398
Veränderlichkeit der Chlorausscheidung mit der Zufuhr.
l'lilorzufuhx innerhalb gewisser Grenzen steige und sinke. Man würde die hier in
Frago kommenden Erscheinungen auch so erklären können : wenn der Chlorgehalt der
Stifte unter eine gewisse Grenze sinkt, so setzt sich seiner Ausscheidung durch die
Niere ein Widerstand entgegen, der mit der Verminderung des Chlorgehaltes im Blut
wächst. Als Mtuiss für die Grösse dieses Widerstandes kann aber nicht der nackt«
Quotient aus dem Chlor und dem Körpergewicht gelten, weil auch eine Chlorraastung
statthnden kann. Nach allem Diesen wäre es zunächst wünschcnswcrth , die Starke
der Chlorausschcidung mit dem Chlorgehalt des Blutes zu vergleichen.
1) Veränderlichkeit mit der Zufuhr. Wird der Katze alieNabrung
entzogen , so verschwindet nach einigen Tagen das CI vollkommen
aus dem Harn (C. S c b m i d t ). — Nach Genuss einer zum Lebensunter-
halt sonst genügenden, aber von Chlor vollkommen befreiten (?) Nah-
rung blieb beim Menschen bis zu dem am 5. Tage erfolgten Schluss
der Versuche der Harn chlorhaltig; seine tägliche Menge minderte
sich jedoch von Tag zu Tag, erst rasch, dann langsamer. Vom
Abend des 3. Tages an enthielt der Harn Eiweiss (Wnndt). —
Iici einer bestehenden Chlorznfuhr ändert sich der Chlorgehalt des
Harns im Allgemeinen wie der der Nahrung, doch ist die tägliche
Menge ausgeschiedenen Cl’s, nicht gleich der verspeisten. Diese That-
sachcn sind vouBischoff und Barral, am genauesten aber von
K a u p p verfolgt worden. Ans einer 68 Tage umfassenden Beobach-
tungsreihe des Letzteren sind die folgenden Zahlen ausgeschrieben.
Zu dieser Tabelle ist zu bemerken: Alles Ci ist als Na Ci berech-
net, wie es auch im Harn enthalten sein mochte; die auf 24 Stun-
den bezüglichen Zahlen sind das Mittel ans eine»» je zwölf Tage
dauernden Versuchsreihe; die Zahlen der letzten Columne stellen
den Unterschied dar, der nach Verlauf von zwölf Tagen zwischen
der Einnahme von Kochsalz und der Ausgabe desselben durch den
Harn stattfand; der Unterschied wurde als positiv bezeichnet, wenn
die Einfuhr, als negativ, wenn die Ausgabe überwog. — Die Ein-
nahme konnte ohne Störung der Kothbildung nicht über 33 Gr.
täglich gesteigert werden. Die Versuche wirden in der Reihen-
folge augcstelit, in der sie hier niedergeschricben wurden.
Mittlere j
Temperatur.
•
Tlcl 1 T8gl.
NaCl-Aufnahme. Na Cl-Ausschol-
aung.
Tägliche.
1 lern Volumen
in C. C.
Verhältnis» zwi-
schen Kin-u.AiiR-
fuhr des Na CI. .
Znfnhr— 1. f
|
Unterschied
der Nn Cl-An»- n.
Einfahr
in 12 Tugen.
+•8,25° |
33,6 ßr.
27,3
2309
0,76
--75,6ßr.
9,8
28,7 „
24,06
! 2278
0,79
- - 56,4 „
1 0,5
19,0 „
17,05
2455
0,89
--24,0 „
16,1
14,2 „
13,57
2056
0,96
+ 7,2 „
12,5
9,3 „
10,08 ‘
2534
1,06
— 9,6 „
16,5
1,5 ,,
3,77
2162
2,46
-27,6 „
H,2
23,9 „
17,63
2384
0,72
+ 75,6 „
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Veränderlichkeit der Chlorausscheidung mit der Zufuhr.
399
Diese Zahlen ergeben , dass im Allgemeinen mit der Aufnahme
auch die Ansscheidung des Chlors ansteigt, jedoch nicht so, dass
immer gerade so viel entleert wird, als verzehrt war. Geht man
von den grössten Chlormengen abwärts, so ergiebt sich, dass an-
fänglich die Aufnahme die Ausscheidung Uberwiegt, dass dann ein
Punkt kommt, in welchem sich beide das Gleichgewicht halten und
dass bei noch weiter vermindertem Chlorgehalt der Nahrung der
des Harns Uberwiegt. Betrachtet man daun das Verhältniss, in
welchem das CI der Nahrung und des Harns zu einander stehen
(Col. 6), so zeigt sich, dass relativ zur Nahrung mn so weniger
CI durch die Niere geht, je reichlicher es in den Speisen vertreten
war. Inwieweit das beträchtliche Missverhältniss, welches die erste
Versuchsreihe zwischen dem CI der Nahrung und des Harns auf-
weist, abhängig ist von einer Anhäufung des Chlors in den Säften
oder von einer vennehrten Ausgabe durch Schweiss und Koth, diess
mnss wegen mangelnder Beobachtung unentschieden bleiben. Jeden-
falls wird ein Theil des nichterschcinenden Chlors dazu venvendet,
um den Gehalt der Säfte an Chlor zu steigern. Denn es ist die
Menge des Harnchlors, welche an einem beliebigen Tage beobach-
tet wird, nicht allein abhängig von der Chlormenge der Nahrung,
an diesem Tag, sondern auch von der in den vorhergehenden go-
"nossenen. Dieses zeigt sich am klarsten, wenn man von einer
kochsalzarmen Kost zn einer kochsalzreichen Ubergeht. Dann wird
in den ersten Tagen nach dem Wechsel weniger entleert als später,
wenn die neue Kost einige Tage hindurch gleichbleibend inne-
gehalten wurde. Das Umgekehrte gilt bei einer umgekehrten An-
ordnung des Versuchs. Da diese merkwürdige Erscheinung aus
den Mittelzahlen der obigen Tabelle nicht zur Genüge einleuchtet,
so dient das folgende Beispiel aus den Zahlen von Kau pp zur
weitem Erläuterung.
Nachdem 12 Tage laug je 28 Gr. Na CI genossen wurden, wurden
darauf 12 Tage lang nur je 19 Gr. verzehrt. In den ersten Tagen
der letzten Reihe wurden 21,38 Gr., in den letzten derselben Reihe
18,79 Gr. Na CI entleert. Und als 12 Tage hindurch 1,5 Gr. Na CI
genossen waren und dann während der 12 folgenden Tage auf
23,9 gestiegen wurde, entleerte der Ham am ersten Tage der letzten
Reihe 13,2 Gr., am letzten Tage derselben Reihe 18,6 Gr. Na CI.
Für eine festere Bindung eines Theita des thierischen Chlors, wie sie oben
beansprucht wurde, tritt ein das ungemein rasche Absinken des Chlors im Harn nach
einer an diesem Element magern Nahrung. Da die meisten thierischen Säfte mehr
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400
Veränderlichkeit der Chlorausschoidung aus andern Gründen.
als 0,5 pCl. Chlorsalae enthalten, so kann in ihnen nicht in dem Maa&se wie im llarn
das Chlor abgenommen haben; also mindert sich die Ausscheidung nicht direkt pro-
portional dem Cl-üehalt des Thiercs. — Für irgendwelche Verwandtschaft des
Chlors zum Blut spricht auch die Beobachtung, dass der Harn, der mehrere Stunden
in dem zugebundenen Ureter eingefangen blieb , einen viel geringeren prozentischcn Gehalt
an Chlor besass, als dem Blut gewöhnlich eigen ist; dieses ist aus den bekannten
Regeln über Ditiusion unerklärlich (Hermann).
2) Bei glcichbleibendcr Kochsalzkost gelten dieselben Regeln,
welche ftir die Harnstoffausscheidung entwickelt sind. Es mehrt
sich das Na CI mit dem ausgeschiedenen Harn volum, mit der ab-
nehmenden Wärme der Atmosphäre, mit der Häufigkeit der Harn-
entleerungen aus der Blase, und es macht sich auch hier die In-
dividualität der Niere geltend. Körperbewegungen machen, je
nachdem sie Schweiss oder keinen bedingen, die Ausscheidung
geringer oder stärker. Die Tabelle giebt hierüber einige Mittel-
zahleu.
Nahrung.
Harn menge
io C.C.
CI in Gr. 1
Bemerkungen.
Beobachter.
Dieselbe ohne Wasser .
1 1252
7,78
—
Gemischte „ . 1
( 1259
7,68
mit Bewegung.
Nahrung mit 2000 C.C.
| 325t
9,01
1 Wasser ausser) der Mahl-
Genth.
Wasser . . . |
i 3175
9,48
„ wahrend) seit.
„ mit 4000 C. C.j
I 5514
9,48
—
Wasser . . . |
1 5070
8,33
mit Bewegung.
Der Veränderung des Ilamchlors mit den Tageszeiten ist noch
wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Hegar giebt an, dass
er bei gewöhnlicher Kost in je einer Stunde abschicd: Nach-
mittags von 1 bis 10 Uhr = 0,807 Gr., Nachts von 10 bis 7 Uhr
= 0,280 Gr. und Morgens von 7 bis 1 Uhr — 0,783 Gr. — Voit
hat den Kochsalzgehalt seines Harns von Stunde zu Stunde an dem Tage
bestimmt, an welchem er dasselbe für den Harnstoff unternahm (p. 386).
Construirt man aus einer Zahl die Curve der Kochsalzschwankung,
so sieht man sie ungefähr der des Harnvolums gleichlaufen, nament-
lich zeigt sich, dass wenige Stunden nach dem Essen schon ein
grosser Theil des damals anfgenonimcnen Kochsalzes wieder nus-
tritt. Achnliches fand Hinkelhein; die Steigerung der stünd-
lichen Entleerung nimmt nach dem letztem Beobachter auch mit
dem Salz der Nahrung zu, doch nicht in dem Maasse wie das
letztere.
Schwefelsäure; ihre Beziehung zum Harnstoff.
401
Die Schwefelsänre*) des Harns ist an Alkalien gebunden.
Die Schwefelsäure, welche dem Blut zugebracht wird, geht ohne
Aufenthalt von dort wieder weiter , denn man findet daselbst immer
nur sehr wenig aufgehäuft; dabei steht jedoch nicht Zeit um Zeit
der Zu- und Abgang im Gleichgewicht, sondern es Uberwiegt er-
fahrungsgemäss in engen Grenzen bald der Zu- und bald der Ab-
fluss. — Das Blut wird in Folge zweier Vorgänge mit SO3 ge-
speist, nämlich durch Umsetzung der Leimbildncr und der Eiweiss-
arten, oder dureb Aufnahme von kalischcn Verbindungen des Schwefels
oder der Schwefelsäure aus dem Inhalt des Darmes. Was den
ersten Hergang betrifft , so wird nicht aller, sondern nur der grösste
Theil des eingewachsenen Schwefels in SOa umgesetzt; ein andrer
fällt mit den Haaren und Hautschuppen ab, ein noch andrer geht
im Taurin durch den Darmkanal fort. Trotzdem kann man den Satz
gelten lassen, dass die SO3 dem Blut in dem Maasse zuwächst, in
welchem Eiweiss aus Leimbildnern zersetzt werden. Mit der Nah-
rung nehmen wir zwar S- und SCL-Verbindungen nicht absichtlich,
wohl aber in zufälliger Beimischung auf; da auch ausserdem die
genannten Stoffe zu den Arzneimitteln zählen, so könnte der Zu-
gang der Schwefelsäure zum Blut nicht allein sehr veränderlich,
sondern* er wtlrde auch unter Umständen sehr gross sein, wenn sie
und ihre Verbindungen ohne merkliche Hindernisse die Dannwand
dnrehdringen könnten. Diese letztem bedingen es, dass der grösste
Theil der genossenen SOa aus dem After wieder austritt. — Die
Schwefelsäure, die durch das Blut hindurch answandert, thut dieses
zum grössten Theil durch die Niere , zum kleinsten durch die Haut.
Der Inhalt der vorstehenden Einleitung verlangt , dass die täg-
liche Menge der SOa 1) mit der Hamstoffausscheidung wachse und
falle und dasB das entleerte SOs- und Harnstoffgewicht ein be-
stimmtes Verhältniss zu einander einhalten, vorausgesetzt, dass
sich die Nahrung unverändert erhält Die Gleichläufigkeit von SO3
und Harnstoff ist aber nur dann zu erkennen , wenn man den Ham
aus mehreren, statt aus nur einem Tage zur Bildupg von Mitteln
benutzt. Denn Eiweiss- und Leimbildner zerfallen nicht gleich so,
dass ihr S und N in SO3 und Harnstoff eingehen, sondern sie bethei-
*) Simon, Mediz. Chemie. II. B«l. p. 474. — Duma*, Chimie physiologiqae. Pari« 1846.
p. 540. — Grüner in Scherer'« Jahresb. Air®>hysiolog. Chemie, f. 1852. p. 122. — Bt4B-
heim, ibid. 18M. 109. — Bcncc Jonei, Philosophical transactions. 1849. II. Thl. p. 262 and
ibld. 1850. p. CC1. — bidder and Schmidt, Yertlauungssäflo. p. 296 and 313. — Cläre,
Valentin'« Jahresbericht Air 1856. 103. — Außerdem die Öfter genannten Abhandlungen von
Oenth und Mosler.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage,
26
402
Schwefelsäure ; ihre Beziehung zum S-Gchalt der Nahrung.
ligen sich erst uoch an der Bildung von andern Atomgrnppen , die
unabhängig von einander das letzte Ziel erreichen. Also kann
trotz gleichen Ausgangspunktes wechselnd bald die SO-j und bald
der Harnstoff den Vorsprung im Laufe zu den Nieren haben.
Je nach der Nahrung, dem Tauringehalt des Kothes u. s. w. wird sich die Ver-
haltnisnzahl zwischen dem Harnstoff und der Schwefelsäure ändern; bei Genth liegt
sie in 5 miteinander vergleichbaren Reihen zwischen 14,5 bis 16,5; bei Mosler in den
längeren Reihen der Versuchspersonen 10. 11. 12. zwischen 13,3 und 14,1. Die Ab-
weichungen sind in Anbetracht der grossen Schwierigkeit und der geringen Ausdeh-
nung der Untersuchung wenig beträchtlich. Vergleicht man das Verbal tniss zwischen dem
N und dem 8 in den genannten Stoffen des Harns mit dem in dem Eiweiss und den
Leimbild nern , so sieht man, dass es etwa dem des CaseYns gleichkommt; es liegt also
in der Mitte zwischen der Yerhältnisszahl der genannten Stoffe in Albumin und Leim,
wie zu erwarten war.
Da die Ausscheidungsmittcl von SO, und Harnstoff um so ge-
nauer einander parallel laufen , je mehr sieb die Beobachtungszablen
den wahren Mitteln annähero, so kamt rUcksichtlich der Aenderungen,
die die tägliche Schwefelsäuremenge des Harns erfährt, durchaus
auf den Harnstoff liingewiesen werden. Ausgenommen sind natür-
lich die Fälle, in welchen der Harnstoff naclt dem Verspeisen von
S-freien Atomen auftritt. — Die Uebereinstimmung ist durch die
Beobachtungen von B. Jones, Grüner, Lecanu, Genth,
Mosler, Cläre u. A. bewiesen. — 2) Die Zunahme der SOs in
dem Harn nach der Zumischung einer löslichen Satzverbindung
zu den Speisen ist grösser, wenn MgO und NaOSOa, als wenn
verdünnte SO:),KaS, oder reiner Schwefel genommen wird (B. Jo-
nes). Ihre Menge mehrt sich, wenn die Aufenthaltsdauer der
Salze im Darmkaual verlängert wird; durch das willkürliche An-
halten des Stuhls oder durch Opium, welches die laxirende Wirkung
des NaOSO:j aufihebt (Buchheim).
Die folgenden Mittelzablen sind aus der Abhandlung von Genth
genommen, die feste Nahrung war immer dieselbe gemischte Kost
Wasserzasatz ,
zur
Nahrung In C. C.1
Körperbeweg. ;
Harnvolanicn
ln C. C.
TSgL
Schwefelsäure
1 In (Ir.
N —
geringer
1252
I 2,5
— * H
stärker
1259
3,1
4000
geringer
5514
1 3,3
^ Die Veränderung der SOs-Ausscheidung mit den Tageszeiten
zSTgt, dass erst einige Stunden nach dem Genuss von schwefel-
sauren Salzen sowohl, wie dem des Eiweisses der S03-Gehalt des
Harns sich mehrt (Bence Jones); dasselbe geschieht in Folge
PhoHphorsaure ; Einleitung.
403
von Körperbewegungen. Nach G rn ner ist Nachmittags (das Haupt-
Essen zwischen 2 und 1 Uhr vorausgesetzt) die Abscheidung in der
Zeiteinheit am stärkten, schwächer in der Nacht, am schwächsten
Vormittags.
Phosphorsäure*). Mit Kali, Natron, Kalk und Magnesia
stellt sie im Harn basische , neutrale und saure Salze dar.
Der Thierleib beherbergt einen grossen und ständigen Vorrath
von POs und dazu wird täglich mit der Nahrung neue eingeftlhrt;
so wird es möglich , dass das Maass der Ausscheidung und der Zu-
fuhr sich während einer längeren Zeit nicht zu entsprechen brauchen,
obwohl diess für gewöhnlich der Fall ist. — Die mit Kalk und Bitter-
erde verbundene Phosphorsäure kann nur geschöpft werden aus den
Leimbildnern und Eiweissstoffen entweder unserer Nahrung oder
unseres Leibes, denn diese Erdsalze können erfahrungsgemäss aus
dem Darmkanal nur dann in das Blut kommen, wenn sie mit den
genannten organischen Körpern in Verbindung sind. Demnach hat
cs eine gewisse Wahrscheinlichkeit flir sich, dass die täglich aus-
geschiedenen phosphorsauren Erden den Leim- und Eiweissstoffen
angehört haben, welche zurZeit zerstört worden sind; somit wurde
ihre Entleerung durch die Niere ungefähr nach den bei der SOs
des Harns aufgestellten Grundsätzen zu beurtheilen sein. Anders
verhält es sich mit den phosphorsauren Alkalien; sie sind gelöst
im Blute, namentlich in dessen Körperchen , im Muskelsaft u. s.w.,
wo sie Überall für das Leben thätig sind, und ausserdem gehen
sie leicht aus dem Dann in das Blut über. Auf sie würde also
das beim Na CI Gesagte anwendbar sein; es besteht nur der Unter-
schied, dass die aus der Nahrung in Verbindung mit Alkalien
eingeftlhrte Phosphorsäure sich vollständig durch den Harn entleert.
Auch ist die Steigerung, welche das phosphorsaure Natron des
Harns in Folge eines vermehrten Genusses erfahren kann, enger
als bei Na CI begrenzt, indem es stärker abführend wirkt; die
Damiwand scheint nicht befähigt, den Tag Uber mehr als 4 bis 8 Gr.
(des krystallwasserfreien) 2NaOHOPÜ!, zum Blute durchzulassen.
Im Einzelnen lässt sich über die tägliche Mengen sagen: l)wenn
entweder gar keine feste Nahrung oder eine Nahrung von gleicher
qualitativer Zusammensetzung in ungleichen Mengen denselben oder
auch verschiedenen Individuen gegeben wird, so ändert sich zwar
•) Lieb Ir, de.vsoo Annalen. SO. Bd. p, 180.— Bene« Jones, Phllosophica! trnusactlon*.
1846 p. 386. Winter, 1t» Scherer** Jahresbericht ftlr 1MP2.. p. IW. — Mo*! er, Ibld. ftlr
1863. p. 134, — Breed, Liebiga Autuilen. 78 Bd. p. 150. — t> n n kl e nb e r g , Ibld. JW. Bd.
p. 88. — Klctilnaky, in Scherer** Jahresbericht über phyaiul. Chemie. 1862. 126.
26*
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404
Tägliche Menge der Phosphorsäure im Harn.
die absolute Menge der POs, aber ihr Verhilltniss zum Harnstoff
bleibt annähernd dasselbe. Diese Regel findet jedoch nur dann
ihre Restätigung , wenn man die Mittelzahlen aus verschiedenen
Beobachtungsreihen, von denen jede mehrere Tage umfasst, mit
einander vergleichen kann. Demnach finden alle ftlr Harnstoff-
ausscheidung entwickelten Regeln auch hier ihre volle Anwendung,
den Fall natürlich ausgeschlossen, in welchem- der Harnstoff aus
phosphorsäurefreiem Rohstoff gebildet wird.
Bei verschiedener Nahrung muss die Verbal tnisszahl zwischen POs und Harn-
stoff noch viel mehr sich ändern, als unter den gleichen Umstanden bei SO3, wegen
der grossen Abweichungen der £iweiss- und Leimstoffe an phosphorsauren Bei-
mengungen. Beseitigt man in der Beobachtungsreihe von C. Schmidt*) die beiden
ersten Tage, weil sie noch die Nachwirkung der Fütterung enthalten, und theilt die
übrigo Zeit bis zum Hungertode in 3 Theilo und zieht aus jedem das Mittel, so ver-
hält sich in den zwei ersten 5 Tagen dor Harnstoff zur PO5 = 17:1, und in den
letzten 5 Tagen = 19:1. In 5 mit einander vergleichbaren Reihen von Genth
schwanken die Verhältnisse zwischen 1:10,8 bis 13,5; bei den Mosler’schen Per-
sonen 10. 11. 12. zur Zeit des reichlichen Wassortrinkens zwischen 1:7,2 bis 7,7.
2) Das mit der Nahrung in das Blut aufgenommene phosphor-
saure Natron wird in dem Maasse durch den Harn ausgeschieden,
in dem es aufgenommeu wurde; nur dann tritt in der vom Na CI
und von derSCh her schon bekannten Weise ein Defizit oder ein Uebcr-
schuss ein, wenn von einer bisher an PO5 armen Nahrung zu einer
daran reichen oder umgekehrt tibergegangen wird, indem sich die
Folgen einer Kost auch noch einige Tage hindurch geltend machen,
wenn man sie auch schon verlassen hat, weil unter ihrem Einfluss
der Vorrath des thicrischen Körpers an Phosphorsäure sich änderte.
Tägl. PO:, des
Harns in Gr.,
Feste Nahrung.
Wasser.
Körperbcwg.
Tägl. Ham- Körpergew.
menge in C.C. in Kilo. j
Beobachter.
3.7 i
3,6
3.8 1
| dieselbe
i' gemischte
| Kost
2000 c.c.
weniger
mehr
; weniger
1252 1
1259 l 7, z
3175 1/ 74’5
Genth.
4,0
4000 „
! weniger
5514 )
5,1 I
4,5 1
reichlich
mässig
»
j mehr
I weniger
3000 ! ) „„
1700 ;( 6‘
1 Mosler.
ln den nun folgenden Beobachtungen wurde der Nahrung 2NaOPOß augesetzt.
3.0
4.1
5,3
0,1
dieselbe
“)Gr.P05in||
9 >dem tägl. »dieselbe
2774
2988
3010
3058
58
Sich.
Nach Kau pp und Sick soll Nacht und Tag die POj-Aus-
sclieidung gleichmässig vor sich gehen; nach Mosler, Vogel,
Winter wächst nach der Hauptmahlzeit das stündliche Mittel an,
•) Uiddcr und Sch ml di, Verdatumgasäflc. p. 310.
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Verhältnis» der phoephorsauren Erden zu den gleichnara. Alkalien ; Oxalsäure. 405
erreicht wenige Stunden nach demselben seinen Gipfel und fällt
dann wieder durch Nacht und Morgen bis zum Miltagsessen. Die
von Vogel aufgefllhrten Zahlen widersprechen eben so oft seiner
Regel, als sie dieselbe bestätigen.
Nach Dunklenberg giebt die Methode von Liebig, ych welcher die mit-
getheilten Bestimmungen geschehen sind, zu hohe Wert he.
Ueber das Verhältnis der phosphorsauren Erden zii den gleich-
namigen Alkalien sagen die vorliegenden Untersuchungen aus, dass
sich die letztem gradezu mehren, wie der Gehalt der Speisen an
ihnen zunimmt (Sick), und zwar soll sich das phosphorsaure Kali
des Harns mehren nach dem Genuss von phosphorsaurem Natron
(Böcker). — Die phosphorsauren Erden des Harns nehmen zu,
wenn sich das Leben auf Kosten der Eiweissstoffe erhält,' also
nach Fleischkost (Bence Jones, Lehmann) und nach Muskel-
anstrengungen ( Mo s 1 e r ). Unter sonst gleicher Nahrung und Muskel-
bewegung nehmen die erdigen Phosphorverbindungen im Harn
um ein Geringes ab, wenn die alkalischen daselbst zunehmen
(Sick). — Das Verhältniss zwischen der Magnesia und dem Kalk
ist ßehr wechselnd.
Als Beispiele fUr das Vorstehende können dienen : Lehmann entleerte bei
gewöhnlicher Kost täglich 1,1 Gr., bei Fleischkost 3,6 Gr. phosphorsauro Erde. Als
der Harn von Sick 2,1 Gr. HO,2NaO, FO5 enthielt, kamen 0,69 phosphorsaure
Erden darin vor; als das erster« 6,1 Gr. betrug, sanken die Erden auf 0,41.-- Neu-
bauer fand, dass im Mittel auf l Acq. 3CaOPOs etwa 3 Aeq. 2MgOPOj entleert
wurden. Im 'einzelnen Fall weicht jedoch das Verhältniss sehr bedeutend von dem
erwähnten ab.
Kieselsäure in geringer Menge (Bcrzelius, Dunklenbcrg).
Oxalsäure*). Mit Kalk in Lösung zwar häufig, aber in ge-
ringer Menge; das Salz ist im sauren phosphorsauren Natron des
Harns gelöst; dann mit Kalk in fester Form und zuweilen auch mit
Alkalien verbunden.
Man leitet die Säure ab aus der Verwesung der Eiweisskörper
und insbesondere aus der eines ihrer Abkömmlinge, der Harnsäure. —
Bei dem beständigen und häutigen Vorkommen dieser letztem Säure in
den Geweben müsste demnach die Oxalsäure sehr reichlich im Ham
gefunden werden, wenn sich nicht noch besondere Bedingungen
einzufinden hätten, vermöge welcher die bei der Oxydation der
Harnsäure entstehende Oxalsäure in COa umgewandelt wurde. —
Man behauptet, dass die Erscheinung der Oxalsäure im Harn begünstigt
•) C. 8$hmldi, 1. c. 888. — Lehmann, I’hys. Chorn. I. Bd. 47. — Neubau er, Arihly*e
des Harns. 3. Auflage. 104. — Plotrowsky, Meissner'« Jahrcsbcr. für 1856. 369.
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406
Kohlensäure; feuerbeständige Basen des Harns.
werde durch den Genuss kohlensäurehaltiger Getränke (Donn6,
Wilson, Lehmann). — Man führt 2. die Oxalsäure des Harns
zurück auf die oxalsauren Salze der Nahrung (Piotrowsky).
Wohl er, Frerichs, Neubauer, Gallo i 6 haben bei ihren schon erwähnten
Fütterungen mit Harnsäure nur zuweilen eine Vermehrung der Oxalsäurebildung, für
gewöhnlich aber keiib solche gefunden ; also muss auch dio auf diesem Wege ein-
gedrungene Säuxc in Harnstoff und CO* zerfallen.
Kohlensäure*). Der Harn enthält verdunstbare und gebun-
dene CO2; über beide siehe bei den Gasarten des Harns.
Die feuerbeständigen Basen**) des Harns (Kali, Natron,
Kalk, Magnesia). Ohne genauere Untersuchungen, als sie bisher
erfahren, lässt sich über ihre Aendernng im Harn wenig allgemein
Gültiges sagen. — 1) Die SOs, C1H, Oxalsäure kommen im Harn immer
mit Basen und zwar zu neutralen Salzen verbunden vor; also
mehren sich, vorausgesetzt, dass der Ammoniakgehalt des Harns
ungeändert bleibt, mit jenen Säuren auch die Basen. — Für die
PO:> gilt aber auch dieses nicht einmal, da sie in neutralen und
sauren Verbindungen anftritt. — 2) Die Säuren können mit allen
fixen Basen verbunden sein, also sagen die bekannten Verhältnisse
der erstem zueinander nichts aus über diejenigen der Basen. —
Hiervon macht vielleicht die SOa eine Ausnahme, die man bisher
noch nicht mit CaO vereinigt fand, aber wohl nur darum, weil im
Verhältnis» zur Menge der Basen immer nur wenig SOj in den Ham
übergeht. — 3) Im Allgemeinen wird zwar jede der Basen in dem
Maasse ausgeschieden, in welchem sie in das Blut geführt wird,
und soweit wir wissen, gilt dieses ausnahmslos für die Erden. —
Auch soll durch eine Vermehrung des löslichen Kalks in der Nah-
rnng sich die Magnesia des Harns and durch eine Steigerung der
Magnesia die des CaO nicht mehren (Wagner). Andres gilt
in dieser Beziehung von den fixen Alkalien, denn es soll durch
einen vermehrten Genuss von Natronsalzen das Kali (Böeker)
und nach einem gleichen von Ammoniaksalzen das Natron und Kali
vermehrt ansgeschieden werden , daraus könnte man folgern wollen,
dass eine lebhaftere Bildung von Ammoniak im Thierleibe selbst
aus diesen alle oder wenigstens den grössten Antheil seiner fixen
Kalien austreiben könnte. Hiergegen spricht freilich der stetige
Gehalt vieler Gewebe nicht allein an fixen Alkalien, sondern
sogar an Kali oder Natron. Also muss jener Tausch nur in be-
•) Marchand, Journal fUr prnkt. Chemie. 44. Bd. 250,
•) Wilde, Valentin** Jahroaher. fUr 1866. p. 97. — Wagner, Ibid. p. 98. — Dasa die
bei den Säuren ungezogenen Schriften.
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Verhältnis» zwischen Sauren und B&ien de« Ham«.
407
schränkten Grenzen möglich sein. — 4) Man sollte erwarten, dass
nach dem gesteigerten Eindringen von solchen Säuren in den Thier-
leib, deren Salze dort keine bleibende Stätte finden, die Alkalien,
welche aus dem stetigen Vorrath des thierischen Körpers zur Bin-
dung derselben benutzt wurden, auch vermehrt ausgesohieden würden.
Dagegen erheben sieh aber Versuchsreihen von Buch heim (bei*
Wilde), der nach Genus» von SO3, POs, Oxal- und Weinstein-
säure, so wie nach dem von MgOSOi, welche ebenfalls dieSOsdcs
Harns mehrte, keine Steigerung der Harnalkalien gewahr wurde.
Das Verhältniss der Säure zu den Basen*). Die An-
gaben über das Ucbergewicht der Säure oder Alkalien im Harn
geben natürlich keine Auskunft über das tägliche oder stündliche
Mehren des einen oder des andern Atoms; denn es konnte ebenso
gut im sauren wie im alkalischen Harn die- tägliche Säuremenge
vermehrt oder vermindert sein. Die Resultate . der Untersuchung
über die Reaktionen des Harns sind nichtsdestoweniger und beson-
ders flir den Arzt von Belang.
Die saure Reaktion des Harns rührt vorzugsweise von sauren
Salzen, insbesondere von saurem phosphorsauren Natron her, sie
kann aber auch von ungebundenen Säuren abhängen. Da die
schwachen Sänren des Harns, namentlich die Hippur-, Harn-,
Kohlensäure, aus dem neutralen phosphorsauren Natron ein Atom
Basis abspalten und saures phospliorsaures Natron zurücklassen,
so kommt es auf das Verhältnis» jener Säuren zum phosphorsanren
Natron an, ob die saure Reaktion von dem letztem Salz oder von
den genannten oder auch vielleicht von andern Säuren, z. B. der Milch-
säure abhänge. — Der saure Harn wird beobachtet nach dem Ge-
nuss von freien Säuren, namentlich der SO3, PO.-,, NO:, , C1H, Ci-
tronen-, Weinstein-, Bernstein-, Benzoösäure, dann nach der Ein-
führung von Ammoniaksalzen, selbst nach AmO OOj, aber nur dann,
wenn der Ammoniak sich im thierischen Körper in NOs umwandelt
(B. Jones); ferner nach dem Genuss von Brod, Obst, Gemüse,
Zucker, insofern sie die Bildung von Milch- und Hippursäure ver-
anlassen, ferner nach einer Fleischkost. Aus diesen letzten Mit-
theilungen-geht hervor, dass der Ham des gutgenährten Menschen
meist sauer ist. — Die saure Reaktion kann ferner bedingt sein
durch die sogen, saure Gährung des Harns, welche schon in der
•) Phllosophlnal tranaaction«. 1(48. p. 937, und 1860. 66®. — J. Vogel, in Neubauer'«
Analyse des Harn». 3. Autl. 239. — Eylanrft, Cläre and C. Wagner, in Valentin'«
Jahresbericht Uber Phytiolog. für 1853.
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408
lteaction des Harns.
Blase ihren Anfang nimmt, und endlich soll sie ein Zeichen für
die Güte der Muskelkraft nnd der Grösse der Muskelanstrengung
des Menschen sein (J. Vogel). — Die tägliche Schwankung der
freien Säure ira Harn soll nach gemischter Kost so geschehen , dass
sie kurz vor Tische ein Minimum erreicht, nach Tische ansteigt
und in der Nacht den höchsten Werth erreicht (J. Vogel). Dem
entgegen fand B. Jones bei einer immer regelmässigen Diät aus
Fleisch und Kaffee oder ans Fleisch, Eiern, Kartoffeln und Kaffee,
dass die freie Säure ihr Maximum vor dem Essen erreicht, während
zur Zeit der lebhaftesten Magen-Verdauung der Harn alkalisch war.
Die alkalische Reaktion des Harns kann abhängen von al-
kalisch reagirenden Natron- oder Ammoniaksalzen. — Sie tritt ein
nach dem Genuss von kaustischen und kohlensauren Alkalien. Um
sie zu erzeugen , werden fllr verschiedene Menschen ungleiche
Mengen jener Stoffe erfordert; zuweilen sind ihre Wirkungen sehr
anhaltend, so dass sich die alkalische Reaktion einen Tag und
mehr nach dem Wiederaufhören des Natrongebrauchs noch fort-
erhält. Auch tritt die Wirkung schnell ein, so dass z. B. eine
Stunde nach der Einnahme von NaOCOi der Harn alkalisch ist
Sie tritt ferner ein nach dem Genuss von essig-, äpfel-, Weinstein-,
citronensaurem und andern pflanzensauren Natronsalzcn ; ferner nach
dem Gebrauch solcher Stoffe, die in thierische Körper in pflanzen-
saure und dann in kohlcnsaure Alkalien Ubergeführt werden
können; aus diesem Grunde entleeren die gut gefütterten Manzen-
fresser einen alkalischen Harn. Doch erzeugt die Pflanzennahrung
diesen Erfolg nicht noth wendig, namentlich kommt das Gegentheil
zum Vorschein, wenn sie nicht die nothwendigen Alkalien mit-
bringt, oder wenn sich aus ihr Säuren erzeugen, welche nicht
in CO2 Ubergeführt werden können. — Die alkalische Reaktion
kann ferner bedingt sein durch die alkalische Gährung des Harns
in der Blase; sie soll endlich muskel- und nervenschwachen Indi-
viduen eigen sein.
Den Gehalt an freier Säuro bestimmte B. Jones nnd Winter nach der Menge
Ton Kali , welche rar Neutralisation de« Harns nothwendig war.
Wasser*). Seine tägliche Menge ist sehr veränderlich. 1) Die
Niere regelt vorzugsweise den Abfluss des Wassers aus den Thier-
leib, sie bestimmt so zu sagen den mittlem Prozentgehalt des Ge-
•) J. Vogel, Archiv fllr gemeinschaftliche Arbeiten. I. Bd. p. 96. — Scheffer, Valentin'«
Jahresbericht für 1861. p. 187.— Falk, Archiv für physiologische Heilkunde. XI. Bd. 135 n. 7M. —
Derselbe, ibid. XII. Bd. 150. — Klerulf, Henlc't and Pfeafer's Zeitschrift. N.F. Ml. t79.
Wasser des Harns.
409
sammtthieres an Wasser. Demnach wird das Maass ihrer Wasser-
abscbeidnng in erster Linie bestimmt durch den Flttssigkeitsrest,
welcher bleibt, wenn man von dem Wasser der Getränke und
feuchten Speisen dasjenige abzieht, was durch Haut, Lunge und
Darm weggeht. Dieser Rest — und somit das Harnvolum — kann
natürlich umfangreich sein trotz einer grossen Thiitigkeit der andern
Wasserausscheider, er kann klein sein trotz einer Ruhe der letztem;
er kann sich endlich im quantitativen Gegensatz zu dem durch
Lunge und Haut austretenden Wasser befinden. Indem nicht alle
möglichen, sondern nur die zuletzt erwähnten Fälle berücksichtigt
wurden, kam man dazu einen sog. Antagonismus zwischen Lungen-
nnd Hautthätigkeit einerseits und der Nierenarbeit anderseits hin-
zustellen. Dieser Ausdruck entspricht nicht den Thatsachen , wenn
er bedeuten soll, dass Haut, Lunge und Niere nicht gleichzeitig
thätig sein könnten ; es ist^dagegen nichts gegen ihn einzuwenden,
wenn er nur sagen will, dass die genannten Werkzeuge ihr Wasser
aus derselben Quelle beziehen, so dass sich ihre Ausgaben gegen-
seitig beschränken. — Obwohl sich nun das Maass von Wasser,
welches durch die Niere wandert, im Allgemeinen anpasst dem
Umfang, in dem Wasser genossen und an andern Orten aus-
geschieden wird , so geschieht dieses doch nicht so , dass man sagen
könnte, es sei wie in einem mit Zu- und Abflussrohr versehenem
Wasserbehälter Eintritt oder die Anwesenheit von Wasser auch die
Ursache des Austritts, mit einem Wort, beide Vorgänge entsprechen
sich einander nicht mit Rücksicht auf die Zeit Denn bald entleert
sich in .Stunden oder Tagen mehr und bald weniger als aufgenommen
wurde; so dass der Wassergehalt des Gesammthieres um einen be-
stimmten Mittelwerth von einer zur andern Zeit auf- und abschwankt.
Hierdurch werden aber offenbar selbst wieder Kräfte rege gemacht,
welche den Einfluss des genossenen Wassers verstärken oder ab-
schwächen, so dass z. R. ein reichlicher Trunk, den ein relativ
wasserarmes Individuum thut, weniger auf den Harn wirkt, als
wenn er in ein wasserreicheres cinging. Kurz es kommt hier auf die-
selben Regeln hinaus, die wir fttr die Ausscheidung von Na CI n. s.w.
schon kennen lernten. — 2) Wie die Menge der täglichen festen Ham-
bestandtheile mit dem Wassergenuss wuchs, so bestimmt umgekehrt die
Menge der festen löslicher! Stoffe die täglich aus der Niere gehen , das
Gewicht des Hamwassers; dieses beweist sich dadurch, dass die Menge
der gelösten Stoffe, die täglich abgesondert werden, sich richtet nach
dem Maasse, in welchem sie der Niere geboten werden, und dass
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410
Wasser des Harns.
dabei der prozentische Gehalt des Harns an festen Stoffen eine
obere Grenze nicht übersteigt; so wurde namentlich beim Menschen,
noch kein Harn, der Uber 9 pCt. feste Stoffe in Lösung hält,
beobachtet; dieses Verhältniss würde also verlangen, dass für einen
Gewichtstheil Festes mehr, mindestens täglich 9 flüssige mehr ab-
geschieden würden. — Damit scheint jedoch die obere Grenze des
festen Prozentgehaltes noch nicht gegeben zu sein, da man schon
aus dem filtrirten Hundeharn bis zu 15 pCt. Rückstand gewann.
Zudem haben wir Ursache zu vermuthen, dass die Mengen von
Wasser, welche zur Entleerung der Gewichtseinheit des Festen noth-
wendig ist, mit der chemischen Natur des letztem sich ändert, so
dass namentlich dieselbe Menge Wasser mehr Harnstoff als Zucker,
Na CI, 2Na0P05 u. s. w. entleeren könnte. — Beispiele für die
Abhängigkeit des Harnwassers von den hamfähigen festen Stoffen
liegen darin vor, dass nach Entziehung^illcr Flüssigkeit doch noch
Ham abgeschieden wird, dass nach Salzkost oder nach vermehrter
Bildung des Leberzuckers eine Harnruhr eintritt. In diesen Fällen
wecken die bei der Ausscheidung des Festen thätigen Vorgänge
eine Kraft, die genügend ist, um den Geweben ihr Stammwasser
zu entziehen, mit andern Worten, der Harn führt so viel und von
solchen Orten Wasser mit sich, dass er einen lebhaften Durst hervor-
ruft; wie auch umgekehrt das durch Trinken hervorgebrachte Viel-
barnen Hunger erzeugte.
Viele Diuwtica sollen vorzugsweise dadurch wirken, dass sie den HarnrücksUnd
und damit doa Wasser mehren (Kramer). — Insofern die festen Bestandteile des
Harns ungelöst ausgeschieden werden (wenn a. B. in Krankheiten die Harnsaure an
dio Stelle des Harnstoffs tritt), geht nur wenig Wasser aus der Niere fort
3) Um die schon erwähnte Erscheinung zu erklären , dass ohne
einen in den äusseren Umständen nachweissbaren Grand sich von
Tag zu Tag die Wasseransscheidung ändert , hat man sohon seit
lange eine Veränderlichkeit der in der Niere selbst liegenden Be-
dingungen vorausgesetzt. Dass auch in der That jene Be-
dingungen, sagen wir kurzweg die veränderliche Nierenthätigkeit,
bestimmend auf die Wasseransscheidung eingreifen kann, dafür
sprechen verschiedene Erscheinungen. Wird die Blutflüssigkeit ver-
dünnt entweder dadurch, dass der nüchterne Magen mit Wasser
angeftlllt wird (Falk) oder noch besser durch mehrere in 10 bis
15 Minuten aufeinander folgende Einspritzungen von mässigen
Wassermengen (Westphal), so wird nicht alsogleich, sondern
erst nachdem ein Stunde und mehr seit der ersten Einspritzung
Wasser des Harns.
411
verflossen, die Harnausscheidung gesteigert; das nnn folgende
Anwachsen gestaltet sich aber nicht etwa so, dass die Ham-
absonderung sich steigend bis zu einem Maximum nnd dann wieder
allmählig sinkend bis auf den Werth vor der Einspritzung sich be-
wegte, bis die gesammte Menge des neuhinzugekommenen Wassers
entleert ist; im Gegentbeil es steigt die Absonderung regellos auf
und ab. — Hat man sich gleichzeitig beide Ureteren blosgelegt
und fitngt den Ham jeder Niere gesondert auf, so sieht man bald
rechts nnd bald links mehr Ham hervortreten; hier war aber das
Blut, welches durch beide Drttsen strömt, gleich zusammengesetzt,
und die Ungleicheit der Absonderung konnte auch nicht in einem
feststehenden Unterschied der einen von der andern Seite begründet
sein, weil dieselbe auf den beiden Nieren in der Zeit wechselte
(Go 11, Hermann). Versuche von Hermann lehrten auch die
Nierentbätigkeit willkührlich anzuregen. Wenn man nach ihm den
Ureter der einen Seite unterbindet, ihn längere, Zeit, etwa 1 bis
2 Stunden geschlossen lässt und ihn dann öffnet, so beginnt nun
durch längere Zeit hindurch eine profuse Absonderung eines sehr
wasserhaltigen Harns, während die Niere der andern Seite den
Ham in gewöhnlicher Weise ausströmen lässt. — Die innern in der
Niere für die Harnabsonderung wirksamen Bedingungen sind uns
nun allerdings wesentlich unbekannt; wir haben jedoch die Wahr-
scheinlichkeit in hohem Grade für uns, wenn wir zu ihnen zählen
einerseits den von den Nerven abhängigen Zustand der Gefäss-
mnskeln, wodurch der Querschnitt des in die Capillaren führenden
Blutstroms, also auch der Druck desselben auf seine Wandungen
und die Berührungsfläche desselben mit den Harnkanälchen geändert
wird , nnd anderseits dürfen wir dazu rechnen den Widerstand, den
der in die Harnkanälchen ergossene Harn beim Abfliessen findet. —
Wäre der erste Theil unserer Voraussetzung richtig, so würde die
Wasserausscheidung steigen mit der Erschlaffung der Gefässmuskeln.
Aus dem zweiten Theil würde sich dann vielleicht die von Kaupp
beobachtete Thatsache erläutern, dass die tägliche Wasseraus-
scheidung sich mindert, wenn der in der Harnblase angehäufte
Ham seltener entleert wird.
4) Bei Krampfkrankheiten soll zuweilen die Wasserausschei-
dung durch die Nieren vermehrt werden. — 5) CI. Berard fand
ihn vermehrt, wenn er das verlängerte Mark etwas unter der
Stelle verletzte, von welcher aus die Zuckerbildnng der Leber an-
geregt werden kann.
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412
Gase des Harns.
Bei gewöhnlicher Lebensweise ist die Wasserabsondemng des
Harns am niedrigsten während der Nacht, sie steigt des Morgens
an und erreicht nach dem Mittagsesseu ein Maximum. — Die
Grenzen, innerhalb der bei gesunden Erwachsenen das tägliche
Harnwasser variirt, liegen zwischen 500 und 25,000 Gr. — Nach
Becquerel und Vogel liegt bei jungen Männern das Tagesmittel
zwischen 1200 und 1600 Gr.
Gase des Harns*). Die Bestimmungsstucke für den Ge-
halt des Harns an Gasen werden sein : die Absorptionscoöffizienten
des Harns für jede einzelne der in ihm vorkommenden Gasarten,
der Druck, unter welchem jede derselben in der Blutflüssigkeit
steht, aus welcher der Harn abgesondert wurde , die Veränderungen,
welche der Harn an seinen Gasen anbringt durch seine eigenen
chemisehen Umsetzungen und diejenigen, welche an ihnen Vor-
kommen, vermöge der Diffusion zwischen den Gasen des Blutes
und des in der Blase verweilenden Harns. — Alles dieses sind so
wechselnde Grössen, dass sich namentlich in Betracht der wenig
zahlreichen Untersuchungen über die hier in Frage kommenden
Elemente nichts im Voraus wird aussagen lassen.
Die Thatsachen , die Uber den Gehalt des Harns an Gasen vor-
liegen, beschränken sich auf einige schätzenswerthe Angaben von
Planer. Sie sind in der folgenden Tabelle zusammenge'stellt
Harngattung.
Spezlf.
Gew. des
Harns.
Harnstoff-
Prozente.
100 Tbc
von 0
N.
Ju Harn e
G. and
0.
n Ulalten n
,76 Meter
freie COj.
a Gasen
Druck
Kcbond.
CO*
1.
Fünf Stunden nach dein Früh-
stück
1,0154
1,54
0,87
0,06
4,54
2,07
2.
Vierzehn Stund, nach der letzten
Mahlzeit Wasser genommen
1,0113
1,37
0,80
0,02
4,41
1,88
3.
Zwei Stunden nach dem Mittags-
mahl
1,0213
2,43
0,78
0,05
9,06
5,25
4.
Nachdem 4 Stunden vorher
13, t Gr. KO 2 Ti u. 500 Gr.
HO genommen
1,0132
1,44
1,09
0,08
12,5
2,76
5.
Nachdem 5 Stunden vorher
8,7 Gr. KOTS und 500 Gr.
HO genommen
1,0093
0,68
1,28
0,04
6,22
keine
Aus diesen Beobachtungen geht hervor:
Die verdunstbare CO2 ist im Ham des Menschen weniger reich-
licher vertreten als im Blut, vorausgesetzt, dass das letztere so
■) Planer, Zcltchrlft der Gesellschaft der Aerzte zu Wien. 1R59. 465. — CI. Bcrnard, *ur
Io» liquide# de l'organ. X. 347.
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Gase des Horns.
413
reich an dieser Gasart ist, wie Setschenow das der Hnnde
fand. Dieser Unterschied hat aber selbst bei der Gültigkeit der
letzteren Unterstellung nichts Auffallendes. Denn der grösste Theil
der verdunstbaren CO2 des Bluts ist nicht im engem Wortsinn ge-
löst; sondern an alkalische Salze gebunden. In so fern also dem
Ham diese alkalisch reagirenden Salze fehlen, kommt flir ihn
auch nur die vom Blute wahrhaft absorbirte CO2 in Betracht.
Diese scheint aber in der Tkat, wie beim Athrnen weiter erläutert
werden soll, sich in den Grenzen zu bewegen, die auch der Harn-
COi gesteckt sind. Eine andere mögliche Erklärung für den Unter-
schied hat Planer widerlegt. Man konnte es nämlich für wahr-
scheinlich halten, dass der Iiam als eine liarastofF- und salz-
reichere Flüssigkeit wie das Blut einen niederem Absorptionscoöffizien-
ten fllr CO2 besässe, als die letztere. Nach den Untersuchungen
von Planer nimmt aber der Ham ungefähr ebensoviel CO2 auf
wie Wasser, resp. wie Blut.
Der Gehalt des Harns an verdunstbarer CO2 ist grösser wäh-
rend der Verdauungszeit; dieses entspricht dem, was wir über das
Verhalten des Bluts unter gleichen Umständen w’issen. — Die *
verdunstbare CO2 mehrt sich auch noch durch Genuss von doppelt-
w einsteinsaurem Kali, nicht aber nach dem von einfaehwein-
saurem.
Der Ham ist arm an fixer CO2 gefunden worden; wenn der
hier untersuchte Ham sauer reagirt, so hat die Thatsache nichts
Auffallendes. Nach Genuss von einigen pflanzensauren und nach
kohleusauren Alkalien soll er reich an fixer CO2 sein (Wöhler,
Lehmann.).
Der Gehalt des Harns an Sauerstoff ist sehr gering; dieses
könnte auffallend sein, weil während der Hamabsonderung selbst
das aus der Niere kommende Blut noch reich an 0 war
(CI. Bernard). Aber auch der Sauerstoff ist sowohl in den Blut-
körperchen (L. Meyer) wie in der Blutflüssigkeit (Fernet) ge-
bunden, so dass nur ein sehr kleiner Theil des Blutsauerstoffs
bei der Diffusion in Frage kommt; es steht also die in der
Niere abgesonderte Flüssigkeit unter einem sehr niedera Sauer,
stoffdruck.
Aehnliches gilt für das N-gas.
CI. Bernard hat noch die Zusammensetzung einen Gasgemenges veröffentlicht,
das aus dem Harn gewonnen war; es enthielt in 1 00 Theilon: CO« 7$, 8; N lb,ü;
0 2,5.
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414
Gesammtkarn.
Gesammtharn*). Nach den eingehenden Betracbtnngen,
die jedem einzelnen Bestandteile gewidmet wurden, ist Uber die
chemische Zusammensetzung des Harns im Ganzen nur noch wenig
zn ergänzen. Die tägliche Menge jedes einzelnen Bestandteils,
oder was ganz auf dasselbe hinausläuft, die prozentische Zusammen-
setzung des täglichen Gesammtharns kann von einem Tag zum
andern sehr verschieden sein ; Beides gilt in noch erhöhterem Maasse
vom Stundenharn. Diese Voraussetzung bestätigt die Erfahrung in
sehr ausgedehnter Weise. Daraus folgt, dass es keinen Normal-
harn, d. h. einen solchen giebt, welcher dem Gesunden Überhaupt
eigen sein müsse; da es eben eine Eigenschaft der Gesundheit war,
dass sie den Harn den Lebensbedingungen anpasste.
Verlangt man also zu beliebigen Zwecken einen Musterharn,
so muss man hinzufUgen, wie die Umstäude beschatten waren, als
derselbe gebildet wurde, und dann lässt sich aus den gegebenen
Mitteilungen Uber die Abscheidungsgeschwindigkeit jedes einzelnen
Harnbestandtheils unter diesen Bedingungen eine ungefähre Angabe
Uber den Musterharn machen. — Unter diesen Geschichtspunkten
kann man denn auch viel weiter ins Einzelne gehen und die Mittel-
zahlen fllr noch andere Kategorien angeben als lllr Morgen-, Mittag-,
Nacht-, Sommer- und Winter - Harn , oder ftlr den Harn armer und
reicher, junger und alter, männlicher und weiblicher Individuen.
Denn wenn die Zunahme des Körpergewichts (ob sie null oder
merklich sein soll) und die Beschaffenheit der Getränke und
festen Speisen, die Anordnung der Essensstunden, die Art und
Monge der Haut- und Darmausscheidungen bekannt ist, so kann
danach der zu den gegebenen Bedingungen gehörige Harn ent-
wickelt werden. Für ärztliche Zwecke wären hier allerdings all-
gemeine liegein und auch Mittelzahlen fllr besondere Fälle wünsebens-
werth, um so mehr, weil es vielleicht möglich wäre, Harnmengen,
die nicht den ganzen Tag, sondern nur in bestimmten Tagesab-
schnitten gelassen sind, zur Diagnose zu benutzen.
Beispielsweise führen wir an: der Ham der Säuglinge ist immer sehr reich an
Wasser, weil sie stets eine flüssige Nahrung geniessen ; von den festen Theiien der Nah-
rung wird aber ein merklicher Theil zum Aufbau dor Organe benutzt. Heiden hain,
•) J. Vogel, Archiv für gemeinsame Arbeiten. I. Bd. p. 79. — Becquerel, Der Urin, über-
setzt von Ne u her. — Mil Ion, Compt.rend. XXVI. 120. — Trapp, Beiträge zw Kenntnis« u.a. w.
Giessen IHM. — H « es er und Vogel, Archiv f. gern. Arbeiten. I. Bd. p. 267. — Neubauer
und Vogel, Analyse des Harns. 11. Aull. 1858.
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Physikalische Eigenschaften des Harns.
415
Hoppe, Hecker fanden in ihm 0,8 pCt. feste Bestandtheile überhaupt. — Nach dem
Genuss von Fleisch wird sich Harnstoff, SOj und PO5 zugleich mehren, war das
Fleisch gesalzen, auch das Na CI; und insofern es frisch und wasserreich war, oder gar
mit Getränk versetzt wurde, auch die Wasserraonge. Aber diese Stoffe werden nicht
gleichzeitig aus der Niere gehen; zuerst läuft überwiegend das Wasser und mit ihm
freies Na CI ab, dann kommen SO3 und Harnstoff ah die Reihe und am spätesten die
Phosphorsäure. Nimmt ein Bettlägeriger den Tag über öfter und jedesmal wenig "Nah-
rung, so wird die Absonderung ziemlich gleichraässig von Stunde zu Stunde gehen
müssen, oder ist sie die eine Stunde erniedrigt, so muss sie in der andern ent-
sprechend erhöht werden u. s. w.
Die Färbung des Harns ist im normalen Zustand zwischen
rothgelb und hellgelb der Vogel’ sehen Farbenskala. Die dunk-
leren .Nuancen sind im Allgemeinen dem sparsam gelassenen Ham
eigen; darum ist der Morgeubarn (während der Nacht bereitet)
dunkler als der Getränk- und Mittagsharu. — Kinderharn ist im
Allgemeinen heller, als der der Erwachsenen.
Durchsichtigkeit. Schwachsaurer und schwachalkalischer
Ham ist meist klar; eine starke Reaktion nach der einen oder der
andern Seite ist meist von Niederschlägen begleitet. Diese bestehen
im alkalischen Harn meist aus phosphorsaurer Kalkerde und Mag-
nesia; im sauren aus harnsaurem Ammoniak oder Natron, zuweilen
auch aus reiner Harnsäure.
Das spezifische Gewicht des mittleren täglichen Harns
liegt hei 1020 (Vogel). Da es in inniger Beziehung zu den gelüsten
Stoffen steht, so muss es natürlich sehr variiren, und namentlich
wird bei reichlicher Harnentleerung das spez. Gewicht niedriger als
bei sparsamer Ausscheidung des Harns sein. — Man hat, um den
Zusammenhang zwischen spez. Gewicht und dem Gehalt an festen
Stoffen festzustellen, empirische Regeln aufgestellt (Becquerel,
Millon, Trapp, Haeser). Wirerwähnen hier nur dieTrapp'sche
Regel, wobei wir die von ihm selbst gegebene Bemerkung wiederholen,
dass sie nur eine Annäherung an die Wahrheit gebe. — Setzt man
die Einheit des spezifischen Gewichts (die des Wasser) = 1000,
so soll man von dem gefundenen spez. Gewicht des Harns diese
Einheit abziehen; die hintere Zahl des Restes soll man durch ein
Komma abschnciden von der vordem und dann den Rest verdoppeln.
Die hier ausgefundene Zahl drückt den Prozentgehalt des Harns
an festen Stoffen aus; wäre also z. B. das gefundene spezifische
Gewicht eines Harns =*= 1020, so würde sein prozentischer Rück-
stand = 4,0 sein.
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416
Seltenere Bcstandtheile des Harns.
Seltenoro Harnbos tand theile.
Eiweissartige Stoffe*). Die Abwesenheit Ton Blutungen vorausgesetzt,
gehen öfter in den Harn über:
Faserstoff wird bald flüssig (gerinnbarer Harn) und bald schon geronnen ent**
leert. Sein Vorkommen scheint melkt durch Nierenleiden bedingt zu sein.
Albumin kommt im Harn vor sowohl weil der Strom und die Zusammen-
setzung des Bluts , als auch weil die Nieren vorändert sind Es findet sich nach ln-
jection von verdünntem Hühnereiweiss in das Blut. CI. Bernard sah es ausbleiben,
wenn er das Eiweiss statt in die v. jugularis, in die v. port&rum, und zwar sehr all-
mälig einbrachte; nach Injection von Serum desselben oder uines andern Saugethieres
(CI. Bernard); häufig bleibt cs jedoch nach dem Einbringen dieser Eiweissart aus
(CI. Bernard, Bouchardat, Sandras, Schiff). Ausbleiben soll es auch nach
der Einspritzung von etwas wenigen künstlich verdünnten Eiwsasscs und von Fleisch-
albumin (Corvisart, Schiff). — Der Ham wird ferner eiwcisshaltig nach Ader-
lässen (Ha y den), noch mehr, wenn nach vorgangigem Aderlass dos zurückbleibende
Blut durch ein grosses Volum Wasser verdünnt wird (Kicrulf); die ei weisstreibende
Wirkung des blutverdünnenden Wassers bleibt aus, wenn ihm Na CI zugefUgt wird
(Härtner). — Der Ham enthält ferner Eiweiss: nach Injection von gallonsaurem Natron
in’s Blut, und zwar häufig, aber nicht immer (Frerichs); nach Einathmung von
Arsenikwasserstoff (J. Vogel); nach mehrtägigem Kochsalzhunger (Wundt), jedoch
nicht immer (Kaupp); nach Athembesch werden (Köhler); zuweilen nach Unter-
drückung der Milchsekretion, nach Excessen im Essen. — Im Ham erscheint auch
Eiweiss bei bestehender Herzhypertrophie, nach Unterbindung der Nierenvene oder
Hohladcr (H. Meyer); nach leidenschaftlichen Aufregungen mit lebhaftem Herz-
schlag ; bei besondern Veränderungen dos Nieronbaues, Losstossung des Epitheliums etc. —
Ferner nach einer selbst vorübergehenden Störung des Blutlaufcs in den Nieren
(Brachct, Peipers, Müller), und endlich nach Verletzung des vierten Him-
veutrikels, etwas über dem Ort des sogen. Zuckerstichs (Bernard). Das Pankreas-
ferment geht in das Blut eingespritzt mit allen seinen Eigenschaften in den Ham
Uber (CI. Bernard).
Fette**). Menschen und Säugethiere, welche anhaltend mit fettreicher Nah-
rung gefüttert werden, entleeren fetthaltigen Ham (Lang).
Oallensäuren **•). Nach Injection von glycocholsaurem Natron erscheint Glyco-
cholsäuro; nach Unterbindung des Gallengangs und bei Gelbsucht Cholsäure (Kühne).
Eisensalse f) sind zuweilen nach vermehrtem Genuss derselben gefunden
worden; häufig aber fehlten sie auch dann (Wöhler, Aldrigo, H. Müller und
K öllik er); nach Injection von Wasser in das Blut (Härtner).
Leucin, Tyrosin fanden Frerichs und Staedeler im Ham der Hunde
und Menschen, z. B. bei gelber Lebererweichung, in welcher jene Stoffe reichlich in
der Leber u. s. w. Vorkommen.
•> Frerichs, Die Br lg h t'sche Nicrenkrunkhcit. Braunschwelg 1861. 180 u. 376. — H. Meyer,
Zeitschrift fUr physiologische Heilkunde. 1844. p. 114. — Härtner, Beiträge sur Phya. der Harn-
nbsondorung. 1858.— Vogel n. Neubauer, Analyse des Harns. 8. And. 1858. — CI. Bernard,
snr les llqnides. I. 130. 386.
••) Lang, De Adlpe in urina ot renihna. Dorpat 1852. ß
•••) Ktthno, Virchow’s Archiv. XIV. Bd. 460.
t) Scherer, Jalireaber. für physiolog. Chemie. 1844. p. 125. — Härtner, Beitrüge zur
Physiologie etc. Erlangen 1858. — Müller und K öllik er, zweiter Bericht der physiolog. Anstalt,
1850. Resorption von Eiscnsalzcn.
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Seltenere Bestandteile des Harns.
417
Allantoin*). Wenn einem erwachsenen Hunde so viel Oel in die Lunge ein-
gospritzt wurde, dass eine beträchtliche Athemnoth entstand, oder auch nach allhal-
tendem Kinathmen von Chlor wurde Allantoin im Harn gefunden (Stacdcler,
Köhler).
Cystin **) suweilen als Harnstein, öfter auch gelöst.
Veränderung des Harns durch einen ungewöhnlichen Speisezusatz.
Von den löslichen, mit Blut überführbaren Stoffen erscheinen einige im Harn nicht
als solche wieder, wenn sio verschlungen wurden. Die Veränderungen, die sic er-
fuhren, geschahen entweder schon im Harmcanal, oder in dem üesammtblut, oder nur
in» Blut cinselner Organe; wio und wioviel von den einzelnen Stoffen zersetzt wurde,
hangt ab von der Verbindung und der Menge , in der sic aufgenoiumcn wurden , von
der Aufenthaltsdauer im tliierischen Körper und von dem jeweiligen Zustand des
letzteren. — Andere Stoffe erscheinen unverändert im Harn wieder. Es ist von Wichtig-
keit diesen Untersuchungen nachzugehen, weil ihre Ergebnisse das chemische Leben
der Organe und die absondernden Eigenschaften der Nierenhäutc beleuchten.
A. Umgewandolt erscheinen:
Salicin •**) = (V.HisOu, es liefert spiroylige Säure =** C14H0O4 (Mil 1 ö n und Le -
voran). Diese Säure ist hervorgegangen aus einer Spaltung des Salieins, die schon
der Speichel bewirkt (Stacdeler); unter Aufnahme von 2 At. Wasser = CatlljoOir.
zerfallt es in Zucker = CtiHuOt« und Saligenin — « CuHgOa, welches letztere nach
Austritt von 2H in spiroylige Säure übergeht.
Gerbsäure t) = CigHgOi« erscheint im Harn als Gallussäure == CmHgOio und
Brenzgallussäure = CitUsOr. (Wühler und Frorichs). Diese Umwandlung ist die-
selbe, welche Gerbsäure u. A. in schwach alkalischen Lösungen erleidet; sic geschieht,
wie man sieht, unter Abscheidung nur von C4H3O*, oder gleichzeitig von 2C0|.
Harnsäure ff) = CsHiNtOa bewirkt das Erscheinen von CO*, etwas Oxalsäure C*0
und Harnstoff C*Il4N*0* (Wo hl er und Frerichs); um in diese Stoffe zerfallen zu
können, muss, abgesehen von der Bildung anderer Zwischenproductc , die Harnsäure
Wasser und 0 aufnehmen.
Guanin = CiolIsNsOi, Allantoin =* C'illjNtOa, Alloxanthin = CuHqNiOio ©t-
scheinen nicht als solche; jedesmal mehren sio dagegen den Harnstoff; Allantoin mehrt
aber nicht, wie man erwartete, die Oxalsäure.
Thiosiuammin = NiCsHsS* gab Rhodanammouium =3 NtCiHjS*; aus dom ersten
sind also C4H4 ausgeschieden worden.
Eine Reihe ttf) von Säuren: Benzoe-, Zimmet-, Toluyl-, Salicyl-, NitrobunzoC-
säure, paaren sich mit dem Glycin der Galle; Benzo£süuro geht in Giycobenzoüsiiuru
(Hippursaurc) Über; Zimmetsäurc (C|gHM0|), welche unter Aufnahme von HO in Essig-
und Benzoßsäure zerfällt, bildet ebenfalls Hippursäure (Marchand, Chiozza, Ber-
ta gn in i). — Salicylsäure = CuHßO»; bildet Salicyluraaure => CtslbiN Og (Ber-
") 8 ta edel er und Frerichs, Müller'« Archiv. 18&4. — Uermann Kühler, de allan
tolno, dissertatlo. 1857.
*■) Ncnbnuer, Harnanalyse. 8. Anti. 10t».
•••) Mn idor, 1. c. 1279. — Stnedelcr, Chemisches Centralblatt. I8f«8. 109.
t) LI e big’ s Annalen. 65. Bd.
tt) Siebe die Literatur bei Harnstoflinehrung p. 304.
4tt) Auw»er der Literatur bei Hlppuraifare p. 391 noch: ’Nenbaucr. Harnanalyse. p. 191. —
Bertagni nl, Conipt. rend. XXXI. 490. — Derselbe, Lieb lg'« Annalcu. 1W9. Februar.
Ludwig. Physiologie II. 2. Auflage. « ^7
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418
Seltenere Bestandteile des Harns; Hambcreitung.
tagnini). — Toluylsäure = CigHtOs bildet Tolursaure =» CtoHuNOg (Kraut). —
Nitrobenzoesäure geht in Kitrohippursäure = C|gHsN*üto Uber (Bertagni n i).
Essigsäure (C4H4O4), Aepfelgäurc (C4H3O5), Weinsäure (C4H3O6), Citronensäure
(C0H4O7). Oxalsäure (CfHOs), frei oder in Verbindungen gegeben, geben je nach der
genossenen Menge ganz oder theilwcise in den Harn Uber ; erscheinen aio gar nicht oder
nur theilwcise als solche, so enthält der llarn kohlcnsauro Verbindungen ( Wähler,
Buchheim, Millon). Die Umwandlung der essig -, äpfel Weinstein citronensauren
Salze geht schon im Darmcanal vor sich durch Gährung (Büchner, Buchheim). —
Bernsteinsäure (C4H3O4) ist bald gar nicht, bald in CO», bald in Hippunäure ver-
wandelt wiedergefunden worden (Buchheim, ‘Kühne, Hall wachs, Wähler).
Ammoniak Verbindungen *) mit organischen Säuren kommen im Harn als NOr.
wieder (Bence Jones); Salmiak als solcher (Neubauer).
Schwefelkalieu theils als Schwefelsäure, thcils unverändert.
Perrocyanid kommt im Harn als Fcrrocyanür wieder, in Folge einer von der
Harnsäure ausgeübten Desoxydation (Buch heim) •*).
Nach dem Verschlingen von Amygdalin fand Ranke Ameisensäure, nach Ein-
spritzungen in das Blut fanden K öl liker und Müller den unveränderten Stoff wieder.
TheYn, Theobromin, Anilin, Alcoholaether und mehrere Farbstoffe treten im
Harn nicht unverändert auf. Ihre Schicksale sind zweifelhaft.
B. Unverändert ersehe nun im Harn : Chinin , Morphin , Strychnin , Leucin (in’a
Blut injicirt), Campher-, Anis-, Amminsäure (Bertagnini, W. Hoff mann), Bern-
steinsäure (?), Arsen, Gold, bor-, chlor- und salpctersaure Alkalien, Jod, Rbodan-
kalien, Quecksilber, Wisinuth, Blei, Zinn, Blutlaugensalz und viele Farbstoffe,
v. B. der des Rhabarbers, des Lakraus, der Cochenille u. s. w.
Harnbereitung. Thatsächlich scheint Folgendes zu sein:
1) zur Herstellung des Harns entnimmt die Niere dem Blute, mit
der wässerigen Salzlösung zugleich auch deu Harnstoff, das Krea-
tin und Kreatinin, die Harn- und llipptirsäure, die Zuckerarten
und die Farbstoffe; sie fährt also die genannten Blutbestandtheile
unverändert in den Ham tiher***).
Bewiesen soll diesos sein: 1) durch die Erfolge der Nicrenauarottung ; wäre in
der That die Niere nicht an der Bildung, sondern nur an der Ausscheidung der ge-
nannten Stoffe betheiligt, so müsste sich nach der Nierenausrottung so viel von ihnen
im thierischen Körper anhäufen, als das unverletzte Thier in der entsprechenden Zeit
durch den Harn entleert hätte (rrovost und Dumas). Der Versuch hat ergeben,
dass nach jener Operation mehr, aber auch weniger Harnstoff im Blut vorkommt, als
man in dem Blut des gesunden Thieres findet, ja dass er auch ganz fehlen kann
(Stannius*, Bernard, Barreswil). Wegen der mit einem namhaften Verlust
verknüpften Bestimmungsweise des Harnstoffs haben die Resultate allerdings keinen
▼ollgiltigen Werth, aber immerhin haben alle Beobachter den Eindruck empfangen, als
ob die Anhäufung keineswegs der hypothetischen Entleerung entspräche. Um trotzdem
•) Procedlngs of the royal »ociety. Vol. VII. M. — Liebig 8 Annalen. 78. Üd. 261. — Neu-
bauer, 1. c. p. lüo.
•*) Mayer, De ratione qua femim mutetur ln corpore. Dorp. 1860.
■••) Stannina, Archiv Mr physiologische Heilkunde. IX. Bd. 201. — Bernard und Bar-
reiwil, Archiv, gludr. 1847. 442.— Strahl und Lieberkübn, Harnsäure im Blut. Berlin 1848.
' * ~ffm —
Folgen der Nierenausrottung und des Nierenumsatzes.
419
die Unabhängigkeit der Hornstoffbildung von der Niere festauhalten , muss man an-
nehmen, die Neubildung sei entweder durch die zurückgehaltenen Harnbestandtheile
selbst unter der Norm gehalten , oder der nicht ausgeschiedeno Harnstoff sei weiter
zersetzt worden. Bernard und Barreswil’finden das Letztere darum wahrscheinlich,
weil die nicronlosen Hunde mehr Magensaft als sonst abscheiden , der , obwohl er sauer
ist, doch viel Ammoniak salze enthält — Dass eine Anhäufung von Harnstoff im Blut
und in den Gewebsflüssigkeiten nach gänzlicher oder theilweise aufgehobener Harn*
absonderung beim Menschen nichts für die Frage beweist, ist sogleich ersichtlich, weil
ja die Niere noch anwesend ist. — Ausser deni Harnstoff ist nur noch die Harnsäure
im Blut nierenfreier Thiero, und zwar mit einem der vorstehenden Hypothesen gün-
stigen Erfolg gesucht worden (Strahl, Lieberkühn). — 2) Durch die Ver-
gleichung des Nicrenrenenblntes mit dem der Arterie. Nach Picard soll das erstere
ärmer an Harnstoff sein als das letztere. Solche Vergleiche sagen aber darum nichts*
weil die gcgenübergestellten Blutmassen niemals denselben Gehalt an Plasma und Kör-
perchen haben und der Harnstoff doch wohl nicht über beide gleich vertheilt ist. —
Ausserdem warnt Recklinghausen vor der Methode von Picard, und Gubler
und Poiseuille geben an, dass oft gerade das Gcgentheil von dem, was Picard
fand, statt hat. — 3) Einen andern Beweis für die blosse Ausscheidungsthätigkeit der
Nieren erbringt man , indem man die Entstehungsorte der ausgeharnten Stoffe auf-
deckt. Dieses gelingt fUr Kreatin (Muskeln, Hirn), Zucker (Magen, Leber), Harn-
säure (Milz, Lunge, Leber), Hippursäure (Leber und Blut), die Farbstoffe (Lebor,
Blut). Aber immer bleibon noch Bedenken , ob die Entstehung an jenen Orten die
Neubildung einiger der aufgezählten Stoffe in der Niere aüsschliesst ; so verdient es
der Aufmerksamkeit, dass sich in einer Niere, deren Ureter unterbunden ist, viel
mehr Kreatin anhäuft, als während der Unterbindungszeit entleert worden wäre ; ferner,
dass die Nieren Inosit enthalten, ln den seltenen Fällen also, in welchen jene Zucker-
art im Harn vorkommt, ist ihr Ursprung ungewiss. — Dem Harnstoff endlich kann
man keinen Erzeugungsort mit Sicherheit zuweisen ; wahrscheinlich ist es , dass
Guanin *=* C10N5H5O , Sarkin = CjNaHiO , Xanthin = C&N*H*Oi , Harnsäure
*= C5N1H4O3 zu seiner Bildung beitragen ; ob diess aber die einzigen Uebergangs-
stufen von dem Eiwciss und J*eim zu ihm sind, und ob Bie an dem Orte, wo sie
entstanden, auch zu Harnstoff umgeformt werden, ist nicht einmal der Vermuthung
zugänglich. Jedenfalls steht es fest, dass die in die Niere gelangte Harnsäure sich
noch weiter dort zerlegen kann, wenn sie in Folge der Ureterenuntcrbindung längere
Zeit dort festgehalton wird (Beckmann). — 4) Weil so viele Stoffe, die mit den
Nahrungsmitteln in den Thierleib gelangen, verändert oder unverändert durch die
Niere austreten, so war man geneigt, die Nieren überhaupt nur als Ausscheidungs-
organe anzusehen ; diese Unterstellung ist aber nicht mohr in dem alten Umfang fest-
zuhalten , seit man mancherlei der Niere eigenthümlichc Umsetzungsprodukte kennen
lernte.
2) Das Nierengewebe oder die an einzelnen Orten desselben
eingeschlossenen Flüssigkeiten erfahren eigenthümlichc chemische
Umsetzungen. Dafür spricht die Anwesenheit des Taurins oder
Cystins und des Inosits (Cloütta), Stoffe, welche trotz ihrer
Gegenwart im Nierengewehe nur selten in den Harn übergeben;
ferner die Farbenänderung, welche das Blut in der Niere erfährt;
27 •
420 Einfluss ilcs Spannunprsuntcrachiedes zwischen Blut und Han».
ferner die Umsetzung, welche der Harn erleidet, der durch Unter-
bindung des Ureters in der Niere zurückgehalten wird. Wo die
Flüssigkeiten gelegen sind, welche die erwähnten nicht in den
Harn übergehenden Stolle enthalten, ob in der Masse zwischen
den GefUssmascbcn der glomeruli oder in den Zellen der Canälelieu,
ist ebenso unbekannt, wie es die Vorgänge sind, welche die ehern.
Umsetzung einlciten und die Stammatome, welche davon ergriffen
werden.
Der chemische Vorgang in der Niere kann Übrigens ebensowohl
dazu dienen, die Bestandteile des Harns zu mehren, wie die Ab-
seheidung des Harns ans dem Blut zu unterstützen.
Zerlegt sich unter Zutritt des dem Blut entzogenen Sauerstoffs das Taurin noch
weiter, so würden endlich die beiden Harnbestandthcilu SOj und Am() zum Vorschein
kommen. Aus Inosit konnte man Milchsäure ableiten und sich so erklären, warum
der saure llaru aus dem alkalischen Blut kommt, aber in dem Ilarn ist diese Säure
eine Seltenheit.
3) Mit dem Unterschied der Spannung, welche Blut und Harn
in der Niere besitzen, ändert sieh die Absonderung; innerhalb ge-
wisser Grenzen ändert sich mit dem Druckunterschied nur die
Menge des abgeschiedenen Harns, jenseits dieser aber auch die
Art der Stoffe, welche in ihn übergehen, a) Bei ungehindertem
Abfluss mindert sieb die Geschwindigkeit , mit welcher ein gesunder
Ham ausgesebieden wird, während der Beizung der n. vagi und
nach einem Aderlass; sie steigt dagegen nach Durcbsclineidung der n.
vagi; ebenso, wenn die Blutmasse eines Thiers dadurch gemehrt
wird, dass man ln den Blutgefässraum desselben das ans der Ader
gelassene Blut eines gleichartigen Thieres cinfiillt; endlich auch
dadurch, dass man in der Nierenartcric den Druck erhöht ver-
mittelst des Verschliessens einiger grösserer Abzugsrohren ans der
Aorta, so z. B. nach Unterbindung der aa. carotides, subclaviae
crnrales. — Eine Blutdrucksteigerung jenseits gewisser Grenzen
bedingt aber auch den Uebergapg von Eiweiss iu den Ham; auf
diese Weise erklärt man sich wenigstens das Auftreten des
genannten Stoffes nach Unterbindung der Aorta unterhalb der
Nierenarterien. b) Bei unverändertem Blutdruck wird die Ge-
schwindigkeit des Harnabflusses ans der Niere wesentlich beschränkt
durch Hindernisse, welche in den Ureter eingebraebt werden. Loc-
bell gab an, dass, wenn der Druck der im Ureter angesammeltcn
•) llnll, llcule'» uml Pfe Ufer'» Zeitschrift. *. Reihe. III. Dil.
•■) Valentin ’s Jahresbericht für 184tf. 157.
NerveneinJlujjs auf die Harnbereitung.
421
Flüssigkeit wahrend der Muskelruhe dieses Rohrs auf 7 bis lOMm Hg.
gestiegen sei, so höre das Naehfliessen von Harn schon auf. ln
der That kann man sich leicht davon überzeugen, dass ein Hg-
Manometer, das in den Harnleiter mündet, in den ersten Mi-
nuten rasch auf den genannten Werth oder auch um einige M.-M,
höher steigt und dann viel Minuten hindurch immer wieder auf
dieselbe Höhe herunterfällt, nachdem es während der sich häufiger
folgenden Ureterenbcwegungen bedeutend emporgedrttekt war. L o e -
bell schloss daraus, dass ein Gegendruck von dem genannten
Werth die Harnabsonderung zum Stocken bringen könne. — Als
Hermann mit besonderen Vorsichtsmaasregeln ein Manometer
in den Ureter brachte, der zwei Stunden lang geschlossen gewesen
war, so trieb sein Inhalt das Quecksilber um 40 M.-M. empor.
Hieraus würde man folgern dürfen , dass der Harn auch noch trotz
eines viel hbhern Gegendrucks, als Loebell meinte, abgesondert
werde, wenn in der That der Inhalt der ausgedehnten Nieren-
kanälchen ein Harn im gewöhnlichen Wortsinn gewesen wäre.
Dieses schien aber nicht der Fall zu sein, denn die Flüssigkeit
enthielt keinen Harnstoff, sondern relativ viel Kreatin. Demnach
hatte also die Hambildnng jedenfalls aufgehört bei einem Gegen-
druck, der unter 40 M.-M. lag. Die hohe Lage, welche der Niere
im thierischen Körper über der Harnblase gegeben ist, wodurch
der Harnabfluss so sehr begünstigt wird , ist jedenfalls vorteilhaft
für das ungestörte Bestehen der Absonderung.
4) Veränderungen in der Ilarnabsonderung wurden beobachtet
nach Verletzung des vierten Ventrikels (vermehrte Wasser-, Zucker-,
Eiweissabscheidung), nach Reizung und Durchschneidung der n.
splanchnici und renales, nach Einsetzung der Enden einer tätigen
Inductionsrolle in die Nierengegend, nach allgemeinen Krämpfen.
Aus allem Diesen muss man schliesscn, dass die Nerven die Ab-
sonderung beeinflussen. Tbeilweise geschieht dieses, wie z. B. bei
der Zuckerausscheidung, auf bekannten Umwegen, zum Tbeil viel-
leicht dadurch, dass die Strömung des Bluts in der Niere geändert
wird. Die letztere Vermutung gründet sich darauf, dass sich
mit dem Blutdrücke die Harnabsondcrung ändert , dass sich der
Blutstrom der Niere unabhängig von dem Gcsammtkreislauf
stellen kann, weil die kleinsten Arterien der Niere stark muskel-
haltig sind. Mit diesem allgemeinen Nachweise schliesst sich aber
auch unsere Kenntniss; denn bis dahin sind alle Versuche über die
vorliegende Frage noch sehr mangelhaft.
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422
Einflufts der Blutzugammensetzung auf die Hambereitung.
# Bei neuon Rettungsversuchen über die Abhängigkeit der Haroabsonderung von
den Nerven ist zu beachten , dass fiir sie Zeit und Umstände zu wählen sind, in denen
die aus unbekannten Gründen eintretenden Schwankungen der Harnabsonderung nicht
gar zu gross sind; dann müssen als unbrauchbar allo die Versuche ^ei Seite gelegt
werden, die einen blutigen oder ciwcisshaltigen Ham liefern; die Fehler, welche aus
der ungleichen Füllung und Bewegungsfolge’ der Ureteren hervorgehen, sind zu
meiden und die Reizmittel selbst sind mit den allgemein bekannten Vorsichten anzu-
wenden. — Auch die hoffnungsvollen Versuche der Nervendurchschneidung ara splanch-
nicus und plex. renalis sind bis dahin wegen der Abkühlung der Nieren, der Zer-
rungen und Zusammen pressungen der Ge fasse, des darauf eintretenden Bluthamens u. e. w.
noch unbrauchbar. — Von dem Einfluss der Nervcnreizung auf Verminderung der Harn-
absonderung kann man sich leicht überzeugen , wenn man durch eine feine Oeffnung
in den Bauchdecken inducirbare Drähte bis in die Nähe der Nierongefasse schiebt und
den Harn in getheilte Röhren fliessen lässt, welche in den Ureter gebunden waren.
Mit dem Beginn der Schläge stockt oder verlangsamt sich der Hamstrom.
5) Die Zusammensetzung des Blutes greift unzweifelhaft bestim-
mend in die Art und in das Maass des Harns ein ; aber das Genauere
des Abhängigkeitsverhältnisses ist fast vollkommen dunkel; dieses
gilt namentlich auch für die Geschwindigkeit, mit welcher sich die
Blutänderung im Harn zeigt; denn wenn auch einige Stoffe fast
augenblicklich, nachdem sie in das Blut gekommen sind, im Harn
wieder erscheinen, so rufen andere erst längere Zeit, nachdem sie
dem Blute beigemengt waren, in der Niere den ihn zukommenden
Erfolg hervor. Dieses letztere gilt z. B. für das in das Blnt ein-
gespritzte WasRer, welches häufig nicht allsogleich, sondern erst
nach einer Stunde die Harnausscheidung vermehrt; hier scheint es
also fast , als ob erst vorgängig Blut oder Niere vorbereitet werden
müssten, damit die Harnbildung lebhafter werden könne.
Eine andere Betrachtung knüpft sich an das Verhalten der
Eiweissstoffe zum Haru. Offenbar kann die Niere nicht dem Ei-
weiss überhaupt den Eingang in den Harn wehren; sondern sie
vermag es nur so lange, als das Blut seine normale Zusammen-
setzung behauptet. Denn der Ham wird sogleich eiweisshaltig,
wenn das Blnt plötzlich mit viel Wasser verdünnt wird, wenn Ei-
weiss- oder solche Stoffe, wie z. B. gallensaures Natron, ein-
gespritzt werden, welche die Blutkörperchen auflösen. Fast sollte man
denken, dass hier die Kochsalz verdünnung von Einfluss sei ; denn das
eingespritzte Wasser treibt kein Eiweiss mehr aus, w^n ihm Na CI
beigemengt wird (Härtner) und nach NaCl-hunger sah Wundt
seinen Ham mit Eiweiss beladen. Muss nun die Niere oder das
Eiweiss geändert werden, damit das Letztere ein Harnbestandtheil
werden könne? «.
Beziehung zwischen Abfluss und Zusammensetzung des Harns.
423
6) Beziehung zwischen der Zusammensetzung des Harns und
der Geschwindigkeit seines Abströmens aus der Niere. Fängt man
den Harn jeder Niere gesondert auf, so gewahrt man fllr gewöhn-
lich, dass bald aus dem einen und bald aus dem andern Ureter
der Abfluss beschleunigter wird. Obwohl diessmal der Harn aus
demselben Blut hervortrat, so weicht doch die beiderseitige Zu-
sammensetzung noch beträchtlich von einander ab und zwar um so
mehr, je grösser der Unterschied des gleichzeitig entleerten Harn-
voluras ist. So weit bekannt, bezieht sich die chemische Ver-
schiedenheit der beiden Harnsorten vorzüglich auf die Verhält-
nisse zwischen den einzelnen Hambestandtheilen. Namentlich ist in
dem langsam austretenden Harn der Quotient aus Wasser in dem
Harnstoff grösser als bei rascher hervorgehendem, umgekehrt ver-
hält es sich vielleicht mit dem Verhältnis« zwischen Wasser nnd
NaCl; sicher ist dagegen der Quotient aus Na CI in den Harnstoff
in dem rascher gelassenen Harn kleiner als in dem andern. — Man
könnte die Annahme machen, dass der Harn ursprünglich, wie er
soeben aus dem Blut in die Canälchen trat, sich in beide Nieren
gleich verhalten habe, und dass die verschiedene Aufenthaltsdauer
in den Canälchen ihn geändert habe; dann musste also aus dem
ursprünglichen Harn mehr Wasser und NaCl als Harnstoff ver-
schwunden sein. Folgt man dieser Voraussetzung, so muss an der
eingetretenen Veränderung die Diffusion einen Antheil haben; aber
sie kann dieselbe, vorliegenden Thatsachen entsprechend, nicht
allein bedingen. — Anderseits Hesse sich aber auch behaupten,
dass auch schon im Augenblick der ersten Bildung der beiderseitige
Harn ungleich gewesen sei, weil die Möglichkeit nicht bestritten
werden kann, dass jeder Werth der absondernden Kräfte au nnd
fitr sich ein anderes Verhältniss zwischen den Hambestandtheilen
fordere.
4 JJio Diffusion wurde, abgesehen davon, dass sie die einfachste Erklärung der
beregten Erscheinung giebt, in Betracht gezogen, weil sie erklärt, warum der Gehalt
des Harns an festen Bestandteilen gewisse Grenzen nicht übersteigt und in dem
Lösung6gemenge ein Stoff den andern zu ersetzen vermag und weshalb der Harn fast
trocken wird, wenn die festen Bestandteile des Harns unlöslich sind, wie es i. B. ge-
schieht , wenn der auszuwerfende N statt durch Harnstoff, durch Harnsäure aus-
geschieden wird. Die Zurücknahme des Wassers, welches die Harnsäure durch die
Haut der Gefässe überfUhrte, wurde natürlich zur Notwendigkeit, so wie diese in
der Niere aus dem gelösten in den ungelösten Zustand übergegangen war.
Andere Erfahrungen scheinen jedoch zu zeigen, dass die Diffusion nicht mehr
znr Erklärung ausreicht. Denn der Ham, welcher sich nach einstttndiger Unterbin-
dung dea Ureters in diesem letztem anhäuft, enthält in 100 Theilcn weniger NaCl
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424
Eigenthätigkeit der Niere.
als das Blut und als der Harn , welcher vor und nach der Unterbindung auf derselben
Niere und gleichzeitig auf der entgegengesetzten abgesondort wurde; ja öfter ist in
dem »urückgehaltcncn Harn das Na CI nur noch spurweise enthalten. — Dieses rerstösst
aber gegen die Grundgesetze allefr Diffusion. — J. Hoppe hat noch auf einen zweiten
Umstand hingewiesen; nähme man an, meint er, dass der Ham auf dem Wege der
Diffusion von Blutserum conzentrirt werde, so müsse, wenn man einen gesättigten
Harn durch eine Scheidewand vom Blutserum desselben Thierc» trennte, kein Wasser
aus dem Serum zum Ham übergehen; dieses geschah jedoch, als er den Versuch aus-
führtc. Bevor diese Thatsache mit don Erscheinungen in der Niere verglichen werden
darf, müsste man wissen, ob die Haut, welche Hoppo anwendeto , gleiche endos-
motische Eigenschaften wie jene der lycreneanälchen besass; würde die todtc Haut
für Kiwciss und Harnstoff durchgängiger gewesen sein, so müsste auch eine andere
Yerthcilung der Stoffe auf beiden Seiten eintreten. Dor Grund, warum in seiner
Beobachtung das Harnvolum zunahm, könnte also erst nach einer genaueren Zergliederung
des Vorgangs begriffen werden.
7) Die nach Maas» und Art ungleiche Absonderung, welche
in derselben Zeit die gleichschweren Nieren desselben Thiers dar-
bicten, könnte inan wohl erklären aus Ungleichheiten des Blutstroms,
die veranlasst wären durch den jeweiligen Zustand der Muskeln
in den kleinsten Arterien, oder auch durch die veränderliche Leich-
tigkeit des Harnabflusses ; aber mau kann sie zum Theil wenigstens
auch andern in der Niere vorkommenden mit der Zeit veränderlichen
Umständen zuschreiben. Das Vorkommen dieser letztem wird wahr-
scheinlich gemacht dadurch, dass bei sonst gesunden Hunden oft
Stunden, ja Tage lang gar kein Harn abgesondert wird, dass Opium die
Harnabsonderung öfter wenigstens verlangsamt, Curare (Kölliker),
Terpenthin, Cantharidcn u. s. w. sic beschleunigen. Zur Gewissheit
wird diese Vermuthung durch die Beobachtung von Hermann,
dass nach Lösung einer Unterbindung des Ureters, die wenigsten«
eine Stunde lang bestanden, der Harn so ungemein reichlich zum
Vorschein kommt. Untersucht man eine solche Niere bevor das
Unterband geöffnet wurde, so findet man sie sehr angesehwollen,
so dass sie an Maass und Gewicht die entgegengesetzte bedeutend
Ubertrifft ; die Canälchen sind mit Flüssigkeit gefüllt, die Epithelien
ausgedehnt, die Venen beengt, was daraus hervorgeht, dass die
auf der Kapsel verlaufenden, durch die Niere zur ven. ren. treten-
den Zweige beträchtlich ausgedehnt sind, und in der Umgebung
der Niere Ocdem veranlasst haben.
Härtner fand die Epithelien solcher Nieren, die in Folge von Wasscrein-
apritzungen in das Blut reichlich abgesondert hatten , ebenfalls beträchtlich aus-
gedehnt; ob dieses Folge oder Ursache der gesteigerten Harnbildung war, ist un-
bekannt.
Hypothesen zur Erklärung der Hambereitung. 425
Da sich die Thatsachen noch nicht znsammenreihen zur Er-
klärung der Harnabsonderung, so hat man sich bemüht, das Feh-
lende durch Hypothesen zu ergänzen , in der Absicht, um durch
sie zu neuen Versuchen geführt zu werden. Die Anforderungen , die
man an ein solches Unternehmen mit Recht stellen darf, bestehen
darin, Rechenschaft zu geben, wodurch die dem Harn eigenthUm-
lichen Bestandtheile aus denen des Bluts ausgelesen werden, weiter,
wodurch sie in die Canälchen tlbergeftlhrt werden , ob sie dort sich
wieder verändern und wodurch dieses geschieht, denn es erscheint
von vomeherein und insbesondere im Hinblick auf den eigentüm-
lichen Bau der Nieren unmöglich, dass ein so verwickeltes und so
veränderliches Lüsungsgemengc wie der Harn ohmj, Zuthun viel-
facher Bedingungen bereitet würde.
1) Da nach vorübergehender Unterbindung der Nicrengefässe und Nierennerven
der Harn blutig und oft sogar die Niore zerstört wurde (Brachct, Müller,
Fcipers)*), so war man geneigt, die llarnbildung den Nerven zuzuschrciben. So
sehr cs zu wünschen wäre, dass der Grund, warum nach jener Operation die Niero
zerstört wird , einer neuen Untersuchung unterworfen würde , so wenig berechtigt die
genannte Thatsache zu der Annahme , dass die Nerven in der unverletzten Niere die
Auswahl des Harns aus dem Blut und seine Uebcrführung in die Canälchen besorgen.
Es ist im Gcgcnthcil wahrscheinlicher, dass durch die Quetschung , welche Vene und
Arterie erleiden , der Blutstrom in der Niere , wenn auch nicht plötzlich , so doch all-
mälig verändert werde und dann Nierenbrand eintrete, der durch die besondern chemi-
schen Einrichtungen der Niere eine besondere Gestalt annimmt. Die letztere Unter-
stellung ist darum die wahrscheinlichere, weil die Zerstörung der Nieren noch nicht
beobachtet ist, wenn die Nerven ohne Quetschung der Blutgefässe durchschnitten
wurden.
Andere Beziehungen, die man zwischen der Nervenerregung und der Harn-
bildung beobachtete, lassen darauf schliessen, dass die erstere den Blutstrom regelt;
wenn sich der Einfluss der Nerven darauf beschränkt, so würde man sagen können,
er sei befähigt, den Gang der Absonderungsmechanik einzuleiten und zu ver-
stärken, aber nicht in den innern Zusammenhang der letztem cinzugreifcn. — Dafür,
dass der Nerv in die chemischen Hergänge eingerechnet sei, welche zur Hambildung
gehören, liegt kein Beweis vor. — Dondcrs deutet, indem er die Möglichkeit des
letztem vor Augen hat, auf die Analogie zwischen Magen und Niere hin, die beide
eine saure Flüssigkeit abscheiden.
2) Die Epithclialzcllen der Hanicanälchcn ziehen die festen Bestandtheile des Harns
aus dem Blut an , und diese werden ausgewaschen durch das Wasser, welches aus den
Ülomorulis abgeschieden wird (Bo w man). In dieser Form befriedigt die Hypo-
these nicht und die Thatsachen sprechen nicht für und nicht wider sie. Nachdem
Busch in den Zellen der Haraorganc bei Schnecken und Wittich in dem der Vögel
Harnsäure aufgefunden, gab der letzte Thysiolog der genannten Hypothese folgende
•) Müller*» Handbuch der Physiologie. 4. Anti. Bd. 1. p. 376 u. f. — C. Ludwig, Wag-
ner'« Handwörterbuch. U. 628. — Schultz, Valentin'« Jnhrcsber. für 1861. p. 134.
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426
Hjrpthese von Bowman-Witticb.
Gestalt: die Zellen der Vogelnioro ziehen aus dem Blut neutrale« hamsaures Kali an;
dieses wird in den Zellen durch die anwesenden Eiweisskörper oder die vorhandene
Kohlensäure in saures harn*. Kali zerlegt, welches in fester Form niederfallt. Das frei-
gewordene, mit dem Eiweiss oder der CO* in Vorbindung gekommene Kali zerstört
die Zelle, so *daas die feste harnsaurc Verbindung in die Hohle des Canälchens ge-
langt und durch den Strom von Flüssigkeit ausgespült wird , welcher sich in den
Glomerulis absondert. Diese Flüssigkeit ist aber ursprünglich dem Blutsorum gleich
zusammengesetzt ; sic kann durch die Diffusion verändert werden , aber immer wird sio
eiweisshaltig bleiben. — Da der Ham der Säugethiere kein Eiweiss enthalt, wenig-
stens nicht in merklichen Mengen, so kann die letzte Unterstellung überhaupt nicht
für sic gelten. — Nehmen wir sie aber in der Grenze, in der sio aufgcsteilt wurde,
nämlich für die Vögel an , so lässt sich Folgendes für und wider sagen : Der Beweis
dafür, dass die Zellen die hamsauren Salze anziehen, soll darin liegen, dass sie dort
gefunden werdon ; offenbar ist mit diesem Vorkotumon noch nicht bewiesen , dass sio
aus dem Blut zunächst in die Zellen dringen und von da erst dann in die Böhren-
lichtung gelangen, worin sich die Zellen damit überfüllt haben. Eben so gut können
die hamsauren Salze in verdünnter Lösung aus den Glomerulis in die Canälchen
kommen; sie können dort die Zellen durchtränken, sich in ihrem Verlauf durch die
Röhrchen sowohl in der Lichtung der letzteren , wie in den Zcllenhöhlon verdichten
und nicdcrfallen. Da die in den Zellen enthaltenen Niederschläge durch dieso letzteren
selbst festgehalten werden , so kann es sich auch ereignen , dass die in der Lichtung
enthaltenen hamsauren Verbindungen ausgeschwemmt werden, wahrend die ersteren
liegen bleibon. Diese Erklärung gewinnt im Gegensatz zu der von Wittich gegebenen
an Gewicht durch die Beobachtung, dass die zugebundenen Vogelnieren, statt sich mit
Harnsäure zu füllen, sie im Gcgentheil verlieren (Beckmann). Jedenfalls tritt dieso
Thatsachc sehr entschieden gegen die Harnsäureanziehung der Zellen auf. — Um don
Uobcrgang der Harnsäure in die Röhrenhöhlung zu erläutern, nimmt Wittich an,
dass die Zellen zerstört würden. In dieser Annahme liegt insofern etwas Logisches,
als sich entweder das Anziehende oder das Angezogenc verändert haben muss, wenn
die aus dem Blut stammende, in der Hamröhrenlichtung enthaltene Flüssigkeit die
Stoffe wieder aus den Zellen an sich nehmen soll , die ihr so eben , als sic noch im
Blut war, durch die Zellen entzogen wurde; dieses gilt um so mehr, als nach
Wittich jene Flüssigkeit Blutserum sein soll. Denn dächte man sich in den Zellen
anziehende Wirkungen und die von ihnen angezogenen Stoffe unverändert, so könnten
die letzteren nicht wieder aus den Zellen entfernt werden durch die Flüssigkeit , es
sei denn, man wolle annehmen, dass die anziehenden Kräfte der Flüssigkeit bald
grosser und bald kleiner als die der Zellen seien , je nachdem sie in den Blutgefässen
oder in den Harocanälchcn gelegen sei. — Nimmt man nun an, dass dio Zelle zerstört
wird, so müssto sich dieses bei der grossen Menge von Harnsäure im Vogelharn sehr
oft ereignen , und demnach müssten sich auch sehr viele Zellen ueu bilden ; finden
sich nun in der Niere Formstufen, die auf einen solchen Vorgang hinweisen? — Die
Flüssigkeit , welche die festen Bestaudtheile des Vogelharns entfernt , soll nach
Wittich darum aus den Glomerulis ausgesehieden werden, einmal weil die Gefäss-
schlingcn unter Berücksichtigung des Druckes doch etwas aussondern müssen , das Ab-
gesonderte könne aber keine Harnsäure sein , weil die Gefässe nicht mit Zellen über-
kleidet seien und weil die. Zellen in der Näho der Müll er* sehen Capscl keino harn-
sauren Niederschläge enthalten; ferner auch darum nicht, weil hier der Druck als
Absonderungsursache wirken müsse, der, da ihm keine chemische Kraft innenwohne,
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Hypothese von C. Ludwin.
427
unverändertes Berum zum Vorschein bringen worde. — Begreiflich lässt sich aber auch
die Abwesenheit der Niederschläge in den Zellen nahe an den Glomerulis dadurch be-
greifen , dass hier die Harnsäure führende Flüssigkeit noch nicht die Dichtigkeit oder
überhaupt noch nicht die Veränderungen erlitten hatto , die zum Festwerden jener Ver-
bindungen nöthig sind. Aus allem Diesen geht hervor, dass die tatsächliche Nothi-
gung, sich der B o wm an - W i ttich’ sehen Annahme anzusch Hessen , noch sehr
gering ist.
Die Gründe, aus welchen man so allgemein die Anziehungshypothese festhält,
müssen also tiefer liegen ; vorzugsweise scheint darauf zu wirken die Erfahrung, dass an so
Tielen Orten, namentlich in der Leber, in den Speichel -, Schleim-, Samendrüsen u.s.w.,
der frühere Zolleninhalt einen wesentlichen Theil des späteren Drüsensaftes ausmaeht-
Man setzte also auch Gleiches in der Niere voraus , indem man stillschweigend unter-
stellte, es sei der allgemeine Charakter der Zellen, eine lebhafte chemische Thätigkcit
zu entwickeln; eine kurze Umschau über die verschiedenen Zellenarten lässt aber bald
erkennen, dass statt dieser nicht allgemein gültigen, eine andere allgemeine Leistung
hingestellt werden muss, die nämlich, dass die Zelle einen eigenthUmlichen chemischen
Vorgang ab grenzen kann, wo ihr ein solcher gegeben ist. — Indem man nun die Nieren
mit den andern Drüsen verglich , 'konnte man nicht Übersehen , dass die Nieren nicht
vorzugsweise bilden , sondern nur ausscheiden , also wurde hier der Zelle statt eines
Erzeugung« - ein Anziehungsvermögen zugetheilt. Hierdurch entstehen aber neue
Schwierigkeiten, denn was soll das für ein Stoff in der Zelle »ein, der Säuren, Basen,
Salz und indifferente Körper aus allen Naturreichen gleich gnt anzieht. Und wenn cs
einen solchen gäbe, wie würden die von ihm angezogenen Körper wieder frei? Für
das Letztere lägen zwei Möglichkeiten vor, entweder die angezogenen Stoffe änderten
sich und büsaten dann ihre Verwandtschaften ein, oder der anziehende Stoff ginge zu
Grunde. Beides müsste eine Folge zurücklassen, die im Ham sichtbar wäre. Zählt
man hinzu, dass nach Unterbindung der Niere bei Säugethieren (Hermann) und
Vögeln (Beckmann) die Niere frei von Hambestandtheilen wird, so ist man schwer-
lich geneigt, die Zellen als Sammler der letzteren anzusehen.
Wenn man die Zelle als eine Einrichtung ansieht, die in ihrem geschlossenen
Binnenraum einen chemischen Vorgang isoliren kann , so wird man leicht zu der Be-
hauptung kommen, dass wo ein Binnenraum sei, auch ein eigentümlicher chemischer
Vorgang stattfinde, weil das Erstere ohne das Letztere unnütz sei. Jeder Kenner der
organischen Natur wird diesen Grund, obwohl er kein strenger ist, gelten lassen;
damit würde aber auch die Zelle einen Antbeil an der Harabildung gewinnen , der ihr
prinzipiell auch nie abgesprochen wurde, der aber factisch unbekannt ist. Man sagt
also etwas Selbstverständliches aus, wenn mau hervorhebt, dass die Haut des Harn-
canälchens ohne die Zelllage andere endosmotische Eigenschaften haben würde, als sie
mit derselben hat, und dass, wenn chemische Neubildungen in dem Zelleninhalt statt-
finden , diese den durch die Rohre wandernden Ham ändern würden.
3) Eine andere Hypothese zieht in Betracht die eigentümliche Art des Blut-
stroms durch die Nieren und die Erscheinung, dass die Wandung zahlreicher Capillar-
systeme des thierischen Körpers für eiweissartige Stoffe und Fette endosmotisch undurch-
dringlich ist. Von diesem Boden ausgehend, stellt sie nun die Vermutung auf, es
möchte der Blutdruck , welcher auf der innem Fläche der Gefässe des Glomerulus
ruht,, das gesammte Blutserum, weniger Eiweissstoffe, Fette und die mit denselben
verbundenen Salse durch die Blutgefässwandungen in das Lumen der Hamcanälchen
eintreiben. Die hier angelangte Flüssigkeit würde allmälig durch die Hamcanälchen
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428
Hypothese von C. Ludwig.
treten und auf diesem Wege in endosmotische Beziehung kommen au dem conzentrirten
Blut, welches in den Capillaren läuft, die jenseits der Glomeruli die Harncanälchcn
umspinnen (C. Ludwig). Im Einklang mit dieser Hypothese ist zuerst die Beobach«
tung, dass diu Geschwindigkeit der Harnabsonderung in einer unbczweifelbaren Be-
ziehung zum Spannungsunterschied zwischen dem Inhalt der Harn- und Blutgefässe
steht ; — sic wird unterstützt durch die Thatsaclien, welche das Eingreifen der Diffusion
in die Harnbildung darthun; weiter dadurch, dass wenn von zwei Nieren, die gleich-
zeitig, und somit aus demselben Blut Ham erzeugen, die cino mehr Wasser abson-
dert als die andere, sie auch mehr Harnstoff aus dem Blut nimmt; die Hypothese er-
klärt endlich ohne Schwierigkeit, warum das Blut so vielerlei und so verschiedene
Stoffe durch die Nieren entlässt und nur wenige zurückhält.
Um zu erklären , warum die in den Ham übergehenden Bestandteile in ihm in
einem ganz andern Verhältnis» Vorkommen als im Blut, giebt es verschiedene Wege.
Setzt man voraus, dass die in den Glomorulis ausgeschiedene Flüssigkeit Plasma, weniger
Eiweiss und die damit verbundenen Salze sei, so muss, da auch die Häute der Haro-
canälchcn in ihrem weitem Verlaufe für Eiweiss undurchgängig sind , zunächst das
Bestreben entstehen, das Wasser aus dem daran sehr reichen Ham in das Blut zu
führen, und zwar so lange, bis die Kraft, mit welcher das Wasser diesseits und jon-
scits der Haut festgehaltcn wird, gleich wäre, vorausgesetzt, dass der Ham lange
genug in den Canälchen verweilte. Indem dieses geschieht, Werden aber auch sehr bald
die Harnstoffe und Salzprozcnte des Harns höher 6ein, als die des Blutes, und cs
wird also die cndosmotische Ausgleichung auch durch don Uebergang jenor Stoffe be-
werkstelligt. Die Monge jedes einzelnen dieser Stoffe, die in den Canälchen zurück-
bleibt, würde dann abhängig sein von dem Unterschiede ihrer Dichtigkeit im Ham
und Blut und von der Diffusionsgeschwindigkeit, dio ihr zukommt in Anbetracht des
besondem Ucbergangswiderstandes , den die trennende Haut entgegensetzt Da nun be-
kanntlich durch die bis dahin untersuchten Häute das Na CI viel rascher geht als KO KO*
und 2NaO HO PO*, so würde es damit in Uobcreinstimmung sein, dass trotz dos
grossem Dichtigkeitsunterschiedes der beiden letzten Salze, sie sich doch im Verhält-
nis zum NaCl viol reichlicher im Ham als im Blut finden können. Anders beim Harn-
stoff; nach Hoff mann diffundirt durch den Herzbeutel oino 50 (?) prozentige Harastoff-
lösung noch einmal so geschwind als eine 26,5 proz. Kochsalzlösung ; also dürften beide
Stoffe bei gleicher Dichtigkeit etwa gleiches Diffusionsvermögen besitzen , und somit
würde man bei dem geringem Harnstoff- als NaCl-Gchalt des Blutes voraussetzen
müssen, dass der Harnstoff im Ham sich nie wesentlich anhäufen dürfe. Somit
bleibt unter Aufrcchterhaltung der andern Bedingungen entweder nur übrig, cino be-
sondere Struktur in der Canälchenwandung anzunehmen , die die Diffusinnsgcschwindig-
keit herabsetzt, oder zu unterstellen, dass das Na CI unter Umständen durch eine
der chemischen analoge Kraft in das Blut zurückgenommen werde.
Aus den oben hingestelltcn Annahmen lässt sich auch ersehen, warum das in das Blut
eingespritzto Wasser nicht sogleich die Abscheidung desselben durch den Harn mehrt;
das Wasser wurde nainlich , insofern sich nicht auch gleichzeitig der Gehult des In-
halts der Canälchen an festen Bestandteilen gemehrt hatte, wieder in das Blut zurück-
genommen. Es würde die Mehrausscheidung von Ham also erst dann beginnen könnet),
wenn sich durch eine von dem Wasser eingeleitete Diffusion zwischen Geweben und
Blut die Salze des letzteren vermehrt hätten.
Eine Frage von besonderer Art, dio durch die vorstehenden Hypothesen gor
nicht gelöst wird, ist die, warum wird das Eiweiss nicht in die Uamcanälchen über-
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Ausstn&sung des Harns aus der Niere; Ernährung der Niere. 429
geführt r Denn wenn auch nach Valentin und Schmidt bei der Filtration von
Eiweiaslosungcu die durehgegangene Flüssigkeit weniger Albumin enthält, als die auf-
gegossene, so enthält sie doch Albumin, und ebenso enthält bei einer möglichst bald
nach dem Tode angcstellten Filtration von Blut durch die Niere in die liarncanülchon
ubergehende Flüssigkeit Eiweiss (Loebell). Zur Aufhellung dieser dunkeln Seite
unseres Vorgangs dienen vielleicht dio neuerlichst entdeckten chemischen Vorgänge im
Innern der Niero , durch welche möglicher Weise das Eiweiss ausgeschlossen werden
könnte. Heynsius glaubt in der Thal den Umstand, der dieses augführt, schon ge-
funden zu haben, und zwar in der Säure, welche das Nicrougewcbc immer und nament-
lich auch das solcher. Thicro enthält, deren Horn schon im Calyx alkalisch rcagirt. Die
Scheidekraft der Säuren hält er aber darum für feststehend , weil diffundirrndes und
*liltrircndcs Blut durch eine Amnios-Haut mehr Eiweiss entlässt in dcstillirtea
Wasser , als in Uarn oder in ein durch Essigsäuro angesäuertes Wasser. Es wäre zu
wünschen , dass diese wichtige Beobachtung zu Gunsten der Uamabsondvrung noch
dadurch erweitert würdo, dass sic wo möglich mit der Saure, welche der Niere eigen*
thiiiulich , angestellt würde , wobei zugleich zu bestimmen wäre , ob diese Säure in
einer so grossen Verdünnung, wio sie in der Niero vorkommt, noch wirksam waro. —
Die Wahrscheinlichkeit aber, dass der chemische Vorgang in der Niere sieh an der
Ausschliessung des Eiwcisses betheiligt , wird noch dadurch erhöht , dass einige im
Wasser lösliche Bestandthcile des Nierenextraktes nicht in den Harn übergehen ; sollten
sie vielleicht ähnlich wie in der Leber auch hier in das Blut eiutreten? Die Epithelial*
zelle ist hier wie überall au Hülfe genommen , um dio Abwesenheit des EiweissOs zu
erklären. Dieser Satz wird dadurch gestützt , dass im Eiweissham zuweilen Epithclial-
zcllen der Hamcanälchcn gefunden werden; er bedarf kcincrWiderlegung.
Die Ausstossnng des' Harns aus der Niere ge-
schieht unzweifelhaft durch den aus den Blutgefässen nachdringen-
den Harn; ist er einmal aus der l’apille , oder besser gesagt,
ans der leicht zusammendrückb&rcn Verlängerung der Harnkanälchen
Uber die Nierenoberfläche getreten, so kann er in die Niere nicht
wieder zurltckkehreu ; denn die Papille wirkt genau wie ein Rolireu-
ventil ( E. H. W e b er ).
Ernährung der Niere. In der fertigen Niere geht ein
gelbsständiger Stoffwechsel vor sieb , wie die beim chemischen Bau
erörterten Thatsacheu beweisen. — Nach reichlicher Fettnahrung
fällen sich namentlich bei der Katze die Zeilen der Harnkanälchen mit
Fett (Lang). Krankhafter Weise schuppt sich häufig das Epi-
theliiun ab und es mehrt sich der formlose Bindestoff zwischen
Harn- und Blutgefässen. — Nach Unterbindung der Nierenarterie
schwinden unter vorgängiger Erweichung (Brand) die Nieren häufig
so rasch, dass 36 Stunden nach vollendeter Operation keine Spur
.mehr von denselben aufznfinden ist (Schnitz). Die Erweichung
beginnt in der Cortikahmbstanz und ergreift zuerst die Gefässhaut
der Glomcruli. — In der fertigen Niere bilden sieh zerstörte Haru-
und Blntkanäle nicht wieder.
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430
Ureter; Han» blase.
B. Urcteren und Blase*).
1) Das untere Ende des Ureters durchbohrt die Blasenwand
schief, so dass er auf einer kurzen Strecke zwischen Schleim- und
Muskelhaut hingeht. Die nothwendige Folge dieser so oft im
Organismus wiederkehrenden Ycrbindungsart von Canal und Be-
hälter besteht darin, dass bei einem
jeden Druck, der von der innem
Blasenfläche her wirkt, der Ureter
geschlossen wird ; mit einem Worte,
es ist dadurch ein Ventil gegeben,!»
welches deu Strom des Harns nur
vom Ureter zur Blase möglich
macht. — An dem Uebergang der
Blase iu die Harnröhre A (Fig. 57)
faltet sich die vordere Blasenvvand
B zu einer Grube ein. Daraus
Horlzout. _ ,
würde folgen, dass bei gefüllter
Blase die Harnröhre ohne Zuthun
eines Muskels geschlossen werden
kann (Kohlrausch).
2) Die Muskeln des Ureters sind bekanntlich quer- und längs-
laufende; ihre Nerven treten aus dem Lendengrenzstrang; der Ur-
sprung derselben soll nach Valentin und Kilian bis in die Seh-
htigel hinauf verfolgt werden können. Die Bewegungen, welche
sie einleiten, sind immer peristaltische, nie antiperistaltische, d. h.
es laufen dieselben immer in der Richtung von der Niere zur Blase.
Wenn man, während eine Bewegung im Fortschreiten begriffen ist,
ein beliebiges Stück Muskelsubstanz an der Zusaramenziehung,
z. B. durch einen Druck auf dieselbe, hemmt, so steht die Be-
wegung an der gedrückten Stelle still; durehschneidet man den
Ureter des Hundes, so geht die Bewegung nur bis zum Schnitt
(Vulpian). Im normalen Verlaufe des Lcbeus kommen die Ner-
ven nur zeitweise in Erregung; die l’ausen zwischen den Zeiten
der Erregung verkürzen sich, wenn aus der Niere viel Harn ent-
leert wird; aber selbst wenn gar kein Harn entleert wird, kommen
doch dann und wann fortlaufende Zusammenziehungen zu Stande. —
Die Zusammenziehungen erfolgen nicht nothwendiger Weise gleich
zeitig in den beiderseitigen Ureteren , so dass die Nerven eines jeden
von besonderen Orten aus erregt werden müssen. — Ein aus-
*) Ko hinzu «cli, Anatomie und Physiologie der 15c» kcoorgant:. 1864.
Kg. 57.
Iteckenneigunff.
Bewegung der Harnblase.
431
geschnittener Ureter bewegt sich nicht mehr, weder peri- noch
antipcristaltisch (Donders)*).
Am todten Tliier ist die Urctorenbcwcgung sichtbar, wenn künstliche Athmung
eingeleitet wird (Yulpian); auch ohne diese ist sie am Moorschwein au beobachten.
Die Muskeln der lilase, der Detrusor und Sphincter, stehen
nach Kohlrausch in der Beziehung zu einander, dass sieh die
Enden des ersteren in die Zöge des letzteren einflechten; es ver-
hält sich also der die Blase verengende Detrusor zugleich als ein
die Blasenmündung umgebender Radialmuskel, der bei seiner Zu-
sammenziehung die llamröhrenöflnung erweitert. Die Nerven der
Blasenmuskeln treten aus dem Grenzstrang der Lenden (und des
Kreuzbeins V) ; ihre Ursprünge sind nach Budge**) mit Leichtigkeit
bis in das Lendenmark nachzuweisen, nach Kilian und Valen-
tin sollen sic durch das Rückenmark hindurch bis in das Hirn
hinein zu verfolgen sein. — Die Erregungen des m. detrusor treten
unwillkührlich und wahrscheinlich auf reflectorischem Wege ein,
namentlich immer nach AnfHllung der Blase, öfter auch nach ver-
breiteten Hanterregungen , z. B. nach allgemeinen Bädern. Durch
Berührung der Blasenschleimhant in der Nähe der Ureterenmün-
dungen kann nach Ch. Bell***) am leidesten die Zusammen-
ziehung des Detrusor ansgelöst werden ; man vermnthet darum, dass
der Druck , welcher bei gleichzeitiger AnfHllung der Blase und der
L'reteren auf jene Schleimhautnerven ausgeübt werde, die gewöhnliche
Veranlassung zur reflectorischen Erregung abgcbc. Wenn die Ner-
ven des Detrusor eiumal erregt sind, so veranlassen sie einige
Zeit hindurch Harndrang ; dieser verschwindet jedoch alhuählig
wieder, selbst wenn die Blase nicht entleert wurde. Die harnaus-
treibendc Wirkung des m. detrusor kann durch die Znsamnicnziehung
der Bauchmuskeln unterstützt werden. Der Spkincter des Blase
ist willkührlich beweglich. Reflectorisch erregbar ist er von der
Schleimhaut in der Blasenmündung und in dem Beginn der Harn-
röhre (CI. Bell). — Die Ursache, warum der Harn nicht stetig
abträufelt, sondern in der Blase znrückgebalten wird , soll liegen in
der schon erwähnten ventiiartigen Hervorragung der Blasenmündung
(Kohlrausch), in der Elastizität des Sphincters und der Prostata
(Wittich)f) und endlich nach einer verbreiteten Ansicht in der
*) Onderzoekingen etc. .laar 8. p. 82.
**) V I r c b o w ’ 8 Archiv. XV. Bd.
Homberg. Lehrbuch der Nervenkrankheiten. 1. Bd. 400.
t) Medizin. Jahrbuch. Bd. 11. 12.
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432
Veränderung des Hato« in der Blase.
tonischen Zusamineuziehuug des letztem Muskels. Da die todte
Blase den in ihr angchäuften Harn zurückhält, so ist unzweifelhaft
auch ohne Muskelhille der lilasenschluss möglich. Der Druck, der
die Ocffnung der todteu Blase erzwingen soll, muss nach Wittich *)
und Kosenthal bis zu Ü00 M. M. Wasser ansteigen, nach Heiden-
hain**) und Colberg bei weiblichen Hunden auf 130M.-M., bei
männlichen auf 380 M.-M. Die letzteren Beobachter beweisen
auch, dass die lebende Blase einen viel hohem Druck als die todte
ertragen kann , bevor sie sich entleert. — Wie hoch der Druck ist,
nutor dem im unversehrten Thier der Ham fUr gewöhnlich steht,
ist unbekannt Also bleibt cs ungewiss , ob eine tonische Erregung
des Sphineters zum Sch Hessen der Blase nothwendig ; noch weniger
ist entschieden, ob eiue solche besteht.
Die Schleimhaut der Ureteren und der Blase ist mit einem
geschichteten , aus cylindrischen und platten Zellen zusammen-
gefilgten Epithelium bekleidet. In der Umgebung der Blasenmltu-
dung sind in die Schleimhaut einfach tranbige Drüsen eingebettet,
welche einen schleimhaltigen Saft absondern:
Veränderung dns Harns in der Blase, a) Harngäh-
ru n g. Während des ^lfenthaltes in und nach seiner Entfernung aus
der Blase verändert der Ham durch Selbstzersetzung seine Reaktion
entweder zu einer stark alkalischen oder zu einer stark sauren.
Die alkalische Reaktion ist abhängig von einer Umwandlung
des Harnstoffs, welcher unter Aufnahme von Wasser in kohlen-
saures Ammoniak übergeht. In Folge dieser Amnmniakbildung
wird der llarn durch einen Niederschlag von phospborsaurem Kalk
getrübt. Sic ereignet sich in der Blase selten und scheint vorzugs-
weise bei Rückenmarkslähmnngen , bei denen sich auch eine reich-
liche Blasenschleimabsonderung einstellt, beobachtet zu werden.
In diesen Fällen geht die Umsetzung des Harnstoffs so rasch vor
sich, dass sie selbst eintritt, wenn der Ham nur kurze Zeit in der
Blase verweilte, nachdem diese vorher mit lauem Wasser wieder-
holt ausgespült worden war (Smith)***). — Im gelassenen Ham
kommt zu einer gewissen Zcitperiode diese Umsetzung immer vor.
Die saure Gährungf) wird eingeleitet durch den Harnblasen-
schleim und durch Luftzutritt, wie daraus hervorgeht, dass sie in
*) Itoaenthal, de touo muaoulormn impriuiis sphiiicteruiu. Königsberg 1*67.
*») Müller* Archiv, ltfo 437.
*••) Homberg, 1. c. p. 735. •
t) Höherer, Ltebig’s Annalen. 17.1hl. 171.— Ltebig, flrid. 50. Bd. 161. — VirchoWn
Archiv dir pathol. Anatomie. VI. 8d. 7W. — Lehmann, l'hysiolog. Chemie.' 11. Ihl. 401.
- — - -.
Veränderung de» Harns in der Blase durch Diffusion.
433
dem gelassenen Harn unterbrochen werden kann, wenn er vor
dem Luftzutritt bewahrt und der Schleim von ihm abfiltrirt wird.
In den späteren Stadien derselben entstehen aber auch Gälirungs-
Pilze (Scherer, Virchow, Lehmann). Ihre hervorragendsten
Produkte sind Essig-, Benzoö-, Oxal- und Milchsäure. An der
Bildung der ersten betheiligt sich wahrscheinlich der Farbstoff
(Scherer, Liebig), während die Benzoesäure aus der Zer-
fällung der Hippursäure, die Milchsäure wahrscheinlich aus dem
Zocker hervorgeht. Ist die saure Gährung ausgeprägt vorhanden,
so trtlbt sich der Harn durch Ausscheidung von Harnsäure oder
saurem harnsauren Natron. Scherer macht darauf aufmerksam,
dass dieser Prozess Veranlassung zu Harnsäureeoneretioncn geben
kann. — Im diabetischen Harn entsteht durch Gährung Buttersäure
(Fonberg, Scherer) und Essigsäure neben COi und Am
(Neubauer*).
b) Veränderung durch Diffusion**). Bei den Nummern, welche
von Harnstoff, Na CI, Wasser u. s. w. handeln, wurde schon be-
merkt, dass nach Kau pp der tägliche Ham eines auf gleiche
Weise lebenden Menschen, wenn er zwölf- Mal des Tags entleert
wurde, mehr von den genannten Stoffen enthält, als wenn er nur
zweimal täglich aus der Blase gelassen wurde.
Um die Unterschiede, die hier eintreten, ersichtlicher zu machen,
setzen wir folgende Zahlenreihe hin, welche durch die grosse,
von wissenschaftlicher Begeisterung geleitete Untersuchung K au pp’s
gewonnen ist. Die Zahlen bedeuten das mittlere Uebergewicht,
welches die verzeichneten Werthe in dem in 12 Stunden 12 Mal
entleerten Ham über den nur 2 Mal entleerten gewonnen hatten.
Wasser . 87,3 C.C. P0S . . . . 0,17 Gr.
Harnstoff. 0,93 Gr. SO. .... 0,06 „
Na CI. . . 0,79 „ Feste Best. 2,12 „
Dieser Verlust, welchen der Ham bei längerem Aufenthalt in
der Blase erleidet, kann abhängen von einer Diffusion, welche
zwischen dem Blut- und dem Blaseninhalt eintritt, aber er kann
auch bedingt sein dadurch, dass die gefüllte Blase den Abfluss
des Harns aus dem Ureter hindert. Um diese Alternative zu ent-
scheiden, würden die Versuche fortzuführen sein, welche Kau pp
an Hunden begonnen, denen er Ham von bekannter Zusammen-
*) Liebig*» Annalen. Februar 1866.
•■) Archiv fUr phya. Heilkunde. 1866.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 28
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434
Männliche OcschleehUwerkzeuKo ; anatomischer Bau dor Hoden.
Setzung in die leere Blase einspritzte, während die Ureteren unter-
bunden waren.
Männliche Geschlechtswerkzeuge.
A. Hoden.
1. Anatomischer Bau. Das Charakteristische der Samenkanäl-
chen besteht darin, dass ein jedes sich ununterbrochen schlängelt
und oft anastomosirt , bevor es in das vas deferens ausläuft, und
dass jedes einzelne der zahlreich vorhandenen von verhältniss-
mässig weitem Lumen ist, während der Gang, in dem alle Röhr-
chen ausmttnden , ein verhältnissmässig sehr schwaches Kaliber be-
sitzt; es verengert sich also das Gesammtlumen der Samenröhren
vom Anfang zum Ende des Hodens. Diese Verengung scheint aber
keineswegs eine stetig fortschreitende, sondern eher eine auf- und
absteigende zu sein; so hat es offenbar den Anschein, als ob das
in den djictus efferentes so ungemein verschmälerte Bett der (ver-
einigt gedachten) .Samcnröhrehcn in den eoni vasculosi sich wieder
erweiterte und gegen das vas deferens wieder verengere. — Die
Wand der Samenkanälchen ist ans elastischen muskelfreien Binde-
geweben gebildet, dessen innere Fläche mit kugeligen Deck-
zellen belegt ist; ebenso sind die Wände der ductuli efferentes
gebaut, mit der Ausnahme jedoch, dass das Epithel aus einer
Lage konischer Zellen besteht, welche zu allen Zeiten, also auch
im unreifen Hoden, Wimperfäden tragen. Die Haut der »Samen,
kegel und die des Nebenhodenkanals enthält ausser dem elastischen
Bindegewebe auch noch Muskelzellen und ihr Epithel ist aus einer
mehrfachen Lage von cylindrischen und dttnmvandigen Zellen ge-
baut, die sich zur Zeit der Geschlechtsreife mit sehr langen Wim-
pern versehen (0. Becker)*). — Die Wand der Nebenhoden be-
steht, von aussen nach innen gezählt, ans einer elastischen Binde-
gewebshaut, aus drei Lagen von Muskelzcllen , nämlich einer mitt-
leren Kreis- und einer äusseren und einer inneren Längenschicht,
ferner aus einer Schleimhaut mit zahlreichen Grübchen und endlich
aus einer Lage von Plattenepithelium. — Die Capillargefässe des
Hodens, welche aus der langen und engen art. sperinat. entsprin-
gen , sind nicht zahlreich ; sie sammeln sich in ein vielfach anasto-
mosirendes Netz von weiten Venen. — Aus den Hoden gehen sehr
•) Moleschott, Untersuchungen. II. Bd. 71.— Kölliker, Handbuch der Gewebelehre.
UI. Auflage. 514.
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Samen.
435
voluminöse Lymphgefässe hervor. — Die Nerven des Hodens und
insbesondere des vas deferens, welche aus dem Lenden- und Sa-
cralthcil des Grenzstrangs hervortreten, sollen ebenfalls bis in
das Hirn zu verfolgen sein. — Auf der innern Fläche der tunica vagi-
nalis communis, wo sie den Hoden und Nebenhoden umschiiesst,
also zwischen ihm und der tunica propria findet sich eine Lage von
Muskelzellen (Köl liker); von diesen aus sollen sich Muskeläste
erstrecken gegen die tunica albuginea und in die Scheidewand
zwischen die Läppchen des Hodens (Rouget).
Ueber die chemischen Eigonthümliehkeiten des Hodens liegen nur Notizen Tor.
Staedeler gewann ans den Hoden des Hundes Krystalle, die dem Kreatin ähnlich
sahen; Berihelot giebt an, dass dos Hodengewebe rascher als Casein, Fibrin und
Leim dos Glycerin und den Mannit in Zucker umwandclt.
2. Samen*). Eine mechanische Scheidung zerlegt den von
dem Hoden abgesonderten Satt in einen flüssigen und in einen aufge-
sehwemmten TheiL Dieser letztere enthält bestimmt geformte Gebilde,
und zwar entweder Samenfäden und Samenzellen zugleich oder auch
nur Samenzellen. Das zuletzt erwähnte Vorkommen ("Anwesenheit
von Samenzellen bei Mangel an Samenfäden) findet sich ganz all-
gemein vor den Pubertätsjahren (in dem sogen, unreifen Samen)
und häufig, aber keineswegs immer, in sehr hohem Alter und zu-
weilen in chronischen Krankheiten (Duplayj.
Aus den Canälen des reifen Hodens, ist meist das Epithelium
verschwunden und statt dessen findet sich der Hohlraum der Röhr-
chen ausgefllUt mit Samenzellen , die von 1 bis zu 10 und 20 Kerne
bergen ; geht man in den Canälchen weiter gegendie ductus efferentes,
so kommen neben den genannten auch Samenzellen vor, welche statt
der rundlichen, verlängerte Kerne enthalten und noch weiter sieht
mau den Kern bimförmig, an dem spitzen Ende mit einem
kleinen Ausläufer versehen , der endlich zum Schwanz des Samen-
fadens auswächst, während der Kern vollkommen die Form des
Samenfadenkörpers annimmt, worauf sich die Samenfäden in
der Höhle der Zellen zu regelmässigen BUndeln Zusammenlegen.'
Gelangen die so veränderten Zellen in die ductus efferentes , so platzt
die Haut derselben und es werden die Samenfäden frei, so /
•) K öl llke r,- Handbuch der Gewebelehre. 3. Aull. 330. — Duplay, Archive* generale*. Däc.
1832. — Valentin, Lehrbuch der Physiologie. 2. Aufl. 11. Bd. 1. Abthlg. p. 41. — Lcukart
(und Frericha), Todd, Cyklopaedia# IV. Bd. p. 540. — Molcschett nnd Uiehcttl, Wiener
medizinische Wochenschrift. 1855. 274. — Ankertnann. Zeitschrift Air Wissenschaft!. Zoologie.
VUI. Bd. — K bl 11 kor, ibidem. VII. Bd.
2S*
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436
Bewegung der Samenfäden.
dass im Schwanz dos Nebenhodens und im vas deferens sich nur
diese letzteren neben geringen Beimengungen von Körnchen und
Zellen finden (Kölliker).
* In dem frischen, aus dem lebenden Thier genommenen Hoden
zeigen alle die Fäden Bewegungen , welche sich jenseits der vasa
effierentia befinden, keineswegs aber die, welche in den Canaleben
und den genannten Gängen enthalten sind (0. Becker). Es können
jedoch alle Fäden, also auch diejenigen, welche an ihrer natür-
lichen Lagerstätte ruhig sind, durch passende Mittel zu Bewegungen
veranlasst werden , in günstigen Fällen selbst noch am dritten Tage
nach dem Tode des Thiers, dem der untersuchte Hoden angehörte.
Diese Bewegungen gehen ursprünglich von dem Schwanz, nicht
aber vom Kopf aus, denn Kölliker hat gefunden, dass der ab-
getreunte Schwanz sich noch bewegt, der abgetrennte Kopf aber
ruht. Der von dem platten, naeh vorn etwas zugespitzten Kopfe
ausgehende lange fadenförmige Schwanz krümmt sich bei diesen
Bewegungen ohne regelmässige Folge bald da, bald dort hin und
her und streckt sich rasch wieder; hierbei entwickelt derselbe hin-
reichende Stosskräfte, um eine Ortsbewegung des ganzen Fadens
zu veranlassen, welche denselben in einer Sekunde um 0,27 MM. in
gerader Linie weiterschieben kann (Heule). Bei diesen Bewe-
gungen weichen die Fäden Hindernissen aus, die ihnen entgegen-
treten, so dass cs den Anschein gewinnt, als ginge in den Be-
wegungsakt eine sinnliche Wahrnehmung und eine Schätzung der
bevorstehenden Hemmung ein.
Die Bewegungen können für längere Zeit erlöschen und dann
unter günstigen Bedingungen wieder kommen; sie scheinen nur
möglich zu sein in den Temperaturgrenzen von 12 bis 46° C., ferner
nur so lange , als die Samenfäden sich in einem gewissen Grad von
Quellung und in einer bestimmten , nicht näher zu bezeichnenden
chemischen Verfassung befinden. Die Bedingungen, unter denen
die ruhenden Fäden wieder zur Bewegung gebracht werden oder
die bewegten beruhigt werden , sind nicht überall mit denen gleich,
durch welche der reizbare Nerv und Muskel erregt werden kann
% oder seine Erregbarkeit embUsst.
Die Bewegung erhält »ich unverändert in allen thierischen Flüssigkeiten von mitt-
lerer Conzcntration. und schwach alkalischer Reaktion; »ie verschwindet dagegen, wenn
die Safte sauer oder durch ammoniokalische Beimischungen stark alkalisch sind. Die
Bewogung erhalt sich ferner in I prozentigen Lösungen von Na CI, KCl, Am CI, NaONOg,
KO NO», und in 5— 10 prozentigen Lösungen von 2NaOHOPO», NaOCOi, NaOSOs,
MgO SOj, Üa CI; ferner in mitte lst&rkcn Lösungen von Zucker, essigsaurem Morphium,
_ Qigi^ed by Goog(e
AbsondertrngKgnzchwindigkeit des Samens.
437
Cyankalium nnd Strychnin (Valentin, R. Wagner, Kramer, Ankcrraann,
Moleschott, Kölliker). Alle die genannten Lösnngen heben dagegen die Be-
wegungen auf, entweder wenn sie so wässerig sind, dass die Samenfäden darin stark
aafquellen, oder so conzentrirt, dass sie schrumpfen. Im ersten Fall kann ein Zusatz
von Salz, im letzten Fall ein Zusatz von Wasser dio Bewegung wieder hervorrufen
(Ankermann). Sind die Bewegungen in den günstig wirkenden Lösungen der
genannten Stoffe erloschen , so können sie oft doch vorübergehend durch Aetzkali her-
▼orgerufen werden. — Die Bewegung sowohl wie die Fähigkeit dazu erlischt un-
wiederbringlich entweder augenblicklich, oder nach wenigen Minuten in Lösungen von
Ü,5proz. CIH, in sehr verdünnten Lösungen von Metallsalzen (z. B. Sublimat von
0,01 pCt.) und allen Säuren, in Chloroform, Alkohol, Aether, Kreosot u. s. w.
Lösungen von Gummi und Dextrin verhalten sich wie reines Wasser (Ankermann,
Kölliker). Elektrische Schläge haben keinen Einfluss auf die Bewegungen, ein
constanter Strom wirkt nur du^:h seine elektrolytischen Ausscheidungen. — Die Be-
weglichkeit der Samenfäden von Vögeln, Amphibien und Fischen verhalten sich zu den
genannten Reagenticn nicht immer wie die der Säugethiero und der Menschen. Sieho
hierüber Kölliker 1. c.
lieber die chemischen Eigenschaften des Inhaltes des Ilodens
und des vas deferens ist Folgendes bekannt: Die Samenfäden
der Sängetbierc können nicht vollständig gelöst werden durch con-
zentrirte SOi, NO:., Ae; sie sind ferner unlöslich in kohlensaurem
Natron; in kalter Lange von 50 pCt. KO quellen sie stark anf, in
warmer lösen sie sich (Kölliker). Die mit Wasser ausgewasche-
nen Samenzellen des Hodens enthalten einen eiweissartigen Körper,
die Samenfäden auf gleiche Weise behandelt, einen in Kali lös-
lichen Eiweissstoff, ein butterartiges Fett nnd phosphorsauren Kalk.
Die SamenflUssigkeit ist im Inhalt des Hodens nur in geringer
Menge da, sie ist klebrig, reagirt alkalisch und enthält einen in
Wasser löslichen, durch Kochen nicht gerinnenden Eiweisskörper
(Kölliker) oder Schleim und NaCI (Frerichs).
Sperma aus den Nebenhoden und vas deferens des reifen Ochsen gab Kölliker
in 100 Thcilen: 82,00 Wasser, 15,20 organischo Stoffe (daruntor 2,16 Fett) und
2,64 Salze. — Das Sperma des .unreifen Stieres gab 88 pCt. Wasser.
3. Die Absondernngsgesehwindigkeit des Samens. Vor der
Pubertät geht die Bildung des unreifen Samens zuerst äusserst
langsam vor sich; denn in dieser Zeit wird, so weit wir wissen,
gar kein Saft ans dem Hodeu entleert. — Nachdem mit den Puber-
tätsjahren die Absonderung eines vollkommenen Samens zu Stande
gekommen, kann sie bis in das hohe Alter bestehen; Duplay
fand in den Hoden 80jährigcr Greise nocli Samenfäden; übrigens
sind nach demselben Beobachter bei Hochbejahrten die Samenfäden
meist spärlicher vorhanden, und fehlen auch nicht selten gänzlich,
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438 8amen-Bcrcitung und -Entleerung; Beiwerkzeuge des Hodens.
oder sic sind mindestens missgestaltet. Man vermuthet, dass eine
öftere Entleerung des Samens die Neubildung desselben beschleu-
nige. — Bei Individuen mittleren Alters fehlen zuweilen die Samen-
fäden; die Beziehungen, welche man zwischen gewissen krank-
haften Störungen der allgemeinen Ernilhrungsprozesse und der aus-
bleibenden Bildung von Samenfäden vermuthet, haben sich durch
die Untersuchungen von Duplay nicht bestätigt.
4. Sameubereitung. Die Formfolge bei der Entwicklung der
Samenfäden ist schon soeben nach der Angabe von Kölliker ge-
schildert worden. Danach ist ihre Bildungsstätte die Samenzelle.
Die gekrümmten und langen Wege, die häufigen Anastomosen und
endlich die Enge des vas deferens bedingen eine hinreichend lang-
same Bewegung des Samens von den Anfängen zu den Enden des
Hodens, um die zur Formentwicklung nnthweudige Zeit zu ge-
winnen. — Die Bedingungen für die Entstehung des Samenfadens
müssen theils in der Blutzusammensetzung und theils in Zuständen
des Hodens selbst gesucht werden. Für den letzteren Satz spricht
vor Allem die Beobachtung von Duplay, dass bei demselben In-
dividuum in dem einen Hoden der Samen fadenhaltig und im
andern fadenfrei sein kann. Worin diese Bedingungen liegen, ist
unbekannt, sicherlich nicht in dem Säftereichthum desselben über-
haupt, da Hoden, welche einen normalen Samen e'rzengen, im
Mittel nicht schwerer sind , als diejenigen , welche dieses nicht ver-
mögen (Duplay).
5. Die Entleerung des Hodens kann möglicher Weise veran-
lasst werden durch die in der tunica vaginalis cornm. vorhandenen
Muskeln; die Anwesenheit eines serösen Sackes (tunica vaginalis
propria) deutet mindestens auf eine Verschiebung der beiden Blätter
desselben, also auf selbstständige Hodenbewegungen hin. Die Aus-
treibung des Sperma ans den Nebenhoden muss dagegen begünstigt
werden durch die von Becker nachgewiesenen Cilien, welche
einen Strom vom Hoden zürn vas deferens einleitcn. — Der in das
vas deferens entleerte Samen wird durch die Mnskelbewegungen
dieses Schlauchs, nicht aber durch die Zusammenziehungen des
m. cremaster ( L. Fick) gegen die Samenbläschen hin ausgestossen,
wo er mit andern Drüsensäften vermischt und endlich in die Harn-
röhre entleert wird. Seinen weiteren Weg verfolgt die Zeugnngslehre.
B. Beiwerkzeuge des Hodens.
Das Wenige, was Uber die Absonderungserscheinungen der
serösen Ilodcnhaut bekannt ist, wurde schon S. 259 erwähnt. —
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Accessorische Samendrüsen ; Erektion des männlichen Gliedes. 439
Der Muskel des Samenstranges (Cremaster) ist ein unwillkürlich
beweglicher. — Die tunica dartos, welche aus einer Lage gekreuzter
Muskelzellen besteht , verkürzt sich meist nur dann , wenn sie ab-
gekUlilt oder mit Elektrizität geschlagen wird. Zuweilen auch unter
der Einwirkung eines Druckes auf dieselbe. Ueber eine Art von
rhythmischer Bewegung in derselben siehe Betz *).
C. Accessorische Samendrüsen (vas deferens, Samen-
blasen, Prostata.)
Ueber ihre Ernährung und die in ihnen vorgehende Säftebildung
ist so gut wie nichts bekannt. Die beiden ersten Gebilde sondern
eine den Ilodensaft verdünnende Flüssigkeit ab (E. II. Weber) **);
denn es ist, wie das Mikroskop lehrt, die Zahl der Samenfäden
in gleichen Portionen Inhalts der vasa deferentia viel'bedeuteuder, als
in denjenigen der vesiculac seminales. Da man keinen Grund hat
anzuuehmen, dass sich Samenfäden in den Bläschen aufläsen, so
kann die Erscheinung nur aus einer Verdünnung des Hodensaftes
durch Zusatz neuer Flüssigkeit erklärt werden. v
D. Das männliche Glied.
Nachdem schon an verschiedenen Stellen von den Schweiss-
und Schleimdrüsen des Penis gehandelt wurde, beschränken wir
uns hier auf die Erektion und die Betheiligung des Gliedes an
Samen - nnd Harnentleerung.
1. Die Erektion***) ist abhängig von einer Veränderung des
Blutstroms im Penis, die durch die Nerven des letzteren eingeleitet
wird. Die Lumina der Gefüssröhren sind nämlich in dem Penis
so angeordnet, dass sehr enge spiralig gewundene Arterien in
relativ weite, von Balken durchzogene Säcke (eorpora cavernosa)
münden, welche wieder in enge Venen übergehen. In diesem
Rfihrenwerk strömt das Blut nun entweder in der Art, dass sein
Seitendruck nicht genügt, um die Cavcrnen auszuspannen, oder
dass er beträchtlich genug wird, um sie straf!' zu pressen gegen die
fibrösen Häute bis zur vollkommenen Steifung des Gliedes. Der
Zusammenhang dieser Strömungsänderungen und der Penisnerven
•) Flenle’s und Pfcufer'* Zeitschrift. N. F. I. Bd. 831.
••) Zusätze zur Lehre vom Baue und den Verrichtungen der Geschlechtsorgane. Leipzig 1848. 897.
•••) Krause, Müller’* Archiv. 18-17. p. 1. — Günther, Untersuchungen und Erfahrungen
Im Gebiete der Anatomie u». w. Hannover 18B7.- — Arnold, Anatomie des Menschen. — Kobelt,
I»as Wollnstorgnn. Preiburg 1844. — Kohl rau sch, Zur Anatomie und Physiologie der Becken-
organo. Leipzig 1854. — Kölllker, Würzburger Verhandlungen. II. Bd. N. 8 u. 9. — Haus-
mann, Ueber die Zeugung und KnUtehung des%w*hrcn weiblichen Eie* u.s. w. Hannover 1840. —
Rouget, Recherche» sur 1c* organe« erectile* de ln feramo in Brow n - Slquard’s Journal de
Physiologie. 1. Bd. p. B'io.
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440
Mechanismen der Erektion.
ist durch die Folgen ihrer Zerschneidung bei Pferden erwiesen
worden (Günther); diese Operation beschränkt nämlich eben-
sowohl die vollkommene Steifung, als die vollkommene Erschlaffung
des Gliedes. Der Strom scheint eine mittlere Spannung anzu-
nebmen.
Der Mechanismus, welcher diese Stromverändcrung einleitet, wird verschieden-
artig aufgefasst. — a) Dio Stromhindernisse in den Arterien werden vermindert
(Hausmann) z. B. durch Erschlaffung ihrer Wandung; daraus würde natürlich eine
Erweiterung ihres Querschnitts entstehen. Gründe für diese oft ausgesprochene Behaup-
tung giobt es keine. Als einen Gegengrund für dieselbe könnte man den Erfolg der
Nervendurchschneidung am Penis selbst anschen ; denn indem die Gefässnerven hierbei
mit verletzt und somit die zuführenden Arterien ausgedehnt werden, müsste nach der
Operation Erektion eintreten. Dieses geschieht aber nicht. — b) Steigerung der
Stromhemmnisse in den ausführenden Röhren. Die Vertheidiger dieser Ansicht haben
zwei Möglichkeiten aufgestellt Entweder es werden zusammengepresst die Venen-
stamme (dorsalis, bulbosae, plexus venosus santorini) durch dio musc. ischio- und
bulbocavemosus und adductor prostatae) •). Abgesehen davon, dass diese Muskeln die
erwähnten Venen zu comprimiren vermögen, führt diese Vermuthung für sich an: die
Anwesenheit tonischer oder klonischer Krämpfe in den Muskeln während der Erektion
und nächstdem die Beobachtung, dass bei einer Injection dünnflüssiger Massen in den
todten Penis die Steifung desselben erst dann zu Wege gebracht werden kann, wenn
man die Venen desselben ganz oder theilweise zuschnürt (Krause). So annehmbar
von dieser Seite diese Vorstellung ist, so darf andererseits nicht verkannt werden,
dass man willkürlich die erwähnten Muskeln zusammenziehen kann, ohne damit eine
Erektion zu Staude zu bringen. — Im Anschluss an diese Annahme steht die andere,
dass sich die Oeffnungcn, welche die Cavcrnen und die ausführenden Venen verbinden,
selbst verengern und bei einer weit gediehenen Anfüllung des Penis sogar ganz ver-
schliessen möchten. Diese Hypothese wird für die corpora cavernosa penis sehr wahr-
scheinlich angesichts der leicht zu constatirenden Thatsache, dass die Injectionsmasse
oder Luft, die man durch eine künstliche Oeffnung geradezu in die Hohlräume ein-
spritzt, nicht in die ausführenden Venen übergeht, selbst wenn man einen bedeutenden
Druck anwendet Unläugbar verlangt .dieses Verhalten die Anwesenheit von Hemm-
nissen an der Grenze von Cavcrnen und Venen, wenn sich die letztem ausgedehnt
haben , obwohl noch der anatomische Nachweis derselben fehlt (Kobelt, Kohl-
rausch). Die Schwierigkeiten, welche diese Erklärungsart der Erektion mit sich
führt , liegen nnn aber darin , dass sie einmal nicht fcststellt , wodurch die Cavemcn
zuerst zu dem Grade von Anfüllung kommen , der nöthig ist , damit die klappen-
ähnlichen Apparate in Wirksamkeit troten können ; dann aber lässt sie unorertert , wie
der Penis wieder abschwillt, da seine Klappen ununterbrochen wirken, wie man an
der Leiche sieht. — Auf keinen Fall können aber, wie schon erwähnt wurde, ähn-
liche Vorrichtungen wirksam sein bei der Anschwellung der corp. cavernos. urethrae
und der Eichel, da die in ihre Höhlen cingeblasene Luft den Ausweg leicht durch
die Venen findet. — c) Die dritte Annahme, welche Kölliker in weitester Ausdeh-
nung vertritt, behauptet, dass die Mündungen der zu und von den Cavemcn füh-
') Das iat der vordere Theil de« muskulösen Bcckenzwerchfells.
Ausstoßung wn Harn und Hainen ans der Harnröhre.
441
I renden Gofäaso wesentlich unverändert bleiben, dass aber die Carernenwandungen nach-
giebiger würden, so dass sie von dem einströmenden Blute leichter als früher zu er-
weitern wären. Die Ursache der Erschlaffung finden Kölliker und Kohlrauseh
in der Erregung der Penisnerven , welche zu ihren Muskeln in einem ähnlichen Ver-
hältnis* stehen sollen , wie die nn. vagi zum Herzmuskel. Mit Qewissheit kann aller-
dings die Behauptung ausgesprochen werden, dass eine kräftige Zusaramenziehung der
▼on Kölliker und Valentin in den corpora cavemosa entdeckten Muskeln die
Erektion gerade unmöglich machen, weil sie so angelegt sind, dass ihre Verkürzung
das Volum des Penis minderte; so sah es Kölliker, als er den Penis eines Hin-
gerichteten mit elektrischen Schlägen behandelte, und so ist das abgekühlte Qlied,
dessen Muskeln zusammengezogen sind, immer sehr klein und derb. Damit ist aber
natürlich nicht die Behauptung erwiesen , dass die Muskeln des Penis ein dem
Vagus und Herzmuskel analoges Verhalten zeigen. RücksichtKch des letztem Punktes
iat um so grössere Vorsicht nöthig, alz es sehr wahrscheinlich ist, dass der
Vagus nicht geradezu den Herzmuskel erschlafft, sondern andere auf ihn wirkende
Erregungsursachen ausser Wirksamkeit setzt; zudem widerspricht der Annahme von
Kölliker der Umstand, dass eine Injeetion von Flüssigkeit in den todten, voll-
kommen schlaffen Penis erst dann die Steifung erzeugt, wenn der Abfluss der Flüssig-
keit durch Verengerung der Venen gehemmt ist. — d) Arnold weist endlich auf die
Möglichkeit hin , dass dos Strombett des Blutes in dom gesteiften Penis ein ganz
anderes sei , als in dem schlaffen ; er glaubt sich nämlich überzeugt zu haben , dass
das Blut auf zwei Wegen aus den Arterien in die Venen gelangen könne; einmal durch
Capillaren , welche auf den Wänden der Cavernen verlaufend in die Venen einmünden,
und dann dureh Zweige, welche direkt in die Cavernen tibergehen. Diese Möglichkeit
wird so lange bestritten werden müssen, bis diese beiden Wege genauer dargestellt sind«
Ueber die vorübergehende Erektion der Eichel und die m&nnichfachen Erregungs-
mittel der Erektion handeln Kobelt und Valentin ausführlich.
2. Ausstreuung von Harn und Samen aus der Harnröhre. Da
in die Urethra die Ausflthrnngsgänge der Samen - und Harnbehälter
m linden , ohne dass die eine der beiden Flüssigkeiten in die Wege
der andern eindringt, so müssen Vorrichtungen bestehen, welche
den beiden Säften immer nur einen Weg anweisen. Als Schutz-
mittel der Samenwege , welches den Eintritt des Harns in dieselben
verhindert, ist anzuschen der schiefe Gang, welchen die samen-
ausftthrenjlen Röhren durch- die Wand der Urethra nehmen. Als
eine Hemmung fllr den Weg des Samens in die Harnblase be-
trachtet Kob eit das caput gallinaginis , welches ebenfalls, mit
Schwellkörpern versehen , zur Zeit der Erektion die lllasenmttndung
verstopft. — Da nun aber auch bei abwesender Schwellung der
Samen nicht in die Harnblase gelangt, so muss schon der normale
Blasenschluss als Hinderniss genügen. — Der Harn wird schon in
die Urethra mit hinreichender Kraft getrieben, um ans der Mün-
dung derselben in einem Strahl befördert zu werden. Anders ver-
hält es sich mit dem Samen, der durch die schwachen Muskeln
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442
Weibliche Geschlechtsorgane; anatomischer Bau des Eierstocks.
der Samenbläschen nur bis in die Harnröhre getrieben wird; aus
dieser befördern ihn die Znsammenziehungen des m. bulbocaver-
nosus. — Bei der Steifung des Gliedes ist das Eindringen des
Samens in die Harnröhre noch besonders erleichtert, da diese zu
jener Zeit in Folge der Ausspannung ihrer Wände ein geöffnetes
Lumen besitzt. Uer Harn findet aber zu dieser Zeit an dem ge-
schwollenen Schnepfenkopf ein Hinderniss, so dass er durch den
gesteiften Penis nur schwach abfliesst.
Weibliche Geschlcchtswerkzeugc.
A. Eierstock.
1. Anatomischer Bau. Das Stroma des Eierstocks besteht aus
Bindegewebe, glatten Muskelfasern (?) und Blutgefässen; in diese
Massen sind eingebettet unreife, reife und zerstörte Eikapseln, und
das Ganze (Stroma und Eitheile) ist umzogen von einer fibrösen
Htllle. Die Blutgefässe des Eierstocks haben an derjenigen seiner
langen Seiten, welche von der Trompete abgewendet ist, einen Bau,
wie er in Schwellkörpern gefunden wird. Zwischen diese Gefässe
treten Muskeln in das Ovarium, welche in Verbindung stehen mit
den Muskelzügen, die im lig. Uteri latum verlaufen und von da in
das lig. uteri rotundum, den Uterus und die Tuben Ubergehen
(Rouget)*) — Die reife Eikapsel ist ein kugeliger Sack, der mit
Flüssigkeit (Eiwasser) gefüllt ist. Die Wand dieses Sackes besteht
nach aussen hin aus Bindegewebe; dann folgt eine strukturlose
Haut und auf diese eine mehrfache Lage von Zellen (Kömerkant),
gnd in dieser liegt das Eichen. Die Elemente der Kömerhaut, zu-
sammengedrückte, getrübte, kernhaltige Zellen, liegen zum grössten
Theil .in einer nur mehrfachen Schicht auf der strukturlosen Haut
des Sackes an , an einer Stelle aber sammeln sie sich so zahlreich,
dass sie einen kleinen Hügel bilden (Keimhügel), und in diesem
ruht das Eichen eingebettet. Dieses selbst besteht, vorn Centruin
an gerechnet, aus einer hellen Zelle mit dunklen Pünktchen (Keim-
bläschen und Keimfleck), diese liegt in einem trüben Tröpfchen
(Dotterkugel), welches endlich von einer breiten, durchsichtigen,
zähen Schaale (Dotterhaut, Eiweissschicht) umgeben wird.
2. Chemische Beschaffenheit **). Die Grundmasse des Eier-
stocks besitzt wahrscheinlich die Zusammensetzung des elastischen
•) Jounuü de phyalolofic par lirown-8<5quard. I. 320.
••) Gdbley, Pharmazeut. CentrnlbUtl 1817. — Derselbe, Journal de pharmacie. Ihne S<?r.
XVII. und xvm. Bd. — Fremy und Vslenclennei, Journal de pharmacie. 3me Ser. XXVI.
Chemische Beschaffenheit des Eierstock* ; Eibildung.
443
Bindegewebes. Die Eigenschaften der strukturlosen Eikapsel, der
membrana granulös» und des Eiwassers sind ganz unbekannt. Die
Zusammensetzung des menschlichen Eies können wir seiner Klein-
heit wegen nicht durch direkte Untersuchung in’s Klare bringen.
Auf die Bestandtheile des reifen menschlichen Eies schliessen wir
darum nur aus der Untersuchung des thierhehen. Unter Be-
schränkungen halten wir uns hierzu berechtigt, weil die Unter-
suchungen von Gobley, Valenciennes und Fremy gezeigt
haben, dass wenigstens analoge Bestandtheile das Ei sehr ver-
schiedener Thiere znsammensetzen. Die quantitative Zusammen-
setzung ist in den verschiedenen Eiern durchaus ungleich.
Nach Gobley, Valenciennes nnd Fremy findet sieh in den Eiern aller
Wirbelthiere Albumin , M&rgarin , Olein , phosphorhaltige Fette und die gewöhnlichen
Blutaalze. Dazu kommt bei den Vögeln ein eigentümlicher eiweiseartiger Körper, das
Vitellin , welches bei den Knochenfischen durch ichtidin und bei den Knorpelfischen
durch Ichthin vertreten wird. — Om eine Vorstellung von der grossen Complikation
der Zusammensetzung des Hühnereies zu geben, zählen wir seine Bestandtheile auf:
Albumin, Viteiin (C 52,8, H 7,2, N 15,1, 0 26,16), Margarin , OleVn, Cholestearin,
Lceithin, Corebrin, Zucker, NaCl, KCl, NH4CI, KO SO* 3CaOPO*, 3MgOPOs, NaOOO*,
SiOj, ein rother eisenhaltiger und ein gelber Farbstoff, Wasser.
3. Bildung und Ausstossnng des Eies *). Ueber die Form-
folge des entstehenden Eies ist uns Einiges bekannt. Zuerst tritt
es auf als eine grosse, durchsichtige, kernhaltige Zelle, welche im
Centrum eines Haufens kleiner, mit trilblichem Inhalt gefüllter
Zellen liegt (Steinlin). Diese letztem Zellen gleichen schon
ganz denen der spätem membrana granulosa. In einer zweiten
Formstufe umgiebt eine strukturlose Haut die Zellenmasse; auf die
äussere Fläche dieser Hüllenanlage setzt sich später das Binde-
gewebe an, auf die innere die membrana granulös».
Die Bedingungen zur Bildung von Eiern können während des
ganzen Lebens, vielleicht mit Ausnahme einiger Krankheiten (z. B. der
Bleichsucht) nnd der des höheren Alters, vorhanden sein, denn es
finden sich selbst in den Eierstücken der Embryonen schon An-
lagen von Eikapscln. Ihre vollkommene Ausbildung erlangen aber
«
Weber, Poggendorf's Annalen. 70. ßd. 398. — Barreswill, Scherer’s Jahresbericht über
phys. Chemie Ihr 1849. p.100. — Winkler, Oleeeencr Jahresbericht Uber Chemie. 1847 a. 48.858. —
Rurige, Li'ebig's Annalen. Bd. R4. p. 127.
•) Bi sc hoff, Entwickelangagcschichtc der Söugethicre und des Menschen. Leipzig 1842. —
Derselbe, Beweis der von der Begattung unabhängigen LoBstossnng der Eier. Glessen 1844. —
Leuokart. Zeugung in Wagncr's Handwörterbuch. VL Bd. — Bischof f, Hcnle'n und
Pfeufer’s Zeitschrift. 5. F. IV. Band. 120. — Stclnlln, Züricher Mitthellungcn. 1849. -
Kölliker, Gewebelehre. 3. Atifl. B9fl.
** -- 1-
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444
AiiMtnrnnng de* Kien; Eileiter
die Eier nur während eines bestimmten Lebensabschnittes der
Frauen, der in nnsern Gegenden mit dem 14. bis 15. Jahre beginnt
Hnd nach dem 40. sebliesst. Einzig während dieser Periode werden
auch die Eier ans dem Ovarium ansgestossen ; dieses geschieht
dadurch, dass in den Binnenraum der Kapsel mehr und mehr
Flüssigkeit eindringt, so dass diese endlich, nachdem sie das um-
gebende Gewebe verdrängt und sich Uber der Oberfläche des Eier-
stockes erhoben hat, platzt. Die aus der Kapsel hervorsttlrzende
Flüssigkeit spült dabei das locker angeheftete Eichen auf die freie
Fläche des Eieretockes. Dieser Hergang erfolgt bei Thieren, wie
Bischoff nachgewiesen, nur zurZeit ddr Bmnst und beim Menschen
nur zur Zeit der Menstruation ; er bleibt beim Menschen wahrschein-
lich jedesmal nur auf ein oder mehrere Eier beschränkt. Während
der Dauer der Schwangerschaft ist die Ausstossung der Eier unter-
brochen. — Nachdem das Säckchen das Ei ausgestossen, schrumpft
es unter Faltenbildung zusammen, ohne dass jedoch dadurch der
ganze Ilohlraum zum Verschwinden kommt. Dieser letztere füllt
sich anfänglich mit Blut und allmälig mit einer von der Haut aus-
gehenden Zell- und Bindegewebswucherung. Diese Rückbildung
geht langsamer zur Zeit der Schwangerschaft vor sich, als ohne
dieselbe. Darum findet man eine mit mehr oder weniger weit zer-
setztem Blut gefttllte Capsel (corpus luteum) deutlich bei den wäh-
rend der Schwangerschaft gestorbenen Individuen (Meckel,
Bischoff.)
B. Eileiter.
Der Eileiter empfängt seine physiologische Bedeutung dadurch,
dass er die Eier aus dem Ovarium in den Uterus überführt. Das
Wenige, was wir über seine Lebenserscheinungen wissen, bezieht
sieh auf diesen Vorgang, beziehungsweise auf die dabei stattfin-
deaden Bewegungen. Diese letzteren werden entweder durch
Muskeln oder durch ein Flimmerepithelinm ausgeführt.
Die Muskeln gehören zu den glatten; die Nerven, unter deren
Einfluss sic stehen, verlaufen in den unteren Partien des Grenz-
strangs. Die Muskeln bedingen je nach ihrer Anordnung einen ver-
schiedenen Erfolg. — Diejenigen, welche sich vom freien Ende der
Tuben zu den Ovarien erstrecken, nähern bei ihrer Znsammen-
ziehung die beiden genannten Theile. Rouget vermuthet, dass
sie sich in Folge reflektorischer Anregung zusaramenziehen , wenn
das Eichen reif und sein Sack zu platzen im Begriff ist. Es würde
dann durch sie das Anlegen der Fimbrien an den Eierstock und
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Kileittr; FruchthiUtor ; Menstruation.
445
das Eindringen des Eieg in die Tubenhühle ermöglicht. — Die
Muskeln, weiche die Hüblang der Tuben selbst uuischliessen, werden
im Stande sein, sie zu ändern. Die Bewegungen, die man an
ihnen beobachtet, sind immer fortschreitende; das Weiterschreiten
kann ebensowohl vom Eileiter zum Fruchthälter als in der um-
gekehrten Richtung geschehen. Diese Bewegungen, welehe dureh
galvanische und mechanische Erregungsmittel hervorgerufen werden
können, treten häufig auch ohne nachweisliche Veranlassung
auf, und zwar geschieht dieseB Letztere ebensowohl, wenn der
Eileiter noch ia seinen normalen Verbindungen sich vorfindet,
als wenn er gemeinschaftlich mit dem Uterus ausgeschnitten ist.
Die eigenen Muskeln des Eileiters verhalten sich also ähnlich denen
des Darms.
Die Flimmerzellen der Eieretöcke, deren Faden in der Art
schwingen, dass sie einen Strom von dem Ovariura nach dem
Uterus bin veranlassen, zeichnen sich vor allen übrigen durch ihre
ausserordentliche Empfindlichkeit gegen schädliche Einflüsse aus.
Die Fortbewegung der Eier durch die Tuben geschieht nach
den Beobachtungen von Biscboff und Hyrtl ausserordentlich
langsam, indem 5 bis 8 Tage (beim Menschen und Hund) nüthig
sind, um sie dureh den Eileiter hindurchzufördern. Durch welche
Einrichtungen die Bewegung so verlangsamt wird, ist nicht be-
kannt; denn sie müsste rascher vor sich gehen, wenn das Ei dem
Strom der Flimmerhaare oder der peristaltischen Bewegung der
Muskeln folgte.
C. Fruchthälter.
Die Wand des Uterus ist zusammengesetzt aus Muskelfasern,
welche so laufen, dass die Höhle des Fruchthälters allseitig zn-
sammengepresst werden kann; ferner besteht sie aus Blutgefässen,
welehe sich im Körper des Uterus zu einem wahren Schwellgewebe
gestalten (Rouget), und aus einer Schleimhaut, die im Cervix
mit 1 “finster-, im Fundus mit Flimmerepithelium besetzt ist. Die
Wimpern sind jedoch erst in ■ der mannbaren , nicht aber in der
unreifen Gebärmutter vorhanden.
Menstruation. Vor der Pubertät macht sioh der Uterus
wenig bemerklich, und nach derselben auch nur zur Zeit der
Schwangerschaft und der Regeln. Unter diesen letztem versteht
man bekanntlich eine in vierwöchentlichen Zwischenräumen wieder-
kehrende blutige Ausscheidung aus der Gebärmutterhöhle.
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446 Chemische Zusammensetzung der Menstrnalflüssigkeit; Erscheinen derselben.
1. Chemische Zusammensetzung der Menstrualflässigkeit*) Sie
stellt ein Gemenge von flüssigen und festen Körpern dar. Die auf-
geschwemmten Massen bestehen aus Blut- und Lymphkörperchen,
Epkheliuuizellen; die flüssigen enthalten Wasser, Eiweiss, Faser-
stoff, Fette und alkalisch reagirende Balze.
Ueher den Faserstoffgehalt bestehen Controversen ; Simon, Vogel und früher
auch Denis fanden das Blut, welches aus dem Uterus ausgetreten, weder gerinnbar,
noch enthielt es Faserstoffflocken. Nach E. H. Weber**), der in dem Uterus einer
Person, die während der Menstruation gestorben war, Faserstoffgerinnsel fand, ist
dieses nur darum der Fall , weil das Blut kurz nach seinem Austritt auf die Uterus-
flache gerinnt und aus diesem Qerinnsel Blutkörperchen und Serum austreten, während
der Fasertoff wenigstens zeitweilig zurttekgchaltcn wird. — Mit dieser Annahme
stimmen neue Untersuchungen von Denis und üenle überein, welche im Menstrual-
blut Gerinnung beobachteten.
Ueber die quantitative Zusammensetzung des Menstrualblutes
besitzen wir Angaben von Simon, Denis und J. Vogel; die
Mittheilungcn des letztem Autors dürften darum am zuverlässigsten
sein, weil er die Flüssigkeit unmittelbar aus der vorgetallenen Ge-
bärmutter sammelte. Nach ihm enthielten zwei l’ortionen des Aus-
flusses, von denen die eine zu Beginn und die andere zu Ende der
Menstruation aufgefangen war, in 100 Theilen gleich viel Wasser,
nämlich 83,9 pCt.; ein Berum, das aus diesem Ausfluss gewonnen
war, enthielt in 100 Theilen 93,5 Wasser; unter 6,5 pCt. festen
Bestandteilen befänden sich 0,65 pCt feuerbeständiger Balze. Diese
wenigen Thatsachen scheinen doch hinzureichen zu dem Schluss,
dass die untersuchte Flüssigkeit kein reines Blut gewesen sei.
2. Das Erscheinen der Menstruation ***) ist von verschiedenen
Umständen abhängig, a) Die Menstruation kommt nur dann zu
Stande, wenn sich aus dem Ovarium ein Ei ablöst. Der Beweis
für diese Behauptung liegt darin, dass man jedesmal, so oft es
möglich war, die Leiche einer während der Menstruation verstor-
benen Person zu untersuchen , in dem Eierstock entweder eine reife
oder so eben geplatzte Eikapscl fand, und ferner darin, dass keine
Frau menstruirt ist, der in Folge einer Operation oder der ur-
sprünglichen Entwickelung die Eierstöcke fehlten. Die Verknüpfung
beider Vorgänge ist jedoch insofern keine nothwendige , als es um-
gekehrt beobachtungsgemäss möglich ist, dass ein Eiaustritt er-
*) Litzmann, Artikel Schwangerschaft in Wagner'« Handwürtcrb. III. 1.— Lenckart, Le.
•*) 1. c. p. 418.
••■)Tllt, V al ent ln’ s Jahresbericht iibeT I’hysiol. fllr 18&0. 132. — Hannover, ibid. 1861. 18y. —
P z u k i t s , Zeitschrift der Wiener Aerxte. 1847. •
hu C.onolp
Dauof und Geschwindigkeit de* Mcn*tniftlflume*.
447
folgen kann , ohne das» die Regeln in merklicher Weise eintreten. —
b) Die Regeln kennen nur erscheinen, wenn ein gewisses Lebens-
alter erreicht und ein anderes nicht überschritten ist. Das Alter,
nach dessen Vollendung die Menses auftreten, wechselt mit dem
Klima und der Lebensweise. Nach statistischen Beobachtungen
füllt der mittlere Eintritt derselben im nördlichen Deutschland in
das 16., im südlichen Frankreich in das 16. nnd in den tropischen
Ländern in das 11. bis 6. Jahr. Die Städterin soll im Durchschnitt
um ein Jahr früher menstruirt sein, als die Bewohnerin des Landes,
Ueber das Alter, in dem die Menstruation verschwindet, sind we-
niger allgemeine Regeln festgestellt; in unsern Gegenden hört die
Menstrualblutung gewöhnlich mit dem 40. bis 46. Jahre auf oder
tritt von da an nur sehr unregelmässig ein. — e) Wenn eine Men-
strualblutung stattgefunden hat, so muss ein gewisser Zeitraum
verstreichen, bevor eine neue eintreten kann. Die Zeit, welche
zwischen je zwei Reinigungen liegt, beträgt gewöhnlich 4 bis 4
und eine halbe Woche. Abgesehen davon, dass sich hier indivi-
duelle Verschiedenheiten finden, soll sich auch der Unterschied der
Klimate geltend machen, nnd namentlich giebt man an, dass in
nördlichen Gegenden die Menstruationen seltener aufeinander folgen,
als in südlichen. — d) Endlich ist es eine Regel, die nnr seltene
Ausnahmen erleidet, dass nur das ungesehwängerto Weib der
monatlichen Reinigung unterworfen ist.
3. Die Dauer und die Geschwindigkeit des Blutflusses sind
sehr variablen Werthcs, indem namentlich die Dauer des Ausflusses
bei den verschiedenen Frauen zwischen einem bis zu acht 'Lagen
schwankt. — Im Allgemeinen soll bei magern, lebhaften und süd-
ländischen Frauen die Geschwindigkeit des Ausflusses grösser sein,
als bei fetten, trägen und denen des Nordens.
Zahlenangaben wie die, dass die norddeutschen Frauen und die Engländerinnen
90 bis 105 Gr., die süddeutschen 240 Gr., die Italienerinnen und Spanierinnen 3t>0Ur.
uud die Frauen der Tropen 000 Gr. Flüssigkeit verlieren sollen , müssen mit einem ?
aufgenommen werden.
4. Die Veränderungen, welche man in dem Uterus während
der Dauer der Menstruation beobachtet hat, bestehen in einer An-
schwellung seiner W and ; diese soll bedingt sein durch eine Füllung
des Schwellgcwebes , welche gleichzeitig mit der eintritt, die in
dem Ovarium hei Loslösung eines Eies aus demselben beobachtet
wird. Die Steifung beider Schwellkürper findet aber ihren näch-
. Digiiized by Google
448 Mechanismus des Blutflussres ; anatomischer Ban der Brustdrüse.
sten Grund in der Hemmung des Blutstroms ihrer abführenden Venen,
welcher veranlasst wird durch die Zusammenziehnng der die lezteren
umgebenden , im lig. latum verlaufenden Muskeln. In Folge dieser
Steifung mehrt sich auch die Spannung des Bluts im Uterus und
zwar soweit, dass sie den Eintritt des Blutflusses bedingt (Kongetk
Neben diesen im Innern der Wand stattfindenden Vorgängen ändert
sich auch die Schleimhaut; namentlich fällt das Flimmerepithelium
ab, und ihre Masse selbst schwillt an, so dass sich häufig, wenn
auch nicht immer (Bisch off), die Uterindrüsen vergrössem. Ge-
schieht dieses letzte, so schwitzt auf die gesaminte innere Ober-
fläche des Uterus eine weiche weisse Haut aus, die Deeidua.
5. Die Ausstossung der in die Gebärmutterhöhle ausgetretenen
Flüssigkeit wird wahrscheinlich auf verschiedenen Wegen besorgt.
Zum Theil mag die Flüssigkeit einfach ausfliessen , zum Theil aber
wird sie sicher durch die Bewegungen des Uterus, die als wehen-
artige Schmerzen* empfunden werden, in die Scheide befördert;
auf dem letztem Wege muss offenbar auch die Entfernung der
festen Masse (des Faserstoffgerinsels und der etwa gebildeten De-
eidna) geschehen. Bemerkenswerther Weise bleiben diese letztem
oft sehr lange in der Gebärmutter liegen, so dass sie mehrere
Wochen nach Beendigung der Kegeln, in der sogen, weissen Men-'
struation, mit Schleim vermischt entleert werden.
Ueber die Erektion der Scheide siehe Kob eit in dessen Wol-
lustorgan und die Gegenbemerkungen dazu bei Rouget; die Fett-
und Schleimdrüsen der Vagina sind schon früher erwähnt
Milchdrüsen.
1. Anatomische Beschaffenheit der weiblichen Brustdrüse*).
Ihre Höhlen sind im Allgemeinen angeordnet wie die einer trau-
bigen Drüse mit mehreren Ausföhrungsgängen , z. B. der Thränen-
drttse; der Milchdrüse eigentümlich sind die länglichen Erwei-
terungen in den grösseren Ausföhrungsgängen kurz vor deren Mün-
dung. Die Wandung enthält durchweg eine strukturlose Grund-
lage, auf der innera Seite derselben liegt in den Endbläschen ein
vieleckiges und in den grossem Gängen ein cylindrisches Epithc-
lium. Auf der äussem Seite ist die strukturlose Wandschicht in den
stärkeren Gängen mit einer Lage glatter Längsmuskeln belegt, die
•) Kül liker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Aull. 550. — llenle, Jahresbericht Uber mikro-
skopische Anatomie Air 1850. 31. - Reinhardt lin. Archiv Air pathol. Anatomie. I. ßd. 52. —
Eckhardt, 'BeltrKge zur Anatomie und Phyelogielo. 1855. 1.
i by Google
Milch. Muttermilch.
44»
jedoch nicht bis in die Brustwarze hinreichen. — Die Gefässe um-
spinnen mit den gewöhnlichen Maschen in traubigen Drüsen die
Bläschen; in der Milchperiode nimmt der Durchmesser derselben
merklich zu. — Die Nerven, welche in das Innere der Drüsen
gehen , sind nicht sehr zahlreich ; sie kommen zum Theil aus dem
vierten bis sechsten Intercostalnerven ; ein anderer Theil unbekann-
ten Ursprungs geht mit den Blutgefässen. Die erstem enden theil-
weise in den Muskelmassen der Drüse (Ekhard). — Die ganze
Drüse ist in einen muskulösen Hautbeutel eingeftillt ; die Muskeln
desselben ziehen sich zwischen den Läppchen der Drüsen durch
in das Bindegewebe, welches die Läppchen scheidet.
Die männliche Brustdrüse gleicht der weiblichen , ausgenommen
dass ihre Endbläsehen viel weiter und dafür sparsamer vorhanden
sind, und dass den Ausfübrangsgängen die Erweiterung kurz vor
der Mündung abgeht.
2. Mil eh*). Die Drüse liefert ihren Saft gewöhnlich nur bei
Neugebomen beiderlei Geschlechts und bei schwängern und nieder-
gekommenen Frauen , sehr selten auch bei Männern. Wir schildern
zuerst die Eigenschaften der Muttermilch, d. i. derjenigen, welche
von .Frauen und Mutterthieren knrz vor oder nach dem Gebären
abgesondert wird.
Die Muttermilch jst ein bläulich weisser Saft, der schwach
sauer oder neutral oder auch schwach alkalisch reagirt, sein spez.
Gewicht schwankt zwischen 1018 und 1045. — Das Mikroskop
lässt erkennen, dass er aus aufgeschwemmten Stoffen ^Milchkügel-
chen, Colostrnmkörperchen und Epithelialzellen) und aus einer
Flüssigkeit besteht. Eine Scheidung beider Bcstandthcile behufs
einer chemischen Untersuchung hat noch nicht gelingen wollen.
Der reichlichste Theil der aufgeachwemmtcn Bcstandthcile, die Milchkügelchen
sind fettreich, die Flüssigkeit ist eine wässerige Lösung von Salzen und Eiweissstoffen;
man sollte demnach erwarten, dass sich das Serum und die Kügelchen der Milch in
Folge ihres spezifischen Gewichtsunterschiedes trennten. Dieses geschieht aber selbst
nach monatelangerä Stehen nicht vollkommen; die grosseren der Milchkügelchen gehen
wohl nach oben (Oberes, Kahm), aber die kleineren nnd kleinsten bleiben inmitten
der Flüssigkeit. — Nicht viel weiter führt die Filtration der frischen Milch durch
Scherer, Milch In Wagner'* Handwörterbuch. IT Rd.— Clemm, Inquisition«* chemicae
ac jnicroteop. etc. Güttingen 1*46. — Renach, Llebig’s Annalen. 61. Bd. 221. — Qorop,
Archiv dir phyaiolog. Heilkunde. VIII. 717. — Griffith, (.'hem. Gazette. 1848. 192. — - Wilson,
Ibld. TSSO. 866. — A. Becquerel et VCrnois, De lalt chez 4a fetnme. Paris 1856. — Wilden-
stein, Journal Air prakt. Chemie. 58. Bd. 28. — t. Eueren, Onderzoeklngen gedaan ln hat
phyaiolog. Laborator. 1848 — 49. 91. — Dumas, Compt. rend. XXI. Bd. *— F. Hoppe, Vircbow’a
Archiv. XVII. 417. — Ausserdem die Lehrbücher von Dumas, Simon, Lehmann, L'liärltler.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 29
.. Qigitized by Google
450
Muttermilch; Milch - wnd Coloatrumkügelchen.
starkes Papier (Querenne); auf dem Filter bleiben keine reinen Milchkugeln und
durch dasselbe gehen noch immer sehr viele Molekularkörnchen. Die letzteren sollen nach
Hoppe im Filtrat vermieden werden, wenn man die frische Milch durch eine thicrische
Haut presst. Die gewonnene Flüssigkeit soll aber armer an gelösten Eiweissstoffen
sein, als das unfiltrirte Milchserum. Ausser der Analogie liegt hierfür kein Beweis
vor. — Versetzt man die Milch mit conzentrirter NaCl-Lösnng, so lässt sie sich
leichter filtriren, und die Kügelchen, welche auf dem Filter Zurückbleiben, lassen sich
mit NaCl-Wassar aus waschen (Dumas); es ist wahrscheinlich, dass diese Kügelchen
von der normalen Zusammensetzung ab weichen; aber wie weit, ist unbekannt.
Die Milchkügelchen sind kugelige Körperchen ; der Dnrchmesser
der kleinsten ist unmessbar, der der grössten = 0,025 M.M. ; sie
sind Fetttropfen, welche von einer Hülle umzogen werden, die
nach seinen- Reaktionen ans einem dem CnseYn nahe stehenden Ei-
weisskörper gebildet ist (Henle, E. Mitscherlich, Dumas).
Die Kligelehenhülle soll in der frischen Milch schwächer sein als
in der seit Längerem entleerten (Filhol nnd Joly)*). — Der
fettige Inhalt der Kügelchen (Hutter) aus der Kuhmilch (also wahr-
scheinlich auch ans der Frauenmilch) kann zerlegt werden in Olein
nnd andere neutrale Fette. Aus diesen geht durch Verseifung her-
vor: Butin - (CmHmOi) (?), Stearin - (CV.RmOj), Palmitin - (CsiHaiOc),
Myristin- (C^IL-Oi), Caprin- (C20H10O4), C’apryl- (CioHtsOi); Ca-
pron- (C12H12O4) nnd Buttersäure (C-HsOi) (Lercli, Heintz). Den
gegebenen Formeln nach gehören diese Säuren sämmtlich zur Gruppe
der Fettsäuren von dem Typus 2(0„H„)0i , von welchen aber in
der Butter nur die Glieder vertreten sind, deren Kohlen- nnd
Wasserstoffatomzahl durch 4 theilbar ist. Dem Gewicht nach be-
steht die Butter vorzugsweise aus Olein und Palmitin.
Da die Milchkügelchen aus zwei Stoffen bestehen , von denen der eine (Casein)
ein grösseres nnd der andere (Fette) ein geringeres spezifisches Gewicht hat als dio
Milchsäure, so erklärt es sich, dass ein Theil jener Kügelchen über dos letztere steigt,
während ein anderer in ihm schweben bleibt, ln den Rahm müssen nämlich die
Kügelchen gehen, welche im Verhältnis» zum C'aseYn das meiste Fett enthalten, also
wahrscheinlich die grösseren. Demnach wird die Rahmbildung nicht allein vom Fett-
gehalt der Milch überhaupt, sondern auch von der Art der Fettvertheilung »bhangen.
Die ColostrumkUgeleheu bestehen wesentlich ans einem zu-
Bammengebiillten Häufchen sehr kleiner freier Fetttropfen; zu-
gammengehalten werden die Tröpfchen . entweder durch die Haut
einer Zelle, in deren Hohlraum das Häufchen eingelagert, oder
durch eine die Tröpfchen verklebende (caseiuhaltige ?) Zwischen-
* Meiiiner'i ,1ahre*>l»ericht für 1S&7. 3?A.
Digilized by C
Milchserum ; chemische Zusammensetzung. 451
Substanz, so das» sie auch dann noch Zusammenhalten, wenn die
Zellhaut verschwunden ist.
Das Milchscrum enthält in Lösung einen oder mehrere eiweiss-
haltige Körper, das Casein und das Albumin. Weil aus der
frischen Milch nur ein Theil der gelösten Eiweissstoffe durch Er-
hitzen auf 75° C. und ebenso auch nur ein Theil duruh Lab ge-
fällt wird , so ist man geneigt, anzuuehmen , dass der erste Eiweiss
und letzterer Casein sei. Das Verhältnis», in welchem die auf die eine
oder andere Weise gefällten Mengen zu den nicht gefällten stehen,
ändert sich in derselben Milch, aber mannigfach. So wird ans der
kalten frischen Milch durch Lab weniger gefallt als aus der ge-
kochten (lleynsius); und aus der neutralisirten oder schwach
angesäuerten Milch wird durch Kochen mehr gefallt als aus der,
welche schwach alkalisch reagirt (Scherer). War die frische
Milch durch Latj iu der Kälte gefällt, so wird aus der abfiltrirten
. Molke ein weiter Theil abgeschieden , wenn sic Uber 40 bis zu «0°
erhitzt wird (Schübler, Scherer), der ganz die Eigenschaften
des Caseins besitzt. Aus der frischen Milch wird durch COj nichts
gefällt, wohl aber aus der gekochten oder aus dor, welche einige
Zeit gestanden (Hoppe). Lieberktthn*) gieht sogar an, dass
der kalte wässrige Auszug eines MilcbrUckstandes, der darch Ab-
dampfen der Milch bei der Siedehitze bereitet wurde, einen Eiweiss-
stoff enthält, welcher beim Erhitzen gerinnt. Aus alledem geht
hervor, dass die eine oder die andere Abscheidungsweise keine
scharfen Trennungszeichen giebt. Zudem stehen sich Albumin und
Casein , wenn sie möglichst von ihren Beimischungen befreit worden,
so nahe, dass es unthunlieh ist, sie zu unterscheiden. Trotzdem wer-
den wir in Folgendem den Sprachgebrauch^ Albumin und Casefn
beibehalten, um durch ein Wort andeuten zu können, ob die Siede-
hitze einen grossem oder geringem Antheil der gelösten Eiweiss-
stoffe aus der Milch nusfällt. — Das Milchserum enthält ferner
Milchzucker, öfter Milchsäure, Extrakte, Kali, Natron, Kalk, Mag-
nesia, Eisenoxyd, Salz-, Phosphor-, Kohlensäure, Spuren von Kie-
sel- nnd Flusssäure. Der phosphorsaure Kalk und die phosphor-
saure Magnesia sind an die Eiweisskörper gebunden.
Picard theilt der Milch auoh Harnstoff zu; Hoppe fand denselben nicht.
Von den Veränderungen, welche die Zusammensetzung der
Milch darbietet, hat man bis dahin vorzugsweise nur die prozen-
•> Pn((|?entlorf» Amutlcn. 8rt. Bd. 117.
29 *
Digitized by Google
452
VerändeniBg<bedit>g<m;«i) ihr Milcti.
tische berücksichtigt; man suchte und fand dieselbe veränderlich
mit folgenden Bedingungen dem Alter, der Constitution, der Haar-
farbe, den Gemüthszuständen , der Nahrung der Mutter, ferner,
ob die letztere während der Milchabsonderung schwanger, oder seit
wann sie niedergekommenen ; ob sie menstrualfähig oder nicht und
wenn ersteres, ob sie menstruirt oder nicht menstruirt war, ob sie
eine Erst- oder Mehrgebärende, wie entwickelt die Brustdrüse sei;
endlich untersuchte man die Milch je nach der verschieden langen
Aufenthaltszeit in der Brustdrüse, und ob die in verschiedenen
Orten des BruxtdrUsenraumes enthaltene anders zusammengesetzt
sei. Die bei diesen Untersuchungen gewonnenen Zahlen hat man
gewöhnlich nur zur Ausrechnung der prozentischen Zusammen-
setzung der Gesammtmilch benutzt. Da die Fette nur aufgeschwemmt
und unabhängig von den flüssigen Stoffen, veränderlich sind, so
würde es nöthig sein , auch die prozentischc Zusammensetzung des
Milehscrunis anzngeben; denn ohne diese ist die Vergleichung der
gelösten Bestandtheile zweier Milcharten von gleichem Butter-
gehalt unthunlich. Weil aber das Serum nicht abscheidbar ist,
würde es vielleicht angemessen sein, CaseYn, Zucker, Salze und
Wasser mit Ausschluss der Fette auf 100 zu berechnen, und dann
das Verhältnis der Fette zudem einen oder andern Bestandtheile oder
der Gesammtmilch anzugeben. — So wichtig die Kenntnis der pro-
zentiseben Zusammensetzung ist, so ist es doch zur Entscheidung
vieler Fragen nicht genügend, zu wissen, wie die Milch zusammen-
gesetzt sei, die man ein oder mehrmals am Tage entnommen hat.
Denn da sieh unter Tags die Milchzusammcnsetzung bald regel-
mässig und bald unregelmässig ändert, so muss man selbstverständ-
lich die ganze tägliche Mileh sammeln und eine Portion derselben
zerlegen, wenn es sieb darum handelt, den Einfluss einer stetigen
tagelang fortwirkenden Bedingung auf die Absonderung hinzustelien.
Dieses ist nur wenige Male geschehen. — Zur Zerlegung hat fast
jeder Beobachter ein nnderes analystisehes Verfahren gewählt, die
sämmtlich mit spezifischen Fehlern behaftet sind; somit sind die
Zahlen von verschiedenen Beobachtern nicht miteinander vergleich-
bar. — Bedenkt man zu Allem , dass die obigen Fragen mehr tlir
die Miichzucht und Ammenwahl als für Aufklärung des Absondernngs-
vorgangs von Belang sind, so wird man von den folgenden Auf-
zählungen nicht allzuviel erwarten.
Wir berücksichtigen zuerst die Milch, welche nach dem Ge-
bären geliefert wird.
Aendorang des Kfieegehalt« der Milch mit der Nahrung etc.
453
a. Die aufgesehwemmten Bestandtheiie der Milch erscheinen
in den ersten Tagen nach der Gebart vorzugsweise unter der Form
von Coiostrumkörperchen und erst später als Milchkügelchen (Donn6,
Dontrepont); die Colostroinkörperchen kehren mehr oder we-
niger zahlreich wieder; wenn sich fieberhafte Zustände des gauzen
Körpers einstellen. ..
b. Der Gehalt der Frauenmilch an Ei weissstoff im Allge-
meinen und an Käse insbesondere ist unter gewöhnlichen Ver-
hältnissen von den frtthern Beobachtern zwischen 1,0 und 7,1 pCt.
geftmden worden; nach Vernois und Becquerel liegt er im
Mittel bei 3,92 pCt. — Fi 1 hol und Jo ly, die eine andere analy-
tische Methode befolgten, legen die physiologische Schwankung
in die Grenzen von 0,6 bis 2,3 pCt. und das Mittel auf 0,98 pCt.
Sollte in der That der Unterschied nur in der Methode begründet sein,
so würden alle folgenden Angaben von sehr geringem Werth sein.
Veränderung mit der Nahrung. Hier wäre zu scheiden der
Einfluss der Menge und der Art derselben. Beim Menschen zeigte
die Art derselben eine nur untergeordnete Bedeutung. Simon sah
nach dem Uebergang von einer nothdürftigen vegetabilischen zu
einer reichlichen fleischhaltigen Kost den CaseYngehalt der Milch
von 3,5, resp. 3,9 pCt. auf 3,7, resp. 4,0 pCt. steigen. Becquerel
und Vernois geben den mittleren Gehalt an Casein und Extrakten
aus 21 Beobachtungen bei mangelhaft gespeisten Frauen zu 3,7 pCt.,
bei gut gefütterten aber (aus 61 Beobachtungen) zu 4,0 pCt. an. —
Da sich die tägliche Milchmenge mit der reichlichen Kost mehrt,
so würde auch die tägliche CaseYnmenge damit wachsen.
Nach Poligot stieg der CaseYngehalt der zu derselben Tageszeit entleerten
Milch oiner Ksclin von 1,2, resp. 1,6 auf 2,3, als sie, statt mit Hafer, Kartoffeln oder
gelben Rüben, mit rothen Rüben gefüttert wurde. — - Bei Kühen bemerkte Bonssin-
gault keinen Unterschied weder an Menge, noch an prozentischer Zusammensetzung,
mochten sie mit grünem oder trockenem Futter , mit Rüben , Kartoffeln (?) oder 'Hafer '
gespeist werden. — Beim Hunde fand Young, dass die Milch der mit Fleisch ge-
fütterten Thierc durch Stehen nicht gerann , und Dumas, dass sie beim Kochen ge-
rann; diese letztere Eigenschaft verschwindet, wenn statt des Fleisches Brod gegeben
wird (Filhol, Joly). Beim Kost Wechsel ändert sich auch der Prozentgehalt der
Hundemilch an Eiweisskörpern; cs sanken Eiweissstoffe und Salze von 16, S pCt. auf
11,4 herab, als von Fleisch zu Brod und Fettsuppen übergegangeu wurde (Duraas).
In dem ersten Monat nach dem Gebärakt soll die Milch etwa
1,5 pCt. weniger CaseYn enthalten, als später (Simon). Hiergegen
erheben sich die Beobachtungen von Griffith, Vernois und
Becqu e rel.
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454 Veränderung des Käsegchalta mit der Häufigkeit der Entleerung etc.
Wird die Frau während der Milchabsonderung geschwängert,
so nimmt der Käsegehalt um etwa 0,5 pCt. gegen den • frühem ab
(Becquerel und Vernois).
Die Wiederkehr der Menstritalperiode hat keinen oder einen
gering steigernden Einfluss in den Zeiten, in welchen sie nicht
gerade eingetreten ist; während der bestehenden Menstrualblutung
ist dagegen der CaseYngehalt immer verändert , aber bald in auf-
und bald in absteigender Linie.
Wird die Brustdrüse rascher hintereinander entleert, so ist die
Milch, die sie liefert, reieher an Casein , als wenn sie lange Zeit
in der Brustdrüse verweilte (Peligot, L ’ h fritier). Eine Fran,
welche während mehrmaliger Entleerung des Tags Uber eine Milch
mit 1,4 pCt gegeben hatte, lieferte, als 40 Stunden lang der
BrustdrUseninhalt zurttckgehalten war , eine Flüssigkeit mit 0,2 pCt.
Bei der Eselin fand Peligot folgende Zahlen: 1,6 Stundo nach dem rorher-
gegangenen Melken = 3,5 pCt. CaseYn ; 0 Stunden nach demselben = 1,5 pCt. und
24 Stunden nachher = 1,0 pCt. — Die Milch derselben Kiiho enthielt bei drei-
maligem Melken des Tags 4,5, bei zweimaligem 4,1 pCt. Casein (Tromnier).
Wird die gefüllte Mutterbrust in einer Sitzung entleert , so ist die
Milch, die in den verschiedenen Abschnitten der Mahlzeit entleert
wird, ungleich reich an CaseYn, und zwar ist bald die anfänglich
und bald die später ansgestrichene die caseYnreichere (lieiset,
Vernois und Becquerel), Die Unterschiede sind gering, etwa
0,2 pCt.; vielleicht in Fehlern der Methode begründet (Heynsius).
Stark entwickelte Brustdrüsen liefern im Durchschnitt eine Milch
mit 0,3 p'Ct. mehr CaseYn, als schwach ausgehildete. Damit im
Zusammenhang steht vielleicht die Erfahrung, dass, wenn die mitt-
lere tägliche Absonderung reichlich uud leicht von statten geht, die
Milch um etwa 0,4 pCt. reicher an CaseYn sei, als wenn das Ge-
gentbeil stattfindet. Für ein und dasselbe Individuum hat dieses, wie
es scheint, keine Geltung, vorausgesetzt , dass die Drtisc gleich oft
entleert wurde. Bonssingault fand nämlich die Milch der Kühe
gleich reich an CaseYn, gleichgiltig ob sie täglich 3 oder 12 Kannen
Milch gaben.
Die Milch der Kuh , ’ welche währond der Nacht abgesondert wird , soll mehr
Casein halten, als die Tagesmilch (Plaifayr). Diess bestreitet Go ru p, und Struck-
mann findet sogar umgekehrt in der den Morgen entleerten Milch um 0,1 pCt.
weniger als in der am Abend entleerten Milch. — Diese Unterschiede konnte Wicke
an der Ziege nicht bestätigen.
Variabel wurde der CaseYngehalt ferner gefunden mit dem Alter der Saugenden,
insofern bei 15- bis 20 jährigen die Milch durchschnittlich 5,5 pCt., also mehr als das
Veränderung iin Buttergelialt mit der Nahrung etc.
455
Mittel, enthielt, jenseits dieses Termins zeigt sich keine Beziehung zwischen de»
Alter uud dem CaseYngehalt (Becquerel und Vernoit).
Constitution. NachBecqu erel und Vernois sollen blonde oder rothhaarige
Frauen mit weisser Haut und schlaffer Musculatur (schwache Constitution) eine Milch
mit 3,9 pCt. Casein und Frauen mit dunklem Haar, brauner Haut und lebhaftem
Temperament (starke Constitution) eine solche von 2,9 pCt. Casein liefern. — Bei
' Kühen und Schafen prägt sich trotz gleichen Futters u. s. w. der Unterschied der
Race in dem Casetngehalt der Milch sehr bedeutend aus (Becquerel, Vernois,
Fi 1 hol, Joly). — Frauen, die hei sonst gleich kräftigen» Aussehen blondhaarig
sind, sollen Milch mif 1,6t pCt. liefern, dunkelhaarige dagegen 2,56 pCt (L'h6-
ritier). — Dieses fanden Becquerel und Vernois nicht bestätigt.
c. Der Buttergehalt beläuft sich im Mittel auf 2,66 pCt.;
sein Minimum wurde zu 0,6; sein Maximum zu 8,9 gefunden.
Reichliche Nahrung, gleichgiltig ob sie aus Fleisch oder Brod
besteht, mehrt die Butter und kärgliche setzt sie herab; die Unter-
schiede betragen 2 bis 3 pCt. (Dumas, Simon, Becquerel
und Vernois). Die Folge der bessern Nahrung macht sich schon
am ersten Tage nach dem Genuss derselben geltend (Simon).
Mütter zwischen 15 und 20 Jahren geben im Allgemeinen etwas buttem ichero
Milch als ältere (Becquerel und Vornois).
In den ersten 5 Tagen nach dem Gebärakt ist die Milch ärmer an
Fett, als in den folgenden 10 Tagen; der Unterschied liegt in der
Nahe von 0,5 pCt. In den spätem Monaten zeigt sich kein Ab-
hängigkeitsverhältniss zwischen dem Bnttcrgehalt und der Zeit seit
dem Beginn der Absonderung, im Allgemeinen ist aber der Butter-
gehalt geringer, als in den ersten 5 Tagen.
Wird die Frau während der bestellenden Milchabsonderung ge-
schwängert, so wird der Buttcrgehalt gesteigert, in den untersuchten
Fällen betrug im 3. Schwangerschaftsmonat das Mehr gegen früher
3,0 pCt.
Nicht menstruirte Frauen liefern Milch mit demselben Butter
gebalt, wie menstrualfähige in den Zeiten, die zwischen der Blu-
tung liegen ; während des Bestehens der letztem wird der Butter-
gehalt bald auf- und bald absteigend alterirt, die positiven Ver-
änderungen stiegen bis zu 4,5 pCt. (Becquerel und Vernois).
War bei Thieren das Euter seit mindestens 4 Stunden nicht
entleert worden, und wurde dann der ausgestrichene Inhalt der-
selben absatzweise aufgefangen , so ist der zuletzt abgezogene Theil
bis zum lOfachen reicher an Fett, wie der zuerst gewonnene (Pe-
ligot, Reiset). Man erklärt sich dieses aus dem Aufsteigen des
Fettes in den Hohlen des herabhängenden Euters. Beim Menschen
finden sich nicht immer (Vernois und Becquerel), aber häufig
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456
Veränderungen im Zucker- und Salzgehalt.
ähnliche, wenn anch geringere Unterschiede (Reiset, Heyngins).
Der zuletzt genannte Beobachter erklärt sich dieses durch die An-
nahme, dass in deu engem Gängen der DrUse die butterreichere
Flüssigkeit aufbewahrt sei.
Die am Abend entzogene Milch ist bis zum Doppelten reicher
an Butter, als die Morgenmilch (G o r u p , Struckmann, Wicke).
Eine Frau, welche durch den plötzlichen Tod ihres Kindes eine lebhafte Ge-
müthserregung erlitt, sonderte alsbald eine viel butterreichere. Milch ab. — Schwache
und starke Constitutionen in dem unter b. genannten Sinne zeigten sich einflusslos,
blonde Frauen gaben nach L'hcritier eine Milch, die etwa 2 pCt. Butter mehr
führen soll, als die Milch dunkelhaariger Mütter. Vernois und Becquerel laugnen
dieses. — Die Race der Schafe und Kühe hat einen sehr grossen Einfluss auf den
Buttergehalt (Becquerel, Vernois, Filhol, Joly).
d. Die Grenzwerthe des Zuckergehaltes fallen auf 1,2 und
6,0 pCt. ; das Mittel liegt bei 4,3. Bei Hunden ist nach Fütterung mH
einer reinen Fleischkost der Zuckergehalt zwar sehr verändert (Dumas,
Heynsius), aber nicht gänzlich verschwunden (Bensch). — In
den ersten 14 Tagen nach dem Gebären ist die Milch nach Simon
zuckerreicher, eine Thatsache, welche Vernois und Becquerel
nicht bestätigt fanden.
Ob die Frau menstrualfähig sei oder nicht, ist gleichgültig;
während der fliessenden Regeln ändert sich der Zuckerwerth auf
und ab um je ein Prozent.
Bei absatzweiser Entleerung der Brustdrüsen findet sieh in der
ersten Portion der ausgesogenen Flüssigkeit 0,2 pCt. Zucker weniger
als in der zweiten. — Wenn die tägliche Menge der ausgeschiedenen
Milch grösser wird, so nimmt der Zuckergehalt zu.
Ohne Einfluss auf den Zuckergehalt ist das Alter der milchgebenden Frau, die
wiederkehrende Schwangerschaft, der Umfang der Brustdrüse. — Die Milch von Frauen
mit schwacher Constitution enthielt im Durchschnitt 4,3 pCt. , diejenige von Frauen
mit starker 3,2 pCt. Zucker, — Dunkelhaarige Frauen gebe» auokerroichere -Milch- als
blonde (L’heritier). Dieses läugnen Vernois und Becquerel.
e. Salze. Nach einer von Wildenstein ausgefUhrten Analyse
der menschlichen Milchasche besteht dieselbe in 100 Theilen aus:
Na = 4,2; Ka = 31,6; CaO = 18,8; MgO 0,9; FejOn = 0,1;
CI = 19,1; POs = 19,1; Söi = 2,6 und einer Spur von Kiesel-
säure. Eine ähnliche Zusammensetzung trägt nach R. Weber*)
und Hai dien auch die Milchasche der Kuh, so dass namentlich
der grosse GehaH an Kalium im Gegensatz zum Natrium ein con-
') Poggendorf's Annalen. 81. Bd. 402.
Wassergehalt der Mlleh ; Oawrnitntmilch.
457
stanter zn sein scheint. — Kohlensäure, welche in der obigen
Analyse fehlt und wahrscheinlich durch die während der Verbren-
nung entstandene SO* ausgetriehen wurde, ist in der frischen Milch
vorhanden (Lehmann), und zwar kann sie, ähnlich wie im Blut,
theilweise dnrch Acndening des Drucks und theils dnrch stärkere
Säuren abgeschieden werden. — Der mittlere Gehalt der Milch an
Asche variirt zwischen 0,05 und 0,3 pCt., so dass sie nngetähr
2 pCt. des trockenen Milehrtickstandes ansmacht. Die Abhängig-
keit der Veränderungen von den früher aufgezählten Bedingungen
ist noch nicht genügend festgestellt, oder es verdienen wenigstens
die mitgetheilten Zahlen noch geringes Zutranen.
f. Wassergehalt. Er schwankt zwischen 80,9 und 94,8pCt.
Das Mittel fällt auf 88,9 pCt. — Die vorliegenden Mittheilungen
lassen schon erkennen, dass der Wassergehalt der Milch unter
das Mittel fällt bei Frauen zwischen 15 und 20 Jahren, bei
schwacher Constitution, in den ersten Tagen nach dem Gebärakt,
hei eingetretencr Schwangerschaft, bei braunhaarigen Frauen (?),
bei sehr guter Nahrung, bei reichlicher Milchabsonderung, und dass
er umgekehrt Uber das Mittel fällt bei starker Constitution, bei
Blondhaarigen (?), schlechter Nahrung, beschränkter Milchabson-
derung, und dass er während der ansfliessenden Regeln bald Uber
und bald unter den Mittelwerth geht.
Feste Beziehungen im prozentischcn Gehalt zwischen den ein-
zelnen Bestandth eilen der Milch sind noch nicht aufgefunden, was
Vernois und Becquerel dadurch ausdrücken, dass sie die von
ihnen untersuchten Ammen in CaseYn- und Buttei'ammen ein-
theilen.
Die Zusammensetzung der mittlem Frauenmilch in lOOTheilen
würde sich nach Vernois und Becquerel folgendemmassen aus-
-nebmen: Wasser = 88,91 ; Zucker = <4,36 > Käse und. Extrakte
= 3,92; Butter = 2,67; Asche = 0,14. Nach Scheret und
Clemm aber: Wasser == 89,10; Zucker und Extrakte = 3,85;
Käse = 3,37 ; Butter = 3,71; Asche = 0,17.
Um zu bestimmen, ob die Milch, welche kranke Säuglinge genossen, an dem
Uebel dieser letzteren schuldig oder unschuldig sei, analysirten Becquerel und Ver-
nois die betreffende Milch und fanden eben so häufig Abwciohungen von dem Mittel,
als ein Bestehen desselben. Daraus wird es allerdings wahrscheinlich , dass etwas
mehr oder weniger des einen oder andern Bestandteils nieht die Ursache des Leidens
der Säuglinge war. Viel eher dürften die nicht untersuchten und bis dahin auch
nicht untersuchbaren qualitativen Unterschiede der einzelnen Bestandteile anzu-
klagen sein.
458
Drüaenaaft der Schwängern.
Ans der Nahrung gehen in die Milch Uber die ätherischen Oele
des Knoblanchs, des Anis und der Cruoiferen, der Bitterstoff des
Absynth etc.; von mineralischen Bestandtheilen Jod (sehr langsam,
aber es haftet lange) (Lewald), Wismuth, Arsenik, Antimon, Blei,
Zink, Eisen, Quecksilber. Siehe hierüber Lewald und Harnier *).
Nach Wnsserinjectioneu in das Blut enthält die Milch viel
Eiweiss (Eckhard).
Die Milch**), oder besser gesagt der Drüsensaft, welcher wäh-
rend der Schwangerschaft, also vor der Geburt, abgesondert wird,
muss den Angaben von Lassaigne, Simon, Clemni und
v. ßueren zufolge im Ansehen und der Zusammensetzung in ver-
schiedenen Fällen sich sehr abweichend verhalten. Wir weder-
holen hier zuerst den Inhalt der Beobachtungen von Scherer und
Cie mm und lassen die abweichenden Angaben folgen. Nach
diesen ist die aus der menschlichen Brustdrüse gewonnene Flüssig-
keit von seifenwasserartigem oder gelblichem Ansehen, zuweilen
mit Blutstreifen durchzogen, klebrig, reagirt fast neutral und wird
beim Sieben an freier Luft bald sauer. Das Mikroskop wies
Colostrnmkügelchen und Fetttropfen , zuweilen veränderte Epithelial-
zellen nach. Casein fehlt, seine Stelle wurde durch Eiweiss ver-
treten. Die Zerlegung ergab bei derselben Schwängern:
•
28 Tage vor
der Gehurt.
18Tuge vor UTogp vor 4 Tage vor
der Geburt. dorGehnrt. der Gebart.
Was »er .
85,20
85,17
85,18
85, §5
Butter i' ......... .
Milchzucker u. Weingeist-
4,13
■ <
3,02
y> r
2,35
extraktc
3,94
4,37
3,64
14,8t
Albumin
6,79
7,37
7,91
In Wasser lösliche 8alze
0,33
0,34
0,38
In Wasser unlösliche Salze
0,1t
0,11
0,16
4,83
5,16
15,89
Am zweiten Tage nach der Geburt war erst das Eiweiss ver-
schwunden und der Saft hatte die- Eigenschaften der Milch ange-
nommen. Eine Vergleichung der einzelnen Tage lehrt, dass bis
zur Geburt, den letzten wegen der Nahrung nicht mehr vergleich-
*)lfnrnier, quaedam de transitu niedkamentorum in lac. Marburg 1847. — Lewald,
Unterjochungen Aber den lebergang von Arzneimitteln ln die Milch. Brealan 1857.— Späth und
Schauenstein. Zeitschrift der Wiener Aerzte 1859.
■•) Simon, Mediz. Chemie. II. Bd. 280. — Cietntn, I. c. — v. Bueron, Ondcrzoekingen
gedaan In hot physiologisch Laboratorium otc. 1818—49. 166. — Moleschott, Archiv filr phy-
elolog. Heilkunde. XI. Bd. 696.
Die gewöhnliche Kost war am Tuge vorher mit einer vcgetabiliachcn 'vertauscht worden.
Driistjnsaft d«r Schwängern.
459
baren Tag ausgenommen, die Butter kn Abnehmern und das Eiweisg
im Steigen begriffen war; Zucker, Salze und Wasser varürten da-
gegen wenig, oder mindestens ohne Kegel. — Van Bueren fand
den Drllsensaft stark alkalisch, gelblich, eiweissfrei und dafür
caseiu - und stark fetthaltig, und neben den ColostinmkUgelehen
mit feinkörnigem Fett erfüllte Epithelialzellen. — Simon, welcher
den Drllsensaft der Eselinnen untersuchte, erhielt 14 und 8 Tage
vor der Geburt eine Flüssigkeit, welche Albumin, Casein , Butter
und nur Spuren von Zucker enthielt — ’ Die Safte des Kuheuters
»e.hliessen sich nach den Beobachtungen von Lassaigne, Mole-
schott und Clemm an die der menschlichen Brustdrüsen, inso-
fern sie nur Eiweiss und kein CaseYn führen, dagegen waren sie
sehr’ rahmhaltig.
f Fast alle Neugeborenen*), männliche und weibliche, sondern aus der Brustdrüse
einige Tage nach der Geburt einen Saft , die Hexenmilch , ab. Sie erscheint meist am
4. Tag nach der Geburt, erreicht am 8. ihr Maximum und ist nur noch selten nach
Yerfluss eines Monats zu linden. Die Heienmilch enthält nach Schlossbergor und
Gu Pilot Milchkügelchen und nach Don ne auch Colostnnnkfirperchen. Schloss-
berger, der oin solches Produkt analysirte* fßnd in 100 Thailen Wasser =® 96, 7ü;
Fett s=> 0,82; Casein, Extrakte und Zucker — 2,38; Asche = 0,3. Sie verhält aioh
nach diesem Analytiker wie gewässerte Milch. Querenne zerlegte ein Produkt, das
reichar an festen Stoffen war.
Bei erwachsenen Männern**) und männlichen Säugethieren stellt sich in sehr
seltenen Fallen ohne nachweisbare Ursachen Milchabsonderung ein. Schlossborger
«erlegte die Milch eines Bockes; diese war um einige Prozent reicher an Casein und
um so ärmer au Milchzucker und Butter, als es die Ziegenmilch nach den vorliegenden
Untersuchungen von Chevalier, Clemm und Henry ist
3. Die Absonderungsgeschwindigkeit der einzelnen Milchstoffe
ist unabhängig von einander, wie eie sich aus der relativen Zu-
sammensetzung der Milch ergiebt. Das Maass der täglich abge-
sonderten Gesammtmilcb nimmt bei Kühen bekanntlich von der
Niederkunft an bis zum ersten Monate nach derselben zu jind von
da au in den folgenden Monaten ab bis unter das Quantum, welches
das Thier unmittelbar nach dem Gebären gab. Zahlenbclegc für
diese alte Erfahrung giebt Boussingault. • — Es scheint ferner,
als ob die Menge der Absonderung in Beziehung stehe zur Häufig-
keit der Brustentleerung. Jedenfalls wird der Milchfluss bei Frauen
unterdrückt, wenn das Kind aufhört zu saugen. Dazu behauptet
•) Scanzoni, Würzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 3QU. — S oh lo sa b c rger , Lieblg's
Annalen. 87. Bd. 324. — Na t a 1 1 g G u i 1 1 ot , Gazette nufdicale 1853. p. 686. — Van Bueren,
1. c.*p. IW.
••) 6 ehloazbc rg c r , L leb lg’ » Aona!en. 51. Bd. — Donderi, Onderzoeklngcn gcdnnn in
het Laboratorium etc. 1848—4». p. 153. Todd, Cyciopnedca. Artikel Secretio. IV, 465.
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460
Abeoudenin^geMehwiiidifckoft der ÜlHch«tofFc ; Milchbereitung.
man auch, dass die Milch reichlicher werde, wenn das Kind häu-
figer sauge. Das Saugen könnte Übrigens auch durch etwas Anderes
als die blosse Entleerung der Drttge wirken, was wahrscheinlich
wird im Hinblick auf die Fälle, in welchen die monatelang unter-
drückte Absonderung durch Saugen wieder erweckt werden konnte
Grübler) *). — Die stockende Absonderung kann ferner wieder in
Gang gebracht werden , wenn man öfter durch feuchte oder trockene
Elektroden mehrere Minuten hindurch die Schläge eines Inductions-
apparates auf die Drüse wirken lässt (Auber, Becquerel)**). —«•
Ehe Milch bleibt weiter ans, wenn die Drüse durch einen Druck-
verband zusammengepresst wird. — Eine genaue Zergliederung
verdient auch der Fall von plötzlicher Milchstockung in fieberhaften
Krankheiten u. s. w.
Nach Bestimmungen mit einer Säugpumpe schätzt L am-
periirre***) die tägliche mittlere Milchmenge aus beiden Brüsten
auf 1350 Gr.
4. Milchbereitung. Ueber die Formfolge f) bei der Entwicke-
lung der Milchkügelchen ist uns Einiges durch Henle, Nasse,-
Will, H. Meyer, van Bueren und Reinhardt bekannt ge-
worden. Macht man die Voraussetzung, dass die Bildung aller
geformten Massen nur von der Drüsenwand ausgeht, so ist als
feststehend anzusehen, dass die Col ostrumkörper-chen aus
dem umgewandelten Inhalt der Deckzellen des DrUsenbläschen her-
vorgehen. Denn an der strukturlosen Wand derselben liegen zur
Zeit der Colostrumabscheidung zunächst kleine Zellen an, welche
nach der Terminologie der Cytoblastenhypothese als Kerne be-
zeichnet werden; auf diesen ruhen grössere kernhaltige Zellen auf,
deren Binnenranm zum Theil mit durchsichtigen, zum Theil mit
Fetttröpfchen gefüllt ist; diese letzteren sind in eine körnige
Zwiseheusubstanz- eingebettet und- um den -Kern herum grappirt.
Noch weiter gegen das Centrum des Drüsenbläschens liegen Häufchen
von Fetttröpfehen, welche, znsammengehalten durch eine körnige
Zwischensubstanz und von keiner gemeinsamen Zellenhaut mehr
umgeben ; ganz das Ansehen der Colostrumkörperchen tragen. Zu-
weilen soll sich in der Mitte eines solchen Häufchens noch ein
•) Valentin, J»hre«hork-ht rtlr 11»!. 1J1.
•*) MeiBaner'8 Jahresbericht für 1856 p. 359 und fUr 1867 p. 383.
•••) Lehmann, Physlologiache Chemie. II. Bd. p. 338 and 396. •
t) H. Meyer, Züricher MlUheilangcn. 1849. I. Bd. 2. Heft. p. 70. — Will, lieber Milch-
absonderung. Erlangen 1850. — Van Bneren, 1. e. — Reinhardt, Vlrchow's Archiv. I. Bd.
p. U u. f.
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% ■ MiUhbcmttmg. ■ . * - 461
Gebilde mit den optischen Eigenschaften des Zellenkerns vorfinden;
in den grosseren Gängen endlich, wohin die Drüsen bläsehen ihren
Inhalt entleert haben, sind die Häufchen zerfallen, und es liegen
die einzelnen Fetetröpfeben oder Milchkügelchen frei in der Flüssig-
keit Diese Reihenfolge von Formen findet sich aber nur zur Zeit
der Coiostrumabsomierung und in den Brüsten der Neugeborenen,
keineswegs aber in der nulchgebenden Frauen brost (Reinhardt)**),
*o das« es daraus wahrscheinlich wird, es möchten die Milchkügel-
chen auch noch unter einer andern Formfolge entstehen.
Eine Vergleichung der Blnt- und MHebstoffe zeigt sogleich,
«lass der Milchzucker in der Drüse entstanden sein muss, weil er
selbst dann noch, obwohl vermindert, in der Milch beobachtet
wird, wenn sich (he Säugenden jeder Art von Zucker- und MeU-
nahrnng enthalten, and weil auch in den an andern Orten des
Thierleibes (Leber, Muskeln) bereiteten Zuckerarten kein Miieh-
zncker vorhanden ist. Jedenfalls wird jedoch seine Entstehung be-
günstigt durch den Genass von Amylaceen. — Ob das Casein and
die Fette aus dem Biet abgesetzt oder in den Drüsen enstanden
sind, mnss einstweilen dahin gestellt bleiben. Oesehäbe das erstere,
so würden in der Drüse jedenfalls aacii noch andere chemische
Produkte bei der Umsetzung der Blntbestandtheile in Fette u. s. w.
abfallen , die dann in das Blut znrückkebrten. — Für einen innigeren
Zusammenhang zwischen der Fettbildung im Gesammtkörper und
der Bntterausscheidung spricht die den Landwirthen bekannte That-
sacbe, dass KUhe, welehc eine butterreiche Milch liefern; trotz
guten Futters mager bleiben, und umgekehrt, dass die Milch bei
eistretender Mästung mager bleibt.
Die Mjlch'bildung kann ungestört vor sieh gehen, auch ohne
Znthun der Intercostalnerven , wie die Durchsehneidungsversuehe
von Eckhard beweisen. Da aber die Absonderung beschleunigt
wird durch elektrische Scidäge auf die Brust selbst (und durch das
reflektorisch wirkende Saugen V), so ist die Betheilignng von con-
traktilen Elementen nicht zu bestreiten. Ihr Antheil an der Milch-
bildung könnte sieh aber beschränken auf die Erzeugung von
Spannungsunterschieden zwischen dem Blutstrom und dem Drüsen-
inhalt, eine Vermnthung, die man auszusprechen wagt, weil die
Anhäufung der Milch in der Drüse, resp. die steigende Spannung
des Inhalts ihrer Gänge einen störenden Einfluss auf die Abson-
derung übt.
•) 1. C. p. 01.
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462 Ausstattung der Milch; Ernährung der Brustdrüse; Atbmung; Einleitung.
5. Die Ausstossung der Mileh kann geschehen darcäi die
Kräfte , welche eie in die Gänge treiben, and aie kann beschleunigt
werden durch die Muskeln , welche in der Haut und dem Binde-
gewebe der Brustdrüse liegen. Meist geschieht dieses aber nicht,
so dass nur durch Aussaugen die Entleerung zu Stande kommt..
6. Die Milchdrüse des Neugeborenen ist aus mehreren
flasehenförraigen Höhlen zusammengesetzt, die sieh nach aussen auf
dieBrustwarze öffnen ; die einzelnen flaschen entsprechen. den späteren
grösseren Ausfllhrungsgängen. Bis zur eintreteuden Pubertät gehen
beim weiblichen Geschlecht uns den blinden Enden alluiählig die
ersten Anlagen der DrUsenbläschen hervor, die während der ein-
getretenen Pubertät, namentlich aber zur Zeit der ersten Schwanger-
schaft, ihre volle Ausbildung erlangen. Nach dem Schluss der
Menstruationsfdhigkeit schwinden die Drüsenbläschon wieder, so
dass in dem höheren Alter an ihre Stelle ein fetthaltiges Binde-
gewebe getreten ist (Langer)*). Die Ausbildung der Drilse- und
der andern weiblichen Gesclilechtswerkzeuge muss aber bekanntlich
nicht nothwendig gleichläutig sein, da Mütter mit mangelhaft ent-
wickelten Brustdrüsen gerade nicht zu den Seltenheiten zählen.
Athmnng.
Einleitung.
Alle thierischen Flüssigkeiten enthalten Luftarten, und die
Grenzen des thierischen Körpers sind entweder dauernd und über-
all (Haut und Lungen) oder nur zeit- und theilwcise (Dannkanal)
mit Luft umzogen. Zwischen den Gasen der einzelnen Flüssig-
keiten sowohl als auch zwischen ihnen und der umgebenden Luft
findet ein steter Austausch statt. Diesen Luftwechsel zwischen den
thierischen Flüssigkeiten nennt man die innere, den zwischen
den letzteren und der Umgebung die äussere Atbmung. Beide
Vorgänge sind so innig mit einander verknüpft, dass der mittlere
Umfang des Verkehrs an permanenten Gasen in beiden , wenn auch
nicht immer gleich, doch wenigstens immer proportional ist. Dieses
rührt daher, weil das Gas, welches die äussere Athmnng in das
Blut führt, und von dort in die beim inneren Gasaustausch betheiligten
Flüssigkeiten geht, hier sich verändert und dann ganz oder theilwcise
wieder in den äusseren Luftraum zurüekkehrt. Die so eben ge-
schilderte Beziehung erklärt und verlangt die Eigentümlichkeit,
•) Denkschriften 4er k. Akademie <1rr Wissen* chatten In Wien, 1IT. B«1.
Diaifaed by Gpflgle
Aetusere Athmung-; l.uflkrci«.
dass an allen atbmenden Orten zwei Gasströme in entgegengesetzte»
Riehtnngen gehen, einer ans der Luft in das Gewebe und ein an-
derer von dem letztem zn der erstem. Wegen der geringen Kennt-
niss der innem Athmung lohnt es sich nicht, ihr einen eigenen Ab-
schnitt zu widmen; die wenigen auf sie bezüglichen Erfahrungen
sollen an passenderem Orte eingepflochten werden.
A'eussere Athmung.
Die Gase, welche im normalen thierischen Leben durch die
Flächen , welche Blut und Luft trennen (durch die Athmungsiächei»)
strömen, sind Sauerstoff, Kohlensäure, Stickstoff, Wasserdampf
und in sehr geringen Mengen Wasserstoff und Aramoniakdampf.
Die Bewegung der CO2 und des Wasserdampfesfist vom Blut zur
Luft, die des Sauerstoffs umgekehrt gerichtet; das N-gas kann je
nach Umständen bald nach der einen und bald nach der andern
Richtung gehen.
Diese Luftströmungen von und zu dem Blut bestehen während
der ganzen Lebensdauer; daraus entspringt die Forderung eines
stetigen Vorraths und eines stetigen Vergehens der Gasarten in
dem einen und dem andern Raume; in der That sjnd auch hiezu
Mittel genug vorhanden; dahin zählen: die ungeheure Ausdehnung
der irdischen Luft und die stetige Reinigung derselben von COi
und Wasserdampf, die stets fortgehende Entstehung von C02 in
den thierischen Geweben aus dem C der Nahrungsmittel und dem
0 der Luft, der wiederkehrende Genuss von Wasser, der Unter-
schied der Temperatur und der Wechsel von Luft und Blut in und
auf den Athmungsflächen.
Da diese Bedingungen für die Beschleunigung der Luftströmung •
allen verschiedenen Athmungs- oder Respirationswerkzeugen gleich-
massig zu Gute kommen, so werden wir hier sogleich im All-
gemeinen auf sie eingehen.
«
Der Luftkreis.
Bis zu einer endlichen, wenn auch nicht gemessenen Höhe,
wird der Raum um unsere Erde, wie bekannt, ausgefüllt durch
ein Gemenge permanenter und compressibler Gasarten, unter
denen für unsern Zweck N, 0, CO», HO -gas zu nennen sind.
Diese Gasarten äussern unter den Bedingungen ihres Aufenthaltes
in der Atmosphäre keine Verwandschaft zu einander, und somit
üben sie, wenn sie in den statischen Zustand gelangt sind, auch
- Digilized by Google
464
Stickstoff- und ßaucrstoffatmosphäre.
keinen gegenseitigen Druck ans*); man könnte sagen, jeder ein-
zelnen Gasart sei die Gegenwart der andern vollkommen gleichmütig.
Wir würden also in der Luft mehrere vollständig von einander un-
abhängige Atmosphären zu betrachten haben. Wir behandeln alter
des mannigfach Uebereinstimraenden wegen die Lnftkreise von
Stick- und Sauerstoff gemeinsam, die von COi und Wasscrdampf
dagegen gesondert.
1. Stickstoff- und Sauerstoffatmosphäre. Die aus diesen “beiden
Luftarten gebildeten Atmosphären können gemeinsam betrachtet
werden, weil sie sich in ihren gegenseitigen qnantitativen Verhält-
nissen kaum ändern. Der Saueretof%ebe!t der Luft ist allerdings
nach Regnault**) und Bunscn veränderlich; aber die Schwan-
kungen seines ptozentischen Wert lies sind ftlr unsere Bedürfnisse
nicht in Anschlag zu bringen; sie liegen zwischen 21,0 und 20,9. —
Der atmosphärische Sauerstoff erfährt dagegen sehr häutig eine
quantitative Veränderung, indem er sich in Ozon umwandelt (Schön-
bein). Diese Veränderung erstreckt sich allerdings auf einen nur
sehr kleinen Antheil der Luft, denn es kommen in 100 Ltr. Luft
nur zwischen 0,01 bis 0,002 Milligramm Ozon vor (Pless, Pierre,
Zenger)***), aber dennoch ist sie von Bedeutung für das Wohl-
befinden des Menschen.
Da die quantitative Bestimmung des Oxons sehr umständlich ist, so hat man
pich zunächst begnügt, sein Wachsen und Sinken in der Atmosphäre zu schätzen -
Hierzu bedient sich Schonbein eines mit Jodkalinm getränkten Stürkepapierchens. Je
tiefer sich dieses der freien Luft ausgesetzte Probepapierchen in der Zeiteinheit färbt,
um so reicher ist die Luft an Ozon. Nach Beobachtungen, welche auf den Stern-
warten von Bern, Kremsroünster und Krakau durch Wolff, Reishuber und Kar-
lin s k i unternommen sind , ist man über den relativen Oaongehalt au folgenden Sätzen
gelangt: bei östlichen Winden ist er kleiner, als bei westlicbon; im Winter ist er bei
östlichen Winden grösser, als im Sommer; umgekehrt verhält es sich mit westlichen
Winden, die im Sommer mehr Ozon erzeugen, als im Winter. Bei hohem Barometer-
stand ist der Ozongehalt kleiner, als bei niederem, bei hoher Temperatur kleiner, als
bei tiefer; an feuchten und trüben Tagen grösser, als an trockenen und heitern; bei
Regenwolken grösser, als bei Cirrus und Circocumuiua ; in der Nacht höher, als bei»
Tag. Während Schneefalls erreicht er sein Maximum. Der Werth dieser Angaben
wird sehr beschrankt durch die übereinstimmenden Versicherungen von Cloez,
Houzeau, Berigny, Pierre, Pless, Zenger u. s. w. , dass die Jodstärke-
papierchen ein sehr unsicheres PrÜfnngsnuttcl seien. Dagegen scheinen sich glück-
licher Weise die Angaben von Cloöz nicht bestätigt su haben, welcher den Angaben des
JodstürkepapiercheUB alle Glaubwürdigkeit ab sprach. Siehe hierüber Bineau,Bechamp,
•) I. Hd. p. «o.
•*) Annalu* de chirale ct phyaiqne. 3me Stfrlc. 38. ßd. (188?).
Wiener nkadesn. Herl rhu. XXIT. «1. «Ml XXIV 7*.
Digitized by Goo^je
Stickstoff- und Sauerstolfatmoaphäre.
465
Scoutteten *). — Andere die Stärkepapi er eben ersetzende Methoden haben vor-
geschlagen Pless, Ho uze au u. s. w. Hie einfachste besteht darin, dass man ein
saures Lakmuspapier mit Jodkalium tränkt; das mit Hilfe des Ozons freigemachte KO
bläut das Fapiercken **).
Die Stick- und Sauerstoffantheile der Gesammtluft machen den
grössten Theil derselben aus und Uberwiegen namcntlieb die an-
dern permanenten Gase des Luftraums in einem solchen Grade,
dass man den Stick- und Sauerstoff mit der trockenen Atmosphäre fUr
gleichbedeutend erklären kann. Unter dieser letztem versteht man
aber den Theil der Luft, welcher Übrig bleibt., wenn man den
Wasserdampf von der Gesammtluft abgezogen hat.
Spannung und Wärme der trockenen Atmosphäre erfahren mit
Zeit uud Ort mancherlei Veränderungen, die beide fllr uns nicht
oline alle Bedeutung sind. Da wir aber die Temperaturverhält-
nisse der gemässigten Zoue nach ihren wesentlichen Charakteren
als bekannt voraussetzen können, so gehen wir nur auf die Druck-
äuderungen der trockenen Luft ein , welche das Barometer sicht-
bar macht. , *
Her Baroraeterdruck der gemässigten Zone ist veränderlich***): 1) mit den
Tageszeiten (täglicher Sonnengang). Hove zeigte , dass sich der Druck der trockenen
Atmosphäre zwischen einem täglichen Maximum und Minimum bewegt, deren Eintritt
Vom Gang der Sonne abhängig ist. Das Minimum erchcint in Folge der Erwärmung
(Ausdehnung und seitliches Abströmen), das Maximum in. Folge der Abkühlung der
. Luft (Verdichtung und seitliches Zuströmen). Der Werth des Unterschiedes ist mit
der Breite, den Jahreszeiten u. s. w. verschieden; da er in der gemässigten Zone
höchstens nur wenige Zchntheilo einer Linie beträgt, so gehen wir nicht weiter auf
ihn ein. — 2) Mit den Jahreszeiten (jährlicher Sonnengang) ; im Sommer ist der
mittlere Barometerstand etwas niederer als im Winter, entsprechend den Wärme-
unterschieden und den daraus folgenden Verdichtungen und Vertlüunungen der Luft.
In unserem Klima fällt das Maximum auf den Januar, das Minimum auf den August.
Der Unterschied beträgt etwa 3 MM. — 3) Mit deu Winden (Temperaturunterschiede
des Erdballs); dieso Schwankungen sind hei uns weitaus die bedeutendsten, Südwest
bringt den niedrigsten, Nord den höchsten Barometerstand. Ha die Temperatur- und
Windbewegungen im Winter viel unruhiger als im Sommer sind , so kommen- dort
auch die grössten Schwankungen des Barometerstandes vor; in unsern Gegenden geht
'der Unterschied höchsten und niedrigsten Standes im Winter bis zu 29 MM., hu
Sommer aber nur bis zu 13 MM. — 4) Endlich ist der Druck variabel mit der senk-
rechten Höhe des Bcobachtungsortes Über dem Meeresspiegel ; wir brauchen huf an
das bekannte Faktum zn erinnern, dass der Druck mit dem Aufsteigen in einer geo-
metrischen Proportion abnimmt.
") Corapt. rend. ßd. 43. p. 38 — p. 162 — p. 388 — p. 316.
Compt. reud; Bd 46. p. 873. — Bd. 46. p. 670.
•••) Riimti, Lehrbuch der Meteorologie. 2. Bd. p. 230. — Duve, Reperior. IV. Bd. p. 232.—
K'ämtz im Handwörterbuch der Pby»ilt vorn August u. ». w. Berlin 1842. 1. Bd. 246.
Ludfrig, Physiologie 11. 2. Auflage.
jpiaifeed by Google
466 , Kuhlen »äare und Wasserdanipf de« Luftkreisea.
2. Kohlensäure*). Der geringe Gehalt des Luftraums an
Kohlensäure soll nach Saussure Schwankungen unterworfen sein;
so soll insbesondere auf hohen Berggipfeln, in der Nacht, über
gefrorenem Boden mehr COj Vorkommen, als in der Ebene, bei
Tag und Uber feuchtem Boden. Boussingault bestreitet den
Unterschied in der Tag- und Naebtluft. Eine Bestimmung der COi
in den bevölkertsten Strassen von Paris, in welchem täglich un-
gefähr 3 Millionen Cubikmeter COj entwickelt werden, gab ftlr
100 Theile Luft im Mittel = 0,032 pCt. und gleichzeitige Beobach-
tungen auf dem Lande 0,030 pCt., also keinen Unterschied. Die
Grenzen, in welche Saussure und Boussingault den prozen-
tischeri Gehalt eingescklossen fanden , liegen zwischen 0,03 und 0,05.
3. Wasserdampf. Der in der Atmosphäre zerstreute Wasser-
dampf muss den Forderungen der Theorie gemäss, mit Zeit und
Ort sehr beträchtlich wechseln, thcils wegen der ungleichen Ver-
theilung des Wassers Uber die Erdoberfläche, aus welcher der
Wasserdunst seinen Ursprung nimmt, theils auch wegen der ver-
änderlichen Temperatur, welche das Fassungsvermögen des Luft-
raums fUr den Wasserdunst bestimmt. Das erstere ist an und fUr
sich klar, wir wenden uns also sogleich zur Abhängigkeit der
Dunstmenge von der Wärme.
Der W aaserdampf kann wie alle Gasartet) durch einen Druck, welcher die
Theilchen desselben zusammenpresst, zu einer Flüssigkeit verdichtet werden, und der
Druck , der hierzu nötliig ist , muss grösser und grösser werden , wenn die Temperatur
des Dampfes ansteigt. Dasselbe kann man auch so aussprechen , dass die Dichtigkeit
des Wasserdunstes (die Zahl seiner Theilchen in der Raumeinheit) um so grösser
werden könne , je wärmer derselbe sei. Und weil mit der Dichtigkeit des Wasser-
dampfes auch die abstossenden Kräfte zunehmen, welche zwischen seinen Theilchen
wirksam sind, also die Drücke steigen,, welche er auf seine feste oder flüssige Um-
gebung auszuüben vermag, so drückt man die* vorgeführte Erfahrung , gemeiniglich
dahin aus, dass die 'Spannkräfte (Tensionen) des Wasserdampfes durch die Wärme vermehrt
werden. Zieht man nun den andern bekannten Satz zu Hülfe, dass von mehreren in
einem beliebigen Raume zerstreuten Gasarten nur die gleichartigen Theilchen einen
Druck auf einander ausübän, so kommt man sogleich zn der Ableitung, dass mit der
Temperatur (oder den Spannkräften) die in der Raumeinheit enthaltene Dampfmenge
(die Dichtigkeit des Dampfes) steigen müsse. Denn in dem Luftraum sind ja keine
andern . zuaammenpreasendet^ Kräfte zur Umwandelung des Dampfes in Wasser vor-
handen, als diejenigen, welche durch die anwesenden Wasserdünste eingefUhrt wurden.
Demnach wljrde man mit Hülfe der in den Lehrbüchern der
Physik gegebenen Spannungstabellen des Wasserdampfs**) fUr jede
■) Th. de 8aussur«, Poggendorf's Annalen. 19. Bd. — Boussingault, Anaales de
ehlmie et physique. 3me S&lo. X. Bd. 454. — Boussingault und Lef y , Ibid. 470.
J. Müller, Lehrbuch der Physik. 4. Aufl. 1L Bd. p. 490 u. f. •
lieber den Wechsel des atmosphärischen Wasser dampf«. 467
beliebige Temperatur der Luft den Dampfgehalt der letztem an-
zugeben im Stande sein , wenn in der That die Luft immer mit
Wasser gesättigt wäre. Dieses ist aber nicht der Fall, theils weil
die Verdunstung des Wasser langsam vor sich geht, und. theils
weil Winde häufig die feuchte Luft wegfllhren (z. B. in die höhern
Regionen) und durch trockene ersetzen. Aus diesem Grunde müssen
wir rtlcksichtlioh des Dampfgehaltes der Luft unterscheiden:
die absolute und die relative Dampfmenge. Unter der letztem ver-
stehen wir das Vcrhältniss zwischen dem wirklich * vorhandenen
Dunst und demjenigen, welchÄi die Luft bei der gegebenen Tem-
peratur zu fassen vermöchte.
a) Die absolute Menge des atmosphärischen Wasserdampfs wechselt mit der
Meeresnähe, der Bodenerhebung, der Tages- und Jahreszeit und den Winden. 1) Am
Meeresufer steigt dieselbe von der kältesten Stunde des Tages allmälig bis zu der
wärmsten Stunde und senkt sich von da an wieder ab (Dove). — 2) Im ebenen
Binnenland steigt sie dagegen von Sonnenaufgang an bis gegen Mittag , dann nimmt
sie bis zum Abend hin ab , steigt abermals im Beginn der Nacht und sinkt dann bis
zum Sonnenuntergang. — Der Orund der Verschiedenheit beider Lokalitäten ist darin
*u suchen, dass, wenn am Mittag die erwärmten untern Luftschichten aufsteigen, in
der Meeresnähe die weggehenden feuchten Luftmassen ersetzt werden durch andere
feuchte, welche vom Meere her eindringen, währepd in den Binnenländern statt ihrer
trockene Luft eingeschoben wird. Darum kann am Nachmittag der Wasserdampf erst
wieder zunehmen, wenn der aufsteigendc Luftstrom an Mächtigkeit verloren hat. —
3) Auf höhen Bergen fehlt desshalb wieder das Sinken um Mittag, weil zu dieser Zeit
der aufsteigende Strom die Feuchtigkeit aus der Ebene emporführt (Kämts,
Saus su re). — 4) Im Juli ist die mittlere tägliche Dampfmenge während (dee Jahres
am hochston, im Januar am niedrigsten. Dieser Unterschied ist in der Nähe der
Küsten hervortretender, als im Innern der Continente. — 5) Bei Ostwinden im Winter
ist die Dampfmenge am niedrigsten , bei SQdwestwinden im Sommer am höchsten. Die
Unterschiede, die der Nord- und Stidwsstwind hcrbeifÜhren , sind im Winter weniger
bedeutend gefunden worden, als im Sommer (Daniel).
b) Die relative Menge des Dampfs. 1) Das stündliche Mittel der relativen
Menge des Wasserdampfs in der Ebene ist Mittags am geringsten, bei Sonnenaufgang
am grössten; diese Unterschiede treten weniger im Winter al» im Sommer hervor. —
2) Die relative Dnnstmenge ist auf hohen Bergen meiBt geringer als in der Ebene
(Kämts). — 3) Im Juli und August ist die Luft relativ trockener, als im Januar. —
4J Bei Nord- und bei allen Ostwinden (Süd- bis Nordost) ist die relative Feuchtigkeit
geringer, als bei Süd- und Westwinden.
Vergleicht man, wo und wann die absolute und relative Luftfeuchtigkeit am
grössten und kleinsten sei, so findet man sogleich, dass meist die Luft relativ um
so trockener ist, je mehr Wassergas (nach absolutem Maass gemessen) sie enthält
Diese Bemerkung wird uns mehrfach vou Wichtigkeit sein. — Beispielsweise geben
wir noch einige Tabellen, welche dem Werke vpn Kämts entnommen sind; in ihnen *
ist der prozentische Wassergehalt der Luft durch eine nach MM. gemessene Quecksilber-
säule, also durch die. Spannung ausgedrückt, die der in ihr enthaltene Wasscrdunst
Pjgitized Google
468
Absolut« und relative Dampfmenge in der Luft
ausübt. Um aus dieser Angabe das Gewicht des Wasserdampfs zn finden, welcher in
der Rauincinhcit Lnft enthalten ist, dienen die an vielen Orten mitgctheilten Feuchtig-
• kcitstabdlen •). Die unter der Columne „relative Dampfmenge“ stehenden Zahlen geben
die Prozente an , welche die wirklich vorhandene Dampfmenge von der ausmacht,
welch© bei der bestehenden Temperatur hätte vorhanden sein können.
I. Tabelle.
■
Zürich.
-•
F a u 1 h o r n.
Tageszeit.
•
Absolute
Dampfim-ngc. t
Relative
Dumpfimnge.
Absolute
Dampfmenge.
Relative
I taiupfinenge.
Mittag
10,92 MM. 1
58,9"*
4,88 MM.
73,4«,'.
4h
10,97 „
00,9 „
4.94 „
80,8 „
8 •*
11,35,,
70,3 „
4,01 „
76,1 „
Mitternacht
10,94 „
85,3 „
3,72 „
73,7 „
4h
10,50 „
90,0 „
3,50 „
72,1 „
S>>
11,12 „ |
70,9 „
3,79 „
69,8 „
II. Tabelle. Beobaehtungsort Halle.
Monat.
Absulute
Dampfinengc.
Relative
’ Dampfmenge.
Januar
4,5 t MM.
85,0 »/o
Februar
4,75 „
79,9 „
März
5,11 „
76,4 „ •
April *. .
6,25 „
71,4 „
Mai
7,84 „
69,1 ,,
Juni
10,84 „
69,7 .,
Juli
11,62 „
66,5 „
August
10,70 „
66, i „
September
9,50 „
72,8 „
Oktober
7,87 „
78,9 „
November
5,64 „
85,3 „
Dezember
5,00 „
80,2 „
III. Tabelle. Beobachtungsort London.
Absolute Dampfinenge.
Winde.
• Witter.
• Frlilijalir.
i Houuncr.
Hertat.
NO*
5,01 MM.
7,1ÖMM.
10,30 MM.
8,53 MM.
SO
6,86 „
9,77 „
13,76 „
10,79 „
SW
8,17 „
1 9,37 „
13,83 „
11,67 „
NW
6,14 „
7,56 „
11,45 „ |
8,67 „
4. Der Einfluss, den diese Veränderungen anf die Athmungen
im Allgemeinen Üben, gestaltet sich folgendermaassen. — a) Den
Druckschwankungen der trockenen Atmosphäre (nicht aber des
*1 Müller ‘a Lehrbuch der Physik. 4. Auii. 2. Bd. p. CUU.
KinfliiRs der Luftveränderungen auf das Athmen.
469
Wasserdarupfs) etftsprecheud , wird die Dichtigkeit des im Blut
diffnndirton Sauerstoff- und Stickstoffgases sich mehren oder min-
dern nach dem bekannten Grundsatz, dass sich der Druck ans-
gleicht zwischen zwei Antheilen eines gleichartigen Gases, von
denen der eine in der Flüssigkeit absorbirt ist und der andere frei
darüber steht. Ob diese geringen atmosphärischen Dichtigkeits-
änderunge.n für die Athnmng des N-gases von namhafter Bedeutung
sind, ist zweifelhaft. Für den absorbirten 0 könnte sie es nur insofern
sein , als dadurch die Geschwindigkeit beeinflusst wird , mit welcher
derselbe aus dem Luftkreis zu den Blutkörperchen kommt. —
b) Da in der freien Lnft die 00; nur unwesentliche Veränderungen
erfährt, so wird die Dichtigkeit der atmosphärischen die der .im
Blut diffundirten C0_> nicht wesentlich ändern. Da nun aber
unzweifelhaft ein grosser Tlieil der verdunstbaren COj des Blutes
nicht bloss diffundirt, sondern dnreh irgendwelche andre Hilfen
verdichtet ist, so wäre es wenigstens denkbar,' dass der Barometer-
druck der Gesammtluft von Bedeutung ist für die Geschwindigkeit,
mit der diese C02 verdunstet. — c) Der Wasserdampfgehalt, die
Temperatur und die Gesammtspannnng (Barometerstand) der At-
mosphäre werden sich sämmtlich geltend machen für die Verdun-
stung des Wassers. Was zunächst den Dampfgehalt der Atmo-
sphäre anlangt, so ist seine Bedeutung für den Wasservcrlust bei
der Athmung verschieden, je nachdem die Luft, in welcher die
Verdunstung geschieht bei der Athmung auf die Normaltemperatur
des menschlichen Körpers gebracht wird, oder oh sie diejenige-
der Atmosphäre behält. Im ersten Fall, der sich z. B. mit der in
die Lungen anfgenommenen Luft ereignet, wird um so mehr ver-
dunsten können, je geringer der absolute Wassergehalt der ein-
genommenen Luft ist, also cctcris paribus am meisten im Winter,
bei Sonnnnaufgang , auf hohen Bergen, bei Nordostwind. Dieses
bedarf keiner Erläuterung; weil die Luft in der Lunge auf etwa
36° C. erwärmt und nahezu für diese Temperatur nrit Wasserdampf
gesättigt wird, also muss die vorher trockenere Luft mehr Wasser
ausftthren, als die früher feuchtere. — Gerade umgekehrt verhält
sich dagegen der Wasserverlust Heim Hautathmcn; dieser wird um
so bedeutender sein , je grösser die Capazität der umgehenden Luft
für Wasserdampf ist und je entfernter diese Luft von ihrem .Sät-
tigungspunkt steht (hei niedrigem relativen Dampfgehalt). Da sich
nun beide Zustände erfährungsgemäss zur Mittagszeit und im hohen
Sommer ereignen, während hn Winter die Luft fast vollkommen
Digitized by Google
470 Einfluss des Dunpfgehaltes und Barometerdruckes auf die Athmung.
mit Wasserdampf gesättigt ist, so finden sich- die Verdunstungs-
gesckwindigkeiten von Lunge und Haut in einem zeitlichen Gegen-
satz. — Der Barometerstand, selbst wenn er auch durch eine Ver-
änderung eines Druckes der trockenen Atmosphäre bei gleiohblei-
bender Spannung des Wasserdampfes gesteigert oder erniedrigt
wird, übt immer einen Einfluss auf die Verdunstung. Denn es
druckt auf das Wasser als solches jede Luftart, und dieser Druck
bestimmt, wie wir wissen, die Geschwindigkeit der Verdunstung.
Erniedrigt sich also der Barometerstand , so wird die Dampfbildung
beschleunigt, und umgekehrt wird sie bei steigendem Luftdruck
verlangsamt. Indem man diese Regel auf die wirklich ver-
kommenden Verhältnisse anzuwenden versucht, darf man natürlich
niemals vergessen, neben dem Barometerstand die gleichzeitig vor-
handene relative Dampfmenge der Luit mit in Rechnung zu bringen.
So ist z. B. auf hohen Bergen die Geschwindigkeit der Dampf-
bildung vermehrt Wegen des niederen Luftdruckes und gemindert
wegen der dort öfter vorhandenen, relativ grösseren Dampfmenge,
so dass das Resultat dieser zusammenwirkenden Umstände mög-
licher Weise doch dem in der Ebene vorhandenen gleich sein kann,
wo die relative Dampfmenge gering und der Barometerdruck gross ist.
Ueber den Gewinn und Verlust des Bluts an Gasen
durch die Oxydation der. lebendigen Atome und den Austausch der
verbrennenden und verbrannten Produkte zwischen Blut und Geweben.
Wie in der Atmosphäre, so müssen auch im Blute Umstände
wirken, die die Zusammensetzung seiner Luft gleich zu erhalten
trachten. Denn wenn der schon geschilderte Gasstrora ununter-
brochen von und zu dem Blute gehen soll , so muss der eingetretene
Sauerstoff fortwährend wieder verschwinden und die ausgeschiedege
CO2 ebenfalls wieder ersetzt werden, denn sonst würde das Blut
bald vollkommen frei von CO2 und statt dessen bis zur Sättigung
mit 0 beladen sein, womit denn der Gasaustausch zwischen Luft
und Blut sein Ende erreicht hätte.
Beides, die Neubildung von CO2 und das Verschwinden von
0, geschieht nun in der Regel durch die sogen, thierische Ver-
brennung. Hierunter versteht man aber einen Vorgang, bei welchem
die organischen Atome des thierischeü Körpers mit Hülfe des aus
der Luft aufgenommenen Sauerstoffs umgewandelt werden in COi,
N, HD und in die festen organischen Bestandtheile des Harns und
Schweisses. Von der Lebhaftigkeit dieser Oxydation hängt es also im
letzten Ende ab, welchen Umfang der Gasaustausch auf denAthmungs-
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Ucber den Gewinn und Verlust des Bluten an Gasen, 471
flächen unter sonst günstigen Umständen annehmen kann. Betrach-
tet man nun dieselbe mit Rücksicht auf die Grösse des Gasstromes,
den sie einleitet, so ist bald Zweierlei ersichtlich; zuerst, dass die
Menge des in der Zeiteinheit hin- und hergeführten Gases sich mit
dem Verlauf der Umstände bedeutend ändert, und zweitens, dass
für gleiche Mengen eingebrachten Sauerstoffs sehr ungleiche Mengen
von COj ausgeführt werden.
Was zuerst den letztem Punkt anlangt, so ist aus .der che-
mischen Zusammensetzung der verbrennlichen Atome einleuchtend,
dass 100 V0I.-TI1. Sauerstoff, die zum Verbrennen von Zucker be-
nutzt werden, wieder 100 Vol.-Th. COi liefern, während aus ihnen
nur etwa 70 Vol. COs enstanden wären, wenn sie Tristearin oxy-
dirt hätten. Denn der Zucker (CisHuOu) besitzt bekanntlich ge-
nug 0, um allen seinen H vollkommen zu’ Wasser zu verbrennen,
während bei der Verbrennung des Tristearin’s (Ciu Hm O12) immer
noch ein grosser Theil des atmosphärischen Sauerstoffs zur Oxy-
dation des Wassers verwandt werdeji muss.
Wie bei der Umsetzung des Fettes mohr 0 eingenommen war,
•als in der ausgeschiedenen COi von diesem Element enthalten ist,
so könnte möglicher Weise auch in beschränkten Zeiträumen mehr
COi ausgeschieden werden , als Sauerstoff absorbirt war. Denn es
zerfallen die thierischen Atome, so weit wir wissen, nicht beim
ersten Angriff in CO2 , HO u. s. w. , • sondern vorerst in noch ver-
wickeltem Verbindungen; zur Herstellung derselben ist Sauerstoff
nöthig, welcher der COi- Bildung erst dann zu Gute kommt, wenn
die genannten Spaltungsprodukte vollkommen verbrennen; also ist
der Sauerstoff, der schon früher aufgenommen wurde, erst später
mit der COi wieder fortgegangen. Aehnlich kann auch die Ver-
änderlichkeit der Reaktion einzelner Gewebe, wie namentlich der
so sehr verbreiteten Muskeln , wirken. Denn wenn die saure Reak-
tion durch das eintretende Uebergewicht einfachkohlensauren oder
basischphosphorsauren Natrons in das basische überschlägt, so
muss ein Theil der damals in den Muskeln gebildeten COi zurück-
gehalten werden, welcher erst dann, wenn die saure Reaktion
wiederkehrt, ausgetricben wird. Dieses Ueberwiegen des ausgeschie-
denen COi -Volums über das eingeführte 0 kann aber immer nur
auf kurze, niemals auf längere Zeit bestehen. Denn wir ge-
messen in der Regel keine sauerstoffhaltigere Nahrung als den
Zucker, und diesen niemals allein, sondern gemischt mit andern,
viel sauerstoffärmeren Verbindungen. Bei der Verbrennung des
472
Innere Respiration.
2^fickers, ist, wie schon erwähnt, das Volumen der gebildeten CO*
gerade dem des verbrauchten Sauerstoffs gleich; bei der Verbren-
nung aller andern Atome ist aber immer das erste're kleiner als
das letztere. Weil nun im Lebenden Zucket, Fette und Albumin
zugleich verbrannt werden, so muss auch ein grösseres Volumen
an Sauerstoff ein-, als an CO2 ausgeathmet werden.
Mehr noch als das Verbältniss zwischen aus- und eingehenden
Gasen ändert sich der GcBammtverkehr derselben in der- Zeitein-
heit. Denn die thierische Verbrennung geht nicht zu allen Zeiten
gleich lebhaft vor sieh; dieses ergieht sich schon daraus, dass
nicht in jeder Zeiteinheit des Tags gleichviel Wärme und gleichviel
Ilarnstoff entsteht, zwei Produkte, die unzweifelhaft eine Folge
der thierischeu Verbrennung sind. Der letzte Grund dieser Va-
riation ist darin zu suchen, dass die Oxydation nicht so lange
glcichmässig fortsehreitet, als 0 und brennbare Stoffe vorhanden
sind, sondern dass die lilut- oder Organbestandtheile erat einer
Vorbereitung bedürfen, bevor sie den Angriffen des O's zugängig
sind. Diese wird ihnen, aber zu Theil entweder in Folge der Tem-
peratur der Luft oder einer veränderten Mischung unserer Säfte,
z. B. nach der Nahrungsaufnahme, oder auch durch die Erregung
der Nerven', Muskeln, Drüsen, wobei wahrscheinlich eine Spaltung
von chemisch trägen in leicht veränderliche Atome eintritt.
Zwischen dem Gasverkehr auf den Atbemflächen und der Um-
setzung der Gase in der thierischcn Oxydation liegt aber noeb ein
Vorgang in der Mitte, den man als die innere Respiration be-
zeichnen könnte. Ihm fällt die Aufgabe zu, den 0 ans dem Blute
an den Ort der Verbrennung, und umgekehrt, die bei der letztem
gebildeten Gase in die Blutflüssigkeit zurttckzuführen. Da wir nun
aber -nicht einmal mit Sicherheit den Ort kennen , wo die Verbren-
nung geschieht, so können wir auch nicht den Mangel an empi-
rischen Daten ersetzen 'durch Ableitungen 'aus bekannten Eigen-
schaften der hier in Betracht kommenden Flüssigkeiten und GaBe.
Wir wissen nur so viel mit Sicherheit, dass das mit 0 durchtränkte
Blut sehr viel länger hellroth, d. h. sauerstoffreich bleibt, wenn es
für sieh bei der Temperatur des thierischeu Körpere aufgehoben
wird, als wenn es durch die Capillaren des lebenden oder des so eben
getödteten Thiers läuft. Also begünstigt die Berührung des Blutes
mit den Wandungen der Capillaren beziehungsweise mit den sie
umgebenden Flüssigkeiten und Geweben, die Umwandlung des
0 -Stoffe. Ob nun aber aus den Capillaren der Sauerstoff in die
Wo wird dio CO* gebildet?
473
Gewebe tritt, dort COj bildet nnd dann erst wieder in das Btat
znrtickkebrt, oder ob sieb der 0- Stoff in den Capiilaren in Ozon
nmwandelt oder ob' leicht oxydable Kfirper aus den Geweben dnreh
die Capillarenwand in das Blut übertreten , die sich dort sogleich
mit 0- Stoff verbinden, ist vollkommen unbekannt. — Hier ist also
noch ein ganz neuer Abschnitt der Athmungslehre zu sehaffeu.
Einige wenige Th&taachen, die sich auf die innere Athmung beziehen, sollen hier
zusammengestellt werden, mehr um Fragen aufzuwerfen, als zu losen. — Ausgeschnittene,
blutfreie, noch reizbare Muskeln fuhren fort, CO» zu bilden, wenn sie in einer sauer-
stoffhaltigen Atmosphäre au fgeh fingt sind. Daraus könnte man schliessen, dass der
Muskel auch ohne Zuthun des Blutes verbrennt, oder mit Rficksicht auf das Vor-
liegende, dass der Ort, an dem die CO« gebildet wird, in dem Muskel und nicht in
seinen Blutgefässen zu suchen ist. Da ferner die Musifein und Nerven nur so lange
reizbar sein sollen , als sie freien 0 enthalten , so miisste man auf die Anwesenheit des
letztem, also auch auf die CO«-Bildnng in Nerv und Muskel schliessen aus einer
Beobachtung von Setschenow. Diese besteht darin, dass Thiere noch Athem-
bewegungen und Herzschläge erkennen lassen , wenn selbst ihr Blut vollkommen frei
an verdunstbarem 0 ist. Diese Thatsachc würde unter der obigen Voraussetzung noch
zu ganz besondern Betrachtungen Veranlassung geben Uber das Verhältnis* der Ver-
wandtschaften der Muskelstoffc und der Blutkörperchen zu freiem Sauerstoff. Aber
ein genaueres Eingehen in den (legenstand erscheint nicht gerathen , so lauge die
Beobachtung von Be nur d aufrecht steht, dass das Blut, welches aus den Venen der
absondermlen Speicheldrüse hellroth znrückkommt , sehr viel rascher dunkelt', als das
arterielle, vorausgesetzt, dass beide bei gleicher Temperatur aufbewahrt wurden. Denn
diese Thatsache verlangt im Gegensatz zu «den frühem die Annahme, dass ein leicht
verbrennlicher Stoff dem Blute in der Drüse beigemengt wurde.
Wenn die CO* in den Geweben gebildet wird und von dort in das Blut tritt,
so muss die Spannung der CO« in der erstem grösser als in der letztem nein. Da
wir nnn aber Grund haben zu vermuthen , dass der Absorptionscoeffizient für CO« in
der Gewebsflüssigkeit und im Blut derselbe ist (vom Harn wissen wir dieses gewiss durch
Planer), so müsste demnach auch der Gehalt an freier CO« in den Gewebsflüssig-
keiten höher als im Blut sein, insofern das Gas von dort hierher treten sollte. In-
sofern man den Hum als einen Gewebesaft dcr.Nicre ansieht, müsste also auch dasselbe
für ihn gelten. Dieses scheintg^bor wenigstens nach den Beobachtungen von Planer
(p. 412) nicht der Fall zu sein, da er unter Umständen nur 4,4 pCt. 00« in dem Ham
fluid, d. h. so wenig, wie noch niemals im arteriellen Blut beobachtet wurde.
Mit der Zeit und mit den Gewcbsarten ändert sich das Sauerstoffbodürfnisa.
Dieses ist eine Thatsaehe, die sich vor Allem aus der chemischen Zusammensetzung,
der Winnebildung und der physiologischen Arbeit verschiedener Gewebe ergiebt.
Zahlenwerthe für den 0 -Verbrauch in den verschiedenen Geweben würde man
natürlich finden , wenn man die Blntmenge kennte , welche ein Gewebe in der mitt-
lern Zeiteinheit durchsetzte, und den mittlere Saucrsloflgehalt den venösen und
arteriellen Blutes. Zu einer proportionalen Messung des Sauerstoffverbrauchs in der
Zeiteinheit würde die Bestimmung des Sauerstoffgchaltcs zweier Vcncnblutarten genügen,
die mit, gleicher Geschwindigkeit durch ' ihre zugehörigen Capiilaren gegangen sind»
und Zwar darum, weil man voraussetzen darf, dass das arterielle Blut überall und zu
474 Berührung der Luft inner- und ausserhalb des Blutes.
allen Zeiten ungefähr gleichviel Sauerstoff mitbraciite. — Bestände die Bedingung
gleicher Geschwindigkeit und enthielten die verglichenen Venenblutarten gleichviel
Körperchon, so würde man zu dem Vorgesetzten Ziel auch dadurch gelangen, wenn
man, statt den Sauerstoffgehalt der verschiedenen Vencnblutarten zu messen, aus-
mittelte, wie weit eine jede Art der letztem von ihrer vollkommenen Sättigung mit
0 entfernt wäre; es würde offenbar der Sauerstoffverbrauch auf einer beliebigen Bahn
um so grösser gewesen sein, je mehr Sauerstoff dem aus ihr hervortretenden Blut
wieder zugesetzt werden müsste, um dassolbe vollkommen mit jenem Gas zu sättigen. —
Gl. Bernard hat einige der zuletzt erwähnten Bostimmungen ausgefiihrt und folgende
Zahlen erhalten:
100 Volum Blut* bedurften zur toIIco Sättigung
aus Volumina O
der Pfortader . . . 23,0 VoL — 19,3 Vol. — 30,0 VoL
dem rechten Herzen . 21,0 „ — 17,6 „ — 21,1 „
der vena jugul. .• . . 16,0 „ — 14,0 „ — 16,6 „
Diese Zahlen sagen natürlich nichts aus über den relativen O -Verbrauch in den
Dam- und Kopfgefasaen , da weder der Umfang und die Geschwindigkeit des Blut-
stroms in ihnen, noch auch der Körperchcngch< jener Blutarten bekannt ist. —
Einen andern ähnlichen Versuch hat Bernard angestellt, in welchem er bestimmte,
wie viel O zur Sättigung das Blut in der vena jugularis brauche, bevor und während der
nerv, sjmpathicus gereist war, also je nachdem Blut sich kürzer oder länger in den Capillaren
aufgehalten hatte. lOOTheile Blut, welches ausströmte, bevor der Nerv gereizt wurde, be-
durften 5,7 Vol. O; das, welches ausfloss, während der Nerv gereizt wurde, verlangte 7,4 Vol.
Wenn nun einmal das verschiedene Saucrstoffbedürfniss in verschiedenen Zeiten
und Orten . feststeht , so ist es auch nothwendig, dass die Geschwindigkeit und die
Ausbreitung des Blutstroms und namentlich seiner Körperchen mit jenen Umständen
wechsele, damit immer den veränderlichen «Anforderungen genügt wird. Hierfür haben
wir nun zahlreiche Andeutungen, indem die Drüsenadern während ihrer Absonderung,
und die Muskeln nach ihrer Zusammenziehung von mehr Blüt durchstromt werden als
sonst ; ferner darin , dass das Blut der vena portar. reicher an Körperchen ist , als das
der v. jugularis u. s. w. Mit Rücksicht auf diese Frage verdient der Blutstrom noch
eine genauere Untersuchung.
Wir brauchen kaum zu erwähnen, dass das abdunstende Wasser
mit den Speisen geradewegs wieder ein geführt wird, dass es aber
auch, zum freilich geringsten Theil, dur^j Oxydation wasserstoff-
haltiger Atomeomplexe entsteht.
Berührung zwischen den Luftarten der Erd- und
Blnta tmospbäre.
Die Geschwindigkeit und der Umfang des Austausches der
Gasarten hängt, alles Andere gleichgesetzt, ab von der Fläche, auf
welcher, und von der Zeit, während welcher die Berührung ge-
schieht. Der Einfluss der ersten Bedingungen bedarf gar keiner
Erwägung ; rücksiehtlich des letzteren erwähnen wir dagegen, dass
eß zur Unterhaltung der Athmung keineswegs genügt, Luft und
Blut überhaupt iu Berührung zu halten, sondern dass fllr einen
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Berührung der Luft inner- und ausserhalb des Blutes.
475
gegebenen und constanten 0- und CÜj-Gehalt des Luftkreises und
der Gewebsflüssigkeiten das mögliche Maximum in der Austau-
scbungsgesehwindigkeit der Gase nur dann zu erreichen ist, weuu
die in Bertihrnng befindlichen Theile des Blutes und der Luft mög-
lichst genau so viel. und so wenig 0 und CO2 besitzen, als einer-
seits die Flüssigkeit der Gewebe, ans denen das Blut hervorging,
und anderseits die nicht mit dem Körper in Berühung stehende,
resp. nicht, in seinen Höhlungen eingefangene Luft. Diese Be-
dingung ist aber nur dann befriedigt, wenn ein möglichst rascher
Blut- und Gaswechsel eingeleitet wird, wenn also das Blut aus
den Athemflächen , mit Sauerstoff geschwängert, rasch durch die
CGi-Region dringt und von dort, bevor noch sein Sauerstoffgehalt
beträchtlich gesunken , wie derin eine möglichst rein eatmosphärische
Luft zurtickcilt. — Verweilen dieselben Bluttheilchen längere Zeit
an demselben Orte in den Geweben, so wird der Unterschied der
Gasarten des Blutes und der Gewebe sich ausgleichen und damit
auch der Gasstrom zwischen beiden Lokalitäten immer langsamer
werden. Dasselbe gilt natürlich auch für den Gasstrom zwischen
dem Blut und der Luft, wenn der Antheil dieser letztem, welcher
die Athmnngsflächen berührt, nicht im Wechsel begriffen ist; daraus
folgern wir, dass mit. der Geschwindigkeit des Blutströms, der der
Athemzüge und der die äussere Körperoberfläche berührenden Winde
auch die Geschwindigkeit des Gasaustausches wächst.
Von dem hier berührten Prinzip macht der Atlmiungsmechanis-
mus jedesmal Gebrauch, wenn das Blut mit CO2 überladen ist; -die
Brustbewegungen folgen rasch aufeinander; er benutzt es ferner,
wenn lokale Nöthigungen zu grösserem Bauerstoffverbrauch ein-
treten; dann wird, wie in den Speicheldrüsen während der
Sekretion u. s. w., der Blutstrom durch den thätigero Ort leb-
hafter. — Die nothwendige Folge dieses vermehrten Zuströmens
von Luft oder Blut ist 'die , dass der prozentische Gehalt an CGi
in der abströmenden Flüssigkeit geringer wird, obwohl die Summe
der in der Zeiteinheit ausgeflthrten COa-Menge gemehrt ist Der
Grund für das Letztere liegt darin, dass die Geschwindigkeit des
Luft- oder Blutstroms mehr gewachsen ist, als die des ausführenden
COj-Süoms. .• ' 1 '
Die Absorptionsfähigkeit des Blutes.
Diese greift endlich als eine - allgemeine Bedingung in die
Athmung ein, weil das Blut die Uebertragung des Sauerstoffs aus
«ler Luft in die Gewebe und diejenige der Kohlensäure in der um-
oole
476 AbsnrptirtiisfKhttfcgit des Blutes nsch Set.ch.noW und tfernet.
gekehrten Richtung vermittelt. Die Mittheilungen Uber Absorptions-
nihigkeit des Blutes (p. 13 und 26 d. Bd.) sind noeh wesentlich
von Setschenow*) vervollständigt. 1) Ans arteriellem Blut ent-
wickelt ein neues Abscheidungsverfahron der Gase mehr Sauerstoff,
als man bisher daraus erhalten. Der möglichen Erklärung, dass
dieses Sauerstoff- Mehr abhängig sei von einem reichlichen Gehalt
des Blutes an Körperchen, kann entgegnet werden, dass jedesmal,
wenn Blut aus der gleichnamigen Arterie verschiedener Individuen
derselben Thiergattung untersucht wurde, es mit dem neuen Ver-
fahren mehr 0 gab als mit dem alten. — 2) Das Blut enthält mehr
COi als man bisher glaubte, insbesondere aber gilt dieses für die
Verhältnisszahl zwischen der verdunstbaren nnd ■ der chemisch ge-
bundenen, d. h. der nur durch fixe Säuren austreibbaren COi; denn
während es bisher galt, dass das Maass gebundener CO. etwa um
das vier- bis sechsfache grösser sei als das der verdnnstbaren, stellte
sieh umgekehrt heraus, dass auf 10 Theile freie 1 Theil gebundene
kommt. Also enthält auch das Blut der Hunde jedenfalls nur sehr
wenig kohlensaures Natron. — Da aber nach Meyer ein Theil
der verdunstbaren CO; in einer Salzverbindung enthalten ist, so
bleibt zur Herstellung einer solchen nur noch das HO, 2NaOPO&
übrig, welches nach Fern et bei Gegenwart überschüssiger COi
für je 1 Atom Salz 2 Atome' CO; aufnehmen kann; daraus würde
man folgern müssen, dass der nicht zusnmmcndrtlckbare Antheil
der verdunstungsfähige» CO; vorzugsweise an den Blutkörperchen
hafte, da diese vorzüglich die phosphorsauren Natronsalze enthalten
sollen. Dieser Folgerung sind die Beobachtungen von Fern et**)
über die freie CO; des Serums und des Gesammtblutes vom Ochsen
nicht günstig, aber sie widerlegen sie auch nicht; denn er fand,
dass gleiche Maasse von Serum und von Gcsammtblut ungefähr
ebensoviel CO; im strengen Wortsinn absorbiren, wie das Wasser;
der anderweitig gebundene Antheil der freien CO; war im Gesammt-
blut nur um ein weniges grösser als im Serum. — 3) Das Ge-
sammthlut enthält etwas mehr N-Gns als ein gleich grosses Wasser-
volum absorbiren kann.
Nach den Beobachtungen von Setschenow gewinnt man
aus 100 Theilen arteriellen Hundebluts im Mittel Vol. 0 = 15,73;
Vol. N = 1,19; Vol. freie CO; = 29,46; Vol. gebundene CO; = 2,43.
Die Gase sind auf 0° nnd 1 Meter Hg-Druck berechnet.
*) Wiener HiuuauiberiehU XXXVI. SM.
Annalen «le» aclcaee» naturelles. Tom. VIII. 1857. ^
Mothode der Gasgewinnung von C. Ludwig.
477
Nach Fern et bedürfen 100 Theile gasfreien Serams oder Bluts
des Kindes folgende Gasmengen zur vollen Sättigung:
0 C02 N
absorbirt, anderw. gbdn. absorbirt, anderw. gbdn.
Temperatur ...... 1(5,8" C. 16,0" C. 15,8« C.
Serum 2,9 0,1 98,9 47,1 1,41
Blut 2,9 9,5 96,4 49,1 —
Die Gase sind auf 760 Millimeter Druck und 0" C. berechnet.
Nach Setschenow absorbiren 100 Theile gasfreien Bluts des
Bundes 18,87 Vol. O.
Da« Verfahren, welches Setschenow benutzte, um .aus dem frischen Blut die
Gase zu gewinnen, gründet sich auf die Anwendung der Torizelli’achen Leere; der
Apparat ist vop C. Ludwig construirt; er ist
schematisch in Fig. 58 dargcstellt. Kr besteht ^8.
au» einem U-förmigen lluhr A B 2), welches bei
A B C D offen ist. Auf dio üeffnüng bei A ist
ein durch eine Klemme vcrschlicssbares Kautschuk-
rohr gesetzt; aus B geht hervor ein senkrechtes,
über 800 MM. langes Glasrohr B F, dessen untere
Mündung F ebenfalls mit einem vcrschlieasbaren
Kautschukrohr versehen ist; das Ende F taucht
in ein mit Quecksilber gefülltes (Je fass. An der
Ocffnung C sitzt mittelst Kautschuk der Blut-
bchaltcr. Auch diese Kautschukverbindung ist
durch eine Klemme verschliessbar. Auf der Mün-
dung I) endlich sitzt mittelst Kautschuk und
Klemme ein oben geschlossenes und graduirtes
Maassrohr. Zur Ausführung des Versuchs wird
auerst das Blutgefäss gefüllt, und zwar aus der
Ader des Thieres unter Quecksilber mit Ausschluss
aller Luft; nachdem sein Kautschukansatz unter
Quecksilber durch die Klemme geschlossen ist,
wird es an C gesetzt Darauf werden alle Rohre
mit luftfreiem Quecksilber gefüllt, während die
Klemme bei F geschlossen ist, und hierauf werden
alle andern Klemmen geschlosson und die bei F
unter Quecksilber geöffnet. Indem dieses letztere
ausfliesst, entsteht zwischen C und 2) ein luftleerer
Raum ; ist das Quecksilber unter die Mündung C
gelangt, so wird F wieder geschlossen und die
Klemme bei C geöffnet und das Blut in einem
Wasserbad von 40° bis 50° C. erwärmt. Augen-
blicklich kocht das Blut in dem luftleeren Raume.
Hat man dieses Kochen einige Zeit unterhalten,
so schliesst mun wieder C, füllt durch A Queck-
silber nach und presst somit das in dem Raume
ßiailiieiby Google
478 Verfinderwigcn der Absorptionsfähigkeit des Blutes.
C I) enthaltene Gas zusammen. Wenn es nahezu auf die normale barometrische Span-
nung gekommen, öffnet man die Klemme bei D, worauf das Gas in das ßammelrohr
£ Übertritt. Nachdem man I) geschlossen , wiederholt man den Versuch, und zwar so
oft, bis man aus dem Blut keine Luft mehr erhalten kann.
Fern et nimmt an, dass das Ton ihm zu Absorptionsbeobachtungen benutzte Blut
an Prozenten enthalten habe : 0,25 NaO CO* und 0,03 2 NaO POs. IÖ0 Theilc auf diese
Weise zusammengesetzte Lösung absorbiren unabhängig vom Druck 47,1 Vol. COt, was
nahe zusammentrifft mit der von ihm am Serum wirklich beobachteten Zahl ; diese
Unterstellung gilt aber nicht für das von Sotschenow untersuchte Blut , welches
seiner geringen Menge fixirter COi nach noch nicht 0,01 pCL Na CO* enthalten konnte.
Da das Blutserum ebenfalls ein wenig 0 unabhängig vom Druck absorbirt, was eine
Lösung der Blutsalze nicht thut, so glaubt F er net den Eiweisskörpern des Serums
eine Verwandtschaft zum Sauerstoff zuschreiben zu müssen. War das von ihm an-
gewendeto Serum frei von Blut- und Lyraphkörperchen? — Auf die abweichende
Eigenschaft des Blutes , so viel COt und 0 im wahren Wortsinn zu absorbiren , ist
besonders aufmerksam zu machen. 100 Vol. Th. Blut (von 1055 spez. Gew. und 80 pCt.
Wasser) enthalten nur etwa 84 Vol. Th. Wasser und absorbiren doch so viel wie 100 Th.
Wasser; entweder erhöhen also die Eiweisskörper den ^baorptionscoeffizienten des Wassers,
oder sie verhalten sich im flüssigen Zustande selbst wie Wasser. — Die NaCl-Aende-
rungen , welche dem gesunden Blut eigen sind, scheinen keinen Einfluss auf die
Abs9rption zu üben, was trotz der gegen theiligen Versicherungen aus Ferne t’a
Beobachtungen horvorzugehen scheint.
Ganz besonders müsste noch untersucht werden, wie sich die Geschwindigkeit,
mit welcher die COt d^g Blut verlässt, änderte mit dem variablen Unterschied der im
Blut absorbirten und der in der darüber stehenden Luft enthaltenen OOt-Mcnge.
Namentlich wäre es wissenswürdig, wie tief der COt-Drock der Umgebung gesunken
sein muss, bis die vom phosphorsauren Natron aufgenommene COt entlassen werden kann.
Untersuchungen über Veränderungen der Absorptionsfähigkeit
und ihren Einfluss auf die Athmnng liegen nicht vor. — Voraussicht-
lich wird mit der Abnahme der rothen Körperchen der Sauerstoff-
austauseh beschränkt (Aderlass, Bleichsucht, Leukämie?). — Da
das Serum zwischen dem Sauerstoff der Gewebe oder dem
der Luft und demjenigen der Blutkörperchen den Vermittler spielt,
so müssen Veränderungen in seiner Zusammensetzung, welche die
Aufnahme des Sauerstoffs beeinflussen, auch die Geschwindigkeit
fernerer Uebertragung von und zu den Körperchen bestimmen. —
Für den Austausch der CO2 dürfte ihr in der Flüssigkeit gelöster
Antbeil genügen, und noch mehr, er dürfte sich allein an demselben
betheiligen- Einen teleologischen Beweis könnte man dafür finden
wollen in der Leichtigkeit, mit welcher das Na02CG2 und 2NaOPOs
in den Harn übergehen ; noch mehr dürfte die Ueberlegung wiegon,
dass die an die Salze gebundene CO2 erst dann austretefi kann,
wenn die leichter gebundene und absorbirte erschöpft ist; das
wird aber niemals eintreten. Von Wichtigkeit für die innere Ath-
— ■ - > • •*» - bj im
r~ '
Beionderc Athemwerkieuire ; Lungcn»thmting ; Lttftnngsuwkrooge. 479
mimg können die Salzverbindungen dann werden, wenn plötzlich
viel COs entsteht. Dann entlasten sie die Gewebe von der freiem
chemisch wirksamem COs.
Besondere Athem Werkzeuge.
Rttcksichtlich des in den Vordergrund gestellten Gasaustausehes
scheiden sich die Athemorgane durch die Ausbreitung der Berüh-
rungsflächen zwischen Luft und Blut, durch die chemische Zu-
sammensetzung und die Mächtigkeit der flüssigen Schicht, welche
das Blut, resp. dessen Kiirperchen von der Luft trennt, und end-
lich durch die Geschwindigkeit des Blut- und Luftwechsels in den
Aihemfläehen.
A. Lungenathmung.
Die an ihr betheiligten Werkzeuge zerfallen wir in lüftende
und luftverändemde; zu den ersteren gehören Brust- und Banch-
wandungen, Nase, Mundöffnung, Kehlkopf, Luftröhre bis in ihre
feinsten Verzweigungen. Zu den letzteren zählen wir die Häute
der Lungenbläschen und der Blutgefässe, welche auf und in den
letztem liegen, und die Flüssigkeiten, welche diese Häute dnrch-
tränken oder von diesen umschlossen sind.
Lü ft ungs Werkzeuge.
Da wir schon zu wiederholten Malen auf diese Organe die
Aufmerksamkeit gelenkt haben, so heben wir hier nur noch die
Beziehungen derselben zum Luftstrom in den Lungen hervor.
1. Ueber die Mittel, welche den Luftstrom erzeugen*). Der
Luftwechsel innerhalb der Lungen wird dadurch bewerkstelligt , dass
die Wandungen des Brustkastens, indem sie sich ausdehnen und
znsammcnziehen , das Volum der Brusthöhle mindern (Exspiration)
oder mehren (Inspiration). — Bei dem gesunden Menschen ist aber
jede Veränderung in dem Durchmesser der Brust gleichbedeutend
mit derjenigen der Lungenböhle, weil die äussem Oberflächen der
leicht ausdehnbaren Lungen innig angeschlossen sind an die innem
Flächen der Brustwand und den Bewegungen dieser Folge leisten
müssen. Da dieser Anschluss aber nur so lange besteht, als die
Pleurahöhle luftleer ist, so kann er nur abhängig sein von dem
Druck, welchen die Luft in dem Binnenraum der Lunge gegen die
•) Traube, lo dessen Beiträgen zur experimental. Pathologie. 1846. 91.— Hutchinson,
Cyclopaedla by Todd. IV. Bd. Thorax. — Beau et Malis int, Archiv. gdner. D6c. 1842. —
Meissner, dessen Jahresbericht für 1866. p. 486 (Helmholta) und Air 1867. 601.— 8 r b ,
Wiener med. Wochenschrift. Januar 1869. — He nie, Anatomie dos Menschen etc. Braunschweig
1866 — 68. — Arnold, Physiologische Anstalt zu Heidelberg. 1869. 146.
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480
Einziehung der Luft in die Lange.
ausdehnbaren Lungeulmute ausübt, ein Driiok, der im normalen
Zustand kein Gegengewicht in dem Pleurasack findet. Demnach
können wir bis auf Weiteres fingiien, die äuseern Lungen- und
die innern Brustflächcn seien mit einander verwachsen , welches zu-
dem oft genug wirklich vorkommt. Unter dieser Voraussetzung
leuchtet ein , dass bei einer jeden Erweiterung der Brusthöhle ein
Luftstrom in die Lungen gehen muss, so lange ihr Hohlraum und
die Atmosphäre in offener Verbindung stehen. Denn mit der Er-
weiterung der Brusthöhle wird auch die in ihr enthaltene Luft ver-
dünnt, so dass sie nicht mehr im Stande ist, dem Druck der at-
mosphärischen das Gleichgewicht zu halten; der Strom wird also
so lange andauern, bis die Spannung der Luft inner - und ausser-
halb der Lungen wieder gleich geworden ist. Umgekehrt muss
aber ein Luftstrom aus den Lungen dringen, wenn der Brnstramn
verengert wird. Es ist, wie man danach sieht, der Apparat zur
Einleitung des Luftwechsels ganz nach' dem Grundsätze eines ge-
wöhnlichen Blasebalgs gebaut.
Zu den Umständen, welche den Brustkasten erweiteru, also die Ein-
athmung einleiten, gehören die Zusammenziehungen des Zwerchfells, der
mm. scaleni, intercostales extemi, beziehungsweise intern!, levatores co-
starnm, serrati postici superiorcs, sternocleidomastoidei, pectorales mi-
nores, serrati antici majores (?), und endlich der Wirbelsäulstrecker. —
a) Die Wirbelsäulstrecker sind , wenn mau sich so ausdrücken darf,
weniger von direkter als indirekter Bedeutung; eine Streckung und
Beugung der Wirbelsäule ändert zwar, aber keineswegs in einer
hervorragenden Weise die Räumlichkeiten der Brusthöhle; sie üben
dagegen einen bedeutenden Einfluss auf den Umfang, den die Be-
wegungen der Rippen gewinnen können. Nach Hutchinson
ist bei gestreckter Wirbelsäule das Luftvolum, welches durch eiu
Maximum der Brusterweiterung und Verengerung eingozogen und
ausgestossen werden kann, am grössten und in der That strecken
wir. nns auch unwillkührlich, wenn wir möglichst tief einatliinen
wollen. — b) Bei der Zusammenziehung des Zwerchfells flachen
sich die gewöhnlich an den Rippen unmittelbar anliegenden (Don-
ders) rotheu Seitentheile des Zwercbfellgewölbes ab und steigen
in die Bauchhöhle hinunter, während die mit dem Herzen in Ver-
bindung stehenden Abschnitte des centr. tendinenm ihfe Lagen be-
haupten (Hyrtl). — Der Bogen, den ein von rechts nach links
durch das Zwerchfell geführter Schnitt während der Ruhe desselben
darstellt , flacht sich also ab und nähert sich einem Winkel , dessen
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* • r
Einziehung der Luft ; Wirkung der m. intercostales.
48l
abgestumpfte Spitze unter dem Herzen liegt. Der Brustraum wird
demnach dadurch erweitert, dass er sich an seinem breitesten
Theil verlängert. — c) Um die Wirkung der viel besprochenen
m. intercostales ersichtlich zu machen, ist es noth wendig sich zu
erinnern, dass die Rippe sieh nur um eine annähernd horizontale
Achse drehen kann , welche von innen und vom schief nach hinten
und aussen läuft; die Richtung derselben ändert sich von Rippe
zn Rippe und zwar so, dass der Winkel, den sie mit der Stimebene
bildet, um so spitzer ist, je höher die Rippe liegt, so dass er sich
an den untern einem rechten nähert. Daraus folgt, dass, wenn
die Rippe sich aus ihrer gesenkten Lage erhebt, sich zugleich
jeder Ihrer Punkte nach aussen bewegt, und dass für gleichen
Hebungswinkel die Auswärtsbeugung um so grösser sein wird, je
tiefer unten die bewegte Rippe liegt. Erfahrungsgemäss werden
die Rippen bei der Einathmung gehoben, und zwarnur so weit,
dass jeder Zwischenrippenramn sich vergrössert, hiezu wirken,
wie ebenfalls die Erfahrung lehrt, die Intercostalmuskeln ins-
besondere bei kräftigen AthemzUgen mit. — Insoweit aber das
Heben von den m. intercostales- ausgefiihrt werden soll, kann es
nur geschehen an den knöchernen Rippentheilen durch die inter-
costales externi und an den knorpeligen durch die intercostales
interni (Hamberger).
Um dieses einzusehen, betrachte man Fig. 59 eine beliebige Intercostalfaser
a e als Diagonale eines Parallelogramms, dessen Seiten gegeben sind durch die
Rippenstücke a b und d c,
die nämlich, welche abge-
schnitten werden dürch die
geraden a d und b cf wol- ' y ,.£\
che vom obern, reap. untern ■ i
Ansatzpunkt der Fasern aus- / f ^
gehen. Gesetzt nun, es seien a/ ^ C
die Rippen a b und d e
in der gesenkten (ruhenden), ^ \//\ \\ 4 - ^
a f und e g in der er- / 1
hoben en Lage, so ergiebt so- / /\\ | / y^ - jrfv'X ,
gleich die Anschauung, dass ,’ki v. „ \
die der Richtung a c entspre- y \ ^ /
chende Diagonale sich verkürzt, j\ \v ^ y \ Jk,
und die entgegengesetzte sich
verlängert hat. — Da nun
aber bekanntermaassen der Muskel, wenn er sich zusammenzieht , seine Ansatzpunkte
nur nähern kann, so wird der musc. extern, die Rippen nur erheben, der rausc.
intern, aber, so weit er auf dem knöchernen Rippentheil entspringt, die Rippe nur
Ludwig, Phj »iologl« 11. 8. Auflage. 31
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482 Gleichzeitige Zusammenziehung der mm. intercoM. intemi und ertemi.
senken können. — Die zuletzt genannte Muflkelabtheilung würdenur dann hebend wirken
können , wenn , wie Meissner vorauaaetzt , sich während der Drehung der untere
Ansatzpunkt des m. intereost. intern, vor den obern schöbe, so dass er in der That
den Verlauf eines extern, an nähme.
Eine andere Frage ist die, ob sich während der Einathmung
die au den knöchernen Kippen vorhandenen m. intercostales externi
nicht ebenfalls zusammenziehen, und welcher Erfolg daraus hervor-
gehe. Das Bestehen der Zusammenziehung hat man aus verschie-
denen Grilnden behauptet. Def vornehmste darunter ist hergenommen
aus der Beobachtung, dass sieh bei der Einathmung die Zwischen-
rippenräume nicht gegen die Brusthöhle einziehen (?). Dieses
müssten sie aber, wenn ihre Wände nicht gesteift wären; ftiit Er-
folg kann diese Steilung aber nur durch die gleichzeitige Zusammen-
ziehung der Faserkreuzung (der musc. externi und intemi) ge-
schehen (Henle). Die Annahme, dass die Steifung wirklich auf
die genannte Weise stattfindet, erhält ihre Bekräftigung dadurch,
dass die senkend wirkenden intercostales da fehlen, wo andere
Muskeln die Brustwand verstärken , und dass sie gleichzeitig mit
den m. externi, und zwar beide ip kräftiger Ausbildung, gefunden
werden in den häufig vorkommenden Rippenfenstem , welche, weil
sie rings von Knochen umgeben sind, gar keine Veränderung ihres
Durchmessers zulassen. Wären die Muskeln während des Lebens
dort nicht öfter in wirksame Zusammenziehung versetzt, so wären
sie wohl atrophirt (8rb).
Ziehen sich die mm. intercostales intern. , welche von den knöchernen Kippen
entspringen, gleichzeitig mit den in. extern, zusammen, so müssen sie die hebende
Wirkung der letztem mindern. Dieser nicht wegzuläugnende Widerspruch sollte da-
durch gemildert werden , dass man annahm , es werde jede Kippe nicht durch die ihr
zukommenden, sondern durch die der nächst höher gelegenen Kippen, und an letzter
Stelle durch die m. scaleni gehoben (Me issn er). Diese Annahme ist widerlegt durch
die bekannte Erfahrung , dass sich die unteren Kippen noch heben , wenn sie durch
einen Querschnitt der Brust ron den höheren getrennt sind. — Arnold hat beobachtet,
dass sich bei Hunden und Kaninchen einzelne Zwischenripponräumc während der Ein-
athmung verengern. Hier waren also sicher die mm. intemi gleichzeitig in Thätigkeit.
Aus dem Vorhergehenden versteht es sich von selbst, dass
der untere Rand der erhobenen Rippe sich weiter nach vorn
stellen muss, und nicht minder, dass bei tiefer Inspiration die
unteren Rippen stark nach auswärts treten müssen. Für das
Gewinnen von Raum lenehtet es als Vortheil ein, dass der Bmst-
theil, welcher durch das Zwerchfell Verlängert, zugleich durch die
Rippen ansehnlich verbreitert werden kann. Dass diese letztere
4
Ausstnssung der Luft; Elaatiaität der Lungen.
4*3
Erscheinung aut' einer Eigenschaft der Hippenbewegung an und
ftir sich und nicht von den durch das Zwerchfell gepressten Ein-
geweideu abhängt, ergieht sich daraus, dass sie auch nach geöffneter
Unterleibshöble beobachtet wird (Duchenne). — d) M. scaJeni,
leratores costarum, serratus posticus, sternocleidomastoideus wirken
nach bekannter Weise. — e) Die Kumpfschulterblatt- nnd Kumpf-
armmuskeln können erst nach Feststellung des Schulterblattes und
Armes für die Auseinanderziehung des Thorax wirksam werden;
man könnte darum geneigt sein, ihnen hierbei eine Holle zu übertragen,
weil wir bei tiefeu und namentlich krampfhaften Inspirationen Arm und
Schulterblatt durch Anstemmen des Arms feststellen. Aber auch
dann sollen, wie der Verlauf beweist, nur die drei obem Zacken
des serratus anticus major rippenhebend wirken können (Cöster).
Am ruhigen Einathraen betheiligen sich die genannten Muskeln
gewiss nicht.
Die Zusammenpressung der Brusthöhle wird bedingt durch die
elastischen Kräfte der Brust-, der Lungen- oder Bauchwand und
des Darminhalts und durch die Zusammcnziehnngen der mm. inter-
costales intemi, so weit sie vom Knochen entspringen, mm. trans-
versns und obliqui abdominis, serrati postici inferiores, sternocostalis
und der Beuger der Wirbelsäule, vor Allem des rectus abdominis. —
a) Schon früher (p. 144) wurde erwähnt, dass die Wandungen der
lebenden Lungen durch den auf ihre inneren Flächen wirkenden Luft- ■
druck immer ausgedehnt sind. Dieses wird einfach dadurch bewiesen,
dass die Lungen auf einen kleineren Umfang zusammen fallen , wenn .
man während des Lebens oder kurz nach dem Tode den Luft-
druck auf den beiden Wandflächen gleich macht, z. B. dadurch,
dass man, während die Stimmritze offen steht, den Pleurasack
dem Luftzutritt bloslegt. Die Spannung, welche die ausgedehnte
Lungenwand der in ihr vorhandenen Luft mittheilcn kann, wenn
man die Trachea luftdicht geschlossen und die äussere Lungenfläche
dem Zutritt der Luft geöffnet, ist veränderlich mit dem Elastizitäts-
coöftizienten der Wandung, den Zuständen der kleinen Lungen-
muskeln und der Ausdehnung der Lunge (Carson, Donders).
Don-ders*) maaiw die Spannung der Lnngenluft (die Federkraft der Lungen-
wand) dadurch , dass er in die Luftröhre einer sonst unversehrten Leiche ein ge-
bogenes, mit Quecksilber gefülltes Manometer einsetzte und dann die Pleurahöhle
durch Anschneidon eines Intercostalraums öffnete, ln diesem Fall, wo sich die Lunge
ITsndleldlng. 0. Bd. 393.
31*
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484 9 AuMtoMang der Luft; Eltttizttkt der Brustwand.
im Zustande einer tiefsten Exspiration, aUo in der geringsten Ausdehnung fand, die
sie während des Lebens einninuut, trieb sis das 11g in deui Manometer um t> MM. in
die Höhe. Als die Lunge durauf annähernd bis zu dem Umfang aufgeblasen wurde,
der ihr während der Inspiration zukotnmt, hielt die durch die Wand erzeugte Span-
nung der Lungenluft 30 MM. Hg das Gleichgewicht.
An» dieser Thatsacbc geht hervor, dass die elastischen Ge-
bilde des Lungengewebes der Inspiration eine Hemmung entgegen-
setzen und die Exspiration befördern. — b) Die Wände der Brust
besitzen (1. Band 512) wegen der Steifigkeit und liefe» tigungsart
der Kippen eine bestimmte Gleichgewiehtslage, in die sie immer
wieder zurllckzukehren streben, gleiehgiltig nach welcher Richtung
hin sie auch daraus entfernt wurden. Durch diese elastischen
Kräfte sind sie befähigt, die Ausatbiuung zu hemmen und fördern.
Das ersterc, wenn der Brustkasten durch eine energische Wirkung
der Ausatliwungsimiskeln auf ein geringeres Volum zusamtuengepresst
werden soll, als er es vermöge seiner elastischen Kräfte einnehmen
würde; der Widerstand, den die Brustwandung der Zusaminen-
ziehung der Muskeln entgegensetzt, wächst mit der steigenden
Verengung der Brusthöhle so rascli , dass er für jene bald unüber-
windlich wird. Die Elastizität des Brustkastens hemmt dagegen
die Einattmiung und befördert also die Exspiration , jedesmal wenn
diesselbe von der Gleichgewichtslage an ausgedehnt werden soll.
Dieser Widerstand wächst ebenfalls rasch mit der steigenden Aus-
dehnung der Brusthöhle. Die durch die Inspiration bedingte Span-
nung der Wandung' führt also, wenn die Zusammeuziehung der
Einathmungsmuskcln nachlässt, die Exspirationsbevvegnngen aus. —
c) Die Baucheingeweide sind innerhalb ihrer elastischen Decken
(Haut, Muskeln, Fascien, Kippen) mit einer gewissen Spannung
eingesehlossen, welche variirt mit den Eigenschaften dieser Decken,
mit der Menge und Art des (festen, flüssigen, gasförmigen) Darm-
iuhaltes. Da Brust- und Bauchhöhle nur durch eine leicht beweg-
liche, sehr ausgedehnte Scheidewand (diaphragma) von einander
getrennt sind , so muss der jeweilige Spanuungsgrad in der Bauch-
höhle sich gegen die Brusthöhle hin geltend machen, und es wird
das Zwerchfell so weit gegen die Brusthöhle emporsteigen, bis die
rückwirkende Spannung, welche sich-iu seiner Substanz entwickelt,
gleich ist derjenigen, die den Baucheingeweiden zukommt. Daraus
folgt, dass die Anfüllung der Unterleibshöhie und die Zustände
ihrer Wandung bestimmend wirken auf die Ausdehnung des Brust-
raums während der Ruhe der äussem Brustwand und des Zwerch-
Ausstreuung der Luft; Loitungsröhrrn fllr den Luftetrom in die Lunge. 485
felis, indem da» letztere hei gefüllten Eingeweiden, in der Schwanger-
schaft n. 8. f. höher emporsteigt , nnd insofern als die Inspiration»
welche durch das Zwerchfell ansgcfttbrt wird, an der Spannung
der Baucheingeweide eine Hemmung erleidet, während der Rück-
gang des diaphragma nach der Exspirationsstellung bin hierdurch
unterstützt wird. — d) Die Wirkungen der aufgezählten Muskeln
setzen wir als bekannt voraus. Wir erlauben uns nur daran zu
erinnern , dass der m. transversus abdominis ein wahrer Antagonist
des Zwerchfells ist, welcher ohne irgend eine andere Nebenwirkung den
Bauchinhalt znsammenpresst und damit das Zwerchfell empordrängt.
2. Leitungsröhren für den Luftstrom in die Lunge. Die Luft
dringt aus der Atmosphäre nicht unmittelbar in die Lunge, sondern
ans der letztem zunächst in ein Rohr (Trachea), das mit zwei
MUndnngen (durch Mnnd und Nase) in das Freie nnd mit sehr
zahlreichen Aesten in die Lungenenden übergeht. — Alle Abthei-
lnngen dieses Rohres sind hinreichend gesteift, um nicht durch
einen Unterschied des Luftdrucks auf ihrer änssem oder inncra Seite,
wie ihn der Athemstrom erzengen kann, zusammengedruckt zn
werden. An der weicheren Nase ist die Scheidewand anfgestellt,
an die sich jederseits ein spiraliger Knorpel legt, und hinter diesem
■folgt der Knochen. Wird die Mundhöhle als Atbemöffnung benutzt,
so steifen sich durch die Contraktion des m. orbicularis die Lippth-
ränder, oder sie werden auch unter und Uber die Zahnränder ge-
führt. — Die knorpeligen Halbringe der Luftröhre greifen weit ge-
nug, uni den Theil der letzteren, welcher nicht schon von der
Wirbelsäule geschützt ist, zu festigen, und die Knorpelplättchen in
den Bronchien dienen dazu, dass die Drücke der Bmstwand die
Röhre gar nicht oder mindestens nicht auf die Dauer zusammen-
drücken können; denn wäre ihr Lumen auch einmal geschlossen,
so würde es beim Nachlass des Drucks durch die elastischen
Knorpelplättehen wieder geöffnet werden. — Die Muskeln, welche
in das Rohr eingelagert sind, glosso- nnd pharyngopalatini, levator
und tensor palati, die grossen und kleinen Kehlkopfmuskeln n.s.w.
sind ihrer Wirkung nach theils schon besprochen (I. Bd. 566), theils er-
fahren sie bei dem Artikel Schlingen noch weitere Aufmerksamkeit.
Die langen Muskeln des Kehlkopfs, namentlich stemohyoidei und
stemothyreodei, und die Muskeln zwischen den Ringen der Trachea,
reguliren die Dimensionen nnd die Lage der letztem, welche ohne
dieses durch häufige Zerrungen nach Länge nnd Quere bei jedem
tiefen Atkemzug alterirt würden.
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486
Verknüpfung der bewegenden Elemente.
3. Verknüpfung der bewegenden Elemente zu Athembewegungen.
Bei der grossen Zahl willkührlich erregbarer Muskeln, die an dem
Athemapparat angebracht sind, können begreiflich unzählige Arten
von Combinationen derselben sowohl unter einander, als auch mit
den elastischen ‘Einrichtungen hervorgebracht werden. Die Athem-
. Werkzeuge sind aber auch un willkührlich erfolgenden Erregungen
unterthan, wie wir schon früher sahen (I. Bd. 212). Da diesen
automatischen Apparat ein genau vorgezeichneter Mechanismus be-
herrscht, so sind die aus ihm hervorgehenden Combinationen be-
schränkt. — a) Die unwillkürliche Erregung ordnet jedesmal die
den Brustkasten bewegenden Kräfte so an, dass auf eine Ein-
ziehung der Luft unmittelbar ein Ausstossen derselben folgt, und
.dass dann längere Zeit der Brustkasten in Kühe verharrt, welche
die eben vollendete Exspiration von der folgenden Inspiration trennt
Die Einathmnng dauert gemeiniglich etwas länger als die Ausath-
mung, und die Pause nimmt mehr Zeit ein als beide Bewegungen
zusammengenommen.
Das hier angedeutete Verhältnis« zwischen Ein- und Ausathmungsdauer kann
sich mannichfach ändern. Selten wir von den willkürlich angebrachten Modifikationen
ab, so scheint es, als ob besondere Zustände der Nerven, des Bluts u. s. w. sich auch
ausprägten durch einen bestimmten Quotienten der Aus - und Einathmungszcit. Die
ersten Anfänge zur Aufhellung dieser auch wichtigen Erscheinungen geben unter
AÄcndung genauer Methoden Yierordt*), Q. Ludwig, Liebmann und Hegel-
m a i e r.
b) Die Zahl der gleichzeitig zur Athmnng in Bewegung gesetzten
Muskelnist veränderlich. In Rücksicht darauf hat man mit einiger,
aber für praktische Zwecke gerechtfertigten Willkübr einige
Typen der Athembewegnng ausgeschieden, das leichte das tiefe
und das krampfhafte Athraen. — «) Beim ruhigen
Athmeu ziehen sich während der Inspiration in den Leituugsröhren
' zusammen die Heber des Daumens. Die Stimmritze bleibt (bei In-
und Exspiration) weit offen ; ihre Mündung wird nur gedeckt durch
den nach hinten geschlagenen Kehldeckel (Czermak) **). Diese
Stellung scheint nicht die elastische Gleichgewichtslage der Stimmritze
zu bezeichnen , weil nach Durchschneidung der n. vagi die Bänder
zusammenfallen. An den Brustwandungen aber zieht sich entweder
nur das Zwerchfell, oder die mm. sealeni und intercostalös zusammen.
Die Erweiterung des Brustkastens geschieht namentlich bei Männern
*) Archiv flir physlolog. Heilkunde. 1655 und 1866. — Hegclmaicr (Viorordt), Die
Athembewegnng bei Himdruck. Hcflbronn 1659,
Der Kehlkopfspiegel. Lejpx. 1660. png. 87.
Leichtes, tiefes, krampfhaftes Athmen.
487
durch da« Zwerchfell, bei Frauen durch die' mm. scaleni und
intercostales (Traube). Die ausserordentliche Wichtigkeit des
Zwerchfells leuchtet daraus ein , dass nach Durchschneidung beider
nn. phrenici der Tod eintritt (Budge-Eulenkamp)*). — An der
ruhigen Exspiration hetheiiigt sich keine Zusammenzichung eines
Muskels; die Entleerung des Brustkastens geschieht durch die •
elastischen Wirkungen der Lungen, der Brust- und Bauchwand,
des Darms. Diese Art der Bewegung pflegt die gewöhnliche zu
sein , wenn das Blut und die Luft normale Zusammensetzung tragen,
wenn die Berührung zwischen beiden ungehindert vor sich geht,
wenn die übrigen Partien des Nervensystems, insbesondere des
Herzens und der den Leidenschaften untergebenen Hirnthcilc in
einem mittleren Grad von Erregung stehen. — (?) Beim tiefen
Athmen 9 ziehen sich in der Einathung die bei der leichten Inspi-
ration erwähnten Muskeln kräftiger zusammen, so dass z. B.- das
Zwerchfell, wenn im erstem Falle gewöhnlich bis zur 6. und 7. Rippe, .•
bei tiefer Inspiration bis zur 11. hinuntergeht, wobei sich das
Gaumensegel hoch hebt und die Stimmritze weit öffnet u. s. w.
Ausserdem treten noch hinzu in den Leitungsröhren die Zusammen-
ziehungen der levatores alae nasi, öfter auch der arytaenoidei po-
stici bei der Einathmung und der arytaenoidei laterales bei der Aus-
athmung, so dass die cartil. arytaenoideae in ein den Nasenflügeln
analoges Hin- und Hergehen geratben (Czermak); am Brustkasten
kommen hinzu die levatores costarura, serrati postici, sternocleido-
mastoidei. Durch die Zusammcnziekung der zaldjeicken Muskeln, '
welche den Brustkasten auseinander ziehen, wird unter den Hy-
pochondrien ftir die Baucheingeweide ein so bedeutender Raum ge-
wonnen, dass trotz des herunter steigenden Zwerchfells der Bauch
nicht vorgetriebeu wird, sondern zusammenfällt (Hutchinson).
Die Unterschiede, welche die leichte Inspiration des Mannes und
der Frau darbot, verschwinden bei der tieferen. — Leidenschaftliche
oder plötzliche sensible Erregungen oder Mangel an 0 im Blut sind
die gewöhnlickeu Bedingungen, unter denen das tiefe Athmen sich
einstellt. — y) Bei der krampfhaften Einathmung treten die bis
dahin als Einathmungsmuskeln bezeichnet«! in eine ganz intensive
Zusammenziehung und zugleich die hyo- und thyreostcrnalis , so
dass die Luftröhre weit herunter gezogen und dadurch möglichst
weit wird. Am Brustkasten greifen noch an die Strecker der
*) Yalentiu’s Jahresbericht für lt&6. p. 130.
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488
Athemfolge.
Wirbelsäule und die RumpfsohulterblaU - und Rumpfarmmuskeln,
so dass u. A. der Arm unwillkürlich emporgeschleudert wird. Die
Ausathmung wird durch möglichst viele Muskeln besorgt. Krampf-
haft wird die Athmung bei der Erstiekungsnoth. — Vergleiche A r-
nold*) Uber die Betheiligung verschiedener Muskeln an der tiefen
und leichten Athmung von Hunden und Kaninchen.
Der Mechanismus einiger besonderer Arten unwillkürlicher Athcmbewegungen :
des Niessens, Hustens, Gähnens, Lachens, Seufzen«, Schluchzcns , kann bei einigem
Nachdenken leicht abgeleitet werden.
4. Athemfolge. Die Zahl der Athemzüge in der Zeiteinheit
wird dureh sehr mannigfache Umstände geändert, namentlich durch
den Willen, durch Leidenschaften, durch Erregungszustände des
n. vagus und der meisten andern Gefilhlsnerven, durch Hiradnick,
durch die Grösse der Hindernisse flir den Luftsrom in de% Athem-
wegen, die Eigenschaften der Lungenwand, die chemische Zu-
sammensetzung und die Temperatur der Luft, Art und Menge der
Nahrungsmittel, Zustände der Verdanungswerkzeuge und Muskeln,
Blutmenge, Gehalt des Bluts an Körperchen, die Zahl und Stärke
der Herzschläge, Tageszeiten, Körpergrösse, Alter, Geschlecht u. s. w.
Alle diese Bedingungen lassen sich, wie es scheint, zusammenfassen
unter die Nummern: Seeleneinwirkungen, Erregungszustände
der Gefilhlsnerven, insbesondere des n. vagus, Gehalt des Bluts
an leicht abscheidbaren Gasen, Erregbarkeit (ErmUdungsgrad) des
verlängerten Markes.
Die Einwirkung jener Bedingungen äussert sich nun entweder
an der gesammten Athembewegung und zwar ebensowohl durch
Förderung wie durch Hemmung anderer die Bewegung einleitender
Umstände, oder auch dureh einen Eingriff in die Beweglichkeit
nur einzelner an der Athembewegung betheiligter Muskeln. —
a) Von den leicht abscheidbaren Blutgasen können nur CO, und
0 berücksichtigt werden. Mit dem Sauerstoff- Gehalt des
Blutes ändert sich die Athembewegung so, dass sie seltener und
weniger tief wird, wenn das Blut reich an diesem Gas ist; nimmt
dasselbe ab, so wird der Athem beschleunigter und tiefer, bei
noch weiterem Sinken des 0- Gehalts wird die Bewegung wieder
seltener und tiefer, und endlich, wenn alles absorbirte O-gas ver-
schwindet, wird die Athmung sehr viel seltener und krampfhaft
(W. Müller, Setschenow). Wird von da an kein neues O-Gas
*) Die physiologisch« Anstalt ln Heidelberg, p. 146.
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Aenderung der Athem folge mit dem 0* und C9»-Gehalt. 489
zugeführt, so wird die Panse zwischen den Athemzttgen immer
grösser tuid die Bewegung zugleich schwächer, bis sie endlich
ganz aufhört. — Diese Erscheinung beobachtet man bei der ge-
wöhnliehen Erstickung, bei sehr reichlicher Zuführung von Luft
auf dem Wege künstlicher Respiration, nach Einführung von -Hem-
mungen in die Athemwege, auch z. B. nach Lähmung des Recur-
rens, Zuhalten des Mundes und der Nasenöffmuig (Aubcrt), nach
Austreibung des Sauerstoffs aus den Blutkörperchen durch Kohlen-
oxyd, bei einer Aendernng des O-Verbrauchs in Folge der vermehrten
oder verminderten Nahrung, der gesteigerten Wärmebildung, leb-
hafter Muskelbewegung. — Die Thatsache, dass auch noch nach
vollkommenem Verschwinden des 0 aus dem Blut die Athmung
einige Zeit fortdauert, beweist, wie es scheint, die Anwesenheit
dieses Gases in den Flüssigkeiten des verlängerten Markes selbst.
Die Kohlensäure des Blutes kann, vorausgesetzt, es fehlt dem
Blute nicht an Sauerstoff, sehr beträchtlich anwachsen, ohne dass
die Athembewegungen dadurch verändert werden; erst wenn das
Blut fast vollkommen mit CO-j gesättigt ist, wird die Athmung
flacher und seltener, und sie erlischt endlich nnter dem dauernden
Einfluss des so beschaffenen Bluts, selbst bei Anwesenheit von viel
0 in der Athmungsluft (W. Müller). — b) Erregungszustand der
Gcfifhlsnerven*). In einer besondere Beziehung steht der n. vagus
zu der Atheuibewegung. Wird der Halsstaram desselben durch-
schnitten, so werden die Atkemzüge tiefer und seltener; die Ver-
langsamung ist geringer, wenn ein, bedeutender, wenn beide
Nerven verletzt sind.
ln letztens Fall mischen sich erfahrungsgemäss zwei verlangsamende Einflüsse ein,
von denen einer sicher darauf beruht, dass die Lähmung des n. teourren», beziehungs-
weise die Verengerung der Stimmritze, dem Lnftetrom ein Hindernis« setat; denn die
Zahl der Zuge, welche nach Durchschneidung der beiden Vagi sehr gesunken war,
hebt sich wieder nach Anlegung einer ergiebigen Luftröhrenfistcl, aber durchaus nicht
auf den Punkt, den sie vor der Nervendurchschneidung cinnahm. Da die länger-
dauerndc Zurückhaltung der Luft bekanntlich mit einem unangenehmen Gefühl verbunden
ist, so darf der zweite Grund, aus dem die Dnrchschneidung der n. vagi die Athem-
folge seltener macht, mit Wahrscheinlichkeit gesucht werden in der Beseitigung von
Reflexen, welche die Lungenluft durch die n. vagi auslogt; durch welchen Umstand
sie dieses vermag, ist unbekannt; wahrscheinlich jedoch nicht durch ihren COa-Gehalt,
da der Aufenthalt in einer Luft, die zugleich an 0 und CO* reich ist, keine Bcschleu.-
•) Llehnunn, L e. - Traube. Preuss. Vereinszeitung, -1847. — Helmolt, Uefaer die
reflector. Beziehung des n vncus rte. Gic**en 185«. — Anbert und T/chischwitz in Mole-
schott's rntemuchunge». 111. Bd. 275. — Valentin', Die EinrtilsMi Vier VtigustnlimuSg. 1857.
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490
Aendertmg der Athemfol&e durch Reflexe.
niguDp der Athembewegnng nach »ich rieht — Ueberlebt da* Thier die Dnrchachnei-
dung einige Zeit, so nimmt die Athembewegung offenbar aus andern Gründen einen
bosondern Charakter an (Liebmann).
Die elektrische Reizung der centralen, noch mit dem Hirn
verbundenen Enden des durchschnittenen n. vagus ist je nach der
Stärke der Schläge und der Erregbarkeit der Nervenmassc ver-
änderlich. Während der Einwirkung von Schlägen, die im Ver-
hältniss zur Erregbarkeit sehr schwach sind, folgen sich die Be-
wegungen rascher und werden oft auch tiefer; wird die Reizung
stärker, so steht die Athmung still, jedoch so, dass das Zwerchfell
in einen dauernden Krampf gerätii (Traube, Anbert). Wie
sich dabei die andern Athmungsmusk ein verhalten, ist Iqjder unbekannt.
Bei noch weiter gesteigerter Erregung bleibt die Athmung eben-
falls stehen, aber nun verharrt das Zwerchfell in der Esspirations-
stellung (Eekharcf, Anbert), oder aneh in einer solchen, wie
sie einer schwachen Zusammenziehung jenes Muskels entspricht,
so dass nach dem Anfhiiren der Schläge das Zwerchfell sich bald
nach der Exspirations -, bald aber auch nach der lnspirationslage
hin bewegt. Alle diese Erscheinungen kommen sowohl hei ein-, -
Bis doppelseitiger Vagusreizung vor.
Aus allem Dem kann man folgern , das* der n. vagus sowohl auf das Organ
wirkt, welches geordnete Bewegungen anregt, wie auch auf die Bahnen des n. phre-
nicus selbst. Beide nn. phrenwi müssen immer xngleich jedem Vagus zugänglich sein,
da einseitige Heizung der letztem von doppeltseitiger Zusammonriehung oder Erschlaffung
des Zwerchfells gefolgt ist, während einseitige Reizung des n. phrenicus nur die zu-
gehörige Zwerchfellshälfte verkürzt (Budge).
Durch Erregung der sensiblen Rückenmarksnerven und des
n. quintus kann die Folge und Tiefe des Athmens verändert werden.
c) Die Erregbarkeit des verlängerten Markes. Ihrer Veränderung
kann man zuschreiben: die Folgen der Strychnin -Vergiftung, welche
sich darin zeigen, dass die Brastmuskeln in einen tetanischen
Krampf verfallen nach Anregungen , die sonst eine geordnete Athem-
bewegung anslösen ; ferner die Vergiftung dtfreh Chloroform , welche
die Befähigung des verlängerten Marks zur Entwicklung von Ath-
mungsreitzen vermindert und auch ganz aufhebt Ferner die Ver-
änderungen, welche in der Athmung eintreten, nachdem dieselben
längere Zeit mit einer bestimmten Beschleunigung und Tiefe aus-
geftthrt wurden, mit einem Wort die Erholung und Ermüdung der
reizerzeugenden Einrichtungen. Aach ist es vielleicht hier nicht
mehr gewagt, wie atn Herzen, wenn man annimmt, dass in der
f. .
Aendermng dar Athcm folge durch di« med. oblong, und den Willen. 491
Zeiteinheit mir eine gewisse Summe von reizender Kraft entwickelt
werde, die entweder verwandt werden kann zu einer grossem
Zahl von flachen oder zu einer kleinern von tiefen Atbemztlgen. —
Ferner kann man es aus veränderter Erregbarkeit des verlängerten
Marks ableiten, wenn in Folge eines Druckes auf das Hirn die
AthemzUge seltener und tiefer werden, namentlich wenn der Him-
drnek einen solchen Grad erreicht hat, dass davon auch die I’uls-
schläge voller und seltener werden (Hegelmaier).
d) Die Einwirkungen des Willens können sich in den Athem-
bewegungen mannigfach äusscm, denn sie können durch ihn sowohl
"beschleunigt, als verlangsamt werden; aber alles dieses ist nicht
ohne Beschränkung möglich. So kann der Wille die Athembewe-
gungen nicht bis ins Endlose hemmen, da er im Kampf mit den
andern Anregungen, die auf das reizentwickclude Organ oder in
ihm wirken, bald unterliegt. Umgekehrt kann er die Athcmfolge auch
nicht Uber ein gewisses Maass beschleunigen, schon nicht wegen
des Widerstandes der Bewegungswerkzeuge. Je nach der Tiefe
der AthemzUge liegen die Grenzen höher oder niedriger. Noch
weniger kann der Wille die Bewegungen einzelner Abtheilungen
beschleunigen und anderer zugleich verlangsamen , sondern er muss
entweder die gesummte Reihe der Athemmuskeln im engen) Wort-
sinn in Bewegung setzen, oder, will er sie beschränken, so kann
er es nur in der Ordnung thun, welche auch dem automatischen
Organ des verlängerten Marks vorgeschrieben ist. So kann er
z. B. die flache Einathmung nicht mit einzelnen Intercostalmuskcln,
sondern nur mit dem , Zwerchfell ausftthren; und will er die Inter-
costalniuskeln in Bewegung setzen, so muss auch vorher oder
gleichzeitig das Zwerchfell sich zusammenziehen. Daraus scheint
hervorzugehen, dass der Wille auf den Ort wirkt, wo sich die mo-
torischen Athemnerven schon verknöpft haben , nicht aber auf jeden
einzelnen jener Nerven fttr sich. Diese Punkte bedürfen einer ge-
nauen Untersuchung; dasselbe verlangt den Einfluss der Leiden-
schaften anf die Atbemfolge.
Die Uebereinstimmung, wefche zwischen den Beschleunigungen
der Zug- und Schlagfolge der Brust und des Herzens besteht, ist
in die Augen fallend. Quetelet*) und Guy**) geben an, dass
im Allgemeinen die Zahl der Herzschläge 4mal so gross bleibe,
0 — .
•) Der Mensch, Übersetzt von RI ecke; 1838. 8M.
••) Donders und Bsndnln, Hnndlciding. 11. Bdt 872.
„Diqit
492
' “ Kttwumn entlang zwweheir AtKrm- nnd Hm.bcwnguug.
als die der Athemzüge Diese Zahl , die , weil sie eo ungefähr 7.n-
trifft, flir praktische Zwecke verwendbar wäre, gilt jedoch nur kl
engen Grenzen. Bei Thieren, deren Athens- nnd Pulsfolge in viel
grösserm Umfang als beim Menschen schwankt, ist dieses nament-
lich deutlich. Sinkt bei Hunden die Zahl der ArhemzUge unter
12 bis IS in der Minute herab, so ttbertrifft sie die der Pulsschläge
um mehr als das 4facbe , ja selbst um mehr als das 5facbe. Wird
dagegen umgekehrt ihr Athem lechzend, so ist die Zahl der Puls-
schiägc gleich der der Atbemztige. Das Ausgesprochene wir durch
ein Zahlenbeispiel, welches Arnold gesammelt hat, belegt: als
ein Hund, der sieh ruhig verhielt und fastetq, 27mal in der Mi-
nute athmete, schlug sein Puls 83,7mal, also 3,lmal häufiger, und
als der Hund 13mal in der Minute Athem holte, sank der Herz-
schlag auf 59,3, er blieb also 4,6mal beschleunigter. Die Erschei-
nung, dass nach Durchsehneidung der n. vagi die Beziehungen
zwischen Athem- und Pulszahl, wenn auch nicht vollkommen ge-
löst, so doch sehr beträchtlich gelockert sind, beweist, dass die
Regelung jener Verhältnisse vorzugsweise dem verlängerten Mark
Itbertragen ist. Da die Reizung des verlängerten Markes die
Athembewegungen auslöst und zugleich den Herzschlag hemmt,
so könnte es paradox erscheinen, dass mit der Beschleunigung in
der Athemfolge auch eine gleiche des Herzschlags eintreten soll.
Biese Ungereimtheit verschwindet jedoch, so wie man die Ver-
änderung des Herzschlags nicht mehr als eine Mitbewegung an-
sieht, die der Athem reiz einleitet. Dächte man sieh statt dessen
die Beziehung hergehtellt durch Aenderungen in der Verkeilung
nnd in dem Drucke des Bluts in der Brust und in dem Hirn , so
würde es nicht schwer sein, eine Theorie des Zusammenhangs zu
geben.
Die Zahl der unwillkürlichen AthemzUge variirt in der Minute
bei Neugeborenen von 23 zu 70 (Quetelet), bei Erwachsenen
von 9 zu 40 (Hutchinson). Unter 1897 Personen fand der
letzte Beobachter die überwiegend® Zahl mit 16 — 24 Athemzügen
begabt.
5. Luftströmung in den Athemwegen. a) Die Triebkräfte des
Luftstroms, nämlich der Dichtigkeitsunterschied der Luft in und
ausser den Lungen ist in jedem Moment der In - un^ Exspiration
gering, so lange die Zuleitungsröhren offen stehen. Nach mano-
metrischen Beobachtungen von C. Ludwig, Krahmer, Valen-
Luftströmung io d«n Athemwegen ; Volum de» Bruntraums. 493
tin*) beträgt er nur einige MM Quecksilber; dieses »st bei der
Leiehtbeweglichkeit der Luft noth wendig, da sieh ein Minimum
eines bestehenden Spannungsunterschieds augenblicklich ausgleicht ;
darum ist auch der durch den Brustkasten eingeleitete In- und
Exspirationsstrom momentan mit der Brustbewegung beendet, wenn
die Nase und Stimmritze geöffnet sind.
Bei einer so beträchtlichen Verengerung, dass sie die plötzliche Ausgleichung
verhindert , oder bei vollkommenem Verschluss der zu der Lunge führenden Röhren
kann die Differenz des äussern und innem Luftdrucks bedeutend gesteigert werden;
der Werth derselben ist aber selbst bei demselben Menschen sehr veränderlich, was
sich erklärt, wenu man bedenkt, von wie vielen Umständen er abhängig ist. Nehmen
wir z. B. an , es sei das Athmungsrohr vollkommen geschlossen , so muss bei der Eio-
athmung die Spannung der Luft um so mehr sinken, je vollkommener die Lnnge ent-
leert war, als die Einathmung begann, ferner je geringer die Widerstände sind, welche
die Wandungen und Eingeweide der Brust und des Bauchs der ausdohnenden Wirkung
der Muskeln entgegensetzen, und endlich, je grösser die ausdehnenden Muskelkräfte
selbst sind. — Unter denselben Bedingungen (Verschluss der Stimmritze etc.) musa
aber die Spannung in der Brusthöhle bei der Exspiration um so mehr wachsen, je
mehr die Brust bei der beginnenden Ausathmung mit Luft gefüllt war, jo höher der
Elastizitatscoeffizieut der Bauch - und Brusttheile ist und je kräftiger die Ausathmungs-
muskeln wirken. Bei diesen Variationen kann einer absoluten Bestimmung dieser
S^annungsdifferenzcn wenig Werth beigelegt werden.
b) Die Geschwindigkeit des Luftstrom ist natürlich variabel
mit der Längenachse und dem Durchmesser der Athemwege. Da
der Querschnitt der letzten» mit der Längenachse wesentlich sich
ändert, nnd namentlich anch zuweilen ganz plötzlich , wie am aus-
geprägtesten am Uebergang der Bronchioli in die Infundibula , so
kann von einem regelmässig angeordneten Luftstrom keine Rede
sein. Die mittlere Querschnittsgeschwindigkeit ist natürlich gegen
die Lungenbläschen hin wegen des bedeutend grüssern Durch-
messers der Athemwege an jener Stelle viel geringer, als in der
Luftröhre.
6. Volum des veränderlichen und unveränderlichen Brustranms.
a) Der Mensch entleert seihst durch die tiefste Ausathmung, welche
ihm möglich ist, nicht alle Luft aus seiner Brusthöhle; das Volum,
welches zurüekbleibt (residual air von Hutchinson), giebt den
unveränderlichen Brustraum. Dieser ist natürlich mit der Beweg-
lichkeit und dem Umfang des Brustkastens (seiner Höbe und Tiefe)
Valentin, Lehrbach der .
/
•) Müller*» Archiv. 1847. — Hee« er* ■ Archiv. IX. Bd. 3». —
Hhy»i»lutflc. ». Aull. 1. Bd. 5W.
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494
Gonstsnter und veritodarlieher Bru* träum.
sehr veränderlich. Nach einigen Untersuchungen an den Leichen
Erwachsener von tioodwin wechselt derselbe zwischen 1500 und
2000 CC.
Eine Methode, um das Volum des unveränderlichen Brustraums bei lebenden
Menschen *u bestimmen, giebt Har lese *) an. Er läset eine möglichst tiefe In«
Kpiration vollziehen, nach deren Vollendung Lungenraum und Atmosphäre durch die
offen gehaltenen Lippen und Stimmritze in Verbindung bleiben müssen. Die unbe-
kannte Räumlichkeit der Lungenhöhle (x) steht dann unter bekanntem Barometer*
druck (b). Darauf bringt er mit dom geöffneten Mund in luftdichte Berührung einen
Kasten , dessen Hohlraum mit einem bekannten Luftvolum (v) unter dem den atmosphä-
rischen übertreffenden Drucke b' gefüllt ist. Dann wird durch eine bis dahin ver-
schlossene Ocffnung des Kastens die Luft dieses letztem und der Lunge in Verbindung
gebracht , so dass sich die Drücke in beiden Höhlungen ausgleichen zu einem mitt-
leren (b“)> beiden Räumen gemeinsamen ; dieser kann an einem Manometer des Kastens
abgelesen werden. Bekanntlich ist aber das in einem Yohim enthaltene Luftgewicht
gleich diesem Volum, mnltiplizirt mit dem Druck, unter welchem die Luft in ihm
•teht; demnach war das Lüftgewicht der Lunge und das in dem Kasten vor der
Kommunikation dieser beiden Räume = x b -j- t k'; dieses Luftgewicht muss aber
auch = (x v) b" sein, d. b. gleich der Luft, welche unter dem Druck b“ in x
und v nach ihrer Verbindung enthalten ist. Aus der Gleichung x b -|- vb' = (x -{- v) b"
lässt sich nun x finden. Vorausgesetzt, es sei die Temperatur im Kasten und der
Lungenluft vollkommen ausgeglichen oder die Temperatur beider Orte genau bestimmt,
wie die Notiz von Harless in Aussicht stellt, so würde sich gegen diese sinnreiche
Bestimmungsart doch noch der Einwand erheben, dass das Volum des Lungenrauraes
vor und nach der Verbindung mit dem Kasten nicht dasselbe geblieben wäre. Denn
der Brustkasten ist von beweglichen Wänden und von Blut umschlossen , und somit
muss das Volum seines Hohlraums sich ändern mit der Spannung der in ihm enthal-
tenen Luft Ist dieses der Fall, so geht die obige Gleichung Über in x b -f v b'
«*= (j -f- ▼) b", d. b. in eine Gleichung mit zwei Unbekannten, und os ist weder s
noch y aus ihr zu finden. Wir müssen erwarten, ob Harless diesen Umstand be-
rücksichtigt und don aus ihm hervorgehendon Fehler in enge oder bestimmbare Grenzen
eingeschlossen hat.
b) Der Raum der Brust kann zwar bei demselben Menschen
je nach der Tiefe der Athembewegung sehr beträchtlich und iu
unendlich vielen Abstufungen wechseln, aber er ist doch in be-
stimmte Grenzen eingeschlossen, welche gegeben sind durch den
Unterschied der Brustfassiuig während möglichst tiefer Ex- und
Inspiration; das durch diesen Unterschied dargestellte Luftvolum
(vital cupacity von Hutchinson) wollen wir die grösste Athmnngs-
tiefe, Athmungsgrösse nennen. — Ihrer bedient sich bekanntlich
der Mensch bei gewöhnlichem unwillkürlichem Atkmen nicht, wohl
%
’) Münchener ‘'gelehrt« Anzeigen. 8ept- 1864. 98.
Athen grftsse.
495
aber, wie wahrscheinlich, immer nnr einer annähernd gleichen Luft-
menge, indem er jedesmal ungefähr gleich tief ein- nnd ausathmet;
wir wollen dieses Volmn als das des mittleren Athmens bezeichnen.
Die Bestimmung beider YVertbe ist von Interesse.
Der Umfang des tiefsten Athemzugs (die Athemgrösse)
ist technisch wichtig geworden als ein Mittel, um die Gesundheit
der Brust zu prüfen. Denn es ist von vornherein wahrscheinlich,
dass im gesunden Menschen ein bestimmtes Verhältniss besteht
zwischen den sanerstoffverbranehenden Leibestheilen oder einer
damit in Verbindung stehenden Funktion und dem Raum der ruhen-
den Brust, und dass eben ein solches besteht zwischen dem Um-
fang der ruhenden Brust und ihrer Beweglichkeit. Gesetzt, es gäbe
solche Relationen, und gesetzt, sie sollten dazu benutzt werden,
um zu unterscheiden , ob dieser oder jener Mensch gesdnde Lungen ■*
besitze, so müsste die Körpereigenschaft, mit welcher die Brust
verglichen wird, zu den relativ unveränderlichsten des Menschen
gehören, und in einer so lockern Beziehung zum Brustkorb stehen,
dass sie keinenfalls durch erworbene Fehler des letztem verändert
würde. Denn wenn der Forderung nicht genügt ist, dass die Eigen-
schaft, mit welcher der kranke Brustkorb verglichen wurde, noch
denselben Werth besässe, der ihm beim Vergleichen mit der ge-
sunden Brust zukam, so würde natürlich der erste Quotient eine
ganz andere sachliche Bedeutung haben als der letztere. Aus einer
weitem Ueberlegung geht aber hervor, dass, wenn das obengenannte
Verhältniss gefunden würde, dieses nicht durch eine einzige Zahl,
sondern nur durch einen Zahlenranm ausdrüekbar wäre, da bis
zu gewissen Grenzen die Brust ihren Mangel an Umfang und Be-
weglichkeit durch die Häufigkeit ihrer Bewegungen ersetzen könnte.
War ausserdem, wie verlangt, ein durch das Leben relativ un-
veränderter Vergleichungspunkt fllr die Brust genommen, so muss den-
noch das Verhältniss in den Grenzen der Gesundheit beträchtliche
Schwankungen erfahren, weil die Eigenschaften der Brust mit
Alter, Gewerbe u. s. w. sich ändern.
Hutchinson, der zuerst auf den Gedanken kam, die Brust auf die ange-
deutetc Weiae an prüfen, wählte zu dem von der Athmung hergenommenen Verglei-
chungspunkt das Luftvolum, welches die tiefste Exspiration nach der tiefsten Inspiration
ausathmet. Diese Grosse ist abgeleitet aus dem (Jmfang der ruhenden Brust, der Be-
weglichkeit der* Rippen, der Lunge, der Eingeweide, der Bauchdecken und aus
den Kräften der Athmungsmuskeln ; sie will also, wenn sie über die Lungeneigen-
schaften Aufschluss geben soll, vorsichtig benutzt sein. — Um das Luftvolum zu
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496
Spirometrie.
messen . bedient er sich eines Gasometers , den er Spirometer nannte ; die Fig. 60 giebt
ihn nach den Einrichtungen ron Wintrich* * •••)). Eine graduirte Glasglocke Ay oben mit
eiuersc hliessbaren Öffnung (»uni Auslassen der Luft) und
einem Haken (zum Au (Hängen) versehen , wird durch das
Gewicht C, welches Über die Rolle B sieht, Sguilibrirt.
Die Glocke taucht in den Musscrn Wasserbehälter von
Blech D, der oben mit einem Glasfenster versehen ist.
Nahe am Boden wird der Behälter D durchbohrt von
zwei Röhren ; P dient zum Auslassen des Wassers aus
D ; das andere Rohr G erstreckt sich innen bis unter die Glas*
glocke A. Nach aussen geht es in einen mit dem Mund-
stück G“ versehenen Schlauch über. Bein» Gebrauch
wird die Glocke A bis zu einem gewissen Theilstrieh
ihrer Scala herabgclassen , dann Gu in den Mund ge-
nommen und durch G in die Glocke A ausgoathmet.
Weitere Vorsichtsmaassregeln siche bei Arnold. Andere
Spirometer, die, statt des Athemvolums direkt, eine
davon abhängige Grösse messen, siehe in den angeso-
genen Schriften •*). Sie empfehlen »ich durch ihre Klein-
heit als Taschenspirometer. Als zweiten Yergloichungs-
punkt wählte Hutchinson die KÖrperlinge (das Körper-
gewicht ist ganz unbrauchbar) und statt dessen Fabius
die RumpflÜnge. Nach Arnold sollen die ersten Pa-
rallelen wenigstens eben so gut soin als die letzten. Der
Vergleich zwischen diesem Luft- und Körpermaass wurde
durchgefübrt bei vielen Personen, verschieden an Alter,
Geschlecht, Grösse, Gewerbe u. s. w. Neben diesem
hat man auch mit der Athemgrösse verglichen den Um-
fang der ruhenden. Brust (ttbar die Brustwarst) gemessen), oder den Unterschied dieses
Umfangs bei tiefster Kin: und Aussthmung, oder das Produkt dieses Umfangs und der
BrusthShe. Selbstredend bedeuten die hierbei gewonnenen Quotienten etwse gans
anderes als der zuerst erwähnte, welcher aue dem gcathmeten Körpcrrolum herror-
ging. Da der Brustumfang bei I, ungenkrankheiten auffallend sich ändert, so geben
sie auch keinen Aufschluss Ober die AtbmungsgrSese , die dem untersuchten Menschen
in gesunden Tagen aukommen müsste (Dondera) ••*).
lin Folgenden sind die wesentlichen Resultate der spirometriseben Arbeiten »on
Hutchinson, Fabine, Wintrich, Schnoerogt, J. Vogel, Arnold n. A.
aufgezählt, wie sie Arnold t) zusammengestellt hat. — Die AthmungsgrBeeo bei
Männern: 1) Sie ändert eich mit der Körperlänge. Schlicsst man ron der Ver-
gleichung die Körpcrlöngen , die unter 150 Ctm. liegen, aus und hält sich an
das Mittel aus einer griiesem Reihe ron Hoobachtungen , so darf man nagen, dass bei
einer Längenznnabme ron je 2,5 Ctm. die Athmungsgröese um je 150C.-Cm. wächst
Fig. 60.
•) Arnold, Atlimengsgrösse de« Menschen. 1845. p. 9.
Bo na et, Oatette uifd. de Paris. 184«. — Harles«, Theorie und Anwendung dee Seiten-
druck-Splrometers. MUncben J86Ä.
•••) flculc'» und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 804.
t) Physlolog. Anstalt, p. 182.
Spirometrie ; mittleres Athen volura.
497
Im Mittel beträgt der tiefste Athcrozug bei Männern von 155 Ctra. Höbe *=• 2700C.-Ctm.,
bei 180 Ctm. JUöbe aber *= 4200. Diese Regel trifft nicht mehr ein, wenn inan ein-
zelne wenitfk Individuen mit einander vergleicht. — 2) Im Verbältniss zur Iinmpfböhe
nimmt die Athmungsgrösse nicht regelmässiger zu, als im Verhältnis zur ganzen
Körperlänge. — 3) Zwischen Athmungsgrösse und Körpergewicht besteht keine all-
gemein gültige Relation. — 4) Athmungsgrösse und Brustumfang stehen im Mittel in
der Proportion t dass, wenn von 65 Ctm. an der Brustumfang um 2,5 Ctm. wächst, die
Athmungsgrösse um je 150 C.M.M. zugonoromen hat; doeh gilt dieses Verbältniss nur,
wenn man annähernd gleich muskelstarke und fettreiche Männer vergleicht. — 5) Mit
dem Unterschied des Brustumfangs in der In- und Exspiration steigt die Athmungs-
grösse. — 6) Derselbe Cmfangsunterscbied in den genannten Stellungen erhöht bei
grossem Brustumfang das ausgeathraete Luftvolum mehr, als bei kleinem Brustmaass. —
7) Beweglichkeit und Umfang der Brust nehmen nicht nothwendig mit einander zu. —
8) Die Atherogrösse steigt bis zum 35. Jahre und sinkt von da an wieder; die Zu-
nahme erfolgt am raschesten vom 20. bis zum 25. Jahre und sinkt am raschesten
zwischen 45 und 50 J. — 9) Individuen höherer Stände und Arme haben das niedrigste,
'Seeleute das höchste Athmungsmaoss. — 10) Singende und blasende Musikanten haben
eine grosse, Ringer und eifrige Turner eine geringe Athemgrösse. — 11) Starke Fett-
leibigkeit, Anfüllung dos Unterleibs mit Speisen oder Koth mindern den Athmungs-
umfaug.
Bei Frauen gelton dieselben Regeln, nur mit der Beschränkung, dass für je
2,5 Ctm. Länge dos Atheinvolum nur um 100 C.M.M. wächst Schwangere Frauen
haben dasselbe oder öfter ein grösseres Athemmaoss, als vor der Empfdngniss
(Küchenmeister).
Eolgende Krankheiten mindern in absteigender Ordnung das Athemmaoss :
Tuberkulose, pleuritische Ergüsse, Emphysem, chronische Bronchitis, Asthma, Scoliose,
Lähmung der Athemmuskeln , Ascites, Leber- und Milzanschwellungen, Katarrhe, all-
gemeine KÖrperschwäche.
. Das Volum deB mittleren Athems ist schwer zu be-
stimmen, weil sich beim Messen desselben sogleich willkUhrliche
Zusätze und Abzüge einfinden. Unzweifelhaft variirt es aber auch
bei verschiedenen Menschen und steht wahrscheinlich in Beziehungen
zur Häufigkeit des Athmens. da es offenbar abnimmt, wenn diese
über einen gewissen Werth znnimmt. — Vierordt, dör in Folge
langer Uebnng die Fähigkeit gewonnen hatte, das Volnm eines
unwillkürlichen Athemzngs ungestört zu messen, fand es bei sich
zwischen 500 und 600 CC.
7. Mischung der zurückbleibenden und der wechselnden Luft*).
Setzen .wir beispielsweise das Volnm des unveränderlichen Brust-
ranms = 2000 CC. nnd das des mittleren Athems = 500, so sicht
man sogleich, dass beim Athmen nur ein kleiner Theil der ganzen
Lnngenlnft im Wechsel begriffen ist. Demnach wird die neu ein-
•) Bergmann, Müller' s Archiv. 1846. 296.
Ludwig, Physiologie. 11. 2. Auflage.
32
498
LuftmiMhnnK; luftverandemde Wertoeoge.
eintretende und die restirende Lnft und zwar durch den Athenmtrom
selbst rasch gemischt, wie daraus hervorgeht, dass die. Luft, welche
unmittelbar nach dem Emathmen auch wieder ausgeathmet wird,
schon so wesentlich ihre Zusammensetzung geändert hnt, dass dieses
den langsamer wirkenden Üiflussiuusstrüuien nicht zugeschrieben
werden kann. Die wesentlichsten Hilfsmittel zur Erzeugung dieser,
wir wollen sagen, mechanischen Mischung scheinen zn liegen znerst
in der grossen Nachgiebigkeit der Lungenbläschen, neben der re-
lativen Steifigkeit der Bronchialröhren. Dieser Umstand bedingt
es natürlich,, dass jede Veränderung des Lungenraums zusammen-
fällt mit der der Bläschen, so dass nur bei sehr bedeutenden Vo-
lnmsverändemngen der Brust neben den Lungenenden auch die
Lnngcnwurzcln ausgedehnt werden. Bei jeder Einatbmung, sei sie
auch noch so weuig tief, bewegt sich dagegen die Liuigenobci fiäche,-
und zwar immer von dem unbeweglichen Ort des Brustraums (Spitze
und Ktlckenwand) gegen den beweglicheren (Basis und Brustbein)
(Donders)*). Darum strömt bei jeder Inspiration Luft aus den
Bronchiolis in die weiten Trichter, und stösst dort gegen die zahl-
reich vorhandenen Vorsprünge, welche die sogen. Lnugcnzellen
begrenzen,' so dass der fein eindringende Strom rasch vertheilt
wird. Im ähnlichen Sinne muss die enge Stimmritze, müssen die
vielen Winkelbiegungen der Bronchi wirken, und endlich muss,
um des Kleinsten zu erwähnen, die Mischung auch durch die
Flimmerbewegung unterstützt werden.’
Luftverändernde Werkzeuge.
Damit der bis dahin eingehaltene Gang nicht unterbrochen
werde, verfolgen wir die Schicksale der eingcathmetcn Luft so-
gleich weiter.
Ueber die Eesttellung ihrer Veränderungen ••). Die Tempcraturveranderungtii,
welche die aüsgeathiuete Luft erlitten, misst man nach Valentin und Brunner mit
einer hinreichenden Genauigkeit, wenn man ein empfindliches Thermometer mittelst
eines Korkes in ein längeres Glasrohr befestigt. Eine der Oeifnungen des Kohrs soll
bis zur Capillarenweitc verengert sein. Die weitere führt inan vor den Mund und
■) Henlc's und Pfeufer's Zeitschrift. N. F..m. 30.
**) Valentin, Lehrbuch der Physiologie. 1. ßd. 2. Auflage. 534 u. f. — HandwürterbucU der
Chemie von Li e big n. s. w. II. Bd. 1050. — Frnnklund, Liebig's AnnaU-u. K8. Bd. p. 82. —
Molesohott. Holländische Beitrüge. I. Bd. p. 86. — Scharling, Liebig's Annalen. 45. Bd. —
Derselbe, Journal Air prnkt. Chemie. 30. Bd. — Andrst und Gavarret, Geber die durch
die Lungen AiiHgmtliincti* CO^-Meugc. Wiesbaden 1845. — Allen und Pepys, 8 cli w e i g g c r’s
Journal Air Chemie und Physik. I. Bd. 196. — Vlerordt, Physiologie de» Atlimen*. Karlsruhe
1845. — Proul, Schweigger’s Journal fUr Chemie etc. 15. Bd. — Becher, Studien Uber
Respiration. Züricher Mittht-iiungcn. 1855. — W. Müller. Beiträge zur Theorie 'der Respiration.
Wiener akud. Berichte. XXX1I1. Bd. p. 99.
r
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Luftveränderung ; analytische Methoden.
499
athraet durch dieselbe mehrere Minuten hindurch aus, bis die Temperatur des Thermo-
meters constant geworden ist.
Mit einer Untersuchung der chemischd^ Veränderungen der Luft verbindet man
verschiedene Absichten. Entweder man will nnr erkennen, wie sich ihre prozentische
Zusammensetzung zn einer beliebigen Zeit gestaltet habe, oder man will auch wissen,
wie gross die Q<jsanuntmenge der Gase ist, welche während eines bestimmten Zeit-
raums von der Lunge verzehrt und geliefert wurde.
Wenn es sich pur um den prozentischen Gehalt der Ausathmungsluft an 0, 00*,
N handelt, so genügt es, eine beliebige Menge der Ausathmungslnft aufzufangen und
nach bekannten enüioraetrischen Methoden zu analysiren, welche seit Bunsen,
Bag na ult, Frankland einen so hohen Grad von Vollkommenheit und Einfachheit
und damit ein si^cres Uebergcwicht über die mühseligen Ue wichtsbestimmungen ge-
wonnen haben. — Man hat sich dieser vervollkommneten eudiometrischen Methoden
noch nicht in allen vorliegenden Untersuchungen bedient; namentlich hat man, wio
a. B. in der ausgedehnten Versuchsreihe von Vierordt, versäumt, die Gasvolumina
vor und nach der Bestimmung eines ihrer Best&ndtheile auf, gleichen oder auf be-
kannten Gehalt an Wassergas zu bringen, und auch oft nicht die nothige §orgfalt auf
die Temperaturbestimmung gewendet, so dass .die in dem Volum des analysirten Gases
beobachteten Veränderungen fälschlich alle auf Mehrung eines aus der Luft entfernten
Bestandtheils geschoben werden. Die hieraus erwachsenden Fehler sind um so merk-
licher, wenn, wie es bei den Athemgasen gewöhnlich geschieht, aus den Analysen
kleiner Mengen auf dio Veränderungen sehr grosser zurückgeschiossen wird, weil sich
dann der Fehler in demsolbcn Verhältnis mehrt, in welchem dio analysirten zu den
berechneten Voluminibus stehen. — Den Prozentgehalt der Ausathmungsluft an Wasser-
dampf ermittelte man bis daliin dadurch, dass man durch ein Rohr ausathmete, welches
mit Asbest von 6O3 befeuchtet gefüllt war» Das vom Mund abgewendetc Ende dieses
Bohres stand in Verbindung mit einem Ballon, der vor Beginn des Versuchs mit Salz -
wasser oder Oel gefüllt war. Die in’s Kohr gelassene Ausathmungsluft gab an die
SO3 ihren Wassergehalt ab und stieg dann über die Sperrflüssigkeit. Die Gewichts-
zunahme des Asbestrohres giebt den Wassergehalt des- Luftvolums , welches in den
Ballon eingetreten ist (Valentin, Mole se hott). Bei solchen Versuchen muss die
Vorsicht gebraucht werden, zwischen den Mund und die Schwefelsäure kein kühles,
durch Erniedrigung der Temperatur wasserausfällendes Mittelstück einzuschalten. Dieses
etwas umständliche und durch die noth wendigen Volumbestimmupgen der Luft und
die Reduktion des beobachteten Volums auf dio höher erwärmte der Lunge immer un-
sichere Verfahren könnte vielleicht mit Vortheil ersetzt werden durch das Thermo-
und Psychrometer, mit deren Hülfe die Temperatur und der Sättig upgsgrad der Luft
zu finden sind.
Yiel komplizirterc Versuche sind nothwendig, wenn man den ganzen Gewinn
oder Verlust eines oder aller am Gosaustausch betheiligten Stoffe während einer be-
stimmten Zeit feststellcn will. In oinem solchen Fall muss natürlich das Gewicht
sämmtlicher Luft, welche in die Lunge ein - und ausgeht, bekannt sein, und da dieses,
zum grössten Theil wenigstens , nur mit Hülfe eines Raummaasses gewonnen werden
kann, so sieht man sogleich die Schwierigkeiten ein, welche sich einer langem Fort-
setzung des Versuchs entgegenstellen, wegen der Isolation der grossen Luftmengen,
welche aufgefangen Werden müssen.
• Am relativ einfachsten gestaltet sich der \ ersuch, wenn man nur die aus-
geathmete C0s/4u wägen' beabsichtigt, indem dann die eingeaftunete Luft wegen ihres
f 32 *
500 Sammlung der au ggoath nieten Gasvolumina.
geringen C Oi-Gehaltes unberücksichtigt bleiben kann. Diese Aufgabe hat man- sieh
vielleicht darum auch am häufigsten gestellt. Die in Anwendung gebrachten Methoden,
die ganze Monge der CO* zu fangen, Jfed folgende gewesen: 1) Man brachte Mund-
und Nasenötfnung des zu beobachtenden Menschon in einen geschlossenen Raum,
z. B. in eine mit einem Fenster versehene Kautschukmasse , leitete durch diesen einen
Luftstrom, dessen einseitige Richtung durch Ventile gesichert war;, die Luft, welche
in die Maske eindrang, kam dorthin ans der Atmosphäre, und die, welche ansdrang,
wurde entweder durch eine Reihe von Röhren geführt, deren Inhalt CO* und Wasser-
dampf absorbirte (Scharling), oder in einen luftverdünnten Raum (Andral und
Gavarret). Die Gewichtszunahme der Röhren, welche die CO* absorbirt hatten, gab
im ersten Fall die während der Versuchszeit ausgestossene COs; im zweiten Fall wurde
nach Beendigung des . Versuchs Druck , Temperatur und Volum der durchgetretenen
Luft gemessen und eine Probe derselben oder die ganze Masso analysirt. Der Luft-
strom, welcher durch die Maske hindurchgeht, wurde bei Andral und Gavarret
unterhalten durch die Unterschiede des Luftdruckes, indem nach der einen Seite hin
aus der Maske eine Röhre in die Atmosphäre und nach der andern in einen oder
mehrere gjossc, bei Beginn des Versuchs luftleere Ballons ging. Scharling sog die
Luft mittelst eines Aspirator« durch, d. h. er legte hinter die Absorptionsttlhren ein
grosses, mit Wassor gefülltes Fass, welches während des Versuchs seine Flüssigkeit
entleerte und sich dafür mit Luft füllte , welche es aus der Maske beztfg. Das
Wesentliche dieser Einrichtung giebt Fig. 70 wieder. — 2) Die Personen athraeien
ungehindert durch die Nase Luft ein und stiesson dieselbe, nachdem sie in der Lunge
verweilt hatte , aus durch ein Rohr, das bei geschlossener Nase in einen geschlossenen,
ursprünglich luftfreien Raum mündete. Man bestimmte zu Ende des Versuchs Volum,
Temperatur und Druck des mit Athemgasen gefüllten Raumes und analysirte eine Probe
der wohlgemengten Luft Indem man ako den prozentischen CO«* Gehalt der aus-
gcathmeten Luft und das Gesammtgewicht dieser letztem kannte, konnte man auch
das Gesammtgewicht der ausgehauchten CO* berechnen. — 3) Zu besondern Zwecken
wendete W. Müller den durch Fig. 61 versinnlichten Apparat an. Der Zweigt des
• t
Pig. 61.
dreischenkcligen Rohrs A B C ist in die blossgelegte Luftröhre eines Thieres ein-
gebunden, die Zweige B und C münden in zwei Quecksi Iber- Ventiltf Ul und 112, welche
die Luft in entgegengesetzter Richtung , und zwar nach Angabe der Pfeile durchlassen.
Aus jedem. Ventile geht ‘das ausführende Rohr D 1 und 1)2 in die Glocke (KJ, welche in
Sammlung der ausgeathraeten Gasvolumina. .
501
ein QnecEsilbergefäss J J eintaucht und in die ea bis su jeder beliebigen Tiefe vor-
senkt werden kann. Aus der genannten Glocke, und zwar nahe von ihrer untern
offenen Mündung an führt ein Kohr G su dem mit (Quecksilber oder Wasser gesperrten
Gasometer L. Ausserdem führt aus dem Ventil 112 noch ein drittes Kohr (die Rohre
D2 und M können durch Quetechhähne verschlossen werden), dessen in die Luft
gehende freie Mündung durch Wasser gesperrt ist. — Der Zusammensetzung des
Apparats liegt die Absieht zu Grunde, den Athmungshergang mit vorzugsweiser Be-
rücksichtigung der Gas-Absorption durch das Blut zu untersuchen, und zwar mit oder
ohne Gegenwart des N. Im letztem Falle wird der Gasometer und dio Glocke mit
0 gefüllt, die Glocke so weit aus dem Hg gesogen, dass das untero Ende des
Rohres G frei bleibt; das Rohr 1)2 wird zugeklemmt und M geöffnet. Beginnt in
dieser Stellung die Athmung, so geht der 0 aus L in JT, von da durch Ul in dio
Lunge und sus ihr durch das Ventil H2 in das Rohr M zur freien Luft lat auf
diese Weise der Strom so l&ngo geführt worden, bis aller N aus der Lunge entfernt
war, so klemmt man M zu, öffnet D2 und senk4 die Glocke so tief in Quecksilber,
dass das untero Ende von G ointaucht Dann athmet das Thier in dio mit 0 gefüllte
Glocke K aus und ein.
Dio Methoden, die Luft aufsufangon, waren verschiedenartige. Prout bläst die
Luft in cino durch vorgängiges Zusammen drücken entleerte, luftdichte Blase ; Viorordt
in einen Ballon, der ursprünglich mit, Salz wassor gefüllt war; Allen, Pepys und
Becher in ein mit Quecksilber gesperrtes Gasometer. Um die Versuche mit einer
vorhältnissuiässig geringem Mengo des thouren und schwer zu handhabenden Queck-
silbers möglich su machen, bedienten sich Allen und Pepjs zwei kleiner Gaso-
meter, deren jeder nur wenige Athemzügc fassen konnte. Diese wurdon abwechselnd
benutzt. War einer derselben mit Luft gofüllt, so wurde aus ihm, naehdom der In-
halt durchgeschttttelt und auf sein Volum bestimmt war, oine Probe Luft in ein
kleines Röhrchen aur späteren Analyse zurückgestellt und dann wieder mit Quecksilber
gefüllt. Unterdcss war in das andere Gaso-
meter geathmot und dieses dadurch mit Luft
gefüllt worden1, man kehrte alsdann zu dem
ersten zurück, und während des« wurde aus
dem zweiten eine Luftprobe entnommen u. s. f. —
Beo lue r gobranchto dagegen das Gasometer
von Deep reiz oder Döbereiner, dessen
Einrichtung durch Fig. 62 erläutert wird.
Auf das Brett (E F) ist ein Uohlcylindcr
aus Eisenblech (A. B C DJ und ein wohl-
gefirnisster solider Holzcylinder (LJ aufge-
schraubt , so dass der üohlraum des Blech-
cylinders bis auf oine schmale Kinne und
einen über dom Holzcylinder stehenden Rand
ungefüllt ist. ln diese Rinne passt möglichst
genau eine cylindrischo tubulirte Glasglocke
G J K H\ .wenn also dio Glocke über den
HolzpÜock möglichst tiof eingeschoben ist, so
ist dor Hohlraum des Cylindors fast voll-
kommen ansgefüllt; in den übrig bleibenden
Reet desselben wird Quecksilber gegossen, das
Fig. 62.
=*F
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502
Temperatur der Ausathmnngsluft.
bei möglichst tiefem Eintauchen der Glocke bis in den Tubalus derselben fity hinein-
reichen muss; bläst man darauf Luft in den mit einem Hahn versehenen Schlauch
(M N) y so erhebt eich die Glo<£e, das Quecksilber sinkt in die Rinne zwischen L
und A B C D, und die Luft wird immer gesperrt sfcin , wenn auch nur so viel Queck-
silber vorhanden ist, um die Rinne so weit zu füllen, dass das abgerundete obere
Endo des Holapflockes bedeckt bleibt. Bei 0 ist In den Blechcylinder ein ebenes Gla«
eingesetzt, um den Stand des Quecksilbers und die Erhebung der graduirten Glas-
glocke abzulesen. — Die Resultate der Versuche, welche sich des Quecksilbers als
Sperrmittel bedienten , verdienen ceteris paribus natürlich den Vorzug vor denen , in
welchen man zu gleichem Zwecke Kochsalzlösung anwendete. Denn diese letztere
absorbirt merkliche Mengen von CO*, und es wird diese Absorption um so weniger
zu vernachlässigen sein, aU dio Ausathmungsluft in einzelnen Blasen durch das Sperr-
wasser hin durch dringt und dann über dem letztem stehend , es in einer beträchtlichen
Ausdehnung berührt. Der daraus erwachsende Fehler ist auch kein constanter, weil
die vom Sperrwasser aufgenommene CO*-Mengc variirt mit der Berührnngsdauer und
dem COs-Gehalt der Ausathmungsluft. So lange nicht durch direkte Versuche die
Grenzen dieses Fehlors dargethan sind, muss man, dem Ansspruch der bessern Gas-
analytiker gemäss, behaupten, dass die auf diesem Wege angestellten Versuche nur
brauchbar sind, um bedeutende Unterschiede im KohlensSuregshalt der Ausathinusgs-
luft aufsudecken. — Alle Versucho aber, welche bis dahin nach der unter Nummer 2
aufgeführten Methode angestellt wurden , leiden an dem gemeinsamen Uebolstande, dass
sie sieh über einen nur kurzen Zeitraum erstrecken. Sie erlauben also bei der un-
gemeinen Veränderlichkeit in der Absonderungsgeschwindigkeit der COi keinen Schluss
auf andere, nicht untersuchte Zeitabschnitte.
Geht man endlich darauf aus, geradewegs zu bestimmen, wie viel O-Gas in den
Lungen verschluckt, wie viel HO-Gas dort abgedunstet und wie viel N-Gas einge-
nommen oder ausgegeben sei, so muss man Menge und Zusammensetzung der in der
Versuchszeit ein- und ausgeathmeten Luft kennen. Denn diese Oase sind in beiden
Luftarten enthalten und sie können somit nur aus dem Unterschied ihrer Gewichte in
den Ein- und Ausathraungsprodukten aufgefunden werden. Bis dahin sind am Menschen
solche Versuche nicht angcstollt worden. Boi Thieren ist dagegen die Seliwferigkoit,
die sie darbicten, überwunden, wie wir mittheilen werden, wenn wir auf die staunens-
vTerthe Versuchsreihe eiugehen, welche der grosse Physiker Rognault in Verbindung
mit Reiset ausgeführt hat. Dort werden wir auch einige indirekte Methoden er-
wähnen, welche &ich das ohen bezeichnete Ziel gesteckt haben.
1. Temperatur der Ausathmungsluft. Die in die Lun-
gen aufgenommene Luft muss ihre Temperatur ausgleichen init
derjenigen der Lungenwand, re.sp. des in ihr strömenden Hintes.
Die Zeit, die zu dieser Ausgleichung noth wendig, wächst mit dem
Temperaturunterschied zwischen Hlnt und Luft und dem aufgenom-
menen Volum der letzteren. So fand z.'B. Valentin (gleiche Zahl
und Tiefe der Athembewegung vorausgesetzt), dass bei ehier Luft-
temperatur von — 6,3° C. die ausgentlimete Luft auf -f- 29,8° C., bei
einer Lufttemperatur von -f- 19,5° C. die ausgcathmetc. Luft auf
-J- 37,25° C., bei einer Luttemperatur von -4-41,9° C. die Ausatli-
Wassergehalt der Ausathmungsluft.
503
mnngslnft auf 4*83,1° C. erwärmt oder abgekühlt war. Die zur
Ausgleichung der Temperatur nöthige Zeitdauer kann keinesfalls
gross sein bei den zahlreichen Berührungen zwischen Luft und
Lungenwand. - . .
2. Vermehrung des Wassergehaltes. Die Luft, welche
in die Athemwege gefiltert wird, ist meist niederer temperirt, und
somit jedenfalls trockener, als die Ausathmungslnft , welche in den
Lungen erwärmt und in vielfache Berührung mit feuchten Flächen
gebracht wurde. — Die Luft, welche in die Lungen aiifgcnommen,
wird sich darum rasch mit Wasser sättigen ; der Zeitraum , welcher
hierzu nothwendig, wechselt mit dem Volum, der Trockenheit und . *
der Wärme der Einathmuugsluft. Leber den absoluten Zeitwerth,
der zur .Sättigung nötbig, bestehen bedeutende Widersprüche j Va-
lentin behauptet, dass selbst bei rascher Athcmfolge die Sättigung
für die bestehende Temperatur beendet sei; Moleschott traf sie
dann kaum zur Hälfte satt. — Das Gewicht des Lnngendampfes,
welches wir in der Zeiteinheit ausstossen, variirt nachweislich mit ^
der Zahl der Athcmzüge. Hierüber giebt Valentin*) folgende
Tabelle, aus welcher hervorgeht, dass das Gewicht des Wasser-
dunstes sich mindert , wenn die Zahl der Athemzüge in der Minute
Uber sechs steigt.
• ■ 7,«hl 1
der Athemzüge in
der Minute.
Mittler«-« fipwicht «Ip*
ausgcäciiletleuen Warnten» in Gr.
flir die Minute.
Mittlere* Gewicht des
aueggehtedanen Waiaen in Gr.
fUr eh\en Atliemzu^.
Zahl der
Boobnchtuugcn.
5 ’
0,287
0,057
6
6
6,297
0,049
30
12
0,24«
0,021
30
24
0,261
0,010
30
36
0,197
0,005
3
40
0,205
0,005
2
Wünschenswerth würde es sein, zu wissen, wie die Aufent-
haRszeit und das Volum der aufgenomraenen Luft mit der Athem-
folge gewechselt habe. Auch mit der Temperatur der Atmosphäre
findet Valentin das Gewicht des ansgestossenen Dampfes ver-
änderlich. In der Kälte sollen gleichviel Athemzüge weniger Dunst
zu Tage fördern, als in der Wärme.
Als tägliches Mittel des von ihm ausgehauchten Wassers giebt
Valentin (54 Kgr. schwer) 375 Gr. an. Nach einer geringeren
Zahl von Beobachtungen fand er es bei 8 Studenten zu 540 Gr.
•),i.*.3>. mm.
DigifizecfTsy Google
504
KnhleullttregehaH der Aunthmafigslaft.
täglich. Diese Menge repräsentirt natürlich nieht den Wasser-
verlust, den das Blut durch die Athmnng erleidet; um ihn zu
finden, würde man von den gegebenen Zahlen die unbekannte
Menge des Wasserdunstes abzuziehen haben, welche in der Ein-
athmungsluft enthalten war.
Ueber indirekte' ScbüUungsmethoden siehe thierischo Wärme nnd Vergleichung
der Ausgabe und Einnahme des Blutes.
3. Veränderung der Kohlensäure. Das Gewicht der
täglich entleerten COi ist wesentlich bestimmt von der Menge der
täglich gebildeten, weil der thierischo Körper dieses Gas, fast so
rasch wie es entstand, auch wieder nnd zwar vorzüglich durch die
Lunge entlässt. Die Mittel, durch welche sich die Ausstossnng der
Neubildung anpasst , sind gegeben durch Veränderungen des Un-
terschiedes der COsspannnng in der Luft, des Blutes und der
Lunge, des Wärmeunterschiedes zwischen dem Blut und der Lungen-
luft, durch Veränderungen des Blutdrucks und der Berührungs-
. fläche zwischen Luft und Blut.
Theoretische. Einleitung. Um die Bedeutung der Bedingungen richtig au
fassen, welche die Absonderungsgeschwindigkeit der CO* beherrschen, dienen folgende
Erfahrungssätze. Wie bei den entsprechenden- Betrachtungen über Wasserbewegung
sollen die eingeflochtenon theoretischen Ausdrücke nur Mittel zur leichteren Fasslich-
keit sein.
1) Die Kräfte (Spannungen), mit welchen sich die Theilchen eines Gases ab-
stossen, verringern sich mit der abnehmenden Dichtigkeit des Gases (Mariotte’sches
Gesetz); diese abstossenden Kräfte können ganz in derselben Weise, wie es p. 44 für
das Wasser entwickelt wurde, dazu dienen, Geschwindigkeit oder Spannungen de«
Gases zu erzeugen, und hier wie dort ist die Geschwindigkeit, welche der Gewichts-
einheit Gas mitgetheilt werden kann, proportional dem Unterschied der Spannungen,
welche auf den entgegengesetzten Grenzflächen der bewegten Gasart herrschen.
2) Nur die gleichartigen (aus denselben chemischen Atomon und Atomsahlen be-
stehenden) Gastheilchen üben eine Abstossung gegen einander, oder besser ausge-
drückt: in einem Gemenge aus verschiedenen Gasen ist die schliessliehe Anordnung
jedes einzelnen Theilchens in der Qleichgewichtalage nur abhängig von den Kräften,
welche von den ihm gleichartigen Theilchen ausgehen. Während dos Ucbergangs aus einer
Stellung in die andere, also während der Bewegung wirkt dagegen die Anwesenheit
anderer Gase hemmend auf die Geschwindigkeit, mit welcher die neue Lage einge-
nommen wird.
3) Die Geschwindigkeit, mit welcher ein ohne Hinderniss bewegliches GastheH-
chen ein anderes fixirtes flieht, wächst mit der Zeit, so dass es in der ersten Zeitein-
heit einen kleineren Weg zurücklegt, als in der zweiten, in dieser einen kleineren als
in der dritten u. s. f. — Die Unterschiede der Geschwindigkeiten in den Zeiteinheiten
(die beschleunigenden Kräfte) nehmen dagegen ab mit der* steigenden Zeit. Dieses
folgt aus dem Beharrungsvermögen und, aus dem ersten Satz, dass die Intensität der
abstossenden Kraft sich^mit der Dichtigkeitsabnakme mindert. Denn das Gastheilchen
Kohlensäuroausscheidung ; theoretische Einleitung.
505
wird die iin ersten Augenblick empfangene Geschwindigkeit auch noch in allen folgen-
den behaupten; dieselbe wird aber in jedem felgenden Augenblick vermehrt durch
eitlen neuen Druck der sich abstossenden Gasmolekeln. Die Anzahl der SJösae, welche
das in Bewegung gesetzte Gastheilohen empfangen hat, wächst also mit der Zeit und
darum in derselben Weise die Geschwindigkeit. Die Kraft der Stösse nimmt aber von
einem zum andern Zeitthoilchen ab, weil die Entfernung der beiden Molekeln mit der
Dauer der Bewegung steigt, und darum verringert sich mit der steigenden Zeit dio
Beschleunigung, welche von jenen Stössen abhängt.
4) Die Gesetse, welche fUr die Bcwogung tropfbarer Flüssigkeiten durch Röhren
gölten, finden auch ihre Anwendung auf Gase, welohe sieh im Diffusionsstrom durch
Röhren bewegon. Tauchte t. B. die eine Mündung eines Rohrs in einen Behälter voll
Sauentoffgas und die andere Röhrenöffnung in eine Atmosphäre von Kohlensäure, so
würden unabhängig von einander zwei GasstrÖme in entgegengesetzten Richtungen
durch das Röhrenlumen laufen, und zwar darum ohne gegenseitige Störung, weil dio
Sauerstofftheilcken nicht von der CO* und diese nicht von jener ihre Anregung zur
Bewegung empfangen. Die Bowcgungsanregung eines jeden dieser Ströme würde ein-
zig und allein begründet sein in dor Abstossung der gleichartigen Gastheilohen, oder,
was dasselbe bedeutet, von dem Dichtigkeits - (Spannungs-) unterschied, welcher zwi-
schen den gleichartigen Gasthcilchcn an den beiden Endon der Röhre besteht. Die
Gegenwart der fremden Gasart würde nur iusoweit die Strömung beeinflussen, als sie
nach Art eines Reibungswiderstandes die Geschwindigkeit behinderte. Voruusgesetst,
man bewerkstelligte es nun durch irgend welche Vorrichtung, dass der Spannnnge-
u^fterschied um Ende und am Anfang des Rohrs während der ganzen Versuchsdauer
unverändert bliebe, so würde sich auch die Geschwindigkeit eines jeden Stroms in
dieser Zeit constant erhalten, und es müsste, weil eine Bowcgung materieller Theil-
chen vor sich geht, die Geschwindigkeit abhängig soin einerseits von dem Spannungs-
unterschied, und andererseits von den Reibungen und dem Widorstando, welohe die
Anordnung der Röhro mit sich bringt.. Da es den Anschein hat, als ob diese Be-
hauptungen der Theorie an sich klar waren, so betonen wir der physiologischen Wich-
tigkeit wegen nur, dass die Dimensionen des Rohrs von Einfluss sind auf die Ge-
schwindigkeit des Diffusionsstroms nach der Röhrenlängo. Nehmen wir an, es sei uns
ein trichterförmiges Rohr A B Fig. 63 gegeben, in woloher sin Sauerstoffstrom von B
nach A und ein Kohlensänrestrom von A
nach B gehe. Gesetzt, es sei der Unter-
schied der grösseren Kohlcnsäurediehtigkeit
bei A und der geringere bei B gleich dem-
jenigen fiir den Sauorstoff bei B (der
grossen») und A (der goringern), so wür-
den die Triebkräfte, welche den COistrom
bewegen , doch grösser sein, als diejenigen,
welcho die S&uerstoffbewegung einleiten
und darum auch die Geschwindigkeit des
enteren über die des letzteren überwiegen.
Dieses ist ohne weiteren Beweis einleuch-
tend, weil bei gleicher Spannung in den Gasflächen die Zahl der COftheilchen, welohe
von A nach B hin drücken, grösser ist, als die der Sanorstoffkhoilchen, welche von
B nach A hin drängen. Wir machen im Voraus darauf aufmerksam, das der COtstrom
beginnt von der Lungenoberfläche, welche etno Ausbreitung von vielen Quadratfussen
Fig. 63.
B
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506
Kohlensänreauneheidnng ; theoretische Einleitung.
besitzt, und in der engen Luftröhre mündet, wahrend umgekehrt der Bauerstoflstrom
von den Wurzeln gegen die Endon der Lunge streichen muss. >
5) Setzen wir voraus, ei wäre uns ein geschlossener Kaum gegeben, weither mit
einer beliebigen Gasart, z. B. mit atmosphärischer Luft, gefüllt sei, und et werde
oiuc beliebige Grenz« dieses Hau ms in Vorbindung gebracht mit einer andern Gasart,
s. B. CO«, deren Dichtigkeit unveränderlich gedacht wird, Bedingungen, wie sie an-
nähernd in dor Lunge verwirklicht sind, so werden wir behaupten dürfen: a) Die
Geschwindigkeit des Diffusionsstroms aus der CO« in die Luft nimmt ab , wenn die
Zeit des bestehenden Diffusionsstroms zunimmt, und insbesondere wird sich dio Ge-
schwindigkeitsahnahme so gestalten, dass sie im Beginn des Di (Fusion sstroms rasch
und mit der waehsendon Dauer desselben langsamer und langsamer absinkt Ahneh-
men muss die Geschwindigkeit überhaupt, weil dio treihonden Kräfte, odur der Dicb-
Ugkeitsuntcrschied der CO«, zwischen der angenommenen Grenzfläche und dem ge-
schlossenen Kaum mit dom Eindringen von CO« in den letztem geringer werden, muss.
Im Beginn der Zeit, wo der geschlossene Raum vollkommen 00«frei war, wird dor
Strom unter der ganzen Spannung der angrenzenden CO« ointreten ; im nächsten Augen-
blick wird dor Strom schon gehemmt dnreh die zuerst oingetreteno CO*'U. s. f., und
die Geschwindigkeit muss also immer langsamer werden. Daraus geht auch hervor,
«hu» die Goschwindigkeitsabnahmo nicht im geraden Verhältnis* zum Wachsihum der
Zeit erfolgen kann. Die Geschwindigkeit wird auf Null herahsinken , wenn die CO*-
spannung im geschlossenen llaum und an der angenommenen Grenzfläche gleich gewor-
den ist. b) Der Zeitraum, welcher verlliesst, bis die Diehtigkoit der CO« in dem
geschlossenen llaum und der Grenzfläche gleichwertig ist, wächst (bei gleicher Be-
rührungsfläche und gleicher ursprünglichen Spannung der CO«) mit dein Cubikiniiftlt
des Raumes ; or nimmt dagegen ab (bei gleicher Spannung und gleichem Cubikinhait
de» Raumes) mit der Berührungsfläche, und (bei gleichor Berührungsfläche und gleichem
Cubikinhait) mit abnehmender Anfnngsspannung. — c) Das Maximum des Dichtigkeits-
Unterschiedes , welche« die 00« während der Stromdauor in den verschiedenen Quer-
schnitten des geschlossenen Raume« darbietet, nimmt milder Zeit ab; mit der nähern
Bestimmung, dos« die Abnahme während gleicher Zeiten um so goringer wird, je ent-
fernter die Zeit vom Beginn de« Stromes liegt Zur Verdeutlichung dieses Satzes
ziehen wir die Fig. 61 herboi. Stellen wir uns
ihr entsprechend den geschlossenen Luftraum
als einen Hohlcjrlinder vor, der mit einer seiner
Grundflächen AU in ein Kohlonsäuremeer von
constantor Dichtigkeit taucht, so wird der Ort
der höchsten Spannung immer auf der Fläche
Ali und der der niedrigsten auf der entgegen-
ge<ctzt*n Ghin'd (liehe CD zu ' flhdoh sein. Demi
es ist das Fortschreiten des Diffusioushtroruc* eine Folge der fortlaufend veränderten
Dichtigkeit (nicht etwa einer Wellenbewegung) und es muss domnach. wenn die Be-
wegung von einem an AB näheren zu einem von A U entfernteren Ort gehen soll,
die Spannung an dem erstem höher als an dem letztem sein. Das Maximum des
DichtigkcitsunUrschiodes wird also immer gefunden, wenn man die auf der FUobe
CD bestehende Spannung abziebt von der constanten in AB. Wir wollen uns nun
der Einfachheit wegen die Dichtigkeit der CO« an beiden Orten gemessen denken darob
die gleichcu Längeneinheiten der Linien CD und AU. Die vorhin ausgesprochene
Behauptung würde ‘demnach , auf. den Fall in Fig. 64 ttbergetragen, so lauten, daaa dis
Fig. 64.
Kohlensäureausocheidung ; theoretisch« Einleitung.
507
Dichtigkeit der CO« auf der Pläoho CD in kürzerer Zeit von Null auf halb DC (von
D auf E) ansteigt, als Ton halb DC auf ganz DC. Dieses rechtfertigt sich aber da-
durch, dass die absoluten Mengen ton 00«, welche zur lierbeifährung eines gleichen
Zuwachses von Dichtigkeit auf CD nothwendig sind, gleich sein müssen. Die Menge
der CO« aber, welche ein Strom unter Voraussetzung gleichen Querschnitts in der
Zeiteinheit mit jioh führt, ist natürlich proportional dem Spannnngsunterschiede der
CO« am Beginn und Ende der Strombahn (= der Geschwindigkeit derselben). Nun
bewegt sich aber, wenn die Dichtigkeit in CD von Null (DJ auf K[,%DC (F.J anwächst,
der Spannungsunterschied zwischen ganz und halb DC (sein arithmetisches Mittel in
diesen Grenzen ist = 3/« DC), während er sich bei dem Ansteigen der Spannung von
y'iCD (E) auf ganz DC ( C) zwischen ein halb DC und Null bewegt (sein arithme-
tisches Mittel ist = */i DC). Die Stromgeschwindigkeit wird also zwischen K und D
auch viel grösser sein , als zwischen E und C. — Die soeben gewonnene Erfahrung
fuhrt uns weiter zu der Behauptung : d) Die Curve der Dichtigkeit , besehrieben über
die Achse des geschlossenen Baumes, nimmt mit der wachsenden Stromdauor an Steil-
heit ab. Zum Verständnis« dieses Satzes ist zunächst die Erläuterung einiger Aus-
drücke nothwendig. Achs« des geschlossenen Baumes nennen wir dio gerade Linie,
welche oinen Tunkt höchster mit dem zunächst gelegenen niedrigster Spannung ver-
bindet In dom Beispiel, welches Pig. <14 «larstellt, würden also olle Linien, welche
der Cylindcrnchsc parallel laufen , als Achsen des geschlossenen Raumes zu bezeichnen
sein. Dächten wir uns nun auf oine dieser Achsen der Bcibo nach dio verschiedenen
Dichtigkeiten der CO« und zwar als Ordinatcn au fge tragen, die in den Orten enthalten
sind, welche die Achse durchschneidet, so würden wir die Curve der Dichtigkeit er-
halten. Die Curve der Dichtigkeit giebt also nichts anderes als einen Ausdruck für
dio Yerthcilung der CO« nach einer bestimmten Richtung des geschlossenen Baumes,
und darum will dio obige Behauptung nichts anderes sagen , als dass die Spannunga-
untemchiedo, welche dio Längeneinheit de» Stromes an einer beliebigen, ober bestimm-
ten Stolle desselben darbietet, mit der Stromdauor abnimmt, und ferner, dass die Zeit,
welche zur gleichwertigen Verminderung dieser -Unterschiede nothwendig ist, mit der
Dauer des Diifusionsstromes wächst Die Nothwcudigkcit dieses Satzes leuchtet gleich
ein, wenn man, wie dieses in Pig. f>4 geschehen, unuimml, dass die Dichtigkeit auf
der Achso (BD) abnehme proportional der Entfernung ihrer Tunkte von dom Anfangs-
orte höchster Spannung B. Unter dieser Voraussetzung geht bekanntlich die Steilheit
der Spannungscurve AK und A D an jedem beliebigen Abschnitte der Achse propor-
tional dem Maximum des Spannungsnntcrsc&cdes, wolches in dem Raume enthalten Mt.
Dieser letzte Zusatz gilt nun allerdings nicht mehr, wenn die Curvo der Spannung
einen gekrümmten Verlauf angenommen bat, indem dann nicht überall dla Spann ungs-
untenchiede proportional dem Maximum desselben abgenommen haben werden , aber
immerhin muss sifch auch hier dio Abnahnio 'des grössten ITÄterschiedes vorfheileA auf
den Verlauf der Curve und diese^ somit im Allgemeinen an* Steilheit abnehmvn. —
Bei der praktischen Bedeutung, welche der Curve der Diohtigkeit zukommt, wäre ee
wünschenswert!!, ihre allgemeine Form zu entwickeln in einem geschlossenen ltaumo
von der Gestalt der I, ungenhöhle. Bei der . Complikation dieser letzteren ist dieses
aber unmöglich; wir müssen uns also mit dem gegebenen ungefähren Ausdruck be-
friedigen.
(V) Die Temperaturunterschiede der Orte, von und zu denen die Strömung geht,
sind bedeutungsvoll, weil sie bei gleicher Dichtigkeit des Gases einen Spannungaunter-
schied desselben erzeugen ; denn mit der steigenden Temperatur mehrt sich die
508
Kohlensäureabduastung aas Flüssigkeiten.
abstossende Kraft der Gaetheilchen. Eine gleiohmässige Erhöhung oder Erniedrigung
der Temperatur an allen Orten des Diffusionsstroms könnte auf diesen nur einflussreich
■ein durch Veränderung einer etwa bestehenden Reibung.
7) Bis dahin verfolgten wir den Gang der COi-Diffusion im freien oder nur luft-
erfÜ Ilten Raum ; wir werden nun betrachten, wie sich die Spannung und Geschwindig-
keit jenes Diffusionsetroms an der Grenze zwischen Flüssigkeit und Luft,' oder mit
Rücksicht auf die Athmung ausgedrückt, wie sie sich an der Grenze zwischen Blut-
und Luftröhren der Lunge verhalten. Die hier in Frage kommenden Gesetze sind von
Stefan*) einer mathematischen Untersuchung unterworfen worden, deren Ergebnisse
mit der Erfahrung vollkommen Übereinstimmen. Nach seinen Annahmen wird, wie
beim Üebergang der Gase aus einer Luftschicht in eine andere , auch in der Grenz-
schicht zwischen Flüssigkeit und Luft die Geschwindigkeit des Stroms bestimmt durch
den Spannungsuntersehied der Gase diesseits und jenseits jener Schicht. Die Abwei-
chung der Vorgänge an den beiden verschiedenen Orten besteht nur darin, dass die
Spannung der Gase in der Flüssigkeit in undorcr Weise von der Dichtigkeit derselben
abhängt, als im freien Luftraum, und dass den Gasen beim Durchgang durch die Flüs-
sigkeit ein anderer Reibungswiderst&nd entgcgenstcht, als in der Luft. Von dem Ein-
fluss des letzteren Umstandes müssen wir einstweilen noch ganz absehen , da er keine
praktische Erledigung gefunden. Von der Spannung der Gase lässt sich dagegen aus-
sagen, dass sie in der Luft wie in der Flüssigkeit unter Voraussetzung gleicher Tem-
peratur mit der Dichtigkeit wächst; aber wenn in dem Luftvolum V die Gasincnge A
zerstreut ist, so ist der Druck p , den sie erzeugt, = d. h. die Spannung ist nur
abhängig von dem Verhältniss des Luftvolums zu der in ihm vorhandenen Gasmenge;
wenn dagegen das in dem gleichgroßen Flüssigkeitsraum V absorbirte Gas denselben
Druck erzeugen soll, so muss die Menge dieses Gases *=* oA sein, so dass p = ^
ist. Hier bezeichnet a den Absorptionscocfßzicnten oder das Volum Gas, welches bei
der angenommenen Temperatur von äer Raumeinheit der Flüssigkeiten aufgenommen
werden kann. Um den Inhalt dieser Gleichungen durch ein Zalilenbeispicl aufzuklären,
nehmen wir an V, d. i. das gleiche Volum von Flüssigkeit und Gas, sei = 1 C. C.,
der Druck p, welcher nach vollendeter Absorption dom Gas in Luftraum und in der
Flüssigkeit zukomme, sei = 1,0 Metr., und der Absorptionscoefßeicnt sei = 0,8, so
wird die Menge des Gases in dem fre^pn Raum = 1,0 und in der Flüssigkeit
• = 0,8 sein.
S t e f ui hat mit Zuhilfenahme der angedeuteten Grundlagen das Verschlucken
und Abdunsten von Gas unter sehr verschiedenen Bedingungen untersucht; von seinen
Erörterungen sind für die Athmung namentlich folgende von Wichtigkeit: Wieviel
Gas ist aus der Luft in ein gegebenes Volum von Flüssigkeit eingetreten nach Aus-
gleichung des Druckes in beiden, und zwar wenn entweder der Luftraum unbeschränkt
war, so da es der Druck des freien Gases durch den A-bsorptionsvorg&ng selbst nicht
geändert wird, oder wenn auch der Luftraum von beschränkter Ausdehnung war, so
dass sich der Druck des freien Gases durch die Absorption selbst änderte. Unter den-
selben Bedingungen hat er weiterhin untersucht, wie sich die Geschwindigkeit der
Strömung in der Grenzfläche zwischen! freiem Gas und Flüssigkeit ändert mit der
*) Wiener akademische fiiuoogsherlchtc XXVII. 375.
Kohlensäureausscheidung, abhängig ton der Athembcwegung 509
•wachsenden Zeit, and demnach auch die Gasmenge bestimmt, die in jedem Zeitabschnitte
wahrend der bestehenden Absorption in die Flüssigkeit Ubergeht. Ausser der Ab-
sorption hat er auch die Abdunstung von Gas berücksichtigt und namentlich unter-
sucht , wie sich das letztere verhält, wenn eine Flüssigkeit ihr Gas von constantem
Druck in einen beschränkten llaum entlässt; auch hier hat er die mit der Zeit abneh-
mende Geschwindigkeit und die in jedem Zeitintervall austretende Gasmenge festge-
stellt. So wichtig dieser Inhaltsanzeige nach die Resultate seiner Untersuchung, die
überall von der Erfahrung bestätigt werden, für die Athmungsiehre sind, so können
sie hier doch nicht mitgetheilt werden, weil die gefundenen Formoln ohne Anwendung
des höhere Calcüls nicht verständlich sind. 1
8) Da die verdunstbare CO« des Blutes nicht allein gelöst, sondern znm Theil
auch anderweitig gebunden ist, so könnte es fraglich sein, ob die Gesetze, welche für
die Abdunstung des einfach absorbirten Gases gelten, auch für die Athmung in Be-
tracht kommen. Nach zahlreichen Erfahrungen kann es keinem Zweifel unterliegen,
dass der Theil der verdunstb&ron CO«, welcher nicht gebunden, sondern nur gelöst ist,
gerade so abdunstet, wie wenn der gefundene Antheil des Gases gar nicht vorhanden
wäre. Der Unterschied zwischen dem Blut und einer anderen von gebundener CO«
freien Flüssigkeit würde also günstigsten Falles darin bestehen, dass bei der Abdun-
stung aus dem Blut neben der Spannung der aufgelösten auch noch die der gebun-
denen 00« in Betracht käme. Aber auch dieser Unterschied scheint nicht zu bestehen
unter den Bedingungen des normalen Lebens; es scheint nämlich, als ob nur der
locker gebundene Gaaantheil an der Athmung Theil hätte. Wir schlicsscu dieses dar-
aus, weil bei den gewöhnlichen Absorptionsversuchen mit Blut erst unterhalb sehr
niedriger Druckgrenzen sich die Anwesenheit der gebundenen CO« bemerklich macht,
und aus der Aehnlichkeit (nicht Uebcreinstimmung) des Verhaltens der im Blut ge-
bundenen CO« mit deijenigen, welche aus einer Lösung von 2Na0C0« entweicht. Wenn
nämlich bei einer Temperatur von 23°, 6 C. in Wasser so viel 2NaOCO« enthalten ist,
dass die Menge der gebundenen, aber verdunstbaren CO« so viel wie im Blut betragt,
so genügt- die Anwesenheit von 1,0 pCt. CO« in dem darüber stehenden Luftraum,
um die Verdunstung dieses Gases aus der Flüssigkeit zu verhindern (L. Meyer*).
Im Leben sinkt abor der C0«-Gehalt der Lungenluft nie auf jenen Werth, sondern er
erhalt sich immer weit darüber. Demnach würde man sich für berechtig# halten, die
gebundene CO« des Blutes von der Betheiligung an der Athmung auszuschliessen, wenn
man wüsste, ob die an 2NaoPhOs gebundene CO« sich eben so 4Vhalte, wie die an
NaOCOt geknüpfte. Es wäre wünschenswert^ dieses durch besondere Versuche zu er-
mitteln.
Die folgende Darstellung der Schwankungen in der COa-Ans-
scheidung untersucht der Reihe nach den Einfluss der Athem- und
Blutbewegung, der Luft- und Blutzusammensetzung und endlich der
verschiedenen Zustände der Lungenwand.
Athembewegung. Im Ruhezustand des Brustkastens ist
der Lungenraum mit Luft gefüllt, welche, in feine Bläschen ver-
•) Oase des Blutes p. 42*
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510 • Änderung der 00* mit dem Lungenort «od •*» .*
theilt, durch Wandungen von einer «ehr grossen Ausdehnung begrenzt
wird; die.se letzteren sind dnrehzogen, man könnte sagen, gebildet
von einem dichten Blutgefässnetze, dessen Inhalt verdunstbare COa
fuhrt. Insofern also die Luft in dem Lungenraum jemals COa-frei
war, wird sie sogleich einen Antheil dieses Gases empfangen, und
dieser Antheil wird, alles Andere gleich gesetzt, mit der Zeit ihres
Verweilen« in der Lunge so lange wachsen, bis sie die Spannung
der CO2 im Blute angenommen hat. Bevor jedoch diese Ausglei-
chung eintritt, geschieht eine Einatlmiung, durch ‘welche COa-freie
Luft theils mit der bis dahin vorhandenen vermengt und theils
Uber die bis dahin vorhandene geschichtet wird. Das erstere ge-
schieht, wenn die Einathuiung zu umfänglich ist, um nach Ver-
drängung der Luft aus den- Bronchien in diesen Platz zu finden,
so dass ein Theil der eingeatbmeten noch in die Bläschen gelangt;
der in den Bronchien zurUckbleibende Theil der neu eingetretenen
Luft ist die aufgeschichtete. Nach längerem oder kürzerem Ver-
weilen wird sämmtliche mit der Einathmung aufgenommene Luft .
wieder ausgestossen , nachdem sie natürlich durch Diffusion und
Mischung CO: empfangen, und es bleibt nach dieser Exspiration
ein Gasgemenge zurück , welches weniger COa enthält , als das un-
mittelbar vor der Inspiration vorhandene. Der COa-Gehalt desselben
steigt von Neuem, und es wiederholt sieh dann der frühere Vor-
gang u. s. f. Bei einer solchen Einrichtung unseres Apparates
dürfen wir, alles Uebrige gleichgesetzt, erwarten:
a) Nach vollendeter Einathmung wird die Dichtigkeit 'der COi
in den Lungen (oder der Prozentgebalt ihrer Luft an COa) abneh-
men von^len Lungenwänden hin gegen das Centrum der einzelnen
Uöhlcnabtheilungen und von den engeren Röhren (den Infundibulis)
gegen die weÄren (die Bronchien). Der Unterschied der Dichtig-
keit an diesen verschiedenen Orten wird abnehmen mit der Aufent-
haltszeit der Luft in der Lunge. Allen, Pepys und Vierordt,
welche bei ihren Versuchen auf diesen Umstand Rücksicht nahmen,
fanden in der That, dass die Luft, welche in dem Beginn der Aus-
athmung ausgestossen wird, ärmer an COa ist, als diejenige, welche
am Ende der Ausathmung erscheint. Der grössere Theil ersteren
Luftquantums kommt aber imzweifelhaft aus den Bronchien, der
letztere ursprünglich aus den Lungenbläschen. Dieser Unterschied
des COa-Gehaltes verschwindet jedoch nach Vierordt*), wenn die
■ «) 1. c. p. 174.
“**•*■ 4 «it d«r Aafenthaltazeit der Luft in der Log«. . V 511
eingeathmete Luft 40 8ec. lang in der Lunge verweilte, bevor sie
wieder ansgestossen wurde. l)a zu dieser Zeit, wie wir sehen
werden, der GO] -Strom von dem BJnt zu der Luft noch nicht ge-
schlossen ist, so muss man annehmen, dass auch dünn noch Un-
terschiede bestehen, die aber durch den Versuch nicht nachweisbar
waren (siehe die theoretischen Betrachtungen 5. c und d).
b) Die mittlere Dichtigkeit (der Prozentgehalt ) der COj in der
ausgeathmeten Luft wird uni so mehr zugeuommen haben, je län-
ger die eingeathmete Luft in der Lunge verweilte und je kleiner
das eingeathmete Luft volum gewesen war (Vierordt). Um den
ersteren Thcil dieses Satzes testzustellen , genügt es, in kurz auf-
einander folgenden Zeiten Ein- und Ausathmungen von immer glei-
chem Volum auszuflilireu und die aufgenommene Luft der Reihe
nach kürzere und längere Zeit zurtiekzuhalten, bevor sic wieder
ausgestossen wird. Als Beispiel für den Gang der Sättigung füh-
ren wir eine mit genaueu Hilfsmitteln angestellte Versuchsreihe von
E. Becher au. ln dieser wurden im Mittel 4560 CC. Luft ein-
und ausgeathmet; die Dancr der Einathmung betrug 2 bis 3 Sec,
die Zeit des Zurückhaltens der Reihe nach 0 , 20 , 40, 60 , 80,
100 See. Der mittlere Prozentgehalt der Ausatlnuungslutl an COj
betrug nach 0 Sec. = 3,6 pCt., nach 20 Sec. = 5,6 pCt., auch 40 Sec.
=■= 6,3 pCt., nach 60 Sec. — 7,2 pC't., nach 80 Sec. = 7,3 pOt,
nach 100 Sec. = 7,5 pC'f. Werden diese Zahlen in ein Coordina-
tensystem eiugctragcn
(Fig. 65), dessen Ab-
scisse die Zeit, dessen
Ordinate die CO,-Pro-
zente misst, so geben
dieselben die einlie-
gende Curve, welche
uns zeigt, dass die
Zuwttchse, welche die
Dichtigkeit der COi
in gleichen Zeiten em-
pfängt, rasch almeh-
men, wenn die Zeit-
dauer des Znrttekhal-
tens der Luft wächst. In Zahlen ausgedrückt, wuchs nemlich von
0 bis 20 Sec. der Gehalt um 2,0; zwischen 20 und 40 Sec. um
• •
I
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513 Kohlensäureauiaöheidong , ablmngiK Ton dem geathjnoten Loftrolnm.
0,7; zwischen 40 nnd 60 nm 0,9; zwischen 60 und 80 um 0,3
und zwischen 80 und 100 um 0,2 pCt Die einzige Zahl dieser
Reihe, welche freilich innerhalb der Fehlergrenzen Yon dem durch
die Theorie verlangten Gange abweicht, ist wahrscheinlich die
dritte zwischen 40 nnd 60 Sec. gelegene.
Stefan*) hat diese Erfahrungen mit seiner Theorie verglichen, indem er seine
Gleichungen cigends für diesen Zweck umformte ; dann hat er drei Zahlen von Becher
benutzt, um daran» die ConsUnten zu finden^ und für die anderen 3 folgenden
Werthe berechnet
Zeit
COg-Procen te
beobachtet berechnet
Unterschiede
Hoch 0 See. 3,0 3,0 —0,6
Mich 40 - 6,3 6,7 + 0,4
Nach 80 - 7,3 7,4* » + 0,1
Diese Uebereinstimmung ist als eine sehr gute anzusehen, da Becher selbst bei zwei
unter ganz gleichen Umstanden aUBgeführten Versuchen Fehler von 0,2 pCt. erhielt
Sollte sich bei weiteren Versuchen diese Uebereinstimmung bestätigen, so wtirdo eine
Fortsetzung der Beobachtungen nach dem vorliegenden Plane sehr wlinschens-
werth sein.
Setzt* man die Kechnung mittelst der Gleichung von Stefan fort, so zeigt sich,
da«B das Maximum , welches die OOj-Prozente in der Lungenluft bei der vorliegenden
Versuchsreihe annehmen konnten, = 7,57 pCt. war. Demnach dürfte mit einer Rtr
praktische Zwecke genügenden Genauigkeit angenommen werden, dass nach 100 Seeun-
den die Ausgleichung zwischen der COt-Spannung in der Lungenluft und in dem Blute
erfolgt wäre. Unter diesen Voraussetzungen könnte man, wenn Druck und Temperatur
der Lungenluft bekannt wäre, aus obigen Versuchen den Absorptionscoäfhzienten des
lebenden Blutes für CO, ableitcn. — Auch liesse sich aus den Versuchen finden, wie
gross das Luftvolum ist, welches vor der Inspiration in der Lunge noch vorhanden
war; dasjenige, welches wir früher den unveränderlichen Brustraum nannten (p. 493).
Vierordt giebt eine Beobachtungsreibe, ans der hervorgeht,
dass %in kleines Volum eingeathmeter Luft kürzere Zeit in der
Lunge zu verweilen braucht, um den COj-Gehalt zu gewinnen, wel-
chen ein bedeutenderes in längerer Zeit erreicht. Als er nemlieh
500 bis 600 CC. Luft mit je einer Einathnrung einzog und 1800 CG.
ausstiess und in einer andern Reihe möglichst tief inspirirte und
jedesmal etwa 3600 CC. ausathmete, so gab er in der ersten Reihe
nach 20 Sec. ZurUckhaltens eine Luft mit 6,5 pCt. COj; nach
40 Sec. = 7,2 pCt. und nach 60 Sec. = 7,4 pCt. ln der zweiten
Reihe enthielt dagegen die Luft nach 20 Sec. = 4,8 pCt, nach
40 Sec. = 5,2 nnd nach 60 Sec. = 6,0 pCt. COj. — Allerdings
•) Wiener Akademische Sitzungsberichte. 27. Bd. 3#6.
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Kobleitaanreausscheidung , abhängig von der Äthetnbewegüng. 513
sied beide Reihen nicht ganz vergleichbar; in dieser Beobachtung
besonders nicht, weil in der ersten Reihe die ansgeathmete Luft
m Überwiegender Menge aus solcher bestehen musste, welche län-
ger als die bezeichneten Zeiten in der Lunge zurückgeblieben war.
Hätte man aber auch diese Ungleichheit beseitigt, so würden sich’
dennoch die beiden Versuchsreihen durch mehr als durch blosse
Volumunterschiedfe der aufgenommenen Luft unterscheiden. Das
grössere Volum dringt tiefer in die Bläschen und mischt sich dort .
inniger, und, um es aufzunehmen, müssen sich die Lungenwände
mit ihren Gefässen, d. h. die Berührungsflächen zwischen der Luft
und den COa - abdunstenden Häuten weiter ausdehnen. Dieser
Grund kürzt die zur Sättigung nöthige Zeit wieder ab, während sie
die Volumvermebrung für sich allein verlängert.
c) Die mittlere Geschwindigkeit der COa-Strömung in den Lun-
genraum hinein steigt mit dem Volum der in der Zeiteinheit (Minute)
eingeathmeten Luft und mit der Geschwindigkeit des Luftwechsels
(Vierordt). Dieses geschieht darum, weil durch die Ventilation
die Dichtigkeit der COa in der Lungenluft vermindert und der
Spannungsunterschied zwischen der CG* im Blut und in der Luft
erhöht wird. Man könnte also auch sagen, die Geschwindigkeit
der CO-j-Strömung und damit die absolute Menge von COa, welche
in der Zeiteinheit durch die Lunge entleert wird, steigt, wenn der
prozentische CCb-Gebalt in der ausgestossenen Luft abnimmt. Der
scheinbare Widerspruch, dass die absolute Menge der COa in der
Ausathmungsluft wächst mit der abnehmenden Dichtigkeit derselben,
löst sich, wie begreiflich, leicht; denn wenn der prozentische COj-
Gehalt der Luft abgenommen, so hat sich in ungemein reichlicherer
Weise die Menge der in der Zeiteinheit ausgestossenen Luft ge-# •
mehrt. — Die Athembewegungcn sind nun im Stande, dasselbe
Luftvolum auf zwei verschiedene Arten in die Lunge zu führen,
entweder durch zahlreichere und flachere oder durch seltenere und
tiefere Züge. Bei gleichem Volum der wechselnden Luft wird der
letztere Respirationsmodus die Menge der ansgeführten COa mehr
steigern, als der erstere, denn es begünstigt derselbe die mecha-
nische Mischung der zurückbleibenden und der eingeathmeten
Luft, und er vergrössert auch die Berührungsfläche zwischen der
letzteren und dem Blute. Die Versuche von Vierordt geben fol-
gende Zahlen:
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage.
33
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514
KohlensÄureausscheidung , abhängig von der AfcheTObeweguftg-
Zahl d. Atliemzttge COt-Gehalt d.Luft Luflvolum, in d. Minute COf Volum, in d. Minute
ln der Minute.
in Prozenten.
auageathmet, in CC.
auageathuet, in CC.
Reibe. 6
5,1
3000
168
„ 12
4,1
6000
246
„ 24
3,3
12000
372
„ 48
3,0
24000
720
„ 90
2,7
48000
, 1296
Reihe. 12
5,4
3000
162
„ 12
4,5
600t)
270
„ 12
4,0
12000
480
0 12
3,4
24000
816
Vergleicht man die Zahlen je einer dieser Reihen, so siebt
map sogleich , dass , wenn die absolute Menge der ausgehanchten
Luft wächst, der l’ro/.entgohalt der CÜi ab- und die absolute
Menge derselben zunimmt. — Vergleicht mau aber die Zahlen
beider Tabollen, und namentlich die absoluten Mengen und die
Prozente der CO2 bei gleichem Volum der Exspirationsluft, so sieht
man, dass die COj-Prozente bei langsamer Atbemfolge (ausgenom-
men sind nur die beiden ersten Beobachtungen in der ersten
[6 Zuge] und in der zweiten [12 Züge) Reihe) höher sind, als bei
rascher. Daraus wttrde man den Beobachtungen zuwider folgern
können, dass die mittlere Geschwindigkeit des (.'( h-Stroms in die
Lungenluft bei langsamer Athemfolgc und voluminöseren Luftztigen
geringer sein möchte, als bei dem entgegengesetzten Modus zu
athmen; wenn trotzdem mehr CO2 geliefert wird, so kann dieses
seinen Grund nur in der grossem Strombreite (wegen vermehrter
Berührungsfläche) oder in der Ausgiebigkeit der mechanischen
• Mischung haben. — Natürlich sind diese Erklärungsgrikide nur
giltig, wenn, was aus dem Versuche nicht hervorgeht, die Zeit,
während welcher die eingeathmete Luft in der Lunge verblieb, ftlr
gleiche Luftvolumina dieselbe war, und wenn zur Zeit der beiden
Reihen gleiche Spannungen der COi des Blutes bestanden.
d) Die mittlere Geschwindigkeit, mit welcher die COs in die
Lungenluft strömt während eines ganzen Athcmzugs (Ein-, Ans-
at Innung, l’ausc), wird, alles l ebrige gleichgesetzt, wachsen mit
der Zeit, während welcher der Brustkorb in der Einathmungsstel-
lung verweilt
Die Wirksamkeit des Athemzugs für die Ausscheidung der OOf würde jedenfalls
gesteigert werden, wenn die Brust, statt nach vollendeter Einathmung sogleich wieder
in die Exspirationsstellung öberaugehen , in erweitertem Zustand verharrte. Aber im
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knhlensiiureautiseheidung, abhängig von der Athcmbewegung. 515
Verhältnis« *ur Anstrengung würde der Erfolg doch immer nur ein sehr untergeord-
neter sein, wie die auf p. 511 gezeichnete (June von Becher einsehen lässt, da mit
der über ein gewisses Maas« dauernden Inspir&tionsseit die CO« nur um ein Geringes
gesteigert wird (Stefan).
Bei grösserem Umfang des Brustkastens wird die Dichtigkeit
der CO2 in dem Lungenraum langsamer ansteigen, als bei geringem ;
demnach wird im ersten Fall längere Zeit ein grosser Spannungs-
unterschied bestehen. Versuche, welche diese Angabe der Theorie
bestätigen, fehlen.
Eine Untersuchung, welche die oben aufgestellten theoretischen
Voraussetzungen auf ihre Richtigkeit prüfen wollte, müsste, ausser
den schon angegebenen, mindestens noch folgende Bedingungen
erfüllen : 1) Sie hätte herznstellen die Gleichheit : in der Zusammen-
setzung der eingeathmeten Luft, in der Menge und Zusammen-
setzung der in der Lunge restirenden Luft, in der Zusammen-
setzung und Stromgeschwindigkeit des Blutes. Dieses Alles ist
annähernd zu erreichen, theils dadurch, dass man die zu verglei-
chenden Versuche unmittelbar hinter einander anstellt, theils dass
man den Brustkasten auf einem bestimmten Umfang hält. — 2) Sie
hätte zu verändern die Zeit, während welcher das cingesogene
Luftvolum in dem Brustkasten zurückgehalten wird, und gleich zu
halten: das gesummte Volum des -Luftwechsels in der Zeiteinheit, •
die Berührungsflächen zwischen Blut und Luft und den Umfang
der mechanischen Mischung neuer und restirender Luft in der
Lunge. Dieses wäre zu erreichen, wenn man gleich viel Luft,
immer gleich rasch eingezogen, mehr oder weniger rasch wieder
entfernte, so dass die Athempause kürzer oder länger würde. —
3) Sie hätte zu verändern das in der Zeiteinheit gewechselte Luft-
volum und dabei gleich zu erhalten die mechanische Mischung, den
Querschnitt des Diffusionsstroms , die Anwesenheitsdauer der inspi-
rirten Luft; um dieses zu erfüllen, würde man eine ungleiche Zahl
gleich tiefer Athemzügc machen , von denen jeder einzelne um so
länger gehalten werden müsste, je seltener die Athcmzüge erfolg-
ten. — 4) Sie hätte zu verändern die mechanische Vermischung
der neuen und restirenden Luft und die Berührungsflächen zwischen
Luft und Blut und dabei gleich zu machen: das in der Zeiteinheit
gewechselte Luftvolum, die Zeitdauer der Einathmungsstellung.
Dieses würde geschehen, entweder wie wir schon oben unter c er-
wähnten, oder auch durch Bewegungen des Brustkorbes nach ge-
schehener Einathmung und bei geschlossener Stimmritze.
33 *
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516
KohUositareausseheidung, abhängig vom BluUtrom
Blutstrom. Bei der Frage, wie eine Veränderung des Blut-
stroms in der Lunge die Ausscheidung der Kohlensäure vermehren
oder vermindern könne , ist wesentlich aus einander zu halten
der Einfluss variabler Spannung und variabler Geschwindigkeit
des Stroms.
Eine vermehrte Spannung des Blutstroms muss, alles Andere
gleichgesetzt, unzweifelhaft die Ausscheidung der CO-2 mehren, und
zwar auf zweierlei Art. Zunächst wird durch sie die Berührungs-
fläche zwischen Blut und Luft vergrössert; da sich die Gelasse, in
denen das Blut unter einem höheren Druck strömt, ausdehnen.
Mit dem Druck des Gesammtblutes mehrt sich aber auch der
Druck seiner COi, und dieser stellt demnach eine zu den gewöhn-
lichen neu hinzukommende Bewegungsursache dar, vorausgesetzt,
dass die gashaltige Flüssigkeit mit einem Kaum von niederer Span-
nung in Berührung kommt, wie dieses in der That zwischen Blut
und Lungenluft geschieht. — Ob diese Umstände von praktischer
Bedeutung sind, ist noch niemals untersucht worden.
Der veränderten Geschwindigkeit des Blutstroms würde nur
ein Einfluss auf die COj-Abscheidung zuzuschreiben sein, wenn es
feststünde, dass der Unterschied der CO-2-Spannung in dem arte-
riellen und venösem Lungenblut merklich stiege, wenn die Ge-
schwindigkeit des Stroms in den Grenzen des normalen Lebens
abnimmt. Man könnte in der That geneigt sein, dieses in Abrede
zu stellen, weil jedenfalls die Zeit, während welcher ein Bluttheil-
chen in den Lungencapillarcn verweilt, nicht merklich grösser aus-
fällt, je nachdem es das eine Mal langsamer als das andere Mal
die ungemein kurze Wegstrecke durch die Lungenbläschen zurttck-
legt. Die Möglichkeit kann freilich nicht bestritten werden. Setz-
ten wir also fest, das langsam strömende Blut führe beim Austritt
aus der Bläschenwand CO2 von niederer Spannung (weil es bei
längerem Aufenthalt in der Lunge mehr abgegeben), als das rasch
fliessende, und geben wir in beiden Fällen dem arteriellen Blut
gleiche Spannung, so würde die mittlere C02-Dichtigkeit des Bluts
während des Aufenthaltes in der Lunge beim langsamen Strom
geringer als beim raschen sein. Der rasche Strom beschleunigt
also die Abscheidung. Beobachtungen Uber die hier besprochenen
Probabilitäten sind nicht angestellt.
Luftveränderungen, a. Die Zusammensetzung der
eingeatbmeten Luft kann, insofern sie von der gewöhnlichen
atmosphärischen abweicht, aus allgemeinen physiologischen Gesichts-
und von dor 7m stramen Setzung der Einathmungsluft.
517
punkten betrachtet, auf zweierlei Weise verändernd in die Ab-
seheidung der CO2 eingreifen. Einmal, indem sie ein Material in
die Lungen und von da in das Blut fuhrt, welches die Bildung
von CO2 innerhalb aller oder einzelner Organe fordert oder hemmt;
mit einem Wort dadurch, dass sie die Zusammensetzung des Bluts
Ändert; wir werden die Betrachtung dieser Einflüsse einstweilen
verschieben. — Dann aber greift möglicher Weise die in ihrer
normalen Zusemmensetzung veränderte Luft auch dadureh auf die
Abseheidung der Kohlensäure ein, dass sie die Entleerung der
einmal in dem Blute vorhandenen beschleunigt oder verlangsamt.
Diese letztere Weise der Einwirkung, die wir hier abhandeln, hebt
sieh vor der ersteren sogleich dadurch ab, dass sie sieh nicht erst
nach dem Verlauf von mehreren, vielleicht von vielen Einathmungen,
geltend macht, sondern schon mit dem ersten Athemzug aus der
verändert zusammengesetzten Luft.
Der Physiolog muss nun mit Rücksicht auf die Veränderung
in der Zusammensetzung der Einathmnngsluft den Unterschied als
wesentlich festhalten, ob der COi-freie oder der C'02-haltige Theil
der Atmosphäre alterirt worden ist.
lj Bei der Athmung in kohlensäufefreien Gasen muss
der Theorie entsprechend die COj- Ausscheidung überall dieselbe
bleiben, wenn auch die Zusammensetzung der eingenommenen Luft
sonst noch so sehr wechselt. Diese Behauptung ist die nothwen-
dige Folge aus .dem feststehenden Grundsatz, dass nur die Molekeln
der gleichartigen Gasarten im Stande sind, sich gegenseitig in ihrer
Ausdehnung, oder wie man sich gewöhnlich ausdrückt, in ihrer
Diffusion zu hemmen. Versuche, die zur Bestätigung dieses Satzes
dienen könnten, lassen sich nur mit wenigen Gasarten ausführen.
Denn einmal sind viele Gasarten, deren Aufzählung in der Toxiko-
logie gesucht werden muss, geradezu Gifte, und dann sind von
den nichtgiftigen nur solche zu gebrauchen, welche Sauerstoff in
freier oder locker gebundener Form enthalten, da die Gegenwart
dieses Gases im Blute, wie wir schon früher ausführten, durchaus
nothwendig ist, um die Lebenseigenschaft der Muskel- und Nerven-
substanz zu erhalten. Es bleibt somit nur übrig reines O-Gas,
Knallluft (Sauerstoff und Wasserstoff), Genjenge von Stickstoff mit
Sauerstoff in einem Vcrbältniss, das von dem atmosphärischen ab-
weicht, und endlich Stickoxydul (Lnstgas). — Mit diesen Gasarten
sind nun auch schon Versuche angestellt, jedoch meist in einer
Weise, die keinen Vergleich zulässt mit der COrAbscbeidung in
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518
Kohlensäureausseheiduiig, abhängig von der Luftwärme.
gewöhnlicher Luft. Ein solcher Vergleich würde nemlich nur dann
zulässig sein, wenn man Rücksicht genommen hätte auf die Ge-
schwindigkeit des Luftwechsels, oder wenn man die Versuche früher
beendet hätte, bevor die Folgen der verändert zusammengesetzten
Luft auf die Blutmisohung eingetreten waren.
In einem Widerspruch mit den theoretischen Ableitungen scheinen sich die Er-
gebnisse der Untersuchung von Allen und Pepys zu befinden. Denn als der von
ihnen beobachtete Mann in 5,3 Atheuuügcn, die er während der Minute ausführtc,
5332 CG. atmosphärische Luft aufgenommen, entleerte er eine Luft, welche 8*) pCt.
CO* enthielt; als derselbe Mensch auf dieselbe Weise 5800 CC. eines Gasgemisches
aus 99 pCt. Sauerstoff und 2 pCt. CO* einathmctc und den Versuch 9,5 Minuten fort-
setzte, athmete er eine Luft mit 1 1 pCt. Kohlensäure aus. In der zweiten Beobach-
tungszeit war im Gegensatz zur ersten der Zustand des Menschen aber nicht derselbe
geblieben; die Zahl der Pulsschlägo war von 72 auf 98 in der Minute eraporgegangen,
und es hatte sich ein Gefühl von Wärme und zugleich eine gelinde Hautausdünstung
eingestellt. Die Vermuthung liegt damit nahe , dass sich schon in den ersten Minuten
nach der Sauerstoffathmung die Zusammensetzung des Bluts änderte ; diese Annahme
gewinnt eine Bestätigung durch den 17. Versuch der erwähnten Autoren, in welchem
vön demselben Manne 56099 CC. eines Gemenges von 99 pOt. 0 und 2 pCt. N wäh-
rend 7,55 Minuten (7490 CC. in der Minute) eingeathraet wurden. Die während die-
ser Zeit ausgeathmeten Luftmassen wurden von halber zu halber Minute gesondert
aufgefangen und untersucht. Hierbei ergab sich , dass die in den ersten 30 Secunden
gelieferte Luft 9 pCt CO*, die in den darauf folgenden 60 Secunden entleerte 10,5 pCt
CO*, die in den letzten 30 Secunden ausgeatlimeto endlich 12,5 pCt. CO* enthielt.
Auch bei diesem Versuch war schliesslich die Zahl der Pulsschläge von 86 auf 102
gestiegen und gegen Ende desselben eine Schweissbildung eingetreten. Diese Beden-
ken gewinnen um so mehr an Kraft, als ähnliches Beobachtungen von W. Müller
di^ Theorie für die Lungenatlunung und die Ycrsucho von Bcis'et und Kegnault
sie für den Gesammtgaswechsel bestätigen.
Ein Zusatz von COa znr Athmungsluflt wird jedesmal’ die Aus-
scheidung dieses Gases ans dem Blute hemmen; der Werth, den
die Hemmung erreicht, wird steigen mit dem COa-Gehalte der Luft
und zwar so, dass schliesslich eine Stromumkehr stattfindet. So
wie nemlich dieses Gas in der Luft höher gespannt ist als im
Blut, so muss es nun aus dem ersteren in das letztere dringen.
Dieses hat zuerst Legallois**) beobachtet, als er Katzen und
Kaninchen in eine Atmosphäre brachte, welche mehr als 21 pCt.
CO, enthielt. . W. Müller hat die hierher gehörigen Erscheinungen
•) Wir erlauben uns, die Beobachtungen von Allen und Pepys noch anznflihren. obwohl
die CfV, -Bestimmungen sicher mit einem Fehler behaftet sind. Dieser Fehler ist aber in allen
Beobachtungen derselbe geblieben , und somit geben die Zahlen immer noch ein vergleichbares
Maas« ah.
**> Annales de chimle et phyaique. IV. Ud. (1817) p. 12«.
Kohlcnsiiurcnu.scheitlitnfl, abhängig van dar i.nfh?nnhe.
51«
weiter verfolgt. Er befreite die Lunge des Thieres möglichst von
allem Stickstoff, indem er 0 durch dieselbe leitete; dann setzte er
die Lunge in Verbindung mit einem Raum von 150 bis 250 CC.
Inhalt, der mit reinem O-Gas gefüllt war. Wenn das Thier (Ka-
ninchen) in diesem mit Hg gesperrten Raum (siehe Fig. 61) aus-
und einathmet und der Luftdruck in demselben immer dem atmo-
sphärischen gleich bleibt, so verschwindet sein gasartiger Inhalt
vollkommen; das Thier saugt den ganzen Inhalt der Glocke auf.
Der Grund hierfür liegt darin, dass im Anfang der 0 vom Blut
aufgenommen und statt dessen CO2 ausgesehieden wird. Indem
sich nun der Gasraum durch Entfernung des O-Stoffs mindert, meh-
ren sich die COa-Prozente desselben und also auch der Druckan-
theil der letzten Luftart; sowie der letzte gleich dem der CO2 im
Blut geworden, wird keine COj-Aüsscheiduug aus letzterem mehr
stattfinden, sondern alle neugebildete CO2 im Thier verbleiben;
es wird, wenn die 0- Absorption fortsehreitet , auch die ur-
sprünglich ausgeschiedene COj zurückgcnommen werden, und da
sich der 0 bis zum vollkommenen Verschwinden mindert, so wird
dieses auch mit der CO2 geschehen. Dieses kann jedoch nur so
lange fortdauem, bis das Thier Vollkommen mit CO2 gesättigt ist.
Bedient man sich also eines Raumes, der den Umfang des Thieres
ttbertrifft, so hört bei fortschreitendem Athmen allmählich die Ver-
kleinerung des Luftraums auf, indem nunmehr so viel COj aus-
geführt als 0 aufgesogen wird. Dieses tritt ein, wenn das Thier
etwas mehr Cd?, als die Hälfte seines Volums beträgt, zum Ver-
schwinden gebracht hat. Aber dann stirbt auch das Thier, obgleich
die geathmete Luft noch viel mehr 0 enthält, als die atmosphä-
rische; also ist es nicht aus Mangel an Sauerstoff, sondern durch
die Giftwirkungen der CO» gestorben; dem entsprechend tritt der
Tod nicht unter den Erscheinungen der Erstickung, sondern unter
denen der Narcose ein. — Die prozentige CfVMengc, welche die
Luft enthalten muss, um dieses Gas an das Blut abzugeben, statt
es von ihm zu empfangen, wird begreiflich variabel sein, da die-
ses auch mit der Spannung der CO2 im Blute; der Fall ist.
Wenn der WasserdunBt in der atmosphärischen Luft zunimmt, soll auch das
Gewicht der ansgeathmeten CO* steigen (Lehmann)*).
b. Physikalische Luftveränderung. Mit der Erniedri- •
gung der Temperatur steigt die ausgeschiedene Kohlensäure
•) Valentin' * Jahresbericht flir 1WG. |i. IgO.
. jjigitizßd by Google
520
Kohlensäureauseeheidung , abhängig vom Luftdruck.
(Lavoisier, Letellier, Vierordt); dieser Einfluss der ernie-
drigten Lufttemperatur macht sich ebenso rasch als dauernd gel-
tend. So giebt z. B. der letztere Beobachter aus einer grossen
Versuchsreihe an sich selbst folgende Mittelzahlen:
Mittel in der Minute.
Mittlere Lufttemperatur.
Unterschiede.
8», «J C.
190,40 C.
Pulsschläge |
72,93
■ 71,29
1,64
AthemzÜge !
12,16
11,57
0,59
Atsgeathmetes Luftvolum 1
6672 CC.
6106 CC.
656 •
Ausgeathmete Kohlensäure
299,3
257,8
41,5
Prozent. GOi - Gehalt der ausgeathmeten
Luft
; 4,28
4,0
0,28
Letellier*) stellte dagegen fest, dass kleine Säugethiere bei
einem VsstUndigen Aufenthalt in einer Temperatur von — 5° bis
-f- 3° C. um das Doppelte mehr COj aushauchten, als hei einem
gleich langem Verweilen in einer Wärme von + 28° bis -f- 43° C.
— Das Ansteigen der CO2 - Ausscheidung bei abnehmender Luft-
temperatur muss wesentlich bedingt sein von der beschleunigten
Oxydation der kohlenstoffhaltigen Verbindungen. Zum kleinem
Theil könnte sie aber auch darin begründet sein, dass der COj-
Gehalt des Organismus im Winter herabgedrückt wird, in Folge
der zu jener Zeit beschleunigten Ausfuhr. Dieses letztere könnte
eingeleitet sein durch eine lebhaftere Athemfolgc, •welche reflekto-
risch von der abgekühlten Haut und Lunge erweckt würde, oder
auch durch die gesteigerte Diffusionsgeschwindigkeit aus dem immer
gleich wannen Blut in die kältere Lungenluft, da nach Valentin
(p. 502) bei niedrigerer Temperatur der Atmosphäre die ansgeath-
mete Luft noch um einige Grade kälter ist, als bei warmer Um-
gebung. Die ungemeine Abnahme der CO2, welche Letellier
in verhältnissmässig so hohen Wärmegraden beobachtete, hängt
wahrscheinlich zusammen mit der Herabstimmung der Erregbarkeit
aller Nerven und Muskeln und insbesondere derjenigen, des Brust-
korbes. —
Die Erklärung, welche Lavoisier**) und Seguin davon geben, dass in kal-
ter Lnft mehr COf ausgeathmet werde, kann trotzdem, dass sie in verschiedenen Mo-
difikationen häufig wiederholt wurde, mit Stillschweigen Übergangen werden. — Gerade
•> Annalen de ehimle et physiqne. XIU. Bd. 478 (1845).
••) Memoire* de racademle. 1790. 60i. — Ltebig. Thier Chemie.
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Kohlensäureausschoidung, abhängig von der Blutraischnng. 521
umgekehrt wie die Warmblüter verhalten sich die Frftsehe , die bei hoher Temperatur
mehr CO* bilden (Moleschott)*).
Mit der Steigerung de« Luftdrucke« «oll «ich auch die CO2-
Abscheidung mehren (St. Sage und Hervier), eine Thatsache,
welche Vierordt in freilieh sehr engen Grenzen des wechselnden
Barometerstandes nicht bestätigt fand. Aber auch er bemerkte,
dass bei hohen Barometerständen der Luftwechsel rascher und
demach der prozentig^ COj-Gehalt der Lungenluft geringer wird.
Die Theorie würde also auch in «einen Beobachtungen Vermehrung
der absoluten Menge der auggeschiedenen CO5 verlangen. Da sich
aber im Allgemeinen niedere Temperaturen und hohe Barometerstände
combiniren, so ist e« schwer zu entscheiden, was dem einen oder
anderen nach gleicher Kichtung hin wirkenden Einfluss zuzuschrei-
ben ist.
Die bei dieser Veranlassung* öfter citirten Versuche von Legallois sind mit
den übrigen nicht vergleichbar, weil seine Beobachtungsthiere eine stark kohlensaure-
haltige Luft einathmeten.
Blutmischung. Die Theorie verlangt, dass, alles Andere
gleichgesetzt, die Ausscheidung der CO, in die Lnngenluft beschleu-
nigt werden muss, wenn sich dieses Gas im Blute anhäuft in Folge
einer gesteigerten Kohlensäurebildung in den Geweben. Die JCr-
fahrung ist bis dahin nicht befähigt, auf geradem Wege diese frei-
lich an sich gerechtfertigte Annahme zu bestätigen, weil ihr jedes
Mittel fehlt, um den COi-Gehalt des lebenden Bluts auch mit nur
annähernder Schärfe festzustellen; sie ist darum genöthigt, mit in-
direkten Beweisen vorzuschreiten, die jedoch um so werthvoller
sind, weil die dabei zur Sprache kommenden Thatsachen uns
Aufschluss geben Uber einige die Oxydation der thierischen Koblen-
stoffverbindnngen beschleunigende Bedingungen.
Die Beweise, dass die beschleunigte Ausscheidung von CO* begründet sei in einer
vermehrten Bildung odef einer vermehrten Anhäufung derselben im Blute , sind auf
zwei verschiedenen Wegen erbracht worden. E. Becher benutzt als ein proportionales
Maos« für die Anhäufung der CO* im Blote den prozentischen OOf Gehalt, welchen ein
gleich grosses Luftvolum annehraen kann, das zu verschiedenen Zeiten von demselben
Individuum eingoatbraet und gleich lange in der Lunge zurückgehalten wurde, nach-
dem der Brustkorb jedesmal vor der Einathmung durch eine tiefe Exspiration auf das
möglichst gleiche und geringste Moass seines Inhaltes zurück gebracht wurde. Durch
diese Maassregeln werden für jede der zu vergleichenden Einathmungcn , die Einflüsse
der mechanischen Mischung, der Berührungszeit , der Berührungsfläche und des ur-
•
■) Untersuchungen zur Xaturlehre. II. Bd. 1A57.
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KoMensäureaussebeidung, abhängig von der Blutraischung.
522
•prilngiich CO»-freien Lnfl volume gleich gemacht; ändert sich also in der ausgoath-
meten Luft die prozentige Menge der COa, so kann dieses nur daher führen, weil die
Kraft, mit welcher dieses Gas aus dem Blute gestossen wird, veränderlich war. Ira
Allgemeinen wird nun die Behauptung richtig sein, dass die Spannkräfte der CO* des
Blutes wachsen mit ihrer Anhäufung daselbst; also wird auch zu sehliessen sein, dass
eine Vermehrung der COi-Prozento in der Ausathmungsluft unter den gegebenen üm-
ständen auf einen gesteigerten COa-Gehalt des Blute« binweist — ~ Andere Experimen-
tatoren buchen dagegen die Beschleunigung der COi-ßildung zu messen, ohne Rücksicht
au nehmen, wie sich dabei die Anhäufung dieser Gasart im Blute gestaltet. Das in
Angriff genommene Problem lüst Vierordt dadurch, dass er die. in gleichen Zeiten
ansgehauchten CO*-Gewichte (die absoluten Mengen) bestimmt«. Stellt sich nun her-
aus, dass während eines gewissen Zeitraums das in der Zeiteinheit gegebene CO*.
Gewicht vermehrt oder vermindert, der COt-Gehalt des Individuums aber zu Beginn
und Ende des erwäbuten Zeitraums gleich geblieben ist, so ist selbstverständlich die
Oxydation des Kohlenstoffe zeitweise verändert gewesen. Die letztere Bedingung, d. h.
ein gleicher CO*-Gehalt des Individuums an den Grenzen des Zeitraums, ist aber als
erfüllt anzusehen , wenn die Lunge in je zwei Zeiteinheiten , von denen die eine zu
Beginn und die andere zu Ende des Zeitraums liegt, gleiche COi-Menge ausgiebt,
während die Folge und der Umfang der Athembcwegungen dieselben sind. Würde
nemlich unter diesen Umständen der Gehalt des Blutes, rosp. des Individuums an CO*
variabol geworden sein, so müsste dieses, den feststehenden allgemeinen Grundsätzen
zufolge, auch zu einer Abweichung in den Gewichtsmengen der CO* führen. — Ver-
zichtet man auf kurz vorübergehende Schwankungen der COf-Absonderung, wünscht
man z. B. nur das Tagesmittel der COi-Abscheidung zu vergleichen , so erhält man
mit# Hegnault, Scharling, C. Schmidt Aufschluss durch Vergleichung langer
Zeiträume , während welcher so grosse Kohlensäuregcwichte ausgeschieden wurden,
dass dagegen die Unterschiede der gesamraten zu verschiedenen Zeiten auf einmal im
Thiefkörper enthaltenen CO* -Mengen verschwinden. — Ueber indirekte Methoden
siehe später.
a) Die Abhängigkeit der Bildung der CO2 von dem Kohlen-
stoffgehalt der Nahrung. — Da die CO2 ein Produkt der lebens-
nothwendigen chemischen Prozesse ist, so geht ihre Bildung min-
destens bis zum Tod (und meist auch Uber ihn hinaus); sie wird
darum durch die Lungen auch dann noch ausgeschieden, wenn
selbst keine kohlenstoffhaltige Nahrung genossen wird, wobei sich
natürlich das Gewicht der kohlenstoffhaltigen Körperbestandtheile
mindert. Vom Beginn des Ilungerns bis zum Tode nimmt zuerst
die tägliche Menge der ausgeschiedenen Kohle sehr wenig, in den
letzten Tagen des Lebens sehr raseh ab (Schmidt)*). — Bei
einer Nahrungsaufnahme in solchen Grenzen, dass dabei das mitt-
lere tägliche Körpergewicht unverändert erhalten wird, stellt sich
ein dynamisches Gleichgewicht her, indem sich die Menge der
•) Verdnuungwitfte. p. 310.
KohlessäurstuH.clieidung. abhängig von dar Blutmisi liung. 523
ausgohauchten OOj genau nach dem mit der Nahrung angenom-
menen Kohlenstoff richtet, so dass durch die Lunge jedesmal an-
nähernd die ganze Monge von Kohlenstoff wieder entleert wird,
welche aus dem DaruikanaJ in das Blut Ubergcgaugeu war. Das
tägliche Mittel steht also bei dem Genuss von vegetabilischer Nah-
rung mit viel Kohlenhydraten hiihcr, als hei dem von Fleisch mit viel
Fett. — Die Steigerung, welche der Genuss verdaulicher Nahrungs-
mittel mit sich führt, beginnt kurze Zeit nach der Aufnahme der-
selben und scheint mit ihrem vollendeten Lebertritt in das Blut
(2 — 3 Stunden nach dem Essen) das Maximum zu erreichen, und
sinkt dann wieder ab. — Vierordt stellt für die einzelnen Tages-
stunden die Minutenmittel der von ihm ausgehauchten COs in der
folgenden Tabelle zusammen, zu welcher zu bemerken ist, das vor
9“ ein Frühstück und um lh 30' ein Mittagsessen genossen wird.
Stnndo d. Beobachtg. 9 10 11 12 1 2 3 4 5 6 7
Monge der in 1 Min.]
ausgeathmeten CO*- } 261 251 276 241 276 291 276 261 251 236 226
Menge in CC. J
Menge dar in 1 Min) fi050 6250 ftI50 5550 6250 6750 6350 6150 60M) 5550 M50
auftgc&thm. Luft in CG. J
Zebl der Puleeehlägej 73 6fl 69 fi9 gl g3 g, 77 75 7ä 73 ,
in 1 Minute. )
Diese Zahlen sind dazu benutzt , um zwei Curvcn (Fig. t>6)
zu construircn; auf die Abscisse sind die Zeiten, auf die Ordinate
Flg. 6«.
Volumina.
aber Werthe aufgetragen, die proportional*) sind den zu den be-
treffenden Zeiten ausgehauchten CO2- ( a ) und Luftvolumina (i).
Wir machen einstweilen darauf aufmerksam, dass die Volumina
der .Ausathmungsluft und der CO2 einander sehr nahezu gleich
•) Die in der Curre benutzten Ordinatenwerthe nlnd die Quotienten , welche durch Division
de« geringsten COt- and LuflTolums ln die anderen grosseren der Reihe nach erhalten wurden.
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524 Kohlensloretoincheidung , »bbfagig Ton der Blntmuehnng.
stehen. Daran« könnte man folgern, dass die Tiefe nnd Häufigkeit
der Athemztlge wächst, wie die ans der Lunge hervortretenden
COt-Volumina. — Im Gegensatz zu unseren gewöhnlichen und un*
entbehrlichen organischen Nahrungsmitteln befinden sich nach Vier-
ordt die Spirituosa (und der Tbee? Front). Nach ihrem Genuss
wird die COi-Abscheidung unter das Maass, welches man ohne sie
hätte erwarten können, herabgedrtlckt. So bewirkte z. B. der Zu-
satz von 250 Gr. Wein zum Mittagsessen, dass statt des gewöhn-
lichen Unterschieds von 50 CC. COj zwischen 12b nnd 2“ nur ein
solcher von 20 CC. eintrat.
Nach den Beobachtungen von Smith*), die mir nur in einem sehr gedrängten
Auszug zugänglich waren, gestaltet sich Manches anders, als man bisher annahm. Er
verzehrte noch vor dem Frühstück eine bestimmte Speise in massiger Menge und be-
stimmte dann, während er in sitzender Stellung verharrte, die Menge der ausgeath-
meten CO« und der eingeathmeten Luft, die Zahl der Pulsschläge und Athemzüge und
die Temperatur und den Druck der Luft. Er fand, dass sich die Nahrungsmittel un-
terscheiden lassen, in solche, welche die CO«-Ausscheidung steigern, und solche, welche
sie mindern. Tritt eine Steigerung ein , so ist dieselbe entweder rasch vorübergehend
oder dauernd; und cs mehrt sich hierbei nicht sowohl die Zahl der Athemzüge, als
vielmehr ihre Tiefe.
Die COi-Ausscheidung wird befördert durch Zucker, Milch, Speisen aus Getreide-
mehl, Kartoffeln, Thee, Kaffee, Cichorien, Cacao, Alkohol, Rum, Ale, einige Weinarten«
Gluten, Casein, Fibrin, Albumin und Leim. — Thee und Zuoker steigerte schon wenige
Minuten nach dem Genuss die COf-Ausscheidung, Gluten und Casein wirkte mit ge-
ringerer Geschwindigkeit. Nach Zucker und Thee dauerte die Periode der gesteigerten
Abscheidung kurze Zeit; nach Milch, Rum und Brod hielt sie am längsten an. Die
Menge der ausgeschiedenen CO« stand nach Thee und Leim in keinem Verhältnis* zur
Menge des genossenen Mittels , und namentlich wirkte dieselbe Quantität Thee mäch-
tiger, wenn sie absatzweise, als wenn sie auf einmal genommen wurde.
Eine Minderung der CO«-Bildung findet er nach dem Genuss von Fett und eini-
ger Alkoholartcn (Brandy und Genevre). Die CO«-minderndo Kraft des Fettes macht
sich auch so geltend , dass nach gleichzeitigem Genuss von Zucker oder Brod und
Fett die CO«-Bildung, die in Folge der erstcren Nahrungsmittel hatte eintreten müs-
sen, ausblieb. — Auffallend ist es , dass die verschiedenen Alkoholsorten verschieden
wirken sollen. — Stärke mehrt die CO«-Bildung nicht, was ebenfalls mit Rücksicht
auf das gegenteilige Verhalten des Zuckers rätbselhaft ist.
b) Abhängigkeit der COi-Bildung von den Eigenschaften der
Einathmungsluft. Wenn der Sauerstoffgebalt der geafhmeten Luft
sehr beträchtlich vermehrt wurde, so soll kurze Zeit nachher auch
die ansgeathmete Luft reicher an CQ> sein (Allen, Pepys).
Diese Thatsache fand W. MO Iler nicht bestätigt. Tritt aber auch
diese Vermehrung ein, so ist sie jedenfalls sehr vorllbergehend.
•) Procffcdlojr» of the royal «oetety, vol. IX. 636.
K.ohlen8ftureau»Hch«*idung, abhängig von der Blutmischung.
525
Denn wenn die Einathmung der sehr sanerstoffreicheu Lnft einen
Tag lang fortgesetzt wird, so steigt das CO>-Mittel in letzterer
nicht über den Werth eines Tages, an dem atmosphärische Lnft
eingenommen wurde (Regnault, Reiset). — Eine Erniedrigung
der Temperatur (und eine Erhöhung des Druckes) der Luft stei-
gern, wie schon erwähnt (p. 519), die Absonderungsgeschwin-
digkeit
Einige der eben beigebrachten Erfahrungen hat man öfter benutzt, um die Hypo-
these zu stützen, dass eine Vermehrung des freien Blutsauerstoffis die Oxydation der
Kohlenstoffiatome dauernd beschleunige ; diese Annahme, welche von der Voraussetzung
ausging, dass alle organischen Verbindungen des Thierkörpers in dem Maasse oxydirt
würden, in welchem Sauerstoff vorhanden sei, widerlegt sich durch die Beobachtungen
von Kegnault, Reiset und W. Müller.
Ein Zusatz von Stickoxydulgas zur Einathinungsluft steigert
die COs-Aussclieidung (Zimmer mann).
c) Abhängigkeit der CO2- Bildung von der Muskelzusammen-
ziehung. Nach einer kräftigen Bewegung der Gliedmaassen steigt
sehr bald das Minutenmittel der CO2 Uber den Normalwerth
(Scharling) und erhält sich Uber demselben stundenlang, wenn
die Bewegung anhaltend war (Vierordt). Der letzte Grund die-
ser Erscheinung liegt darin, dass die Muskeln während und auch
noch durch längere Zeit nach ihrer Zusammenziehung viel CO»
bilden (Valentin)*). Um die vermehrt gebildete CO2 zu ent-
leeren, wächst Zahl und Umfang der AtherazUge und der COi-
Gehalt der Athmungsluft.
d) Veränderlichkeit der COj-Anhäufung im Blut mit der ver-
änderten Bildung derselben. Wenn die COj-Bildung innerhalb des
tbierischen Körpers steigt, so wird sich nothwendig die Strömung
dieses Gases in das Blut hinein beschleunigen; wird es sich des-
halb dort anhäufen oder wird es so rasch abströmen wie es zu-
floss? Man sollte dieses Letztere fast vermuthen, da sich alsbald
zu den - Zeiten vermehrter Bildung auch eine lebhaftere Atheml'olge
. cintindet. Das Gegentheil dieser Untcrstölluug geht jedoch aus den
Beobachtungen von Bacher hervor. Nach ihm steigt der COj-
Gehalt des Blutes auf und ab, selbst an solchen Tagen, an welchen
keine Nahrung aufgenommen und die Gliedmaassen wenig bewegt
wurden. Unmittelbar nach dem Erwachen steht die CO2 hoch,
sinkt bis gegen ll1* ab, steigt dann bis um 3b auf ihr Maximum
•) Archiv (lir phy»iologi»che Heilkunde. 1867.
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526
KohlrasiureftHsächeidtmg, abhängig r«n der Blutroischung.
und sinkt dann wieder gegen den Abend hin. Diese in den
Gegenwirkungen der menschlichen Organe selbst begründeten Ver-
änderungen reihen sioh ähnlichen an, welche uns Uber den täg-
lichen Gang der Harnstoffbildung der thierischen Wärme und des
Pulses bekannt sind. — Der COi-Gehalt des Blutes ist aber auch
abhängig von der Kalirung. Dieses zeigt sich einmal darin, dass
das tägliche Mittel des CO,-Gehalts an einem Hungertag niedriger
als an einem Speisetag ist; dieser Unterschied tritt um so stärker
hervor, je länger das Hungern andauert; also das tägliche Mittel
des ersten Hungertags ist noch höher, als das dos zweiten u. s. f.
Der Einfluss der Kährung drückt sich auch im Gang der täglichen
Schwankung aus, indem einige Zeit, 2 bis 3 Stunden, nach der
Mahlzeit der COj-Gehalt des Blutes ziemlich bedeutend ansteigt und
erst nach einigor Zeit und allmählig wieder absinkt. Dieses An-
steigen prägte sich ganz auffallend aus, als nach mehrtägigem
Hungern Nahrung aufgenommen wurde. Die Lungenluff, welche
46 Stunden nach der letzten Mahlzeit unter den bezeichneten Cau-
telen ausgeathmet wurde, enthielt 5,9 pCt. COj, zwei Stunden nach
dem darauf erfolgten gewöhnlichen Mittagsessen enthielt sie 8,2 pCt.
Die Uber die Zeit beschriebenen Curven (Fig. 67) geben eine
Anschauung der
täglichen Schwan-
kung des COj-Ge-
halts. Ihre Ordina-
ten sind die zu den
bezeichneten Zei-
ten beobachteten
CÖ2- Prozente der
Fig. 67
9l’hr.
7 t tl / 3 5
Lungenluft. Von den beiden Curven stellt ab den Gang vor, wenn
gar keine Nahrung genommen, ac ist dagegen gütig, wenn um
1* ein gewöhnliches Mittagsmahl genossen wurde. Darf man, wie
cs nicht unwahrscheinlich ist, annehmen, dass das Maximum, des
COj-Gehalts im Blute zusämmenfällt mit demjenigen der Bildung #
dieses Gases, so gehen aus dem von der Speise gelieferten Mate-
rial die COj - und Hamstoffbildung nicht gleichzeitig vor sich, denn •
das Maximum des COt-Gebalts fällt einige Stunden früher , als das
Maximum der Hamstoffausscheidung. Siehe Figg. 56 n. 57.
Man könnt« Torsucht »«in, den Widerspruch in der Beobachtung ron Vierordt
und Bocher «u discutiren, indem der Krstere du» Maximum der CO»-Aus»cheidung
um eine Stunde früher n«ch dem MtttsgsmsM f»nd , »ls d»T Letztere sein Meximum
KohUnsättreausBcheidung, abhängig von dem Lungenbau.
527
der Biut-COi, Die Vorsicht gebietet, so lange von einem Erklärungsversuch dieser
Abweichung abzustehen, bis an einem und demselben Beobachter beide Curven gemes-
sen und dargethan ist, dass die zwischen Vicrordt und Becher bestehenden Unter-
schiede keino indäriduellen sind.
Viel höher als beim Menschen, nemlich bis zu 15,7 pCt., stieg der COi-Gehalt
in der Lungenluft solcher Hunde, welche durch einen luftdichten Verschluss der
Trachea erstickt wurden (W. Müller). Setschenow hat diese Thataache bestätigt
und dadurch erweitert, dass er zugleich die CO* des Blutes von erstickten Thieren
bestimmte; er fand COt
in 100 Theilen Arterl enblut in 100 TheUcn
verduustbure durch Säuren abteheidbur« Lnngculuft
58,15 4,01 15, 62
. 38,86 1,79 12,75
Abhängigkeit der Kohlensäureausscheidung von
der Lungen wand. Hierbei kommt in Betracht das Verhältnis«
der Wandausdehnung zum Luftvolum, welches die Lunge fasst, die
Dicke und die chemische Constitution der Trennungsschicht zwischen
Blut nnd Luit.
Da uns alle Versuche über die auf diesen Elementen beruhen-
den individuellen Verschiedenheiten fehlen, so müssen wir uns
damit begnügen, ans theoretischen Gründen zu behaupten, dass
bei gleicher Räumlichkeit ciue grossblasige (emphyseinatische)
Lunge weniger CO2 liefern wird, als eine klcinblasige , vorausge-
setzt, dass die Spannung der Blut-COj und der Luftwechsel gleich
angenommen werden. Denn im letzteren Falle ist die Fläche,
welche CO* ausscheidet, grösser, als im ersteren. — Von der Dicke
der Lungen wand, dem Wassergehalt derselben u. s. w., hängt der
Widerstand ab, den die €02 auf ihrem Wege vom Blut in die
Lnngculuft findet; also muss auch hiermit die C'02-Ausscheidung
veränderlich werden.
Veränderlichkeit der C02-Ausscheidung aus ge-
mischten Gründen. Ans einer Combination der bis dahin vor-
gefUhrten Elemente, denen sich vielleicht noch andere ansehliessen,
lässt sich ableiten, dass mit den Ilirnzuständen , welche einen Ein-
fluss auf die Erregbarkeit der reflektorischen nnd automatischen
Herde oder auf die willkührliche Muskelerregung gewinnen, mit
der Gewohnheit, dem Lebensalter, dem Geschlecht, den Tages-
und Jahreszeiten , den Klimaten u. s. w. die in der Zeiteinheit aus-
geschiedene mittlere C02-Menge sehr veränderlich sein müsse. Es
kann natürlich vom Standpunkt der Theorie aus kein Interesse
gewähren, auf die weiteren Verwickelungen einzugehen. Wichtiger
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5i8
KohUnsaureaunacheidung au> gamiathteo 0rttnä«n.
kt es, die Versuebswege so weit ausznbilden , dass es gelingt, bei
jedem beliebigen Individuum den Werth zu bestimmen, mit wei-
chem sich jedes einzelne Element betheiligt an der gesummten
COicAneseheidung. Insbesondere wltrde es dem Arzt von Wich-
tigkeit sein, messbar festznstellen , ob nnd wie weit sich die Indi-
vidualitäten von einander absetzen durch ihre Fähigkeit, kohlen-
stoffhaltige Körperbestandtheile rascher und in grösserer Ausdehnung
zu oxydiren. Diese Fähigkeit kommt unzweifelhaft Personen mit
lebhafter Nervenerregbarkeit, mit relativ grosser Muskelmasse, mit
beträchtlicher Verdauungsfähigkeit u. s. w. im höhern Grade zu,
als den entgegengesetzt constituirten. Möglich wäre es aber immer-
hin, dass neben diesen Gründen, welche u. A. dem Kind, dem
Mann, dem thätigen Individuum eine relativ reichlichere COr Aus-
scheidung sichern, auch noch andere constitutionelle Verhältnisse
sich geltend machen, und die Zuversicht auf cid Bestehen dersel-
ben wird sehr gesteigert, wenn man sich einzelne krankhafte Zu-
stände in das Gedächtnis» ruft.
Angabe der mittleren Gewichte ansgeschiedener
Kohlensäure. Bei den ungemeinen Schwankungen, welchen die
COj-Ausscheidung unterworfen ist, mtlsste man tiber sehr zahlreiche
Beobachtungen gebieten können, wenn man daraus ein Stunden-,
Tages-, Jahresmittel fllr Personen verschiedenen Alters, Geschlech-
tes u. s. w. mit Sicherheit ableiten wollte. Wir besitzen aber in
der Tbat nur wenige Beobachtungen, welche billigen Anforderungen
entsprechen. Ihre Mittheilung darf jedoch nicht unterbleiben, um
so weniger, weil sie eine bemerkenswertbe Uebereinstimmung bieten,
hi der folgenden Tabelle sind die Zahlen von Scharling aus
stundenlangen, die von Andral und Gavarret aber nur aus
3 — 13 Minuten dauernden Beobachtungen abgeleitet. Die Zahl,
welche Vierordt mittheilt, zeichnet sich vortheilhaft aus durch
die grosse lleihe der zu Grunde gelegten Versuche. Alle Beob-
achtungen beziehen sich auf ruhige, unwillkürliche Atheuibewe-
gungen. Die Absonderungsgesehwindigkeit ist ausgedrUekt dnreh
den Quotienten des Körpergewichts in das Kohleustoffgcwicht, wel-
ches die ausgeschiedene COj enthielt. Da sich durch den ganzen
Körper hindurch die CO? bildet, und da die Bildung und Aus-
scheidung mit annähernd gleicher Geschwindigkeit vor sieh gehen,
so wird diese Ausdruckswefee erlaubt sein. Statt der ausgehaueh-
ten COi setzen wir den Kohlenstoff ans später einleuchtenden
GrUnden. Um diesen auf das entsprechende COi-Gewieht zu
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Mittler« kohlensäureausscbcidung ; absolut und prozen tisch.
ö'jy
reduzircn, ist es nur nöthig, (Ue Zahl des ereteren mit u(s za mul-
tipliziren. Wollte mau das hieraus erhaltene Gewicht der CCL
auf Volumiua bringen, so wllrde es mit louu/i,»«ii zu multiplizi-
reu sein.
Alter
Zahl
! f i
Körper-
■
e * =>
Absoude-
rungsge*
t a
izz
lu Kilogr.
schwindigk. |
der beobachteten Individuen.
s - 1
$ — 14 Jahr.
( Männlich.
6
7,2
-
—
Andral, Gavarret.
I »
1
6,4
22,5
0,280
Scharling*).
15—25 „
9
1
10,7
10,S
57,75
b,lS7
Andral, Gavarret.
Scharling.
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16
11,0
Andral, Gavarret.
26— SU „
)
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82,0
0,140
Scharling.
) 99
1
10,7
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1
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—
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51— UO „
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Andral, Gavarret.
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• —
91—102 „
2
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3
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0,263
Scharling.
15—25 „
4
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-
—
Andral, Gavarret.
1 »
1
8,0
55,75
0,143
Scharling.
26—50 „
9
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—
Andral, Gavarret.
51—60 „
2
7,3
—
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61—70 „
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2
6,8 #
—
—
ii ii
TI— 80 „
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2
6,3
—
»» ii
Das Verhältniss des niedrigsten zum höchsten Werth (aus
welchem das Mittel gezogen) ist nach Yierordt — 1 : 2,55 und
nach Scharling = 1 : 1,62.
Angabe des mittleren Volumprozents der aus-
gcathmcten Luft an COj. Die Beobachtung hat hei sehr ver-
schiedenen Individuen unter ganz verschiedenen Umständen keine
scly auffallenden Schwankungen im l’rozeutgehalt der Güj aufge-
deckt, vorausgesetzt, dass die Athemhewegung unwillklihriich vor
sich ging. In sehr zahlreichen Beobachtungen von Brunner und
ft
*) I>ic Zulileu von Scharling sind nicht das Mittel aus alluu von ihm ungestillten Versuchen,
sondern nur aus denen, die auf die Zeit *wl*cheu l und 2 l'hr fallen, xu welcher Zelt auch An*
drill und Gavarret Ihre Beobachtungen unatellteu. Oieae liier gegebenen Werth« sind hoher,
da das Ooaiunitmltui. Vergl. Journal fUr prokt. Chemie. 4h. Bd. p. 453.
Ludwig, Physiologie U. 2. Auflage. 34
ÖTgitFzed by Google
530
YerMerUehkeit der Sauerstoffen foahma:
X.
Valentin bewegte er sich von 3,3 zu 5,5 pCt. und in 000 Be
Stimmungen von Vierordt zwischen 8,4 und 8,2 pCt. Die ge-
wöhnliche Zahl hielt sich nahe um 4,0 pCt Diese Beständigkeit
des mittleren COj-Gehalts ist dem innigen Anpassen der Athem-
bewegungeu nach Zahl und Tiefe an den COi-Gohalt des Blutes -
zu verdanken, in Folge dessen sich immer ein dynamisches Gleich-
gewicht herstellt zwischen der Bildung und Ausfuhr von COs. In
der That sehen wir, wenn die COrBildung langsam vor sich geht
(bei körperlicher Ruhe, Entziehung der Speisen u. s. w.) die Atheiu-
folge sich verlangsamen und im umgekehrten Fall sich beschleu-
nigen; ist der Lungenraum oder seine Veränderlichkeit auf irgend
welche Weise beschränkt (Zwerchfelllähmung, krankhafte Ergüsse
in die Lunge, Anfllllung der Unterleibshöhle), so wird der kurze
Athem rasch u. s. w. — Das Verhältniss zwischen Zahl und Tiefe
der Athembewegungen einerseits uud dem GOi-Gehalt der Lungen-
ltift andererseits ist aber weder für alle Zustände desselben , noch
für die ähnlichen verschiedener Menschen gleich. Eine Aufmerk-
samkeit auf diese Verschiedenheiten durfte vielleicht von Bedeutung
sein, weil offenbar der mittlere COa- Gehalt der Luugcnluft eine
Schätzung für die COj-Süttigung des ganzen Körpers gewährt, in-
dem die COi-Prozente der Lungen die Grenze bezeichnen, unter
welche die des Bluts nicht herabsinken können; es würde somit
aus ihnen eine Charakteristik für die Individualität (Constitution,
Temperament) zu gewinnen sein.
Die meisten älteren Beobachtungen stimmen mit dem oben Erwähnten überein ;
andere sind dagegen sehr abweichend, was aus den ganz mangelhaften Methoden, die
CO* zu bestimmen, abgeleitet werden kann.
4. Veränderung der Sauerstoffaufn ahme. Die atmo-
sphärische Lnflt verliert bei ihrer Anwesenheit in der Lunge einen
Theil «ihres Sauerstoffs. Da aber bekanntlich das Volum der
trockenen Aus- und Einathmungsluft, wenn sie auf gleichen Baro-
meterstand gebracht worden, annähernd wenigstens gleich ist, und
beide auch ungefähr denselben Gehalt an Stickstoff führen, so muss
im Ganzest und Groben auch die Behauptung richtig sein, dass
ungefähr so viel Sauerstoff ans der Luft verschwindet, als Kolden-
säure in sie gehaucht wird.
Der Grundstein dieser Beziehung ist dadurch gegeben, dass
die ansgehauchte Kohlensäure den Sauerstoff wieder mit sich führt,
welcher aus der Luft in das Blut getreten war, indem der thierische
Kohlenstoff von dem atmosphärischen Sauerstoff' verbrannt wurde,
•
Quantitative Beziehungen zwischen O und OOt.
531
schliesslich also nicht mehr CO. ausgehaucht werden, als aus dem
aufgenommeneu Sauerstoff entstehen konnte, oder umgekehrt, es
konnte nicht mehr Sauerstoff verschluckt werden, als die oxydablen
Atome des Thierkörpers verbrauchen konnten. Indem man aber
den letzten Ausdruck formt, sieht man auch gleich ein, dass die
Beziehung eine nicht überall nothwendige ist, da die Kohlensäure
keineswegs das einzige Oxydationsprodukt des thierischen Körpers
ist, sondern ausserdem noch HO und manche andere flüssige sauer-
stoffreiche Körper (Harnstoff, Harnsäure u. s. w-) aus dem Blnt-
stroiu hervortreten. Daraus gebt also hervor, dass fltr gewöhnlich
mehr .Sauerstoff verschluckt wird, als in der ausgcliauchten Kohlen-
säure enthaltet! ist, und dass namentlich dieses Missverbältniss
steigen muss, wenn wir vorwaltend von Wasserstoff - und stickstoff-
reichen Atomen leben, wie bei . Fett- und Fleischuahrung oder aber
beim Hungern, sei es nun, dass das Letztere Folge der Nahmngs-
eutzichung oder der gestörten Verdauung ist, wie z. B. nach Durcli-
sclineidutig des Vagus (Valentin). Die ausgehauchte 00, wird da-
gegen nahezu die ganze Menge des ausgeathmeten Sauerstoffs wieder
wegfübren, wenn die Nahrung vorzugsweise aus Zucker und Amy-
lon besteht, da der in diesen complexen Atomen enthaltene Sauer-
stoff hinreicht, um den Wasserstoff derselben zu Wasser zu oxydi-
ren, so dass bei einer Verbrennung derselben nur so viel Sauerstoff
kinzuzutreten braucht, als nütliig, um den C in CO2 umzuformen.
Aber auch in diesem Falle ist nu> ein schliesslicher, aber keines-
wegs ein in jedem Augenblick paralleler (fang des Verbrauchs an
O und des Uewinns an OOi nothwendig. Denn zwischen dem
ersten und letzten l'rodnkt der Oxydation liegen meist manche
Zwischenstufen, so dass anfänglich viel Sauerstoff verbraucht wird,
bevor sich CO2 bildet; endlich geht dann freilich Alles in CO2
Uber. — Es darf nicht übersehen werden, dass auch noch von
einer andern Seite her eine Störung des Zusammengehens der CO2
und des O's in die Lunge eintreten kann, da die Lunge nicht der
einzige Ort ist, an dem Gas aus- und in das Blut tritt. Je nach
den Eigenschaften der Wäude jener anderen Athcmwerkzenge muss
das Verhältnis« von CO2 und O in dem Blute altcrirt werden und
damit auch dasjenige des Ein- und Ausganges beider Gase in
der Lunge.
Der Mechanismus, dnreh welchen im gesunden Leben dies
normale Verhältnis« zwischen Ein - und Ausfuhr von Sauerstoff und
CO2 erhalten wird , ist leicht zu übersehen , wenn man bedenkt,
3.4*
L
532
» *
0- Aufnahme veränderlich mit • •• **
dass im Blnte zwei verschiedene Absorptionsmittel vorhanden sind,
das eine fllr .Sauerstoff (in den Blutkörperchen) und das andere
ftlr Kohlensäure (das Wasser des Bluts), ln dem Maasse, in wel-
chem der Träger des Sauerstoffs entlastet wird, belastet sich der
der COi, und dieser letztere entledigt sieh seines Gases an einem
Orte, an welchem Sauerstoff zur Sättigung des andern vorhauden
ist. Nach diesen allgemeinsten Kegeln scheint noch folgendes
Besondere von Belang: '• *
a. Abhängigkeit der Aufnahme des Sauerstoffs von dem Gehalt
der Lungenluft an diesem Gas. Der Uebergang des Sauerstoffs
aus der Lungenluft in das Blut wird so lange fortdauem, entweder
bis die Blutkörperchen vollkommen mit O gesättigt sind, oder bis
der Gehalt der Lnngenluft an Sauerstoff bis auf einen sehr geringen
Werth herabgedrllckt ist, der dem entspricht, bei welchem die
Verwandtschaft der Körperchen und das Ausdehnungsbestreben
des Sauerstoffs sich das Gleichgewicht halten. Aber wenn auch
in den bezeichneten Grenzen die Bewegung des Sauerstoffs fort-
dauert, so ist doch ihre Geschwindigkeit abhängig von der Dich-
tigkeit des genannten Gases in der Lnngenluft. Denn der Sauer-
stoff kann nur zu den Körperchen kommen, inwiefern er vorher
vom l’lasma absorbirt war, und damit ist aus schon oft ausge-
sprochenen Gründen der obenhingestellte Satz bewiesen. Das
genauere Abhängigkeitsvcrhältni* zwischen dem Gehalt der Lnn-
genluft an Sauerstoff und seiner Einströmungsgeschwindigkeit in
das Blut bleibt freilich unbekannt, weil wir nicht wissen, wie sich
in der nächsten Umgebung des Körperchens der Sauerstoffreichthnm
des Plasmas mit dem der Körperchen ändert. Für physiologische
Zwecke ist es nun jedenfalls von Bedeutung, zu wissen, wie gross
die Geschwindigkeit des Uehergangs sein muss, damit dem Ver-
brauch unseres Gases im Leibesinnem Genüge geleistet werden
kann, oder mit Rücksicht auf unsere Frage ausgedrückt, in wel-
chen Grenzen darf der Sauerstoffgehalt der Lungenluft schwanken,
damit das Leben ungestört erhalten werden könne. Wir sagen, in
welchen Grenzen, da sich die Geschwindigkeit des Sauerstoffstroms,
beziehungsweise also auch der O-Gehalt der Lungenluft sehr ver-
änderlich gestalten wird mit dem Gang der Lebensbedingungen,
wie namentlich mit dem Wärmcverbrauche, der Muskelanstrengung,
der Zuftthr neuer Brennstoffe u. s. w.
: . GtWole
r
d«m Gehalt der J-ungonluft an O. 53g
Zur Erledigung dieser Aufgabe sind von W. Möller einige
Versuche angestellt. Da es unmöglich ist, die Ueborgangsgcschwin-
digkcit des Sauerstoffs aus der Lungen I aff in das Hlul geradezu
zu messen, so bediente er sich als SchiitzungsmiUel ftlr denselben der
physiologischen Keaktion, die wir als Athemuoth, die Erstickung mit
eingerechnet, bezeichnen. Dieses konnte mit Hecht geschehen, da
wir wissen, dass im Allgemeinen mit dem Bcdllii’niss nach .Sauer-
stoff auch der Antrieb zur Athcmbcwcgung zunimmt. — Ilei seinen
Beobachtungen ergab sich, dass die Lungenlullt solcher Hunde, die
in Folge eines luftdichten Verschlusses der Trachea gestorben
waren, gar keinen oder nur noch Spuren von Sauerstoff enthielten.
.Setse heno w hat diese Thatsache bestätigt und zugleich gefunden,
dass auch das arterielle Blut solcher Thiere vollkommen frei von
0 ist ... • ■ ■■■.
W. Mllller fand weiter, dass aufgebundene, in der Verdauung
begriffene Kaninchen sehr bald ahsterben, wenn ihnen in beliebiger
Menge eine Luft mit 3 pCt. 0 zur Einathmung dargeboten wurde.
Bei Hunden war der Erstickungsraum, welcher vom Sauerstoff ganz
befreit wurde, relativ klein. Wenn also das Blut, wie es in der
That geschah, seinen Sauerstoff in den Körpercapillaren -alsbald
verlor, so musste das Blut allen Sauerstoff ans der Lunge fortneh-
men, vorausgesetzt, dass der Blutwcchsel in der Lunge nur noch
eine kurze Zeit hindurch andauerte. Diese letztere Bedingung war
aber ebenfalls erfüllt, da das Herz zur Zeit, als das Blut aufge-
fangen wurde, noch fortschlug. Wahrscheinlich war demnach von
früher her dem Muskelgewebe noch so viel Sauerstoff' beigemengt,
als zur Unterhaltung seiner Bewegungen für diese kurze Zeit notb-
wendig war. — Dem Kaninchen war dagegen eine sehr viel grössere
Luftmasso geboten ; wenn also der Sauerstoffgebalt der Lunge nicht
genügte zur L'eberfUhrung von so viel Sauerstoff', wie ihn das
Leben erforderte, so war allmählig der 0 in dem Gewebe au ('ge-
braucht und cs erfolgte darum schon Herzlähmung, also auch
Blutstillstand in der Lunge, bevor alle Luff dea grösser» Baumes
genügend lange Zeit mit deiu Blot in Berührung gewesen war,
am von ihrem Sauerstoff vollkommen beireit zu werden.
Um die Grenze zu erkennen, bis zu welcher der Sauerstoff-
gehalt der Lunge sinken durfte, wenn er das Leben noch erhal-
ten sollte, leitete W. Mil Her Luft von constantem O-Gehalt aus
dem p. 500 gezeichueten Apparat in die Lunge und Hess die Aus-
athmungsluft in das Freie streichen. Dabei fand er, dass ein auf-
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534
t>-AttfUhm« rwüiiderlirli
gehnndenes verdauendes Kaninchen bei 4,5 p('t. O der Athmnngs-
Inft sehr schwer nthnictc, wie kurz vor der Erstickung; das« hei
7,5 pCt. das Thier etwas tiefer als gewöhnlich Luft einzog, nnd
endlich dass bei 14,8 pCt. die Brust sich wie heim Kingehen at-
mosphärischer Lnft bewegte. — Mit diesen Zahlen sind Angaben von
Kegnault und Reiset*) in Uebereinstimnuing; als diese Letztem
wohlgcfUttcrteodcrfressendc Kaninchen, Hunde, Katzen in einen Kanm
brachten, dessen Sauerstotfgehalt allmählig sieh änderte, fanden sie,
dass die Athnning öfter beschwerlich zu werden anfing, wenn die
Lnft zu Ende des Versuchs weniger als 10 pCt. <> enthielt, dass
sie dagegen sehr beschwerlich wurde, wenn die Lnft 6,4 pt’t. 0
enthielt nnd dass bei 4 und 5 pUt. die Thicre dem Krstiekungs-
tode nahe waren. — Da nun die Ansatlmmngsluft des Menschen,
vorausgesetzt, dass er unter gewöhnlichen Bedingungen athmet,
zwischen 14 bis 18 pCt. schwankt, so kann daraus geschlossen
werden, dass der Sanerstoffdrnek in der Lunge zu allen Abschnitten
der Athembewcgnng noch gentlgt, um dem »Strom des O’s in das
Blut hinein die nöthige Geschwindigkeit zu geben. Damit er aber
nicht unter diesen Werth herabsinke, mnss sich die Folge der
Athcmbcwegung und damit der Umfang des Luftwechsels dem
variablen Verbrauch des O’s anpassen, ganz in der Weise, wie
wir dieses schon ausführlicher bei. der CO2 besprachen.
b. Acnderung der O-Anfhahme mit der Veränderung des Blnt-
stroms. 1) Wenn sich die mittlere Geschwindigkeit dos Blntstroms
in Folge geänderter Herzthätigkeit steigert, so wird sich auch die
Summe der Blutkörperchen mehren, die in der Zeiteinheit durch
die Lnnge gehen; denn wir sahen schon früher,’ dass bei einer
geringem Stromgeschwindigkeit die Blutkörperchen aus den cen-
tralen in die seitlichen Strombahnen (Ibergehen, dass sieh also hei
der langsamen »Strömung das Plasma rascher weiter bewegt , als
die Körperchen. Treten aber mehr Körperchen durch die Lnnge,
so vergrössert sich auch die Absorptionsfläche für den Sauerstoff.
Demnach wachsen im Allgemeinen die Absorption des Sauerstoffs
tmd die Blutgeschwindigkeit gemeinsam. — 2) Die Geschwindig-
keit des Blntstroms in den Lungen" ändert sich in Folge der Aus-
dehnung der Lungenwand. Je tiefer die Inspiration, um so länger
und enger werden die Lungencapillaren, nm so langsamer strömt
*) Anim)«« de chlmie et phy«tqtm 9*. Bd. (1849) p. MB u. f
mit dom Blutstrom.
.•>35
also ancli das Hlnt und um so mehr wird sich der Durchmesser
der flüssigen Schicht verkleinern, welcher die Blutkörperchen von
der Lungenluft trennt. Daraus folgt, dass die Blutkörperchen sich
vollkommen mit Sauerstoff sättigen werden und .zwar wegen des
geringeren Widerstandes, den der Sauerstoff auf seinem Wege zu
ihnen findet. — 3) Bei gleicher mittlerer Geschwindigkeit des Blnt-
stroms durch die Aorta kann natürlich das Verhältniss der mitt-
leren Geschwindigkeit in den ciuzelnen Zweigen derselben sehr
veränderlich sein. Es kann also fort und fort gleichviel Blut durch
die Aorta fiiessen und dabei doch bald dieses und bald jenes Ge-
fässchen mehr Blut in Anspruch nehmen, wie dieses in der Tbat
je nach der Grösse der Stromhindernisse, beziehungsweise der Ca-»
pillarenweite in den Verdauungswerkzeugen, den Mnskeln, der
Haut u. 8. w. geschieht. Nun greift aber jedes Gewebe den Saucr-
stotf mit ungleicher Kraft an, und es wird demnach auch trotz
gleicher mittlerer Geschwindigkeit des Stroms in der Aorta das
Blut sehr ungleich reich an Sauerstoff in den Lungen ankommen
können.
Die bis dahin dargelegten. Einflüsse des Blutstroms auf die
Menge und die Eigenschaften der Blutkörperchen in der Lunge
begründen mannigfache Veränderungen in dem Herzen und der Athem-
bewegung; und umgekehrt es beziehen sich auf sie auch Eigen-
tbtlmliehkeiten der Athembcwegung. Je sauerstoffarmer bei glei-
cher mittlerer Geschwindigkeit des Stroms das Blut in das Herz
zurllckkehrt, um so wärmer wird es auch sein, und um so lebhaf-
ter wird es das Herz erregen; dieses könnte einer der Gründe
sein, warum nach Muskelbewegnngcn nur bei bestehender Ver-
dauung der Herzschlag häufiger und kräftiger wird. Entlässt aber
die Lunge wegen unzureichenden Luftwechsels die Blutkörperchen
nur unvollkommen mit 0 gesättigt, so wird das verlängerte Mark
zu beschleunigten und tiefen Athcmbewcgungen erregt und somit
auch der Sauerstoff der Lungenluft vermehrt.
Werden in Folge einer tiefen Einathmung die bisher in den’
Venen anfgehäuften Körperchen in das Herz entleert, so wird so-
gleich auch die Wirkung des Sauerstoffs auf sie kräftiger, um so
mehr, als auch die Herzschläge häutiger werden (Einbrodt) —
Die tiefen Einathmungen setzen, wie wir sahen, den Uebergangs wider-
stand des Sauerstoffs zum Blute beträchtlich herab, also können sie,
trotz einer niedrigen Sauegdotfspannung in der Lungenlutit doch
536
Yrriindoninp II** fHteltg****.
noch den Strom dieses Gases /rnn Blot lebhaft machen. Hieraus
erklärt sich der Nutzen der tiefen Einathmnng in sauerstoffarmer
Luft, und es leuchtet ein, wie zweckmässig es ist, dass sich die-
ser Athmungsweise die sanerstoffhedttrftigen. Wesen bedienen.
c. Abhängigkeit der Sanerstoffaufnahme von der Bindekraft
der Blutkörperchen fitr Sauerstoff, Bei der Auseinanderlegnng des
Zusammenhangs zwischen dem Sanerstoffverbraueh und der Bildung
von CO; und HO wurden schon die I'mstände erwähnt, unter
denen das Blut von seinem Sauerstoff befreit und somit auch ge-
schickt gemacht wurde, O zu verzehren. Es giebt aber anch noch
andere Blntändemngen , welche cs bedingen, dass das Vermögen
des Blutes, 0 zu ahsorbiren, gemindert wird, .ja es gieb.t vielleicht
auch solche, die im Stande sind, den einmal aufgenommenen Sauer-
stoff fester als gewöhnlich zu binden: zwei Zustände, die gleieh-
mässig zu einer Verminderung des Sauerstoffnrasatzes flihren. Be-
kannt ist, dass die Absorptionsfähigkeit herabgedrückt oder auf-
gehobenwird durch Zusätze von Kohlenoxyd ( B e r n ard, P. Hoppe),
durch Morphin, Strychnin, Brnein (?), durch Alkohol (Harley).
5. Veränderung des Stickgases. Das Verhalten des
Stickstoffs in der Ausathmungslnft hat bis dahin kaum Berücksich-
tigung gefunden; was um so mehr zu bedauern, als es der^ Theorie
ans mehreren Grtinden unmöglich ist, diese Lücke auszufüUen. —
Wir benutzen zur Ergänzung des Fehlenden die Resultate, welche
ans einer Untersuchung des gesummten thierischeu Gasaustausehes
hervorgegangen sind; die Berechtigung hierfür liegt darin, dass
die Lunge die hervorragendste unter allen Athemflächen ist. Aus
jenen Beobachtungen ergiebt sich, dass eine diffnsive Bewegung
des Stickgases fehlen und vorhanden sein kann; die Richtung des
Diffusionsstroms kann abermals verschieden sein , indem er das
Stickgas zu der einen Zeit ans dem Blute in die Luft und zu einer
andern gerade in nngekehrter Richtung führt. — a) Die Ausatb
mung des Stiekgases tritt ein: nach vorgängigem Genuss von
Fleischspeisen und Brod (Regnault, Reiset, Barral), ferner
während eines Aufenthaltes in einer N-gasfreien Luft (Alien,
Pepys, Legallois, Marchand) nnd zwar in so überwiegender
Menge, dass dieselbe nicht abgeleitet werden kann ans dem Rück-
stand von atmosphärischer Lnft, der in den Lungen noch znrtksk-
blieb, als das Athmen in dem N-freien Gas begonnen wurde. Da
da» Blut N-Gas aufgelöst enthält, so ist die Ausbauchung dessel-
ben unter den zuletzt erwähnten Umständen . auch eine Notbwen-
)
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V«rSnderung du gMUimtw Loftwlam. 537
digkcit. — b) Die Aufnahme von N-Gab in das Blut geschieht
hei anhaltendem Hungern und c) vollkommen indifferent bleibt es
bei einer Nahrung, die aus reinen Vcgetabilien besteht.
Da es thatsächlich feststeht, dass der Gehalt der Lungenluft
an COj, so lebensgefährlich er jenseits gewisser Grenzen ist, die
Athembewegung nicht auslöst, sondern dass die Veranlassung zur
Bewegung mit dem Mangel an Sauerstort' in Beziehung steht, so muss
die Anwesenheit des N-Gases in der Atmosphäre den COi-Gehalt
des thierischen Körpers in engere Grenzen cinschlicsscn, als wenn
wir in reinem O-Gas athmeten. Denn in einem so verdünnten
Sauerstoff wird schon eine zur Athembewegung nöthigende Abnahme
eingetreten sein, bevor die COi auf einen bedrohlichen Werth ge-
stiegen.
Die Gasvolumina, welche sich in dem Stickstoffstrom bewegen,
sind zwar sehr gering gegen den der COi und des 0, aber sie
sind unter Umständen nicht unbedeutend im Vergleich zu dem
Stiokstoffgchalt der täglichen Nahrungsmenge. Nach Barral*)
soll sich das Gewicht des gasförmig ansgeschiedenen Stickstoffs
anf das Dritttheil oder gar die Hälfte des Genossenen belaufen.
6. Veränderung des Gesammtvolums der eingeath-
meten Lnft. a) Das in die Lunge aufgenommene Gasvolum
verändert sich unabhängig von dem dort erfolgenden Austausch
permanenter Gase; wenn wir, wie fllr gewöhnlich, kältere und
trocknere Luft ein- als ausathmen, so wird das eiugeathmete Luft-
volum durch den Wasserdarapf und die Wärme vergrüssert. Die
jedesmalige Zunahme des Volums ist nach bekannten Kegeln
leicht zu berechnen, wenn die Unterschiede der Temperalhr und
der Dampfspannung in der Aus- und Einathmungsluft gegeben sind,
b) Eine zweite verwickeltere Betrachtung erstreckt sich auf
die Veränderung des ein- und ausgeathmeten Luftvolnms in Folge
des Gasaustausches. Die Untersuchung Uber diesen Pnnkt rtlhren
wir unter den Voraussetzungen: dass der Thorax bei der Exspi-
ration genau wieder anf den Punkt znsammenfällt , von dem er
bei der beginnenden Inspiration ausgegangen war, und dass die
ausgeathmete Lnft bei der Vergleichung der betreffenden Volumina
genau wieder auf den Barometerstand, Temperatur- und Feuchtig
keitsgrad gebracht werde, den die eingeathmete besass. Bei die-
sen Annahmen wird der Werth der Veränderung abhängig sein:
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■) Sutiquo chimique de* inltninx, Paris 1810. 170.
538
Veränderung de« geeammteu Luftrotamt.
von der Menge de» ausgehanchten oder eingesogenen Stickstoffe,
von dem Kohlensäure- oder Nauerstoffvolum, welches die anderen
liehen der Lange bestehenden athmenden Flächen des Tkicrleibes
aufnehmen und abgeben , von der Menge flüssiger Oxydationspro-
dnkte, welche neben der entstehenden CO2 mit Hilfe des ver-
schluckten Sauerstoffgases gebildet werden. — Da der erste dieser
drei Punkte an und Ihr sich klar ist, so wenden wir uns sogleich
zur Besprechung der beiden letzteren. Nehmen wir nun zuerst
an, es werde der ganze aus der Atmosphäre anfgenonimene Sauer-
stoff innerhalb des Organismus zur Bildung von COj verwendet,
die wiederum gasförmig aus dem Blute sich entfernte, so folgte
daraus, dass das Gesammtvolum der aus dem Körper ausgeschie-
denen Gase gerade so gross sein würde, als das des angenom-
menen Sauerstoffs, weil bekanntlich die aus der Vereinigung von
C und O-i entstehende gasförmige CO* genau den Kaum einnimmt,
den vor der Vereinigung die beiden Atome Hauerstoft besessen.
Die Ausseheidung und Aufnahme der Gasvolumina könnte sich nun
aber trotz ihrer im Ganzen bestehenden Gleichheit doch auf die
verschiedenen mit der Luft in Berührung befindlichen Flächen ver-
thcilen, u. A. so, dass an einem Orte überwiegend mehr COi aus-
geschieden und an dem andern mehr 0 aufgenommen würde; ge-
setzt also, es bestände die EigenthUndickkcit, dass die äussere
Haut mehr CO2 ausschied, als sic Sauerstoff aufnähme, so würde
in der Lunge dafür ein grösseres Volum von dem letzteren Gas
aufgesogen und ein geringeres von dem erstercn abgegeben werden
müssen. — Um die Bedeutung der dritten Bedingung, die wir
oben anfllhrten’, einzusehen, machen wir die Voraussetzung, es
werde auf jeder Athemflächc die Gewichtsmcugc von Sauerstoff'
wieder ausgegeben, die sie aufgenommen: dagegen aber soll das
in das Blut anfgenonimene Sauerstoffgas nicht allein zur Bildung
von COi, sondern auch zur Erzeugung anderer Oxvdationsprodukte
verwendet werden. Bei dieser V oraussetzung muss das Verhältnis»
zwischen dem von uud zu der Lunge gehenden Luftvolum abhän-
gig sein von der Verwendung, die das Sauerstoffga« innerhalb des
Körpers erfährt, so dass, wenn z. B. die Hälfte desselben zur Er-
zeugung von COj und die andere zur Verbrennung des Wasser-
stoffs in Wasser benutzt wird, auch nur die Hälfte de» durch die
Lungenwand eiugedrnngenen Luftvolums von ihr wieder ausge-
schicden würde.
BlniinderuDK in ‘len Lnngencapillaren.
539
Eine Vergleichung der gegebenen Betrachtungen mit den bis
dahin gewonnenen Erfahrungen ergiebt: 1) Das Volum der aus-
gcathmeten Luft ist geringer, als das der eingeathmetcn. Diese
Thatsache, weiche Lavoisier entdeckt hat, haben alle genaueren
Beobachter nach ihm bestätigt. — 2) Nacli dem Genuss von Pflan-
zen stoffen (Körner, Gras) erreicht der Unterschied zwischen dem
eingenommenen Sauerstoffvolum und ansgeathmeten COiVolura sei-
nen geringsten Werth, seinen grössten aber nach der Ernährung
mit Fleischkost (Dulong)*); Regnault und Reiset geben,
wenn das Volum des eingesogenen 0 = 1 gesetzt wird, als
Grenzwerthc der Vcrhältuisszahlcn flhr den ersten = 1,04 nnd für
den letzten Fall = 0,62 an. — Hungernde Thiere verhalten sieh
wie fleischfressende, ninge die Volumvenninderung allein von
dom Unterschied zwischen dem verseil luckten 0 und der ausgeath-
meten CO« ab, so müsste sie bei der Fleisehnahrung am bedeu-
tendsten werden. Da aber bei Fleischnahrung auch Stickstoff
ausgehaucht, beim Hungern dagegen aufgesogen wird, so wird sie
in der That unter der letzteren Bedingung am merklichsten sein.
7. Veränderungen des Bluts in den Lungencapilla-
ren. In der Lunge kann sich das Blut ändern durch die Wech-
selwirkung seiuer eigenen Bestandtheile , und dann durch eine
solche mit dem Lungengewebe oder mit der in den Lungenhöhlen
wechselnden Luft.
Was die Aenderungen in Folge der letzteren Beziehung an-
geht, so ist crsichtlieh, dass sie ein Gcgeubild von derjenigen der
Lungenluft sein müssen; also wird das Blut auch nach seinem
Weg durch die Lunge Wärme verlieren. Bischoff und G. Lie-
big haben in der That gezeigt, dass das Blut des rechten Herzens
um etwas wärmer ist als das des linken. Diese wichtige That-
sache soll in der Lehre von der thierischen Wärmte weiter gewür-
digt werdeu. Ausserdem wird aber das Blut auch immer verdunst-
bare COi und zuweilen N-Gas verlieren und daftlr an verdunst-
barem Sauerstoff und zuweilen an N-Gas gewinnen. Dieser Satz, der
in den bekannten Absorptionsvorgängen jener Gase, in den Be-
dingungen, unter denen das Blut in der Lunge vorkommt, und in
den beschriebenen Veränderungen der Athemlnft seine ausgiebige
Unterstützung findet, erfährt auch noch dadurch eine Bestätigung,
dass die Röthe des Bluts, welches während des Lebens ans dem
•) Sch* «i peef , Journal <*r Chemie. je. Bd. SO». 0(0».)
540
BluUmttrung in den LtnigenupUltrra.
linken Ventrikel genommen wird , heller ist als die des Bluts aus
der rechten Kammer. Diese Farhenanderung tritt aber bekannt-
lich nur dann ein, wenn das Blut aus dem zuletzt genannten Be-
hälter COi abdunstet und Sauerstoffgas verschluckt.
Aus mancherlei Gründen wäre cs wünschenswert!) , diese qua-
litativen Angaben durch quantitative zu vervollständigen, und hierzu
bieten sich scheinbar zwei Wege. Zur Auswertung des Trozcnt-
gehaltes beider Blutarten an Gasen würde es scheinbar am Ein-
fachsten sein, die Luft des Blutes im rechten und linken Ventrikel
zu analvsiren. Aber hier wie überall steht der vergleichenden
BlutanalyBe der Einwand entgegen, dass die verglichenen Blutarten
namentlich mit Beziehung auf ihren Kßrperchengehalt, nicht gleich
zusammengesetzt waren. ', — Oder man würde aus der bekannten
Menge von Blut und Luft, welche in der Zeiteinheit durch die
Lunge geht, und ans der Veränderung, welche die Lnft erlitten;
zu berechnen haben,. wie gross die Veränderung des Blutes an
Gasen gewesen sei. Bei der letzten Betrachtungsweise bleibt aber
immer einer der Grundwerthe, nemlieh die Blutmenge, welche
die Lungen durchsetzte, mit beträchtlichen Unsicherheiten behaftet.
Stellt man aber dessungcachtct auf Grund der vorliegenden Daten
einen l’ebersehlag an , so ergiebt sich , dass das Blut des rechten
Herzens um etwa 2 Vol. Pr«. CO> mehr und eben so viel Sauer-
stoff weniger enthält, als das des linken. Hiermit stimmt es im
Allgemeinen, dass das Blut der Venen noch viel abdunstbaren 0
(Magnus) und das der Arterien noch viel abdunstbare COi ent-
hält (Magnus, L. Meyer, Setschenow).
Nach Vierordt entleert der mittlere Horesclilag 180 OC. Blut; nehmen wir
aus der AthmungsUbelle denselben Beobachters (p. 523 10. Stunde) eine Minute her-
aus, in welcher 09 i&rsachlftge geschehen, so würde in dieser Zeit 12400 CC. Blut durch
die Lunge getrieben; in derselben Zeit wurden ausgehaucht 281 CC. CO*; donuiaeh
würden 100 Vol. Blut = 2,3 Vol. CO* eingebüsst haben.
Um zu erfahren, ob das Blut in der Lunge noch andere Ver-
änderungen als die abgehandelten erleidet, giebt es ausser der nur
sehr bedingungsweise brauchbaren vergleichenden Blutanalyse noch
zwei andere Mittel. Das eine besteht darin, die Zusammensetzung
der Flüssigkeit, welche die Lang» durchtränkt, festzustellen
(Uloetta) und das andere prüft die Veränderung, welche $in
Blut erfahren hat, das durch die Lunge des so eben getüdtetcu
Thieres gesprützt wurde (Pavy).
L
Bau der Lungen.
541
Wenn die vergleichende Analyse darlegen soll, welchen Einfluss die Lunge auf
die Gestaltung des Bluts gewinnt» so darf rar Zerlegung nur \erwendet werden der
Inhalt des rechten und linken Herzens; es sind somit alle Beobachtungen werthlos»
bei denen das Blut einer beliebigen Einzelvene mit dem arteriellen verglichen wurde.
Denn im rechten Vorhof, dem Ausgangspunkte für den Strom in der Longe, mischt
sich der Inhalt sehr verschiedener Venen, und zugleich der der Lymphstämrne. Aber
auch die Vergleichung des Blutes beider Hcrshälften ist allen Ein würfen in erhöhtem
Maassstab ausgesetzt, welche die vergleichende Blutunalyeo tretfen. Denn weil das
rechte Herz den Zusammenfluss aller möglichen Blutarten darstellt, und weil der Quer-
schnitt und die Geschwindigkeit der einzelnen zufiihrenden Strombahnen in der Zeit
sehr veränderlich ist, so muss hier am meisten Gelegenheit zu Acnderungen der Blut-
zuaamraensetzung gegeben seht. Darum wird ira vorliegenden Ralle sogar das Ergeb-
nis« der vergleichenden Scrutuaiialyse bedenklich.
Die nach dem beschriebenen Plane Angestellten Untersuchungen
ergaben: 1) Die Lnngcnsitfte enthalten Inosit, Taurin, Harnsäure,
und zwar jedenfalls vielmehr von diesen Körpern, als das Blut
(Cloßtta). Woher stammen diese Körper? Sind sie aus der
Leber mitgeflthrt und in die Lunge abgelagert? Ist das Taurin
ein Zersetzungsprodukt der Taurocholsänre? — 2) Das Blut des
linken Herzens soll nach Chaveau, Harley, Poggiale, Hevn-
sius ebensoviel und mehr Traubenzucker enthalten, als das des
rechten, 'nach Bern ard und Lehmann aber weniger. Insofern
man den Methoden der genannten Analytiker Zutrauen schenken
will, muss man in diesen Widersprüchen die Folgen einer unglei-
chen Blutmischuug in dem rechten Vorhof sehen. — 3) Zuckerhal-
tiges, fibrinfreies Blut, welches man durch die Lunge des eben
getödteten Thieres sprützt, kommt znckerUmier in den Lungen-
venen an (Pavy). — 4) Das Lungenvenenblut soll weniger Faser-
stoff enthalten, als das der Aorta (?_). -
Welchen Antheil an der Erzeugung jener Veränderungen das
Aufeiuanderwirken der Blntbestandtheile, und welchen das Lungen-
gewebe besitzt, ist unmöglich auzngebcn. Der oft gehörten Mei-
nung, dass der 0, der sich in der Lunge dem Blute beimengt,
sehr wirksam sei, steht das gerechte Bedenken ehtgegen, dass das
Blut der Lnngcnarterien noch immer sehr sauerstoffhaltig ist. Also
braucht der Inhalt jenes Gefiisses nicht erst auf den aus der Lunge
kommenden Sauerstoff zu warten, wenn er sich verändern will.
8. Bau der Lungen. Nach der anatomischen Einrichtung
uud den physiologischen Folgen derselben kann man in der Lunge
unterscheiden die Zuleitungsröbren (traehea und bronebi) und die
Behälter für die Mischung nnd den Austausch der Gasarten, die
mau ihrer Form wegen passend Trichter (inftmdibula) nennt
542
Bau der Lungen.
(RoBsignol). Wnnd und Höhlung beider setzen sieh ununter-
brochen in einander fort. — Die Höhle der Trachea theilt sich
gabelig, und ebenso wieder die eines jeden Bronchus und auch die
eines jeden seiner Zweige, und so fortlaufend viohnal ; dabei bleibt
der Querschnitt der Höhle /.war immer annähernd kreisförmig, aber
der Radius dieses Kreises nimmt nach jeder neuen Theilung ab,
bis er auf 0,2 MM. und weniger, jedoch nicht auf mikroskopische
Grösse herabsinkt. Die Wand der Bronchien besteht aus FErumer-
cpithelien, deren Schlag dem aufgestreuten Körperchen eine Bewe-
gung in der Richtung von den Bronchis zur Trachea ertheilt; fer-
ner aus elastischen und Bindegeweben, aus ringförmigen Muskel-
zellen und einzeln eingestreuten Knorpelplättchen. In dieser Wand
sind kleine traubige Sebleimdrüschen eingebettet, die sich in die
Bronchialhöhlen öffnen. — Die Infundibula sind blindendigende,
keulige oder trichterförmige Auftreibungen von verhnltnissmässig
bedeutender Grösse, deren Zuspitzung gegen je einen kleinsten
Bronchus (bronchiolus) gerichtet ist; die Oberfläche der Keule ist
maulbccrartig ausgebuchtet; die einzelnen, an Ausdehnung ver-
schiedenen, halbkugelförmigen Hcrvorragungen (Cellulae) öffueu
sich mif breiter Mündung gegen den Mittelraum der Trichterböhle.
Die sehr dllunen Wandungen der verbältnissmässig grosseu Höhle
bestehen aus einer elastischen Grundhaut, die von sehr spar-
samen Muskelzellen durchsetzt ist (Moleschott) und die auf
ihrer inneren Fläche mit einer Schicht von kugeligen Zellen be-
deckt ist. — Der Gesammtraum , den die Lunge einnimmt, ver-
theilt sich zwischen den beiden Bestandtheilen so, dass der weit
ans grösste Antheil derselben auf die Infundibula fällt. — Zu jedem
dieser beiden durch Wand und Hohlraum unterschiedenen Lnngen-
bestaudtheile geht auch ein besonderes Blutgefäss; zu den Bron-
chis die engere art. bronchialis, zu deu Inluudibulis die weite art.
pulmonalis. Die aus den beiden Arterien hervorgehenden Capillar-
netze gehen ineinander über in den kleinsten Bronchis, so dass
jedes derselben sowohl von der a. pulmonalis, wie von der a.
bronchialis aus vollgesprützt werden kann. — Die Nerven der
Lunge kommen aus dem n. vagus und n. sjiupathicus; ihre En-
dungen sind unbekannt; sensible Fasern gehören jedenfalls dem
n. vagus an. — Aus der Lungenoborfläche kommen zahlreiche
Lymphstämme, deren Wurzeln bis zu deu Bronchien hin verfolgt
werden können. — Die ganze Lunge endlich ist in deu l'leura-
sack eiugeschlagen. 4 ‘trrrrrta m ufti +*>
CliMn. Znn«mm«ii8. d. Lunge; Wirkungen d. Lungonmusk . ; Einst. Eigentch. 543
9. Chemische Zusammensetzung der Lunge. Der
in Wasser unlösliche Antheil des Lungengewebes bestellt aus dem
unlöslichen Rückstand der Muskeln, des Bindesgewebes etc. —
Ans der Lunge kann ein Saft ansgepresst werden, der ausser
eiweissartigen Körpern Inosit, Harnsäure, Taurin (Cloötta), zu-
weilen auch Leucin (Staedeler und Freriehs) enthält. Aus
welchen Formbestandtheilen der Lunge diese Stoffe stammen, bleibt
dahingestellt.
10. Wirkungen der Lungenmuskeln. Ihrer anatomischen
Anordnung nach können die kleinen Muskeln der Lunge zunächst
wohl nur den Durchmesser der Blutgefässe und Bronchien mindern.
Da aber alle Bronchien, Trichter und Blutgefässe durch Binde-
gewebe mit eiuander verschmolzen sind, so müssen die Zusainmeu-
zichungcn jener Muskeln auch die muskelfreie Umgebung bewegen,
und da ferner muskeltragende Rohre uach allen Richtungen ziehen,
so müssen verbreitete Zusammenzichungen die 'gesammtc Lunge
zusnmmeupresseu. Dieses lässt sich nach Traube so beweisen,
dass man die beiden Lungen eines oben getödteten Thieres in
kaltes Wasser wirft, die eine so kurz nach dem Tode, dass vor-
aussichtlich ihre Muskeln noch reizbar sind, und die andere erst
danu, wenn voraussichtlich die Reizbarkeit abgestorben. Die erste
zieht sich in dem kalten Wasser noch weiter zusammen, die zweite
behält dagegen den Umfang, der ihr durch die elastischen Kräfte
angewiesen ist, also ist die allseitige Verkleinerung der ersten in
det That eine Muskelwirkung. Die Nerven dieser Muskeln sollen,
was jedoch auch bestritten wird, im u. vagus laufen (1. Bd. 201).
Unbekannt sind die .Umstände, unter welchen die lebenden Lungeu-
muskeln sich bewegen, und die Folgen, welche aus den Bewegun-
gen hervergehen.
11. Elastische Eigenschaften. Die Lunge und vorzugs-
weise ihre Trichter vergleichen sich an Elasticität mit den in die-
ser Beziehung bevorzugtesten Gebilden des Thieres. Sicherlich
thcilen auch die Lungenwaudungen die allgemeinen Eigenschaften
der thierischcn Elastizität, so dass die Zusammensetzung der sie
durchtränkenden Flüssigkeiten und die schon vorhandene Span-
nung die Dehnbarkeit bestimmt. Also müssen sich oft Veranlas-
sungen linden, durch welche der Elastizitätscoeffizient der Trichtor-
baut geändert wird, denn sie sind zart und leicht durchdringlich,
uud dazu in wechselnder Ausdehnung von Luft und Blut um-
spült. — Nicht minder veränderlich sind die spauuenden Kräfte
544
Ernährung der Lunge.
fV ?
im Leben, weil sie sich zusammensetzen aus dem Zug des Brust'
kasteus und dem Widerstand, den die Trichter bei ihrer Ausdehnung
an dem Blut, den Bronchien u. s. w. tiuden. -* L)a endlich die Form
des Trichters und die seiner Zellen von dem Elastizitätsmaass
ihrer Wand und der spannenden Krade abhängt, so wird sieh auch
jene form mannigfach, und zwar dauernd oder vorübergehend, ändern.
Ein Beispiel hierfür bietet das Emphysem, ein Zustand, in welchem einzelne
Abtheilungen der Lunge auf Kosten anderer sich ausgedehnt haben; der nachtheilige
Erfolg dieser Formänderung auf die Athmung ist einleuchtend; einmal werden alle
di« Blutgefässe, welche zu dem nicht mehr erweiterbaren Trichter gelten, uueh nicht
mehr an der Athmung thoilnelimo» , und zugleich wird in den übermässig erweiterten
Blasen der Gassustauseh weniger ergiebig sein, weil die Blutgefässe ausgedehnt sind
und also der Strom hier einen grossem Widerstand erfährt, als in den Gefässcn der
xusainiucngefallonen Bläschen, nnd weil, gleiches Masse der wechselnden Luft voraus-
gesetzt, diese mit einem geringen Umfaug der Waudilächc in Berührung kommt (wegen
der Kugelgestalt der Zellen), und endlich werden zu gleich inhaltsreichen Athcm-
ztigm viel grössere Muskelkräfte nüthig sein, weil die auch schon in der Ausathmung
übermässig ausgedehnten Bläschenwände der noch weiteren Ausdehnung stärkeren
Widerstand bieten. Dieser Zustand findet sich in einem Lungenstück ein, wenn be-
nachbarte Thoile den Widerstand, den sie der Ausdehnung bisher entgegenstellten,
nicht mehr leisten können, resp. wenn sic sn ihrer Ausdehnung selbst behindert wer-
den, so z. B. durch Verschlieuung der suführenden Bronchien, oder durch Verwach-
sung der sio bedeckenden Pleurablätter, oder wenn wegen eingetretener Unwegsamkeit
eines Arterienstämmchens die Geiassc der zugehörigen Trichter durch den Blutstrom
nicht -mehr ausgedehnt werden u. s. w. Geringere Gefahr als durch eine Acnderung
in den mechouischeu Bedingungen, scheint der Trichterforra zu droheu, durch den
häutigen Wechsel einer trockenen .oder abgekühlten Luft, oder vielleicht selbst durch
eine Acnderung in der chemischen Natur der Sufte , welche die Lunge durchstromten ;
denn so lange die Zusammensetzung, Wärme und Bewegung des Blutes gesund bTcibt,
ist es gerade wegen des häufigen Wechsels und der Dünne der Trichtcrwandungon
sowie der vielfachen Uefässausbreitung wegen nicht zu fürchten , dass es zu einer die
Form alterircnden Veränderung der E-C'oeitizienten kommen sollte. Eine Bestätigung
für den Inhalt der letzten Betrachtung scheint darin zu liegen, dass Menschen, welche
statt durch die Nase durch eine Luftrührenfistel athrnen, vollkommen gesuudo Lungen
bewuUrcn ( Ulrich j*).
12. Ernährung der Lunge. Die Formfolge bei der ersten
Entwickelung derselben ist analog derjenigen anderer gelappter
Drüsen; der einzige Unterschied besteht darin, dass die Zellen-
häufchen, welche die späteren Aeste und Aestchen darstellen,
gleich von vorn herein iui Centrum Flüssigkeit führen , nicht aber
wie gewöhnlich compakt sind. — Nach der Geburt vergrössert sieh
die Lunge nur durch die Ausdehnung der vorhandenen Bläschen
und Böhren; eine Neubildung kommt nicht mehr vor.
■) Zeltachrlft der Wiener Aeralo, 186u. *09. * 'i
Ernährung der Lunge.
545
Obwohl die Oberfläche cler gesunden Lunge nur sein- wenig
befeuchtet ist, so müssen wir doch annehmen, dass in die Bronchial- -
höhle hinein eine flüssige Absonderung und zwar aus den dort vor-
handenen Schleimdrüsen erfolgt. — Wie die Absonderung beschaffen
ist, unter welchen Umstünden sie vor sich geht", blieb bis dahin
unbekannt. Vorausgesetzt, dass die Bronchialschleimhaut fiir ge-
wöhnlich ahsondert, muss die Menge des Saftes so gering sein,
dass das Wasser desselben in der Athmungsluft verdampft und die
unlöslichen Rückstände durch die Flimmerbewegung entleert werden
können. Zu gewissen Zeiten, bei sog. Bronchialkatarrh wird die
Absonderung lebhafter. Dieser Zustand, der sich leicht bei Thieren
erzeugen lässt, giebt Hoffnung, auch Uber die Eigenschaften und
Bedingungen der normalen Absonderung ins Klare zu kommen. —
In. die Infnndibula hinein erfolgt, wie es scheint, gesunderweise nie
eine flüssige Absonderung; es wird dieses wahrscheinlich dem Um-
stand zu danken sein, dass der Blutstrom in der Lunge mit einem
geringem Drucke fliesst und die Luugenhaut summt ihrem Epi-
thclium der andringenden Flüssigkeit einen genügenden Widerstand
leistet Hemmungen im Stromlaufe, namentlich auf der Seite der
Lungenvenen, Veränderungen im Quellungszustande und in der Dehn-
barkeit der Lungenhäute, Loslösnng des Epitheliums, einseitige Er-
niedrigung des Luftdrucks in der Lungenhöhle würden demnach in
erster Ordnung den Uebertritt von Flüssigkeiten in die Infundihula
bedingen. Diese Zustände könnten aber erzeugt werden durch
Aenderung des Strombett«, der Reibung, der chemischen Zusam-
mensetzung des Blutes, durch Aenderungen im Erregungszustand «
der Lungenmnskeln , also auch der zugehörigen motorischen oder
reflectorischen Nerven, durch Eindringen fremdartiger Flüssigkeifen
z. B. des Speichels in die Lungenhöhle, durch Hemmung des Luft-
eingangs in die Trachea oder Bronchien. Mit der Grösse der ge-
nannten Störungen könnte auch die chemische Zusammensetzung
der ans dem Blute übertretenden Flüssigkeit veränderlich werden.
Obwohl alle diese Funkte dem Versuche zugänglich sind, so
sind doph nur wenige in Angriff genommen. Zu diesen zählen die
von Virchow*) behandelten Fälle von Verstopfung einzelner Acste
der Lungenarterie. (Embolie), welche für die Pathologie eine grosse -
Wichtigkeit erhalten hat, und die Erscheinungen, welche nach
•) Gesammelte Abhandlung«-». Frankfurt 185#. '227.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 35
i
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546
Ernährung der Lunge.
Durchsclineidung der nn.vagi*) beobachtet wurden; die lctztrc Heihe
von Thatsachen besitzt unmittelbar physiologische Bedeutung.
Nach Durchschneidung der nn. vagi oder der rami recurrentes dieses Nerven er-
sticken einige Thiere alsbald in Folge eines ventilartigon Verschlusses der Stimmritze;
andere mit steifem Kehlkopf überstellen den Eingriff. Bei Kaninchen, die IS bis
24 Stunden nach der Durchschneidung beider nn. vagi gestorben, findet die Section
in der Trachea serösblutigcn Schaum, und in dem Lungengewebe zwischen vollkommen
gesunden Stellen einzelne rothgefürbte eingesunkene l^rtien von kleinerer oder grösserer
Ausdehnung ; diese veränderten Lungenstücke sind von der Trachea aus noch aufzublasen
und wenn man sie cinschneidet, so fiiesst aus ihnen eine rothe schaumige Flüssigkeit,
die der mikroskopischen Analyse nach Blutkörperchen, Körnchenxellen, Lungenopithelien
und gewöhnlich auch Speisenreste und Mundepithelien enthält. Haben die Thiere länger
als 24 Stunden gelebt, so ist in vielen der voränderten Lungenzellen ein Theil des
Inhalts festgeworden, so dass die Zelle nun nicht mehr aufgeblassen werden kann und
nach dem Durchschneiden nichts oder wenig ansfliezst. Bei Hunden fehlen die Er-
scheinungen zuweilen ganz; wenn sie vorhanden, so gleichen sie ganz den beim
Kaninchen beschriebenen, mit der Ausnahme jedoch, dass die -Speisereste und Mund,
epithclien fehlen. — Beim Kaninchen kommen dieselben Erscheinungen vor, jedoch
ohne Zugabe der Speisereste und Mundepithelien, wenn die Trachea nach Durch-
schneidung der nn. vagi eröffnet und eine CanUle in sic gelegt wurde, die dieAthmung
erleichtert und den Uebergang des Mundinhalts in die Lungen unmöglich macht.
Werden die rami recurrentes allein durchschnitten und wird nach Anlegung einer
LuftrÖhrcnfistel eine CanUle eingelegt, so bleiben die Lungen Veränderungen zuweilen
aus; sehr häufig erscheinen sie dagegen gerade so, als ob die n. vagi verletzt wären. —
Nach einseitiger Durchschncidung des n. vagus kommt keine Lungenveränderung zum
Vorschein. Diese Thatsachen lassen mancherlei Erklärungen offen, aber sie scheinen
jedenfalls darzuthun, dass die Lungcnändernng keine unmittelbare Folge der Verletzung
der Lungenäste des n. vagus ist. Dafür spricht, dass nach einseitiger Durchschneidung
auch gar keine Andeutung derselben vorkommt, dass nach doppelseitiger Operation
nicht alle, sondern nur einzelne Luugentheile ergriffen sind, dass ferner in ein-
zelnen Fällen die Infundibula ganz unverändert sind , und dass endlich auch die Ver-
letzung der rami recurrentes, die gar nicht zur Lunge gehen, dieselben Folgen wie die
Zerschneidung der Stämme nach sich ziehen. — Man hat darum den Grund der Ver-
änderung gesucht in den tiefen Athemzügen oder in dem Eindringen von Speichel ;
die letztere Annahme, welche Traube in einer gründlichen Arbeit vertheidigt, stützt
sich darauf, dass der in die Lunge gespritzte Speichel ebenfalls die genannten Ver-
änderungen hervomift. Im Hinblick auf einen Theil der obigen Erfolge müsste man,
wenn man die Annahme von Traube halten wollte, zu ihr noch den Zusatz machen,
dass der im Uebermaoss abgesonderte Schleim der Luftröhre dieselben Folgen erzeuge,
er dem Mundspcichel zuschreibt. Darnach bliebe es aber noch immer dujikel, wie
der Speichel cinwirkt und warum er eine blutige Absonderung erzeugt, die doch ein
Platzen der Öcfässe voraussetzt.
•) Blllroth (und Traube), de nature ct causa pulmou. aflcctionis. Berlin 1852. —
Fowelin (und Bidder), de causa mortis post vagos dissectos. Dorpat 1861. — Wund t,
Mtiller's Archiv. 1856. — Arnsperger, Vlrchows Archiv. IV. Bd. — H. Nasse, Archiv
für gemeinsame Arbeiten. II. Bd. (1866).
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Nachtrag zur Lungenathmung.
547
Die Epithelien der Lungenoberfläche sollen sieh sehr allmählig
abschuppen (Kölliker). — Ueber die Ernährung des formlosen
Bindegewebe» und der Lymphbildung in der Lunge fehlen Nach-
richten.
Nachtrag zur Lungenathmung.
Während des Druckes der letzten Bogen hat Schöffer unter
meinen Augen eine Bcobachtungsreihe vollendet, deren Ergebnisse
auf unsere Vorstellungen über die Lungenathmung von Einfluss sind.
Die Versuche selbst, so wie die Begründungen der Methode u. s. w.
sind in der Abhandlung naehzusehen, die demnächst in den Sitzungs-
berichten der k. Akademie erscheinen wird. Alle Zahlen beziehen
sich auf 100 Theile; die zu den Gasen geschriebenen Volumina sind
auf 1 Met. Hgdruck und 0°C berechnet.
a) Das Blut und das aus demselben Blute abgeschiedene Serum
enthalten nicht gleichviel und auf gleiche Art gebundene CO2.
Verdunstbare Nur durch Säure Verdunstbare Nur durch Säure
CO*. abscheidbare CO*. CO*. abscheidbare CO*. %
Blut 24,62 1,59 Blut 25,78 0,81
Serum 10,20 23,77 _ Serum 16,65 16,06
b) Das gashaltige und gasfreie Blut treibt, wenn es zum Serum
gesetzt wird, aus diesem unter Beihilfe eines niedrigen Luftdrucks
den bei Weitem grössten Theil derjenigen CO2 ans, die aus dem
von Blutkörperchen möglichst freien Serum nur nach Zusatz einer
Säure ausgeschieden werden kann. So gab z. B. ein Serum, das
16,06 pC. fcstgebundener COj enthielt, nur noch 1,77 pC. durch
Säure abscheidbare COj , nachdem es zuvor unter Zusatz gasfreien
Blutes ausgepumpt war. Also war die festgebundene COi nicht
sämmtlich, sondern nur zum grössten Theil ansgetrieben, ln diesem
Vermögen der Körperchen einen Theil der CO2 auszutreiben, .ist es
begründet, dass aus dem Blut immer viel weniger festgebundene CO;
gewonnen werden kann, als ihm vermöge seines Gehaltes an Sernm
/»kommen müsste.
c) Aus der ebenerwähnten in Verbindung mit schon bekannten
Thatsachen folgt, dass die CO2 des Blutes auf vier verschiedene Arten
gebunden ist,' und zwar einfach gelöst als Gas (diffundirt), dann an
alkalische Salze (Na(X>2 und 2NaO HO I’O,,) gebunden, dann so ge-
bunden, dass sie unter Mitwirkung der Blutkörperchen und endlich so,
dass sie nur unter Beihilfe der Säure ausgesehieden werden kann.
d) Eine vergleichende Bestimmung der verdunstbaren CO2 des
Gesammtblutcs und seiner phosphorsauren Alkalien ergab, dass
35*
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548
Nachtrag zur Lungen&Uunung.
die COj im Allgemeinen jedoch nicht immer mit dem phosphor-
sauren Alkali wächst. Macht man aber mit Fernet die 'Annahme)
dass fUr je ein Atom l’hosphnrsäure, das an Alkalien gebunden ist,
2 Atome COj aufgennAnncn' werden können, so ist das phosphorsaure
Alkali meist schon für sich allein genügend, um alle verdunstbare
CO2 des Blutes zu binden. In der folgenden Tabelle, die dieses
darthut, ist die l’O-, , welche an Alkalien gebunden ist, also die
gesammte 1’0, des Blutes nach Abzug der an Erden gebundene
aufgeftthrt. Die POs- Bestimmungen sind an derselben Biutmenge
gemacht, die auch zur Gasbestimmung diente.
Verdunstbare
CO*.
ro5
an Alkalien gebunden.
CO*, die nach Fernet von
den phosphoroauren Alkalien
zu binden wären.
Arterienblut
31,66
0,088
27,72
ff
26,44
0,109
34,17
. ff
26,70
0,082
25,83
Venenblut
33,05
0,087
27,62
7»
27,83
0,097
30,75
ff
21,32
0,077
23,90
ff
30,73
0,095
30,01
ff
30,54
0,103
32,45
ff
32,14
. 0,099
31,18
e) Eine Vergleichung der CO2 des Blutes von Thieren, welche
24 Stunden gehungert hatten, mit der CO2 des sauren Harns, welcher
während jener 24 Stunden abgesondert war, ergab im Mittel aus
je einem Versuch an'fi verschiedenen Thieren: aus Blut verdunst-
bare COs = 28,72 pC., aus Harn verdunstbare CO2 «= 3,78 pC.
Da nun die diffundirbare CO2 sich doch offenbar im Harn und
Blut ausgeglichen haben musste, weil ja der Harn aus dem Blute
kommt, so ergiebt sich daraus, dass das Blut einen geringen An-
theil an diffundirbarer CO: enthält.
f) Mit dieser Anschauung stimmen auch die von L. Meyer
und Setschenow gemachten Erfahrungen, nach welchen aus dem
Blute nur etwa 4 bis 5 pC. CO: entwickelt werden können, wenn
diese aus dem kochenden Blute in den nicht wieder erneuerten
Luftraum, also unter einem geringen COj-Druek abdunstet. Sc hö ff er
hat nach einem neuen Verfahren die diffundirte CO2 des Blutes ge-
nauer zu bestimmen gesucht; obwohl dasselbe noch nicht allen
Anforderungen entsprach, so konnte doch so viel ermittelt werden,
dass im Hundeblute die diffundirte COi etwa so viel beträgt, wie
es die Harnuntersuchungen verlangen.
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Nachtrag iw Lungenathmung.
549
g) Also nimmt die Lungenluft viel mehr COj auf als die mit
dem Blut geschüttelte Luft und als der Harn; denn es fanden
W. Müller und Setseh enow den CO; -Gehalt der Lungenluft
heim Ersticken übereinstimmend zu 15 pC. Schöffer fand "bei
einem Hunde, dessen Blut = 25,45 pC. COj, dessen Harn = 3,31 pC.
COj enthielt, in der nur wenige Sekunden zurüekgehaltenen Lungen-
luft = 9,01 pC. COj. Daraus geht hervor , dass die in der Lunge
ausgestossene CO; nicht allein von derjenigen stammen kann, welche
das Blut schon diiTundirt in die Lunge mitbrachte.
h) Eine Vergleichung des gleichzeitig aus dem rechten Herzen
und aus der art. carotis entzogenen Blutes derselben Thiere wurde
darauf vorgenommen. Beide Blutarten hatten fast genau dieselbe
Färbekraft, also wohl auch gleichviel Blutkörperchen,
ans 5 Versuchen ergab sich:
Im Mittel
0.
CO«
verdungtbar.
CO« durch Säure
abscheidbar.
W.
Arterienblut 16,59
28,70
1,48
1,24
Vcnenblnt 10,78
31,04
3,12
1,08
Also enthält das Arterienblut 2,34 pC. verdunstbare CO; und 1,64 pC.
durch Säure abseheidbare OO2 weniger als das venöse. Die auf-
fallendsten unter diesen Angaben, dass das arterielle Blut ärmer
an CO; ist, die nur durch Säure abgeschieden werden kann, gilt
aber nicht etwa blos für den Mittelwerth, sondern ftir jeden ein-
zelnen der 5 verglichenen Fälle. Dieses kann mit Berücksichtigung
feststehender Thatsachen nur dadurch begriffen werden, dass in
der Lunge selbst ein Vorgang stattiindet, durch welchen die ßasizität
des Blutes beeinträchtigt, beziehungsweise sein Antheil an freier COj
vermehrt wird.
Nach allem Diesem würde man annehmen müssen: das in
der Lunge verweilende Blut wird dort auf eine eigentümliche,
noch nicht näher gekannte Weise geeignet gemacht, seine COi
abzugeben ; demnach wäre dieses Organ ein spezifisches Ausath-
mungswerkzeug. Das in den andern Geweben strömende Blut ent-
hält dagegen immer noch einen Ueberschuss an Mitteln, welche
CO2 binden können oder es ist wenigstens die freie CO2 mit einer
niedrigen Spannung begabt; also genügt eine geringe prozentische
Anhäufung der CO; in jenen Gewebsflüssigkeiten, um einen Strom
dieses Gases in das Blut zu veranlassen.
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560
Hautathmen.
B. Hautathmung. '
1. Die Epidermis und das oberflächlichste Gefässnetz sind
die anatomischen Theile der Cutis, welche beim Hautathmen vor-
züglich in Betracht kommen. — Die luft- und blutscheidende Epi-
dermis ist fllr alle bis dahin geprüften Gasarten durchgängig ge-
funden worden; diese Erfahrung ist wichtig, aber ungenügend; man
wünscht noch zu wissen, wie mit der Dicke , der relativen Mächtig-
keit von Zellen- und Homscliiekt, der chemischen Zusammensetzung
ihrer Quellungsflüssigkciten , der Temperatur die Absorptions- und
Reibungseofe'ffizienten der Gase wechseln.
Das Blut, welches in das oberflächliche Netz der Cutis eingeht,
strömt dorthin aus den Gefässen, welche die Schweissdrüsen um-
schlingen, und geht dann in die Hautvenen Uber. Der Durchmesser
seines Bettes in der Cutis ist sehr variabel, wie ohne Messung jeder
weiss, der die Farbe und Schwellung der Haut im Gedächtniss hat.
Diese Veränderlichkeit ist abhängig von den Muskeln, welche in
die Cutis (Haarbälge u. s. w.) und in die Wandungen der Gefässe
selbst eingelegt sind. — lieber die Bewegungen derselben und ihre
Ursachen siehe pag. 111 u. f.
2. Die Mittel zur Analyse der Veränderungen welche die mit
der Haut in Berührung befindliche Luft erfahren hat, sind einfach
die früher schon angegebenen. Schwierigkeiten stellen sich der
Untersuchung hier nur beim Auffangen der veränderten Luft ent-
gegen.
Zum Auffangen der durch die Hautathmung veränderten Luft hat man sich bis
dahin folgender Einrichtungen bedient: a) Lavoisier und Seguin*) zogen über den
nackten menschlichen Körper, den Kopf ansgenommen, einen mit flüssigem Kautschouck
dicht gemachten Taftbeutcl. Diese Methode hat wesentliche Fehler, namentlich erhöht
sie die Temperatur der Haut und den Fouchtigkeitsgrad der Oberhaut; sie stellt die
natürlichen Diffussionsbcdingungen nicht her für den Wasserdunst, denn der Inhalt des
Beutels wird nahebei mit Wasser gesättigt sein , und ebenso nicht für den 0 und die
CO*, denn der Gehalt der eingeschlossenen Luft an dem enteren Gas wird bald geringer
und der an dem letzteren Gaa bald grösser sein, als in der Athmosphäre. Endlich wird
höchst wahrscheinlich die Schweiesbildang eingcleitct; die Verdunstungsprodukte des
Schweisses mengen sich somit der liautausdünstung bei. — b) Gerlach**) überdeckte
nur ein mehrere Quadratzoll grosses Hautstück mit einer gefirnissten Harnblase, die er
luftdicht an der Haut befestigt hatte. Dieses Verfahren trifft die vorigen Einwürfe ;
es hat jedoch den Vorzug, eine weniger bedeutende Störung in die Gesammiausdünstung
und Schwcissabsonderung einzuführen. Die von ihm zur Analyse des gefangenen
Gases angewondoten Verfahrungsarten gehören nicht gerade zu den fehlerfreiesten. —
Memoire« de l'Acadcmle. 1789. p. 5fl7. 1790. p. 601.
••) Müller'« Archiv. 1841. 431.
v.« •mpt'rr
llflutathmon. 55|
c) Regnault and Reiset*) schlossen die ganzen Thiere , den Kopf ausgenommen,
in einen luftdichten Sack ein, und leiteten durch denselben einen Luftstrom; diese
Methode vermeidet zwar die oben gerügten Fehler , setzt dagegen einen neuen an ihre
Stelle , indem sie das Thier zu einer fast vollkommenen Ruhe seiner Oliedmaassen
zwingt. — d) Scharling**) bediente sich eines luftdicht schliessenden Kastens,
durch den ein Luftsrom geführt werden konnte ; der Deckel desselben war von einem
Kautachouekrohr durchbohrt, das innerhalb des Kastens in eine Maske auslief. Dio
Maske wurde luftdicht vor das Gesicht der Person gebracht, welche sich behufs der
Untersuchung in dem Binnenraum des Kastens aufhielt. Das zu beobachtende Individiuro
wurde nackt oder bekleidet cingeschlosscn. Die LuftA welche das Lungenathmen unter-
hielt, wurde also durch das Kautschouckrohr in die Lunge geführt und auf demselben
Wege, ohne sich mit der Luft des Kastenraumcs zu mischen, wieder ausgestossen
Dieses sonst tadelfreie Verfahren erlaubt, nur die COi und annähernd den Wasserdunst
zu bestimmen; von diesen beiden hat Scharling nur die erstere in Betracht gezogen.
3. Die Veränderungen, welche die mit der Haut in Berührung
kommende atmosphärische Luft erfährt, bestellen darin, dass Wärme,
Wasserdunst, Kohlensäure und Stiekgas (?) ihr z ti gefügt und Sauer-
stoffgas (?) ihr entzogen wird.
Die Wärmemenge, welche die Oberhaut in der Zeiteinheit durch
Leitung und Strahlung verheil, muss nach bekannten Grundsätzen
sich mehren, a) wenn die Temperatm' der Cutis steigt ; Dieses ge-
schieht bei Annahme einer konstanten Temperatur des Blutes mit
der Ausdehnung der Gefässe und der Geschwindigkeit des Blut-
stromes; — b) mit der abnehmenden Dicke der Epidermis, welche,
als ein schlechter Wärmeleiter, dem Durchgänge der Blntwärme
einen um so grösseren Widerstand entgegensetzt, je stärker die
Schicht ist, die über den Gefässen liegt ; — c) mit der Temperatur-
erniedrigung der die Epidermis umgebenden Luft, und darum
auch mit dem Luftwechsel. Denn die Luft, als ein schlechter
Wärmeleiter, würde, wenn sie ruhig auf der Oberhaut läge, ähnlich
der Epidermis wirken.
Die Menge des Wasserdunstes, welche in der Zeiteinheit aus
der Oberhaut tritt, wird sich mehren a) mit der relativen Sättigung
der Atmosphäre durch Wasserdampf; im Allgemeinen verlieren wir
aus diesem Grunde durch die Haut mehr Wasser im Sommer, als
im Winter; — b) mit dem Luftwechsel, indem dieser die schon
dem Sättigungspunkte näher stehende Luft durch andere weniger
gesättigte ersetzt; — c) mit dem abnehmenden Barometerstaud,
indem ein niedriger Luftdruck die Dampfbildung beschleunigt; —
Bigifeed by
•) Annnle? de chlmle. XXVI. 505.
'•) Journal für praktische Chemie. 36. Bd. 454.
552
Hautathroen.
d) mit der Ausbreitung des Blutstromes in der Cutis, indem hiervon
die Feuchtigkeit und der Temperaturgrad der Oberhaut abliängt; —
e) mit der abnehmenden Dicke der Oberhaut, weil dieselbe dem
Durchgänge der Feuchtigkeit, welche auf ihrer ( iberfläche die Dunst-
form annehmen soll, einen Widerstand entgegensetzt.
Eine experimentelle Prüfung der theoretischen Forderungen ist
noch nicht unternommen worden, da alle die zahlreichen Versuche,
die bis dahin über Wasserverdunstung durch die Haut angestellt
wurden, auch zugleich die Sehweissbildung berücksichtigt haben.
Jedenfalls ist der Wasserverlust, den der menschliche Körper auf
diesem Wege erleidet, beträchtlich.
Die in der Zeiteinheit, z. B. in der Stnnde, von der Haut der
untersuchten Thiere gelieferte COjmenge fanden Regnault und
Reiset, im Vergleich zu der während derselben Zeit ans der
Lunge ansgehauchten, gering und zugleich bei demselben Thiere,
das sich scheinbar unter denselben Verhältnissen befand, wechselnd;
sie sind darum geneigt, die Annahme zu machen, dass in den
Fällen, in welchen der COjgehalt der Luft in den oben beschriebenen
Säcken reichlicher als gewöhnlich ausfiel, zugleich durch den After
eine Entleerung dieses Gases stattgefunden habe. — Scharling’s
Untersuchungen am Menschen stimmen annähernd mit den vorhin
genannten, was das Verhältniss zwischen dem Verlust der COj
durch Lungen und Haut anlangt. Wird der COiverlust ans der
Lunge zu 1 gesetzt, so schwankt der aus der Haut zwischen 0,016
und 0,031. Die höheren Zahlen beobachtete er bei Erwachsenen,
die niederen bei Kindern. Wir geben hier die absoluten Werthe,
welehe er für 1 Stunde gefunden hat; sie beziehen sich auf die-
selben Menschen, die in der Tabelle p. 529 erwähnt sind; sie sind
auch hier in dieselbe Reihenfolge gestellt: Knabe (99/< J.) ==0,181 Gr.;
Jüngling (16 J.) = 0,181 Gr. ; Mann (28 J.) = 0,373 Gr.; Mädchen
(10 J.) = 0,124 Gr.; Frau (19 J.) = 0,272 Gr.; — Gerlach be
obachtete dagegen, wie es scheint, an Menschen eine reichlichere
COjansscheidung; diese soll sich mehren mit der Muskelanstrengung
und der steigenden Temperatur der Atmosphäre; die letztere Annahme
wird theoretischerseits darum wahrscheinlich, weil zu der bezeiebnoten
Zeit die Gefässe der Cutis angefüllter sind, als in der Kälte.
Ueber das Vorhalten des Ngftses befinden wir uns noch Tollkommon ira Unklaren.
Collard deMartignj*) giebt an, dass nach Fleischkost Ngas ausgehaucht werde (?).
') Wagner'» Handwörterbuch, il. Bd. Artikel Haut ron Krause, p. 141.
ü fiunn tgtwweehsel .
553
Die Aufnahme von Sauerstoffgas durch die Haut ist zwar
theoretisch wahrscheinlich, aber durch den Versuch noch nicht voll-
kommen erwiesen. Die Beobachtungen von Regnnult und Reiset
lassen einen Zweifel übrig, weil sie nicht die absolnte Menge des
Sauerstoffs, der durch den Sack gegangen war, bestimmten, sondern
nur sein Verhültuiss zur COi und dem Ngas. Sie fanden nun die
Luft so beschaffen, dass, wenn man annahm, es sei ihr Stickstoff-
gehalt durch das Hautathmen nicht verändert worden, gerade so
viel Sauerstoff verschwunden war, als sich hiervon in der ausgc-
hauchten COj wiederfand. Diese Annahme ist aber durch Nichts
bewiesen. Entscheidender würden die Versuche von Ger lach für
die Sauerstoffabsorption sprechen, wenn uns die Fehlergrenzen seiner
Beobachtungsmethode besser bekannt wären. Er fand nemlich den
Sauerstoff im Verhältniss zum Stickstoff so beträchtlich vormindert,
dass eine ganz ausserordentliche Stickstoffaushauchung hätte statt-
finden müssen, wenn kein Sauerstoff aus der mit der Haut in Be-
rührung gewesenen Luft verschwunden wäre, ln allen seinen Ver-
suchen war. das Volum des aufgenommenen Sauerstoffs, gerade
entgegengesetzt dem Verhalten in der Lungenluft, viel geringer, als
das der ausgeschiedenen COj. Die verschwundene Menge wuchs
auch hier mit der Temperatur der Luft und der Muskelanstrengung
des Thieres. . ,
4. Der absolute*) Werth des Gewichtsverlustes, den wir den
Tag über durch die Hautausdünstung erleiden, ist noch niemals für
sich gemessen worden, sondern immer gemeinsam mit dem durch
eine etwa dazwischen eintretende Sehweissbildung veranlassten. Da
nun diese letztere noch viel variabler ist als die erstere, so lässt
sich durchaus nichts allgemein Gütiges sagen. — Ziehen wir aber
die vorliegenden Untersuchungen in Betracht, so ergiebt sich, dass
bei mittlerer Lebensart und Temperatur das Gesammtgewieht des
täglichen Verlustes durch die Haut um den Werth von 500 — 800 Gr.
schwankt. Offenbar ist dieser Verlust vorzugsweise durch die Wasser-
verdünstung bedingt, wie die vorstehenden Bemerkungen überC'Diaus-
schcidung deutlich zeigen.
C. Gesammtgas Wechsel des thierischen Kürpers.
Die Bindung und Ausscheidung von Luft auf Haut, Lunge und
Darmkanal stehen in mannigfachen Beziehungen zu einander, «o dass
sie sich theilweise gleichzeitig steigern, theils aber auch ergänzen,
•) Kraute Io Wagner'* Handwörterbuch. II. Bd. p. 130.
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554
Qesammtgaswechsol.
indem mit dem Sinken der Athmung auf einer der bezeichneten
Flüchen diejenige auf einer anderen im Wachsthnm begriffen ist.
Da eine theoretische Feststellung dieses Zusammenhanges vorerst
noch unmöglich ist, so sind die Versuche, welche sieh Uber den
Gesammtaustausch der Gase erstrecken, einzig und allein unser
Haltpunkt.
• Die Methoden, mit denen die Ausscheidung und Bindung der Oase durch das
Thier untersucht wurde , sind im Prinsip zwei wesentlich verschiedene ; die eine Ton
ihnen bestimmt alle oder einzelne der aufgenommenen Gasarten geradezu, wahrend die
andere sie aus dem Gewichtsunterschiede der festen und flüssigen Bestandtheile der
Nahrungs- und Ausscheidungsstoffe ableitct. — 1. Die direkten Wege sind nun aber
selbst wieder verschiedene.
a) Berthollet*) führt die zu beobachtenden Thiero in ein genau gemessenes
Luftvolum von bekanntem Druck, bekannter Temperatur und Zusammensetzung ein und
Hisst sie in demselben so lange verweilen , bis sich die Zeichen der beginnenden Er-
stickung cinstellen; er bestimmt dann von Neuem Temperatur, Druck und Zusammen-
setzung der Luft, in welcher die Thicre enthalten waren. Auf diese Weise erhält er
die absolute Menge der ausgeschiedenen und eingenommenen permanenten Gasarten.
Das Schema des Apparates, den er hierzu anwendet, ist in Fig. 67 gegeben. A ist der
Fig. 67. luftdichte Kasten von bekanntem Kauminhalt, a ein
Quecksilber - Manometer , das den Unterschied des
Druckes in der Atmosphäre und den Inhalt des
Kastens angiebt, b ein Thermometer, welches die
Temperatur der Luft im geschlossenen Raume misst.
Ist nyn der Rauminhalt des Behälters bekannt, so
kann man jederzeit die Menge von Luft berechnen,
welche er enthalt, vorausgesetzt, dass man den
barometrischen Druck , unter dem sich diese Luft
befindet, und den Temperaturgrad derselben kennt.
Ist somit das Gesaramtgewicht der Luft fcstgestellt,
so genügt es, einen kleinen Antheil' des Inhaltes zu
analysiren, um das absolute Gewicht jeder einzelnen
Gasart in dom Gemenge zu finden, indem aus der
gefundenen prozentischen Zusammensetzung die des
ganzen Gemenges berechnet werden kann. Dieser
sinnreiche Apparat erlaubt aber nur beschränkte An-
wendung, da die eingeschlossenen Thiere sehr bald
statt in reiner Luft, in einem Gasgemische athmen, das reich an CO* und arm an
Sauerstoff ist, wodurch die natürlichen Bedingungen der Athmung wesentlich umge-
staltet werden. — Dieser Einrichtung hat sich ausser Berthollet auch noch
Legallois**) bedient.
b) Regnault und Reise t***) haben den eben beschriebenen Apparat wesentlich
dadurch verbessert, dass sie mit dem Kasten eine Einrichtung in Verbindung bringen,
a) Schweigger, Journal für Chemie und Physik. I. Bd. 178.
•*) Annalen de chlmie et physique. IV. Bd. (1817). 1 u. 113.
***) Annalea de chlmie et physique. 26. Bd. (1849). 310.
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Gesammtgaswochsel.
555
welche es möglich macht, dass die in jedem Augenblicke gebildete 00« absorbirt und
durch das entsprechende Volum von Sauoratoffgas ersetzt wird, so dass der Druck und
die Zusammensetzung der Luft innerhalb und ausserhalb des Behälters sich nahozu un-
verändert erhält. Ihr Apparat (Fig. 68) ist aus folgenden Theiien zusammengesetzt:
Fig. 68.
A stellt ein Wassergefäss vor, dass durch die Röhre aa in den Ballon B mündet,
welcher bei Beginn dos Versuchs mit Sauorstoffgas gefüllt ist; dieser steht durch die
Rohre AA in Verbindung mit dem Behälter C, der das athraendu Thier aufnimmt. In
diesen Kaum öffnen sich das Manometer ce und die zwei 8chläuche dd und ee , welche
letztere in zwei mit Kalilösung gefüllte Ballons D und E eintreten. Die zuletzt erwähnten
Kaligefässe können mittelst eines Uhrwerkes in eine Bewegung gebracht werden, bei
der das eine von beiden jedesmal aufsteigt, wenn das andere niedergeht. Da beide
durch die Röhre ff communizircn, so entleert sich der flüssige Inhalt des aufsteigenden
in das absteigende Gefäss, und dafür entleert das letztere seine Luft in den Behälter C,
während das erstcre sich aus diesem mit Luft füllt. Diese Wegnahme resp. Kinfüllung
von Luft aus den Kalifässen geschieht nun aber wegen der Aufstellung der Röhren ee
und dd abwechselnd aus den oberen und den unteren Schichten des Athmungsbehälters. —
Diese Weise zu beobachten lasst nichts zu wünschen Übrig, und da ihre Erfinder zu-
gleich zur Bestimmung der Gasarten vollendete analytische Hilfsmittel in Anwendung
brachten , so besitzen unzweifelhaft ihre Beobachtungen das Uebergewicht über alle
anderen. Ein ähnliche« Frinzip hat March and*) bei einem Theile seiner Versucho
benutzt; es ist aber in seiner Ausführung nicht zu der erreichbaren Vollkommenheit
gediehen.
c) Das Verfahren von Scharling**) endlich beabsichtigt nicht alle, sondern nur
einzelne Veränderungen, welche die Luft durch das Athmen erfährt, und insbesondere
die gebildete CO« zu bestimmen. Er führt seine Beobachtungsobjekte in den luftdicht
•) Journal für praktluche Chemie. 44. Bd. 1.
••) Li ebig'tt Annalen. 45. Bd. 214, und Journal für prakt. Chemie. 48. Bd. 435.
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556
Gesammtgaswechsch
»chli essenden Kasten A (Fig. 69) und leitet durch diesen einen kohlenaäurefreien
Luftstrom , der bei a in und bei b aus dem Kasten dringt. Die aus der Atmosphäre
kommende Luft geht, bevor sie in den Kasten gelangt, durch einen mit Kali gefüllten
Kugelapparat von L i e b i g k. Aus der andern bei b befindlichen Oelfnung führt ein
Fig. 69.
Rohr durch mancherlei Zwischenstücke in ein grosses mit Wasser gefülltes Fass (B),
dessen Inhalt aus der mit einem liahne versehenen Oefihung g in beliebig raschem
Strome gelassen werden kann. Der Luftstrom , der durch das Rohr b f von dem aus-
fliessenden Wasser angesaugt hindurchging, musste zuerst einen gebogenen Abschnitt c,
der mit SO3 und BinisteinstUcken gefüllt war, dann einen Liebig’schen Kugelapparat d
und darauf abermals ein Schwefclsäurerohr e durchlaufen. Die Gewichtszunahme, welche
die Stücke d und e während des Versuches erfahren , rührt von der boim Athmen ge-
bildeten CO* her. Diese Methode ist mit geringen Abweichungen von Letellier*),
Lehmann**), Erlach***), Philippit) u. A. in Anwendung gebracht.
2. Die indirekte Methode zur Ermittelung der Gesammtmenge der Athraungs-
produkte hat Ilonas in gault+t) und nach ihm Barralfff), Scharling}) u. A.
benutzt. Sie besteht darin, dass man einmal ermittelt, wie viel N, C, H während
eines Tages in der Nahrung aufgenommen und ebenso bestimmt, wie viel derselben in
der ncmlichen Zeit durch den Harn und Koth entleert wurde. Unter der Voraussetzung,
dass zu Beginn und Ende der Beobachtungszeit der thierische Körper dieselbe quan-
titative und qualitative Zusammensetzung besitzt, und dass kein Verlust an Speichel,
llautabschuppung, Jiärung u. dergL vor sich gegangen, giebt der Unterschied zwischen
den aufg«'nommenen und entleerten Gewichten an N, C, H geradezu die gasförmigen
•) Annalc« de chimie et physiqae. Xfl. Ud. (1845) 478.
••) Abhundlungen der K. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften für 1845. 4A|.
•••) Versuche Uber Respiration einiger mit Longen athmender Wirbelthiero. Bern 1846.
t) Valent! n’s Jahresbericht über Physiologie fHr 1845. WS.
ft) Annales de chimie et physiqae X. (1844 ) 456.
t+t) Statiqar chlmiqae des aninvmx. Paris 1850. 230. — Journal für prakt. Chemie. 48. Bd.
{1 Journal flir prakt. Chemie. 36 Bd.
Gesammtg us wechsd.
557
ausgeschiedcnen Gewicht« der bezeiohneten Stoffe. Ks sind die hierbei angenommenen
Voraussetzungen nicht in allen bisher angestellten Versuchen erwiesen. Wenn sie somit
Vertrauen erwecken sollen, so müsste wenigstens die empirische Anwendbarkeit vor-
gängig dadurch festgestellt werden , dass man einige Zeit hindurch gleichzeitig feste,
flüssige und luftförmige Ausleerungen der beobachteten Individuen bestimmte , um zu
sehen, ob ihre Summe und atomistische Qualität gleich ist derjenigen der Nahrung.
Ans den Versuchen Uber Gesammtausscheidung der Gase er-
gab sich:
1. Aus dem thierischen Körper wird Kohlensäure, Wasserstoff,
fllr gewöhnlich auch Stickstoff nnd gasförmiger Kohlenwasserstoff
ansgestossen ; die Ausscheidung des Kohlenwasserstoffs geschieht
wahrscheinlich aus dem Darmkanai; sie ist zugleich meist so un-
bedeutend, dass sie vernachlässigt werden kann.
Schwefelwasserstoff , obwohl wahrscheinlich vorhanden, ist bis jetzt noch nicht
aufgefunden. Die Ausscheidung von Ammoniak ist behauptet (Marchand) und be-
stritten (Kegnault, Heuling).
2. Die Qualität und Quantität der ausgehauchten und aufge-
nommenen Gase steht in innigster Beziehung zur Nahrung. Stick-
stoff wird in beträchtlichster Menge nach reiner Fleischdiät, in geringer
Menge nach dem Genüsse von Brod ansgestossen ; dieses Gas wird da-
gegen ans der Atmosphäre während des Hungems aufgenommen. —
Von der gesummten Menge des aufgenommenen Sauerstoffs ist nach
Brodnahrung bis zu 0,9, nach Fleischnahrung und Hungern bis zu 0,7
und nach sehr fetthaltiger Nahrung 0,6 in der ausgeschiedenen CO»
wieder enthalten. Diese Thatsachen erlauben die Ableitung, dass ein
grosser Theil der aufgenommenen Nahrung alsbald dem Oxydations-
prozesse verfalle, dessen Endprodukte auch wieder ausgeschieden
werden. Der Theil des aufgenomiueuen Sauerstoffs, welcher sich
unter den Auswürflingen nicht wieder mit Kohlensäure vereinigt findet,
ist natürlich v erwendet worden zur Herstellung anderer Verbindungen.
Unter der obigen Voraussetzung muss aber dieser letztere Autheii des
verzehrten Sauerstoffs nach fettreichen Mahlzeiten grösser als nach
brodreiehen sein, wie schon auf S. 471 erörtert wurde.
3. Rucksichtlich der Beziehung zwischen Athiuung und Körper-
gewicht ist thatsäcblich fcstgestellt, dass bei zureichender Nahrung
und sonst gleichen Umständen die Menge des eingeathmeten Sauer-
stoffs (Regnaul t, Reiset) nnd der ausgeathmeten CO» dem
Körpergewicht nicht genau proportional steigt. Namentlich bilden
leichtere Säugethiere im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht viel
mehr COt, als schwerere und grössere (Erlach). Diese Thatsnche
erlaubt zwei Erklärungen: entweder enthalten kleine Thiere ver-
t
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558
G ©sa mm tg*« w echsel .
hältnissmässig mehr Gewebe, die der raschen Oxydation anheim-
fallen, oder es sind bei ihnen Einrichtnngen vorhanden, vermöge
deren die Verbrennung rascher vor sich geht. Fraglich ist es noch,
ob diese Erfahrung auf Menschen von verschiedener Grösse an-
wendbar ist.
4. Anstrengungen der Muskeln steigern sehr rasch die gelieferte
Menge der CO2 und zwar so bedeutend, dass sie mehr als das Fünf-
fache des gewöhnlichen Mittel werthes betragen kann (Scharling,
Hirn).
5. Die Unterdrückung der Hautausdünstung, wie sie dadurch
erzeugt wird, dass man die Thiere mit Leim oder einem Leinöl-
firniss überzieht, bringt nach Regnault und Reiset kerne merk- -
merkliche Störung in das Resultat des Gesammtgasanstausches.
Namentlich mindert sich hierdurch weder die Menge des ausge-
schiedenen Stickstoffs, noch die des aufgenommenen Sauerstoffs,
und eben so wenig ändert sich das Verhältniss dieses letzteren zu
der ausgestossenen CO2.
Dieses Ergebnis» deutet darauf hin, dass der Tod, den man nach Anwendung
eines luftdichten Verschlusses der Haut ein treten sah, ganx anderen Gründen als der
Störung des Wechsels der permanenten Gase /.uxuschreiben ist, siehe Gerlach,
Valentin, CL Bernard*).
t>. Wenn man Fröschen grosse Blutverluste beibringt oder ihnen
die Leber ausschneidet, so geben sie weniger COj in der Zeiteinheit
aus, als vorher. Nach der letzteren Operation soll der Ausfall zu
gross sein, als dass er allein aus dem Blutverluste abgeleitet werden
könnte (Moleschott)**).
7. Bei normalem Gehalte der Luft an Stickstoff und Sauerstoff
soll die Menge der gelieferten COj wechseln mit ihrem Temperatur-
und Feuchtigkeitsgrade und dem Barometerstände.
a) Nach Le te liier liefern dieselben Thiere bei 0° C noch
einmal so viel COj, als bei 30° C; sie dunsten dagegen in höheren
Temperaturen mehr Wasser aus. Dieser' Wasserverlust nimmt bei
längerem Aufenthalte in der höheren Temperatur rasch ab und er-
reicht endlich nach mehreren Stunden einen constanten Werth.
b) Nach Lehmann mehrt sich die Menge der ausgeschiedenen
CO, mit der steigenden Feuchtigkeit der Luft.
•> Oirlich, Müller « Archlr. 1841. p.4«7.— V.lentl n’« Archiv f. phye. Heilkunde IMS. —
CI. Bernard, Lecons aur lea liquides. 1. Rd. 277.
••) Müller'« Archiv. 1B5S, und Wiener cnedlz. Wochenschrift. 18M. 142.
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U eaammtgaswechsel.
559
c) Mit dem steigenden Barometerstände soll sieh nach Lehmann
die Menge der ausgestossenen COj mehren; ihm steht die Versuchs-
reihe von Legallois entgegen, wonach bei abnehmendem Luftdruck
eher auf eine Zunahme als auf eine Abnahme der Kohlensäureaus-
scheidung zu schliessen wäre.
8. Bei einem längeren, nahezu 24stündigen Aufenthalt der
Säugethiere in einer Luft, deren Zusammensetzung von- der atmo-
sphärischen abweicht, ergeben sich aus den Reguault-Reiset’schen
Versuchen:
a) In einer Luft von der prozentischen Zusammensetzung COi
= 3,01; 0 = 17,42; N = 79,57 nahm in der Zeiteinheit ein Hund
mehr 0 auf und hauchte mehr CO* aus, als in einer gleich tem-
perirten Luft von der Zusammensetzung COs = 0,77; 0 = 17,70;
N — 81,53. — Die Beobachtung, dass dasselbe auf gleiche Weise
geftttterte Thier in einer Luft von demselben 0- und grösseren
(Jüi-Gehalt mehr 0 aufnahm und mehr CO2 abgab, zeigt in Ver-
bindung mit andern Erfahrungen, dass die wesentliche Ursache der
erhöhten Ausscheidung von COj in einer grössern Lebhaftigkeit
ihrer Bildung gelegen ist.
b) ln einer Atmosphäre, deren prozentische Zusammensetzung
vom Beginn bis zu Ende des Versuches zwischen CO, = 1,(56,
0 = 59,75, N = 38,59 und C02 = 1,89, 0 = 57,62, N = 40,19
wechselte, hauchte das zu den vorigen Versuchen benutzte und in
gleicher Weise gefütterte Thier nicht mehr N aus und nahm nicht
mehr 0 auf, als in einer Luft von nahebei normaler Zusammen-
setzung.
Bemerkenswerthe Versuche mit biner Atmosphäre, deren Stickstoff zum grössten
Theil durch Wasserstoff ersetzt war, siehe bei Regnault und Reiset, 1. c. p.500. —
Warmblüter (Mause und Vögel) geben im grüncu und rothen Licht gleichviel COi
ab. Frösche dagegen im grünen bis zur Uülftc mehr als im rothen; zieht man ihnen die
Haut ab, so geben sie mehr ira rothen als im grünen Licht. Der Einfluss der Licht-
arten macht sich auch auf ausgeschlachtetes Fleisch, das noch nicht todtenstorr ist,
geltend (Beclard)*).
Die Angaben, welche aus der Anwendung der indirekten Methode
fliessen, sind nachzusehen in dem Abschnitte, der von der Vergleichung
der Ausgaben und Einnahmen des thierischen Körpers handelt.
•) Couipt. rend. 46. Bd. 441. %
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500
Um Setzung des Blutes innerhalb der Gofässe.
.1
Umsetzung des Mutes innerhalb der Gefässe.
Am .Schlüsse eines Abschnittes, der vorzugsweise von den TTm-
setzungen der Atome des Blutes bandelt, nachdem diese die Gefäss-
liöhlen verlassen haben, erscheint es nicht unpassend, darauf einzu-
gebon, ob das Blut auch innerhalb der Gefiissröhren eine Umsetzung
erfahre. FUr die Möglichkeit einer solchen spricht zuerst die Zu-
sammensetzung des Blutes aus Verbindungen, die bei der Temperatur
des tierischen Körpers durch den Sauerstoff so leicht umgesetzt
werden, und dann die zahlreiche Berührung mit verschieden geeigen-
scbaftetcn Flüssigkeiten , aus denen das Blut Stoffe aufnimint, die
theils zu einander und tbeils zu den ursprünglichen Blutbcstand-
theilen lebhafte Verwandtschaft zeigen, theils gährungerzeugend *)
und theils gährend sind. Dazu kommt, dass in der Blutflüssigkeit
ein eigentümliches Gewebe, die Blutkörperchen, schwimmt, welches
von spezifischer Zusammensetzung auch eine von der des Blutplasmas
abweichende Umsetzung darbieten muss. Nach dieser Einleitung ist
man erstaunt, zu erfahren, dass sich die Beweise für das tatsäch-
liche Bestehen der Umsetzung des Blutes nur sparsam anffinden
lassen, und dass die Art des chemischen Vorganges in ein voll-
kommenes Dunkel gehüllt ist.
Mit Gewissheit darf man behaupten, dass ausser den Stoff-
änderungen, welche bei der Atmung in der Lunge vor sich gehen,
die Lymph- und Blutkörperchen umgeformt und vielleicht auch im
Blut zerstört werden. Ohne diese Annahme würde es unverständlich
sein, warum sich die beiden Formbcstandtheile bei stetiger Neu-
bildung und Znfuhr nicht ins Unendliche im Blute anhäufen, da sie
doch nicht als solche aus dem Blutstrome austreten können, so
lange die Gefässwandungen unverletzt sind. Ebenso deutlich weist
auf einen chemischen Vorgang im Blute das Flüssigbleiben des
Faserstoffs hin und wahrscheinlich wird im Blute die Hippursäure
ans ihren nähern Bestandteilen zusammengestellt.
') Buhl, Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. P. VI. Bd. p. 100.
Bhithrldung.
561
III» lilutbildung.
Das Blut ergiesst in den Binnenraum des Kilrpers, in dessen ’ i
Höhlen und Gewebe fortwährend Atome, durch welche der chemische ’•**
Umsatz in den letzteren bestritten wird, und aus ihm gehen auch
die Stoffe hervor, welche die auswerfenden Drüsen im Gange er-
halten. Diese Erscheinungsreihe setzt nothwendig voraus, dass
dite Atome, welche in die Gewebe und die geschlossenen Höhlen
ausgesendet waren, wieder zum Blut zurückkehren, damit ihre
Ausscheidung auf Haut, Lunge und Niere möglich sei, und ferner,
dass von aussen her wägbare Stoffe in den Körper (angeführt werden,
welche den Verlnst decken, den das Blut als Gewehsernährer er-
leidet, Naturgemäss zerfällt also die Lehre von der Bluthildung in
die Darstellung des Rückstroms aus den Geweben (Resorptio) und
in die Aufnahme und Verdauung der Speisen (Nutritio).
Aufsaugung aus den Geweben.
Einleitung. Der Strom , welcher aus den Geweben in das Blut
zurüekgebt, muss, wenn auch sein Umfang und seine mittlere Ge-
schwindigkeit nur unvollkommen bekannt sind, jedenfalls als ein
mächtiger angesprochen werden, der im Körper des erwachsenen
Menschen täglich nach Kilogrammen zu schätzen ist. Diese Masse,
welche weitaus die Ausscheidungen in den auswerfenden Werkzeugen
Ubertrifft, macht es von vorne herein begreiflich , dass der Rück-
strom nicht allein die Umsetzungsprodukte der Gewebe und der
Gewebsflüssigkeiten führen kann. Die chemische Untersuchung, so
. weit sie vorgenommen, bestätigt dieses, indem sie nicht allein er-
kennen lässt, dass in dem ans den Geweben wieder aufgesogenen
Lösungsgemengc die wesentlichen Blutbestandtheilc in unveränderter
Eigenschaft enthalten sind, sondern noch mehr, dass die Menge
dieser letzteren unvergleichlich viel bedeutender, ist, als diejenige
. der wirklichen Umsetzungsprodukte erster oder zweiter Ordnung.
Aus diesen Erfahrungen erwächst uns also die Ueberzepgung, dass •
aus dem Blute viel mehr austritt, als nothwendig wäre zum ein-
fachen Ersatz der Zerstörungen , welche durch das Leben ii^ den
festen und flüssigen Organbestandtheilcn angebracht sind, und dass
demnach der grösste Theil der ausgeschiedenen Stoffe auch wieder
unverändert in das Blut zurückkehrt. »So besteht also ein innerer
Ludwig, Physiologie II. *2. Antlajfe. JJt)
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562
Aufsaugung aus den Geweben.
Kreislauf der ernährenden Flüssigkeiten, welchen Bidder und
Schmidt im Gegensatz zu Stoffbewegungen aus den Speisen in
das Blut und aus diesem in die sogenannten letzten Wege (Lunge,
Niere, Haut) als intermediären Kreislauf bezeichnet haben.
Die erste Bedingung zur Einleitung dieses inneren Kreislaufes
ist also die reichliche Absonderung aus dem Blute in die Gewebe
und die Körperkühlen. Diese letztere würde ein unbegreifliches
Faktum sein, wenn die Blutflüssigkeit in den Geweben nur durch
die Anziehung dieser letzteren befördert würde ; da wir aber in dem
vorstehenden Abschnitte kaum Spuren einer solchen Beziehung" auf-
gefunden, da wir im Gegenthcil bemerkt .haben, dass andere all-
gemeiner wirkende Ursachen die Säftebewegung aus dem Blute unter-
halten, so kann uns in der That die Erscheinung nichts Befrem-
dendes bieten, so lange sich die Betrachtung nur an die groben Üm-
ris'sc hält. Das Blut, welches in den Getässen enthalten ist , strebt,
wie wir wissen , durch die porösen Wandungen hindurch seinen
Druck und seine chemische Zusammensetzung auszugleichen mit den
ausserhalb der Gcfässe liegenden Flüssigkeiten. Mehrt sich also
z. B. noch der Gefässinkalt, so wird die mittlere Spannung in den-
selben wachsen, und sogleich wird ein Thoil desselben in die Ge-
webe, durch Filtrationsdruck getrieben, austreten. Derselbe Erfolg
wird zum Vorschein kommen, wenn sich mit der Verdauung, mit
der vermehrten Ausscheidung durch Niere, Lunge und Haut, die
Zusammensetzung des Blutes ändert, oder auch, wenn die chemische
Anordnung der Gewebsflüssigkeiten nach gesteigertem Umsatz der-
selben eine Aenderung erfährt. Denn dann werden die Diffusions-
ströme lebhafter von statten gehen. Dazu kommen nun aber noch
Absonderungen in Folge gesteigerter Nervenerregung, welche u. A.
nachweislich in Drüsen bestehen, die ihre Säfte in zeitweise ge-
schlossene Höhlen ergiessen. Diese Einrichtungen müssen nun bei
den vorliegenden Veränderungen in den Zuständen ebensowohl der
Flüssigkeiten diesseits und jenseits der Gefässwand, als auch in
denen dieser letzteren selbst, einen reic
veranlassen.
Unsere nächste Aufgabe stellt sich
auf welchen Wegen und durch welohe Mii
wieder in das Blut zurückkehren. Die Erfahrung lehrt, dass dieses
auf zweierlei Weise geschehe, einmal durch Diffusion (und Fil-
tration?) in die Blutgefässe selbst und dann durch Aufnahme in
die Lymphgefässe.
Flüssigkeitserguss
, nachzusehen,
gossenen Massen
Aufsaugung von dtn Blutgefässen.
563
Aufsaugung von den Blutgefässen.
1. Die Erfahrungen, die wir über die Eigenschaften des Bluts,
der Gewebesäfte und der Gefässhaut besitzen, nöthigen uns zu der
Annahme, dass durch die letzteren hindurch ein ununterbrochener
Diffusionsstrom stattfinde, denn die beiden wässrigen Losungen, das
Blut und der Gewebesaftes sind von verschiedener chemischer Zu-
sammensetzung und eine Ausgleichung dieses Unterschiedes ist nicht
möglich, weil einerseits das Blut sich fortlaufend in den Nieren rei-
nigt, aus den Speisen erneuert und alle Gewebe im raschen, keine
Zeit zur Ausgleichung gönnenden Strom durchsetzt, und ander-
seits weil in den Gewebesäften fortwährend neue Stoffe entstehen,
die dein Blut nur spärlich oder gar nicht eigen sind; endlich aber
sind die Gefässhäute durchgängig fllr Wasser und ftir die in dem
Blute und den Ge'webesäften aufgelösten festen Bestandtheile.
' ‘ ‘ '
Der physiologische Versuch bat das, was die Theorie voraussagte, insofern be-
stätigt, als er darthut, dass viele flüssige Stoffe in der Richtung ;vom Gewebe zum
Blut durch die Wand dor grossem und kleinern Gefisse diffundiren , welche sich in
der cutis, dem Bindegewebe u. s. w. verbreiten.
Die Versuche •) von Prochaska, Magendie, Mayer, Westrumb, Sega-
las, Emmert, Gmelin und Tiederaann u. A., welche sich das oben bezeichnet«
Ziel steckten, mussten naseweisen, dass die aufgesaugten Stoffe wirklich in dos Blut ge-
laugt waren, und dass sie ihren Weg dorthin auch durch die üefässwandung genommen
'hatten. Man liess darum Stoffe resorbiren, welche, wie z. B. Blutlaugensalz und Farb-
stoffe leicht als solche nachweisbar waren, oder Gifte, die ihro Anwesenheit im Blute
durch physiologische Reaktionen sichtbar machten. — Die Gewissheit, dass die Auf-
nahme nuT durch die Gefasse hindurch geschehen sei , verschaffte man sich auf ver-
schiedene Art Entweder man legte ein längeres Stück eines grösseren Gefässes voll-
kommen frei , setzte in das obere und untere durchschnittene Ende desselben ein Rohr,
so dass das isolirte Gefässstück mit dem übrigen Gefässsysteme nur in Verbindung
stand durch diese Röhren, und brachte nun unter dasselbe eine isolirende Metall- oder
Papterrinne, in welcho man die aufzusaugendc Lösung einfüllte (Magendie). Oder
man stellte znerst fest, ob von einer bestimmten Körperstelle aus, z. B. von der Darm-
Oberfläche, der Haut u. s. w. die Aufsauguug eines bestimmten Stoffes geschah. Darauf
wiederholte man den Versuch nach Unterbindung aller zuführenden Blutgefässe (Se-
galas) oder aller abführenden Lyrophgefasse (Magendie), oder nach Unterbindung
des ductus thoracicus, oder nach Durchschneidung aller Verbindungen eines Gliedes mit
mit dem Körper, die grossen Arterien und Venen ausgenommen (Magendie, Kürsch-
ner). — Drittens untersuchte man , einige Zeit nach Beginn der Resorption den In-
halt der Blut- und £yii|]ppPlsge ; wurde der zur Resorption bestimmte Stoff in den
entern aufgefunden und 'in den letzterf vermisst, so durfte man den unmittelbaren
Uebcrgang in das, Blut annehmen (Flandrin, Tiedemann und Gmelin). — Yier-
•) Die ältere Literatur giebt Heu singer. Noten an Magendie'« Physiologie. Eisenach
1836. n. 242.
3(i*
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5G4
Blutstockung in Folge dor Aufsaugung.
tcns endlich bestimme man die Zeit, welche verfloss , bis ein aufgelegtes Gift tödtlich
wirkte, oder im Uam erschien. War der Zeitraum sehr kurz, so schloss man auf
direkte Ueberfhhrung in das Blut , da der Lyinphatrom sich nursehr langsam weiter
bewegt.
Wichtiger als der einfache Nachweis der Aufsaugung durch
die Blutgefässe wttrde ein Aufsuchen der Bedingungen sein, welche
jenen Vorgang beschleunigen oder verlangsamen, und die Angaben
der im Leben vorkommenden Umstände, durch welche die Auf-
saugung befördert wird.
2. Methodisch angestellte Versuche, die auf die erste der hin-
gestellten Aufgaben zielen, giebt es noch nicht, was sich znr Ge-
nüge erklärt, wenn man die ungemessenen Schwierigkeiten bedenkt,
welche die Untersuchung dieses besonderen Falls von Endosmose
mit sieh bringt. Wohl aber sind einige Thatsac.hen bekannt, die für
die Methodik sowohl, wie ftlr die lebendige Aufsaugung wichtig sind*).
a. Viele Stoffe bringen , während sie aufgesaugt werden , im
Blutstrom örtliche Veränderungen hervor. Dieses thnn zuerst alle
diejenigen, welche das EiweisS, das in der Wand und iu dem Lunten
der GefUsse enthalten ist, niederscblagen z. B. Fe Ul, SOj, NO-, n.s.w. ;
die entstandenen Gerinnsel können die Lichtung der Gefässe voll-
kommen verschliessen; dann hört der Blntstroni nnd die Resorption
an den mit jenen Stoffen dnrehtränkten Orten auf. — Eine andere
Zahl chemischer Verbindungen , die sogenannten reizenden und to- '
nischen Arzneien, iindeni den Elastizitätscoöffizienten und die Muskeln
der Gefässwand. Je nachdem sie die letzteren zur Zusammenzie-
hung oder Erschlaffung bringen oder den Elastizitätscocftizienten er-
höhen oder erniedrigen, wird sich das von ihnen durchtrUnkte Gefäss-
rohr ausweiten oder zusammenziehen. Damit wird sich aber auch
die anfsangende Fläche entsprechend ändern. — Eine dritte Reihe
von Körpern, wie z. B. NaCl, Harnstoff, Zucker u. s. w. bewirken
weder Fällungen des Eiwcisses noch merkliche Aenderungen in dem
Gefässdurchmesser und dennoch erzeugen sie eine vollkommene
Stockung des Blutlaufs, veranlasst durch eine bedeutende Anhäu-
fung der Blutscheiben in den Capillaren, mit welchen sie in Be-
rührung waren (H. Weber, Virchow, Schüler, Günning).
Fltr diese auffallende Erscheinung hat ßotkin eine sinnreiche Er-
klärung gegeben : die in das Blut eingedrungenen Lösungen ändern
•) 11. Woher, MUllera Archiv 1852, 361. — Boncr, die fitaae ; Würzburger Dinsertatlon 1866.—
Gunning, Archiv Air holl« Beiträge 1. 365. — Kn app Archiv fllr phyaiol. Heilkunde 1855. 146. —
Kühler. Virchow’a Archiv 14. Bd. 401. — B ot k iftsHldd. 15 Bd. 1*1*.
Acndorung der Aufsaugung durch die Blutfüllc.
565
dort die Form, Glätte und Elastizität der Klatsch eiben; sodass die-
selben nicht mehr durch die Capillarcn schlüpfen können, sondern
theils an vorspritigeuden Wandstücken lind theils aneinander hän-
gen bleiben. Für diese Annahme spricht ausser der schon ange-
führten Häufung der Blutscheiben die Erfahrung, dass nur die in-
differenten chemischen Verbindungen das Blut stauen, welche nach-
weislich die Gestalt der Blutkörperchen ändern, während andere,
wie Borax, phosphorsaures Natron, Alaun weder eine »Stockung des
»Stroms, noch eine merkliche Gestaltsänderung der Blut^cheiben er-
zeugen; ferner, dass ein paar Tröpfchen Wasser, die auf das Ge-
fäss mit der stockenden Blutsiinlc gebracht werden, den Strom
wieder einznleiten vermögen, offenbar darum, weil sic das form-
verändernde Salz aus waschen.
b. Kaupp und Vierordt legten das Bindegewebe unter der
liUckenhaut hei verschiedenen Kaninchen in möglichst gleicher Aus-
dehnung bloss und brachten in die Wunde immer gleiche Mengen
einer verdünnten, langsam wirkenden Strychninlösung; sie sahen,
dass der Tetanus um so früher eintrat, je geringer das Gewicht
der vergifteten Thiere war. Darauf unternahmen sie eine zweite
Versuchsreihe und zwar mit Thieren, denen sie Blut abgclassen
hatten. Sie sahen nun, dass der Tetanus sowohl wie der Tod
später eintrat, als es der vorhergehenden Versuchsreihe gemäss bei
einem Thier gleichen Gewichts hätte erwartet werden können ; das
Gilt äusserte seine Wirkungen um so später, je ergiebiger der Ader-
lass gewesen war. Obwohl die Zeit, welche zwischen der Ankunft
des Gifts und dem Eintritt des Tetanus, beziehungsweise des Todes,
verstreicht, der Aufsangungsgesehwindigkeit nicht proportional sein
kann (Kaupp), so macht es diese Versuchsreihe doch sehr wahr-"
seheinlich , ' dass die blutärmeren Gefässe langsamer aufsaugen als
die blutreicheren.
Magen die brachte ein tödtendes Gift in den Pleurasack und
bestimmte den Zeitpunkt der Vergiftung an verschiedenen Thieren,
denen er entweder nur Blut entzogen, oder denen er statt des ent-
zogenen Blutes eine gleich grosse Menge von Wasser in die Ge-
fässe gespritzt > oder denen er ohne vorgängige Blutentziehung viel
Wasser infundirt hatte. Im ersten Fall trat die Vergiftung früher,
im letzteren später ein, als bei den Thieren, deren Getässinhnlt zwar
an Qualität, nicht aber an Menge verändert war.
Vorausgesetzt, dass die Versuche von Mage ft diu so augostellt fraren,
wie die von Kaupp, bietet aich folgender Ausweg zur Hebung den Widerspruch»
566 Welche Stoffe gehen in der Kegel durch die Gefasswand T
beider Beobach tungsreihen. Jede Aendernng der Gcföasräuiulichkeit verändert zunächst
die Wandspannung und damit einerseits die Berührungsfläche zwischen Blut- und Gift-
lösung, und anderseits die Grösse des Druck unterschied es zwischen der Umgebung und
dem Inhalt des Blutgefässes. Eine Mehrung der enteren muss selbstverständlich die
Aufsaugungsgeschwindigkeit erhöhen ; ein Steigen des Druckübergewichts von seiten
des Gefässin halte* gegen die Giftlösung soll, wie man freilich ohne vollen Beweis an-
ainimt, die Aufsaugungsgeschwindigkeit mindern. Danach würde man zu sagen haben,
dass in den Vcnuchcn von Kau pp der verzögernde Einfluss der verminderten Berüh-
rungsfläche über der beschleunigenden des erniedrigten Druckunterschiedes das Ueber-
gewicht gewonnen habe, während bei Magendie das Gegentheil eingetroffen.
c. Kühler und Nasse hatten einerseits mit wohlgeftitterten
und anderseits mit Thieren, die seit 42 .Stunden hungerten, genau
dieselbe Versuchsreihe angestellt , welche K a u p p und V i e r o r d t
mit verschieden blutreichen Kaninchen ausfllhrten. Die hungern-
den Thiere verfielen in Mittel 48 Sec. früher in Tetanus und star-
ben aber in Mittel 13 Minuten später als die gefütterten.
Barry hat gezeigt, dass ein aufsaugbares Gift, das man unter einem wirksäjnen
Schröpfkopfe auf ^ie Haut bringt, nicht aufgenommen wird. Dieser Versuch sollte
den Beweis liefern^ dass ein grosses Uebergeiricht des Blutdruckes über den atmo-
sphärischen die Aufsaugung hemmen könne. Diese Erklärung ist mit bekannten en-
dosraotischen Erfahrungen im Widerspruch; er lässt zudem andere Erklärungen, wie
z. B. %iie aus der Hemmung des Blutstroms durch den Kand des Schröpfglases zu.
3. Ueber die Stoffe, welche sich an der regelrechten, gesunden
Aufsaugung betheiligen und Uber dem Umfang, der dieser letzteren
im Wechsel des Lebens zukommt, besitzen wir grösstentheils nur
Vermuthungen.
Dem Bilde entsprechend, welches wir uns heute von der che-
mischen Zusammensetzung der Gewebesäfte und den endosmotischen
Kräften des Bluts machen, pflegen wir anzunehmen, dass die Eiweiss-
Vtoffe und Fette von der Aufsaugung durch die Blutgefässe ausge-
schlossen sind, während die Abkümmlinge dieser verwickelten Atom-
gruppen (S. 217) aufgenommen werden. Die Fette sebliesst man
aus, weil sie in Wasser Überhaupt nicht diffundiren und das Eiweiss,
weil das Blut gemeiniglich viel reicher daran ist, als die Gewebe-
säfte; so weit wir wissen, gilt dieses jedoch nur fiir das Albumin,
so dass gegen die Aufnahme von anderen Modiflcationcn der Eiweiss-
stoffe nichts einzuwenden wäre.
Die Abkömmlinge der Eiweissstoffe , deren Bildungsstätte in
dem Gewebe liegt, gehen nun wohl geradezu in das Blut ttber, aber
sie nehmen nicht allein diesen Weg, sie strömen nachweislich auch
in di.e Lymphe Uber. Demnach würde um so mehr davon unmittelbar
in das Blut diffundiren , je ergiebiger steh jene Produkte bilden und
Aufsaugung durah die Lymphgefäß*«.-.
567
je weniger von ihnen der Lvmphstrom wegftthrt. Bin weiteres
Ansspinnen dieses Satzes durfte hier nicht am Platze sein.
Aufsaugung durch die Lymphgefässc.
1. Anatomischer Hau der aufsaugenden Gefäsae *). An ihnen
pflegt man drei durch ihren Bau gekennzeichnete Abtheilnngen, die
Wurzeln, die Drüsen und die Leitungsröbren zu unterscheiden.
Die Lyra pbwnrzeln, durch deren Zusammenfluss die ab-
leiteuden Lymphwege (die sogenannten Lymphgefässe) entstehen,
sind vorzugsweise im Innern der dichtem Gewebe (Häute, Drüsen,'
Muskeln u. s. w.) gelegen, also da, wo sich auch vorzugsweise die
Blutgefässe eapillar vertheilen. Genauere Angaben Uber ihren Bau
besitzen wir nur aus der Darmschleimhaut. — Nach Brücke,
dessen Beschreibung Cu. Koopmanns bestätigt, besteht die Grund-
masse, das sogenaunte Stroma der Darmschleimhaut aus einzelnen,
durch Zwischenräume getrenuten Stückchen. Diese Zwischenräume
stellen die. Lymphwurzeln dar. Trägt die Schleimhaut Zotten, bo
liegen im Innern einer jeden derselben ein oder mehrere Höhlen,
die centralen Hohlräume, deren Contouren im Allgemeinen mit der
Zottenoberfläehe gleichläufig sind. Mit diesem Binnenkanal bangen
nun die schon erwähnten Lücken zusammen, welche zwischen den
Beatandtheilen des Stromas der Schleimhaut gelegen sind ; die letz-
teren erstrecken sich also vielfach verzweigt vom Central kanal aus
bis zur ZotteuoberÜäche unmittelhar unter das Epithelium. — Um die
Crypten, welche zwischen den Zotten gelegen sind, findet sieh in der
Schleimhaut ein ähnliches Lückenwerk , welches mit dem aus den
Zotten kommenden in Verbindung steht, das sich aber scharf gegen
die Eigenhaut der Crypte absetzt. Aus diesen noch mit keiner
selbstständigen Wand versehenen netzförmig verzweigten Höhlun-
gen gehen klappen lose Aeste hervor, welche die Längs- und Quer-
muskelschicht der Schleimhaut durchbohren, und im Unter-
scbleimhautgewebe ein dendritisch verzweigtes, keineswegs mit sehr
•) He nie, allgemeine Anatomie INI. Mi. — Derselbe ln seiner und Pfeufer's Zeltschr. 3. Reih«.
— Köl liker, Handbuch der («owebolehre. 8. Auflage. 579. — Noll, Heule'* a. Pfeafer'a
Zeitschrift. IX. Bd. 52. — E. Br Uckc, Wiener akademische Denkschriften. II. und VI. Bd. —
Derselbe . . Sitzungsberichte der Wiener Akademie. IX. Bd. 900. u. X- Bd. 27. — C. Bfnch,
Zeitschrift fUr wlttsenftchnfU. Zoologie. IV. Bd. 382. — Donder», Henle’i u. Pfenfer'a Zeit-
schrift. N F, IV. Bd. p. 232. u. f. — Derselbe, Physiologie de» Menschen. 2. And. 842. —
Meissner, Jahresbericht flir 1856. p. 185. — Heidenhain, Moleschott Untersuchungen. IV. Bd.
u. gymholac ad anntomiaui glanduiar. Pcyeri. Breslau 1859. — Hyrtl, Ustr. Zeitsch^l flir prakL
Heilkunde 18€0. p. 293. n. 338. — Hi». Zeitschrift ftlr wiss. Zoologie. X. Bd. 384. — Billroth,
BeUrkge zur patholog. Histologie. 1858. .143,.
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568
Bau der Lfniplrwurzeln im Darm.
häufigen Anastomosen versehenes Gefässnetz darstellen. An diesem
Ort verlaufen die Lymphgefässböhlen in den Bindegewebszügeo,
welche das submucöse Gewebe darstellen ; die erste Andeutung einer
selbstständigen den Lympligefässen eignen Haut ist durch ein Epi-
thelium gegeben, welches die Lymphhöble gegen das Bindegewebe
abgrenzt; dann komtbt es zur Bildung von Klappen, deren Anwe-
senheit schon auf eine selbstständige strukturlose Wand schliessen
lässt. Nachdem die Gefiisse auch die Muskelhaut des Darms durch-
brochen haben, tragen sie alle Eigentümlichkeiten der Lympbge-
fässe- im engem Wortsinn.
' Heidenhain, dessen Erfahrungen den oben vorgeftthrten nicht
entgegen sind, glaubt annehmen zu dürfen, dass sich in dem Zotten-
gewebe und namentlich in dem , welches sich zwischen der centra-
len Höhle und der Zottenoberfläche erstreckt, ein Röhrennetz aus-
breitet, das durch die hohlen anastomosirendeu Aeste sternförmiger
Zellen gebildet werde. Ausstrahlungen aus diesem Netz münden
nach aussen iu hohle Fortsätze der Epithelialcylinder , nach innen
wahrscheinlich in die centrale Höhle. Selbstständige Häute hat er
nicht dargestellt, und zudem widersprechen sich die Befunde der
aui verschiedene Weise hergestellten Präparate. Man kann aus
seinen Zeichnungen jedoch schliessen, dass das Zottengewebe aus
Stoffen bestehe, die in Chromsäure und Holzessig ungleichmässig
quellen und schrumpfen, sodass die Reagentien zur Verdeutlichung vor-
handener oder zur Entstehung neuer Höhlen Veranlassung geben.|
Meissner und Donders schliessen aus der scharfen Ab-
grenzung, welche die centrale Zottenhöhle gegen ihre Umgebung
darbietet,, auf Anwesenheit einer strukturlosen Haut, welche den
Hohlraum der Zotte umgrenzt. ' '
Die Zotten des Vogeldarms enthalten in ihrem centralen Raume
ein oder mehre Reihen paralleler, vom Zottengruud gegen die Zotr
tenspitze aufsteigender Gefässe. Nahe an der freien Oberfläche der
Zotte biegen die zu einem Bündel gehörigen Gefässe ineinander . um,
und auch auf ihrem Wege durch die Zotte anastomosiren sie. Aus
einem jeden dieser Bündel, die also aus der Centralhöhle der
Zotte hervorkommen , dringt ein Gefäss in das 1 ’nterschleimliaut-
gewebe und von dort durch die Muskelhaut des Darms, wo dasselbe
die ersten Klappen empfängt. Hyrtl, der diese auf Injektionen
gestützte Angabe macht, theilt den Gcfässen überall eine eigne Ilaat
zu, sodqgs also die in der Zottenhöhle gelegenen Lymphräume scharf
abgegrenzt sind gegen ein etwa vorhandenes Lückenwerk im jen-
Bau der Lymphwurzeln in der Haut, Lunge ctc.
569
seifigen Schleimbäutgewebe. Dieser Behauptung wlirde man bei-
pfliehten müssen, wenn sieh erweisen Hess, dass die peripherischen
Oeffnnngen, welche im Zottenraum vorausgesetzt werden, sieh ebenso
leicht öffnen gegen einen Druck, der von innen nach aussen wirkt,
wie gegen einen solchen von entgegengesetzter Richtung. Ohne
dies können Injektionspräparate für die Controversen nichts ent-
scheiden.
An andern nicht zum Darm gehörigen Oertliehkeitcn ist von
den Lymphwurzeln Folgendes bekannt. Werden die Lymphgefässe
von den Organen her (der Haut, den Drüsen u. s. w.) in jizirt f so
sieht man das, was man seinem Bau nach für ein unzweifelhaftes
Lymphgefäss ansehen muss, aus einem sehr reichlichen von* rela-
tiv weiten Rohren gebildeten Netz hervorkommen. Die Zweige
jenes Netzes sind scharf begrenzt und daraus vermuthet man, dass
sie schon mit selbstständigen Wänden begabt sind; Klappen sind
in den Netzen noeh nicht beschrieben worden ; wären keine vor-
handen, so würden jene Präparate mit hoher Wahrscheinlichkeit die
letzten Enden der Lymphwurzeln darstellen (IIaase,Lauth, Foh-
mann, Hyrtl).
•
Um »ich ein Urtheil Über den Bau der Lymphwurzeln zu verschaffen, sind mehre
Methoden angewendet. 1. Von der Darmschleirahaut wählt man £>lche Stücke zur
mikroskopischen Untersuchung aus, die sich während des Lebens mit feinen Fett-
tröpfchen gefüllt haben , vermöge einer von der Darmhöhle aus stattfindenden .Re-
sorption. Solche Stücke kann man durch einen von Brücke angegebenen Kunstgriff
durchsichtig machen. Insofern sie eine natürliche Injektion, und zwar eine solche, die
von der Peripherie her unternommen wurden, darstcllen , und insofern die gewonnenen
Präparate im frischen Zustande mit jeder möglichen Vcrgröasorung untersucht werden
können , geben sie auch den vollkommensten Aufschluss. — Mit der Lyinphinjektidn
hat man häufig verwechselt eine solche der Blutgefässcapillaren, welche, wie diess
öfter vorkommt, mit kleinen kugeligen, dem erstarrten Fett ähnlich sehenden Körpcr-
chon (Leucinkugcln r) gefüllt sind. Man darf also nur solche Gefnsse für Lvmphwur-
xeln halten, welche sich in ein deutliches klappcutragendes Lymphgefäss fortsetzen. —
2. Feine Durchschnitte der frischen und der mit Chromsäuro oder Holzessig behandel-
ten mit resobirtem Fett gefüllten Darinschlcimliaut hat lieidenhai« benutzt, um aus
der sichtbaren Anordnung der Elcnientartheilc auf die Lymphwurzeln zu schlossen. —
3. In die grossem ciuer Injektion» wunde zugänglichen Lymphgefussc spritzt man Queck-
silber (II aase, Luuth) oder künstlich erhärtbare Massen (Hyrtl) ein, und zwar in
der Richtung von dem Stamme zu den Wurzeln; den Widerstand der Klappen über-
windet man durch einen örtlichon Druck auf die schon angefüllten Lymphstucke. —
•I. ln die gerissenen Maschen des Bindegewebes hat man Quecksilber (Fohinann)
oder gerinnende Massen (Hyrtl) cingespritzt; die in jene künstlich gebildeten Hohlen
mündenden Lymphgefässe werden durch die dahin gespritzte Masse angefüllt. — Andere
irt direkte Beweismittel werden ifh Verlauf der Darstellung noch zur Sprache kommen
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570
Bau der Lvmphdraeeii.
Ueber die Stellung der Bluteapillaren zu den Lymphwurzeln
ist vom Darm ber bekannt, dass die erstem unmittelbar an das
von B rücke beschriebene Lückensystem grenzen. Billroth giebt
nach einem allerdings zweifelhaftem Bild ein ähnliches Verhalten
fUr die Lymphgefässe des menschlichen Präputiums an, wie es
Brücke auch im Unterhautscbleimgewebe des Kaninchens beob-
achtete; hier werden nämlich die blutfllhrenden Gefässe von den
lymphatischen scheidenartig umgeben.
Die Lymphdrüsen scheidet man in einfache und zusam-
mengesetzte. Die einfachen Lymphdrüsen (zerstreute Follikel, so-
litäre Bälge) sind stecknadelkopfgrosse , kugel-, spindel-, linsen-
förmige u. s. w. Körnchen, die aus einem Gerüst, Zellenhäufchen
und Blutgefässen bestehen; das Gerüst ist aus Bindegewebe und
zuweilen aus Muskelzellen dargestellt; an der Peripherie des soli-
tären Korns bildet das Bindegewebe eine mehr weniger diehtrna-
sehige Kapsel, von welcher durch den von ihr umschlossenen llohk
raum nach allen Richtungen hin Fasern ausstralilen , die die letz-
tem in kleine mikroskopische Abteilungen bringen, welche in viel-
facher Verbindung untereinander stehen. In die Lücken dieses
Fasemetzes sind die Lymphkürperchen gelagert und auf den Bälk-
chen selbst verzweigt sich ein Netz capillarer Blutgefässe. — Wenn
mehrere' solcher einfachen Bälge von einer gemeinsamen Bindege-
webshülle, die dann meist auch Muskel zollen enthält, umfasst
werden , so entsteht eine zusammengesetzte ’Lympbdrüse. In einer
solchen zusammengesetzten Drüse sind jedoch die einzelnen Fol-
likel nicht scharf von einander getrennt, ihre Hohlräume stehen
vielmehr in offener Verbindung, weil die von der gemeinschaftlichen
Hülle ausgehenden, die einzelnen Follikel trennenden Scheidewände
selbst nur «aus netzförmigem Bindegewebe und zuweilen auch aus
Muskelzellcn bestehen.
Das Verhalten der beschriebenen Drüsen zu den Lymphgefäs-
sen ist nur bei den zusammengesetzten klar. Gelangt ein Lymph-
stamm in die "Nähe einer solchen Drüse, so spaltet er sich mehr-
fach in feine, aber noch mit unbewaffnetem Auge sichtbare Aeste,
welche die Capsel durchbrechen, sodass je einer in die Höhle eines
oberflächlich liegenden Korns einmündet. Führt die durch die le-
bende Drüse strömende Lymphe viel Fett, oder einen ihr beige-
braebten feinkörnigen Farbstoff, so sieht man, vorausgesetzt, dass
kein besonderes ätromhemmniss besteht, die Flüssigkeit am Umfang
je eines Follikels sich herbewegen, während der in der Mitte des-
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Bau der Lyraphdriisen.
571
»eiben gelegene Zellenbaufon farbstofffrei und durchsichtig bleibt;
auch geht die Flüssigkeit schon eher in die abführenden Lymph-
gefässe Uber, bevor sie sich merklich über den Theil der Drüse
verbreitet hat, welche aus andern Lympbstüinmchen versorgt wird.
Setzt man dem Strom ein Hemmnis» entgegen, z. B. durch Verschluss
de» ausfiUhrenden (fefässes, so verbreitet sich jetzt die gefärbte
Flüssigkeit weithin durch die angrenzenden Follikel und geht zu-
gleich zwischen die Zellenhaufen. Aber in allen Fällen bewegt sie
sich gegen deu ausfuhrenden Stamm, niemals aber in die einfüh-
renden Gefässe der angrenzenden Follikel, selbst wenn diese leer
sind, und zwar darum nicht, weil hier immer Klappen vorhanden
sind. Die ausfuhrenden Gefässe aber treten aus der Seite der Drüse
hervor, welche deu Einmündungsorten der einführenden Gefässe
entgegengesetzt ist; die Vasa efferentia bilden unmittelbar an ihrem
Ursprung ein vielfach zusammenhängendes Geliecht, aus welchem
sich endlich wieder ein Gefässstamm hervorbildet.
Als man sich überzeugt hatte, dass die einzelnen oder gehäuft
stehenden Drüsenbälge, welche in der Milz, Thymus, Mund-, Rachen-,
Magen-, Darmschleimhaut Vorkommen, ihrem Bau nach mit den
einzelnen Körnern der zusammengesetzten Lymphdrüscn Uberein-
stimmten, war man geneigt, auch sie für Einlagerungen in die
Lymphgefässe zu halten. Diese Unterstellung schien -bestätigt zu
werden durch die Erfahrung, dass in den Follikeln der l’eyersehen
Drüsen während der Verdauung Chylus gefunden wurde (d. h. eine
dem Inhalt der Lymphgefässe in der Schleimhaut des verdauenden
Darmes ähnliche Flüssigkeit) und ferner, dass eine in die Dannfol-
likel eingespritzte Masse -sehr leicht einen Weg in die Lymphgo»
fasse findet (Brücke). Weil man aber meist gar kein znführen-
des Geftiss auffinden konnte, so erschien es auch nicht unmöglich,
dass ein solcher Follikel den Anfang eines Lymphgefässe» darstellcn
könnte (Donders). Diese Thatsachen genügen jodoch nicht, um
die Annahme als eine vollkommen gesicherte zu betrachten, welche
behauptet, dass die Follikel überall und namentlich auch ausser-
halb des Darmes erweiterte mit Zellen gefüllte Lymphgefässe dar-
stellen. • • -
Die Lymphgefässe, welche als Leitungsröhren aus den Wur-
zeln hervorgehen, besitzen eine strukturlose elastische Wand, die
auf ihrer innem Fläche mit einer Schicht von Deckzellen, auf ihrer
äussern aber mit Fascrzellen belegt ist; an diese schlicsst sich strei-
figes Bindegewebe an. Die .Faserzellen müssen unzweifelhaft zuni
572
ZusammeiMeUuftg der Lymphe.
Muskelgewebe gerechnet werden, da es gelingt, durch elektrische
Schlüge den Durchmesser der mit ihnen • behafteten Lymphgcfässc
zu verkleinern. Die Dicke der Wand ist im Verhäkniss zur Weite
des Lumens zwar immer gering; sie nimmt jedoch mit dem stei-
genden Durchmesser dieses letzteren zu. Die in die Gefässhöblen
ragenden Klappen sind aus elastischem Bindegewebe gebaut, dessen
freie Oberfläche mit Deckzellen belegt ist. — Die Anordnung der
Höhlung in den Lymphstämmen kann als bekannt vorausgesetzt
werden. Im Allgemeinen scheint die Gcsainmtsumme der lumina
von den Wurzeln gegen die Stämme beträchtlich abzttnehmen. Wegen
der grossen Dehnbarkeit der Wandung kann der Durchmesser des-
selben Gefdsscs sehr veränderlich sein.
Aus verschiedenen Organen und Geweben gehen sehr ungleiche
Mengen von Lymphgcfüssen hervor. Vorzugsweise reichlich gehen
sie aus Bindegewebsräumen oder saftreichen Drttsen hervor (Leber,
Milz, Leder- und Schleimhaut), sparsamer scheinen sie aus den
Muskeln zu kommen.
2. Lymphe*). Da sich in den duetus thoracicns auch der
ans der Auflösung der Speisen resultirende Saft ergicsst, so bleibt
einstweilen die Betrachtung seines Inhaltes ausgeschlossen ; die fol-
genden Bemerkungen beziehen sich also nur auf die Flüssigkeit;
welche in den Gefttssen des Kopfes, Halses und der Extremitäten
eingcschlossen ist.
Die Lymphe ist ein Gemenge aufgeschwemmter und (lässiger
Stoffe; je nach dem Verhültniss dieser Bestandteile ist sie mil-
chig, trttb oder wasserhell.
• Die aufgeschwemraten Theilchen sind Molekularkörnchen, Kerne,
grössere oder kleinere kernhaltige Zellen (weisse Blut- und Lymph-
körperchen) und gefärbte Blutkörperchen, welche nach Gubler
und Que venne in der menschlichen Lymphe kleiner als die des
Blutes sind; beim Hunde fehlen in der Ualslvmphe zuweilen die
gefärbten Scheiben ganz (Krause). Die Haut, die diesen Gebil-
den und namentlich den zuerst erwähnten zukommt, besteht aus
giner in Essigsäure löslichen Eiweissart; ihr Inhalt ist, teilweise
wenigstens, nantcdtlich in den Molekularkörnchen, ein fetthaltiger. —
•) II. Nauru, Handwörterbuch der Phyaioloprie. 11. 363. — Her bat, Da« Lyinphfcflaaiyatena
und »eine Verrichtung:. — Gabler und Queren ne, Gazette ujöd. 185-1. 17. Jnln et »q. —
W. Knute, Heule'» und Pfeufcr*» Zeitnohrift. N. F. — P o I s e u I II e und J»e f or t, Compt.
rund. 46 Bd. «77. — Wilrlx, ibidem. 41) Bd. 4M. — Frertch» und Stacdeler, Müller'» Archiv
18'*«. Colin, Traltö de phyalolugie rompor. IHM. 11. Bd. — Scherer, Dessen Jahresbericht
übet; phvaiol. ChemlrWür 1*67. •
Zusammensetzung der Lymphe; Faserstoff, Fette.
573
Die Flüssigkeit bat behufs "der chemischen Analyse noch nicht von
deir aufgeschwemmten Theilen geschieden werden können. Ihre
Zusammensetzung kann darum nur erschlossen werden aus der.
Untersuchung der Geaammtlymphe. Diese enthält: a. meistentheils,
jedoch nicht immer Faserstoff und zwar in aufgelöster Form; nach
der Entleernng der Lymphe gerinnt derselbe und giebt, indem er
die aufgeschwemmten Bestandteile einschliesst, Veranlassung zur
Entstehung eines sehr lockeren, wenig zusammenhängenden Kuchens.
Der Faserstoff der Lymphe und der des venösen Blutes stimmen
in ihren Eigenschaften tibercin (Lehmann). Die Zeit, in welcher
die Lymphe nach der Entleernng gerinnt, ist verschieden von we-
nigen Minuten bis zu mehreren Stunden; in seltenen Fällen erfolgt
auch innerhalb derselben Lymphe die Gerinnung in mehreren weit
von einander eutfernt liegenden Zeitpunkten. — Die Bedingun-
gen, unter (lenen der Faserst*»!!' fehlt, liegen weder in der Blutbe-
schaffenheit des lymphgebenden Thicres, noch auch in der Ge-
schwindigkeit, mit der dieser Saft gebildet wird. Allerdings ent-
hält häufiger die reichlich ausflicsscnde Lymphe ein geringes oder
auch gar kein Gerinnsel, zuweilen aber ist auch die sparsam ab-
gesonderte faserstofffrei (Colin, C. Ludwig). Die aus demselben
Gefäss ansströmendc Flüssigkeit ist wechselnd (von Stunde zu
Stunde) bald faserstofffrei und bald faserstoff haltig; ebenso ist zu-
weilen voii zwei Portionen, die gleichzeitig aus den beiderseitigen
Halsstämmen mit ungefähr gleicher Geschwindigkeit hervorkommen,
die eine schwach oder gar nicht, die andere stark geronnen
(Thomsa, C. Ludwig). — b. Albuminnatron , welches nach Neu-
tralisation der alkal. Lymphe in geringer Menge ansfällt. — c. Al-
bumin, welches bei Kochen der vrftgängig- neutral iskten Lymphe
hcrausfällt. — d. Fette, und zwar ölige, feste, krystallisirbare und
verseifte. — e. Traubenzucker; von Guhl er und Qu« venne zu-
erst nachgewiesen. In der ans dem I laisstamm des Hundes ergos-
senen Flüssigkeit ist er ein nie fehlender Bcstandtheil, selbst wenn
er im Blute nicht nachgewiesen werden kann (Krause, l’oi-
seuille, Lefort).
lieber die Menge des Lymphzuckers, und Bein Verhältnis» zum Zucker des illuts
und des Chylus geben Foiseuille und Lefort folgende Zusammenstellung für
100 Theile. Die Zahlen bedeuten Zucker in Grammen:
574 Mischung der Lymphe; Zucker, Harnstoff etc.
urUriolk** Blot, |
Inhalt de»
dort, thornden»!
lUUjmpht.
Hund zu Kode der Verdauung.
Spuren
0,10»
0,166
Pferd 1
0,009
0,222
0,142
Kuh 1
0,055
o.oos
0,098
> Während der Verdauung.
Mesenterial-
lyrnphe.
1
Kuh 1
0,0 14
O.ISti
-
Stier 1
0,073
1 0,123
0,268
f. Harnstoff fand Würtz beständig in der Lymphe.
Die folgende Tabelle giebt den proscentischen Harnstoffgehalt an.
Fütterung.
Blut,
vJhyiu«.
Lymphe.
Htmd
Fleisch
0,0ff9
1 j
0.016
Derselbe
1
— 1
i 0,018
— .
Kuh
Trockner Klee .
0,019
0,019
0,019
Stier
Klee. Rapskuchen
—
0,019
0,021
Widder
gewöhnliches Futter
0,025
0,028
—
Pferd
„ „ nach
awei Versuchen
0,012
— g. Aus den Lymphdrlisen gewann Staedeler und Pr er ich«
Leucin, aber kein Tyrosin, nach dem sie suchten. Vielleicht enthält
also auch die Lymphe den ersteren Körper. — h. Extrakte von un-
bekannter Zusammensetzung. Die in ältern Beobachtungen aufge-
führten dürften wesentlich aus Albuminuatron bestanden haben (Gei-
ger). — i. Unorganische Bestandteile, und zwar Ämmoniaksalze,
Chlornatrium und Cldorkaliuni, phosphorsaure , Schwefelsäure, koh-
lensaure Alkalien,* di^se jedach nicht immer (Scherer), Eisen-
oxyd und Wasser.
Die Variationen der Zusammensetzung nach Zeit und Ort sind
noch wenig bekannt. Die Moleknlarkörnchen sollen vorzugsweise
in den Lymphgefässen vor ihrem Eintritt in die Drüsen bei fetten
Individuen oder auch einige Zeit nach einer reichlichen Mahlzeit
Vorkommen; ich habe sie nie beobachtet. — Die Lvinphkörperchen
treten in den Uefässen jenseits der Drüsen viel reichlicher auf als
diesseits derselben; demnach ist jedenfalls die grösste Menge der-
selben aus den Drüsen abzuleitcn (Brücke). Die sparsamen Kör-
perchen, die man in der Lymphe vor dem Durchgang durch die
grössern Drüsen findet (Köiliker), könnte man ableitcrt aus den
häufig verkommenden zerstreuten Follikeln, vorausgesetzt, dass ihre
r- •
1
Die Lymphkürperchen kommen aus den Drtinen. 575
Verbindung mit den Lymphgefdssen erwiesen wäre. Da aber auch
in der Gefässwand Zellenbildung statHinden kann, so wären auch
noch andere Quellen derselben möglich. Blutkörperchen, die immer
sparsam vorhanden sind, trifft man in der Milz- und Ilalslymphe
an (Nasse, Herbst), und zwar vorzugsweise, wenn ein Theil
der Drüsen, aus denen der Halsstamm hervorgcht; durchweg roth
gefärbt ist ln diesen Fällen liegt der Verdacht einer Extravasation
aus den Blutgefässen nahe (Krause). — Der Gehalt der Lymphe
hungernder Thierc soll reicher an Eiwciss und dafür ärmer an
^ Wasser sein als der, gefütterter (?) (Chevreul, L’hcritier und
Ginelin). Die Beobachtungen zur Begründung der letzteren Be-
hauptung sind allerdings insofern nicht vollkommen vergleichbar,
da die beiden ersteren Chemiker ihr Objekt aus dem ductus tho-
racicus eines hungernden Hundes und Menschen, der letztere sic
aus dem Lendengeflecht des hungernden Pferdes nahm. — Krause
bestätigt am Hunde, dass ein und dasselbe Thier unmittelbar und
in den ersten Stunden nach der Mahlzeit eine um mehrere Prozente
•
verdünntere Lymphe ansgiebt, als nach 24stündigem Hungern. Aber
auch bei nüchternen Thieren wechselt der Rückstand bis zu meh-
reren Prozenten. Die Zunahme derselben steht auch in keiner
Beziehung zur Geschwindigkeit der Absonderung; die letztere kann
von sehr geringen zu sehr beträchtlichen Werthen anwachseu, ohne
dass sieh der Gehalt an festen Stoffen ändert.
Quantitative Zerlegungen der menschlichen Lymphe gaben Que-
venne (I, n) und Scherer (111). Danach enthalten 100 Thüle:
I.
II.
III.
Fibrin und Körperchen . .
0,056
0,063
0,037
Fett
0,382
0,920
Albuminnatron mit 0,01 pCt. i
3CaOPOs . . . . j
4,275
4,280
, 3,472
Alkoholextrakt . . . . >
0,390
Zucker )
0,570
0,050 '
NaOCl |
0,730
0,640 ;
| 0,73
2 N aOPOs und NaOCO-i j
0,180 !
Wasser
93,987
93,477
95,76
Nach W. Krause schwankt bei einem und demselben und
bei verschiedenen Hunden der prozentische Gehalt der Lymphe an
festen Bestandteilen überhaupt zwischen 2,8 bis 5,0 und der uu-
QigitizecLby Google
576
Die Lymphbildung begünstigt durch Bewegungen , Opium.
organischen zwischen 0,66 und 0,44. Die an festem Rückstand
reichste Lymphe ftihrt keineswegs immer die meisten Salze.
Ausser*) diesen gewöhnlichen Bestandteilen kommen auch zahlreiche andere in
der Lymphe vor; es scheint, als ob alle in der Flüssigkeit des Bindegewebes auflös-
lichen Stoffe in ihr erscheinen könnten ; namentlich ist es festgestellt, dass narkotische
Gifte, was man lungere Zeit unter dem Einflüsse von Emmert läugnete, in die
Lymphe übergehen (Bise hoff). Siehe hierüber CI. Bernard 1. c.
3. Die Geschwindigkeit**), mit welcher die Lymphe ans
dem Halsstainm des Hundes ausHiesst, ist bei verschiedenen Hunden
uuter scheinbar denselben Umständen eine sehr verschiedene. Bei
einem '['hier kann man in kurzer Zeit grössere Mengen, bei anderen
selbst während einer tagelang fortgesetzten Beobachtung nur wenige
Grammen sammeln. Es hat den Anschein, als ob dieser Unter-
schied in ursprünglichen Einrichtungen, in der sogenannten Con-
stitution begründet wäre. Junge lebhafte muskelkräftige. Hunde mit
straffer Haut geben fast regelmässig mehr Lymphe als träge, fette,
alte mit schlaffer Haut.
Aber auch an demselben Thier ist die Geschwindigkeit, mit
welcher die Lymphe austliesst, je nach besonderen Bedingungen
eine sehr verschiedene; mit anderen Worten, es sind die letzteren
von einer sehr ungleichen Wirkung. Namentlich scheint es nicht allzn
gewagt, dieselbe nach ihrer auf den J.yinphstrom wirkenden Kraft
in zwei grosse Gruppen zu bringen; eine Reihe von willkührlich
einzuführenden Umstände ist nämlich nur befähigt, deu schon vor
ihrer Anwesenheit vorhandenen Lymphstrnm zu verstärken, keines-
wegs aber im .Stande, ihn zu erzeugen, wenn er fehlt; aber auch die
verstärkende Eigenschaft kommt ihnen nicht immer zu. Die andere
Reibe kann dagegen den ganz fehlenden Strom auch hervorrufen.
Zu den ersteren, die wir die begünstigenden nennen wollen,
gehören: a. Bewegungen der Gesichts- und der Halsmuskeln (Co-
lin, Schwan da). — b. die Einspritzung von soviel Opiumtinktur
in die Venen, dass dadurch ein vorübergehender Krampf mit dar-
auffolgender tiefer Narkose erzeugt wird. Schon während des
Krampfs beginnt die Lymphe verstärkt zu fliessen, aber dieser stär-
kere Strom dauert auch noch während des tiefen Schlafes bei voll-
kommener Muskelruhe fort, namentlich wenn die Haut des Kopfes
•) llenle'a and Pf.ufur-» Zcitechrlll. I. 35. — IV.Ild. 03.— V. Bd. *03. — Ztlbchrifl für
pliyslol. Uoilkunde. XI. U«l. 23. — «FrSükel. I)e rcnorpt. vssor. lyrnphnüc. Berlin 1947. — CI.
Bernanl. l/^oni nur las liqnlde* de l'orptnlstm' 1859. 11. 4U9.
••) Kraute, II «nie ’s und Ffeufer’s Zeitschrift N. F. VII. Md. — Schwunds, Wiener
med. WncTirnnrhrifl 1x88. m
i ■» -i.
□iqitb :d by Gonjl
Koinng und Durfhsohneidnng d«r Htm« , Entleerung, Oedem.
577
sich geröthet hat. Der vermehrte Ausfluss dauert meist eine Stunde
und mehr; er mindert sich jedoch noch während der Narkose
auf das Maass, welches vor der letztem bestand (C. Ludwig,
Schwanda). -je. Tetanisirende Reizungen des wohlisolirten n. fa-
eialis unmittelbar nach seinem Austritt aus dem for. stylomastoideum
mehren den vorhandenen Strom, selbst dann, wenn dabei die Mus-
keln des Gesichts in Tetanus übergehen, sodass also das Gesicht
während der Reizungsdauer unbeweglich bleibt. Zuw'eilen kommt
es vor, dass mit der Schliessung der tetanisirenden Vorrichtung der
Lymphstrom beginnt und mit dem Ende der Reizung plötzlich auf-
hört (Schwanda). — d. Schmerzhafte, Geschrei und Kopfbewegung
veranlassende Reiznngen der Kopf- und Mundhaut wirken ähnlich
(Kra use). — e. Ebenso Durchschneidung des n. sympathicus am
Halse (Thomsa, C. Ludwig). — f. Ein öfter wiederholter Druck
auf den Verlauf der Wurzeln und Stämme, welche sieh in das Hals-
gefäss ergiessen, namentlich wenn dieser soweit getrieben wird,
dass sich jene zuflussgebenden Röhren entleeren, kann die Menge
der ausfliessenden Lymphe sehr mehren; jedesmal wenn die Ent-
leerung stattgefunden, füllt sich das ganze System rasch wieder, so-
dass es bis zu einem gewissen Grad in der Hand des Beobachters
liegt, wie viel Lymphe er gewinnen will (Schwanda, Krause).
Zu den Umständen, welche den Lymphstrom im Halsstnmm
dauernd und regelmässig verstärken, und ihn auch , wenn er vorher
nicht vorhanden, wach rufen, gehört die Bildung eines Oedems in
der Gesichtshaut. Umschliesst man die Sehuautze mit einem festen
Band undschwilltin Folge dessen die Oberlippe auf, so fliesst , wenn
man das Band lösst, die Lymphe reichlich; dabei nimmt die Lip-
penanschwellung ab , jedoch nur. sehr allmählig , und es dauert der
vermehrte Strom oft lange Zeit. .
Ohne merklichen Einfluss auf den Gang |des Abfliessens ist
dagegen die Unterbindung der Carotiden (Krause), ferner die
Unterbindung der blossgelegten grossen Halsdrüse, aus welcher
der Lymphstamm hervorgeht (C. Ludwig) und endlich' ist es gleich-
gültig, ob das Thier zum letzten mal vor 24 oder vor wenigen oder
vor einer Stunde gefüttert wurde.
Die folgenden Zahlen sind aus Beobachtungen abgeleitet, die mindestens t;4, öfter
aber auch mehrere Stunden dauerten. Sie sind von Krause, Schwanda, Thomsa
und C. Ludwig gefunden. Die Methode des Aufsaugcns beschreiben Krause und
Schwand« l. c.
Ludwig, Physiologie 11. 2. Auflage. 3 1
l
■etgttfrMlby Google
578
Umfang der Absonderung.
Kammer d.
Hundes.
Mittlere* Lyinphmenge In
1 Minute aus d. Orfiu.
Kocht*. 1 Link».
1 \
| Gewicht de» j
j halben Kopfes j
.-r^
Lymphmenge (Br 1 Kilo
1 Kopf in 94 Stunden.
Rechts. | Links. |
Be-
merkungen.
I
] 0,272 Gr.
| 0,392
| 0,965 Kilo
| 405,6 Gr.
5g5,0 Gr.
Ausstrei-
II
1 0,227 „
0,349
1,290 „
i 259,6 „
387,0 „
chon der Ge-
111
0,292 „
0,389
! 1,025 „
414,0 „
539,5 „
füssstämme.
’
0,217
Bestreichen des Gesichts.
IV"
|
0,172
Üurchschncidung d. Synip. ohne Bestreichen.
0,200
Narkose.
r 0,695
0,U9
Bestreichen des Gesichts.
| 0,031
0,041
Vagus links durchschnitten.
v.
0,020
0,029
Dasselbe.
I 0,034
0,025
Narkose.
k 0,069
0,040
Eröffnung d.
Oedem erzeugenden Schnur.
|
[ Oh«
—
Vor 22 Stunden das lotste Fressen.
VI. |
0,36
—
Während d. ersten 17 Minuten nach Opiumeinspritzg.
[ 0,11
—
Von 17—77
Minuten nach Opiuraeinspriümng.
, 0,015
—
Narkose.
VII.
1 0,050
—
Sympathie, durchschnitten.
0,062
—
Vagus derselben Seite durchschnitten.
[ 0,OS2
r—
Geöifnetes Oedem.
VIII. :
0,032
0,007
—
Seit 24 Stunden nüchtern '
Vor 1 Stunde gefüttert, j
1 da» Thier verharrt wahrend
[ d. ganzen Beobacht ungtuoit
[ in aufrechter Stellung mit
1 frei beweglichem Hals.
0,009
-
Während d. 3 folgend. Std. j
Die Menge der Lymphe, welche aus den untern Extremitäten
fliesst, ist wegen der zahlreichen Verbindungen, die die Stammchen
untereinander eiugehen, nicht sicher zu bestimmen. Oefter sieht
man aber aus den geöffneten Stämmen die Lymphe reichlich fliessen.
Aus einer Oeffnung, die sich in einem varikösen Lympbgefäss
des Schenkels einer Frau befand, sammelten Gubler und Que-
venne in der Stunde 120 Gran: Da der Strom aus der Oeff-
nung mit gleichförmiger Geschwindigkeit (zwei Tage hindurch) vor
sich ging, so betrug der 24stUndige Verlust, den das Individuum
an Lymphe erlitt, 2900 Gr„ eine Zahl, die sehr gross erscheint,
wenn man bedenkt, dass ausser dem angestochenen noch viele
andere Lymphgefässe , die allerdings mit diesen communizircn aus
dem Schenkel anfsteigen. In Uebereinstimmung mit dieser Beob-
achtung sind andere von Assalini und Müller. Da aber in allen
diesen Fällen Krankheiten der Lymphgefässe vorhanden waren, so
so darf mau sie nicht benutzen, um daraus den Umfang der ge-
sunden Lymphabschcidung abzuleiten. Wie gross dieser letztere
ist, danach auch nur zu fragen ist gegenwärtig nicht gerechtfertigt.
eft>y Google
Wie wnd wo entsteht die Lymphe.
579
4. Lymphbildung. Alle Lymphe bezieht ihr Material ans zwei
Orten ; der eine ist an den Wurzeln der Lymphgefässe und der
andere in den Drüsen gelegen; der erstere liefert, wie wir ver-
mnthen , alle oder mindestens den grössten Theil der Flüssigkeit,
der zweite die Körperchen.
Da der flüssige Antheil der Lymphe reichlicher strömt, wie so
eben dargethan wurde, wenn sich die Säfte, welche in den Ge-
weberänmen niedergelegt werden , mehren , so muss zwischen
der Bildung von Lymphe und von Gewebesaft eine gewisse
Beziehung bestehen. Diese könnte allerdings zunächst nur dadurch
begründet sein , dass zum Entstehen der beiden Flüssigkeiten ana-
loge Bedingungen nöthig sind ; der Zusammenhang kann aber mög-
licher Weise auch dadurch gegeben werden, dass das, was früher
Gewebesaft war, später Lymphe wird. Für diese zweite Alternative
scheint nun auch die schon angeführte Erfahrung zu sprechen, dass
in Folge eines reichlicheren Ausflusses von Lymphe ans solchen
Stämmen, welche ihre Wurzeln aus einer Gegend beziehen, die vom
Oedem befallen war, das letztere an Umfang abnimmt. Also scheint
die OedemfUissigkeit durch die Lymphgänge abzuttiessen. Zu dieser
Erfahrung gesellt sich bestätigend noch eine andere. Auf S. 424
wurde erwähnt, dass die Unterbindung des Ureters einer Niere, die
gerade in der Harnabsonderung begriffen war, ein beträchtliches
Oedem in der Fettkapsel jener Niere erzeugt. Ans diesem kann
man nun leicht eine sehr reine Oedemtlüssigkeit gewinnen , die je
nach der Gewinnungsart eine verschiedene Zusammensetzung zu
besitzen scheint. Tödtet man, nachdem die Oedembildung voraus-
sichtlich schon weit fortgeschritten, das Thier durch Verblutung, rei-
nigt dann mit Fliesspapier möglichst sorgfältig die Oberfläche der
GeschwutotJehneidet nun die ausgedehnten Maschen ein und fängt
dann in offschälchen die aussickernde Flüssigkeit auf, so erhält
man einen wasserhellen Saft, der gänzlich frei von Lymphkörper-
chen ist, der aber ähnlich gerinnt wie die Lymphe und der einen
in Wasser löslichen Stoff enthält, welcher das CuO rednzirt; dieser
letztere Stoff ist dem Anscheine nach mindestens in derselben Menge
im Oedemsaft enthalten, in welcher der Traubenzucker in der Lymphe
vorkommt; denn es genügen in beiden Fällen wenige Tropfen des
Ausgeflossenen zur Erzeugung einer merklichen Keduction. Daraus
geht also hervor, dass die Flüssigkeiten in dem Oedem und in
den Lymphgefässen einige Eigenschaften mit einander gemein
haben.
37*
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580
Antbtiil der Urflunn ul der Lymphbildung.
Wäre der »o eben als wahrscheinlich hinge« teilte Zusammen-
hang wirklich erwiesen, so würde sieh die Frage erheben, wie und
wann kommt die Entstehung des tiewebeBaftes zu Stande und wie
dringt er aus den Gewcbsräuuien in die Lymphwurzeln. — Da
nun bekanntlich die aus Bindegewebe geformten Organe i Klema-
tis anschwellen, wenn sich ein Hemmniss in dem Strom der Ve-
nen einfindet, welche *das Blut aus der angeschwollenen Kegion
abftihren, und da sich damit auch die Spannung des Bluts in den
betreffenden Capillaren steigert, so ist man geneigt, diese letztere
als die Ursache des Oedems anzusehen. Diese Annahme ist aller-
dings nicht ohne Weiteres verwerflich, aber es ist doch auch be-
denklich, sie ohne Weiteres anzunehmen, so lange mit ihr nicht
erklärt werden kann , warum die chemische Zusammensetzung der
m die Gewebsräume filtrirten Flüssigkeit so sehr von der der Blut-
flüssigkeit abweicht. — Das Wie und Warum die OedemfiUssigkeit
in die Anfänge der Lymphgefässe übergebt, ist so lange keiner
Diskussion fähig, als die Anatomie der genannten Gebilde noch itn
Dunkeln liegt.
Selbstverständlich scbliesst die Annahme, dass die Lymphe aus
der durch Filtration entstandenen OedemfiUssigkeit hervorgebt, an-
dere nicht aus, aber es giebt für dieselbe noch weniger Gründe,
als für die Oedemhypothese. Siehe hierüber die erste Auflage
dieses Lehrbuchs U. 371.
Nach einer verbreiteten Annahme soll die Lymphe, indem sie
durch die Drüsen geht, verändert werden ; dieses wäre auf mehrere
Arten möglich. In den Hohlräumen der letzteren kommt die Drüse
noch einmal mit Blutgefässen und festsitzenden Zellenhaufen in Be-
rührung; der Inhalt der erstem ist jedenfalls und der der letztem
wahrscheinlich anders zusammengesetzt als die LympfcBMd darum
ist die Bedingung für einen endosmotischen Austausch ge^K:n. Beim
raschen Lymphstrom ist er wohl wegen der kurzen Beruh rungseeit
der betreffenden Säfte von sehr untergeordneter Bedeutung. — In-
sofern die weiteren Lymphgefässe sich in der Drüse noch einmal
in feinere Gefasse auflösen, und die in den Drüsenraum eingedrun-
gene Lymphe sich auch zwischen die Zellenhaufen ergiesst, können
feste, in ihr aufgeschwemmte Körperchen dort zurückgehalten wer-
den. So findet man z. B. Zinnoberkörnchen in den AchseldrUsen,
wenn an dem Vorderarm vor Jahren Tätowirungen vorgenonunen
wurden. In gesunden Verhältnissen scheint jedoch nur selten Ver-
anlassung zur Filterwirkung der Drüsen gegeben zu sein, da fein-
Mechanik des Lymphnjroms.
581
körnige Fette erfahrnngsgemäss sehr leicht durch die letzteren hin-
dmrcbgehen. Vielleicht ist es in Krankheiten anders. — Endlich
bersten die in den Drllsenranm hineinhängenden Blutgefässe sehr
leicht; darum sieht man sehr oft eine bis dahin farblos ansflies-
sende blntscheibenfreie Lymphe einen Stich in das Rothe annehmen ;
legt man nun die Drtlse bloss, so ist sie an dem einen oder andern
Theil durch und durch roth gefärbt.
Die Körperchen, welche die Lymphe aufgeschwemmt enthält,
werden ihr, wenn nicht auschliesslich, so doch jedenfalls zum grössten
Theil erst in der Drüse beigemengt. Dieses geht aus den auf S. 574
mitgetheilten Beobachtungen hervor. Mit der Feststellung dieser
Thatsache sind allerdings die älteren anatomischen Angaben- Uber
die Entstehung der Lymphkörperchen beseitigt, die von der Vor-
aussetzung ausgingen, dass sich die letzteren frei schwimmend in
der Lymphflüssigkeit selbst bildeten, aber es ist damit noch nicht
ihre wahre Formfolge aufgedeckt. Die meisten Anatomen scheinen
sich die Annahme zuzuneigen, dass sich die neuen Körperchen
durch Theilung der schon vorhandenen bilden. Als Hindeutungen
auf diese Entstehungsart sieht man es an, dass die Kerne derLymph-
zellen öfter zwei und mehrere Kernkörperchen enthalten, dass die
Kerne öfters von der Seite her eingebuchtet sind, als wollteu sie
sich spalten und andere ähnliche Erscheinungen von ebenso geringer
Beweiskraft. — Ebenso allgemein sieht man die kleinere Gattung
von Lymphkörperchen als eine Vorstufe der Blutkörperchen an,
tfaeils weil neben merklichen Unähnlichkeiten doch anch gewisse
Aehnlichkciten in der Form und Grösse zwischen den beiden Zel-
lenarten hfMMteftails weil man keine andere Quelle der Blnt-
körperchei^H^^en weise.
5. Lymphstrom. Die Spannungen und Geschwindigkeiten, welche
der strömenden Lymphe zukommen, sind jedenfalls unbedeutend.
Für die Spannung der Lymphe hat dieses Noll erwiesen durch
das Manometer, welches er bei Hunden und Katzen in den Hals-
stamni einsetzte, ln diesen Versuchen schwankte die Spannung
zwischen 10 bis 30 MM. Wasserdruck. Die Giltigkeit dieses Ver-
haltens kann auch für den Lymphstrom des Menschen behauptet
werden, weil die Wandungen der Gefässe bei gleichem Durchmesser
ihres Lichten von einer ähnlichen Dicke sind, wie die des Hundes.
— Die Geschwindigkeit «des Lympbstromes muss schon darum un-
bedeutend sein, weil die langen und engen Gefässe, no'ch mehr
aber die Lymphdrtfsen , einen so grossen Widerstand einfUliren. Zu-
V
582 Triebkräfte des Stroms.
dem strömt im günstigsten Fall aus dem geöffneten Halsstamm des
Hundes die Flüssigkeit nur tropfenweise ab. — Die Richtung des
Stromes muss unter allen Umständen von den Wurzeln nach den
Venen gehen ; dieses ergiebt sieh ganz einfach aus der besonderen
Anordnung der Klappen, welche, bekanntlich in sehr kurzen Zwischen-
räumen aufeinander folgend, so gestellt sind, dass sie den .Strom
nur in der bezeichneten Richtung möglich machen. — Zu den Mit-
teln, welche die Spannung und llewegung der Lymphe unterhalten,
zählen , wie Noll nachgewiesen , jedenfalls die Respirationsbewe-
gungen und die Pressungen, welche die umliegenden Muskeln ge-
radezu oder auf Umwegen auf die Gefässe austiben. — Beide Ein-
flüsse wirken hier ganz in derselben Weise, wie diess ausführlich
beim Blntstrom besprochen wurde (pag. 142 u. f.): Ausserdem kann
nicht wohl bestritten werden, dass auch zeitweise die Muskeln in
der Wand des Lympbgefässes dem Inhalte eine Bewegung init-
theilen werden. Daneben steht aber auch fest, dass diese drei Um-
stände gewiss nicht die einzigen Triebfedern des Lymphstromes
darstellen. Denn cs besteht auch noch eine Lymphbewegung an
Orten, wo keine Muskeln, weder innerhalb noch jenseits der Mus-
kelwand, wirksam sein können, wie z. B. in den Lymphgefässen
der Knochen und in den Anfängen der Lymphgefässe mit muskel-
freien Wandungen; zudem ergiebt die Beobachtung der blossgeleg-
ten Lymphgefässe oder des in sie eingefiigten Manometers, dass
der Strom oft unter derselben Spannung lange Zeit hindurch an-
hält, ohne irgend welche sichtbare Veränderung in dem Durch-
messer des Gefässes oder ohne dass irgend welche Zusammenzie-
hung in den umgebenden Muskeln bemerklich ist. Endlich erfolgt
aber, wie aus den Beobachtungen von Stanniua™) hervorgeht,
auch noch die Lymphbewegung in todtenstarren Gliedern (?). Die
Respirationsbewegnng kann aber nicht Ursache des dauernden Stro-
mes sein, da sie selbst in der Nähe der KinmUndung des Gefässes
in die Vene nur sehr unbedeutende Spannungsverändernngen er-
zeugt und keinesfalls jenseits der Drüse hinwirkt; die mögliche Un-
abhängigkeit unseres Stromes von diesen Bewegungen wird aber
am besten durch, den bekannten Versuch erwiesen, dass ein Ge-
fä8S, wenn .es auch zugeschnürt ist, sieh zwischen den Wurzeln und
dem Unterbindungsfaden strotzehd anfüllt, obwohl sich durch die
unterbundene Stelle hindurch die Folgen der Respirationsbewegung
•) Archiv flir ptiyaiolog. Heilkunde. XI. 2.1.
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Zufuhr neuer Blutbcstnndtheile durch die Speisen.
583
gar nicht geltend machen können. — Nach allem Diesen liegt es
nahe, zu vermuthen, dass die Gewalt, welche die Flüssigkeit in die
Gefässe treibt, auch die Fortführung durch dieselben zu vermitteln
möge. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es nun bemerkenswert!!,
dass auch am todten Thierc, bevor der Inhalt der Gefässe geron-
nen , der Lymphstrom nntcrbalten werden kann , wenn man durch
Einspritzung von Wasser in die Blutgefässe eine wassersüchtige
Ansehwellung der Gewebe bewirkt-* und dass die Spannung, unter
der die Lymphe strömt, sich steigert mit der zunehmenden Anfül-
lung des Unterhautzellgewebes (Noll). — Noch mehr aber, dass
der Lymphstrom wenn nicht ganz aufhört, so doch wenigstens sehr
verlangsamt wird, wenn die Blutcirculation in der untern Extremi-
tät nahebei oder ganz unterdrückt ist (Bisehoff, Meder*).
Zufuhr neuer Blutbestandtheüe durch die. Speisen.
Der Verlust, den der thierische Körper an wägbaren Atomen
erleidet durch Ausscheidung von Ham, Koth, Dunst, Epithelial-
zellen, Hamen, Milch u. s. w., erfährt seine Ausgleichung durch
eine Aufnahme von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen. Da
wir bei der Athmung schon das Eindringen des Sauerstoffs be-
sprochen haben, so bleibt es uns hier noch übrig, den Gewinn an
festen und flüssigen Massen zu behandeln, welche durch den Darm-
kanal hindurch in das Blut eindringen.
A. Nalirungsbedürfniss**).
Eine Reihe von eigenthttmliehen Empfindlingen, die wir Hunger
und Durst nennen, bestimmt den Menschen Nahrung aufzunehmen.
1. Der Hunger drückt sich durch eine nagende oder drückende
Empfindung in der Magengegend aus; wenn sie einige Zeit be-
standen, so gesellt sich zu ihr eine unbehagliche, leidenschaftliche
Stimmung und der bestimmt ausgesprochene Wunsch nach fester
Nahrung.
Die Nerven, welche den Hnnger veranlassen, scheinen bei nie-
deren Graden desselben die sensiblen Magcnncrvcn zu sein. Bei
höhern Graden des Hungers scheinen sich dagegen an seiner Er-
zeugung auch die sensiblen Nerven des Dünn- und Dickdarms zu
% *) Meder in Meisuneni Jaltrcob. fllr 1858. p. 219.
*•) Volk tu a u n , Hiimlwortcrl.mh der Physiologie. FI. 588. — Longe t. Anatomie et phynlo-
logl«* du «yijtome nervenx. II. p :H7. — Moleachntt, Die Physiologie der NfthnmgvtnltTfel,
(ilewCi), 1859. 178. — Husch in Virchovr'u Archiv. XIV. 140.
Diqilized by Google
584
Hunger durch Erregung der Magen- und Dannnerven.
betheiligen, und vielleicht auch noch andere weit und zahlreich
durch den Organismus verbreitete Nervenmassen.
Für den Antheil der Nerven des Magens spricht die örtliche
in dem genannten Organ anftretende Empfindung, vorausgesetzt,
dass die Gefühle des Magens, gerade so .wie die aller übrigen
empfindenden Flächen nur ausgelösst werden durch die Nerven,
welche sich in ihnen verbreiten. Diese Annahme findet noch darin
ihre weitere Bestätigung, dass der schwach gradige Hunger durch
passende örtliche Einwirkungen auf den Magen gestillt werden
kann. So wird namentlich unmittelbar nach der Anfüllung des
Magens mit Speisen und insbesondere bevor die eingeführte Nah-
rung verdaut oder in merklicher Menge in das Blut aufgenommen
ist, der Hunger gestillt. Auch stellt sich häufig der Hunger nicht ein,
wenn die Absonderung aus der Magenschleimhaut verändert oder
die Anfüllung ihrer Blutgefässe jenseits eines gewissen Grades ge-
steigert ist, obwohl sonst noch so gute Gründe für seinen Eintritt
vorhanden sein mochten.
Der Versuch , mittelst Nervendurchschneidungen ins Klare zu kommen , scheint
bis dahin erfolglos geblieben zu sein. Es wurde allerdings Übereinstimmend festge-
stellt, dass Thiero, deren nn. vagi am Halse durchschnitten waren, unter Umständen
noch begierig die Vorgesetzte Speise verzehrten (Reid, Longet, Bidder u. A.),
und dass ebenso Katzen nach DurchBchneidung der nn. splanchnici noch fräsen (II aff-
te r, C. Ludwig); aber diese Beobachtungen widerlegen keinenfaUs die Annahme,
dass sich an die genannten Nerven die Hungerempfindung knüpfe , da noch mannigfal-
tige andere und namentlioh psychische Gründe Veranlassung zur Aufnahme der Speisen
geben können. Diesen letzteren müsste man cs allerdings Schuld geben , wenn den
speisesuchenden Thieren , wie es Longet ausführte, neben den nn. vagi auch noch
die Geschmacksnerrcn durchschnitten wurden.
Andererseits kann aber auch der Hunger bestehen trotz einer
andauernden Anfüllung des tüchtig verdauenden Magens mit leicht
verdaulichen Speisen. Dieses 'geschieht namentlich , wenn die im
Magen veränderten Speisen wegen einer bestehenden organischen
Verengung des pylorus oder einer Dünndarmfistcl nicht in den
Dünndarm übergehen und also auch nicht der Blntbildung zu Gute
kommen. In diesen Fällen verschwindet allerdings nach dem Essen
das lästige vom Magen ausgehende Gefühl, aber es bleibt immer
noch ein mächtiger Antrieb zur Aufnahme von Speisen zurück.
Dieser letztere kann dagegen gestillt werden, wenn in den Dünn-
und Dickdarm Nahrung eingebraeht und diese von dort in das
Blut Ubergeführt wird (Tiedemann, "Longet, Busch). — Aus
diesen Thatsacheu kann man zunächst nur folgern, dass hei dauern-
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Bedingungen zur Erzeugung und Stillung des Hungern 585
der Entziehung der Speisen nicht allein der Magen sondern anch
die übrigen Darmstücke den Hunger anregen. Für den weiteren
Schluss, den man gezogen, dass alle Empfindungsnerven des Kör-
pere ihre mangelhafte Ernährung zum Bewusstsein bringen, Hegen
keine Beweise, aber auch keine Gegengründe vor, es sei denn, man
wolle unter die letzteren die Erfahrung zählen, dass trotz der
höchsten Abmagerung alle Lust znm Fressen fehlt, wenn die Ver-
dauungswerkzeuge auch nur von einer leichten krankhaften An-
wandlung ergriffen sind.
Die Veränderungen, welche die Säfte oder Organe, in welche
die Hungernerven eingebettet sind, erleiden müssen, um die Erre-
gung dieser letztem zu veranlassen, kennen wir nicht ; statt dessen
sind uns nur einige ganz allgemeine Bedingungen bekannt, unter
denen sie entsteht. Namentlich stellt sich der Hunger ein nach
längeren Enthaltungen der Nahrung; die Zeit, welche nach einer
Mahlzeit verstreichen muss, bevor sich das Bedürfnis nach einer
neuen einfindet, variirt mit der Menge zuletzt aufgenommener Nah-
rung und mit dem Blutverbraneh während der Enthaltung von der-
selben; so beschleunigen Muskelanstrengungen, Entleerungen blut-
ähnlicher Flüssigkeiten (Samen-, Milch-, Eiterverlust), Ablagerungen
von Blutbestandtheilen in die Gewebe (Wachsthum, Erholungssta-
dium nach Krankheiten) den JEintritt desselben. — Ferner ist sein
Kommen abhängig von seelischen Erregungen, indem er sich ein-
stellt zu gewissen Tageszeiten, an denen wir gewöhnt sind zu
essen; man vermuthet in diesem Falle die Abwesenheit von Be-
dingungen, die den vorher erwähnten ähnlich sind , weil ein solcher
flunger auch leicht wieder verschwindet, ohne dass das Nahrungs-
bedürfitiss durch Aufnahme von Speise befriedigt wurde.
Man giebt auch an, dass der Genuss einiger stark schmeckender Stoffe, wie z. B.
des Pfeffers, essbarer Seethiere (Austern, Häringe) u. s. w.) Hunger erregt (?). — Ueber
tynen pathologischen Hunger, den sogenannten Bulimus siehe Moleschott am be-
zeichneten Orte p. 185.
Die Stillung des Hungere kann entweder geschehen durch die
Abstumpfung der Erregbarkeit oder durch Entfernung der erregenden
Ursache. — Auf den erstem Fall wird man schliessen, wenn das
Gefühl nach längerem Bestehen verschwindet, auch ohne dass
Nahrungsmittel aufgenommen sind, oder wenn Arzneistoffo, die die
Erregbarkeit abstumpfen, wie z. B. Tabak, Opium, Alkohol u. s. w.,
genossen wurden. — Die Entfernung der erregenden Ursache ist
Dioitized bv Google
586
I
Durst.
gegeben, wenn der Magen oder der Darrakanal mit verdauungs-
fahigen Speisen erfüllt wnrde.
Nach einer AnfUllnug des Magens tritt auch noch ein anderes
Gefühl, das der Sättigung hervor, welches als das bestimmte Zeichen
für das Genug der Nahrung angesehen werden muss. Dieses hängt
wahrscheinlich von verschiedenen Umständen ab, namentlich aber
scheint es begründet zu sein in dem Drucke, welchen die Umgebung
des Magens, insbesondere die Bauchdecken, durch die Anfitllung
desselben erfahren.
2. Durst. Das Gefühl, als dessen nächstes seelisches Resultat
das Begehren nach Wasser auftritt, äussert sich als eine Empfindung
der Rauhigkeit und des Brennens in der hintern Schlundwand, dem
weichen Gaumen und der Zungenwurzel. — Die Nerven, deren
Erregung sich als Durst ausdrückt, liegen wahrscheinlich auch an
den eben genannten Orten, da eine isolirte Durchtränkung derselben
den Durst mindert oder aufhebt. Wir haben so die noch unent-
schiedene Wahl zwischen Vagus, Glossopharyngeus, Trigeminus. —
Die Durstempfindung stellt sich ein, wenn der prozentische Wasser-
gehalt der Gaumen- und Rachenhaut unter einen gewissen Werth
sinkt, wie dieses z. B. geschieht nach reichlichem Wasserverlust
des Blutes, ohne den entsprechenden an festen Bestandteilen (Wasser-
abschcidung durch Haut und Lungen), oder nach örtlicher Ein-
trocknung des Mundes durch eingezogene Luft, oder nach dem
Genuss salziger, wasseranziehender und wasserabflihrender .Stoffe.
Die obige Definition schliesst die Folgerung in sich, dass ein gleicher
Verlust an Wasser und den wesentlichen festen Thcilen selbst bei
vollkommener Entbehrung des Wassers nicht zuin Durst führen kann.
Diese Behauptung hat Chossat durch den Versuch bestätigt,
welcher zeigte, dass die Thiere, denen die festen Speisen bis zum
Verhungern entzogen waren, auch das Wasser entweder ganz ver-
schmähten oder nur sparsam benutzten, welches ihnen in der Hunger-
zeit gereicht wurde. — Die Stillung des Durstes ist möglich sowohl
durch örtliche Befeuchtung des Rachens, als auch durch Einführung
von Wasser in das Blut, gleichgiltig, ob es dorthin durch den
Magen, durch den Dickdarm oder durch direkte Einspritzung in
die Venen gelangte.
3. Das Nahrungsbegebren beschränkt sich aber bekanntlich
nicht blos darauf, Stoffe festen und flüssigen Aggregatzustandes
zu verlangen, es dringt auf Stoffe ganz bestimmter Zusammen-
setzung, die sog. Speisen, und unter diesen wählt es je nach dem
Digitized by Google
587
t Wahl der Nahrung. >
Bedürfniss de» Organismus auch noch die eine oder andere vorzugs-
weise aus. Die Gründe, welche bei dieser Wahl das höhere Thier
vorzugsweise bestimmen, liegen offenbar in den Geruchs*)- und
Geschmackswcrkzengen , in dem Temperaturgrad des Körpers und
der Speisen, in dem Widerstand, den die letzteren beim Kauen
den Zähnen entgegensetzen, in Erinnerungsbildern u. s. w. Keinem
falls kann aber eine spezifische und prädestinirtc Beziehung zwischen
dem Nabrungsbegehren und der Nährfähigkeit der geforderten Sub-
stanz angenommen werden; denn es verschmäht bekanntlich ein
Hnnd das Fleisch, wenn es vollkommen mit Wasser ausgezfigen,
von allen schmeckenden Substanzen befreit ist, trotz seiner aus-
gezeichneten Fähigkeit die Ernährung zu unterstützenj die unver-
daulichen Sägespähne aber, welche mit Bratenbrllhe besprützt sind,
frisst er begierig.
4. Dem Nahrungsbegehren steht der Ekel entgegen ; veranlasst
wird dieser seelische Zustand durch unbestimmte Empfindungen in der
Racheubühle, ähnlich denen, welche einem Brechanfall vorausgehen ;
es scheint demnach , als ob ihn die nn. vagus oder glossopharyngeus
einleiteten. Da zu den ihn erregenden Umständen Kitzeln der
Sachen höhle, Sehleimanhäufungen daselbst, gewisse Gertlche und
Gesehmäckc und Erinnerungen an diese letzteren gehören, so ist
es begreiflich, dass sich der Ekel ebensowohl gegen die Nahrung
überhaupt als auch gegen einzelne Speisen richten kann.
B. Nahrung.**)
1. Der unwiederbringliche Verlust des Blntes licss-sich schliess-
lich zurtlckftlhren auf den seines Wassers, seiner Mineralsalze,
seiner Fette und Eiweissstoffe ; also muss die Nahrung diese Ver-
bindungen entweder geradezu eiubringen, oder wenigstens solche
Stoffe, aus denen jene Atomcombinationen innerhalb des thicrischen
Körpers horvorgehen können. Diese neu cinzuftihrenden Atome
müssen jedoch, wenn si<? den Fett- und Kiweissverlust ersetzen
wollen, in Verbindungen anlangen, welche ärmer an Sauerstoff sind,
als die, in welchen sie den Organismus verlassen, da sie in diesem
dann doch endlich jedesmal oxydirt werden; ausserdem müssen
•) Schiff, l'ntersochungfn zur Naturlehre s. Molcschott VI. ‘2M.
»•) Molcschott. Physioloffle der Nahrungsmittel. Giessen. ltfcKL — Artmann, Die Lehre
von den Nahrungsmitteln. Prag. 1859. Du «rstere dieser beiden Werke erörtert in grosser Aus-
führlichkeit die ganze Physiologie der Nahrung; das letzter« tritt ergänzend ein, Insofern e# die
Anfbewahrnng and Fälschung der Nahrung« mittel nach dem nettesten Stunde bespricht. — FI i I d c s -
heim. Versuch einer Normsldiät. Berlin 1856. Dieses giebt anf Grundlage meist bekannter TtuU-
sachen Derer hnungon der zum Bedarf nothwendlgen Nährmittel
. Dipitizedby Google
588
Nothwendige Besiandtheile der Nahrung.
auch die Verbindungen der Nahrungsmittel mehr Spannkräfte führen
als die Auswürflinge, da, der thierische Körper tbeils bei der Wärme-
bildung und tbeils bei der Muskelzusammenziehung Spannkräfte
in lebendige umsetzt. — Diese Bestimmungen sind nun, wie man
leicht einsieht, noeh lange nicht genügend, um die besondere Com-
bination der nährenden Atome festzustellen, da sich in der That
die geforderten Bedingungen auf unzählige Weisen erfüllen lassen,
wenn dem Darmkanale oder seinen Hilfswerkzengen die Befähigung
zukommt, beliebige sauerstoffarme C-» H-, N-verbindungen zu Eiweiss
und- Fett zusammenzuordnen. Diese Unbestimmtheit, welche die
theoretische Feststellung der Nahrungsmittel übrig lässt, hat die
Erfahrung kurzweg beseitigt Sie zeigte nemlicb dass den Ver-
dauungswerkzeugen die oben vorausgesetzte combinatorische Be-
fähigung abgehe, und zwar geschah dieses durch den schlagenden
Versuch , dass die Thiere unrettbar dem Hungertode entgegengehen,
wenn ihnen die im Eiweiss und Fett enthaltenen Atome in anderen
Verbindungen als gerade in diesen gereicht werden. Demgemäss
müssen in der Nahrung mindestens enthalten sein : eiweissartige
Stoffe (Fibrin, Casein, Albumin etc.), Fette (Olein, Stearin, Mar-
garin, Palmitin), Natron, Kali, Eisenoxyd, Magnesia, Kalk, Chlor,
Fluor, Phosphorsäure, Wasser. Die obigen Ableitungen lassen es
aber begreiflich zu, dass in den Nahrungsmitteln neben den auf-
gezäblten noch andere Verbindungen enthalten sein können, da sie
nicht behaupten, dass nur mit Fetten und Eiweiss u. s. w. die
Zwecke des thierischen Körpers erreicht werden könnten. Im Ge-
gentheil , ist es sogleich einleuchtend , dass dieses nach der einen
oder andern Seite hin auch mittelst der ersten Abkömmlinge der
Eiweissstoffe und Fette, oder mit Hilfe von Atomgruppen geschehen
könne, die jenen Abkömmlingen nach Zusammensetzung und Eigen-
schaften nahe stehen. In der That enthalten die wirklich aufge-
nommenen Nahrungsmittel auch noch solche Gruppen, von denen
bervorzuheben sind : Kohlenhydrate (Amylon , Dextrin , Zucker) ;
von diesen werden die beiden erstcren mindestens bis zum Zucker
nmgewandelt. Obwohl Zucker aus anderen Stoffen im Thierleibe
selbst gebildet wird (Leber, Muskeln), so führt ihn doch selbst die
natürliche Nahrung des Säuglings (Milchzucker); der Erwachsene
sucht die Kohlenhydrate so begierig, dass cs sogar fraglich wird,
ob sie nicht zu den absolut nothwendigen Nahrungsmitteln zählen.
Die Nahrung enthält ferner leimgebende Stoffe (Bindegewebe und
Knorpel); diese sind häufig aber keineswegs notli wendig. Endlich
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Dlgitizec
Verhältnis* der Bestandteile in der Nahrung.
589
enthält die Nahrung häufig organische Säuren (Essig-, Milch-,
Aepfiel-, Citronensäure) und deren Salze. 4
2. Die Nahruug, welche das Leben erhalten soll, muss also
ein Gemenge mindestens von Eiweiss, Fetten und den bezeiehneten
Mineralien sein, zu ihnen gesellen sich meist noch Kohlenhydrate.
Die Gewichtsverhältnisse der einzelnen Nahrungsmittel in diesem
Gemenge sind keine cönstanteu, wie die oberflächlichste Betrachtung
der menschlichen Nahrung ergiebt. Diese Erscheinung ist erklärlich,
wenn man die Umsetzungen ln und die Ausscheidungen aus dem
thieriseben Körper betrachtet. Denn es stellt sich dieser letztere
als eine Zusammensetzung sehr mannigfaltiger bis zu einem gewissen
Grade von einander unabhängiger Zersetzungsherde heraus. Je
nachdem nnn in dem einen oder andern die Umsetzung sich min-
dert oder mehrt, muss sieh also bei gleich bleibendem Umsatz der
einen Stoffgruppe derjenige einer anderen veränderlich gestalten.
Statt aller erinnern wir nur an die eine hierher gehörige Erscheinung,
dass die Ausscheidung des N-gases, Harnstoffes, Wassers, Koch-
salzes n. s. f. durch Lunge, Niere und Haut einen veränderlichen
Betrag gewann mit dem Gehalte des Eiweisses, Amylons, Wassers
u. s. w. in der Nahrung selbst. — So umfangreich nun aber auch
der prozentige Gehalt der einzelnen Bestandtheile in der Gesammt-
nahrung wechseln kann, so ist er doch auch wieder in gewisse
Grenzen eingcschiossen ; namentlich darf als feststehend gelten:
a) in der Nahrung nimmt das Wasser das grösste und die feuer-
festen Mineralhestandtheile das geringste Gewicht ein ; in der Mitte
zwischen beiden liegen die organischen .Stoffe. — b) Der Nahrung,
welche für die Dauer das Leben erhalten soll, darf niemals fehlen
Wasser, die aufgezählten Salze und die Eiweissstoffe; fraglich igt
dagegen, ob der Nahrung des Menschen das Fett entbehrlich ist,
vorausgesetzt dass es durch Kohlenhydrate ersetzt wird. — c) Bei
einer Steigerung der Fette und Kohlenhydrate dürfen, unbeschadet
der Lebenserhaltung, die prozentigen Werthc der Ei weissstoffe ab-
nehmen und amgekehrt. — Weitere Zusätze zu diesen Bemerkungen
giebt noch der Abschnitt Uber Vergleichung von Einnahme und
Ausgabe.
3. Damit dieses Gemenge aber nährfähig sei, mnss noch
Folgendes erfüllt sein: a) die einzelnen Nahrnngsbcstandtheile müssen
in ihm in der Art Vorkommen, dass sie von den verdauenden Sätlen
in Blutbestandtheile umgewandelt werden können. Namentlich
müssen also die Nahrnngsstoffe nicht in einer innerhalb des Darm-
Pjgitized by
590
Nährstoffe und Speisen.
kannls unlöslichen und unzersetzbaren Verbindung gereicht werden,
oder sie dürfen nicht von unlöslichen und undurchdringlichen Hullen
umgehen sein. — b) Da die Nahrungsmittel, mit Ausnahme der
Salze und des nicht nothwendigen Zuckers, sieh gleichgiltig gegen
die Nerven verhalten, so mtlssen sie nervenerregende, (schmeckende,
heissende, brennende u. dgl.) Zusätze erfahren. Denn nur damit
wird es möglich, die Speichel - Magen- und Darmdrüsen, die unter
dem Einflüsse der Nerven ahsonderu, zur Bildung einer genügenden
Menge verdauender Säfte zu veranlasset. Diese Beigabe, das Gewürz,
besteht je nach der Bildung und Empfindlichkeit des Geschmack-
sinnes aus sehr verschiedenen Stoffen.
Wir vergreisen bezüglich der Gewürze anf Moloschott, Artinann und Röch-
le der*). Man findet dort auch Mittheilungen Uber mancherlei andere Stoffe, die der
Mensch nur des Geschmackes, oder auch der Minierregung, der Verlangsamung oder
Beschleunigung des Stoffwechsels n. s. w. wegen aufnimmt.
4. Speisen. Die Mischungen einfacher Nahrungsmittel oder
der Speisen, wie sie die Natur oder Kunst bietet, sind, voraus-
gesetzt, dass man Rücksicht auf die Nahrung aller Erdbewohner
nimmt, von unsäglicher Verschiedenheit, je nach den Eigentüm-
lichkeiten des Wohnortes, der Cnlturstufe und der Race der sie
geniesscndcu Menschen. Untersucht man aber genauer die Werke
der Kochkunst, welche von weitaus den meisten Individuen unter
den gebildeten Nationen verzehrt werden, so gewahrt man bald,
dass diese sich im Ganzen doch nur weniger, von der Natur ge-
botener Gemische , als Elemente ihrer complizirten Gerichte und
Mahlzeiten bedienen. Zu diesen natürlichen Speisen, anf denen
das leibliche Wohl des besten Theiles der Menschheit ruht, ge-
hört: das Fleisch einiger Säugetiere (der Wiederkäuer, weniger
Nager und Dickhäuter), einiger Vögel und vieler Fische, die Milch
der Wiederkäuer, die Eier grosser Vögel, das Mehl von Weizen,
Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Reis, Bohnen, Erbsen und Kartoffeln,
einige Baumfrüchte, einige Gemüse (Rüben, Kraut u. s. w.) und
endlich Quellwasser. Zn diesen gemischten Nahrungsmitteln kommen
schliesslich noch einige einfache Zucker, Fette, Oele lind Kochsalz.
Da der grösste Theil derselben erst dann gegessen wird, nach-
dem er in der Küche mancherlei Umwandlung seines natürlichen
Zustandes erfahren hat, so wird eine physiologische Betrachtung
jener Speisen anf diese Umwandelungen Rücksicht zu nehmen haben.
(IsnnssoiiltH nwl Grwlrtc. Wien I8i2.
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Nährfähigkeit und Verdaulichkeit der Speisen. 591
Ganz allgemein betrachtet, stellt sich nun die Kochkunst drei ganz
verschiedene Aufgaben. Zuerst mischt sie die natürlichen Speisen
noch weiter, namentlich setzt sie ihnen mancherlei Gewürze bei;
zweitens befreit sie die Nahrungsmittel von unverdaulichen Beimen-
gungen, nnd endlich verändert sie die Auflöslichkeit derselben in
den Verdaaangssäften in der Art, dass sie die Zeit, welche zu ihrer
Verdauung nothwendig ist, entweder verlängert oder abkürzt Von
diesen drei Einwirkungen der Kochkunst sind die beiden ersten
entweder so vielfacher Willkür unterworfen, oder so einfacher Art,
dass sie aus der folgenden Betrachtung ausfallen müssen oder
können.
Die Lehre von den Speisen hat zunächst zu ermitteln, welche
einfachen Nahrungsstoffe in den Speisen enthalten sind und in
welchen Verbindungen und Aggregatzuständen sie daselbst Vor-
kommen. Dieses aufzudecken ist die Aufgabe der chemischen Ana-
lyse, die sich dabei natürlich nicht darauf beschränken darf, den
Gehalt der Speisen an C, H, N, 0 u. s. w. anzugeben.
Mit der noch so vollkommenen Einsicht in das chemische Ver-
halten ist aber noch nicht das physiologisch Wissenswttrdige er-
schöpft, da die Nährhfähigkeit der Speisen auch noch abhängt von
der Arbeit, welche der Dannkanal nöthig hat, um die Massenein-
heit der Nahrung zu verdauen, oder von dem Anthcile der genos-
senen Speisen, welcher während des Durchgangs durch den Dann-
kanal überhaupt aufgenommen wird. Allgemein lässt sich jedoch
hierüber nichts sagen, da der Dannkanal bei verschiedenen Men-
schen nnd zu verschiedenen Zeiten seine besonderen noch nicht er-
gründeten Eigenthümlichkeiten bietet, vermöge deren er im Stande
ist, in gegebener Zeit mehr oder weniger kräftig verdauende Wir-
kungen ausznüben, resp. die in der Speise enthaltenen Nahrungs-
stoffe mehr oder weniger vollständig auszuziehen. Im einzelnen
Falle würde man Uber die Fähigkeit des Darmkanales, eine Speise
ausznnlttzcn, abgesehen von dem Grade der Anstrengung, die hierzu
nöthig ist, Aufschluss erhalten, wenn man jedesmal eine Probe
der Speise und den nach ihrem Genuss aus dem After gestosscucn
Koth analysiren würde.
a. Das Fleisch, welches cur Nahrung verwendet wird, enthält: eiweisshaltigc,
leimgebende , elastische Stoffe , Fette , sämnitliche Salze des Mensehcnblute* , Wasser,
und Ausserdem die nur als Gewürze zu veranschlagenden krystullisirendcn organischen
Be&iandtheile der Extractivstoffe. — Die Verhältnisse dieser Uemcngtheilo zu ein-
ander sind, die gleichen Thierarten vorausgesetzt, abhängig 1) von dem Körpcrtheilc,
592
Fleisch.
dem der Muskel entnommen wurde, indem damit der Durchmesser der Primitivschlauche
und die Verbreitung der Bindegewebe in Verbindung steht; 2) von dem Grade der
Mästung, welcher den Gehalt an Fett und an durchtränkender Flüssigkeiten bestimmt;
3) von der AnfUllung der Muskelgefässe mit Blut; 4)
g e r * ••) •••)), dessen Angaben v. Bibra bestätigte, fand
von dem Alter;
Schlossbcr-
im
Fleisch des
des Kalbes v
des Kalbes v.
Ochsen.
12 Wochen.
4 Wochen.
In kaltem und kochendem Wasser unlösl.
17,5
16,2
15,0
In kaltem lösl., in kochend. Wasser unlösl.
In kaltem und kochendem Wasser löslich
2,2
2,6
3,2
(Salze, Extrakte)
2,8 .
3,0
2,2.
Wasser
77,2
78,2
79,7
Das Kalbfleisch ist somit etwas reicher an Wasser und coagulirbarem Eiweiss als das
des Ochsen und nach y. Bibra**) auch leimhaltiger. 5) Ueber die Zusammensetzung
des gleichnamigen Mtfskels verschiedener Thiere, deT mittelst des Scalpells möglichst
von Fett und Bindegeweben befreit war, giebt folgende Tabelle Aufschluss***).
Ochse.
Reh.
Schwein.
Huhn.
Karpfen.
In kaltem und kochendem Wasser unlöslich
15,8
16,8
16,8
16,4
12,0
In kaltem Wasser lösl., in kochendem unlÖBl.
2,2
1,9
2,4
3,9
5,2
In kochendem Wasser löslich
1,9
—
0,5
—
—
In kaltem und kochendem Wasser löslich
2,8
4,7
2,5
3,2
2,7
Wasser
77,1
74,9
78,3
77,3
80,1
Das Fett ist im Fleisch auf zweierlei Art vorhanden, mechanisch eingelagert als Fett-
gewebe in den Bindostoflfen zwischen den Muskelröhren und näch&tdem in chemischer
Verbindung mit dem Muskelgewebe. Der Gehalt dieses letzteren scheint bei verschie-
denen Thieren von wechselnder Grösse zu sein, denn y. Bibra fand nach möglichst
Yollkommner Abscheidung des beigemengten Fettes im trockenen Brustmuskel des
Ochsen 21,9 pCt., des Kalbes 10,5 pCt., des Hammels 9,3 pCt., des Rehes 7,9 pCt.,
des Hasen 5,3 pCt. +)• — Das beigemengte Fett ist bekanntlich nicht allein im Ge-
sammtgewicht sehr wechselnd, sondern es ändert auch seine Zusammensetzung mit dem
Thiere, indem das Fett des Schweines flüssiger (elainreicher), das der Wiederkäuer
fester (stearin- und margarinreicher) ist.
Die Salze des Fleisches sind mannigfach , aber mit sehr ungleichwerthigen Me-
thoden untersucht; Stölzelff), der nach Strecker' s Anweisungen arbeitete, fand
in 100 Theilen der Asche des Ochsenfleisches :
COi
8,92
POs
34,36
MgO
3,31
SiOj
2,67
FeOs
0,98
•
KaCl
10,22
so9
3,37
CaO
1,73
NaO
35,94
Der Gehalt des trockenen Fleisches an Asche scheint bei verschiedenen Warmblütern
annähernd gleich zu sein, indem er nach v. Bibra beim Ochsen, Reh, Hasen, Huhn
und der Ente ^zwischen 4,0 bis -5,5 pCt schwankte.
•) Frerlchs, Artikel Verdauung ln Wagner* s Handwörterbuch. II. Bd. p. 694.
••) Scherer, Jahresbericht Uber pbysiolog. Chemie fUr 1646. p. 132.
•••) Weitere Zusammenstellungen siehe bei Mole schott, 1. c. p. 208. 240. 263. u. fc wo
Sieh da-* Fleisch der Amphibien, Mollusken, Insekten berücksichtiget findet,
t) Siehe hierüber auch Marchal, compt. rend. 34. Bd. p. 691.
tt) Lieblg’s Annalen. 77. Bd. p. 256.
Fleisch.
593
Wir geniesten da« Fleuch roh (niedere Thiere), getrocknet, geräuchert, gesalzen,
mit Essig ausgewogen , gekocht und gebraten. RUcksichllich der Veränderungen4; die
^ici diesen verschiedenen Bereitungswoiscn mR dem Fleische Vorgehen , befinden wir
uns meist im Unklaren. Beim Erhitzen des Fleisches mit wenig Wasser (Braten und
Dampfen) wird das Eiweiss geronnen, einige ei Weisshaiti ge Körper werden sauerstoff-
reicher, die Extraktivstoffe werden zersetzt, wobei sich die Inosinsäure, in ein wohl-
riechendes Kreuzprodukt umwandelt, das Bindegewebe wird zum Theil in Leim ver-
wandelt, und Wasser verdunstet. — Beim Kochen in Wasser werden dem Fleische
Eiweiss, Extrakte, Salze und insbesondere Chloralkalien und Wasser entzogen; dioscs
letztere geschieht danrtn , weil die Quellungsfähigkeit des Fleisches beim Kochen ab-
nimmt. -r- Der wässerige Auszug, die Fleischbrühe , muss nach den Flcischsorten sehr
veränderlich sein. Eine ungefähre Vorstellung von der Zusammensetzung der Fleisch-
brühe giebt ein Versuch von Chorreul, welcher 1 Pfd. Fleisch, das von anhan-
gendam Fett und Knochen befreit war, in 3 Pfd. Wasser 5 Stunden lang unter Er-
satz der verdunsteten Flüssigkeit sieden liess. Ausser dem beigemengten Fette enthielt
diese Suppo in 100 Tjioilen: Wasser = 98,4; Late, Eiweiss und Extrnctivstoffe =
1,3; Salze *= 0,3. — Die Salze der Fleischbrühe, oder vielmehr die, welche man
durch vollkommenes Erschöpfen des Fleisches mit Wasser erhält, sind von Keller*)
bestimmt ; in das Wasser waren H‘2 pCt des gesummten Salzgehaltes vom Fleische
Übergegangen, welche in 100 Theilen bestanden aus:
P0S 21,50 KaO 31,85 2 FetOjPQ» 0,46
Ka CI 14,81 2Cb0P0s 2,51
KaO 80a 6,42 2MgOP0s 3,72
Das rückständige Fleisch enthielt noch Verbindungen der PO5 mit Alkalien und Erden
aber keine Clilorsalze mehr. — Die Grenze , bis zu welcher überhaupt das Fleisch
durch Wasser und insbesondere durch kaltes ausgelaugt werden kann, hat Liebig**)
zu bestimmen versucht; er giebt an, dass man dem gehackten Ochsenfleische durch
kaltes Wasser 6 pCt. feste Bestandteile entziehen könne, von denen 3 pCt gerinn-
bares Eiweiss sei, das bekanntlich aus der Suppe als Schaum entfernt wird. — Die Folgen
des Einsalzens nnd Räucherns sind wenig bekannt. Eine Aschenanalyse des gesalzenen
Ochsenfleisches und des rohen Schinkens giebt Thiel***). Siche auch Liebig am
angeführten Orte.
b. Der Inhalt des Hühnereies, das wir von den Eiern zumeist geniessen, besteht
nach Proutf) im Mittel aus 07,6 pCt. Eiweiss und 32,4 pCt Dotter, nach Pre vost und
Morin dagegen aus 02 pCt. Eiweiss und 3S pCt. Dotter. Das Eiweiss enthält un-
gefähr: Wasser = 85 pCt., Eiweiss — 12,5 pCt., feuerfeste Salze — 1,5 pCt. und
l^xtrakte = 2,0 pCt. Die letzteren enthalten u. A. constatot Milchzucker (Winkler
und Budgeff). In der Asche sind nach Wcbcrftt), der dos verbesserte Verfahren
von U. Rose befolgte, enthalten:
a) Llebig'a Annalen. 70. B<1. 01, # t
••) Liebig'« Annalen. 62. Rd. 3&3. u. f.
•••) Llebig's Annalen. 81. Bd.
• t) Ph. Falk, Handbuch der Arzneimittellehre. 1848.
tt> Liebig's Annalen. 64. Hd. 197. — Siehe auch Aldrlge und Bar reale h im Uleasener
.lahrbuch. 1840.
tttf Fug gen dorf, Annalen. 79, Ud. 898.
Ludwig, Physiologie II. 8. Auflage. 38
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594
Eier, Milch, Körner.
CO* 9,67
8i0s 0,28
NoCl
39,30
MgO
2,70
KaO
27,66
Fo,Oj
0,54
NkO
12,09
ro.
3,16
CaO
2,90
SO,
1,70
Das Eigelb besteht nach Gobley*) aus:
Wasser
61,46
Phosphoglycerinsäure 1,20
Extrakte
0,40
Vitellin**)
15,76
Cerebrin(säure ?)
0,30
Farbstoff
Margarin und Olein
21,31
AmCl
0,30
Eisen
| 0,55
Cholesteann
0,44
NaCl.KaCl, KaOSOj
0,27
Milchsäure ]
Oel und Magarinsäure
7,22
3MgOPOs, 3CaOPOs
1,02
Milchsäure
Eine vollständige Aschenanalyse theilt R. Weber
mit;
NaCl 9,12
NaO
13,62 MgO
2,20
P05
60,16
KaO 10,90
CaO
13,62 Fe,0j
2,30
Si03
0,62
Die Eier gemessen wir meist gekocht; hierbei gerinnt das Eiweiss und Vitellin
unter Abscheidung von etwas SH. In hartgesottenen Eiern fand H. Rose***) das
Verhältniss des Eiweisses zum Dotter etwas anders, als es Prout, Prerost, und
Morin im frischen Ei angeben haben, nämlich von 60,6 bis 58,3 : 39,4 bis 41,6.
c. Milch. Die Zusammensetzung derselben ist schon früher erwähnt. ; — Der
aus ihr bereitete Käse (gesalzene und entwässerte Milch) dient, kleine Landstriche -
ausgenommen, nur als Gewürz. Ucber die Zusammensetzung desselben siehe Knappt)
und Moleschott.
d. Weizen ff). Das Korn desselben besteht aus der Schaale , dem Kern (al-
bumen) und dem kleinen Embryo. Die Schaale setzt sich zusammen aus der von meh-
reren Zcllenlagen gebildeten Fruchthülle (a) und der von nur einer Zellenlage gebildeten
Kernhaut (b). Der Kern (albumen) wird in seinem äussern Umfang dargcatellt von einer
Zellenlage (c), in wolchcr die miskroskopisoho Reaktion keine Starke, wohl aber Eiweiss-
stoffe und Fette nachweist, die übrige weitaus grösste Masse des Albumens(d) besteht
aus Zellen, die vorwiegend mit Stärkekörnchen und daneben mit Klebcrfäden gefüllt
sind. Die Fig. 70, welche Donders entworfen, vorsinnlioht die Struktur. — Die
chemische Zerlegung weisst im Weizenkom nach : verschiedene Eiweisskörper. Eine
Gruppe derselben ist unter dem Namen Kleber (Gluten) bekannt; sie ist in Wasser
unlöslich; beim Behandeln mit Weingeist bleibt ein Theil derselben ungelöst (Fibrin
oder Elastin) eii\ Theil löst sich nur in kochendem (Pflanzencasein), ein anderer auch
in kaltem Alkohol (Pflanzenleim, Glutin). Eine andere Gruppe von Eiweisskörpern des
Weizmikorns ist in kaltem Wasser löslich } ein Theil derselben gerinnt beim
Kochen; sie führen den Namen Albumin und Ccrealin; dos letztere ist nach Meges-
Mouries dadurch ausgezeichnet, dass es die Stärke in Dextrin, Zucker und Milch-
säure umwandelt; der Rest des in kaltem Wasser löslichen Eiweissstoffes, der aus
mehreren durch anderweite Reaktionen unterschiedbaren Modifikationen besteht (0 n d e -
Jnanns), gerinnt nicht in der Siedehitze. — Das Weizenkorn enthält ferner Gummi,
Zucker, Dextrin (?), Amylon, Cellulose; von den beiden zuletzt genannten Stoffen kommt
•) Pharmazeut. Centralblatt. 1847. p. 584.
■•) Daa Vitellin besitzt nach Frcmy die Znfanunensctznng des Fibrins. Pharmazeut. Ccn- ,
tralbl. 1864. p. (126.
•••) Poggendorf' s Annalen. 76. Bd. 393. *
t) Knapp, die Nahrungsmittel. 1848. p. 39. — •
tt) Bibra, Die Getreidearten and das Brod. Nürnberg 1860. — Donders, Onderzoeklogen
gedan In het physiologisch lnborat. 1848 — 1849. — Oudemanns, Archiv Ihr holländ. Beitrüge.
1. 405. — Jessen, Poggenüorfs Annalen. 106. Bd. 479.
izecrl
Weisen.
595
die Cellulose nicht sllein in d%n Schaalen und Zellenmembranen , sondern nach N a e -
ge Li und Maschke auch im Stärkekorn vor, wo sie von dem gleichfalls anwesenden
Amylon durch die Reaktion gegen Jod unterschieden werden kann. Das Amylon des-
selben soll im Wasser löslich gemacht werden können , wenn man das Korn fein zer-
Fig. 70.
reibt (Jessen). Ferner enthält das Weizenkorn Fette,
einen braunen Farbstoff, Kali, Natron, Talkerde, Eisen-
oxyd, PhOs, S(h,Si03,Cl (?). — Von den Salzen sind
die phosphorsauren Erden mit Eiweisskörpern in Ver-
bindung, und zwar so, dass jede besondere^ Art der
genannten Körper auch einen ganz bestimmten Antheil
der Erden zu enthalten scheint (Mayer); auch an
das Gummi sind phosphorsaure Erden gebunden (Bibra).
Die phosphorsauren Alkalien scheinen dagegen frei vor-
zukommen.
Ueber die Lagerung der chemischen Bestandtheüe
ist bekannt, dass die Schaalen aus Cellulose und Farb-
stoff bestehen, die aussersten Zellcnlagen des Albumens
enthalten die in Wasser löslichen Eiweissstoffe, Kleber
und Fette , also auch viel phosphomure Erden ; die Übrigen Zellen des Kerns enthal-
ten die Amylonkörnehcn , Kleber, lösliches Eiweiss und phosphorsaure Alkalien.
Die mittlere quantitative Zusammensetzung des Weizenkoms wechselt mit der
Fruchtsorte, dem Klima (so soll z. B. sibirischer Weizen reicher an Eiweisstoffen sein,
als deutscher und dieser wieder daran reicher als ägyptischer und australischer) ; auch
der Gehalt des Bodens an DUnger soll nicht ohne Einfluss sein. Kleine Körner sind
wegen des grossen Schaalengehalts relativ reicher an Eiweiss als grössere u. s. w. —
Das Verhältnis , in welchem die einzelnen Salze des Korns zu einander stehen , ist
ganz unabhängig von den Verhältnissen der Salzmischung im Boden. Dies ist z. Th.
begreiflich, weil die Menge des phosphorsauren Kalkes von der der Eiweisskörper ab-
hängt; räthselhaft bteibt, dass selbst aus einem Boden, der reich an NaO und CaO ist,
wellig von jenen Stoffen anfgenommen wird. Nach Peligot, Millon, Mayer,
Oudemanns, Bibra u. A. schwankten in 100 Tkeilon des lufttrocknen Korns
das Wasser zwischen
11,0
und
16,5
pCt.
der Stickstoff „
1,4
und
3,8
»»
also die Eiweisskörper
zu 15,0 pCt. N „
und
19,4
»
38 *
TJigitfeeb'by Google
596
Weizen.
Gummi, Dextrin, Zucker: zwischen
5,9
Änd
10,5 „
Amylon „
55,1
und
67,1 „
Fett
1,0
und
1,9 ,,
Cellulose „
1,5(1) und
6,1 „
Asche „
1,5
und
2,3 „
Die verschiedenen Eiweissstoffe können sich vertreten , so dass bei einem glei-
chen Gehalt an N bald mehr Kleber und bald mehr lösliche« Eiweiss vorhanden
ist (Millon Bibra).
ln 30 verschiedenen Weisensorten, die Bibra untersuchte, fanden sich in 100 Th.
Asche
Kali
zwischen
27
bis
38,3
pCt
Natron
0,7
bis
5,4
»»
MgO
it
7,8
bis
16,3
«
CaO
n
M
bis
5,7
ff
rcb
»»
39,2
u.
51,4
II
SiOj
»»
0,3
n.
1,3
ff
Fe,Oj SO,
»9 .
1,1
u.
0,3
ff
Mit diesen Angaben stimmen diejenigen aller übrigen Beobachter; namentlich was
den überwiegenden Gehalt der Asche an Kali, Talkcrdc und PO5 betrifft.
Aus deui Weisen stellt man Kleie, schwarzes, mittleres und feines Mehl dar. Das
letstere, welches aus don innem Theilen des Kerns gewonnen wird, ist frei von Schneien
und Farbltoff, es enthält weniger N, also auch weniger Eiweisskörper und PI1O5 als
das dunklere Mehl, welches vorzugsweise oder wenigstens zum Theil aus der Zcllen;-
schicht gemahlen wird, welche der Kcmhaut unmittelbar anliegt. Die Kleien endlich
enthalten neben vielen Holzfasern aus der Fruchthülle und Schaalcnhaut auch noch
einen grossen Antheil des Inhalts der eiweissführenden Zellen, die unmittelbar der
Schaalenhaut anlicgen. Sie ist also relativ sehr N-reich an Eiweiss und phosphor-
sauren Erden. Als Proben für die Unterschiede der verschiedenen Mahlprodukte mögen
folgende Zahlen gelten. Die unter demselben Beobachter aufgeführten Zahlen beziehen
Bich auf dieselben Pruchtsorten.
Bibra. Mayer.
Kaiser uiehl.
Schwarzmehl.
Feinste« Mehl.
Grober*Mehl.
Kielen.
Waaser
15,5
14,2
Eiweissstoff 13,0
14,3
27,9
Eiweissstoff
11,1
13,2
PhOs 0,2
0,5
0,S
Zucker
2,3
2,3
Gummi
6,2
0,5
Fett
1,0
1,2
Stärke
63,6
61,8
Nach Oudemanns, der zur Cellulosebestimmung ein verbessertes Verfahren an-
wendet, enthalten die Kleien 25 bis 30 pCt. Cellulose und 4 bis 6 pCt. Asche.
Bibra. #
In 100 Theilen Asche sind enthalten
Kaiaermehl.
Kleien.
KO
36,0
0,24
NaO
0,9
0,6
MgO
8,2
16,8
Roggen, Gerste, Hafer etc.
597
C.0
2,8
4,6
I’05
52,0
61,8
SiOa
0,0
M
F.» Os
SO 3
| o,o
1,0
e. Roggen. Der Unterschied zwischen dem Mehle dieser Fruchtart und dem
des Weizens liegt vorzugsweise darin, dass unter den eiweisshaltigen Bestandteilen ^
weniger Pflanzenfibrin und statt dessen mehr Pflanzenleim und Giweiss vorkommt, was
vielleicht schon durch das kleinere Korn des Roggens bedingt ist; es soll ausserdem
•einen besonderen gewürzhaft schmeckenden Stoff (?) enthalten und gewöhnlich auch
mehr CeUuloeo als das Weizenmehl, wahrscheinlich, weil es weniger sorgsam d&rge-
s teilt wird. Sonst gilt Alles, was von dem Mehl und der Kleie des Weizens ausge-
sagt .wurde auch vom Roggen.
S. Gors te, Hafer und Buchweizen liefern ebenfalls ein Mehl, das in dem
Gehalte seiner wesentlichen Bestandteile von dem des Weizens nicht merklich ab-
weicht; Hafer und Gerste enthalten mehr Holzbestandtheile als die übrigen Fruchtarten.
(Fehling und Faist). Der Zucker der Gerate droht die Polaris&tionsebcne nicht.
g. Das Maismehl unterscheidet sich durch einen Gehalt von 3 bis 9 pCt. an
fettartigen Stoffen (ein gelbes dickflüssiges Ocl). Sein Ngehalt erreicht den des Wei-
zens nicht.
h. Der Reis endlich ist nahebei um die Hälfte ärmer an Giwcissstoffen und
Äsche, als der Weizen und um so viol tticher an Amylon.
Das Mehl aller dieser Körnerfrüchte gemessen wir, nachdem cs geröstet oder mit
kochendem Wasser behandelt wird. Hierdurch verändern sich die Bestandteile , in-
dem namentlich das Eiweiss gerinnt, während die Stärkekörner sich mehr oder weniger
in Dextrin auflösen. Werden nämlich die letzteren ira lufttrockenen Zustand bei einer
Temperatur, die zwischen 190 und 200* C. liegt, geröstet, so verwandelt sich zuerst
das Schichtcnccntrum, das sogenannte Korn des Stärkekörnchens in Dextrin, dann folgen
in dieser Veränderung einzelne zerstreute Stellen nach , so dass das Korn ein netzför-
miges Ansehen gewinnt; es scheint sich jedoch niemals das ganze Korn in Dextrin
umzuwandeln. Werden dagegen die Starkekömehen im Wasser erwärmt, so beginnen
sio bei einer Temperatur von 55 bis 60° C. aufzuquellen und im Centrum derselben
bildet sich ebenfalls eino mit Dextrinlösung gefüllte Höhle. Steigt die Wärme höher,
etwa auf 70°, so greift die Dextrinbildung weiter um sich, so dass dio Körperchen
Öfter platzen (Naogeli*). Mit Rücksicht auf die Quellungsfähigkeit verhält sich dio
Stärke verschiedener Sorten sehr abweichend.
Eine sehr verbreitete Anwendung findet das Mehl des Weizens und Roggens als
Brod. Dieses wird im Allgemeinen so dargestcllt, dass man das Mehl mit kochsalz-
haltigem Wasser zu einem Teig anknetet, dann den letztem durch sehr fein vcrtheilte
CO« aufbiälit und ihn einer Temperatur, die sich bis auf 250° C. erheben darf, einige
Zeit hindurch aussetzt. Das Einbringen des auftroibenden Gases geschah früher aus-
nahmslos dadurch, dass man zum Teig gewöhnliche Hefcnpilze mischte und ihn dann
der Gährung einige Zeit hindurch überlicss , in welcher der Zucker des Mehls in Al-
' kohol und CO« Überging, welche beim spätem Verbacken des Brodes verdunstete.
Dieses Verfahren führt also jedesmal zu einem Verlust an nährenden Stoffen, es kann
aber, wenn nicht besondere Maassregeln - in Anwendung kommen, auch noch weiter
*) Dio Stirkekürncr. p. M u. f.
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schädlich werden. Wenn nämlich die üährung bei hoher Temperatur (über 20® C.)
vor sich geht, oder wenn schwarzes Mehl angewendet wird, welche* die Eiweiaskdrper
der äussersten Lage de» Kern» (Alburaens) enthält, »« findet sich vermöge der fermen-
tirendcn Eigenschaften de* Cerealin« neben der alkoholischen auch noch eine milch-
nder butter»aure u. s. w. Oährung ein, und zugleich wird der Kleber angegriffen und
der Farbstoff, der au* der Kinde stammt, zerlegt. Wenn man also nicht auf die be-
sonders nahrhaften Best&ndtheilc der kernrinde verzichten will, muss man das Cerealin
unwirksam zu machen suchen. Hierzu hat M eg es -Mouri e**) Mittel angegeben, die
nach dem Urtheil der Sachverständigen au dem Ziel führen, selbst aus grobem Mehl
ein lockeres, weissea, nicht saures Brod zu gewinnen. Wenn man das Brod fabriks-
m aasig darstellt, so kann man auch die Uöhrung ganz umgehen, dadurch nämlich, dass
man den Teig zuerst mit einer Lösung von NaOfCOt anmacht und dann mit saliaiure-
haltigom Wasser durchknetet, wobei man darauf das Natron und dife Salzsäure in
äquivalenten und noch dazu in solchen Mengen zu nehmen hat, dass dat-lras der
Verbindung hervorgehende Na CI gerade dem sonst nöthigen Zusatz dieses Salzes
gleichkommt. Oder man hat in hermetisch geschlossenen Oe fassen den Teig mit Wasser
durchgeknetet, welches unter hohen Drücken mit CO* geschwängert war (Dauglish**).
Aus dem Teige formt man dann beliebigo Stücke , die man in einem Baekofen einer
Temperatur aussetzt, welche die oberflächlichen Theile (Kruste) auf 200 bis 250® C.,
die inneren (Krume) auf 100° C. erhitzt. Hierbei tritt ausser den oben angegebenen
Veränderungen auch noch die ein, dass in der Kinde das Amylon in brenzliche Pro-
dukte, namentlich in Pyrodextrin, das ist in eine schwarze elastische Masse (CmHmOss; HO)
übergeht (01‘lis)***), während in der Krume das Amylon und die Eiweissstoffe in
allotrope Modificationeh Ubergeführt werden, die aber nur solange bestehen, als das
Brod den Charakter besitzt, den man als frischbacken bezeichnet. Liegt dasselbe einige
Tage, so verschwindet dieser besondere Zustand wieder; man kann ihn durch aberma-
liges Erhitzen jedoch von Neuem herbei führen (Boussingault)t). Analysen des
Brodc» siche bei Oppelft) und Bibra.
i. Hülsen früchte'. Die reifen Erbsen und Bohnen enthalten dieselben Atom -
gruppen, wie die Körnerfrüchte. — Unter den Eiweissstoffipn erscheint neben den
früheren noch ein eigentümlicher, das Legumin oder Pflanzencasein, ln der quan-
titativen Zusammensetzung unterscheiden sie sich von den Körnerfrüchten dadurch,
dass die Eiweissstoffe im Ycrhäliniss zum Amylon beträchtlich gesteigert erscheinen.
Eine Vorstellung hiervon soll die folgende Analyse von trockenen Erbsen geben :
Eiweissstoffe = 2$,0, Stärke und Gummi = 57,3, Asche = 3,8, Hülsen = 7,6
(Horsford). — Die Asche der Bohnen und insbesondere der Erbsen ist sehr häufig
untersucht worden iro Aufträge deutscher und englischer Ackerbaugesellschaften ; das
übereinstimmende Kesultat derselben ist, dass sie vorzugsweise aus Kali und Phosphor-
säure, dann aus Kalk, Magnesia und Kochsalz und endlich aus geringen Mengen von
Eisenoxyd und Kieselerde besteht fff).
Bei der Zubereitung in der Küche dürfte vor Allem Gewicht darauf zu legen sein,
dass das feste Gefüge der Früchte zertrümmert werde , und dass beim Kochen in
•) Campt. rend. 46. Bd. 126.
••) Chera. Centralbkrtt. 1H6U. 220.
Compt. rend. 45. Bd. 690. and 9«.
t) Annales de chlmie et physique. 36. Bd. (186V) 490.
tf) Oicwener Jahresbericht für l«Al. 716.
ttt) Gieasener Jahresbericht. 1849. «67 u. f.
Kartoffeln , Baurofrücbte, Trink wasser.
599
Waaaer keine schwer löslichen Eiweisavorbindungrn entstehen , wie dieses u. A. ge-
schieht, wenn das Kochwasser kalkhaltig ist.
k. Kartoffeln. Der von der Schaale umschlossene Baum Ist gefüllt mit
Eiweiss, Stärkemehl, einer besonderen Art von Cellulose, welche in kochendem Wasser
zu einer Qallerte aufquillt und sieb in verdünnter Schwefelsäure zu Gummi und
Zucker uwsetzt; mit verseifbarem Fette (Solaninstearinsäure CmHsqO« und ein flüssiges
Oel von unbekannter Zusammensetzung) ; mit einem wachsähnlichen , nicht verseiibaren,
bei 27 0* noch festen Stoffe (Eichhorn)*); Asparagin, Aepfelsäure, mit den Salxen
der Körnerfrüchte und Wasser. Diese chemischen Bestandteile vertheilen sich auf
die anatomischen Gebilde in der Art, dass die Stärke (und ihre nächsten Verwandten)
in den Zellen, deren Wände aus der eigenthümlichen ünlzsubstanz bestehen, oinge-
schlossen sind; in der Flüssigkeit, welche diese festen Stoffe durchtränkt, sind das
Eiweiss, das Fett, das Asparagin, die Salze der Aepfelsäure und zum grossen Theile
die der Phosphor- und Salzsäure aufgelöst.
Die quantitative Zusammensetzung des Kartoffelmarkes ist sehr variabel gefunden
worden; sein Wasser schwankt zwischen S2 und 77 pCt, das Stärkemehl zwischen 11
und 24 pCt., Eiweiss und Asparagin um 2 pCt., Fette um 0,05 pCt., Holzstoffe gegen
3 bis 4 pCt. und die Asehe um 1 *bis 2 pCt. Diese letztere ist vorzugsweise reich
an Kali , auf dieses folgt die CO* , dann erst Phosphorsäure , Natron , Magnesia , Kalk,
Kieselsäure und Eisenoxyd (Way nnd Ogstone, Wals). Das Verhältniss der Salze
zu einander ist mit der Sorte verschieden. Beim Kochen gerinnt das Eiweiss, die
Zellenhüllen werden lockerer, jedoch nicht aufgelöst, und innerhalb derselben quillt
das Stärkemehl auf. — Während der Aufbewahrung soll sich der Stärkegehalt ändorn,
so dass er nach der Ernte bis gegen den März hin zu-, und von da an wieder abnimmt (?).
l. Die Baumfrüchte (Birnen, Aepfel, Pflaumen etc.) und die Gemüse (Rüben,
Kohlrabi etc.), Nahrungsmittel von theilweise untergeordnetem Werthe, enthalten neben
den Nahrungsstoffen, die in den bisher behandelten. Speisen vorkamen, noch Pektin (Pflan-
zenschleim) = C|«HioOio (Fr oray), das sich durch seine physikalischen Eigenschaften
Tor den Übrigen Kohlenhydraten wesentlich ausxcichnet; cs kann jedoch in Dextrin
und Zucker umgewandelt werden. Nächstdem ist der Reichthum der jungen Gemüse-
blätter an leichtlöslichem Kalisalze zu erwähnen. Uebcr das Weitere der genossenen
Arten und ihre Zusammensetzung Bind die angezogenen Werke von Moleschott,
Boussingault und die Giessener Jahresberichte um Rath zu fragen. •
m. Trink wasser. Das reine Wasser der Quellen oder das gereinigte der
Flüsse enthält Luftarten (Kohlensäure , Sauerstoff, Stickgas) und je nach den Gcbirgs-
arten, die es durchströmt, Kohlensäure, Schwefelsäure, Salzsäure mit Kalk, Magnesia
und Natron verbunden aufgelöst. — Der Gehalt an Salzen bestimmt den Charakter
des Wassers, däs man gemeinhin weich nennt, wenn es wenig Kalksalze enthält, wäh-
rend das mit diesen letzteren beladene hart genannt wird. Der Gcsammtgchalt des
Wassers an Salzen darf, wenn uns dasselbe noch zum gewöhnlichen Gebrauche dienen
soll, den Werth von einigen Uunderttheilen eines Prozente« nicht Übersteigen. Orga-
nische Beimengungen zum Wasser werden immer als Verunreinigungen empfunden.
Das gekochte Wasser nimmt einen faden Geschmack an, theils weil dadurch aus
ihm die Gase, theils weil Salze, insbesondere kohlensaure Kalksalzo , entfernt werden.
*) Poggendorf**, Annalen. S7. Bd. »M7. — Bibra, Die Getreideartei» und dae Br*>d.
Nürnberg. IMO.
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600
KahrungKftequiv&lente.
5. Nabrungsaequivalente*). Diesem Begriffe hat man
zwei Bedeutungen lieigelegt. a. Gewöhnlich versteht man darunter
das Gcwichtsverhältniss, in welchem zwei bestimmte Speisen ver-
abreicht werden mtlssen, wenn durch jede derselben die gleiche
Menge eines und desselben einfachen Stoffes eingefllbrt werden soll.
Die Frage ist an einem Beispiel erläutert also die: Wie viel Brod
muss genossen werden, damit durch dasselbe gerade so viel Eiweiss
in den Magen kommt, als in der Gewichtseinheit Fleisch verzehrt
wird ? Darauf antwortet eine gewöhnliche I’roportionsrechuuqg, wenn
die quantitative Zusammensetzung der betreffenden Nahrungsmittel
bekannt ist. Der grösseren Bequemlichkeit halber haben Liehig
und Boussingault für die Speisen mit bekannter Zusammen-
setzung Tafeln berechnet.
b. Ganz anders gestaltet sich die Sache, wenn man vom phy-
siologischen Gesichtspunkte ausgehend, die Frage erhebt : in welchem
Verhältnisse mtissen zwei verschiedene Speisen genossen werden,
wenn durch sie dieselben Leistungen innerhalb des thierisehen Kör-
pers erreicht werden sollen? Da die allgemeinsten Aufgaben der
Nahrungsmittel darin bestehen, dass sie entweder Wärme erzeugen
oder mechanische (Muskel-) Kraft hervorbringen oder endlich den
Wiederersatz oder die Neubildung von Geweben und Säften (Wachs-
thum, Mästung) bedingen sollen, so würde zuerst die Frage zu er-
ledigen sein, ob in der That ein und dasselbe Nahrungsmittel be-
fähigt wäre, diesen verschiedenen Anforderungen zu genügen. Wäre
nämlich, wie mau zuweilen ausgesprochen, ein jedes einfache Nah-
rungsmittel nur zu einem dieser Zwecke dienlich, so würde es na-
türlich in dem oben bezeichneten Sinne keine Aequivalente geben,
sondern es müsste entsprechend dem Verbrauche an Wärme, an
Muskelanstrengung und an Gcwebsmassen jedesmal nur ein ganz
bestimmtes Nahrungsmittel genossen werden. Mit einem Worte,
die Nahrungsmittel würden zu zerfallen sein in Wärme erzeugende
oder respiratorische, in kraftentwickelnde und in ge websbilden de
oder plastische.
Da die unorganischen Nahrungsmittel ohne Ausnahme schon
oxydirt genossen werden, so können sie keinen Beitrag zur Wärme-
bildung liefern ; im Gegensätze hierzu verlassen alle Organischen
Atome der Nahrung den thierisehen Körper in höher oxydirtem
•) Frcrlchs, Handwörterbuch der Physiologie. III. 1. Al>th. 731. — B o u ss i n g a n 1 1 , Die
Landwirthschftft II. Tbl. 23 b. u. f. — Lehmann, Physiologische Chemie. III. Bd. Emühriui.-.
Nahruugsaequivalenti1.
601
Zustande, als sie in ihn eingetreten sind ; die letzteren können also
sänuntlich zur Wärmeerzeugung verwendet werden, und es muss
diese Verwendung eintreten , insofern die bei ihrer Oxydation frei
gemachten Kräfte nicht dazu benutzt werden, um Arbeiten jenseits
der Grenzen des thierischen Körpers zu verrichten. Dieses ist auch
niemals bestritten worden. Wenn man nun trotzdem gewisse Nah-
rungsmittel, wie namentlich Fette und Kohlenhydrate vorzugsweise
wärmebildende nennt, so mtlssen dafür besondere Gründe vorliegen.
Zu iluien zählt man, dass viele Menschen für gewöhnlieh viel Amy-
lon und wenig Eiweiss geniessen, wesshalb sie nothwendigcr Weise
auch den grössten Theil ihrer Wärme aus dem Amylon nehmen
müssen. Da sich der Mensch aber auch bei dem umgekehrten Ver-
hältnis der Bestandthcilc und seiner Kost wohlbetindct, so begrün-
det das eben genannte Factum auch keinen wesentlichen Unter-
schied. — Man stellte auch darum Fette und Kohlenhydrate als
Respirationsmittel dem Eiweiss gegenüber, weil man meinte, die
Oxydation der erstercn gehe einfacher, gleichsam mit geringerem
Zuthun des Organismus vor sich. So hob man hervor, dass die
Atomcomplexe, in welche das Eiweiss und seine Verwandten »er-
legt sein müssen, bevor sie verbrannt werden können, nur von
den Muskeln, Bindegewebsfasern, Zellen u. s. w. dargestellt würden,
also mussten die Eiweissstoffe, bevor sic in die Oxydation eingin-
gen, erst flüssige oder feste Bestandtheilc jener Gebilde gewesen
sein. Angenommen, alles dieses sei richtig, so würde daraus noch
nichts für die Fette und den Zneker folgen. Denn auch sie wer-
den unbestritten durch eigenthümliche Wirkungen des Organismus
oxydirt. In Wahrheit sind aber die Mittel und Wege der Zer-
setzung für Eiweiss, Fette und Kohlenhydrate so gut, wie unbe-
kannt, so dass man auf sie auch keine Unterscheidungen gründen
kann. Keinesfalls ist zur Zersetzung der Eiweisskörper , wie man
früher glaubte, eine Muskelanstrengung nötbig, da Thiere, welche
in relativ sehr ruhiger Haltung, in Kästen eingesperrt, Tage lang
verharren, dennoch ungemein viel Fleisch täglich in Harnstoff um-
arbeiten können (Freriehs, Schmidt, Bi sc hoff). Namentlich
haben die wichtigen Arbeiten des letztem Physiologen, die er theils
allein, theils in Verbindung mit Voit ansgeführt hat, dargethan, dass
der Hund sehr grosse Mengen von Amylon und Fleisch gleich leicht
und ohne merkliche Aenderung seines Befindens umsetzt. Somit
liegt physiologischer Seite auch gar kein Gruud vor, die Umsetzung
beider Stoffnrten für prinzipiell verschieden zu halten.
602
Nahrungtiaeq ui valente.
Daraus folgt , dass rücksichtlich der Wärmebildung Aequiva-
lcnte der Nahrungsstoffe hinznstellen wären, ein' Unternehmen, das
keine Schwierigkeit hat, sowie man erst einmal die latente Wärme
der betreffenden Atome kennen wird. Die schon erwähnte Erfahrung,
dass wir je nach dem Reichthum unserer Nahrung an Eiweiss auf
dieselbe C02-Menge viel oder wenig Harnstoff bilden , ohne dass wir
dabei unsere Temperatur ändern, spricht auch entschieden für eine
solche Vertretung bei der Wärmebildung. Aber gerade diese Er-
fahrung beweist auch, dass die Vertretung keine vollständige wer-
den kann, da niemals weder die Umsetzung der stickstofffreien
noch die der sticksoffhaltigen Nahrungsmittel allein vor sich geht.
Es scheint im Mechanismus der Zersetzung des thierischen Körpers
zu liegen, dass beide Stoffreihen gleichzeitig, wenn auch in un-
gleicher Ausdehnung in die Zersetzung eintreten.
Zur Erzeugung der Nerven und Muskelkräfte sind unzweifel-
haft die Eiweisskörper dienlich und wahrscheinlich auch unumgäng-
lich nothwcndig, denn einmal sind diese Organe unter allen Um-
ständen sehr reich an diesen Stoffen, dann findet man in den Säf-
ten dieser Organe, namentlich in den Muskeln, um so mehr Zer-
setzungsproduktc der Eiweisskörper, je angestrengter sie gearbeitet
haben, und endlich soll, gleiche Ausbildung der Muskelmasse vor-
ausgesetzt, ein und derselbe Mensch um so arbeitsfähiger sein, je
beträchtlicher der Fleischantheil seiner Nahrung ist. Diese That-
sachcn schliessen es aber natürlich nicht aus, dass sich nicht auch
die Fette und Kohlenhydrate an der Erzeugung von Muskelkräften
betheiligen könnten , hierfür sprechen im Gegentheil die reichlichen
Mengen von Fett in den Nerven und ferner die bedeutenden Mus-
kelanstrengungen, welche Menschen leisten, die sich vorzugsweise
von den eiweissarmen Kartoffeln und Brod nähren und endlich die
Erfahrungen, dass man nach Muskelanstrengungen eine bedeutende
Vermehrung der Ausscheidung von COj und eine nur so geringe
von Harnstoff eintreten sah ; wäre in der That die Muskelkraft allein
auf Kosten des Eiweisscs entwickelt worden, so müssten wenigstens
der Harnstoff und die CO2 proportional vermehrt gewesen sein. Bei
diesem Stande der Sache ist es jedenfalls besser, unentschieden zu
lassen, ob die Nahrungsstoffe sich behufs der Entwickelung von
mechanischen Kräften vertreten können.
Ein jedes Gewebe bedarf, da es eine bestimmte chemische
Zusammensetzung besitzt, auch bestimmter Stoffe zu seinem Aal-
bau. Die verschiedenen zu einem Gewebe nöthigen Bestandteile
Verdauung der Speisen.
603
müssen also beschafft werden; wenn demnach die Nahrung zum
Ersatz zerstörter oder zur neuen Herstellung von Geweben benutzt
werden soll, so können sich die einzelnen Xahrungsstoffe nicht ver-
treten. Dieses würde nur dann möglich sein, entweder wenn in
einem Gewebe verschiedene unter sich sehr ähnliche Stoffe zu dem-
selben Zwecke verwendbar wären, wie z. B. in den Knochen phos-
phorsaure und kohlensaure Magnesia statt derselben Verbindungen
der Kalkerde, oder wenn ein Stoff bei seinen Zersetzungen im Thier-
körper zu einem Atomcomplexe führte, welcher identisch wäre mit
einem anderen in der Nahrung geradezu anfgenommenen. Insofern
könnte also Amylon, das sich, theilweise wenigstens, in Fett ver-
wandeln soll, bei der Ernährung des Hirns, des Fettgewebes u. s. w.,
oder es könnte Leim statt des Eiweisses zur Ernährung des Binde-
gewebes und der Knochen verwendet werden. Diese Vertretung,
wenn sie überhaupt besteht, würde aber jedenfalls eine sehr be-
schränkte sein. Unter allen Umständen ist es aber verwerflich,
geradezu ein einfaches Nahrungsmittel, z. B. Eiweiss, das plastische
oder auch nur das vorzugsweise plastische zu nennen, da in jedem
Fall auch andere Atomgruppen zum Entstehen und zum Bestand der
meisten Gewebe nothwendig sind. Wäre ausser den bekannten
chemischen Zusammensetzungen der Gewebe noch ein weiterer Be-
weis nothwendig, so könnte er leicht aus den Fütterungsversuchen
von Boussingault, vorzugsweise aus denen von Bischoff ge-
führt werden. Aus diesen geht hervor, dass eine Nahrung, die vor-
zugsweise aus Eiweissstoffen und in geringer Menge aus Amylon
oder Fett besteht, viel weniger mästet, als eine solche bei welcher
man das Fleisch minderte und statt dessen das Amylon oder Fett
mehrte.
C. Verdauung der Speisen.
Die Speisen müssen, bevor ans ihnen Blut entstehen kann,
chemische und physikalische Umwandelungen erfahren. Diese gehen
in mehreren räumlich und funktionell von einander geschiedenen
Behältern vor sich, nämlich in der Mund- und Kachenhöhle, dem
Magen, dem Dünn- und Dickdarme. Ein jeder derselben liefert einen
Beitrag zur Verdauung durch hemmende oder beschleunigenden Be-
wegungswerkzeuge, durch Drüsen, durch die Eigenschaften der Häute,
welche Darm - und Gefässhöhlen trennen und endlich durch die allen
gemeinsame Wärme.
604 Mechanische Arbeit der Yordsuunga Werkzeuge ; Mund und Schlund.
Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge.
1. Mund und Schlund.
Lippen, Wangen und Kiefer sind, soweit sie nicht scholl be-
sprochen, in ihren Leistungen Jedermann bekannt.
Die Zunge. Ihre Wurzel ist auf bekannte Weise durch Mus-
keln und Ränder an den Stylfortsatz, den Kiefer und das Zungen-
bein geheftet, sie folgt darum auch den Bewegungen der beiden
letzteren und insbesondere denen des Zungenbeins. — Das Zungen-
bein kann vermöge seiner Befestigung an dem Kehlkopfe eine all-
gemeine Ortsvcrändcrnng erfahren, oder es kann sieh auch nach
Spannung der Bänder um diese letztem drehen; so können sich
namentlich die Hörner um den durch das lig. hyothyreoideura me-
dium festgestellten Körper, oder dieser letztere um die durch die
ligamenta lateralia fixirten Hörner erheben oder senken. Gehoben
wird das Zungenbein durch die Verkürzung der mm. stylohyoidei
(und hyopharyngei?), gesenkt durch die stemo-, thyreo- und omo-
hyoidei. Die Unterschiede dieser drei Muskclwirkungen liegen darin,
dass der m. omohy oideus nach unten und hinten, der stemohyoideus nach
unten und vorn Kehlkopf und Zungenbein zugleich' ziehen, während
der m. thyreohyoidcus den Abstand beider bestimmt. Die Mm. mylo-
ttnd geniohyoideus und digastrieus anter. ziehen das Zungenbein nach
vorn, wobei der erstere noch die Zunge gegen den harten Gaumen
hin lieht, indem er den nach unten bauchig herahhängenden Kelil-
raum abflacht. — Alle Bewegungen, welche von den Muskeln der
Wurzel oder des Beines der Zunge ausgeftthrt werden, übertragen
sich auf Zunge und Zungenbein zugleich ; eine Ausnahme hiervon
dürfte nur dem Hyoglossus zustchen.
Das freie Blatt der Zunge*), das seine Gestalt selbstständig ver-
ändern kann, ist von Muskeln durchzogen, welche et weder parallel
der Längsachse,, (mm. hyoglossi, longitudinalis inferior und supe-
rior, styloglossi), oder von der unteren zur obem Fläche (mm. ge-
nioglossi) und von einem zum andern Hand (m. transversus linguae)
laufen. Die verschieden gerichteten Züge verflechten sich in der
Zunge innig, und so können sic nicht allein die letztere verschmä-
lern (und dabei strecken und verdicken), abplatten (und dabei ver-
längern und verbreitern), sondern auch krümmen.
Die Nerven aller dieser Muskeln sind in vier verschiedenen
Stämmen enthalten. N. trigeminus versorgt den m. mylohyoideus
*) Külliker, Mikroskop. Anatomie. 11. Bd. 1. Abthl. p. 12.
r
Mechanische Arbeit der Verdaunnggweifcfrug«; Mund und Schlund. 605
und digastrieus anterior, n. facialis den stylohyoideus und nn. hy-
poglossns und cervicalis 11 die übrigen Mnskeln. Die Folgen
dieser Anordnung für die Verknüpfung der Bewegungen sind unbe-
kannt. — Die willkürliche Erregnng gebietet unbeschränkt über
'die Nerven des stylo-, genio- und hyoglossus, omo-, sterno-, Stylo-
thyreo- und geniohvoidei, longitudinales et transversi linguae, in-
dem ebensowohl ein- als zweiseitig die Zunge nach vorn, nach
hinten, oben und unten bewegt werden kann. Beschränkt ist aber
die Willkür, dem m. mylohyoideus gegenüber, insofern, als er
jedesmal nur beiderseitig zusammenziehhar ist; der hyothyreoideus
endlich zieht sich für gewöhnlich nur gleichzeitig mit den Spnnn-
muskeln der Stimmbänder und den Gaumen- und Schlundschnürern
zusammen.
lieber die Znngenmnskeln, im engeren Wortsinn, ist eine derbe
Bindegewebshülle gezogen, in welche an vielen Orten die Muskeln
eingehen ; sie ist mit einem hornigen Ueberznge bekleidet, der sich
auf dem Rücken in zahlreiche feine Fortsätze (papillae filiformes)
erhebt. Der Ueborzug macht die Zunge rauh und, wo er dick ist, auch
die darunter liegenden weichen Gewebe weniger angreifbar. — Da
aber die Hornschicht auf den pap. fungiformes nur dünn ist und zu-
gleich die Zungenschleimhaut reichliche Vertheilungen des n. lin-
gualis besitzt, so geht aus allem Diesen hervor, dass die Zunge
als Schaufel und Tastwerkzeug sehr brauchbar ist.
Der Kehldeckel ist ein elastisches Knorpelplättchon, das
sich an 'das Zungenbein und die Spannknorpel des Kehlkopfes (eart.
thyreoid.) mittelst elastischer Bänder anheftet, welche ihm, wenn
er sich selbst überlassen bleibt, eine solche Stellung zu der Zun-
genwurzel sichern, dass ihn ein Flüssigkeitsstrom in der Richtung
vom Schlund zur Speiseröhre gegen den Kehlkopf umklappt. In
dieser niedergedrückten Lage deckt er die Stimmritze aber nur
dann, wenn der Kehlkopf dem Zungenbeine durch die Verkürzung
des m. thyreohyoideus genähert ist.
Der weiche Gaumen*). Seine bogenförmigen freien Rän-
der, von denen einer zum Rande der Zungenwurzel und ein anderer
zu den Seitentheilen des Schlundkopfes läuft, schliessen bekanntlich
die mm. palatoglossus und palatopharyngeus ein. Die Zusammen-
ziehung des ersteren flacht den vorderen Bogen um ein Weniges
ab, wobei der Gaumenvorbang , soweit es seine Nachgiebigkeit er-
•) Tourtoual, L'eber «len Ban des inenschl. Schlund- und Kehlkopfes. Lelpxig 1848.
V
— . Jligiteedby Google
606 Mechanische Arbeit der VerdauungswerkMBg»; Mond und Schlund.
laobt, bernntertritt ; auf eine andere Weise kann dem Verkürzungs-
bestreben kein Genüge geleistet werden, da die in die Zungen*
ränder eingehenden unteren Enden sieh einander weder näheriiy
noch auch die Zunge heben können. Bei der Zusammenziehung
des an und für sich schon engeren m. palatopharyngeus treten da*'
gegen die freien Ränder des hinteren Gaumenbogens zur Bildung
einer Spalte (Dzondi) von dreiseitiger Form zusammen, deren
Basis nach der Schlundwand bin gelegen ist (Tourtual). — In
dem Theile des Segels, der von der Spitze des Bogens bis zum
harten Gaumen sich erstreckt, münden die levatores palati poste-
riores (circumäexus palati) und anteriores, die tensores palati uqd
die levatores nvulae (azygos). Die vier Gaumenheber suchen, wenn
sie kurz werden, das Segel, und insbesondere den an die Knochen
grenzenden Theil in eine Flucht mit dem harten Gaumen zu heben.
M. azygos zieht bei seiner Verkürzung die gesenkten Bogenspitzen
sarnint dem Zäpfchen empor, und im gleichen Falle zerrt der tensor
die genäherten Bogenränder auseinander (?).
Diese Annahmen gründen sieh theila auf Ableitungen aus dem Muskelverlauf, theile
auf direkte Beobachtung des lebenden Menschen , die entweder wie gewöhnlich von der
Mundhöhle aus geschieht, oder, wie in seltenen Fällen möglich war, von der Naaen-
höhle aus (Dzondi, Biddcr)*) nach Zerstörung des Oberkiefers oder von den unteren
Stücken der Rachenhöhle nach Verletzungen im Seitcntheilc des Schlundes über dem
Zungenbeine* (Roheit).
Die Nerven dieser Muskeln stammen aus sehr verschiedenen
Quellen; m. palatoglossus erhält sie aus dem n. vagus; m. levator
palati mollis posterior wird zugleich versorgt durch Fäden, die in
den nn. facialis, glossopharyngens, vagus und accessorins aus dem
Hirne treten ; m. tensor palati empfängt seine Nerven aus den nn.
trigeminns, glossopharyngeus , vagus uud accessorins; m. azygos
aus den nn. vagus, accessorius und glossopharyngeus. — Die Ner-
ven des arc. glossopalatinus sind nicht ermittelt, da der Muskel
den meisten Säugethiercn fehlt; auf den m. levator anterior hat
man noch keine Rücksicht genommen.
Die aufgezählten Muskeln sind, wenn überhaupt, der Willkühr
nur in beschränkter Weise unterthan, indem niemals die Bewegung
des Gaumens nur auf einer Seite ausgeführt werden kann. Unter
die in diesem Sinne willkürlich beweglichen Muskeln gehören un-
zweifelhaft mm. levatores palati und uvulae. — lteflectorisch erregbar
i 4 ^ r> . VMiJy f.T- j ^
•) Dzondi, Die Funktionen des weichen Gaumens. Halle 1881. — Biddcr, Beobachtungen
über die Bewegungen dee weichen Gaumens. 1848. — - Kobelt, Frorlep'a Kotixen. 184«».
.ßigilizedby Google
Kauen and Schlingen.
607
sind die Gaumenschnürer, und zwar von den empfindenden Nerven
aus, die sieb auf der Zuugeuwurzel , der binteren Fläche des Gau-
mensegels und in der Schleimhaut Uber den mittleren Schlundschnü-
rern verbreiten.
Sehlundkopf. Die Faserung der Schnürer geht zum Theil
spiralig vom Kehlkopf und Zungenbein zur entgegengesetzten Kopf-
hiilftc; die Züge der beiden Seiten verflechten sich in der hinteren
Mittellinie des Schlundes; zum Theil (im pterygo-, bnceo- und ke-
ratopharyngeus) läuft sie quer von einer Seite zur anderen. Diese
Streifungen müssen die unteren Partien heben und seitlich znsam-
menpressen: an den Orten, wo die hintere Schlundwand locker an
die Wirbelsäule geheftet ist, können die Schnürer sie auch gegen
die Mundhöhle hin bewegen; die von der cart. thyreoid. entsprin-
genden Fasern sind auch vermögend, die Platten des genannten
Knorpels gegeneinander zu beugen. — Der m. stylopharyngeus
wird seinem Verlaufe gemäss die seitlichen Partien der Schlund-
wand heben und auseinander ziehen, d. h. die Falten, die sich auf
der hinteren Wand gebildet haben, glätten.
Die Nerven des stylopharyngeus laufen im n. glossopharyngeus,
die Schnürer werden vom n. vagus, accessorius (und glossopharyn-
geus?) versorgt.
Ob einer dieser Muskeln ein- oder zweiseitig durch den Willen
erregt werden kann, steht noch dahin. In Verbindung und unmit-
telbar nach der Erregung der Gaumenmuskcln scheint dieses nicht
unmöglich. — Reflexbewegungen werden in ihnen ausgelöst auf
Erregung aller cmfindenden Flächen hinter dem Gaumenbogen bis
zum Beginn der Speiseröhre.
Speiseröhre. Ihre Muskeln sind beim Menschen, abweichend
von dem Verhalten der Haussäugethiere, aus Quer- und Läugsfädeu
zusammengesetzt. Die Nerven derselben kommen aus dem Vagus-
stamme; sie sind dem Willenseinflusse durchaus entzogen und
können nur in besonderen Zuständen der Erregbarkeit von der sie
deckenden Schleimhaut zu Zusammenziehungen veranlasst werden.
Die bis dahin erwähnten Werkzeuge vollfuhren das Kauen und
Schlingen.
Das Kauen oder Verkleinern der eingefUhrten und unter Um-
ständen mit den Schneidezähnen abgebissenen Speisebrocken ge-
schieht durch den mahlenden Druck der Backzähne; diesem Akte
kommt die Kraft der Kieferschliesser, die Beweglichkeit des Unter-
kieferkopfes nach verschiedenen Richtungen und die Härte und Un-
608
Das Schlingen.
eben heit der Backzähne zu Oute. — Die Speisebrocken würden bei
diesen Bewegungen von der erhaben gestellten Kauflacbe herunter-
fallen, wenn sie nicht durch die Wangen, Lippen und die Zunge
anf ihr gehalten wurden. Wenn diese Einrichtungen das Abgleiten
nicht vollkommen verhüten, so hebt die Zunge das Niedergefallene
wieder empor; diese letztere wendet zugleich die Speise von einer
Wangenseite auf die andere, ein Vorgang, der namentlich beim
Kanen trockener Bissen Öfter in Anwendung kommt. — Den Härte-
grad der eingeführten Stoffe prüfen die Zähne, welche bekanntlich
sondenartige Tastwerkzeuge darstellen; in Verbindung mit der Zunge,
geben die Zähne auch Nachricht, ob die Bissen den zum Schlingen
hinreichenden Grad von Vertheilnng erlangt haben.
Das Schlingen. Dieser Muskelakt, vermittelst dessen der
verkleinerte Bissen aus dem Munde in den Magen befördert werden
soll, wird dadurch verwickelt, dass die Speisen, nachdem sie ein*
mal in die Rachenhöhle geschoben sind, nun in den Oesophagus
eindringen ; also die Mündungen der Luftwege in den Rachen ver-
meiden sollen und zugleich nicht in die Mundhöhle zurltckweichen
dürfen. Das Einschieben des Bissens hinter den vorderen Gaumen-
bogen besorgt die Zunge ; zu dem Ende wird sie, nachdem sie die
Speisen auf ihren etwas hohl gestellten Rücken genommen hat, zu-
erst vom gehoben durch die Muskeln des freien Zungenblattes,
dann aber in der Mitte durch die Zusammenziebung des m. mylo-
hyoideus, indem er den Boden der Mundhöhle abflacht, und end-
lich an der Wurzel durch den m. styloglossus. Nachdem der Bissen
somit durch die Zunge an den harten Gaumen gepresst und hinter
den arcus glossopalatums geschoben wurde, legt sieh dieser um die
Zunge an und sehliesst damit Schlund- und Mundhöhle von ein-
ander ab. — ln diesem Augenblicke werden aneh die Nasenöff-
nungen und die Stimmritze gedeckt. Die ersteren dadurch, dass
das Gaumensegel in Verbindung mit der hinteren Schlnndwand eine
zeitweilige Scheidewand zwischen- dem oberen und unteren Theile
des Schlundkopfes , etwas unterhalb der Choanen , herstellt ; hier-
bei greifen die einzelnen Theile so in einander, dass die levatores
palati antiei und poatici in der Nähe des harten Gaumens und die
sohräg vom Kopf nach dem Larynx verlaufenden Schnürmnskeln
des Schlundes die hintere Fläche des Gaumensegels zn einer hori-
zontalen oder schief nach hinten abtiachenden Fläche erheben ; diese
Wirkung der bezeichnten Muskeln wird unterstützt durch den Bissen,
welcher von der Zunge aus das velum palatinum hebend vor sich
ly-Qtßgjf
Schlingen.
609
Verschiebt. Der Spalt, der zwischen dem hinteren Ganmenbogen
dann noch Übrig bleibt, wird geschlossen durch eine Falte, welche
sich von der Scblundwand hervorbebt in Folge der seitlichen Zn-
samruenpressung , welche der Pharynx durch die absteigend und
horizontal verlaufenden Muskelfasern erfährt. — Der liebergang
der Speisen in die Luftröhre wird dadurch verhindert, dass der
Kehldeckel sich Uber den Kehlkopf legt; der epiglottis wird der Ein-
tritt in diese Stellung darum erleichtert, weil sich der Kehlkopf
erhebt und sich demnach gegen die Zungenwurzeln drückt; das
Umlegen des Kehldeckels selbst aber sollte, wie man früher an-
nahm, durch den niedergehenden Bissen geschehen; Czermak*)
hat jedoch mit dem Kehlkopfspiegel nachgewiesen, dass dieses nicht
der Fall sei, sondern dass der Kehldeckel durch seine ' Muskeln
herabgezogen wird. Soll der Verschluss des Kehlkopfs noch fester
gemacht werden, so legen sich die wahren Stimmbänder aneinander,
die falschen Stimmbänder nähern sich und senken sieh bis zum
vollständigen Verschwinden der Morgagnischen Taschen auf die
wahren Stimmbänder und zugleich drückt sich der Kehldeckel mit
seiner nach hinten vorspringenden convexen Geschwulst auf die
geschlossene Glottis (Czermak). In dieser Lage überragt die Epi-
glottis den Kehlkopf, sodass ihre freien Ränder beim leeren Schlin-
gen durch den contrahirten Schlund aufgebogen werden können.
Auffallend ist es, dass bei dieser kräftigen Berührung der obern
Glottis fläche kein Hustenanfall erzeugt- wird, den doch jeder ein-
dringende Bissen hervorbringt.
Die Schliesser der Stimmritze spielen jedoch beim Abhalten des Speisebissens von
der Luftröhre nicht die Rolle, die man ihnen früher allgemein zutheilte. Dieses geht
daraus hervor, dass kein Speiseantheil während des Sehlingens in die Luftröhre fällt,
wenn man auch eine Röhre oder die gesperrten Arme einer Pincetto in die Stimmritze-
legt (Longot**), Bouchut). — Unter Umständen kann sogar nach Abschnoidung
dos Kehldeckels das Schlingen noch gut von Statten gehen (LongOt).
•
Dem allseitig gedrückten Bissen bleibt somit nur der Weg in
den unteren Theil des Schlundkopfes, der um so leichter genom-
men wird, als sich derselbe mit- der Hebung des Kehlkopfes der
Zungenwurzel entgegenschiebt. Dort angelangt, wird er durch eine
Zusammenzichung der Schlundschnürer dem Oesophagus überliefert,
welcher sich jedesmal in den Stücken verengert, die unmittelbar
*) Der Kehlkopfspiegel. Leipzig 1860.
•■) Longe t, 3'raitd de Physiologie. I. 2 Abth. 102. -> Bouchut, Aus den Sitzungsberichten
der medizinischen Akademie zu Paris 1869.
Ludwig, Physiologie 11. 2. Auflage. 39
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610
Schlingen.
oberhalb und nm den Bissen gelegen sind; diese Znsammenziehnng
schreitet mit dem Inhalte allmiihlig von oben nach unten fort, wo-
bei sie aber immer nur einen beschränkten Abschnitt der Musku-
latur zugleich ergreift, indem die Fasern der Orte, welche der Bissen
verlassen hat, auclr allmählig zu ihrer normalen Länge zurück-
kehren.
Die Nerven, welche der. Beihe nach beim Schlingen in Erre-
gung treten, sind nicht durchweg bekannt. Aeste der nn. trige-
miaus, hypoglossus und des Vagussstammes sind unzweifelhaft be-
theiligt; ob auch die Schlund- und Gaumenzweige der nn. trige-
minus, facialis und glossopharyngeus dazu gehören, ist zweifelhaft.
Jedenfalls aber steht hier wie bei der Angenbewegung fest, dass
Nervenröhren mit sehr verschiedenen Ilirnursprtlngen in diese com-
binirte Bewegung als Erreger eingehen.
Die Zusammenziehung der einzelnen Muskelstucke *) des Sehling-
apparates ist in die eigentümliche Beziehung gebracht, dass bei
normaler Erregbarkeit auf die Verkürzung eines höher gelegenen
Stuckes jedesmal die der tiefer gelegenen bis zum Magen hin nach-
folgt, während niemals auf die eines tieferen die Zusammenzie-
hung eines höheren folgt. Man drückt dieses gewöhnlich so aus,
dass dem Schlingapparate eine peristaltische, aber keine antiperi-
staltische Bewegung zukomme. — Das Fortlaufen der peristalti-
schen Bewegung geschieht allmählig und ist namentlich abhän-
gig von der Zeitdauer, welche jedes einzelne Stück zur Vollen-
dung seiner Zusammenziehung verbraucht, da die nächst tiefer
gelegenen Partien nicht eher in den Zug der ßewegung eintreten,
bevor nicht die höheren wieder zu der Erschlaffung gekommen sind.
— Die Einleitung der Bewegnng ist, wie es scheint, nur bedingt
vom Willen abhängig; dagegen kann sie ohne äussere Ursache
unwillkürlich (vgl. I. Bd. 213) und auf reflektorischem Wege zu
Stande kommen. Die sensiblen Orte, deren Erregung das Schlia-
gen einleitet, scheinen für gewöhnlich auf die hintere Fläche des
Gaumens und den Eingang in den Kehlkopf (Wild, Longet) be-
schränkt zu sein; nur zuweilen gelingt es, die fortlaufende Bewe-
gung durch einen Anspruch der Speiseröhrenschleimhaut auszulösen.
Einmal eingeleitet schreitet die Bewegung unaufhaltsam bis znm
Magen fort, so lange Nerv und Muskel erregbar und unversehrt
sind, und so lange sich der fortschreitenden Bewegung kein Hin-
derniss entgegenstellt. Durchschncidet man aber die Muskeln oder
•) Wild, Henle's und Pfeafer’i Zeitschrift. V. Bd. 76.
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Mechanische Arbeit der Verdainisgswerkzeugo; Magen.
611
Nerven des Oesophagus, oder presst man ein beschränktes Stück des
letzteren durch einen unigelegten Faden zusammen, so Überschreitet
die von oben herkommende Zusammenziehung den verletzten oder
gedrückten Ort nicht (Wild).
Dor Wille vermag die Schlingbewegung nur dadurch einauleiten, daaa er den festen
oder flüssigen Inhalt der Mundhöhle in den Hachen schiebt, welcher dann die dort
vorhandenen sensiblen Nerven erregt; dieses geht am deutlichsten daraus hervor, dass
man auf Qeheiss des Willens nur bis zum Verschwinden allen Speichels (drei*, vier-
bis fünfmal unmittelbar hintereinander) schlingen kann, dass sich aber die Fähigkeit
dazu sogleich wieder einstellt , so wie sich wieder Speichel in der Mundhöhle ansam- 4
melt oder ein Bissen in sie eingebracht wird. — Die Angabe, dass die einmal cinge-
lcitete Schlingbewegung zu ihrer Fortführung der reflektorischen Erregungen nicht be-
darf, und namentlich nicht in Abhängigkeit steht von den Erregungen, die der weiter
geführte Bissen in der Schleimhaut hervorbringt, stützt sich darauf, dass sich die Be-
wegung selbst dann fortsetzt, wenn der Fortgang des Bissens, z. B. durch einen ange-
zogenen und feBtgchaltenen Faden, aufgehalten wird. Siehe das Qenauere bei Wild.
2. Magen.
Dieser geräumige Behälter ist im leeren Zustande so aufge-
hängt, dass cj seine grosse Curvatur nach unten wendet; im ge-
füllten dreht er sich dagegen nach vorn und somit stellt er seine
kleine Krümmung nach hinten, welche sich dann über die Wirbel-
säule und die auf ihr laufenden Gefässe hinspannt, ohne diese letz-
teren zn drücken. Diese Drehung muss um eine Linie geschehen,
welche durch die beiden am festesten angehofteten Punkte, die
Cardia nnd den Pylorus bestimmt ist. Die Drehung wird möglich,
weil die Krümmungen nur durch die schlaffen Netze angeheftet
sind, nnd die vordere und hintere Magenfläche mit ihren glatten
ßanchfellttberzügen frei in der Pcritonialhühle liegen. Der Mecha-
nismus, welcher diese Drehung leitet, ist noch nicht ermittelt. Jeden-
falls ist er von irgend welcher Muskelzusammenziehung unabhän-
gig, da sich auch der Magen in der Leiche bei seiner AnfUllnpg
dreht. — In dieser Lage nimmt nun die Cardialöffnnng die höchste
Stelle ein, so dass gegen sie die spezifisch leichtesten Bestand-
teile des Mageninhaltes zu liegen kommen. Enthält also neben
festen und flüssigen Stoffen der gefüllte Magen auch Luft, so wird
sie sich an der bezeichneten Stelle finden und durch den Magcn-
mund anstreten, wenn er geöffnet ist. — Die Muskulatur des Ma-
gens macht vermöge der Anordnung ihrer Fasern eine Verschlies-
sung seiner Mündungen, insbesondere der nach dem Dünndärme
gekehrten, möglich, und ausserdem kann sie eine im Einzelnen
mannigfach abgeänderte Verengerung der Magenhöhle herbeiführen.
39*
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612
Mechanische Arbeit der Verdammgswcrkaenge; Magen.
Nerven erhalten die Magenmuskeln ans den Zweigen des n. vagns,
des splanchnicus und dem. grossen, viele Ganglien enthaltenden
Geflecht, welches in der Bindegewebshaut gelegen ist (Meissner,
Manz*).
Die Bewegungen**) des lebenden Magens, der in seinen na-
tth-liehen Verbindungen und unter normalen Verhältnissen steht, sind
keine einfachen Zuckungen, sondern verwickelte Vorgänge, deren
innerer Zusammenhang nicht durch die einfache Beobachtung,
sondern nur durch den zergliedernden Versuch aufgedeekt werden
kann. In der letztem Richtung ist jedoch noch wenig geschehen.
Wir wissen Überhaupt nur, dass sich der ausgeschnittene mit
Speisen gefüllte Magen des Kaninchens rhythmisch zusammenzieht.
Diese Bewegungen erstrecken sich namentlich auf den dem Oeso-
phagus unmittelbar angrenzenden Theil der Cardia. Bei ihrem
Eintritt plattet sich der in der Nähe konisch geformte Theil ab, es
wird der Oesophagus in die Magenhiihlc hineingezogen und der
Cardialsphincter schliesst sich. Diese Bewegungen kehren nach
minutenlangen Pausen wieder (Basslinger). fjjc sind bisher
weder am nüchternen Magen des Kaninchens, noch am gefüllten
oder leeren anderer Thiere beobachtet worden, vorausgesetzt, dass
derselbe ausgeschnitten war. — 2. Reizt man den ausgeschnittenen
Magen auf seiner • serösen Fläche momentan und beschränkt , so
stellen sich zuweilen weit verbreitete und lang dauernde Bewegun-
gen ein, deren Form und Dauer aus den Eigenschaften des Reizes
nicht abgeleitet werden können. — Statt und neben diesen Bewe-
gungen, die wie gesagt, häufig fehlen, stellt sich dagegen immer
eine Zusammenziehung ein, die als eine directe Folge des Reizes
angesehen werden kann. Diese Contractionen geschehen in der
den glatten Muskeln eigenen langsamen Weise. — 3. Der heraus-
goschnittene, entleerte, ruhige Magen eines Säugetliieres kommt in
Bewegung, wenn man ihn in der Luft auf 19° bis 25° C. erwärmt
(Calliburces). — 4. Reizt man am ebengetödteten Thiere den
Stamm des n. vagns am Halse, so kann eine Bewegung des Ma-
gens eintreten oder ausbleiben. Das erstere geschieht vorzugs-
weise, wenn der Magen einige Zeit hindurch in Verdauung begriffen
•) Manz, l>ie Nerven und Ganglien des S&ngethlerdarms. Freiburg 1859.
•■) Basslinger, Wiener Sitzungsberichte. XXXVII. Bd. — Wolf, Meissners Jahresbericht
für 1857. -194. — Volk mann, NcrvenphysiologWS im Handwörterbuch der Physiologie II. Bd. 686.
— Longct, Traite de Physiologie I. 2. Abthlg. 1857. 120. — * Bulatowlos, de partibas qua*
nervi vagl ln vomitu agunt. Don» 1868. — Calliburces, CoinpL reud. XLV. — Busch, Archiv
für patholog. Anatomie. XIV Bd. 106.
Mechanische Arbeit der Verdautmgswerkseuge ; Magen.
613
war. Die Bewegung ist entweder eine peristaltische, oder sie be-
steht in einer ZnsammcnschnUrung, die sich vom Gipfel der grossen
zur tiefsten Ausbeugung der kleinen Curvatur erstreckt (Bischoff,
Longe t) oder in Zusammenschnürungen des Pylorusendes (Wolf).
Ist der Magen bewegungsfähig, so tritt die Zusammenziehung nicht
unmittelbar, sondern erst einige Sekunden nach der Einwirkung
eines vorübergehenden Reizes auf, auch kehrt sie öfter nach Ent-
fernung des Reizes weder. — 5. Betastet man am lebenden Thicre
durch eine Fistel hindurch die Schleimhautfläche des Magens mit
zwei um mehrere mm. von einander abstehenden Drähten, durch
die ein Induktionsstrom geht, so erzeugt man durch Berührung der
Cardia Brechbewcgnngen , die mit einer Erschlaffung des ’Cardial-
pfdrtners verbunden sind. Einen ähnlichen Erfolg kann man weder
durch Reizung des Fundus noch des Pylorusendes hervorbringen
(G. Ludwig, Kupffer). Dieser Erfolg fehlt, wenn vorgängig die
n. vagi am Halse durchschnitten waren (Bulato wicz). — 6. Wird
die Schleimhaut des Pylorus in der oben bezeichncten Weise oder
mit dem eingeführten Finger gereizt, so erfolgen kräftige Zusam-
menziehungen des Pyloruspförtners. — 7. Wenn der Magen des le-
benden Hundes mit Speisen angefüllt ist, so entstehen am Cardial-
theile rhythmisch wiederkehrende Contrakturen , die meist mit der
Inspiration beginnen und mit der Exspiration nachlasscn (Longet).
Diese Bewegungen werden am Magen des lebenden Kaninchens
jedesmal durch eine Schlingbewegung veranlasst, indem sich die
peristaltische Bewegung des Oesophagus auf die Cardia fortsetzt
(Basslinger). — 8. Der mit Speisen gefüllte Magen des lebenden
Menschen und Hundes lässt Bewegungen gewahren, die eine Ver-
engerung seiner Höhle anstreben; sie sollen nach Beobachtungen,
die Beanmont bei einem Menschen anstellte, der eine Magcnfistel
besass, peristaltisch vom fFundus gegen den Pylorus hin fort-
schreiten. Diese Bewegungen kehren, wenn sic einmal eingetreten
sind, wie die Untersuchungen an Hunden lehren, nach mehr pder
weniger kurzen Zeitabschnitten wieder. Ausser dem peristaltisehem
Modus wurde auch ein antiperistaltischer beobachtet. Diese Bewe-
gungen treten jedoch nicht alsbald nach dem Niederschlingen der
Speisen, sondern erst dann ein, wenn die letztem einige Zeit im
Magen verweilten; Longet sah sie durch eine Magenfistel des Hun-
des erst nach schon weiter fortgeschrittener Verdauung zum Vor-
schein kommen. Dem entgegen beobachtete Busch, dass schon
15 bis 35 Minuten nach dem Speisen das Genossene aus einer
614
Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Dünndarm.
DUnndarmfistel einer Frau bervortrat. A eheliches sieht man öfter bei
Hunden , die eine Duodenalfistel tragen. — 9. In der Nacht sind keine
Magenbewegungen vorhanden, selbst wenn der Magen Speisen enthält
und sich kein Schlaf eingestellt hat (Busch). — 10. Nach Durchschnei-
dung der nn. vagi werden die Bewegungen vielleicht schwächer, aber
sie hören nach Übereinstimmenden Angaben nicht auf, zu erscheinen.
Aus Allem scheint zu folgen , dass der Magen einen automatischen
Erreger in sich trägt, welcher die räumliche und zeitliehe Ordnung
der Bewegung bestimmt. Diese Selbsterreger können aber auch
von aussen her und zwar sowohl durch den n. vagus wie auch
durch reflectorische Veranlassung zur Auslösung von Reizen be-
stimmt werden. Je nach der Oertlichkeit der ursprünglich erregten
von aussen her eindringenden Nervenmassen (Cardia, Pylorus, n.
vagus) werden auch nur bestimmte Muskelabtheilungen zur Bewegung
veranlasst Die automatischen, beziehungsweise die reflectorischen
Organe sind aber nicht immer im Zustand der Erregbarkeit, und cs
scheinen auch nicht alle automatischen Stellen des Magens gleich-
zeitig in die letztere zu gerathen. Für die Verdauungslehre ist es
wichtig, dass die den Pylorus beherrschenden Nerven schon mit
dem Eintritt der Speisen in den Magen erregbar werden, während
die zu den übrigen Muskeln gehörenden Nerven erst dann thätig
werden, wenn die Magenverdauung schon kürzere oder längere
Zeit im Gang ist.
3. Dünndarm.
Als ein Rohr von beträchtlicher Länge, dessen Wandungen bis
zum Verschwinden der Höhle von den gespannten Bauchdecken zu-
sammengepresst werden, bietet er ein ganz anderes Verhältniss
zwischen Binnenraura und Wandungsfläche, als der Magen. — Die
Anheftung durch das Peritonänm zwi%t das lleum und Jejunum
in Schlingen zu hängen, die wechselnd auf- und absteigen können,
das. festgeheftete Duodenum wechselt zum Vortheil' der Gallen- und
Pankreasgänge, welche seine Wand schräg durchbohren, seinen Ort
niemals. — Die Falten der Schleimhaut des Jejunum sind so ge-
legt, dass sie das Gleiten des Inhaltes in der Richtung von oben
nach unten erlauben, während sie durch einen Stoss im umgekehr-
ten Sinne aufgestellt werden.
. Die Längs- und Kreisfasern in der Muskelhant des Darms
werden mit Nerven versorgt ans den nn. vagus, splanchnic. maj.
und min. und endlich aus dem von Meissner entdeckten plexug
. ... Digitizerl hy C.nogle
Mechanische Arbeit der Verdauung* werk zeuge ; Dünndarm. 015
gangliosus, der in der Bindegewebshant des Darms ausgebreitet
liegt.
Die Bewegungen*) der Muskelhaut sind entweder einfache auf
die gereizte Oertlichkeit beschränkte Zusammenziehungen (lang-
same Zuckungen) oder geordnete Bewegungen. Die letzteren können
unter zwei Formen auftreten; sie sind nämlich entweder stehende,
um denselben Darmumfang rhythmisch wiederkehrende Verkürzungen
und Verengerungen (pendelnder Modus), oder sie sind fortschrei-
tende Bewegungen. Bei diesen letzteren entsteht eine Zusammen-
ziehung der Längs- und Kreisfasern an einem beschränkten Darm-
stück; alsbald nach Vollendung der Contractur lösst sich dieselbe
ancb wieder und während dieses geschieht, zieht sich ein zunächst
liegender Darmumfang zusammen, dieses zweite Stück wird dann
ebenfalls wieder von einem dritten abgelöst u. s. w. Die Reihen-
folge schreitet hierbei immer nach einer Richtung fort; je nachdem
sie von oben nach unten oder umgekehrt weiter geht, wird sie
peristaltische oder antiperistaltische genannt.
Zu den Bedingungen, unter welchen diese Bewegungen ent-
stehen und vergehen, zählen erfahrungsgemäss folgende. — 1. Der
aus der Unterleibshöhle im Glanzen oder nur in Stücken herausge-
nommene, von seinem Mensenterium möglichst vollständig befreite
Dünndarm bleibt ungereizt entweder in Ruhe oder er bewegt sich
nach dem fortschreitenden oder dem pendelnden Modus. Besonders
ausgebildet treten die Bewegungen an dem ausgeschnittenen Darm
der Thiere auf, die nach der Durchschneidung beider nn. splanch-
nici noch einige Tage gelebt haben (Haffter). — 2. Wird die se-
röse Oberfläche des ausgeschnittenen Darms in beschränkter Aus-
dehnung durch einen Indnktionsstrom oder durch einen harten
Körper berührt , so stellt sich entweder eine geordnete oder auch
nur eine einfache Reizbeu^pgung ein. Je entfernter im Allgemeinen
die Zeit, in welcher der Darm gereizt wurde, von dem Augenblick
des Todes ist, um so weniger Aussicht hat man auf geordnete
Bewegungen zu treffen; einfache Zuckungen lassen sich dagegen
lange nach dem angegebenen Zeitpunkt erzeugen. — 3. Wird der
ausgeschnittene und bei gewöhnlicher Zimmerwärme zur Ruhe ge-
kommene Darm durch Luft von 19° bis 25° C. erwärmt, so beginnt
•) Ausser der beim Magen angeführten Litteratnr: Schwarzenberg, Henle and PfenfePs
Zeitschrift Vll. 31 r. — Haffter, Ibld. N. P. IV. Bd. — Beta, Ibid. N. F. I. Bd- — Pflüge/,
Ueber du Hciumungsnervensyatcm. Berlin 1857. — C. Ludwig und Kupffer, Wiener Sitzungs-
berichte. 35. Bd. — Donder», Physiologie des Menschen. 3. Aufl. 1859. 806.
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616
Mechanische Arbeit der Verdauungrwerkaenge ; Dünndarm.
er, vorausgesetzt, dass er durch seinen Inhalt nicht merklich aus-
gedehnt war, geordnete Bewegungen (Call iburces). Erhöht sich
die Temperatur aber auf 35° C., so hören die Bewegungen auf. —
4. Der blossgelegte Darm eines lebenden Thieres (namentlich der
Katze und des Hundes, nicht selten aber auch des Kanininchens)
liegt meist vollkomtnmen ruhig. Dasselbe sieht man häufig an dem
Darm eines ebengetödteten , und namentlich auch des durch einen
Herzstich umgebrachten Thieres. Einige Minuten nach dem Tode, un-
gefähr zu der Zeit, wo das Rückenmark abstirbt, geräth der Darm
in weit verbreitete pendelnde und fortschreitende Bewegungen. —
5. Unterbricht man nach Bloslegung des Darms den Blntstrom in
dem letztem dadurch, dass man die Aorta zudrückt, so fängt der
bis dahin ruhige Darm an sich zu bewegen (Schiff). Dieser letz-
tere Erfolg bleibt übrigens auch oft aus, und da man beim' Druck
auf die Aorta auch leicht darmbewegende Nerven reizt, so ist es
wünschenswerth, den Versuch mit Sorgsamkeit zu wiederholen. Nach
vorübergehenden Verschluss der ven. portar. soll sich zuweilen auch
Darmbewegung einstellen (Betz, Donders). — 6. Durch Reizung,
namentlich dnreh Aetzung des gglion. coeliacum lässt sich fast
immer eine anhaltende peristaltische Bewegung einleiten. — 7. Durch
Reizung des Vagusstammes am Halse kann man den ruhenden
Darm in geordnete Bewegungen versetzen, die einige Minuten
nach dem Eintritt der Reizung beginnen, sich auf ein mehr oder
weniger ausgebreitetes Darmstück ausdehnen, resp. an verschiede-
nen Orten gleichzeitig beginnen, nnd oft während noch bestehender
Vaguserregung wieder auf hören, noch häufiger aber die letzteren
überdauern. Aber die Reizung des n. vagus hat nicht immer diesen
Erfolg. Namentlich bleibt mit seltenen Ausnahmen der blossgelegte
Dann des lebenden Thieres während der Vaguserregung vollkommen
ruhig; erstickt man darauf das Thier$ so wird man aber sicher
einige Minuten nach dem letzten Athemzug auf jeden Induktions-
reiz des n. vagus Bewegung eintreten sehen (Valentin, Wolf,
KupfSer und C. Ludwig). — 8. Die Reizung der nn. splanchnici
kann je nach Umständen eine vorhandene peristaltischc Bewegung
zum Schweigen bringen oder den ruhenden Darm zu Bewegungen
veranlassen. Das erstere geschieht, wie Pflüger entdeckte, sicher
am lebenden Kaninchen, wenn dessen Darm nach Eröffnung der
Unterleibshöhle selbstständig in Bewegung geräth. Während der
Darmruhe, die der erregte splanchnicus hervorbrachte’, kann durch
jede auf den Darm selbst angebrachte Reizung eine rasch vorüber-
DigntzBrDyÄSeogl
Mechanische Arbeit der VerdamuiKswerkzenge ; Dünndarm. .
gehende Bewcgnng eingeleitet werden, dagegen -kann die durch den
n. vagus veranlasst« Bewegung nicht entstehen, so lange eine ent-
sprechend starke Reizung des n. splanchnicus vorhält. — Ist da-
gegen das Thier abgestorben, so kann man einige Minuten nach
dem letztem Athemzug durch eine vorsichtig auf den n. splanchni-
cus beschränkte Erregung den bis dahin ruhigen Dann zu einer
vorübergehenden Bewegung veranlassen (Kupffer, C. Ludwig).
— 9. Am lebenden Menschen und Thier kann die Darmbewegung
bei geschlossener Unterleibsböhle sichtbar werden entweder bei
ausserordentlicher Magerkeit oder mit Hülfe einer Darmfistel (C.
Ludwig, Busch). Hier gewahrt man, dass der Darm Zeiten der
Ruhe und der Beweglichkeit hat. Beide Perioden dauern oft Stun-
den lang, ln der Zeit der Beweglichkeit folgen sich in kurzen
Zwischenzeiten peristaltische und antiperistaltische Gänge; beim
Hunde (Dannfistel am Ende des ileums) wurden nur peristaltische,
beim Menschen (Darmfistel am Anfang des jejunum) auch antiperi-
staltische beobachtet. .Zur Zeit der Beweglichkeit kann durch sanfte
Berührung der Bchlcimhautfläche (also auch durch die Anwesenheit
von Speisen und Galle u. s. w.) jedesmal eine Bewegung eingeleitet
werden. Die Beweglichkeit tritt ein zur Zeit der Verdauung, aber
Bie fehlt auch nicht am nüchternen Thiere ; nach mehrtägigem Hun-
gern kann sie sogar sehr häufig und anhaltend auftreten. Auch
scheint es nicht, als ob sie an Thieren häufiger wiederkehre, deren
nn. splanchnici durchschnitten sind (Haffter). Gewisse Arz-
neien (die drastischen Abführmittel) scheinen begünstigend auf das
Erscheinen der Beweglichkeit zu wirken. — Die Zeit der Ruhe
scheint namentlich während der Nacht anwesend zu sein, selbst
wenn Speisen genommen wurden und kein Schlaf eintrat. In der
Ruhezeit kann durch selbst kräftige Berührung der Darmschleimhaut
keine Bewegung eingeleitet werden (Busch, Schwarzenberg).
Aus diesen Thatsachen ergiebt sich, dass der Darm in seinen
Häuten ein automatisches und zur reflektorischen TJebertragung ge-
schicktes Organ birgt, dieses ordnet und bestimmt die Bewegungen
des Darms je nach seinem innem Zustande. Dieser letztere wird
aber geändert durch die Erregungen der nn. vagi und splanchnici,
durch eine Aenderung der Temperatur , eine solche des Blutstroms,
und durch gewisse Arzneimittel (?). — Je nach den gerado vorhan-
denen Eigenthümlichkeiten des Organs können namentlich die erreg-
ten Nerven Bewegung auslösen , oder unterdrücken oder auch voll-
kommen wirkungslos bleiben.
$13 Mechanische Arbeit der Verdauungewcrkzeuge ; Dickdarm.
4. Dickdarm. -
Dem Verhältnis» seiner Wandflächen zu seinem Binnenraum
gemäss steht er in der Mitte zwischen Magen und Dünndarm. Die
auf- und absteigende Richtung seiner Höhle, welche durch die Bauch-
fellauheftung unverrückt erhalten wird, bedingt nothwendig die Schei-
dung des flüssigen und festen vom gasförmigen Inhalte, indem der
letztere ebensowohl vom Coeeum als vom Rectum gegen den Quer-
grimmdarm emporsteigen wird. Die Massen, welche einmal aus
dem dünnen in den dicken Darm getreten sind, werden durch das
häutige Ventil zwischen beiden, die Valvula Bauhini, verhindert,
nach dem Ueum zurückzukehren , da dasselbe die weitere Mün-
dung seines trichterförmigen Hohlraumes gegen den Dünndarm
kehrt. Die Last des Kothes ruht im Beginn des Dickdarmes nicht
auf dieser Klappe, sondern auf dem Coeeum, weil sie bekannt
lieh wie die Mündung des Dünndarmes selbst an der Seitenwand
des Colon angebracht ist. Der im Colon ascendens aufsteigende
Koth findet in den seitlichen Buchten (haustra) Ruhepunkte, wenn
die ihn emportreibende Bewegung naehlässt. Aus diesen muss er
wegen ihrer spiraligen Anordnung bei wieder beginnender Bewe-
gung nach oben' gehen. Der Inhalt des absteigenden Grimmdarmes
wird aus demselben Grunde nicht unmittelbar nach unten sinken.
Ist er aber einmal im Mastdarme angelangt, so drückt er nicht un-
mittelbar gegen dieOeffnung desselben, sondern er lastet, so lange
er oberhalb der Blase steht, auf dieser, und ist er hinter sie ge-
langt, auf der plica transversalis recti and der Ausbiegung des
Kreutzbeines, so dass er selbst durch den geöffneten After (nach
Durchschneidung oder Lähmung der Sphinetern) vermittelst der
Schwere nicht ansgedrückt wird (Kohlrausch)*).
Auf die Bewegungen des Dickdarmes findet zum grössten Theil
auch das beim Dünndärme Gesagte Anwendung. Nachweislich
verschieden sind die peristaltischen Dickdarmbewegungen dadurch,
dass sie nicht durch' den gereizten n. splanchnicus besänftigt wer-
den können (Pflüger). — Der verbreiteten Annahme, dass der sphinc-
ter ani durch einen stetigen Schluss den Austritt des Kothes hemthe,
steht die schon angeführte Wahrnehmung des gleichen Verhaltens
bei gelähmtem Afterschliesser entgegen; aber auch in vollkommen
beweglichem Zustande ist der Anus nicht immer gesperrt, wie man
bei Touchiren desselben leiaht wahmimmt. Von der Haut des
>) Zur Anatomie und Physiologie der Beckenorgene. Leipzig 18M. p. 6. u. f.
Bauchpresso.
619
Aftereinganges kann dagegen sehr leicht eine reflektorische Bewe-
gung eingeleitet werden. Auffallend bleibt der lange Zeitraum,
welchen der Koth zu seinem Durchgänge durch das Colon bedarf.
5. Banchpresse.
Der Darminhalt steht endlich noch unter dem Einflüsse der
ihn drückenden Banckmuskeln und der Widerhalt leistenden Bauch-
knochen. Zwei Bauchmuskeln, das Zwergfell und der quere Bauch-
muskel, sind so aufgespannt, dass sie bei ihrer Verkürzung die
Baucheingeweide unter einen allseitigen Druck versetzen, ohne dass
sie eine besondere Richtung desselben bevorzugten. Dieses wird
ohne Weiteres aus Fig. 71 verständlich, welche in einem sche-
matischen Körper- Durch-
schnitte die Faserrichtung
des Zwergfelles (zz) und
des m. transversns (tt)
wiedergiebt. — Neben die-
sen beiden Muskeln tragen
aber wesentlich zur Bil-
dung der Bauchwand die
Obliqui bei. Der äussere
oder absteigende (dd) in
Fig. 72 giebt, seinem Fa-
serverlaufe entsprechend,
den Eingeweiden neben
einem Drucke gegen die
Wirbelsäule auch noch
einen solchen gegen das
Zwergfell; der innere oder
aufsteigende ( aa ) muss
dagegen bei seiner Ver-
kürzung den Bauchinhalt
nach unten ziehen; wir-
ken beide gemeinsam, so
werden sie die Bauch-
höhle allseitig verengern.
In Folge der aufge-
zählten Pressungen kann
nun 1. der Inhalt der Gedärme weiter bewegt werden; dieses ge-
schieht namentlich bei dem Auf- und Abgänge des Zwcrgfelles, wie
die Versuche an Thieren, denen Darmfisteln angelegt wurden, lehren.
Fig. 71. Fig. 72.
620
Erbrechen.
Ein Draht, der in eine solche gesteckt ist, wird bei jeder Ein-
athmnng nach anssen und während jeder Ausathmung nach innen
bewegt. Da diese Bewegungen während der verschiedenen Akte
in umgekehrter Richtung gehen, so heben sie sich im Enderfolg
mehr oder weniger auf. Sie sind dagegen insofern bedeutungsvoll,
als sie den flüssigen Inhalt von den verschiedensten Seiten her
gegen die Darmwand nnd deren Falten anstossen. — 2. Die Pressun-
gen werden sehr htilfreich und vielleicht entscheidend sein für die
Entleerung der Stoffe aus den beiden natürlichen Mündungen des
Darmkanales, der Mundhöhle und dem After, dem Erbrechen nnd
Kothen.
a. Erbrechen. Das Auswerfen des festen oder flüssigen
Mageninhaltes durch die Cardia und den Schlund in die Mundhöhle
kann unzweifelhaft besorgt werden durch jeden heftigen nnd ins-
besondere durch jeden allseitigen Druck auf die Bauchhöhle, vor-
ausgesetzt, dass der Magenmund und der Schlund offen stehen.
Dafür bürgt nicht allein der geradlinige Verlauf des Schlundes,
sondern es ist .der empirische Beweis dadurch gegeben , dass man
den gefüllten Magen einer Leiche durch einen entsprechenden Druck
auf die Bauchhöhle sogleich entleeren kann. Darum wird also,
wenn der Cardialsphincter erschlafft ist, während das Diaphragma,
mm. transversus und obliqui sich zusammenziehen, Erbrechen statt-
finden können. So wenig Uber diesen Punkt gestritten werden
kann, so schwierig ist es, zu entscheiden, ob auch während des
Lebens das Erbrechen nur unter den bezeichneten Umständen sich
ereignet, oder ob nicht noch gleichzeitig eine Zusammenziehung
des Magens hinzutritt. Die Schwierigkeit liegt einmal darin, dass
ein Thier sich noch erbrechen kann , wenn auch die Bauchhöhle
desselben eröffnet wurde, ja wenn ein Theil des Magens aus der
Bauchwunde hervorgezogen wurde; zweitens aber wird die Ent-
scheidung dadurch erschwert, dass sich während des Erbrechens
die Bauchmuskeln jedesmal kräftig zusammenziehen. Eine Be-
sprechung der Literatur und der in Betracht kommenden Fragen
findet man bei Rühle*). Die Muskeln der Speiseröhre bleiben
während des Erbrechens erschlafft, insbesondere aber zeigt sich
keine antiperistaltischc Bewegung (Wild), die man früher allge-
mein annahm.
*) Traube, Beitrage zur experimentellen Pathologie. 1. Heft. — Siehe auch Valcntl n 's Lehr-
buch der Physiologie. I. Bd. 378. * •
4
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Kothen. Chemische Arbeit der Verdauungssäfte.
621
Ueber die Betheiligung der Nerven an der Brechbewegung ist
nur bekannt, dass sie reflektorisch eingeleitet werden kann durch
Erregung einiger noch nicht genauer bestimmten AbtheilungeB des
Schlundes und der Zungenwurzel , durch Bestreichen der Cardial-
scbleimhaut des Magens und durch Reizungen der Peritonaealfläche
des Magens, des Dünndarms, des Ureters u. s. w. — Starke Ge-
müthsbewegungen , Ekelvorstellungen u. s. w. leiten ebenfalls das
Erbrechen ein. Nach Durchschneidung des n. vagus kommt ein re-
flektorisches Erbrechen nicht mehr zu Stande (Bulatowicz).
, b. Das Kothen. Durch die Bauchpresse kann der Koth nur
dann aus dem Mastdarme entleert werden, wenn er die Dannhöhle
vom S romanum an bis zum Mastdarme hin füllt. Enthielte nur
das erstere Darmstück Koth, so würde der Druck ihn nicht weiter
fördern, weil derselbe die Schlingen jenes vom Mastdarm abspe rren
würde, und zwar entweder dadurch, dass ihre Wände gegen ein-
ander oder gegen die Bancbwand gepresst würden. Ist aber nur
im Mastdarm Koth enthalten, so wirkt der Druck nicht mehr auf
ihn, denn das Rectum liegt ja grösstentheils ausserhalb der Bauch-
höhle. Von der Richtigkeit der letzteren Behauptung kann man
sich jeden Augenblick überzeugen, wenn man einen beliebigen
Gegenstand in das untere Ende des Mastdarms einfuhrt, so dass
er noch aus der Aftenpündung theilweise hervorsteht ; er wird durch
noch so heftiges Drängen nicht aus dem After befördert. — Darum
ist auch in der That das. Kothen der Bauchpresse nicht allein über-
lassen; insbesondere ist eine thätige Mitwirkung der peristaltischen
Bewegung des ganzen absteigenden Dickdarmes und dem levator
ani (dem Afteröffher) zugestanden. Wahrscheinlich betheiligen sich
auch m. coccygeus und transversus perinaei prof. an dem Akte,
welche hinten und vorne dem andrängenden Kothe einen Wider-
halt entgegenstellen. Siehe Kp>hlrausch am angezogenen Orte.
'Chemische Arbeit der Verdauungssäfte.
Eine chemische Untersuchung der Umwandclungen, welche die
Speisen während ihres Aufenthaltes im Darmkanale erfahren, muss
zu ermitteln suchen: a) deu Unterschied, welcher zwischen der
Zahl und Anordnung der Atome in den veränderten und unverän-
derten Nahrungsstoften besteht. Die Zahl der Atome hat die Ele-
mentarannlyse festzustellen; die Anordnung ist darum zu berück-
sichtigen, weil die Verdauungssäfte meist weniger die Zusammen-
setzung als die Löslichkeit, die Verwandtschaften und die Spaltbar-
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622
Chemische Arbeit der Verdauunggwerfczeuge ; Speichel.
keit der einfachen Nahrungsstofle ändern. — b) Es ist der Einfluss
festzustellen , den jeder einzelne Drüsensaft auf jeden einzelnen
Nahrnngsstoff ausübt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jeder
Drüsensaft von veränderlicher Zusammensetzung ist, es müssen also
die verschiedenen Modifikationen eines und desselben • Saftes zur
Prüfung kommen ; da ferner jeder Saft ein Gemenge verschiedener
Stoffe ist, so muss der Versuch gemacht werden, zu ermitteln, wie
sich jeder einzelne Bestandtheil desselben an einer durch den Ge-
sammtsaft eingeleiteten Veränderung betheiligt; ferner erzeugt zu-
weilen ein Saft an einem und demselben Nahrungsstoff mehrere
Umwandlungen, es ist also festzustellen die Reihenfolge, in der die
betreffenden Umformungen geschehen, und in wie fern dieselben
bedingt sind von dem Aggregatzustande und den isomeren Modifi-
kationen, in denen das Nahrungsmittel der Einwirkung des Saftes
ansgesetzt wird. Alle diese Beziehungen müssen natürlich nach
ihrem Umfange und nach ihrer Geschwindigkeit bestimmt werden,
mit anderen Worten, in welcher Zeit und in welcher Menge der
Nahrungsstoff durch die Gewichtseinheit des Saftes von bekannter
Zusammensetzung umgeändert wird. — e) Darauf würde zu erle-
digen sein, welche Veränderungen ein Nahrungsmittel erfährt, wenn
es der Reihe nach mit den verschiedenen in Betracht kommenden
Säften behandelt wird, oder aber wenn die natürlich vorkommen-
den Combinationen der Verdauungsflüssigkeiten gleichzeitig auf das-
selbe wirken. — d) Endlich müssten mit, verschiedenen quantitativ
genau bestimmten Mengen einfacher Nahrungsmittel (den Speisen)
dieselben Versuche vorgenommen werden, welche für jeden einzel-
nen Nahrungsstoff vorgeschrieben wurden, ln allen Fällen würde
angegeben werden müssen, ob und welche Verwandelungen die
Bestandtheile der Verdauungssäfte selbst erfahren bei dem Einflüsse,
den sie auf die Nahrungsmittel üben.
Nach Beendigung dieser Vorversuche würde man dazu über-
gehen können, die Veränderungen zu studiren, welche die Nah-
rungsstoffe in den einzelnen Abtheilungen des Darmkanales selbst
erfahren, und die Gründe für die Abweichungen und Uebereinstim-
mungen zwischen natürlicher und künstlicher Verdauung aufzusuchen.
Die Reihe von Versuchen, welche der angegebene Gang vor-
schreibt, ist allerdings gross und jeder einzelne meist mühsam, aber
dennoch ist, wie die Geschichte der Wissenschaft lehrt, der vorge-
zeichuete Weg der kürzeste. Wir gehen nun dazu über, die bis
dahin bekannt gewordenen Beobachtungen aufzuzählen.
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Chemische Arbeit der Verdatnings Werkzeuge ; Speichel.
623
1. Speichel*). Aller Speichel, wie und wo er auch gewonnen
wird, verhält sich als ein dem Wasser ähnliches Lösungsmittel. Für
nnsere Zwecke verdient namentlich hervorgehoben zu werden, dass
frischer Speichel die Fette und Eiweissstoffe , den Rohrzucker, das
Gummi, Pectin und Cellulose selbst bei längerer Digestion nicht
mehr und nicht weniger ändert, wie es ein reines Wasser vermag
(Schwann, Frerichs).
Anders verhält sich der Speichel dagegen zu rohem und ge-
kochten Amylon. Rohes Amylon vermag er bei einer Temperatur,
die über 40° liegt, in Dextrin umzuwandeln (Naegeli). — Ge-
kochte Stärke setzt er schon bei gewöhnlicher Temperatur der
Reihe nach in Dextrin, Traubenzucker, Milch und Buttersäure um
(Leuchs, Frerichs, Schwann). Obwohl nun die letztere Reihe
von Umwandlungen von allen Speichelarten bewirkt werden. [kann,
so unterscheiden sich dieselben doch dadurch von einander; dass
die einen die Zuckerbildung schon nach wenigen Minuten, andere
aber dieselbe erst nach stundenlanger Digestion einleiten.
Der Parotisspeichel, welcher aus dem unverletzten Ausflibrnngs-
gange des gesunden Menschen aufgefangen wird, verwandelt das ge-
kochte Amylon rasch in Zucker (Eckhard, Ordenstein). Der-
jenige dagegen, welcher aus der frisch angelegten Fistel des Pfer-
des (Lassaigue, Magendie, Rayer) oder Hundes (Bernard,
Bi d der und Schmidt) gewonnen wird, wirkt äusserst langsam.
Dieser Unterschied der Wirkung scheint begründet zu sein in der
verschiedenen Zusammensetzung, welche der Saft zeigt, je nachdem
er auf die eine oder andere Weise gefangen wurde. Der aus dem
durchschnittenen Gang (auch des Menschen) aufgefangene Speichel
enthielt nämlich 1,6 bis 0,5 pCt. feste Rückstände (vide p. 340),
während der von Eckhard und Ordenstein benutzte' aber 5,0
Rückstand hinterliess. Für diese Deutung spricht, dass zuweilen
(Bidder und Schmidt), wenn auch nicht immer (Frerichs)
der wässerige Auszug der gl. parotis das Amylon rasch umwandelt.
Ein Gemenge von Ohr- und Unterkieferdrüsenspeichcl (CI. Ber-
nard) wandelt den Kleister sehr allmählig um ; eine Mischung aus
Ohr- und Mundwandungsspeichel verändert denselben zuweilen rasch
•)Frerich*a, Handwörterbuch der Physiologie. Verdauung, p. 7(58. — Bidder u. Schmidt,
Verdauungss&fto. p. 14. — Schröder, Succi gastrici humani ria digestive. Dorpat 1W3. —
F. Hoppe, Vlrchow'a Archlr. X. Bd. 144. — Ordenstein und Eckhard, ln dca letztem
beitrügen zur Physiologie. IL Bd. 93 und 124. — Naegeli, Die Stärke körn er. Zürich 18M. p. 93,
113 und 124. — • Longet, TralW de Physiologie. I. 2. Abfh. 171.
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624
Verdauung durch den Speichel.
(Jacubo witsch), zuweilen aber auch nur sehr langsam (Bidder,
Schmidt); der mit Vorsicht aus der Unterkiefer- und Unterzungen-
drtise aufgefangene Speichel des Menschen bedingt eine rasche
Zuckerbildung (Longet); ein Gemenge von Muudwandungs- und
Unterkieterdrlisenspeickel endlich fuhrt schon nach wenigen Minuten
eineUmwandelung des Kleisters in Dextrin und von daaus in Trauben-
zucker herbei; bei einer dauernden Berührung beider Stoffe gebt
die Zuckergährung in die Milch- und Buttersäuregährong Über. Nach
den Erfahrungen von Ordenstein und Eckhard wird es noth-
wendig, bei künftigen Versuchen die verdauende Wirkung des
Speichels und seine Zusammensetzung immer zugleich zu unter-
suchen.
bau reinen Speichel aus der Parotis fangt Eckhard dadurch auf, dass er ein
Röhrchen in die Mündung des duct. stenon. einlegt. Statt dieses allgemein anwend-
baren Verfahrens war man früher auf die Benutzung von zuweilen beim Menschen vor-
kommenden Fisteln beschränkt Bei Thieren gewinnt man den Speichel der grosseren
Drüsen aus den durchschnittenen Gängen; den Speichel aus den Drüsen in der Mund-
wandung gewinnt man gesondert, indem man die Ausführungsgänge der Farotiden und
Submaxillaren unterbindet. Statt dieses Verfahrens bedient man sich auch eines wäs-
serigen Auszuges der einzelnen Drüsen oder dor drüscnhaltigcn Mundschleimhaut. —
Die Vermischung des Speichels mit Amylon geschah ausserhalb der Mundhöhle ent-
weder bei der gewöhnlichen Zimmer- oder bei der normalen Körperwarme. — Zur
Prüfung auf die Umwandelung des Amylons bediente man sich der Trommer’schen
Probe und ergänzend der Reaktion des Jods auf Amylon ; mit dem enteren erfährt
man, ob Zuckerbildung eingetreten, die letztere giebt darüber Aufschluss, ob alle
Stärke in Dextrin oder Zucker verwandelt ist, indem in diesem Falle die blaue Fär-
bung vollkommen ausbleibt
Zur genaueren Bestimmung der Wirkung des gemischten Spei-
chels auf Amylon dienen noch folgende Angaben, a) Die Einwir-
kung des Speichels auf das rohe Stärkekorn geht nicht bei gewöhn-
licher Temperatur vor sieh; sie beginnt bei 40° C., d. h. einer Wärme,
in welcher die Stärke noch nicht wie bei der Kleisterbildnng auf-
schwillt. Bei der genannten Temperatur löst der Speichel zuerst
die Stärke des Korns und zwar von aussen her, zwischen 45 und
50° löst sich auch die Cellulose des Korns, jedoch langsam (Nae-
geli). ln der Lösung ist Dextrin vorhanden. — b) Das gekochte,
zum Kleister aufgequolleno Korn setzt der Speichel schon bei ge-
wöhnlicher Temperatur um, die dem Amylon verwandten Stoffe,
Rohrzucker, Gummi, Pektin, Cellulose, lässt er unverändert (Fre-
riehs). — c) Die Umwandelung des Kleisters geht noch von
statten, wenn der alkalische Speichel neutralisirt wurde; ebenso-
wenig wird sie gehemmt durch einen Zusatz von SO3, C1H, NO&,
_ Digiti;
ogle
Verdauung durch die Magensäfte.
625
Essigsäure, saurem Magensaft bis zur stark sauren Reaktion (Fre-
riehs). Ein sehr bedeutender Säureüberschuss stört dagegen die
Umsetzung; aus diesem Grunde ist die Umwandlung beendet, wenn
in Folge der weiter gehenden Zersetzung bedeutendere Mengen des
Zuckers zu Milchsäure umgeformt sind; aber auch hier beginnt die
Zuekcrbildung von Neuem , wenn die Säure mit Natron gesättigt
.wird (CI. Bernard). — d) Die Stärkegährung wird nicht beein-
trächtigt durch ein einmaliges Auf kochen der Mischung aus Stärke
und Speichel, durch einen Alkoholzusatz, durch Beimengung von
arseniger Säure (Frerichs). — eV Das sogeuannte Ptyalin Leh-
mann ist für sich angewendet nicht im Stande, die Zuckerbildung
hervorzurtifen. 4gj gKpr '
Die eigenthtimliche Wirkung des Speichels auf das Amylon
pflegt man und wohl mit Recht von einem in dem erstem \ ent-
haltenen Ferment abzuleiten; dieses Ferment kommt aber nicht wie
man angab, mit der sog. Diastase überein; dieses beweist Stae-
deler*) dadurch, dass der Speichel bei 38° bis 40° C. Salicin in
Saligenin und Zucker zerlegt, was die Diastase nicht vermag.
Da den Erfahrungen von Bidder und Schmidt zu Folge
der gemischte Speichel sehr rasch, schon nach wenigen Minuten,
einen Kleisterbrei theilweisc in Zucker umsetzt, da ferner im Munde
immer gemengter Speichel' vorhanden ist, so folgt daraus, dass der
Aufenthalt in der Mundhöhle, wie er z. B. zum Zerkauen des Brodes
nothwendig ist, hinreicht, um die Zuekcrbildung einzuleiten. Diese
Folgerung ist von Lehmann und Schröder**) bestätigt worden,
welche eine Minute nach Einführung des Kleisters in den Mund
Zucker auffanden. Rohes Stärkemehl wurde nicht umgewandelt.
2. Flüssigkeiten des Magens.
Die in den Magen gelangten Speisen kommen dort in Be-
rührung mit dem Magensaft; diesen letzteren haben wir schon als
ein sehr veränderliches Gemenge von Speichel, Labsaft und Magen-
schleim erkannt (p. 362). Ausser den genannten Stoffen sind ihm
zuweilen auch «och Galle, Bauchspeichel und -andere Darmsäfte
beigemischt, die durch den Pylorus in den Magen steigen. Diese
Thatsachen machen es nothwendig, von den Wirkungen, welche
die einzelnen Bestandtheile jenes Gemenges auf die Speisen aus-
übend auszugeheu , um dann mit Hülfe dieser Erfahrungen abzu-
•) ChemlKli. CaxtnlbUH. 1«58. ]09.
**) Lehmann, Phyiiolog. Chemie. ITT. Bd. p. 293. — Schröder, I. c. p. 9.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 40
626
Verdauung durch den künstlichen Labsaft.
leiten, was entstehen wird, wenn die genannten Stoffe in verschie-
denen Verhältnissen gemengt sind. Dabei schliessen wir jedoch
einstweilen noch die jenseits des Pylorus gebildeten Säfte aus.
A. Verdauung durch den künstlichen Labsaft*).
Um die verdauenden Wirkungen des von anderen Beimengun-
gen möglichst befreiten Labsaftes zu erforschen, hat zuerst Eberle
ein sicheres Verfahren angegeben. Die von ihm zu Verdauungs-
versuchen angewendetc Mischung, welche wesentlich aus Pepsin
und aus einer sehr verdünnten wässerigen Lösung der im Magen
vorkommenden Säuren (Salz- oder Milchsäure) besteht, pflegt man
den künstlichen Labsaft zu nennen.
£berle bediente sich statt des Pepsins geradezu der Magenschleimhaut, welche
er mi|kg8rilümiter Salzsäure den zu verdauenden Speisen 2usetzte. * Sc h w ann wendete
zuerst einen wässerigen Auszug der vorher gereinigten und in Stücken zerschnittenen lab-
drüsonhaltigen Magenschleimhaut an. Aus der Lösung fällte er das Pepsin mit essigsaurem
Bleioxyd und zerlegte dann den wohlausgewaschenen Bleiniederschlag mit Sü. Eine noch
weiter gehende Reinigung versuchte Wassmann dadurch, dass er die von PbS abfiltrirte
Flüssigkeit eindampfte und mit Alkohol und Pepsin ausfüllte. — Das gegenwärtig im
Handel vorkommende Pepsin ist zura Theil wenigstens nichts anderes, als ein Gemenge
von Labzellen, Epithelialzellen u. s. w., welche aus. der rorhergereinigten Magenschleim-
haut des Schlachtviehes ausgedrückt und bei niederer Temperatur getrocknet wurden
Diesem Gemenge wird noch Amylum zugesetzt, theils um cs zu verdünnen, und theüs
um es weniger hygroskopisch zu machen.
Von den in der gewöhnlichen Nahrung vorkommenden chemi-
schen Verbindungen lässt der künstliche Labsaft unberührt : die Horn-
stoffe, die stärkeren elastischen Membranen, die Wachsarten, die
Fette (?), die Cellulose (?), die holzige Verdiekungsschicbt der Pflau
zenzellen.
In Lösung versetzt er die in Wasser oder verdünnten Säuren
löslichen Proteinkörper, die Kohlenhydrate, die alkalischen Salze mit
fixen Säuren und die phosphorsauren Erden. Unter Austreibung der
Säuren zersetzt er die Salze mit schwachen oder flüchtigen Säuren.
• Eigentümlich ist sein Verhalten gegen die in Wasser und ver-
dünnten Säuren löslichen oder unlöslichen Eiweisskörper und gegen
Leim und leimgebende Stoffe. Die unlöslichen Eiweissstoffe löst er
auf, die in alkalischer Lösung befindlichen schlägt er nieder, um
•) Frcrlch», Verdauung, In Wagners Handwörterbuch, lü. Ikl. I. Abthig. — 8c hw an»,
Müllers Archiv. 1836. 90, — Brücke, Wiener akademische Sltxungsberichte. XXXVII. 131.—
Mulder, Archiv flir hollünd. Beiträge. 11. Bd. 1. — Knoop Coopmanns ibid. 1. Bd. 1. —
Meissner, Henle's und Pfeufers Zeitschrift. 3. Reihe. VII. ibid. VIII. uud X. Bd. — KÖbner,
Dluertatlo de sacchari cannae mutatlon. etc. Breslau 1839. — J. Hoppe, Archiv für patbolog.
Anatomie. X. Bd. 144.
jO i oogl e
Lösung der Eiweisskörper durch den Labsaft.
627
sie dann wieder zu ltisen. Alle Eiweisskörper aber, gleichgültig
ob sie durch den Magensaft in Lösung bleiben, oder erst in eine
solche gebracht werden müssen , verändert er in ihren chemischen
Reactionen, wein sie längere Zeit mit ihm in Berührung bleiben.
— Die unlöslichen Leimstoife verwandelt er dagegen einfach in
lösliche.
Einer Besprechung der in Betracht kommenden Einzelheiten
ist die Bemerkung vorauszuschicken , dass sich die folgenden An-
gaben auf die Wirkung einer Verdauungsflüssigkeit beziehen, die
etwas weniges l’epsin, 0,05 bis etwa 0,3 pCt. Salzsäure und 100 Th.
Wasser enthält.
Bei der Betrachtung der verdauenden Wirkungen des künst-
lichen Labsatles auf die Ei weisskörper ist, wie erwähnt, ausein-
anderzuhalten die Lösung und die chemische Umwandlung.
Aus einer frischen Albumin - Lösung (Eiereiweiss und Blut-
serum) wird durch den künstlichen Labsaft ein geringer Theil
des flüssigen gefällt, der grösste Theil dagegen bleibt in Lösung.
— Gelüstes Kalialbuminat, Casein und Legumin werden , indem die
alkalische Reaktion verschwindet, gefällt, der erzeugte Niederschlag
löst sich aber wieder in der im Ueberschuss zugesetzten sauren
Flüssigkeit. Es verhält sieh also dieser Stoff gegen das Verdauungs-
gemisch ähnlich wie gegen eine sehr verdünnte Salzsäure. — Un-
gekochter Kleber, Muskel- und Blutfaserstoflf werden bei gewöhn-
licher Lufttemperatur von dem Verdauungsgemisch rasch gelöst.
Aus diesen Stoffen, namentlich aus Kleber- und Blutfaserstoflf zieht
die verdünnte Säure bei niederer. Temperatur bekanntlich einen
Eiweisskörper aus, während der grösste- Theil derselben nur auf-
quillt und sich sehr allmählig löst. — Gekochte Eiweissstoffc (Al-
bumin, Muskel- und Blutfaserstoflf) lösen sich ebenfalls im Verdauungs-
gemisch auf, während sie bei niederer Temperatur von der verdünn-
ten Säure gar nicht angegriffen werden.
Die in dem künstlichen Labsaft gelösten Eiweissstoffc tragen
noch deutliche Zeichen ihres Ursprungs ; namentlich sind diejenigen
Körper, welche vor dem Kochen znr Lösung kommen, dadurch aus-
gezeichnet, dass sie ans dem neutralisirten Verdauungsgemisch bei
der Siedellitze gerinnen, während dieses die vor der Verdauung
gekochten nicht thun (E. Brücke).
Die Erscheinungen, welche man w ährend und unmittelbar nach
der vollendeten Lösung wahrnimmt, gewähren den Anschein, als
ob die letztere in einer durch Aufquellen veranlassten sehr feinen
40*
Diaiiizednv Google
628
Sättigunguiiederschlag und Peptone.
Vertheilung der Ehveissmoleküle bestehe. Denn es lösen sich die
Eiweissstoffe am leichtesten in einem Verdauungsgemisch von solchem
Siiuregehalt, der auch ohne Zusatz von Pepsin sie am vollständig-
sten und leichtesten quellen macht; sie lösen sieh ferner um so
leichter, je weniger sie durch mechanische Mittel am Quellen ver-
hindert werden. Nach erfolgter Lösung sind die Flüssigkeiten meist
trltb und polarisiren das Licht, sie enthalten also spiegelnde Par-
tikeln (E. Brücke).
Dauert, nachdem die Lösung, resp. Vermischung des Eiweiss-
stoffes mit künstlichem Labsaft eingetreten , die Einwirkung der
letzteren noch fort, ^so empfangen die Eiweisskörper zunächst die
Eigenschaft, welche sie auch erhalten, wenu sie unter dem Einfluss
der Wärme in Salzsäure gelöst waren, namentlich werden sie jetzt
aus der Lösung durch Neutralisation der Säure ausgefällt. Dieser
Niederschlag führt den Namen Sättigungs-Niederschlag (Schwann,
Mul der, Brücke). — Dieser Zustand dürfte bei den gekochten
Eiweissstoffen und den aus Kaliverbindungen gefällten schon wäh-
rend der Auflösung eintreten. Beim ungeronnenen Eiweiss erfolgt
sein Eintritt in der Kälte nur allmählig, bei der Blutwännc dagegen
rascher.
Verweilen endlich die Eiweissstoffe mehrere Stunden oder auch
Tage lang in dem künstlichen Labsaft und zwar in einer der Blut-
temperatur nahestehenden Wärme, so verwandeln sie sich in die
sogenannte Peptone (Schwann, Lehmann, Mialhe). — Mul-
der sah, dass nach einer 96 Stunden lang fortgesetzten Digestion
alle bisher genannten Eiweisskörper aus der Lösung nicht mehr
niedergeschlagen werden' konnten durch Kochen, durch AmCCh, NOs
PbOAc, Blutlaugcnsalz und NaOSOj. Sie konnten dagegen gefällt
werden durch Gerbsäure, Cl-Wasser, Sublimat. Der beim Eintrock-
nen. der Lösung verbleibende Rückstand konnte durch kochenden
und kalten Alkohol in drei verschiedene Körper gespalten werden,
eine Thatsachc, die schon Schwann erwähnte. Es scheint jedoch,
als ob die Peptone, welche ursprünglich aus verschiedenen Eiweiss-
stoffen hergestellt waren, auch Verschiedenheiten darböten ; jedenfalls
Hessen sich die verschiedenen Eiweisskörper ungleich leicht in Pep-
tone umwandeln. So konnte mit nur verdünnter Säure, also mit
Ausschluss des Pepsins digerirt, sehr leieht in Pepton umgcseizt
werden Legumin; schwieriger Muskel- und ßlutfibrin; wahrschein-
lich ohne ßeihülfe des Pepsins gar nicht gekochtes Albumin und
gekochter Kleber.
Diqilizediw Google
VtrinderlicliM LöBungsTermogcn des LnWftes
629
Wesentlich verschieden lauten die Angaben von Meissner.
Nach ihm soll gekochtes und rohes Albumin und Muskelfibrin beim
Peptonisiren zerfallen in Pepton, Meta- nnd Parapepton und das
Casein soll ausser den genannten noch ein viertes Produkt geben,
das Dyspepton *). Neben diesen Produkten bildeten sich ans allen
untersuchten Eiweisskiirpem noch eine grössere oder geringere
Menge eines anderen .Stoffgemenges (Extrakte). — Dys-, Para- und
Metapepton sind gerade sowie das Pepton Endprodukte der Ver-
dauung, d. b., es können die erstem durch noch weiter fortgesetzte
Digestion mit künstlichem Labsaft nicht in Pepton umgewandelt
werden; und jode Art von Eiweisskörper soll ein .quantitativ be-
sonders zusammengesetztes Gemenge jener Stoffe geben. So geben
z. B. 100 Theile Muskelfihrin Pepton und Metapepton = 44,2 Th.,
Parapepton --=■ 17 Th. nnd Extrakte = 38 Th.; — 100 Th. Casein
dagegen Pepton und Metapepton = 78 Th., Parapepton = 2 Th.,
Dyspepton = 26 Th. — Der erstere Theil dieser Angabe, dass
nämlich jene Para-, Meta- nnd Dyspeptone Endprodukte der Ver-
dauung seien, ist in geradem Widerspruch mit den Erfahrungen,
von Brlieke und Mulder, welche bei genügender Dauer der Di-
gestion Alles in Peptone Ubergehen sahen.
Die Geschwindigkeit, mit welcher die Lösung nnd Umwand-
lung der Eiweisskörper erfolgt, ändert sieh mit der Art und dem
Aggregatzustand der letztem, ferner mit dem Gehalt der Verdauungs-
fltlssigkeit an Pepsin und Säure, ferner mit der Menge von Eiweiss-
stoffen, welche in Folge der andauernden Verdauung in einem be-
schränkten Volum Labsaft schon in Lösung ttbergegangen waren,
ferner mit mancherlei andern Zusätzen, welche dem Labsaft bei-
gemengt wurden, nnd endlich mit der Temperatur des letztem.
Insofern das Verdauungsgemisch Überhaupt auf die unlöslichen
Stoffe lösend wirken soll, muss es mit Säuren, und da wir hier
vorerst nur die C1H betrachten, mit dieser Säure versetzt sein.
Eine ungesäuerte oder eine früher saure und dann mit KO oder NaO
ncutralisirte Pepsinlösung ist nicht wirksamer als reines Wasser.
•)'Para-, Meta-, Dyspepton unterscheidet Meissner frilgendermsaasen :
Parapepton hat alle Eigenschaften des ln einer Säure gciöatcn Eiweisskörpers , dea oben
genannten Sältigunganicderschlag* , ausgenommen , dass es aus der schwach sauren Lösung nicht
durch Alkohol fällbar lat.
Meta pepton ist aus einer achwach sauren Lösung durch geringe Mehrung der Säure fällbar,
aber nicht durch Neutralisation, sonst lat es unverändert gelösten ElweissstofTcn sehr ähnlich.
Pyspepton. Aus dem durch die Verdauung aufgelöstem Casein fällt bei weiterer Digestion
ein mit Fett vermengter unlöslicher Elwelsakörper heraus; er ist etwas schwerer löslich ln ver-
dünnter Saure als das Casein; sonst thellt er die meisten seiner Elgenachnflcn,
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030 Aenderung des Lobti n gs v erroögens durch den
Mit dem Anwachsen des Säuregehaltes nimmt die lösende Kraft
der Mischung erst zu und dann wieder ab; d. h., innerhalb enger
Grenzen des Säuregehaltes kommt dem Labsaft ein Maximum der
Verdauungsfähigkeit zu; hat die Säure diesen Werth nicht erreicht,
oder überschritten, so ist das Lösungsvermögen des Saftes vermin-
dert. Das für die Verdauung günstigste Verhältnis zwischen Lab-
saft und Säure ist jedoch nicht für alle Eiweisskörper dasselbe.
Für frisches Bluttibrin liegt es bei 0,8 bis 1,0 Säure auf 1000 Gr.
Verdauungsgemisch (Brücke). Kleber (K. Koopinanns)- und
Casein (Meissner) scheint bei einem ähnlichen Gehalt an Säure
am besten verdaut zu werden ; gekochtes Albnmin mit einem solchen
von 1,2 bis 1,6 pr. Mille Säure (Brücke). Einen ähnlichen Säure-
gehalt, scheint auch das gekochte Fibrin zu verlangen!?). —
Beispielsweise folgen zwei Tabellen ans den Vordauungsversuchen von Brücke.
Die erst« bezieht sich auf die Verdauung einer frischen Fibrinflocke aus Oehsenblut ;
die zweite auf eine kleine Scheibe aus gekochtem Eiwciss. Die Zahlen bedeuten, wie
viel Säure 1000 Theilo des Verdauungsgemisches enthielten. Sie sind nach der Zeit
geordnet, in welcher die Auflösung beendet war; die Reihe beginnt mit deijenigen
Mischung, ' welche am raschesten löst:
I. Fibrin.
U. Gekochte. Albumin.
0,86
1,60
0,44
3,2 t
1,66
0,80
2,04
6,41
2,90 ,
12,82
3,70
20,04
0,22
4,48
Statt mit Salzsäure kann das Verdauungsgemisch auch durch einen Zusatz von
Milch-, Essig-, Schwefel-, Salpeter- und Phosphorsäure wirksam gemacht werden; es
scheint jedoch , als ob jede dieser Säuren in einem andern Verhältnis« als der Salz-
saure angewendet werden müsste, damit der Labsaft sein Maximum von Verdauungs-
fähigkeit erhalte (Valentin). Meissner giobt an, dass ein Verdauungsgemisch
von 1 bis 2 pCt. wasserfreier Milchsäure noch nicht so wirksam sei als ein solches
mit 0,1 bis 0,2 pCt. Salzsäure. Schwefeligc und arsenige Säure sollon in jedem Ver-
hältnis unwirksam sein; ebenso saure Salze wie namentlich der saure phosphorsaure
Kalk.
Welchen Pepsingehalt die Verdau ungsflüssigkeit besitzen muss,
damit dieselbe mit merklicher Geschwindigkeit lösend wirjee, ist
unbekannt. Bekannt ist, dass weniger als 1 Theil Pepsin anf
60,000 Theile verdünnter Säure genügt, um Stücke geronnenen
Eiweisses in wenigen Standen bei Blutwärme zu verflüssigen. Be-
schleunigt wird die Auflösung durch eine Steigerung des Pepsinge-
DigitizedEy Gßogle
Gehalt an Säure und Pepain.
631
halte» in der Verdauungsflüssigkeit ; die Beschleunigung der Ver-
dauung wächst jedoch langsamer als die Zunahme des Pcpsinge-
haltcs, so dass es scheint, als ob durch eine fortgesetzte Anhäufung
des Pepsins in dem Labsaft die Lösungsgeschwiudigkeit alsbald
auf ein Maximum geführt werde, tlber das hinaus sie nicht noch
weiter durch einen Pepsinzusatz erhöht werden kann (Brücke). t
Wendet man statt eines möglichst reinen ein mit andern Eiweiss-
körpern verunreinigtes Pepsin an, so kann sogar die Lösungsge-
schwindigkeit vermindert werden, wenn der Pepsingehalt vermehrt
wird. Dieser schädliche Einfluss der Pepsinvermehrung kann durch
eine stärkere Ansäuerung der Flüssigkeit wieder zum Schwinden
kommen. — Auch scheint es, als ob die Fähigkeit des Labsaftes,
die Eiweisskörper noch weiter zu verwandeln, beeinträchtigt werden
könne durch einen Pepsingehalt, der im Verhältniss zum Säuregrad
des Gemisches zu gross war (Meissner).
Wie sich die Geschwindigkeit der Verdauung mit dem Gehalt des Labsaftes an
Pepsin ändert, neigen die nachfolgenden Versuche von Brücke. Sie sind bei einer
Temperatur von 18° bis 20° C. angestellt; der aufzulösendo Stoff war Fibrin, die
Flüssigkeit enthielt 0,1 pCt. Säure. Der Pepsingehalt der zweiten zur Beobachtung ge-
nommenen Probe war doppelt so gross
als der der erstem,
der dor dritten doppelt
gross als der der zweiten u. s. f. War
war die der zweiten 2x u. s. f.
also die Pepsinmenge der ersten Lösung x,
. I. Peptingehalt.
Vcrdaunngszeit.
11. Pepalngehalt.
Vcrdaunngtzelt.
X
45 Minuten
X
45 Minuten
2x
30 „
2*
20
4 x
20 „
4x
15 f,
8x
20 „
10
Von zwei Proben flüssigen Eiweisses, die mit gleich viel Säure, aber ungleich
viel Pepsin versetzt werden, wandelt sich die, welche weniger Pepsin enthält, rascher
um als die andere; namentlich kann aus der, welche weniger Pepsin enthält, durch
Abstumpfung der Säure schon zu einer Zeit ein Niederschlag erhalten werden, in
welcher die pepsinreichere keinen gewahren lässt. Wird aber der letzten Flüssigkeit
auch mehr Säure zugesetzt, so ist sio jetzt befähigt, dio Umwandlung so rasch her-
beizuführen wie die an Pepsin und an Säure ärmere. —
Einen Begriff von der grossen Wirksamkeit des Pepsins giobt die Erfahrung von
Frerichs, welcher mit 1,2 Th. Labdrilscnextrakt, das wohl kaum zur Hälfte aus Pepsin
bes^nd , 100 Theile trocknen geronnenen Eiweisses löste.
Die Geschwindigkeit, mit welcher die Auflösung der festen
Eiwcissstoffe in einer beschränkten Menge von Labsaft vor sich
geht, nimmt mit der fortschreitenden Verdauung ab (Schwann).
Dieses hat zwei Gründe, einmal wird die Säure unwirksam durch
die in Lösung Ubergegangenen Eiweissstoffe; dieses wird dadurch
. Digitizedisy Google
632
Auflösung des Leim*.
bewiesen , dass man von vorneherein einer sonst gut verdanenden
Mischung die Lösungsfähigkeit rauben kann, wenn man ihr lösliches
Eiweiss zusetzt. Sie kann wieder verdauuugsfUhig werden , wenn
man die Siinremenge mehrt (Brücke). Durch dasselbe Mittel kann
aber auch die durch die fortschreitende Verdauung selbst unwirk-
• sam gemachte Verdaunngsfillssigkeit wieder wirksam werden, aber
nicht für die Dauer. Denn allmählich erlischt trotz des Nachsäuerns
die verdauende Kraft der Mischung, vermutlich darum, weil auch
das Pepsin unwirksam geworden.
Der Labsaft vermag ferner nur so lange die Eiweiss- und Leimstoffe aufzulösen
als er Pepsin mit solchen Eigenschaften enthält, die es im frischen Zustande darbictet.
Diese Bedingung wird aber aufgehoben durch die Anwesenheit von concentrirten
Sauren, verdünnter Gerb-, schwefeligcr, arseniger Säure , Metallsalzen , Alaun, Kreosot,
concentrirtem Alkohol , durch einmaliges Kochen des Labsaftes.
Die Salze des natürlichen Labsaftes und die häufig in ihm
vorkommenden Fette und löslichen Kohlenhydrate haben, so weit
bekannt, im verdünnten Zustande keinen Einfluss auf den Lösungs-
prozess (Lehmann). Sind die Salzlösungen so eoncentrirt, dass
sie die Quellung der zu lösenden Eiweisskitrper hindern, so wirken
sic schädlich.
Die Geschwindigkeit, mit welcher der Lahsaft die Kiweiss-
stoffe löst und nmsetzt, wird mit der Temperatur gesteigert; hei
einer zwischen 35° bis 45° C. gelegenen Wärme, also in einer der
Blutwärme naheliegenden scheint er zum Maximum seiner Wirk-
samkeit zu gelangen.
- Leim und leimgebende Gewebe löst die aus Pepsin und
verdünnter C1H bestehende Mischung auf; leichter den Leim als die
leiragebenden Gewebe und von diesen wieder das gekochte und das
collagene rascher als das chondrigene (Frerichs). Die Auflösung
verhält sich genau so wie eine auch ohne Zutbuu des Pepsins ver-
fertigte Lösung jener Stoffe in verdünnten Säuren (M u I d e r). Sonst
gelten, so weit bekannt, alle fiir das Eiweiss gemachten Erfahrun-
gen auch für den Leimstoff.
Zur Theorie der Labsaft Wirkung. Der Labsaft uffter-
scheidet sich in seinen Wirkungen von der reinen verdünnten Säure
dadurch, dass er das, was die letztere langsam oder uur unter
Beihilfe einer erhöhten Temperatur vollbringt, rasch und bei niederer
Temperatur vollftihrt. Man bat also hier eine durch das Pepsin
unterstützte Wirkung der Säure vor. sieh.
ntggd by Google
Ist das I'vpsin ein Ferment?
633
Um die Art, wie das Pepsin Hülfe leistet, «och genauer zu be-
stimmen, hat man seit Schwann die Annahme gemacht, dass das
Pepsin ein Fermentkörper sei. Dazu wurde man bestimmt, 1) weil
man dasselbe fUr einen Ei weisskörper hielt, die bekanntlich sehr
leicht, zu Fermenten werden. Aber seine Eiweissnatur ist durch-
aus unerwiesen, ja sie wird nach den Angaben von M nid er*)
sogar unwahrscheinlich. — 2) Einen zweiten Grund ftir die Ferraent-
hypothese fand man darin, dass sehr kleine Mengen von Pepsin
sehr grosse Mengen von Eiweiss lösen und umwandcln können.
Diese Erfahrung sagt aber nur aus, dass man cs hier nicht mit
einer nach Aequivalcnten vor sich gehenden chemischen Verbindung
zu thun habe; keineswegs aber, dass eine Giihrung vorhanden sei.
— 3) Eine Reihe von chemischen Körpern und physikalischen Ein-
flüssen, welche die milchsaure und alkoholische Gährung aufheben,
vernichten auch die lösende Kraft des Labsaftes; diese Analogie
ist jedoch nicht vollständig, immerhin aber bleibt sie bemerkenswert!!.
- 4) Wie in Fermentationsgemischen, so wird auch das Verdauungs-
gemisch während der andauerden Lösung allmählich unwirksam.
Diese Thatsache würde nur dann eine Aehnlichkeit mit der Gäh-
rung begründen, wenn erwiesen wäre, dass das Verdauungsge-
misch darum seine Kräfte einbüsste , weil das Pepsin durch die
fortschreitende Verdauung zerstört wurde. Dieses wäre aber um
so nothwendiger, da noch eine andere Erklärung ftir jene That-
sache vorliegt, die nämlich, dass die in Auflösung gekommenen
Eiweisskörper eine schädliche Wirkung ausüheu. — Hedenkt man
Angesichts dieser geringen Beweismittel, dass dem Pepsin die Fä-
higkeit ahgeht, sich während der Verdauung neu zu erzeugen
(p. 360), wie es doch die Fermenten während der Gährung thun,
so wird man zum Mindesten eingestehen müssen, dass die Hypo-
these von Schwann nicht erwiesen ist.
Dasselbe gilt von einer zweiten Unterstellung, welche annimmt,
dass das Pepsin mit der Salzsäure sich zu einer hesondem Säure,
dem Chlorpepsinwasserstoff, gepaart habe (S c h m i d t), welcher ein
vorzügliches Lösungsmittel ftir Eiweissstoffe sei. Da auf direktem
We& das Dasein einer solchen Säure nicht bewiesen wurde, so
erschloss man ihr Vorhandensein aus der Beobachtung, dass ein ge-
wisser Gehalt des Labsaftes an Pepsin auch ein gewisses Säurc-
maass fordere, damit das Gemisch lösungskräftig wird (M e i s s n e r).
■) Archiv flir holUtad. Rcl trüge. 11 Bd. 9,
fiiaitizeoiiy Google
634
Magenschleim. Natürlicher Magensaft.
Wie dieses aber für .das Bestehen und die Wirksamkeit der hypo-
thetischen Säure etwas beweisen kann, ist unklar. Denn wenn
auch beim Vorhandensein Überschüssigen Pepsins nicht die ganze
Menge desselben in die gepaarte Säure eingeht, so musste doch
der wirklich gebildete Antheil der letzten lösend wirken. Diese
Thatsache kann viel eher bedeuten, dass das in das Gemisch ge-
brachte Pepsin nicht rein, sondern mit Eiweisskörpern vermengt
war; unter dieser Voraussetzung würde die Erfahrung mit der andern
zusammenfallen , dass ein Zusatz von frischem Eiweiss auch eine
sonst wirksame VerdauungsilUssigkeit abtödten kann.
B. Mage nach leim. Der aus den Schleimdrüsen des Magens
gepresste Saft, wie auch der wässerige Auszug derselben verhält
sich neutral und angesäuert indifferent gegen Eiweiss- und Leim-
stoffe (Wassmann, Goll). Wie er sich gegen die übrigen Nah-
rungsmittel stellt, ist unbekannt.
Verdauung mit natürlichem Magensaft ausserhalb des
Magens. Das Saftgemenge, wie es aus Magenfisteln beim Menschen
und Thiere gewonnen werden kann, verändert unter gar keinen
Umständen: Fette, Gummi, Pektin, Cellulose, elastisches und hor-
niges Gewebe. Gegen andere einfache Nahrungsstoffe verhält es
sich je nach seinen Eigenschaften verschieden.
a. Alkalischer Magensaft ; abgesehen von zurllckgetretener Galle
und von Bauchspeichel kann er bestehen aus reichlich abgesonder-
tem Schleimsaft, namentlich bei Magenkatarrli ; aus einem Gemenge
von viel verschlungenem Kopfspeichel mit neutralem oder saurem
Labsaft; vielleicht auch aus einem von den oberflächlichen Magen-
gefässen gelieferten Exsudat ; F. Hoppe vermuthet, dass das Letz-
tere vorkomme, wenn eine concentrirte Kochsalz- oder Zucker-
lösung in den Magen gebracht wird. Die Benutzung eines solchen
Gemenges zü Verdauungsversuchen hat so lange keinen rechten
Werth, als man nicht in jedem Fall seine Zusammensetzung angeben
kann. Wollte man mit einem solchen Gemisch Versuche anstellen,
so würde es vortheilhafter sein, es künstlich zusammenzusetzeu.
Der alkalische Saft des nüchternen Magens, der, wahrschein-
lich vorzugsweise aus Speichel besteht, verhält sieh dem Amjlon
und Zucker gegenüber wie gemischter Speichel; die ungekochte
Stärk$ greift er nicht an, die gekochte verwandelt er in Zucker
und diesen (Rohr-, Trauben-, Milchzucker) in Milchsäure. Der beim
Magenkatarrh abgesonderte schleimige Saft wandelt Rohrzucker in
Traubenzucker um (Köbner). — sUeber die Folgen, welche für
Wirkung des alkalischen und sauren Magensaftes.
635
die festen Eiweissstoffe aus der Berührung mit dem alkalischen
Magensaft hervorgehen, widersprechen sieh die Erfahrungen. Nach
Bidder und Schmidt*) verhält sich der neutrale oder alkalische
Magensaft des Hundes, vorausgesetzt, dass er als solcher aus dem
Magen genommen wurde, gleichgültig gegen die genannten Stoffe;
nach Versuchen von Sch rüder**) mit menschlichem Magensafte
ist dagegen die alkalische Reaktion durchaus nicht hinderlich der
raschen Auflösung des gekochten Hühnereiweisscs und Fleisches.
Diese letztere, allen künstlichen Verdauungsversucben so
sprechende Thatsache, scheint auf einen grundsätzlichen
zwischen der künstlichen oder natürlichen Verdauung
stens auf eine bedeutende Lücke in unsern Kenntnissen Uber die
Natur der menschlichen Magensäfte schliessen zu lassen. Vielleicht
erklärt sich die Erscheinung auch dadurch, dass Darmsäfte, die
bei alkalischer Reaktion verdauen, in den Magen zurüekgcstiegen
waren.
b. Der saure Magensaft, ein Gemenge, in welchem der Lab-
saft überwiegt, ist um so weniger geeignet, gekochtes Amylon und
Zucker umzuwandeln, je relativ weniger Speichel er enthält; in
saurem Magensaft geht also die bezeichnete Umwandlung langsam
und in recht saurem so gut wie gar nicht mehr vor sich. Stumpft
man die Säure ab, so gewinnt er dagegen wieder die Fähigkeit,
Zucker in Milchsäure überzufübren (Frerichs). Rohrzucker ver-
mag er weder vor noch nach der Neutralisation in Traubenzucker
zu verwandeln (Köbner). — Eiweissstoffe löst er; die Versuche
von Bidder und Schmidt an Hunden und von Schröder am
Menschen geben übereinstimmend an, dass im Allgemeinen ein saurer
Magensaft um so reichlicher gekochtes Eiweiss und Fleisch auflöst,
je mehr er Kali zu seiner Sättigung bedarf, mit anderen Worten,
je saurer er ist; Wird die Säure abgestumpft, so büsst der Magen-
saft des Hundes und wie es scheint auch der des Menschen sein
Vermögen ein, auflösend auf Eiweissstoffe zu wirken.
Hundert Theile natürlichen Magensaftes vom Hunde waren im
Stande, höchstens 4,0 Theile (Schmidt und Bidder), 100 Theile
des sauren menschlichen Magensaftes höchstens 0,4 Theile (Schrö-
der) trockenen Eiweisses zu lösen.
Bidder und Schmidt stellten ihre quantitativen Verdauung» versuche in der
Weise an, dass sie durchfeuchtete Eiweiss* und Fleischstücke von bekanntem Gehadte
•) I. e. p. 79. Vers. XIV.
1. c. p. 18. Vers. III. 8. IV. VIII. 1**«. u. s. w.
ÖigitizecTßy Google
636
Natürliche Magon Verdauung.
an fentora Rückstand bei einer Temperatur von 40° C. so lange mit verschiedenen
Proben bekannter GowichUraengcn^on Magensaft in Berührung Hessen, als dieser noch
irgend etwas aus ihnen su lösen vermochte. Darauf wurde der ungelöst gebliebene
Anthcil tiltrirt und getrocknet. Man erhielt damit daq Gewicht des aufgclöston. Den
Säuregehalt bestimmten sie ans der Menge von Kali, welche nothwendig war, nm den
Saft vollkommen zu ncutralisiren. Wenn dio freie Säure, wie beim Hunde, nur aus
Chlorwasserstoff besteht, so ergiebt sich allerdings die Menge dieser letzteren , wenn
aber, wie beim Menschen, die freien Säuren aus verschiedenen gemengt sind, so ge-
nügt natürlich dieses Verfahren nicht (Schröder). Zn den oben zusamroengestcllten
Thatsachcn muss wiederholt bemerkt werden , dass selbst der Magensaft dea Hundes
sich nicht in dem direkten Verhältnisse als ciweissauflösend erweist, in welchem er
Kali zu seiner Neutralisation bedarf.
Kat II r liehe Magen Verdauung. Die Verdauungsresnltatc
der Nahrungsmittel im lebenden Magen de« (Hundes oder Menschen)
bestätigen meistens die der künstlichen Vcrdaunng. So ist z. B.
erklärlich, dass der Magen nach dem Genüsse gekochten Arnvlons
bald Zucker enthält (Pr e rieh 8, Lehmann, Bouchnrdat,
Sandras n. A.), bald auch, dass er ihm fehlt (Blondlot, Schmidt
u. A.), weil je nach dem Ueberwiegen des Labsaftes oder Speichels
die Umwandlung der Stärke geschehen oder unterbleiben muss.
Aehnlich verhält es sich mit der Umwandlung des Trauben- und
Rohrzuckers in Milchsäure, welche zuweilen beobachtet (Freriehs,
Lehmann, Bouchardat), zuweilen vennisst ist (Freriehs,
Schmidt): allerdings scheint das letztere häufiger zu sein, wie er-
klärlich, weil schon eine geringe Beimengung von Labsaft dem
Speichel das umwandelnde Verneigen zu entziehen vermag. — Der
Rohrzucker wird im gesunden Hundemagen niemals in Trauben-
zucker verwandelt; findet man den letztem nach dem Genuss des
Rohrzuckers, so ist jedesmal eine andere Quelle desselben naebzu-
weisen (K ö b e r).
Sehr merkwürdig, ans den vorliegenden künstlichen Verdanungs-
versnehen vollkommen unverständlich, sind die Beobachtungen von
Fr er i cli s*) nnd Schmidt, wonach zuweilen Bnttersäure -, zu-
weilen auch schleimige und Alkoholgälirung im Magen Vorkommen
kann; das Auftreten der beiden letzteren war aber auch immer
mit Kranklicitszuständen verknüpft. Vereinzelt steht noch die An-
gabe von Mare et**), dass im Magen der Hunde, die mit neutralen
Fetten gefüttert wurden, Fettsäuren auftreten sollen.
Eiweissstoffe und insbesondere gekochtes Hühnerciweiss, werden
im Magen rascher aufgelöst, als ausserhalb; dieses lässt sich ah-
oi I. c. 80».
••) Medical Times and Gazette 1808.
Entstehen bei derselben Peptoner
637
leiten ans mancherlei Gründen, z. B. ans der stetigen Erneuerung
des Magensaftes, aus der Entfernung der mit dem umgewandclteu
Eiweiss geschwängerten Lösung durch den' l’ylorus, dem t mrühreu
des Mageninhaltes in Folge einer Bewegung der Wandung u. s. w.
Die Beobachtungen hierüber, welche von Bi d der und Schmidt
am Hunde, von Schröder am Menschen angcstellt sind, lehren
auch, dass Eiweissstücke, die in einen Magen gelegt werden, der
vor 12 bis 20 Stunden die letzte Mahlzeit aufgenommen hatte, in
den ersten 2 Stunden ihres Aufenthaltes weit mehr an Gewicht ver-
lieren, als in den 2 darauf folgenden Stunden, und in diesen wieder
mehr als in 2 auf diese kommenden. Daraus folgt, dass iu einem
Magen, der einige Zeit geruht hat, die zur Verdauung des Eiweis-
ses milbigen Bedingungen am mächtigsten wirken. — ln Ueber-
einstiiumung mit seinen künstlichen Verdauungsversuchen fand €.
Koopmauns, dass, wenn gekochtes Eiweiss, roher und gekochter
Kleber iu Säckchen eiugeschiossen, durch den Mund in den Magen
gebracht würden, von beiden immer ungleich viel aufgelöst wurde.
Bald war der Kleber, bald das Eiweiss in der Lösung weiter vor-
geschritten.
Die Frage, ob die verflüssigten Eiweissstoffe im Magen in Pep-
tone umgewandelt werden, oder ob sie, bevor es geschehen, schon
vou dort entfernt sind, kann nicht vollkommen beantwortet werden.
Sicher ist, dass das verzehrte flüssige Albumin noch als solches
jenseits des Pylorus angeftoffen wurde und zwar so wenig verän-
dert, dass es nicht einmal den Sättigungsuiedcrsehlag gab. Gehen
die verflüssigten Eiweissstofie immer so rasch durch den Magen,
wie cs in dem später zu erwähnenden Fall einer Dünndarmfistel
geschah (Busch), so würden selbst Caseinlösungen, die sich nach
Meissner am schnellsten zu Peptonen bilden, nicht Zeit haben,
um jene Umwandlungen zu erleiden.
Ucber die Veränderungen, welche die gemischten Nahrungs-
stoffe (Speisen) im lebenden Magen erfahren, besitzen wir zuver-
lässige Beobachtungen nur von Frerichs und Schröder. Das
Thatsächlichste ihrer Untersuchungen ist kurz folgendes. Aus der
in den Magen gebrachten Milch gerinnt rasch der Käsestotf, dar-
auf verlässt das Milchserum, ob durch die Wandung oder den l’y-
lorus ist ungewiss, die Magenhöhle, so dass ein aus Käsestoff und
Fett bestehender Klumpen zurückblcibt, der allmählich von der den
Magenwäpden zugekehrten Fläche gegen seiu Centrum hin verän-
dert wird. Eine genauere Untersuchung der veränderten Müssen
Digitized by Google
638
Verdauung der gewöhnlichen Speisen.
lässt erkennen, dass die Wände der Milchkügelchen aufgelöst wer-
den, während das Fett des Inhaltes zu grösseren Tropfen zusam-
menfliesst, ohne dass es eine chemische Veränderung erfährt. Die
Kalksalze der Milch lösen sich auf. — Das Mus kelfleisch zer-
fällt nach Auflösung des Bindegewebes in die einzelnen Muskel-
röhren ; dieselben zerbröckeln sich dann in kurze Stückchen , deren
Länge dem Abstande zweier benachbarten Querstreifen entspricht;
der Muskel wird also in seine Scheiben zerlegt. Diese letztem
werden allmählich aufgelöst, jedoch niemals vollkommen, selbst
wenn man sie durch eine Hülle, durch welche sie eingeschlossen
werden, zwingt, möglichst lange in dem Magen zu verweilen (?). Die
aus dem Muskel hervorgehende Lösung zeigt zuweilen die Eigen-
schaft, durch die Hitze zu gerinnen, zuweilen aber fehlt auch die-
selbe. Kalbfleisch löst sich rascher, als Ochsenfleisch (Schröder).
Gekochtes oder gebratenes Fleisch erfährt die bezeichnete Umwande-
lung rascher als rohes; nach Frerichs darum, weil der Magen-
saft leichter in die Zwischenräume eindringen kann. Diesem ent-
gegen beobachtete Schröder, dass vom menschlichen Magensafte
ausserhalb des Magens das rohe Fleisch rascher aufgelöst werde.
— Die Kalk salze lösen sich auf und werden zum Theil aus ihrer
Verbindung mit den Eiweisskörpem getrennt, wie sich daraus ergiebt,
dass dieselben durch Neutralisation der sauren Lösung gefällt wer-
den. — Aus den Knochen wird die leimgebende Substanz auf-
, während der grösste Theil der Kalisalze als eine krümliche
ungelöst bleibt; ihr Verhalten im Magensafte gleicht also
haus nicht dem in einer verdünnten Säure (?). — Das Amylon
des Brodes wird in Dextrin und Zucker umgesetzt, wenn aber, wie
häufig, das Brod nicht ausgebacken ist, so dass es noch rohe, von
der Hitze nicht älterirte Amylonkörner enthält, so werden diese von
dem Magen nicht angegriffen; die Eiweissstofle des Brodes lösen
sich. — Hlilsenfrüehte und Kartoffeln erfahren dieselbe Um-
wandlung, aber langsamer und meist auch unvollkommener, weil
die holzige Zellenmembran, welche das Amylon und die Eiweiss-
stoffe nmscbliesst, dem Eindringen der auflösenden Säfte einen
Widerstand entgegensetzt. Die das Amylon der Kartoffeln
schliesscnde Zelihaut findet sich häufig, trotzdem dass ihr J
schwunden ist, noch unverletzt. Da die Kartoffeln vorzngswd
eine Stärke enthalten, welche nicht in den autgequollenen
versetzt ist, so findet sieh oft Tage laug nach dem letzten Genüsse
dieser Speise noch unveränderte Stärke im Magen des Menschen.
•toffeln um-
i' lnhrijyer-
veisfctfig
en Zuständ
- ■■ . glc
Zusammensetzung des Cbymus im Magen.
639
Von der Verdaulichkeit der Speisen im Magen. Be-
rücksichtigt man bei der Frage nicht die Zeit, sondern nur über-
haupt, ob eine oder die andere Speise im Magen gelöst werden
könne , so beantwortet sie sich aus dem Vorstehendem von selbst.
Wollte man aber feststellen, welche Gewiehtsmengen dieser oder
jener Speise in der Zeiteinheit aufgelöst werden, so würde man
offenbar angeben müssen: die chemische Zusammensetzung, den
Aggregatzustand , die Verkeilung und Mengung der Speisen mit
anderen unverdaulichen Stoffen ; ferner den jeweiligen Gehalt des
Magensaftes an Speichel, Pepsin, Säure, Wasser u. s. w-, die Ge-
schwindigkeit der Absonderung, den Wechsel der Zusammensetzung
der Säfte mit der Absonderungszeit und vielleicht noch manches
Andere. Demnach lässt sich über die gestellte Frage nicht allein
für jetzt gar nichts aussagen, sondern es fällt dieselbe demnächst
auch gar nicht iu das Bereich des vernünftigen Experimentes, da
man die geforderten Bedingungen znr Erzielung der Vergleichbar-
keit weder constant, noch messbar variabel machen kann.
Missbräuchlich hat man aber auch unter Verdaulichkeit die
Aufentkaltszeit der Speisen im Magen verstanden, welche iu gar
keiner Beziehung zur Auflöslichkeit zu stehen braucht, da ja auch
vollkommen unverdauliche den Magen verlassen. In diesem Sinne
nimmt die Verdaulichkeit nur Rücksicht auf den Druck, unter dem
die Speisen in dem Magen liegen , und den Widerstand im Pfört-
ner. Die Mittbcilungen, die' Uber die Verdaulichkeit in diesem
Sinne gemacht worden, sind hei Freriehs*) nachzusehen, welcher
sie zuerst auf ihren wahren Werth zurückgeftihrt hat.
Der Chymus oder der Speisebrei, welcher durch den Pfört-
ner den Magen verlässt, verdient schliesslich noch einige Aufmerk-
samkeit. Unter Voraussetzung einer Nahrung aus gekochten Mehl-,
Eiweiss- und Leimarten, Fetten, Blutsalzen und Wasser, gemengt
mit Holzfaser, Horn- und elastischen Stoffen, Kieselsäure u. s. w.,
wird der Chymus einen Brei darstellen, der bald mehr, bald we-
niger Flüssigkeit enthält; die Menge dieser letzteren wird sich
ändern mit dem Gehalte der Speise an Wasser, dem Ergüsse von
Verdauungssäften in den Magen und der Lösliehkeit der Xahrungs-
den Magensäften. Hier muss jedoch schon angemerkt
dass nicht die ganze Menge von Flüssigkeit, welche in
s;en geliefert wurde, diesen letzteren auch wieder durch den
*) l. c. an.
■oy Google
640
Flüssigkeiten des Dünndarms; Galle.
Pförtner verlässt, weil iu die Venen- und Lymphgefässe desselben
sogleich ein Theil jener Flüssigkeit eintritt. Die unaufgelösten Be-
standtheile des Breies werden ihrer Grösse nach variiren mit der
Zerkleinerung, welche die festen Nahrungsmittel durch die Zähne
erfahren haben, mit dem Vermögen der Magensäfte die Speisen
anzufressen, und dem Widerstande, den der Pförtner bei gegebenen
Bewegungen der Magenmuskcln zu leisten vermag. — Die Zusam-
mensetzung der Chyimisllllssigkcit wird sich immer charakterisiren
durch ihren Gehalt an Säuren und je nach den genossenen Nah- •
rungsmitteln an Zucker, Dextrin, Eiweisstoffen , Leim und Fetten;
die ungelösten Stoffe werden dagegen bestehen zum Theil aus ganz
unlöslichen Bestandteilen , Holzfasern , Epithelialschuppen , elasti-
schen Geweben, Kieselsäure, Kalkerde u. s. w., zum Theil auch
aus löslichen, aber noch nicht gelösten Speiseresten, insbesondere
aus Fleisch-, Eiweiss- und Bindegewebsstüekchen, aus Amylon und
Krümeln von Kalksalzen. Daraus geht hervor, welch mannigfal-
tige Gestaltung dem Chymus zukommen kann. , . „
3. Flüssigkeiten des Dünndarmes.
Künstliche Dünndarmverdauung, a. Die von Schleim
und Farbstoff befreiten gallensauren Salze des Ochsen ver-
mögen das gekochte und rohe Amylon sehr allmählig in Trauben-
zucker umzuwandeln — das hyoeholinsaure Natron (Cm Hij Ni Om)
der wesentliche Bestandteil der Sehweincgallc löst rohes Amylon
leicht auf (Nasse)*). — l)er in der gereinigten Ochsengalle auf-
gelöste Zucker erleidet keiue Veränderung (Lehmann). — Die
frischen Blutkörperchen der Menschen, Säugethiere und Vögel wer-
den durch die gallensauren Salze leicht aufgelöst (Kühne)**).
b. Die Blasengalle (Galle und Schleim) setzt den Zucker
unter den Erscheinungen der Fäulniss sehr allmählich in Milchsäure
um (Meckel, Schiel); Fettsäuren löst sie in geringer Menge,
während sie die neutralen Fette unverändeit lässt. Eine Einwir-
kung auf die anderen Speisen ist nicht beobachtet.
c. Ein reichlicher Zusatz von Galle zu dem Magensafte
raubt diesem die Befähigung, geronnene Eiweisskörper aufzulösen;
geschieht die Beimischung nach vollendeter Auflösung, z. B. zu der
durch Filtration von dem Chymus geschiedenen Flüssigkeit, so wird
die Fäulniss, welche sonst leicht in der Flüssigkeit einlT*^
■) Archir ftlr gerne! nachafllfrlte Arbeiten. IV. 445.
••) Archiv flir patholog. Anatomie. XIV. 310.
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Verdauung durch Bauchapeiclicl und Pancreoeextract.
641
heuimt (H. H offmann). Die Galle soll in diesem Falle nach den
Angaben von Scherer und Frerichs auch dem aufgelösten
Eiweisse seüie Fähigkeit, durch llit/.e zu gerinnen, wiedergeben,
eine Thatsaehe, die von Leb mann und Schmidt bestritten wird.
d. Der reine 15 a u e h s p e i c h e 1 und der Pankreasauszug verwan-
deln das rohe(?) und gekochte Amvlon sehr rasch in Zucker (Va-
lentin*), Bouchardat, Sandras); diesen selbst aber nicht in
Milchsäure (Lassaigne): der Bauchspeichel zerlegt bei Gegen-
wart freier Alkalien die neutralen Fette auf dem Wege der Giihruug
in Oelsllss und Fettsäuren (Bernard); mit den Fetten geschüt-
telt emulsirt er sie permanent, d. h. es bleiben die difrch Schüt-
teln entstandenen Fetttröpfchen getrennt ft) her le, Bernard).
Zu künstlichen Verdauungsversuchen der Eiweissstoffe **) be-
nutzt man verschiedene aus dem Pankreas abstammende Produkte
namentlich den natürlichen aus dein Gang autgefangenen Saft, oder
den wässerigen Auszug aus der Drüsenmasse eines nüchternen oder
eines zuvor gefütterten Thieres, oder endlich die wässerige Auflö-
sung des Pankreatins. Der letztere Name bezeichnet einen nicht
näher umschriebenen Körper, der durch 1’bOAc aus dem Wasser-
auszug der Drüse niederzuschlagen ist, und der darauf als eine in
Wasser lösliche Substanz durch Zerlegung des Blciniedci Schlags
wieder gewonnen werden kann; ein andermal nennt man auch Pan-
kreatin die durch Alkohol aus dem wässerigen Pankreasinfusum ge-
lällten Gemenge (Cor visa rt).
Gekochtes Eiweiss, Muskel und Blutfibrin, gefälltes Casein, der
Sättigungsniederschlag des in künstlichem Labsalt gelösten vorher
geronnenen Eiweisses, beziehungsweise das Parapepton dieses letz-
teren und das Dyspepton des Caseins werden gelöst, und nachdem
dieses geschehen, in peptonähnlicbc Körper umgewandelt durch
die wässerige Lösung des Pankreatins, vorausgesetzt, dass dieselbe
sehr schwach angesäuert und das Pankreatin aus der Drüse eines
in Verdauung begriffenen Thieres, namentlich des Schweines aus-
gezogqpi ist (Purkinje, Pappenhoim, Corvisart, Meissner).
Die Auflösung des geronnenen Eiweisses scheint langsam vor sich
*) Lehrbuch der Physiologie. 2. Aufl. I. 3 56.
•*) Frerichs, Handwörterbuch der Physiologie. Ul. 1. Abth. 84fc — Corvisart, Rur
une fonction peu connue du Pancrlas. Paris 1858. — Meissner, llcnle und Pfeufers ZelLichrift.
3. Itclhe. YJI. Ihl. 17. — - Derselbe , Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg
Int llr. Juli 1859. — Kcferstein und Ha II wachs, Göttinger Nachrichten. 1858 Stück 14. —
O. Funke, Schinidt's Jahrbücher. Ild. 101. p. 155. — Skrebltxki, Ibid. 105. Ild. 153. —
Schiff, Ibid. 260.
Ludwig, Physiologie U. 2. Auflage. 4 1
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642
Verdauung durch ein Qemiech au* Bauchepeichel und Labuft.
zu geben und es greift der Verdnuungssaft die Oberfläche desEiweiss-
wtfrfels nicht glcicbmässig an, denn dieselbe wird während der fort-
schreitenden Lösung höckerig (Meissner). Während der cintrc-
tenden Lösung verliert auch das Paukreasferment seine Fähigkeit,
durch Kochen zu gerinnen.
Wie das Pankreatin verhält sich auch der wässerige Auszug
des Pankreas, der von einem in Verdauung begriffenen Thiere ge-
wonnen wurde; dieser Auszug reagirt bekanntlich (durch Milch - oder
Buttersäure? p. 351) schwach sauer. Angesäuerter Bauchepeichel
des Esels verdaute kein Eiweiss (Frerichs), der des Schweines
war es inf Stande (Meissner).
Das neutrale oder alkalische Extrakt des Pankreas, und ebenso
der natürliche Banchspeichel lösen die Eiweisskörper nicht (Kcfer-
stein, Hallwachs, Meissner), führen aber sehr leicht Fäulniss
herbei (0. Funk e). Wenn dieses geschehen, so löst der Bauehspeiehel
vermöge seines KO-Gehaltes feste Eiweisskörper auf (Skrebitzki).
Collagene Gewebe werden durch das Pankreasextrakt eben-
falls gelöst (Corvisart).
Das Ferment des Bauchspeichcls, welcher Amylon und Fette um wandelt, kann
nicht identisch sein mit demjenigen unbekannten Körper, welcher die Auflösung der
Eiweissstoffc besorgt. Denn der BauchBpoickol führt zu allen Zeiten die erstgenannten
Umwandlungen aus, wahrend ihm die letztre nur unter gewissen Umständen gelingt —
Aber auch die Bedingungen, welche die Auflösung der Albuminate herbeiführen,
müssen unter sich verschieden sein; Meissner sah, wie erwähnt, jene Auflösung nur
durch das schwachsauro Extrakt erfolgen, Corvisart, Schiff, auch durch das neu-
trale und schwach alkalisch reagirende; auch die Umwandlungen,* welche die Eiweiss-
stoffe nach der Lösung erfahren, sind noch sehr wenig aufgeklärt Siehe die Kritik
der Peptonbildung durch den pankreatischen Saft bei Brücke 1. c.
e. Künstliche Verdauung durch ein Gemenge von Labsaft
und Banchspeichel. — Dieses Gemisch löst die Albuminate
langsamer und weniger umfangreich auf, als es jeder Bestandtheil :
für sich thut. — Das durch künstlichen Labsaft aufgelöste geron-
nene Eiweiss soll, wenn es während 6 Stunden mit Banchspeichel
digerirt wurde, seine Fällbarkeit durch Kochen wieder gofvinnen
(Frerichs). Die Peptone, welche die Labsaftvcrdanung ans den
Eiweisskörpern bildete, werden durch den Banchspeichel nicht weiter
verändert (Corvisart). Die Angaben von Frerichs und Cor-
visart können anfgefasst werden als sich widersprechende, oder
sie können auch nebeu einander bestehen, wenn die Eiweissstofe,
welche Frerichs dem Bauchspeichel zusetzte, noch nicht bis zu
Peptonen verändert waren.
mmtim
Verdauung durch Danusaft.
643
f. Künstliche Verdauung durch ein Gemcngo von Labsaft, Galle und Bauch-
speichel. — Frerichs erwähnt, dass, wenn er das im Labsaft verdauto Eiweiss mit
Galle und pankreatischem Saft digerirtc, sich die Galle nach 24 Stunden als eine har-
zige Masse zu Boden setzte. Die über diesen Niederschlag stehende klare Flüssigkeit
wurde durch Kochen stark getrübt.
g. Zur künstlichen Verdauung mit Darmsaft sind benutzt
worden: der aus dem Darm nach der Methode von Frerichs
oder Bidder (p.365) gewonnene Saft ; wohlabgewaschenene Stück-
chen von Dannschleimhaut; oder wässerige Auszüge aus der letztem.
Gekochtes Amylon geht bei der Digestion in Traubenzucker,
Milch und Buttersäure Uber (Frerichs, Pelouze). Mannit ver-
wandelt sich in Milchsäure (Witte). — Geronnenes Eiweiss wird
gelüst (Bidder, Schmidt, Köllikcr, II. Müller). — Citron-
sanres, weinsaures, äpfelsaures Kali und Natron verwandeln sielt
in kohlensaure Salze (Kerkow, Magawly).
Natürliche Dünndarmverdaunng. Da die Drüsen,
welche ihren Inhalt in den Dünndarm schicken, nicht an demselben
Orte einmünden, so bietet sich hierdurch die Gelegenheit, die Lei-
stungen derselben, sowohl einzeln als in mancherlei Combinationen,
aufzuhellen. Insbesondere gelingt es innerhalb des Thicrcs zu iso-
liren die Wirkung des Darmsaftes und zu verbinden die des Darm-
nnd Magensaftes (nach Unterbindung des Gallen- und Pankreasgan-
ges), des Darm- und Magensaftes mi^ der Galle oder dem Baueh-
speichel, des Dannsaftes mit der Galle oder dem Bauehspcichel,
oder mit beiden (nach Unterbindung der horizontalen Abtheilung des
Zwölffingerdarmes). Demnach lässt sich Uber alle denkbaren Com-
binationen verfugen, mit Ausnahme derjenigen, welche eine Elimi-
nation des Darmsaftes verlangen.
a. Die verdauenden Kräfte des menschlichen Darmsafts*)
hat Busch mittelst einer Darmfistel, die sieh am obern Theil des
Dünndarmes, vielleicht kurz hinter dem Zwiilfingerdarm , fand, be-
obachtet. Aus der obern, dem Magen zugewendeten Oeffnung des
Darms traten alle Flüssigkeiten, welehe vom Magen und Zwölffinger-
darm herabströmten, vollkommen ans, sodass in das untere iu den
After ansmündende Darmstüek auch nicht eine Spur von oben her
gelangte. Die Stoffe, deren Verdauung geprüft werden sollte, konnten
also jfafCb die untere Mündung des künstlichen Afters in das mit
dem Dickdaim verbundene Dünndarmstüek eingeflihrt werden und
hier, entweder in Tüllbeutel eingeschlosscn nahe an der Einfllhrungs-
■) Basch, Archiv ftlr patholog. Anatomie. XIV. HO.
41 '
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644
Natürliche Dünndarmverdauung mit Dannsaft.
stelle fest gehalten und dann nach beliebiger Zeit wieder hervor-
gezogen werden, oder man konnte die Nahrungsmittel auch durch
das ganze untere Darmendc, das aus einem grossen Tbeil des
Dünndarms und dem ganzen Dickdarm bestand, wandern lassen
und aus dem gebildeten Koth die vor sich gegangene Verdauung
erschlossen.
Nach beiden Methoden ergab sich , dass gekochte Eiweiss-
stoffe (Fleisch und Eier) unter Entwickelung von Ammoniak und
Fäulnissprodukten aufgelöst wurden; rascher, wenn sie durch den
ganzen Darm wunderten, langsamer, .wenn sie in Ttillbeutel aufge-
hängt waren. Die Fäulniss, welche in den gekochten Eiweissstof-
fen schon nach G — 7 Stunden sehr merklich war, muss von einer
Gegenwirkung zwischen dem Damischleim und den Albuminaten
bedingt sein, da keiner dieser Stoffe für sich in so kurzer Zeit fault.
Gekochte Stärke geht leicht in Traubenzucker über und ira
Koth ist weder sie noch der Traubenzucker zu finden, selbst wenn
nicht unbeträchtliche Mengen derselben durch die Fistelöffinung ein-
gingen. — • Rohrzucker bleibt dagegen nngeändert. Die Butter und
der Lebcrthran, die nach längerm Aufenthalt im untern DarmstUck
(bis zu 10 Tagen) im Koth wieder erschienen, rochen nach Butter-
säure, dem Anblick nach waren sie theils unverändert,’ tbeils aber
kristallinisch geworden. »
Ausser dieser Beobachtung, die auch für Versuche an Thieren als methodischer
Prototyp gelten muss, sind noch andere bekannt, bei welchen man aus der geöffneten
Uiiterleibshöhle eines Thiers eine Darmschlinge hervorzog, sie von ihrem Inhalt rei-
nigte, oben und unten abband oder abklemmtc und dann die frische Speise in dieselbe
brachte. Nachdem auch die hierzu nöthige Oeffnung zugebunden war, wurde die
Schlinge in die Untcrlcibshöhle zurückgeführt (Prerichs, Bidder und Schmidt).
In einer solchen Schlinge verwandelt sich Kleister rasch in Zucker und Milch-
säure und die unlöslichen Modifikationen der Eiweiss- und Deirastoffe in lösliche.
Durch diesen Versuch würde man das Verhalten des Darmsaftes gegen die frischen
Speisen für aufgeklärt ansehen dürfen , wenn niofit die Befürchtung nahe läge , dass
die der Operation folgenden Störungen des Blutlaufes in der Unterlcibshöhle die nor-
male Df®piab3ondcrirng vollkommen änderten. Die Beobachter geben zwar an, dass
mindestens noch einige Stunden unmittelbar nach Eröffnung der Bauchhöhle ein un-
veränderter Darmsaft abgesondert werde, sie bringen dafür jodoch keinen andern Be-
weis als den vor, dass 4 bis 6 Stunden nach dem Bauchschnitte die Entzündung und
ihre Folgen erst im Maxiraum sichtbar seien.
b. Wenn man nach Unterbindung des Gallen- und Banch-
spcicbelganges aus einer am Dünndärme angelegten Fistel den
Speisebrei schöpft, so findet man, dass das Fleisch und die Auiy-
‘■*Dip£??rDy‘GoogIe
und mit Combinationon aus Gallo, Bauchapcichel etc.
645
laeecn nngefilhr ebenso verändert sind, als sie es gewesen sein
würden ohne Abschluss der beiden DrUsensäl'tc (Bidder und
Schmidt)*). War cs nicht zur Bildung von Milchsäure gekom-
men, so rcagirtc der Speisebrei alkalisch, was man nach Ausschluss
des stark alkalischen Pankreassaftes kaum erwartet hätte.
c. Die vereinigte Wirkung der Galle, des Bauchspeichcls
und Darm saftes oderauch nur die des Bauchspeichels und Darm-
saftes auf die frischen Speisen suchte man zu ermitteln, indem man
das Duodenum noch Uber der Leber- und l’ankreasmllndung ab-
band ("Bidder und Schmidt)**), oder auch zugleich den Gallen-
gang verschloss (Corvisart), im Uebrigcn aber gerade wie bei
Benutzung jeder andern Darmschlinge verfuhr. Die Ergebnisse der
Versuchsreihen waren denen unter a sehr ähnlich, nur insofern
zeigte sich ein Unterschied, als in der vorliegenden dieFälle relativ
häufiger sind, in welchen die Auflösung der Eiweissstofl'e sehr weit
vorgeschritten war.
Bei der bekannten Eigentümlichkeit des Pankreas , seine Absonderung für einige
Zeit nach Eröffnung der Bauchhöhle einzustellen, ist es fraglich, ob die angegebene
Operation den gewünschten Erfolg bedingte.
d. Die combinirte Einwirkung der Galle, der Magen- und
Darmsäfte auf die Speisen wird erzielt, wenn man entweder das Pan-
kreas ausschneidet oder seine Ausftihrungsgänge unterbindet. — Die
überwiegende Mehrzahl der Beobachter (Bidder und Schmidt,
Wein mann, Herbst u. A.) fand das Zusammenwirken jener
Säfte gerade so erfolgreich, als ihre Verbindung mit dem Bauch-
speichel; insbesondere zeigte sich der aus dem After gestossene
Koth nicht reichlicher nnd nicht anders beschaffen, als wenn die
Operation unterblieben war.
e. Bauchspeichel, Magen- und Darmsäfte, welche
nach Ableitung der Galle aus einer Blascnfistel auf den Darminhalt
wirken, erzeugen ebenfalls eine vollkommene Verdauung; cs scheint
aber, als ob die Anwesenheit der Galle mancherlei weitere Um-
setzungen der aufgelösten Stoffe verhindere, die bei ihrer Abwe-
senheit vor sich gehen; im letztem Fall bilden sich viel Darmgaso
und ein sehr unangenehm riechender Koth.
f. Die verwickcltste Zusammenstellung der verdauenden Flüs-
sigkeiten endlich, die nämlich, bei welcher in zeitlicher Reihenfolge
•) 1. c. |>. 371.
••) 1. c. p. 176.
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646
Chyrnus des Dünndarms beim Menschen.
auf die Speisen zuerst sämmtliche Säfte wirken, welche
in den Magen, und dann die, welche in den Dü tfndarm er-
gossen werden , erzielt rücksichtlich der Auflösung der Speisen kein
anderes Resultat , als alle vorerwähnten einfacheren Combinationen ;
auch hier werden die Leimarten, die Albuminate und das Amylon
zur Auflösung in Wasser gesehiekt gemacht.
Chymus des Dünndarms. Die Fortschritte, welche die
Verdauung macht, gestalten sich wesentlich verschieden je nach
der Aufenthaltszeit der Speisen in dem Dünndarm. Ueber diesen
Punkt konnte Busch in seinem schon oben erwähnten Fall Erfah-
rungen sammeln. Wegen ihrer grossen praktischen Wichtigkeit
müssen dieselben hier kurz zusammengestellt werden.
Schöb kurze Zeit nach der Einftlhrung der Nahrungsmittel in
den Mund begannen dieselben wieder aus der obern dem Magen
zugekehrten Fistelöffnung zu erscheinen. So kamen nach Vollen-
dung der Mahlzeit an: die ersten Stücke gekochten Eies 20 bis
35 Min., FleischstUcke 22 bis 30 Min., Rüben, Kohl, Kartoffeln 12
bis 19 Alirj,, aber erst 3 bis 4 Stunden nach einer reichlichen bei
Tage genossenen’ «Mahlzeit war der Ausfluss der Speisestücke vol-
lendet. War dagegen die Nahrung spät am Abend genommen wor-
den, so ging dieselbe nur theilweisc alsbald wieder ab, die Reste
derselben kamen erst am andern Morgen zum Vorschein , weil wäh-
rend der Dauer der Nacht die Bewegungen des Magens unterbrochen
waren. — Die Menge von Flüssigkeit, welche aufgefangen werden
konnte, richtete sich nach der Menge und Art der Nahrung. Am
meisten erschien, nachdem Fett genommen war, schon bedeutend
weniger im Verhältniss ztrr Menge des Aufgenommenen nach Gela-
tine und gekochten, Eiern, nach Fleisch und Milch , am wenigsten
nach Kohl und Kartoffeln. Die Menge des Ausfliessenden nahm
auch ab, wenn während eines Tags statt einer gemischten nur eine
einfache Nahrung, z. B. nur Brod genossen wurde.
Was die chemischen Eigenschatten des Ausfliessenden anlangt,
so, war das Gemisch meist von neutraler und nur zuweilen von
alkalischer oder von saurer Reaktion. — Die Flüssigkeiten, welche
denen, wenn gar keine Speise genossen war, sodass nur die
n Verdauungssäfte abströinten, enthielt zwischen 2,3 bis 2,6 pCt.
feiten Rückstand, ihr fehlte die Reaktion auf Rhodankalium; es
war »Iso wahrscheinlich aller Speichel verschwunden. — Waren
gekochte Fleisch- oder Eierspeisen genommen worden, so gab der
fiitrirtc Saft mit den Rcagentien Niederschläge, die auch aus einer
Oigitized-by Go'tfgle
Zusammensetzung des Chymus an verschiedenen Orten.
647
einfachen Lösung die gekochten Eiweissstoffe fällen. Flüssiges
Eiweiss erschien als solches wenigstens theilweisc wieder. Nach
dem IVinken von Milch fanden sich im Ansgeflossenen CaseYn-
flocken; ein anderer Theil des CaseYns konnte dureh Neutrali-
sation der alkalischen Flüssigkeit gefällt werden. — Das aus der
Fistel hervortretende enthält nach dem Genuss von Gelatine einen
nicht mehr gerinnenden Leim in Auflösung. — Nach dem Ver-
schlucken von Rohrzuckerlösung konnte etwas Traubenzucker in dem
Allsgeflossenen aufgefunden werden und dieses auch dann, wenn
alle andere Nahrung ausgeschlossen war und die unmittelbar vor
dem Essen ausgestossenen Yerdauungssäfle keine Reaktion auf
Traubenzucker gegeben hatten. Gummi kam unverändert wieder,
das Fett war in einer feinen Emulsion enthalten.
In der aufgefangenen Flüssigkeit schwammen immer grössere
oder kleinere Brocken der in den Magen geführten festen Spei-
sen. Bestanden diese letzteren aus Eiweissstoffen, so wurden sie
gelöst, wenn sic mit der ausgetretenen Flüssigkeit längere Zeit hin-
durch in Berührung blieben; diese Auflösung ging vor sich, wie
auch die Flüssigkeit gegen Lackmuspapier reagiren mochte. Frische
Würfel aus gekochtem Eiweiss und aus Fleisch, die den filtrirten
Verdanungssäften zugesetzt wurden , konnten zwar auch gelöst
werden, aber sie lösten sich viel langsamer als die Stücke, weicht
noch unverdant mit den Verdauungssäften gemischt ankamen.
Ucber das Verhältnis» des Gewichts der eingeführten Nahrungsmittel zu dem des
Speisebreies sammelte Busch folgende Zahlen; sie bedeuten, die genossene Nahrung
gleich l gesetzt, das Gewicht des ausgeflossenen Breies : Fett = 6,0 ; Gelatine — 3,7 ;
gesottene Eier = 2,7; Fleisch 1,7; Milch oder Mohrrüben = 1,2; Kohl =0,9; Kar-
toffelbrei =0,7. Den NahrungsstofTen, welche nach einer Abendmahlzeit am darauf fol-
genden Morgen ankamen , war fast gar kein Verdauungssaft, namentlich keine Galle
beigemischt. Sie waren auch relativ am wenigsten verändert.
Nimmt dagegen die Dünndarmverdauung ihren regelmässigen
Verlauf, so besteht sein Chymus zwar auch wie der des Magens
aus festen Partikeln, flüssigen Fetten und Gasbläschen, welche in
einer wässerigen Lösung aufgeschwemmt sind, aber cs sind sicht-
bare Unterschiede zwischen beiden Breiarteu vorhanden; nament-
lich sind die festen Theilchen des Dünndarmes kleiner, die Fette
sind nicht mehr in grossen, sondern in sehr kleinen Tröpfchen ver.
theilt, und endlich ist der Chymus des Dünndarmes von der bei-
gemengten Galle gelb gefärbt. Das Verhältnis der testen zu den
flüssigen Thcilcn variirt aus denselben Gründen, die schon beim
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648
Enthält der Dünndarm reptone ?
Speisebrei des Magens und des Duodenums erörtert sind, sehr be-
trächtlich; im Allgemeinen nimmt aber die Flüssigkeit gegen das
Ende des Dünndarmes ab.
Die chemischen Bestandteile der aufgeschwemraten Massen
sind zum Theil den beim Magen erwähnten gleich ; neu hinzu kom-
men noch Kalkscifen, harzige Umsetzungsprodukte der Galle, Schleim
und losgestossene Epithelien der Darmoherhaut. Das Verhältnis
zwischen den einzelnen Gemengthcilen stellt sich für die verschie-
denen Abteilungen des Darmrohres so, dass mit der steigenden
Entfernung vom Pyloras die Holz-, Horn- und Kalkmassen u. s. w.,
welche vollkommen unlöslich sind, allmählig bedeutend das Ueber-
gcwicht gewinnen Uber das Amylon und die Albuminate.
Die Flüssigkeit enthält in Lösung Znckerarten ; und zwar Trau-
benzucker, vielleicht Fruchtzucker und nach dem Genuss von Rohr-
zucker auch diesen (Kühner). Die Menge des letztem nimmt
gegen das Ileura hin merklich ab; ferner sind im Chymus gelöst
Milchsäure und deren Salze und Eiweissstoffe. Lieber die chemische
Natur dieser letztem sind die Meinungen geteilt; Meissner,
Corvisart, 0. Funke scheinen geneigt, wenigstens einen Theil
der gelösten Eiweissstoffe für Peptone zu halten, während. Andere,
z. B. Brücke noch einen sichern Beweis für diese Unterstellung
tfeunssen. Da sich ein einigenuassen befriedigender chemischer
Beweis nicht anbringen lässt, so musste die Anwesenheit der Pep-
tone aus andern Gründen erschlossen werden. Der. erste derselben
stützt sich darauf, dass die Eiweissstoffe erst nach ihrer Ueberfüh-
rung in Peptone aufgesaugt werden könnten; dieser Vordersatz,
aus dem allerdings die Pcptonbildung mit Nothwendigkeit folgen
würde, entbehrt aber vorerst noch jeglicher Begründung. Ebenso
wenig überzeugend wirkt eine andere Herleitung, die sich auf die
lange Anwesenheit der Eiweissstoffe im Darmkanal stützt; da die
Peptonbildung erst nach der Auflösung der Eiweissstoffe vor sich
geht, so ist begreiflich nicht die Aufenthaltsdauer der ungelösten
sondern nur die der flüssigen nach geschehener Auflösung von Be-
deutung. Wie will man aber die Zeit des Verweilens dieser letz-
tem bestimmen? — In der Flüssigkeit des Chymus kommen ferner
vor die ursprünglichen nnd die nmgesetzten Bestandtheile der Drüscn-
säftc (Gallensäure, Taurin, Leucin, Ammoniaksalze, Cholestearin
u. s. w.). Alle diese Stoffe stehen in so mannigfachen Verhältnis-
sen zu eiuander, dass sich nichts Allgemeingültiges darüber nus-
sagcu lässt. Gewöhnlich überwiegen jedoch schon in der Mitte des
Vergleichung der natürlichen und künstlichen Darm Verdauung. (549
Dünndarmes die alkalisch reagirenden Stoffe, so dass von da an
die Flüssigkeit ihre saure Reaktion in eine alkalische nmwandelt.
Aber auch dieses Vorkommen erleidet eine Ausnahme hei lebhafter
Milchsäurcbildung, wie sie nach reichlichem Genüsse von Arnyla-
eeen beobachtet wird.
Eine Vergleichnng zwischen den Erfolgen der na-
türlichen und künstlichen Verdauung im Dünndarm kann bis in das
Einzelne nicht vorgenommen werden, da uns, wie wir eben sahen,
eine gründliche Kenntniss der chemischen Beschaffenheit des Dünn-
darmchymus fehlt; der gegenwärtige Stand der Thierchemie lässt
auch demnächst keine solche voraussehen. Das wenige, was wir
Uber dieselbe wissen, ist allerdings aus den Erfahrungen zu er-
klären, zu denen die künstliche Verdauung geführt hat. So ist
das Umschlagen der Reaktion, welche der saure Chymus des Ma-
gens mitbringt, erklärlich ans den alkalischen Säften, die sich in
den Dünndarm ergiessen. — Die Auflösung der aus dem Magen
noch ungelöst ankommenden Eiweiss- und Leimstoffe kann der
Dannsaft und unter Umständen der pankreatische besorgen. —
Dasselbe gilt für die ungelösten oder unverwandelten Amylaceen,
und die Ueberführung der Zuokerarten in Milch- und Buttersäure —
die feine Emulsion, in Welche die Fette gebracht werden, kann
dem Banchspeichel, dem Gallen- und Darmschleim zugesekrieben
werden, — die Umsetzung einiger pflanzensauren in kohlensaure
Alkalien vermag der Bauchspciekel und der Darmsaft zu vollführen.
Die Zerlegung der Galle in Cholsäure , Taurin und Glycocoll leitet
der saure Magensaft in Verbindung mit dem Banchspeichel ein. Das
Auftreten von Buttersäure kann abgeleitet werden aus dem Ver-
mögen des pankreatischcn Saftes, die neutralen Fette, hier also das
Butyrin, zu zerlegen; oder sie kann auch bedingt sein von dem
1 'ebergang der milchsauren in die buttersäure Gährnng. Für 'die
letztere Entstehungsweise würde die Gegenwart von Il-gas sprechen,
welches man, wie gleich zu erwähnen, schon in der Darmhöhle ge-
funden hat. — Die Galle endlich verhütet den Eintritt der stinken-
den Fäulniss.
Ucberblickt man noch einmal die Lösung der Speisen im Dünndarm , so ergiebt
sich, dass ein jeder Nahrungsstoff durch verschiedene Verdauungssäfte verflüssigt wer-
den kann. Die Eiweisskörper konnten durch den sauren, zuweilen durch den neutra-
len Magensaft, aber auch durch den Darmsaft, und endlich durch den schwachsauren,
zuweilen auch durch den neutralen oder alkalischen Bauchspeichel gelöst werden. Das
Amylon konnte der Darmsaft, der Kopf- und Bauchspeichel in Traubenzucker umwandcln;
das Fett wurde durch die verschiedenen Schlcimarten und den Pankreassaft in Emul-
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050 Wirkung verschiedener Säfte auf dieselben Speisen.
sinn gebracht. Diese Erfahrung musste natürlich zu der Frage führen, welehen Sinn
und welche Folgen diese Häufung verschiedener Mittel zu demselben Zweck mit sich
führe. Obwohl sich die aufgeworfene Frage schwerlich umfassend beantworten lässt,
bevor die Art der Auflösung und der Umsetzung, welche die einzelnen Säfte mit sich
bringen, genauer gekannt ist, so dürfte sich doch schon jetzt Folgendes Vorbrin-
gen lassen. Die Untersuchungen mittelst des künstlichen und natürlichen Labsaftes
hatten ergeben, dass nicht alle Eiweisskörper bei demselben Säuregrad mit gleicher
Leichtigkeit verdaut wurden; namentlich ergab die Erfahrung, dass in dem Magensaft
des Uundos und Schweines das gekochte Eiwciss nnd der Kleber nicht gleich leicht gelöst
werden. Daraus konnte man also folgern : cs mussten zur gehörigen Ausnutzung ver-
schiedener Eiweissstoffe , welche gleichzeitig genossen waren, auch Verdauungsflüssig-
keiten von allen möglichen Säuregraden vorhanden sein. Diese Betrachtung verliert
jedoch ihre Spitze, wenn man sich erinnert, dass der alkalische Darmsaft, soweit wir
wissen, alle Eiweisskörper gleich gut vorflüssigt. Also wären die Einwirkungen des
Magensaftes Überflüssig. — Um aber diesen Einwurf wegzuräumen , könnte man sagen,
die Anwesenheit des Magens mache es möglich , dass die Aufnahme von Speisen in
den Mund auf einmal für längere Zeit abgethan werden könne; der Magen zerlege dann
die grossen Speisestücke in kleinere, diese würden darauf in dem Maas», wie sie zer-
kleinert wären, in den Dünndarm gebracht und diesem werde somit sowohl durch die
Verkleinerung als auch durch die chemische Vorarbeit des Magens dio Auflösung er-
leichtert. Diese Annahme empfängt gewissennaassen eino Unterstützung durch die
Angabe, welche Busch über die verschiedene Löslichkeit von Eiweissstoffen gemacht
hat, je nachdem dieselben vorgängig der Einwirkung des Magensafts ausgosetzt oder
noch nicht ausgesetzt waren. — Vielleicht wäre es auch für die Resorption von Be-
deutung, dass die sauren Lösungen der Eiweissstoflb erst in eine alkalisch reagirende
Lösung gebracht würden , bevor sie die alkalisch reagirende Darmwand durchsetzen,
damit sie an und in derselben nicht gefällt würden. Hiergegen könnte man einwen-
den, dass erfahrungsgemass schon im Magen dio Resorption beginnt, wie dieses u. A.
bei der öfter erwähnten Frau mit der Darmfistel geschah. Boi ihr blieb es aber un-
gewiss, ob der Magensaft wirklich sauer war. — Endlich ist cs auch nicht wahr-
scheinlich, dass zu allen Zeiten eine jede Saftart mit gleicher Leichtigkeit beschafft
werden kann ; sie wären also als gegenseitige Aushülfen zur Vermeidung physiologi-
scher Verdauungsstörungen anznsehen. — Für die Verthcilung von Amylon auflösenden
Säften auf verschiedene Orte des Darms Hesse sich anführen , dass nur hierdurch dem
Ucbelstand vorgebengt werden könnte , concentrirte Zuckerlösungen in einer beschränk-^
ten Darmabtheilung anzuhäufen. Bei der Geschwindigkeit, mit welcher dio Umwand^
lung des Amylons vor sich geht, und bei dem grossen Antheil , den jener Stoff nfe
unserer Nahrung einnimmt, hätte dieses sonst nothwondig geschehen müssen und hiaflfl
durch würde sowohl die Aufsaugung dieses Stoffes, wio auch «die Verdauung aller
anderen gehemmt worden sein, eine Annahme, dio durch die bekannten Folgen eines
reichlichen Genusses von Zucker bestätigt wird.
4. Die Flüssigkeiten des Diekdarmes sind ausserhalb des
tuerischen Körpers noch nicht geprüft worden; als Steinhäuser
die Gelegenheit benutzte, die ihm eine Fistel des Coeeums am
Menschen darbot, frische Speisen in den Dickdarm zu bringen, fand
er dieselben im Kothe unverändert wieder. Dieses lässt begreiflich
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Dickdarm. Koth.
651
keinen Schluss zu anf die Veränderung der Speisen in dem Zu-
stande, in welchen sie gewöhnlich aus dem Dünndarme in den
Dickdarm übergehen. In der That scheint auch während des Le-
bens der Inhalt des Dickdarmes sich noch fortwährend zu verän-
dern; denn es entwickeln sich in demselben Säuren (Milchsäure,
Buttersäure u. s. w.) und Gase, H und CH (Chevrcul), Bildun-
gen, die sich allerdings auch erläutern aus einer in dem Speise-
brei eingeleitetcn und ohne Zuthun des Dick^larmsaftes fortschrei-
tenden Gährung. — Der Schleim und die Schleimhaut des Kanin-
chendickdarms wandeln Amylon rasch in Zucker um (0. Funke*).
Der Koth**) oder der Antheil des Speisebreies, welcher aus
dem Mastdarme hervortritt, enthält in wechselnder Menge Festes
und Flüssiges. — Die Flüssigkeit gewinnt über das Aufgeschwemmte
um so mehr das Uebergewicht , je rascher die Speise durch den
Darmkanal gegangen, je mehr der aufsaugende Apparat in seinen
Leistungen beschränkt ist, und weitere Stoffgemische in der Koth-
flüssigkeit aufgelöst sind , welche mit kräftiger Verwandtschaft zum
Wasser begabt sind und mit geringer Geschwindigkeit durch die
Darmwand in die Blut- und Lympbgefässe treten.
Seiner chemischen Zusammensetzung nach besteht der aufge-
schwemmte Theil bei einer gemischten Kost aus Homschüppchen,
geringen Mengen elastischer Häute, einigen zerbröckelten Muskel-
fasern, unlöslichem Blutroth, Fetten, Stearin- und margarinsaurem
Kalk, Holzfaser, l’flanzenwachs, Chlorophyll, etwas Amylon, Schleim,
Darmepithelium , Umsetzungsprodukten der Galle (Dyslysin, Cho-
loidin- und Cholalsäure) und nach M ar cct beim Menschen auch aus
Excretin , einem in Aethcr löslichen Körper *C;s H;s O2 S), ferner aus
Cholestearin, Kieselsäure, phosphorsauren, schwefelsauren und kohlen-
sanren Erden. — Die Flüssigkeit enthält Eiweiss, Gummi, Gallen-
farbstoffe, wenig Gallensäure, schwefelsaure nebst ein wenig salz-
‘ sauren Alkalien. —
Wr Der Geruch des Kotlies scheint von flüchtigen Fettsäuren be-
dingt zu sein ; L i e b i g konnte durch Behandeln von eiweissartigen
Stoffen mit Kali ein Gemenge von flüchtigen Fettsäuren .herstellen,
welches ausgeprägt nach Koth riecht.
•) Lehrbuch der Physiologie. 3. Aufl. I. 320.
••) Wehs arg, Mikroskopische und chem. l.'ntentuchnngen cic. Giessen- 18*2. — Ihrlng,
Mikroskopische und chemische Untersuchungen etc. Glossen 18*2. — Marc et, Prorccdings of the
royal Society VII. 153. — Derselbe, Phllosophlcal Transactiona 1857. 108. — Li ob lg, Thicrchearfe
3. Aufl. 136. — Kilhne, Archiv flir pathqlog. Anatomie. XIV. 310.
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652
Darm gas© etc.
Die proportionale Menge des Kotlies oder das Geweht des-
selben dividirt durch dasjenige der genossenen Nahrung, ist ab-
hängig von der Menge absolut unverdaulicher Einschlüsse in die
letztere (aus diesem Grunde giebt GemUsenahrung viel mehr Koth,
als Fleisch) von der Geschwindigkeit, mit welcher die Speisen
durch den Darmkanal gehen , endlich von der Kraft der auflöseu-
den und aufsaugenden Verdauungswerkzeuge.
Nach den Erfahrungen «von Liebig befindet sich der Koth nicht ini Zustande der
fauligen Gährung , er gelangt erst in sie, nachdem er dem Zutritt© der Luft blossge-
legt war. Zuweilen kommen in ihm Gährangspilze vor (Mitscherlich, Bemak,
Böhm).
Che rreu 1*) hat mit -freilich noch unvollkommenen Methoden dio Gasarten des
menschlichen Darmkanals untersucht. In der Leiche eines Hingerichteten bemerkte er
im Magen eine geringe Menge von Gas, welche in lOOTheilen bestand aus: 0=11,00;
COi = 14,00; N = 71,45; H = 3,55. — Im Dünn- und Dickdarme dreier Hinge-
richteter beobachtete er:
Dünndarm. |
Dickdarm.
Coecum.
i Rectum.
Bemerkungen.
CO,
24,39
co.
43,50
L «
55,53
CH u. HS
5,47
|
- j
| Zwei Stunden vor
• ( N
20, 08
N
51,03
d. Tode eine Mahl-
( co.
40,00
CO*
"0,00
I
zeit ausBrod, Käse,
II. 1 H
51,15
H u. CH
11,16
—
- I
i Wein u. Wasser.
! N
S.S5
N
18,04
j
I
co.
12,5
( co»
25,0
; CH
12,5
CO, 42,86 !
| Yor dom Tode Rind-
in. j h
8,4
—
H
7,5
, CH 11,18 (
r fleisch , Brod , Lin-
( N
66,0
1 N
67,5
, N 45,96 .
| sen, Rothwcin.
Aufsaugung in den Verdauungswegen.
Von dem, was als Speise und als Dritsensaft in den Darm
eiugeflihrt ward, tritt nur ein kleiner Theil durch den After her-
vor; also niusä der Rest, da er nicht in der Höhle zurtickbleibt,
durch die Darmwand austreten. Dass die grosse Menge von
Flüssigkeit, welche diesen Weg betritt, ihn in so kurzer Zeit vol
lenden kann, begründet sich einmal durch die grosse Ausdehnung •
der Darmwand, wie sic ermöglicht ist durch die Röhrenform des
Darmes, und durch die Falten, Zotten und Krypten der einzelnen
Schleimhautpartien. Wenn dieses ausgebreitete Filtrum die Auf-
saugung an vielen Orten gleichzeitig möglich macht, so wird durch
*) Magcndie’s Physiologie , deutsch von Ho u ainger. lt. IM. 75. 101 u. 116.
'-■V,
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Einrichtungen des SclileimhautfiUer«.
653 *
die Bedeckung der Wand mit nur einer Schiebt eigentümlich ge-
bauter Cylinderzcllen jede einzelne Stelle sehr leicht durchdringlich.
Nach den Beobachtungen von 0. Funke und Kill liker, vor-
zugsweise aber nach denen von Brettauer und Steinach*) ist die
Basis , welche die trichterförmigen Deckzellen gegen die Darmhökle
wenden durch einen hellen Saum begrenzt, auf welchem prisma-
tische Stäbchen aufsitzen. Diese Stäbchen sind jedoch nicht immer
gleich gestaltet; so sitzen namentlich auf den Zellen, die aus dem
Dann eines seit vielen Stunden nüchternen Thiercs stammen, sehr
deutliche scharf von einander abgesetzte Prismen ; die Zellen aber,
die ans dem Darm des verdauenden Thiercs genommen werden,
sind an ihrer gegen den Darm gewendeten Seite durch einen schein-
bar vollkommen homogenen, stäbchenfreieu Saum begrenzt, der
schmäler ist, als der Kaum, welchen im vorhergehenden Fall die
Stäbchen sainmt ihrer Unterlager cinnchmeu. Aber auch jetzt
sind die Stäbchen nicht verschwunden, sie sind nur durch Ver-
kürzung und gegenseitiges Aneinanderlegen unsichtbar geworden;
denn sie kommen wieder zum Vorschein, wenn man die Zellen
in eine Lösung von phospborsaurem Natron legt. Der stäbchen-
tragende Saum, den mau kurzweg den Zelleudeckel nennt, hängt,
wie es den Anschein hat , fester mit dem schleimigen zähen Zellen-
inhalt als mit der seitlichen Zcllenwand zusammen; man könnte
sagen, fl es stecke der mit dem Deckel verbundene Inhalt in der
Zellenhfrisb wie ein Pfropf in einem Trichter. Diese Annahme grün-
det sich auf die Erfahrung von Brettauer und Steinach, dass
der Zclleninbalt mit dem auf ihm sitzenden Deckel seine normale
Lagerstätte verlässt, und sich neben die leere Iitilsc legt, wenn
man den Inhalt durch passende Mittel, z. B. durch destillirtcs Was-
ser zum Aufqucllen gebracht hat. — Aus diesen Erfahrungen, so-
.,>icl sie auch sonst noch zu wünschen übrig lassen, geht das für
■ransere Zwecke wichtige Resultat hervor, dass die Zellenhöhle
™ gegen die Darmlichtung nicht durch eine homogene Haut abgegrenzt
ist. Wollte man einen Vergleich zulassen, so würde man zwischen
dem Zellcndeekel der Darmepitkelien und der Haut in andern Zellen
etwa denselben Unterschied statuiren können, wie er zwischen ^
einem Fliesspapier und einer Collodiummembran besteht. —
Brücke vermuthet, dass auch die in der Schleimhaut steckende
Spitze der Epflhelialzellen nur durch einen lockeren Pfropf, nicht
*) Brettauer und 8 t ei nach, Wiener akad. Sitzungsberichte. 2J. Bd. 303.
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654
Anfänge der Chyluagefässe ; Zotten.
aber durch eine homogene Hant verschlossen sei und Hei den -
hain findet es sogar wahrscheinlich, dass die von jenen Spitzen
ausgehenden Fortsätze in das von ihm beschriebene die Schleim-
haut durchsetzende Zellennetz münden (p. 568). Diese Thatsache
wird von Henle bestritten.
Jenseits der Oberhaut stösst die cingedrungcne Flüssigkeit auf
ein lockeres von Lücken durchzogenes Gewebe. Diese Lücken
öffnen sich, wie schon früher beschrieben wurde, auf die eine oder
andere Weise in die Lymphgefässe , in sie hinein ragen Blutcapil-
laren; die absorbirte Flüssigkeit kann also je nach Umständen in
das eine oder das andere Gefäss eintreten. Erwägt man, dass die
Hohlräume der Schleimhaut ihre Formen ändern können, vermöge
der sie umgebenden Muskeln, so sieht man hier ein kunstreiches
Filter hergestcllt, das auch für ölige und eiweissartige Flüssig-
keiten länger durchgängig bleibt als selbst eine grobmaschige Lein-
wand.
A. Aufsaugung durch die Lymphgefässe.
1. Anatomisches Verhalten der Anfänge*). Nachdem schon
früher die Lymphwurzcln in der Darmschleimhaut geschildert wur-
den , bleibt es hier nur noch übrig, auf das Verhalten der Blutge-
fässe und Muskeln in der Schleimhaut namentlich in den Zotten
cinzugehen. In den lockeren oberflächlichen Schlcimhautpartien
liegt überall ein engmaschiges Netz von Blutgefässen eingebettet,
das mit freien Wandungen in die Lücken, welche den Anfang der
Chylusgcfässe darstellen, hincinragt. Daraus folgt zweierlei; ein-
mal nämlich wird die Möglichkeit eines Austausches zwischen den
Flüssigkeiten gegeben sein, die in den Lücken und den Blutgefäs-
sen eingeschlossen sind; zugleich werden aber auch die Blutge-
fässe vermöge ihres durch den Blutstrom gespannten Inhaltes die
Schlcimhautoberfläebe nnd namentlich den Zottenmantel ausspannen,
resp. die den Lymphgefässanfang darstellenden Ilohlräume offen
erhalten, selbst wenn ein gelinder von der Danuhöhle her wirken-
der Druck sie zusammenzupressen sucht (Brücke, Donders).
• Ausser diesen Gebilden enthält die Schleimhaut bekanntlich noch
Muskelzellen. Diese sind in den Zotten zu Fasern angeordnet,
welche der grössten Länge der ersteren entsprechend verlaufen;
•) Brücke, Ucber Chylusgefiisse ti. d. Resorption d. Chvlus. Wien 1853. — Bonders,
• Uenle'a und l'feufer'a Zeitschrift. N. F. IV. Bd, 230. and die p. 567 aafgcxühlte Literatur.
Google
Filtration»- und Diftasionsstrom gegen die C'hylusgofttsse.
655
sie Hegen nach innen von den ßlutgefässcapillaren und nach aussen
vom Centralkanal der Zotte. Ziehen sich die Muskeln zusammen,
wie dieses am geöffneten Darme des lebenden oder eben getödte-
ten Thieres beobachtet werden kann, und zwar mit einer Kraft,
welche die durch den Blntstrom gesteiften Blutgefässe zusanunen-
drttckt, so muss dadurch der vorhandene Inhalt des Centralkanalcs
nach den Lymphgefässcn in dem Untcrscbleimhautgewebe entleert
werden, während die einzelnen Epitheliumszellen durch die Ver-
kürzung der Zotte comprimirt werden. Falls sie an ihren Enden
offen sind, muss hierdurch ein Theil ihres Inhaltes in die Darm-
höhle zurücktreten. Man kann nicht sagen, ob dasselbe auch für
den Inhalt der äusseren Gewebsr&mne des Stroma's eintreten müsse,
da man nicht weiss, ob die Epitheliumszellen so cingepHanzt sind,
dass der Chylus ebenso leicht aus dem Stroma in die Zellen, als
aus den Zellen in das Stroma tritt. Diese Darstellung, welche der
klassischen Arbeit von Brücke entlehnt ist, lässt uns erkennen,
wie zierlich und zweckmässig zugleich die Zotte zum Behufe der
Filtration und der Weiterbewegung ihres Inhaltes gebaut ist.
2. Stoffaufnahme in die Chylusgefüsse. Durch die Wand,
welche die Höhlungen des Darms und der Chylusgefässe von ein-
ander trennen, dringen wässerige Flüssigkeiten und Fetttröpfchen
hindurch.
Der Lebergang von wässerigen Lösungen in die Anfänge
der Milehgefässc kann mit Hülfe bekannter Thatsachen ohne Schwie-
rigkeiten erklärt werden, denn überall, von der Cardia bis zum
Anus, ist die Schleimhaut für Wasser durchgängig und es ist Ge-
legenheit znm Wirksamwerden von Gapillaranziehung , von hydro-
statischen Drücken und Diffusionen gegeben. — Die Lücken der
Schleimhaut sind eng und ihre Wände mit wässerigen Lösungen
benetzbar, also muss die erste der drei aufgezählten Füllungsnr-
sachen in Betracht kommen. — Ist aber aus einem oder dem
andern Grunde der Anfang der Chylusgefässe auch mit noch so
wenig Flüssigkeit gefüllt, so muss sich von ihm ein Diffusionsstrom
entwickeln znm Darm- und Blutgefässinhalt oder mindestens gegen
den letztem von beiden, da beide Flüssigkeiten in einander diffusibel
und zugleich von verschiedener Zusammensetzung sind. — Läge
aber der Darm- und Blutgefässinhalt unter einem höheren Drucke,
als derjenige der Chylusgefässanfänge, so müssten die letzteren all-
mählich sich auf dem Wege der Filtration anfUllen. Das Vorkommen
eines solchen »Spannungsunterschiedes der Flüssigkeiten kann aber
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656
Ueberg&ng der Fette in die Chylungefüsse.
nicht bestritten werden , da sieh die Ampullen und Lttcken entleeren
durch die periodisch wiederkehrenden Zusammcnzichuugen der
Schleimhautmuskeln und dann, wenn die letzteren erschlafft sind,
wieder ausgespannt werden durch die vom Blutstrome gestreckten
Blutgefässe. Der Inhalt der Lymphräume wird also off genug unter
einer sehr geringen Spannung verweilen, während der Darminhalt
unter einer wenn auch geringen Pressung liegt, die sich namentlich
cinstcllcn muss, wenn eine abwärts hängende Darmschiingc mehr oder
weniger nugcfUUt ist. Anderseits wird zu einem Filtrationsstrome von
Seiten der Blutgefässe her Veranlassung gegeben durch die nor-
male Spannung des Blutstromes. Somit scheint es nur fraglich zu
bleiben, ob für gewöhnlich der wässerige Darminhalt vorzugsweise
durch Filtration oder durch Diffusion weggeschafft werde. Berück-
sichtigt man die Erfahrung, dass die in das Dannrohr gebrachten
Lösungen von salzsauren Alkalien viel reichlicher aufgenommen
werden, als diejenigen der schwefelsauren Alkalien und Erden, so
dürfte mau geneigt sein , den Diffusionen das Uebergewicbt zuzu-
schreiben. Denn fiitriren die Lösungen, so kann man nicht ein-
sehen , warum ein solcher Unterschied sich geltend machen sollte,
während man ihn aus der ungleichen Diffusionsgeschwindigkeit
jener Salze und aus dem ungleichen Quellungsvermögen der Häute
durch dieselben begreifen kann.
Von den Fetten*), welche sich im Damiinhalt tuonl, gehen
mit chemisch unveränderten Eigenschaften nnr diejemgen in die
Lymphwurzeln über, welche bei der Temperatur des menschlichen
Körpers flüssig sind. Um. übergangsfähig zu werden, müssen sie
im Darmkanal selbst erst eine mechanische Vorbereitung erfahren
haben, die darin besteht, dass sie in höchst feine Tröpfchen ver-
theilt und zugleich mit einer Hülle umgeben werden. Für die An-
wesenheit dieser letztem spricht der Umstand, dass sie gewöhnlich
nicht Zusammenflüssen, wenn sie auch unter einem merklichen
Druck in einen engen Kaum zusammenged rängt werden. — Die
Bedingungen, welche das Fett zertheilen, liegen wahrscheinlich in
den feinen Unebenheiten der Darmoberfläche. Durch sie werden
die grösseren Tropfen in kleinere zerspalten, wenn jene durch die
•) li Id der und Schmidt, Vcrdaimugin>üfte. 224 ff. u. 252. — Fr e rieh«, Artikel Verdauung,
Wagner» Handwörterbuch. III. 847. u. 853. — Weinmann, Honle'e n. Pfcufer's Zeitschrift-
N. F. 111. 247. — llerbat, Ibid. 889. — CI. Bernard, Mi'molrrf aar ie pancrJas et §nr le rül«
da soc paucrtfallque. Paris 1850. — Don der», Physiologie des Menschen. 2. Aull. 1859. 322. —
Colin, Gazette im'dicalc de Paria. 1856. 54. — O. Funke, Zeitschrift für wiss. Zoologie. VL
30b. u. VII. 815. — Külliker, Würzburger Verhandlungen. Juni 1856.
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Weg des Fettes durch die Darmwand.
657
peristaltischen Bewegungen auf der Darmoberfläehe hergepresst
werden. Die Wiedervereinigung der kleineren zu grösseren Tröpf-
chen wird aber unmöglich gemacht durch die reichliche Anwesenheit
schleimiger Flüssigkeiten, welche die die Darmoberfläehe benetzen.
Namentlich dienen hierzu der Darmschleim, die schleimartige Galle
und der Bauehspeichel (Eberle, CI. Bernard); eine Behauptung,
deren Richtigkeit leicht bestätigt werden kaim durch Schlitteln eines
der bezeichneten Drüsensäfte mit flüssigen Fetten. —
Aus diesen Mittheilungen folgt nun schon, dass für gewöhn-
lich der Magen kein Fett aufnimmt; ausnahmsweise kann es (je
nach dem Eintritt der Bedingungen) dennoch geschehen, wie z. B.
Kölliker in den Epithelialzellen des Magens von Säuglingen Fett-
tröpfchen sah. Aehnlichcs sagt die mikroskopische Erfahrung vom
Dickdarm aus, in dessen Epithelialzcllen nur nach Oelklystieren
Fetttröpfchen gefunden wurden. Dennoch bleibt es zweifelhaft, ob
sich der fettige Zelleninhalt in die Lymphräume entleert; deru An-
schein nach geschieht dieses äusserst selten, da die Lymphe, welche
aus dem Magen und Dickdarm eines fettverdauenden Thieres kommt,
niemals nfilchig, sondern klar und durchsichtig ist. — Also ist nur
deir Dünndarm der eigentliche Fettsauger. Aber er ist es nicht an
allen Stellen gleichmässig. Niemals hat man das Fett durch die
Zellen der Crypten gehen sehen und für gewöhnlich findet man cs
nur in den Spitzen der Zotten. Goodsir und Frerichs, welche
den Weg ' der Fette durch die Damiwand zuerst genauer verfolgten,
fanden das chemisch unveränderte Fett zu sehr feinen Tröpfchen
vertheilt zunächst in der Höhle der Epithelialzcllen. Diese That-
sachen haben alle späteren Beobachter bestätigt; merkwürdiger
Weise fand man aber niemals Tröpfchen in den Zellendeckcln. Da
sie diese aber durchsetzen müssen, um aus dem Darm in die Zel-
lenhöhlen zu gelangen,' so bleijit nur die Annahme übrig, dass
sie den Zellendeckel Belir rasch durchwandern. Aus der Zellen-
höhle gelangen die Tröpfchen in die Fortsätze derselben, dann in
die Lücken der Schleimhaut, weiter in den Centralcanal der Zotte,
und endlich in die Lymphgctiisse. ln allen diesen Theilen liegen
die Tröpfchen nach einer fettreichen Nahrung so gedrängt, dass
dieselben im auffallenden Licht milchweiss erscheinen.
Viel weniger bekannt als die Bahnen, welche das Fett durch-
läuft, sind die Kräfte, welche dasselbe treiben und die ihm ent-
gegenstehenden Widerstände wegräumen. Nachweislich befördert
die Anwesenheit der Galle und vermuthlich auch die des'pankrea-
Loilwlg. Physiologie II. 3. Auflage. 42
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058 Gallo und Bauchspeichel hftlfreich für die Fettaufnahme.
tischen Saftes den Uebergang der Fette. Denn die Aufnahme des-
selben wird wesentlich beschränkt, wenn die Galle nicht in den
Dtlnndarm treten kann, sei es, dass sie durch eine Fistel nach
aussen geführt wird oder dass der Ausfltbrungsgang der Leber ver-
stopft ist(Brodie, Tiedemann, Gmelin, Bidderu. Schmidt).
Der Beweis für die Minderung der Fettaufnahme während des auf-
gehobenen Gallenzuflusses wird dadurch geführt, dass der aus dem
Dünndarm kommende Chylns fettärmer und der Koth entsprechend
fettreicher ist. — Die Hülfe, welche die Galle dem Fettübergang
leistet, erklärt man sich meist dadurch, dass dieselbe den Wider-
stand mindere, welchen die l’oren dem Durchgang der Fette ent-
gegensetzen. Dieses könnte auf verschiedene Weise erreicht wer-
den ; z. B. dadurch , dass die in die Schleimhaut eingedrungene
Galle die Porenform ändert und die Festigkeit des Gewebes -ver-
ringert; oder dadurch, dass sie die Porenoberfläche schlüpfriger
macht, sodass sich die Reibung zwischen Fett und Porenwand
mindert; oder noch dadurch, dass sie die Fetttröpfchen geeigneter
macht, sieh den Formen der Porenkanälchen anziischliessen, indem
sie die sogenannte Tropfenspannung des Fettes herabsetzt
Die Anwesenheit der Galle gehört nun aber keineswegs zu
den Bedingungen, die durchaus erfüllt sein müssen, damit der Fett-
Ubergang möglich sei; denn nach den Beobachtungen von Bidder
und Schmidt enthält der Chylus auch dann noch Föft , wenn
selbst der Zutritt der Galle zum Darmkanal vollkommen aufgehoben
ist. Man ist dcssbalb geneigt, dem pankreatischen Saft dieselbe
Holle zuzuschreiben, welche der Galle unzweifelhaft zukommt. CL
Be rnard,v Welcher vorzugsweise die Aufnahme der 'Fette unter
der Betheiligung des Bauchspeichels geschehen lässt, geht sogar so
weit, zu behaupten, dass dieser der alleinige Vermittler der Fett-
resorption sei. Es bleibt unerklärfieh, warum der ausgezeichnete
Beobachter den Uebergang des Fettes in die Chylusgefässe immer
aufgehoben sah, nachdem der Bauchspeichel von der Dannhöhle
ausgeschlossen war, während alle übrigen Beobachter von Brunn
bis auf Colin herab nach Exstirpation des Pancreas oder nach
Anlegungen einer Fistel die Aufnahme des Fettes wenig beeinträch-
tigt fanden.
Wird der Banchspeichel und die Galle zugleich ausgeschlossen,
so wird nach Busch nur noch ein Minimum, vielleicht auch gar
kein Fett' mehr resorbirt.
tizod bv Google
659
Kräfte, die das Fett treiben.
Die Kräfte, welche den Eintritt des Fetts in die Zellen bedin-
gen, und die auf item Weg vorkommenden Widerstände tiberwinden,
können natürlich keine sein, welche mit den die Diffusion erzeu-
genden Aehnlichkeit besässen. Denn diese letztem verlangen eine
innige Vermischung der sich in einander verbreitenden Flüssig-
keiten. Darum bleibt nichts anderes übrig, als an einen in der
Richtung vom Dann zum Zottenraum wirkenden Druck zu denken.
Ob die Druckunterschiede der Flüssigkeiten, ob Bewegungen der Epi-
thelialstäbchen oder ob Bewegungen der Darrawandungen gegen
einander diese Triebkraft darstellen, bleibt zweifelhaft.
Aus dom Darmkanalc in das Blut gehen bei Kaninchon, Hunden und Fröschen
beobachtungsgemäss folgende feste Stoffe Über*): Blut- und Pigmentkörperchen (Mo-
l e sch o tt),* Stärk ekörperchcn (Hör bst, üesterlcn, Donders), Guecksilberkügel-
chon (Oe ster len), Kohlcnflittern und Schwefelblumen (Ocstcrlcn, Donders,
H. Meyer, Eberhard). Moleschott, der den Mechanismus des Ueberlritte* am
genauesten verfolgt hat, fand in den Bpithelialzellen des Säugethierdarms Pigmentmo-
leküle und in denen des Frogchdarms Scheiben des Saugethicrbluts. Aber nicht jedes-
mal , wenn die genannten Körper in dem Darmkanal Vorkommen , gehen sic auch in
den Chylua über; im Gegcntheil , es ereignet sich sogar dieser L'ebeigtu®^ äusserst
selten. Der Grund, warum die genannten Körperchen, namentlich w##tf sie noch
kleiner als die aufnahmsfaliigcn Fetttröpfchen sind, nicht durchdringen, bleibt unbe-
kannt. Vielleicht ist ihre Oberfläche nicht biegsam genug, sodass ein besonders Weicher,
leicht durchbrechborcr Verschluss die Epithelialbascn decken muss, wenn sie Durch- .
lass gewahren sollen. — Croeq, welcher sehr verschiedenartige feste Körperehen
durch die Darmwand dringen sah, behauptet, dass sie nur die von Epithelien ent-
blüssten Steifen durchzusetzen vermöchten.
3. Zusammensetzung des Chylus. Die Flüssigkeit, welche aus
dem Darme in die Chylusanfänge eindringt, muss in ihrer chemi-
schen Anordnung verschieden ausfalten mit der Zusammensetzung
des flüssigen Darminhaltcs und des Blutes und mit dem relativen
Uebergewiehte der Kräfte, welche die Anfänge der Chylusgcfässe
füllen. Die einmal in die Gel'ässe eingegaugene Flüssigkeit muss
veränderlich sein mit der Zahl der Drüsen, die sie dnrehströmt hat;
der Inhalt des dttctns thoracicus endlich wird variiren mit der Zu-
sammensetzung der einzelnen Chylus- und Lympharten, aus deren
Vermischung er entsteht, und der relativdn Menge, mit der sich
jeder einzelne an der Bildung des Gesammtinbaltes betheiligt.
Die Beziehung zwischen dem Darminhaltc und dem primitiven
Chylus ist einmal dadurch gegeben, dass alle im ersteren aufgeliis-
•) Henlo's und Pfeiffer’« Zeitschrift. N. P. 1. Bd. 409. — Wiener medizinische Wochen-
schrift. IHM. 30. Dezember. — *■ Moleschott's Untersuchungen zur Naturlebre. II. 10*2. ti. 119. —
Wittlch, Archiv für pntholog. Anatomie. XI. — Croeq, De la pdniHraUon des purtirules soli-
des etc. Mdinoircs conronnds par l’acaddmie de Bolgique. IX. 1809.
42*
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660
Zusammensetzung des Ohjrlus.
ten Stoffe zugleich mit den Fetten, entsprechend dem Ban der
Wände, welche die Anfänge der Chylusröhren Ilmkleiden, in die
letzteren eintreten. Demnächst greift der Darminhalt dadurch be-
stimmend in die Zusammensetzung des primitiven Chylus ein, dass
durch die Gegenwart einzelner seiner Bestandtheile (Säure, Galle etc.)
das Eindringen anderer (Fette, Eiweiss) möglich gemacht wird. —
Die Zusammensetzung des Blutes kommt für die des primitiven
Chylus in Betracht, einmal, weil der letztere schon innerhalb der
Schleimhaut in diffusive Beziehung zum ersteren tritt, und ausserdem,
weil mit dem Blute nothwendigerweise auch der Darminhalt selbst
veränderlich sein muss, insofern die chemische Anordnung nnd
die Menge der Drüsensäfte davon abhängen, und insofern hier-
durch der Grad der Umwandlung bestimmt wird, welche der
Darminhalt vor seinem Eintritte in die Chylusgefässe in Folge der
zwischen ihm und dem Blute bestehenden Diffusion erleidet. —
Mit dem relativen Werthe der Kräfte, der Diffusion und Fil-
tration gjggelchc die Chylusanfänge füllen , wechselt die Zusam-
mensetzung ihres Inhaltes, weil die eine von ihnen (Filtration)
gleichmässig alle in den Flüssigkeiten des Darmes aufgelösten
Stoffe überfüllt, während die Diffusion den einen Bestandteil
langsamer als den anderen und das Fett gar nicht in Bewegung
setzt. Nun kann es aber gar keiner Frage unterworfen sein , dass
die beiden Prozesse nicht überall und nicht zu allen Zeiten in dem
selben Verhältnisse ihrer Intensität stehen, da mit der Contraktion
der Darmmuskeln und der Spannung der Blutgefässcapillaren die
Filtration, und mit der Zusammensetzung des Darminhaltes, insbfr
sondere mit seinem Gehalte an Labsaft, Galle, Bauchspeichel, die
Diffusion veränderlichen Werthes wird. — Der Chylus, welcher aus
der Darmschleimhaut in die Chylusgefässe eingeht, erleidet auf
seinem Wege bis zum ductus thoracicus Veränderungen in den
Drüsen, theils durch die Berührung mit dem Blute und theils durch
die in den Drüsen jätest vorgehenden Umsetzungen ; also wird mit
der Geschwindigkeit seipes Stromes mit der Zahl und dem Umfange
der eingelegten Drüsen die Grösse der Umwandelung Hand in Hand
gehen. — In den ductus thoracicus münden ausser den Cbylus-
gefässen die Lymphgefässe der ‘unteren Extremitäten, der Bauch-
und Brustwandungen, des Beckens, der Milz, der Leber, des Pan-
creas, des Peritonäums, der Brusteingeweide u. s. w. Abgesehen
davon, dass es schon unwahrscheinlich ist, eine Gleichartigkeit in
der Zusammensetzung der verschiedenen Lympharten anzunehmen,
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Veränderlichkeit desselben mit der Nahrung.
661
besteht aber sicher ein Unterschied zwischen Lymphe und Chylus;
mit dem Uebergewicht der einen oder anderen Flüssigkeit muss
also jedenfalls der Inhalt des dnetns thoracicus seiner Zusammen-
setzung nach veränderlich sein.
.Aus diesen Angaben erhellt die unendliche Variation, welche
sich zu verschiedenen Zeiten an demselben Orte und zu derselben
Zeit an verschieden gelegenen Chylusgetässen ereignen kann; die
Theorie verhält sich den Einzelheiten gegenüber noch stumm, und
die Erfahrung ist sehr beschränkt, da ihr, abgesehen von allen
anderen Mangeln, nicht einmal die Kenntniss des primitiven Chylus
aus der Schleimhaut zu Gebote steht. — Das Wenige, was die Be-
obachtung erworben, ist Folgendes.
Der Chylus kann, wie Blut und Lymphe, in einen flüssigen
und aufgeschwemmten Theil geschieden werden; der letztere besteht
seiner Gestalt nach bald aus aufgeschwemmten Fettpartikelchen,
bald aus diesen und Zellen sehr verschiedener Art, die zum grossen
Theile den Charakter der Körnchenzellen an sich tragen, iuid end-
lich aus Bntkörperchen. — Die chemischen Bestandteil^ des Chy-‘
lus, welche bis dahin aufgefunden werden konnten, sindTmscrtoff,
gerinnbares Eiweiss, ein durch starke Essigsäure fällbarer Eiweiss-
stoff, Fette, Zucker, Harnstoff, Verbindungen von Kali, Natron und
Kalk mit organischen Säuren und mit Kohlen-, Salz- und Phosphor-
säure. Dennach fehlen dem Chylus von den im gelösten Darmin-
balte nachweisbaren Stoffen: Leimarten, gallensaure und schwefel-
saure SaUe, während er vor ihm Faserstoff und .gerinnbares Eiweiss
voraus hat, zwei Körper, von denen der erstere immer, der zweite
wenigstens häufig dem Chymus fehlen.
a. Einfluss der Nahrung*). Die blossgelegten Chylusgefdsse
hungernder Thiere sieht man von einer durchsichtigen Flüssigkeit
erfüllt; die Durchsichtigkeit des Inhaltes bezeugt den Mangel an
aufgeschwemmten Fetten ; eine Analyse dieser Flüssigkeit liegt noch
nicht vor. — Wiederholt ist dagegen der ductus thoracicus bei
Menschen (L ’H er itier), Hunden (Chevreul), Pferden (Gm el in),
die vor dem Tode gehungert hatten, untersucht worden. Eine Ver-
gleichung dieser Resultate mit der Lymphe, die aus den unteren
Extremitäten gewonnen und analysirt wurde, würde, auch ohne
dass man den Gewichtsantheil kennte, den jede der beiden Flüs-
sigkeiten an dem Inhalte des ductus thoracicus nimmt, zu mancherlei
•) Simon, Med. Chemie, n. Bd. p. 244. — Nasec, HnndwSrterbnch d. Phyeiologie. 1. Bd.
Chylua. II. Bd. Lymphe. — Colin, Tr eite de Physiologie comparee 1856. IL n. f.
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662
Chylus hungernder und gefutterter Thiere.
werthvollen Betrachtungen fuhren, wenn es nur feststüude, dass die
Lymphe’ des Beckens und der UnterleibsdrUseu übereinstimmend
mit der der unteren Extremitäten zusammengesetzt wäre, und wenn
die Lymphe und der Inhalt des duetus thoracicus gleichzeitig von
demselben Individuum gewonnen worden wäre.
Dieses ist nicht der Fall , darum gewinnen die aus den nachstehenden Zahlen
abzuleitenden Schlüsse eine zweifelhafte Gültigkeit.
1 Wasser.
Geloste El-
wclssatoffc a.
Kümcrchen.
Faserstoff.
E*.
trakte.
Fett.
Beobachter.
Reine Lymphe
Inhalt d. duetus
Mensch
93,73 .
4,28
0,06
1,28
0,65
O übler.
thoracicus
»»
92,43
6,00
0,32
?
0,50
L' Hcrititr.
Wasser.
Elwelss.
trockener
Ex-
Fett.
Kochen.
trakte.
Keine Lymphe
Pferd
96,34
2,1 1
0,19
1,0«
Spuren
Inhalt d.^ductus
• thoracicus
N
93,7»
4,07
1,06
i,13
V
wenig
.
Gtnetin.
Der Verlust in der Lymphanalyse des Pferdes betrug 0,2 pCt. — Soweit die
unvollkommono Untersuchuug zu schliessen erlaubt, enthielten die Lymphe und der
Inhalt des duetus thoracicus, also auch der aus dem Darme kommende Antheil des-
selben, gleiche Bcstandthuilc. Diese Folgerung scheint um so gerechtfertigter , als die
in den Chylusgefasscn der hungernden Thiere strömende Flüssigkeit ebenfalls entweder
direkt oder indirekt (vermittelst der Darmsäfte) aus dem Blute stammt, Betrachtungen,
die man über die quantitativen Unterschiede anstcllcn wollte, würdon zu nichts (führen.
• Die Nachrichten, die uns von dem Chylus gefütterter Thiere
zu Theil geworden, sind ebenfalls meist gewönnen durch die Unter-
suchung des duetus thoracicus. Diese Thatsachen haben Werth,
indem sie die Natur der Säfte feststellen, welche während der Ver-
dauung in das Blut kommen; eine selbst beschränkt deutliche Vor-
stellung über das Verhältnis von der Zusammensetzung des Chy-
lus und der Speisen geben sie nicht, weil den betreffenden Ana-
lysen nur unvollkommene Angaben Uber die Zusammensetzung der
letzteren selbst beigegehen sind. Bei Anstellung ähnlicher Beob-
achtungen dürfte es am vorteilhaftesten sein, die Zusammensetzung
des Speisebreies, aus welchen der Chylus seinen Ursprung nahm,
zu ermitteln.
Der Inhalt des duetus thoracicus enthält nach den vorliegenden
Beobachtungen jedesmal Eiweiss, Faserstoff, Extrakte, salzsaure
und phosphorsaure Alkalien und phosphorsaure Erden; nach melil-
und zuckerreicher Nahrung kommt dazu in einzelnen Fällen auch
' Google
Veränderung des Chylus mit dem Blnt und dem Fortschreiten. 663
Zucker und nach fetthaltigen Speisen (Fleisch, Milch u. s. w.) reich-
lich (bis zu 3 pCt.) aufgeschwemmtes Fett. Rucksichtlich aller
Übrigen Eigenschaften bietet' sich keine feste Beziehung zu der
Nahrung, indem man bald nach Fldiscb- und bald nach Pflanzen-
kost das Blutroth, den Faserstoff', das Eiweiss vermehrt oder ver-
mindert fand.
b. Die Beziehungen zwischen der Zusammensetzung von Blut
und Chylus sind durch den Versuch in beschränkter Weise aufge-
hellt; Fenwick*) giebt an, dass Blutlaugensalz, in die Venen ein-
gesprtitzt, im Inhalte des duetns thoracicus wiedergefunden wird.
c. Der Chylus soll auf seinem Wege vom Darme bis zu dem
ductus thoracicus einige Veränderungen erfahren, welche man vor-
zugsweise dem Einflüsse der Drüsen zuschreibt. Vor dem Eintritte
in dieselben soll der Chylus, insofern er aus einem fetthaltigen
Chymus stammt, viel mehr feine Tröpfchen aufgeschwemmten Fettes
enthalten, als nachdem er durch die Drltsen gewandert ist. Für
diese Annahme spricht nicht gerade der Augenschein, welcher lehrt,
dass die Fetttröpfchen durch eine blossgelcgte Mesenterialdrüse
leicht aus dem Vas afferens in das Vas efferens übergehen. — Jen-
seits der Drüsen enthält der Chylus mehr Lvmphkörperchen ; da
nun schon innerhalb der Schleimhaut des DarrncS Lymphdrüsen ge-
legen sind, die Pey er 'sehen und solitären Drüsen, da man wäh-
rend der Fettverdauung 'diese Drüsen mit Fetttröpfchen geltillt sieht
(Brücke**), Kölliker), mithin der Chylus schon diese Drüsen
durchsetzt, so wird auch der auf der Aussenfläche der Schleimhaut
verlaufende Chylus schon Körperchen führen, welche sich aber von
Drüse zu Drüse bedeutend vennehren (Kölliker)***).
Sehr auffallende Veränderungen zeigte der Chylus des Pferdes vor und nach den
Drüsen bei einer chemischen Zerlegung von G molin. Dio folgenden drei Analysen
sind am Chylus desselben Thiores angestellt.
Wasser.
Trockne« Coag. Albumin.
Fett.
Extrakte u.
Balze.
Ductus thoracicus
96,79
0,19
1,93*
wenig
1,01
Hinter der Mesenterialdrüse
94,86
0,3t
2,43
1,23
0,96
Vor der „
87,10
wenig
3,58
smuT""
Daraus hat man geschlossen, dass der Faserstoff erst jenseits der Drüsen auftrete.
Colin giebt dagegen an, dass derselbe auch -niemals vor den Drüsen fehle. Die ge-
ringere Menge vom Coagulnm, welche G-melin in dem Chylus vor den Drüsen findet,
bezieht sich also wohl auf den Mindergehalt an Körperchen , der im CoAgulum cinge-
•) Valentin, Jahresbericht rtir 1845. p. 175.
••) Wiener Sitzungsberichte. XV. Btl. ‘267.
•••) Zeitschrift Air wissenschaftliche Zoologie. VII. Bd. |#2.
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664
Das Ugliche Volum des Chylus.
schlossen ist. Begreiflich beweisen aber solche Analysen für die Drüsen Wirkungen
überhaupt nicht«, so lange man nicht dargetlian hat, dass der jenseits der Drüse flies-
sende Saft vor dieser dieselbe Zusammensetzung- besass, als der, welchen man behufs
der vergleichenden Analyse aus den Gcfasscn vor den Drüsen genomjucn hat.
4. Das Volum der Flüssigkeit, welches durch die Chylusge fasse
strüint, resp. der Antheil derselben, welcher aus dem Chynius seinen
Ursprung nimmt, wird mit der reichlichen Anwesenheit von Fetten
und gelösten Eiweissstoffen im JDarmkanale und mit der Mächtig-
keit der einsaugenden Kräfte sich offenbar mehren; in welchem
Maasse dieses geschieht, ist unbekannt.
Wiederholt ist der Versuch gemacht worden , die mittlere Menge vom Chylus zu
bestimmen , welche bei erwachsenen Menschen binnen 24 Stunden durch die Gänge
strömt. Vierordt*) ging hierbei von der Voraussetzung aus, dass alles verdaute
und aufgesogene Kiweiss durch die Chylusgefässe aufgonommen würde, und dass der
ganze Eiweissgehalt des Chylus nur aus dieser Quelle stamme. Die Richtigkeit dieser
Annahme vorausgesetzt, würde man , wenn der Chylus des Pferdes und des Menschen
ungefähr gleiche Zusammensetzung besässo , aus dem bekannten Gehalte der Nahrung
an Eiweiss mindestens die Grenzen ermitteln können, in denen sich die tägliche Chy-*
lusmenge bewegen würde. Die der Rechnung zu Grunde gelegten Annahmen sind aber
wenigstens insofern unhaltbar, als nicht alle Eiweisskörper des Chylus aus der be-
zeichnten Quelle stammen, da auch während der Zeiten, in denen der Darmkanal leer
ist, der Inhalt der Chylusgefässe Eiweissstoffe führt. — Eine ähnliche Betrachtung
stellte Lehmann an, bei der er das aus der Nahrung aufgenommene Fett zu Grunde
legte. Da sie ihr Urheber selbst zurückgezogen , so enthält man sich , wio billig , der
weiteren Besprechung derselben.
Bei Pforden und Rindern legte Colin Fisteln des ductus thoracicus am Halse an,
durch welche der Ausfluss 8tundon und Tage lang beobachtet werden konnte. Beim
Pferde betrug die stündliche Ausflussmenge zwischen 700 bis 1200 Gr.; bei Stieren
uud Kühen zwischen 900 und 5900 Gr. in dor Stunde, vorausgesetzt, dass die Beob-
achtung nicht allzulange fortgesetzt wurde. Einige Zeit nach dem Fressen und Saufen
mehrte ^ich die Ausflussgeschwindigkeit meist, aber nicht iipmer. — Ein Stier von
1S5 Kilo Gewicht, dessen Fistel bis zum vierten Tag offen blieb, gab am ersten Tag
zwischen 770 und 530 Gr. stündlich; am zweiten Tag zwischen 540 und 440 Gr. •
am dritten Tag zwischen 630 und 240 Gr. und am Alerten Tag stündlich 315 Gr.
Die Entkräftung des Thieres .steigerte sich von Tag zu Tag.
5. Die Kräfte,' welche den Strom des Chylus oinleiten und
unterhalten, werden zu suchen sein in den Zusammenziehungen der
Sclileimhautmuskeln, den peristaltischcn Bewegungen der groben
Darmmusculatur und der Elastizität der Gefässwandnng.
B. Aufsaugung durch die Blutgefässe.
1. Der Diffusionsstrom, welcher zwischen dem flüssigen An-
theile des Speisebreies und dem Blute in den Darmwandungen
•) Archiv fUr phystolog. Heilkunde. VII. Bd. Ml.
^Google
Aufsaugung durch die DarmblutgefSsae.
665
besteht, führt den allgemein feststehenden Regeln entsprechend,
nicht alle, sondern nur gewisse Bestandtheile der aneinander gren-
zenden Flüssigkeiten ineinander über. Soviel wir wissen, .bethei-
ligen sich an dem Austausche: Zucker, pflanzen-, gallen-, fett-,
Schwefel-, phosphor-, salz- und kohlensaure Alkalien, Farbstoffe,
Eiweiss, Faserstoff (?), Wasser. Ausgeschlossen sind dagegen die
Fette. — ln der Richtung vom Darme zum Blute gehen Zucker,
Farbstoffe, die Salze mit organischen Säuren, Wasser und wahr-
scheinlich auch die schwefelsauren Alkalien. Diese Behauptung
stützt sich auf veAchiedene Gründe. Zuerst ist der Uebergang
des Zuckers und eines Theils der erwähnten Salze in das Blut da-
durch erwiesen, dass man sie, während sie allmählich aus dem
Darmkanale verschwanden, geradezu im Blute wieder aufgefunden
hat. Die Farbstoffe hat man in den aus dem Blute kommenden
Säften, z. B. dom Harne aufgelnnden, ohne dass es immer gelun-
gen wäre, ihnen in dem Chylus zu begegnen, oder man hat sie
noch im Harne angetroffen, nachdem man die Chylusgefässe zer-
störte, welche aus einem abgegrenzten, mit den bezeichnten Stof-
fen gefüllten Darmstücke hervorgehen. Endlich verlangt die Theo-
rie das Zugeständniss, dass ein Theil der schwefelsauren Salze
des Darminhaltes in das Blut einströmt, weil jene fllr gewöhnlich
dem Blute fehlen oder, wenn sie vorhanden, sogleich durch den
Harn wieder ausgeschieden werden. — Eine ähnliche Bewandniss
muss es aber mit dem Wasser haben, da das Blut meist mehr feste
Bestandtheile aufgelöst enthält, als der flüssige Speisebrei. — Vom
Blute zum Darme muss gerinnbares Eiweiss gehen, weil der Chy-
mus weniger davon aufgelöst enthält, als das Blut; diese Voraus-
sage wird bestätigt durch die Erfahrung, dass Eiweiss in das
Wasser austritt, welches in eine abgesehnürte und in die- Uutcr-
leibshöhle zurltckgebrachte Dünndarmschlinge eingesprützt wurde
(Knapp).
Insofern dos Blut und der Chymua ihre Bestandtheilo nur durch Diffusion aus-
tauschen können, muss man es für unmöglich halten, dass die Fette aus dem D^rm-
kanale in das Blutgofässwerk eindringen können. Nichts destoweniger sind Bruch*)
und Lehmann **) dieser Meinung. Der letztere gründet dieselbe auf den grösseren
Fettgehalt des Pfortadcrblutes , der ihm andoren Venen gegenüber zukommt. Dio Un-
antastbarkeit der Thatsache vornusgesetzt, beweist sic noch nicht, dass das Fett noth-
wendig aus dem Darmkanale stammen müsse. — Bruch beruft sich auf ein beson-
deres Ansehen der Capillargcfössc in der DUnndarmschlcimhaut , welches auch Vlr-
■) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. IV. 285.
**) Phyisiolog. Chemie. III. Bd. »27.
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660
Aufnahmefähigkeit einzelner Nährstoffe.
chow, Brücke"), Zenkor, Funke u. A. angetroffen haben; sie sind nämlich
zuweilen mit einer weissliohen, dem Fette sehr ähnlich ausschenden Materie ganz oder
theil weine angefüllt. Brücke hat aber durch chemische Reaktionen gezeigt, dass der
wcissliche Inhalt keinenfalls zu den Fetten gestellt werden kann, und Yirchow**)
darauf hingewiesen, dass er zum Theil wenigstens aus Leucin bestehe.
Auf die Diflusioncn im Dannkanale sind die schon früher (p. 563)
hervorgehobeuen Bemerkungen anwendbar. Dagegen würde es ein
grosses Missverständnis verrathen, wenn man auf die Strömung
im Darme ohne Weiteres die Zahlen der Diffnsionsgeschwindigkeit
und des endosmotischen Aequivalentcs in Anwcqjlungjmngen wollte,
welche unter ganz anderen Bedingungen von Graham, Jolly,
C. Ludwig, A. Fick, Clogtta n. s. w. aufgefunden wurden.
C. lieber die Aufnahme durch Blut- und Chylus-
gefiisSe zugleich.
Das praktische Bedttrfniss verlangt endlich noch Aufschluss,
wie sieh die Aufsaugung der einzelnen Nahrungsstoffc gestaltet,
gleichgültig, ob sie durch das Blut- oder Chylussystem geschehen
ist. Diese Frage kann, mehrfach variirt, von der Erfahrung ge-
löst werden, wie es in der That für einzelne Stoffe annähernd ge-
schehen oder wenigstens versucht ist.
1. Wenn man fragt, wieviel der gesammte Darmkanal von
jedem einfachen Nahrungsstoff***) während eines laugen Zeitrau-
mes, z. B. während 24 Stunden aufnehmen kann, so leuchtet auch
sogleich ein , dass für jeden Nahrnngsstoff eine solche Grenze
bestehen müsse, dass diese aber von Menseh zu Mensch und von
Zeit zu Zeit wechselnd sein müsse. Hier scheint cs nicht mehr
nöthig, darauf hinzuweisen, dass mit der Bewegung des Blutstroms
und der Darmmuskeln, der ausschliesslichen oder der mit anderen
Stoffen verbundenen Anwesenheit der Nahrung u. s. w. sich jene
Grenze mächtig ändern muss. Folgendes, welches meist aus den
Thatsachen der täglichen Erfahrung abgeleitet ist, gilt darum
auch nur für sie, d. h., wenn man etwa täglich 1 mal Koth ent-
leert und nach Bedürfniss eine gemischte Nahrung g'enicsst.
•) Wiener Sitzungsberichte. XII. 682.
*•) Archiv für patholog. Anatomie. VIII. 355.
•••) Buch he im, Archiv fUr physiologische Heilkunde. XIII. 93. — F. Hoppe, Archiv für
patholog. Anatomie. X. 144. — O. Funke, ibidem. XUI. 449. — Berthe, Corapt. rend. Bd. 42.
901. — ö *w. Naumann, Oleum jecor. Aselli ad mernbrn anlraalia njulto niajorum aflmiutem
haboro quam alla pinguia. Leipzig 1858 — Knupp, Archiv fllr physiologische Heilkunde. 1855.
385. — Sick, ibidem 1857. 482. — Derselbe, Ueber die Abhängigkeit der SÜ3 dos Urins etc.
Tübingen 1859. — Bo ussin ga u lt , Annalcs des chinilo et physiqne 3me Serie. XVUI. 461, (1848).
— J. Lehmann» Lieb lg s Annalen. 108. 357. — Bi sc ho ff and Volt, Die Ernährung des
Fleischfressers. 1860.
Aufgenommene Al engen von Wasser, Zucker, Ei weis«. 667
Hier ersieht »ich, dass von den grössere zu den kleinern Wer-
then absteigend am meisten aufgenommen wird vom Wasser; es
ist jedermann bekannt, dass viele Pfunde desselben leicht aufge-
nommen werden ; diesfc Erscheinung ist auch vollkommen erklärlich.'
Denn das Wasser durchdringt die thieriBchcn Häute im Allgemeinen
sehr rasch und leicht, und zwar um so leichter, je weniger seiner
Verwandtschaft zum Blute das Gegengewicht gehalten wird durch
die im Chynms selbst aufgelösten Stoffe; darnm werden verdünnte
Lösungen, wie sie das gewöhnliche Triukwasser darstellt, in ganz
überraschender Menge und in verhältnissmiissig kurzer Zeit anfge-
saugt, und oben darum verschwindet so rasch das Wasser des Lab-
saftes, der Galle, des Bauchspeichels wieder aus der Darmhöhle.
Das Wasser conzentrirter Lösungen dagegen, besonders solcher Salze,
welche wie die Schwefelsäuren nur schwierig die thierischen Häute
durchwandern, verlassen langsamer die Darmhöhle, da das Wasser
durch seine Verwandtschaft zum Salze zurüekgehalten wird und es
nur in dem Maasse in die Blut- (oder Chylus-?)gcfässe übergehen
kann, in welchem die Lösnng durch Uebertrcten von Salz an Con-
zentration verliert (Buch he im). .
Auf das Wasser folgt der Zucker; er kann täglich bis zn
einem und mehreren Pfunden absorbirt werden, namentlich wenn
nicht soviel auf einmal von ihm cinverleibt wird, dass er Durch-
fall und Erbrechen bringt, sondern in dem Maass wieder nachge-
schoben wird, in welchem er sich entfernt, wie es z. B. bei der
Amylonverdauung zu geschehen pflegt. Doch kann auch aus einer
reichlich genossenen Zuckerlösung viel aufgenommen werden; so
fand Hoppe nicht die Spur von Zucker im Kothe des Hundes, der
200 Gr. gelösten Rohrzuckers auf einmal verschlungen hatte. Dass
der Zucker so reichlich resorbirt werden kann, ist begreiflich, weil
er auf der ganzen Darmfläche durch Cbylus und Blutgefässe zu-
gleich eingeht, und weil er ans dem Blut selbst wieder, sei es
durch Umsetzung oder Ausscheidung verschwindet.
Von den ei wei ssartigen Stoffen kann täglich bis zu
einem Pfund und darüber resorbirt werden. Wie der Durchgang
einer so grossen Menge möglich, bleibt unklar, so lauge man an-
nehmen muss, dass bei der Resorption von wässerigen Lösungen
im Darmkanal wesentlich die Diffusion betheiligt ist, und so lange
man an der Meinung festhält, dass den Eiweissstoffen der Weg zndeu
Blutgefässen verschlossen sei, weil der Inhalt derselben schon sehr
eiweissreich ist. Dem langsam djffiuidirendeu Eiwciss ständen also
Dia
668
Täglich aufgenommenes Fett
nur die Lymphgefässe offen. Den vorliegenden Widerspruch glaubt
man lösen zu können durch die Annahme, dass das Eiweiss des
Darminhaltes ein Pepton sei, diese besitzen aber, wie Funke zeigt,
•eine viel grössere Beweglichkeit sowohl im Filtrations- wie im Dif-
fusionsstrom. Schon früher musste aber darauf aufmerksam ge-
macht werden, wie die Anwesenheit von Peptonen im Darmkanal
nicht bewiesen und nicht einmal wahrscheinlich sei. Möglich wäre
es, dass aber auch schon das verdaute, wenn auch noch nicht um-
gcwandelte Eiweiss rascher diffundirte, als gewöhnliches und dass
auch von diesem die Blutgefässwand durchdrungen werden könnte, weil
es doch vielleicht eine eigenthümliche Eiweissmodifikation darstellt.
Die Fettaufnahme ist eine beschränktere, was schon
der Mechanismus derselben vermuthen lässt. Aus einer Unter-
suchung, die Berthe an sich selbst anstellte, geht hervor, dass
nicht alle Fettsorten gleich leicht aufsaugbar sind. Von Leber-
thran, Butter und andern thierischen Fetten können, wenn sie
einer gemischten Nahrung zugesetzt werden, in günstigen Fällen
täglich bis zu 50 Gr., meist aber nur etwa 30 Gr. aufgesaugt wer-
den ; zu den weniger leicht aufnehmbaren gehören Mandel-, Oliven-,
Mohnöl ; von ihm werden täglich meist nur 20 Gr. und weniger re-
sorbirt. Uebersteigt die Menge des verzehrten Fettes den aufnahme-
fähigen Werth, so nimmt bei anhaltendem Fortgebrauch jener Fctt-
menge der Gehalt des Kothes an Fett allmählich zu; es tritt also
gleichsam eine Ucbersättigung der .Zotten ein , vermöge deren ihr
Resorptionsvermögen geschwächt wird. — Die eben angeführten
niedrigen Zahlen stechen bedeutend gegen bekannte Erfahrungen an
nördlichen Völkern ab. Eifahrungsgemäss geniesst der Nordländer
unbeschadet seiner Gesundheit das vielfache von dem an Thran,
Speck, Butter, welches Berthe bewältigen konnte.
Als Beispiel für die Uebersättigung dienen folgende zwei Versuchsreihen von
Berthe, ln beiden Fällen bestand die Nahrung aus Fleisch, Brod , Früchten, Wein
und Kaffee. — Zu ihr setzte er in der jetzt zu erwähnenden Reihe 6 Tage hindurch
40 Gr. WalliUchthran; von diesem wurden im Mittel 31,5 Gr. resorbirt und 8,5 Gr.
erschienen im Koth. Als er nun auf 00 Gr. Thran stieg, erhob sich der Gehalt des
Kothes an Thran sogleich auf t2 Gr. (also waren 48 Gr. aufgenommon). Im Verlauf
der Beobachtungszeit, die 24 Tage anhielt, wuchs und zwar erst langsam und dann rasch
die Fettmenge .des Koths auf 50 Gr., so dass jetzt nur noch 10 Gr. vom genossenen
Thran verschwanden. — Zu derselben Nahrung setzte er ein anderes Mal Butter.
Zuerst 60 Gr.; dabei enthielt der Koth in 4 Tagen je 9,3 Gr. Dann aber wuchs der
Buttergehalt desselben allmählich auf 12,8 Gr. Als er nur 100 Gr. IJuttor verzehrte,
stieg der Gehalt des Kothes auf 29 Gr.; und wio er dann auf 60 Gr. Butternahrung
zurückging, sank zwar in den ersten Tagen der Fettgehalt des Kothes auf 19 Gr., er*
- Diaitizegby Google
Täglich »»(genommene Babe.
669
hob sich dann aber allmählich während 8 Tagen auf 24 Qr. täglich, ln dem mir zugäng-
lichen Bericht über die Versuche von Berthe ist nicht angegeben, wieviel resorbir-
baren Fettes schon an und für sich in der Nahrung enthalten war.
Ganz anders als der Darm von Berthä verhielt Bich der eines Hundes, welchen
Bisch off und Voit fütterten. Er wurde öfter Wochen lang mit 250 bis 300 Gr.
ausgelassener Butter täglich gespeisst, ohne dass im £oth mehr als etwa 5 Gr. täg-
lich ausgeworfen wurden.
Unter den gewöhnlichen Salzen unserer Nahrung steht in
Beziehung auf die Aufnahmsfähigkeit obenan das Kochsalz; von
diesem können täglich bis zu 30 Gr. durch die Darmwand gehen
(Kaupp). Nach ihm folgt das phosphorsaure Natron (2Na(JIIO
POs), von dem günstigsten Falls etwa 12 Gr. täglich aufgenommen
werden (Sick) nnd darauf endlich das NaOSOs, das bis zu 6 Gr.
täglich resorbirt wird. Wenn man die Aufnahme dieser Salze stei-
gern wollte, so würde zu beachten sein, dass dieselben in gesätr
tigteren Lösungen jedenfalls die Darmoberfläche so ändern, dass
die Durchgängigkeit derselben gemindert wird. Da diese Salze
wegen ihrer starken Verwandtschaft zum Wasser den Danninhalt
flüssig erhalten, und dann wegen der leichten Beweglichkeit des-
selben auch rascher entfernt werden, so ist die Möglichkeit einer
ausgiebigem Resorption auch durch Mittel herbeizuführen , welche
die Darmbewegung mindern, z. B. durch eine Gabe von Opinm
(Buch h eim).
Für Gummi scheint die Darmwand undurchdringlich zu sein
(Boussinganit).
Die phosphorsauren Erden könnten im Magen, wo sie von der Säure gelöst sind,
in das Blut und den Chylus cindringen, wenn sic nicht an den Grenzen jener alkaliseh
reagironden Flüssigkeiten niedergeschlagen würden ; man sollte darum denken , dass sie
nur zugleich mit den eiweissartigen Stoffen , denen sie sich verbunden haben, aufsaug“
bar wären. Ist dieses der Fall t so müssen sich solche Verbindungen im Darmkanal er-
zeugen lassen, da nach J. Lehmann das dem Futter eines Kalbes beigemengte
Pulver aus phosphorsaurem Kalk und Magnesia reichlich aufgenommen wird.
2. Die absoluten Mengen einfacher Nahrungsstoffe, welche von
der Flächeneinheit der Magen, Dünn- und Dickdannwand in
der Zeiteinheit aufgesogen werden können, sind bis dahin nur
für Eiweiss und Zucker in dem Dünndarme des Kaninchens auf
Veranlasrung Lehmann’s durch Kaupp und Becker unter-
sucht worden. Wie vorauszusehen, sind diese Werthe sehr verän-
derlich gefunden worden. In vier Stunden nahm der Quadratcen-
timeter ans einer 9 pCt. Eiweisslösung 0,001 bis 0,002 Gr. Eiweiss
auf, während ans einer 4,5 pCt. haltenden Lösung nur höchstens
0,0005 Gr. übergingen. Diese Versuche lassen schlossen, dass die
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670
Aufnahme bezogen auf die Flächeneinheit
aufgesaugte Menge mit der Conzentration die Lösung anwächst. Die
Beobachtungen, tvelehe Becker mit Zucker anstellte, geben durchaus
andere Resultate. In 4 Stunden wurden von der oben genannten
Flächeneinheit aufgesaugt aus einer l,2prozentigen Lösung 0,003 Gr.,
aus einer dprozentigen 0,005 bis 0,007 Gr., aus einer 5,8 und 3pro-
zentigen 0,003 Gr. Als er den Versuch so abänderte, dass er eine
lOprozentige Lösung 1, 2, 3, 4 Stunden in dem Darme verweilen
Hess, gingen in der ersten Stunde, wo die mittlere Conzentration
am höchsten war, 0,003 Gr. über, in der zweiten und dritten Stunde
0,007 und in der vierten Stunde 0,008. Daraus erfolgt deutlio^
dass in diesen Beobachtungen die Dichtigkeit der Lösung und die
Ucbergangsgeschwindigkeit in keiner einfachen Beziehung zu ein-
ander stehen; in der That kann diese Beziehung durch die unge-
meine Complikation der Bedingungen verdeckt gewesen sein.
Tn den vorstehenden Veteuchen wurde eine Darmschlinge des Kaninchens heraus-
gezogen und abgebunden, mit einer gewogenen Menge Zucker- oder Biweissloaung von
bekannter Zusammensetzung gefüllt, dann in die Unterleibshohle zurückgebracht, nach
Verfluss der bestimmten Zeit von ihrem Inhalte befreit und in diesem die Menge dos
Eiweisses oder Zuckers gemessen. Jedenfalls wäre cs wünschenswert}] , die Lösungs-
dichtigkeit auch zu Ende des Versuches zu kennen. — In die von Becker geliefert«
Beurtheilung seiner Vcrstichsresultatc haben sich einige leicht zu verbessernde Versehen
eingeschlichen, sodass das von ihm in Worten ausgodrückte Endergebniss der Versuchs-
reihen nicht annehmbar erscheint.
3. Zu den Bedingungen, welche den Umfang der Aufsaugung
der Speisen bestimmen, gehört die Aufenthaltsdauer des Chymus
im Darmkanale; diese ist aber gegeben einmal durch die Bewe-
gung des Darmkanales, und dann durch den Widerstand, welchen
die Klebrigkeit des Breies der Fortschaflfnng entgegensetzt. Somit
würde also die Zeit sehr bedeutend abgekürzt, wenn der Speise-
brei recht flüssig und beweglich wäre. Dieses würde aber eiutre-
ten, wenn der Dannkanal gleichzeitig viel lösliche Stoffe enthielte,
die eine mächtige Anziehung zum Wasser zeigten, ln dem nor-
malen Verlaufe der Dinge musste darum dieser Uebelstaud vermie-
den werden, was in der That dadurch geschehen ist, dass wir den
Zucker nicht als solchen, sondern als Arnylon, das Giweiss nicht
flüssig, sondern geronnen gemessen, und noch mehr dadurch, dass
die erwähnten Speisen so ganz allmählich in die lösliche Modifi-
kation übergeführt werden, und dass eine jede gelöste Menge durch
die Verdanungssäfte aus dem noch ungelösten Antheile in entfernte
Darmpartieen weggespült wird.
•S' *>' t- ; ' * fl '..yk'-.-wv/ ,r ]
Abrechnung des Uiierisclien Haushaltes.
671
IV. Vergleichung des Verlustes und Gewinnes an
wägbaren Stoffen.
Ein Rückblick auf die Ernährnngsersclieinungen des Thier-
leibes legt es uns nahe, die einzelnen Organe und also auch die
Summen derselben zu vergleichen mit einem Wassersanimier, der
gleic hzeitig einen Zu- und einen Abfluss erfährt. In der That dringt
durch die Lunge und den Darmkanal ein Strom von Atomen in
den Organismus und durch Lunge, Haut, Nieren und After wieder
aus, sodass je nach dem Verhältnisse, in w^hem der Umfang und
die Geschwindigkeit beider Strömungen zu einander stehen, das
mittlere tägliche Gewicht des Thierleibes entweder sich annähernd
unverändert erhält oder in einer Ab- oder auch in einer Zunahme
begriffen sein kann. Bei einer etwas tiefer eingehenden Betrach-
tung der Ernährungserseheinungen zeigen sich aber sogleich man-
nigfache Abweichungen von den Ergebnissen eines gewöhnlichen
Stromes, von denen eine 'schon dadurch zur Andeutung kam, dass
der Begriff des mittleren täglichen Körpergewichtes aufgestellt wer-
den musste. Dieser Ausdruck weist darauf hin, dass die Summe
wägbarer Atome, welche der Thierleib im Laufe eines Tags um-
schliesst, auf und abschwankt; dieses muss aber geschehen, weil
ein Theil der Einnahmen wie der Ausgaben nicht ununterbrochen,
sondern periodisch geschieht, während ein anderer Theil zwar un-
unterbrochen, aber mit auf und niederschwankender Geschwindig-
keit ein - und ausgeht.
Der wichtigere Unterschied zwischen dem oben gewählten
Bilde und Strome von Atomen durch den thierischen KörpSr liegt
aber darin, dass die in den Thierleib geführten Massen nicht durch
ihr Auftreten die in ihm vorhandenen verdrängen und hinausschic-
ben, sondern dass sich die anstretenden Atome in vielfachen Punk-
ten unabhängig von der Zufuhr aus ihren bisherigen Verbindungen
loslösen. Dieses wird sogleich einleuchtend, wenn man die That-
sachenreihe in das Auge fasst, welche als Verhungern bezeichnet
wird, gleichgültig ob dieses geschieht in Folge einer allgemeinen
oder einer partiellen Entziehung von Nahrungsmitteln.
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672
Verlust beim Gesammthunger.
Uebersicht der Verluste beim Verhungern.
Gesammthunger. Wird einem Tbiere, das bis dahin zur
Genüge gefüttert wurde, nur noch die Sauerstoffnahrung gewährt,
während ihm jegliche feste und flüssige Nahrung entzogen wird,
so nimmt sein Gewicht mehr oder weniger rasch ab. Hat diese
Abnahme einen gewissen Werth erreicht, so tritt der Tod des
Thieres ein.
Daraus geht hervor, dass jedes wohl ernährte Thier einen Vor-
rath an festen und flüssigen Stoffen birgt, anf dessen Kosten es
leben kann. Es wird sich nun fragen, wie gross ist derselbe,
welche chemische Zusammensetzung besitzt er und in welchen Ge-
weben war er aufgehäuft , wie rasch braucht er sich auf und durch
welche Ausscheidungswerkzeuge verlässt er den thierischen Körper.
Das Gesammtgewicht Vorraths wird gefunden aus dem Unterschied der Ge-
wichte , den das Thier beim Jäintritt in die Hungerzeit und beim Verenden zeigt. —
Hie chemische Zusammensetzung ergiobt sich, wenn man die Gesammt - Menge von 0,
die das hungernde Thier cinathmete, und die Menge von C,H,N,0,S,Cl,Ps0t, KO,NaO,
CaO, die es ausgab, bestimmte; aus diesen Daten lässt sich mit ZnhülfenaLmc der be-
kannten Zusammensetzung des Kiweisses, der Fette, des Zuckers u. s. w. wenigstens
annähernd berechnen, aus welchen complizirten Verbindungen jeno Ausscheidungspro-
dukte hervorgingen, ln Anbetracht der Schwierigkeit, alle diose Zahlen gewinnen zu
können, hat man gewöhnlich pur einzelne dor aufgczahltcn Atome, z. B. den ausge-
schiedenen N, die Salze u. s. w. bestimmt. Vorausgesetzt, dass aller N, der ausge-
schieden, auch wirklich gewogen wurde, kann man wenigstens annähomd (indem man
die Leitngewebe der Gewebe als unveränderlich ansieht) die Mengen des verbrauchten
Eiweisses berechnen. — Um den Verlust, den die einzelnen Gewebe und Organe wäh-
rend des Hungerns erlitten , ausfindig zu machon , zerlegt man das verhungerte Thier
und wägt seine anatomischen Bestandteile. Diese Gewichte vergleicht man mit denen,
welche die entsprechenden Organe eines Thieres besitzen , das nach Gewicht und Kör-
perbau möglichst dem verhungerten gleicht zu der Zeit, als mit dem letztoren der Ver-
such begonnen ward. — Um einen andern allgemeinem Ausgangspunkt für den Ver-
gleich zu erhalten, bestimmte C. Schmidt in einem normalen Thier das Ge wich ts-
verhäl Iniss aller einzelnen Organe oder Organgruppen zu den Knochen. Nimmt
man an, »dass in jedem andern glcichbeschaffenen Thier die Organe in demselben Ge-
wichtsverhültniss zu einander stehen und ferner, dass durch den Hunger die Knochen
nicht abmagcron, so genügt jetzt die Wägung der Organe des verhungerten Thieres, um
ihren Gewichtsverlust festzustcllen. Wir wissen nicht einmal annähernd, wie gross der
Fehler dieser Bestimmung ist. — Um die Geschwindigkeit des Verbrauchs, respekt.
die Aenderungen dieser Geschwindigkeit zu finden, muss dos verhungernde Thier von
Zeit zu Zeit (von Tag zu Tag, Stunde zu Stunde u. s. w.) gewogen werden. — Be-
rücksichtigt man bei diesen Wägungen die Menge des ausgcschiedenen Harns und
Kotlis, so ergiebt sich aus der Differenz der Gewichte der letzten Stoffe und dem Ver-
lust an Körpcroiftsse die Menge der Verbindungen, welche durch die Perspiration
abgingen.
liditizecLby '
Proportionaler Tagesrerlust beim Verhungern. • 673
Da sich der absolute Werth und die Zusammensetzung des
verwendbaren Vorraths, ebenso wie die Geschwindigkeit seines
Verbrauchs mit der der Gattung, dem FUttorungszustand, dem
Wärmeverbrauch, der Muskelanstrengung, dein Alter des Thieres
u. s. w. ändern, so muss man, um allgemeine Resultate zu erzielen,
das Verhungern unter diesen verschiedenen Verhältnissen vor sieh
gehen lassen.
Um endlich die Versuche mit einander vergleichbar zu machen,
muss man den gesummten, den täglichen oder stündlichen Verlust
aut die Gewichtseinheit des Gesammtthieres oder seiner einzelnen
Organe zurückftlbren. (Proportionaler Verlust).
1.' Die Grösse des proportionalen Tagesverlustes ist verän- *
derlich mit dem Zustand, den das Individuum darbot, als es zu
hnngern anting. Diese Erfahrung begründet sieh leicht, wenn man
erwägt, dass der beobachtete proportionale Tagesverlust des Ge-
sammtkörpers das Mittel ist aus den Gewichtsabnahmen der ein-
zelnen ihn aufbauenden Gewebe und Säfte. Diese aber sind von sehr
ungleicher Zersetzbarkeit, indem sich der Inhalt der Muskel- und.
Nervenröhren, der Leberzcllen u. s. w. sehr viel rascher urosetzt, als
die Knochen, die elastische Substanz, das Sehnengewebe. Je nachdem
also ein dem Versuch unterworfenes Thier relativ mehr Knochen
und^Bindegewebe oder mehr Muskel und ♦ett enthält, wird auch
der proportionale Tagesverlust grösser oder geringer sein.
Was für verschiedene Thiere in gleichen Terminen der Hunger-
periode g'ilt, ist nun auch anwendbar auf ein und dasselbe Thier
in verschiedenen Abschnitten der Hungerzeit, da mit derselben seine
Zusammensetzung wesentlich umgestaltet wird. Namentlich muss
mit der wachsenden Hungerzeit der proportionale Tagesverlust ab-
nehmen, indem die rascher zersetzbaren Gewebe im Anfänge des
Fastens in relativ grösserer Menge vorhanden sein müssen, als
gegen das Ende desselben. Dennoch kann kein regelmässiges Ab.
sinken des täglichen Verlustes erwartet werden, weil bekanntlich
die thierische Umsetzung noch von andern Umständen, als der An-
wesenheit zersetzungsfähiger Massen abhängt. Je nachdem also
diese Bedingungen, wie z. B. Muskel- und Drüsenerreguugen kräf-
tiger einwirken, wird auch der Umsatz lebhafter werden und daher
mag es rühren, dass der tägliche Verlust unter Schwankungen ab-
sinkt, während die Hungerzeit wächst.
Der Reihe nach folgen die besten der bisher* vorliegenden Be-
obachtungen an Hunden, Katzen nnd Tauben.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 43
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674
Verhungern; Hund.
a. Hund*). An demselben Thiere haben Bischoff und Voit
eine sehr ausgedehnte Reibe von Fütterungsversuchen angestellt, na-
mentlich Hessen sie es auch verschiedene Male hungern , und zwar
dreimal, je mehrere Tage hindurch. Diese drei Beobachtungsreihen
werden hier nur berücksichtigt werden. Ausser den Thatsachen,
die die folgenden Tabellen aufzählen, ist noch zu bemerken, dass
das Thier vor dem ersten Fasten mit 1750 bis 1800 Gr. mageren
lfuhflcisches täglich gefüttert war. Vor dem zweiten Fasten hätte
es je zwei Tage hindurch absteigend 900, 600, 300, 176 Gr. mageres
Kuhfleisch erhalten. Vor der dritten Hungerperiode endlich .war
es mit Fleisch und ausgelassener Butter gemästet worden; in dieser
letzten Reihe hatte das Thier auch Wasser getrunken, was es in
den frühem Reihen meist verschmähte.
I.
Körperge-
wicht ln
Kilo.
Ge- •
j nossencs
HO in Gr. j
Harn in
CCM.
Harnstoff
in Gr.
Gewichts-
verlust In,
Klio.
Gewichtsver -
lust auf 1 Kilo,
Körperge-
wicht in Gr.j
Harnstoff auf Harnstoff auf
1 Kilo Kör- 1 1 Kilo Ge-
pergewieht in wichtsverlast
Mgr. 1 in Mgr.
3.1,31 ]
202
24,49
0,59
18
0,73
0,78
41
32,72
0
225
25,56
0.58'
18
32, U i
205
22,76
0,52
16
0,71
44
31,62 1
203
_ 20,30
*13,23
0,51
16
0,64
40
31,11
63,0
135
0,42
1 14
0,42
32
30,75
0
I 160
15,23
0,42
i 14
0,50
36
30,33
1 -
! -
n.
_
32,55 1
j
186,2
16,93 1
0,47
14
0,52
*36
32,3S |
0
170,2
17,00
0,48 |
15
0,53
35
31.90 '
156,2
15,76
0,43 j
13
0,49
37
31,47 1
- 1
|
- 1
—
|
—
m.
Korpergc -
wicht in
Kilo.
Genos-
senes
HO ln
m.
Körperge-
wicht
-j Wasser.
Harn
in
CCM.
Ge-
ll am «toff wicht« -
ln Gr. verlnat
in Kilo.
Gewichts-
verlust auf
1 Klio Kör-
pergewicht
in Gr.
Harnstoff auf
HUf 1 Kilo
Körperge-,
wicht iu Gr.
Harnstoff auf
1 Kilo Ge-
wichtsverlust
In Mgr.
40,30 -
319
40,62
384
37,48
0,94
19
0,93
40
39,68
261
39,90
255
23,26
0,71
18
0,59
33
39,19
460
39,65
194
16,68
0,89
23
0,13
18
39,76
102
38,76
165
14,85
0,41
11
0,38
36
38,35
122
38,47
150
12,60
0,51
13
0,33
31
37,90
215
38,18
155
12,77
0.46
12
0,33
28
37,72
37,42
216
37,94
154
12,01
0,52
14
0,32
23
•> Bischoff und Volt, Die Gesetze der Emiihrnng de» Fleischfressers. 1860.
_ .. zc-d üy Google
675
Hungernder Hund nach Bise ho ff und Voit
Diese sehr merkwürdigen Thatsaehen lassen sich folgendcr-
massen in Worten fassen.
Der ahsolnte tägliche Gesammt verlast nimmt im Allge-
meinen mit "der Dauer der Hangerzeit ab. — Dasselbe ereignet
sich auch mit dem proportionalen Gesammtverlust. Die
Grösse dieses letztem scheint sich vorzugsweise nach der dem I lun-
gern vorausgegangenen Flltterungsart zu richten. Vereinigt man
die drei ersten Tage jeder Reihe zu einem Mittel, so ist es bei
1 — 17; bei II = 14 ; bei III, wo allerdings noch Wasser ge-
nommen wurde = 20, also bei dem am reichlichsten -gefütterten
Thier am grössten. Vereinigt mau die noch übrigen Tage der 1.
und 3. Reihe zu einem Mittel, so ist es bei 1 — 14,6 und bei III
= 12,5, was um so bemerkenswerther ist, als das gesamnite Kör-
pergewicht bei III um 7 Kilo grösser ist als bei I.
Der proportionale Harnstoffverlnst ist nach einer Fleisehnah-
ruug, insbesondere nach reichlicher, grösser als nach Fett und Fleisch-
nahrung. Dieses gilt ganz allgemein , sowie man aus der Reihe 111
den ersten llungcrtag nicht berücksichtigt. In allen Fällen nimmt
mit kleinen Schwankungen der proportionale Ilar-nstoffverlust mit
der dauernden Hungerzeit ab. ,
Der HarnstofFgehalt des Gewichtsverlustes ändert sich mit der
Hungerzeit, und auch hier ist im allgemeinen, namentlich in der I.
und III. Reihe die Eigentümlichkeit bemerkbar, dass das Kilo Ge-
wichtsverlust der späteren Hungertage ärmer an Harnstoff ist als
das der frühem. Unter der annehmbaren Voraussetzung, dass die
umgesetzten Eiweisskörper ihren N nur durch den Harnstoff ent-
leerten, würde dieses bedeuten, dass die chemische Natur der Um-
setzung mit der wachsenden Ilungerzeit sich änderte und dass na-
mentlich die der Eiweisskürper sich relativ verminderte.
Der proportionale mittlere Perspirationsverlust, der aus den
obigen Tafeln abgeleitet werden kann, wächst mit dem Gewicht
der Thiere. Bei I ist er = 9,7 Gr., bei II — 8,7 Gr., bei HI
= 11,9 Gr.
- Will man mit Bischoff und Voit noch bestimmte Annahmen
Uber die Atomgruppen (Fett, Wassergehalt des Fleisches u. s. w.)
machen, aus welchen die ansgeschiedenen Stoffe hervorgingen , so
43*
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676
Hunger. Katze.
lässt sich die Zahl der Ableitungen noch weiter mehren. Wir ver-
weisen rUcksichtlich derselben auf ihre Abhandlung*).
b. Katie*1). Aus einer weiter in da**Einso1ne gehenden nnd mühevollen Ver-
suchsreihe an Katzen schließt Schmidt: i)Die täglich eingeathmeto Kohlenraengc ist
absolut genommen in den ersten 8 Tagen der Hungerzeit am grössten , in den letzten
2 Tagen vor dem Tode am geringsten ; relativ zum Körpergewichte halt sie sich da-
gegen in den orslen 0 Tagen nahezu gleich y in den darauf folgenden 7 Tagen wächst
sie an nnd nimmt in den letzten 2 Tagen sehr bedeutend ab. — 2) Die ausgeschie-
done Harnstoffraenge sinkt wahrend der boiden ersten Hungertage beträchtlich , hält
sich dann bis zu den beiden letzton Tagen vor dem Tode nahezu gleich ; in den beiden
letzten Tagen sinkt sie sehr bedeutend ab. — 3) Der Gehalt des Harnes an SO* und
PO5 steigt mit der Hungerzeit,* der Clgehalt verschwindet dagegen vollkommen. Das
Verhältnis» der SO* zur PO.-, bleibt sich bis zum Tode gleich. Denn:
Ein Kilogramm Katze gab in 24 Stunden in Grammen
•) In der an gezogenen Abhandlung wird der Por*pirationsYcrlu»t nach jeder Versuchsreihe
durch zwei (ilcichungcn ausgedrückt , wobei es «ich jedesmal herausstellt , dass die beiden ao «ge-
rechneten Wcrtho nahezu Ubereinstimmen. — Miese Toberei nstimmung müsste als eine Bürgschaft
für die Richtigkeit der Annahme angesehen werden , wenn die in den beiden Ausdrücken vorkom-
menden Worthc wirklich auf verschiedene Weise abgeleitet wären. Dazu hat es aber den An-
schein , weil die zn den beiden Rechnungen gebrauchten Zahlen wirklich ganz verschieden «tu-
schen. In der That sind jedoch die Wcrthe beider Gleichungen auf dieselbe Weise abgeleitet: sie
unterscheiden sich nur durch bcsoudcr© Annahmen über die Berechnung eines meist kleinen Koth-
antheils. Dieser Ausspruch bewahrt sich durch folgendes. ,
ln der ersten Gleichung , die nach dem N-verbrauch berechnet ist , werden folgende Werthe in
den Ansatz gebracht- A' das corriglrte Anfangsgewicht, E' das corrigirtc Endgewicht de» Thier»,
ferner K' der berechnete Koth ; fl ein Cocfßzient , mit welchen man eine bekannte t^n.i.ntitut von
Stickstoff multiplizlren muss , wenn man erfahren will , wie viel Fleisch von bekannter Zusammen-
setzung mit Hülfe jenes Stickstoffs dargestellt werden kann ; n der Stickstoff des gefütterten, feuch-
ten Fleische»; n' der Stickstoff des entleerten Harnstoffs; n*' der Stickstoff des entleerten Rothes:
w da» genossene Waaaergcwlcht; u dos entleerte Harngewicht.
Nach der ersten Gleichung von Volt und Hlschoff ist nun die Einnahme, welche das Thier
macht W+[n|l-(n|i- n ft — u'/f)j -f n,i — (n' -f n") fl — (E‘ — A'); die Aus-
gabe aber = u 4. K'. Zieht mau die Ausgabe von der Einnahme ab, so erhält man die Per-
spiration =# r. Also lat P =s W -f nft 4. A' — K' — 0 — K . Die A\ E', K' sind aber
folgcndermaasscn zu verstehen. Es »ei A das gefundene Körpergewicht beim Region einer
Versuchsreihe , *0 unterscheidet »Ich diese» von dem corrigirten A’ dadurch , dass es noch um
einen gewissen Werth vermindert werden muss, welcher dem Koth entspricht, den es aus einer
früheren Füttornngsrcihe mitgebracht, aber noch nicht entleert hat, nennen wir diesen initgcbmch-
ten Koth K, so ist also A' = A — K. Zu Ende der Versuchsreihe , wo das Thier E wog, pahro
es aber auch noch Koth mit, welchen es während der betrachteten Versuchsreihe gebildet «brr
beim Schluss derselben noch nicht entleert hatte. Nennen wir diesen K, so ist da» corrigirte End-
gewlcht de» Thicrea E' * B — K' — K. — Der berechnete Koth endlich ist der wahrend der Ver-
suchsreihe entleerte Koth k weniger des imtgebrnchtcn nnd mehr des mitgenommenen, also K' =*
— k f K. Setzen wir diese Wcrthe statt A\ E' und K' in die obige Gleichung, so erhalten wir
W + n 0 + A — E — U — k + K = P.
In der zweiten Rechnung werden dagegen unter die Einnahmen gesetzt dos Anfangsgewicht A.
das aufgenommene Fleisch nft, das Wasser U und unter die Ausgaben das Endgewicht E, der Harn t\
der während der Beobachtungszeit ausgestosacne K ; also ist jetzt
W + n/f-f-A — E — U — k=P* und P* =* P — K.
*•) Bidder und Schmidt, Verdauungssäfte etc. p. 308 u. f.
*
DyCoogle
Hungernde Katze nach B i d d • r und Schmidt.
677
Zelt in Stunden
nach der letzten
Fütterung.
W asser
durch Niere
u. Darm. 1
Harnstoff.
so3
po5
Summe
unorgan.
Bestdthlf.
Ausgcath-
mete kohle.
Faeces
wasserfrei.
9 — 32
37,09
3,437
0,133
0,144
0,5 IS
5,64 1
0,503
32 — 56
' 22,00
2,298
0,092
0,109
0,359
5,620
0,540
5(1 — 80
19,39 1
1,887
0,080
0,104
0,309
5,883
0.484
SO — 104
19,80
1,732
0,077
0,104
0,294
5,658
0,502
101 - 128
25,39
2,227
0,091
0,129
0,333
5,594
0,779
12S — 152
20,31
2,133
0,079
0,114
0,281
5,712
0,291 •
152 — 176
19,25
1,969
0,075
0,113
0,271
5,642
0,339
176 — 200
21,35
2,091
0,083
0,131
0,301
5,670
0,592
200 — 224
23,26
2,263
0,083
0,1 19
0,301
5,971
0,982
224 — 248
19,92
1,907
0,077
0,113
0,277
6,127
0,745
248 - 272
18,22
2,723
0,073
0,1 10
0,264
6,024
0,643
272 — 296
18,11
1,648
0,062
0,093
0,227
6,310
0,525
296 — 320
23,33
2,166
0,087
0,1 15
0,303
6,439
0,287
320 — 341
25,07
2,224
0,095
0,113
0,321
6,423
0,224
344 — 369
26,76 j
2,052
0,094
0,104
0,296
6,534
0,223
369 — 392
32,78
2,154
0,085
0,109
0,307
6,350
0,172
392 — 416
19,93
1,216
0,049
0,065
0,182
5,850
0,119
416 - 440
10,21 1
0,597
0,024
0,036
0,005
■ 4,79t
0,244 '
Za dieser Tafel ist zu . bemerken: das dem Vcrsucho unterworfene Thier (eine
trächtige Katze) erhielt während der Dauer der Beobachtung zu 7 verschiedenen Tageil
etwas Wasser, im Ganzen 131,5 Gr. — Der Harnstoff wurde nach der Methode von
Heintz-Ragsky und die CO* in einem Respirationskasten mit Luftdurchzug be-
stimmt. Die fiir die COt verzeichneten Werth e sind abgeleitet aus 44 Beobachtung*-
stunden, so dass das Thier im Mittel 2,5 Stunden täglich im Athembehälter verweilte.
Diese Beobachtungsstunden sind so ausgewählt, dass wo möglich die eine in das Maxi-
mum und die andere in das Minimum der täglichen CO*- Ausscheidung fällt. Eine be-
stimmung des durch die Lunge ausgeschiedonen N-Gases, welche nach Regnault
und Reiset bei hungernden Thicren statt hat, ist nicht versucht worden. Schmidt
leitet aus den Zahlen der Tabelle auch noch her, wio viel bindcgcwebshaltigcs Fleisch
und Fett sich während der Hungerzeit umgesetzt habe. Da mehrere seiner Voraus-
setzungen nicht festgestellt sind, wie z. B., dass aller N durch Iiarn und After aus-
geschieden sei, dass das fettfreie , bindegcwebsbaltige Katzenfleisch zu allen Zeiten der
Hungerperiode gleich zusammengesetzt sei u. s. w., so verweisen wir auf dio Abhand-
lungen selbst. Wir kehren zurück zu* der Aufzählung weiterer Beobachtungen.
Da auch täglich mehrmals das Körpergewicht der oben geschilderten Katze be-
stimmt wurde, so konnte noch festgestellt werden: 4) dnsS der Verlust, der durch
Haut und Lunge geschieht, in der Nacht geringer als bei Tage ist; die Unterschiede
treten in den ersten Tagen bcträcÄtlicher hervor; in den letzten, nachdem das Thier
erblindet war, verschwanden 6ie tlagegen nahezu. Nach einer Mittclbcreehnung von
Schmidt*) liegt der grösste Werth zwischen 12 — 6 Uhr Mittags, der niedrigste
zwischen 2—6 Uhr Nachts. — 5) Dio täglich abgesonderte Gallenmenge nimmt bei
hungernden Katzen sehr rasch ab in den ersten beiden Tagen (p. 323), von da sehr
allmählich bis zu dem 10. Tage. Vorausgesetzt , dass bei der vorliegenden Katze in
demselben Verhältniss zum Körpergewicht Gallenausscheidungen stattgefunden haben,
wie in der früher aufgeführten Beobachtung, so lässt .sich nach Schmidt behaupten,
•) 1. c. ln der Tabelle XVU. p. 347.
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ß78 ' Hungernde Taube na^h Chossat, Uchuchardt u. A.
dass im Beginn der Beobachtung nur oin kleiner Theil, vom 10. Tage an aber die
ganze Menge der ausgeschiedenen Galle durch die Faeces entleert worden sei.
c. Taube. Aus den Versuchen*) von Chossat und Schuckardt an Tauben
geht rücksichtlich des täglichen Verlustes hervor, I) dass er, 'alles Andere gleichge-
actzt, steigt mit dem Körpergewichte. — Kr variirt gewöhnlich in der Art , dass er
in den ersten Tagen nach der Nahrungsentziehung sehr beträchtlich ist, dann gegen
die Mitte der Ilungcr/eit abnimmt, in den letzten Tagen vor dem Tode wieder an-
steigt und einige Stunden vor letzterem aber rasch absinkt. — Der grösste Theil des
täglichen Verlustes fällt auf Haut- und Lungenausdünstung. Zur Bestätigung dieser
Behauptung lassen wir die Beobachtungsreihen von Schuch ar dt folgen:
_ Gewicht der Taube iin Beginn Gewicht der Taube im Beginn Gewicht der Taube im Beginn
X? der Versuchsreihe 268,0 Gr. der Versuchsreihe 2*9.0 Gr. der Versuchsreihe 29«J,0 Gr.
c — _____ - - ;
SS •
u ,
<5 » Insge-
* 2" Nimmt.
Verlust
durch durch
Lunge u. Ham und
llaut. 1 Faeces.
I nage-
lt ammt.
Verlust
durch 1
Lunge u.
Haut.
durch
Lira und
Faeces
Insge-
aanimt.
Verlust
| durch
Lunge u.
Haut.
durch
Harn und
Faeces.
1. I| 15,0
11,5
3,5
17,0
13,2
3,8
22,8
13,3
9,5
2. 13,2
10,7
2,5
14,2
11,2
3,0
16.0
11,2
4,8
3. | 11,6
9.«
2,0
15,8
— J
18,0
13,0
5,0
4. 11,5
7,3
4,2
18,0
11,2
0,8
19,1
14,0
5,2
5. 12,7
0,6
6,1
26, S
21,6
7,2
21,0
14,0
7,0
6. 14,3
7,1
7,2
1,2
1,2
0,0
7,1
7,1
0,0
7. 1 10,4
6,4 1
2,0
—
—
Bou s s i n gaul t**) fand, dass hungernde Turteltauben in der Nacht weniger
Kohlenatoff verlieren, als bei Tage. Eine Turteltaube hatte bei normaler Ernährung
in einer Tag6tunde im Mittel 0,25MGr. C., in oincr Nachtstunde aber 0,162 Gr. C. aus-
geathmet. Als dieselbe 168 Stunden hungerte, verlor sie in einer Tagstunde im Mittel
0,117 Ur. C., in einer Nachtstunde aber 0,075 Gr. C.
Zur Charakteristik der Lebensvorgänge resp. des Verlustes beim Verhungern tragt
noch wesentlich bei die Feststellung des Verhaltens der thicrischon Wärme und der
Athembowegungon an den einzelnen Hungertagen, wio sie Chossat***) in ausgedehn-
ter Weise für Tauben geliefert hat. Um die einzelnen Beobachtungen zur Gewinnung
von Mittelzahlen vergleichbar zu machen, thcilte er die Lebensdauer jedes einzelnen
Thicres vom Beginn des Hangems bis zum Todestage (diesen exclusive) in drei gleiche
Theil« und zog nun aus allen gleichnamigen Abschnitten die folgenden Mittel. Die
Temperaturen bestimmte er im Mastdarmo und die Athemzüge zählte er um Mittag
und Mitternacht. Die Beobachtungen während des genügenden Futters sind an den-
selben Thieren gewonnen. Die Temperaturmessungen ergaben:
Te m p c r st ur w äh r o n d der
H nngeraelt.
Temperatur wäh-
rend normaler
Fütterung.
Erstes DrltttheiL
Zweites DrltttheiL
Drittes DrltttheiL
Mittag ....
42,1 t“ C.
41,87“ C.
41,37« C. j
1 37,32 „
42,22“ C.
Mitternacht . .
39,85 „
38,72 „
41,48 „
Unterschiede
2,26 „
3,15 „
4,05 „ |
0,74 „
*) Chossat, Sur riuanition. Mdtnnires dos savan* dtrangcr». VIII. Bd. — Sehuchirdt,
Quaedain de effectu quem privatis sing. part. nutrimentum coostltuentlum etc. Marburg 1847.
••) Annale* de chlm. et phy*. »«fr. XI. (1844.) 446.
•**) L c. p. 107. o. f.
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Hunger; proportionaler Gesammtverlust.
679
Am letzten Tage sank die Temperatur sehr rasch ; war sie auf 26° angelangt , so
gingen die Thiere zu Grunde.
Die Zählung der Atkombcwegungen stellte fest:
Zahl «1er Athemziigc Zahl «1. Athemztige
In der Minute wahrend derllangerselt. ln der Minute
— — — r — — — während normaler
Erstes Dritttheil. Zweites Dritttheil Drittes Dritttheil. Fütterung.
25 j 23 | 21 | 31
Vereinigt man alle Zählungen der Athembewegungen bis zum Tage vor dem Hun-
gern, so erhält man um Mittag 22 und um Mitternacht 24 Athemzüge in der Minute;
während der hinreichenden Ernährung athmeten die Tauben am Mittag 30 Mal und
um Mitternacht 32 Mal in der Minute. Das auffallende Ergebnis«, dass bei der ver-
hungernden Taube in der Nacht die Athemfolgc beschleunigter* gefunden wurde, ist
nach Chossat wahrscheinlich darin begründet, dass die Thiere durch den Beobachter
aus dem leisen Schlaf aufgeschreckt wurden , den sic während der Hungerzeit gemes-
sen. Am letzten Lebenstage sank das Minutenmittel der Athcmzüge auf 19 herab.
2. Der proportionale Gesammtverlust, oder der Quotient ans
der Gewichtsabnahme des Thieres während der ganzen Hungerzeit
in das Körpergewicht vor Beginn der letzteren, ist ebenfalls sehr
veränderlich gefunden worden und insbesondere haben die Beob-
achtungen von Chossat anfgedeckt, dass junge magere Turtel-
tauben (mittleres Anfangsgewicht ="110 Gr.) im Mittel schon bei
einem proportionalen Gesammtverlust von 0,25 starben, während er
bei älteren fetten (mittleres Anfangsgewicht = 189 Gr.) den Werth
von 0,46 erreichen musste, bevor sie zu Grunde gingen. Diese
Erscheinung findet ihre Erklärung darin, dass eine gleichwcrthige
Abzehrung verschiedener Organe des Thierkörpers von ganz un-
gleichen Folgen flir das Bestehen des Lebens sein mtiss, wie z. B.
offenbar die Abmagerung der Herzmuskeln und des Jlirns viel er-
greifender wirkt, als die des Fettes, des Bindegewebes, des Ske- *
lets und seiner Muskeln. Da aber die Thiere, welche einen ge-
ringem proportionalen Gesammtverlust ertrugen, auch nach viel kür-
zerer Zeit (nach 3 Tagen) hinstarben, als die alten und fetten (nach
13 Tagen), so folgt auch aus den gemachten Mittheilungen, dass
ein Reichthum an Skeletmuskeln und Fett die wichtigeren Organe
vor wesentlichem Verlust zu schätzen vermag, sei es, dass die um-
setzenden EinfiUsse nicht eher die letzteren Gebilde angreifen, be-
vor die ersteren bis zu einem gewissen Grade aufgezehrt sind, oder
sei es, wie wahrscheinlicher, dass die wichtigeren Organe und ins-
besondere das Hirn tägliche Verluste auf Kosten des Fettes und
der Skeletmuskeln wieder ersetzen , so lange diese vorhanden. Zur
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680
Proportionaler Gesammtverlust der Organe.
Unterstützung der letzteren Alternative dient namentlich die Beob-
achtung, dass das Hirn unter allen Organen durch den Hunger den
.geringsten proportionalen Verlust erlitten hat, obwohl dieses Organ,
so lange cs lebt, nothwendig auch umgesetzt werden muss, denn
ohne dies würde weder sein arterielles Blut in kohlensäurehaltiges
venöses umgcwandelt werden können, noch könnte das Organ fort-
während lebendige Kräfte entwickeln.
Von einem nicht untergeordneten Interesse sind die Beobachtungen über den pro-
portionalen Gesammtverlust, den die einzelnen Organe durch das Hungern erleiden.
Die Zergliederung der Thiere wurde von Chossat unmittelbar nach dem Tode vor-
genommep und die ausgeschnittenen Organe sogleich gewogen. Hierbei konnte jedoch
ein Verlust durch Wasserverdunstung nicht vermieden werden , welcher sich bis zu
8 pCt. steigerte. Um diesen Uebelstand zu beseitigen, wurden auch die getrockneten
Organe mit einander verglichen. Das Mittel aus allen Wägungen lieferte nun die fol-
gende Tafel, in welcher die Zahlen den Verlust bedeuten, welchen 100 Theile des be-
• treffenden frischen oder wasserfreien Organ es während der ganzen Hungerzeit erleiden.
frisch.
trocken. , j
frisch, trocken, |;
frisch.
trocken.
Fett . . .
93,3
Uebrigc Sko-
1
Lungen ,
Blut . .
61,7
—
letmuskcln
35,6 1 35,1)
blutleer
22,4
22,5
Mil* . . .
71,4
66,6
1 Alle Muskeln
Knocheft
—
16,7
Pankreas . .
64,4
65,2
im Mittel
42,4 [ 34,5 |
Augen
10,0
—
Leber . . .
52,0
47,3
,Pharyn% und
Hirn
0,0
Herz . . .
44,8
46,9
' Oesophagus
34,2 | - 1
Rücken-
9,0
Gedärme . .
42,4
Haut . . .
33,3 —
mark
7,0
Brustmuskeln
53,1
55,0
Nieren . .
31,9 1 — 1
Auf demselben Wege hat Schuch ardt für die feuchten Organe ganz ähnliche
Zahlen erhalten.
Da wir die täglichen proportionalen Verluste der lebenden Gesammtkatze ange-
geben haben, für. welche Schmidt die Organverlustc berechnet hat, so lassen wir hier
auch die von ihm gegebenen Zahlen der letzteren folgen , wobei wir uns jedoch auf
die beschränken, •welche mit den Beobachtungen von Chossat vergleichbar sind. Sie
beziehen sich sämmtlich auf die getrockneten Organe und haben die Bedeutung der-
jenigen in der vorhergehenden Tafel.
Mesenterium und Fettgewebe
91,3
Muskeln und Sehnen
65,0
Blut
90,4
Haut
Milz
70,2
Lungen
10,5
Pankreas
84,5
Gehirn und Rückonmark
32,9
Leber
64,7
Knochen
0,0
Darm k anal
27,8
Berücksichtigt man nun, dass unter dcü thierischcn Gewebstheilen , welche vor-
zugsweise zum Verluste kommen, Blut, Muskeln und Fettgewebe dem Gewichte uach
überwiegen über alle anderen, so folgt daraus, dass das hungernde Thier auf Kosten
seines Blutes, seines Fettes und Muskclgowcbcs lebt, wobei sich u. A. die auffallende
Erscheinung einfindet , dass bei der Taube die zum Aufrochthalten des Rumpfes be-
Verhungern bei unvollständiger Nahrung.
681
nutzten Muskeln , welche während der Hungcrzeit Öfter in Bewegung sind , weniger
verlieren, als die ruhig gehaltenen Flugmuskeln; es haben sich also auch die Muskeln
gegenseitig ernährt. — Der grosse Verlust 'des Hirns und Rückenmarkes beim Säuge-
thiere, gegenüber dem verschwindenden beim Vogel, bedarf weiterer Bestätigung.
Verhungern bei qualitativer ungenügender Nah-
rung. Unvollständige Nahrung. An die Versuche mit voll-
kommener Nahrungsentziehung schliessen sich die, bei welchen nur
einer oder einige der lebensnothwendigen Stoffe dem Thier vor-
enthalten werden. Diese Reihen können zu verschiedenen Erfol-
gen führen. — 1) Der Tod erscheint mindestens so rasch wie beim
Gesammthunger und die Einbusse des Tbieres an Gewicht ist da-
bei entweder ebenso gross oder auch kleiner als beim Verhungern
nach Entziehung aller Nahrung. — Im ersten Fall würden die
festen, flüssigen und gasförmigen Ausgaben des Thieres nicht alle
die Stoffe enthalten, die sie beim Gesammthunger führen, sondern
auch noch diejenigen, welche in der qualitativ ungenügenden Nah-
rung gereicht wurden; daraus würde dann hervorgehen, dass die
Fähigkeit eines Nährstoffes, sieh im thierischen Körper anzusam-
meln, nicht allein von seiner chemischen Zusammensetzung, son-
dern auch von der Natur des Gemenges abhing, in welchem das-
selbe genossen wurde. — Wenn dagegen das Thier ebenso rasch
\yie beim Gesammthunger zu Grunde geht, dabei aber im Augen-
blick des Todes merklich schwerer ist, als es voraussichtlich beim.
Tod nach vollkommener Nahrungsentziehnng gewesen sein würde,
60 würde daraus zu folgern sein, dass das Thier aus der qualita-
tiv ungenügenden Nahrung allerdings Stoffe aufnehmen konnte,
aber dass dieselben keine lebensfähigen Verbindungen darzustellen
vermögen. — 2) Das Thier konnte aber beim Theilhunger auch
viel später als bei Gesammthunger sterben. Dann würden auch
die den Answurf führenden Absonderungen anders zusammengesetzt
sein als bei vollkommener Nahrungsentziehnng ; dieser Erfolg würde
bedeuten, dass die wenn auch unvollkommene Nahrung theilweise
wenigstens ergänzend für die zum Leben nothwendigen Umsetzun-
gen eintreten könnte. — 3) Auch könnte es sich ereignen, (nament-
lich wenn der Nahrung das eine oder andere Salz fehlte), dass
von dem Augenblick an, wo der Gehalt des Thieres an dem Stoff,
welcher der Nahrung nicht zugesetzt ist, auf ein Minimum herabge-
bracht ist, dieser mit Hartnäckigkeit vom Organismus zurückgehalten
würde. Möglicherweise Würde er aber auch durch einen andern
chemisch verwandten, ohne dass der Tod erfolgte, verdrängt und
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682
Entziehung aller festen Nahrung.
durch diesen ersetzt. Daraus würden sich vielleicht Fingerzeige
für den Antheil des fraglichen Stoffes an den Lebensvorgängen
ergeben. •
Das Folgende giebt die wichtigem der bekannten Thatsachen.
Entziehung aller festen Nahrung. Reicht man den Thieren, während
man ihnen alle feste Nahrung vorcnthält , nach Belieben Wasser, so genicssen einige
gar kein Wasser mehr, andere verschmähen es erst nach einigen Tagen, noch andere
endlich nehmen es fortwährend. Der von Bischoff und Voit beobachtete Hund
soff, wenn er nach einer Nahrung aus magerm Fleisch hungerte, nichts oder nur selten;
während de* Hungers nach vorgängiger Fütterung aus Fleisch und Fett nahm er da-
gegen Wasser auf. Wünscht man also die Erscheinungen des alleinigen Hungers an
festen Stoffen bei einem das Wasser verschmähenden Thier zu erfahren, so ist es
nothwendig, das Wasser in den Magen zu spritzen. Stellt man die Beobachtungen,
welche Schmidt an ‘zwei Katzen, von denen die eine wenig, die andere viel Wasser
enthielt, zusammen, so ergiebt sich, dass 1 Kilogr. Katze im Mittel 24 Stunden verliert:
Tägliche
Wasserauf-
n .Hirne.
Harnstoff.
so.
1
ro3
Ucbrigo
H&rnsalzc.
, Ausgeath-
uictc Kohle.
i
Faeces
wasserfrei. .
Wasser durch
Niere und
Darm.
51,12
2,237
0,055 ;
0,071
0,263
4,417
I 5,460 ;
0,215
55,47
5,97 |
2,06 ;
0,052
0,1 16
1 0,296
0,5S9
21,47
Diese Beobachtungsrciho lässt erkennen , dass mit der vermehrten Aufnahme des
Wassers auch die Ausscheidung desselben, aber nicht ira Verhältnisse der Aufnahme,
zunimmt. Dieser Schluss dürfte keine Anfechtung dadurch erleiden, dass dio durch
Verdunstung verlorenen Wassermengen nicht angegeben sind, indem mindestens die
Annahme gerechtfertigt ist, dass die erstere Katze, welche weniger CO* ausatbmetc,
als die letztere, durch die Lungenverdunstung nicht mehr Wasser verloren habe als
die letztere ; der Wasserverlust durch die Haut dürfte aber bei behaarten Thieren über-
haupt nicht hoch anzuschlagcn sein. Genügt nun, wie in unserm ersten Falle, die
eiugeführte Wassenncnge, um den grössten Theil des Wasscrverlustcs zu decken, so
muss nothwondiger Weise bei fortschreitender Abnahme der festen Bestandteile der
prozentische Wassergehalt der Organe in einem Steigen begriffen »ein, woraus mancher-
lei Störungen derselben erwachsen werden. In der Tliat stellen sich diose in der
oben zusammcngestelltcn und in einer gleichartigen Beobachtungsreihe ein, welche
Chossat an Tauben ausführtc. — Die mitgetheilte Zusammenstellung lässt aus-
serdem schliessen, dass der tägliche Verlust an festen Bestandteilen geringer wordc
bfi einer reichlichen Tränkung mit Wasser. Dieser Satz scheint aber nur von Gel-
tung für die Säugetiere zu sein, da Chossat ihn wohl bei Kaninchen, nicht aber
bei Tauben, die unter gleichen Verhältnissen verhungerten, bestätigt fand.
Entziehung des Wassers. Zu denen des Durstes gesellen sich sehr bald
die Folgen des Hungers, indem dio Thiere die trockne Nahrung mehr mul mehr und
endlich ganz verschmähen. Eine Anschauung des allgemeinsten Vorganges giebt fol-
gender Versuch von Schuchardt, welcher aus einer grossen Reihe ausgewählt
wurde. Die verdurstete Taube wog im Beginn des ersten Versuchtages 301,0 Gr.
Ihre Nahrung bestand aus lufttrockner Gerste. Die proportionalen Verluste sind auf
das Anfangsgewicht eines jeden Tages bezogen.
Entziehung von Wasser und Eiweisi.
683
T«*.
Kürporgewi
Ende des
cht am
Tages.
Verzehrte
Körner.
Gewicht der täglichen
Endausgsbcn für die Einheit
des Körpergewicht«.
Hiervon
durch Niere und
Dannkanal.
1.
280,0
Gr.
23,0
Gr.
0,188
Gr.
0,090
Gr.
2.
267,0
16,6
0,106
„
0,040
3.
. 259,2
13,0
0,076
„
0,027
4.
249,5
7,9
0,066
0,021
5.
239,0
12,5
0,092
0,033
6.
231,0
10,5
0,077
0,036
7.
222,5
..
12,1
0,089
•»
0,042
8.
214,4
15,0
0,106
0,040
9.
207,4
11,2
0,085
0,040
19.
196,0
9,6
0,102
0,038
11.
186,0
8,3
0,098
0,033
12.
177,3
7,0
0,094
0,040
13.
163,2
10,0
0,134
0,067
14.
160,2
*»
0,0
»»
0,019
»»
0,000
Die wässerigen Abscheidungen, insbesondere die des Horns, nehmen beträchtlich
ab; sie betrugen an einom verdurstenden Hunde nach Falk und Scheffer in den
ersten drti Hungertagen im Mittel täglich = 46,0 Gr., in den folgenden drei =25,5 Gr.,
in den darauf folgenden = 18,1 Gr. und in den letzten drei endlich = 6,6 Gr. —
Die Angaben Uber die Verluste der einzelnen Organe schliessen sich an die bei Ge-
aammthunger mitgetheilten an, mit Ausnahme dos Fettes, welches beim Genuss trocko-
ner Nahrung nicht sehr beträchtlich schwindet. Dio Gewichtsabnahme der Organe ge-
schieht allerdings auch durch den Austritt fester Bcstandthoile ; vorzugsweise aber ent-
fernt sich aber das Wasser, sodass die Organe relativ trockener werden; vergleicht
man die Bückstandsprozentc derselben Organe zweier möglichst gleicher Thiere, von
denen das eine nadi normaler Ernährung, das andere durch Entziehung des Wassers
getödtet war, so findet man, dass Haut, Sehnen, Muskeln, Darmkanal und Blut 4 bis
11 pCt fester Bcstandtheile mehr enthalten, während sich die Zusammensetzung des
Hirns und der meisten Drüsen nicht verändert hat (Scheffor).
Entziehung der E i w e i ssnahrun g. Wir besitzen hierüber Angaben von
Schuchardt, welcher die dem Versuche unterworfenen Tauben mit einem Gemenge
von Amylon, Gummi, Zucker, Ocl und den gewöhnlichen Blutsalzen in einem Verhält-
nisse fütterte, in dem sie von Norton*) im englischen Hafer beobachtet wurden.
Die Uebersicht über den täglichen Gewinn und Verlust giebt die folgende Tafel, welche
nur eines der drei untersuchten und in ihren Erscheinungan wohl übereinstimmenden
Thiere berücksichtigt. Die ganze Bcobachtungszeit ist in vier gleiche Theile von je
5 Tagen gespalten und aus jodem derselben das Tagesmittel genommen. Bei Beginn
des Versuches betrug das Körpergewicht 344 Gr.
Zeit der Beob-
achtung.
Körpergew.
am Ende des
Tages.
Täglich aurgenommen j Für die Gewichtseinheit des Thlercs
Fest« Speise.
Wjsser.
Endausgabe.
durch Haut
und Lunge.
durch Niere
und Darm.
1. Viertel
"Z.
3. „
4.
310
307
258
230,5
' 16,5
29,2
0,152
0,149
0,204
0,231
■ 0,061
0,1 16
•) Giessener Jahresbericht Air 1847, 1095, (Hopetonhafer , I. Columno).
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684
Verhungern bei Fett und Wasser.
Frerich**), welcher bei einem ähnlich gefütterten Hunde die Haru9toflaus-
scheidung mass , fand sie (im Verhältniss zum Körpergewicht) beträchtlich geringer als
bei anderen normal ernährten, aber nicht wesentlich niedriger als bei hungernden
Hunden.
Der proportionale Gesammtverlust, den die von Schuchardt beobachteten Tauben
bis zum Tode erlitten, war viel geringer, als bei allen denon, welche unter den früher
aufgezählten Umständen verhungert waren ; entsprechend war auch der proportionale
Gesammtverlust der einzelnen Organe verschieden.
Blut . . .
. 0,514
Dannkanal
0,281
Brustmuskeln 0,453
Knochen .
0,204
Fett . . .
. 0,393"
Hirn . .
0,138
Herz
I
Lungen
0,010
Haut
Leber
[ 0,311
1
Augen
0,009
Es wird nicht entgehen, wie sehr das Fett und die Drüsen geschont sind, im
Vergleich zu anderen verhungerten Thieren. Die Verluste an Muskelsubstanz sind
dagegen nicht niedriger geworden.
Nahrung aus Fett und Wasser. Bischoff**) verglich an demselben
Hunde die Ausgabe, während dieser das eine Mal nur mit Wasser, das andere Mal
mit Fett und Wasser gefüttert wurde.
Für t Kilogr. Hund in 24 Stunden:
Mittlote» Qs*
SAmint-
gewlcht.
Eingenommen Ausgegeben
1 _ _ I Körperge- durch Darm durch Haut
Wawer. lot». | Wicht. und Nim,, und Lunge. MarnMoH.
N.
38,100 Kilr. 13,08. Gr. 0,0 Gr.
30,016 „I 24,91 „17.17 „
i 13,41 10,8| 15,63 ‘ 1
i 0,91 j 10,34 10,12
0,5.82
0,311
! 0,251
0,113
Zu dieser Beobachtung gehört die Bemerkung, dass derselbe Hund, welchem bei
verschiedenen^ Körpergewichte die festen Speisen entzogen und nur Wasser gegeben
wurde, nicht immer dieselbe proportionale Harnstoffmengc aussonderte; bei einem mitt-
leren Körpergewichte von 24 Kilo lieferte 1 Kilogr. 0,56 Gr. Harnstoff, und bei
33 Kilo mittlerem Körpergewichte gab 1 Kilogr. 0,62 Gr. Harnstoff aus. Als er aber
nach der oben erwähnten Nahrung mit Fett und Wasser noch 4 Tage hindurch nur
mit Wasser gespeist wurde, sonderte 1 Kilogr. des Thieres nur noch 0,28 Gr., also
weniger aus, wie zu den Zeiten der Fettnahrung. Bischoff sieht diese Erscheinung
als eine Nachwirkung der Fettfütterung an und findet soine Meinung bestätigt durch
den sichtbaren Fettgehalt des Kothcs, welcher während der letzten Zeit entleert wurde.
Zudem war in allen Beobachtungsreihen die Harnstoffausscheidung von Tag zu Tag
sehr veränderlich, was zura Theil wenigstens begründet w'ar in der unregelmässigen
Entleerung der Blase. An einzelnen Tagen, ja einmal sogar während 48 Stunden,
Hess das Thier gar keinen Ham. •
Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass bei der Fettfütterung das reichlicher
aufgenommene Wasser und Fett den täglichen Gesammtverlust des Thieres quantitativ
•) Müller’« Archiv. 1848. p. 490.
••) Der Harnstoff »1« Mauas de« Stoffwechsels. 18M. p. S5.
f
Hungern bei Wasser und Fett oder Zucker.
nahezu deckten, so dass nur eine geringe Abnahme im Gesammtgewicht des Tbieres
eintrat. Sie verminderte zugleich den Umsatz der stickstoffhaltigen KÖrperbestand-
theile beträchtlich, aber sie war nicht wesentlich geringer als hei Entziehung aller Nah-
rung. Hierfür spricht auch ein neuer Vemu^ von Bischoff und Voit L c. pag. 150.
In gewisser Weise ergänzend schlicaat sich an diese eine Beobachtungsreihe von
Le to liier bei Turteltauben' an , welcfie mit Butter und Wasser bis zum Tode gefüt-
tert wurden. In Mittelzahlen aus allen Versuchen stellen sich seine Resultate fol-
gendermaassen zusammen :
Mittleres Körpergewicht
ohne Fudern.
jTägt. proport. 'Proport. Gc-
' Abnahme des. sanunt vertust
Kutter lügt. J.jj*1'
imDnrmlwoa! t of *• d'T l-clmisdnuer
naorbtrt uormalneflltt. In 'Innen.
Thiere = I.
Zu Beginn.
Zu Ende.
• Körpergew.
1 des Fette».
15,01»
1
90,3
0,0214
1 0,500
1
5,8 Gr. 0,6S5 1 18,42
Aus dieser Zahlenreihe ist ersichtlich,' dass die Kohlnsäureausscheidung zwar be-
trächtlich herabgedrückt ist, aber doch nicht bis zu dem Maasse, das ihr bei vollen
Hungern zukommt. Die unvollkommene Nahrung vermochte auffallend lange Zeit das
Leben zu erhalten; diese Erscheinung scheint in Beziehung zu stehen mit dem lang-
samen Umsätze der eiweisslialtigen (hamstoffliefernden) Atome bei Fettnahrung, Reg-
nault und Reiset beobachteten, dass eine mit Fett und Wasser gefütterte Ente N
aus der Atmosphäre absorbirtc.
Wasser und Zuckor. Eine sehr reichliche und ausschliessliche Fütterung mit
Zucker wirkt wegen des eintretenden Durchfalls rasch tödtlich (Chossat, Lctel-
lier). Bei einer massigen Gabe des Zuckers gestalten sich die Erscheinungen nach
Letellier an Tauben folgcndermaassen : .
Mittierei« Körpergewicht
ohne Federn.
Zu Beginn. Zn Ende.
TMgl. proport.
Abnahme desi
Körpergew. |
Proport. Ge-,
sammtvertust
des Fettes, j
Tilgt, verab- |
reichtet |
Zucker in Qr.
Tägl. ansgeh.
COj , die der
normal geflltt.
Thiore-=l. 1
Lebensdauer
in Tagen.
140,8
08,2
0,035
0,460
13 Gr. j
0,810 j
14,2
ln mehreren der 5 Beobachtungen, aus welchen diese Mittelzahlen gezogen sind,
war der Verlust durch die Faeces noch sehr bedeutend. — Die Ausscheidung der
CO* bleibt hier immer noch sehr beträchtlich. Bei dieser Fütterungsart wird, wie bei
der vorhergehenden, die Umsetzung des Eiwcisscs gehemmt, wie die Becbachtungsreihe
lehrt, die Lehmann an sich selbst anstelltc; er fand, wie schon früher angegeben,
die täglich ausgeschiedenc Harnstoffmenge sehr vermindert Die Fütterung mit Zucker
schützt ebenso wie die mit Fetten das im Thierleibe enthaltene. Fettgewebe vor der
Umsetzung, indem die Menge der letzteren in den Thieren, welche bei Fett und Zucker
verhungert waren, beträchtlich höher geblieben ist, als bei Thfcren, die am Gesammt-
hunger starben. v
Letellier bestimmte den Fettgehalt in der Haut und im Netze durch Aus-
kochen, in dem gekochten Rückstände und in dem übrigen Thierc aber dadurch , dass
er dasselbe trocknete, pulverte und mit Aether auszog.
Eiweissartige Körper oder Leim und Wasser.. Die ausschliessliche
Fütterung mit eiweissähnlichen Stoffen hat bis dahin nur Boussingault bei Enten
in Anwendung gebracht; von seinen Bestimmungen an dieseu Thieren haben für uns
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Hungern bei Eiweiss und Saison.
686
nur Werth die der ausgeschicdenen Harnsäure. Eine hungernde Ente lieferte stünd-
lich 0,01 Qr. Harnsäure in die Faeces; eine mit reinem Leim und reinem Käse oder
gewaschenem und gepresstem Ochsenfleische gefütterte 0,41 bis 0,50 Gr. l)cr grossere
Gehalt der Faeces an Harnsäure war schon wenige Stunden nach der Fütterung mit
den erwähnten Stoffen eingetreten.
Eiweiss, Zucker, Wasser. Letellier führte eine Versuchsreihe an Tur-
teltauben aus , sie ergiebt in ihren «Mittelzahlen :
Mittlere« Körpergewicht '
ohne Keilern.
Zn lieginn. Zn Ende.
Tägliche propor- Proportionaler
tionnle Abnahme1 Gasaauntverlust
des Körpergew. i der Feite.
Täglich vcrnl>-
' reicht an Zucker j
, und KIweLvi.
Lebensdauer
in Ta^cn.
131,2
96,95
0,017 0,800
Zucker 10 Gr.
Eiweiss 12 „ j
17,17
Die Faeces waren sehr Aich an Harnsäure.
Eiweiss, Blutsalze, Wassor. An die eben gegebenen scliliessen sich eng
an Versuche mit Tauben, welche Schuchardt mit Hühnereiweiss und einem Salz-
zusatz fütterte in dem Verhältnisse, in welchem Salz und Eiweissstoffe im Hafer vor-
handen sind. Die Lebenszeit, welche eine dieser Tauben, die wir als Beispiel aus-
wählen, bei der unvollkommenen Fütterung erreichte, ist in drei gleiche Thcile ge-
theilt; die Mittelzahlcn der Einnahmen und Ausgaben aus jeder derselben sind in der
folgenden Tafel eingetragen. Das Anfangsgewicht des Thieres betrug 367,0 Gr.
Körpergew.
am Endo der
Periode.
Tägliche Nahrung.
Tägliche Ausleerung für die
Einheit de« Körpergewichts, j
Lebens-
dauer.
An Waaaer.
An EiwcIss i
und Salzen.
Durch Niere |
und Dann.
Durch Flaut
und Lunge.
1. Dritttheil. !
2.
3- »> I
330.0 ßr.
301.0 „
233,8 „ |
. 21,3 Gr.
i 17,3 „
1 U.S .. 1
3,2 Gr.
3,2 „
3,2 „
0,055
0,038
0,050
0,054 |
0,042
0,084 '
9 Tage.
Nach der Section stellte sich der proportionale Verlust der wichtigsten Einge-
weide folgendermaassen heraus:
Fett == 0,921 Haut 0,418 Lungen *= 0,042
Blut = 0,797 Herz — 0,424 Knochen = 0,038
Brustmuskeln = 0,507 Leber = 0,413 Hirn = -f. 0,074
Das Hirn hatte also mindestens keinen Gewichtsverlust erlitten.
Versuche mit .vollkommenem Ausschluss der salzigen Nahrungs-
mittel sind bis dahin noch nicht angestellt worden.
Vollständige Nahrung.
Unter einer vollständigen Nahrung ist diejenige begriffen, welche
sämmtliche, zur Lebenserhaltung nothwendige Nahrnngsstoffe ent-
hält. Die vollständige Nahrang kann aber ihre einzelnen Getneng-
theile in sehr ungleichen Verhältnissen enthalten, z. B. vorzugsweise
aus Eiweisskörpern oder Amylaceen und Fetten bestehen, wie dieses
■- — ' »igle
Vollständige Nahrung; Mensch nach Barral.
687
z. B. bei den natürlichen Speisen der Thiere (Fleisch, Körner, Gras)
der Fall ist. — Die Nahrung mit gleichem prozentischem Gehalt
ihrer Gemengtheile kann demselben Thier in ungleichen Mengen
gereicht werden. — Das Thier kann zwar von derselben Art,
aber an Alter, Gewicht u. s. w. verschieden sein, sich während der
Fütterungszeit ausruhen oder anstrengen, mehr oder weniger ab-
klililen u. s. w. — und endlich, es können Thiere aus verschiedenen
Familien, Ordnungen, Klassen methodisch gefüttert werden. Es
bleibt also auch hier eine unendliche Variation des Versuchs möglich.
Mensch. Die nachstehende Beobachtung ist von Barral*)
(47,5 Kilo schwer) an Bich selbst angestellt.
I. Beobach tungszeit 5 Tage. Mittlere Temperatur — 0,54^pC. Barometer 750,11 MM.
Angenommen.
FUr 1 Kilogr. In 24 Stunden io Gr.
C.
H.
X,
0.
| BO.
j Summe.
ln den Nahrungsmitteln.
1,2
0,6
7,0
42,1
Durch die Lunge.
—
' 22,3
—
i
Entleert.
Durch die Verdunstung.
7,06
1 1,09
0,31
2S,94
17,31
54,71
„ die Niere.
0,32
0,06
0,23
0,17
22,56
23,34
„ den Darm.
0,32
0,05
0,06
0,19
2,23
2,85
Der C und H, der durch Verdunstung entleert wird, giebt oxy-
dirt fllr 47,5 K. C02 = 1230,9 Gr. und HO = 1287 Gr.; für
1 K. COj — 25,91 Gr., HO — 27,08 Gr.
XL Beobachtungszeit 5 Tage. Mittlere Temperatur + 20,18° C. Barometer 754,40 MM.
Für 1 Kilogr. in 24 Standen in Gr.
Aufgenoininen.
C.
II.
N.
0.
HO.
Somme.
In den Nahrungsmitteln.
5,e"
0,9
0,4
4,0
38,8
I
Durch die Lunge.
- 1
16,4
Entleert.
■
Durch die Verdunstung. 1
5,12
0,81
0,16 !
20,13
87,06
43,28
„ die Niere.
0,29
0,06
0,21
0,15
20,59 ;
21,30
„ den Darm.
0,19
0.03
0,03
0,12
1,15 1
1,52
') StAtique chimique des Hoimaax. Paris 1BS0. 230.
688
Vollständige Nahrung. Katze.
Der C und H, der durch Verdunstung entleert wird, giebt oxy-
dirt für 47,5 K. COs = 888,4 Gr. und HO = 1158,0 Gr.; für
1 Kilo CO. = 19,70 Gr. und HO = 24,37 Gr.
Um diese Tabelle entwerfen zu können, hat Jiarral geradezu bestimmt die Menge
und Zusammensetzung seines Nahrung (Fleisch, Gemüse , Kartoffeln, Brod, Zuckerwerk,
Butter, Senf, Fleischbrühe, Milch, Kaffee, Wein), seines Harnes und Kothes. Da bei
der cingchaltenen Lebensweise das mittlere tägliche Gewicht des Gcsammtkörpers sich
unverändert enthielt, so ist annäherungsweise die Annahme erlaubt, dass die täglich
ein- und ausgehenden Atome wie an Zahl so auch an Art einander gleich waren , so
dass sich die Zusammensetzung des Organismus unverändert erhielt. Unter dieser Vor-
aussetzung kann man aus den direkt erhaltenen Bestimmungen mittelst einfacher Sub-
traktion der sensiblen Ausleerungen von den Speisen ableiten, welche Menge der mit
der Nahrung eingeführten H, C, N, 0 ihren Weg durch Haut und Lunge nehmen
musste. Wir wollen den ^ialtenen Unterschied den Verdunstungsrest nennon. Da
nun ferner erlaubt ist , anzunehmen , dass der C, H und 0 aus der Haut und Lunge
nur als Wasser und Kohlensäure austreten, so lässt sich auch berechnen, wie viel 0
noch zu dem Verdunstungsrest geführt werden muss, um seinen H und C zu oxydiren.
Dieser Sauerstoff muss aber im freiem Zustande zum grössten Theile durch die Lun-
gen aufgenommen sein. Obwohl man anmöglich verkennen kann , wie viel Gewagtes
diese Annahmen enthalten , so ist doch einzuschen , dass sich das Kesultat nicht all-
zuweit entfernen kann von der Wahrheit, vorausgesetzt, dass Speisen und Ausleerungen
genau analysirt und die Beobachtungen über mehrere Tage fortgesetzt werden.
Katze.
Die folgenden Versuche sind von Bidder und Schmidt an-
gestellt.
I. Mittleres Gewicht des Thicrcs 3,228 K. Beobachtungszeit 9 Tage.
FQr ! Kilogr. ln 24 Standen ln Gr.
Aii (genommen.
* •
Wasser.
c.
11.
N.
o.
Salze.
Im Fleisch, Fett u. Wasser.
60,164
6,209
0,851
1,390
2,184
0,441 '
Durch die Lunge.
.
18,632
—
Entleert.
■
Durch dio Verdunstung.
9,569
5,542
0,644
0,008
19,932
„ die Niere.
49,877
0,592 .
0,197
1,380
0,853
0,409
„ den Dann-
0,71b
0,075
0,010
0,002
0.031
0,032
Der C und H des Verdunstnngsrestes oxydirt giebt für 3,228 K.
COi = 65,60 Gr. und HO — 49,59 Gr.; für 1 K. aber COi =
• 20,322 Gr. und HO = 15,368 Gr.
ifjifepq jw Google
Vollständige Nahrung; Katze.
689
IL Dieselbe Katze unmittelbar nachher dem Versuch unterworfen. Mittleres
Gewicht 3,22* K. Beobachtungszeit 51 Stunden.
An Speise.
Wasser.
c.
" N.
0.
Salze.
Trockncs Fleisch und Col-
lagen 21,0 Gr.
-
11,15
1,17
3,38
1,80
1,07
Fett 5,09 Gr.
—
3,99
0,60
—
0,53
-
Wasser
95,95
—
—
—
f
Sumo».
95,95
15,12
2,07
3,38
5,13
1,07
Ausgegeben.
Durch die Niere.
«5,71
1,03
0,34
2,40
1,42
0,63
„ den Darm.
2,01
0,15
0,21
• 0,01
0,00
0,13
„ die Lunge.
d
0,23
s
>
—
,, die Verdunstung u.
Zunahme des Körperge-
wichtes.
28,23
4,71
1,52
0,97
0,31
Dem Gewichte nach vertheilen sich die L'eberschtlsse der Ein-
nahme Uber die ganze Nieren-, Darm- und die beobachteten An-
tlieile der Lungenausscheidung in der Art, dass 17,15 Gr. auf die
Verdunstung und 31,39 Gr. auf die Zunahme des Körpergewichts
fallen.
III. Eine andere Katzo von 2,177 Kilogr. gab (Beobachtungszeit 8 Tage):
Angenommen.
r
Für 1 Kilogr. ln 24 Stunden ln Or.
Wasser.
c.
H.
*
O.
Salze.
Im Fleisch, Fett u. Wasser.
101,74
18,80
2,60
3,95
0,36
1,29
Entleert.
Durch die Niere.
82,11
1,53
0,51
3,58
2,21
0,99
„ den Darm.
1,99
0,29
0,04
0,01
0,14
0,24
„ die Lunge.
i
9,32
>
?
?
—
„ die Verdunstung u.
Zunahme des Körperge-
wichtes.
17,64
7,64
2,01
0,36
0,00
Dem Gewichte nach vcrtbeilt sich der Einnahmetlberschuss
Uber die Ausgaben durch Niere, Darm und den beobachteten An-
theil der Lungenausschcidung so, dass auf die Verdunstung 9,3(5 Gr.,
auf die Zunahme des Körpergewichts 18,35 Gr. fielen.
Hund. Aus den Beobachtungen, welche Bischoff an zwei
Hunden, vorzugsweise mit Rücksicht auf die Hamstoffausscheidung
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 44
Digitized by Google
690
Vollständige Nahrung; Hund.
anstellte, heben wir folgende hervor. Der N der Ausgabe bezieht
sich immer auf den, welcher im entleerten Harnstoffe enthalten ist.
Steht das Körpergewicht unter der Hinnahme, so bedeutet dieses
eine Verminderung, steht es unter der Ausgabe, so bedeutet dieses
eine Vermehrung desselben.
I. Hund mit einem mittleren Gewicht von 31,297 Kilo-Gr. Beobachtungszeit 8 Tage.
FHr 1 K l l *• Hund in 24 Stunden in Gr.
Kar-
toffeln.
Fett.
Wnaaer.
Kothi
Ham.
V«.
diiiutaoir.
N.
Körper-
gewicht.
Aufgenommen.
Ausgegeben.
28,95
6,53
•
19,12
8,02
17.65
2?>.S7
0,150
0,200
2, OS
An demselben Hunde , als er im Mittel 30,107 Kilo wog, gal
die- Vergleichung des mit den Kartoffeln ein- und dem Harnstoff
ausgeschiedenen .Stickstoft7|uantums Folgendes :
II. Beubaohtunguzeit 7 Tage.
Kür 1 K ilo Hund
auf '24
Stunden ln Gr.
Kartoffeln.
Fett.
N.
Aufgenommen.
49,22
8,28
0,255
Ausgeschicdon.
~ |
| 0,138
III. Derselbe Hund mit einem mittleren Gewichte von 35,16 Kilo. Beobachtung»*
zeit 15 T&go.
Für 1 Kilo Hund auf 24 Stoa den In Gr.
Flelach.
Wiuacr.
Koth.
N.
Körpcrgew.
Atifgenoinmen ....
74,79
?
2,01
.
Ausgegeben
—
. ?
.,62
1,73
9,57
Die folgenden Tafeln beziehen sich auf einen zweiten Hund.
L Körpergewicht 12,5 Kilo. Beobachtungazeit 14 Tage.
Für 1
; Kilo n u n d
ln 24 Stunden in Gr.
Flelach. |
Waaaer.
Koth. j
Hnr». Verdünnt#. , N.
K. - Gew.
Aufgenommen. 47,14
1,19
1 -
1,42
• 0
Ausgogeben. | —
—
1,84
20,70 21,79 0,84
i <*
Yullatäiuiige Nahrung; llnud.
691
II. Körpergewicht im Mittel 1 (>,44 Kilo. Bcobachtungaaeit 6 Tag«.
Fiir
Kilo Hund au f 24
Stunden in Gr.
ndach.
Wiuuor.
Roth.
Harn.
Vcrdmistg. N.
K. - Gew.
Aufgenoninien.
45,62
4,11
1,37
4,5«
AUHgOgcbüQ.
—
| 1.3«
30,25
20,47 1 1,17
T
IU. Körpergewicht
7,82 Kilo.
Beobaehtungszeit 8 Tage.
Für 1 K 1 To Hund auf 2t
Stunden in Gr.
llefich.
Wasser«
KuUi.
Harn.
Vcrdunstg. , JK.
K. - Gew.
Aufgenommnn.
42,ol:<
NfüT
—
1,27
0
Auagegeben.
-
—
1,42
22,5s
*2 1,82 0,85
0
IV. Mittleres Körpergewicht 17,75 Kilo. Beobach tu ngszcit 15 Tage.
Für 1
Kilo flund nuf tH Stunden in
Gr.
:
Fett.
Fleisch. ,
Wasser.
Koth. Harn.
Ver-
dunstung.
N.
1 Körper-
1 gewicht.
Aufgctioimiicn. !
Ausgcgcben.
7,10
42,25
«,77 !
2,51 | 23, «S ]
; 24,29
1,27
0,57
5,31
V. Mittleres Körpergewicht 13,5
Kilo. Beobachtungszcit 14 Tage.
Für 1
1 Kilo Hund auf 24 Stunden In Gr.
Fett.
1
: Fleisch.
Wasser.
Koth. Horn.
Ver-
dunstung.
1 *
Körper-
gewicht.
Aufgenomnien.
Auagegeben.
j 9,73
! 35,52 f
15,34
_ i _
M7 | 21, #6
24, «9
! 1,07
0,77
i -
i 6,37
Vom 6. bis 9. Tag erhielt das Thier, weil es durch das reich-
lich genossene Fett zum Erbrechen gebracht wurde, nur Fleisch.
Einen dritten Hund hat Bisch off gemeinsam mit Voit*)
liinger als ein Jahr dem Versuche unterworfen. Bei diesen mit
ungewöhnlicher Ausdauer und Sorgfalt ausgefllhrten Beobachtungen
wurde täglich bestimmt das Gewicht des Thieres, Gewicht und Zu-
sammensetzung des Futters, Gewicht und Zusammensetzung des
Kothes, namentlich dessen Wasser-, Zucker-, Fett- und N-Gchalt;
das absolute und spezifische Gewicht des Harns, dessen llarnstoff-
und N-Gebalt nnd zuweilen auch der NaG-Gebalt desselben. — Als
•) Die Gesetze der Ernährung dt« Fleischfresser». 18dU.
44 *
' Digitizecf by Googl
692
Beine Fleisch nahrung ; Hund.
Nahrungsmittel wurde verwendet mageres Kuhfleisch [mit folgender
Zusammensetzung: Wasser = 75,9, feste Theile 24,1; in 100 Gr.
der letztem : C 51,95; H 7,18; N 14,11; 0 21,37; Salze 5,39],
ferner ausgelassene Butter, Milch- oder Traubenzucker, Stärke, Brod
[mit 53,65 festen Theilen und in 100 Gr. dieser C 45,41 ; H 6,45 ;
N 2,39; 0 41,63; Salze4,12]; feinen Leim [mit 82,37 festen Theilen;
in 100 Gr. derselben: C 50,00; H 6,50; N 17,31; 0 25,11. — Aus
dieser umfassenden Arbeit kann nur ein kurzer Auszug gegeben
werden. Die in ihr niedergelegten Zahlen dürfen sich noch auf
viel mannigfachere Weise, als es von den Verfassern geschehen
ist, zusammenstcllen und zur Lösung von mancherlei andern Fragen
benutzen lassen.
Die Bedeutung der Zahlen in den folgenden Tabellen erhellt
aus den Ueberschriften ; unter corrigirtem Körpergewicht ist das am
Anfang eines jeden Versuchstages gefundene Gewicht des Thieres
zu verstehen, nachdem von diesem der Koth in Abzug gebracht
wurde, welcher noch von den vorhergehenden Versuchstagen im
Dann zurückgeblieben war. Alle andern Zahlen beziehen sich auf
einen Zeitraum von 24 Stunden.
Reine Fleischnahrung.
A. Reihe mit sinkender und aufsteigender Fleischfütterung. Die
in dieser Reihe verzcichneten Beobachtungstage folgen unmittelbar
aufeinander. Vor Beginn derselben war die grosse Fütterungsreihe
mit Brod vollendet, welche unter E (p. 697) erwähnt ist.
Corrlgirtci»
•
Stickstoffgehalt in Gr.
!l|
gewicht in
Fleisch
in Gr.
Wasser
in Or.
Ilurn
iu C.-C.
Harnstoff
in < • r.
des
de«
de«
K 1 1 > ■ .
Fleisches.
Harnstoffs.
Kothes.
». 34,317
213
1751
80,850
40,532
|
34,032 |
5
1428
11 8,524 1
55,314 ,
33,889 [
310
1599
131,750 1
61,490 1
38,905 /
1800
137
1313
120,790/
01,20
56,436
0,90
424
34,052
340
1401
131,694
01,460
34,300 '
18
1185
123,714
57,730
34,410 ,
120
1213
123,626
57,694
b. 34,020
34,713 \
1500
10
10
990
1003
108,50
108,12
51,00
50,63
50,44
0,80
341
c. 34,785 /
34,773 |
1200
0
0
830
809
89,81
87,37
40,80
41,91
40,77
0,64
328
d. 34,700 |
34,000 \
000
0
0
071
015
69,784
65,805
30,60
32,56
30,71
0,46
334
c. 34,5! (
34,28
000
0
0
465
450
49,848
48,650 1
20,40
23,26
22,47
0,32
313
Diqilizcd liv C '.noole
Reine Fleischnahrung; Hund.
693
Corrlgirtaa
Körper-
gewicht ln
Kilo.
Fleisch
In Gr.
Wasser
ln Gr.
Harn
ln C.-C.
Harnstoff
in Gr.
Stickstoffgeh al
des 1 des
Fleisches { Harnstoffs.
in Gr.
des
Kothes.
S&g
5 *2
*<=1
f. 34,10
33,14
300
P
0
320
317
32,640
32,651
10,20
15,23
15.23
12,18
12.23
: oje
; 295
g. 33,42
33,03
tis
0
0
214
258
21,400
26,212
6,20
0,09
301
h. 32,61
1
0
186
16,920
1,90
32,15
0
0
110
11,000
0
1,93
'
211
31,66
1
0
156
15,156
1,35
i. 31,23
I- ,
315
1050
91,650
45,513
31,94
31,14
1S00
105
150
1424
1416
131,008 1
135,192
61,20
61,140
63,313
* 0,55
451
31,12
120
1339
131,222
61,333
k. 31,11 |
162
161$
155,328
12,490
32, OS
2500
268
1865
119,040
$5,00
83,558
0.11
566
32,29
382
1914
183,164
85,162
1. 32,56
32,50
2000
232
136
1618
1409
161,088
142,309
68,00
15,10
66,41
0,62
519
32,52
|
B. Versuchsreihen mit grossen Fleischmengen, nachdem vor-
gängig verschiedenes Futter gereicht worden war.
a. Der folgenden Fütterung ging eine Nahrung aus 1000 bis
1500 Gr. Fleisch und 250 bis 300 Gr. Fett voraus.
Corrlglrtes
Körper - Gew.
iu Kilo.
Fleisch
In Gr.
Wasser
In Gr.
Ham
in C.-C.
Harnatoff
in Gr.
Ötickstoffln G
Im Fleisch. Harnstoff.
31,990
1305
150,051
10,030
38,182
2200
0
1310
146,120
14,198
68,412
38,184
1490
166,880
11,881
38,100
2660
0
1611
181,451
90,438
84,680
38,360
2900
0
1540
115,56
98,597
81,932
38,190
Erbrechen
0
619
16,121
35,096
35,890
31,620
0
1212
145,008
61,614
31,910
2200
0
1510
163,080
\ 14,198
■ 16,108
31,980
0
1495
158,410
13,956
38,000
0
1505
153,510
11,641
38,040
0
b. Der folgenden Reihe ging voraus eine Fütterung mit
150 Gr. Fett und mit Fleisch, welches letztere absteigend von
1500 Gr. bis auf 400" Gr. gereicht wurde.
Digitized by Google
694
Reine l'leischnahmng ; Hund.
c. d. Dcu folgenden Reihen, von denen die erste 4 Monate
früher fiel als die letzte, ging eine Kost aus Brod und Brühe voraus.
In der zwischen beiden Reihen gelegenen Zeit war der Hund durch
Fett und Fleisch gemästet worden.
Corrifflrtos
KönuTg» Fleisch
WUht In ln fjr
Kilo. ' r-
Wasser Hnnt
ln <.'r.
Harnstoff
In (?r.
L
N-Gehalt I
de» de»
Flclaches. Hariutoff«
c. 32,80 1
0 1384
11 6,256 1
54,25
32,66 I 2000
145 1458
128,304
OS, 000 59,S7
32,55 1
335 1150
136,300
63,61
32,72 )
•V 1
d. 38,79 ]
132 1 1096
108,604
50,038
36,72 J
218 1208
123,216
! 57,503
36,71 1
275 1241
123,852
57,601
38,71 I
132 1275
127,500
! 59,50
38,67 [ .
218 1270
129,290
61,20 60,34
38,60 > 1800
447 1290
129,258
60,32
38,06 1
295 1220
126,392
58,98
38,51 1
411 1344
126,336
58,96
38,38 1
443 1305
127,890
59,68
38,49
317 1276
127,600
59,50
38,37 I
de»
Kolbe».
S 2®
- *■£
0,62
0,67
664
•t . -
Diaitized bv Google
695
Fett und Fleisch; Hund.
Fütterung mit Fett und Fleisch.
C. In den nächstfolgenden Versuchen ist ein und dieselbe Menge
von Fett mit immer steigenden Mengen von Fleisch verbunden. —
Die zu einer Reihe mit gleichem Fettgehalt gehörenden Beobach-
tungen sind zum Thcil nieht unmittelbar nacheinander angestellt.
a. Ihr voraus ging eine Fütterung mit 150 Gr. Fleisch und 100 Gr.
Zucker.
Corriglrtes
Kürporgo-
wlrht in
Fleisch
Fetl 1
Wasser
Harn
8t icksto ff in
Gr.
in Gr.
in Gr.
in Gr. I
in C.-C.
ln Gr. !
des des
de»
Fleisches, Harnstoffs.
Kothes.
28,35 | |
0 350 15,05
28,13 1 J
5 213 14,67
27,97 I J
307 : 186 15,62
23,10 1 1
500 ] 334 17,50
23,38 [
280 293 15,62
28,36 > 150 > 250
313 I 393 13,99
28,20 l l
273 | 264 13,62
28,19 l
410 312 1 18,10
28,32 1 1
310 412 16,32
28,27
220 1 352 15,35
23,19 1 1
5,10
i
7,02
6.34
7,20
3,18
7,29
6,5.9
6.35
8,45
7,62
7,16
• 0,65 N.
b. Zwischen der vorhergehenden nnd der nun kommenden Reihe
liegen drei Tage, während welcher 250 Gr. Fett, 250, 350, 450 Fleisch
gefüttert wurden. — Die folgende Reihe, welche 32 Tage anhielt,
ist durch 5 Zahlenreihen wiedergegeben. Die Körpergewichte sind
genommen vom 1., 9., 17., 25., 33. Tage; das Wasser, der entleerte
Harnstoff und also auch der N desselben in einer jeden Reihe ist
das Mittel aus dem 1. bis 9.; dem 9. bis 17. u. s. f. Tage. Der
N des Kothes ist das Mittel aus allen Tagen.
Je .
sä
I3
>
1 ® £
« > v .
II«
u»
UL
Am
1 • Tag
28,25
Ara
9. Tag
, 30,10
Am
17. Tag
1 31,33
Am
25. Tag
32,40
Ara
33. Tag
33,37
Fleisch
in Gr.
Fett
ln Gr. |
Wasser ln Gr. ,
Harn-
stoff
in Gr.
N-Geh.lt
des d. Harn-
Fleisches . 1 Stoffs
des
Kothes.
i Mittel für jo
8 Tage
J |
1 — 8 = 215
28,503 |
[ 13,302 |
250
9_16= 109
131,744 /
> 17,00 >
| 14,815/
> 0,73
17-24= 114
31,5 41 |
1 14,720 |
25-32= 137
131,184 <
I 14,554 ■
Digitized by Google
696
Fett und Fleisch; Hund.
c. d. Zwischen b und c liegen 3 Tage mit 750 Gr. Fleisch
und 250 Gr. Fett. Zwischen c und d 3 Tage mit 1250 Gr. Fleisch
und 250 Gr. Fett.
Corrlglrtee
N - G e h a 1 1
Kör|iorjc<>-
gewicht ln
Kilo.
Fleisch
in Gr.
Fett
ln Gr.
Wasser
ln Gr.
Harn
ln C.-C.
Harnstoff
in Gr.
des
Fleisches
des
Harnstoffs.
des
Kothes.
c. 34,06
122
545
62,13
28,99
34,16
1000
250
90
530
58,30
34,0
27,20
1 ,42
34,49 I
30
555
61,61 I
28,75 1
34,61
|
d. 35,67
0
853
98,94
46,17
44,16
35,06
0
830
91,62
51,0
10,4
36,39
1500
250
47
876
99,86 1
46,00 1
36,71
0
870
100,05
46,78
36,97
•
c. Der folgende Versuch wurde 141/* Monate später als der
soeben verzeichnete unternommen ; ihm unmittelbar voraus gebt eine
Nahrung von 1800 Gr. Fleisch.
38,58
130
! 1119 |
| 117,94
i 55,04
l
38,87 1
193
i 1124 i
1 13,52 |
1 52,98
j
39,25
160
i 1210
120,76
| 61,20
' 56,35
1
39,44 (
> 1800 |
> 250
25
1 1115
115,74(
54,01
[ 0,75
39,64 (
473
1174
1 19,75 (
55,88
40,01
281
1226
127.50
59,51
1
40,18 I
495
1167
130,00 1
60,67
1
40,30 ,
]
f. Diese Reihe liegt der Zeit nach zwischen d und e. Un-
mittelbar vorher ging eine Fütterung mit 2000 Fleisch und 200 bis
' 300 Stärke.
34,72
0
1428
131,38
34,58 1
2000
250
200
1432
140,34
68 .
34,64
125
1429
136,04
1
34,86
0,55
g. h. i. k. Reihe aus Fett und Fleisch; wie in den vorhergehen-
den änderte sich bei gleichem Fett das Fleischgewicht. Die Zah-
len sind Mittelzahlen mit Ausnahme der in den beiden ersten Co-
lumnen verzeiehneten. Die Versuchsreihen, aus denen sie gebil-
iqitize
Zucker und Fleisch ; Hund.
697
det sind, liegen unmittelbar hintereinander, sie folgen auf eine sehr
reichliche Fleischnahrung.
k
i*
© ©
l!
Fleisch
in Gr.
Fett
ln Qr.
Wasser
in Gr,
Ham - .. _
niCDjrc «smstoir
In C.-C. 111 Gr-
Stickstoff in
Grammen.
des Id. Tfarn-| des
Fleisches, j Stoffes. | Kothes.
if
B
V
38,04
+ 30
1500
150
0
1077 108,76
51,0
50,76
0,.*>2
2 Tage
38,61
+ :,1
1000
150
0
656 73,34
34,0
34,27
0.5.5
3 „
40,48
— 455
700
150
0
509 53,41
23,8
25,86
0,58
5 „
39,03
— 70
400
150
105
292 | 34,89
13,6
16,10
0,25
2 „
Die folgenden Beobachtungen sind so geordnet, dass das
Fleisch constant und das Fett veränderlich gemacht wurde.
1. m. p. Der Beobachtung voraus ging die p. 674 hingestellte
3. HuDgerreihe, darauf 1 Tag mit 1500 Fleisch und 100 Fett.
Corrlgirtea
Körperge-
wicht in
Kilo.
37,31
37,34
37,29
37,22
37,18
37,24
37,50
37,49
37,55
37,72
37.90
37.91
Fleisch
in Gr.
Fett Wasser
in Gr. in Gr.
Harn
in C.-C.
Harnstoff
in Gr.
I 193
405
33,21
178
384
33,79
500
ioo ; 30
319
30,62
, " .
'■
186
359
37,77
| 552
456
35,57
500
200 i2i
347
32,62
| 132
319
32,857
„ 542
558
34,373
500
300 | 288
338
29,203
Stickstoff Io Graptmeu
de, | des ] du
Fleisches., ilsrnstoffes. Rothes.
15,49 )
15,77 )
•17,00 13,71 1 0,62
17,62 )
16,60 t .
17,00 15,22 (
15,30 1
16,00 I
17,00 13,62 ( °*50
o. Die kommende Beobachtung liegt etwa 2 Monate später als
die vorhergehenden und sie folgt einer Fütterung aus Fleisch und
Zucker.
\ 1
243 1
363
38,473
17,90 \
1 |
598 |
438
39,682
17,00
18,00 1
> 500
250
150 \
402 |
703
75,924
17,71 }
17,71 l
• Die folgenden ßeihen p. q. r. sind repräsentirt durch eine
Reihe von Mittelzablen ; sie folgten unmittelbar auf eine Nahrung
aus Fett und Leim.
Digitized by Google
Fleisch und Traubenzucker; Hund.
698
«IQ i •
V i J Sh i
t u 1 >0 '
Üfe-S 5 - Fleisch
£i; 1 ' ln Gr.
UJ 1 * cs
js o“
Fett
Ifi Gr. |
Wasser
ln Gr.
i
Harn
In C.-C.1
Harnstoff
In Gr.
Stickstoff
In Gr.
des de«
Fleisches. Harnstoffes,
! *4
i s s
1 41
JJ
35,60 — 1050 i 176
50
624
187
17,67
6,20
6,24
4 Tage
34,55 — 300 176
! 200
681
: 276 |
18,10
6,20
S,58
1 „
34,25 ± 0| 17«
300
634
! 249 1
16,25 |
6,20 |
8,52
: 3 ..
D. N ahrung aus Fleisch und Traubenzucker.
Die folgenden Reihen a. b. c. stellen in Mittelzahlen drei auf-
einanderfolgende Versuchsreihen dar. Ihnen voraus ging eine Reihe
mit Fett- und Fleischnahrung.
Das Körpergewicht ist vom Anlang jeder Reihe genommen.
Die Gewichtszunahme ist die gcsammte, während je einer ganzen
Reihe eingetretene. Das Vorzeichen -f- bedeutet einen Zuwachs,
— eine Verminderung.
U : 3»
I* -5,
|= i •ES
3 41 «
Fleisch
In Gr.
i hi
\ k
Wasser
ln Gr.
Han»
in C.-C.
i
Harnstoff
in Cr.
Stickstoffgeh alt
IdOi.
de« d. Hnrn-| de«
Fleisches. Stoffes. : Kothcs.
i ■
f S
fl
>
36,391+ 127
500 i
300
303
350
32,73 J
17,0 15,27
0,56 :
3 Tag?
36.51 — 70
500 !
200
314
366 :
35,56
17,0 , 16,60
0,56
3 „
36,52 — 700
500 |
100
254
332 j
37,60
17,0 1 17,70
0,56 !
3 „
d. Der folgenden Reihe ging in Fütterung nur Fett und Fleisch
vorher.
28,47 — 120 j 150 bi*°3<lü! 208 ! 130 I 13,42 5,1 j 0,23 1,35 ! 6T»se
34,74 1 + 200 2000 j 200 | 0 1 1288 ! 134,25 68,0 ! 62,65, 1,72 |3T»gt
Dasselbe Resultat giebt eine Reihe mit 2000 Gr. Fleisch und
100 Gr. bis 200 Gr. Milchzucker.
E. Nahrung aus Fleisch, Fett und Stärke.
k •
iS 1
es
3« Fleisch Stärke i Fett Wasser
o a
o.
|ln Gr. In Gr. 1 In Gr. in Gr.
c. - c.
ln Gr. dp* d. Ham- des
« -a
s
Sf I
»I 1
Fleisches.1 stoffc*. Kothes.
>
31,93
610 1 500 j 250 250 175
640
39,25 17,0 18,33 0,66
. ’ 1 J 1
1 Tage
Digitizedüy'Google
Brrtd , Leim; Hand.
699
F. Nahrung aus Brod.
In der folgenden Tabelle, welche Uber eine während 41 Tage
fortgesetzte Brodnahrung Auskunft giebt, sind die Mittclzahlen
aus je 6 Tagen zusammcngestellt.
Stickstoff in
z .
äg>
fc3
>
ö
g|S
1 3 1? e i
1 «5 « —
s ^
Brod
in Gr.
Wasser
ln Gr.
Harn
in C.-C.
Harnstoff
in Gr.
1
Koth
in Gr.
des
Brodes.
Grammen
di*
Harnstoffes.
des
Käthes.
t bis 6
34,39
500
561
364
20,79
166
6,4
9,7
i.t
7 „ 12
31,46
626
574
149
21,18
152
8,0
9,9
1,0
1» „ IS
33,96
i 676
696
670
23,71
17s
1 6,7
11,0
1,2
19 „ 24
34,29
S96
1001
964
27,59
226
11,5
12,9
1,5
25 „ 30
34,26
843
764
809
25,91
270
10,8
12,0
1,8
31 „ 36
34,26
| 966
990
882
27,21
357
12,4
12,7
2,3
37 „ 41
34,72
1 911
597
723
, 26,01
290
, 11,7
1
12,1
i 1,9
G. Nahrung aus feinem französischen Leim.
Corrlglrtea
Körpergewicht
in Kilo.
Loim in
Gr.
Wasser
In Gr.
Ilaru
in C.-C.
Harnstoff
in Gr.
Stickstoff In Grammen.
des 1 <l«s des
Leims. | Harnstoffs. Kothes.
37,06
692,2
580
63,800
29,776
36,64
> 200
792,0
745
67,050
34,62
31,292
' 0,26 j
36,68
930,0
i 744
66,216
30,913
30,44
H. Nahrung aus feinem französischen Leim.
Ms
t!s
* Htickstoffin
Leim
In Or.
Fett
in Gr.
Wasser
in Gr.
Ham
in C.-C.
Harnstoff Grammen
ln Gr.
des des des
Leims. Harnstoffs. Kothes.
36,25
1 1
1026
790
.63,20
29,50
36,31 1
36,47 1
1
I 200 I
r 200
1302
767 ’
878
853
' 55,84 1
69,95 1
| 34,62
26,06
32,64
36,15 1
J
J
36,09 ]
l
1
685
325
34,15 1
16,08
35.89 1
50 1
}
828
256
24,63 1
11,55
35.76 1
1
382
289
26,59 |
12,41
35,44. ]
I
1
i
35,44 ,
L 1
778
318
32,75 1
15,29
35,11 |
1
752
356
38,52 |
17,31
17,98
34,76 ,
10°
> 200
723
333
38,30
I7,S7
Digitized by Google
700
Vollständige Nahrung; Turteltaube.
Turteltaube. Folgende Zusammenstellung giebt Boussin-
gault:
I. Mittleren Körpergewicht 186,08 Qr. Beobachtungszoit 7 Tage.
Fllr 1 Kilo Taube auf 24 Stunden in Gr.
Eingenommen.
Wasser.
c.
i H.
N.
0.
Salze.
K.-Gew.
In der Speise . . . . !
12,74
35,98
4,88
2,56
32,55
2,00
0,94
Durch die Lunge . .
—
— j
107,10
—
Ausgegcben.
Durch Darm und Niere. .
29,89
7,50
28,28 1
j — 1
0,92
1,69
6,38
1,98
„ V erdunstung.
18,39
3,96
0,87
26,17
0,02
1 —
Der H des Verdunstungsrestes entspricht 35,64 Gr. HO; ad-
dirt man dieses zur Einnahme und zieht yon der Summe das Wasser
des Harnes und Kothes ab, so gewinnt man die Zahl, welche in
die Reihe Verdunstung eingetragen ist — Der ausgeathmcte C ist
an derselben Taube auch noch auf direktem Wege geprüft und
ganz nahe übereinstimmend mit dem auf indirektem Wege erhal-
tenen gefunden worden.
II. Eine Turteltaube von 175,6 Gr. Körpergewicht gab durch
die Verdunstung 20,32 Gr. C. auf die mittlere Tagesstunde; dieses
Thier Hess Boussingault 216 Stunden hungern, wobei sein Ge-
wicht auf 112,5 Gr. sank. Als darauf wieder die gewöhnliche
Portion Hirse gereicht wurde, nahm das Körpergewicht und der
ausgehauchte C folgendem) aassen zu. — Die Zeit ist von der ersten
Stunde des Fressens an gerechnet
Zeit in Standen. -
Körpergewicht.
Zeit in Stunden, j
C in einer mitt-
leren Tagesstunde.
nach 48
143,7
noch 24
0,168
„ 168
150,1
„ 48
0,206
0,249
0,250
„ 480
157,3
„ 84
„ 264
Digilizai by Google
/
Zu geringe Nahrung ; Turteltaube.
701
Fütterung mit einer zu geringen Menge volletandiger Nahrung.
Die Verbuche won Chossat Hessen sich, wie folgt, zusammenstellen.
Thier.
Gewicht
desselben.
Tägliche
Nahrung.
Gewicht der
tägl. Kndaua-
gaben fllr die
Gew. d. tägl.
Futters auf
die Gewichts-
einheit des
Thieres.
Unterschied
der Einnahme
und Ausgabe.
Wasser.
Körner.
Einheit dea
Körpergew.
150,15
18,97 Gr.
16,57 Gr.
0,237
0,237
0,000
! 139,01
9,19 „
8,29 „
0,172
0,125
0,047
laube 1.
119,78
3,30 „
4,14 „
0,089
0,062
0,027
99,19
2,40 „
2,07 „
0,095
0,045
0,050
Taube 2.
149,0
0,00 „
0,00 „
0,057
0,000
0,057
136,9
23,50 „
17,03 „
0,296
0,296
0,000
133,7
9,78 „
8,55 „
0,205
0,148
0,057
Taube 3.
100,9
4,53 „
4,27 „
0,125
0,087
0,038
86,1
1,49 „
2,07 „
0,101
0,041
0,060
Taube 4. |
132,0
0,00 „
0,00 „
0,057
0,000
0,057
Aus dieser Tafel geht hervor, dass die Ausgaben mit den Einnahmen abnehmen,
jedoch keineswegs in der Art, dass die Abnahme beider proportional geht, da bei
ungenügender Nahrung die Ausgaben das Gewicht der ersteren überwiegen. Daraus
folgt, dass die Thiere auch in diesem Falle dem langsamen Hungertode entgegengehen,
der sich einfindet, sowie die Abmagerung der wichtigen Organe auf einen dem früher
erwähnten ähnlichen Grad gediehen ist
Die zusammengestellten Thatsachen beantworten zunächst fob
gende Fragen; 1) Wie ändern sich die Gewichte und die Zusam-
mensetzung der Masse des gefütterten Thieres beziehungsweise die
Ausgaben desselben einerseits mit dem Gewicht nnd der Mischung
des Thieres, bevor es in eine Ftltterungsreibe eintrat, und ander-
seits mit dem Gewicht und der Mischung des Futters , das es wäh-
rend der Reihe erhielt. 2) Wie vertheilen sich die Ausgaben des
thierischen Körpers auf die einzelnen Ausscheidungswerkzeuge mit
der Aenderung der Nahrung.
Massenänderung des Thieres. Die folgende Darstellung
ist in Ermangelung anderer Thatsachen vorzugsweise auf die Er-
nährungsverhältnisse des Hundes angewiesen, wie sie von Bi-
schoff nnd Voit ermittelt sind.
Digitized by Google
702
Ma^eaanderung des Thiers ^mit der Nehrung.
‘1. Die Gewichtsänderung des Thiercs an und für sieh, also
die Ab- oder Zunahme seiner Masse, abgesehen von der chemi-
schen Zusammensetzung derselben stellt sieh verschieden mit der
Menge und der Zusammensetzung der Nahrung, mit dem abso-
luten Körpergewicht und der vorausgegangenen Ftttterungsweisc
des Thiers.
a. Wenn man einen Hund, der nicht Uber 34 Kilo schwer
ist , nach vorausgegangener FleischtUttcrung in der Weise ernährt,
dass auf 1 Kilo Thier in 24 Stunden 52 Gr. magern Fleisches ge-
reicht werden, so tritt regelmässig eine Gewichtszunahme ein ; werden
weniger als 40 Gr. gegeben, so magert das Thier ab. Durch eine
Nahrung zwischen 40 und 50 Gr. pr. Kilo kann sich ebensowohl
das Gewicht mehren als mindern. Trat dagegen das Thier ans
einer Nahrung, die ans Fleisch und Fett gemengt war, oder nur
aus Brod bestand, in eine reine Fleischnahrung ein, so konnte
selbst bei einer Fleischmengc von 61 Gr. pr. Kilo das Körperge-
wicht merklich sinken. War der Hund auf 3« Kilo gemästet, so
genügten selbst bei anhaltender Fleischfiitterung 46,4 Gr. Fleisch
pr. Kilo nicht mehr, um das Körpergewicht zu steigern.
Zu der folgenden Tabelle ist zu bemerken, dass das Fleiseh
75,9 pCt. Wasser enthielt. Die unter der ersten Columne ste-
henden Buchstaben verweisen auf die schon früher mitgetheiltcn
Beobachtungen.
Vcraachszabl.
Beobachtung** eil.
Anfangsgewicht
der Thierc ln
Kilo
Mittlere Ge-
wichtszunahme
d. ganzen Thlere*
in Grant.
Fleisch In Gr.
pro RJlo.
A. .
1. und 2. Tag
3. bis 7. Tag
34,76
33,89
34,62
— 244
-+- 126
32,35
b
2 Tage
+ 82
43,32
c
34,78
- 12
34,02
d.
34,76
— 125
25,99
e
34,51
— 205
17,38
9,60
f
34,10
33,42
— 290
K
— 4S5
5,26
h
3 Tago 1 32,6t
— 493
0
i
4 Tago
31,23
+ 120
57,64
k
3 Tage
31,71
-f- 293
79,84
l
2 Tage
32,56
— 2«
61,42
B. c
l. und 2. Tag.
32,S0
— 175
66,79
d
10 Tago
39,79
— 59
40,40
b. Wenn dem Fleisch noch Fett zugesetzt wird, so genügt
eine viel geringere absolute Futtennenge, um eine Gewichtsver-
- -— *• >4le
' Masaenindefung mit der Zusammensetzung der Nehrung. 703
■
mehrnng herbeizufilhren. Dieses zeigt die folgende Zusammen-
stellung.
Jlcob- 1 Beobacht unifa-
achtunga- 1 ze|t
nuumior.
Anfangsgcw.
dgi Thier CS
in Kilo.
Mittlere tiigl.
Gcwichtszu-
nahtne d. gan-
zen Title ros
in Gram.
Mittlere Ge-
wichtszu-
nahme pro
Kilo Thier
in Gr.
Flolwli
pr. Kilo ln Gr.
Fett pro Kilo
In Gr.
a
1 3 Tage
37,37
4.3
— 1,15
13,37
2,67
m „ „
37. IS
25
4- 0,67
13,44
5,25
\ 1 bis S Tag
28,26
+ 231
+ 8,17
17,70
S,55
, ! 9 bis 1 6 Tage
30. 1 0
4- 154
—
—
—
l 17 Mi 24 Tage
31,33
+ 134
—
—
) 25 bis 32 Tage
32,40
+ 121
+ 3,73
15,43
7,71
c.
n 3 Tage
37.55
4- 120
+ 3,19
13,31
7,99
T3.
a 10 Tage
28,35
— 26
— 0,91
5,29
8,62
c.
c 1 3 Tage
34,06
+ 116
+ 3,41
29,36
7.34
c.
d j 4 Tage
35,67
4- 325
4- 9, 76
42,00
7,01
c.
e 7 Tage
3S,5S
-j- 246
4- 6,3s
46,65
6,4S
c.
f 3 Tage
34,72
4- 46
4- 1,92
57,60
7,20
Hebt man sich ans dieser Tabelle die Zahlen heraus, wo bei
gleichem Körpergewicht und gleicher Fleischgabe die Fettmenge
veränderlich ist, so erhält man
Körpergewicht.
Fleisch Fett
pro Kilo.
Gewichtszunahme
pro Kilo.
37,37
13,37
2,67
— 1,15
37,18
13,44
5,25
+ 0,67
37,55
13,31
7,99
+ 3,19
Darnach wächst
also mit dem steigenden Fettgehalt der Nah-
rnng auch das Körpergewicht.
Hebt man aus
der Tabelle
die Zahlen heraus, wo bei annä-
hernd gleichem Körpergewicht
die Fettgabe dieselbe blieb, aber
die Fleisehfütterung
veränderlich
war, so
erhält man
Körpergewicht.
Fett
Fleisch
Gewichtszunahme
pro Kilo.
pro Kilo.
37,35
7,99
13,31
+ 3,19
35,67
7,01
42,00
4- 7,08
3£,58
6,38
46,65
+ M8
Darnach wächst auch mit dem steigenden Fleischgehalt der
Nahrung das Körpergewicht.
Digitized by Google
704
MMsenänderung mit der Zusammensetzung der Nahrung.'
Entnimmt man ferner der vorstehenden Tabelle solche Zahlen,
in denen das Fleisch und Fettfutter annähernd gleich war, das
Körpergewicht aber sich verschieden stellte, so ergiebt sich
Körpergewicht.
FleUch
Fett
pro Kilo.
Gewichtszunahme
pro Kilo.
28,25
17,70
8,85 .
+ 8,17
32,40
15,43
7,71
4- 3,37
35,6
42,00
7,01
+ 9,76
38,5
46,65
6,48
-+- 6,38
32,40
15,43
7,71
+ 3,37
37,18
13,44
5,25
+ 0,67
Demnach nimmt die Gewichtseinheit Körpermasse durch das-
selbe Futter um so weniger zu, je mehr das Thier schon ge-
mästet war.
c. Die vorliegenden Versuchsreihen lassen erkennen, dass bei
der gleichzeitigen Fütterung mit Zucker und Fleisch; Amylon und
Fleisch; Zucker, Amylon und Fleisch sich die Erfolge ähnlich ver-
halten. Die Erfahrung, dass sich die Thiere nur bei gemischter
Kost mästen, ist auch schon längst den Landwirthen geläufig. So
giebt u. A. Boussingault*) an, dass Gänse und Enten, die
leicht durch eine reichliche Nahrung von Mais oder von Reis mit
einem Butterzusatz zu mästen sind, nicht durch Reis allein eine
wesentliche Vermehrung ihres Gesammtgewichtes erfahren. Ebenso
• nahmen Schweine rasch und bedeutend an Gewicht zu bei einem
Futter, das Fett, Eiweiss, Kohlenhydrate und Salze in einem Ver-
bältnisB von 1 : 5, 1 ö : 20,65 : 1,82 enthielt, während sie bei Futter,
das die oben genannten Bcstandthcilc in derselben Reihe gezählt,
im Verhältniss von 1 : 5,30 : 37,38 : 2,65 enthielt, nur langsam
Zunahmen und namentlich nicht damit gemästet werden konnten,
selbst wenn auf gleiche Gewichtsmengen Thier von dem letzteren
Futter sehr viel mehr gereicht wurde, als von dem ersteren.
d. Während einer reichlichen Nahrung aus Leim und Fett
nimmt das Körpergewicht allmählich ab.
e. Bei einer Nahrung aus Brod kann ein Hund wie das vor-
liegende Beispiel zeigt, besteben. Katzen starben bei dieser Fütte-
rung eines sehr langsamen Hungertodes, wie Bisch off und Voit
durch besondere Versuche darthun.
•) Annnle» de chimle et de physique. 3me 8«*ric. XIV. Bd. (1846). 419.
Digitiz§d bjtXüoogle
Chemische Aenderung der Körpermaße mit der Nahrung.
705
2. Ob «ich auch die chemische Zusammensetzung der thie-
rischen Massen mit der Fütterung ändere, lässt sich durch die
Analyse des getödteten Thieres und durch die Vergleichung der
Einnahmen und Ausgaben des lebenden entscheiden.
a. Wenn während einer Fütterungsreihe alle Elemente der Ein-
nahmen und Ausgaben mit höchster Sorgfalt quantitativ bestimmt
sein würden, so könnte man auch angeben, welche von den we-
sentlichen Atomcomplexen des thierischen Körpers (Eiweiss, Fettete.)
ausgeschieden und welche statt dessen angesetzt wären. Beobach-
tungen, die dieser Anforderung entsprechen, sind sehr schwer her-
zustellen; und unter allen bekannten nähert sich einzig eine von
C. Schmidt angestellte dem genannten Ziele an. (Siehe Katze II.
und 111.). — Wenn, wie es in der grossen Fütterungsreihe von
Bischoff und Voit geschehen ist, nur die Aenderung des Ge-
sammtgewichtes und von den elementaren organischen Ausgaben
nur die des N bestimmt wurde, so reichen diese Data auch nur hin,
um einzusehen, wie sieh mit der Aenderung der Gesammtmasse der
Stickstoffzuwachs gestaltet habe. Eine Vergleichung dieser beiden
veränderlichen führt, auch wenn sie von allen hypothetischen Zu-
sätzen befreit wird, zu bemerkenswerthen Ableitungen.
A. Reine Fleischnahrung.
I. Fälle,
, in welchen
das Thier
gleichzeitig
an Gesammtge-
wicht und an
N verlor.
Tägliche Fleisch-
monge.
Beobachtungszeit
und Tage.
Verlust an Ge-
sammtgcwicht.
Gesamtatver- Verlust d. Kör-
lust an Stickstoff, pergewichts dirldlrt
durch den Stickxtoff-
veriuat.
1200 Gr. )
24 Gr.
2,3
10,4
900 „ 1
253 „
3,0
84,3
600 „ [
je 2 Tage
412 „
5,5
74,9
300 „ (
617 „
10,4
64,5
176 „ ]
810 „
13,0
62,3
II. Verlust an Gesammtgewicht und Gewinn an Stickstoff.
Tägliches Fleisch.
Beobnchtungsxelt.
1800 Gr. 3 Tage.
1800 „ -7 „
2000 „ 2 „
Ludwig^ Physiologie II. 1. Auflage.
Verlust an Gesamtnt-
gewicht.
70 Gr.
136 „
89
Gewinn an N.
29.4
6,4
24.4
45
Digitized by Google
706 Chemische A endenin g der Korpermaase mit der Nahrung.
III. Gewinn an Gesammtgewieht und an Stickstoff.
Tigl. Fleiscbnahning. Beobachtungszelt. Gewinn an Gesamrot- Gewinn an Gcwlnrf an Gesammt-
gewicht.
Stickstoff.
gewicht divid. d. den
Gewinn an Stickstoff.
1800
7 Tage.
241 Gr.
26,0 Gr. 9,3
1800
4 „
479 „
11,3 „
42,4
2100 u. 2000
5 „
1592 „
46,4 „
34,3
2500
3 „
853 „
10,6 „
80,5
Diese Zusanimenstellung lässt erkennen, dass der Hnnd bei
einer reinen Fleischnahmng reicher an einem stickstoffhaltigen
Atom werden mtisse.
Dieses ergiebt sich ohne weiteres für die Fälle, in welchen
das Gesammtgewieht abgenominen hat und trotzdem in der Nah-
rung mehr Stickstoff eingenommen wurde als durch den Harn ab-
geschieden war. Dass aber auch bei der gleichzeitigen Abnahme
des Gesammtgewichts und des Stickstoffs der Hund stickstoffreicher
geworden sei, folgt daraus, dass der Quotient aus dem Gesammt-
verlust durch den Stickstoffverlust grösser ist, als der Quotient aus
dem N-Gehalt des Fleisches (der einzigen Nahrung) in das ge-
nossene Fleisch; der letztere beträgt nämlich nur 29,4, während
der vorhergenannte Quotient im Mittel 59,2 ist. Dass endlich aber
dasselbe Gesetz auch fUr den Fall gilt, in welchem der Stickstoff
und das Gesammtgewieht zugenommen haben, folgt aus der Ver-
gleichung der Fleischnahrung mit einer aus Fleisch und Fett oder-
auch nur aus ßrod.
B. Fleisch- und Fettnahrung.
I. Verlust an Gesammtgewieht und au Stickstoff.
Tägliche Nahrung
an Fleisch. an Fett. Bcobachtangszeit.
Verlust an Ge-
aannntgew.
Verlust an N.
Verlust an Ge-
sammtgewh-hl
dirid. durch den
Verlost an N.
150 Gr.
250 Gr. 10 Tage.
161 Gr.
28,2 Gr.
5,7
700 „
150 „ 5 „
485 „
13,2 „
61,2
11. Gewinn an Gesammtgewieht und an
Stickstoff.
Fleisch.
Fett. Renbftchtungszeit. Gewinn an Gesamint
gewicht.
» •
- Gewinn Gewinn an Go-
an N. wicht dirld. il.
J. Gewinn an N.
500
250 31 Tage
4543 Gr.
61
74,4
1000
250 3 „
654 „
13
50,3
1500
250 4 „
1175
16
73,4
1800
250 7 „
1715 „
28
61,2
2000
250 3 „
143 „
12
11,8
•
Digitized by.GQQgle
Chemische Aenderung der Körpermaße mit der Nahrung.
707
Vergleicht man den mittleren Quotienten aus dem Gewinn an
' Körpermasse und den des Stickstoffs bei reiner Fleischnahrung und
i bei Fleisch- und Fettnabrung, so findet mau ihn im ersten Fall
= 41,6 und letzteren 54,2. Es war also im ersten Fall in der
aufgespeicherten Körpermasse mehr N enthalten' als in letztem.
Noch auffallender ist das Missverhältnis, wenn inan die Brod- und
Fleischnahrung vergleicht. Als der Hund 41 Tage hindurch mit
| Brod geftlttert war und dabei um 581 Gr. leichter geworden war,
I hatte er 126,4 Gr. N mehr ausgegeben als eingenommen. Hier
betrug also der beregte Quotient gar nur 4,1.
Sieht man die Zahlen, ans denen die vorstehenden Mittel ge-
zogen sind, im Einzelnen durch, so macht man die Bemerkung,
, dass vorzugsweise beim Uebergang aus einer Fütterung in die
Andere eine Aecommodation des Stickstoffgehaltes des Körpers an
den der Nahrung stattfiudet. Dieser Umstand deutet darauf hin,
i dass ein Theil jenes Stickstoffs, der in den Ausscheidungen fehlte,
• oder in ihm zuviel vorhanden war, aus dem Harnstoff der tliie-
rischen Säfte stammte oder in diesen verwandelt wurde; denn nach
der Analogie einer an Kochsalz und ähnlichen Stoffen ärmeren oder
reicheren Kost in ihrem Einfluss auf die Anhäufung und Abschei-
dung des Chlors im thierischen Körper (p. 397) könnte man auch
hier vermuthen, dass wenn sich in Folge eines Kostwecbsels die
Menge des bisher gebildeten Harnstoffes ändert, nicht allein die
Quantität des ausgeschiedeuen, sondern auch des in de» Säften ver-
weilenden Harnstoffs variirt.
Wenn aber beim andauernden Genuss derselben Nahrung auch
die Einnahme und Ausgabe des N dauernd sich nicht entsprechen,
so dürfte es jedenfalls zu einer Aenderung der eiweisshaltigen Ge-
webe und Säfte kommen, wie dieses sogleich erörtert werden soll.
Es würde wünschenswerth sein, zu wissen, auf welches Minimum
und Maximum der Gehalt des thierischen Körpers an Eiweissstoffen
gebracht werden kann, ohne dass die Leber beeinträchtigt wird.
b. Die Aenderung, welche die chemische Zusammensetzung
eines Thiers durch eine bestimmte Fütterungsweise erfahren hat,
kann dnreh die chemische Analyse aufgehellt werden, entweder
wenn man von zwei möglichst gleichartigen Thieren das eine vor
Beginn und das andere nach Schluss der Fütterung tödtete und
zerlegte, oder dadurch, dass mehrere möglichst gleichartige Thiere
auf verschiedene Weise gefüttert wurden und nach ihrem Tod das
Verhältniss der wesentlichen chemischen Bestandteile des Thicres
45*
Dlgitized by Google
708
Chemische Aenderung der Körperaasse mit der Nahrung.
hingestellt wird. Es bedarf kaum der Andeutung, dass diese Ver-
fahrungsweisen keinen Anspruch auf besondere Genauigkeit machen.
Muskeln und Hirn der Katzen, welche bei Brodnahrung ver-
hungerten, enthalten in 100 Theilen mehr Wasser als die genannten
Organe der mit Fleisch ernährten Thiere. Der Unterschied beträgt
zwischen 3 bis 5 pCt. (Bischoff, Voit).
Gemästete Schweine enthalten nach Boussingault weniger
(fettfreie) Knochen als ungemästete; Fett und Muskeln stehen da-
gegen in magern und gemästeten Schweinen annähernd in dem-
selben Verhältnis zu einander.
- -V ' . - ' 1
1
Haut mit
Boraten, j
Fettfreie
Knochen.
Alles Fett.
r
Muskel.
| Quotient aus
dem Fleisch
j und Fett.
Mit Kartoffeln gofütt. =i
65 Kilo mittl. Gewicht
9,5
1
6,5 I
22,5
37,2
0,60
Mit Kartoffeln, Milch und'
Spülwasser — 75 Kilo
mittleres Gewicht
8,27
6,91 j
25,57
39,69
0,64
Mit Mastfutter = 111 K.
mittleres Gewicht
9,35
6,23
27,30
41,46
..
0,65
Es wäre wünschenswerth zu wissen, wie sich mit der Rage,
der Aenderung des Mastfutters u. s. w. die Zusammensetzung ge-
staltete.
Boussingault zerlegte auch gemästete Enten und Gänse';
seine Resultate sind in den folgenden Zahlen enthalten. Das -+-
vor der Zahl bedeutet einen proportionalen Gewinn, das — einen
eben solchen Verlust, d. h. den Quotienten aus der Gewichtszu-
oder Abnahme der einzelnen Organbestandtheile in das ursprüng-
liche vor der Mästung vorhandene Gewicht.
I. Gänse mit Mais gemästet. Mittel aus 6 Versuchen.
Fett. Fettfreie Knochen. Fettfreie Haut, Mus-
keln, Bindegewebe.
+ 4715 — 0,094 + 0,274
Schlund.
— O,300
Hirn.
0,0
2. .Ente mit Reis gestopft.
Fettfreie Haut, Mus-
Fett. Fettfreie Knochen, kein, Bindegewebe.
Schlund.
Hirn.
-+- 0,183 0,0 + 0,269
— 0,298
0,0
2. Ente mit Reis nnd Butter.
Fettfreie Haut, Mus-
Fett. Fettfreie Knochen. kein, Bindegewebe.
1,096 — 0,133 -+- 0,195’
Schlund.
— 0,456
Hirn.
0,0
Diaitized bv Google
Tfgliche Ausgaben.
709
Wie beim Verhungern das Hirngewicht nicht hemntergeht , so
steigt es beim Mästen nicht; der Sehland und die Knochen magern
wie bei den Schweinen während des Mästens ab. Die zu der
Haut, den Muskeln und deren Hilfswerkzeugen gehörenden Eiweiss-
und Leimstoffe haben bei Mästung der Vögel zugenommen, doch
in einem ganz anderen Verhältnisse, als das Fett, sodass 100 Th.
gemästeter Vögel eine ganz andere Zusammensetzung darbieten,
als 100 Th. ungemästeter.
Ausser den bisher betrachteten Bedingungen (Körpergewicht
und FUiterung) wirken nun bekanntermaassen noch viele andere
auf die Mehrung oder Minderung des Körperumfangs ein , dahin
gehört die ursprünglichen Anlagen des Thiers, wie sie durch die
Kamen: Classe, Ordnung, Geschlecht, Art und Spielart ausgedrückt
werden, ferner der körperliche und geistige Erregungszustand, das
Alter und vieles mehr; Uber einige Punkte geben die Erfahrungen
der fleischzüchtenden Landwirthc Aufschluss.
t
Die täglichen Ausgaben bei genügender Nahrung. Bei
einer Beurtheilung der täglichen Verluste eines Thieres muss man
im Auge behalten, ob sich dasselbe mit der Nahrung, die es ver-
zehrt, schon in das Gleichgewicht gesetzt hat, oder ob es dieses
noch nicht gethan. Nehmen wir an, dass das Thier unter dem
Einfluss einer bestimmten Nahrung sein mittleres tägliches Gewicht
behauptet, und weiter, dass es am Ende eines jeden Tages auch
auf dieselbe chemische Zusammensetzung zurückkekre, dann werden
natürlich die Ausgaben den Einnahmen quantitativ und qualitativ
genau entsprechen müssen. Diesen Satz konnte man auch so aus-
spreehen, dass einer jeden nach Art und Maass festgestellten Be-
leibtheit des Thieres auch eine nach Art und Maass bestimmte
Ausscheidung entspreche. Denn eine jede Fütterungsweise führt
genügend lange fortgesetzt zu einer nach Gewicht und Zusammen-
setzung genau bestimmten Körpermasse, also kann das Thier auch
erst nach Erreichung der letztem den ganzen Werth seiner Ein-
nahme wieder ausgeben.
Vergleicht man von diesem Gesichtspunkte aus Futter, Körper-
gewicht und Ausscheidungen, so ergeben die vorliegenden Beobach-
tungen, dass der Hund bei einer Nahrung mit magerm Fleisch im
Stande ist, trotz eines niedern Körpergewichts viel umzusetzen und
auszuscheiden, während der mit fettem Fleisch oder neben dem
Fleisch noch mit Kohlenhydraten ernährte Hund auf ein höheres
Digitized by Google
710
Verhältnis!* zwischen der Masse des Thiers and den Ausgaben.
Gewicht kommen muss, bevor er jene ausscheidende Fähigkeit
erlangt.
Das Genauere der Beziehung zwischen dem Gewicht der Kör-
permsse und der Grösse der Ausscheidung bleibt jedoch selbst bei
demselben Thier wegen Mangels an ausgedehnten Versuchsreihen
unbekannt ; nur so viel scheint aus den vorliegenden Beobachtungen
hervorzugehen, dass die Ausgaben nicht in geradem Verbältniss
mit dem Körpergewicht wachsen. Denn es scheidet die Gewichts-
einheit des beleibteren Thieres viel mehr aus als die des magern.
Ausser der Fiitterungswcise und dem Mästungsgrad übt die
Art und Individualität des Thieres einen wesentlichen Einfluss auf
die Lebhaftigkeit der Ausscheidungen. »So bedarf die Gewichtsein-
heit Taube, um sich auf constantem Körpergewichte zu erhalten,
mehr Futter als die Gewichtseinheit Hund, Katze, Mensch. Wie
sich die Verhältnisse bei den drei letzteren Warmblütern verhalten,
geht aus den vorliegenden Thatsachen nicht mit Sicherheit hervor,
da die Fütterungsart sehr abweichend war. Die Vergleichung der
Erfolge annähernd gleicher Fütterung bei den Katzen I. und III.
ergiebt, dass sich die von geringem Körpergewicht trotz etwas
reichlicherer Nahrung doch weniger mästet, als die schwere. Diese
Beobachtung erhält um so mehr Werth, als sie in Uebercinstim-
mung ist mit den von Erlach bei Respirationsversuchen gewon-
nenen Erfahrungen (p. 557).
Wir wollen nun den andern Fall betrachten, in welchen sich
das Gewicht und die Zusammensetzung des Thiers vermöge des
gereichten Futters nicht unverändert erhalten kann. Wenn dieses
geschieht, so wird die Ausgabe nicht mehr allein durch das gegen-
wärtig gereichte Futter, sondern auch durch den Zustand bestimmt,
den der thicrische Körper unter dem Einflüsse der früheren Fütte-
rung erlangte. Dieses zeigt sieh, wie schon wiederholt hervorge-
hoben wurde, dadurch, dass das Gewicht der Ausgaben bald grösser
und bald kleiner ist, als das der Einnahmen; das erstere ereignet
sich bekanntlich, wenn beim Eintritt in die neue Nahrang die ge-
sammte Masse oder eine Atomgruppe des Thieres reichlicher vor-
handen ist, als sie es unter dem Einfluss der genannten Fütterung
hätte werden können, das letztre im umgekehrten Fall. Die allge-
meine Richtung, nach welcher also der Massenzustand des Thieres
auf die Ausscheidungen wirkt, wird sich immer angeben lassen,
wenn man weiss, in welchem Sinn der Zustand des thierisehen
Körpers von demjenigen abweicht, welchen das jeweilige Futter zu
Digitized by Google
Verhältnis» zwischen ehern. Zusammensetzung des Thiers und den Ausgaben. 711
erzeugen strebt. Die vorliegenden Erfahrungen zeigen auch, dass
der Zuwachs oder der Abgang, den die Ausgaben vermöge des Kör-
perzustandes erleiden, um so grösser ist, je weiter nach Maass und
Zusammensetzung der gegenwärtige Zustand des Körpers von dem
ab weicht, welchen das gereichte Futter zu erzeugen strebt, aber
darliber hinaus offenbaren die gegenwärtigen Erfahrungen nichts.
Um weiter zu kommen, wäre es nothwendig, die Kegeln ftir die
Geschwindigkeit zu kennen, mit welcher sich bei der Aendernng
des Futters der tbierisehe Leib dem Zustand anpasst, welchen das
neue Futter verlangt. Mit Rücksicht auf diesen Funkt geht aus
den Tabellen, die die Ernährung des dritten Hundes verzeichnen,
hervor, dass in den ersten oder in den paar ersten Tagen nach
einem Futterwechsel der Einfluss des durch die frühere Fütterung .
hervorgerufenen Zustandes sich am meisten geltend macht. — Aus
allem Diesen folgt endlich, dass die Ansgaben an keinem Tage den
Einnahmen gleich sein können, wenn die Art und Menge der Nah-
rung sieh fort und fort ändert, wie es in der Tliat beim Menschen
der Fall za sein pflegt.
Der Antheil des Körperzustandes an den Ausscheidungen ist
der obigen Definition entsprechend gleich dem Unterschied der Ein-
nahmen und Ausgaben; stellt man sich diese Unterschiede aus den
verschiedenen Fütteningsreihen des 3. Hundes mit abnehmendem
und aufsteigendem Gewicht zusammen, so erkennt man alsbald,
dass nur dann, wenn alle Nahrung entzogen wird oder die Nah-
rnng mindestens sehr spärlich gereicht wird, der Einfluss der Füt-
terung zurtlcksteht hinter dem des Körperzustandes. In allen übrigen
Fällen wird die Ausgabe nach Quantität und Qualität überwiegend
durch die Nahrung bestimmt.
Eine Theorie der Thatsaehen, die aus der Vergleichung der
Einnahmen und Ausgaben des tbierischen Körpers hervorgegangen
sind, lässt sich mit Hülfe eben dieser Versuche nicht geben. Denn
es liegt in der Natur derselben, dass sie Uber den Mechanismus
des Stoffwechsels nichts aussagen können, weil sie die genossenen
Atome nicht in den Körper hinein verfolgen und nicht naebsehen,
wie und wo sie angehäuft, zerschlagen und ansgestossen werden.
Erklärt können jene Thatsaehen erst werden, wenn man die in
jedem einzelnen abgesonderten Stück unsers Organismus wirksamen
Kräfte kennt und zu beobachten im Stande ist, wie sieh dieselben
unter dem Einfluss einer verschiedenen Nahrung ändern.
i.
Dlgitized by Google
712
Vftrthcilung der Aufgaben auf die auKacheidenden Drüsen.
Verthcilung der Ausgaben auf die verschiedenen
Aussonderungswerkzeuge. I. Zuerst würde hier überhaupt
anzugeben sein, "warum sich die Umsetzung und Ausscheidung in
ähnlicher Weise zu einander verhalten, wie Einnahme und Um-
setzung. Dieses gegenseitige Anpassen bedarf einer besonderen
Erläuterung, da die Organe, welche vorzugsweise die Umsetzung
der Thierstoffe bedingen, von durchaus anderen Bedingungen re-
giert werden, als Haut, Lunge, Nieren nnd Darmkanal. — Der
Mechanismus, welcher diesen Zusammenhang vermittelt, ist für
Lungen, Haut und Darm genügend klar. Eine vermehrte Um-
setzung, welche zu einer reichlichen Bildung von CO2 führt, erhöht
die Temperatur und die Nervenerregbarkeit; eine Anhäufung von
CO2 erregt aber die brustbewegenden Nervenmassen; damit be-
schleunigt sich die Athmung und die Ausbauchung der COj, und
nicht minder vermehrt die erhöhte Wärme die Bildung des Wasser-
dunstes. Aus dem Mastdarme müssen - desgleichen ceteris paribus
mit den Speisen auch die Ausscheidungen wachsen. — Nicht so
klar ist dagegen die Beziehung zwischen der absondernden Thä-
tigkeit der Niere und der Anhäufung von Salzen, Harnstoff, Wasser
u. b. w. im Blute, da, wie wir früher sahen, diese Stoffe zuweilen
im Blute reichlich vorhanden sein können, ohne dass sich ihre
Ausscheidung mehrt.
2. Wenn man übersehen will, welchen Antheil des Ge-
sammtverlustes jedes einzelne Ausscheidungswerkzeug ausfUhrt, so
wird es am gerathensten sein, sich die Aufgabe dahin zn stellen,
dass man die Antheile des Gesammtvcrlustes an Wasser, C, N, H,
0 und Salzen angiebt, die durch Lunge und Haut, Niere und
Darmkanal ausgeschieden werden.
a. Wasser. Der Verlust, welchen der thierische Körper in
der Form von Wasser erleidet , überwiegt den durch alle übrigen
Excrete zusammengenommen. Seine Verthcilung auf Haut und
Lunge, Niere und Darm kann sich sehr mannichfaltig gestalten.
Annähernd am constantesten ist, wie schon früher gesagt wurde,
die Wasserausgabe der Lunge und gewöhnlich am niedrigsten die
durch den Darmkanal, sodass sie nur in den seltensten Fällen
überhaupt von erheblicher Bedeutung wird. Ungemein variabel ist
dagegen die Wasseransscheidung durch Niere und Haut, in der
Art, dass diese beiden Organe vorzugsweise als die Regulatoren
des thierischen Wassergehaltes angesehen werden können. In der
That, nimmt der Wassergehalt, des thierischen Körpers bedeutend
— ~ _ _ Digitized bv Google
Aufgaben an Wasser und Kohlemdoif.
718
zn, so geben SchweissdrUsen und Nieren gleichzeitig reichlich
Wasser aus (Wasserkuren), während, wenn der Körper relativ
trocken wird, beide Organe in ihrer Thätigkeit zurttektrcten ; mehrt
sich bei mittlerem Wassergehalte des Organismus der Wasserver-
lust'durch die Haut, weil die Atmosphäre trocken und die Haut
warm ist, so vermindern die Nieren ihre abscheidenden Loistungen,
nnd umgekehrt, wird die Verdunstung auf der Haut beeinträchtigt,
so steigt der Verlust aus den Nieren. Nimmt endlich der Wasser-
verlust aus den Nieren zu, weil grössere Mengen wasserverbin-
dender Atome (Salze und Harnstoff) durch diese fortgehen, so
stellen die Sehweissdrösen ihre Absonderung ein und die Oapil-
laren der Cutis verlieren an Ausdehnung.
Beispielshalber stellen wir den Wasserverlust zusammen, den nach Barral
l K. Mann in 24 Stunden erleidet (Mensch I. und II.). Hierbei ist das aus der
Lunge entleerte Wasserquantum folgendcrmaassen berechnet worden. Man nahm an,
es sei in der Ausathmungsluft 4 pCt. COj vorhanden gewesen , hierdurch gewinnt man
das Volum der enteren unter Berücksichtigung des Umstandes , dass sie auf 37° C.
erwärmt gewesen sei; dann nimmt man ferner an, dass die ausgeathmete Luft voll-
kommen mit Wasser gesättigt gewesen sei, die Einathmungsluft aber, deren Tempe-
ratur auf 16° C. gesetzt wurde, nur 60 pCt des bei dieser Temperatur fassbaren
Wasserdunstes erhalten habe.
Durch Lunge
Reut
Niere
Darm.
I. 20,01
7,01
22,25
2,23
II. 12,53
11,84
20,59
1,15
Wir erinnern daran, dass die Beobachtung
1. in den Winter,
II. in den Sommer
fällt. Es braucht kaum noch einmal hervorgehoben zu werdon , dass diese Berech-
nung auf einem zum Theil sehr angreifbaren Boden ruht ; es ist ihr nur darum ein
Platz gestattet worden , weil sie im Allgemeinen , den theoretischen Forderungen sich
fügend, ein Bild von der Verkeilung des Wasserverlustes im Winter und Sommer giebt.
b. Das Gewicht des täglich durch den 'Körper wandernden
Kohlenstoffes ist immerhin noch bedeutend, wenn auch viel ge-
ringer als die der entsprechenden Wassermengen. Der von einem
nnd demselben Menschen täglich verzehrte Kohlenstoff ist aber zu-
gleich auch viel weniger veränderlich, als das Wasser. Nach Fl ay-
fair*) wechselt je nach der Muskelanstrengnng und dem Alter der
erwachsenen Individuen die täglich eingenommene Kohlenstoffinenge
zwischen 220,3 Gr. (alte unthätige Arme) bis zn 387,3 Gr. (Ge-
fangene in Bombay mit schwerer Arbeit). Der Unterschied der
Klimate macht sich nach Play fair’ s Zusammenstellungen weniger
geltend, als man gemeinhin behauptet, da der ostindische und der
*) PhArmAzeutincbes CentralhlAtt. 1854. p. 417
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714 Ausgaben an Wasserstoff und Stickstoff.
%
englische Tagelöhner oder Soldat unter gleichen Bedingungen sehr
annähernd gleich viel C einnchmen. Auffallend, und in einer solchen
Weise, dass man zweifelsüchtig werden könnte, sind die Angaben
von Esquimaux, Jakuten, Buschmännern und Hottentotten. Ein Er-
wachsener der ersteren von diesen wilden Völkerschaften soll täg-
lich 41*96,6 Gr. C. (etwa 10 Pf'd.) und von der letzteren 2682,6 Gr. C.
(etwa 5,25 lTd.) täglich verzehren. — Von dem täglieh in den
Körper eingekehrten Kohlenstoffe tritt bei weitem der grösste Theil
durch die Lungen aus, durch die Nieren geht nach den übereinstim-
menden Beobachtungen von Barral (aui Menschen) und Schmidt
(an Katzen) etwa der 10. Theil des aus den Lungen hervortreten-
den fort. In einem ähnlichen Verhältnisse 6teht die Kohlenstoff-
ausscheidung des Darmkanales zu derjenigen der Lunge.
e. Die Gewichtsmengen nicht schon oxydirten Wasserstoffes,
welche täglich genossen werden, sind immer sehr gering. So weit
die vorliegenden Untersuchungen reichen , wird er zum grössten
Theil in Wasser umgewandelt, und es lässt sich dann nicht mehr
entscheiden, auf welchem Wege er den Organismus verlässt. Der
im Stoffwechsel nicht oxydirte Wasserstoff geht allein durch den
Darm und die Nieren davon, vorausgesetzt, dass man die Spuren
dieses Elementes vernachlässigt, welche in den flüchtigen Säuren
und Basen durch die Verdunstung austreten.
d. Mit der Nahrung gemessen wir unter allen Umständen
nur wenig Stickstoff, aber relativ ist die Menge desselben sehr
wechselnd. Innerhalb des Körpers werden die stickstoffhaltigen
Produkte entweder so zerlegt, dass der N gänzlich frei wird, oder
so, dass er noch in Verbindung mit einigen oder allen organischen
bleibt. Der freie Stickstoff wird durch Lunge und Haut, der noch
verbundene zum grössten Theil durch den Harn und zum kleinsten
durch den Darm entleert. In welchem Verhältnisse freier und ge-
bundener N zu einander stehen, ist noch zu ermitteln, und insbe-
sondere scheint es gewagt, die an einer Thierart gewonnenen Re-
sultate auf den Menschen zu übertragen. Während es den An-
schein hat, dass bei den Katzen nur ein sehr kleiner Theil gas-
förmig entweicht, geht bei Tauben unzweifelhaft ein Dritttheil der
gesummten im Organismus kreisenden Menge aus Haut und Lunge
aus, und zwar unter Umständen, unter welchen nach Regnault
Säugethicre gar keinen gasförmigen Stickstoff aushauchen würden.
Bestätigen sich die Beobachtungen von Barral, so kann bei
Menschen die Hälfte des Stickstoffs der Nahrung durch die Lungen
5<Ste
— — I)ig';i7_p(1 hy £
Ausgaben an Sauerstoff und Salzen.
715
aasgeschieden werden. Wir verweisen rücksichtlieh dieses Punktes
noch auf die Harnstoffentleerung (p. 380).
e. Sauerstoff. Die Menge von Sauerstoff, die wir consu-
miren, ttbertrifft diejenigen aller anderen Elemente. Der Antheil
desselben, welcher durch die Lungen und Haut eingelit, ist, je
nachdem die Nahrung aus llrod oder Fleisch besteht, mehr oder
weniger überwiegend über den in den trockeneu Speisen selbst enthal-
tenen; in den vorliegenden Beobachtungen mit genügender Nahruug
wechselt das Verhältnis» des Sauerstoffs in den Speisen zu dem in
der Einathmungsluft, der erstere gleich 1 gesetzt, zwischen 0,33
bis 0,11. Noch mehr wird aber durch die Lungen wieder ausgegeben;
in der That ist der Antheil des bezeiehueten Sauerstoffs, welcher
mit der CO* und dem HO ausgeathmet wird, so gross, dass da-
gegen geradezu derjenige als verschwindend betrachtet werden kann,
welcher durch den Harnstoff, die Gallenreste, den Hamextraktiv-
stoff u. s. W. entleert wird.
f. Die mineralischen Bcstandtheile der Nahrung, deren
Menge immer sehr zurücktritt, suchen den Ausweg aus dem Kör-
per durch Schwciss, Harn, Koth; der erstere giebt vorzugsweise
NaCl aus, der zweite sämmtliche Schwefelsäure, I’hosphorsäure,
Kalkerde, Eisenoxyd und den grössten Thcil des Kalis, Natrons
und Chlors, welche aus den Speisen in das Blut tibergetreten waren.
Durch den Koth gehen dagegen die unverdaut gebliebenen Salze,
meist schwefelsaure, kieselsaure, phosphorsaure Kalicn und Erden ab.
Anhangsweise folgen noch einige Zahlen Uber die eigentüm-
liche typische Massenzunahme, welche man als Wachsthum be-
zeichnet. Das folgende, welches auf Vollständigkeit keinen An-
spruch macht, findet wesentlich seine Ergänzung in den Mittbei-
lungen, die bei der Ernährung der Gewebe gegeben wurden.
Unter Wachsthum*) versteht man bekanntlich die Zunahme
des thierischen Körpers, welche dieser von der Geburt an bis zu
der vollkommen erreichten Pubertät erfährt. Die Lebenszeit, welche
auf diesen Prozess verwendet wird, ist für verschiedene Menschen
zwar nicht die gleiche, aber es scheint doch die Regel zu sein,
dass mit dem zwanzigsten Jahre die volle Länge des Körpers er-
reicht ist; nur in seltenen Fällen ist es constatirt, dass sich das
Wachsthmn auch noch am ein bis zwei Jahre jenseits dieses Ter-
•) Quetelet, I'cber den Menschen. Deutsche Ausgabe. 1838. 327. — Hniohkc, Anatomie
der Kingewcldc. Leipzig 1841. — Valentin, Lehrbuch der Physiologie. 11. Bd.4L Ablh. 164.
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716
Wachsthum.
mins erstreckt (Mailet), und zweifelhaft ist es, ob die Behauptung
Qnetelets richtig, dass es bis anf das 25. Jahr und Aber das-
selbe hinaus sich verlängere. Den allgemeinen Rang, der aus
diesem Prozesse resultirenden Längen- und Gewiehtsvermehrung
giebt die folgende Tafel, welche nach den Beobachtungen von
Quctelet entworfen ist. Die zweite Colonne giebt an die Liingen-
zunahme, die das Individuum in dem in der ersten Colonne ange-
zeichneten Jahre gewinnt; die dritte Colonne aber giebt die auf
das Kilogramm reduzirte Vermehrung des Gewichtes in dem gleichen
Zeitranme. Die zweite und dritte Spalte sind je in zwei Unterab-
theilungen gebracht, von denen die eine sich auf das männliche,
die andere auf das weibliche Geschlecht bezieht. Die mittlere
Länge des männlichen Neugeborenen wurde = 0,5 M., des weib-
lichen = 0,49 M. und die Gewichte zu 3,2, resp. zu 2,9 gefunden.
Jahr.
Längenzunahme in MM.
Gewichtszunahme d. Gewichtseinheit
des Körpers ln Gr.
Männlich.
Weiblich.
Männlich.
Weiblich.*
1
198
290
1,960
2,020
2
88
0,200
0,214
3
71
73
0,099
0,141
0,105
4
63 .
60
0,103
5
56
65
0,1 OS
0,105
G
59
57
0,093
0,115
115
56
0.108
0,096
8
53
0,087
0,087
0
61
51
0,091
0,119
Hl
79
51
0,082
0,101
u
54
30
0,105
0,090
12
50
54
0,100
0,162
13
58
87
0,153
0,104
14
HO
5S
0,127
0,114
15
5t
21
0,125
0,100 •
IG
40
22
0,138
0,079
17
25
35
0,064
0,083
1«
lt
0,095
0,078
19
20
,0
5
0,083
0,024
25
5
0,048
0,019
Die Grundzahlen für die obige Tabelle wurden nicht dadurch erhalten, dass die-
selben Individuen zu verschiedenen Lebensaltern, sondern dadurch, dass verschiedene
in verschiedenen Lebensaltern stehende Menschen gewogen und gemessen wurden. Ob-
wohl die Zahl der Individuen , aus welchen das Mittel abgeleitet wurde , nicht unbe-
trächtlich ist, so ist doch noch immer gerechte Besorgnis» zu hegen , dass diese Mit-
telzahlen im günstigsten Falle die Wachsthumserscheinungen eine» einzigen Landes
oder Landstriches darstellen.
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Wachüthuro.
717
Demnach ist der absolute Werth der Längenzunahme beim
männlichen Gcschlechte in den ersten Jahren am grössten, nimmt
von da an ab bis zum vierten und bleibt dann annähernd con-
stant bis zum 16., von wo eine rasche Abnahme erfolgt; beim
Weibe erfolgt die Längenzunahme bis zum 14. Jahre analog der
des Mannes, wenn ihr absoluter Werth auch um ein kleines ge-
ringer ist; vom 14. Jahre an sinkt aber das Wachsthnm rasch ab.
— Die proportionale Gewichtszunahme ist in den ersten Jahren des
Lebens sehr bedeutend, dann nimmt sie ab, steigt beim Manne
and beim Weibe um die Pubertätsentwickelung wieder an und
dauert, wenn auch in sinkendem Maasse, noch fort, wenn das
Wachsthum beendet ist, sodass Männer meist im 40. und Frauen
erst im 50. Lebensjahre das Maximum ihres Gewichtes erreichen.
Daraus lässt sich erkennen, dass die Ausdehnungen des menschlichen
Körpers nach Länge und Breite wesentlich von einander unabhän-
gig sind.
Quetelet, Villerrod und Cowell haben die für das Län-
genwachsthum der einzelnen Individuen gewonnenen Zahlen auch
noch zu anderen Zusammenstellungen benutzt, aus denen sich zu
ergeben scheint, dass die Individuen der ärmeren Klasse bei gleichem
Alter kleiner als die der wohlhabenden sind. Dieses gilt nicht allein
für Bewohner eines Landstriches (Brüssel und seine Umgegend),
sondern auch für die verschiedenen Viertel einer Stadt (Paris);
Stadt- und Landleben oder auch verschiedene Beschäftigungsarten
scheinen dagegen keinen Einfluss zu tlben. Die Zeit, welche auf
die Vollendung des Wachsthums verwendet wird, ist io südlichen
Gegenden (in Städten und Niederungen ?) am geringsten. Mehr
als alles dieses mag die Mensehenrace resp. die ursprüngliche An-
lage des Menschen auf die räumlichen und zeitweisen Verhältnisse
des Wachsthumes von Einfluss sein.
An der Umfangszunahme, welche der menschliche Körper wäh-
rend des Wachsthums erfährt, betheiligen sich nicht alle Theile
gleichmässig. Vorzugsweise scheint sie dem Skelett, den Muskeln
und der Haut zu Gute zu kommen, sodass mit dem steigenden
Alter einzelne Organe trotz absoluter Vergrösserung relativ zum
Gesammtgcwichte des Körpers doch abnehmen. Wir entlehnen,
um diese zu veranschaulichen, den Wägungen von Huscbke und
R e i d folgende Zahlen ; die Zahlen unter den betreffenden Organen
drücken das Gewicht derselben aus, vorausgesetzt, dass das des
Gesammtkörpers = 1 angenommen wird.
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718
Waehathum.
AHcr.
Gehirn.
Her*.
Ww.
Schikl-
drtlne.
Thymtu.
-- -
Niere.
==
Neben-
niere.
Hoden.
Elentoek.
0
’
0,0025
0,0045
0,0110
0,0017
0,0003
0,00004
S Tag«.
—
0,075
—
0,0020
—
_
'
28 „
—
—
0,042
0,0009
0,0015
—
—
—
—
1—5 Jahr.
0,118
o.oor,
0,047
- —
,
—
—
—
—
5
0,100
0,008
0,048
—
—
—
—
7 „
0,095
0,000
0,042
. . —
* — .
—
—
—
13—15
0,004
0,006
0,034
—
—
—
—
'
20—30 .,
0,028
0,000
0,027
0,0006
—
0,0041
0,0001
0,0002
0,00016
Noch deutlicher tritt diese ungleichmässige Zunahme hervor,
wenn man die Gewichte der einzelnen Organe mit einander ver-
gleicht, aus denen sich u. A. ergiebt, dass bei Neugeborenen der
Dünndarm im Verhältniss zum Dickdarm gewichtiger ist, als bei
Erwachsenen; dasselbe gilt für das Pankreas verglichen mit der
Milz, dem rechten nnd linken Leberlappen. Bekannt ist auch, dass '
die Gescblechtswerkzeuge, die Brüste und der Kehlkopf ihr lebhaf-
testes Wachsthum erst beginnen, wenn das Skelett seiner vollkom-
menen Ausbildung nahe ist.
Tiigrrifee-b^oogle
Siebenter Abschnitt,
T hierische Wärme.
Die blntfUhrenden Organe des lebenden Menschen bewahren
annähernd denselben Wärmegrad, wenn auch die Temperatur der
Umgebung nicht unbedeutend auf- und absteigt; diese Thatsache
setzt voraus, dass der Organismus Uber erwärmende und abküh-
lende Mittel gebietet, die sich bis zu einem gewissen Grade in der
Stärke ihrer Acusserung und in ihrem Zusammenwirken den Um-
ständen anpassen. Wir werden, indem wir auf die Zergliederung
der thierischen Wärmeerscheinungen eingehen, zuerst die normalen
Temperaturschwankungen des Organismus und dann die Mittel an-
geben, durch welche ein entstandener Verlust der Wärme wieder
erzeugt oder ein Ueberschuss derselben abgeftlhrt wird.
Normaltemperaturen.
Insofern die Wärme eine Bedingung zur Einleitung und Er-
haltung von mancherlei insbesondere aber von chemischen Lebens-
prozessen ist, gewinnt die Temperaturbestimmung einen grossen
Werth ; in Verbindung mit anderen Beobachtungen kann sie auch
dienen, um eine Einsicht in den Gang der Erzeugung und des
Verbrauches an Wärme zu gewinnen.
Um an zeigen , Inwiefern dieses letztere möglich , wählen wir ein einfaches Bei-
spiel. Wir nehmen an, cs seien drei unmittelbar an einander grenzende, wärmeleitende
Flächen gegeben, von denen die beiden äusseren unter allen Umständen auf verseilter
dene Grade erwärmt sein sollen; in diesem Falle wird die innere der drei Flächen
eine Temperatur annohmen, die in der Mitte liegt zwischen derjenigen der beiden
äusseren, da sic von der einen Seite her erwärmt und von der anderen abgekühlt wird.
Um auch hier wieder den einfachsten Ausdruck zu wählen, wollen wir annehmen , die
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120
Thermometriache Apparate.
Temperatur der inneren Fläche sei das .arithmetische Mittel zwischen den beiden äus-
seren. Unter dieser Voraussetzung wird man einsehen , dass in Folge einer Terape-
raturbcstimmung der inneren Fläche niemals etwas ausgesagt werden kann Über die
Unterschiede der Temperatur auf den äusseren Flächen, da aus unendlich vielen Unter-
schieden ein und dasselbe Mittel hervorgohen kann. Kommt aber zu der Kenntniss
der Mittelwärme noch die einer der beiden Grenztemperaturen hinzu, so ist begreiflich
auch die andere Grensteraperatur bestimmt. Zugleich ist ersichtlich, dass, wenn in
der Zeit die Temperatur der mittleren Fläche sich ändert, auch diejenigen der erwär-
menden und abkühlenden Flächen Veränderungen erlitten haben müssen; über die
Natur dieser letzteren lässt sich aber wiederum nur dann etwas angeben, wenn das
Verhalten von einer der Grenzflächen während der Beobachtungszeit bekannt ist, da
z. B. ein Ansteigen der Temperatur in der mittleren Flache erzeugt sein kann eben-
sowohl durch eine Minderung des Verlustes als eine Vermehrung des Gewinnes an
Wärme oder, auf die Grenzflächen angewendet, durch Erhöhung der Temperatur ent-
weder in beiden oder auch nur in einer von beiden Flächen beim Gleichbleiben der
Warme in der anderen. — Die Resultate dieser Betrachtung bleiben nun , wie ein
kurzes Nachdenken lehrt, unverändert, wenn man statt der abkühlenden und erwär-
menden Platte in die mittlere Fläche selbst eine Quölle und einon Verbrauch an
Wärme eingelegt denkt — Sollen demnach die in neuerer Zeit so zahlreich Ange-
stellten Temperaturmessungen von Bedeutung für die Beurtheilung des Wärmehaus-
haltes werden, so muss auf einem oder dem anderen Wege noch Aufschluss gegeben
werden Über die Veränderungen des Verbrauches oder der Erzeugung von Wärme an
der beobachteten 8telle.
Zur Messung der Temperatur bedient man sich des Thermometers and des gm-
duirten Thermomultiplikators. — Das erstcre dieser beiden Instrumente ist ein sehr
zuverlässiger aber auch ein träger Apparat, d. h. es muss das Quecksilbergeföss des-
selben längere Zeit an einem Orte verweilen , bevor es dessen Temperatur vollständig
angenommen. Daraus folgt, dass der Thermometer nur beständige Temperaturen messen
kann und auch dieses nur dann, wenn das aufgelegte Thermometer die Tempera-
tur des Ortes nicht ändert, dessen Wärme es messen soll. Aus dem letztem
Grund ist eB z. B. unbrauchbar zur Ermittelung der Temperatur eines Ortes, durch
welchen ein constanter Wärmestrom geht, wie z. B. der Epidermis. Denn auf dieser
kann es nur Anwendung Anden, wenn die Epidermisoberfiäche (Handteller, Achsel-
grube, Schenkelung u. s. w.) so gekrümmt wird, dass sie die Kugel möglichst allseitig
umschliesst, oder wenn die in beschränkter Berührung aufgesetzte Kugel mit einem
schlechten Wärmeleiter, der auch noch die anliegende Epidermis bedeckt, umkleidet
wird. Beide Anwendungsweisen verhindern aber die normal bestehende Abkühlung
jener Hautstelle, deren Temperatur man messen wollte; man erhält darum, wenn man
das Thermometer so lange liegen lässt, bis sein Quecksilberniveau einen unveränder-
lichen Stand eingenommen, die Temperatur der unterliegenden Cutis resp. des sie durch-
dringenden Blutes. — Aus dem schon früher' mitgetheilten Prinzip des graduirten
Thermomultiplikators (Bd. 1. p. 467) geht hervor, dass er ein Differentialinstrument
ist, welches beständige und veränderliche Temperaturunterschiede zweier Orte mit
grosser Schärfe auffasst. Seine Anwendung ist dagegeu umständlich und die Re-
duktion seiner Angaben auf thermometrische Grade nur bei äusserst sorgfältiger Arbeit
zuverlässig. Bringt man, wie es Becquerel*) u. A. gtfthan, die Löthstellen auf
*) Anna! es des sc. nat, xoolog.. in. u. IV. Bd. (1836 u. 88.).
Wärtuo dos Blutes.
721
einer Nadel an , so kann man im lebenden Menschen auch die sonst unzugänglichen
Orte, z. B. Muskeln, Eingeweide u. s. w., auf ihre Temperatur bestimmen. — Der dem
thierischen Körper eingewachsenc Wärmemesser, der Empfindungsnerv der Haut, ist
bekanntlich kein Instrument znr Messung unveränderlicher Temperaturen, er ist im
engern Wortsinne kein Thermometer. Da er an der Grenze von Luft und Blut steht,
so kann der Nerv auch ein Abainken der ilauttomperatur anzcigcn (ein tfroatachauern
veranlassen), trotzdem , dass die Blutwärme im Steigen begriffen ist und umgekehrt
Das auffallendste Beispiel hierfür ist der Vieberfrost , dessen Auftreten jedesmal be-
gleitet wird von einer Steigerung der Bluttemperatur (Gierso, Bärensprung,
Traube’, Michael u. A.). Dieser scheinbare Widerspruch erklärt Bich einfach aus
dem Zustand der llautgefiisse, welche sich so sehr zusammenziehen, dass das Blut nur
in sehr geringer Ausdehnung mit der Haut in Berührung ist; die Abkühlung gewinnt
also trotz einer erhöhten Bluttemperatur das L'ebergewicht. Ebenso häutig geht die
Empfindung der Hitze mit einer fortschreitenden Abkühlung des Bluts Hand in Hand.
I. Die verschiedenen Orte des menschlichen Körpers sind zu .
einer und derselben Zeit nicht auf gleichen Grad erwärmt.
a. Blut*). Nach den Beobachtungen von Bi sc hoff, G.v. Lie-
big und CL Bernard ist das venöse Blut, welches aus der Haut
zurückkommt, im allgemeinen kühler als das arterielle, welches in
sie strömte. Das Blut, welches dagegen in die Niere und Leber
eingeht , ist kühler als das , welches jene Organe verlässt. Das
Blut, welches in die Darmwandungen cindringt, ist bald kflhler.
und bald wärmer gefunden worden als das der venu portarum.
Das Blut der Speichel- und Muskelvenen ist zeitweise wenigstens
wärmer als das der entsprechenden Arterien. Aus allen diesen er-
giebt sieh, dass der Inhalt derjenigen Venenstäuime, welche das
Blut aus verschiedenen Organen sammeln, bald wärmer und bald
kälter als das Arterienblut sein kann.
Das Blut, das aus der vena eav. inferior ins Herz einlliesst,
scheint immer wärmer zu sein als das, welches durch die vena
eava superior dort anlangt, eine Erfahrung, die sich auch ohne
Schwierigkeit aus deren Menge und der Temperatur der Blutarten
erklärt, welche in die beiden genannten Gefässe einströmen. Das
Gemenge aus allen venösen Blutarten, also der Inhalt des rechten
Herzens wechselt in seiner Temperatur je nach dem Uebergevvieht
des Stroms aus der eava descendens oder ascendens; aber immer
findet sich bei gleichzeitiger Beobachtung der Inhalt des rechten
Ventrikels wärmer als der des linken.
. •) G.v. Lieb lg, t'ebcr die Temperaturunterschiede des venösen und arteriellen Blutes.
Giessen IBM. — J. Gavarret, I>c la chaleur prod. par les ßtres vivant*. Paris IBM. p. 119. —
Hernard, Compt. rend. 48. Rd. p. MH und Ml.
Ludwig, Physiologie II. 2. Auflage. 40
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722
Wärme des Blutes und der Eingeweide.
Die folgende Tabelle giebt einige Beispiele fttr die obigen
Anssprliebe.
Hund.
Ort.
Wärme in
C-Graden.
Bemerkungen. ’
Beoltachter.
Vena eava super.
35,98
1
Atrium dextr.
36,37
1
| G. r. Liebig.
2 '
Vena cruralis.
37,20
2 I
Vena cava infer.
3S,l 1
• 3 !
I Aorta.
1 Vena portarum.
38,7
39,2
Endo der Verdauung.
4
1
| Vena portarum.
| Vena hepatica.
39,1»
39,5
Anfang d. Verdauung.
5 !
t
\ Vena portarum.
| Vena hepatica.
39,7
41,3
Verdauung.
G
j
| Vena portarum.
| Vena hepatioa.
37, 8
3S,4
Seit 4 Tagen nüchtern.
. CI. Beraard.
1
<
\ Vena portarum.
| Vena hepatica.
39, l>
39,7
V erdauung.
\ Aorta.
38,4
1 Vena hepatica.
39,4
i
Rechtes Herz.
38,8
• Nüchtern.
9 i
1
) Linkes Herz.
38,6
\ Rechtes Ilere.
[ Linkes Herz.
39,2
39,|
Verdauung.
10
} Rechtes Herz.
36,37
\
/ Linkes Herz.
\ Rechtes Herz.
30,82
39,21
> G. v. Liebig.
1 Linkes Herz.
34,02
I
Diesen Beobachtungen der oben genannten Autoren ist darum der Vorzug ge-
geben worden vor den zum Theil entgegengesetzt berichtenden anderer Physiologen
(Davy, Krimer, Hering, Brechet u. A.), weil die zu den vergleichenden Unter-
suchungen verwendeten Thermometer an und für sich möglichst empfindlich und ge-
nau auf einander reduzirt waren , weil beim Ablesen der Zahlen der aus der Paralaxe
fliessende Fehler vermieden war, ferner weil die Thermometerkugel in das Gefäaslumen
des lebenden Thiercs und zwar so eingefügt war, dass sic, ohne den Blutatrom zu
hemmen, nur mit dem Blute, nicht aber mit den Gcfässwandungen in Berührung war.
Den Resultaten, die aus solchen Messungen hervorgegangen sind, lassen sich natürlich
die nicht ebenbürtig gegenüber stellen, bei welchen man die Thermometerkugel in deu
Aderlassstrahl hielt oder in Gelasse steckte, die dem Luftzutritte Treis gegeben waren,
und zwar zum Theil erst dann , nachdem einige Zeit vorher der Tod erfolgt und die
Athmung und somit auch der Unterschied zwischen venösem und arteriellen Blut auf-
gehoben war.
b. Die Unteramgengegend ist um 0,5 bis 0,25° C., die Blase,
der Mastdarm nnd die Scheide uni 0,8 bis 1,1" C. wärmer, als die
Achselgrube (Hallmannn*), Bärensprnng**) L. Fick***),
Berger, Davy). Das Bindegewebe unter der Haut ist um 2,1" C.
*) ilc Imholz, 1. c. 530.
•*) Mit II er’» Archiv IM1.
••■> Ibld. IHM. »
Aendcningen der Temperatur.
723
bis 0,9° C. niedriger temperirt als das der Skelettmuskeln (Bec-
querel und Brechet). Die Baucheingeweide sind nach den ther-
moelektrischen Bestimmungen derselben Gelehrten etwas wärmer,
als die Lungen und das Hirn.
2. Kein Ort des thierischen Körpers verhält sich im Verlauf
auch nur eines Tages stetig auf derselben Temperatur, Überall und
fast immer schwankt dio Wärme auf und ab. Diese Schwankung
kann allerdings zunächst nur abgeleitet werden aus einer Veränder-
lichkeit des Gewinns und des Verlustes an Wärme, aber die ab-
steigende Temperatur ist dennoch kein Zeichen fllr ein Sinken
und die aufsteigende kein solches für das Anwachsen der Wärme-
erzeugung, denn es kann die absteigende Wärme eben so gut
von einer Erleichterung und die aufsteigende von einer Hinderung
des Wärmeabflusses abhängen. Diese Zweideutigkeit, welche der
Temperaturangabe mit Rücksicht auf die Ursache der Aenderung
anklebt, ist um so mehr im Auge zu behalten, als in der That im
thierischen Körper die Vorgänge, welche Wärme erzeugen, in
weiten Grenzen unabhängig sind von denen, welche Wärme fort-
schaffen.
Wenn sich im thierischen Körper die Wärme ändert, so treten
damit auch in einigen andern seiner Lehensvorgänge Variationen
ein, einige dieser letzten Veränderungen sind so beschaffen, dass
mit ihrem Eintritt sich auch nothwendig die Erzeugung oder der
•Verlust von Wärme ändern muss, andere so, dass dieses zwar oft,
aber nicht nothwendig geschehen muss. Nehmen wir an, es sei
der Verlust an Wärme unverändert geblieben , es seien dagegen die
Umsetzung und die nachfolgende Oxydation der organischen .Stamm-
atome des thierischen Körpers (Eiweiss, Fette etc.) gesteigert
worden, so muss auch die Wärme reichlicher fliessen, beziehungs-
weise die Temperatur zunehmen. Wir dtirfen also, alles Andere gleich
gesetzt auf eine aufsteigende Temperaturschwankung rechnen, wenn
mehr Sauerstoff verschluckt oder mehr Galle, Harnstoff, Kohlensäure
u. s. w. abgesondert wird. Die chemischen Prozesse, aus welchen
diese letztem Umsetzungsprodukte hervorgehen, werden aber an-
geregt durch die Aufnahme von Speisen, durch Nerven- oder Mus-
kelerregnng u. s. w. Insofern also nach der Mittagsmahlzeit die
chemische Umsetzung wirklich gesteigert wird, oder der erregte
Muskel die von ihm entwickelten Kräfte nur zu Arbeiten innerhalb
des thierischen Körpers selbst verwendet u. s. w., können wir die
eingetretene Temperatursteigerung auch als abhängig von den genann-
724
Tempcraturändorung mit Bildung vonCOi, Galle
ten physiologischen Vorgängen ansehen. ln Folge eines vermehr-
ten Bedürfnisses nach Sauerstoff und einer lebhaftem Umsetzung
des Eiweisses, der Fette etc. bewegen sich Herz und Brustkasten
häutiger, also kann man auch die Wärmeänderuug als eine Funk-
tion von den zuletzt genannten Bewegungen betrachten.
Aus diesen Bemerkungen erklärt es sich, warum die Erfahrung
kein allgcmeingliltiges Gesetz aufdeckte, durch welches die Ab-
. hängigkeit der Temperaturschwaukuiig von den Aenderungen ein-
zelner physiologischer Vorgänge bestimmt wird. Die folgenden An-
gaben haben darum nur Werth als Durchschnittsregeln und als
Ausgangspunkte fUr weiter gehende Untersuchungen.
a. Die Temperatur ändert sich mit dem Grade der Geschwindig-
keit, den die Ausscheidung von CUi und die Aufnahme von Sauerstoff
durch die Lunge hindurch annimmt. Beispiele hierfür liefern dieMittel-
* temperaturen verschiedener Thierklassen. So verzehren u. A. die
warmblütigen Wirbelthiere viel mehr Sauerstoff' als die kaltblütigen.
. Auch an demselben Individuum geht meist die Temperatur dem
täglichen Gang der COs-Ausscheidung parallel, siehe hierüber Chos-
sat, Bidder und Schmidt*). — Mit der Lebhaftigkeit des Gas-
stroms durch die Lungenwand wächst aber bekanntlich auch die
Geschwindigkeit der Athemfolge; darum athmet auch ein Thier
rascher, wenn seiue Temperatur steigt. Belege hierfür finden sieh
hei Chossat, welcher die Temperatur und die Athemfolge hun-
gernder und gefütterter Tauben vergleicht. *•
h. Die Lebhaftigkeit, mit welcher- die Gallenbildung**) vor
sich geht, lässt sich an der Temperaturüuderung erkennen. Arnold
verglich hei einem hungernden Hund (von der 18. bis 42. Hunger-
stunde) die Menge des festen Rückstandes, welchen die in je einer
Stunde abgesonderte Galle enthielt, mit der Temperatur im rectum.
DerGallenrückstanduud die Temperatur stiegen und fielen gleichzeitig.
c. Mit der Erregung der Nerven und der von ihnen abhän-
gigen Muskeln und Drüsen wächst die Wärme. So erhöhte sich
u. A. die Bluttemperatur J. Davy’s nach dauernden Muskelan-
strengungeu um 0,7° G. und nach anhaltender geistiger Beschäfti-
gung um 0,27° C. — Die Erwärmung geht von den erregten Orte»
aus; dieses ist .für die Muskeln durch Becquerel., Brechet,
Uelmholtz (I. Bd. p. 407) und Ziemscn***) erwiesen worden.
•) Vvrriaaungriisäfte p. 347.
••) PhyslnloKltwhe Anntnlt iif Hclilcllrerir p. 97.
•••) Die KlektrirUiit in der Medizin 1867.’
der Muskelbetvctfung, den Tageszeiten.
725
Letzterer beobachtete, dass die Wärme, welche von den zusammen-
gezogenen Muskeln ausgebt, sich auch in die tlbcr ihnen liegende
Haut verbreitet; und dass nach der Rückkehr des Muskels in seine
Ruhelage die Tcmperatnrsteigerung noch einige Zeit anhiilt. Mit
der Fähigkeit des Muskels, die Temperatur zu steigern, hängen
wahrscheinlich auch die niedern Wärmegrade gelähmter Gliedmas-
sen zusammen. Die Wärme der Hautdecken stieg nach Bewegun-
gen der unterliegenden Muskeln im Maximum um 4" 0. Dauernde
und ausgebreitete Muskelzusammenziehungen erwärmen aber nicht
allein den thierischen Körper bedeutend, sondern sie steigern auch
unter Umständen seine Temperatur sehr rasch; so sah Bärensprung,
dass das in den Masplarm eines Neugeborenen eingeflthrte Ther-
mometer alsbald zu steigen begann , sowie das Kind zu schreien
anfing. — Die Wärmesteigerung der erregten Speicheldrüse ist
S. 341 erwähnt.
• •
d. Die in Vorstehendem mitgetbeiltcn Untersuchungen fordern,
dass an jedem Tag, gleichgültig, ob wir hungern und ruhen
oder essen und arbeiten, ein Auf- und Absteigen der Temperatur
eintreten müsse; zugleich verlangen sie auch, daSs mit dem stei-
genden Alter die mittlere Tageswürme sich ändern müsse. Von •
den hier augedeuteten Schwankungen soll zuerst die betrachtet
werden, welche unabhängig von der Muskelbewegung und der
Nahrungsaufnahme eintritt. Die letztre Wärmeänderung führt den
Namen der typischen Wärmeschwankung. Das Bestehen einer
solchen typischen Tagesschwankung ist von Bärensprung durch
Beobachtungen amMenschen und von Chossat und Schmidt an
hungernden eingesperrten Thieren dargethan worden; als Beispiel *
für dieselben wählen wir die Angaben von Lich'tcnfels*) und
Fröhlich. Bei vollkommener Enthaltung aller Nahrung, möglich
ster Ruhe der Muskeln und einem Aufenthalt in einer Lntt von
12“, 4 bis 13°, 6 0. fi.el die Temperatur von der letzten Mahlzeit an
(des Abends) bis 10 Stunden nach derselben, erhob sieh in der
11. Stunde nach derselben um ein Geringes, sank dann stärker bis
zur 15. Stunde und erhob sich bis zur lll. wieder auf den Stand
welchen sie zur Zeit der 10. eingenommen ; und begann von da
an wieder zu siiikeu. Der grösste Unterschied betrug bei L iah-
ten fei s (11. und 15. Stunde) 0,80u C., bei Fröhlich 0,56° C.
f •) Wiener flkidrm. Denkschriften. a. IW.
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726
Tagessohwankung Hungernder.
Der tägliche Wärmegang, wie er eben hingestellt wurde, ändert
sich natürlich, wenn die Lebensweise eine andere wird; vor Allem
übt die Aufnahme von Nahrung einen Einfluss, den man im allge-
meinen als eineu wärmeerhöhenden anseben kann; er zeigt sieh
am schlagendsten sogleich darin, dass die Wärme nach Entziehung
aller Nahrung sinkt. So fanden z. B. Lichten fels und Fröh-
lich die mittlere Temperatur der Ilnngcrtage zu 30,60° C., wäh-
rend sie an den wie gewöhnlich verlebten Tagen auf 37,17° C.
stand. Dieser Wänncuntersehied wächst mm aber nicht geradezu
mit der Dauer der Hungerperiodc, sondern es hält sich, nach den
an verhungernden Thieren augestellten Beobachtungen die Tempe-
ratur vom zweiten ljungertage an constant bis gegen die dem Tode
unmittelbar vorangehenden, wo die Wärme von Tag zu Tag rasch
sinkt (Cho.ssat, Schmidt). In ciuer Versuchsreihe an einer
Katze (Schmidt) zeigte bis znm 15. Ilnngcrtage das Thermometer
im Mittel 38,0° C., am 10. Tage 38,3“, am 17. Tage 37,64°, am
18. Tage 35,8° und endlich am 13. (dem Sterbe-) Tage 33,0. —
Mit diesen Angaben sind wenigstens die von Chossat*), der seine
Beobachtungen an den höher temperirten und rascher verhungern-
den Tauben anstellte, nicht im Widerspruche. Den Erscheinungen
der Hungerkur entsprechend scheinen sich die Dinge auch bei der
Einnahme der Nahrung zu stellen ; unzweifelhaft nimmt nämlich
die Temperatur nicht mit dem Gewichte der aufgenommenen Speise
zu; träfe dieses ein, so durfte die Temperatur der Erwachsenen
sich nicht, in so engen Grenzen halten , da sie doch so ausseror-
dentlich verschiedene Mengen von Nahrungsmitteln gemessen. Zu
weiteren Angaben fehlen jedoch noch die genaueren Untersuchungen.
Ucbcr die Art und Weise, wie die Nahrungsaufnahme die ty-
pische Tagesschwankung modifizirt, ist Folgendes bekannt.
Nach den Messungen von Lichtenfels-Fröhlich, Gierse,
II allmann und Bärensprung, welche ungefähr zu denselben
Stunden auf gleiche Weise assen, steigt die Wärme nach dem Früh-
stück an und erreicht 4 — 6 Stunden nach demselben ihr erstes
Maximum, dann sinkt sie bis zur Hauptmahlzeit nnd steigt nach
derselben, bis sie l'/2 bis 21/; Stunden danach ihr zweites Maxi-
mum erlangt; die Abendmahlzeit erzeugt aber kein neues Steigen,
mit anderen Worten, sie vermag das Sinken in Folge der typischen
Schwankung nicht aufzuhalten. — Bei J. Davy erreichte die
•) Ilechcrctics experimentales »ur l'inanition. Pari» 184J.
Tagessoll wankung Gespeister.
727
Wärme 2 Ständen nach dem Frühstück ihr Maximnm und sank
von da ab ; dieser absteigende Gang konnte dnreh die um 6h Abends
eingenommene Hauptmahlzeit nicht in einen aufsteigenden verwan-
delt werden. Uebercmstimmend gaben Davy, Gicrse, II a 1 1 -
iuann und Licht enfels den grössten Unterschied in der Tages-
wärme zu 0,73 bis 0,68" C. an, Härensprung fand ihn an sich
selbst zu 1,12° und Fröhlich zu 0,56°.
Als Beispiele fuhren wir die Benbachtungsreihon von Baren sprung und
Davy an :
Tages- o- Mahliclt.
Stande.
Temperatur.
I Tage*- u. Mahlzeit. Stunde.
Temperatur.
Morgens im Bette.
5—7
.16, GS
Morgens. 1
36,94
Kaffee.
7—9
37,10
Frühstück. 9
36,89
9—11
37,26
11
36,89
-
11—1
36,87
l I 2
37,05
1—2
30,*>3
4
37,17
Mittagessen.
2-4
37,15
5
37,05
4— (!
37,18
Mittagessen. 1 0,5
.36,83
G-S
37,43
Thee. 7,5
36,50
Abendessen.
8—10
37,92
1 1
36,72
10 — 12
30, $5
|
36,44
Aus dem Schlafe
12-2
36,65
m
geweckt.
2 — 1
36,31
i • 1
Die tägliche Pulsschwankung, deren auf S. tOO gedacht wurde,
fällt häufig mit dem Wärmegang zusammen, aber nicht immer ist
der Parallelismus beider C'urven ein vollständiger; so fand u. A.
Bärensprung, dass das mittägige Maximum der Wärme dem des
Pulses vorausging, ln Krankheiten endlich ist Temperatur und
Puls in weiten Grenzen unabhängig von einander (Traube, Joeh-
m a n n) *).
Diese Schwankungen finden sich in allen Lebensaltern (Bä ron Sprung). — Aus
der mitgetheilten Tabelle dieses Letzteren geht hervor, dass die mittlero Tagcstempe-
ratur, wie sie aus den mittleren Zahlen abgeleitet werden kann , bei ihm in der That
vorhanden ist um Sh Morgens, I2h Mittags und 101‘ Abends. — Bei Fröhlich und
Lichtcnfels findet sich die mittlere Temperatur in der 3. Stunde nach dom Früh-
stück. Diese Bemerkung dient dazu , um die Beobachtung von der Amffindung der mitt-
leren Tagestempenitur zu erleichtern.
Die typische Alters -Schwankung d. i. die Acnderung der mittleren täglichen
Wärme in Folge des Alters ist weit schwieriger darzustellen ; zu diesem Jlehufo
müssten elhninirt sein die zahlreichen, allgemeinen und individuellen Gründe, aus
denen bei den verschiedenen , der Vergleichung unterworfenen Menschen die Tempe-
ratur schwanken kann. Diese Forderung ist bis dahin nicht befriedigt. Das geringe
Zutrauen aber, was schon darum die Angaben Über die mittleren Temperaturen der
') l)eoliiichtiing<;ii Uber die Körperwärme. 1853.
728
Temperaturanderung durch Aderlass
verschiedenen Lebensalter vordienen , wird 'noch geschwächt durch den Umstand , dass
die Temperaturunterschiede der verschiedenen Individuen desselben Alters grösser
Ausfallen , als die Unterschiede- in' den Mittelzahlen dor verschiedenen Alter. Die
folgende Tafel, die nach Bärensprung entworfen, giebt darüber Aufschluss*).
Lebensalter.
’
&
-
Jä
i J*
9.
Orens-
Temperatur.
Heoliach -
tvngsort.
■°f s
-II
PI
ij
l i
H Q.
H
Tageszeit der
Beobachtung
Bemerkungen.
Nougeborcnr.
37,8 t
3H,<> -30,0
Mutdarm.
37
Unmittelbar
n. d. Geburt
f> — 9 Jahr.
37,72
37,87—37,62
Mund und
4
ä
Morgens.
Mutdarm.
7t
Mittags.
Während d.
3
Abends.
Handarbeit
15 — 20 „
37,37
36,12—38,1
Achselhöhle.
ll
'
N
3
0
o
nach Mittag.
Während d.
Handarbeit
21—30 „
37,22
3*
II
25—30 „
36,91
4
i
xu verschie-
Aus d. höh.
Ti
den. Zeiten
Ständen.
31 — -10 „
37,1
»•
6
3
vorzugaw.
C
nach Mittag.
41—50 „
51—60 „
* 50 „
36,87
36,83
37,46
Mund.
7
2
1
zu verschie-
den. Zeiten.
e. Während eines ausgiebigen Aderlasses sahen Bisch off,
G. Liebig, Bärensprung und Marshall Hall die Temperatur
um einige Zehntel eines Grades steigen; in den paar ersten Tagen
nach der Blutentziehung ging die Wärme auf den Werth vor der-
selben zurück und noch später sank sie unter die Norm und hielt
sich auf diesem niederu Werthe längere Zeit.
f. Der Erfahrung entsprechend, dass die Haut einen wesent-
lichen Einfluss auf die Abkühlung übt, sollte man erwarten, dass
mit der steigenden Durchfeuchtung und BlntfUllc der cutis die Blut-
temperatur sinken müsse und andrerseits , dass die letztere steigen
würde, wenn die umgekehrten Zustände der cutis einträten. Die
geringe Herrschaft, die wir über die Wärmeerzeugung ausüben, ver-
hindert es aber, beweisende Beobachtungen zu gewinnen. Aller-
dings sind einige Thatsachen bekannt, aus denen der veränderte
Wätjiegang aus dem Zustand der Haut erklärt werden kann. So
steigt z. B. die Temperatur im Fieberfrost (Gierse, Bären-
sprung, Traube**), Michael***), oder nach vorübergehenden
•) lieber dl« Temperatur Im Tode siehe Adler Wiener med. Wochenschrift 1849. Nr. 4a.
••) Krisen nnd krit. Tape. Berlin !«:.».
•••) Archiv (Ur physiolog. Heilkunde, 1846. 30.
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durch Zusilände der Haut und der Hiisscrn Umgebung.
729
Abkohlungen der ITaut (F. H o p p e , L i e b e r m e i s t er) ; man könnte
sagen darum, weil der Wärmeverlust durch die Haut, deren Gc-
fässe sich verengert haben , vermindert sei. Umgekehrt sinkt die
Blutwärme sehr häufig, wenigstens im Hitzestadium des Fiebers,
wo die Gefässe der Haut weit ausgedehnt, und also zur Wärme-
abgabe sehr geeignet sind. Aber diese Erklärungen sind nur hy-
pothetische, da sich nicht nachweiscn lässt, wie sich zu jenen Zeiten
die Wärmeerzeugung verhalten habe.
g. Aenderung der Eigenwärme mit der Temperatur, Leitungs-
fähigkeit und dgl. in der Umgebung. — Wenn wir uns aus einer
Umgebung, die pinen massigen Wärmeverlust bedingt, in eine solche
begeben, die uns stärker abzuktlklen vermag , so gehen daraus ver-
schiedenartige Folgen für unsere Körpertemperatur hervor. Un-
mittelbar nach dem Uebergang aus dem Warmen in das Kltblc
kann auch die Temperatur unseres Körpers herabgehen, aber sie
muss es nicht, ja sie kann im Gcgentheil etwas ansteigen (Lie-
bermeister). Die Eigenwärme scheint nur dann jedesmal fast
momentan zu sinken, wenn der Wärmeabstand zwischen unserm
Blute und unserer Umgebung ein bedeutender ist, oder die Lei-
tungsfähigkeit des uns umgebenden kllhlern Mediums eine merk-
liche ist. So beobachteten Davy, Virchow, Hoppe u. A. schon
nach einem kurzen Aufenthalt in einer Luft von 0" oder im See-
bad u. s. w. ein Sinken der Eigenwärme und zwar ein grösseres
bei der Messung in der Mundhöhle, ein geringeres bei der im Mast-
darm. — Aehnlich wie beim plötzlichen und vorübergehenden Ein-
wirken der änssern Kälte, verhalten sich auch die Folgen fllr die
thierische Eigenwärme bei andauerndem Bestehen der erstem. Unter
Voraussetzung einer genügenden Ernährung, Muskelbewegung und
Hautbckleidung kann eine sehr niedere Lufttemperatur ertragen
werden, ohne dass die Eigenwärme des Warmblüters merklich sinkt.
AlsBeispiele hierfür dienen die Beobachtungen von I’arry und Back,
welche im arktischen Winter bei einer Lufttemperatur von — 30° bis
— 35" die Temperatur der dort vorhandenen Säugetbierc zu -f- 4(1''
fanden. Die sorgfältige Arbeit von Martins sagt Achnliches für
Schwimmvögel aus. — Wenn aber die nöthige Speise oder die Bewe-
•) Hoppe, Archiv ftlr pathol. Anatomie. XI. 450. — Virchow, Ibidem. XV. 70. —
Parry, Annales de chim. et do phys. ihn« Sdr. XXVIII. 223. — Baak, Compt. rond. 11. 891. —
'Martins, Mriinoires de l'aeftdemlo dd Montpellier. HI. 180. — Lieber iu Oiste r, Deiitscl^
Klinik. 1859. 391. — Hags pi hl, Valentins .Jahresbericht Uber Physiologie für 1857. 58. - Va-
lentin, Archiv für physiolog. Heilkunde. 1858. lirown-Sd qusrd, Journal de Physiologie.
730
Temperatur&nderungen bei hoher
gung mangelt, so sinkt die Temperatur des Warmblüters je nach
Umständen mehr oder weniger tief und rasch ab. Ein sehr auf-
fallendes Beispiel giebt Chossat; er fand, dass hungernde Thiere
selbst bei einer Lufttemperatur von -+- 12° bis 18° C. in Folge der
Abkühlung sterben können.
- Folgt auf die Einwirkung vorübergehender Kälte wiederum
die eines mässig warmen Mediums, wie es z. B. nach dem Aus-
tritt ans einem kalten Bad der Fall ist, so gestaltet sieh jetzt
der Gang der Temperatur so, dass sich die während des Bades
gesunkene oder normal gebliebene Wärme alsbald wieder hebt und
zwar meist höher, als sie vor dein Eintritt in das Bad stand.
Lokal« Abkühlungen , wie sie oft als Heilmittel angewendet werden , kühlen zu-
nächst örtlich und dann auch allgemein, siche hierüber Hagspihl.
Wird die Temperatur unserer Umgebung auf diejenige unseres
Bluts gebracht, oder tibersteigt der äussere Wärmegrad gar den
innern, so sind die Folgen für die Blutwärme sehr ernsthaft; die
Wirkungen dieser hohen Temperatur unserer Umgebung werden
bedeutend verstärkt, wenn gleichzeitig die umgebende Luft mit
Dampf gesättigt ist.
Wärmegrade der Umgebung, die oberhalb der thierischen Nor-
maltemperatur liegen, erträgt der Organismus, ohne seine Wärme
wesentlich zu erhöhen, vorausgesetzt, dass eine lebhafte Sebwciss-
bildnng unterhalten werden kann (Franklin) und dass die At-
mosphäre trocken genug ist, um eine rasche Verdunstung des
Wassers von der Ilaut und der Lunge aus zu erlauben. In einer
mit Feuchtigkeit vollkommen gesättigten Luft, oder gar in einem
warmen Bade, steigt dagegen die Temperatur des Organismus rasch.
So fanden u. A. Berger und de la Roche, dass bei' einem Auf-
enthalte, von 8 bis 16 Minuten in einem auf-)- 100° bis 127° C. er-
wärmten Raume die Temperatur unter der Zunge um 4° bis 5°
stieg. Die englischen Beobachter*) B 1 a gd e n , D o b s o n , F o r d v c e
u. A. fanden dagegen in der gleichen Zeit unter ähnlichen Um-
ständen nur eine Temperatursteigerung von etwa 1° C. Aebnliehe
Beispiele giebt Hoppe. Der letztre verfolgte auch noch den Gang
der Temperatur, nachdem die Thiere wieder aus dem warmen
Dunst oder Wasserbade ausgetreten waren. Er fand, dass die
Thiere nach ihrer Rückkehr in die Luft von gewöhnlicher Zimmcr-
wärme nicht allein bald wieder auf die normale Eigenwärme zu-
•) l'iiilo»op)iical Irantaeiioiu. IS. Ild.
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und niederer Wärme der Umgebung. 731
rflckkamen, sondern dass sie auch im Verlauf von 25 bis 50 Mi-
nuten auf eine niedrere Temperatur anlangten , als sie ihnen vor
dem Eintritt in den erwärmten Kaum eigen gewesen war.
Crawford machte bei Thieren , welche den Einflüssen höherer Temperaturen
ausgesefcit waren , die Beobachtung, dass das in ihren Venen enthaltene Blut nicht
dunkel- sondern hcllroth gefärbt war.
Wenn man die Abkühlung der Tliierc durch die Haut dadurch
auf lieht oder vielleicht auch nur ändert, dass man sic in einen
Kautschukbeutcl cinschliesst oder ihre Haut mit Leim oder Eiweiss
überzieht, so nimmt die Eigenwärme derselben nicht zu, wie man
wohl hätte erwarten können, sondern ab (Bernard, Hoppe).
Verweilen die Thiere in dem Ueberzug bei gewöhnlicher Zimmer-
wärmc längere Zeit, so erfolgt unter steigender Abkühlung (durch
die Lungen?) der Tod; erhöht man dagegen die Wärme der Um-
gebung, so bleiben die Thiere nicht allein am Leben, sondern es
erholen sich auch andere geschwächte Lebensfunktionen wie z. B.
die (XL-Bildung wieder (Valentin, Schiff).
ln Verbindung mit den vorstehenden Beobachtungen hat man
wiederholt die Frage aufgeworfen, ob Menschen und Thiere gleicher
Art in warmen Gegenden höher temperirt sind als in kalten. Davy,
Brown-Sequard, Eydoux und Soulcyct fanden in der Tliat
die Eigenwärme des Menschen in wannen Gegenden höher. Die
folgende Tabelle, welche der Abhandlung von Brown-S£quard
entnommen ist, gieht die gefundenen Temperaturunterschiede an. Die
Beobachtungen beziehen sich auf dieselben Menschen, welche aus
kaltem Gegenden in die Tropen oder umgekehrt gereist waren.
Zum Vcrständniss der folgenden Tabelle umss bemerkt werden,
dass wenn die Lufttemperatur sieh um die in der ersten Columne
stehende Zahl gemehrt (+) oder gemindert ( — ) hat, die Wärme
des Menschen um die in der zweiten Columne stehende Zahl gestiegen
(-(-) oder gesunken ( — ) ist.
Wärmcunterachled
....
Ort der Messung.
Beobachter.
der Atmosphäre. ;
den Menschen.
+ 40“. 0 C.
4- t»,0 C.
ltectum.
Eydoux u. .Soulcyct.
4- 1 1 °. 1 1 0.
4- o“, ss c.
1
J. Davy.
+ 3H°,7 C.
— 13", 5 C.
-f C. 1
— 0“,67 C. '
j MumlhSble. 1
Brown-Sequard.
Martins beobachtete bei Enten, die er im Winter nnd Sommer
untersuchte, keinen Unterschied der Eigenwärme trotz eines Tem-
peraturunterschiedes der Atmosphäre um 20° C.
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732
TemperaturspieluTi}' des Warmblüters.
3. Spielraum der Eigentemperatur des Warmblüters*). Wenn
das Säugethier lebend erbalten werden soll, so darf sein Blut
nicht filier 45° C. und nicht unter 19° bis 20“ C. temperirt sein.
Oberhalb der bezeiehneten Grenze erfolgt der Tod, weil dann die
Muskeln absterben, die, wie Kühne zeigte, einen Eiweisskörper ent- ,
halten, der über jener Temperatur gerinnt. Unterhalb 20° C. wird die
COj- Bildung beeinträchtigt und die Nervenerregbarkeit sehr be-
trächtlich herabgesetzt, so dass ein Thier, welches einmal auf
diesen Temperaturgrad herabgesunken ist, unfehlbar zu Grunde
geht, wenn es in gewöhnlicher Zimmerwärme verweilt. Wird es
dagegen in einer Temperatur von 36“ bis 40° C. künstlich erwärmt,
so erholt es sieh in kurzer Zeit wieder vollständig. ' — Eitr den
Menschen liegen die Temperaturgrenzen des Lebens wahrscheinlich
ähnlich wie beim Säugethier. Nie wenigstens sah man die Tempe-
ratur des leitenden Uber 44,5“ C. steigen, und noch sah man ihn
lebend, wenn seine Temperatur auf 26,6“ C. herabgesunken war.
Aber beide Temperaturen wurden nur bei heftigen Krankheiten
(Fieber und Cholera) beobachtet; die Temperaturen des gesunden
Menschen sind also in noch engere Grenzen eingeschlossen.. —
Vögel, die gewöhnlich über 40“ warm sind, sterben schon bei
einer Bluttemperatur von 26“ C.
Ursprung der thierischen Wärme.
1. Die Wärme ist bekanntlich eine besondere Art von Bewe-
gung, die, wie es scheint, von jeder Masse, wägbarer wie unwäg-
barer, ausgeftlbrt werden kann. Der erste Theil. dieses Satzes
wurde bekanntlich dadurch bewiesen , dass sich Bewegung in
Wärme und umgekehrt die. Wärme in Bewegung umwandeln lässt,
so dass für die verschwundene Wärme Geschwindigkeit und für die
vernichtete Geschwindigkeit Wärme, zu gewinnen ist. Also kann
die Wärme kein Stof!', sondern sie muss eine Bewegung sein, weil
es aller Erfahrung widerspräche, anzunehmen, dass durch den Ver-
lust eines Stoffes Bewegung und durch denjenigen einer Bewegung
ein Stoff entstehen könnte.
Wenn nun die Wärme eine Bewegung ist, so kann sie auch,
entsprechend dem von Helmholtz entwickelten Gesetze Uber Er-
haltung der Kraft , nur dann entstehen , wenn ein wägbarer oder
•) Dernard, Lecona de Physiologie 1854— *5. p.'188. — Derselbe , Caeette niddlcale 1859.
460. Außerdem die schon angelegenen Abhandlungen von ltaren» prung. Traube, Joch'-
mmn, M i c h a cl , .V kl e n 1 1 n , Schiff and Chosiat.
Digilized by_GoogI
Ursprung der thieriachen Warme. 733
unwägbarer Körper seine Geschwindigkeit .einbüsst, oder wenn
Spannkräfte als solche znm Verschwinden kommen. Das erstem
Glied der Alternative ist an und fllr sich klar, das '/.weite wird
es, so wie man erfährt, dass der Physiker unter Spannkraft die
Bedingungen versteht, welche, obwohl sie selbst keine Bewegung
sind oder wenigstens nicht zu sein scheinen, dennoch eine ruhende
Masse in Bewegung versetzen können. Solche Bedingungen sind
aber dadurch charakterisirt, dass sic nur herbeigeflihrt werden
können durch einen vorgängigen Verlust von gerade so viel Ge-
schwindigkeit, als sie selbst wieder erzeugen können. Unter diese
Spannkräfte zählten wir u. A. schon früher den Druck, welchen
die unteren Schichten einer Wassersäule zu ertragen haben; unter
sie gehören auch gewisse chemische Anordnungen, wie sie z. B.
den verbrennlichen Atomen zukommen. Denn die letztem sind
während des Ueberganges in den verbrannten Zustand befähigt,
entweder wägbare Massen zu bewegen (wie dieses bei der Aus-
dehnung der Körper, in der Dampfmaschine, den Wurfröhren u. s. w.
geschieht), oder auch sich und ihre Umgebung zu erwärmen. Die
beiden Leistungen stehen nun bekanntlich insofern im Gegensatz,
als die eine Kraft des Verbrennungsprozesses in dem Maasse ab-
nimmt, in welchem die andere Kraft in Anspruch genommen wird,
so dass, wenn aus einem Verbrenunngsyorgang viel Wärme ge-
zogen wurde, die Grösse der verwendbaren Geschwindigkeit ab-
nimmt und umgekehrt. — Da nun die Atome des verbrannten Kör-
pers in den verbrennlichen Zustand nur dann zurUckgeftlhrt werden
können, wenn dieselbe Menge von Wärme oder Geschwindigkeit
aufgewendet wird, die sie bei der Verbrennung ausgaben, so kann
man sagen , es sei der verbrennliche Körper mit einer zur Ruhe
gekommenen Geschwindigkeit begabt, welche sich als Spannung
zwischen seinen Atomen geltend mache. Keinesfalls wird durch
die Verbrennung "neue bewegende Kraft gewonnen, sondern alte',
längst vorhandene von einem Körper auf den anderen Übertragen.
Diese der Physik entnommenen Thatsachen fuhren zu dem
Ausspruch, dass die einzige Wärmequelle des menschlichen Körpers
die langsame Verbrennung seiner organischen Bestandtheile ist.
Dieser Satz wird von der physiologischen Beobachtung zunächst
dadurch bestätigt, dass kein anderer Grund fUr die thieriscb'e
Wärme aufgefunden werden kann. So genügen offenbar zur Ent-
wickelung derselben die Stösse nicht, welche der menschliche Kör-
per von den ihn umgebenden Medien, z. B, der bew'egten Luft,
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734
Die latente Wirme der Nahrungsmittel
empfängt, da sie einestheils zu unregelmässig erfolgen und andeni-
theils in den meisten Fällen weitaus nicht den Kraftwerth der
Stösse erreichen, welchen der menschliche Körper selbst beim Gehen,
bei Armbewegungen u. s. w. seiner Umgebung mittheilt. — Ferner
können die von den Muskel- und Nervenkräften ausgehenden Be-
wegungen keine neuen Ursachen der Wärme abgeben, da die Ent-
wickelung dieser Kräfte selbst von dem thierisehen Stoffumsatzc
abhängt. Die in den Muskeln und Nerven vorkommenden Bewe-
gungen sind also erst wieder abgeleitet aus den latenten Kräften
der Nahrungsmittel. Jene Apparate schöpfen ihre Befähigung zur
Erzeugung von lebendiger Kraft aus derselben Quelle mit der freien
Wärme, und somit muss in dem Maasse, in welchem jene Appa-
rate lebendige Kräfte zum Vorschein bringen, die Befähigung des
thierisehen Stoffes zur Bildung freier Wiinne abnehmen.
Daraus ergiebt sich schliesslich, dass. auch die Keibnngen,
welche in Folge der Muskelbewegung erscheinen, wie z. B. die der
Gclenkköpfe in den Pfannen, der Sehnen in den Sehnenscheiden,
des Bluts In den Gefässen ursprünglich immer wieder demselben
Material ihr wärmcbildendes Vermögen verdanken. Denn die Mus-
kclbewcgungen, welche durch die eingeleitete Reibung Wärme er-
zeugten, konnten nur entstehen durch eine Aufwendung derjenigen
Kräfte, welche Latent zwischen den sich umsetzenden Atomen ent-
halten waren; also ist auch die Reibungswärme nur durch einen
Umweg aus der latenten Wärme des Eiwcisses, Fettes, des Sauer-
stoffs u. s. -w. hervorgegangen, indem die letztere sich zuerst in
eine Bewegung des Muskels und diese wieder in eine solche der
Knochen, des Blutes u. s. w. umsetzte, welche durch die wärme-
erzeugende Reibung zur Ruhe kam.
Diese auf theoretischem Wege gewonnene Ueberzeugung vom
Ursprünge der thierisehen Wärme hat man durch, den Versuch noch
zu befestigen versucht, oder wahrheitsgemässer gesagt, Lavoisier
und nach ihm D u 1 o n g und andere haben die zu ihrer Zeit theo-
retisch nicht beweisbare Annahme, dass die thierische Wärme auf
der Oxydation des Thieres beruhe, durch den Versuch erweisen
wollen. Dieses Unternehmen ist jedoch bis zum heutigen Tage noch
nicht vollkommen geglückt.
Im Prinzipe muss dasselbe darauf hinauslaufen, die Menge von
Wärme, welche hervorgehen kann aus der Oxydation des Eiweisses
der Fette, des Zuckers zu CO2, HO, Harnstoff u. s. w. zu ver-
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ist die Quelle der thierischen Wärme.
735
gleichen mit der Wärmemenge, welche das Thier liefert, während
es seine bestimmte Menge von COs, HO, Harnstoff bildet.
2. Um die erste dieser Forderung mtiglich zu machen, muss
inan die latente Wärme der bezeiehneten Atome ermitteln ; dieses
geschieht, indem man die Wärmequantität misst, welche frei wird,
wenn das Eiweiss, die Fette u. s. W. verbrennen. Die Einheit, in
welcher die 'erhaltene Wärme ausgedrUckt wird, ist bekanntlich das
Fassungsvermögen der Gewichtseinheit des Wassers für Wärme,
oder diejenige Menge der letzteren, welche je nach dem Ueberein-
kommen zu einem Gramm, einem Pfund (500 Gr.) oder einem Kilo
(1000 Gr.) Wasser geführt werden muss, damit die Temperatur des-
selben um 1° C. erhöht werde.
Dio bei der Verbrennung entwickelte Wärme fängt man dadurch auf, dass man
den zu vorbrennenden Körper in einen rings von Wasser oder Quecksilber umgebenen
Metallkastcn einbringt, und dort dio Verbrennung so geschehen lässt, dass alle frei
gewordene Wurme auf die Flüssigkeit übertragen wird. Aus dem bekannten Gewichte
des verbrannten Körpers und dem des umgebenden Wassers und endlich aus der Tem-
peraturzunahme dieses letzteren lässt sich ableiten , wie viel Wärmeeinheiten bei der
Verbrennung der Gewichtseinheit eines beliebigen StofTes frei werden. Ueber die zahl-
reichen Fehler, die diesem Verfahren anhaften können, und ihre Vermeidung, siohe die
Abhandlungen von Favre und Silbermann. —
Ausser dioser, wenn man will, absoluten W'ürmemessung giebt es noch eine rela-
tive; sie beruht auf dem Satze, dass die Menge von Warme, welche ein Körper ab-
glebt, proportional dem Unterschied seiner eigenen und der ihn umgebenden Tempe-
ratur ist. Wenn man eine .Messung nach diesem Prinzip ausführen will, bringt man
in das Innere eines rings geschlossenen Kastens eine ‘constante Wärmequelle, setzt
denselben in einen Raum von constanter Temperatur, und wartet, bis ein in den
Kasten gehängtes Thermometer auch hier eine constante Temperatur anzeigt Wenn
somit der Unterschied in der Temperatur der Luft innerhalb und ausserhalb des Kas-
tens constant geworden ist, so muss auch der Kasten in jedem Augenblick so viel
Warme empfangen, als er ausgiebt. Mit Rücksicht auf den obigen Vordersatz lässt
sich nun zeigen , dass innerhalb gewisser Grenzen wenigstens der Temperaturunter-
schied zwischen dein Kasten und dor Umgebung mit der Menge von Wärme wachst,
die im Innern des Kastens aufgewendet wurde. — ** Einen solchen Apparat kann man
aber auch graduiren , d. h. in einen absoluten Maassstab umwandeln. Hierzu ist
nichts Anderes nüthig, als dass man das constante Tcinperaturübergewicht des Kostens
Uber seiner Umgebung dadurch erreicht, dass man in' seinem Innern H - Gas ver-
brennt, dessen latente Warme aus anderweiten Beobachtungen bekannt ist. Dieses Ver-
fahren rührt von Hirn her, der cs auch zu physiologischen Zwecken benutzt hat.
Aus den Erfahrungen, welche die Versuche über die Verbren-
nungswärme ergeben haben, hebt sich Folgendes für den physiolo-
gischen Zweck als wichtig hervor.
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736
Wärmemenge der thierischjen Atome. *
a. Die Zahl der Wärmeeinheiten , welche die Gewichtseinheit
eines einzelnen oder einer Gruppe von Atomen beim U ebergange
aus einer niederen in eine höhere Oxydationsstufe entwickelt, ist
unabhängig von der Art und Zahl der Mittelstufen, welche zwischen
den beiden Endgliedern gelegen sind. So giebt z. B. ein Gramm
Stearinsäure , wenn sie mit Hülfe des gasförmigen Sauerstoffs zu
COj und HO verbraunt wird, immer dieselbe Wärmemenge, gleich-
gültig, ob die Verbrennung in einem Akte oder in der Art geschieht,
dass sich noch mancherlei Zwischenprodukte (niedere Glieder der
Fettsäureureihe, CO u. s. w.) eiuschieben, bevor es zu einer voll-
ständigen Ueberftihruug in COs und HO gekommen ist. Dieser em-
pirisch aufgefundene Satz ist eine nothwendige Folgerung aus der
mechanischen Wärmetheorie. Denn- nach ihr war die messbare
Wärme nichts Anderes als die lebendige Kraft, welche frei werden
konnte durch den Unterschied an Spannkräften im unverbrannten
und verbrannten Atome. Dieser Unterschied ist aber natürlich nur
abhängig von dem Zustand des in die Verbrennung eingehenden
und des aus ihr hervortretenden Atoms, unabhängig dagegen von
den Mittelgliedern, welche zwischen der Anfangs- und Endstufe ge-
legen sein können. Es verhält sich hierbei Alles gerade so, wie
mit der Arbeit, welche durch den freien Fall eines Körpers gelie-
fert werden kann. Dieselbe wird bekanntlich nur bestimmt durch
die Fallhöhe, nicht aber dadurch, ob der Körper auf einmal oder
in Absätzen ans der gegebenen Höhe herunterfällt. — b. Die Ver-
brenunngs wärme, welche einfache Atome oder Atomgruppen von
einer und derselben chemischen Zusammensetzung liefern , ist ab-
hängig von dem Zustande, in dem sie sich finden. So giebt u. A.
ein Gramm Kohle in ihren verschiedenen allotropischen Modifikatio-
nen (Diamant, Graphit, Holzkohle) eine ungleiche Menge von Wärme-
einheiten ; desgleichen geben gleiche Gewichte zweier Atomgruppen,
welche in verschiedener Anordnung gleich viel Atome derselben
Art enthalten (isomere und polymere Verbindungen), ganz ungleiche
Wärmemengen. — c. Damit in innigem Zusammenhänge steht die
Erfahrung, dass die Verbrennungswanne eines Atoms im freien
unverbundenen Zustande eine andere als im verbundenen Zustande
ist; mit anderen Worten, die Summe der Wärmeeinheiten, welche
bei der Verbrennung eines eomplizirteu Atornes frei werden, können
nicht abgeleitet werden aus der bekannten Wärmemenge, welche
die in dem complizirtcn Atome enthaltenen Atome geben, wenn sie
im freien Zustande verbrannt werden. Im Allgemeinen gilt jedoch
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Wärmeeinheiten nach Favre und Sil her mann.
737
die Regel, dass die mit anderen schon verbundenen Atome weniger
Warme ausgeben, als die freien. Dieser Satz bestätigt sich nicht
allein, wenn in das complicirtc Atom Sauerstoff eingetreten, sondern
auch, wenn die Verbindung frei von demselben, z. H. ein Kohlen-
wasserstoff, ist. Es haben sich also der Kohlen- und Wasserstoff
bei ihrer Vereinigung schon verbrannt, indem sie bei derselben
Wärme entwickelten. In einigen sehr seltenen Fällen, z. B. beim
Schwefelkohlenstoff ist jedoch auch die Vcrbrennungs wärme des
complicirten Atoms grösser, als das aus ihren constituirenden Ele-
menten berechnete Resultat. — d. Bei der Oxydation durch gas-
förmigen Sauerstoff ist die Zahl der entwickelten Wärmeeinheiten
geringer, als bei der Verbrennung durch Stickoxvdul. Die Ver-
brennung in reinem Sanerstoffgas oder in atmosphärischer Luft
führt jedoch zu demselben Resultat. — e. Die Zahl der Wärme-
einheiten, welche die Gewichtseinheiten der in den Speisen enthal-
tenen oder zum Aufbau des menschlichen Körpers verwendeten or-
ganischen Atome ergeben, ist nur fUr die geringste Zahl derselben
ermittelt. Durch Favre und Silbermann ist bekannt, dass
1 Gr. der folgenden Stoffe die verzeichneten Wärmeinheiten giebt.
Stearinsäure
(C;ltsH:if,Oi)
=
9700
W.-E.
Margarinsäure
(CuRnO-i)
=
9560
n
Palmitinsäure
(C32H«Oi)
=
9420
n
Caprylsäure
(CieHicOj)
=
7780
n
Capronsäurc
(C1SH|204)
==*
7000
11
Buttersäure
(CsHsOO
=
5623
11
Propionsäure
(CflHnCL)
—
4670
11
Essigsäure
(CiHiOj)
=
3505
11
Ameisensäure
(C2H2O4)
=
1915
11
Alkohol
(CiHuOo)
=e
8958
11
Kohlenstoff (aus Holzkohle)
=
8086
11
Wasserstoff '
=
34462
11
Diese Mittheilungen lassen erkennen, wie ungemein lückenhaft
die Erfahrungen Ubfer die latente Wärme der im thierischen Körper
verbrannten Stoffe sind. Man sieht sich darum genöthigt, zu einer
Hypothese söine Zuflucht zu nehmen, wenn man eine Angabe Uber
die Wärmeqnantität machen will, deren Verwendung dem thie-
rischen Körper zu Gebote steht. Zu dtesem Behufe nimmt man
an, dass die in den organischen Verbindungen der Nahrung ent-
Ladwlg, Physiologie. TI. 2. Auflage. 47
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738
Wärme aus dem thicr. VerbrennuBgsproccsse.
haltenen C- und H-Atome gerade soviel Wärmeeinheiten auszugehen
vermöchten, als wären sie im freien Zustande verbrannt, und fttgt
zu dieser Unterstellung den vyeiteren Zusatz, dass der 0, welchen
die genannten Verbindungen mitbringen, so angesehen werden
solle, als ob er schon einen ihm entsprechenden Wasserstoffantheil
der Verbindung zu Wasser verbrannt habe; mit anderen Worten,
wenn man nach der obigen Voraussetzung die latente Wärme einer
Verbindung berechnen will, so zieht man eine ihrem Sauerstoffge-
halte entsprechende Wasserstoffmeuge ab.
Nach dieser Hypothese würde nun z. B. 1 Gr. Stearinsäure
9905 Wärmeeinheiten geben, während er beobachtungsgemäss nur
9700 liefert, das berechnete Resultat tibersteigt das beobachtete.
Anders gestaltet es sich mit den Kohlenhydraten. Wir wählen als
Beispiel den Traubenzucker (CuHijOu). Da dieser eine genügende
Menge von 0 enthält, um allen seinen II zu HO zu verbrennen, so
kommt bei unserer Berechnung nur der C in Betracht. Nun ent-
hält 1 Gr. Zucker nach obiger Formel 0,4 Gr. C., diesem ent-
sprechen aber 3234 W.-E.; 1,0 Gr. Zucker giebt aber auch 0,51 Gr.
Alkohol, welche nach empirischer Feststellung 4568 W.-E. liefern.
Diese müssen also jedenfalls schon in dem Gr. Zucker, welcher
zur Alkoholbildung verwendet wurde, enthalten gewesen sein. Be-
. denkt man aber noch, dass auch Wärme aus dem Zucker ent-
v wickelt- wurde , als er bei der Gährung unter C'Oi-Abscbeidnng in
Alkohol überging, so folgt aus allem Diesen, dass das berechnete
Resultat weit unter dem beobachteten bleibt. Aus diesen beiden
Beispielen, die einzigen, welche dem kritischen Experiment unter-
worfen wurden, geht hervor, dass jene Hypothese eine bald z_u ge-
ringe, bald eine zu hohe Verbrennungswärme giebt. Wollte man
also von obiger Annahme Anwendung machen auf ein Thier, das
viel Fett und wenig oder gar kein Amylon frisst, so hätte man
seine latente Wärme überschätzt, während man bei einem anderen
Thiere, das Amylon und Fette im umgekehrten Verhältnisse ver-
zehrt, die latente Wärme zu gering veranschlagt haben würde.
3. Die zweite Forderung zur praktischen Lösung der Frage,
oh die aus dem thierischen Verbrennungsprozesse disponibel wer-
dende Wärme mit der vom Thiere wirklich gebildeten Uberein-
stimmt,- verlangt Angaben Uber die während der Versuchszeit ent-
• wickelte Wärme und die" in derselben umgesetzten Stoffgewichte,
mit genauer Bezeichnung der in und aus den oxydirenden Processen
-.i,.
Mi-K.su ng der entwickelte!) t liier. Wiirme.
739
tretenden Atomgruppen. Von diesen Bedingungen ist die erstere
ganz und die letztere mindestens theilweise zu erfüllen.
Die Wärme, welche die Tliiere während der Versuchszeit ent-
wickeln, kann durch ganz dasselbe Verfahren gemessen werden,
welches zur Bestimmung der Verbrennungswärme yines beliebigen
Atoms dient. Man sperrt das zu untersuchende Thier, dessen Tem-
peratur zu Anfang und Ende des Versuches Ubercinstimmen muss,
in einen rings von Wasser umgebenen Metallkasten und bestimmte
die Tempcratnrzunahmc, welche das bekannte Gewicht des nmge-
' enden Wassers während der Anwesenheit des Thicres im Kasten
erfahren hat.
Den qualitativen und quantitativen Gang der .Stoffbewegung
des dem Versuche unterworfenen Thiercs erschlicssen Dulong und
Despretz aus der Menge des aufgenommenen' Sauerstoffs und
der ausgegebenen CO2 ; nach den in der Rcspirationslehrc entwickel-
ten Grundsätzen genügen bekanntlich diese Angaben, um daraus
auch die Menge des verbrannten Kohlen- und Wasserstoffs zu
finden. Vorausgesetzt, es sei die möglichst günstige Annahme zu-
getroffen, dass während der Versuchszeit die ganze Menge von 0,
welche in derselben aufgenommen wurde, auch zur Bildung von
CO2 und HO verwendet, und es sei auch die ganze Menge der ge-
bildeten CO. wieder ausgeathmet worden, so würden die gelieferten
Bedingnngcn immer noch nicht genügen, um daraus die Menge der
Wärme zu bestimmen, welche während der Oxydation frei wurde.
Dieses folgt unmittelbar aus den vorhin mitgethellten Erfahrungen,
dass die Wärmemenge, welche ein Atom- II oder C bei seiner Um-
wandclung in CO2 und HO liefert, sieh richtet nach der Verbin-
dung, aus welcher jene Elemente verbrannt wurden. Demgemäss
müssten zu jenen Angaben des erwähnten Versuches auch noch die
der complizirten Stoffe kommen, aus welchen die CO2 und das HO
herausgebrannt wurden.
4. Aus dieser Besprechung der Methoden und der Voraus,
Setzung der Rechnungen für die Versuche von Despretz und
Dulong dürfte der Schluss gezogen werden, dass die aus ihnen
gewonnenen Resultate keinesfalls der Ausdruck der vollen Wahr-
heit sein können, namentlich lässt sich Voraussagen, dass die Rech-
nung für die Thierc, welche überwiegend Fette umgesetzt haben-
zu hoch, und für die, welche vorzugsweise Auiylaeeen verzehrten
(z. B. Kaninchen, Meerschweinchen) zu niedrig ausfalle. Als Werthe
47*
_____
740
Veränderliche Wärmeerzeugung.
welche «ich jedoch entfernt der Wahrheit annähern , sind sie nicht
ohne Interesse; wir geben darum die Tafel von Dnlong. Bie
unter der Rubrik Wärmcverhältniss aufgeführten Zahlen sind ein
Quotient aus den vom Thiere wirklich ausgegebenen Wärmeeinheiten
in die aus der COi-Ausscheidung und dem O-Verbrauch berechneten.
Zahl der Beobachtungen.
Katze . . 5 #
Hund . . 3
Meerschwein 3
Kaninchen 2
Wärmeverhältniss.
0,902
0,956
0,865
0,913
Aus der Thatsache, dass in keinem Falle die nach der lie-
rechnung gebildete Wärme den wirklichen Verlust erreicht, schlies-
sen wir, indem wir das Gesetz von der Erhaltung der Kraft als
ein unumstüssliches ansehen, dass auch die Eiweisskürper wie die
Amylaeeen hei ihrer Verbrennung. mehr Wärme ausgeben, als sich
ans ihr nach den aufgestellten l'rincipien berechnet.
In der obigen Tafel von Dulong sind statt der von ihm selbst angewendeten
Lavoisier’schen Zahlen für die Verbrennungswärme des C und H die von Favre
und Silbormann gefundenen (8086 und 34462) benutzt. Die Beobachtungen von
De spreiz lieferten ein ungünstigeres Verhältnis« zwischen dem hypothetischen Wämie-
ge winne und dein wirklichen Verluste ; dieses verwandelt sich allerdings ebenfalls in
ein sehr günstiges, wenn man statt der. von ihm benutzten Zahlen für die Verbren-
nungswänne de» O und H die Silber mann- Fa vre’ sehen substituirt Dieses dürfte
aber wohl nicht erlaubt sein, weil Deftpretz die Verbrennungswärme der Thiere nnd
der genannten Elemente nach derselben Methode bestimmt hat , so dass also der bei
seinem Verfahren eingetretene Verlust in der einen und der anderen Bestimmung sich
geltend macht. Die Beobachtungen von Dcspretz sind aber darum nicht fehlerfrei,
weil die Luft, in welcher seine Thiere athmeten, zn Ende des Versuchs mehr CO* und
weniger Sauerstoff enthielt, als zu Beginn derselben. Also mussten auch die Thiere,
nach den in der Athemlehre entwickelten Grundsätzen zu Ende der Beobachtung
reicher an CO« sein , als zu Anfang derselben ; dieser Unterschied bedingt aber einen
Verlust an der beobachteten CO* und damit auch an der berechneten Warme.
5. Veränderliche Wärmeerzeugnng. Setzt man die Annahme
als richtig voraus, dass die thierische Wärme der chemischen Be-
wegung ihren Ursprung verdanke, so folgt unmittelbar, dass die
Wärmequellen mit der wechselnden Zeit sehr ungleich fliessen
müssen. Eine Andeutung für die Richtigkeit dieser Folgerung giebt
die tägliche Temperaturcurve , welche bekanntlich ansteigt, jvenn
der Sauerstoffverbranch gewachsen ist, ohne dass eine unverhült-
Da* Verhält»)«# der Wanuebilduog zu ander» phys. Vorsingen. 74 1
iii.ssmii.ssig grosse Wärmeansfuhr bestellt. Früher . wurde jedoch
aifti gesagt, dass die einfache Temperaturbeobachtung nicht im
Stande sei, die nöthigen Daten fllr die Veränderlichkeit derWarme-
erxcngnng zu liefern; dazu würde nur die Messung der jederzeit
erzeugten Wärme führen können.
Hirn hat sich in der That bemüht, das Ahhüngigkeitsvcrhältniss aufzusuchen,
welches, zwischen irgendwelchen andern physiologischen Bedingungen und der Wärme*
bildung bestehe. Zur Messung der entwickelten Wärme bedient er sich des schon be-
schriebenen calorimetrischen Kastens (p. 735). Die Mensche», welche sich in dem-
selben aufhieltcn, athmeten aus einem Gasometer in ein anderes, so das# ausser dem
Wärmeverlust, den der constante Temperaturunterschied zwischen der Luft im Kasten und
derjenigen im Zimmer maass, auch noch dio Menge der Gase bestimmt werden konnte, die
bei der Athmnng verbraucht und gewonnnen wurde. Jede der an Alter, Geschlecht,
Körpergewicht, Wohlbefinden u. s. w. verschiedenen Personen, welche Hirn dem Ver-
such uuterwarf, musste nun im Calorinieter entweder in ruhender Stellung verharren
oder in einem Rade, das ton einer Dampfmaschine getrieben wurde, auf- oder ab-
steigen. Die Arbeit, die sie dabei leistete, hemmende oder beschleunigende, konnte
somit ebenfalls nach Kilogrammmeter gemessen werden.
Die Ergebnisse, welche diese Versuchsreihe geliefert hat, müssen aus mehreren
Gründen auffallcn. So sollen 1) alle Personen gerade so viel Volumen 0 verschluckt
haben, als sie CO* ausstiessen, so dass also aller eingenommene Sauerstoff zur Oxy-
dation von Kohle gedient hätte; da der Mensch nicht ausschliesslich Amt Ion und
Zucker verzehrt, so bleibt jenes Resultat unerklärlich. — Zweitens aber findet Hirn,
dass die ruhenden oder im Rad absteigenden Menschen , wie sio auch sonst beschaffen
waren, immer für l Gr. verschluckten Sauersoffs rcsf>cct. für 1,375 üt. ausgehauchter
CQl mehr als 5D00 Warmegramme (zwischen 5ÜU0 und 5500) ausgaben. Aber auch
diese Zahl ist noch immer befremdend gross , selbst wenn man zugeben wollte , dass
die Hirn’schen Versuchspersonen nur Kohlenhydrate verbrannt hätten. Da wir nicht
wissen, wio viel Wärme ein Gramm Sauerstoff entwickelt, wenn er sich mit der aequi-
valenten Menge von Zucker zur Bildung von CO* und 110 vereinigt, so wollen wir,
um der Gefahr der Unterschätzung auszuweichen, annehmenr dass bei der Verbrennung
des Zuckers die in ihm vorhandenen C- und H-Antheile gerade soviel Wärme lieferten,
als ob sie aus dem freien Zustand heraus in COi und HO verwandelt wären. Dann
gäbo 1 Gr. freien O's , indem er 0,937 Gr. Zucker verbrennt, 510*2 W. E. Diese Zahl
erreicht also noch immer nicht das von Hirn öfter gefundene Wärmeäquivalent des-
jenigen Sauerstoffs, den der ruhende Mensch verzehrt. Dieses Zurückbleiben erscheint
aber besonders bedenklich, weil der Zucker der oxygenreichste Nahrungsstoff ist, der
desshalb auch zur Verbrennung die geringste Menge freien Sauerstoffs nöthig hat.
Aus diesem Grunde giebt auch 1 Gr. freien O’s, welches sich mit Zucker verbindet,
mehr Wärme, als bei seiner Vereinigung mit jedem andern verbrennlichen Blutbestand-
theil. Wollte man also die Zahlen von Hirn noch annehmbar finden, so müsste man
unterstellen, dass in dem von ihm beobachteten Menschen* neben, der Oxydation noch
andere wärmebildende Umsetzungen stattgefunden hatten. Da diese aber nur auf
Kosten des gesammten thierischeu Wärmovorraths geschehen konnten, so mussten nun
auch Zeiten kommen , in denen der ruhende Mensch für denselben Sauerstotfverbraucli
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742
Beziehung zu Sau orsto ff verbrauch und Warraebildung.
viel weniger Warjno ausgegeben hatte; diese Zeiten mussten aber niemals bei den
zahlreichen Versuchen von Hirn anwesend gewesen sein. &
Ein Theil dieser Abweichungen erklärt sich wohl aus den
wenig sorgsamen analytischen Behelfen , deren er sich bediente. • —
Drittens endlich macht Hirn die Annahme, dass der Sauerstoff in
den arbeitenden Muskeln gerade so benutzt werde, wie in den Zer-
setzungen, die der ruhende Körper erleidet, und zwar darum, weil
bei seinen physikalischen Anschauungen nur unter dieser Voraus-
setzung seine Versuche zu den von ihm gewünschten Folge-
rungen (Uhren. Nun wurde aber schon wiederholt (p. 385; 525;
602) erwähnt, dass bei der Muskelbewegung relativ viel COi,
aber wenig Harnstoff gebildet werde, ja es hat V o i t *) neuer-
lichst dargethan, dass die tägliche Harnstoffausscheidung eines
Thiers von der Muskelanstrengung gänzlich unabhängig ist, also
giebt es jedenfalls zwei verschiedene Reihen von Oxydationen,
eine, die ebensowohl im ruhenden wie im bewegten Körper ein-
tritt, diejenige nämlich, die zur Harnstoffbildung führt, und eine
andere, nur dem bewegten Körper eigentümliche, die nicht in das
letztere Produkt ausmündet.
Aus Allem dem geht hervor, dass die von Hirn gezogenen
Folgerungen Uber die Beziehungen zwischen .Sauerstoffverbrauch,
Wärmebildung und Arbeitsleistung nicht stichaltig sind. Nimmt man
aber an, dass der Fehler in seinen Bestimmungen überall anna--
lieftid derselbe gewesen sei, so gewähren seine Zahlen noch we-
sentliches Interesse. Wir lassen darum seine Tabellen, soweit sie
Thatsachen enthalten, folgen.
. Zum Verständnis derselben muss bemerkt werden, dass die
1. Reihe in einem Kasten von andern Dimensionen ausgeführt
wurde als die zweite. Beide Kasten waren aber auf gleiche Weise
graduirt. — In der Columne Arbeit bedeutet -4- ein Aufsteigen,
— ein Absteigen im Rade.
•) Münchner .Sitzungsberichte der mathcmat.-phyidk. Klasse 1860. 139.
0 -Verbrauch, Wärmebildung und Arbeitsleistung.
743
L Reihe.
In der Stande.
Bczeichnnng
und
Aller dei Indi-
viduum*.
Inder
Minute.
_ , j Athem-
Pal», j l0p!.
Körpcrue-
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Kilo.
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0,760 M.
Hg- Druck
Cub.-M.
1
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1 Gr. *h-
sorbirt.
O.
Arbeit' in der
Stunde nach
KOogr. - Metr.
H 42 Jahr.
»
'
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i
0,819
27,6
143,0
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2
—
63,80
0,717
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146,0
5,52
0
3
—
65,51
0,776
21,0
147,0
» 5,48
0
4 •
—
—
62, li
1,75
113,1
245,6
2,71
4 23257
5
—
»>
1,77
112,2
283,6
2,64
-j- 20750
6
—
...
1,96
126,0
302,1
2,37
+ 22208
7
—
1,06
123,3
300,3
2,52
-f 21700
8
—
62,26
1,78
117,0
333,8
2,84
4- 2*2 1 7 (?)
0 18 Jahr.
-
_
52,20
0,757
45,3
161
4,8
0
2
—
51,45
1,40
111,3
206,7
2,04
4- 17539
J. 47 Jahr.
1
_
84,52
0,67
32,0
189
5,73
0
2
—
»»
2,75
156,1
325,2
2,08
-|- 34532
3
—
84,91
2,51
1 56,5
356,3
2,27
4 34260
Mädchen
18 Jahr.
84,91
0,37
24,6
129,2
5,25
0
2
—
—
65,00
1,47
107,8
252,1
2,34
-f- 22387
2. Reihe.
H 42 Jahr.
1 1 SO
.8
0,621
29,65
155
5,22
0
• 2
145
30
60,9
2,634
131,74
251
1 ,005
4 27449
3
145
30
61,0
1,9755
115,7
203
1,754
4- 23357
4
105
20
61,3
1,548
63,85
351
5,5
— 26972
0 18 Jahr.
1
0,875
32,04
170
5,161
0
2
—
53,7
1,601
99,12
291,5
2,04
-4- 25912
3
—
-
51,2
1,364
88,7
269
3,02
-f 22989
• 4
80
22
51,6
0,8883
47,33
251
5,31
— 24175
J. 42 J.
1
85
11,5
_
0,5085
32,8
170
5,183
0
2
—
'85,1
1,6222
116,22
255
2,194
4 33332
S. 47 J.
1
00
7,5
0,5445
27,07
140,2
5,181
0
2
120
11
72,85
1,405
128,2
229
1,78
4- 32550
3
—
73,2
0,7356
48,28
251
5,18
— 30275
Mädchen
18 Jahr.
.
0,6055
29,52
147,9
5,0
0
2
~
61,5
1,474
108,3
280
2,050
4- 208SS
Wärmeverluste.
Die Wärmeverluste entstehen 1) dadurch, dass die flüssigen
nnd festen Einnahmen (Speisen) des thierisehcn Kiirpers kälter
sind, als seine flüssigen nnd festen Ausgaben (Harn und Koth);
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744
Wärmcverluste.
die Wärme , die auf die Gewichtseinheit dieser den Organismus
durchlaufenden Massen übertragen wird, ist abhängig von ihrer
Wämiecapacität und dem Unterschiede ihrer Temperaturen beim Ein-
und Austreten aus dem thierischen Körper. Unter allen Umstünden
ist dieser Wärmeverlust nur ein geringer Antheil der Gesanimtein-
busse. — 2) Durch Leitung und Strahlung von den freien Ober-
flächen des Körpers, insbesondere von Lunge und llant, gegen die
umgebenden Medien. Wie viel Wärme hierdurch in der Zeiteinheit
auf der Einheit der Oberfläche verloren geht, ist bekanntlich ab-
hängig von dem mittleren Temperaturunterschiede zwischen dem
umgebenden Medium und dem Organismus, von der Wärmccapaci-
tät und Leitungsfähigkeit der Umgebung, oder wenn diese letztere
Eigenschaft wie bei der Luft, ganz fehlen sollte, von der Bewe-
gung derselben. — Für die Lunge lassen sich die nöthigen An-
gaben leicht gewinnen , weil sie eine constante Temperatur besitzt
und' die Luft, die mit ihr in Berührung kommt, sie immer auf
nahezu 36° bis 37° C. erwärmt verlässt. Beispielsweise werden wir
sogleich eine Rechnung ausführen. — Für die Haut sind dagegen
die nöthigen Angaben nicht zu erbringen; dieses ist ersichtlich,
weil die Temperatur der Hautoberfläche nach Zeit und Ort fort-
während veränderlich ist, eine Veränderung, welche eine compli-
zirte Folge ihrer Blutfülle, der Geschwindigkeit des Blutstroms, der
Bluttemperatur, der Wärmezul.eitung von den inneren Organen durch
den panniculus adiposus hindurch, der Wärmeleitungsfähigkeit und
der Dicke der Epidermis und des Wärmeverlustes auf der Ober-
fläche ist; denn die Haut kommt nicht blos mit Luft,' sondern auch
mit Kleidern, Wasser u. s. w. in Berührung, und der Temperatur-
grad, den die berührende Luft annimmt, ändert sich mit ihrer .Be-
wegung, welche selbst wieder aus vielen Gründen, die in der Luft
und in der Art der Kleidung begründet sind, variirt. — 3) Der
thierische Körper verliert ferner Wärme, weil er fortwährend Wasser
verdunstet; der Verlust au Wärme, die in den Wasserdampf latent
übergeht, muss für die Zeit- und Flächeneinheit abhängig sein von
der Temperatur der Körperoberfläohe, ihrer Befeuchtung und der
Sättigung der Luft mit Feuchtigkeit, kurz, von allen den Umstän-
den, welche wir bei der Verdunstung schon ausführlicher angegeben.
Die in Frage kommenden Faktoren sind nun. bekanntlich wiederum
in der Lunge constanter als »in der Haut, so dass cs immerhin ge-
lingt, den Wärmeverlust , den wir durch Verdunstung aus der
Lunge erfahren, sicherer zu bestimmen, als den durch die Haut. —
Tägliche Gesammteinnahme und Wärmcausgabe.
745
4) Die Lehre von der Erhaltung der Kräfte drängt endlich noch
zu der Annahme, dass auch Wärme, gleichgültig ob sie latent oder
frei war, verloren gehe durch die Erzeugung derjenigen Muskel-
kräfte, welche zu einer mechanischen Arbeit jenseits der Leibes-
grenze verwendet werden. Für gewöhnlich mag dieser Verlust
allerdings, nicht sehr hoch anzuschlagen sein , da das mechanische
Aequivalent der Wärme eine sehr beträchtliche Grösse besitzt, oder
besser gesagt, da mit einem geringem Aufwande an Wärme sehr
viel Arbeit zu leisten ist.
l)a die Wärme eino Bewegung ist, so muss sich auch angeben lassen, wie viel
von irgend welcher anderen bewegenden Kraft z. B. der Schwere, angewendet werden
muss, um eine bestimmte Menge von Wärme zu erzeugen und umgekehrt. Nach den
Messungen von Joule, Jacobi und Legnin ist übereinstimmend festgestellt, dass
430 Metergramme , d. h. eine Kraft, welche 430 Gramme auf 1 Meter zu erheben ver-
mag, aequivalent sind einer Wärmeeinheit, d. h. der Wörme, welche nöthig ist, um
1 Gr. Wasser von 0° auf 1° zu erwärmen.
Vergleichung der täglichen Gesammteinnahme und
Ausgabe an Wärme.,
Wir «teilen dieselbe nach Barral*) au, welcher sich auf eine,,
wie es scheint, umsichtig geführte Versuchsreihe stützt; seine Rech-
nungen können jedoch, weil sie zum Theil auf unrichtigen Annah-
men beruhen, nur zu einer annähernd richtigen Vorstellung führen.
Uebrigens herrscht eine gewisse Uebereinstimmung zwischen seinen
und den Resultaten einer Rechnung, welche Helmholtz**), von
durchaus anderen Voraussetzungen ausgehend, anstellte.
Barral unternahm an 4 Individuen, zwei Männern, einem von
59 und einem von 29 Jahren, einer Frau von 32 und einem Kinde
von 6 Jahren, 5 Versuche, vdu denen je einer einen Zeitraum von
5 Tagen nmspannte. In dieser Zeit bestimmte er Gewicht und Zu-
sammensetzung der Speisen, des Harnes nnd Kothes; da das Kör-
pergewicht unverändert blieb oder wenigstens als solches ange-
nommen werden darf, denn er Hess die Leute bei ihrer gewöhn-
lichen Lebensweise nnd Nahrung, so gab der Gewichtsunterschied
zwischen der Nahrung und dem aus After und Blase entleerten
Massen den Verlast durch Hant und Lungen. Da auch die Zu-
sammensetzung der Nahrung, des Harnes und Kothes bekannt war,
so Hess sich auch die des Haut- und Lungendunstes finden. Be-
rücksichtigt man das 24stündige Mittel in Einnahme und Ausgabe
für Wasser und organische Bestandthcile, so hat man :
•) SbtOque chiiniquo de» aniinaux. Paria 1850. p. ‘245 u. (.
••) l. c. p. 562.
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liesammteinnahme und Wärmeausgabe.
I.
II.
III.
IV.
V.
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Tabelle I.
W.-E. durch Vorbrennnng des H. ü. C. 747
Aus den Angaben der Tabelle II. berechnet sich nnn: 1) der
wärmende Wasserstoff; darunter versteht man aber nach der frü-
heren Verabredung den Tlieil des aus den Speisen verbrannten H,
welcher zu seiner Verbrennung den eingeathmeten Sauerstoff benutzt,
nicht aber denjenigen, welcher schon im festen Zustande in den Speisen
enthalten war. Er wird aus den Zahlen der Tabelle II. abgeleitet, in-
dem man berechnet, wie viel H nöthig ist , um den in der letzten Co-
lonne aufgeführten 0 in HO umzuwandeln; zieht man diesen be-
rechneten Werth ab von dem in der Tabelle aufgeftthrten II, so
bildet der Rest den wärmenden, d. h. denjenigen, welcher bei der
Wänneberecbnung in Anschlag gebracht wird. — 2) Das neu ge-
bildete Wasser, und zwar dadurch, dass man den H der vörliegen- ,
den Tabelle auf Wasser berechnet. — 3) Addirt man dieses Wasser
zn dem der zweiten Colonne, so erhält man das Gesammtgewicht
des verdunsteten Wassers. — Das Gewicht der verdunsteten COj
wird nach bekannten Regeln ebenfalls aus dem Vorstehenden ab-
geleitet. — 5) Macht man endlich die Voraussetzung, dass die
Au8athmungsluft im Mittel 4 pCt. COr enthalten habe, so findet sich
aus unseren Daten auch noch das Gewicht der Ausathmungsluft.
Alle diese berechneten Werthe sind in der Tabelle III. zusammen-
gestellt. Die Zahlen bedeuten Gramme.
Tabelle III.
Ordnung*- Nr.
d Versuche*.
Wärmender
Nengeblldete*
Gesammtgewicht
Gewicht der ver-
Gewicht der
W tuserstoff.
Wasser.
Wassern.
dunsteten CO^.
Ausathmungsluft.
I.
20, s
467,0
1287,8
1230,9
30772,5
II.
16,4
348,5-
1158,0
888,4
22210,0
m.
6,2
192,8
1*4,7
514,0
10350,0
IV.
12,2
386,3
522,6
1088,3
27207,5
V.
16,3
366,5
965,7
1006,9
15140,0
Damit ist nnn die weitere Möglichkeit eröffnet, zu berech-
nen: 1) die Zahl der den Tag tlber gebildeten Wärmeeinheiten
unter der Voraussetzung, dass der wärmende H und der 0 bei
ihrer Verbrennung ebensoviel W.-E. eut wickelt haben, wie bei ihrer
Verbrennung im freien Zustande. Wir legen hierbei die Zahlen
von Favre und Silbermann, nämlich für 1 Gr. C. = 8086 W.-E.
und für 1 Gr. H. = 34462 W.-E. zu Grunde. Dieser Voraus-
setzung dürfte weniger Wärme entsprechen , als in der That ansge-
geben wurde, da die feste Nahrang in den beobachteten Fällen vor-
zugsweise aus Brod, Zucker und Gemüse, also aus Kohlenhydraten
bestand, *welche, wie früher erwähnt, in der That eine höhere
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748
Wiirmcvorlust durch Wasnerverdunstungp.
Wärme entwickeln, als nach unserer jetzigen llercchniingsgrund-
lagc aus ihnen gefunden wird. — 2) Den Wärmevcrlnst durch Ver-
dunstung des Wassers; indem man die Wirme des den Körper
verlassenden Wasserdunstes auf 37“ setzt und ihn im Maximum
der Tension befindlich annimmt — 3) Den Wiinnevcrlust durch
die Erwärmung der Athmungsluft; die spec. Wärme der Athmungs-
luft ist gleich der der atmosphärischen mit de la Roche und
156 rard auf 0,267 gesetzt — 4) Die Wärme, welche an die ein-
gegangenen Nahrungsmittel abgegeben wurde, deren mittlere Tem-
peratur vor der Aufnahme auf 15" angenommen wird. — 5) Die
Wärme, welche mit der flüssigen und festen Ausleerung entfernt
, wurde; die spezifische Wärme beider ist dem Wasser gleich ge-
setzt. — 6) Endlich die Wärme, welche durch Strahlung, Leitung
und Umsetzung in Arbeit verloren ging.
I.
ii.
in.
IV.
v.
Wärm e-
Gewinn.
Wärme-Verlust.
Unreh Durch Krwiir-
Wu»rr- in ting J. Ath-
verdanstang. mungeloft.
Durch Erwär-
mung der
Nahrungein.
Durch die Durch Stroh •
fltlss. u. fwte hing. -Leitung
Kntloerang. und Arbeit.
3677820
789421
308438
60610
52697
2566654
2706076
699801
10081 1
52492
33020
1819952
1461334
425851
90558
30716
20288
8S7921
3103536
320354
222808
59620
66103
2431591
2928831
612103
132570
51471
33556
1 1999131
Eine einfache Uebersieht Uber das Verhältniss der Würmege-
wiune gieht folgende Zusammenstellung, in welcher die Zahl der in
24 Stunden gewonnenen Wärmeeinheiten auf die Einheit des Kör.
pergewiebtes (auf 1 Gr.) reducirt ist.
Ordntingsnummer des
Versuches. •
W.-E. für 1 Gr. Körpergewicht
während 24 Stundon entwickelt.
I.
77,4
n.
. 65,9
in.
97,4
IV.
52,9
V.
47,9
Diese Zusammenstellung ergiebt, dass der Mann in den mitt-
leren Jahren im Sommer weniger Wärme erzeugt, als im Winter;
das Kind /elativ mehr, die erwachsene Frau weniger als alle
übrigen Individuen.
Um die Hetheiligung der einzelnen Processe an dem gesummten
Wärmeverbranch zu übersehen, ist letzterer in der nächsteu Tabelle
in Procenten der Gesammtwärme berechnet. •
Athmungsloft, feste und flüssige Ausleerung etc.
749
Ordnunga-
Nuimner de«
Versuche«.
Verlast.
Durch Wngaer-
verdunstung.
Durch die
Athmnngsluft.
Durch die flüs-
sige und feste
Entleerung.
Durch Strahlung,
Leitung r.d. 11 mit
u. mech. Arbeit.
1.
21,46 pCt.
8,39 pCt
l’,43 pCt.
fi7,07 pCt.
11.
25.S5 „
3,72 „
1,22 „
67,22 „
m.
29.14 „
6,19 „
1,90 „
60,77 „
IV.
10, .42 „
7,18 „
2,13 „
79,43 „
V.
20,90 „
2,63 „
1,14 „
71,67 „
Ans dieser Tabelle ist ersichtlich, dass weitaus die grösste
Eiubusse durch Strahlung und Leitung und durch Erzeugung me-
chanischer Arbeit zu Stande kommt; eine einfache Ucberlegung
weist dann aber darauf hin, dass von den in der letzten Keihe zu-
sammengefassten ‘ Funktionen die mechanische Leistung die ge-
ringste Menge von W.-E. verzehrt. — Denn nehmen wir z. B. an,
der Mann I., welcher im Mittel täglich 3191948 gewinnt, habe einen
Berg von 2000 Metres Höhe erstiegen, d. h. er habe sein Körper-
gewicht von 47500 Gr. auf diese Höhe gehoben, so würde er (das
mechan. Aequivaleut zu 430 Metergramme genommen) dazu nur
220930 Wärmeeinheiten, d. h. etwa 7 p(Jt. seiner gesammten Wärme-’
menge, verbraucht haben.
Bildung und Verbrauch von Wärme in den ein-'
zelnen Organen.
Zunächst liegt es nun ob, anzugeben, in welchem Maasse sich
die einzelnen Organe nnd Gewebe an dem Gewinne und dem Ver-
luste der Wärme betheiligen, da es aus dem uns bekannten che-
mischen Leben derselben offenbar ist, dass sie dieses nicht alle in
gleicher Weise thun.
Um den Werth feststellen zu können, mit dem ein jeder Be-
standteil unseres Leibes in jenen verbreiteten Process eingreift, wird
nichts mehr und nichts weniger genügen, als die Kenntniss von der
Art und dem Umfange des Stoffumsatzes und des Wärmeverlustes
durch Leitung und Strahlung an allen Orten ; statt dessen würden
auch vorausgesetzt, es hielte sich die Temperatur in den betreffen-
den Organen constant, die Wärmecapazität und der Temperatur-
unterschied der zu- und abfliessenden tropfbaren Flüssigkeiten und
die Verluste durch Strahlung genügen; oder wenn die Temperatur
variabel wäre, so würde noch die Kenntniss der Wärmecapazität
des Organes und des Umfanges der Temperaturschwankung nü-
thig sein.
Digitized by Google
750 Wärmeökouomie einzelner Organe.
. In der Tliat wissen wir aber im Einzelnen nur Folgendes. Zu
den vorzugsweise witrmesam mein den Gebilden zählen wir:
a. Die Muskeln im ruhenden und im verkürzten Zustande.
Denn diese Organe verlieren durch Strahlung keine Wärme, wäh-
rend sie mit Hülfe des hinzutretenden O’s COj entwickeln, und
dieses letztere in gesteigertem Maassstabe, wenn sie sieb im ver-
kürztem Zustande befinden. Hiermit im Einklänge finden Bec-
querel und Brechet durch die thermoelektrische Messung, dass
der zusammengezogene Muskel um 0,5" bis 1,0° wärmer als der
verlängerte ist
b. Die Speicheldrüsen. während der Zeit ihrer Absonderung.
c. Die Baucheingeweide. In ihnen ereignen sich weit-
verbreitete wärmeerzeugendc Vorgänge, so u. A- die häufigen Zu-
sammenziehungen der Darmmuskeln, die Gährungen im Darmrohre,
die Bildung von Harnsäure in der Milz, von Gallenstoffen in der
Leher u. s. w., gegen deren erwärmende Macht die Abkühlung
durch die Speisen, die einzige, welche sie erleiden, nicht in Be-
tracht zu kommen scheint. Die Richtigkeit dieser Folgerung be-
stätigt die Temperatur des Blutes in der vena cava ascendens,
welche immer noch höher ist, als die des Arterienblutes, trotzdem
dass sich in jener Vene neben dem aus den Baucheingeweiden
stammenden auch noch das aus den kälteren unteren Extremitäten
zurückkehrende Venenblut sammelt.
d. Die Organe, welche vorzugsweise aus Bindegewebe,
Fett, Knorpel und Knochen bestehen, sind rücksichtlich ihrer Fä-
higkeit, Wärme zu erzeugen, noch wenig untersucht : soviel scheint
nur gewiss, dass ihnen dieselbe nicht abgesprochen werden kann,
da das in sie dringende arterielle Blut venös aus ihnen zurüek-
kommt , zum Zeichen , dass dasselbe dort Kohlensäure empfangen
hat, und da in einzelnen derselben, wie z. B. in der Lungensub-
stanz, Harnsäure gefunden worden ist. — Ungewiss ist cs end-
lich, ob das Blut, welches gegen eine vielfache Berührung mit den
Organen geschützt ist, Umsetzungen erfährt, die Wärmeentwicke-
lung zur Folge haben. Von den Thatsachen, welche man bis dabin
für das Bestehen einer Wärmebildung in ihm anfilhrte, bestand eine
darin, dass das aus den Lungen zuriiekkommende Blut durch die
Abkühlung, welche es dort erfahren musste, höher temperirt sein
sollte, als das eindringende. Diese Thatsache ist aber durch die
oben erwähnten Beobachtungen von ‘Bischoff, G. Liebig, Ber-
ns rd u. A. widerlegt worden.
1 by Google
Haut und Lunge als Kiiblungsapparate.
75 L
Zu den kühlenden Apparaten zählen vor allen Haut und Lunge.
a. Haut. Die Wärmemenge , welche dieses Organ ausstrahlt
und ableitet, ist unter der Annahme, dass dasselbe in unbekleidetem
Zustand in Betracht gezogen und alles Uebrige gleiehgesetzt wird,
aus einleuchtenden Gründen abhängig: 1) von der schlecht leiten-
den Epidermis und des Haarbcleges; der Wärmeverlust ist darum,
alles Andere gleichgesetzt, an den Fusssohlen, den Handtellern,
der Kopfschwarte geringer als an den Lippen, Ohren, Augenli-
dern n. s. w. — 2) Von der Fülle des Gefässsystems , welche be-
kanntlich wechselt mit dem Blutdruck und der Widerstandsfähig-
keit der Wandung, und, insofern diese bedingt wird durch die
kleinen Muskeln des Hautgewebes und der Gefässwandung, auch
von dem Grade der Zusammenziehung, in dem diese begriffen sind.
— 3) Von der Gestalt der Unterlage, über welche die Haut ge-
spannt ist. Auf der Flächeneinheit dünner, spitzer Körpertheile,
wie z. B. der Ohrmuschel, der Nase, den Fingern und. überhaupt
den Extremitäten wird der Verlust grösser sein, als auf der eines
Kumpfstückes, und zwar darum, weil die Strahlung aus Spitzen
überhaupt lebhafter vor sich geht, als aus ebenen Flächen. —
4) Die Vorgänge der Verdunstung entziehen aber, wenn alles Uebrige
gleich, der Haut um so mehr Wärme, je feuchter ihre Oberfläche
ist. Aus diesem Grunde wird namentlich eine Haut, deren Schweiss-
drüsen in Thätigkeit sind, und die sich in folge dessen mit Flüs-
sigkeit bedeckt, in das Maximum des Wärmeverlüstes durch Ver-
dunstung cintreten. — Der thatsächliuhe Ausdruck dieser Voraus-
sichten liegt nun darin, dass das Blut der Hautvenen die niedrigste
Temperatur unter allen Blutarten zeigt, dass die thermoelektrische
Untersuchung das . Unterhautbindegewebe kälter findet, als dasje-
nige tiefer liegender Organe, und endlich darin, dass unter den
verschiedenen Ausgaben, welche sich in die Wärmeeinnabme des
Körpers theilen, die durch die Haut immer die grösste ist. — Bei
dem grossen Werthe, welchen der Wärmeverlust hier erreicht, ist
es nun unmöglich zu sagen, ob und wie viel Wärme in der Haut
selbst erzeugt wird.
b. Die Abkühlung durch die Lunge nimmt mit der Zahl und
und dem Umfange der Athemzilge und mit der Geschwindigkeit des
Blutstromes zu. Da man ungefähr die Luftmengen kennt, welche
den Tag über in den Lungen wechseln, und zugleich ihren Feuch-
tigkeitsgehalt und Temperaturgrad heim Ein- und Austritte aus den
Digitized by Google
,752
Tcmperaturausglcichung zu verschied. Organen.
Lungen, so ist eine angenäherte Berechnung des täglichen Wämie-
verlustes möglich. .
Wir legen, indem wir sie anstellen, die Barral’schcn Beobachtungen mit fol-
genden Unterstellungen zu Grunde: Aus den Angaben des absoluton Gewichtes der
Ausathmungsluft lässt sich berechnen, wie viel Wasser sie enthalten habe, vorausge-
setzt, dass sic auf 37° C. erwärmt und mit Wasscrdamfrf gesättigt gewesen sei. Zieht
man von diesem das Gewicht des Wassers ab, welches man erhält, wenn man annimmt,
dass die eingeathmete Luft auf 15° erwärmt gewesen und etwa die Hälfte (z. B.
00 pCt) des Wasserdampfes enthalten habe , den sie b(fi dieser Temperatur fassen
konnte, so erhält man das in der Lunge wirklich verdunstete Wasser. Diese Mengen
betragen für die Beobachtungen I. und II., die einzigen, welche wir betrachten werden:
In der Lunge verdunstetes Zur Verdunstung nothw. Zur. Erwärmung der Ath- Summe der ver-
Wiisser. Wärmeeinheiten. mangsluft verbrauchte W.-K brauchten W.-E.
L 950,5 Gr. 609590 308438 919928
II. 596,0 „ 382240 100811 483051
Diese Beobachtungen können nun dazu benutzt werden, um zu ermitteln, um wie
viel das Blut abgckühlt werden musste, welches durch die Lunge strömt — Nehmen
wir nämlich mit Yolkmann*) an, ein jedor Herzschlag entleere 0,0025 des Körper-
gewichtes Blut, und rechnen wirmit Barral als mittlere Pulszahl in der Minute 70 Schläge,
so würden in -24 Stunden 11,970,000 Gr. Blut durch die Lunge strömen. — Ver-
theilte man den Wärmeverlust auf diese Blutmenge, so würde in Beobachtung I. das
arterielle Blut um 0,70° C. und in Beobachtung II. um 0,04° C. kälter Bein, als das
venöse. — Wir folgern begreiflich aus dieser Uebereinstimmung mit den von Bi sehn ff
und G. Liebig für die Temperatur des venösen und arteriellen Herzblutes gefundenen
Zahlen weder, dass die Unterlagen unserer Rechnung tadelfrei sind, und noch weniger,
dass in den Lungen durchaus keine tV'ärme gebildet werde. Jedenfalls ist sie aber
geeignet, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn wenn sich die Beobachtungen
noch melir, als es bisher geschehen, zuschärfen sollten, 60 würde cs möglich sein, die
alte Controvcrse Zum Abschluss zu bringen, ob in der Lunge eine wesentliche Wärme-
quelle zu suchen sei. Sie lehrt aber jetzt schon, dass die Angaben von J. Davy,
Becquercl-Brechet u. A. Uber die Temperaturzunahme des Blutes bei seinem
Wege durch die Lunge von fehlerhaften Beobachtungen herrilhren müssen.
Ausgleichung der Temperatur zwischen verschie-
denen Organen.
Da die abktlhlenden und erwärmenden Ursachen mit einer so
ungleichen Kraft in den verschiedenen Körpertheilen wirksam sind,
und ihre Temperatur trotz der schlechten Wärmeleitungsfähigkeit
der Thierstoffe dennoch so geringe Unterschiede bietet, so müssen
offenbar Einrichtungen gegeben sein, welche diese Unterschiede
fortwährend ausgleichen. Diese liegen nun in der That klar genug
vor in der Bewegung und Mischung der thierischen Säfte und ins-
besondere des Blutes.
i by Google
’) Haemodynamik. p. 20«.
Temperatur-Ausgleichung zwischen verschiedenen Organen.
753
Als Gründe, die hierfür sprechen, sind anzuführen 1) die
Mischung des erwärmten und abgekühlten Illutes im Herzen und
somit die gleicbinässige Vertheilung des Blntes von mittlerer
Temperatur in die verschiedenen Organe; 2) die Beobachtung,
dass in allen der Abkühlung unterworfenen Theilen, und nament-
lich der Haut, die Temperatur sich um so mehr der des Herz-
blutes nähert, je rascher und j<5 breiter der Blutstrom ist, der
durch diesen Theil kreist, während sie sich um so weiter von der-
selben entfernt, je geringer der Querschnitt oder die .Schnelligkeit
des Stromes ansfällt. — Diese letzte. Thatsache, die unzählige Male
in Gliedmaassen beobachtet wird, in denen eine veränderte Blut-
strömung stattfiudet, sei es eine Stockung in Folge von Arterien
oder Venennnterbindung, sei es eine Beschleunigung nach einer Er-
weiterung der zuführenden Gefassc, ist durch eine Reihe von Be-
obachtungen, welche CI. Bernard*) ausgeführt hat, in das hellste
Licht gesetzt Wir haben schon wiederholt erwähnt, dass, wenn
er am Halse den Sympathicns durchschnitt, sich alle Gefässe der
entsprechenden Kopfhälfte erweiterten, und dass sie, wenn er das
peripherische Schnittende mit einem galvanischen Induktionsappa-
rat erregte, sich wieder verengerten. Nach der einfachen Durch-
schucidung steigerte sich nun auch die Temperatur in der Gesichts-
haut dieser Seite, während die der entgegengesetzten um einen
grösseren oder kleineren Werth abuahm, und umgekehrt erniedrigte
die Temperatur sich auf der verletzten Seite, wenn er die erregen-
den Pohldrähte an den peripherischen Stumpf des durchschnittenen
Nerven anlegte. — Die Wärmcerhöhung, welche nach der Durch-
schneidung des Sympathicns auftritt, wird man aber um so eher
aus dem oben berührten Gesichtspunkte und nicht aus einer Neu-
bildung von Wärme erklären, weil die Temperatur niemals die-
jenige übersteigt, welche gleichzeitig im Herzen gefunden wird,
und auch noch darum, weil, wie Bernard beobachtete, das aus
den Venen zurück kehrende Blut dem arteriellen, namentlich in Be-
ziehung auf Färbung, sehr ähnlich ist, sich also wegen des raschen
Durchganges nicht mit den gewöhnlichen Oxydationsprodukten der
Bindegewebssubstanz überladen hat.
Bernard weicht allzu vorsichtig noch einer Erklärung der von ihm gefundenen
ThaUachcn aus; gegen die eben mitgetheiltc aussert er »ich sogar ungünstig, weil er
•) Recherche« experimentale« »ur le grand ■ympathiqag etc,. Paria 1864. — Gazette mddicale«
1854. Nr. 1. 2. 3. ^
I.Ddwig, Physiologie II. 2. Auflage. •
Digitized by Google
754
yf iirmoregulatoren .
gefunden , dass in der Ohrmuschel auf der verletzten Seite immer noch eine , wenn
auch nicht mehr sehr bedeutende Wirmesteigerung eiutrat, nachdem er mehrere der
aus ihr zurückkehrenden Venen , oder die zuführeudrn Arterien unterbunden, d. h. die
Geschwindigkeit und die Ausbreitung des Blutstromes in dem Ohre gemindert hatte.
Siehe hierüber noch v. d. B ec kc-C allen fcls*)
Mittel zur Erhaltung des normalen Wärmegrades.
Das Verhältnis zwischen Aus- und Einfuhr von Wärme, wie
es ausgedrtlckt wird durch den Temperaturgrad des thierischeh
Kürpers, bleibt, wie wir sahen, in verhältnissmässig engen Grenzen
eingeschlossen; es muss «Iso auch der Gewinn der Wärme mit dem
„ Verluste derselben steigen und fallen. Die organischen Bedingun-
gen, welche diese Beziehungen herstellen, sind zum Theil wenig-
stens bekannt, der Mechanismus dieses Zusammenhanges ist da-
gegen noch nicht aufgedeckt. — Eine der wesentlichsten Beziehun-
gen, welche wir gesondert betrachten, ist gegeben durch die Tem-
peraturempfindling, welche je nach den Einwirkungen der Kälte
oder Hitze einen Wärmehunger und Wärmeekel erzeugt; in der
natürlichen Folge davon begeben wir uns, wo irgend möglich, in
Verhältnisse, welche die unangenehmen Empfindungen beseitigen;
wir wählen hierzu gewöhnlich solche, welche ohne Zuthun irgend
welcher inneren Veränderungen die gewünschte Körpertemperatur
herbeifuhren, indem wir die Wärmeleitungsfähigkeit der Kleidung
regulären, warme oder kalte Speisen gemessen n. s. f. — Neben
diesen willkürlichen Mitteln zur Herstellung des Gleichgewichtes
zwischen den Ein- nnd Ausgaben von Warme , giebt es noch eine
Zahl von solchen, die durch unsere Seelenzustände nicht so un-
mittelbar bestimmt werden. Sie wirken in allen Individuen , aber
in den verschiedenen unzweifelhaft mit einer auffallend verschie-
denen Mächtigkeit; ausser besonderen, durch die Gehurt gegebenen
Anlagen wirkt auf diesen letzteren Umstand namentlich der Ge-
brauch der willkUhrlichen Ausgleichungsmittel ein, ein Einfluss, der
gemeinhin als Abhärtung oder Verwöhnung bezeichnet wird.
1. Wenn die Wärme vermehrt oder vermindert wird in Folge
der gesteigerten oder verringerten chemischen Umsetzung innerhalb
des Thiers, so muss die Thätigkeit, den wärmeausgehenden Or-
ganen entsprechend, sich ändern. — Vermehrt sich die Wärmecin-
nahme und nähert sich damit die Körpertemperatur ihrem Maxi-
mum, so geschieht es, dass a) die Capillaren in der Oberfläche der
*1 II etile' s und Pfcufer'a Zcft«ihrift. 2. Kolgv. VII.
*
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Wanncrcgulatoren.
755
Cutis sich erweitern; der raschere und ausgedehntere Blutstrom,
der durch sie kreist, bringt die Haut auf eine höhere Temperatur,
und damit wird der Verlust durch Leitung und Strahlung, welcher
dem Temperaturunterschied zwischen dem thierischen Körper und
dem umgehenden Medium proportional ergeht, erhöht. — b) Meist
tritt zugleich eine Schweisshildung ein, und damit wird eine ge-
steigerte Verdunstung eingeleitet, welche beträchtlich abktihlend
wirkt. Diese Schweisshildung tritt aber wegen besonderer, noch
unbekannter Einrichtung nicht an jeder Drüse mit gleicher Lebhaf-
tigkeit hervor, und zugleich ist auch die Summe des ergossenen
Wassers nicht auf allen Ilautflächcn gleich gross, da die Zahl der '
Schweissdrtisen in ihnen variirt. - Wenn wir nun auch gar keine
Vorstellung davon haben, warum mit der gesteigerten Eigenwärme
sich die Gefässe erweitern und die Schweisdrüsen absondern, so
ist doch der Vortheil, den beide Apparate in ihrer Vereinigung zu
leisten vermögen , einleuchtend genug. Denn offenbar würde die
Ausbreitung und Beschleunigung des Blutstromes in der Haut wenig
abkühlcn, wenn, wie im Sommer und den Tropen, die Temperatur
der Atmosphäre sieh derjenigen des thierischen Körpers annähert
oder sie gar Ubertrifft. — c) Es mehrt sich endlich mit dem ge-
steigerten Stolfumsatze auch die Zahl und die Tiefe der Athembe-
weguugen, und damit auch die Abkühlung durch Leitung und Ver-
dunstung von der Lungenoberfläche ans.
d) Der verminderten Wärmeeinnahme folgt jedesmal eine Zu-
sammenzielmng der kleinen Muskeln in dem Gewebe und den Blut-
gefässen der Haut, wodurch sich das Bett des Blutstromes in dieser
verengert; die Haut wird also trockener, und zugleich sinkt ihre
Temperatur und damit auch der Verlust durch Verdunstung und
Strahlung. Unterstützend für die Zurückhaltung der Wärme tritt
wenn einmal die Gefässfülle der Haut auf ein Minimum gesunken
ist, auch der panniculus adiposus ein, welcher die Ableitung der
Wärme von den Muskeln und tieferen Gcfässpn zu der Haut hemmt
(Bergmann). Für die Athmung gilt bis zu einem gewissen Grade
das Umgekehrte von dem , was für den Fall vermehrter Wärmebil-
dung ausgesprochen wurde.
Um zu zeigen, in welchem Maasse die Luft durch Aufnahme
von Wärme und Wasserdampf abktihlend wirken kann, hat Helm-
hol tz das unten stehende Tafelchen berechnet. In diesem finden
sich die Wärmeeinheiten verzeichnet, welche ein Volum Luft, das
einen Gramm wiegt, nötbig hat, um von einem gegebenen Tem-
4S*
*.r
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756
Wärmeregulatoren.
peratur- und einem gegebenen Feuehtigkeitsgrad auf 37° C. erwärmt
und mit Wasserdampf vollkommen gesättigt zu werden.
ln der Colonne A ist die Temperatur angegeben, welche die
Luft besass, ehe sie dem erwärmenden Einflüsse ausgesetzt wurde;
die Colonne B zerfällt in 4 Unterabtheilungen, welche die Ueber-
schriften 50, 70, 90, 100 pCt. tragen. Diese Ueberschriften be-
ziehen sich auf die Prozente der ganzen Dunstmenge, welche die
Luft fassen kann, wenn sie die in A angemerkte Temperatur be-
sitzt. Die unter den einzelnen Unterabtheilungen stehenden Zahlen
geben an, wie viel Wärmeeinheiten verbraucht werden, um die
Luft bei einer Temperatur von 37° C. vollständig mit Wasserdampf
zu sättigen, nachdem sie schon bis zu den bezeichneten Grenzen
fUr die unter A gegebene Temperatur mit Wasserdampf erfüllt war.
Unter C endlich ist die Zahl der Wärmeeinheiten uotirt, welche die
Luft verbraucht, um ihre Temperatur von den unter A gegebenen
Graden an auf 37° C. zu bringen.
B.
A.
c.
50 pCt.
70 pCt.
90 pCt.
100 pCt.
30“ C.
15,0
12,1
9,3
7,9
1,7
20“ C.
20,5
18,9
17.3
23.3
16,5
4,2
io» e.
25,1
24,2
26,5
22,9
6,9
5" C.
27,2
25,9
28,2
25,5
7,4
0» c.
29,7
28,6
28,0
9,9
Piese.Tafel lässt erkennen, dass in den sommerlichen Temperatur- und Feuchtig-
keitsgraden die Abkühlung , welche die Luft zu erzeugen vermag , fast nur der Ver-
dunstung zuzuschreiben ist.
e) Obwohl alle Hauttheilc mit Mitteln zur Temperaturreguli-
rung versehen sind, so sind doch einige derselben vorzüglich be-
günstigt; dahin gehören die, welche zugleich mit starken Hornge-
bildcn und zahlreichen und grossen Sehweissdrüsen begabt sind,
z. B. das Haupt, das einerseits das Kopfhaar und andererseits die
schweissdrüsenreiche Stirnhaut trägt; die dicke Epidennissohle der
Füsse, das Haar und die Schweisdrüsen der Achselhöhle sind eben-
falls hierher zu ziehen. — Anderen Hautstellen ist durch ein sehr
leicht und bedeutend zu erweiterndes und verengerndes Gefäss-
gystern die Möglichkeit gegeben, ihre Temperatur dem wechselnden
Gewinne und Verlust anzupassen ; so die Ohrmuscheln , die Nasen-
höhle u. s. w.
Wärmeregulatoren.
757
2. Auch den ungleichen Verlusten an Wärme, welche der tliie-
rische Körper durch Aenderungen der ahktihlenden EirifltJsse er-
leidet, passt sieh die Wärmeerzeugung an. — a) Sind die Aus-
gaben an Wärme flir die Dauer vermehrt, so kann dem Bedürfniss
begreiflich nur durch eine grosse Einnahme von Wärme genügt
werden, mit anderen Worten, der Warmblüter muss unter diesen
Umständen viel Nahrung zn sich nehmen. Dieser Satz findet viel-
fältige Bestätigung.
So ist es gar keinem Zweifel unterworfen, dass bei den Warm-
blütern die proportionale Menge von Nahrung wächst mit dem stei-
genden Quotienten ans der Oberfläche in das Gewicht des Kör-
pers, womit, wie Bergmann*) in der anziehendsten Weise dar-
gelegt hat, die Abkühlung der Thiere steigen muss; kleine Men-
schen und Thiere, welche relativ zu ihrem Körpergewichte mehr
abkithlen, essen demnach auch relativ mehr als grosse. — Mit der
Muskelanstrengung nimmt ebenfalls das Nahrungsbedürfniss zu, und
zugleich steigt auch mit ihr der Wärmeverlust, da ein Theil der
latenten Wärme sich in mechanische Arbeit umsetzt und mit der
Muskelzusammenziehung zugleich der wärmebildende Stoffumsatz
und die Mitteltemperatur und somit auch der Wärmeverlust durch
Abkühlung gesteigert wird. — Man behauptet endlich auch, dass
mit den klimatischen Verhältnissen der Stoffumsatz resp. die Wärme-
bildung veränderlich sei. Alle Zahlcnbcobachtungen, welche bis
dahin vorliegen, lassen aber diese Annahme sehr zweifelhaft er-
scheinen. Doch muss man eingestehen, dass die Untersuchungen
auch noch mangelhaft genug sind. Denn da die Wärme, welche
die Gewichtseinheit des Nahrungsmittels leisten kann, sehr beträcht-
lich mit der Zusammensetzung wechselt (Fette liefern bekanntlich
am meisten), so ist es nicht genügend zu bestimmen, ob das Ge-
wicht der Nahrungsmittel in Island oder Westindien gleich gross
gewesen sej, sondern es ist nöthig, auch zu wissen, ob sic in Is-
land reicher oder ärmer an Kohlenhydraten waren. Noch weniger
befriedigend sind die Beobachtungen mit Rücksicht auf die Lebens-
bedingungen verglichener Individuen; denn es ist an sieh klar,
dass sich durch die Kleidung, die Muskelthätigkeit u. s. w. sehr
auffallende Unterschiede der Klima’s ausgleichen lassen. —
b. Dem thierischen Körper steht aber auch die Fähigkeit zu,
über den in seinen Atomen nicdergelogtcn Wärmevorrath so zu ver-
•) lieber die Verhältnisse der Wärmcökonoraie der Thiere zu ihrer Grösse. Göttinnen 1848.
4
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7.'» 8
Wanne reiral atoren .
lügen, dass er einer plötzlichen Steigerung oder Minderung des Wärme-
bedtlrfnisses sieh anpassen kann. Beweise hierfür bietet die Erfah-
rung, dass die Temperatur des Blutes in kalter Luft oder in einem
kalten Bad nicht nothwendig sinken muss, obwohl namentlich in
dem letztem Fall der absolute Wänneverlust grösser ist als sonst
(Li Obermeister). Die Mittel, durch welche die Grösse der thie-
rischcn Umsetzung sieh nach dem Wäriueverlnst einrichtet, sind
nur zum Tbeil bekannt. Es zählt zu ihnen nachweislich die ver-
änderliche Muskelthätigkeit, welche ein so ausgezeichnetes Erzeu-
gungsmittel von Wanne darstellt , wie aus den schon früher mitge-
theilten Versuchen hervorgeht. Bekanntlich benutzen auch alle mns-
kelkräftigen Individuen ihre eigne Körperbewegung dazu, um sich in
kalter Umgebung zu erwärmen. Aber mit ihr scheint keineswegs die
Zahl der Mittel, welche die Eigenwärme bei bedeutenden Verlusten
regeln, erschöpft zu sein, da auch stillsitzende Thiere bei selbst
gesteigertem Wärmeverlust ihre Bluttemperatur erhöhen können
(Hoppe). Man könnte in dem letztem Fall fragen, ob nicht die
wegen der Abkühlung der Haut cintretende Verengerung ihrer
Blutgefässe Veranlassung dazu gäbe, dass sieh der Blntstrom
umfänglicher den andern vorzugsweise Wärme erzeugenden Or-
ganen zuweudete, z. B. den Muskeln, der Leber u. s. w. Dieser
reichliche Blutzufluss könnte dann nicht allein die Ursache einer
lebhafteren Umsetzung, sondern auch in zweiter Linie die eines
gesteigerten Nahrungsbedürfnisses sein.
Sachregister,
A.
AbkUhlung durch die Haut II, 751.
— durch die Lunge II, 751T
Abkömmlinge der Fette und dca Eiweisses
II, 217.
Absonderung II, 202.
— öligem. Bedingungen der». II, 203.
— durch Druckuntcrschicde II, 200.
— durch Nervenerregung II, 214.
— Eigenschaften der nervösen Abson-
derung II, 215.
— Triebkräfte der». II, 204.
Absondeningsdruck , Messung dess. II, 211. '
Absonderungsncrveu L 21s. II, 214.
Absonderungssüfte , weitere Veränderungen
dera. II, 215.
Absonderungsstoffe, chemische Umsetzungen
ders. II, 216.
Absorption verschiedener Gase 1^ 62. 8.
a. Gase.
Absorptionsfähigkeit des Blutes (für Gase
6, 476, 478.
Abweichung, chromatische 1^ 289.
— monochromatische ^ 291.
Achsolgolenk 514.
Achselhöhle, Wärme ders. II, 722.
Achsenlänge der brechenden Augenmedien
I, 260.
Accoraodation, Einfluss ders. auf die Grösse
gesehener Gegenstände ^ 331.
— negative 1^ 2S8.
— Mechanismus ders. ^ 274.
— positive L 285.
Accomodationsbewegungen, positive I, 287.
Accomodationslinien I, 271.
Aderfigur L 351.
Aequivalent , cndosmotisches I, 76.
— zur Theorie dess. I, 81.
Aether, Wirkung dess. a. d. Nerven I, 126.
Aethcrschwingungen , als Erroger der Be-
tina L 299.
Aetherwellen 1^ 301. 316.
— farbige und farblose 1^ 301. 316.
I Aetherwellen, gemischto I, 303.
— unsichtbare 1^ 302.
Aggregatzustände, Entstehung der festen
II, 222. 224.
— Form folge ders. II, 221.
— Gefüge der festen II, 226.
— Mischungsfolge ders. II, 223.
— Physiologie ders. I, 59.
— veränderte, in den Säften II, 223.
Albumin I, 42; II, 6.
— Modifikationen dess. I, 42.
Alkalien im Harn II, 106.
— phoaphorsaure 1^ 23.
— schwefelsaure L 24.
Alkohol, Wärmeeinheit dess. II, 737.
— Wirkung dess. auf die Nerron I,
126.
Alkoholgährung I, 34.
Allantoin I, 39.
Allantursaüre 1^ 40.
Altstimme I, 560.
Ambos, Bewegung dess. I, 367.
Ameisensäure 1, 25. 29.
— Wärmeeinheit ders. II, 737.
Ammoniak ira Harn II, 396.
Araraomaksalze im Organismus I, 24.
Amyloid der Leber II, 310.
Amylon I, 33.
Anordnung der Atome 1^ HL
— dipolare 1^ 106.
— elektromotorische I, 07.
— d. Muskclncrven im Hirn u. Rücken-
mark I, 485.
— peripolare- 1, 10-1.
Antagonisten I, 542.
Apparate , thcrinomctrische II, 720.
Arachinsäuro 1^ 27.
Arbeit des Blutlaufs II, 201.
— des Muskeh s. Muskel.
Arbeitsleistung, Beziehung ders. zu O-Ver-
brauch und Wärmebildung II, 743.
Arbeitsmaaas der Spannung bei Fliiasig-
keiten IX, 4Ch
— für bewegte Massen II, 47.
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760
Register.
Arm s. Oberarm, Brustglied.
Arterielles Blut II, 31.
— — Einfluss auf die Nervenerre-
gung 1^ 125.
— — Unterschied von anderen Blut-
arten II, 32.
Arterien , Stromspannung bei Verschluss
einer oder mehrerer II, 1 60.
Arterienhaut II, 165. ,
Artikulation I, 496.
Artikulationsflächen .U 490.
— Evolvento ih_ Evolute ders. 497.
Aspiration des Herzens II, 131.
Athembewegung I, 212; II, 4S6. 509.
— Einfluss ders. auf d. Stromspannung
in den Blutgefässen II, 161.
■*— — der unterdrückten II, 165.
— Zusammenhang ders. mit der Herz-
bewegung II, 492-
— Aendorung ders. durch den 0- und
CO*-Uchult der Athmungsluftll,
4ML
— durch Reflexe II, 490.
— durch die Sied, oblongata uud den
Willen II, 491.
Athcmfolge II, 488.
Athem volum II, 495.
— mittleres II, 497.
Athemwerkzcuge II, 479.
— luftverändernde II, 498.
Athmung 11, 462.
— äussere II, 463.
— Einfluss der Luftveränderung auf
dies. II, 469.
— innere II, 472.
— krampfhafte II, 487.
— leichte II, 487. —
— ruhige II, 486.
— tiefe II, 487.
Athmungsfliichc II, 463.
Athmungsgase, Sammlung dors. II, 500.
Athmungsmuskeln II, 4SI.
Athmungswege, Luftströmung in dens. II,
493.
Atlas, Gelenk zwischen ihm und dem Epi-
stropheus I, 504.
— zwischen ihm und dem Hinterhaupt
^ 503.
Atraosphäro II, 463.
Atome L JJL
— Anordnung ders. L Jji.
— chemische als Gcfühlserreger I, 398. i
— Funktionen ders. 1^ U5.
— Physiologie ders. ^ 16.
— thierische, Wärmeeinheiten ders.
II, 736.
Atrien, a. Yorhöfe.
Aufgabe der Physiologie ly_ L
— allgemeinste ^ 13.
Aufrechtselien 1^ 325. I
Aufsaugung 1, 62. II, 202.-
— Aenderung ders. durch die Blutftllle
II, 565.
— Blutstockung in Folge ders. 1I> 564.
— aus den Gewehen II, 561.
— der Fette im Darm II, 65s.
— durch die Blutgefässe II, 563. 666.
— durch die Lyinphgc fasse II, 567. 654.
— Umfang ders. im Darm II, 670.
— in den Verdauungswegen II, 652.
AufsaugungsstofTo II, 566.
Augapfel, Ortsverändorung dess. 1, 226. 238.
Auge s. Gesichtssinn.
— Accommodation dess. U 274.
— Achsenlängen der brechenden Me-
dien dess. 1^ 260.
— Adaption dossT I, 275.
— Bänder dess. 1^ 229. ~
— Bewegungen dess. u. deren Geschwin-
digkeit I, 226. 241. *
— Bewegungsachsc dess. 228.
— - Bewegungswerkzeuge dess. 226.
— als Brochungsapparat I, 262.
— dioptrischer Thoil dcssT I, 241.
— Drehbewegungen dess. 1, -227.
— Drehpunkt desa. 230.
— empfindende Werkzeuge des». I, 296.
— form verändernde Bewegung, dess.
II, 239. 272.
— Gelenkseinrichtung dess. I, 221.
— mittleres 1^ 263.
— Muskeln dess. 233.
— Ortsveränderung dess. I, 238.
— Physiologie doss. I,
— Primärstellung dess. I, 231.
— das reducirtc I, 266. S '
— Schutzwerksenge dess. L 346.
— Seeundärstellung dess. I, 233.
Augendrehung , Eigcnthümlichk. der«. 1,231 .
Augenlider ^ 346.
Augenmcdion , durchsichtige , Dimensionen
den. 259.
Augenmuskeln JL 233.
— Ansätze ders. U 235. .
— Nerven ders. 1, 239. (Stellung zum
Willen) 1^23^
— Synergie ders. 1, 239.
— Ursprünge ders.~Ü~235.
Augenspiegel 1^ 253.
Augenwasscr 1^ 264 ; U, 264.
Ausathmungsbowogung II, 483.
-T- Einfluss ders. auf d. Blutlauf II, 161.
Ausathmungsluft , Kohlensäuregehalt ders.
II, 504^ ,
— Sammlung ders. II, 500.
— Temperatur ders. II, 502.
— Wassergehalt ders. II, 503.
Auslösung der Kräfte durch IfenreneiTe-
gung I, 146.
Ausscheidung U, 202.
3 by "Google
Register.
7M
Auscheidung, chemische Veränderung der».
II, 216.
— * Oxydation de«. II, 217.
— physikal. Veränderung ders. II, 220.
Aussonderungsorgane, VertheiluDg der Aus-
gaben auf die verschiedenen II, 712.
Ausstossung des Eies II, 444.
— der Galle II, 322.
— des liaros II, 429. 441.
— des Samens II, 441.
Auswurfstoffe II, 217.
Auto matie II 211.
B.
B&ndmosse I, 492.
Bänder 501.
— der Wirbelsäule 1, 506.
Barometerschwankung II, 470.
— Einfluss auf die Athmung II, 470.
Basen, feuerbeständige des Harns II, 406.
Bauchmuskeln, ihre Bedeutung für d. Blut-
lauf II, 147.-
Bauchpresse II, 6 1 9.
Bauchspcichcl II, 35 1 . 645.
— Absonderungsgeschwindigkeit dess.
II, 253.
— Ausstossung dess. II, 355.
— Bereitung dess. II, 254.
— Verdauung8kraft dess. II, 641.
Bauchspeicheldrüse II, 350.
Bauch wasser II, 258.
Baurafriichte als Nahrung II, 599.
Becken I, 511.
Beharrung der Geruchsnerven ^ 387.
— der Geschmacksnerven I, 394.
Beharrungsvermögen der Nerven 1^ 135.
— der Retina I, 309.
Beils Gesetz 1^ 156.
Benzoesäure 367
Bernsteinsäure ^ 27.
Beweglichkeit der Wirbelsäule 1^ 510.
Bewegung der Brust, Einfluss auf d. Blut-
lauf II, 143.
— der Sehobjekte 1 1 342.
— der Hand ^ 518.
Bewegungsachsen der Gelenke 1, 499.
Bilifulvin I, 42.
Bilipliain I, 41.
Biliverdin ^ 41.
Bindegewebe II, 251.
— Ernährung dess. II, 253.
— Formfolge dess. II, 234.
— gemengt mit elastischem Gewebe
II, 256.
Binnengerüche 388.
Binnengcschmäcke 1^ 394.
Binnenobjekte, leuchtende I, 353.
Binnenraum der Gelenke I7~ 302.
Binnentöne 1^ 381-
Blase s. Harn-, Gallenblase.
Blausäure, Einwirkung a. d. Nerven I, 126.
Bloslegung des Rückenmarks 1 661
Blut II, L
— Albumin in deras. II, 6.
— Asche dess. II, II, 26.
— Gasgehalt, veränderlicher dess. II,
41L
— spezifisches Gewicht II, 29.
— Veränderlichkeit BeinerBcstandtheile
mit der Nahrung II, jJT.
— Verhalteu in den Gefässen 11, 1 20.
— Verschiedenheit nach Geschlecht u.
Alter II, 40.
— Wärme dess. II, 29. 721 .
— * Zusammensetzung desB. II, L
Blutanalyse II, 22.
Blutarten II, 30.
Blutbereitung aus den Speisen II, 583.
Blutbestandtheilc, aufgcschwemmte 11, Iji.
— Zufuhr neuer d. d. Speisen II, 583.
Blutbewegung II, 44.
Blutblldung 11, 561.
Blutdruck s. Stromspannung.
Blutfibrin I, 42.
Blutflüssigkeit II, L
Blutfülle , veränderter Druck des Blut-
stroras durch dieselbe II, ICO.
Blutgase 1^ 26 ; II, 476.
Blutgefässe 11, 105.
— Bau ihrer Wandungen 11, 105.
— Einfluss ihrer Muskeln II, 1 15.
— Elastizität ihres Gewebes II, 105.
109.
— Muskelschicht ders. II, 106.
— Menge ihrer Muskeln II, 107.
— Nerven ihrer Wandungen U, 1 12.
— Reibung in dens. II, 109.
— Verhalten d. Bluts in dens. II, 120.
— Verknüpfung der Gewebe ders. unter
einander II, 107.
— Wirkung der Hcrzbewegung auf sie
II, 131.
Blutkörperchen, arterielle II, 33.
— farblose II, 21. •
— venöse II, 33.
— Wände ders. II, 297. S. a. Blut-
scheibcn.
Blutkreislaufsschema nach Weber II, 74.
Blutlauf in den Capillaren und Venen li,
m
— in den kleinen Arterien II, 179
Blutmenge II, 10.
Blutmincrale II, 9.
Blutraischungsändörungen II, 37.
Blutplasma II, l_.
Blutsalze II, 9.
Blutscheiben II, jö.
I — anatora. Bau ders. II,
— Asche ders. II, 19.
— Chemie ders. II,~7B. 19.
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762
Register.
Blutscheiben, Form der». II, jjL _1H.
— Gase ders. II, 20j
— Verfahren zur Sonderung ders. 71, [T
— Vcrtheilung ders. im Blutstrom II,
Ü11L
Blutaernm 11, 14.
BluUtrom, absolute Wcrthe der Spannung
in dem». 11, 153.
— Bedeutung der Athembewcgung für
denn. II, U3.
— Constanten dess. 11, 200.
— Einwirkung der Bauchwände und
Schwere auf dons. II, 1 17.
— Geschwindigkeit des». II, 1^3.
— — veränderte mit dem Herzschlag
ii, m.
— in der Leber II, 318.
— Richtung dess. ind. Gelassen II, 123.
Veränderlichkeit des Mitteldrucks
in dom8. mit der Blutfülloli, 160.
— verfügbare und verlorene Arbeits-
kraft in dems. II, 201.
, — Verthcilung der Blutkörperchen in
dems. II, 100.
— Wirkung der Gcfässmuskeln auf
den». II, 149. S. a. Spannung.
Blutvoränderung durch Lungcnathmung II,
539.
— in den Gelassen II, 560.
— bei veränderter Nahrung II, 37.
Blutwärmo II, 29. 721.
Blutwellcn II, 132.
Brechende Flächen 1^ 259.
Brechungsapparat, allgemeinste Aufgabe des
physiologischen im Auge I, 252.
Brechungsin dices der durchsichtigen Augen-
medien I, 262.
Brennebenen 243.
Brennpunkte 1^ 242. 250.
Brennweite I. 243.
Brücke’s Muskel I, 283.
Brustdrüse II, 41^. a. Milchdrüse.
— männliche II, 449.
— der Neugeborenen II, 462.
— weibliche II, 448.
Brustraum , constantcr und veränderlicher
II, 494,
— Volum deR«. II, 493.
Brustschlüsselbeingelenk 1^ 512.
Bruststimme 1^ 36 1 . 579.
Brustwand , Elastizität ders. II, 434.
Brustwasser II, 258.
Buchstaben ^ 586,
— Bildung ders. I, 587.
Bntinsäurc I, 27.
Butter, Bestandteil der Frauenmilch II,
452. 455.
Buttojgäure 1^ 25. 29,
— Wärmeeinheit ders. II, 737.
Butvrin I, 30.
Capillargefässe II, 108.
— Spannung in dens. II, 174.
Caprin, Caproniu , Caprylin 1, 30.
Capri n-, Capron- u. Caprylitisäure L 25. 29.
2iL
— — Wärmeeinheiten ders. II, 737.
Carbonit 1^ 41.
Cardinalpunktc, optische -L 242.
— Aufsuchung ders. I, 249.
— Constructionsver fahren bei dens. I*
IAA.
— einfacher brechender Flächen I, 248.
— • der Hornhaut 1^ 265.
— der Crystalllinse ^ 265.
Casein I, 44. 45.
— Bestandteil der Frauenmilch U,
453. 454.
— Entstehung dess. II, 451.
Cellulose l, 33.
Centralorgane als Bedingung der Erregbar-
keit L 123.
Cerobrin 1, 33.
Cerebrinsäure 1, 33.
Chemische Folgen- der Leistungen dor form-
losen Elemente ^ 5.
Chemismus, Bedeutung dess. im Leben 1, 2.
— als Erreger des Gefühls 1, 4067
— als Erreger des Muskels ^ 436.
— als Quelle der Nervenkräfte 1^ 142-
| Chlorgehalt des Harns II, 397.
Chlorsalze, alkalische 2t.
— erdige ^ 22.
Chlorverbindungen 2_L
— Veränderlichkeit der Ausschoidang
ders. aus dem Harn II, 398.
Chlorwasserstoff I, 21.
Cholcinsäure 1^ 37.
Cholepyrrhin I, 42.
Cholestearin L. Ü2. %
Cholsäurc 1, 38.
Chondrigen I, 56.
Chondrin I, 56.
Choroidealgefässo I, 276.
Chromatische Abweichung am Auge L 289.
Chylus , Aufsaugung durch die Darmblut-
gefasse II, 665.
— Bestandtheile dess. II, 659.
— abhängig von der Nahrung II, 661.
— abhängig von anderen Umständen
II, 663.
— hungernder und gefütterter Thiere
II, 662.
— Menge dess. II, 664.
Chylusgefässe, Anfänge ders. II, 654.
| — Aufnahmefähigkeit verschied. Nähr-
stoffc durch dies. II, 666.
— Beziehung ders. zu d. Blutgefässen
II, 663.
Ccrby !
Register.
763
Chylusgefassc, Ucbergang d. Fette in dies.
II, 656.
Chymus des Dünndarmes II, 646.
— des Magens II, 639.
— verschied. Orte des Darmes II, 647.
Cohäsion der eiwoissartigen Stoffe I, 52.
— ihr Einfluss auf die Quellung I, 72.
— der Venenhaut II, 109.
Cohäsionszustande der Bildungsstoffc II, 225.
Colla 1, 57.
Collagen I, 57.
Colostrumkörperchen II, 450.
Cominunikation d. Nervenröhren im Rücken-
mark (flehe Rückenmark).
Compensation am Multiplicator I, 96.
— am Stimmorgan 1, 581.
Complementaire Farben 302.
Constanten , optische 1^ 239.
•— des Blutrtromes 11, 2U0.
Contraction der GefKsswiinde II, 1 12.
% Contrast (Farben) 1^ 315.
Convergenzen des Auges 1^ 232.
— Beziehungen zwischen der Grösse
der Bilder zur Convergenz der
Strahlen 1, 248. 335. 338,
Cornea I, 264 ; II, 260. S. o. Hornhaut.
Crystallin 1, 44.
Cyanverbindungen des Acthyls I, 26.
— des Amyls 1^ 27. ’
— des Methyls I. 26.
Cylinderrohr , gerades, Strom gesch windig-
keit in dems. II, 56«
Cystin I, 39.
D.
Damal ursäure L 36.
Damolsäure 1^ 36.
Darmdrüsen II, 363 (schlauchförmige).
Darmgase II, 652.
Darmnerven, Hunger durch Erregung ders.
H, 584.
Darminhaltbewegung II, 619.
Dannsaft, reiner II, 643.
— in Verbindung mit Galle , Bauch-
speichcl etc. II, 645.
Darm verdauung, natürliche und künstliche
II. 040.
Darmzotten II, 654.
Deckhäutc, einfache II, 24 1 .
Dickdarm, Mechanismus seiner Bewegung
II, 618. 651.
Dickdarmsäfte II, 650.
Diffusion I, 59 ; II, 210.
— physiolog. Bedeutung ders. L. 83.
— • der Gase L 60. S. a. Gasdiffusion.
— durch Thon, Collodium-, Herzbeutel-
platten II, 21L
— einer Lösung fester Körper in Wasser
I, 68. 69.
Diffusion eines Lösungsgemenges in Wasser
I, 69.
— tropfbarer Flüssigkeiten I, 63. (in
einander) 65. 70.
— Veränderungen des Harns in der
Harnblase durch dies. II, 433.
— von Flüssigkeiten (in Luftnrten) ^
63. (in thior. Stoffe) I, 70.
— von Lösungen u. Losungsgemengcn
in feste Stoffe 69. 72.
— Vorkomm en /physiolog., ders. II, 213.
' — zweier Flüssigkeiten durch eine
Scheidewand I, 75.
— zweier Gasarten durch eine wässe-
rige Scheidewand ^ 63.
— zweier Lösungen in einander I, 65, 70.
— zwischen Lösungen, deren Lösungs-
mittel sich nicht mischen 70.
Diffusionsgeschwindigkeit I, 68. 69 ; II, 211-
Diffusionsstrom gegen die Lympbgcfässe
II, 655.
Dioptrik des Auges I, 211.
Dipolare Anordnung L. 106.
— — Theorie ders. L 106.
Direktes Sehen s. Sehen.
Doppelbilder I, .332.
Doppelschlägigkeit des Pulses II, 171.
Doppeltsehen mit einem Auge I, 316.
— mit zwei Augen I, 328.
Drehbewegungen ahi Auge 1^ 227.
Drehpunkt des Auges L 230.
Druck , die Nervenerregbarkeit zerstörend
L 121
— als Erreger des Muskels I, 436.
Druckmesser II, 53. 155. 157.
— Theorie dess. II, 158.
Drucksinn 1, 415.
— Hülf<j d. Muskeln bei dems. I, 415.
— Verbindung mit Wärmesinn L 418.
Drüsen, Antheil ders. an d. Lymphbildung
11, 380.
Drüsennerven, Erregung ders. 1^ 1 12.
Du Bois'sches Gesetz d. elektrischen Mus-
kelerregung I, 438.
Dünndarm , Flüssigkeiten dess. II, *640.
— Chymus dess. II, 646.
— Mechanismus seiner Bewegung II,
OLL
— Peptone (?) dess. II, 618.
Dünndarmaderblut 11, 36.
Dünndarmverdauung, künstliche II, 640.
— natürliche II, 649. -
Durchschneidung des Rückenmarkes oder
einiger Theile dess. 1^ 166.
Durst II, 586.
Dynamische Folgen der Leistungen der
formlosen Elemente L 6.
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764
Register.
E.
Ei, Ausstossung dess. II, 144. *
Kjaculatio goininia II, Hl.
Eibildung II, 443.
Eier als Nahrung II, 594.
Eierstock II, 442.
— chemische Beschaffenheit II, 443.
Eigenwärme, Aenderung ders. mit der Tem-
peratur der Umgebung II, 729.
Eileiter, Bewegungen ders. II, 444.
Einathnmngsbewegung , Einfluss ders. auf
den Blutlauf II, 146.
Eindringen fester Körper in die Gefässe
II, 143.
Einfachsehen mit zwei Augen I, 326.
Eingeweide, Wärme ders. II, 722.
Einrichtung s. Accoramodation.
Einrichtungsbewegungen des Auges I, 2S4.
Einrichtungsmittcl zur Accommodation des
Augos X 274.
Einziehung der Luft in d. Lungen II, 4SI.
Eisen im Blute II, jb
Eisenoxyd , phosphorsaures X 23.
Eiweiss X 42 ; II, 3j. s. a. eiweissartige
und Eiweissstoffe.
— Abkömmlinge dess. II, 217.
Eiweissartige Stoffe 1, 42.
— — als Träger des Lebens 1, 47.
— — als Wärmeleiter X 55.
— — Filtration durch dies. L. JÜL
— — ihre Cohäsion X 52^
— — ihre cheni. Eigenschaften I, 50.
— — ihre feste Form I, 51.
— — ihre Gährung I, 47. 48.
— — ihr Aggregatzustand X 50. 51. •
— — ihre Imbibition X 52. 54.
— — ihre Katalyse X 47. 50.
— — ihre Leitungflfuhigkeit für Elek-
trizität I, 55.
- — — ihre physik. Eigenschaften I, 50-
— — ihre Quellung X 51L
— — ihre Zersetzungserscheinungen
I, 45. 47. 4b; II, 217.
— — Theorie ihrer Zusammensetzung
kü
Kiwoisscntbchrung II, 063.
Eiweissfiltterung II, 066.
Eiweissstoffe d. Blutflüssigkeit II, T.
— der Blutkörperchen II, Hh
— Sättigungsniederschlag ders. II, 626.
Eiweissverdauung durch künstlichen Lab-
saft II, 627,
Ekel II, 377.
Elastizität der Brustwand II, 4S4.
— der Uefässwände 11, 109.
— der Lungen II, 463.
des Muskels U, 429. 456.
Elastischer Stoff X 56.
— — in der Gefässwand II, 77.
Elastisches Gewebe II, 177.
Elektrische Eigenschaften d. Muskeln I, 424.
Elektrisches Leitungsvermögen der Nerven
x m
Elektrizität , allgem. Bedeutung im Leben
k l
— als Erreger dos Gefühls I, 395.
— als Erreger des Muskels X 325.
Elektronegative Schwankung in den Ner-
Ycnmolckülen 1, 106.
Elektromotorische Anordnungen I, 97.
— Eigenschaften d. NervenrüKren I, 67.
Elektromotorischer Zustand 1, 98.
— Gesetze dess. X 106- *
— Theorie dess. X HU.
Elemcntarbau d. verlängerten Markes X 167.
— des nerv, sympath. I, 213.
Elementare Bedingungen des Lebens X X
Elemente, Leistungen der formlosen im
Organism. X 3.
— chemische Folgen ders. XJl
— dynamische Folgen ders. X^i
Ellcnbogengelenk 1, 514.
Emplindungsorgane I, 592.
— Veränderungen ders. durch die Mus-
keln oder Muskelnerven I, 466.
Endosraosc X "■> ; ®» a» Diffusion.
Endosmotisches Aeqnivalent I, 76. 79.
— ^ — Bestimmung dess. X ÄÜi
— — Thcorio dess. X 61»
Entfernung, Beurthcilung ders. beim Sehen
I. 336.
Entoptische Erscheinungen 1, 349.
Entzündung, Brücke’» Theorie II, 176.
Epidermis II, 236.
— Athmungsverluste ders. II, 551.
— Durchdringbarkeit ders. II, 237.
— Ernährung ders. II, 238.
Epithelien 11, 234.
— Anatomie ders. II, 234.
— Chemie ders. II, 235.
— geschichtete II, 234.
— Quellungserschoinungenders. 11, 236.
Erbrechen II, 620.
Erden ira Harne II, 406.
— phosphorsaurc X 23.
Erektion II, 439.
Ermüdung I, 440.
Ernährung der Epidermis II, 236.
— der Haare II, 245.
— der Knochen II, 275.
— der Knorpel II, 269.
— der Muskeln II, 295.
— der Nerven II, 290.
— der Niere II, 429.
Ernährung, Physiologie ders. II, X
— der Zähne II, 262.
Erregbarkeit des Herzens II, 89.
— der Nerven X 12. 116.
— des Rückenmarks X 162.
Register.
»
765
Erregbarkeit , veränderte 11H,
— — im Hirn L 1*5. 210.
— Bedingungen d. veränderten 1^ 120.
— des Rückenmarkes (s. Rückenmark).
Erreger der Nerven 1 12.
— der Gcfiihlsnerven I, .'193. (f. beson-
dere Gefühle) L 407.
— der Gehörnerven 2^ 373.
— der Geruchanerven L. 3*2.
— der Geachmacksnerven f, 389.
— der Herznerven II, 92^
— des Muskels 433.
Erregung , Abhängigkeit ihrer Stärke von
der dos Erregers ^ 1 13.
— Abhängigkeit ihrer Stärko von der
Zahl der getrotfonen Nervenröh-
ren 1, PI
— ihr Verhältniss zur Erregbarkeit der
Nir\»n 1 'Jo.
— dos Herzens, unmittelbare II, 92.
— Mittheilung der«. I, 1 09.
— Lcitungggeschwindigkeit ders. im
Nerven L 137.
— Nachwirkung ders. I, 135.
— Wechsel ders. mit dem Erreger 1,
m.
— willkürlich motorische 1^ 598.
— Uebortragung ders. 1^ 160.
Erregung der Sehnerven 1, 306.
— — durch Elektrizität 309.
— — durch Licht .L 306
— — mechanische L 30*.
Erregungsmittel der Nerven 1^ 1 12.
Erregungszustände, verschiedene d. Nerven
L U6.
— Mittheilung ders. in den Norven-
röhren des Hirns 'L 205
Essigsäure 25. 29.
— Wärmeeinheiten ders. II, 737.
Enstachi’sche Röhre _L 371.
Evolvente d. articnlirendon Flächen 1, 198.
Evolute der articulirenden Flächen 1, 19s.
Excretion des Harnes II, 1 1 8.
Exspiration II, ls3.
Extrakte im Harne II, 397.
F.
Falten der Dünndarmschleimhaut, Mecha-
nismus ders. II, 614.
Farbenmischung I, 302.
Farbenunterscheidung L. 311.
Farbstoffe, thierische I, 41.
— im Harne II, 395.
Faser , Remak’sche 1^ 214.
FaserstofT L 42^ II, L_ 57^
— Formen dess. I, 42. 43.
Fasersiotfschollen L 43 ; LI, 21.
Faserzelle, muskulöse, Physiologie ders. I,
474,
Fascien 1^ 530.
Ferment der Leber II, 310.
. — Pepsiu als solches 1 1, 633.
Fempunktc L. 255.
Fernsichtigkeit L 258.
Fettähnliche Stoffe II,
Fettdrüsen II, 265.
Fette II, jk 573. S. a. neutrale Fette.
— Beziehung zur Zellenbildung I, 31.
— in der Leber II, 31 1.
— Nutzen der Galle und des Bauch -
Speichels zu ihrer Assimilirung
II, 658.
— phosphorhaitigor in d. Blutacheiben.
II, HL
— tägliche Aufnahme desa. durch den
Darm II, 668.
— Uebergnng dem. in die Chylusge-
gefäase 11, 656.
Fottemulgirung ira Dünndärme II, 656.
Fettnahning II, 706.
Fettreaorption II, 656.
Fettzellen II, 284.
— Bau ders. II. 2S5.
— Füllung ders. II, 287.
— Mechanismus ders. II, 287.
Feuchtigkeit, Einfluss ders. auf Nerven-
leitung L 123.
Filtration zur Sonderung d. Blutkörperchen
II, 17. 205.
— chemische Scheidung durch selbige
II, 209.
— durch todte Häute 11, 207.
Filtrationsstrora gegen die Chylusgefoase
n, 055.
Fistelstimme L. 561. 579.
Flächen, articulircndc , Evolvente u. Evo-
lute ders. I. 498.
— - brechende , Krümmungshalbmesser
ders. I 259.
Fleisch als Nahrung II, 592.
Fleischbrühe II, 382.
Fleischnahrung, reine H, 705.
Flimrnerhaare 11, 241.
— Beschleunigung ihrer Bewegung 1L
112,
Flüssigkeiten, schmeckbare I, 390.
— seröse II, 257.
Flüssigkeitsströme 11, 48.
— durch diu Ge fass wand, ihre Bedeu-
tung für den Blutstrom II, 150.
Flüstern L, 585.
Fluorcalcium 1^ XL
Folgerungen für die Anordnung elektrischer
Theilc im Nerven 1, 97.
Formbildung, organische II, 221 u. folg.
Formen, ihre Leistungen im Organismus
L 1L
Formende Kräfte II, 227 u. folg.
Formfolge If, 22:1.
Register.
766
Fovea centralis 1, 296.
Froschschenkel, strmuprüfonder 1, 92.
Fruchthalter II, 445.
Fass, als Stützpunkt d. Körp. 1, 550.
Fussgelenko 1, 526.
Fusswurzel-Jfittelfussgelenke I, 527 u. folg.
O.
Gährungen I, 34.
Galle II, 320. 640.
— Ausfuhr ders. II, 322.
— Einwirkung ders. auf die Verdauung
. II, 640.
— Mechanismus ihrer Absonderung II,
322.
— Menge ders. II. 326.
— Veränderlichkeit ders. II, 321.
— Zusammensetzung ders. II, 320.
Gallenabsomlcrung , Geschwindigkeit ders.
II, 322.
— Abhängigkeit ders. von d. Nahrung
II, 323.
Gallenfarbstoff I. 41.
Gallenfisteln II, 325.
Gallenraenge II, 326.
Gallensäure II, 2 1 9.
Gallcnwasser, Absonderungsgeschwindigkeit
dess. II, 324.
Galvanische Ströme, Einfluss ders. auf die
Nerven ^ 127.
Ganglienköqmr I, 147.
— als Erreger 147.
— die Erregung modificirend 1^ 147.
— — übertragend 147.
~ verschiedene Arten ders. 125,
Gasarten de» Blutes II, 26.
Gasaustausch , zwischen Blut und Atmo-
sphäre 11, 476.
Gasdiffusion 1. 60. 83.
— Dalton's Gesetz 1^ 60.
— durch trockne Scheidewände 1^ 60.
— in tropfbaren Flüssigkeiten!, 61. 63.
— der Gasarten uuter sich 1^ 63.
— Graham'* Gesetz 63.
— in den Lungen II, 53T.
— Mariotte's Gesetz 6L
Gaae . AbsorptionBCocfficient ders. in Flüs-
sigkeiten L-62.
— des Blutes II, 476.
— Gewinnung ders. aus d. Blute (nach
Ludwig) II, 477.
— im Uarn II, 4lT
Gaswechsel , gesummter des thier. Körpers
II, 553.
Gaumen , Thätigkeit dess. bei der Ver-
dauung II, 605.
Gebärmutter s. Geschlechtsworkzouge.
Ge fass haut des Auges 1, 276.
Gefäsfilnmcn , Veränderlichkeit dess. mit der
Verthcilung der Gefasse II, 1 17.
— Ein- und Austritt von Flüssigkeiten
n, 150.
, Gefässmuskeln , Einwirkung ders. auf den
Blutstrom II, 140.
i üefäBsnerveu II, 1 12.
, — physik. Eigenschaften ders. II, I OS.
! Gefässräumlichkeit II, HC.
Gcfässsyatem , Richtung dauernder StTome
in solch. II, 123.
! Gefässwandungon II, 1(1$. 297.
— Nerven ders. II, 1
' Ge fühlen erven , zur Anatomie ders. 404.
— für besondere Gefühle 403.
— Erreger für dies. 1, 406,
Gefühlssinn 1, 394.
— ehern. Atome als Erreger des«. I, 398.
— Etectrisität als Erreger dess. I, 395.
— Erreger des«. ^ 395.
— Temperatur als Erreger des«. I, 398. ’
Gehen I, 349.
— natürliches 555.
Gehör 1^ 354.
— musikalisches 360.
Gehörempfindung, Nachausscnsetzen dera.
I, 360.
Gehörknöchelchen 1^ 364.
— akustische Vorgänge in solch. I, 368-
— — Schalllcitung durch dies. 17367
Gehörnerv s. Nerv. acuBtic.
— Errcgungsmittel dess. 1, 373.
— Schalllcitung zu dems. 1, 359.
Gelenkachsen 1, 499.
Gelenke, Binnenraum ders. I, 502.
— Flächen ders. f. d. Bewegung I, 496.
— der Rippen 1^ 511.
— Rotationsflächen dera. 1^ 497.
— Steifung ders. heim Stehen 1^ 551 .
— zwischen Atlas u. Epistroph. 1^ 504.
— — Hinterhaupt uud Atlas 503.
&!Äe } ^ .
Gelenksehmiere II, 259.
Gemeiugcfühl I, 395.
Geräusch ^ 379. *
Gerste II, 397.
Geruchsempfindungen , Beharrungsvermögen
dera. 1^ 3S7.
— Nachaussensetzen ders. I, 3S7.
— Vermischung ders. I, 367.
Geruchssinn I. 362.
— Erregungsmittel dess. 1^ 3S2.
Geruchsnerv b. Nerv, olfact.
Geruch88 türke 1^ 384.
Geruchsvorstellungon 1^ 366.
Gesammtauge L 265.
Gesammtblut II, TL
Gc'.sammti'innahine, Beziehung der tügl. zur
Wärmeausgabc 11, 745.
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Register.
♦
Ißl
Gesaramteinnahme, Gasarten des«. II, J26.
— Zusammensetzung des«. II, 24.
Gesammtharn II, 414.
Gosammthunger II, 672.
Gesamratmilch II, 457.
Geschlechtswerkzeuge, männl. 1^ 434.
— weibliche 1^ 442.
Geschmacksempfindung 1, 369.
— Art dore. 1, 39ü.
« — Erreger dere. I, 389.
— Galvanismus als Erreger I, 390.
— Flüssigkeiten als Erreger 1, 390.
— Geschwindigkeit ders. 1, 393.
— Ort dere. I, 391.
— Stärke ders. 1, 392.
Geachraacksnerv 1 12.
Geschmackssinn I, 3SS.
Geschinacksstärke I, 392.
Geschmacksvoretcllungen *1, 3113,
Geschwindigkeit verschied. Flüsaigkeitsfiiden
eines Stromes II, 53.
— des Blutstroms II, 183.
— — abhängig v. Herzschlag II, 193.
— gleich- od. ungleichförmige II, 195.
— abhängig v. .Spannungsunterschieden
u. andern Bedingung. II, 194. 19t».
— Mehrung ders. im Blutstroin (nach
Weber) II, 164.
— — auf Stromquerschnitten II, 189.
ULL
Gesetz der Zuckungen I, 437.
Gesichtsnerv s. Nerv, opticus.
Gestaltung organ. Niederschläge 11, 225 u. f.
Gewebe, elastisches II, 249.
— der Gefässe II, 105.
Gewichtsverlust beim Hungern II, 683.
— durch llautausdünstung II, 553.
Glanz I, 344.
Glaskörper I, 274 ; II, 265.
Gleichgewichtsgefühl I, 488.
Gleichzeitigkeit der Bewegungen in den
Elementartheilen einzelner Hcrzabthlgn.
II, 0)3,
Globulin I^üi II, 19.
Glycerin I, 31h 33.
Glycerinphosphorsäure 1^ 33.
Glycin I, 40.
Glycocholsäurc I, 37.
Glycocoll I, 37.
Grössenbcurtheilung beim Sehen 1, 335.
Grundfarben ^ 302.
Gruppirung der Nerveuröhren im Rücken-
mark s. Rückenmark.
H,
Haarbalgdrüscn II, 366.
Haare II, 244.
— Ernährung ders. II, 245.
— Lebensdauer ders. 11, 24V
Haare, Wachsthum der«. II, 247.
Haargefässe s. Capillaren.
Uoarsiickchen II, 246.
Uämdtin I, 41 ; II, 246.
Hämatoidin 1^ 4 1 .
Hamadromometer II, 164.
Hiimatocrystallin II, 19.
Hämin II, 19.
Hafer II, MFT
Halsbowegung I, 509.
Halsgelenkc I, ~569.
Hammer, Bewegung dess. I, 365.
Handbeweguug ^ 518,
Handgelenke I, 516.
Handwurzolgelenke 1^ 517. 519.
Harn II, 37S.
— Ausstossung dess. a. d. Niere 1J, 429.
— Beziehung zwischen Abfluss u. Zu-
sammensetzung dess. II, 423.
— Einfluss der Spaunungsunterschicdo
zwischen Blut und Harn II, 42».
— Harnstoffe in dem«, u. in der Nah-
rung II, 364.
— physikalische Eigenschaften II, 1 1 5.
— seltnere Bestandteile dess. II, 416.
— Verhältnis« zwischen Basen u. Säu-
ren dess. II, 407.
— Wassergehalt dess. II, 40S.
Harnbereitung II, 418.
— Einfluss der Ulutzusammensetzung
auf dies. II, 422.
Hypothesen zur Erklärung ders. 11,
'425.
— Ncrveneinflusa bei selbiger II, 42 1 .
Uarnbestandtheile, seltnere II, 4 1 6.
Harnblase, Bewegung ders. II, 430.
| AAL
Harnfarbstoffe 1^421 II, 395.
Harngase II, 4 1 2.
Harngährung in der Blase II, 432-
Haruigc Säure I. 39.
Harnleiter II, 430.
Harnröhre, Ausstoseuug v. Harn u. Samen
aus ders. II, 411.
Harnsäure _L 36 ; II, 389.
— ihre Zersetzungen 1, 38; II, 389.
— im Blute II, 9.
Harnstoff 1, 40. 41; II, 379.
— Beziehung dess. zur Nahrung II, 3s 7.
— — zum Harmolum II, 383. ~
— im Blute II, 9.
— Veränderlichkeit des täglich entleer-
ten 11, 380. 361.
Harnstoffausscheidung , Mittelzahlen dere.
II, 388.
— Veränderung der«, jo nach Tempe-
ratur, Maskclbewcgung, Tages-
zeiten u. s. w. II, 385. u. folg.
Uarnstoffentstchung II, 381.
Harnwerkzeuge II, 373.
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Beginter.
768
Harnsucker 34.
Harze im Harn II, 397.
Hau^tbrcnnebenen I, 243.
Haut, Ortssinn der bewegten L 4 1 3.
— — der ruhenden 1, 407.
— Wärmeverlustc durch dies. 11, 751.
Hautaderblut II, U
Hantathraung II, 550.
Hautstellen, Raum Unterscheidung an den«.
I, 410.
Häute, seröse II, 256.
Hera, Erregbarkeit des«. II, 89.
— — Eigonthümlichkeit ders. II,
— Mechanismus dess. II, 89.
— Muskclröbren dess. II, 78.
Uersatrien s. Vorkammern; Herzkammern.
Herzbewegung, Dauer der». II, 88.
— Einfluss der», auf die Geschwindig-
keit dos Blutstroms II, 193.
— Folgen ders. in den Ge fass röhren
II, |3L 14L
— Reihenfolge ders. II, 88.
— Rhythmus der». II, 87.
— Zusammenhang ders. mit den Atb-
mungsbewegungen II, 492.
Herzkammern, Inhalt ders. II, TTT
— Zusammenzichung ders. ll, 128.
Uerzmu»kulatur II, 78.
Herzschlag II, 89. 92.
— Einfluss dess. auf die Geschwindig-
keit des Blutstroms II,- 193.
— Häufigkeit dess. II, 100.
— — Aendcrung der», mit der Nah-
rung II, 101.
Herastoss II, 83.
Herztöne II, 104.
Herzwasser II, 258.
Hinterhauptgelenk I, 504.
Hippursäure 1, 36.
— im Blute II, jh
— im Harn II, 391,
Hirn I, 167; II, 291.
— Anordnung der Muskelnerven in
deros. 1, 485.
— Beziehungen dess. zu den Nerven-
wurseln 163.
— ehern. Zusaramensetzg. dess. II, 291.
— Ernährung dess. II, 294.
— Errcgbarkeitsvcrhältnisse in dems.
II, m
— Mittheilung der Nervenerregung in
dems. 1, 205.
— motorische Nervenwurecln in dems.
I, 4S5.
— sensible Nefven wurzeln in dems. 1,
205.
Hirnnervcn 167.
— Ausbreitung und Funktionen ders.
■L. 190.
Hirntheile, Verletzung einiger 1, 208.
Hirnwasser 257.
Hoden 11, 434.
— Bau dort. II, 434.
— Beiwerkzeuge dars. II, 438.
Hodenwasser II, 259.
Hohlvene, untere, Blut ders. 11, 37.
Holzkohle, Wärmeeinheit ders. II, 737.
Hören gleichzeitiger Töne 1^ 375.
Hornhaut ^ 264 ; II, 260.
— Ernährung ders. II, 263.
— Quellung ders. II, 262.
Horopter I, 329.
Hüftgelenk I, 521.
Hühnerei als~Xahrnngsraittel II, 593.
Hülsen früchte als Nahrungsmittel II, 598.
Hunger II, 564. S.a. Hungern, Verhungern.
— Bedingungen zur Erzeugung u. Stil-
lung dess. II, 585-
Hungern , allgemeines II, 672.
— partielles II, 664.
Hungemerven II, 583.
Hydrodiffusion II, 205.
Hydrodynamik II, 45.
Hydrostatik II, 44.
Hydrotsäure I, 39.
Hypoxanthin 1, 39.
Identische Netzhautstcllen ^ 326.
Imbibition I, 70.
— ei weissartiger Stoffe 1^ 52. 54.
Induktion der ltctinaltkeilc I, 314.
Inosinsanre 39.
Inosit Ii J14.
— im Harn II, 394.
— in der Leber II, 312.
Inspiration II, 4SI.
Intercostalmuskeln, Wirkung beim Athracn
II, 4SI.
Intermediärer Kreislauf U, 562.
Iris 1, 277.
— Bewegung ders. 1, 279
Irradiation I, 314.
I»olirte Leitung der Erregung der Nerveu
L 136.
Käse.gelialt der Milch II, 454.
Kalk, oxalsaurer I, 24.
Kalkerde, kohlensaure L _2L
— pbnsphorsaurc L 23.
Kartoffeln I f, 599.
Katalyse der eiweissartigen Stoffe 47.
Kauen II, 607.
Kegclgelenk 1, 496.
Kehldeckel, Thätigkeit dess. bei der Ver-
dauung II, 605.
Kieferraußkcln 1^ 548.
Kieselsäure L 24.
** "DTgitized by GoÖ^Ie
Register.
769
Klang I, 377.
Kleesäure 39.
Kniegelenk lj_ 522.
Kniescheibengelenk ^ 525,
Knochen I, 49 1 ; II, 272.
— Artikulation ders. ^ 496.
— Bau ders. L 491 ; XI, 272.
— cheiu. Zusammensetzung II, 273.
— — Veränderlichkeit ders. II, 274.
— Ernährung ders. II, 275.
— Entstehung der». II, 276.
— Form ders. I, 492.
— Verbindungen ders. I, 495.
— Wachsthura ders. II, 277.
— — Bedingungen dies. II, 27$.
Knochenmasse 1^ 491.
Knorpelgewebe I, 492 ; II, 269.
— Wachsthum desa. II, 270.
Knotenpunkte ^ 241.
Kochen des Fleisches II, 592.
Kochkunst II, 592.
Kochsalzlösung, Einfluss ders. auf die Ner- '
ren 1^ 125.
Körner als Nahrung II, 594.
Kohlenhydrate im Harn II, 392.
Kohlensäure I, 20. .
— Absondemngageschwindigkeit ders.
II, 504.
— beim Athmcn II, 504.
— Bildungsort ders. II, 473.
— in der Atmosphäre II, 466.
— im Blute II, 1JL
— im Harne II, 046.
— Veränderung ders. beim Athmen II,
504.
Kohlensäureauschcidung durch die Lungen
II, 505.
abhängig von den Atkcmbewegungen
II, 509, 513.
— • — von der Aufcntbaltszeit der
Luft in d. Lungen II, 511.
— — von der Blutmischung JLX, 521.
— — vom Blutstrom II, 516.
— — von der Einathmungsstufe II,
517. 549.
— — von d. geathmeten Luftvolum
II, 512,
— — vom Luftdruck II, 520.
— — .von d. .Lufttemperatur II, 518.
— — von der Lungenwund II, 527.
— — v. d. Muskelthätigkeit II, 514.
— — von der Nahrungsaufnahme II,
. 523,
— — v. verschied. Ursachen II, 528.
— absolute und procentische II, 529.
— mittlere II, 529.
— Theorie ders. II, 504.
— variabel mit der Tageszeit II, 514.
Kohlensäuregehalt der Athmungsluft, mitt-
lerer II, 504.
Kohlcnstoffausgabc II, 713.
Kohlenwasscrstoffgas I, 19.
Konsonanten 588.
Kopfbewegung I, 543.
Kopfknocbon, ScKallleitg. durch dies. I, 372.
Kopfmuskeln I, 543.
Koth II, 621. 65 1 .
Kothen II, 621.
Krampf, übertragener 171.
Kranzarterien, Verschluss ders. durch die
Semilunarklappen II, 129.
Kreatin L Kl.
— im Blute II, Jb
— im Ham II, 389.
Kreatinin Ij 40.
— im Blüte* II, 9,
— im Harne II, 389.
Kreislauf, kleiner, Spannungsverhältnisse
in dens. II, 180.
Kreosot, seine Wirkung o. d. Nerven 1, 126.
Krümmungshalbmesser brechender Außen-
flächen 1± 259.
Krystalllinse 264. 274. .
Kugeldrchong mit Bezug a. d. Auge 1, 226.
Kugelflächen, brechende, Objectbildcr ders.
L 247.
Kugelgelenk 1^ 496.
Kurzsichtigkeit L 258.
Kymographion II, 122.
L.
Labdrüsen II, 355.
Labdrüsensaft, künstlicher II, j>.
Labsaft II, 35«.
— Absonderungsgeschwindigk. II, 35$.
— Ausstossung des». II, 301.
— Bereitung dess. II, 359.
— künstliche Verdauung durch dens.
II, 626.
— (ichalt an Säure u. Pepsin II, 631. *
— Lösung d. Eiweisskörper durch dens.
II, «27.
T* Lösungs vermögen dess. II, 629.
Labyrinth, des Ohres 1, 369.
Ladung I, 88.
Ladungsstrom I, 91.
Längsleituog d. Erregung im Nerven 163.
— durch das Hirn 202.
— durch das Kückenmark 163.
Laute s. Buchstaben.
Lebendige Kräfte des Blutlaufes II, 201. •
Leber II, 308.
V Amyloid ders. II, 310. *
— Ausfuhrstoffe ders. II, 332.
— Bau ders. II, 30$. *
— ehern. Bestandteile der». II, 310.
— Ernährung ders. II, 335.
— Ferment ders. II, 3 1~ÖT
Ludwig, Phy»iologie II. ^ Auflage.
49
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770
Register.
Leber, Mechanismus ihr. Punktionen II, 333.
Leberaderblut II, 35. 316.
Loberblut II, 316.
Leberblutstrom ll, 318.
Lebergewicht II, 323.
Leberlymphe II, 233.
Leberschleim II, 334.
Leberzellc, ehern. Vorgänge in ders. II, 328.
Leberzuckor, im Harn II, 393.
Lecithin 1, 33.
Legumin II, 398.
Leim, Auflösung durch den Labsaft II, 632.
Leitung, der Erregung im Nerven 1^ 136.
. — in den Nervenröhren L 135.
— isolirte im Nerven I, 136.
— längs der Nerven 163.
— quer durch die Nerven 1^ 1 69.
— * von einer Nervenwurtel zur andern
-durch d. Rückenmark 1^ 1 69.
Leitungsgeschwindigkeit der Erregung ira
Nerven 1^ 137.
Leitungsröhren für den Luftstrom in den
Lungen II, 485.
Lcitungsvermögen, elektrisches I, 1 1 Ü.
Leucin L 40. 45. 56.
— in der LebcrII,~5l5.
Licht, Nachfarben d. woissen I, 316.
— Nebenfarben d. weisseh-!, 304.
Lichtbrechung 241.
Lichtempfindung I, 299. 307.
— Stärke ders. I, 308,
— elcktr. Einwirkung bei ders. 1. 309.
— mechanische Einwirkung bei- ders.
L 306.
Lufteitixiohung in die Lungen II, 460.
Luftkrois II, 463.
Luftleitungsrohrcn 11, 283.
Luftmischung beim Athnien II, 499. 537.
Luftröhre II, 483.
Luftströmung- in d. Athnienwegen 11, 493.
Luftveränderung beim Athnien II, 499.
— Werkzeuge für dies. II, 498.
Lumenveränderung mit der Gcfässvcrthei-
lung II, 1 19.
Lungen, Bau derselben II, 111.
— ehern. Zusammensetzung II, 543.
— Elasticität ders. II, 543.
— Ernährung ders. II, 544.
Lungenathmung, Chemismus ders. II, 479.
347. 549.
— Mechanismus ders. II, 479.
Lungenmuskeln, Wirkung der«. II, 543.
Lungensäfte II, 54 L
LymphdrÜsen, Bau ders. LL, 570.
Lymphe, Geschwindigkeit ihrer Absonde-
derung 11, 576. 577.
— ihre Entstoliung II, 579.
— ihre Zusammensetzung II, 572. 574.
— Umfang ihrer Absonderung II, 578.
Lymphgefässanfange im Barme II, 634.
Lym phge fasse , Aufsaugung ders. II, 567.
— Bau ders. II, 368.
Lyraphkörpcrchen U, 21. 575.
— Abkunft ders. ll. 575.
Lymphstrom II, 581.
M.
Ligamenta flava 1, 507.
— intervertebralia I L 506.
— longitudinalia 1, 307.
Lingualdrüse s. Mundspcichel.
Linse 1^ 274 ; II, 265.
— ehern. Zusammensetzung II, 266.
— Wachsthum ders. II, 267.
Linsenbewegung ^ 285.
Linsenschichtung I, 275.
Lipyloxyd I, 33.
Lösung f08tcr-Stoffe in Flüssigkeit I, 66.
— Diffusion solcher in WasserH, 68.
— gleichzeitige, mehrerer Stoffe 1, 69.
— Siede- und Gefrierpunkt ders. IT 67.
— spcc. Gewicht der». I, 67.
— Wärmeverbrauch bei ders. 1^ 66.
Lösungsgemenge, Diffusion ders. in Wasser
I, 69.
Lüftungswerkzeuge II, 479.
Luftabsondemde Werkzeuge s. Athmungs-
flächcn. •
Luftarten , Berührung der atmosphärischen
mit denen im Blut II, 474.
LuftausstoHsung aus den Lungen IT, 483.
Luftdruck , Bedeutung dess. für die Ge-
lenke 1, 496.
Magen, Flüssigkeit dess. II, 625.
— Mechanismus seiner Bewegungen II,
011.
Magendrüsen 11, 355.
Magennerven, Hunger durch Erregung dess.
II, 584.
Magensaft II, 362. 525. 645.
— Mcngo des«. II, 263.
— natürlicher II, 634.
— r Wirkung dess. II. G35.
Magensäure II, 360.
M&gencchlcim II, 634.
— Wirkung ausserhalb des Körpers II,
626. 634.
Magenverdauung , küns^iche IJ, 626. 634.
— natürliche II, 636.
Magnesia, kohlensaure L, 20.
— phosphorsaure 1^ 22.
Mais II, 384.
Mangan im Blnte II, 8.
Manometer II, j>iL
— registirender II, 155.
Margarin 1^ 24^ 27,
Margarinsäure I, 25. 27. 53.
— als Seife 1, 21.
— Wärmeeinheit ders. II, 737.
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Register.
771
Mark, verlängertes 1^ 187.
— Verholten d. grauen Massen in dem«.
k i#L
Massen, formlose, Prägung dors. IX, 228.
Mastdarm, Bewegung dess. L 170.
— Wärme des». II, 722.
Mästung II, 708.
Mechanische Eindrücke als Gefühlserreger
I, 300.
Medien, brechende, polarisirendc Wirkung
dors. Ij, 290.
Meibom'sche Drüsen il, 366.
Meissner’scho Körperchen I, 303.
Mehrfachsehen (Fick) 1, 294.
Melanin I, 42.
Menstrualfluss, Mechanismus dess. II, 448.
Menstnialflüssigkeit II, 446.
Menstruation II, 445.
— Erscheinen der». II, 440.
— Dauer ders. II, 447.
Metacarpo - Plialangealgelenke 1^ 520.
Metacctonsäure 1^ 29.
Metalle im Blute JI, 10.
Metalloxyde I, 24.
Metallsalze 1^ 24.
Metatarso-Phalangealgelenko L 530.
Milch II, 449.
— Absonderungsgeschwindigkeit dere.
II, 400.
— als Nahrungsmittel II, 594.
— der Männer II, 459.
— der Neugeborenen II, 459.
— der Schwangeren II, 458.
— Veränderungsbedingungen ders. II,
Ml
— • Zusammensetzung der«. II, 454.
Milchanalyso II. 451.
Milchbereitung U, 452. 460.
Milchdrüse II, 448.
Milch drüsensa ft der Schwängern II, 458.
Milchkügelchen II, 450.
Milchsäure , Bestand theil der Frauenmilch
II, 451.
— im Blute II, 9.
— im Ham II, 394;
— Hydrate ders. I, 35.
— im Labsafte II, 026.
— im Magensäfte II, 360.
— in der Leber II, 313.
Milchsäurcgährung I, 34.
Milchsäurchydrnte I, 35.
Milchscnim II, 45fT
— Bestandteil d. Frauenmilch II, 451.
Milchstoffe , Absonderungsgeschwindigkeit
ders. II, 460.
Milchzucker L. 39-'
— Entstehung dess. II, 461.
Milz II, 299.
— Ausschneidung dors. II, 306.
— im Ganzen LL, 305.
Milz, Bau ders. II, 299.
— Blutstrom in ders. II, 303-
— chemische Zusammensetzung 11, 301.
— Funktionen ders. II, 305 ■
— Stoffbewegung in ders. II, 304.
Milz-Aderblut II, >33.
Milz-Asche II, 3027
Milzextrakt, Harnsäure darin I, 39.
— Hypoxanthin in dera. ^ 39.
Mitbewegung ^ 175. 200. 222.
Mitempfindung 1^ 177. 222.
Mitteldruck, abhängig von dem Abstande
vom Herxen II, 168.
— abhängig von den Athembewegun-
gen II, 16L
— abhängig von der Blutfilllc II, 100.
-1- abhängig von der Herzbewegung II,
131. 161.
— abhängig von der Zahl der Blut-
bahnen II, 1 66.
— absoluter Werth dess. in d. grossem
Arterien II, 172.
— in den verschiedenen Abtheilungen
des arteriellen Systems II, 172.
S. a. Blutstrom ; Spannung.
Mittelhandgelenkc der Finger I, 520.
Mittelprodukte der Absonderungsstoffe II,
219. .
Mittheilung d. Nervenerregung im Rücken-
mark s. Rückenmark.
— innerer Zustände im Nerven I, 135.
Mittönende Stimmworkzeuge I, 580.
Molckularbewegung I, 355.
Molokularkömchen im “Blüte II, 21.
Monochromatische Abweichung I, 291.
Motorische Wurzeln d. Rückemnarksnerrcn
s. Rückenmarksnerven.
Mucin I, 55.
Multiplikator I, 87.
Mund II, 005.
Mundspeichel II, 340.
Muskelarbeit, Nutzwerth ders. 1, 460.
Muskelbewegungcn der Ge fass Wandungen,
ihre Bedeutung für den Blutlauf II, 149.
Muskelermüdung 1, 446.
Muskelerrcgbarkeit I, 444.
Muskclerrcger I, 435.
MuskelerregungT automatische 1, 430.
Muskclfibrin I, 43.
Muskel Aüssigkeit L 422.
Muskelgefühlc I, 489.
— reflektorische ^ 486.
Muskelgruppen, I, 543.
Muskelcontraktiou , die Xohlcnsäure-Aus-
scheidung bedingend II, 525.
— tetanischo 436. 43S.
Muskelkraft, absoluto I, 404.
— Bcstimmungsweise ders. I, 534.
— Theorie ders. I, 477. 534.
— Verwendung ders. L 537.
49 *
772
Register.
Muskelmecbanik Ij_ 531 .
Muskclmolekcln , parclcktrononiische (Du-
Boia) 12v
Muskeln I, 4 IS; II, 294.
— Antagonisten 1^ 542.
— Arbeitsleistung ders. 1^ 460. 477.
— des Auges 1^ 233.
— des Bauchgliedes 1, 548.
— des Beines 548.
— Brücke’s 283.
— des Brustgliedes I, 545.
— Chemie ders. I, 433. 469.
— Coereitivkraft TTers. 1, 467.
— Ernährung ders. II, 295.
— des Skeletts I, 490.
— der Wirbelsäule 1, 545.
— Effekt ders. auf d. Knochen 1, 534.
— Einfluss der Nerven auf ihre phy-
siolog. Zustände I, 480.
— ein- und zweigelenkige ^ 542.
— elastische Eigenschaften ders. ^
429. 464.
— elektr. Eigenschaften ders. ^ 424.
— Ernährung ders. II, 293.
— Gesetz der schwankenden Dichtig-
keit I, 437.
— glatte s. Muskelzelle.
— Gruppen ders. ^ 543.
— Leitungsfäliigkcit ders. 1, 539.
— Physiologie ders. I. 411L 424 (be-
sondere) 1^ 478.
— quergestreifte 419.
— — Bau ders. 1, 419.
— — Chemie ders. 421 .
— Verbreitung der Nervenröhren in
den«. I, 479,
— Verknüpfung ders. mit den Nerven
1, 479.
— verkürzte Form ders. 1^ 448.
— — Elasticitat ders. ^ 457.
— — Hubfähigkeit ders. I, 151.
— Verkürzung ders. 1, 435. 481.
— Grosse ders. 448.
— Verlängerung ders. I. 424.
— Verthcilung ders. L 542.
— der Wirbelsäule 1, 545,
— Wärmeoigenschaften ders. I, 432.
407.
— Wärroestarrc ders. _L 470.
— Zuckung nach doppelter Reizung I,
440.
— Zusammenfassung ders. _L 541.
. — Zusaromenziehung ders. 1, 433.
— — zeitlicher Verlauf ders. I, 449.
Muskelfa&encello 474.
Muskelgellihle I, 189.
Muskel gruppen I, 543.
Muskelkräfte, Theorie ders. I, 477.
Muskelnerven, Anordung ders. in Hirn u.
Rückenmark ^ 485.
Muskelnerven, Erregung ders. I, 112.
Muskel-Physiologie 1^419. 4787 —
Muskelprimitivthcilc , Zusammenfassung
fassung ders. zu Muskeln ^ 540.
Muskelrohr, verkürzter Zustand dess. I, 435.
— — verlängerter I, 424.
Muskelröhrcn des Herzens II, 7^
— — Zahlenverhältniss zwischen
ihnen und den Nervenröhren
1. 480.
Muskelschicht der Gefässc II, 106.
Muskelsinn ^ 486.
— Theorie dess. ^ 489.
Muskelstarre 470.
Muskelstrom, ruhender 426.
Muskelwiirme, Messung ders. 1^ 468.
Muskelzelle, glatte II, 296.
Muskelzucker I, 34.
Muskclzuckung nach doppelter Reizung I,
440.
Muskelzug _L 531 .
— Richtung dess. 1, 531.
Muskulöse Fascrzello L 474.
Muskulöse Gegner und Helfer 542.
Muttermilch II, 449.
Mutterscheidc, Wärme ders. II, 722.
Mydriasis I, 285.
Myristin 1, 27. 30.
Myristinsäure I, 25. 27.
N.
Nachaussensetzcn des Geruches ^ 357.
— des Gesehenen 1^ 323.
•— des Tones I, 350.
Nachbild 1^ 309.
— Dauer ders. I, 309.
— Farbe ders. 17 3 11 .
— — Bedingung für diese 1^ 312.
— negatives 1, 311.
— positives I, 311.
Nachfarben , des weissen Lichts 1^ 316.
Nachgefuhl I, 416.
Naehscbmerz 402.
Nachtönen I, 379.
Nachwirkung der Nervenerregung ^ 186.
Nagel II, 210.
Nähepunkte L 255.
Nährstoff II, 590.
Nahrung, vollständige II, 686.
— Acndening d. Körpermasse mit ders.
II, ^750.
— tägliche Ausgaben bei genügender
II, 709.
Nahrungsäquivalcnte II, 600.
Nahrungsbedürthisse II, 583. *
Nahrungsbestandtheile, nothwendige II, 5SS.
— Verdaulichkeit ders. II, 591.
— Verhältnisse ders. II, 589.
— Nnhrungswahl II, 5891
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Register.
223
Nahningsbestandtheile, Würzung ders. II,
ML
Nahrungswahl II, 587.
Narbenverschrumpfung II, 255.
Natrium im Blute II, 10.
Natron, phosphorsaures im Blute II, JJL
Natronalbuminat II, 8.
Natronsalzo. kohlcnsaure L 20.
Neben färbe® ddi weisson Lichtes I, 304.
Negative S^ii$Sfkiing des Muskelstr 1,464.
— — aes Nervenstromos 1^ 108.
Nerven, Einfluss auf die Lvmphabsonderung
II, 577. -
— Einfluss auf die Muskelverkürzung
und Verlängerung I, 482. 484.
— Elcktrieitätsleiter I^ 1 10.
— elektrisches Verhalten ders. I, 98.
— Folgerungen für die Anordnung der
elektr. Theile in dens. I, 97. 103.
— Gleich- und Ungieichartigkeit ders.
km
— verschiedene Erregungszustände ein
und des». 1^ l Iti.
Nervendurchschneidung, Einfluss auf die
Lymphabsonderung II, 577.
Nervenkräfte als Ursache von Filtrationen
Ü, 214.
— elektrische 1^ 143.
— Quelle ders. 1^ 142.
— Theorie ders. ^ 141.
Nervenphysiologie, allgemeine 1, 85. IIP.
— — specielle L 150.
Norvenreizc 1 12.
Nervenröhren II, 289.
— markhaltige 1^ 85.
— marklose L 85.
— Absterben ders. 140-
— anatom. Beschaffenheit ders. 1^ ^5.
— Beharrungsvermögen ders. 135.
— ehern. Beschaffenheit ders. 1^ 86;
II, 28«.
— Einfluss der galv. Ströme auf dies.
I, 127.
— elektrische Eigenschaften ders. 1^
87. 127.
— Ernährung ders. II, 290.
— Erregbarkeit ders. 1^ 112. 1 18.
— Gleichartigkeit ders. I, 113.
— Gruppirung ders. im Rückenmark L
181.
— Kreutzung d. motor. im Hirn 1, 203.
— Leistungen l, 86.
— Leitungen 1^ 135.
— Mittheilung der Erregrung in denen
des Hirns I, 205.
— PhyBiölQgie ders. 1, 85.
— Beize ders. 1 1 2T
— sensible , ihr Verlauf durch das
Hirn I, 205.
— todter Zustand ders. 1^ 1 30.
Nervenröhren, Ungleichartig!, ders. ^ 1 13.
— Untersuchungsraethodc ders. 1^ 87,
— Verbreitung ders. zu d. Muskeln 1, 470.
— Verlauf ders. im Hirn 1^ 205.
Nerven wurzeln, Beziehung zwischen dens.
und dem Hirn 1^ 163.
— Verbindungsraassen zwischen den»,
u. d. Organen der Willkür I, 208.
Nervenstrom, ruhender I L 93.
— schwache Anordnnng I, 93.
— starke Anordnung 1, 98.
— unwirksame Anordnung I, 93.
Nervensystem, Physiologie ders. I, 85.
Nervus abduceus 193.
— accessorius Willisii 1^ 197. 199. 206.
— acusticus I, 112. 191.206.354.373.
— facialis 1^ 195. 206.
— glossopharyngeus ^ 196. 206.
— hypoglosaus 1^ 198. 201.
— oculomotoriua 1^ 192. 205.
— olfactorius 1^ 1 12. 190. 382.
— opticus I, ML 205-
— sympathicus JL 203.
— trigeroinus L 195. 205.
— trochlearis 1^ 493.
— vagus 1^ 197. 206.
-- — Einfluss a. d. Herzthntfgk'. II, 93.
— — — auf die.Athmung II, 546,
— — a. d. Lungenernährung II, 546.
Netzhaut L_ 296.
Netzhautstellcn, identische 1^ 326.
— ■ — zugeordnete I, 326.
— — Lage ders. I, 329.
Neutrale Fette 1, 30.
— — ihre Adhäsion zu den Harn-
geweben L 32.
— — ihre Bedeutung für die Wärme-
ökonomie ^ 31»
— — ihre chem. Indifferenz I, 31.
— — ihre katalytischen Wirkungen
I, 50.
— — ihre Zellenbildung I, 31.
— — ihre Zerlegung I, 31.
— — ihre Versoifung 1, 28.
Niederschläge in thier. Flüssigkeiten II,
m.
— Cohäsionszustände ders. II, 225.
Nieren II, 373.
— Ausrottung 11, 419,
— • Bau ders. II, 273.
— Blut ders. II, 376.
— Blutgefässe ders. II, 374.
Blutstrom in dens. II, 377.
— chem. Bau ders. II, 375.
— Eigentümlichkeit ders. 11, 424.
— Ernährung ders. II, 4l9.
Nierenaderblut II, 37.
Niercnumsatz II, 319.
Normaltemperaturen II, 319.
Nutzwerth des Muskels I, 342.
1
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774
Register.
O.
Oberam-Gelenk 1, 513.
Oberhäute II, 231.
— Athmungsverluste ders. II, 551 .
Objectbilder, durch brechende Kugelflachcn
I, 247.
Oedem II, 577.
Oetthungszuckungen E 437.
Oelsäure I, 29.
• — oxydirte I, 27.
Oolstiss E 33.
Ohm’s Gesetz E 77.
Ohr, Funktionen dos äussem I, 359.
Ohrenschmalzdrüscn II, 360.
Ohrmuschel I, '359.
Ohrspeicheldrüse II, 340.
Olein E^L^L
Oleinsäure E 3^
Olive E 108.
Oiephosphorsäure E 32.
Ophthalmometer (Hclraholtz) I, 201.
Ophthalmoseop E 253.
Opiumtinktur, ihro Wirkung auf d. Lymph-
driisenabsonderung II, 570.
auf die Nerven E 1 26.
Optik f, 241.
Optometrie E 250.,
Organe der Empfindung I, 592,
— der Willkür I, 208.
Ortssinn 1, 407.
' — Feinheit dess. 1, 408.
— Theorie dess. 1, 408.
Oxalsäure im Harn II, 405.
OxaUaurer Kalk I, 24.
Oxydation der thier. Stoffe IT, 210.
Ozon in der Atmosphäre ,11, 46T!
»i
P.
Palmitin I,'27. 30.
Palmitinsäure E 25. 27. 33.
— Wärmeeinheit ders. II, 737.
Pankreas U, 350.
— Extrakt 041.
Paradoxo Zuckungen E 00.
Paralb umen I, 42.
Parelektronoimscho Schicht I, 428.
Parotis II, 340.
Paukenhöhle, Schalllcitung durch dies. I,
359.
Pendulirende Bewegung 1, 223,
Penis II, 439.
— Erection dess. II, 439.
Pepsin E 50j_ II, 300. 631.
— als Fcnncnt(?) II, 633.
Peptone II, 628.
Entstehung ders. II, 637
Peripolnre Anordnung E 104.
— — Theorie der*. E 104.
I Peripolarer Zustand E 103.
Peristaltische Bewegung E
— — des Dünndarms U, 615.
— — des Schlingapparates II, 610
rflasterepithelien 11, 264.
Pfortaderblut II, 35. 316.
Phasen des Elektrotonus E 99.
Phenylsäure I, 30.
Phosphorglycerinsaure E 33.
Phosphorsäure im Harne II, 403.
Phosphorsaurc Alkalien 1, 23.
— Erden E 23.
— Kalkerde E 23. .
— Magnesia E 23.
— Salze E 23.
Phosphorsaures Eisenoxyd E 23.
Physiologie , ailgem. Aufgabe ders. E 13.
t — der Atome I, lfi.#
— der A ggregätzuständc 1, 59.
— der Nervenrohren 1, 85. 1 10.
— des Rückenmarks und seiner Nerven
E Edh
— Vortragsplan ders. E Ü;
Physiolog. Bedeutung der Zuckerarten 1, 35.
Piezometer 11, 53.
Pigmentum nigrum E 42.
Plasma II, E
Platten 11, 228.
Polarisation I,
— des Lichtes im Auge 1. 296.
Poren der organ. Häute II, 250.
Poren , wesentliche und zufällige II, 203 .
Porosität der Häute II, 204.
Prägung der formlosen Massen U, 228.
Processus obliqui E 50"-
Pronationsgclenk E ^15-
Propion- (Metaceton-) Säure 1, 25. 29.
— Wärmeeinheit ders. 11, 737.
Prostata 1 1, 439.
Proteinbioxyd E 43.
Proteinstoflc E 42. 44.
— ihre Zusammensetzung 1, 44.
— Gründe für ihre Annahme E 44.
— Zersetzungserscheinungen I, 45.
Protointritoxyd I, 44.
Puls II, 100. 102. 159; s. a. Herzschlag.
— Abhängigkeit desa. vom Herzschlage
IE 45.
— Aufhören desa. in d. kleinsten Ar-
terien II, 139.
— Untersuchungen dess. mittels Spygrao-
graphs II, 1*0.
Pulsfühlen II, 1 69.
Pulsfrequenz, Einfluss auf die Geschwin-
digkeit deB Blutstromes II, 131 . 161 .
Pulshebel (Vierordt’a) II, 1 70.*
Pulsus dicrotus II, 171.
Pulsverhältniss zur Herzsystoio II, 171 .
Pupillenbewegung durch Reflex efc. 1. 280,
Pyin I, 49.
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Register.
m
Ol
Quellen der Nervenkräfte 142.
Quellung 1, 70.
— begünstig. Momente der». 1, 72.
— eiweissartige Stoffe I, 52.
— der Epithelien II, 236.
— theoretische Bemerkungen über dies.
I, 70.
Quollungsmaxiraum 1^ 70.
Quellangsverhäitniss 1, 70.
Querleitung der -Erregung von einer Xer-
venwurzel xur andern durch das
Rückenmark 1^ 169.
— zur Theorie der». 1^ 179.
Querschnitt - Geschwindigkeit, Messung ders.
des Blutstromes II, 189.
— — mittlere II, 192.
R.
Kauminhalt der Blutgefässe II, 1 16.
Kaumvorstellung durch das Sehen s. unter
Sehfen.
— durch den Tastsinn I, 411.
Reflectorische Hirnbezirke ^ 205.
Reflex als Erreger d. Muskels 1, 435.
Reflexbewegung ^ 169. 221.
Charakter ders. !,• 169.
— geordnete 1^ 172.
— Theorie ders. 1, 170.
Refloxemptindung 177. 206.
Keflexkrampf ^ 121.
Regulator der thier. Wärme II, 754.
Reibung in den Blutgefässen II, 109.
Reihenfolge der Herzbewcgungen II, 36.
Reis II, 598.
Reize der Nerven 1^ 1 12,
— des Nervensystems I, 85.
Resonnanz-Apparate, Nerven der». I, 594.
Resorption II, 561 .
Respiration 8. Athmung,
Respirationsmechanismus II, 479.
Retina I, 96.
— Bau ders. I, 297.
— Beharrungsvermögen ders. I, 309.
Betinalge fasse, Schatten ders. I, 351.
— diffusive Spiegelung dors. 1, 295.
— Erregungsmedien ders. 1^ 1 12. 299.
Rhythmus der Uerzbcwegung II, 87.
Richtung des Blutstromes II, 1 23.
— des Hörens I, 381.
— des Nervenltromes 1, 128.
Richtungslinien 267.
— Kreuzungspunkt ders. ^ 268.
Rippengelenke I, 511.
Roggen II, 597.
Rohrzucker im Ham II, 394.
Röhren, Eustachi' sehe 1, 371.
Röhren, Flüssigkeitaströma in solchen II,
5^ u. folg.
— Strombewegung in asymmetrisch ver-
zweigten II, 64.
— — in symmetr.' verzweigten 11, 61.
Rückenmark II, 291.
anatom. Verhalten 1^ 1 5<>.
Anordnung seiner Norvenelementc
I, 15t.
— Blosslegung des», !<»(■.
Capillaron in den». II, 295.
chemische Zusammensetzung des».
II, 291.
Durchschneidung dess. 1 66.
Einfluss der einzelnen Stränge auf
die Leitung L 165.
Ernährung dess. IX, 294.
— Erregbarkeit des». 1, 1S2.
— Faserung dess. 151.
— graue Masse dess. 151.
— Gruppirung der Nervenröhron in
demselben 1^ 81.
— hintere Stränge dess. 1^ 152. 156.
Längslcitung dess. L 163.
— Methode der Untersuchung dess.
L IM;
— Mitthoilung der Erregung in dems.
L. 16tL
— Physiolog. Verhalten dess. 1^ 154,
— Seitenstränge dess. 1^ 151.
-- vordere Stränge dess. 1^ 151 ■ 156.
— weisse Masse dess. ^ 151 .
Rückenmarksnerven 150.
— Mengenverhältnis» ihrer hinteren
und vorderen Wurzeln L 157.
— motorische Wurzeln ders. 156.
sensible Wurzeln ders. 156.
* — veränderte Erregbarkeit 1^ 185.
— Verbreitung ders. im Ccntralorgane
I, 157.
— Verbreitung ders. in dor Peripherie
I, 155.
— Verbreitungsgesetze ders. 1^ 156.
— Wurzelröhren ders. L 152.
Rückenmarkswurzeln I, 152.
. — Verbreitung ders. 1, 159.
Rückstoss des Herzens II, 85.
Ruhe, Einfluss ders. auf die Erregbarkeit
der Nerven 121.
Ruthe II, 439. '
S.
Saligenin I, 40.
Salze, Austritt ders. aus dem Körpor II,
Ü5,
— der Frauenmilch II, 456.
— des Harns II, 400.
— kohlensaure 1^ 2(1
* — der Leber II, 315.
776
Register.
Salze , phospborsnnre 23.
— tägl. Aufnahme ders. durch d. Ver-
dauung II, 009.
Salzlösungen , Uebertragungszeit ders. aus
einem Blutgefässe ins andere II, 19s.
Salzsäure im Labsaft II, 631 ,
Samen, männl. II, 435.
— Absonderungsgeschwindigkeit dess.
437.
— Aussstossung dess. II, 441.
— Bereitung dess. II, 43S.
Saraenblase, Bewegung ders. I, 218; II, 441.
Samendrüscn , acccssorische II, 439.
Samenfäden, Bewegung ders. II, 436.
Samenleiter, Bewegung dess. I,*218.
Sarkin I, 4».
SättigungsgefHhl II, 586.
Sauerstoff 1^ Jjs
— im Blute II, ^4.
— seine Funktionen im Körper I*_ 18^
— sein quantitatives Verhältnis« zur CO*
in der ausgeatlimeten Luft II, 531.
Sauerstoffatmosphärc II, 464.
Sauerstoffaufnahme d. d. Haut II, 551. 553.
— durch die Lungen II, 53(T
— veränderlich mit dem Blutstrom II,
5M .
— nach d. Gehalt d. Lungenluft II, 533.
Sauerstoffausgabe II, 7 15.
Sauerstoffverbrauch, Beziehung zur Wärme-
bildung und Arbeitsleistung II, 743.
Saugkraft der Lunge für das Blut II, 144.
Säuron nach d. Formel C*nH(2n — I) Os ; HO
k 39.
— harnige I, 39.
ßcliall 354.
— Fortpflanzung I, 355 .
— Richtung dess. 1, 360.
Scb&lUcitung zum Gehörnerven I, 358.
, — durch die Gehörknöchelchen I, 367.
— durch die Kopfknochen 1, 3727
— durch die Paukenhöhle 1^ 359.
— in das Labyrinth ^ 369.
Schallwellen , Länge ders. 351.
Schattenbilder L 349.
Schätzung der Entfernung durch das Auge
I, 336.
— der Grösse 1^ 334.
Scheiner's Versuch I, 256.
Schlaf L 609.
Schlauchwellen II, 69.
— Bewegung Ser Wasserthoilchen in
dens. II, 69.
— Geschwindigkeit in dens. II, 72.
— mittlere Spannung in dens. II, 72.
— Theorie ders. II, 70.
Schleimbeutel II, 260.
Schleimdrüsen II, 348.
— des Magens II, 362.
Schleimhautfilter II, 34?T
Schleimsaft II, 348.
Schleimstoff I, 55.
Schliessungszuckung I, 437.
Schlingbewegung I, 213.
Schlingen II, 607. 608.
Schlüsselboingelebke L 5 1 2.
Schlund II, 604.
Schlundkopf II, 607.
Schmerz I, 395.
— Abhängigkeit von der Dauer nnd
Stärke der Erregung I, 400.
— Beharrung dess. I, 402.
— Erreger dess. I, 396.
— cxccntrische Erscheinungen dess. I,
401.
— Oertlichkeit dess. I, 401. (Weber* s
Theorie in Betr. <lers.) 402.
Schrittdauer I, 557. 558.
Schulterblattgelenk I, 513.
Schwangere, Milchsaft ders. II, 458.
Schwankung der Pulsfrequenz II, 100.
— Einfluss des KorperzustanTtes" auf
dies. II, ]02,
*■— — der Nahrung auf dies. II, 101 ,
— — der Tageszeiten a.'dies. II, 100.
Schwefelcyansalze L 24.
Schwefelsäure Alkalien 1^ 24.
Schwefelsäure im Harn II, 401.
— ihre Beziehung zum Schwefelgehalt
der Nahrung II, 402.
Schweiss II, 367.
— Absonderungsgeschwindigkeit dess.
II, 367.
— Acnderung dess. mit der Absonde-
rungsgeschwindigkeit und -Dauer
II, 369.
— Ansammlung dess. II, 36S.
— Bereitung dess. II, 372.
— Statistik dess. II, 372.
Schwcissdrüssen II, 367.
Schwerkraft, Bedeutung für den Blutlauf
II, 147.
Schwerlinic 1^ 54iT
Schwerpunkt- des GosammtkÖrpcrs I, 549.
— des Rumpfes 549.
Schwindel I, 488.
Sclerotica I, 346.
Secretioncn~~ll, 202. 8. &. Absonderungen,
Ausscheidungen.
Seele ^ 605.
— Beziehungen der», zum Gehirn 1, 607.
— Organe ders. ^ 592.
— Physiologie ders. I, 592.
— Sitz ders. I, 603T
Sehen 315.
— Aufmerksamkeit bei dems. 1^ 32 1 .
— aufrechtes ^ 325.
— Bedingungen dess. I, 316.
— bewegter Gegenstände I, 342.
— deutliches L 255.
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Register.
TU
Sehen, direktes _L 318.
— Einfluss der Muskelbeweguug auf
dass. 1^ 320.
— im Raume 322.
— indirektes I. 318.
— in Tcrschiedene Feme 254.
— mit 12 Augen 1^ 326.
— Rauravorstellungen d. dass. I, 322.
— Richtungen dess II, 323.
— Schärfe dess. I, 317.
— — Grenzen dieser I, 319.
Sehnen I, 530.
Sohnenknochen 1. 530.
Sehnenscheiden 1, 530; II, 260.
Sehnerv s. Nerv, optic.
Sehstrahl ^ 324.
Sehweite ^ 256.
Sehwinkel L 2G8. 333.
Seitendruck in Wasserströmen II, 41.
Selbsterregung I, 211.
Semilunarklappen , Verschluss der Kranzar-
terien durch solcho II, 129.
Sensible Wurzeln des Rückenmarks siehe
Rückenmark.
Seröse Flüssigkeiten II, 257.
— Häute II, 256.
Serum II, LL
Sirene 1, 358.
Skelet 1^ 490.
Skoletiuuskeln dess. I, 490. 530.
— — Wirkung der*. 1, 53t.
Skeletsehnen li 530.
Sondergeschwindigkeit des Blutstromos auf
seinen Querschnitt II, 189.
Sopranstimme I, 560.
Spannung des ~Blutes , abhängig von den
Athombewegungen II, 144.
— Arbeitsinaass ders. II, 46.
— Beziehung ders. zur Stromgeschwin-
digkeit II, 47. 53.
— des ruhenden Blotes II, 120.
— Druckmaass ders. bei Flüssigkeiten
im AUg. II, 46.
— gestörte im Blutsystem II. 124.
— in d. Arterien II. 135. 137. 159. 172.
— — in d. grosseu Arterien II, 172.
— in den Haargcfassen II, 141. 174.
— im Lungenkreisläufe II, 180.
— des strömenden Blutes II, 134.
— in der Vena jugularis II, 177.
— in den Venen II, 141. 176.
— Störung des Gleichgewichts ders. in
den Gcfassen II, 124.
— strömende Flüssigkeiten II, 44. 57.
— des Wassers II, 44.
Spannungabnahme bei vermindertem Zu-
flusse II, 140.
Spannungunterschied im Blutgefässsy steine
II, 132.
— . zwischen Blut und Harn II, 420.
Spannungswechsel bei verschied. Schlag-
folge des Herzens II, 136.
Speichel II, 338. 623.
— Absonderungsgeschwindigkeit dess.
11, 343.
— Ausstossung dess. 347.
— Menge , mittlere dess. II, 345.
— Verdauung durch dens. II, 624.
— Wärme dess. II. 341. 342.
Speicheldrüsen II, 336.
— Blut u. Blntstrom in dens. II, 337.
Speisen II, 590.
— Nährfähigkeit ders. II, 39 1 .
— Verdaulichkeit ders. II, 591.
— — im Magen II, 639.
— Verdauung ders. II, 603, 638.
— Wirkung verschiedener Säfte auf
dies. II, 650.
Speiseröhre II, 607.
Speiseröhrenverkürzung 217,
Sphärische Abweichung des Auges I, 216.
Sphygmograph II, 154.
Spiegelung der Cornea und Linse 1^ 296.
— der Retina 295.
— — diffusive .L 295.
— der Lichtstrahlen ira Ango, Ein-
richtungen zu ders. 294.
— der Stäbchenschicht 1^ 294
Spielraum der Eigentemperatur des Warm-
blüters II, 732.
Spiralen dor Rumpfmuskulatur 1, 401.
Spirometrie 11, 496,
Spitzenstoss des Herzens II, 85.
Sprache I, 584.
Spracherzeugung, ollg. Beding, ders. 1, 585.
Sprachwerkzeuge I, 559.
— Nerven ders. ^ 591 .
Sprungbein, Stellung dess. auf dem Fuss-
hodon 1^ 553. •
Stäbchonschnitt dor Retina I, 297.
Stärke der Licbtempfindung 1, 308.
Ötearin 1^ 30.
Stearinsäure I, 25. 27. 33.
— Wärmeeinhoit ders. II, 737.
Stehen I, 549.
Steifung der Gelenke L, 551.
Steigbügel I, 367.
— Uebertragung der Bewegung von
dems. auf das Labyrinth 1, 369.
Stereoskop I, 340.
Stickgaa im Org. I, 19.
— Verhalten zur Respiration II, 536.
Stickstoff im Blute II, 14.
Stickstoffatmosphäre II, 264.
Stickstoffausgabe II, 714.
Stimmbänder I, 565.
— Spannung ders. 566. 569.
Stimme I, 559.
— Klang der*. 560.
— Register ders. 1^ 572.
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778
Register.
Stimme, Reinheit der». 1. 561.
— Rcsomiriz ders. _U 5S0.
— Stärke der«, .‘>01.
— Theorio ders. 575.
— Umfang der#. If 550.
Stimmerzeugung, Orte ders. 1. 504.
Stimmhautatelle und -Spanner, Nerven ders.
lv 583.
Stimmhaut«, Spannung ders. I, 560. 509.
Stimmritze U 506.
Stimmwerkzeuge 1^ 599.
— inittönende 580.
— Nerven ders. ^ 582.
— Uutersuchungsmcthoden ders. 1, 502.
Stoffokonomic des Thieres II, 671. 710.
Stoflatrömung b. genügend. Nahrung II. 709.
— durch den Thierleib II, 671. 710T
Strahlenbrechung im Auge I, 241.
— Gesetze ders. 1^ 241.
Strahlcnbüschol, Vereinigung» weite des».
245.
Strom, constanter in Röhren II, 51.
— in cylindrischen Röbron Ilj~51. 56.
— in elastischen R. 11, 66.
— in gleichwciten gebogenen Röhren
II, 61.
— in geradem Cjlinderrohr II, ofh
— in ungleich weitem Rohr II, 62.
— in ungleich dehnbarem Rohr II, (VT
— Verlust dess. an Arbeit II, 6^
— in verzweigten Röhren II, 63.
Strom, elektrischer 1^ 8.
— als Geschmackserreger 1^ 390.
— die Erregbarkeit des Muskel» erre-
gend 1^ 424. 438.
Strombewegung, bei Flüssigkeit, Mitthci-
lung Uber ihre Grenzen II, 49.
— — bei Austritt von Flüssigkeit
• durch d. Gefässwändo 11, 160.
Stromcurve, elektrische 1^ 439.
— Steilheit ders. beim Muskel 1, 439.
Stromgcscliwindigkeit flüssiger Körper II,
49. 53. 57.
Stromkreise, elektrische, Einwirkung auf
den Muskel I, 443.
Stromprüfung (elektr.)am Froschschenkel jU
XL
Stromschwankung, negative beim Nerven
U 108.
— — beim Muskel I, 438. 464.
Stromspannug, absolute Werthe der», für
den Blutstrom II, 153.
— durch Arterien Verschluss II, 166.
— Messung der». II, 154.
— Veränderung ders. mit der Athcm-
bewegung II, 161.
— — ders. mit der Entfernung vom
Herzen II, 168.
Stromstärke, absolute Werthe der», bei
Muskclvcrküraung I. 441.
Stromzweige, Abhängigkeit der», von ein-
ander II. 197.
Strömung, weitere Ursachen ders. in G«
fassen 11, 151.
Strychninkrürapfc I, 182.
Strychninlösung, Wirkung auf die Nerven
I, 126.
Sublingualdrüse s. Mundspoichel.
Supinationsgelcnk 515.
Sympathischer Nerv I, 213.
— Abhängigkeit Hess, vom Hirn und
Rückenmark ^ 219.
— Absonderungsnerven doss. 218.
— Anatomie dess. 213.
Anordnung seiner Elemontartheile
I, 214.
— — der von ihm abhängigen Bewe-
gungen I, 223.
— automat. Erregung dess. 1^ 224.
— Elomentartheile dess. ^ 213.
— als Kmpfindungsvcrmittler I, 222.
— Halstheil dess. 216.
— Lendentheil I± 2TT
— Mittheilung der Erregung zwischen
dems. u. d. Cerebrospinalnerven
I, 221. 222.
— motorische Röhren dess. 1^ 215.
— motorische Wirkungen des Hals-,
Rücken- und Lcndentheils dess.
1, 216. 217.
— Muskelbcwegungen vermittelnd I,
222.
— physiolog. Verhalten dess. I, 2 15.
— Reflexbewegungen vormittelhd
Uh^21L
— Rückentheil dess. 1^ 217.
— Sacraltheil dess. 1^ 217.
— Stellung zum Willen ^ 220.
— Verbreitungsbezirke seiner motor.
Röhren 1, 215.
— Verkettete Bewegungen in dems. ^
223.
Symphysen des Beckens 1, 510.
Synchondrose 1^ 496.
Synergie der Augenmuskeln I, 239.
Synovia II, 259,
T.
Tagesschwankungen der Temperatur Hun-
gernder II, 726.
— — Gespeister II, 727.
Tastsinn (im engern Sinne) I, 407. 487.
— veränderte Feinheit dess. bei Raurn-
unterecheidung 1, 412.
Tastkörperchen 1, 404.
Taurin I. 39.
Taurochols&uro I, 37.
TauryUäure 1^ 36.
Temperatur, Einfluss ders.^auf Nervenerre-
gung 1^ 125.
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Register.
779
Temperatur als Erregerin d. Gefühls 1, MO.
Temperaturausgleichungen im Thierkörper
11, 752.
Temperaturbostimmung II, 739.
Tempcraturompfindung 4 1 6.
Temperaturschwankung d. Aderlass 11. 72S.
• - bei Anstrengungen II, 728.
— abhängig von Aufnahme und Aus-
scheidungen von Gasen II, 724.
— — von der Gallenbildung II, 721.
— — vom Lebensalter II, 748.
— — von Muskelbewegung II, 725.
— — von Nervenerregung II, 724.
— — von der Lufttemperatur II, 729.
— — von der Nahrung II. 724.
— — v.d. Sauerstoffverbrauch II, 724.
— von dem Stotfumsatze II, 723.
— von der Tageszeit II, 725.
— von Zuständen der Haut und der
äussern Umgebung II, 729. 751 .
Temperaturspielung beim Warmblüter II,
12L
Tenorstimme ^ 590,
Thierisehe Wärme, Ursprung ders. II, 732.
Tetanus electricus 1^ 724.
Thal wellen II, IX
Themiometrischc Apparate II, 720.
Thräncn II, 349.
Thrüncnapparat 1, 347
Thränendriiae II, 349.
Thymus II, 306.
— ehern. Bestandteile ders. II, 307.
— Ernährung ders. II, 307.
Tibialfibulargelcnk 1^ 526.
Todtenstarre 1, 471.
— Dauer ders. I, 473.
Ton I, 374.
— gemischter 1^ 375.
Tonbildung im Kehlkopfe I, 564.
— Theorie ders. 1^ 5717
— veränderte I, 571.
Tonhöhe 1, 374. 571.
— Bedingungen, veränderte r, 571.
— — am todten Kehlkopfe I, 574.
Tonreihe, Grenzen ders. 1^ 375.
Tonstärke ^ 375.
Tonunterscheidung 1^ 380.
— mittels Sirene 1, 378.
Tonus 1^ 183.
Traubenzucker I, 34.
— im Harn II, 393,
— in der Leber II, 31 1.
Traum I, 609.
Triebkräfte der Absonderung II, 205.
— des Blutes II, 1 52.
Trinkwasser II, 599.
Triolein I. 30.
Trioxyprotein I, 45.
Tripalmitin I, 30.
Tristearin I, 30.
Trockenheit der Nerven, Einiluas ders. auf
ihre Erregung 1^ 125.
Trommelfell I, 361.
— MiUchwingungen dess. L 362.
— Spannung des». 1, 361. 364.
Tuba Eustachii 371.
Tyrosin I, 40. 45. 47.
— in der Leber II, 315.
ü.
Uebung 604.
Umsetzungen, chemische, als Quellen der
Nervcnkräfte 1^ 142.
— der ausgeschiedenen Stoffe II, 1 26.
Uuterkief* rdrüse, Blut und Bktstrom de$t.
II, 337.
— Speichel ders. II, 338.
Unterkiefcrgclenk I, 503-
Unterzungeudrüso II, 338.
Ünterzungcngegend , Wärme ders. II, 722.
Uretcren II, 430.
Urin s. Harn.
V.
Vas deferens II, 439.
Venenblut, Unterschied vom arteriellen II.
Venenhaut II, 108.
Verbindungsmassen zwischen den Fort-
setzungen der Nerven wurzeln und Or-
ganen der Willkür 1^ 208.
Verbrennung ini tierischen Körper L J_8.
— Quelle d. tierischen Wärme II, 738.
Verbrennungswämu» organ. Stoffe II, 738.
Verdaulichkeit der Nahrungsmittel 11, 59 1 .
— der Speisen für d. Magen II, 591 .
Verdauung, Atifsaugungswege dess. II, 652.
— Chemismus ders. 11, 621.
— Mechanismus ders. 11, 604.
VerdauungsBäfte, ehern. Arbeit ders. 11, 621.
Verdunstung thier. Flüssigkeiten L 63.
Vereinigungsseitc d. Strahlenbüschcl 77~240.
Verhalten, physiolog., der Nerven 1^ 1 10.
Verhungern II, 672. 674.
Verknüpfung der Gerüche 1^ 397.
Verkürzter Muskel J, 435. 448.
— Elastizität dess. 1^ 437.
Verlängerte» Mark , Elcmcntarbau dess. I_,
187. IpP»
Verlängerung der Muskeln durch Nerv.cn-
errogung L 424. 484.
Verlauf der sensiblen Nervenröhron durch
das Hirn L 205.
Verletzung einzelner Hirntheile I, 208.
Vermischung d. Geruchsempfindung 1^ 387.
Vitalismus T. 2. ‘
Vokale 1, 586.
Volum des Brustraumes , unveränderliches
II, 493.
Volum d. Brustraumes, verändcrl. II. 493.
IM
Register.
Yohimänderung d. Einathmungsluft I, 537.
Vorkammern , Erscheinungen während des
Kreislaufes in den*. II, 124.
— Zusaminenziehung II, 126.
Vorsteherdrüse *. Prostata.
W.
Wachsthum II, 715.
— der Knochen 11, 277.
Wandungen der üefässe U, 108. 297.
— Nerven ders. II, 112.
Warmblüter, Temperaturspielung ders. II,
730. 732.
Wärme, Bedeutung der*. L JiK
# — Bildung ders. mit Bezug auf gew.
physioL Vorgänge II, 741.
— — in d. einzeln. Organen II, 749.
— des Blutes 11, 721.
— der Eingeweide II, 722.
— als Erreger des Muskels 1, 436.
— Folge des thier. Verbrennungspro-
cesscs II, 738.
— latente der Nahrungsmittel II, 724.
— d. Nervcnerregbark. zerstörend 1, 126.
— als Ursache der phys.-mechan. Kraft-
äusserung ul
— Ursprung d. thierischen II, 732.
— Verschiedenheit ders. n. d. Gegend
d. Körpers 11, 721. S. a. Temperatur.
Wärmeeigenschaften d. Muskels 1, 432. 407.
Wärmeeinheiten d. thier. Atome II, 730.
— durch Verbrennung d. II. u. C. 11, 747.
Wärmeerzeugung, veränderliche II, 740.
Wärmegewinne n. Jahreszeit, u. Alter 11, 748.
Wärmeökonomic einzelner Organe II, 749,
Wärmeregulatoren II, 754.
Wärmesinn 1^ 416.
— Verbindung mit Drusksinn 1^ 418.
Wärmcstarro 1| 470.
Wärmeströmung durch d. Thierleib II, 745.
Wärmeunterschiedc nach Tageszeiten 11, 723.
Wärmeverluste 11, 743. S. a. Temperatur.
— durch Haut u. Lunge II, 751 .
Wärmeverlust durch Verdunstung II, 748-
Wasser des Blutos II,
— seine Bedeutung für das Leben im
Allg. L. UL
Wasssrausschcidung II, 712.
— durch die Haut II, 551.
Wasserentbchrung II, 682.
Wassergehalt der Atmosphäre II, 466.
— des Blutes II, L4.
— der Frauenmilch II, 457.
— des Harn» II, 408.
Wasserstoffausgabe II, 711.
Wasserstoffgas I, 19.
— Wärmeeinheit dess. II, 737.
Weizen als Nahrung II, 593.
Wellen in den grossen Arterien II, 131 .
Wellenbewegung in eiast. Röhren II, 68.
Wollenlänge b. Molekularbwg. (Schall) 1, 337.
Wellenzeichner II, 122.
Werkzeuge, empfindende des Auges 1, 296.
— luftabsonderndc s. Athmungsflacbcn.
— luftveriindernde II, 498.
Wirbelgclenke L 505.
Wille, Ein wirk. a. d. Selbsterregung II, 211.
— als Erreger dos Muskels 1, 435.
— mechanische Leistung dess. 1^ 602
Willkürbewegung 1, 599.
— mcchan. Leistungen ders. _L 603.
Willkürerrogung, mech. Werthe der«. 1, 603.
Wirbel, schiefe Fortsätze ders. 1, 507.
Wirbelgelenke 1, 545.
Wirbelsäule, Muskeln ders. L 545.
X.
Xanthin im Harn 11, 390.
Xanthoproteinsäure 1^ 416.
Z
Zahlenverhältniss zwischen Muskeln und
Nervenröhren 1, 480.
Zähne II, 281 .
— Ernährung ders. II, 282.
— Formfolge d. Entstehung ders. II, 283.
Zelle , Einfluss ders. auf ihre Umgebung
und umgekehrt II, 232.
Zellenbildung II, 230.
— Bedingungen ders. II, 2 10.
— innere und freie II, 231.
— Veränderungen ders. II, 162.
Zellenhaut, Wachsthum ders. 11, 2S6.
Zellhaut der üefässe II, 107.
Zergliederung , mechanische einer Lebens-
erscheinung L. L
Zerstreuungskreiso I, 255 (n. Listing) I, 270.
Zotten des Darmes ~TI, 654.
Zucker im Blute II, 8.
Zuckerarten 1^ 33.
physiologische Bedeutung dess. I, 35.
Zuckergährung durch den Speichel II, 625,
Zuckergehalt der Frauenmilch II, 456.
Zuckung I, 437.
— Gesetz ders. (v. Pfaffu. Ritter) 1, 443.
— paradoxe I. 90. -
— sekundäre I, 467.
Zunge, ThätigkcitUei d. Verdauung H, 604.
Zusammensetzung d. Blutes II, L
— der Nerven mit Bezug auf ihre Er-
regbarkeit 124.
Zusaramenziehung d. Herzkammern II, 128.
— der Uerzvorböfe 11, 126.
— titanische d. Muskels I. 438.
Zuwachs, elektrischer I, 99. 100.
— Gesetze dess. 1^ 100.
Zwangsbewegungen 1, 208.
Zwischenwirbelbänder I, 506.
Gedruckt bei E. Pols in Leipzig.
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