Skip to main content

Full text of "Lehrbuch der Physiologie des Menschen"

See other formats


~R.  BIBL.  NAZ. 
Vitt.  Emanusle  lil  | 

RflUA-. 

• ii 


■ii 

— - NAPOLI^— 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


LEHRBUCH 


DER 


PHYSIOLOGIE  DES  MENSCHEN  * 

# 

VON 

C.  LUDWIG, 

PROFESSOR  AN  DER  J08EPHSAKADEMJE  IN  WIEN.  * 


LEIPZIG  UND  HEIDELBERG. 

C.  F.  WINTEKSCHE  VERLAGSHANDLUNG. 
1861. 


Digitized  by  Google 


Verfemter  and  Vcrlegor  behalten  sich  das  Hecht  der  Vebersetzung  In  fremde  Sprachen  vor. 


-j — 


Digitized  by  Google 


Inhalt  des  zweiten  Bandes. 


Sechster  Abschnitt. 


Seite. 


Physiologie  der  Ernährung 

L Blut  - 

Blutzusammensetzung 
Blutbewegung 
It.  Absonderungen 
Epithclien 

Nägel  . . ..  . 

Haare  . 

Elastisches  Gewebe 
Bindegewebe 
Seröse  Häute 
Hornhaut 

Augenwasser  ., 

Glaskörper 

Linse 

Knorpel 

Knochen 

Zähne  .... 

Fettzellen 

Nervenröhren 

Hirn  und  Rückenmark 

Muskeln  .... 

Blutgefässwandungen 

Mil*  .... 

Thymus  .... 

Leber  .... 

Speicheldrüsen 

Schleimdrüsen 

Thräncndrüsen 


t 


t 

44 

202 

234 

240 

244 

249 

251 

256 

260 


264  - 

265 


294 

297 

299 

306 

306 

336 

346 

349 


Digitized  by  Google 


Ti  " Inhalt  ' 

Bauchspeicheldrüse 350 

Magendrüsen  . • . , 355 

Fettdrüsen ..  . . 365 

Schweissdrüsen  . > . 367 

Nieren 373 

Männliche  Geschlecbtawerkzeuge  . 434 

Weibliche  Geschlechtswcrkzouge  ......  . - 442 

Milchdrüsen  . . ...  . 448 

Athmung  462 

Besondere  Athen) Werkzeuge  479 

jungen  . .* ; ' . 541 

Hautathroung 550 

Umsetzung  des  Blutes  in  den  Gefässen 560 

III.  Blutbildung  . . 561 

Aufsaugung  aus  den,  Geweben 561 

Aufsaugung  von  den  Blutgefässen  563 

Aufsaugung  durch  die  Lymphgefässe  567 

. Zufuhr  durch  die  Speisen  (Verdauung)  . ~ . . . . . . . 583 

IV.  Yergieiohung  des  Verlustes  und  Gewinnes  an  wägbaren  Stoffen  .671 


Siebenter  Abschnitt. 

Thierisohe  Wärme • 


— . ^ . Dici iüz cci  by.Goo ok 


Sechster  Abschnitt. 

Physiologie  der  Ernährung. 


I.  Blut 

Zusammensetzung  des  Blutes. 

Die  Gefässröhren , die  vom  Herzen  aus  und  zu  ihm  zurtick- 
gehen,  sind  im  Leben  mit  einem  verwickelten  Gemenge  fester  und 
flüssiger  Stoffe,  dem  Blute,  gefüllt,  das  nach  Zusammensetzung  und 
Eigenschaften,  mit  der  Zeit  und  dem  Orte  seines  Aufenthalts  wechselt; 
um  eine  Uebcrsicht  zu  gewinnen,  werden  wir  zuerst  die  am  besten 
gekannte  Blutart  möglichst  genau  beschreiben  und  dann  die  Ab- 
weichungen der  übrigen  angeben. 

Hautaderblut  der  Erwachsenen. 

Die  anatomische  Zergliederung  zerlegt  das  Blut  des  Lebenden 
in  eine  Flüssigkeit , das  Plasma , und  in  Festes , Aufgeschwemmtes, 
welches,  je  nach  seiner  Gestalt,  Blut-  und  Lymphkörpcrehen, 
Elementarkörnchen,  Faserstoffscholle  u.  s.  w.  genannt  wird. 

A.  Blutflüssigkeit,  Plasma. 

Die  bekannten  ßestandtheile  derselben  sind:  Faserstoff,  Eiweiss, 
Case'tn,  Oxyproteln,  Lecithin,  Cerebrin,  Olefn,  Margarin,  Cholestearin, 
Zucker,  Margarin-,  Oel-,  Butter-,  Milch-,  Hippur-  und  Harn-Säure, 
Kreatin,  Harnstoff,  braune  Farbstoffe,  Kali,  Natron,  Kalk,  Magnesia, 
Eisenoxyd,  Wasser,  Salz-,  Schwefel-,  Phosphor-,  Kiesel-  und  Kohlen- 
säure, Fluor,  Sauerstoff-  und  Stickgas. 

1.  Faserstoff.  Aus  100  Theilen  Blut  gewinnt  man  ungefähr 
0,2  bis  0,3  Theil. 

Beim  Pferd  enthalt  nach  Lehmann  da«  Blut  der  Vena  jugularie  0,45,  das  der 
Finger-  und  8porader  0,64  Faserstoff.  Daraus  au  schliessen,  dass  das  Blut  während 
seines  Laufes  aus  den  kleinern  in  die  gTÖssern  Venen  Faserstoff  einbüsst,  entbehrt  jeg- 
licher Grundlage,  so  lange  nicht  feststeht,  ob  der  Fasorstoffgehalt  der  kleinen  Venen, 
Ludwig,  Physiologie  11.  2.  Auflage.  1 


Digitized  by  Google 


2 


Faserstoff. 


aus  denen  sich  das  Drosseladerblut  sammelt,  sich  gerade  so  verhält,  wie  jener  der  vor- 
hin erwähnten.  Gesetzt  aber,  es  sei  dieses  bewiesen,  so  würde  diese  Thatsache  immer 
noch  nicht  aussagen  , dass  sich  der  Faserstoff  vermindert  hätte;  denn  wir  müssen  den 
Faserstoff  als  einen  Bestandtheil  des  Plasmas  ansehen , da  aber  Blut  aus  Plasma  und 
Körperchen  besteht,  so  könnte  ein  abweichendes  Verhältnis  des  Faserstoffs  auch  auf 
eine  Aenderung  dcrjtelatioii  zwischen  jenen  beiden  Gemengbestandtheilen  bezogen  werden. 

Zur  Gewichtsbestimmung  wird  der  Faserstoff  auf  zwei  Weisen  gewonnen.  Ent- 
weder man  lässt  das  aus  der  Ader  getretene  Blut  ungestört  gerinnen ; da  in  diesem 
Falle  das  durch  die  ganze  Masse  des  Bluts  fest  gewordene  Fibrin  die  Blutflüssigkeit 
und  Blutkörperchen  in  sich  schlicsst,  indem  sich  der  sog.  Blutkuchen  bildet,  so  muss 
man  dasselbe  nachträglich  von  diesen  Beimengungen  befreien.  Zu  diesem  Behuf  zer- 
schneidet man  den  Blutkuchen  in  kleine  Stücke , füllt  diese  in  ein  leinenes  oder  sei- 
denes Tuch  und  spült  sie  so  lange  mit  Wasser  aus , als  dieses  noch  eine  Spur  mther 
Farbe  zeigt;  durch  Aufhängen  des  Beutels  in  destillirtes  Wasser  sucht  man  endlich 
auch  die  letzten  Spuren  löslicher  Stoffe  zu  entfernen,  ein  Unternehmen,  das  jedoch  oft 
wegen  der  eintretenden  Fäulniss  des  Faserstoffs  nicht  zum  vollkommenen  Ziele  geführt 
werden  kann.  — Oder  man  schlägt  auch  mit  einem  Glasstab  das  aus  der  Ader  gelas- 
sene Blut,  wobei  sich  der  Faserstoff  in  Flocken  ausscheidet.  Das  geschlagene  Blut 
flltrirt  man  durch  eine  feine  Leinwand  und  befreit  den  zurückbleibenden  Faserstoff  von 
den  anhängenden  übrigen  Blutbestandtheilen  wie  oben.  Den  auf  eine  von  beiden 
Arten  gewonnenen  Faserstoff  spült  man  vorsichtig  von  der  Leinwand  ab,  trocknet  ihn 
bei  120°  0.  mit  aller  für  hygroskopische  Stoffe  nöthigen  Vorsicht.  Darauf  pulvert 
man  denselben,  zieht  eine  gewogeno  Menge  mit  Aether  aus  und  trocknet  von  Neuom; 
der  Gewichtsunterschied  vor  und  nach  dem  Acthcrauszug  gibt  den  Fettgehalt  des 
Faserstoffs.  Schliesslich  verbrennt  man  den  entfetteten  Antheil,  um  seinen  Aschen- 
gehalt festzustellcn.  Diese  Methode  selbst  mit  aller  Sorgsamkeit  ausgeführt,  gibt  nur 
ungenaue  Ergebnisse , weil  durch  das  Loinwandfilter  feine  Flocken  dringen , und  weil 
der  Faserstoff,  auf  die  eine  oder  andere  Art  gewonnen,  immer  Blut-  und  Lymplikör- 
perchen  einschliesst,  die  durch  das  Waschen  nicht  entfernt  werden  können.  Dieser 
Einschluss  bedingt  cs,  dass  man  aus  demselben  Blute  verschiedene  Wertlie  des  Fascr- 
stnffgehaltcs  erhalt,  je  nachdem  man  denselben  durch  Schlagen  oder  aus  dem  Blut- 
kuchen gewonnen  (v.  Gorup,  Hinterbegcr,  Mol  esc  hott)  *). 

Wenn  sich  die  Erfahrung  von  Marchal,  dass  das  Blut  in  höherer  Teinporatur 
mehr  Faserstoff  ausscheidet  als  in  niederer,  bestätigte,  so  müsste  man,  was  bisher  nicht 
geschehen,  auch  Rücksicht  auf  die  Gerinnungstemperatur  nehmen.  Lehmann  bestreitet 
Übrigens  den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Menge  des  abgeschiedenen  Faserstoffs. 

Wenn  das  Blutplasma  (oder  auch  das  Gesanmitblut)  einige 
Zeit  hindurch  nicht  mehr  nnter  dem  Einfluss  der  lebenden  Wand 
eines  Blutgefässes  steht,  fallt  aus  ihm  ein  Gemenge  oder  eine  Ver- 
bindung eines  Eiweissstoffes  mit  Kalk  und  Magnesiasalzen,  der  sog. 
Faserstoff  nieder  (Taekrah,  Brücke**).  Demnach  wird  Blut, 
ohne  dass  wir  eine  Veränderung  an  demselben  wahrnehmeu,  ge- 


*)  v.  Gorup,  Vergleichende  Untersuchungen  etc.  Erlangen  1850  p.  8.  — Molcschott,  Phy- 
siologie des  Stoffwochneis.  Erlangen  1851  p.  232  o.  236.  — Lehmann,  phyaiolng.  Chemie  I.  366. 

**)  Brilcke  in  Yirchows  Archiv  XI.  Bd.  N.  F.  — L later  Edinburgh  medical  Journ.  Apr. 
1858.  — Richarchaon  the  onuso  of  the  Coagulatton  of  the  Blood ; London  1858. 


Digitized  by  Google 


Faserstoff. 


3 


rinnen,  wenn  es  ans  der  Ader  gelassen  wird,  oder  in  GefBssen  von 
grossem  Durchmesser  vollkommen  ruht,  oder  von  Gefiissen  um- 
schlossen wird,  dessen  Wandungen  die  Eigenschaft  einblissteu,  welche 
man  mit  einem  vorläufigen  Ausdruck  lebendige  nennt ; aber  obwohl 
Blut  unter  diesen  Umständen  sich  selbst  überlassen  sicher  gerinnt, 
so  geschieht  diess  doch  nicht  momentan  und  nicht  unter  allen  Be- 
dingungen gleich  rasch,  auch  können  chemische  Zusätze  die  Ge- 
rinnungsfähigkeit des  Blutes  ganz  vernichten.  Der  Gerinnungs- 
beginn wird  hinausgeschoben:  durch  die  Entfernung  des  im  Blute 
aufgelösten  .Sauerstoffs,  eine  niedere  dem  Nullpunkt  nahe  positive 
Temperatur,  durch  einen  dem  normalen  Maximum  sich  annähernden 
Salzgehalt  des  Plasmas,  ferner  kann  er  auf  Stunden  hin  verzögert 
werden  durch  einen  Zusatz  von  einigen  Neutralsalzen  mit  alkalischer 
Basis,  von  Zucker  und  Gummi,  durch  eine  geringere  Zugabe  von 
kaustischem  Kali  und  Ammoniak  und  endlich  durch  Eintröpfeln  von 
soviel  Essig-,  Salpetersäure  u.  s.  w.,  dass  das  Blut  schwach  saner 
reagirt;  durch  Neutralisation  des  ungesäuerten  Blutes  mit  Ammoniak 
wird  die  Gerinnbarkeit  vollkommen  aufgehoben.  (Brücke.)  Der 
Gerinnungseintritt  wird  näher  gerückt  durch  einen  die  Blutwärme 
um  etwas  übersteigenden  Temperaturgrad,  durch  Berührung  des 
Blutes  mit  mineralischen  Stoffen  Luft,  Erden,  Metall,  durch  Bewe- 
gung des  aus  der  Ader  gelassenen  Blutes.  Unabhängig  ist  dagegen 
der  Gerinnungseintritt  einer  weit  verbreiteten  Ansicht  entgegen  von 
dem  Gehalt  des  Blutes  im  Faserstoff  (Brücke),  wie  nach  dem 
Bestehen  oder  Verlust  der  Nerven-' und  Muskelerregbarkeit  (Brücke, 
Lister)  und  — da  zu  diesen  bekannten  auch  noch  unbekannte 
in  dem  Blut  selbst  gelegene  Gründe  den  Zeitpunkt  der  Gerinnung 
bestimmen,  so  lässt  sich  derselbe  nicht  allgemein  gültig  festsetzen. 
Meist  jedoch  gerinnt  jedoch  das  abgelasseuc  Blut  wenige  Minuten 
nach  der  Eutfernung  aus  der  Ader,  das  in  der  Leiche  zurück- 
bleibende  aber  hält  sich  stunden-  und  tagelang  flüssig.  Ebenso 
kann  Pferdeblnt  eine  Temperatur  von  0°  bis  -f-  1°  ausgesetzt 
stundenlang  flüssig  bleiben. 

Den  vollendeten  Beweis  fdr  den  durch  Tack r all  wahrscheinlich  gemachten  Satz, 
dass  die  Oefäss wandung  die  Blutgerinnung  verhindere,  erbrachte  Brücke;  er  nahm 
Blut  aus  den  Gefäasen  bei  einer  Temperatur  von  nahe  0°,  setzte  es  der  atmosphärischen 
Luft  ungefähr  15  Minuten  lang  aus,  füllte  dann  das  Blut  in  das  Herz  oder  ein  grosses 
Oefäss  des  eben  getödteten  Thieres  zurück , und  hing  das  wohl  zugebundene  Gefäss 
in  einen  mit  Wasserdainpf  gesättigten  Luftraum  von  mittlerer  Zimmerwärme.  Auf 
diese  Weise  erhält  sich  das  Blut  der  Säugethiere  im  Herzen  derselben  vier  bis  fünf 
Stunden  hindurch  d.  h.  so  lange  flüssig  als  das  Herz  seine  Erregbarkeit  behauptet, 

1 • 


Digltlzed  by  Google 


4 


Faserstoff. 


und  es  gerinnt  mit  dem  Erlöschen  des  letzteren.  Dasselbe  leisten  \ enen  und  arterielle 
Blutgefässe.  Länger,  bis  zu  acht  Tagen  bleibt  das  Blut  der  Kaltblüter  im  ausge- 
schnittenen Herzen  flüssig,  also  länger  als  sich  die  Beweglichkeit  des  Herzens  erhält. 
Den  Unterschied  der  Gerinnungszeiten  zwischen  beiden  Blutarten  begründet  ihr  Tem- 
peraturunterschied und  ihre  verschiedene  Neigung  zu  gerinnen ; denn  in  dem  auf  30®  C. 
erwärmten  Amphibienherzen  erfolgt  zwar  die  Gerinnung  früher,  aber  immer  noch  um 
viele  Stunden  später  als  im  Säugethierherzen,  und  anderseits  ist  auch  das  Amphibien- 
herz nicht  befähigt  die  Gerinnung  des  in  dasselbe  eingefüllten  Säugethierbluts  aufzu- 
halten, obwohl  das  Herz  einer  Amphibienart  alles  andere  Amphibienblut  flüssig  erhält. 
Die  starke  Neigung  des  Säugethierblutes  zum  Gerinnen  wird  auch  dadurch  bethätigt, 
dass  cs  in  dem  Herzen  sehr  zählebiger  Thiere  wie  z.  B.  dcB  Igels  schon  um  ein  Kurzes 
früher  fest  geworden  ist  als  das  Absterben  der  Muskeln  vor  sich  gegangen.  Dass  nun 
aber  bei  dieser  Aufbewahrungsmethode  die  Gerinnung  in  Folge  einer  Wirkung  von 
Seiten  der  Wand  ausbleibt,  ergiebt  sich:  weil  ein  jeder  Tropfen  Blut,  der  aus  dem 
wie  oben  zubereiteten  Gelass  genommen  war,  alsbald  gerinnt ; ferner  bringt  man  Luft, 
Quecksilber  u.  s.  w.  zu  dem  Blut  in  das  Gefriss,  so  gerinnt  nur  der  kleine  in  der  un- 
mittelbaren Nachbarschaft  des  fremden  Körpers  liegende  Blutantheil ; schliesst  man 
endlich  einen  Theil  des  im  Gelass  enthaltenen  Blutes  dadurch  ab,  dass  man  in  das 
Blut  ein  Glasrohr  schiebt  so  findet  man  nur  den  Inhalt  des  (an  beiden  Seiten  offenen) 
Glasrohrs  geronnen.  Diese  letzteren  Erfahrungen  beweisen  auch,  dass  man  sich  nicht 
etwa  so  ausdrücken  dürfe : alle  Stoffe,  die  Gelasswandung  ausgenommen,  erzeugen  durch 
ihre  Berührung  mit  dem  Blut  die  Gerinnung , denn  dann  dürfte  das  um  den  fremden 
Körper  vor  sich  gehende  Festwerden  nicht  local  bleiben  und  noch  mehr  cs  müsste 
in  einem  Gefäss  voll  ruhenden  Blutes  die  Gerinnung  nicht  rascher  erfolgen  als  in 
einem  bewegten.  Da  dieses  aber  geschieht,  so  bedarf  das  Blut  zum  Flüssigbleiben 
der  Wandberührung.  Den  Beweis  hierfür  hat  Lisler  noch  durch  die  Thatsache  ver- 
vollständigt, da>s  das  gerinnbare  Leichenblut  in  engen  Gefiisscn  länger  flüssig  bleibt 
als  in  den  weitem,  fiiehardson,  welcher  die  durch  Athmungsvcrsuche  längst  be- 
kannte Thatsache  bestätigt  fand,  dass  sich  aus  dem  Blut  bei  einer  Berührung  mit  Luft 
Ammoniak  entwickelt,  und  sich  ebenfalls  davon  überzeugt,  (lass  eine  Zumischung  von 
einer  sehr  geringen  Ammoniakmenge  zum  Blut,  die  Gerinnung  desselben  zu  verzögern 
vermag,  glaubt  sich  darum  berechtigt,  die  Ursache  der  Gerinnung  auf  den  Verlust  der 
äusBerst  geringen  Menge  von  Ammoniakdunst  schieben  zu  dürfen,  welchen  das  gelassene 
Blut  erleidet.  Wenn  man  auch  die  von  ihm  in  den  Vordergrund  geschobenen  That- 
sachcn  als  richtig  anerkennen  muss,  so  darf  man  dennoch  seiner  Folgerung  nicht  bei- 
treten,  weil  cs  eine  ebenfalls  ganz  bekannte  Erscheinung  ist,  dass  das  mit  Ausschluss 
aller  Luft  aus  der  Ader  unter  Quecksilber  aufgefangene  Blut  dort  gerinnt;  hierzu  kommt, 
da**  Listcr,  der  seinen  eigenen  Beobachtungen  entgegen  der  Unterstellung  von  Richard- 
son  anhängt,  das  in  dem  Gcfässe  einer  Leiche  zurückgehaltene  Blut  flüssig  erhielt, 
wenn  er  auch  Luft  mit  ihm  in  Berührung  brachte,  oder  wenn  er  eine  blutgefüllte  Veno 
eines  eben  getödteten  Thieres  der  Luft  so  lange  aussetzte,  dass  sich  das  dunkle  Blut 
hollroth  färbte.  Im  noch  vollkommncrcn  Widerspruch  mit  Richardson's  Annahme 
steht  endlich  der  von  Lister  ausgeführte  Versuch,  dass  das  Blut  in  den  Gefässen 
eines  lebenden  oder  eben  getödteten  Thieres , deren  Wandungen  er  mit  kaustischen 
Ammoniak  bestrich,  gerann;  dieses  erläutert  Bich  nach  Brücke  einfach  daraus,  dass 
die  Lebenseigenschaften  der  Gefässwand  zerstört  worden  sind. 

Wie  die  der  Blutgefässe  wirkt  auch  die  Wand  der  Lymphgc fasse  der  Gerinnung 
des  Faserstoffs  entgegen;  die  serösen  Häute  und  die  Darmschleimhaut  thun  es  nicht. 


Faserstoff. 


s 


Da  der  Faserstoff  aus  der  Blutflüssigkeit  und  nicht  aus  den 
Körperchen  ausfällt,  (J.  Müller*)  so  setzte  man  ihn  auch  schon 
im  Plasma  als  einen  besonderen  Stoff,  als  flüssiges  Fibrin  voraus. 
Brücke  zeigte  jedoch,  dsiss  zu  der  letzteren  Annahme  kein  Grund 
vorhanden  sei,  indem  ein  Blutplasma,  welches  durch  Zusatz  von 
Essigsäure  und  einen  nachträglichen  von  Ammoniak  am  Gerinnen 
verhindert  wurde,  gerade  so  viel  durch  Hitze  coagulabeles  Eiweiss 
mehr  enthält,  als  es,  wenn  es  geronnen  wäre,  an  Faseretofl  aus- 
geschieden hätte.  Demnach  wäre  es  am  wahrscheinlichsten,  dass 
im  flüssigen  Blute  der  Faserstoff  als  Blutalbumin  nie  vorhanden  ist. 
Als  Grund  dafür,  dass  ein  Antheil  des  Bluteiwcisses  in  der  Form 
von  Faserstoff  zum  Gerinnen  kommt,  würde  sich  dann  am  unge- 
zwungensten darbieten,  dass  ein  Theil  des  Albumins  nach  seiner 
Entfernung  aus  dem  Gefässe  mit  irgend  einem  anderen  Stoffe  des 
Plasmas  eine  natürliche  Verbindung  eingeht,  deren  Entstehen  u.  A. 
auch  durch  eine  verdünnte  Säure  verhütet  würde.  Hierfür  spricht 
einmal  der  negative  Beweis,  dass  die  Gerinnung  nicht  darum  ge- 
schieht, weil  das  Blut  mit  Albumin  übersättigt  war,  weil,  wenn 
einmal  die  Faserstoffgerinnnng  beendet  ist,  weder  durch  Abkühlen 
des  Blutes,  noch  durch  einen  Wasserverlust  eine  neue  Abscheidnrrg 
bewerkstelligt  werden  kann,  und  positiv  lässt  sich  für  jene  An- 
schauung von  Brücke  anführen,  dass  in  dem  nicdergefallenen 
Gerinnsel  immer  noch  basisch  phosphorsaurer  Kalk  und  Talk  ent- 
halten ist. 

Unter  der  soeben  entwickelten  Unterstellung  lässt  sich  auch  ein  Mechanismus 
denken,  dessen  sich  die  Gefässwand  zur  Flüssigerhaltung  des  Blutes  bedient;  denn 
dann  wäre  es  nur  nöthig  anzunehmen,  dass  eins  der  chemischen  Produkte,  die  sich 
fortwährend  in  der  Gefässwand  bilden,  in  das  Blut  difTundirc,  und  dort  das  Ent- 
stehen der  gerinnenden  Eiweissverbindung  verhüte;  dieser  Stoff  müsste  aber  selbst  im 
Blute  verändert  werden,  so  dass  nur  in  dem  Maasse,  in  dem  er  sich  umsetzt,  auch  die 
Gerinnung  vor  sich  gehen  könnte.  Mit  dieser  freilich  noch  gewagten  Hypothese  steht 
es  aber  im  Einklang,  dass  die  Gerinnung  nicht  momentan,  sondern  erst  einige  Zeit 
nach  der  Trennung  des  Bluts  von  der  Gefässwand  beginnt,  und  dass  sie  verzögert 
wird  durch  dio  Bedingungen , welcho  den  Blutumsatz  mindern , also  durch  Tem- 
peraturerniedrigung, Salzlösungen,  Sauerstoffmangel;  diese  Hypothese  gibt  auch  einen 
Hinweis  auf  neue  Untersuchungen  über  die  Beziehungen  der  Gefässwand  zur  Blvt- 
gcrinnung.  Die  Versuche  von  Joh.  Müller,  auf  dio  oben  hingedeutet  wurde,  be- 
stehen darin,  dass  man  zum  Blute  Zucker  oder  ülaubcrsalzlösung  fügt,  und  es  filtrirt 
oder  sich  die  Körperchen  zu  Boden  senken  lässt,  die  Gerinnung  geht  in  der  körper- 
chenfreien Flüssigkeit  vor  sich. 


•)  Handbuch  der  Physiologie  4.  Aofl.  I.  Bd.  p.  117. 


Digitized  by  Google 


6 


Albumin. 


Nachdem  »ich  der  Faserstoff  fest  ausgeschieden  hat,  erfährt 
er  einige  Zeit  hindurch  noch  fortlaufende  Veränderungen,  die  sich 
augenfällig  dadurch  äussern,  dass  er  aus  einem  lockern  ein  festes 
Gefüge  annimmt,  und  dadurch,  dass  er  sich  aus  einen  grösseren 
auf  ein*  kleineres  Volumen  zusammenzieht.  Diese  Erscheinung 
macht  den  Eindruck,  als  oh  sich  der  Quellungseoeffizient  des  Faser- 
stoffs während  des  Zeitraums,  der  unmittelbar  auf  die  Gerinnung 
folgt,  ändere.  Brück o verweist  auf  die  Aelinlichkeit,  die  in  dieser 
und  in  anderen  Beziehungen  der  Faserstoff  mit  dem  Eiweissstoff 
besitzt,  der  durch  Auswaschen  des  Kalialbuminats  mit  verdünnten 
Säuren  erhalten  werden  kann.  Von  den  elementaren  Formen  des 
Fascrstoffgerinnsels  handelt  Bd.  I.  pag.  42. 

2.  Alb  u m i n.  Das  Eiweiss  soll  auf  zweierlei  Art  in  der  Blut- 
flüssigkeit Vorkommen,  als  freies  und  als  neutrales  Natronei weiss. 
Als  freies  Eiweiss  bezeichnet  man  dasjenige,  welches  durch  Erhitzung 
der  Blutflüssigkeit  ohne  vorgängigen  Säurezusatz  zum  Gerinnen  ge- 
bracht werden  kann.  Dieses  Eiweiss  enthält,  nach  den  überein- 
stimmenden Angaben  von  Rüling  und  Mul  der,  1,3  pCt.  Schwefel 
und  ist  somit  um -0,3  bis  0,4  pCt.  schwefelärmer  als  das  Hühner- 
eiweiss.  Durch  Erwärmen  mit  Kali  ist  aus  dem  Blutciweiss  die 
Hälfte  des  Schwefels  abseheidbar,  aus  dem  llühnereiweisse  dagegen 
kaum  ein  Viertel,  so  dass  das  letztere  fast  noch  einmal  so  reich 
an  festgebundenem  Schwefel  ist,  als  das  erstere.  — Als  Natron- 
albuminat  (eiweisssanres  Natron)  sieht  man  die  Eiweissmenge  an, 
welche  ans  dem  Blntsprum  erst  durch  Erhitzung  abscheidbar  ist, 
nachdem  man  die  alkalisch  reagirende  Blutflüssigkeit  genau  neu- 
tralisirt  hat. 

Die  Behauptung  von  C.  Schmidt*),  dass  das  freie  Eiweiss  in  der  Blutflüssig- 
keit mit  dem  Chlornatrium  in  einer  Verbindung  ähnlich  dem  Kochsalz-Zucker  vorhan- 
den sei , stützt  sich  darauf,  dass  der  geronnene  Faserstoff  in  einer  wässerigen  Losung 
von  Kalisalpeter  zu  einer  dem  Bluteiwoiss  ähnlichen  Substanz  'umgewandelt  werde, 
und  dass  das  Blut  nach  der  beträchtlichen  Entleerung  seiner  salz&rtigen  Bestandteile, 
welche  es  in  der  epidemischen  Cholera  erleidet,  von  seinem  NaCl  noch  ungefähr  so 
viel  zurückhält,  als  nach  gewissen  wenig  begründeten  Annahmen  nöthig  ist,  um  mit 
dem  Eiweiss  die  bezcichnctc  hypothetische  Verbindung  zu  bilden. 

Der  Gehalt  der  Blutflüssigkeit  an  Eiweiss,  freiem  und  au 
Natron  gebundenem,  schwankt  zwischen  7,9  bis  9,8  pCt. 

Das  Eiweiss  wird  aus  der  Blutflüssigkeit  entweder  durch  Gerinnung  in  der  Hitze 
oder  mittelst  des  Polarisationsapparate*  quantitativ  bestimmt.  — Bedient  man  sich  der 
ersteren  Methode,  so  muss  das  Blut,  bevor  cs  erhitzt  wird,  durch  Essigsäure  genau 
neutralisirt  werden  (8  c h e rer).  Das  Coagulum  wird  filtrirt,  gewaschen  und  bei  120°  C. 

•)  l.  r.  p.  l.vo. 


Ander«  Eiweissstoffc  der  Blutflüssigkeit. 


.7 


getrocknet ; darauf  wird  ein  Antlieil  gepulvert  mit  Aether  ausgezogeii,  uni  «einen  Fett* 
ge  halt  zu  ermitteln,  uud  endlieb  verbrannt,  wodurch  der  Aschcurückstäud  gegeben 
wird.  Die  Anwendung  dieser  VorsichUinaassregeln  schlitzt  aber  doch  noch  nicht  vor 
Fehlem,  weil  das  Eiweiss  bei  seiner  Gerinnung,  ausser  Na  CI,  2NaO  PO8  •)  und  Fetten, 
auch  noch  andere,  von  dem  Gerinnsel  nicht  mehr  zu  sondernde  Stoffe  einschliesst.  wie 
*z.  B.  die  Hüllen  der  Lymphkörperchen,  organische  Salze,  Farbstoffe  u.  s.  w Die  Ge* 
rinnungsmethode  würde  aber  als  ganz  unsicher  zu  verlassen  sein,  wenn  sich  die  An- 
gabe von  Lieberkühn**)  bestätigte,  wonach  nicht  allein  Albumin,  sondern  auch 
Casein  aus  neutralen  oder  sauren  Salzlösungen  durch  Kochen  gefallt  wird.  — Das  Ver- 
fahren von  Becquerel  die  Drehung  der  Polarisationsebcne  zur  quantitativen  Eiweiss- 
bestimmung  zu  benutzen,  ist  von  F.  Hoppe***)  aufgenommen  und  verbessert  worden. 
Statt  des  Apparates  von  Sol  eil  wendet  er  den  von  Vcntzke  an,  und  bedient  sich 
statt  der  sehr  viel  längeren  Eiweissschicht  von  Becquerel  einer  von  100  Mm.,  bei 
gelbgefSrbtem  Serum  sogar  nur  einer  von  25  Mm.  Dicke.  Das  flüssige  Eiweiss  dreht 
nach  F.  Hoppe  ungefähr  in  dem  Maasse  links , in  welchem  der  Rohrzucker  rechts 
dreht.  — 

Da  der  Zucker  je  nach  der  Spezies  (Rohr-,  Trauben-,  Frucht-,  Svrupzucker  u.  s.  w.), 
der  er  angehört,  der  Zeit,  während  welcher  er  gelöst  war,  der  Temperatur,  in  der  er 
sioh  findet,  und  den  Zusätzen,  die  zu  seiner  Lösung  geschehen,  bald  rechts,  bald  links 
oder  auch  gar  nicht  dreht,  so  müsste  das  Eiweiss  und  seine  Modifikationen,  welche 
im  Blut  Vorkommen,  ebenfalls  mit  Rücksicht  auf  die  bezeichneten  Bedingungen  geprüft 
werden.  Einen  Theil  der  hierher  gehörigen  Versuche  hat  Hoppe  angestellt;  nach  diesen 
behauptet  er,  dass  sich  das  DrchungsvennÖgcn  des  gelösten  Eiwcisscs  in  der  Zeit,  in- 
sofern keine  Zersetzung  eintrete , nicht  ändere : trete  eine  solche  ein  , die  sich  durch 
Trübung  der  Lösung  anzeigt,  so  mindere  sich  das  DrchungsvennÖgcn.  Durch  einen  die 
Flüssigkeit  aufhellenden  Zusatz  von  Essigsäure  kann  die  frühere  Drehkraft  wieder  her- 
gestellt  werden.  Durch  einen  Zusatz  von  Natron  zum  Bluteiweiss  wird  sein  Drehungs- 
vermögen  vermehrt,  durch  Kochen  mit  demselben  wird  es  anfangs  vermindert,  dann 
aber  bleibe  es  constant.  — Zur  Graduirung  der  Ablenkungen  braucht  er  die  Bestim- 
mung durch  Ausfällung  in  der  Hitze;  er  erklärt  sich  danach  für  berechtigt  anzuneh- 
men, dass,  wenn  man  die  quantitative  Genauigkeit  nicht  Uber  0,1  p.  L\  treiben  wolle, 
das  entgegengesetzte  oder  gleichgerichtete  Drehungsbestrcbcn  anderer  in  dem  Blutserum 
gelöster  Stoffe  nicht  zu  berücksichtigen  sei.  Er  bestätigt  dieses  noch  dadurch,  dass 
er  das  Blut  mit  Aether  und  NaCO*  schüttelt,  wodurch  das  Eiweiss  vollends  abgeschie- 
den, die  andern  drehenden  Bestandteile  des  Serums  aber  in  Lösung  bleiben.  Dieser 
flüssige  Rückstand  lenke  die  Polarisationsebene  nur  um  ein  Unbedeutendes  ab. 

3.  Anderweite  Eiweissstoffe  der  Blutflüssigkeit-)-). 
In  der  Flüssigkeit,  aus  der  man  noch  so  vorsichtig  und  vollkommen 
nach  den  angegebenen  Verfahren  Faserstoff  und  Eiweiss  heraus- 
geschlagen,  bleiben  Stoffe  zurück,  die  nach  den  Resultaten  der 
Elementaranalysc  und  ihren  Reactionen  zu  der  Gruppe  der  eiweiss- 


*)  Roser,  Lleblgs  Annalen.  Bd.  73  p.  .134. 

••)  Poggcndorf,  Annalen.  86.  Bd.  p.  117  u.  398. 

•••)  Vlrchow»  Archiv  XI.  Bd.  p.  547. 

t)  Mul  der,  Versuch  einer  allg.  phys.  Chemie.  Braunachwelg  1851  p.  1107.  — Moleschott, 
Physiologie  dea  Stoffwechsels.  Erlangen  1861  p.  340.  — Pan  um,  Archiv  für  palholog.  Anatomie, 
v.  Vlrchow,  UI.  Bd.  361. 


Digitized  by  Google 


8 


Fette  und  Eitraete. 


artigen  gehören,  lieber  die  besondere  Natur  derselben  hat  man 
sehr  verschiedene  Meinungen  aufgestellt,  bald  hält  man  sie  fllr 
Natronalbuminat,  bald  für  Käsestoff,  bald  für  Protelnbioxyd  und 
endlich  erklärt  man  sie  auch  fUr  ein  Gemenge  der  genannten  und 
noch  anderer  eiweissartiger  Stoffe.  Bei  dem  sich  stets  klarer  heraus-' 
stellenden  Mangel  an  unterscheidenden  Kennzeichen  zwischen  den 
einzelnen  Gliedern  der  Eiweissgruppe  und  den  wenigen  genauen 
Untersuchungen  Uber  die  fraglichen  Körper  scheint  eine  Entschei- 
dung zwischen  den  Tagesmeinungen  sehr  gewagt.  — Nach  eigenen 
Untersuchungen  kann  ich  versichern,  dass  zu  allen  Zeiten  ein  Stoff 
in  der  Blutflüssigkeit  vorkommt  von  der  prozentischen  Zusammen- 
setzung, wie  sie  Bd.  1.  p.  38.  C.  angegeben  wurde.  Der  in  diesem 
Stoffe  enthaltene  Schwefel  ist  gleich  demjenigen  des  Proteins  durch 
Erwärmen  in  Kaliauflösung  nicht  abseheidbar.  — 

4.  Fette*),  wahrscheinlich  fette  Säuren,  werden  nur  in  sehr 
geringer  Menge  aus  der  Blutflüssigkeit  gewonnen;  sie  sind,  wie 
man  vermuthet,  entweder  an  die  Alkalien  des  Bluts,  mit  denen 
sie  Seifen  darstellen,  gebunden  gewesen,  oder  sie  sind  Zersetzungs- 
produkte der  phosphorhaltigen  Fette  (Gobley).  Man  erhält  sie, 
wenn  man  die  Flüssigkeit,  welche  nach  Gerinnung  des  Eiweisses 
durch  die  Hitze  zurückbleibt,  filtrirt,  eindampft  und  mit  Aether 
auszieht.  — Ausserdem  enthalten,  wie  erwähnt,  Faserstoff  und 
Eiweiss,  wenn  sie  niedergefallen  sind,  Fette,  Uber  deren  Ursprung 
wir  im  Unklaren  sind ; vielleicht  waren  sie  in  den  Blut-  und  Lymph- 
körperchen  eingeschlossen,  welche  jene  Stoffe  beim  Coaguliren  mit 
sich  rissen.  — 

5.  Fettäh  nliche  Stoffe**).  Das  Cholestearin,  welches  in 
der  Blutflüssigkeit  vorkommt  (Marcet),  soll  in  den  Seifen  der- 
selben gelöst  sein.  — Das  Gemenge  fettartiger,  fllr  sich  in  Wasser 
unlöslicher  Körper,  welchem  Boudet  den  Namen  Serolin  gab,  ist 
später  häufig  wiedergefunden;  Uber  seine  Zusammensetzung  und 
die  Art,  wie  es  im  Blutwasser  gelöst  ist,  fehlt  eine  Angabe.  Gobley 
zählt  unter  die  Bestandtheile  des  Serolin : Lecithin,  Cerebrin,  Olein, 
Margarin,  eine  Angabe,  die  eine  weitere  Bestätigung  erwartet.  — 

6.  Der  Zucker  des  Plasma’s  ist  gährungsfähig,  und  wahr- 
scheinlich Traubenzucker.  Nach  der  Nahrung,  und  den  Zuständen 
der  Leber  kann  sich  der  Zuckergehalt  des  Hautvenenblutes  von 


•)  Marcet  in  Licblga  und  Kopps  Jahresbericht  für  1851.  587. 

••)  V e r d e i 1 nnd  Mnrcet  In  Iriebigs  and  Koppe  Jahresbericht  Air  1861,  p. 588.  — O o b . 
I fi  r ibid. 


Minerale. 


9 


0,5  pCt.  bis  znm  gänzlichen  Verschwinden  ändern;  fllr  gewöhnlich 
scheint  sein  Prozentgehalt  den  Werth  von  0,15  nicht  zu  übersteigen. 

Die  quantitative  Bestimmung  geschieht  entweder  durch  Titriren  mit  Kupferlösung 
oder  durch  Gährung,  beides  nach  vorgängiger  Ausfällung  der  Kiweissttoffe  mit  Alkohol. 
Diese  Methoden  geben  nur  angenäherte  Werthe.  — Die  Sitzungen  in  den  Pariser  Aka- 
demien sind  in  den  Jahren  1855  und  56  häufig  durch  Besprechungen  über  den  Zucker- 
gehalt des  Bluts  ausgefüllt  worden,  an  dem  sich  einerseits  Longot,  Coli  in,  Figuier 
und  anderseits  CI.  Bernard,  Lehmann,  Poggiale,  Moleschott,  Leconte, 
Delore  betheiligt  haben.  Bei  dem  Leberblut  und  der  Leber  werden  wir  auf  diese 
meist  unfruchtbare  Diskussion  zurückkomraen. 

7.  Harnstoff.  Nach  Picard**)  enthält  das  Blut  ganz 
gesunder  Menschen  von  0,014  bis  0,017  im  Mittel  0,016  pCt.  dieses 
Körpers;  nach  einer  der  Gesundheit  nicht  wesentlich  beeinträchti- 
genden Unterdrückung  der  Regeln  ohne  bestehende  Schwangerschaft 
steigt  er  bis  zu  0,030  pCt.  Diese  Zahlen  würden  nach  den  Angaben 
v.  Recklinghausen’ s kein  Zutrauen  verdienen. 

Picard  fällt  das  Eiweiss  des  Bluts  mit  Alkohol,  presst  den  schwach  angesäuer- 
ten Niederschlag  wiederholt  aus  und  verdampft  dann  die  tiltrirten  Flüssigkeiten.  Der 
Bückstand  wird  mit  Alkohol  ausgezogeu,  noch  einmal  verdunstet  und  das  Besiduum 
abermals  mit  einem  Gemenge  von  Aether  und  Alkohol  extrahirt ; dieser  Auszug  wird 
abgedampft  und  sein  Rückstand  in  Wasser  gelöst;  aus  dieser  Lösung  werden  die  noch 
vorhandenen  Extrakte  mit  Blei  gefällt.  Nachdem  der  Bleiüberschuss  mit  SH  entfernt 
wurde,  bestimmt  er  endlich  den  Harnstoff  durch  eine  titrirte  Lösung  von  salpetersaurem 
Quecksilberoxyd  nach  Liebig.  Der  Quecksilberniederschlag  enthält  keinen  andern 
organischen  Körper  als  Harnstoff.  Trotz  der  vielen  mit  der  HamstofTlösung  vorgenora- 
menen  Operationen  soll,  wie  sich  Picard  überzeugte,  bei  der  Arbeit  kein  nennens- 
werter Verlust  Vorkommen.  — Mit  dieser  Angabe  steht  eine  Mittheilung  von  Reck- 
linghausen in  grellem  Widerspruch,  welcher  in  dem  durch  die  Liebig’ sehe  Flüssig- 
keit erzeugten  Niederschlag  des  Blutextractes  Ammoniak  und  Natron  antraf,  und  der 
in  den  aus  solchem  Blut  zum  Titriren  bereiteten  Lösung  noch  C1N&  vorfand. 

8 — 12.  Kreatin,  Kreatinin,  Harn-,  Hippur- undMilch- 
säure  enthält  das  Blutwasser  in  sehr  geringer  Menge.  Die  hier  anf- 
gezählten  Stoffe  machen,  den  Zucker-  und  den  Harnstoff  einge- 
schlossen, wesentlich  das  aus,  was  man  als  den  organischen  Theil 
des  spiritnösen  Blutextractes  bezeichnet,  ein  Namen,  der  darum 
aufzugeben  ist,  weil  die  einzelnen  Glieder  des  Gemenges,  weder 
quantitativ,  noch  qualitativ  sich  gleich  bleiben.  — 

13.  Die  mineralischen  Bestandteile  der  menschlichen 
Blutflüssigkeit  hat  man  bis  dahin  meist  aus  der  Asche  ihres  ein- 
getroekneten  Rückstandes  bestimmt,  aus  diesem  Grunde  müssen 
den  Angaben  Fehler  anhaften  über  den  Gehalt  an  Chlor,  Schwefel- 
und Phosphorsäure;  und  da  man  bei  der  Aschendarstellung  die 

•)  De  U prdeence  de  l'uräe  dana  le sang.  Strasbourg  18M,  — v.  Recklinghausen,  Virchowe 
Archiv  \m, 


Digitized  by  Google 


10 


Minerale. 


Vorichtsmassregeln  nicht  in  Anwendung  brachte,  welche  nach  den 
Versuchen  von  Erdmann,  Strecker*),  H.  Rose**),  Mitscher- 
lich und  Heintz***)  nothvvendig  sind,  so  ist  auch  der  Gehalt  an 
Kalium  und  Natrium  fehlerhaft  bekannt  geworden. 

Die  Veränderungen , welche  mit  den  Blutmineralen  bei  der  Aschenbereitung  vor 
sich  gehen , bestehen  darin , dass  die  Mengo  der  SO3  und  unter  Umständen  die  der 
Ph*05  vermehrt  wird , in  Folge  einer  Oxydation  des  Schwefels  der  eiweisshaltigen 
und  des  Phosphors  der  fettartigen  Körper.  Die  überschüssige  Schwefelsäure  wird 
aber  CI  austreiben,  was  auch  schon  durch  die  überschüssige  Kohlen-  und  die  bei  dej 
Verbrennung  sich  bildende  Cyansäuro  geschehen  kann.  In  höheren  Temperaturen  ver- 
flüchtigen sich  die  Chloralkalien.  Die  vorhandenen  phosphorsauren  Salze,  mit  zwei 
Atomen  fixer  Basis , werden  durch  die  neugebildcte  Schwefelsäure  zum  Theil  in  saure 
verwandelt,  aus  denen  die  Phosphorsäure  durch  die  Kohle  zu  Phosphor  reduzirt  und 
dann  verflüchtigt  w'ird;  oder  es  kann  auch  in  höheren  Temperaturen  das  erwähnte 
phosphorsaure  Salz  sich  in  ein  solchos  mit  3 Atomen  fixer  Basis  umwandeln,  wenn 
nämlich  gleichzeitig  ein  kohlensaures  vorhanden  ist. 

Verfah rungsarten,  die  Salze  ganz  oder  theilweise  ohne  Einäscherung  zu  bestimmen, 
geben  M i 1 1 o n **♦♦)  und  H e i n t z +)  an. 

Aus  der'  grossen  Anzahl  bekannt  gewordener  Aschenanalysen 
von  Denis,  Lecanu,  Marcet,  Marchand,  Nasse,  Weber, 
Verdeil  und  Schmidt  ff)  wählen  wir  die  des  letztem  Beobach- 
ters aus;  sie  kann,  wie  die  übrigen,  nur  als  eine  Annäherung  an 
die  Wahrheit  angesehen  werden;  denn  die  ihr  zu  Grunde  liegende 
Asche  ist  nach  einem  Verfahren  gewonnen,  welches  dem  älteren 
R 0 s e ’schen  ff+)  sehr  ähnlich  sieht.  Immmerhin  scheint  sie  aber 
doch  die  zuverlässigste. 

Nach  Schmidt  gewinnt  man  aus  100  Th.  Blutflüssigkeit  0,85  Th. 
Asche ; diese  bestehen  ans : Cl  = 0,533,  SO,  =0,013,  PhO,  =0,032, 
CaO  = 0,016,  MgO=0,010,  Ka  = 0,031,  Na  = 0,341,  0 = 0,045. 

Diese  Asche  zählt  nicht  zu  denjenigen,  welche  alle  die  mine- 
ralischen Bestandtheile  enthält,  die  schon  von  andern  Chemikern 
in  der  Blutflüssigkeit  gefunden  sind.  Namentlich  fehlen  die -häufig 
Vorgefundenen:  CO,  und  Eisenoxyd  und  die  seltener  vorhandenen: 
Kieselsäure ffff),  Mangan,  Kupfer,  Blei,  und  endlich  das  von  Mar- 
chand angegebene  Ammoniak. 

•)  Liehigs  Annalen.  73.  Bd. 

**)  PogKOnd.  Annalen.  79.  Bd. 

■•*)  Zoochemie,  Berlin  1863.  p.  868. 

*•*“)  Annalen  de  chlmie  et  de  physique  liieinc  atfr.  XIX.  (de  la  preeence  normal  eie.) 

t)  I.  c.  868. 

H)  1.  C.  p.  19.  p.  31. 

ttt)  Poggendorfa  Annalen  76.  Bd.  n.  81.  Bd.  410. 

Wtt)  Kieselsäure  fand  Weber  Im  Ochsen  Henneberg,  Enderlin  und  O o r o p im  Vogel- 
blut.  Da  unter  die  Bestandtheile  des  Menw-henhaera  Kieselsäure  gehört  (v.  Laer),  so  mnsa  sie  auch 
im  Menschenblut  verkommen. 


Digifecd  by  Ringle 


Minerale. 


11 


Diese  Besiandtheile  werden  nun  nach  bekannten  Prinzipien 
zu  Salzen  zusammengeordnet;  man  giebt  nämlich  der  stärksten 
SHnre  die  stärkste  Base  bei,  und  bereehnet  ausserdem  die  phosphor- 
sanren  Salzen  als  solche  mit  3 Atomen  fixer  Basis.  So  erhält  mau 
KO  SO,  =0,028;  KCL =0,036;  N*  CI =0,554;  3NaO  PhO,  =0,032; 

3 CaO PhO,  =0,030  ; 3MgOPhO.  = 0,022;  NaO=0,093 

Da  diese  Berechnung  namentlich  in  Beziehung  auf  die  Verbin- 
dungen der  Phosphorsäure  mit  Alkalien  ganz  willktlhrlich  ist,  so 
kann  sie  nicht  in  der  Absicht  angestellt  worden  sein,  um  den 
wahren  Ausdruck  des  Salzgemenges  in  der  Blutasche  zu  geben. 
Aber  dennoch  ist  sie  von  Wichtigkeit,  denn  sie  zeigt  1)  dass  die 
fixen  Säuren  SO,,  Ph05,  C1H  nicht  hinreichen,  um  alle  Basen  zu 
sättigen.  Dieses  Resultat  ist  nicht  in  Uebereinstimmung  mit  den 
Angaben  anderer  Asehenanalytiker;  denn  wenn  man  auch  niemals 
saure  Blutaschen  beobachtete,  so  fand  man  doch  öfter  auch  solche, 
in  denen  die  Basen  grade  zur  Neutralisirung  der  angegebenen 
Sänren  hinreichten.  2)  Die  Natronsalze  überwiegen  ausserordentlich, 
nnd  unter  diesen  wieder  das  NaC'l  in  der  Art,  dass  die  Summe 
aller  übrigen  sich  zu  dem  Kochsalz  wie  3 und  5 verhält.  — Auf 
dieses  Verhalten  hat,  wie  es  scheint,  Denis  zuerst  die  Aufmerk- 
samkeit gelenkt. 

Hiernächst  entsteht  nun  die  viel  wichtigere  Frage,  in  welcher 
Verbindung  die  in  der  Asche  gefundenen  Minerale  in  der  Blut- 
flüssigkeit enthalten  sind.  Leider  befinden  wir  uns  nicht  in  der 
Lage,  über  diesen  wesentlichsten  Theil  der  Aufgabe  Aufschluss  zu 
geben;  denn  1)  wissen  wir  überhaupt  nicht,  in  welchen  gegenseiti- 
gen Anziehungen  sich  die  Bestandtheile  mehrerer  Salze  befinden, 
die  neben  einander  gelöst  sind,  mit  andern  Worten,  ob  z.  B.  ClKa 
und  2NaOPhO,,  und  wenn  sie  in  ein  und  derselben  Flüssigkeit 
gelöst  werden,  in  dieser  noch  als  solche  befindlich  sind,  2)  kennen 
wir  die  Verbindungen  der  organischen  Sänren  des  Blutes  nicht, 
insbesondere  ist  uns  die  Stellung  der  eiweissartigen  Stoffe,  welche 
nach  Wurtz  und  Lieberkllhn  schwache  Säuren  darstellen,  zu 
den  Basen  unbekannt,  3)  Ist  bis  jetzt  noch  keine  Angabe  geschehen, 
ob  in  der  Blutflüssigkeit  schwefelsaure  Salze  Vorkommen  und  in 
welcher  Menge.  4)  Wie  mehrt  sich  mit  der  Verbrennung  die  Menge 
der  Phosphorsäure?  Angesichts  dieser  Bedenken  lässt  sich  nur  Fol- 
gendes aussprechen. 

Ein  Theil  des  KO  oder  NaO  ist  mit  den  eiweissartigen  Stoffen 
verbunden,  da  wie  schon  erwähnt,  diese  zum  Theil  durch  Zusetzen 


Digitized  by  Google 


12 


Minerale. 


einer  Säure  zum  Serum  und  zwar  eutweder  sogleich,  oder  nach 
. vorgängigem  Kochen  gefällt  werden. 

Die  phosphorsaure  Kalk-  und  Bittererde  ist  mit  den  Eiweiss- 
körpern verbunden,  und  zwar  wahrscheinlich  als  dreibasisch  phos- 
phorsaure. Diese  Annahme  gründet  sich  darauf,  dass  in  einer 
alkalisch  reagirendcn  Flüssigkeit,  wie  sie  das  Blut  darstellt,  die 
erwähnten  «Salze  nur  dann  löslich  sind,  wenn  sie  mit  Eiweissstoffen 
-verbunden  Vorkommen;  die  mit  dem  Eiweisstoffe  des  Blutserums 
verbundene  phosphorsaure  Kalkerde  (und  Magnesia?)  ist  aber 
nach  Heintz  dreibasische. 

Die  Blutflüssigkeit  enthält  wahrscheinlich  kohlensaure  Alkalien. 
Denn  wenn  man  aus  der  Blutflüssigkeit  durch  Kochen  und  die 
Luftpumpe  alle  mechanisch  eingemengte  CO,  entfernt  hat,  kann 
durch  eine  zugesetzte  «Säure  eine  neue  Quantität  CO,  unter  der 
Luftpumpe  aus  ihr  erhalten  werden*). 

Die  Gründe,  aus  denen  Liebig  und  End  erlin  die  Anwesenheit  der  kohlen- 
sauren  Salze  läugneten,  scheinen  wiedcrlegt  zu  sein.  Jene  Chemiker  stützten  sich 
darauf,  dass  die  Blutasche  des  Menschen  und  der  Fleischfresser  (wohl  aber  die  der 
Grasfresser)  mit  Säuren  übergossen  , nicht  brausst.  Wir  haben  schon  angegeben,  dass 
die  kohlensäurehaltige  oder  knhlensaurenfreie  Asche  weder  die  Abwesenheit,  noch  An- 
wesenheit von  kohlonsauren  Salzen  in  der  Blutflüssigkeit  beweisen  kann.  — Liebig 
macht  ausserdem  geltend , dass  die  gekochte  und  filtrirte  Blutflüssigkeit  bei  Einträu- 
feln von  fiien  Säuren  keine  CO*  entwickle.  Diese  Thatsache  ist  aber  ebenfalls  nicht 
schlagend,  weil  die  CO,  - freie  Flüssigkeit  begierig  die  in  ihr  entwickelte  CO*  absorbirt, 
wie  March  and  und  Mul  der  darthaten , indem  sic  zeigten,  dass,  selbst  wenn  ein 
Zusatz  von  NaOCO*  zum  Blut  gemacht  war,  starke  Säuren  keine  Kohlensäure  aus  ihm 
frei  machten. 

Von  dem  phosphorsauren  Natron  der  Blutflüssigkeit  behauptet 
man  bald,  dass  es  zweibasisches  (1’hO,,  2NaO,  HO),  bald,  dass 
es  dreibasisches  (PhOs,  3NaO)  sei.  Für  die  letzte  Meinung  spricht 
die  Asche,  welche  kein  pyrophosphorsaures  Natron  enthält.  Hiergegen 
lässt  sieh  einwenden,  dass  das  zweibasisch  phosphorsaure  NaO  sich 
beim  Glühen  mit  kohlensaurem  «Salze  in  dreibasisches  umwandelt, 
woraus  sich  zur  Genüge  die  Abwesenheit  von  phosphorsaurem 
Natron  in  der  Asche  erklärt,  selbst  wenn  zweibasisches  Salz  in 
der  Flüssigkeit  vorkommt.  Die  Vertheidiger  des  zweibasisch'  phos- 
phorsauren Natrons  behaupten  noch  dazu,  dass  im  Blut,  d.  i.  in 
einer  mit  Kohlensäure  geschwängerten  Flüssigkeit,  gar  kein  drei- 


•)  March  And.  Jonrn.  für  pr.  Chemie  37.  Bd.  p.  321.  — Ueber  die  Controrersc  siehe  ttasser 
der  alten  Literatur  von  Grnelln,  Tiedcmann  , v.  Ensehut  u.  s.  w.  — Liehig.  Annaion  57.  Bd. 
126.  — Lehmann,  Journal  für  pr.  Chemie.  40.  Bd.  138.  — Mulder,  Schelk.  Ondentoek.  V. 
Deel.  438. 


Digitized  by  Google 


Kohlensäure. 


13 


basisch  phosphorsaures  Natron  bestehen  könne,  indem  es  augen- 
blicklich in  zweibasisches  und  kohlensaures  Salz  zerfalle.  Da  auch 
diese  letztere  Behauptung  nicht  durch  unwidersprechliche  That- 
sachen  erwiesen  ist,  so  muss  die  ganze  Frage  dahin  gestellt  bleibeD. 

Die  Gegenwart  von  NaCl  und  KaCl  ist  wohl  niemals  geläugnet 
worden.  Die  Kieselsäure  muss,  wenn  sie  vorhanden,  in  Verbindung 
mit  Alkalien  Vorkommen. 

lieber  die  Art  und  Weise,  wie  die  Metalle,  namentlich  die 
häutigen,  Eisen  und  Mangan  und  die  seltenen,  Blei  und  Kupfer,  ge- 
bunden sind,  wissen  wir  nichts. 

Den  hier  angezweifelten  Beweis  für  die  Zusammenordnung  der  einfachen  Bestand* 
theile  zu  complizirten  glaubt  C.  Schmidt  durch  Vergleichung  des  beobachteten  und 
des  hypothetischen  spezifischen  Gewichtes  der  Flüssigkeit  gegeben  zu  haben.  Das 
hypothetische  spezifische  Gewicht  der  Blutflüssigkeit  lässt  sich  über  nuch  seinen  Vor- 
aussetzungen ableiten,  wenn  man  weiss,  um  wie  viel  die  bekannten  Volumina  des 
Wassers  und  eines  löslichen  festen  Stoffs  bei  wirklich  geschehener  Lösung  dieses  letz- 
teren abnahmen , mit  andern  Worten:  wenn  man  die  Verdichtungscoefficienten  kennt 
Nachdem  er  diese  letzteren  bestimmt  hat  für  alle  die  Stoffe , welche  seiner  Voraus- 
setzung naeh  in  dem  Blutwasscr  gelöst  sind,  macht  er  die  weitere  Annahme,  dio  Ver- 
dichtung bleibe  dieselbe  selbst  für  den  Fall,  dass  die  einzelnen  StofTe,  statt  in  Wasser, 
in  einem  solchen  Salz  - Gemenge , wie  es  die  Blutflüssigkeit  darstellt,  gelöst  seien.  — 
Diese 'Voraussetzung  ist  nun  freilich  willktthrlich  j man  könnte  sie  jedoch  diessmal  eine 
glückliche  nennen  in . Anbetracht  der  von  ihm  gefundenen  Ueberstimmung  zwischen 
dem  hypothetischen  und  dem  wirklich  beobachteten  spezifischen  Gewichte.  Bei  ge- 
nauerer Ueberlcgung  ist  aber  gerade  diese  Uebercinstimmung  geeignet,  Misstrauen  zu 
erregen.  Denn  es  sind  die  von  ihm  angenommenen  Stoffe  der  Blutflüssigkeit : KOSO3; 
KaCl;  NaCl;  2Na0Ph08;  NaO;  3CaOPhü5;  2MgOPh()s;  Albumin,  Fibrin.  — Wie 
man  sogleich  sieht , sind  dieso  Stoffe  zum  Theil  offenbar  gar  nicht  im  Blute  vorhan- 
den, wie  z.  B.  KO  SO3;  NaO,  und  andere  übersehen  wie  das  Albumin-Natron,  die  Fette 
u.  s.  w. , Umstände,  welche  im  günstigsten  Falle  beweisen,  dass  für  die  Solzbcstand- 
thcile  die  vorgeschlagcno  C'ontrolc  nichts  leistet. 

14.  Die  Kohlensäure  nimmt  der  Menge  und  ihres  beson- 
deren Verhaltens  wegen  den  ersten  l'latz  unter  den  diffusibleu 
Gasarten  der  Blutflüssigkeit  ein.  Auf  die  Menge  schliessen  wir  in 
Ermangelung  einer  genllgenden  Analyse  aus  dem  grossen  Absorp- 
tionsvermögen (der  faserstofffreien)  Blutflüssigkeit*),  welche  unter 
dem  Atmosphärendruck  mit  CO,  gesperrt  das  anderthalbfache  bis 
doppelte  ihres  Volumens  von  dem  Gas  aufnimmt  (Scherer **), 
M nid  er  )***).  Da  H.  Nasse  diese  Beobachtung  dahin  erweitert 
hat,  dass  ein  Blut  um  so  mehr  CO,  absorbirt,  je  reieher  seine 


*)  Nachdem  alc  vorher  durch  Stehen  an  der  Luft  ihre  verdunstbare  COa  verloren  ? 
**)  Lleblga  Annalen,  so.  Bd.  p.  30. 

Phyalolog.  Chemie,  Braunnchweig  1186. 


Digitized  by  Google 


14 


Sauerstoff  und  Serum. 


Asche  an  NaOCO,  ist;  da  nach  der  vollkommenen  Sättigung  mit 
CO,  die  Flüssigkeit  noch  alkalisch  reagirt,  und  da  die  gesättigte 
Blutflüssigkeit  mit  fixen  Säuren  versetzt,  die  Hälfte  ihrer  CO,  selbst 
in  einer  kohlensänrehaltigen  Atmosphäre  verliert,  so  kann  man 
nicht  im  Zweifel  sein,  dass  dieser  CO,  — Antheil  durch  eins  der 
alkalisch  reagirenden  Blutsalze  NaOCO,  oder  2Na0Ph05  auf- 
genommen und  verdichtet  wurde.  Vergleiche  die  Gase  des  Ge- 
sammtblutes. 

1 5.  Die  Gegenwart  des  Stick-  und  Sauerstoffs  vermuthen 
wir,  weil  die  Blutflüssigkeit  als  eine  wässerige  Lösung  beide  Luft- 
arten in  geringen  Mengen  anfnimmt.  Wir  haben  keinen  Grand,  anzu- 
nehmen, dass  die  Gasarten  anders  als  diffundirt  darin  enthalten  seien. 

16.  Der  Wassergehalt  der  Blutflüssigkeit  ist  im  Mittel  auf 
90  bis  93  pCt.  gefunden  worden. 

S e r u ui.  Derjenige  Antheil  der  Blutflüssigkeit,  welcher  zurlick- 
bleibt,  nachdem  der  Faserstoff  ausgeschieden  ist,  wird  altem  ärzt- 
lichem Herkommen  gemäss  Serum  sanguinis  genannt.  Dieses 
Serum  ist  von  praktischer  Bedeutung  für  die  Blutanalytiker,  weil 
nur  diese,  nicht  aber  das  gesummte  Plasma  der  Untersuchung  so 
weit  zugänglich  ist,  dass  spez.  Gewicht,  Farbe,  Cousistenz  u.  s.lw. 
beobachtet  werden  können. 

Da  in  der  That  die  Menge  des  ausfallenden  Faserstoffs  sehr 
gering  ist,  und  die  Eigenschaften  desselben,  so  lange  er  in  Lösung 
befindlich,  soweit  wir  wissen,  sich  nicht  von  denjenigen  der  übrigen 
Eivveissstofl'e  unterscheiden,  so  würde  eine  Uebereinstimmung  in 
den  physikalischen  Verhältnissen  von  Plasma  und  Berum  statuirt 
werden  dürfen,  wenn  dieses  letztere  nur  hinreichend  rein  erhalten 
werden  könnte.  Dies  ist  aber  nur  selten  der  Fall. 

Das  Serum  gewinnt  man  entweder  so,  dass  inan  das  aus  der  Ader  gelassene  Blut 
sogleich  gerinnen  lässt.  Der  durch  die  ganze  Masse  de*  Blutes  vertheiltc  Faserstoff 
Bchlicsst  bei  seiner  Gerinnung  sämmtlichc  Blutkörperchen  sammt  der  Blutflüssigkeit 
ein,  so  dass  unmittelbar  nach  derselben  das  Blut  einen  zusammenhängenden,  sehr 
lockeren  Xuehen  bildet.  Nach  einiger  Zeit  aber  beginnt  die  Zusammenzichung  des 
Faserstoffs,  so  dass  nun  die  Blutflüssigkeit  aus  dem  Kuchen  ausgetricben  wird,  wäh- 
rend ein  sehr  grosser  Theil  der  Körperchen  des  Blutes,  welcher  auf  dem  Fascrstoff- 
balken  aufgelagert  ist,  den  Bewegungen  derselben  folgt  und  in  dem  Kuchen  eingc- 
schlossen  bleibt  So  unternimmt  das  Blut  selbst  eine  Filtration , die  wir  vergebens 
künstlich  nachauahmen  versuchen.  — Begreiflich  ist  aber  auch  diese  Filtration  keine 
vollkommene  und  namentlich  tritt  ein  aufgeschwemmter  Bestandtheil,  der  dem  Faser- 
stoff- weniger  stark  zu  adhäriren  scheint,  die  sog.  Lj-mphkörperchen , mit  dem  Serum 
aus  dem  Kuchen.  Diese  Körperchen  sind  nun  entweder  spez.  leichter'als  das  Serum, 
sie  treten  nach  oben  (und  können  zura  Theil  wenigstens  abgehoben  werden?)  oder  sie 


Digitized  by  Google 


Blutscheiben. 


15 


Hind  von  gleicher  Eigenschwere ; diese  verunreinigen  also  das  Serum.  Da  das  Filter, 
welches  dem  Blutserum  noch  den  Durchtritt  gestattet,  sie  nicht  zurückhält,  so  werden 
aie  nicht  von  der  Blutflüssigkeit  getrennt  und  bilden  immer  vorkommende  Verunrei- 
nigungen derselben.  — Zuweilen  zieht  man  es  vor,  das  Blut  nach  dem  Austritt  aus 
der  Ader  sogleich  zu  schlagen  zur  Abscheidung  des  Faserstoffs  und  die  zurtickhleibende 
Flüssigkeit  sich  selbst  zu  überlassen  ; bei  vollkommener  Ruhe  derselben  senken  sich 
dann  die  rothen  Körperchen  desselben  allmählig  zu  Boden.  Das  auf  die  eine  oder 
andere  Art  geschiedene  Serum  hebt  man  dann  vorsichtig  mit  der  Pipette  vom  Boden- 
satz oder  dem  Blutkuchen  ab. 

Das.  spez.  Gewicht  des  meist  gelblich  gefärbten  Serums  wird 
im  Mittel  zu  1028,  das  des  Wassers  = 1000  gesetzt,  angegeben. 

B.  Aufgesebwemmte  Blutbestandtheile. 

Zu  ihnen  gehören  die  Blutscheiben,  die  Lymphkörpercheu,  die 
Molekularkömeben  und  Faserstoffschollen. 

a.  Die  Bluts  eh  eiben  sind  im  Blute  ungemein  zahlreich 
vertreten,  indem  nach  den  Zählungen  von  Vierordt*)  und 
II.  Welker**)  in  einem  Cubikmillimeter  Blut  4 bis  5,5  Millionen 
Stück  enthalten  sind. 

Die  Zählung  der  Blutkörperchen  ln  einem  genau  gemessenen  Blutvolumen  ist  zu- 
erst von  Vierordt  ausgeführt;  diese  mühsame  Arbeit  ist  durch  die  Welkcr'schen 
Verbesserungen  der  Technik  wesentlich  vereinfacht  worden.  Sie  würde  nach  diesem 
letzteren  Autor  zu  einer  verhältmssmässig  sehr  leichten  werden,  wenn  sich  die  An- 
nahme desselben  bestätigte,  dass  die  färbende  Kraft  des  Bluts  in  einer-  festen  Be- 
ziehung zu  der  Zahl  seiner  Körperchen  stände.  Wäre  dieses  der  Fall  so  würden  die 
Körperchen  in  einem  C.-Mm.  Blut  gezählt,  und  zugleich  ein  anderes  bestimmtes  Volum 
desselben  Bluts  mit  einem  gemessenem  Volum  einer  farblosen  Flüssigkeit  z.  Bi  ver- 
dünntem Alkohol  zu  vermischen  sein  ; sollte  nun  der  Blutkörperchcngch&lt  einer  andern 
Blutprobe  ermittelt  werden,  so  verdünnt  man  diese  so  lange  mit  derselben  farblosen 
Flüssigkeit,  bis  sie  die  Farbe  der  ersten  Mischung  angenommen.  Die  Blutkörperchcn- 
xahlcn  verhalten  sich  wie  die  Volumina  der  Zusatzflüssigkciten. 

1.  Anatomisches  Verhalten  ***).  Die  Blutscheiben  sind  kleine 
Zellen,  deren  Inhalt  rotli  oder  grlln  (Brücke)  gefärbt  ist;  obwohl 
ihre  Form  keineswegs  als  eine  beständige  anzusehen  ist,  so  stellt 
doch  die  weitaus  grösste  Zahl  derselben  Rundscheiben  dar,  die  auf 
der  Fläche  liegend,  sich  wie  eine  oben  hohle  Linse  ausnehmen, 
während  sie  auf  dem  Rande  stehend  das  Ansehen  eines  Biscuits 
darbieten.  Auf  eine  Vertiefung  der  obern  Fläche  schliessen  wir 
aus  der  Vertheilung,  die  hier  das  Licht  eines  Büschels  erfährt, 
welches  von  der  untern  Fläche  her  mit  parallelen  Strahlen  in  die 
Blntscheiben  eingedrungen  ist;  bekanntlich  erscheint  beim  durch- 

«)  Archiv  f.  phyilol.  Heilkunde.  Xi.  20.  227.  OM.  Xlll.  299. 

Prager  Vlerteljehrechrm.  XI,  IV.  11. 

•••)  Kü  111k  er,  Handbuch  der  Gewebelehre.  5.  0«.  — Vierordt,  Archiv  fiir  phyalnlog.  Heil- 
kunde. XI.  864. 


'S 


JDigiti^ed-by  Google 


16 


Blutacheiben. 


fallenden  Liebt  die  belle  Mitte  des  Blutkörperchens  von  einer 
leichten  Verdunklung  umgeben,  auf  die  nach  aussen  ein  heller 
Ring  folgt;  analysirt  man  aber  den  Gang  der  parallelen  Strahlen 

1234  Fig.  1.  durch  die  planeocave 
Linse  aa. , so  wird  man  sogleich 
sehen,  dass  auf  der  oberen  Fläche 
die  Mitte  hell,  der  ausgebogene 
Theil  lichtschwach,  und  der  Rand 
wieder  lichtstark  erscheinen  muss. 
— Die  Biscuitform  der  auf  der 
Kante  stehenden  Blutscheiben  be- 
weist, dass  der  Rand  nicht  überall 
gleich  breit  ist,  denn  sonst  müsste 
diese  Ansicht  ein  Rechteck  darstellen.  — Ausser  dieser  häufigsten 
Gestalt  kommen  noch  andere  vor,  zuweilen  steht  die  Vertiefung 
excentrisch,  oder  die  Scheibe  ist  auf  beiden  Flächen  erhaben,  oder 
die  Ränder  tragen  Zacken. 

Die  Blutkörperchen  der  ersten  Form  kann  man  in  ein  kugeliges  Gebilde  verwan- 
deln, wenn  man  die  Blutflüssigkeit,  in  der  sie  schwimmen,  mit  Wasser  verdünnt,  wo- 
durch wahrscheinlich  in  Folge  einer  Diffusionsströmung  der  Inhalt  vermehrt  wird.  — 
Die  Zackenform  erhalten  die  Körperchen,  wenn  sie  in  eine  concentrirte  Lösung  von 
Glaubersal»,  Zucker  u.  s.  w.  gebracht  werden.  Ueber  andere  Formveränderungen  siehe 
bei  Lind  wurm  *) , Donders,  Moleschott  ••),  8 tanni u s •**) , Lehmann  f). 

Der  Inhalt  der  Blutscheiben  ist  bald  mehr,  bald  weniger  tief 
gefärbt,  bald  ist  er  klar,  bald  noch  mit  Körnchen  und  Krümeln 
gefüllt. 

2.  Chemische  Beschaffenheit.  Um  das  Blutkörperchen  behufs 
seiner  quantitativen  Zerlegung  vom  Plasma  zu  sondern,  hat  F. 
Hoppe  ff)  einen  schon  von  Zimmer  mann  fff)  angedeuteten  Weg 
eingcschlagen.  Er  ist  ausführbar  an  Blut,  dessen  Körperchen  sich 
schon  merklich  gesenkt  haben,  bevor  die  Gerinnung  des  Faserrtoffs 
eingetreten.  Von  einem  solchen  Blut  schöpft  man  das  über  dem 
rothen  Theil  stehende  Plasma  ab,  und  bestimmt,  nachdem  die  Ge- 
rinnung in  den  beiden  gewogenen  Portionen  (der  farblosen  und 
der  gefärbten)  cingetreteu,  den  Faserstoff.  Da  man  den  Faserstoff 
als  nur  dem  Plasma  angehörig  ansehen  darf,  so  gewinnt  mau  aus 


Fig.  I. 


*)  Zeitschrift  v*  llcnlc  u.  Pfeuffer.  VI.  Bd.  266. 

*•)  Holland,  Beiträge  p.  360  u lllaatr.  mod.  Zeitg.  III.  79. 
■■•)  Beohachtg.  Über  VerjUngunguvorgÄnge.  Rostock  185.1. 
t)  Physiolog.  Chemie.  II.  164. 
ff)  Archiv  für  phyaiolog.  Heilkunde.  XI.  398. 
ftt)  Virchowa  Archiv  XU.  Bd.  4M. 


Digitized  by  Google 


Blutsoheiben. 


17 


der  bekannten  Verhftltnisszahl  zwischen  Plasma  nnd  Faserstoff  nnd 
dem  bekannten  Faserstoff  des  Blutkuchens,  den  Plasmagehalt  des 
letztem  durch  Proportionsrechnung.  Wäre  nun  der  Blutkuchen  und 
das  reine  Plasma  weiter  zerlegt,  so  würde  man  auch  die  Zusammen- 
setzung des  im  Blutkuchen  enthaltenen  Plasma’s  finden  können, 
und  es  würde  durch  Snbtraction  der  ihm  augehörigen  Stoffe  von 
den  entsprechenden  im  gesummten  Blutkuehen  gefundenen  die  Zu- 
sammensetzung der  Blutkörperchen  zu  berechnen  sein. 

Diese  Methode  verlangt,  was  besonders  zu  betonen  ist,  dass  die  Scheidung  von 
Plasma  und  dem  gefärbten  Blutanthcil  vorgenommen  wird , bevor  die  Gerinnung  ein- 
trat; denn  ohne  diess  würde  man  das  wahre  Verhältniss  zwischen  Plasma  und  Faser- 
stoff nicht  finden,  weil  nach  Ausscheidung  des  letztem  augenblicklich  das  diffusive 
Gleichgewicht  zwischen  den  rothen  Scheiben  und  der  umgebenden  Flüssigkeit  gestört 
sein  würde.  — F.  Hoppe  fordert  auch,  und  zwar  mit  Recht,  eine  noch  viel  ge- 
nauere Bestimmung  des  Faserstoffs  als  die  bisher  gebräuchliche , hei  der  man  weder 
die  geformten  Einschlüsse  in  das  Gerinnsel , noch  auch  dieses  selbst  ohne  Zersetzung 
auswaschen  kann.  Würde  das  Verfahren  zu  einem  wirklich  strengen  erhoben,  so  müsste 
es  als  ein  grosser  Fortschritt  begrüsst  werden.  Diese  Hoffnung  steigt  um  so  mehr, 
als  Brücke  uns  das  Blut  sehr  langsam  gerinnen  lehrte.  — Alle  andern  Methoden, 
welche  zur  Sonderung  dor  Blutkörperchen  vorgeschlagen  sind , beruhen  entweder  auf 
unrichtigen  Voraussetzungen  oder  die  an  und  für  sich  richtigen  Vorschläge  sind  un- 
ausführbar. Sie  sind  der  Reihe  nach  aufgezählt: 

1.  Filtration.  Vorsetzt  man  ein  von  Faserstoff  befreites  Blut  mit  seinem 
mehrfachen  Volum  einer  concentrirten  Glaubersalzlösung , und  leitet  durch  dasselbe, 
nachdem  es  auf  ein  Papierfilter  gebracht  worden,  Sauerstoffgas,  so  wird  nicht  allein 
die  Mehrzahl  der  Körperchen  zurückgehalten,  sondern  es  lässt  sich  auch  durch  Glauber- 
salz der  Rückstand  so  vollkommen  auswaschen,  dass  die  Waschflüssigkcit  kein  CINa 
und  keine  organischen  Bestandtheile,  namentlich  kein  Eiwciss  mehr  onthält.  (Bcrze- 
lius,  Dumas*),  Lecanu**)).  Diesen  ausgewaschenen  Rückstand  haben  einzelne 
Chemiker  für  reine  Blutkörperchen  angesehen,  eine  Meinung,  welche  sowohl  die  phy- 
sikalische Ueberlegung  wie  auch  das  optische  Verhalten  als  unrichtig  erweist,  indem 
die  Körperchen,  wie  wir  schon  erfuhren,  unter  dem  Einfluss  der  Salzlösung  ver- 
schrumpfen  und  ihre  Form  ändern;  diese  Formänderung,  namentlich  das  Schrumpfen 
derselben,  ist  nothwendig,  wenn  man  bedenkt,  dass  der  Inhalt  durch  die  für  wässrige 
Lösungen  durchgängige  Membran  auf  diffusivem  Wege  der  Glaubersalzlösung  einen 
Theil  seiner  Bestandtheile  abgeben  und  dafür  andere  empfangen  muss.  Einen  weiteren 
Beweis  für  diese  Behauptung  wird  man  zu  liefern  im  Stande  soin,  wenn  man  eine 
solche  mit  Glaubcrsalxlösung  gewaschene  Blutkörperchenmasse  einige  Zeit  in  dieser 
Lösung  aufbewahren  und  diese  letztere  auf  ihre  Bestandtheile  untersuchen  würde.  Diese 
Einwendungen,  können  natürlich  dem  Filtrationsverfahren  seinen  grossen  Werth  für  die 
qualitative  Untersuchung  des  Blutkörperchens  nicht  rauben. 

2.  Man  behauptete  zu  verschiedenen  Zeiten  (Dumas-Prevost,  C.  8chmidt***), 
dass  ein  oder  der  andre  Stoff  nur  der  Blutflüssigkeit  oder  dem  Serum,  nicht  aber  den 

•)  Compt.  rend.  XXII.  900. 

••)  tbld.  XXV.  U. 

—)  I.  c.  p.  18. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  2 


Digitized  by  Google 


18 


Blutscheiben. 


Körperchen  eigen  sei.  So  hielten  Dumas  und  Prevost  dafür,  die  Blutkörperchen 
seien  mit  Serum  durch  tränkte  und  gefüllte  Säcke ; indem  somit  das  EigentUümliche 
der  Blutscheibe  nur  in  ihrer  Haut  bestehen  sollte,  sprachen  sie  ihr  allen  Wassergehalt 
ab.  Diese  Annahme  ist  aber  durch  mancherlei  Thatsachen,  insbesondere  durch  die 
Untersuchung  der  Ältrirtcn  Blutkörper  widerlegt.  — C.  Schmidt*)  nimmt  an, 
dass  das  Chlor  der  Blutscheiben  mit  Kalium , das  des  Serums  mit  Natrium  verbunden 
sei,  so  dass  also  dem  einen  Bestandteil  das  Chlorkalium,  dem  andern  das  Kochsalz 
abgehe.  Diese  Annahme  ist  aber  rollkomen  willkürlich,  weil  selbst  nach  seinen  Beob- 
achtungen neben  NaCl  und  KaCl  noch  die  Anwesenheit  von  NaO  in  den  Blutscheiben 
und  von  KaO  in  dem  Serum  fcststeht.  — 

3.  Zimmermann  und  Vierordt  haben  vorgeschlagen,  ein  Gemenge  von 
Serum  und  Scheiben  einem  Stoff  von  beliebiger  Zusammensetzung  beizumischen , für 
welchen  die  Blutscheibenhülle  undurchdringlich  sei  und  der,  obwohl  er  sich  im  Wasser 
löse,  weder  Wasser,  noch  irgend  einen  andern  Bestandteil  des  Blutscheibeninhaltes 
an  sich  ziehe.  Gabe  cs  einen  solchen  Körper,  so,  würde  die  Aufgabe  gelöst  sein  : den 
Gehalt  einer  beliebigen  Blutmenge  an  Serum  und  Scheiben  und  daraus  die  Zusammen- 
setzung der  letztem  zu  bestimmen.  Denn  man  hätte  zu  einem  bekannten  Gewicht  Blut 
eine  gewogene  Menge  des  fraglichen  Stoffs  zu  setzen , aus  diesem  Blut  Serum  zu  ge- 
winnen und  den  prozentischen  Gehalt  desselben  an  dem  zugesetzten  StofT  zu  ermit- 
teln; offenbar  würde  dann  aus  der  eingetretenen  Verdünnung  die  Masse  dos  anwesen- 
den Serums  gefolgert  werden  können.  Dieser  einfache  Vorschlag  scheitert  aber  daran, 
dass  es  schwerlich  einen  Stoff  von  den  verlangten  Eigenschaften  giebt;  nach  den  bis 
dahin  vorliegenden  Thatsachen  Über  Diffusion,  würde  nur  der  Zusatz  die  verlangten 
Eigenschaften  besitzen,  dessen  Zusammensetzung  mit  der  des  Serums  znsamroenfielen, 
mit  andern  Worten:  ein  solcher,  der  sich  schon  diffusiv  mit  dem  Inhalt  der  Blutkör- 
perchen ausgeglichen.  Dieser  Zusatz  würde  uns  aber  nichts  helfen,  denn  damit  würde 
die  prozentische  Zusammensetzung  des  Serums  nicht  umgeändert  und  auf  dieser  Um- 
wandlung beruht  die  Brauchbarkeit  des  Verfahrens. 

4.  Man  hat  auch  den  Versuch  gemacht,  das  Volum  der  Blutkörperchen  oder  des 
Serums  zu  bestimmen,  entweder,  indem  man  die  Blutkörperchen  eines  bekannten  Volums 
Blut  zählte  und  die  Zahl  mit  dem  Volum  eines  Blutkörperchens  multiplizirte , dessen 
Durchmesser  man  unter  dem  Mikroskop  bestimmt  hatte,  oder  indem  man  Scheiben  aus 
dem  Blutkuchen  schnitt  und  die  Zwischenräume  zwischen  den  einzelnen  Blutkörperchen 
zu  messen  suchte  u.  s.  w.  Man  kann  kaum  der  Meinung  sein,  dass  es  mit  diesem 
Vorhaben  Emst  gewesen  sei. 

Von  quantitativen  Bestimmungen  liegt  nur  die  des  Wassergehalts 
der  Blutkörperchen  vor.  Er  betrug  im  Blute  eines  Pferdes,  dessen 
Serum  in  100  Theilen  = 90,824  Wasser  enthielt  =*  56,5  pCt. 
(F.  Hoppe)  **). 

An  andern  bis  dahin  nur  qualitativ  bestimmten  Stoffen  sind  die 
Blntscheiben  eigen: 


•)  1.  c.  p.  18. 

••)  Hoppe  rechnet  nach  seinen  Beobachtnngszahlen  G'i.M*  pCt.  Wasser  am,  wozu  sie  aber 
nicht  fuhren. 


Digitized  by  Google 


Blutacheiben. 


19 


Eiweissstoffe*)  und  zwar  als  Hülle  der  Blutkörperchen  in 
fester  und  iminhalt  derselben  in  flüssiger  Form  (Globulin).  Die 
chemischen  Eigenschaften  und  die  Zusammensetzung  lässt  sich  nicht 
angeben,  da  keiner  von  beiden  rein  genug  dargestellt  ist. 

Haematin.  Der  rothe  Stoff,  gewonnen  nach  dem  Verfahren 
von  Lecanu,  Gmelin  und  Wittich **)  scheint  weder  rein  noch  un- 
verändert zu  sein,  doeh  steht  er  den  unveränderten  mindestens  sehr 
nahe,  denn  er  kann  wie  der  Blutfarbstoff  den  dichroitischen  Zustand 
annehmen,  d.  b.  er  erscheint  bei  auffallendem  Lichte  roth  und  bei 
durchfallendem  grün,  wenn  seine  ammoniakalische  Alkohollösung 
mit  viel  Wasser,  oder  mit  Kali,  Natron,  NaoCO, , KOCO,, 
Amo.  CO,  oder  CO,  versetzt  wird  (Brücke)***).  Ausserdem  theilt 
er  mit  dem  frischen  Blutfarbstoff  die  Eigenschaft,  die  Guajaetinktur 
blau  zu  färben,  wenn  er  ihr  gemeinsam  mit  altem  Terpentbinöl 
oder  Wasserstoffsuperoxyd  zugesetzt  wird.  Dieses  Verhalten  stellt 
ihn  in  die  Reihe  der  Körper,  welche  den  gewöhnlichen  Sauerstoff 
in  Ozon  umwandeln  (His  ****),  Schönbein). 

liaeiuatin  und  Globulin  im  Gemenge  (Hacmin  und  Haematocryst&llin)  sind  neuer* 
dings  vielfach  auf  ihre  KrysUllitationsersohein ungen  untersucht  worden  von  Kunde, 
Funke,  Lehmann  f),  Toichmannff),  Meckel  fff).  Diese  ungemein  interes- 
santen Thatsachen  sind  leider  noch  von  keiner  tüchtigen  chemischen  Hand  benutzt 
worden,  um  uns  Aufklärung  Uber  die  chemische  Natur  der  genannten  Stoffe  zu  Ver- 
schaffen. — Wesentlliche  Fehler  in  den  Resultaten  dor  L e c a n u * sehen  ttt+)  Unter- 
suchung über  die  Eigenschaften  desselben  Gemenges  weist  Wittich  nach;  dem  ent- 
sprechend verlieren  auch  die  Dumas 'sehen  Elementaranalysen  der  hltrirtcn  und  ge- 
trockneten Körperchen  ihren  letzten  Werth. 

Ein  phosphorhaltiges  Fett;  der  ätherische  fettartige  Aus- 
zug der  mit  Glaubersalz  filtrirten  Scheiben  binterlässt  22pCt.  einer 
sauren  phosphorsauren  Kalkasche. 

Die  Asche  der  Blutkörperchen  ist  reicher  an  Eisenoxyd  und 
phosphorsauren  Alkalien  und  reicher  an  Kali  (H.  Nasse  §), 
Schmidt  §§),  Wcber§§§)  und  die  Summe  der  Kalien  und  Erden 

*)  Doudcrs  und  Moleac  hott  in  den  holländischen  Beiträgen  p.  40  und  cbcudaselb«t 
p.  360.  — Lehmann,  pbyslolog.  Chemie.  II.  Bd.  165.  • 

••)  Journ.  f.  prakt.  Chemie.  Gl.  Bd.  11.  — Pharma*.  Centlall. I.  1S54.  Nr.  t3. 

***)  Sitzungsbericht  der  Wiener  Akademie.  XI.  Bd.  1070.  Pbarmaz.  Ccntralbi.  IBM.  Nr.  14. 

••••)  Virchowe  Archiv  X.  Bd.  499. 

" f)  Leipziger  akadem.  Berichte.  1862  p.  und  29.  1863  p.  111.  Auagczogen  im  Journal  für 
prakt.  Chemie.  — 

ft)  Zeitschrift , Heule  und  Pfeuffer  N.  F.  III.  376. 

ttt)  Ceber  Haematogiobnlin  , Dänisch«  Klinik  1862. 

ttt!)  Pharm az.  Ceatralbl.  1862.  708. 

f)  Wagners  Handwörterbuch.  1.  Bd.  177  u.  180. 

H)  I.  c.  p.  30. 

W§)  Pogg.  Annal.  81.  Bd.  91. 

2* 


Digitized  by  Google 


20 


Blutscbeibeu. 


ist  in  gleichen  Gewichtetheilen  Blutkörperchen  geringer  als  in  dem 
Serum.  — 

Die  Blutkörperchen  enthalten  endlich  auch  auf  mechanischem 
Wege  abscheidbare  Gase,  insbesondere  Sauerstoffgas,  da  die  Volum- 
einheit  eines  Gemenges  von  Körperchen  nnd  Serum  mehr  Sauerstoff 
zu  absorbiren  vermag  als  die  des  Serums.  (J.  Davy,  H.  Nasse  *). 
Da  die  Volumeinheit  des  Gesammtbluts  noch  weniger  CO,  aufnimmt 
als  die  des  Serums,  so  beweist  dies»,  dass  die  Körperchen  wenig 
oder  gar  keine  CO,  anfsaugen.  Leitet  man  Sauerstoffgas  durch 
Blut,  so  nimmt  es  eine  hellrothe  Farbe  an;  fttgt  man  während,  die 
Einleitung  von  0 fortdauert,  dem  Blute  Rohrzucker,  Weinstein  oder 
essigsäurefreien  Alkohol,  oder  ameisensäurefreien  Methylalkohol 
oder  ölsaures  Natron  oder  kohlensaures  Ammoniak  zu,  so  findet 
man  nach  21  bis  22  Stunden  den  Rohrzucker  und  Weinstein  gar 
nicht  die  Oelseife  nur  theilweise  wieder,  statt  des  Alkohols  und 
Essigsäure  und  statt  des  Methyls  Ameisensäure  und  statt  des  Am- 
moniaks Salpetersäure.  Trägt  man  unter  gleichen  Bedingungen 
die  oben  erwähnten  Stoffe  in  das  Serum  ein,  so  findet  man  sie 
unverändert  (Ketzinsky **).  Hieran  schliesst  sich  die  Betrachtung 
von  Schönbein***),  dass  eine  mit  Terpenthinöl  oder  Wasserstoff- 
superoxyd vermengte  Guajactinktur  durch  einen  Zusatz  von  Blut, 
nicht  aber  durch  Serum  blau  gefärbt  wird.  Diese  Eigenschaft  ist 
vom  Eisengehalt  der  Körperchen  abhängig,  da  weder  Fäulniss 
noch  Siedehitze,  wohl  aber  Entziehung  des  Eisens  die  Erscheinung 
aufhebt  — Nach  Lothar  Meyer  f)  kann  der  in  das  Blut  aufge- 
nommene Sauerstoff  durch  Kochen  leicht  wieder  aus  ihm  entfernt 
werden;  setzt  man  aber  dem  Blut  bis  zum  schwachen  Ansäuren 
Weinsteinsäure  zu,  so  wird  der  Ostoff  zum  grössten  Theil  so  fest 
gebunden,  dass  er  nicht  wieder  ausgetrieben  werden  kann.  — 
Endlich  beobachtete  Harlayff)  dass,  wenn  man  mit  geschla- 
genem Blut  atmosphärische  Luft  24  Stunden  hindurch  in  Berührung 
lässt,  dieses  Ostoff  bindet  und  CO,  in  mehr  als  doppelt  so  grosser 
' Quantität  ausgiebt,  als  das  Serum  unter  gleichen  Umständen. 
Alle  diese  Thatsachen  zeigen,  dass  die  Blutkörperchen  nicht  allein 
eine  ausgesprochene  Verwandschaft  zum  Sauerstoff  besitzen,  son- 


•)  I.  c.  177. 

*•)  Scherer**  Jahresbericht  fUr  pbysiulof.  Chemie  fUr  IBM.  p.  104. 

•••)  MUnchncr  akademische  Denkschriften  nnd  Schriften  der  natnrforschsnden  Gesellschaft  in 
Basel  1 HAH.  II.  9. 

■f)  Henle's  und  Pfenffer's  Zeitschrift.  N.  F.  VIII.  Bd. 

■J  Scherer,  Jahresbericht  fUr  phyalolog.  Chemie  fUr  IHM»  p.  1A7. 


Digitized  by  Google 


Lymphkörperchen. 


21 


dem  noch  mehr,  dass  eie  dieees  Element  anch  befähigen,  chemische 
Verbindungen  einzugehen,  die  ohne  ihre  Vermittelung  nicht  zu 
Stande  gekommen  wären. 

Schüttelt  man  das  Blut  einige  Minuten  lang  mit  C0„  so  nimmt 
es  eine  dunkle  Farbe  an,  und  wird  dichroitisch.  Diese  Doppel- 
farbigkeit kann  ihm  durch  Berührung  mit  Ogas  wieder  entzogen 
werden  (Brücke).  Schüttelt  man  das  stark  mit  Wasser  verdünnte 
Blut  dagegen  10 — 15  Minuten  lang  mit  CO,,  so  wird  das  Blut 
braun  und  die  rothe  Färbung  kann  ihm  durch  Zufuhr  von  Sauer- 
stoffgas nicht  wieder  gegeben  werden  (Heidenhain)*). 

Kohlenoxyd  treibt  da«  mit  den  Körperchen  verbundene  Ogaa  au«  und  färbt  die- 
selben kirschroth,  diese  Färbung  kann  durch  0,  COt,  Kochen  und  da«  Vacuura  nicht  ent- 
fernt werden,  woraus  in  Verbindung  mit  der  allbekannten  Erfahrung,  dass  das  Athmen 
dieses  Gases  zur  Erstickung  fährt,  zu  schliessen  ist,  dass  .die  Verbindung  des  Blut- 
roths  mit  CO  die  Aufnahme  von  0 verhindert.  (F.  Hoppe)**),  CI.  Bernard, 
L.  Meyer.) 

b — d.  Lymphkörperchen,  Molokularkörnchen,  Fa- 
serstoffschollen finden  sich  neben  den  farbigen  Körperchen  im 
Blut  aufgeschwemmt ; da  weder  Uber  die  chemische  Zusammen- 
setzung und  noch  weniger  über  die  physiologischen  Beziehungen 
dieser  Stoffe  etwa»  bekannt  geworden,  so  unterlassen  wir  es  hier, 
ihre  Form  darzustellen,  welche  ausführlich  in  den  Lehrbüchern 
der  mikroskopischen  Anatomie  behandelt  wird.  Diese  Gebilde 
zeigen***)  (Wharton,  Jones,  Robin,  Lebert,  Lieber- 
kühn, Ecker,  Häckel)  sehr  langsame  Bewegungen,  in  Folge 
deren  sie  aus  der  Kngel-  in  die  Stern-  und  noch  manche  andere 
Formen  übergehen. 

Die  Zahl  der  farblosen  Körperchen  ist  viel  geringer  als  die 
der  farbigen;  nach  den  Zählungen  von  Welker  f)  sind  in 
1 Cubikmillimeter  Blut  zwischen  8000  bis  13000  enthalten,  so  dass 
nach  zwei  vergleichenden  Zählungen  auf  350  bis  500  rothe  1 farb- 
loses kam.  Ueber  die  wechselnden  Mengenverhältnisse  der  Lymph- 
körperchen sind  die  Artikel:  Milz,  Leberblnt,  Blut  während  der 
Verdauung  nach  gewissen  Nahrungsmitteln,  und  Uber  die  Bezie- 
hung zwischen  Blut  und  Lymphkörperchen  ist  der  Abschnitt  Uber 
Lymphe  nachzusehen.  — 


*)  Disqalsitionea  critlcae  et  experimentale«  de  sanguinis  quantitato.  Halae  1857.  p.  33. 

**)  Vlychows  Archiv  XI.  Bd.  388. 

•••)  Müllers  Archiv  1857.  HO.  Würzburger  Verhandlungen  Dsscmber  1858.  — 

|)  I.  c.  p.  34. 


Digitized  by  Google 


22 


BluUnalysf 


C.  Oesammtblut. 

1.  Eine  erschöpfende  quantitative  Analyse  des  Gesammtblnts 
kann  erst  dann  7,nr  Ausführung  kommen,  wenn  es  gelungen  ist, 
die  Blutkörperchen  von  der  Blutflüssigkeit  scharf  zu  trennen  und 
wenn  uns  nicht  allein  alle  Blntbcstandtheile,  sondern  auch  eine 
quantitative  Bestimmungsmethode  jedes  einzelnen  bekannt  ist.  In 
Ermangelung  einer  solchen  begnügt  man  sich  mit  der  annährend 
richtigen  Bestimmung  einzelner  Bestandtheile  des  Bluts,  und  nament- 
lich ermittelt  man  den  Wassergehalt,  die  Summe  der  im  kochenden 
Wasser  unlöslichen  Bestandtheile  (Hüllen  der  Blutkörperchen,  Eiweiss- 
stoffe der  Körperchen  und  der  Flüssigkeit  mit  eingeschlossenen 
Salzen),  der  in  Aether,  in  kochendem  Alkohol  und  in  Wasser  lös- 
lichen nnd  der  nnverbrennlichen  Bestandtheile,  sowie  ferner  des 
Wassergehaltes  der  Blutkörperchen.  Obwohl  man  auf  der  von 
Hoppe  verfolgten  Bahn  noch  weiter  Vordringen  könnte,  so  kann 
doch  aus  diesen  Beobachtungen  niemals  die  ganze  Bedeutung  des 
Bluts  nnd  seiner  Veränderungen  gefunden  werden.  Damit  ist  nicht 
ausgeschlossen,  dass  die  gewonnenen  Erfahrungen  über  diesen  oder 
jenen  Punkt  Aufschluss  gewähren. 

Unter  den  Methoden,  welche  Plasma  und  Blutkörperchen  bestimmen  wollen,  ist  nach 
Princip  und  Ausführung  zugleich  die  einzig  richtige  schon  erwähnte,  welche  Zimmermann 
vorschlug;  allen  äbrigen  gelingt  es  nur  die  Bestandtheile  im  Ganzen  zu  bestimmen, 
ohne  dass  sic  auf  das  Plasma  oder  die  Körperchen  bezogen  werden  könnten.  Unter 
diesen  beschränkteren  V erfahrungsarten  zeichet  sich,  nach  übereinstimmenden  Angaben, 
die  von  Prcvost  und  Dumas,  welche  Scherer*)  verbessert  hat,  aus.  Letzterer 
fängt  zwei  Portionen  Blut,  jede  Von  ungefähr  60  Gr.  gesondert  auf.  Aus  einer  der- 
selben gewinnt  er  Serum  und  bestimmt  in  diesem  das  Wasser,  das  Eiwoiss,  die  Ex- 
trakte und  die  in  Wasser  löslichen  Bestandtheile  der  Asche,  aus  der  andern  das  Wasser, 
den  Faserstoff,  das  Gemenge  der  in  kochendem  Wasser  unlöslichen  Bestandtheile  der 
Blutkörperchen  und  dos  Serums,  die  Extrakte,  das  Fett  und  die  in  Wasser  löslichen 
Bestandtheile  der  Asche  im  Gesammtblut.  — Indem  er  dann  der  Annahme  von  Pre- 
vost  und  Dumas  folgt,  dass  die  Blutkörperchen  aus  unlöslichen  StofTcn  bestehen, 
welche  von  Serum  durchdrungen  in  dem  Blute  schwimmen,  berechnet  er  aus  dom  bekannten 
Wassergehalt  des  gesammten  Bluts  und  des  Serums  die  sogenannten  trocknen  Blutkörperchen. 
Obwohl  schon  dargethan  ist,  dass  diese  letztere  Berechnung  nicht  mehr  zulässig  ist, 
so  wollen  wir  doch  noch  einmal  in  ganz  populärer  Form  unsern  Gegenbeweis  wieder- 
holen. Wenn  die  Flüssigkeit,  welche  die  Blutscheiben  durchtr&nkt,  eine  andere  Zu- 
sammensetzung als  die  des  Serums  besitzt,  so  kann  tfus  dem  bekannten  Wassergehalt 
des  Serums  und  des  Blutes  derjenige  der  Blutkörperchen  nicht  abgeleitet  werden. 
Offenbar  nämlich  kann  z.  B.  ein  Blut,  das  in  100  Theilen  20  Theile  Rückstand  und 
dessen  Serum  in  100  Theilen  10  Theile  Rückstand  lässt,  auf  millionfache  Weise  zu- 

•)  Scherer,  patholog.  chemische  Untersuchungen.  Haesers  Archiv  1848.  — A.  Otto  Bei- 
trag zu  den  Analysen  des  gesunden  Bluts.  Würxburg  1848.  — Gorup-Besanes.  Vergleichende 
Untersuchungen-  etc.  Erlangen  1880. 


Digitized  by  Google 


Blutanalys«. 


23 


sammengesetzt  gedacht  werden  and  so  a.  A.  einmal  in  der  Art,  das»  100  Theile  aus 
25  Theilen  Serum  und  75  Theilen  Blutkörperchen  mit  23,33  pCt.  Rückstand  oder  aus 
75  Theilen  Serum  und  25  Theilen  Blutkörperchen  mit  54,0  pCt  Rückstand  bestehen, 
ln  beiden  Fällen  würde  aber  das  Serum  10  pCt.  und  das  Gesammtblut  20  pCt  Rück- 
stand gegeben  haben.  — Dieser  .Einwurf  behauptet  also,  dass  innerhalb  eine»  Serums 
von  gleicher  Zusammensetzung  Blutkörperchen  des  allervorschiedenartigsten  Wasserge- 
halte« schwimmen  können.  — * Dieser  Einwurf  ist  aber  nicht  im  Entferntesten  unwahr- 
scheinlich, einmal,  weil  ein  und  dasselbe  Blutkörperchen  von  seinem  Auftreten  in  dem 
Blut  bis  zu  seinem  Verschwinden  wahrscheinlich  mancherlei  Umänderungen  in  seiner 
Zusammensetzung  erfuhrt  und  dann,  weil  selbst  unter  der  Yoranssotznng,  dass  alle 
gleichzeitig  vorhandenen  Blutkörperchen  mit  einer  wässrigen  Flüssigkeit  von  derselben 
Zusammensetzung  durchtränkt  wären,  doch  das  Verhältnis*  dieser  Flüssigkeit  zu  den 
Fetten  und  der  Hülle  sehr  veränderlich  sein  kann.  Darum  gilt  auch  die  Ausflucht 
nicht,  welche  man  zur  Festhaltung  der  Dumas-Pre v ost’ sehen  Berechnung  benutzt 
hat,  die  nämlich:  dass  wenn  dss  Serum  gleich  zusammengesetzt  wäre,  so  müsste  auch 
jedes  Blutkörperchen  gleiche  Zusammensetzung  tragen  und  demgemäss  könnten , Wenn 
die  RUckstandsprozente  zweier  Blutarten  mit  gleich  zusammengesetztem  Serum  ver- 
schieden ausfalleu,  die  Unterschiede  nur  bedingt  sein  durch  die  ungleiche  Zahl  der 
Blutkörperchen.  Dies  vorausgesetzt,  geben  die  Analysen  allerdings  keinen  Aufschluss 
über  die  absolute  Quantität  dieser  letztem , wohl  aber  über  das  Verhältniss  derselben 
zwischen  den  beiden  Blutarten,  und  somit  sei  die  Berechnung  auch  von  relativem 
Werth.  — Diese  erst  noch  zu  beweisende  Annahme  wird  aber  ganz  willkührlich, 
wenn  wie  gewöhnlich  gar  auch  noch  Blutarten  verglichen  werden , deren  Serum  von 
ungleicher  Zusammensetzung  ist.  In  diesem  Fall  kann  unbczweifclbar  die  Auslegung 
auf  verschiedene  Weise  geschehen,  auf  die  nämlich,  dass  bei  gleicher  Zusammensetzung 
die  Zahl,  oder  bei  gloicher  Zahl  die  Zusammensetzung f oder  Zahl  und  Zusammen- 
setzung der  Scheiben  in  den  beiden  Blntarten  abweiche. 

Dem  Vorschlag  von  Yierordt*)  folgen  wir,  da  er  unausführbar  ist,  nicht  in 
seinen  vielfältigen  Verwicklungen , sondern  begnügen  uns,  die  theoretische  Grundlage 
desselben  an  einem  Beispiel  klar  zu  machen;  der  Einfachheit  wegen  denken  wir  uns 
statt  des  Serums  reines  Wasser  und  statt  der  Blutkörperchen  eine  mit  Wasser  gefüllte 
Seifenblase  in  ihm  schwimmend,  von  so  zarter  Constitution,  dass  sie  ohne  zu  zerreissen 
nicht  aus  dem  umgebenden  Wasser  genommen  werden  könnte.  Um  zu  bestimmen,  wie 
viel  Wasser  ausser  - und  innerhalb  der  Seifenblase  gelegen  wäre,  hatte  man  nach  Vier- 
ordt  so  zu  verfahren,  dass  man  einen  beliebigen  Stoff  in  dem  äussern  Wasser  auflöstc, 
der  die  Eigentümlichkeit  besasse,  weder  durch  die  Seifenhaut  hindurch  in  das  innere 
Wasser  zn  dringen,  noch  anch  durch  diese  Wasser  an  sich  zu  ziehen.  Gäbe  es  einen 
solchen  Stoff,  so  würde  dies  Verfahren  einfach  zum  Ziols  führe»;  denn  hätte  man 
z.  B.  1 Gr.  des  Stoffs  in  die  äussere  Flüssigkeit  geworfen  und  nähme  man , nachdem 
dieses  Gramm  gelöst  und  gleichmässig  vertheilt  wäre,  einen  gewissen  Antheil,  z.  B. 
20  Gr.  ans  der  Flüssigkeit  heraus  und  fände  bei  der  Untersuchung  derselben  0,25  Gr. 
des  Satzes  darin,  so  müsste  die  ganze  Menge  der  Flüssigkeit  79  Gr.  betragen  haben.  — 
Nun  ist  aber  sogleich  ersichtlich , dass  es  aus  bekannten  Gründon  der  Diffusion  einen 
solchen  Stoff  nicht  geben  kann,  vorausgesetzt,  dass  er  nicht  mit  der  umgebenden  Flüs- 
sigkeit gleich  zusammengesetzt  wäre.  Ein  solcher  Stoff  müsste  nämlich  die  Eigcn- 


•)  Archiv  für  pbysiolog.  Heilkunde.  XI.  24  u.  H7. 


Digitized  by  Google 


24 


Blutanalyse. 


schaft  haben,  zu  dem  Wasser  der  Blase  keine,  zu  dem  der  flüssigen  Umgebung  aber 
Verwandtschaft  zu  zeigen. 

Wem  es  anliegt  eine  vollkommene  Einsicht  in  die  Unzugänglichkeit  der  bis  dahin 
aufgezählten  Methoden  zu  gewinnen,  den  verweisen  wir  auf  die  gediegene  Diskussion 
unseres  Gegenstandes,  welchen  P.  du  Boizt)  vom  ganz  allgemeinen  Standpunkt  an- 
gestellt hat.  « 

Par  c happe**)  und  Zimmer  mann  ***)  versuchen  die  Blutkörperchen  einfach 
durch  Filtration,  resp.  durch  Abtropfon  des  Blutserums  von  den  Blutkügelchen  zu  sondern. 
Natürlich  wird  Niemand  glauben,  dass  das  auf  dem  I^einwandfilter  liegende  Blutkör- 
perchen bis  zur  ehern.  Reinheit  von  Serum  befreit  werde.  Die  Analyse  kann  also  nur 
in  der  Hoffnung  unternommen  sein,  dass  bei  verschiedenen  Blutarten  immer  ein  relativ 
gleichor  Antheil  von  Serum  an  dem  Kuchen  zurückbleibe.  Diese  etwas  unwahrschein- 
liche Unterstellung  kann  nicht  bewiesen  werden. 

Wir  fühlen  uns  ausserdem  noch  veranlasst  zu  bemerken,  dass  auf  die  Arbeiten 
von  Becquorel  und  Rodior  keine  Rücksicht  genommen  wurde.  Den  Grund  dafür 
findet  man  auf  Seite  4 ihrer  neuen  Untersuchung,  übersetzt  von  Eisen  mann.  Er- 
langen 1847. 

a)  Zusammensetzung  des  Gesammtblutes.  Nach  F.  Hoppef) 
enthielt,  das  Blut  eines  Pferdes  in  100  Theilen: 


Gesammtblut.  Körperchen. 

Plasma  67,38  Festen  Rückstand  43,50 
Körpereben  32,62  Wasser  . . . 56,50 

Diese  Zahlen  betrachtet  Hoppe  selbst  nur 
als  Annäherungen  an  die  Wahrheit. 


Für  das  Menschenblut  fanden  Scherer 
Zahlen. 


Plasma. 

Faserstoff  1,01 
Albumin  7,76 
Fette  0,12 
Extracte  0,40 
lös].  Salze  0,64 
unlösl.  Salze  0,17 
Wasser  90,84 
und  Otto  folgende 


Scherer: 


Sernm. 


Wasser 91,04 

Albumin 7,41 

Extracte 0,59 


Lösliche  Salze  . . . 0,87 


Gesammtblut. 

Wasser 78,31 

Fibrin 0,23 

In  kochendem  Wasser) 
unlösliche  Bestandteile)  ’ 

Extracte 0,51 

Lösliche  Salze  . . . 0,88 

Fett 0,17 


*)  Henlc  and  Pfeuffer«  Zeitschrift.  N.  Folg«  IV.  Bd. 
••)  Gazette  medical«  1856.  p.  273. 

•*")  Die  Methode  der  Blutanalyse.  Hamm  1863. 

+)  Vlrchows  Archiv  XII.  435. 


Digitized  by  Google 


Blatanalrie. 


25 


Otto: 

Serum.  Gesammtblut. 

I.  n.  I.  n. 

Wasser  . . . 90,36  — 91,64  Wasser 80,57—80,34 

Albumin  . . 8,03—  6,77  Fibrin 0,15 — 0,21 

Extraete  . . 0,45 — 0,64  In  kochendem  Wasseri  .703 i«oi 

Lösliche  Salze  1,16 — 0,95  unlösl.  Bestandtheilei  ’ ’ 

Extraete  ....  '0,54 — 0,67 
Lösliche  Salze  . . 0,78 — 0,80 

Als  Mittelzahlen  der  Wägungen  von  Scherer  und  Otto  be- 


rechnen sich: 

Serum.  Gesammtblut. 

Wasser- 90,66  Wasser  ......  79,06 

Albumin 7,76  Fibrin 0,20 

Extraete 0,51  ln  kochendem  Wasser)  .qjj 


Lösliche  Salze  . . . 0,94  unlösliche  Theile  ' ’ 

Extraete 0,48 

Lösliche  Salze  . . ...  0,83 
Diese  Beobachtungen  lassen  erkennen,  dass  das  Gesammtblut 
in  100  Theilen  sehr  viel  mehr  feste  Bestandtheile  enthält,  als  das 
Serum,  dass  diese  Vermehrung  aber  nicht  gleichmässig  fUr  alle 
Stoffe  gilt,  und  dass  namentlich  das  Blut  relativ  weniger  lösliche 
Salze  und  Extraete  enthalte,  als  das  Serum.  — 

Bei  der  geringen  Ausbeute,  die  diese  Thatsachen  für  die  Phy- 
siologen liefern,  Ubergehen  wir  die  ähnlichen  Arbeiten  von  Popp, 
Andral  u.  s.  w.  u.  s.  w.  — Eine  Zusammenstellung  der  älteren 
Beobachtungen  findet  sich  in  H e n 1 e ’ s rationeller  Pathologie  11.  Bd. 
und  eine  solche  der  neueren  in  den  Jahresberichten  von  Scherer 
fUr  physiolog.  Chemie. 

b.  Die  Asche  des  Gesammtblutes  hat  V erdeil*)  nach  einer 
nicht  vollkommen  tadelfreien  Methode  dargestellt  und  analysirt. 
100  Theile  Asche  bestehen  nach  ihm  aus: 


I. 

II. 

I. 

11. 

KO 

12,70 

11,24 

Fc,0, 

8,06 

8,68 

Na 

24,49 

21,87 

CI 

37,50 

33,70 

NaO 

2,03 

- 6,27 

SO, 

1,70 

1,64 

MgO 

0,99 

1,26 

PhO, 

9,35 

11,10 

CaO 

1,68 

1,85 

CO, 

1,43 

0,95 

a)  Li« big«  Annalen.  69.  Bd.  69. 


Digitized  by  Google 


26 


Blutanalyse . 


Din  Asche  1.  war  aus  dem  Hlule  eines  Mannes,  die  II.  ans 
dem  eines  Mädchens  bereitet. 

Verde  il  hat,  um  die  Asche  darzustellen,  das  Blut  bei  nicht  zu  hoher  Tempe- 
ratur an  der  Luft  verkohlt,  die  Kohle  in  der  Muffel  geglüht  und  den  Rest  derselben 
endlich  durch  Zufügen  von  salpctcrBaurcm  Ammoniak  verbrannt. 

c.  Die  Gasarten  des  Gesammtblntes.  Ansser  den  ziemlich 
aphoristischen  Angaben*)  über  den  Gehalt  und  die  Beziehung  von 
gasförmigem  Sauerstoff,  Kohlensäure  und  Stickstoff  zu  dem  l’lasma 
uud  den  Körperchen  haben  wir  noch  sehr  gründlichen  Aufschluss 
über  das  Verhalten  dieser  Gase  zum  Gesammtblut  von  Magnus  **) 
und  Lothar  Meyer***)  erhalten.  Ihre  Angaben,  gleichviel,  ob 
sie  sich  auf  venöses  oder  arterielles  Blut  beziehen,  sind  hier  zusam- 
mengestellt. 

Nach  Magnus  und  Meyer  konnte  aus  100  Vol.  arteriellen 
Bluts  durch  Schütteln  mit  CO,  oder  durch  Kochen  im  luftleeren 
Raum  mit  und  ohne  Zusatz  von  Weinsäure  ausgetrieben  werden: 


Bcobachtangsthieru. 

freies 
| Gas. 

! °* 

N. 

EP 

5* 

9 | 

g? 

I S* 
g 

1? 

M 
? 1 

ganzes 

Gas. 

Beobachter. 

Carotidenblut  eines  1 

f '20,88 

12,43  1 

2,83 

<M 

C 

tc 

28,61 

34,23 

49,49 

. 

alten  Hundes 

14,29 

j 

2 

25,50 

5,04 

6,17 

26,59 

31,75 

54,08 

(33,84)' 

, 

Carotidenblut  eines  3 

r 

(3,79)  (2,94) 

— 

j 

(27,10) 

1 

jungen  Hundes 

1 

1 ;38,24 

18,42 

4,55 

5,28 

20,97 

2ß,25  j 

49,21  1 

> L.  Meyer. 

Defibrinirtcs  Kalbs-  5 

r tT.oi 

11,55 

4,40 

1,09 

18,12 

19,21 

35,16  1 

1 

blut 

Lp.,  \ 1 

1 9 

6 

1 

(5,81)  (4,12) 

— 

— 

(21,56) 

(3 1 ,94)1 

1 

Arterielles  Tferde-  - 

10,5 

2,0  bis 

J Magnus. 

blut  ' 

Ibis  10,2 

1 3,3 

”T 

“ 1 

Die  Gasvolumina  sind  auf  0°  und  0,76  M.  Druck  berechnet; 
hei  1,  2,  4,  5 wurde  das  Blut  orst  durch  mechanische  Mittel  luft- 
leer gemacht,  und  dann  erst  durch  Weinsäure  von  seiner  gebun- 
denen CO,  befreit. 

L.  Mcver  Hess  das  Blut  der  Hunde  aus  der  A.  Carotis  direkt  in  das  10  bis 
20  fache  Volum  luftfreien  Wassers  fliessen,  setzte  über  die  Mischung  von  Wasser  einen 
luftleeren  Raum  und  erwärmte  das  Blut  gclind , aber  bis  zum  Kochen  +)  so  lange,  als 
bis  aus  ihm  reiner  Wasserdampf  emporstieg,  also  bis  alle  Gase  aus  ihm  verdrängt 


•)  J.  Müller,  Lehrbuch  der  Physiologie.  IV.  Aufl.  1.  ‘248. 

••)  Poggcndorf,  Annalen.  40.  Bd.  p.  588.  and  66.  Bd.  p.  177. 

•••)  He  nies  und  Pfcuffera  Zeitschrift.  N.F. 
f)  Ws»  bei  dem  geringen  Druck  In  einer  Temperatur  unter  dom  Coagulationsgrad  de«  Eiweisses 
geschehen  kann. 


Digitized  by  Goc 


Gasarten  des  Bluts. 


27 


sind  ; darauf  setate  er  mit  besonder*  Voreichtsmassrcgeln  einige  grosse  Kry  stalle  von 
Weinsäure  su  dem  Blut,  legte  ein  neues  luftleeres  Ge  fass  vor,  und  kochte  von  Neuem. 
Die  erhaltenen  Gase  werden  nach  der  Methode  von  Bunsen  analysirt.  Die  genauere 
Darstellung  des  Verfahrens  ist  in  der  Abhandlung  von  L.  Meyer  nuchzusehen. 

Von  den  Blutgasen  ist  der  Stickstoff  wahrscheinlich  nur  absor- 
birt,  von  der  CO,  und  dem  0 ist  dagegen  ein  Tbeil  absorhirt  und 
ein  anderer  chemisch  gebunden,  und  zwar  ist  von  der  durch  Kochen 
abscheidbaren  Kohlensäure  der  kleinste  Theil  gebunden,  der  grössere 
diffundirt,  während  es  sich  umgekehrt  mit  dem  Sauerstoffgas  ver- 
hält. Den  Beweis  dafür  liefern  Absorptionsversuehe  mit  unver- 
mischtem  gasfrei  gemachtem  Blut ; die  von  denselben  aufgeuommenen 
Sauerstoff  - und  Kohleusünremengen  wachsen  nändich  mit  dem 
Druck,  unter  dem  die  Aufnahme  vor  sich  geht,  aber  nicht  in  dem 
Maass,  in  welchem  der  Druck  ansteigt,  was  dem  Dalton-Bun- 
s en 'sehen  Gesetz  gemäss. geschehen  müsste,  wenn  die  Gase  nur 
als  solche  im  Blut  aufgelöst  wären.  Bei  Absorptionsversnchen  unter 
variablem  Druck  steigt  aber  die  aufgenoinmene  CO,  rascher  an, 
als  der  Sauerstoff,  woraus  sich  auf  das  angegebene  Verhalten 
schliessen  lässt  (Magnus).  L.  Meyer  hat  in  einer  eignen  Ver- 
suchsreihe den  Anthcil  der  gebundenen  und  freien  Gase  be- 
stimmt. 

Machen  wir  die  Unterstellung,  dass  von  der  in  der  gesammten,  in  der  Volum- 
einheit Blut  aufgenommenen  Gasmenge  (A)  ein  Theil  durch  chemische  Verwandtschaft 
gebunden  werde,  dass  ein  anderer  dagegen  diffundirt  sei,  ao  wird  die  Menge  des  ersten 
Antheils  x,  weil  sie  nur  von  der  chemischen  Verwandtschaft  bedingt  ist,  unabhängig 
von  dem  Luftdruck  sein,  unter  welchem  das  Gas  absorhirt  wurde;  die  Menge  der 
zweiten  wird  aber  mit  dem  Druck  wachsen;  wäre  also  y der  Absorptionseocffizient 
des  Bluts  für  das  zu  betrachtende  Gas,  so  würde  die  absorbirte  Monge  yP  sein,  wenn 
P den  Abgorptionsdruck  darstellt  Demnach  wäre  also  A = x-\-yP.  Führt  man  bei 
verändertem  Druck  mehrere  Absorptionsvorsuchc  aus,  so  wird  man  ao  viel  verschiedene 
Gleichungen  erhalten,  als  man  Beobachtungen  anstellt,  und  daraus  x und  y mit  grosser 
Genauigkeit  berechnen  können.  Dieses  ist  von  L.  Meyer  für  CO*  und  0 geschehen. 

Verhalten  der  CO,  zum  Blut.  Die  Volumeinheit  frischen,  unver- 
mischten,  von  seinen  Gasen  befreiten  Kalbs-  oder  Kindsblutes  nahm 
in  einer  Atmosphäre  von  reiner  CO,  bei  einer  Temperatur  von 
11°  bis  12°  C.  und  0,76  M.  Druck  = 1,783  Vol.  CO,  auf;  hiervon 
waren  einfach  diffundirt  1,151  Vol.  nud  gebunden  0,630  Vol.  — 
Merkwürdiger  Weise  ist  der  Absorptionseoeffizient  des  Blutes  für 
CO,  (1,151)  bei  12°  ganz  derselbe,  welchem  Bunsen  für  reines 
Wasser  bei  dieser  Temperatur  gefunden.  Es  würde  nun  interessant 
sein  zu  wissen,  wie  sich  dieser  Coeffizieut  mit  der  Temperatur 
ändert.  Diese  Frage  hat  Meyer  nicht  direkt  erledigt. 


Digitized  by  Google 


28 


G&s&rten  des  Bluts. 


Wenn  das  ans  der  Ader  genommene  Blut  vollkommen  mit  CO, 
gesättigt  wird,  so  kann  der  chemisch  gehnndene  Antheil  der 
aufgenommenen  CO,  nicht  allein  zur  Umwandlung  des  etwa  vor- 
handenen einfach  kohlensauren  Natrons  in  doppelt  kohlensaures  ver- 
wendet worden  sein.  Wahrscheinlich  hat  sich  cinTheil  mit  dem2NaO 
PhO,  vereinigt,  welches  bekanntlich  CO,  chemisch  verbinden  kann. 

Den  vorstehenden  Satz  beweist  L.  Meyer  folgendennassen.  Nachdem  er  Blut 
in  luftleerem  Raum  von  Gase  befreit  hatte,  th eilte  er  dasselbe  in  zwei  Portionen.  Aus 
der  ersten  trieb  er  durch  Weinsäure  die  chemisch  gebundene  UO*  aus;  dieselbe  betrug 
auf  1 Vol.  Blut  — 0,338  Vol.  — Die  »weite  Portion  sättigte  et  in  einer  reinen  CO*- 
Atmosphärc  mit  diesem  Gas  und  bestimmte  dann  mittelst  des  auf  der  vorigen  Seite 
geschilderten  Verfahrens,  wieviel  von  dieser  CO«  chemisch  gebunden  war;  er  fand  dabei, 
dass  noch  0,630  Vol.  CO*  mit  Blut  sich  verbunden  hatte.  Wäre  nun  alle  vor  der  Ab- 
sorption chemisch  gebunden  vorhandene  CO«  mit  dem  Natron  zu  einfach  Vohlensaurem 
Salz  vereinigt  gewesen,  so  hätte  das  Blut  nur  noch  einmal  0,338  Vol.  CO«  binden 
können;  da  dasselbe  aber  in  der  That  viel  mehr  in  chemischen  Verband  überführt«,  so 
folgt  daraus  die  Richtigkeit  der  obigen  Schlussfolge. 

So  eben  wurde  vorausgesetzt,  dass  die  gebundene  CO,  im  lebenden 
Blnt  als  NaO  CO,  vorkomme ; dieses  lässt  sich  nicht  beweisen,  wohl 
aber  lässt  sich  wider  alles  Erwarten  darthun,  dass  kein  Na02C0, 
vorkommt  Wir  sagen  wider  alles  Erwarten,  weil  L.  Meyer  gezeigt 
hat,  dass  eine  Lösung  von  Soda  aus  einer  Atmosphäre,  welche  mehr 
als  1 pCt.  CO,  enthält,  so  lange  dieses  Gas  anzieht,  bis  die  ganze 
Sodamenge  der  Lösung  in  doppelt  kohlensaures  Salz  verwandelt 
ist.  Nun  enthält  aber  die  Lnngenlnft  immer  mehr  als  1 pCt.  des 
genannten  Gases,  also  hätte  man  allerdings  das  Na02C0,  im  Blnt 
erwarten  sollen.  Seine  Abwesenheit  in  demselben  geht  aber  daraus 
hervor,  dass  das  für  sich  gekochte  frische  Blut,  nachdem  es  einmal 
rasch  die  vorhin  erwähnte  CO,  - Menge  abgegeben , selbst  während 
darauf  folgenden  3stündigen  Kochen»  keine  CO,  mehr  fahren  lässt. 
Diese  Thatsaehe  ist  aber  darum  mit  der  Anwesenheit  desNa02C0, 
unvereinbar,  weil  dieses  Salz  ein  Atom  CO,  der  Art  gebunden  hält, 
dass  es  zwar  durch  Kochen  von  ihm  getrennt  werden  kann,  aber 
nicht  durch  ein  vorübergehendes  Aufwallen,  sondern  erst  durch  ein 
längeres  Kochen  abznspalten  ist. 

Verhalten  gegen  Sauerstoffgas.  1 Volum  deflbrinirtes  gasfreie« 
Kalbsblnt  nahm  aus  reinem  Sauerstoff  bei  21,5#C.  = 0,092  bis  0,095 
Vol.  dieses  Gases  auf,  wenn  der  Druck  des  Gases  auch  zwischen 
0,835  nnd  0,587  M.  schwankt.  Die  aufgenommene  Menge  war  also 
innerhalb  der  Fehlergrenzen  unabhängig  vomDruck.  WennL. Meyer 
dennoch  aussagt,  dass  neben  dem  gebundenen  auch  noch  absor- 
birtes  Sanerstoffgas  im  Blute  vorhanden  sei,  so  geschieht  dieses 


Digitized  by 


Spezifische«  Gewicht  u.  Wärme  des  Blutes. 


29 


einmal  darum,  weil  das  Wasser  des  Blutes  einen  Absorbenten  dar- 
stellt,  und  dann  auch  weil  das  mit  Wasser  verdünnte  Blut  in  der 
That  Sauerstoff  absorbirt,  obwohl  es  daneben  noöh  immer  die  Menge 
von  Sauerstoff  bindet,  die  der  mit  Wasser  vermischte  Blutantheil 
für  sich  allein  verschlingen  würde.  Wie  der  Sauerstoff  im  Blute 
gebunden  ist,  bleibt  unbekannt,  man  kann  sich  ebensowohl  denken, 
dass  er  auf  den  Oberflächen  der  Blutkörperchen  verdichtet  ist,  als 
dass  er  irgendwie  anders  aufgehoben  wird , etwa  wie  das  Chlor 
im  Wasser,  welches  nach  Roscoe  darin  ebenfalls  theilweise 
gebunden  und  theilweise  diffundirt  ist.  — Sehr  auffallend  ist  es, 
dass  ein  Zusatz  von  Weinsäure  zum  Blut  den  sonst  so  locker 
gebundenen  Sauerstoff  soweit  befestigt,  dass  er  nun  zum  grössten 
Theil  durch  Kochen  nicht  mehr  auszutreiben  ist.  Siehe  die  Tafel 
Seite  (26)  Beobachtung  3 und  6,  in  welchen  die  nnter  der  Rubrik  0 
eingeklammerten  Zahlen  diejenigen  0- Volumina  bedeuten,  welche 
nach  Zusatz  von  Weinsäure  ausgetrieben  werden  konnten.  Hierbei 
entsteht  aber,  wie  sich  L.  Meyer  überzeugte,  keine  COt. 

Der  Absorptionscoöffizient  des  Stickgases,  der  am  wenigsten 
genau  bestimmbar,  beträgt  nach  L.  Meyer  etwa  0,02  Vol.  für  die 
Volumeinheit  Blut. 

Uaber  den  Unterschied  im  Gasgehalt  des  venösen  und  arteriellen  Blutes  versuchte 
sich  Magnus  au  unterrichten  durch  Analyse  eines  nur  geringen  Antheils  der  ganzeu 
Blutluft.  Zu  dem  Ende  fing  er  Blut  über  Quecksilber  auf,  defibrinirte  cs  dort,  schraubte 
eine  luftleere  Flasche  über  das  Blut  und  analysirte  den  iu  diese  Flasche  gedrungenen 
Gasantheil.  Indem  er  verrauthete,  dass  die  Luft  in  diesem  Vacuum  ungefähr  die- 
selbe prozentische  Zusammensetzung  habe,  wie  die  des  Bluts,  konnte  er  hoffen,  den 
Unterschied  in  der  prozenfcischen  Zusammensetzung  der  Venen-  und  Arteriengase  zu 
finden.  Diese  Annahme  hat  .«ich  aber  nicht  bestätigt ; nichts  destoweniger  dürfte  sich  die 
Mittheilung  der  von  Magnus  gefundenen  Zahlen  rechtfertigen,  weil  sie  zeigen,  dass 
die  CO«  weniger  fest  als  der  Sauerstoff  am  Blute  hafte.  — Die  Luftblase  aus  venösem 
Blut  des  Kalbes  enthielt  in  100  Theilen  = 76,7  CO«;  13,6  0 und  9,7  N.  — aus 
arteriellem  Blute  72,1  CO«;  18,8  0;  9,1  N. 

Das  spezifische  Gewicht  des  Bluts  giebt  man  imMittel  zu 
1055  (das  des  Wassers  = 1000)  an. — Die  Bestimmung  dieser  Eigen- 
schaft ist  bei  einem  so  complizirten  Gemenge  wie  das  Blut  im  Allge- 
meinen von  untergeordnetem  Werth,  da  bei  gleichem  spez.  Gewicht 
eine  bedeutende  Variation  in  der  chemischen  Zusammensetzung 
eintreten  kann,  je  nachdem  sich  spez.  leichte  und  spez.  schwere 
Bestandteile  mit  einander  ausgleichen ; demnach  kann  ein  Ab-  oder 
Zunehmen  des  Eigengewichtes  zahlreiche  Auslegungen  erfahren. 

Der  Wärmegrad  des  Blutes  in  den  Hautvenen  schwankt  uni 
mehre  Grade  der  huuderttheiligen  Scala;  der  Abschnitt  von  der 


Digitized  by  Google 


30 


Vergleichung  der  Blutarten. 


thierischen  Wärme  wird  darauf  eingehen,  der  auch  die  Wärme  der 
andern  Bhitarten  behandelt.  — Die  -Wärmekapazität  des  Blutes  ist 
von  J.  Davy*)  nach  der  Mischung»-  und  Abklthlungsmethode  be- 
stimmt worden  und  nach  der  ersteren  ssu  0,83  und  nach  der  zweiten 
zu  0,93  gefunden.  Die  Versuche  scheinen  aber  kaum  mit  der 
nöthigen  Vorsicht  ausgeftihrt  zu  sein. 

Die  chemischen  Pathologen  beschäftigen  sich  vielfach  noch  mit  einigen  Erschei- 
nungen, z.  B.  wie  fest  und  wie  rasch  der  Blutkuchen  geronnen  sei,  auf  welches  Volum 
er  Bich  ausaramenzieht , wie  rasch  die  Blutkörperchen  sinken  u.  s.  w.  Unzweifelhaft 
deuten  diese  Erscheinungen  auf  besondere  Zustände  des  Bluts;  aber  es  gewähren 
uns  die  bis  dahin  gewonnenen  Erfahrungen  keine  Einsicht  in  das  Innere  des  Blutes. 
Uenle  **)  und  Lehmann  ***)  sind  hierüber  nachrusehen. 

Vergleichung  anderer  Blntarten. 

Um  festzustellen , ob  die  Abweichungen,  welche  das  Blut  von 
dem  so  eben  geschilderten,  je  nach  den  verschiedenen  Gefässen, 
Altersstufen,  Geschlechtern  n.  s.  w.  bietet,  in  Wahrheit  abhängig  sind 
von  dem  Fundort  und  den  andern  so  eben  berührten  Verhältnissen, 
müssten  begreiflich  entweder  alle  übrigen  Bedingungen,  die  auf 
die  Blutzusammensetznng  Einfluss  üben,  gleich  gemacht  werden, 
oder  es  müsste  das  Mittel  so  zahlreicher  Analysen  verglichen  werden, 
dass  man  mit  Wahrscheinlichkeit  die  Annahme  machen  könnte,  es 
sei  die  jeder  Blutart  unwesentliche  Eigentümlichkeit  durch  gegen- 
seitige Compensation  eliminirt  worden.  Diese  Forderungen  sind 
nicht  überall  erfüllt  und  es  bleibt  schon  aus  diesem  Grunde  in  den 
folgenden  Mitteilungen  manches  Schwankende.  Noch  mehr  aber 
aus  einem  andern.  Das  Blut  ist  ein  Gemenge  aus  aufgeschwemmten 
und  flüssigen  Theilen  die  nicht  alle  in  ein  und  demselben  Behälter 
sorgfältig  gemischt  werden  können,  bevor  die  Probe  zur  Analyse 
herausgenommen  wird.  Also  liegt  von  vorneherein  der  Verdacht 
nahe,  dass  sich  die  Mischung  von  Plasma  und  Scheiben  in  ein  and 
demselben  Gefäss  in  sehr  kurz  aufeinander  folgenden  Zeiten  merk- 
lich geändert  hat.  Bedenkt  man  dazu,  dass  sich  in  dem  Strom 
des  Blutes  der  Flüssigkeit  ganz  andre  Widerstände  entgegensetzen 
als  den  Körperchen,  so  muss  sogar  die  so  eben  gemachte  Unter- 
stellung eintreten,  und  es  muss  sich  oft  genug  ereignen,  dass  das 
aus  einer  beliebigen  Arterie  ausgegangene  und  dort  gleichmässig 
gemengte  Blut volum  in  den  Venen  ungleichgemischt  anlange,  indem 
je  nach  der  Geschwindigkeit  des  Stroms,  aus  dem  das  Blut  ge- 


*)  Schweigger’g  Journal  für  Chemie  und  Pbyg.  XV.  40*i. 
••)  Rationelle  Pathologie.  IL  15. 

■•“)  Phyglolog.  Chen.  II.  147. 


Digitized  by  Google 


Arterienblut. 


31 


nominell,  dieses  bald  reicher  und  bald  ärmer  an  Blutkörperchen, 
also  in  der  Vene  und  Arterie  constant  verschieden  «ein  muss;  daraus 
folgt,  dass  die  zu  denselben  Zeiten  an  verschiedenen  Orten  oder  zu 
verschiedenen.  Zeiten  au  demselben  Ort  aufgefangenen  Blutmengen 
sehr  verschieden  an  Zusammensetzung  sind,  ohne  dass  irgend  welche 
chemische  Alteration  mit  dem  l'lasma  oder  den  Scheiben  und  Lymph- 
körperchen  vorgegangen  ist.  Da  nun  aber  die  zur  Vergleichung 
benutzten  Analysen  des  Gesammtblutes  die  Scheiben, und  Plasma 
nicht  gesondert  zerlegt  haben,  so  ist  aus  der  ungleichen  procentischen 
Zusammensetzung  des  Bluts  nicht  zu  entscheiden,  ob  eiu  Unterschied 
an  Faserstoff,  .Salzen,  Fetteu,  Wasser  auf  Kosten  der  veränderten 
chemischen  Constitution  eines  oder  beider  Mischtheile  oder  auf  ein 
anderes  Verhältniss  zwischen  den  Gemengtheilen  zu  schieben  sei. 
Die  Erfahrung,  dass  verschiedene  Portionen  an  ein  und  demselben 
Ort  unmittelbar  hintereinander  gelassenen  Bluts  ungleich  zusammen- 
gesetzt sind,  giebt  von  Seiten  der  Erfahrung  den  vorgebraebten 
Bedenken  Gewicht. 

Der  den  vergleichenden  Blutanalysen  gemachte  Einwand  gilt 
aber  nicht  mehr  den  vergleichenden  Zerlegungen  des  Serums;  hier 
lassen  sich  die  etwa  Vorgefundenen  Unterschiede  nur  auf  eine 
Aenderung  der  chemischen  Constitution  beziehen.  Dieser  Aufschluss 
ist  wichtig,  aber  er  lässt  sich,  wenn  nicht  noch  andere  Hilfsmittel 
aufklärend  eintreten,  nicht  benutzen,  um  die  Ursache  der  Ver- 
änderung aufzutinden;  denn  so  lange  die  Menge  nnd  die  Zusammen- 
setzung der  Blutkörperchen  unbekannt  bleibt,  kann  man  jene  che- 
mische Umformung  ableiten  aus  dem  Eintritt  oder  Austritt  von 
Flüssigkeit  oder  aus  dem  Gefäss  oder  aber  aus  einer  veränderten 
Zusammensetzung  der  Körperchen. 

Arterienblut. 

Das  in  den  Arterien  enthaltene  Blut  des  Menschen  kann  nur 
selten  gewonnen  werden;  alle  ausführlichen  Untersuchungen  sind 
darum  am  Thiere  unternommen  worden.  Die  Vergleichungen  be- 
ziehen sich  auf  dieselbe  .Spezies  und  womöglich  dasselbe  oder  die- 
selben Individuen. 

Das  Blut  der  Arterien*)  ist  in  100  Thcilen  reicher  an  Fibrin 
als  das  Blut  der  Vena  jugularis  (Pferd)  nnd  Vena  renalis  (Hund) 


*)  Nasse,  Artikel  Blut,  Wignor«  Handwörterbuch.  I.  Bd.  1G8.  — Lehmann,  physlolog. 
Chemie.  11.  Bd.  258.  — Pharmazeutisches  Centralblatt  1868.  p.  438*  — Wisg,  Virchow,  Archiv. 
I.  Bd.  26G.  — Funke,  Uenles  und  Pfeuffers  Zeitschrift , Neue  Folge  I.  Bd.  172.  — Cle- 
ment compt.  rend.  XXI.  280. 


Digitized  by  Google 


32 


Arterienblut. 


ärmer  dagegen  als  das  Blut  der  V'en.  abdominal,  externa,  digitalis 
und  cephalica  (Pferd).  Das  venöse  Fibrin  ist  durch  seine  Löslich- 
keit in  Salpeterlösung  vor  dem  arteriellen  ausgezeichnet.  Die  arte- 
rielle Blutflüssigkeit  enthält  etwas  mehr  Wasser,  Extracte  und  Salze 
als  die  venöse,  an  Albumin  ist  es  bald  weniger  und  bald  ebenso  reich. 

Diese  Angaben  stützen  sich  vorzugsweise  auf  die  Untersuchungen  von  Nasse, 
von  Lehmann,  (das  Blut  der  Verzweigung  der  A.  carotis  und  der  Venae  jugularis, 
cephalica,  digitalis,  abdominalis  externa  des  Pferdes)  und  von  Wiss  (das  Blut  der 
A.  carotis  und  Vena  renalis  vom  Hunde).  — Die  Unterschiede  in  den  einzelnen  Be- 
standtheilen  sind  wie  folgend  gefunden  worden:  100  Theile  des  Blutes  der  Arterien 
vom  Pferde  enthalten  im  Mittel  0,57  pCt.,  aus  der  Drosselvene  aber  0,49  pCt.  Faser- 
stoff (Lehmann),  das  Blut  der  Venae  abdominalis,  cephalica  und  b&silica  enthielt 
im  Mittel  0,53  pCt. , das  der  Art.  carotis  derselben  Thiere  im  Mittel  ,mur  0,35  pCt ; 
100  Theile  des  Bluts  vom  Hunde,  (Carotiden),  enthalten  0,20  bis  0,22  pCt.  und  das 
der  Nierenvenc  0,16  Faserstoff  (W i s s).  Dasselbe  bestätigt  Nasse  aus  Untersuchungen 
am  Menschen.  — 100  Theile  Serum  vom  Pferdeblut  gaben  Eiweiss  aus  der  Arterie 
9,22  pCt. , aus  der  Vene  11,42  pCt.  (Lehmann);  in  neuem  Beobachtungen  findet 
derselbe  Blutanalytiker  im  Serum  aus  den  Venae  jugularis,  abdominalis,  digitalis  und 
cephalica  im  Mittel  7 ,02  pCt. , in  den  Carotiden  der  entsprechenden  Thiere  im  Mittel 
7,01  pCt.  Die  Extrakte  finden  sich  im  Mittel  im  Serum  der  Venae  jugularis,  cepha- 
lica, digitalis  und  abdominalis  0,71  pCt. , im  arteriellen,  aber  0,91  (Lehmann).  — 
Salze  gab  das  Serum  der  genannten  Venen  0,83,  das  der  Arterien  0,86,  Fette,  das 
erstere  0,26,  das  letztere  0,39  pCt.  (Lehmann).  — Derselbe  Chemiker  fand  früher 
im  Serum  der  jugularis  86,62,  in  dem  der  Art.  temporalis  89,33  pCt  Wasser;  nimmt 
man  das  Generalniittel  aus  seinen  neuem  Versuchen  so  stellt  es  Rieh  für  das  Serum 
aller  oben  aufgezählten  Versuche  zu  91,428,  in  dem  der  Arterien  zu  91,206.  Es  un- 
terscheidet sich  also  nur  der  Gehalt  um  wenige  Zehntheile  eines  Prozentes.  Werden 
nach  Lehmann  die  Verhältnisse  verglichen,  in  welchen  Albumin,  Salze  und  Extracte: 
Serum  der  Venen  (jugularis,  abdom.  externa,  cephalica,  digitalis)  und  Arterien  Vor- 
kommen, so  ergeben  sie  in  100  Theilen  trocknen  Rückstands  der 

Arterien  Venen  Der  Eiweissgehalt  hat  sich  nach  dem  Durchgang 

Album.  78,47  . . . 82,11  durch  die  Capillaren  relativ  erhöht,  der  Salz- 

Salze  9,94  . . . 9,39  gehalt  um  ein  Geringes,  die  Extracte  um  ein 

Extr.  11,73  . . . 6,89  Bedeutendes  vennehrt  Da  auf  dem  bezeichne ten 

Wege  schwerlich  Eiweiss  in  das  Serum  gekommen  ist,  so  würde  diese  Zusammenstel- 
lung auf  einen  absoluten  Verlust  an  Extractcn  hindeuten.  Natürlich  lässt  es  diese  Zu- 
sammenstellung ungewiss,  ob  nicht  auch  Eiweiss  und  Salze  aus  dem  Serum  getreten  sind. 

Das  Resultat , welches  aus  dem  Gesammtraittel  aller  Beobachtungen  gezogen  ist 
stimmt  übrigens  nicht  durchweg  mit  dem  Ergebniss  der  Einzelbcnbachtungcn , in  dem 
unter  ihnen  auch  Fälle  erscheinen,  in  welchen  die  Eiweissprozente  deir  festen  Rück- 
standes aus  dem  Venenseruni  niedriger*  und  die  Extractprozente  höher  sind  als  im 
Serum  der  entsprechenden  Arterie. 

Die  Behauptung,  dass  die  arteriellen  und  venösen  Blutkörper' 
chen  sich  rUcksichtlich  ihrer  Zusammensetzung  von  einander  unter- 
scheiden, ist  nicht  erwiesen,  da  noch  niemals  ein  reines  Blutkör- 
perchen untersucht  werden  konnte. 


Digitized  by  Google 


Milsaderblut. 


33 


Angaben  Uber  die  vergleichende  Zusammensetzung  des  Ge- 
sanuntblutes  giebt  Lehmann;  wegen  des  zweifelhaften  Werthes 
solcher  Bestimmungen  müssen  wir  den  Leser  auf  die  Abhandlung 
selbst  verweisen. 

Beispielsweise  erwähnen  wir,  dass  der  feste  Rückstand  des  Gesumm tblutes  der  Vena 
abdom.  externa  im  Mittel  um  3,0  pCt.,  der  digitalis  u.  cephal.  im  Mittel  um  7,0  pCt. 
geringer  war  als  der  der  A.  carotis;  die  festen  Stoffe  des  Blutes  der  Vena  jugularis 
waren  einmal  um  0,0  pCt.  niedriger,  und  ein  andermal  um  1,4  pCt.  höher  als  in  dem 
Carotidenblut 

Die  arteriellen  illntkörperchen  sind  im  Gegensatz  zu  den  venösen 
bellroth  und  entbehren  des  Dichroismus.  Diese  Veränderung  ihrer 
Farbe  verdanken  sie  dem  vermehrten  Gehalt  an  Sauerstoff  und  dem 
verminderten  an  CO, , da  man  das  Blut  eben  so  wohl  durch  Zusatz 
von  CO,  als  durch  Auspumpen  des  Sauerstoffs  dunkel  und  dich- 
roitisch machen  kann.  — Wie  im  ungemischten  Blut  verhält  sich 
auch  das  Roth  eines  stark  mit  Wasser  versetzten  Blutes.  Bruch*). 

Die  Yolumcinheit  des  aus  der  Ven.  jugularis  genommenen  Blutes 
giebt  mit  Wasser  vermischt  eine  tiefere  rothe  Farbe  als  die  Volum- 
einheit des  Carotiden- Blutes  mit  derselben  Wassennenge.  Dieser 
Unterschied  besteht  auch  dann  noch,  wenn  das  venöse  Blut  durch 
Schütteln  vorher  bellroth  gemacht  wurde.  Heiden hain**)  schlicsst 
daraus  auf  einen  grossen  Gehalt  des  venösen  Bluts  an  Haematin, 
respective  an  Blutkörperchen. 

Picard  fand  im  arteriellen  Blnt  des  Pferdes  = 0,029  pCt. 
Harnstoff,  im  venösen  desselben  Thieres  0,035  pCt. 

Blnt  der  Milzader***). 

Die  zahlreichen  Untersuchungen  über  diese  Blutgattung  sind 
an  dem  Inhalt  der  Milzgef  ässe  eben  getödteter  Thiere,  insbesondere 
der  Pferde  angestellt. 

Die  rothen  Scheiben  des  Milzvenenblutes  sind  kleiner  als  die 
des  Milzarterienblutes  (Funke),  oft  nicht  mehr  rund  sondern  zackig 
und  oft  sehr  bellroth  bis  zum  Verschwinden  aller  Färbung  (Gray). 
Ihr  Inhalt  krystallisirt  vorzugsweise  leicht.  An  farblosen,  kugeligen 
Elementen  (Lyraphkörperchen,  Körnchenzellcn)  ist  das  Milzvencn- 
blut  sehr  reich,  namentlich  im  Vcrhältniss  zu  den  rothen  Zellen. 

Hirt  zählt  im  Milzartericnblnt  auf  1 farbloses  2179  gefärbte, 
in  den  Milzvenen  aber  anf  1 der  erstem  nur  70  der  letztem.  In 

•)  Zeitschrift  fUr  wissenschaftliche  Zoologie.  IV.  873. 

**)  Dlsqulsitlones  crlticae  u.  s.  w.  Halle  18*7. 

•••)  Funke,  Henle's  und  Pfeuflers  Zeitschrift.  N.  F.  1.  172.  Bcclard,  Annalea  de  chlm.  et 
phys.  3.  sdr.  XXI.  *06.  — H.Gray,  on  the structare  and  ase  ofthe  spieen;  LowlonlSM.  p 139 sq.  — 
Hirt,  Milllcrs  Archiv  IftV;.  — Vlerordt,  Ilcnle's  Jahresbericht  für  IWV4  p.  45. 

Ludwig,  Physiologie  11.  3 


Digitized  by  Google 


34 


Milzadcrblut. 


dem  aus  der  Milz  gedrückten  Blut  eines  Hingerichteten  fand  V i e r- 
ordt  gar  nur  auf  4,9  gefärbte  1 farbloses.  — Weiter  weist  das 
Mikroskop  hier  auch  dunkelroth  bis  schwarz  gefärbte  Pigmentkör- 
perchen  nach,  die  frei  und  dann  entweder  einzeln  oder  zu  Klümpchen 
geballt  oder  auch  in  Zellen  eingeschlossen  verkommen.  Auch  er- 
scheinen Epithelialzellen  (Faserstoffschollen)  in  dem  Milzvenenblute. 

Das  Serum  des  Milzvenenblutes  unterscheidet  sich  in  seiner 
Zusammensetzung  den  nachstehenden  Zahlen  gemäss  wenig  oder 
gar  nicht  vou  den  andern  Blutarten.  Die  Beobachtungsthiere  sind 
Pferde : 


Arterien. 

Wasser. 

Eiwei.ss.  | 

Arterialienzlis 

91,3 

6,7 

Vena  lienalis 

91,4 

6,1 

Aorta 

90,5 

8,3 

Vena  jugularia 

90,9 

7,7 

Vena  lienalis 

90,7 

7,9 

Kxtracte. 

Fette. 

Salze. 

Beobachter. 

- 1 

1,  0 

8,8 

> Funke. 

1,  3 ' 

1,0 

I 

1,0 

0,03 

0,8 

) 

1,2 

0,05 

0,7 

} ßny. 

i,i  ! 

0,10 

0,7 

Den  einzigen  qualitativen  Unterschied  begründet  Gray  durch 
die  tiefrothbraune  Färbung  des  eingedampften  Serumrückstandes. 

Sehr  auffallend  weicht  dagegen  das  Gesammtblut  von  dem 
anderer  Gefässe  ab.  Zuerst  durch  einen  höheren  Faserstoffgehalt 
(Funke,  Gray);  denn  während  er  in  dem  Aorten-  und  Milzarterien- 
blut zwischen  0,17  bis  0,49,  in  der  Vena  jugularis  zwischen  0,23  bis 
0,62  schwankte,  bewegte  er  sich  im  Blut  der  Milzvenen  zwischen 
0,28  bis  1,15  pCt  In  ähnlicher  Weise  wie  der  Gehalt  des  Faser- 
stoffs zeigte  sich  auch  der  des  Wassers  höher  (Beclard,  Gray). 


Denn  während  er  im  Aortenblut  i 

swischen  71,9  bis  83,0 

pCi  lag, 

steigt  er  in  der  Vena  splenica  auf 

88,0  pCt. 

Als  Mittel 

aus  zahl- 

reichen  Bestimmungen  giebt  Gray 

folgende : 

Aorta.  V, 

jugular.  V. 

splenica. 

Faserstoff 

0,22 

0,41 

0,65 

In  kochendem  W'asser  unlöslich 

19,9 

19,8 

15,1 

Fette  und  Extracte 

1,0 

1,1 

1,0 

Wasser 

78,9 

79,3 

83,0 

Die  einfachste  Erklärung,  welche  dieser  Thatsache  zu  Grunde 
gelegt  werden  kann,  namentlich  unter  Berücksichtigung  der  gleich- 
zeitigen Vermehrung  des  Wassers  und  des  dem  Plasma  ungehöri- 
gen Faserstoffs  ist  die,  dass  in  Folge  des  im  Sterbeakt  veränderten 
Blutstroms  die  rothen  Blutkörperchen  in  der  Milz  zurückgehalten 
werden,  während  das  Plasma  und  die  farblosen  Körperchen  noch 


Digitized  by  Google 


Pfortnderblut. 


35 


anstreten  konnten.  Andere  Krklärungsweiscn  dieser  jedenfalls  be- 
achtenswertben  Thatsachen  sind  bei  der  Milz  erwähnt. 

Eine  bestimmte  Beziehung  zwischen  der  Zeit,  in  welcher  die  Nahrung  aufgenom- 
men  wurde,  und  der  Zusammensetzung  des  Bluts  ist  von  Gray  nicht  aufgefunden  worden. 
Wenn  man  bis  dahin  im  Extrakt  keinen  Zucker,  Uarnstotf,  noch  Harn-  und  Gallen- 
saure fand,  so  wird  dieses  zum  Theil  wenigstens  mit  Wahrscheinlichkeit  daher  rühren, 
dass  die  zur  Prüfung  angewendeten  Blutmengen  zu  gering  waren.  Das  Beobachtung» 
ergebniss  zeigt  aber  wenigstens,  dass  jene  Stoffe  nicht  in  sehr  reichlichem  Maasse  ver* 
treten  sind. 

Blnt  der  Pfort-  und  Leberader*). 

Au  Faserstoff  enthält  nach  Lehmann  das  Pfortaderblut  der 
Pferde  0,42  bis  0^59  pCt,  das  der  Hunde  0,45  pCt,  während 
das  der  Lebervene  beider  Thierspezies  ganz  frei  davon  sein  soll.  — 
Das  Serum  beider  Blutarten  verglichen,  ergab  für  das  Pferd: 


Pferd  5 Stunden  nach  der 
Fütterung  getödtet. 

Pferd  10  8tundcn  nach  der 
Fütterung  getödtet, 

ii 

Pfortader. 

Leberader. 

Pfortader. 

Leberader. 

Wuwr  ; . 

’ 92,26 

69,30 

92,17 

89,42 

Albumin  ..  . . 

• 6,20 

7,47 

H,01 

■ 7,70 

8*1»  ..  . . . 

0,78 

0,70 

0,83 

0,88 

Extracte  und  Fette 

0,76 

2,53 

0,98 

2,00 

Die  Zusammensetzung  von 
des  war: 

100  Theilen  festen  Sernmrtickstan- 

Fett 

3,61 

2,68 

*3,76 

2,50 

Extracte  u.  löal.  Salze 

14, SO 

25,95 

13,50 

22,33 

Eiweiss  . . « . . . 

Für  den  Hund 

, 61,96 

71,37 

82,73 

75,12 

TWrtim 

In  100  Theilen  Serum. 

In  100  Theil.  Sen^nrückstaud. 

Pfortader. 

Leberader. 

Pfortader. 

Leberader. 

Wawer  ..... 

89,86 

87,48 

— 

— 

Albumin  '..... 

8,29 

8,83 

81,21 

70,52 

Salze  . ; t v • * 

0,97 

0,87 

9,51 

6,90 

Extracte  und  Fette  . 

0,92 

3,17 

9,28 

23,54 

Die  Extracte  der  Pfortader  enthalten,  wie  CI.  Bernard  ent- 
deckte und  Lehmann  bestätigt,  nur  sehr  wenig  oder  keinen  Zucker, 
während  die  der  Leberader  sehr  reich  daran  sind.  So  fand  Leh- 
mann in  100  Theilen  trockenen  Rückstandes  vom  Pfortaderblut 
der  Pferde  hiiehstens  0,01  bis  0,05  pCt.  Zucker,  während  die  gleiche 


*)  Lc  hmm  n, 
bl  alt  185C.  433. 


Leipziger  Berichte ; mathemat.  phyaik.  Klasse.  III.  181.  — Pharmazeut.  Central 

3 * 


Digitized  by  Google 


36 


DUnndarmaderblut. 


Menge  trockenen  Rückstandes  der  Leberader  0,63  bis  0,89  pCt. 
gaben.  Bei  Hunden  fand  er  nach  48  ständigem  Hungern  im  Leber- 
venen-Blut  0,7  pCt.,  nach  2 tägiger  Fieischftttterung  0,8  pCt.  und 
nach  2tägiger  Kartoffelkost  0,8  pCt.  Zucker.  In  allen  Fallen  ent- 
hielt die  Pfortader  nichts  oder  nur  Spuren  von  diesem  Stoffe. 
Dieser  Punkt  findet  noch  einmal  eine  ausführlichere  Berücksich- 
tigung bei  der  Leber. 

Die  farbigen  Zellen  des  Lebervenenblutes  sind  kleiner  und 
mehr  kugelig,  als  die  der  Pfortader;  sie  werden  vom  Wasser  weniger 
leicht  ausgedehnt.  Neben  diesen  veränderten  farbigen  kommen  im 
Leberaderblut  sehr  viele  farblose  Zellen  vor.  Nach  Hirt  kommen 
auf  ein  farbloses  Körperchen  in  der  Pfortader  524  farbige,  in  der 
Leberader  aber  136. 

Das  Gesammtblut  der  Thiere,  von  denen  die  Serumanalyse 
mitgetheilt  wurde,  enthielt  in  100  Theilen: 

I.  II. 

Pfortader.  Leberader.  Pfortader.  Leberader. 

Pferd.  Wasser  76,92  68,64  86,23  74,31 

Hund.  „ 79,24  71,55  13,76  25,69 

Der  Eisengehalt  in  100  Theilen  Rückstand  des  Gesammtbluts 
schwankte  bei  Pferden  in  der  Pfortader  zwischen  0,213  bis  0,164  pCt., 
in  der  Leberader  zwischen  0,140  und  0,112.  Der  Fettgehalt  des- 
selben Rückstandes  betrug  im  Mittel  aus  der  Pfortader  3,4  pCt., 
aus  der  Leberader  2,1  pCt.  Beim  Hunde  in  der  Pfortader  5,0  in 
der  Leberader  3,0  pCt. 

Das  Blut  aus  der  Pfortader  wurde  schon  öfter  aus  dem  Blutstrom,  meist  aber  dem 
eben  getod&ten  Thier  genommen;  das  der  Leberader  wurde  immer  dem  todten  Thier 
entzogen,  in  welchem  also  die  difiusive  Ausgleichung  zwischen  den  Flüssigkeiten  der 
Leber  und  des  Blutes  weiter  als  im  Leben  vorgeschritten  sein  dürfte.  — Namentlich 
beziehen  sich  die  angegebenen  Untersuchungen  von  Lehmann  auf  das  Blut  getödteter 
Thiere.  — Um  die  Vermischung  der  Blutarten  in  den  Gefässen  während  des  Auffangens 
zu  hindern,  muss  man  nach  CI.  Bernard,  vor  dem  Auslassen  des  Pfortaderblutes 
ent  ihre  in  die  Leber  gehenden  Zweige,  und  vor  dem  Entleeren  der  Leberader  die 
Yena  cava  ober-  und  unterhalb  der  Vena  hepatica  unterbinden.  Rein  wird  dann  das 
Lebervenenblut  immer  noch  nicht  »ein.  — 

Blut  der  Dttnndarmader*). 

Vergleichende  Bestimmungen  des  Hundebluts  aus  der  Vena 
jugularis  und  mesaraica  gaben  (Wiss): 


•)  Vlrchow's  Archiv.  I.  256. 


Digitized  by  Google 


Nierenaderblut.  — Veränderung  der  Blutzusaramensetzung  mit  der  Nahrung.  37 


Serum. 

Gesammtblut. 

Darmader. 

Halsader. 

Darmader. 

Halsader. 

Wasaer. 

91,65 

92,23 

78,71 

78,79 

Rückstand  . . . . 

8,35 

7,77 

21,28 

| 21,20 

Blut  der  Nierenader. 

Der  Wasser-  und  Faserstoffgehalt  des  Blutes  der  Nierenader 
(beim  Hunde),  verglichen  mit  dem  der  Carotis  und  der  Nierenarterie 
gaben  (Wiss): 


Gesammtblut. 

Serum. 

Carotis. 

Nierenader. 

Carotis. 

Nicrcnader. 

Wasser 

91,38 

91,17 

79,15 

78,43 

Feste  Bestandtheile.  . 

8,62 

8,83 

20,08 

21,57 

Faserstoff  .... 

— 

0,25 

0,16 

Nierenarterie. 

Nierenader. 

Nierenarterie. 

Nierenader. 

Wasser 

92,68 

92,25 

77,97 

78,45 

Feste  Bestandtheile  . 

7,34 

7,75 

22,02 

21,54 

Faserstoff  .... 

— 

— 

0,15 

0,15 

Picard  traf  beim  Hunde  in  der  Nierenarterie  0,036  und  0,040, 
in  der  Nierenvene  0,018  und  0,02  Harnstoff. 

Blut  der  untern  Hohlvene. 

Nach  Lehmann  enthalten  100  Theile  Serum  vom  Pferde: 


; Wasser. 

Albumin. 

Salze. 

Extracte. 

Der  Hohlrene  . . 

1 90,56 

7,42 

0,82 

1,16 

Der  Arterie  . . . 

90,51 

7,17 

0,84 

1,13 

Das  Verhalten  des  Gesammtblutea  dieser  Vene  belegt  Lehmann  am  eitirten  Orte 
ebenfalls  mit  Zahlen. 


Die  Veränderung  der  Blutzusammensetzung  mit 
der  Nahrung•) **). 

Bei  den  Worten  Vermehrung  und  Verminderung  ist  fortlaufend 
der  procentische  Werth  zu  suppliren. 

DerFaserstoffgehalt  des  Hundcblntes  nimmt  nach  Fleisch- 
genuss in  den  ersten  sieben  Stunden  eher  ab  als  zu  (Andral, 
Nasse).  Nach  anhaltender  Fleischnahrung  wird  der  Faserstoff 
beträchtlich  vermehrt  (Lehmann,  Nasse),  rein  vegetabilische 


•)  Nasse,  Ueber  den  Einfluss  der  Nahrungsmittel  auf  das  Blut.  1850.  Poggiale,  compt. 

rend.  XXV.  110.  Verdeil,  Liablga  Annalen.  69.  Bd.  p.  89.  — Thomson,  London  medical. 
Gazette  1846. 


Digitized  by  Google 


Yerarnl*  ruii«  der  Blutzusamrm  ruieUuiiK  mit  der  Nahrung. 


38 

vermindert  ihn  (Lehmann).  Hungern  soll  nach  Andral  ihn  ver- 
mehren, nach  Nasse  vermindern;  der  letztere  Autor  leitet  den 
Widersprach  zwischen  diesen  Beobachtungen  aus  den  häufigen 
(Faserstoffvermehrung  bewirkenden)  Aderlässen  her,  welche  Andral 
an  seinen  Thicren  behufs  der  Untersuchung  ausfllhrte. 

Der  Serumrttckstand  (Eiweiss,  Salze  und  Fett)  nimmt  einige 
Zeit  nach  der  AnfHllnng  des  Magens  mit  verdaulichen  Stoffen  zu. 
Nach  anhaltender  vegetabilischer  Nahrung  und  besonders  nach 
Zucker  ist  er  höher,  als  nach  ausschliesslicher  Fleischnahrnng; 
durch  Hunger  vermindert  (Nasse). 

Nach  Flcischnahrung  enthält  das  Serum  den  aus  dem  ver- 
dünnten Blut  durch  Essigsäure  fällbaren  Eiweisstoff  in  grösserer 
Menge  (Nasse). 

Der  Fettgehalt  des  Serums  steigert  sich  vorzugsweise  nach 
dem  Genuss  von  Schweinefett,  Knochenmark  und  Butter;  weniger 
nach  Oel,  Seife,  Talg.  — Schliesst  man  aus  der  Trübung  des 
Serums  durch  Fettpartikelchen  (Serum -Rahm)  auf  vermehrten 
Fettgehalt,  so  beginnt  die  Vermehrung  des  Fettes  eine  halbe  Stunde 
nach  der  fettreichen  Mahlzeit;  nach  12  Stunden  ist  das  Ansehen 
des  Serums  wieder  zu  seiner  normalen  Beschaffenheit  zurückge- 
kehrt. Zusatz  von  Mineralsäuren  und  kohlensaurem  Natron  ver- 
spätet, von  phosphorsaurem  Natron  beschleunigt  den  Eintritt  der 
Serumtrtibung  nach  fettreicher  Nahrung.  — Das  klare  Serum  kann 
aber  auch  fettreich  sein;  das  Fett  des  trüben  ist  flüssiger  und  ver- 
seifbarer, als  das  des  klaren  Serums. 

Nach  Genuss  von  Brod  erscheint  im  Blute  Traubenzucker; 
kurze  Zeit  nach  dem  Essen  ist  Zucker  deutlicher  nachweisbar,  als 
sonst  (Thomson).  . 

Die  Zahl  der  Lymphkörperchen  nimmt  bei  hungernden 
Fröschen  im  Verhältniss  zu  den  rothen Blutkörperchen  ab  (Wagner, 
D o n d e r 8 und  Mole  schott);  ebenso  bei  Kaninchen.  — Beim  Men- 
schen steigert  sich  die  Zahl  nach  der  Mahlzeit  und  nimmt  wenige 
Stunden  nach  derselben  beträchtlich  ab  (Harting,  Kölliker). 
Hirt  giebt  folgende  Verhältnisszahlen  zwischen  weissen  und  rotheu 
Körperchen,  die  Zahl  der  ersteren  als  Einheit  gesetzt: 

Früh,  nüchtern  10  bis  12  Stunden  nach  dem  Abendessen  716; 

Stunde  nach  dem  Frühstück  347;  2‘/i  bis  3 Stunden  nach  dem 
Frühstück  1514;  10  Minuten  nach  dem  Mittagessen  1592 ; ‘/s  Stunde 
nach  dem  Mittagessen  429;  2'/i  bis  4 Stnnden  nach  dem  Mittag- 


Digitized  by  Google 


Veränderung  der  BlutzuH&mmeosetzung  mit  der  Nahrung. 


39 


essen  1481 ; */i  Stunde  nach  dem  Abendessen  544 ; 2'/i  bis  3 '/j  Stunde 
nach  dem  Abendessen  1227. 

Das  allgemeine  Resultat  dieser  Zahlungen  bestätigen  Mar- 
fels*)  und  Lorange**). 

In  der  Tabelle  ton  Hirt  fällt  es  auf,  dass  nach  dem  Schlafe  die  Verhältniswahl 
eine  kleinere  ist  als  vor  demselben,  daraus  würde  folgen,  dass  die  Zeit,  welche  seit 
der  letzten  Mahlzeit  verstrich,  nicht  allein  über  die  Verhältnisszahl  entscheidet.  — 
Ueber  die  Veränderung  der  Verhältnisszahl  nach  dem  Gebrauch  von  China,  Myrrhe, 
Eisen  und  Quecksilber  siehe  die  citirten  Abhandlungen,  über  die  Veränderungen 
der  absoluten  Zahl  rother  Körperchen  Stölzing***). 

Der  Wassergehalt  des  Gesammtbluts  ist  nach  Fleischkost 
geringer,  als  nach  Brod-  und  Kartoffelnahrung.  Im  Mittel  betrug 
der  Wassergehalt  nach  Fleischdiät  78,4  pCt.  und  nach  Pflanzen- 
kost 79,2  pCt.  — Entziehung  jeglicher  (fester  und  flüssiger)  Nahrung 
vermindert  in  den  ersten  Tagen  den  Wassergehalt.  Entziehung 
der  festen  Nahrung  bei  Wassergenuss  vermehrt  in  den  ersten  Tagen 
den  Wassergehalt,  später  aber  vermindert  er  sich  bei  dieser  Lebens- 
weise ebenfalls  (Simon,  H.  Nasse). — Vermehrung  des  Wasser- 
genusses bei  gleichbleibender  Menge  fester  Nahrungsstoffe  ist  ohne 
Einfluss  auf  den  Wassergehalt  des  Blutes.  Durch  Vermehrung  der 
festen  Nahrungsbestandtheile  soll  der  Wassergehalt  des  Bluts  zu 
vermindern  sein.  — In  den  ersten  acht  bis  nenn  Stunden  nach  der 
Mahlzeit  soll  der  Wassergehalt  im  Abnehmen  und  dann  wieder  im 
Zunehmen  begriffen  sein  (H.  Nasse).  Nach  Poggiale  undPlou- 
vier  soll  durch  reichlichen  Kochsalzgenuss  der  Wassergehalt  bei 
den  Wiederkäuern  und  dem  Menschen  abnehmen,  eine  Thatsache 
welche  Nasse  für  das  Hundeblut  ungültig  fand. 

Der  Fettgehalt  des  Gesammtbluts  verhielt  sich  der  Nahrung 
entsprechend  folgendennassen  beim  Hunde : nach  4 tägigem  Hungern 
0,26;  nach  Brodnahrung  0,31;  nach  Fleisch  0,38;  nach  Schmalz 
und  Stärkemehl  0,41  (H.  Nasse).  Diese  Angaben  findet  Bous- 
^singault  bei  Vtigeln  nicht  bestätigt.  — Nach  Pflanzenkost  ist  das 
Blutfett  fester  und  weisser,  als  nach  Fettnahrung  (Nasse). 

Das  Kochsalz  vermehrt  sich  nach  Kochsalzgenuss ; dieser  Salz- 
ttbersöhuss  verschwindet  bald  wieder  (Poggiale,  Nasse);  die 
Phosphorsäure  ist  reichlicher  nach  Fleischkost,  als  nach  Pflanzen- 
nahrung (Verdeil,  Nasse);  Magnesia  und  Kalk  mehr  nach 
Pflanzen-,  als  nach  Fleischkost.  Durch  Hunger  werden  der  Kalk 


*)  Molcichott,  Untersuchungen  zur  Naturlehre  I.  61. 

••)  V irchows  Archiv  XII.  Bd.  117. 

•••)  Valeutlna  Jahresbericht  dir  IBM.  p.  102. 


40 


Blut  verschiedener  Geschlechter  und  Lebensalter.  Blutmenge. 


und  die  kohlensauren  Alkalien  nicht  geändert.  — Der  Salzgehalt 
im  Ganzen  ist  hei  der  Fleisehnahrung  grösser  als  bei  Pflanzen- 
nahrung.  — Lieber  relative  Veränderungen  des  Salzgehaltes  in  der 
Asche  siehe  Verdeil  1.  c. 

Das  Blut  der  nüchteren  und  einige  Stunden  vorher  gespeisten 
Menschen  ist  gleich  reich  an  Harnstoff  (Picard). 

Die  Angaben  von  H.  Nasse  beziehen  sich  sämmtlich  auf  das  Hundeblut;  die 
Voreichtsmassrcgcln,  die  bei  dun  Untersuchungen  über  die  Variation  der  Blutzusammen- 
setzung mit  der  Nahrung  zu  nehmen  sind,  siche  bei  diesem  Schriftsteller. 

Die  Veränderungen,  welche  das  Blut  durch  einen  Aderlass  erfahrt,  sind  hier  noch 
namentlich  der  Untersuchungsmethoden  des  Bluts  wegen  zu  erwähnen.  Das  Serum 
des  Bluts  in  den  verschiedenen  Partien  eines  Aderlasses  zeigt  ungefähr  dieselbe  Zu- 
sammensetzung; nm  ein  geringes  mehrt  sich  sein  procentischcs  Wasser  und  dafür  min- 
dern sich  Eiweis«*  und  Extracte  (Lehmann).  — Im  Gesararatblut  boII  der  Wasser- 
und  Faserstotfgehalt  des  Bluts  vermehrt  werden.  (Zimmermann,  Nasse,  Poppe, 
Lehmann*).  — Im  Gegensatz  hierzu  findet  Brücke**),  dass  der  Procentgchalt  des 
Blut«  an  Faserstoff  in  4 bi«  5 hintereinander  aufgefangenon  Blutproben  eines  verblu- 
tenden Hundes  von  0,224  pCt.  hi«  0,068  pCt.  abnahin.  — Die  Lymphkdrpcrchcn  sollen 
«ich  im  VerhaltnisR  zu  den  farbigen  Körperchen  sehr  vermehren  (Remak)  und  die 
Zahl  der  farbigen  absolut  abnehmen  ( V i e ror d t ***).  Was  mit  der  Angabe  der  unver- 
änderten Zusammensetzung  de«  Serums  bei  steigendem  Wassergehalt  des  Gesammtblutes 
Übereinstimmt. 

Blut  verschiedener  Geschlechter  und  Lebensalter. 

Das  Blut  im  kindlichen  Alter  soll  am  reichsten,  das  im  hühern 
Alter  am  ärmsten  an  festen  Bestandteilen  sein. 

Das  Blut  der  Frauen  fand  man  im  Allgemeinen  reicher  an 
Wasser  und  Fett  und  ärmer  an  löslichen  Salzen,  als  da«  der 
Männer. 

In  der  Schwangerschaft  soll  das  Blut  faserstoff-  und  wasser- 
reicher, dagegen  eiweissärmer  als  gewöhnlich  sein. 

Blutmenget). 

Die  Blutmenge  des  Menschen  wird  sich  im  Allgemeinen  mit 
dem  Gewicht  des  letztem  verändern;  fraglich  bleibt  cs  aber,  ob 
seihst  innerhalb  der  Grenzen  der  Gesundheit  die  Verhältnisszalil 
zwischen  Blut-  und  Körpergewicht  eine  constante  bleibt,  da  offen- 
bar die  verschiedenen  Organe  des  Menschen  sieh  einer  sehr  ungleichen 
Blutftille  erfreuen  und  die  verschiedenen  Individuen  sieh  von  ein- 


•)  Pharmazeut.  Ccntralblatt  1R56.  444. 

••)  Vlrchow  s Archiv  XII.  179. 

•••)  Archiv  f.  jihyslol.  Heilkunde.  XIII.  259. 

4)  Welker,  Prager  Vierteljahrs«  hrfA  1854.  4.  Bd.  — Derselbe,  Hcnle's  u Pfcnffer's  Zcitschr. 
3.R.  IV.  Bd.  145.  — Heidenhain,  Disqulaltiones rritlcac  de  »anguiuis  quarititatc  1857.  — /Valen- 
tin, Physiologie.  2.  Anfl.  I.  494.  — Veit,  ObservalJonnm  de  sanguinis  quantiute  recctuio  1848. 


Digitized  by  Google 


Blutraengc. 


41 


i ander  ahheben  durch  ein  ungleiches  Verhältnis«  der  einzelnen  Organe 
zn  einander. 

Nach  den  vorliegenden  Beobachtungen  am  erwachsenen  Men- 
schen selbst  enthalten  100  Gr.  desselben  12,5  Gr.  (Ed.  Weber  > 
i und  Lehmann)  bis  7,7  Gr.  (Bischoff),  der  Neugebornen  aber 
5,2  Gr.  (Welker)  Blut.  — Nach  ausgiebigeren  Bestimmungen  von 
Säugethieren  enthielten  100  Theile  der  folgenden  Thiere  die  bei- 
geschriebenen Blutmengen.  Maus  7,2  — 8,0  (Welker);  Kaninchen 
6,08 — 4,81,  im  Mittel  5,5;  ein  schwangeres  Thier  ohne  Junge  6,7 
(Ileidenhain);  die  junge  Katze  6,2  (Welker);  Hund  6,6  bis 
8,1,  im  Mittel  7,4  (Heidenhain).  Bei  Hunden,  welche  durch 
, anhaltende  Nahrungsentziehung  20  bis  30  pCt.  von  ihrem  ursprüng- 
lichen Gewicht  eingebüsst  hatten,  blieb  die  Verhältnisszahl  zwischen 
Blut  und  Gesammtkörper  dieselbe,  nämlich  8,1  bis  7,8  (Heiden- 
bain).  Wesentlich  abweichende  Zahlen  giebt  Valentin,  indem 
er  den  100  Theilen  Hund  20  bis  25  Theile  Blut  zusebreibt. 

Zur  Bestimmung  der  Blntmenge  giebt  et»  drei  Methoden : 1)  Verfahren  von 
Welker  mit  V erbesserungen  von  Ileidenhain.  Sic  benutzt  die  Färbekraft  des 
Bluts,  d.  h.  den  Farbenton , * den  eine  bestimmte  Menge  von  Blut  einer  bestimmten 
Menge  von  Wasser  ertheilen  kann.  Sind  zwei  verschiedene  Blutvolnmina  a u.  u.  a' 
desselben  Individuums  mit  bekannten  Wassermengen  b u.  b'  so  gemischt,  dass  beide 
Mischungen  denselben  Farbenton  geben,  so  werden  sich  vorausgesetzt,  dass  die  Färbekraft 
I der  beiden  Blutproben  dieselbe  war,  in  beiden  Mischungen  gleiche  Verhältnisse  zwischen 

a a' 

Blut  und  Wasser  finden,  also  8C^D*  ®in<*  d*0*  Werthe  dieser  Gleichung  be- 

kannt, z.  B.  a,  b n.  b',  so  wird  a'=^b'  sein.  In  der  Ausführung  Wird  sich  also 

die  Welk  er 'sehe  Blutbestimmung  so  gestalten,  dass  man  ein  gegebenes  Gewicht 
reinen  Bluts  niit  einer  gegebenen  Wassermenge  vermischt,  dann  den  gesammten  Blut- 
farbstoff des  Individuums  (durch  Verbluten,  Ausspritzen  und  Auspressen  desselben) 
sich  verschafft,  und  diesen  so  lange  mit  Wasser  verdünnt,  bis  sein  Farbenton  der 
zuerst  bereiteten  Blutroischung  gleich  ist.  Die  Sicherheit,  welche  dieses  Verfahren 
bietet,  wird  abhängig  sein:  a°  von  der  Genauigkeit,  mit  welcher  die  Messungen  der  Vo- 
lumina anzustellen  sind;  diese  können  durch  Anwendung  genau  graduirter  Maassge- 
fässe,  respektive  einer  gnten  Waage  die  Grenzen  wissenschaftlicher  Genauigkeit  über- 
haupt erreichen;  b°  von  der  Befähigung  des  Auges,  den  Farbenunterschied  aufzu- 
decken; diese  ist  zwar  eine  sehr  grosse,  aber  nach  Heidenhain  selbst  nach  erlangter 
Uebung  unter  Anwendung  möglichst  günstig  ausgewählter  Bedingungen  (nämlich  im 
Verhältnis«  des  Bluts  zum  Wasser  = 1 :50ü  und  1 : 1000;  eine  Dicke  der  7,5CM.-Lösungs- 
schicht;  eine  Vergleichung  der  Farben,  während  die  mit  den  Blutlösungen  gefüllten 
Flaschen  vor  eine  weisse  Fläche  gehalten  werden)  eine  beschränkte.  Unter  diesen 
Voraussetzungen  konnto  sich  der  Fehler  belaufen  nuf  2,5  bis  4 pCt,  d.  h.  cs  wurde 
eine  Lösung,  welche  guf  100,000  Wasser  100  Theile  Blut  enthielt,  gleichgefärbt 
erachtet  mit  einer  solchen  von  102,5,  resp.  104,0  Theilen  Blut  c®.  Es  fragt  sich,  ob 
die  beiden  verglichenen  Blutproben  gleiche  Färbekraft  besitzen.  Dieses  würde  unzwei- 


Digitized  by  Google 


42 


Blutmenge. 


felhat  t der  Fall  sein,  wenn  man  das  ganze  Blut  des  Thieres,  Tor  der  Vermischung 
mit  Wasser  gleichmässig  mengen  könnte,  so  dass  überall  das  Verhältnis«  »wischen 
Plasma  und  Körperchen  dassejbe  wäre.  Statt  dessen  muas  man  sich  begnügen, 
aus  einem  oder  dem  andern  Gefass  eine  Blutprobe  zur  Vergleichung  mit  dem  ausge- 
waschenen Blut  zu  nehmen.  Hier  erscheint  es  nun  bekannte  Thatsache  und  einer 
eigends  ansgefährten  Bestimmung  Ton  Heidenhain  gegenüber  nicht  gleichgültig, 
ob  man  das  Blut  aus  der  Vena  jugularis  oder  aus  der  Arteria  carotis  wählte;  da» 
letztere  besass  weniger  färbende  Kraft  als  das  erster«.  Da  nun  jedes  Uefäss  Blut  von 
spezif.  Färbekraft  besitzen  wird,  so  würde  zu  verlangen  sein  eine  Kenntnis» 
der  Färbekraft  aller  einzelnen  Blutarten,  namentlich  der  Venen  (Vena  hepatica, 
lienalis,  renalis  u.  s.  w.)  und  zugleich  der  Blutmengen  in  den  einzelnen  Gef&ssab- 
schnitten.  8tatt  dessen  begnügte  sich  Heidenhain  mit  dem  Mittel  aus  dem  Färbungs- 
vermögen des  Venen-  und  Arterienbluts  am  Halse,  zur  Vergleichung  mit  dom  des  ent- 
leerten Blutes.  Durch  dieses  Verfahren  ist  der  Fehler  vermindert,  aber  nicht  aufgehoben, 
namentlich  weil  das  venöse  Blut  viel  reichlicher  vorhanden  ist  als  das  arterielle. 
Heidenhain,  der  mit  Sorgfalt  diese  Fehler  in  Betracht  zieht , giebt  an , dass  er 
die  Blutmenge  des  Thieres,  wenn  er  sie  auf  Grundlage  der  arteriellen  Probe  bestimmte, 
bis  za  13  pCt.  höher  fand,  als  wenn  dieses  mittelst  der  venösen  geschah.  — 
d°  Das  Blut  muss  immer  möglichst  auf  das  gleiche  Roth  »urückgeb rächt  werden,  durch 
Schütteln  mit  Luft.  — e°  Das  zum  Mischen  angewendete  Wasser  muss  immer  gleiche 
Eigenschaften  besitzen,  also  destillirtes  sein.  — f°  Die  Blutproben  müssen  wegen  der 
raschen  Veränderung  ihres  Farbstoffs,  die  um  so  eher  eintritt,  wenn  das  Blut  schon 
mit  Wasser  verdünnt  war,  möglichst  bald  nach  der  Entleerung  aus  den  Gefässen  ver- 
glichen werden.  — g°  Zur  Erschöpfung  des  Leichnams  von  Blutfarbstoff  lässt  man  das 
Thier  orst  wie  gewöhnlich  verbluten,  dann  spritzt  man  rasch,  und  zwar  möglichst  vor 
der  Blutgerinnung,  die  Gefässe  mit  Wasser  durch,  und  nun  erst  zerkleinert  man  das 
Thier  und  laugt  es  in  der  Presse  mit  Wasser  aus.  Die  durchgespritzten  und  ausge- 
pressten  Flüssigkeiten  werden  filtrirt.  Dieser  Theil  des  Verfahrens  würde  die  Angaben 
über  Blutmenge  eher  zu  gross  als  zu  gering  machen , da  dabei  ein  Verlust  an  Blut- 
farbstoff kaum  zu  fürchten  ist,  während  andere  thierische  Farbstoffe  sicher  in  die 
Lösung  übergehen.  Die  Umständlichkeit  dieser  Operation  erschwert  die  Anwendung 
auf  grosse  Individuen,  so  dass  nur  Welker  und  Bischoff  die  Beobachtungen  auf 
den  Menschen  ausdehnen  konnten.  — Aus  diesen  Bemerkungen  wäre  zu  schliessen,  dass 
sich  allerdings  Welkere  Methode  um  eine  noch  nicht  genau  angebbare  Zahl  von  Pro- 
zenten irren  könne , dass  sie  aber  dennoch  eine  grössere  Genauigkeit  gibt , als  die 
andern  bis  dahin  angewendeten. 

2)  Valentin  geht  bei  der  Blutbestimmung  von  folgender  Betrachtung  aus:  Ge- 
setzt, es  sei  X die  Menge  des  Rückstandes,  welchen  das  gesammte  eingetrocknete  Blut 
eine»  Thieres  hinterlassen  würde,  und  Y das  Wasser  dieses  Bluts,  so  würde  Y-|-X 
die  Blutmasse  dieses  Thieres  darstellen.  100  Theile  dieses  Bluts  würden  eingetrocknet 


hinterlassen  R ■ 


100  X 


(1).  Fügt  man  nun  zu  der  Blutmasse  X-f-Y  ein  bekanntes 


X-f-Y 

Gewicht  destillirten  Wassers  a,  so  wird  die  in  den  Blutgefässen  vorhandene  Flüssigkeit 


jetzt  =X-f  Y -f-  a.  u.  R'  = 


Wir  hätten  somit  X = 


100  X 
X + Y + » 
a K K' 


£2). 

. _ (100— J0  R'a  . . . 

_ und  Y = -= — r— , iwei  Gleichun- 

(R  — R-)  100  (R  — R')  100’ 

gen,  welche  zu  Innen  sind,  wenn  R und  R'  bekannt  geworden;  um  sie  bekannt  au 


Digitized  by  Google 


43 


# 

Blut  men  ge 

machen,  entzieht  man  einem  Thiere  eine  kleine  Blutmenge,  injizirt  darauf  in  die  geöff- 
nete Vene  ein  bekannte»  Gewicht  destillirten  Wasser»  und  entzieht  nach  einiger  Zeit 
abermals  Blut.  Dann  bestimmt  man  durch  Eintrocknen  den  Gehalt  beider  Blutarten 
an  festen  Bestandtheilen.  — Valentin  und  Veit*)  führten  eine  Reihe  solcher  Unter- 
suchungen an  Hunden , Katzen , Schafen , Ziegen  und  Kaninchen  aus.  Da  sich  die 
Blutmengen  der  Hunde  ziemlich  übereinstimmend  zu  */♦  bis  des  Körpergewichts 
berechneten,  so  hielt  man  das  Resultat  Blr  ein  richtiges.  Statt  dessen  konnte  man 
aber  sagen,  die  Kehler  der  Methode  sind  constant,  ohne  dass  man  Uber  ihre  Grösse 
Etwas  auszusagen  im  Stande  wäre.  — Die  Fehler,  welche  man  ihr  vorwirft,  sind  fol- 
gende: Einmal  glaubt  man,  dass  das  blutverdünnende  Wasser  in  den  Gefiisscn  nicht 

zurückgehalten  werde,  sondern  durch  dio  Nieren,  Speicheldrüsen,  serösen  Häute  u.  s.  w. 
austrete.  Dieser  Vorwurf  ist  nicht  so  gegründet,  wie  er  auf  den  ersten  Blick  erscheint ; 
mindestens  geht  in  der  ersten  halben  Stunde  nach  der  Wassereinspritzung  keine  Stei- 
gerung der  Conzentration  des  Blutes  vor  sich , selbst  wenn  das  Blut  bedeutend  ver- 
dünnt worden  war  (Veit,  Kierulf).  • — Dann  kann  sich  das  verdünnte  Blut  durch 
Diffusion  in  das  Gleichgewicht  setzen  mit  der  Umgebung , älso  wird  es  auch  feste 
Stoffe  aufnehmen  (Donders).  — Wichtiger  erscheint  der  Einwand,  dass  die  Mischung 
von  Blut  und  Wasser  nicht  gleichmässig  sein  könne,  da  das  Wasser  nicht  auf  einmal 
mit  dem  ganzen  Blute  durchgeschüttolt  werde.  — Endlich  aber,  und  dieses  dürfte  bei 
Bestimmungen  des  Wassergehaltes  vom  Gcsammtblut  am  schwersten  in  die  Wag- 
schale fallen,  sind  wegen  der  ungleichen  Mischung  von  Körperchen  und  Plasma  alle 
Wasserbestiinmungen  am  Gcsammtblut  illusorisch.  Irgend  welche  Geschwindigkeits- 
änderung im  Strom  des  Gefässes,  aus  dem  der  Aderlass  kam,  kann  hier  grössere  Ab- 
weichungen erzeugen  als  die  Wasserinjection. 

3.  Ed.  Weber  licss  Verbrecher  vor  und  nach  der  Enthauptung  Prägen.  Den 
Unterschied  gab  das  nach  der  Enthauptung  entleerte  Blut  und  zu  gleicher  Zeit  be- 
stimmte er  den  prozentigen  Werth  des  festen  Rückstandes  in  dem  ausgeflossenen  Blut. 
Ausserdem  spritzte  er  so  lange  in  die  Arterien  des  Kopfs  und  Rumpfs  Wasser,  als 
aus  den  Venen  noch  eine  rothgefärbte  Flüssigkeit  drang.  Diese  Flüssigkeit  verdampfte 
er  zur  Trockno  und  wog  ihren  Rückstand.  Aus  dem  Gewicht  dieses  letztem  und  dem 
bekannten  Gehalt  des  Bluts  an  festen  Bestandtheilen  konnte  berechnet  werden,  wie 
viel  Blut  durch  das  cingespritzte  Wasser  ausgespült  war. 

Heidenhain  hat  später  gefunden,  dass  selbst  ein  vorsichtiges  Ausspritzen 
namentlich  in  den  Knochen,  Nieren,  Leber  u.  s.  w.  Blut  zurücklässt;  und  ausserdem 
ist  längst  bekannt,  dass  durch  Wasserinjection  Ocdem  eintritt,  dass  also  oin  Theil,  der 
mit  fester  Masse  geschwängerten  Flüssigkeit  in  die  Gefässe  tritt.  Man  hätte  also  er- 
warten sollen,  dass  diese  Methode  weniger  Blut  als  die  Wolke r’ »che  haben  würde 
und  doch  verhält  es  sich  umgekehrt. 

Andere  Methoden  zur  Ermittelung  dos  Blutgehaltes  sind  entweder  sichtlich  un- 
vollkommen, oder  sic  führen  zu  etwas  ganz  Anderem,  als  beabsichtigt.  — Dahin  ge- 
hört die  Wägung  einer  erstarrenden  Masse , welche  in  das  Gefässsystem  eingespritzt 
ist;  man  erhält  hieraus  begreiflich  nur  eine  Aussage  über  die  Räumlichkeit  der  Ge- 
fässe bei  einer  bestimmten  Spannung  der  Wände. 


•)  Obscrvationum  de  nanguinta  quantitate  rcccnaio.  Halle  1848. 


Digitized  by  Google 


44 


Blutbewegung.  Einleitung. 


Blutbewegung. 

Einleitung  *). 

1.  Physikalischer  Begriff  des  Wasser».  Die  Beobachtung  lehrt:  dass,  wenn  wir 

eine  Wassermasse  susammcndrücken  das  Volum  desselben  sich  mindert  und  zwar  in 
dom  Maassc,  in  welchen  der  Druck  steigt.  Der  relative  Werth  dieser  Volumvermin- 

v* 

derung  — , wo  v*  die  Volum  Verminderung,  ▼ das  Volum  des  Wassers  vor  der  Zusam- 

menprcssung  bedeutet,  ist  aber  ein  so  geringer,  dass  man  ihn  mit  einer  für  das  all- 
tägliche Leben  genügenden  Genauigkeit  vernachlässigen , also  das  Wasser  als  unzusam- 
mendrückbar  an  sehen  kann.  Auch  nimmt  dio  Flüssigkeit  ihr  früheres  Yolum  wieder 
ein , wenn  sio  dem  Druck , der  auf  ihr  lastete,  entzogen  wird.  — Die  Erfahrung 
lehrt  ferner,  dass  der  einer  ruhenden  Wasserraasse  beigebrachte  Druck,  wenn  er  auch 
nur  einseitig  wirkt,  sich  nach  allen  Richtungen  hin  gleichmässig  fortpflanzt,  so  dass, 
wenn  z.  B.  ein  Druck  senkrecht  auf  das  Wasser  erfolgte,  er  sich  in  diesem  auch  nach 
der  wagrechten  Richtung  ausbreitet.  — Ferner  steht  es  fest,  dass  die  Flüssigkeit  durch 
eine  Zunahme  ihrer  Temperatur  sich  allseitig  gleichmässig  ausdehnt  und  umgekehrt,  dass 
sie  bei  Abnahme  derselben  sich  allseitig  gleichmässig  zusamraenzieht.  — Die  verschie- 
denen Querschnitte  einer  Wasserraasse  hängen  mit  einer  beträchtlichen,  und  dazu  mit 
einer  nach  allen  Richtungen  gleichgrossen  Kraft  zusammen,  dabei  sind  aber  die  ver- 
schiedenen Schichten  im  Innern  der  Wassermasse  mit  Leichtigkeit  aneinander  verschieb- 
bar. Endlich  kann,  wie  die  Lehre  von  der  Lösung  und  Diffusion  zeigt,  in  dem  Raum, 
der  scheinbar  schon  vollkommen  vom  Wasser  erfüllt  war,  noch  ein  anderer  flüssiger 
Körper  eingeführt  werden,  so  dass  eine  solche  Losung  angesehen  werden  muss  als  eine 
nach  allen  Richtungen  gleich  beschaffene  Schichtung  von  Wasser  mit  dem  aufgelösten 
Stoff.  — Alle  Erfahrungen,  welche  sich  auf  die  allgemeinen  physikalischen  Eigen- 
schaften des  Wassers  beziehen , gelten  auch  für  die  Lösung  nur  mit  dem  Unterschied, 
dass  die  Cocffizicnten  der  Verdichtung,  der  Ausdehnbarkeit,  der  Temperatur  und  der 
Cohäsion  andere  sind,  und  dass  die  Ausgleichung  des  Druckes  im  Innern  des  Flüssig- 
keitsvolums in  einzelnen  Losungen  z.  B.  bei  der  des  Eiweisses,  des  Zuckere,  Gummis 
u.  8.  w.  nicht  momentan  erfolgt,  sondern  dass  eine  unter  Umständen  merkliche  Zeit 
dazu  gehört,  bis  diese  Lösungen  die  Form  angenommen  haben,  welche  der  Bedingung 
einer  allseitigcn  Druckausgleichung  entsprechen.  Solche  Lösungen  nennt  man  zäh  oder 
dickflüssig. 

Dicso  unbestreitbaren  Thatsachen  führen  ungezwungen  zu  einer  Vorstellung  über 
die  mechanische  Anordnung  des  Wassere  und  der  wässerigen  Lösungen.  Nach  ihr  be- 
steht das  Wasser  aus  kleinsten  Theilchen,  welche  sich  nicht  unmittelbar  berühren, 
sondern  in  einem  gewissen  Abstand  voneinander  stehen ; der  mittlere  senkrechte  Ab- 
stand zweier  Nachbartheile  ist  nach  allen  Richtungen  derselbe,  und  bei  gegebener  Tem- 
peratur und  gegebenem  Druck  ein  fest  bestimmter,  er  mindert  sich  dagegen  mit  der 
abnehmenden  Temperatur  und  dem  steigenden  Druck,  dagegen  bleibt  der  Ort,  oder 


*)  Frankenheim,  Die  CohKaion.  1835.  — Kryatalliaation  and  Amorphie.  Breslau,  ohne  Jahr- 
zahl (185t).  — Dove,  Repertorium.  I.  Bd.  85.  98.  112  u.  f. , Ibld.  VII.  Bd.  — Berliner  Berichte. 
II.  Jahrg.  p.  14  u.  f.  — Poisaon,  dquatlona  generales  de  l'dqulllhre  et  du  mouvement  etc.  Jour- 
nal de  l’ecolc  polytcchniqtie.  20.  Heft.  — Weiesbach,  Ingenieur  und  Maschinenmechanik,  3.  Aufl. 
1856.  — Darcy,  aur  le  mouvement»  dea  fluides  dana  tnyanx.  Paria  1857.  — C Ludwig  und 
Stefan,  Wiener  akadem.  Berichte.  April  1858.  — Magnus,  Poggendorfa  Annalen  80.  Bd. 


Digitized  by  Google 


Spannung  des  Wassers. 


4% 


anders  ausgedrückt  die  Richtung,  in  welcher  sich  ein  Theilchen  »um  andern  stellt*  un- 
bestimmt* so  dass  das  eine  relativ  cum  andern  unzählige  Lagen  annehioen  kann,  wenn 
nur  der  immer  gleiche  Abstand  «wischen  beiden  gewahrt  wird. 

Man  verlasst  dagegen  das  Gebiet  der  Thatsachen  und  begiebt  sich  auf  das  der 
Hypothese,  wenn  man  bestimmte  Vorstellungen  über  die  Bedingungen  ausspricht,  von 
welche  die  allseitige  gleiche  Elastizität  des  Wassers  abhängig  ist.  Solcher  Hypothesen 
lassen  «ich  mehrere  bilden  ; wir  wählen,  als  für  unsere  Zwecke  genügend,  die  von  ihnen, 
welche  sich  am  leichtesten  aussprechen  lässt,  obwohl  sie  gerade  nicht  die  wahrschein- 
lichste ist;  nach  ihr  sind  die  Theilchen  mit  anziehenden  und  abstossenden  Kräften 
begabt,  welche  bei  einer  bestimmten  Entfernung  der  Theilchen  im  Gleichgewicht  stehen. 
Aeudert  sich  der  Zwischenraum,  so  kann  dieses  nur  geschehen,  indem  anziehende  oder 
abstossende  Kräfte  frei  werden. 

2.  Spannung  des  Wassers.  Ueberlasseu  wir  die  Flüssigkeit  den  Anziehungen 
und  Abstossungen , welche  zwischen  ihren  Theilchen  wirken,  so  ordnet  sich  dieselbe 
so  an , dass,  ein  Gleichgewichtszustand  zwischen  jenen  Kräften  eintritt ; vermindern 
oder  vermehren  wir  den  Abstand  der  Theilchen,  den  sie  in  dieser  Gleichgewichtslage 
einnehmen,  so  werden  wir  in  ihnen  das  Bestreben  hervorrufen,  sich  wieder  bis  auf 
die  frühere  Lage  zu  nähern  odeT  zu  entfernen;  dieses  Bestreben  nennen  wir  Spannung. 
Die  Grösse  dieser  Spannung  wachst  mit  der  Entfernung  von  der  Gleichgewichtslage, 
und  es  müsste  somit  die  Spannung  durch  diese  Entfernung  gemessen  werden.  Da 
dieses  aus  technischen  Gründen  unthunlich  ist,  bo  benützen  wir  statt  dessen  das 
Höhenmaasa  einer  Wassersäule,  welche  auf  die  FlUssigkeitsschicht  gesetzt  werden  muss, 
um  dieser  letzten  die  verlangte  Zusammenpreasung  zu  erthcilen.  Die  Berechtigung 
hierfür  erweiset  sich  folgendermassen : Die  zwischen  den  Theilchen  des  Wassers  ent- 
wickelte Kraft  kann  man  natürlich  durch  jede  andre  messen,  welche  derselben  das 
Gleichgewicht  hält,  also  auch  durch  das  Gewicht  P,  mit  welcher  man  die  Flächenein- 
heit der  Wasserschicht  belasten  muss,  damit  zwischen  den  Theilchen  die  verlangte 
Spannung  geweckt  werde.  Als  Gewicht  kanq  man  nun  offenbar  ein  Wasservolum 
aufgesetzt  denken,  dessen  Basis  gleich  ist  der  Flächen-  Fig.  2. 


einhsit  (Q),  und  dessen  Höhe  (H)  unter  Berücksichtigung 
des  spezifischen  Gewicht«  (8)  des  Wassers  so  hoch  ge- 
nommen werden  muss,  dass  P^OHS  wird.  Gesetzt  wir 
hätten  dieses  gethan,  und  wir  hätten  ferner  das  spezi- 
fische Gewicht  des  Wassers  wie  gewöhnlich  = 1 ange- 
nommen, so  würden  wir  jetat  auch  von  dem  Faktor  Q 
abschen  können,  und  nur  die  Hohe  des  drückenden  Was- 
servolums als  Spannungsmaass  in  Betracht  zu  ziehen  haben. 
Die  Rechtfertigung  hierfür  liegt  in  der  Eigenschaft  des 
Wassers,  den  von  einer  Seite  empfangenen  Druck  allseitig 
fortzupflanzen.  Gesetzt,  es  laste  auf  der  sehr  dünnen 
Wasserschicht  abcd  (Fig.  2.)  das  Gewicht  des  prismati- 
schen W&sscrvolums  abedefgh.  Ueberlcgen  wir  nun, 
welche  Wirkung  ein  beliebiges  Längenstück  dieses  Volums, 
etwa  aeiklm,  in  der  unmittelbar  unter  ihm  liegenden 
Abtheilung  der  Wasserschicht  erzeugen  werde,  so  finden  wir, 
dass  es  die  dort  befindlichen  Theilehen  einander  nähern 


*i*d»  ao  lange  bis  ihre  Spannungen  jenem  Druck  das  Gleichgewicht  halten  werden, 
bie  hierdurch  erzeugte  Spannung  theilt  eich  nun  aber  sogleich  auch  allen  Übrigen  in 


Digitized  by  Google 


4fi  Druck  ninnss  des  Wassers.  Arbeitsmaass  der  Spannung. 

m 

abcd  enthaltenen  Thei lohen  mit,  gerade  so  als  oh  auch  noch  der  Rest  des  drückenden 
Prismas  efghabcd  gewirkt  hätte.  Wenn  wir  sie  uns  also  noch  wirksam  denken,  so 
wird  dadurch  keine  Spannungsvermchrung  ein  treten.  Nun  können  wir  aber  die  Grund- 
fläche des  wirksam  gedachten  Prisma  aeiklm  so  klein  annehmen,  als  wir  wollen,  ohne 
an  dem  spannenden  Effekt  desselben  etwas  zu  ändern,  d.  h.  also,  es  ist  die  Spannung 
des  Wassers  in  der  gedrückten  Schicht  nur  abhängig  von  der  Höhe  der  Säule  und 
dem  spezifischen  Gewichte  ihres  Inhalts,  dagegen  unabhängig  vom  absoluten  Gewicht« 
derselben. 

3.  GruckmaassderSpannung.  Von  dem  Spannungsmaass  des  Wassers  müssen 
wir  unterscheiden  dos  Drnckmaass  dosseiben.  Ist  eine  gespannte  Flüssigkeit  in  einem 
Behälter  mit  unnachgiebigen  Wänden  eingeschlossen,  so  wird  sie  vermöge  ihrer  Elasti- 
zität auf  die  letzteren  einen  Druck  ausüben.  Dieser  aber  wird  wachsen  mit  der 
Höhe,  der  die  Spannung  ansdrückenden  Wassersäule  H und  der  Fläche  F,  welche  das 
Wasser  benetzt  Also  ist  der  Druck  D = HF  d.  h.  gleich  dem  Gewicht  eines  Was- 
servolums, dessen  Grundfläche  durch  die  Ausdehnung  der  gedrückten  Wand  und  dessen 
Höhe  durch  die  spannende  Säule  bestimmt  ist  Demnach  ist  auch  der  Druck  unab- 
hängig von  dem  Gewicht  des  Wassers  welches  in  der  That  auf  die  Wände  geschichtet 
ist;  dieses  kann  gleich,  grösser  oder  kleiner  als  das  Produkt  HF  sein. 

4.  Arbeitsmaass  der  Spannung.  Die  Arbeit,  welche  eine  gehobene  Wasser- 
säule hervorbringen  kann,  ist  gleich  dem  Gewicht  des  gehobenen  Wassert»  (p)  raultipli- 

* zirt  mit  der  Höhe  (h°),  auf  welche  dieses  Gewicht  gehoben  wurde,  also  = ph  oder, 
da  «las  Gewicht  gleich  ist  der  Masse  (m)  multiplizirt  mit  der  Beschleunigung  der 
Schwere  (g)  auch  = mgh.  Die  Rechtfertigung  für  die  Einführung  dieser  Werthe  in  das 
Arbeitsmaass  ergiebt  sich,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  Arbeit  das  Produkt  einer  con- 
stanten  Kraft  mit  dom  Weg  ist,  den  ihr  Angriffs- 
punkt im  Sinne  der  Kraft  während  einer  beliebigen 
Zeit  zurücklcgt.  Es  kann  also  von  der  Arbeit  der 
Spannung  nur  insofern  die  Rede  sein , als  sie  sich 
in  Geschwindigkeit  umwandelt  Indem  sie  dieses 
thut  ist  aber  ersichtlich,  dass  die  Wirkung,  die  sie 
dabei  austibt,  proportional  sein  muss  der  Anzahl 
von  schweren  Theilchcn,  also  der  Masse  (m),  dann 
aber  auch  die  Grosse  des  Zuges,  welchen  die  Schwere 
(g)  auf  jedes  einzelne  Theilchen  austibt  und  endlich 
der  Anzahl  von  Elcmementarzügen , resp.  der  Zeit- 
dauer, während  welcher  die  beschleunigende  Kraft 
wirkte,  bevor  wir  sie  in  Betracht  zogen,  also  der 
Höhe  (h),  aus  welcher  die  Flüssigkeit  herab  ge- 
fallen ist.  Dieser  Auseinandersetzung  entsprechend 
würde  die  Flüssigkeit  zweier  Behälter  A und  B 
(Fig.  3.),  die  wir  uns  gefüllt  denken , zwar  an  dem 
Boden  gleicho  Spannung  besitzen , und  auf  diesen 
gleichen  Druck  ausüben , aber  dennoch  eine  ganz 
verschiedene  Arbeit  leisten.  Denn  zur  Gleichheit  des  Druckes  und  der  Spannung 
ist  nur  nöthig,  dass  A und  B einen  Boden  von  gleicher  Grundfläche  und  eine  Seiten- 
wand von  gleicher  Höhe  darbieten.  Daneben  kann  sie  aber,  wie  die  Figuren  zeigen, 
ganz  verschiedene  Wassernüssen  beherbergen.  Nehmen  wir  nun  an,  es  werde  am 
Boden  beider  Behälter  eine  gleichgrosse  Oeffnung  angebracht  , so  werden  aus  beiden 


. Fig.  3. 
A 


Digitized  by  Google 


Beziehung  zwischen  Spannung  und  Geschwindigkeit.  47 

Gefassen  die  ersten  auaflieasenden  Tropfen  mit  gleicher  Geschwindigkeit  hervorgehen 
und  also  auch  gleiche  Arbeit  leisten,  aber  bald  wird  die  H5he  in  beiden  Gefassen 
merklich  verschieden  sein,  weil  sich  der  schmale  Hals  des  Üefässes  A rascher  entleert 
als  der  weite  Bauch  von  B,  und  nun  wird  aus  dieser  letztem  mehr  und  zugleich  dieses 
Mehr  mit  einer  grossem  Geschwindigkeit  ausfliessen  als  aus  A.  Also  leistet  A von 
jetzt  an  mehr  Arbeit  als  B. 

5.  Beziehung  zwischen  Spannung  und  Geschwindigkeit.  Eine  ge- 
drückte Flüssigkeit  kann  in  8ponnung  oder  in  Bewegung  kommen  ; ob  das  eine  oder 
das  andere  geschieht,  ist  nicht  vom  Druck,  sondern  davon  abhängig,  ob  die  Flüssig- 
keit dem  Druck  ausweichen  oder  nicht  ausweichen  kann.  Findet  eine  gedrückte  Flüs- 
sigkeit gar  keinen  Widerstand,  »o  geräth  sie  in  Bewegung,  und  zwar  in  der  Art,  dass 
die  bisher  vorhandene  Spannung  verschwindet  nnd  die  ganze  drückende  Kraft  zur  Er- 
zeugung von  Geschwindigkeit  verwendet  wird.  Die  Geschwindigkeit  v,  welche  eine 
Flüssigkeit  unter  dem  Drucke  einer  Säule  von  der  Höhe  h erlangt,  ist  bekanntlich  v = f/2gh, 
wo  g wieder  die  Schwerkraft  bedeutet.  Diese  Beziehung  zwischen  Druckhöhe,  Schwere  und 
Geschwindigkeit  ergiebt  sich  aus  den  bekannten  Fallgesetzen,  die  ihre  Anwendung  finden, 
weil  die  bewegende  Kraft  auch  hier  die  Schwere  ist,  und  weil  die  Höhe,  die  in  dem 
freien  Fall  in  Betracht  kommt,  wegen  der  Zeit,  während  welcher  der  Körper  herabsinkt, 
hier  bei  der  unter  einem  Druck  bewegten  «Flüssigkeit  als  die  Zahl  der  gleichzeitig  von 
der  Schwere  angegriffenen  Theilchen  zu  nehmen  ist.  Im  physikalischen  Vorgang  be- 
steht also  der  Unterschied,  dass  schwere  Körper  beim  Fall  die  Orte  successiv  erreichen, 
welche  in  der  drückenden  Säule  gleichzeitig  von  schweren  Massen  erfüllt  sind,  und 
dass  im  fallenden  Körper  die  vorhergegangenen  Anziehungen  sich  als  Geschwindig- 
keiten zu  den  folgenden  addiren,  während  die  in  der  drückenden  Flüssigkeit  über- 
einandergeschichteten schweren  Massen  der  Beihe  nach  ihre  Spannungen  zu  einander 
addiren.  Bei  einer  somit  gleichhäufigen  Wirkung  einer  gleichstarken  Kraft  muss  ein 
und  dasselbe  Endergebniss  zum  Vorschein  kommen. 

Bei  einer  gedrückten  Flüssigkeit  muss  es  auch  Vorkommen  können,  dass  der 
Widerstand,  welcher  dem  Druck  entgegensteht,  zwar  geringer  als  dieser,  aber  doch 
immer  noch  merklich  vorhanden  ist,  so  dass  sieh  die  in  Bewegung  gesetzte  Flüssig- 
keit selbst  noch  in  einem  Spannungszustand  befindet  In  diesem  Fall  hat  sich  also 
ein  Theil , der  durch  die  drückende  Säule  hervorgebrachten  Spannung  in  Geschwin- 
digkeit umgesetzt,  während  ein  anderer  noch  der  Spannung  verblieb.  Die  ursprüng- 
liche Spannung  h ist  somit  als  eine  Summe  zweier  anderer  Zustände  vorhanden,  deren 
Kräfte  im  Spannungsmaass , also  durch  drückende  Säulen  h'  und  h"  ausgedrückt 
werden  können.  Zwischen  den  Höhen  deT  ganzen  Säule  und  ihren  Antheilen,  die  als 
Geschwindigkeit  h'  und  Spannung  h"  der  geschwinden  Masse  vorhanden  sind,  muss 
natürlich  die  Beziehung  bestehen,  dass  h = h'  -\-  h"  ist  Mit  andern  Worten  der 
zur  Geschwindigkeit  verbrauchte  Kraftantheil  der  ursprünglichen  Spannung  (dio  Ge- 
schwindigkeitshöhe) und  der  noch  als  Spannung  übrig  gebliebene  (die  Widerstands- 
höhe) sind  gleich  der  ursprünglichen  Druckhöhe.  Daraus  folgt  auch,  dass  h — h"  = h'. 

6.  * Arbeitsmaass  für  die  bewegte  Masse;  lebendige  Kraft  Wenn 
ein  Gewicht  p = mg  unter  1 dem  Druck  h in  Bewegung  kommt , so  dass  die  Masse 
ihre  ganze  Spannung  in  Geschwindigkeit  v umsetzt,  so  muss  die  Arbeit,  welche  die 
gespannte  Masse  ausführen  kann,  gleich  sein  der,  welche  von  der  bewegten  zu  ver- 

mv*  . 

richten  ist.  Dieses  führt  zu  dem  Ausdruck  mgh  =■■ » ; diese  Gleichung  leitet  sich 


Digitized  by  Google 


48 


Die  bewegte  Flüssigkeit. 


v*  vs 

daraus  ab,  dass  v = y 2 gl»  also  h = ^ ist;  setzt  man  ^ statt  das  h in  ragh , so 
ragv*  mv* 

geht  dieses  über  in  oder  in  „ . Also  ist  in  den  beiden  Gliedern  der  obigen 

2*  2 

Gleichung  derselbe  Kraftwerth  durch  verschiedene  Zeichen,  entsprechend  don  verän- 
derten physikalischen  Bedingungen  ausgedrückt. 

7.  Die  bewegte  Flüssigkeit  Die  Bahnen , welche  die  einzelnen  Theilchen 
einer  bewegten  Flüssigkeitsmasse  beschreiben,  sind  entweder  geradlinig  oder  krumm- 
linig fortschreitende;  im  letzten  Fall  können  die  Bahnen  in  sich  zurücklaufcn ; solche 
Bahnen,  die  entweder  geschlossen  oder  nahezu  geschlossen  sind,  nennt  man  Kreis-, 
Wirbel-,  unter  Umständen  Wellenbahn.  — 

Die  Geschwindigkeit  des  einzelnen  Theilchens  kann  mit  der  Zeit  und  dem  Orte 
der  Bahn  veränderlich  oder  nicht  veränderlich  sein.  Ist  sie  unabhängig  von  der  Zeit, 
so  dass  die  während  der  ganzen  Stromdauer  an  ein  nnd  demselben  Orte  befind- 
lichen Theilchen  dieselbe  Geschwindigkeit  haben,  so  gehört  die  Bowegung  einem 
Strome  an,  der  in  den  Beharrungszustand  getreten.  Dieses  kann  sich  nur  dann 
ereignen,  wenn  die  auf  die  Bewegung  der  Theilchen  wirkenden  Beschleunigungen  und 
Hemmungen  gleich  gross  sind.  Denn  nähmen  mit  wachsender  Zeit  die  Beschleu- 
nigungen zu,  so  müsste  die  Geschwindigkeit  der  duroh  den  betrachteten  Ort  gehen- 
den Theilchen  steigen , und  nähmeu  umgekehrt  die  Hemmungen  zu , so  müsste  die 
Geschwindigkeit  mit  der  Zeit  sinken.  — Verändert  sich  dagegen  die  Geschwindig- 
keit der  Theilchen,  die  durch  ein  und  denselben  Querschnitt  des  Stromes,  oder  den- 
selben Stromfaden  zu  verschiedenen  Zeiten  gehen  und  zwar  in  der  Art,  dass  die  Ge- 
schwindigkeit nach  einor  regelmässigen  Periode  steigt  und  fallt,  so  nennt  man  die  Be- 
wegung eine  wellenförmige. 

Die  bewegende  Kraft,  welche  die  Massencinheit  der  bewegten  Flüssigkeit 
besitzt , kann  auf  der  Bahn  gleich  bleiben,  zu  oder  abnehmen.  Bleibt  die  bewegende 
Kraft  ccmstant,  so  kann  dennoch  die  Geschwindigkeit,  oder  die  Spannung  in  einem 
Zu-  oder  Abnehmen  begriffen  sein.  Denn  da  die  ganze  bewegende  Kraft  durch  k = p 

gemessen  wird,  wo  p die  Gewichtseinheit,  h ihre  Spannung,  g dio  Schwere, 


(‘+ö 


(also  — die  Masse  m)  und  v dio  Geschwindigkeit  bedeutet,  so  kann  die  ganze  bewe- 
8 

gende  Kraft  der  Masseneinheit  dieselbe  blcibeh,  selbst  wenn  z.  B.  v abnimmt,  vorausgesetzt 
nur  dass  so  viel  Kraft,  als  die  Geschwindigkeit  verlor,  verwendet  wurde  zur  Erhöhung 
der  Spannung.  Ein  solcher  Austausch  von  Spannung  und  Geschwindigkeit  kann  sich  sowohl 
bei  constantem  als  boim  wellenförmigen  Strom  ereignen ; bei  einer  stehenden  Welle  z.  B. 
in  der  Art,  dass  die  Summe  der  bewegenden  Kräfte  eines  jeden  in  einem  bestimmten 
Bahnschnitte  befindlichen  Theilchens  zu  allen  Zeiten  dieselbe  bleibt,  so  dass,  wenn  nach 
einer  gewissen  Periode  die  Geschwindigkeit  desselben  abnimmt,  die  Spannung  nach 
derselben  Periode  wrächst  und  umgekehrt.  — Bei  einem  gleichförmigen  Strom , dessen 
Merkmal  in  einer  zu  allen  Zeiten  stets  gleichen  Geschwindigkeit  auf  einem  gewissen 
Bahnabschnitt  besteht,  kann  die  Bedingung  gleicher  Kräfte  trotz  ungleicher  Geschwin- 
digkeit nur  für  jedes  Theilchen  bestehen,  während  dasselbe  verschiedene  Orte  der  Bahn 
durchläuft.  Betrachten  wir  z.  B als  Masscncinheit  einen  Kubikmillimeter  und  denken 
wir  uns,  dass  dieselbe  boim  Durchgang  durch  die  Strombahn  bald  einen  Querschnitt 
von  einem  und  bald  von  zwei  Quadratmillimctem  anszufiUlen  habe,  so  wird  die  Ge- 
schwindigkeit eines  jeden  Theilchens  in  dem  Maasse  abnehracn,  in  welcher  der  Quer- 


Digitized  by  Google 


Mitteilung  der  Bewegung  des*  Stromes  über  seine  Grenzen. 


49 


schnitt  der  Strombahn  cunimmt;  dieses  aber  wegen  der  Bedingung,  dass  die  Flüssig- 
keitsmenge, welche  in  derselben  Zeit  durch  die  verschiedenen  Querschnitte  eines  con- 
stanten  Stromes  hindurchgeht  dieselbe  sein  muss;  eine  Bedingung,  welche  sich  durch 
die  Cohäsion  und  Unxusammcndrückbarkeit  des  Wassers  begründet.  Bleiben  also  der 
obersten  Forderung  gemäss  die  bewegenden  Kräfte  des  Theilchens  auf  dom  Quer- 
schnitt von  1 und  2 □ M.M.  gleich,  so  muss  in  dem  Maasse,  in  welcher  die  Ge- 
schwindigkeitshöhe abnimmt,  die  Spannung  attnehmen. 

Aus  der  soeben  geführten  Erörterung  lässt  sich  für  den  Fall , wobei  die  Kräfte 
auf  der  Strombahn  in  Abnahme  begriffen  sind,  ableiten,  dass,  wenn  die  Geschwindig- 
keit auf  allen  Orten  eines  Stromfadens  dieselbe  ist,  die  Abnahme  der  Kräfte  durch 
die  Abnahme  an  den  Spannungen  gemessen  wird , so  dass , wenn  der  Spannungsunter- 
schied, der  zwischen  zwei  auf  einander  folgenden  Querschnitten  besteht,  bekannt  ist, 
dieser  den  Kraftverlust  der  Flüssigkeit  von  einem  zum  andern  Querschnitt  ausdrückt. 
Wäre  umgekehrt  die  Spannung  auf  allen  Orten  eines  Stromfadens  dieselbe,  so  kann 
die  Abnahme  der  Kräfte  durch  den  Geschwindigkeitsunterschied  zweier  auf  einander 
folgenden  Querschnitte  ansgedrückt  werden.  — Wenn  dagegen  Spannung  und  Geschwin- 
digkeit von  Querschnitt  zu  Querschnitt  wechseln , so  kann  der  Kraftunterschied  nur 
dann  hervorgehen,  wenn  man  aus  den  in  jedem  Querschnitt  vorhandenen  lebendigen 
und  spannenden  Kräften  eine  Summe  bildet  und  die  eine  von  der  andern  absieht  Der 
Unterschied  bildet  jetzt  den  Kraftverlust,  welchen  der  Strom  vom  einem  Querschnitt 
zum  andern  erlitten  hat 

Zieht  man  statt  der  Geschwindigkeit  nur  eines  Theilchens  oder  der  eines  sehr 
feinen  Fadens,  die  eines  Stroms  von  endlicher  Ausdehnung  in  Betracht,  auf  dem  alle 
Theile  gleiche  Richtung  verfolgen,  so  findet  man  für  gewöhnlich,  dass  die  Geschwin- 
digkeit an  verschiedenen  Orten  eines  Stromquerschnittes,  der  senkrecht  gegen  die  Strom- 
richtung geht,  ungleich  ist  Der  Grund  für  die  ungleiche  Geschwindigkeit  kann  ent- 
weder darin  liegen , dass  die  Flüssigkeit  in  die  verschiedenen  Orte  des  ersten  Strom- 
querschnitts mit  ungleicher  Geschwindigkeit  cinstromte,  oder  darin,  dass  sich  beim 
Fortgang  des  Stroms  den  verschiedenen  Fäden  ungleiche  Widerstände  entgegensetzten, 
wodurch  ungleiche  Kraftverluste  erzeugt  wurden.  In  solchen  Fällen  hat  es  also  keinen 
Sinn  mehr,  von  einer  einzigen  Geschwindigkeit  auf  diesem  Querschnitt  zu  sprechen, 
wenn  man  damit  nicht  den  besondem  Begriff  der  mittlem  Geschwindigkeit  verbindet, 
d.  h.  derjenigen,  welche,  Wenn  sie  allen  vorhandenen  Fäden  untergelegt  würde,  durch 
den  Querschnitt  gerade  so  viel  Flüssigkeit  fördern  würde,  als  es  in  der  That  beim 
Bestehen  der  besondem  Geschwindigkeit  jedes  einzelnen  Fadens  geschieht.  Da  diese 
mittlere  Geschwindigkeit  sehr  viel  leichter  zu  messen  ist,  als  die  Geschwindigkeit  der  « 
einzelnen  Stromfäden,  und  ihre  Bestimmung  zur  Lösung  vieler  hydraulischer  Aufgaben 
genügt,  so  ist  dieser  Ausdruck  sehr  in  Gebrauch  gekommen. 

8.  Mittheilung  der  Bewegung  des  Stromes  über  seine  Grenzen, 
a.  Geht  der  Strom  in  ein  gleichartiges  Mittel  von  andern  Bewegungszuständen,  z.  B 
in  eine  ruhende  Flüssigkeit,  so  höhlt  sich  der  Strom  in  dieser,  nicht  etwa  durch  Fort- 
schieben der  vor  ihm  liegenden  Tbeile  ein  Bett  aus,  dessen  Querschnitt  mit  dem  des  * 
Stromes  übereinkommt,  sondern  er  verändert  sein  Bett,  seine  Geschwindigkeit  und 
seine  Masse.  Die  Massenveränderung  des  Stroms  kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  ein 
Theil  des  letztem  in  die  ruhende  Flüssigkeit  und  umgekohrt  Thoile  dieser  in  den 
Strom  dringen  (Magnus).  Die  Noth Wendigkeit  dieser  Erscheinung  leitet  sich  aus 
der  Cohäsion,  und  der  Unznsammendrückbarkeit  der  Flüssigkeit  ab.  Aus  der  Massen 
Zunahme  des  Stromes  folgt  dann , dass  seine  Geschwindigkeit  proportional  der  Ycr- 
Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Au  (luge.  4 


Digitized  by  Google 


50  Mittheilung  der  Bewegung  des  Stromes  Uber  seine  Grenzen. 

grossem ng  des  Stromquersehnittes  abniramt  — Was  nun  für  den  Strom  in  eine  ruhende 
Flüssigkeit  gilt,  findet  auch  seine  Anwendung  auf  awei  sich  berührende  Stromfaden 
von  gleicher  Richtung  aber  ungleicher  Geschwindigkeit 

Nehmen  wir  an , es  seien  in 
Fig.  4 AAf  BB‘  CC*  drei 
flüssige  Fäden,  jede  enthalte 
drei  Molekeln  in  dem  gegensei- 
tigen Abstand,  welchen  die  gerade 
vorhandene  Spannung  verlangt. 
Denken  wir  nun,  es  seien  A und  C 
eine  gleiche  und  B eine  doppelt 
so  grosse  Geschwindigkeit  er- 
tbeilt,  so  wird  s.  B.  das  Theil- 
chen  5 nach  6'  gehen,  während  im  obem  Faden  1 und  2 au  1'  und  2',  und  im 

untern  7 und  8 au  7'  und  8'  gelangen.  Damit  wird  sich  aber  der  Abstand  von  6 

tu  1'  und  7'  vergrössert  und  tu  V und  8'  vermindert  haben;  träte  dieses  aber  ein, 
so  würde  vermöge  der  allgemeinen  Eigenschaften  der  Flüssigkeit  6 an  T und  7 * 
ziehen,  auf  3 und  9 aber  drücken;  mit  andern  Worten,  es  wird  ein  Theil  der  Ge- 
schwindigkeit von  6'  auf  die  Nachbarn  Übergehen.  Ueberlegt  man  sich  unter  Voraus- 

setzung dieses  Annahme  den  Gang  der  Flüssigkeit  noch  weiter,  so  müsste  man 
erwarten,  dass  eine  ungleiche  Geschwindigkeit  zweier  benachbarter  Fäden  überhaupt 
gar  nicht  bestehen  könnte,  weil,  wenn  ein  gradliniger  Weg  aller  Schichten  verlangt 
wird  , die  in  ihr  enthaltenen  Theilchen  nur  dann  bei  der  Bewegung  in  gleichem  Ab- 
stand bleiben,  wenn  sie  alle  dieselbe  Verschiebung  erleiden.  Da  aber  ungleiche  Ge- 
schwindigkeiten benachbarter  Schichten  in  der  That  Vorkommen,  so  muss  eine  d«r 
Bedingungen , die  wir  in  unserm  Beispiel  unterlegt  haben , die  Gradlinigkeit  des 
Wegs,  als  unverträglich  mit  der  Untusammendrtickbarkeit  der  Flüssigkeit  für  den 
wirklich  vorkommenden  Strom  keine  Geltung  haben,  dann  aber  muss  das  Theil- 
chen eines  Fadens  bei  dem  Fortschreiten  um  die  Achse  des  Fadens  hin  und  her 
schwingen , wodurch  Abweichungen  von  der  geraden  Linie  des  Wegs  Vorkommen , die 
allerdings  entsprechend  dem  geringen  Abstand  der  Nachbartheilchen  für  unsere  Beob- 
achtungsmittel unmerklich  sind.  — Jedenfalls  geht  aus  unsern  Betrachtungen  hervor, 
dass  durch  eine  ungleiche  Geschwindigkeit  benachbarter  Fäden  eine  andere  Verthcilung 
der  bisher  bestandenen  Spannungen  und  damit  eine  Uebertragung  von  Kräften  ein- 
treten  muss. 

Eine  andre,  mit  der  eben  erörterten  innig  zusammenhängenden  Frage  ist  die,  ob 
bei  dieser  Gegenwirkung  ungleich  geschwinder  Stromfäden  auf  einander  bewegende 
Kraft  verloren  geht  Ware  die  Flüssigkeit  vollkommen  elastiseh  und  ihre  Theilchen 
vollkommen  aneinander  verschiebbar,  so  könnte  kein  Kraftverlust  cintreten,  indem 
dann  jedesmal  die  Einbusse  an  Kraft,  welche  das  eine  Theilchen  erleidet,  dem  andern 
tu  Gute  kommt  Da  cs  aber  Lösungen,  wie  s.  B.  die  des  Eiweisses,  Schleimt,  Zuckers 
u.  s.  w.  giebt,  welche  unzweifelhaft  diesen  Bedingungen  nicht  entsprechen,  so  ist 
die  Möglichkeit  eines  Kraftrerluttes  durch  die  sogenannte  innere  Reibung  nicht  su  be- 
streiten. Die  Erfahrung  hat  ihn  jedoch  noch  tu  bestätigen. 

b.  Bewegt  sich  die  Flüssigkeit  gegen  einen  festen  ruhenden  Körper,  so  über- 
trägt sie  auf  diesen,  insofern  er  der  Richtung  des  Stroms  entgegensteht,  immer  Ge- 
schwindigkeit Diese  letzte  wird  entweder  in  Spannung  der  Flüssigkeit  oder  auch  des 
festen  Körpers  umgesetzt,  welche  unter  veränderten  Umständen  der  Bewegung  der  Flüs- 


Fig.  4. 


Digitized  by  Google 


Constanter  Strom  in  Röhren. 


51 


»igkeit  wieder  zu  gute  kommen  kann.  — Dass  die  verlorne  Geschwindigkeitshöhe  sich 
auf  die  beseichnete  Weise  umsetxen  kann , ist  aus  der  Elasticität  der  Flüssigkeit  und 
der  Widerstand  leistenden  Körper  begreiflich ; daraus  folgt  auch,  dass  die  herbeigeflihrte 
Spannung  auf  den  Strom  wieder  übertragbar  ist  Um  der  Anschauung  au  Hilfe  au 
kommen,  wollen  wir  uns  vorstellcn,  dass  ein  Strom  in  einen  schon  mit  Flüssigkeit  er* 
füllten , aber  dnreh  diese  nicht  ausgedehnten  elastischen  Beutel  geschehe.  Der  Strom 
wird  in  diesen  Beutel  also  nur  insofern  eindringen  können  als  er  ihn  ausdehnt  und 
darum  nur  so  lange,  bis  die  Wandspannung  desselben  den  Stromkräften  das  Gleich- 
gewicht hält  Würde,  nachdem  dieses  geschehn,  der  einfliessende  Strom  unterbrochen, 
so  würde  nun  aus  der  Oefftoung  des  elastischen  Sackes  ein  Flüssigkeitsvolum  austreten, 
welches  gleich  wäre  dem  Räumlichkeitsunterschied  des  Beutels  bei  gespannten  und 
ungespannten  Wandungen.  Vorausgesetzt,  dass  die  Elasticität  des  Beutels  vollkommen 
wäre,  würde  dieses  Flüssigkeitsvolum  auch  den  ganzen  Werth  der  Kräfte  mitnehmen, 
den  es  früher  als  Strom  bcsass,  und  dann  als  Spannung  in  die  elastischen  Wände 
niederlegte.  — In  Wirklichkeit  erleidet  aber  deT  Strom  beim  Anstoss  an  feste  Körper 
eine  wirkliche  Einbusse  an  Kraft,  indem  sich  die  Bewegung  der  wägbaren  Masse  ent- 
weder in  Wärme  umsetzt,  die  beim  Zusammendrücken  der  festen  und  flüssigen  Massen 
entwickelt  wird;  oder  der  Kraftverlust  geschieht  dadurch,  dass  die  auf  den  festen 
Körper  übertragene  Geschwindigkeit  diesem  verbleibt  oder  durch  ihn  hindurch  auf 
andre  Massen  übergeht.  Dieser  ganze  Verlust  oder,  wie  man  gewöhnlich  sagt,  die 
äussere  Reibung,  ist  abhängig  von  der  Geschwindigkeit  des  Stroms,  nicht  aber  von 
der  Spannung  desselben,  von  dem  Winkel,  unter  welchen  die  Stromrichtung  die  wie- 
derstehende' Fläche  trifft , von  der  Berührungsfläche  zwischen  Strom  und  festem  Kör- 
per, von  der  Elasticität  und  Oberflächenbeschaffenheit  der  letzten  (die  Benetzbarkeit 
ein  geschlossen) , von  der  Temperatur  und  chemischen  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit. 

Die  Beziehungen  zwischen  dem  festen  Körper  und  der  Flüssigkeit  müssen  sich  aber 
wesentlich  ändern,  wenn  die  bisherigen  Annahmen  dahin' umgestaltet  werden,  dass  der 
feste  Körper  sich  mit  der  Flüssigkeit  bewegt.  Denn  dann  machen  sich  ausser  den  schon 
aufgezühlten  Umständen  noch  die  Eigenbewegungen  des  schwimmenden  Körpers  gel- 
tend. Diese  können  sich  darstellen  als  Drehungen,  die  von  asyraetrischer  Vortheilung  f 

der  Dimensionen  um  den  Schwerpunkt  des  schwimmenden  Körpers,  oder  von  unglei- 
cher Geschwindigkeit  der  auf  seine  Oberfläche  treffenden  Stromfäden  bedingt  sind, 
oder  als  ein  Auf-  oder  Niederstreben  des  Körpers,  bedingt  durch  ein  von  der 
Flüssigkeit  abweichendes  Eigengewicht. 

9.  Constanter  Strom  in  Röhren.  Ausser  den  schon  hervorgehobenen  allge- 
meinen Eigenschaften  eines  jeden  Stromes,  kommen  bei  einem  solchen  in  Röhren  noch 
einige  besondere  zum  Vorschein , die  durch  die  Gestalt  und  die  Oberfläehenbeschaflen- 
heit  der  Wand  bedingt  sind.  — Die  Spannung  eines  jeden  in  dem  cylindrischen  Strom 
enthaltenen  Fadens,  ändert  sich  mit  der  Entfernung  des  in  ihm  betrachteten  Punktes 
vom  Ursprung  des  Stroms;  je  nachdem  die  Spannung  mit  dem  wachsenden  Weg  ab- 
nimmt, wird  der  Unterschied  der  Spannung,  zweier  auf  einander  folgender  Punkte  ein 
■u  oder  abnehmender  genannt,  und  zwar  ist  der  Spannungsunterschied  nach  dem  ge- 
wöhnlichen Sprachgebrauch  abnehmend,  wenn  die  Spannung  mit  dem  wachsenden  Weg 
sich  mindert,  im  umgekehrten  Falle  ist  er  zunehmend.  Denkt  man  sich  die  auf  ein- 
ander folgenden  Spannungen  eines  Stromfadens  ausgedrückt  durch  Plüssigkeitssäulen, 
und  errichtet  man  dann  Fig.  5 auf  dem  Stromfaden  A E als  Abszisse,  die  jedem 
Punkt  desselben  angehörige  Spannung  als  Ordinate,  h h,1  hlt  hm  ....,  so  stellt  die  Ver- 
bindungslinie aller  obem  Endpunkte  dieser  Ordlnaten  die  Ourve  der  Spannungen  dar. 

4* 


Digitized  by  Google 


52 


Constanter  Strom  in  Rohren. 


Diese  Curve  kann  entweder  eine  gerade  Linie  sein ; in  diesem  Fall  bleibt  der  vor- 
handen e Spannungsunterschied  für  die  Längeneinheit  des  Stromes  also  /*«,  h\b  der- 
selbe, oder  es  kann  die  Curve  eine  gebogene  Linie  sein,  wo  also  der  Spannungsunter- 

Fig.  5. 


h 


schied  in  swei  auf  einander  folgenden  Längeneinheiten  der  Strombahn  ab  oder  zunimmt 
wie  bei  huc  A‘V</.  Endlich  kann  die  Curve  sogenannte  ausgeseicbnete  Punkte  be- 
sitzen, wo , wie  bei  An  nnd  hmy  der  Spannungswerth  sich  plötzlich  ändert;  obwohl 
auch  hier  zwischen  zwei  auf  einander  folgenden  Punkten  des  Stromfadens  ein  allmäh- 
liger  Uebergang  in  der  Spannung  stattfinden  wird,  so  sieht  man  doch  fllr  gewöhnlich 
die  Spannungsanderung  als  eine  plötzliche  an.  — 

Betrachtet  man,  statt  der  mit  der  Länge  veränderlichen  Spannung  eines  Strom- 
fadens , diejenige  der  vielen  Fäden , welche  auf  einem  Querschnitt  enthalten  sind, 
der  senkrecht  gegen  die  Strorarichtung  geführt  wurde,  so  gewahrt  man,  dass  die 
Spannung  auf  einer  solchen  Normalfläche  selbst  wieder  veränderlich  ist  So  kommt  es 
z.  B.  vor,  dass  die  der  Röhrenachte  näher  gelegenen  Stromfäden  mit  einer  geringem 
Spannung  behaftet  sind,  als  die  gegen  die  Wand  hingelcgenen.  Demnach  wird  man 
die  Spannungscurve  der  Normalfläche  einzustellen  haben,  welche  man  erhält,  wenn  man 
sich  auf  einem  beliebigen  Radius  derselben  als  Abszisse,  alle  Spannungen  der  Strom- 
fiiden  als  Ordinatcn  aufgerichtet  denkt,  welche  der  Radius  bei  seinem  Hingang  vom 
Mittelpunkte  nach  der  Peripherie  hin  schneidet.  Die  Spannungsfläche  des  Normal- 
schnittes  wird  man  aber  erhalten,  wenn  man  sich  die  8pannnngscurve  desselben  um  den 
Mittelpunkt  der  Röhre  im  Kreis  bewegen  lasst  Dieses  Verhalten  der  Spannung 
auf  dem  Querschnitt  verlangt  die  Sonderung  der  Begriffe  von  Theil-  nnd  Gesammt- 
spannung.  Unter  der  ersten  versteht  man  die  Spannung  eines  einzelnen  Fadens,  der 
in  einem  gegebenen  gradlinigen  Abstand  vom  Mittelpunkte  die  Normalfläche  schneidet. 
Bei  vollkommener  Symmetrie  des  Stroms  werden  die  auf  einer  Kreislinie  einschnei- 
denden Strorafäden,  die  mit  demselben  Radius  aus  dem  Mittelpunkte  des  Stromquerschnitts 
beschrieben  wurde , unter  einander  gleich  sein.  Der  Gesaramtschnitt  kann  also  in  un- 
zählige Kreise  gleicher  Spannung  zerlegt  werden.  Central  Spannung  würde  die  genannt 
werden,  wo  der  Radius  den  Werth  0,  Wandspannnng  die,  welche  in  dem  Kreise 
herrscht,  dessen  Radius  gleich  dem  des  Röhrenlumens  wäre.  — Die  Gesammtspannung 
oder  mittlere  Spannung  der  Norraalfläche  würde  man  erhalten,  wenn  man  allo  auf  der 
Normalfläche  vorhandenen  Einzel  - oder  Theilspannungen  addirte  nnd  die  Summe  durch 
den  Flächeninhalt  dividirte. 

Die  Geschwindigkeit  eines  jeden  »Stromfadens  in  seinem  Verlauf  durch  die  Röhren 
ist,  allen  Uebrige  gleich  gesetzt , mit  dem  Flächeninhalt  des  Querschnitte  veränderlieh ; 


Digitized  by  Google 


Constantor  Strom  in  Köhren. 


53 


bleibt  dieser  gleich,  so  verhalt  sich  auch  die  Geschwindigkeit  durch  den  ganzen  Strom- 
faden  hindurch  unverändert,  wächst  aber  der  Querschnitt,  so  soll  in  demselben  Maass 
die  Geschwindigkeit  abnehmen.  Die  umgekehrte  Behauptung  spricht,  man  bei  der  Ver- 
kleinerung des  Querschnitts  aus. 

Die  Geschwindigkeit  der  Fäden,  welche  gleichzeitig  eine  beliebige  Normaltläche 
durchsetzen,  ist  immer  ungleich,  die  Centralfaden  sind  immer  geschwinder  als  die 
Wandfäden.  Man  unterscheidet  also  auch  hier  die  Theil-  und  die  Gcsammtgeschwin- 
digkcit.  Unter  Gesammt-  oder  mittlerer  Geschwindigkeit  würde  man  aber  dem  Frühem 
gemäss  die  zu  verstehen  haben,  welche,  wenn  sie  allen  Fäden  des  Normalsohnitts  gleich- 
zeitig mitgetheilt  würde,  durch  diese  in  der  Zeiteinheit  gerade  soviel  Flüssigkeit  führte, 
als  durch  ihn  vermöge  der  wirklich  vorhandenen  Theilgeschwindigkeit  getrieben  wird. 

Methoden  zur  Bestimmung  der  Spannung  und  Geschwindigkeit 
eines  Böhrenstroms. 

Die  Spannung  misst  man  mit  dem  Druckmesser  (Mano-  oder  Piezometer),  d.  h. 
durch  Böhren,  deren  Lumen  mit  dem  der  Stromröhre  communizirt  und  die  senkrecht 
gegen  die  Achse  der  Stromröhre  aufsitzen;  ihrer  Form  nach  sind  sie  entweder  gerade 
oder  heberförmig  gebogen ; gerade,  wenn  man  eine  positive  Spannung  des  Stroms  durch 
Ansteigen  der  in  sie  eingehenden  Flüssigkeit  messen  will;  heberförmige  Instrument« 
aber  gebraucht  man  entweder,  wenn  man  negative  Spannung  durch  gleichartige  oder  die 
positive  eines  Wasserstroms  durch  eine  Quecksilbersäule  messen  will.  Um  die  Mano- 
meteröft’nung  mit  jedem  beliebigen  Faden  des  Querschnitts,  auf  dem  er  steht,  in  Berüh- 
rung bringen  zu  können,  muss  der  Druckmesser  an  seiner  Durchbruchsstelle  durch  die 
Wand  der  Stromröhre  verschiebbar  sein. 

Zur  Auswerthung  der  Geschwindigkeit  wird  benutzt  1°  das  FliUsigkeitsvolum,  wel- 
ches in  der  Zeiteinheit  aus  einem  Bohr  von  bekanntem  Querschnitt  ausfliesst.  Da  offen- 
bar das  ausgeflosseno  Volum  v = c q ist,  wenn  c die  mittlere  Geschwindigkeit  in  dem 

Querschnitt  q ist , so  wird  die  mittlere  Geschwindigkeit  c = - . — 2*  Man  misst  den 

• • ü 

Weg,  welchen  ein  sichtbar  gemachter  Abschnitt  des  Stroms  in  der  Zeiteinheit  durch- 
läuft. Dieses  geschieht,  indem  man  die  Geschwindigkeit  eines  im  Strom  schwim- 
menden festen  Körpers  misst  Durch  diese  Methode  kann  nach  Umständen  die 
partielle  oder  auch  die  mittlere  Geschwindigkeit  gefunden  werden,  vorausgesetzt, 
dass  der  Körper  rUcksichtlich  seiner  Bewegung  angosehen  werden  darf  wie  ein  Theil- 
chen  des  Strorafadens,  in  dem  er  schwimmt,  wenn  er  also  dasselbe  specifische  Gewicht, 
und  dieselbe  Adhäsion  an  den  Flüssigkeitstheilchen  besitzt,  die  diesen  unter  einander 
zukommt,  und  endlich  wenn  er  ohne  Drehbewegungen  auszuführen  im  Strom  fort- 
schreitet. Diese  Bedingungen  werden  entweder  nur  von  Flüssigkeit  selbst  erfüllt  oder  von 
symmetrisch  geformten  Körperchen,  welche  sich  nur  über  Stromfaden  von  möglichst 
gleicher  Geschwindigkeit  erstrecken  und  dabei  aus  einem  Stoff  bestehen,  der  möglichst 
innig  von  der  Flüssigkeit  des  Stromes  durchtränkt  wird.  — Benutzt  man  als  Index 
für  die  Geschwindigkeit  des  Stromfadens  ein  in  ihm  schwimmendes  festes  Körperchen, 
so  genügt  es  den  Weg  zu  bestimmen,  welchen  dieses  in  der  Zeiteinheit  zurücklegt. 
Bedient  man  sich  dagegen  zur  Geschwindigkeitsmessung  einer  in  den  Strom  gebrachten 
Flüssigkeit,  so  muss  man  vor  Allem  auf  ein  Mittel  denken,  um  diese  Flüssigkeit  sicht- 
bar zu  machen  und  zwar  entweder  während  der  ganzen  oder  zu  Ende  der  Beobach- 
tungszcit.  Hering  verfährt  auf  die  letztere  Weise;  er  bringt  an  einen  bestimmten 
Stromort  zu  einer  gegebenen  Zeit  einen  Tropfen  aufgelösten  Blutlaugensalzes , und 
imprägnirt  einen  andern  Stroraort,  mit  der  Lösung  eines  Kisensalxes,  welches  mit  Cyan- 


Digitized  by  Google 


54 


Constanter  Strom  in  Böhren. 


ciscnkaliura  einen  blauon  Niederschlag  giebt.  Beobachtet  man  nun  den  Zeitpunkt,  in  wel- 
chem der  Niederschlag  ein  tritt,  und  kennt  man  den  Abstand  zwischen  den  Applications- 
orten  von  Blutlaugen  • und  Kisens&lz,  so  hat  man  damit  die  Grundlagen  für  die  ver- 
langte Messung.  — Volkmann  schaltet  dagegen  in  den  Strom  eine  gefärbte  Flüssigkeit, 
z.  B.  in  den  rothen  Blutstrom  eine  farblose  Wassersäule  von  beträchtlicher  Länge  und 
▼on  einem  dem  Strom  möglichst  gleichen  Querschnitt  ein.  Indem  der  Strom  die  Säule 
vor  sich  her  schiebt,  ist  man  im  Stande  das  Fortschreiten  der  Grenze  v%n  gefärbter 
und  farbloser  Flüssigkeit  zu  beobachten.  Die  Methode  ron  Volk  mann  hat  hierbei 
mit  dem  Uebelstand  zu  kämpfen,  dass  sich  die  Grenze  nicht  scharf  erhalt,  theils  we- 
gen des  ungleichen  speciüschen  Gewichts  der  Flüssigkeit , theils  wegen  des  unglei- 
chen Fortschreitens  der  Wand-  und  Mittelfaden.  — 3°  Zur  Geschwindigkeitsbestimmung 
benutzt  man  ferner  das  Gewicht,  mit  dem  man  eine  gegen  den  Strom  gestellte  Fläche 
belasten  muss,  um  sie  in  einer  senkrecht  zur  Stromrichtung  gehenden  Lage  zu  erhal- 
ten; oder  man  hangt  ein  constantes  Gewicht  von  bestimmter  Gestalt  derartig  in  den 
Strom,  dass  es  vom  Strom  um  einen  gegebenen  Mittelpunkt  gedreht  werden  kann  und 
bestimmt  aus  dem  Ablenkungswinkel,  den  es  durch  den  constanten  Strom  erfährt , die 
Geschwindigkeit  des  letztem.  Von  diesen  beiden  erwähnten  Verfahrungsarten  hat  nur 
die  letztere  eine  Anwendung  in  der  physiologischen  Hydraulik  gefunden,  und  zwar 
unter  der  Form  des  sogenannten  Stromquadranten,  dem  in  der  Wasscrhaukunde  be- 
sonders Eytelwein  und  Gcrstner*)  Kingang  verschafft  haben.  Der  Stromquadrant 
oder  Strompendel  besteht,  wie  die  Fig.  6 zeigt,  aus  dem  Viertel  einer*  Kreisfläche,  die 
pig  an  dem  Umfang  in  Grade  gethcilt  ist;  an  einem  im  Mit- 

telpunkt geschlagenen  Stift  hängt  ein  steifer  Faden, 
(ab),  der  an  seinem  entgegengesetzten  Ende  eine  Kugel 
hält.  Will  man  das  Instrument  anwenden,  so  bringt 
man  cs  zuerst  in  eine  solche  Stellung,  dass  der  Faden 
desselben  auf  der  Null  der  Thcilung  einspielt;  über- 
giebt  man  nun  die  Kugel  dem  Strom,  so  wird  sie, 
etwa  nach  c abgclenkt;  die  Theorie  verlangt,  dass  die 
Tangente  des  Ablenkungswinkels  (bac)  sich  verhalten 
solle  wie  dio  Stosskräfte,  und  da  diese  sich  verhalten, 
wie  die  Quadrate  der  Geschwindigkeit,  so  würden 
diese  letzteren,  wie  die  Wurzel  aus  der  Tangente  des 
Ablenkungswinkels  wachsen,  vorausgesetzt,  dass  immer 
dieselbe  Kugel  in  Anwendung  gekommen  ist.  Diese  Voraussage  bestätigt  die  Erfah- 
rung nicht  und  cs  sind  somit  von  der  Theorie  nicht  alle  Bedingungen  in  Rechnung 

gebracht;  das  Instrument  verlangt  also,  um 
brauchbar  zu  werden,  einer  empirischen  Gradui- 
rung,  und  es  misst  mit  dieser  die  durch  die 
eingesetzte  Kugel  veränderte  Gesehwindigkeit 
der  Strom  ßden,  in  welche  sie  gehalten  wird. 
Vierordt,  der  den  Apparat  in  der  Physio- 
logie einlührte,  mit  der  Absicht,  die  mittlere 
Geschwindigkeit  auf  dem  Stromquerschnitt  zu 
erhalten,  brachte  das  Pendel  p (Fig.  7.)  in  ein 
kubisches  Kästchen  KK\  auf  ungleichen  Höhen 

•)  Anmnerkugen  Uber  da»  hydrometr.  Pendel.  Prag  1819. 


Fig'.  7. 


Digitized  by  Google 


Constantcr  Strom  in  Röhren. 


55 


zweier  gegenüberstehender  Seiten  desselben  öffnen  sich  zwei  cylindrischc  Röhren 
R R.  Dieses  Instrument  nennt  Yierordt  Tachometer;  die  Figur  giebt  es  in  natür- 
licher Grösse  wieder.  Seinen  Apparat  aicht  er  dadurch,  dass  er  die  cylindrischen 
Ansätze  RR  in  einen  Strom  ron  gegebenem  Querschnitt  einschaltet  und  einerseits 
die  Ablenkung  des  Fendels,  andererseits  aber  die  Ausflussmenge  aus  dem  Ende  des 
Stromrohrs  und  damit  die  mittlere  Geschwindigkeit  in  dem  letzteren  bestimmt.  Hier- 
durch gewinnt  er  eine  Beziehung  zwischen  der  mittleren  Geschwindigkeit,  die  im  Rohr 
besteht,  während  das  Instrument  eingeschaltet  ist,  und  der  Pcndclablcnkung.  Fraglich 
bleibt  nur,  was  durch  Versuche  entschieden  werden  könnte,  ob  Ströme  von  ungleichen 
Durchmessern,  aber  gleichen  mittleren  Geschwindigkeiten  dieselbe  Ablenkung  erzeugen, 
weil  es  zweifelhaft  ist,  ob  die  Störung,  die  der  Apparat  veranlasst,  nur  sich  ändert 
mit  der  mittleren  Geschwindigkeit,  nicht  aber  mit  dem  Querschnitt,  in  welchen  er 
eingefdgt  ist  Ein  anderes  Bedenken  bieten  Ströme,  deren  mittlere  Querschnittsge- 
schwindigkeit mit  der  Zeit  sich  fortwährend  ändert,  so  dass  dem  Pendel  dann  niemals 
eine  Ruhelage  vergönnt  wird,  sondern  hin  und  her  schwankt  Denn  in  diesem  Fall  kommt 
ausser  der  Schwere  auch  noch  die  Geschwindigkeit  der  Pendellinse  in  Betracht.  Vier- 
ordt  glaubt  für  den  arteriellen  Blutstrom,  wolcher  mit  einer  veränderlichen  Geschwin- 
digkeit begabt  ist,  jenes  Bedenken  beseitigt  zu  haben.  Siehe  die  Geschwindigkeit 
des  Blutstroms.  — 4°  Die  Geschwindigkeitsmessung  wurde  auch  durch  das  Kohr  von 
Pi  tot  versucht.  Dieses  ist,  wie  Fig.  8 zeigt,  eine  mit  einer  rechtwinkligen  Biegung 
versehene  Glasröhre ; die  Schenkel  derselben 
sind  ungleich  lang;  der  kürzere  wird,  wenn 
die  Messung  ausgeführt  werden  soll,  der  Art 
in  das  Stromrohr  gesetzt,  dass  die  Fläche  sei- 
ner Mündung  senkrecht  auf  der  Stromrich- 
tung steht.  Wenn  die  in  diesen  Schenkel 
mündenden  Fäden  des  Stroms  vollkommen  zur 
Ruhe  gebracht  würden,  so  müsste  nach  der 
Bernoulli 'sehen  Theorie  die  Flüssigkeit  in 
dem  langen  Schenkel  zu  einer  Höhe  (H)  emporsteigen,  welche  dem  Druck  entspräche» 
den  die  betreffenden  Fäden  vermöge  ihrer  Spannung  (h)  und  ihrer  Geschwindigkeit  (h‘) 
ausüben  können;  es  wäre  also  H = h-f-h\  Aus  dieser  Gleichung  ist  h'  oder  die  Ge- 
schwindigkeitshöhe zu  finden,  wenn  h oder  die  Spannungshöhe  bekannt  ist ; diese  letztere 
kann  aber  auch  durch  ein  senkrecht  auf  den  betreffenden  Stromfaden  gesetztes  Ma- 
nometer gefunden  werden.  So  oft  bis  dahin  dieses  Verfahren  für  den  Strom  in  Röhren 
in  Anwendung  kam,  wie  z.  B.  in  der  ausgedehnten  Arbeit  von  Darcy,  hat  man  die 
Pi  tot 'sehe  und  das  Manometerrohr  nicht  in  dieselben,  sondern  in  verschiedene  Strom- 
fäden gesetzt  und  die  an  beiden  Instrumenten  gefundeno  Druckdifferenz  als  Gescbwindig- 
keitahöhe  angesehen;  diese  Unterstellung  ist  aber  den  neueren  Untersuchungen  gemäss 
nicht  mehr  annehmbar,  somit  sind  die  bis  dahin  erworbenen  Resultate  nicht  zu  ge- 
brauchen. Aber  selbst  eine  Verbesserung  dieses  Fehlers  würde  immer  noch  nicht  zum 
Ziel  führen,  da  die  Bedingung,  dass  die  in  den  kurzen  Schenkel  der  Röhre  eindringen- 
den  Fäden  vollkommen  ruhen  sollen,  sich  nicht  herstellen  lässt  und  namentlich  bei 
gleicher  Strorageschwindigkeit , aber  ungleicher  Form  der  Mündung  die  Höhe  des  An- 
steigens sich  ändert.  Ans  diesem  Grunde  haben  die  Wasserbaumcister  schon  seit  du 
Buat,  das  Verfahren  entweder  bei  Seite  gesetzt,  oder  sie  graduiren  jedes  Rohr  be- 
sonders. Zweckmässige  Formen  des  Rohrs  siche  bei  Weissbach  und  Darcy. 


Fig.  8. 


Digitized  by  Google 


56  Geschwindigkeit  in  geraden  Cylindcrrohr. 

Die  Erscheinungen  des  constanten  Stromes  in  Rühren  sind  aber  wiederum  verän- 
derlich mit  der  Form  und  Beschaffenheit  der  letztem.  In  Folgendem  sind  die  wich- 
tigsten Falle  behandelt. 

10.  Wagerechte,  gerade,  überall  gleichweite  Röhren.  — Die  Regeln,  nach  welchen 
der  Strom  in  geraden  Röhren  verläuft,  haben  dis  dahin  nur  unter  der  Bedingung  er- 
mittelt werden  können , dass  ein  bestimmtes  Verhältnis  zwischen  der  Länge  und  dem 
Durchmesser  der  Röhro  bestand.  Insbesondere  musste  die  Lange  der  Röhre  in  Verhält- 
nis zu  ihrem  Durchmesser  um  so  beträchtlicher  worden,  je  bedeutender  der  letztere  war. 
(Girard,  Poiseuille)*).  Mengt  man  der  strömenden  Flüssigkeit  sichtbare  Theilchea 
bei,  so  bemerkt  man  in  Röhren  von  genügender  Länge,  dass  die  Theilchen  nahezu  geradlinig 
und  mit  den  Wandungen  parallel  gehen,  während  sie  geschlängelt  in  den  zu  kurzen  Röhren 
verlaufen.  Dem  entsprechend  hält  man  dafür,  dass  der  Strom  in  langen  Röhren  aus  gera- 
den Fäden  bestehe.  Für  diesen  geradlinigen  Strom  gelten  die  folgenden  Ermittlungen. 

Geschwindigkeit.  Die  mittlere  Geschwindigkeit  ist  auf  allen  Querschnitten 
die  senkrecht  zur  Röhronachso  gelegt  werden  könnon  dieselbe,  dieses  folgt  mit  Noth- 
Wendigkeit  aus  der  Cohösion  und  L'nzusammendrückbarkeit  der  Flüssigkeit.  Die  Ge- 
schwindigkeit der  Fäden  aber,  welche  auf  einem  Querschnitt  senkrecht  stehen,  ist  mit 
ihrem  Abstand  vom  Mittelpunkt  veränderlich.  Zerlegt  man  den  Querschnitt  in  unzäh- 
lige concentrisehc  Kreise,  die  sämmtlich  .vom  Mittelpunkt  der  Röhre  aus  mit  Radien 
beschrieben  sind,  die  von  Null  an  bis  zum  ganzen  Werth  des  Röhren durchmessers 
wachsen,  so  wird  ein  jeder  solcher  Kreis  von  Stromfäden  gleichor  Geschwindigkeit 
durchsetzt,  und  zwar  nehmen  dio  Geschwindigkeiten  von  den  kleinen  nach  den  grossen 
Kreisen  oder  vom  Ceutrnra  nach  dem  Umfang  hin  ab.  Das  Gesetz,  nach  welchem  diese 
Geschwindigkeiten  in  dor  bezciebneten  Richtung  abnehmen,  ist  unbekannt.  Namentlich 
verdient  es  der  Erwähnung,  dass  die  Beobachtungen  von  Darcy**)  nicht  su  dem 
gewünschten  Ziel  geführt  haben.  Dagegen  ist  es  wahrscheinlich , dass  die  über  einen 
Röhrendurchmcflser  aufgetragene  Uurve  der  Theilgeschwindigkeiten  veränderlich  ist  mit 
der  Weite  und  Wandbeschaffenheit  der  Röhre,  ferner  mit  der  mittleren  Geschwindig- 
keit, der  chemischen  Eigenschaft,  und  der  Temperatur  der  strömenden  Flüssigkeit,  ln 
ein  und  demselben  Strom  soll  jedoch  die  Curvc  der  Geschwindigkeiten,  bezogen  auf 
den  Durchmesser  der  Rohre  für  alle  Querschnitte  dieselbe  sein , d.  h.  es  soll  die 
Geschwindigkeit  eines  Stromfadens  vom  Beginn  bis  zu  seinem  Ende  unveränderlich 
bleiben ; demnach  würde  der  gradlinige  Strom,  welcher  ein  cylindrisches  Rohr  ausfüllt, 
zusammengesetzt  sein  aus  zahlreichen  in  einander  steckenden  Cylindermänteln , von 
denen  jeder  einzeln  eine  constante  Geschwindigkeit  besitzen  würde. 

Von  der  mittlem  Geschwindigkeit  gilt  erfahrungsgemäß*  folgendes:  1°  dio  Ge- 
schwindigkeit steigt,  wie  die  Druckhöhen,  welche  auf  den  Flüssigkeiten  lasten,  so 
dass  entgegen  dem  Ausfluss  aus  Mündungen  durch  dünne  Platten  bei  einem  Aufsteigen 
der  Druckhöhen  von  1 zu  4 zu  9 zu  16  u.  s.  w. , die  Geschwindigkeiten  wie  diese 
Zahlen  und  nicht  wie  1,  2,  3,  4 u.  s.  w.  an  wachsen.  — 2°  Alles  andere  gleichgesctzt, 
nimmt  die  mittlere  Geschwindigkeit  ab,  wie  die  Längen  der  Röhren  zunehmen.  — 
3°  Weniger  einfach  ist  die  Beziehung  der  mittleren  Geschwindigkeit  zu  dom  Durch- 
messer; im  Allgemeinen  ist  durch  mannigfache  hydraulische  Beobachtungen,  insbeson- 
dere durch  die  von  Gcrstnor,  Young,  Girard,  Poiseuille  und  Volkmann 


•)  Memoire*  de  l'lnstitut  1813 — 16.  286.  — Poggondorf,  Annalen  |.  c. 

*•)  Recherrhes  experimentales  relative*  au  mouveinent  etc.  Par.  1857.  (XV.  Bd.  der  Memoiren 
der  Pariser  Akademie.) 


Digitized  by  Google 


Spannung  in  geraden  Cylinderröhren. 


57 


festgestellt,  dass  in  weiten  Röhren  die  Geschwindigkeit  geradezu  abnimmt  wie  der 
Durchmesser,  in  Mehr  engen  aber  wie  das  Quadrat  des  Durchmessers ; in  Röhren  mitt- 
leren  Kalibers  nimmt  die  Geschwindigkeit  nach  irgend  einer  andern  Potenz  des  Durch« 
messen,  die  in  der  Mitte  zwischen  den  erwähnten  liegt,  ab.  Die  Grenzen  der  Durch- 
messer, für  welche  die  eine  oder  andere  Angabe  giltig  ist,  sind  nicht  ermittelt  worden.  — 
4°  Die  Geschwindigkeit  nimmt  zu,  wenn  die  Temperatur  der  Flüssigkeit  wächst,  und 
zwar  in  engen  Röhren  beträchtlicher,  als  in  weiten.  Diese  Beobachtung  Gerstners*) 
ist  von  Girard,  insbesondere  aber  für  sehr  enge  Röhren  von  Hagen  und  Poi- 
seuille  erweitert  worden,  welche  für  Wasser,  in  Glas  und  Kupfer  strömend,  den 
empirischen  Coeffizicnten  des  Wachsthums  gefunden  haben.  Dieser  letztere  kann  jedoch 
nur  auf  dio  erwähnten  Stoffe  und  nur  für  sehr  engo  Röhren  angewendet  werden,  da 
nach  Girard  mit  der  Flüssigkeit  und  bei  weiten  Röhren  mit  dem  Durchmesser  sich 
auch  der  von  der  Temperatur  abhängige  Geschwindigkeitsvcrlust  ändert.  — 5°  Die  Ge- 
schwindigkeit ist  ferner  veränderlich  mit  der  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit;  Du- 
buat,  Girard**),  Poiseuillc***).  Wesentlich  unterscheiden  sich  die  Flüssigkeiten, 
je  nachdem  sie  die  Röhrenwand  benetzen,  oder  dieses  nicht  thun.  Wir  berücksichtigen 
nur  die  enteren.  Für  sie  ist  festgestellt : a)  die  Geschwindigkeit  in  jeder  Flüssigkeit 
(unter  Voraussetzung  gleicher  Druckhöhen  und  Röhrenweiten)  ist  unabhängig  von  dem 
Stoff,  aus  dem  die  Röhrenwand  besteht;  namentlich  hat  Poiseuille  Glas,  Metall 
und  die  Membranen  der  Blutgefässe  hierauf  untenuebt.  — b)  Die  verzögernde  Kraft 
oder,  wie  man  gewöhnlich  sagt,  die  Reibung  einer  Flüssigkeit  ist  unabhängig  von  dem 
spezifischen  Gewicht,  der  Dünnfiüssigkeit , der  Capillarattraclion  u.  s.  w.  — c)  Dio 
Reibung  des  Wassers  oder  Blutserums  wird  wesentlich  geändert  durch  geringe  Bei- 
mengung von  Salzen,  Basen  oder  Säuren.  — Von  den  besonderen  Bestimmungen  Poi- 
seuille’s  heben  wir  hervor:  das  Serum  des  Ochaenbluts  fliesst,  alles  Uebrige  gleich- 
gesetzt, nahebei  noch  einmal  so  langsam,  als  reines  Wasser,  und  faserstofTfreies  (Blut- 
körperchen haltendes)  Ochsenblut  fliesst  dreimal  langsamer,  als  Serum.  — Im  Allge- 
meinen erniedrigt  ein  Zusatz  von  Neutralsalzen  zum  Wasser  die  Reibung,  wahrend  sie 
durch  Zusätze  von  Basen  und  von  Säuren  (eine  Ausnahme  machen  unter  letztem  nur 
Blausäure  und  Schwefelwasserstoff)  erhöht  wird ; ein  Zusatz  von  Ammoniak  zum  Serum 
erniedrigt  dagegen  die  Reibung  desselben.  N — 

Spannung.  Man  hatte  bis  dahin  angenommen,  dass  der  Seitendruck  aller  der 
Stromfäden  gleich  sei,  welcho  einen  und  denselben  senkrecht  zur  Stromrichtung  ge- 
führten Querschnitt  ausfüllen ; diese  Annahme  hat  sich  jedoch  als  fehlerhaft  erwiesen ; 
denn  wenn  man  ein  Manometer,  dessen  dem  Strom  zugekehrte  Mündung  senkrecht  gegen 
die  Richtung  desselben  steht,  von  der  Wand  aus  gegen  die  Stromachsc  führt,  so  sinkt 
der  Druck  hiebei  sehr  auffallend  (Darcy,  C.  Ludwig  und  Stefan)  f);  ebenso  kann 
man  durch  ein  Rohr,  welches  die  Wand  - und  Achsenfäden  eines  und  desselben  Strom- 
schnittes verbindet,  wie  es  die  Fig.  9 (s.  folg.  Seite)  angiebt,  ein  Flicssen  des  Wassers 
von  der  Wand  zum  Röhren-Centrum,  in  der  Richtung  des  Pfeiles  erzielen,  und  endlich 
kann  man  auf  zwei  diametral  entgegengesetzten  Wandstellen  verschiedene  hohe  Wasser- 
säulen aufsetzen,  ohne  dass  sich  der  Druck  durch  den  Strom  hindurch  ausgleicht, 
(C.  Ludwig  und  Stefan). 


•)  Gilberts  Annalen  der  Physik.  V.  Bd.  ISO.  — Die  Ucbereiustimmung  zwischen  dem  Cofcffl- 
zienten  von  Hagen  und  Poiseuille  ist  dargclcgt  in  Doves  Repertorium.  7.  Bd.  p. 

••)  Mlmolrea  de  rinstilut.  1816. 

•••)  Annalcs  de  chim.  et  physiqne.  III.  f*<5r.  Bd.  7. 

|)  Wiener  Sitzungsberichte  XXX11.  Bd.  18f>8. 


Digitized  by  Google 


58 


Spannung. 


Bis  dahin  ist  es  noch  nicht  gelungen , das  Gesetz  der  Druck abnahme  von  der 
Wand  gegen  das  Centrum  in  ihrer  Abhängigkeit  von  den  Dimensionen  und  Geschwin- 
digkeiten des  Stroms  hinzustellen,  weil  die  in  den  Strom  geführten  Manometer  in 
diesem  selbst  den  wahren  Druck  sehr  merklich  ändern ; nur  ganz  im  Allgemeinen  lässt 

Fig.  9. 


sich  sagen  : bei  gleichem  Stromdurchmesser  wächst  der  Unterschied  des  Seitendrucks 
zwischen  Wand  und  Achsenfaden  mit  der  mittlcrn  Geschwindigkeit;  denkt  man  sich 
ferner  den  Durchmesser  der  Röhre  in  beliebig  viele,  aber  unter  einander  gleiche 
Stücke  zerlegt,  so  ist  immer  das  der  Wand  zunächst  gelegene  Ende  eines  solchen 
Abschnitts  mit  einem  hohem  Druck  versehen,  als  das  dem  Centrum  zugewendete,  und 
der  Unterschied  des  Drucks,  den  beide  Enden  gewahren  lassen,  ist  um  so  grösser,  je 
näher  sich  das  in  Betracht  gezogeno  Stück  an  der  Wand  befindet,  d.  h.  es  fällt  der 
Druck  in  der  Nähe  der  Wand  rascher  als  gegen  die  Röhrenachse  hin  ab;  ferner  ist 
es  wahrscheinlich,  dass  die  Curve  der  S eiten  drücke , aufgetragen  auf  die  Röhrenlänge 
als  Abszissenachse,  in  ein  und  demselben  Strom  für  alle  Flüssigkeitsfäden  parallel 
bleibt,  oder  anders  ausgedrückt,  dass,  wie  entfernt  auch  der  Querschnitt  eines  Stromes, 
den  man  beobachtet,  Ton  der  Einflussmündung  sein  mag,  doch  immer  der  Unter- 
schied des  Seitondracks  zwischen  Wand  und  Achsenstrom  gleich  gross  ist  Da  nun 
der  Wanddruck,  mag  er  an  der  Einflussmündung  noch  so  hoch  gewesen  sein,  an  der 
Ausflussmttndung  Null  wird,  der  Unterschied  zwischen  Achsen  und  Wanddruck 
aber,  je  nach  der  mittlom  Geschwindigkeit,  auf  hunderte  von  Millimeter  steigen 
kann,  so  muss  es  im  Verlauf  des  Stroms  immer  einen  Punkt  geben,  an  welchem  der 
bis  dahin  positive  Seitendruck  des  Achsenfadens  durch  Null  hindurch  zu  einem  nega- 
tiven Werth  gelangt,  der  um  so  mächtiger  anschwillt,  je  mehr  sich  der  Strom  seinem 
Ende  nähert 

Da  man  bisher  allgemein  annahm,  dass  die  einen  und  denselben  Querschnitt  durch- 
setzenden Stromfäden  gleiche  Spannung  besässon,  so  hat  man  sich  in  allen  altern  Beob- 
achtungen begnügt,  dem  Seitendruck  dcB  Wandfadens,  den  man  sicher  nnd  leicht  be- 
stimmen konnte,  zu  messen  und  seine  Veränderungen  aufzusuchen;  ans  den  bis  dahin 
gewonnenen  Messungen  ergiebt  sich  nun:  1°  die  Spannungen  des  Wandfadens  nehmen 

vom  Anfang  bis  zum  Ende  des  Stromes  nach  einer  geraden  Linie  ab ; graphisch  würde 
sich  dieses  folgcndermassen  ausdrücken  lassen:  gesetzt  es  läge  (Fig.  10)  bei  A der  An- 
fang und  bei  E das  Ende  des  gradlinigen  Wandstroms  A E und  man  errichtete  auf  ihm 
bei  Ay  ff,  a',a“  und  E Manometer,  so  würde  z.  B,  dio  den  Druck  messende  Flüssigkeits- 
säule  in  A bis  /?,  in  a bis  b , in  n'  bis  b\  in  a " bis  b " und  in  E um  eine  nicht 
mehr  messbare  Höhe  steigen.  Verbindet  man  die  obem  Enden  aller  dieser  Höhen  durch 
eine  Linie,  so  würde  man  finden,  dass  dieselbe  eine  gerade  wäre.  Hätte  man,  wie  cs 
hier  geschehen,  die  Manometer  in  gleiche  Abstände  gestellt,  so  würden  also  die  Höhen- 


Spannung. 


59 


unterschiede  des  Wasserstandes  in  je  zwei  auf  einander  folgenden  Manometern  B(\  bcf 
b‘c‘ , b,,et'  einander  gleich  sein.  Es  bedarf  nach  diesem  kaum  der  Erinnerung,  dass 


Fig.  10. 


der  Spannungsunterschied  zwischen  den  Manometern  am  Anfang  und  Ende  geradezu 
wächst,  wie  die  Länge  der  letztem.  2°  Die  Steilheit  des  Abfalls  dieser  Graden,  oder, 
was  dasselbe  sagt,  der  Spannungsunterschied  für  die  Längeneinheit  wächst  mit  der  mitt- 
leren Geschwindigkeit  des  Stroms.  Nennen  wir  den  Spannungguntorschied  auf  der  Längen- 
einheit w und  die  mittlere  Geschwindigkeit  v,  so  lässt  sich  rücksichtlich  der  Beziehung 
der  beiden  Grössen  noch  aussagen : Wenn  die  Geschwindigkeit  des  Stromes  von  0 bis 
100  M.M.  in  der  Sekunde  wächst,  so  ist  der  Spannungsunterschied  w = av,  d.  h. 
gleich  der  mittleren  Geschwindigkeit  multiplizirt  mit  einem  empirisch  zu  bestimmenden 
UoÖfßsienten,  der  kleiner  als  die  Einheit  ist.  Wenn  dagegen  die  Geschwindigkeit  über 
100  M.  M.  anwächst,  so  ist  der  Spannungsunterschied  w=  av  -j-  bv*  d.  h.  gleich  der 
Geschwindigkeit  multiplizirt  mit  dem  frühem  Coäffizienten  mehr  dem  Producte  aus 
dem  Quadrate  der  Geschwindigkeit  in  eine  andere  ebenfalls  empirisch  zu  bestim- 
mende Zahl,  die  kleiner  als  die  Einheit  ist.  — 3°  Der  Spannungsunterschied 

ändert  sich  ferner  mit  der  mechanischen  Beschaffenheit  der  Wandfläche,  an  der  der 
Strom  hingeht.  Wenn  ein  Strom  von  mehr  als  100  M.M.  Geschwindigkeit  an  einer 
unebenen  Wand  hingeht,  so  verschwindet  aui  der  Gleichung  für  w das  erste  Glied  der 
rechten  Seite,  so  dass  w = bv*  wird.  Diese  Erfahrung  scheint  zu  bedeuten,  dass  der 
Coäffizient,  welcher  mit  dem  Quadrat  der  Geschwindigkeit  multiplizirt  in  die  Gleichung 
für  w eintritt,  abhängig  ist  von  den  Stössen,  welche  die  Flüssigkeit  gegen  die  Her- 
vorragung  in  der  Wand  ausführt  — Das  Verschwinden  von  av  oder  das  von  bv*  aus 
der  Gleichung  für  w will  natürlich  nichts  anderes  sagen,  als  dass  in  dem  einen  oder 
andern  Fall  der  Coöfßzient  a oder  b gegen  den  andern  so  klein  wird,  dass  das  ihn 
enthaltende  Glied  in  der  Rechnung  ohne  Schaden  gegen  das  andere  vernachlässigt  wer- 
den kann.  — 4°  Von  der  chemischen  Beschaffenheit  der  Röhrenwand,  vorausgesetzt, 
dass  nur  ihre  Glätte  gleich  ist,  ist  der  Spannungsunterschied  unabhängig.  — 5°  Der 
Spannungsunterschied  wächst,  alles  andere  gleich  gesetzt,  wenn  der  Durchmcssor  der 
Röhre,  in  welcher  der  Strom  geht,  abnimmt.  Dio  ältere  Formel  von  Prony  erörternd, 
hat  Darey,  jiach  seinen  ausgedehnten  Untersuchungen  für  dieses  Abhängigkcitsverhält- 
niss,  folgende  Regel  aufgestellt;  bezeichnet  R den  Halbmesser  der  Röhre  und  ist  in  dem 


Ausdruck  av  das  a = cc-}-~,  und  in  bv*  das  b ■ 
K 


wo  a,  ß}  a‘  und  ß'  em- 


pirisch zu  bestimmende  Zahlen  bedeuten,  so  gestaltet  sich  das  Abhängigkeitavorhält- 


niss  zwischen  w,  R und  v so,  dass  Rw  = -f-  v -{-  “l"  v* 


Aus  dieser  Regel  lässt  sich  such  eine  physiologisch  wichtige  Ableitung  machen. 


Denn  weun  der  Strom  langsam  durch  eine  glatte  Röhre  läuft,  so  ist  dem  obigen  (2*) 


Digitized  by  Google 


60 


Verlust  des  Stromes  an  Arbeit. 


entsprechend  R w 


(•  + I) 


v.  Wird  nun  die  Röhre  eng  also  R sehr  klein,  wie 


dieses  z.  B.  in  den  Capillargefassen  des  Menschen  geschieht,  so  gewinnt  in  der  Rech- 

a 

nung  das  ^ ein  solches  (Jebergewicht  über  a , dass  das  letztere  ohne  Schaden  ver- 


nachlässigt werden  kann;  es  geht  also  die  Qieichung  in  Rw  = —■  v über,  oder  cs 

R 


wird  w -*= 


Das  heisst  in  Worten,  der  Spannungsunterschied  wächst  in  engen 


glatten  Rohren  und  bei  Strömen  geringerer  Geschwindigkeit  umgekehrt,  wie  das  Qua- 
drat den  Kölmndurchmessors,  ein  Ausdruck,  welchen  die  Erfahrungen  von  Girard, 
üagen  und  Poiseuille  bestätigt  haben.  Wird  dagegen  die  Röhre  weit  und  der 
Strom  rasch , so  verschwindet  (nach  2°)  das  erste  Glied  der  rechten  Seite  und  es  ist 


Rw  “ (“'  + k)  ’*• 


Da  nun  aber,  wenn  R gross  wird 


ß' 

R 


gegen  cc'  zum  Verschwin- 


den kommt,  so  ist  hier  Rw  = «' v*  und  w — 


a* 

R 


v*  d.  h.  es  wächst  in  weiten  Röhren 


der  Spannungsunterschied  umgekehrt  wie  der  einfache  Durchmesser.  — 6°  Der  Span- 
nungsunterscliied  ist  endlich  von  der  Temperatur  und  der  chemischen  und  mechanischen 
Zusammensetzung  der  Flüssigkeit  abhängig  und  zwar  wächst  er  mit  den  die  Reibung 
befördernden  Eigenschaften  der  Flüssigkeit,  worüber  die  bei  der  Geschwindigkeit  des 
Stroms  in  geroden  Röhren  unter  5°  luitgcthcillen  Erfahrungen  zu  vergleichen  sind. 

Verlust  des  Stroms  an  Arbeit.  Der  Strom  erleidet  beim  Durchgang  durch 
die  Röhre  einen  Verlust  an  Kräften;  die  Grösse  dieses  Verlustes  auf  der  Längenein- 
heit ergiebt  sich  aua  dem  Unterschied  der  Kräfte,  welche  die  den  Querschnitt  erfül- 
lende Masse  am  Beginn  und  am  Ende  der  Längeneinheit  besitzt  Um  den  Werth  der 
Arbeit  an  beiden  Orten  zu  finden  muss  man  daselbst  die  Masse,  die  mittlere  Geschwin- 
digkeit und  die.  mittlere  Spannung  des  Stroms  kennen.  Setzen  wir  die  Masse,  welche 
wegen  der  Gleichheit  des  Querschnitts  an  beiden  Orten  dieselbe  ist,  =»  m,  die  mittlere 
Geschwindigkeit  am  Anfangsquerschnitt  und  am  Endquerschnitt,  welche  ebenfalls  dieselben 
sein  müssen,  gleich  v,  und  neunen  wir  die  Spannung  des  Anfangschnitts  h und  die  des 
Endschnitts  h'  und  endlich  die  Beschleunigung  der  Schwere  g,  so  wird  der  V erlust  an 

Arbeit  x = m gh^  — m -f-  8^  = mg  (h  — h')  sein,  oder  in 

Worten,  es  war  dio  Einbusse  an  Arbeit  gerade  zu  durch  den  Unterschied  der  mittleren 
Spannungen  auf  beideu  Querschnitten  gegeben.  Wollte  man  nun  aber  dazu  schreiten, 
für  einen  bestimmten  Fall  den  Kraftverlust  auszuwertben,  so  würde  ein  solches  Unter- 
nehmen daran  scheitern,  dass  wir  die  mittlere  Spannung  auf  einem  Querschnitt  nicht 
anzugeben  vermöchten. 

Dio  Anordnung  der  Masse  im  Innern  eines  Stromes  hat  man  sich  nach  den  ge- 
machten Mittheilungen  so  verwickelt  zu  denken,  dass  man  vorerst  darauf  verzichten 
muss,  nähere  Angaben  über  dieselbe  zu  machen.  Die  am  meisten  auffallende  Thatsache, 
dass  der  Strom  nicht  durchweg  von  den  Orten  höheren  zu  denen  niederen  Druckes 
gerichtet  ist,  kann  wie  es  scheint  ihre  Erklärung  nur  in  der  Trägheit  der  die  Flüssig* 
keit  zusammensetzenden  Massen  finden. 

2.  Glcichweitc,  gebogene  Röhren.  Zu  den  bei  geraden  Röhren  betrachte- 
ten Hemmungen  der  Geschwindigkeit  kommen  noch  die  StÖsse,  welcho  der  Strom 
gegen  dio  Wandungon  ausübt  und  die  von  der  Centrifugalkraft  herrührenden  Pressua- 


Digitized  by  Google 


Gleichweite,  gebogene  Röhren. 


61 


gen.  Der  Einfluss  dieses  letztem  Momentes  wächst  bekanntlich  wie  das  Quadrat  der 
Geschwindigkeit,  und  umgekehrt,  wie  der  Durchmesser  des  durchlaufenen  Kreisbogens. 
Die  Grösse  der  Hemmung  aber,  welche  von  dem  Stoss  gegen  die  winklig  gebogene 
Wandung  abhängt,  ist  veränderlich  a)  mit  der  Gradzahl  des  Winkels,  in  der  Art,  dass, 
wenn  er  von  0«  auf  1800  steigt,  der  Widerstand  von  einem  Maximum  auf  ein  Mini- 
mum abfällt.  Mit  welcher  Funktion  des  Winkels  dieses  aber  geschieht,  ist  unbe- 
kannt*); b)  zum  zweiten  wichst  aber  die  Stromhemraung  in  sder  Winkelbiegung  mit 
dem  Quadrat  der  Geschwindigkeit,  was  nach  dem  Frühem  keiner  Erörterung  bedarf.  — 
Die  Hemmung  ist  eine  beträchtlich  geringere,  wenn  die  Biegung  statt  eine  plötzliche 
zu  sein,  sehr  allmählig  geschieht.  Der  Grund  für  diese  Erscheinung  liegt  darin , dass 
bei  plötzlichen  Biegungen  (2  3 ln  der  Röhre  A E Fig  11.)  hinter  der  vorspringenden 

Fig.  11. 


Kante  eine  wirbelnde  Stelle  entsteht,  die  an  der  Strömung  keinen  Antheil  nimmt;  es 
verengert  sich  demnach  das  Stromrohr  gleichsam.  — 

Dieser  verlangsamten  Bewegung  entsprechend  wird  die  Flüssigkeit  in  den  auf  die 
Röhre  gesetzten  Manometern  ansteigcn  und  zwar  werden,  wenn  man  die  Manometer 
aufsetzon  würde  in  1,  2,  3,  4 die  Steigungen  nach  dem  Gesetz  der  unter  der  Röhre 
gezeichneten  Curve  geschehen.  Beginnen  wir  vom  Ende  des  Rohrs  (£),  so  würde  von 
4 nach  3 dem  Frühem  gemäss,  je  nach  der  Röhrenweite  und  Stromgeschwindigkeit, 
das  Aufsteigen  mehr  oder  weniger  allmählig  auf  der  geraden  Linie  a b erfolgen,  dann 
würde  plötzlich  in  der  Winkelbiegung  von  b nach  c ein  sehr  rasches  Aufsteigen  ge- 
schehen, in  Folge  der  besondera  Widerstande,  die  sich  hier  häufen,  und  hinter  dieser 
Biegung,  wenn  das  Rohr  wieder  gerade  fortläuft,  wird  sich  auch  das  allmahlige  Auf- 
steigen e d wieder  einstellen,  ln  dem  Gang  der  Linie,  welche  die  Niveaux  der  Flüs- 
sigkeit in 'den  verschiedenen  Manometern  verbindet,  findet  sich  also  ein  plötzlicher 
Knick,  oder  wie  man  auch  sagt,  ein  ausgezeichneter  Punkt.  — 


•)  Siehe  hierüber  für  einzelne  Fälle  empirischer  Gesetze : von  <1  o Buat,  bei  Eytelweln, 
Handbuch  der  Mechanik  und  Hydraulik.  3.  Aufl.  IMS.  172.  — Volkmann.  Haemodynamlk.  p.  61. 
— Weitab  ach,  Lehrbuch  der  Ingenieur  - und  Mnachineitmechanik.  1.  Bd.  18W)  648. 


Digitized  by  Google 


62 


ITngleichweitc  Rohren. 


3.  U n g 1 e i c h w e i t e Rohren.  Wir  beschränken  uns  auf  die  Betrachtung  der 
beiden  Fälle,  wo  eine  Erweitung  in  eine  Verengung  übergeht,  und  wo  eine  Erweite- 
rung von  zwei  verengten  Stellen  eingeschlossen  wird. 

a.  Die  Erweiterung  mit  darauffolgender  Enge  (Fig.  12).  Di*  mittlere  Geschwin- 
digkeit im  Rohrstück  B wird  zu  der  in  A in  dem  umgekehrten  Verhältnisa  ihrer  Quer- 
schnitte stehen.  Diese 
verhalten  sich  aber  wie 
die  Quadrate  der  Durch- 
messer. Beim  Ueber- 
gang  aus  dem  weiten  in 
das  enge  Rohr  schiessen 
die  Flüssigkeitsstrahlen 
allseitig  zusammen;  wo- 
bei sich  die  Strömung 
in  den  Ecken  des  gros- 
sen Rohrs  in  Wirbel  d 
umsetzt.  — Die  Gurre 

der  Spannung  aufgetragen  auf  die  Röhrenachse  wird  in  B ton  e bis  d gleicftmässig 
aufsteigen,  von  d bis  b ungleichmäßig,  aber  rascher  als  in  d e , wegen  des  erwähnten 
Zusammenstoßes  der  Theilchen  und  von  b bis  a gradlinig,  aber  viel  allmähliger,  als 
in  e d.  — Der  absolute  Werth,  welchen  die  Spannung  in  dem  Abschnitt  d b gewinnt, 
ist  abhängig  von  der  Triebkraft  der  Flüssigkeit  und  von  dem  Verbältniss  der  Quer- 
schnitte von  A und  B. 

b.  Erweiterung  zwischen  zwei  Verengerungen  (Fig.  13.).  Die  Bahnen,  welche  die 
flüssigen  Theilchen,  so  weit  man  darauf  schlossen  kann,  aus  den  in  dem  Strom  ge- 
worfenen Bärlappsamen , sind  in  der  Fig.  13.  durch  die  getüpfelten  Linien  angedeutet; 
nachdem  die  Stromfäden  im  Rohr  A parallel  der  Achse  verliefen , erweitert  der  fort- 
schreitende Strom  nur  allmählig  sein  Bett  bis  er  das  ganze  Rohr  ausfUllt;  in  dem 


Fig.  12. 
A 


Fig.  13. 


Trichter,  der  zwischen  der  Einflussmiindung  in  das  weite  Rohr  bis  znm  Anschluss  des 
Stroms  an  die  Wandungen  der  letztem  liegt,  bewegen  sich  die  Theilchen  nicht  bloss 
in,  sondern  auch  senkreht  gegen  die  Richtung  des  Stroms,  indem  sie  annähernd  senk- 
recht zur  Röhrenachse  auf  und  abschwingen.  Zwischen  dem  Trichter  und  der  Wand 
liegen  aber  stehende  Wirbel,  deren  Längenschnitt  bimförmig  nach  Art  der  gezeichne- 
ten Figuren  »r  ir ' sich  darstellt.  Am  Uebergang  der  Erweiterung  in  die  Verengnng 


Digitized  by  Google 


Verzweigte  Köhren. 


63 


verhalten  sich  die  Bewegungsrichtungen,  wie  sie  auch  schon  in  der  vorigen  Figur  an- 
gegeben wurden.  — An  der  Grenze  des  engen  and  weiten  Rohrs,  bis  zur  grössten 
Erweiterung  des  Stromtrichters , gestaltet  sich  der  Druck  in  einer  zur  Röhrenachse 
senkrechten  Richtung  so,  dass  er  innerhalb  der  beiden  Greuzwirbel  beträchtlich  höher 
als  im  Stroratrichter  ist.  Setzt  man  aber  fortlaufend  auf  die  Wand  den  Manometer  a 
bedefg , so  erhält  man  Druck,  welcher  nach  dem  in  der  Curve  1,  2,  3 ...  7 darge- 
stellten Gesetz  sich  ändert.  Eine  Theorie  für  dieselbe  lässt  sich  nicht  geben. 

Ans  diesen  Mittheilungen  lassen  sich  mancherlei  Folgerungen  ziehen,  von  denen 
wir  zwei  wegen  ihrer  praktischen  Bedeutung  hervorheben.  Sie  beziehen  sich  auf  die 
Veränderungen,  welche  ein  Strom  in  einer  Röhre  erfährt,  dessen  Aus-  oder  Einfluss- 
mündung verengert  worden  ist. 

Setzen  wir  also,  es  sei  in  einem  Überall  gleichweiten  Rohr  Spannung  und  mittlere 
Geschwindigkeit  bestimmt  worden,  und  es  werde  nun  plötzlich  die  Ausflussmündung 
des  Rohrs  verengert,  während  die  am  Einfluss  desselben  wirksamen  Kräfte  unverändert 
erhalten  würden,  so  wird  offenbar  in  dem  Rohr  die  Stromgeschwindigkeit  abnehmen 
nnd  dafür  sich  die  Spannung  erhöhen,  ln  der  verengten  Ausflussmündung  muss  da- 
gegen die  Geschwindigkeit  steigen,  jedoch  nicht  in  dem  Verhältniss,  in  welchem  der 
Querschnitt  abgenommen  hat,  so  dass  dor  nun  raschere  Strom  aus  der  engen  Ocffnung 
nicht  soviel  Flüssigkeit  fördert,  als  dieses  der  langsamere  aus  der  weiten  vermochte. 
Die  Nothwendigkeit  dieses  letztem  Ergebnisses  sieht  man  gleich  daraus  ein , weil  in 
dem  Theil  der  Röhre,  dessen  Durchmesser  unverändert  erhalten  wurde,  die  Stromge- 
schwindigkeit abgenommen  hat  Der  physikalischo  Grund  hierfür  ist  aber  darin  zu 
suchen,  dass  die  Flüssigkeit  in  der  engen  Mündung  durch  Reibung  mehr  an  ihrer 
lebendigen  Kraft  einbÜBst,  als  dieses  in  der  weiten  geschah.  — Verengert  man  aber, 
während  in  dem  Rohr  von  den  bezeichneten  Eigenschaften  die  Ausflussmündung  un- 
verändert erhalten  wurde,  die  EinfluasmÜndung , so  wird  in  dem  unveränderten  Stück 
Spannung  und  Geschwindigkeit  abnehmen,  und  zwar  darum,  weil  die  lebendigen  Kräfte 
jedes  einzelnen  eintretenden  Theilchens  durch  Reibung  mehr,  als  früher  abgeschwächt 
werden,  und  weil  zugleich  die  Masse  der  Flüssigkeit,  welche  an  der  Einflussmündung 
bewegt  wird,  abnimmt. 

4.  Verzweigte  Röhren.  Von  den  zahlreichen  Formen,  wolche  durch  die 
Verzweigung  der  Ströme  hergestellt  werden  können,  berücksichtigen  wir  nur  diejeni- 
gen , bei  denen  ein  ursprünglich  einfaches  Rohr  sich  theiit  und  wieder  in  ein  ein- 
faches zusammcnläuft.  Die  mitgetheilten  Thatsachen  sind  von  Volk  mann  beobachtet. 

, Vergleicht  man  die  Erscheinungen  eines  Stroms  im  vorzweigten  Rohr  mit  denen 
im  unverzweigten,  so  kann  man  behaupten,  dass  ein  und  dieselbe  Menge  Flüssigkeit, 
welche  mit  gleichen  lebendigen  Kräften  begabt,  an  der  Einflussmündung  anlangtc,  auf 
ihrem  Lauf  durch  ein  gleich  langes  Wegstück  des  verzweigten  Rohrs  mehr  von  ihren 
lebendigen  Kräften  einbüsst,  als  in  einem  uuverzweigten.  Dieses  orgiebt  sich  sogleich, 
wenn  man  bedenkt,  dass  im  verzweigten  Rohr  im  Verhältniss  zum  Inhalt  eine  grössere 
Wandfläche  vorhanden  ist,  als  im  unverzweigten,  und  ferner,  dass  im  verzweigten 
Rohr  nothwendig  Winkelbiegungen  vorhanden  sein  müssen,  die  dem  unverzweigten 
fehlen  können.  Dieser  einfachen  Betrachtung  entsprechend  wird  die  Hemmung  in 
einem  Röhrensystem  von  gleichem  Querschnitt  und  gleicher  Länge  in  einem  raschen 
Verhältniss  steigen  mit  der  Anzahl  der  Einzclröhren , auf  welchen  dieser  Querschnitt 
vertheilt  ist 

Rücksichtlich  des  Verhältnisses  der  Geschwindigkeit  gilt  in  einem  verzweigten 
RÖhrensystem  alles  das,  was  für  das  unverzweigto  behauptet  wurde,  d.  h.  es  nimmt,  in 


Digitized  by  Google 


64 


Verzweigte  Rohren. 


dem  Strom  die  Geschwindigkeit'  ab,  wenn  der  Querschnitt  zunimmt  und  um- 
gekehrt. 

a.  Ebenmassig  verzweigte  Röhren  (Fig.  14).  Wir  nehmen  an,  dass  die 
einzelnen  Stromglieder  ABC  D von  überall  gleichem  Querschnitt  seien  und  dass  die 
Schenkel  B und  C gleiche  Krümmung  und  gleiche  Länge  besitzen.  — Da  der  Strom 
in  B C ein  noch  einmal  so  grosses  Bett , als  in  A oder  I)  hat , so  wird  er  in  dem 

fig  14,  letzten  Abschnitt  doppelt 

so  geschwind  wie  in  £ 
und  C laufen.  — Ver- 
folgen wir  die  Curve  der 
Spannung,  indem  wir 
hierbei  vom  Ende  des 
Stückes  D ausgehen, 
so  werden  wir  finden, 
dass  sie  in  D allmählig 
anwächst  (von  / bis  #), 
dann  hinter  der  Mün- 
dungsstelle beider  Roh- 
ren in  dem  einfachen 
Rohr  (bei  d e)  plötzlich 
ansteigt,  vyeil  hier  die 
Strome  zusaramenstossen ; durch  C und  das  gleichartige  I)  wichst  sie  allmählig  wegen 
der  geringen  Geschwindigkeit  (</  bis  c).  Bei  b c kreuzen  sich  nun  die  Einflüsse ; ein- 
mal nämlich  stösst  sich  der  aus  A kommende  $trom  an  die  entgegenstehende  Wandung 
und  darum  muss  die  Spannung  hier  steigen,  dann  aber  erweitert  sich  auch  der  Strom 
plötzlich  und  darum  muss  an  diesem  Orte  die  Spannung  sinkon  ; je  nach  dem  Ueber- 
gewicht  des  einen  oder  andern  Momentes  muss  also  hier  eine  Steigerung  oder  ein 
Sinken  der  Spannung  resultiren.  In  der  gezeichneten  Curve  ist  darum  dieser  Abschnitt 
mit  einer  horizontalen  Linie  dargestellt.  In  dem  Stücke  A endlich  muss  die  Spannung 
wieder  wie  in  1)  anwachsen. 

b.  Asymetrische  Röhren ve rz we i gun g (Fig.  15  und  Fig.  16).  — ln  dem 
ersten  Fall  geben  wir  allen  Röhrenstücken  gleiche  Weite.  Um  Wiederholungen  zu  ver- 

Fig.  15.  meiden,  betrachten  wir 

nnn  das  verzweigte 
Stück  von  dem  Punkt  a 
bis  zu  hy  d.  h.  von  den 
Stellen , wo  sich  die 
Strome  trennen,  bis  zu 
dem , wo  sie  aufeinau- 
derstossen.  — An  den 
beiden  Enden  der 
Schlinge  ist  offenbar 
die  Spannung  der  aus 
beiden  Röhren  kommen- 
den Flüssigkeitsmassen 
ausgeglichen.  Gesetzt, 
es  sei  uns  der  Werth  dieser  Spannung  bei  a und  b gegeben,  so  würden  wir  uns 
zwei  Abszissenachsen  von  der  Länge  der  Rohren  B und  C = ab  und  ab'  legen,  und 


Digitized  by  Google 


Verzweigte  Rohren. 


65 


auf  den  Endpunkten  a,  b,  b * die  gegebenen  Spannungen  auftragen.  Eine  Verbin- 
dungslinie von  b und  b‘  nach  a würde  eine  ungefähre  Vorstellung  von  dem  Ver- 
lauf der  Spannung  auf  dem  langen  und  kurzen  Rohrstück  geben.  Wir  sagen  eine 
angenäherte  Vorstellung,  weilin  dieser  Curve  einige  besondere  Punkte  nicht  berück- 
sichtigt sind,  welche  sich  durch  Zusammenstoss  und  Auseinanderweichen  der  Flüssig- 
keiten u.  s.  w.  bilden:  — Das  Verhältniss  der  Geschwindigkeit  in  den  beiden  Armen 
ist  dadurch  bestimmt,  dass  die  Gurre  der  Spannung  in  dem  Röhrenstück  C steiler  aus- 
fallt , als  in  B ; sie  muss  in  C grösser  sein , als  in  B , weil  im  Rohre  von  gleichem 
Querschnitt  die  Steilheit  der  Spannungs-Curve  wächst  mit  der  Geschwindigkeit. 

ln  dem  andern  Fall  (Fig.  15.)  ist  den  verzweigten  Stücken  gleiche  Länge,  aber 
ein  ungleicher  Durchmesser  gegeben  worden. 

Bei  einer  ähnlichen  Anordnung,  welche  V olkmann  beobachtete,  fiel  die  Curve 
der  Seitendrücke  von  a nach  d in  B zuerst  (zwischen  a und  c)  allmählig  und  gegen 
das  Ende  (zwischen  c und  d) 
des  Rohrs  sehr  steil  ab; 
in  C fiel  sie  zuerst  sehr 
steil,  dann  langsamer  als 
in  B und  schliesslich  wie- 
der sehr  steil , aber  aber- 
mals weniger  rasch  als  in 
der  entsprechenden  Stelle 
von  B ab. 

Die  vorliegenden  Beob- 
achtungen genügen , um 
abzuleiten , was  eintritt, 
wenn  man  in  einem  ver- 
zweigten Rohr  plötzlich 
einen  Ast  verstopft,  oder 
einen  bis  dahin  verstopften  Öffnet;  vorausgesetzt,  dass  die  Kräfte,  welche  an  der  Ein- 
fiussstelle  wirksam  sind,  unverändert  bleiben.  Wir  wollen  zur  beispielsweisen  Betrach- 
tung ein  symmetrisches  pj»  17, 

Rohr  (Fig.  17.)  wählen. 

Wenn  dem  Strome  beide 
Röhren  geöffnet  sind,  so 
wird  die  Curve  der 
Spannung  bekanntlich 
(s.  Fig.  14.)  das  durch 
abed  dargestellte  Ge- 
setz, inne  halten,  wobei 
das  Stück  b e gleich- 
massig  für  die  beiden 
Aeste  B und  C gilt. 

Yerschliesst  man  dar- 
auf den  Anfang  von  C 
bei  Zy  so  muss  der 
Strom  nun  durch  B 
gehen  und  die  Flüssigkeit  in  C zur  Ruhe  kommen;  in  diesem  letztem  Schenkel  wird 
demnach  die  Spaunung  überall  einen  gleichen  Werth  annehmen  nnd  zwar  denjenigen, 
Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Aullage.  5 


Fig.  16. 


B 


Digitized  by  Google 


66 


Klastische  Röhren. 


welchen  der  Strom  AB  D an  der  Stelle  besitzt  wo  der  todt«  Schenkel  0 in  ihn 
mündet;  er  wird  eich  ganz  wie  ein  Manometer  verhalten,  ln  dem  Rohr  ABI)  wird 
nun  der  Strom,  da  er  in  einem  überall  gleichweiten  Bett  flieset,  eine  Spannung  an- 
nehmen, die  annähernd  vom  Anfang  bis  zu  Ende  nach  einer  geraden  Linie  etwa  wie 
ad  abfällt;  das  einzige  unbestimmte,  welches  nun  noch  bleibt,  liegt  in  der  Steilheit, 
mit  welcher  a d absteigt.  Die  Erfahrung  hat  nun  dafür  entschied»  (Volkmann), 
dass,  wenn  im  unveratopften  Rohr  die  Spannungscurve  wie  a bc  rf,  sie  im  verstopften 
wie  aed  läuft,  d.h.  es  ist  nach  der  Verstopfung  die  Spannung  in  allen  den  Röhren- 
stücken,  die  zwischen  der  Einflussmündung  und  dem  verstopften  Orte  liegen,  erhöht, 
und  es  erstreekt  sich  diese  Erhöhung  auch  noch  ein  Stück  jenseits  der  letzten  Stelle; 
von  da  ab  fallt  dann  die  Spannung  unter  diejenige,  welche  der  Strom  im  unverstopf- 
ten  Rohr  besass.  Die  theoretische  Rechtfertigung  hierfür  ist  dadurch  gegeben,  dass 
die  Stromgeschwindigkeit  in  dem  unveratopften  Rohr  wegen  der  relativ  geringeren 
Menge  von  Hemmungen  grösser  als  in  dem  verstopften  ist.  Bleiben  sich  aber  in  bei- 
den Fällen  die  an  der  Einflussmündung  wirkenden  Kräfte  gleich , so  muss  der  Kraft- 
antheil,  der  zuerst  auf  die  Geschwindigkeit  verwendet  wurde , nun  als  Spannung  auf- 
treten. 

Bei  einigem  Nachdenken  dürfte  es  nun  gelingen , auch  andere  verwickelte  Fälle 
abzuleiten , wenn  die  Bedingungen  derselben  mit  hinreichender  Genauigkeit  gege- 
ben sind. 

5.  Ströme  durch  elastische,  leicht  dehnbare  Röhren*).  Bis  dahin 
sind  nur  Ströme  durch  Röhren  in  Betracht  gezogen,  deren  Wandungen,  wenn  auch 
elastisch,  doch  so  wenig  ausdehnbar  angenommen  werden  konnten,  dass  die  Verän- 
derung des  Durchmessers,  welche  sie  durch  die  Spannung  der  strömenden  Flüssigkeit 
erfuhren,  vernachlässigt  werden  konnte.  Anders  verhalten  sich  die  Ströme,  welche  im 
Rohr  mit  ausdehnbaren  Wandungen  verlaufen.  Indem  wir  zu  diesen  letztem  Über- 
gehen, werden  wir  aber  nicht,  wie  bisher,  unsere  Untersuchung  beschränken  auf 
Strön^e  von  einer  während  der  Beobachtungsdauer  gleichbleibenden  Spannung  und  Ge- 
schwindigkeit, sondern  zugleich  Ströme,  in  denen  diese  beiden  Eigenschaften  verän- 
derlich sind,  in  Betracht  ziehen. 

a.  Gleich  massige  Ströme  in  ausdehnbaren  Röhren.  Wenn  wir  vor- 
aussetzen, dass  das  elastische  Rohr  vor  Beginn  des  Stroms  in  Buhe  gewesen  sei,  mit 
andern  Worten,  dass  es  den  Durchmesser  und  die  Lange  angenommen  habe,  welche 
ihm  in  Folge  seiner  elastischen  Kräfte  zukommen,  so  muss  mit  dem  Beginn  des  Stro- 
mes sich  der  Durchmesser  und  die  Länge  des  Rohrs  ändern,  und  zwar  in  Folge  der 
Spannung,  welche  sich  jedesmal  in  einer  Flüssigkeit  entwickelt,  die  sich  in  einem 
von  Wandungen  umgebenen  Raum  bewegt  Der  Umfang  dieser  Ausdehnung  wird  aber 
abhängen  von  der  Grösse  der  Spannung,  der  Ausdehnung  der  Wandung  und  dem  Werth 
ihres  Elaatizitätscoeffizienten. 

Die  Grösse  der  Spannung  in  der  Flüssigkeit  ist , wie  wir  wissen , zu  bemessen 
nach  den  Triebkräften,  welche  die  Flüssigkeit  in  Bewegung  setzen,  ihrer  Reibung, 
ihrem  Anstoss  gegen  die  Röhrenwand  u.  s.  w.  — Die  Ausdehnung  der  Röhrenilichen 
kommt  aber  in  Betracht,  weil  hierdurch  die  Summe  der  Drücke,  oder  anders  ausge- 


•)  E.  H.  and  W.  Weber,  Wellenlehre  nach  Versuchen.  Leipzig  1826.  — H.  Frey,  Versuch 
einer  Theorie  der  Wellenbewegung.  Müllers  Archiv.  1845.  — Volk  mann,  Haemodynaniik. 
p.  80.  — E.  H.  Weber,  Ueber  Anwendung  der  Wellenlehre  Leipziger  Berichte.  Mathemat.  phy- 
sische CI  aase.  1861.  164. 


Ungleichmässiger  Strom  in  dehnbaren  Röhren. 


67 


drückt,  das  Gewicht  bestimmt  wird,  welches  die  Röhrenwand  nach  Länge  und  Quere 
rieht;  denn  es  ist  dieses  Gewicht  gleich  dem  Produkt  der  Spannung  in  der  Flächen- 
ausdehnung , auf  welche  der  Druck  wirkt.  —*  Dass  schliesslich  die  Ausdehnbarkeit  in 
Betracht  gezogen  werden  muss,  versteht  sich  von  selbst.  Insbesondere  ist  aber  auch 
noch  Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  Veränderlichkeit  derselben  mit  der  wachsenden 
Spannung  (siehe  Bd.  I.  p.  53.)  und  auf  die  Ungleichheit  der  Ausdehnbarkeit  nach  ver- 
schiedenen Richtungen  (der  Länge  und  dem  Umfang  des  Rohrs),  wie  sie  sich  in  un- 
gleich angeordneten,  festen  Massen  immer  vorfindet.  — Die  Gestalt,  welche  die  ge- 
spannte Röhre  annimmt  und  die  Ausdehnung,  welche  sie  unter  einer  gegebenen  Span- 
nung erfährt,  hat  Ad.  Fick*)  unter  besonderen  Bedingungen  in  Erwägung  gezogen. 

Von  dem  Augenblick  an,  in  welchem  der  Strom  in  dem  ausdehnbaren  Rohr  zu 
seinem  Beharrungszustand , d.  h.  zu  der  Spannung  und  Geschwindigkeit  gelangt  ist, 
welche  ihm  während  seiner  Dauer  gleichmäasig  eigen  sein  soll,  wird  er  sich  nun  ver- 
halten wie  in  einem  festen  Rohr  von  gleichen  Dimensionen  und  gleichem  Reibunga- 
coeffizienten.  — Der  Unterschied  zwischen  einem  Strom  in  der  ausdehnbaren  und 
nicht  ausdehnbaren  Rohre  bezieht  sich  also  wesentlich  auf  die  dem  Strom  sich  anpas- 
sende  Ausdehnung  des  Rohrs.  Dieses  schliesst  die  Folge  in  sich,  dass  das  Ausströmen 
aus  dem  Röhrenende  nicht  in  dem  Momente  erfolgt,  in  dem  das  Einströmen  in  den 
Röhrenanfang  geschah,  und  ebenso,  dass  nicht  in  dem  Augenblick  das  Ausströmen  aus 
dem  Röhrenende  aufhört,  in  dem  das  Einströmen  in  den  Köhrenanfang  unterbrochen 
wird.  Man  sieht  den  letzten  für  uns  bemerkenswerthen  Erfolg  sogleich  ein,  wenn  man 
erwägt,  dass  der  8trom  aus  der  Röhre  auch  nach  geschlossener  EinfiussmUndung  erst 
dann  aufhören  kann,  wenn  sich  dasselbe  wieder  um  soviel  verkürzt  und  verengert  hat, 
als  es  durch  den  von  der  EinfiussmUndung  her  erregten  Strom  erweitert  und  verlängert 
worden  war. 

b.  Ungleichmässiger  Strom  in  ausdehnbaren  Röhren.  Ein  Strom 
in  leicht  dehnbaren  Röhren  kann  aus  vielerlei  Gründen  und  auf  mannigfache  Art  un- 
gleichförmig werden.  Indem  wir  uns  vom  physiologischen  Bedürfnis  leiten  lassen, 
beschränken  wir  uns  auf  die  Betrachtung  der  Fälle,  in  denen  eine  rhythmisch  wieder- 
kehrende Steigerung  oder  Minderung  der  an  der  Ein-  oder  Ausflussmündung  des 
Rohrs  wirkenden  Kräfte,  die  Geschwindigkeit,  Spannung  und  den  Querschnitt  des 
Stroms  nach  einer  regelmässigen,  wiederkehrenden  Zeitfolge  ändern.  Unsere  etwas 
verwickelte  Betrachtung  zergliedern  wir  in  der  Art,  dass  wir  die  Erscheinungen, 
welche  an  der  Wandung  beobachtet  werden,  gesondert  schildern  von  denen,  welche 
der  Flüssigkeit  eigen  sind.  Hierbei  behandeln  wir  jedesmal  gesondert  die  Vorgänge, 
welche  in  zeitlicher  Reihenfolge  in  ein  und  demselben  Wandumfang  oder  Stromquer- 
schnitt auftreten  und  darauf  diejenige,  welche  gleichzeitig  au  verschiedenen  Orten  des 
Stromrohrs  sich  geltend  machen. 

o.  Die  Voraussetzungen,  die  wir  zuerst  als  erfüllt  annehmen,  bestehen  darin, 
dass  in  die  Einflussmündung  eines  am  Ausflussende  stets  offenen  Rohrs  eine  mit  der 
wachsenden  Zeit  veränderliche  Flttssigkeitsmenge  einströme.  Insbesondere  soll  die  ein- 
strömende Menge  mit  der  Zeit  so  veränderlich  gedacht  werden , dass  während  der  be- 
liebigen Zeiteinheiten,  in  welche  dio  ganze  Stromdauer  zerfallt  werden  kann,  die  in 
das  Rohr  gelangende  Flüssigkeitsmenge  mit  dem  Beginn  einer  jeden  Zeiteinheit  Null 
ist,  von  da  bis  zur  Hälfte  der  Zeiteinheit  zu  einem  Maximum  anwächst,  and  dann  in 
der  zweiten  Hälfte  der  Zeiteinheit  wieder  bis  zu  Null  abnimmt.  Die  Kraft,  welche 


*)  Med.  Phymk  p.  71« 

5* 


■ i—  inogle 


68 


Wellenbewegung  im  elastischen  Rohr. 


während  dieser  Zeit  jeder  in  das  Rohr  geworfenen  Masseneinheit  zukommt,  soll,  wenn 
nicht  das  Oegentheil  angegeben,  als  gleich  gross  angesehen  werden.  — Die  hier  ver- 
langten Bedingungen  würden  u.  A.  verwirklicht  sein,  wenn  mau  einen  horizontalen 
Schlauch  aus  vulkanisirtem  Kautschouk  an  eine  steife  Röhre  gebunden  hätte,  welche 
in  einen  grossen  Wasserbehälter  mündete.  Das  Verbindungsstück  zwischen  dem  Was- 
serbehälter und  dem  Kautschouk  müsste  noch  mit  einem  Hahn  versahen  sein , der  in 
regelmässiger  Zeitfolge  geöffnet  und  geschlossen  würde,  wahrend  das  Niveau  der  Flüs- 
sigkeit in  dem  Behälter  unveränderlich  bliebe. 

Erfahrungsgemäss  erweitern  und  verlängern  sich  die  der  Einilussmündung  zunächst 
gelegenen  Röhrenabschnitte,  während  ein  solches  Einströmen  geschieht,  mit  dem 
Ansteigen  der  eingeworfenen  Flüssigkeitsmenge;  sie  verkürzen  und  verengern  sich  da- 
gegen wiederum  bis  zu  ihrem  ursprünglichen  Umfang,  wenn  in  der  zweiten  Hälfte 
der  Zeiteinheit  das  eingeworfene  Wasserquantum  wieder  abnimmt.  Auf  dieser  letztem 
Lage  verharren  sie  ruhig,  vorausgesetzt,  dass  sie  nicht  durch  einen  neuen  Stoss  aus 
derselben  getrieben  werden.  In  Folge  dieser  Bewegung  der  Wandtheilchen  von  dem 
Ort,  den  sie  bisher  einnahmen , zu  einem  andern  und  ihrer  Rückkehr  zu  der  alten 
Stelle,  verändert  sich  zugleich  die  Spannung  zwischen  zwei  zunächst  gelegenen  Theil* 
ehen,  entsprechend  der  Ausdehnung  und  dem  Ausdehnbarkeitsmaass  der  erweiterten 
Wandungen.  — Die  so  eben  geschilderte  Bewegung  in  den  Wandtheilchen,  welche  der 
Einflussmündung  zunächst  gelegen  sind,  pflanzt  sich  nun  allmählig  durch  das  ganze 
Rohr  hindurch  fort  in  der  Art,  dass  die  von  der  Einflussmündung  entfernten  Theil- 
chen  immer  etwas  später  gerade  die  Wegrichtung  einschlagen,  in  welcher  kurz  vorher 
die  vor  ihnen  liegenden  gingen , so  dass  nach  der  AuaflussmÜndung  hin  die  Wand 
immer  noch  in  Bewegung  begriffen  ist,  wenn  sie  an  der  Einflussmündung  schon  znr 
Ruhe  kam.  Bekanntlich  nennt  man  eine  solche  Bewegung  eines  jeden  Punktes  eine 
Schwingung,  die  Qesammtheit  aller  durch  einen  Stoss  von  bestimmter  Dauer  gleich- 
zeitig in  Bewegung  gesetzter  Theilchen  aber  eine  Welle.  — Die  Länge  des  Wegs  (der 
Schwingungsumfang),  welchen  jeder  einzelne  Wandtheil  bei  einer  Wellenbewegung  xu- 
rücklegt , wächst  mit  der  Nachgiebigkeit  der  Röhrenwand , mit  der  Ueschwindigkeit 
und  dem  Volum  der  eingestossenen  Flüssigkeit  (d.  h.  der  Stärke  des  Stosses,  den  das 
Theilchen  empfangen  kann)  und  den  Widerständen  für  die  Fortbewegung  der  letzteren 
im  Rohre.  — Obwohl  sich  nun,  wie  wir  erfuhren,  die  Schwingung,  welche  ein  ein- 
zelnes Theilchen  ausführt,  mit  der  Zeit  verbreitet  über  alle  übrigen,  so  erreicht  sie 
doch  nicht  überall  denselben  Umfang;  insbesondere  steht  fest,  dass  die  Rohrenstücke, 
welche  von  der  Flüssigkeit  zuerst  gestossen  werden,  eine  grössere  Ausdehnung  erfah- 
ren, als  diejenigen,  welche  gegen  die  Ausflussmündung  liegen ; oder  anders  ausgedrückt, 
cs  nimmt  die  Excursion  der  Welle  von  der  Einfluss-  zur  Ausflussmündung  des  Rohrs 
allmählig  ab.  Diese  Abflachung  der  Welle  bei  ihrem  Fortschreiten  ist  in  engen  und 
gespannten  Böhren  merklicher,  als  in  weiten  (E.  H.  Weber).  — Die  Zeit,  welche 
vergeht  zwischen  dem  Auftreten  der  Bewegung  an  einem  gegebenen  Orte  und  einem 
andern  von  bekannter  Entfernung  (Fortpflanzungsgeschwindigkeit)  scheint  nur  innerhalb 
enger  Grenzen  abhängig  zu  sein  von  der  Spannung  der  Wandung.  Man  achliesst  hier- 
auf aus  den  Beobachtungen  von  E.  H.  Weber,  wonach  in  einem  vulkanisirten  Kaut- 
schoukrohr  von  27,5  MM.  Durchmesser  der  von  der  Wellenbewegung  in  der  Sekunde 
durchlaufene  Weg  11,470  Meter  betrug,  gleichgiltig , ob  das  Rohr  unter  dem  Druck 
einer  3,5  oder  0,008  Meter  hohen  Wassersäule  gespannt  war.  In  einem  Schaafdanu 
fand  er  dagegen  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  so  gering,  dass  der  Weitergang  der 
Welle  mit  dem  Auge  beobachtet  werden  konnte;  ähnlich  wie  im  letzteren  Fall  verhält 


Digitized  by  Google 


Bewegung  der  Wassertheilchen  in  den  Schlauchwellen. 


69 


•ich  auch  die  Sache  in  einer  weiten,  dünnwandigen  Kautschoukröhre.  — Die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit ist,  wie  besonders  hervorzuheben,  an  den  dickwandigen  Kaut- 
schoukröhren  unabhängig  von  dem  Volum  und  der  Geschwindigkeit  der  in  das  Rohr 
gestossenen  Flüssigkeit.  — Die  Länge  der  Welle,  oder  der  Abstand  jener  Wandtheil- 
chen,  welche  genau  in  derselben  Bewegungsphase,  z.  B.  auf  dem  Maximum  ihrer  Er- 
hebung, begriffen  sind,  ist  abhängig  von  der  Zeitdauer,  während  welcher  der  Stoss 
wirksam  ist,  und  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit. 

Die  Richtung,  nach  welcher  sich  dieWassertheilchen  in  Folge  des  wellen- 
erseugenden  Stosses  in  der  Rohre  bewegen,  kann  niemals  der  Langenachse  dieser  letz- 
teren parallel  laufen , weil  sich  die  Röhre  erweitert  und  verengert,  indem  die  Flüssig- 
keit in  sie  und  aus  ihr  dringt;  die  Abweichung  der  Bewegungsrichtung  von  der  grad- 
linigen wird  aber  nur  in  dem  besondern  Fall  bedeutend  sein,  wenn  die  Widerstande, 
welche  die  Flüssigkeit  nach  der  Längenachse  des  Rohrs  findet , auffallend  sind , wäh- 
rend zugleich  die  Wand  sehr  nachgiebig  ist  — Die  Geschwindigkeit,  welche  dem 
einzelnen  Theilchen , während  es  in  einer  Welle  schwingt,  zukommt,  ist  eine  mit  der 
Zeit  veränderliche,  ln  allen  Fallen  nimmt  die  Geschwindigkeit  der  Wassertheilchen  an 
der  Grenze  zwischen  dem  elastischen  und  dem  steifen  Zuflussrohr  mit  der  steigenden 
Oeffnung  des  Hahns  zu  und  mit  der  beginnenden  Schliessung  wieder  ab.  Diese  von 
Null  zu  einem  Maximum  aufsteigondc  und  von  da  wieder  zu  Null  abfallende  Geschwin- 
digkeit verbreitet  sich  nun  allmählig  durch  den  Inhalt  des  Rohrs  und  zwar  den  Ge- 
setzen der  Stossiib ertrag ung  entsprechend , so  dass  in  dem  Maasse , in  welchem  neue 
Massen  nach  der  Seite  der  Ausflussmündung  hin  in  die  Bewegung  eintreten,  andere 
bisher  in  ihr  begriffeno  zur  Ruhe  kommen.  Indem  sich  nun  die  Bewegung  vom  An- 
fang zum  Ende  des  Wcllenrohrs  fortpflanzt,  ändern  sich  aber  die  Unterschiede  in  der 
Geschwindigkeit , welcho  dem  einzelnen  Theilchen  zu  verschiedenen  Zeiten  zukommen, 
und  zwar  beobachtungsgemäss  in  der  Art,  dass  mit  dem  Fortschreiten  der  Bewegung 
das  Maximum  der  erreichten  Geschwindigkeit  geringer  wird,  mit  andern  Worten,  es 
nähert  sich  die  ungleichförmige  Bewegung  mehr  und  mehr  der  gleichförmigen  an; 
diese  Umwandlung  der  Bewegungsart  geschieht,  soweit  wir  wissen,  in  engen  Rohren 
vollkommener,  als  in  weiten.  — Die  Grösse  des  Wegs,  welchen  ein  Theilchen  nach 
der  Längenachse  des  Rohrs  zurücklegt,  ist  abhängig  von  dem  Verhältniss  des  einge- 
worfenen Flüssigkeitsvolums  zu  der  Räumlichkeit  des  Röhrenquerschnitts.  Da  nun  das 
über  die  Wellenlänge  und  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  Wandtheilchen  Aus- 
gesagte  zuaamraenfällt  mit  demjenigen  des  Röhreninhalts,  indem  die  betreffenden  Ver- 
hältnisse der  letzteren  die  der  enteren  bedingen,  so  ist  es  klar,  dass  die  einzelnen 
Flüssigkeitstheilchen  in  der  Zeiteinheit  einen  viel  kürzeren  Weg  zurücklegen,  als  die 
Welle  selbst.  So  wird  z.  B. , wenn  wir  annehmen , es  sef  in  einer  Sekunde  so  viel 
Flüssigkeit  in  das  Rohr,  wie  es  Weber  benutzte,  geworfen,  dass  sein  Inhalt  um 
0,1  M.  vorwärts  goschoben  worden  wäre,  in  dieser  Zeit  die  Bewegung  durch  Mitthei- 
lung des  Stosses  von  einem  zum  andern  Querschnitt  um  11,7  M.  fortgeschritten  sein. 
— Mit  der  Bewegung  der  Flüssigkeitstheilchen  findet  sich  aber  zugleich  auch  eine 
Spannung  zwischen  ihnen  ein , die  aus  bekannten  Grundsätzen  mit  der  steigenden  Ge- 
schwindigkeit zunimmt  Somit-  wandert  auch  durch  die  Flüssigkeit  allmählig  eine  xu- 
und  abnehmende  Spannung,  wenn  eine  Wellenbewegung  durch  dieselbe  läuft 

Nachdem  wir  uns  das  Wesentlichste  des  Thatsächlichen  bemerkt  haben,  welehes 
in  einem  möglichst  einfachen  Wellenschlauch  vorgeht,  wenn  er  von  einer  sog.  Berg- 
welle durchlaufen  wird,  wollen  wir  den  inneren  Zusammenhang  der  Erscheinungen, 
insofern  er  für  die  Welle  des  Schlauchs  ein  besonderer  ist,  klar  zu  machen  suchen. 


Digitized  by  Google 


70 


Theorie  der  Schlauchwollen. 


Fig.  18. 

‘w.-  

.9 

— 

’ 

(t  , 

_ 

4}  ßf 

A' 




— Die  erste  Frage,  «eiche  wir  uns  vorlegen,  besteht  darin,  warum  und  wie  erweitert 
sich  durch  die  eingeworfene  Flüssigkeit  der  Schlauch,  und  auf  welchem  Wege  kommt 
das  Fortschreiten  der  Erweiterung  zu  Stande,  während  die  zuerst  bewegten  Stellen 
annähernd  in  ihre  erste  Lage  zurückk ehren,  um  dort  in  Ruhe  zu  verharren. 

Nehmen  wir  an,  es  sei  in  die  schon  angefüllte  Röhre  aa*  kk*  (Fig.  18.)  von 
Neuem  Flüssigkeit  eingestossen , welche  im  Beginn  des  Einflusses  über  den  ersten , in 

horizontaler  Richtung  nicht 
verschiebbaren  Querschnitt  a a‘ 
hinaus  nach  ee*  gedrungen 
sei,  so  muss  sich  aus  bekann- 
ten Gründen  eine  von  e nach 
a zunehmende  Spannung  ent- 
wickeln. Dem  entsprechend 
wird  sich  das  Wandtheilchen 
a auf  den  Weg  nach  c hin 
-O  begeben  und  nach  Beendigung 
des  ersten  Angenblicks  etwa 
in  b angelangt  sein.  Dringt  nun  im  zweiten  Augenblick  abermals  ein  Strom  durch 
den  Querschnitt  bb'  ho  muss  sich  zwischen  b und  e die  Flüssigkeit  beträchtlich  mehr 
spannen,  als  dieses  im  ersten  Augenblick  der  Fall  war.  Denn  einmal  bestehen  alle 
frühem  Gründe  für  das  Entstehen  der  Spannung  und  dann  aber  ist  auch  jetzt  die 
Wand  schräg  gegen  die  Ötromrichtung  gestellt.  Indem  also  b wiederum  gegen  e auf- 
steigt, wird  es  während  derselben  Zeit  in  dieser  Richtung  einen  grossem  Weg  zurück- 
legen, als  vorher;  wie  wollen  annehmen  es  gelange  auf  ee*.  Die  nothwendige  Folge 
des  andauernden  Einströmons  von  a her  ist  aber  die,  dass  sich  die  Flüssigkeit  über 
ee*  etwa  nach  hh'  hin  verbreitet;  auch  in  diesem  Abschnitt  des  8troms  wird  sich 
eine  ßpannung  uinstcllen,  welcher  im  zweiten  Augenblick  des  Stroms  ungefähr  der 
Werth  zukoraraen  wird,  den  bb * ee*  im  ersten  besass. — 

Gesetzt,  wir  hätten  nun  aber,  als  das 
Rohr  in  Fig.  19.  die  Gestalt  cfh  efh 
angenommen  hatte,  die  Einflussmündung 
bei  ee  geschlossen,  so  ist  es  zunächst  klar, 
dass  ein  Strom  in  der  Richtung  des  Pfeils 
statt  Anden  muss , da  bei  e e eine  be- 
trächtliche, bei  hh  aber  gar  keine  Span- 
nung stattfindet.  Ueberlegt  man  sich  aber 
genauer,  wie  sich  die  Kräfte  verhalten  in 
den  Querschnitten,  die  man  durch  die 
Punkte  ee,  ff  hh , des  Rohrs  legen  kann, 
sieht  man  ein,  dass  die  Unterschiede  der  Spannungen  zwischen  ff  und  ee*  grosser,  als 
zwischen  hh  und  ff  sind.  Da  sich  nun  auch  zugleich  das  Rohr  von  c nach  h ver- 
engt, so  ist  auch  die  Mündung,  durch  welche  die  Flüssigkeit  von  c nach  f strömt, 
weiter  als  die,  durch  welche  sie  von  / nach  i ausfliesst.  Es  sind  also  hinreichende 
Gründe  dafür  vorhanden , dass  mehr  Wasser  nach  f hin  - , als  von  f wegströmt. 

Wenn  sich  somit  dio  Flüssigkeit  in  f anhäuft,  so  muss  auch  der  Punkt  / nach  g 
hin  steigen,  während  c gegen  a bin  zurückgeht  — Dieses  Zurückgehen  des  Punktes 
von  c nach  a und  das  Aufsteigen  des  Punktes  f nach  g hin  muss  aber  so  lange  dauern, 
bis  in  dem  Querschnitt//  die  in  der  Richtung  von  « e wirksamen  Kräfte  denen  in 


Digitized  by  Google 


Theorie  der  Schlauehwellen- 


71 


der  Richtung  e h thätigen  das  Geichgewicht  halten.  Diese«  ist  aber  offenbar  noch 
nicht  eingetreten,  wenn  die  elastische  Spannung  des  Kreisumfangs,  auf  dem  ff  liegen, 
gleich  ist  derjenigen,  welcher  e c angeboren.  Denn  es  haben  dann  noch  die  Punkte  e e 
eine  Geschwindigkeit  nach  der  Röhrenachse  hin,  während  die  Punkte  ff  eine  solche 
nach  g g hin  besitzen , so  dass  demnach  wegen  der  Beharrung  beide  Stücke  noch  eine 
Zeitlang  in  entgegengesetzter  Richtung  gehen.  Dem  entsprechend  wird  sich  die  Röhre 
der  Form  a gi  annähern.  — Hat  nun  aber  einmal  das  Rohr  diese  Stellung  (Fig.  20.) 
angenommen,  so  wird  die  Yertheilung  der  Kräfte  in  ihm  etwa  folgende  sein.  Auf 
dem  Querschnitt  b b kommt  der  Flüssigkeit 
wegen  des  ursprünglich  empfangenen  Stosses 
eine  Geschwindigkeit  zu  in  der  Richtung 
des  Pfeils,  und  ausserdem  hat  sie  eine  Span- 
nung, rermögon  deren  sie  ebensowohl  nach  «a, 
als  nach  ee  getrieben  wird.  Die  Strömung  nach 
a a wird  gehemmt  durch  die  in  entgegengesetzter 
Richtung  wirkende  Geschwindigkeit,  die  Strö- 
mung nach  ec  wird  dagegen  durch  dieselbe  Ge- 
schwindigkeit unterstützt  und  es  wird  somit  ein 
beschleunigter  Strom  nach  ec  gehen,  während  die 
Die  an  diesem  Ort  beruhigte  Flüssigkeit  wird  jedoch  einen  merklichen  Grad  von  Span- 
nung mehr  besitzen,  als  er  ihr  vor  Rinleitung  des  8troms  eigen  war,  und  darum  wird 
auch  das  Rohr  hier  um  etwas  weiter  bleiben,  wenn  auch  die  Bewegung  von  da  nach 
dem  Röhrenende  weiter  fortgeschritten  ist 

Eine  zweite  Erscheinung,  auffallend  für  eine  Beugungswelle  des  Wassers,  besteht 
darin , dass  die  Fortleitungsgeschwindigkeit  unabhängig  von  dem  Yolum  der  einge- 
sessenen Flüssigkeit,  von  der  Geschwindigkeit  des  einzelnen  Flüssigkeitstheilchen,  und 
in  weiten  Grenzen  auch  unabhängig  von  der  Wandspannung  ist.  Wir  sind  hiermit 
gezwungen,  das  Rohr  und  seinen  Inhalt  als  ein  zusammengehöriges  Stück  aufzuf&ssen, 
in  dem  die  Welle  nach  Art  der  Schallwellen  fortschreitet.  Wie  man  sich  das  Zustande- 
kommen dieser  Erscheinung  aber  zu  denken  habe,  ist  schon  früher  Bd.  1.  p.  355  aus- 
einandergelegt. Wenn  aber  das  Rohr  sehr  nachgiebig  wird,  sodass  gleichsam  das  in 
ihm  enthaltene  Wasser  mit  einer  freien  Oberfläche  versehen  ist,  so  müssen  nun  auch 
auf  das  Fortschrciten  der  Welle  im  Wasser  die  Gesetze  giltig  sein,  welche  E.  H.  und 
W.  Weber  in  ihrer  Wellenlehre  •)  dafür  entwickelt  haben. 

Die  Gründe,  weshalb  sich  die  Welle  während  ihres  Fortgangs  durch  das  überall 
gleichgestaltete  Rohr  abflacht,  können  allgemein  nur  darin  liegen,  dass  die  Geschwin- 
digkeit der  Wasserthcilchen , welche  sich  jeweilig  an  einer  Welle  betheiligen,  in  einer 
Abnahme  begriffen  ist,  denn  nur  hiervon  kann  eine  Aenderung  in  der  Spannung  ab- 
hängig sein.  Diese  Verminderung  der  Geschwindigkeit  kann  und  wird,  wie  es  scheint, 
auf  zweifache  Weise  zu  8tande  gebracht  werden.  Einmal  verlangsamt  sich  das  schwin- 
gende Theilchen  darum,  weil  sich  wegen  der  Aenderung  des  Röhrenquerschnitts  das 
Volum  der  W’elle  beim  Fortgang  durch  das  Rohr  vergrössert;  da  nun  aber  die  Welle 
nur  Über  ein  bestimmtes  Kraftmaass  disponirt,  so  muss  noth wendig  die  Geschwindig- 
keit des  einzelnen  Theilchens  abnehmen,  wenn  die  Zahl  der  bewegten  zunimmt.  Neben 
diesem  Grunde,  der  auf  einer  andern  Yertheilung  der  lebendigen  Kräfte  beruht,  steht 
ein  anderer,  der  sich  von  einem  Verlust  an  Kräften  herschreibt.  Dass  bei  der  Bcwe- 


Fig.  20. 
.4  , 


•)  p.  le«. 


Digitized  by  Google 


72  Mittlere  Spannung  und  Geschwindigkeit  der  Schlauchwelle. 

gung  des  Wassers  in  einem  Wcllenschlauch  Verlust  an  Kraft  stattfinden  muss,  ergiebt 
sich  daraus,  weil  auch  hier  eine  Fortbewegung  des  Wassers  an  den  Wandungen,  also 
Reibung,  statt  findet,  weil  sich  die  einzelnen  Wassertheilchen  im  lrfncrn  des  Kohrs 
mit  ungleicher  Geschwindigkeit  bewegen,  sich  also  von  einander  losreissen  müssen 
und  endlich,  weil  sich  die  Theilchen  der  Wandung  gegeneinander  bewegen,  wobei 
ebenfalls  Kräfte  durch  innero  Reibung  verbraucht  werden.  — ln  Ermangelung  einer 
Theorie  hat  Volk  mann  Versuche  angestellt,  um  die  Beziehungen  zu  ermitteln,  welche 
bestehen  zwischen  der  tnittlercn  Sp&nnnung  und  der  mittleren  Geschwindigkeit  Zu 
diesen  bediente  er  sich  der  in  Fig.  21.  dargestellten  Einrichtung.  K stellt  einen 


Pig.  21. 
K 


Wasserbehälter  vor,  in  desson  einer  Seiten  wand  nahe  über  dem  Boden  ein  mit  einem 
Hahn  verschliessbares  Rohr  //  eingefügt  ist;  an  dieses  Rohr  ist  ein  Darmstück  D ein- 
gebunden, in  dessen  Seitenwand  eine  senkrechte  Glasröhre  angebracht  ist,  deren  Lumen 
sich  in  der  DarmhBhle  Öffnet.  An  das  Ende  des  Darms  S ist  ein  messingenes  Ausflussrohr 
eingefügt.  Nachdem  der  Behälter  bis  zu  einer  beliebigen,  aber  genau  bekannten  Höho 
mit  Wasser  gefüllt  ist,  öffnet  und  schliosst  man  in  regelmässiger  Wiederkehr  den  Hahn, 
sodass  das  Wasser  in  steigender  und  abnehmender  Menge  in  den  Darm  eindringt. 
Wenn  der  Spiegel  des  Wassers  auf  gleicher  Höhe  erhalten  wird  und  die  Umdrehung 
des  Hahns  nach  einer  sich  glcichbleibenden  Regel  geschieht,  so  geht  durch  den 
Schlauch  eine  Reihe  gleichgearteter  Wellen,  und  in  Folge  dessen  wird  die  Spannung, 
welche  in  H abgelesen  werden  kann,  und  der  Ausfluss  aus  der  Mündung  S innerhalb 
bestimmter  Grenzen  schwanken.  Kennt  man  nun  das  Flüssigkeitsvolum,  welches  in  der 
Zeiteinheit  aus  dem  Rohr  strömt,  so  erhält  man  daraus  auch  sogleich  die  mittlere  Ge- 
schwindigkeit der  Flüssigkeit  in  der  Oeffhung.  Indem  man  die  Mitte  nimmt  aus  dem 


Digitized  by  Google 


Thalwellen. 


73 


) 


höchsten  und  niedersten  Stand  der  Flüssigkeit  in  der  spannungsanzeigenden  Glasröhre, 
erhält  man  auch  zugleich  die  mittlere  Spannung  in  dem  Darm  an  der  Stelle,  in  wel- 
cher die  Glasröhre  eingefdgt  war.  Indem  Volk  mann  dioso  beiden  mittleren  Werthe 
bei  verschiedenen  mittleren  Geschwindigkeiten,  oder  was  dasselbe  bedeutet,  für  ungleich 
hohe  Wasserstände  in  dem  Kasten  verglich,  kam  er  zu  der  Regel,  dass  sich  flir  jedes 
Darmrohr  zwei  Coeffizientcn  a und  b finden  lassen , welche  die  Spannung  in  diesem 
angeben,  wenn  man  den  einen  von  ihnen  mit  der  einfachen  Geschwindigkeit  und  den 
andern  mit  dem  Quadrat  derselben  multiplizirt.  Mit  Zeichen  ausgedrückt  war  also, 
wenn  •>  den  mittleren  Spannungsunterschied  in  der  Längeneinheit  und  v die  mittlere 
Geschwindigkeit  bedeutet,  s = a t -f-  b v*.  Es  kann  demnach,  wie  man  sieht,  der 
Zusammenhang  zwischen  Spannung  und  Geschwindigkeit  auf  scheinbar  denselben 
Ausdruck  gebracht  worden,  welcher  ihn  auch  für  steife  Röhren  und  parallele 
Ströme  darstellte.  — Diese  Uobereinstimmung  hat  insofern  nichts  Auffallendes,  als 
- hier  wie  dort  die  hemmenden  Ursachen  (Reibung  und  Stösse)  zugleich  in  dem  ein- 
fachen und  dem  quadratischen  Yorhältniss  der  Geschwindigkeit  steigen.  Der 
Unterschied  zwischen  beiden  Vorgängen  muss  dagegen  in  dem  Coeffizienten  gele- 
gen sein. 


ß.  Dio  zweite  Bedingungsreihe,  durch  welche  wir  eine  Flüssigkeitsbewegung  in 
einem  dehnbaren  Schlauche  ungleichmässig  zu  machen  gedachten,  würde  z.  B.  erfüllt 
sein : durch  die  Anwesenheit  eines  durch  Flüssigkeit  ausgedehnten  elastischen  Schlauche, 
der  an  beiden  Enden  verschlossen  wäre,  aber  an  einem  von  beiden  auf  beliebige  Weise, 
z.  B.  durch  einen  eingesetzten  Hahn,  vorübergehend  geöffnet  werden  könnte;  oder 
auch  dadurch,  dass  man  an  der  Ausflussmündung  eines  elastischen  Rohres,  welches 
von  einem  constanten  Strom  durchflossen  wird , wechselnd  eine  Erweiterung  oder  Ver- 
engerung von  beträchtlichem  Umfang  anbringt  Der  Einfachheit  wegen  wenden  wir 
uns  zu  dem  Apparat  mit  ursprünglich  ruhender,  aber  gespannter  Flüssigkeit.  Gesetzt, 
es  sei  das  bis  dahin  geschlossene  Rohr  A A,  B B (Fig.  22.)  bei  BB  plötzlich  geöffnet, 


Fig.  23. 


und  nachdem  eine  kleine  Fftsssig- 
keitsmenge  ausgeflossen  sei , wieder 
geschlossen  worden,  so  nimmt  das 
Rohr  erfahrungsgemäss  während  der 
kurzen  Zeit  des  Ausfliesgens  die  Form 
A Ay  C C an.  Nach  dem  Schluss  der 
Mündung  strömt  nun  aus  dem  nächst 
gelegenen  Stück  des  Rohrs,  welches 
höher  als  das  Ende  gespannt  ist, 

Flüssigkeit  in  dieses  abgespannte 
Ende,  sodass,  während  sich  dieses 
letztere  wieder  anfüllt,  das  erster© 
zusammenfällt.  Es  geht  somit  wie 
in  Fig.  23.  dargestellt  ist,  die  Abspannung  in  der  Richtung  des  Pfeils  A A durch  die 
Röhrenwand  fort , während  die  Flüssigkeit  durch  das  Rohr  in  der  entgegengesetzten 
Richtung  nach  der  des  Pfeils  B weiter  bewegt  wird.  Diese  Welle,  welche  im  Gegen- 
satz zu  der  früher  beschriebenen  mit  einer  Einbiegung  des  Rohrs  verbunden  ist,  nennt 
man  die  negative  oder  die  Thalwellc.  Die  Erscheinungen , welche  diese  Welle  ausser- 
dem noch  bietet,  und  somit  auch  die  Theorie  derselben,  treffen  ganz  zusammen  mit 
denen  der  Bergwelle,  wie  man  nach  einer  kurzen  Uebcrlegung  cinschcn  wird. 


Digitized  by  Google 


74 


E.  H.  Webers  Schema  des  Blutkreislaufs. 


Da  auf  die  Welleu  des  Schlauches  alle  allgemeinen  Grundsätze,  nach  welchen  die 
Wellenbewegung  zu  bcurtbeilen  Ist,  anwendbar  sind,  so  müssen  noth wendig  auch  die 
Reflexion,  die  Beugung  und  das  Durcheinanderachreiten  beobachtet  werden.  In  dem 
letztem  Fall  wird  eine  Steigerung  oder  Verminderung  des  Bergs  oder  des  Thals  ein- 
treten  können,  je  nachdem  durch  das  Rohr  gleichartige  oder  ungleichartige  (Berg-  und 
Thal  wellen)  laufen. 

E.  H.  Webers  Schema  des  Blutkreislaufs.  — 

Nach  allem  diesen  wird  es,  bevor  wir  die  Erscheinungen  des  BlutlaufB  selbst 
schildern,  noch  von  Nutzen  sein,  das  lehrreiche  Schema  desselben,  welches  E.  H.  Weber 
gegeben  hat,  zu  erklären.  Dieses  (Fig.  24.)  setzt  sich  aus  awei  elastischen  Rohren  zu- 
sammen, einer  kürzeren  a c 
und  einer  längeren  b de.  Jede 
dieser  beiden  Rohren  iat  an 
dem  einen  ihrer  Enden  mit 
einem  Röhrenventil  vorsehen, 
dessen  Einrichtung  durch 
^ Fig.  25.  dargestellt  wird.  Ein 

solches  Ventil  wird  hergestellt,  indem  man  zwei  steife  Röhren  n und  b ineinander 
steckt;  an  die  innerste  derselben  an  ist  ein  Dannstück  e angebunden,  von  dessen  freiem 
Rand  die  Fäden  ausgehen,  die  an  der  äussera  Rohre  angeknüpft  sind;  verläuft  in  den 


Fig.  24. 


Röhren  ein  'Wasserstrom,  so  wird  er  je  nach  seiner  Richtung  das  Ventil  ec  schliessen 
oder  öffnen,  und  zwar  wird  das  letztere  geschehen,  wenn  der  Strom  nach  der  Rich- 
tung des  Tfeilos  f,  das  erstere,  wenn  er  in  umgekehrter  Richtung  geht.  Damit  bei 
diesen  verschiedenen  Strömen  der  Rand  des  Ventils  nicht  in  b eingestülpt,  oder  genau 
an  bb  angepresst  werde,  sind  die  Fäden  an  Ränder  angeknüpft,  welche  dem  Spielraum 
der  Bewegung  gewisse  Grenzen  an  weisen.  Kehren  wir  nun  zurück  zu  Fig.  24.  Die 
beiden  Darmstückc,  das  kürzere  und  das  längere,  werden  so  in  einander  gesteckt,  dass 
die  Ventile  einen  fortlaufenden  Strom  durch  den  in  sich  zurücklaufenden  Bogen  aed 
gestatten,  wie  ihn  in  unserer  Figur  die  kleinen  Pfeile  anzeigen.  Darauf  wird  durch 
eine  verschliessbarc  Seitenöffnung,  z.  B.  den  Trichter  bei  «,  der  Darm  bis  zu  einem 
bestimmten  Grade  mit  Wasser  gefüllt.  Drückt  man,  nachdem  dieses  geschehen  ist,  das 
freiliegende  Stück  v der  kurzen  Darmabtheilung  zusammen,  so  wird  sein  Inhalt,  da  er 
nach  e hin  nicht  ausweichen  kann,  durch  c in  die  grosse  Röhre  treten  und  in  dieser 
eine  fortschreitende  Bergwclle  erzeugen,  welche  in  der  Richtung  des  Pfeils  nach  <t  hin 
laufend,  successiv  die  Flüssigkeit  in  dieser  Richtung  weiter  führt.  Löst  man  nun 
aber  den  Druck,  welchen  man  auf  r angebracht  hatte,  plötzlich,  so  wird  die  Flüssig- 
in diesen  Raum  von  der  gesammten  Umgebung  eingedrängt;  dieses  wird  aber,  wegen 
der  Ventile,  nur  von  a nach  e gelingen,  und  dadurch  wird  eine  Beugungswelle  erzeugt, 
die  von  a durch  d nach  e fortschreitet  und  demnach  die  Flüssigkeit  in  der  Richtung 


Digitized  by  Google 


E.  H.  Weher*  Sohema  des  Blutkreislaufs. 


75 


von  e.  nach  n fortführt;  d.  h.  in  derselben,  in  welcher  sio  auch  durch  die  Bergwelle, 
die  von  t nach  n lief,  getrieben  wurde.  So  kann  also  durch  eine  Wellenbewegung  die 
Flüssigkeit  in  einer  in  sich  geschlossenen  Röhre  herumgeführt  werden.  Vorausgesetzt 
nun , dass  das  Lumen  des  Dannrohrs  überall  von  normaler  Weite  sei , so  werden  sich 
die  in  ihm  erregten  Wellen  sehr  rasch  durch  das  ganze  Kohr  hindurch  verbreiten  und 
sich  somit  auch  die  Ungleichheit  in  dor  Spannung,  welche  durch  das  Zusammenpressen 
von  v eingetreten  war,  ausgleichcn.  Bringt  man  dagegen  irgendwo  im  Lichten  eine 
Verengerung  an,  *.  B.  dadurch,  dass  man  bei  d einen  Badeschwamm  einlegt,  so  wird 
die  von  c herkommende  Flüssigkeit  nur  sehr  allmählig  Übel*  die  verengerte  Oefftiung 
hinausdringen;  die  Welle  aber  wird,  wenn  die  Ocffnungen  in  dem  Badeschwamm  eng 
und  wenig  zahlreich  sind,  «ich  gar  nicht  Über  d fortpflanzen.  Wenn  aber  die  Flüssig- 
keitsmenge, welche  in  das  Röhrenstück  e d geworfen  ist,  sich  nicht  sogleich  wieder 
aus  ihm  entleeren  kann,  so  muss  sie  sich  in  seinem  Raum  vertheilen  und  die  Spannung 
seiner  Wand  erhöhen.  Umgekehrt  muss  dagegen  in  dem  Stück  de  die  Spannung  ab- 
nehmen, weil  dieses  einen  Theil  seines  Inhalts  in  das  vorhin  entleerte  r geworfen  hat. 
Vermöge  dieses  Spannungsunterschiedes  wird  nun  auch  ein  Strom  durch  d hindurch, 
von  ed  nach  de  gehen  und  zwar  so  lange,  bis  die  Spannung  beider  gleich  geworden 
ist,  ein  Strom,  der  somit  auch  noch  fortdauert,  wenn  längst  die  Welle  verschwunden  ist. 

In  dem  Rohr  besteht,  bevor  irgend  eine  Welle  darin  erregt  worden  ist,  durch  die 
Anfüllung  desselben  cino  Spannung,  die  in  jedem  Ort  der  Röhre  und  somit  auch 
überall  in  der  Wandung  gleich  ist.  Die  Summe  dieser  Spannungen,  welche  auf  der 
Wand  lastet,  wird  demnach  zu  finden  sein,  wenn  der  auf  ihrer  Flächeneinheit  ausgeübte 
Druck  (p)  multiplizirt  wird  mit  der  Anzahl  der  Flächeneinheiten  (q),  die  sie  enthält. 
Wird  nun  eine  Wolle  erregt  dadurch,  dass  die  Wand  an  einer  Stelle  zusammengepresst 
wird,  so  muss  sich  diese  an  andern  erweitern;  und  weil  eine  Ausdehnung  oder  ein 
Zusammendrücken  der  Wand  gleichbedeutend  ist  mit  einer  Ent-,  resp.  einer  Belastung, 
so  müssen  nun  die  Spannungen,  die  auf  verschiedenen  Orten  der  Wrandung  liegen, 
ungleich  werden.  Belegen  wir  nun  die  verschiedenen  Spannungen  mit  p',  p"  u.  s.  w. 
und  die  Wandflächen,  auf  denen  die  bezeichnten  Spannungen  Vorkommen , mit  q',  q'' 
u.  s.  w.  — so  wird  die  Summe  der  veränderten  Spannungen  gleich  sein  der  Summe 

> 

q'  p'  -f-  q"  p"  u.  s.  w.  — Es  ist  nun  die  Frage,  ob  q'  p'  -f-  q"  p"  = p q sei, 

< 

oder  mit  Worten,  ob  die  8umme  der  Spannungen  in  dem  Rohre  nach  der  eingeleiteten 
Wellenbewegung  im  Vergleich  zur  früher  bestandenen  sich  unverändert  erhalten,  vsr- 
grössert  oder  verkleinert  habe.  Diese  Frage  ist  leicht  zu  entscheiden.  Da  die  wässe- 
rigen Flüssigkeiten  sich  nicht  merklich  zusammendrucken  lassen,  so  wird  das  Volum 
derselben  vor  und  nach  ihrer  Lagenveränderung  unverändert  geblieben  sein.  Setzen 
wir  also  voraus,  dass  R der  mittlere  Durchmesser  des  Rohrs  vor  der  Umlagerung  der 
Flüssigkeit  gewesen  sei,  und  dass  L die  Länge  desselben  sei,  dass  aber  R -f-  r und  1 
die  gleichen  Bedeutungen  für  das  durch  die  Umlagerung  erweiterte;  R — q und  1' 
aber  dieselben  Eigenschaften  des  abgespannten  Stückes  besitzen,  so  muss  (R  — p)1  »l'-f- 
(R-f-r)*«  I s R*  n L sein.  Nehmen  wir  nun  der  Einfachheit  wegen  an,  dass  1 = 1'*) 
und  somit  L =21  sei,  so  ändert  sich  nach  Weglassung  von  1 und  »,  welche  allen  Glie- 
dern zukommen , die  Gleichung  in  (R  — p*)  -f-  (R  -f-  r)*  = 2 R*.  Setzt  man  in 


•)  Eine  Unterstellung , die  wegen  der  annähernd  gleichen  Länge  des  Venen-  und  Arterien- 
systems für  da»  Schema  des  menschlichen  Kreislaufs  gemacht  werden  darf* 


Öigiiized  by  Google 


76 


Inhalt  der  Herzkammern. 


diesem  Ausdruck  q = r,  so  fuhrt  derselbe  zu  der  widersinnigen  Behauptung,  dass 
o •»  2 r*  »ei.  Daraus  geht  also  herror,  dass  die  Zunahme  der  Peripherie  in  der  ge- 
spannteren Seite  nicht  so  gross  sein  kann  als  die  Abnahme  in  dem  abgespannten. 
Führt  man  nun  die  Betrachtung  in  ähnlicher  Weise  weiter,  so  kommt  man  auf  dis 
Folgerung,  dass  wenn  die  Kadien  der  beiden  Stücke  von  Anfang  an  ungleich  gewesen 
sind,  und  dann  aus  dem  engern  Hohr  Flüssigkeit  in  das  weitere  geworfen  wird,  in 
diesem  letzteren  eine  absolut  geringere  Zunahme  des  Umfangs  stattfindet,  als  die  Ab- 
nahme des  engern  Kohrs  beträgt,  währond  im  umgekehrten  Fall  (bei  grossen  Unter- 
schieden) natürlich  das  Umgekehrte  Statt  finden  kann.  Setxt  man  nun  die  Elastizität«- 
coeffisienten  der  Wandung  des  engern  und  weiteren  Kohrs  einander  gleich,  so  würde 
daraus  folgen,  dass  beim  Uebertritt  der  Flüssigkeit  aus  dem  engen  in  das  weite  Kohr 
jedenfalls  weniger  spannende  Kräfte  verhaucht  wurden,  als  im  umgekehrten  Fall.  Aus 
dieser  Betrachtung  werden  wir  demnächst  ableiten,  dass  beim  Uebertritt  des  Bluts  aus 
dem  weitern  Venensystem  in  das  engere  arterielle  ein  beträchtlicher  Antheil  der  lien- 
kraft  zur  Spannung  des  Bluts  verbraucht  werden  muss. 

In  den  zunächst  folgenden  Stücken  werden  im  Gegensatz  zu 
einer  natürlichen  Anordnung  des  Stoffs,  das  Herz  und  die  Gefässc 
vorah,  losgetrennt  aus  dem  logischen  Zusammenhang  behandelt. 
I)a  dieses  ohne  Eintrag  fiir  das  Verständniss  geschehen  kann,  so 
mögen  Gründe  der  Zweckmässigkeit  die  Inconsequenz  entschuldigen. 

Das  Herz  und  seine  Bewegungen. 

I.  Inhalt  der  Herzkammern.  Das  Blut,  welches  die  bei- 
den Herzkammern  eines  Erwachsenen  im  erschlafften  Zustand  fas- 
sen kann,  schätzt  man  nach  den  genauesten  Messungen  von 
Krause*)  auf  170  Gr.  Volkmann**)  bestimmt  die  Blutmenge, 
welche  durch  eine  Zusammenziehnng  von  mittlerem  Umfang  aus 
einem  Ventrikel  von  mittlerer  Räumlichkeit  in  die  Gefässe  entleert 
wird,  bis  zu  188  Gr.,  Vierordt***)  zu  180  Gr.  In  Anbetracht 
dessen,  dass  cs  sich  hier  nur  um  Mittelzahlen  handelt,  ist  die  Ueber- 
einstimmung  derselben  um  so  bemerkenswerther , als  die  drei  ge- 
nannten Beobachter  auf  wesentlich  verschiedenen  Wegen  zu  ihrem 
Ziele  gelangten.  — In  welchen  Grenzen  dieses  Verhältniss  zwi- 
schen dem  mittlcm  Kammerinhalt  und  dem  Körpergewicht  schwan- 
ken und  in  wieweit  der  Kammerinhalt  vom  sogenannten  mittlern, 
ohne  die  Gesundheit  zu  gefährden,  abweichen  kann,  bleibt  noch 
zu  ermitteln. 

Den  Inhalt  der  Kammer  bestimmt  man  meistentheils  durch  Anfüllung  derselben 
mit  Flüssigkeit.  Da  da»  Herz  einen  elastischen  Beutel  darstellt,  so  wird  sein  Inhalt 
veränderlich  sein  mit  dem  Druck,  unter  dem  es  gefüllt  ist,  der  Ausdehnung,  der  Dicke 
dem  EHwtizitätscoöflizienten  seiner  Wandung  und  endlich  mit  dem  Widerstand  seiner 


•)  Krause,  Handbuch  der  menschlichen  Anatomie.  2.  Aufl.  I.  787. 

••)  Haemndynsrolk  nach  Versuchen.  Leipzig  1860.  p.  206. 

•••)  Die  Erscheinungen  und  Gesetze  der  Stromgeschwindigkeiten.  1868.  p.  103. 


Digitized  by  Google 


Inhalt  der  Herzkammern. 


77 


Umgebung.  Sollten  also  die  Ausmessungen  des  Cubik  Inhaltes  seiner  Höhle  werthvoll 
sein,  so  müssten  sie  am  todten  aber  noch  nicht  todtenstarren  Herzen  als  eine  Funktion 
dieser  Umstande  bestimmt  werden  und  darauf  müsste  man  zu  ermitteln  versuchen, 
unter  welchem  Druck  u.  s.  w,  das  lebende  Herz  gefüllt  wird,  wenn  man  die  Er- 
gebnisse des  todten  auf  das  lebende  Herz  übertragen  wollte.  Dieses  ist  bis 
dahin  nicht  geschehen,  somit  geben  die  Beobachtungen  nur  angenäherte  Werthe.  — 
Volk  mann*),  der,  wie  wir  erfahren  werden,  die  mittlere  Geschwindigkeit  des 
Blutes  in  der  Aorta  schätzen  lehrte,  benutzte  diese  Beobachtung  zur  Erledigung  der 
wichtigeren  Frage , wieviel  Blut  mittelst  eines  jeden  Herzschlags  aus  der  linken  Kam- 
mer getrieben  wird.  Kennt  man  nun  die  Weite  der  Aorta,  die  Geschwindigkeit,  mit 
welcher  sich  das  Blut  in  ihr  bewegt,  so  weiss  man  natürlich,  wie  viel  Blut  das  Herz 
in  einer  gegebenen  Zeit,  z.  B.  in  der  Minute,  entleert;  daraus  berechnet  sich  nun  auch 
gleich  die  Menge,  welche  jeder  einzelne  Herzschlag  liefert,  wenn  man  die  Zahl  der 
Herzschläge  in  dieser  Minute  gezählt  hat.  Nachdem  er  eine  grössere  Zahl  von  solchen 
Beobachtungen  an  Hunden,  Schafen , Ziegen  und  Pferden  ausgeführt  hatte , verglich  er 
das  Gewicht  einer  Ventrikelentleerung  mit  dem  eigends  ermittelten  Gesammtgcwicht 
der  Beobachtungsthiere.  Diese  Yergleichung  führte  zu  dem  Ergebnis*,  dass  mit  Aus- 
nahme von  zwei  ganz  abweichenden  Fällen  das  aus  dem  linken  Ventrikel  entleerte 
Blutgewicht  den  0,003  bis  0,002ten  im  Mittel  also  den  0,0025ten  Theil  vom  Gcsammt- 
gewicht  des  Thiers  ausmachte.  Erlaubt  man  sich  nun  diese  Verhältnisszahl  auf  den  roitt- 
lem  erwachsenen  Menschen  zu  übertragen,  dessen  Gewicht  zu  75  Kilogramm  angenommen 
werden  kann,  so  gelangt  man  zu  obiger  Annahme. — Vierordt  legt  seiner  Schätzung 
zu  Grunde  die  von  ihm  bestimmte  mittlere  Geschwindigkeit  der  Carotis,  und  die  von 
Krause  und  ihm  gemessenen  Querschnitte  der  Art.  carotis,  subclavia,  anonyma  und 
des  Are.  aortae,  des  Menschen  und  die  Voraussetzung,  dass  sich  die  mittleren  Geschwin- 
digkeiten umgekehrt  wie  die  Querschnitte  verhalten. 

lieber  das  Verhältnis«  des  Rauminhaltes  der  beiden  Kammern 
eines  und  desselben  Herzens  lässt  sich  mit  Wahrscheinlichkeit  aus- 
sagen,  dass  die  rechte  Kammer  etwas  mehr  Blut  zu  fassen  ver- 
möge, als  die  linke.  Hierfür  sprechen  wenigstens  die  Ausmessun- 
gen des  todten  Herzens,  denn  wenn  die  beiden  Herzhälften  selbst 
unter  Wasser,  also  mit  Vermeidung  alles  Druckes,  gefüllt  wurden, 
so  ergab  sich  doch  constant  ein  Uebergewieht  des  rechten  Inhaltes 
Uber  den  linken.  — Dagegen  muss  der  Theil  des  Inhalts,  welcher 
während  des  Lebens  in  das  Gefässsystem  strömt,  für  beide  Ventrikel 
derselbe  sein;  denn  es  entleert  sich  ja  mit  mancherlei  Umwegen 
schliesslich  der  eine  Ventrikel  in  den  andern,  und  somit  würde  eine 
Anhäufung  des  Bluts  rechts  oder  links  geschehen,  wenn  nicht  fort- 
während aus  beiden  Höhlen  gleichviel  ausgestossen  würde.  — 

2.  Anordnung  und  Wirkung  der  Muskelröhren**). 
Die  Vorhöfe  werden  bekanntlich  von  einer  dünnen,  nicht  überall 


*)  Haemodynamik  nach  Verwichen.  Leipzig  1860.  p.  206. 

**)  C.  Ludwig,  Henle  u.  Pfeuffers  Zeitschrift.  VII.  189.  — Dontiers  Physiologie  des 
Menschen  I.  Bd.  I.  png.  14.  o.  f.  — K Ul  liker,  mikroskopische  Anatomie.  II.  Brl.  483.  — CJha- 


DTgitized  by  Google 


78 


Anordnung  und  Wirkung  der  Muskelröhren  des  Herzens. 


vollständigen  Lage  von  Mnskelmasse  umzogen,  die  an  keinem  Orte 
in  die  Muskeln  der  Kammern  übergeht  (Donders);  an  einzelnen 
Stellen  läuft  die  Faserung  annähernd  parallel,  an  andern  senkrecht 
mit  der  Lüngenachse  des  Herzens,  nur  an  wenigen  Orten  kommen 
gleichzeitig  Fasern  von  beiden  Richtungen  vor.  Die  Fasern  beider 
Vorhöfe  gehen  an  der  vordem  Fläche  ineinander  Uber.  An  den 
Venenmündungen  finden  sich  Ringfasern.  Nach  allen  diesen  müs- 
sen bei  der  Muskelverkürzung  die  Vorhöfe  zusammengezogen  wer- 
den; die  Höhle  eines  jeden  einzelnen  Vorhofs  kann  nicht  überall 
in  zwei  aufeinander  senkrechten  Ebenen  verengert  werden;  der 
Durchmesser  der  Venenmündungen  wird  verkleinert,  derjenige  der 
arteriellen  (ostia  atrioventricularia)  bleibt  dagegen  unverändert. 

Die  Kammern,  a.  Ihre  Fasern  gehen  nur  in  Sehnen  Uber, 
entweder  geradezu  in  dem  fibrösen  Kranze,  welcher  die  an  der 
Kammerbasis  gelegenen  Oeffnungen  umgiebt,  oder  in  solche,  welche 
in  diesem  Kranze  ein  Ende  nehmen.  Zwischen  diesem  Anfang  und 
Ende  umspannen  sie  jedesmal  eine,  öfter  auch  zwei  Kammern,  sie 
bilden  also  Schleifen,  die,  wie  die  freilich  unvollkommene  Herz- 
präparation  wahrscheinlich  macht,  häufig  sogar  in  sich  zurücklaufen, 


Fig.  26  A.  Fig.  26  B. 


indem  Ursprung  und  Ende  einer  Faser  an  demselben  Ort  zu  lie- 
gen scheinen.  — b.  Für  sehr  viele  Fasern  ist  es  sehr  wahrschein- 
lich, dass  sie  nicht  blos  mit  einfacher,  sondern  mit  doppelter 
Schlinge  den  Herzkegel  umschliessen,  indem  sie  einen  8 förmigen 


venu  u.  Fa  irre.  Gazette  mldicale  de  Paria  l&»6.  407.  — Hammernik.  daa  Herz  u.  aeine  Be- 
wegungen. Prag  18&8.  ^ 


Digitizer)  by-GtToglc 


Anordnung  und  Wirkung  der  Muskelrßbren  de»  Heroen».  79 

Umgang  machen  wie  dieses  die  schematischen  Figuren  26  A.  und  B, 
andeuten.  Die  von  links  nach  rechts  gehenden  Richtungen  dieser 
Fasern  liegen  im  Allgemeinen  näher  gegen  die  äussere  Herzober- 
fläche, die  umgekehrt  laufenden  aber  näher  gegen  die  Höhlenober- 
fläche. Zu  dem  scheint  noch  die  Anordnung  zu  gelten,  dass  die 
oberflächlichsten  Fasern,  welche  rings  an  der  Herzbasis  (gleicbgil- 
tig,  ob  von  dem  Rand  des  Ostium  venosum  dextrum,  oder  sinistrum) 
entspringen,  durch  den  an  der  Spitze  des  linken  Herzens  gelegenen 
Wirbel  hindurch  auf  die  innere  Oberfläche  des  linken  Ventrikels 
dringen,  und  an  dieser  emporlaufen.  — c.  Die  zunächst  den  Herz- 
oberflächen gelegenen  Fasern  laufen  am  meisten  steil,  und  sie  sind 
die  einzigen,  welche  die  Herzspitze  erreichen,  die  Fasern  aber, 
welche  mehr  im  Innern  der  an  der  Basis  dickem  Herzwand  liegen,  ver- 
laufen weniger  steil.  — d.  Aus  dem 
bisher  angegebenen  Verhalten  folgt, 
dass  an  allen  Orten  der  Kammer- 
wandung sich  Fasern  von  der  ver- 
schiedensten Richtung  finden , wie 
dieses  an  dem  in  Fig.  27.  dargestellten 
Schema  durch  die  gezeichnete  Faser 
uns  versinnlicht  wird.  Die  Fasern 
von  der  Richtung,  welche  a enthält, 
verlaufen  zunächst  unter  dem  Pericar- 
dium,  diejenigen,  welche  dem  Zuge 
/ folgen,  grenzen  an  das  Endocardium 
an.  — e.  Ein  grosser  Theil  von  den 
Fasern,  welche  der  Herzhöhle  zu- 
nächst laufen,  erreicht  sein  Ende  in 
Sehnen,  welche  erst  durch  die  Klap- 
pen hindurch  zu  den  sehnigen  Rän- 
dern der  venösen  KammermUndungen 
gelangen. — Mehrere  solcher  auf  der 
innern  Herzfläche  frei  hervorragender 
Muskelenden  (Papfllarmuskeln),  deren 
Zusammenhang  mit  den  äussern  Fa- 
sern Fig.  28.  erläutert,  convergiren 
gegeneinander  (a  b).  Sie  können  somit 
als  Stücke  eines  unvollkommen  vor- 
handenen inneren  Herzkegels  angesehen  werden,  der  seine  Spitze 
nach  der  Basis  des  äussern  kehrt.  Die  Sehnen  dieser  Muskeln 


Vig.  27. 


Digifeed  by  Google 


80  Anordnung  und  Wirkung  der  Muskelrohren  des  Herzens. 

welche  in  die  Klappen  dringen,  fahren  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen hin  auseinander  nnd  enden  niemals  sämmtlich  in  einer, 
sondern  jedesmal  in  zwei  benachbarten  Klappen,  wie  dieses  durch 
Fig.  29.  dargestellt  ist.  Jeder  Hauptlappen  einer  Klappe  empfängt 

somit  aus  zwei  Papillar- 
muskeln  seine  Chorden, 
auf  denen  er  im  ausge- 
spannten Zustand  wie  anf 
einem  Kniegebälke  ruht. 
(Fig.  29.  a a im  Durch- 
schnitt). — f.  Der  bei  wei 
tem  grösste  Theil  der  Fa- 
sern, welche  sich  in  der 
freien  Wand  des  rechten 
Ventrikels  vorfinden,  ist 
schon  einmal  Bestandtheil 
der  freien  Wand  des  lin- 
ken Ventrikels  gewesen, 
sodass  die  Muskelschleifen, 
welche  sich  um  die  rechte 
Kammer  begeben,  auch  die 
linke  einschliessen.  Dieses 
Verhalten  wird  schon  klar 
durch  die  Betrachtung  der  gegenseitigen  Lagerung  beider  Herz 
höhlen ; auf  einem  zur  Längenachse  des  Herzens  senkrechten 
Querschnitt  erscheint  nemlich  die  rechte  um  die  linke  herum  ge- 
krtimmt.  Die  auf  der  zur  rechten  Herzhöhle  zugewendeten  Scheide- 
wandfläche verlaufenden  Fasern  verhalten  sich  aber  zum  linken 
Herzen  wie  diejenigen,  welche  auf  der  Herzoberfläche  verlaufen. 

Ein  System  so  verwickelter  Mnskelröhren,  wie  das  beschrie- 
bene, wird  bei  seiner  Zusammenziehung  je  nach  der  Vertheilung 
seiner  Masse,  der  relativen  Verkürzung  einzelner  Theile  u.  s.  w., 
die  mannigfachsten  Erscheinungen  bieten,  die  sich  bis  in  ihre  Ein- 
zelheiten in  keinem  Falle  werden  Voraussagen  lassen,  theils  weil 
die  Verflechtung  der  Fasern  zu  complizirt,  theils  auch  noch  zo 
wenig  bekannt  ist,  um  sie  mittelst  der  mechanischen  Theorie  zu 
behandeln.  Wir  sind  darum  auf  die  Beobachtung  des  lebenden 
Herzens  angewiesen,  wenn  wir  erfahren  wollen,  wie  es  sich,  wäh- 
rend es  im  Kreislauf  thätig  ist,  bewegt.  Die  Beobachtung  dieser 
Bewegung  wird  aber,  weil  die  Untersuchung  rein  im  technischen 


Fig.  29. 


Digitized  by  Google 


Anordnung  und  Wirkung  der  Muakelröliren  des  Herzens. 


81 


Interesse  unternommen  wird,  nur  dann  werthvoll  sein,  wenn  sie 
unter  den  mittleren  Bedingungen  des  normalen  Lebens  angestellt 
ist.  Dahin  zählen  wir  aber:  eine»  ungestörten  Kreislauf  des  Bluts, 
eine  ungeschwächte  Muskelkraft  und  eine  der  Norm  möglichst  an-' 
genäherte  Lage. 

Die  Erscheinungen,  die  das  bewegte  Herz  fllr  sich,  abgesehen 
von  'der  Veränderung  seiner  Gesammtlage , bietet,  sind:  a.  die 
Herzkammer  übt  bei  ihrer  Zusammenziehung  auf  ihren  Inhalt 
überall,  ausgenommen  von  der  arteriellen  Mündung  her,  einen. 
Druck  aus.  Die  Möglichkeit,  dass  das  zusammengezogene  Herz 
auch  von  seiner  venOsen  Mündung  her  gegen  den  Inhalt  drückt, 
48t  durch  die  Papillarmuskeln  und  deren  Anheftung  an  die  venOsen 
Klappen  gegeben.  Denn  da  der  Papillarmuskel  frei  in  die  Herz- 
höhle ragt,  so  wird  er  bei  «einer  Verkürzung  sich  gegen  die  Wand 
zürttckziehen  und  somit  einen  Zug  von  innen  und  oben  nach 
aussen  und  unten  gegen  die  Klappen  üben.  Da  aber  jede  Klappe 
zwei  Papillarmuskeln  besitzt,  welche  einander  gegenttberstehen,  so 
wird  der  aus  beiden  Zügen  reBultirende  Weg  der  Klappe  gerade 
gegen  die  Mitte  der  Herzhohle  fallen.  Wenn  z.  B.  in  Fig.  30.  AA 
einen  freien  Klappenrand  der  linken  venOsen  Herzmündung  dar- 
stellt, so  werden  sich  die  beiden  Papillarmuskeln  mit  zwei  einan- 
der entsprechenden  Sehnen  nach  dem  Schema  a b und  c d an  ihn 
festsetzen.  Ziehen  sich  die  Papillarmuskeln  Fig.  so. 

zusammen,  in  der  Art,  dass  sie  ihren  Sehnen 
in  der  Richtung  von  b nach  a und  d nach  e 
einen  Zug  ertheilen,  so  wird  die  Klappe  in 
der  Richtung  des  Pfeils  p gehen,  wie  dieses 
der  Grundsatz  vom  Parallelogramm  der  Kräfte 
verlangt.  Das,  was  hier  für  die  zugehörigen 
Sehnen  zweier  Papillarmuskeln  bewiesen 
wurde,  gilt  bei  dem  symmetrischen  Ansatz 
derselben  auch  für  alle  übrigen.  Die  Papil- 
larmuskeln werden  aber  durch  ihre  Sehnen 
den  Klappen  nur  dann  einen  Zug  mittheilen  können,  wenn  diese 
letzteren  in  einer  annähernd  senkrechten  Richtung  zur  Längen- 
achse des  Herzens  stehen,  wenn  also,  um  mit  den  Aerzten  zu 
reden,  die  Klappen  gestellt  sind.  Denn  nur  in  diesem  Falle  span- 
nen sich  die  winklig  abgehenden  Sehnen  (zweiter  und  dritter  Ord- 
nung) zwischen  Klappe  und  Papillarmuskel  aus.  — b.  Indem  sich 
das  Herz  allseitig  verkürzt  und  verschmälert,  sucht  es  dabei 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  f> 


Digitized  by  Google 


*2 


Anordnung  und  Wirkung  der  Muskelrfihren  de*  Herzens. 


zugleich  eine  ganz  bestimmte  Form  anzunehmen.  Die  Basis  de6 
Herzens  wird  nendich  aut'  dem  Querschnitt  annähernd  kreisförmig, 
und  die  Spitze  sucht  sich  dem  Mittelpunkt  dieses  Kreises  in  einem 
ganz  bestimmten  Abstand  gegenüber  zu  stellen,  mit  einem  Worte, 
das  Herz  zieht,  sich  selbst  überlassen,  sieh  zu  einem  regelmässigen 
Kegel  zusammen.  Hierbei  wird  das  Herz  zugleich  sehr  hart,  so  dass 
nur  durch  beträchtliche  Drücke  die  Form  des  zusammengezogenen 
Herzens  merklich  geändert  werden  kann.  — Der  Grund  für  die 
. Erhärtung  des  znsammengezogenen  Herzens  liegt  in  der  besonde- 
ren Muskelanordnung,,  vermöge  deren  die  einzelnen  Fasern  sich 
nach  einer  Richtung  hin  unterstützen,  nach  der  andern  aber  hem- 
men. oder  anders  ansgedrttekt,  sieh  gegenseitig  spannen.  Dies« 
ist  ohne  weitere  Auseinandersetzung  sogleich  einleuchtend,  wenn 
man  die  Wirkungen  zweier  oder  mehrer  nebeneinanderliegender 
Fasern  des  Schemas  (Fig.  27.)  zergliedert.  — Die  Kegelgestalt 
des  zusaramengezogenen  Herzens  wird  wahrscheinlich  dadurch 
veranlasst,  dass  vom  ganzen  Umfang  der  Herzbasis  Fasern  gegen 
die  Spitze  zusammenlaufen , welche  durch  ihre  Gegenwirkungen 
dieser  letzteren  eine  bestimmte  Stellung  zu  der  ersteren  anweisen 
müssen.  Zugleich  darf  im  Allgemeinen  vorausgesetzt  werden,  dass 
die  mehr  gegen  die  Spitze  liegenden  Muskelmassen  das  Herz  ver- 
kürzen, während  die  an  der  Basis  gelegenen  seinen  Umfang  min- 
dern; denn  dort  läuft  die  überwiegende  Zahl  annähernd  parallel 
und  hier  annähernd  senkrecht  gegen  die  Längenaehse  des  Her- 
zens. — Die  Zusammenziehung  beengt,  soweit  aus  der  Beobachtung 
ersichtlich,  die  arteriellen  Mündungen  nicht;  es  ist  noch  nicht  klar, 
wie  diess  geschieht. 

Da  die  Bewegungen  des  Herzens  sehr  rasch  erfolgen  und  der  susammengesogene 
Zustand  desselben  nur  sehr  kurze  Zeit  anhält,  so  ist  es  unmöglich,  die  Form  des  xu- 
sanimengezogenen  Säugethierherzens  anders  aufzufassen , als  mittelst  Einrichtungen, 
welche  alle  oder  einige  Punkte  desselben  graphisch  fixiren.  Eine  der  vielen  möglichen 
solcher  Einrichtungen  ist  von  mir  zur  Feste llung  der  obigen  Th&tsachen  benutzt  wor- 
den. Ein  ungefähres  Bild  des  Hergangs  kann  inan  sich  auch  an  einem  frisch  heraus- 
gcschnittenen , noch  schlagenden  Säugethierheraen  verschaffen.  Hebt  man  ein  solches 
schwebend,  indem  man  c»  mit  der  Pinzette  an  dem  Vorhofe  oder  den  grossen  Gefassen 
fasst,  so  sieht  man,  wie  sich  die  Spitze  der  Basis  nähert;  legt  man  es  dagegen  auf 
die  Basis,  so  dass  die  Spitze  der  erschlafften  Kammern  herabfällt,  so  entfernt  sich 
jedesmal  bei  der  Zusammenziehung  die  Spitze  von  der  Basis,  sodass  sie  sich  steif 
emporstellt.  Legt  man  es  abor  auf  eine  ebene  Unterlage,  wobei  in  der  Erschlaffung 
die  Wandungen  an  'der  Peripherie  zusammenfallen,  sodaas  sich  der  Durchmesser  der 
Basis  nach  der  einen  Richtung  verlängert  und  nach  der  andern  verschmälert , während 
die  Spitze  schief  gegen  die  Unterlage  fällt,  dann  wölbt  sich  während  der  Zusammen- 
ziehung die  zusamm«  ngcfallenc  Wand  an  der  Basis , indem  ihr  Querschnitt  aus  der 


Herwtoss. 


83 


•Uiptiflfhen  Form  in  die  runde  übergeht  und  zugleich  hobt  eich  die  Spitze  um  etwa* 
▼on  der  Unterlage  ab.  — Die  Angaben,  welcfie  da«  blutleere,  aus  der  Brusthöhle  ge- 
schnittene oder  auf  besondere  VVeise  in  ihr  befestigte  Herz  Über  die  Form  macht, 
welche  es  in  der  Zusammenziehung  annimmt,  sind  brauchbar  auch  fUr  das  normal 
gelagerte  und  gefüllte  Herz,  weil  sich  bei  der  Zusammenziehung  die  Herzfasem  gegen- 
seitig spannen  und  somit  ihre  Form  selbst  bestimmen.  Die  einzige  Voraussetzung, 
welche  ton  den  oben  verlangten  hier  bestehen  muss,  ist  also  die,  dass  die  Erregbar- 
keit des  Herzens  auf  einer  normalen  Stufe  steht. 

Herzstoss.  Während  der  Zusammenziehung  verändert  das 
Herz  seine  Lage  und  druckt  dabei  auf  die  Theile  seiner  Umgebung, 
welche  sich  dieser  Lagenveränderung  entgegensetzen,  und  nament- 
lich Ubt  es  einen  fühlbaren  Stoss  gegen  die  Brustwandung  aus. 
Dieser  letztere,  der  sogenannte  Herzstoss,  wird  unter  sonst  gleichen 
Bedingungen  mit  der  Ausgiebigkeit  der  Herzzusammenziehung  und 
in  der  Exspirationsstellung  des  Brustkorbes  stärker  empfunden.  — 
Die  Bewegungen,  welche  das  Herz  hierbei  ausfuhrt,  werden  bald  als 
fortschreitende  and  bald  als  drehende  geschildert.  Wenn  das  Fort- 
schreiten gleichzeitig  alle  Theile  des  Herzens  ergreift,  so  soll  es 
von  oben  und  hinten  nach  vom  und  unten  geschehen;  beschränkt 
sich  die  Bewegung  nur  auf  einzelne  Herzstücke,  so  soll  sie  bald 
nur  die  Spitze  gegen  die  feststehende  Basis  hinauftlibren  oder  um- 
gekehrt, es  soll  die  Basis  gegen  die  Spitze  wandern,  oder  es  sollen 
sich  an  der  Basis  die  beiden  Wände  von  einander  entfernen.  Bei 
den  Drehbewegungen  liegt  die  Achse  entweder  in  dem  Längen-  oder 
in  dem  Querschnitt  des  Ventrikels,  im  letztem  Fall  kreuzt  sie  die 
Linie,  welche  die  Centra  der  beiden  arteriellen  Mündungen  verbindet. 

Vergegenwärtigt  man  sich,  dass  die  Masse,  (wegen  der  ver- 
änderlichen Anflillnng  der  Höhlen),  die  Lage  des  Schwerpunkts,  die 
Elastizität  und  die  Unterstützungsflächen  des  Herzens  fortwährenden 
Veränderungen  unterworfen  sind,  so  versteht  es  sich  von  selbst, 
dass  die  Lagenverschiebungen  dieses  Organs  unzählige  sein  kön- 
nen, so  dass  es  hier,  wie  es  scheint,  nur  von  Interesse  ist,  ganz 
allgemein  die  Bedingungen  aufzusuchen,  von  welchen  die  Verschiebung 
abhängig  sein  kann.  Wären  sie  allseitig  erkannt,  so  würde  man 
dann  vielleicht  die  einzelne,  gerade  beobachtete  Veränderung  auf 
ihren  wahren  Grund  beziehen  können.  In  dieser  Richtung  sind 
folgende  Fortschritte  gemacht  worden:  1°  als  eine  Verschiebungs- 
ursache sind  anznsehen  die  Form  und  Elastizitätsänderung,  welche 
da«  Herz ‘durch  die  Verkürzung  und  Ausdehnung  der  Muskeln  er- 
fährt. Wenn  das  Herz  an  der  Brustwandung  nicht  insgesammt  fort- 
schreitet, sondern  nnr  theihveisc  Verschiebungen  und  Drehungen 

o* 


Digitized  by  Google 


84 


Herzstoss. 


erfährt,  so  lässt  sich  aus  dem  ebengenannten  Umstand  sein  An- 
schlägen an  die  Brustwand  leicht  erklären.  Nun  findet  aber  bei 
Säugethieren,  namentlich  bei  Kaninchen,  das  eben  Angeführte  statt, 
wie  dieses  nach  dem  Vorgang  von  Ki  wisch  dadurch  zu  beweisen 
ist,  dass  man  lange  Nadeln  durch  die  am  kräftigsten  gestossene 
Stelle  der  Brustwand  in  das  Herz  einsticht,  ihre  Bewegung  wäh- 
rend des  Herzschlags  beobachtet  und  nach  dem  Tod  den  Ort  des 
Herzens  aufsucht,  in  welchen  die  Nadel  eingedrungen  ist  Die 
Nadel  trifft  entweder  den  Umfang  der  Basis  oder  die  Spitze.  Ist 
das  Letzte  geschehen,  so  beschreibt  das  freie  Ende  der  senkrecht 
eingestocheuen  Nadel  weder  einen  Bogen  nach  oben  oder  unten,  son- 
dern bleibt  senkrecht,  also  hat  die  Spitze  während  des  Herzstosses 
sich  an  der  Brustwand  nicht  verschoben.  Ein  ähnliches  Verhalten  wies, 
wenn  auch  nicht  mit  derselben  Sicherheit  Jos.  Meyer*)  am  Men- 
schenherzeu  nach;  bei  sterbenden  Menschen  färbte  er  die  vom 
Herzstoss  emporgehobene  Stelle  und  nach  dem  Tode  senkte  er 
durch  den  markirten  Ort  eine  Nadel  in  das  Herz;  dieses  Verfahren 
leidet  darum  an  einer  gewissen  Unsicherheit,  weil  sich  nach  An- 
gabe einer  im  Leben  eingestochenen  Nadel  die  Lage  des  Herzens 
beim  Kaninchen  wenigstens  mit  dem  Tode  ändert.  Lässt  man  die 
yon  Ki  wisch  gewonnenen  Voraussetzungen  gelten  und  erwägt 
man,  dass  die  schlaffen  und  weichen  Wandungen  der  nicht  zusam- 
mengezogenen Kammern  innerhalb  weiter  Grenzen  formverändern 
den  Einflüssen  folgen,  und  dass  die  Kammern  insbesondere  in  dem 
menschlichen  Brpstraum  geformt  werden  durch  den  Druck  des  ein- 
striimenden  Bluts,  die  eigene  Schwere  und  die  drückenden  und 
ziehenden  Wirkungen  der  umgebenden  Brustwand,  so  dürften  in 
der  Diastole  die  Herzthcile  eine  andere  Lage  zu  einander  anneh- 
men, als  sie  ihnen  durch  die  Zusammenziehung  des  HerzenB  gebo- 
ten wird.  Stellen  sich  danach  die  Brustwandungen  den  Formver- 
äuderungen  entgegen,  welche  das  Herz  in  Folge  seiner  Zusammen 
Ziehung  anzunehmen  strebt,  so  wird  letzteres  hei  seiner  Verkttr 
zung,  wenn  es  sonst  nicht  answeichen  kann,  die  Brustwand  vor 
sich  hertreiben.  Dieser  Druck  gegen  den  Zwischenrippenraum  wird, 
alles  Uebrige  gleichgesetzt,  um  so  fühlbarer  sein,  je  inniger  sich  das 
Herz  an  die  Brust  anlegt.  Aus  diesem  Grunde  wird  in  der  Inspi- 
ration (wobei  die  Lungen  die  vordere  Herzfläche  zum  grossen 
Theil  von  der  Brustwand  trennen),  der  Stoss  diese  letzteren  weni 


•)  Virchowx  Archiv  III.  Itt. 


Digitized  by  Google 


HerzstosB. 


85 


ger  heftig  treffen,  als  in  der  Exspiration.  — Nach  den  von  Ki- 
wi sch,  Jos.  Meyer  n.  A.  gemachten  Angaben  und  ans  der  be- 
kannten Form  des  zusammengezogenen  Herzens  muss  man  sich 
das  Zustandekommen  des  Pig.  31. 

Herzstosses  nun  auf  fol- 
gende Art  denken.  — — 
a.  Stoss  durch  die 
Kammerbasis.  — Das 
schlaffe  Herz  wird  durch 
die  Brustwandung  (Fig.  31.) 

B B so  zusammengedrückt, 
dass  seine  Peripherie  eine 
Elipse  H H darstellt,  de- 
ren  kleiner  Durchmesser 
kürzer  ist,  als  derjenige 
des  Kreises  K,  welchen 
der  Kammergrund  bei  seiner  Zusammenziehung  einzunehmen 
strebt;  es  muss  dieser  also  die  Brustwand  aufwölben.  Auf  diese 
Art  hat  Fr.  Arnold  zuerst  den  Herzstoss  erklärt. — b.  Spitz en- 
8t 088.  Drückt  dagegen  (Fig.  32.)  die  Bmstwandung  die  Herz- 
spitze während  der  Erschlaffung  nach  unten  und  hinten,  so  dass 
sie  nicht  mehr  senkrecht  Uber  dem  Mittelpunkt  der  Kammerbasis 
steht,  so  wird,  indem  bei  der  Zusammenziehnng  die  Herzform  aus 
U H S in  H H P überzugehen  sucht,  die  Spitze  sich  gegen  die 
Brustwand  mit  Gewalt  andrängen  (C.  Ludwig).  Gegen  diese 
Auseinandersetzung  wendet  Hammernik*)  ein,  dass  die  Herz- 
spitze an  der  menschlichen  Brustwand  nie  anschlagen  könne,  weil 
eich  zwischen  beide  immer  Lungengewebe  einschiebe. 

Zur  Aenderung  der  Herzlage  kommt  weiter  in  Betracht  der 
Druck,  welchen  die  den  Arterienmündungen  gegenüber  liegenden 
Wandflächen  zu  ertragen  haben,  wenn  das  gespannte  Blut  aus  ihren 
Oeffnungen  ausfliesst — Rückstoss — (Gutbrod,  Scoda,  Hiffels- 
heim).  Aus  der  physikalischen  Anschauung  heraus  hat  man  die 
Möglichkeit  eines  solchen  Rückstosses  bestritten,  weil  es  undenkbar 
sei,  dass  die  hinter  dem  Blutstrom  herschreitende  und  ihn  eben 
darum  veranlassende  Herzwand  zugleich  vom  Blut  in  entgegenge- 
setzter Richtung  bewegt  werden  solle;  dieser  Einwnrf  würde  richtig 
sein,  wenn  die  den  Ostia  arteriosa  gegenübergelegenen  Wandflächen 


Digitized  by  Google 


•)  t.  c.  p.  le.  o.  r. 


86 


liurXHtOKB. 


gerade  so  rasch  fortschritten  wie  das  Blut  in  der  Mündung;  da  die- 
ses aber  nicht  eintrifft,  also  in  der  Artericnmttndung  die  Spannung 
immer  niederer  sein  muss  als  zwischen  dem  Blut  und  der  Herz- 


Fig.  32. 


wand,  so  wird  auch  der  RUckstoss  nicht  ausbleiben  können;  Hif- 
felsheim*)  der  das  Herz  durch  einen  unter  Druck  gefüllten  Gumrui- 
schlauch  und  die  Aorta  durch  ein  aus  ihm  hervorgehendes  Gnmmi- 
rohr  ersetzte,  zeigte  denn  auch  in  der  That  sein  Bestehen  nnter 
diesen  den  Herzbewegungen  sehr  analogen  Bedingungen.  Bei  den 
Bewegungen,  welche  das  Herz  vom  RUckstoss  getrieben  auaführt, 
müssen  also  die  gesammten  Herzkammern  in  einem  dem  Blutstrom 
entgegengesetzten  Sinne  fortschreiten ; Scoda  und  Donders  haben 
in  der  That  an  freiliegenden  Herzen  des  Menschen  und  Hundes  diese 


•)  Compt.  rend.  Dtfcemb.  1854.  AoAt.  1855. 


Digitized  by  Google 


Reihenfolge  der  Herzbewegung. 


87 


Bewegung  gesehen;  am  Kaninchen  konnte  ich  bis  dahin  keine 
solche  Bewegung  darstellen,  selbst  wenn  das  Herz  nach  Eröffnung 
seines  Beutels  auf  einer  sehr  leicht  beweglichen  an  langen  Fäden 
hängenden  Unterlage  ruhte,  und  seine  Spitze  auf  passende  Weise  mit 
einem  Fühlhebel  in  Verbindung  stand.  Ebenso  vermissten  sie 
Faivre  und  Chauveau*)  beim  Pferde.  — Wenn  nun  aber  bei 
andern  Thieren  als  dem  Kaninchen  die  Wirkung  des  Uüekstosses 
nicht  bestritten  werden  kann,  so  darf  man  aber  auch  nicht  ver- 
kennen, dass  für  gewöhnlich  das  Herz  nicht  einmal  vorzugsweise, 
aus  diesem  Grunde  gegen  die  Brustwand  stösst,  da  es  auch  blut- 
leer diesen  Druck  kräftig  ausftihrt.  — c.  Das  Verläugerungsbestreben 
der  durch  die  Systole  gefüllten  grossen  Arterienstämme,  die  aus 
dem  Herzen  hervorgehen,  soll  die  Ventrikel  nach  unten  verschie- 
ben (Bamberger**).  Da  die  Art.  pulmonalis  und  Aorta  auch 
spiralig  gewunden  sind  um  eine  Achse,  die  annähernd  mit  dem 
längsten  Durchmesser  der  Ventrikel  parallel  läuft,  so  sollen  sie  bei 
ihrer  An-  und  Abschwellung  auch  das  llcrz  um  seine  Längsachse 
drehen,  vorausgesetzt,  dass  die  Zahl  der  Winkelgrade,  welche  die 
Spiraiwindnngen  einschliessen  bei  der  Anfllllung  vermehrt  werden, 
mit  andern  Worten,  dass  sich  die  Spirale  bei  der  Herzsystole  zu- 
und  bei  der  Diastole  abwickelt  (Kornit zer***).  Diese  Achsen- 
bedingung bedarf  vor  Allem  einer  genauem  Untersuchung,  ehe  sie 
als  berechtigt  aufgenommen  wird.  Gegen  die  alleinige  Abhängig- 
keit des  Herzstosses  von  diesen  Bedingungen  gilt  abermals  der  aus 
dem  blutleeren  Herzen  hergenommene  Einwand.  — d.  Neben  diesen 
von  dem  Herzen  und  seinen  Gefässcn  abgeleiteten  Verschiebungs- 
Ursachen  ist  genaue  Rücksicht  zu  nehmen  auf  den  Zustand  der 
Lungen,  der  Brustwand  und  des  Zwerchfells,  weil  diese  die  Lage 
des  Herzens  wesentlich  mit  bestimmen;  es  ist  hierauf  um  so  mehr 
zu  dringen,  als  dasselbe  Verschiebungsmoment  dem  Hcrzstoss  eine 
ganz  verschiedene  Stärke  ertheilen  kann,  je  nach  der  Lage,  in 
der  sich  das  Herz  befindet;  und  dieser  Umstand  scheint  gerade  flir 
ärztliche  Zwecke  von  Bedeutung. 

3.  Rhythmus  der  Herzbewegnngf).  Die  Muskeln  des 
lebenden  Herzens  gerathen  nach  einer  ganz  bestimmten,  örtlichen 


•)  Gazette  mtfd.  de  Paria  1866.  469. 

**)  Vlrchow’»  Archiv.  IX.  Bd.  328. 

•••)  Wiener  Akad.  .‘Sitzungsberichte  XXIV.  Bd.  120. 
t)  Volkmann,  Haeraodynamlk.  p.  369.  — Ludwig  und  Hoffe,  Henle  ti.  Pfeuffer'a 
Zeitschrift,  IX.  Bd.  102.  »Stannins,  Mil  Iler«  Archiv.  1862.  p.  86.  — B Id  der.  Jbidoai.  1862. 
p.  163. — Wagner,  Handwörterbuch  d.  Physiologie.  III.  Bd.  1.  Abtheil.  407.  — llcidcnhsin. 


Digitized  by  Google 


88 


Reihenfolge  der  Herabewegnng. 


und  zeitlichen  Reihenfolge  in  Zusammenstellungen,  welche  von 
Zeiten  der  Erschlaffung  unterbrochen  werden. 

a.  Reihenfolge  der  Bewegungen.  Der  Schlag  des  Herzens 
von  einem  vollkommen  lebenskräftigen  Thiere  beginnt  nach  vorans- 
gegangener  Ruhe  aller  seiner  Theile  mit  der  gleichzeitigen  Zusam- 
menziehung  beider  Vorhöfe;  nach  der  Beendigung  oder  kurz  vor 
der  Beendigung  ihrer  Bewegung  tritt  dann  jedesmal  die  Znsammen- 
ziehnng  beider  Kammern  ein.  Diese  verlassen  darauf  ebenfalls 
nach  kurzer  Zeit  den  verkürzten  Zustand,  so  dass  schliesslich  wie- 
der ein  Zeitraum  besteht,  ih  welchem  alle  Theile  des  Herzens,  Vor- 
höfe und  Kammern,  sich  in  Ruhe  befinden.  Den  Akt  der  Znsam- 
menziehung  belegt  man  gewöhnlich  mit  dem  Namen  der  Systole 
(Vorhof-  und  Kammersystole),  den  der  Erschlafftmg  mit  dem  der 
Diastole  oder  Panse.  Diese  ebengeschilderte  Reihenfolge  der  Be- 
wegungen ist  jedoch  keine  nothwendige;  denn  es  können  erfah- 
rungsgemäss,  namentlich  wenn  das  Herz  im  Absterben  begriffen 
ist,  entweder  mehrere  Bewegungen  der  Vorhöfe  hintereinander  fol- 
gen, ohne  von  einer  Bewegung  der  Kammern  unterbrochen  zu  wer- 
den, so  dass  in  gleichen  Zeiten  die  Vorhöfe  zwei-,  drei-  und  mehr- 
mal  so  viel  schlagen,  als  die  Kammern;  oder  es  kami  gar  auch 
Vorkommen,  wie  namentlich  nach  Einträufeln  von  Opiumtinktur  in 
die  Höhlen,  dass  nach  der  Ruhe  des  ganzen  Herzens  zuerst  die 
Herzkammern  und  dann  erst  die  Vorhöfe  in  Zusammenziehung  kom- 
men , so  dass  sich  die  Reihenfolge  der  Bewegungen  umkehrt 
(Hoffa,  C.  Ludwig).  Die  Gründe  sind  nicht  anzugeben,  aus 
welchen  die  Nothwendigkeit  der  einen  oder  andern  Reihenfolge  der 
geschilderten  Bewegungen  hervorginge. 

b.  Relative  Dauer  der  Bewegung  und  Ruhe  von  Kammer  und 
Vorhof.  Da  das  Herz  in  der  Minute  eine  beträchtliche  Zahl  von 
Schlägen  ausftthrt,  so  wird  die  Dauer  eines  jeden  einzelnen  Be- 
wegungsaktes sehr  kurz  ausfallen,  und  offenbar  im  Allgemeinen  um 
so  kürzer,  je  häufiger  die  Herzbewegung  in  der  Zeiteinheit  wieder- 
kehrt. Wegen  der  so  sehr  verschiedenen  Zahl  der  Herzschläge  in 
der  Zeiteinheit,  ist  es  unmöglich,  eine  allgemein  gütige  Angabe 
über  die  absolute  Dauer  der  Zusammenziehung  und  der  Erschlaf- 
fung zu  machen.  Es  hat  dagegen  einen  Sinn,  die  relative  Bewe- 


Disquisitione»  de  nervi*  eto.  centrallb.  cordi*.  Berlin  1864.  — Eckhard.  Beiträge  lur  Anatomie  u. 
Physiologie,  Giessen  1868,  p.  146.  — v.  Hczold,  Virchow'*  Archiv  XIV.  Bd.  — Arnold,  die 
physiol.  Anstalt  der  Universität  Heidelberg  1868.  p.  98. 


Digitized  by  Google 


Erregbarkeit  dea  Herzen*. 


89 


gungs-  und  Ruhezeit  der  einzelnen  Ilerzabtheilnngen  zu  messen. 
Volk  mann,  der  in  dieser  Richtung  genaue  Beobachtungen  am 
Menschen  angestellt  hat,  giebt  an,  dass  die  Zeit,  während  welcher 
die  Ventrikel  im  zusammengezogenen  Zustand  verharren,  genau  so 
gross  ist,  als  diejenige > welche  die  Zusammenzichung  der  Vorhöfe 
und  die  Erschlaffung  des  ganzen  Herzens  umfasst.  Diesem  Be- 
obachtungsresultat  dürfte  jedoch,  wenn  die  hier  in  Betracht  kom- 
menden Erscheinungen  bei  Menschen  und  Säugethieren  an- 
nähernd sich  gleich  verhalten,  keine  allgemeine  Giltigkeit  zuzu- 
schreiben sein,  da  sich  bei  letztem  mit  einem  Wechsel  in  der 
Beschleunigung  des  Herzschlags  dieses  Verhältniss  ändert,  indem 
bei  langsamem  Herzschlag  die  Zeit  der  Herzpanse  beträchtlich 
tiberwiegt  Uber  die  der  Ventrikularkontraktion,  während  umgekehrt, 
bei  sehr  beschleunigter  Herzbewegung  auch  die  Zeit  der  Kammer- 
zusammenziehung  die  der  Herzpanse  tibertreffen  kann  (C.  Lud- 
wig). Mit  andern  Worten,  es  schwankt,  wenn  sich  die  Zahl  der 
Herzschläge  beträchtlich  ändert,  derZeitraum  der  Diastole  viel  be- 
deutender, als  derjenige  der  Kammerasystole.  — Die  Dauer  der 
Vorhofssystole  ist  immer  nnr  ein  kleiner  Bruchtheil  von  derjenigen 
der  Kammerzusammenziehung. 

Volk  mann  benutzte  zu  seinen  Messungen  die  Töne,  welche  das  Hers  bei  seinen 
Bewegungen  hervorbringt,  ein  anwendbares  Verfahren,  da  der  erste  beim  Herzschlag 
hörbare  Ton  gerade  so  lange  anhält,  als  die  Kammersystole.  Die  Dauer  des  ersten 
Tons  maass  er  aber  dadurch,  dass  er  einen  Pendel  mit  verschiebbarer  Linse  so  lange 
eins  teilte,  bis  seine  Schwingungsxeit  gerade  so  lang  war,  als  die  des  (mit  dem  Ste- 
thoskop) gehörten  Tons.  — Eine  andere  Methode  (Filhlhebel  und  rotirender  Cylinder), 
welche  am  blossgelegten  Herzen  des  Thieres  angewendet  wurde,  s.  bei  Ludwig*). — 

c.  Erregbarkeitdes  Herzens.  Man  pflegt  sie  zu  schätzen : 
durch  die  Zahl  der  Schläge  in  der  Zeiteinheit,  durch  den  Umfang 
auf  den  sich  der  Herzmuskel  zusammenzieht,  und  zwar  entweder 
durch  jeden  der  beiden  Umstände  für  sich  allein  oder  durch  Combi- 
nation  beider,  so  dass  ein  Herz,  welches  schnell  und  wenig  aus- 
giebig schlägt,  für  ebenso,  wenn  nicht  für  weniger  erregbar 
gilt,  als  ein  solches,  welches  seltener,  aber  jedesmal  kräftiger 
schlägt  Man  bemisst  die  Erregbarkeit  ferner  nach  der  Intensität 
der  Erreger,  die  nothwendig,  um  ein  schon  zur  Ruhe  gekommenes 
Herz  wieder  in  Bewegung  zu  setzen,  und  endlich  nach  der  Zeit- 
dauer, während  welcher  ein  Herz  seine  Scblagfähigkeit  zubewahren 


•)  L e.  10«. 


Digitized  by  Google 


90 


Erregbarkeit  des  Hortons. 


vermag  unter  Umständen,  die  seinen  Lebenseigenschaften  erfahrungs- 
gemäss  entgegen  wirken. 

Da  ein  ausgeschnittenes  Herz,  auch  ohne  dass  es  von  aussen 
her  gereizt  wird,  fortfährt  zu  schlagen  mit  andern  Worten,  da  es 
also  ausser  erregbaren  Nerven  und  Muskeln  auch  noch  reizende 
(automatische)  Einrichtungen  besitzt,  so  umfasst  nach  den  obigen 
Auseinandersetzungen  der  Begriff  der  Erregbarkeit  die  Arbeits- 
fähigkeit der  automatischen  und  reflektorischen  Organe  gleich- 
zeitig mit  denen  der  Nerven  und  Muskelröhren.  Die  Aufgabe,  die 
Erregbarkeit  eines  jeden  dieser  Organe  gesondert  zu  schätzen,  ge- 
lingt nur  filr  den  Fall,  dass  die  Nerven  und  Muskeln  ihre  Erreg- 
barkeit behaupten,  während  sie  die  automatischen  .Massen  einblissen, 
denn  nur  hier,  nicht  aber  beim  umgekehrten  Verhalten  giebt  es 
Prtifungsmittel  fllr  die  orreghar  zurückgebliebenen  Bestandteile. 

Viele  der  Bedingungen,  durch  welche  die  Erregbarkeit  der 
cerebrospinalen  Muskeln  und  Nervenmassen  erhalten  wird,  wirken 
in  gleicherweise  auf  das  Herz;  so  verlangt  das  letztere  namentlich 
sauerstoffhaltiges  Blut,  gewisse  Temperatnrgrenzen , eine  gewisse 
Andauer  der  Ruhezeiten  zwischen  den  vollfUbrten  Anstrengungen; 
das  ausgeschnittene  Herz  schlägt  in  einem  mit  Wasser  gesättigten 
Raume  länger  als  in  trocken  erhaltener  Luft  u.  s.  w. 

Ein  ausgeschnittenes  oder  das  in  der  Brusthöhle  befindliche  Hera  eines  Säuge- 
thiers, dessen  Hirn  und  Rückenmark  abgestorben  ist,  schlagt,  sich  selbst  überlassen, 
nur  noch  kurze  Zeit  fort;  die  Zeitdauer  seiner  Bewegungen  kann  aber  beträchtlich 
vergrößert  werden,  wenn  man  entweder  in  die  Lungen  des  getödtoten  Thicres  Luft 
einbläst,  oder  aber  wenn  man  durch  die  Kranzgefasse  des  ausgeschnittenen  Honens 
einen  arteriellen  Blutstrom  leitet  (C.  Ludwig)*).  Ein  ausgeschnittenes  Fmschherz 
erhält  dagegen  . seine  Bewegungen  stundenlang  nur  mit  Zuthun  des  Blut«  oder  der 
Ernährungsflüssigkeit,  welche  in  seinem  Gewebe  enthalten  ist.  Bringt  man  ein  sol- 
ches Herz  in  eine  reine  Sauerstoffatmosphäre,  so  schlägt  es  um  viele  Stunden  länger 
und  kräftiger,  als  in  der  atmosphärischen  Luft  (Castell),  führt  man  es  dagegen  in 
den  luftleeren  Raum  (Fontana,  Tiedeman  n**),  Pickford) ***),  in  Wasserstoffgaa 
(Schulst),  Castell)++),  Stickgas,  Kohlensäure,  Schwefelwasserstoff  und  luftleer«« 
Wasser  (Castell),  so  hört  das  Herz  früher  zu  schlagen  auf.  Während  seines  Auf- 
enthaltes in  den  beruhigenden  Mitteln  haben  die  gewöhnlichen  Erreger  der  Nerven 
ihre  Wirkungskräfte  verloren ; bringt  man  aber  dann  das  Herz,  dessen  automatische 
Erregung  und  dessen  Erregbarkeit  ganz  verloren,  wieder  au  die  atmosphärische  Luft, 
so  beginnt  die  selbstständige  Bewegung  von  Neuem.  Beiläufig  ist  hier  noch  zu  be- 


*;  Heule  u.  Ffeufer.  1.  Reihe.  V.  Bd.  j».  76. 
•*)  Müller«  Archiv.  1847.  4M. 

••*)  Heule  u.  Pfeufer.  Neue  Folge.  I.  Bd.  *40. 
t)  De  motn  coidis  ransc.  Berlin  1849. 
tt)  Milli  er«  Archiv.  1854.  *36. 


Digitized  by  Google 


Eigenthümlichkeitcn  der  Herzerregbarkeit. 


91 


m*rk«n,  dass  die  erwähnten  Umstände  und  Oase  nicht  in  gleichen  Zeiten  die  Bew«> 
gung  unterbrechen.  Länger  dauert  der  Herzschlag  in  Stick-  und  Wasaerstoffgas,  kür- 
zer in  Kohlensäure  und  Schwefelwasserstoff;  ebenso  schlägt  das  Herz  länger  unter  der 
Luftpumpe,  wenn  in  den  Rezipienten  noch  ein  Behälter  mit  ausgekochtem  Wasser 
steht;  kürzer  wenn  ein  Gefösa  mit  CaCl  darin  enthalten  ist.  (Arnold).  Das  ausge- 
schnittene Hera  eines  Frosches,  welches  zwischen  zwei  aufeinandergepassten  Uhrglä- 
sern  liegt,  verlangsamt  seine  Schlagfolge  um  ein  Beträchtliches,  wenn  man  es  auf  Eia 
setzt,  während  es  umgekehrt  dieselbe  sehr  beschleunigt,  wenn  man  es  auf  einen  er- 
wärmten Gegenstand  bringt  — Aus  ähnlichen  Gründen  hat  auch  Bezold  einen  durch 
ihn  aus  der  Vergessenheit  gezogenen  Versuch  Humboldts  zu  erklären  gewusst 
Ein  Herz,  das  an  den  angebundenen  Arterien  aufgehängt  ist,  schlägt  rascher  und  länger, 
als  ein  solches,  das  unter  gleichen  Bedingungen  auf  eine  Glastafel  so  gelegt  wird, 
dass  seine  Sinus  mit  den  Unterlagen  in  Berührung  sind.  Die  Ursache  dieses  verschie- 
denen Verhaltens  liegt  in  der  Ansammlung  schädlicher  Flüssigkeiten  in  der  Nahe  der 
Sinus  und  nicht  in  der  Lage  als  solcher,  wie  Bezold  durch  verschiedene  Versuche 
darthut  — Verlängert  man  die  Herzpausen  durch  Erregung  der  NN.  vagi  und  leitet 
darauf  durch  Berührung  des  Herzens  eine  Bewegung  ein , so  ist  diese  dem  Anschein 
nach  kräftiger  als  vor  der  Vagusreizung,  wo  die  Herzschläge  schneller  aufein&nder- 
folgtcn-  Wenn  man  aber  umgekehrt  mittelst  des  Elektromotors  die  Hcrzjtchläge  sehr 
beschleunigt,  so  wird  jeder  einzelne  derselben  so  schwach,  dass  sich  trotz  seiner  un- 
zählbaren Schlagfolge  das  Herz  immer  weiter  ausdehnt,  bis  es  endlich  stillsteht. 
Auf  diese  Weise  gelingt  es  leicht  ein  Thier  zu  tödten.  (C.  Ludwig.}  Ein  andres 
Beispiel  hierfür  giebt  Bezold;  wenn  ein  Hera  im  Absterben  begriffen  ist,  so  schlägt 
gemeiniglich  der  Ventrikel  seltener  als  die  Vorkammern  ; werden  nun  durch  Vagus- 
reizung beide  Horzabtheilungen  für  einige  Zeit  zur  Ruhe  gebracht,  so  kommt  beim 
Wiederbeginn  der  Schläge  auf  jeden  Vorhof  auch  eine  Kammexzuckung,  und  zugleich 
folgen  jetzt  die  Schläge  des  ganzen  Herzens  so  rasch  aufeinander  wie  vor  der  Vagus- 
reizung die  der  Vorhöfe ; während  der  längeren  durch  Vagusreizung  eingeleiteten 
Ruhezeit  hat  sich  also  die  Erregbarkeit  der  Vorkammer  erhöht.  — Hierher  scheint 
auch  die  Beobachtung  von  Czermak  u.  Piotrowsky*)  zu  gehören,  welche  fanden, 
dass  das  ausgeschnittene  Herz  des  Kaninchens  seine  Schläge  später  einstellt,  wenn 
vor  dem  Tode  des  Thieres  die  NN.  vagi  gereizt,  früher,  wenn  sie  vorher  durchschnitten 
waren.  In  welchem  Verhältniss  mit  der  Ruhezeit  die  Erregbarkeit  steigt,  ist  unbe- 
kannt; unter  günstigen  Verhältnissen  genügen  zur  Wiederherstellung  der  letztem  sehr 
kurze  Pausen,  wie  z.  B.  nach  Durchschneidung  der  NN.  vagi  sehr  kräftige  Schläge 
einander  sehr  rasch  folgen. 

d.  Eigentümlichkeiten  der  Herzerregbarkeit.  Neben 
den  genannten  Uebcreinstimmungen  bietet  aber  die  Erregbarkeit 
des  Herzens  auch  viel  Abweichungen  von  andern  Nerven  und  Mus- 
keln. Dabin  gehört  : 1)  die  Schläge  eines  Induktionsapparats,  welche 
genügend  sind,  jeden  andern  Nerven  und  Muskel  in  Starrkrampf  zu 
versetzen,  vermögen  das  lebende  noch  vom  normalen  Blut  durch- 
strömte  Herz  nur  zu  beschleunigten  Bewegungen  zu  veranlassen. 
Also  verhindern  die  Erregbarkeitszustände  des  Herzens,  dass  es 

•)  Wiener  Akad.  Sitzungsberichte  XXV.  4SI. 


Digitized  by  Google 


92 


Erregung  des  Hereens. 


in  Tetanus  kommen  könne.  Diese  Erscheinung  ist  um  so  auffal- 
lender; als  man  durch  heftige  Induktionsschläge  an  einzelnen  Ab- 
schnitten des  Herzens  weisse  wulstfiinnige  Hervorhebungen  erzeugen 
kann,  welche  anscheinend  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  lokalen  Te- 
tanus der  Kumpf-  nnd  Darm-Muskeln  darbieten.  2)  Ein  constan- 
ter  elektrischer  Strom,  gleichgiltig  in  welcher  Richtnng  er  durch 
das  Herz  fliesst,  vermag  den  bestehenden  Herzschlag  nicht  zu  be- 
ruhigen; im  Gegentheil  regt  er  das  durch  Ansschneidung  der  Vor- 
hofsscheidewand beruhigte  Herz  wieder  zu  Bewegungen  an  (Eck- 
hard*). Da  das  Herz  in  seiner  Gesammtheit  durch  ein  anhalten- 
des Erregen  nicht  tetanisch  wird,  und'  da  anderseits  Pflttger 
nachgewiesen,  dass  auch  ein  constanter  Strom  von  sehr  geringer 
Intensität  einen  KUckcnmarksnerven  und  zwar  tetanisch  erregt,  so 
könnte  man  geneigt  sein,  statt  eines  Gegensatzes  durch  diese  That- 
sache  eine  Uebercinstimmung  zwischen  den  Erregbarkeiten  des  Her- 
zens und  andererNervcn  zu  finden.  Hierbei  wäre  nur  zu  bedenken, 
dass  jene  Ströme,  welche  das  ruhende  Herz  erregen,  zu  den  kräf- 
tigen gehören,  welche  auch  die  Rtlckenmarksnerven  vollkommen 
in  Ruhe  lassen,  resp.  je  nach  ihrer  Richtnng  die  Wirkungen  an- 
derer Erreger  herabsetzen.  3)  Curare,  welches  die  motorischen 
Nerven  der  Skeletmuskeln  lähmt,  geht  an  dem  des  Herzens  ohne 
alle  Wirkung  vorüber  (Kölliker,  Bernard.) 

d.  Erregung  des  Herzens,  a.  DieZald  der  Herzschläge 
in  der  Zeiteinheit  ändert  sich  mit  den  Zuständen  der  Selbsterreger 
im  Herzen.  Unzweifelhaft  geht  überhanpt  von  einer  im  Herzen  ent- 
haltenen an  besondern  Orten  eingebetteten  Vorrichtung  die  Anre- 
gung zur  Bewegung  aus,  da  einerseits  das  ausgeschnittene,  blut- 
leere, den  von  aussen  her  dringenden  Reizen  entzogene  Herz 
noch  in  regelmässiger  Zeitfolge  schlägt  und  da  anderseits  ein  aus- 
geschnittenes Herz  oft  bis  zum  vollkommenen  Absterben  in  Ruhe 
bleibt,  aber  augenblicklich  einen  regelrechten  Schlag  ansflthrt,  wenn 
irgend  ein  Theil  seiner  Oberfläche  mit  einer  Nadel  berührt  wird. 
Wie  der  erstere  Erfahrungssatz  den  Beweis  dafür  liefert,  dass  im 
Herzen  selbst  alle  Bedingungen  für  das  Eintreten  seiner  Be  wegungen 
enthalten  sind,  so  thut  der  zweite  dar,  dass  das  Bestehen  der 
Nerven-  und  Muskelerregbarkeit  für  sich  noch  nicht  genügt,  um 
die  rhythmische  Bewegung  einzuleiten. 


*)  Beiträge  zur  Anatomie  u.  Physiologie  I.  Bd.  p.  145. 


Digitized  by  Google 


Erregung  de«  Herzens 


93 


lieber  den  erregenden  Vorgang  selbst  sind  wir  vollkommen  im 
Unklaren;  den  Ort,  an  denen  er  sieh  entwickelt,  verlegen  dagegen 
die  meisten  Physiologen  in  die  Ganglienbaufen  des  Herzens,  na- 
mentlich in  die  am  Beginn  der  Arterien  nnd  Kammern  gelegenen. 
(Bidder,  Bezold.) 

Nach  den  vorliegenden  Beobachtungen  am  Frogchberxen  sind  vorzugsweise 
die  Ganglienhaufen  am  Beginne  der  Scheidewand  deg  Vorhofs  und  an  der  Furche 
zwischen  letzterm  und  dem  Ventrikel  als  die  Stätten  des  selbsterregenden  Vorganges 
anzugehen.  Denn  ein  Ventrikel , der  unterhalb  der  letzten  Grenze  abgeschnitten  ist, 
bleibt,  wenn  er  nicht  von  aussen  her  gereizt  wird,  meist  bewegungslos  bis  zum  Tod 
liegen.  Diese  Erscheinung  erleidet  jedoch . zahlreiche  Ausnahmen ; wird  ein  solcher 
Stumpf  in  Froschblut  zwischen  zwei  luftdicht  schliessenden  Uhrgläsem  aufgehoben 
und  dann  etwa  */4  b»8  V*  Stunde  nach  seiner  Trennuug  von  den  Ganglienhaufen  mit 
einer  Nadel  bestrichen,  so  kehrt  sehr  häufig  rhythmische  Bewegung  durch  längere  Zeit 
hindurch  wieder  (Hoffa).  Obwohl  diese  Erfahrung  darthut,  dass  die  abgeschnittenen 
Ganglien  nicht  allein  die  automatischen  Organe  sind,  so  bleibt  es  doch  immer  bemer- 
kenswerth,  1°  dass  gehr  viele  Herzen  ohne  Znthun  äusserer  Beize  bewegungslos  ab- 
sterben, wenn  man  die  Ganglien  an  den  obem  Thcil  der  Scheidewand  durch  einen 
urogelegten  Faden  gequetscht  (Stannius),  oder  ausgeschnitten  (Bidder),  oder  galva- 
nokaustisch (Eckhard)  zerstört  hat;  2°  dass  aber  nach  Unterbindung  der  Scheide- 
wandganglien die  Bewegung  für  längere  Zeit  wiederkehrt,  wenn  man  einen  Faden  um 
die  Gegend  von  Vorhof  und  Herzkammer  schnürt  (Stannius).  Siehe  hierüber  noch 
Heidenhain  und  Eckhard  1.  c. 

ß.  Die  Zahl  der  Herzschläge  mindert  sich,  wenn  der  n.  vagus, 
bevor  er  in  das  Herz  tritt , erregt  wird  (Ed.  Weber). 

Hier  sind  die  Thatsachen  zusammenzustellen , welche  sieb  auf 
eine  Veränderung  des  Herzschlags  durch  Erregung  des  Vagus  be- 
ziehen. — 1)  Die  Bewegungen  des  Herzens  werden  um  so  anhal- 
tender unterbrochen,  je  intensiver  die  Erregungen  des  n.  vagus 
sind.  Diese  Behauptung  begründet  sich  dadurch,  weil  ein  Erre- 
gungsmittel von  sehr  geringer  Stärke,  das,  auf  den  ungeschwächten 
n.  vagus  angewendet,  noch  eine  Verlängerung  der  Pause  erzeugt, 
sich  in  dem  ermüdeten  nicht  mehr  als  wirksam  erweist ; weil  inner 
halb  enger  Grenzen  je  nach  der  Stärke  des  Erregers  eine  kürzere 
oder  länger  dauernde  Pause  erzeugt  wird,  weil  dasselbe  Erregungs- 
mittel von  immer  gleicher  Intensität,  wie  z.  B.  die  elektrischen 
Schläge,  zuerst,  so  lange  das  zwischen  den  Drahtenden  liegende 
Nervenstück  noch  unversehrt  ist,  die  Pause  des  Herzeus  beträchtlich 
verlängert,  während  mit  andauernder  Erregung,  d.  h.  mit  steigen- 
der Veränderung  des  durchströmten  Nervenstückes  die  Herzpause 
mehr  und  mehr  an  Dauer  abnimmt  u.  s.  w.  Demnach  kann  man 
bei  einer  passenden  Anordnung  der  Erregungsmittel  die  Herzpanse 
bis  zur  Dauer  vieler  Sekunden  verlängern,  z.  B.  wenn  man  an 


Digitized  by  Google 


94 


Erregung  de*  Hmen*. 


einem  langhalsigen  Hunde  den  nerv,  vagus  derma assen  in  den 
Kreis  eines  Induktionsstroms  bringt,  dass  man  das  vom  Strom 
durchflossene  Stück  ganz  allmählig  und  stetig  verlängert,  so  dass 
fortwährend  neue  von  der  durehströmenden  Elektrizität  noch  nicht 
umgewandelte  Nervenelemente  in  den  Kreis  aufgenommen  werden, 
— 2)  Die  gleichzeitige  Erregung  der  beiden  n.  vagi  scheint,  alles 
Andere  (Stärke  des  Erregers,  der  Erregbarkeit  und  die  Länge  des 
erregten  Nervenstückes)  gleichgesetzt,  die  Zusammenziehung  des 
Herzens  anhaltender  zu  unterbrechen,  als  die  eines  einzigen.  Zur 
Bestätigung  dieses  Satzes  bedarf  es  jedoch  noch  genauerer  Ver- 
suche. 3)  Hat  man  die  n.  vagi  eines  Sängethiers  6 bis  15  Mi 
unten  mittelst  des  elektrischen  Induktionsstromes  erregt,  so  hört 
mit  der  Entfernung  der  stromführenden  Drahtenden  nicht  momentan 
die  in  Folge  der  Erregung  vorhandene  Verlangsamung  des  Herz- 
schlages auf,  sondern  es  verbleibt  noch  eine  mehrere  Minuten  an- 
dauernde Nachwirkung,  so  dass  erst  nach  Vcrfluss  derselben  die 
Herzschläge  wieder  mit  derselben  Geschwindigkeit  einander  folgen, 
die  sie  vor  aller  Erregung  besassen  (Hoffa).  — 4)  Hieran  reiht 
sich,  dass  eine  Anzahl  von  elektrischen  Schlägen,  die  viel  zu  selten 
aufeinander  folgen,  um  in  einem  gewöhnlichen  Muskeinerven  Teta- 
nus zu  veranlassen,  einen  dauernden  (tetanischen)  Ruhezustand  des 
Herzens  durch  den  n.  vagus  einleiten  können;  70 — 120  einfache 
Oeffnungs-  und  Sehliessungsschläge  in  der  Minute  brachten  ein 
Froschherz  auf  mehre  Minuten  zur  Ruhe.  Diese,  letztere  tritt  jedoch 
nicht  plötzlich  ein,  sondern  mit  dem  Beginn  und  dem  Fortschritte 
der  Reizung  werden  zunächst  die  Pausen  zwischen  je  zwei  Herz- 
schlägen länger  und  länger.  Daraus  folgt  nicht  allein,  daBS  ein  je- 
der einzelne  Reiz  eine  Nachwirkung  hinterlässt,  die  sich  noch  jen- 
seits einer  ausgetührten  Herzbewegnng  erstreckt,  sondern  auch,  dass 
sich  di^  von  mehrem  aufeinander  folgenden  Reizen  herrührenden 
Nachwirkungen  summiren.  (Bezold).  — Für  die  Zwecke  des  Ex- 
perimcntircns  folgt  aus  dieser  Beobachtung,  dass  man  dem  n.  vagus 
am  schonendsten  durch  solche  seltener  aufeinander  folgende  Schläge 
reizt.  — 5)  Die  Anzahl  der  einzelnen  elektrischen  Schläge,  welche 
in  der  Zeiteinheit  nothwendig  ist,  um  die  PaUBe  auf  Minutenlänge 
zu  steigern,  sinkt,  wenn  die  Elektrizitätsmengc,  die  sich  durch 
jeden  Schlag  ausgleicht,  wächst.  Die  Anzahl  der  Reizungen  muss 
sich  mehren  in  dem  Maasse,  in  welchem  die  natürlich  vorhan- 
denen Thiere  Zusammenziehung  erweckenden  Vorgänge  des  Her- 
zens Uberwiegen  Uber  die  beruhigenden;  also  ist  beim  Bestehen 


Digitized  by  Google 


Erregung  des  Herzens. 


95 


einer  grossen  Zahl  energischer  Herzkontraktionen  eine  grössere  Zahl 
von  Einzelreizen  in  der  Zeiteinheit  nöthig,  als  bei  einen)  im  Absterben 
begriffenen  Herzen.  (Bezold). — 6)  Erregt  man  mittelst  des  Indnk- 
tionsstroms  den  Vagus  nach  seinem  Eintritt  in  das  Herz,  so  ver- 
längert sioh  nicht  die  Panse  aller  Herztheile.  In  unveränderter 
Geschwindigkeit  schlagen  nemlich  die  Theile,  welche  ihre  Nerven 
ans  dem  Stücke' des  n.  vagns  erhalten,  das  oberhalb  des  erregten 
Ortes  liegt,  während  die  Pausen  aller  der  Herzabtheilungen  sich 
verlängern,  deren  Nerven  erst  unterhalb  des  erregten  Ortes  aus  dem 
Stamme  treten  (Hoffa).  — 7)  Wenn  man  während  einer  durch  ^ 
die  Erregung  des  n.  vagus  verlängerten  Pause  die  Herzoberfläche 
drückt,  elektrisch  schlägt  u.  s.  w.,  so  erfolgt  jedesmal  eine  Systole. 
Daraus  folgt  auch,  dass,  wenn  man  durch  die  Oberfläche  des 
Herzens  elektrische  Schläge  dringen  lässt,  die  hierdurch  hervorge- 
rufenen Bewegungen  durch  Vaguserregnng  nicht  beruhigt  werden 
können.  — 8)  Im  gewöhnlichen  Verlauf  des  Lebens  ist  bei  Hun- 
den, Pferden  u.  s.  w.  innerhalb  des  Hirns  der  n.  vagus  einer  ge- 
linden Erregung  ausgesetzt.  Wir  scbliessen  hierauf,  weil  bei  den 
erwähnten  Thieren  nach  Durchschneidung  des  n.  vagus,  oder 
nach  Einleitung  eines  lähmenden  Stroms  (Heidenhain)  der 
Herzschlag  plötzlich  ausserordentlich  viel  rascher  wird,  als  vor 
derselben.  Nach  der  soeben  (ß.  4)  mitgetheilten  Erfahrung, 
dass  zeitlich  gesonderte  Erregungen  des  Vagus  den  Znstand  des 
Herzens  dauernd  ändern  können,  ist  es  erlaubt  zu  vermuthen, 
dass  auch  vom  verlängerten  Mark  nicht  stetige,  sondern  durch 
merkliche  Zeiträume  unterbrochene  Erregungen  in  den  n.  va- 
gus gelangen.  (Bezold).  — 9)  Einen  besondem  Abschnitt  ver- 
dienen die  Reizungs-  und  Durchschneidungsversuche  am  Frosch- 
herzen. Zu  ihrem  Verständnis  diene,  dass  die  NN.  vagi  die  einzigen 
Nervenstämme  sind,  die  von  aussen  her  in  das  Froschherz  verfolgt 
werden  können;  sie  laufen  auf  den  Ingularvenen  bis  zu  den  Stamm 
der  venae  pulmonales,  durchbohren  neben  diesen  den  Venensack, 
und  gelangen  dann  auf  die  linke  Fläche  der  Vorhofsscheidewand. 
Hier  tauschen  sie  neben  der  Einmündnngsstelle  der  vena  pulmonalis 
Fasern  aus  und  gehen  von  da  in  zwei  gesonderten  Strängen  zum 
Anheftungsort  der  Scheidewand  in  die  Kammerbasis,  um  dort  in 
das  Kammerfleisch  überzutreten.  Auf  diesem  Wege  geben  sie  zuerst 
Aeste  an  den  Venensaek,  die  mit  einzelnen  Ganglienkugeln  belegt 
sind;  neben  der  Lungenadermündung  in  den  Winkeln,  ans  denen 
die  Fasern  zum  Plexus  hervorgehen,  treten  dagegen  zuerst  niassen- 


Digitized  by  Google 


96 


Erregung  des  Herzens. 


hafte  Ganglienanhäufuugeu  auf  und  ebenso  sind  die. Stämme  auf  der 
Herzscheitjewand,  wie  die  Zweige,  welche  von  hieraus  in  Vorhofs- 
muskeln gehen,  reichlich  mit  Ganglienkörpern  versehen,  die  endlich 
wieder  zu  grossem  Haufen  vereinigt  in  der  Furche  zwischen  Kammer 
und  Vorhof  auftreten,  wo  die  Stämme  der  Vagi  aus  der  Scheide- 
wand in  das  Kammerfleisch  tibergehen;  auch  sind  die  Aeste  für 
das  letzte  am  Beginn  wenigstens  mit  Ganglien  versehen. 

Eine  festzugeschntlrte  Schleife  um  die  obersten  Vorhofgang- 
lien (Stannius)  oder  ein  Ausschneiden  derselben  (Bidder)  be- 
dingt einen  5 — 10  Minuten  langen  Stillstand  des  ganzen  Herzens. 
Schneidet  man  statt  auf  einmal  successiv  den  Venensack  ab,  so 
verlangsamt  sich  mit  dem  Fortsehreiten  des  Schnittes  die  Herzbe- 
wegung, aber  erst,  wenn  man  die  Grenze  zwischen  Venensack 
und  Vorhof  überschritten  hat,  tritt  plötzlich  der  Stillstand  ein. 
(Bezold).  — Wenn  nach  Austilgung  der  obem  Vorhofsganglien 
und  während  des  dadurch  erzeugten  Stillstandes  eine  Schnur  um  die 
Grenze  zwischen  Kammer  und  Vorhof  gebunden  wird  (Stannius) 
oder  wenn  in  der  Begrenzungsfurche  die  Kammer  abgetragen  wird, 
so  beginnt  die  Kammer  von  Neuem  zu  schlagen,  während  der  Vor- 
hof ruht.  Wird  dagegen  unter  denselben  .Umständen  der  Schnitt 
unterhalb  der  Trennungsfurche  im  Kammerfleisch  selbst  geführt, 
so  beginnen  meist  der  mit  dem  Vorhof  in  Verbindung  gebliebene 
Fleischring  der  Kammer  und  der  Vorhof  ihre  Bewegungen  wieder 
und  zwar  in  solcher  Reihenfolge,  dass  zuerst  der  Kammerrest  und 
gleich  nachher  der  Vorhof  schlägt.  — Ein  Reiz,  der  das  Herz  trifft, 
während  es  in  Folge  eines  Schnittes  unterhalb  der  obern  Vorhofs- 
ganglien  stillsteht,  bedingt  eine  totale  Zusammenziehung,  die  meist 
an  der  Herzabtheilung  beginnt,  welche  vom  Reiz  (einen  Nadelstich) 
getroffen  wurde.  — Die  ganze  Reihe  der  Erscheinungen  lässt  sich  an 
dem  Herzen  eines  Frosches  hervorbringen,  der  mit  Curare  vergiftet  ist. 

y.  Die  Zahl  der  Herzschläge  mehrt  sieh,  wenn  diejenigen 
Einflüsse,  welche  früher  als  nervenerregende  bezeichnet  wurden, 
wenn  auch  beschränkt,  auf  das  Herz  wirken,  also  nach  elektrischen, 
mechanischen,  einer  bestimmten  Zahl  chemischer  Eingriffe,  Tempe- 
raturerhöhungen u.  s.  w. 

Der  Beweis,  dass  die  angegebenen  Mittel  das  Herz  zur  Be- 
wegung anregen,  ist  entweder  nur  so  zu  geben,  dass  sie  zu  einer 
Zeit  ihre  Wirksamkeit  für  das  Herz  entfalten,  in  der  das  Herz 
ohne  ihre  Gegenwart  still  stehen  würde  (z.  B.  in  der  langen  Pause 
während  der  Vaguserregnng , oder  kurz  vor  dem  vollkommenen 


Digitized  by  Googl 


Erregung  des  llerzeüs. 


97 


Absterben  des  Herzens),  oder  dass  sie  die  Zahl  der  Herzschläge 
für  längere  Zeit  beträchtlich  zu  vermehren  im  Stande  sind.  — Mit 
Kticksicht  auf  die  Wirkung  der  genannten  Erreger  ist  noch  zu  be- 
merken: 1)  Der  Werth  ihrer  erregenden  Wirkung  wechselt  mit 
dem  Ort,  auf  den  sie  angewendet  werden;  so  erzeugt,  namentlich 
nach  Bidder,  ein  Nadelstich  sicherer  eine  Herzbewegung,  wenn 
er  auf  die  äussere  Fläche  der  Ventrikel,  als  auf  die  der  Vorhöfe 
angewendet  wird;  im  Allgemeinen  erweckt  ein  Erregungsmittel,  auf 
die  inneren  Flächen  des  Herzens  gebracht,  leichter  Bewegung,  als 
von  den  änsseni  her.  — 2)  Eine  einmalige,  sehr  vorübergehende 
Erregung  des  Herzens  (auch  wenn  es  ausgeschnitten  und  blutleer 
ist)  ist  nicht  allein  im  Stande  eine  einmalige  Zusammenziehung 
desselben  zu  erregen-,  sondern  auch  längere  Zeit  hindurch  die  Pause 
zu  verkürzen,  mit  andern  Worten,  die  Zahl  der  Herzschläge  in  der 
Zeiteinheit  zu  vermehren.  Diese  Erscheinung  tritt  in  sehr  auffallen- 
der Weise  öfter  an  dem  Ventrikel  des  Froschherzens  auf,  der  in 
der  Qnerfurche  von  den  Vorhöfen  getrennt  ist.  Ohne  Zuthun  eines 
Erregers  liegt  derselbe  meist  vollkommen  ruhig;  bestreicht  man  ihn 
aber  mit  der  Spitze  einer  Nadel,  so  geräth  er  in  viele  rasch  auf- 
einander folgende  Zusammenziehungen.  Wie  hier  ein  rasch  vorüber- 
gehender Erreger  eine  Nachwirkung  hinterliess,  so  kommt  diese 
unter  andern  Umständen  erst  zum  Vorschein . wenn  der  Erreger 
das  Herz  längere  Zeit  hindurch  angegriffen.  So  muss  ein  möglichst 
lebenskräftiges  Herz  anhaltend,  mehrere  Sekunden  hindurch  von 
den  Schlügen  eines  starken  Induktionsstromes  getroffen  werden, 
wenn  auch  das  Herz  nach  der  Entfernung  desselben  die  ausser- 
ordentliche Zahl  von  Schlägen  (bis  zu  600  in  der  Minute)  zeigen 
soll,  die  der  Strom  bei  seiner  Anwesenheit  erweckt.  — 3)  Eine 
andauernde  elektrische  Erregung,  die  in  allen  andern  Muskeln  teta- 
nische  Krämpfe  erzeugt,  bringt  das  Herz  im  Ganzen  mir  zu  schnel- 
leren Bewegungen,  aber  nicht  in  eine  tetanische  Zusammenziehung. 
Dagegen  wird  die  Muskelsubstanz  in  einem  beschränkten  Umfang 
an  den  Berührnngsstellen  des  Herzens  mit  den  l’oldrähten  zu  einer 
tetanisehen  Zusammenziehung  veranlasst,  welche  sich  noch  viele  Mi- 
nuten nach  Entfernung  des  Errcgnngsmittels  erhält.  — 4)  Die  Auflö- 
sung vieler  chemischer  Stoffe,  namentlich  des  Opiums,  Strychnins,  des 
Alkohols  u.  s.  w.,  welche  in  die  Herzhöhle  gebracht  wurden , be- 
schleunigt für  kürzere  Zeit  den  Herzschlag,  verlangsamt  ihn  aber 
dann,  indem  sie  endlich  das  vollkommene  Absterben  des  Herzens 
bedingt.  — Ein  Froschherz,  welches  in  eine  reine  Sauerstoff'atmo- 

Ludwig,  Physiologie  11.  2.  Auflage.  7 


Digitized  by  Google 


98 


Erregung  des  Heran«. 


Sphäre  gebracht  wird,  schlägt  rascher  (Castell).  Ein  Gemenge 
von  CO,  nnd  atmosphärischer  Luft  soll  den  Herzschlag  kräftigen 
(Brown-S6quard).  , 

Ans  den  mitgetheilten  Beobachtungen  sind  einige  Ableitungen 
über  die  Abhängigkeit  der  rhythmischen  Herzzusammenziehung  von 
den  in  ihm  eingebetteten  Nerven  hervorgegangen,  welche  wenigstens 
als  Ausgangspunkte  neuer  Untersuchungen  erwähnenswertb  sind.  — 

<)'.  Die  Buhe  sowohl  wie  die  Zuckung  des  lebenden  Herzens 
sind  Folgen  einer  im  Herzen  stattfindenden  Erregung;  beide  Er 
regungsarten  sind  an  räumlich  getrennte  Organe  geknüpft,  welche 
wahrscheinlich  durch  die  Ganglienkörper  dargestellt  werden.  Iui 
Froschherzen,  das  aus  Venensack,  Vorhof  und  Kammer  besteht, 
Uberwiegen  die  Organe,  welche  Zuckung  erregen;  in  der  Combi 
nation,  die  nur  noch  aus  Vorhof  und  Kammer  besteht,  halten  sich 
die  bewegenden  und  beruhigenden  das  Gleichgewicht;  in  der  los- 
getrennten  Kammer  endlich  Uberwiegen  wieder  die  bewegende« 
Kräfte.  Dieses  folgert  man : weil  ein  Reiz , der  das  gesammte 
Herz  trifft,  nicht  tetanus,  sondern  wechselnde  Bewegung  erzeugt, 
obwohl  die  einzelnen  Muskelfasern  tetanisirt  werden  können;  weil 
der  Auschnitt  der  obern  Vorhofsganglien  Ruhe,  und  das  Ab- 
schneiden des  Vorhofs  wieder  Erregung  erzeugt.  Setzt  man  hin- 
zu, dass  durch  einen  starken  constanten  elektrischen  Strom  nur 
die  beruhigenden  Nervennmsseu  in  ihrer  Erregbarkeit  beeinträch 
tigt  werden,  so  würde  es  auch  begreiflich,  warum  ein  solcher 
Zuckungen  einleitet.  — 

Die  Eigentümlichkeit,  dass  ein  vorübergehender  Reiz  auf 
das  Herz  wie  auf  den  n.  vagus  in  grösserer  Zahl  aufeinander  fol- 
gender Bewegungen  oder  die  eine  längere  dauernde  Ruhe  erzeugt 
soll  sich  ableiten  aus  der  Verbindung  jener  Nerven  mit  den  Gang 
lien,  da  es  gegen  die  Analogie  verstösst,  dem  Nervenrohr  diese 
Eigenthümlichkeit  zuauweisen.  Das  Nähere  geben  die  angezugenen 
Schriften  von  Bidd er,  Eckhard,  Bezold,  Hoffa,  Heidenbaiu. 

t.  Eine  auffallende  Beschleunigung  des  Herzschlags  soll  er 
zeugt  werden  durch  Erregung  der  in  das  Herz  tretenden  Zweige 
des  n.  sympathicus,  oder  seiner  Ursprünge  in  dem  Hirn  nnd 
Rückenmark.  Diese  Behauptung  scheint  nicht  ftlr  alle  Tbiere  iu 
gleicher  Weise  zu  gelten.  Mit  Sicherheit  lässt  sich  behaupten, 
dass  eine  Erregung  des  Grenzstrungs  am  Halse  und  in  der  obern 
ßrustgegend  beim  Kaninchen  den  Herzschlag  nicht  beschleunigt 


Digitizeö  by  Cooflle 


Erregung  des  „Herzen*. 


' 99 


(Wein mann).  Henle*)  hat  beim  Menschen  und  CI.  Ber- 
nard**)  beim  Hunde  nach  Beizung;  de»  ersten  Brustganglions 
eine  Beschleunigung  gefunden.  Budge  endlich  konnte  heim 
Frosch  die  im  Erlöschen  begriffene  Herzbewegung  wieder  anregen 
durch  Reizung  des  vom  Schwanzbein  bis  in  die  Nähe  des  Horzens 
verlanfenden  Grenzstrauges,  vorausgesetzt  dass  vorher  die  vagi 
durchschnitten  oder  die  rnctl.  oblongata  zerstört  war.'  Don- 
ders***)  bestätigt  diese  sehr  merkwürdige  Erscheinung.  Die 
entgegengesetzte  Ansicht,  welche  B.  Wagnerf)  vertritt,  die  uem- 
lich,  diiss  die  Erregung  des  Sympathicus  eine  Verlangsamung  er- 
zeugen kann,  ist  weder  durch  Wein  manu,  noch  durch  Heiden- 
hain auf  dem  Wege  des  Versuchs  bestätigt  worden. 

Die  älteren  Versuche,  welche  in  der  Absicht  angestellt  wur- 
den, um  den  Beweis  zu  liefern,  dass  mit  der  Bewegung  des  Hirns, 
Rückenmarkes  oder  des  sympathischen  Grenzstranges  die  Herzbe- 
vrcgnng  beschleunigt,  oder  mit  Zerstörung  der  erwähnten  Theile 
verlangsamt,  resp.  vernichtet  werde,  leiden  an  so  vielfachen  Feh- 
lern, dass  es  vollkommen  unmöglich  ist,  ihnen  noch  irgend  wel- 
chen Einfluss  auf  die  Bildung  eines  Urtheils  zu  gestatten.  Zu- 
nächst übersah  man  meist,  dass  das  blossgelegte  Herz  eines 
absterbenden,  mangelhaft  oder  gar  nicht  mehr  athmendcn  Thieres 
aus  Gründen,  die  zunächst  in  der  veränderten  Zusammensetzung 
des  einströmenden  Blutes  liegen,  in  sehr  unregelmässiger  Weise 
schlägt.  Volk  mann  ff)  hat  hierauf  zuerst  die  Aufmerksamkeit 
gelenkt  — Da  nun  auch  ausserdem  den  Viviseetoren  bis  auf  Ed. 
Weber  und  Budge  die  besondere  Art  des  Einflusses,  welche  der 
n.  vagus  auf  das  Iler/,  übt,  entgangen  war,  so  befanden  sie  sich 
ausser  Htande,  zu  entscheiden:  ob  die  Veränderung,  welche  nach 
Erregung  oder  Zerstörung  einzelner  Theile  des  Hirns,  Rücken- 
markes oder  des  peripherischen  Nervensystems  eintritt,  die  Folge 
einer  dirccten  Beziehung  zwischen  jenen  Theilen  und  dem  Herzen 
waren,  oder  ob  sie  es  nur  mit  einer  Veränderung  zu  thun  hatten, 
welche  an  den  Ursprungsstellen  des  n.  vagus  auf  irgend  welchem 
Umweg  erzeugt  war. 


•)  Henle  ln  seiner  und  Pfeufera  Zeitschrift.  Neue  Folge.  II.  Bd.  p.  300. 

••J  Le?  ona  de  Physiologie  experimentale  11.  4.TÖ. 

•••)  Physiologie  des  Menschen.  Leipzig  lHW*.  p.  Ki. 

|)  Göttinger  gelehrt«  Anzeigen.  1«M.  &1S1. 
ff)  M U Ilers  Archlr.  lMft. 

7* 


Digitized  by  Google 


100  lieber  die  Häufigkeit  de«  Herzschlags  beim  Menschen. 

Eine  ausführlichere  Besprechung  der  Älteren  Versuche  von 
Humboldt,  Legallois,  Brächet  u.  s.  w.  siehe  bei  Johann 
Müller  und  Longet*). 

Ueber  die  Häufigkeit  des  Herzschlags  beim  Men 
sehen.  — Da  die  Orte  des  Hirns,  aus  welchen  der  n.  vagus  sei- 
nen Ursprung  nimmt,  durch  Seelenzustände,  Reflexe  oder  Verän- 
derungen in  der  Blutzusammensetzung  in  vielfach  abgestufte  Erre 
gnng  komme«  können,  da  die  wechselnde  Zusammensetzung  des 
Bluts,  die  Bewegung  des  Brustkastens,  der  verschiedene)  Wider 
stand  des  vom  und.  zum  Herzen  strömenden  Blutes  u.  s.  w.  man- 
nigfache Grade  der  Erregung  und  Erregbarkeit  des  Herzens  selbst 
bedingen  können,  so  lässt  sich  voraussehen,  dass  die  Zahl  der 
Schläge,  welche  das  Herz  des  lebenden  Menschen  iu  gegebener 
Zeit  vollftlhrt,  keine  sich  gleichbieibende  sein  wird.  Eine  sorg 
saniere  Beobachtung  der  Herzschläge  des  lebenden  Menschen  hat 
nun  in  der  That  nicht  allein  die  Schwankungen  in  den  Zahlen  der 
Pulsschläge  erwiesen,  sondern  auch  diese  zu  gewissen  Lebensver- 
hältnissen in  Beziehungen  zu  bringen  gewusst,  so  namentlich,  dass 
die  Beschleunigung  des  Pulses  veränderlich  sei  mit  dem  Genus» 
der  Nahrungsmittel,  der  Mttskelbewegungen,  dem  Alter,  Geschlecht 
der  Körpergrösse,  dem  Blutgehalt  u.  s.  f.  — Nach  dem  Mechanis- 
mus, durch  den  diese  Umstände  den  Herzschlag  umändern,  hat 
man  bis  dahin  nicht  weiter  gesucht,  und  es  ist  darum  nicht  zu 
entscheiden,  durch  welche  der  eben  bezeichneten  Weisen  sie  wirk- 
sam sind  und  ob  dieselben  die  einzigen  sind,  welche  den  Herz- 
schlag eines  lebenden  Menschen  umändern  können. 

Da  der  Pulsscblag  für  den  Arzt  von  grosser  Bedeutung  ist. 
so  wird  die  Angabe  der  Regeln,  nach  welchen  die  Pulsveränderuug 
zu  beurtheilen  ist,  nothwendig  sein.  — 

1.  Die  Zahl  der  Pnlse  in  der  Minute  ändert  »ich  mit  der  Tageszeit,  und  «wir 
unabhängig  ton  der  Nahrung  und  den  Körperbewegungen.  Fröhlich  und  Lichten- 
fela*)  fanden,  dass  frühmorgens,  10  Stunden  nach  dem  letzten  Essen,  die  Pulszahl  d" 
Minute  69,3  betrug,  16  Stunden  nach  dem  letzten  Essen  war  sie  auf  50  gesunken 
und  20  Stunden  nach  dem  bezeichneten  Zeitpunkt,  war  sie  wieder  auf  53,3  gestiegen. 
Die  genauere  Veränderlichkeit  der  Pulszahl  mit  der  Zeit  an  dem  Hungertage  giebt 
die  beistehendc  Curve  (Fig.  33) ; auf  die  y sind  die  Pulszahlen , auf  die  x die  Zeiten 
in  Stunden  nach  der  letzten  Nahrungsaufnahme  verzeichnet. 

•)  L enget,  Tratte  de  phyetolog.  II.  Bd.  deux.  p.  IM.  211.  347.  — Anatomie  et  pbyaiolof* 
du  aysttae  nerveux.  11.  f.S*7. 

••)  Wiener  Akadein.  Denkschriften.  III.  121. 


jj 


Ueber  die  Häufigkeit  des  Herzschlags  beim  Menschen.  101 

2.  Die  Zahl  der  Pulsschläge  ändert  sich  mit  dem  Genuss  der  Nahrungsmittel. 
Fröhlich  und  Liehtenfels  geben  an,  dass  nach  dem  Genuas  eines  Frühstücks  aus 

Kaffee  der  Puls  rasch  ansteige,  dann  allraäh- 
lig  bis  sum  Mittagsessen  sinke,  von  hier 
wieder,  jedoch  nicht  so  hoch  wie  früher, 
ansteige,  bis  sum  Abendbrot  falle,  nach  die- 
sem abermals  steige  u.  s.  f.  Dieser  Gang 
wird  durch  die  Curve  (Fig.  34.)  genauer  dar- 
gestellt ln  dieser  Curve  sind  auf  der  Achse 
x die  Zeiten  nach  Stunden  aufgetragen,  in 
der  Art,  dass  sugleich  die  Zeitendes  Essens 
angegeben  sind;  auf  die  erste  0 fällt  das 
Frühstück,  auf  die  zweite  das  Mittagsessen 
auf  die  dritte  der  Abendkaffee  und  auf  die 
letzte  das  Nachtessen ; unter  diesen  die  Essens- 
stunde bezeichnenden  Zahlen  sind  die  fortlau- 
fenden Tagesstundcu  aufgetragen  von  7,5  Uhr 
Morgens  bis  1 1,5  Uhr  Abends.  Auf  der 
Achse  y ist  die  Anzahl  der  Schläge  aufge- 
zeichnet, um  welche  sich  in  der  Minute  der 
Puls  zu  der  bczeichneten  Zeit  vermehrt  oder 
vermindert  hatte.  Um  die  ganze  Zahl  der  Pulsschläge  zu  finden,  muss  man  also  je- 
desmal die  in  der  Curve  verzeichneten  zufUgen  oder  abziehen  zu  oder  von  denen, 
welche  sich  nach  lOstündigem  Enthalten  von  aller  Nahrung  vorfanden,  ln  dem  vor- 
gezeichneten Beispiel  betrug  dieselbe  aber  60,3  Schläge.  Aehnliche  Beobachtungen 
giebt  V i e r o r d t •). 

Fig.  34. 


Mit  einer  Verlegubg  der  Mahlzeiten  muss  diese  Curve  natürlich  sehr  verschiedene 
Gestalten  annehmen.  — Ein  jedes  Nahrungsmittel  wirkt  aber  nicht  auf  gleiche  Weise. 


Fig.  33. 


')  Vicrerdt,  Physiologie  d.  Atlimeus.  104 b.  p.  6V. 


102 


lieber  die  Häufigkeit  des  Herzschlags  beim  Menschen. 


Bei  Fleischnahrung  soll  der  Pul*  rascher  sein,  als  bei  vegetabilischer  (Guy).  — Nach 
dem  Genus«  von  Alkohol  (Bier,  Wein,  Branntwein)  steigt  in  den  ersten  Minuten  die 
Zahl  der  Pulsschläge  weit  unter  diejenige  vor  dem  Genuss  dieser  Mittel,  in  den  darauf 
folgenden  aber  erhebt  sie  sich  hoch  iibor  die  ursprüngliche  Zahl,  sinkt  und  steigt 
wieder,  und  kehrt  so  allmählich  mit  Schwankungen  zu  der  alten  -Zahl  surück.  — Koh- 
lensäure (nach  Genuss  von  Brausepulver)  bringt  den  Puls  gegen  20  Minuten  lang  zum 
Sinken,  ebenso  kaltes  Wasser,  während  warmes  Getränk,  namentlich  Kaffee,  umgekehrt 
ihn  zunächst  steigen  macht  u.  s.  w.  — Weitere  Beobachtungen  über  Arzneistoffe  siehe 
bei  Lichtenfels  und  Fröhlich,  Blacke*),  Stannius**),  Lena***),  Brun- 
ner f)  nnd  Trau b eff).  Indem  wir  die  ausführliche  Erwähnung  dieser  Beobachtungen 
den  Lehrbüchern  der  Heilkunde  überlassen  müssen,  können  wir  uns  nicht  versagen, 
hervorzuheben,  dass  durch  die  genauen  Versuche  von  Traube  dem  Digitalin  eine 
eigentümliche  Stellung  angewiesen  ist  Dieses  Gift  erzeugt,  wenn  es  in  kleinen  Dosen 
in  den  Kreislauf  eingobracht  wird,  eine  Verlangsamung,  wenn  es  aber  in  grossen  Dosen 
gegeben,  so  bedingt  es  eine  Beschleunigung  des  Herzschlags;  Traube  erläutert  diese 
j Erscheinung  daraus,  dass  das  Digitalin  vermöge  seiner  besondem  Verwandtschaften  auf 
die  Hirnabtheilung  wirkt,  von  welcher  die  Herzzweige  des  n.  vagus  erregt  werden. 
In  kleinen  Mengen  soll  nun,  nach  Analogie  vieler  chemischer  Erregungsmittel,  das 
Gift  erregend,  in  grossen  Gaben  vernichtend  wirken,  so  dass  das  Hers  im  erstem  Fall 
unter  dem  Einfluss  des  erregten,  im  letstem  unter  dem  Einfluss  des  Vagus  schlüge, 
der  seiner  normalen  Erregung  entzogen  wäre.  — Diese  Erklärung  wird  bestätigt  durch 
dio  Erfahrung,  dass  die  den  Puls  verlangsamende  Wirkung  des  Digitalins  meiBtentheils 
augenblicklich  aufgehoben  wird  nach  einer  Durchschneidung  der  n.  vagL  Neben  dieser 
Wirkung  durch  den  n.  vagus  hindurch  besitzt  das  Gift  noch  eine  zweite,  direkt  ge- 
gen das  Herz  gehende,  wie  uns  dieses  die  Versuche  von  Stannins  und  Traube 
bestätigen.  * 

3.  Die  Zahl  der  Pulsschläge  ändert  sich  mit  den  Zustäden  aller  übrigen  Muskel- 
massen des  zugehörigen  Individuums,  resp.  mit  ihrer  Kühe,  Zusammenziehung,  Ermü- 
dung. — Fröhlich  und  Lichtenfels  geben  .an,  dass,  wenn  die  Muskelmaasc  de« 
Armes  durch  das  Anhängen  eines  Gewichtes  von  10  Pfund  ausgedehnt  worden,  der 
Puls  um  ein  weniges  steigt;  um  mehr,  wenn  man  den  Arm  bis  zur  Ermüdung  ge- 
streckt hält;  und  noch  beträchtlicher,  wenn  man  ein  schweres  Gewicht  möglichst  rasch 
hin-  und  herschwingt.  Diese  Steigerungen  erhalten  sich  nur  kurze  Zeit,  minutenlang, 
während  sie  stundenlang  andauern  nach  starken  Ermüdungen  der  Muskulatur  des  Geh- 
apparates. Daraus  ergiebt  sich,  dass  der  Puls  im  Stehen  ein  anderer  ist,  ab  im  Sitzen 
und  hier  ein  anderer,  als  im  Liegen.  Bei  vielen  Menschen  wird  schon  durch  Kiefer- 
bewegung der  Pulsschlag  beschleunigt.  — Nach  Guy*)  soll  mit  passiven  Bewegun- 
gen des  Körpers  die  Zahl  der  Pulsschläge  wachsen  und  durch  Niederhängen  des 
Kopfes  abnehmen,  lra  Schlaf  nimmt  aus  hier  zum  Theil  entwickelten  Gründen  die 
Zahl  der  Pubschläge  ab. 


»)  Archive  gdneral.  1839.  VI.  Bd. 

♦•)  Archiv  f.  physiolug.  flellkunde.  X.  Bd. 

*••)  Experiment«  de  ratlonc  Inter  pulsus  frequenliam  etc.  Dorpat.  1853. 
j-)  Ucber  mittlere  Spannung  im  Gcfässaystcm.  Zürich  1854. 
ft)  Annalen  dea  Charit&rankenhausca.  1861  u.  1863. 

}-ft)  Valentina  Jahresbericht  Uber  Physiologie.  1848.  p.  128. 


Digitized  by  Google 


Ueber  die  Häufigkeit  des  Herzschlags  beim  Menschen. 


103 


4.  Ein  Sturz-  oder  Regen bad  von  -j-  4 3®  bi*  23«  C.  u.  von  kurzer  Dauer  än- 
dert den  Puls  nicht;  in  einem  solchen  von  kurzer  Dauer  mit  Wasser  von  5#  C. 
wird  der  Puls  klein,  aber  er  ändert  seine  Zahl  nicht  — Bei  einem  anhaltend  wirken- 
den Sturzbad  von  -(-11*  bis  21<*  wird  der  Tuls  zunächst  schwach,  langsam  und  unre- 
gelmässig; tritt  in  Folge  des  Bades  allgemeines  Zittern  ein,  so  wird  der  Puls  schwach, 
aussetaend  und  zuweilen  unfühlbar.  Diese  Erscheinungen  bleiben  aus,  oder  mit  andern 
Worten  der  Puls  bleibt  nach  Zahl  und  Stärke  unverändert,  wenn  statt  der  allgemeinen 
Douche  nur  der  Arm  gespritzt  oder  gebadet  wird,  wie  auch  die  Temperatur  des  Was- 
sers besc halfen  sein  mag  (Bencc  Jones  und  Dickinson)*). 

5.  Bei  hohem  Temperaturen  der  Umgebung  wird  die  Pulsfolge  rascher  als  bei 
niedem. 

6.  Nach  Volk  mann**)  und  Guy  nimmt  in  den  ersten  Jahren  die  mittlere 
Pulszahl  rasch  ab,  dann  aber  allmählig  bis  zur  Zeit  der  Pubertät  zu,  von  da  an  er- 
hält sie  sich  constant  bis  in  das  höhere  G reisenalter , wo  sie  sich  wieder  um  etwas 
hebt.  Die  Beobachtungen,  welche  diesen  Behauptuugen  zu  Grunde  liegen,  sind  sämmt- 
lich  im  Sitzen  vor  dem  Mittagsmahl  genommen ; wie  lange  nach  dem  Genuss  von 
Nahrung  oder  nach  Bewegungen,  ist  nicht  angegeben.  Ueber  den  Puls  Neugebomer 
siehe  Seuz*^). 

7.  Mit  der  Körperlänge  nimmt  der  Puls  ab,  so  dass  namentlich  das  grossere 
unter  swei  gleich  alten  Individuen  einen  langsameren  Puls  hat,  als  das  kleinere.  Ver- 
suche, Pulszahl  und  Körperlänge  durch  eine  empirische  Formel  in  Zusammenhang  zu 
bringen,  siehe  bei  Volkmannt),  Rameaux  und  Serrustt)  etc. 

8.  Der  Puls  der  Frauen  ist  im  Allgemeinen  schneller,  als  der  der  Männer  bei 
Gleichheit  des  Alters,  der  Lebensart  und  Körpergrösse.  Im  Kindssalter  tritt  die  Dif- 
ferenz weniger  zu  Tage,  als  im  spätem. 

9.  Nach  einem  voluminösen  Aderlässe  belebt  sich  die  Schlagfolge  des  Herzens 
(V  o 1 k m a n n)  t+t)- 

Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Athemziigeh  und  Pulsschlägen,  siehe  die  Athem- 
be  wegungen. 

4.  Ueber  die  Gleichzeitigkeit  der  Bewegung  in 
den  Elementartheilen  der  einzelnen  Abtheiinngen  des 
Herzens.  — Da  das  Herz  aus  einer  grossen  Zahl  getrennter  nur 
in  Berührung  befindlicher  nervöser  und  muskulöser  Elementartbeile 
besteht,  so  kann  die  gleichzeitige  Bewegung  der  beiden  Vorhöfe 
und  der  beiden  Kammern  sich  nur  erläutern  aus  einer  gegensei- 
tigen Mittheilung  der  inneren  Zustände  der  Elementartheile,  aus 
welchen  sich  die  erwähnten  Abtheilungen  zusammensetzen.  Die 
Bedingungen,  welche  zum  Zustandekommen  dieser  gegenseitigen 


•)  Brown  Sdquard,  Journal  de  ls  Physiologie.  1.  Bd.  7'i. 

••)  Haemnrtynamik.  p.  433. 

•*•)  Valentins  Jahresbericht  Uber  Physiologie  für  1865.  p.  89. 
t)  I.  c.  p.  430. 

ft)  Bulletin  de  l'acsdcmie  de  Bruxelles,  1839. 
ttt)  1.  c.  p.  371. 


Digitized  by  Google 


104 


Herrtöne. 


Mittheilung  gehören,  bestehen:  a.  In  der  unmittelbaren  Berührung 
der  einzelnen  Theile.  Schneidet  man  nemlich  ein  schlagendes 
Froschherz  in  mehrere  Theile,  so  pulsirt  jeder  derselben  zwar  fort, 
aber  die  einzelnen  Stücke  bewegen  sich  nicht  mehr  gleichzeitig, 
(Volkmann*)). — b.  Die  einzelnen  Abtheilungen  müssen  sich  in 
annähernd  gleichem  Erregungszustände  befinden,  denn  es  verlieren 
auch  an  dem  unversehrten  Herzen  die  einzelnen  Mnskelbündel  der 
Kammern  die  Gleichzeitigkeit  ihrer  Bewegung,  wenn  man  schäd- 
liche Einflüsse  in  beschränkter  Ausdehnung  auf  sie  wirken  liess. 
Namentlich  geschieht  dieses,  wenn  man  anhaltend  elektrische 
Schläge  durch  die  Kammern  sendet;  hierdurch  zieht  sich  bald  die- 
ser und  bald  jener  Theil  der  letztem  zusammen,  ohne  Betheiligung 
der  übrigen.  — c.  Die  Orte,  an  denen  diese  Ucbcrtragnng  statt- 
findet, lassen  sich  nicht  angeben;  es  ist  nur  zu  behaupten,  dass 
sie  sehr  verbreitet  im  Herzen  vorhanden  sein  müssen,  da  jedes 
Stück  eines  zerschnittenen  Herzens  in  Folge  einer  beschränkten 
Berührung,  z.  B.  eines  Nadelstichs,  noch  in  eine  totale  Zusammen- 
ziehung gerathen  kann. 

Herztöne**).  — Das  mit  Blut  erfüllte,  noch  in  normaler 
Verbindung  mit  seinen  Arterien  befindliche  Herz  erzeugt  bei  sei- 
ner Zusammenziehung  zwei  Töne,  welche  ebensowohl  bei  unver- 
sehrter Brustwandung  gehört  werden,  wenn  man  das  Ohr  in  der 
Nähe  des  Herzens  auf  die  Brustwand  legt,  als  auch,  wenn  man 
nach  eröffneter  Brusthöhle  das  Ohr  mit  dem  freigelegten  Herzen 
in  Berührung  bringt.  — 

Der  erste  dieser  Töne,  von  dumpfem  Klang,  hält  gerade  so 
lange  an,  als  die  Zusammenziehnng  der  Kammern  währt,  der 
zweite  aber  ist  höher  und  kürzer,  und  erscheint  als  ein  heller 
Nachschlag  zum  ersten,  also  gerade  nach  Schluss  der  Kammer- 
systole. Die  beiden  Töne  ändern  sich,  wenn  die  venösen  und 
arteriellen  Klappen  der  Ventrikel  irgend  welche  Umwandlung  ihrer 
Form  oder  ihrer  Elastizität  erfahren  haben,  und  namentlich  soll 
der  erste  mit  der  Veränderung  der  venösen,  der  zweite  mit 
derjenigen  der  arteriösen  (Semilunar-)  Klappe  nach  Klang  und 
Höhe  wechseln.  Daraus  schliesst  man,  dass  der  erste  Ton  ent- 


•)  Mutier.  Archiv,  lau.  — Bldder,  Ibidem.  1852.  p.  153. 

••)  Kiwi  sch  r.  Rotte  rau,  Würzburger  Berichte.  I.  Bd.  9.  — Ncga,  Beiträge  zur  Kennt- 
niaa  u.  «.  w.  Breslau  1862. 


Digitized  by  Google 


Blutgefässe. 


105 


stehe  durch  Wellenbewegungen,  die  das  strömende  Blnt  in  den 
Klappen  und  Chorden  einleitet,  welche  die  venösen  Mttndungen 
decken,  der  «weite  aber  durch  das  plötzliche  Zusammenschlagen 
der  arteriellen  Klappen,  die,  wie  wir  später  erfahren  werden, 
in  der  That  am  Ende  der  Systole  ^ntfaltet  werden.  Diese  Annah- 
men werden  auf  exclusivem  Wege  bestätigt  durch  die  Erfahrung, 
dass  sich  innemalb  eines  Stroms  tropfbarer  Flüssigkeit,  der  in 
steifen  Wänden  durch  unebene  Oeffnnngen  dahin  geht,  nur  sehr 
schwer  Töne  erzeugen;  im  Herzen  liegt  somit  gar  keine  andere 
Möglichkeit  des  Tönens  vor.  Zudem  finden  sich,  wie  es  scheint, 
die  Sehnen  und  Klappen  in  einer  zum  Tönen  hinreichenden 
Spannung. 

Blutgefässe. 

Vom  hydraulischen  Gesichtspunkte  aus  sind  die  Wandungen 
und  die  Binnenräume  der  ßefässe  bedeutungsvoll. 

1.  Bau  der  Wandungen.  — Sie  sind,  wenn  ihr  Ban  die 
grösste  Complikation  zeigt,  ein  Gefüge  ans  elastischem,  «eiligen 
und  muskulösem  Gewebe,  das  auf  der  dem  Lumen  zngekehrten 
Fläche  mit  Epithelien  versehen  ist  (Henle).  — a.  Das  ela- 
stische Gewebe  ist  insofern  der  Grundtheil  der  Gefässwandun- 
gen,  als  es  keiner  Abtheilung  desselben  fehlt  und  einzelne  wie 
z.  B.  die  meisten  Capillaren,  nur  aus  demselben  gebildet  sind.  — 
Dieses  Gewebe  zeichnet  sich  durch  seine  Dichtheit,  Dehnbarkeit 
und  seine  Fähigkeit  aus,  sowohl  in  Faser-  als  in  Plattenform  er- 
scheinen zu  können.  Unter  Dichtheit  (oder  Porosität)  verstehen 
wir  den  Widerstand,  den  es  dem  Durchritt  von  Flüssigkeit  ent- 
gegenstellt,  welche  auf  dem  Wege  der  Filtration,  also  in  Folge 
eines  beliebigen  Druckes,  durch  das  Gewebe  getrieben  werden 
sollen.  RUcksichtlich  dieser  wichtigen  Eigenschaft  ist  es  noch  nie- 
mals einer  genauen  Untersuchung  unterworfen  worden,  die  mit  be- 
sondere Schwierigkeiten  verknüpft  ist,  weil  wir  bis  jetzt  noch 
keinen  Fundort  ermittelt  haben,  an  dem  man  grössere  Stücke  ho- 
mogener, nicht  von  groben  Löchern  durchbrochener  Platten  gewin- 
nen konnte.  Wir  wissen  nur,  dass  selbst  sehr  dünne  Platten  der 
sogenannten  Innersten  Arterienhaut  einen  nicht  unbeträchtlichen 
Dreck  einer  überstehenden  Wassersäule  vertragen,  bevor  Wasser 
mit  einer  merklichen  Geschwindigkeit  durch  sie  dringt,  und  dass 
bei  gleichen  Drücken  die  Durchgangsfähigkeit  der  Membran  mit 
der  chemischen  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit  wechselt  und 


Digitized  by  Google 


Blutgefässe. 


106 

dass  namentlich  Salz-  und  Eiweisalösungen  schwieriger  filtriren, 
als  reines  Wasser.  — Die  elastischen  Eigenschaften  des  homogenen 
Gewebes  haben  ebenfalls  aus  Mangel  desselben  noch  nicht  unter- 
sucht werden  können.  Aus  Versuchen,  die  mit  möglichst  reinen 
Fasernetzen  angestellt  worden  sind,  darf  man  schliessen,  dass  das 
durchfeuchtete  elastische  Gewebe  Theil  nimmt  an  den  bemerkens- 
werthen  Eigentümlichkeiten  vieler  durohtränkter  tierischer  Sub- 
stanzen, die  auf  p.  109  dieses  Bandes  erörtert  sind.  — Mit  der 
Abnahme  des  Wassergehalts,  oder  der  Gegenwart  von  Salzlösung 
in  seinen  Poren  ist  der  absolute  Werth  der  CoöffizienteB  in  einer 
Zunahme  begriffen.  — Bei  der  Beurteilung  der  elastischen  Eigen- 
schaften eines  besondern  Stückes  unseres  Gewebes  kommt  es 
natürlich  auch  darauf  an,  ob  dasselbe  aus  einer  homogenen 
Platte,  oder  aus  Fasern  besteht;  in  dem  letzten,  dem  häutigst 
vorkommenden  Falle,  wird  namentlich  zu  berücksichtigen  sein, 
nach  welchen  Richtungen  die  Fasern  verlaufen,  und  wie  die 
Unterbrechungen  angeordnet  sind.  — Da  endlich  das  elastische 
Gewebe  ebensowohl  als  eine  vollkommen  gleichartige  Platte  wie 
auch  als  ein  Netz  von  Fasern  der  verschiedenartigsten  Feinheit 
erscheinen  kann,  so  ist  dasselbe  geeignet,  einerseits  vollkommen 
geschlossene  Röhren  von  beliebigem  Durchmesser  und  andrerseits 
aueh  ein  die  Wandungen  derselben  verstärkendes  Netzwerk  dar 
zustellen. 

ß.  Die  Muskclschicht*)  der  Gefässe  besteht  überall  aus 
der  muskulösen  Faserzelle;  da  die  Eigenschaften  derselben  schon 
abgehandelt  sind  (I.  Bd.  p.  474.),  so  werden  wir  uns  hier  zu  be- 
schränken haben  auf  die  Folgen,  welche  aus  der  besondern  An- 
ordnung derselben  an  den  Gefässen  hervorgehen.  Zunächst  ist 
hervorzuheben,  dass  die  Muskeln  nicht  an  allen  Gefässen  Vor- 
kommen; namentlich  fehlen  sie  vielen  Venen  und  durchgreifend 
den  allerfeinsten  Röhren.  Wo  sie  erscheinen,  kommen  sie  ent- 
weder nur  als  Ringlagen,  wie  in  den  Arterien  (Ilenle),  oder 
nur  als  Längsschicht,  wie  in  den  N'erjen , oder  zugleich  in  beiden 
Lagerungen  vor,  wie  in  den  meisten  mitteldicken  Venen  (Köl- 
likcr).  — 

Das  Bindegewebe  und  die  Epithclien  der  Gefässe  geben  in 
keiner  weitern  Betrachtung  Veranlassung. 

*)  Kol  liker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  1862.  p.  55&.  u.  f. 


- Digitized  by  Google 


Verknüpfung  der  Gewebe  unter  einander.  107 

y.  Verknüpfung  der  Gewebe  unter  einander.  Auf 
die  schwierige  Frage,  wie  diese  Baumittel  in  der  Gefässwand  zu- 
sammengethgt  sind,  hat  zuerst  Heule*)  Antwort  gegeben. 

Alle  Gefitsse,  weite  wie  enge,  Arterien  und  Venen,  enthalten 
eine  Lage  gleichartiger  elastischer  Substanz,  welche  an  das  I.nmen 
der  Röhre  entweder  unmittelbar  angrenzt,  z.  B.  in  den  Arterien 
ersten  Ranges,  oder  nur  durch  das  Epithelium  von  ihm  geschieden 
ist ; sie  stellt  gleichsam  das  Grundrohr  dar,  an  welches  sich  die 
andern  Stoffe  anlehnen.  Zu  diesen  kommen  in  den  Arterien 
noch  weitere  Lagen  von  elastischen  Netzen  und  Muskeln.  Die 
elastischen  Netze  enthalten  um  so  breitere  Fasern  und  demnach 
um  so  geringere  Mengen  von  Oeffnungen,  je  weiter  nach  dem 
Innern  sie  liegen;  diese  dichten  Lagen  sind  im  Ganzen  als  innere 
Gefässhaut  beschrieben  und  ihre  einzelnen  Blätter  hat  man  als 
Fensterhäute  u.  s.  w.  bezeichnet.  Je  grösser  der  Durchmesser  der 
Gefässe,  um  so  stärker  ist  auch  im  Allgemeinen  diese  Haut. 
Weiter  gegen  den  Umfang  hin  finden  sich  weitmaschige  Faser- 
netze, welche  zuerst  von  Muskeln  und  dann  weiter  nach  aussen 
von  Bindegewebe  durchzogen  sind.  Bekanntlich  nennt  man  die 
eine  dieser  Schichten  die  mittlere  Arterienhaut,  oder  auch  t.  mus- 
culo-elastica ; die  andere  aber  die  Zellhaut  oder  auch  t.  elastico- 
conjunctiva.  Die  Mächtigkeit  dieser  beiden  letztem  Gewebeabthei- 
lungen zusammengenommen  wächst  im  Allgemeinen  mit  dem 
Durchmesser  der  Arterienhifhle,  eine  Regel,  die  nur  dann  eine 
Ausnahme  erleidet,  wenn  das  Gefäss,  statt  wie  gewöhnlich  in 
einer  Umgebung  von  lockerem  Bindegewebe,  durch  steife,  wider- 
standleistende Substanzen,  z.  B.  durch  Knochen  dahin  läuft  Im 
Einzelnen  soll  dagegen  die  Dicke  der  beiden  Schichten  im  umge- 
kehrten Verhältniss  stehen,  so  dass,  wenn  die  mittlere  Haut  ab- 
nimmt, die  äussere  im  Zunehmen  begriffen  ist  (Kölliker). 

S.  Menge  der  Muskeln.  Schliesslich  sind  die  Schwankungen 
in  den  relativen  Mengen  der  Muskeln  und  elastischen  Substanz  zu 
erwähnen.  Im  Allgemeinen  Uberwiegt  in  den  Arterien  geringsten 
Durchmessers  in  der  mittlern  Haut  die  Muskelsubstanz  in  einem 
solchen  Grade,  dass  man,  ohne  merklichen  Fehler,  sie  geradezu 
als  eine  Muskelhaut  bezeichnen  kann,  während  in  den  stärkeren 


*)  Allgemeine  Anatomie.  Leipzig  1841.  p.  490  n.  f.  - Dondrn  and  J atmen,  Archiv  für 
pbyziolog.  Heilkunde.  VI.  p.  361. 


Digitized  by  Google 


108 


Physikalische  Eigenschaften  der  Gefässwand. 


Gelassen  die  elastische  Schicht  ebenfalls  beträchtlich  vertreten  ist 
In  den  letzten  Gefftssen,  den  sogen.  Arterienatänmien  und  Zweigen 
erster  Ordnung  finden  sich  jedoch  mannigfache  Verschiedenheiten; 
nach  Don  der  s und  Jansen  Ubenviegt  in  den  aa.  aorta,  ano 
nyma,  carotides,  subclaviac,  axillares  und  iliacae  die  elastische, 
in  den  aa.  vertebrales,  radiales,  ulnares,  coeliaca,  mesaraicae,  re- 
nales, crurales,  popliteae  die  muskulöse  Substanz. 

Die  feinsten  Gefässe,  oder  Capillaren  enthalten  in  der 
Grundhaut  noch  eine  Kemscbicht.  *) 

In  den  Venen**)  sind  die  elastischen  und  muskulösen  Be 
standtheile  in  viel  geringerer  Menge  enthalten,  als  in  den  Arterien 
von  entsprechendem  Durchmesser;  aber  auch  hier  gilt  die  Regel, 
dass  die  Wandungsdicke  im  Zunehmen  begriffen  ist,  wenn  der 
Durchmesser  des  Immens  wächst.  Zudem  sind  die  Wandnngcn 
der  Venen  in  der  unteren  Körperhälfte  im  Allgemeinen  denen  in 
der  obern  überlegen.  Die  weiten  Venen  enthalten  auch  verhält 
nissmässig  weniger  Muskeln,  als  die  engem;  nach  Wahlgren 
haben  in  allen  grössem  Venen  die  nach  der  Länge  des  Gefässes 
laufenden  Muskeln  das  Uebergewicht,  in  der  Art,  dass  nur  die 
vena  portamm,  pulmonalis  und  die  grösseren  Extremitätenvenen 
merkliche  Lagen  von  Qnermuskeln  tragen.  Alle  Venen  unter 
1 MM.  Durchmesser  sind  dagegen  von  Längsmuskeln  vollkommen 
entblösst.  , 

Muskelfrei  sind  nach  K öllik er  die  Venen  und  Sinus  der 
Retina  und  der , Schädelhöhle,  der  eorpora  cavemosa  penis  und  der 
Milz.  Der  Bau  der  Klappen,  welche  allen  Venen  zukomrnen,  mit 
Ausnahme  der  in  den  Lungen,  dem  Darm  und  dem  Hirn  vorhan 
denen,  kann  als  bekannt  vorausgesetzt  werden. 

2.  Physikalische  Eigenschaften  der  Gefässwand.  — 
Da  die  Ableitung  der  Eigenschaften  des  Gemenges  aus  denen  der 
einzelnen  Bcstandtheilc  nicht  geschehen  kann,  so  hat  man  zuweilen 
versucht,  die  der  Gefässhaut  insgesammt  zu  bestimmen  nnd  ns 


•)  Herr  Prof.  Meissner  hat  In  seinem  dankenswert!»«»  Jahresbericht  für  1R56.  p.  W5  gegen 
den  io  der  ersten  Auflage  de«  Werkes  (früher  mehr  Als  jetzt]  gebrauchten  Ausdruck  Epithelial- 
schiebt  für  Zellen  oder  Kerne,  welche  durch  elno  elastische  Platte  oder  Faser  verschmolzen  sind, 
lebhaft  protestlrt.  Die  Form  seines  Auftretens  wird  er  mindestens  bedauern,  wenn  er  8.  75,  Z«Ue  10 
von  unten  In  der  1.  Auflage  dieses  Werkes  gelesen.  ' 

•)  Schrsnt,  over  de  aderligke  bloctvatcn  u.  s.  w.  — Wahlgren,  framstkUnlng  «f  Venen- 
systeuis  allnattna  anatomie.  Beide  in  Heule's  Jahresbericht  fUr  1801.  p.  31.  u.  66. 


Digitizad  by  Google 


Elastizi  tä  tacoä  ffizi  en  t . 


109 


mentlich  — den  ReibungBcofiffizienten,  der  zwischen  der 
innem  Membran  nnd  einer  vortibergleitenden  Flüssigkeit  besteht. 
Man  vermuthet,  dass  er  bei  der  Glätte  und  der  vollkommenen 
Dehnbarkeit  derselben  nicht  beträchtlich  sei.  — Die  Cohäsion  der 
Venen  fand  Werthheim  viel  beträchtlicher,  als  die  der  Arterien, 
doch  hat  er  beim  Menschen  nur  die  vena  saphena  nnd  arteria 
femoralis  verglichen ; da  er  die  Untersuchung  begann,  als  die  Mus- 
keln schon  in  Fäulniss  begriffen  waren,  so  möchten  seine  Angaben 
gerade  nicht  sehr  werthvoll  sein.  Seinen  Beobachtungen  wider- 
spricht auch  Volkmann*). 

ElastizitätscoSffizicnt.  Bei  einem  Gewebe,  dessen  Ela- 
stizität, weil  es  vorzugsweise  durch  diese  Eigenschaft  wirksam  ist, 
wiederholt  der  Gegenstand  eigner  Untersuchungen  geworden,  durfte 
es  erlaubt  sein,  die  neuen  Angaben  von  Wundt**)  Uber  die  Ela- 
stizität der  thierischen  Stoffe  Überhaupt  einzuschalten. 

Wenn  ein  bis  dahin  unbelastetes  Gewebe  durch  ein  angehängtes  Gewicht  ver- 
längert wird,  so  nimmt  es  die  Länge,  welche  ihm  unter  dem  Einfluss  des  Gewichtes 
xukommt,  nicht  augenblicklich,  sondern  nur  allmählig  an,  wie  schon  Bd.  L p.  430  fUr 
den  Muskel  erörtert  wurde.  Demnach  unterscheidet  man  eine  augenblickliche  (Anfangs-), 
wie  eine  nachträgliche  (Schluss-)  Dehnung.  Dieser  Ausdruck  darf  jedoch  nicht  zu 
der  Annahme  verführen,  dass  die  Bewegung,  welche  in  der  elastischen  Masse  die 
Form  Veränderung  bedingt,  in  zwei  zeitlich  getrennten  Absätzen  geschehe;  da  im 
Gegentheil  die  Bewegung  eine  fortlaufende  ist , deren  Geschwindigkeit  mit  der  fort- 
schreitenden Zeit  ungemein  rasch  abnimmt,  offenbar  darum,  weil  die  Widerstände, 
welche  sich  ih  der  Masse  der  Form  Veränderung  entgegensetzen,  mit  der  steigenden 
Dehnung  sehr  rasch  zunehmen.  Entlastet  man  die  gedehnte  elastische  Masse , so 
strebt  sic  ihrer  alten  Form  wieder  zu,  und  erreicht  dieselbe  auch,  vorausgesetzt,  dass  die 
Ausdehnung,  welche  die  Längcnheit  der  Masse  erfuhr,  nicht  allzu  beträchtlich  ge- 
wesen, oder  wenn,  wie  man  sich  gewöhnlich  ausdrückt,  die  Elastizitätsgrenze  durch  die 
Ausdehnung  nicht  Überschritten  wurde.  Ueber  den  zeitlichen  Verlauf  dieser  Dehnung 
theilt  Wundt  mit:  1.  Wird  eine  eingeleitete  aber  noch  nicht  vollendete  elastische 
Bewegung  durch  einen  Einfluss  unterbrochen,  der  in  einem  zur  bestehenden  Bewegung 
entgegengesetzten  Sinne  wirkt,  wird  also  z.  B.  die  Belastung  entfernt,  bevor  der  Kör- 
per die  Lange  angenommen,  welche  dem  Gewicht  entspricht,  und  umgekehrt,  so  ändert 
das  in  Folge  des  vorher  vorhandenen  Einflnsses  bestehende  Bewegungsbestreben 
den  Gang  der  neuen  Bewegung  nach  einem  noch  unbekannten  Gesetz  ab.  — 2.  Der 
zeitliche  Verlauf  der  hin-  und  der  rückgehenden  Bewegung  entspricht  sich  nur  dann 
genau , wenn  von  dem  belasteten  Körper  erst  das  Gewicht  abgenommen  wurde , als  er 
die  Gleichgewichtslage  vollkommen  erreicht  hatte , welche  ihm  in  Folge  der  Last  xu- 
kam. Im  andern  Fall  überdauert  die  Zeit  der  Verkürzung  die  der  Ausdehnung.  — 
3.  Die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  Formveränderung  fortschreitet,  ist  nicht  pro- 


•)  Hoemodynsmik.  389  u.  390. 

* ••)  Die  Lehre  von  den  Moskelbewcgnngen.  Branwichwclg  1868. 


Digitized  by  Google 


110 


Elan  tizitäUcoeffizi  ent. 


portional  dem  Unterschied  der  Längen,  welche  der  ausgedehnte  Körper  schon  ange- 
nommen und  derjenigen,  welche  er  dem  angehängten  Gewicht  gemäss  annehmen  sollte.  — 
4.  Die  Geschwindigkeit  ist  abhängig  von  der  schon  vorhandenen  Dehnung,  so  dass, 
wenn  zwei  gleiche  Gewichtszusätze  dieselbe  schliessliche  Ausdehnung  erzeugen  , diese 
früher  erreicht  wird , wenn  die  Bewegung  vom  Ruhezustand , später , wenn  sie  von 
der  Dehnung  durch  ein  schon  vorhandenes  Gewicht  ausgeht. 

Soll  also  der  Klaati*ität»co6ffizient,  d.  h.  das  Gewicht  gefunden  werden,  welches 
die  Querachnitlseinheit  eines  Körpers  zu  seiner  doppelten  Länge  ausdehnen  würde,  so 
muss  die  gesäumte  Dehnung  abgewartet  werden.  Da  dieses  bei  thierischen  Geweben 
wegen  ihrer  grossen  Veränderlichkeit  nicht  angeht,  so  hat  man  sich  mit  einem  Nähe- 
rungsverfahren zu  begnügeu,  indem  man  den  Schluss  der  Dehnung,  dann  als  einge- 
treten ansieht,  wenn  sich  während  fünf  Minuten  selbst  durch  das  Mikroskop  kein 
Längenzuwachs  mehr  nachweisen  lässt  y dieses  Mittel  ist  aber  nur  unter  der  Voraus- 
setzung anwendbar,  dass  bei  jeder  Belastung  von  demselben  Ruhezustand  ausgegangen 
wird.  — Ausserdem  ist  bei  der  grossen  Ausdehnbarkeit  der  thierischen  Gewebe  noch 
zu  bedenken,  dass  man,  um  ein  ElastmtÄtsmaass  innerhalb  der  Elastizitätsgrenze  zu  finden, 
sich  nur  kleiner  Belastungen  zu  bedienen  hat.  Denn  die  Elastizitätsgrenze  kann  nur 
innegehalten  werden  innerhalb  gewisser  Formveranderungen ; sie  ist  also  allgemein 
nicht  von  der  Grosse  des  Gewichts,  sondern  von  der  Ausdehnbarkeit  abhängig.  Ueber 
die  Einzelnheiten  der  Methode  ist  auf  die  Abhandlung  von  W u n d t zu  verweisen. 

Die  von  W u n d t den  feuchten  thierischen  Geweben  allgemein 
zugeschriebenen  elastischen  Eigenschaften  sind:  1*  Innerhalb  ge- 
wisser Grenzen  ist  die  Verlängerung  den  dehnenden  Gewichten 
proportional.  Dieser  Satz  widerspricht  den  von  Werthheim 
(1.  Bd.  p.  52.)  aufgestellten;  der  Widerspruch  scheint  wesentlich 
darin  begründet,  dass  der  letztre  Physiker  nur  die  augenblickliche 
Dehnung  gemessen  und  wahrscheinlich  nicht  jedesmal  von  der- 
selben Ruhelage  ans  gemessen  hat.  — Als  Beispiel  für  das  Ela- 
stizitätsmaass  für  1 Q M.  M.  Querschnitt  giebt  Wundt  für  die  Ar- 
terienhaut 72  Gr.,  für  die  Sehne  1669  Gr.,  den  Nerven  1090  Gr.,  den 
todtenstarren  Muskel  273  Gr.,  die  drei  ersten  dieser  Zahlen  be- 
ziehen sich  auf  Theilc  des  frischgetbdteten  Kalbes,  die  letzten  auf 
einen  Muskel  des  Rindes.  — 2*  die  Elastizitätsgrenzen  sind  für  ver- 
schiedene Gewebe  verschieden,  gross  für  Sehne  und  Vencuhant, 
klein  ftlr  den  Muskel.  — 3°  Alle  Gewebe  sind  durch  eine  grosse 
Dehnbarkeit . und  eine  beträchtliche  elastische  Nachwirkung  und 
zugleich  durch  die  grosse  Veränderlichkeit  derselben  ausgezeich- 
net. — 4°  Jenseits  der  Elastizitätsgrenzen  nimmt  wie  bei  allen 
Stoffen,  die  Ausdehnbarkeit  mit  den  wachsenden  Gewichten  ab.  — 

Die  für  den  quergestreiften  Muskel  insbesondere  geltenden  Gesetze  würden  für 
unsern  Fall  von  Belang  »ein , wenn  die  Gleichartigkeit  des  Verhaltens  zwischen  ihm 
und  dem  glatten  Muskel  feststünde,  ln  Ermangelung  dieses  Nachweises  dürfte  es  ge- 
rathen  »ein , nur  den  einen  Umstand  hervorzuheben , dass  der  vom  Blut  durchströmte  m 


. Qigitized  by  Gpc 


Einfluss  der  Muskeln. 


111 


Froschmuskel  ein  geringes  Klastizitätsmaas»  beaitat,  als  das  vom  Blut  befreite,  wenn 
auch  noch  reizbare  Fleisch.  Diese  Thatsachc  muss  gegen  den  Werth  aller  vorliegen- 
den Bestimmungen  den  Elastizitätscoeffiaienten  der  gesummten  Ge  fass  haut  Zweifel  er- 
regen. Die  Ausdehnbarkeit  der  Arterienhaut  und  insbesondere  der  Aorta  fand  Har- 
le ss*)  nach  Länge  und  Breite  gleich  gross,  während  andere  Beobachter  und  nament- 
lich Y olkmann  die  Arterienhaut  nach  der  Länge  ansdehnbarer  antrafen,  als  nach 
der  Quere.  Von  der  Menge,  welche  ein  üefäsa  unter  steigendem  Druck  fassen  kann, 
handeln  Donders**)  u.  Ounning. 

Sichere  Angaben  Itber  die  Ausdehnbarkeit  der  freien  Gefäss- 
wand  wurden  übrigens  noch  nicht  hinreichen,  um  einen  Schluss 
auf  ihre  Widerstandsfähigkeit  innerhalb  des  Körpers  zu  ermög- 
lichen, da  offenbar  diese  ebenso  durch  die  mehr  oder  weniger 
grosse  Nachgiebigkeit  der  Umgebung  des  Gefüsses  wie  durch  den  ' 
zeitweiligen  VerkUrznngsgrad  der  Mnskeln  in  der  Gefässwand  be- 
dingt ist. 

Aus  allen  vorliegenden  Thatsachen  kann  aber  mindestens 
das  abgeleitet  werden,  dass  die  Arterien  von  grösserem  Quer- 
schnitt, bevor  sie  zerreissen,  einen  stärkern  Druck  zu  ertragen 
vermögen,  als  alle  Übrigen  Gefässe,  und  zugleich  werden  sie  den 
filtrirenden  Flüssigkeiten  den  bedeutendsten  Widerstand  entgegen- 
setzen. 

3.  Einfluss  der  Muskeln.  Eine  von  dem  Druck  des  In- 
haltes und  der  Umgebung  unabhängige  Veränderung  ihres  Durch- 
messers werden  nur  die  Gefässe  erleiden  können,  welche  mit 
Muskeln  versehen  sind***).  Dem  anatomischen  Befunde  entspre- 
chend, verengern  sich  nun  in  der  That  unter  dem  Einfluss  der 
elektrischen  Schläge  eines  Induktionsapparates  die  Capiliaren  gar 
nicht  (vorausgesetzt,  dass  sie  nicht  in  niHskelbaltigem  Gewebe 
sich  verbreiten),  wenig  die  Venen  und  grossen  Arterienstämme, 
am  meisten  aber  die  engeren  und  engsten  Arterienstämme,  welche 
sich  bis  zum  vollkommenen  Verschwinden  ihres  Lumens  con- 
trahiren  können  (E.  II.  und  Ed.  Weber).  Diese  Zusammen- 
ziehungen  der  Gefässe  treten,  den  Eigenschaften  der  Muskeln  ent- 
sprechend, in  Folge  der  erregenden  Einwirkungen  nur  sehr  allmüh- 
lig  ein  und  erhalten  sich  auch  noch  lange  Zeit  nach  Entfernung 
des  Erregers.  — Die  Muskeln  sind  übrigens  nicht  allein  von  Be- 


•)  Valentin«  Jahresbericht  fUr  lR&fl.  p.  154. 

••)  Physiologie  den  Menschen;  ans  dem  Holländischen  ron  Th  eile.  Leipzig  I85G. 

•••)  Hildebrandt«  Anatomie,  Ausgabe  von  E.  H.  Weber.  III.  ßd.  7V.  — E.  II.  u.  Ed. 
Weber,  M Uli  er«  Archiv.  1H47.  ‘Ml.  — ■ Kolli  kor  u.  Vlrehow  in  den  Würzburger  Verhand- 
lungen. V.  Bd.  30. 


Digitized  by  Google 


112 


Nerven  der  GeßaawandunK. 


deutung  durch  ihre  Fähigkeit,  sieh  zu  verkürzen,  sondern  auch 
durch  ihre  elastischen  Kräfte;  denn  die  vorzugsweise  muskelhal- 
tigen  GefUsse  werden  durch  denselben  Blutdruck  in  ganz  verschie- 
dener Weise  ausgedehnt,  je  nachdem  ihre  Muskeln  in  Folge  einer 
heftigen  und  anhaltenden  Zusammenziehung  ermüdet  waren,  oder 
je  nachdem  sie  im  vollkommen  erregbaren  Zustand  sich  befanden. 
Entsprechend  der  Beobachtung,  dass  der  Elastizitätscodffizient  der 
ermüdeten  Muskeln  niedriger  ist,  als  der  erregbaren,  dehnt  sich  in 
den  erstem  der  bezeichneten  Fälle  das  Gefäss  durch  denselben 
Druck  viel  weiter  aus,  als  in  letzteren  (E.  H.  und  Ed.  Weber). 
Diese  Thatsache  könnte  allerdings  neben  dieser  auch  noch  die 
andere  Auslegung  erfahren,  dass  die  Nerven  desselben  fltr  ge- 
wöhnlich eine  tonische  Erregung  in  die  Muskeln  senden;  ja  es 
wird  diese  letztere  Annahme  sehr  viel  wahrscheinlicher  in  Anbe- 
tracht des  Umstandes,  dass  GefUsse  deren  Nerven  durchschnitten 
sind,  sich  auf  die  Dauer  ausweiten,  — Indem  aber  die  Muskeln 
zeitweise  in  den  Zustand  einer  stärkeren  Zusammenziehung  treten, 
werden  sie  zugleich  die  bleibende  Verlängerung  oder  Reckung 
anfheben,  welche  in  allen  elastischen  Stoffen  vorkommt,  die  einem 
constanten  Druck  ausgesetzt  sind;  denn  während  einer  Zusamnien- 
ziehung  der  Muskeln  werden  die  elastischen  Gewebe  gleichsam 
entlastet,  und  es  wird  ihnen  somit  Zeit  gegeben,  sich  wieder  auf 
ihre  wahre  Länge  zu  verkürzen.  Alle  GefUsse,  deren  Muskeln, 
resp.  Nerven,  den  natürlichen  Erregern  entzogen  sind,  werden 
darum  sich  allmählig  erweitern. 

4.  Die  Nerven  der  Gefässwandung*).  Die  cerebrospi- 
nalen Bahnen  derselben  sind : die  n.  n.  trigeminus,  facialis  (?),  va- 
gus  (?),  spinales,  sympathicus.  Aus  dein  Trigeminus  giebt  es 
Aeste  für  die  GefUsse  der  conjunet.  bulbi  und  Iris,  vielleicht  auch  für 
die  der  Schleimhautdecke  des  Oberkiefers  (Mageudie).  — Aus  dem 
facialis  für  die  Haut  des  Ohrs  (?)  (Be mar d).  — Aus  dem  Va- 
gus flir  Ohr  (Schiff)  und  Lungengefässe  (?)  — Aus  dem  plex. 
cervicalis  zuweilen  Haut  des  Ohrs  und  Hinterhaupts  (Schiff).  - 
Aus  dem  plex.  brachialis  für  die  Gefässe  von  Haut  und  Muskeln 


•)  Günther,  Untersuchungen  und  Erfahrungen  im  Gebiete  der  Anatomie  etc.  Hannos 
1837.  — CI.  Beraard  Recherche«  experimentale«  »ur  le  graud  Sympathique.  Paria  18M. — 
Pflüg  er,  Allgemeine  medix.  Centralzeitung  1865.  Stück.  68  u.  76.  1856.  Stück.  33.  — Schiff, 
neurolog.  Untersuchungen.  Frankfurt  1855.  — Sn  eilen,  Archiv  für  Holland.  Beitrüge.  Utrecht 
1857.  l.Bd.  306.  Gunning,  Ibld.  305.  — Bernatd,  Galette  mddicale  1858.  p.  428. — v.  Boxold. 
l'eber  diu  gekreutzten  Wirkungen  de«  RUckenraarkx.  Zeitschrift  flir  wl»«.  Zoologie  1858. 


Digitized  by  Google 


Nerren  der  GefiiuvMidiing. 


113 


* 

der  oben»  Extremität  (Schiff).  — Ans  den  Dorsal-  nnd  Lnmbal- 
nerven  die  Gefässe  der  Rumpfhant  (?)  — Ans  denen  der  plex. 
luinbalis  und  saeralis  die  GefUsse  der  unteni  Extremität  (Pflü- 
ger, Schiff).  — Ans  dem  Symp&thicns  und  zwar  dem  Hals- 
strang fllr  die  Gefässe : der  Hirnhaut  (Donders)  der  Conjunctiva 
und  Chorioidea  bulbi,  (Snellen)  der  Iris  (?),  der  Kopf-  und  Ge- 
sichtshaut (Budge,  Bernard,  Waller),  der  Speicheldrüsen 
(Bernard).  — Aus  dem  Bruststrang  für  die  Gefässe  der  obere 
Extremität  (Schiff)  und  die  Zweige  der  a.  coeliaca.  — Aus  dem 
Lendenstrang  für  die  Darm-,  (Pflüger)  Nieren-,  Leber-,  Milz-, 
Penisgefilsse  (Günther).  — Aus  dem  Kreuzbeinstrang  für  die 
Gelasse  der  untere  Extremitäten. 

Die  in  den  spinalen  nnd  sympathischen  Bahnen  enthaltenen 
Gefässnerven  lassen  sich  durch  das  Rückenmark  hindurch  bis*in 
das  verlängerte  Mark  hinein,  aber  nicht  darüber  hinaus  verfolgen 
(Nasse,  Budge,  Brown  - Söquard,  Schiff,  Pflüger,  Be- 
zold);  denn  nur  eine  Durchschneidung  des  Rückenmarkes  trennt  sie 
von  ihren  natürlichen  Erregern.  Schiff  giebt  an,  dass  die  Gefäss- 
nerven  der  Füsse  und  Unterschenkel  in  das  Rückenmark  eintreten 
nnd  dort  auf  derselben  Seite  bis  in  das  verlängerte  Mark  lau- 
fen; die  für  den  Oberschenkel  sollen  wahrscheinlich  erst  in  das 
Brustmark  eingeben;  die- Gefässnerven  für  den  Kopf  und  die 
obere  Extremität  treten  in  das  obere  Brest-  und  das  untere  Hals- 
mark. (Budge).  Im  verlängerten  Mark  selbst  sollen  sie  nach 
Schiff  so  liegen,  dass  die  des  Kopfs,  des  Vorderarms  und  Unter- 
schenkels, der  Vorder-  und  liinterfUsse  auf  der  gleichnamigen,  die 
des  Rumpfes,  der  Schultern  des  Oberarms  und  Unterschenkels 
aber  auf  der  entgegengesetzten  Markhälfte  zu  finden  seien.  Be- 
zold  bestreitet,  dass  es  nöthig  sei,  eine  gekreuzte  Lage  der  zu- 
letzt genannten  Gefässnerven  im  Mark  anzunchmen. 

Als  Kennzeichen  für  die  Abhängigkeit  eines  Gefässbczirks  vom  betreifenden  Ner- 
ven diente  die  mit  blossem  Auge  oder  durch  das  Mikroskop  sichtbare  Verengung  der 
Gefässstämrae , oder  die  Entleerung  des  aus  jenen  Stämmen  gespeisten  Capillarbezirkes 
(Erblassen),  Beides  in  Folge  einer  bestehenden  Erregung  der  zugehörigen  Nerven  (Budge, 
Waller).  Abgesehen  von  den  allgemeinen  Vorsichtamaassregeln  gegen  die  bei  der 
Reizung  sich  einschleichcnden  Fehler  ist  hier  nooh  für  besondere  Fälle,  namentlich  die 
Extremitäten  zu  beachten,  dass  auch  ein  zusammengezogener  Skelet-Muskel  einen  grossen 
Gefässstamm  zusammendrücken  und  dadurch  das  Erblassen  des  von  jenem  Stamm  ab- 
hängigen Gefassgaues  erzeugen  könnte.  Man  muss  sich  also  zu  vergewissern  suchen, 
dass  in  solchen  Fällen  das  Erblassen  auch  noch  eintritt,  ohne  dass  eine  Zusammen- 
ziehung solcher  Muskeln  ins  Spiel  kommt  (Pflüger).  — Als  Merkmal  der  Abhängig- 
keit dient  ferner,  dass  einige  Zeit  nach  erfolgter  Durchschneidung  die  feinsten  Aeste 
Ludwig,  Physiologie  II.  3.  Auflage.  9 


Digitized  by  Google 


114 


Nerven  der  Gefäaswandung. 


des  zugehörigen  Gefässbauniee  sich  strotzend  füllen  (Hausmann),  so  dass  ihre  Ge- 
biete nach  kleinen  Verletzungen  (Nadelstichen)  stark  bluten  (Tttrck),  und  diese  letz- 
tem auch  das  Blut  warm  erhalten  trotz  solcher  Einflüsse,  die  in  wie  gewöhnlich  durch- 
strömten Bezirken  eine  merkliche  Abkühlung  erzeugen  (Bernard).  Letzte  beiden 
Hilfsmittel  gewahren  bei  undurchsichtiger  Oberhaut  schätzbare  Auskunft.  — Mit  der 
Steigerung  der  Temperatur  in  den  Provinzen , deren  Gefässnerven  durch  den  Schnitt 
gelähmt  sind,  geht  meist  eine  Abkühlung  der  gleichnamigen  in  der  entgegengesetzten 
Kürperseite  Hand  in  Hand. — Versorgen  gleichzeitig  zwei  Gefässnerven  ein  Körperstück, 
und  sind  dessen  Gefässe  der  unmittelbaren  Anschauung  zugängig,  so  soll  man  dadurch 
ein  Resultat  gewinnen,  dass  die  beiden  Nerven  nicht  unmittelbar  nacheinander,  son- 
dern nach  einer  grossem  Zwischenzeit  durchschnitten  werden ; die  GefSsscrweiterung 
und  ihre  Folgen,  welche  nach  der  Durchschneidung  des  ersten  Nerven  eintreten,  ver- 
schwinden nämlich  unter  dem  Einfluss  des  noch  vorhandenen  und  kommen  nun  ent 
wieder  nach  Durchschneidung  des  zweiten  und  zwar  verstärkt  und  dauernd  zum  Ver- 
schwinden (Schiff).  — Eine  eigenthümliche  Verwicklung  bietet  die  Durchschneidung 
de*  obersten  Halsmarkes ; sie  ist  begleitet  von  dom  Steigen  der  Temperatur  in  den  End- 
theilen  der  gleichseitigen  Gliedmaassen , während  die  Temperatur  des  Rumpfs,  des 
Oberarms  und  der  Oberschenkel  auf  der  verletzten  Seite  etwas  unter  die  der  ent- 
gegengesetzten sinkt.  Schiff  schloss  hieraus  sogleich,  dass  alle  wärmern  Theile  ihre 
Gefässnerven  aus  der  durchschnittenen  Markhälfte  empfingen,  die  kaltem  aber  aus  der 
entgegengesetzten.  Bezold  giebt  mit  Recht  zu  bedenken,  dass  die  abgckühltc  Haut 
über  Muskeln  sich  ausbreitc,  welche  durch  den  Markschnitt  gelähmt  und  somit  niedri- 
ger temperirt  sind , so  dass  sich  die  Tempcratureraiedrigung  der  Haut  auch  ans  der 
Berührung  mit  der  kühlem  Unterlage  erklären  lasse. 

Die  Erregungen  welche  die  Gefässnerven  im  gewöhnlichen 
Verlauf  des  Lebens  empfangen,  sind  ihrem  zeitlichen  Verlaufe 
nach  tonische  oder  vorübergehende.  Dafltr  dass  der  Durchmesser 
der  Gefässe,  wie  er  beim  mittleren  Stand  des  Lebens  erhalten 
wird,  in  der  That  von  einer  danemden  Nervenerregung  abhifngt, 
spricht  unwiderleglich  die  Thatsaehe,  dass  nach  Durchschneidung 
eines  Gefässnerven  die  von  ihm  abhängigen  Gefässe  sich  erweitern, 
ohne  dass  etwas  Aehnliches  in  andern  Gefässen  mit  unverletzten 
Nerven  vorgeht.  Die  Veranlassung  zur  tonischen  Erregung  geht  in 
allen  uns  bekannten  Fällen  vom  centralen  Mark  und  nicht  von  den  in 
die  Gefässnerven  eingestreuten  Ganglien  aus,  da  sieh  der  Erfolg 
der  Lähmung  gleiehblcibt,  ob  man  das  verlängerte  Mark,  oder  die 
Nerven  unmittelbar  nach  dem  Austritt  aus  letzterem,  oder  nach 
ihrem  Durchgang  durch  die  Ganglien  durchschneidet.  — Die  tonische 
Erregung  der  Nerven  ftlr  die  Gefässe  der  Cutis  macht  Donders 
abhängig  von  der  Temperatur  des  Bluts;  mit  der  steigenden 
Wärme  desselben  sinkt  und  mit  der  abnehmenden  steigt  die  Zu- 
sammenziehung der  Gefässmuskeln.  Aber  dieser  Erfolg  ist  kein 
nothwendiger;  denn  im  Kältestadium  des  Wechselfiebers  ist  die 
Blutwärme  gestiegen  nnd  zugleich  ein  heftiger  Krampf  in  den 


Digitized  by  Google 


Nerven  der  Gefasswtndung. 


115 


Blutgefässen  der  Haut  zugegen.  — Die  vorübergehende  Reizung 
oder  Mindemng  der  tonischen  Erregung  kommt  zn  Stande  ent- 
weder a)  automatisch;  das  deutlichste  Beispiel  liefert  hierfür  das 
Ohr  des  Kaninchens,  in  welchem  die  Gefässe  nach  einer  sehr  un- 
regelmässigen Zeitfolge  sich  verengern  oder  erweitern;  diese  rhyth- 
mische Erregung  findet  sich  am  leichtesten  ein,  wenn  die  Gefäss- 
muskeln  in  einem  mittleren  Grad  von  Zusammenziehung  sind,  also 
nicht  am  blassen  und  auch  nicht  am  gepurpurten  Ohr  (Schiff); 
fl)  durch  leidenschaftliche  Erregung,  wie  Jedermann  z.  B.  die  Angst- 
blässe bekannt  ist;  — •/)  durch  Mitbewegung,  d.  h.,  wenn  die 
Nerven  willkührlichcr  Muskeln  erregt  werden,  so  ziehen  sich  auch 
die  Gefässe  zusammen,  deren  Nerven  in  einem  gemeinsamen 
Stamme  mit  denen  jener  Muskeln  laufen.  Diese  Zusammenziehung  1 
geschieht  an  Orten,  an  welchen  sie  nicht  durch  ein  Zusammen- 
drückcn  von  Seiten  der  Muskeln  erklärbar  wird,  z.  B.  nach  Be- 
wegung der  Schenkelmuskeln  in  der  Schwimmhaut  des  Frosches 
(Gunning).  Siehe  hierüber  noch:  Muskelernährung.  — S)  Auf 
reflektorischem  Wege  nach  Erregung  der  sensiblen  Nerven,  welche 
in  der  Nähe  eines  Gefässbuums  enden.  So-z.  B.  die  Gefässe  im 
Ohr  des  Kaninchens  nach  vorgängigem  Kneifen  dieses  Organs 
(Snellen);  es  würde  vielleicht  für  den  Praktiker  von  Belang  sein, 
die  reflektorischen  Beziehungen  der  einzelnen  Gefässgauen  festzu- 
stellen. 

Die  bisher  geschilderten  Erregungen  erzeugen  sämmtlich  eine 
Verengerung  der  Gefässe  wie  sie  die  Zusammcuziehung  ihrer  ring- 
förmigen Muskeln  verlangt.  Wenn  diese  Zusammenziehung  längere 
Zeit  hindurch  in  hohem  Grade  bestand,  so  folgt  gewöhnlich  eine 
Ermüdung  der  Nerven  und  Muskeln  und  in  Folge  dessen  eine  über 
das  gewöhnliche  Maas  hinausgehende  Erweiterung  der  Gefässe. 

Im  Gegensatz  zu  dieser  nachträglichen  beschreibt  CL  Ber- 
nard  auch  eine  ursprüngliche  Erweiterung  der  Gefässe  unter  dem 
Einflüsse  der  Nervenreizung.  Sie  ereignet  sich,  wenn  die  vom 
Kam  ling.  trigemini  zur  Uuterkieferspeicheldrüse  verlaufenden 
Nerven  gereizt  werden,  und  äussert  sich  durch  ein  rascheres  Ans- 
strömen von  Blut  aus  den  Speichelvencn.  Wenn  diese  Erschei- 
nung eine  unmittelbare  Folge  der  Nervenreizung  ist,  so  konnte  sie 
nur  durch  die  Erschlaffung  der  gewöhnlich  tonisch  angespann- 
ten Muskeln  nach  Analogie  der  Vaguswirkung  auf  das  Herz  erklärt 
werden.  Unter  diesem  Gesichtspunkt  kommen  viele  Gefässerwei- 
terungen,  wie  z.  B.  die  Scbaamrüthe,  die  Röthung  des  Pankreas  _ 

8* 


Digitized  by  Google 


116 


GefiUsräum  1 ichkeit. 


während  seiner  Absonderungszeit , die  Hautröthungen  bei  Neural- 
gien u.  s.  w.  in  ein  neues  Licht  — 

Ausser  den  durch  Vermittlung  des  Hirn-  und  Rückenmarkes 
erzeugten  Gefässveränderungen  treten  viele  in  Folge  örtlicher  Ein- 
wirkungen auf;  die  ZurtickfUhrnug  derselben  auf  ihre  wahre  Ur- 
sache ist  oft  schwierig,  weil  sich  neben  der  unmittelbaren  Bethei- 
ligung  der  Nerven  und  Muskeln  auch  noch  die  Wirkungen  des 
veränderten  Blutstroms  einstellen;  dieser  letztere  kann  aber  durch 
Umstände  alterirt  werden,  welche  zugleich  Nerven-  und  Muskel- 
reize sind,  wie  z.  B.  durch  Wärme,  die  den  Reiz  mindert;  durch 
Salze,  welche  die  Blutflüssigkeit  verdicken  (Virchow);  durch 
Säuren  und  Alkali,  welche  die  Gefässwand  tiidten  und  das  Blut 
gerinnen  u.  s.  w.  Es  ist  daher  fllr  unsere  Zwecke  nothwendig, 
bei  örtlicher  Anwendung  der  Reize  zuerst  den  Blntstrom  durch  Un- 
terbindung grösserer  Gefässe  zu  beseitigen,  wie  dieses  von  H.  We- 
ber und  Gunning  geschehen.  Von  den  auf  diesem  Gebiete  ge- 
wonnenen noch  spärlichen  Erfahrungen  heben  wir  hervor,  dass  nach 
örtlicher  Anwendung  der  Electrizität  die  Zusammenziehung  der 
Gefässe  öfter  peristaltisch  weiterschreitet,  und  nach  Entfernung  des 
Reizes  oft  noch  länger  als  eine  halbe  Stunde  stehen  bleibt 
(Wharton,  Jones,  Gunning).  — 

Eine  ganz  eigentümliche  zeitweise  wiederkehrende  Bewegung 
bemerkte  Gunning  in  der  Schwimmhaut  junger  Frösche;  sie  er- 
regt dadurch  unsre  Aufmerksamkeit,  dass  sic  auch  in  einem  Thiere 
beobachtet  wurde,  welchem  14  Tage  vorher  der  plex.  ischiadicus 
und  die  sympathischen  Zweige  durchschnitten  waren. 

5.  Gefässräumlichkeit.  So  wenig  es  von  Belang  sein 
würde,  den  mittleren  Gesammtraum,  der  von  den  Gefässwänden 
umschlossen  wird,  und  die  Veränderungen  desselben  durch  den 
steigenden  Druck  des  Inhalts  oder  die  Zusammenziehung  der 
Wand  anzugeben,  ebenso  wichtig  dürften  die  Fragen  sein:  wie 
verhält  sich  der  Inhalt  der  einzelnen  Gcfässarten  zu  einander,  der 
Arterien  zu  den  Capillaren,  zu  den  Venen;  oder  wie  stellt  sich 
zueinander  die  Räumlichkeit  der  einzelnen  Abtheilungen  des  Gc- 
fässsystems,  z.  B.  der  Lungen-  zu  den  Körpergefässen,  zu  den 
Dann-,  den  Nieren-,  Leber-,  Hirn-  u.  s.  w.  Gefässen;  in  welchem 
Verbältniss  variirt  die  Räumlichkeit  der  einzelnen  Gefässarten  und 
Abtheilungen  mit  dem  veränderlichen  Drucke  der  einströmenden 
Flüssigkeit  u.  s.  w. 


Digitizad  by  Google 


Lumen  Veränderung  mit  der  GefoMvertheilung. 


117 


Die  hier  berührten  Fragen  sind  wiederholt  aufgeworfen,  zum  Theil  ist  sogar  ihre 
Lösung  versucht,  aber  mit  nicht  hinreichenden  Hilfsmitteln.  Namentlich  hat  man 
öfter  die  Gefässe  mit  erstarrenden  Massen  ausgespritzt  und  aus  der  Menge  und  dem 
spezifischen  Gewicht  des  hierzu  verbrauchten  Materials  das  erfüllt«  Volum  berechnet. 
Diese  Versuche,  die  man  meist  zu  andern  Zwecken  angostellt  hat,  würden  für  den 
vorliegenden  brauchbar  sein , wenn  man  darauf  bedacht  gewesen  wäre , entweder  das 
ganze , oder  nur  eine  bestimmte  Abtheilung  des  Gefässsystems  vollkommen  zu  füllen 
und  wenn  man  den  Druck,  unter  dem  die  Füllung  geschehen  wäre,  gemessen  hätte  *).  — 

Dem  Augenschein  nach  ist  im  Körperkreislauf  ganz  unzwei- 
felhaft das  Gesammtlumen  der  venösen  Gefässe  dem  der  Arterien 
ausserordentlich  überlegen,  da  die  Länge  der  den  beiden  Abtheilun- 
gen zukommenden  Gefässe  mindestens  gleich,  die  Stämme  und 
Aeste  im  Venenbereieh  aber  zahlreicher  vorhanden  und  zugleich 
von  grösserem  Durchmesser  sind;  da  die  Venen,  mit  den  Arterien 
verglichen,  dünnwandiger  sind,  und  da  ein  sehr  beträchtlicher 
Theil  derselben  in  der  Haut,  d.  b.  in  ein  sehr  nachgiebiges  Ge- 
webe eingebettet  ist,  so  werden  hydrostatische  Drücke  von  glei- 
chem Werth  die  Venen  weiter  ansdehnen,  als  die  Arterien.  — Im 
Lungenkreislauf  sind  dem  Augenschein  nach  die  Unterschiede  zwi- 
schen dem  Venen-  nnd  Arterieninhalt  nicht  so  beträchtlich;  nach 
den  Messungen  von  Abegg  soll  hier  sogar  die  venöse  Abtheilung 
weniger  räumlich,  als  die  arterielle  sein. 

Wie  sich  die  Räumlichkeiten  der  Capillaren  verhalten  mögen, 
liegt  ganz  im  Unklaren.  Jedenfalls  muss  die  Veränderlichkeit  der- 
selben in  der  innigsten  Beziehung  stehen  zn  der  Nachgiebigkeit 
des  Gewebes,  in  dem  sie  verlaufen,  da  sie  sich  an  das  Lager  eng 
anschliessen,  in  das  sie  eingebettet  sind. 

Veränderung  des  Lumens  mit  der  Vertheilung  der 
Gefässe.  Eine  dem  Hydrauliker  nützliche  Beschreibung  der  Ge- 
fässlumina  fehlt  noch  gänzlich;  es  lassen  sich  nur  wenige  wichti- 
gere Bemerkungen  ans  den  bis  dahin  gelieferten  Beschreibungen 
ziehen,  a.  Die  mittlere  Länge  eines  Gefässes  ist  im  Allgemeinen 
nm  so  geringer,  je  kleiner  sein  mittlerer  Durchmesser  ist.  — Aus 
diesem  Gesetz  folgt,  dass  die  Capillaren  nach  beiden  Seiten  hin 
in  kurze  Stammelten  zusammenlaufen,  welche  möglichst  rasch  zu 
immer  weitern  und  langem  sich  vereinigen ; die  relative  Länge  der 
einzelnen  Stücke  ist  noch  nicht  gemessen  worden.  — Bei  der 
Verästelung  der  Arterien  gilt  die  Regel,  dass  jeder  Zweig,  der  aus 


•)  Literatur  siehe  bei  Valentin,  Lehrbuch.  L Bd.  2.  Aull.  p.  494  u.  495.  und  Abbcg  in 
Valentina  Jahresbericht  Uber  Physiologie  für  181«.  j».  120. 


Digitized  by  Google 


118 


Lumenverändorung  mit  der  Gcfässvertheilung. 


einem  Stamme  hervortritt,  einen  geringeren  Durchmesser  besitzt, 
als  dieser.  Zählt  man  dagegen  die  Querschnitte  sämmtlicher  Aeste 
zusammen,  welche  von  einem  Stamme  abgehen,  so  ist  die  hieraus 
hervorgehende  Summe  grösser,  als  der  Querschnitt  des  Stammes 
vor  der  Verästelung.  Von  dieser  Regel  sollen  nach  Paget,  Don- 
ders  und  Jansen*)  nur  eine  Ausnahme  machen:  das  Aortaende 
und  die  iliacae,  indem  von  dem  erstem  zu  den  iliacis,  und  von  den 
iliac.  common,  zur  externa  und  interna  das  Lumen  enger  werden 
soll.  Die  Zahlen  der  folgenden  Tabelle,  welche  das  Verhältniss 
der  Querschnitte  ausdrücken,  verdeutlichen  dieses. 

Bogen  der  Aorta  zu  den  Aesten  = 1 : 1,055 

Carotis  communis  „ „ ,, 


Subclavia  „ 

Iliaca  comraun.  „ 

Innominata  „ 

Carotis  extern.  „ 

Aorta  abdominalis) 
über  den  Iliacae)  ” 
Iliaca  extern.  „ 


1 : 1,013 
1 : 1,055 
1 : 0,982 
1 : 1,147 
1 : 1,190 

1 : 0,893 


» » n — 1 : 1>150 

Das  erwähnte  verhalten  des  Strombettes  an  der  Gabel  der 
Bauchaorta  fand  auch  Folmer**)  ausnahmslos  bestätigt;  er  be- 
streitet dagegen,  dass  bei  allen  andern  Theilungen  ebenso  aus- 
nahmslos die  Erweiterung  gelte;  so  fand  er 

das  Flussbett  der  auonyraa  in  9 Fallen  durch  Theilung  nur  8 mal  rorgrössert 
„ „ carotis  comm.  in  14  „ „ „ „4  „ „ 

„ „ iliaca  comm.  in  18  „ „ „ „ 3 „ „ 

„ „ cruralis  in  12  „ „ „ „10  „ „ 

„ „ coeliaca  u.  renalis  in  allen  untersuchten  Fällen  vergrößert. 


Der  Gesammtquerschnitt  der  Capillaren  übertrifft  höchst  wahr- 
scheinlich den  des  Arteriensystems  im  Beginn  um  ein  sehr  Be- 
trächtliches. In  den  verschiedenen  Körperthcilcn  stellt  sich  aber 
offenbar  das  Verhältniss  der  Querschnitte  zwischen  den  znführen- 
den  Arterien  und  den  aus  ihnen  hervorgehenden  Capillaren 
sehr  verschieden.  Innerhalb  des  Capillarsysteins  selbst,  d.  h.  so 
lange  jedes  einzelne  Gefäss  seinen  mittleren  Durchmesser  nicht 
verändert,  finden  sieh,  wie  später  im  Einzelnen  dargethan  werden 
soll,  offenbar  ebenfalls  Schwankungen  im  Gesammtquerschnitt. 

Bei  der  Sammlung  der  vielen  Einzelquerschnitte  in  die  wenigen 


•)  Donders  u.  Bauduin,  Haodlelding  tot  de  natnurkundo.  II.  a.  p.  VI.  — 
**)  Valentina  Jahresbericht  für  1850.  etc. 


Digitized  by  Google 


Lumen  Veränderung  mit  der  Gefüsvertheüung. 


119 


der  grössere  Venen  sollen  sich  die  Verhältnisse  gestalten  wie  in 
den  Arterien,  d.  h.  es  sollen  in  der  Richtung  nach  den  grössere 
Venenstämmen  hin  die  Gesammtqaerschnitte  in  einer  Abnahme  be- 
griffen sein. 

Den  Gefäsaquerschnitt  findet  man  am  todten  oder  mindesten»  am  blossgelegten 
Ge  fass  entweder  aus  dem  Umfang  des  aufgeschnittenen  oder  aus  dem  Durchmesser  des 
geschlossenen  durch  Blut  ausgedehnten  oder  mit  einer  Pinzette  plattgedrückten  Gefässes. 
Im  letztem  Fall  zieht  man  von  der  Bruttozahl  die  doppelte  Wanddicke  ab.  Zur 
Ermittlung  der  letztem  bedient  sich  Vierordt  einiger  besonderer  HÜlfemittel.  — 
Jedenfalls  würden  solche  Messungen  der  Wissenschaft  noch  nützlicher  sein,  wenn  sie 
statt  eines  die  verschiedenen  Werthe  des  Durchmessers  angäben,  weichen  das  Gefäas 
bei  wechselndem  Druck  und  bei  gleichem  Erregungszustand  der  Muskeln  oder  bei 
gleichem  und  wechselndem  Zusammenziehungsbestreben  der  letztem  annimmt.  — Den 
Durchmesser  der  lebenden  und  zugleich  bedeckten  Gefässe  sucht  Vierordt*)  durch 
Rechnung  und  Messung  auf.  — Im  erstem  Fall  setzt  er  auf  eine  Schlagader,  die 
über  einen  .Knochen  hingeht,  ein  leichtes  Plättchen  mit  einem  senkrecht  gehaltenen  Stab 
auf,  und  bestimmt,  um  wieriel  sich  das  obere  Ende  des  letzteren  senkt,  wenn  nun  du 
Plättchen  soweit  belastet  wird,  dass  sich  die  innera  Gcfässwandungen  berühren. 
Obwohl  dieses  Verfahren  vom  Erfinder  selbst  nur  als  Schätzung  bezeichnet  wird,  ist 
es  doch  unzweifelhaft  namentlich  als  Fingerzeig  von  Werth.  — Die  zweite  Methode 
zieht  den  Satz  zu  Hilfe,  dass  sich  innerhalb  eines  Röhrensvstems  von  veränderlicher 
Weite  an  den  verschiedenen  Abschnitten  desselben  die  Geschwindigkeiten  eines  sie 
durchkreisenden  Stromes  umgekehrt  verhalten  müssen,  wie  die  Querschnitte.  Würde 
also  die  mittlere  Geschwindigkeit  in  der  Aorta  oder  einem  beliebigen  Arterienstamm 
bekannt  sein,  und  ferner  der  Durchmesser,  der  ihr  während  der  beobachteten  Strom* 
geschwindigkeit  zukommt,  und  zugleich  die  Geschwindigkeit  eines  Stroms,  welcher  2u 
derselben  Zeit  in  allen  Aesten  der  Aorta  oder  des  beliebigen  Stammes  vorkäme,  so 
könnte  man  daraus  die  Gesammtquerschnitte  dieser  Acste  berechnen.  Alle  diese  Vor* 
kenntnisse,  so  weit  sie  vorhanden,  sind  aber  mit  so  grossen  Fehlem  behaftet,  dass 
faktisch  die  Methode  nicht  anwendbar  ist. 

y.  Die  kleinern  Abtheilungen  des  thierischen  Körpers  (Organe 
und  GliedstUcke)  erhalten  aus  verschiedenen  Stämmen  oder  Aesten 
der  Arterien  gleichzeitig  Gefässe;  diese  Gefässe  verbinden  sich 
nun  entweder  (wie  im  Hirn,  der  Hand,  den  Mesenterien),  bevor 
sie  zur  Capillarvertheilnng  schreiten,  so  dass  aus  den  grossen  Ver- 
bindungsbogen erst  die  Arterien  der  letztere  Ordnungen  ausgehen, 
oder  es  verästeln  sich  die  einzelnen  Arterien  isolirt  bis  zu  den 
letzten  Zweigen,  die  dann  erst  unmittelbar  vor  oder  innerhalb  des 
Capillarsystems  sich  verbinden.  In  der  ausgedehntesten  Weise 
bilden  sich  dagegen  Capillar-  und  Venennetze.  — Ö.  Da  der  Blutr 
ström  nur  von  einem  Ort  ausgeht  und  wieder  zu  ihm  zurtick- 
kehrt,  da  die  Aeste  auf  ihrem  Wege  noch  anastomosiren , so  mUs- 


•)  Die  Erscheinungen  u.  Gesetze  der  Strcmgcachwinfllgkclt.  Frank f.  1WS.  M.  u.  1.  c.  p.66.  u.f. 


Digitized  by  Google 


120 


Von  dem  Verhalten  des  Blutes  in  den  Gefäseen. 


sen  in  dem  Gefässsystem  unzählige  Bogen  und  Winkel  liegen, 
deren  Werthe  veränderlich  werden  mit  den  Körperstellungen  und 
den  Spannungen  innerhalb  des  GefUsssystems.  Man  muss  sich 
darüber  verständigen,  dass  diese  Bogen  und  Winkel  und  deren 
Variationen  unter  den  bezeichneten  Verhältnissen  mit  wenigen  Aus- 
nahmen nicht  messbar  sind,  dass  aber  die  Bestimmung  dieser  we- 
nigen zu  keinen  für  die  physiologische  Hydraulik  wichtigen  Auf- 
schlüssen führen  kann.  — 

Von  dem  Verhalten  des  Blutes  in  den  Gefässen. 

1.  Spannung  des  ruhenden  Blutes  in  den  Gefässen. 
— Wenn  alle  Bewegungsursachen  des  für  gewöhnlich  bestehenden 
Blntstroms  ausser  Wirksamkeit  gesetzt  sind,  so  muss  nach  Verfluss 
einer  gewissen  Zeit  unzweifelhaft  im  Gefässsystem  ein  Zustand  der 
Ruhe  eintreten,  der  sich  dadurch  markirt,  dass  die  Spannung  des 
Blutes,  insofern  sie  nicht  von  der  Schwere  abhängig  ist,  überall 
die  gleiche  ist.  Es  fragt  sich  nun,  ob  nach  dem  Eintritt  dieser 
Ruhe  sich  das  Blut  an  jedem  beliebigen  Ort  in  der  Spannung  be- 
finde, welche  ihm  vermöge  der  Schwere,  resp.  der  auf  ihm  lasten- 
den ßlutsäule,  zukommt,  oder  ob  diese  Spannung  eine  höhere  oder 
niedrigere  sei.  — Diese  wichtige  Frage,  welche  E.  H.  Weber 
angeregt  hat,  kann  einer  bestimmten  Erledigung  am  lebenden  Thier 
entgegen  gehen,  wenn  man  im  Stande  ist,  die  Spannung  des  Bluts 
zu  messen,  während  man  die  Bewegung  des  Brustkastens,  des 
Herzens  und  der  Gliedmassen  zum  Stillstand  gebracht  hat.  An- 
nähernd gelingt  dieses  wenn  man  die  unteren  Enden  der  durch- 
schnittenen nervi  vagi  mittelst  elektrischer  Schläge  erregt,  während 
die  Thiere  durch  Opium  oder  Chloroform  in  den  Schlaf  versetzt 
worden  sind.  — 

Die  Ausführung  dieses  Versuchs  lässt  erkennen,  dass  das 
Blut  auch  in  der  Ruhe  noch  einer  Spannung  unterworfen  ist, 
welche  aber  nach  den  Ergebnissen  der  Beobachtung  und  der 
Ueberlegung  keineswegs  für  ein  und  dasselbe  Thier  von  gleichem 
Werthe  ist  (Brunner)*).  — Der  Grund  dieser  Spannung  ist 
nemlieh  nur  darin  zu  suchen,  dass  der  Cnbikinhalt  des  inneren 
Gefässraumes,  vorausgesetzt,  dass  seine  Wandungen  in  elastischem 
Gleichgewicht  sind,  kleiner  ist  als  das  in  Wirklichkeit  in  ihnen 
enthaltene  Blutvolum , so  dass  dieses  letztere  nur  nach  einer 
vorausgegangenen  Ausdehnung  der  Gefässwand  im  Gefüssraum 


•)  L'cbcr  die  mittlere  Spannung  im  GcfiUaayatem.  Zürich  IBM. 


Digitized  by  Google 


Spannung  des  ruhenden  Blutes. 


121 


Platz  linden  kann.  Unter  dieser  Voraussetzung  ist  die  Grösse 
der  Spannung  in  den  Gcfilssen  abhängig  a)  von  dem  Verhältnis 
des  Gefässraums  und  des  Blutvolumens,  und  insbesondere  muss 
bei  ein  und  demselben  Thier  die  Spannung  mit  seiner  Blutmenge 
abnehmen.  *Dic  Beobachtung  ergab  folgende  Spannungen  des 
Bluts  in  der  Carotis  von  Hunden,  deren  Vagi  erregt  wurden,  wäh- 
rend sie  mit  Opium  narkotisirt  waren: 


Spannungen  des  Bluts 

Thier.  in  MM.,  Quocks.  Bemerkungen. 


1.  Ilund,  klein  . . 


2.  Hund  von  mitt- 
lerer Grösse 


10,4 

19.0 
8,5 

(15,2 

22.0 

( 12,5 


Unveränderte  Blutmenge. 

Nach  Injektion  von  280  Gr.  Blut. 
Nach  Entziehung  von  256  Gr.  Blut. 
Unveränderte  Blutmenge. 

Nach  Injektion  von  487  Gr.  Blut. 
Nach  Entziehung  von  609  Gr.  Blut. 


Die  Blutmenge,  die  das  Gefässsystem  aber  beherbergt,  muss  in 
der  Zeit  veränderlich  sein,  weil  zu  dem  vorhandenen  Blute  mittelst 
der  Ernährung  stets  neue  Massen  zugeflthrt  und  aus  ihm  auf  dem 
Wege  der  Absonderung  andere  entfernt  t^prden.  Je  nach  dem 
Uebergewicht  des  einen  oder  andern  Hergangs  wird  also  auch  die 
Blutmenge  zu-  oder  abnehmen.  — b.  Die  Spannung  in  der  Ruhe  ist 
bei  gleicher  Anordnung  der  Gefässröhren  von  der  Ausdehnbarkeit 
der  Röhrenwand  abhängig,  indem  sich  nach  dieser  die  ftir  die 
verlangte  Ausdehnung  nöthigen  Drücke  bestimmen.  Weil  nun  die 
Gefässwandung  im  engem  und  weitem  Wortsinn  wegen  ihres  Ge- 
haltes an  Muskeln  die  verschiedenartigste  Dehnbarkeit  darbietet, 
je  nachdem  diese  letzteren  zusammengezogen  oder  erschlafft  sind, 
und  je  nachdem  wir  den  Gliedmassen  diese  oder  ^enc  Stellung  ge- 
geben haben,  so  kann  die  Spannung  des  Bluts  bei  unveränderter 
Menge  derselben  sich  nicht  unverändert  erhalten.  Die  Aufgabe  des 
Versuchs  mit  Rücksicht  auf  diese  Fakten  stellt  sich  also  dahin,  die 
Spannuug  zu  bestimmen,  einmal  während  die  Gefässhöhlen  durch 
Mnskelwirknng,  soweit  als  dieses  überhaupt  möglich,  beengt  und 
zugleich  die  Wandungen  möglichst  widerstandsfähig  sind,  und  das 
anderemal  während  gerade  das  Gegentheil  beider  Umstände  vor- 
handen ist,  weil  mit  diesen  Angaben  die  Grenzen  der  möglichen 
Spannnng  gegeben  wären.  Die  Bedingungen  für  diesen  Versuch 
sind  aber  nicht  mit  genügender  Schärfe  zu,  erhalten  und  zudem 
würde  sein  Ergebniss  doch  nur  individuelle  Giltigkeit  haben.  — 
Aus  diesen  und  ähnlichen  Gründen  müssen  wir  es  ableiten,  wenn 


Digitized  by  Google 


122 


Spannung  des  ruhenden  Blutes. 


hei  ein  und  demselben  Thier,  während  seine  Blutmasse  ungeän- 
dert  bleibt,  der  Werth  der  Spannung  wechselt,  je  nachdem  es  nur 
mit  Opium,  welches  die  Nerven  nicht  lähmt,  oder  mit  Chloroform 
in  den  Sehlaf  gebracht,  oder,  durch  letzteres  Mittel  getödtet,  dem 
Versuch  unterworfen  würde. 


Spannung;  in  MM.  Quecks. 


Thier. 

Carotis. 

Bemerkungen. 

27,5 

Mit  Opium  eingeschläfert. 

Hund  . . . 

. 21,8 

Chloroforminhalation. 

2,8 

Im  Augenblick  des  Todes. 

Wir  müssen  wegen  der  Einzelheiten  des  Verfahrens  auf  die  Brunn  er’ sehe  Ar- 
beit verweisen.  Hier  soll  nur  der  allgemeinen  Wichtigkeit  wegen  die  Bestimmung 
Fig.  35.  des  Blutdrucks  über- 


in 


haupt  angegeben  wer- 
den. — Haies,  wel- 
cher den  Blutdruck  zu- 
erst bestimmte,  bediente 
sich  des  Verfahrens, 
welches  die  Hydrauli- 
ker bei  Wassern tromen 
gewöhnlich  anwenden , 
einer  einfachen,  geraden 
Glasröhre.  Diese  etwas 
gröbliche  Methode  wurde 
von  Poiseuille  zu- 
erst dahin  verbessert, 
dass  er  die  in  das  Ge- 
fäa*  finge  fügte  Glas- 
röhre (ab  c Fig.  35.), 
deren  Schenkel  ab  und 
b e gleichen  Durchmes- 
ser belassen , heberfor- 
mig  bog.  In  dio  Schen- 
kel füllte  er,  etwa  so- 
weit der  schwarzbe- 
zeichnete  Inhalt  des 
Rohres  geht,  Quecksil- 
ber, und  auf  dieses  in 
dem  kürzem , dessen 
Ende  mit  einem  Mes- 
siughahn  Versehen  ist, 
kohlcnsaures  Natron.  — 
Darauf  fügt  er  die 
Dille  rf,  während  der 
Hahn  geschlossen  ist, 


das  Blutgofass,  in  dem  er  die  Spannung  messen  will,  stellt  das  Rohr  senkrecht 


Sichtung  eines  dauernden  Blutstroms. 


123 


und  öffnet  nun  den  Hahn,  so  dass  das  Lumen  des  Qcfässea  und  des  gebogenen  Rohres 
coramuniziren.  ln  diosem  Moment  suchen  sich  auch  die  Spannungen  der  Flüssigkei- 
ten in  beiden  Röhrensystemen  in  das  Gleichgewicht  xu  setzen , so  dass,  wenn  die 
Spannung  des  Blutes  höher  als  die  des  Rührcninhaltcs  ist,  Blut  aus  dem  Ge  fass  in 
das  gebogene  Messrohr  eindringt,  und  das  Quecksilber  aus  dem  kurzen  in  den  langen 
Schenkel  eintreibt.  Man  erhält  dann,  mit  Hilfe  einiger  Corrckturon,  aus  dem  Niveau- 
unterschied des  Quecksilbers  in  beiden  Schenkeln  den  Druck,  den  das  Blut  ausilbt. 
Da  nun  aber  der  Blutdruck  im  Verlaufe  der  Zeit  oft  so  beträchtliche  Veränderungen 
erfahrt,  dass  das  Auge  der  auf-  und  absteigenden  Quecksilbersäule  nicht  xu  folgen 
vermag,  so  verband  C.  Ludwig  mit  den  Messröhren  ein  Schreibzeug,  vermöge 
dessen  die  in  der  Zeit  veränderlichen  Quecksilberdrücke  sich  selbst  aufzeichneten. 
Diese  Einrichtung  beruht  auf  einem  Prinzip,  welches  der  berühmte  Mechaniker  Watt 
zuerst  in  Anwendung  gebracht  haben  soll.  Man  setzt  nämlich  auf  den  Spiegel  des  im 
Schenkel  br  vorhandenen  Quecksilbers  einen  schwimmenden  Stab  tf  auf,  dessen  freies 
Ende  an  einem  Querholz  einen  Pinsel  g tragt,  der  sich  sanft  gegen  einen  Cylinder  hh 
anlcgt;  dieser  wird  mittelst  des  Uhrwerkes  tt  in  gleichmässiger  und  bekannter  Ge- 
schwindigkeit herumgedreht.  Da  der  mit  Papier  überzogene  Cylinder  während  deB 
Umgangs  fortlaufend  andere  Orte  mit  dem  Pinsel  in  Berührung  bringt,  so  schreibt 
dieser  seine  etwaigen  auf-  und  absteigenden  Bewegungen  in  Form  einer  Curve  auf. 
Das  Genauere  dieses  Verfahrens,  das  in  seinen  Einzelheiten  zahlreicher  Modificationen 
fähig  ist,  siehe  bei  Volk  mann*),  der  einige  wesentliche  Verbesserungen  in  der 
ersten  Angabe  angebracht  hat.  Inwiefern  der  Apparat  zur  Messung  rasch  veränderlicher 
Spannungen  dient,  sieho  bei  den  absoluten  Werthen  der  veränderlichen  Spannungen  des 
Blutstroms.  — 

Bei  der  besonderen  Anwendung  für  die  Spannung  der  Ruhe  muss  man  annehraen, 
dass  das  Gleichgewicht  im  Gefässsystemc  hergestellt  ist,  wenn  entweder  der  Pinsel 
längere  Zeit  hindurch  eine  horizontale  Linie  auf  das  Papier  des  Cylinder»  anschreibt, 
oder,  was  wegen  der  langsamen  Ausgleichung  niederer  Drücke  durch  die  Capillaren 
hindurch  sicherer  ist,  wenn  der  Druck  in  einer  Vene  und  Arterie,  die  beide  dom 
Herzen  möglichst  nahe  liegen  (carotis  und  vena  jugularis),  derselbe  geworden  ist. 

2.  Von  der  Richtung,  welche  ein  dauernder  Strom 
im  Gefässsystem  nehmen  muss.  Das  Gleichgewicht  der 
Spannung,  von  dem  soeben  die  Rede  war,  besteht  im  Blute  des 
Lebenden  niemals,  da  fortlaufend  Umstände  auf  dasselbe  einwir- 
ken, welche  seine  Spannung  an  verschiedenen  Orten  ungleich 
machen.  Diese  Ungleichheiten,  wie  und  wo  sie  auch  entstanden 
sein  mögen,  können  zur  Ausgleichung  gelangen  durch  einen  Strom 
von  nur  einer  Richtung,  eine  Richtung,  die  demgemäss  ein  jeder 
in  dem  Gefässsystem  erregte  Strom  einschlägt.  Diese  Erschei- 
nung ist  begründet  in  der  Anwesenheit  von  Klappen,  welche 
sämmtlich  so  gestellt  sind,  dass  sie  durch  den  Stoss  nach  der 
einen  Richtung  geöffnet  und  durch  den  entgegengesetzten  zuge- 
schlagen werden.  Diese  Richtung  geht  nun,  wenn  wir  von  der 


•)  Hacmodynamlk.  p.  148. 


Digitized  by  Google 


124 


Störungen  des  Gleichgewichts  der  Spannung. 


linken  Herzkammer  a (Fig.  36.)  beginnen,  durch  die  grosse  Rlnt- 
balin,  d.  h.  die  Capillaren  und  Venen  des  Körpers,  zu  dem  rech- 
ten Vorbof  b und  tritt  dann  in  die  kleine  Blutbahn  über,  indem 
sie  in  die  rechte  Kammer  c und  von  dort  durch  Arterien,  Capil- 
laren, Venen  der  Lungen  zurück  in 
den  linken  Vorhof  d kommt.  — In- 
dem man  das  beistehende  Schema 
betrachtet,  in  welchem  der  Einfach- 
heit wegen  die  Venenklappen  weg- 
geblieben und  nur  die  gleichgerich- 
ten  Ventile  der  Herzmündung  aßyfi 
dargestellt  sind,  sicht  man,  dass  sich 
diese  letztem  sämmtlich  nach  der 
Richtung  des  Pfeils  öffnen.  Würde 
also  durch  irgend  welchen  Umstand 
ein  Strom  in  der  entgegengesetzten 
Richtung  eingeleitet,  so  würde  sich 
dieser  nur  bis  zur  nächsteu  Klappe 
erstrecken  können,  da  durch  diese  Strömung  jene  geschlossen 
würde.  Der  Strom  würde  dann  von  dieser  Klappe  reflektirt  wer- 
den und  in  umgekehrter  Richtung,  durch  nichts  gehindert,  weiter 
schreiten,  so  lange  noch  eine  Strömungsursache  vorläge. 

Gewöhnliche  Veranlassungen  zur  Störung  des 
Gleichgewichts  der  Spannung.  — Zu  den  wichtigeren  zählt 
man  die  Bewegungen  des  Herzens,  der  Brust-  und  Bauchwandun- 
gen, zu  den  untergeordneteren  die  Bewegungen  der  Gliedmaassen 
und  der  Gefässwandungen,  die  Schwere  des  Bluts,  den  Lymph- 
strom  aus  dem  ductus  thoracicns  und  die  Absonderung  in  den 
Drüsen. 

3.  Herzbewegung.  Indem  wir  die  Bedeutung  des  Herzens 
fttr  den  Blutstrom  erläutern,  gehen  wir  von  den  Voraussetzungen 
des  lebenden  Zustandes  aus.  Dieser  verlangt  aber,  dass  ein  ste- 
tiger Strom  von  Seiten  der  Venen  gegen  die  Vorhöfe  gehe  und 
dass  die  Aorta  stets  mit  Blut  gefüllt  sei. 

a.  Vorkammern.  Die  Erscheinungen,  welche  sich  während 
des  Blutkreislaufs  innerhalb  der  Vorhöfe  ereignen,  sind  für  beide 
nur  bis  zu  einem  gewissen  Punkte  dieselben.  — Nachdem  sie 
während  ihrer  Diastole  durch  den  Venenstrom  strotzend  mit  Blnt 
gefüllt  sind,  ziehen  sie  sich  in  'der  früher  beschriebenen  Weise  zu- 
sammen und  treiben  damit  ihren  Inhalt  sowohl  gegen  die  venöseu 


Digitized  by  Google 


Storungen  des  Gleichgewicht«  der  Spannung. 


125 


wie  gegen  die  ventrikulären  Mttndnngen.  Dieser  Staus  erzielt  an 
beiden  Orten  verschiedene  Effekte.  — In  den  ventisen  Mündungen 
trifft  unser  neuer  Strom,  der  vom  Vorhof  gegen  die  Venen  dringt, 
anf  den  ahen  entgegengesetzt  verlaufenden,  und  es  wird  darum 
jedenfalls  die  Flüssigkeit  am  äussersten  Ende  der  Venen  in  eine 
gesteigerte  Spannung  gerathen.  Zu  gleicher  Zeit  wird  auch  ihre 
Strömung  verändert  und  zwar  jedenfalls  in  der  Geschwindigkeit, 
vielleicht  auch  in  der  Richtung.  Denn  es  wird,  selbst  wenn  der 
Vorhofsstoss  unbedeutend  ist,  jedenfalls  die  Geschwindigkeit  des 
alten  Venenstroms  vermindert;  sind  dagegen  die  Kräfte  des  Vor- 
hofs bedeutend,  so  wird  das  Blut  in  die  Venen  zurUekgcschleudert 
und  es  kehrt  sich  also  die  alte  Stromrichtung  um.  Erfahrungs- 
gemäss  dürfte  häufiger  das  letztere  als  das  erstere  eintreten,  und 
es  würde  sich  für  gewöhnlich  der  Rückstrom  des  Bluts  bedeutend 
geltend  machen,  wenn  sein  Querschnitt  an  der  Venen-Vorhofsgrenze 
nicht  beschränkt  würde.  Dieses  besorgen  aber  die  muskulösen 
Ringe  der  Venen,  welche,  indem  sie  sich  mit  den  Vorhofsmuskeln 
gleichzeitig  zusammenziehen,  die  Mündungen  jener  verengen.  Die 
Wirkung  dieser  Verengerung,  also  die  Hemmung  des  Rückstroms, 
wird  an  dem  rechten  Herzen  durch  die  Klappen  unterstützt, 
welche  entweder,  wie  in  der  vena  cava  superior,  etwas  entfernt 
vom  Herzen  in  dem  Venenlumen  liegen,  oder,  wie  an  der  vena 
cava  inferior  und  coronaria  cordis,  unmittelbar  im  Herzen  sitzen. 
Diese  letzteren  beiden  Klappen  sind  namentlich  darauf  berechnet, 
die  Mündungen  der  erwähnten  Venen  zu  schliessen,  wenn  die- 
selben schon  um  einen  gewissen  Antheil  ihrer  Weite  verengt 
sind,  und  ausserdem  sind  sie  mit  kleinen  Haftfäden  versehen  (ge- 
wöhnlich beschreibt  inan  sie  als  durchlöchert),  welche  es  verhüten, 
dass  der  Vorhofstoss  die  Falten  in  die  Venenöffnung  hereintreibt. 
— Wir  schreiten  zur  Betrachtung  der  Vorgänge,  welche  die  Vor- 
hofszusammenziehung  gegen  die  Ventrikulamiündungen  veranlasst. 
Die  Kammern  sind,  wenn  die  Zusammenziehung  des  Vorhofs  be- 
ginnt, ebenfalls  schon  mit  Blut  angetllllt,  und  zwar  mnss  das  Blut 
aus  naheliegenden  Gründen  in  den  Vorhöfen  und  Herzkammern 
dieselbe  oder  wenigstens  annähernd  dieselbe  Spannung  besitzen. 
Wenn  nun  plötzlich  das  Blut  in  den  Vorhöfen  eine  höhere  Pres- 
sung erleidet,  so  wird  ein  Strom  von  diesem  gegen  die  Herzkam- 
mer geschehen,  der  eine  merkliche  Dauer  haben  wird,  weil  die 
Kaminerwandungen  ausdehnbar  sind.  Er  kann  also  so  lange  an 
halten,  bis  die  elastische  Spannung,  welche  diese  Wandungen 


Digitized  by  Google 


Zusammenziehung  der  Vorhofe. 


120 

vermöge  ihrer  Ausdehnung  Annahmen,  gleich  dem  Druck  ist,  den 
die  Muskeln  des  Vorhofs  dem  Blute  mittheilen.  Da  aber  die 
Ausdehnbarkeit  mit  der  Dicke  der  Wandung  abninnnt  und  umge- 
kehrt mit  dem  Querschnitt  des  Muskels  die  von  seiner  Zusammen- 
ziehung ausgehende  mechanische  Leistung  wächst,  so  ist  es  von  Be- 
deutung , dass  der  linke  Vorhof,  der  den  dickwandigem  linken 
Ventrikel  auszndehnen  hat,  auch  stärkere  Mnskelmasscn  besitzt, 
als  der  rechte  Vorhof,  der  auf  die  dünnwandige  rechte  Kammer 
wirkt.  — Die  Zusammenziehung  der  Vorhöfe  wird  nun,  entspre- 
chend allen  uns  bekannten  Muskelwirkungen,  nicht  während  der 
ganzen  Dauer  ihres  Bestehens  mit  einer  gleichen  Kraft  geschehen; 
sie  wird  im  Gcgentheil  allmählig  gegen  ein  Maximum  anwachsen 
und  ebenso  allmählig  von  diesem  Maximum  absinken;  demgemäss 
wird  sie  ihrem  Inhalt  eine  allmählig  steigende  und  dann  auch 
wieder  abnehmende  Spannung  mitthcilen,  und  somit  wird  zuerst 
das  Blut  in  den  Ventrikel  einströmen,  dann  wird,  wenn  die  Vor- 
hofskontraktion nachlässt,  die  elastische  Spannung  des  Ventrikels 
das  Blut  wieder  gegen  den  Vorhof  zurUcktrciben,  wobei  sich  aber 
die  Zipfelklappen  der  Ventrikelmtindungen  sehliessen  werden 
(A.  Baumgarten)*).  Hierbei  wird  also  ein  geringer  Theil  des 
Blutes,  der  aus  dem  Vorhofe  in  die  Herzkammer  getrieben  wurde, 
wieder  in  sie  zurückgehen.  Die  Bedeutung,  welche  den  Vorhöfen 
gegenüber  den  Herzkammern  zukommt,  wird  also  eine  zweifache 
sein.  Sie  machen  nemlich  einmal  den  Füllungsgrad  dieser  letz- 
tem unabhängig  von  der  bald  grossem  oder  geringem  Geschwin- 
digkeit und  Spannung,  welche  dem  Strom  znkommt,  der  von  den 
Venen  in  das  Herz  hinein  geschieht,  so  dass  von  diesem  Ge- 
sichtspunkte aus  mit  E.  H.  Weber  die  Vorhöfe  als  Regulatoren 
der  Kammerfüllung  angesehen  werden  dürfen.  Zum  andern  aber 
besorgen  sie  den  Klappenschluss  an  der  Venenseite  der  Ventrikel, 
so  dass  sogleich  mit  dem  Beginn  der  Ventrikularzusammenzichung 
sein  Inhalt  auch  eine  Pressung  von  Seiten  dieser  Mündung  er- 
fahren kann. 

Wenn  nun  die  Zusammenziehung  der  Vorhöfe  ganz  nachlässt, 
so  wird  sich  wegen  der  Entleerung  eines  Theils  von  ihrem  Inhalt 
auch  ihre  elastische  Spannung  erniedrigt  haben,  so  dass  dann  die 
in  den  N euen  gespannte  Flüssigkeit  mit  Leichtigkeit  in  den  Vor- 
hot einströmt.  Diese  plötzliche  Entleerung  wird  aber  eine  Beu- 


")  ('omnicntfltio  de  mechanUmo,  quo  ralvulae  venosno  etc.  Marburg!  1849. 


Digitized  by  Google 


Zuaammenaiehung  der  Herzkammern. 


127 


gungswellc  in  den  Venen  erzeugen,  die  sich  von  dem  Herzen  ge- 
gen die  Peripherie  fortpflanzt  Diese  Beugungswelle  soll  später 
behandelt  werden. 

b.  Herzkammern.  Die  Betrachtung  der  Ventrikel  beginnen 
wir  mit  der  Zeit,  in  welcher  ihre  Höhle  noch  auf  dem  Maas  der 
Ausdehnung  beharrt,  die  sie  durch  die  eben  beendigte  Zusammen- 
ziehnng  der  Vorhöfe  erhalten ; dann  decken  auch  gerade  die  venö- 
sen Klappen  ihre  zugehörigen  Mttndungen  der  Art,  dass  die  win- 
kelförmig gebogenen  Sehnen,  welche  ans  den  Papillarmuskeln  in 
die  Klappensegel  treten,  ausgespannt  sind,  ln  diesem  Augenblick 
sind  während  des  Lebens  auch  die  halbmondförmigen  Klappen 
geschlossen,  da  von  der  Arterienseite  her  noch  ein  stärkerer 
Druck  auf  ihnen  lastet,  als  von  der  nerzscite.  So  wie  dieser  Zu- 
, stand  eingetreten  ist,  beginnt  aber  sogleich  auch  die  Zusammen- 
ziehung der  Kammermuskeln,  welche  dem  Inhalt  von  überall  her, 
mit  Ausnahme  der  arteriellen  Mündung,  einen  erhöhten  Druck  mit- 
theilt. Diese  Pressung  schlendert  den  Inhalt  in  die  Arterie  nach 
Oeffnung  der  halbmondförmigen  Klappen  und  drückt  sie  zugleich 
gegen  die  Wand  der  Sinus  Valsalvae,  wodurch  in  der  Kegel  die 
Mündungen  der  aus  den  Sinus  entspringenden  Art.  coronariae 
geschlossen  werden.  Dieser  letztere  Umstand  gewährt  den  mecha- 
nischen Vortheil,  dass  die  Muskelfasern  während  ihrer  Bewegung 
gegen  die  Höhle  hin  nicht  zugleich  durch  die  vom  Blutdruck  aus- 
gespannten Hcrzcapillaren  nach  entgegengesetzter  Richtung  hin  ge- 
zerrt werden.  — Ob  sich  bei  seiner  Systole  der  Ventrikel  ganz  entleert, 
wird  abhängig  sein  einerseits  von  dem  Umfang  oder  der  Kraft  seiner 
Zusammenzichung  und  andrerseits  von  dem  Widerstand,  den  das  Blut 
in  der  Arterienmündung  findet.  Wenn  dann  die  Zusammenziehung 
nachlässt,  so  werden,  weil  in  den  Arterien  jetzt  die  Spannung  des  Bluts 
grösser,  als  in  den  Ventrikelhöhlen  ist,  die  Semilunarklappen  sich 
vor  die  ostia  arteriosa  der  Vorkammer  legen,  so  dass  aus  den 
Arterien  kein  Rückfluss  in  den  Ventrikel  geschieht.  Hiermit  wer- 
den aber  die  Mündungen  der  Coronararterien  sich  öffnen,  und  sich 
nun  ein  Strom  durch  sie  bis  in  die  Capillarcn  ergiessen.  Von 
Seiten  der  Vorhöfe  wird  dagegen  mit  dem  Eintritt  der  Er- 
schlaffung des  Ventrikels  ein  Strom  in  dieselben  gelangen;  denn 
einmal  haben  sich  die  Zipfelklappen,  nachdem  das  ansspannendc, 
von  den  Ventrikeln  gegen  die  Vorhöfe  drängende  Blut  entfernt  ist, 
geöffnet,  und  dann  hat  sich  das  Blut  in  den  Vorhöfen  während 
der  Ventrikularkontraktion  angesammelt,  so  dass  jene  nun  im 


Digitized  by  Google 


128 


Zusammenstellung  der  Herzkammern, 


Maximum  ihrer  Füllung  sieh  befinden.  Die  ausgedehnten  Vorhßfe 
treiben  somit  das  Blut  in  den  schlaffen,  widerstandslosen  Ventrikel, 
dessen  Erweiterung  noch  begünstigt  wird  durch  die  gerade  jetzt 
stattfindende  Ausdehnung  der  Blutcapillaren  (Marshall  Hall, 
Brücke)*). 

Die  Annahme , dass  sich  die  Klappen  wahrend  der  Kammenystole  in  den  Sinns 
Valsalvac  bis  zum  Verschluss  der  Kranzarterie  oinlegen,  hat  man  aus  mehre rn  Grün- 
den bestritten.  Zuerst  sollte  der  Ursprung  der  art.  coronariae  aus  dem  Sinus  nicht 
tief  genug  erfolgen,  um  noch  von  den  Klappen  gedeckt  werden  zu  können.  Nun  er- 
giebt  sich  aber,  dass  nur  bei  vier  bis  fünf  pC.  aller  bisher  untersuchten  Aorten  jene 
Gefässe  über  den  8inus  Valsalvac  entspringen , eine  Beobachtung,  die  gerade  zeigt, 
dass  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Falle,  die  Klappe  hoch  genug  hinaufreicht.  — 
Aber  selbst,  wenn  die  Arterie  den  gewöhnlichen  tiefen  Ursprung  nehmen,  kann  die 
Klappe  am  todtenstarren  Herzen  nicht  bis  Uber  die  Mündung  der  Kranzarterie  bin- 
aufgezogen  werden ; hierauf  dient  zur  Antwort,  dass  dieses  nur  bei  den  Klappen  nicht 
gelingt,  wo  der  Grund  ganz  oder  halb  an  das  Herztleisch  angewachsen  ist,  während 
mit  den  freien  dieses  leicht  auszttführen  ist.  Solcher  angewachsener  Klappen  haben  nur 
einzelne  Säugcthiere,  wie  x.  B.  das  Schwein  nur  eine,  andere  wie  der  Hund  zwei. 
Hier  ist  nun  leicht  cinzusehen,  dass  das  weiche  lebende  Fleisch  der  Klappen  eine 
Beweglichkeit  erlaubt,  die  das  todtenstarre  unmöglich  macht,  so  dass,  eine  Nachgiebig- 
keit des  Fleischgrundes  vorausgesetzt,  auch  hier  die  Deckung  möglich  wird.  — Auch 
sollte  die  Klappenfläche  nicht  genügen,  um  sich  dem  durch  den  systolischon  Blutdruck 
ausgedehnten  Sinus  überall  anzupassen,  und  namentlich  sollte  der  freie  Klappenrand 
noch  Art  einer  Chorda  durch  den  ausgedehnten  Sinus  horgesogen  sein  (Hyrtl,  KÜ- 
dinger).  Die  Entscheidung  hierfür  kann  nur  durch  eine  Messung  des  Längen  Ver- 
hältnisses zwischen  den  freion  Bändern  und  dem  Sinusumfange  gegeben  werden  während 

einer  Stellung,  wie  sie  durch  eine  hoho 
Spannung  verlangt  wird.  Zu  dem 
Zwecke  füllte  Brücke  in  menschliche 
Aorten  flüssigen  Gyps  unter  Drücken 
von  0,1$  bis  3,17  M.  und  zwar  so, 
dass  sich  die  Taschen  entfalten  muss- 
ten. Nachdem  der  Gyps  erhärtet  war, 
lössto  er  „ die  Arterienhaut  vorsichtig 
ab , und  schnitt  am  Bulbus  der  Aorta 
eine  dreiseitige  Pyramide  an,  deren 
Kanten  gebildet  wurden  durch  die  Be- 
rührungulinio  je  zweier  Klappen,  de- 
ren Flächen  bestimmt  waren  durch  die 
Ebenen,  in  welcher  die  freien  Ränder  je 
einer  Klappe  lagen , und  deren  Spitze 
endlich  am  Vercinigungspunkt  der  drei 
Klappen  lag;  die  Fig.  37  giebt  eine  Anleitung  zur  Führung  der  Schnitte.  — 


■)  E.  Br  ii  c k e;  Versohl  um  der  KrsnMchlsgailcm  Horch  H.  Aortenklappen.  Wien  1855;  J.  Hyrtl  üb. 
d.  Selbststeuerung  d.  Herzens.  Wien  1W«G.  — Witt  ich;  Ponneri  Allg.  ümmI.  Centmlifg.  lfö".  5.  Sich . 


Digitized  by  Google 


Verschluss  der  Kranzarterien  durch  die  Setnilunar-Klappen.  129 

ln  Fi;.  38  (welche  die  Pyramide  von  der  Spitze  gesehen  dantelU)  muss  also 
a c -f  c h grösser  oder  so  gross  wie  a b sein , wenn  der  freie  Klappenrand  die  Sinus- 
bucht  aasfüllen  soll.  Diese  Länge  wird  jener  Rand  aber  nur  dann  erreichen , wenn 
die  Spitze  c über  der  Ebene  des  Sinusringos  a b her- 
vorsteht,  und  «war  natürlich  um  so  eher,  je  weiter  sie 
hinausfallt;  in  dom  Maasse,  in  dem  dieses  geschieht, 
wird  aber  auch  der  Winkel  acb  kleiner  werden.  Nach- 
dem Brücke  durch  Rechnung  gefunden,  dass  der  Winkel 
acb  nicht  Über  111  — 112°  steigen  dürfe,  wenn  a e -f- 
c b gleich  lang  mit  a b bleiben  soll,  fand  er,  dass  in  der 
unter  so  verschiedenem  Druck  gefüllten  Aorta  der 
Winkel  sieh  zwischen  92 — 100°  bewegte  und  diesen 
Werth  niemals  überschritt  Hierbei  stellte  sich  auch 
noch  heraus,  dass  der  Winkel  keineswegs  in  den  bo- 
zeirhneten  Grenzen  mit  dem  Füllungsdruck  wuchs,  sondern  dass  er  öfter  kleiner 
war  bei  geringerem  als  boi  grösserem  Druck.  Somit  genügt  auch  die  Ausdehnung  der 
Klappen  von  rechts  nach  links,  um  den  Sinus  auszuklcidcn.  — > 

Diese  aus  dem  Bau  hergenommenen  Beweise  für  die  Möglichkeit  des  K lappen - 
Schlüsse«  hat  Wittich  durch  einen  einfachen  Versuch  vervollständigt,  in  welchem  der 
Strom  des  Blutes  aus  der  Kammer  in  die  Aorta  möglichst  nachgeahmt  wird,  leb 
nehme  mir  die  Erlaubnis,  den  Versuch  so  zu  beschreiben,  wie  ich  ihn  wiederholt  in 
Vorlesungen  und  Cursen  mit  günstigem  Erfolg  ausgeführt  habe. 

An  einem  (absichtlich  zu  gross  gezeichneten)  Schweine  herzen  in  Flg.  39  bindet  man 
die  art  coron.  dextra  zu  und  setzt  ein  Röhrchen  (b)  in  die  linke  ein,  vor  welcher 
eine  freie  Klappe  steht  Hierauf  fügt  man  an  das  Ende  des  Bogens  der  Aorta*) 
ein  Öummirohr  (c)  etwa  von  der  Weite  der  Aorta  und  in  den  linken  Vorhof  endlich 
setzt  man  ein  Rohr  (d),  das  durch  einen  Hahn  verschliessbmr  ist.  Derselbe  hat  eine 
anderthalbfache  Bohrung,  vermöge  welcher  bald  ein  Strom  nach  der  Längenrichtung  des 
Rohres  und  bald  ein  solcher  senkrecht  auf  dieselbe  durch  die  freien  Mündungen  e e 
in  der  Seitenwand  des  Rohres  gehen  kann.  Es  soll  hier  gleich  bemerkt  werden,  dass 
diese  letztere  Einrichtung  dazu  dient,  bald  um  das  Herz  durch  den  Strom  aus  einem 
Wasserbehälter  zu  füllen,  bald  um  den  vom  Wrasserbehälter  abgeschlossenen  Vorhof 
wieder  theilweise  zu  entleeren,  weil  dieses  wegen  des  Schlusses  der  Semilunarklappen 
in  die  Aorta  nicht  möglich  ist  Dieses  so  vorgerichtete  Herz  stellt  man  dann  nach  An- 
leitung der  Fig.  39  auf;  in  dieser  bedeutet  f ein  kleines  Holzgefäss  zur  Aufnahme 
des  Ventrikels,  g einen  Halter  zur  Fixirung  dos  Aortenstumpfs,  h h ein  (mit  Einschluss 
des  Hahnrohres)  1,9  M.  langes  Zuflussrohr,  das  aus  einem  .obern  Behälter  gespeisst 
werden  kann , und  i einen  Wasserzuber,  der  um  einen  halben  Meter  über  dem  Aorten- 
anfang erhaben  ist  und  auf  dessen  Boden  sieb  eino  Schicht  Wasser  befindet,  unter 
welches  das  Rohr  c mündet.  OeflTnet  man  nun,  nachdem  alles  mit  Wasser  gefüllt  ist, 
den  Hahn  d,  so  dass  der  volle  Strom  das  Herz  durchsetzt  und  rasch  aus  dem  Kaut- 
choukrohr  in  den  Wasserzuber  fliesst,  so  tritt  nichts  aus  dem  Röhrchen  b,  welches 
aus  der  Kranzarterie  hervorgeht,  wahrend,  wenn  man  den  Hahn  schliesst,  plötzlich  ein  Strahl 
aus  der  Coronaria  hervorgeht,  der  durch  den  Druck  des  erhobenen  Kaulcboukrohres 
eingcleitet  wird,  ein  Druck,  unter  dem  sich  auch  die  Aortenklappen  entfalten.  Dieser 

•)  Wird  die  Aort«  nicht  am  Bogen  so  ml  cm  kürzer  «bgeMchnitte»,  so  gelingt  der  Versuch  meist 
nicht. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  ^ 


Fig.  38. 


"Dtgmzsd  by  Google 


J30  Verschluss  der  Kranzarterien  durch  die  Klappen. 

sehr  schlagende  Versuch  gelingt  jedoch  nicht  immer  und  zwar  versagt  er,  was  beson- 
dere eu  erwähnen,  zuweilen  an  einem  Heraen,  an  dem  er  so  eben  noch  gelungen 
war,  und  an  dem  er  sich  dann  auch  später  wieder  erfolgreich  hersteilen  Wisst.  Es 
Fig.  39.  scheint,  als  ob  kleine  Verän- 

derungen in  der  Klappenstel- 
lung durch  Zerren,  Zusam- 
raenschicben  u.  s.  w.  die 
Schuld  an  dem  Misslingen 
tragen.  Dieser  Yereuch  be- 
seitigt auch  die  wiederholt 
ausgesprochene  Befürchtung, 
als  ob  die  an  den  Sinus- 
rand angelegte  Klappe  durch 
den  Kückstoss  des  Bluts  aus 
der  Aorta  nicht  wieder  her- 
vorgeholt werden  könnte. 

Eine  Hindeutung  darauf, 
dass  sich  auch  während  des 
Lebens  die  Klappen  an  die 
obem  Begremungen  der  Si- 
nus anlcgcn,  findet  Brücke 
endlich  in  den  Klappenspuren, 
kleinen  linearen  Eindrücken  an 
der  innern  Fläche  jener  Si- 
nus, in  welche  die  Klappen- 
ränder mit  ihren  kleinen 
Vertiefungen  und  Erhaben- 
heiten oft  auf  das  genaueste 
hineinpassen , die  also  ver- 
muthlich  durch  das  An- 
schlägen der  Klappen  an  die 
Sinuswand  entstanden  sind. 

Das  einzige  Unbestimmte, 
was  dem  beschriebenen  Vor- 
gang noch  anklebt , be- 
zieht sich  auf  die  Zeit,  in 
welcher  das  Anlegen  der 
Klappen  an  die  Sinus  vollen- 
det ist  und  die  Vorgänge,  welche  in  dieser  SehliessungBieit  ein  treten.  Denn  wenn  diese 
Zeit  eine  merkliche  ist,  so  bleibt  in  dieser  dem  Blut,  welches  zwischen  Klappe  und 
Sinus  steht,  ausser  dem  Weg  in  die  Aorta,  auch  noch  ein  andrer  in  die  a.  eoronaria 
übrig.  Ganz  in  Uebereinstimmung  mit  dieser  Unterstellung  sicht  man  zuweilen  bei 
dem  Versuch  mit  dem  todten  Herzen , dass  in  dem  Moment  des  beginnenden  Stroms 
durch  die  Aorta  nicht  auch  sogleich  der  Strahl  aus  der  art.  eoronaria,  sondern  merk- 
lich später  unterbrochen  wird,  ln  andern  Fällen  hört  dagegen  momentan  mit  der 
Drehung  des  Hahnes  d der  Strahl  aus  der  eoronaria  auf,  woraus  hervorgeht,  dass  die 
zum  Anlegen  nöthige  Zeit  sich  merklich  verschieden  stellen  muss. 

i 


Digitized  by  Google 


131 


/ 

Folgen  der  Herabowcgung  in  den  Gefäzzen. 

Kldi  eilen  diesen  Beweisen  und  Einsichten  halte  ich  die  Bestätigung  oder  Wider- 
legung der  Annahme  von  Marshall  und  Brücke  durch  die  Vivisektion  nicht  allein 
fEr  unnöthig,  sondern  sogar  für  unthunlich , da  schon  die  geringsten  Verzerrungen 
und  Verschiebungen  des  blosgolegtcn  Herzens  den  Erfolg  gefährden  können. 

Die  Annahme , dass  sich  die  Höhle  der  Herzventrikel,  bevor  diese  in  die  Todten- 
•tarre  übergegangen  sind,  beim  Eintritt  der  Diastole  auch  ohne  Beihilfe  des  einströ- 
nenden  Bluts,  etwa  in  Folge  der  Elastizität  ihror  Wandungen,  erweitern  kann,  ist 
am  bündigsten  durch  L.  Fick*)  widerlegt.  Im  wahren  Wortsinn  genommen,  giebt 
es  also  keine  Aspiration  der  Vorhöfc.  Die  Erscheinung,  welche  zu  ihrer  'Annahme 
fuhrt,  und  die  neuerdings  genauer  von  Wey  rieh  und  Biddor  untersucht  wurde, 
wird  insofern  dieses  nicht  schon  bei  der  Betrachtung  des  Stroms  durch  die  a.  coronaria 
geschehen,  noch  Berücksichtigung  linden.  — Dos  tubcrculum  Loweri,  ein  Muskelhöcker, 
der  an  der  Schaidewandsilächc  zwischen  veua  cava  superior  und  inferior  liegt,  soll 
durch  Ablenkung  des  ursprünglich  senkrechten  Stroms  beider  Venen  aufeinander  be- 
deutsam sein ; er  soll  verhüten , dass  wenn , wie  wahrscheinlich , eine  Ungleichheit  in 
der  Geschwindigkeit  und  Spannung  des  Bluts  in  den  beiden  Strömen  besteht,  die 
Resultante  ihrer  Geschwindigkeiten  nicht  in  eins  der  beiden  Venenlumina,  sondern  ge- 
gen den  Yorhof  gerichtet  ist.  Diese  Annahme  steht  auf  zweifelhafter  Basis.  — 

c.  Folgen  der  Herzbewegung  in  den  Gefässröhrcn.  Die  Blut- 
mengen, welche  der  Ventrikel  in  die  grossen  Arterien  wirft,  wer- 
den dort  einen  Strom  erzeugen,  der  die  in  Fig.  3fi  gegebene 
Richtung  einhält.  Da  sich  die  beiden  Herzkammern  immer  gleich- 
zeitig zusammenziehen,  so  erscheint  die  stromerzeugende  Ur- 
sache innerhalb  des  Gefässsystems  immer  zugleich  an  zwei  Orten, 
nemlich  dem  Anfang  der  grossen  und  kleinen  Blutbahn.  Bei  einer 
solchen  Anordnung  stellt  sich,  abgesehen  von  allen  übrigen  Eigen- 
schaften, die  Forderung,  dass  aus  jeder  Herzhälfte  immer  gleich- 
viel Blut  ausströmen  müsse,  weil  der  eine  Ventrikel  dem  andern 
die  Flüssigkeit  zusendet,  so  dass,  wenn  dem  nicht  Genüge  ge- 
leistet würde,  sehr  bald  die  eine  Ahtheilung  ihren  Gesammtinhalt 
in  die  andere  entleert  haben  würde. 

Der  Strom,  weichet  vom  Herzen  aus  erregt  wird,  pflanzt  .sich 
in  der  entsprechenden  Gefdssabtheilung  bis  zum  Herzen  zurück 
durch  Wellenbewegungen,  Sp  annungsvfntersehiede  und 
das  Beharrungsvermögen  fort.  Obwohl  diese  Vorgänge 
namentlich  in  den  Arterien,  durcheinander  greifen,  so  müssen  sie 
doch  gesondert  behandelt  werden.  Zunächst  wenden  wir  uns  zu 
den  Wellen. 

Da  an  der  Grenze  des  Herzens  und  der  grossen  Gefässe  die 
Bedingungen  für  die  Wellenbewegungen  vorhanden  sind,  welche 
die  theoretische  Auseinandersetzung  (p.  (!7.)  für  ihre  Entstehung 


’)  L.  Fick,  Stiller.  Archiv.  1S49.  p.  303. 


9* 


Digitized  by  Google 


132 


Blutwollen,  SpaanungsunUrsehiede. 


verlangte,  so  müssen  sie  auch  entstehen.  Und  zwar  bildet  sich 
eine  Borgwelle  in  den  Arterien  gegen  die  Capillarcn,  hinter  der 
im  Arteriensystem  keine  Thalwelle  herschreitet;  in  den  Venen  da- 
gegen bildet  sich  eine  Thalwelle,  die  wiederum,  ohne  dass  eine 
Spannungswelle  auf  Bie  folgte,  gegen  die  Capillaren  hinschreitet 
Der  Grund,  aus  dem  die  Thalwelle  nach  der  Artericnscite  hin 
ausbleibt,  liegt  darin,  dass  die  Scmilnnarklappe  die  Höhlung  der 
Arterien  und  des  Herzens  abschliesst,  sodass  keine  Entleerung  der 
Arterien  gegen  das  Herz  hin  stattfinden  kann;  nach  der  Yenen- 
seite  kaun  aber  vom  Herzen  aus  keine  Bergwelle  erregt  werden, 
weil  das  in  die  Ventrikel  eingesttlrzte  Blut  wegen  des  Schlusses 
der  Zipfelklappen  nicht  wieder  direkt  in  die  Vene  zurückgeschleu- 
dert werden  kann.  Das  Hervorstechende  ftlr  die  Bewegung  der 
Flüssigkeit  in  einer  solchen  Welle  bestand  darin,  dass  jedes  in 
dem  elastischen  Kohr  enthaltene  Theilchen  in  der  Richtung  der 
Längenachse  des  Kohrs  eine  Geschwindigkeit  erhielt,  die  von 
einem  Minimum  zu  einem  Maximum  anwuchs  und  dann  wieder 
absank.  Diese  verschiedenen  Stadien  der  Geschwindigkeit  erlang- 
ten nun  aber  die  Theilchen  nicht  säipmtlich  gleichzeitig,  sondern 
snccessive,  sodass,  wenn  z.  B.  die  dem  Herzen  zunächst  gelegenen 
Flüssigkeitsabschnitte  eine  erhöhte  Geschwindigkeit  empfangen 
haben,  diese  den  entfernteren  noch  nicht  zukommt,  und  umge- 
kehrt. dass,'  wenn  die  vom  Herzen  entfernteren  noch  mit  irgend 
welcher  geringem  oder  grössern  Geschwindigkeit  begabt  sind,  die 
dem  Herzen  näher  liegenden  schon  zur  Ruhe  gekommen  waren. 
Durch  eine  solche  Welle  rücken  nun  alle  Theilchen  um  eine  ge- 
wisse Wegstrecke  in  dem  Lumen  der  Gefässe  weiter,  und  zwar  ge- 
langen sie  durch  die  Bergwelle  in  den  Arterien  von  dem  Herzen 
geg^n  die  Capillaren,  durch  die  Thalweye  in  den  Venen  von 
den  Capillaren  gegen  das  Herz  hin.  Obwohl  demnach  beide  Wel- 
len eine  Bewegung  der  Flüssigkeit  in  gleichem  Sinne  erzeugen, 
reichen  sie  doch  erfahrungsgemäss  nicht  zur  Erhaltung  des  Stromes 
in  den  Gefässröhren  hin,  da  sie  auf  ihrem  Wege  durch  dieselben 
vernichtet  werden.  Der  Grund  dieser  Vernichtung  liegt  in  dem 
Kraftverlust,  der  durch  den  kraftubertragenden  Stnss  und  die  Rei- 
bung an  den  Wandungen  bedingt  wird.  Da  in  unserem  Röhren- 
werke aber  die  Biegungen,  Theilungen  und  der  Umfang  der  Wand- 
flächen selbst  gegen  die  Capillarcn  hin  in  ausserordentlicher  Zu- 
nahme begriffen  sind,  so  müssen  auch  die  in  der  Welle  vorhandenen 
Bewegungen  der  Flüssigkeit  in  den  unmittelbar  an  die  Capillaren 


Blutwellen,  Spannunpsunterschiede.  233 

grenzenden  Arterienstttcken  anf  gleich  langen  Sttlcken  viel  be- 
trächtlicher abnehmen,  als  in  den  grössern  Gelassen.  Und  weil 
die  Kräfte,  welche  die  Welle  in  der  Arterie  erzeugen,  sehr  viel 
bedeutender  sind,  als  die,  welche  das  Zusammenfällen  der  Venen- 
anfänge  erzeugt,  so  wird  die  arterielle  Welle  kräftiger  sein,  als 
die  venöse,  und  diese  somit  auch  eher  (d.  h.  entfernter  von  den 
Capillaren)  schwinden,  als  die  erstere.  — 

Wenn  die  Wellenbewegung,  welche  den  Theilchen  des  Inhalts 
in  den  grossen  Arterien  eigen  war,  gegen  die  Capillaren  hin  er- 
lischt, so  müsste  offenbar,  wenn  die  Blutbewegung  allein  abhängig 
wäre  von  der  Wellenbewegung,  der  Ilerzinhalt  nur  bis  zu  den 
Capillaren,  aber  nicht  durch  sie  hindnrehdringen ; und  aus  dem- 
selben Grunde  könnte  die  Beugungswelle  das  Blut,  welches  sie 
schliesslich  in  das  Herz  wirft,  nicht  aus  den  Capillaren  beziehen. 
Beides  trifft  nun  aber  nicht  ein,  indem  thatsächlich  in  den  Capil- 
laren ein  ruhiger  und  gleichmässiger  (nur  unter  ganz  besondem 
Umständen  ungleichförmig  beschleunigter)  Strom  von  den  Arterien 
zu  den  Venen  dringt.  Die  erste  Veranlassung  dieses  Stroms  liegt 
in  den  Spaunungsunterschieden,  welche  den  Fltlssigkeitstheiichen 
auf  den  verschiedenen  Abschnitten  der  Bahn  vom  Herzen  aus  bis 
zurück  zu  ihm  zukommen.  Dieselben  entstehen  aber  folgender- 
maassen:  Durch  die  Herzmündung  dringt  mit  jeder  Zusammen- 
ziehung der  Kammermuskeln  in  einem  kurzen  Zeitraum,  also  mit 
grosser  Geschwindigkeit,  der  Herzinhalt  ein,  und  da  dieser  auf 
seinem  Wege  bis  zu  den  Capillaren,  seine  Geschwindigkeit  einbüsst, 
so  muss  er  sich  in  dem  arteriellen  System  anhäufen.  Dieses  kann 
nun  aber  nur  durch  eine  Ausdehnung  des  Hohlraums  der  Arterien, 
also  durch  eine.  Ausspannung  ihrer  Wandungen  geschehen,  welche 
letztere  aber  relativ  eine  sehr  beträchtliche  sein  muss,  da  der  In- 
halt der  Arterien  im  Verhältnis  zu  dem  der  Ventrikel  nicht  gerade 
bedeutend  ist;  bedenkt  man  noch,  dass  der  bedeutendste  Theil  der 
arteriellen  Gefässwandung  wegen  ihrer  Dicke  weniger  ausdehnbar 
ist,  so  ist  ersichtlich^  dass  Kräfte  von  einem  nicht  unbedeutenden 
Werthe  dazu  gehören,  um  die  arterielle  Gefässhöble  bis  zu  dem 
Umfang  zu  erweitern,  dass  sie  zu  ihrem  normalen  Inhalt  auch 
noch  den  des  Herzens  aufnehmeu  kann.  Mit  andern  Worten,  es 
werden  die  ausgedehnten  Membranen,  weil  sie  nach  der  Ausdeh- 
nung wieder  ihren  ursprünglichen  Flächenranm  eiuzunehmen  stre- 
ben, einen  Druck  auf  ihren  Inhalt  ansüben,  der  den  Druck  ira 
ruhenden  Blut  beträchtlich  übersteigt.  — Im  umgekehrten  Verhält- 


Digitized  by  Google 


184 


Spannungen  des  strömenden  Bluts. 


nisse  finden  sich  nun  gerade  die  Venen.  Durch  die  Blutmenge, 
welche  nach  der  Herzkontraktion  aus  ihnen  strömt,  wird  ihre  ur- 
sprüngliche Spannung  vermindert,  eine  Verminderung,  die  nach 
einer  einmaligen  Zusnmmenziehung  allerdings  nicht  sehr  auffällig 
sein  kann,  da  der  Inhalt  des  Herzens  im  Vergleich  zu  dem  der 
Venen  sehr  unbeträchtlich  ist. 

Nun  kann  aber  in  der  sonst  gleichbcschaffenen  Flüssigkeit 
innerhalb  eines  zusammenhängenden  Röhrenwerks  kein  ungleicher 
Druck  bestehen,  ohne  das  Bestreben  einer  Ausgleichung  zu  wek- 
ken,  d.  h.  ohne  dass  die  gespanntere  Flüssigkeit  gegen  die  minder 
gespannte  hinsrömte,  und  somit  muss  von  den  Arterien  durch  die 
Capillaren  hindurch  eine  Strömung  eintreten,  welche  auch  dann 
noch  fortdauert,  wenn  schon  die  Herzkontraktion  beendet  ist. 

Der  einmal  eingeleitete  Strom  verfolgt  aber  seine  ursprüng- 
liche Richtung  der  Trägheit  wegen  weiter,  selbst  wenn  die 
Drücke  in  den  Stromrichtungen  zunehmen,  statt  abzunehmen,  wie 
dieses  in  der  allgemeinen  Einleitung  gezeigt  wurde  (p.  60).  — 
Dieser  Umstand  muss  sich  also  auch  im  Kreislauf  geltend  machen, 
wie  wir  noch  sehen  werden.  — Da  nun  aber  die  vorhandene  Ge- 
schwindigkeit im  Blutstrom  immer  vorher  als  Spannungsunter- 
schied bestand,  so  können  wir  diese  im  Allgemeinen  auch  als  die 
wesentliche  Bedingung  des  Stroms  ansehen. 

d.  Spannungen  des  strömenden  Blutes.  Was  von  ihnen 
bekannt  ist,  bezieht  sich  immer  nur  auf  die  Wandspannung,  da 
man  bis  dahin  noch  nicht  daran  denken  konnte,  die  mit  dem 
Querschnittsort  veränderliche  Spannung  zu  bestimmen.  Obwohl 
diese  Lücke  vom  theoretischen  Gesichtspunkte  aus  zu  beklagen 
ist,  so  ist  sie  doch  für  den  praktischen  Physiologen  weniger  fühl- 
bar. Die  wichtigsten  Folgen  des  Drucks,  die  Berührungsfläche  des 
Bluts  mit  den  Geweben  (Ausdehnung  der  Gefässwände  und  ihrer 
Poren),  und  der  Einfluss  der  Spannung  auf  die  Bewegungen  der 
Flüssigkeit  innerhalb  der  Poren  sind  von  dem  Wanddruck  ab- 
hängig. _ r 

Die  Spannung,  die  in  einem  jeglichen  Gefässabschnitt  herrscht, 
ist  unzweifelhaft  abhängig  von  der  Ausdehnbarkeit  seiner  Wandnng 
und  der  Ausdehnung,  die  seine  Wandnng  wirklich  erfahren,  mit 
andern  Worten:  bei  gegebenem  Elastizitätscoeftizicnten  von  dem 
Flüssigkeits  volum,  das  er  mehr  enthält,  als  er  im  Ruhezu- 
stand fassen  kann.  Die  Ausdehnbarkeit  wechselt  an  demsel- 
ben Gefäss<]nerschnitt  mit  dem  Zustand  (der  Erschlaffung  oder 

i ' 


' Coogl 


Spannung  in  dem  Anfang  des  Artcrionwcrk.es. 


135 


Zusammenziebuug)  der  Wandnmskela  nnd  noch  mehr  in  dem  Ver- 
lauf des  Systems  von  einem  Ort  zum  andern.  Das  Volum  des 
Flüssigkeitszuwachses  ist  abhängig  von  dem  Verhältniss  zwischen 
Zufluss  und  Abfluss.  — Der  Zufluss  ist  bedingt  durch  die  Zahl 
und  den  Umfang  der  Herzzusammenziehungen,  der  Abfluss  durch 
die  Widerstände  in  dem  betreffenden  Abschnitt  und  an  den  Gren- 
zen desselben,  das  will  sagen:  durch  die  Spannungsunterschiede, 
welche  bestehen  an  der  Einfluss-  und  AusflussmUndung  des  betrach- 
teten Abschnitts  und  das  Verhältniss  der  Ein-  und  Ausflussöffnung. 

Aus  allem  diesen,  in  Combination  mit  dem,  was  schon  Uber 
den  Bau  des  Gefässsystems,  die  Herzschläge  und  deren  Variation 
beigebracht  ist,  ergiebt  sich,  dass  die  Mannigfaltigkeit  der  Span- 
nungen, welche  in  dem  Gcfässsystem  eines  Menschen  entweder 
gleichzeitig  an  verschiedenen  Orten,  oder  an  demselben  Orte  zu 
verschiedenen  Zeiten  erzeugbar  sind,  unendlich  sein  kann;  zu- 
gleich ist  ersichtlich,  dass  eine  theoretische  Voraussicht  der  ein- 
zelnen Fälle  unmöglich  ist 

Hehr  zahlreiche  Erfahrungen,  die  Uber  die  durch  den  Herz- 
schlag veränderten  Spannungserseheinungen  vorliegen,  erlauben 
aber  dennoch  einige  allgemeine  Bemerkungen  von  praktischer 
Wichtigkeit;  wir  werden  bei  ihrer  Aufzählung  den  Weg  einschla- 
gen,  dass  wir  an  verschiedenen  Orten  der  Reibe  nach  die  mit  den 
Herzzuständen  wechselnden  Spannungen  in  das  Auge  fassen.  — 
Die  Thatsachcn  werden  in  der  anschaulichen  Form,  in  der  sie  ge- 
wonnen sind,  der  Betrachtung  zu  Grunde  gelegt,  nemlieh  als  Cur- 
ven,  wie  sie  der  in  Fig.  35.  dargestellte  Spannungszeichner  lie- 
ferte. Die  Achse  der  X von  dem  Coordinatensystem,  in  dass  sie 
eingetragen  sind,  gieht  die  Zeit,  die  der  Y dagegen  die  Spannun- 
gen an,  gemessen  durch  die  in  Millimetern  ausgedrUckte  Höhe 
einer  Quecksilbersäule. 

A.  Anfang  des  arteriellen  Systems;  insbesondere 
a.  carotis  oder  a.  cruralis.  Zuerst  werden  wir  den  Fall  be- 
handeln, in  welchem  sehr  kräftige  Herzschläge  in  langen  Pausen 
einander  folgen,  wie  man  sie  erhält,  wenn  man  die  nervi  vagi  in 
eine  gelinde  Erregung  versetzt;  und  zwar  darum,  weil  die  Folgen 
der  Herzwirkung  an  ihnen  am  deutlichsten  hervortreten.  Mässigt 
man,  nachdem  die  n.  vagi  so  anhaltend  und  kräftig  erregt  sind, 
dass  das  Herz  längere  Zeit  vollkommen  Stillstand  und  das  Quck- 
silber  des  Manometers  endlich  auf  einer  Höhe,  die  sich  fttr  längere 
Zeit  constant  erhielt,  anlangte,  die  Schläge  des  Induktionsappa- 


Digitized  by  Google 


1 


136  Spannongswcchwl  bei  rcrschiedener  Sehlagfolge  de*  Herzen* 

rates,  so  schreibt  der  Druekzeicbner  die  Curvcn  von  beistehender 
Form.  Mit  dem  Eintritt  des  ersten  Herzschlags  erhebt  sich  der 
Drnck,  von  dem  der  Ruhe  (Fig.  40.)  y1,  und  zwar  zuerst  sehr 

rasch,  dann  aber  allmähli- 
ger,  bis  er  auf  das  Maxi- 
mum seines  Werthes  ange- 
langt ist;  von  hier  fällt  er 
dann , und  zwar  zuerst 
rasch , dann  aber  immer 
langsamer,  je  näher  er  der 
Höhe  kommt,  von  welcher 
der  Druck  bei  Beginn  des 
Herzschlags  ausging , wie 
dieses  an  den  Unterschie- 
den der  Ordinaten  ab  cd  tfg 
in  den  gleichen  Zeitabständen  1 2 3 4 5 6 7 zu  sehen  ist.  Folgen 
nun  die  Herzschläge  in  nicht  gar  zu  langen  Pausen  aufeinander, 
so  werden,  bevor  die  Einwirkungen  des  ersten  von  ihnen  ver- 
schwunden sind,  die  des  zweiten  eintreten  und  das  Ansteigen,  das 
der  zweite  veranlasst,  somit  von  einem  höhern  Druck  beginnen. 
Bleibt  sich  nun  der  Umfang  und  der  zeitliche  Abstand  dieser  und 
der  folgenden  Zusammenziehungen  gleich,  so  wird  dieses  auch 
mit  den  im  zeitlichen  Verlauf  erscheinenden  Drtlcken  der  Fall  sein. 
Genauer  ausgedrttckt  wird  also  die  constante  Gefässspannung 
von  y«  bis  y‘“  vorhanden  sein,  so  dass  sie  unter  diesen  Werth  zu 
keiner  Zeit  herabsinkt;  ausserdem  aber  wird  in  constanten  Gren- 
zen von  y“  bis  y""  ein  variabler  Ueberdrnck  vorhanden  sein,  des- 
sen Maximum  und  Minimum  fllr  jeden  Pulsschlag  dasselbe  bleibt, 
und  endlich  wird  die  mittlere  Spannung*)  y"  y'",  die  sich  aus 
den  Spannungsschwankungen  von  einem  znm  andern  Herz- 
schlag berechnen  lässt,  fUr  alle  Herzschläge  o t,  tt“  u.  s.  w. 
gleich  sein. 

Wenn  sich  nun  die  Herzschläge  statt  des  bisher  innegehaltc- 
nen  Rhythmus  sehr  beträchtlich  beschleunigen  (was  jedesmal  ein- 
tritt,  wenn  man  nach  den  vorigen  Versuchen  die  Erregung  des 


Fig.  40. 


*)  Mittlere  Spannung  bedeutet  alao  hier  die  Spannung,  welche  man  erhalten  würde,  wenn  man 
die  In  den  einzelnen  Zeitthellchon  bestehehende  Spannung  addirte  und  durch  die  tfumme  der  Zeit- 
theilchen  dlvldlrte.  — 


Digitized  by  Google 


in  den  groseem  Arturien. 


137 


t’ig.  41 


fl2V\A AAA^VV 


n.  vagus  beendet),  so  erscheint  die  Cnrve,  welche  Fig.  41.  wieder- 
giebt.  Bei  einer  Vergleichung  derselben  mit  der  vorhergehenden 
ist  sogleich  einlenchtend,  dass  der  constante  Druck  y»  y“  ganz 
aasserordentlich  gewachsen  ist  im  Ver- 
gleich zum  variablen;  die  Folge  davon 
ist  n.  A.  auch  die,  dass  die  Werthc  des 
Mitteldrucks  und  des  constanten  Drucks 
sich  sehr  nahe  kommen,  indem  die 
Grenzen  des  schwankenden  Ucbcrdrueks 
überhaupt  sehr  nahe  bei  einander  lie- 
gen. — Was  die  Form  der  Curven- 
stücke,  die  während  je  eines  Herz- 
schlags erzeugt  "werden,  anlangt,  so  be- 
merkt man,  dass  sie  sich  sehr  derjeni- 
gen des  Gipfels  in  Fig.  40.  annfthert; 
denn  der  kurze  aufsteigendc  Theil  wird 
sogleich  stark  convex  nach  oben  und 
der  absteigende  besitzt  nur  den  steil  ab- 
fallenden Abschnitt. 

Die  zwischen  diesen  beiden  Extremen  liegenden  Pulszahlen 
erzeugen  Curven,  welche  sich  mehr  und  mehr  von  der  letztem 
zur  erstem  Form  annfthem,  so  dass  man , wenn  die  Zahl  der 
Pulsschläge  gegeben,  ungefähr  die  Reihenfolge  der  in  der  Zeit 
wechselnden  »Spannungen  angeben  kann.  „ 

Wir  haben  demnach  die  allgemeine  Form  der  zeitlichen  Span- 
nnngscurve  abhängig  gefunden  von  der  Zahl  der  Herzzusammen- 
ziehungen. Anders  verhält  es  sich  mit  den  absoluten  Werthen  der 
Spannungen  und  namentlich  derjenigen,  welche  wir  mit  dem  Na- 
men der  mittleren  belpgt  haben;  sie  wechseln  an  demselben  Thier 
trotz  einer  gleichen  Zahl  von  Herzschlägen.  Mit  Sicherheit  lässt 
sich  angeben,  dass  der  Werth  der  mittlera  Spannung,  alles  übrige 
gleichgesetzt,  steige,  wenn  sich  die  Anfüllung  des  Gefässsystems 
mit  Flüssigkeit  überhaupt  mehrt;  wenn  die  Widerstände  zwischen 
der  beobachteten  Stelle  und  den  Capillaren  zunehmen;  wenn  der 
Umfang  oder  die  Intensität  der  Herzzusammenziehungen  sich  stei- 
gern. Den  Nachweis  für  diese  Behauptungen  kann  man  sehr 
leicht  führen,  weil  man  mittelst  einer  vorsichtig  geleiteten  Erre- 
gung der  n.  vagi  die  Zahl  der  Schläge  annähernd  auf  einer  be- 
stimmten Zahl  fcsthalten,  zugleich  aber  durch  Ablassen  oder  Ein- 
fttllen  des  Bluts  aus  den  Getassen,  durch  Unterbindung  einiger 


Digitized  by  Google 


138 


Spannunfcswcchael  bti  vemhiedener  Bchlagfolgc  dos  Herzens. 


Arterienstämme  n.  s.  w.  die  Normalspannung  und  den  Widerstand 
in  einem  Thier  verändern  kann.  Weil  non  aber  trotz  gleichblei- 
bendem  Widerstande  und  unverändertem  Normaldruck  und  gleicher 
Zahl  der  Herzschläge  die  mittlere  Spannung  steigt,  so  schliessen 
wir  daraus,  dass  auch  der  (Imfang  der  Zusammenziehung  des 
Herzens  wechselvoll  sein  möge. 

Wenn  ein  Mitteldruck  von  bestimmtem  Werth,  welcher  wäh- 
rend einer  gewissen  Zeit  hindurch  unverändert  bestand,  übergeht 
in  einen  solchen  von  aaderm  Werth,  so  muss  nothwondig  während 
dieser  Uehergangszeit  der  Mitteldruck  von  einem  Herzschlag  zum 
andern  in  einer  Schwankung  begriffen  sein;  dieser  Uebergang,  so 
mannigfaltig  er  auch  sein  kann,  führt  aber  doch  jedesmal  zu  einem 
neuen  Zustand  dynamischen  Gleichgewichts,  bei  dem  nemlicli  der 
Mittcldruck  für  die  Zeit  eines  jeden  Herzschlags  gleich  ist;  dem- 
nach darf  man  behaupten,  es  bestehe  fUr  eine  jede  Combination 
von  Herzzusammenziehungen,  Widerständen  und  GefässMlungen 
ein  Zustand,  in  dem  die  Menge  der  in  der  Zeiteinheit  zu  den  Ar- 
terien strömenden  Masse  das  Gleichgewicht  hält  der  ausströnien- 
den,  so  dass  mit  der  Geschwindigkeit  des  Zuflusses  auch  die  des 
Abflusses  steigt. 

B.  Ende  des  arteriellen  Systems.  Wie  sich  in  den 
feinen  Arterien  während  der  einzelnen  Phasen  des  Herzschlags  die 
Spftnnungscurve  gestaltet,  hat  noch  nicht  untersucht  werden  kön- 
nen..— Mit  Sicherheit  ist  dagegen  ermittelt,  dass  die  der  Systole 
1*-  und  Diastole  des  Her- 

zens entsprechenden  Ma- 
xima  und  Minima  der 
Spannnngswerthe  sich  ein- 
ander immer  mehr  nähern, 
je  enger  die  Arterien 
sind , in  welche  der 
Strom  eindringt,  bis  end- 
lich in  den  Capillar- 
netzen  die  Unterschiede 
ganz  schwinden,  so  dass 
an  diesem  Ort  während 
der  ganzen  Herzschlags- 
dancr  die  Spannung  un- 
verändert dieselbe  bleibt.  Um  eine  Vorstellung  von  dieser  Thatsachc 
zu  erhalten,  hat  Volkmann  die  nebenstehende  Curve  (Fig.  42.) 


“D  qwzeci  " -Gosglc 


Aufhören  des  Tnlses  in  den  kleinsten  Arterien.  139 

entworfen.  Er  ist  dieselbe  in  ein  Coordinatensystem  eingetragen 
dessen  Abszissenachse  A x die  Achse  eines  Gefässrohrs  von  sei- 
nem Beginn  am  Herzen  bis  zu  den  Capillaren  hin  darstellt,  so  dass 
z.  B.  bei  A der  Wandpunkt  des  Durchmessers  von  einem  beliebi- 
gen Stück  Aorta,  bei  D derjenige  eines  kleinsten  Arterienastes 
gelegen  wäre.  — Die  Ordinalen  Y bedeuten  die  Wandspannungen 
nach  der  schon  früher  festgestellten  Uebereinkunft.  Wenn  nun 
die  Spannung  in  der  Aorta  in  Folge  einer  Herzzusammenziehung 
auf  A Y gestiegen  wäre,  so  würde  sie  iy  einem  Aste  ersterer 
Ordnung  hierdurch  etwa  auf  B Y,  in  einem  Aste  dritter  Ordnung 
aber  nur  auf  C Y und  in  einem  Aste  letzter  Ordnung  endlich  nur 
auf  I)  Y kommen.  Während  der  darauf  folgenden  Herzpause 
würde  in  A die  Spannung  bis  auf  A y herab  gehen,  in  den  Aesten 
erster  Ordnung  schon  nm  weniger  und  in  den  darauf  folgenden 
noch  weniger,  bis  endlich  bei  1)  die  Spannungen  der  Systole  und 
Diastole  zusammcnfallen.  — Mit  dieser  Abnahme  der  Spannungs- 
differenzen nimmt  aber  zugleich  die  mittlere  Spannung  ab.  Die 
ungefähre  Lage  dieser  Mittelspannung  ist  durch  die  Ordinaten 
AM,  BM,  CM  angedentet.  — 

Mit  Rücksicht  auf  diese  Thatsachen  wäre  nun  zuerst  zu  über- 
legen: Woher  rührt  dieses  Verschwinden  der  Spannungsunter- 

schiede, oder  anders  ausgedrUckt,  warum  strömt  in  den  Quer- 
schnitt bei  D zu  jeder  Zeit  so  viel  ein  als  aus,  obwohl  am  Röhren- 
anfang ein  unterbrochenes  Einströmen  stattfindet.  Wenn  die 
Spannungsunterschiede  daher  rühren,  einmal,  das  plötzlich  alle 
Theilchen  eines  Querschnitts  einen  Stoss  bekommen,  der  sie  gegen 
diejenigen  eines  nächstgelegenen  hineinzudrängen  suchte,  und 
ausserdem  daher,  dass  in  einen  Querschnitt  plötzlich  mehr  Flüs- 
sigkeit eingeschoben  werden  konnte,  als  aus  ihm  anstreten  konnte, 
so  wird  unsere  Erscheinung  erklärt  sein,  wenn  sich  zeigen  lässt, 
dass  die  Wellenbewegung,  d.  h.  die  von  Molekel  auf  Molekel 
fortgepflanzten  Stösse  im  Verlanf  des  Röhrensystems  verschwin- 
den, und  wenn  ausserdem  nachgewiesen  wird,  wie  sich  das  tu- 
multuarische  Einströmen  der  Flüssigkeit  in  den  Beginn  dos  Arte- 
riensystems  in  diesem  allmählig  in  einen  gleichförmigen  Strom 
umwandelt.  — Beides  ist  aber  in  der  allgemeinen  Betrachtung  der 
Flüssigkeitsbewegung  durch  elastische  Röhren  geschehen  (vergl. 
p.  60  u.  f.).  Denn  es  ergab  sich  dort  schon,  dass  die  lebendige 
Kraft,  welche  die  Welle  besass,  von  Beginn  gegen  das  Ende  des 
Rohres  hin  abnehmen  musste,  weil  die  Welle  mit  einer  Bewegung 


Digitized  by  Google 


140 


Dit*  Abnahme  der  mittleren  Spannung. 


der  in  ihr  enthaltenen  Theilchen  verknüpft  war,  so  dass  eine  Rei- 
bung und  damit  ein  Verlust  an  Kräften  entstand.  — Zugleich  ist 
aber  auch  ersichtlich,  dass  eine  jede  Geschwindigkeit,  bevor  sie 
in  dem  Rohr  eine  constante  geworden  ist,  sieh  beim  Verlauf  der 
Flüssigkeit  durch  die  Röhrenlänge  verlangsamen  muss;  dieses 
würde  also  die  nothwendige  Folgerung  in  sich  sehliessen,  dass, 
wenn  ein  und  dasselbe  Flüssigkeitsquantum  durch  denselben 
Querschnitt  strömt,  es  am  Ende  des  Rohrs  hierzu  längere  Zeit  nü- 
thig  hat,  als  am  Beginn  desselben.  Wendet  man  diese  Betrach- 
tung auf  die  arteriellen  Röhren  an,  so  würde  die  eben  vorgelegtc 
Thatsacbe  nichts  anderes  sagen,  als:  Es  ist  die  Geschwindigkeit 
der  Flüssigkeit  am  Ende  des  Arteriensystems  so  verlangsamt,  dass 
vom  Beginn  eines  Herzschlags  zum  andern  durch  den  viel  grossem 
Gesammtqucrsehnitt  gerade  so  viel  strömt,  als  während  der  Dauer 
einer  Herzzusammenziehung  durch  die  Aortenmündung  floss.  In- 
dem dieses  geschieht,  muss  aber  endlich  eine  Geschwindigkeit  der 
in  einen  beliebigen  Querschnitt  einströmenden  Flüssigkeit  erreicht 
werden,  welche  gerade  so  gross  ist,  als  die  der  ausströmenden.  — 
Der  Ort  im  Gefässy stem,  an  welchem  sich  der  Strom  mit  steigen- 
der nnd  fallender  Spannung  umsetzt  in  einen  solchen  mit  gleich- 
förmiger, hat  erfahrungsgemäss  keine  feste  Lage;  er  rückt  unter 
Umständen  nicht  allein  weiter  hinaus,  z.  B.  in  das  Capillarensy- 
stem  hinein,  sondern  es  kommt  zuweilen  ein  Ort  gleichförmiger 
Spannung  gar  nicht  zu  Stande.  Die  Theorie  behauptet,  es  müsse 
das  Hinausrücken  des  Ortes  von  gleichmässiger  Spannung  ge- 
schehen entweder,  wenn  bei  gleichbleibenden  Verhältnissen  an  der 
Herzmündung  die  Widerstände,  die  sich  dem  Abfluss  in  die  Ca- 
pillarcn  und  Venen  entgegensetzen,  vermehrt  werden,  oder  wenn 
bei  gleichbleibenden  Widerständen  an  letzterer  Stelle  der  Umfang 
und  die  Geschwindigkeit  der  Herzschläge  in  der  Weise  sich  än- 
dern, dass  in  gleichen  Zeiten  mehr  Flüssigkeit  in  die  Aorta  dringt. 

- In  der  That  wird  dieses  von  der  Erfahrung  bestätigt,  insofern 
z.  B.  Arterien  plötzlich  zu  pnlsiren  beginnen,  die  es  vorher  nicht 
thaten,  wenn  entweder  ihre  Abflussröhren  verstopft  sind  (bei  sog. 

• Entzündungen),  oder  wenn  das  Herz  in  grosser  Aufregung  sich 
bewegt.  — Die  Erscheinung,  dass  irgendwo  im  Gefässrohr  ein 
Ort  gleichbleibendcr  Spannung  zum  Vorschein  kommt,  muss  dage 
gen  ganz  ausbleibeu,  wenn  die  Herzschläge  so  spärlich  aufeinan- 
der folgen,  dass  es  Zeiten  giebt,  in  denen  überhaupt  keine  Bewe- 
gung im  Gefässrohr  mehr  stattfindet.  Dieses  tritt  aber  gewöhnlich 


„ Digilized  by  Google 


Folgen  der  Hembewegung.  Spannung  in  den  Capillaren  und  Venen.  141 


erst  beim  Absterben  eines  Thieres  ein,  weshalb  auch  dort  noeh 
ein  wenn  auch  schwacher  Fnls  in  den  Capillaren  beobachtet  wird. 
» Die  Corvo  (Fig.  42.)  thnt  demnächst  dar,  daBs  die  mittlere 
Spannung  in  den  Arterien  von  der  Aorta  nach  den  Capillaren  in 
Abnahme  begriffen  sei.  Diese  Thatsache  ist  sogleich  begreiflich, 
wenn  man  erwägt,  dass  die  mittlere  Spannung  nichts  anderes  ist, 
als  ein  Ausdruck  für  das  Maass  der  spannenden  Kräfte,  welche  in 
dem  gerade  betrachteten  Querschnitt  von  einer  zur  andern  Zeit 
wirksam  sind.  Dass  sie  dieses  aber  bedeutet,  geht  aus  der  Defi- 
nition der  mittleren  Kraft  selbst  hervor.  Denn  sie  wird  gefunden, 
wenn  man  alle  die  verschiedenen  Spannungen  addirt,  welche  an 
einem  Ort  während  einer  bestimmten  Summe  von  Zeiteinheiten  be- 
stehen, und  die  hieraus  gebildete  Gesamrotzahl  dividirt  durch  die 
Summe  der  genannten  Zeiteinheiten.  Nun  sind  aber  alle  Ordina- 
ten  unserer  Curve  aus  gleichlangen  Zeiten  abgeleitet,  d.  h.  es  sind 
alle  die  Spannnngssummen  dividirt  worden  durch  dieselbe  Zahl; 
das  Verhältniss  zwischen  den  mittleren  Spannungen  verschiedener 
Orte  ist  also  gleich  demjenigen  der  Spannnngssummen.  In  einem 
jeden  Strom  nehmen  aber  die  bewegenden  und  damit  auch  die  span- 
nenden Kräfte  von  dem  Anfang  zum  Ende  hin  ab,  wegen  des 
Verlustes  durch  Reibung  u.  s.  w.  Der  Verlauf  dieser  mittleren 
Curve  bedeutet  also,  dass  der  Strom  im  Arteriensystem  unter  die- 
ses allgemeine  Gesetz  fällt  Wir  kommen  hierauf  bei  einer  andern 
Gelegenheit  noch  zurück. 

Unsere  Curve  lässt  endlich  schliessen,  dass  es  Zeiten  geben 
mtlsse,  in  welchen  die  Spannung  in  den  vom  Herzen  entfernter 
liegenden  Gefässabschuitten  eine  höhere  sei,  als  diejenige,  welche 
gleichzeitig  in  den  dem  Herzen  näher  liegenden  Theilen  Vorkom- 
men. Wir  brauchen  nur  anzudeuten,  dass  diese  Erscheinung  mit 
der  Wellenbewegung  und  der  Trägheit  in  Verbindung  steht,  indem 
sie  die  Folge  einer  raschen,  durch  das  System  fortschreitenden 
Bewegung  ist. 

C.  In  den  Capillaren  und  den  Venen,  wenn  letztere  nicht 
allzu  nahe  am  Herzen  liegen,  leitet  die  Herzbewegung  einen  gleich- 
mäBsigen  Strom  ein,  der  nach  allgemeingiltigen  Regeln  in  seinem 
Verlaufe  mehr  oder  weniger  rasch  an  Spannung  verliert,  je  nach 
den  Widerständen,  die  er  in  den  einzelnen  Abtheilungen  findet. 
Der  absolute  Werth  der  Spannung  in  jedem  Querschnitt  wird  na- 
türlich bestimmt  durch  die  bewegenden  Kräfte  des  Stroms  am  Be- 
ginn des  Capillarsystems.  — In  den  Venen  dagegen,  welche  nahe 


Digitized  by  Google 


142  Folgen  der  Herzbewegurg.  Spannung  in  den  Capilltren  und  Venen. 


am  Herzen  gelegen  sind,  wird  jedesmal  während  der  beginnenden 
Her/.erschlaffnng  eine  Thalwelle  erregt,  welche  naeh  der  Peripherie 
hin  fortschrcitet.  Sie  wird,  offenbar  weil  ihre  lebendigen  Kräfte  ge- 
ring sind,  rasch  zerstört,  so  dass  sie  selbst  mit  feinen  Mitteln  nicht 
jenseits  der  grossen  Kopf-  nnd  Armvenen  sichtbar  zu  machen  ist. 
Diese  Thalwelle  hat  man  früher  davon  nbleiten  wollen,  dass  sich 
das  Organ  nach  seiner  Zusammenziehnng  vermöge  seiner  elastischen 
Kräfte  erweitere.  Diese  Eigenschaft  kommt  aber  in  der  That  dem 
Herzen  nicht  zu,  und  zudem  liegen  andere  Erklärungen  auch  nahe. 
Während  der  Vorhofszusammenziehung  sind  die  Venen,  weil  sie 
sich  nicht  entleeren  können,  bedeutender  gespannt  worden.  Löst 
sich  nun  die  Zusammen/.iehung  des  Vorhofs  und  rasch  hinterher 
die  der  Kammern,  so  wird  die  gespannte  Flüssigkeit  in  den  wenig 
Widerstand  bietenden  Kaum  plötzlich  herausstttrzen , wodurch  in 
hydraulischer  Beziehung  dasselbe  erzielt  wird,  als  ob  sich  das 
Herz  erweitert  habe. 

In  allen  Fällen,  in  welchen  die  Semilunar-K lappen  die  Mün- 
dungen der  Kranzarterien  während  der  Systole  des  Herzens  ver- 
schlicssen,  kann  nach  Beendigung  der  letztem  eine  plötzliche 
Ausdehnung  der  Herzhöhle  entstehen  durch  das  Blut,  welches  nach 
Entfaltung  der  Klappen  plötzlich  in  die  kleinen  Aeste  der  Kranz- 
arterien eindringt.  Diese  Wirkung  des  Stroms  lässt  sich  an 
einem  todten  schlaffen  Herzen  nachahmen  in  dessen  Coronararte- 
rien  Flüssigkeit  unter  einem  Drucke  gefüllt  wurde,  der  dem  ge- 
wöhnlichen der  Aorta  gleichkommt  (Brücke). 

Wie  sich  die  Geschwindigkeit  des  Blutstroms  unter  dem 
Einflüsse  des  Herzens  allein  gestalten  würde  ist  uns  unbekannt. 

2.  Bewegungen  des  Brustkastens  und  seiner  Ein- 
geweide*). Da  das  Herz  und  die  grossen  GefÜssc  von  den 
Lungen  und  demnächst  von  den  Brnstwandnngen  umschlossen 
werden,  so  müssen  deren  Spannungen  und  Bewegungen  von  eiuein 
wesentlichen  Einfluss  auf  den  Bildlauf  sein.  — 

a.  Die  Beziehung  der  elastischen  Kräfte  der  Lungensubstanz 
anf  den  Blntstrom  erläuterten  wir  zunächst  ftlr  den  Zustand  des 
Brustkastens,  in  welchem  er  sich  findet,  nach  der  Ex-  und  vor  der 
Inspiration,  in  welchem  er  also  die  Stellung  eingenommen  hat,  die 


•)  Pondcn,  IT  o n l e * * und  Pfeufer'a  Zeitschrift.  N.  F.  III.  287.  und  dessen  wichtige  Ab- 
handlung. ibid.  IV.  Bd.  211.  — llniidlrlding.  If.  Bd.  n.  39*.  — C.  Ludwig,  Müllers  Archiv. 
1817.  p.  242.  — Ed.  Weber,  Leipz.  Berichte;  mntbemat.  physik.  Claste.  1860.  p.  29. 


Digitized  by  Google 


9 


Einfluss  der  Brustbewegung  auf  den  Blutstrom.  143 

ihm  vermöge  der  elastischen  Kräfte  seiner  Bestandtbeile  znkommt. 
In  dieser  Zeit  wird  anf  die  Lnngenoberfläche  von  Seiten  der  Brust- 
wand  kein  Druck  ausgetlbt;  denn  es  fehlt  jede  selbstständige  Be- 
wegung des  Brustkastens,  und  es  ist  ausserdem  die  Wandung  des- 
selben steif  genug,  um  nicht  bewegt  zu  werden  von  einem  milssi- 
gen  Unterschied  des  Luftdrucks,  der  anf  der  innern  und  äussern 
Fläche  der  Brustwand  etwa  vorhanden  wäre.  Die  Lungenober- 
fläche, welche  an  der  Brustwand  anruht,  ist  darum  nur  zwei  Kräf- 
ten ausgesetzt : dem  Lnftdrnek  und  den  elastischen  Spannungen  i 
der  Lungensubstanz.  Diese  beiden  Kräfte  wirken  aber  in  entge- 
gengesetzter Kichtnng.  Die  Luft  nemlich,  die  nur  dnreh  die 
Trachea,  nicht  aber  von  Seiten  der  innern  Brustffäche  drückt,  ent- 
feint die  Oberfläche  von  der  Wurzel  der  Lunge,  indem  sie  die 
Lunge  entfaltet.  Die  elastischen  Kräfte  der  Lungensubstanz  wir- 
ken dagegen  von  der  Oberfläche  der  Lnnge  gegen  die  Wurzel 
hin;  sic  suchen  die  entfaltete  Lunge  zusammenzndrflcken.  Der 
Beweis  dafür,  dass  diese  Kraft,  und  zwar  in  der  angegebenen 
Richtung,  wirkt,  liegt  darin,  dass  eine  möglichst  gesunde  Lunge, 
welche  man  aus  der  Brnsthöhle  herausgenommen  und  zu  dem  Vo- 
lum aufgeblasen  hat,  das  sie  in  der  Brusthöhle  einnimmt,  augen- 
blicklich zusammcnfällt,  sowie  man  die  Trachea  öffnet,  d.  h.  den 
Luftdruck  aller  Orten  glcichmacht.  Die  Lunge  kann  in  ihrer  na- 
türlichen Lage  also  nur  darum  ausgespannt  erhalten  werden,  weil 
der  Luftdruck  das  l.'ebergewicht  besitzt  Uber  die  elastischen  Kräfte 
der  Lunge.  Dieses  Uebcrgewicht  ist  durch  Messungen  nachge- 
wiesen, indem  Donders  durch  ein  besonderes  Verfahren  ermit- 
telte, dass,  im  hydrostatischen  Maasse  ausgedrückt,  die  elastischen 
Kräfte  der  Lnnge  im  Maximum  30  MM.  Quecksilber  betragen,  wäh- 
rend der  Luftdruck  in  den  bewohnten  Gegenden  sich  meist  über 
500  MM.  hält.  — Aus  allem  diesen  folgt  nun,  dass  die  Theile, 
welche  innerhalb  des  Brustkastens  an  der  von  der  Pleura  umklei- 
deten Lnngcnfläehe  anliegen,  einen  geringem  als  den  Luftdruck  zu 
ertragen  haben,  und  zwar  einen  um  das  Maas  der  elastischen 
Lungenkräfte  verminderten  Luftdruck.  Diese  Verminderung  des 
Druckes  wird  sich  an  der  Grenze  zwischen  Brustwand  und  Lunge 
nur  als  Spannung  äussern  können,  da  jene,  wie  erwähnt,  zu  steif 
ist,  um  durch  einen  Druokunterschicd  von  wenigen  MM.  Hg.  be- 
wegt zu  werden.  — Anders  gestalten  sich  dagegen  die  Dinge  an 
der  Grenze  zwischen  den  Lungen  und  dem  Herzen  mit  seinen  Ge- 
fässausläufero.  Der  Inhalt  dieser  hohleu  Organe  steht  nemlich 


Digitized  by  Google 


144 


Einathmungsbewegung. 


unter  dem  Luftdruck,  da  er  in  unmittelbarer  Berührung  steht  mit 
dem  Blut,  welches  sich  in  den  Gefässen  ausserhalb  des  Brustka- 
stens findet,  die  diesem  Drucke  zugänglich  sind,  und  ausserdem 
ist  er  noch  in  einer  Spannung,  welche  von  der  Ueberftllluug  der 
Gefässröhren  mit  Blut  herrührt.  Von  diesen  Kräften  wirkt  nun  der 
Luftdruck  demjenigen  entgegen,  welcher  von  der  Längenoberflächc 
her  auf  das  Hera  trifft;  sie  würden  sich  also  auf  heben,  vorausge- 
setzt, dass  beide  Drücke  gleichen  Werth  besässeu.  Da  nun  aber 
der  von  der  Lunge  her  treibende  Luftdruck  vermindert  ist  um  den 
Werth  der  elastischen  Kraft  in  der  Lunge,  so  gewinnt  der  von 
dem  Blutbchälter  her  wirkende  Druck  das  Uebergewicht.  Er 
sucht  somit  diese  letztem  auszudehnen.  Da  zu  diesen  ausdehnen- 
den Kräften  sich  aqch  noch  die  hinzuzählen,  welche  von  der 
Spannung  des  Bluts  in  den  Gefässen  lierrUbren,  so  müssen  unzwei- 
felhaft die  in  den  Lungen  eingebetteten  Blutbehälter  ein  Ansdeh- 
nungsbestreben besitzen.  Diesem  Bestreben  kann  aber  in  diesem 
Falle  Folge  geleistet  werden,  da  die  Wandungen  der  Hera-  und  Ge- 
füsshühlcn  in  der  That  sehr  nachgiebig  sind.  Der  Bewegung,  welche 
durch  diese  Mittel  cingeleitct  wird,  ist  erst  dann  eine  Grenze  ge- 
setzt, wenn  unsere  Gefässe  so  weit  durch  Blut  ausgedehnt  sind, 
dass  die  elastische  Spannung,  in  die  ihre  Wandungen  treten,  den 
ausdehnenden  Kräften  das  Gleichgewicht  hält.  Zu  diesem  Grade 
der  Spannung  scheinen  aber  die  venösen  Wandungen  der  Gefässe 
niemals  zu  kommen,  indem  aus  ihnen  nach  jeder  Herzbewegung 
schon  wieder  Blut  entleert  wird,  bevor  cs  sich  in  dem  verlangten 
Maasse  aufgehäuft  hat.  Wir  schliessen  hierauf,  weil  im  Leben 
immer  Luft  durch  die  vena  jngularis  in  das  Hera  eindringt,  wenn 
man  sie  biosgelegt  und  ihre  Wand  so  durchschnitten  hat,  dass  die 
Oeffnung  klaffen  kann;  es  muss  also  die  Spannung,  welche  ihrem 
Inhalt  zukommt,  niedriger  sein,  als  die  der  Luft.  Um  diese  für 
den  Kreislauf  bedeutungsvolle  Einrichtung  zur  Anschauung  zu  brin- 
gen, ist  die  Fig.  43.  gezeichnet  worden,  welche  ohne  weitere  Er- 
klärung verständlich  sein  muss.  Die  Pfeile  in  der  Herzhöhle  und 
auf  der  Lunge  deuten  die  Richtung  an,  naeh  welcher  die  ela- 
stischen Kräfte  der  Lunge  wirksam  sind,  den  Lungeninhalt  pres- 
sen und  den  Herzinhalt  auseinanderziehen. 

Diese  Saugkraft  der  Lunge  muss  aber  den  Blutstrom,  welcher 
schon  in  Folge  der  Herztkätigkeit  besteht,  modifiziren,  und  zwar 
dadurch,  dass  sie  alle  Strömungen  aus  dem  Brustkasten  hemmt, 
indem  sie  die  Zusammenziehung  der  Aorta  hindert,  dagegen  alle 


DOjitized  byGoQjle 


Bedeutung  der  Einathmung  für  den  Blutatrom.  145 


Fig.  43. 


Strömung  nach  dem  Brustkasten  fördert,  indem  sie  in  die  Venen 
desselben  den  Ort  der  niedrigsten  Spannung  legt,  wohin  selbst 
dann  noch  Flüssigkeit  läuft,  wenn  auch  die  vom  Stoss  des  Her- 
zens und  der  Spannung  der  Gefässwände  herrllhrenden  Kräfte  ver- 
zehrt sind.  — Nun  ist  aber  nicht  zu  verkennen,  dass  der  letztere 
Effect  seinem  Werth  nach  das  Uebergewicht  Uber  den  ersteren 
hat;  denn  da  die  Venen  eine  grössere  Flächcnausdehnung  haben, 
als  die  Arterien,  so  muss  ihr  Hohlraum  durch  dieselben  Zugkräfte,  die 
an  mehreren  Orten  wirken,  offenbar  vielmehr  erweitert  werden,  als 
der  der  Arterien;  zudem  sind  die  Arterienwandungeu  auch  viel 
steifer,  als  die  der  Venen.  Man  kann  also  sagen,  es  werde  die 
Blutströmung  durch  diese  Einrichtung  unterstützt. 

Ludwig,  Physiologie  11.  #.  Auflage.  |() 


Digitized  by  Google 


146 


Bed^utun^  der  Ausatmung  für  den  ßlutstrom. 


I>.  Einatbmungsbewegnng.  Diese  Bewegung  verbreitert  und 
verlängert  den  Brustraum;  sie  wird  auf  verschiedene  Weise  fltr 
die  grossen  Blutbehälter  in  der  Brust  wirksam.  1)  Da  das  Herz 
und  die  Gefässe  an  der  Brustwand  selbst  angewachsen  sind,  so 
werden  sie  geradezu  durch  die  Bewegungen  ansgespannt.  2)  Die 
Lungenoberfläche  folgt  der  Innern  Brustfläche,  und  damit  mindert 
sich  uoch  der  Widerhalt,  den  die  Lunge  den  grossen  Gefässen  bie- 
tet. Diese  Verminderung  des  Widerhalts  rlthrt  nun  nicht  etwa 
daher',  dass  während  der  Einatbmung  eine  merkliche  Differenz  der 
Dichtigkeit  in  der  äussern  und  innern  Luft  vorhanden  wäre.  Denn 
in  der  That  ist  die  Verbindung  der  äussern  mit  der  Lungenluft 
ergiebig  genug,  um  es  dahin  zu  bringen,  dass  in  dem  Momeut, 
in  welchem  eine  Luftverdünnung  in  den  Lungen  eintritt,  sie  auch 
durch  Nachströmen  aus  der  Atmosphäre  ausgeglichen  wird.  Es 
rührt  die  Verminderung  des  Widerstandes,  welche  die  äussere 
Gefüssfläche  erfährt,  vielmehr  von  der  grössern  Ausdehnung  der 
Lunge  her.  Denn  in  Folge  dieser  Ausdehnung  wird  auch  ihre 
zusammenziehende  Kraft  vermehrt  und  darum  vernichtet  sie  einen 
grössern  Antheil  des  Luftdruckes,  der  durch  ihre  Oberfläche  hin- 
durch auf  die  äussern  Geftissflächen  wirkt.  Diese  beiden  Gründe 
vereinigen  sich  somit  wiederum,  den  Strom  des  Bluts  aus  der 
Brust  zu  hemmen  und  den  nach  der  Brusthöhle  hin  zu  för- 
dern. — Donders  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  diese 
Folge  ebenso  giltig  ist  für  den  kleinen,  als  für  den  grossen  Kreis- 
lauf, da  in  beiden  Fällen  die  Capillaren  desselben  in  Flächen  lau- 
fen, die  unmittelbar  dem  Luftdruck  ausgesetzt  sind.  — Von  be- 
sonderer Wichtigkeit  wird  aber  die  Inspirationsbewegung  fltr 
den  Kreislauf  in  der  Unterleibshöhle,  weil  mit  der  Erweiterung 
der  Brusthöhle  der  Inhalt  der  Unterleibshöhle  zusammengepresst 
und  hierdurch  vorzugsweise  die  Enleeruug  der  Bauchvenen  be- 
günstigt wird. 

c.  Ausathmungsbewegung.  Da  diese  Bewegung  im  Gegensatz 
zur  Inspiration  den  Brustkasten  zusammendrückt,  so  wird  sie  auch 
für  die  grossen  Blutbehälter  der  Brust  im  entgegengesetzten  Sinne 
wirken,  indem  sie  nicht  allein  die  Ausdehnungsfähigkeit  derselben 
beschränkt,  sondern  auch  geradezu  dieselben  auspresst.  ln  Folge 
davon  wird  das  Blut  durch  die  Arterien  mit  gesteigerter  Kraft  aus 
dem  Brustkasten  geworfen  und  zugleich  auch  in  die  Venen  zn- 
rückgeschleudert , resp.  wegen  der  anwesenden  Klappen  gestaut 
werden.  — Unter  günstigen  Umständen  kann  durch  diese  Stauung 


-8*§ifesd  by-  Google 


t Einwirkung  der  Bauchwändc  und  der  Schwere  auf  den  ßlatstrnm. 


147 


eine  so  vollkommene  Unterbrechung  des  Einströmens  von  Blut  in 
die  Brusthöhle  stattfinden,  dass  dadurch  für  längere  Zeit  eine  voll- 
kommene Unterbrechung  des  Kreislaufs  bedingt  wird.  Dieses  tritt 
nach  Ed.  Weber  ein,  wenn  man  tief  inspirirt,  die  Stimmritze 
schliesst  und  dann  eine  kräftige  Ausathraungsbewegung  ausfuhrt. 
Die  eomprimirte  Luft  kann  die  Venen  vollkommen  zuscbliessen. 
Man  wird  nach  diesen  Auseinandersetzungen  erkennen,  dass  die 
Bewegungen  des  Brustkastens  im  Ganzen  und  Grossen  ganz  das- 
selbe leisten,  was  auch  die  Herzbewegung  vermag,  denn  auch  sie 
pumpen  das  Blut  aus  den  grossen  Stämmen  gegen  die  Peripherie. 
Neben  dem  unwesentlichen  Unterschied,  dass  filr  gewöhnlich  die 
Brustbewegungen  länger  anhalten  und  seltener  wiederkehren,  als 
die  des  Herzens,  besteht  aber  noch  der  eingreifendere,  dass  sie  an 
den  Arterien  und  Venen  jedesmal  in  gleichem  Sinn  die  Spannung 
ändern;  denn  die  Inspiration  minderte,  dje  Exspiration  mehrte  sie 
in  beidch,  während  das  Herz  für  beide  gerade  im  ungleichen 
Sinne  wirksam  war.  — Die  besondem  Hergänge,  welche  die 
durch  die  Brustbewegung  veränderten  Spannungen  ;n  dem  Blut- 
strom einleiten,  sind  nach  den  früher  mitgetlieilten  Hegeln  zu  be- 
nrtheilen.  Versuche,  die  den  Einfluss  der  Respirationsbeweguug 
auf  das  Blut,  gesondert  von  der  des  Herzens,  bestimmen,  sind 
nicht  ausgefUhrt. 

3.  Die  Verkürzung  oder  Erschlaffung  der  Bauchmus- 
keln, wodurch  der  Inhalt  der  Unterleibshöhle  sehr  verschiedene 
Spannungen  erfährt,  muss  natürlich  auch  unterstützend  oder 
hemmend  auf  den  Blutstrom  wirken,  da  in  der  Unterleibshöhle 
grosse  GefUsse  eingeschlossen  sind.  Die  Beurtheilung  der  Ver- 
hältnisse bietet  keine  Schwierigkeit.  Auf  einige  kleine  Besonder- 
heiten werden  wir  noch  später  die  Rede  bringen,  z.  B.  bei  der 
Leber. 

4.  Die  Schwerkraft  Man  sollte  auf  den  ersten  Blick 
denken,  dass  durch  eine  Lagenveränderung  einzelner  Theile  eines 
Köhrenwerks  von  den  Eigenschaften  des  Blntgefässsystems  gar 
keine  Bewegung  erzeugt  werden  könnte.  Betrachten  wir  in  der 
That  ein  System  (Fig.  44.),  welches  sich  dadurch  hervorhebt,  dass 
von  demselben  Punkte,  dem  Herzen  //  aus,  Röhren  ausgehn  und 
zu  ihm  znrtlekkehren,  so  kann,  vorausgesetzt,  dass  die  Wandungen 
unnachgiebig  sind , keine  Bewegung  dadurch  eingeleitet  werden, 
dass  die  einzelnen  oder  die  Gcsammtzahl  der  Röhren  in  eine 
andere  Lage  übergeht.  Setzen  wir  z.  B.,  dass  der  Röhrenbogen 

io* 


Digitized  by  Google 


148 


Blututrömnngrn  in  Folge  der  Sckwerkmfl. 


Fig.  44. 


A V ans  der  gehobenen  Lage  1 in  die  gesenkte  TT  übergeht,  so 
wird  nun  allerdings  die  Flüssigkeit  der  Spitzen  hei  TT,  die  vor 
her  keine  Last  von  Seiten  der  Schwere  zu  ertragen  hatte,  ge- 
drückt werden  durch  eine  Säule  von  der  senkrechten  Hiihe  o q. 
Aber  dieser  Druck  wird  mit  gleichem  Werth  ebensowohl  durch 
den  Zweig  A als  durch  den  von  V hindurch  auf  die  Spitze  ausge- 
Ubt,  und  somit  ist  die  Bewegung  unmöglich.  Wenn  aber,  wie  in 
unserm  Rührensystem,  die  Wandungen  ausdehnbar  sind,  so  muss 
beim  Uebergang  aus  der  einen  in  die  andere  Stellung  unzweifel- 
haft eine  Bewegung  auftreten ; denn  in  der  ersten  Stellung  lastete 
auf  der  Spitze  des  Rübrensystems  kein  Druck,  wohl  aber  auf  dem 
Beginn  desselben  ein  solcher  von  dem  Werthe  o p.  Gerade  umge- 
kehrt verhält  sich  die  Sache  bei  der  Stellung  von  IT,  wo  die 
Spitze  unter  dem  grossem  und  der  Anfang  der  Schlinge  unter  dem 
geringeren  Druck  steht;  somit  wird  sich  in  dem  erstem  Fall  der 
Anfang,  in  dem  letztem  die  Spitze  erweitern,  und  dieses  geschieht 
dadurch,  dass  beim  l.'ebergang  aus  1 in  II  ein  Strom  von  dem 
Anfaug  gegen  das  Ende  der  Schlinge  und  bei  Ueberragung  aus 


Digitized  by  Google 


Blutstrome  «durch  Wirkung  der  GefaMmnskeln. 


149 


II  in  I da»  umgekehrte  eintritt.  Dieser  Strom  kann  jedoch  nur 
so  lange  andauern,  bi»  die  betreffende  Stelle  zu  einer  dem  Druck 
entsprechenden  Erweiterung  oder  Verengerung  gekommen  ist. 
Ebensowenig  kann,  wenn  die  neue  Verkeilung  des  Inhalts  einmal 
geschehen  ist,  durch  den  eben  betrachteten  Uebergang  aus  einer 
in  die  andere  Stellung  einer  andern  Bewegnngsursache,  die  an  der 
Mündung  eines  Kohr»  wirkt,  eine  Hemmung  oder  Begünstigung 
ztigefligt  werden,  da  die  Schwere  immer  nur  gerade  so  viel  die 
andern  treibenden  Kräfte  in  dem  absteigenden  Köhrenstück  stei- 
gert, als  sie  dieselben  in  dem  aufsteigenden  mindert. 

5.  Verkürzung  der  Muskeln  in  der Gefäss wand  und 
in  den  Umgebungen  der  Gefässe.  Diese  Muskeln  können 
trotz  ihrer  verschiedenen  Lagerung  ihrer  Wirkung  nach  doch  ge- 
meinsam behandelt  werden,  wegen  der  zahlreichen  Analogien  in 
dieser  Richtung.  — Die  Zusammenziehung  dieser  Muskeln  erzeugt 
zunächst  in  allen  Fällen  eine  Verengerung  des  Gefässlumens,  und 
insofern  müssen  durch  dieselbe,  vorausgesetzt,  dass  sie  sich  nicht 
Uber  das  ganze,  sondern  nur  Uber  einen  grossem  oder  kleinern 
Theil  der  Gefässe  erstrecken,  Blutbewegungen  eingeleitet  werden, 
welche  ganz  den  Charakter  der  durch  die  Herzbewegung  eingo- 
leiteten  tragen.  Denn  es  ist  ersichtlich,  dass  durch  eine  mehr  oder 
weniger  plötzliche  Verengerung,  die  die  Gefässe  in  beschränkter 
Ausdehnung  erleiden,  eine  Welle  entstehen  muss,  dass  ferner  we- 
gen eintretender  Spannungsungleicbheit  ein  Strömen  beginnt,  und 
endlich  dass  wegen  der  Ventile,  die  in  das  Röhrenwerk  gelegt 
sind,  der  Strom  die  der  ßlutbewegung  allgemein  zukommende  Rich- 
tung annehmen  muss.  — Trotz  alle  dem  muss  aber  doch  dem 
Strom  aus  diesen  Gründen  eine  nur  untergeordnete  Bedeutung  zu- 
geschriebeu  werden.  Denn  einmal  erfolgen  diese  Bewegungen  zu 
unregelmässig,  und  namentlich  fehlen  sie  oft  lange  Zeit,  wie  z.  B. 
im  Schlaf  u.  s.  w.  Dann  aber  erfolgen  die  Bewegungen  der 
Gefässe,  da  sie  von  glatten  Muskeln  ausgefUhrt  werden,  sehr  all- 
mählig,  und  noch  mehr  die  einmal  eingetretene  Verkürzung  bleibt, 
wie  die  nun  schon  sehr  zahlreichen  Erfahrungen  an  theils 
blossgelegten,  theils  durch  die  Haut  sichtbaren  GefÄssen  erwei- 
sen, sehr  lange  stabil,  so  dass  eine  dauernde  Veränderung  des 
Lumens  besteht.  Endlich  aber,  und  dieses  ist  besonders  zu  beto- 
nen, hemmen  die  verengerten  Stellen  den  von  dem  Herzen  aus- 
gehenden Strom,  so  dass  die  Zusammenziehungen  eher  als  Be- 
schränkung»-, denn  als  Förderungsmittel  des  Blutstroms  anzusehen 


t 


Digitized  by  Google 


150  Strömung  wegen  des  Austritts  von  Flüssigkeit^  durch  die  Gefasswand. 


sind.  Diese  Bemerkungen  schliessen  den  bekannten  Satz  nicht 
ans,  dass  die  GefUssnraskeln  von  Wichtigkeit  flir  die  Blutver- 
theiinng  sind. 

6.  Ein-  nnd  Austritt  von  Fltlssigkeiten  in  die  Ge- 
fässlnmina.  Während  des  Lebens  treten  ununterbrochen  in  die 
Gefässröhren  Flüssigkeiten;  am  hervorragendsten  geschieht  dieses 
durch  einen  bald  stärkern,  bald  schwachem  Einfluss  in  die  venae 
jugulares  aus  den  Lyniphgängen , und  durch  üiffussion  in  die 
Dannvenen  während  der  Verdauung.  Nicht  minder  entlässt  auch, 
insbesondere  durch  Verdunstung  auf  Lungen  und  Haut  und  durch 
flüssige  Entleerung  in  den  Nieren-,  Speichel-,  Schweissdrüsen  u.  s.  f. 
das  Gefässlumen  einen  merklichen  Theil  seines  Inhalts.  Durch 
den  Eintritt  wird  unzweifelhaft  an  dem  einen  Orte  die  Spannung 
erhöht  und  durch  den  Austritt  an  dem  andern  erniedrigt,  und  so- 
mit müsste  auch  ohne  Zuthun  anderer  Hilfsmittel  ein  Strom  von 
den  ersteren  zu  den  letzteren  Stellen  gehen.  Diese  Strömungen 
können  aber  neben  den  andern  intensiven  Störungen  des  Gleich- 
gewichts nur  von  untergeordneter  Bedeutung  werden,  nm  so  mehr, 
als  der  Zu-  und  Abfluss,  den  sie  veranlassen,  nur  sehr  allmählig 
geschieht.  Sie  sind  dagegen,  wie  schon  oben  bemerkt  wnrde, 
entscheidend  für  die  Erhaltung  der  Gesammtspannung  der  Stroni- 
röhren,  resp.  für  die  Anfüllung  derselben  mit  Flüssigkeit  über- 
haupt. 

Ausser  diesen  Hilfsmitteln,  welche  mit  messbaren  Kräften  zur  Erhaltung  des 
Kreislaufs  beitragen , glauben  viele  Schriftsteller  älterer  und  neuerer  Zeit  noch  au  der 
Annahme  anderer  gezwungen  zu  sein.  Sie  begründen  diese  Forderung  entweder  mit 
einem  physikalischen  Missverstandniss,  oder  durch  meist  sehr  verwickelte,  zum  Theil 
pathologische  Vorgänge.  Ein  physikalisches  Missverstandniss,  auf  welches  hier  ange- 
spielt wird,  liegt  der  Behauptung  zu  Grunde;  dass  die  Kräfte  des  Herzens  und  des 
Brustkastens  nicht  hinreichen,  um  die  Reibungs-  und  sonstigen  Widerstande  zu  über- 
winden, welche  sich  dem  Blntstrora  in  den  kleinsten  Gefässen  entgegensetzen.  Indem 
man  dieses  aussprach,  bedachte  man  nicht,  dass  alle  Widerstände,  welche  sich  in 
einer  beliebigen  Röhre  am  Strom  entgegenstemmen,  mit  den  lebendigen  Kräften  dieses 
letztem  steigen  und  fallen,  so  dass  ein  langsam  und  mit  geringer  Spannung  fließender 
Strom  auch  geringe  Widerstande  zu  überwinden  hat.  Darum  kann  behauptet  werden, 
dass  die  Bewegungen  der  Herz-  und  Brustmuskeln,  auch  wenn  sie  tausendmal  weniger 
Kraft  entwickelten,  als  sic  in  der  Tbat  ausüben  , doch  einen  Strom  vom  Herzen  bis 
zurück  zu  ihm  erzeugen  würden,  vorausgesetzt  nur,  dass  diese  Bewegungen  hinreichten, 
um  einen  Spannungsunterschied  der  Flüssigkeit  im  arteriellen  und  venösen  System 
hervorzurufen.  Der  Strom  würde  dann  freilich  mit  einer  viel  geringeren  Geschwindig- 
keit und  Spannung  dahin  gehen.  — Eine  andere  Reihe  von  Autoren  giebt  jenen 
Grund  preis,  beruft  sich  aber  auf  den  reichlicheren  Zufluss  von  Blut,  welcher  zu  den 
Körpertheilen  zn  Stande  kommt,  in  denen  eine  vermehrte  Absonderung  von  Flüssig - 


t 


Digitized  by  Google 


Heber  andere  Stromungsursachen. 


151 


keit,  eine  gesteigerte  Neubildung  von  GewebsbesUndtheilen , oder  eine  Entzündung 
vorkommt.  Man  glaubt  diese  Steigerung  der'  Blutzufuhr  erklären  zu  müssen  aus  einer 
Anziehung , welche  sich  entweder  zwischen  dem  thätigern  ticwebe  und  dem  Blute  neu 
entwickelt  hat,  oder  aus  der  Steigerung  einer  schon  bis  dahin  nur  im  schwächeren 
tirade  bestehenden  Verwandtschaft.  Wenn  man  nicht  in  ganz  willk&hrliche  Annahmen 
verfallen  will,  so  kann  man  mit  dieser  Verwandtschaft  entweder  nur  eine  partielle 
Stockung  des  lllutstroms  erklären,  oder  eine  sehr  unbedeutende  Vermehrung  des 
Stroms  von  den  Arterien  zu  den  Capillaren,  verbunden  mit  einer  Schwächung  dessel- 
ben von  den  letztem  tiefässen  zu  den  Venen.  Das  ersten'  würde  eintreten , wenn  die 
auf  das  Blut  wirkende  Anziehung  ihren  Sitz  an  der  innem  Wandfläche  des  Gefässe* 
besässc ; sic  würde  die  unmessbar  dünne  Wandschicht  des  Stromes  hemmen,  die  Mittel- 
schicht desselben  dagegen  ungestört  strömen  lassen,  da  alle  chemischen  Anziehungen 
nur  in  unmossbar  kleinen  Entfernungen  wirken.  — Der  andere  Fall  aber  würde  ein- 
treten, wenn  die  anziehende  Substanz  an  der  äusscra  Wandfläche  gelegen  wäre;  sie 
würde  dann  aus  der  Wand  die  betreffenden,  in  sic  eingedrungenen  Blutbestandtheile 
anziehen , und  ihre  Wand  würde  sich  dann  wieder  aus  dem  Blute  mit  Flüssigkeit 
tränken  und  somit  einen  Zweigstrom  durch  die  Wand  hindurch  bedingen.  Hierdurch 
würde  dio  Spannung  des  strömenden  Blnts  an  der  Stelle  des  Rohrs  erniedrigt,  an 
welcher  der  Austritt  von  Flüssigkeit  stattgefunden , und  somit  auch  der  Widerstand, 
welcher  sieh  dem  vom  Herzen  nach  drückenden  Blut  entgegensetzt.  Zugleich  aber  wür- 
den mit  der  Wegnahme  bewegter  Flüssigkeit  aus  dem  Rohr  die  lebendigen  Kräfte  der 
Flüssigkeit  innerhalb  der  absnndemden  Röhren  vermindert  und  damit  die  Triebkraft  für 
den  Strom  von  dieser  Stolle  aus  geschwächt.  — Wollte  man  beides,  einen  gesteigerten 
Zu-  und  Abfluss  erklären  mit  Hilfe  solcher  Kräfte,  dio  an  und  in  der  Wand  thätig 
sind,  so  wäre  man  genöthigt,  anziehende  und  abstossende  Wirkungen  in  kurz  aufeinan- 
dorfolgenden  Zeiten  abwechselnd  von  demselben  Orte  ausgehen  zu  lassen.  — Bevor 
inan  nun  die  einfacheren  Wege,  welche  zu  einer  Erklärung  führen,  verlässt  und  sieh 
zu  dunklem  wendet , wäre , wie  billig,  der  Hergang,  der  zu  solchen  Annahmen  führte, 
genauer  zu  untersuchen  gowesen.  Da  man  diese  Bedingung  bis  dahin  nur  sehr  mangel- 
haft befriedigt  hat,  so  lässt  sich  der  einen  nur  die  andere  Hypothese  entgegenstellen. 
Indem  man  sich  hierzu  versteht,  kaun  man  wahrscheinlich  machen,  dass  die  An- 
ziehungen (ihr  Bestehen  vorausgesetzt)  gar  nicht  im  Stande  sind,  den  Blutstrom  in  der 
auffallenden  Weise  zu  verändern , in  der  dies  meist  in  entzündeten , hypertropischen, 
stark  absondernden  Organen  geschehen  ist.  — Zuerst  übersehen  wir,  indem  wir  die 
Abhangigkeitaverhältnisse  zwischen  Stromwandung  und  anziehenden  Kräften  überlegen, 
dass  der  Strom  in  den  Arterien  in  dem  Maasse  an  Geschwindigkeit  zunehmen  musste, 
in  welchem  durch  die  Anziehung  Flüssigkeit  aus  dem  Gefässlumcn  herausgezogen  wird- 
Wir  sehen,  nun  aber  sogleich,  dass  in  den  meisten  Fällen,  besonders  in  allen  Ent- 
zündungen fester  Tkeile,  die  ans  der  Gefässhökle  geführte  Flüssigkeitsmenge  nur  sehr 
gering  sein  kann  und  dass  sie  unter  allen  Umständen  verschwindet  gegon  da»  Flüssig- 
keitsvolum, uas  aus  andern  Gründen  durch  das  Stromrohr  geführt  wird.  Also  muss 
auch  die  beschleunigende  Wirkung  der  Anziehung  verschwinden.  — Dann  aber 
ist  ersichtlich , dass  die  Spannung  in  der  zuftihrenden  Arterie  in  den  erwähnten 
Fällen  immer  niedriger  als  im  Normalzustände  sein  müsste,  wenn  in  Folge  der  An- 
ziehung Blutflüssigkeit  aus  den  Capillaren  entleert  würde , nnd  dass  sic  nur  um  ein 
unmessbarcs  erhöht  sein  dürfte,  wenn  durch  die  Anziehung  die  stockende  Wandschicht 
des  Stroms  an  Durchmesser  zunähine.  Nun  sehen  wir  aber,  dass  auch  Absonderungen 
insofern  sie  von  einer  Aenderung  des  Blutstroms  begleitet  sind , immer  eine  erhöhte 


Digitized  by  Google 


152  Wesentliche  und  unwesentliche  Triebkräfte. 

Spannung  in  den  zufuhrenden  Arterien  mit  sich  bringen.  Diese  Erscheinung  macht 
also  sogleich  die  Anziehungshypothcsc  unwahrscheinlich  , indem  sie  ihren  Folgerungen 
widerspricht.  — Viel  annehmbarer  erscheint  darum  die  Behauptung,  dass  die  Ver- 
änderung des  Stroms  sich  erst  einfindet,  wenn  aus  irgend  welchen  Gründen  eine  Vor-  • 
ongerung  oder  Erweiterung  der  leicht  beweglichen  GefässrShren  des  entzündeten  oder 
absondemden  Organes  eingetreten  ist.  Dass  aber  hieraus  wesentliche  Veränderungen 
des  gewöhnlichen  Stromes  entstehen  können,  werden  wir,  soweit  dieses  nicht  schon 
geschehen  ist,  demnächst  noch  zu  sehep  Gelegenheit  haben. 

Wir  haben  einem  alten  Gebrauch  zufolge*)  wesentliche  und  un- 
wesentliche Triebkräfte  des  Blutstroms  unterschieden.  Nach  unseren 
Mittheilungen  kann  sieh  diese  Trennung  nur  beziehen  auf  den  An- 
thcil,  welchen  die  einzelnen  Bewegnngsursachen  an  der  Gesammt- 
kraft  des  Stromes  besitzen , so  dass  wir  die  Kräfte , denen  der  Strom 
den  grössten  Theil  seiner  Spannung  und  Geschwindigkeit  verdankt, 
die  wesentlichen  nennen.  Als  wesentliche  wurden  aber  bezeichnet 
die  Herz  - und  Brustbewegung,  weil  erfahrungsgemäss  der  Blutstrom 
den  bei  weitem  grössten  Theil  seiner  Spannung  und  Geschwindig- 
keit verliert,  so  wie  diese  bewegenden  Kräfte  ausfallen.  Die  Ver- 
suche, auf  welche  sich  dieser  Ausspruch  stützt,  sind  vollkommen 
beweisend,  wenn  sie  auch  nicht  bis  zu  dem  Grade  von  Genauig- 
keit geführt  werden  können,  um  den  Einfluss  eines  jeden  einzelnen 
Einflusses  in  scharfem  Maasse  anzugeben.  — Denn  wenn  man 
z.  B.  durch  Vaguserregung  das  Hera  zum  Stillstand  zwingt,  so 
sinkt  alsbald  die  Spannung  ih  den  Arterien  fast  bis  zur  Spannung 
der  Buhe,  der  Strom  in  den  Capillaren  wird  so  langsam,  dass  in 
ihnen  keine  Bewegung  zu  sehen,  selbst  wenn  die  etwa  bestehende 
Geschwindigkeit  durch  das  Mikroskop  um  mehrhundertfach  ver- 
gröBscrt  wird,  und  die  Spannung  in  den  Venen  mehrt  sieh  in  der 
Ruhe,  Spannungsunterschiede  und  Geschwindigkeiten  kehren  aber 
wieder  zurUck  in  dem  Maasse,  in  welchem  die  Herzschläge  wieder- 
kehren. Nichts  ähnliches  tritt  ein,  wenn  wir  die  Gliederbewegung 
aussetzen,  die  Diffussionen  und  Absonderungen  beschränken,  wäh- 
rend das  Hera  schlägt.  — Nächst  dem  Herzen  setzen  wir  den 
Brustkorb,  einmal  darum,  weil  für  gewöhnlich  dieses  Gebilde  in 
die  Gcfässbahn  einen  Ort  von  sehr  niederer  Spannung  bringt,  dann 
aber  auch,  weil  die  Bewegungen  des  Brustkastens,  wenn  sie  ener- 
gisch sind,-  dem  Blut  sehr  kräftige  Stösse  zu  geben  im  Stande  sind, 
wie  uns  das  die  Messungen  noch  zeigen  werden.  Wir  sind  leider 
nicht  im  Stande,  die  kräftigen  einander  rasch  folgenden  Brustbe- 


•)  Volkmann,  Hacmodynamik.  p.  292. 


Digitized  by  Google 


Absolute  Werthe  der  Strnmspanming. 


153 


wegnngen  herbeizuführen,  wenn  der  Herzschlag  steht.  — Aehnliche, 
aber  schon  untergeordnete  Wirkungen  zeigen  die  Bewegungen  der 
Muskeln  am  Bauch,  den  Gliedmaassen  und  den  Gefasswänden.  — 
Wenig  einflussreich  künnen  der  Natur  der  Sache  nach  auch  die 
Kräfte  sein,  welche  durch  die  Gefässwandungen  hindurch  Flüssig- 
keit aus  dein  Gefässsvstem  ansziehen  oder  in  dasselbe  treiben. 
Wie  gross  diese  Kräfte  auch  an  und  für  sich  sein  miigen,  sie  sind 
fllr  den  Blutstrom  nur  in  so  fern  von  Bedeutung,  als  sie  im  Stande 
sind , den  Inhalt  der  Gefässrühren  zu  mehren  oder  zu  mindern,  oder 
anders  ansgedrttckt,  durch  die  Geschwindigkeit  und  den  Umfang  - 
des  Stroms,  welchen  sie  durch  die  Gefasswand  fuhren , denn  cs 
kann  von  den  übrigen  Gefässprovinzcn  in  die  absondemden  nur 
so  viel  einfliessen,  als  aus  diesen  letzteren  durch  die  Absonderung 
entfernt  wird.  Nun  treten  in  der  That  aus  den  Nieren  oder  den 
Lungen  täglich  nur  einige  Tausend  Cnbikeentimeter  Flüssigkeit 
aus,  der  Blutstrom  führt  durch  diese  Organe,  wie  uns  eiue  über- 
schlägliche Rechnung  zeigt,  aber  täglich  Millionen  von  Cubikcenti- 
meter  Blut;  es  verschwindet  also  der  Sekretionsstrom  gegen  den, 
welchen  die  andern  Kräfte  erzeugen. 

Man  hat  zuweilen  neben  diesem  hier  herrorgehobenen  Unterschied  die  erzeugen- 
den Kräfte  des  Blutstroms  auch  danach  geschieden , ob  sie  im  Stande  wären , den 
Strom  nur  durch  einzelne,  z.  B.  die  Arterien,  Venen  u.  dgl. , oder  auch  sämmtliche 
Abschnitte  des  Gefüsstystems  zu  führen.  Dieser  Unterscheidung  ist  aber  kein  Werth 
heizulcgon,  da  jede  Kraft,  welche  zwei  Orten,  die  durch  eine  Klappe  getrennt,  eine 
ungleiche  Spannung  zu  ertheilen  vermag,  auch  einen  Strom  durch  das  ganze  System 
herbeiführen  muss.  Es  würde  hierzu  also  eben  so  wohl  die  Saugkraft  der  Brust  als 
die  Stosskraft  des  Herzens  hinreichen,  weil  im  kommunizirenden  Köhrensystem  sich 
die  ungleichen  Spannungen  des  Inhalts  ausgleichen. 

Die  absoluten  Werthe  der  Spannungen  im  Blutstrom. 

Die  Versuche,  welche  die  Spannungen  im  Blntstrom  und  die 
Veränderungen  in  der  Zeit  zu  messen  oder  zu  schätzen  trachteten, 
sind  meist  so  angestellt  worden,  dass  der  Antheil,  den  die  ein- 
zelnen .stromerzeugenden  Kräfte  an  ihnen  nehmen,  nicht  gesondert 
zu  bemessen  ist.  — Die  Hilfsmittel,  welche  man  beim  Menschen 
zu  Rathe  ziehen  kann,  um  den  Werth  der  bestehenden  Spannung 
zn  messen,  Bind  so  unvollkommen,  dass  sie  niemals  mehr  als  ganz 
grobe  Unterschiede  zweier  verschiedenen  Werthe  erkennen  lassen; 
ttber  die  absoluten  Werthe  der  verglichenen  Spannungen  erhalten 
wir  aber  dnreh  sie  gar  keinen  Aufschluss.  Genaue  aber  weitaus 
nicht  überall  genügende  Messungen  dieser  Verhältnisse  lassen  sich 
durch  das  Manometer  bei  Thieren  gewinnen.  — Gewisse  Kigen- 


Digitized  by  Google 


154 


Messung  der  Stromspannung ; Spbygmograph. 


tkttrnlichkciten  der  zeitlichen  Veränderungen  in  den  Drücken  sind 
dagegen  beim  Menschen  und  in  noch  ausgedehnterem  Maasse  bei 
Thieren  scharf  zu  bestimmen. 

lieber  die  Spannung  de»  menschlichen  Blute»  kann  inan,  seltene  Ausnahmen  abge- 
rechnet, nur  Erfahrungen  sammeln  durch  die  Veränderungen,  welche  in  Folge  dcsscl- 


Fig.  45.  r 


ben  die  Gefässwandungen  erleiden.  — Hierzu  bedient 
man  »ich  am  schmucklosesten  des  Fingers,  welcher  den 
Widerstand  schätzt,  den  ein  Gefass  der  Zusammenpressung 
entgegenstellt,  oder  auch  der  sichtbaren  Ausdehnung  und 
Farbenveränderung  gewisser  Gefässrcgionen.  Diese  Boob- 
achtungsweise  hat  man  zu  vervollkommnen  getrachtet  durch 
die  Auwendung  eines  Glasröhrchens,  das  an  seinem  obern 
Ende  zu  einer  offenen  Capillarc  ausgezogen,  an  seinem 
untern  aber  mit  einer  nachgiebigen  Blase  geschlossen 
war.  Man  soll  dieses  Gefass  mit  Flüssigkeit  füllen,  die 
Blase  auf  die  Haut  setzen,  welche  über  eiue  Arterie  wog- 
läuft,  andrücken,  und  4**  Spiel  der  Flüssigkeit,  welches 
durch  das  Klopfen  der  Arterie  herbeigeführt  wird,  in  dem 
engen  Ausläufer  vergrössert  beobachten  (Herisson).  — 
Weit  vollkommener  als  hierdurch  gelingt  die  Nachweisung 
wesentlicher  Eigenschaften  des  Pulses  durch  den  schreiben- 
den Fühlhebel , dem  Vierordt*)  als  Sp  hy  ginogra  ph 
(Fig.  45)  folgende  Einrichtung  gegeben  hat.  Auf  die 
Haut,  welche  eine  leicht  zugängliche  Arterie  bedeckt,  legt 
er  ein  Plättchen  («),  Ton  dem  ein  Stäbchen  senkrecht  zu 
dem  Ende  des  kurzen  Arms  eines  Fühlhebels  bc  aufsteigt, 
an  dem  es  sich  befestigt.  Der  lange  Arm  des  Hebels  d r, 
der  die  Ausschläge  des  kurzen  10  bis  30  mal  vergrössert, 
ist  am  freien  Ende  tnit  einer  der  zarter  gehenden  Vorrich- 
tungen in  Verbindung,  welche  die  Kreisbewegung  die- 
ses Endes  in  eine  gradlinige  übersetzen ; diese  Einrichtung 
trägt  ein  Menschenhaar  *,  das  die  Auf-  und  Abgänge  des 
Hebels  auf  ein  hcrusstes  Papier  fixirt,  welches  über  den 
Umfang  eine«  mit  bekannter  Geschwindigkeit  sich  drehen- 
den Cylinders  gespannt  ist. 

Um  den  Gang  des  Hebels  von  mancherlei  andern 
Bewegungsursachen  unabhängig  zu  machen,  die  sich  hier 
cinmischen  könnten,  giebt  Y i erordt  zahlreiche  Vorschrif- 
ten; so  »teilt  er  die  Gliedmaasse  fest,  welche  die  Arterie 
trägt,  und  Überzeugt  sich  durch  ein  sicheres  Verfahren, 
dass  ihm  dieses  gelungen;  die  Schwingungen  in  Folge 
der  Trägheit  beseitigt  er  dadurch,  dass  er  sowohl  die 
Gesammtmasse  des  Hebels  durch  Auflegen  von  Gewichten 
als  auch  den  Druck,  welche  dieselbe  auf  das  Gefüss  ausübt. 


so  lange  (durch  Acquilirriren  des  entgegengesetzten  Armes)  regelt,  bis  der  Hebel  mit 


der  gewünschten  Geschwindigkeit  aufgehoben  wird.  Nicht  mindere  Aufmerksamkeit 


•) 


Die  Lehre  von»  Arterienpula.  ltraun»cl>nelg>ltgH». 


Digitized  by  Google 


lieber  die  Messung  durch  da«  regi«trirende  Manometer. 


155 


schenkt  er  der  Verbindung  zwischen  Uaut  und  Plättchen , um  die  erste  so  nachgiebig 
zu  machen,  dass  das  letztere  jeder  Pulslage  auch  wirklich  folgen  könne.  Eine  Ein- 
richtung ist  Yierordt  jedoch  noch  nicht  gelungen,  nämlich  die  Herstellung  einer 
solchen  Verbindung,  dass  in  zwei  verschiedenen  Versuchen  aus  der  Grosse  des  Hebel- 
Ausschlages  die  Durchmesser  - Vermehrung  der  Arterien  abgeleitet  werden  könnte. 
Unter  vorsichtiger  Benutzung  in  sachverständigen  Händen  wird  dieses  Instrument 
ebensowohl  den  Zeitraum  bestimmen,  der  zur  Vollendung  sei  es  einer  ganzen  oder  nur 
der  auf-  oder  absteigendeu  Pulsbewegung  verbraucht  wird,  und  unter  Umständen  auch 
die  Abhängigkeit  darstellen,  in  welcher  das  Wachsthum  des  Artericn-Durchrnessers  zur 
Zeit  steht.  Dieses  ist  natürlich  nicht  gleichbedeutend  mit  dem  Wachsthum  des  Blut- 
drucks, wegen  der  bekannten  Eigenschaft  der  Arterieuwand,  sich  nicht  direkt  pmportinal 
mit  der  steigenden  Belastung  auszudehnen,  vorausgesetzt,  dass  diese  letztere  nur  kürzere 
Zeit  hindurch  einwirkt.  Aus  diesen  and  andern  Gründen  ist  das  Instrument  auch 
nicht  geeignet,  relative  oder  absolute  Angaben  über  den  Blutdruck  zu  machen,  voraus- 
gesetzt, man  wollte  über  die  Angaben  hinausgehen , dass  einem  grösseren  Durchmesser 
der  Arterie  eine  höhere  Blutspannung  entspreche  als  einem  geringeren. 

ln  einzelnen  Fällen  ist  es  auch  vorteilhaft  gewesen,  das  Metronom  zu  ge- 
brauchen , um  ein  ungefähre«  Maas«  für  den  zeitlichen  Abstand  zweier  Pulsschlägc  zu 
erhalten.  Donders  stellt  das  Instrument  so  ein,  dass  die  Schläge  desselben  mit 
denen  des  Pulses  zusammenfallen.  Wird  nun  durch  irgend  welchen  Umstand  die 
Schlagfolge  des  Herzens  vorübergehend  geändert,  so  ist  aus  der  Vergleichung  mit  dem 
Metronom  leicht  anzugeben,  ob  die  Uerzpausen  verlängert  oder  verkürzt  sind. 

Zur  Messung  der  Spannungen  bei  Thicren  bedient  man  sich  auch  hier  des  Druck- 
zeichners (Fig.  35).  Er  hat  vor  allen  übrigen  denkbaren  Instrumenten  den  Vorzug, 
dass  die  Blutspannung  durch  eine  Flüssigkeit  gemessen  wird,  so  dass  die  Angaben  des 
Messinstruments  sogleich  brauchbar  sind,  ohne  irgend  welchen  Umsatz  in  ein  anderes 
Maas«  erfahren  zu  müssen. 

Wenn  nun  aber  das  registrirende  Manometer  dazu  benutzt  wer- 
den soll,  um  Drücke  zu  messen  und  aufznschreiben , die  mit  der 
steigenden  Zeit  in  sehr  auffallendem  Grade  wachsen  und  sinken, 
so  ist  eine  besondere  Betrachtung  nöthig,  ob  die  vom  Instrument 
gegebene  Curve  das  wahre  Spiegelbild  des  Vorgangs  in  dem  Ge- 
fässe  ist,  mit  andern  Worten  ob  in  der  That  der  in  jedem  Augen- 
blick anfgczeichnete  Druck  auch  im  Gefäss  als  solcher  vorhanden 
ist.  Diese  Voraussetzung  würde  erfüllt  sein,  wenn  der  Druck  im 
Blute  und  im  Glasgefäss  sich  momentan  ansgleichen  könnte  und 
wenn  das  Quecksilber  sich  nur  unter  dem  Einflugs  des  jeweilig 
vorhandenen  Blutdruckes  bewegte. 

Indem  wir  zuerst  den  letzten  Punkt  ins  Auge  fassen , leuchtet 
sogleich  ein,  dass  das  Quecksilber,  welches  bisher  unter  dem  Ein- 
fluss der  stets  geänderten  Blntdrücke  auf-  und  abgeht,  vermöge 
seiner  Trägheit  auch  noch  dann  mit  seiner  bisherigen  Uesehwindig- 
keit  fortschreiten  würde , seihst  wenn  es  dem  Einflüsse  des  Blut- 
druckes entzogen  wäre.  Demnach  würde  also  die  wahre  Bewegung, 


Digitized  by  Google 


156 


Dm  repistrirende  Manomnter. 


die  das  Quecksilber  in  jedem  Angenblick  annimmt , abhängen  von 
dem  Stoss , den  es  in  ihm  empfängt  und  dem  Bewegungsbestreben, 
welches  ihm  seiner  Trägheit  wegen  noch  anklebt.  Hieraus  leuchtet 
sogleich  weiter  ein , dass  die  Bewegung  des  Quecksilbers  nur  dann 
dem  Gange  des  Blutdruckes  entspricht,  wenn  es  gelingt,  den  ihm 
wegen  der  Trägheit  anhaftenden  Stoss  der  bewegenden  Kräfte  ver- 
schwindend klein  zu  machen  gegen  denjenigen,  der  hervorgeht  aus 
dem  in  jedem  Augenblicke  neu  hinzukommenden  positiven  oder 
negativen  Spanuungszuwachs,  Diese  Forderung  lässt  sich  aber 
auf  genügende  Weise  befriedigen.  Zu  dem  Ende  muss  die  Masse 
des  im  Manometer  aufgehäuften  Quecksilbers  möglichst  gering  ge- 
nommen werden;  eine  Maassregel,  die  jedoch  hald  darin  ihre  Grenze 
findet,  dass  die  Länge  der  Quecksilbersäule  nicht  unter  einen  be- 
stimmten Werth  herabsinken  darf,  soll  sie  anders  dem  Blutdrücke 
noch  das  Gleichgewicht  halten,  und  dass  sich  der  Anwendung 
des  zeichnenden  Schwimmers  Schwierigkeiten  in  den  Weg  setzen, 
wenn  ihr  Querschnitt  unter  2 — 4 Mm.  Durchmesser  absteigt.  Daraus 
folgt,  dass  in  die  Röhre  25  bis  50  Gr.  Quecksilber  gefttllt  werden 
mtlssen.  In  der  That  kann  aber  auch  bis  zur  letzten  Gewichtsmenge 
gestiegen  werden,  vorausgesetzt,  dass  man  den  Blutdruck  einer 
grösseren  Arterie  bei  Hunden  von  mittlerem  Körpergewicht  messen 
will.  — Zweitens  müssen  die  Wandungen  der  Verbindungsröhre 
zwischen  Blut  und  Quecksilber  aus  steifen  Stoffen  (Messing,  Blei 
oder  Zinn)  gebaut  und  ihr  Hohlraum  durchaus  nur  mit  tropfbarer 
Flüssigkeit  gefüllt  und  somit  alle  Luftblasen  vermieden  sein.  Der 
Vortheil,  welchen  diese  Verbindungsart  bietet,  besteht  darin,  dass 
sich  dann  das  Quecksilber  nur  in  so  weit  bewegen  kann,  als  Blut 
aus  den  Gefässröhrcn  nachdringt  oder  dorthin  ausweicht.  Hierdurch 
wird  aber  offenbar  die  Bewegung  des  Quecksilbers  mit  allen  «len 
bewegungsverzehrenden  Widerständen  behaftet,  welche  sich  dem 
Blutstrom  selbst  entgegen  stellen.  Es  würde  darum  sehr  fehlerhaft 
sein , wenn  man  Luftblasen  in  dem  Instrument  dulden  oder  gar 
das  Blutgefäss  mit  dem  Glasrohr  durch  einen  leicht  in  Schwingungen 
zu  versetzenden  Kautschoukschlauch  verbinden  wollte.  — Endlich 
muss  in  das  Verbindungsrohr  zwischen  Blut  und  Quecksilber  ein 
Hahn  eingesetzt  werden,  um  die  Ausgleichungsgeschwindigkeit  des 
Drucks  zwischen  den  beiden  genannten  Flüssigkeiten  gewisse  Gren- 
zen nicht  übersteigen  zu  lassen;  denn  offenbar  ist  es  eine  Be- 
dingung für  die  brauchbare  Messung,  dass  die  Geschwindigkeit, 
mit  der  das  Quecksilber  im  Glasrohr  ansteigt  oder  absinkt,  niemals 


Digitized  by  Google 


Beseitigung  der  Einwfinde  gegen  den  Druckzeichner. 


K7 


einen  allzu  beträchtlichen  Werth  annimmt.  Die  Erfahrung  hat  ge- 
lehrt, dass  eine  Spiegeländerung  von  20 — 40  Mm.  in  0,3  bis  0,4  Seed. 
unschädlich  ist;  man  ktinute  aber  durch  Stellung  der  llahnöffnung 
das  Ansteigen  und  Absiuken  noch  weit  langsamer  geschehen  lassen. 

Wendet  man  diese  selbstverständlichen  Vorsichtsmaassregehi 
an,  so  wird  man  sicher  sein,  dass  sich  das  Quecksilber  im  Mano- 
meter und  der  Druck  in  deu  Arterien  immer  im.  gleichen  Sinne 
ändern,  und  dass  namentlich,  wie  man  behauptet,  im  Manometer 
niemals  mehr  Wendepunkte  des  Drucks,  als  Pulsschläge  geschehen 
sind,  Vorkommen.  Um  mich  zu  überzeugen,  dass  diese  Vorsichts- 
maassregeln  genügen,  um  den  Gang  des  Quecksilber-  und  Blut- 
druckes in  zeitliche  Uebereinstimmung  zu  bringen , wendete  ich  in 
meiner  vor  12  Jahren  erschienenen  Arbeit  Uber  den  Druckzeichner 
mehrere  Prttfungsmittel  an.  So  legte  ich  zwischen  die  innere  Brust- 
wandfläche und  das  Herz  des  Thieres,  dessen  Blutdruck  untersucht 
werden  sollte,  ein  kleines  mit  Wasser  gefülltes  Bläschen  luftdicht 
ein,  führte  aus  demselben  ein  steifes  Rohr  in  ein  mit  Quecksilber 
gefülltes  Manometer,  dessen  Schwimmer  auf  die  rotirende  Trommel 
schreiben  konnte.  Da  sieh  das  Herz  bei  der  Systole  der  Brustwand 
nähert,  bei  der  Diastole  von  ihr  entfernt,  so  wird  das  Bläschen 
dazu  dienen  können,  Senkungen  und  Erhebungen  des  Quecksilbers 
im  Manometer  zu  veranlassen,  die  gleichzeitig  mit  dem  Steigen  und 
Fallen  des  Druckes  in  der  Arterie  gehen.  Hat  man  nun  gleich- 
zeitig aus  dem  Bläschen  und  einer  Arterie  zwei  Curven  schreiben 
lassen , und  legt  man  daun  die  zu  einander  gehörigen  Stücke  der 
beiden  Curven  übereinander*),  so  ist  die  Zeit,  welche  zur  Vollendung 
einer  Herzbewegung  gehört,  in  der  Herz  - und  Arteriencurve  ganz 
dieselbe.  Es  finden  sieh  dagegen  Unterschiede  rüeksichtlich  der 
Mittheilung  dieser  Gesammtzcit  auf  den  auf-  und  absteigenden 
Theil  einer  jeden  Herzcurve,  was  nicht  anders  sein  kann,  da  sich 
in  dem  arteriellen  Blut  noch  die  Respirationsstösse  ausprägen,  die 
in  dem  auf  das  Herz  gelegten  Beutelelien  nicht  ganz  fehlen,  aber 
doch  weniger  merklich  sind.  Da  nun  aber  die  Excursionen  der 
vom  Herzen  geradaus  gezeichneten  Curve  oft  um  das  neunfache 
geringer  sind,  als  die  des  arteriellen  Manometers,  so  .folgt  eben 
daraus,  dass  die  Vollendungszeit  einer  Schwankung  unabhängig 
war  von  der  Elongation,  die  sie  besass.  — Eine  andere  Probe 
gewann  ich  dadurch,  dass  ich  gleichzeitig  auf  Carotis  und 


•)  I.  c.  In  MDlIera  Archiv  IM7.  |>.  1*1.  Hin  Znhlon  der  Tabelle  XIII.  Fl».  ‘.'I  n.  TW.  XI.  Fl».  13. 


Digitized  by  Google 


1.1* 


Theorie  de»  Drucksaichnera. 


Cruralis  oder  zwei  Carotiden  u.s.  w.  zwei  Manometer  mit  ungleichen 
Quecksilbermengen  und  Hahnöffnungen  einsetzte;  hierdurch  erhielt 
ich  Cnrven,  deren  variable  Ordinaten  sehr  ungleich  hoch  waren, 
und  doch  deckten  sich  beide  zeitlich  vollkommen*). 

Diesen  ans  der  Erfahrung  geschöpften  Beweis  ftlr  die  Be- 
hauptung, dass  der  Druck  des  Blutes  und  des  Quecksilbers  gleich- 
viel Hebungen  und  Senkungen  macht,  hat  Bedtenbacher**)  auf 
theoretische  Betrachtungen  gesttlzt,  angezweifelt.  Die  Voraus- 
setzungen seiner  Rechnung  fallen  aber  mit  denen  des  Manometers 
nicht  zusammen.  Denn  während  das  Instrument  gerade  auf  einer 
vorsichtigen  Benutzung- der  Reibung  des  Bluts  im  Gefässsysteni  und 
auf  der  Regelung  der  Ausgleichungszeiten  der  Drücke  in  dem  Gefäss 
und  Glasrohr  beruht,  wendet  er  auf  dasselbe  die  elementaren  Sätze 
an,  welche  ftlr  die  Verflechtung  zweier  Schwingungsursachen  gütig 
sind.  Demgemäss  muss  er  zu  Folgerungen  kommen,  die  ein  passend 
eingerichtetes  Manometer  niemals  bestätigen  kann.  — Ad.  Fick  ***) 
bat  das  Versehen  von  Bedtenbacher  in  so  fern  verbessert,  als 
er  in  seine  Formel  einen  die  Reibung  bezeichnenden  Ausdruck  ein- 
setzt, wodurch  sich,  wenige  Umformungen  abgerechnet,  die  Betrach- 
tung gerade  so  gestaltet,  wie  sic  S eebeekf)  ftlr  die  Trommelfell- 
bewegung gegeben  hat.  Unter  dieser  ganz  allgemeinen  Voraus- 
setzung stimmt  nun  auch  schon  Erfahrung  und  Rechnung  besser.  — 
Vom  praktischen  Standpunkt  aus  hat  Vierordt  und  nach  ihm  Valen- 
tin Bedenken  gegen  das  Manometer  erhoben;  unbestreitbar  giebt 
es  Einrichtungen , die  nicht  das  Gewünschte  leisten , obwohl  sie 
nach  dem  .Schema  der  Manometer  gebaut  sind.  Bevor  also  eine 
Besprechung  jener  Bedenken  fruchtbar  werden  könnte , müsste  der 
Ban  und  die  Anwendungsweise  ihrer  Instrumente  bekannt  sein. 
Vierordt  gebührt  jedoch  das  Verdienst,  gezeigt  zu  haben,  dass 
das  Manometer  nicht  in  Jedermanns  Hand  nützlich  werden  muss; 
er  hat  damit  hoffentlich  den  Gebrauch  des  Instruments  heilsam 
eingeschränkt.  — 

Die  bisherigen  Betrachtungen  haben  ungesucht  den  Beweis  ge- 
liefert, dass  die  Quecksilberdrücke  den  jeweilig  vorhandenen  Blut- 
drücken nicht  entsprechen,  weil  absichtlich  die  Ausgleichung  der 


•)  I.  o T«f.  14.  Fl*.  S6. 

■•)  Vierordt,  Lettre  vom  Arterienpuls  p.  11. 
•••)  Med  Physik  p.  4GB. 

{)  Dieses  Lehrbuch  I.  IM.  p. 


Digitized  by  Google 


Beobachtete  Spannungen  in  den  Arterien. 


159 


fortlaufend  sich  ändernden  Blotdrtteke  gehemmt  wurde;  es  wird 
also  die  Hgsänle  im  Manometer  nie  so  hoch  steigen  nnd  sinken, 
als  der  Blutdruck  fordert.  Dieser  Umstand  verhindert  es  aber  nicht, 
dass  ans  den  fortlaufend  veränderten  Höhen,  welche  das  Queck- 
silber erreicht,  der  wahre  Mitteldrnck  des  Bluts  gefunden  werden 
kann , weil  nämlich  die  Einflüsse,  welche  die  Ausgleichung  hindern, 
sich  in  ganz  derselben  Weise  für  das  Auf-  wie  das  AbBteigen  gel- 
tend machen. 

Aus  der  gelieferten  Cnrvc  findet  man  nun  den  Mitteldruek  ent- 
weder durch  Wägung  des  Papierstttckes , welches  die  Curve  um- 
grenzt oder  durch  das  Planimeter,  worüber  auf  die  medicinische 
Physik  von  Ad.  Pick*)  zu  verweisen  ist. 

Ueber  die  Verbindungen  dea  Manometers  mit  dem  Gefitss  je  nach  der  Messung 
des  Seiten-  oder  Achsendrucks  und  je  nach  der  Messung  in  Arterien  und  Venen  siehe 
C.  Ludwig  und  Volkmann**). 

Beobachtete  Spannungen  in  der  grossen  Blutbahn. 

Arterien. 

1.  Puls.  Jede  Zusammeuzichung  des  Herzens  bedingt  in  den 
Arterien  eine  rasch  vorübergehende,  durch  das  ganze  System  fort- 
laufende Erweiterung,  welche  als  Folge  der  Welle  angesehen  wer- 
den muss,  die  vom  Herzen  erregt  wird.  — Die  Ausdehnung  der 
Arterie  geschieht,  wie  dieses  namentlich  an  einem  blos  gelegten 
Uefässe  sichtbar  wird,  eben  so  wohl  nach  der  Länge  als  nach  dem 
Durchmesser.  Die  Ausweitung  nach  der  letztem  Richtung  ist  jedoch 
weniger  augenfällig,  als  die  Verlängerung,  welche  sich  durch  eine 
Bewegung  der  bisher  gestreckten  Gefässe  besonders  einleuchtend 
Uusscrt.  Dieser  Unterschied  ist  einmal  begründet  in  der  meist  ge- 
ringem Dehnbarkeit  nach  der  queren  Richtung  und  nächstdem 
dadurch,  dass  das  blossgelegte  Gefäss  nach  der  Länge  hin  in 
grösserer  Ausdehnung  sichtbar  ist,  als  sie  der  Peripherie  der  Ar- 
terie zukommt;  wenn  also  die  Ausdehnung,  welche  die  Arterien- 
wand  nach  beiden  Richtungen  hin  erfährt,  relativ  gleich  gross  ist. 
so  wird  doch  die  nach  der  Länge  absolut  bedeutender  sein. 

Po  in  e ui  Ile  ***)  hat  ii^  einigen  Fällen  bei  Thieren  die  Vermehrung  der  Räumlich* 
keit  gemessen,  welche  ein  aliquoter  Abschnitt  einer  Arterio  erfahrt ; leider  fehlen  gleich- 
eeitige  Druckbestimmungen,  so  dass  das  Resultat  auf  kein  allgemeines  Interesse  An- 
spruch machen  kann.  — Ueber  den  Streit,  ob  die  Ansdehnung  nach  der  Länge  allein 
oder  nach  beiden  Richtungen  erfolge,  siche  K.  H.  Weberf). 


•)  r.  464- 

Mngk,  Heule  u.  Pfeufcr  ’s  Zeitschrift.  III.  B<l.  — Hnoinodyuamik.  14f>. 

•*•)  Valentin,  Lehrbuch  der  Physiologie.  2.  And.  I.  p.  448. 
t)  Hl  i d • br  an  d’«  Anatomie.  HI.  Bd.  p.  73. 


Digitized  by  Google 


IGO 


Beobachtete  Spannungen  in  den  Arterien  der  groHsen  Blutbahn. 


Wenn  die  Erweiterung  der  Arterien  beim  Puls  die  Folge  der 
fortschreitenden  Wellenbewegung  ist,  so  muss  derselbe,  wie  dieses 
auch  thatsächlich  der  Fall,  in  jedem  dem  Herzen  näher  gelegenen 
Arterienabschnitt  früher  erscheinen,  als  in  den  entfernteren.  Kennt 
man  nun  die  Zeit,  welche  nothwendig,  damit  das  Maximum  der 
Erweiterung  von  einem  Ort  zu  einem  andern  von  bekannter  Ent- 
fernung fortschreitet,  so  ist  damit  die  Geschwindigkeit  des  Fort- 
schreitens  der  Welle  im  Arteriensystem  gegeben.  E.  H.  Weber*) 
hat  mit  der  Tertienuhr  eine  solche  Bestimmung  an  sich  ausge- 
fUhrt  und  gefunden,  dass  die  Welle  in  1 Bekunde  um  11,250  Me- 
ter «=  34,5  Fuss  fortschreitet.  Bemerkenswerther  Weise  stimmt 
diese  Fortleitungsgeschwindigkeit  mit  der  von  ihm  am  Kautschouk- 
rohr  beobachteten  Uberein.  — Macht  man  nun  die  Annahme,  dass 
in  einer  Arterie  die  Wellen  von  einem  zum  andern  Herzschlag  an- 
dauern, so  muss  die  Wellenlänge  gefunden  werden,  wenn  man 
diese  Zeit  mit  der  Fortleitungsgeschwindigkeit  multiplizirt.  Aus 
einer  solchen  Rechnung  geht  hervor,  dass  selbst  bei  einem  sehr 
rasch  auf  einander  folgenden  Herzschlag  die  Länge  der  Arte- 
riemvelle  die  des  menschlichen  Körpers  weit  Ubertrifft. 

• 2.  An  einer  und  derselben  Gefässstelle  erscheint  die  Wider- 

standsfähigkeit der  pulsirenden  Arterie  dem  druckenden  Finger 
veränderlich  mit  der  Blutfltlle  des  ganzen  Gefüsssystems,  mit  der 
Zahl  und  Kraft  der  Athem-  und  Herzbewegungen,  mit  dem  Ein- 
tritt von  Stromhemmnissen  im  Allgemeinen,  oder  solchen,  die  dies- 
seits und  jenseits  der  untersuchten  Stelle  gelegen  sind. 

Den  genauen  Ausdruck  für  diese  Thatsachen  liefert  der  Druck- 
zeichner; die  folgenden  Beobachtungen  beziehen  sich  auf  die  art. 
carotis,  wenn  nicht  das  Gegentheil  bemerkt  wird. 

a.  Veränderlichkeit  des  Mitteldrucks  eines  Blut- 
stroms mit  der  BlutfUlle**).  Nach  einer  Injection  von  er- 
wärmtem und  geschlagenem  Blut  eines  Thiers  in  die  Adern  eines 
gleichartigen  andern  pflegt,  wie  Volk  mann,  Goll  u.  A.  erwiesen 
haben,  die  mittlere  Spannung  des  Stroms  iji  der  Carotis  zu  stei- 
gen, während  sie  abnimmt  nach  grossen  Aderlässen.  Dieser  Er- 
folg muss  jedoch  nicht  nothwendig  eintreten,  da  eine  Vermehrung 
oder  Verminderung  in  der  Beschleunigung  und  in  dem  Umfang  der 


•)  leipziger  Berichte.  MiUhematlitclt-phyaitche  CIjusc.  1851.  19rt  n.  118. 

•*)  Volkinann,  Hufcmo.lyiumlk.  p.  464.  — Goll,  Heule  n.  Pfeufer'a  Zeitschrift.  N.  F. 
IV.  p.  78.  — Brauner,  I.  c, 


Digitized  by  Google 


Veränderlichkeit  der  Stroraapannung  mit  der  Athemhewe^unj;.  ](]} 

Herzschläge  compensirend  anftrcten  kann.  Diese  Compcnsation 
muss  jedoch  innerhalb  gewisser  Grenzen  eingeschlosscn  sein,  die 
sieh  aber  vorerst  nicht  näher  bezeichnen  lassen.  — Während  eines 
Aderlasses  mnss  nach  den  Versuchen,  welche  Volkmann  an 
starren  Köhren  anstellte,  die  Spannungsabnahme  am  gröss- 

ten sein  in  den  Gefässen,  welche  der  Oeffnung  zunächst  liegen, 
und  namentlich  in  denjenigen,  welche  zwischen  diesen  letzlern  und 
den  Capillaren  sich  befinden. 

Nach  einer  merkwürdigen  Beobachtung  von  jVierordt  und 
Aberle*)hat  die  a.  radialis  der  lebenden  Menschen  vor  dem  Mittags- 
cssen  einen  geringeren  Durchmesser  als  nach  demselben;  das  bela- 
stete Stäbchen  (p.  154)  fand  im  Mittel  den  Durchmesser  der  Arterie 
nach  Tisch  = 2,9  MM.;  vor  Tisch  aber  = 2,3  MM.  Dieses  Span- 
nungswachsthum des  Bluts  kann  abgeleitet  werden  aus  einem 
durch  die  Verdauung  vermehrten  Inhalt  des  Gefässsystems , aus 
der  Stauung,  welche  die  zu  jener  Zeit  zahlreich  vorhandenen 
farblosen  Blutkörperchen  in  den  Capillaren  erzeugen,  oder  sie 
kann  Folge  einer  Mischung  beider  Ursachen  sein. 

b.  Wie  sich  unter  dem  Einfluss  der  veränderten  Herz- 
bewegung die  Spannung  ändert,  ist  schon  irtlher  mitgetheilt 
worden,  siehe  pag.  131. 

e.  Veränderlichkeit  der  Spannung  riiit  den  Athem- 
bewegungen**).  Der  Einfluss  der  Athembewegung  auf  die  Span- 
nung des  arteriellen  Blutes  fällt  bei  verschiedenen  Thiergattungen 
und  bei  denselben  Individuen  unter  abweichenden  l.'mständen  sehr 
verschieden  aus.  Wir  betrachten  hier  als  Prototype  die  Erschei- 
nungen beim  Hund  und  dem  Pferd. 

Hund.  Hier  ist  zu  unterscheiden:  er.  Jeder  einzelne  Akt  einer 
Athembewegung  (eine  In-  und  eine  Exspiration)  besitzt  die  Dauer 
mehrer  Herzschläge;  die  Zahl  dieser  letzten)  in  der  Minute  ist 
eine  mittlere  (keine  beschleunigte).  — In  diesem  Fall  gewinnt  die 
Spannungscurve  das  in  Fig.  46.  wiedergegebene  Ansehen.  Mit  der 
beginnenden  Exspiration  folgen  die  Zusammenziehungen  des  Her- 
zens einander  sehr  rasch  (1  bis  6).  In  dieser  Zeit  ( E bis  Ii) 
steigt  die  mittlere  Spannung  sehr  beträchtlich,  so  dass  selbst  wäh- 
rend der  zwischen  zwei  Zusammenziehungen  gelegenen  Erschlaf- 
fung des  Herzens  entweder  gar  kein  oder  ein  nur  sehr  unbedeu- 


*)  Die  M*«»ung  des  Arteriendnreltmeuer  Tübingen  18&6. 

**)  C.  Ludwig,  Mit  ller'a  Archiv.  1B47.  — Don  der»  an  den  angeführten  Urten. 
Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Au  ringe.  tl 


Digitized  by  Google 


162 


Einfluss  der  Atberabcwcgung  beim  Hund. 


teudes  Sinken  der  Spannnng  zu  Stande  kommt  Jeder  neue  Herz- 
schlag trifft  also  eine  höhere  Spannung  an,  als  der  vorhergehende. 
Mit  Vollendung  der  Exspirationsbewegung  (R),  wenn  der  verengte 
Thorax  zu  seiner  normalen  Weite  zurllckkehrt , tritt  nun  plötzlich 
eiue  lange  Herzpanse  ein,  während  welcher  die  Spannung  sehr  be- 
Fig.  41»  beträchtlich  herabsinkt;  anf 

diese  folgen  dann  die  Herz- 
schläge seltener.  In  der  dar- 
auf eintretenden  Inspiration 
( 7)  ereignet  es  sich  nun,  dass 
während  jeder  Herzsystole  die 
Spannnng  weniger  steigt,  als 
sie  in  der  zugehörigen  Dia- 
stole sinkt,  so  dass  jeder  fol- 
gende Herzschlag  die  Span- 
nung anf  einem  niederen 
Grade  antrifft,  als  der  vorher- 
gehende. — Um  eine  Vor- 
stellung davon  zu  erhalten,  wie  sich  der  Mitteldruck  von  einem 
Herzschlage  zum  andern  in  einer  vollendeten  Respirationsbewegnng 
ändert,  ist  es  nothwendig,  die  Curve  M M aus  der  unmittelbar  ge- 
wonnenen dadurch  zu  constmiren,  dass  man  aus  den  während 
einer  Herzzusammenziehung  bestehenden  Spannungen  das  Mittel 
nimmt,  diese  mittleren  Wcrthe  auf  die  halbe  Zeit  zwischen  Anfang 
und  Ende  der  Herzbewegung  aufträgt  und  darauf  die  Punkte 
durch  eine  Linie  verbindet. 

Diese  Werthänderungen  der  mittleren  »Spannung  hängen  nach- 
weislich von  zwei  Umständen  ab,  einmal  von  den  Herzkräften 
und  dann  von  dem  .Spannungszuwachse,  welchen  das  Blut  in  der 
Brusthöhle  durch  die  Bewegungen  der  Brustwaudungen  erhält.  Der 
Beweis  flir  die  Behauptung,  dass  den  Bewegungen  der  Brustwan- 
dnng  ein  Antheil  an  den  Veränderungen  der  mittleren  Spannung 
zugeschrieben  werden  müsse,  liegt  schon  darin,  dass  eine  Propor- 
tionalität besteht  zwischen  den  Spannungsveränderungen  des  In- 
halts der  Brust  und  der  Arterien;  denn  erfabrungsgemüss  steigt 
die  arterielle  Spannungseurve  gerade  so  lange  an , als  die  Exspi- 
ratiousbewegung  anhält,  nnd  nicht  minder  steigt  und  sinkt  dieselbe 
um  so  beträchtlicher,  je  umfänglicher  die  Aus-  oder  Einathinung 
geschieht.  — Den  Zuwachs,  welchen  die  mittlere  Spannnng  des 
Bluts  während  der  Dauer  einer  Ausathniung  erfährt,  kann  man 


Digitized  by  Google 


HinAus*  der  Athembewcgung  beim  Pferd. 


163 


sich  aber  nicht  allein  abhängig  denken  von  dem  Druck  der  zu- 
sammenfallenden Brust.  Dieses  vorausgesetzt,  mttsste  offenbar  die 
Spannung,  welche  während  der  Exspiration  zwischen  Brust  und 
der  äussern  Fläche  der  Gefüsswand  besteht,  gleich  sein  dem  Zu- 
wachs der  Spannung  in  den  Binnenräumen  der  Gefdsse.  Dieses 
ist  aber  nicht  der  Fall;  denn  eine  Messung  dieser  Spannung  in 
dem  verschlossenen  Brustkasten  ergab,  dass  diese  immer  geringer 
als  der  Spannungszuwachs  in  den  Arterien  war  (C.  Ludwig).  — 
Die  Veränderung  in  der  Zahl  der  Herzschläge  kann  bedingt  sein 
entweder  von  einem  erregenden  Einfluss,  welchen  der  zusammen- 
fallende Brustraum  auf  das  ausgedehnte  Ilerz  tlbt,  oder  von  Erre- 
gungen des  n.  vagus.  Die  Annahme,  dass  der  zuletzt  erwähnte 
Nerv  hierbei  im  Spiel  sei,  wird  durch  die  Thatsachen  des  folgen- 
den Satzes  bestätigt. 

ß.  Jeder  einzelne  Akt  einer  AthembeWcgung  besitzt  die  Dauer 
mehrerer  Herzschläge,  die  Zahl  der  letzteren  ist  eine  beschleunigte. 
Diesen  Fall  kann  man  künstlich  erzeugen,  Fig.  47. 

wenn  man  die  n.  vagi  durchschneidet. 

Die  Erscheinungen,  welche  in  Fig.  47. 
dargestellt  sind,  unterscheiden  sich  von 
den  vorhergehenden  dadurch , dass  die 
Dauer  und  die  Intensität  der  einzelnen 
Herzschläge  in  der  Ausathmung  von  denen 
in  der  Einatlimung  nieht  abweichen;  der 
Spannnngszuwachs  ist  somit  nur  abhängig  von  dem  Druck  der 
Brnstwandung,  was  die  direkten  Messungen  bestätigen. 

y.  Die  Athem-  und  Herzbewegungen  sind  ungefähr  gleich  an 
Zahl;  bei  dieser  Combination  sind  an  der  arteriellen  Bpannungs- 
curve  die  einzelnen  Phasen  der  Athembewegung  nieht  mehr  zu  er- 
kennen, obwohl  ihr  Einfluss  offenbar  noch  vorhanden  sein  muss. 

Pferd.  Bei  diesem  Thiere  gestalten  sich  die  Erscheinungen 
darum  sehr  viel  einfacher,  weil  die  regelmässige  Wiederkehr  des 
Herzschlags  durch  die  Bedingungen,  welche  die  Athembewegnngen 
einlciten,  nicht  wesentlich  beeinträchtigt  wird.  Es  beziehen  sich 
demnach  die  durch  die  letzteren  erzeugten  Veränderungen  in  der 
arteriellen  Spannungscurve  nur  auf  eine  Steigerung  oder  Minderung 
der  durch  die  Herzkräfte  erzeugten  Drücke,  so  dass  während  der 
Herzpause  die  Spannung  beträchtlich  abnimmt,  wenn  sie  sich  zu 
einer  Inspirationsbewegung  gesellt.,  während  keine  oder  nur  eine 

II* 


Digitized  by  Google 


n;4 


Einfluss  der  Athembenregung  beim  Menschen. 


geringe  Abnahme  bemerklieli  ist,  wenn  eine  Herzpanse  und  eine 
Exspirationsbewegung  Zusammentreffen.  Das  Umgekehrte  aber 
gilt  von  dem  Steigen  wälirend  der  Herzzusammenziehung.  — Diese 
Alteration  der  arteriellen  Spannungscurve  ist  nun  aber  bemerkens- 
werther  Weise  nur  dann  wahrzunehmen,  wenn  die  Herzzusammen- 
ziehungen wenig  umfangreieh  sind  und  rasch  aufeinander  folgen 
und  zugleich  die  Athembeweguugeu  sehr  intensiv  werden.  Im  an- 
dern Falle  ist  ein  Einfluss  der  Bewegungen  der  Brustwandung 
nicht  bemerklick. 

Mensch.  Bei  ruhigem  ungehemmtem  Athmen  sind  die  am  Hills  zu 
beobachtenden  Aenderungen,  wenn  sie  Vorkommen,  was  aber  nicht 
immer  geschieht,  so  geringfügig,  dass  sie  nur  der  schreibende  Ftlhl- 
hebel  darthnn  kann.  .Sie  beziehen  sich  auf  die  Pulsdauer  (die 
Geschwindigkeit  der  Pulsfolge),  auf  die  Pulsschnelle  (das  Verkült- 
niss  zwischen  .Ausdeknungs-  und  Yerengerungszeit  des  Gefässes), 
und  auf  die  Pnlsgrösse  (Durchmesseränderung).  — Verändert  sich 
die  Pulsfolge,  so  beschleunigt  sie  sich  in  der  beginnenden  Exspi- 
ration am  meisten,  während  sich  mit  der  beginnenden  Inspiration 
das  Gegentheil  ereignet,  und  es  fallen  die  Unterschiede  bei  lang- 
samer Athemfolge  mehr  in  das  Auge  als  bei  rascherer.  In  den 
extremsten  Fällen  ist  die  kürzeste  exspiratorische  Pulsdauer  37, 
wenn  die  längste  inspiratorische  100  ist.  — Erleidet  die  Ausdeh- 
nungsgesebwindigkeit  des  Pulses  eine  Aenderung,  so  geschieht 
dieses  immer  so,  dass  sic  in  der  ersten  Hälfte  der  Exspiration  am 
grössten  und  in  der  gleichen  Hälfte  der  Inspirationsdauer  am  ge- 
ringsten ist.  Benutzt  man  als  Maass  der  Pulsschnelle  den  Brach, 
der  aus  der  Division  der  Ausdehnungszeit  in  die  Verengerangszeit 
der  Arterie  hervorgeht,  so  verhalten  sich  die  beobachteten 
Extreme  der  Pulsschnelle  wie  1,00:  1,05  — Was  endlich  die 
Umfangsänderung  des  Pulses  anlangt,  so  ist  sie  in  der  In- 
spiration grösser  als  in  der  Exspiration.  Diese  von  Vier- 

ordt*)  hingestellten  Tbatsachen  sind,  soweit  eine  Vergleichung 
zulässig  ist , in  voller  Uebereinstimmung  mit  den  am  Hund 
beobachteten.  — Bei  sehr  tiefer  und  angehaltener  Athmnng  stel- 
len sich  die  Erscheinungen  nach  den  Erfahrungen  und  Erör- 
terungen von  Donders  und  Ed.  Weber  merklich  anders.  — Bei 
sehr  tiefer  Inspiration  wird  der  Puls  langsamer  und  weniger  fühl- 


•)  Die  Lehre  vom  Artet ienpoU.  Itrauuschtvcig  IW»'».  |i.  1WI 


Digitized  by  Google 


Einfluss  der  angehalteneu  Einathmung. 


1H5 


bar,  indem  häutig  der  Herzschlag  so  schwach  wird,  dass  man  seine 
Töno  mittelst  des  aufgelegten  Ohrs  nicht  mehr  zu  hären  ver- 
mag. Diese  Erscheinungsreihe  wird  beobachtet,  gleichgültig,  ob 
Mund  und  Nase  während  der  Erweiterung  des  Brustkorbs  ge- 
schlossen oder  geüfl'nct  war.  — Geht  nun  eine  Inspiration  in  eine 
Exspiration  über,  so  wird  der  Pulsschlag  schneller  und  voller,  vor- 
ausgesetzt, dass  aus  dem  verengten  Brustkorb  die  Luft  ent- 
weichen konnte.  Schliesst  man  dagegen  nach  einer  tiefen  In- 
spiration Mund  und  Nase,  und  presst  dann  die  Luft  in  der 
Brusthöhle  mittelst  einer  Exspirationsbewegung  zusammen,  ohne 
dass  sie  entweichen  kann,  so  wird  der  l'uls  zwar  ebenfalls 
schneller,  aber  die  Herzschläge  werden  dabei  so  schwach, 
dass  bei  vielen  Individuen  Puls  und  Herztöne  gänzlich  zum  Ver-  . 
schwinden  kommen.  Der  innere  Zusammenhang,  der  den  zuletzt 
mitgetheilten  Thatsachen  gemäss  zwischen  Atliem-  und  Herzbe- 
wegungen besteht,  ist  noch  nicht  überall  klar;  so  viel  scheint  je- 
doch festzustchen , dass  er  zum  grossen  Theil  bedingt  wird  durch 
die  veränderten  Pressungen,  unter  welche  die  Blutbehältcr  des 
Brustkastens  gesetzt  werden.  — In  der  tiefen  Inspiration  werden 
die  Saugkräfte  der  Lungen  vermehrt;  indem  sich  nun  das  Herz 
zusammenzieht,  muss  der  linke  Ventritcl  nicht  allein  die  Gewalt, 
überwinden,  mit  welcher  das  in  der  Aorta  gespannte  Blut  die  ar- 
terielle Mündung  zupresst,  sondern  auch  noch  den  Unterschied  des 
Luftdrucks,  welchem  die  änssem  Herzflächen  und  der  Aorteninhalt 
ansgesetzt  sind.  Es  ist  denkbar,  dass  die  Summe  dieser  beiden 
Drücke  gross  genug  wird,  um  die  Entleerung  des  Herzens  unmög- 
lich zu  machen.  — In  der  Exspiration,  und  insbesondere  wenn  die 
Zusammenziehung  des  Brustkastens  energisch  ist,  während  die 
Stimmritze  geschlossen  und  die  Lungen  mit  Luft  erfüllt  sind,  wird 
eine  so  starke  Pressung  auf  die  grossen  Körpervenen  in  dem 
Brust-  und  Bauehramn  ausgeübt,  dass  es  denjenigen  des  Bluts  in 
den  grossen  Kopf-  und  Extremitätenvenen  übertrifft;  das  Blut  wird 
also  ans  ihnen  nicht  mehr  nachströmen  können,  und  wenn  dann 
das  Herz  den  Vorrath  an  Blut,  den  es  in  der  Brusthöhle  findet, 
erschöpft  hat,  so  wird  es  bei  weiteren  Zusammenziehungen  kein 
Blut  mehr  aus  der  Brusthöhle  entleeren  können,  so  dass  dann  der 
Pulsschlag  verschwinden  muss. 

Die  Beschleunigung,  welche  die  Herzschläge  erfahren,  kann 
man  sich  abhängig  denken  zum  Theil  von  den  Erregungen,  welehe 
das  Herz  durch  das  Zusammendrucken  des  Brustkastens  empfängt, 


Digitized  by  Google 


166 


Spannung&änderung  nach  Arterienuntorbindung. 


zum  Theil  aber  auch  von  den  Reflexen,  welche  der  n.  vagus  in 
Folge  der  veränderten  Erregungsverhältnisse  seiner  peripheren 
Enden  auslüsst.  — 

d.  Der  Verschluss*)  einer  oder  mehrerer  Arterien 
ändert,  selbst  wenn  alle  andern  Strombedingungen  dieselben 
bleiben  den  Mitteldruck  im  ganzen  Arterieubereich.  Im  Allgemei- 
nen wird  in  der  unterbundenen  Arterie  zwischen  Herz  und  der 
Uutcrbindungsstelle  und  ebenso  in  allen  andern  nicht  unterbundenen 
Arterien  der  Wanddruck  steigen,  während  er  in  der  geschlossenen 
Arterie  und  ihren  Aesten  zwischen  der  Ligatur  und  Capillarver- 
theilung  abnehmen  wird.  — Die  einfachste  Ueberlegung  lässt 
erwarten,  dass  in  der  Aorta  und  ihren  Zweigen  die  Druckvermeh- 
. rung  wachsen  werde  mit  der  Zahl  und  dem  Umfang  der  geschlos- 
senen Arterien  d.  h.  mit  der  Ausdehnung  der  verödeten  Abzugs- 
rohren. Magendie  und  Goll  haben  diese  Voraussicht  thatsäch- 
lich  bestätigt;  so  fand  u.  A.  der  Letztere,  dass  in  der  Art.  carotis 
des  Hundes  der  Druck  von  122  MM.  zu  157  MM.  aufstieg,  als 
gleichzeitig  beiderseits  die  Carotiden,  die  Schenkelarterie,  die  linke 
Unter8cldlls8elbeinarterie  und  die  rechte  quere  Halsarterie  unter- 
bunden wurden;  nach  Lösung  aller  dieser  Ligaturen  ging  der 
Druck  auf  129  MM.  zurtlck.  — Da  bestätigende  Versuche  fehlen, 
so  lässt  sich  weiterhin  nur  als  wahrscheinlich  aussagen,  dass  der 
drueksteigernde  Einfluss  der  Unterbindung  um  so  grösser  sein 
wird,  je  näher  der  in  Reziehung  hiorauf  untersuchte  Stromort  dem 
geschlossenen  Querschnitt  liegt;  so  dass  z.  B.  nach  Unterbindung^ 
der  Carotis  die  Spannung  in  dieser  höher  gebracht  wird  als  in  der 
andern  a.  carotis  oder  gar  in  der  a.  cruralis ; -denn  es  ist  wohl  an- 
zunchmcn,  dass  sieh  der  Blutüberschuss  welcher  der  Aorta  wegen 
Verschliessung  einer  Abzugsröhre  verbleibt  sich  vorzüglich  auf  die 
der  letztem  nahestehenden  und  noch  offen  verbliebenen  Arterien 
vcrthcilt.  — Fragen  wir  noch  etwas  näher  nach  der  Druckver- 
mehrung,  welche  ira  geschlossenen  Gefäss  vor  dem  Unterbindungs- 
fäden cintritt,  so  wird  man  im  Allgemeinen  behaupten  dürfen,  dass 
sie  um  so  grösser  ausfalle,  je  geschwinder  der  Strom  war,  der 
durch  die  Unterbindung  zum  Stillstand  gebracht  wurde,  und  je 
grösser  bei  noch  bestehendem  Strom  der  Druckunterschied  zwischen 
dem  nun  unterbundenen  Gefäss  und  demjenigen  ist,  aus  welchem 
es  gespeist  wurde.  Die  erste  Position  gilt  darum,  weil  sich  in  der 


*)  Spengler,  Müller'»  Archiv.  1844.  — Volkminn,  I.  c.  p.  446.  — Goll , 1.  c.  p.  A4. 


Digitized  by  Googl 


Spannungsänderung  in  der  geschlossenen  Arterie. 


167 


Unterbindung  die  Kraft,  welche  sich  bis  dahin  in  Geschwindig- 
keit ilnsserte,  in  Spannung  nmsetzt,  und  die  andere  desshalb,  weil 
das  unterbundene  Gcfilss  ein  todter  Anhang  der  nächst  hiiliergc- 
legenen  wird,  so  dass  seine  Spannung  nun  gleich  wird  dem  in 
dem  ersteren  Gefäss  vorhandenen  Seitendrnck.  Die  bis  dahin  vor- 
liegenden Beobachtungen  machten  es  wahrscheinlich,  dass  die  Un- 
terbindung in  kleineren  Arterien  eine  beträchtlichere  Druckstei- 
gerung  hervorbrächten  als  in  grösseren;  weil  man  nämlich  voraus- 
setzen muste,  dass  der  Druckunterschied  zwischen  dem  Strom  in 
einer  Arterie  erster  und  zweiter  Ordnung  geringer  sei,  als  zwi- 
schen dem  in  Arterien  zweiter  nnd  dritter,  dritter  und  vierter  u.  s.  w. 
und  weil  der  geringe  aus  der  GeschwindigkeitsuntcrdrUekung  her- 
vorgehende Spannungszuwachs  überhaupt  der  Messung  nicht  mehr 
zugänglich  sei.  Den  ^tatsächlichen  Beweis  für  diese  Unterstellung 
fand  man  darin,  dass  kleine  Arterien,  wenn  sie  durch  SchnUrfadcn 
oder  Blntpfröpfe  verstopft  waren  viel  lebhafter  als  früher  pulsirten, 
während  Spengler  ausgesagt  hatte,  dass  der  Mitteldruek  in  dem 
Herzende  der  Carotis  sich  nicht  änderte,  mochte  sie  unterbunden 
oder  offen  sein.  Diese  letztere  Angabe  scheint  aber  auf  der 
mangelhaften  noch  ohne  Seil reibsch wimmer  ausgcflthrten  Manometer- 
beobachtung zu  beruhen,  da  der  Druckzeichner  jedesmal  angiebt, 
dass  die  Spannung  merklich  steigt,  wenn  man  die  bis  dahin  offene 
Carotis  gegen  die  Capillaren  hin  abschlicsst.  In  einer  von  AV. 
Müller  und  mir  gemeinsam  ausgeftthrten  Beobachtung  stieg  der 
Mitteldruck  der  Carotis  des  Hundes  beim  Schliessen  von  105  MM. 
auf  128  MM.  und  bei  demselben  Hund  ein  anderes  Mal  von  115  MM. 
auf  131,  also  um  23  resp.  16  MM.  Bei  einem  zweiten  Hund  än- 
derte sich  unter  denselben  Bedingungen  der  Mitteldruck  von 
124  MM.  auf  135,  also  um  11  MM.  Dieses  Resultat  ist  in  der 
That  so  constant  und  auffällig,  dass  ich  seit  mehren  Jahren  den 
Versuch  unter  die  in  der  Vorlesung  aufzeigbaren  aufgenommen 
habe.  Die  Entscheidung  der  obigen  Alternative  muss  also  einst- 
weilen dahingestellt  bleiben.  — 

Im  Gegensatz  zum  bisherigen  nimmt  dagegen  der  Druck  un- 
terhalb der  Unterbindungsstelle,  d.  h.  zwischen  dieser  und  den 
Capillaren  ah.  Diese  Druckminderung  wird  abhängen  von  dem 
Spannnngswcrth,  welchen  der  Strom  in  dem  Gefäss  vor  der  Unter- 
bindung besass,  und  von  dem  Querschnitt  und  der  Spannung  der 
arteriellen  Strömungen,  welche  unterhalb  der  Unterbindung  aus 
dem  noch  wegsamen  in  den  verödeten  Bezirk  führen.  Ein  gutes  ' 


168  Veränderung  des  Mitteldrucks  mit  der  Entfernung  vom  Herzen. 

. Beispiel  flir  dieses  Vorkommen  liefert  das  .Schlagaderwerk  des 
Kopfes,  welches  aus  den  beiden  Carotiden  und  einem  Antiteil  der 
Subclavien  gespeist  wird.  Aus  einer  mit  W.  Müller  angestellten 
Versuchsweise  führe  ich  an,  dass : der  Seitendrnck  in  der  a.  caro- 
tis des  Hundes  vor  der  Unterbindung  108  MM.  betrug,  unmittel- 
bar nach  Anbringung  der  Ligatur  in  einem  dem  Herzen  näher  ge- 
legenen Ort  sank  der  Druck  auf  88  MM.  und  nach  Unterbindung 
der  entgegengesetzten  Carotis  auf  78  MM.  — Bei  einem  andern 
Hund  ergab  sich:  Seitendruck  der  wegsamen  Carotis  = 120  MM., 
nach  Unterbindung  des  Herzendes  derselben  = 76;  nach  Schlies- 
sung der  entgegengesetzten  carotis  = 71  MM.  Unterbindet  man 
nach  Schliessung  einer  oder  beider  Carotiden  der  Reihe  nach  noch 
die  Aeste,  welche  aus  der  Carotis  hervorgehen,  deren  Druck  beob- 
achtet wurde , so  steigt  nach  der  Ligatur  der  einen  der  Druck 
wieder  an  und  nach  der  der  andern  mindert  er  sich  wieder.  Die- 
ser Gegensatz  kann  wohl  nur  dadurch  bedingt  sein,  dass  die 
Aeste,  deren  Verschluss  das  Steigen  im  Carotidcnstumpf  erzeugt, 
vorzugsweise  Blut  nach  den  Capillaren  hin  abflthren,  während 
die  sich  entgegengesetzt  verhaltenden  überwiegend  Verbindungs- 
zweige mit  den  lebendigem  Stroniarmen  sind. 

e.  Veränderlichkeit  des  Mitteldrucks  mit  der  Ent- 
fernung des  Arterienquerschnitts  vom  Herzen*).  Die 
Versuche,  durch  welche  man  festzustellen  sucht,  welche  Spannun- 
gen gleichzeitig  in  verschiedenen  Arterien  bestehen,  gehören  zu 
den  schwierigem;  nach  eigenen  vielfachen  Erfahrungen  ist  nur 
denjenigen  Resultaten  ein  Werth  bcizulegen,  welche  mittels  des 
Druckzeichners  gewonnen  sind,  und,  wie  sich  von  selbst  versteht, 
nur  denjenigen,  bei  welchen  die  untersuchten  Arterien  in  gleichem 
Niveau  gelegen  sind,  so  dass  die  von  der  Schwere  des  Bluts  her- 
rührenden  Spannungsungleichheiten  als  climinirt  anzusehen  sind. 
Die  unter  diesen  Bedingungen  gewonnenen  Erfahrungen  sind  noch 
sehr  wenig  zahlreich.  — Aus  ihnen  scheint  aber  mit  Sicherheit 
hervorzugehen , dass  in  den  grossen  Arterien  mit  der  wachsenden 
Entfernung  vom  Herzen  die  Spannung  sehr  wenig  abnimmt,  wäh- 
rend in  den  Arterien  kleinen  Kalibers  dieselbe  sehr  merklich  ab- 
nimmt im  Vergleich  zu  der  in  den  grossem.  Insbesondere  ist 
festgestellt,  dass  die  Spannung  in  der  art.  cruralis  trotz  ihrer  be- 
trächtlichen Entfernung  vom  Herzen  doch  eben  so  gross  ist,  als  in 


*)  C'.  Ludwig,  I.  c.  p.  524  und  300.  — Volk  mann,  Hacmodynamlk.  p.  173  u.  f. 


Digitized  by  Google 


Schlüsse  über  Spannung  aus  «lern  Pulsfiihlen. 


169 


der  art.  carotis.  Die  Erläuterung  dieser  Erscheinung  hat  keine 
Schwierigkeit,  wenn  man  erwägt,  dass  der  Strom  in  den  Arterien 
weder  sehr  rasch  ist,  noch  auch,  dass  die  Stösse  und  die  Keibun- 
gen  irv  der  Aorta  bis  zur  art.  cruralis  hin  sehr  beträchtlich  sind. 
In  Anbetracht  der  Thatsache,  dass  das  Blutgefässwerk  ein  sehr 
vernickeltes  Zweigsystem  darstellt,  lässt  es  sich  sogar  denken, 
dass  der  Druck  in  der  Cruralis  noch  höh*r  ajs  in  der  Carotis  sei, 
wie  dieses  in  der  That  wiederholt  beobachtet  wurde.  In  den  klei- 
nen Arterien  findet  sich  dagegen  nach  Volkmann  die  Spannung 
constant  sehr  viel  niedriger  als  in  den  grössem;  aber  auch  hier 
fällt  sie  keineswegs  in  dem  Maasse,  in  welchem  der  Abstand  des 
Gefässcs  vom  Herzen  zunimmt.  Beispielsweise  fuhren  wir  an,  dass 
bei  einem  Kalb  der  Mitteldruck  in  der  a.  carotis  165,5  MM.  und 
gleichzeitig  in  der  a.  metatarsi  146  MM.  Quecksilber  betrug. 

f.  lieber  die  Ergebnisse  des  Pnlsfilhlens.  ■ Ein  ge- 
übter Beobachter  soll  mit  dem  Finger  ausser  der  Häufigkeit  der 
Wiederkehr  an  dem  Puls  unterscheiden:  ob  er  rasch  oder  allmäh- 
lig  anschwillt  (p.  celer  und  tardus);  wie  weit  dabei  die  Arterie 
ansgedehnt  sei  (plenus  und  vacuus)  und  in  welchem  Grade  von 
mittlerer  Spannung  sich  hierbei  das  Gefäss  befindet  (p.  mollis  und 
dnrus).  Wenn  der  Arzt  das  Zugeständniss  macht,  dass  selbst  ein 
sehr  feiner  Finger  nur  grobe  Unterschiede  feststellen  kann,  so  wird 
derjenige,  welcher  den  Strom  mit  scharfen  Mitteln  zu  messen  ge- 
wöhnt ist,  in  der  That  nichts  einwenden  gegen  die  Glaubwürdig- 
keit der  Behauptung;  um  so  weniger,  weil  die  obigen  Angaben 
Bezeichnungen  wirklich  vorkommender  Zustände  enthalten.  — Denn 
celer  oder  tardus  kann  der  Puls  werden,  wie  die  Curven  des 
Druckzeichners  darthun ; der  ansteigende  oder  absteigende  Curven- 
ast  braucht*  zu  einer  gleichen  Erhebung  oder  Senknng  oft  sehr 
verschiedene  Zeit.  Der  Puls  muss  aber  darum  celer  oder  tardus 
werden  können,  weil  z.  B.  das  Herz  erfahrungsgemäss  einen  glei- 
chen Umfang  der  Verkürzung  zu  verschiedenen  Zeiten  in  ungleich 
langen  Zeiten  dnrchläuft.  — Dass  die  pnlsirende  Arterie  bald  ge- 
füllt und  bald  leer  sein  kann,  versteht  sich  nach  einer  ganzen 
Reihe  von  Mittheilungen  über  den  Puls  von  selbst.  Dass  aber  die 
Arterien  in  gefülltem  Zustande  auch  weich  und  im  leeren  auch 
hart  sein  können,  lässt  sich  nicht  bestreiten,  weil  der  Spannungs- 
grad, abgesehen  von  der  Füllung,  auch  abhängig  ist  von  dem 
Elastizitätseoöffizienten  der  Wandung,  so  dass,  wenn  die  Gefäss- 


Digitized  by  Google 


170 


Untersuchung  dos  Pulses  durch  den  Sphygmograivh. 


wtuidung  schon  an  and  für  sich  steif  ist,  auch  die  wenig  gefüllte 
Arterie  sich  sehr  hart  anftlhlen  kann. 

Der  Pulshebel  von  Vierordt*)  hat  unser  empirisches  Wissen 
Uber  den  Puls  beträchtlich  bereichert;  er  lieferte  darüber  Nach- 
weise, 1)  dass  unter  scheinbar  gleichen  Verhältnissen  die  Dauer 
der  einzelnen  unmittelbar  aufeinander  folgenden  Schläge  eine  merk- 
lich ungleiche  sein  kau«;  2)  dass  das  Verhältniss  zwischen  der 
Ausdehnungs-  und  Zusammenziehungszeit  zweier  Pulse  wesentlich 
von  einander  abweichen  kann,  selbst  wenn  ihre  Gesammtdauer  die- 
selbe war;  3)  dass  er  annähernd  das  Gesetz  entwickelte,  nach  wel- 
chem sich  die  Ausdehnung  sowohl  wie  die  Zusammenziehung  der  Ar- 
terienwand mit  der  wachsenden  Zeit  ändert.  Endlich  lehrte  er 
4)  auch  Beziehungen  kennen  zwischen  der  Dauer  der  Celerität 
und  dem  Waehsthumsgesetz  des  Pulses,  worüber  die  Abhandlung 
von  Vierordt  nachzuschen. 

Au«  Vierordt»  Werk  haben  wir  folgende  den  Gesunden  betreffende  Zahlen: 
Setzt  inan  die  Dancr  des  kürzesten  Pulses  = 1,  so  ist  die  des  längsten  im  Mittel  zu 
1,37,  in  den  Extremen  zu  1,17  und  zu  1,02  gefunden  worden,  ln  einer  jeden  vom  Puls- 
hebel geschriebenen  Curvo  liegen  Unregelmässigkeiten  der  Pulse  vor;  sie  scheinen  aber 
bei  raschem  Puls,  z.  B.  nach  Tisch,  sich  in  engere  Grenzen  cinzuschliesscn,  als  bei  lang- 
samem Puls.  — l)ie  Vergleichung  aller  Erweiterungszeiten  und  andererseits  aller  Ver- 
engerungszeiten oiner  Pulsreihe  unter  einander  ergiebt,  dass  die  ersten  grosseren  Un- 
regelmässigkeiten unterworfen  sind  als  die  letzteren.  — Die  relative  Schlagfertigkcit 
des  Pulses  (Celeritas)  drückt  Vierordt  so  aus,  dass  er  die  Erwoiterungsseit  immer 
= 100  sotst,  also  drückt  er  die  Variation  der  relativen  Geschwindigkeit,  mit  welcher 
die  Erweiterung  vollendet  wird,  durch  die  Veränderung  der  Verengungszeit  aus,  woraus 
folgt,  dass  mit  der  wachsenden  Vcrhältnisszahl  die  relative  Erwciterungsgeschwindigkcit 
zunimmt.  Verfolgt  man  nun  die  Resultate,  so  stellt  sich  heraus,  dass  im  Allgemeinen 
die  Erweitcrungszcit  kürzer  dauert  als  die  V erkürtun gszcit,  dass  aber  auch  das  umge- 
kehrte Verhältniss  eintreten  kann.  Dio  Mittelzahl  für  die  Schlagfertigkeit  ist  100;  ihre 
Grenzen  liegen  von  86  bis  143;  während  der  Verdauung  und  des  angestrengten  Athraens 
ist  die  relative  Pulsschncllc  am  grössten.  Je  kürzer  die  ganze  Pulsdaucr,  umso  grösser  ist 
auch  die  relative  Schnellkraft  des  Pulses,  d.  h.  es  nimmt  bei  rascher  Pulsfolgc  die  Dauer 
der  Verengung  weniger  ab  als  dir  der  Erweiterung.  Vierordt  theilt  die  Erweiterungs- 
und  Verengerungszeiten  der  Pulse  (dio  Abszissen  der  Curven)  in  jo  5 Theile  und 
misst  den  positiven  oder  negativen  Durchmesserzuwachs  der  Arterien  in  einem  solchen 
Zeitraum.  Die  hier  gefundenen  Wcrthc  zeigen,  dass  die  ]>ositive  und  negative  Aus- 
dehnungsgeschwindigkeit bis  zu  jenen  3 Zeiträumen  wächst,  dann  aber  abniinmt,  — 
]n  diesem  letzten  Gebiet  dürfte  der  Sphygmograph  an  die  Grenze  seiner  Leistungsfähig- 
keit gelangt  sein. 

g.  lieber  die  zeitliche  Abhängigkeit  der  Herz-  und 
Pnlsschläge;  pulsus  dicrotus.  Alle  Betrachtungen,  die  wir 


•)  Die  Lehre  vom  Artcrlcnpala.  tlraunschwcig  1855. 


Digitized  by  Google 


Pulsus  dicrotus. 


171 


bis  dahin  anstellten,  führten  darauf,  dass  in  bestimmten  Zeitab- 
schnitten die  grossem  Arterien  mindestens  so  vielmal  pulsiren 
iullsscn,  als  während  derselben  das  Herz  geschlagen  hat.  Diese 
Behauptung  wird  so  sehr  durch  die  Erfahrung  bestätigt,  dass  Alles, 
was  früher  Uber  die  Sehlagfolge  des  Herzens  angemerkt  ist,  auch 
für  die  Pnlsfolgc  der  Arterien  gilt  Diese  Behauptung  schliesst 
aber  die  Möglichkeit  nicht  aus,  dass  auf  einen  Herzschlag  mehrere 
l’ulssehläge  fallen,  eine  Möglichkeit,  die  erfahrungsgemäss  besteht, 
indem  sehr  häufig  bei  einzelnen  Thieren  (z.  B.  beim  Pferd)  und 
zuweilen  wenigstens  beim  Menschen  auf  je  einen  Herzschlag  zwei 
Pulsschläge  beobachtet  werden,  von  denen  der  eine  gewöhnlich 
weniger  kräftig  und  kürzer  dauernd  ist,  als  der  andere.  Diese 
Erscheinung  ist  unter  dem  Namen  des  pulsus  dicrotus  berühmt.  — 
Diejenigen  Eigentümlichkeiten  dieses  Doppelschlags,  welche  be- 
kannt sein  müssten,  weun  der  Mechanismus  ihres  Zustandekom- 
mens erklärt  werden  sollte,  sind  leider  noch  nicht  beobachtet.  Es 
bleibt  also  nichts  übrig,  als  einige  Möglichkeiten  zu  erörtern  und 
daraus  abzuleiten,  auf  welche  Eigentümlichkeiten  sich  künftighin 
die  Aufmerksamkeit  zu  richten  hat. 

Mit  ililfe  des  Apparats,  der  Seite  72  abgcbildct  wurde,  lassen  sich  für  eine 
Hahn  Öffnung  auf  verschiedene  Weise  Doppelschläge  in  dem  pulsirenden  Rohr 
hervorbringen.  1)  Die  zweite  Erhebung  des  Doppelschlags  ist  die  Folge  der  elastischen 
Nachwirkung  des  ersten.  Diese  Nachschwingung  ereignet  sich  jedesmal  in  einer  aus- 
geprägten Weise,  wenn  man  den  Wasserbehälter  bis  zu  der  Höhe  von  ungefähr  1 Meter 
mit  Wasser  gefüllt,  das  elastische  Rohr  und  den  Wasserbehälter  mittelst  eines  Hahns 
von  weiter  Ocffnung  in  Verbindung  gebracht  und  diesen  letzteren  sehr  rasch  geöffnet  hat. 
Der  Lehre  von  der  Erhaltung  der  lebendigen  Kräfte  und  der  Trägheit  gemäss  muss  die 
Flüssigkeit  in  der  Schlauchwellc  zu  einer  hohem  Spannung  als  in  dem  Wasserbehälter 
gelangen,  ln  Folge  hiervon  wird  sich  die  8cblauchwand  mit  einer  grossen  Geschwindig- 
keit ausdehnen  und  ebenso  rasch  wieder  xusammenfallen ; wenn  nun  die  Schlauchvy&nd 
noch  der  einen  Seite  hin  vermöge  der  Beharrung  sich  über  den  Grad  von  Ausdehnung 
spannte,  der  ihr  vermöge  des  Drucks  aus  dem  Wasserbehälter  her  zukam , so  fallt  sie 
auch  bei  dem  Rückgang  aus  dieser  Spannung  beträchtlicher  zusammen,  als  es  ihr,  ohne 
die  grosse  Geschwindigkeit  ihrer  Bewegung,  die  Widerstände  der  umliegendon  Wand- 
thcile  möglich  machen  würden.  Hat  sich  aber  die  Geschwindigkeit  eben  in  Folge 
dieser  Widerstände  erschöpft,  so  wird  sie  durch  die  Spannung  der  Umgebung  nun 
wieder  aufwärts  getrieben ; dann  erst  entleert  sich  das  Röhrenstück,  vorausgesetzt,  dass 
der  Hahn  geschlossen  bleibt,  allmälilig.  Der  zweite  Schlag  ist  also  jedesmal  weniger 
energisch,  als  der  erste.  — Würde  nach  Analogie  dieses  Vorgangs  der  pulsus  dicrotus 
auftreten,  so  müssten : die  Herzschläge  nicht  allzurasch  einander  folgen,  damit  sich  die 
Arterie  während  der  Herzpausc  bedeutend  abspannen  könnte , so  dass  die  Bewegung 
der  Arterienwand  vom  Beginn  bis  zum  Ende  des  Herzschlags  eine  grosse  Geschwindig- 
keit zu  erlangen  vermöchte ; die  Herzzusammenziehung  selbst  müsste  aber  sehr  umfänglich 
und  dabei  rasch  vollendet  sein;  der  zweite  Schlag  müsste  dem  ersten  an  Kraft  nach- 


Digitized  by  Google 


172 


Pulsus  dicrotus. 


stehen  und  in  den  vom  Herzen  entfernteren  Artcrionslückcn  schwächer  als  in  den  ihm 
näheron  gefühlt  worden.  — 2)  In  dem  elastischem  Rohr  erfolgt  ein  Doppelschlag,  wenn 
die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  der  Hahn  geöffnet  wird,  eine  ungleichförmige  ist 
Also  z.  B.  wenn  man  die  erste  Hälfte  der  Hahnmündung  geschwind  Öffnet,  dann  sehr 
kurze  Zeit  langsamer  weiter  dreht  und  darauf  zur  frühem  Umdrehungsgeschwindigkeit 
zurück  kehrt.  In  Folge  dieser  Art  zu  drehen,  steigt  die  Spannung  in  dem  Röhren- 
umfang in  kurzer  Zeit  zuerst  sehr  bedeutend , dann  vermindert  sich  die  Plötzlichkeit 
derselben , um  beim  letzten  Akt  der  Hahndrehung  wieder  rasch  zu  steigen.  Damit  er- 
hält der  Schlauchpuls  eine  fühlbare  Einbiegung,  die  unter  günstigen  Umständen  einen 
deutlichen  Doppelschlag  zum  Vorschein  bringt.  — Wenn  sich  im  menschlichen  Kreislauf 
dieses  ereignen  sollte,  so  müsste  die  Zus&mraenziehüng  der  Kammern  mit  einer  während 
ihrer  Dauer  variablen  Geschwindigkeit  erfolgen ; die  Erscheinung  würde  wahrscheinlich 
sehr  deutlich  hervortroten.  Man  würde  auf  diesen  Mechanismus  des  pulsus  dicrotus 
schlie8sen  dürfen,  wenn  der  erste  Schlag  desselben  dio  Arterien  zu  einer  geringem 
Spannung  führte,  als  der  zweite,  so  dass  er  gleichsam  als  ein  Vorschlag  des  ersten  er- 
schien. Eine  Bestätigung  für  dio  Annahme,  dass  der  pulsus  dicrotus  auf  diese  Weise 
erzeugt  sei , würde  darin  liegen , dass  der  erste  Ucrzton , der  durch  die  Zusammen- 
ziehung  der  Kammern  cnsteht,  sehr  anhaltond  und  mit  schwankender  Intensität  gehört 
würde.  — 3)  Endlich  kann  man  durch  WellenreÜexion  einen  Doppelschlag  hervorbringen, 
vorausgesetzt  nämlich,  dass  man  in  das  Rohr  einen  Widerstand,  z.  B.  einen  dos  Lumen 
desselben  zum  grossen  Theil  erfüllenden  und  zugleich  feststehenden  Körper  einfügt, 
der  die  Bergwellcn  zuriiekzuwerfen  vermag.  Auch  in  diesem  Fall  ist  der  zweite  Schlag 
schwächer,  als  der  erste,  er  folgt  aber  diesem  um  so  rascher,  je  näher  das  Röhren* 
stück  an  dem  reüektircndcn  Widerstand  'liegt.  Durch  diese  letztere  Eigenschaft,  durch 
den  Nachweis  des  rcflektirondcn  Widerstandes,  und  schliesslich  dadurch,  dass  der  pulsus 
dicrotus  nur  einzelnen,  nicht  aber  allen  Arterien  zukäme,  würde  sich  im  Leben  diese 
Art  von  Entstehung  einos  Doppelpulscs  erkennen  lassen.  — Volkmann*)  hat  die 
unter  den  Bedingungen  l)und  2)  entstehenden  Doppelschläge  vermuthungsweise  abgeleitet 
aus  Interferenzen  zweier  ungleich  rasch  fortgepflanzter  Wellensystome,  deren  Vorhanden- 
sein er  im  Schlauche  statuirte.  Der  eine  von  diesen  Wcllenzügen  sollte  in  der  Schlatich- 
wand , der  andere  in  der  Flüssigkeit  fortschreiten.  Abgesehen  davon , dass  überhaupt 
kein  Grund  zur  Annahme  gesonderter  Wcllensysteme  vorliegt,-  bleibt  dieselbe  immer 
noch  die  Erklärung  dafür  schuldig,  warum  nur  unter  den  geschilderten  Bedingungen 
die  Welle  des  Schlauchs  und  der  Flüssigkeit  unabhängig  y»n  einander  werden.  — Die 
älteren  Pathologen,  welche  der  Ansicht  zuneigten,  dass  die  Muskeln  der  Uefasswand 
sich  ebenso  rythmisch  contrahirten , wie  die  des  Herzens,  erklärten  den  pulsus  dicrotus 
aus  einem  eigentümlichen  Rythmus  der  Gefässbcwegung.  Diese  Annahme  bedarf  keiner 
Widerlegung  mehr,  seitdem  die  Bewegungen,  welche  in  der  arteriellen  Gcfässw&nd  Vor- 
kommen können,  genauer  untersucht  worden  sind.  — 

2.  Mittelzahlen  ftlr  die  Spannnng  des  Bluts  in 
den  grössern  Arterien**).  Aus  zahlreichen  Beobachtun- 
gen , welche  sieh  meist  auf  eine  minutenlange  Beobachtungs- 
zeit beziehen,  geht  hervor,  dass  der  Mitteldruck  schwankte  beim 


•)  Hacntotlynamik.  118  u.  f. 

*•)  Volkmann,  1.  c.  p.  177.  — Beutner,  Hcnle  und  Pfeu  f er  *a  Zeitschrift.  Neue  Folge. 
II.  Bnnd. 


Digitized  by  Google 


Zahlenanggbon  Uber  mittlere  Spannung. 


173 


Pferd  zwischen  321  bis  110  MM.  Hg.,  beiin  Schaaf  zwischen 
' 206  bis  98  MM.,  beim  Hund  von  172  bis  88  MM.  Hg.,  bei  der 
Katze  von  150  bis  71  MM.  Hg,  beim  Kaninchen  von  90  bis  50  MM. 
Hg.*).  — Diese  Erfahrungen  lehren,  dass  zwar  im  Allgemeinen 
die  Grösse  des  Thiers  und  der  mittlere  Blutdruck  in  der  a.  carotis 
abnehmen,  aber  keineswegs  so,  dass  das  bei  einer  kleinern  Thier- 
art  beobachtete  Maximum  nnter  das  bei  dem  grösseren  gefundene 
Minimum  herabsinkt.  Die  auf  den  ersten  Blick  auffallende  Er- 
scheinung, dass  Thiere  von  sehr  verschiedener  Grösse,  wie  Katzen 
und  Pferde,  einen  so  annähernd  gleichen  Blutdruck  darbieten,  be- 
weist, dass  in  ihnen  die  den  Blutdruck  bestimmenden  Umstände: 
Herzkraft,  Blutmeuge,  Gesammtblut  der  Arterien,  Wandungsdicke 
im  Verhältniss  zum  Lumen,  Widerstände  u.  s.  w.  in  den  Kreis- 
laufsapparatcn  der  einzelnen  Thiere  jedesmal  in  der  Weise  gegen- 
einander geordnet  sind,  dass  aus  ihnen  ein  annähernd  gleicher 
Werth  des  mittleren  Druckes  resultirt. 

Es  darf  nun  als  wahrscheinlich  angenommen  werden,  dass  der 
absolute  Werth  des  Mitteldrucks  in  der  a.  carotis  des  Menschen 
ebenfalls  in  die  fltr  die  Sängethiere  festgestellten  Grenzen  fällt; 
indem  man  dieses  anerkennt,  wird  man  aber  zugleich  die  Unmög- 
lichkeit des  schon  öfter  unternommenen  Beginnens  einsehen,  eine 
ftlr  den  Menschen  allgemein  gütige  Zahlenangabe  zu  machen; 
denn  offenbar  wird  beim  Menschen  gerade  wie  in  den  einzelnen 
Thiergattungen  der  Spannungswerth  innerhalb  sehr  weiter  Gren- 
zen schwanken  können.  Um  sich  unmittelbar  von  der  Rich- 
tigkeit jener  Voraussetzungen  zu  Überzeugen,  führte  Faivre**) 
mit  Zustimmung  der  Aerzte  des  Hötel-Dieu  in  Lyon  Versuche  an 
drei  amputirten  Männern  ans.  Die  arter.  hrachialis  eines  hinfäl- 
ligen Alten  von  60  Jahren  und  die  a.  femoral.  eines  muskelkräf- 
tigen Mannes  von  30  Jahren  zeigen  übereinstimmend  einen  unge- 
fähren Mitteldruck  von  120  MM.  mit  Respirationsschwankungen 
von  10  bis  20  MM.  n.  Herzschwankungen  von  2 bis  3 MM.  — An 
der  Armarterie  eines  23jährigen  durch  tumor  albus  herabgekom- 
nienen  Mannes  erhob  sich  die  Säule  auf  etwa  110  MM.  Wie  gross 
der  Blutverlust  vor  der  Einfttgung  des  Instrumentes  gewesen,  ob, 


*)  Dem  weniger  Geübten  wird  der  beträchtliche  Werth  der  Drücke,  um  die  tu  aich  handelt, 
vielleicht  lebhafter  werden,  wenn  er  «ich  den  Qneckallber-  in  den  Wasserdruck  übersetzt,  was  in 
Jedem  Pall  tfeachleht,  wenn  er  die  obigen  Zahlen  mit  13,5  MM.  multiplizirt. 

••)  Gazette  roldirale  ItlMI  p.  797.  n f. 


Digitized  by  Google 


174 


Spannung  in  den  II aarg^ fassen. 


wie  doch  wahrscheinlich,  Chloroformnarkose  verbanden  gewesen, 
ist  nicht  angegeben. 

Ueber  Spannungsminderungen  nach  dem  Einfuhren  von  Arz- 
neistoffen (Neutralsalzen,  Digitalin,  Chloroforni,  Breehweinstein) 
geben  die  schon  erwähnten  Arbeiten  von  Blake,  Brunner  und 
Lenz  Aufschluss. 

Spannung  in  den  Haargefässen. 

Ihre  durch  Gesicht  und  Geftlhl  bestimmbare  Ausdehnung,  oder,, 
was  dasselbe  sagt,  die  Spannung  ihres  Inhalts  in  ein  und  der- 
selben Provinz  wechselt  mit  dem  Blutdruck  in  den  Arterien  und 
Venen,  mit  dem  Durchmesser  der  Arterien  und  Venen  nnd  nament- 
lich der  zu-  und  abführenden , mit  der  Widerstandsfähigkeit  und 
den  Bewegungen  der  sie  umschliessenden  Gewebe.  Dem  ent- 
sprechend strömt  wahrscheinlich  ftlr  gewöhnlich  das  Blut  in  den 
verschiedenen  Abtheilungen  des  Capillarsystems  unter  verschiede- 
nen Spannungen. 

a.  Wenn  die  Spannung  in  den  Arterien  steigt,  so  ist  damit 
zugleich  die  Kraft  gewachsen,  welche  den  Einfluss  in  die  Capil- 
laren  bestimmt,  und  damit  nach  bekannten  Grundsätzen  die  Span- 
nung des  Bluts  in  diesen  selbst.  Bestätigungen  hierfür  finden  wir  an 
leicht  ausdehnbaren  Gefässrcgionen ; so  dchuen  sic  sich  aus,  d.  h. 
die  von  ihnen  versorgten  Hautstücke  röthen  sich,  wenn  das  Herz 
rascher  und  intensiver  schlägt,  oder  wenn  in  anderen  als  den  zu- 
führenden  Arterien  der  Strom  unterbrochen  ist;  nach  einem  Ader- 
lass dagegen  werden  die  Capillarprovinzen  blass  u.  s.  w.  — Gestutzt 
auf  die  Theorie , dürfen  wir  vermutben,  dass  die  Spannung  in  den 
Capillaren  nicht  direkt  proportional  mit  derjenigen  in  den  grösse- 
ren Arterien  steige,  sondern  immer  weit  hinter  derselben  zurllok- 
bleibe.  Denn  wenn  in  Folge  eines  Spannungsznwachses  in  den 
Arterien  das  Einströmen  in  die  Capillaren  auch  beschleunigt  wird, 
so  kann  dieses  doch  nicht  in  dem  Maasse  geschehen,  in  dem  der 
Druck  gestiegen  ist,  da  in  den  engen  und  gebogenen  Zuleitungs- 
röhren (den  feinsten  Arterien)  der  Widerstand  mit  der  steigenden 
Stromgeschwindigkeit  ungeheuer  wächst. 

b.  Steigt  dagegen  die  Spannung  in  den  Venen,  so  muss  in 
demselben  Vcrhältniss  auch  diejenige  in  den  Capillaren  wachsen, 
welche  die  betreffenden  Venen  als  Abflussrohren  benutzen.  Dieses 
ist  sogleich  einleuchtend  für  den  Fall,  dass  alle  Venen,  die  den 
Abfluss  aus  einem  Capillarengau  besorgen,  verstopft  sind,  denn 
dann  werden  offenbar  die  Capillaren  ein  blindes  Anhängsel  an  den 


Digitized  by  Google 


Spannung  in  den  Haargefasaen. 


175 


zuftlhrenden  Arterien  darstellen  und  es  muss  darum  hier  die 
Spannung  so  hoch  steigen,  als  sie  in  der  Arterie  selbst  steht.  Da 
wir  nun  ans  der  Theorie  sehliessen  dürfen,  dass  im  normalen  Zu- 
stand in  den  Capillaren  die  Spannung  eine  viel  niedrigere  sei,  als 
selbst  in  den  letzten  Artcrienästen , so  muss  unter  den  bezeichne- 
ten  Umständen  die  Spannung  in  den  erstem  sehr  beträchtlich  an- 
wachscn.  In  vollkommener  Uebereinstimmung  hiermit  sehen  wir 
denn  auch,  dass',  wenn  einigermaassen  beträchtliche  Hemmungen 
in  den  abführenden  Venen  eines  Capillareusystcuis  eintreten,  die 
Spannung  in  diesem  ungemein  ansteigt;  so  schwellen  z.  B.  die 
Finger  nach  Umlegung  einer  Ligatur  um  dieselben  sehr  beträcht- 
lich an. 

c.  Mit  der  Verengerung  des  Durchmessers  der  kleinen  in  das 
Capillarensystem  fahrenden  Arterien  muss  unzweifelhaft  die  Span- 
nung in  den  erstem  niedriger  werden,  weil  unter  diesen  Umstän- 
den die  in  dasselbe  strömende  Blutmasse  abnimmt;  der  Grund 
hierfür  liegt  in  der  bekannten  Thatsache,  dass  eine  strömende 
Flüssigkeit  beiin  Durchgang  durch  enge  Röhren  an  ihren  leben- 
digen Kräften  mehr  einbtisst,  als  beim  Fliessen  durch  weite.  Diese 
theoretische  Folgerung  hat  man  gewöhnlich  bestritten  unter  An- 
führung der  ebenfalls  feststehenden  Beobachtung,  dass,  wenn  man 
innerhalb  eines  Röhrensystems  statt  eines  vorher  vorhandenen  wei- 
ten StUckes  ein  enges  einfügt,  während  man  die  Kräfte,  welche 
die  Flüssigkeit  in  den  Anfang  des  Röhrensystems  eintreiben,  un- 
verändert erhält,  in  dem  engen  Stück  die  Flüssigkeit  nun  ge- 
schwinder fliesst.  Die  obige  Bchanptung  steht  aber  in  gar  keinem 
Widerspruch  mit  dieser  letzten  Thatsache;  denn  die  aus  dem  engen 
Stück  hervortretende  Flüssigkeitsmenge  ist  ein  Produkt  aus  dem 
Querschnitt  der  Röhre  in  die  Geschwindigkeit  des  in  ihnen  vor- 
gehenden Stroms,  und  sie  behauptet  darum  nur,  dass  die  Ge- 
schwindigkeit nicht  in  dem  Maasse  steigt,  wie  der  Röhrenquerschnitt 
abnahm,  eine  Annahme,  welche  durch  die  hydraulischen  Unter- 
suchungen als  vollkommen  feststehend  anzusehen  ist.  — Hieraus 
müsste  man  nun  folgern,  dass,  wenn  eine  Verengerung  in  den 
kleinen  Arterien  einträte,  die  zu  ihnen  gehörigen  Capillaren  leerer 
und  die  von  ihnen  durchsetzten  Gewebe  somit  blasser  werden 
müssten.  Dieser  Erfolg  würde  unmöglich  ausbleiben  können,  wenn 
das  Blut  statt  eines  Gemenges  aus  flüssigen  und  festen  Stoffen 
von  ungleicher  Eigeuschwere  eine  homogene  Flüssigkeit  darstellte. 
Bei  der  berührten  mechanischen  Zusammensetzung  kann  aber  eine 


Digitized  by  Google 


176  Spannungen  nach  Veränderungen  im  Durchmeaaer  kleiner  Arterien  und  Venen. 


verminderte  Spannung,  selbst  wenn  sieb  die  i&flussröhren  veren- 
engert  haben , nur  kurze  Zeit  bestehen , und  zwar  bis  zu  einem 
gewissen  Grad  um  so  kürzere  Zeit,  je  beträchtlicher  die  kleinen 
Arterien  verengert  sind.  Denn  in  dem  langsamen  Strom,  der  dann 
durch  das  Capillarsystem  geht,  mttssen  sieh  die  schweren  Blutkör- 
perchen anhäufen  und  zusammendrängen,  also  muss  wegen  des 
gesteigerten  Widerstandes  die  Spannung  wieder  steigen.  Diese 
Folgerung  ist  zuerst  von  Brücke*)  gezogen  worden,  obwohl 
schon  Poiseuille**)  den  Hergang  mit  dem  Mikroskop  beobach- 
tet hat,  als  er  künstlich  den  Zufluss  in  ein  Capillarsystem 
minderte. 

Mit  der  Erweiterung  der  kleinen  Arterien  muss  dagegen  die 
Spannung  des  Bluts  der  Capillaren  zunehiueu,  da  hiermit  sieh  die 
Menge  der  in  sie  einströmenden  Flüssigkeit  mehrt.  Diese  Stei- 
gerung der  Spannung  scheint  beträchtlich  werden  zu  können, 
wie  man  dieses  z.  B.  nach  Durchschneidung  der  Gefüssnerven 
sieht.  — Verbinden  sieh  Arterienerweiternngen  und  ein  kräftiger 
Herzschlag,  wie  dieses  bei  Uebernährung  des  Herzens  beobachtet 
wird,  so  ereignet  es  sieh  zuweilen,  dass  sich  der  Pulsschlag  noch 
bis  in  die  Capillaren  fortsetzt,  so  dass  jedesmal  unmittelbar  nach 
einer  Herzzusammenziehung  eine  vermehrte  liöthung  derjenigeu 
Hautstellcn  cintritt,  in  welche  sich  die  Capillaren  mit  erweiterten 
Zuflussrohren  begeben. 

Die  Erscheinungen  werden  sieh  nun,  wie  ohne  weiteres  klar 
sein  wird,  gerade  in  umgekehrter  Weise  einiinden  müssen,  wenn 
sich  die  kleinen  Venen,  in  die  die  Capillaren  übergehen,  verengern 
oder  erweitern;  denn  offenbar  wird  in  dem  erstem  Fall  der  Ab 
fluss  beschränkt,  in  dem  letztem  begünstigt  und  somit  die  .Span 
nung  in  dem  einen  steigen,  in  dem  andern  aber  sinken  mttssen. 

Bei  den  wichtigen  Folgen,  die  eine  veränderte  Spannung  des 
Bluts  in  den  Capillaren  für  die  Absonderungserscheiuuugcn  und 
den  Wärmeverlust  mit  sich  führt,  ist  es  von  Bedeutung,  dass  ge- 
rade die  den  Capillaren-  zunächst  gelegenen  Arterien  und  Venen 
mit  Muskelfasern  begabt  sind,  mit  deren  Zusammenziehung  und 
Erschlaffung  der  Durchmesser  dieser  Gefässe  beträchtliche« 
Schwankungen  unterworfen  ist;  hierdurch  ist  ein  regulatorischer 
Apparat  gegeben,  der  den  Stromlauf'  in  der  einen  oder  andern 


•)  Uebor  die  Mechanik  de«  Enteündungaprozesae*.  Archiv  f.  physlolog.  Heilkunde.  IX.  Bd  4t*3. 
**)  Ktcherthei  sur  lea  citun  da  inouvement  du  sang  dana  let  viliieaux  capillnlre*.  Pari«.  lnkV 


Digitized  by  Google 


Spannung  in  der  vena  jugularia. 


177 


Capillarenabtheilnng  bis  zu  einem  gewissen  Grade  unabhängig  von 
allen  übrigen  erhalten  kann;  und  in  Wirklichkeit  deuten  viele  Er- 
scheinungen, die  p.  111  bis  115  schon  erwähnt  wurden,  darauf  hin, 
dass  er  diese  Aufgabe  auch  erfüllt. 

d.  Die  steigende  oder  abnehmende  Widerstandsfähigkeit  der 
Gewebe,  in  welchen  die  Capillaren  verlaufen,  ändert  nothwendig 
den  Durchmesser  ihres  Querschnitts  und  dem  entsprechend  nach 
bekannten  Grundsätzen  ihren  Strom.  Beispiele  für  dieses  Verhal- 
ten liefert  die  Gänsehaut,  Verlust  der  Epidermis,  Erschlaffungen  * 
der  Haut,  Wasserergüsse  in  das  Bindegewebe  u.  s.  w. 

Die  Annahme,  dass  an  den  verschiedenen  Orten  desselben 
Capillarensystems,  und  noch  mehr,  dass  in  verschiedenen  Capilla- 
rensystemen  die  Spannungen  wechseln,  gründet  sich  weniger  auf 
messende  oder  schätzende  Versuche  am  Strom  seihst,  als  auf  die 
Vergleichung  der  Können  der  Capillaren  und  auf  die  Anwendung 
hydraulischer  Prinzipien  für  diese;  bei  den  einzelnen  Organen  wer- 
den wir  des  genauem  hierauf  eingehen. 

Zu  Messungen  Uber  den  wahren  Werth  der  Spannung  des 
Blutes  in  den  Ilaargefässen  fehlt  es  bis  dahin  an  einer  Methode. 

Beobachtete  Spannung  in  den  Venen. 

Die  Spannung  in  den  Venen  ist  erfabrungsgemäss  veränder- 
lich mit  der  Blutfülle,  der  mittleren  Spannung  im  arteriellen  System 
und  ausserdem  noch  mit  den  Herzschlägen,  den  Respirationsbe- 
wegungen, den  Bewegungen  und  Stellungen  der  Glieder;  da  aber 
diese  Umstände  nicht  in  jeder  Vene  sich  gleich  geltend  machen, 
so  werden  wir  ihre  Folgen  zunächst  in  einer  derselben,  der  vena 
jngnlaris  externa  angeben  und  darauf  die  Variation  der  Erschei- 
nung, so  weit  sie  an  andern  Venen  beobachtet  ist,  folgen  lassen. 
Wir  bemerken  im  Voraus,  dass  Uber  die  Folgen  der  veränderlichen 
Blutfülle  zu  den  wiederholt  mitgctheilten  Bemerkungen  nichts  Wei- 
teres zuzufügen  ist. 

Vena  jugularis.  a.  Wenn  die  vena  jugularis  sich  in 
mittlerer  Fülle  befindet  und  die  Herzschläge  kräftig  sind,  so  ist 
an  ihr  jede  Vorhofsbewegung  sichtbar,  indem  die  Vene  mit 
der  beginnenden  Zusammcnziehnng  an-  und  mit  der  eintretenden 
Diastole  abschwillt;  in  allen,  selbst  in  den  günstigsten  Fäl- 
len, ist  die  sichtbare  Veränderung  in  dem  Gcfässdurchmcsser 
nicht  eben  beträchtlich.  Wey  rieh*)  fand,  dass  die  Spannungs- 


•)  De  cordis  adspirutiono  experimenta.  Dorpat.  1863. 
Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Aullage. 


Digitized  by  Google 


178 


Spannung  in  der  v.  jugularis. 


abnahmc,  welche  während  der  Diastole  des  Herzens  eintritt,  höch- 
stens einigen  MM.  Quecksilber  entspricht.  Hammernik*)  giebt 
an,  dass  die  Erweiterung  der  Venen  bei  der  Vorhofszusammen- 
ziehung  am  Halse  des  Menschen  niemals  merklich  sei,  vorausge- 
setzt, dass  die  Klappen  in  den  Gewissen  hinreichend  schliessen. 

b.  Die  analogen  Wirkungen  der  Brustbewegungen  treten  be- 
deutsamer hervor,  indem  die  Vene  bei  kräftiger  Exspiration  jedes- 
mal deutlich  anschwillt,  während  sie  in  der  vorhergehenden  Inspi- 
ration ebenso  bedeutend  zusammentallt.  Das  Uebergcwicht  dieser 
Schwankungen  Uber  die  vorhergehenden  prägt  sich  nun  auch  in 
dem  mit  dem  Lumen  der  Venen  eontmunizirenden  Manometer  aus. 
Es  schwankt  nemlich  bei  einer  gewöhnlichen  Einathmung  der 
Druck  um  das  doppelte  und  bei  einer  tiefen  Inspiration  um  mehr 
als  das  vierfache  von  dem,  um  welches  ihn  die  Herzbewegung  ver- 
änderte. Schwerlich  dürfte  es  jedoeh  gelingen,  den  absoluten 
Werth  der  Druckschwankungen  zu  erhalten,  da  sie  meist  in  zu 
rascher  Folge  wechseln,  als  dass  eine  vollständige  Ausgleichung 
der  Spannung  im  Manometer  und  in  der  Vene  erreicht  werden 
könnte. 

c.  Die  eben  erwähnten  Wirkungen  des  Herzschlags  und  der 
Athembewegung  geschehen  offenbar  unmittelbar  durch  die  hohlen 
und  ungenannten  Venenstämme  auf  die  Drosselvene.  Von  der 
anderen  Seite  her  durch  die  C'apillhren  und  die  Venenzweige  nie- 
derer Ordnung  müssen  sich  dagegen  beide  Bewegungen  geltend 
machen,  insofern  sie  die  Spannung  in  den  Arterien  bestimmen. 
Auf  diesem  Wege  erzeugen  sie  allerdings  ebenfalls  Druckverän- 
derungen in  dem  Blute  der  Jugularvene,  jedoch  keineswegs  solche, 
welche  zeitlich  oder  der  Grösse  nach  genau  den  in  den  Arterien 
bedingten  entsprechen,  so  dass  man  noch  die  einzelnen  Herz- 
schläge und  Respirationsbewegungen  unterscheiden  könnte.  Im 
Allgemeinen  ändert  sich  nur,  wenn  während  längerer  Zeit  hindurch 
eine  mittlere  Spannung  in  der  Arterie  constant  bleibt,  auch  die- 
jenige der  Vene.  Als  eine  im  Wesentlichen  richtige  Regel  kann 
hier  nach  den  Untersuchungen  von  Brunner  angegeben  werden, 
dass,  wenn  längere  Zeit  hindurch  die  Spannung  in  den  Arterien 
herabsinkt,  sie  in  der  Jugularvene  zuuimmt  und  umgekehrt;  der 
absolute  Werth,  um  welchen  die  Spannung  in  den  Venen  hierbei  ge- 
ändert wird,  ist  immer  sehr  gering  gegen  den,  um  welchen  sie  in 


•)  Prager  Vicrtcljilinichrlft.  If&3.  III.  Bd.  p.  68. 


Digitized  by  Goc 


Einfluss  der  Brust*  und  Henbewegung  auf  dieselbe. 


179 


den  Arterien  schwankt.  So  wurde  z.  B.  der  mittlere  Druck  iu  der 
art.  carotis  eines  Hundes,  dessen  n.  vagi  durchschnitten  waren,  auf 
122,4  MM.  Quecksilber,  der  gleichzeitige  in  der  Vene  Uber  dein 
Sternum  zu  1 bis  1,9  MM.  Quecksilber  bestimmt.  Als  nun  die  mit 
den  Herzen  in  Verbindung  stehenden  Enden  der  n.  vagi  ungefähr 
30  Sekunden  hindurch  erregt  wurden,  so  dass  in  dieser  Zeit  gar 
keine  Herz-  (und  auch  keine  Athem-)  Bewegung  zu  Stande  kam, 
fiel  der  Druck  in  der  Arterie  auf  13,3  MM.,  in  der  Vene  stieg  er 
aber  auf  3,8  MM.  Während  er  also  in  der  Carotis  um  109,1  MM. 
gesunken,  hatte  er  sich  in  der  Vene  nur  um  2,8  bis  1,9  MM.  er- 
hoben. Diese  Erscheinung  ist  daraus  erklärlich,  dass  die  AufUl- 
lung  des  arteriellen  Hohlraums  nur  auf  Kosten  des  venösen  ge- 
schehen kann  und  umgekehrt;  es  muss  also',  wenn  der  Druck  in 
dem  einen  System  sinkt,  nothwendig  im  andern  ein  Steigen  eintre- 
ten  (Ed.  Weber).  Dieser  Verlust  der  einen  Seite  kann  aber  dem 
Gewinn  auf  der  andern  nicht  gleich  sein,  weil  das  arterielle  Ge- 
sammtlumcn  im  Vergleich  zum  venösen  enger  ist,  so  dass,  was  dort 
eine  beträchtliche  Quote  des  Gesammtinhalts  darstellt,  hier  nur  als 
eine  geringe  betrachtet  werden  muss,  nnd  weil  eine  Ausdehnung 
des  arteriellen  Lumens  wegen  seiner  starken  elastischen  Wandun- 
gen mehr  Kraft  erfordert,  als  die  dünne  Venenwand  verbraucht. 

d.  Die  Bewegungen  der  Muskeln  in  den  Fortsätzen  des 
Rumpfs,  dem  Hals,  Arm  u.  s.  w.  bringen  eine  merkliche  Steigerung 
der  Spannung  in  der  Jugularvenc  hervor;  diese  ist  um  so  bedeu- 
tender, je  gefüllter  die  Venen  der  bewegten  Körpertheile  sind,  und 
je  rascher  und  je  mehr  ihre  Lumina  durch  die  Bewegungen  zu- 
sammengedrtlckt  werden. 

Die  Spannungserscheinungen  in  den  übrigen  Ve- 
nen. Dio  mittlere  Spannung  nimmt  in  den  Venen  von  den  Zwei- 
gen gegen  die  Stämme  hin  nach  Versuchen  an  Pferden,  Kälbern, 
Ziegen  und  Hunden  ab. 

In  der  Hohlvene  des  Hundes  selbst  ist  die  mittlere  Spannung 
geringer  als  der  Luftdruck  gefunden  worden  (V  o 1 k m a n n , C. 
Ludwig)*),  eine  Thatsache,  die  in  vollkommener  Uebereinstim- 
mung  steht  mit  der  von  Donders  gegebenen  Entwickelung  Uber 
die  Spannung  in  der  Brusthöhle  ausserhalb  der  Lungen  (p.  143.); 
beim  Hunde  schwankt  nach  zahlreichen  Versuchen  der  Mitteldruck 
in  der  vena  jugularis  von  2 bis  zu  15  MM.  Hg,  in  den  venae 


•)  Ilaemodyiuiiiik.  p.  3M. 


12* 


180 


Spannungen  anderer  Körpervenen. 


brachialis  und  cruralis  von  10  bis  zu  30  MM,  Hg  Mogk*);  Volk- 
mann**) fand  ihn  in  der  ven.  facialis  der  Ziege  zn  41  MM.  Hg 
und  gleichzeitig  in  der  vena  jugnlaris  desselben  Thiers  aber  zu 
18  MM.  Hg. 

Dio  Wellen,  welche  der  Herzschlag  von  den  Vorhöfen  her  er- 
zeugt, erstrecken  sich  beobachtungsgemäss  niemals  weit  in  die 
Zweige  der  obern  Ilohlader  hinein;  sie  sind  z.  B.  nur  in  seltenen 
Fällen  bis  in  die  vena  axillaris  zn  verfolgen.  — In  grösserer  Aus- 
dehnung sind  aber  die  von  den  Brustbewegungen  abhängigen 
Spannungen  nach  weisslich , namentlich  beobachtet  man  sie 

noch  in  den  Hirnvenen  (Ecker***),  Donders)f)  und  in  der 
vena  cruralis , auf  welche  wahrscheinlich  die  mit  dem  Ath- 
men  zusammenhängenden  Bewegungen  der  Baucheingeweide  ver- 
mittelnd wirken.  Dass  ihre  Wirksamkeit  sich  beim  Menschen 
nicht  weniger  weit  erstreckt,  geht  daraus  hervor,  dass  die  Kopf- 
und  Halsvenen  bei  tiefer  Exspiration  anschwellen  und  bei  tiefer 
Inspiration  zusammenfallen.  Das  Volum  des  Arms  soll  ebenfalls 
bei  tiefer  Inspiration  geringer  werden.  Hammernikft).  — Zu- 
sammenpressungen der  Venen  durch  die  Muskeln  der  Glieder,  in 
welchen  sich'  dieselben  verbreiten,  müssen  selbstverständlich  vor- 
zugsweise in  den  Venen  der  Extremitäten  und  der  Rumpfwandun- 
gen  Vorkommen.  Diese  Pressungen  werden  nun  offenbar  den 
Röhreninhalt  zugleich  nach  dem  Herzen  und  den  Capillaren  hin- 
treiben; dieser  letzte  Weg  wird  dem  Strom  aber  durch  die  Klap- 
pen abgeschnitten,  die  in  den  erwähnten  Venen  besonders  zahl- 
reich Vorkommen. 

Beobachtete  Spannungen  innerhalb  der  kleinen 
Blutbahn. 

1.  Die  Spannungswerthe  des  arteriellen  Blutes  in  den  Lungen 
können  gemessen  werden:  a)  nachdem  der  Brustkasten  vorher  er- 
öffnet ist  und  der  zum  Leben  nothwendige  Luftwechsel  in  den 
Lungen  durch  einen  in  die  Luftröhre  eingesetzten  Blasebalg  (künst- 
liche Athmnng)  erhalten  wird  (Beutner) fff),  b)  Ein  Troicart 
wird  durch  die  sonst  unverletzte  Brustwandung  in  die  art.  pul- 


•)  He  nie  und  Pfeufer.  III.  Ud.  p.  78. 

*•)  1.  c.  p.  178. 

••*)  Phy*iologi*che  Untersuchungen  über  die  Bewegungen  de*  Gehirn*  etc.  Stuttg.  1845. 
t)  De  beweglngen  der  hersenen.  Nederl.  lancet  2.  Serie.  1850. 

U)  l.  c.  p.  57. 

ttt)  Heule  # und  Pfoufcr'a  Zeitschrift.  N.  F.  II.  Bd. 


Digitized  by  Gocv 


Spannungen  in  der  kleinen  Blutbahn. 


181 


monalis  gestochen;  nach  Entfernung  des  Stichels  wird  in  die  lie- 
gengebliebene Scheide  der  Druckmesser  eingesetzt  (Chaveau). — 

c)  Durch  die  vena  jugularis  dextra  schiebt  man  einen  mettallenen 
Catheter  in  das  ost.  venosum  des  rechten  Ventrikels  (Faivre*).  — 

d)  an  einem  Thier,  dessen  Herz  in  Folge  eines  Bildungsfchlers 
vor  der  Brustwand  liegt,  konnte  das  Verbindungsrohr  zwischen 
Blut  und  Messwerkzeug  unmittelbar  durch  das  Herzfleisch  in  die 
Vontrikelhöhle  gebracht  werden  (Hering**).  — Vermöge  der  be- 
sondern  Anwendungsweise  des  Druckmessers  im  erstem  und  letz- 
ten! Verfahren  erhalten  wir  keinen  Aufschluss  Uber  die  span- 
nenden Wirkungen  des  Brustkastens,  sondern  nur  Uber  die  des 
Herzens.  Nicht  minder  liegt  ausser  besondem  Fehlem  in  allen 
Fällen  der  Verdacht  nahe,  dass  wesentliche  Störungen  in  der  Herz- 
thätigkeit  eingeführt  werden;  darum  muss  jedesmal  gleichzeitig 
mit  dem  Druck  in  den  Lungenkreisläufe  der  in  der  Carotis  be- 
stimmt werden,  so  dass  die  Spannungen  beider  mit  einander  ver- 
glichen werden  können. 

Als  Beutner  den  Druckmesser  gleichzeitig  in  die  artt.  pul- 
monalis  und  carotis  einsetzte,  fand  er  das  Verhältniss  des  Mittel- 
drucks in  der  a.  pulmonalis  zur  a.  carotis  bei  Kaninchen  wie  1 : 4, 
bei  Katzen  wie  1 : 5,  bei  Hunden  wie  1:3.  — In  diesen  Ver- 
suchen näherte  sich  die  Spannnng  in  der  a.  carotis  derjenigen  sehr 
an,  welche  man  auch  bei  uneröffheter  Brusthöhle  erhält;  darum 
darf  angenommen  werden,  dass  mindestens  die  nerzkräfte  keine 
Schwächung  erlitten  hatten;  dagegen  war  durch  Einsetzung  der 
Cantile  in  einen  grossen  Ast  der  Pulmonalartcrie  offenbar  die 
Spannung  in  dieser  weit  jenseits  der  normalen  Grenzen  gesteigert. 
Demnach  kann  man  wohl,  ohne  einen  zu  grossen  Fehler  zu  be- 
gehen, behaupten,  dass  eine  über  das  gewöhnliche  Mittel  gestei- 
gerte Spannung  in  der  Lungenarterie,  so  weit  diese  von  der  Herz- 
kraft abhängig  ist,  sich  verglichen  habe  mit  der  annähernd  nor- 
malen in  der  Carotis.  — • 

Die  für  den  Mitteldruck  gefundenen  Zahlen  betragen  an  Kanin- 
chen 22  MM.,  an  Katzen  17  MM.,  an  Hunden  29  MM.  Queck- 
silber. 

Beutner  hat  auch  für  einen  Fall  die  Spannung  in  den  Lun- 
genvenen der  Katzen  untersucht  und  sie  zu  10  MM.  Hg.  ge- 
funden. 


•)  Gazette  medical*  de  Pari*  1W6.  p.  7». 
••)  Archiv  fUr  phyalolog.  Heilkunde.  IX.  Bd. 


182 


Spannnngen  in  der  kleinen  Blutbahn. 


II c rin",  welcher  seine  Beobachtungen  an  einem  Kalbe  an- 
stellte, das  die  angegebene  Bildungshemmung  • (ectopia  cordis) 
zeigte,  brachte  seine  Messröhren  unmittelbar  in  die  linke  und 
rechte  Herzkammer,  ln  diesen  Röhren,  welche  wasserdicht  von  der 
Muskolsnbstanz  umschlossen  wurden,  stieg  die  Flüssigkeit  in  einem 
Verhältniss  von  1 : 1,7,  die  grössere  Zahl  gehörte  dem  linken  Ven- 
trikel an. 

Faivre,  der  sich  der  Methode  vonChaveau  bediente,  giebt 
an,  dass  beim  Pferd  der  Druck  in  der  a.  pulmonalis  etwa  ein 
Drittheil  von  dem  in  der  a.  carotis  betragen  habe. 

Da  nun  der  Einfluss  der  Brustbewegung  auf  den  Lauf  des  Lun- 
genblntes  dem  Versuch  noch  nicht  zugängig  gewesen  ist,  so  können 
wir  zur  Aufhellung  dieser  wichtigen  Verhältnisse  nur  gelangen 
durch  theoretische  Schlüsse  über  die  Veränderungen,  welche  die 
Athembewegungen  an  dem  Verhalten  der  Gefässe  erzeugen.  — - 
Mit  Rücksicht  hierauf  ist  zweierlei  zu  unterscheiden.  Einmal 
nemlich  ändert  sich  die  Länge  der  Gefässe  und  insbesondere  der 
Capillaren  dadurch,  dass  sieh  die  Lungenbläschen  bei  der  Inspi- 
ration ansdehnen,  während  sie  bei  der  Exspiration  Zusammen- 
fällen; die  wesentliche  Frage,  ob  sich  hierbei  die  Widerstände  än- 
dern, indem  mit  der  Ausdehnung  der  Lungenbläschen  sich  die 
Capillaren  verlängern  und  verengen,  hat  Pois euille  auf  verschie- 
dene Art  zu  erledigen  gesucht.  Zuerst  injicirte  er  mit  einer  in  der 
Kälte  erstarrenden  Masse  die  erwärmten  Lungengefässe,  dann  blies 
er  einen  Lappen  der  Lunge  durch  den  Bronchus  auf  und  unterband 
den  letztem;  die  andern  blieben  im  zusammengefallenen  Zustand. 
Die  mikroskopische  Messung  der  Capillaren  in  der  erkalteten 
Lunge  ergab  einen  grösseren  Durchmesser  für  die  zusammenge- 
fallenen,  einen  kleineren  für  die  aufgeblasenen  Lungennmssen.  — 
Dann  bestimmte  er  die  Ausflussgeschwindigkeit  eines  Stromes,  der 
unter  constantem  Dmek  in  die  Lungenarterie  ein-  und  durch  die 
Lungenvepe  ausging.  In  der  zusammcngcfallenen  Lunge  war  der 
Strom  geschwinder  als  in  der  mässig  aufgeblasenen  und  in  dieser 
wiederum  rascher  als  in  der  stark  aufgeblasenen.  Auf  diese  That- 
sachen  kommt  die  Respirationslehre  noch  einmal  zurück.  — Nächst- 
dem  ändert  sich  aber  auch  mit  der  Brnstbewegung  die  Spannung 
der  grossen  Lungengefässe,  welche  ausserhalb  des  Pleurasackes 
gelegen  sind.  Auf  sie  ist  nemlich  offenbar  alles  das  anwendbar, 
welches  für  die  grossen  Gefässe  des  Aortenwerkes  innerhalb  der 
Brusthöhle  galt,  so  dass  in  den  Venen  und  Arterien  der  Lungen 


Digitized  by  Google 


Geschwindigkeit  des  Blutetronis. 


183 


die  Spannung  mit  der  Exspiration  steigt,  mit  der  Inspiration  aber 
abnimmt 

2.  Verbindung  zwischen  Lungen  und  Körperkreislauf.  Eine 
besondere  Hervorhebung  verdient  schliesslich  noch  die  eigenthüm- 
liche  Verbindung,  welche  zwischen  dem  Aorten-  und  Lungenwerk 
durch  die  a.  bronchialis  besteht ; diese  bezieht,  wie  bekannt,  ihr  Blut 
ans  der  Aorta  und  liefert  es  theilweise  wenigstens  unmittelbar  in 
die  v.  pulmonalix.  Diese  Gefässe  durften  vielleicht  .angesehen  wer- 
den als  Mittel,  durch  welche  relative  l'eberfUllungen  der  einen 
oder  andern  Abtheilung  ausgeglichen  werden  können. 

Die  Geschwindigkeit  des  Blutstroms. 

Die  Geschwindigkeit,  welche  den  einzelnen  im  Blutstrom  krei- 
senden Thcilchen  zukommt,  wechselt  mit  der  Zeit  und  dem  Ort 
und  dem  Aggregatzustand  des  Strömenden.  — Zunächst  ist  es 
offenbar,  dass  von  den  Thcilchen,  welche  gleichzeitig  in  einem  und 
demselben  Stromqu'ersehnitte  enthalten  sind,  diejenigen,  welche  an 
der  Röhremvaud  laufen,  sich  langsamer  bewegen,  als  die  in  der  • 
Mitte  gelegenen,  weil  ausnahmslos  in  allen  Röhren  die  Wand- 
schicht an  Geschwindigkeit  der  Mittelschicht  unterlegen  ist.  Zu- 
dem ist  die  Anwendbarkeit  dieses  Grundsatzes  auf  den  Blutlauf 
erfahrungsgemäss  fcstgestellt  — Ein  und  dasselbe  Thcilchen  wird 
aber  eine  verschiedene  Geschwindigkeit  empfangen,  je  nachdem 
es  in  den  Stämmen  oder  Aestcn  der  Arterien  und  Venen,  oder  in 
den  Capillaren  sich  bewegt,  und  dieses  wird  selbst  noch  gelten, 
wenn  auch  das  Theilchcn  immer  in  derselben  relativen  Stellung 
zu  der  Wand,  z.  B.  in  der  Mittelschicht,  bleibt.  Denn  da  die 
Querschnitte  der  gesummten  Blutbahn  auf  ihrem  Verlauf  bald 
grösser  und  bald  kleiner  werden,  da  trotzdem  durch  jeden  Quer- 
schnitt der  Gesamintbakn  immer  gleich  viel  Blut  strömmen  muss,  ■ 
so  wird  in  den  grössern  Querschnitten  die  Geschwindigkeit  sich 
vermindern  müssen.  — Mit  der  Zeit  verändert  sich  aber  die  Ge- 
schwindigkeit, weil  die  treibenden  Kräfte,  oder  anders  ausgedrüekt, 
die  Spannungsunterschiede  zweier  unmittelbar  aufeinanderfolgender 
Querschnitte  mit  der  Zeit  wechseln.  Dieser  Wechsel  ist  nun  aber 
fUr  die  einzelnen  Gefässabtheilungen,  wie  wir  wissen,  nicht  gleich. 

Im  normalen  Blutstrom  sind  diese  Unterschiede  in  merklicher  Weise 
und  zwar  ununterbrochen  vorhanden  in  den  grossen  Arterien,  insbe- 
sondere des  Aortensystems,  dann  in  den  grossen  Körpervenen,  am 
wenigsten  ausgesprochen  sind  dagegen  die  erwähnten  zeitlichen 
Veränderungen  in  den  Capillaren. 


Digitized  by  Google 


184  Geschwindigkeitsmessung  nach  K.  II.  Weber,  Vierordt,  Wagner,  Weller. 


Wenn  man  also  die  lilotstrUmnng  messen  will,  so  muss 
sieh  vor  Allem  darüber  verständigen,  ob  man  eine  l’artialgesel 
digkeit,  d.  h.  die  an  einem  Ort  und  zu  einer  begrenzten  Zei 
stehende , oder  ciu  Mittel  aus  den  zeitlichen  und  örtlichen  V 
tionen  zu  bestimmen  gedenkt.  Dieses  hervorzuheben  ist  m 
weniger  nuniltz,  als  in  der  That  die  verschiedenen  bis  dahii 
knnnt  gewordenen  Methoden  bald  das  eine  und  bald  das  ai 
Ziel  verfolgen. 

a.  Die  Centralgeschwindigkcit  des  Capillarcnstroms  *)  kann  durch  die  sic 
Bewegung  der  Blutkörperchen  gemessen  werden.  Dieses  geschieht  1.  nach  E.  II.  V 
durch  mikroskopische  Ausmessung  der  Wegstrecke,  welche  ein  Blutkörperchen 
Zeiteinheit  zurik-klcgt.  Um  aus  diesen  Daten  die  wahre  Geschwindigkeit  zu  : 
muss  man  den  durchlaufenen  Weg  durch  die  Yergrösserungszahl  des  Mikroskop« 
diren,  wio  sich  von  selbst  versteht.  Als  vorzügliche  Beobachtungsorte  empfehlen  s: 
Schwimmhaut,  und  da#  Mesenterium  der  Frösche  (E.  H.  W ober),  da«  Mesenterium  • 
Siiugethicro  (Volk  mann,  lt.  Wagner),  das  luxirtc  pigmentfreie  Auge  kleiner 
thicre  (Waller).  — Die  Beobachtung  selbst  ist  schwer;  auf  die  Aufstellung  d 
beobachtenden  Tlieilo  unter  das  Mikroskop  ist  dio  grössto  Sorgfalt  zu  verwenden, 
die  Beobachtung  nicht  durch  örtliche  Störungen  vereitelt  werde.  — 2.  Ein  andei 
Menschen  anwendbares  Verfahren,  auf  welches  schon  in  der  ersten  Auflage  diese# 
buchcs  hingewiesen  wurde,  konnte  Vierordt  ausführen,  weil  er,  wie  Seite  35 
1.  Bandes  erwähnt  wurde,  sich  den  eigenen  Ketin  alkreislauf  sichtbar  machen 
Um  diesen  Versuch  zu  dem  vorliegenden  Zwecke  zu  benutzen,  projizirt  er  die  Ü 
flgur  auf  eine  von  hinten  stark  erleuchtete  Milchglasscheibe,  die  in  genau  gek: 
Entfernung  vom  Auge  stellt;  dann  notirt  er  die  Zeit,  in  welcher  ein  Körperchci 
gradlinige  Bahn  von  gemessener  Länge  durchlauft.  Ist  a der  Abstand  der  l 
glasebene  vom  vordem  Knotenpunkt  des  Auges,  b der  der  Kctina  von  hintern  i 
die  vom  Blutkörperchen  auf  der  Milchglasscheibe  durchlaufene  Wegstrecke,  so  i 

b c 

auf  der  Kctina  durchlaufene  =»  — . — 3.  Vierordt  schlägt  endlich  auch  die  rc 
a 

den  Scheiben  von  Plateau  und  Doppler  als  Mittel  für  die  Messung  an  durchsic 
thierischcn  Thailen  vor.  — 

Da  nun  bekanntlich  die  rotlien  Körperchen  im  Centralstrom  der  Capillarci 
fen  und  da  des  geringen  specifUchen  Gewichtsunterschieds  wegen  ihre  Geschwind 
mit  der  der  Blutflüssigkeit  übereinstiramt,  so  leistet  die  Messung  ihrer  Geschwind 
wahrscheinlich  mit  hoher  Vollkommenheit  das  Verlangte. 

b.  Das  Dmmometcr  von  Volk  mann**)  findet  seinem  Bau  gemäss  einen  ! 
werth  aus  den  auf  dem  Querschnitt  eines  grösseren  Gefässes  nach  Zeit  und  Raur 
widerlichen  Geschwindigkeiten.  Mit  andern  Worten,  cs  misst  die  Geschwind 
welche,  wenn  sio  während  der  ganzen  Beobachtungsdauer  auf  allen  Orten  des  C 
Schnittes  gleich  wäre,  gerade  soviel  Blut  durch  den  letzten  fordern  würde,  ala 

•)  Müllers  Archiv.  Ih3ä.  Vierordt.  Die  Gesetze  der  Stronigcscliwindijrkeit««.  Fn 
Ifcv«.  p.  33  n.  f.  — Waller  Coinpt.  read.  Dd.  43.  j».  669.  — R.  Wagner  ln  Valentins  Ja 
rieht  für  1WV6.  p.  7K.  — 

••)  llat'iundyiiAinik.  p.  K>.  Lenz,  ezperiineuta  de  raiioue  inter  jiuUu»  fmiueaitu 
Dorpat  I8M.  p.  lt.  Vierordt  L c.  p.  7. 


Digitized  by  Google 


Geschwindigkeitsmessung  nach  Vicrordt  und  Volkmamt 


18j 


Thal  durch  ihn  lauft,  während  di.«  Gesehw in.ligkeit  von  der  Wund  gegen  da»  Uöhron- 
contrum  und  m jod.  ru  einzeln«  n Faden  wiederum  mit  dom  Schlag  und  der  Kühe  de» 
Herzen.*  veränderlich  ist  Dio  besondere  Anwendung  des  Dromomcter*  für  den  Blut- 
strom erläutert  die  Fig.  (|s).  ln  ihr  ljczeichneti  n u die  Kaden  des  durchschnittenen 
Gcfässes,  in  welche  das  Huemodromometcr  bedeb 
eingebunden  ist  Dieses  let/tero  hat  einen  geraden 
Schenkel  b t e b au*  Messing  und  einen  gebogenen 
ede  aus  Glu».  An  den  Orten  ee,  wo  dio  Arme  des 
gläsernen  Kohrs  in  das  gerade  münden,  sind  zwei 
Uähno  mit  anderthalbfacher  Durchbohrung  angebracht, 
die  in  der  Zeichnung  ini  Grundriss  dargestellt  sind ; 
die  durchbohrten  Gänge  sind ^sch wäre  schrafftrh  Man 
erkennt,  dass,  wenn  die  durchbohrten  Tbcilc  der 
Hähne  dio  gezeichnete  Stellung  eiitnehmcn,  das  Blut 
aus  dem  Gefässe  n unmittelbar  durch  den  geboge- 
nen Schenkel  e d e dringt , während  der  gerade  abge- 
schlossen ist;  werden  dagegen  die  Hahne  um  HO0 
gedreht,  so  ist  umgekehrt  der  gerade  Schenkel  für 
den  Blutstrom  eröffnet  und  der  gebogene  ihm  verschlos- 
sen. An  diesen  Hahnen  ist  endlich  noch  die  hier  nicht 
angegebene  Hinrichtung  angebracht,  du**  immer  mit 
dum  einen  Hahne  sich  der  andere  zugleich  umdrchcii 
muss,  so  das*  tu  sehr  kurzen  Zeiten  der  Strom  b e c b 
in  den  von  bedeb  umgesetzt  werden  kann.  — Will 
man  eine  Messung  ausführen,  so  füllt  man  das  Iiacniu- 
droinometcr  mit  Wasser  und  bringt  einen  »einer  Hähne 
in  eine  solch.  Stellung,  dass  das  einströmendu  Blut  durch 
den  geraden  Schenkel  beeb  dringen  muss.  Hierauf  n 
dreht  man  zu  einer  genau  bestimmten  Zeit  diu 
Hähne  plötzlich  um , so  dass  nun  da*  Blut  nur 
durch  den  gläsernen  Schenkel  einen  Ausweg  Üiulet.  Da*  in  ihn  ciudringctido  Blut 
treibt  das  Wasser  vor  sich  her.  Dieses  geschieht  jedoch  nicht  in  der  Weise,  dass  un- 
mittelbar diu  dunklo  Farbe  des  Bluts  sich  absetzte  gegen  die  helle  des  Wassers , son- 
dern es  mischen  sich  beide , so  dass  hierdurch  auf  einer  Wegstrecke  alle  möglichen 
Abstufungen  de*  Blutrnths  vom  Wasser  bis  zum  reinen  Blut  hin  Vorkommen.  Da  die 
Lingenausdehnung  dieser  Mischung  keineswegs  verschwindet  gegen  die  von  dein  Blut 
während  der  Beolmchtungszcit  durchlauft«  Bahn,  so  muss  man  sich  darüber  verstän- 
digen, welche  Tinte  man  als  Marko  wählen  will,  oder  ander*  ausgedrückt,  wie  tief  die 
Farbe  der  am  Hude  des  Kohrs  »»kommenden  Mischung  sein  muss,  wenn  man  die  Be- 
obachtung für  geschlossen  erklären  will;  Volk  mann  wartet«  jedesmal  so  lange,  bi» 
die  tiefste  Farbe,  die  de*  ungemischten  Blutes,  an  dem  Grenzstrich  angelangt  war.  Er 
versichert,  dass  unter  Berücksichtigung  dieses  Umstandes  und  bei  der  von  ihm  gewählten 
Art,  die  Zeit  zu  bestimmen,  diu  Geschwindigkeit  in  der  Holm«  bis  auf  0,9  ihres 
wahren  Werthes  genau  gemessen  werden  kann,  so  das*  von  dieser  Seite  der  Fehler  iu 
die  Grenzen  eine*  Zehntheil.*  vom  ganzen  Werth  tdngoschloiwen  sei. 

Einige  Willkührliebkeiten,  die  in  diesur  Annahme  liegen,  sucht  Vioror.lt  zu 
beseitigen,  indem  er  vorschlägt,  die  Zeit  zu  lurKscii,  welche  jedesmal  zur  Volleudung 
der  Uahnumdrchiing  verbraucht  wird,  und  indem  er  darauf  dringt,  den  BluUulhcil  zu 


b erb  , — . 


2 '» 

»i  * 

!ii' 

■ Ä l. 


. M ' ; 
i:  ! i j * ■ 
i i .*  f 

• , t 

. • 

-2 

•Ir! 

«f  • . 

tyti 

Ji-  •' 


I . • ' 

r - 

i f 

iü- 


m 


t 


i ; 


’f 

* f j* 

•t? 

iK: 

f 


186  Geschwindigkcitsinessuog  nach  Yolkraann  und  Yierordt 

bestimmen , welcher  auf  jeder  beliebigen  Strecke  der  gebogenen  Bohre  in  das 
eingedrungen  ist  Ebenso  macht  er  darauf  aufmerksam,  dass  das  Dromometer 
betracht  der  kurzen  Beobachtuugsdauer,  die  es  zulässt,  nur  bei  rascher  Pulsfolge 
bar  sei,  da  cs  natürlich  nicht  möglich  sei,  die  Beobachtung  mit  der  Phi 
Herzbewegung  zu  schliessen,  mit  welcher  sie  begonnen.  — Die  etwas  schwierig 
messung  Volkmanns  hat  B i d d e r vereinfacht  und  zugleich  verschärft 

Gesetzt  nun  aber,  es  sei  die  Geschwindigkeit,  welche  im  Dromometer  w 
der  Beobachtung  bestand,  mit  hinreichender  Schärfe  gemessen  worden,  so  bleil 
zu  erforschen,  in  welchem  Verhältnis»  die  Geschwindigkeit  des  Blutstroms  in  de 
röhre  zu  derjenigen  steht,  welche  in  dem  Blutgefäss  vorhanden  gewesen  wäre 
dass  die  Einführung  des  Instruments  stattgefunden  hätte.  Gleich  kann  die  Ges 
digkeit  in  beiden  Umständen  nicht  sein,  da  das  Verhältnis»  zwischen  Widerst« 
Triebkraft  nicht  dasselbe  geblieben  ist  — Die  Triobkraft  dos  Bluts  ist  näml 
beide  Palle  gleich ; denn  in  ihr  würden  nur  dann  Veränderungen  eingetreten  sein 
sich  durch  das  Instrument  zwischen  dem  Herzen  und  seinem  Einftigungsorte  etw 
gestaltet  hätte,  was  aber  nicht  geschehen  ist  Dagegen  sind  die  Widerstande,  < 
Strom  findet,  vermehrt ; denn  cs  hat  sich  mit  der  Einsetzung  des  Instruments  di 
bahn  nach  den  Capillarcn  hin  verlängert  und  auch  verengert,  weil  unter  alle 
ständon  das  Lumen  der  eingebundenen  Glasröhre  dem  der  Arterien  nicht  gleich  k 
kann ; demgemäss  muss  die  Flüssigkeit  langsamer  strömen.  Zu  dieser  Betracht« 
nun  aber  Volkmann  die  Behauptung,  dass  die  Verlangsamung  des  Stroms  nid 
bodcutt'nd  sei,  weil  der  Widerstand  aus  den  Capillaren  hör  in  beiden  Fällen  gern 
seiund  gegen  diesen  der  in  der  GlasrÖhro  verschwinde.  Zur  Kräftigung  seiner  Anm 
hat  er  den  Widerstand  ermittelt,  der  sich  in  einem  Dromomoter  entwickelt,  i 
in  eine  Arterie  eingefügt  ist;  dieses  geschah  anf  die  gebräuchliche  Weise,  ind 
einen  Druckmesser  am  Beginn  und  am  Ende  des  Dromometer»  einsetst.  In  de 
bestätigt  sich  seine  Ansicht  durch  den  Versuch  mindestens  in  so  weit,  dass  der 
stand  im  Djnmomctor  gering  ist  gegen  den  jenseits  desselben.  Zu  gleicher  Z< 
winnt  man  aber  auch  bei  diesen  Beobachtungen  die  Ueberzeugung,  dass  die  Röhr 
Dromometer»  nicht  wohl  länger  und  enger  hätten  »ein  dürfen. 

Au»  den  Erläuterungen  Volkmann’t  zu  seinem  Verfahren  geht  hervor 
das  Mittel,  welches  er  au»  den  verschiedenen  zeitlichen  und  örtlichen  Geschwind^ 
findet,  um  einen  nicht  näher  anzugebenden  Bruch theil  niedrigor  ist,  als  das  wal 
c.  Das  Tachometer  von  Yierordt  bestimmt  nach  den  Erörterungen, 
ihm  auf  Seite  54  zu  Theil  geworden  sind,  da»  Mittel  au»  den  verschiedenen  Ges 
digkeiten  eines  grössem  Gcfässqucrsehnitt»,  und  durch  eine  besondere  Einrichtung,  < 
gegeben  wurde,  auch  noch  die  Variationen,  die  diese  mittlere  Geschwindigkeit  w 
de»  8chlag»  und  der  Ruhe  de»  Herzens  erfährt  Denn  das  Peudelchen,  welches  i 
Blutstrome  hängt,  entfernt  sich  während  der  Systole  des  Herzens  um  einen  gri 
Winkel  aus  seiner  Ruhelage,  als  während  der  Diastole.  Um  dio  Vermuthung 
schneiden,  dass  die  Geschwindigkeit,  welche  der  Pendel  bei  diesen  Bewegung« 
pfange,  in  die  Geschwindigkeitsbestimmung  des  Stroms  störend  eingreife,  e: 
Yierordt,  dass  di«  Zahl  und  Zeit  der  Pendelschwingungen  genau  denen  des 
schlage»  entsprechen.  Um  diese  raschen  veränderlichen  Stellungen  des  Pendola 
fassen,  setzt  Yierordt  auf  die  äussere  Seite  des  Glaskästchens,  in  welchem  der 
geht,  einen  beweglichen  Zeiger,  der  um  eine  Achse  mit  der  Hand  so  hin  und  h 


•)  L c.  p.  9*3  u.  f. 


Digitized  by  Google 


Gesch windigkeitsmesdbg  nach  Hering. 


187 


dreht  werden  kann , das«  er  mit  dem  Pendel  immer  genau  gleich  goht.  Mit  diesem 
Zeiger  ist  schliesslich  ein  leicht  beweglicher  Rahmen  verbanden,  der  mittelst  eines  an 
seinem  freien  Ende  befindlichen  Pinsels  die  Ausschlüge  auf  eine  rotirende  Trommel 
schreibt  — Bei  den  Vorzügen,  welche  das  Tachometer  in  der  vorliegenden  Einrichtung  ^ 
besitzt  und  in  Anbetracht  der  Sorgfalt,  welche  ihm  Vierordt  zugewendet  hat,  würden 
noch  einige  Prüfungen  auf  den  Umfang  seiner  Brauchbarkeit  wünschenswert  sein.  Um 
aufzuhellen,  in  wie  weit  der  Widerstand  ron  Bedeutung  sei,  den  das  Instrument  indem 
Gefäss  erzeugt , in  welches  man  es  setzt , hatte  man  sieh  ein  verzweigtes  Rohrensystem 
herstellen  können,  ln  welchem  der  Strom  bei  ähnlicher  Druckkraft  mit  Inhnlichen 
Widerständen  wie  im  Gefasssynteme  zu  kämpfen  gehabt  hätte;  dann  würde  aus  einem 
der  Zweige  die  mittlere  Geschwindigkeit  zu  bestimmen  gewesen  sein,  bevor  und  nach- 
dem das  Pendelkästchen  in  ihn  eingeschaltet  gewesen.  Ein  anderer  Zweifel  liesse  sich 
dadurch  beseitigen,  dass  man  in  einen  Strom,  der  das  Pendclchen  trifft,  die  mittlere 
Geschwindigkeit  rasch  und  in  bekannter  Weise  änderte  und  dann  nachsähe,  ob  der 
Pelldel  bei  jeder  Goschwindigkcitsändcrung  die  verlangte  Stellung  cinnähme. 

d.  Vierordt  benutzt  auch  die  aus  einer  künstlichen  GcfässmUndnng  fliessende 
Blutmenge  zur  Messung  der  mittleren  Geschwindigkeit  Um  die  letztere  durch  die 
künstliche  Ausflussöffnung  nicht  zn  erhöhen,  setzt  er  in  das  an  seiner  Capillaremcite 
zugebondene  Gefäss  ein  Manometer  und  lässt  durch  die  Gcfaasöffnung  nur  so  viel  Blut 
strömen , dass  die  Spannung  im  Gefäss  immer  der  normalen  angenähert  bleibt  Der 
Erfinder  betrachtet  diese  Methode  einstweilen  noch  als  eine  solche,  die  wesentlicher 
Verbesserungen  fähig  sei. 

e.  Hering  erdachte  einen  sinnreichen  und  praktisch  wichtigen  Versuch,  dessen 
Erfolg  aufs  Innigste  an  die  Stromgeschwindigkeit  gebunden  ist;  dor  Versuch  beab- 
sichtigt, die  Zoit  fcstzustollen , welche  verstreicht  zwischen  der  Einspritzung  einer 
Salzlösung  in  einen  bestimmton  Gefaasort  und  dem  Erscheinen  der  ersten  nachweisbaren 
Spuren  der  Losung  in  dem  Blut«  eines  andern  Gefässortes.  Da  diesem  Versuche  die 
Weglänge  unbekannt  bleibt,  so  bestimmt  er  nicht  die  Geschwindigkeit,  sondern  nur  die 
Uebertragungszeit  der  cingcspritxten  Masse  von  einem  Gcfä* ••)M|Uerschnitt  zu  einem  andern; 
und  insofern  er  den  Zeitwerth  misst,  welcher  zum  Hinübersrhaffcn  der  ersten  Spuren 
gehört,  bestimmt  er  die  Uebertragungszeit,  welche  nahebei  aus  der  mittleren  Centralge- 
schwindigkeit*) zwischen  den  beiden  Gefaaaorten  hervorgeht  Die  Ausführung  des  Ver- 
suchs verlangt  einmal  dio  Anwendung  eines  Salzes,  welches  ohne  Schaden  in  den  Kreis- 
lauf gebracht  und  doch  in  der  geringsten  Menge  schon  mit  Sicherheit  nachgewiesen 
werden  kann ; als  solches  führt  Hering  eine  verdünnte  Lösung  blausäurefreien  Blutlau- 
gensalzes ein.  Zweitens  verlangt  der  Versuch  eine  genaue  Bestimmung  des  Zeitraumes 
zwischen  den  Einführungen  des  Salzes  an  den  einen  und  dem  Erscheinen  an  den  andern 
Orte.  Diesem  Erforderniss  hat  Vierordt  mit  grosser  Genauigkeit  dadurch  Genüge 
geleistet,  dass  er  die  zum  Auffangen  des  entleerten  Blutes  bestimmten  Töpfchen  auf  den 
Umfang  einer  rotirenden  Schcibo  stellt,  weiche  letztere  in  0,6  Scc.  je  eins  der  erstoron 


•)  Versuche,  die  Schnelligkeit  des  Blutlaufs  zu  bestimmen.  Zeitschrift  für  Physiologie  von  Tls- 
demioo  und  Treviranus.  III.  Bd.  — Ibidem.  V.  Bd.  — Archiv  für  physiolog.  Heilkunde. 
ZU.  Bd.  p.  113.  — Vierordt,  Stromgeschwlndigkclten  des  Blutss.  p.  4H. 

••)  d.  h.  eine  Geschwindigkeit  welche  dasselbe  leistet,  wlo  die  mit  Zelt  und  Raum  veränder- 
liche Geschwindigkeit  In  der  Achse  der  RöhrenstrSmo,  welche  den  Einsprlzungs-  und  Auftkngungs- 
•it  mit  einander  verbinden. 


188 


Geschwindigkcitnmcsaung  nach  Hering. 


vor  der  Gefässöffuung  vorüberführte,  und  dass  er  die  Nachweisung  des  Blutlaugensalses 
verschärfte.  — Mit  diesen  Mitteln  geht  nun  der  Versuch  so  vor  sich:  Man  legt  zwei 
Gefäsne  bloss;  in  dus  eine  derselben  setzt  man  nach  der  Richtung  des  Stromes  eine 
Spritze  mit  der  nöthigen  Salzlösung  gefüllt ; in  das  andere  setzt  man  ein  mit  einem 
Hohne  versehenes  Röhrchen;  die  Mündung  dieses  Röhrchens  steht  Uber  dem  Rande  der 
Scheibe , so  dass  das  aus  ihm  strömende  Blut  sich  in  das  gerade  vorübcrgefUhrte 
Kästchen  ergiesst  Nachdem  man  die  Scheibe  in  Bewegung  gesetzt , spritzt  man  die 
Lösung  ein  und  öffnet  gleichzeitig  den  Hahn  des  Ausflussröhrchens,  dessen  Strahl  nun 
die  gewünschte  Zahl  von  Töpfchen  füllt,  worauf  man  den  Hahn  wieder  schliesst 
Hierauf  prüft -man  der  Reihe  nach  den  Inhalt  der  Töpfe  auf  ihren  Blutlaugensalz- 
gehalt.  Aus  der  Zahl  der  Töpfchen,  die  vom  Beginn  des  Versuchs  bis  zu  dem,  welches 
die  erste  Spur  des  Salzes  enthält,  gefüllt  sind,  ergiebt  sich  die  gesuchte  Zeit,  indem 
man  0,0  Sec.  mit  jener  Töpfchenzahl  multiplizirt  — 

Diesem  Versuch  hat  man  die  Einwendung  gemocht,  er  gebe  nicht  die  wahre  Ueber- 
tragungszuit  an,  einmal  weil  durch  die  Oeffnung  im  Gofässsystemc  der  normale  Druck- 
unterschied  zwischen  dem  Zu- und  Abflussort  und  also  auch  die  Geschwindigkeit  zwischen 
beiden  geändert  werde  (Volk  mann).  Dieser  Ein  wurf  verliert  orfahmngsgemäss  indem 
Maassc  an  Gewicht,  als  man  aus  der  Gefässöffnung  ungefähr  nur  soviel  ausströmen 
lässt,  als  für  gewöhnlich  durch  den  Querschnitt  des  ungeöffneten  abströmen  würde 
(Hering).  — Poiseuille  stützt  eine  Einsprache  gegen  die  Anwendbarkeit  des  ‘Ver- 
fahrens auf  die  Aenderangen , welche  nachweislich  ein  Salzzusatz  in  der  Blutreibung 
hervorbringt.  Diese  Ausstellung  scheint  aber  allerdings  bedeutungslos  zu  werden, 
wenn  dem  Blute  so  wenig  Salz  zugefügt  wird,  wie  dies  neuerlichst  Yierordt  gethan. 
Vielleicht  liesse  sich  die  Frage  durch  den  Versuch  entscheiden,  ob  sich  proportional 
dem  vermehrten  Zusatz  die  Uebertragungszcit  verkürzte  oder  verlängerte. 

Im  Gegensatz  zu  der  vorliegenden  Betrachtungsweise  sehen  Hering  und  Viorordt 
die  Uebertragungszcit  nicht  als  eine  Funktion  der  grössten  Geschwindigkeit  in  der  Bahn, 
sondern  als  eine  der  mittleren  an.  Der  Versuch  würde  zu  ihrem  Gunsten  entscheiden, 
wenn  die  aufgefangene  Blutprobe  ungefähr  so  viel  Salzprozentc  enthielt,  als  ihr  zu- 
kommen würde  unter  der  Voraussetzung,  dass  eine  gloichmassige  Mischung  des  einge- 
spritzten Salzgewichtes  mit  der  Blutmenge  stattgefunden  hätte,  die  in  den  Gefassen 
enthalten  war,  durch  welche  das  Salz  strömte.  So  müsste  z. B.,  wenn  das  Salz  in  die 
linke  v.juguloris  eingespritzt  wurde  und  von  da  zum  rechten  Herzen,  zur  Lunge  und  dem 
linken  Herzen,  durch  den  Kopf  zur  Yen.  jugul.  dextr.  gekommen  wäre,  die  Blutprobe 
eine  so  intensiv  gefärbte  Reaktion  geben  , als  sie  sich  von  einer  glcichgrossen  Probe 
erzielen  lässt , die  einem  Gemenge  entnommen  würde , das  aus  ebensoviel  Blut  und 
Blutlaugensalz  besteht,  wie  im  Versuchstiere  enthalten  war.  Da  dieser  oder  ein  ähn- 
licher Beweis  noch  nicht  geliefert  ist,  so  wurde  der  ersten  Anschauungsweise  der 
Vorrang  gestattet,  und  zwar  darum,  weil  das  Blut  gorado  in  den  Gefässcn  am  läng- 
sten verweilt,  in  welchen  die  Wand  die  mittlere  Geschwindigkeit  am  meisten  ernie- 
drigt, und  in  welchen  keine  Pulsbewegung  die  centralen  und  die  wandständigen  Schich- 
ten des  Inhalts  mischt 

Für  die  Berechnung  der  mittleren  Geschwindigkeiten  in  verschiedenen  Blutgefässen 
und  einiger  daraus  ableitbaren  Worthe  bedient  man  sich  einiger  Voraussetzungen,  welche 
jedoch  nur  da  zulässig  sind  , wo  es  sich  nicht  um  eine  grosse  Genauigkeit  handelt.  — - 
Wollte  man  z.  B.  die  mittlere  Geschwindigkeit  in  der  aufsteigenden  Aorta  berechnen, 
so  würde  dieses  thunlich  sein,  wenn  Gefässquerschnitte  und  StromgeschwindigkeiUn 
der  Acste , also  der  C'arotiden,  Subclavien  und  der  absteigenden  Aorta  bekannt  wären., 


Sondergeschwindigkeit  auf  demselben  Querschnitt. 


189 


Da  aber  nur  die  Geschwindigkeit  in  der  Carotis  bestimmt  ist,  so  macht  man  die  An> 
nähme,  in  allen  andern  Aesten  sei  die  Geschwindigkeit  dieselbe.  Hierauf  misst  man 
den  Querschnitt  aller  in  Betracht  kommenden  Bahneu  und  findet  daraus  die  Menge  von 
Flüssigkeit,  welche  in  der  Zeiteinheit  dieselbe  durchsetzt.  Da  nun  aber  dieses  Blutvolum 
in  derselben  Zeit  durch  die  aufsteigendo  Aorta  gegangen  sein  muss,  und  da  man  auch 
ihren  Querschnitt  annähernd  messen  kann , so  ergiebt  sich  nun  auch  die  mittlere  Ge- 
schwindigkeit in  ihr.  — Auf  diese  Art  hat  man  nicht  allein  (s.  p.  70.)  das  mit  jedem 
Herzschlag  entleerte  Blutvolum  geschätzt,  sondern  man  hat  auch,  indem  man  auf  die 
angegebene  Weise  zu  schliessen  fortfuhr,  die  Geschwindigkeit  des  Stroms  in  den  Aesten 
der  absteigenden  Aorta  und  endlich  auch  mit  Zuhülfenahme  anderer  Daten  die  Quer- 
schnitte einzelner  nicht  mehr  messbarer  Gefassabtheilungen  berechnet.  — Siehe  Über 
diese  Art  von  Betrachtungen  in  Vierordt’s  Gesetzen  der  Stromgeschwindigkeiten, 
p.  69.  103.  112.  — 

1.  Von  den  Sondergeschwindigkeiten  auf  demselben 
Querschnitt. 

a.  Die  Centralfäden  des  Stroms  in  den  Blutgefässen  bewegen 
sich  rascher  als  die  Wandfäden,  gerade  so  wie  dieses  in  allen 
cylindrisehen  Strömen  vorkommt.  Den  Beweis  hierfür  liefert  die 
mikroskopische  Erfahrung,  dass  die  im  Centrum  kleiner  Gefässe 
hingehenden  Körperchen  viel  rascher  laufen,  als  die  unmittelbar 
an  der  Wand  hinstreichenden.  — Da  sich  die  letztem  rollend  be- 
wegen, so  giebt  die  bekannte  Geschwindigkeit  ihres  Fortschreitens 
keinen  Anfsehlnss  Uber  die  Geschwindigkeit  der  FHlssigkeitsschieht, 
in  der  sie  einhergehen.  — b.  Die  LymphkUgelcben,  Blutscheiben 
und  das  Plasma  des  Blutes  sind  in  dem  Blutstrom  nicht  Überall  gleicli- 
miissig  vertheilt,  und  die  in  analogen  Querselinittsorten  verschiedener 
Gefässe  enthaltenen  flüssigen  Massen  bewegen  sieh  nicht  gleich 
geschwind.  Die  Erfahrung  sagt  hierüber  Folgendes  aus:  1°  Das 
Venenblnt  enthält  in  100  Theilen  im  Allgemeinen  mehr  Körperchen 
als  das  der  Arterien  (Heidenhain,  Vierordt);  wahrscheinlich 
ist  das  Pfortaderblut  am  reichsten  an  anfgesehwemmten  Theilen.  ( 
Drückt  man  diese  Erfahrung  mit  Rücksicht  auf  die  Strömung  und 
auf  den  selbstverständlichen  Grundsatz  aus,  dass  in  die  Arterie 
soviel  Körperchen  eintreten  müssen,  als  aus  den  Venen  hervor- 
strömen,  so  heist  sie:  die  Blutscheiben  nahmen  in  der  Arterie  die 
relativ  geschwinder,  in  den  Venen  dagegen  die  relativ  lang- 
samer strömenden  Orte  des  Querschnitts  ein.  — 2°  In  den  kleinsten 
dem  Mikroskop  zugänglichen  Arterien  des  Aortenwerks  schwimmen, 
wenn  die  Stromgeschwindigkeit  sich  über  einer  nieht  näher  zu  be- 
zeichnenden Grenze  hält,  die  rothen  Körperchen  immer  nur  in  der 
centralen,  niemals  in  der  Wandschicht,  so  dass  ein  solches  Gefäss 
in  der  Projektion  auf  die  Ebene  aus  einem  rothen  Centralfadcn, 


Digitized  by  Google 


190 


Vertheilung  der  Körperchen  im  Blutstrom. 


der  von  zwei  farblosen  Streifen  umgeben  ist,  zusammengesetzt  er- 
scheint. ln  dem  Theile  der  farblosen  Schicht,  welcher  die  Wand 
unmittelbar  berührt,  bewegen  sich  die  Lymphkügelchen  theils  'fort- 
schreitend und  theils  rollend  (E.  H.  Weber,  Acherson).  — 
Nimmt  die  Geschwindigkeit  ab,  so  wird  der  rothe  Centralfaden 
breiter  und  die  Lymphkügelchen  hänfen  sich  in  der  farblosen  Schiebt 
an  (Acherson);  sinkt  endlich  die  Geschwindigkeit  noch  mehr, 
so  dringen  auch  die  rothen  Scheiben  in  den  Wandsaum,  mit  an- 
dern Worten,  das  Gefäss  scheint  durchweg  mit  rothen  Massen  er- 
füllt, so  dass  der  farblose  Raum  verschwindet.  — 3°  In  den  kleinen 
Venen  des  Aortenwerks  verhalten  sich  die  Dinge  wie  in  den  kleinen 
Arterien,  nur  ist  im  Allgemeinen  in  den  erstem  der  rothe  Mittel- 
faden im  Verhältnis  zur  farblosen  Wandschicht  breiter  als  in  den 
letztem  (Acherson).  — 4“  ln  den  kleinen  Arterien  und  Venen 
des  Lungenwerkes  schwimmen  unter  Umständen  im  centralen  Theile 
Blutscheiben  und  Lymphkügelchen  unter  einander  vertheilt,  so  dass 
der  farblose  Wandsaum  ganz  frei  von  Körperchen  ist  (R.  Wagner), 
unter  andern  verhalten  sie  sich  wie  im  Aortencapillaren  (Gunning). 
— 5°  ln  den  Capillaren  nehmen  Blut-  und  Lymphkörperchen  den 
mittlera  Theil  des  Stroms  ein,  die  letztem  schreiten  jedoch  lang- 
samer vorwärts  als  die  erstem;  die  Dichtigkeit,  mit  welcher  die 
Körperchen  einander  folgen,  ist  mit  der  Zeit  sehr  veränderlich.  — 
Die  Erklärung  dieser  Thatsachen  ist  enthalten  in  der  beson- 
dern  Vertheilung  der  Stromkräfte  auf  dem  Gefässquerscbnitt , in 
dem  spezifischen  Gewicht,  der  Form  und  der  Masse  der  Körper- 
chen. — Insofern  das  spezifische  Gewicht  der  Flüssigkeit  und  des 
in  ihr  schwimmenden  Körperchens  ungleich  ist,  wird  das  letztere 
von  dem  Stosse  der  Stromfäden  und  daneben  auch  noch  von  dem 
Zuge  der  Schwere  angegriffen  werden.  In  einem  horizontal  ver- 
kaufenden Strome  wird  also  das  Körperchen,  je  nachdem  es  spe- 
zifisch leichter  oder  schwerer  als  die  Blutflüssigkeit  ist,  gegen  die 
obere  oder  untere  Wand  hinstreben,  und  zwar  mit  um  so  grösserer 
Geschwindigkeit,  je  merklicher  jener  Gewichtsunterschied  ist  Dem 
Zuge  der  positiven  oder  negativen  Schwere  wirkt  direkt  entgegen 
der  Unterschied  der  Seitendrucke,  welchen  die  einzelnen  Stromfäden 
ausüben.  Denn  je  näher  der  Peripherie  ein  Stromfäden  liegt,  um  so 
grösser  ist  sein  Seitendruck,  also  treibt  dieser  ein  aus  dem  Centrum 
sich  bewegendes  Körperchen  wieder  dahin  zurück,  und  zwar  mit 
um  so  grösserer  Kraft,  je  geschwinder  der  Strom  flieset,  weil  hier- 
mit auch  die  Unterschiede  der  genannten  Seitendrucke  wachsen.  — 


Digitized  by  Google 


Ursachen  der  beaondern  Verthcilung  und  Bewegung  der  Körperchen.  191 

Die  Unterschiede  der  Geschwindigkeit,  welche  die  Stromfüden 
zeigen,  je  nachdem  sie  im  Centrum  oder  an  der  Wand  fliessen, 
bedingen,  insofern  das  Körperchen  sich  nicht  im  Centrum  bewegt, 
ungleiche  starke  Stösse  diesseits  und  jenseits  seines  .Schwerpunktes 
nnd  hiermit  eigentümliche  ßewcgungsfomien  der  schwimmenden 
Masse.  — 

Diese  Erörterungen  machen  cs  begreiflich,  warum  sich  die 
Lymphkörperchcn  rascher  aus  dem  centralen  Strom  ansscheiden, 
als  die  Blutscheiben,  nnd  warum  erst  der  Strom  sich  sehr  ver- 
langsamt haben  muss,  bevor  auch  die  letztem  in  die  Wandschicht 
treten. 

Ebenso  erklärlich  ist  es,  dass  jede  rothe  Scheibe  sish  mit 
ihrem  schmalen  Rand  gegen  die  Stromrichtung  stellt  und  zwar  so, 
dass  ihr  Schwerpunkt  womöglich  in  die  Stromachse  fällt,  so  dass 
die  dem  Stoss  ausgesetzten  Flächen  des  Körperchens  sich  symme- 
trisch um  die  Achse  vertheilen.  Denn  befände  sich  die  Scheibe 
ausserhalb  der  Stromachse  und  zugleich  so  gelagert,  dass  ihre 
Grundfläche  senkrecht  gegen  die  Stromrichtung  läge,  so  würde 
sie  von  den  raschem  mehr  gegen  das  Centrum  gelegenen  Strom- 
fäden stärker  als  von  den  Wandfäden  gestossen  werden,  weshalb 
sich  die  Scheibe  so  lange  drehen  würde,  bis  sie  ihren  schmalen 
Rand  gegen  den  Strom  kehrt;  denn  dann  wäre  der  Unterschied 
der  Stosskraft  auf  die  Flächen  diesseits  nnd  jenseits  der  Schwer- 
punktsebene ein  Minimum.  Liegt  nun  die  Scheibe  einmal  mit  ihrer 
grössem  Fläche  parallel  der  Strom richtung,  aber  so,  dass  ihr 
Schwerpunkt  ausserhalb  des  Centralfadcns  fällt,  so  wird  sie 
wegen  des  von  der  Achse  gegen  die  Wand  wachsenden  Seiten- 
druckes von  der  letzteren  Seite  her  einen  grüssem.  Druck  als  von 
der  ersteren  her  auszuhalten  haben , nnd  darum  tnuss  sie  gegen 
das  Centrum  geführt  werden,  wo  sic  fortan,  ohne  sich  zu  drehen, 
weiter  schwimmt.  — 

Kugelige  Körperchen,  wie  es  die  farblosen  sind,  müssen,  wenn 
sic  einmal  aus  der  Wandschicht  ausgeschieden  wurden,  sich  drehen 
wegen  der  ungleich  starken  Stössc,  die  sic  in  der  Stromrichttmg 
empfangen  (Dondcrs),  und  sich  langsamer  als  die  Flüssigkeit  be- 
wegen, weil  durch  die  Drehung  immer  ein  Theil  der  Kugclmassc 
entgegengesetzt  der  Stromrichtung  geht.  Desshalb  müssen  auch  fort- 
schreitend verlaufende  Blutscheiben  an  ihnen  vorllbcrstrcichen,  selbst 
wenn  sie  in  denselben  Stromfäden  vorhauden  sind,  und  cs  werden, 


192 


Mittlere  Querschnittageschwindigkeit  und  ihre  Aenderungen. 


wie  Gunning*)  ausführlicher  entwickelt,  auch  darum  die  Kügel- 
chen an  die  Wand  angedrlickt. 

2.  Die  mittlere  Querschnittsgeschwindigkeit  ändert 
sich  in  weiten  Grenzen  mit  den  Phasen  der  Bewegungen  des  Herzens 
(Systole  und  Diastole),  mit  dem  Umfang  und  der  Folge  seiner  Zu- 
sammenziehung,  mit  der  Tiefe  und  der  Zahl  der  Äthemzüge,  mit  der 
Blutmenge,  dem  Orte  des  betrachteten  Querschnitts,  dem  Spannungs- 
unterschiede auf  der  Längeneinheit,  mit  der  Temperatur  u.  s.  w. 

a.  Die  Mittel-  und  Grcnzwerthe  der  bis  dahin  gefundenen 
mittleren  Querschnittsgcschwindigkcit  zählt  die  nachstehende  Ta- 
belle auf;  die  Zahlen  bedeuten  die  MM.,  welche  in  der  Seeunde 
durchlaufen  wurden. 


Gefäss. 

Geschwindigkeit. 

geringste.  grösste.  1 mittlere. 

Beobachter. 

Carotis  des  Hundes 

100 

342 

264 

Volkmann,  Lenz,  Vierordt 

„ „ Pferdes  . 

220 

431 

303 

) 

„ der  Ziege  . . 

240 

35S 

203 

/ Volkmann 

„ des  Schaafa  . 

241 

350 

2S0 

) 

,,  „ Kalbs  . . 

02 

431 

205 

Volkmann,  Lenz  * 

Cruralis  des  Hundes  . 

114 

237 

162 

Vierordt,  Lenz 

Maxillaril  d.  Pferdes  . 

«9 

232 

165 

> Volkmann 

Metatarsea  d.  Pferde«  . 

— 

— 

56 

f 

Die  mittlere  Qnerschnittsgcsehwindigkeit  in  der  carotis  ver- 
schiedener Tliiere  steht  sieh  demnach  ungefähr  in  ähnlicher  Weise 
nahe,  wie  es  daselbst  mit  den  Wanddrtleken  der  Fall  war. 

Die  Geschwindigkeit  mit  welcher  die  Blutkörperchen  in  den 
Capillaren  laufen  ist: 


Ort 

geringste 

grösste 

mittlere 

Beobachter 

Retina  der  Menschen 

0,  6 

0,9 

0,75 

Vierordt 

Schwanz  der  Froschlarve 

0,45 

0,67 

0,57 

E.  H.  Weber 

Schwimmhaut  d.  Frosches 

0,17 

1,11 

0,51 

Valentin 

Mesenterium  d.  Hundes 

— 

— 

0,80  (?) 

Volkmann. 

Diese  letztem  auf  die  Capillaren  sich  beziehenden  Zahlen 
drücken  offenbar  nicht  die  mittlere  Geschwindigkeit  des  Stroms 
aus;  nach  welcher  Richtung  sie  abweichen,  ist  unbekannt. 

b.  Uebcr  Gescbwindigkeitsuuterschiedc  zur  Zeit  der  vollende- 
ten Systole  und  Diastole  in  Carotis  und  Cruralis  des  Hundes  er- 
hielten wir  durch  Vierordt**)  Aufschluss;  so  war: 


*)  Archlr  für  hotlünd.  Beiträge.  I.  Bd.  320. 
*•)  StromgeachwIndigkcU  p.  144  u.  206. 


Digitized  by  Google 


Die  Geachwindigkeitsänderung  des  Blutitroms  mit  dem  Herzschlag.  193 


Carotis,  zu  Ende  der  zn  Ende  der  Cruralis  zu  Ende  der  zu  Ende  der 
Diastole  8ystole  Diastole  Systole 

215  297  140  239 

Der  systolische  Zuwachs  zur  diastolischen  Geschwindigkeit 
betrag  im  ersten  Falle  39  p.  c.,  im  zweiten  70  p.  c.  In  fünf  an- 
dern Fällen  lag  der  systolische  Zuwachs  zwischen  14  bis  25  p.  c.  — 
Diese  in  den  grossen  Arterien  so  sichtbare  Geschwindigkeitsän- 
derung  verliert  sich  allmälig  gegen  die  kleinen  Gcfässe  hin  und  end- 
lich vollständig  da,  wo  auch  die  aus  gleichen  Gründen  herrührenden 
Druckschwankungen  unsichtbar  werden,  also  in  den  kleinsten  Ar- 
terien. Eine  Ausnahme  machen  hiervon  die  kleinsten  Gefässe  der 
Retina*)  deren  Arterien  (Ed.  Jaeger)  und  Venen  (v.  Tright, 
Coccius)  sehr  häufig  wenigstens  pulsiren. 

c.  Eine  der  wesentlichsten  Bedingungen  für  die  Strombe- 
schleunigung ist  gegeben  durch  die  Menge  und  die  Geschwindig- 
keit des  Zuflusses  in  das  arterielle  System,  also  durch  Zahl,  Umfang 
und  Schnelligkeit  (Kraft)  der  Herzzusammenziehungen.  In  der  That 
würde  die  mittlere  Geschwindigkeit  eines  jeden  Gesammtquer- 
schnitts  des  Gefässsystems  geradezu  mit  jenen  Vorgängen  wach- 
sen, wenn  nicht  mit  ihnen  zugleich  die  Blutspannung  und  die  Di- 
mensionen der  Gefässe  in  einer  Zunahme  begriffen  wären,  so 
dass  der  dem  vermehrten  Zufluss  entsprechende  Abfluss  durch  eine 
Steigerung  der  Geschwindigkeit  und  des  Querschnitts  zugleich  er- 
reicht wird. 

Eine  andere  Seite  gewinnt  unsere  Frage  durch  die  Betrach- 
tung, ob  vielleicht  zwischen  der  Folge,  dem  Umfang  und  der  Ge- 
schwindigkeit der  Zusammenziehungen  gewisse  Beziehungen  be- 
stehen, so  dass  z.  B.  jedesmal  mit  der  beschleunigten  Sehlagfolge 
die  Stromgeschwindigkeiten  zu-  oder  abnehmen.  Aus  den  hierher 
gehörigen  Versuchen  von  Lenz  geht  hervor,  dass  allerdings  häufig 
mit  der  Pulszahl  die  Geschwindigkeit  in  einem  freilich  ganz  unbe- 
stimmbaren Verhältniss  zunimmt,  dass  aber  dieses  keineswegs  noth- 
wendig  ist,  namentlich  bei  Variationen  der  Schlagzahl  in  den  mitt- 
lere Grenzen,  indem  hier  oft  genug  der  Fall  eintritt,  dass  die  Ge- 
schwindigkeit mit  sinkender  Pulszahl  sich  mehrt  oder  umgekehrt 
mit  steigender  sich  mindert. 

Lens  variirte  die  Schlagfolge  mitte  lat  Durchschneidung  and  Reizung  des  n.  vagus. 
Um  zu  vergleichen,  mussten  jedesmal  an  demselben  Thierc  mehrere  Geschwindigkeit** 
messungen  hinter  einander  angcstellt  werden ; vor  jeder  derselben  führte  er  eine  dem  Inhalt 


")  Donderi,  Onderzoeklngen  in  bet  Uborator  etc.  Utrecht  1854—45.  p.  90.  - 7 

Ludwig,  Physiologie  11.  2.  Auflage.  13 


Bigitized  by  Google 


194  Die  Geschwindigkeit  des  Biutstroms  steigt  mit  dem  Drnckuntenchied. 

des  Volkmann  sehen  Droniomoters  entsprechende  Natroninenge  in  das  Blut  und  in  Folge 
dessen  wurde,  wie  bekannt,  die  Kraft  der  Herzzusammenziehungen  sehr  gemindert 
Da  nun  demnach  in  den  Versuchen  ausser  der  aufzufindenden  Zahl  der  Herzschläge 
noch  zwei  andere  unbestimmbare  Variable  (Umfang  und  Intensität  der  Zusammenziehung) 
enthalten  sind,  so  ist  die  Auskunft,  welche  sie  gehen,  selbst  eine  unbestimmte.  Dass 
mit  der  steigenden  Beschleunigung  in  der  Schlagfolge  der  Umfang  jeder  einzelnen  Herz- 
zusammenziehung abnimmt,  ist  einleuchtend  aus  der  geringen  Geschwindigkeit  des 
Stroms  in  den  zum  Herzen  führenden  Venen,  welcher  immer  einer  gewissen  Zeit  bedarf, 
um  das  Herz  anzufüllen.  Mit  Berücksichtigung  dieses  Umstandes  lässt  sich  eimehen, 
dass  bis  zu  einem  gewissen  Grad  mit  der  Beschleunigung  des  Herzschlages  auch  die 
Stromgeschwindigkeit  zunehmen  muss,  während  sie  bei  noch  weiter  zunehmender  Schlagzahl 
in  der  Zeiteinheit  wieder  abnimmt.  — Eine  besondere  Berücksichtigung  verdient  die 
Energie  der  Vorhofszuckung,  weil  auch  von  ihr  die  Menge  des  Blut«  abhängt,  die  in 
die  Kammer  eingeworfen  wird. 

d.  Die  Athembcwegung  muss  in  ihrem  Einfluss  auf  die  Strom- 
gesehwindigkeit  ähnlich  beurtheilt  werden  wie  die  Herzbewegung, 
was  sich  schon  darans  ergiebt,  dass  sie  vor  Allem  den  Bhrt- 
reichthum  der  grossen  zum  Herzen  führenden  Venenstämme  be- 
stimmt. 

e.  Die  mittlere  Querschnittsgeschwindigkeit  steigt  nicht  mit  der 
Spannung  auf  einem  Querschnitt,  wohl  aber  mit  Unterschied  der 
Spannung  zweier  auf  einander  folgender  Querschnitte.  — Für  den 
ersten  Thcil  dieser  Behauptung  sind  mancherlei  Belege  beizubringen. 
Wir  haben  gesehen,  dass  mit  der  steigenden  Blutftllle  des  ge- 
sammten  Gefässwerks  die  Spannung  des  Bluts  stieg,  denn  ein 
Aderlass  mindert  den  Druck  des  Bluts,  gleichgiltig  ob  dieses  in 
der  Ruhe  oder  in  der  Bewegung  war,  und  eine  Einspritzung  von 
Blut  in  das  Getässsystem  mehrte  ihn;  unter  diesen  Umständen 
mehrt  oder  mindert  sich  aber  nach  Volk  mann  und  Hering  die 
Geschwindigkeit  nicht.  Eine  kurze  Ueberlegung  zeigt  sogar,  dass 
die  Geschwindigkeit  des  Stroms  Null  werden  müsse,  wenn  die  An- 
füllung  der  gesummten  Gefiisshiihlen  mit  Blut  zu  einem  gewissen 
Werthe  angestiegen  wäre.  Dieser  Werth  würde  erreicht  sein, 
wenn  das  Gefässsystem  so  weit  durch  seinen  Inhalt  ausge- 
dehnt wäre,  dass  die  aus  dieser  Auhdehnung  hervorgehende  Span- 
nung der  Gefässwände  hinreichend  wäre,  um  allen  den  Drücken 
das  Gegengewicht  zu  halten,  welche  vom  Herzen,  dem  Brustkasten 
u.  s.  w.  ausgehend  dieselben  noch  weiter  anszudehnen  oder  zu- 
sammenznpressen  strebten.  — Lenz  hat  eine  grosse  Zahl  von 
Beobachtungen  gesammelt,  in  welchen  der  Druck  und  die  Ge- 
schwindigkeit mit  einem  Dromometer  bestimmt  wurden;  er  bestätigte 
ebenfalls  die  oben  ausgesprochene  Behauptung. 


Digitized  by  Google 


Gleich-  und  ungleichförmige  Geschwindigkeit  im  Blutstroni. 


195 


Das  auffallendste  Beispiel  für  die  Unabhängigkeit  der  Ge- 
schwindigkeit von  dem  absoluten  Werthe  der  Spannungen  eines 
oder  des  andern  Querschnitts  eines  Gcfässes  gewährt  die  Betrach- 
tung des  Lungen-  oder  Körperkreislaufs,  ln  den  Anfängen  beider, 
in  der  a.  pulmonalis  und  der  a.  aorta,  muss  die  Geschwindigkeit 
gleich  sein,  weil  der  Durchmesser  beider  Gcfässe  nicht  wesentlich 
von  einander  abweicht  und  beide  gleich  viel  Blut  aus  dem  Herzen 
befördern  müssen.  Und  dennoch  sind  die  Spannungen  in  beiden 
Gefässen  so  ungemein  verschieden. 

Anders  aber  verhält  sich  die  Geschwindigkeit,  wenn  man  die 
Spannungsunterechiede  in  zwei  aufeinander  folgenden  Gefössab- 
schnitten  zu  ändern  versteht.  So  sinkt  bekanntlich  die  Spannung 
in  den  Arterien  nach  einer  Erregung  der  nervi  vagi  sehr  bedeu- 
tend, und  sie  nimmt  in  den  grossen  Venen  zu,  während  nach 
Durchschneidung  der  erwähnten  Nerven  das  Umgekehrte  eiutritt. 
Dem  entsprechend  fand  Lenz  die  Geschwindigkeit  in  der  Carotis 
verlangsamt  im  ersten  und  erhöht  im  zweiten  Fall.  — Augenschein- 
lich beschleunigt  jede  Zusammenpressung  einer  oberflächlichen 
Vene  den  Strom  ans  derselben  und  umgekehrt  strömt  mit  grosser 
Geschwindigkeit  das  anliegende  Blut  in  eine  entleerte  Vene.  — 
Mit  Rücksicht  auf  den  Spannungsuntcrschied  zweier  aufeinander- 
folgender Querschnitte  verhalten  sich  nun,  wie  bekannt,  die  Ge- 
fässe  unseres  Körpere  sehr  verschieden.  In  den  grossen  Arterien 
und  Venen  ist  dieser  nemlich  mit  der  Zeit  ununterbrochen  verän- 
derlich, in  den  Röhren  kleinem  und  kleinsten  Lumens  kommt 
es  dagegen  vor,  dass  die  Spannungsunterechiede,  die  nach 
der  Länge  derselben  bestehen,  unabhängig  von  der  Zeit  sind. 
Dieses  wurde  schon  früher  ausführlicher  auseinandergesetzt.  Un- 
sere Behauptung  verlangt  also,  dass  in  den  Gefässen  grössere 
Durchmessers  auch  die  Geschwindigkeit  einem  stetigen  Wechsel 
unterworfen  ist,  während  sie  in  den  kleinsten  Gefässen  eine  gleich- 
förmige sein  muss.  So  verhält  sich  die  Sache  auch  in  der  That, 
wie  die  angeführten  Beobachtungen  von  Vicrordt  in  Arterien- 
stämmen und  die  mikroskopische  Betrachtung  kleiner  Gefässe 
darthut. 

Diese  Erfahrungen  eröffnen,  wie  eB  scheint,  die  Anssieht,  auch 
im  Blutstrom  die  gesetzmässige  Beziehung  zwischen  der  Geschwin- 
digkeit und  dem  Spannungsunterechiede  zweier  Querschnitte  fest- 
zustellen; aber  leider  trübt  sich  dieselbe  sogleich,  wenn  man  be- 
denkt, dass  mit  einer  veränderten  Spannung  auch  alle  andern 

13* 


]96  Getchwindigkeitgindenuig  mit  dem  Querschnitt,  der  Reibung  etc. 


Verhältnisse,  die  auf  die  Geschwindigkeit  einen  Einfluss  üben,  sieb 
umgestalten , und  so  insbesondere  die  Weite  und  Länge  der  Röh- 
ren. So  lange  man  nun  weder  die  Grösse  dieser  Umgestaltung 
noch  den  Einfluss  derselben  auf  den  Widerstand  festzustellen  ver- 
mag, wird  es  unmöglich  sein,  die  soeben  hingestellte  Aufgabe  zn 
lösen.  — 

f.  Die  Geschwindigkeiten  in  verschiedenen  Durchschnitten  der 
gesummten  Strombahn  verhalten  sich  umgekehrt  wie  die  Flächen- 
inhalte der  Querschnitte.  Wenn  also  ein  Querschnitt  durch  den 
Aortenbeginn  einen  geringeren  Flächeninhalt  besitzt  als  ein  sol- 
cher durch  alle  Aeste  des  Aortenstammes,  so  muss  die  mittlere  Ge- 
schwindigkeit in  diesem  letzteren  um  so  viel  geringer  sein,  als  ibr 
Flächeninhalt  den  des  erwähnten  Aortenquerschnitts  tibertrifft. 
Diese  Behauptung  findet  ihre  Bestätigung  in  den  Beobachtungen 
von  Volk  mann,  welcher  die  Geschwindigkeit  bedeutender  in  der 
a.  carotis  als  in  der  a.  facialis,  und  in  dieser  wieder  grösser  als 
in  der  a.  metatarsea  fand;  in  der  vena  jugularis,  wo  sieh  das 
Strombett  wieder  verengt  hat,  war  auch  die  Geschwindigkeit 
wieder  gestiegen.  — Ein  ähnliches  Resultat,  wie  diese  Versuche 
mit  dem  Dromometer,  giebt  auch  die  mikroskopische  Untersuchung 
der  kleinsten  Arterien  und  Capillaren.  Man  erkennt  sogleich  auch 
ohne  genaue  Messungen,  dass  der  Achsenstrom,  dem  die  rothen 
Blutkörperchen  folgen,  sieh  in  den  kleinen  Arterien  viel  rascher 
als  in  den  Haargefässen  bewegt.  — Alles  dieses  ist  aber  die  noth- 
wendige  Folge  der  allgemeinen  Bewegungsgesetze,  wonach  bei 
demselben  Vorrath  an  lebendiger  Kraft  die  Geschwindigkeit  ab- 
nimmt, wenn  die  bewegte  Masse  zugenommen  hat. 

g.  Mit  einer  Veränderung  in  den  Bedingungen,  welche  die 
Reihung  bestimmen,  verändert  sich  auch  die  Geschwindigkeit  des 
Blutstroms.  Zu  den  Beweisen  fUr  diesen  Satz  wären  zu  zählen  die 
Erfahrungen  von  Poiseuille,  wonach  in  erkalteten  Gefässen  die 
Geschwindigkeit  viel  geringer  ausfällt,  als  in  denjenigen  von  nor- 
maler Temperatur.  Diese  Erscheinung  muss  nach  demselben  Be- 
obachter*) abgeleitet  werden  aus  der  bekannten  Erfahrung,  dass 
eine  kalte  Flüssigkeit  sich  bedeutender  reibt  als  eine  warme;  zu 
dieser  Erklärung  muss  man  sich  hier  darum  wenden,  weil  wäh- 
rend der  durch  die  Abkühlung  eines  beschränkten  Gefässreviers 


*)  Sur  le»  CÄUsm  «tc.  p.  M.  n.  f. 


Digitized  by  Google 


Abhängigkeit  der  Stromaweige  von  einander 


197 


erzeugten  Stromhemmung  nicht  auch  gleichzeitig  eine  Veränderung 
im  Durchmesser  der  beobachteten  Gefässe  zu  Stande  kam.  — CI. 
Bernard  verdanken  wir  ebenfalls  einige  hierher  eiuschlagende 
Bemerkungen.  Er  fand,  dass  das  Vencnblnt,  welches  ans  den 
Capillaren  der  Gesichtshaut  zurttckkommt , deren  zufllhrende  Arte- 
rien in  Folge  der  Durchschneidung  des  sympathischen  Grenz- 
stranges  erweitert  sind,  noch  arterielle  Eigenschaften  besitzt;  es 
scheint  demnach,  als  ob  das  Blut  bo  rasch  durch  die  erweiterten 
Gefässe  geflossen  sei,  dass  ihm  die  Zeit  zu  seiner  Umwandlung 
gefehlt  habe.  Dasselbe  ereignet  sich  an  den  Venen  der  Speichel- 
drüsen, Nieren  u.  s.  w.,  wenn  diese  letztem  Drüsen  in  der  Abson- 
derung begriffen  sind.  Hier  lässt  sich  zugleich  durch  Messung 
nach  weisen,  dass  das  Blut  während  der  Absonderung  rascher 
strömt  (CI.  Bernard).*) 

h.  In  einem  so  vielfach  verzweigten  System,  wie  das  der 
Blutgefässe,  müssen,  gleiche  Ausflussmengen  aus  dem  Herzen  vor- 
ausgesetzt, zwischen  den  Geschwindigkeiten  der  einzelnen  Abthei- 
lungen Compcnsationen  bestehen,  so  dass,  wenn  dieselbo  in  einem 
oder  einigen  Aesten  der  Aorta  sinkt,  sie  in  andern  zunimmt,  und 
umgekehrt.  Andentungen  für  das  Bestehen  solcher  Verhältnisse 
besitzen  wir  in  der  That ; so  bleibt  z.  B.  bei  einem  Kaninchen,  an 
dem  einseitig  der  Grenzstrang  des  Halses  durchschnitten  ist,  der 
Druck  in  beiden  Carotidcn  derselbe,  trotzdem  nimmt  die  Anfüllnng 
der  Gefässe  auf  der  Seite  des  durchschnittenen  Nerven  zu  und  in 
den  der  andern  ab.  Diese  Erscheinung  ist  nur  daraus  erklärbar, 
dass  durch  die  Verbindnngsäste  beidcrGesichtshälftcn  der  Strom  von 
der  Seite  des  unverletzten  auf  diejenige  des  verletzten  Nerven 
geht  (CI.  Bernard).  — In  gleicher  Weise  kann  man  die  Gefäss- 
flllle  aller  übrigen  Theile  mindern,  wenn  man  durch  Anlegung 
einer  Sangpumpe  um  ein  Glied,  z.  B.  durch  Anbringung  des  soge- 
nannten Schröpfstiefcls,  den  Luftdruck  auf  dieses  Glied  hcrabsetzt. 
Indem  sieh  damit  die  Gefässe  des  Gliedes  erweitern,  nimmt  der 
Widerstand  in  den  Strombahnen  desselben  ab,  und  darum  be- 
schleunigt sich  der  Strom  hier,  während  er  anderswo  sich  verlang- 
samt.— Es  würde  unbezweifclhaft  von  grosser  Wichtigkeit  sein,  das 
Verhältniss  der  mittleren  Geschwindigkeit  in  den  einzelnen  grösse- 
ren Gcfässabtheilungen , z.  B.  den  Darin-,  Nieren-,  Hirn-,  Muskel- 
arterien zu  kennen,  weil  uns  mit  Berücksichtigung  des  Quer- 


*)  Brown-S<Squard,  Journal  da  la  Phyalologie  L 23-J. 


198  Uebtrtnguigaeit  von  8al*lösungen 

Schnitts  daraus  mannigfache  Aufschlüsse  erwachsen  würden 
den  Stoffwechsel  in  den  von  diesen  Gefässen  versorgte  Or; 
Leider  sind  wir  aber  hierüber  noch  vollkommen  im  Uni 
Siehe  einige  Annahmen  hierüber  bei  VierordL*) 

2.  Die  Versuche  nach  dem  Verfahren  von  Hering 
allerdings  weder  geradezu  die  mittlere  Längengeschwind 
noch  auch  nur  eine  proportionale  für  den  Mittelwerth  aus  de 
schiedenen  mittleren  Längengeschwindigkeiten,  welche  zw 
den  salzempfangenden  und  salzabgebenden  Querschnitt  ▼( 
men;  aber  sie  erbringen  doch  jedenfalls  eine  Angabe,  die 
innigste  zusammenhängt,  mit  irgend  einer  der  wirklich  V( 
inenden  mittleren  Längengeschwindigkeiten.  Indem  man  di 
lieh  nicht  zu  beweisende  Voraussetzung  macht,  dass  in  de 
schiedenen  Gefässabtheilungen  desselben  Thiers  oder  in  der 
Abtheilung  verschiedener  Thiere  immer  dieselbe  Beziehung  zw 
der  gemessenen  und  dem  Mittelwerth  der  mittlern  Längenges 
digkeit  bestehe,  liefert  die  Uebertragungszeit  des  Salzes  Az 
über  die  Aendorung  der  mittlern  Längengeschwindigkeit  m 
und  Ort. 

a.  Die  folgende  Tabelle  verzeichnet  die  Zeit  in  Sek 
welche  das  Balz  verbraucht  um  aus  der  vena  jugularis  dun 
rechte  und  linke  Herz  in  das  in  der  zweiten  Columne  verzei 
Gefäss  zu  gelangen. 


Thier. 

Bahn. 

Mittel- 

werth. 

geringster 

Werth. 

gröster 

Werth. 

B® 

Pferd 

zur  vena  jugularis  later.opp. 

28,8 

17,5 

32,5 

»» 

„ vena  thor&c.  externa. 

26,5 

— 

— 

» 

„ Ten.  saph.  magna. 

17,5 

— 

— 

»H. 

»» 

„ vona  maasetcr. 

22,5 

15,0 

30,0 

>» 

„ vena  maxill.  externa. 

17,5 

12,5 

22,5 

»1 

„ arter.  metatars. 

30,0 

20,0 

40,0 

>» 

„ vena  metatars. 

32,0 

20,0 

45,0 

Jlund 

„ venajugular.later.opp. 

15,2 

10,4 

19,8 

t* 

„ vena  cruralis 

18,1 

13,5 

23,3 

Vi 

Kaninchen 

„ venajugular.later.opp. 

6,9 

6,8 

7,2 

Diese  Tabelle  sagt  nun  aus  dass  das  Salz  zum  Uebt 
aus  den  Arterien  in  die  Venen  dos  Kusses  niemals  me) 


•)  Gesetze  der  Strom  Geschwindigkeit  p.  103. 

**)  Die  unter  diesem  Namen  cltlrten  Zahlen  aind  mit  Auauahme  der  beiden  letaten  R 
dem  Werke  von  Vierordt  genommen,  der  »le  mit  einer  Correotion  von  3,6  Sec.  versehe: 


Digitized  by  Google 


aus  einem  Uefnss  in  ein  anderes. 


199 


5 Sekunden,  zuweilen  aber  ancb  eine  so  kurze  Zeit  braucht,  dass 
sie  der  etwas  unvollkommenen  Zeitbestimmung  von  Hering  ent- 
geht; ferner  dass  der  Weg  zur  Sehenkelvene  meist  etwas  längere 
Zeit  in  Anspruch  nimmt  als  der  zur  entgegengesetzten  Drossel- 
nder; der  Quotient  beider  Zeiten  nähert  sich  zwar  der  Einheit, 
aber  er  ist  kein  constanter;  dieses  fuhrt  eine  Reihe  von  Vierordt 
noch  weiter  aus. 


i.  jugular.  — 

arter.  crural.  = 

Quotient 

18,9 

21,8 

0,87 

18,0 

20,5 

0,88 

15,0 

16,7 

0,90 

13,5 

13,5 

1,00 

Der  geringe  absolute  Zeitunterschied  fUr  den  Durchgang  durch 
Bahnen  von  so  wesentlich  verschiedenen  Längenunterschieden  be- 
greift sich  aus  Folgendem.  Die  mittlere  um  wie  viel  mehr  die 
centrale  Geschwindigkeit  in  den  grösseren  Arterien  ist  im  Verhält- 
niss  zu  ihrer  Länge  eine  beträchtliche,  d.  h.  es  werden  Arterien- 
strecken von  der  Länge  des  menschlichen  Körpers  in  wenigen  Se- 
kunden durchlaufen.  Daraus  folgt  unmittelbar,  dass  wenn  ein  glei- 
chen Widerstand  leistendes  Capillarensystem  am  Herzen  und  an  den 
Fttssen  bestände  und  man  die  Zeit  bestimmen  wollte,  welche  zwei 
gleichzeitig  vom  Herzen  ausgehende  Bluttheilchen  verbrauchten,  um 
durch  das  eine  und  das  andere  in  die  Venenanfänge  zu  gelangen, 
die  durch  die  entferntem  Systeme  laufenden  Thcilchen  nur  um  we- 
nige Sekunden  später  dort  anlangen  würden,  als  das  durch  die 
nähern  gehenden.  Aehnliches  wie  von  den  Arterien  dürfte  von  den 
grossen  Venenstämmen  gelten. 

Die  obigen  Erfahrungen  bedeuteten  also  auch,  dass  das  Blut 
in  allen  Fällen  den  grössten  Antheil  der  Uebertragungszeit  in  den 
Gefässen  geringerer  und  geringster  Lichtung  zubringt. 

So  gering  die  absoluten  Zeitunterschiede  sind, % so  merklich 
weichen  die  Quotienten  der  Geschwindigkeit  von  der  Einheit  ab 
und  Vierordt  vermnthet  mit  Recht,  dass  dieses  in  noch  höherm 
Maasse  geschehen  sein  würde,  wenn  man  das  aus  der  untern  Ex- 
tremität kommende  Blut  statt  ans  der  cruralis  so  nahe  am  Herzen 
aufgefangen  hätte,  wie  an  der  entgegengesetzten  jugnlaris.  Da  aber 
gerade  bei  der  Vergleichung  der  Leistungsfähigkeit  zweier  Organe 
das  Verhältniss,  in  welchem  ihr  Blut  erneuert  wird,  in  Betracht  kom- 
men dürfte,  so  ist  es  eine  nicht  zu  vernachlässigende  Aufgabe  des  Ver- 
suchs, noch  so  kleine  Geschwindigkcitsnnterschiedc  sicher  zu  stellen 


200 


Ucber  einige  (konstante  des  Blutstroms. 


b.  Zieht  man  bei  Berücksichtigung  der  Uebertragungszeit  noch 
andere  Umstände  in  dem  sich  die  Thiere  finden  in  Betracht,  so 
ergiebt  sich:  1°.  In  erwachsenen  Thieren  gleicher  Gattung  nimmt 
mit  dem  Gewicht  auch  die  Uebertragungszeit  zu.  Vierordt  giebt 
hierfür  folgende  Zahlen  vom  Hund.  ( 

Körpergewicht.  Uebertragungszeit  zur  ven.  jugular. 


1,8  Kilo 

10,4' 

6,8 

14,3 

8,8 

15,7 

22,5 

19,4 

2°  Von  Einfluss,  doch  nicht  von  immer  gleichem  ist  auch  die 
Schlagfolge  des  Herzens;  namentlich  fand  Hering  an  denselben 
Pferd,  welches  bis  dahin  geruht  hatte,  36  Pulsschläge  mit  der  Ueber- 
tragungszeit von  22  Sec.  War  das  Thier  im  Trab  herumgetrieben, 
so  erhob  sich  die  Pulszahl  auf  100  in  der  Minute  und  die  Ueber- 
tragungszeit sank  auf  17,5  Sec.  — 3°  Aderlässe  mehren  und  min- 
dern die  Uebertragungszeit  entsprechend  dem  bei  der  mittleren 
Querschnittsgeschwindigkeit  Erörterten. — 4°  Poiseuille  giebt  an, 
dass  ein  Zusatz  von  essigsauren  Ammoniak  und  salpetersaurem 
Kali  in  sehr  verdünnter  Lösung  dem  Blut  zugesetzt,  die  Ueber- 
tragungszeit des  Salzes  aus  einer  in  die  andere  jugularis  des  Pfer- 
des kürzt,  ein  Zusatz  von  Alkohol  sie  verlängert.  Diesen  Erfolg 
sah  er  aus  seinen  Versuchen  über  Aenderung  der  Reibung  eines 
Wasserstroms  in  Röhren  voraus. 

Den  Einfluss  der  Athmung,  des  Altere  und  Geschlechts  bespricht 
ebenfalls  Vierordt;  die  zu  Grunde  gelegten  Versuche  sind  an  Zahl 
zu  gering,  um  zu  allgemein  gütigen  Resultaten  zu  führen. 

I.  Ueber  die  Beziehungen  der  Constanten  des  Blut- 
stroms zum  Körpergewicht. 

Vierordt  benutzt  die  von  ihm,  Hering,  Volkmann  u.  A.  gefundenen  Zahlen 
zur  Bildung  von  Mittelwerthen  für  da«  Körpergewicht  (k),  dio  Blutmenge  (b),  die 
Hauer  (t)  und  den  Umfang  (v)  eines  Herzschlags  und  die  Uebertragungszeit  (T)  des 
Salzes  von  einem  dem  rechten  Herzen  nahen  Orte  bis  zurück  zu  ihm,  nachdem  es  den 
kleinen  und  grossen  Kreislauf  durchwandert  hat  Indem  er  den  derart  beobachteten 

2 

Werth  der  zuletzt  genannten  Zeit  nach  einer  ihm  annehmbaren  Ueberlegung  um  — 

ib 

erhöht  hat,  betrachtet  er  dieselbe  als  das  Maas«  für  die  Zeit,  welche  nothwendig  ist, 
tun  ein  der  Gesammtmenge  des  Blutes  gleiches  Yolum  durch  das  Herz  zn  führen.  Die 
Mittelzahlen  und  Beziehungen,  die  sich  darnach  ergeben,  sind  für  den  Menschen,  den 
Hund,  das  Ziegsnböckchen  und  Kaninchen  folgende:  k=al3,5b;  b = 26,5  v;  k = 353  v; 
Tv  T Tb 

T = 26,5t  Demnach  ist  — = — = 13,3:  —■=*—*  26,5,  und  somit  rT  = bt 
tk  k t v 

Bezeichnet  man  für  ein  Thier  die  Werthe  mit  T,  v,  t,  k und  für  ein  anderes 


Verftgtare  und  verlorne  Arbeitskräfte  ira  Blutstrom. 


201 


mit  T t',  k',  so  muss,  weil  — eine  Constante  ist,  — 
T ▼ k1  T'v'k 

auch  — - — ■=  — — — , ab»«  vk'  = v'k  u.  s.  w. 


TV 

t'k' 


sein ; 


deshalb  ist 


Die  Zahl  der  Betrachtungen,  aus  welchen  jene  Mittel  berechnet  wurden,  ist  oine 
•ehr  geringe,  was  um  so  mehr  ins  Gewicht  fällt,  als  die  wirklich  beobachteten  Werthe 
in  sehr  weiten  Grensen  auseinander  liegen. 


II.  Von  den  verfügbaren  und  verlornen  Arbeitskräften 
im  Blntstrom*). 


Um  eine  Summe  aus  den  Kräften  zu  bilden,  die  zu  irgend  einem  Zeitmoment 
dem  bekannten  Inhalt  eines  beliebigen  Gefassabschnitts  zukommt,  muss  man  die  Kraft 
dieses  Blutvolums  erst  unter  gleiche  Benennung  bringen.  Dieses  geschieht,  wenn  man 
nach  den  schon  früher  (p.  47)  entwickelten  Kegeln  die  der  Masse  zukommende  mittlere 
Geschwindigkeit  in  die  entsprechende  Spannung  umsetzt  Diese  Spannung  addirt  man 
dann  zu  derjenigen,  welche  als  solche  schon  in  jenem  Blutgewicht  enthalten  ist,  und 
multiplizirt  endlich  das  letztere  mit  jener  Spannungssumme.  — 

Geht  man  mit  diesen  einfachen  Regeln  an  die  thatsarhliche  Auswertkung,  so  stellt 
•ich  selbst  in  den  am  genauesten  untersuchten  Gcfuasabthoilungen  überall  ein  Mangel 
an  empirisrhen  Daten  heraus.  Denn  wenn  es  auch  annähernd  möglich  ist,  den  Inhalt 
eines  jeden  Uefässrohrs  an  zu  geben  , und  ebenzo  nach  Viernrdt  sogar  annähernd  dio 
mittlere  Geschwindigkeit  für  jede  einzelne  lierzphaso  gegeben  werden  kann,  so  gilt 
dieses  doch  nicht  mehr  für  die  Spannungen , da  uns  in  einem  jeden  Gcfässe  nur  die 
Wand-,  nicht  aber  dio  Centralsparmung  bekannt  ist;  wir  können  also  nicht  das  Mittel 
aus  allen  Spannungen  in  einem  solchen  Blutvolum  bilden ; und  dieses  müsst«  doch 
offenbar  der  Rechnung  zu  Grunde  golugt  werden.  Dieser  Ausfall  ist  aber  nicht  zu  ver- 
nachlässigen, weil  gerade  in  der  Spannung  die  grössten  Kraftantheilc  liegen,  wie  man 
sogleich  sieht,  wenn  man  x.  B.  den  in  der  Carotis-  oder  Jugularengeschwindigkeit  ver- 
grabenen Kraftantheil  mit  der  dort  vorhandenen  Wandspannung  vergleicht.  Setzt  man 
z.  B.  als  mittleren  Werth  für  die  Geschwindigkeit  in  der  Carotis  292  Mm.  in  der 
Secdo , so  wird  die  daraus  berechnete  Geschwindigkeitshöhe  = 0,4 1 Mm.  Hg.  Diese 
Zahl  ist  aber  nur  der  0,004.  Theil  von  110  Mm.  11g. , wodurch  die  mittlere  Wand- 
spannung an  jenem  Orte  ausgedrückt  wird.  Aber  selbst  in  der  vena  jugul&ris,  wo  doch 
die  Wandspannung  sehr  abgenommen , stellt  sich  dos  Verhältnis«  für  praktische  Be- 
dürfnisse auch  nicht  wesentlich  anders.  Nach  einer  Bestimmung  von  Volkmann  ist 
daselbst  die  mittlere  Geschwindigkeit  «=  225  Mm.  Dieses  giebt  eine  Geschwindig- 
keitihöhe  von  0,26  Mm.  Hg.;  dieses  ist  der  0,030.  Theil  der  mittleren  6,5  Mm.  be- 
tragenden Wandspannung. 

Beabsichtigt  man  statt  der  lebendigen  Kräfte  der  Blutmassen,  die  in  einem  Zeit- 
moment in  einem  Gefassabschnitt  enthalten  sind , diejenigen  restzustellen , welche 
durch  einen  Querschnitt  in  einer  beliebigen  Zeit,  z.  B.  während  der  Dauer  einer  Herz- 
bewegung, flicsscn,  so  würde  man  das  Mittel  aus  den  zeitlichen  und  räumlichen 
Druck-  und  Geechwindigkcitswerthen  zugleich  zu  verwenden  habun.  Nun  ist  uns  ein 
solches  Mittel  zwar  für  die  Geschwindigkeit  und  die  Wandspannung  in  einzelnen  Fallen 
gegeben,  aber  dieses  genügt  nach  dem  schon  Erwähnten  nicht  Früher,  als  man  noch 


•)  Dieses  Lehrbuch  7.  Bd.  I.  Auft  p.  I.W.  — «J.  K.  Mayer,  Archiv  flir  physlol.  Heilkunde 
IX.  und  X.  Bd,  — Ad.  Fick  Medicinische  Physik  p.  13«. 


202 


Die  Absonderungen. 


unbekannt  war  mit  der  Veränderlichkeit  des  Drucke  auf  demselben  Stromquerschnitt, 
setzte  man  nach  dem  Vorgang  von  J.  R.  Mayer  die  während  einer  Herzbewegung 
durch  die  Aorta  strömende  Blutmenge  etwa  = 0,175  Kilogramm,  die  mittlere  Ge- 
schwindigkeit ungefähr  = 0,4  Meter  und  das  Mittel  aus  den  zeitlichen  Spannungs- 
änderungen = 2,24  Meter;  hieraus  berechnen  sich  0,406  Kilogrammeter  als  ungefährer 
Schätzungswerth  für  die  disponible  Arbeitskraft  der  Blutmenge,  welche  während  der 
Dauer  eines  ganzen  Herzschlages  (systole  und  diastole)  durch  den  Aortabogen  geht 
Um  endlich  den  Kraftverlust  oder  Kraftgewinn  auf  irgend  einer  Wegstrecke  zu 
erfahren,  muss  der  Unterschied  der  an  jedem  Orte  zur  Verfügung  stehenden  Arbeits- 
kraft bekannt  sein.  Wäre  also  z.  B.  die  Summe  der  Geschwindigkeit«-  und  Spannungs- 
höhe des  in  der  Zeiteinheit  durch  die  Vorhofsmündung  strömenden  Blutvolums  bekannt 
und  dasselbe  von  der  in  der  Zeiteinheit  durch  die  Aortamündung  fliessenden  Blutmasse, 
so  würde  aus  dem  Unterschiede  beider  die  Arbeit  hervorgehen,  welche  das  Herz  in 
das  Blut  gelegt  hat  (A.  Fick).  Man  kann  in  diesem  letzten  Falle  vor  und  hinter  dem 
Herzen  wiederum  den  auf  die  Geschwindigkeit  entfallenden  Antheil  als  verschwindend 
gegen  den  durch  die  Spannung  dargestellten  ansehen,  und  dann  ergiebt  sich,  dass  der 
Gewinn  an  Arbeitskraft  durch  das  Herz  für  gleiche  Volumina  mit  dem  Unterschied  zwi- 
schen der  mittleren  Wandspannung  des  Vorhofs  und  der  Aorta  proportional  geht 


II.  Von  den  Absonderungen. 

Die  Bewegungen  der  flüssigen  Bestandtheile  des  Blutes  be- 
schränken sich  nicht  blos  auf  die  Bahnen,  welche  ihnen  durch  die 
Gefassröhren  vorgezeichnet  sind,  sondern  sie  durchbrechen  anch 
die  unverletzte  Gefässwand.  Diesem  Vorgang,  den  man  als  Ab- 
sonderung (secretio)  bezeichnet,  steht  ein  anderer,  die  Auf- 
saugung (resorptio),  entgegen,  welcher  Flüssigkeiten,  die  die  Ge- 
fässrölyen  umspülen,  in  diese  selbst  hineinftihrt.  Diese  beiden 
Bewegungen  von  entgegengesetzter  Richtung  erscheinen  häufig 
gleichzeitig  an  demselben  Orte,  häufig  auch  getrennt  von  einander. 
Die  Vermischung  und  Sonderung  derselben  ist  wohl  Veranlassung 
geworden,  dass  man  diese  Prozesse  zum  Theil  vereint,  zum  Theil 
getrennt,  gerade  wie  sie  im  Organismus  erscheinen,  ahgehandelt 
hat  Wir  werden  im  Nachfolgenden,  dem  Gebrauch  der  physio- 
logischen Lehrer  folgend,  zwar  vorzugsweise  die  Hergänge  be- 
sprechen, welche  mit  einer  Bewegung  der  flüssigen  Blutbestand- 
tlieile  von  der  innern  auf  die  äussere  Gefässwand  verbunden  sind; 
dabei  beschränken  wir  uns  aber  nicht  auf  diese  Betrachtung,  son- 
dern wir  verfolgen  auch  die  ausgetretenen  Säfte  in  ihren  weiteren 
Schicksalen  und  nehmen  zugleich  die  Untersuchung  einer  umge- 


Diqitized  by  Google 


Die  bei  der  Absonderung  thätigen  Bedingungen. 


203 


kehrten  Saftbewegung,  einer  Anftangnng  mit  auf,  wenn  eie  innig 
mit  der  Absonderung  verbunden  sein  sollte. 

Allgemeiner  Theil. 

Die  allgemeinsten  Forderungen,  welche  nach  gewonnener  Ein- 
sicht in  die  Eigenschaften  des  Gcfässinhalts  gestellt  werden  müs- 
sen, wenn  wir  die  Absonderungserscheinungen  begreifen  sollen, 
verlangen:  dass  wir  zu  erfahren  trachten  die  Eigenschaften  der 
Flüssigkeit  (Säfte,  Sekrete),  welche  auf  der  äussern  GefäsBwand 
zum  Vorschein  kommen,  die  Beschaffenheit  der  Wege,  auf  welchen 
die  Säfte  durch  die  Gefässwand  dringen,  und  endlich  die  Wir- 
kungsweise der  Kräfte,  welche  die  Säfte  aus  den  Gefässröhren 
herausbefördern.  Ueber  die  Eigenschaften  der  Säfte  lässt  sich, 
wie  es  scheint,  nichts  allgemein  Gütiges  sagen,  vorausgesetzt,  es 
wollte  die  Aussage  darüber  hinausgehen,  dass  dieselben  tropfbar 
oder  gasförmig  sein  mussten.  Anders  verhält  es  sich  dagegen  mit 
den  beiden  andern  Punkten. 

1.  Die  Häute,  durch  welche  die  Absonderung  stattfinden  soll, 
mttssen  unzweifelhaft  von  Oeffnungen  durchbrochen  sein,  weü  sonst 
der  Durchgang  einer  Flüssigkeit  geradezu  unmöglich  sein  würde. 
Die  Umstände,  durch  welche  die  Häute  auf  die  Absonderung  von 
Einfluss  werden,  lassen  sich  somit  zurückftlhren  auf  die  Eigenschaf- 
ten der  Poren. 

Gestützt  auf  unsere  bisherigen  Erfahrungen  Uber  die  mecha- 
nische Zusammensetzung  einer  endlichen  festen  Masse  überhaupt 
und  die  der  thierischen  Scheidewände  insbesondere,  wird  man  ge- 
neigt sein,  zu  unterscheiden  zwischen  wesentlichen  und  zu- 
fälligen Poren.  Unter  wesentlichen  würden  diejenigen  zu  ver- 
stehen seien,  welche  mit  jedem  Stoffe  an  und  für  sich  gegeben 
wären;  sie  würden  also  die  Zwischenräume  darsteüen,  welche  die 
Molekülen  einer  jeden  endlichen  festen,  noch  so  gleichartigen  Masse 
trennen.  Die  zufälligen  Poren  würden  dagegen  da  zu  finden  Bein, 
wo  sich  einzelne  Stücke  gleichartiger  oder  ungleichartiger  Massen 
berühren.  Während  also  die  Form  und  Grösse  der  wesentlichen 
Poren  nur  abhängig  wäre  von  den  Molekularkräften  innerhalb 
der  gleichartigen  Masse,  würden  die  zufälligen  bedingt  sein  durch 
die  Gestalt  der  gleichartigen  oder  ungleichartigen  Massenhäufchen, 
und  den  Druck,  unter  dem  sie  zusammengebullt  wären.  — Die 
mikroskopischen  Aufschlüsse  die  wir  Uber  die  meisten  thierischen 
Häute  und  die  der  Gefässe  insbesondere  besitzen,  deuten  dar- 
auf hin,  dass  die  zufälligen  Poren  sehr  verbreitet  vorkonunen, 


204 


Die  bei  der  Absonderung  thätigen  Bedingungen. 


weil  sie  in  Platten,  Fasern,  Kerne,  Zellen  u.  s.  w.  zerlegt  werden 
können. 

Daneben  wäre  es  aber  möglich,  dass  in  Hauttheilen,  die  uns  unsern  optischen 
Hilfsmitteln  nach  gleichartig  erscheinen,  namentlich  insofern  sic  aus  eiweissartigen  und 
leimgebenden  Stoffen  zusammengesetzt  sind , noch  zufällige  Toren  Vorkommen.  Diese 
Annahme  liegt  darum  nahe,  weil  es  immer  noch  zweifelhaft  ist,  ob  die  sogenannten 
Lösungen  jener  Stoffe  aus  einer  bis  zur  Spaltung  des  chemischen  Atoms  gehenden  Ver- 
theilung  im  Lösungsmittel  oder  aus  einer  Aufschwemmung  sehr  feiner  Klümpchen  jener 
Stoffe  bestehen.  Wäre , wie  oft  behauptet  wird , das  letztere  der  Fall , so  wäre  es 
auch  fraglich,  ob  ein  Niederschlag  aus  dieser  in  Wasser  fein  zertheilten  Masse  zur 
Darstellung  einer  homogenen  Haut  führen  könnte. 

Ein  FlUssigkeitsstrom  durch  jede  Art  von  Poren  wird  sich 
aber  regeln  nach  der  Form  und  den  Ausmessungen  der  Porenlichte 
und  nach  dem  Werth  und  der  Richtung  der  Kräfte,  welche  von  der 
Porenwand  in  die  Lichtung  hineinwirken ; wobei  es  vorerst  noch 
gleichgiltig  ist,  ob  wir  uns  die  Wandmolekulen  bewegt  oder  ruhig 
denken.  Die  Untersuchungen  hätten  also  die  ganze  oder  wenig- 
stens die  relative  Veränderung  jener  Grössen  mit  den  variablen 
Bedingungen  zu  bestimmen. 

Die  Mittel,  welche  uns  über  die  vorgenannten  Eigenschaften  unterrichten  sollen, 
bestehen,  insofern  die  Porosität  dem  Mikroskop  unzugänglich  ist,  in  dem  polarisirten 
Licht,  der  Quellung,  der  Filtration,  der  Diffussion,  und  insbesondere  werden  alle  diese 
Mittel  bei  verschiedenen  Zuständen  der  Haut,  als  da  sind  Spannung,  Yolumsänderung, 
Temperatur  u.  s.  w.,  angewendet. 

Das  polarisirte  Licht  giebt  den  Nachweis,  ob  die  Häute  ganz  oder  theilweise 
doppelt  oder  cinfachbrecliondc  Substanzen  enthalten ; cs  entdeckt  also  noch  dort  Un- 
gleichartigkeiten , wo  uns  die  Betrachtung  mit  gewöhnlichem  Lieht  im  Stich  lässt. 
Dasselbe  Mittel  bei  verschiedenem  Quellungsgrad  in  Anwendung  gebracht,  zeigt  unter 
Voraussetzung  einer  gemischten  Struktur,  ob  die  durch  die  Quellung  erzeugte  Aus- 
dehnung sich  vorzugsweise  auf  die  einfach  oder  doppoltbrechendcn  Stoffe  erstreckt 
u.  w>  — Dieses  Mittel  ist  noch  zu  wenig  benutzt  worden.  — Das  Flüssigkeitsvolum, 
welches  bei  der  Filtration  durch  die  Flächeneinheit  einer  Membran  strömt,  giebt 
Andeutungen  über  die  relative  Poren  weite,  Porenllnge  und  den  Reibungscoeffizienten, 
insofern  bei  gleichem  Druck  und  gleicher  Temperatur  die  durchgehende  Menge  nur  von 
jenen  Bedingungen  abhängt;  ändert  man  die  Temperatur  der  durchgehenden  Flüssig- 
keit, die  Quellung  und  den  Spannungsgrad  der  Haut,  so  giebt  sie  auch  Aufklärungen 
über  die  Veränderlichkeit  jener  Porencigenschaften  mit  den  erwähnten  Variablen.  Da 
insbesondere  der  Zustand  der  Poren  von  dor  Quellung  abhängig  ist,  und  diese  letztre 
mit  der  Temperatur  und  der  Zusammensetzung  der  filtrirten  Flüssigkeit  Hand  in  Hand 
geht,  so  sind  die  beim  Filtrationsversuch  gewonnenen  Thatsachen  nur  dann  zur  Erklärung 
der  Lcbcnscigcnschaftcn  zu  verwenden , wenn  sie  sich  rücksichtlich  der  erwähnten  Be- 
dingungen aufs  genaueste  den  im  Leben  vorkommenden  angcschlossen  haben.  — Die 
Flüssigkeitsbewegung,  welche  die  Diffussion  einleitet,  unterscheidet  sich  von  der 
durch  den  hydrostatischen  Druck  (Filtration)  erzeugten  dadurch,  dass  sie  sich  auch 
noch  in  Porenräume  erstreckt,  in  welchen  bei  der  letztem  die  Flüssigkeiten  in  Ruhe 
bleiben.  Sie  vervollständigt  somit  die  Angaben  der  Filtration.  — Da  der  Grad  der 


I^ren  der  Häute. 


205 


Quellung  endlich  einerseits  von  den  Verwandtschaften  der  eingedrungenen  Flüssigkeit 
in  die  Forenwand  und  andrerseits  von  der  Cohäsion  der  festen  Masscntheilchen  su 
einander  abhängt,  so  lassen  ihre  Ergebnisse  Schlüsse  Über  die  Eigenschaften  der 
Haut  zu. 

Die  kurze  Auseinandersetzung  dessen,  was  die  genannten 
Mittel  leisten,  lässt  erkennen,  dass  sie  mit  einziger  Ausnahme  des 
polarisirten  Lichtes  nur  sehr  indirekte  Aufschlüsse,  die  grössten 
Theils  dazu  noch  mehrdeutig  sind,  über  die  Poreneigenschaften 
geben.  Sie  sind  also  mehr  von  praktischer  als  von  theoretischer 
Bedeutung.  Sollte  aber  die  Verwicklung  der  Bedingungen  auch 
hier  die  Theorie  für  immer  illusorisch  machen,  so  würde  es  um  so 
dringender  nothwendig  sein,  auf  dem  Wege  des  Versuchs  vorzu- 
schreiten, da  ohne  eine  genaue  Kenntniss  dessen,  was  der  Porus 
zur  Absonderung  beiträgt,  das  Eindringen  in  die  letztere  unmög- 
lich ist 

Da  unsre  gegenwärtigen  Vorstellungen  über  die  thierischen 
Poren  vorzugsweise  aus  der  Diffusions-  und  Filtrationslehre  ge- 
schöpft sind,  so  würde  cs  im  allgemeinen  Thcil  zu  Wiederholungen 
führen,  wenn  man  die  Thatsache  mit  Kücksicht  auf  die  Porosität 
hier  zusammenstellen  wollte.  Wir  gehen  also  sogleich  zu  den 
Kräften  über,  welche  Absonderung  erzeugen.  Rttcksiehtlich  einiger 
Einzelheiten  verweisen  wir  auf  die  besondern  Hänte,  die  Epi- 
dermis, Geföss-,  Darmschlcimhaut  u.  s.  w. 

2.  Die  Kräfte,  welche  die  Flüssigkeiten  und  Gase  des  Bluts 
durch  die  Poren  treiben,  bestehen  nachweislich  in  Spannungsunter- 
schieden der  Flüssigkeit  aut  den  beiden  Seiten  der  Gefässhaut 
(Filtration  und  Gasdiffusion),  in  Anziehungen  zwischen  den  Stof- 
fen, die  ausserhalb  und  innerhalb  der  Gefasse  liegen  (Ilydrodif- 
fusion),  und  endlich  in  eigenthümlichen  Wirkungen  der  erregten 
Nerven  auf  den  Gefässinhalt 

Daraus,  dass  uns  keine  weiteren  Absonderungskräftc  bekannt 
sind,  schlicsscn  wir  natürlich  nicht,  dass  ihre  Aufzählung  mit  die- 
sen dreien  erschöpft  sei. 

a.  Filtration.*)  Unter  diesem  Vorgang  versteht  man  einen 
Strom  von  Flüssigkeit,  welchen  ein  hydrostatischer  Druck  durch 


•)  Li  «big,  Unterauchungen  Uber  einige  Ursachen  der  Saftbewegung.  1848.  fl.  — Wiating- 
haaaen,  experlmenta  qtiaed.  endoamotira.  Dorp.  1851.  — C.  II offmann,  Uber  die  Aafnithme 
des  <^a«ckallberv  und  dar  Fett«.  Wfirtburg  *854.  — W.  Schmidt  Poggendorfa  Annalen 
99  Bd.  337.  — Eckhard,  Beitriigo  zur  Anatomie  und  Physiologie  1858.  p.  97.  — Valentin, 
L«hrbuch  der  Phyhlologle  9.  Auflage.  1847.  L Bd.  p.  59. — Wittich,  Virchow'a  Archiv 
X Bd.  337. 


206 


Absonderung  durch  Druckunterschied. 


die  eapillaren  Forenräume  der  Membran  hindurchtreibt.  Mit 
Sicherheit  sind  solche  Ströme  bis  dahin  nur  an  Häuten  beobachtet 
worden,  welche  aus  gesondert  unterscheidbaren  anatomischen  Ele- 
menten gewebt  sind,  wie  die  Harnblase,  der  Herzbeutel,  das  Bauch- 
fell u.  s.  w.  Der  Nachweis  wäre  darum  noch  zu  liefern,  ob  auch 
durch  homogene  Häute  Filtration  eingeleitet  werden  könnte  und 
ob  dies  namentlich  möglich  wäre  mittelst  der  verhältnissmässig 
niedrigen  Drtlcke,  deren  Anwendung  die  thierischen  Massen  we- 
gen ihrer  geringen  Festigkeit  gestatten. 

Am  Filtrationstrom  kann  gegenwärtig  nur  zweierlei  Gegen- 
stand der  Untersuchung  sein,  nämlich  die  chemische  Zusammen- 
setzung der  strömenden  Flüssigkeit  vor  und  nach  ihrem  Durch- 
gang durch  die  Membran  und  das  Flüssigkeitsmaas,  welches  in  der 
Zeiteinheit  durch  die  Flächeneinheit  der  Membran  geht 

Statt  des  leUteren  Ausdruckes  kann  derjenige  der  relativen  mittlern  Geschwindig- 
keit darum  nicht  gewählt  werden,  weil  die  Ausmaase  der  Poren  sich  mit  den  Be- 
dingungen selbst  ändern,  die  auf  die  Geschwindigkeit  von  Einfluss  sind;  denn  wegen 
der  unvollkommenen  Elastizität  der  Haut  ändern  sich  die  Poreneigenschaften  mit  dem 
Werthe  und  der  Dauer  des  wirksamen  Druckes,  wegen  der  Quellbarkeit  geschieht 
dasselbe  mit  der  Zusammensetzung  und  der  Temperatur  d«T  Flüssigkeit  u.  s.  w. 

Aber  selbst  wenn  man  nur  beabsichtigt,  das  Volum  der  filtrirten  Flüssigkeit  als 
Folge  der  gleichzeitigen  Aenderung  in  der  Stromgeschwindigkeit  und  der  Porendimension 
zu  racBSon,  ist  es  sehr  schwer,  vergleichbare  Versuche  zu  erhalten,  weil  ausser  der 
willkührlich  und  messbar  eingeftlhrten  Aenderung  im  Druck,  der  Temperatur,  der  Zu- 
sammensetzung der  Flüssigkeit  u.  s.  w.  und  der  davon  ahhängenden  nicht  weiter  zu 
bestimmenden,  aber  gesetzmassig  erfolgenden  Porenänderung  auch  noch  ganz  andere 
Umstände,  die  sich  weder  bewältigen,  noch  ermessen  lassen,  anftreten  und  einen  Ein- 
fluss auf  das  Beobachtungsresultat  erhalten.  Dahin  gehört  die  Selbstzersetzung  der 
Häute,  das  Löslich-  oder  Unlöslichwerden  einzelner  Bestandteile  derselben  durch  die 
strömende  Flüssigkeit,  ferner  die  Umänderung,  welche  die  Haut  in  den  physikalischen 
Zuständen  erfährt,  je  nachdem  sie  vor  dem  Versuch  kürzere  oder  längere  Zeit  einge- 
trocknet war  u.  s.  w. 

Wir  stellen  hier  die  Thatsachen  zusammen,  welche  bei  künst- 
lich eingeleiteter  Filtration  beobachtet  sind. 

1°  Bei  gleichem  Druck  und  gleicher  Membran  nimmt  die  durchfli essende  Menge 
von  einem  zum  andern  Versuche  ab.,  wenn  zwischen  den  beiden  die  Membran  einige 
Zeit  hindurch  im  eingetrockneten  Zustand  verweilt  hatte.  War  sie  dagegen  in  der 
Zwischenzeit  feucht  erhalten  worden,  und  war  sie  vor  Beginn  des  zweiten  Versuchs 
einem  hohen  Druck  ausgesetzt  gewesen  , so  nimmt  die  durchgehende  Menge  zu.  — 
2°  Bei  gleichem  Druck  und  gleichem  Quellungszustand  nimmt  bei  einem  über  längere 
Zeit  sich  erstreckenden  Filtrationsversuch  die  durchgehende  Menge  mit  der  Zeit  zu. 
(Liebig,  Wisting  shausen,  Schmidt.)  Im  Gegentheil  fand  Kekhard,  der  wie 
Schmidt  mit  destillirtem  Wasser  arbeitete,  dass  in  der  ersten  Zeit  eines  solchen 
Filtrationsversuch«  mit  einer  vollkommen  aufgequollenen  Membran  die  durchgehende 


Digitized  by  Google 


Filtration  durch  todte  Häute. 


207 


Menge  wechselnd  steigt  und  fällt;  bei  der  weiteren  Dauer  des  Versuchs  nimmt  aber 
dann  die  durchgehende  Menge  mit  derZeit  ab.  Entlastet  man,  nachdem  die  Wegsam- 
keit der  Membran  merklich  gesunken , diese  für  einige  Zeit  und  bewahrt  sie  im  ge- 
quollenen Zustand  auf  und  beginnt  dann  den  Versuch  Ton  Neuem,  so  ist  die 
durchgegangone  Menge  wieder  gestiegen,  wenn  auch  nicht  au  dem  ursprünglichen 
Werthe.  — Für  andere  Flüssigkeit  als  destillirtes  Wasser  dürfte  nach  Analogie  der 
Vorgänge  an  Papierfiltern  mit  der  dauernden  Filtration  sich  immer  eine  Verminderung 
der  Wegsamkeit  einfinden.  — 3°  Alles  andere  gleich,  wächst  das  durchgehende  Volum 

mit  deT  Spannung,  die  man  der  Haut  beim  Aufbinden  gegeben  (Schmidt).  

4°  Nicht  in  allen,  wohl  aber  in  einzelnen  Fällen  verändert  sich  die  durchgehende  Menge 
mit  der  Seite,  welche  die  Membran  gegen  die  Druckrichtung  wendet ; so  a.  B.  bei  dem 
Eischaalenhäutchen  (Meckel).  — 5°  Mit  der  Temperaturerhöhung  der  Membran,  also 
auch  derjenigen  der  durch  letstre  wandernden  Flüssigkeit,  steigert  sich  die  Durchfluss- 
roenge.  Das  Geseta,  nach  welchem  die  letztere  wächst,  lässt  sich  in  einen  empirischen 
Ausdruck  fassen,  der  dem  ähnlich  ist,  welchen  l’oiseuille  und  Hagen  für  die 
unter  gleichen  Umständen  eintretende  Geschwindigkeitssteigerung  in  Capillarröhren  ent- 
worfen haben  (Schmidt).  — 6°  Mit  dem  steigenden  Druck  wachsen  die  durchlaufenden 
Mengen  jedoch  nicht  so,  wie  es  für  Capillarröhren  gilt,  dass  sich  die  bei  verschiedenen 
Drücken  durchgehenden  Volumina  verhalten  wie  diese ; sondern  so,  dass,  wenn  der  Druck 
um  dieselben  Unterschiede  wächst,  auch  die  Ausflussmengen  jedesmal  um  einen  constanten 
Unterschied  wachsen.  Daraus  folgt,  dass , wenn  man  die  durchfliessenden  Volumina  als 
Ordinaten  auf  die  als  Abszissen  geltenden  Drücke  aufrichtet,  die  Abhängigkeit  zwischen 
beiden  durch  eine  gerade  Linie  dargestellt  wird.  Die  gegenwärtigen  Versuche  machen 
es  ausserdem  wahrscheinlich,  dass  der  Druck  erst  zu  einem  gewissen  Werthe  ange- 
wachsen sein  muss,  bevor  er  ein  Durchfliessen  einlciten  kann  (Schmidt).  Ueber  die 
sorgsame  Methode,  durch  welche  dieses  Ergebnis«  gefunden  wurde,  ist  die  Abhand- 
lung von  Schmidt  nachzusehen.  — 7°  Ueber  den  Einfluss  der  Zusammensetzung  der 
filtrirenden  Flüssigkeit  gilt  Folgendes:  Hei  Anwendung  verschiedener  gehaltvoller  Lö- 
sungen desselben  Salzes  sinkt  in  allen  Fällen  die  durchgehende  Menge,  wenn  die 
Concentration  von  0 bis  5 pCt  steigt;  jenseits  dieser  Grenze  steigt  die  Menge  bei 
Anwendung  von  KONOs  und  N&OSO3,  sie  sinkt  noch  weiter  aber  langsamer  bei  NaONOs 
und  Na  CI.  (Schmidt).  Diese  Ergebnisse  weichen  in  wesentlichen  Punkten  ab  von 
den  durch  Poiseuille  an  steifen  Capillarröhren  gefundenem.  — Aus  einem  Gemenge 
jener  Salze  gehen  Kesultate  hervor,  die  im  Allgemeinen  zwar  in  der  Mitte  zwischen 
denen  liegen,  welche  die  Componenten  hervorgebracht  haben  würden;  aber  sie  lassen 
sich  nicht  mit  Genauigkeit  im  Voraus  berechnen  (Schmidt).  — ltücksichtl ich  einiger 
anderer  Flüssigkeiten  stellt  Wist  in  gs  hausen  die  Regel  auf,  dass  der  Druck,  welcher 
nothwendig  «ei,  um  in  gleichen  Zeiten  eine  merkliche  Menge  von  Flüssigkeit  durch 
eine  Haut  zu  treiben,  in  dem  Maasse  abnehme,  in  welchem  das  Quellungsverhältniss 
zunehme.  In  der  That  ist  es  eine  bekannte  Erfahrung,  dass  man  den  Druck  der  Reihe 
nach  steigern  muss,  wenn  man  durch  Harnblasenwand  oder  Peritonäalhaut  in  gleichen 
Zeiten  annähernd  gleich  viel  Wasser,  Salzlösung,  Oel,  Alkohol  (Quecksilber?)  hindurch 
treiben  will.  Wie  aber  Wasser  zur  Filtration  den  niedrigsten , Alkohol  den  höchsten 
Druck  verlangt,  so  quellen  auch  die  erwähnten  Membranen  viel  mehr  in  Wasser  als  in 
Alkohol  auf.  — 8°  Durch  die  Anwesenheit  einer  Flüssigkeit  in  den  Poren  kann  der 
Durchtritt  einer  andern  erschwert  oder  erleichtert  werden;  so  giebt  z.B.  die  Anwesen- 
heit von  Oel  in  einer  Harnblasenwand  eine  Hemmung  für  den  Durchgang  von  Wasser 
und  umgekehrt  hindert  das  eingedrungene  Wasser  den  Durchtritt  des  Oels.  Der 


Digitized  by  Google 


208  Chemische  Scheidung  durch  Filtration 

Grund  dieser  Erscheinung  wird  zum  Theil  wenigstens  abhängig  sein  von  der  Spannung,  j 
in  welche  die  einander  zugekehrten  Oberflächen  zweier  sich  berührenden,  aber  nicht 
mischenden  Flüssigkeiten  gorathen  müssen,  weil  die  auf  der  Berührungsfläche  gelegenen 
Theilchen  von  Seiten  der  gleichartigen  einen  stärkern  Zug  empfangen,  als  von  8eiten 
der  ungleichartigen.  Diese  Spannung  drängt  die  Theilchen  der  Oberfläche  zusammen, 
so  dass  jede  derselben  gleichsam  mit  einer  Haut  überzogen  ist,  welche  ihr  den  Eintritt 
in  den  Poms  verwehrt.  Die  Festigkeit  dieser  Haut  wird  sich  aber  steigern  mit  dem 
Unterschied  der  Züge  nach  der  einen  und  der  andern  Richtung , indem  diese  alle  mög- 
lichen Werthe  zwischen  einem  Maximum  und  einem  Minimum  annehmen  kann;  je  nach- 
dem die  beiden  Flüssigkeiten  entweder  gar  keine  oder  oine  merkliche  Anziehung  zu 
einander  zeigen , wird  auch  die  Oberflächenspannung  sehr  verschiedenartig  ausfallen. 

Es  scheint  nun,  als  ob  auf  diesem  Wege  eine  Veränderung  in  der  Dichtigkeit  der 
einander  berührenden  Oberflächen  zweier  sich  nicht  mischender  Flüssigkeiten,  z.  B.  des 
Oels  und  Wassers,  dadurch  erzeugt  werden  könnte,  dass  man  in  dem  Wasser  gewisse 
Salze , z.  B.  gallensaures  Natron , auflöst  Denn  es  sollen  Fette  durch  eine  mit  einer 
wässerigen  Lösung  dieses  Salzes  getränkte  Haut  hindurchtreten  können  (Ochlenowits, 
Hoffmann).  — 

Die  Frage,  ob  mittelst  der  Filtration  durch  eine  thierische 
Haut  in  einer  homogenen  Flüssigkeit  eine  chemische  Scheidung 
veranlasst  werden  könne,  ist  durch  die  bisherigen  Versuche  je 
nach  der  Natur  der  aufgegossenen  Flüssigkeit  verschieden  beant- 
wortet. — Wird  eine  leichtflüssige  Lösung  wie  z.  B.  der  neutralen 
Salze  und  des  Zuckers  auf  das  Filter  gebracht,  so  zeigte  die 
durch  das  letztere  gedrungene  Flüssigkeit  die  Zusammensetzung 
der  aufgegossenen.  Diese  Erseheinung  ist  besonders  dann  auf- 
fallend, wenn  man  die  Flüssigkeiten  auf  die  Membran  bringt, 
welche  von  dieser  scheinbar  gar  nicht  unverändert  aufgenommen 
werden  können,  wie  z.  B.  conzentrirte  Lösungen  von  Glauber-  und 
Kochsalz.  Diese  Thatsache  scheint  in  Verbindung  mit  anderen 
einmal  zu  erweisen  (Bd.  I.  p.  72.),  dass  die  in  die  Poren  der  auf- 
quellenden Häute  eingedrungenen  Flüssigkeiten  dort  auf  eine  ver- 
schiedene Weise  angeordnet  sind,  und  dann,  dass  die  Drücke, 
welche  man  zur  Erzeugung  des  Filtrationsstromes  angewendet  hat, 
gerade  nur  hinreichen,  um  die  Mittelschicht,  nicht  aber  die  Wand- 
schicht der  eingedrungenen  Lösung  zu  bewegen.  Sollte  sich  in 
der  That  ein  allgemeiner  Beweis  für  die  Behauptung  erbringen 
lassen,  dass  die  Drücke,  welche  thierische  Häute,  ohne  zu  zerrci- 
sen  ertragen  können,  nicht  genügten,  um  die  Wandschicht  in  Be- 
wegung zn  setzen,  so  würde  damit  dargethan  sein,  dass  die  Fil- 
tration durch  eine  thierische  Haut  keine  chemische  Scheidung  in 
einer  wahren  Lösung  veranlassen  könnte.  Jedenfalls  müssen  wir, 
so  lange  ein  empirischer  Gegenbeweis  fehlt,  an  diesem  Grundsatz 


Digitized  by  Google 


Filtration;  chemische  Scheidung  durch  dieselbe. 


209 


festhalten.  Mit  dieser  Vorsicht  ist  man  freilich  nicht  immer  zu 
Werke  gegangen , indem  man  sich  auf  die  Ergebnisse  der  Filtra- 
tion durch  Kohle,  Ziegelsteine'  u.  s.  w.  berief,  bei  denen  in  der 
That  die  Zusammensetzung  der  dnrcbgegnngcnen  und  der  anfge- 
gossenen  Lösung  verschieden  sein  können.  Man  übersah  aber 
hierbei,  dnss  die  Kohle  nur  durch  ihre  Verwandtschaft  zu  den  im 
Filtrat  fehlenden  Bestandthcilcn  jene  Scheidung  erzeugt.  Denn 
der  Stoff,  welcher  der  durchgelaufenen  Flüssigkeit  fehlt,  ist,  wie 
die  chemische  Untersuchung  des  Kohlenfiltcrs  erweist,  in  ihm  zu- 
rückgehaltcn  worden.  Aus  diesem  Grunde  ist  eine  beliebige 
Menge  von  Kohle  auch  nur  so  lange  als  Scheidungsmittel  brauch- 
bar, als  sie  sich  nicht  mit  jenem  Stoff  gesättigt  hat ; so  wie  dieses 
geschehen,  geht  auch  die  aufgegossene  Flüssigkeit  unverändert 
durch  dieselbe.  Käme  nun  in  der  That  den  thicrischen  Häuten, 
dem  Blut  oder  andern  Flüssigkeiten  gegenüber,  eine  ähnliche 
Eigenschaft  zu,  so  würde  dadurch  doch  keine  chemische  Scheidung 
bewirkt  werden  können.  Denn  die  thierischen  Häute,  welche  sich 
an  der  Sekretion  betheiligen , sind  sehr  dünn,  und  die  Filtrations- 
ströme gehen  in  gleicher  Weise  sehr  lange  Zeit  dnreh  sie  hin- 
durch, so  dass  der  Stoff  ihrer  Porenwanduugen  sehr  bald  mit  dem 
ßlutbestandtheile,  den  sie  znrflekhalten  könnten,  gesättigt  sein  würde. 
Dauernd  würden  sie  nur  dann  als  chemisches  Scheidungsmittel  zu 
benutzen  sein,  wenn  ihnen  die  Eigenschaft  znkiime,  gewissen  Ile- 
standtheilen  einer  aufgegossenen  Flüssigkeit  geradezu  den  Eintritt 
in  ihre  Poren  zu  verwehren. 

Anders  soll  sich  der  Erfolg  gestalten,  wenn  durch  Papier  filtrirte 
Lösungen  von  Gummi  und  Eiweiss  noch  einmal  durch  eine  thierische 
Haut  getrieben  werden.  Valentin  und  Schmidt  stimmen  (im 
Gegensatz  zu  WittiehV)  darin  überein,  dass  die  durchgegangene 
weniger  Eiweiss  enthalte  als  die  aufgegossene  Flüssigkeit.  Valen- 
tin giebt  beispielsweise  art,  dass  Hühnereiweiss,  welches  mit  dem 
6 bis  7fachen  Volum  Wasser  verdünnt  war,  auf  dem  Filter  1,027, 
unter  ihm  aber  1,023  spccifiscben  Gewichtes  besass.  Die  beiden 
Autoren  widersprechen  sich  aber  insofern,  als  Valentin  behauptet, 
dass  der  Dichtigkeitsnntcrschied  beider  Flüssigkeiten  mit  dem  stei- 
genden Druck  abnehme,  während  Schmidt  das  Umgekehrte  aussagt; 
nach  ihm  soll  auch  der  Unterschied  mit  der  Temperatur  wachsen. 

Die  physiologische  Bedeutung  des  Filtrationsstroins  über- 
haupt erhellt , wenn  man  bedenkt , dass  innerhalb  des  Thierleibs 
sehr  häutig  Flüssigkeiten  von  einem  merklich  verschiedenen 

Ludwig,  Physiologie  IL  '2.  Auflage.  14 


210 


Physiologisches  Vorkommen  der  Filtration. 


Spannungsgrad  durch  oft  äusserst  dünne  Scheidewände  getrennt 
sind.  Als  ein  naheliegendes  Beispiel  hierfUr  dient  die  Blutflüssig- 
keit im  Gegensatz  zn  den  die  Gefässe  umsptllendcn  Säften;  denn 
für  gewöhnlich  Uberwiegt  die  Spannung  der  erstem  die  der  letz- 
tem; darum  sehen  wir  sehr  häufig  eine  Absonderung  lebhafter 
werden,  wenn  der  Unterschied  der  Drücke  zwischen  beiden  er- 
wähnten Flüssigkeiten  im  Steigen  begriffen  ist.  Diese  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  der  Filtration  zugeschriebene  Fiüssigkeitsbewe- 
gung  tritt  den  Voraussetzungen  entsprechend  ein,  wenn  bei  gleich- 
bleibender Spannung  des  Bluts  diejenige  erniedrigt  wird,  welche  den 
Lösungen  ausserhalb  der  Gefässe  zukommt,  wie  z.  B.  nach  Ent- 
leerung der  vordem  Augenkammer,  dem  Abzapfen  der  Cerebro- 
spinalflüssigkeit , der  Entfernung  oder  Lockerung  des  Epithelioms, 
der  Minderung  des  Luftdrucks  u.  s.  f.  Dasselbe  ereignet  sieb, 
wenn  bei  gleichbleibender  Spannung  in  der  Umgebung  der  Ge- 
fässe die  des  Bluts  sich  steigert,  sei  es  durch  Vermehrung  des  ge- 
sammten  Blutvolums  oder  durch  Einführung  von  Stromhemmnissen 
u.  s.  w.  — Von  nicht  geringer  Bedeutung  würde  bei  dem  häu- 
figen Vorkommen  von  Eiweisslösungen  die  Thatsache  sein,  dass 
diese,  selbst  wenn  noch  so  sehr  der  Anschein  des  Gegentheils  vor- 
liegt, doch  keine  wahren  Lösungen  sind,  so  dass  seine  in  dem 
Wasser  schwimmende  und  durch  dasselbe  aufgelockerte  Molekular- 
haufen zum  Theil  zu  gross  wären,  um  sich  durch  die  engen  Foren 
der  thierischen  Gewebe  durehzwängen  zu  können.  Denn  damit 
würde  je  nach  der  Porendimension  und  der  Vertheilung  des  Ei- 
weisses  ein  sehr  einfaches  Mittel  gegeben  sein,  um  Flüssigkeiten 
mit  ganz  verschiedenem  Prozentgchait  an  Eiweiss  ans  derselben 
Mutterlösung  zu  erhalten  und  in  den  Gewebssäflen  zu  vertheilen. 

b.  Diffusion.  Die  Theorie  der  Hydrodiffusion  und  insbe- 
sondere der  Endosmose  hat  seit  dem  Erscheinen  des  entsprechen- 
den Abschnittes  im  1.  Bd.  nennenswerthe  Fortschritte  gemacht*) 
Die  Veränderlichkeit  der  thierischen  Haut,  welche  das  Ge- 
winnen gesetzmässiger  Erscheinungen  erschwert,  die  Ueberzeugung, 
dass  die  Diffussion  durch  Poren  gleichartiger  Häute  (wir  nannten 
sie  die  wesentlichen)  sich  anders  gestalten  müsse,  als  durch  die 
zufälligen  Poren  solcher  Stoffe,  die  aus  sichtbar  verschiedenen  Ge- 


fl)  A.  Fick  In  Molescholtta  Untersuchungen  III.  204.  — W.  Schmidt,  Poggendorffc  Annalen 
B.  102.  p.  Ul  — Eckhard,  Beiträge  nur  Anatomie  und  Physiologie.  2 lieft.  1858.  112.  — 
E.  Hoffman  n,  des  endosmot.  Aequir.  des  Glaubersalzes.  Giessen  1858.  Meissner,  Jahresbe-* 
riebt  fUr  1*57.  105. 


Digitized  by  Google 


Diffusion  durch-  Thon  - Collodium  - HerzbeutelplatUn. 


211 


webstlieilen  zusammengesetzt  waren,  fltbrte  theils  znr  Anwendung 
von  Scheidewänden  ans  gebranntem  Thon  im  Gegensatz  zn  sol- 
chen aus  Collodium  (Buchheim,  A.  Fick),  theils  zur  Anwen- 
dung der  Linsenkapsel  als  einer  möglichst  gleichartigen  thierischen 
Haut  (Wittich,  Virchow,  Meissner),  ferner  zur  Aufsuchung 
der  Veränderungen,  welche  verwickelter  gebaute  Häute,  wie  z.  B. 
der  Herzbeutel  selbst  unter  solchen  Umständen  erfahren,  die  man 
bisher  fllr  einflusslos  gehalten  hatte  (Eckhard,  W.  Schmidt.) 

Die  sehr  feinen  Collodiumhiiuto , welche  A.  Fick  zu  seinen  Versuchen  brauchte, 
empfehlen  sich  dadurch,  dass  sich  an  ihnen  höchst  wahrscheinlich  nur  cinStmm  durch 
die  wesentlichen  Poren  geltend  macht;  immerhin  kann  aber,  wenn  man  ihre  Entstehung 
durch  Verdunstung  berücksichtigt,  nicht  geleugnet  werden,  dass  sie  auch  anfällige  Poren 
enthalten  möchten,  dargestellt  durch  feine  Spalten,  welche  bei  ungleichmassigem  und 
ungleichseitigem  Eintrocknen  im  Innern  der  Haut  entstehen  müssen,  während  das  äuaserste 
Blatt  schon  fest  geworden  ist.  Für  das  Vorhandensein  dieser  oder  ähnlicher  Unregelmässig- 
keiten spricht  insbesondere  der  Umstand,  dass  der  Widerstand,  welchen  sie  dem  Diffus- 
sionsstmm  bieten , nicht  mit  der  Dicke  wichst  Unerwarteter  als  diese  Erfahrung  ist 
die  andere,  dass  beim  .Aufenthalt  in  Salzlösungen  (Na  CI)  sich  ihre  Durchgängigkeit 
Hir  das  Salz  mehrte  (A.  Fick),  während  sie  sieh  für  dos  Wasser  unverändert  erhält  — 
Die  Veränderungen,  welche  der  Herzbeutel  mit  der  Versuchsxeit  eingeht,  bewirken  eine 
Aenderung  der  Quellungsfähigkcit,  der  Wegsamkeit  für  den  Salzstrom  und  die  Aenderung 
des  endosmotischen  Aequivalent«.  Wendet  man  ein  frisches,  nur  mit  Wasser  ausge- 
waschenes, aber  vor  Beginn  des  Versuchs  nicht  getrocknetes  Stück  an,  so  gewinnt  man 
mit  ihm  (für  NaCl  und  NaO  SOs)  sehr  übereinstimmende  end osmotische  Aequivalente, 
selbst  wenn  man  die  Häute  aus  ganz  verschiedenen  Thieren  benutzt  hat  Kingetrock- 
nete  und  wieder  aufgeweichte  Haut«  geben  ein  höhers  etidosmotisches  Aequivalent 
(Eckhard),  was  wahrscheinlich  von  einer  Vermehrung  des  Widerstandes  fllr  den  Salz- 
strom abhängt  (8chmidt).  Gerade  wie  bei  Collodiumhaut  wird  aber  auch  hier  durch 
längeren  Aufenthalt  in  der  Lösung  eines  Salzes  die  Wegsamkeit  fUr  das  letztere  erhöht- 

Statt  dem  bisherigen  Gebrauch  gemäss  nur  das  Verhältnis« 
der  Ströme,  die  von  den  beiden  Grenzflächen  ausgehen  (das  en- 
dosmot.  Aequivalent),  zu  messen,  haben  die  neueren  Arbeiten  indem 
sie  Zeitbestimmungen  mit  Aufnahmen,  die  absolute  Geschwindigkeit 
der  einzelnen  Ströme  festgestellt.  Solche  Geschwindigkeitsmessun- 
gen sind  augge  fuhrt  an  Strömen,  die  nach  der  einen  Richtung 
Wasser,  nach  der  andern  Kochsalz,  Glaubersalz,  Cblorkalcium  und 
Zucker  mitnahmen. 

Der  Wasserstrom  gewinnt  an  Geschwindigkeit  1°  mit 
der  Temperatur  der  diffundirenden  Massen  (Fick,  Eckhard)  nnd 
zwar  am  Herzbeutel  nach  einem  Gesetze,  welches  durch  dieselben 
Coeffizienten  dargestellt  wird,  das  den  Filtrationsstrom  durch 
dieselbe  Haut  regelt  — 2»  Seine  Geschwindigkeit  wächst  mit 
dem  Unterschied  des  Gehaltes  an  den  Stoffen  in  den  beider- 

14* 


212 


Diffusion;  Geschwindigkeit  des  Salz-  und  Wassers trorns.  - 


seitigen  Flüssigkeiten.  Versteht  man  untet  Gehalt  den  Bruch  aus 
dem  Gewicht  des  aufgelösten  Salzes  (s)  durch  das  Gewicht  der 
gesammten-  in  der  Lösung  vorhandenen  Einzelgewichte  des  Was- 
sers (w)  und  des  Salzes  s also  -r~  , so  gilt  für  Collodiumhaut  und 

Na  CI  Lösung,  dass  der  Wasserstrom  um  ein  weniges  langsamer  steigt 
als  der  Gehalt  (A.  Fick);  für  Herzbeutel  und  Na  0 SOa-Lüsung 
steigt  die  Geschwindigkeit  des  Wasserstroms,  wenn  .der  Gehalt  der 
Lösung  von  0 bis  zu  etwa  1 p.  c.  anwächst,  dann  sinkt  sie  rasch 
und  wächst  bei  weiter  steigendem  Gehalt  abermals  und  zwar  bis 
zum  möglichen  Maximum  des  Salzgehaltes  proportional  der  Dich- 
tigkeit. Befindet  sieh  ungelöstes  Glaubersalz  auf  der  Membran, 
so  steigt  abermals  die  Geschwindigkeit  plötzlich  (W.  Schmidt). — 
RUcksichtlich  der  niedern  Conzentration  verhält  sieh  der  Wasser- 
strom, der  durch  eine  Thonscheidewand  zum  Na  CI  geht,  ähnlich, 
indem  die  Geschwindigkeit  bei  dem  Wachsen  der  Conzentration  von 
0 bis  0,2  p.  c.  sehr  rasch  zunimmt,’  von  da  bis  1,0  p.  o.  wieder 
rasch  abnimmt  und  von  da  ab  wieder  bis  zu  26,5  p.  c.  stetig  mit 
der  Conzentration  steigt  (A.  Fick,  Graham).  — 3"  Wenn  der 
Wasserstrom  welcher  durch  eine  Collodiumhaut  zum  Kochsalz 
geht  = l gesetzt  wird,  so  ist,  gleicher  Prozentgehalt  der  entgegen- 
stellenden Lösung  vorausgesetzt,  die  Geschwindigkeit  des  Stroms 
zum  Zucker  = 0,15  und  zum  Chlorkalcium  = 0,7.  (A.  Fick). 

Die  Geschwindigkeit  des  Salzstroms  steigt  1°  mit  der  Tem- 
peratur genau  wie  der  Wasserstrom  (Schmidt);  2°  mit  dem  Ge- 
halte der  Lösung  und  zwar  bei  Anwendung  von  Na  CI  und  Thon- 
scheidewand oder  NaOSOv  und  Herzbeutel  direkt  wie  das  Wachs- 
thum  des  Gehaltes  (A.  Fick,  W.  Schmidt);  3°  bei  frischen 
Collodiumhäuten  und  getrockneten  Herzbeuteln  mit  der  Aufenthalts- 
zeit in  der  betreffenden  Lösung. 

Aus  diesen  Erfahrungen  leitet  sich  ab  1°  dass  das  endosmot. 
Aeqnivalent  von  der  Temperatur  unabhängig  ist;  2o  dass  es  sich 
für  Koch-  und  Glaubersalz  mit  der  Conzentration  ändert  und 
zwar  für  Glaubersalz  und  Herzbeutel  ganz  nach  der  von  C.  Lud- 
wig angegebenen  Weise  (Schmidt);  3"  dass  die  Aequi valente  bei 
Anwendung  getrockneter  Herzbeutel  und  frischer  Collodiumhaut 
höher  sind  als  bei  langer  Zeit  in  der  betreffenden  Lösung  aufge- 
weichten; hierzn  fügt  Eckhard,  dass  es  für  den  Werth  der  endos- 
motischen Aequivalentes  gleichgültig  sei,  ob  man  die  freie  oder  die 
angewachsene  Fläche  des  Pericardiums  gegen  die  Salzlösung  wende, 


Digitized  by  Google 


Physiologisches  Vorkommen  der  Diffusion. 


213 


and  ebenso  ob  der  Salzstrom  auf-  oder  absteigend  dnrch  die  Mem- 
bran gehe. 

Anf  dem  Wege  der  Diffussion  müssen  unzweifelhaft  Blutbe- 
standtheile  aus  den  Gefilssriihren  in  die  umgebenden  Gewebe  ge- 
führt werden,  weil  diese  letztem  mit  wässerigen  Flüssigkeiten  er- 
füllt sind,  deren  Zusammensetzung  von  der  Blutflüssigkeit  abweiebt 
lieber  diese  Strömungen  lässt  sich  im  Allgemeinen  angeben : 1)  Sie 
werden  naoh  den  Prinzipien  für  die  endosmotisehen  Strömungen  zu 
beurtbeilen  sein,  weil  die  beiden  Flüssigkeiten  durch  eine  thie- 
rische  Haut  getrennt  sind.  — 2)  Die  Ströme  werden  während  der 
ganzen  Lebensdauer  ununterbrochen  fortbestehen , weil  nemlich 
zahlreiche  Einrichtungen  angebracht  sind,  welche  es  verhüten,  dass 
die  Flüssigkeiten  an  den  beiden  Seiten  der  Membran  eine  gleiche 
Zusammensetzung  erlangen.  Diese  ununterbrochene  Dauer  des 
Stroms  schliesst  aber  natürlich  ein  Steigen  oder  Fallen  seiner  Ge- 
schwindigkeit nicht  aus , im  Gegentheil,  es  wechselt  aus  verschiede- 
nen Gründen  die  mittlere  Geschwindigkeit  der  Diffusionsströme  mit 
der  Zeit  sehr  merklich.  — 3)  Die  Flüssigkeit,  welche  sich  in 
dem  Strom  bewegt,  kann  niemals  die  Zusammensetzung  des  Blu- 
tes haben;  denn  es  besitzen  die  einzelnen  ßlutbestandtheile  eine 
ganz  ausserordentlich  ungleiche  Diffusionsgeschwindigkeit,  ein  Un- 
terschied, der  namentlich  zu  gross  zu  sein  scheint,  als  dass  er 
durch  die  ungleichen  Prozentgehalte  wieder  compensirt  werden 
könnte.  — 4)  Die  Ströme,  welche  an  verschiedenen  Orten  des 
tbierischen  Körpers  Vorkommen,  werden  Flüssigkeiten  von  ganz 
abweichender  Zusammensetzung  führen.  Dieses  geschieht  nach- 
weislich darum,  weil  die  auf  der  äussern  Gefässfläche  dem  Blute 
entgegengesetzten  Stoffe  nicht  überall  dieselben  sind.  So  ist  z.  B. 
an  dem  einen  Orte  das  Gefäss  von  Luft,  an  dem  andern  aber  von 
wässeriger  Feuchtigkeit  umgeben  und  demnach  tritt  dort  eine  Gas- 
und  hier  eine  Hydrodiffusion  ein.  Dabei  bleibt  aber  der  Unter- 
schied nicht  bestehen,  sondern  es  finden  sich  auch  bedeutende  Ab 
weichungen  in  den  die  Gefiisshaut  umgebenden  wässerigen  Lösun- 
gen. Je  nachdem  also  der  eine  oder  andere  Stoff  in  der  Lösung 
vorkommt , wird  auch  bald  dieser  oder  jener  Blutbestandtheil  leb- 
hafter angezogen  werden  oder  auf  seinem  Wege  dureh  die  Haut 
mehr  oder  weniger  Widerstand  finden.  — Zu  diesen  nachweis- 
lichen Gründen  für  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  in  der  Zusammen- 
setzung der  aus  dem  Blute  tretenden  Säfte  fügt  man' vermuthungs- 
weise  noch  einen  andern,  den  nemlich,  dass  die  verschiedenen 


Digitized  by  Google 


214 


Absonderung  durch  Nervenerregung. 


thierischen  Häute  wegen  der  ursprünglichen  Abweichung  in  ihrer 
Zusammensetzung  oder  in  ihrer  sonstigen  molekularen  Anordnung 
eine  ungleiche  Durchgangsfäbigkeit  für  dieselben  Flüssigkeiten  be- 
sitzen sollen.  Diese  Vermuthung  stützt  man  auf  die  im  I.  Bd. 
p.  79.  3 angeführten  Versuche,  welche  allerdings  noch  einer  wei- 
tern Bestätigung  bedürfen,  die  Meissner*)  zu  geben  verspricht.  — 
5)  Die  auf  Diffusion  beruhenden  Absonderungen  sind  jedesmal  mit 
einem  Strom  im  umgekehrten  Sinn,  mit  einer  Resorption,  verbun- 
bunden. 

c.  Nervenerregung**).  Eine  beschränkte  Zahl  von  Drü- 
sen (und  dieLymphgefdssanfänge?)  bringen  die  Absonderung  ihrer 
Säfte  zu  Stande  unter  Mitwirkung  der  in  sie  eintretenden  Nerven. 
Der  Mechanismus,  durch  welchen  der  erregte  Nerv  die  Abson- 
derung einleitet,  ist  unbekannt;  keines  Falls  aber  ist  der  Nerv 
dadurch  wirksam,  dass  er  den  Blutdruck  innerhalb  der  Gefässe, 
welche  die  Drüse  durchsetzen,  partiell  steigert,  indem  er  die 
Durchmesser  jener  Gefässe  verändert.  Dieses  wird  darum  zur  Ge- 
wissheit, weil  der  Druck,  unter  welchem  der  abgesonderte  Saft  in 
den  Drttsengang  einströmt,  weit  grösser  ist,  als  der,  unter  welchem 
gleichzeitig  der  Inhalt  der  Blutgefässe  gespannt  ist;  ja  noch  mehr, 
es  kann  der  erregte  Nerv  auch  noch  zu  einer  Zeit  die  Abson- 
derung hervorrufen,  in  welcher  das  in  der  Drüse  enthaltene  Blut 
weder  strömt,  noch  überhaupt  gespannt  ist. 

Der  Absonderungsdruck  wird  dadurch  gemessen, 
dass  man  in  den  Ausfilhrongsgang  einer  Drüse  A (in 
der  schematischen  Fig.  49.)  ein  Manometer  B einbin- 
det. Dringt  Flüssigkeit  durch  die  Poren  der  Drüsen- 
wand hh  in  das  Innere  des  Drüsenbläschens,  so  wird 
sie  allmählig  auch  in  das  den  AusfÜhrungsgang  ver- 
schliessende  Manometer  dringen  und  das.  Quecksilber 
desselben  so  lange  emporheben,  bis  der  Druck,  den  die 
Quecksilbersäule  ausübt,  gross  genug  ist,  um  der  Ge- 
walt , mit  welcher  der  Drüsensaft  durch  die  Poren 
strömt,  das  Gleichgewicht  zu  halten.  Der  Abson- 
derungsdruck ist  also  nichts  anderes,  als  die  in  einer 
beliebigen  Flüssigkeit  ausgedrückte  Druckhöhe,  unter 
welcher  die  abgesonderten  Säfte  in  die  Drüse  gepresst 
werden. 

Obwohl  die  Absonderung  unabhängig  vom  Blutstrom  eintreten  kann,  so  vermag 
sie  sich  doch  nicht  ohne  Zuthun  desselben  auf  die  Dauer  zu  erhalten.  So  bat 

•)  Jahresbericht  Uber  Physiologie  für  1867. 

**)  C.  Ludwig  In  Hcnle’s  und  Pfeufer's  Zeitschrift.  N.  F.  I.  Bd.  — Cscrmak,  Wiener 
Sitzungsberichte  Dd.  XXV.  — C.  Ludwig  und  A.  Splces,  Wiener  Sitzungsbericht«. 


Eigenschaften  der  nervöson  Absonderung. 


215 


Czerraak  gefunden,  dass  die  Erregung  der  zur  gl.  submaxillaris  gehenden  sympathi- 
schen Zweige  die  Speichelabsonderung,  welche  durch  die  gleichzeitige  Erregung  des 
Astes  ron  Ram.  lingualis  eingelcitet  war,  ziemlich  rasch  zu  unterdrücken  vermag ; die 
Reizung  des  Srmpathicus  bringt  aber  auch  zuglcieh  eine  auffallende  Verlangsamung, 
ja  eine  vollständige  Stockung  des  Blutstroms  hervor.  Umgekehrt  pflegt  sich  zu  jedor 
im  gesunden  Thier  eintretenden  Absonderung  auch  eine  raschere  Blutstrüraung  durch 
die  Drüsen  zu  gesellen.  (CI.  Berns  rd).  Die  von  Czermak  gefundene  Thatsarhe  lässt 
freilich  auch  noch,  andere  Erklärungen  zu. 

Den  Eigenschaften  der  Nerven  entsprechend  wird  die  von 
ihnen  abhängige  Absonderung  keine  stetige,  sondern  eine  durch 
längere  oder  kürzere  Zeiten  unterbrochene  sein,  sie  wird  nur  ein- 
treten  können,  wenn  der  Nerv  erregbar  ist.  In  der  That  tritt  sie 
aber,  die  Erregbarkeit  der  Nerven  vorausgesetzt,  nur  dann  ein, 
wenn  der  Drttscnnerv  wirklich  erregt  wird;  dieses  geschieht  aber, 
soweit  wir  wissen,  ganz  unter  denselben  Umständen,  unter  denen 
auch  der  Muskelnerv  zur  Erregung  kommt;  und  es  wächst  dann 
die  Geschwindigkeit  der  Absonderung,  alles  andere  gleichgesetzt, 
mit  der  Intensität  der  Erregung. 

Mit  dem  Eintritt  der  Absonderung  erhöht  sich  jedesmal -die 
Temperatur  der  Drüse,  denn  es  sind  die  aus  ihr  hervorkommei»- 
den  Speichel-  und  Blutpiassen  höher  erwärmt  als  das  eintretende 
Blut.  Dieser  Wärmezuwaehs  scheint  mit  dem  Erregungswerth  der 
Drüsen  zuzunehmen  (C.  Ludwig,  A.  Spiess). 

Die  Säfte,  welche  durch  dieses  Hilfsmittel  dem  Blute  entzogen 
werden,  sind  erfahmngsgemäss  durchaus  anders  zusammengesetzt, 
als  die  Blutflüssigkeit.  Ob  sie  aber  in  allen  dem  Nervencinfluss 
unterworfenen  Drüsen  gleich  oder  ungleich  sind,  lässt  sich  nicht 
angeben.  Allerdings  weicht  die  Zusammensetzung  der  einzelnen 
Nervensekrete,  wie  z.  B.  Thränen  und  Speichel,  von  einander  ab, 
aber  es  kann  diese  Thatsache  nicht  als  ein  Beweis  dafür  ange- 
sehen werden,  dass  durch  Vermittelung  des  Nerven  in  die  beiden 
Drüsen  verschiedenartige  Säfte  geführt  worden  seien,  und  zwar 
darum  nicht,  weil  es  sich  nicht  darthun  lässt,  ob  nicht  noch  an- 
dere Sekretionsursachen,  z.  B.  eine  Diffusion,  sich  an  der  Bildung 
von  Thränen  oder  Speichel  betheiligt  haben. 

Um  den  Einfluss  der  Nerven  auf  die  Absonderung  zu  erklären , hat  man  die 
Führung  der  Flüssigkeit  durch  den  elektrischen  Strom  zu  Hilfe  genommen.  Obwohl 
sich  sehr  viele  Wahrscheinlichkeitsgründe  zur  Unterstützung  dieser  Annahme  zuaammen- 
finden  lassen,  so  fehlt  doch  noch  viel,  bevor  es  erlaubt  sein  dürfte,  dieses  ganz  neue  Er- 
klärungsprinzip in  einem  Lehrbuch  zu  erörtern. 

3.  Weitere  Veränderungen  der  abgeschiedenen  Säfite.  Die 
Flüssigkeiten,  welche  durch  irgend  eine  der  bezeichnetcn  Kräfte 


Digitized  by  Google 


216 


Chemische  Umsetzung  der  ausgeschiedenen  Safte. 


aus  dem  Blutstrom  auf  die  äussere  Fläche  der  Gefässhaut  beför- 
dert sind,  gelangen  dort,  je  nach  dem  Organ,  in  welchem  die  Ab- 
sonderung vor  sich  ging,  unter  besondere  Bedingungen,  welche  bei 
aller  sonstigen  Verschiedenheit  doch  darin  Ubereinstimmen,  dass 
sie  eine  Veränderung  der  ausgeschiedenen  Säfte  anbahnen  und 
vollenden ; diese  Veränderungen  betreffen  ebensowohl  die  chemische 
Zusammensetzung,  als  auch  den  Aggregatzustand  derselben. 

a.  Chemische  Umsetzungen  der  ausgeschiedenen 
Stoffe.  Die  Thatsachen,  auf  welche  eine  theoretische  Uebersicht 
derselben  gebaut  werden  könnte,  sind  gegenwärtig  noch  in  keinem 
Falle  mit  genügender  Schärfe  'festzustellen.  Hierzu  gehörte  vor 
Allem  eine  genaue  Einsicht  in  die  Zusammensetzung  ebensowohl 
der  ursprünglich  ansgeschiedenen  als  auch  der  später  veränderten 
Flüssigkeiten,  und  nicht  minder  eine  Kenntniss  aller  der  Umstände, 
durch  welche  der  jedesmal  in  Betracht  gezogene  Ort  eine  che- 
mische Umwandlung  einzuleiten  vermöchte.  Der  organischen 
Chemie  kann  es  nicht  zum  Vorwurf  gereichen,  dass  sie  die  Schwie- 
rigkeiten, welche  sich  der  Lösung  einer  solchen  Aufgabe  entgegen- 
Btellen,  bis  dahin  nicht  zu  heben  vermochte. 

Wir  vermuthen  mit  einem  hohen  Grade  von  Wahrscheinlich- 
keit, dass  die  chemischen  Umsetzungen,  welche  in  den  ausge- 
schiedenen ßlutbestandtheilen  vor  sieh  gehen,  sich  erstens  vorzugs- 
weise beziehen  auf  die  organischen  Substanzen  derselben  und 
insbesondere  auf  die  eiweiss-  und  fettartigen  Stoffe.  Diese  Vermu- 
thung  entspringt  aus  der  nicht  unbeträchtlichen  Zahl  von  Erfah- 
rungen über  die  Zusammensetzung  einzelner  in  den  thierischen 
Geweben  vorkommender  Stbffe;  diese  letztem  bestehen  nemlich 
fast  sämmtlich  aus  Atomen,  welche  nur  mittels  des  Eiweisses  oder 
der  Fette  in  die  Gewebe  gelangt  sein  können.  Die  einzigen  Aus- 
nahmen von  dieser  Regel  bilden,  so  weit  wir  wissen,  die  Salzsäure 
des  Magens  und  einige  Verbindungen  organischer  Säuren  mit  Na- 
tron, welche  durch  die  Zersetzung  des  Chlomatriums  und  des 
kohlensanren  Natrons  entstanden  sein  müssen. 

Wir  geben  sogleich  ein  Verzeiehniss  derjenigen  Stoffe,  welche 
aus  einer  Umsetzung  des  Eiweisses  und  der  Fette  abgeleitet  wer- 
den müssen.  Aus  dieser  Aufzählung  schliesscn  wir  jedoch  alle 
diejenigen  Produkte  aus,  die  uns,  wie  das  Lecithin,  Excrctin,  Xan- 
thoglobulin,  einige  Farbcstoffe  u.  s.  w.,  nur  nach  ihren  Verwandt- 
sehafts-  oder  Crystallisationseigenschaften , nicht  aber  nach  ihrer 
Zusammensetzung  bekannt  sind. 


Abkömmlinge  der  Fette  und  des  Eiwciases. 


217 


Die  in  die  Tabelle  aufgenommenen  Stoffe  sind  in  zwei  Spalten 
geordnet,  von  denen  die  eine  alle  diejenigen  Atomgruppen  enthält, 
welche  man  mit  Gewissheit  oder  Wahrscheinlichkeit  als  Abkömm- 
linge des  Eiweisses  ansieht,  während  die  andere  die  Abkömmlinge 
der  Fette  enthält.  — Die  Atomgruppen  der  ersten  Spalte  sind 
mit  wenigen  Ausnahmen  nach  ihrem  relativen  Gehalt  an  Stickstoff 
in  der  Art  geordnet,  dass  die  an  diesem  Elemente  ärmeren  voran- 
gestellt wurden. 


Zcrsetzungsprodukte,  an  deren  Bildung  betheiligt 

Zersetzungsprodukte,  an  deicn  Bil- 

war  Kiwoias  = C:a  Hm  N9  0« S|  (Lieber- 

«lung  betheiligt  wird  Stearin  = 

kühn),  Verhältnis«  de«  C : N = 8 

: I. 

C|  t4 11 1 14  0«:  u.  01 0 i n = 

= O4;  iUoO* 

Verhält» 

niftNznhl 

Zusammen* 

Nunen  der  Abkömmlinge. 

Zusammensetzung. 

C- und  N- 
atnmun  ; 

Namen  der  Abkömmlinge. 

setzung. 

N-l. 

Zucker  (Amvlon) 

Cis  HiiOü 

Margarinsaure 

C34  Hm  O4 

Milchsäure 

Ce  11«  Ob 

Palmitinsäure 

C'3i  Um  O4 

PhenyUäure 

C|*  II7  0* 

Cmpronsiure 

CifUi*  O4 

TauryUäurc 

C.,1P0, 

Buttersnurc 

CflHflO, 

Dwnaiursuurc 

Ci4U«tO« 

Propionsäure 

6,11.0, 

Taurochf>Uäuro  ' * 

C51  H«aN|  Oh  S* 

52 

Ameisensäure 

Ca  Hf  O4 

ülycoeholsäure 

C51 U43  N»  Oh 

52 

Oxalsäure 

Ca  Os 

indicau 

Cat  U35  N*  Os« 

52 

Hemsteinsäuru 

C,  Ha  0, 

Cercbrin  (Müller) 

L’a«  Um  N,  0« 

34 

Ulycerin 

C„  11»  0„ 

Tyrosin 

Ciftllii  Ni  0« 

18 

Cholcstearin 

C*H  H»4  0 

Uippursuurc 

Cu  U„  N4  0|', 

18 

Kohlensäure 

COf 

Biliverdin 

Cm  U9  O5 

16 

Wasser 

HO 

Biliphain 

CjjJInNjOo 

16 

| Müller 

c»  HfN*  O4 

8 _ 

Lcucinreihe  J Oorup 

Cia  11 1 3 Ni  O4 

12 

( gewöhnl. 

C10II11  Ni  O4 

10 

Hydro  tsiiure 

C10  Hfl  N|  t)n 

in 

Chondrigen 

Cjt  Htr.  N,OuS(?) 

8 

Klastischer  Stoff 

C51H40N7O14 

7,4 

CoU» 

Ctj  IIio  Na  Os 

(;/>  1 

Cystin 

C«;  H«i  N 1 04  Si 

6 

Taurin 

C,H,  N,Or,S, 

4 

lnosinsüure 

OioUiSjOh 

5 

Kreatin 

C»H„N,0, 

2,6  . 

Kreatinin 

C«H,  N,0,. 

2,6 

Hypoxanthin  (Sarkin) 

Ca  Hi  N,0 

2.5  . 

Harnsäure 

C5H,NjOj 

2,5 

Alantoin 

CflHe  NflOfl 

2 

• 

Harnstoff 

C,H,N,0, 

1 

Trinicthvlummin 

CflllyNl 

6 

Ammoniak 

11I.N, 

Stickgas 

N 

•;  "t/  v 

Schwefelsäure 

SOj 

. • 

Kohlensäure 

CO, 

Wasser  ' 

HO 

Digitized  by  Google 


218 


Abkömmlinge  erster  und  zweiter  Ordnung. 


Die  Arbeiten  der  Chemiker  haben  uns  die  wichtige  Auf- 
klärung verschafft,  dass  zwischen  den  verschiedenen  Gliedern  die- 
ser grossen  Reihe  eine  eigentümliche  Beziehung  besteht,  die  darin 
liegt,  dass  alle  Abkömmlinge  des  Eiweisses  innerhalb  des  tbie- 
rischen  Leibes,  so  verschieden  sie  auch  ursprünglich  gewesen  sein 
mögen,  sich  doch  schliesslich  verwandeln  in  Harnstoff,  Ammoniak, 
Stickgas,  Schwefelsäure,  Kohlensäure  und  Wasser,  und  diejenigen 
der  Fette  in  Kohlensäure  und  Wasser.  Diese  eben  erwähnten 
Stoffe  haben  die  eine  physiologische  Eigentümlichkeit  gemein, 
dass  sie  sämmtlich  in  die  Organe  (Lunge,  Haut,  Niere)  abge- 
sondert werden,  deren  Inhalt  im  regelmässigen  Verlaufe  des 
Lebens  aus  dem  tierischen  Körper  wieder  entleert  wird.  Darum 
ist  man  auch  Ubercingekommen , sie  mit  dem  Namen  der  Auswürf- 
linge zu  bezeichnen. 

Zwischen  den  Fetten  und  dem  Eiweiss  einerseits  und  den 
Auswürflingen  oder  den  letzten  Produkten  des  tierischen  Stoff- 
wechsels anderseits  liegt  somit  eine  grosse  Zahl  von  Atomgruppen 
in  der  Mitte,  welche  man  als  die  allmähligen  Uebergänge  der  we- 
sentlichen Bestandteile  des  Bluts  in  die  des  Harns,  der  Lungen 
und  des  Hautdnnstes  anseheu  kann.  Diese  Mittelprodukte  ver- 
dienen hier  noch  einige  Aufmerksamkeit. 

Rücksichtlich  ihrer  Entstehung  kann  als  gewiss  angesehen 
werden,  dass  die  Bedingungen  für  diese  Umsetzungen  erster  Ord- 
nung, wie  wir  sie  nennen  wollen,  sich  nicht  gleichmässig  durch 
den  ganzen  Körper  hindurch  vertheilt  finden,  so  dass  in  einem  je- 
den Organe  ein  jedes  dieser  Produkte  zum  Vorschein  kommen 
könnte,  im  Gegenteil,  es  knüpfen  sich  an  bestimmte  Organe  auch 
ganz  bestimmte  Umsetzungsprozesse.  In  diesem  Sinne  kann  also 
ein  jedes  Organ  als  ein  spccifischcr  chemischer  Herd  betrachtet 
werden.  So  wird  u.  A.  gebildet  im  Hirn : Cerebrin,  Lecithin,  Krea- 
tin, Milchsäure,  flüchtige  Fettsäuren  aus  der  Gruppe  C211  Hin  Oi, 
Cholestearin  (?)  (Frem,  Gobley,  W.  Müller);  in  den  Muskeln: 
die  niedem  Glieder  der  Fettsäurenreihe  von  der  Buttersäure  ab- 
wärts ; Milchsäure,  Inosinsäure,  Hypoxanthin,  Kreatin,  Kreatinin  und 
Muskelzucker  (Liebig  und  Scherer);  in  der  Leber:  Bilipbain  und 
Biliverdin  (Heintz),  Haematoidin  ( Valentiner),  Glyco-  nnd 
Taurocholsänre  (Strecker),  Tyrosin  und  Leucin  (Frerichs  und 
S t a e d e 1 e r),  Amylon, T raubenzucker  (Bernard);  Inosit (C 1 o e tt a) ; 
in  der  Milz  und  dem  Pankreas:  Leucin  (Frerichs,  Staedcler, 
Virchow),  Hypoxanthin,  Harnsäure  (Scherer)  und  Inosit  (Cloetta); 


>y-G©©gle 


Oxydation  der  Mittelproducte. 


219 


in  der  Lunge:  Taurin  Harnsäure,  Inosit(Clogtta);  in  denSynovial- 
säcken,  Schleim-  und  Speicheldrüsen:  Schleimstoff;  in  den  Milch- 
drüsen : Casein  und  Milchzucker ; in  dem  Bindegewebe  und  den  Knochen 
Collagen ; in  dem  elastischen  Gewebe : elastischer  Stoff ; in  den  Knor- 
peln: Chondrin  (J.  Müller);  in  den  Epithelialzellen  und  den  Haa- 
ren: eine  sehr  schwefelreiche  Atomgnippe  (Mulder)  u.  s.  w. 

Der  Mechanismus,  durch  welchen  in  den  bezeichneten  Orten 
die  Umsetzung  eingeleitet  wird,  ist  nun  freilich  noch  in  Finstemiss 
gehüllt,  welche,  so  tief  sie  auch  sein  mag,  uns  doch  wenigstens 
erkennen  läst,  dass  die  aufgezählten  Prodnktc  ans  Fetten  und 
Eiweiss  gebildet  wurden,  entweder  mittelst  einer  blossen  Umlegung 
ihrer  Atome  ohne  gleichzeitige  Veränderung  ihrer  Zahl,  oder  durch 
eine  einfache  Spaltung,  oder  durch  eine  Spaltung  mit  nachfolgen- 
der Wiedervereinigung  einzelner  Spaltungsprodukte,  oder  endlich 
durch  eine  Spaltung,  welche  von  einer  theilweisen  Oxydation  be- 
gleitet wurde.  Es  wird  erst  die  Aufgabe  der  besondem  Abson- 
dernngslehre  sein  können,  im  einzelnen  Fall  auf  die  wahrschein- 
lichste Entstehungsweise  der  einzelnen  Produkte  hin  zu  deuten; 
im  Allgemeinen  lässt  sich  aber  hier  gleich  cinsehen,  dass  das 
gleichzeitige  Erscheinen  von  stickstofffreien  und  stickstoffreichen 
oder  schwefelfreien  und  schwefelreichen  Atomgruppen  in  einem 
und  demselben  Organe  sich  am  einfachsten  erklärt  durch  eine 
Spaltung  der  Eiweissatome. 

Die  Zusammensetzung  der  Auswürflinge  oder  derjenigen 
Stoffe,  welche  als  Abkömmlinge  aus  der  ersten  Umsetzung  anzu- 
sehen sind,  deutet  auf  eine  einfachere  Entstehungsweise.  Sie 
tragen  nemlich  sämmtlich  den  Stempel  des  Oxydationsprozesses, 
indem  sie  entweder , wie  das  HO,  COi,  SO3  und  Harnstoff,  selbst 
sehr  sauerstoffreiche  Atome  darstellen , oder , wie  H3N  und  N gas, 
zu  den  Produkten  gehören,  welche  bei  einer  energischen  Oxy- 
dation der  eiweissartigen  Stoffe  immer  auftreten.  Da  nun  die 
gesammten  aus  dem  Blut  ergossenen  und  dem  Umsatz  anheim- 
gegebenen Eiweiss-  und  Fettstoffe  schliesslich  in  diese  Verbren- 
nungsprodukte übergehen,  so  ist  es  erlaubt,  den  thierischen 
Stoffumsatz  im  Ganzen  mit  einem  Verbrennungsprozess  zu  ver- 
gleichen; dieser  Oxydation  muss  aber  immer  erst  eine  anderweite 
Zerlegung  der  wesentlichen  Blutbestandtheile  vorausgegangen  sein, 
welche  ihr  die  Brennstoffe  liefert. 

Dieser  letzte  Akt  des  thierischen  Stoffumsatzes,  die  Verbren- 
nung, findet  seine  Bedingungen  demnach  auch  im  thierischen  Körper 


Dlgilized  by  Google 


220 


Oxydation  der  Mittolprodnkte. 


häufiger  vor  als  der,  welcher  die  Bildung  jedes  einzelnen  der  Zer- 
setzungsprodukte erster  Ordnung  veranlasst,  denn  es  muss  überall, 
wo  überhaupt  eine  Zersetzung  statt  findet,  auch  die  Verbrennung 
sich  einfinden,  vorausgesetzt  nur,  dass  dem  mit  Sauerstoff  ge- 
schwängerten Blutstrom  Zutritt  zu  dem  Herde  der  Umsetzung  ge- 
stattet ist  Aber  seihst  die  erstere  der  eben  aufgestellten  Be- 
dingungen braucht  nioht  einmal  erfüllt  zu  sein.  Denn  es  werden 
auch  Zersetznngsprodnkte  nach  den  Orten,  welche  selbst  keine  er- 
zeugen konnten , hingeflthrt  werden  müssen ; viele  derselben  sind 
nicht  allein  löslich,  sondern  sie  diffundiren  auch  leicht  durch  die 
GefässhUute,  so  dass  sie  mit  dem  Blute  überall  hindringen.  Mög- 
licher Weise  stellen  sich  sogar  in  diesen  Orten  die  Bedingungen 
für  die  weitere  Umsetzung  günstiger  als  in  den  Ursprungsstätten,  so 
dass  man  sagen  kann,  es  führe  das  zweite  Organ  die  Zersetzung 
weiter,  welche  das  erste  eingeleitet  hatte. 

Diese  allgemeinen  Betrachtungen  können  vielleicht  zu  zwei 
irrthümlichen  Schlussfolgerungen  verleiten;  man  könnte  erstens 
zu  der  Annahme  verführt  werden,  dass  erst  dann  eine  Zer- 
setzung der  wesentlichen  Blutbestandtheile  möglich  sei,  nachdem 
sie  ausserhalb  des  GefHssranms  getreten  wären.  Dieses  ist  aber 
weder  zu  beweisen,  noch  auch  wahrscheinlich;  denn,  wenn  man 
auch  von  allen  andern  Gründen  absieht,  die  erst  später  verständ- 
lich sind,  so  ist  doch  mindestens  sogleich  einleuchtend,  dass  im 
Blute  die  leicht  oxydablen  Abkömmlinge  der  Fette  und  des  Ei- 
weisscs  eben  so  gut  der  Verwesung  anheimfallen  müssen,  als  in 
diesem  oder  jenem  Organe  um  so  mehr  als  das  Blut  ein  nach- 
weisliches Ferment  enthält.  — Im  Gegensatz  hierzu  könnten  die 
obigen  Bemerkungen  zu  der  Behauptung  veranlassen,  dass  alles 
Eiweiss  und  alle  Fette,  welche  einmal  die  Blutgefässe  verlassen 
hätten,  auch  nothwendig  eine  Beute  des  Umsatzes  würden,  so  dass 
die  Atome , welche  dieses  Eiweiss  zusammensetzten , nicht  eher 
wieder  in  das  Blut  zurückkehren  könnten,  bis  sie  sich  zn  Zer- 
setzungsprodukten  erster  oder  zweiter  Ordnung  umgestaltet  hätten. 
Diese  Annahme  würde  aber  mit  der  Erfahrung  nicht  übereinstim- 
men, dass  aus  allen  Organen,  und  insbesondere  aus  deren  Binde- 
gewebsräumen,  eigenthümliche  Kanäle,  die  LymphgefUsse,  entsprin- 
gen, welche  neben  andern  Stoffen  auch  Eiweiss  und  Fett  ans  den 
Geweben  in  das  Blut  zurückleiten. 

b.  Veränderungen  im  Aggregatzustande  der  aus- 
geschiedenen  Säfte.  Die  flüssigen  Bestandttheile  der  Säfte 


Veränderungen  des  Aggregatxu  Standes  in  den  Säften. 


221 


nehmen  je  nach  ihrer  Natur  und  den  Umständen,  in  die  sie  ge- 
langen, den  gasförmigen  oder  den  festen  Aggregat  zu  st  and  an.  Die 
erstere  Umformung  erfolgt  unter  den  einfachen  Bedingungen,  die 
wir  jedesmal  bei  einer  Verdunstung  auftreten  selten.  Da  diese 
aller  Orten  und  namentlich  auch  wiederholt  schon  in  diesem  Werke 
raitgetheilt  sind  und  noch  mitgetheilt  werden  sollen,  soweit  sie' 
sich  eigentümlich  gestalten,  so  wird  ihnen  hier  keine  weitere 
Aufmerksamkeit  geschenkt.  Anders  verhält  es  sich  aber  mit  dem 
Festwerden  des  Flüssigen. 

Der  feste  Aggregatzustand,  wo  er  auch  entstehen  mag,  führt 
im  tierischen  Körper  jedesmal  zur  Bildung  eigentümlicher  For- 
men. So  weit  dieselben  mit  unseren  VergrSsserungsgläsem  zerlegt 
werden  können,  sind  dieselben  so  beschaffen,  dass  sie  aus  allge- 
mein wiederkehrenden  Massenanordnungen,  die  man  gemeinhin  als 
Korn,  Faser  und  Haut  bezeichnet,  anfgebaut  sind.  Körner,  Fasern 
und  Häute  sind  nemlich,  entweder  jedes  für  sich  oder  in  Verbin- 
dung mit  einander  und  zugleich  mit  Flüssigkeit,  benutzt  zur  Her- 
stellung eigenthümlieh  begrenzter  Gebilde,  der  Zellen,  Böhren  Fa- 
sernetze u.  s.  w.,  welche  immer  noch  von  mikroskopischer  Grösse 
von  den  Anatmen  als  Elementarformen  der  Organe  oder  als  Ge- 
webselemente  bezeichnet  werden.  Solche  Elementarformen  grup- 
piren  sich  endlich  in  sehr  verschiedenartiger  Weise  zu  Organen. 

Wir  wenden  unsere  Blicke  zuerst  zu  den  Elementarformen ; 
hier  gewahren  wir  zunächst,  dass  einer  jeden  derselben  eine  be- 
sondere Lebensgeschichte  zukommt,  deren  sichtbarster  Inhalt  zu- 
nächst darin  besteht,  dass  sich  ein  jedes  Gcwebselement  ans  der 
Flüssigkeit  allmäblig  hervorbildet  und  dann  unter  stetiger,  wenn 
auch  oft  sehr  langsamer,  Veränderung  seiner  Form  wieder  zu 
Grunde  geht;  mit  der  letztem  verändert  sich  auch  zugleich  die 
chemische  und  physikalische  Beschaffenheit  der  Stoffe,  aus  wel- 
chen sie  gebaut  ist. 

Belegt  man  die  gesummte  Summe  dieser  Veränderungen  mit 
dem  Namen  der  Entwickelungsgeschiehte,  so  muss  zur  vollendeten 
Herstellung  derselben  nicht  blos  die  Formfolge,  sondern  auch  die 
Umgestaltung  der  andern  Eigentümlichkeiten  gegeben  sein.  Sehen 
wie  zu,  was  in  dieser  Beziehung  unsere  gegenwärtigen  Methoden  zu 
leisten  vermögen. 

Form  folge.  Die  Darlegung  des  Formwechscls,  den  ein  Ge- 
bilde während  seiner  Lebensdauer  erfährt,  setzt  voraus,  dass  die 
Gestalt  eines  mikroskopischen  Gegenstandes  überhaupt  erkannt  sei. 


Digilized  by  Google 


222 


Fester  Aggregatzustand  , Form  folge. 


Insofern  man  hierbei,  wie  es  gewöhnlich  geschieht,  zugleich  ermit- 
teln will,  wovon  das  verschiedene  Liehtbrechungsvermögen  der  ein- 
zelnen Sttlcke  eines  solchen  Gebildes  abhängig  ist,  ob  von  der 
Anordnung  des  Aggregatznstandes,  der  chemischen  Zusammensetzung, 
der  besondem  Gestalt  der  Oberflächen,  gentlgt  die  einfach  mikros- 
kopische Betrachtung  der  nach  verschiedenen  Richtungen  geführten 
Durchschnitte  des  Gegenstandes  nicht,  sondern  sie  ist  mit  beson- 
dem Hilfsmitteln  zu  verbinden , wie  z.  B.  mit  der  Prüfung  auf  die 
Cohäsion,  durch  Druck  oder  Zerrung  mit  der  Anwendung  schrum- 
pfender und  quellender,  theil  weise  lösender,  färbender  die  Unterschiede 
der  Lichtbrechung  steigernder  oder  mindernder  Reagentien.  Seitdem 
diese  Einsicht  einen  praktischen  Einfluss  gewonnen,  hat  sich  das 
Urtheil  Uber  viele  Formen  anders  gestellt,  und  manchem  dürfte 
noch  ein  ähnliches  Schicksal  bevorstehen.  Nach  einer,  wie  es 
meist  geschehen,  genügenden  Lösung  dieses  Problems,  erhebt  sich 
die  zweite,  viel  schwieriger  zu  befriedigende  Forderung,  die  Reihen- 
folge der  Gestalten,  welche  ein  Gebilde  während  seiner  ganzen 
oder  eines  Theils  seiner  Lebenszeit  erfährt,  auszumitteln.  Da  man 
beim  Thier  auf  die  bei  einzelnen  Pflanzen  anwendbare  Methode 
verzichten  muss,  die  verschiedenen  durch  das  steigende  Alter  be 
stimmten  Fonnunterschiede  eines  und  desselben  Objekts  zn  er- 
kennen, so  ist  man  genöthigt  die  verlangte  Reihenfolge  dadurch 
zu  gewinnen , ’ dass  man  sie  aus  der  Formen  verschiedener  Indivi- 
duen zusammenreimt,  deren  Alter  durch  irgend  ein  Kennzeichen 
mehr  oder  weniger  genau  festgestellt  ist. 

Bei  diesem  Verfahren  kommt  es  also  durchaus  noch  darauf 
an,  unverfängliche  Kennzeichen  für  das  Alter  der  betrachteten  Ge- 
genstände zu  gewinnen,  ferner  die  Beobachtungen  ihrer  zeitlichen 
Reihenfolge  nach  möglichst  zu  häufen,  und  endlich  dafür  zu  sor- 
gen, dass  die  verschiedenen  Formen,  welche  man  als  zueinander 
gehörige  ansicht,  auch  wirklich  dieser  Bedingung  entsprechen. 

Als  Kennzeichen  für  die  Lebensdauer  dient  einmal  das  be- 
kannte Alter  des  Thieres  aus  dem  das  mikroskopische  Objekt  ge- 
nommen ist,  oder  die  Lagerungsstätte,  welche  eine  Elementarform 
einnimmt;  so  namentlich  die  Entfernung,  um  welche  die  letztere 
von  dem  Orte  der  ersten  Erzeugung  durch  neu  gebildete  Formen 
verschoben  ist;  dieses  gilt  u.  A.  für  die  Zellen  in  den  verschie- 
denen Lagen  des  Pflasterepithels ; oder  der  Abstand,  in  wel- 
chem ein  Gebilde  von  dem  Ausgangspunkt  eines  formgestaltenden 
Vorgangs  liegt,  der  sich  nach  dieser  oder  jener  Richtung  fort- 


Mischungsfolge. 


223 


pflanzt;  hierher  gehören  z.  B.  die  Formen,  welche  während  der 
Verknöcherung  vom  Orte  schon  vollendeter  Knochenbildung  bis  zum 
unveränderten  Bindegewebe  oder  Knorpel  hingestreckt  sind.  Die 
aus  dieser  Betrachtung  hervorgehenden  Schlüsse  sind  so  lange  un- 
verfänglich, als  auf  demselben  Orte  nur  die  verschiedene  L'mbil- 
dungsstufe  ein-  und  derselben  Formate  vorfindig  sind.  Sie  hören 
es  auf  zu  sein,  wenn  wie  es  meist  der  Fall,  gleichzeitig  und 
durcheinander  verschiedene  in  auf-  und  absteigender  Ordnung  wach- 
sende Gebilde  Vorkommen.  Der  Beweis,  dass  eine  im  spätem 
Lebensalter  beobachtete  Form  wirklich  die  weitere  Uinwandlungs- 
stufe  einer  andern  früher  gesehenen  ist,  kann  dann  nur  durch  be- 
sondere Hilfsmittel  geführt  werden,  wie  z.  B.  dadurch,  dass  sich 
eine  chemische  oder  funktionelle  Identität  hersteilen  lässt,  oder 
dass  das  Zahlenverhältniss  der  verschiedenen  Formen  in  aufeinan- 
derfolgender Alterstufe  dasselbe  geblieben  ist,  oder  dass  man  so 
viele  und  rucksichtlich  des.  Zeitabstandes  einander  so  nahe  ge- 
legene Formstufen  untersucht  hat,  dass  sich  durch  sehr  nahe- 
liegende Uebergänge  der  Stammbaum  entwickeln  lässt  u.  s.  w. 
Da  diesen  letztem  Bedingungen  in  zahlreichen  Fällen  nicht  genügt 
wurde  oder  nicht  werden  konnte,  so  haftet  vielen  sogenannten  Ent- 
wickelungsvorg'üngen  ein  solcher  Grad  von  Unsicherheit  an,  dass 
nach  dem  Ausspruch  Henles  der  unermüdlichsten  und  überlegen- 
sten kritischen  Autorität  auf  diesem  Gebiete  die  Veröffentlichung 
von  Beobachtungsresultaten  Uber  Formfolge  nur  noch  die  Geltung 
einer  Abstimmung  hak*) 

Mischung s folge.  Obwohl  nun  dem  Mikroskop  noch  viel 
zu  thnn  übrig  bleibt,  so  sind  doch  noch  immer  seine  Aufklärungen 
weit  voraus  denen,  die  uns  die  chemische  und  physikalische  Durch- 
forschung leisten  müssen.  Wir  haben  in  keinem  Falle  eine  klare 
Vorstellung  von  der  ganzen  chemischen  Zusammensetzung  der 
Elementarformen  zu  irgend  einer  Zeit,  geschweige  denn  von  der 
chemischen  Entwickelung  der  Gewebe,  ebenso  ist  uns  nur  sehr 
theilweise  bekannt  der  atomistische  Bau  der  Flüssigkeiten , in  wel- 
chen jene  Elementargebilde  wachsen  oder  vergehen,  und  noch  weniger 
die  Dehnbarkeit,  Festigkeit,  die  Quellungsfähigkeit,  die  Spannung, 
das  Lichtbrechungsvermögen  und  deren  Aenderungen  in  der  Zeit 

Da  aber  mindestens  alle  diese  Fragen  beantwortet  sein  müssten, 
um  auch  nur  den  Versuch  einer  Theorie  der  Gewebsentwickelungen 


*)  Anatomlächcr  Jahresbericht  fUr  1866.  Leipzig  o.  Heidelberg  1867.  p.  1. 


Digitized  by  Google 


224 


Entstehung  des  festen  Aggregatiustandes. 


möglich  zu  machen,  so  folgt  sogleich,  dass  uns  für  jetzt  nichts 
Übrig  bleibt,  als  nach  neuen  Angriffspunkten  für  die  Beobachtung 
zn  suchen.  Hierher  dürfte  Folgendes  zu  rechnen  sein. 

n.  Zur  Entstehung  eines  jeden  Formelements  ist  zunächst  die 
Umwandlung  des  flüssigen  in  den  festen  Aggregatzustand  nöthig, 
also  wird  auch  zuerst  zu  fragen  sein  aus  welchen  Gründen  ent- 
steht in  den  Flüssigkeiten  des  thierischen  Leibes  ein  Niederschlag? 
Indem  wir  zur  Aufzählung  der  Ilülfsmittcl  schreiten,  welche  der 
Organismus  besitzt,  um  den  flüssigen  Aggregatzustand  seiner  Be- 
standtheile  in  den  festen  zu  verkehren,  darf  die  Bemerkung  nicht 
unterdrückt  werden,  dass  sie  uns,  so  weit  wir  sie  kennen,  nicht 
etwa  durch  besondere  auf  diesen  Punkt  gerichtete  Untersuchungen 
aufgeschlossen  wurden.  Sie  sind  im  Gcgcutheil  nur  ein  beiläufiger 
Erwerb  anderer  Beobachtungsreihen,  die  mit  den  chemischen  Ile- 
standtheilen  des  Thierleibcs  inner-  und  ausserhalb  dieses  letzteren 
angestellt  wurden.  Diese  Mitthcilnng  bürgt  hinlänglich  dafür,  dass 
die  folgenden  Angaben  nur  einen  sehr  kleinen  Theil  der  wirklich 
vorhandenen  Mittel  umgreifen. 

Die  Salze  mit  alkalischer  und  ammonikalischer  Basis,  ferner 
Ca  CI,  Mg  CI,  Zucker,  Milchsäure,  Harnstoff,  Kreatin,  die  niedem 
Glieder  der  Fettsäurenreihe,  sind  immer  flüssig  im  thierischen  Or- 
ganismus vorhanden;  dieses  steht  in  Uebereinstimmung  mit  unse- 
ren Einsichten  in  die  chemischen  Eigenschaften  der  aufgezählten 
Körper,  da  wir  in  der  That  keine  Veranlassung  anzugeben  wüss- 
ten, warum  das  überall  vorhandene  Wasser  sein  Vermögen,  sie  zu 
lösen,  cinbüssen  sollte. 

Da  die  freien  kohlensauren  und  phosphorsauren  Kalksalze  nur 
in  .Säuren  löslich  sind,  so  müssen  sie  ans  ihren  Lösungen  aus- 
fallen,  so  wie  die  freie  Säure  neutralisirt  oder  gar  übersättigt 
wird.  — Die  gewöhnliche  Verbindung  mit  eiweissartigen  Stoffen, 
in  der  die  phosphorsaure  Kalkerde  in  den  thierischen  Säften  ge- 
löst vorkommt,  ist  nur  flüssig  mit  Hülfe  eines  alkalischen  oder 
schwachsauren  Zusatzes.  Um  sie  zu  fällen,  genügt  also  eine  Neu- 
tralisation der  einen  oder  andern  Reaktion. 

Die  Fette  und  ihre  Säuren  werden  entweder  fest,  indem  aus 
einem  Gemenge  derselben  die  leichtschmelzbaren  Thcilc  (die  Oel- 
fette)  entfernt  werden,  so  dass  nur  noch  die  Zurückbleiben,  welche 
bei  der  Temperatur  des  thierischen  Körpers  erstarren;  oder  es 
werden  durch  stärkere  Säuren  die  löslichen  Kali-  und  Natrouver- 


Entstehung  des  festen  Aggregatsustandea  und  der  Cohiisinn.  225 

bmdnngen  der  an  und  für  sich  unslöslichen  fetten  Säuren  zersetzt, 
so  dass  nun  diese  letztem  ausgeschiedeu  werden. 

Die  Eiweisskörper,  welche  vorzugsweise  in  Betracht  kommen, 
da  aus  ihnen  und  ihren  Zersetzungsprodukten  die  meisten  thie- 
rischen  Formen  zum  weitaus  grössten  Theil  bestehen,  können  aul 
»ehr  vielfältige  Art  fest  werden  und  Festes  erzeugeu.  Einmal  er- 
eignet sich  dieses,  wenn  sie  in  unlösliche  Moditicationen  verwan- 
delt werden,  in  Folge  der  Umsetzungsprozesse,  welche  sie  in  dem 
Lebenshergang  erfahren.  Als  Beispiele  hierfür  sind  vorzufllhren 
die  Entstehung  des  Faserstoffs  aus  dem  flüssigen  Bluteiweiss,  die  Um- 
wandelung des  letztem  in  Proteinbioxyd,  in  die  leimgebenden  und 
in  den  elastischen  .Stoff.  Daun  kanu  die  Fällung  geschehen  durch 
eine  Veränderung  in  den  Eigenschaften  der  lösenden  Flüssigkeit. 
Hierher  wäre  zu  rechnen  die  Ausfüllung  des  Eiweisses  aus  alka- 
lisch oder  schwach  sauer  reagirenden  Flüssigkeiten  durch  Neutra- 
lisation, durch  Zusatz  von  conzentrirten  Salzlösungen  oder  auch 
durch  sehr  reichliche  Verdünnung  mit  Wasser.  So  wird  z.  B. 
durch  Zusatz  einer  beliebigen  verdünnten  Säure  zu  Lösungen  von 
Casein  und  Natronalbuminat,  durch  Zusatz  von  fetten  Säuren  zu 
Htlhnereiweiss  und  Blutserum  (Witt ich)*)  ein  Niederschlag  ge- 
bildet; fernerhin  erzeugt  ein  reichlicher  Zusatz  von  Kochsalz  zu 
Blutserum  und  zu  dem  Inhalt  seröser  Säcke  eine  Fällung  (Vir- 
chow)**),  endlich  trübt  eine  reichliche  Beimengung  reinen  Wassers 
das  Blutserum  (Scherer)  und  den  Inhalt  der  Furchungskugcln 
(Bisch off).  — Drittens  ist  es  möglich,  die  eiweissartigen  Stoffe 
unlöslich  zu  machen  durch  Herbeiführung  einer  Verbindung  der- 
selben mit  andern  chemischen  Körpern.  Fälle,  welche  unter  dieser 
letzten  Rubrik  aufzuzählen  wären,  sind  uns  in  den  Vorkommnissen 
des  thierischen  Lebens  nicht  bekannt.  Sie  könnten  sich  möglicher 
Weise  ereignen  durch  Elektrolyse  des  Na  CI  in  der  Verbindung  des 
freigewordenen  Chlors  mit  dem  Eiweiss. 

ß,  Eine  zweite  Frage  von  nicht  minderem  Interesse  würde  zu 
wissen  verlangen,  wovon  der  Grad  der  Cohäsion  in  dem  Nieder- 
schlag abhängig  sei.  Beim  Mangel  aller  einschlagenden  Unter- 
suchungen wäre  nur  an  die  bekannte  Thatsache  zu  erinnern,  dass 
ein  und  derselbe  Eiweisskörper  je  nach  der  Dichtigkeit,  der  sauren 
oder  alkalischen  Reaktion  seiner  Lösung  beim  Niederfallen  in 


B)  Lieblos  Annalen.  9t . Il«l.  334. 

••)  Da  bymcnogenla  albuminla.  Regiomontil  18&0. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  1!> 


Digitized  by  Google 


226 


Krytftallinisches  und  amorphes  Oe  füge. 


festzusammenhängendcn  oder  in  krümlichen  Niederschlägen  er- 
scheint. 

■/.  Wovon  sind  die  Gestalten  der  primären  Niederschläge  ab- 
hängig? Die  geometrischen  Eigenschaften  der  Flächen,  welche 
einen  Niederschlag  begrenzen,  müssen  entweder  hervorgernfeu  sein 
von  Kräften,  welche  innerhalb  seiner  Masse  thätig  sind,  also  von 
innern,  oder  von  Umständen,  welche  mit  Rücksicht  auf  die  Masse, 
aus  welcher  der  Niederschlag  besteht,  äussere  zu  nennen  sind. 
Da  im  ersten  Fall  der  Niederschlag,  wie  gross  oder  klein  er  auch 
erscheinen  mag,  immer  mit  einer  bestimmten  Form  auftreten  ninsg, 
weil  diese  ja  von  den  Eigenschaften  seiner  (wäg-  und  unwägbaren) 
Substanz  abhängig  ist,  so  nennt  man  alle  Massen,  zwischen  deren 
Molekeln  formbestimmende  Kräfte  sich  geltend  machen,  geformte, 
alle  andern  dagegen,  deren  Gestalt  sich  nach  den  Umständen 
richtet,  die  von  aussen  her  auf  ihre  Grenzen  wirken,  formlose. 
Die  Erfahrung  hat  nun  längst  Kennzeichen  aufgestellt,  aus  wel- 
chen entschieden  werden  kann,  ob  eine  Masse  zu  der  einen  oder 
andem  Kategorie  zu  stellen  sei.  Die  Richtkräfte  nemlich,  welche 
die  Molekeln  der  geformten  Masse  anordnen,  führen  jedesmal  zur 
Bildung  von  Krystallen,  d.  h.  zu  Figuren,  die  von  Ebenen,  welche 
unter  bestimmten  Winkeln  zusammenstossen , begrenzt  sind;  zu- 
gleich sind  die  Molekeln  innerhalb  der  Krystalle  mindestens  in 
zwei  aufeinander,  senkrechten  Richtungen,  welche  durch  die  sog. 
Krystallachsen  bestimmt  werden,  in  einer  ungleichen  Anordnung 
enthalten,  vermöge  deren  die  Widerstände  für  den  Durchgang  des 
Lichtes,  der  Wärme  und  Elektrizität  und  ebenso  die  Cohäsion  und 
Elastizität  nach  der  einen  der  bezeichnten  Richtungen  grösser 
sind,  als  nach  der  andern.  — Gerade  umgekehrt  verhalten  sich 
die  formlosen  Stoffe;  in  ihnen  findet  Licht,  Wärme  und  Elektrizität 
den  Weg  nach  allen  Richtungen  hin  auf  gleiche  Weise  gebahnt, 
und  ebensowenig  ist  die  eine  Dimension  vor  der  andern  durch 
Elastizität  und  Cohäsion  bevorzugt. 

Der  Versuch,  das  Gefüge  der  festen  Massen  des  menschlichen 
Körpers  unter  die  beiden  grossen  Gruppen  zu  vcrtheilen,  sieht  sich 
gezwungen  zu  unterscheiden  zwischen  den  Formen  der  nicht  mehr 
sichtbaren  Molekeln  und  denjenigen  der  sichtbaren  Molekular- 
haufen. 

Unzweifelhafte  Krystallmolekeln  kommen  sehr  verbreitet  vor. 
Wir  dürfen  ihre  Anwesenheit  voraussetzen  in  den  als  solchen  sicht- 
baren Krystallindividuen  des  kohlensauren  Kalks,  der  neutralen 


DigitizöLby-G 


Gefüge  der  sichtbaren  und  unsichtbaren  Formen. 


227 


und  sauren  Fette,  des  Cholestearins,  der  Harnsäure.  Nächstdem 
deckt  uns  das  polarisirte  Licht  krystallinische  Molekeln  auf,  die 
iwischen  andere  amoqrhe  Stoffe  eingestreut  sind  in  mannigfachen 
im  Allgemeinen  nicht  krystallinischen  Elementarformen , so  in  den 
Muskelrohren,  Bindegewebsfasern  u.  s.  w. *)  (Boek,  Erlach, 
Brücke,  His).  — An  einem  andern  nicht  minder  reichlich  vertre- 
tenen Antheil  der  thierischen  festen  Masse  kann  dagegen  bis 
dahin  durch  kein  Hilfemittel  eine  krystallinische  Molekularstruktur 
erkannt  werden.  Man  wird  sie  also  einstweilen  aus  kleinsten 
Theilehen  von  unbestimmter  Form  zusammengesetzt  ansehen,  dabei 
aber  nicht  vergessen,  dass  aber  auch  das  Gegentheil  möglich  ist. 
Für  eine  krystallinische  Struktur  einzelner  unter  ihnen  würde  z.  B. 
die  Befähigung  des  Fibrins  sprechen,  beim  Festwerden  in  Fasern 
zu  gerinnen,  was  darauf  hindeutet,  dass  die  in  der  Masse  wirk- 
samen Anziehungskräfte  nach  der  einen  Richtung  hin  bevorzugt 
sind.  In  allen  übrigen  könnte  man  auch  mit  Franken  heim**) 
ein  sehr  inniges  Gemenge  von  unregelmässig  gelagerten  und  sehr 
verschiedenartigen  Krystallmolckeln  mit  gleicherEigenschwere  und 
grosser  gegenseitiger  Adhäsion  voraussetzen. 

Die  Kräfte,  welche  sich  an  der  Formung  der  sichtbaren  Mo- 
lekularhaufen betheiligen,  sind  in  einigen  seltenen  Fällen  dieselben, 
welche  die  krystallinischen  Molekeln  gestalteten.  Denn  diese  sicht 
baren  Gruppen  stellten  selbst  wieder  Krystalle  vor  wie  z.  B.  die 
Gehörsteine,  der  krystallinische  Inhalt  der  Fettzellen,  das  Chole- 
stearin  in  serösen  Flüssigkeiten  u.  s.  w.  — Für  weitaus  die  grösste 
Mehrzahl  der  Elementarformen  gilt  dieses  jedoch  nicht,  da  die  Be- 
grenzungsflächen der  hier  znsammengcballten  Molekeln,  mögen  sie 
selbst  krystallinisch  oder  nicht  kristallinisch  sein,  nicht  mehr  die 
Eigenschaften  der  krystalhirtigen  tragen.  Der  Grund  dafür,  dass 
die  Kräfte , welche  den  Aufbau  der  Molekeln  besorgen , nicht  mehr 
maassgebend  sind  für  die  Bildung  der  sichtbaren  Gestalten  von  der 
letzteren  Art,  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  in  den  Eigenschaften  der 
zusammengefügten  Stoffe  selbst  zu  suchen;  denn  erfahrungsgemüss 
wirken  auf  die  gröbem  Gestaltungen  welche  das  Eiweiss,  der  Faser- 
stoff, der  Leim  u.  s.  w.  beim  Gerinnen  annehmen,  Bedingungen  ein, 
welche  die  sichtbaren  Krystallgestalten  entweder  gar  nicht  oder 
wenigstens  nicht  in  der  Weise  beeinflussen. 

•)  M U Ile  r s Archiv  1847.  313.  — Denkschriften  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  XV.  Bd. — 
Beitrüge  xur  Histologie  der  Hornhaut  v.  W.  Hia  1866. 

**)  L'ryataliiaation  und  Amorphie.  Breslau  1861. 

15* 


Dlgitized  by  Google 


22B 


Prägung  der  formlosen  Massen. 


Zur  Erläuterung  des  Gesagten  diene,  dass  die  Krystall- 
formen  des  Margarine,  Stearins,  des  kohlensauren  Kalkes  u.  s.  w. 
in  keinem  Fall  sich  ändern  mit  den  Gestalten  des  Tropfens  oder 
der  Dichtigkeit  der  Lösung,  aus  der  sie  herauskrystallisirten ; alles 
dieses  hat  aber  Einflnss  auf  die  Gestalt,  welche  das  Eiweiss  oder 
der  Faserstoff  beim  Gerinnen  annimmt;  ans  verdünnten  Lösungen 
fallen  Flocken,  aus  eonzentrirten  compakte  Massen  heraus;  sie  ge- 
rinnen bautartig  oder  zu  mannigfach  geformten  Gebilden,  je  nach 
der  Zahl,  der  Anordnung  und  dem  zeitlichen  Wirken  der  Be- 
rührungspunkte des  Eiweisses  mit  einer  andern  Flüssigkeit,  welche 
die  Gerinnung  erzeugt;  Eiweiss  und  Faserstoff  nehmen  beim  Ge- 
rinnen die  Gestalt  der  Gefässe  an,  in  der  dasselbe  vor  sich  ging 
u.  s.  w. 

Daraus  folgt  mit  Nothwendigkeit,  dass  auch  die  besondem 
Gestalten,  welche  jene  .Stoffe  beim  Festwerden  im  Thierleib  an- 
nehmen, die  Folgen  einer  gestaltgebenden  Einrichtung,  wir  wollen 
kurz  sagen,  einer  Prägung,  sein  müssen. 

Um  diesen  Satz,  der  von  den  Eigenschaften  der  Stoffe  herge- 
lcitet  ist,  welche  vorzugsweise  zu  dem  Aufbau  der  thierischen 
'Formen  verwendet  sind,  aus  dem  Bereich  der  Probabilität  zu  be- 
heben, müssten  wir  im  Stande  sein,  die  besondem  prägenden  Ein- 
richtungen, die  bei  der  Gewebsbildung  thätig  sind,  nachzuweisen. 
Dieses  ist  freilich  bis  dahin  nicht  möglich.  Die  folgende  Dar- 
stellung muss  sich  deshalb  darauf  beschränken,  den  Begriff  der 
Prägung  in  den  allerallgemeinsten  Zügen  hinzustellen,  und  die 
Möglichkeit  ihres  Bestehens  aus  den  Einrichtungen  des  thierischen 
Körpers  nachzuweisen. 

Da  die  einfachsten  Formen  des  thierischen  Körpers,  die  Platte, 
die  Faser,  das  Koni  sich  nur  durch  ihre  Dimensionen  unterscheiden, 
so  werden  die  Bedingungen,  ob  die  eine  oder  andere  Form  erscheint, 
sich  im  Allgemeinen  leicht  zusammen  lassen.  Zunächst  kommt  in 
Betracht,  ob  die  Niederschläge,  welche  aus  der  Berührung  zweier 
Flüssigkeiten  hervorgehen,  cohärent  sind  oder  nicht,  ein  Umstand, 
der  wohl  von  der  chemischen  Natur  der  Flüssigkeit  abhängt.  Bei 
Gleichheit  der  chemischen  Natur  der  Niederschläge,  resp.  der  erzeu- 
genden Flüssigkeiten  wird  die  Ausdehnung  der  Berührungsflächen 
zwischen  den  beiden  sich  niederschlagenden  Lösungen  in  Betracht 
kommen , und  endlich  bei  Gleichheit  der  beiden  genannten  Beding- 
ungen wird  die  Zeitdauer,  während  welcher  die  Fällung  geschieht, 
und  der  Umstand,  ob  die  Flüssigkeiten  ruhen  oder  in  Bewegung  sind, 


Digitized  by  Google 


Prägung  besonderer  Gestalten. 


229 


bestimmend  wirken.  Diese  einfachen  Bedingungen,  deren  Folgen 
sieh  von  selbst  verstehen,  werden  oft  genug  erfüllt  sein  in  dem  formen- 
reichen  Organismus,  der  mit  ruhenden  und  bewegten  und  zugleich 
verschiedenartig  zusammengesetzten  Flüssigkeiten  dnrehtränkt  ist. — * 
Nicht  minder  lassen  sich,  wenn  einmal  irgend  welche  Formen  ge- 
geben sind,  aus  den  überall  gebotenen  Einrichtungen  Gründe 
ableiten,  welche  den  Häuten  oder  Fasern  noch  besondere  Gestal- 
ten geben,  oder  die  schon  vorhandenen  verändern.  Hier  bieten 
sich  zu  beliebiger  und  mannigfaltiger  Verwendung  die  Quellungs- 
fähigkeit, die  Elastizität,  die  ungleiche  Spannung,  die  Zersetzung 
durch  den  elektrischen  Strom,  die  Vorgänge  der  Gährung,  die 
Tropfenspannung,  die  ungleiche  Cohäsion  der  festen  Theile  dar.  Je 
nachdem  man  über  diese  Bedingungen  disponirt,  können  Ver- 
dickungen, Auflösungen,  ein-  oder  allseitiges  Wachsthum,  Spaltun- 
gen eines  festen  Körpers  herbeigefllhrt  werden,  und  es  kann  hier- 
bei noch  die  Aufgabe  gelöst  werden  auf  sehr  beschränkten  Räu- 
men ganz  betrogene  Vorgänge  einzuleiten.  Obwohl  ganz  unzwei- 
felhaft mit  der  Aufzählung  der  obigen  Bedingungen  die  der  wirk- 
lich vorhandenen  noch  nicht  erschöpft  ist,  so  geben  sie  doch 
schon,  wie  ein  kurzes  Nachdenken  zeigt,  unzählige  prägende  Ein- 
richtungen an  die  Hand.  Die  Versuchung , die  Tragweite  dieser 
ausserordentlich  biegsamen  Principien  für  die  Gestaltungen  des 
thierischen  Körpers  weiter  zu  verfolgen,  liegt  in  derTbat  so  nahe, 
dass  sie  nur  durch  die  Befürchtung  überwunden  werden  kann,  hier- 
bei in  eben  so  nahe  liegende  WillkUhrliebkeitcn  und  in  Ausein- 
andersetzungen zu  verfallen,  die  der  Natur  nicht  entsprechen 
möchten. 

Wir  kehren  nach  dieser  nur  auf  Wahrscheinlichkeiten  beruhen- 
den Auseinandersetzung  zu  denThatsachen  zurück.  Dieselehren,  dass 
die  Platten,  Fasern,  und  Körnchen  von  eigenthümlieher  Form  nicht 
sogleich  vollkommen  fertig  aus  der  Flüssigkeit  hervorgehen,  sondern 
dass  den  Kugel  - und  Cylindermänteln,  den  Bündeln  und  Netzen  aus 
Faser  u.  8.  w.  erst  Gestalten  vorausgehen,  welche  für  jene  genannten 
formgebend  wirken.  Zu  diesen  ursprünglichen,  formgebenden  Werk- 
zeugen zählt  die  anatomische  Beobachtung  vor  allen  die  Zelle. 

Die  Gestalten  welche  man  wegen  ihres  prägenden  oder  formbil- 
denden Einflusses  unter  dem  Namen  der  Zellen  zusammenstellt,  zeigen 
zwar  rücksichtlich  ihrer  Form  gewisse  Aehnlichkciten , aber  auch 
reichliche  Unterschiede.  Ho  lassen  sich  namentlich,  abgesehen  von 
den  Abweichungen  in  den  Grössen,  in  den  Verhältnissen  der  Durch- 


Digitized  by  Google 


230 


Bedingungen  für  die  Zellenbildung. 


messer  nach  verschiedenen  Richtungen,  der  Durchsichtigkeit  u.  s.  w. 
als  besondere  Zellenarten  hinstellen  die  freien  Kerne,  kernhaltige  Zellen 
und  Furehnngskugeln;  diese  letztere  Gattung  ist  nach  der  Angabe 
Vieler  Embrologen  insofern  von  dem  Typus  der  Sch  w an  n sehen  Zelle 
sehr  abweichend,  als  weder  der  Kern,  noch  die  äussere  Begrenzung 
mit  einer  Haut  umzogen  ist. 

Ucber  die  chemische  Anordnung  der  thierischen  ßildungszelle 
sind  wir  nur  durch  einige  mikrochemische  Reaktionen  unterrichtet; 
diesen  entsprechend  kommt  ihr  mindestens  ein  Vertreter  aus  einer 
jeden  der  grössern  chemischen  Gruppen  zu,  welche  im  Blute  des 
Menschen  Vorkommen,  also  Eiweissstoffe,  Fette,  Salze,  Wasser,  nnd 
ausser  diesen  in  der  Hülle  und  im  Kern  noch  andere  dem  Blut 
wahrscheinlich  nicht  angehörende  Körper.  Ausserdem  ist  bekannt, 
dass  die  festen  eiweissartigen  Stoffe  der  äusseren  Hülle  und  des 
Kerns  nicht  dieselben  Reaktionen  darbieten  und  dass  in  einzelnen 
Zeilen  für  die  verschiedenen  Schichten  der  äusseren  Hülle  sogar 
ein  Gleiches  gilt.  — Von  sonstigen  physikalischen  Eigenthümlich- 
keiten  ist  uns  nur  bekannt,  dass  die  Hülle  quellungsfähig,  elastisch 
und  meist  durch  den  Inhalt  gespannt  ist.  Zudem  sind  an  einzel- 
nen rhythmische  Bewegungen  des  Inhalts  erkannt  worden,  was 
vielleicht  noch  allgemeiner  geschehen  sein  würde,  wenn  man  die 
Objekte  genügend  frisch  und  unter  möglichst  normalen  Bedingun- 
gen hätte  untersuchen  können. 

Die  Entsehung  einer  solchen  Zelle  setzt  eine  bestimmt 
zusammengesetzte  Flüssigkeit  und  gewisse  nicht  sehr  weit  ge- 
zogene Temperaturgrenzen  voraus;  ausserdem  aber  muss  diese 
Flüssigkeit  nach  den  Angaben  von  Rcmack,  Virchow,  Ley- 
dig  u.  A.  jedesmal  in  einer  andern  Zelle  enthalten  sein,  während 
Schwann,  Henle  u.  A.  nur  verlangen,  dass  in  der  Mutterlauge 
der  Zellen  andere  schon  fertige  enthalten  sind.  Den  Gegensatz 
dieser  Meinungen  bezeichnet  man  gewöhnlich  durch  die  Ausdrücke 
der  innem  und  der  freien  Zellenbildung. 

Die  -Entstehung  der  Zellen  aus  einer  andern  schon  vorgebil- 
deten geschieht  durch  Theilung,  Knospenbildung  oder  Einschach- 
telung. In  jedem  dieser  Fälle  zergeht  zunächst  der  Kern  in  zwei 
oder  mehrere  kleinere,  die  sich,  in  dem  sie  sich  von  einander  ent- 
fernen vergrös8em.  Ist  dieses  bis  zu  einem  gewissen  Grade  voll- 
ftihrt,  so  faltet  sich  bei  der  Knospenbildung  die  Haut  um  einen 
jeden  Kern,  so  dass  die  alte  Zelle  unmittelbar  vor  dem  Abfall  der 
neuen  das  Ansehen  einer  Traube  bekommt,  deren  einzelne  Beeren 


Digitized  by  Google 


Inner«  und  freie  Zellenbildung. 


231 


auf  sehr  feinen  Stielen  sitzen.  Bei  der  Theilung  wächst  zwischen 
den  nenen  Kernen  eine  Scheidewand,  welche  sich  von  der  äussera 
Haut  durch  die  ganze  Zelle  hindurch  erstreckt;  indem  die  Scheide- 
wand zerfällt,  gehen  aus  der  alten  zwei  oder  mehrere  neue  her- 
vor. Bei  der  endogenen  Bildung  endlich  umhtlllt  sich  jeder  Kern 
mit  einem  Antheil  des  zähen  Zelleninhalts , und  dieser  wieder  mit 
einer  eigenen  rings  geschlossenen  Haut  Hiernach  kann  die  Haut 
der  alten  die  neu  entstandene  umschliessenden  Zelle  entweder  fort- 
bestehen  oder  sich  aufliisen. 

Die  freie  Zellenbildung  soll  entweder  um  einen  schon  vorhan- 
denen in  einer  fertigen  Zelle  vorgebildetcn  Kern  geschehen,  oder  es 
soll  sich  auch  dieser  selbstständig  entwickeln.  Bei  dem  Wachsthum 
der  Zellen  um  den  vorgebildeten  Kern  geht  der  Aufbau  derselben 
wesentlich  nach  den  Regeln,  die  für  die  endogene  Entstehung  hin- 
gestellt wurden,  nur  dass  hier  die  umschliessende  Mutterhaut  fehlt; 
ist  der  Kern  nicht  vorgebildet,  so  soll  entweder  der  Ausgangspunkt 
der  Zellenentwickelung  durch  einen  freien  Tropfen  gegeben  sein,  der 
in  einer  homogenen  Flüssigkeit  schwimmt,  — indem  sich  die  Be- 
rührungsfläche der  beiden  Flüssigkeiten  durch  einen  hantartigen  Nie- 
derschlag abgrenzt,  ist  der  Tropfen  zu  einer  Zelle  umgewandelt,  — 
oder  es  soll  auch  eine  kleine  oder  grosse  Menge  von  Körnchen 
die  in  einer  Flüssigkeit  schwimmen,  sich  zu  einem  Klümpchen  zu- 
sammenballen  und  auf  der  Oberfläche  entweder  durch  einen  neu- 
entstandenen Niederschlag  oder  durch  Verschmelzung  der  Grenz- 
theilchen  eine  Zcllenbaut  entstehen. 

Auch  ohne  eine  tiefer  gehende  Kritik  leuchtet  ein,  dass  die 
Anhänger  der  innern  Zellenbildnng  nicht  im  Stande  sind,  die  Un- 
statthaftigkeit der  freien  zu  beweisen.  Andererseits  ist  es  auch  klar, 
dass  die  Vertreter  der  letztem  Meinung  so  lange  nicht  auf  allge- 
meine Zustimmung  rechnen  können,  als  sie  nicht  die  Neubildung 
von  Zellen  in  einer  vollkommen  zellenfreien  Flüssigkeit  darthun, 
oder  so  lange  sie  nicht  den  scharfen  Beweis  beibringen,  dass  die 
vorhandenen  Zellen  sich  zu  keiner  Zeit  ihres  Bestehens  mit  ihrer 
Form  an  der  Neubildung  betheiligten. 

Gesetzt,  wir  Hessen  nun,  wie  es  neuerlichst  bei  den  Ana- 
tomen Brauch  geworden,  die  Zeugung  der  neuen  nur  in  alten 
schon  vorhandenen  Zellen  zu,  so  würde  sich  sogleich  fragen  las- 
sen wie  und  warum  mehrt  sich  die  Masse  des  Kerns,  warum  und 
wie  zerfällt  sie  in  zwei  andre  Massen  von  kleinerem  Umfang,  warnm 
weichen  diese  beiden  auseinander  u.  s.  w.  Würde  man  den  Ver- 


232 


Einfluss  der  Zelle  auf  ihre  Umgebung. 


such  machen,  wie  weit  man  sich  der  Lösung  jedes  einzelnen  Her- 
ganges nähern  könne,  so  wurde  man  dabei  dann  auch  erfahren,  wie 
weit  sich  die  Zellen  und  wie  weit  sich  die  in  ihrer  Umgebung 
vorhandenen  Bedingungen  an  jenen  Vorgängen  betheiligten.  Dass 
diese  letzteren  nicht  gleichgültig  sind,  kann  nicht  bezweifelt  werden ; 
denn,  wenn  auch  dem  Begriff  der  innern  Zellenzeugung  gemäss 
selbst  die  Stoffe  und  die  Wärme,  welche  zum  Erscheinen  der  Zeu- 
gung nöthig  sind,  der  ältcrn  Zelle  angehört  haben  müssen,  so  wird 
die  letztere  nicht  jedes  Rohmaterial  für  einen  gleich  brauchbaren 
Baustein  erachten  und  noch  weniger  wird  sie  sich  die  nöthige 
Wänne  selbst  erzeugen.  Die  kürzeste  Umschau  in  diesem  Gebiete 
zeigt  gleich,  dass  auch  hier  dem  Chemiker  und  Physiker  der 
grösste  Arbeitsantheil  zufällt  und  dass,  wenn  ihr  Lieht  tiefer  dringt, 
erst  mit  den  Versuchen  begonnen  werden  kann,  welche  die  Vollen- 
dung der  Theorie  versprechen.  Wären  wir  erst  Herr  der  Bedingungen, 
durch  welche  wir  Eiweis  in  diesen  oder  jenen  beliebigen  Ferment- 
körper nmwandeln,  oder  überhaupt  derjenigen,  durch  welche  wir 
das  Eiweiss  in  jedes  abgeleitete  und  zum  Zellenwachsthnm 
brauchbare  Atom  Umsetzen  könnten,  durch  welche  wir  elek- 
trische Gegensätze  in  ihnen  zu  entwickeln  im  .Stande  wären  u.s.w., 
so  würde  auch  die  künstliche  Bildung  und  Entwickelung  der  Zelle 
nicht  lange  auf  sich  warten  lassen;  dann  aber  erst  würde  man  die 
nöthigen  Bedingungen  so  veränderlich  machen  können,  dass  man 
den  Einfluss  aller  einzelnen  Bildungsvorgänge  genau  ermitteln 
könnte,  eine  Aufgabe,  die  die  blosse  Beobachtung  voraussichtlich 
nie  lösen  kann. 

Die  soeben  angestelltc  Betrachtung  sucht  also  den  verwickelten 
Begriffen  Zellenfunktion,  Zellenfortpflanzung  u.  s.  w.  die  einfachen 
Erklärungsgründe  unterzuschieben,  so  dass  man  am  Ende  der  Un- 
tersuchung sagen  könnte,  so  weit  betheiligt  sich  an  der  Neubil- 
dung Haut,  Kern  und  Flüssigkeit  der  Zelle,  und  die  Haut  wieder 
so  weit  mit  ihrer  Elastizität,  ihrer  Durchdringlichkeit,  ihrer  chemi- 
schen Anregung,  die  Flüssigkeit  aber  durch  diese  oder  jene  ihrer 
Stoffe,  durch  ihren  Zähigkeitsgrad;  und  noch  weiter  diese  und 
jene  Eigenschaft  wird  gesteigert  oder  gemindert  durch  die  Ein- 
flüsse des  Aufenthaltsortes. 

Eine  fertige  Zelle  ist  aber  nicht  bloss  die  Mutter  neuer,  son- 
dern sie  selbst  verändert  sich  weiter.  Diese  Eigenschaft  führt  in 
unserer  Betrachtung  begreiflich  keine  neue  prinzipielle  Schwierigkeit 
ein,  da  wir  die  Zelle  einmal  als  einen  in  Bewegung  begriffenen  Me- 


Einfluss  dor  Umgebung  auf  die  Zelle. 


233 


chanismus  können  gelernt  haben.  Diese  Bewegung  muss  je  nach- 
dem sie  zu  einem  bestimmten  Gleichgewichtszustand  gelegt  oder 
ihn  zu  erreichen  gehindert  wird,  zu  den  verschiedenartigsten  Fol- 
gen führen.  Allgemein  lässt  sich  wohl  aussagen , dass  bei  den 
beschränkten  Mitteln  der  Zelle  und  bei  ihrer  Berührung  mit 
andern  beweglichen  Theilen  ihre  Bewegungen  bald  zur  Ruhe  kom- 
men würden,  wenn  sie  nicht  von  aussen  neue  Anregungen  em- 
pfing, Anregungen  die  nachweislich  zum  grossen  Theil  durch  die 
aus  der  Umgebung  eintretende  Wärme  und  durch  die  Diffusion 
flüssiger  und  luftformiger  Stoffe  bewerkstelligt  werden.  Anders 
ausgedrückt  würde  dies  heissen,  dass  die  Entwickelung  von  der 
Umgebung  wesentlich  bestimmt  werde. 

So  gefasst,  wird  man  es  nun  ebenso  begreiflich  finden,  warum 
ursprünglich  gleichartige  Zellen  wie  die  Bildungszellcn  des  Eies 
sieh  zu  verschiedenen  Geweben  entwickeln ; denn  dazu  gehört  nur, 
dass  sie  in  räumlich  getrennte  Gruppen  geschieden  werden,  wo- 
durch die  Möglichkeit  gegeben  ist,  sie  mit  ungleichen  Wärmemengen 
und  verschiedenartig  zusammengesetzter  Flüssigkeit  in  Berührung 
zu  bringen  u.  s.  w.  Andrerseits  können  aber  auch  unmittelbar  an- 
einander grenzende  Zellen  einen  ungleichen  Bildungsgang  einschla- 
gen,  da  schon  in  der  ersten  Einrichtung,  die  sie  mitbringen,  der 
Grund  liegen  kann,  warum  zwei  Zellen  von  denselben  Einflüssen 
zu  ganz  verschiedenen  Aeussernngen  bestimmt  werden. 

Wie  endlich  die  Zellen  (von  ihren  Umgebungen  Masse  und 
Bewegungen  empfangen,  so  geben  sie  offenbar  diesen  auch  beides 
und  zwar  durch  die  innere  Arbeit  der  Zelle  umgeändert  zurück 
und  aus  diesem  Grunde  kann  man  sagen,  wirke  die  Zelle  auch 
bildend  auf  ihre  Umgebung ; wie  und  in  wie  weit  sie  dieses  vermag, 
liegt  jedoch  noch  ganz  im  Dunkeln,  so  viel  man  auch  schon  von 
Zellenregion,  Aneignung  der  Nachbarschaft  u.  s.  w.  u.  s.  w.  ^ge- 
sprochen hat. 

Es  würde  nicht  schwer  sein,  an  der  Hand  allgemein  mecha- 
nischer Betrachtung  noch  Mancherlei  zu  sagen,  aber  Alles  würde 
doch  unbefriedigend  bleiben,  so  lange  nicht  von  speziellen  Mecha- 
nismen ausgegangen  werden  kann;  dazu  gehört  aber  erst  die 
mühsame  Spezialforschung.  Ob  und  wann  diese  in  Angriff  genom- 
men wird,  dies  wird  von  dem  Talente  der  Arbeitskräfte  abhängen, 
welche  das  Geschick  unserer  Wissenschaft  besonders  und  zunächst 
auf  dem  chemischen  Gebiete  zuflihren  wird. 


Digitized  by  Google 


234 


Geschichtete  Epithelien. 


Specieller  Thcil. 

Oberhäute,  Epithelien. 

Die  anatomischen  Elemente  der  Oberhäute  sind  Zellen,  deren 
Form  sich  der  kugeligen,  cylindrischen  oder  plattenartigen  annähert. 

Geschichtete  Pflasterhäute.  Sic  bedecken  die  Cutis 
und  die  Fortsetzungen  derselben  in  die  Mund-,  After-,  Harn  und 
Geschlechtsöffnung. 

1.  Anatomische  Eigenschaften*).  Um  ihre  Aufhellung  hat 
sich  Henle  besondere  Verdienste  erworben.  Die  geschichteten 
Pflasterhäute  enthalten  längliche,  kugelige  und  plattenförmige  Zel- 
len. Die  zuerst  genannte  Formation,  welche  meist  mit  länglichen 
Kernen  versehen  ist,  sitzt  mit  einer  ihrer  schmalen  Flächen  un- 
mittelbar auf  der  Cutis  auf  (K  Öllik  er)  ihre  Anwesenheit  ist  am 
Gaumen  (Szontagh)  an  der  Vaginalportion  des  Uterus  (Wag- 
ner) und  an  der  Cutis  (Leydig)  bestätigt  Reichert  erklärt 
sie  jedoch  überall  für  eine  durch  die  Präparation  erzeugte  Täu- 
schung. Ueber  dieser  finden  sich  mehrere  Lagen  von  kleinen  Kn- 
gelzellen,  die  immer  einen  relativ  grossen  Kern  einschliessen,  wel- 
cher nahebei  den  ganzen  Binnenraum  der  Zellen  ausfllllt;  in  den 
noch  weiter  nach  aussen  gelegenen  Schichten  trifft  man  dann 
grössere  Zellen,  deren  Form  zwischen  der  Kugel  und  Platte  die 
Mitte  hält,  und  endlich  sind  die  äussersten  Lagen  aus  Plättchen 
gebildet;  der  geringe  Binnenraum  in  diesen  platten  Zellen  ist 
durch  einen  Kern  ausgefüljt,  welcher  an  Grösse  den  der  kugeligen 
kaum  Ubertrifft.  In  der/  äussersten  Zellenlagen  der  Epidermis 
scheint  jedoch  der  Kern  za  fehlen  (Moleschott).  — Zwischen 
den  Zellen  der  tieferen  Schichten  findet  sich  noch  etwas  Flüssig- 
keit ergossen,  die  zwischen  den  oberflächlicheren  fehlt. 

Die  Gesammtzahl  der  Zellen,  welche  in  einem  senkrecht  ge- 
gen die  Cutis  geführten  Schnitte  übereinander  liegen  (oder  die 
Dicke  der  Epidermis),  und  ebenso  die  Verhältnisszahl  zwischen 
cylindrischen  und  kugeligen  einerseits  und  plattenförmigen  ande- 
rerseits ist  veränderlich  mit  den  Hantstellen,  deren  Bedeckung  sie 
bilden.  Diese  mit  dem  Standort  veränderlichen  Verhältnisse  prä- 
gen sich  schon  im  fötalen  Leben  aus  (Alb in,  Krause),  so  dass 
sie  als  eine  Folge  der  eingeborenen  Bildungsmcchanismen  ange- 
sehen werden  müssen.  Die  Messungen  von  Krause,  Kölliker 

*)  Klause,  „Haut“  ln  Wagner*«  Handwörterbuch.  II.  Bd.  — Harting,  Recherche»  micro- 
metrique*.  Utrecht  1845.  p.  47.  — Kölliker,  Mikroskop.  Anatomie.  II.  Bd.  I.  Abthei).  p.  15.  — 
Uenle,  Jahresbericht  Uber  allgcm.  Anatomie  fUr  1850.  p.  30. 


Digitized  by  Google 


Anatomischer  und  chemischer  Bau  der  Epithelien.  235 

nnd  Wcndt  stellen  heraus,  dass  die  Dicke  der  gesammten  Ober- 
bant am  mächtigsten  in  der  Fnsssohlc  und  den  Handtellern,  am 
geringsten  an  dem  Kinn,  den  Lippen,  der  Stirn,  den  Wangen,  den 
Angenlidern  nnd  dem  änssem  Gchiirgang  ist.  In  einzelnen  Fällen 
flbertrifft  die  Zahl  der  Uber  einander  geschichteten  Cylinder  nnd 
Kngelzellen  (rete  Malpighi)  diejenige  der  plattenfformigen  (Horn- 
schicht); für  gewöhnlich  gilt  jedoch  das  umgekehrte. 

Die  Grösse  der  einzelnen  Zellen  ist  unabhängig  vom  Lebens- 
alter ihres  Trägers;  diejenigen  des  Neugeborenen  sind  eben  so 
gross  wie  die  des  Erwachsenen  (Harting). 

2.  Chemische  Zusammensetzung*).  Die  bisherigen  Unter- 
suchungen scheinen  zu  ergeben,  dass  die  verschiedenen  morpholo- 
gischen Bestandteile,  die  Kerne,  die  Zellenwand  und  der  die  Zel- 
len mit  einander  verbindende  Stoff  aus  irgend  wie  verschieden 
beschaffenen  Atomen  gebaut  sind.  Denn  der  verklebende  Stoff  ist 
löslich  in  Ammoniak,  Kupferoxydammoniak  und  in  einer  Kalilauge, 
welche  25  bis  35  p.  c.  KOIIO  enthält ; vielleicht  auch  beim  Kochen 
im  Papinschen  Topf.  — Die  Kerne  der  Hornschicht  sind  löslich  in 
15  p.  C.  und  die  Zellenwände  endlich  in  5 p.  C.  Kalihydratlösung.  — 
Aus  der  letztren  Lösung  kann  durch  Essigsäure  ein  Körper  der 
Proteingruppe  gefällt  werden  (Donders  Moleschott).  — Die 
Zellcnwand  besitzt  in  verschiedenen  Altersstufen  nicht  dieselben 
Reaktionen ; die  der  Sehleimschicht  ist  im  Gegensatz  zu  der  in  der 
Homschicht  in  Essigsäure  löslich  (Henle). 

Uebcr  die  Hornachiclit  im  Ganzen  ist  noch  Folgendes  bekannt:  Kaltes  Wasser 

licht  aus  derselben  eine  salzhaltige,  sauer  reagirende  Flüssigkeit  aus,  welche  nach 
altern  Analysen  aus  Verbindungen  von  Ammoniak,  Natron,  Kali,  Eisenoxyd  mit  Essig- 
*äorc,  Milchsäure,  Phosphorsäure  und  Chlor  bestehen  soll  (Berzelius).  Kochendes 
Wawer  löst  unter  Schwefelwaaserstoffentnicklung  einen  leimartigen  Körper  auf  (John); 
Schloss  berg  er  erhielt  dagegen  aus  Ichthyosfsschuppen  durch  dreistündiges  Kochen 
unter  einem  Druck  von  3 Atmosphären  wohl  ein  Extract,  aber  keinen  Leim.  Alkohol 
and  Aether  entziehen  ihm  Fett.  • — Das  nach  dieser  Behandlung  zurückbleibende  Ge- 
menge (dor  sog.  Harnstoff)  gab  bei  der  Verbrennungsanalyse  von  Scherer  und  Mul- 
der  in  100  Theilen:  C50,3;  Hb, 7;  Nl",2;  027,0;  S0,7.  — Mit  Salpetersäure  ge- 
winnt man  die  sog.  Xanthoproteinsäure  aus  derselben ; bei  der  Auflösung  der  Epidertui- 
»eilen  in  Kali  bildet  sich  SH  und  Nila  neben  dem  schon  erwähnten,  dem  Protein  nach 
protentischer  Zusammensetzung  .und  Reaktionen  ähnlichen  Stoff.  Beim  Verbrennen  ent- 
wickeln sie  den  Geruch  eiweissartiger  Stoffe.  — Die  verbrannten  Hornxellen  hinter- 
lassen eine  Asche,  welche  bis  zu  2 p.  C.  der  trockenen  Substanz  ausmacht  und  aus 


*)  M a I d e r , Versuch  einer  allgemeinen  physlolog.  Chemie.  Braunschwetg.  p.  548.  — Schinna- 
berger;  allgemeine  Thierchemie,  Leipzig  16&6.  2*55.  — Moleschott  in  dessen  Untersuchungen 
ior  Naturlehre  IV.  97. 


Digitized  by  Google 


236 


Quellungserscheinungen  der  Epithclien. 


SCaOPOj  und  Ke*  Os  besteht.  — In  der  Asche  der  Ichthyosisschuppcn  fand  Schloss- 
borg  er  NaO,  KCl,  CaOSOs,  SiOs,  und  3 (Mgo,  CaO,  Fei  Os)  PhOs. 

3.  Quellnngserscheinungen  *).  Reines  Wasser  dringt  sehr 
schwer  in  die  Epidermis  ein;  legt  man  dickere  Stücke  derselben 
in  Wasser,  so  findet  man  selbst  nach  tagelanger  Einwirkung  nur 
die  obersten  Lagen  der  Hornschicht  aufgeweicht,  ln  einer  auf 
diese  Weise  behandelten  Deckhaut  ist  der  Zusammenhang  zwi- 
schen den  Zellen  gelüst,  der  Umfang  dieser  letzteren  selbst  aber 
nur  um  ein  Unbedeutendes  vergrössert.  — Bindet  man  einen  mit 
Epidermis  bedeckten  Hantlappen  Uber  - die  eine  Mündnng  eines 
Glasrohrs  und  füllt  dieses  letztere  bis  zu  beträchtlicher  Höhe  mit 
Wasffer  an,  so  dringt  dieses  durch  die  Lederhaut  und  hebt  die 
Epidermis  von  derselben  ab,  so  dass  sich  die  letztere  in  Form 
einer  Blase  auftreibt.  — Als  endosmotischc  Scheidewand  aufge- 
stellt, verwehrt  die  Epidermis , so  weit  wir  wissen , durchgreifend 
die  Ausgleichung  zwischen  Wasser  und  wässerigen  Salzlösungen; 
-sie  erlaubt  dieselbe  dagegen  zwischen  Wasser  und  verdünnten 
Säuren;  wie  zwischen  Alkohol,  alkoholischen  oder  ätherischen 
Salzlösungen  und  Wasser;  in  beiden  Fällen  geht  der  stärkere 
Strom  vom  Wasser  zum  Alkohol  (Krause). 

Die  Epidermis  ist  im  trocknen  und  feuchten  Zustand  für  Gase 
jeder  Art  durchgängig. 

Krause  reinigt  die  als  Filtrations-  oder  Diffusionsmembran  angewendete  Epider- 
mis mit  Wasser,  Seife  und  Aethcr;  cs  könnte  auffallend  erscheinen,  dass  die  Schwciss- 
kanülchen  (dio  ron  ihm  angewendeten  Stücke  waren  aus  dem  Handteller  genommen) 
sich  nicht  eröffnet  und  einen  raschen  und  beliebigen  Diffusionstrom  erlaubt  haben. 
Dieses  geschah  wahrscheinlich  darum  nicht,  weil  Krause  den  Flüssigkeitsdruck  auf 
der  einen  Seite  höher,  als  auf  der  andern  machte,  wodurch  die  schieflaufenden  Gänge 
sammengepresst  werden. 

Ueber  den  Durchgang  der  tropfbaren  und  gasartigen  Flüssig- 
keiten durch  die  unverletzte  Epidermis  des  lebenden  Menschen  in 
die  Flüssigkeiten  resp.  die  Blutgefässe  der  Cutis,  sind  zahlreiche 
Versuche  von  Aerzten**)  angestellt.  Der  Unters  Aied  zwischen 
diesen  und  den  erwähnten  Versuchen  von  Krause  leuchtet  ein, 


•)  Krame,  1.  e.  IM.  — KKlIlker,  I.  e.  p.  M. 

•*)  Die  Kltoren  Beobachtungen  von  Yoang,  Madrten,  Collard,  Em  inert  u.  n.  w.  siche 
hei  Kran  ec  I.  e.  Ausserdem  Oester  len  in  Hcnlc's  und  l’fcufer's  Zeitschrift.  X.  Hd.  434. 
Go  s sei  in,  Gazette  mtfdicale  18  AB.  Nr.  2U.  — K.  Voit  Physiolog.-chcmische  Untersuchungen  1837. 
p.  45.  — Braune,  De  rutlfl  farnltate  jorinm  resorbendi.  Archiv  für  patholog.  Anatomie  XI.  Rd. 
2W.  — Kletslnsky.  Wochenblatt  der  Wiener  Aerxte.  IHM.  Nr.  28.  und  1865.  Nr.  21.  — Du* 
riau;  Kccherchea  experimentales  snr  1'  Absorption  etc.  Paris  1856.  (E.  Meissner«  Jahresbericht  p. 
243.)  — Poulet  Coropu  rend.  Bd.  42.  8.  435. 


Durchdringbarkeit  der  Epidermis  am  Lebenden. 


237 


wenn  man  bedenkt,  dass  die  endosmotisebe  Scheidewand  zwischen 
den  auf  die  Körperoberfläche  gebrachten  Steifen  und  den  in  der 
Lederkaut  enthaltenen  Flüssigkeiten  offenbar  durch  die  Epidermis 
nicht  mehr  allein  dargestellt  wird,  sondern  dass  auch  durch  die 
mit  Sehweiss  und  andern  Flüssigkeiten  erfüllten  Schwcisskanälchen 
die  Ausgleichung  erfolgen  muss.  — Die  hierhergehörigen  Versuche 
bieten  meist  so  grosse  Schwierigkeiten,  dass  man  sieh  für  ge- 
wöhnlich mit  einer  qualitativen  Antwort  befriedigen  musste,  welche 
wohl  etwas  Uber  das  Zustandekommen,  nichts  aber  Uber  die  Ge- 
schwindigkeit des  Durchgangs  der  betreffenden  Substanzen  aus- 
sagte.  — Ans  den  vorliegenden  Beobachtungen  scheint  sich  zu 
ergeben,  dass  von  aussen  nach  innen  eindringt:  Wasser,  und  zwar 
laues  besser  als  heisses,  die  in  der  Fleischbrühe  und  Milch  ge- 
lösten Stoffe  (?),  verdünnte  Schwefel-,  Salz-,  Salpetersäure,  ver- 
dünnte Lösungen  von  Chlorbaryum,  Brechweinstein , Quecksilber- 
chlorid; Blutlaugensalz,  Jodknlium,  Crotonöl,  aromatische  Oele, 
Cantharidin,  unter  Umständen  Jod  und  Quecksilber.  Umgekehrt 
geht  aus  der  Haut  Kochsalz  in  ein  Wasserbad  Uber;  nach  Barral 
hatte  ein  Bäd  aus  174  Kilogr.  von  37°  C.  während  einer  Stunde 
1 Gr.  dieses  leztem  Salzes  aus  der  Haut  ausgewaschen. 

Dem  Durchtritt  der  Gasarten  stellt  die  mit  der  lebenden  Haut 
in  Verbindung  stehende  Epidermis  ebensowenig  einen  Widerstand 
entgegen,  als  die  von  ihr  losgelöste. 

Der  Uebergang  eines  Stoffes  durch  die  Epidermis  des  lebenden  Menschen  lässt 
»ich  jedesmal  leicht  feststcllen , wenn  er  im  Beginn  des  Versuchs  entweder  im  Or- 
ganismus oder  in  dem  die  Oberhaut  umgebenden  Bade  fehlte.  Hierzu  bietet  die  che- 
mische Reaktion  meist  genügende  Hilfsmittel,  und  wo  diese  uicht  mehr  anwendbar, 
tritt  oft  eine  physiologische  an  ihre  Stelle;  dieses  gilt  z.  B.  unter  den  oben  angeführ- 
ten Stoffen  für  Crotonöl,  Cantharidin  u.  A.,  welche  im  Blute  anwesend  eigentümliche 
Arzneiwirkungen  bedingen.  Schwieriger  ist  der  Nachweis  für  den  Uebertritt  solcher 
Stoffe,  welche  schon  im  Organismus  Vorkommen,  oder  gar  die  genaue  qauantitative  Be- 
stimmung der  übergetretenen  Mengen.  Um  diese  zu  gewinnen,  wie  z.  B.  die  des  über- 
gehenden Wassers,  muss  man  entweder  den  Gewichtsverlust  des  Bades  oder  dio  Ge- 
wichtszunahme des  thierisehen  Körpers  feststellen.  Beide  Wägungen  sind  aber  inso- 
fern der  ganze  Körper  gebadet  wurde,  mit  zahlreichen  Fehlerquellen  behaftet;  denn 
einmal  nimmt  der  menschliche  Körper  während  des  Bades  auch  an  Gewicht  ab  durch 
die  Lungenausdünstung,  diese  müsste  also  während  des  Bades  bestimmt  werden,  weil 
»ic  mit  der  Temperatur  des  Bades  veränderlich  ist.  Nachstdem  möchte  man  einem  • 

Menschen  die  Haut  nicht  gerade  soweit  wieder  abtrocknen  können,  wio  sie  vor  dem  Bade 
war.  Die  Wägung  des  Bades  führt  Unsicherheit  ein  wegen  der  Verdunstung  der  Flüssig- 
keit während  des  Abtrocknens,  des  Hängenbleibens  derselben  an*  der  Haut  u.  s.  w. 

Grossere  Sicherheit  kann  bei  localen  Bädern  bewirkt  werden,  siehe  hierüber  Klet- 


Digitized  by  Google 


238 


Ernährung  der  Epidermis. 


sinsky  1.  c.  — Den  Eintritt  von  Quecksilberkügelchen  nach  Einreiben  von  grauer 
Salbe  beweist  V o i t durch  das  Mikroskop  nach  dem  Tode. 

4.  Auch  ohne  «lass  eine  besondere  Untersuchung  vorliegt, 
kann  die  Epidermis  ein  schlechter  Wärmeleiter  genannt  werden. 
Dem  elektrischen  Strom  setzt  sie  einen  beträchtlichen  Widerstand 
entgegen;  dieser  verringert  sich  mit  ihrer  Dicke,  ihrer  Durch- 
feuchtung mit  gut  leitenden  Flüssigkeiten,  ihrer  Erwärmung  (Kit- 
ter, Ed.  Weber,  du  Bois)*) 

Ueber  die  Methode  den  Widerstand  fiir  den  .galv&nischon  Strom  au  bestimmen, 
siehe  du  Bois  L c. 

5.  Von  der  Ernährung  der  Epidermis.  — Den  Muttersaft  der 
Pflastcrzellen  liefern  die  oberflächlichsten  Gefässe  der  Cutis.  Aus 
ihm  entstehen  zunächst  die  Zellen,  welche  in  den  tiefsten  Schich- 
ten der  Oberhaut  enthalten  sind.  Der  Beweis  hierfllr  liegt  in  der 
bekannten  Erfahrung,  dass  eine  LUcke,  die  man  in  die  Epidermis 
geschnitten,  sich  nicht  dadurch  aus f II  11t,  dass  auf  der  freien  Ober- 
fläche der  Lücke  neue  Zellenlagen  entstehen,  sondere  in  der  Weise 
dass  sich  der  Boden  derselben  allmählig  erhebt,  durch  einen  von 
der  Cutisoberfläche  her  erfolgenden  Nachschub  von  Zellen.  — 
Die  Ursachen  der  Absonderung  jenes  Bildungssaftes  sind  uns  un- 
bekannt, und  nicht  minder  die  Zusammensetzung  der  ursprünglich 
ergossenen  Flüssigkeit.  — Zwischen  der  Absonderangsgeschwin- 
digkeit  des  Muttersaftes  und  der  Zellenbildung  scheint  das  Ab- 
hängigkeitsverhältniss  zu  bestehen,  dass  sich  nur  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  die  Bildung  neuer  Zellen  mehrt  mit  der  Menge  der 
abgesonderten  Flüssigkeit;  steigert  sich  die  Absondernngsgcschwin- 
digkeit  noch  weiter,  so  hört  alle  Bildung  von  Epidermis  auf.  — 
Diesen  Satz  stützen  wir  damit,  dass  eine  Erweiterung  der  Capil- 
largefässe  in  der  Cutis,  also  eine  vermehrte  Spannung  des  Blutes 
in  ihnen,  wie  wir  sie  nach  gelindem  Dreck,  höheren  Erwärmungen 
u.  dgl.  gewahren,  die  Epidermisbildung  mehrt  (Schwielen  der 
Hand-  und  Feuerarbeiter);  eine  weiter  getriebene  Ausdehnung  der 
Gefässe,  die  in  kurzer  Zeit  den  Austritt  grösserer  Mengen  von 
Flüssigkeit  zur  Folge  hat,  hebt  dagegen  die  Epidermis  ab,  und  in 
der  Blasenflüssigkcit  entstehen  keine  Epithelien;  ihre  Bildung  be- 
ginnt erst  wieder  mit  dem  Austrocknen  der  Blase,  ln  der  That 
scheint  ein  grosser  Theil  der  oberhautbildenden  Mittel  der  Aerzte 


*)  Ed.  Weber,  Qaaeationes  physlologicac  de  phaenom.  etc.  1836.  — daBoisRcytnond, 
Berliner  akadein.  Monatsberichte.  1852.  15.  März. 


Digitized  by  Google 


Ernährung  der  Epidermis. 


239 


die  Aufgabe  zu  haben,  das  Maass  der  Absonderung  zu  regeln,  in- 
dem sie  entweder  anf  die  Erhöhung  des  Elastizitäiscoüftizienteu 
der  Gefässliäute  (Blei-,  Silbersalpeter)  oder  auf  die  Verringerung 
des  Gefässdurchmessers  (Einwickelungen)  hinzielen.  — Der  che- 
mische und  mechanische  Vorgang,  der  die  Leberführung  der  Flüs- 
sigkeit in  die  Zelle  bedingt,  ist  unbekannt  Man  behauptete  mit 
Rücksicht  auf  den  letztem  früherhin,  dass  in  dem  Muttersaft  zuerst 
aus  irgend  welchem  Grunde  Zellenkeme  entstünden,  welche  sich 
mit  einer  llant  umhüllten  (He nie).  Neuerlichst  bestreitet  man 
dieses  und  setzt  an  die  Stelle  der  alten  Hypothese  eine  andere, 
wonach  die  tiefsten,  cylindrisch  geformten  Zellen  sich  an  ihrem 
freien,  von  der  Cutis  abgewendeten  Ende  abschnüren  und  damit 
zur  Entstehung  der  kleinen  Kugelzellen  Veranlassung  geben  sollen 
(Kölliker).  Billroth*)  der  die  Epithelialbildung  auf  vernar- 
benden Wunden  studirte,  stellt  sogar  die  Möglichkeit  hin,  das  die 
Zellen  aus  einer  Zerspaltung  der  amorphen  Schicht  hervorgehen, 
welche  die  Granulation  vor  beginnender  Vernarbung  zu  bedecken 
pflegt.  — Die  Zellen  der  Hornsehieht  gehen  unzweifelhaft  aus  de- 
nen der  Kugelschicht  hervor,  was  sich  ohne  Weiteres  durch  die 
Lagerungsverhältnisse  beweisen  lässt.  Man  stellt  sich  das  Zu. 
standekommen  der  Abplattung  in  der  Weise  vor,  dass  die  im  Zcl- 
lenraume  enthaltenen  löslichen  Bestandtbeile  allmählig  unlöslich 
würden,  worauf  das  Wasser  durch  Diffusion  oder  Verdunstung 
entfernt  würde.  Gesetzt^  diese  Meinung  wäre  bewiessen,  so  müsste 
nun  noch  gezeigt  werden,  warum  das  Zusammenfällen  der  Wand 
in  der  Richtung  des  Üickendurchmessers  der  Oberhaut  erfolgt.  — 
Unerklärt  ist  es  ferner,  womit  sich  der  Zusammenhang  der  Zellen 
ändert;  nachweisslich  schuppen  sich  (durch  Verlust  dieses  Zusam- 
menhangs) unter  gewissen,  nicht  näher  bestimmten  Umständen  die 
oberflächlichsten  Lagen  leichter  ab.  Aus  dem  Verhältniss  zwischen 
Neubildung  und  Abschuppung  ist  natürlich  auch  die  Dicke  der 
Epidermis  an  den  verschiedenen  Körperregionen  zu  erklären.  In 
diesem  Sinne  ist  cs  bemerkenswerth,  dass  aller  Orten  eine  Grenze 
für  die  Dicke  der  Epidennis  besteht,  und  dass  eine  über  dal  Nor- 
male gehende  Dicke  derselben,  wie  wir  sie  bei  Schwielenbildung 
beobachten,  wieder  auf  den  gewöhnlichen  Werth  herabsinkt,  wenn 
die  Ursachen  verschwinden,  welche  eine  reichlichere  Absonderung 
des  Muttersaftes  veranlassten.  — Ob  in  der  ausgewachsenen 


•)  Untersuchungen  über  Entwickelung  der  Blutgefässe.  Berlin  1856.  p.  34. 


Digitized  by  Google 


240 


NI*«!. 


Plattenzelle  ein  Stoffumsatz  geschieht,  wissen  wir  Dieht;  fltr  einen 
solchen  spricht  das  Verschwinden  der  Kerne,  gegen  ihn  die  Wider- 
standsfähigkeit der  Plättchen  gegen  die  chemischen  Angriffe,  wel- 
chen sie  im  normalen  Leben  ansgesetzt  sind. 

Nägel.  • 

1.  Anatomische  Eigenschaften.  Der  Nagel  ist  ein  Gebilde 
aus  Zellen  von  derselben  Form  und  Anordnung  wie  in  den  ge- 
schichteten Pflasterhäuten.  Vor  diesen  ist  er  ausgezeichnet  einmal 
dadurch,  dass  alle  Zellen  Kerne  enthalten,  ferner  durch  das  Ver- 
hältniss  zwischen  der  Dicke  der  Horn-  und  Schleimschicht,  indem 
an  den  Nägeln  die  erstere  ganz  ausserordentlich  die  letztere  Uber- 
trifft, und  endlich  dadurch,  dass  die  Zellen  in  der  Hornschicht  des 
Nagels  noch  trockner,  fester  und  inniger  mit  einander  vereinigt 
sind. 

2.  Chemische  Eigenschaften.  Am  Nagel  ist  bis  dahin  nur  die 
Hornschicht  untersucht;  ihre  Eigenthömlichkeiteu  stimmen  im  All- 
gemeinen mit  denen  der  Pflasterhaut  Uberein. 

Der  Bogenannte  Hornstoff  des  Nagels  besteht  nach  Scherer  und  Mulder  in 
100  Theilen  aus  C«>l,0;  H6»9;  Nl7,5;  02t,7;  S2,8.  Sein  Sgehalt  ist  also  dem  der 
Epidermis  überlegen;  verbrannt  hinterlässt  er  1 pCt  Asche  aus  3CaOPO. 

3.  Von  der  Ernährung.  — Die  Bildung  des  Nagels  geht  nur 
dann  vor  sich,  wenn  ein  besonders  geformter  Boden  der  Cutis,  der 
Nagelfalz  und  das  Nagelbett,  vorhanden  ist  Diese  Einrichtung, 
worin  auch  sonst  noch  ihre  Wirkungen  bestehen  mögen,  hat  jeden- 
falls die  Folge,  dass  die  neugebildeten  Zellen  sich  durch  das  Ent- 
gegenwachsen von  zwei  verschiedenen  Seiten  her  zusammen- 
pressen. Durch  die  Aufschichtung  von  Zellen  im  Falz  wird  die 
Längenzunahme  und  durch  diejenige  im  Nagelbett  zum  Theil  min- 
destens das  Wachsthum  nach  der  Dicke  bestimmt  (E.  H.  We- 
ber). — Nach  Bert  hold*)  wachsen  die  Nägel  in  der  Jugend 
und  im  Sommer  rascher  als  im  Winter,  an  der  rechten  Hand 
mehr  als  an  der  linken;  unter  allen  Fingern  geht  am  mittleren 
das  Wachsthum  am  raschesten  und  in  abnehmender  Reihenfolge 
am  Ring-,  Zeige-,  Ohrfinger  und  Daumen  vor  sich.  Schneiden  der 
Nägel  befördert  die  Zellenneubildting;  wenn  man  dieselben  nie- 
mals verkürzt,  so  erreichen  sie  eine  bestimmte,  nicht  weiter  ver- 
änderliche Länge. 


•)  A.  Berthold,  Beobachtungen  über  das  quantitative  Verhältnis*  der  Hagel-  nnd  Haarbil- 
dung. Güttingen  1860. 


DttjifeKfbyGTTogle 


Einfachere  Deckhäute.  — Fiiramerhaare. 


241 


BeispielaweUe  sei  erwähnt,  dass  sich  nach  Berthold  der  Nagel  in  11  Tagen 
um  etwa  1 MM.  verlängert 

Einfachere  Deckhäute.  An  diese  Pflasterepithelien  voll- 
kommenster Ausbildung  schliessen  sich  nun  eine  Reihe  anderer  Ober- 
häute an , welche  entweder  nur  aus  einer  oder  aus  mehreren  der  be- 
schriebenen Zellenformen  zusammengesetzt  sind.  Die  einfachsten 
Oberhäute  sind  die  einschichtigen ; sie  bestehen  immer  nur  aus  einer 
Lage  und  zwar  entweder  aus  platten,  wie  z.  B.  in  den  serösen 
Häuten,  oder  aus  cy  lindrischen  Zellen,  wie  im  Darmkanal  u.  s.  w. 
— Die  eomplizirteren  enthalten  dagegen  entweder  kugelige  und 
cylindrische  (Bronchialschleimhaut)  oder  cylindrische,  kugelige  und 
platte  (Mundschleimhaut).  Die  letztem,  welche  der  Epidermis  am 
nächsten  stehen,  unterscheiden  sich  jedoch  meist  wesentlich  dadurch, 
dass  ihre  platten  Zellen  nur  stellenweise  und  zwar  im  Ueberzug 
der  pap.  filiformes  als  dllnne  Hornsehtlppchen  erscheinen. 

Diese  Gebilde  bieten  unter  dem  Mikroskop  annähernd  dieselben 
Erscheinungen,  wie  die  Epidermiszellen. 

Nach  Gorup*)  enthält  das  Plattenepithelium  der  Mundschleimhaut  der  Wall- 
fische 2,5  pCt.  Schwefel , also  so  viel  wie  die  Nägel  des  Menschen ; ob  dieses  auch 
für  die  Oberhaut  unserer  Mundschleimhaut  gilt? 

Die  Durchdringlichkeit  der  weniger  ausgebildeten  Oberhäute 
für  gasförmige  und  namentlich  flüssige  Stoffe  ist  viel  beträchtlicher 
als  die  der  Epidermis;  am  leichtesten  durchgängig  sind  diejenigen, 
welche  nur  aus  einer  Zellenläge  bestehen;  zum  Theil  mag  dieses 
daher  rühren,  dass  in  den  Zwischenräumen  zwischen  je  zwei  Zellen 
Poren  gelegen  sind,  die  der  Diffusion  weniger  Widerstand  bieten, 
zum  Theil  aber  sind  die  Zellen  selbst  leichter  durchgängig,  lieber 
die  Wachsthumserscheinungen  der  einfachen  Epithelien  ist  nur  be- 
kannt, dass  sich  auch  hier  Uebergangsstufen  zwischen  den  kugeligen 
und  den  cylindrischen  Zellen  finden  finden.  Die  kugeligen  Zellen 
sollen  sich  durch  Theilnng  fortpflanzen**). 

Flimmerhaare. 

Auf  einzelnen  Standorten  tragen  die  Cylinderzellen  gegen  ihre 
freie , von  Flüssigkeit  oder  Luft  begrenzte  Fläche  feine  weiche, 
haarformige  Anhänge,  die  Wimper-  oder  Flimmerhaare. 

Diese  Haare  sind  unter  gewissen  Umständen,  und  namentlich 
während  ihres  Aufenthaltes  im  lebenden  Körper  in  einer  Bewegung, 
bei  der  ihre  Spitze  ungefähr  ein  Viertel  von  der  Peripherie  eines 
Kreises  zurücklegt,  welcher  mit  der  ganzen  Länge  als  Radius  be- 

•)  Jonm.  für  prakt.  Chemie.  39.  Bd.  p.  844. 

**)  K U 1 1 1 k e r , Handbuch  der  Gewebelehre.  1858.  p.  343. 

Ludwig,  Physiologie  II.  i.  Auflage.  1 6 


Digitized  by  Google 


• 242  Fliraraerhawe;  Beschleunigung  ihrer  Bewegung. 

schrieben  wird.  Genauer  betrachtet,  verhält  sich  nun  diese  Be- 
wegung so,  dass  ein  Haar,  welches  soeben  gegen  den  Boden, 
auf  dem  es  eingepflanzt  ist,  senkrecht  stand,  plötzlich  zusammen- 
knickt und  sich  dabei  mit  seiner  Spitze  gegen  den  Boden  biegt, 
kaum  hier  angelangt,  ' wieder  aufsteht,  um  von  Neuem  die  eben 
vollendete  Bahn  umgekehrt  zu  durchlaufen.  Diese  Bewegungen 
folgen  sehr  rasch  aufeinander,  so  dass  namentlich  an  den  Wende- 
punkten keine  Zeiten  des  Stillstandes  zu  beobachten  sind,  und  nicht 
minder  werden  die  Bewegungen  rasch  vollendet,  indem  nach  den 
Messungen  von  Valentin  und  Krause  ein  Haar  zu  einem  Auf- 
und  Niedergang  0,2  bis  0,8  Sec.  nöthig  hat.  — Die  Kraft,  mit 
welcher  die  Schwingung  geschieht,  ist  nicht  nach  beiden  Richtungen 
gleich,  sondern  nach  der  einen  bedeutender  als  nach  der  andern. 
Dieses  erkennt  man  aus  der  einseitigen  Strömung,  welche  das  flim- 
mernde Haar  in  einer  sie  bedeckenden  Flüssigkeit  zu  erzeugen 
vermag,  eine  Strömung,  welche  statt  einer  einseitigen  offenbar  eben- 
falls eine  pendelnde  sein  müsste,  wenn  die  Stösse,  welche  ihr  von 
dem  Haar  nach  den  verschiedenen  Richtungen  hin  mitgetheilt  werden, 
an  Kraft  einander  gleich  kämen.  — Die  Richtung  der  Schwingung 
ist  zwar  nicht  auf  den  Zellen  verschiedenen,  wohl  aber  auf  denen 
desselben  Standortes  gleich,  sodass  alle  Haare  der  Bronchial-,  der 
Tubenschleimhaut  u.  s.  w.  immer  nach  derselben  Seite  hin  zusam- 
menfallen und  somit  auch  aufstchen. 

Von  don  Haaren  auf  den  Epitkelien  der  Musdielkiemen  behauptet  Valentin 
jedoch  dae  Gegentheil,  sie  sollen  unter  Umständen  plötzlich  ihre  Schwingungsrichtung 
andern. 

Die  Beschleunigung  der  Bewegung  ist  nach  den  Beobachtungen 
von  Purkinje,  Valentin,  Sharpcy,  Calliburcds  und  Vir- 
chow*)  abhängig  1)  von  der  chemischen  und  mechanischen  Un- 
versehrheit  des  einzelnen  Wimperhaars ; ist  diese  erhalten,  so  kann 
die  Zelle  von  ihrem  natürlichen  Standort  entfernt,  oder  gar  bis  zur 
Zerstörung  der  benachbarten  Haare  verstümmelt  sein,  ohne  dass 
die  Bewegung  erlischt.  — Wird  dagegen  das  Haar  durch  conzen- 
trirte  Säuren,  Alkalien,  Salze,  durch  Eintrocknen  u.  s.  w.  zerstört, 
so  ist  die  Befähigung  zur  Bewegung  verloren ; sie  kehrt  nament- 
lich auch  nicht  wieder,  wenn  man  das  einmal  eingetrocknete  Haar 
wieder  aufweieht.  — 2)  Die  Schlagfähigkeit  der  Haare  auf  solchen 
Zellen,  welche  aus  ihrem  natürlichen  Standort  entfernt  sind,  wird 


*)  Valentin,  Lchrb.  der  Phyaiol.  UI.  a.  18  u.  b.  011.  — Virchow'a  Archiv.  VI.  Bd. 


Digitized  by  Google 


Fiimmerhaare ; Beschleunigung  ihrer  Bewegung. 


243 


verlängert,  wenn  sie  in  Lymphe,  Blutserum  oder  in  verdünntem 
Hüknereiweiss  aufgehoben  werden.  — 3)  Die  verlangsamte  oder 
auch  kurze  Zeit  erloschene  Bewegung  kann  wieder  belebt  werden 
durch  verdünnte  Kalilauge.  (Virchow).  — Auch  soll  die  verlang- 
samte Bewegung  wieder  beschleunigt  werden  können  durch  mecha- 
nische Erschütterungen  (Valentin  und  Purkinje).  — 4)  Die  Be- 
wegung erhält  sich  nur  zwischen  bestimmten  Temperaturgrenzen, 
welche  nach  Valentin  durch  + 6°  und  +°81  C.  gegeben  sind. 
Zahl  (und  Intensität)  der  Schläge  in  der  Zeiteinheit  wird  bedeutend 
vermehrt  durch  die  steigende  Temperatur.  (Calliburcös)  *). 

Um  die  Veränderlichkeit  der  Wimperbewegung  durch  die  Temperatur  zu  beweisen, 
wendet  Calliburc£s  den  Apparat  an,  ron  dem  Fig.  50  ein  Schema  giebt.  Zwei  Punkte 
von  zwei  gegenüberliegenden  Seiten 
eines  cubischen  Glasgefässes  ABC 
verbindet  er  durch  die  leicht  dreh- 
bare Achse  aus  Aluminium , die  in 
einen  sehr  leichten  hohlen  Glascylin- 
der  emgeschmolzen  ist  R R.  Die 
Achse  tragt  auf  der  Seite,  an  welcher 
sie  Über  die  Wand  des  kubischen  Ge- 
fasses  hervorragt,  einen  Zeiger  J Jy 
welcher  auf  einen  in  der  Glaswand 
eingeätzten  getheilten  Kreis  zeigt ; der 
Mittelpunkt  des  Kreises  liegt  im  Be- 
rührungspunkt der  Achse  mit  der  Glas- 
wand. Gegen  die  im  Ganzen  73  Mgr. 
wiegende  Rolle  lasst  sich  mittelst  einer 
hier  nicht  gezeichneten  Mikrometer- 
schraube  eine  ebene  Platte  P P be- 
wegen, und  somit  auf  immer  gleichen 
Abstand  von  der  Rolle  einstellcn.  Auf 
dieser  Platte  ist  ein  Stück  Schleim- 
haut 8 8 des  Froschrachens  aufge- 
spannt , so  dass  die  Cilien  derselben  gegen  den  Cylinder  schlagen  und  ihn  drehen. 
T ist  ein  Thermometer,  welcher  den  hermetisch  schliessenden  Deckel  des  Gefässes  durch- 
bohrt Die  Zeit,  welche  der  Cylinder  zu  einer  ganzen  Umdrehung  verbrauchte,  war  im 
Mittel  aus  52  Versuchen  bei  12  bis  -f-  19»  C.  = 22  Min.  3 Sec.,  — bei  + 28°  C. 
3 Min.  7 Sec. 

5)  Inhalation  von  Aether  hebt  die  Bewegungen  der  Haare  so 
lange  auf,  als  die  Aethemarkose  andauert  (Clemens,  Gosselin**). 
— 6)  Je  nach  dem  Standorte  erlischt  die  Bewegung  mehr  oder 
weniger  rasch  nach  dem  Tode  des  Individuums  oder  in  Folge  der 


•)  Compt.  rend.  47.  Bd.  5.  Oktbr. 

CI.  Bernard,  sur  les  effeta  des  substances  toxlqaes  1867.  433. 

16  • 


Digitized  by  Google 


244 


Anatomische  und  chemische  Eigenschaften  des  Haars. 


veränderten  Temperatur.  Am  empfindlichsten  sind  die  Haare  in 
den  Geschlechtstheilen.  — 7)  Als  negative  Charakteristik , den 
Muskel  - und  Nervenmassen  gegenüber,  ist  bemerkenswert!! , dass 
durch  verdünnte  Lösungen  von  Blausäure,  Opium,  Strychnin,  Kreosot 
u.  s.  w.  und  durch  elektrische  Ströme  die  Bewegungen  weder  be- 
schleunigt, noch  verlangsamt  werden. 

Von  den  Ernährungserseheinungen  der  Flimmerhaare  ist  nichts 
bekannt. 

Haare. 

1.  Anatomische  Eigenschaften  *).  Der  Haarknopf,  oder  der 
Theil  des  Haars,  welcher  unmittelbar  an  die  Warze  grenzt,  be- 
steht durchweg  aus  kugeligen,  kernhaltigen  Zellen  und  freien 
Kernen  (7),  ähnlich  denen,  welche  in  der  Oberhaut  auf  den  Cylin- 
derendcn  ruhen.  Im  Haarschaft  treten  dagegen  drei  wesentlich 
verschiedene  Formen  auf;  die  Oberfläche  desselben  wird  rings  um- 
kleidet von  einer  mehrfachen  Lage  dachziegelförmig  Ubereinander- 
geschichteter kernloser  Homschüppchen , welche  durch  quellende 
Flüssigkeiten  bis  jetzt  nicht  in  Bläschen  umgewandelt  werden 
konnten;  dieses  Haarepitbelium  schliesst  eine  mehrfache  Schicht 
bandartiger  Fasern  ein,  von  denen  jede  einzelne  aus  länglichen 
kernhaltigen  Hornschuppen  besteht,  welche  an  ihren  schmalen  Seiten 
mit  einander  verwachsen  sind;  die  auf  einer  Peripherie  des  Haars 
liegenden  Fasern  sind  jedoch  ebenfalls  untereinander  zu  Cylinder- 
mänteln  verklebt;  im  Centrum  der  Faserschicht  endlich  liegt  das 
Haannark.  ln  dieses  ragen,  so  weit  das  Haar  noch  in  dem  Balg 
versteckt  liegt,  Fortsätze  aus  der  Haarwarze,  die  auch  häufig  noch 
eine  Blutgefässschlinge  in  sich  fassen,  und  ausserdem  ist  es  ans 
kugeligen  Zellen  gebildet,  die  jedoch  an  dem  freistehenden  Theile 
des  Haars  vertrocknen  und  somit  zur  Bildung  lufthaltiger  Lücken 
Veranlassung  geben.  Zur  Einsicht  in  den  Ban  des  Haars  und 
seines  gleich  zu  erwähnenden  Säckchens  haben  uns  vor  Allem  die 
Arbeiten  von  Heusinger,  E.  H.  Weber,  Gurlt,  Henlc, 
H.  Meyer,  Steinlin  und  Kölliker  verholfen. 

2.  Chemische  Zusammensetzung  **).  Die  festen  Theile  des 
Haars  sind  innerhalb  des  Balgs  mit  wässerigen  und  ausserhalb 
desselben  mit  Öligen  Flüssigkeiten  durchtrankt.  Diese  letztem 
sind  ein  Gemenge  aus  Olein  und  Margarin,  Olein-  und  Margarin- 

•)  KilHikcr,  Handbach  der  Gewebelehre.  8.  Auflage,  Leipzig  1849.  p.  129. 

*•)  Muidor,  phyaiol.  Chemie.  Brannschwoig.  p.  670.  — Lcyer  u.  Köl  liker.  Lieb  lg'* 
Annalen.  83.  Rd.  p.  332.  — Oorup,  ibid.  66.  Bd.  p.  221. 


Digitized  by  Google 


Physikalische  Eigenschaften  und  Ernährung  des  Haars. 


245 


säure.  — Die  geformten  Bestandtheile  des  Markes,  der  llinde  und 
der  Deckschicht  sind  von  ungleichartiger  Zusammensetzung  und 
ebenso  sind  die  Zellenindividnen  einer  jeden  Formation  ein  Ge- 
menge mehrerer  Substanzen;  man  schlicsst  dieses  aus  dem  Ver- 
halten jener  Formen  gegen  Kali,  Schwefel  und  Essigsäure.  — Eine 
Elementaranalyse  des  mit  Wasser,  Alkohol  und  Aether  ausgekochten 
Haars  gab  nach  v.  Laer  und  Scherer  in  100  Theilen:  C 50,6; 
H 6,4;  N 17,1;  0 20,8;  S 5,0.  Da  die  diesen  Zerlegungen  unter- 
worfenen Haare  ans  ganz  verschiedenen  Orten  stammten,  so  deutet 
jene  Uebereinstimmung  darauf  hin,  dass  das  Haar  ein  constantes 
Gemenge  aus  den  verschiedenen  Stoffen  darstelle.  Die  Zersetzungs- 
produkte des  Haars  mit  Schwefel-,  Salpetersäure  und  Kali  stellen 
fest,  dass  dasselbe  Substanzen  enthalte,  welche  zur  Gruppe  der 
eiweissartigen  Körper  gehören. 

Durch  Behandlung  mit  warmer  verdünnter  Kalilauge  gewinnt  man  aus  ihm  sog. 
Protein  und  Proteinbioxyd  unter  Abscheidung  von  S und  NHj  (Mulder).  Durch  SOs 
kann  man  Tyrosin  und  Leucin  aus  dem  Haar  gewinnen  (Leycr  und  Koller),  und 
N0s  verwandelt  sie  zum  Theil  in  Xanthoproteinsäure  (Mulder).  Es  bedarf  kaum  des 
Hinweises  auf  den  grossen  S-gelialt,  um  den  Unterschied  zwischen  Haar  und  Epider- 
mis deutlich  zu  machen.  Nach  Che  vre  ul*)  soll  das  Haar  seinen  Schwefel,  ohne 
Strukturanderungen  zu  erleiden,  verlieren  können. 

Der  Gehalt  des  Haares  an  Asche  wechselt  zwischen  0,5  bis 
1,8  pCt.  Sie  besteht  aus  Eisenoxyd,  Kieselsäure,  phosphorsaurem 
Kalk  und  Magnesia  (v.  Laer  und  Gorup). 

3.  Physikalische  Eigenschaften.  Im  trocknen  Zustand  zieht  das 
Haar  begierig  Wasserdampf  an  und  condensirt  ihn;  in  Wasser  gelegt 
quillt  es  ein  wenig  auf.  Mit  Fetten  durchtränkt  sich  das  trockene 
Haar  ebenfalls  leicht.  In  welchem  Verhältniss  seine  Adhäsions- 
kräfte zum  Fett  und  Wasser  stehen,  ist  unbekannt.  — Das  durch 
Fett  und  Wasser  getränkte  Haar  ist  sehr  dehnbar,  und  dehnbarer 
als  im  trocknen  Zustand.  Die  wenigen  über  Elastizität  und  Cohä- 
sion  des  Haars  vorliegenden  Beobachtungen  **)  genügen  nicht,  um 
eine  Vorstellung  über  die  hierauf  bezüglichen  Kräfte  desselben  zu 
gewinnen.  — Das  Haar  ist  ein  schlechter  Leiter  der  Wärme  und 
ein  Isolator  der  Elektricität. 

4.  Ernährung  des  Haares.  — Die  Anordnung  der  Zellen  in 
der  Form  des  Haars  geschieht  für  gewöhnlich  mit  Hilfe  einer  eigen- 
thümlichen  in  die  Cutis  eingelagerten  Vorrichtung,  die  Haarwarze 
und  den  Haarbalg.  Die  Warze  ist  ein  kugelförmiger  Auswuchs 

•)  Schlossberger,  allgemeine  Thier  - Chemie ; Horngewebe  281. 

••)  E.  H.  Weber,  Allgemeine  Anatomie.  Stuttgart  1844.  p.  216. 


Digitized  by  Google 


246 


Ernährung  des  Haars.  Säckchen. 


auf  dem  Boden  des  Haarsäckehens,  in  welchen  eine  Gefässschlinge 
einkehrt;  aus  ihrer  Oberfläche  dringt  der  Saft,  welchen  die  Zellen 
des  Haarknopfs  verbrauchen.  Die  Höhle  des  Haarsäckchens  stellt 
einen  kolbenförmigen  Baum  dar,  der  sich  überall  auf  das  innigste 
an  das  Haar  anlegt,  so  dass  es  entsprechend  den  Durchmessern 
dieses  letztem  unten  am  Knopf  desselben  weiter  und  oben  gegen 
den  Schaft  hin  enger  wird.  Die  Wand,  welche  den  engem,  dem 
Kolbenhals  entsprechenden  Theil  der  Höhle  umsehliesst,  ist  aus 
sechs  Schichten  gebaut;  zählt  man  von  aussen  nach  innen,  so  trifft 
man  zuerst  auf  eine  Lage  von  dem  anatomischen  Bau  der  Cutis, 
nemlich  auf  ein  Gemenge  von  elastischem  und  Bindegewebe;  dann 
folgt  eine  einfache  Lage  von  kemtragenden  Fasern,  welche  die 
kreisförmige  Peripherie  des  Balgs  umschlingen.  Diese  Fasern 
schliessen  eine  strukturlose  Haut  ein,  auf  welcher  zuweilen  fein- 
streifige Netzformen  aufsitzen ; sie  wird  wiederum  bedeckt  von  einer 
Lage  kugeliger  Zellen,  welche  an  der  Mündung  des  Säckchens  in 
die  Schleimschicht  der  Oberhaut  übergehen  und  dämm  als  tiefste 
Lage  vom  Epithelium  angesehen  werden;  auf  sie  folgen  mehrere 
Schichten  innig  mit  einander  verbundener  Horaschüppchen  und 
schliesslich  eine  Lage  von  Platten,  welche  denen  vollkommen  glei- 
chen, die  als  sog.  Oberhaut  des  Haars  die  Faserschicht  der- 
selben einschliessen.  — Nahe  an  der  Ausmündung  des  Haarbalgs 
öffnen  sich  in  denselben  die  Gänge  kleiner  Fettdrüsen,  welche  auf 
der  änssem  Seite  des  Balgs  gelegen  sind.  An  den  Grund  des 
Sackes  geht  ein  kleiner,  aus  Faserzellen  zusammengesetzter  Mus- 
kelstreifen, der  in  den  oberflächlichen  Schichten  der  zunächst  ge- 
legenen Cutis  entspringt. 

Der  Hergang,  durch  den  die  Kugelzellen  des  Knopfs  aus  der 
Flüssigkeit  entstehen,  welche  sich  aus  den  Gefässen  der  Warze 
ergiesst,  ist  hier  wie  überall  unbekannt;  es  ist  sogar  noch  zweifel- 
haft, wie  die  Form  beschaffen  sei,  welche  ursprünglich  auftritt. 
Einige  Autoren,  namentlich  Henle,  stellen  die  Behauptung  auf, 
dass  in  den  die  Warze  unmittelbar  begrenzenden  Schichten  des 
Haarknopfs  nur  Gebilde  von  der  Form  der  Kerne  jener  Kugelzellen 
enthalten  seien;  sie  sind  geneigt,  aus  dieser  Beobachtung  abzu- 
leiten, dass  zuerst  diese  Kerne  und  mit  Beihilfe  derselben  dann 
erst  die  fertigen  Zellen  entstehen.  Andere  Mikroskopiker,  nament- 
lich K öllik er,  läugnen  aber  die  beständige  Anwesenheit  dieser 
Kerne.  — Unzweifelhaft  gehen  aber  die  ausgebildeten  Zellen  des 
Haarknopfs  in  die  Horaschüppchen  der  Faserschicht  und  die  ver- 


Digitizedjpy  Google 


Ernährung  des  Haara,  ßpitzenwachsthum. 


247 


trockneten  Markzellen  über,  während  die  Plättchen  des  Oberhäut- 
chens aus  der  oberflächlichsten  Epithelienlage  des  Haarbalgs  ab- 
stammen , die  das  emponvaehseude  Haar  an  sich  klebt  und  mit 
sich  emporschiebt.  — Kinde  und  Mark  des  Haares  ist  somit  nichts 
anderes,  als  ein  Epitheliallibergang  der  Warze,  der  insofern  eigen- 
thiimlich  ist,  als  nur  die  Rindenzellen  verhorueu,  während  die  Mark- 
zellen, ehe  sie  zu  dieser  Umwandlung  gekommen  sind,  vertrocknen, 
so  dass  sich  in  den  Epithelialfortsatz  die  mumifizirten  Zellen  der 
Sehleimschicht  hinein  erstrecken.  — Aus  den  Eigenschaften  der 
Warze  ist  es  begreiflich,  dass  das  Ilaar,  gleich  ihr,  an  seinem 
natürlichen  Ende  zugespitzt  ist;  ans  dem  für  die  Klutflllssigkeit 
undurchdringlichen  Epithelialübergang  des  Haarbalgs,  im  Gegen- 
satz zu  der  für  sie  durchgängigen  Warzenoberfläehe,  wird  cs  er- 
klärlich, dass  das  Haar  nur  von  der  letzteren  aus  neue  Zellen  an- 
setzen kann,  und  endlich  ist  einleuchtend,  dass  der  Hals  des  Kalges 
den  am  Knopfe  breitem  Querdurchschnitt  des  Haars  beim  Ueber- 
gang  desselben  in  den  Schaft  zusammenpresst  und  soweit  wenig- 
stens mit  dazu  beiträgt,  dass  die  Kugelzellen  in  längliche  Schüpp- 
chen nmgewandelt  werden.  Die  Stärke  des  Haarschaftes  muss 
darum  bestimmt  sein  von  dem  Durchmesser  des  Hohlraums,  wel- 
chen der  Balg  umschliesst. 

Neben  der  so  eben  geschilderten  stellt  Engel*)  nach  Reinen  Beobachtungen  noch 
eine  andere  Entstehung  des  Haars  hin,  die  von  der  Schnittfläche  eines  abgcschnitte- 
nen  Haars  ausgeht.  Da  dieselbe  bis  dahin  noch  keinem  andern  Beobachter  au  Gesicht 
gekommen,  so  würde  daraus  folgen,  dass  sie  nicht  allen  Haaren  gemein  ist  Den  Be- 
weis , dass  die  Haare  rom  Schnittende  auswachsen , findet  Engel,  vom  mikroskopi- 
schen Verhalten  abgesehen,  darin,  dass  sich  an  der  Schnittfläche  oft  eine  knopfförmige 
Anschwellung  bildet,  auf  welcher  eine  Spitze  anwächst ; schneidet  man  die  neue  Spitse 
etwas  über  jenem  Kolben  weg,  so  entsteht  ein  sweiter  Knopf  und  von  da  aus  erhebt 
sich  abermals  eine  Spitze  u.  s.  f.  Hier  dient  also  die  mit  blossem  Auge  sichtbare  erste 
Anschwellung  als  Marke  dafür,  dass  die  neue  Spitze  in  der  That  aus  der  Haarwunde 
entsprungen  ist.  Diese  neugebildcte , oft  linienlange  Haarspitze  enthält  alle  Elemente 
des  ans  dem  Säckchen  gebildeten  Haarschaftes.  Ueber  die  hierbei  auftretende  Form- 
folge verweisen  wir  auf  die  Abhandlung;  begreiflich  würde  eine  Bestätigung  der  von 
Engel  raitgctheilten  Thatsachcn  von  grosser  Wichtigkeit  für  die  Zellentheorie  sein. 

Nach  Don  der  s**)  hat  jedes  Haar  nur  ein#  gewisse  Lebens- 
dauer, hat  es  diese  erreicht,  so  stirbt  es  ab  und  wird  durch  ein 
neues  ersetzt.  So  lange  es  lebt,  wächst  es  aber  mit  ungleicher 
Geschwindigkeit. 


•)  Wiener  akad.  Monatsberichte  1864.  Februarheft.  — Hcnle’s  Jahresbericht  fUr  1864.  p.  61. — 
Förster,  Virchow's  Archiv  XII.  569. 

**)  Archiv  für  Ophthalmologie  von  Arlt,  Dooders,  Graefe,  IV.  Bd.  1.  Abthlg. 


Digitized  by  Google 


248 


Lebensdauer  de«  Haars. 


Die  Cilien,  deren  Wachsthum  von  Donders  genauer  verfolgt 
wurde,  verhalten  sich  nach  folgenden  Angaben.  Das  Lebensalter 
ist  von  dem  Zeitpunkt  an  gerechnet,  wo  die  erste  Spur  des  Haars 
aus  dem  Balg  hervortrat. 


Lebensalter  in  Tägl.  Wachsth. 
Tagen.  in  Mm. 

Gesammtlänge 
in  Mm. 

0—21 

0,21 

4,50 

22—28  , 

0,18 

5,75 

29—52,55 

0,12 

i 8,75 

53—140  | 

0,02 

1 11,0 

Diese  Zahlen  zeigen,  dass  die  Geschwindigkeit  des  Wachs- 
thums mit  dem  steigenden  Alter  abnimmt.  Kürzere  Cilien  erreichten 
auch  nur  eine  kürzere  Lebensdauer.  Insofern  man  diese  schönen 
Beobachtungen  verallgemeinern  darf,  wofür  das  stete  Ausfallen  der 
Kopf-  und  Barthaare  genügende  Berechtigung  zn  geben  scheint 
(Langer),  so  würde  sich  die  typische  Länge,  welche  die  Haare 
auf  den  verschiedenen  Körperorten  (Kopf-,  Lippenhaut  u.  s.  w.) 
erreichen,  dadurch  erklären,  dass  jedem  eine  bestimmte  Lebens- 
dauer gegönnt  wäre. 

Auf  die  Geschwindigkeit  des  Haarwachsthums  soll  einen  Ein- 
fluss üben:  das  Abschneiden , was  Donders  an  den  Cilien  nicht 
bestätigt  fand;  ferner  das  Lebensalter  der  Individuen  und  die 
Tages-  und  Jahreszeit,  indem  bei  jugendlichen  Menschen,  bei  Tag 
und  im  Sommer  die  Längenzunahme  in  der  Zeiteinheit  grösser  sei, 
als  im  Alter,  bei  Nacht  und  im  Winter  (Berthold). 

Der  Stoffwechsel  in  dem  fertigen  Haar  ist  gering,  aber  nicht 
immer  gänzlich  fehlend.  Einmal  nemlich  wifd  das  Haar  durch  die 
Säfte,  welche  ans  den  Fettdrüsen  der  Haarbälge  austreten,  eingeölt  ; 
dieses  Oel  muss  natürlich  in  dem  der  Luft  ausgesetzten  Schafte 
verwesen,  und  der  daraus  erfolgende  Abgang  wird  wenigstens  in 
allen  fetten  Haaren  durch  neues  aus  dem  Balge  nachdringendes 
ersetzt.  --  Auf  eine  Umwandlung  der  Stoffe  des  fertigen  Haares 
deutet  das  Ergrauen  derselben;  dieses  kommt  durch  eine  Vermeh- 
rung seines  Luftgchaltes  zu  Stande,  indem  sich  derselbe  nicht  mehr 
auf  das  Mark  beschränkt,  sondern  auch  auf  die  Rinde  ausdehnt. 
Diese  merkwürdige  Lückenbildung  in  der  Rinde  tritt  nemlich  häufig 
auch  in  den  Theilen  des  Haares  ein,  welche  den  Balg  schon  ver- 
lassen haben  (Ergrauen  der  Spitzen).  — Ueber  pathologische  Luft- 
bildung in  den  Haaren  handelt  A.  Spiess  *). 


•)  He  nie'»  and  Pfeafer's  Zeitschrift.  3.  Reihe.  V.  Bd.  1. 


Elastisches  Gewebe. 


249 


Ueber  den  periodischen  Haarwechsel  der  Thiere  und  insbesondere  Aber  das  anato- 
mische Verhalten  der  Warze  und  der  aus  ihren  Flüssigkeiten  herrührenden  Zellen  hat 
Steinl  in*)  sehr  genaue  Beobachtungen  mitgetheilt.  Siehe  hierüber  auch  K öllik  er 
und  Langer. 

Die  Bewegungen  des  Haars  (das  Haarsträuben)  bestehen,  wie 
es  die  Lagerung  des  Balgmuskcls  erwarten  lässt,  in  einem  Auf- 
richten des  schiefgelegten  Haares. 

Elastisches  Gewebe. 

1.  Seine  elementare  anatomische  Anordnung**)  ist  mannig- 
faltig; bald  erscheint  es  als  homogene  oder  auch  als  durchlöcherte 
Haut,  bald  in  schmalen  oder  breiten  Fasern,  die  einfach  geschlängelt 
und  verästelt  oder  mit  nebenliegenden  zu  Netzen  verbunden  sind, 
und  endlich  soll  es  auch  in  feinen,  einfachen  oder  verästelten 
Böhren,  die  mit  den  anliegenden  zu  einem  feinen  Gefässwerk  ver- 
schmolzen sind,  auftreten  (Virchow,  Donders). 

2.  Chemische  Beschaffenheit.  Die  Zusammensetzung  der  Flüssig- 
keit , welche  die  festen  Theile  des  elastischen  Gewebes  dnrchtränkt 
oder  zwischen  den  Lücken  und  Höhlen  desselben  enthalten  ist, 
kennen  wir  nicht.  Die  feste  Masse  selbst  zeichnet  sich  aus  durch 
ihre  Unlöslichkeit  in  kalten  verdünnten  Mineralsäuren  und  ihre 
Schwerlöslichkeit  in  Kalilauge.  Mit  Säuren,  Kali,  Aether,  Alkohol 
und  Wasser  gereinigt,  zeigt  der  Stoff  die  im  I.  Bd.  p.  56  ange- 
führte prozentische  Zusammensetzung. 

3.  Physikalische  Eigenschaften,  a)  Im  durchfeuchteten  Zustand 
ist  seine  Elasticität  sehr  vollkommen  und  sein  Elasticitätscoöfhzient 
ein  niedriger.  Seine  Cohäsion  ist  unter  allen  Umständen  beträcht- 
lich, sie  scheint  dabei  jedoch  nach  verschiedenen  Richtungen  hin 
nicht  gleichmässig  zu  sein.  — Seine  endosmotischen  Eigenschaften 
sind  sehr  unvollkommen  bekannt.  Es  zieht  begierig  Wasser  an, 
quillt  in  kaltem  Wasser  bedeutender  als  in  heissem  auf;  im  Gegen- 
satz zum  Bindegewebe  wird  es  durch  Essigsäure  nicht  aufgeschwellt. 
Als  Scheidewand  zwischen  diffundirende  Flüssigkeit  aufgestellt, 
verhält  es  sich  unter  Umständen  eigenthümlich ; so  verwehrt  z.  B.  nach 
Brücke  das  aus  elastischem  Stoff  bestehende  Schaalenhäutchen 
des  Hühnereies  dem  flüssigen  Eiweiss  den  Durchgang;  dasselbe 


*)  Henle’a  and  Pfeafer'e  Zeitschrift.  I.  Reihe.  IX.  bd. 

••jKölllker,  Gewebelehre.  3.  Auflege.  p.  68.  — Virchow,  Würzburger  Verhandlungen. 
II.  Bd.  p.  150.  — Hcnle,  im  Jahresbericht  über  allgcm.  Anatomie  für  1851  p.  38  und  1853 
p.  20. 


Digitized  by  Google 


250 


Elastisches  Gewebe. 


leistet  die  innere  Arterienhaut,  wenn  sie  vorher  in  einer  zweipro- 
zentigen Kochsalzlösung  gelegen  (C.  Ludwig).  Eine  genauere 
Untersuchung  der  hier  cinschlagenden  Eigenschaften  wäre  insbe- 
sondere wltnschenswerth , wenn  sich  die  Vermuthung  rechtfertigt, 
dass  die  Haut  der  BlutgefHsscapillarcn  und  die  der  feinsten  Driisen- 
gängc  aus  elastischem  Gewebe  gebildet  ist. 

4.  Ernährung,  a)  Die  Zusammensetzung  des  festen  Stoffs  be- 
weist, dass  er  aus  eiweissartigen  Atomen  hervorgegangen  sein  muss; 
eine  Hindeutung  auf  die  hierbei  vorkommende  chemische  Umsetzung 
gewährt  die  (Bd.  1.  p.  56)  mitgetheilte  Erfahrung  von  Zollikofer, 
welche  darthut,  dass  aus  dem  Etweiss,  indem  es  in  elastisches 
Gewebe  Ubergegangeu , die  Atomgruppe  entfernt  wurde , aus  der 
Tyrosin  bei  der  durch  Schwefelsäure  eingeleiteten  Zersetzung  her- 
vorgehen kann.  — Die  Formfolge,  welche  bei  der  Hervorbildung 
des  elastischen  Stoffs  aus  der  Flüssigkeit  auftritt,  ist  bis  dahin  noch 
Gegenstand  des  Streites;  einige  Anatomen,  unter  ihnen  Schwann, 
Kölliker,  Virchow  und  Donders,  behaupten,  dass  es  ein 
Umwandlnngsprodukt  vorgängig  entstandener  Zellen  sei,  während 
He  nie*)  aus  der  Untersuchung  des  Nackenbrandes  die  Berechti- 
gung fllr  eine  solche  Annahme  bestreitet.  Bei  der  bekannten  Gründ- 
lichkeit beider  Parteien  kann  die  Ursache  der  Abweichung  nur 
in  der  noch  mangelhaften  Methodik  gefunden  werden.  Die  elasti- 
schen GewebsformCn  gehören  zu  denjenigen,  welche  sich  auch  im 
ausgewachsenen  Organismus  neu  bilden  können.  — b)  Von  den 
Veränderungen  des  einmal  au%ebautcn  Gewebes  ist  wenig  bekannt. 
Seine  Arrnuth  an  Blutgefässen  lässt  schliessen,  dass  sein  Umsatz 
während  des  Lebens  gering  sei ; hiermit  in  Uebereinstimmung  steht 
die  Thatsache,  dass  es  bei  Abmagerung  aller  übrigen  Körper- 
bestandtheile  an  Gewicht  und  Umfang  nicht  beträehtlich  abnimmt. 
Von  einer  jeglichen  Veränderung  während  des  Lebens  ist  es  jedoch 
nicht  ausgeschlossen,  denn  es  kann  an  einzelnen  Orten  unter  gün- 
stigen Umständen  schwinden,  wie  dieses  thatsächlich  an  den 
Wandungen  solcher  Gefässe  feststeht  , deren  Lumen  verschlossen 
wurde.  — Einen  besondem  Weg  würde  die  sich  in  ihm  verbreitende 
Flüssigkeit  finden , wenn  die  Röhrennatur  der  sog.  Kernfasern  fest- 
gestellt würde ; in  diesem  kleinen  geschlossenen  Canalsystem  würde 
sich  die  Flüssigkeit,  nachdem  sie  in  dasselbe  auf  endosmotischem 
Wege  eingedrungen  wäre,  weiter  verbreiten  können. 


•)  h.  c.  1651.  p.  29. 


Digitized  by  Google 


Bindegewebe. 


251 


Bindegewebe. 

1.  Dag  Mikroskop  in  Verbindung*)  mit  der  chemischen  Zer- 
legung weist  in  dem  Bindegewebe  nach:  leimgebende  Fasern  und 
Fibrillen,  einen  eiweissartigen  Zwisehenstoff,  elastische  Fasern  und 
zellen  artige  Gebilde  (Jordan,  He  nie,  Baur,  ltollet).  Die 
leimgebenden  Faserzüge,  welche  den  weitaus  grössten  Theil  des 
Bindegewebes  ausmachen,  können  entweder  (in  Sehnen,  Aponeurosen, 
Bändern , der  Selerotica)  sogleich  in  sehr  feine  Fäden  auseinander- 
gezerrt werden,  oder  die  mechanischen  Hilfsmittel  zerlegen  sie  (in 
der  Lederhaut,  im  formlosen  Bindegewebe,  in  der  tunica  con- 
junctiva,  adventitia,  submucosa)  vorerst  nur  in  breite  Fasern,  welche 
sich  durch  Kalk-  oder  Barytwasser  schliesslich  ebenfalls  in  Fibrillen 
spalten  lassen.  Die  breitem  und  feinem  Fasern  sind  zu  Bündeln 
vereinigt,  indem  eine  grössere  Zahl  paralleler  Fasern  durch  eiweiss- 
artigen Bindestoff  verklebt  ist.  Diese  Bündel  werden  von  einander 
geschieden  durch  strukturlose  Scheiden  (Reichert,  Henle)  oder 
auch  durch  umspinnende  und  zum  Theil  in  die  Bündel  eindringende 
Faserzüge  (Rollet,  Henle).  In  und  zwischen  diese  leimgebenden 
Faserzüge  sind  eingebettet  feine,  oft  zu  Netzen  verbundene  elastische 
Fasern  und  eine  besondere  Art  von  Körperchen , welche  zusammen- 
gefallenen Zellen  ähnlich  sehen,  die  nach  zwei  Seiten  hin  in  feine 
Fäden  auslaufen.  Ausser  diesen  allgemein  anerkannten  Einlagerungen 
fanden  sich  Virchow  und  nach  ihm  Leydig  u.  A.  veranlasst, 
und  zwar  in  Folge  der  Bilder,  welche  ein  senkrecht  gegen  die 
Richtung  der  Faserbündel  geführter  Schnitt  zum  Vorschein  bringt, 
noch  sternförmig  verästelte  Zellen  zwischen  den  Bündeln  anzu- 
nehmen. Da  diese  sternförmig  verästelten  Zellen  bis  dahin  noch 
nicht  gesondert  dargestellt  werden  konnten,  so  lassen  andere 
Anatomen  (Henle,  Rollet)  die  sternförmigen  Figuren,  welche 
die  Annahme  von  Zellen  hervorriefen,  nur  als  einen  Ausdruck  für 
die  Lücken  gelten,  welche  zwischen  den  Bündeln  übrig  blieben. 
Die  Bündel  sind  mannigfach  angeordnet,  bald  verlaufen  sie  an- 
nähernd parallel,  bald  durchflechten  sie  sich  nach  den  verschieden- 
sten Richtungen  und  zuweilen  so  innig,  dass  wie  z.  B.  an  der  Ober- 
fläche des  Coriums  und  der  Cornea  der  Anschein  einer  strukturlosen 
Schicht  entstehen  kann  (Rollet).  — Die  molekulare  Struktur  der 
Fasern  scheint  eine  sehr  eigentümliche  zu  sein,  denn  die  Fasern 


■)  Siehe  die  Literatur  des  elastischen  Gewebe«  und  ausserdem  — Henle,  Jahresbericht  für  1857 
p.  35.  — Rollet,  Wiener  akad.  Sitzungsberichte.  XXX.  Bd.  p.  37.  — Alb.  Baur,  die  Ent- 
Wicklung  der  Bindesabstanx.  Tübingen  1838. 


Digitized  by  Google 


252 


Chemische  Eigenschaften  des  Bindegewebes. 


brechen  das  Licht  doppelt,  eine  Eigenschaft,  die  sie  im  gequollenen 
Zustand  entweder  aufgeben  oder  beibehalten  (W.  Mit  11  er).  Dem 
entsprechend  ist  die  Formänderung,  welche  die  Fasern  bei  der 
Quellung  annehmen,  eine  verschiedene,  indem  sie  durch  gewisse 
Mittel  nur  nach  einer,  und  durch  andere  nach  verschiedenen  Seiten 
sich  ausdehnen.  So  dehnen  sie  sich  durch  Essigsäure  allseitig  (?), 
durch  CI  Ca  nur  nach  der  Breite  aus,  durch  kochendes  Wasser 
werden  sie  verkürzt  u.  s.  w. 

2)  Chemische  Beschaffenheit.  Die  Formbestandtheile  des  Binde- 
gewebes sind  im  Leben  mit  einer  Feuchtigkeit  durchtränkt,  und 
ausserdem  liegt  in  den  Lücken  zwischen  den  Blättern  und  Faser- 
bündeln Feuchtigkeit  eingeschlossen.  Ihre  Zusammensetzung  ist 
unbekannt.  — Die  festen  organischen  Bestandteile  bieten,  mit 
Alkohol,  Aether  und  Wasser  gereinigt,  die  prozentische  Zusammen- 
setzung des  Leims  dar  (Scherer  und  Winkler).  Wenn  man 
aus  dieser  Thatsache  schliesst,  dass  sich  das  Bindegewebe  beim 
Kochen  ohne  Veränderung  seiner  Zusammensetzung  in  Leim  anf- 
löse,  so  ist  damit  nur  ausgesprochen,  dass  die  Analyse  dieses 
Körpers  nur  in  sehr  weiter  Fehlergrenze  das  Richtige  trifft.  Ohne 
dieses  müsste  man  nemlich  gerade  das  Entgegengesetzte  behaupten, 
weil  Bindegewebe  selbst  da,  wo  es  am  reinsten  vorkommt,  einen 
in  Kalk-  und  Barytwasser  löslichen  Eiweissstoff  (Rollet)  und 
zudem  immer  noch  bedeutende  Mengen  von  solchen  Geweben  ent- 
hält, welche  sich  beim  Kochen  nicht  auflösen.  Zellinsky*)  fand 
den  unlöslichen  Rückstand  der  4—6  Tage  lang  gekochten  Sehnen 
zu  4 — 5 pCt. 

M&n  hat  sich  erlaubt,  auf  die  chemische  Beschaffenheit  der  Bindegewebsflüssigkeit, 
su  schliessen  aus  derjenigen , welche  beim  Zellgewebsödem  das  Bindegewebe  erfüllt 
oder  gar  sub  dem  Safte,  welcher  in  Folge  von  Entsandungen  aus  den  Gefassen  des 
Bindegewebes  austritt  ••).  Diese  letzte  Annahme  verdient  keine  Berücksichtigung.  Die 
Oedem  erzeugende  Flüssigkeit,  welche  nach  Schmidt  stark  alkalisch  reagirt,  besteht 
in  100  Theilen  aus  0,36  pCt.  organischer  Bestandtheile  (die  vorzugsweise  Eiwciss,  aber 
keinen  Faserstoff  enthalten),  aus  0,77  Salzen  und  9H,87  Wasser.  — Die  Annahme  einer 
Uebereinstimmung  zwischen  dieser  und  der  normalen  Zellgewebsfeuchtigkeit  dürfte 
darum  gewagt  erscheinen,  weil,  so  weit  wir  wissen,  ein  Oedem  nur  eintritt,  wenn 
eine  wesentliche  Veränderung  in  der  Zusammensetzung  des  Bluts  vor  sich  gegangen, 
oder  wenn  der  Strom  in  den  Blutgefässen  des  Bindegewebes  in  Folge  einer  Hemmung 
desselben  in  den  Venen  unter  einer  erhöhten  Spannung  flieset.  — Viel  wahrscheinlicher 
ist  es,  dass  die  LymphgefKsse , und  namentlich  ehe  sie  in  die  Drüse  eintreten , den 
Saft  der  Zellgewcbslücken  enthalten,  welchem  wir,  gesttizt  auf  die  Quellungserschei- 


•)  Heul«'»  Jahresbericht  fHr  nlljrem.  Anatomie  für  1868  p.  28. 

••)  C.  Schmidt,  Charakteristik  der  epidem.  Cholera.  Mltaa  1860.  123. 


Digitized  by  Google 


Ernährung  des  Bindegowebes. 


253 


Dungen,  nicht  ohne  Weitem  dieselbe  Zusammensetzung  «»schreiben  dürfen  mit  dem- 
jenigen, der  die  feste  Masse  selbst  durchfeuchtet. 

3.  Ernährungserscheinungen.  Das  leitngebende  Bindegewebe 
entsteht  unzweifelhaft  ans  eiweissartigen  Stoffen,  denn  es  enthalten 
Blut  and  Eier  keinen  oder  wenigstens  nur  sehr  sehr  selten  Leim, 
und  die  Analogie  in  der  Zusammensetzung  und  der  chemischen 
Constitution  bürgt  dafür,  dass  der  Leim  ein  umgewandeltes  Eiweiss 
ist.  Hiermit  befindet  sich  die  Thatsache  nicht  im  Widerspruch, 
dass  die  sog.  Granulationsgebilde,  welche  im  Begriff  stehen,  zu 
Bindegeweben  zn  werden,  und  ebensowenig  das  in  der  Bildung 
begriffene  schon  deutliche  Faserung  zeigende  Bindegewebe  beim 
Kochen  keinen  Leim  liefern  (Gtitcrbock,  Schwann,  Drum- 
mond)  *).  Wie  diese  Umwandlung  des  Eiweisses  in  Leim  vor 
sich  geht , kann  nieht  einmal  vermuthungsweise  ausgesprochen 
werden;  der  gewöhnliche  Ausdruck,  dass  dieser  Vorgang  zu  den 
Oxydationsprozessen  zähle,  begründet  sich  dadurch,  dass  100  Theile 
Leim  mehr  Sauerstoff,  als  das  Eiweiss  enthalten. 

Das  Bindegewebe**)  gehört  zu  den  festen  Bestandteilen  des 
Thierkörpers,  welche  sich  während  des  Wachsthums  und  auch  in 
erwachsenem  Zustande  sehr  leicht  neu  bilden.  Die  Formen , welche 
man  an  den  Orten  findet,  an  welchen  neues  Bindegewebe  entsteht, 
sind  mannigfache,  und  zwar:  1)  eine  gedrängte  Masse  von  rund- 
lichen Zellen,  deren  Wand  in  Essigsäure  unlöslich  ist  und  die  im 
Innern  eine  durchsichtige  Flüssigkeit  und  eine  oder  zwei  stark 
licbtbrechende  Kügelchen  enthalten ; 2)  zwischen  diesen  Zellen  oder 
Kernen  ist  eine  gallertartige,  formlose  Substanz  eingebettet , 3)  oder 
eine  homogene  zähe  Masse,  in  der  einzelne  Zellen  liegen,  deren 
Wandungen  mit  jener  Masse  verschmolzen  sind;  4)  kernhaltige 
Zellen,  von  deren  Wand  Ausläufer  abgehen,  die  mit  den  ent- 
sprechenden Verlängerungen  der  benachbarten  Zellen  verschmelzen 
und  somit  Zellennetze  darstellen;  ii|  dem  Kaum,  den  diese  Netze 
mnschliessen,  ist  eine  formlose  Masse  eingebettet;  5)  eine  gedrängte 
Masse  von  platten,  oblongen  oder  aber  von  spindelförmigen  Kör- 
perchen , die  einen  sog.  Zellcnkem  enthalten.  Die  schmalen  Enden 

•)  J.  Vogel,  Pathol.  Anatomie,  p.  143.  — Sch  I o s s b c r g er  , Allgemeine  Thierchemie, 
Bindegewebe  1JO.  • 

••)  He  nie,  Rationelle  Pathologie.  II.  1.  Abth.  p.  71«  u.  f.  u.  821.  — Reichert«  Bemer- 
kungen zur  vergl.  Natnrforachnng.  1846.  p.  1(N>.  — Külliker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  2.  Auf- 
lage. p.  71.  — Henle's  Jahresbericht  Uber  allgcm.  Anatomie  für  1852.  p.  20.  — Remnk,  Mül- 
ler'« Archiv.  1862.  p.  63.  — Thier  Felder,  De  regeneratione  tendinum.  Miaonae  1862.  — 
J.  Meyer,  Annalen  der  Charltd.  IV.  Bd.  — A.  Banr,  die  Entwicklong  der  Rlndcsubstanz. 
Tübingen  1868. 


Digitized  by  Google 


254 


Formfolge  des  Bindegewebes. 


dieses  Gebildes  sind  öfter  mit  den  entsprechenden  Rändern  der 
anstossendcn  verwachsen. 

Je  nachdem  man  diese  Thatsachen  verknüpft,  lassen  sich  ver- 
schiedene Vorstellungen  bilden  Uber  die  Formfolge  des  entstehenden 
Bindegewebes.  Man  hat  u.  A.  nachstehende  Zusammenstellungen 
versucht:  1)  Das  Bindegewebe  geht  hervor  aus  den  vergrösserten 
und  verschmolzenen  Zellhänten.  2)  Die  freien  Kerne,  welche  in 
der  formlosen  Grundmasse  liegen,  bestimmen  ihre  nächste  Um- 
gebung dahin,  sich  loszureissen  von  den  Nachbarorten,  so  dass 
damit  die  Grundmasse  in  einzelne  Plättchen  oder  Fasern  zerfallt 
3)  Die  Ausläufer  der  verästelten  Zellenhäute  verwandeln  sich  in 
Bindegewebsstränge.  4)  Die  ursprünglich  strukturlose  gallertartige 
Masse  wird  zähe,  faltet  oder  fasert  sich  aus,  die  eingesprengten 
Kerne  verschmelzen  mit  derselben.  5)  Die  strukturlose  Masse  ver- 
ändert sich,  wie  unter  4.  angegeben  wurde,  und  die  verästelten 
Zellen  stellen  die  Vircho  w’ sehen  Bindegewebskörper  dar.  6)  Aus 
den  Zellen  gehen  Formen  hervor,  welche  mit  dem  Bindegewebe 
im  engem  Wortsinn  nichts  gemein  haben,  wie  z.  B.  Gefässe, 
elastische  Fasern  u.  dergl.  — Es  dürfte  kaum  anzugeben  sein, 
welche  Meinung  das  Uebergewicht  über  die  andere  hat  , oder  ob 
gleichzeitig  mehrere  oder  vielleicht  keine  von  ihnen  berechtigt  ist. 

RUcksichtlich  der  übrigen  Erfordernisse  für  die  Neubildung  von 
Bindegewebe  steht  fest,  dass  sich  dasselbe  nur  in  denjenigen 
flüssigen  Absonderungen  bildet,  welche  sich  in  geringer  Menge 
zwischen  den  festen  Theilen  des  thierischen  Körpers  linden;  dass 
sich  aber  niemals  die  festen  Massen,  welche  frei  in  einer  Flüssig- 
keit schwimmen , zu  Bindegewebe  uniformen.  So  tritt  z.  B.  an  die 
Stelle  eines  Blutpfropfs,  der  sich  in  einer  unterbundenen  Arterie 
findet,  mit  der  Zeit  eine  Bindegewebsmasse,  während  eine  Flocke 
von  Faserstoff,  die  in  einer  Flüssigkeit  schwimmt,  welche  in  einem 
serösen  Sacke  ansgetreten  ist,  niemals  zu  Bindegewebe  w’ird,  und 
ebenso  bilden  sich  auf  dem  Boden  einer  eiternden  Fläche  Binde- 
gewebsmassen , aber  die  Eiterkörperchen  selbst,  welche  im  Eiter- 
serum  suspendirt  sind,  wandeln  sich  nicht  darin  um.  — Eine  andere 
Frage,  die  man  öfter  erhoben,  aber  niemals  mit  Sicherheit  beant- 
wortet bat,  bestellt  darin,  ob  die  Flüssigkeit  Faserstoff  enthalten 
müsse,  wenn  sie  zur  Entstehung  neuen  Bindegewebes  Veranlassung 
geben  solle. 

Ueber  den  Umsatz  des  einmal  fertigen  Bindegewebes  ist  wenig 
bekannt.  Die  gewöhnliche  Annahme  geht  dahin,  dass  es  sich  uu- 


Diqitizedi 


Bindegewebe ; Narbenschrumpfung. 


255 


verändert  erhalte  oder  mindestens  sehr  wenig  verändere.  Die 
Gründe  dafür  findet  man  darin,  dass  dasselbe  nach  dem  Tode 
langsamer  als  die  Muskeln  und  Nerven  fault;  darin,  dass  bei  einer 
eintretenden  Abntagerung  die  vorzugsweise  aus  Bindegewebe  be- 
stehenden Theile,  wie  z.  B.  die  Sehnen,  wenig  an  ihrem  Umfang 
verlieren;  nnd  endlich  darin,  dass  viele  der  Bindegewebsorgane 
(Sehnen,  Unterhautzellgewebe,  seröse  Häute)  mit  nicht  sehr  zahl- 
reichen Gefässen  versehen  sind.  — Chirurgischen  Erfahrungen  zu- 
folge verhält  sich  das  neugebildete,  in  Narben  eingelagerte  Binde- 
gewebe oft  eigenthümlich,  da  es  häufig  nicht  für  die  Dauer  besteht, 
sondern  kaum  gebildet , auch  wieder  verschwindet.  Auf  diese  Weise 
deutet  Roser*),  und  wie  es  scheint  mit  Recht,  die  bekannte  That- 
saelie  der  Narbenschriunpfung,  die  darin  besteht,  dass  die  Narben- 
masse, welche  die  mit  Gewebsverlust  verbundenen  Wunden  aus- 
fliJlt , allmählig  wieder  und  zwar  so  weit  aufgelöst  wird,  dass  sieh 
die  Ränder  der  unverletzten  Haut,  welche  bis  dahin  auseinander- 
gehalten wurden,  wieder  aneinander  legen.  Diese  Verschrumpfung 
erfolgt  nach  Roser  nur  dann,  wenn  die  Haut  bis  zum  Unterhaut- 
bindegewebe zerstört  war,  und  unter  diesen  Bedingungen  am 
leichtesen  bei  kräftig  constituirten  Menschen  und  da,  wo  die  Narbe 
von  einer  leicht  dehnbaren  und  nachgiebigen  Haut  umgeben  wird. 
Wo  sie  aber  auch  cintritt,  erfolgt  sie  nach  gewissen  Richtungen 
leiehter,  als  nach  andern,  so  am  Hals,  am  Penis,  der  hintern 
Wand  der  Scheide,  vorzugsweise  nach  der  Längenachsc  jener 
Organe.  Die  grosse  Bedeutung  dieses  Vorgangs  als  Heilmittel  hat 
lloser  wiederholt  hervorgehoben.  • 

Die  Anordnung  des  Bindegewebes  aus  verschieden  gerichteten 
ungleich  starken  Faserzügen  müssen  die  Entstehung  vieler  Lücken 
veranlassen,  welche,  insofern  sie  nicht  znsammengepresst  werden, 
sich  mit  Flüssigkeit  füllen  können,  wie  diese  in  ungewöhnlich  reich- 
lichem Maassc  beim  sog.  Oedem  beobachtet  wird.  Diese  besondere 
Struktur  wird  also  unter  allen  Umständen  der  aus  dem  Blut  in 
das  Bindegewebe  eingetretenen  Flüssigkeit  die  Bewegung  erleich- 
tern. — Ausser  diesen  durch  die  zufälligen  Poren  vorgezeichneten 
Wegen  weisen  einige  Physiologen  der  BindegewebsflUssigkeit 
noch  einen  andern  an,  nemlich  durch  die  unterstellten  Höhlungen 
der  netzförmig  verflochtenen,  feinen  elastischen  Fasern  in  dem 
mit  feinen  Ausläufern  versehenen  zcllenartigen  Gebilde;  diese  An- 


•)  Schriften  der  Ge»elUcb*A  der  XatarwtMcnachtrtcn  zu  Marburg.  VIII.  Bd.  1B57.  361. 


Digitized  by  Google 


256 


Gemenge  aus  elastuchem  und  Bindegewebe.  Seröse  Haute. 


sicht  wird  von  dem  Tage  an  sehr  belangreich  werden,  wo  die 
behauptete  anatomische  Thatsache  sicher  gestellt  ist 

Gemenge  ans  elastischem  und  Bindegewebe.  i 

Aus  einer  Verbindung  des  elastischen  und  des  Bindegewebes,  t 
bei  der  bald  das  eine  und  bald  das  andere  überwiegt,  sind  sehr  i 
zahlreiche  Platten,  Stränge,  Beutel,  Falten  n.  s.  w.  aufgebaut.  Wir 
erinnern  hier  nur  an  die  Cutis  mit  dem  panniculus,  die  Schleim-  i 
häute  mit  der  tunica  nervea,  die  Faszien,  die  weiten  und  engen 
Gefäss-.  Muskel-  und  Sehnenscheiden,  die  Sehnen,  die  serösen 
Häute,  ilie  Sclerotica,  Cornea  u.  s.  w.  Woher  die  auffallenden  ( 
Abweichungen,  die  sich  beziehen  auf  das  Uebergewicht  entweder 
des  Binde-  oder  des  elastischen  Gewebes,  die  Anordnung  und  Ge-  t 
drängtheit  der  Bindegewebsbündel  u.  s.  w. , rühren,  ist  unbekannt  t 
Je  nach  dem  Gefässreichthum  nnd  ihrer  Einordnung  in  andere 
Gewebe  nnd  Flüssigkeiten  werden  ihre  Lebenseigenschatten  mannig- 
fach verschieden  sein,  Verschiedenheiten,  die  wir  an  mancherlei 
Orten  hervorgehoben  haben  und  noch  hervorheben  werden. 

Die  Rolle,  welche  die  auf  diese  Art  zusammengesetzten  Ge- 
bilde spielen,  ist,  so  weit  wir  wissen,  meist  bedingt  durch  ihre 
cohäsiven  und  elastischen  Eigenschaften.  Unter  diesem  Gesichts- 
punkte haben  wir  Sehnen  und  Faszien  schon  erwähnt;  wir  weisen 
noch  hin  auf  die  Cutis,  welche  einmal  ein  elastischer  Ueberzug 
Uber  alle  andern  tiefer  gelegenen  Organe  darstellt,  und  dann  als 
Lager  der  Haarbälge,  der  Gefässe  ftlr  die  Absonderung  der  Ober- 
haut, der  Schweiss-  nnd  Fettdrüsen  und  endlich  als  ein  Hilfswerk- 
zeng  ttlr  den  Tastsinn  hervorragt. 

b>  anderer  Weise  als  die  bisher  aufgezählten  Gebilde  sind  die 
serösen  Häute,  die  Sehnenscheiden  und  die  Cornea  wichtig. 

Seröse  Häute. 

1.  Anatomische  Beschaffenheit.  Die  serösen  Häute  bestehen 
bekanntlich  ans  elastischem  und  Bindegewebe,  auf  ihrer  freien 
Fläche  sind  sie  meistentheils  mit  einem  Epitheliuiu  besetzt,  das 
bald  ein  einschichtiges  und  bald  ein  mehrschichtiges  ist.  Die  Zellen 
selbst  gleichen  denen  in  der  mittleren  Lage  der  Epidermis.  Nach 
einzelnen  Autoren  (Todd  und  Bowmann)  sitzen  diese  nicht  un- 
mittelbar auf  dem  Bindegewebe,  sondern  auf  einer  sehr  dünnen, 
glashellen,  strukturlosen  Membran,  die  sich  zwischen  die  Deck- 
zellen und  das  Bindegewebe  einschiebt.  Hier  wie  an  der  Cutis 
nnd  Cornea  dürfte  diese  Stnikturlosigkeit  nur  eine  scheinbare  sein 
und  das  Bindegewebe  bis  zum  Epithelium  reichen. 


Dipitized  bv  Go^wle 


Hirnwuter. 


257 


2.  Seröse  Flüssigkeiten.  In  der  Höhle  der  serösen  Säcke  ist 
eine  Flüssigkeit  enthalten,  die  an  den  verschiedenen  Orten  nach 
Zusammensetzung  und  Menge  Abweichungen  bietet.  Die  Beding- 
msse  dieser  Abweichungen,  insbesondere  die  von  dem  Ort,  der 
Absondernngsflächc , dem  Drnckunterschicd  in  dem  serösen  Sack 
und  dem  Blutstrom,  der  Aufenhaltsdauer  im  Körper  n.  s.  w.  könnte 
leicht  Gegenstand  genauer  Versuche  an  Thieren  werden. 

a.  Hirnwasser*).  In  den  Lücken  zwischen  Arachnoidea 
und  der  Hirn-  und  Kückenmarksfiäche,  wenn  man  will  in  den 
Maschen  der  oberHächlithsten  Gefässhautschichten,  liegt  eine  Flüssig- 
keit, welche  aus  Eiweiss,  Extraktivstoffen  und  den  Salzen  des 
Bluts  besteht.  — Die  <|uantitative  Zusammensetzung  derselben 
scheint  bei  verschiedenen  Individnen  und  selbst  dann,  wenn  sie  in 
krankhaft  vermehrter  Menge  abgesondert  wird , wenig  Verschieden- 
heit zu  bieten. 

Nach  den  Analysen  von  Tennant,  Bostock,  Marcet, 
Lassaign e , L’hdritier,  Barruel,  Haldat,  Berzelius, 
Mulder,  Länderer,  C.  Schmidt  and  Schlossberger  liegt  ihr 
Wassergehalt  zwischen  98,0  und  99,1  pCt.  Unter  den  festen  Be- 
standteilen findet  sich  1,3  bis  0,05  Eiweiss,  0,4  bis  0,2  Extrakte; 
diesen  kommt  ein  Bestandteil  zu,  welcher  CuO  reduzirt  (Bussy), 
da  er  jedoch  mit  Fermenten  keine  COj  liefert,  so  kann  es  kein 
Zucker  sein  (Turner);  CI.  Bernard**)  findet  dagegen  in  allen 
gut  genährten  Thieren  das  Hirnwasser  zuckerhaltig;  verschwindet  in 
Folge  von  Nahrungsentziehung  der  Zucker  aus  der  Leber,  so  ist  er 
auch  an  nnserrn  Ort  nicht  mehr  zu  finden.  Endlich  enthält  das  Hirn- 
wasser 1,0  bis  0,5  pCt.  Salze;  unter  ihnen  ist  das  NaCl  vorwiegend. 
Als  Beispiel  geben  wir  eine  vollkommene  Analyse  von  C.  Schmidt: 
Wasser  = 98,67 ; organ.  Subst.  = 0,37 ; 2 NaOPO,  =0,06;  KOSO3 
= 0,01;  NaO  = 0,18;  KaCl  = 0,22;  NaCl  = 0,44;  3Ca0P05 
und  3MgOPOs  = 0,03.  Nach  den  Beobachtungen  von  Schmidt 
soll  ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  den  in  der  Hirnhöhle 
und  den  anf  der  Himoberfläche  enthaltenen  Flüssigkeiten  bestehen. 
Die  erstere  soll  constant  nur  Spuren  von  Eiweiss  zeigen,  während 
die  letztere  eiweisshaltiger  ist.  Die  Wahrscheinlichkeit,  dass  diese 
Zusammensetzung  den  Flüssigkeiten  während  des  Lebens  angehöre 

*)  Berzelius,  Handbuch  d. Chemie.  IX.  Bd.  p.  198.  — L'hlrltler,  chlmie  pathnl.  p.  578.  — 
Wanderer,  Bnchn  er  * e Kepertoriom.  W.  Bd.  — Tennant,  Journal  de  chlmie  midie.  1838. — 
Schmidt,  Charakteristik  der  epidemischen  Cholera,  p.  118  0.  f.  — Valentin,  Lehrbuch  1.  Bd. 
p.  4M.  — Schlossberger,  allgemeine  Thierchemie.  Nervensystem  p.  140. 

**)  Ltfons  de  Physiologie  1865.  1.  lid.  p.  113. 

Ludwig,  Physiologie  IL  3.  Auflage.  17 


Digitized  by  Google 


258 


Her*-,  Brust-,  Bauch wasser. 


und  namentlich  nicht  in  der  Leiche  wesentliche  Veränderungen  er- 
fahren habe,  wird  begründet  durch  die  gleichlautende  Analyse  des 
Hirnwassers,  was  man  durch  Punktion  von  lebenden  Wasserköpfen 
(Länderer,  Schmidt,  Schlossberger)  oder  aus  lebenden 
Thieren  gewonnen  (Lasseigne,  Schmidt).  Wenn  die  Flüssig- 
keit durch  Funktion  entleert  wird,  so  bildet  sie  sich  rasch  von 
Neuem,  und  es  zeigt  die  neue  Flüssigkeit  die  Zusammensetzung 
der  frühem  (Schmidt). 

b.  Herz wasser*).  Der  flüssige  Inhalt  des  Herzbeutels  ist 
bei  gesunden  Enthaupteten  von  Lehmann  nndGorup  untersucht 
In  100  Theilen-  wechselte  das  Wasser  zwischen  95,51  bis  99,2,  das 
Eiweiss  zwischen  2,47  bis  0,1,  die  Salze  zwischen  0,73  bis  0,1. 
Ein  faserstoffhaltiges  Gerinnsel  fiel  unter  den  drei  Beobachtungen 
nur  einmal  aus  die  Flüssigkeit 

Krankhafte  Ansammlungen  sind  häufiger  und  mit  sehr  wechselnden  Resultaten  unter- 
sucht worden;  sie  erwiesen  sich  ebenfalls  bald  faserstoffhaltig  und  bald  faseratofffrei. 
Unter  den  Salzen  fiberwog  immer  das  Kochsalz. 

c.  Brust wasser  **).  Der  Inhalt  der  Pleura  ist  noch  nicht 
aus  dem  lebenden  gesunden  Menschen  oder  Thier  untersucht  worden.  — 
Wenn  das  Brustwasser  krankhaft  vermehrt  ist  und  dann  abgelassen 
wird,  so  ersetzt  es  sich  rasch  wieder,  vorausgesetzt,  dass  sich  die 
Lunge  nicht  mehr  bis  zur  vollständigen  Ausfüllung  des  Brustraums 
ausdehnen  kann.  Wird  dann  die  Flüssigkeit  wiederholt  abgelassen, 
so  besitzt  sie  jedesmal  annähernd  dieselbe  Zusammensetzung  (Vogel, 
Scherer,  Schmidt). 

d.  Bauchwasser.  Dasselbe  ist  nur  dann  untersucht, 
wenn  es  in  krankhafter  Menge  abgeschieden  war.  t Man  fand  in 
ihm  constant  Eiweiss,  Extrakte  und  die  Blutsalze;  in  einzelnen 
Fällen  Faserstoff,  Harnstoff  (bei  Nierenleiden?),  Zucker,  Fette  und 
Gallenpigment.  — Wird  die  Flüssigkeit  entleert,  so  entsteht  sie 
meist  rasch  wieder  und  behält  die  Zusammensetzung,  die  sie  ur- 
sprünglich besass  (Schmidt,  J.  Vogel). 

Vergleichung  der  Flüssigkeiten  aus  der  Hirn-,  Brust-  und  Bauchhöhle.  Aus  einer 
grösseren  Zahl  von  Beobachtungen  des  Hirn-,  Brust-  und  Bauchwassers  an  verschie- 
denen Individuen  und  einer  gleichzeitigen  an  den  drei  Flüssigkeiten  desselben  Menschen 
zieht  Schmidt  einige  allgemeine  Schlüsse.  — a.  Dor  Eiweissgehalt  der  wässrigen 
Ergüsse  in  den  genannten  Höhlen  erreicht  niemals  den  des  Blutserums.  — b.  Findet 
gleichzeitig  in  einem  Individuum  eine  vermehrte  Absonderung  in  den  drei  Höhlen 

•)  L'h  dritter,  1.  c.  — Lehmann,  Lehrbach  der  physiol.  Chemie.  II  Bd.  309.  — Gornp, 
Jahresbericht  ron  Scherer  für  1851.  p.  97. 

•*)  L'hdritlcr,  1.  c.  — J.  Vogel,  Putholog.  Anatomie,  j».  2(1.  — Scherer,  Chemische 
Untersuchungen  sur  Pathologie.  1843.  106  u.  f.  — Schmidt,  I.  c.  p.  129. 


Hodenwasser,  Gelenkschmiere. 


259 


statt,  so  ist  in  dem  Hirnwasser  am  wenigsten  und  in  dem  Brustwasser  am  meisten 
Eiweiss.  — F.  Hoppe*)  bestätigt  diesen  Satz  mit  dem  Beifügen,  dass  die  wässerige 
Ansammlung  im  Bindegewebe  (Oedem)  armer  an  Albumin  als  das  Brust-  und  Bauch- 
wasser sei.  Damit  sich  jedoch  die  Flüssigkeiten  der  genannten  .Reihenfolge  v.  Schmidt 
einfügon , müssen  sie  ungefähr  zu  gleicher  Zeit  gebildet  sein  und  gleich  lange  an  der 
natürlichen  Lagerungsstätte  verweilt  haben. 

e.  Hodenwasser.  Die  Flüssigkeit  der  vagina  testis  propria, 
die  nur  bei  krankhafter  Vermehrung  derselben  untersucht  wurde, 
enthält  ausser  den  wiederholt  aufgezählten  Bestandteilen  der  ttbrigen 
serösen  Säfte  meist  noch  Cholestearin  in  reichlicher  Menge  und 
Bernsteinsäure  (W.  Müller)**).  Die  Verhältnisse,  in  denen  die 
genannten  Stoffe  gemischt  sind,  und  namentlich  die  Menge  des 
Eiweisses  und  Choicstearins  wechselt  ohne  bekannte  Veranlassung 
so  ausserordentlich,  dass  die  Zusammenstellung  von  Zahlcnwerthen 
für  Flüssigkeiten,  die  ans  verschiedenen  Menschen  genommen  wurden, 
ohne  Bedeutung  ist. 

W.  Mittler  fand  in  einer  UydrocelefliUeigkeit,  die  xu  vier  verschiedenen  Zeiten  dem- 
■eiben  Menschen  entzogen  wurde,  Folgende»  (die  Zusammensetzung  ist  in  Pros,  nusgedrilckt) : 


Entleerung.  \ 

Anwosenheitsdauer  in 
der  Scheidenhaut. 

Menge  d.  Flüs-j 
i sigkeit. 

Eiweiss.  | 

Saite. 

Wasser. 

t. 

unbestimmt 

j 210  C.C. 

4,87 

0,97 

93,56 

2. 

18  Tage. 

| 180  C.C. 

4,38 

0,52 

94,01 

3. 

33  „ 

215  C.C. 

4,79 

0,85  ! 

93,65 

4. 

52  „ 

|U<,ber  250 C.C. 

5,17 

l 0,92 

93,40 

f.  Gelenks chmiere.  Ihre  Bestandteile  sind  diejenigen, 
welche  den  serösen  Flüssigkeiten  überhaupt  zukommen,  und  ausser- 
dem noch  Sehleimstoff  und  unter  allen  Umständen  abgestossene 
Epiüielialzellen.  Die  quantitative  Zusammensetzung  soll  nach  Fre- 
richs  ***)  mit  dem  Alter  und  dem  Bewegungszustande  des  Gelenkes 
wechseln;  er  stützt  sich  hierbei  auf  die  Untersuchung  je  eines  Falles. 
Nach  Freriehs  enthält  die  Synovia: 


Wasser 

Kalb. 

96,56 

Im  Stall 

gemästeter  Ochse. 

96,99 

Ochse,  der  auf  der  Weide 
zugebracht  hatte. 

94,85 

Schleim  und  Epithelien  . 

0,32 

0,24 

0,56 

Fett 

0,06 

0,06 

0,08  ' 

Eiweiss  und  Extrakte  . 

1,99 

1,57 

3,51 

NaOCl,  KO  SG),  CaOCGt, 
phosphorsanre  Salze 

j 1,06 

1,13 

1,00 

•)  V i reb  o w 's  Archiv.  IX.  Bd.  345. 

Henle'i  and  Ffeufer’a  Zeitschrift.  1 

S.  F.  VIII.  Bd.  130. 

Wagner'a  Handwörterb.  UI.  6.  p.  403. 

17* 


Jiigitizectby  Google 


260 


Sehnenscheiden  und  Schleimbeutel , Hornhaut. 


Die  Gelenke  des  jungen  und  des  ruhenden  Thiers  enthielten 
mehr  Flüssigkeit  als  die  des  sich  bewegenden.  — Die  abgestossenen 
Epithelialschuppen  sollen  sich  nach  Frerichs  mit  Hinterlassung 
der  Zellenkerne  in  der  alkalisch  rcagircnden  Gelenkschmiere  auf- 
lösen , und  diese  Auflösung  soll  die  Quelle  des  Schleims  sein.  Nach 
Luschka*)  dagegen  soll  sich  die  Höhlung  der  Zellen  mit  Fett 
füllen , worauf  diese  selbst  aflmählig  zu  Grunde  gehen. 

Sehnenscheiden  und  Schleimbeutel.  Die  Wand  dieser 
Höhlungen  schliesst  sich  den  serösen  Säcken  insofern  an,  als  sie 
aus  einer  Grundlage  von  Bindegewebe  und  einer  diesem  aufsitzenden, 
nach  der  Höhlung  gerichteten  einfachen  1‘flasteroberhaut  besteht; 
die  vollkommene  Uebereinstimmung  wird  aber  getrübt,  einmal  da- 
durch, dass  die  Bindegewebshaut  der  meisten  Sehleimbeutel  und 
alle  Sehnenscheiden  keinen  vollkommenen  Sack  von  den  anliegenden 
Bindegewebsräumen  abschliesst,  und  nächstdem  auch  durch  die 
unvollkommene  Ueberkleidung  der  vorhandenen  Wände  mittelst 
Oberhaut.  — Die  schleimige,  nach  dem  äussern  Ansehen  der  Ge- 
lenkschmiere ähnliche  Flüssigkeit,  welche  in  diesen  Höhlen  ent- 
halten ist,  hat  noch  keine  Untersuchung  erfahren.  In  ihr  setzen 
sich  häufig  durchscheinende,  gelbliche  Klümpchen  eines  stark  mit 
Flüssigkeiten  durchtränkten  Stoffes  ab.  Nach  Virchow  **)  reagiren 
sie  stark  alkalisch,  lösen  sich  nur  theilweise  in  Wasser,  hinter- 
lassen verbrannt  eine  stark  alkalische  Asche  und  stellen  sich  durch 
ihre  Reaktion  unter  die  eiweissartigen  Stoffe.  Mit  Schleim  sind  sie 
nicht  identisch. 

Hornhaut. 

Die  anatomischen  Elemente  ***)  der  Hornhaut  im  engem  Wort- 
sinn sind  Fasern  und  zellenartige  Gebilde.  Die  erstem  sind  platt 
und  lassen  sich  nicht  in  Fibrillen  zerspalten;  indem  sich  eine  grosse 
Zahl  derselben  mit  je  ihrer  breitem  Fläche  zusammenlegt,  entstehen 
aus  ihnen  bandartige  Bündel,  in  denen  also  die  breite  Seite  der 
Fasern  senkrecht  auf  der  breitem  Fläche  des  Bündels  steht.  In 
den  mittlem  und  innem  Schichten  des  Hornhautkörpers  laufen  die 
Bündel  parallel  der  Homhautwölbung,  wobei  sich  die  in  derselben 
Ebene  liegenden  nach  Art  einer  Matte  verflechten.  Hiernach  besteht 
der  genannte  Theil  der  Cornea  aus  vielen  conzentrischen  Lagen, 
von  denen  jede  einzeln  wieder  aus  jenem  Fasergeflecht  hervorgeht. 

•)  Structur  der  serösen  Häute.  Tübingen  1851.  p.  18. 

••)  Würzburger  Verhandlungen.  II.  Bd.  p.  281. 

•••)  His,  Beiträge  zur  Histologie  der  Hornhaut.  Baiei  1858.  — Henlt'i  Jahresberichte  von 
1652  an.  — Rollet,  Wiener  akad.  Sitzungsberichte.  XXXIII.  616. 


Hornhaut. 


261 


Nahe  der  vordem  Grenze  der  Cornea  neigen  eich  die  Bündel  auch 
gegen  die  Homhautflilche,  so  dass  hier  wegen  allseitiger  Faserndurch- 
krenznng  eine  innige  Verfilzung  zu  Stande  kommt,  welche  den  An- 
schein einer  homogenen  Platte,  die  sog.  vordere  Glaslage  der  Horn- 
haut erzeugt  (Rollet).  Zwischen  den  Netzplatten  der  Hornhaut 
sind  zellenartige  Gebilde  eingelagert,  welche  nach  mehreren  Seiten 
hin  Fortsätze  schicken  (Toynbee,  Virchow,  His).  Der  hintern 
Fläche  der  Hornhaut  schliesst  sich  eine  wahre  Glashaut  (membrana 
descemetii),  der  vordem  ein  Epithelium  an , welches  in  den  gleich- 
namigen Theil  der  conjunctiva  übergeht.  — Blutgefässe  besitzt  die 
Hornhaut  nur  am  änssereten  Rande.  Ihre  Nerven  empfängt  sie 
zum  Theil  aus  dem  hintern  Ciliamerven , zum  Theil  ans  dem  der 
conjunctiva ; sie  verbreiten  sich  vorzugsweise  in  den  vordem  Lagen 
der  Hornhaut;  Lymphgefässe  sind  nicht  mit  Sicherheit  beobachtet 

Die  Formen  der  Hornhaut  im  engern  Sinne  gewinnen  je  nach  der  Praparationa- 
weise  ein  verschiedenes  Ansehen.  Die  obige  Schilderung  ist  nach  den  Angaben  von 
Rollet  entworfen , welcher  sich  des  übermangansauren  Kalis  als  Zerlegungsmittel  be- 
diente, in  welchem  die  Hornhaut,  ohne  wesentlich  zu  quellen  und  zu  schrumpfen,  in 
jene  Fasern  zerfallt,  üenle  trocknet  die  Hornhaut  und  weicht  ihre  feinen  Schnitte 
wieder  auf;  Yirehow  und  His  härteten  sie  in  Holzessig. 

2.  Chemische  Eigenschaften.  Das  Fasergewebe  giebt  beim 
Kochen  einen  Leim,  der  sich  den  Reaktionen  nach  dem  Chondrin 
annähert  (J.  Müller),  ohne  mit  ihm  identisch  zn  sein  (His). 
Die  eingelagerten  Zellen  und  ihr  Inhalt  geben  die  Reaktionen  auf 
Eiweisskörper;  die  Flüssigkeit,  welche  die  Hornhaut  durchtränkt, 
ist  nach  Funke  eiweiss-  und  caselnhaltig.  Durch  längeres  Liegen 
in  übermangansaurem  Kali  werden  ihr  alle  Bestandteile  entzogen, 
welche  die  Reaktionen  des  Eiweiss  zeigen  (Rollet).  Die  tunica 
descemetii  zeigt  im  Wesentlichen  die  Reaktionen  des  Elastins.  — 
Die  epitheliumfreie  Hornhaut  des  Ochsen  enthält  nach  His  in 
100  Theilen  78  bis  74  Theile  Wasser,  20,4  Chondrigen;  2,8  Zell- 
und  Glashaut,  1,0  Salze. 

Quantitative  Analysen  der  menschlichen  Augenkapscl  (Cornea  und  Sclerotica)  theilt 
Schneyder*)  mit. 

3.  Physikalische  Eigenschaften  **).  Für  humor  aqneus  ist  sie 
so  durchgängig,  dass  derselbe  unter  einem  Druck  von  200 — 300  Mm. 
Hg  tropfenweise  durch  sie  tritt  (His).  — Die  Hornhaut  schrumpft 
in  Lösungen  von  Koch-  and  Glaubersalz  ein,  und  zwar  so,  dass 


•)  Chem.  Unterau c hangen  verachieilener  Augen.  Freiburg  im  B.  IM*. 

••)  Archiv  fUr  Ophthalmologie  18&7.  III.  Bd.  L IW. 


Digitized  by  Google 


262 


Quellung  der  Hornhaut 


mit  dev  steigenden  Dichtigkeit  das  Volum  abnimmt.  Hierbei  ist 
es  bemerkeuswerth , dass  ein  schon  sehr  geringer  »Salzgehalt  das 
Schrumpfen  sehr  merklich  machen  kann,  ln  Essigsäure  schrumpft 
dagegen  die  Hornhaut  zuerst  mit  steigendem  Säuregehalt  und  dann 
quillt  sie  wieder  auf  mit  noch  weiterer  Zunahme  des  prozentischen 
Gehaltes  an  Säure,  ln  »Salzsäure  erreicht  sie  dagegen  mit  stei- 
gendem Prozentgehalt  zwei  Ausdehnungsminima,  zwischen  denen 
ein  Ansdehnungsmaximnm  gelegen  ist  (Donders). 

Folgende  Tabellen  sind  der  Abhandlung  von  Donders  entnommen.  Die  Aus- 
dehnung wurde  bestimmt  durch  Messung  einer  Dimension  eines  feinen  Hornhaut- 
Schnittes,  der  in  die  betreffende  Flüssigkeit  gelegt  war;  die  Angaben  über  die  Ausdeh- 
nung sind  Verhältniswahlen. 


Dest.  Wasser. 

Na  CI  Lösung  inProz. 

Dest.  Wasser. 

NaO  SOj  Lösung  in  Pro*. 

IIS 

j 0,003  | 0,030  0,300 
1 

129 

0,0037  0,0370 

0,3700 

102  i 78,5  , 72,5 

118,5  109 

70,5 

Essigsäure  in  Prozenten. 

Dest. 

C1H  in  Prozenten. 

0,005  | 0,020  1,0  100,0 

W asser. 

0,025  [0,005  0,020  1,0  20,0 

I I 1 1 

22,5  1 10,0  59,0 1 66,5 

1 1 1 

21,0 

18  20,5  ! S2,0  jn!  6 

1 1 11 

Die  herausgesebnittene  epithelienfreie  Hornhaut  quillt  merk- 
würdiger Weise  auch  im  Augenwasser  auf;  so  nahm  eine  solche, 
als  sie  90  Stunden  im  bumor  aqueus  lag,  um  nahe  das  5 fache 
Gewicht  zu  (11  is)*)  — Hei  der  Quellung  ereignet  es  sich  auch  an 
diesem  Gewebe,  dass  es  bald  nach  der  Flüche  und  bald  nach  der 
Dicke  an  Ausdehnung  zunimmt. 

Die  lebende  Hornhaut  ist  dnrehgängig  für  Jodkali,  Aetzkalk, 
der  in  ihr  theilweise  als  kohlensaurer  Kalk  niedergeschlagen  wird, 
salpetersaures  Silber,  das  als  Chlorsilber  niederfällt  und  dann  re- 
duzirt  wird,  für  verdünnte  Säuren,  Atropin  und  Farbstofflösungen 
(Coceius,  His,  Gosselin)**). 

Die  Durchsichtigkeit  der  Cornea  ist  bedingt  sowohl  durch  den 
Quellungszustand  als  auch  durch  die  Natur  der  quellenden  Flüssig- 
keit; denn  sie  wird  durch  Trocknen  und  durch  ein  jedes  Schrumpfung 
erzeugende  Mittel  trüb;  bei  einer  über  das  Normale  gehenden 
Quellung  kann  sie  dagegen  durchsichtig  bleibeu  (Essigsäure)  oder 
sich  trüben  (Wasser).  Ihre  Fasern  brechen  das  Lieht  doppelt, 


•)  1».  o.  p.  34. 

••)  Meissners  Jahresbericht  für  18&C.  p.  190. 


^-Digitized  by  Goegk 


Ernährungserscheinungen  der  Hornhaut. 


263 

die  optische  Achse  derselben  scheint  mit  der  Längenachse  der  Fasern 
zusammenzufallen.  So  lange  in  der  Fötalperiode  der  Cornea  die 
Faserung  fehlt,  bricht  sie  einfach  (His).  — Ueber  den  Brechungs- 
coeffizienten  siehe  Bd.  1.  262. 

4.  Ernährungserscheinungen.  Die  Hornhaut  sehr  junger  Em- 
bryonen scheint  aus  ovalen  und  rundlichen  Kernen  zu  bestehen. 
Durch  Zerzupfen  soll  sie  sich  in  runde  oder  spindelförmige  Zellen 
zerlegen  lassen,  welche  jene  Kerne  cinschliessen.  ln  einem  etwas 
spätem  Zeitraum  des  Embryonallebens  finden  sich  die  Kerne  in 
deutlichen  Zellen,  diese  sind  abgeflacht  und  in  Schichten  gelegt, 
und  obwohl  noch  klein,  doch  schon  mit  Ausläufern  versehen ; hieraus 
geht  hervor,  dass  schon  Zwischenzellstoff  vorhanden.  In  der 
zweiten  Hälfte  des  fötalen  Lebens  wird  der  letztere  aber  erst  doppelt 
brechend  (also  faserig),  die  Zellen  und  ihre  Ausläufer  sind  grösser 
geworden.  Im  Neugeborenen  ist  die  Cornea  immer  noch  relativ 
zellenreicher  als  im  Erwachsenen,  und  die  Ausläufer,  von  je  einer 
Zelle  meist  vier,  bilden  ein  dichtes  Maschenwerk  (His).  — Die 
tunica  desceroetii  nimmt  mit  den  steigenden  Jahren  an  Dicke  zu 
(H.  Müller,  Donders). 

Im  ausgewachsenen  Kaninchen  kann  sich  ein  aus  der  Cornea 
ausgeschnittenes  Stück  wieder  vollkommen  hersteilen.  Auf  der 
verletzten  Oberfläche  erscheinen  zuerst  kleine  Fetttröpfchen,  dann 
kugelige  Kernzellen,  die  sich  nach  wenigen  Tagen  schon  in  ein 
deutliches  Epithelium  umgewandelt  haben.  Von  der  kugeligen 
Zellenschicht  aus  sieht  man  dann  die  Entstehung  neuer  Hornhaut- 
schichten vor  sich  gehen,  die  genau  das  optische  Verhältniss  der 
älteren  darbieten.  Gefässbildung  wurde  hierbei  nicht  beobachtet 
(Donders)  *). 

Die  Art  und  der  Umfang  der  Stoffbewegung  in  der  fertigen  Horn- 
haut ist  unbekannt.  Die  zu  einer  solchen  nöthigen  Zu-  und  Wegfuhr 
lässt  man  in  Ermangelung  andererWege  durch  die  Lücken  oder  Zellfort- 
sätze geschehen,  welche  zwischen  den  Fasernetzen  der  Homhautblätter 
liegen.  Die  Flüssigkeit,  die  sich  hier  bewegt,  kann  ihren  Ursprung 
nehmen  aus  den  Thränen,  dem  humor  aqueus  und  dem  Blut,  welches 
in  den  Randgefässen  der  Hornhaut  strömt.  Je  nach  dem  Druck, 
unter  dem  das  Augen-  und  Blutwasser  liegt,  der  Verdunstung  auf 
der  freien  Oberfläche  der  Cornea  oder  der  nachweislich  veränder- 
lichen Zusammensetzung  des  humor  aqueus  kann  der  Strom  bald 


•)  HollSodtoch«  Beitrfg«  184».  p.  3S7. 


— — Digitized'by  Google 


264 


Augenwaaser. 


nach  dieser,  bald  nach  jener  Seite  ins  Uebergcwicht  kommen. 

Wie  es  sich  aber  im  Einzelnen  gestaltet  und  welche  Folgen  sie  für 
das  normale  Bestehen  der  Hornhaut  haben,  bleibt  unbekannt.  So  i 

viel  ist  nur  einleuchtend  bei  der  Wegsamkeit  der  Hornhaut  flir  t 

filtrirende  und  diffundirende  Flüssigkeiten  und  bei  ihrer  grossen 
Quellungsempfindlichkeit,  dass  jede  wesentliche  Abweichung  in  der 
Zusammensetzung  der  einen  oder  andern  Flüssigkeit  sogleieh  eine 
Aenderung  der  Durchsichtigkeit  und  des  Volums  der  Hornhaut  er- 
zeugen muss. 

Ei|ie  eigentümlich!»  Rolle  Rollen  die  Zellen  der  Hornhaut  dadurch  gewinnen, 
da*«  sie  mit  eigentümlichem,  an  die  Reizbarkeit  von  Muskeln  und  NerTen  erinnerndem 
Vermögen  begabt  seien , wonach  sie  jede  Art  von  Störung,  die  ihren  normalen  Zustand 
betrifft,  mit  derselben  Aeusserung  beantworten  (Virchow,  Hi»).  Bevor  man  sich  zu 
dieser  Annahme  verstehen  kann  , muss  ermittelt  »ein , ob  nicht  darum  die  pathologi- 
schen Veränderungen , die  nach  dem  Einziehen  eines  Fadens , dem  Brennen  und  Aetzcn 
eintreten , »ich  gleich  bleiben , weil  alle  diese  Eingriffe  zu  demselben  nächsten  Erfolg 
führen , nemlich  zur  Bildung  eines  fremden  Körpers  (Brand  und  Aetzschorf)  mit  Auf- 
hebung de»  HornhautzURammenhangs. 

Au  gen  wasser.  Diese  Flüssigkeit  enthält  Eiweiss,  Harn- 
stoff*), Extrakte,  Clilornatrinm  und  geringe  Mengen  der  andern 
Blutsalze  in  Auflösung.  Nach  einer  Analyse  von  Berzelius**) 
und  zwttlfen  von  Lohmeyer***)  schwanken  in  Kalbsaugen  ihre 
festen  Bestandteile  zwischen  1,07  und  1,50  pCt.,  der  organische 
Antheil  derselben  bewegt  sich  zwischen  0,38  und  0,59  (=  28,1  bis 
45,4  pCt.  des  Rückstandes).  -—  Zieht  man  aus  allen  Analysen 
Lohmeyer’s  das  Mittel,  so  erhält  man:  Wasser  = 98,60;  feste 
Bestandteile  = 1,31;  davon  organische  = 0,467;  unorganische 
— 0,846;  Natronalb.  = 0,122;  Extrakte  = 0,421 ; Na  CI  = 0,689; 
KaCL  = 0,011;  KO SOi  = 0,022;  phosphorsanre  Erden  — 0,021; 
Kalkerde  = 0,026. 

Die  Untersuchungen  von  Schneyder  beziehen  »ich,  insofern  sie  Mensehenaugen 
betreffen,  auf  Solche,  welche  mehr  als  48  Stunden  nach  dem  Tode  ausgeschnitten 
wurden.  Sie  stimmen  jedoch  annähernd  mit  den  Angaben  Lohmeyer’s. 

Wenn  das  Augenwasser  durch  Punktion  der  Hornhaut  entleert 
wird,  so  sammelt  es  sich  rasch  wieder  an;  die  neu  entstandene 
Flüssigkeit  enthält  häufig  so  viel  Faserstoff,,  dass  sie  nach  der 
Entleerung  durchweg  gerinnt.  — Die  Gefasse,  aus  denen  sie  aus- 


•)  M Ilion,  Compt.  rend.  XXVI.  131.  — Bchneyder,  Chem.  Untersuchungen  verschiedener 
Augen.  1355. 

•■)  Handbuch  der  Chemie.  IX.  Bd.  p.  530. 

•**)  Henle’s  und  Pfeufer's  Zeltschr.  V.  Bd.  — Don  ca  n,  onderzockingen  etc.  Utr. 
1MU— 54.  171.  1 


- 


Glaskörper.  Linse. 


265 


geschieden  wird,  gehören  wahrscheinlich  der  Iris  und  den  Ciliar- 
fortsätzen an,  weil  mit  einer  Stockung  des  Blutjaufw  in  denselben 
sich  die  Znsammensetznng  der  Flüssigkeit  so  weit  ändern  kann, 
dass  in  ihr  Eiterkörperchen  entstehen.  Nach  Gosselin  nehmen 
auch  die  Thränen  an  ihrer  Bildung  Antheil. 

Glaskörper. 

In  Chromsäure  gehärtet,  zeigt  er  auf  äquatorialen  Durch- 
schnitten eine  Streifung,  welche  von  der  Glashant  gegen  den  von 
vom  nach  hinten  gezogenen  Durchmesser  (die  Glaskörperachse) 
zusammenläuft  (Hannover).  Häute,  die  in  dieser  Richtung 
verlaufen,  können  nicht  aufgefunden  werden  (l)onders).  Da- 
gegen erkennt  man  in  ihm  Fasemetze,  unregelmässig  gelegene, 
strukturlose  Hantsttlckchen , Zellen  mit  und  ohne  Ausläufer,  die 
bald  einzeln  laufen  und  bald  zu  Gruppen  vereinigt  sind  (Bow- 
raan,  Virchow,  Doncan). — In  den  Zwischenräumen,  welche 
diese  feste  Masse  einschliessen,  liegt  eine  wässerige  Lösung  von 
Eiweiss,  Harnstoff  (Millon,  Wühler,  Marchand),  Extrakten 
und  Salzen.  Nach  den  Beobachtungen  von  Berzelius,  Frerichs 
und  Lohmeyer  schwankt  der  Wassergehalt  des  Glaskörpers 
zwischen  98,23  und  98,86  pCt. ; der  feste  Rückstand,  welcher  im 
Mittel  1,36  pCt.’  beträgt,  enthielt  von  0,39  bis  0,48  pCt.  organische 
Bestandteile.  Aus  seinen  Analysen  leitet  Lohmeyer  die  mitt- 
lere Zusammensetzung  des  Glaskörpers  ab:  Wasser  = 98,64; 

Häute  = 0,02;  Natronalbuminat  = 0,14;  Fettspuren;  Extrakte 
= 0,32;  Na  CI  — 0,77;  KaCl  — 0,06;  KaS03  = 0,01;  3 (MgO, 
CaO,  FejOs)  POs  = 0,02;  CaO  — 0,01. 

Die  Schwankungen  in  der  Zusammensetzung  lassen  die  endos- 
motischen Beziehungen  zwischen  der  Blut-  und  der  GlasflUssigkeit 
erkennen ; eine  Erklärung,  welche  durch  die  Erfahrung  bestätigt  wird, 
dass  die  mit  Krapproth  gefütterten  Thiere  eine  gefärbte  Glasflüssig- 
keit besitzen.  — Wird  der  Glaskörper  nach  der  Geburt  zerstört, 
so  bildet  er  sich  nicht  wieder. 

Virchow  giebt  an,  dass  der  Glaskörper  8ehleim  enthalte;  eine  Thataache,  die 
ron  verschiedenen  Seiten,  u.  A.  von  Sch  lossberger  bestritten  wird. — Nach  Loh- 
me je  r enthalt  derselbe  nicht  immer  Harnstoff.  Ueber  den  Brechungsindez  siehe 
L Bd.  p.  262. 

Linse. 

1.  Anatomische  Eigenschaften.  Die  strukturlose  Linsenkapsel 
trägt  auf  der  Innenfläche  ihrer  Vorderwand  eine  Decke  von  kern- 


— * Digifeed  by  Google 


266 


Zusammensetzung  der  Linse. 


haltigen  Pt)  asterzellen  (Heule)*),  an  der  sich  noch  weiter  nach 
Innen  unmittelbar  die  Linsenröhren  mit  ihren  fernen  Wandungen 
und  sehr  durchsichtigem  Inhalt  anschliessen.  An  dem  Rand  zwischen 
hinterer  und  vorderer  Fläche  befinden  sich  nach  Kölliker**) 
Uebergänge  zwischen  den  Epithelialzellen  und  Linsenröhren.  Der 
Kern  enthält  keine  deutlichen  Röhrenelemente  mehr.  Die  Schich- 
tung der  Linsenfaserung  fuhrt  zu  Blättern,  welche  der  Kapselwand 
gleich  laufen. 

2.  Chemische  Zusammensetzung.  Von  der  Kapselhant  weiss 
man  bis  dahin  nur,  dass  sie  sich  bei  anhaltendem  Kochen  in  zwei 
durch  ihre  Reaktionen  verschiedene,  in  Wasser  lösliche  Stoffe  um- 
setzt (Strahl).  — Die  Wand  der  Linsenröhre  besteht  ans  einem 
im  Wasser  nnlösliehen  Stoff.  Der  Röbreninhalt  hält  einen  Stoff  in 
Auflösung,  der  nach  Mulder’s  Analyse  zu  den  eiweisshaltigen 
mit  locker  gebundenem  Schwefel  gehört ; seiner  Reaktion  nach  stellt 
ihn  Berzelins  zum  Globulin.  Vintschgau***)  zeigte  jedoch, 
dass  er  mit  Albumin  identisch  sei.  Fällt  man  denselben  durch  Er- 
hitzen ans  der  Flüssigkeit,  so  soll,  wie  Berzelins  berichtet,  eine 
saure  ExtraktflUssigkeit  Zurückbleiben,  welche  in  ihren  Eigenschaften 
an  die  FleischflUssigkeit  (?)  erinnert.  Nach  Lohmeyer  kommt  in 
der  Linse  ziemlich  viel  Cholestearin  vor.  Die  Menge  der  in  Wasser 
unlöslichen  Linsenbestandtheile  (der  Röhrenwand)  ist  sehr  gering- 
fügig. Der  Wassergehalt  der  Linse  nimmt  von  aussen  nach  innen 
ab.  Payenf)  giebt  folgende  prozent.  Zusammensetzung  für  die 
Linse  der  Ochsen: 

Aeussere  Schicht  Mittlere  Schicht  Innere  Schicht 

Wasser 70,50,  54,88,  45,74. 

In  Wasser  unlösl.  Faser  . 0,002,  0,033,  0,027. 

Sie  enthält  0,35  pCt.  Asche,  also  nur  etwa  halb  so  viel,  als 
im  humor  aqueus  vorhanden  ist. 

Preray  nnd  V alcnci  enn  e sft)  behaupten  eine  Verschiedenheit  des  im  Kern  ent- 
haltenen Albumins  von  dem  in  den  äussern  Schichten  Torkommenden.  Diese  Angabe 
widerlegt  Payen.  Eine  viel  grössere  Zahl  = 3,5  pCt  giebt  Schneyder  f++) 
den  Röhrenwanden  der  Menschenlinsen ; vielleicht  darum , weil  er  die  Linse  vor  Beginn 
der  Analyse  trocknet. 


*)  Henle’s  und  Pfeufer's  Zeitschrift.  N.  F.  V.  Bd. 

**)  Handbuch  der  Gewebelehre,  II.  Bd.  731. 

•**)  Wiener  akad.  Sitzungsberichte.  XXIV.  493. 
t>  Gazette  mddicale.  1857. 
tt)  Compt.  rend.  44.  Bd.  Juni. 

1 S 1)  L,  c.  p.  35. 


Digitized  by  Google 


Wachst  hum  der  Linse. 


267 


3.  Physikalische  Eigentümlichkeiten.  Die  Kapselhaut  ist  sehr 
elastisch,  aber  nicht  sehr  fest,  sie  ist  für  Wasser  und  Na  CI  leicht 
durchgängig.  — Das  spez.  Gewicht  der  Faserung  beträgt  an  dem 
Linsenumfang  = 1,076  und  im  Linsenkern  = 1,194  (Chevenix). 
Zu  den  breehenden  und  polarisirenden  Eigenschaften  der  Linse,  die 
schon  früher  erwähnt  sind,  fügt  Valentin*),  dass  jedes  aus 
mehreren  Lagen  zusammengesetzte  Linsenstltek  sich  wie  ein 
negativ  einachsiger  Krvstall  verhalte ; die  doppeltbrechenden  Eigen- 
schaften treten  in  frischen  Linsen  weniger  hervor  als  in  getrübten 
oder  getrockneten.  — Die  Füllung  der  Linsenröhren  mit  einer  con- 
zentrirten  Eiweisslösung  kommt  unzweifelhaft  der  Durchsichtigkeit 
zu  Gute.  Diese  Flüssigkeit  wirkt  hier  ganz  nach  demselben  Prinzip, 
nach  welchem  Brücke  mit  einer  ähnlichen  die  Darmhaut  zu 
mikroskopischen  Untersuchungen  durchsichtig  machte.  Die  Gegen- 
wart des  Eiweissstoffes  hebt  nemlich  den  Unterschied  der  Brechungs- 
coöffizienten  zwischen  Wasser  und  den  Häuten  der  Linsenröhren  auf. 

4.  Die  Linsenernährung.  — Bei  der  Vergrösserung  der  Linse 
während  des  Wachsthums  nimmt  die  Zahl,  nicht  aber  der  Umfang 
der  Röhren  zu  (Harting).  Die  Linsenröhren  bilden  sich  nur 
unter  Beihülfe  der  Kapsel,  wie  von  Valentin**)  durch  Versuche 
am  Kaninchen,  von  Sömmering'und  Textordurch  Beobachtungen 
am  Menschen  erwiesen  ist.  Die  Formfolge,  welche  bei  ihrer  Ent- 
stehung vorkommt,  beschreibt  H.  Meyer***)  in  der  Art,  dass 
zunächst  Epithelialzellen  auftreten,  welche  ailmählig  zu  Röhren  aus- 
wachsen  und  sich  dabei  Uber  die  vordere  und  hintere  Linsenfläche 
gleichzeitig  hinüberschlagen.  Die  jüngsten  Schichten  der  Linse  sind 
demnach  auf  der  vorderen  mit  Epithelien  bedeckten  Wand  zu 
suchen,  während  die  ältesten  den  Kern  einschliessen.  Die  Kapsel- 
wand ist  also  die  Form,  in  welche  die  Linse  gegossen.  — Daraus 
folgt , wie  Valentin  bestätigt , dass  die  Schichtung  der  Linse, 
welche  sich  in  einer  entleerten  Kapsel  neu  bildete,  Unregelmässig- 
keiten zeigen  muss,  da  die  Vorderwand  der  letztem  durch  den 
Einschnitt  theilweise  zerstört  und  jedenfalls  verbogen  ist.  Die 
chemischen  Umsetzungen,  welche  diese  Entstehung  begleiten,  sind 
unbekannt;  der  zur  Bildung  führende  Stoff  wird  bei  dem  ersten 
Auftreten  aus  einem  Blutgefässnetz  geliefert,  welches  in  der  Fötal- 


*)  Graefc’s  Archiv  für  Ophthalmologie.  111.  2.  p.  82?. 

*+)  Henle'a  and  Pfeufer'e  Zeitschrift.  11.  Bd. 

*••)  M tt  1 1 e r * a Archiv.  1862. 


Digitized  by  Google 


268 


Ernährung  der  Linse. 


periode  bis  zu  der  Kapsel  reicht.  Bei  der  Regeneration  der  aus- 
geschnittenen  Linse  muss  er  durch  die  wässerige  Feuchtigkeit  hin- 
durchwandem.  — Verwundungen  der  Kapsel  heilen  beim  Thiere 
leicht,  schwerer  beim  Menschen  (Dieterich),  aber  sehr  voll- 
kommen (Donders)*).  Die  ausgebildete  Linse  soll  während  der 
Lebensdauer  in  Umsetzungen  begriffen  sein.  Ftir  diese  Behauptung 
fehlt  allerdings  das  beweisende  Maass,  aber  sie  ist  sehr  wahr- 
scheinlich. Denn  einmal  ist  die  Natur  der  flüssigen  Linsensubstanz 
zur  Umsetzung  geneigt , und  die  von  Berzelius,  wenn  auch  noch 
so  unvollkommen  beobachteten  Extrakte  deuten  auf  das  Bestehen 
einer  solchen  Umsetzung  hin.  Dabei  braucht  man  aber  nicht  noth- 
wendig  an  ein  stetiges  Auflösen  und  Neubilden  von  Linsenröhren 
zu  denken,  obwohl  dieser  Vorgang  Vorkommen  könnte.  Man  fühlt 
sich  sogar  veranlasst,  an  ihn  zu  denken,  weil  nur  die  Vorderfläche 
der  Linsenzellen  und  der  Linsenränder  Mittelstufen  zwischen  diesen 
und  ausgebildeten  Röhren  tragen.  Analog  der  Epithelienlagen 
kommen  also  die  jttngern  Formen  an  der  Seite  vor,  wo  die  Linse 
mit  einer  Gefässschieht,  in  unsermFall  mit  den  hintern  Irisgefässen 
und  den  Ciliarfortsätzen,  in  Berührung  ist.  — Die  eigentümliche 
Lagerung  der  Linse  scheint  auch  eine  Regeneration  der  Eiweiss- 
stoffe zu  verlangen;  denn  es  sind  diese  in  dem  Wasser  der  vor- 
dem Augenkammer  und  in  der  Glasfeuchtigkeit  löslich  (Auflösung 
der  Linse  bei  der  Zerstückelung),  die  Kapselhaut  erlaubt  ihren 
Durchgang,  also  müssen  sie  in  diese  Flüssigkeiten  diffundiren,  und 
weil  sie  hier  nicht  Vorkommen,  so  müssen  sie  auch  wieder  von  da 
entfernt  werden,  so  dass  die  Diffusion  zwischen  Linseninhalt  und 
umgebenden  Flüssigkeiten  unverändert  fortdanert.  Vergiftet  man  nach 
Kunde  einen  im  Trocknen  auf  bewahrten  Frosch  mit  Kochsalz, 
so  trübt  sich  die  Linse , wobei  das  Eiweiss  in  den  Röhren  niederge- 
schlagen wird  und  die  lösende  Flüssigkeit  als  durchsichtige  Tropfen 
inden  Röhren  zurückbleibt.  Diese  Trübung  schwindet,  wenn  sich  der 
Frosch  wieder  erholt.  Dieselbe  Erscheinung  lässt  sich  erzeugen, 
wenn  man  einen  Frosch  unter  0°  aufbewahrt,  wobei  er  gefriert; 
lebt  das  Thier  in  höherer  Temperatur  wieder  auf,  so  kehrt  die 
Durchsichtigkeit  wieder.  — An  der  ausgeschnittenen  Linse  der 
Bäugethiere  lassen  sich  durch  Kochsalz  und  Gefrieren  die  gleichen 
Resultate  erzielen  (Kunde)  **). 


•)  Ondentoek  Ingen  In  bet  phyalologlsch  Laboratorium. 

••)  Würzburger  Verbind lungen.  VII.  Bd.  1866.  — 
*.  376. 


Jeur  VII.  (1865—66.)  p.  17*. 
Archiv  fllr  Ophthalmologie. 


in.  Bd. 


Knorpel. 


269 


Knorpel. 

1.  Die  anatomische  Beschreibung*)  theilt  dem  Knorpel  Zellen 
und  eine  Grundmasse  zu;  durch  die  Besonderheit  dieser  letzten» 
unterscheidet  sich  der  durchscheinende  (hyaline)  und  der  Netz-  oder 
Faserknorpel.  Die  Grundmasse  des  hyalinen  Knorpels  ist  durch- 
scheinend gleichartig,  elastisch  härtlieh;  in  sie  sind  Höhlen  ein- 
gegraben, welche  in  frischem  Zustande  vollkommen  erfüllt  werden 
von  einer  zartwandigen  Zelle , die  einen  Kern  und  eine  bald  klare, 
bald  mit  Körnchen  oder  Fetttröpfchen  getrübte  Flüssigkeit  ein- 
schliesst.  Ausser  diesem  Befund  lässt  zuweilen  der  frische  oder 
der  mit  Schwefelsäure  behandelte  Knorpel  in  der  Grundmasse 
noch  einen  Umriss  sehen,  der  in  geringer  Entfernung  von  der 
Knorpelhöhle  läuft  Daraus  schliesst  man,  dass  die  Knorpelböhlen, 
welche  die  Zelle  einschliesst , selbst  wieder  eine  von  der  Gmnd- 
masse  gesonderte,  aus  dem  chemischen  Stoff  dieser  letztem  ge- 
bildete dicke  Hülle , die  Knorpelkapsel , besitzt,  ln  häufigen 
Fällen  ist  aber  die  Grundmasse  des  hyalinen  Knorpels  nicht  gleich- 
artig, sondern  von  Krümeln  (Kalkerde)  durchsetzt,  welche  bis  in 
die  Knorpelkapsel  reichen,  oder  es  sind  nnregelmässige  Höhlen  in 
ihr  vorhanden,  welche  mit  Fettzellen  und  Blutgefässen  (Knorpel- 
mark) erfüllt  sind.  — Im  Faserknorpel  finden  sich  die  Knorpel- 
zellen und  Knorpelkapseln  eingebettet  in  eine  faserige  Grandlage. 
Ihre  Fasern  können  bald  steif  und  geradlinig  begrenzt,  bald  aus 
den  fein  gewellten  Bindegewebsfibrillen , bald  endlich  aus  den  netz- 
förmigen, elastischen  Fasern  gebildet  sein.  An  den  Orten,  an 
welchen  die  Grundsubstanz  durch  elastisches  Gewebe  gebildet  wird, 
sollen  von  der  Wand  der  umschliessenden  Zellen  feine  Fasern 
auslaufen. 

2.  Chemische  Zusammensetzung**).  — Die  durchscheinende, 
körnige  oder  glattfaserige  Zwischenmasse  ist  vorzugsweise  Chon- 

•)  Benl«,  Allgemeine  Anatomie.  Leipzig  1842.—  Mold  er,  Physlolog leche  Chemie,  p.  697.— 
B.  Meyer,  Der  Knorpel  and  «eine  Verknöcherung.  — Müller*«  Archiv.  1849.  — Donder«, 
Mikroskopische  und  mikrochemische  Untersuchungen  Oder.  Gewebe.  Holländische  Beiträge.  260.  — 
Derselbe,  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie.  III.  Bd.  348.  — Virchow,  Verbs nd langen 
der  physlkal.  mediz.  Gesellschaft  In  Würzburg.  II.  Bd.  p.  152.  — Remak,  Ueber  extracellulare 
Entstehung  thierischcr  Zellen.  - Mül  ler 's  Archiv.  1852,  53  u.  56 ; Entstehung  des  Bindegewebes 
und  Knorpels,  ibid.  58.  — Rhein  er,  Beiträge  zur  Histologie  des  Kehlkopf».  WUrzburg  1852.  — 
Bergmann,  Disqnlsitiones  microscop.  de  cartllagi albus.  Dorp.  1850.—  Bruch.  Beiträge  zur 
Entwicklungsgeschichte  des  Knochensystems.  Basel  1851.  p.  29  u.  f.  — Brandt,  Disqnlsitiones 
de  ossificationls  procesau.  Dorpat  1852.  — K Öllik  er,  Handbuch  der  Gewebelehre.  3.  Aull. 
1859.  63. — Aeby,  Göttinger  Nachrichten.  1867. — Füratenberg,  MUllcr’fl  Archiv.  1857.— 
Freund,  Beiträge  zur  Histologie  der  Rippenknorpel.  Breslau  1858. 

**)  Simon,  medizinische  Chemie.  II.  Bd.  510.  — Mn  Id  er,  physiolog.  Chemie.  697.  — 
v.  Bibra,  Chem.  Untersuchungen  über  Knochen  and  Zähne  des  Menschen.  Schweiufurt  1844.  — 


Digitized  by  Google 


270 


Knorpel. 


(Ingen.  Denn  cs  wird  beim  Kochen  nur  die  Grundsubstanz  auf- 
gelöst, während  die  Zellen  ungelösst  Zurückbleiben  (Mulder, 
Donders).  Die  Wand  der  Knorpelzellen  soll  annähernd  die 
Reaktionen  des  elastischen  Gewebes  und  der  Eiweisskörper  dar- 
bieten; der  Inhalt  der  Knorpelzellen  fährt  Fett.  — Der  hyaline 
Knorpel  hiuterlässt  beim  Verbrennen  eine  Asche,  die  aus  CI,  SOs, 
Püs,  OOa,  MgO,  CaO,  NaO  besteht,  sie  enthält  also  kein  KO.  — 
Von  diesen  Mineralbestandtheilen  bildet  sieh  die  SO3  zum  Theil 
aus  dem  Schwefel  der  Chondrigens ; die  ganze  Menge  dieser  Säure 
soll  jedoch  zu  gross  sein,  als  dass  sie  ans  dem  Schwefel  des  ge- 
nannten Körpers  abgeleitet  werden  könnte  (Schlossberger). 
Die  l’Os,  welche  mit  CaO  verbunden  ist,  scheint  iu  dem  Chondrigen 
enthalten  zu  sein;  denn  jede  Chondrinlösung  fährt  phosphorsaure 
Kalkerde.  Die  prozentische  Zusammensetzung  des  Knorpels  ist 
sehr  variabel,  wie  cs  schon  die  mikroskopischen  Ansichten  desselben 
erwarten  lassen.  Bibra  faud  Ln  100 Theileu  menschlichen  Knorpels 
festen  Rückstand  30  bis  46,  und  in  diesem  Asche  2 bis  7 Theile.  — 
Der  Knorpel  mit  einer  Grundmasse  aus  Bindegewebe  liefert  beim 
Kochen  Colla;  ob  auch  Chondrin,  ist  zweifelhaft.  Man  erhält  dieses 
letztere  dagegen  aus  elastischem  Knorpel;  da  sich  hierbei  die 
Knorpelzelleu  erhalten  und  nur  insofern  sich  verändern , als  ihre 
Wand  sich  verdünnt  (Mulder,  Donders,  Hoppe),  so  muss 
Chondrigen  iu  den  Verdickungsschichten  enthalten  sein.  Das 
Zwischengewebe  der  zuletzt  erwähnten  Knorpelart  ist  elastischer  Stoff. 

Zu  den  Uber  Chondrin  mitgetheilten  Thatsachon  (Bd.  V.  p.  5<i)  ist  nach  neuern 
Beobachtungen  noch  hinzuzufügon , dass  Hochleder  und  Mayr*)  das  Chondrin  aus 
Albumin  dargeatellt  haben,  welches  in  einer  sau  e rsto  fff r eien  Atmosphäre  mit  Salzsäure 
oder  Baryt  warm  behandelt  wurde. 

3.  Waehsthum  und  Ernährung,  ln  der  Fütalperiode  werden 
die  einfachen  Bildungszellen  an  den  Orten,  die  späterhin  Knorpel 
enthalten,  allmählig  grösser  und  nehmen  statt  der  kugeligen  eine 
Eiform  an,  dabei  verdickt  sich  die  Wand  und  es  mehrt  sich  die 
Zwischenmasse.  Zugleich  nimmt  die  Zahl  der  Zellen  in  der  Weise 
zu,  dass  sie  nach  vorgängiger  Spaltung  des  Kerns  sieh  theilen, 
worauf  dann  ein  Fortsatz  der  Zwischenmasse  zwischen  die  beiden 
ursprünglich  zusammengehörigen  Gebilde  sich  einschiebt  (Virchow, 


Hoppe,  Virehow'a  Archir.  V.  bd.  — Derselbe,  Journal  für  prakt.  Chemie.  66.  Bd.  12$.  — 
Zellinsky  In  Henlo's  Jahresbericht  flir  1853.  p.  67.  — Scheier,  Liebig'a  Annalen.  40. Bd. 
p.  49.  — Schlossberger,  allgemeine  Thierchemie.  1.  Bd. 

*)  Wiener  Akud.  Sitzungsberichte.  XXIV.  39. 


Wachsthum  des  Knorpels. 


271 


Aeby).  Die  Veränderungen  im  wachsenden  Knorpel  der  Gebo- 
renen sind  nicht  an  allen  Oertlichkeiten  Übereinstimmend.  — Ver- 
gleicht man  die  Kippenknorpel  eines  Neugeborenen  und  Erwachsenen, 
so  zeigt  sich,  dass  die  Gesammtsunime  der  Höhlen  im  erwachsenen 
Knorpel  ahgenommen , die  Höhlungen  selbst  grösser  geworden  und 
durch  eine  stärkere  Einlagerung  von  Grundgewebe  auseinander 
gedrängt  sind  (Harting)*).  Fllgt  man  zu  diesen  Erfahrungen 
die  allerdings  noch  zu  beweisende  Voraussetzung,  dass  die  einmal 
gebildete  Knorpelzelle  während  der  ganzen  Lebensdauer  Bestand 
hat,  so  würde  gefolgert  werden  müssen,  dass  Zellenraum  und 
Grundgewebe  gleichzeitig  an  Ausdehnung  zunebmen;  zugleich  aber 
darf  die  Einlagerung  auf  der  einen  und  die  Auflösung  auf  der 
andern  Seite  nicht  gleichen  Schritt  halten;  namentlich  muss  die 
Auflösung  öfter  so  weit  sich  erstrecken,  dass  zwei  Knorpelhöhlen 
miteinander  verschmelzen,  weil  sonst  die  Zahl  derselben  im  Er- 
wachsenen nicht  geringer  als  in  der  Jugend  sein  könnte.  Neben 
den  geschilderten  YVachstkumserscheinungen  treten  in  den  hyalinen 
Knorpeln  noch  andere  sichtbare  Veränderungen  auf.  Insbesondere 
wird  die  Grundsubstanz  körnig,  faserig,  zuweilen  auch  so  erweieht, 
dass  sieh  kleinere  unregelmässige  Höhlen  bilden , die  sich  mit  Fett- 
tröpfchen, Blutgefässen,  Bindegewebe  füllen  (II.  Meyer,  Don- 
ders).  — In  den  Faserknorpeln  dagegen,  namentlich  in  der  lig- 
intervertebralia  und  den  Synchondroseu  sind  ausnahmslos  die  Zellen- 
höhlen des  spätem  Lebens  kleiner  als  die  des  frühem;  da  die 
ältere  Waud  aus  eonzentrischen  Schichten  besteht,  so  scheint  es 
fast,  als  sei  die  Zellenhöhle  durch  periodisch  auf  die  innere  Wand- 
fläche erfolgende  Absätze  verengert  worden  (Donders). 

Der  Knorpel  gehört  zu  den  Formbestandthcilen,  welche  sich 
auch  im  Erwachsenen  neu  bilden  können.  Um  so  auffallender 
ist  cs,  dass  Knorpelwunden  durch  Bindegewebe  heilen  (lied- 
fern)  **). 

Da  der  Knorpel  nur  änsserst  selten  mit  Gefässen  durchzogen 
ist,  so  müssen  die  Flüssigkeiten  durch  Diffusion  fortschreiten,  welche 
die  Atome  ein-  und  ausfilhren  zum  Vortheil  des  Stoffumsatzes, 
der  nach  den  anatomischen  Beobachtungen  unzweifelhaft  vor- 
handen ist. 

Das  Wenige,  was  wir  Uber  physikalische  Eigenschaften  kennen, 
ist  schon  früher  erwähnt  (Bd.  I.  p.  492). 

•)  Recherche*  micrometr.  p.  76. 

■•)  He  nie 's  Jahregberlcht  fUr  1661.  p.  52. 


Digltized  by  Google 


272 


Knochen. 


Knochen. 

1.  • Anatomische  Beschaffenheit  *).  Die  Knocbenmasse  setzt 
sich  aus  dünnen  mit  einander  verwachsenen  Platten  zusammen, 
welche  in  conzentrischen  Lagen  nm  die  mikroskopischen  Röhren 
geschichtet  sind,  die  als  Leitungsrühren  der  Rlutgefässcapillaren 
den  Knochen  netzförmig  durchziehen.  Die  Substanz  der  Knochen- 
plättchen (also  die  knöchernen  Wandungen  der  Gefässröhren),  welche 
öfter  optisch  homogen,  zuweilen  aber  auch  gekörnt  erscheint,  ist 
abermals  von  einem  besondem  Höhlensystem,  den  Knochen-  oder 
Strahlenkörperchen  und  ihren  Ausläufern,  durchbrochen.  Ein  jedes 
dieser  Strahlenkörperchen  ist  nemlich  nichts  anderes,  als  eine  ei- 
förmige Lücke  in  der  Knochensubstanz,  von  welcher  eine  grössere 
oder  geringere  Zahl  hohler  Ausläufer  ausstrahlt;  die  Ausläufer  be- 
nachbarter Knochenkörperchen  anastomisiren  mit  einander,  und 
diejenigen,  welche  unmittelbar  an  die  Gefässröhren  und  an  die 
Knochenoberfläche  grenzen,  münden  frei  in  die  erstereu  und  unter 
das  Periost,  so  dass  durch  jeden  Knochen  ausser  dem  Netz  der 
Gefässröhren  noch  ein  zweites  ausserordentlich  viel  feineres,  aber 
dafür  dichteres  und  verbreiteteres,  herläuft.  Da  die  Knochen- 
körperchen in  den  Knochensebichten  in  ziemlich  regelmässigen  Ab- 
ständen gelagert  sind,  so  bilden  die  Verbindungslinien  derjenigen 
von  ihnen,  welche  in  einer  Horizontalebcne  liegen  und  zu  einem 
der  conzentrisch  gelagerten  Knochenplättchen  gehören,  eine  ähn- 
liche Form  wie  die  Contur  der  Knochenplättchen  selbst,  d.  b.  die 
Zellenhöhlen  liegen  abermals  in  mehreren  Lagen  conzentrisch  um 
die  Gefässröhren.  Zu  den  beiden  eben  beschriebenen  Lticken- 
systemen  kommt  endlich  noch  ein  drittes  sehr  unregelmässig  ge- 
staltetes, welches  vorzugsweise  das  Innere  des  Knochens  durch- 
zieht, wo  es  als  Markhöhle,  diploötisches  oder  spongiöses  Gewebe 
bekannt  ist.  — Jede  der  drei  Hühlenarten  schliesst  nun  auch  be- 
sondere Weicbgebilde  ein.  Die  strahlenförmigen  Hohlen  sind  bis 
in  ihre  letzten  Zweige  nach  V i r c h o w **)  ausgekleidet  mit  einem 
ihren  Wandungen  eng  anliegenden  Häutchen;  fasst  man  also  die 
Haut  der  eiförmigen  Höhle  als  einen  Zellenkörper  und  die  der  Aus- 
läufer als  Zellenstrahlen  auf,  so  kann  man  sich  auch  dahin  aus- 
tlrUcken,  dass  der  Knochen  von  einem  Netz  strahlig  verästelter, 


•)  H.  Meyer,  der  Knorpel  und  «eine  Vcrknochung.  Müller’*  Archiv.  1M9.  — Kölllker, 
mikroskopische  Anatomie.  II.  Bd.  I.  Abthl. 

••)  WUrxbnrger  Verhandlungen.  II.  Bd  160.  — Hoppe,  Vlrchow’«  Archiv.  V.  Bd.  174.— 
Vir  che  w,  itJd.  p.  446. 


Chemische  Zusammensetzung  der  Knochen. 


273 


anastomisirender  Zellen  durchzogen  sei.  Jedes  Körperchen  schliesst 
ausserdem  noch  ein  anderes  kleines  Zellengebilde,  einen  sog,  Kern, 
und  Flüssigkeiten  in  sich.  Die  Gefässkanäle  umschliessen  die  Blut- 
gefässe, Bindegewebe,  Nerven , und  in  den  Marklllcken  ist  ein 
Gemenge  von  Bindegewebe,  Fetttropfen,  Fett-  und  Markzellen, 
Blutgefässen  und  wässerigen  Feuchtigkeiten  enthalten.  Die  Knochen- 
oberfläche ist  schliesslich  von  einer  Bindegewebshaut,  dem  Periost, 
überzogen,  in  welcher  die  Gefiisse  und  Nerven  laufen,  bevor  sie 
in  die  Gefässkanälchen  des  Knochens  eindringen. 

2.  Chemische  Zusammensetzung*).  Der  Analytiker  bereitet 
sich  das  Knochengewebe  so  vor,  dass  er  einen  Knochen  pulvert, 
das  Flockige  durch  Schlemmen  wegschafft,  den  schweren  Boden- 
satz mit  Wasser  und  Alkohol  und  Aether  vollkommen  erschöpft. 
Dieser  Rest  ist  meist  frei  von  Bindegewebe,  Zell-  und  GefUsshäuten, 
und  das  Wasser  hat  offenbar  manche  dem  Knochengewebe  unge- 
hörige Bestandtheile  entfernt.  — Dieses  sog.  Knochengewebe  enthält 
an  organischen  Bestandteilen  solche,  die  leicht  in  Säure  löslich  sind 
(Fremy)  und  andere  darin  schwer  lösliche;  diese  letztere  nennt 
man  Knochenknoi;pel,  sie  geben  bei  der  Verbrennungsanalyse 
die  prozentische  Zusammensetzung  der  Colla,  nemlieh  C50,l; 
117,1;  N 18,4;  0 und  S 24,3  (v.  Bibra).  — Die  Knochenerde, 
welche  durch  Einäscherung  eines  Knochen  dargestellt  wird,  besteht 
aus  Fluorcalcium,  CaOCOj,  3CaOPOo,  3MgOPO:,  (Heintz).  — 
ln  dem  Waschwasser  des  Knochens  oder  in  der  Asche  nicht  voll- 
kommen ausgewaschener  Knochen  ist  noch  enthalten  Na  Gl,  NaOCOs, 
HN:i,  FczOs. — Nach  den  Analysen  von  lieintz,  den  genauesten, 
welche  wir  besitzen,  bestehen  100  Theile  Knochenerde  aus  CaO  CO2 
- 9,1;  3 CaO POs  = 85,7;  3MgOPOä  — 1,7;  CaFl  — 3,0.  Alle 
übrigen  Analysen,  welche  Ausstellungen  inan  auch  sonst  an  ihnen 
machen  kann,  bestätigen  doch,  dass  immer  die  phosphorsaure  Kalk- 
erde weit  überwiegt,  und  dass  das  Verhältniss  zwischen  den  ein- 
zelnen Erdsalzen  durchaus  kein  gleichbleibendes  ist.  Nur  wenn  mau 
sich  mit  einem  Ungefähr  befriedigt,  kann  die  Annahme  von  Fremy 
bestehen,  dass  auf  1 Aeq.  Kohlensäure  3 Aeq.  Phosphorsäure 
kommen.  — Der  Knorpel  und  die  Erden  sind  innig  nebeneinander- 


•)  Berzelius,  Lehrbuch  der  Chemie-  IX.  Bd.  1840.  — Marchand,  phyaiolog.  Chemie.  Berlin 
1842.  81.  — v.  Blbrn,  ehern.  Untersuchungen  etc.  Schwelnftirt  1844.  — Heintz,  Uber  die  Zu- 
’axnm^n Atzung  der  Knochenerde.  Berliner  Monatsberichte.  1841».  1.  Heft.  — Keghau  Id  und 
Gossel  in,  Archiv,  glnlru).  du  mtfd.  1849.  Juliheft.  — Mulder,  phvsiolog.  Chemie,  p.  CIO.  — 
Fremy,  Annalee  de  chimie  et  pbyslque  186S.  Bd.  43.  p.  4«.  — v.  Recklinghausen,  Archiv 
fUr  patholog.  Chemie.  XIII.  Bd. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  16 


Digitized  by  Google 


274 


Veränderlichkeit  der  KnocheMusammeneetsting. 


gelegt,  aber  nicht  nach  Aeqnivalenten  verbunden.  Man  kann  be- 
kanntlich ans  dem  Knochen  die  Erde  dnreh  Säuren  und  den  Knorpel 
äureh  Kalien  ausziehen , ohne  dass  die  anatomische  Elementar- 
struktur verloren  geht. 

Das  Verhältniss,  in  dem  die  organischen  (Knochenknorpel, 
Bindegewebs  - und  Gefässreste)  und  unorganischen  Stoffe  im  Knochen 
enthalten  sind,  ist  nicht  constant.  — a)  Ordnet  man  die  substantia 
dura  der  trockenen  Knochen  der  Erwachsenen  nach  ihrem  Gehalt 
an  Erde,  so  erhält  man  folgende  Reihe:  os  tcmporum,  humerus, 
femur,  nlna,  radius,  tibia,  fibula,  os  ilium,  clavicula,  vertebrae, 
costae,  steraum,  os  metatarsi,  scapula.  Das  os  tempor.  enthielt 
63,5,  die  scapula  54,5  pCt.  Knochenerde  (Rees)*). — Bibra  fand 
beim  Weib  eine  etwas  andere  Reihenfolge:  humerus,  femur,  tibia, 
fibula,  ulna,  radius,  metacarpus,  os  occipitis,  clavicula,  scapula, 
costa,  os  ilium,  vertebrae,  sternum;  in  dem  ersten  Glied  69  und 
in  dem  letzten  51  pCt.  Knochenerde.  Diese  Unterschiede  sind,  wie 
wohl  zu  merken,  nur  giltig  für  die  Knochen  des  Geborenen,  nicht 
aber  für  die  des  Foetus  (v.  Bibra).  — b)  Die  spongiöse  Knochen- 
substanz enthält  einige  Prozente  feuerfltiektiger  Bestandteile  mehr 
als  die  compakte  (Rees,  Fremy).  Theilt  man  willkürlich  einen 
Röhrenknochen  seiner  Dicke  nach  (vom  Periost  zur  Markhaut)  in 
mehrere  Schichten,  so  hinterlässt  die  äussere  zuweilen  um  1 bis 
2 Prozent  weniger  Asche,  als  die  innere , zuweilen  ist  der  Knochen 
auch  durchweg  gleich  zusammengesetzt  (Fremy).  Der  Unterschied 
zwischen  schwammigen  und  festen  Knochen  verschwindet  um 
so  mehr , je  sorgsamer  die  anhängenden  Gefässe  und  Bindegewebs- 
theile  entfernt  werden  (Recklinghausen).  — c)  An  einer  und 
derselben  Knochenstelle  soll  der  Gehalt  an  Kalkerde  mit  dem  Alter 
zunehmen;  so  betrug  er  z.  B.  in  dem  Femur  männlicher  Individuen 
beim  Foetus  = 59  pCt. , beim  dreivierteljährigen  Kinde  = 56,4, 
beim  ftlnfjähr.  67  pCt.  und  endlich  beim  25jähr.  Indiv.  68  pCt.  — 
Das  Steigen  des  Kalkgehaltes  geht  nun  aber  keinesweges  in  allen 
Knochen  gleich  rasch  vor  sich.  So  nähert  sich  u.  A.  die  Knochen- 
substanz  in  den  obem  Gliedmaassen  früher  ihrem  höchsten  Werth 
als  in  den  untern  (v.  Bibra).  Im  Gegensatz  hierzu  führten 
die  Beobachtungen  von  Fremy  und  Recklinghausen  über- 
haupt zu  keinem  Altersunterschied.  Die  Knochenpunkte  am  Femur 


•)  ßerzellus  vermuthet,  dau  die  von  Reea  untersuchten  Knochen  nicht  vollkommen  ge* 
trocknet  gewesen  »eien. 


Digitized  by  Google 


Ernährung  der  Knochen. 


275 


des  Foetus  und  den  gleichnamigen  Knochen  des  Erwachsenen  und 
Greises  fand  Fremv  annähernd  gleich  reich  an  Erden.  — d)  Ein 
bemerkenswerther  Unterschied  zwischen  dem  prozentischen  Erd- 
gehalt in  den  gleichnamigen  Knochen  des  Mannes  und  des  Weibes 
hat  sich  nicht  herausgestellt. 

Das  Knochenmark  unterscheidet  man  seinem  Ansehen  nach  in 
ein  fettes  und  ein  gelatinöses.  Das  ersterc  besteht  vorzugsweise 
aus  einem  sehr  oleinhaltigen  Fett  und  daneben  aus  einer  eiweiss- 
uud  salzhaltigen  Flüssigkeit,  den  Hüllensubstanzen  der  Mark-  und 
Fettzellen , aus  Gefässen  und  Bindegewebe.  Das  gelatinöse  enthält 
dagegen  überwiegend  die  salz  - und  eiweisshaltige  Lösung  und  sehr 
geringe  Mengen  von  Fett;  die  beiden  Markarten  scheinen  also  Ge- 
menge derselben  Stoffe  in  verschiedenen  Verhältnissen  zu  sein.  — 
Das  Periost  enthält  die  Bestandteile  des  Bindegewebes  und  der 
elastischen  Faser.  Die  Flüssigkeit,  welche  neben  den  Gefässen 
die  Gefässröhren  und  die  Zcllenräume  füllt,  ist  unbekannt.  Einige 
Angaben , die  über  den  Gehalt  des  Gesammtknochens  an  Wasser 
vorliegen,  sind  ohne  Bedeutung,  da  dieser  mit  zahlreichen,  zu- 
fälligen Umständen,  z.  B.  dem  Markgehalt,  der  Menge  der  Zellen 
und  Gefässröhren  u.  s.  w.,  wechseln  muss. 

3.  Das  Wenige,  was  von  den  physikalischen  Eigenschaften  des 
Knochens  bekannt  ist,  wurde  schon  Bd.  1.  p.  491  mitgetheilt. 

4.  Ernährung  *).  Wo  sich  wahres  Knochengewebe  bilden  will, 
da  entsteht  jedesmal  zuerst  in  der  Nähe  oder  im  Umfang  eines  Blut- 
gefässes eine  homogene  oder  faserige,  wahrscheinlich  collagene 
Grundlage,  in  welche  sich  sternförmig  verästelte  Zellen  einbetten, 
darauf  schlägt  sich  in  der  Grundlage  Knochenerde,  und  zwar  so 
nieder,  dass  sie  ein  homogenes,  in  feinen  Schnitten  durchschei- 
nendes Ansehen  annimmt.  Die  Zellenhöhle  und  ihre  Wände 
bleiben  dagegen  nicht  allein  von  der  Inkrustation  verschont,  son- 
dern es  wachsen  sich  sogar  die  Fortsätze  der  benachbarten  Zellen 
so  weit  entgegen,  bis  sie  mit  einander  in  Verbindung  treten 
(Sharpey,  Virchow,  H.  Müller,  A.  Baur). 

Die  besondem  Gestalten,  die  das  Knochengewebe  in  den 
Skelettheilen  — den  sog.  Knochen  der  Osteographen  — annimmt, 
wird  dennoch  abhängig  sein  von  den  Formen,  in  welchen  die  weiche 
Grundlage  des  Knochens  auftritt.  Diese  letztere  wird  aber  hingelegt 


•)  Kü  111k  er,  Handbach  der  Gewebelehre.  3.  Auflage,  p.  83.  — Banr,  die  BindesubaUnz 
Tübingen  18&8.  — H.  Miller,  Zeltachr.  für  wlas.  Zoologie.  IX.  bd.  — brach,  Beitrüge  zar  Ent* 
wickelungsgetchichte  de«  Knoehensy «tetns.  Denkschriften  der  schwerer,  naturf.  Gesellschaft.  II.  Bd. 

18* 


Digitized  by  Google 


27ß 


Entstehung  der  Knochenform. 


unter  dem  Einfluss  von  bestimmt  begrenzten  und  gebauten  Gebilden, 
nemlich  dem  fötalen  Knorpelskelet  mit  seinem  Periebondrium  und 
der  faserhiiutigen  Vorstufe  der  meisten  Gesiclitsknoelien  und  der 
Schädeldecke.  Wo  die  Knoehenbildung  unter  dem  Einfluss  des 
knorpeligen  Skelets  vor  sieh  geht,  da  entwickelt  sieh  zugleich  die 
verknöchernde  Grundlage  im  Innern  des  Knorpels  und  an  seiner 
Oberfläche,  zwischen  ihm  und  dem  Perichondrium.  Hiebei  hat  mau 
Folgendes  beobachtet:  Wenn  die  Bildung  des  Knochens  im  Innern 
eines  Knorpels  stattfinden  soll,  so  vergrössern  sich  zuerst  an  einer 
beschränkten  Stelle  die  Knorpelhöhlen  und  ordnen  sich  in  Reihen 
oder  Strahlen  an , je  nachdem  der  Knorpel  eine  röhrige  oder  ge- 
ballte Form  besitzt;  es  mehren  sich  ferner  die  in  den  Höhlen  ent- 
haltenen Zellen  und  darauf  lagert  sich  eine  erdige  Masse  in  das 
Knorpelgrundgewebe  ab  (Knorpelverkalkung).  Zu  derselben  Zeit 
oder  etwas  früher  haben  sich  auch  im  Knorpel  Kanäle  gebildet, 
welche  von  der  Knorpeloberfläche,  resp.  dem  Perichondrium  zu 
den  verkalkten  Stellen  hinziehen.  Diese  Kanäle  enthalten  Zellen, 
die  denen  des  Knorpels  ähneln,  in  einer  mehr  oder  weniger  strei- 
figen Grundlage,  dann  weiche  markähnliche  Zellen  mit  bindegewebs- 
artiger  Zwischenmasse , und  endlich  Blutgefässe , welche  mit  denen 
des  Perichondrium  in  Verbindung  stehen.  Die  Knorpelcanäle 
leiten  die  Auflösung  des  Knorpels  und  die  Entstehung  des  Knochens 
ein.  Sie  dringen  nemlich  in  den  Knorpel  bis  an  und  durch  die  Ver- 
kalkungsstelle, verflüssigen  die  feste  Grundmasse,  welche  die 
Knorpelhöhlen  scheidet,  und  bewerkstelligen  es  somit,  dass  diese 
letztem  Höhlen  zu  einem  mannichfach  ausgebnehteten  Systeme  von 
Lücken  zusammeufliessen.  Ein  Theil  dieser  Lücken  wird  mit  Binde- 
gewebe, Fett,  Markzellen  und  Gefössen  ausgefüllt  und  stellt  dann 
die  spätem  Markräume  dar,  in  einem  andern  werden  dagegen 
strahlige  Zellen  und  die  gleichartige  Grundlage,  welche  sich  zu 
wirklichen  Knochen  umwandeln,  eingelegt.  Der  Knorpel  wandelt 
sich  also  nicht  in  Knochen  um,  sondern  er  jwird  zerstört  und 
seinen  Ort  nimmt  die  Knochenmasse  ein  (A.  Baur,  H.  Müller). 
Das  neugebildete  Knochengewebe  bleibt  nun  aber  auch  nicht  immer 
bestehen,  sondern  es  löst  sich  oft  von  Neuem  auf,  und  dann  erst 
findet  sich  statt  seiner  der  bleibende  Knochen  ein.  — Dieser  eben 
geschilderte  Vorgang  geht  nun  im  Knorpel  nicht  überall  gleichzeitig 
vor  sich,  sondern  er  beginnt,  wie  schon  erwähnt,  an  einem  oder 
mehreren  Punkten ; um  diese  sind  alle  Uebergangsstufen  vom 
vollendeten  Knochen  bis  zum  hyalinen  Knorpel  zu  finden.  — Ein 


Digitized  by  Google 


Wachs th um  der  Knochen  nach  der  Geburt. 


277 


facher  als  im  Innern  ist  die  Entstehung  des  Knochens  zwischen  der 
Oberfläche  des  Knorpels  und  dem  Perichondrium ; denn  hier  lagert 
sich  gleich  in  conzentrischen  Schichten  um  die  Gefösse  eine  weiche 
gleichartige  oder  gestreifte  Schicht  ab,  welche  verästelte  Zellen 
umschliesst  und  darauf  inkrustirt.  — Mit  dem  Vorgang  im  Peri- 
chondrium stimmt  auch  der  überein,  welcher  in  der  häutigen  Grund- 
lage der  Schädel-  und  Gesichtsknochen  beobachtet  wird. 

Das  Fortwachsen  der  Skeletstücke  nach  der  Geburt  geschieht 
von  zwei  Orten  aus,  nemlich  von  den  knorpeligen  Rändern  (inso- 
fern diese  nicht  an  Synovialflächen  stossen)  und  von  dem  Periost 
aus.  Die  erste  Art  des  Wachsthums  ereignet  sich  also  an  den 
Röhrenknochen  in  den  Epiphysen,  an  den  Scbädelknochen  zwischen 
den  Nähten.  Diese  Art  der  Vergrösserung  bedingt  immer  die  An- 
bildung neuer  Knochenschichten,  die  den  Knorpelflächen  gleichläufig 
liegen,  mit  einem  Worte  das  Längenwachsthum,  während  die  vom 
Periost  aus  eingeleitete  Verknöcherung  die  Verdickung  bedingt.  Um 
den  Vorgang  zu  verdeutlichen,  hat  zuerst  H.  Meyer  ^ M 
das  Schema  eines  sich  vergrössernden  Röhren-  f 

knochens  (in  Fig.  51)  entworfen.  Wenn  12  2 1 
einen  Röhrenknochen  der  Neugeborenen  und  darin 
2 2 das  Mittelstuck , 1 2 und  2 1 die  Endstücke, 

I II II I dagegen  den  gleichnamigen  Knochen  des 
Erwachsenen  darstellt,  so  ist  2 11  durch  Wachs- 
thum und  Verknöcherung  des  Knorpels,  aa  bb  durch 
Auflagerung  aus  dem  Periost  entstanden.  Die  Neubil- 
dung im  Knorpel  sowohl  wie  die  von  der  Knochenhaut 
aus  geschieht  ganz  nach  denselben  Regeln,  die  auch 
für  das  fötale  Leben  giltig  waren,  also  in  den 
Nähten  und  Epiphysen  dadurch,  dass  fort  und  fort 
Knorpelzellen  und  Zwischenmasse  entstehen,  dass 
diese  letztere  verkalkt,  dass  dann  von  den  blut- 
gefässftthrenden  Kanälen  des  Knochens  der  ver- 
kalkte Knorpel  wieder  angefressen  wird,  dass  sich 
in  die  Knorpelhöhlen  sternförmige  Zellen  und  eine 
strukturlose  Grundlage  hinlegen,  welche  letztere 
endlich  von  Knochenerde  durchsetzt  wird.  Auf 
der  Grenze  zwischen  Knochen  und  Periost  erscheinen 
dagegen,  ohne  dass  Knorpel  vorausgeht,  die  stern- 
förmigen Zellen  und  die  verknöchernde  Zwischen- 
masse. 


\b 


Digitized  by  Google 


278 


Bedingungen  des  Knochenwaclisthum*. 


lieber  die  Bedingungen*),  welche  dem  Knochenwachsthum  ein 
Ende  setzen  und  zugleich  die  Stoffbewegung  in  den  Räumen  des 
fertigen  Knochens  regeln , ist  Folgendes  bekannt : 1)  Die  Knochen 
hören  meist  auf  nach  der  Länge  zu  wachsen,  wenn  ihre  knor- 
peligen Verbindungsstücke  verknöchert  sind , also : die  Röhren  nach 
vollkommener  Verknöchernng  der  Epiphysen,  die  Schädeldecken 
nach  Verwachsung  der  Nähte  (H.  Weber).  Ob  diese  Regel  eine 
ausnahmslose  ist,  steht  dahin,  und  ebenso  darf  sie  keinenfalls 
dahin  verstanden  werden,  dass  das  Wachsthum  nicht  eher  auf  hören 
kann,  bevor  nicht  jene  Verknöcherungen  zu  Stande  kamen,  da 
die  Röhrenknochen  der  Zwerge  z.  B.  trotz  bestehenden  Empiphysen 
ihr  Wacbsthum  einstellen  (Virchow).  — 2)  Schneidet  man  bei 
jungen  Thieren  die  Kaumuskeln  aus  oder  entleert  man  die  Augen- 
fltlssigkeit,  so  verdicken  sieh  die  Knochen,  welche  die  Höhlen  be- 
grenzen , nach  diesen  letztem  hin , nicht  aber  gegen  die  Schädel- 
höhle. -Dieselbe  Operation  fährt  bei  erwachsenen  Thieren  zu  keiner 
Knochenwucherung  (L.  Fick).  — 3)  Nach  einer  einseitigem  Zer- 
störung der  Kieferschliesser  wird  der  Kieferast  derselben  Seite 
kürzer  und  sein  Gelenkkopf  dicker  (L.  Fick).  — 4)  Wenn  die 
Muskeln  einer  Extremität  vor  der  Pubertät  gelähmt  werden , so 
bleibt  der  Knochen  derselben  kürzer  und  dünner.  -*■  5)  Wenn  sich 
die  Muskeln  vor  oder  nach  der  Pubertät  kräftig  entwickeln,  so 
nimmt  der  ■ Knochen  und  namentlich  an  den  Muskelansätzen  an 
Masse  zu.  — 6)  In  dem  Maasse,  in  welchem  die  vom  Schädel 
umschlossenen  Weichtheile  (Hirnfaser,  Ganglienkörper,  Blutgefässe, 
Hirnwasser)  wachsen,  dehnen  sich  auch  die  Schädelknochen  mehr 
oder  weniger  aus.  Hierbei  geschieht  jedoch  das  Wachsthum  nicht 
in  allen  Nähten  gleiclimässig,  sondern  bald  in  der  eineu  und  bald 
in  der  andern  mehr,  so  dass  der  Schädel  verschiedener  Individuen 
trotz  gleichen  Hirnvoltims  doch  ganz  verschiedene  Formen  darbietet, 
weil  nemlich  das  geringere  Wachsthum  in  einer  Naht  durch  ein 
grösseres  in  einer  andern  ausgeglichen  wird  (H.  M e v e r,  Virchow).  — 
7)  Nimmt  das  Markfett  zu,  wie  dieses  bei  künstlicher  Mästung  der 
Thiere  vorkommt , so  vergrössern  sich  unter  Abnahme  der  Knochen- 

•)  Virchow,  Entwickelung:  de«  Schtdelgnndps.  Berlin  1857.  — L.  Pick,  Ueber  die  Ur- 
sache der  Knochcnfonnen.  Otfttlngen  1857.  — Derselbe,  Neue  Beitrüge.  Marburg 
U.  Meyer,  Henle's  Zeitschrift.  N.  F.  111.  Bd.  166.  — Schiff,  Neurolog.  Intersuthungcn. 
Frankfurt  1855.  1.  p.  122.  — Freund,  Hintnlngl«*  der  Rippenknorpel.  Itreslsn  1868.  — Heine, 
Graefe's  und  Walther'«  Journal.  1836.  — Boussingeult,  Annaleu  de  chlmie  ct  physlque. 
3.  Ser.  XIV.  Bd.  419.  — Olli  er,  Compl  rend.  Dlcembre  1858.  — Die  ältore  Literatur  Hher 
Knochencrnährung  siche  bei  Schlossberger  Op.  citaL  Knochen  a.  Knorpel. 


~Digitize3'E>y  CSögle 


Bedingungen  des  Knochenwachsthum».  279 

• 

mas.se  die  centralen  Markhöhlen  (Boussingault).  — 8)  Jeder 
Druck,  der  anhaltend  auf  eine  bestimmte  Stelle  der  Knochenober- 
fläche wirkt,  bringt  hier  den  Knochen  zum  Schwinden.  Dieses 
ereignet  sich  z.  B.  wenn  Weichtheile  gegen  die  innere  Schädel- 
fläche wachsen,  wo  Arterien  den  Knochen  anfliegen,  wenn  man 
Metallplatten  zwischen  den  Knochen  und  das  Periost  legt  u.  s.  w.  — 
9)  Einer  Lähmung  der  Gefässnerven  folgt  an  den  Stellen,  welche 
von  jenen  Gcfässen  versorgt  werden,  eine  Knochenwucherung 
(Schiff).  — 10)  Reizungen  des  Periosts,  die  eine  Erweiterung 
seiner  Blutkapillaren  zur  Folge  haben,  bedingen  Knochenwuchcrung. — 
11)  Umgekehrt  führt  eine  Zerstörung  des  Periosts  zu  einem  Ab- 
sterben des  zugehörigen  Knochens.  — 12)  Nach  einer  Zerstörung 
oder  Entfernung  des  Knochens  mit  Erhaltung  des  Periosts  bildet 
sich  der  Knochen  von  Neuem  (Knochenbrüche,  Ausschälung  der 
Rippen  aus  dem  Periost).  (Heine.) — 13)  Ucberpflanzt  man  das 
Periost  eines  jungen  Thieres  aus  seiner  normalen  Lage  in  eine 
beliebige  andere,  gleichgiltig  ob  dabei  die  Gefässe  desselben  in 
Verbindung  mit  den  alten  bleiben  oder  mit  neuen  sich  zusammen- 
finden, so  wird  immer  an  einer  seiner  Flächen  eine  Knochen- 
neubildung eingeleitet.  Bei  schon  erwachsenen  Thieren  gelingt  der 
Versuch  ebenfalls , doch  ist  die  neugebildete  Knochenmasse  weniger 
reichlich  (Ollier).  — 14)  Bei  Mangel  an  Kalksalzen  in  der  Nah- 
rung erweichen  die  schon  gebildeten  Knochen,  und  umgekehrt  be- 
schleunigt ein  reichlicher  Kalkzusatz  zur  Nahrung  nach  einem 
Knochenbruch  die  Knochenncubildung  (Milne  Edwards). 

Aus  diesen  Thatsachen  scheint  sich  ableiten  zu  lassen,  dass 
die  Ansdehnung,  welche  der  Knochen  einnimmt,  die  Resultirende 
ist  einerseits  aus  einer  Summe  von  Bedingungen,  die  wir  kurzhin 
die  knochenbildenden  nennen  wollen,  und  andererseits  aus  den  Wider- 
ständen, die  sieh  an  seinen  Grenzen  einfinden. 

Daraus  folgt,  dass  die  Knochenroasse  die  Augenhöhle  nicht  ausfüllt,  so  lange  der 
durch  die  gespannten  Augenmuskeln  in  die  Höhle  gezogene  Bulbus  wie  ein  Prcsskegel 
wirkt,  und  weiter,  dass  die  Muskeln,  welche  nicht  mehr  wachsen,  durch  ihre  sonk- 
recht  auf  die  Epiphysen  wirkenden  Zugkräfte  das  Längenwachsth*»  der  Röhren  hin- 
dern, oder  dass  die  Knochenneubildung  in  der  Markhöhle  gehen»#  wird,  wenn  die 
Markmasse  reichlich  wächst,  und  umgekehrt  werden  die  Weichtheile  Tordrängt  bei 
lebhafter  Knochenentwickelung,  wie  bei  Exostenbildung  u.  s.  w. 

Und  ferner,  dass  obwohl  uns  weitaus  die  meisten  Faktoren 
unbekannt  sind,  welche  die  Knochenbildung  fördern  und  hemmen, 
zu  ihnen  doch  zu  zählen  ist:  der  Zustand  der  Capillargefässe  in 
den  Knochenkanälen  und  imPeriost,  indem  alle  Umstände,  welche 


Digitized  by  Google 


280 


Bedingungen  des  Knochenwachsthums. 


die  Erweiterung  derselben  begünstigen,  die  Knoehenentwickelung 
fördern  und  die  entgegengesetzten  sie  hemmen. 

Darauf  fuhren  hin  die  Erfahrungen  Uber  gesteigertes  K nochen wachsthum : bei 
Rcizungszustand  des  Periosts,  der  Ton  Gefässerweiteruug  begleitet  ist,  ebenso  in  Folge 
kräftigeren  Zuges  der  Muskeln  an  den  Ansatzpunkten,  und  ferner  bei  Ausspannung  der 
Schädclnuhtc  durch  das  wachsende  Hirn  und  nach  Durchschncidung  der  Gefässncrven. 
Dio  umgekehrten  Fälle  finden  sich  aus  den  obenstehenden  Nummern  leicht  heraus. 

Weiter  wird  das  Knochenwachsthum  begünstigt  dureh  die  Eigen- 
schaften, welche  gewisse  Lebensalter  mit  sich  führen. 

Dieses  ergiebt  sich  daraus,  dass  der  jugendliche  Knochen  in  die  von  Weichtheilen 
befreiten  Gruben  hincinwächst,  während  der  ausgewachsene  dieses  unterlässt. 

Ferner  wird  bei  sonst  günstigen  Verhältnissen  die  Knochen- 
bildung durch  reichliche  Anwesenheit  der  Kalksalze  im  Blut  ge- 
fordert, so  wie  durch  das  Gegentheil  gehemmt,  und  endlich  folgt  aus 
Allem,  dass,  weil  der  Knochen  von  Geweben  durchzogen  und  um- 
geben ist,  die  einen  veränderlichen  Und  dazu  an  verschiedenen  Orten 
von  einanander  unabhängig  veränderlichen  Druck  ausüben  können, 
sich  in  dem  Raume,  den  er  einnimmt,  abwechselnd  Aufsaugnng 
und  Neubildung  einstellen  muss , so  oft  sich  solche  Druckvariationen 
einfinden.  Daraus  wird  es  wahrscheinlich,  dass  während  des  ganzen 
Lebens  nicht  bloss  ein  intcrmolekulärer,  sondern  ein  auf  grosse 
Strecken  ausgedehnter  Knochcnwechsel  besteht. 

Die  chemischen  Vorgänge  bei  der  Entstehung,  Auflösung  und 
der  Erhaltung  des  Knochens  sind  uns  fast  durchweg  unbekannt. 
Durch  die  Untersuchungen  von  Baur  und  Müller  Uber  die  Um- 
wandlung des  vorgebildetcn  Knorpels  im  Knochen  ist  festgestellt, 
dass  hierbei  nicht  wie  man  früher  annahm,  das  Chondrigcn  in 
collagencs  öewebe  umgewandclt  wird,  sondern  dass  sich  das  letztere 
sogleich  als  solches  hinlegt. 

Die  Knochenkörperchen  und  ihre  Ausläufer  führen  einen  Saft; 
man  betrachtet  sie  darum  als  Vermittler  des  Stoffaustausches  zwischen 
Blut  und  Knochenmasse. 

Die  Markumbildung  »oll  nach  Freund  unterstützt  werden  durch  Verseifung  der 
knhlonsauron  Kalkerde,  welche  durch  das  Knochen  fett  unter  Beihülfe  des  kohlcnsaurcn 
Natrons  und  Ammoniaks  der  Knochon  eingeleitut  würde. 

Nach  Krappfutterung  färbt  sich  der  Knochen,  uud  zwar  zumeist  um  die  Gcfiss- 
röhren;  die  Hoffnung,  dass  man  durch  solche  Färbungen  dem  Knochenumsatz  näher 
kommen  kann , hat  sich  nicht  bestätigt. 

Der  Knochen  gehört  zu  denjenigen  Geweben,  welche  sich  im 
Erwachsenen  neu  bilden,  und  zwar  auch  an  solchen  Stellen,  die 
ursprünglich  keine  Knochenaulagen  enthalten,  wie  H.  Meyer, 


- - 


Zähne. 


281 


R.  Wagner,  Wittich  u.  A.  nachweisen,  welche  wahre  Knochen- 
bildung in  der  Haut,  der  Linse,  dem  Glaskörper  aufdeckten. 

Der  Fettgehalt  des  Knochenmarkes  schwankt  sichtlich  mit  dem 
des  ganzen  Körpers. 

Zähne. 

1.  Die  anatomische  Beschreibung*)  unterscheidet  an  ihnen  die 
.Schmelzoberhaut,  den  Schmelz,  das  Zahnbein,  den  Kitt  und  das 
in  der  Zahnhöhle  liegende  Mark.  — Das  Schmelzoberhäutchen  ist 
ein  dünner,  sehr  harter  und  strukturloser  Ueberzug  des  Schmelzes; 
dieser  selbst  setzt  sich  aus  kurzen  und  breiten  auf  dem  Querschnitt 
sechseckigen  Fasern  zusammen,  die  dichtgedrängt  ohne  verbinden- 
den Stoff  an  einander  und  nahezu  senkrecht  auf  der  Oberfläche 
der  Krone  des  Zahnbeins  aufstehen.  — Das  Zahnbein,  welches 
den  weitaus  grössten  Theil  von  Wurzel  und  Krone  einnimmt,  ist 
aus  einem  homogenen  Grundgewebe  aufgeführt,  welches  von  zahl- 
reichen feinen  Röhren , den  Zahnröhrchen , durchzogen  wird.  Diese 
Röhrchen  beginnen  mit  einer  offenen  Mündung  in  der  Zahnhöhle 
und  laufen  von  ihr  nach  allen  Seiten  gegen  die  äussere  Begrenzung 
des  Zahnbeins ; auf  diesem  Wege  theilen  sie  sich  unter  sehr  spitzen 
Winkeln  in  einige  Hauptäste,  und  aus  diesen  Aesten  gehen  zahl- 
reiche Zweige  ab,  welche  theils  mit  den  Nachbarn,  theils  auch 
mit  den  Ausläufern  der  Knochenhöhlen  des  Kitts  anastomisiren. 
Neben  den  Zahnröhren  finden  sich  auch  noch  spärliche  kugelige 
Hohlräume  in  dem  Zahnbein.  — Der  Kitt  endlich  ist  ein  feines 
Knochenlager,  welches  die  Wurzel  überzieht.  — Der  Kern-'  des 
Zahnmarkes,  in  dem  sich  Gefässe  und  Nerven  verbreiten,  ist  aus 
undeutlichen  Fasern  mit  cingestreuten  Kernen  gewebt  und  an  seiner 
gegen  die  Höhlenwand  gekehrten  Oberfläche  mit  einer  mehrfachen 
Schicht  cylindrischer,  kernhaltiger  Zellen  überzogen,  die  von  dem 
Zahnbein  durch  ein  strukturloses  Häutchen  abgegrenzt  werden,  so 
dass  die  Mündungen  der  Zahnröhren  nicht  direkt  auf  die  Zellen- 
oberfläche treffen.  — Zur  Befestigung  des  Zahns  in  den  knöchernen 
Zahnfächern  dient  das  Periost  dieses  letztem  und  das  Zahnfleisch. 

2.  Chemische  Zusammensetzung  **).  Schmelzoberhaut,  Schmelz, 
Zahnbein  nnd  Kitt  besitzen  eine  weiche  Grundlage,  in  welche 
Erden  eingelagert  sind.  Die  von  letzteren  befreite  Schmelzober- 
haut nähert  sich  ihrer  Reaktion  nach  dem  elastischen  Gewebe;  die 

•)  KO  Ulk  er,  Handbuch  der  Gewebelehre.  2.  Aufl.  588. 

B er  zell  us,  Chemie-  1810.  IX.  Bd.  651  — v.  Bibra,  Chemische  Untersuchungen  Uber 
Knoehcn  und  Zähne.  1841.  — Hoppe,  Vlrchow’s  Archiv.  V.  Bd.  185. 


Digitized  by  Google 


282 


Chemische  Zusammensetzung  der  ZShne. 


der  Schmelzprismen  aber  den  Epithelialstoffen  (Hoppe);  das  er- 
weichte Zwischengewebe  im  Zahnbein  und  Kitt  ist  Collagen,  die 
nächste  Umgebung  der  Röhren , Kugelräume  und  Knochenkörperchen 
aber  eine  besondere  in  kochendem  Wasser  unlösliche  Stubstanz 
(Hoppe).  — Die  in  diesen  Substanzen  eingelagerten  Salze  ent- 
halten nach  Berzelius  phosphorsauren  Kalk  und  Talk,  kohlen- 
sauren Kalk,  Fluorcalcium  und  Talk;  die  phosphorsaure  Kalkerde 
tiberwiegt  hier  in  derselben  Weise  wie  im  Knochen.  Die  Verhält- 
nisse , in  welchen  die  organischen  und  unorganischen  Bestandtheile 
in  den  einzelnen  der  erwähnten  Gebilde  enthalten  sind,  wechseln. 
In  der  Oberhaut  und  den  Prismen  des  getrockneten  Schmelzes 
fand  v.  Bibra  zwischen  3,6  bis  6,0  pCt.  organische  und  94,0  bis 
96,4  pCt.  unorganische,  in  dem  Zahnbein  21,0  bis  29,4  pCt.  or- 
ganische und  79,0  bis  70,6  unorganische  Bestandtheile.  Aus  der 
Flüssigkeit,  welche  das  Zahnmark  durchtränkt,  kann  durch  Essig- 
säure ein  schleimartiger  Körper  gefällt  werden ; das  Streifengewebe 
desselben  reagirt  dem  Bindegewebe  nicht  in  allen  Stücken  ähnlich. 

3.  Ernährung.  Der  Entstehung  des  Zahns  muss  der  Aufbau 
eines  besondern  Werkzeugs  vorausgehen,  das  aus  einem  Säckchen, 
den  Zahn-  und  Schmelzkeimen  besteht.  Das  Säckchen  ist  eine 
Aushöhlung  in  den  Zahnrändem  des  Kiefers,  die,  von  einer  derben 
Haut  umgeben,  nach  der  einen  Seite  von  dem  Knochen  und  nach 
der  andern  von  dem  knorpelharten  Zahnfleisch  begrenzt  wird.  An 
den  entgegengesetzten  Wandungen  des  Säckchens  treten  die  beiden 
Keime  in  die  Höhle  hervor  und  zwar  der  Zahnkeim  von  der  Al- 
veolarseite und  der  des  Schmelzes  von  der  Zahnfleischseite  des 
Säckchens.  Damit  ist  zugleich  ausgedrUckt,  dass  der  erste  nur 
einen  kleinen  Theil  von  der  Wandung  des  Zahnsacks  bedeckt, 
während  der  zweite  dem  weitaus  grössten  Theil  der  innern  Wand- 
fläche anliegt  Umgekehrt  wie  der  Querschnitt  verhält  sich  die 
Höhe  beider  Auswüchse,  denn  während  der  Zahnkeim  wie  eine 
starke  an  dem  freistehenden  Theil  verbreiterte  Warze  in  den  Zahn- 
sack hineinragt,  bildet  der  Schmelzkeim  nur  eine  niedrige  Lage.  — 
Beide  Keime  liegen  in  dem  Sack  so,  dass  sie  mit  ihren  freien  in 
die  Höhle  schauenden  Oberflächen  unmittelbar  wider  einander  liegen. 
Sie  füllen  ihn  jedoch  nicht  vollkommen  aus , indem  zwischendem  Um- 
fang der  Zahn-  und  Schmelzgrenze  ein  kleiner  mit  Eiweiss-  und 
Salzlösung  gefüllter  Hohlranm  übrig  bleibt  (Meissner,  Magitot)*). 

•)  Archive»  generales  de  Mldidne  186«.  ].  Bd.  p.  48flgde. 


Digitized  by  Google 


Form  folge  bei  der  Entstehung  de*  Zähne. 


283 


Der  Sehmelzkeim  besteht  nun,  vom  Zahnsäckchen  aus  gerech- 
net, aus  einer  Schicht  Bindegewebe  mit  Gefässen,  dann  einer 
stärkern  Lage  schwammigen  Gewebes , das  von  verästelten 
und  communizirenden  Zellen  durchzogen  und  mit  einer  eiweiss- 
haltigen Flüssigkeit  durchtränkt  ist,  auf  diesem  sitzt  ein  Cy  linder-, 
epithelium,  dessen  Oberfläche  von  einer  strukturlosen  Haut  bedeckt 
wird,  auf  der  endlich  die  Schmelzprismen  stehen.  — Der  Zahn- 
keim ist  an  die  Wand  des  Säckchens  geheftet  durch  eine  faserige 
bindegewebsnrtige  Masse,  welche  von  Blutgefässen  durchzogen  ist; 
auf  ihm  sitzt  ein  Zellenlager,  welches  gegen  den  Schmelz  hin  in 
lange  Aeste  auswächst,  zwischen  denen  eine  strukturlose  Aus- 
fttllungsmasse  liegt.  Diese  Ausläufer  stossen  unmittelbar  an  die 
Schmelzprismen.  Zahnbein  und  Schmelz  wachsen  sich  somit  ent- 
gegen und  werden  zusammengepresst  durch  den  Druck,  welchen 
die  Blutgefässe  und  die  aus  ihnen  geschiedenen  Stoffe  in  dem  ge- 
schlossenen Säckchen  erzeugen.  An  der  Grenze  von  Schmelzfasern 
und  Zahnröhren  beginnt  nun  auch  jedesmal  die  Verkalkung  und 
zwar  gleichzeitig  in  beiden  Gebilden;  Wachsthum  der  Grundlagen 
und  Verknöcherung  derselben  schreitet  dann  in  dem  Schmelz  und 
Zahnbein  nach  entgegengesetzten  Richtungen  fort.  Da  das  Säckchen 
einen  starken  Widerstand  leistet,  so  muss  die  in  dasselbe  abge- 
sonderte Masse  allmählig  die  eintretenden  Gefässe  zusammendrücken ; 
dieses  wird  aber  zuerst  denen  des  Schmelzkeims  begegnen,  weil 
ihre  zuführenden  Arterien  enger  und  darum  auch  der  Strom  in 
ihnen  schwächer  ist;  die  Schmelzbildung  ist  dann  natürlich  ge- 
schlossen. Wenn  dieses  geschehen  ist,  so  verlängert  sich  das 
Säckchen  gegen  die  Alveolarhöhle  aus  unbekannten  Gründen;  das 
Zahnbein,  welches  in  dieser  Verlängerung  entsteht,  kann  aber  na- 
türlich nicht  mehr  mit  Schmelz  überzogen  sein,  es  stellt  die  spätere 
Wurzel  dar;  da  die  ihn  umkleidende  Wand  des  Säckchens  zum 
Periost  der  Alveolarhöhle  wird,  so  scheidet  dieses  nun  nach  zwei 
Seiten  Knochensubstanz  aus,  nemlich  auf  den  Zahn  als  Kitt  und 
ausserdem  in  den  Alveolarrand.  So  wie  nun  der  Wurzeltheil  des 
Zahns  gegen  den  Kieferknochen  sich  andrängt,  muss  bei  noch 
weiterm  Wachsen  das  nachgiebigere  Zahnfleisch  ausgespannt  nnd 
seine  Gefässe  zusammengedruckt  werden,  und  darum  wird  der 
Zahn  dasselbe  dnrohbrechen , wobei  die  zuerst  gebildete  Krone 
durch  die  allmählich  sich  entwickelnde  Wurzel  vorgeschoben  wird.  — 
Ein  grösserer  Theil  der  zuerst  hervorbrechenden  Zähne , die  Milch- 
zähne, fallen  bekanntlich  in  der  Kindheit  wieder  aus,  um  durch 


Digitized  by  Google 


284 


Fettzellen. 


neue  ersetzt  za  werden.  Die  neuen  Zähne  entstehen  aber  genau 
wie  die  Milchzähne  in  Säckchen,  welche  schon  in  der  Fötalperiode 
gebaut  wurden.  Indem  sie  sich  entwickeln,  schieben  sie  nicht 
einfach  den  alten  Zahn  vor  sich  her,  sondern  sie  leiten  eine  Auf- 
lösung der  Wurzel  ein. 

Von  den  Milchzähnen  brechen  zuerst  die  innem  und  dann  die 
äussern  Schneidezähne  durch,  hierauf  die  ersten  Back-,  dann  die 
Eck  - und  schliesslich  die  zweiten  Backzähne.  Der  erste  von  diesen 
Zähnen  pflegt  gegen  den  7.,  der  letzte  gegen  den  30.  Monat  nach 
der  Geburt  hervorzukommen.  Von  den  bleibenden  Zähnen  erscheint 
zuerst  der  dritte  Backzahn,  darauf  die  innern  Schneidezähne  und 
die  tibrigen  in  einer  ähnlichen  Reihenfolge  wie  die  Milchzähnc. 
Das  zweite  Zahnen  beginnt  mit  dem  7.  und  endet  mit  dem  18.  Jahre. 

Die  Veränderungen,  welche  die  ausgewachsenen  Zähne  dar- 
bieten, sind  äusserst  unbedeutend.  Sie  beschränken  sich,  abge- 
sehen von  Krankheiten , auf  eine  Abnutzung  der  Krone  beim  Kauen 
und  die  Einlagerung  von  Kalksalzen  in  die  Zahnhöhle,  die  im 
hohen  Alter  oft  sehr  verengt  angetroffen  wird.  — Die  Zahnröhren 
ftibren,  wie  es  danach  scheint,  keine  Flüssigkeit,  die  umsetzend 
auf  das  Zahnbein  wirkt;  ihre  Wirksamkeit  beschränkt  sich  wahr- 
scheinlich darauf,  das  Zahnbein  gleichmässig  zu  durchfeuchten, 
wodurch  die  Sprödigkeit  desselben  vermindert  wird. 

Das  Periost  des  Zahnfächers  kann  dagegen  mancherlei  Ver- 
änderungen in  der  Zahnstellung  herbeiftlhren.  Namentlich  kann 
es  einen  locker  gewordenen  oder  gar  schon  einmal  ansgezogenen 
Zahn  wieder  befestigen  durch  Anlagerung  von  neuem  Kitt;  mit 
seiner  Hilfe  sollen  sich  sogar  die  Nerven  und  Blutgefässe  des 
Zahns  wieder  hcrstellen.  Das  Periost  kann  aber  auch  schwinden, 
so  dass  der  Zahn  in  dem  Fächer  gelockert  wird,  oder  aber  es 
kann  von  ihm  die  Knochenbildung  in  den  Fächer  hinein  so  weit 
vorschreiten,  dass  der  Zahn  ausgedrängt  wird. 

Dio  Carics  der  Zähne  wird  durch  den  deutschen  Namen  Fäule  gut  beaeichnet, 
da  sie  in  einem  der  Fäulnis»  ähnlichen  von  l'ilzbildung  begleiteten  chemischen  Pro- 
zess besteht. 

Fettzellen. 

Gemenge  von  neutralen  und  sauren  Fetten  Bind  im  mensch- 
lichen Körper  sehr  verbreitet,  sie  durchtränken  die  Horustoffe, 
schwimmen  als  Tröpfchen  oder  KUgelehen  in  wässerigen  Flüssig- 
keiten, die  entweder  frei  (seröse  Säfte,  Galle,  Speichel  u.  s.  w.) 
Vorkommen,  oder  die,  mit  eiweissartigen  Stoffen  gemengt  oder  ver- 


Digitized  by  Googl 


Anatomische  und  chemische  Zusammensetzung  der  Fettsellen. 


285 


banden,  Nerven  und  Muskelröhren  füllen.  Ausserdem  aber  sind 
sie  abgelagert  in  zahlreichen  Zellen , welche  von  den  Anatomen 
als  Fettzellen  bezeichnet,  in  dem  lockern  Bindegewebe  zu  grossen 
oder  kleinen  Haufen  vereinigt  Vorkommen;  diese  sollen  hier  be- 
sprochen werden. 

1.  Anatomische  Beschaffenheit*).  In  die  strukturlose  Zellen- 
haut soll  immer  ein  wandstilndiger  Kerne  ingelagert  sein,  der  aber  ge- 
wöhnlich nur  dann  sichtbar  wird , wenn  die  Zelle  durch  Entfernung 
ihres  trüben  Inhalts  durchsichtig  gemacht  wird.  Der  Binnenraum  ist 
entweder  strotzend  mit  Fett  erfüllt,  das  bei  der  Normaltemperatur 
des  Menschen  (36°  bis  39°  C.)  halb  und  auch  ganz  flüssig  ist, 
oder  er  enthält  neben  einer  wässerigen  Flüssigkeit  Tropfen  oder 
Krystalle  eines  Fettes,  oder  endlich  die  zusammengefallene  Zelle 
schliesst  nur  wässerige  Flüssigkeit  in  sich.  Die  Zellen  sind  an  Grösse 
zwar  sehr  variabel  sowohl  an  den  gleichen  als  an  verschiedenartigen 
Lagerungstätten ; aber  an  einzelnen  Orten  doch  durch  dieselbe  aus- 
gezeichnet; so  enthält  z.  B.  das  Bindegewebe  in  den  Markhöhlen 
des  Knochens  constant  eine  kleine  Art  von  Fettzellen  (Markzellen) 
(Kölliker,  Kob  in).  Die  einzelnen  Zellen  eines  Fettklümpchens 
sind  gewöhnlich  durch  eine  strukturlose  Haut  zusammengekettet; 
in  dieser  verlaufen  Blutgefässe. 

2.  Chemische  Zusammensetzung**).  Die  Membran,  welche 
die  Zellen  zu  einem  Träubchen  vereinigt,  zeigt  die  Eigenschaften 
des  Bindegewebes.  — Die  Haut  der  Zelle  selbst  nähert  sich,  so 
weit  dieses  aus  ihrer  chemischen  Reaktion  geschlossen  werden 
kann,  dem  elastischen  Stoff  (Mulder).  — Der  fette  Antheil  des 
Inhalts  besteht  aus  Tristearin,  Palmitin,  Olein  und  einem  andern 
ölartigen  Fette  (Chevreul,  Heintz).  Das  Verhältniss,  in 
welchem  die  einzelnen  Bestandtheile  dieses  Gemenges  zu  einander 
stehen,  bewegt  sich  in  weiten  Grenzen.  Lassaigne  giebt  nach 
einer  allerdings  ungenauen  Methode  an,  dass  z.  B.  beim  Kind  das 
Netzfett  das  der  Nierenkapsel  und  dieses  das  der  Kreuzbeingegend 
an  Stearingehalt  Ubertreffe.  Aus  der  Erfahrung  von  Berzelius, 
dass  das  Nierenfett  des  Menschen  bei  25°,  das  Zellgewebsfett  und 
das  der  Wade  aber  erst  bei  15°  C.  erstarrt,  würde  man  auf  einen 


•)  Kölliker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  3.  Auflage.  185®.  p.  103  u.  2t3. 

••)  Mol  der,  Phyalolog.  Chemie.  Brannschwelg.  p.  61».  — He  int*,  Lehrbuch  der  Zoochemle. 
Berlin  1853.  p.  388  and  438.  — Derselbe,  Berichte  der  Berliner  Akademie.  1854.  p.  207  und  484. 
lkld.  1857.  p.  417.  — Derselbe,  Jouni.  für  prakt.  Chemie.  6Ö.  Bd.  I. — R e d te  n b sehe  r,  Lie- 
big’s  Annalen.  59.  Bd.  41.  — Lassaigne,  Pharma*.  Centr.  1851.  701.  — * Berzelius,  l.  c. 
IX.  Bd.  560. 


Digitized  by  Google 


286 


Wwhsthura  der  Zcllenhaut. 


grössem  Oelgehalt  des  letztem  schliessen  dürfen,  wenn  Heintz 
nicht  dargethan  hätte,  dass  die  Fette  ihre  Schmelzbarkeit  voll- 
kommen ändern  nach  dem  Verhältniss  ihrer  Gemengtheile. 

Seit  Chcvreul  wurde  auch  noch  die  Anwesenheit  des  Margarins  im  Menschen- 
fett  als  feststehend  angesehn.  Heintz,  welcher  die  Margarinsäure  künstlich  darstellte, 
konnte  nachweisen,  dass  die  aus  dem  sog.  Margarin  des  Menschenfetts  gewonnene 
Säure  ein  Gemisch  aus  Palmitin  und  Stearinsäure  sei,  welches  wohl  hinsichtlich  seines 
Schmelzpunktes,  nicht  aber  seiner  andern  Eigenschaften  mit  der  reinen  Margarinsäure 
übereinstimmt.  — 

Die  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit,  welche  entweder  nur 
die  Zellenhaut  durchtränkt,  oder  auch  einen  Theil  des  Inhalts  ans- 
macht, ist  noch  nicht  untersucht;  -in  strotzend  mit  Fett  gefüllten 
Zellen  ist  sie  nur  in  sehr  geringer  Menge  vorhanden  (Berzelius). 

Von  den  wesentlichen  physikalischen  Eigenschaften  der  in  den  Fett- 
zellen enthaltenen  Fettgemenge  ist  schon  früher  (Bd.  I.  p.  30)  gehandelt. 

3.  Ernährung*).  Die  Fettzellen  entwickeln  sich  aus  Bildungs- 
zellen. Beim  Wachsthum  des  Kindes  scheint  der  Umfang  des  Fett- 
gewebes weniger  durch  eine  Neubildung  von  Zellen  als  vielmehr 
durch  ein  Wachsthum  der  vorhandenen  zuzunehmen  (Harting). 
Wahrscheinlich  kann  jedoch  im  spätem  Leben  eine  Neubildung 
derselben  vor  sich  gehen. 

Der  Fettgehalt  des  Zellenraums , der  sich  bekanntlich  während 
des  Lebens  beträchtlich  ändert,  wechselt  a)  mit  der  Nahrung.  Ein 
Futter,  welches  die  Thiere  mästen  soll,  muss  enthalten:  Eiweiss- 
kttrper,  Amylon  und  Fette;  fehlt  einer  dieser  Bestandtheile 
und  namentlich  der  letztere,  so  lagert  sich  kein  Fett  ab  (Bous- 
singault);  zudem  müssen  aber  auch  die  aufgezählten  Nahrungs- 
mittel in  einem  gewissen  Verhältniss  gereicht  werden,  wenn  die 
Mästung  überhaupt  oder  wenigstens  auf  die  vortheilhafteste  Weise 
gelingen  soll.  So  bedingt  ein  überreichlicher  Fettznsatz  zur  Nah- 
rung eine  Abmagerung  aller  Fettzellen,  der  des  Netzes  ausge- 
nommen (Emanuel).  Aehnliches  gilt  für  Amylacea.  Wenn  die 
eiweissartigen  Stoffe  •/»  der  Amylacea  ausmachen,  so  gelingt  dieMast 
am  besten,  sinken  sie  bis  auf  '/s,  so  misslingt  die  Feistung,  wie 
reichlich  man  auch  das  Futter  geben  mag  (Fürstenberg).  — 

•)  Hartlug,  Recherchen  micromotr.  Utrecht  1845.  51.  — Chossat,  Recherche*  expdriment.  *ur 
l’inenition.  Paria  1843.  — Schuchardt,  Quaedam  de  efTectu,  quem  privatlo  etc.  Marburg  1847.  trnd 
Valentin'*  Jahresbericht  für  1848.  — Emanuel,  Quacdam  de  efTectu,  quem  olea  etc.  Mar- 
burg 1847.  und  Valentin'*  Jahresbericht  für  1848.  — Lleblg  in  aeinen  Annalen.  41.  Bd.  77). 
45.  Bd.  113.  48.  Bd.  126.  — Dumas,  Anuaiea  de  chimie  et  physique.  VIII.  Bd.  63.  und  XI.  Bd. — 
Letellier,  Observation  »ur  l'actlon  du  euere,  ibid.  — Person,  L'lnstitnt.  1844.  N.  »73.—  Bons- 
ai nga  ult,  Recherche*  experimentale*  *ur  le  ddveloppemcnt  de  graiiae.  Annalea  de  chimie  et 
de  phjralque.  XIV.  — Hoppe,  Archiv  fdr  patbol.  Anatomie.  X.  Bd.  144. 


Füllung  der  B'ettzellen. 


287 


Die  Fettmeng«,  um  welche  die  Thiere  zunehmen,  übersteigt  den  Fettge- 
halt der  Nahrungmittcl  (Gundlach,  Liebig,  Boussingault). — 
Bei  gänzlicher  Entziehung  der  Nahrung  schwindet,  das  Wasser 
ausgenommen,  kein  Bestandteil  unseres  Körpers  so  rasch,  als 
das  Fett  (Chossat,  Schuchardt).  — b)  Unter  sonst  günstigen 
Umständen  häuft  körperliche  Ruhe  das  Fett,  während  es  durch 
Muskelanstrengung  verzehrt  wird.  — c)  Das  Auftreten  neuer  oder 
die  Steigerung  bestehender  fetthaltenc^er  Absonderungen  (Eiter, 
Milch  u.  s.  w.)  bedingt  ein  Schwinden  des  fettigen  Zelleninhalts.  — 
d)  Das  spätere  Lebensalter,  insbesondere  bei  Frauen  die  Zeit  jen- 
seits der  Menstrualperiode , sind  der  Fettablagerung  günstig. 

Um  den  Kinflnsa  irgend  einer  Bedingung  auf  die  Fetterzeugung  au  bestimmen, 
wählt  man  nach  Chossat  und  Boussingault  möglichst  gleiche  Exemplare  eines  und 
desselben  Wurfs  oder  derselben  Brut  heraus,  in  denen  man  denselben  Fettgehalt  voraus* 
setzen  darf.  Tödtct  man  ein  Thier  vor  Beginn  und  das  andere  nach  Vollendung  der 
• Venuchsreihc , so  stellt  der  absolute  Unterschied  des  Fettgehaltes  beider  Thiore,  der 
wenigstens  annähernd  eu  finden  ist,  die  Zu-  odor  Abnahme  dea  Fettes  in  dem  der 
Versuchsreihe  unterworfenen  Thiere  dar.  Dieser  Unterschied  stellt  nun  aber  offenbar 
nicht  die  ganze  Menge  des  Fetts  dar,  welches  von  Beginn  bis  zu  Ende  des  Versuchs 
in  den  Fettzcllen  niedergelegt  wurde;  denn  der  zuletzt  gefundene  Grad  ihrer  Füllung 
dürfte  nichts  anderes  sein,  als  der  Unterschied  der  wahrend  der  Versnchszcit  in  ihnen 
ein-  und  ausgetretenen  Mengen.  Auf  die  Gegenwart  eines  solchen  stetigen  Verkehrs 
deuten  nemlich  obige  Thatsachen  von  selbst  hin. 

Die  Anhäufung  des  Fetts  in  den  Zellen  geht  gewissermaassen 
mit  einer  Auswahl  des  Orts  von  Statten.  Die  meiste  Anziehung 
zum  Fett  haben  die  Zellen  der  Augenhöhle,  die  Wangenlücken, 
panniculus  adiposns  der  Fusssohle  und  der  Fingerspitzen  und  die 
Markhöhlen , welche  selbst  in  der  äussersten  Abzehrung  nie  fettleer 
gefunden  werden.  Mehrt  sich  das  Fett,  so  tritt  es  zuerst  im  pan- 
nicnlus  der  Hinterbacken,  dem  Baneh,  den  Waden,  der  Brust  und 
gleichzeitig  oder  noch  früher  in  der  Umgebung  des  Kniegelenks 
und  in  den  spongiösen  Gelenkenden  auf;  erst  wenn  hier  die  Fül- 
lung einen  gewissen  Grad  erreicht  hat,  schwellen  auch  die  Zellen 
des  Bauchfells  und  der  Nierengegend. 

Nach  den  Erfahrungen  von  Liebig  und  Gundlach,  welche 
Boussingault  bestätigt  hat,  kann  kein  Zweifel  darüber  sein, 
dass  das  Fett  des  Zelleninhaltes  nicht  unter  allen  Umständen  seinen 
Ursprung  dem  mit  der  Nahrung  eingeführten  Fett  verdanken  kann; 
aus  welchen  Atomen  es  nun  aber  entspringt,  ob  ans  Amylon  oder 
eiweissartige  nStoffen,  lässt  sieh  nicht  angelten.  — Nochw  eniger  ent- 
schieden ist  die  Frage,  ob  das  Fett  in  die  Zellen  aus-  und  eingeführt 
werde , oder  ob  es  in  ihnen  selbst  entstehe  und  vergehe.  — Nach- 


Digitized  by  Google 


288 


Meohanismun  zur  Füllung  der  Fettzellen. 


dem  nemlich  einmal  die  Möglichkeit  der  Entstehung  des  Fettes  aus 
andern  in  Wasser  löslichen  Atomgruppen  des  Thierleibes  nicht  mehr 
bestritten  werden  kann,  so  gewinnt  die  Annahme,  dass  dieselbe 
innerhalb  der  Fettzellen  vor  sich  gehe,  an  Wahrscheinlichkeit,  na- 
mentlich wenn  man  die  Schwierigkeiten  enviigt,  welche  sich  dem 
Uebergang  des  Fettes  aus  den  Nahrungsmitteln  in  die  Fettzelleu 
entgegenstellen ; kaum  ist  es  nemlich  aus  dem  Darmrohr  auf  einem 
wie  es  scheint,  bequemen  .Weg  in  die  Lymphgefäße  eingegangen, 
so  wird  jedes  kleinste  Tröpfchen  mit  einer  von  Wasser  getränkten 
Haut  umgeben.  Um  aus  dem  Blut  in  seine  neue  Lagerstätte  zu 
kommen,  muss  das  Fett  die  HUlle  der  Lymphkörperchen , die  Wan- 
dung der  Capillargefässe  und  die  Häute  der  Fettzellen  durch- 
brechen. Dazu  kommt  noch,  dass  in  der  Tbat  bei  einer  reich- 
lichen Fettnahrung  nur  die  Zellen  des  Netzes,  wohin  das  Fett  un- 
mittelbar aus  den  Lymphgefässen  gedrungen  sein  könnte,  sich 
mit  Fett  fltllen.  Hiergegen  lässt  sich  allerdings  einwenden,  dass 
es  Stoffe  giebt,  welche  dem  Fette  auch  den  Durchgang  durch 
Wasser  erleichtern,  wohin  namentlich  die  Seifen  und  die  Galle 
zählen.  Ausserdem  könnte  man  flir  die  Hypothese  von  der  ein- 
fachen UeberfUhrung  auch  noch  die  Thatsache  anfUhren,  dass  die 
Steigerung  der  Butterausscheidung  u.  dergl.  die  Fettablagerung  in 
dem  Bindegewebe  hemme;  bei  genauerer  Ueberlegung  zeigt  sich 
aber  sogleich,  dass  diese  Beobachtung  nur  dafür  cinsteht,  dass 
das  Fett  der  Butter  und  des  Eiters  einerseits  und  des  Bindegewebes 
anderseits  ihr  Bildungsmaterial  aus  einer  Quelle  ziehen.  — Zur 
Entscheidung  können  auch  nicht  die  Versuche  von  R.  Wagner*), 
Burdach  und  Witt  ich**)  dienen,  aus  denen  hervorgeht,  dass 
eine  Crystalllinse,  Muskelstücke,  Hollundermark  u.  dergl.,  welche 
in  die  Unterleibshöhle  geschoben  werden,  nach  einiger  Zeit  sich 
in  Fette  umgewandelt  oder  damit  durchtränkt  haben.  Denn  selbst 
das  Fett,  welches  in  das  Hollundermark  abgesetzt  war,  kann  aus 
Stoffen  abstammen,  welche  in  wässerigen  Lösungen  in  dasselbe 
eingedrungen  und  dort  erst  verändert  sind.  Siehe  hierüber  noch 
Michaelis***). 

Das  Schwinden  des  Fettes  in  den  Zellen  lässt  sich  ebenfalls 

nach  Analogie  bekannter  Fettzersetzungen  wohl  erklären,  aber  es 

fehlt  uns  ein  Beweis  für  das  Bestehen  eines  solehen  Prozesses  in 
* 

•)  Mittheilungon  einer  einfachen  Methode  etc.  Göttinger  gelehrte  Anzeigen  1851. 

**)  W.  Burdach,  experimenta  quaedam  de  cotnmutaUone  etc.  Königsberg  1853. 

*«•)  Ptager  Vierteljahrachilft.  IHM.  UI.  Bd. 


Digitized  by  Google 


Chemische  Zusammensetzung  der  Nervenröhren. 


289 


der  Fettzelle.  Man  könnte  nemlich  veraussetzen , dass  in  dieser 
letztem  nach  Art  der  oxydirenden  Fettgährnng  die  neutralen  Fette 
erst  in  Glycerin  und  fette  Säuren  und  diese  dann  wieder  durch 
allmählige  Abspaltung  in  CjHj  und  CO2,  HO  und  eine  fette  Säure 
niederer  Ordnung  zerfielen.  Um  dieser  Hypothese  Eingang  zu  ver- 
schaffen, fehlt  selbst  der  Nachweis  von  Capron-,  Capryl-,  Baldrian-, 
Buttersäure  n.  s.  w.  in  dem  Fettgewebe. 

Nervenröhren. 

1.  Die  anatomischen  Eigenschaften  derselben  sind  schon  frtlher 
(Bd.  I.  p.  85)  auseinandergesetzt. 

2.  Chemische  Zusammensetzung*).  Die  mikrochemische  Unter- 
suchung, deren  Ergebnisse  ebenfalls  schon  frllher  erwähnt  sind, 
lässt  die  Scheide  des  Rohrs  aus  elastischem  Gewebe  und  den  In- 
halt desselben  aus  einem  Gemenge  von  Fetten,  Eiweissstoffen, 
Salzen  und  Wasser  bestehen,  v.  Bibra  hat  die  Fette  und  Salze 
der  Nerven  und  ebenso  einige  quantitative  Verhältnisse  derselben 
im  Grossen  untersucht;  die  Fette  bestehen  nach  ihm  aus  Olein 
und  Margarin,  Cerebrinsäure , Cholestearin  und  einigen  andern 
nicht  näher  bestimmbaren  festen  und  flüssigen  Fettarten;  die  Asche 
enthielt  Eisen,  Kochsalz  und  Verbindungen  der  Phosphorsäure  mit 
Kali,  Natron,  Kalk-  und  Talkerde. 

Die  quantitative  Schärfe  wird  beeinträchtigt  durch  den  Mangel  an  Reinheit  de« 
Gewebes,  welches  nur  mit  Bindegewebe  und  u.  s.  w.  vermischt,  der  Zerlegung  an- 
gängig ist.  — Quantitativ  sind  bestimmt  worden  die  in  Aether  löslichen  und  unlös- 
lichen Bestandtheile , das  Wasser  und  die  Aschen  am  nerv,  opticus,  brachialis,  cru- 
ralis,  ein  oberer  und  unterer  Abschnitt  des  ischiadicus  bei  Menschen  von  3 bis  93  Jahren, 
männlichen  und  weiblichen  Geschlechts.  Diese  Beobachtungen  Ussen  erkennen , dass 
das  analytische  Object  von  sehr  variabler  Natur  ist  und  in  keiner  Abhängigkeit  zum 
Alter  des  Menschen  und  der  Localität  des  Nerven  steht.  So  schwankt  z.  B.  der  Aether- 
auszug  in  100  Theilen  des  n.  cruralis  zwischen  13  und  38  pCt,  im  n.  brach,  zwischen 
4 und  30  pCt. , im  obern  Stück  des  n.  ischiadicus  zwischen  18  und  26  pCt.  und  im 
untern  zwischen  11  und  24  pCt  An  Wasser  enthielt  ein  Hingerichteter  im  n.  ischia- 
dicus oberer  Hälfte  rechter  Seite  72,4  pCt.,  linker  Seite  68,2  pCt.,  unterer  Hafte  rechter 
Seite  69,7  pCt,  linker  Seite  68,6  pCt  In  einer  andern  auf  gleiche  Weise  dargestellten 
Leiche  gab  der  n.  crualis  linker  Seite  63,6  pCt.,  rechterseits  64,0  pCt.  Wasser  (Birk- 
ner).  Achnliche  Unterschiede  zeigt  der  Gehalt  der  in  Aether  unlöslichen  Bestand- 
theile. Dabei  kommt  auch  kein  bestimmtes  Verhältniss  zwischen  dem  Wassergehalt 
und  dem  Aetherauszug  heraus ; die  Nerven  mit  der  geringsten  Menge  Aetherextract  er- 
weisen sich  allerdings  am  wasserreichsten,  aber  sehr  häufig  ist  der  Wassergehalt 
zweier  Nerven  annähernd  einander  gleich,  während  ihr  Gehalt  an  Aetherextract  weit 
von  einander  abweicht.  — Die  prozentische  Aschenmenge  steigt  dagegegen  mit  der- 


•)  Schloasberger  vergleichende  Thlerchemie.  I.  Bd.  Nervengewebe.  — Bibra,  L l e b i g * 
Annalen.  91.  Bd.  — Birkner,  das  Wasser  der  Nerven  Augsburg  1867. 

Ludwig,  Physiologie  II.  % Auüagc.  19 


Digitized  by  Google 


290 


Ernährung  der  Nervenröhren. 


jenigen  der  in  Aether  unlöslichen  Stoffe.  Sie  wechselt  «wischen  1,2  bis  0,6  des  feuchten 
Nerven.  — Die  Zusammensetzung  der  Fette  ist  ebenfalls  qualitativ  und  quantitativ 
wechselvoll;  gewöhnlich  Qberwiegt  Margarin  und  Olein,  das  bis  zu  94,9  pCt  des 
trockenen  ätherischen  Auszugs  sich  erhebt.  Die  Asche  besteht  wesentlich  aus  phos- 
phorsauren Salzen , unter  denen  bald  die  phosphorsauren  Alkalien  und  bald  die  Erden 
überwiegen.  In  100  Theilen  Asche  hält  sich  das  Chlornatrium  zwischen  1$  und  27  pCt. 
und  das  Eisen  «wischen  1 und  2 pCt.  — Der  n.  cruralis  und  ischiadicus  einer  ein- 
seitig gelähmten  78jährigen  Frau  waren  beiderseits  sehr  fettreich,  der  n.  brachialis, 
welcher  gmr  auf  der  gelähmten  Seite  untersucht  wurde,  dagegen  keineswegs. 

3.  Ernährung.  Die  entstehenden  Nervenröhren  sollen  aus  ver- 
längerten und  mit  einander  verwachsenen  Bildungszellen  hervorgeben. 
Eine  vollkommene  Neubildung  ist  auch  im  erwachsenen  Menschen 
möglich  (Virchow)*),  obwohl  sie  selten  vorzukommen  scheint. 
Der  Wiederersatz  eines  ausgeschnittenen  Stücks  Nervenrohr  mit 
der  Wiederherstellung  eines  Kanals  ist  dagegen  sehr  häufig  be- 
obachtet und  tritt,  obwohl  sehr  langsam,  im  gesunden  Individuum 
jedesmal  ein,  vorausgesetzt,  dass  die  beiden  zugehörigen  Enden  des 
durchschnittenen  Nerven  durch  einen  Zwischenraum  von  nicht  mehr 
als  höchstens  8 — 12  Linien  getrennt  und  mit  ihren  Schnittflächen 
einander  zugekehrt  sind.  Diese  Thatsachen  in  Verbindung  mit 
den  Ergebnissen,  welche  die  mikroskopischen  Beobachtungen  von 
Kölliker  und  Valentin**)  lieferten,  lassen  darauf  schliessen, 
dass  die  beiden  Enden  wieder  mit  einander  verwachsen.  Im  Gegen- 
satz hierzu  behauptet  Walther***),  dass  das  peripherische  von 
seiner  Verbindung  mit  Hirn  oder  Rückenmark  getrennte  Stück  ganz 
absterbe  und  sich  an  der  Stelle  desselben  ganz  neue  Nervenröhren 
entwickelten,  die  mit  denen  im  centralen  Stumpf  enthaltenen  sich 
verbinden.  Hierzu  würden  die  Erfahrungen  in  der  Rhinoplastik 
stimmen,  welche  zeigen,  das  ein  aus  der  Stimhaut  auf  die  Nase 
gesetzter  Lappen  nach  Jahren  wieder  als  ein  Theil  der  Nase  em- 
pfunden, also  von  den  Nervenstämmchen  der  letzteren  aus 
versorgt  wird  (Dieffenbach)f). — Die  Zahl  der  Röhren,  welche 
von  gleichnamigen  Nervenstämmen  eines  Kindes  und  eines  Er- 
wachsenen eingeschlossen  werden,  ist  annähernd  gleich,  der  mittlere 
.Querschnitt  der  kindlichen  Nervenröhren  ist  dagegen  viel  geringer, 
als  im  spätem  Lebensalter  (Harting).  Daraus  darf  wohl  gefol- 
gert werden,  dass  sich  beim  Wachsthum  des  Körpers  nicht  die  Zah- 
len, sondern  nur  die  Dimensionen  der  Nervenröhren  vergrössern. 

•)  WUrzburger  Verhandlungen  II.  Bd.  141. 

••)  Lehrbuch  der  Physiologie.  3.  Autl  p.  716. 

••*)  Kölliker,  Handbuch  der  Gewebelehr«.  2.  Aufl.  366. 

t)  Romberg,  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten.  1.  1.  Aufl.  311. 


Digilized  by  Google 


Hirn  und  Rückenmark. 


291 


Im  ausgewachsenen  Nerven  setzt  man  einen  lebhaften  Stoff- 
wechsel voraus;  dieses  gründet  man  in  Ermangelung  chemischer 
Beweise  darauf,  dass  ein  Nerv  seine  Fähigkeit,  lebendige  Kräfte 
zu  entwickeln,  rasch  einbüsst,  wenn  ihm  die  Blutzufuhr  abgeschnitten 
wird,  und  sie  ebenso  rasch  nach  dem  Zutritt  von  Blut  wieder  ge- 
winnt. — Die  einzigen  sicheren  Erfahrungen  Uber  die  inneren  Um- 
setzungen des  Nerven , hat  die  mikroskopische  Anschauung  geliefert. 
Sie  lehrt,  dass  ein  Nerv  der  längere  Zeit  den  Zustand  der  Erre- 
gung entbehrt  hat,  blass  und  zusammengefallen  ist  nnd  zuweilen 
mit  kleinen  kernhaltigen  in  Aether  unlöslichen  Zellen  (Marfels)*) 
oder  kleinen  Fetttröpfchen  gefüllt  ist  (L.  Fick,  Kölliker,  Vir- 
chow).  Diese  Veränderung  kann  aber,  so  lange  als  die  Verbin- 
dung des  Nerven  mit  dem  Hirn  nnd  Rückenmark  noch  besteht, 
wieder  aufgehoben  werden;  denn  ohne  diese  Annahme  würde  es 
unerklärlich  sein , dass  die  atrophischen  Muskeln  und  Nerven  eines 
Klumpfusses  wieder  in  normale  Funktion  treten , nachdem  durch  eine 
passende  orthopädische  Behandlung  die  Beweglichkeit  des  Gliedes 
hergestellt  ist.  Ueber  Nervenhypertrophie  berichtet  H.  Mtlller**). — 
Die  mikroskopische  Untersuchung  thut  ausserdem  dar,  dass  ein 
von  den  nervösen  Centrcn  getrennter  Nerv  rasch  seine  Struktur 
einbüsst,  indem  namentlich  das  Mark  gerinnt  und  die  doppelten 
Contouren  verloren  gehen.  Diese  Beobachtungen  zeigen,  dass  der 
Nerv,  um  seine  chemische  Zusammensetzung  zu  behaupten,  eben- 
sowohl der  Beihüfe  des  Blutes,  als  auch  der  Einwirkungen  bedarf, 
welche  vom  Hirn-  und  Rückenmark  aus  auf  sie  zu  geschehen 
pflegen.  Ob  diese  in  noch  etwas  andern,  als  in  der  von  dort  aus- 
gehenden Erregung  bestehen,  ist  nicht  bekannt. 

Von  den  Ernährungsverhältnissen  der  übrigen  nervösen  Ele- 
mentarformen , z.  B.  der  Ganglienkugel,  der  Stäbchenschicht  u.  s.w., 
weiss  die  Physiologie  noch  nichts  dem  betreffenden  Inhalt  der 
histologischen  Lehrbücher  zuzusetzen. 

Hirn  und  Rückenmark. 

1.  Chemische  Zusammensetzung***).  Der  wässerige  Auszug 
des  Hirns  enthält  mehrere  Ei weisstoffe,  Kreatin,  Mensch  (W.  MUL 
ler),  Hund,  Taube  (Staedeler),  nicht  aber  das  Rind  (W.  Mül- 
ler), viel  Milchsäure  (Bibra,  W.  Müller)  und  geringe  Menge 

*)  Archiv  für  patholog.  Anatomie.  XI.  Bd.  200. 

••)  Oraefe’s  Archiv  für  Ophthalmologie. 

••*)  Freroy,  Annalea  de  chlm.  et  pbys.  3 »Ihme  »er.  1.  Bd.  403.  — Bertel  ins,  I.ehrb.  d. 
Chemie.  IX.  Bd.  — v.  Bibra.  Vergleichende  Untersuchungen  Uber  das  Gehirn  des  Menschen. 
Mannh.  IBM.  — Derselbe  In  Liebig's  Annalen.  91.  Bd.  — Hsnff  n.  Walther,  Archiv  für 

19* 


Digitized  by  Google 


292 


Chemische  Zusammensetzung  Ton  Hirn  und  Rückenmark. 


flüchtiger  Fettsäuren  von  der  allgemeinen  Formel  Chn  Hjn  O4  (W.  Mül- 
ler), phosphorsanre  neben  Spuren  von  Schwefel-  und  salzsauren 
Alkalien  (Bibra).  Im  Hirn  einer  Choleraleiche  fand  Voit  Harn- 
stoff. Im  Aetherauszng  hat  man  gefunden:  einen  indifferenten 
Körper,  das  Cerebrin  = CmHaaNOe  (W.  Müller),  das  also  den  älte- 
sten Angaben  entgegen  weder  Ph.  enthält,  noch  eine  Säure  ist,  Gly- 
cerinphosphorsäure (V),  viel  Cholestearin , Olein,  Margarin  (?)  und 
ein  Gemenge  anderer  nicht  näher  untersuchter,  fettartiger  Stoffe. 
Der  nach  Behandlung  mit  Wasser  und  Aether  verbleibende  Rück- 
stand enthält  unlösliche  Eiweisskörper,  die  Bestandtheile  der  Ge- 
fässe  und  des  Bindegewebes  Eisen , Kieselsäure,  phosphorsauren 
Kalk  und  Talk.  — Das  Verhältniss,  in  welchem  diese  Stoffe  in 
den  verschiedenen  Himtheilen  Vorkommen,  ist  nicht  gleich.  John 
und  Lassaigne  hatten  schon  gefunden,  dass  die  weisse,  nur  ans 
Nervenröhren  zusammengesetzte  Substanz  viel  reicher  an  in  Aether 
löslichen  Stoffen  und  dagegen  viel  ärmnr  an  Wasser  sei,  als  die 
graue.  Diese  Beobachtung  ist  durch  eine  ausgedehnte  Versuchs- 
reihe von  Hauff,  Walther  und  v.  Bibra  bestätigt  worden, 
welche  in  der  weissen  Substanz  69,9  bis  70,6  pCt.,  in  der  grauen 
dagegen  nur  84,8  bis  86,4  pCt.  Wasser  fanden,  während  die  er- 
stere  14,9  bis  17,0  pCt.,  die  letztere  dagegen  4,8  bis  5,1  pCt.  Aether- 
extract  enthielt  Sehlossberger  fügt  hierzu  die  Erfahrung,  dass 
diese  Unterschiede  zwischen  weisser  und  grauer  Substanz  in  dem 
Hirn  von  Neugeborenen  noch  nicht  bestehen , indem  beide  zwischen 
88,5  und  89,8  pCt.  Wasser  und  3,5  bis  3,8  ätherisches  Extract 
enthalten.  Die  Rückstände  der  ätherischen  Auszüge  aus  beiden 
Substanzen  unterscheiden  sich  dadurch,  dass  in  der  weissen  das 
Cerebrin , in  der  grauen  dagegen  die  Fettarten  Uberwiegen.  Chole- 
stearin scheint  in  beiden  ungefähr  gleich  viel  zu  sein  (v.  Bibra). 
Die  Asche  der  beiden  Hirnmassen  ist  weder  eine  gleich  reichliche 
noch  eine  gleich  zusammengesetzte.  Die  weisse  Substanz  liefert 
um  95  pCt.  weniger  Asche,  diese  ist  stark  sauer,  während  die  der 
grauen  alkalisch  reagirt  (Lassaigne,  Schlossberger).  Der 
Grund  für  die  saure  Beschaffenheit  der  Asche  des  Markstoffes  ist 
gelegen  in  dem  starken  Gehalt  des  letzteren  an  phosphor-  (?)  und 
phosphorsäurehaltigen  Fetten. 


phyaiolog.  Heikonde.  1868.  100.  — S c h 1 o aa  b er g er , Liebiga  Annalen.  66.  Bd.  119  und  Ibid. 
90.  Bd.  361.  — B r e e d , ibid.  80.  Bd.  l‘J4.  — W.  Müller,  ibid.  103.  p.  131  und  106.  Bd.  3«1.  - 
Staedeler,  (Jhcm.  Central  bl  alt  1866.  112.  — Schlonberger,  allgemeine  Tbierchemie.  L Bd. 
Nervengewebe. 


Digitized  by  Google 


Capillaron  im  Hirn  und  Rückenmark. 


293 


Beliebige  Stücke  der  Hirnsubstanz,  die  man  ohne  Sonderung 
der  weissen  und  grauen  Masse  ausgeschnitten  hatte,  sind  demnach 
begreiflich  nicht  überall  gleich  zusammengesetzt.  Vauquelin 
beobachtete,  dass  medulla  spinalis  und  oblongata  am  meisten  Aether- 
extract  liefern,  und  Bibra;  der  dieses  bestätigt,  setzt  hinzu,  dass 
von  den  aus  weisser  und  grauer  Masse  gemischten  Hirntheilen  mit 
abnehmendem  Gehalt  an  jenem  Extract  der  Reihe  nach  folgen : die 
Grosshimhemisphären,  cerebellum  und  pons,  crura  cerebri,  corpora 
striata  und  thalami  optici.  Diese  Reihe  ist  nach  Schlossberger 
keine  constante.  Der  ätherische  Extractgehalt  ist  bei  Embryonen 
und  jungen  Kindern  geringer,  späterhin,  namentlich  jenseits  der 
Pubertät  ist  er  unabhängig  vom  Alter;  vielleicht  dass  im  Greisen- 
thum  der  Gehalt  an  in  Aether  löslichen  Stoffen  ab-,  und  der  an 
WasBer  wieder  zunimmt;  dieselbe  Unabhängigkeit  gilt  von  dem 
Fettreichthum  des  übrigen  Körpers,  indem  magere  und  fette  Per- 
sonen ganz  dieselbe  Menge  von  Aetherextract  bieten  (v.  Bibra).  — 
Um  einen  Begriff  von  der  Zusammensetzung  der  mineralischen 
Hirnbestandtheile  zu  geben,  fügen  wir  eine  Analyse  derselben  von 
Breed  bei.  100  Theile  frischen  Hirns  hinterliessen  0,027  Asche, 
welche  in  100  Theilen  aus  55,24  pyrophosphorsanrem  Kali;  22,93 
pyroph.  Natron;  1,23  pyroph.  Eisen;  1,62  pyroph.  Kalk;  3,4  pyroph. 
Magnesia;  4,74  Chlornatrium ; 1,64  schwefelsaurem  Kali ; 9,15  Phos- 
pborsäure  und  0,42  Kieselsäure  bestanden.  Analysen  der  ent 
fetteten  Hirnmasse  theilt  v.  Bibra*)  mit. 

Der  Reichthum  der  Nervencentren  an  Capillargefässen  ist  mit 
der  Elementarstruktur  des  versorgten  Orts  veränderlich;  die  weisse 
Masse  enthielt  weite  nach  der  Länge  des  Faserverlaufs  gestreckte 
Maschen,  die  Körnerschicht,  die  dichtesten  und  engsten  Netze, 
die  Zellensehieht  steht  an  Gefässreichthum  in  der  Mitte  zwischen 
Körner-  und  Zellenschicht;  die  äusserste  Oberfläche  des  Kleinge- 
hirns ist  frei  von  Capillargefässen  (Oegg,  Gcrlach)**).  Die  grosse 
Menge  von  Gefässen  in  der  grauen  Substanz  erweckt  die  Ver- 
muthung,  dass  dort  eine  lebhafte  chemische  Thätigkeit  stattfinden 
möge;  diese  Anschauung  wird  unterstützt  durch  die  bekannte  Er- 
fahrung, dass  das  Hirn  rasch  abstirbt,  wenn  der  Strom  des  ar- 
teriellen Blutes  zum  Hirn  oder  Rückenmark  nur  kurze  Zeit  unter- 
brochen ist.  Gegen  die  obige  Annahme  spricht  scheinbar  die  mehr- 
fach bestätigte  Erfahrung  Chossat’s;  dass  das  Hirn  verhungerter 

■)  Vcrgl.  Untersuchungen  u.  a.  w.  p.  75. 

•*)  Ge  risch,  Mikroskop.  Studien.  Erlangen  1858.  p.  18. 


Digitized  by  Google 


294 


Ernährung  des  Hirns  und  Rückenmarks. 


Thiere  im  Gegensatz  zu  Fett,  Muskeln  u.  s.  w.  einen  nur  unbe- 
deutenden Gewichtsverlust  erlitten  hat;  eine  kurze  Ueberlegung 
führt  uns  aber  sogleich  noch  eine  andere  Erklärung  dieser  Er- 
scheinung zu;  denn  es  steht  uns  nichts  entgegen,  anzunehmen, 
es  sei  das  Hirn  mit  so  energischer  Verwandtschaft  zu  den  Btut- 
bestandtheilen  begabt,  dass  es  auch  noch  aus  dem  Blut  des  hun- 
gernden Thiers,  gleichsam  auf  Kosten  der  übrigen  Organe,  den 
Verlust  ersetze,  welchen  es  während  seines  Bestehens  fortdauernd 
erleidet.  — Wie  das  Hirn  nach  der ‘Geburt  sein  Wachsthum 
fortsetzt,  ist  unbekannt.  Ob  alle  Elemente  vor  derselben  schon 
angelegt  sind , oder  ob  nach  der  Geburt  noch  neue  entstehen,  bleibt 
unermittelt.  Für  die  letztere  Annahme  könnte  man  geltend  machen, 
dass  sich  in  seltenen  Fällen  graue  Hirnmasse  an  solchen  Stellen 
und  unter  solchen  Umständen  gefunden  hat,  die  auf  eine  patho- 
logische Neubildung  schliessen  lassen  (Virchow)*).  — Da  die 
chemische  Zusammensetzung  des  Hirns  nicht  überall  dieselbe  ist, 
so  wird  es  daraus  wenigstens  ganz  im  Groben  erklärlich,  warum 
Gifte,  insbesondere  Kohlensäure  und  Narkotika  nicht  alle  Orte 
desselben  gleichmässig  angreifen,  so  dass  z.  B.  Digitalin  die  Ur- 
sprünge des  n.  vagus,  Opium  die  mit  dem  Bewusstsein  in  Ver- 
bindung stehenden  Stellen,  Strychnin  die  reflector.  Apparate  ab- 
tödtet,  resp.  aufregt.  — Dabei  könnten  allerdings  noch  andere 
Bedingungen  als  die  chcm.  Zusammensetzung  in  Frage  kommen,  wie 
dieses  zu  vermuthen  ist  aus  einer  merkwürdigen  Versuchsreihe  von 
Kunde**):  über  den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Entwicklung 
des  Strychnintetanus. 

Er  bringt  irisch  cingefengne  Frösche  in  Strychninlösung  und  läset  eie  hier  so 
lange  verweilen  bis  die  allerersten  Spuren  erhöhter  Reflexthätigkcit  cintrcten.  Setst 
er  sie  dann  in  warmes  Wasser  (32°C),  so  stellt  sich  Tetanus  ein.  Hierauf  entfernt  er  sie 
aus  dem  warmen  Wasser  und  hält  sie  in  feuchtem  Raume  bei  gewöhnlicher  Zimmer- 
temperatur, wo  sie  sich  rollkommen  erholen  und  nach  24  Stunden  ohne  Zeichen  der 
Vergiftung  herumhüpfen.  Sie  gerathen  dagegen  alsbald  in  Tetanus,  wenn  man  sie  mit 
dem  Kücken  auf  ein  Eisstück  legt 

Muskeln. 

Der  anatomische  und  chemische  Bau  der  glatten  und  gestreiften 
Muskelröhre  ist  schon  abgeliandelt***).  Zu  den  dort  gegebenen  Mit- 
theilungen über  chemische  Zusammensetzung  hat  Kühnef)  die 


•)  Gesammelt«  Abhandlungen.  1*5«.  Nr.  ÖS*. 

•*)  Würsburger  Verhandlungen.  VIII.  1867. 

•••)  I.  Bd.  p.  421. 

f)  Posner,  Modi*.  Ccntralzeitung.  1868. 


rTT 


Formfolge  der  Muskeln. 


295 


Beobachtung  gefügt , dass  aus  einem  in  Zuckerwasser  aufbewahrten 
Froschmuskel  der  lange  gesuchte,  flüssige  und  erst  später  gerin- 
nende Faserstoff  ausgepresst  werden  kann;  Bloxam*)  hat  aus 
der  Ocbsenfleischbrtlhe  eine  neue  stickstoffhaltige  Säure  und  eine 
neue  Base  «CisHnNjQj  aufgefnnden.  Das  Vorkommen  der  Butter- 
säure hat  er  bestätigt.  Scherer**)  erklärt  sein  Hypoxanthin 
für  identisch  mit  Streckers  Sarcin.  — Bei  der  Quellung  nimmt  der 
lebende,  noch  unter  dem  Nerveneinfluss  stehende,  aber  seines  Blut- 
stroms beraubte  Muskel  20  pCt.  Wasser  weniger  auf  als  der  todte 
(Arnold)***). 

Der  letztere  Versuch  gestaltet  sich  so,  dass  man  die  Gcfasse  des  Froschgastrocnemius 
unterbindet  und  das  Thier  nach  aufgeschlitzter  Wadenhaut  in  Wasser  setzt.  Nach- 
dem voraussichtlich  die  Gewichtszunahme  des  Wadenmuskela  aufgehört  hat  (nach  24  Stun- 
den) schneidet  man  denselben  aus,  wägt  und  legt  ihn  von  Neuem  in  Wasser.  Ueber  an- 
dere Eigonthümlichkeiten  der  Muskolquellung  siehe  a.  a.  0. 

1.  Ernährungserscheinungen  f).  An  der  ersten  Formung  der  Mus- 
kelröhre betheiligt  sich  nach  übereinstimmenden  Aussagen  die  Bil- 
dungszelle; das  Wie  ist  dagegen  streitig.  — Nach  der  einfachsten 
Annahme  verlängert  sich  nach  einer  Richtung  hin  die  Zelle,  ihr 
Kern  theilt  sich  mehrmals  und  der  Hohlraum  füllt  sich  von  der 
Peripherie  nach  dem  Centrnm  mit  dem  Inhalt.  Eine  andere  An- 
schauung lässt  die  Muskelröhre  aus  verlängerten  und  mit  ihrer 
schmalen  Seite  verwachsenen  Zellen  hervorgehen.  Eine  dritte  An- 
nahme lässt  den  Inhalt  der  Mnskelröhre  und  zwar  jede  sog.  Fi- 
brille aus  einer  Zelle  hervorgehen,  mehrere  solcher  vereinigen  sich 
zur  Bildung  eines  Bündels,  das  dann  mit  einer  Haut  umlagert 
wird.  — In  der  Fötalperiode  entsteht  ein  Muskelrohr  nur  dann, 
wenn  die  ihm  zugehörigen  Nerven  vorhanden  sind  (E.  H.  und  Ed. 

*)  Kopp'i  Jahresbericht  für  1857.  p.  568 

••)  Scherer,  Jahresbericht  für  1857.  p.  178. 

*••)  Die  |>hysiolog.  Anat.  d.  Cniv.  Heidelberg.  1858.  104. 

f)  Aus  einer  während  dea  Drucke»  dieses  Bogens  erschienenen  wichtigen  Abhandlung  Uber  Bau 
und  Entwicklung  der  Muskeln  von  Margo  (Wiener  Sitzungsberichte  XXV.  Bd.)  hebe  ich  Folgendes 
aus.  — Das  Sarcolemma  ist  keine  Zelleiunerabran  und  auch  nicht  durch  Verschmelzung  von  Zellen* 
membranen  entstanden;  ea  bildet  alch  aus  dem  homogenen,  fibrillären  Bindestoff  ln  Gestalt  einet 
elastischen  Begrenzungshäutchens. — Die  contrsk Ule  Substanz  ist  das  Product  eigentümlicher  Zellen, 
welche  sich  durch  Theilung  der  Kerne  und  Endogenes«  vermehren.  Ihr  Inhalt  wandelt  sich  inFleisch- 
stnff  um ; dieses  geschieht  so , dass  sich  Im  homogenen  Inhalt  der  Zelle  anfangs  sehr  kleine , stark 
lichtbrechende  Körperchen  hervorheben,  die  alch  allmählig  in  Qocrrelhen  längs  der  Zellenwand  ab- 
lagern;  dieses  Letztere  wiederholt  sieh  so  oft,  bis  der  Inhalt  vollkommen  mit  Fleischmasse  erfüllt  Ist. 
In  diesem  Zustand  steiles  die  Sarcoplasten  inehr  oder  weniger  abgestutxte  und  gebogene  C'yllnder- 
■plndeln  dar  mit  deutlicher  Querstreifung;  sie  enthalten  oft  1 — 8 helle  Bläschen;  Zellenhaut  ist  ao 
vollständig  mit  dem  Inhalt  verwachsen,  dass  sie  nicht  gesondert  nachgewiesen  werden  kann.  Die 
8arcoplasten  können  Fortsätze  (reiben  in  einfachen  Reihen  (mit  der  schmalen)  oder  ln  mehrfachen 
(mit  der  schmalen  und  langen  Wand)  mit  einander  verwachsenen.  — Die  ursprüngliche  Längen- 
und  Dlckenzunahrae  der  Muskeirohre  geschieht  durch  Anfügung  von  Sarcoplasten. 


296 


Ernährung  der  Muskeln. 


Weber)*).  Im  erwachsenen  Menschen  gehört  ihre  Neubildung  ebenso 
wie  die  Verheilung  eines  durchschnittenen  Rohres  mit  Muskelsubstanz 
zu  den  höchsten  Seltenheiten;  sie  ist  nur  wenigemal  von  Roki- 
tansky, Virchow  und  Billroth**)  beobachtet  worden;  ob  sich 
mit  ihr  gleichzeitig  Nerven  entwickelten?  — Bei  dem  Wachs- 
thum der  menschlichen  Muskeln  nimmt  nicht  die  Zahl , sondern  der 
Umfang  der  in  ihnen  enthaltenen  Röhren  zu  (Harting,  Hepp)***). 
Damit  in  Uebereinstimmung  fand  Liebig,  dass  verdünnte  Salz- 
säure, welche  die  Röhrenwände  und  Scheiden  zurücklässt,  das  Röhren- 
mark aber  löst,  aus  den  Muskeln  alter  Thiere  einen  grössern  proportio- 
nalen Antheil  auflöst,  als  aus  denen  junger.  — Bei  den  Wirbelthieren 
gestaltet  sich  die  Sache  anders , indem  beim  Auswachsen  des  jungen 
Thiers  sich  auch  die  Zahl  der  Röhren  mehrt  (Budge,  Margo)f). 

Im  Gastrocnemius  einoa  Thieres,  dessen  Rumpflänge  = 13,0  M.  M.  gefunden 
wurde,  betrug  die  Zahl  der  Röhren  1053  und  in  einem  andern  dagegen,  dessen  Rumpflänge 
80,0  M.  M.  betrug,  war  die  Röhrensahl  = 5710.  Auch  bei  Abmagern  der  Frösche 
soll  die  Röhrenzahl  sich  mindern  und  bei  der  Fütterung  sich  wieder  mehren;  dabei 
ändert  sich  aber  auch  gleichzeitig  der  Röhrenumpfang  (Budge). 

Die  glatte  Muskelzelle  entsteht  durch  Auswachsen  der  Bil- 
dungszelle; im  spätem  Leben  bildet  sie  sich  sehr  leicht  nach  ihrer 
Zerstörung  wieder,  ohne  dass  die  gleichzeitige  Entwickelung  von 
Nerven  beobachtet  wird. 

Der  Inhalt  des  lebenden  Muskelrohrs  kommt  niemals  zu  einem 
chemischen  Gleichgewicht,  wie  aus  den  früheren  Mittheilungen 
hierüber  hervorgeht.  Ueber  die  Geschwindigkeit  des  Stoffwechsels 
fehlen  Angaben ; etwas  weniges  ist  uns  nur  bekannt  Uber  das  Ver- 
hältniss  der  zu-  und  abgehenden  Strömung.  Die  Zufuhr  überwiegt 
den  Abfluss,  wenn  bei  hinreichender  und  insbesondere  bei  fleisch- 
haltiger Nahrung  die  Muskeln  häufig  und  angestrengt  in  Verkür- 
zung gerathen.  ln  diesem  Falle  nehmen  nemlicb  die  Muskeln  an 
Umfang  zu.  — Umgekehrt  verhalten  sich  die  Dinge  bei  Entziehung 
der  Nahrung;  namentlich  verdünnen  sich  die  Muskelröhren  auch, 
wenn  die  Thiere  nur  mit  Eiweiss  gefüttert  werden,  so  dass  sie 
aus  Mangel  an  Fett  oder  Amylon  verhungern.  Doch  ist  die  Ab- 
nahme derselben  dann  geringer,  als  wenn  sie  umgekehrt  durch 
Entziehung  des  Ei  weisses  verhungern  (Schuchardt)  ff).  Die  Mus- 


•)  Leipziger  Berichte.  IMS.  p.  130 
••)  Köl liker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  3.  Anfl.  p.  300. 

•••)  Harting,  i.  c.  — Hcpp,  Henle'a  and  Pfeafer’a  Zeitschrift.  N.  F.  IV.  157. 
|)  Compt.  rend.  47.  Bd.  587. 

||)  <jaaedam  de  effectu  quem  priratio  etc.  Marbarg  1847. 


Digi^ed-by  Google 


Blutgefasswände. 


297 


kein  nehmen  auch  an  (Jewicht  ab,  wenn  sie  bei  noch  so  guter 
Ernährung  lange  Zeit  in  dem  verlängerten  Zustand  verharren,  hierbei 
ist  es  gleichgiltig , ob  dasselbe  bedingt  war  durch  Abwesenheit  der 
Nervenerregung,  Zerstörung  eines  Gelenkes  u.  s.  w.  Die  Um- 
setzung der  Stoffe  im  Rohr  wird  damit  auch  qualitativ  geändert,  da 
die  verkümmerten  Muskeln  sehr  reich  an  Fett  werden,  was  jedoch 
H.  Weber  bestreitet  und  Böttcher  wenigstens  nicht  bestätigt. 

Die  LUckensystemc , welche  im  Innern  des  Mnskelrohres 
beobachtet  sind,  müssen  für  die  Leichtigkeit  der  Zufuhr  vom  Muskel 
zum  Blut  jedenfalls  bedeutungsvoll  sein,  gleichgiltig,  ob  die  Lücken, 
wie  Böttcher*)  will,  Ausläufer  sogen.  Bindegewebskiirper  sind 
oder  nicht.  — Für  den  Zusammenhang  zwischen  Muskelernäh- 
rung und  Muskelzusammenziehung  sind  die  Angaben  von  Gun- 
ning**)  belangreich.  Nach  ihm  zieht  sich  in  Folge  einer  gleich- 
zeitigen Nervenerregung  mit  dem  Muskel  auch  die  Wand  der  Blut- 
gefässe in  demselben  zusammen,  so  dass  der  verkürzte  Muskel 
weniger  Blut  erhält.  Nach  beendigter  Zusammenziehung  des  Muskels 
erschlafft  auch  gleichzeitig  die  Gefässwand,  so  dass  nun  die  Berührung 
zwischen  Blut  und  Muskel  eine  ausgedehntere  und  zugleich  dcrBlut- 
strom  ein  rascherer  wird.  Hiermit  stimmt  es,  dass  CI.  Bernard  ***) 
das  Blut,  welches  aus  dem  zusammengezogenen  Muskel  kommt, 
dunkler  findet,  als  das  aus  dem  ruhenden  zurtickkehrendc. 

Die  Muskeln  sind  öfter  auch  im  Ganzen  analysirt  worden  f);  bei  einem  Mangel 
an  genügenden  Hilfsmitteln,  um  Bindegewebe,  Ge  fasse , Fett,  Muskelröhren,  Blut  und 
Muskelsäfte  su  scheiden , Bind  diese  Beobachtungen  natürlich  unvollkommen  ; für  die 
Physiologie  der  Muskel ernährung  sind  sie  auch  noch  nicht  von  Bedeutung  geworden ; 
dagegen  nehmen  sio  ihren  wahren  Platz  ein  in  den  Verzeichnissen  der  Nahrungs- 
mittel. — Das  einzige,  wa*  vielleicht  schon  hier  bemerkt  werden  musste,  ist  die 
Beobachtung  von  Schottin,  nach  welcher  das  Blutserum  eines  Thiers  10  pCt  Wasser 
mehr  enthält,  als  die  Muskeln,  welche  möglichst  von  Fett  und  Bindegewebe  befreit 
sind.  Damit  kommt  nun  allerdings  die  Erfahrung  von  Schlossberger  und  Bibra 
nicht  überein,  wonach  die  Muskeln  junger  Thierc  um  2 pCt.  wasserhaltiger  sind,  als 
die  der  ältern.  — Foetale  Muskeln  sind  sehr  viel  wasserreicher  (Schlossberger). 

Blutgefässwandungen. 

Die  anatomischen  Eigenschaften  der  ausgebildeten  Gefässwan- 
dungen  sind  auf  Seite  105  u.  f.  dieses  Bandes  beschrieben. 

2.  Die  chemische  Zusammensetzung  ff)  der  Gefässhaut  wechselt 
mit  ihrer  anatomischen  Struktur;  je  nach  dieser  bietet  sie  bald  die 

•)  VlrchoW,  Archiv.  XIII.  Bd. 

••)  Archiv  lUr  holMnd.  Bel  trüge.  I.  331. 

•••)  Le^ons  >ur  Iss  proprldtds  des  liquides.  1859.  1.  p.  816. 
f)  Schlossberger,  allgem.  u.  verg.  Thierchemlc.  1.  Bd.  Muskelgewebe, 
tt)  Schnitze,  Lleblg's  Annalen.  71.  Bd.  *77.  — Lehmsnn,  physiolog.  Chemie.  8.  Bd.  p.  64. 


298 


Ernährung  der  Blutgefäss  wände. 


Eigentümlichkeiten  des  elastischen  oder  eines  Gemenges  aus 
elastischen),  Muskel-  dnd  Bindegewebe  dar.  Die  Flüssigkeit,  welche 
die  grossen  Arterien  durchtränkt,  reagirt  alkalisch  und  enthält 
ausser  den  Bestandteilen  der  Fleischflüssigkeit  einen  eiweiss- 
artigen Körper,  welcher  seiner  Reaktionen  wegen  für  Casetn  an- 
gesprochen wird  (Schulze,  Lehmann). 

3.  Emährungserscheinungen.  Die  ersten  Anlagen  der  Gefässe  *) 
bestehen  nach  Köl liker  und  Remak  aus  trüben  Strängen,  welche 
sich  aus  Zellen  zusammensetzen,  von  denen  jedesmal  mindestens 
drei  auf  dem  Querschnitt  eines  Stranges  liegen.  Die  auf  der  Aussen- 
fläche  des  Stranges  gelegenen  Zellen  verwachsen,  die  gegen  das 
Centrum  liegenden  werden  aufgelöst.  Die  primitive  Röhrenwand 
ist  also  immer  nur  aus  Zellen  zusammengesetzt;  ihren  spätem 
Platten,  Fasern,  Zellen  sollen  zellige  Auflagerungen  auf  die  äussere 
Fläche  der  primitiven  Wand  vorausgehen.  Beim  Auftreten  aller 
spätem  Gefässe  im  Fötus  und  Gebomen  und  namentlich  anch  der- 
jenigen, welche  sich  bei  der  Vernarbung  von  Wunden  u.  dgl. 
bilden,  zeigt  sich  dagegen  eine  ganz  andere  Formfolge.  Die  fer- 
tigen GefUssröhren  werden  nach  Remak  und  J.  Meyer  da,  wo 
eine  Neubildung  im  Werke  ist,  verbunden  durch  sehr  feine  und 
solide  Faden,  welche  von  einem  stumpfen  Ende  eines  bestehenden 
Gefässes  ihren  Anfang  nehmen;  der  Faden  wird  breiter  und  zu- 
gleich erweicht  sich  sein  Inhalt,  so  dass  eine  Höhle  in  ihm  ent- 
steht, welche  sich  in  die  anfänglich  noch  viel  weiteren  Gefässröhrcn 
öffnet,  und  dann  sich  bis  dahin  ausweitet,  dass  ihr  Binnenraum 
Blutkörperchen  aufnehmen  kann.  Schwann  und  nach  ihm 
K Öllik  er  u.  A.  beschreiben  im  Gegensatz  za  diesen  Erfahrungen 
an  den  Orten,  wo  neue  Gefässe  auftreten , sternförmig  verästelte 
Zellen ; die  benachbarten  Acste  der  Zellen  erreichen  sich  zum  Theil 
und  verschmelzen  vollkommen,  so  dass  die  Höhlungen  derselben 
sich  einander  öffnen ; andere  Ausläufer  treffen  dagegen  auf  die  Wan- 
dungen schon  fertiger  Capillargefässe,  mit  denen  sie  verwachsen; 
an  diesen  Vcrwachsungsstellen  verschwindet  endlich  auch  die 
Scheidewand  zwischen  Zellen  und  Gefässhöhlen , so  dass  nun  die 
Blutflüssigkeit  aus  der  letztem  in  die  erstere  eindringt  und  den 
Binnenraum  derselben  erweitern  kann.  Ausser  diesen  Bildungen, 
die  er  sämmtlieh  gelten  lässt,  beschreibt  Billroth  noch  zwei  andere; 


•)  KO  11  ik  er,  mikroskopisch«  Anatomie.  II.  9.  AbtheMf.  — Remak,  Untersuchungen  über 
Entwickelung  der  WirbeUhlere.  Berlin  1861.  13.  — Joe.  Meyer,  Annalen  der  Berliner  Charltl. 
IV.  Bd.  p.  41  — Billroth,  Untersuchungen  Uber  Entwickelung  der  Blutgcfaaec.  Berlin  1866. 


Digitized  by  Google 


Hili. 


299 


nach  der  einen  sollen  reihenweise  aneinander  gelagerte  Zellen  an 
ihren  Berühnngsstcllen  verwachsen,  die  ihre  Höhle  trennende  Scheide- 
wand soll  verschwinden  und  der  Inhalt  der  Zellen  sich  in  Blut  um- 
wandeln.  Nach  der  andern  verwachsen  zwei  Reihen  spindelförmiger 
Zellen  erst  untereinander  und  dann  die  eine  Reihe  mit  der  andern, 
jedoch  so,  dass  eine,  der  Längenrichtung  der  Reihe  parallele  Höh- 
lung (also  ein  Zwischenzellenranm)  übrig  bleibt.  — Die  fertigen 
Capillaren  wandeln  sich  nun  unter  gewissen  Bedingungen  in  Ge- 
lasse höherer  Ordnung  uro,  indem  sich  ihre  Höhle  ausweitet 
und  ihre  Wand  durch  Auflagerung  von  elastischem  und  musku- 
lösem Gewebe  verdickt.  Dem  Anschein  nach  spielt  hierbei  der 
Blutdruck  selbst  eine  Rolle,  in  der  Art,  dass  wenn  derselbe  zu- 
nimmt, auch  die  Höhle  und  Wandung  umfänglicher  werden.  Diese 
Meinung  gründet  sich  auf  die  Erfahrung,  dass  sich  die  Aeste  eines 
Stammes  erweitern,  wenn  dieser  letztere  unterbunden  wurde,  eine 
Erscheinung,  welche  bei  den  Chirurgen  unter  dem  Namen  der  Ent- 
wickelung des  Collateralkreislaufes  bekannt  ist. 

Die  eiweissartigen  Bestandteile  der  Gefässwand  und  wahr- 
scheinlich diejenigen  .der  Muskelzellen  setzen  sich  während  des 
Lebens  in  andere  Atome  um,  wie  dieses  aus  der  Untersuchung  der 
sie  durchtränkcnden  Flüssigkeit  hervorgeht.  Unter  welchen  Be- 
dingungen dieser  Stoffwechsel  steigt  und  fällt  und  wie  umfangreich 
er  überhaupt  ist , wissen  wir  nicht.  Man  könnte  vermuten,  dass  er 
nicht  unbedeutend  wäre,  wenn  man  die  zahlreichen  Capillaren,  welche 
sich  in  der  Wand  der  grossem  Arterien  verbreiten,  bedenkt.  — Die  An- 
wesenheit dervasavasoram  gewährt  ausserdem  noch  Interesse,  weil  sie 
zeigt,  dass  die  tunica  elastica  der  grösseren  Gefässe  die  Stoffe,  welche 
zur  Mnskeleraährang  notwendig  sind,  nicht  in  genügender  Menge 
durchlässt , obwohl  das  Blut  unter  einem  hohen  Druck  in  ihnen  strömt. 

Die  Neubildung  von  üefässen  in  Geborenen  ist  von  Bruch,  Rokitansky’ 
W e d 1 •)  u.  A.  abweichend  von  den  gegebenen  Mittheilungen  dargeetellt  worden, 
worüber  die  untenstehende  Literatur  und  die  auf  sehr  genaue  Untersuchungen  ge- 
stützten Gegenbemerkungen  von  J.  Meyer  und  H e n 1 c nachzusehen  sind. 

Die  Milz. 

1.  Anatomische  Zusammensetzung**).  In  den  Rau  der  Milz 
gehen  ein : die  Kapsel  mit  ihren  Fortsätzen  (die  sog.  Balken),  Blut- 

•)  Brach,  Diagnose  der  bösartigen  Geschwülste.  Mainz  1847.  — Rokitansky,  patholog. 
Anatomie.  l.Bd.  Wien  1846.  p 271.  — Wedl,  Zeltachr.  d.  Wiener  Aerzte.  IX.  Jahr;.  I.  Bd.  495.  — 
Engel,  Zeltachr.  d.  Wiener  Aerzte.  IV.  Jahr;.  I.  Bd.  1.  — He  nie;  Jahresbericht  für  1851.  p.  4L 

••)  Ecker,  Wipir'i  Handwörterbuch.  IV.  Bd.  180.  — K ö 1 1 1 k e r , Handbuch  der  Ge- 
webelehre. 3.  Aufl.  1859.  454.  — Derselbe,  Würzburger  Verhandlungen.  VII.  Bd.  — Hlasek, 
de  struetura  licnls.  Dorpat  1853.  — Gray,  on  the  atracture  and  use  of  the  eplten.  1854. 


Digltized  by  Google 


300 


Bau  der  Milz. 


und  Lympbgefässe,  Nerven,  die  Milzbläschen  und  das  Mark.  — 
Kapsel  und  Balken  sind  aus  den  Elementen  des  Bindegewebe»  ge- 
formt. Die  Kapsel,  welche  die  übrigen  anatomischen  Bestandteile 
der  Milz  einscbliesst,  sendet  von  ihrer  innern  Fläche  zahlreiche 
Fortsätze  aus,  die  sieh  vielfach  verästeln  und  sich  untereinander 
verbinden,  so  dass  im  Hohlraum  der  Kapsel  ein  Netzwerk  mit 
weitern  und  engem  Maschen  entsteht.  — Die  Blutgefässe  stülpen 
an  ihren  Eintrittsstellen  die  Kapselwand  in  den  Hohlraum , oder  mit 
andern  Worten,  sie  überziehen  sich  mit  einer  Scheide,  welche  letztere 
die  grossen  Stämme  der  Venen  und  Arterien  nebst  Lymphgefässen 
und  Nerven  umkleidet,  und  schliesslich,  indem  sie  den  feinen 
Arterienzweigen  folgt,  mit  eingeht  in  das  Balkenwerk  der  Milz. 
Die  Arterien  zerfallen  nach  ihrem  Eintritt  in  den  Milzraum  sehr 
rasch  und  vertheilen  sich  schliesslich,  ohne  dass  ihre  Aeste  vorher 
communiziren  in  Capillaren.  Diese  letztem  gehen  zum  Theil  in 
die  Kapsel,  zum  Theil  auf  und  in  die  Milzbläschen  (K  öl  liker, 
Gray)  und  die  übrigen  endlich  unter  VerluBt  ihrer  selbsständigen 
Wandungen  in  die  Räume,  welche  zwischen  der  zu  Häufchen  ge- 
ballten Pulpa  verbleiben  (Gray).  Die  Venen  entspringen  theils 
aus  den  Capillaren  der  Kapsel,  theils  sammeln  sie  sich  in  reich- 
lichen Netzen  auf  der  Oberfläche  der  Milzbläschen  und  endlich  gehen 
auch  feine  Aeste  aus  den  Räumen  hervor,  in  welche  die  Pulpa  ein- 
gelagert ist  (Hlasek,  Gray).  Mit  Rücksicht  auf  die  letzteren  Ge- 
fässe  wäre  es  erlaubt,  die  von  den  Balken  umschlossenen  Räume  als 
sehr  erweiterte  Gefässhöhlen  anzusehen,  die  mit  Milzmark  gefüllt 
und  mit  feinen  Ein-  und  Ausmündungen  von  GefÜsscn  begabt  wären. 

Die  Wandungen  der  Blutgefässe  sind  im  Allgemeinen  dünn; 
auf  ihrer  innern  Fläche  mit  einer  Oberhaut  aus  Spindelzellen  be- 
kleidet und  in  ihrer  Media  mit  Muskelzellen  versehen.  — Die 
grössem  Lymphgetässstämme  folgen  den  Blutgefässen;  Uber  ihre 
Anfänge  steht  nur  so  viel  fest,  dass  ein  Theil  derselben  aus  dem 
Mark  und  ein  anderer  von  der  Milzoberfläche  sich  sammelt.  — Die 
Nerven,  zum  kleinsten  Theil  aus  doppeltrandigcn  Röhren,  zum 
grössten  aus  Rem ak’ sehen  Fasern  zusammengesetzt,  folgen  den 
Arterien,  an  deren  feinsten  Zweigen  sie  noch  aufznfinden  sind ; wie 
und  wo  sie  enden , ist  noch  anfzudeeken.  — Die  Miizbläschen  sind 
kleine  kugelartige  Kapseln , welche  vorzugsweise  von  Lymph- 
körperchen,  freien  Kernen  und  einer  geringen  Menge  von  Flüssig- 
keit ausgefüllt  sind,  zwischen  denen  sich  ein  Capillaraetz  aus  Blut- 
gefässen ausbreitet;  dieses  zieht  seinen  Ursprung  aus  einem  be- 


Digitized  by  Google 


Chemische  Zusammensetzung  der  Milz. 


301 


sondern  kleinen  Arterienästchen , welches  die  Kapsel  des  Bläschens 
durchbohrt  Das  Blot  sammelt  sich  dann  wieder  in  dem  schon 
oben  erwähnten  Venennetz.  Die  Milzbläschen,  welche  ihre  Lagerungs- 
stätte in  den  Scheiden  an  den  Aesten  der  Arterienpinsel  haben, 
sollen  ihren  Uohlraum  in  die  Lymphgefässe  öffnen.  Diese  An- 
nahme, welche  aus  ihrem,  den  Lymphdrtlsen  analogen  Bau  hervor- 
gegangen ist,  würde,  wie  es  scheint,  bewiesen  sein,  wenn  sich  die 
Beobachtung  von  Gerlach  bestätigte,  welcher  die  in  ihre  Arterien 
injizirte  Leimmasse  in  die  Lymphgefässe  übergehen  sah , wenn  die 
ersteren  in  Folge  des  Injektionsdruckes  gerissen  waren.  — Das 
Mark,  welches  mit  vorsichtiger  Vermeidung  der  Milzbläschen  heraus- 
genommen wurde,  enthält  ausser  Gefässen  und  Bälkchen:  die  Deck- 
zellen der  Gefässwand,  Lymphkörperchen,  freie  Kerne  (?) , kleinere 
und  grössere  farblose  Zellen  entweder  mit  einem  und  mehr  Kernen 
oder  auch  nur  mit  Körnchen  im  Inhalt,  in  reichlicher  Menge  sehr 
feinen  Molekularstaub ; ausser  den  bis  dahin  aufgezählten  farblosen 
Formbestandtheilen  kommen  noch  vor:  reichlich  rothe  Blutscheibe, 
unregelmässig  geformte,  an  umgewandelte  Blutkörperchen  erinnernde 
Zellen,  bräunliche  und  rothbräunliche , einzeln  oder  geballt  lie- 
gende Körnchen  von  sehr  ungleicher  Grösse  entweder  frei  oder 
in  Zellen  eingescblossen , und  endlich  auch  zuweilen  bei  Menschen 
Blutkörperchen  haltende  Zellen.  Ob  die  Hülle,  welche  ein  solches 
Häufchen  von  Blutkörperchen  umgiebt,  eine  wohlorganisirte  Zellen- 
haut, oder  nur  ein  verbindendes  Faserstoffgerinnsel  ist,  lassen  einige 
Anatomen  dahingestellt  sein. 

In  dem  Mark  einiger  sehr  junger  Thiere  fand  K ö 1 1 i k e r noch  kleine , gelbliche, 
den  Blutkörperchen  sehr  ähnlich  geformte  Zellen,  dann  fein  granulirte  Zellen  mit  4 bis 
10  Kernen  und  biequitformige  Zellen  mit  zwei  Kernen. 

Die  farblosen  Gestalten  machen  meist  und  namentlich  in  wohl- 
genährten Thieren  die  Hälfte  bis  bei  zwei  Dritttheile  des  Milzgewebes 
aus  (Gray).  Wenn,  wie  es  in  solchen  Fällen  meist  vorkommt,  zu- 
gleich das  Gesammtgewicht  der  Milz  gewachsen  ist,  so  kann  daraus 
ohne  Weiteres  auf  eine  Vermehrung  der  farblosen  Gebilde  geschlossen 
werden.  Im  hungernden  Tbier  nimmt  mit  dem  Milzgewicht  zugleich 
die  Verbältnisszahl  der  farblosen  zu  den  farbigen  ab  (Gray). 

2.  Chemische  Zusammensetzung*).  Die  Zusammensetzung  des 
Milzblutes  ist  schon  S.  33  abgchandelt;  dort  wurde  auch  auf  den 

•)  Scherer,  Würzburger  Verhandlungen.  Bd. II.  408.  — Gray,  on  the  atructura  etc.  1864. — 
Oidtmaoo,  die  anorganiachen  Beatandthelle  der  Leber  und  Milz.  Linnich  1868.—  Gorop,  Lie- 
big’a  Annalen.  98  Bd.  1.  — Cloetta,  ibld.  99.  Bd.  — Frerlcha  und  Staedeler,  Verband- 
langen  der  natarf.  Geeellaehaft  in  Zürich.  IV.  Bd. 


Digitized  by  Google 


302 


Eigentümliche  Stoffe  der  Milz,  Milzasche. 


Einfluss  des  Blutetroms  auf  die  Zusammensetzung  hingewiesen.  — 
Das  Milzmark,  wie  es  der  Chemiker  untersucht , stellt  ein  Gemenge 
ans  Blntgefässwandnngen,  Balken,  dem  Inhalt  der  Blut  -,  der  Lymph- 
gefSsse  und  der  Milzbläschen  und  endlich  aus  Pulpa  im  anato- 
mischen Sinne  dar.  Diesem  entsprechend  kann  es  nur  von  Belang 
sein,  ob  in  ihm  ausser  den  bekannten  Bestandteilen  des  Blutes  u.s.w. 
noch  andere,  der  Lymphe,  dem  Blut  u.  s.  w.  gar  nicht,  oder  wenigstens 
nicht  in  solcher  Menge  zukommende  Stoffe  enthalten  sind,  ln  derThat 
wnrden  als  solche  aufgefunden:  Inosit(Cloetta),  Milch-,  Butter-, 
Essig-,  Ameisen-,  Harnsäure , Sarcin  (Scherer),  Leucin  (Fre- 
richs  und  Staedeler),  ein  Homologon  des  Leucins  (Gorup), 
einige  andere  noch  unbestimmbare  stickstoffhaltige  Krystalle 
(Cloetta),  Cholestearin , ein  eisenreieher  eiweissartiger  Körper 
(Scherer),  mancherlei  Farbstoffe.  — Die  Milzasche  fand  Oidt- 
mann  in  100  Theilen  bestehend  aus: 


i 

Mann. 

Weib. 

Neugeborner. 

CI 

0,55 

1,31 

33,03 

PhOs 

27,11 

18,87 

9,53 

SOa 

2,54 

1,43 

0,50 

SiOs 

0,07 

0,72 

0,95 

KO 

9,19 

17,41 

J 43,87 

NaO 

43,30 

35,12 

CaO 

7,50 

7,26 

3,35 

MgO 

0,39 

1,02 

0,20 

FejOj 

7,27 

16,20 

— 

MgO 

0,08 

0,04 

— 

CuO 

0,01 

0,40 

— 

PbO  1 

— 

0,03 

— 

Bemerkenswerth  ist  der  geringe  Gehalt  an  CI  und  der  grosse 
an  Phosphorsäure  und  Eisenoxyd.  Dieses  Verhalten  geht  auch 
aus  einer  schon  früher  angestellten  Analyse  von  Gray  hervor,  welche 
insofern  abweicht,  als  sie  mehr  Kali  als  Natron  findet 

lieber  quantitative  Bestimmungen  des  Wassers,  der  Extrakte,  der  EiweUskörper, 
des  Aschegehalte«  der  frischen  Mil*  siehe  Gray  nnd  wm  Theil  Oidtmann. 

In  den  Milzbloschen  beobachteten  Virchow*)  und  Meckel  einen  Stoff,  welcher 
nach  Zusatz  von  Schwefelsäure  nnd  Jod  hellruth  oder  blassblau,  nach  Zusatz  von 
Schwefelsäure  und  Jod  schon  blau,  ähnlich  wie  die  Stärke,  gefärbt  wird;  er  wider* 


•)  Vlrcbow,  Archiv  f.  patbolog.  Aast.  VI.  Bd.  p.  136.  2fi8.  41C.  — Luschka,  Ibld.  971.— 
Do  adern,  NederUad.  Lautet.  18M.  p.  978.  — H.  Meckel,  Aanalen  der  Berliner  Charit*.  IV. 
p.  JM. 


Digitnrcd  by  Goeglöi 


Blutstrom  in  der  Mil*. 


303 


•teht  der  FäülnisB  viel  längere  Zeit , als  die  meisten  eiweissartigen  Körper , und  ist  in 
Aether  unlöslich  (Naegeli).  Dieser  Körper,  den  man  ftlr  Cholestearin  oder  einen 
stärkeartigen  Stoff  ansah,  ist  von  Kekule  durch  die  Elementaranalyse  in  die  Eiweiss- 
reihe gewiesen  worden. 

Die  Milzlymphe  unterscheidet  sich,  so  weit  bekannt,  dadurch 
von  anderer,  dass  sie  häufiger,  und  zwar  ebensowohl  während  der 
Verdauungsperiode  (Tiedemann,  Gmelin),  als  auch  während 
des  Hungers  (H.  Nasse)  Blutkörperchen  enthält. 

3.  Der  Blutstrom  in  der  Milz  *).  Das  Strombett  des  Milzblutes 
ändert  sich  mit  der  Erregung,  welche  die  Muskelnerven  in  der 
Milz  trifft;  denn  unter  der  Voraussetzung,  dass  der  Blutstrom  un- 
verändert vor  sich  geht,  zieht  sich  die  Milz  nach  Reizung  ihrer 
Nerven  zusammen  und  nach  Durchschneidung  vergrössert  sie  sich 
(Jaschkowiz).  Die  Zusammenziehungen  geschehen  jedoch  so 
allmählig,  dass  die  Zunahmen  der  Geschwindigkeit,  welche  das  Blut 
durch  die  Muskelbewegung  als  solche  erfährt,  kaum  in  Betracht 
kommen  können.  — Ausser  der  hierdurch  gebotenen  Veränderung 
in  der  Spannung  und  Geschwindigkeit  des  Blutstroms  wird  auch 
eine  solche  eintreten  je  nach  der  Gestaltung  der  Widerstände  in 
den  Capillargefässen  des  Magens , Darms  und  des  Pankreas.  Denn 
das  Blut , welches  aus  allgemeinen  im  Kreislauf  überhaupt  gelegenen 
Gründen  in  die  Arteria  coeliaca  eindringt,  muss  durch  die  Capillaren 
der  Milz  und  der  so  eben  genannten  Organe  abfliessen.  Es  wird 
sich  also  die  Spannung  und  Geschwindigkeit  des  Blutes  und  damit 
der  Umfang  der  Milz  mehren,  wenn  die  Durchgängigkeit  der  andern 
aus  der  A.  coeliaca  hervorgegangenen  Capillaren  verringert  ist, 
während  sich  im  umgekehrten  Falle  die  Milz  verkleinern  wird.  — 
Diese  Bemerkung  verdient  deshalb  eine  Berücksichtigung,  weil 
die  Milz  in  den  Verdauungszeiten  Veränderungen  ihres  Volums 
zeigt;  bliebe  der  Erregungszustand  der  Milznerven,  also  die  Wider- 
standsfähigkeit der  Milz  sich  gleich,  so  müsste  sie  während  der 
gesteigerten  Absonderung  des  Magensaftes  und  Bauchspeichels  zu- 
sammenfallen, denn  zu  dieser  Zeit  sind  die  kleinen  Arterien,  resp. 
die  Capillaren  am  Magen  und  Pankreas  erweitert;  nach  dem  Ver- 
russ der  genannten  Zeit  müsste  sie  dagegen  schwellen.  Ob  und 
in  wie  weit  diese  Bedingung  den  Umfangsveränderungen  der  Milz 
zu  Grunde  liegt,  ist  unbekannt.  — Die  in  die  Milz  wirklich  ein- 
tretende Blutmenge  vertheilt  sich  auf  ihre  drei  verschiedenen  Capillar- 


•)  Müller'*  Handbuch  der  Physiologie.  4.  Auflage.  488.  — Jas  hkowitz,  Virchow's 
Archiv.  XI.  Bd.  335.  - L.  Fick,  Archiv  fUr  Phys.  1858. 


Digitized  by  Google 


304 


Stoffbewegung  in  der  Mil*. 


Systeme.  Gehen  immer  dieselben  Bruchtbeile  des  Blntes  durch 
jedes  der  drei  Gefössarten?  — Höchst  eigentümlich  muss  der 
Strom  in  den  Lücken  der  Pulpa  sein,  insofern  er  hier  wirklich  ohne 
besondere  Wände  verläuft;  denn  dann  werden  Blut-  und  Lymph- 
körperchen  des  Blutsstroms  hängen  bleiben  und  dafür  Zellen  des 
Markes  ausgespült  werden.  Darauf  deuten  nun  allerdings  die  Er- 
fahrungen, dass  in  dem  Milzaderblut  Formbestandtheile  der  Pulpa 
Vorkommen.  Je  nach  der  Form  der  Lücken  und  dem  Gehalt  des 
Blutes  an  aufgeschwemraten  Theilen  müssen  verschiedene  Mengen 
der  letzten  hängen  bleiben , wodurch  ebenfalls  eine  Schwellung  des 
ganzen  Organs  möglich  wäre,  ebenso  wie  nach  Ausschwemmung 
der  Pulpa  in  die  Arterien  und  einer  davon  abhängigen  Wegräumung 
der  Stromhindernisse  die  Milz  zusammenfallen  müsste. 

4.  Stoffbewegungen  im  Milzparenchym. 

a)  Der  Inhalt  der  Bläschen  ist  unzweifelhaft  in  einer  chemi- 
schen Bewegung,  veränderlich  nach  Art  und  Grösse,  begriffen.  Bei 
Thieren  findet  man  dieselben  nemlich  bald  prall  und  bald  nur  wenig 
gefüllt.  Gray  fand  sie  bei  Thieren  zuweilen  bo  ausgedehnt,  dass 
sie  nach  ungefährer  Schätzung  ein  Viertel  des  Milzvolums  ein- 
nahmen ; in  andern  Fällen  sind  sie  kaum  oder  gar  nicht  mit  blossem 
Auge  sichtbar;  ihr  Volum  beträgt  dann  kaum  die  Hälfte  von  dem 
eben  erwähnten.  Dieser  Unterschied  stellt  sich  nach  Ecker  auch 
dann  noch  heraus,  wenn  man  die  Gefässe,  welche  aus  dem  Hilns 
der  Milz  austreten,  nach  dem  Tode  sogleich  unterbunden  hat.  Da 
sich  der  Inhalt  der  Bläschen  immer  rasch  minderte,  wenn  diese 
Vorsichtsmaassregel  unterlassen  wurde,  so  sind  nur  die  Beobach- 
tungen brauchbar,  bei  welchen  die  Grösse  der  Bläschen  unter  ähn- 
lichen Bedingungen  mit  einander  verglichen  wurde.  Unter  die  Um- 
stände, welche  den  Bläschenumfang  verändern,  zählt  Gray  1)  den 
allgemeinen  Ernährungszustand  des  Körpers ; je  günstiger  derselbe, 
um  so  grösser  sind  sie.  Bei  abgemagerten  Thieren  werden  sie 
dem  blossen  Auge  unsichtbar.  Ecker  fand  im  Gegentheil  bei 
hungernden  Katzen  die  Bläschen  auffallend  deutlich.  — 2)  Die  Art 
des  Futters;  bei  einer  Nahrung  aus  Fett  und  Fleisch,  Milch  und 
Brod,  gekochtem  Eiweiss  waren  die  Körperchen  gross  und  bei 
reichlichem  Wassergenuss  (eingeweichtem  Brod)  zerfliesslich.  Klein 
waren  sie  dagegen  nach  Genuss  von  trockenem  Brod,  Fett  und 
Gelatine  oder  Faserstoff.  Die  Grösse  und  Zerfliesslichkeit  der 
Bläschen  nach  reichlichem  Wassergenuss  behauptet  auch  Spring.  — 
3)  Die  Verdauungsperiode;  einige  Stunden  nach  vollendeter  Magen- 


Stoffbewegung  ln  der  Milz. 


305 


Verdauung  (15  Stunden  nach  eingenommener  Nahrung)  sollen  sie 
am  geschwollensten  sein  Dieses  gilt  jedoch  nur  flir  gut  ernährte 
Thiere;  bei  bedeutend  abgemagerten  zeigt  sich  kein  Einfluss  der 
Verdauungszeit.  — Auf  eine  Verschiedenartigkeit  des  chemischen 
Umsatzes  weist  die  wechselnde  Consistenz  und  Färbung  des  Bläschen- 
inhaltes hin;  Ecker  und  Giesker  fanden  ihn  zuweilen  zu  einem 
Klümpchen  geronnen,  Spring  und  Ecker  zuweilen  röthlich  oder 
gelb,  während  er  von  den  übrigen  Beobachtern  als  farblos  an- 
gegeben wird.  In  menschlichen  Leichen  ist  das  Milzbläschen  ge- 
wöhnlich nur  dann  deutlich  sichtbar,  wenn  der  Tod  plötzlich  oder 
während  der  Verdauung  erfolgte  (v.  Hessling);  seine  häufige  Ab- 
wesenheit erklärt  sich  entweder  aus  einer  rasch  eintretenden  Fäul- 
niss,  oder  aus  der  dem  Tod  vorangegangenen  Abmagerung. 

b)  Das  Mark  der  Milz  im  engem  Sinne  scheint  ein  Ort  zu 
sein,  in  welchem  für  gewöhnlich  eine  Neubildung  und  unter  Um- 
ständen auch  eine  Zerstörung  von  Blutkörperchen  angebahnt  und 
vollendet  wird.  Für  die  Neubildung  spricht  (nach  Gerl  ach, 

0.  Funke  u.  A.)  die  reichliche  Anwesenheit  farbloser  Zeilen  im 
Milzvenenblut.  Bedenken  gegen  diesen  Grund  wurden  schon  bei  der 
Zusammensetzung  des  Milzbluts  erwähnt.  — Ferner  enthält  das  Milz- 
mark alle  möglichen  Formübergänge  von  den  farblosen  zu  den  rothen 
Körperchen,  und  endlich  spricht  für  eine  Zellenneubildung  auch  das 
ausserordentlicheUebergewicht  derfarblosen  Blutzellen  und  dasZurück- 
treten  der  farbigen,  welches  nach  Virchow  mit  einer  eigenthüm- 
lichcn  Krankheit  der  Milz,  dem  Tumor  derselben,  Hand  in  Hand 
geht.  In  der  That  ist  nach  den  Beobachtungen  unseres  berühmten 
Pathologen  das  Missverhältniss  beider  Blutzellenarten  so  gross,  dass 
das  Blut  statt  der  normalen  rothen  eine  weisse  Farbe  annimmt. — 

Für  die  Zerstörung  der  Blutkörperchen  in  der  Milz  führen  Ecker 
und  Köl liker  die  häufig  gefundenen  verschrumpften  Körperchen, 
die  Pigmenthäufchen  und  die  reichliche  Anwesenheit  eines  eisen- 
haltigen Aschenbestandtheils  an.  Beide  Behauptungen  könnten  in 
der  That  bei  den  Eigentümlichkeiten  des  Blutstroms  in  der  Milz 
und  der  Bildung  des  Milzmarkes,  das  einer  Lymphdrtlse  nicht  ganz 
unähnlich  ist,  wohl  neben  einander  bestehen. 

c)  Milz  im  Ganzen.  Ueber  die  Bedingungen  und  den  Ort  der 
eigentümlichen  ehern.  Umsetzungen  in  der  Milz,  von  deren  Gegen- 
wart Scherer,  Cloetta,  Frerichs  und.  Staedeler  Zeugniss 
ablegen,  ist  man  ganz  im  Unklaren.  Da  das  Blut,  welches  aus 
der  an  Milchsäure  reichen  Milz  zurlickkehrt,  alkalisch  reagirt,  so 

Ludwig,  Physiologie  □.  1.  Auflage.  20  ♦ 


Digitized  by  Google 


306 


Milz,  Thymus. 


kann  wenigstens  mit  Bestimmtheit  behauptet  werden,  dass  diese 
Säure  entweder  in  den  Zellen  des  Marks  oder  in  der  Flüssigkeit  des 
Balkengewebes  entsteht. 

d)  Die  ganze  Milz  eines  wohlgeflltterten  (nicht  aber  des  magern) 
Thieres  soll  nach  Gray  10  bis  15,  nach  Schönfeld*)  aber 
5 Stunden  nach  der  letzten  Fütterung  am  schwersten  sein.  Dass 
diese  Schwellung,  welche  durch  Wägen  der  ausgeschnittenen  Milz 
ermittelt  wurde,  nicht  von  einem  Mehrgehalt  an  Blut  überhaupt 
herrühre,  scheint  sich  aus  dem  geringen  Cl-Gehalt  der  Milzasche 
zu  ergeben. 

e)  Verglichen  mit  dem  Körpergewicht,  nimmt  sie  vom  Neugebornen 
(1  : 350)  bis  zum  Erwachsenen  (1  : 320  bis  400)  nicht  wesentlich 
zu  oder  ab,  im  höheren  Alter  soll  sie  relativ  klein  werden  (1 : 700) 
(Gray). 

Die  Ausschneidung  der  ganzen  Milz  erzeugt  keine  merklichen 
Folgen,  wie  schon  im  Alterthuin  Plinius  wusste  und  in  neuerer 
Zeit  Czermak,  Quittenbaura,  Bardeleben  u.  A.  genauer 
beobachteten.  Die  Erfahrung,  dass  nach  dieser  Operation  die  weissen 
Blutkörperchen  sich  mehren  und  die  Lymphdrüsen  anschwellen,  ist 
nicht  constant.  Bemerkenswerth  scheint  es,  dass  die  Thiere  die 
Operation  schwieriger  überstehen,  wenn  ihnen  vorher  die  Schild- 
drüse genommen  war.  Siehe  noch  Thymus. 

Die  Literatur  giebt  Simon  *•).  — Ueber  eigentümliche  Folgen  der  Milz- 
exstirpation bei  Fröschen,  welche  Gerl  ach  und  Eberhard  ausführten,  ziehe  den 
letzteren. 

Thymus. 

1.  Ein  Gerüst  ***)  aus  Bindegewebssträngen  fasst  zahlreiche, 
ringsum  abgeschlossene  Säckchen  in  sich.  In  dem  Gerüst  ver- 
laufen Nerven,  Lymph-  und  Blutgefässe;  der  Hohlraum  der  Säck- 
chen ist  gefüllt  mit  einem  Capillarnetz  von  Blutgefässen , in  dessen 
Zwischenräumen  neben  wenig  Flüssigkeit  Fettmoleküle , freie 
Kerne  oder  Kernzellen  und  conzentrisch  geschichtete  kugelige  Körper 
gelegen  sind.  In  den  um  die  grössem  Gewebe  liegenden  Binde- 
gewebssträngen sind  nicht  immer,  aber  doch  häufig  grosse  canal- 
artige Lücken  enthalten,  die  entweder  nur  den,  die  beiden  Drüsen- 


•)  Mtlsiner'i  Jahresbericht  fUr  1666.  p.  235. 

••)  Die  Exstirpation  der  Milz  am  Menachen.  Giessen  1657.  — Eberhard,  Beitrüge  zurMorphoI. 
und  Funkt,  d.  Müz.  Erlangen  1056. 

***)  Kill  liker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  3.  Anti.  1959.  p.  488.  — Jendrassik,  Wiener 
akad.  Sitzungsberichte.  XXII.  76.  — Ecker,  Hamlworterb.  d.  Physiologie.  IV.  Bd.  — Berlin» 
Archiv  für  Hollind.  Beitrüge.  1667.  1.  Bd.  232. 


Chemische  BesUudtheilu  der  Thymus. 


307 


hälften  verbindenden  Bindegewebsstrang,  oder  auch  die  seitlichen 
Bindegewebsäste  aushöhlen,  ln  diesen  sog.  Central-  und  Neben- 
höhlen, die  weder  durch  eine  eigene  Haut,  noch  durch  ein  Epithelium 
abgegrenzt  sind,  kommen  dieselben  Elementartheile  wie  in  den 
Bläschen  vor  (Simon,  Ecker,  Kölliker,  Jendrassik).  Die 
Nerven  stammen  nach  Durchschneidungsversnchen  aus  dem  Ganglion 
cervicale  infirn.  und  thorac.  I.  (Fried leben). 

Rentelli  und  nsch  ihm  Friedleben  fanden  in  dem  Blut  der  vena  thymica  9 
die  Kerne  aus  dem  Inhalt  der  Thymussäckchen.  Daraus  würde  au  schliessen  »ein,  dass 
die  Gefdsshöhleu  mit  denen  der  Säckchen  in  offener  Verbindung  standen. 

2.  Ausser  dem  Collagen  *),  Elastin  u.  s.  w.  des  Gerüstes  und 
der  GefÜsse,  den  Eiweisskörpern  und  Fetten  des  Bläscheninhaltes 
wurde  gefunden  Ammoniak,  Leucin  (Frerichs  und  Staedeler), 
Hypoxanthin,  Bernstein-,  Milch-,  Essig-,  Ameisensäure  (Gorup), 
Zucker  (Friedleben).  — Die  lösliche  Asche  enthält  vorzugs- 
wesie  Kali,  weniger  Natron,  Basen,  die  meist  an  Pljft, , zum  ge- 
ringem Theile  an  CI  und  nur  in  sehr  kleinen  Mengen  an  S03  ge- 
bunden sind  (Staedeler  und  Frerichs,  Gorup).  Fried- 


leben  fand  in  100  Theilen  der 

gesammten  Asche 

1 

KO 

NaO 

CaO 

MgO 

C1 

; PbOo  i 

SOs 

Kalb  von  3 Wochen  j 

32,8 

16,6 

104 

; 4,3 

54" 

30,0 

0,6 

Rind  von  12  Monaten,' 

32,3 

23,7 

6,7 

2,4 

2,0 

1 32,4  1 

0,6 

Die  ganz  frische  Thymus  reagirt  nach  Staedeler  und  Frerichs  neutral; 
später  reagirt  sie  sauer;  dieser  Widerspruch  lösst  sich  vielleicht  dadurch,  dass  der 
Zucker  der  Thymus  in  llilchsauregährung  übergeht  — Die  Ausstellungen,  welche 
Vriedleben  an  den  Beobachtungen  von  Staedeler,  Freriohs  und  Gorup  macht, 
sind  unverständlich  ; selbst  durch  Kochen  mit  Kali  konnte  er  aus  der  Drüse  keine  Ak 
erhalten  ; eben  so  wenig  fand  er  Leuoin,  dessen  Entstehung  er  durch  FSulniss  eines 
alkoholischen  Auszugs  erklärt  u.  s.  w.  — Quantitative  Analysen  der  gesammten  Thymus 
geben  Morin,  Dowler,  Miller,  Friedleben,  die  bei  dem  letzten  nachznsehen. 
derselbe  handelt  auch  über  die  Aenderung  der  Asche  mit  dem  Alter. 

3.  Ernährangserscheinnngen.  Ihre  Elementarformen  entstehen 
auf  die  dem  Bindegewebe,  den  Gefässen  und  den  Zellen  eigene 

Weise;  über  die  Formfolge  der  geschichteten  Körper  ist  man  im 

Unklaren.  Nach  der  Geburt  mehren  sich  anfänglich  noch  die  Bälge 
und  ihr  Inhalt,  etwa  bis  znm  zweiten  Jahr,  von  da  wächst  zwar 
die  Thymus  noch  bis  zur  vollendeten  Pubertät,  aber  es  mindert 
Bich  die  Füllung  der  Bälge  und  es  tritt  statt  ihrer  mehr  Binde- 
gewebe auf,  so  dass  trotz  zunehmender  Länge  das  absolute  Ge- 

•)  Pr  led  le  b e d , Die  Physiologie  d.  Thymusdrüse.  Frankfurt  1858.  — Frerichs  und 
Staedeler,  Züricher  Mitthellungen.  IV.  Bd.  1855.  — Üorup,  Lloblg'a  Annalen.  98.  Bd. 

20* 


Digitized  by  Google 


308 


Thymus , Nebenniere,  Thyreoidea,  Leber. 


wicht  namentlich  zwischen  dem  15.  bis  25.  Jahre  sehr  abnimmt 
(Friedleben).  Nach  vollendetem  Wachsthum  des  Gesammt- 
körpers  schwindet  sie  vollständig,  indem  ihr  Gewebe  derber,  fetter 
und  bindegewebsreicher  wird,  die  Arterien  obliteriren  und  die  Nerven 
in  fettige  Umwandlung  eingehen.  — In  wohlgenährten  Thieren  sind 
Kapseln  der  Thymus  gespannter  und  reicher  an  Zellen.  — Das  in’s 
Blut  UbergefUhrte  Ferrocyankalium  soll  nicht  in  der  Drüse  zu  finden 
sein  (Haugsted). — Um  ihren  Eingriff  in  das  Gesammtleben  der 
Thiere  zu  finden,  hat  man  die  Thymus  exstirpirt  (Restelli, 
Friedleben).  Diese  Versuche  bestätigen  das  Ergebnis»  einiger 
zufälliger  Beobachtungen  an  Menschen,  welchen  die  Thymus  fehlte, 
ohne  dass  ihr  Mangel  während  des  Lebens  bemerklich  gewesen 
wäre  (Bi  sch  off,  Friedleben). 

Ins  Genauere  suchte  Friedleben  su  dringen,  indem  er  au  Thieren,  deren  Thymus 
allein  oder  Thymus  und  Milz  exstirpirt  war,  die  Menge  des  ausgeschiedenen  COt,  des 
Harnstoffs,  die  Temperatur,  Blutzusammensetzung  u.  s.  w bestimmte,  worüber  bei 
diesem  Autor  nachzusehen. 

Die  physiologischen  Nachrichten  Uber  die  Nebenniere  und 
die  Thyreoidea  lauten  noch  sehr  unbefriedigend.  Die  Structur 
und  das  Wenige,  was  über  ihre  Zusammensetzung  bekannt  ist, 
geben  die  Lehrbücher  der  mikroskopischen  Anatomie. 

Leber. 

Der  anatomische  Bau*)  der  Leber  ist  vorzugsweise  aufgehellt 
durch  die  Untersuchungen  von  Kiernan,  E.H.  Weber,  Schrö- 
der v.  d.  Kolk,  Henle,  Kölliker  und  Beale.  In  die  Leber 
strömt  das  Blut  durch  den  Stamm  der  vena  portarum,  durch  eine 
kleine  gesonderte  Vene,  welche  aus  Zweigen  der  pyloricae  und 
pancreaticae  entspringt,  neben  dem  Gallengang  herläuft  und  endlich 
in  die  Pfortader  übergeht  (Devalez)  und  durch  die  Arteria 
hepatica.  Alles  dieses  Blut  wird  durch  die  vena  hepatica  ausge- 
geführt.  — Das  durch  die  Venen  eingehende  Blut  vertheilt  sich 
ohne  Ausnahme  sogleich  in  das  Capillarsystem  der  Leberinseln, 
oder  anders  ausgedrückt  in  dasjenige,  welches  die  Anfänge  der 
gallenbereitenden  Wandungen  umfasst;  es  gelangt  hierhin  auf  die 
Weise,  dass  sich  die  vena  portarum  und  ihre  Aeste  zunächst  baum- 
förmig  verzweigen  und  schliesslieh  in  kleine  bogenförmig  auseinander 


*)  Kölliker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  8.  Aufl.  1869.  p.  436.  — H.  E.  Weber.  Zusätze 
sa  »einen  Untersuchungen.  Leipziger  Berichte;  mathenist.-phjrsische  Klasse.  1849.  p.  161.  — Der* 
selbe,  ibld.  1860.  p.  16.—  Oerlach,  Handbuch  der  Gewebelehre.  Mains  1849.  — Beale, 
Philosophien!  Tranaacttona.  1866.  1.  Bd.  — Vlrchow,  dessen  Archiv.  XI.  674. 


Digitized  by- 


Anatomischer  Bau  der  Leber. 


909 


laufende  Aestchen  enden;  mehrere  solche  Aestchen  (die  Ring-  oder 
Zwischenlappenvenen),  welche  in  ein  und  derselben  Ebene  liegen, 
nmschliessen  einen  Raum,  die  Leberinseln,  welcher  von  eng- 
maschigen Capillametzen  durchzogen  wird,  die  aus  den  Ringvenen 
hervorgehen.  In  der  Mitte  eines  solchen  Raumes  sammeln  sich 
dann  wieder  ziemlich  plötzlich  die  feinen  Lumina  zu  einem  grossem, 
der  Mittelvene  (vena  centralis),  welche  nach  der  vollbrachten  Ver- 
bindung mit  den  benachbarten  als  vena  hepatica  auf  dem  kürzesten 
Wege  gegen  den  Ort  der  vena  cava  zu  dringen  sucht,  wo  sie  sich 
mit  dem  Zwerchfell  kreuzt.  — Die  Art.  hepatica  geht  zum  Theil 
mit  seinen  Aestchen,  welche  der  vena  portarum  bis  zu  den  Ring- 
venen folgen,  geradezu  in  das  Gefässnetz  der  Leberinscln  über, 
zum  Theil  versorgt  sie,  ehe  sie  ihr  Blut  dorthin  schickt,  vorerst  die 
Wandung  der  Gallen-  und  Blutgefässe,  die  Kapsel  und  den  serösen 
Ueberzug  der  Leber.  Das  auf  diese  Weise  in  Capillaren  Uber- 
geführte  Blut  sammelt  sich,  und  zwar  theilweise  durch  eigene  Venen, 
in  der  vena  portarum , um  dann  durch  die  Capillaren  der  Leber- 
inseln zu  den  Mittelvenen  zu  gelangen. 

Die  Lücken,  welche  zwischen  den  Capillaren  der  Leberinseln 
übrig  bleiben,  werden  ausgefüllt  durch  ein  anderes  netzförmig  ver- 
bundenes Höhlensystem,  das  umschlossen  wird  von  einer  struktur- 
losen Haut,  die  meist  untrennbar  mit  der  der  Blntcapillarenwand 
verwachsen  ist  und  die  nur  an  den  Umgrenzungen  der  Insel  ge- 
sondert dargestellt  werden  kann.  Der  Hohlraum  dieses  Anfang- 
netzes der  Gallengänge  ist  ausgefüllt  mit  den  Lcberzellcn,  grossen 
kernhaltigen,  von  Flüssigkeit  strotzenden  Zellen.  Wenn  diese  eben- 
geschilderten netzförmigen  Gänge  gegen  die  Umgrenzung  der  Leber- 
inseln gekommen  sind,  so  lagert  sich  auf  ihrer  nun  selbstständig 
gewordenen,  bis  dahin  strukturlosen  Haut  eine  Epithelialschicht 
ab ; da , wo  dieses  geschieht , verengert  sich  ihr  Hohlraum  sehr  be- 
trächtlich und  zugleich  verschwinden  aus  ihm  die  Leberzellen.  Da 
man  die  letztem  als  die  Stätte  ansehcn  muss,  in  welcher  die  Galle 
bereitet  wird,  so  unterscheidet  man  die  Gänge  innerhalb  der  Leber- 
inseln  als  gallenbereitende  von  den  gallcnausführenden,  ausserhalb  der 
Inseln  verlaufenden.  Die  ausftihrenden , ursprünglich  sehr  engen, 
neben  den  Ringvenen  gelegenen  Gallengänge  vereinigen  sich,  indem 
sie  immer  neben  den  Pfortaderästen  laufen,  zu  grössern;  in  die 
Wandung  der  letztem  lagert  sich  zu  den  vorhergehenden  Bestand- 
theilen  ein  streifiges  Bindegewebe,  elastische  Fasern,  einzelne 
muskulöse  Faserzellen,  und  endlich  ist  die  innere  Fläche  statt  des 


Digitized  by  Google 


310 


Ferment  und  Amyloid  der  Leber. 


frühem  mit  einem  deutlichen  Cylinderepitlielium  überzogen.  In 
ähnlicher  Weise  ist  auch  die  Wand  der  Gallenblase  gebaut,  mit 
dem  Unterschied  jedoch,  dass  die  Mnskclmassen  eine  vollkommene 
Haut  um  die  Gallenblase  bilden , und  dass  ihr  Epithelium  dem  der 
Darmschleimhaut  gleicht. 

In  die  grössere  AnsfÜhrungsgänge  [die  Gallenblase  mit  ein- 
gerechnet? — ) münden  noch  andere  Hoffnungen,  die  theils  in  kleine 
traubenförmige  Drüschen  (Schleimdrüsen),  theils  in  längere  netz- 
förmig verbundene  cylindrische  Kanäle  (abortive  Zellengänge)  führen. 

Aus  der  Leber,  und  zwar  an  der  Oberfläche  sowohl  als  aus  der 
Porta,  treten  zahlreiche  Lymphgefässe  hervor. 

In  die  Leber  gelangen  aus  dem  plex.  eocliac.  Nervenzweige, 
die  nach  angestellten  Vivisectioncn  zunächst  aus  dem  n.  splanchnicus 
und  in  letzter  Instanz  vom  Boden  der  vierten  Hirnhöhle  kommen 
und  in  die  Gefässe  der  Leber  eingehen  (CI.  Bernard,  Graefc, 
Hensen). 

2.  Chemischer  Bau  der  Leber.  Das  Gerüst  der  Leber,  ins- 
besondere die  Häute  der  Blut-  und  Gallengefässe,  besteht  aus  den 
gewöhnlichen  Stoffen  dieser  Formelemente.  Die  Flüssigkeit,  welche 
aus  der  zerquetzschten  Leber  erhalten  wird,  ist  ein  Gemenge  des 
Inhaltes  der  Blutgefässe,  der  Leberzellen,  Lymphgefässe  und  Schleim- 
drüsen. Ausser  den  zu  erwartenden  Bestandteilen  jener  Flüssig- 
keiten kann  der  Lebersaft  noch  enthalten : a)  Einen  wahrscheinlich 
eiweissartigen  Fermentkörper,  welcher  Arnylon  in  Zucker  umwan- 
delt  (Bernard,  Hensen).  Nach  einer  längem  Entziehung  von 
Nahrung  scheint  das  Ferment  zu  schwinden.  — b)  Einen  dem 
Arnylon  ähnlichen,  in  Wasser  löslichen  Stoff  (Bernard)*).  Nach 
Kekulö*)  hat  er  die  Zusammensetzung  C12  HioOio,  nach  E.  Pelouze 
CnHijOn.  Derselbe  verwandelt  sich  durch  kochende  Mineralsäuren 
und  durch  das  Ferment  der  Leber,  des  Bluts,  des  Kopf-  und 
Bauchspcichcls  in  Zucker  um.  Der  Gehalt  der  Leber  an  diesem 
Stoff  steht  in  Beziehung  zu  dem  allgemeinen  Emährungsstand  des 
Thiers,  und  namentlich  wächst  er  mit  demselben;  gleichgiltig  ob 
derselbe  mittelst  eines  von  Zucker  und  Arnylon  befreiten  oder  da- 
mit behafteten  Futters  erzeugt  wurde,  er  scheint  jedoch  im  letzteren 
Falle  reichlicher  vorhanden  zu  sein.  Die  Menge  des  Amylons  nimmt 
dagegen  um  so  mehr  ab,  je  rascher  seine  Umwandlung  in  Zucker 
erfolgt.  — c)  Einen  in  Wasser  unlöslichen,  Zucker  bildenden  Stoff 

•)  CI.  Bernard,  Lefous  «ur  los  propridtl«  des  fluide*.  1659.  IL  p.  69  ff. 

••)  Chemisches  Centralblatt.  1656.  p.  900. 


Digitized  by  Google 


Traubensncker  der  Leber. 


311 


von  unbekannten  Eigenschaften.  Auf  seine  Anwesenheit  schliesst 
Hensen*)  aus  der  Beobachtung,  dass  auch  solche  Lebern  mit 
Ferment  oder  Salzsäure  behandelt  Zucker  geben,  aus  welchen  durch 
Wasser  weder  Zucker  noch  Amylon  ausgezogen  werden  kann. 

Nach  S c h i f f *•)  »oll  bei  Fröschen  der  Zucker  gebende  Stoff  als  Körnchen  in 
den  Lebenellen  zu  finden  sein. 

d)  Traubenzucker ***).  lieber  seine  Menge  im  Leber- 
gewebe giebt  ausser  der  Zerlegung  dieses  letzteren  auch  noch  der 
Zuckergehalt  des  Leberblutes  und  des  Harns  Aufschluss,  voraus- 
gesetzt, dass  man  im  ersten  Falle  weise,  wie  viel  Zucker  die  Pfort- 
ader führte,  und  im  zweiten  Falle  nachweisen  kann,  dass  der 
Hanizucker  nur  aus  der  Leber  entsprungen  ist.  — 1)  Ein  gesundes 
Individuum,  das  hinreichende  Nahrung  erhält,  gleichgiltig , ob  die 
letztere  aus  Fleisch  allein  oder  neben  diesem  auch  aus  Amylaceen 
besteht,  hat  eine  zuckerhaltige  Leber.  Wird  die  Fütterung  unvoll- 
ständig, so  kann  der  Zuckerreichthum  der  Leber  gleich  bleiben, 
sich  mindern  oder  auch  ganz  verschwinden.  Das  letztere  kann 
eintreten,  wenn  man  den  Thieren  alles  Futter  entzieht,  so  dass 
sie  auf  ihr  eigenes  Fleisch  und  Blut  angewiesen  gind.  In  den 
ersten  Tagen  der  Hungerzeit  findet  sich  jedoch  immer  noch  Zucker, 
so  dass  erst  in  einem  spätem  Zeitpunkt,  der  dem  vollkommenen 
Hungertode  sich  jedoch  bis  auf  Stunden  nähern  kann,  der  Zucker 
vollständig  verschwindet  (Bernard,  Stokvis).  Füttert  man 
ausschliesslich  mit  Wasser  und  Leim  oder  Wasser  und  Amylon,  so 
sinkt  der  Zucker  kaum  unter  die  Normalmenge;  durch  alleinige 
Nahrung  von  Fett  und  Wasser  sinkt  der  Zucker  beträchtlich.  — 
2)  Einige  Stunden  nach  einer  reichlichen  Mahlzeit  steht  der  Zucker- 
gehalt der  Leber  am  höchsten  (Bernard).  — 3)  Nach  einer 
punktförmigen  Verletzung  in  der  Mittelfurche  der  vierten  Hirnhöhle 
zwischen  dem  Ursprung  des  n.  acusticus  und  n.  vagus,  selbst  wenn 
vorgängig  der  n.  vagus  am  Hals  durchschnitten  wurde,  mehrt  sich 
der  Zuckergehalt  (CI.  Bernard).  Dasselbe  geschieht  nach  Durch- 
schneidung der  n.  splanchnici  (Graefe,  Heiden).  In  beiden 
Fällen  sind  die  Gefässe  der  Unterleibshöhle  erweitert  — 4)  Wenn 
bei  Fröschen  das  Rückenmark  gereizt  wird,  so  wird  der  Ham 


•)  Virchow'*  Archiv.  XI.  Bd.  306. 

••)  Schiff  ln  Melaanar's  Jahresbericht  fUr  1667.  p.  968. 

•M)  c 1.  Bernard,  Lepons  de  Physiologie.  1864 — 1866.  Paria  1866.—  Mooa,  Phannaz.  Central- 
blatt.  1868.  278.  — Stokvla,  Wiener  med.  Wochenschrift.  1867.  236.  — Sanson,  Journal  de 
la  Physiologie  par  Brown-Sdqnard.  1.  Bd.  p.  244.  — Derselbe,  Poggiale  etc.  ibidem  649* 


L)I  zed  bv  Google 


312 


Trauben*ucker  der  Leber 


zuckerhaltig,  eine  Erscheinung,  welche  ausbleibt,  wenn  vorgängig 
die  Blutgefässe  der  Leber  unterbunden  waren  (Schiff,  Moos). — 
5)  Nach  der  Durchschneidung  des  Rückenmarks  unterhalb  der 
Halsanschwellung  verschwindet  der  Zucker,  aber  das  Amyloid  ist 
noch  nachweisbar.  Da  die  Temperatur  des  Säugethieres  nach  dieser 
Operation  sehr  beträchtlich  (auf  24°C.)  herabsinkt,  so  war  Bernard 
geneigt,  den  Grand  für  die  Abwesenheit  des  Zuckers  darin  zu 
finden,  dass  die  Temperatur  nicht  genügt,  um  eine  reichliche  Um- 
wandlung des  Glycogens  in  Zucker  unter  dem  Einfluss  der  Gäh- 
rnng  zu  ermöglichen.  Dieser  Erklärung  widerspricht  die  Erfahrung, 
dass  in  der  todten  Sängethierleber  auch  Doch  bei  einer  viel  niedri- 
geren Temperatur  die  Umsetzung  vor  sich  geht  und  dass  ein  gleicher 
Erfolg  nach  Durchschneidung  des  Froschrückenmarkes  von  Moos 
beobachtet  wurde.  Nach  Durchschneidung  des  Rückenmarkes  über 
der  Halsanschwellung  verschwinden  Zucker  und  Amyloid  aus  der 
Leber  (Bernard).  — 6)  Nach  Durchschneidung  des  n.  vagus  am 
Halse  mindert  sich  der  Leberzucker  sehr  auffallend  (Bernard), 
jedoch  nicht  immer  bis  zum  vollkommenen  Verschwinden,  wenn 
der  Tod  ungefähr  29  Stunden  nach  der  Verwundung  eintrat  (Moos ). 
Der  letzte  Beobachter  ist  geneigt,  die  Ursache  der  Abnahme  in 
dem  Allgemeinleiden  zu  suchen,  welches  die  Durchschneidung 
mit  sich  führte.  — Durchschneidung  der  vagus  unter  der  Brusthöhle 
soll  den  Leberzucker  unverändert  lassen;  Reizung  des  centralen 
Stumpfes  eines  am  Hals  durchschnittenen  vagus  ihn  mehren 
(Bernard). — 7)  In  fieberhaften  Krankheiten  verliert  sich,  voraus- 
gesetzt, dass  die  Thiere  sich  der  Nahrung  enthalten,  der  Zucker 
vollkommen.  Nehmen  die  fieberkranken  Thiere  Futter  zu  sich,  wie 
dieses  z.  B.  die  Pferde  thun,  so  verschwindet  zwar  der  glycogene 
Stoff  aus  der  Leber,  nicht  aber  der  Zucker  (Bernard). — 8)  Die 
Leber  eines  Thieres,  das  bis  zur  Todeskälte  (18 — 20 0 C.)  abgekühlt 
ist,  verliert  den  Zucker,  behält  aber  das  Amyloid.  Wird  das  Thier 
wieder  erwärmt,  so  kehrt  der  Zucker  wieder.  Ein  auf  50 — 60° 
erwärmtes  Thier  btftst  das  Amyloid  und  den  Zucker  ein  (Bernard). — 
9)  Zur  Zeit  der  bestehenden  Milchabsonderung  in  den  Brüsten  soll 
der  Leberzucker  nach  Moos  vermehrt,  nach  Bernard  in  Menge 
unverändert  sein.  — 10)  In  dem  sog.  Diabetes  mellitus  ist  der 
Zuckergehalt  der  Leber  vermehrt  (Bernard,  Stokvis).  — 
11)  Der  Leberzncker  ist  reichlicher  vorhanden  nach  Vergiftung  mit 
Curare,  vorausgesetzt,  dass  eine  künstliche  Athmung  eingeleitet 
wurde  (Bernard).  Dasselbe  geschieht  nach  Einspritzung  von 


Digitized  by  Google 


Traubenzucker  der  Leber. 


313 


Aetber  und  verdünnter  Ammoniaklösung  in  die  Pfortader  (Harley) 
and  nach  Einathnmng  von  Aetherdämpfen  (Keyno so). 

Für  die  ausgesprochenen  Behauptungen  stehen  die  Thatsachen  der  folgenden 

Tabelle  (wenigstens  theilweise)  ein : 


Beobachtung»-  Bemerkungen. 

gegenständ 


Mensch. 


Hund. 


In  diesen  Be-  | 
obachtungen 
worden  die 
Tblere  gleich 
nach  der 
Fütterung 
getodtel. 

Hund. 


Plötal.Tod;  nüchtern. 

„ „ im  Magen 

Speisen. 

„ n 2 Tage  nach 

dem  Tode 
untersucht. 
Magen  leer. 
„ „ Diahet.mell. 

» ,,  Diahet.mell. 


dem  Tod 
untersucht. 
v „ Verdauungs- 
aeit 

Fleischnahrung. 

»*  n 

Bmd  und  Fleisch. 


und  Zucker. 


.L 


Mehl. 

8,'jNahrung  aus  ungesalz. 
Speck. 


10. 

11. 

12. 

13. 


Kaninchen. 


schmalz. 

„ aus  Leim. 

„ aus  Hammels- 

füssenfett. 

„ Mehl. 

KartoiTeln , Amylon, 
Zucker. 

8 tägiger  Hunger. 

Nach  b tägig.  Hunger 
Fleisch. 


Pro* 

ln  dom  Lebcr- 
gewebo. 

entgehalt  an 
in  der  Pfort- 
ader. 

ockcr 

In  der  Leber- 
ader. 

Beobachter. 

0,79 





\ 

2.14 

— 

— 

J 

1,1 

— 

>Bemard. 

2,9 

) 

1,79 

— * 

Stokris. 

1,55 

— 

— 

1,9 

1,4 

1,7 

1,3 

1,3 

1,9 

1,5 

0,9 

CI  Beraard 

0,6 

1,33 

1,65 

1,25 

1,88 

! 

0 

1,3 

Stokris. 

2,17 

, 1 

2,70 

Nach  Moos  gaben  500  Gr.  Kaninchen  normal  0,7  Gr.  Zucker,  milchgebend 
2,3  Gt.,  nach  Vagus  Durchschnitt  (Tod  nach  23  Stunden)  im  Mittel  0,1  Gr. — 500  Gr. 
Hund  unter  den  letzten  Bedingungen  (Tod  nach  29,75  Stunden)  0,09  Gr.  Zucker. 

e)  Inosit  (Cloetta)  *).  — f)  Milchsäure  (v.  Bibra)**). — 
g)  h)  i)  Olein,  Margarin  (Stearin  und  Palmitin),  Chole- 


•)  Liebig's  Annalen.  »9.  Bd.  989. 

••)  r.  Bibra,  Chemische  Fragmente  Uber  Leber  und  Oalle.  Braunschw.  1849. 


Digitized  by  Google 


314 


Fette  und  andere  Bestandtheile  der  Leber. 


Stearin.  Der  Gehalt  der  Leber  an  Fetten  kann  sehr  veränder- 
lich sein.  In  der  gesnnden  Leber  scheint  er  mit  dem  allgemeinen 
Fettreichthnm  des  Körpers  zu  wachsen;  jedenfalls  mehrt  er  sich 
mit  dem  Fettreichthum  der  Nahrung.  Diesen  letzten,  schon  von 
Magendie,  Gray,  Laue  u.  A.  behaupteten  Satz  beweist  Fre- 
richs*)  dadurch,  dass  er  Hnnde,  denen  er  ein  Sttlckchen  Leber 
ausgeschnitten,  mit  fettreicher  Nahrung  fltttert ; 22  Stunden  nach 
Beginn  der  letztem  steigt  schon  der  Fettgehalt  der  Leber  merklich  an, 
und  nach  8 X 24  Stunden  ist  die  Leber  mit  Fetten  aufs  Reich- 
lichste erfüllt.  Wird  dann  umgekehrt  fettarme  Nahrang  gereicht, 
so  schwinden  nach  einiger  Zeit  die  Leberfette  wieder.  Die  Fette 
werden  in  das  Innere  der  Leberzellen,  welche  sich  dabei  vergrössern, 
als  Körnchen  und  Tröpfchen,  zuweilen  auch  als  Krystalle  abge- 
lagert. Wenn  die  Füllung  der  Leber  mit  Fett  im  Steigen  begriffen 
ist,  so  scheinen  sich  zuerst  die  Zellen,  welche  in  der  Nähe  der 
Ringvenen  liegen,  und  dann  erst  die  Nachbarn  der  Mittelvenen  mit 
Fett  zu  sättigen.  — Ausser  in  den  Zellen  soll  auch  das  Fett  in 
den  Gallengängen  frei  Vorkommen  (Vogel,  Wedl),  ein  Verhalten, 
das  wegen  des  Fettgehaltes  der  Galle  schwerlich  bestritten  werden 
kann.  Krankhafter  Weise  häuft  sich  auch  bei  sonst  abgeraagerten 
Individuen  Fett  in  der  Leber  an.  — k)  Gal  len  säuren  **).  Sie 
finden  sich  jeder  Zeit  in  der  Leberflüssigkeit;  da  sie  im  Pfortader- 
und  Lebervenenblut  der  Säugethiere  fehlen  (Lehmann)  und  bei 
Fröschen  im  Blut  auch  nach  AuBschneidnng  der  Leber  nicht 
beobachtet  werden  (Kunde),  selbst  dann  nicht,  wenn  jeneThiere 
die  Ausschneidung  ihrer  Leber  21  Tage  überlebt  haben  (Mole- 
schott), so  sind  sie  unzweifelhaft  als  eine  chemische  Neubildung 
der  Leber  anzusehen.  Die  mikrochemische  Reaktion  hat  sie  als 
einen  Bestandtheil  des  Leberzelleninhaltes  nachgewiesen.  — 1)  Einen 
in  Chloroform  löslichen  und  daraus  in  rothen  Krystallen  aus- 
schiessenden  Farbstoff  (Valentiner  ***).  Nach  dem  Entdecker 
dieses  Verhaltens  mit  Haematoidin,  nach  Brücke  sicher  mit 
Gallenbraun  identisch.  — m)  Andere  im  Weiteren  unbekannte 
Farbstoffe;  die  letztem  insgesammt  werden  in  den  Lebcrzellcn  an- 
getroffen — n)  Harnsäure  (Cloetta).  — o)  Xanthoglo- 
bulin  (Scherer) f).  — In  kranken  Lebern,  insbesondere  bei 

>)  Klinik  der  CeWkrnnkhtlUn.  I.  Bd.  ISi  IT. 

••)  Kund«,  De  hepatia  ranarum  cutirpatione.  Berlin  1850. — Moleachott,  Arch.  für  phjr«. 
Heilkunde.  XI.  Bd.  479.  — He  nie*«  Ailgem.  Anatomie.  1841.  903. 

*+*)  GUnaburg's  Zeitschrift.  Dezember  1858.  Wiener  akad.  Berichte.  März  1859 

t)  W’tJrZburger  Verhandlungen.  VH.  Bd.  282. 


Digitized  by  Google 


Salze  der  Leber. 


315 


Typhus,  Pyaemie,  bösartigen  Wechselfiebern  u.  s.  w.  Len  ein, 
Tyrosin  (Frerichs,  Staedeler)*),  Sarkin  und  zuweilen 
Cystin  (Scherer).  Wenn  diese  letzteren  vier  Körper  reichlich 
auftreten,  so  ist  meist  die  Zucker-  und  Gallenbildung  beeinträchtigt  — 
p)  Die  Leberasche  **)  ist  von  Oidtmann  zerlegt;  die  folgenden 
Zahlen  sind  von  denselben  Individuen  hergenommen,  welche  schon 
die  Milzasche  lieferten  (p.  302).  In  100  Theilen  enthält  die  Leber 
und  die  Leberasche: 


Mann. 

Kind. 

Wasser  .... 

74,0 

82,50 

Anorgan.  Stoffe  . . 

1,1 

0,91 

Chlor 

2,50 

4,21 

PhOs 

49,37 

42,75 

SOj 

0,91 

0,91 

SiO» 

0,27 

0,18 

KO 

25,17 

34,72 

NaO 

14,47 

11,27 

CaO 

3,02 

0,33 

MgO 

0,19 

0,07 

Fe20s 

2,75 

1 

2 Mn  Os  .... 

0,10 

/ 

CuO 

0,05 

[ 5,45 

Pb  . 

0,01 

1 

Phosphorsaure  Erde 

— 

Die  Asche  reiht  sich  an  die  der  Blutkörperchen,  Milz,  Muskeln 
durch  ihren  Gehalt  an  KO  und  PbOr,.  Eigen  ist  ihr  Reichthum  an 
Cu  und  Pb.  Nach  Fütterung  mit  unschädlichen  Kupfersalzen 
(Stearin  und  margarinsaures  CuO)  kann  das  CuO  zu  0,02  pCt  der 
feuchten  Leber  steigen  (Staedeler).  Im  jugendlichen  Individuum 
enthält  die  Leber  weniger  Cu  als  im  Erwachsenen  (Devergie, 
Munk). 

Quantitative  Analysen  der  ganzen  Leber  siehe  bei  Bibra. 

3.  Vergleichung  des  Blutes  in  der  Pfort-  und  Leberader.  Das 
Pfortaderblnt  ist  bis  dahin  in  seiner  qualitativen  Zusammensetzung 
wenig  abweichend  von  dem  der  andern  Venen  gefunden  worden. 


*)  Frerichs,  Klinik  der  Leberkrankheltcn  181. 

**)  0 tdt  ma d n,  dl«  anorgun.  Beatandtbeile  der  Leber  nnd  MUa.  Linnich  1858. — Bibra, 
L C.  — Langenbeck  und  Staedeler,  Uobcr  die  Wirkung  der  Verbindungen  de»  Kupferoxyda 
mit  fetten  Säuren.  Züricher  Mittheilungen.  1868.  — Munk,  De  cnpro  in  orgaalca  etc.  obrlo.  1866. 


Digitized  by  Google 


316 


Blut  der  Pfort-  und  Leberader. 


Dieses  gilt  selbst  fUr  das  Blut,  welches  zur  Zeit  der  Verdauung  in 
den  ausgedehnten  Wurzeln  der  Pfortader  vom  Darminhalt  uraspült 
worden  ist.  Wenn  man  diese  Erfahrungen  nicht  auf  die  Mangel- 
haftigkeit der  analytischen  Hilfsmittel  schieben  will,  so  bleibt  nur 
die  Annahme  ttbrig,  dass,  ganz  günstige  Fälle  ausgenommen,  die 
Menge  von  Flüssigkeit , welche  durch  den  Diffusionsstrom  aus  dem 
Dannkanal  in  die  GetUssröhren  gefördert  wird,  verschwindet  gegen 
die,  welche  der  Blutstrom  selbst  in  sie  führt.  Mit  dieser  letzten 
Annahme  stimmt  auch  die  quantitative  Zusammensetzung  des  Serums, 
welches  5 und  10  Stunden  nach  der  Fütterung  analysirt,  gleiche 
Zusammensetzung  bot  (Lehmann).  Auffallender  Weise  gab  da- 
gegen diesem  letztem  Beobachter  das  gesammte  Pfortaderblut  der 
Pferde  10  Stunden  nach  der  Fütterung  0,4  pCt.  Extrakte  und  die 
ungeheure  Quantität  von  8,6  pCt.  Wasser  mehr  als  5 Stunden  nach 
derselben.  Diese  Abweichung,  welche  bei  gleicher  Zusammen- 
setzung des  Serums  nur  bedingt  sein  könnte  durch  eine  Verände- 
rung in  der  Menge  der  Blutkörperchen,  verdient  mit  Zuhilfenahme 
der  Färbekraft  bestätigt  zu  werden.  — Unter  Hinweisung  auf 
p.  33  d.  B.  dürfte  hier  noch  Folgendes  hervorzuheben  sein: 
a)  Die  rothen  Scheiben  im  Blut  der  Lebervenen  sollen,  wie  1.  c. 
schon  geschildert  wurde,  in  Gestalt  und  chem.  Reaktion  von  denen 
des  Pfortaderinhaltes  abweichen;  ebenso  sei  auch  ihre  Zahl  im 
Verhältniss  zu  den  farblosen  geringer.  Daraus  hat  man  theils  anf 
eine  Neubildung,  theils  auf  eine  Entfärbung  vorhandener  Körper- 
chen schliessen  wollen.  Seitdem  man  jedoch  die  durch  den  Blut- 
strom selbst  herbeigefÜhrte.Vertheilung  der  Körperchen  in  den  ver- 
schiedenen Gefässstücken  genauer  berücksichtigte,  ist  man  geneigt, 
jene  Thatsachen  dahin  zu  deuten,  dass  sich  wegen  des  langsamen 
Stroms  in  der  Leberader  die  rothen  und  weissen  Körperchen  dort  an- 
häufen möchten.  Eine  Unterstützung  hierfür  zieht  man  aus  den  Beobach- 
tungen von  Lehmann,  nach  welchen  der  Wassergehalt  des  Pfort- 
aderblutes den  des  Leberblutes  um  8 bis  9 jJCt.  übertritft.  Denn 
nähme  man  in  der  That  an,  dass  in  der  Leberader  die  Körperchen 
gerade  so  rasch  strömten,  als  in  der  Pfortader,  so  würde  der 
Unterschied  des  Wassergehaltes  nur  aus  einem  Verlust  an  Wasser 
in  der  Leber  abgeleitet  werden  können,  und  wohin  sollte  es  sich 
dort  verloren  haben?  (p.  31.)  — b)  Früher  glaubte  man,  gestützt 
auf  die  Angaben  von  Bernard,  dass  unter  allen  Umständen,  und 
gelbst  nach  reichlichem  Genuss  von  Zucker  nur  ausnahmsweise 
dieser  Stoff  im  Pfortaderblnt  gefunden  werde.  In  dieser  Ausdeh- 


Digitized  by  Google 


Blut  der  Pfort-  und  Leberader. 


317 


nnng  ist  jedoch  die  Sache  nicht  bestätigt  worden.  Allerdings  finden 
Leconte,  Lehmann  und  Poggiale  nach  Hnnger  nnd  Fleisch- 
nahrung  für  gewöhnlich  keinen  Zucker  in  der  Pfortader , aber  nach 
Fütterung  mit  Amylon  nnd  Zucker  ist  der  letztere  Körper  von  allen 
Beobachtern  übereinstimmend  gefunden  worden,  und  dazu  ist  von 
Sanson  nicht  allein  im  Blut  überhaupt,  sondern  auch  in  den 
Muskeln,  der  Lunge  u.  s.  w.  ein  dextrinartiger  Körper  nachge- 
wiesen , welcher  durch  Gährung  in  Zucker  verwandelt  wird.  Dieses 
bestätigten  Hensen,  Bernard  und  Poggiale  für  den  Fall,  dass 
die  Thiere  kurz  vor  dem  Tode  reichlich  mit  Amylon  gefüttert 
wurden.  Das  Amyloid  fehlt  dagegen  sowohl  im  Blut,  als  auch  in 
allen  andern  Organen,  die  Leber  ausgenommen,  wenn  die  Thiere 
allein  mit  Fleisch  oder  einer  schwach  amylonhaltigen  Nahrung  ge- 
füttert werden  (Bernard,  Poggiale,  Sanson).  Endlich  ist 
auch  gefunden  worden , dass  das  arterielle  Blut  meist  mehr  Zucker 
enthält,  als  das  der  Haut-  und  Muskelvenen  (Harley,  Chaveau), 
so  dass  möglicher  Weise  auch  das  der  Arteria  hepatica  noch  Zucker 
führt,  wenn  er  selbst  dem  Blut  der  Vena  portarum  fehlt.  Fasst  man 
Alles  zusammen,  so  ergiebt  sieh,  dass  es  Fälle  giebt,  in  welehen 
das  zur  letzteren  strömende  Blut  vollkommen  frei  an  Kohlenhydrat 
ist,  während  das  aus  ihr  hervorgehende  zuckerhaltig  ist,  und  dass 
in  andern  Fällen  der  Leber  zwar  Kohlenhydrate  zugefiikrt  werden, 
dass  diese  aber  an  Menge  dem  Traubenzucker  nachstehen,  welche 
durch  das  Lebervenenblut  abströmen.  — Die  Kohlenhydrate  und 
insbesondere  Rohrzucker,  welcher  durch  die  vena  portarum  ein- 
strörat,  soll  in  der  Leber  in  Traubenzucker  umgewandelt  werden, 
indem  die  Lebervene  nur  diesen  letztem  enthält  (Bernard).  — 
c)  Brown-Säquard  *)  bestätigt  die  Angabe  von  Lehmann,  dass 
das  Lebervenenblut  des  Hundes,  wenn  es  am  lebenden  gallen- 
absondemden  Thier  aufgefangen  wird,  nicht  mehr  von  selbst  ge- 
rinnt. Zuweilen  gerinnt  es  jedoch  noch,  und  zwar  dann,  wenn 
wie  Brown-Söquard  vermutbet,  die  Gallenabsonderung  unter- 
drückt ist.  Das  aus  dem  todten  Thier  gewonnene  Blut  ist  meist 
geronnen. 

lieber  die  Zusammensetzung  des  Bluts  in  der  Leberarterie  und 
insbesondere  über  seine  Veränderungen  beim  Durchgang  durch  die 
Leber  ist  nichts  bekannt. 

4.  Von  dem  Strom  des  Leberblutes.  Die  Richtung  des  Stroms 
in  den  Blutgefässen  der  Leber  wird  für  gewöhnlich  von  der  Porta 

*)  Journal  de  Ja  Physiologie.  I.  p.  2twt. 


Digitized  by  Google 


318 


Ulutstrom  in  der  Leber. 


zu  der  Lebervenc  geben ; doch  ist  wegen  der  Abwesenheit  aller  Klappen 
in  den  Leber-  und  Pfortadervenen  und  der  leichten  Ausdehnbarkeit 
der  Darmgefässe  auch  das  Umgekehrte  möglich.  — Die  Geschwindig- 
keit des  Stroms  in  der  Pfortader  muss  unter  Voraussetzung  gleicher 
Widerstände  in  und  jenseits  der  Leber  veränderlich  sein;  denn 
einmal  sind  die  Durchmesser  der  Ulutgcfässcapillaren  in  den  Wan- 
dungen der  UnterleibsdrUsen  veränderlich,  wie  die  in  diesen  Organen 
vor  sich  gehende  Saftbildung,  die  insbesondere  zunimmt  zur  Zeit 
der  Verdauung;  da  nun  in  den  weiteren  Röhren  die  Reibung  re- 
lativ zur  durchgehenden  Blutmasse  geringer  ist,  als  in  den  engeren, 
so  muss  während  der  Verdauungsperiode  das  Blut  mit  grösserer 
Kraft  in  die  Pfortader  einströmen,  als  in  anderen  Zeiten.  Dann 
wird  aber  auch  bei  jeder  nicht  allzutiefen  Inspiration  die  schlaffe 
Masse  des  Baucbinhaltes  zusammengedruckt,  entsprechend  der 
Kraft,  mit  welcher  das  Zwerchfell  sich  zusammenzieht,  und  dieser 
Druck  muss  nothwendig  das  Blut  • in  der  Pfortader  beschleunigen, 
das  durch  die  steife  Leber  seinen  ungehemmten  Ausweg  findet  — 
Aber  auch  bei  gleicher  Triebkraft  muss  die  Geschwindigkeit  ver- 
änderlich sein,  weil  die  Lebergefässe  selbst  unter  dem  Einfluss 
ihrer  ungleich  erregten  Nerven  verschiedene  Durchmesser  annehmen 
und  weil  die  Widerstände  namentlich  jenseits  der  Leber  in  der 
Brusthöhle  gar  nicht  unbeträchtlich  variabel  sind.  Bei  jeder  In- 
spiration mindert  und  bei  jeder  Exspiration  mehrt  er  sich  bekannt 
lieh.  So  deuten  also  alle  Umstände  darauf  hin,  dass  in  der  ge 
wöhnlichen  Ausathmung  das  Fliessen  langsamer  und  in  der  Ein- 
athmung  rascher  ist.  — Aehnliches  gilt  auch  fUr  den  Strom  in  der 
Leberarterie.  — Ueber  das  Verhältniss  der  Geschwindigkeiten  in 
den  beiden  Gefässen  pflegt  man  sich  gewöhnlich  dahin  auszu- 
drttcken,  dass  die  Strömung  in  der  Leberarterie  viel  rascher  als 
in  der  Pfortader  sei,  weil  die  lebendige  Kraft  des  frisch  aus  dem 
Herzen  dringenden  Artcrienblntes  weit  bedeutender  sei , als  die  des 
Pfortaderblutes,  das  aus  den  Darmcapillaren  zurtlckkehrt,  während 
die  Hemmungen,  welche  beiden  in  der  Leber  berorstehen,  voll- 
kommen gleich  seien.  Man  bedenkt  dabei  nicht,  dass  auch  ein 
grosser  Theil  des  Blutes  der  a.  hepatica  durch  zwei  Capillaren- 
netze,  die  beide  in  der  Leber  liegen,  wandern  muss.  Zudem  ist 
es  fraglich , ob  das  Blut  in  den  Darmcapillaren  sehr  bedeutend  ge- 
hemmt wird;  denn  das  Bett  der  Darmarterien  erweitert  sich  dem 
Anschein  nach  beim  Uebergang  in  das  Capillarensystem  der  Darrn- 
und  Drltsenwände  viel  beträchtlicher,  als  das  der  Leberarterie  bei 


Blutstrom  in  der  Leber. 


319 


ihrer  Verkeilung  in  vasa  vasorum.  Unter  dieser  Voraussetzung 
wurde  aber  nach  bekannten  hydraulischen  Grundsätzen  der  Theil 
des  Leberarterien blutes , welcher  durch  die  vasa  vasorum  ginge, 
mehr  gehemmt,  als  das  Blut  in  den  Darmcapillaren.  Endlich  wirkt 
auch  das  Blut  der  Pfortader  hemmend  auf  das  der  Leberarterien, 
denn  beide  münden  in  dasselbe  Capiliarnetz. 

Die  absoluten  Werthe  der  Geschwindigkeit  sind  nicht  bekannt; 
man  vermuthet,  dass  der  Strom  in  der  vena  portae  sehr  langsam 
sein  möchte.  Dafür  spricht  aber  nicht  einmal  die  Theorie;  denn 
gesetzt,  es  besässe  das  Pfortaderblut  nur  schwache  lebendige 
Kräfte,  so  würden  sie  doch  hinreichen,  um  bei  geringen  Wider- 
ständen in  der  Leber  immer  noch  eine  Geschwindigkeit  zu  erzeugen, 
die,  verglichen  mit  der  des  Kreislaufes  überhaupt,  beträchtlich  ge- 
nannt werden  könnte.  Nun  spricht  die  enorme  Zahl  der  Leber- 
capillaren  und  demnach  der  langsame  Strom  in  ihnen  sehr  dafür, 
dass  das  Blut  in  der  Leber  wenig  Hindernisse  erfährt,  und  die 
Einfügung  der  Lebervene  in  die  untere  Hohlvene  geschieht  an  einer 
so  günstigen  Stelle,  dass  jenseits  der  Leber  dem  Strom  die  mög- 
lichst geringe  Hemmung  entgegensteht.  Mit  dieser  Anschanung 
stimmt  die  Erfahrung  von  Volk  mann,  welcher  den  Centralstrom 
in  den  Mesenterialcapillaren  eines  Hundes  gerade  so  geschwind 
fand,  als  Vierordt  den  der  Retinacapillaren. 

In  den  Capillaren  der  Leberinseln  wird  der  Strom  jedenfalls 
langsam  sein  aus  schon  angeführten  Gründen,  aber  trotzdem  wird 
dennoch  durch  die  Gesammtsumme  derselben  sehr  viel  Blut  gehen, 
da  die  Räumlichkeit  eines  Durchschnittes  durch  ihr  Gesammtluraen 
den  grössten  Querschnitt  der  Leber  um  Vieles  Übertreffen  muss; 
denn  von  der  Fläche  eines  jeden  Partialschnitts  derselben  gehört 
den  Gefässöffnungen  mindestens  ein  Dritttheil  zu;  und  wie  oft  kann 
sich  bei  dem  geringen  Durchmesser  und  dem  kurzen  Längsverlanf 
der  Capillaren  dieser  Antheil  in  der  dicken  Leber  wiederholen. 

Die  Spannung  des  Blutstroms  muss  dem  Vorstehenden  gemäss 
gewiss  ebenfalls  variiren;  unter  Umständen  steigert  sich  dieselbe 
in  den  Lebercapillaren  so  beträchtlich,  dass  eine  sehr  merkliche 
Ausdehnung  der  Leber  erzeugt  wird  (Anschoppungen  der  Leber). 
Ueber  ihren  absoluten  Werth  ist  nichts  bekannt 

5.  Galle  im  engem  Wortsinn.  Die  Flüssigkeit  in  den  grössere 
Lebergängen  und  der  Gallenblase  ist  ein  Gemisch  des  Absonde- 
rangsproduktes der  Leberzellen  und  der  Schleimdrüsen.  Aus  diesem 
Gemenge  lassen  sich  zum  Theil  nur  vermuthungsweise  die  Bestand- 


Digitized  by  Google 


320 


Leber ; Galle. 


theile  aasscheiden,  welche  aas  dem  Inhalt  der  Lebcrzellen  aus- 
getreten sind.  Wir  zählen  zn  ihnen : taurocholsaures  (und  glycochol- 
saures)  Natron,  Lecithin  (Gobley)*),  Cholestearin , Olein,  Mar- 
garin,  ßiliphain  and  Biliverdin,  Traubenzucker  **>  (ätokvis, 
Frerichs),  Chlornatrinm , kohlensaure  und  phosphorsaure  Kalk- 
und  Talkerde,  Eisenoxyd,  zuweilen  Kupferoxyd,  Wasser. — Dieses 
Lösungsgemenge  reagirt,  vorausgesetzt,  dass  ihm  kein  Schleim 
beigemengt  ist,  neutral. 

Gorup***)  spricht  der  Menschengallo  die  Glycocholsäure  ab,  weil  er  unter  den 
Zersetzungsproduktcn  der  Galle  kein  Glycin  fand.  Strecker  f)  zeigte  schon  früher 
dasselbe  Verhalten  für  die  Hundegalle.  Unter  dieser  Voraussetzung  würde  das  Auf- 
treten von  Hippursäure  im  Harn  schwer  begreiflich  sein , da  sich  diese  im  Blut  unter 
Zuhilfenahme  des  Glycins  der  Glycocholsäure  bildet  (Kühne  und  Hallwachs).  — 
Galle,  welche  unmittelbar  aus  den  Lebergangen  oder  nur  nach  kurzer  Anwesenheit  in 
der  Blase  aufgefangen  wird,  enthält  nur  Gallenbraun,  aber  kein  Gallengrün.  Der 
letztere  Farbstoff  geht  also  erst  während  des  Aufenthalts  der  Galle  in  der  Blase  aus 
dem  erstem  hervor,  eine  Umwandlung,  welche  nach  den  Untersuchungen  von  H eints  ff) 
auf  einer  Oxydation  beruht,  indem  1 Atom  Gallenbraun  (CaHisXtOg)  unter  Aufnahme 
von  1 Atom  8auerstoff  in  2 Atome  Gallengrün  (CisHeNOs)  zerfällt  — 

In  der  frischen  Galle  des  Hundes  findet  Bernard  keinen  Zucker;  Mosler  be- 
merkte ihn  hier  erst  dann,  wenn  grossere  Mengen  in  das  Blut  eingespritzt  waren.  Wie 
in  den  Ham,  so  geht  auch  in  die  Galle  der  Rohrzucker  leichter  über  als  der  Trauben- 
zucker, d.  h.  es  müssen  grössere  Mengen  von  der  letzteren  Zuckerart,  als  von  der 
ersteren  im  Blut  vorhanden  sein , wenn  er  in  der  Galle  gefunden  werden  soll.  — ln 
der  Menschengalle,  selbst  in  der  möglichst  frischen,  bemerkten  Zucker  Stokvis  und 
Frerichs;  Bernard  vermuthet,  dass  er  durch  eine  nach  dem  Tod  eingetretene 
Diffusion  aus  der  Leber  dorthin  gekommen  sei.  — Aus  dem  Blut  gehen  ausserdem, 
wenn  sie  dort  vorhanden  sind,  in  die  Galle  über:  KJ  nnd  CuOSOs;  es  treten  dagegen 
nicht  Über:  KOKOg,  2 Hg  CI,  Chinin;  Benzoesäure  erscheint  in  der  Galle  nicht  als 
Hippursäure  (Mosler). 

a.  Die  Zusammensetzung  der  Galle  fff)  ist  veränderlich : 1)  mit 
der  Nalimng.  Ein  reichlicher  Zusatz  von  Wasser  zu  einer  hin- 
reichenden Brot-  oder  Fleischkost,  und  ebenso  Entziehung  der 
Nahrung  mindert  den  Prozentgehalt  der  festen  Bestaudtheile 
(Bidder,  Schmidt,  H.  Nasse,  Arnold).  — 2)  Bei  genügender 
Nahrung  aus  Fleisch  ist  die  Galle  reicher  an  festem  Rückstand, 

•)  Chemisches  CentrslbUtt  1866.  p.  879. 

**>  Stokvis,  Wieoer  med.  Wochenschrift.  1867.  p.  238.  — Preriche,  Klinik  der  Leber - 
krankheltcn.  I.  Bd.  90.  — Mosler,  Ueber  den  L’ebergang  von  Stoffen  aus  dem  Blut  in  die  Geile. 
Glessen  1867.  — Bern  erd,  Le?ons.  I.  Bd.  1867.  p.  94. 

•••)  P reger  Vlerteljahwechrlft.  1861.  III.  Bd.  86. 

t)  Lieb  lg' s Annalen.  70.  Bd.  149. 

ft)  Lehrbuch  der  Zoochemlc.  Berlin  1868.  p.  791. 

ttt)  Bidder  nnd  Schmidt,  Die  VerdeuungssäAe.  Leipzig  1862,  p.  116  und  312.  — H.  Nesse, 
CommeuUtio  de  bllis  quotidie  a cane  secreta  etc.  Marb.  1851.  — Arnold,  Die  philologische 
Anstalt  Heidelbergs.  1868.  p.  91. 


Digitized  by  Google 


Leber;  Galle,  Veränderlichkeit  der  Zusammensetzung. 


321 


als  bei  genügender  Brodnahrung  (Arnold).  Hierbei  versteht  man 
unter  genügender  Nahrung  eine  solche,  bei  welcher  das  mittlere 
Körpergewicht  sich  gleich  bleibt.  — 3)  Die  Galle  verliert  durch 
einen  längeru  Aufenthalt  in  der  Blase  Wasser,  und  zwar  in  einem 
solchen  Grade,  dass  die  Blasengalle  in  100  Theilen  meist  doppelt 
so  viel  festen  Rückstand  enthält,  als  die  aus  den  Lebergängen  auf- 
aufgefaugene.  — ln  der  Blase  ändert  sich  die  braune  Farbe  der  Galle 
in  die  grüne  (Bidder,  Schmidt).  Auch  soll  sich  in  ihr  die 
Gallensäure  in  harzige  Produkte  umsetzen  (Mulder).  — 4)  Der 
Wassergehalt  der  Galle,  welche  bei  Nacht  abgesondert  wird,  ist 
etwas  niedriger,  als  der  am  Tage  gelieferte  (H.  Nasse).  — 5)  Die 
Schwankungen,  welehe  die  Prozente  des  festen  Rückstandes  be- 
treffen, rühren  vorzugsweise  von  einer  Veränderlichkeit  der  organi- 
schen Bestandtheile  her,  während  der  Prozentgehalt  an  Salzen  sich 
annähernd  gleich  bleibt  (H.  Nasse).  — 6)  Der  Gehalt  der  Galle 
an  festen  Bestandtheilen  steht  in  keiner  nothwendigen  Beziehung 
zu  der  Geschwindigkeit  der  Absonderug,  so  dass  z.  B.  der  erstere 
in  dem  Grade  abnimmt,  in  welchem  der  letztere  zunimmt.  - 

Die  Schwankungen  des  Prozentgehalts  der  Galle  an  festen 
Bestandtheilen  wechseln  nach  Bidder  und  Schmidt  bei  Sänge- 
thieren  zwischen  1,2  bis  11,0  pCt.  , 

lieber  die  quantitative  Zusammensetzung  der  schlcimhaltigen 
Menschengallen  besitzen  wir  Untersuchungen  von  Frerichs*)  und 
Gorup**).  Das  Beobachtungsmaterial  bezog  Gorup  aus  den 
Leichen  zweier  Hingerichteten. 


Frerichs. 

Gorup. 

Wasser 

. 85,92  — 

89,81—82,27 

Gallensaures  Natron  . . 

. 9,14  — 

5,65—10,79 

Cholestearin 

. 0,26) 

3,09 — 4,73 

Margarin  und  Olein  . . 

. 0,92) 

Schleim-  und  Farbstoff 

. 2,98  — 

1,45—  2,21 

Na  CI  

. 0,20\ 

3Na0P05 

. 0,251  ' 

3MgO) 

3 CaO)  

. 0,28>  0,77  — 

0,63—  1,08 

CaOSOs 

. 0,04] 

Fe203 

, Spuren/ 

•)  Scherer'»  Jahresbericht  für  physiologische  Chemie  für  1846.  p.  146. 

••)  L.  c. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Aullage.  21 


Digitized  by  Google 


322 


Geschwindigkeit  der  Gallenabsonderung. 


Diese  Zahlen  deuten  zwar  auf  kein  festes  Verhältnis«  zwischen 
den  einzelnen  Stoffen  der  festen  Bestandteile  hin,  doch  scheinen 
die  Salze  ungefähr  wie  die  Gallensäuren  zuzunehmen.  Die  analy- 
tische Methode  der  Galle,  welche  von  Frerichs  herrtlhrt,  siehe 
bei  Heintz  *). 

b.  Geschwindigkeit  der  Gallenabsonderung.  Wir  verstehen 
hierunter  den  Quotienten  aus  dem  Lebergewicht  in  die  Gallen- 
menge, welche  während  einer  beliebigen  (aber  jedesmal  festge- 
setzten) Zeiteinheit  aufgefangen  wurde;  dieser  Ausdruck  ist  also 
auch  gleichbedeutend  mit  der  Gallenbildung  in  der  Einheit  des 
Lebergewichts.  Wenn  man  nach  einem  Mittel  sucht,  um  die  an 
verschiedenen  Thiercn  gewonnenen  Beobachtungen  vergleichbar  zu 
machen,  so  verdient  der  soeben  aufgesteUte  allgemeine  Maassstab 
jedenfalls  den  Vorzug  vor  dem  gebräuchlichen  Quotienten  der  Gallen- 
menge in  das  Körpergewicht.  Denn  es  bildet  sich  nicht,  wie  es 
z.  B.  mit  der  Kohlensäure  der  Fall,  an  allen  Orteu  des  Organis- 
mus Galle,  sondern  nur  in  der  Leber.  Darum  durfte  statt  des  Ge- 
wichts der  Leber  nur  dann  da  des  Gesammtkörpers  substituirt  werden, 
wenn  ein  bestimmtes  Verhältnis  zw'ischen  diesen  beiden  letzten 
Gewichten  naebgewiesen  wäre;  bekanntlich  ist  dieses,  wie  zu  er- 
warten, nicht  der,Fall**).  — Da  nun  aber  gerade  in  den  gründ- 
lichsten und  ausführlichsten  Beobachtungen  über  Gallenmenge,  welche 
Bidder  und  Schmidt  angCBtellt  haben,  das  Lebergewicht  fehlt, 
und  selbst  da,  wo  es  bestimmt  wurde,  dieses  nach  ihrer  eigenen 
Aussage  nicht  mit  allen  Cantelen  geschah,  so  ist  man  für  die 
meisten  Fälle  beschränkt  auf  den  Vergleich  zwischen  den  verschie- 
denen Absonderungsmengen  eines  und  desselben  Thieres. 

Die  Galle  gehört  zu  denjenigen  Säften,  weiche  während  der 
ganzen  Dauer  des  Lebens  gebildet  werden,  so  lange  die  normal 
gebaute  Leber  vom  Blut  durchströmt  ist.  Sehr  zu  beachten  ist  es, 
dass  nach  Abschliessung  des  Pfortaderblutes  die  Absonderung  nicht 
aufhört,  vorausgesetzt,  dass  die  Leberarterie  noch  wegsam  ist 
(Gintrac,  Orö,  Andral,  Frerichs)***).  ln  den  beobachteten 
Fällen  bleibt  es  freilich  wegen  der  von  Devalez  beschriebenen 
Verbindung  der  Pfort-  und  Zwölffingerdarmader  ungewiss,  ob  alles 
Pfortaderblut  von  der  Leber  abgeschnitten  war.  — Die  Unterbin - 

•)  L.  c.  p.  939.  " 

••)  Bidder  and  Schmidt,  1.  e.  p.  153. 

•••)  Fr  erlebt,  Klinik  der  I.ubcrkrankheiten.  357.  — Or6,  Compt.  rend.  43.  Btl.  Sept.  1856.  — 
Uernard,  Le^ona  aar  lee  liquide*.  1J.  Bd.  185V.  1V5. 


Digilize 


Abhängigkeit  der  Gallenabsondenwg  von  der  Nahrung. 


323 


düng  der  Leberarterie  bei  Kaninchen  scheint  dagegen  die  Abson- 
derung zum  Stillstand  zu  bringen  (Kottmeyer)*).  Für  das  Gegen- 
theil  wird  Le  dien  eitirt,  welcher  nach  Obliteration  der  Arterie 
beim  Menschen  die  Absonderung  fortdauern  sah. 

Die  Absonderungsgeschwindigkeit  der  Galle  ist  jedoch  beträcht- 
lichen Aenderungen  unterworfen.  1)  Fester  Rückstand  der  Galle. 

a)  Nach  gänzlicher  Entziehung  der  Nahrung  nimmt  die  Menge  der- 
selben beträchtlich  ab;  aber  selbst  Katzen,  die  10  Tage  lang  ge- 
hungert hatten,  entleerten  noch  Galle.  Arnold**),  der  am  Hund 
die  Gailenabsonderung  von  der  18.  bis  42.  Stunde  der  Hungerzeit 

, Stunde  um  Stunde  verfolgte,  fand,  dass  der  feste  Rückstand  auf-  und 
abschwankte;  namentlich  erreichte  Morgens  und  Abends  die  Menge  der 
festen  Galle  ein  Maximum  und  Mittag  und  Mitternacht  ein  Minimum. — 

b)  Der  Einfluss  der  genossenen  Nahrung  macht  sich  in  der  Weise 
geltend,  dass  einige  Zeit  nach  derselben  die  Absonderung  der  festen 
Gallenstoffe  steigt  und  nach  Vcrfluss  von  einer  (Arnold)  ***),  von 
zwei  bis  vier  (Voit)  oder  gar  bis  zu  14  Stunden  (Bidder  und 
Schmidt)  ihr  Maximum  erreicht  und  von  da  zuerst  rascherund  dann 
langsamer  absinkt.  Diese  Unbestimmtheit  für  die  Zeit  des  eintretenden 
Maximums  ist  wahrscheinlicher  Weise  bedingt  durch  die  Verdau- 
lichkeit der  Speisen  und  die  Energie  der  Verdauungsorgane.  — Der 
Werth  des  beobachteten  Maximums  steigt  mit  der  Menge  der  ge- 
nossenen Nahrungsmittel,  woraus  diese  auch  bestehen  mögen, 
vorausgesetzt  nur,  dass  sie  befähigt  sind,  das  Leben  zu  unter- 
halten (H.  Nasse).  — Von  einem  sehr  eingreifenden  Einfluss  er- 
weisst  sich  endlich  die  Art  der  Nahrung.  Ganz  unwirksam  auf 
die  Steigerung  der  Abscheidung  ist  der  ausschliessliche  Genuss  von 
Fetten  (Bidder  und  Schmidt),  so  dass  sich  hierbei  die  Gallen- 
absonderung- verhält,  wie  bei  gänzlichem  Nahrungsmangel;  eine 
rein  vegetabilische  Nahrung  (Brod  und  Kartoffeln)  steigert  die  Ab- 
sonderung weniger,  als  eine  reine  Fleischkost  (Schmidt,  Bidder, 
H.  Nasse,  Arnold),  mageres  Fleisch  weniger  als  fetthaltiges, 
und  ein  Zusatz  von  Leber  zur  Nahrung  scheint  noch  eingreifender 
als  der  von  Fetten  zu  wirken  (Bidder  und  Schmidt).  Zusatz 
von  kohlensaurem  Natron  (H.  Nasse)  oder  Queeksilberchiorttr 
(H.  Nasse,  Kölliker  und  H.  Müller)  +)  zur  Nahrung  mindern 

•)  Zur  Kenntnis*  der  Leber.  Würzburg  1857.  — Ledieu  bei  Fr  er  ich«,  L c. 

••)  Dm  physiologische  Institut  Heidelberg*.  1858. 

Zur  Physiologie  der  Galle.  Mannheim  1854. — Voit,  Phy»lolog.-chem.  Untersuchungen. 
Augsburg  1857.  p.  41. 

f)  Würzburger  Verhandlungen.  V.  Bd.  231. 

21  • 


Digitized  by  Google 


324 


Absonderungsgeschwindigkeit  des  Gallenwassers. 


den  günstigen  Einfluss  anderer  Speisen.  — Beim  Uebergang  von 
einer  Kost  zur  andern  tritt  die  entsprechende  Wirkung  derselben 
nicht  sogleich,  sondern  erst  einen  Tag  nach  dem  Nahrungswechsel 
hervor.  — 2)  Die  Absonderungsgeschwindigkeit  des  Wassers  der 
Galle  ändert  sich  in  dem  Versuche  von  Arnold  mit  vollkommener 
Entziehung  der  Nahrung  ungefähr  ähnlieh,  wie  die  der  festen 
Gallenbestandtheile.  — Nach  dem  Genuss  von  Wasser  mehrt  sich 
auch  das  der  Galle;  derZeitraum,  welcher  verfliesst  zwischen  dem 
Eindringen  des  Wassers  in  den  Magen  und  dem  Erscheinen  in  dem 
Lebergang  ist  sehr  wechselnd  befunden  worden.  Ein  Zusatz  von 
anderthalbfach  kohlensaurem  Natron  zum  Wasser  vermindert  die 
Ausscheidung  dieses  letztem  durch  die  Galle  (H.  Nasse). 

Hiermit  ist  die  Aufzählung  der  Bedingungen  für  die  Geschwin- 
digkeit des  Absonderungsstroms  der  Leber  zwar  noch  nicht  beendet, 
aber  sie  kann  nur  durch  die  unbefriedigenden  Worte  weiter  fort- 
gesetzt werden,  dass  entweder  die  Individualität  des  Gesammt- 
organismus  oder  die  der  Leber  ihn  bestimmen  helfe.  Dass  das 
erste  noth wendig,  ergiebt  sich  schon  aus  einer  Ueberlegung  der 
mitgetheilten  Thatsachen ; denn  die  Nahrung  wird,  theilweise  wenig- 
stens, dadurch  von  Bedeutung  für  die  Gallenabsonderung  werden, 
dass  sie  zunächst  die  Blutzusammensetzung  ändert  Diese  ist  aber 
nicht  blos  eine  Funktion  der  Nahrung,  sondern  sie  ist  auch  ab- 
hängig von  den  Zusätzen  und  den  Verlusten,  die  dem  Gefässinhalt 
in  den  verschiedenartigen  Organen  des  Körpers  zugefUgt  werden. 
Insofern  nun  nicht  in  jedem  Thier  die  Massen  und  Kräfte  der  ver- 
schiedenen Organe  in  demselben  Verhältniss  zu  einander  stehen, 
muss  auch  das  Resultat  aus  ihren  Wirkungen  verschieden  ausfallen ; 
d.  h.  trotz  gleicher  Nahrung  wird  die  Zusammensetzung  des  Blutes 
und  damit  auch  die  Gallenabsonderung  in  verschiedenen  Thieren 
abweichen.  Aus  einer  ähnlichen  Betrachtung  könnte  nun  aber  auch 
die  Individualität  des  Lebergewebes  abgeleitet  werden,  und  da 
unter  dessen  Einfluss  die  Gallenabsonderung  vor  sich  geht,  so 
muss  sich  die  Geschwindigkeit  derselben  auch  mit  den  Besonder- 
heiten der  Leber  verändern. 

Um  die  Gallenmenge  zu  erfahren,  welche  in  der  Zeiteinheit  abgesondert  wird, 
legt  man  nach  dom  Vorgang  von  Schwann  meist  permanente  Fisteln  der  Gallenblase 
an,  nachdem  man  den  gemeinschaftlichen  Gallengang  unterbunden  hat  Die  Beobach* 
tung  beginnt  man  erst  dann,  wenn  die  Wunde  vollkommen  vernarbt  und  die  in  Folge 
des  operativen  Eingriffs  eingetretene  Bauchfellentzündung  gehoben  ist.  Bei  Anwendung 
dieses  allerdings  unschätzbaren  Verfahrens  hat  man  zu  berücksichtigen:  1)  Der  Ab- 
schluss der  Galle  von  dem  Darmrohr  verändert  die  Verdauung  insofern,  als  sie  die 


GallenfUteln;  Bestimmung  des  Lebergeiricht«. 


325 


Aufnahme  der  genossenen  Fette  in  das  Blut  hindert  oder  mindesten«  erschwert;  zu- 
gleich aber  wird  die  Galle,  welche  unter  normalen  Verhältnissen  in  den  Darmkana} 
ergossen  und  von  dort  wieder  in  das  Blut  zurück  ge  führt  worden  wäre,  jetat  sub  dem 
Kreislauf  des  Lebens  entfernt.  Aus  beiden  Gründen  magern  die  Thicre,  vorausgesetzt 
dass  man  ihnen  das  Maass  der  im  gewöhnlichen  Leben  hinreichenden  Kost  giebt,  so 
beträchtlich  ab,  dass  sie  in  Folge  davon  zu  Grunde  gehen.  Man  muss  also,  um  diesen 
Ausfall  zu  decken,  das  Qewicht  ihrer  Nahrung  steigern;  aber  eine  einfache  Deckung 
desselben  scheint  nach  den  Beobachtungen  von  Arnold  nicht  zu  genügen,  sondern  es 
muss  ein  sehr  beträchtlicher  Ueberschuss  gegeben  werden.  Wenn  sich  diese  interessante 
Entdeckung  bestätigt,  so  kann  sie  nur  durch  die  Annahme  erklärt  werden,  dass  bei 
der  Anwesenheit  der  Gallenbestandtheile  im  Blut  der  Stoffumsatz  im  thierischen  Körper 
langsamer  als  bei  ihrer  Abwesenheit  vor  sich  geht.  Daraus  resultirt  aber,  dass  die 
quantitativen  Verhältnisse  der  Gallenabsonderung  nicht  die  normalen  sein  können. 
Arnold  ist  geneigt  anzunehraen,  dass  sie  wegen  der  reichlichen  Fütterung  gesteigert 
sein  möchte.  — 2)  Die  Zustände  der  Leber  oder  des  Körpers  überhaupt  scheinen  sich 
sich  während  des  Bestehens  der  Fistel  allmählig  dahin  zu  ändern,  dass  aus  denselben 
eine  Verminderung  der  Gallenabsonderung  resultirt;  es  ist  also  die  Gallenabsonderung 
bei  ein  und  demselben  Thier  zu  Anfang  und  zu  Ende  einer  länger  dauernden  Beobach- 
tungsreihe nicht  vergleichbar  (U.  Nasse). 

Diesen  Uebelständen  suchten  Bi d der  und  Schmidt  dadurch  aus  dem  Wege  zu 
gehen,  dass  sie  temporäre  Gallenfisteln  benutzten,  indem  sie  einige  Stunden  nach  der 
Anlegung  derselben,  und  namentlich  bevor  entzündlmhe  Erscheinungen  ira  Unterleibe 
eingetreten,  die  Galle  auffingen.  So  sehr  es  nach  den  vorliegenden  Beobachtungen 
den  Anschein  hat,  als  ob  dieses  freilich  nur  für  kurze  Zeiträume  verwendbare  Ver- 
fahren die  obigen  Bedenken  ausschliesst,  so  wäre  es  doch  wünschenswert , an  einem 
und  demselben  Thiere  beide  Methoden  zu  benutzen,  um  sich  von  ihren»  relativen 
Werthe  zu  überzeugen.  — 3)  Der  Ableitung  und  dem  Auffangen  der  Galle  aus  der 
Fistelöffnung  muss  endlich  die  grösste  Aufmerksamkeit  geschenkt  werden.  Wird  sie 
nicht  sorgsam  entleert,  und  verstopft  sich  namentlich  die  Fistelöffnung,  so  dass  der 
Inhalt  der  Gallengefisse  unter  eine  erhöhte  Spannung  kommt,  so  tritt  ein  Theil  und 
unter  Umständen  die  ganze  Galle  in  das  Blut  zurück  (Kölliker  und  Müller),  so 
dass  aus  der  Fistel,  selbst  wenn  sie  nun  eröflhet  wird,  gar  keine  Galle  zum  Vorschein 
kommt  Um  diesen  Ausfluss  zu  reguliren,  sind  verschiedene  CanÜlen  angegeben,  unter 
denen  die  von  Arnold  eropfehlenswerth  zu  sein  scheint,  indem  ihre  Anwendung 
den  Vortheil  gewährt,  dass  die  ausgetretene  Galle  in  einen  vor  Verdunstung  geschützten 
Ort  zu  liegen  kommt.  — Ein  ganz  eigentümlicher  Fehler  wird  in  die  Gallenbestim- 
mung noch  dadurch  eingeführt,  dass  der  unterbundene  und  durchschnittene  Gallengang 
sich  häufig  wieder  herstellt,  so  dass  sich  dann  die  Galle  ganz  oder  teilweise  wieder 
in  den  Darrakanal  ergiessen  kann.  Ira  zweifelhaften  Fall  kann  am  lebenden  Thier  die 
Wiederherstellung  des  Gallengangs  ermittelt  werden  durch  eine  Injektion  der  Gallen- 
blase mit  Wasser,  in  dem  gefärbte  Partikelchen  aufgeschwemmt  sind.  Erscheinen 
diese  im  Koth  wieder,  so  war  der  Gang  natürlich  wieder  hergostellt;  meistenteils 
leistet  den  Dienst  des  eben  vorgeschlagenen  Mittels  schon  der  Gallenfarbstoif. 

Das  Leber  gewicht  wissen  wir  bis  dahin  noch  auf  keine  sichere  Weise  zu 
unaerm  Zweck  zu  bestimmen ; es  würde  natürlich  für  die  Bildung  des  vorhin  erwähnten 
Quotienten  eigentlich  notwendig  sein,  entweder  das  Gewicht  der  Leberzellen  für  sich 
zu  kennen , oder  die  Leber  jedesmal  vor  der  Wägung  in  einen  solchen  Zustand  zu  ver- 
setzen, dass  das  Gewicht  derselben  jenen  Zellen  proportional  wäre.  Da  nun  aber  aller 


Digitized  by  Google 


326 


Zahlen  Uber  die  Gallenmcngen 


Wahrscheinlichkeit  nach  die  Gewichte  der  Gallengäng  - und  Blutgefässhäute  mit  dem 
der  Leberzellen  proportional  steigen,  so  wäre  nur  dafür  zu  sorgen,  dass  der  Inhalt 
der  Gallengänge  und  Blutgefässe  vor  der  Wägung  bis  auf  ein  Minimum  entfernt  wird. 

Um  eine  Anschauung  ron  dem  Umfang  der  Absonderungs-Schwankungen  zu  ver- 
schaffen , welche  oben  erwähnt  wurden , geben  wir  einige  Zahlen ; wir  beschränken  uns 
bei  der  Auswahl  unter  den  vorhandenen  auf  die  Beobachtungsresultate  an  Hunden  und 
Katzen,  weil  nachweislich  die  Galle  der  Grasfresser  anders  zusammengesetzt  ist,  als 
die  des  Menschen. 

Die  folgende  Tabelle  ist  nach  Bidder  und  Schmidt  entworfen;  die  Beobach- 
tungsthiere  sind  Katzen , die  Fisteln  temporäre , die  Beobachtungszeit  immer  drei 
Stunden. 


Citat 

Termin  der  letzten 

Beobachtete  Menge. 

Leber- 

gewicht. 

Quotient  des 
festen  Rückst, 
in  das  Lrber- 
gewicht. 

Quotient  des 
W assers  in 
da«  Leber- 
gewicht. 

des 

Versuchs. 

Hitterang  v.  dem 
Versuch. 

• 

Fester 

Rückstand. 

Wasser. 

2 

2,5  St. 

0,190  Gr. 

2,751  Gr. 

52,66  Gr. 

0,0036 

0,0522 

4 

3,0  „ 

0,364  „ 

6,893  „ 

99,2  „ 

0,0036 

0,0695 

5 

2,0  St  v.  Beginn 
d.  Versuchs  100 
Gr.  Wasser  ein- 
genommen. 

0,362  „ 

3,574  „ 

85,6  „ 

0,0042 

0,0417 

7 

12  St 

0,432  „ 

6,806  „ 

97,0  „ 

0,0044 

0,0701 

8 

12  „ 

0,306  „ 

5,125  „ 

61,5  „ 

0,0050 

0,0633 

9 

14 

0,323  „ 

6,463  „ 

120,2  „ 

0,0027 

0,0537 

10 

14  „ 

0,591  „ 

7,236  „ 

97,5  „ 

0,0060 

0,0742 

12 

24  „ 

0,277  „ 

6,606  „ 

151,6  „ 

0,0018 

0,0436 

14 

24  „ 

0,168  „ 

1,574  „ 

67,86  „ 

0,0025 

0,0232 

15 

48  „ 

0,171  „ 

2,729  „ 

112,0  „ 

0,0019 

0,0243 

16 

48  „ 

0,209  „ 

2,063  „ 

109,8  „ 

0,0019 

0,0188 

18 

168  „ 

0,131  „ 

1,293  „ 

65,65  „ 

0,9023 

0,0197 

19 

168  St.  Thier 
schwanger. 

0,081  „ 

1,415  „ 

120,0  „ 

0,0008 

0,0139 

20 

240  St 

0,094  „ 

1,033  ,, 

83,97  „ 

0,0010 

0,0123 

Sehen  wir  von  Versuch  9 ab,  welcher  stark  aus  der  Reihe  fällt,  so  führen  die 
Resultate  dieser  Beobachtungen  auf  die  Bohauptung,  dass  die  Absonderungsgeschwindig- 
koit  der  festen  Gallenbestandtheile  von  der  2.  bis  zur  14.,  ja  17.  Stunde  nach  der  Essenszeit 
im  Wachsthum  begriffen  ist,  dass  sie  von  da  ab  aber  absinkt  und  sich  von  der  24.  bis 
168.  Stunde  in  annähernd  gleichem  Werth«  erhält  und  von  da  bis  zur  240.  Stunde 
sich  sehr  allmählig  emiedigt.  — Die  Absonderung  des  Wassers  geschieht  dagegen  nach 
einem  sehr  unregelmässigen  Modus. 

Die  folgenden  Beobachtungen  sind  (die  vier  ersten  von  H.  Nasse,  die  letzten 
von  Arnold)  an  Hunden  mit  permanenten  Fisteln  gewonnen;  die  Beobachtungazeit 
ist  24  Stunden. 


nach  Bidder,  ßchmidt,  Arnold,  Nasse. 


327 


Gewicht  des 
Hundes. 

Futter. 

Rückstand 

Wasser 

Leber- 

gewicht. 

Quotient  Quotient 
aus  festem  aus  dem 
KUckstd.  u.  Wasser  u. 
Leber-  , Leber- 
gewicht.  ; gewicht. 

der  Galle. 

9.0«  Kilo. 

1,75  Kilo  Fleisch. 

6,74'!  Gr. 

174,258  Gr. 

299,5 

0,0225  1 0,5818 

9,54  „ 

Brod  und  Kartoffeln 

164,54«  „ 

1»  11 

0,0209  f 0,5494 

nach  Belieben. 

6,252  „ 

,,  „ 

> 

1,4  Kilo  Fleuch. 

6,168  „ 

167,234  „ 

0,0206  ! 0,5583 

8,89  „ 

0,78  Kilo  Brod. 

4,490  „ 

104,110  „ 

4»  44 

0,0150  0,3476 

7,75  „ 

0,75  Kilo  Fleisch  und 

2,89  „ 

68,03  „ 

460,0 

0,0063  0,1914 

0,340  Kilo  Wasser. 

\ 

8,00  „ 

0,47  Kilo  Brod  und 

2,64  „ 

60,38  „ 

»»  44 

0,0057  j 0,1313 

0,45  Kilo  Wasser. 

1 

Eine  Vergleichung  dieser  Beobachtungen  ergiebt  ausser  den  im  Text  mitgetheilten 
Resultaten,  dass  die  Absondernngsgeschwindigkeit  in  dem  Hunde,  welchen  Nasse 
beobachtete,  um  das  3 bis  4 fache  diejenige  in  dem  von  Arnold  beobachteten  Hunde 
übertraf.  Der  Grund  ist  theilwei.se  wenigstens  darin  au  suchen , dass  der  erste  Hund 
in  einem  Zustand  starb,  der  mit  grosser  Magerkeit  und  Blutleere  verbanden  war,  in 
Folge  dessen  wohl  das  Gewicht  der  Leber  geringer  ausgefallen  ist;  wahrscheinlich  war 
das  Lebergewicht  zur  Beobachtungszeit,  welche  zu  Beginn  der  ganzen  Versuchsreihe 
fiel,  beträchtlich  höher  gewesen*).  — Vergleichen  wir  nun  aber  auch  den  Arnold- 
sehen  Hund  mit  den  von  Katzen  gelieferten  Zahlen,  so  finden  wis,  dass  die  mittlere 
tägliche  Absonderungsgeschwindigkeit  der  festen  Bestandteile  bei  Hunden  das  tägliche 
Maximum  derselben  bei  den  Katzen  erreicht  und  Ubertrifft.  Es  muss  dahin  gestellt 
bleiben,  ob  dieses  eine  Folge  der  Verschiedenheit  der  Thiere  oder  der  grossem  re- 
lativen Futtermenge  ist,  welche  bei  Anwesenheit  permanenter  Fisteln  verzehrt  wird. 
Die  Geschwindigkeit  der  Wasserabsonderung  ist  bei  Hunden  sehr  viel  bedeutender,  Ms 
bei  den  Katzen. 

Aus  den  neueren  Mitteilungen  von  Arnold  ist  ferner  hervorzuheben,  dass 
1 Kilogr.  Hund  täglich  gab : 

bei  58  Gr.  Brodnahrung  (auf  den  Kilo  Thier)  9 Gt.  Galle  mit  0,26  Gr.  Rückstand, 
bei  96  Gr.  Rindfleisch  „ „ „ „ 11,6„  „ „ 0,54  „ „ 

bei  Eiernahrung  »9  „ „ „ 0,26  „ „ 

Berechnet  man  den  festen  Rückstand  der  Galle  auf  100  Theile  fester  Nahrung, 
so  ergab  sieb,  dass  von  100  Theilen  trockenem  Rindfleisch  1,99  trockene  Galle  und 
von  100  Theilen  getrockneten  Brodes  0,87  trockene  Galle  horvorgeht. 

Der  Versuch,  aue  den  vorliegenden  Beobachtungen  an  Thieren 
die  Geschwindigkeit  flir  die  Gallenabsonderung  des  Menschen  ab- 
zuleiten, möchte  freilich  gewagt  erscheinen;  behält  man  aber  im 
Auge , dass  das  Tagesmittel  derselben  auch  bei  Menschen,  je  nach 


*)  Bidder  a.  Schmidt  beobachteten  n.  A.  unter  sehr  verschiedenen  Bedingungen  and  zu  den 
verschiedensten  Tagesselten  einen  Hnnd  8 Wochen  hindurch.  Aus  dem  Versuch  leiten  sie  ab,  dass 
der  Huod  im  Mittel  täglich  8,45  Rückstand  und  156,30  Wasser  entleert  habe.  Die  Leber  de« 
5,190  Gr.  schweren  Thiercs  wog  27R  Or.  Dieses  würde  einer  Absonderungsgeschwindigkeit  von  gar 
0,0300  fllr  die  festen  Stoffe  und  von  0,5626  rtlr  das  Wasser  entsprechen. 


■ . Qigilized  by  Google 


328 


Chemische  Vorgänge  in  der  Leberzelle. 


Individualität  und  Lebensart,  bedeutend  schwanken  mag,  so  kann 
man  immerhin  die  bei  Hunden  beobachteten  Grenzfälle,  welche 
für  die  Absonderungsgeschwindigkeit  der  festen  Bestandtheile 
= 0,0225  und  0,0057  waren,  auch  flir  solche  annchraen,  die  ein- 
mal beim  Menschen  Vorkommen  können.  Um  mit  Hilfe  derselben 
den  absoluten  Werth  der  täglichen  Gallenmenge  des  Menschen  ab- 
zuleiten, hat  man  darauf  nur  nötliig,  die  obigen  Zahlen  mit  dem 
mittleren  Lebergewicht  des  Menschen  (nach  Huschke,  offenbar 
zu  hoch,  = 2500  Gr.)  zu  multipliciren.  Das  Ergebniss  dieser 
Operation  würde  sein,  dass  aus  der  Menschenleber  täglich  zwischen 
13  bis  45  Gr.  fester  Substanz  austreten.  Da  nun  die  Menschen- 
gallen nach  Frerichs  und  Gorup  (nach  Abrechnung  von  1 bis 
bis  2 pCt.  Schleim)  zwischen  8 und  16  Procent  fester  Bestandtheile 
enthalten,  so  würde  die  angenommene  Menge  des  festen  Rück- 
standes entsprechen  einem  Gallengewicht,  das  zwischen  80  und 
600  Gr.  liegt.  Da  nun  aber  die  Galle,  welche  jene  Analytiker  zer- 
legten, Blasengalle  war  und  diese  nach  Nasse  ungefähr  noch 
einmal  so  conzentrirt  ist,  als  die  Galle  des  Lebergangs,  so  würde 
man  diese  Gewichte  verdoppeln  können  u.  s.  w.  — So  schwankend 
unsere  Grundlagen  aber  auch  sind,  sie  führen  jedenfalls  zu  der 
Ueberzeugung , dass  die  Masse  von  Flüssigkeit,  welche  aus  den 
Lebergängen  ausgeführt  wird,  keine  sehr  beträchtliche  ist. 

6.  Chemische  Vorgänge  in  der  Leberzelle.  Die  Leberzelle 
darf  als  eine  chemische  Werkstätte  angesehen  werden,  deren 
Thätigkeit  nicht  allein  an  Umfang,  sondern  auch  an  Art  ver- 
schieden ausfallen  kann.  Insofern  man  die  Art  der  Umsetzung 
in’s  Auge  fasst,  gewinnt  es  den  Anschein,  als  ob  sich  zwei  ganz 
verschiedene,  gegenseitig  ausschliessende  Vorgänge  hier  entwickeln 
könnten.  Wollte  man  dieselben  durch  ihre  Endproducte  kenn- 
zeichnen, so  könnte  man  den  einen  Bildungsakt  den  von  Galle  und 
Zucker,  den  andern  den  von  Leucin,  Tyrosin  und  Cystin  nennen. 
Diese  Unterscheidung  rechtfertigt  sich  durch  die  Erfahrung,  dass  in 
dem  Maassc,  in  welchem  die  ersten  Stoffe  in  der  Leber  gefunden 
werden,  die  zweiten  darin  fehlen  und  umgekehrt.  — Da  der  erste 
Vorgang  der  gesunde  ist,  so  werden  sich  die  folgenden  Betrach- 
tungen vorzugsweise  auf  ihn  beziehen. 

Die  oft  behandelte  Frage,  ob  in  der  That  die  Gallensäure, 
der  Gallenfarbstoff,  das  Amyloid  oder  der  Traubenzucker  in  der 
Leber  aus  andern  in  sie  eingeführten  Atomen  ihren  Ursprung 
nehmen , scheint  unbedingt  bejaht  werden  zu  müssen.  Für  die  Ent- 


Digitized  by  Google 


Chemiseho  Vorgänge  in  der  Loberaelle. 


329 


stehnng  der  Gallensäure  in  unsemi  Organ  erbeben  sieh  der  Mangel 
an  Gallensäure  in  dem  zuströmenden  Blut , und  vor  Allem  das  von 
Kunde  entdeckte  und  von  Moleschott  bestätigte  gänzliche  Ver- 
schwinden der  Gallenstoffe  aus  dem  thierischen  Körper,  welcher 
mit  ausgeschnittener  Leber  längere  Zeit  fortlebt.  Für  die  Neubil- 
dung von  Gallenfarbstoff  insbesondere  spricht  ausserdem  noch  die 
klinische  Erfahrung,  dass  nach  einer  chronischen  Verödung  der 
Leberzellen  die  Darmentleerungen  wenig  braun  gefärbt  sind,  ohne 
dass  sich  Gelbsucht  einfindet  (Frerichs). — Die  Entstehung  der 
Kohlenhydrate  (der  löslichen  und  unlöslichen  Amyloider,  des  Trauben- 
zuckers, des  Inosits  und  der  Milchsäure)  wird  bezeugt  durch  die 
Menge  von  Traubenzucker,  welche  mit  dem  Lebervenenblut  fort- 
strömt, ohne  dass  überhaupt  eine  Zufuhr,  oder  wenigstens  keine  an 
Menge  entsprechende,  von  Kohlenhydraten  stattfände.  — Da  nun 
die  zuckerreiche  und  gallenbildende  Leber  noch  andere  Stoffe , ins- 
besondere Harnsäure,  das  der  Zusammensetzung  nach  so  nahe- 
stehende Hypoxanthin  und  auch  Cholestearin  enthält,  so  erscheint 
es  annehmbar,  dass  auch  diese  Atomgruppen  in  der  Leber 
ihren  Ursprung  nehmen.  Unzweifelhaft  erschöpft  diese  Aufzäh- 
lung (Gallensäure,  Gallenfarbstoff,  Kohlenhydrate,  Harnsäure,  Hy- 
poxanthin, Cholestearin  (?)  noch  nicht  die  Reihe  von  Neubildungen ; 
denn  einmal  haben  wir  Andeutungen  dafür,  dass  der  Leber  ein 
Fermentkörper  eigenthümlich  sei , dann  spricht  die  Erfahrung,  dass 
das  Lebervenenblut  wärmer  als  alles  übrige  ist,  dafür,  dass  hier 
Oxydationen  irgendwelcher  Art  vor  sich  gehen , und  endlich  ist  das 
Verhalten  der  Fette  in  der  Leber  eigenthümlich  genug,  um  es  min- 
destens fraglich  erscheinen  zu  lassen,  ob  sich  nicht  dort  etwas  beson- 
deres mit  ihnen  ereignet.  Man  könnte  allerdings  die  Erfahrung, 
dass  nach  dem  Genuss  von  Fetten  die  Leber  sich  strotzend  mit 
diesem  Stoff  füllt,  darauf  deuten,  dass  der  feinkörnige  Rahm  des 
fettreichen  Blutes  in  die  Leberzellen  filtrire,  um  so  mehr,  als  bc- 
kanntennaassen  die  Galle  ein  Beförderungsmittel  für  den  Durch- 
gang der  Fette  durch  wassergetränkte  Häute  ist;  aber  dieser  Deu- 
tung stehen  doch  auch  Hindernisse  entgegen,  denn  das  Fett  er- 
scheint im  Blut  nicht  in  freien  Tropfen,  sondern  umschlossen  von 
einer  mit  Wasser  durchfeuchteten  Haut;  durch  sie  hindurch  gelangt 
es  nicht  in  Anfänge  der  gallenführenden  Kanäle,  sondern  in  die 
von  diesen  eingescblossenen  Leberzellen,  und  zwar  dort  in  eine 
Flüssigkeit,  mit  welcher  es  sich  nicht  mischt,  sondern  gegen  die  es 
Tropfenspannung  entwickelt.  Dazu  kommt  endlich,  dass  das  Fett 


Digitized  by  Google 


330 


Charoiache  Vorgänge  in  der  Leberzelle. 


dort  bo  mächtig  werden  kann,  dass  die  ausgedehnten  Zellen 
die  kleinen  Blutgefässe  bis  zum  Verschwinden  ihres  Hohlraums 
zusammendrücken.  Diese  Thatsachen  insgesammt  thun  dar, 
dass  hier  zum  mindesten  kein  Durchsickern  des  Fettes  in  Folge 
höheren  Druckes  von  Seiten  des  Inhaltes  der  Blutgefässe  statt- 
finden kann. 

Zu  den  Stammatomen , ans  welchen  Taurocholsäurc,  Harnsäure 
und  Zucker  hervorgehen,  müssen  unzweifelhaft  die  Ei  weisskörper 
gehören,  da  nur  sie  von  allen  Blutbestandtheilen  Schwefel  und  so 
viel  Sticktoff  mitbringen,  als  zur  Darstellung  der  Gallen-  und  Harn- 
säure nöthig  ist  Die  Kohlenhydrate  fuhren  allerdings  jene  Ur- 
sprungszeugen nicht  mit  sich,  aber  statt  dessen  lässt  sich  geltend 
machen,  dass  beim  Fleischfresser  kein  anderes  Atom  reichlich 
genug  vorhanden  ist,  um  zur  Entstehung  von  so  viel  Zucker  Ver- 
anlassung zu  geben.  Dann  ist  auch  die  Entstehung  der  Gallen- 
säure an  die  des  Leberzuckers  sehr  innig  geknüpft,  indem,  wie 
wir  schon  sahen,  Gallensäuren  und  Zucker  zu  derselben  Zeit  und 
in  immer  proportionaler  Menge  auftreten;  so  steigerte  namentlich 
ein  reichliches  Mahl  aus  Fleisch  die  Bildung  des  Zuckers  und  der 
Galle  zugleich.  Woher  der  Gallenfarbstoff  kommt,  bleibt  ungewiss ; 
man  hat  ihn  aus  dem  Blutfarbstoff  (Kühne)  oder  auch  aus  den 
Gallensäuren  (Frerichs  und  Staedeler)  abzuleiten  gesucht.  Die 
Thatsachen,  welche  man  zum  Beweis  bringt,  werden  bei  der  Aus- 
scheidung des  Farbstoffs  und  der  Säure  der  Galle  durch  den  Harn 
besprochen  werden.  — Wenn  nun  auch  feststeht,  dass  die  Eiweiss- 
stoffe in  den  vorliegenden  Zersetzungsprozess  eingehen,  so  bleibt 
natürlich  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  sich  nicht  noch 
andere  Atomgruppen,  wie  z.  B.  die  Fette,  an  der  Neubildung  be- 
theiligen. Ob  und  wie  dieses  geschieht,  wird  sich  erst  darthun 
lassen , wenn  einmal  die  Zusammensetzung  sämmtlicher  neuer  Atome 
und  das  Mengen verhältniss , in  dem  sie  auftreten,  bekannt  ist. 
Dann  erst  wird  sich  eine  chemische  Gleichung  von  wahrem  Werth 
entwickeln  lassen.  Um  einen  Fingerzeig  für  ihre  Auffindung  zu 
gewinnen,  wird  es  am  nächsten  liegen,  annähernd  die  Menge  von 
Harnsäure  und  Hypoxanthin  der  Leber  im  Vergleich  zu  den  neu- 
gebildeten Kohlenhydraten  zu  bestimmen. 

Selbstverständlich  kann  man  nicht  über  VermUthungen  hinaus- 
gehen, wenn  man  Rechenschaft  geben  will  von  den  Bedingungen, 
welche  jenen  Umsetzungsprozess  einleiten.  Unter  diesen  dürften 
aber  wohl  eine  Rolle  spielen  die  Fermente , welche  in  dem  Gewebe 


Digitized  by  Google 


Chemische  Vorgänge  in  der  Lebertelle. 


331 


und  dem  Blut  der  Leber  beobachtet  worden;  diese  Annahme  geht 
insofern  Uber  die  blosse  Wahrscheinlichkeit  hinaus,  als  die  Bethei- 
ligung der  Fermente  an  der  Umwandlung  des  Amyloids  in  Zucker 
erwiesen  ist.  Neben  den  Fermenten  mischt  sich  unzweifelhaft  der 
Sauerstoffgchalt  des  Blutes  ein,  weil  ohne  ihn  die  durch  die  Wärme- 
bildung erwiesene  Oxydation  nicht  möglich  wäre;  in  der  That  ist 
auch,  wenn  man  aus  der  Farbe  schliessen  darf,  das  Lebervenen- 
blut sauerstofffrei.  Unter  diesem  Gesichtspunkt  gewinnt  einmal  das 
Einströmen  von  arteriellem  Blut  in  die  Gefässe  der  Leberinscln 
Bedeutung,  und  zugleich  wäre  es  möglich,  daraus  zu  erklären, 
warum  zur  Verdauungszeit , wo  das  Blut  in  den  Darm-  und  Drüsen- 
capillaren  des  Unterleibs  rascher  und  demnach  noch  sauerstoff- 
haltiger in  die  Pfortader  fliesst,  die  Gallen-  und  Zuckerbildung, 
resp.  der  Umsetzungsprozess  in  der  Leber  mächtiger  wird.  Diese 
Anschauung  scheint  unterstützt  zu  werden  durch  die  ganz  ähnlichen 
Folgen,  welche  nach  Durchschneidung  der  Gefässnerven  eintreten. 

Die  Steigerung  der  Umsetzungen  nach  einer  reichlichen  Mahl- 
zeit könnte  man,  wie  es  wiederholt  geschehen,  aber  auch 
darauf  zurückfüliren , dass  zu  dieser  Zeit  die  fermentirenden 
Säfte  der  Kopf-  und  Bauchspeicheldrüsen  im  Pfortaderblut  reich- 
licher vertreten  seien.  — Neben  den  Wirkungen , die  man  aus  der 
Zufuhr  des  Sauerstoffs  und  des  Fermentes  ableitet,  steht  es  aber 
noch  fest,  das  der  Blutstrom  während  der  Verdauung  geradezu 
auch  Stoffe  in  die  Leber,  die  sich  zur  Gallenbildung  zu  eignen 
scheinen,  ablagert,  da  nach  Bidder  und  Schmidt  sich  zu  dieser 
Zeit  das  Gewicht  der  Leber  mehrt;  diese  Gewichtserhöhung  stellt 
sich  schon  eine  bis  mehrere  Stunden  vor  dem  Eintritt  der  gestei- 
gerten Absonderung  ein.  Für  einen  in  der  Leber  auftretenden 
Gährungs Vorgang  führt  Bernard  auch  das  von  ihm  beobachtete 
Verschwinden  bald  nur  des  Zuckers  und  bald  des  Zuckers  und 
Amylons  an,  wenn  die  Temperatur  des  Thieres  um  mehr  als  10° 
nach  oben  oder  unten  von  der  normalen  abweicht.  Es  wäre  sehr 
wünschens werth,  auch  das  Verhalten  der  andern  Leberbestandtheile 
unter  diesen  Umständen  zu  untersuchen.  — Ob  ausser  der  schon 
angedeuteten  Wirkung  auf  den  Blutstrom  die  Nerven  noch  ander- 
weit  in  die  chemischen  Vorgänge  der  Leber  eingreifen,  ist  unbe- 
kannt. — Die  Annahme,  dass  das  Pfortaderblut  sich  noch  durch 
andere  als  Fermentstoffe  an  der  Gallenbildung  betheilige,  z.  B.  durch 
Bestandtheile,  die  es  aus  der  Milz  u.  s.  w.  mitführe,  empfängt  min- 
destens keine  Bestätigung  durch  die  Erfahrung,  dass  nach  langsam 


Digitized  by  Google 


332 


Leberlymphe. 


vorsehreitender  Veretopfhng  der  Pfortader  die  normalen  chemischen 
Umsetzungen  sogar  bis  zum  Erscheinen  des  Diabetes  mellitus 
(Andral)  bestehen  können. 

Seit  wir  durch  die  abschliessenden  Versuche  von  Strecker  über  die  Zusammen- 
setzung und  Atomgliederung  der  Gallensäure  aufgeklärt  worden  sind,  hat  man  auch 
Versuche  gemacht,  die  Atomgruppen  genauer  zu  bezeichnen,  welche  sich  an  ihrer  Ent- 
stehung betheiligen.  Man  scheint  mit  Beziehung  darauf  allgemein  der  Ansicht  zu  sein, 
dass  jede  der  beiden  Säuren  aus  zwei  Gruppen,  die  vorher  getrennt  waren,  hervor- 
gehen, einerseits  aus  der  Ckolsäure  und  anderseits  aus  Taurin  oder  Glycin.  — 
Die  Cholsäure  glaubt  Lehmann*)  aus  der  Oelsäure  ableiten  zu  können,  welche 
einen  andern  Atomcomplex  (CnH«Oß)  aufgenommen  habe.  In  der  That  ist  Oelsäure 
(CasHasOs-^HO) -f- (CiilieOs)  =■=  Cholsäure  (C«aü]909  -f-  HO);  diese  Annahme  begrün- 
dete er  durch  die  Beobachtung  von  Bedtenbacher,  welcher  durch  NOt  aus  der 
Cholsäure,  gerade  so  wie  aus  der  Oelsäure,  allo  Glieder  der  Reihe  (CgH|)nO<  von  der 
Caprinsäure  abwärts  und  daneben  andere  Produkte  erhielt,  die  sich  nicht  aus  der 
Oelsäure  ableitcn  lassen,  und  u.  A.  auch  ein  solches,  in  welchem  C,  H und  0 in 
ähnlichem  Verhältnis«  stehen,  wie  in  dem  oben  Bupponirten  Paarling ; er  macht  ausser- 
dem geltend,  dass  ein  Zusatz  von  Fett  zu  den  Nahrungsmitteln  die  gallenbildende 
Kraft  derselben  erhöht  — Frerichs  und  Staedeler  scheinen  zu  vennuthen,  dass 
das  Glycin  aus  Tyrosin,  dem  bekannten  Zersetzungsprodukte  des  Eiweisses,  entstehe. 
Tyrosin  (Ci8HnN0G)  = (C4HsN04-f-2H0-l-Cj4Hg0|);  Tyrosin  haben  sie  aber,  wie  schon 
erwähnt,  in  solchen  Lebern  aufgefunden,  deren  Gallenbildung  gehemmt  war;  sie 
scheinen  zu  vermuteten,  dass  der  Abfall  des  Tyrosins  in  das  Blut  übergehe,  denn  es 
sind  Verbindungen  der  Salicylgruppe  im  Ham  mit  Sicherheit  nachgewiesen. 

7.  Leberlymphe.  Sie  ist  eine  vollkommen  wasserhelle  Flüssig, 
keit,  welche  gar  keine  Körperchen  enthält  (Kölli  ker)  **).  Sie 
ist  zuckerhaltig  (Bernard),  ob  mehr  als  andere  Lymphe,  ist  un- 
bekannt. Dem  Anschein  nach  sind  die  Gefässe  zur  Zeit  der  leb- 
haften Gallenabsonderungen  strotzender  gefüllt  als  sonst  Woher 
die  Lymphe  ihren  Ursprung  nimmt,  ob  aus  dem  Blut  oder  aus  der 
Flüssigkeit  der  Leberzelle,  ist  nicht  bekannt 

8.  Ausfuhr  der  neugebildeten  Stoffe  aus  der  Leber.  Der  Inhalt 
der  Leberzellen  entleert  sich  mindestens  nach  zwei  Seiten  hin, 
nach  der  einen,  dem  Blut,  geht  der  Zucker  und  die  stickstoff- 
reichen  Bestandteile , nach  der  andern , den  Lebergängen , die 
Galle.  Diese  Scheidung  erfolgt  jedoch  nicht  zn  allen  Zeiten.  Wenn 
die  Gallengänge  gegen  den  Darm  hin  unwegsam  sind,  so  tritt  auch 
die  Galle  in’s  Blut  über,  und  wenn  das  Blut  sehr  zuckerreich  ist, 
so  enthält  auch  die  frische  Galle  Zucker.  — Der  Uehergang  der 
Galle  in  die  Gallengänge  könnte  durch  Filtration  geschehen.  Der 
Uehergang  des  Zuckers  in  das  Blut  kann  weder  durch  Filtration, 

•)  Pbyelolo*.  Chemie.  1.  Ad II  I.  Kd.  131. 

Mj  Zeitschrift  für  wiucnschafll.  Zoologie.  VII.  Dd. 


Digitized  by  Google 


Ausfuhr  der  neugebildeten  Stoffe  aus  der  Leber. 


333 


noch  durch  gewöhnliche  Diffusion  vor  sich  gehen.  Denn  nach 
Mossler  ist  selbst  dann  noch  die  Galle  zuckerfrei,  wenn  selbst 
nicht  unbeträchtliche  Mengen  von  Zucker  in  dem  gesammten  Blut 
enthalten  sind.  Verbreitete  er  sich  auf  dem  Wege  der  Diffusion 
oder  Filtration , so  müsste  er  gleichzeitig  in  das  Blut  und  die  Galle 
eingehen.  Einmal  in  die  letztere  Flüssigkeit  gelangt,  könnte  er 
nicht  aus  ihr  bis  zum  vollständigen  Verschwinden  in  das  Blut 
zurückkehren,  denn  dann  würde  er  in  den  von  Mossler  beobach- 
teten Fällen  aus  der  verdünnteren  in  die  dichtere  Lösung  diffun- 
diren.  Man  sieht  sich  also  genüthigt,  an  eine  Anziehung  zu  denken, 
die  auf  irgend  eine  Weise  vom  Blut  ausgeht. 

Der  Zucker  tritt  mit  dem  Lebervenenblut  in  das  Herz  und  von 
dort  in  die  Lungen.  Auf  diesem  Wege  verschwindet  er  rasch,  so 
dass  off  schon  in  dem  linken  Herzen  nur  noch  Spuren  desselben 
nachweisbar  sind,  wenn  nicht  grosse  Mengen  von  Zucker  aus  der 
Leber  traten  (CI.  Bernard,  Pavy). 

Die  Galle  kommt  in  die  Lebergänge  und  wird  in  diesen 
weiter  befördert  durch  die  Kräfte,  welche  sie  in  den  Anfang  der- 
selben einpressten.  Wir  sind  zu  dieser  Vermuthung  gedrängt  durch 
die  Abwesenheit  von  Muskelfasern  in  den  Wänden  der  Gänge , oder 
mit  andern  Worten  durch  die  Unmöglichkeit,  den  Strom  durch  die 
Gänge  anders  zu  erklären.  — Anders  verhält  es  sich  mit  dem 
Blaseninhalt;  er  kann  nicht  durch  die  von  den  Wurzeln  der  Leber- 
gefUsse  herrührenden  Drücke  aus  ihr  gepresst  werden.  Man  ist 
darum  geneigt,  ihrer  Muskelschicht  die  Austreibung  der  Galle  zu- 
zuschreiben, und  zwar  um  so  mehr,  als  man  zuweilen  wenig- 
stens Zusammenziehungen  derselben  gesehen  hat  (H.  Meyer*), 
E.  Brücke)  **).  Jedenfalls  geschieht  aber  diese  Zusammen- 
ziehung in  grossen  Intervallen,  ähnlich  den  Darmmuskeln.  Wie 
es  scheint , fallen  die  Zeiten  lebhafter  Gallenabsonderung  zusammen 
mit  denen  der  erhöhten  Erregbarkeit  in  den  Blascnmuskeln ; denn 
es  fanden  Bidder  und  Schmidt***)  die  Blase  bei  hungernden 
Thieren  immer  gefüllt,  bei  gefütterten  dagegen  leer.  — Auch  kann 
ein  heftiger  Druck  auf  die  Bauchmuskeln  die  Gallenblase  entleeren. 
Frerichs  fand  sie  bei  Hunden,  die  an  Erbrechen  gelitten, 
immer  leer. 


•)  De  niuat  nli*  ln  duetn  effer.  glandulär.  Berollni  1887.  p.  29 

••)  8lt*ung»bericbte  der  Wiener  Akademie.  IBM.  420. 

•••)  L.  c.  p.  20». 


Digitized  by  Google 


334 


Lebemhleim. 


Die  Galle  gelangt  nun  weiter  ans  den  düngen  in  den  Dann- 
kanal. Hier  geht  abermals  eine  Scheidung  mit  ihr  vor;  die  gallen- 
sauren  Salze,  die  Fette,  zum  Theil  der  Farbstoff,  die  alkalischen 
Mineralsalze  und  das  Wasser  gehen  in  das  Blut  Uber,  der  andere 
Theil  des  Farbstoffs,  das  Cholestearin  (?)  und  die  mit  dem  Schleim  (?) 
verbundenen  Erdsalze  werden  mit  dem  Faeces  entleert.  — Der 
in  das  Blut  Ubergegangene  Theil  unserer  Flüssigkeit  tritt  zum  Theil 
im  Harn  aus,  insbesondere  begegnet  dieses  dem  Farbstoff  und  der 
Gallensäure,  w'enn  sie  sehr  reichlich  im  Blut  vorhanden  sind,  wie 
z.  B.  bei  Gelbsucht  und  nach  Einspritzung  einer  Lösung  von 
krystallinischer  Galle.  Für  gewöhnlich  werden  sie  im  Blut  rasch 
zerlegt,  so  dass  es  nicht  gelingt,  sie  dort  aufzufinden.  Dagegen 
finden  sich  Producte  dieses  Umsetzungsprozesses,  und  zwar  Taurin 
in  dem  Lungen-  und  Nierengewebe  (Cloetta)*)  und  Hippursäure 
im  Harn,  welche  dadurch  entstand,  dass  sich  das  aus  der  Gly- 
cocholsäure  abgespaltene  Glycin  mit  der  vorhandenen  Benzoesäure 
paarte  (U re,  Wöhler,  Frerichs,  Kühne,  Hallwachs)**). 
Wenn  die  Benzoösäure  in  nicht  genügender  Menge  vorhanden,  so  muss 
das  Glycin  auf  einem  andern  uns  unbekannten  Wege  verschwinden. 
Die  aus  der  Tauro-  und  Glycocholsäure  abgcspaltene  Cholsäure 
bleibt  wahrscheinlich  in  Verbindung  mit  dem  Natron  und  geht  in 
kohlensaures  Natron  über  (Kühne)***).  — Eine  andere  Um- 
setzung der  Gallensäuren  vermuthen  Frerichs  f)  und  St ae de ler; 
sie  sollen  sich  zu  Gallenfarbstoff  umwandeln,  der  mit  dem  Harn 
(siehe  diesen)  austritt. 

8.  Der  Leberschleim.  Der  Saft,  welchen  die  Schleimdrüsen 
in  die  Lebergängc  und  Gallenblase  ergiessen,  mengt  sich  für  ge- 
wöhnlich mit  der  Galle,  und  somit  ist  es  bis  dahin  unmöglich  ge- 
wesen, seine  Zusammensetzung  und  seine  Absonderungsverhältnisse 
zu  ergründen.  — Um  Beides  möglich  zu  machen,  wäre  es  nur 
uöthig,  den  Blascngang  zu  unterbinden  und  darauf  eine  Blasen- 
fistel anzulegen;  cs  dürfte  sich  dann  leicht  heraussteilen,  dass 
mancherlei  Veränderungen  in  der  Absonderung,  die  man  jetzt  auf 
die  Vorgänge  in  den  Leberzellen  schiebt,  in  den  Schleimdrüsen 
begründet  sind;  namentlich  deutet  die  stärkere  Anschwellung 
der  Blasenblntgefässc  zur  Zeit  der  Verdauung  (Bidder  und 


•)  Journal  für  prakt.  Chemie.  66.  Bd. 

•*)  Archiv  für  patholog.  Anatomie.  XII.  Bd. 
•••)  Ibidem.  XIV.  Bd. 
t)  Klinik  der  Loberkrankhelten.  L Bd.  404. 


taif^uerby 


Ernährung  der  Leber. 


335 


Schmidt)  darauf  hin,  dass  auch  dann  diese  Drüsen  rascher  ab- 
sondern. 

Das  Wenige,  was  wir  von  dem  Schieimsaft  wissen,  beschränkt 
sich  darauf,  dass  er,  wie  die  ihm  verwandten  Säfte,  einen  Körper 
enthält,  der  alkalisch  reagirt  (Bidder  und  Schmidt*)  und  die 
Eigenschaften  und  die  Zusammensetzung  des  Mucins  (Gorup)**) 
Irägt.  Da  er  mit  der  Galle  in  den  Dann  entleert  wird,  so  theilt 
er  dort  die  Schicksale  des  übrigen  Damischleims. 

9.  Ernährung  der  Leber.  Beim  Fötus  nimmt  den  Ort  der 
späteren  Leber  zuerst  ein  kleines,  mit  dem  Darmrohr  communi- 
zirendes  Hohlgebilde  ein,  dessen  Wandungen  aus  verschiedenen 
Zellenlugcn  bestehen,  von  denen  die  eine  in  die  Epithelialschicht 
und  die  andere  in  die  Zellenfaserschicht  der  Darmwanduug  über- 
geht ; an  der  einander  zugekehrten  Grenze  beider  Lagen  treten  mit 
dem  steigenden  Alter  des  Fötus  aus  der  Epithelialschicht  neue 
Zellen  auf,  welche,  indem  sie  sich  zu  netzförmig  verbundenen 
ßälkchen  anordnen , die  ebenfalls  an  Zahl  zunehmenden  Zellen  der 
Faserschicht  vor  sich  hertreiben,  so  dass  diese  letztem  immer  die 
äusseren  Flächen  der  Epithelialschiclit  umkleiden.  Aus  den  Bälkchen 
gehen  die  Gallengänge  und  Leberzellen,  aus  den  umkleidenden 
Zellen  die  Nerven,  Gefässe  und  das  Bindegewebe  der  Leber  hervor 
(Bischoff,  Remak).  — Beim  Wachsthum  der  Leber  verhalten 
sich  die  Gefässe  und  das  Bindegewebe  derselben,  so  weit  be- 
kannt, wie  an  allen  anderen  Orten;  wie  sich  dagegen  die  Um- 
faugszunahme  der  Leberzellenregionen  gestaltet,  ist  noch  nicht  hin- 
reichend klar;  am  wahrscheinlichsten  ist  es  nach  den  Messungen 
von  Harting  allerdings,  dass  nicht  die  Zahl,  sondern  der  Umfang 
der  Zellen  zunimmt.  Denn  es  verhalten  sich  nach  ihm  die  Durch- 
messer der  Leberzellen  des  4 monatlichen  Fötus  zu  denen  des  Er- 
wachsenen wie  1 : 4. 

Die  Veränderungen,  welche  die  festen  Bestandtheile  der  aus- 
gewachsenen Leber  und  namentlich  die  Wandungen  der  Gefässe 
erleiden,  scheinen,  in  Anbetracht  des  reichlichen  Capillarnetzes 
auf  ihnen,  nicht  unbeträchtlich  zu  sein.  Dieser  Schluss  ist  aller- 
dings gewagt,  da  das  arterielle  Blut  der  Leber  auch  in  die  Capillaren 
der  Schleimdrüsen  eingeht  — Der  Umfang  der  Leber  wechselt  bei 
einem  und  demselben  Erwachsenen,  wie  es  scheint,  nicht  unbe- 


•)  L.  €.  p.  214. 

Lieblf , Annalen.  69.  Bd.  191. 


Digitized  by  Google 


336 


Ernährung  der  Leber.  Speicheldrüsen. 


trächtlich;  namentlich  nimmt  sie  beim  Hungern  ab  und  bei  der 
Mästung  sehr  zu. 


Hierüber  giebt  folgende  Zusammenstellung  Aufschluss: 


Beobachtungagegenstand. 

Zelt  nach  der  I.  Mahlzeit 
ln  Standen. 

VcrhiUtniaNzahl 
zwischen  Leber- 
and 

Körpergewicht. 

■•b  . MdttU 

Beobachter. 

fn*» 

Mann  von  27  Jahren  . . 

Kura  nach  der  Mahlzeit. 

i 

26,5 

„ „ 36  „ . . 

1 

37 

y '*i> 

»»  >»  25  „ . . 

72  8tunden. 

i 

40 

l Freriehs. 

Prau  „ 33  „ 

168  „ 

i 

50 

) 

Katze 

3 

1 

30 

* 

12 — 15  Stunden. 

t 

25 

\ Bidder 

24-48 

31 

\ und 

»»  • 

168  Stunden. 

t 

37 

1 Schmidt. 

Bei  chronischem  Hunger,  wie  ihn  Stricturen  des  Oesophagus  mit  sich  bringen, 
nähert  sich  nach  Freriehs  das  Verhältniss  mehr  wieder  der  Norm;  er  fand  im  Mittel 
von  4 Fällen  = t : 29,5. 


Der  Zusammenhang  zwischen  der  Umfangsänderung  und  der 
Gallenbildung  ist  schon  erwähnt;  ebenso  dass  bei  einer  Anhäufung 
des  Fettes  im  thierischen  Körper  der  Inhalt  der  Leberzellen  sieb 
beträchtlich  mästet  *) , und  zwar  so  weit.,  dass  die  durch  Fett 
weit  ausgedehnten  Zellen  die  Blutgefässe  zudrllcken.  — Die 
öfter  ausgesprochene  Annahme,  dass  die  Lcberzellen,  welche  an 
die  GaÜengänge  grenzen,  aufgelöst  und  an  ihrer  Stelle  neue  gebildet 
werden,  entbehrt  vorerst  noch  der  Begründung,  die  um  so  mehr 
uöthig,  als  die  Leberzellen  der  Säugethiere  in  Galle  unlöslich 
sind  (Kühne). 

Speicheldrüsen. 

1.  Anatomischer  Bau.  Ein  Abguss  der  Speicheldrttsenhöhlen 
besitzt  bekanntlich  eine  grosse  Aeknlichkeit  mit  einer  sehr  dicht- 
end feinbeerigen  Weintraube  (E.  H.  Weber,  Joh.  Müller).  Die 
Grösse  derselben,  oder  was  dasselbe  bedeutet,  die  Zahl  der  Beeren 
und  die  der  Nebenstiele,  welche  in  den  Hauptstiel  einmünden,  ist 
sehr  veränderlich.  — Die  Röhrenwände  bestehen  in  den  Endbläschen 
aus  einer  sehr  feinen,  durchsichtigen  Grundhaut  und  einem  Epi- 
thelium.  Die  Zellen  des  letztem , welche  man  Speichelzellen  nennen 
könnte,  sitzen  dicht  gedrängt  und  sind  überall  kugelig,  kernhaltig. 
Sie  füllen  die  Höhle  des  Blächens  fast  vollkommen  aus.  In  der 


')  Lereboallot,  Mdmoire  sur  U atructare  intim«  de  1«  foie  etc.  Paria  1863. 


/ - Blut  irnd  Blutstrom  in  der  Speichel  >,  insbesondere  der  Unterkieferdrüse.  337 

Parotis  weicht  ihr  Inhalt  von  dem  in  den  übrigen  Speicheldrüsen 
etwas  ab,  es  fehlt  ihm  das  körnige,  getrübte  Ansehen,  und  er 
wird  durch  Wasser  und  Essigsänrezusatz  nicht  gefällt  (Do  n de  rs  )*). 
ln  den  grossem  Drüsengiingen  ist  die  Grundmasse  der  Wand  aus 
elastischem  Bindegewebe  gebildet,  in  das  meist  sehr  sparsame  und 
nur  in  den  Unterkieferdrüsengängen  häufigere  Muskelzelleu  cin- 
gostreut  sind  (Kölliker).  Die  Kpithclialzellen  der  grossen  Gänge 
besitzen  einen  viel  geringeren  Durchmesser  als  diejenigen  der  End- 
bläschen. Man  könnte  die  letztem  Öp eiche lzellcn  nennen.  — 
Die  Arterien  der  Speicheldrüsen  verästeln  sich  auf  den  ltläschen 
zur  Bildung  eines  weitmaschigen  Netzes.  Die  kleinsten  zuflthrenden 
Arterien  sind  mit  sehr  kräftigen  Muskellagen  versehen.  — Nerven- 
fäden  erhalten  die  Speicheldrüsen  aus  den  nn.  trigeminus,  facialis, 
sympathicus ; in  ihrem  Verlauf  durch  die  Drüse  sind  sie  mit  Ganglion- 
kugelu  belegt;  die  Primitivrühreu  verästeln  sich  auf  ihrem  Verlauf 
wie  in  den  Skelctmuskeln  (Donders).  Ihre  Enden  sind  der  ana- 
tomischen Zergliederung  noch  unbekannt;  der  physiologischen  Er- 
fahrung zufolge  verzweigt  sich  der  Sympathicus  in  den  Gefässmiftkeln 
(Czcrmak,  CI.  ßernard). 

Die  chemische  Kenntniss  der  Speicheldrüsen  beschränkt  sich 
auf  die  Notiz,  dass  das  Gewebe  Leucin  und  Schleimstoffc  enthält 
(Stacdeler). 

2.  Blut  der  Speichel -,  insbesondere  dcrUnterkicfcrspeicheldrlise. 
Während  der  bestehenden  Speichelabsonderung  wurde  Blut  aus  den 
beträchtlichsten  Drüsenvenen  und  zugleich  ans  einem  den  Drtlsen- 
arterien  benachbarten  Zweig  der  Carotis  anfgesannnelt.  Das  erste 
enthielt  74,6,  da«  zweite  78,0  pCt.  Wasser.  Das  Blut  kam  ans 
der  Vene  hellroth  hervor;  es  hatte  also  sehr  rasch  die  Drüse  durch- 
eilt, G.  Bernard  **). -—  Während  der  Absonderung  des  Speichels 
steigt  die  Temperatur  des  Venenblutes  (,C.  Ludwig). 

Der  Unterschied  von  3,4  pCt.  Wasser  im  arteriellen  und  venösen  Blut  dürfte 
nur  aus  einem  ungleichen  KörporchenKchalt  beider  Blutadern  zu  erklären  sein. 

3.  Der  Blutstrom  durch  die  Speichel-,  insbesondere  die  Unter- 
kieferdrüse.  Uebor  die  Veränderungen  des  Strombettes  von  den 
Arterien  durch  die  Capillareu  zu  den  Vcneu  und  von  dem  absoluten 
Wertlie  der  Geschwindigkeit  und  Spannung  in  den  einzelnen  Ab- 
theilnngen  ist  nichts  bekannt.  Die  starken  Muskellagen  der  kleinen 
Arterien  können  Veranlassung  zu  weseutlicben  Aenderungen  des 

•)  Oud^pxockingan  gfdnn  in  heb  pb^sioU  laborat.  L'trscht  1862—63.  p.  61. 

••)  L<s$otj*  nur  lea  liquide*.  1.  TW.  3W. 

Ludwig,  Pbyaiologfa  II.  2.  Auflage. 


22 


338 


Speichelbestandtheile  <ler  Unterkieferdrüse. 


Stromqnerschnittes  geben , welcher  die  Capillareu  speiast.  Nament- 
lich weist  CI.  Bernard  nach,  dass  während  der  Reizung  des 
Sympathieus  das  Blut  ans  den  llauptdrtisen venen  nur  sehr  langsam 
und  dnnkelroth,  nach  Durchschneidung  jenes  Nerven  aber  rasch 
und  hellroth  kommt.  Bei  Reizung  des  rain.  lingualis  strömt  das 
Blut  rasch  und  hellroth,  und,  wenn  noch  gleichzeitig  der  n.  sympatli. 
durchschnitten  ist,  oft  selbst  pulsirend  aus  der  Vene. 

Beispielsweise  fuhrt  Bernard*)  an,  dass  während  der  Heizung  des  n.  lingualis 
das*  Blut  aus  der  Drüsenrene  um  4 mal  rascher  ausgeflossen  sei,  als  bei  Ruhe  der- 
selben. — Die  Erscheinungen  bei  Reizung  und  nach  Durchschneidung  des  n.  Sympathien» 
erklären  sich  auf  bekannt*  Weise.  Die  ücfä&serweiternng  auf  Reizung  de«  n lingualis 
lat  schwierigerz  erklären,  weil  uns  eine  Muskulatur,  welche  vermöge  ihrer  Zusammen- 
ziehung die  Gefässe  erweitert,  unbekannt  ist;  die  Erklärungsgründe  können  also  nur  die 
Erschlaffung  der  Kreismuskulatur  berücksichtigen ; diese  aber  könnte  eingeleitet  werden 
entweder  durch  eino  ähnliche  Beziehung  des  nun.  lingualis  zu  den  Circularmuskeln, 
wie  sie  der  Vagus  zum  Herzen  besitzt,  oder  durch  die  Temperaturerhöhung,  welche 
nach  Roizung  der  Nerven  im  Blut  und  in  der  Drüse  eintritt  (?).  — Bernard,  der 
die  erste  Erklärung  hinstellt,  glaubt,  dass  ununterbrochen  von  beiden  Nerven  Wir- 
kungen auf  die  Gefiisse  ausgehen  und  dass  in  Folge  dessen  oin  Gleichgewicht  eintrete, 
weichet  jedoch  zu  Gunsten  bald  dieses  und  bald  jenes  Nerven  aufgehoben  werde. 

4.  Speichel.  Er  gehört,  wie  im  Voraus  zu  bemerken,  zu 
den  Säften,  welche  nur  dann  fliessen,  wenn  die  zur  Drüse  gehenden 
Nerven  geradans  oder  reflectorisch  gereizt  werden  (C.  Ludwig). 
Die  qualitative  chemische  Zusammensetzung  des  Speichels  aus  den 
verschiedenen  Speicheldrüsen  stimmt  allerdings  zwar  in  den  meisten, 
aber  nicht  in  allen  Stücken  überein. 

a.  Der  Speichel  der  Unterkieferdrllse  **)  enthält  unter  allen 
Umständen  Wasser,  Mucin,  einen  eiweissartigen  Extraktivstoff,  dessen 
Eigenschaften  von  der  Darstellungsart  (nach  Berzclius,  Gmclin 
oder  G.  Mitscherlich)  abhängig  sind***),  einen  in  Alkohol  lös- 
lichen Extraktivstoff,  eine  Kallscife,  Chlorkalium,  Kochsalz,  phosphor- 
saure Salze , - Rhodankalium  und  Wasser,  zuweilen  führt  er  auch 
schwefelsaures  Kali.  — Die  quantitative  Mischung  f)  des  Speichels 
ist  veränderlich:  1)  mit  der  Zeitdauer  der  Reizung,  resp.  der 

Speichelabsonderung.  Beginnt  nach  einer  längern  Ruhe  die  Speichel- 
absonderung wieder,  so  ist  jedesmal  der  erste  Tropfen  durch 
Molekularkönichen  getrübt.  Hält  man  die  Absonderung  eine  Stunde 
und  mehr  im  Gange  und  fängt  den  in  je  10  oder  15  Minuten  aus- 


•)  Le^on*  *ur  le*  liquid«*.  II.  8*1  *70. 

•■)  Bl  d der  urnl  Schmidt,  VMinnjipillte.  p.  7. 

*••)  Lehmann,  phyaloluf.  Chemie.  II.  Bd.  17/ 
f)  II  eint*,  Zoochendc.  p.  8/7. 


Veränderung  der  Speie helbestamltlicile  der  irnterkieferdrüso.  33$ 

tretenden  Speichel  gesondert  auf,  so  findet  sich , dass  der  im  Be- 
ginn einer  solchen  Speichelnngsperiode  austretende  Saft  reicher  an 
festen  Bestandtheilen  ist,  als  der  spiiter  erscheinende;  es  nimmt  also 
mit  der  Dauer  der  Speichelung  der  prozentische  Gehalt  an  festen 
Bestandtheilen  ab.  Diese  Verdünnung  unseres  Saftes  ist  vorzugs- 
weise bedingt  durch  die  Verminderung  der  organischen  Bestand- 
theile;  denn  diese  werden  in  einer  langen  Spciehelungszeit  bis  zur 
Hälfte  oder  zum  Viertel  des  ursprünglichen  Gehaltes  herabgedrliekt, 
während  der  Salzgehalt  sich  entweder  gar  nicht,  oder  jedenfalls 
mn  viel  weniger  als  die  Hälfte,  verändert  (C.  Ludwig, .Be  eher)*). — 
2)  Diese  Erscheinung  muss  abhängen  von  irgend  einer  Aenderung, 
welche  in  der  Drüse  durch  die  Absonderungsdauer  eingeleitet  wird. 
Denn  wenn  man  erst  die  Drüse  einer  Seite  so  lange  reizt,  bis  der 
ausfliessende  Saft  arm  an  organischen  Bestandtheilen  geworden  ist 
und  dann  mit  der  Reizung  der  Drüse  an  der  andern  Seite  beginnt, 
so  gewinnt  man  dort  anfänglich  einen  Speichel , der  eben  so  reich 
an  organischen  Bestandtheilen  ist,  wie  es  der  Anfangsspeichel  der 
zuerst  gereizten  Drüse  war,  und  es  nimmt  mit  dauernder  Reizung 
der  verbrennliche  Rückstand  gerade  so  ab , wie  vorher  an  der 
ersten  Drüse  (Setschenow,  C.  Ludwig). — 3)  Die  Zusammen- 
setzung ändert  sich  mit  dem  gereizten  Nerven **).  NachBernard, 
Eckhard  und  Adrian  ist  Speichel,  der  nach  Reizung  des  Sytn- 
pathieus  abgesetzt  wird,  zäher  als  der,  den  die  Reizung  des 
Facialis  und  Trigeminus  hervorbringt.  — Der  auf  Gescbmacks- 
reflexe  ausfliessende  Speichel  soll  weniger  zäh  sein  als  der  durch 
die  direkte  Reizung  des  ram.  lingnalis  ausfliessende  (Ilernard)  ***). — 
5)  Mit  einer  bedeutenden  Steigerung  des  Kochsalzgehaltes  im  Blut 
mehrt  sich  der  Salzgehalt  des  Speichels  um  ein  Geringes;  die 
organischen  Bestandtheile  erhalten  sich  unverändert.  — Auffallender 
Weise  erleidet  dagegen  die  Zusammensetzung  des  Speichels  keine 
merkliche  Veränderung  durch  eine  beträchtliche  Vermehrung  der 
prozentischen  Menge  des  Blutwassers , welche  man  durch  eine  Ein- 
spritzung voii  Wasser  in  die  Venen  erzeugt  hat  (E.  Becher, 
C.  Ludwig).  — 6)  Ebenso  unabhängig  ist  auch  die  Zusammen- 
setzung von  der  Absondernngsgeschwindigkeit;  der  in  der  spatem 
Zeit  der  Speichelungsperiodc  gewonnene  Speichel  ist  immer  ärmer 
r ; . 

E.  I*  ec  her  tind  C.  Ludwig,  Hcnl  e*B  und  Pfeb  for'i  Zeitschrift.  N F.  I.  Bd.  278.- 

**)  Bornctrd,  Le^ons  nur  lea  liquide«.  18M.  n.  Bd.  276.—  Eckhard,  Beitrüge  *ur  Anatomie 
bnd  Physiologie.  11.  Bd«  p.  86. 

Mt)  t.  c.  p.  261* 

W 


« 


340 


OhT-,  Untemingen  - und  Munddrüsenspeichel. 


an  festen  Theilen  als  der  früher  abgesonderte,  gleichgiltig  ob  der 
eine  oder  der  andere  rasch  oder  langsam,  also  bei  grösserer  oder 
geringerer  Nervenerregung  abgesondert  wurde  (C.  Ludwig, 
Setscbenow). 

Nach  den  bis  dahin  bekannt  gewordenen  Bestimmungen 
schwanken  beim  Hunde  in  100  Theilen:  der  Rückstand  von  1,98 
zu  0,39,  die  Salze  von  0,79  bis  0,24,  die  organischen  Qestandtheile 
von  1,26  zu  0,15.  — Ein  Speichel  von  annähernd  mittlerer  Zu- 
sammensetzung enthielt  nach  C.  Schmidt:  Wasser  = 91,14; 
organische  Stoffe  =0,29;  Ka  und  NaCI  = 0,45;  Kalksalze  = 0,12. 

b.  Der  Speichel  der  Ohrdrüse  unterscheidet  sich  von  dem  vor- 
hergehenden nur  dadurch,  dass  er  Harnstoff  (Poisenille  und 
Goblcy)*)  und  kohlensauren  Kalk  enthält,  während  er  das 
Mucin  entbehrt  (Gurlt);  darum  fehlt  ihm  der  fadenziehende 
Aggregatzustand;  seine  quantitative  Zusammensetzung  zeigt  eben- 
falls grosse  Variationen;  eine  derselben  besteht  darin,  dass  durch 
dauernde  Absonderung  das  spezifische  Gewicht  erniedrigt,  durch 
Ruhe  aber  erhöht  wird  (Lehmann)**).  — Nach  Mitscherlich 
bewegt  sich  beim  Menschen  der  Prozentgehalt  der  festen  Stoffe  von 
1,6  zu  1,4,  von  diesen  letzteren  waren  0,9  verbrennlich  und  0,5  un- 
verbrcnnlich ; beim  Hunde  schwankt  nachGmelin  und  Mitscher- 
lich der  Rückstand  zwischen  2,6  bis  0,5  pCt.  — Ucber  das  un- 
gefähre Verhältnis8  der  Salze  zu  einander  giebt  die  nachstehende 
Analyse  von  C.  Schmidt  Rechenschaft:  Wasser  = 99,53;  organ. 
Stoffe  = 0,14;  Ka  und  Na  CI  = 0,21;  CaO  CO*  = 0,12. 

c.  Der  Speichel  der  Unterzungendrüse  enthält,  wenn  er  durch 
Druck  entleert  wird,  die  sogen.  Speichelkörperchen,  kleine,  kugelige, 
gekörnte,  kernhaltige  Zellen  (Donders)  ***). 

d.  Mundspeichel.  Der  Speichel  der  Sublingual-,  Lingual-, 
Lippen-  und  Backendrüsen  ist  noch  nicht  gesondert  untersucht 
worden.  Trotzdem  lässt  sich  anssagen,  dass  seine  Zusammen- 
setzung nicht  wesentlich  abweiche  von  derjenigen  der  Untersuchten 
Speichelsortcn,  weil  nämlich  der  Mundspeichel,  oder  das  Gemenge 
aus  den  Säften  aller  Speicheldrüsen,  wie  es  aus  der  Mundhöhle 
gewonnen  werden  kann,  annähernd  gleich  mit  jenen  constituirt  ist. 
Die  einzigen  wesentlichen  Unterschiede,  die  sich  finden,  bestehen 
nach  Berzelius,  Gmelin,  Schmidt,  Frerichs,  L’heritier 


*)  (Jouipt,  rend.  Bd.  49.  p.  164. 

••)  Phyalolog.  Chemie.  1L  Bd.  p.  12. 

•••)  Physiologie  des  Meuschcn.  Leipzig  1896,  I.  181. 


Ungewöhnliche  Spcichelbcstandtheile,  Speichelwärme. 


311 


and  Lehmann  darin,  dass  der  Mundspeichel  losgestossene  Epithelial- 
zellen der  Mundschleimhaut  (Spcichelzellen)  und  phosphorsaures 
Natron  enthält. 

Der  Mundspeichel,  welchen  man  zu  verschiedenen  Zeiten  anf- 
fängt,  kann  nach  den  schon  mitgetheilten  Erfahrungen  nicht  gleich- 
artig zusammengesetzt  sein;  dieses  haben  in  der  That  CI.  Bernard, 
C.  Schmidt,  Wright  und  Donders  bestätigt.  Donders*) 
hat  den  Speichel  der  Mundhöhle  vor  und  nach  dem  Fressen  auf- 
gefangen und  aus  der  Analyse  desselben  das  unerwartete  Resultat 
erhalten,  dass  der  erstere  weniger  feste  Bestandteile  enthielt  als 
der  letztere.  Ebenso  giebt  Wright  an,  dass  der  menschliche 
Speichel  nach  dem  Essen  specifisch  schwerer  sei  als  vor  demselben. 

In  100  Theilen  wechselt  sein  fester  Rückstand  zwischen  1,35' 
bis  0,35.  <• 

Ungewöhnliche  Spcichelbcstandtheile.  Wenn  man  in  das  Blut  Jodkalium  bringt, 
so  zeigt  sich  dieses  im  Speichel  wieder,  nnd  zwar  sehr  bald  (CI.  Bernard)**).  — 
Blutlaugensalz  kommt  unter  gleichen  Bedingungen  nicht  in  ihm  ror  (H  äugst  edt***), 
CI.  Bernard).  £urde  das  Blutlaugensalz  in  die  Höhlung  der  Speicheldrüse  selbst 
eingespritzt,  so  verschwand  cs  nach  kurzer  Zeit  (CI.  Bernard). — Zucker  geht  nie- 
mals in  den  Speichel  über,  selbst  nicht  bei  Diabetes  (CI.  Bernard). 

5.  Speichelwärme.  Der  nach  Reizung  des  ram.  lingualis  aus 
der  Untcrkheferdrtlse  fliessende  Speichel  ist  mit  dem  Thermometer 
bis  zu  1,5°  C.  wärmer  gefunden  worden  als  das  im  Ursprung  der 
anderseitigen  Carotis  fliessende  Blut;  der  Temperaturunterschied  zu 
Gunsten  des  Speichels  war  um  so  grösser,  je  rascher  derselbe  aus 
dem  Gange  floss  (C.  Ludwig,  A.  Spiess). 

Bei  der  Messung  der  Temperaturen  wurde  auf  folgende  Weise  verfahren  (siehe 
umstehend  Big.  52): 


•)  Ondcrxoekingen  godan  in  het  physiologish  Uboratorium.  Utrecht.  1852 — 53.  p.  66. 

*•)  Leftms  nur  los  liquides  etc.  II.  250. 

*•)  Friedlcben,  die  Physiologie  der  Thymusdrüse.  1858.  98. 


342  Bestimmung  der  Speichelwärme ; Absonderungsgeschwindigkeit  des  Speichels. 


Fig.  52. 


Der  Hg -Behälter  eines 
feinen,  in  */«•*  getheilten 
Thermometers  a wird  in 
den  senkrechten  Schenkel  b 
des  j.  förmigen  Röhrchens 
eingesetzt.  ln  den  vom 
TJiermometcrgefass  freige- 
lassenen  fest  capillären 
Raum  dieses  Schenkels 
dringt  der  Speichel  aus 
dem  Arm  e,  der  in  das 
Drüsenende  des  Ganges  ge- 
bunden ist,  und  er  fiiesst 
aus  dem  gebogenen  Arm  d 
weiter.  Der  Arm  € des 
horizontalen  Schenkels  ist 
ein  solidur  Stift,  der  in 
das  Mundende  des  Speichel- 
ganges eingebunden  wird, 
um  die  Lage  der  CanÜle 
au  sichern.  Ein  zweiter, 
genau  mit  dem  Speichel- 
thermometer verglichener 
Wärmemesser  wird  in  die 
Carotis  bi^zura  Brustbein 
eingeschoben  und  dort  ein- 
gebunden. Die  zahlreichen 
Vorsichtsmaassregeln,  die 
dieser  Versuch  verlangt, 
werden  an  einem  andern 
Orte  veröffentlicht  werden. 

6.  Absonderungs- 
geschwindigkeit des 
Speichels.  Der  Spei- 
chel flieset  aus  den 
Drtisen -Bläschen  in 
dieAusfilbrungsgänge 
nicht  zu  allen,  son- 
dern nur  zu  gewissen 
Zeiten  über.  Insofern 
darf  man  die  Abson- 
derung eine  periodi- 
sche nennen.  Es 
könnte  jedoch  auch 


Digitized 


Absonderungsgeschwindigkeit  des  Speichels. 


843 


möglich  sein,  dass  während  der  sogen.  Speichelrnhe  ein  oder 
mehrere  Stoffe  aus  dem  Blut  in  den  Drüsenraum  abgesetzt  würden, 
die  dort  so  lange  verweilten,  bis  sie  von  dort  mit  Hülfe  derjenigen 
Speichelbestandtheile  ausgewaschen  würden,  welche  nur  zeitweise 
aus  dem  Blut  abgeschieden  werden.  Dann  würde  man  sagen,  die 
Absonderung  einzelner  Speichelstoffe  ist  eine  zwar  langsame,  aber 
stetige,  diejenige  anderer  eine  raschere,  aber  nur  zeitweilige.  Ist 
diese  letztere  Unterscheidung  begründet,  so  müssen  alle  oder 
wenigstens  Antheile  der  organischen  Stoffe  zu  jenen  gehören,  welche 
stetig  abgesondert  werden,  während  das  Wasser  und  die  alkalischen 
Neutralsalze  die  zeitweilig  erscheinenden  Stoffe  sind.  Die  so  eben 
hingestellte  Annahme  findet  ihren  bedeutendsten  Rechtfertigungsgrund 
in  der  Thatsache,  dass  die  beim  Beginn  des  periodisch  eintretenden- 
Speichelausflusses  hervortretende  Flüssigkeitsmenge  in  100  Theilen 
reicher  an  organischem  Rückstände  sind,  als  die  später  hervor- 
gehenden; somit  könnte  man  annehmen,  dass  die  zu  jener  Zeit  in 
die  Drüse  tretende  Salzlösung  den  schon  früher  vorhandenen  lös- 
lichen organischen  Stoff  ausgewaschen  hätte.  Dabei  bleit£  es  aber 
bedenklich,  dass  die  Ausflussgeschwindigkeit  des  Speichels  aus  den 
Gängen,  oder  anders  ausgedrückt,  dass  die  Zeit  des  Verweilens 
jener  Lösung  in  den  Drüsenbläschen  ohne  Einfluss  auf  die  Zu- 
sammensetzung ist.  Jedenfalls  ergiebt  sich  aber  aus  dem  Vor- 
stehenden, dass  die  Ausscheidung  der  organischen  Stoffe  einerseits 
und  die  der  Salze  und  des  Wassers  anderseits  nicht  mit  gleicher 
Geschwindigkeit  erfolgt  und  dass  uns  nur  Uber  die  Absonderungs- 
geschwindigkeit der  letzteren  etwas  auszusagen  möglich  ist. 

Die  Absonderungsgeschwindigkeit  des  Wassers  und  der  Salze 
ist  abhängig  von  einer  bestimmten,  aber  noch  nicht  näher  be- 
kannten Anordnung  der  Drtlsenelemente,  der  Zusammensetzung  des 
JBlnts  und  der  Erregung  gewisser  Nerven  (C.  Ludwig)*),  a)  Die 
Nerven,  deren  Erregung  die  Absonderung  beeinflusst,  verlaufen  im 
ram.  IU.  n.  trigemini  (ram.  lingualis,  auriculo  - temporalis  (?) 
(Rahn)**)  und  mylohyoideus  (CI.  Bern  ard)  ***);  ferner  im 
n.  facialis  (chorda  tympani,  rami  parotidei  posteriores)  (Rahn) 


*)  Heule’»  und  Pfeufer’«  Zeitschrift.  Zweite  Folge.  L <66. 

♦•)  Ibidem.  <86. 

**•)  Laotin  nur  liquide».  II.  ßd.  303.  — Der  berühmte  Pariser  Akademiker  beschreibt  seit  Jahren 
Versuche,  weiche  Hingst  vor  ihm  von  Dr.  Kahn  lu  meinem  Laboratorium  anagefUbrt  sind.  Da 
Herr  Bernard,  wie  er  wiederholt  gezeigt,  einen  reinen  Sinn  ftir  literarisches  Eigenthum  besitzt, 
»o  kann  »ein  Stillschweigen  Über  die  wahren  Urheber  Jener  Versuche  nur  aus  seiner  Unbekannt- 
achaft  mit  jenen  Beobachtungen  abgeleitet  werde». 


344 


Absonderusgageschwindigkcit  des  Speiebels. 


und  im  Halsstrang  des  n.  sympathicus  (€.  Ludwig,  Czermak)*), 
im  nervus  glossopharyngcus  (Rahn). — b)  Von  diesen  Nerven  wirken 
einige  geradezu  auf  die  Drüse , d.  h.  die  Absonderung  wird  hervor- 
gerufen, auch  wenn  ihr  vom  Hirn  oder  Rückenmark  getrennter 
Stamm  gereizt  wird;  die  hier  gehörigen  Nerven  verlaufen  in  der 
Bahn  des  n.  trigeminus,  facialis  und  sympathicus  und  enden  in 
den  Drüsen  selbst.  Ein  anderer  Theil  der  vorhin  genannten  Nerven 
wirkt  reflectorisch , es  sind  die  in  der  Mundschleimhaut  sich  ver- 
breitenden sensiblen  Aeste  des  n.  trigeminus  und  glossopharyngeus.— 

c)  Wird  einer  der  geradaus  wirkenden  Nerven  durch  den  tetani- 
sirenden  Induktionsstrom  gereizt,  so  beginnt  nicht  sogleich  mit  der 
Reizung  die  Absonderung,  und  nach  Schluss  der  Reizung  hört  sie 
nicht  immer  alsbald  auf.  Die  Dauer  der  Nachwirkung  scheint  mit 
dem  Erregbarkeitsgrade  der  Drüsen  zu  wachsen  (C.  Ludwig). — 

d)  Gleichstarke  Induktionsschläge  erzeugen  nicht  von  allen  Nerven 
ans  gleichstarke  Absonderung.  Am  mächtigsten  wirkt  durch  die 
Unterkieferdrüsc  der  n.  facialis,  am  schwächsten  der  n.  sympathicus 
(C.  Lu^jyig).  — e)  Werden  gleichzeitig  der  ram.  lingualis  und  der 
n.  sympathicus  gereizt,  so  wird  zuerst  die  Absonderung  in  der 
Unterkieferdrüsc  rascher,  alsbald  aber  viel  weniger  rasch  als  nach 
Reizung  jedes  einzelnen  Nerven  (Czermak).  — f)  Die  normalen 
Erregungen  der  Speichelnerven  treten  willkürlich  zugleich  mit  den 
Kaubewegungen  und  reflectorisch  nach  Geschmacksempfindungen 
ein.  Die  Kaubewegungen  sollen  vorzugsweise  die  gl.  parotis,  die 
Geschmacksreflexe  die  gl.  submaxillaris  zur  Absonderung  veran- 
lassen (CI.  Bernard).  — g)  Elektrische  Schläge,  die  geradezu 
in  die  Drüsen  eintreffen,  erzeugen  keine  Absonderung.  — h)  Thiere, 
die  mit  Curare  vergiftet  sind  und  durch  künstliche  Respiration  am 
Leben  erhalten  werden^  speicheln  ununterbrochen  (Bernard). 
Kölliker**)  fand  dieses  nicht  bestätigt.  — i)  Die  Anwesenheit 
von  sauerstoffhaltigem  Blute  unterstützt  die  Absonderung;  hält  man 
die  stärkste  der  Venen , welche  aus  der  gl.  submaxillaris  hervor- 
gehen, zu,  und  erregt  gleichzeitig  den  ram.  lingualis,  so  hört  all- 
mählig  die  Speichelabsonderung  auf;  öffnet  man  die  Vene,  so  fliesst 
ein  schwarzes  (also  sauerstofflfreies)  Blut  aus;  hat  sich  dieses  ent- 
leert und  ist  durch  anderes,  aus  der  Arterie  nachrückendes  ersetzt, 
so  lockt  die  Nervcnreizung  den  Speichel  wieder  hervor.  Aus  diesen 
Gründen  kann  die  Beschleunigung  des  Blutstroms,  namentlich  der 

•)  Wiener  akadem.  Sitzungsberichte.  XXV.  8. 

••)  Virchow'a  Archiv.  X.  Bd.  20. 


Digitized  by  Google 


Absondcrungsgeachwindigkeit  des  Speichels;  Speiehelbereitung.  345 

dadurch  herbeigeftlhrte  Blntweehscl,  die  Absonderungsgeschwindig- 
keit steigern. 

Die  Absonderungsgesohwindigkcit  bestimmte  man  entweder  durch  Wägen  des  in 
der  Zeiteinheit  abflieseenden  Speichels,  oder  durch  Messung  des  ausfliessenden  Volums 
durch  ein  getheiltes  Kohr,  das  man  an  die  Speichelcanüle  setzt.  Genauer  endlich  misst 
man  die  Aendcrungcn  der  Absonderungsgeschwindigkcit  durch  den  in  Fig.  52  gezeich- 
neten Apparat.  — Der  Speichel  entleert  sich  aus  dem  Röhrchen  e d in  den  Kaut- 
schukschlauch  / und  von  da  gegen  die  Decke  des  umgestürzten  Glases  g.  Das  Glas 
selbst  ist  mit  Quecksilber  gefüllt  ; dieses  wird  durch  den  eintretenden  Speichel  vor- 
drängt und  fliegst  durch  das  Röhrchen  h aus.  Die  ausfallenden  Tropfen  gelangen, 
durch  den  Trichter  * in  das  Kölbchen  k.  Dieses  Kölbchen,  welches  in  einer  senk- 
rechten Führung  (l  /)  geht,  hängt  an  einer  Spiralfeder  aus  Messing  m m.  In  dem 
Maasse,  wie  Speichel  ausfliesst,  mehrt  sich  also  das  Gewicht  des  Kölbchens  und  damit 
die  Ausdehnung  der  Feder;  die  Verlängerung  der  Feder  misst  also  das  Speichelvolumen, 
vorausgesetzt,  dass  man  das  Verhältnis»  zwischen  Federausdehnung  und  GewiAtsver- 
mehrung  kennt.  Die  zur  Fixirung  der  Absondcrungsgeschwindigkeit  nöthige  Zeitbestim- 
mung giebt  die  kreisende  Trommel,  auf  welche  die  Kiolfeder  o schreibt;  sie  ist  am 
Kölbchen  befestigt.  — Alle  auf  dem  einen  oder  andern  Wege  gefundenen  Zahlen  sind 
nur  vergleichbar,  insofern  sie  aus  einer  Drüse  genommen  sind.  — Der  Versuch,  all- 
gemein vergleichbare  Zahlen  zu  erhalten,  indem  man  die  jeweilig  ausgeflossene  Menge 
durch  das  Gewicht  der  nach  dem  Tode  gewogenen  Speicheldrüse  di  vidirt*  hätte,  ist 
aus  leicht  begreiflichen  Gründen  unterblieben. 

Die  mittlere  tägliche  Speichelmenge  ist  unzweifelhaft 
sehr  verschieden  nach  der  Festigkeit,  Schmackhaftigkeit,  Menge  der 
Speisen  u.  s.  w.  Um  ungefähre  Anhaltepunktc  zu  gewinnen,  dient 
das  Folgende-: 

Mitscherlich  konnte  aus  einer  Fistel  des  duct.  stenonianus  eines  kränklichen, 
sehr  raässig  lebenden  Mannes  täglich  ungefähr  100  Gr.  auffangen.  Bidder  und  , 
Schmidt  waren  im  Stande,  in  einer  Stunde,  während  welcher  sie  weder  schmeckten 
noch  kauten,  100—120  Gr.  aus  dem  Munde  zu  entleeren.  Wenn  während  der  ganzen 
Zeit  des  Wachens  (17  Stunden)  ihre  Speichelabsonderung  mit  derselben  Geschwindig- 
keit vor  sich  geht,  so  würden  sie  täglich  mindestens  1700  bis  2000  Gr.  Speichel  ab- 
gesondert haben.  In  welchem  Maasse  die  Bewegungen  der  Kiefer-,  Zungen-  und 
Lippenmuskeln  erhöhend  auf  die  Absonderung  wirkten,  wie  sich  die  Absonderung  wäh- 
rend des  Essens  steigert,  ist  nicht  zu  ermitteln. 

4.  Speichelbereitung.  Die  organischen  Bestandteile  und  ins- 
besondere das  Mncin  des  Speichels  sind  nicht  im  Blute  vorgebildet, 
man  muss  sie  darum  als  eine  Neubildung  im  Innern  des  Driisen- 
raums  ansehen.  Da  man  nun  das  Mucin  in  den  Epithelialzellcn 
der  Drüsenbläschen  aufgefunden  hat,  so  ist  Donders*)  geneigt 
anznnehmen,  dass  sich  das  Mucin  durch  Auflösung  der  Zellenwan- 
dung in  dem  alkalisch  reagirenden  Speichel  bilde;  er  stützt  seine 


•)  I.  c.  p.  Kl. 


Digitized  by  Google 


346 


Spei^helbereitung. 


Meinung  durch  eine  Beobachtung  von  Frerichs,  wonach  verdünnte 
alkalische  Lösungen  imstande  sind,  die  Epithel ien  zu  einer  schlei- 
migen Flüssigkeit  zu  lösen;  ferner  darauf,  dass  frischer  Speichel 
bei  37®  C.  in  24  Stunden  die  in  ihn  gebrachten  Epithelialzellen 
aus  den  Bläschen  der  Speicheldrüsen  vollständig  löse,  während 
mit  Essigsäure  neutralisirter  Speichel  sie  unberührt  lasse;  für  seine 
Ansicht  spricht  auch  die  Erfahrung  von  Staedeler*),  dass  bei 
der  Zersetzung  mit  SO3  kein  Körper  der  Eiweissgruppe  so  viel 
Tyrosin  liefert,  als  die  Epithelialzellen  und  der  gereinigte  Schleim- 
stoff. Hiergegen  wäre  das  Bedenken  zu  erheben,  dass  die 
Parotis  kein  Mucin  liefert,  obwohl  die  Wandung  ihrer  Epithelial- 
zellcn  und  die  aus  ihr  hervortretende  Salzlösung,  so  weit  wir  es 
wisswt,  nicht  abweicht  von  der  Mucin  liefernden  Submaxillaris.  — 
Die  alkalisch  reagirende  Salzlösung  des  Speichels  wird  offenbar 
direkt  aus  dem  Blute  bezogen.  Der  Uebertritt  derselben  aus  den 
Blutgefässen  in  die  Drüsenräume  wird  angeregt  durch  die  Nerven, 
und  zwar  muss  man  annehmen,  dass  sie  eine  Veränderung  der 
Drüsensflbstanz  bewirken,  welche  einen  Flüssigkeitsstrom  aus  dem 
Blute  in  den  Drüsenanfaug  zu  bewerkstelligen  vermag.  Diese  Be- 
hauptung gründet  sich  darauf,  dass  bei  anhaltender  Nervenerregung 
aus  den  Ansführungsgängen  in  ununterbrochenem  Strom  ein  die 
Drüse  weit  übertreffendes  Volum  von  Speichel  ausfliesst  (E.  Becher, 
C.  Ludwig),  also  kann  der  etwa  in  der  Drüse  enthaltene  Saft 
nicht  ausgedrückt  worden  sein.  Und  ferner  ist  auch  der  Druck, 
unter  dem  die  Flüssigkeit  in  die  Drüse  geliefert  wird,  oft  sehr  viel 
höher  als  derjenige , welcher  zur  Zeit  in  der  a.  carotis  besteht,  und 
noch  mehr,  es  kann  selbst,  die  Erregbarkeit  der  Nerven  voraus- 
gesetzt, Speichel  abgesondert  werden  aus  der  Parotis  eines  ab- 
geschnittenen Kaninchenkopfes,  also  wenn  der  Blutstrom 
vollkommen  still  steht  (C.  Ludwig).  Daraus  geht  hervor,  dass 
der  Blutdruck  nicht  die  Ursache  der  Flüssigkeitsströmung  in  die 
Drüsenanfänge  sein  kann.  Zu  diesem  Vorgang  steht  vielleicht  in 
näherer  Beziehung  die  chemische  Umsetzung,  welche  in  der  Drüse 
zugleich  mit  der  Speichelabsonderung  anftritt,  eine  Umsetzung,  die 
sich  durch  die  gesteigerte  Wärmebildung  als  eine  Oxydation  an- 
ktindigt.  Diese  letztere  wird  wahrscheinlich  begünstigt  durch  die 
Beschleunigung  des  Blutstroms,  welche  ebenfalls  zugleich  mit  der 
Speichelabsonderung  eingeleitet  wird.  Sie  versorgt  die  Drüse 


•)  Chemische«  CentralblaU.  106V.  p.  710. 


Spcichelbereitnog ; Ausstossung  des  Speichels. 


347 


stets  mit  so  viel  arteriellem  Blut,  dass  trotz  des  gesteigerten 
Sauerstoffverbrauchs  das  Blut  noch  hellroth  aus  der  Vene  fliesst- 
Beides , der  vermehrte  Sauerstoffverbrauch  und  die  arterielle  Farbe, 
also  ein  vermehrter  Sauerstoffgehalt  des  Venenblutes,  ist  möglich, 
wenn  während  der  Absonderungszeit  die  Geschwindigkeit  des  Blut- 
stroms rascher  zunimmt  als  der  Sauerstoffverbrauch. 

Nehmen  wir,  um  den  letztem  Satz  zu  erläutern,  an,  es  ströme  zu  allen  Zeiten 
in  die  Drüse  ein  Blut  mit  15  pCt.  Sauerstoff.  Nehmen  wir  nun  den  von  Bernard 
beobachteten  Fall  als  Paradigma  an , wonach  wahrend  der  Drüsenruhe  aus  der  Drilaen- 
vene  5C.  C.f  während  der  Speichelabsonderung  aber  20  C,C.  Blut  ausflossen.  ' Nehmen 
wir  weiter  an,  das  langsam  strömende  Blut  komme  mit  0,0  pCt.  0 in  die  Vene, 
während  der  Absonderungszeit  aber  noch  mit  8 pCt.,  wobei  das  Blut  noch  arteriell 
aussieht.  Im  ersten  Fall  würden  dann,  in  der  Drüse  0,75  C. C.,  im  letzten  dagegen 
1,4  C.  C.  0 verbraucht  «ein.  Jedenfalls  würde  es  in  Anbetracht  der  gesteigerten -Winne 
»•wagt  sein , die  helle  Farbe  des  • Venenblutes  von  einem  verminderten  Sauerstoff- 
verbrauch abzuleiten. 

Dass  die  von  Bernard  beobachtete  Aenderung  des  Blutstroms 
nicht  wesentlich  filr  die  Speichelbildung  ist,  geht,  abgesehen  von 
allem  Uebrigen,  daraus  hervor,  dass  die  Reizung  des  Sympathieus 
wie  des  Lingualis  die  Speichelung  hervorrufen,  obwohl  die  eine 
den  Blutstrom  verlangsamt,  die  andere  ihn  belebt. 

Die  von  Czermak  beobachtete  Thatsache,  dass  gleichzeitige 
Reizung  des  r.  lingualis  und  n.  sympathieus  die  Absonderung  still 
stellt,  erklärt  man  durch  Interferenz  der  Nervenerregung,  oder  durch 
Stockung  des  Blutstroms  und  endlich  durch  Verstopfung  der  Speichel- 
gänge mittelst  des  zähen  Saftes  nach  der  Sympathieusreizung. 
Zwischen  diesen  Probabilitäten  kann  noch  nicht  entschieden  werden.  — • 
Ohne  jeglichen  Erklärungsversuch  sind  bis  dahin  die  behaupteten 
Thatsaehen  geblieben,  dass  Curarevergiftung  die  Speichelabson- 
derung beschleunigt  und  dass  sich  mit  der  Art  des  gereizten  .Nerven 
die  chemische  Zusammensetzung  des  Speichels  ändern  soll. 

5.  Die  Austreibung  des  Speichels  aus  den  Bläschen  und  Gängen 
wird  unzweifelhaft  besorgt  durch  die  Kräfte,  welche  ihn  in  erstere 
eintreiben;  denn  einmal  fehlt  den  Drüsenelementen  jede  selbst- 
ständige Beweglichkeit,  und  dann  genügt  der  Absonderungsdrnck 
der  Aufgabe  vollkommen,  da  er  unter  Umständen  einer  Säule  von 
mehr  als  200  M.M.  Hg-Druck  das  Gleichgewicht  hält. 

Nachdem  der  Speichel  in  die  Mundhöhle  getreten,  wird  er 
durch  Schlingbewegungen  in  den  Magen  niedergebracht,  wo  er 
grösstentheils  in  das  Blut  zurücktritt.  Wir  werden  ihn  bei  der 
Verdauungslehre  auf  diesem  Wege  wieder  aufsuchen. 


Digitized  by  Google 


348 


Ernährungserscheinungen  des  Drüsengewebes : Schleimdrüsen. 


6.  Die  Ernährungserscheinnngen  des  fertigen  Drüsengewebes 
bieten  die  Aehnlichkeit  mit  denen  der  Muskeln,  dass  dasselbe  bei 
einer  dauernden  Hemmung  der  Absonderung,  wie  sie  z.  B.  in  Folge 
der  Unterbindung  der  AusfUhrungsg'änge  anftritt,  nllmählig  zu  Grunde 
geht;  namentlfbh  wird  ihm  die  Fähigkeit  geraubt,  Speichel  zu 
liefern.  Etwas  weiteres  ist  nicht  bekannt. 

Schleimdrüsen. 

Zu  ihnen  zählt  man  die  Schleimdrüsen  der  Mundhöhle,  des 
Rachens,  der  Speiseröhre,  der  Gallengänge,  die  Brunn ’ sehen 
Drüsen;  die  Drüsen  der  Schneid  er’ sehen  Haut,  des  Kehlkopfes, 
der  Bronchien,  der  Harnblase,  der  Harnröhre  (Cowper’sche  und 
Littre’sche)  und  der  Scheide. 

1.  Diese  Gebilde  haben  in  der  Anordnung  ihrer  Höhlen  wed*r 
etwas  Gemeinsames,  noch  etwas  Charakteristisches.  — Eine  grössere 
Zahl  derselben  gehört  nämlich  zu  den  traubigen  Drüsen,  die  dann 
auch  in  allen  Stücken  den  Speicheldrüsen  gleichen;  ein  anderer 
Theil,  wie  die  der  Harnblase,  sind  einfache  Schlauchdrüsen,  und 
die  Litt  re’ sehen  endlich  nähern  sich  in  ihrer  Form,  durch  die 
Weite  und  den  gezogenen  Verlauf  der  Endbläschen  den  Samen- 
drüsen an.  — Die  Struktur  der  Wandungen  ist  dagegen  bei  allen 
diesen  Drüsen  diejenige,  welche  den  Speicheldrüsen  zukommt. 
Diesen  Mangel  an  anatomischer  Charakteristik  ersetzte  bis  vor 
Kurzem  scheinbar  ein  gemeinsames  physiologisches  Merkmal,  die 
Absonderung  eines  eigentümlichen  Stoffes,  des  Schleims;  dieses 
ist  aber  ebenfalls  durch  genauere  Beobachtungen  aufgehoben.  Alle 
diese  Drüsen  sondern  allerdings  Schleimstoff  ab,  aber  diese  Eigen- 
schaft theilen  sie  mit  noch  andern , z.  B.  der  gl.  submaxillaris,  und 
sogar  mit  Flächen,  welche  gar  keine  Drüsen  enthalten,  wie  die 
Synovialhaut. 

2.  Schleimsaft*),  ln  den  Absonderungen  der  erwähnten 
Drüsen  hat  man  constant  gefunden:  Schleimstoff,  Extrakte,  sämmt- 
lichc  Salze  des  Bluts  und  Wasser,  zuweilen  auch  Eiweiss.  — Die 
quantitative  Zusammensetzung  der  einzelnen  Säfte  ist  aber  zu  wenig 
untersucht,  um  bestimmen  zu  können,  wie  sie  sich  zu  verschiedenen 
Zeiten  verhalten  und  ob  oder  wie  die  verschiedenen  Drüsensäfte 
von  einander  abweichen. 


*)  Uerzellus,  Chemie.  IX.  Bd.  634.  — L' h dr liier , 1.  e.  681  und  642.  — Scherer, 
Chemische  Untersuchungen,  p.  93.  — Tilanuit,  De  ssliva  «t  muco.  Amst.  1840.  p.  56.  — Leh- 
mann, Phyiiol.  Chemie.  II.  Bd.  8&4.  — Nasse,  Journal  f.  prakt.  Chemie.  XXIX.  M. 


Thränendrüsen. 


349 


Die  Schwierigkeiten,  die  sich  der  Untersuchung  entgegenstellen,  sind  ausser  den 
allgemeinen  noch  vorzugsweise  darin  zu  suchen , dass  es  theils  nicht  gelingt,  die  Säfte 
rein  zu  erhalten.  Der  Nasenschleim  mischt  sich  z.  B.  mit  den  Thränen , der  des 
Mundes  mit  dem  Speichel  u.  s.  w. ; theils  aber  wird  der  Schleim  in  zu  geringer  Menge 
abgesondert,  um  für  Analysen  hinzureichen,  so  namentlich  in  der  Scheide.  Wir  ver- 
zichten darum  auf  weitere  Angaben  und  verweisen  auf  die  Analysen  von  Berzelius, 
Nasse,  Scherer  und  L’h£ritier. 

Thränen  drüsen. 

1.  Anatomischer  Bau  *).  Zu  dieser  Drüsengattung  zählt  man 
die  Uber  der  äussem  Seite  des  bulbus  oculi  gelegenen  Drüsen, 
welche  das  obere  Augenlid  durchbohren  und  sich  auf  der  Con- 
jnnctiva  öffnen,  und  die  Krause’schen  Drüsen,  welche  unter  der 
Conjunctiva,  und  zwar  an  ihrer  Umbicgungsstellc  vom  Bulbus  auf 
die  Lider  liegen.  Sie  gleichen  in  ihrem  Bau  den  Speicheldrüsen 
vollkommen.  Ihre  Nerven  empfangen  sic  aus  dem  ersten  (nnd 
zweiten?)  Aste  des  Trigeminus  und  dem  n.  patheticus  (C  u ri d)  **). 

2.  Thränen***).  Siebestehen  aus  einem  eiweissartigen  Stoff, 
Schleim,  Spuren  von  Fett  (welches  aus  den  Epitüelien  der  Drüsenröhre 
stammt),  Na  CI  , phosphorsauren  Erden  und  Alkalien  nnd  aus  Wasser. 
Die  Reaktion  der  Flüssigkeit  ist  alkalisch.  Nach  Frerichs  ent- 
hielten Thränen,  welche  in  reichlicher  Menge  abgesondert  wurden, 
zwischen  0,8  und  0,9  feste  Bestandtheile  in  Lösung;  die  Aseben- 
prozente  variirten  zwischen  0,42  und  0,54,  welche  vorzugsweise  aus 
Na  CI  und  aus  sehr  geringen  Mengen  phosphorsauren  Alkalien  be- 
stehen (Vauquelin,  Fourcroy,  Frerichs).  Die  Erdphosphate 
waren  an  den  eiweissartigen  Stoff  gebunden.  In  100  Theilen  einer 
aus  der  Thränendrlise  von  Arltf)  aufgefangenen  Flüssigkeit  fand 
Lerch  98,2  Wasser;  1,3  NaCl;  0,02  NaOCOj,  CaOSOs  und 
3CaOPOj;  0,5  Albumin. 

3.  Die  AbÄmderungsgeschwindigkeit  der  Thränen  variirt  mit 

leidenschaftlichen  Erregungen  der  Seele  und  reflektorischen  Er- 
regungen, die  von  der  Oberfläche  der  Conjunctiva,  der  innern 
Nasenfläche  und  dem  Opticus  (?)  ausgehen.  Sie  ist  vermehrt  bei 
Anfällen  von  Trigeminusschmerz,  während  des  Absterbens  der 
Thiere  nach  Curarevergiftung  (CI.  Bernard)  oder  nach  dem 
Naekenstich;  letzteres  besonders  bei  Pferden.  * 


•)  W.  Krause,  Henle'i  und  I’feufer's  Zeitschrift.  N.  F.  IV.  Bd.  387. 

••>  Ürown-Hdqunrd,  Journ.  de  phys.  I.  806. 

*••)  Frerichs.  Wagner'«  Handwörterbuch  der  Physiologie.  III.  Bd.  1.  Abthl.  €17.  — Arlt, 
Archiv  ftir  Ophthalmologie.  I.  2.  137. 

t)  Archiv  ftir  Ophthalmologie.  I.  2.  138. 


Digitized  by  Google 


350 


Thruncndrüscn  ; Pankreas. 


Da  die  Drüse  analog  der  Speicheldrüse  gebaut  ist,  da  die 
Thränen  wesentlich  mit  dem  Farotisspeichel  übereinstimmen  und 
die  gesteigerte  Absonderung  unter  denselben  Bedingungen  wie  in 
der  Speicheldrüse  auftritt,  so  kann  man  nicht  anstehen,  unsere 
Drüsen  fUr  eine  Modifikation  der  Speicheldrüsen  zu  halten. 

4.  Die  aus  den  Ausführungsgängen  getretenen  Thränen  *) 
verbreiten  sich  Uber  die  Conjunctiva,  gelangen  in  den  sogen.  Tliräuen- 
see  und  von  da  durch  die  Thränenpunkte  in  den  Thränensack. 

lieber  die  Weise,  wie  sie  zu  den  letztem  kommen  nnd  von  ihnen  gehen,  ist 
Bd.  I.  p.  347  n&chzusehen.  Zu  dem  dort  Gemeldeten  ist  noch  nachzutragen  eine  sorg- 
same Arbeit  von  Henke,  welche  nachweist,  dass  das  ligain.  palpebralc  intern,  in  der 
Ruhelage  des  m.  orbicular.  palpebar.  der  Grube  des  Thränenbeins  ausfüllt  und  damit 
zugleich  die  Höhle  des  Thränensacks  zum  Verschwinden  bringt.  Diese  Lage  kann  dem 
Ligamentum  angewiesen  werden  durch  die  Elastizität  des  Bandes,  oder  durch  die  Zu- 
saramenziehung  des  Horner'  scheu  Muskels,  der  bekanntlich  von  dem  Kamm  des  Thränen- 
beins  entspringt  und  an  der  hinten)  Fläche  des  Sacks  theils  zum  lig.  p&lpeb.  intern.,  theils 
auf  die  hintere  und  vordero  Fläche  des  Tarsus  läuft,  so  dass  seine  Fasern  die  Thränen- 
rührchen  zwischen  sich  aufcichmcn.  Aufnahme  und  Ausstossung  der  Thränen  in  und 
aus  dem  Sack  stellt  man  sich  demgemäss  so  vor:  bei  der  Zusammenziehung  des 

m.  orbicularis,  wie  sie  beim  Lidschlag  erfolgt,  hebt  sich  das  innere  Augenlidbändchen 
aus  der  Thränengrube  nach  vorn  und  aussen  hervor,  und  damit  auch  die  vordere 
Fläche  des  Thränensacks,  die  mit  dem  Bändchen  verwachsen  ist.  Dadurch  Öffnet  sich 
die  Höhle  des  Sacks  und  saugt  die  Thränen  an  (llosor).  Dieser  Satz,  den  die  anato- 
mische Anordnung  verlangt,  wird  noch  bewiesen  durch  die  Erfahrung,  dass  der 
Tropfen , welcher  in  einer  Thrnnenfistel  steht , gegen  die  Höhle  des  Sacks  emporsteigt, 
wenn  das  Lid  geschlossen  wird  (Roser),  und  dass  bei  sonst  ganz  nomftden  Verhält- 
nissen Thränenträufeln  eintritt,  wenn  der  ro.  orbicularis  gelähmt  ist  (Arlt).  Die 
Thränen,  welcho  in  den  Sack  gelangt  sind,  werden  von  dort  wieder  weggeschaffL , so 
wie  sich  die  vordere  Wand  des  Sackes  der  hintern  nähert.  Dieses  soll  geschehen,  wie 
Henke  will,  durch  eine  Ztisamrocnzichung  des  Horn  er' sehen  Muskels,  die  jedesmal 
nach  Lösung  der  Verkürzung  des  ra.  orbicular.  palpebrar.  eintreten  «oll;  für  diese  An- 
nahme liegt  jedoch  kein  Beweis  vor;  ebenso,  wenn  nicht  wahrscheinlicher,  ist  es  an- 
zunehmen , dass  das  bei  der  Zusaiuraenziehung  des  Augenlid£hliessens  gespannte 
Bändchen  nach  dem  Nachlass  des  letztem  durch  seine  Elastizität  wieder  in  die  Höhle 
zurückschnappt  und  die  Thränen  in  die  Nase  schiebt.  Dort  verdunsten  sie  in  der 
Luft,  welche  bei  der  Einathmung  durch  die  Nase  strömt.  * 

Ein  Eindringen  von  Nasenschleim  in  den  Thränencanal  wird 
verhütet  dureb  eine  Klappe , die  sich  an  der  Mündung  des  letzteren 
in  der  Nase  vorfindet. 

Bauchspeicheldrüse. 

1.  Der  anatomische  Bau  des  Pankreas  gleicht  ira  Wesentlichen 
dem  der  Kopfspeicheldrüsen ; unterschieden  ist  er  dadurch,  dass  die 

■)  Henke  ln  G ra cf «’»  Archiv  fUr  Opbthalmologio.  IV.  Dü.  Abth.  II.  — llenle.  Mnskel- 
lebre.  140.  — Maier,  l'ebcr  den  Bau  der  Thränenorgan?.  IBM).  — Arlt,  Archiv  fUr  Ophthal- 
mologie. I.  3.  136. 


Digitized  by  Google 


Chemische  Zusammensetzung  des  Pankreas;  Bauchspeichel. 


351 


beiden  Ausftlhrungsgänge  der  Drüsen  vor  ihrer  Ausmttndung  com- 
muniziren  (Vernenil).  — Die  Nerven  erhält  es  aus  den  plex. 
coeliacus,  hepaticus,  lienalis,  meseuteric.  «uperior.  ( Verneuil)*). 

2.  Chemische  Zusammensetzung  der  Drüse**).  Aus  dem'  was-  _ 
serigen  Auszug  derselben  wird  gewonnen:  Tyrosin,  Leucin  (Fre- 
richs,  Staedeler,  Virchow),  ein  Homologon  des  Leucins 
(C10H11  NO. , Gorup),  Guanin  (Cio  Hi  Nr,  Oa , Scherer),  flüchtige 
fette  Säuren  und  Milchsäure  (Gorup). 

ln  dem  während  eines  bis  zu  mehren  Tagen  sioh  selbst  Überlassenen  Auszug  kommt 
ein  Körper  vor,  der  ausser  andern  Reaktionen  sich  mit  Chlorwasser  oder  salpetriger 
Säure  roth  färbt  Einen  Stoff  mit  ganz  denselben  Eigenschaften  stellte  Bödeker 
aus  Eiter  und  Exaudatflüssigkeiten  dar;  er  erklärt  diesen  Körper,  den  er  seiner  sauren 
Eigenschaften  wegen  Chlorrhodinsäure  nennt,  für  identisch  mit  dem  des  Pankreas  und 
seines  Saftes. 

3.  B a u c h s p e i c h e 1 ***).  Seiner  chemischen  Zusammensetzung 
nach  besteht  er  aus  einem  besondere  eiweissartigen  Fermentkörper, 
der  gekochtes  Amylon  in  Dextrin  umwandelt  und  aus  Butyrin 
Buttersäure  darstellt,  einem  bntterartigen  Fett,  Leucin,  Chlor, 
Schwefelsäure,  Phosphorsäure,  Kohlensäure,  Kali,  Natron",  Kalk, 
Eisenoxyd  und  Wasser.  — Er  stellt  eine  klare,  klebrige,  alkalisch 
reagirende,  mit  Säuren  brausende  Flüssigkeit  dar.  — Die  quan- 
titative Zusammensetzung  des  Bauchspeichels  ist,  so  weit  wir  wissen, 
bi«  zu  einem  gewissen  Punkte  veränderlich  mit  der  Absondcrungs- 
geschwindigkcit;  die  Veränderungen  betreffen  vorzugsweise  das 
Verhältniss  zwischen  dem  Wasser  und  den  organischen  Stoffen. 
Der  prozentische  Gehalt  an  Wasser  nimmt  innerhalb  gewisser 
Grenzen  mit  der  Absonderungsgeschwindigkeit  zu,  jenseits  derselben 
hält  er  sich  aber  unverändert,  wie  auch  die  Saftmenge  anwachsen 
mag.  So  fiel  beim  Hunde  der  prozentische  Wassergehalt  von  98 
auf  94,  als  die  in  der  Minute  abgesonderte  Saftmenge  von  0,5  Gr. 
bis  zu  0,05  Gr.  abnahin;  und  es  hielt  sich  dagegen  der  Wasser- 
gehalt unverändert  auf  98,  als  das  Gewicht  des  in  der  Minute  ab- 


•)  Gazette  nildicaic.  1851.  No.  26  and  26. 

Fr  er  Ich*  und  Staedeler,  Züricher  Verhandlungen.  IV.  Bd.  1855.—  Virchow,  deasen 
Archiv.  VII.  Bd.  — Gorup,  Chcm.  Central  Blatt.  1856.  386.—  Schorcr,  VI  rc  how’s  Archiv. 
1859.  — 01.  Bornurd,  Lebens  de  Physiologie.  II.  Bd.  1856.  p.  245  sqq.  und  362.  — BUdeker, 
Henle’a  und  Pfeufer'a  Zeitschrift.  N.  F.  VI.  Bd.  198.  , 

•••)Bldder  und  Schmidt,  die  VerdauungMäfte , Ml  tau  1852.  240.  — Fr  er  Ich«,  Artikel 
Verdauuug  ln  Wagner**  Handwörterbuch.  III.  a.  842.  — Her  zell  us,  Handbuch  der  Chemie. 
IX.  Bd.  — Weinmann,  Henle**  und  Pfeufor's  Zeitschrift.  N F.  m.  Bd.  247.  — C.  Schmidt, 
Lleblg's  Annalen,  92.  Bd.  33.  — Kröger,  de  socco  pancreatlco.  Dorpat.  1854.  — Kölilker 
und  Müller,  zweiter  Bericht  Uber  die  physiologische  Anstalt.  WUrzburg.  1856.  — Hoppe« 
Virchow’*  Archiv.  XI.  Bd.  96.  — CI.  Ilern ard,  Memoire  *ur  lc  paucreaj  et  aur  le  role  du 
•ucpancr&tiqae  etc.  Tarl*.  1856. 


■ Diqitized  by  Google 


352 


Pankreas;  Bauchspeichel. 


gesonderten  Saftes  von  0,5  auf  2,2  Gr.  wuchs  (Weinmann).  — 
Aehnlich  den  beim  Kopfspeichel  beobachteten  Verhältnissen  kommt 
auch  hier  die  Veränderlichkeit  des  Rückstandes  vorzugsweise  auf 
Rechnung  der  organischen  Bestandtheile.  Denn  in  den  von  G m e 1 i n , 
Frerichs  und  Schmidt  veröffentlichten  Analysen  des  Saftes  vom 
Hund,  Schaaf  und  Esel  wechselte  der  Gehalt  an  organischen  Rück- 
standsprozenten von  9,0  bis  zu  1,3,  und  derjenige  der  Salzmasse 
nur  zwischen  1,0  bis  0,7.  — Die  Zusammensetzung  gestaltet  sich 
in  den  Grenzfällen  nach  Schmidt  (beim  Hunde  I.  und  H.)  und 
nach  Fr  er  ich  8 (heim  Esel  HI.)  folgendcrmaassen : 


I. 

U. 

HI. 

Wasser  . . = 

90,08 

98,04 

Wasser — 98,64 

Organ.  Stoffe = 

9,04 

1,27 

Organ.  Stoffe.  . = 0,05 

Mit  1 Natron  . . . = 

0,06 

0,33 

Lösliche  Salze  . = 0,89 

d.  Ferment  \ CaO  . . . . = 

0,03 

— 

Unlösliche  Salze  = 0,12 

verbunden.  ( MgO  — 

— 

0,01 

NaCl  . . . = 

0,74 

0,21 

KaO  . . . . = 

Spuren 

0,07 

3 CaO  PO;,  . = 

0,01 

0,04 

3MgOPOs  . = 

Spuren 

0,01 

3NaOPO.>  . = 

Spuren 

— 

Aus  dem  stark  erweiterten  Gang  der  Pankreas  einer  stark  ikteriechen  Person 
sammelte  F.  Hoppe  5,6  Gr.  Saft,  der  in  100  Theilen  *2,0  pCt.  festen  Rückstand  und 
darunter  0,12  pCt.  Harnstoff  enthielt.  Hoppe  wirft  die  Frage  auf,  ob  der  letztere 
nicht  beständig  im  Pankrcassaft  vorkomme. 

4.  Die  Absonderungsgeschwindigkeit  des  Banchspeichels  ist 
a)  von  der  Nahrung  abhängig,  jedoch  nicht  in  dem  Grade,  dass 
sie  bei  vollkommener  Entziehung  derselben  ifull  würde.  Wein- 
mann beobachtete,  dass  ein  Hund  in  der  ersten  Stunde  nach  einer 
reichlichen  Nahrung  = 97,8  Gr.  Pankreassaft,  nach  45stUndigem 
Hungern  aber  in  derselben  Zeit  nur  0,48  Gr.  lieferte.  Kroeger 
fand  die  Saftmenge  des  Hundes  für  je  eine  Stunde  in  der  ersten 
Stunde  nach  der  Nahrung  = 24,9  Gr.;  in  der  2ten  = 17,58;  in 
der  3ten  bis  öten  — 14,6;  in  der  7ten  bis  9ten  = 11,43;  in  der 
lOten  bis  14ten  = 10,7;  in  der  19ten  bis  24sten  = 6,66.  — Die 
Beschleunigung  der  Absonderung  macht  sich  so  rasch  geltend,  dass 
lji  bis  */i  Stunde  nach  dem  Genuss  von  fester  Nahrung  und  einige 
Minuten  nach  dem  Genuss  von  Wasser  (Weinmann)  schon  das 
Maximum  der  Geschwindigkeit  erreicht  ist;  der  absolute  Werth  der 
erzeugten  Geschwindigkeitscrhöhung  scheint  der  Menge  der  genossenen 


Digitized  by  Google 


Pankreas;  Absonderungsgeschwindigkeit  des  Saftes. 


353 


Nahrang  proportional  zu  gehen  nnd  ist  nach  dem  Fressen  bedeutender, 
als  nach  dem  Saufen,  ln  Folge  dieser  Erfahrungen  statnirten  ßidder 
und  Schmidt  die  Beziehungen  zwischen  der  Absonderung  des 
.alkalischen  Bauchspeichels  und  des  sauren  Magensaftes,  dass  mit 
der  steigenden  Bildung  des  letzteren  auch  die  des  ersteren  zu- 
nehme. — b)  Während  der  Brechbewegnng  stockt  die  Abson- 
derung des  Bauchspeichels  (Weinmann,  CI.  Bernard).  — c)  Die 
Absonderungsgeschwindigkeit  wird  weiterhin  bestimmt  durch  ge- 
wisse, nicht  näher  gekannte  Zustände  der  die  Bauchspeicheldrüse 
umgebenden  Organe,  wie  sie  insbesondere  erzeugt  werden  durch 
Eröffnung  der  Unterleibshöhle;  nach  einer  solchen  Operation  stockt 
die  Absonderung  fast  vollständig. 

Zur  Gewinnung  de»  Saftes  legt  man  entweder  temporäre  (Tie  de  mann,  Leuret 
und  Lassaigne,  Prcrichs  u.  s.  w.)  oder  dauernde  (0.  Ludwig)  Fisteln  des 
Wir8U ng 'sehen  Ganges  an.  Unmittelbar  nach  der  Operation  erhält  man  nur  bei 
Grasfressern  reichliche  Saftmengen.  Bei  Hunden  fliesst  in  den  ersten  Tagen  nach  der- 
selben nur  sehr  wenig  eines  an  organischen  Bestand thcilen  sehr  reichen  Saftes  aus,  und 
erst  später  wird  der  Ausfluss  reichlicher.  Darum  eignen  sich  temporäre  Fisteln  gor 
nicht  zur  Untersuchung  der  Absonderungserscheinungen.  Das  Umgekehrte  behaupten 
Bernard  und  Longct,  indem  sie  dauernde  Fisteln  für  ungeeignet  halten;  sie  nehmen 
nämlich  an,  dass  der  Saft,  welcher  einige  Tage  nach  der  Operation  ausflicsst,  von 
einer  kranken  Drilse  abgesondert  werde.  Hierfür  liegen  jedoch  keine  Beweise  vor, 
wohl  aber  für  das  Gegenthcil  ihror  Meinung.  Von  vorne  herein  ist  es  schon  viel 
wahrscheinlicher,  dass  die  Unterleibsorgane  des  Hundes  unmittelbar  nach  der  Operation 
gestört  sind,  und  dafür  bürgt  auch  die  zn  jener  Zeit  ganz  erloschene  Fresslust.  Dafür, 
dass  dor  später  abgesonderte  Saft  aus  einer  gesunden  Drüse  komme  und  normal  sei, 
sprechen  zunächst  die  Beobachtungen  von  0.  Schmidt,  denen  gemäss  der  aus  per- 
manenten Fisteln  fliessende  Saft  seiner  qualitativen  Zusammensetzung  nach  als  ein. nor- 
maler Bauchtjpeichel  angesehen  werden  muss,  denn  er  emulsionirt  und  zerlegt  neutrale 
Fette  und  verdaut  Amylon , wie  ich  bestätigen  kann.  Das  Bedenken  der  französischen 
Physiologen  wird  ferner  widerlegt  durch  die  Beobachtung  (Weinmann),  dass  der- 
selbe Hund  je  nach  dem  Füllungszustande  seines  Magens  bald  mehr,  und  zwar  verdünnten, 
bald  weniger,  und  zwar  conzcntrirtcn  Saft  absondert.  Zudem  findet  sich  bei  der  Sektion 
solcher  Hunde,  die  dauernde  Fisteln  getragen,  auch  nicht  eine  Spur  von  anatomischer 
Abweichung  im  Pankreas,  und  ebenso  beseitigt  die  Fresslust  und  die  normale  Koth- 
bildung,  welche  Hunde  mit  Pankreastistein  darhieten,  dio  Annahme,  dass  eine  Krank- 
heit der  Yerdauungsorgane  bestehe.  Auch  ist  die  Menge  des  Abgesonderten  in  gar 
keinem  Missverhältnis»  zum  Umfang  der  Drüse. 

fein  absoluter  Werth  für  die  Geschwindigkeit  der  Absonderung  (Quotient  aus  dem 
Gewicht  des  Pankreas  und.  des  in  der  Zeiteinheit  abgesonderten  Bauchspeiehels) 
kann  nicht  gegeben  werden.  Statt  dessen  substituirt  man  etwas  willkürlich  den 
Quotient  aus  dem  Gewicht  des  ganzen  Thiores  in  das  Gewicht  des  in  der  Zeiteinheit 
gelieferten  Saftes.  Nimmt  man  nach  Schmidt  unter  Anwendung  dieser  Berechnungs- 
weise das  Mittel  aus  säramtlichcn  zu  verschiedencu  Zeiten  und  bei  verschiedenen 
Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  23 


Digitized  by  Google 


354 


Pankreas ; Bereitung  des  Bauchspeichels. 


FÜtterung6arten  allgestellten  Beobachtungen  eines  und  desselben  Thieres,  so  erhält  man 
für  die  drei  Hunde , deren  Saft  er  aus  permanenten  Fisteln  auffing : 


Nr.  des 
Versuchs. 

Körper- 

gewicht. 

Mittlere 

pCL-Gthalt  des  Saftes 

2 Kilogr.  Thier  liefert  stündlich 

Saflmenge 
in  der 
Stunde. 

an  festen 
Stoffen. 

an  organ. 
Stoffen. 

San. 

HBcluW.  gujfe 

vnoRfram. 

Stoffe. 

1.  Hund. 

8 Kilogr. 

40,24 

2,16 

~ 

5,03  Gr. 

0,10«  , 0,063 

0,043 

2. 

18  „ 

55,98 

1,99 

i,n 

3,11  ,. 

0,061  ! 0,035 

0,026 

3.  „ 

20  „ 

07,74 

2,45 

1,58 

2,99  „ 

0,730  1 0,047 

0,063 

Aua  dieser  Zusammenstellung  geht  hervor,  dass  ein  Thier  von  geringem  Körper- 
gewicht verhältnissmässig  mehr  Wasser  durch  das  Pankreas  ausgiebt,  als  ein  solches 
von  gTÖssern , und  dass  diese  Beziehung  zwischen  den  festen  Bcstandtheilen  nicht  be- 
steht. — Unter  diesen  Umständen  möchte  es  gewagt  sein,  dio  Beobachtungen  am  Thier 
auf  den  Menschen  zu  übertragen.  (Siehe  auch  Müller  und  K Öllik  er  1.  e.) 

5.  Die  Bereitung  des  Bauchspeichels.  Der  fermentartige  Körper 
durfte  in  den  Zellen  des  Epitheliums  entstehen;  wenigstens  ist  er 
durch  mikrochemische  Reaktion  in  diesem,  bis  dahin  aber  noch 
nicht  im  arteriellen  Blut  nachgewiesen.  Zu  den  vielfachen  Ärm- 
lichkeiten zwischen  der  Absonderung  des  Kopf-  und  Bauchspeichels, 
welche  schon  erwähnt  sind,  kommt  noch  die  fernere,  dass 
in  den  Zeiten,  in  welchen  die  Ausscheidung  des  pankreatisehen 
Saftes  lebhaft  ist,  die  Drüse  von  den  erweiterten  Capillaren  rüthlich 
gefärbt  ist,  während  zur  Zeit  der  Absonderungsruhe  die  Färbung 
eine  blasse  ist.  Aber  auch  hier  führt  die  Gcfässerweiterung  nicht 
noth wendig  zur  Saftbildung;  denn  wreiin  man  die  Drüse  eines 
Thieres,  das  in  der  Magenverdauung  begriffen  ist,  blosslcgt,  so 
findet  man  sie  wohl  roth,  aber  es  fliessen  kaum  einige  Tropfen 
von  Saft  aus  ihrem  Gange. 

Alle  diese  L'ebereinstimmungen  machen  es  wahrscheinlich,  dass 
die  Absonderung  im  Pankreas  auf  ähnliche  Weise  wie  in  der  Kopf- 
speieheldrüse  geschieht,  und  dass  sich  namentlich  die  Schleimhaut 
des  Magens , resp.  die  seines  Pfortnertheils,  ähnlich  zum  Pankreas 
verhält,  wie  die  der  Mundhöhle  zu  den  Kopfspeicheldrüsen.  Einen 
Grund  gegen  diese  Annahme  könnte  man  schwerlich  daraus  nehmen 
wollen,  dass  es  bisher  noch  nicht  »gelang , die  Absonderangsnerven 
des  Pankres  aufzutinden.  Denn  es  setzen  sich  der  Lösung  dieser 
Aufgabe  darum  besondere  Schwierigkeiten  entgegen,  weil  nach 
Eröffnung  der  Bauchhöhle  die  Absonderung  aus  noch  unbekannten 
Gründen  überhaupt  stockt  Ucbrigens  ist  Grund  zur  Vermuthung 
vorhanden,  dass  die  Reizung  des  u.  vagus  hierbei  eine  Rolle  spielt; 
denn  wenn  man  an  einem  Thier,  das  eine  pankreatische  Fistel 


Digitized  by  Google 


Ausstoßung  des  Bauchspeiehcls ; Ernährung  der  Drüsen  ; Magendrüsen.  355 


trägt,  den  centralen  Stumpf  des  durchschnittenen  n.  vagns  durch 
Induktionsschläge  reizt,  so  stockt  sogleich  der  Ausfluss  des  Saftes. 

6.  Ausstossung  des  Bnuchspeichels.  Den  Gängen  fehlen  Muskeln, 
also  muss  die  Austreibung  des  Saftes  durch  die  Kräfte  geschehen, 
welche  ihn  in  die  Drüsen  führen,  welche  oft  stark  genug  sind , um 
ihn  in  einem  Strahl  austreten  zu  lassen.  In  dem  Duodenum  mengt 
er  sich  mit  dem  sauren  Magensaft,  wird  neutralisirt  und  wirkt  ver- 
ändernd auf  die  Speisen.  Da  dem  Koth  der  Fermentkürper  fehlt, 
so  muss  dieser  in  das  Blut  zurtickkehren,  zugleich  mit  den  reich- 
lichen Wassermengen,  welche  er  mit  führt;  indem  sich  das  Ferment 
dem  Blut  der  Pfortader  beimengt,  soll  es  in  der  Leber  verändernd 
auf  die  Amyloide  derselben  wirken ; diese  Anschauung  ist  noch  hypo- 
thetisch. Die  Bedeutung,  welche  er  für  die  Verdauung  gewinnt, 
ist  später  zu  behandeln. 

7.  lieber  die  Ernährung  der  Drüsen  ist  ausser  der  Formfolge 
bei  der  ernten  Entwickelung  wenig  bekannt.  Die  unterbundenen 
und  durchschnittenen  Drüsengänge  stellen  sich  leicht  wieder  her. 

Magendrüsen. 

Ln  die  Magenwände  sind  zwei  Drüsenarten  eingebettet,  die 
sich  durch  ihre  Form  wenig,  durch  ihre  absondernden  Kräfte  aber 
bedeutend  unterscheiden  (Wassmann). 

A.  Labdrüsen. 

1.  Anatomischer  Bau  *).  Die  Labdrüsen  erstrecken  sich  von 
der  Cardia  bis  zum  Pförtner.  In  dieser  Ausdehnung  ist  die  Schleim- 
haut des  Magens  ausgehöhlt  von  so  dichtgedrängten  Drüsen- 
schläuchen, dass  von  der  Substanz  nur  äussert  wenig  übrig  bleibt. 
Die  Lichtung  dieser  Drüsen  ist  nahe  an  der  innern  Magenoberfläehe 
cylindrisch;  gegen  die  Bindegewebshaut  des  Magens  hin,  wo  die 
Höhle  blind  endigt,  ist  sie  seitlich  mit  rundlichen  Ausbuchtungen 
versehen  (Sprott  Bo  yd,  Henle).  Meist  sind  die  Höhlen  vom 
Grund  bis  zur  Mündung  hin  einfach,  und  nur  zuweilen , namentlich 
in  der  unmittelbaren  Nähe  der  Cardia,  münden  mehrere  solcher 
DrUsenschläuche  durch  eine  Oeffnung  in  den  Magen  aus  (Bischof f, 
K öllik er).  — Die  Wand  ist  durchweg  durch  eine  strukturlose 
Haut  dargestellt,  deren  innere  Fläche  nahe  an  der  Drüsenmündung 

•)  Henle,  In  »einer  und  rfenfer'*  Zeitschrift.  N.  F.  II.  Bd.  299.  — E.  Brücke,  Berichte 
der  Wiener  Akademie.  1KJ1.  — II.  Frey,  Henlc'a  und  I’fcufer's  Zeitschrift.  IX.  Bd,  816.  — 
Kölliker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  2.  Aud.  420.  — Dun  der»,  Ondcrxoekingcn  iu  het  phys. 
Labofator.  to  Clrecht.  1862 — 53.  p.  70. 

23* 

• 


Digitized  by  Google 


356 


Labdrüsen ; Labsaft. 


vou  einem  Cylmdcrcpitbelium  und  von  da  ab  bis  zum  blinden  Ende 
mit  einer  kugeligen  Zellenformation,  den  Labzellen,  bedeckt  ist. 
Der  Binnenraum  dieser  letztem  ist  ausgefüllt  durch  einen  Kern  und 
und  eine  trübe  Flüssigkeit,  ln  dem  Grunde  der  DrUsen  findet  sich 
statt  der  Labzellen  Öfter  auch  nur  eine  körnige  Masse  mit  ein- 
gestreuten kleinen  Zellen,  welche  dem  Ansehen  nach  den  Kernen 
der  Labzcllen  vollkommen  gleichen  ( Sprott  Boyd,  Frerichs).  — 
Um  die  DrUsen  ist  in  der  Schleim-  und  Zellhaut  des  Magens  ein 
langer,  glatter  Muskel  geschlagen;  er  besteht  aus  einem  Geflecht 
von  Huskelzcllcn , welche  theils  nach  der  Längen-  und  theils  nach 
der  Querrichtung  der  Drtlsenschläuche  verlaufen  uud,  unmittelbar 
an  die  strukturlose  Haut  derselben  sich  anschliessend,  sie  bis  in 
die  Schleimhaut  hinein  verfolgen  ( E.  Brücke).  — Die  Blutgefässe 
beziehen  ihr  Blut  aus  den  Arterien,  welche  in  die  Zellhaut  des 
Magens  eindringen;  aus  dieser  treten  feine  Aestchen  empor  mit  der 
allgemeinen  Richtung  gegen  die  Magenoberfläche.  Indem  sie  sich 
an  die  DrUsen  anschmiegen,  zerfallen  sie  in  feine  Capillaren,  welche, 
netzförmig  sich  verbindend,  die  Drlisensehläuche  umspinnen.  Diese 
Netze  schicken  darauf  stärkere  Zweige  gegen  die  Sckleimhautober- 
flilehe,  wo  sich  dieselben  von  neuem  zu  grössern  Maschen  anordnen, 
aus  denen  endlich  die  Venen  hervorgeben  (H.  Frey). 

2.  Labsaft*).  Obwohl  die  Gewinnung  des  reinen  Labsaftes  in 
grösserem  Maasstab  bis  dahin  nicht  gelungen  ist,  so  hat  man  doch 
vermocht,  einige  chemische  Eigenthümlichkciten  desselben  nach- 
zuweisen. 

Den  Labsaft,  resp.  einzelne  seiner  Bestandteile  gewinnt  man  auf  zwei  ver- 
schiedene Weisen.  1)  Man  schneidet  die  Stellen  der  Magenschleimhaut,  in  welche 
die  Labdrüsen  eingebettet  sind , aus , spült  sie  mit  Wasser  und  presst  dann  ent- 
weder die  Flüssigkeit  ab,  oder  man  zieht  die  Stücke  mit  Wasser  aus;  oder  man 
knetet  unter  Wasser  die  letztem  zwischen  Leinwand,  durch  die  Maschen  gehen  die 
Labzellen  hindurch;  diese  setzen  sich  im  "Wasser  zn  Boden  und  können  dann  weiter 
behandelt  werden.  Auf  diesen  Wegen  erhalt  man  vorzugsweise  das  Pepsin  (Sch  wann, 
Brücke).  — 2)  Man  legte  bei  Thicrcn  Magcnfisteln  an  (Blondlot)  oder  benutzte 
die  seltenen  Fälle,  in  denen  bei  Menschen  Magenfisteln  Vorkommen  (Beaumont, 
Smith,  Schmidt).  Da  nun  aber  in  dem  Magen  enthalten  sind  : Speisereste,  Speichel, 
Schleim  aus  den  DrUsen  des  Oesophagus  und  des  Magens  selbst , so  gewinnt  man  auch 

•)  Bcrzcliue,  Lehrbuch  der  Chemie.  IX.  Bd.  1&40.  205.  — Frerichs,  Artikel  Verdauung 
In  Wagner'»  Handwörterbuch.  III.  Itd.—  Lehmann,  Physiol.  Chemie.  II.  11*1.  p.  80.  — Bi  d der 
und  Schmidt,  Vcrdaunngssäftc.  p,  20.  — Schmidt,  Liebig’s  Annalen  92.  lld.  42.  — . 
UrUnewnldt,  Hucci  gastrici  humnni  Indole».  Dorp.  1853.  p.  42.  — Schröder,  Socci  gastrici 
huinani  via  digestiv».  Dorp.  1863.  p.  84.  — F.  Smith,  Journal  de  Physiologie  par  Brown- 
Srfqnard.  I.  144» — E.  Br  ticke,  Wiener  akadem.  Sitzungsberichte.  27.  Bd.  131.—  Bnsch, 
Virchow'*  Archiv.  XIV.  Bd. 


Digitized  by  Google 


Labsaft. 


357 


auf  diesem  Wege  den  Labsaft  nicht  rein.  Um  ihm  aber  wenigstens  das  IJehergewicht 
über  die  andern  Gemengtheile  zu  verschaffen , hat  man  den  Inhalt  des  Magens  bei 
hungernden  Thieren  aufgefangen,  nachdem  mau  vorgängig  von  der  FistelofTnung  aus 
den  Magen  mit  Wasser  ausgespült  hatte.  Dadurch  sicherte  man  sich  vor  allzugrob- 
li eben  Verunreinigungen  mit  Speisen  (Bidder  und  Schmidt,  Heintz). — Um  den 
SpeichcL  ganz  oder  theil weise  zu  eliminiren,  legte  Bardeleben  neben  der  Magen- 
fistel auch  noch  eine  Speiseröhrenfistel  an,  durch  welche  der  verschlungene  Speichel 
nach  aussen  abfloss , oder  es  wurden  die  Ausführungsgänge  der  wesentlichen  Speichel- 
drüsen unterbunden  (Bidder  und  Schmidt).  — Eine  Ausschliessung  des  .Magen- 
und  Speiseröhrenschleims  aus  dem  Labsaft  ist  also  noch  nicht  versucht  worden,  ln 
keinem  Fall  genügt  daher  die  gewonnene  Saftart,  um  alle  Eigenschaften  der  Labflüssig- 
keit festzustellen,  aber  sie  reicht  hin,  um  diejenigen  derselben  aufzudecken,  welche 
ihm  vor  dem  Schleim  und  Speichel  zukommen , und  zwar  so  weit , als  uns  die  Zu- 
sammensetzung dieser  letztem  bekannt  ist. 

Dem  Labsaft  kommen  als  eigentümliche  Stoffe  zn:  ein  beson- 
derer Körper,  das  Pepsin,  welches  in  Ermangelung  anderer  Kenn- 
zeichen dadurch  charakterisirt  wird,  dass  es  unter  Betheiligung  ver- 
dünnter Säuren  feste  Eiweisskörper  sehr  rasch  löst  (Eberle, 
Schwann);  der  Labsaft  enthält  ferner  Salmiak,  Chlorcalcium  und 
freie  Säuren,  namentlich  Salz-,  Milch-  und  Buttersäure;  Salzsäure 
ist  entweder  allein  oder  mit  wenig  Milchsäure  vermischt  gefunden 
worden  in  dem  Saft,  der  ans  dem  Beit  vielen  Stunden  nUehtemen 
Magen  genommen  wurde  (Gmelin,  Prout,  Schmidt).  War 
dagegen  der  Saft  aus  dem  gefüllten  Magen  gewonnen,  so  ist  immer 
Milchsänre,  zuweilen  mit  Buttersäure  vermischt,  vorhanden;  die 
Salzsäure  fehlte  dann  entweder  ganz,  oder  es  waren  nur  Spuren 
derselben  vorhanden  (Lehmann,  Schmidt,  Heintz,  Bernard 
uhd  Barreswil,  Smith).«  Dieser  Befund  blieb  nun  derselbe, 
gleichgültig  ob  der  Magen  mit  entfetteten  Knochen,  Amylaceen  oder 
Fleisch  gefüllt  war;  auch  blieb  der  Erfolg  unabhängig  von  der 
Gattung  des  untersuchten  Individuums.  Man  könnte  sich  ent- 
schliessen , den  Unterschied  der  Säure  des  gefüllten  und  nüchternen 
Magens  dadurch  zu  erklären,  dass  man  annäbme,  es  werde  ur- 
sprünglich immer  nur  Salzsäure  abgesondert,  dass  diese  aber  nur 
dann  als  solche  erscheinen  könnte,  wenn  nicht  zufällig  andere 
Salze  im  Magen  vorhanden  seien,  die  von  der  Salzsänre  nicht  an- 
gegriffen würden.  Da  nun  nach  dem  Genuss  von  Fleisch  und 
Mehlspeisen  milchsanrc  Salze  im  Magen  nothwendig  Vorkommen 
müssen,  so  würde  sich  aus  ihrer  Zersetzung  durch  das  CI II  die 
beständige  Anwesenheit  der  Milchsänre  erklären  lassen.  Woher 
kommt  aber  diese  Säure  bei  der  Nahrung  aus  entfetteten  Knochen? 
Dieser  Gegenstand  verlangt  also  eine  none  Untersuchung. 


Digitized  by  Google 


358  Labdrüaen ; Ahsonderungiigescliwindigkeit  des  Saftes. 

Das  Pepsin  ist  geradezu  in  dom  Inhalt  der  Labzellen  aufgefunden  worden 
(Frerichs),  und  zwar  in  neutralem  Zustande  (Brücke).  — Um  eine  Vorstellung 
ron  dem  relativen  (jehalt  eines  beliebigen  Saftes  an  Pepsin  zu  gewinnen,  verfahrt 
Brücke  folgendcrmaassen.  Er  ermittelt  die  Zeit,  welche  die  Volumseinheit  einer 
sehr  verdünnten  Lösung  mit  dem  Säuregehalt  von  0,1  pCt.  bedarf,  um  einen  Würfel 
aus  geronnenem  Eiweiss  von  bekannten  Dimensionen  zu  lösen.  Diese  Pepsin-Lösung 
betrachtet  er  als  Normalflttssigkeit , or  setzt  ihren  Pepsingehalt  gleich  dem  der  Einheit. 
Um  nun  zu  bestimmen , um  wie  viel  reicher  eine  andere  Flüssigkeit  an  Pepsin  sei, 
verdünnte  er  ein  bekanntes  Maass  derselben  so  lange  mit  Säure  von  0,1  pCt. , bis  die 
Volumcinheit  den  bekannten  Eiweisswürfel  wieder  gerade  so  geschwind  auflöst  , wie 
die  Normallösung.  Das  Volum  verdünnter  Säure , welches  er  zur  Volumeinheit  der 
verglichenen  Lösung  setzen  musste,  um  ihre  Verdauungskraft  auf  diejenige  der  Normal- 
lösung herabzudrücken,  giebt  an,  um  wie  vielmal  der  Pepsingehalt  der  ersten  Lösung 
den  der  Normallösuug  Ubertrifft. — Ueber  die  häufige  Anwesenheit  der  Salzsäure  in  dom 
Labsaft  der  Menschen  und  Thiere  kann  nach  den  Versuchen  von  C.  Schmidt  kein 
Zweifel  mehr  bestehen;  er  bestimmte  nämlich  aus  der  frischen  Flüssigkeit  die  Monge 
des  Chlors  und  Ammoniaks  und  aus  der  Asche  des  cingetroeknetcn  Saftes  die  Menge 
der* Basen.  Es  reichte  der  Ochalt  an  Ammoniak  und  festen  Basen  nicht  hin,  um  da« 
ganze  Gewichts  des  Chlors  zu  sättigen  ; er  zeigt  zugleich,  dass  gewöhnlich  keine  andere 
freie  Saure  vorhanden  gewesen  sein  konnte,  indem  zur  Neutralisation  des  frischen 
sauren  Saftes,  dessen  Gehalt  an  freier  Salzsäure  er  kannte,  gerade  so  viel  Ilasis  nöthig 
war,  als  dis  freie  Salzsäure  zur  Darstellung  eine»  neutralen  Salzes  bedurftes.  — Leh- 
mann dagegen  fand  Milchsäure  im  Magen  von  Hunden,  die  er  nach  vorgängigem 
Hungern  mit  entfetteten  Knochen  gefüttert  und  10  bis  15  Minuten  danach  getödtet 
hatte.  Ueber  die  Natur  der  von  ihm  gefundenen  Saure  kann  kein  Zweifel  bestehen, 
weil  sie  durch  die  Elcmentaranalyse  festgestellt  wurde.  Ebenso  traf  lieintz  in  einer 
erbrochenen  Flüssigkeit  Milchsäure  an,  und  Schmidt  selbst  konnte  in  dem  mit  Zucker, 
Eiweiss  u.  s.  w.  verunreinigten  Magensaft,  welcher  aus  der  von  ihm  beobachteten 
Magenfistel  eine«  Menschen  genommen  war,  keine  freie  Salzsäure,  wohl  aber  Butter- 
und Milchsäure  auffinden;  Smith  fand  Milchsäure  und  Spuren  von  Salzsäure. 

Ol»  und  wie  die  Zusammensetzung  des  reinen  Labsaftes  ver- 
änderlich ist,  muss  dahingestellt  bleiben;  die  Thatsacbe,  dass  der 
Mageninhalt  bald  sauer  und  bald  alkaliseh  reagirt,  kann  ihren 
Grund  begreiflich  eben  so  gut  bilden  in  einer  veränderlichen  Zu- 
sammensetzung des  Labsaftes,  als  auch  in  einer  ungleich  reich- 
lichen Absonderung  der  verschiedenen  (alkalischen  und  sauren) 
Säfte,  welche  in  den  Magen  entleert  werden. 

3.  Absonderungsgeschwindigkeit.  Da  man  zu  allen  Zeiten  in 
dem  Magen  Pepsin  und  nur  zeitweise  eine  freie  Säure  antrifft , so 
wäre  es  möglich,  dass  sich  das  erstere  fortwährend  bildet ; die  Ab- 
sonderung der  Säure  geschieht  dagegen  offenbar  nur  periodisch. 
Die  Menge  von  saurer  und  pepsinhaltiger  Flüssigkeit , welche  in 
der  Zeiteinheit,  und  zwar  sichtlich  aus  den  zu  Tage  gelegten  innere 
Wandflächen  des  Magens  ansgestossen  wird,  ist  sehr  veränderlich. 
Zur  Zeit,  in  welcher  der  Magen  leer  oder  nur  mit  verschlucktem 


Labdriisen ; Bereitung  dos  Saftes. 


359 


Speichel  gefüllt  ist,  wird  gar  kein  Saft  aus  den  Drüsenmündungen 
geliefert.  Dieses  geschieht  aber  sogleich,  wenn  in  den  leeren 
Magen  beliebige  feste  oder  flüssige  nervenerregende  Stoffe  (Speisen, 
Steine,  Pfeffer,  Kochsalz  n.  s.  w.)  eingebracht  werden,  ja  nach 
Bidder  und  Schmidt  *)  selbst  dann,  wenn  man  hungrigen  Thieren 
(deren  Speickeigange  unterbunden  waren)  Nahrungsmittel  vorhält, 
ohne  sie  ihnen  zum  Fressen  zti  geben.  Daraus  schlicssen  wir  nun, 
dass  die  Absondemngsgeschwindigkeit  mit  der  bestehenden  Nerven- 
erregung des  Magens  steigt.. 

Wenn  man  dagegen  statt  der  sanften  mechanischen  Erregung 
eine  heftigere  eintreten  lässt  (Beaumont),  oder  noch  mehr,  wenn 
man  den  Cardiatheil  des  Magens  dureli  elektrische  Schläge  dahin 
bringt,  dass  er  Erbrechen  einleitet,  so  hört  augenblicklich  eine 
bis  dahin  bestandene  Absondernng  des  Magensaftes  auf ; also  scheint 
die  Drlise  auch  ihre  Ilcmmungsnervcn  zu  besitzen. 

Die  täglich  ausgeschiedene  Menge  von  Pepsin  und  Säure  ist 
nicht  einmal  schätzungsweise  zu  bestimmen. 

Der  von  Biddor  und  Schmidt  ausgegangene  Vorschlag,  aus  dom  verdauenden 
Vermögen  von  Pepsin  und  Säure  und  der  Menge  der  wirklich  im  Magen  verdauten 
Speisen  auf  die  Menge  des  täglich  abgesonderten  Saftes  zu  schliesscn,  ist  im  Prinzip 
unhaltbar  (vid.  1.  Aufl.  II.  Bd.  248).  Denn  es  ist  indes«  von  Brücke  erwiesen,  dass 
die  verdauende  Kraft  des  Magensaftes  nicht  bloss  von  seinem  Gehalt  an  Pepsin  und 
Saure , sondern  auch  noch  von  andern  Beimengungen , z.  B.  der  des  löslichen  Ki- 
weisses,  abhängig  ist. 

4.  Bereitung  des  Labsafte«,  a)  Das  Pepsin  geht  aus  den  Lab- 
zellen hervor;  denn  dort  finden  wir  es  schon  reichlich,  und  zwar 
als  neutralen  Körper  vor  (Frerichs,  Br Ucke).  Ausserdem  aber 
erscheint  es  in  keinem  Körpertlieil  mehr,  ausgenommen  in  den 
Flüssigkeiten  des  Magens,  welche,  bevor  sie  auf  die  Magenober- 
fläcbe  gelangen,  die  Drüsen  durchsetzten.  Der  Vorrath  von  Pepsin, 
welcher  in  der  Drüse  angelläuft  liegt,  ist  ein  relativ  sehr  bedeutender 
( Brücke);  denn  es  kann  ein  geschlemmter  Magen,  oder  statt  dessen 
die  aus  ihm  ausgeknetete  Zellenmasse  eines  sehr  grossen  Menge  von 
Flüssigkeit  verdauende  Fähigkeiten  verleihen.  In  schwach  an- 
gesäuertem  Wasser  (mit  0,1  pCt,  Säure)  ist  es  reichlicher  löslich 
als  in  reinem  Wasser  (Brücke).  — Da  das  reine  Pepsin  uns  un- 
bekannt ist,  so  verhält  es  sich  natürlich  gerade  so  mit  der  Mehr-' 
zahl  seiner  chemischen  Beziehungen  und  seiner  Zusammensetzung. 

•)  1.  c.  f.  32. 


Digitized  by  Google 


360 


Bereitung  des  Pepsins  und  der  Magensuuren. 


Dennoch  hat  man  sich  angewöhnt,  es  als  ein  Glied  oder  wenig- 
stens als  einen  Abkömmling  der  Eiweissgruppe  anzusehen,  und 
zwar  nur  darum,  weil  viele  Fermente,  und  für  ein  solches  hält 
man  auch  das  Pepsin,'  aus  den  Eiweissstoffen  hervorgehen. 

Man  hat  behauptet,  dass  Pepsin,  welches,  mit  verdünnter  Salzsäure  versetzt, 
längere  Zeit  hindurch  mit  einem  Eiweisskörper  in  Berührung  blieb,  diesen  letztem 
allinälig  in  Pepsin  umwandle.  Wäre  dieses  der  Fall,  so  müsste  man,  wie  dieses  mit  der 
Hefe  möglich  ist,  im  Stande  sein,  in’s  Endlose  Pepsin  zu  erzeugen  mit  Hülfe  einer 
geringen  Menge,  die  ursprünglich  aus  dem  Magen  genommen  wurde.  Brücke  zeigte 
jedoch,  dass  diese  nicht  der  Fall  ist;  denn  indem* er  Pepsin  mit  Fibrin  und  verdünnter 
Säure  mischte  und  dann  nach  einiger  Zeit  einen  Theil  dieses  ersten  Gemisches  wieder 
zu  Fibrin  und  verdünnter  Säure  brachte , und  darauf  wieder  einen  Theil  dieses  zweiten 
zum  drittenmal  zu  einer  sauren  Flüssigkeit  mit  den  Fibrinflocken  goss  u.  s.  f.,  sah  er, 
dass  in  der  zweiten  l'cbergiessung  schon  viel  langsamer  verdaut  wurde  als  in  der 
ersten , und  in  der  dritten  langsamer  als  in  der  zweiten , und  dass  endlich  ein  Glas 
späterer  Ordnung  gefunden  wurde,  in  welchem  die  Säure  das  Fibrin  gar  nicht  mehr 
gelöst  hatte. 

b)  Magensäure.  Wenn  der  Labsaft  freie  Salzsäure  enthält,  so 
kann  diese  nur  ans  der  Zerlegung  einer  neutralen  Chlorverbindung 
hervorgegangen  sein;  wie,  bleibt  problematisch,  da  die  verschie- 
dentlich ausgesprochene  Annahme,  es  finde  eine  elektrolytische 
Zerlegung  eines  Chlorsalzes  im  Magen  statt,  doch  immer  nur  eine 
wahrscheinliche  Unterstellung  ist.  — Eine  andere  Säure,  welche 
Brücke  nach  dem  Tode  in  den  bis  dahin  neutralen  Drüsen  ent- 
stehen sah,  ist  vielleicht  Michsäure;  denn  es  bildet  sieh  die  ge- 
nannte Säure  an  sehr  vielen  Orten  des  todten  und  lebenden  Thieres, 
also  gehört  sie  zu  denen,  auf  welche. zu  achten  wäre.  Dringender 
macht  sich  Folgendes  geltend:  als  Brücke  den  wohl  ausgewasche- 
nen Drüsenmagen  der  Vögel  mit  verdünnter  Schwefelsänre  kochte, 
gewann  er  aus  ihm  einen  Stoff,  der  sich  in  seinen  reduzirenden 
Eigenschaften  ganz  wie  Zucker  verhielt;  damit  wäre  also  im  Magen 
ein  Körper  aufgedeekt,  der  zur  Bildung  von  Milchsäure  Veran- 
lassung geben  könnte. 

Der  Ort,  an  wclehenf  sich  die  freie  Säure  des  Magens  während  des  . 
Lebens  meist  und  ausschliesslich  aufhält,  ist  die  Magenoberfläche  (CI. 
Bernard,  Brücke).  Dieses  wird  einfach  dadurch  bewiesen , dass 
die  vorsichtig  ausgeschnittenen  Drüsenkörner  des  selbst  mit  sanrer 
FlüssigkeitjgefUllten  Magens  neutral  oder  sehr  schwach  sauer  reagiren 
(Brücke).  Es  kommt  jedoch  auch  der  Fall  vor,  dass  die  Drüsen- 
körner stark  saner  sind,  trotzdem  dass  die  Magenoberfläche,  wie 
z.  B.  nach  Injection  von  Magnesiamilch,  vollkommen  neutral  ist. 


Wo  bildet  sich  die  Säure?  Nerveneinfluss  »uf  die  Absonderung  des  Saftes.  361 


Demnach  muss  die  Säure  entweder  nur  auf  der  Magenoberfläcbe 
gebildet  werden , oder  wenn  dieses  im  Innern  der  Drtlse  geschieht, 
so  muss  sie  nach  ihrer  Bildnng  rasch  ans  der  Drllse  gestossen,  oder 
die  dort  verbleibende  muss  durch  die  Alkalien  des  Blutes  wieder 
rasch  nentralisirt  werden.  Die  Säure,  welche  man  einige  Zeit  nach 
dem  Tode  in  den  Drüsen  der  in  Verdauung  begriffenen  Thiere 
findet,  ist  also  dahingekommen  entweder  in  Folge  von  Leieheninfil- 
tration, oder  in  Folge  einer  Neubildung  nach  dem  Tode,  und  sie 
tritt  jetzt  dort  frei  auf,  weil  die  nentralisirenden  Alkalien  fehlen. 

Die  Absonderung  des  Labsaftes  ist  eine  periodische;  sic  wird 
angeregt,  oder,  wenn  sie  vorhanden  war,  unterdrückt  durch  Um- 
stände, welche  wir  als  Nervenreize  kennen.  Daraus  schliessen  wir, 
dass  die  Absonderung  von  irgendwelchen  Nerven  aus  eingeleitet 
werde;  wo  diese  Nerven  verlaufen,  ist  unbekannt.  Nach  Durch- 
sehneidnng  der  n.  vagi  am  Hals  hat  man  allerdings  öfter  Gelegen- 
heit, Verdauungsstörungen  zu  beobachten;  aber  es  steht  aus  zahl- 
reichen Versuchen  auch  fest,  dass  beiThieren,  welche  jene  Operation 
länger  überlebten,  der  Mageninhalt  noch  sauer  reagirt,  und  dass 
die  in  den  Magen  eingebrachten  Speisen  verdaut  werden.  Pan  um*) 
sah  auch  durch  die  Magenfistel  die  Absonderung  10  Stunden  nach 
Durchschneidung  des  n.  vagus  wiederkommen. 

Während  der  Absonderung  des  Saftes  füllen  sieh  die  Blut- 
gefässe des  Magens,  so  dass  sich  die  neutrale  Oberfläche  des 
letztem  schön  roth  färbt;  diese  Füllung  kann  als  ein  Förderungs- 
mittel, nicht  aber  als  die  Ursache  der  Absonderang  betrachtet 
werden,  denn  es  ist  oft  der  Magen  stark  roth  gefärbt,  ohne  dass 
Labsaft  abgesondert  wird. 

5.  Die  Ausstossung  des  Saftes  aus  den  Drüsen  kann  min- 
destens unter  dem  Einfluss  der  Brücke 'sehen  Muskelschicht  ge- 
schehen. Fr e rieh s hat  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  bei  der 
Entleerung  des  Saftes  die  Labzellen  in  den  Magen  gespült  würden; 
durch  die  Untersuchungen  von  Kolli k er  und  Donders  ist  die- 
selbe dahin  beschränkt  worden,  dass  die  Ausführung  der  ganzen 
Zellen  nicht  zu  den  nothjvendigen  Ereignissen  gehöre,  da  nach 
geschlossener  Verdanung,  also,  zu  einer  Zeit,  in  welcher  die  reich- 
lichsten Ausleerungen  aus  den  Drüsen  stattgefunden  haben  müssten, 
die  Drüsen  noch  durchweg  mit  Zellen  gefüllt  sind.  — Der  Saft, 
welcher  in  den  Magen  gelangte,  wird  dort  mit  den  andern  Säften 

f)  Melssnor'a  Jahresbericht  ftlr  1856.  351. 


Digitized  by  Google 


362 


.Schleimdrüsen  des  Magens ; Magensaft. 


und  den  durch  ihn  veränderten  »Speisen  in  den  Zwölffingerdarm 
geführt. 

B.  Schleimdrüsen  des  Magens. 

Der  anatomische  Bau  dieser  Drüsen  nähert  sieh  sehr  dem  vor- 
her beschriebenen  an;  der  wesentlichste  Unterschied  zwischen 
Beiden  besteht  einmal  in  dem  Mangel  seitlicher  Ausbuchtungen  der 
schlauchförmigen  Höhle  und  der  Epithelialbildung  auf  der  Gruud- 
haut;  in  den  Schleimdrüsen  ist  sie  nämlich  mit  einem  Cylinder- 
epithelium  belegt,  welches  dem  in  der  innem  Magenfläche  voll- 
kommen gleicht  (W assmann).  Gegen  den  Pylorus  ist  der  ein- 
fache Schlauch  öfter  getheilt,  d.  h.  es  münden  durch  eine  Ocffnung 
mehrere  Drüsenröhren  in  den  Magen ; diese  Anordnung  bildet  den 
allmäligen  Uebergang  zu  den  Brunn’sehen  Drüsen  des  Duodenums 
(Douders). 

Der  Saft,  welchen  sie  absondern,  enthält  Mucin,  das  nach 
»Sehr an t und  Donders  aus  den  sich  allmälig  auflösenden  Epi- 
thelialzellen hervorgeht;  Pepsin  sondern  sie  nicht  ab  (W assmann, 
Go  11)  und  wahrscheinlich  auch  keine  freie  Säure. 

C.  Der  Magensaft. 

Das  Gemenge  aus  dem  »Speichel,  dem  Schleim  und  dem  Lab- 
salt,  welche  sich  in  den  Magen  ergiesseu,  verdient  als  ein  wich- 
tiges Verdauungsmittel  noch  der  Erwähnung. 

Die  chemische  Zusammensetzung  desselben  ist  natürlich  so 
mannigfach  veränderlich,  je  nachdem  der  Erguss  des  einen  oder 
audern  DrUsensaftes  überwiegt,  dass  sich  allgemeine  Kegeln  über 
dieselbe  selbst  dann  nicht  aufstellen  lassen,  wenn  auch  eine  Verun- 
reinigung durch  Speisen  fern  gehalten  -worden  ist.  Das  Einzige, 
was  mau  constant  beobachtet  hat,  besteht  darin  (Schmidj, 
Biddcr  und-  Grünewaldt),  dass  nach  .längerem  Entbehren  von 
Nahrung,  beim  Menschen  also  jedesmal  nach  dem  Erwachen  aus 
dem  Schlafe,  der  Magen  eine  stark  schleimhaltige,  alkalisch 
reagirende  Flüssigkeit  in  sich  fasst,  während  nach  dem  Genuss 
von  Speisen  oder  irgendwelchen  andern  festen  Körpern  eine  saure 
Flüssigkeit  in  ihm  vorkommt.  Schmidt  hat  bei  der  schon  er- 
wähnten Frau  mit  einer  Magenfistel  die  Flüssigkeit  aufgefangen 
und  zerlegt,  welche  in  dem  Magen  enthalten  war,  nachdem  die 
Frau  Morgens  nüchtern  einige  Erbsen  verschlungen  hatte.  Im 
Mittel  aus  zwei  wenig  von  einander  abweichenden  Analysen  ergab 
sich:  Wasser  — 99,44;  Ferment  mit  Spuren  von  Ammoniak  = 0,32; 


Jäigttized  bv  Google 


Menge  des  stündlichen  Magensaftes. 


363 


Salzsäure  =0,02;  Chlorcalcium  =0,01 ; Kochsalz  = 0,15;  phosphor- 
saure Erden  = 0,06. 

Die  mittlere  Menge  des  Saftes,  welche  stündlich  im  Magen 
abgesondert  wird,  schätzt  GrUnewaldt  bei  der  vorgenannten, 
53  Kilo  schweren  Frau  auf  0,584  Kilo,  und  somit  in  24  Stunden 
auf  14,0  Kilo.  Zu  dieser  Zahl,  die  ihrer  Grösse  wegen  Aufsehen 
erregte,  gelangt  er  folgendermaassen.  Er  führte  durch  die  Fistel- 
öffnung 62  mal  in  verschiedenen,  von  dem  zuletzt  genommenen  Mahl 
ungleich  weit  abstehenden  Zeiten  ein  Röhrchen  ein,  liess  dieses 
während  ungleich  langer,  aber  jedesmal  bekannter  Zeit  liegen,  wog 
das  Ausgeflossene,  berechnete  dann  aus  jeder  Beobachtung  unter 
Voraussetzung,  dass  das  Ausströmen  gleiehmässig  angedauert  haben 
würde,  die  stündliche  Ausflussmenge  und  zog  endlich  aus  den 
62  berechneten  Stunden  das  stündliche  Endmittel.  Von  diesem  zog 
er  65  Gr.  ab,  weil  es  ihm  aus  andern)  Gruude  wahrscheinlich  war, 
dass  die  Frau  in  der  Stunde  so  viel  Speichel  gebildet  und  ver- 
schluckt hatte.  — Die  verbleibenden  0,584  Kilo  hält  er  nun  eher 
für  ein  zu  geringes,  als  für  ein  zu  hohes  Maass  des  stündlichen 
Saftes;  denn  wenn  auch  das  während  der  Beobachtungszeit  Aus- 
geflossene nicht  sitinmtlich  während  derselben  abgesondert  wäre, 
sondern  zum  Theil  aus  dem  Vorrath  stamme,  der  von  frühem  Ab- 
sonderungen und  von  den  genossenen  Speisen  herrühre,  so  werde 
doch  das  hieraus  abzuleitende  Mehr  weithin  dadurch  ausgeglichen, 
dass  dem  Mageninhalt  zum  Ausflicsseu  neben  der  engen  Mündung 
des  Röhrchens  noch  die  weite  Oeffnuug  des  Pylorus  übrig  bleibe; 
so  viel  fremde  Zumiscluing  zu  dem  Magensall  durch  das  Röhrchen 
Zuwachse,  so  viel  reiner  Magensaft  werde  also  auch  mindestens 
durch  den  l’förtnermnnd  davongehen. 

Diese  Betrachtungen  werden  aber  widerlegt  durch  die  Beobach- 
tnngszablen  von  GrUnewaldt  selbst.  Unter  54  seiner  Beobach- 
tungen (die  andern  sind  nicht  zur  Erörterung  geeignet)  finden  sich 
8 mit  einer  Beobachtungszeit  von  5 Minuten;  5 mit  einer  solchen 
von  10  Min.;  14  von  15  Min.;  27  von  30 Min.  Berechnet  man  für 
jede  der  genannten  Zeit  die  mittlere  stündliche  Ausflussmenge,  so 
geht  hervor  aus  der  5 Minuten  langen  Reihe  = 2,20  Kilo,  aus 
der  10 minütlichen  = 0,01  Kilo,  ans  der  15min.  = 0,52  Kilo,  aus 
der  30  min.  = 0,30  Kilo.  Die  einzige  Erklärung  für  dieses  Ver- 
halten, dass  das  Stundenmittel  mit  der  abnehmenden  Beobachtungs- 
zeit wächst,  liegt  darin,  dass  die  aus  dem  aufgehäuften  Vorrath 
abgezapfte  Flüssigkeitsmenge  das  während  der  Beobachtung  wirk- 


Digitized  by  Google 


364 


Kritik  der  Annahmen  über  die  mittlere  Magensaftmenge. 


lieh  Abgesonderte  weitaus  Ubertroffen  habe.  Jedenfalls  mtlssen  die 
ans  der  kurzen  Beobachtnngszeit  berechneten  Werthe  bei  der  Bil- 
dung des  Gesammtmittels  ganz  vernachlässigt  werden.  Verwendet 
man  demnach  nur  die  30  Minuten  langen  Beobachtungen  zur  Ab- 
leitung der  täglichen  Saftmenge,  so  gewinnt  man  unter  Beibehal- 
tung der  Grtlnewal dt’ sehen  Speichel-Correction  in  24  Stunden 
5,6  Kilo,  also  etwa  */a  seines  Tagesmittels.  Aber  auch  diese 
Zahl  ist  noch  viel  zu  gross,  und  zwar,  abgesehen  von  andern,  aus 
folgendem  Grunde:  Busch  hatte  Gelegenheit,  eine  Frau  zu 

beobachten,  die  im  obersten  Theil  des  Dttnndarms  eine  Fistel  von 
solcher  Art  besass,  dass  das,  was  den  Magen  verlassen  hatte, 
sammt  der  Galle  und  den»  Bauchspeichel  durch  sie  entleert  wurde, 
ln  diesem  Fall  konnte  man  dasselbe  gewahren,  was  vom  Hunde 
schon  längst  bekannt  ist,  dass  nämlich  der  Ausfluss  aus  dem  Magen 
viele  Stunden,  namentlich  aber  in  der  Nacht  ganz  unterbrochen 
war.  Also  darf  man  zur  Herstellung  des  täglichen  Mittels  nicht  so 
verfahren , dass  man  das  während  der  Absonderungszeit  gefundene 
Stundenmittel  mit  24  vervielfacht.  Aus  alle  dem  folgt,  dass  man 
die  tägliche  Magensaftmenge  selbst  bei  der  von  Grünewaldt 
beobachteten  Frau  nicht  kennt  und  sie  auch  nicht  einmal,  selbst 
wenn  man  sehr  gewagte  Voraussetzungen  machen  wollte,  ab- 
leiten kann. 

Analysen  von  möglichst  speichelfreiem  und  von  stark  spcichelhal tigern  Magensaft 
des  Hundes  gaben  Bi d der  nnd  Schmidt. 

1.  Mittel  aus  0 Analysen;  die  Hunde  waren  in  S Fällen  mit  Fleisch  gefuttert, 
die  wesentlichsten  Speichelgänge  unterbunden ; der  Saft  wurde  aus  dem  leeren  Magen 
nach  vorgängiger  Erregung  des  Magens  durch  mechanische  Mittel  aufgefangen. 

2.  Bei  einem  wie  vorher  behandelten  Hund,  dessen  n.  vagi  durchschnitten  waren. 

3.  Mittel  aus  3 Analysen  bei  Fleisch-  und  Pflanzendiät;  Spcichelgänge  nicht 
unterbunden. 

4.  Spcichelgänge  nicht  unterbunden;  12  bis  24  Stunden  vorher  die  n.  vagi 


durchschnitten. 

Wasser  Ferment 

cm 

K»C1 

N»C1 

C.C1 

•VlIjCl 

3C.OPO, 

MgOKIj 

FeoOjPOj 

i. 

97,30 

1,71 

0,31 

0,11 

0,25 

0,06 

0,05 

0,17 

0,02 

0,01 

j. 

97,18 

. 1,67 

0,20 

0,0S 

0,14 

0,01 

0,45 

0,30 

0,04 

0,03 

3. 

97,12 

1,73 

0,23 

0,11 

0,31 

0,17 

0,05 

0,23 

0,03 

0,01 

4. 

97,11 

1,72 

0,19 

0,13 

0,49 

0,01 

0,07 

0,23 

0,04 

0,01 

Die  mittlere  Menge  des  stündlich  aus  dem  Hundemagen  zu  erhaltenden  Saftes 
schätzen  Bidder  und  Schmidt  zu  4,6  Gr.  für  ein  Kilogr.  Thier,  indem  sic,  wie 
es  scheint , voraussetzen , dass  NahrungsbedÜrfniss  und  Drüsenoberfläche  anwachsen 
wie  das  Kürpergewicht. 


Dinifcgfl  hv  Google 


Schlauchförmige  Darmdrüsen;  Fettdrüsen. 


365 


• Schlauchförmige  Darmdrüsen. 

Ihrem  Ban  nach  stimmen  sie  ganz  über  ein  mit  der  einfacheren  Form 
der  Magenschleimdrüsen.  — In  die  Dttnndarmhöhle  des  Menschen 
und  Hundes,  die  für  die  Säfte  des  Magens  und  der  grossen  Bauch- 
drüsen  unzugängig  gemacht  waren,  wird  eine  zähe,  dem  Nasenschleim 
ähnliche  Flüssigkeit  in  geringer  Menge  ergossen;  sie  reagirt  alkalisch 
(Bidder  und  Schmidt)  und  soll  in  100  Theilen  zwischen  7,4 
und  3,8  Theile  festen  Rückstand  enthalten  (Busch).  Man  darf 
vermuthen,  dass  die  schleimigen  Antheile  dieses  Saftes  ans  dem 
Inhalt  des  Epithelialcylinders  des  Darms  und  vorzugsweise  der 
schlauchförmigen  Drüsen  kommt,  da  diese  mit  Schleim  gefüllt  sind. 

Buiich  gewann  das  Object  seiner  Untersuchung  dadurch , dass  er  in  eine  Fistel 
des  menschlichen  Darms  einen  bei  100*  C.  getrockneten,  wohlgereinigten  Badeschwamm 
von  bekanntem  Gewicht  einführte ; die  Gewichtszunahme  desselben  bestimmte  er  nach 
dem  lierausziehen  vor  und  nach  dem  Trocknen.  Dio  Fintel  besass  einen  Bau,  der  den 
Zutritt  der  Safte  aus  dem  ohern  Thcil  des  Dünndarms  in  den  untern  verhinderte, 
welcher  den  Schwamm  aufgenommen  hatte.  — Bidder  und  Schmidt  suchten  den 
Darm sa ft  zu  gewinnen  aus  einer  Darmfistel  des  Hundes,  nachdem  sie  vorher  Gallen* 
und  Pankreasgänge  unterbunden  hatten.  Sie  erhielten  jedoch  auch  auf  diesem  Wego 
eine  so  geringe  Menge  einer  alkalisch  rcagirenden  Flüssigkeit,  dass  sie  nicht  hin- 
reichte, um  eine  Analyse  damit  anstellen  zu  können.  Aus  dem  Dickdarm  erhielten 
sie  auch  nicht  einmal  dieses  geringe  Quantum.  — Frerichs  untersuchte  eine  Flüssigkeit, 
die  er  für  ein  nonuales  Absonderungsprodukt  jener  Drüsen  hält,  aus  dem  Katzendarm. 
Um  sie  aufzufangen , hatte  er  ein  Darmstück  durch  zwei  Ligaturen  von  den  benach- 
barten Stellen  abgeschnürt,  nachdem  dasselbe  vorher  von  seinem  Inhalt  durch  Streichen 
mit  den  Fingern  möglichst  befreit  worden.  Die  Flüssigkeit  reagirte  stark  alkalisch  und  ent- 
hielt in  100 Theilen:  Wasser  = 97,0;  unaufgelöstc  Stoffe 0,9;  löslichen  Schleim  = 0,5; 
Fett  = 0,2 ; Salze  = 0,8.  Die  Flüssigkeiten  des  Dünn  - und  Dickdarms  waren  gleich 
zusammengesetzt.  Bidder  und  Schmidt  konnten  auf  diesem  Wege  keinen  D&rmsaft 
erhalten. 

r 

Nach  Bidder  und  Schmidt  soll  sich  unmittelbar  nach  dem 
Wassertrinken  die  Absonderung  etwas  vermehrt  haben. 

Fettdrüsen. 

Zu  dieser  Drüsengattung  rechnet  man  die  Hautfollikel  (Haar- 
balgdrüsen) , die  Meibom 'scheu  Bälge  und  die  Ohrenschmalz- 
drüsen.  Die  Berechtigung  für  die  Zusammenstellung  dieser  in  vielen 
Beziehungen  von  einander  abweichenden  Werkzeuge  findet  man  in 
dem  grossen  Fettgehalt  des  von  ihnen  abgesonderten  Saftes. 
Obwohl  dieser  Grund  mehr  als  nichtssagend  ist,  wollen  wir  doch 
das  Wenige,  welches  von  diesen  Drüsen  bekannt  ist,  hier  zu- 
sanmienstellen. 


Digitized  by  Google 


3«6 


Haarbalg  Moibom’arhc  und  OhrenRchTnalsdrttaen. 


1.  Haarbalgdrüscn*).  Ihre  Höhle  besitzt  entweder  die 
Gestalt  eines  einfachen  bimförmigen  oder  die  eines  verästelten 
Schlauche.  Die  Wand  besteht  nach  aussen  aus  Bindegewebe,  die 
auf  ihrer  inneren  Fläche  ein  Epithclium  trägt,  dessen  einzelne 
Zellen  einen  grossen  oder  mehrere  kleinere  Fetttröpfchen  um- 
scbliessen.  Gegen  das  Centrum  des  Drüsenbalges  folgen  dann 
Zellen,  die  reichlicher  mit  Fett  gefüllt  sind,  vermischt  mit  freien 
Oeltröpfchen,  welche  letzteren  gegen  die  Mündung  des  Balges  hin  das 
Uebergewicht  bekommen.  — Die  freie  Ocffnung  des  Schlauche  ge- 
schieht immer  in  einen  Haarbalg  hinein,  und  der  einzige  Unter- 
schied, der  in  dieser  Beziehung  zwischen  den  verschiedenen  Talg- 
drüsen besteht,  liegt  darin,  dass  bald  der  Haarbalg  an  Grösse  die 
Fettdrüse  und  umgekehrt  bald  die  letztere  den  erstem  tibertrifft.  — 
Das  Fett,  welches  aus  den  Drüsen  zum  Vorschein  kommt,  ist  ein 
Gemenge  von  Elain  und  Margarin.  Ausserdem  kommt  in  ihrem 
Sekret  vor:  ein  ei  weissartiger  Stoff,  Cholestearin , Margarin-  und 
Elainseifen,  Kochsalz,  Salmiak,  etwas  phosphorsaures  Natron  nnd 
Wasser.  — Der  fettige  Antheil  geht  meist  in  die  Haare  Uber. 

2.  M e i b o m ' s c h e Drüsen**).  Sie  schliessen  sich  rück- 
sichtlich  ihrer  Form  und  des  Baues  von  Wandung  und  Höhle  an 
die  Talgdrüsen  an.  Ihr  Sekret  ist  noch  nicht  untersucht;  sie  liefern 
dasselbe  auf  die  Augendlidräuder,  welche,  mit  dem  fettigen  Saft 
bestrichen,  den  Thränen  den  Uebertritt  auf  die  Wangen  erschweren. 

3.  Obre nsch m alz drtisen.  In  dem  äussern  Gehörgang 
kommen  zwei  Drüsenarten  vor,  die  eine,  welche  in  die  Haarbälge 
mündet  und  somit  den  Talgdrüsen  vollkommen  gleichartig  gebaut 
ist,  uud  eine  andere,  die  Ohrenschmalzdrüsen  im  engem  Wortsinn, 
welche  dem  Bau  ihrer  Höhlung  und  Wandung  nach  den  mit 
Muskeln  versehenen  Schwcissdrüsen  sehr  ähnlich  ist.  Der  einzige 
Unterschied,  welcher  zwischen  Schweiss-  und  Ohrenschmalzdrüsen 
besteht,  wird  durch  das  Epithelium  gegeben,  welches  in  den  letztem 
durch  seinen  fetthaltigen  Inhalt  ausgezeichnet  ist  (Kölliker)  ***). 

Die  Bestandtheile  des  Ohrenschmalzes  t),  das  vorzugsweise  der 
zuletzt  erwähnten  Drüse  seinen  Ursprung  verdanken  möchte,  sind: 
Ole'fn,  Margarin,  eine  eiweisshaltige  Materie,  ein  in  Wasser  lös- 
licher, gelbgefärbter,  bitterschmeckender  Körper  und  die  gewöhn- 

•)  Külllker,  Gewebelehre.  2.  Auflape,  p.  17ii. — Lehmann,  Physiologische  Chemie.  II. Bd. 
p.  372. 

••)  Kliniker,  1.  c.  p.  er» 3. 

•*•)  1.  c.  p.  171. 

t)  Bcreelln*.  Lehrbuch  der  Chemie.  IX.  Bd.  637# 


Dlgitiz? 


rtkro^fe 


Schweißdrüsen ; Schwei«*. 


367 


liehen  Blutsalze.  — Die  quantitative  Zusammensetzung  des  Ohren- 
schmalzes ist  unzweifelhaft  sehr  variabel,  da  es  einmal  dunkel  und 
fest,  das  anderemal  sehr  hell  und  mehr  wasserhaltig  abgesondert  wird. 

Schweissdrtlsen. 

1.  Anatomischer  Bau  *).  Das  röhrenförmige  Lumen  der  Schweiss- 
drüsen  mlindet  auf  der  EpidermisoberflUche,  dringt  spiralig  durch 
die  Epidermis  zur  Cutis,  verengert  sich  innerhalb  derselben  und 
geht  dann  gestreckt  bis  in  die  tiefsten  Schichten  der  Haut,  wo  es 
sich  abermals  etwas  erweitert,  dann  knaulförmig  aufwindet,  um 
schliesslich  blind  zu  enden.  An  den  grösseren  Schweissdrtlsen, 
z.  B.  denen  der  Achselhöhle,  theilt  sich  das  Rohr  in  mehrere  Acste, 
von  denen  ein  jeder  sich  verhält  wie  eine  einfache  Drüse.  Die 
Wand  der  Drüse  besteht,  wo  sie  auch  Vorkommen  mag,  so  lange 
sie  durch  die  Cutis  läuft,  aus  einer  strukturlosen  Gruudhaut 
(Virchow).  Diese  fehlt  aber,  wenn  das  Drüscnlumen  die  Epi- 
dennis erreicht  hat,  so  dass,  sich  der  Canal  zwischen  den  Zellen 
derselben  hinzicht.  Auf  der  innern  Fläche  der  Gruudhaut  sitzt  ein 
Epithelium,  das  in  den  Drüsen  von  mittlerer  und  geringerer  Grösse 
aus  einer  einfachen  Lage  rundlicher  Zellen  besteht,  deren  Binnen- 
raum ausser  dem  Kern  meist  auch  Fetttröpfchen  enthält.  In  den 
Schweissdrüscn  der  Achselhöhle,  der  1‘eniswurzel  und  der  Scham- 
lippen kommt  dazu  eine  trübe,  fettige  Masse,  welche  Körnchen, 
kleinere  und  grössere  Zellen  in  sich  schliesst.  Auf  der  äussern 
Fläche  der  Grundhant  tragen  die  zuletzt  erwähnten  Drüsen  eine 
Schicht  längs  verlaufender  Muskelzellen,  und  an  diese  schliesst 
sich  eine  streifige  Bindegewebshülle  an,  welche  in  allen  andern 
Drüsen,  denen  die  Muskeln  fehlen,  sich  unmittelbar  an  die  Grund- 
hant anlcgt.  — Das  dichte  Netz  von  Blutgefässen,  welches  den 
Drüsenknänel  umspinnt,  entsteht  aus  den  Arterien  des  l.'nterhaut- 
hindegewebes  und  geht  durch  Verbindungszweige,  welche  dem 
Ausführungsgang  entlang  laufen,  in  das  Netzwerk  der  Cutis- 
gefässe  über. 

Nerven  hat  man  in  die  .Schweissdrtlsen  noch  nicht  verfolgen 
können. 

2.  Schweiss**).  Der  Watt  der  Schweissdrüscn  ist  im  voll- 
kommen reinen  Zustande  vielleicht  noch  keinmal  Gegenstand  einer 

•)  Kliniker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  *2.  Auf].  IHM.  lt*2. 

*•)  Anscliulno  (u.  I..  G mel  in  ) . Zeitschrift  von  Tie  denm  n n und  Treviranus.  li.  lid.  — 
Schottin,  Zeitschrift  llir  phyalolog.  Heilkunde.  XI.  Ild.  — Favre,  compt.  rend.  XXXV.  Hl. 


Digitized  by  Google 


368 


SchweissdrÜaeu ; Aufsammlung  des  Schweisses. 


Untersuchung  gewesen;  vielleicht  ist  ihm  verdichteter  Hautdunst, 
jedenfalls  aber  immer  Hautschmiere  und  Epidermisschuppeuextrakt 
beigemengt  geivesen ; zuweilen  hat  man  sich  auch  mit  der  Analyse 
des  festen  IiUckstandes  jenes  FlUssigkeitsgemenges  begnttgt. 

Jo  nachdem  man  alle  oder  nur  einzelne  Thcile  des  Schweisses  auffangen  will, 
verfährt  man  auf  verschiedene  Weise.  Im  ersten  Falle  wird  entweder  der  nackte 
Mensch  im  Dunstbad  auf  eine  metallene  Wanne  gelegt  und  der  abfliessendc  ächweiss 
gesammelt,  oder  es  wird  nur  eine  Gliedmaassc  (Arm  oder  Bein)  in  einen  luftdichten 
Beutel  eingebunden.  Die  aufgefangene  Flüssigkeit  wird  zwar  als  reiner  Schweiss  an* 
gesehen;  sie  kann  verunreinigt  sein  mit  dem  Wasserauszug  der  Oberhautschuppen,  mit 
Hautschmiere  und  mit  verdichtetem  Hautdunst,  d.  h.  mit  Wasser,  das  sich  an  den 
Wänden  des  Sackes  aus  dem  Dunst  niedergeschlagen  hat,  der  emporgestiegen  ist  aus 
der  Epidermis  zwischen  den  Schweissdrilsenmündungen.  Die  erstem  Verunreinigungen 
können  durch  vorsichtiges  Reinigen  der  Haut  vor  Beginn  des  Versuchs  sehr  vermindert 
werden,  und  die  letztere  ist  ganz  zu  beseitigen,  wenn  man  der  Wand  dos  um- 
schliessenden  Sacks  die  Temperatur  der  Haut  zu  geben  versteht,  Uebrigens  dürfte  sie 
auoh  ohnedies»  vernachlässigt  werden,  wenn  die  Sch  Weissabsonderung  lebhaft  genug 
ist , um  die  ganze  Oberfläche  des  cingeschlosscncn  Gliedes  mit  einer  Flüssigkeitsschicht 
zu  Überziehen.  Mittelst  dieses  Verfahrens  würden  zahlreiche  Aufschlüsse  gewonnen 
werden  können : z.  B.  über  die  Abhängigkeit  der  Zusammensetzung  des  Schweisses  von 
der  Absonderungsgeschwindigkeit  desselben,  und  ferner  über  die  Abhängigkeit  beider 
Veränderlichkeiten  von  der  Ernährung,  der  Temperatur,  der  Muskelbewegung  des  Ge- 
sainmtkörpers , der  Blutfülle,  der  elektrischen  Erregung,  dem  Luftdruck  von  und  auf 
die  absondernde  Hautstelle  selbst,  der  Absonderungsdauer  des  Schweisses  u.  b.  w.  — 
Hm  über  einzelne  Eigenschaften  des  Schweisses  Nachricht  zu  bekommen,  hat  man  ent- 
weder nur  einzelne  wenige  Tropfen  des  gewöhnlich  abgesonderten  Schweisses  auf- 
gefangen, oder,  war  es  nnr  um  den  Schwcissrückstand  zu  thun,  so  umhüllte  man  die 
schwitzenden  Glieder  mit  gereinigter  Leinwand , die  später  mit  destillirtera  Wasser^ 
ausgelaugt  wurde , oder  man  spülte  auch  nur  die  Haut  ah , auf  welcher  ein  Schweiss- 
rückstand  sass. 

Der  Schweiss,  welcher  aus  dem  gesunden  Blut  abgeschieden 
wird,  scheint  nach  den  vorliegenden  Betrachtungen  beständige  und 
unbeständige  Stoffe  zu  enthalten.  Zu  den  ersten  zählen : ein  eiweiss- 
artiger Körper,  ein  ölartiges  Fett,  Cbolestearin , Harnstoff,  Milch- 
und  Schweissäure  (Hydrotsäurc,  Cm,  NHs,  O13 ; HO),  Kali,  Natron, 
Kalk,  Eisenoxyd,  Chlor,  Schwefelsäure,  Phosphorsäure,  Kohlen- 
säure (Anselmino,  Favre,  Schottin,  0.  Funke).  Die  neueste 
Untersuchung  des  Schweisses  von  Funke  ignorirt  die  Schweiss- 
säure  und  bestreitet  die  Milchsäure ; wohl  nur  darum,  weil  sie  sieh 
auf  viel  geringere  SafTtmengeu  bezieht  als  die  Arbeit  von  Favre; 

und  Archiv.  jr«?nt:r.  Julilet  1853.  — Gillibert  d’IIercourt,  Valentin*!  Jahresbericht  Uber 
Physiologie  für  1853.  p.  168.  — O.  Funke,  M»  lese  hott'*  Untersuchungen  zor  Naturlehre. 
IV.  Bd.  36.  — Schiff,  neurolog.  Untersuchungen,  |.  Bd.  p.  165  und  189.  — Schuh,  Wochen- 
blatt der  Geaellachaft  der  Wleucr  Aerztc.  1857.  821.  — Viale  und  Latinl,  Scherer'»  Jahres- 
bericht für  1855.  202. 


nifüirrr^-.c  '.onplc 


% 


Aenderung  dea  Schweisses  mit  der  Absondernngsgeschwindigkeit.  369 

zu  den  unbeständigen  gehören : Ammoniak,  feste  Fette  und  flüch- 
tige Säuren,  namentlich  Butter-,  Essig-  und  Ameisensäure  (Schottin, 
Funke,  G-illibert). 

Die  Aenderungen  in  der  Schweisszusammensetznng,  welche 
bis  dahin  beobachtet  wurden , scheinen  abzuhängen  von  der  Ab- 
sonderungsgescliwindigkeit,  der  Absouderungsdauer,  der  Lage  der 
schweisserzeugenden  Fläche,  vielleicht  auch  von  der  Menge  des 
genossenen  Getränkes  und  der  Individualität  des  Schwitzenden. 

a)  Mit  der  Absonderungsgeschwindigkeit  ändert  sich  die  Zu- 
sammensetzung in  der  Art,  dass  der  Gehalt  des  Schweisses  an 
organischen  Stoffen  um  ein  Weniges  abnimmt,  wenn  die  Schweiss- 
menge  von  einem  Minimum  bis  zu  einem  gewissen,  nicht  allzu- 
hohen Werth  an  wächst;  dass  aber,  wenn  dieser  leßtere  erreicht 
ist,  die  Zusammensetzung  des  Schweisses  unverändert  bleibt,  wie 
auch  von  diesem  Grenzwerth  an  die  in  der  Zeiteinheit  abgesonderte 
Saftmenge  wachsen  mag.  Dieses  Gesetz  scheint  sich  aus  den 
Zahlen  von  0.  Funke  ableiten  zu  lassen. 


Beobachtungftort 

und 

V erauctunummer. 

. Schwergewicht 
in  Ur.  auf  die 
Stunde. 

Rückstand 

in 

Prozenten. 

Asche 

in 

Prozenten. 

Harnstoff. 

■ -Aw 

Mann  A. 

4,46 

1,44 

2.1 

5,99 

1,36 

0,24 

— 

3.1 

12,65 

0,79 

0,199 

Vorderarm  ^ j 

17,68 

1,17 

370  QCtm.  Fläche.  . < 

30,20 

0,84 

0,31 



6.1 

33,04 

0,70 

— 

1,112 

1.1 

36,41 

0,82 

— 

— ■ 

8.' 

47,96 

0,86 

0,36 

Mann  B. 

1. 

•'  • • ü 

3,12  i 

2,56 

0,63 

Vorderarm.  2 

6,60 

1,13 

- 

Mann  C. 

1. 

6,90 

1,17 

Vorderarm.  2 

10,62 

1 I 

0,84 

- 

Für  den  Theil  unseres  Satzes,  dass  von  einer  gewissen  Grenze 

angefangen  die  Zusammensetzung  des  Schweisses  unabhängig  von 
seiner  Absonderungsgeschwindigkeit  sei,  sprechen  auch  die  Zahlen 
von  Favre.  Der  Sehweiss,  auf  den  sie  sich  beziehen,  ist  ge- 
wonnen von  der  Gesammthaut  eines  Mannes,  der  in  einem  Dunst- 
bad auf  einer  Metallrinne  lag.  Die  Beobachtungszeit  scheint  aller- 

Ludwig,  Physiologie  II.  3.  Au/lage.  24 


k 


Digitized  by  Google 


370  Aeuderung  des  Schweisses  mit  der  Absonderungs-Dauer,  -Fläche  etc. 


dings  nicht  in  allen  Beobachtungen  gleich  lang  gewesen  zu  sein; 
sie  wird  annähernd  auf  l'/j  Stunde  angegeben.  — In  8 verschie- 
denen Tagen  schwankte  die  in  l'/j  Stunde  aufgefangeno  Schweiss- 
meuge  zwischen  2559  und  1521  Gr.  Die^  Rückstandprozente  waren 
in  beiden  Fällen  gleich  0,5.  — Unter  diesen  Umständen  mag  es 
erlaubt  sein,  die  Zahlen  einer  vollkommenen  Schweissanalyse  aus 
F a v r e ' s Abhandlung  ausznschreiben.  Sie  ist  mit  14  Liter  Schweiss 
augestellt  und  auf  1000  berechnet 

Na  CI  2,230  Natronphosphat  1 Milchsaures  KO  0,317  Fette  . . . 0,013 

KaCl  0,241  Btdphosphat  ) 8pUr*n  SchwoisMurc,  KO  1,562  Wasser  995,513 

KOSOj  0,011  Kalialburainat  . 0,00.5  Harnstoff  ....  0,044 

b)  Der  erste  Schweiss , welcher  nach  einer  langem  Drttsenruhe 

hervortritt,  Sf  sauer,  dauert  die  Absonderung  längere  Zeit,  so  wird 
sie  neutral  und  alsbald  alkalisch ; die  zuerst  ausströmende  Flüssigkeit 
enthält  auch  mehr  flüchtige  Fettsäure  und  mehr  des  eiweissartigen 
Körpers  (?)  als  die  spätere  (Gillibert,  Favre).  Der  letztere 
Beobachter  spaltete  die  in  l'/s  Stunde  abgeflossene  Menge  in 
3 Theile,  von  denen  jeder  in  je  */a  Stunde  aufgefangen  war. 
100  Theile  enthielten: 


Au*  der  ersten 
1 j Stunde. 

Aus  der  zweiten 
Stunde. 

Aus  der  dritten 
*,1  Stunde. 

Wasser j 

99,66 

99,53 

99,68 

In  absolut.  Alkohol  lösliche  Best.  . j 

0,17 

0,11 

0,15 

In  absolut.  Alkohol  unlösliche  Beet. . 

0,16 

0,29 

0,22 

Demnach  waren  in  der  ersten  Masse  die  mineralischen  Salze 
am  geringsten  vertreten. 

c)  Auf  eine  Veränderung  des  Schweisses  mit  der  erzeugenden 
Fläche  deutet  der  Geruch  hin,  den  der  Schweiss  aus  einzelnen 
Oertlichkciten  vor  dem  anderer  voraus  hat.  Auch  scheinen  die  Salze 
sieh  zu  ändern.  So  liefert  u.  A.  das  Individuum,  welches  Funke 
untersuchte,  einen  Fussschweiss  mit  1,37  Rückstand,  darunter  war 
0,40  Asche ; ein  Armschweiss  von  gleichen  Ruckstandsprozenten  gab 
nur  0,24  pCt.  Asche.  — Nach  einer  Angabe  von  Schottin  war, 
wenn  das  Na  der  Asche  = 100  gesetzt  wird,  das  Ka  im  Arm- 
schweiss  = 39  und  im  Fussschweiss  = 57. 

d)  Der  Schweiss,  welchen  Favre  sammelte,  enthielt,  wie 
schon  erwähnt,  nie  mehr  als  0,68  pCt.  Rückstand;  der  von  Funke 
nie  weniger  als  0,70.  Hier  war  verschieden  der  Ort  des  Auf- 
fangens, die  Individualität  und  die  Diät;  und  die  letztere  ins- 


Absonderangsgeschwindigkeit  des  Schweiases. 


371 


besondere  darin,  dass  der  Mann,  welcher  Favre  den  Schweiss 
erzeugte,  während  des  Dnnstbades  etwa  2 Liter  Wasser  trank. 

Innerlich  genommen  gehn  in  den  Schweiss  über : Bernstein-,  Weinstein-,  Benzoe- 
säure; es  erscheinen  dagegen  nicht:  Jod,  Chinin,  Salicin  (Schottin). 

3.  Absonderungsgesehwindigkeit.  Der  Schweiss  wird  nur  zeit- 
weise abgesondert;  bekanntlich  kann  seine  Bildung  Monate  lang 
unterdrückt  sein.  Die  Bedingungen,  von  denen  sein  Eintritt  und 
die  Lebhaftigkeit  seines  Flicssens  abhängen,  sind,  so  weit  bekannt, 
folgende:  1)  die  Haut  beginnt  zu  schwitzen,  wenn  die  Temperatur 
derselben  Uber  eine  noch  näher  zu  bestimmende  Grenze  steigt. 
Hierauf  dürfte  zurückzuführen  sein  der  Eintritt  des  Schweisses  nach 
Muskelanstrengungen;  bei  Anfällen  von  Hyperästhesie,  die  mit 
Rüthung  der  Haut  verbunden  sind ; nach  Durchschneidung  von  Ge- 
fässnerven,  namentlich  bei  l’ferden  (Dupuy,  Mayer,  Colin); 
bei  Aufenthalt  in  warmer,  mit  Wasserdunst  gesättigter  Luft.  — 
2)  Der  Schweiss  fliesst,  alles  Andere  gleich  gesetzt,  stärker  nach 
Genuss  von  warmen  wässerigen  Getränken  und  einigen  fluchtigen 
Arzneistoffen  (?).  — Die  Anwesenheit  der  bis  dahin  aufgezählten 
Bedingungen  genügt  jedoch  nur  dann,  wenn  noch  andere  unbe- 
kannte Bestimmungen  schon  vorhanden  sind.  Dieses  geht  aus  den 
ärztlichen  Erfahrungen  hervor,  dass  öfters  von  einer  sehr  warmen, 
mit  Blut  gefüllten  Haut  trotz  des  reichlichsten  Genusses  von  warmem 
Wasser  kein  Schweiss  erzielt  werden  kann.  Umgekehrt  schwitzt 
auch  oft  ein  Individuum  mit  relativ  kalter  Haut,  und  zu  Zeiten, 
in  denen  es  sich  längere  Zeit  des  Trinkens  enthalten  hat.  — 3)  Die 
Lebhaftigkeit  der  Absonderung  sinkt  mit  der  Absonderungsdauer 
(Gillibert,  Funke).  Nach  den  Angaben  des  erstem  Beobach- 
ters hört  der  Schweiss,  wenn  er  während  einer  gewissen  Zeit  ab- 
gesondert wurde,  zu  strömen  auf,  selbst  wenn  das  Individuum  unter 
reichlichem  Wassertrinken  im  Dunstbad  verbleibt.  — 4)  Einzelne 
Oertlichkeiten  der  Haut  sind  vor  andern  bevorzugt  durch  ihre  Be- 
fähigung in  Schweiss  zu  gerathen  und  bei  gleichen  schweisstreibenden 
Ursachen  mehr  Flüssigkeit  als  andere  zu  liefern;  es  scheint,  als 
ob  hierzu  die  Orte  gehörten,  die  sich  entweder  durch  zahlreichere 
oder  durch  grössere  Drüsen  vor  andern  auszeichnen  (Stirn,  Hand- 
teller, Achselhöhle  u.  s.  w.). 

Ausser  einigen  Angaben  von  Favre,  Gillibert  und  Funke,  in  denen  gleich- 
zeitig die  Muskclbewcgungcn , die  Temperatur  und  die  Diät  verändert  wurden,  liegen 
für  die  soeben  ausgesprochenen  Sätze  keine  Zahlenbeispiele  vor ; in  der  Unbestimmtheit, 
in  der  sie  hingestellt  sind , genügen  jedoch  auch  zum  Beweis  derselben  die  Thatsachen 
der  täglichen  Erfahrung. 

24* 


Digitized  by  Google 


372 


Statiatik  des  Schweisses;  Schweissbildung. 


Die  Statistik  des  Schwcisses,  d.  h.  die  Frage,  wie  viel  dieser 
Flüssigkeit  von  der  gesanunten  Haut  unter  gewissen  Umständen 
abgesondert  werde,  konnte  noch  nicht  in  Angriff  genommen 
werden,  da  es  an  einem  Hülfsmittel  fehlt,  um  unter  gewöhnlichen 
Verhältnissen  den  Sehwciss  gesondert  vom  Hautdunst  aufzufangen. 
Eine  Aussicht  hierzu  würde  sich  bieten,  wenn  es  sich  herausstellte, 
dass  innerhalb  gewisser  Grenzen  der  Absonderungsgeschwindigkeit, 
das  Verhältniss  zwischen  festen  und  flüssigen  Bestandtheilen  un- 
veränderlich und  aller  Orten  dasselbe  wäre;  dann  würde  man  aus 
dem  auf  der  Haut,  beziehungsweise  ihren  Bedeckungen  verblei- 
benden Rückstand,  auf  die  Menge  der  abgesonderten  Flüssigkeit 
schliessen , und  also  auch  Versuche  Uber  Schweissmengen  bei  ge- 
wöhnlicher Bekleidung  anstellen  können.  Sollten  die  Thatsachen 
diese  Unterstellung  widerlegen,  so  müsBte  sich  die  Statistik  auf 
die  Bestimmung  der  festen  Stoffe  beschränken.  — Um  einen  Maass- 
stab zu  gewinnen,  wie  hoch  unter  günstigen  Umständen  dieSchweiss- 
menge  der  gesammten  Haut  anwachsen  kann,  dienen  die  Erfah- 
rungen von  Favre.  Er  gewann  in  l'/s  Stunde  bis  zu  2560  Gr. 
Schweiss ; bei  einer  so  reichlichen  Erzeugung  erschöpft  sich  jedoch 
die  Absonderung  nach  einiger  Zeit  (Gillibert). 

4.  Schweissbereitung.  Die  fetten  und  die  flüchtigen  Säuren 
gehen  unzweifelhaft  aus  den  Epithelien  hervor,  da  namentlich  die 
Drüsen , welche  einen  starkriechenden  Schweiss  hervorbringen, 
reichlich  mit  Fett  gefüllte  Zellen  bergen.  — Die  Absonderung  der 
Flüssigkeit  würde  man  wegen  ihres  periodisehen  Auftretens,  und 
auch  darum,  weil  leidenschaftliche  Erregungen  öfter  mit  Schweiss- 
bildung gepaart  sind,  wohl  bereitwillig  von  einer  Beihülfe  der 
Nerven  ableiten , wenn  nur  irgend  eine  Art  von  Nerv  zu  den  Drüsen 
verfolgt  werden  könnte.  — Da  die  von  Blut  strotzende  Haut  leicht 
und  die  zusammengezogene  nicht  schwitzt,  so  wäre  daran  zu 
denken,  dass  eine  Erschlaffung  der  Gefässmuskcln  und  die  daraus 
entspringende  Erweiterung  des  Gefässlumens  eine  nothwendige  Be- 
dingung zur  Einleitung  der  Schweissbildung  sei.  Damit  ist  es  aber 
nicht  zu  vereinigen,  dass  die  Absonderung,  welche  schon  einge- 
treten war,  auch  wieder  zurücktritt,  trotz  der  noch  bestehenden 
Blutfülle. ' Sollte  etwa  die  Haut  der  Schweissdrtiscn  sich  unab- 
hängig von  Nerven  und  Muskeln  verändern? 

Der  Widerspruch*)  gegen  die  gangbare  Ansicht,  wonach  der  Schweiss  aus  den 
DTtisen  und  nicht  aus  der  «wischen  ihnen  gelegenen  Oberhaut  iierrorkoinme , wird  sich 

•)  Meissner'«  Jahresbericht  ftir  18.S6.  p.  2*5. 


Digitized  by  Googl« 


Harn  Werkzeuge ; anatomischer  Bau  der  Nieren. 


373 


schwerlich  Geltung  verschaffen;  denn  es  gelingt  dem  mit  der  Loupe  bewaffneten  Auge 
leicht,  den  Tropfen  aus  den  DrUsenmflndungen  hervorkommen  zu  sehen. 

5.  Aus  den  Drüsen , welchen  Muskeln  fehlen,  kann  der  Inhalt 
nur  durch  die  absondernden  Kräfte  selbst  ausgetrieben  werden;  die 
Muskeln  in  den  grössere  Drüsen  sind  vielleicht  geeignet,  den  zäh- 
flüssigen Inhalt,  der  auf  ihrem  Grund  sitzt,  zu  entleerren.  — Der 
auf  die  Hautoberfläche  ergossene  Saft  wird  uns  bei  der  thierischen 
Wärme  noch  einmal  Veranlassung  zu  Bemerkungen  geben. 

Harnwerkzeuge. 

A.  Nieren. 

1.  Anatomischer  Bau.  Ein  jedes  Harnkanälchen  beginnt  in 
der  Nierenrinde  mit  einem  kugeligen  Säckchen  und  geht  dann  in 
einen  engen  Schlauch  über,  der  gewunden  durch  die  Kinde,  gestreckt 
durch  das  Nierenmark  hinläuft.  Auf  diesem  Wege  verbindet  sich 
vorerst  ein  jedes  unter  einem  spitzigen-  Winkel  mit  einem  benach- 
barten ltöbrehen , und  der  aus  beiden  zusammengeflossene  Schlauch 
läuft  wieder  mit  einem  ähnlich  entstandenen  Nachbar  zusammen. 
Diese  Verbindungen  wiederholen  sich  öfter,  so  dass  schliesslich 
eine  grosse  Anzahl  von  Röhren  in  eine  einzige  zusammenmündet,  die 
anf  der  Papille  sich  öffnet.  Das  Gesammtlumen  der  Harnröhren 
nimmt  auf  dem  Wege  von  der  Rinde  zur  Papille  zuerst  sehr  rasch 
und  dann  allmäliger  ab,  da  die  aus  den  ersten  Zusammenflüssen  * 
entstandenen  Röhren  von  demselben,  die  durch  die  spätem  Ver- 
einigungen entstandenen  von  nicht  sehr  bedeutend  grösserem  Durch- 
messer sind,  als  jede  der  einzelnen  vor  der  Vereinigung.  — Die 
Wandung  des  Hameanälchens  ist  ans  einer  strukturlosen,  sehr 
feinen,  aber  festen  Haut  gebildet,  auf  deren  Innenfläche  eine  ein- 
fache Lage  von  Keimzellen  aufsitzt,  die  mit  Flüssigkeit  mässig  ge- 
füllt sind.  — Wittich*)  beschreibt  das  Element  der  Deckhaut 
als  ein  kugeliges  Häufchen  feinkörnigen  Stoffes  mit  einem  Kern 
in  der  Mitte;  eine  umkleidende  Haut  soll  ihnen  fehlen.  — Die 
Papille,  auf  welche  das  bis  dahin  beschriebene  Ilamcauälchen  zu- 
gleich mit  vielen  andern  aus  der  Niere  in  den  Kelch  tritt , ist  eine 
kegelförmige  Warze,  die  mit  der  Basis  an  den  Nieren  festsitzt  und 
mit  der  Spitze  frei  in  den  Kelchraum  ragt. 

Die  art.  renalis  zerfällt  in  Zweige  für  die  Capsel,  die  Rinde, 
das  Mark.  Die  weitaus  grösste  Menge  der  Aeste  geht  in  die  Rinde 


•)  Vlrchow'i  AfchlT.  X.  Bd.  827. 


Digitized  by  Google 


374 


Hftrnwerkxeuge ; Blutgefässe  der  Nieren. 


und  läuft  dort  in  kurze  Arterien  von  schon  mikroskopischem  Durch- 
messer ans.  Diese  durchbrechen  als  sogen,  vasa  affercntia  die 
Wand  des  sackartigen  Anfangs  der  Harngänge  und  zerfahren  inner- 
halb dieser  Höhle  in  ein  Blindei  von  feinsten  Gefässen  (glomendns). 
Diese  sammeln  sich  wieder  in  ein  grösseres  Gcfäss,  das  vas  efferens, 
welches  den  Hohlraum  des  Harnganges  alsbald  verlässt,  indem  es 
seine  Wand  abermals  durchbricht.  Der  Blutstrom  biegt  also  in 
die  Höhlung  des  Harncanälchcns  ein  und  aus  (Bowmann).  Die 
Gefässe  des  Nierenkorns  (glomerulus)  sind  unter  einander  durch 
eine  strukturlose  Masse  verklebt,  und  auf  seiner  freien  Oberfläche 
hat  man  oft  eine  Lage  zellenartiger  Gebilde  gefunden.  — Wenn 
das  ausftlhrende  Blutgefäss  wieder  zwischen  die  Harncanälchen  ge- 
treten ist,  so  zerspaltet  es  sich  noch  einmal  zu  einem  weitmaschigen 
Netze,  das  in  Verbindung  mit  den  Verästelungen  der  umliegenden 
vasa  efferentia  die  Harncanälchen  auf  ihren  gewundenen  und  geraden 
Wegen  umspinnt  und  aus  dem  die  Wurzeln  der  Nierenvenen  ihren 
Ursprung  nehmen.  Dieser  Beschreibung  entsprechend,  würde  das 
fiir  die  Rinde  bestimmte  Blut  der  a.  renalis  durch  ein  doppeltes 
Capiliarensystem  laufen,  von  denen  das  erste  in  das  Lumen  des 
Hamcanälchens  ragt  und  das  zweite  ausserhalb  auf  der  Wandung 
desselben  liegt  Die  Veränderung  des  Lumens,  welche  die  Gefässe 
in  der  Rinde  und  insbesondere  von  den  zufllhrenden  Gefässen  des 
Nierenkorns  nach  abwärts  erfahren,  verhält  sich  sehr  wahrschein- 
lich in  der  Art,  dass  der  Querschnitt  in  dem  zuführenden  und  ab- 
führenden Gefässe  sehr  viel  kleiner  ist,  als  derjenige,  welcher  von 
der  Summe  der  Gefässe  des  Knäuels  dargestellt  wird;  die  Summe 
der  Querschnitte  sämmtlicher  Capillaren  des  zweiten  Netzes  dürfte 


Fig.  53. 


grösser  sein , als  diejenige  des  ansftlhrenden  Gcfässes.  Das  Schema 
dieser  Anordnung  des  Lumens  drückt  Fig.  53  aus;  a entspricht 


Digitized  by  Google 


Hamwcrkzeuge ; Oefitac  des  Marks  und  der  Kinde  der  Nieren. 


375 


dem  vas  afferens,  g sind  die  vereinigten  Querschnitte  der  einzelnen 
Gefässe  im  Glomerulus,  e passt  auf  das  vas  efferens  und  v auf 
das  zweite  Netz  und  die  Venenwurzeln. 

Die  Capillaren  ftlr  das  Mark  gehen  zum  Theil  aus  den  Maschen 
des  zweiten  Netzes  der  Rindengcfässe  hervor,  zum  Theil  entstehen 
sie  selbstständig  aus  den  grosseren  Aesten  der  Nierenarterie 
(Virehow)  *).  In  welchem  Verhältniss  die  Summe  ihrer  Lich- 
tungeu  zu  der  der  vasa  afferentia  in  den  Knäueln  steht,  ist  nn-  ' 
bekannt,  aber  jedenfalls  überwiegt  die  Gcsammtlicktung  der  vasa 
afferentia  jene  um  das  Vielfache.  — Ein  kleiner  Rest  der  Arterien- 
zweige endlich,  welche,  von  dem  Mark  zur  Rinde  aufsteigend,  die 
vasa  afferentia  abgegeben  haben,  gelangt  schliesslich  auf  die  Ober- 
fläche der  Niere,  wo  sie  sogleich  in  ein  Netz  zerfallen,  das  die 
Capsel  auskleidet.  Die  Venen  dieser  Gefässe,  verstärkt  durch  Zu- 
flüsse au»  der  Fettcapsel,  bilden  den  Anfang  der  Stämme,  welche 
das  Blut  aus  der  Niere  fortführen. 

Von  dem  Bau  der  Häute  ist  hervorzuheben,  dass  das  vas  af-  und 
efferens  Mnskelzellen  tragen,  ferner,  dass  die  äusserste  Wandschicht 
des  Nicrenvenenstammes  mit  einer  starken  Muskellage  ausgestattet 
ist  und  dass  in  ihre  Höhlung  öfter  eine  Klappe  ragen  soll.  — Aus 
der  Niere  tritt  eine  nicht  sehr  beträchtliche  Zahl  von  dünnen  Lymph- 
gefässen  aus,  die  ebensowohl  ans  der  Tiefe  wie  von  der  Ober- 
fläche ihren  Zufluss  beziehen.  — In  die  Niere,  und  zwar  längs  der 
Arterie  gehen  Nerven  ein,  welche  aus  dem  plex.  coeliacus  stammen; 
sie  sind  aus  wenigen  breiten  und  vielen  Rem ak 'sehen  Fasern 
zusammengestellt  und  werden  auf  ihrem  Wege  mit  kleinen  Ganglien- 
haufen belegt;  die  Anordnung  ihrer  anatomischen  Elemente  inner- 
halb der  Nieren  ist  noch  nicht  dargelegt.  Der  Ursprung  derselben 
ist  theilweise  wenigstens  unzweifelhaft  in  dem  Hirn  zu  suchen,  da 
die  Verletzung  derselben  sehr  schmerzhaft  empfunden  wird.  — Alle 
diese  Gebilde  sind  in  der  Niere  selbst  eingebettet  in  eine  geringe 
Menge  sturkturloser  Zwisehenmasse  und  umschlossen  von  einer 
festen  Bindegewebscapsel. 

2.  Chemischer  Bau  der  Nieren**).  Die  strukturlose 
Membran  der  narncanälchen  nähert  sich  nach  ihren  chemischen 

•)  D«mn  Arclilr.  XII.  310. 

**)  Simon,  Medix.  Chemie.  Berlin  1842.  II.  Bd.  533.  — G.  Lang,  De  adipe  in  nrina  et 
renibu*.  Dorpat  1852.  — Frer  ichi,»  Bright’sche  Krankheit.  Bratinschw.  1851.  42.  — Cloctta, 
Llcbljr’s  Annalen.  89.  Bd.  289. — O.  B er  k m an  n , VI  reb o w'  » Archiv.  XI.  Bd.  127.  — Her- 
mann, Wiener  akadera.  Sitzungsberichte.  XXXVI.  349. 


Digitized  by  Google 


376 


Cheraiflchcr  Bau  und  Blut  der  Niere. 


Reaktionen  dem  elastischen  Gewebe.  Der  Inhalt  der  Deckzellen 
besteht  aus  Eiweiss  (?),  zuweilen,  namentlich  bei  Vögeln,  aus 
Harnsäure,  aus  Fetten  (vorzugsweise  nach  Fett-  und  Fleischnah- 
rung). — Die  Gefässhäute  zeigen  die  bekannten  Eigenschaften.  — 
Aus  dom  wässerigen  Auszug  der  Niere  ist  bis  dahin  ausser  den 
Bestandtheilen  des  Bluts  und  Harns  dargestellt  worden:  Inosit, 
Taurin,  Cystin  (Cloötta),  Sarkin  (?)  (Cloötta,  0.  Beck- 
mann), Leucin  und  Tyrosin  (Beckmann),  Kreatin  (Her- 
mann). Alle  diese  Stoffe  kommen  jedoch  nicht  immer  zusammen 
vor.  — In  der  frischen , bis  zum  Tod  thätigen  Niere  des  Menschen 
und  Ochsen  wurde  Inosit , und  in  der  gleichbeschaffenen  Niere  des 
letzten  Thiercs  ein  dem  Xanthin  oder  Sarkin  ähnlicher  Körper  und 
entweder  Cystin  oder  statt  dessen  Taurin  gefunden.  — Aus  der 
menschlichen  Niere  (wie  lange  nach  dem  Tode?)  wurde  Sarkin, 
Zucker,  Leucin  und  daneben  zuweilen  auch  Tyrosin  gewonnen.  — 
In  der  Niere  von  Hunden,  deren  Ureter  2 bis  24  Stunden  unter- 
bunden war,  faud  sich  Kreatin.  Blieb  der  Ureter  mehrere  Tage 
lang  geschlossen,  so  war  das  Kreatin  verschwunden  und  statt  dessen 
trat  neben  andern  krystallinischen , auch  ein  dem  Leucin  ähnlich 
sehender  Körper  auf.  — Welches  die  natürlichen  Bildungs-  oder 
Lagerstätten  dieser  Verbindung  sind,  bleibt  unentschieden ; in  welcher 
Beziehung  sic  zu  einander  stehen,  lässt  sich  um  so  weniger  sagen, 
als  ausser  den  genannten  gewiss  auch  noch  andere  eigenthümliche 
Stoffe  Vorkommen. 

3.  Das  Blut*),  welches  aus  der  absondernden  Niere  fliesst, 
ist  hellroth,  dem  arteriellen  ähnlich,  gefärbt;  es  enthält  mehr  0 und 
weniger  C0S  als  das  dunkle  venöse  (Bernard);  auch  ist  cs  frei  von 
Faserstoff,  oder  wenigstens  arm  daran  (Simon).  Aus  der  ruhen- 
den Niere  kommt  das  Blut  dunkel  (Bernard)  und  faserstoffhaltig 
(Brown-Säquard).  Das  Blut  der  Nierenarterie  soll  mehr  (0,038  pCt.) 
Harnstoff  enthalten  als  das  venöse  (0,010  pCt)  Picard;  nach  dem 
Angriff  auf  Picards  Methode  (v.  Recklinghausen)  dürfte  dieser 
Satz  weniger  durch  die  aufgefUhrten  Zahlen  als  vielmehr  durch  die 
Erfahrung  bewiesen  sein:  dass  nach  Ausrottung  der  Niere  (Dumas, 
Prout)  oder  Unterdrückung  der  Harnabsonderung  (Babington) 
der  Harnstoffgehalt  des  Bluts  überhaupt  zunimmt;  also  hat  sich 
das  arterielle  Blut  beim  Durchgang  durch  die  Niere  eines  Theilcs 
seines  Harnstoffes  entledigt. 

*)C1.  Bernard,  Lecona  aur  les  liquide«  de  rorganisme.  Paria  1859.  II.  Bd.  147  u.  f.  - 
Poiseullle  und  Qu  hier,  Compt.  rend.  49.  Bd.  164. 


Blut  und  Blutfttrom  der  Niere. 


377 


Die  Zahlen,  welche  Bernard  Aber  den  Gasgehalt  des  hell-  und  dunkclrothen 
venösen  und  arteriellen  Blutes  mittheilt,  sind  nicht  genau  vergleichbar,  da  Über  das 
Yerhältniss  ihres  Körperchengehaltes  nichts  bekannt  ist,  und  noch  mehr,  weil  Bornard 
die  Gew.innungsraethode  des  Gases  selbst  als  eine  provisorische  bezeichnet.  Beispiels- 
weise mögen  gelten  ; 


1 

Arterla 

Vena  rcnalia 

* 

hellroth. 

dunkelroth. 

0 

19,4 

17,2 

1 6,4 

CO, I 

3,0 

1 3,13 

6,4 

* Die  Zahlen  bedeuten  Volumen-Prozente  eines  Gases  von  unbekannter  Dichtigkeit. 

Das  Blut  oder  überhaupt  die  Körpermasse  eines  Thieres,  dem  man  die  Nieren 
genommen  hat,  enthält  nach  den  Angaben  von  Bernard,  Barreswill*)  und  Stan- 
nius  **)  immer  auffallend  viel  weniger  Harnstoff,  als  in  der  Zeit,  während  welcher 
die  Nieren  fehlten,  durch  diese  ausgesondert  sein  würde.  Dieses  wird  erklärlich, 
wenn  man  annimmt,  dass  der  zurückgehaltene  Harnstoff  sich  in  kohlensaures  Ammoniak 
umsetzt,  das  durch  an  dere  Secretionen,  z.  B.  die  des  Magens  und  Darms,  ausge- 
schieden  wird.  In  der  That  hat  sich  in  dem  Magen  der  entnierten  Hunde  eine 
ammoniakalische  Flüssigkeit  gefunden  (Bernard).  — Der  Angabe  von  Fieard 
entgegen  geben  Gabler  und  Poiseuille  an,  dass  dos  Blut  der  Nierenvene  Öfter 
mehr  Harnstoff  enthält,  als  das  der  Nierenarterie.  Da  ihr  analytisches  Verfahren  von 
Würz  erfunden  und  erprobt  ist,  so  dürfte  es  wohl  von  den  Fehlern  des  Picard’ sehen 
frei  sein;  aber  nicht  weniger  sicher  ist  es  auch,  dass  das  von  ihnen  gefundene 
Verhalten  der  beiden  Blutarten  zu  einander  nicht  das  normale  ist,  denn  die  Nieren 
sind  ira  Wesentlichen  die  einzigen  Organe,  welche  Harnstoff  entleeren,  und  durch  sie 
wird  im  Allgemeinen  fast  sammtlicher  durch  die  Nahrung  eingebrachte  Stickstoff  wieder 
aus  dem  thierischen  Körper  entfernt. 

4.  Blutstrom  dnreh  die  Niere***).  Wie  viel  Blut  überhaupt  in 
der  Zeiteinheit  durch  die  Niere  geht,  wird  bei  unveränderlichem 
Spannungsunterschied  zwischen  dem  Inhalt  der  Arterie  und  Vene 
abhängig  von  den  Widerständen  in  der  Niere.  Diese  sind  aber 
thatsächlich  veränderlich;  denn  es  durchsetzt  meist  während  der 
bestehenden  Hamabsonderung  und  nach  Durchschneidung  der  Ge- 
fässnerven  das  Blut  die  Niere  so  rasch,  dass  cs  in  den  Venen  noch 
hellroth  anlangt,  während  es  umgekehrt  dort  dunkel  ankommt, 
wenn  die  Absonderung  ruht  oder  die  Nierennerven  gereitzt  werden 
(Bernard).  — Bei  dem  grossen  Durchmesser  der  Nicrenarterie 
und  dem  jedenfalls  nicht  unbedentenden  Spannungsunterschiede 


•)  Archive«  gfolrales.  1847, 

••)  Scheven,  Ueber  die  AoMchneiriung  der  Niere  und  deren  Wirkung,  ltoetock  1848. 

••*)  C.  Ludwig,  Artikel  Ilarnabnondemng  ln  Wagner* • Handwörterbuch  der  Physiologie.  — 
R.  V I r c h o w , in  denken  Archiv.  Xll.  Bd.  310.  — CI.  Bernard,  Le$  onn  nur  lee  liquides  de 
l'organlsme.  Paria  1869.  p.  147  u.  ff. 


Digitized  by  Google 


378 


Blutstrom  der  Nier«;  Hum. 


zwischen  der  Arterie  und  Vene  kann  bei  geringem  Widerstand 
sehr  viel  Blut  durch  die  Niere  gehen.  Wenn  aber  der  Wider- 
stand bedeutend  geworden,  so  kann  auch  die  Blutmenge  gering 
werden. 

Das  Blut  kann  durch  die  Niere  auf  drei  Wegen  in  die  Vene 
zuriiekgehen.  Der  Anthcil,  den  jede  Abtheilung  von  der  Gesammt- 
heit  durchlässt,  wird  ablmngen  von  dem  Verhältniss  der  Quer- 
schnitte und  Bahnlängen  zu  einander.  Offenbar  kann  man  sogleich 
sagen,  dass  das  Netz  der  C'apsel  immer  sehr  wenig  Flüssigkeit 
abftthrt.  Es  kommen  also  nur  die  Verhältnisse  zwischen  dem  Ans- 
maass  an  den  Rinden-  und  Markgelassen  in  Betracht.  Diese  sind  aber 
wegen  der  Muskeln  an  den  kleinen  Arterien  (vasa  af-  und  fiflferentia 
des  Nierenkornes  und  die  artcriolac  reetae  des  Marks)  nicht  unverän- 
derlich, und  somit  wird  der  Anthcil  des  durch  das  Mark  gehenden 
Blutes  auf  Kosten  des  Rindenstroms  wachsen,  wenn  die  Muskeln 
der  Gelasse  des  Nicrcnkorns  zusammengezogen  und  die  des  Marks 
unverändert  oder  umgekehrt  die  Durchmesser  der  letzten  Zufluss- 
rohren erweitert  und  die  der  Rinde  unverändert  sind.  Wie  viel  Blut 
aber  hierdurch  von  der  Rinde  abgeleitet  werden  kann,  ist  wegen 
der  Unbekanntschaft  mit  den  in  Frage  kommenden  Ausmaassen 
nicht  einmal  schätzungsweise  anzugeben. 

Das  ungefähre  Gesetz  ftir  die  For- 
men der  Spannungscurvc  innerhalb 
der  beiden  aufeinanderfolgenden  Ca- 
pillarnetze  in  der  Rinde  kann  nach 
den  Angaben  Uber  die  fortlaufende 
Veränderung  des  Lumens  (Fig.  53) 
hingestellt  werden.  Sie  muss,  ent- 
sprechend den  Grundsätzen,  welche 
Seite  64  u.  f.  entwickelt  sind,  die  in 
Fig.  54  angegebene  ännehmen. 

Gl.  Born&rd  giebt  an,  dass  man  die  von  ihm  beobachteten  Erscheinungen, 
welche  die  Veränderlichkeit  des  Blutstroms  durch  die  Niere  beweisen,  am  besten  an 
Thieren  sehen  kann,  die  mit  Curare  vergiftet  und  durch  künstliche  Respiration  am 
Lebon  erhalten  werden. 

5.  Harn.  Die  Flüssigkeit,  welche  aus  den  Harneanälchen 
ausgeschieden  wird,  enthält  sehr  verschiedene  Stoffe  in  Lösung,  je 
nach  der  Lebensart,  den  Nahrungsmitteln  nnd  besonderen  allge- 
meinen körperlichen  Zuständen.  Man  hat  darum  bestimmt,  den- 
jenigen Ham  als  den  normalen  anzusehen,  welcher  entleert  wird 


Fi*.  54. 

ß 


4/ 


Harn ; Harnstoff.  379 

bei  gänzlichem  Enthalten  von  Nahrung  oder  bei  Aufnahme  einer 
solchen,  welche  wesentlich  aus  eiweissartigen  Körpern,  Fetten,  Amy- 
lon , den  gewöhnlichen  Blutsalzen  und  Wasser  besteht.  Unter  dieser 
Voraussetzung  erscheinen  im  Harn:  Harnstoff,  Kreatinin,  Harnsäure, 
Hippursäure,  Farbstoffe,  Zucker,  Fette,  Ammoniak,  NaO,  KO, 
CaO,  MgO,  C1H,  CO-i,  PO:.,  SOn , dazu  eine  geringe  Menge  orga- 
nischer Stoffe  von  unbekannter  Zusammensetzung  (Extrakte)  und 
in  Gasform  anfgelöst  N,  0,  COj. 

Je  nach  dem  Ziel,  das  der  Harnanalytiker  verfolgt,  hat  man 
entweder  allen  Harn,  der  in  24  Stunden  gelassen  wurde,  in  ein 
Gefäss  vereinigt,  gewogen  und  ein  oder  mehr  Proben  dieses  Durch- 
schnittsharns zerlegt;  oder  es  wurde  von  einer  zur  andern  und 
zwar  jedesmal  bekannten  Zeit  der  Ham  besonders  entleert,  ge- 
wogen und  zerlegt.  Die  erste  Beobachtung  giebt  die  Menge  der 
täglich  entleerten  Harnbestandtheile ; die  zweite  giebt  die  mit  der 
Tageszeit  veränderliche  Menge  der  letztem.  — Um  die  von  ver- 
schieden schweren  Individuen  ansgegebenen  Gewichte  an  Ham- 
bestandtheilen  vergleichbar  zu  machen , hat  man  die  letztem  durch 
das  Körpergewicht  dividirt,  d.  h.  man  hat  die  von  der  Einheit  des 
Körpergewichts  gelieferten  Harnbestandtheile  aufgesucht.  Die  in 
gleicher  Zeit  und  von  gleichem  Thiergewicht  gelieferte  Stoffmenge 
kann  man  als  Maass  fUr  die  Bildungs-,  resp.  Absonderungsgeschwin- 
digkeit anschcn.  Dieser  Berechnung  liegt  die  wahrscheinliche 
Voraussetzung  zu  Grunde,  dass,  alles  Andre  gleichgenommen,  die 
Gewichte  des  bildenden  Thierlcibes  und  der  gebildeten  Harnbestand- 
theile  im  geraden  Verhältnis  miteinander  wachsen. 

Harnstoff*).  Er  kommt  im  Ham  frei,  vielleicht  auch  mit  NaCl 
und  AmCl  verbunden  vor.  Die  Bedingungen  fltr  die  Hamstoffaus- 
scheidung  durch  den  Harn  dürften  gelegen  sein : in  dem  Umfang  und 
der  Geschwindigkeit,  in  und  mit  welcher  er  gebildet  und  auch  wieder 
weiter  zerlegt  wird  (z.  B.  in  AmO  u.  s.  w.) , ferner  in  der  Thätigkeit, 
welche  Haut  und  Niere  entwickeln,  um  ihn  aus  dem  Körper  zu 

•)  Lehmann,  Physlolog.  Chemie.  II.  ßd.  167.  — Frerich's,  M Uli  er 's  Archiv.  1848.467. — 
Bldder  und  Schmidt,  Die Verdauungssäftc  and  der  Stoffwechsel.  1852.  p.  292  u.  f. — ächerer, 
Wttribargcr  Verhandlungen.  II.  Bd.  180.  — Bischof/,  Der  Harnstoff  als  Maass  des  Stoffwechsels. 
Giessen  1853.  — Bsrral,  Statiquc  chim.  des  anlmaux.  Paris  1850.  437.  — E.  Becher,  Studien 
Ifber  Respiration.  Zürich  1855.  — J.  Lehmann,  Liebig's  Annalen.  87.  Bd.  205.  — Bisch  off, 
Liebig's  Annalen.  88.  Bd.  102.  — Hoppe,  Vlrchow’s  Archiv.  X.  Bd.  144.  *—  Ksupp< 
Archiv  ftlr  pbya.  Heilkunde.  1855.  p.  385.  u.  1856.  p.  125.  — Volt,  Physlol.-chcm.  t’ntcrsuchungcn. 
München  1857.  — Beigel,  Untersuchungen  Über  Harn  und  Harnstoffmcngen,  nova  acta.  Iid.  XXV. 
(Separatdrnck.).  — Hermann,  Wiener  akad.  Berichte.  Bd.  XXXVI.  349. — Geuth,  Untersuchungen 
Uber  den  Einfluss  des  Wassertrinkeu«.  Wiesbaden  1856.  — Hchirks,  Valentin 's  Jahresbericht 
für  1857.  p.  «4.  — Botkln,  VlrehWs  Archiv.  XV  380. 


Digitized  by  Google 


380  Veränderlichkeit  dee  täglichen  Harnstoffs  von  der  Gewichtseinheit  Thier. 

schaffen.  Dieses  Alles  ist  an  sich  klar,  weil  nnr  überhaupt  der 
Harnstoff  ausgcfllhrt  werden  kann,  der  im  thierischen  Körper  ge- 
bildet und  dort  nicht  auch  sogleich  weiter  zerlegt  ist.  Von  diesem 
Harnstoff  kann  aber  nur  der  dem  Harne  zu  Gute  kommen,  welcher 
nicht  durch  die  Haut  abströmt;  der  noch  übrige  Rest  muss  aber 
nicht  nothwendig  durch  die  Niere  abfliessen , denn  dieses  ge- 
schieht nur  so  weit,  als  es  dieses  Werkzeug  gestattet;  was  es  an 
Harnstoff  zurücklässt,  vertheilt  sich  in  den  Säften  des  thierisehen 
Körpers. 

Täglicher  Harnstoff  von  der  Gewichtseinheit  Thier.  Natür- 
lich war  es  bis  dahin  unthunlich , auch  nur  den  Versuch  zu  wagen, 
den  Harnstoff  des  täglichen  Harns  aus  dem  mittleren  Harnstoffgehalt 
unserer  Säfte  und  der  Arbeitskraft  der  Niere  herzuleiten.  Man  hat 
statt  dessen  die  Abhängigkeit  desselben  von  andern  Umständen 
untersucht,  welche  in  jedem  Fall  aus  mehrfachen  Gründen,  je  nach 
den  Zuständen  des  thierischen  Körpers  aber  sogar  in  entgegen- 
gesetzter Richtnng  auf  die  Harnstoffausscheidung  wirken  können. 
Nach  diesen  vorläufigen  Bemerkungen  zählen  wir  auf: 

1)  die  Harnstoffausscheidung  bei  Entziehung  aller  Nahrung; 
die  Ausscheidung  des  genannten  Stoffes  durch  den  Harn  geht  bis 
zum  eintretenden  Hungertode  des  Thieres  fort;  sie  geschieht  also 
aus  dem  Inhalt  des  hungernden  Thieres  (Lassaigne,  Scherer, 
Becher,  Schmidt,  Frerichs,  Bischoff).  Da  nun  der  Harn- 
stoff offenbar  nur  aus  den  Leim-  und  Eiweisskörpern  hervor- 
gehen kann , so  wird  sich  seine  Menge  richten  nach  der  Zusammen- 
setzung des  hungernden  Thiers  (seinem  Fett-,  Fleisch-,  Bindege- 
webe-, Knochengehalt),  nach  seiner  Lebensweise,  der  Temperatur, 
seiner  Umgebung  etc.  — Andeutungen  für  solche  Variationen  liegen 
darin,  dass  gemästete  Thiere  mehr  Harnstoff  liefern  als  'magere 
(Bischoff);  dass  mit  der  Dauer  des  Hungers  sich  die  Hamstoff- 
abscheidung  ändert.  Das  Gesetz,  nach  welchem  dieses  letztere  geschieht, 
zeigt  im  Allgemeinen  ein  Abfallen  des  Harnstoffs;  wie  dieses  sieh 
aber  im  Einzelnen  gestaltet,  wird  von  mannigfachen  Umständen 
abhängen. 

2)  Veränderlichkeit  der  Harnstoffansscheidung  mit  der  Art  und 
Menge  der  festen  Nahrung.  Man  snehte  natürlich  meist  die  Be- 
ziehungen zwischen  der  chemischen  Zusammensetzung  der  Nahrung 
und  den  ausgeschiedenen  Harnstoff  auf.  Soll  hierbei  die  wirklich 
in  die  thierische  Umsetzung  eingegangene  Nahrung  in  Betracht 
kommen , so  kann  dieselbe  nur  dann  für  -übereinstimmend  mit  der 


Digitized  by  Google 


Harnatoffabftonderung  abhängig  von  der  Nahrung. 


381 


eingenommenen  angesehen  werden,  wenn  bei  ihrem  Genuss  durch 
längere  Zeit  nicht  allein  das  Körpergewicht,  sondern  auch  die  Ge- 
sundheit unverändert  geblieben;  denn  dann  wird  wohl  auch  die 
prozentische  Zusammensetzung  des  Thierkörpers  sich  gleich  geblie- 
ben sein.  Wenn  dagegen  bei  der  Nahrung  das  Körpergewicht  zu- 
oder  abnimmt,  so  bleibt  die  Zusammensetzung  des  Stoffgemenges 
die  in  die  thierische  Zersetzung  einging,  unbekannt.  — Aber  auch 
zwischen  der  mit  bekannter  Zusammensetzung  in  die  lebendige  Um- 
setzung eingehenden  Nahrung  und  dem  ausgeschiedenen  Harnstoff 
ist  keine  feste  Beziehung  zu  erwarten;  denn  Eiweiss-  und  Leimatome 
zerfallen  nicht  sogleich  in  Harnstoff,  sondern  zunächst  in  Produkte, 
die  als  solche  entleerbar  sind,  wie  in  Harnsäure  und  Kreatin  u.s.w 
Ferner  gehen  sie  theilweise  gar  nicht  in  Harnstoff  Uber,  sondern  in 
Gallensäure,  Farbstoffe  und  vielleicht  auch  geradezu  oder  mindestens 
mit 'dem  Harnstoff  nur  als  Durchgangspunkt  in  andre  gasförmig  oder 
flüssig  entleerte  stickstoffhaltige  Atome.  Ob  und  wie  viel  von  N der 
Nahrung  zur  Harnstoff bildung  verwendet  wird,  ist  demnach  ab- 
hängig von  der  Arbeit  mannichfacher  Körperstücke.  Aus  diesem 
Grund  können  die  Versuche  an  Thieren  mehr  dazu  dienen,  die 
Eigentümlichkeiten  des  inneren  Zcrsetznngsganges  bei  denselben 
hinzustellen,  als  dazu  um  aus  ihnen  einen  Schluss  auf  die  Ham- 
stoffabscheidung  des  Menschen  zu  ziehen.  — Da  aber  die  Versuche 
gelehrt  haben,  dass  nicht  bloss  der  Eiweiss-  und  Leimgehalt  der 
Nahrung,  sondern  auch* der  Antheil  an  Wasser,  Fetten,  Zucker, 
und  Salzen  die  Art  der  Umsetzung  bedingt,  so  durfte  es  bei  zukünf- 
tigen Versuchen  unerlässlich  sein,  diese  genau  zu  bestimmen,  was 
aus  bekanntem  Grnnde  nur  dann  möglich  wäre,  wenn  man  die 
Speisen  aus  künstlichen  Gemengen  chemisch  reiner  Nahrungsmittel 
herstellte. 

Aus  den  bekannt  gewordenen  Beobachtungen  geht  hervor: 
a)  Fett  und  Amylon  «mindern  die  Harnstoffabscheidung,  so  dass 
dasselbe  Thier  weniger  Harnstoff  liefert  beim  ausschliesslichen  Ge- 
nüsse von  Wasser  und  Fett,  oder  selbst  bei  einem  reichlichen 
Futter  aus  Amylon  und  Fett  mit  einem  schwachen  Zusatz  eiweiss- 
artiger  Stoffe,  als  bei  vollständiger  Nahrungsentziehung.  Eine  aus 
Mehl , Fett  und  Fleisch  gemischte  Nahrang  erzeugt,  gleiche  Nieren- 
thätigkeit  vorausgesetzt,  weniger  Harnstoff,  als  dieselbe  Menge  von 
Fleisch  für  sich  allein  genommen  hervorbringt  (Bischof f,  Hoppe, 
Botkin).  — b)  Eine  Nahrung  von  Eiern,  Muskelfleisch , leimgeben- 
dem Gewebe  steigert  die  Harnstoffbildung  (Bischoff,  Lehmann), 


Digitized  by  Google 


382  Besiohung  de*  Harnstoff«  rum  N-  und  Wassergehalt  der  Nahrung. 

und  zwar  nimmt  das  tägliche  Harnstoffgewicht  annähernd  in  dem 
Maasse  zu,  in  dem  die  Menge  jener  Nährstoffe  wächst,  gleichgültig 
ob  unter  dem  Einfluss  der  Fütterung  das  Körpergewicht  des  Thie- 
res  zunimmt  oder  sich  gleich  bleibt.  — Nach  Voit  kann  bei  Hun- 
den nahezu  der  ganze  N-GekaltderNahrungmit  Abzug  dessen,  welcher 
im  Koth  verbleibt , also  der  N des  Futters , welches  wirklich  ins  Blut 
überging , durch  den  Harnstoff  entleert  werden ; dieses  gilt  natürlich 
nur  für  den  Fall,  dass  sich  das  Gewicht  des  Thieres  während  der 
Versuchszeit  unverändert  hielt.  Diese  Erscheinung  trifft  jedoch  we- 
der allgemein  für  den  Hund,  noch  weniger  aber  für  den  Menschen 
ein,  denn  für  gewöhnlich  enthält  der  ausgeschiedene  Harnstoff  kei- 
neswegs den  ganzen  Stickstoff,  welcher  mit  der  Nahrung  eingefllhrt 
wurde  (Boussin  gault,  Lehmann,  Barral,  Bisckoffj,  selbst 
dann  nicht,  wenn  sich  das  Körpergewicht  durch  die  Nahrung  nicht 
mehrt.  Der  Unterschied  zwischen  den  Stickstoffmengen , welche 
mit  der  Nahrung  ein-  und  durch  den  Harnstoff  ausgeftihrt  werden, 
ist  nach  Bise  ho  ff  beim  Hund  in  weiten  Grenzen  unabhängig  ge- 
funden worden  von  dem  Nahrungsmaasse,  so  dass  er  bei  einer 
kärglichen  und  übermässig  reichlichen  Fleischfütterung  sich  gleich 
blieb.  Dieses  würde  daraufhindeuten,  dass  in  den  von  Bise  hoff 
beobachteten  Thieren  neben  einer  mit  der  Fleischmasse  veränder- 
lichen Harnstoffbildung  eine  andere  von  dem  Fleischgenuss  unab- 
hängige, immer  gleichmächtige  Umsetzung  des  Eiweisses  stattfände. 
Diese  nicht  in  Harnstoff  ausmündende  odef  Uber  ihn  hinausgehende 
Umwandlung  des  Eiweisses  wird  aber  beschränkt,  wenn  dem  Fleisch 
noch  Kochsalz,  Fett  oder  Wasser  so  zugesetzt  werden,  dass  sich 
das  Volum  des  täglichen  Gesammtkarns  mehrt;  denn  dann  steigt 
der  Harnstoff  und  nähert  sich  der  Grenze,  die  ihm  durch  den  Stick- 
stoffgehalt der  Nahrung  gezogen  ist.  — c)  Der  Wassergehalt  der 
Nahrung  beeinflusst,  gleichbeschaffene  und  gleichviel  feste  Speise 
vorausgesetzt,  die  Harnstoffausscheidung;  seine  Wirkung  ist  ver- 
änderlich mit  der  Wassermenge,  welche  aus  dem  Getränk  in 
den  Ham  übergeht,  mit  der  Tageszeit,  in  welcher  sie  genommen 
und  mit  dem  Wasser,  das  in  der  vorhergegangenen  Zeit  in  der 
Nahrung  vorhanden  war.  Die  vorliegenden  Untersuchungen  zei- 
gen, dass  bei  gleichbleibender  Nahrung  und  Muskelanstrengung 
der  tägliche  Werth  des  Harnstoffs  znnimmt,  wenn  sich  das  Harn- 
maass  mehrt  ('Bisch off,  Becher,  Kaupp,  Genth  u.  s.  w.).  Der 
reichlicher  gelassene,  an  llarnprodukten  ärmere  Harn  entführt  mehr 
Harnstoff  als  der  sparsamer  ausgeschiedene,  aber  an  Harnstoffpro- 


Djgitized  by  Google 


Beziehung  des  Harnstoffs  zum  Harnrolum. 


383 


dnkten  reichere  Ham.  Dieses  gilt  selbst  flir  den  Ham,  der  zu 
derselben  Zeit  aus  den  beiden  Nieren  desselben  'fhiers  hervorge- 
gangen ist  ('Hermann).  Legt  man  den  Ureter  beiderseits  bloss 
nnd  fängt  den  Harn  auf,  so  zeigt  sieh,  dass  die  Nieren  zu  gleichen 
Zeiten  ungleiche  Hamvolumina  absondern  (Go  11)  und  zwar  wech- 
selnd bald  die  eine  und  bald  die  andere  mehr.  Wenn  eine  der 
Seiten  merklich  mehr  Ham  entleert , so  fördert  sie  dann  auch  mehr 
Harnstoff  zu  Tage.  Aus  der  Beobachtung,  dass  der  prozentische 
Harnstoffgehalt  mit  dem  abnehmenden  Harnmaass  und  zwar  un- 
regelmässig wächst,  geht  jedoch  hervor,  dass  kein  festes  Verhältnis 
zwischen  den  beiden  genannten  Werthen  besteht.  — Diese  Vorbe- 
merkung zeigt,  dass  der  Genuss  von  Wasser  nur  dann  die  Harn- 
stoffabscheidung  mehrt  , wenn  das  Wasser  nicht  durch  Darm,  Hant, 
Lunge,  sondern  durch  den  Harn  entleert  wird.  Nur  insofern,  als 
im  Allgemeinen  bei  einem  grösseren  Wassergehalt  der  Nahrung 
auch  das  tägliche  Ilarnvolum  wächst  und  zwar  meist  in  dem  Maasse, 
in  welchem  die  Wassernahrung  zunimmt,  ist  es  auch  erlaubt,  ge- 
radezu die  Steigerung  des  Harnstoffes  von  der  des  Getränkes  ab- 
hängig hinzustellen. 

Aber  gleiche  Mengen  fester  und  flüssiger  Nahrung  erzeugen 
unter  sonst  gleichen  Bedingungen  nicht  gleichviel  Harnstoff.  War 
die  Nahrung  zuerst  relativ  trocken  gewesen  und  wurde  sie  dann 
mit  Wasser  versetzt,  so  wirkt  dieselbe  Menge  Wasser  viel  mehr 
steigernd,  als  wenn  längere  Zeit  hindurch  die  Nahrung  schon 
wasserreich  war  (Mosler).  Daraus  folgt,  dass  wenn  nach  einem 
Uebergang  von  wenig  zu  mehr  Wasser  die  letzte  Lebensweise  an- 
haltend eingebalten  wird,  der  Gang  des  Harnstoffes  sich  folgender- 
maassen  stellt:  seine  Menge  erhebt  sich  von  ihrem  niedem,  der 
trockenen  Nahrung  entsprechenden  Werth  plötzlich  beträchtlich,  und 
so  wie  der  Nalirungswechsel  eintritt,  dann  sinkt  sie  während  einiger 
Tage  langsam  herab  und  schwankt  nun  während  der  Zeit,  in 
welcher  das  Getränk  sich  gleich  blieb,  in  engeren  Grenzen  um  einen 
mittleren  Werth  (Genth),  der  jedoch  höher  ist,  als  er  ohne  den 
vennehrten  Wassergenuss  sein  würde.  Geht  der  Versuch  umge- 
kehrt von  der  wasserreichen  zur  trockenen  Diät  Uber , so  erniedrigt 
sich,  die  Harnstoffmenge  an  dem  Tage  des  Nahrungswechsels  unter 
den  Werth,  welcher  sonst  der  trockenen  Diät  znkommt;  während 
einiger  Tage  erhebt  sich  dann  der  Harnstoff  wieder  auf  den  Durch- 
schnitt, welcher  vor  der  Wasservermehrting  in  der  Nahrung  vorhanden 
war  (Becher).  — Wird  das  Wasser,  welches  man  der  Nahrung 


Digitized  by  Googl 


384  Harnstoff  im  Ham  und  KOJNOs,  Na  CI,  Harnstoff  und  Harnsäure  in  der  Nahrung. 

zusetzt,  auf  einmal  mit  den  trockenen  Speisen  genommen;  so  hat 
dasselbe  für  die  Harastoffaussckeidung  einen  grossem  Erfolg,  als 
wenn  es  erst  nach  der  Verdauung  der  festen  Speisen  getrunken 
wird  (Genth). 

Wie  das  reichliche  Trinken  einerseits  durch  Anregung  der 
Nierenthätigkeit  die  Ausscheidung  des  Harnstoff*  mehrt,  so  steigert 
sie  anderseits  auch  die  Harastoffbildung.  Dafür  sprechen  folgende 
Aussagen:  bei  vielem  Trinken  von  Wasser  verschwindet  aus  dem 
Ham  die  Harnsäure  (Genth);  es  nimmt  während  längeren 
Wassergebrauchs  das  Körpergewicht  trotz  einer  unveränderten 
festen  Nahrung  ab;  es  genügt  zur  Stillung  des  Hungers  die  Nah- 
rung nicht  mehr,  welche  ohue  die  Wasserdiät  hinreichte;  es 
nimmt  das  Körpergewicht  nach  Aussetzung  des  Wassergebrauchs 
durch  die  unveränderte  Menge  fester  Speisen  zu  (Be necke, 
Genth,  Mosler). 

tn  Folge  von  Kalt-  und  Warmwasserbädern  kann  Bich  die  tägliche  Harastoff- 
auascheidung  mehren  und  mindern  (Neubauer,  Genth,  J.  Lehmann)*),  je 
nachdem  das  Bad  auf  die  Absonderungen  durch  die  Haut  gewirkt  hat. 

d)  Ein  Salpeter-  und  Kochsalz-Mehr  in  der  Nahrung  erhöhen 
den  Harnstoff  (Boussingault,  Barral,  Bischoff,  Kaupp, 
Schirks).  — Diese  Wirkung  des  Kochsalzes  schlägt  in  das  Gegen- 
tlieil  um,  wenn  die  Kochsalz-Nahrung  ohne  Vermehrung  des  Trink- 
wasser längere  Zeit  andauert  (Botkiu). 

Als  hamgtoffinindemd  sieht  man  auch  den  Kaffeeaufguss  an  (Bück  er,  J.  Lehj- 
mann).  — Die  Ramstotfabscheidung  wird  noch  geändert  durch  Darreichung  einiger 
chemischer  Präparate,  und  zwar  wird  sie  vermehrt  durch  die  Kinnahme  von  Ham- 
it o ff  ( Wohl  er,  Frerichs**),  Galloia***),  vorausgesetat , dass  er  nicht  in  sehr 
beträchtlicher  Menge  gegeben  wird,  denn  dann  ist  er  ein  Gift.  Schon  30  bis  40  Minuten 
nach  Einführung  von  5 Gr.  Harnstoff  in  den  Kaninchenmagen  beginnt  die  vermehrte 
Abscheidung;  sie  ist  erst  nach  60  bia  70  Stunden  beendigt — Vermehrend  wirkt  auch 
Harnsäure  (Wühler,  Frerichs,  Neubauerf).  Die  Art  ihrer  Wirkung  veran- 
schaulicht der  folgende  Versuch  von  Neubauer.  Ein  Kaninchen  gab  mit  der  bestimmten 
Menge  Rübenfutter  täglich  1,34  Gr.  Urin.  Als  es  daneben  in  2 Tagen  24  Gr.  Harn-  i 
säure  empfing,  lieferte  cs  nun  in  3 aufeinander  folgenden  Tagen  5,3,  8,5,  6,2  Gr.  Ur. 
Am  4.  Tag  kam  es  erst  wieder  au  1,33  Gr.  In  jenen  3 Tagen  waren  also  16,0  Gr. 
Harnstoff  mehr,  als  die  Rüben  liefern,  ausgeschiedeD ; die  Harnsäure  hatte  17,1  Gr.  Harn- 
stoff geben  können.  — Gallo is  fand  dagegen  nach  Einverleibung  von  harnsaurem 


*)  Meissner' s Jahresbericht  dir  1866.  300  and  336. 
**)  Li e big'«  Annalen.  66.  Bd.  336. 

•■•)  Gazette  tnddicalc  de  l’aris.  Juln  1867. 
t)  Liebig’s  Annalen.  99.  Bd.  , 


Digitized  by  Google 


Acnderung  der  Harnstoffausscheidung  mit  der  Temperatur,  Körperbewegung  etc.  3S5 - 

Kali  keine  Harnstoffvcrmehrung.  — Vid.  Oxalsäuro  des  Harns.  — Aehnlich  wirken 
Guanin  (Kerner)*),  welches  sich  jedoch  nicht  so  vollständig  wie  Harnsäuro  in  Harn- 
stoff umzusetzen  scheint;  Thein  und  Theobromin  (Frerichs,  Wöhlor,  Lehmann); 
Cubebcn  und Cantharidontinktur  (Sigmund)**),  wobei  sich  jedoch  nach  Beckmann 
die  Verhältnisse  sehr  verwickeln;  Ol.  terebinth.  aether.  (Beckmann),  Digitalis  sollen 
die  Harnstoffausscheidung  mindern  (Sigmund,  Becher). 

2)  Gleiche  Lebensart  führt  bei  höherer  Lufttemperatur  zu  et- 
was weniger  Harnstoff  als  bei  niederer  (Kau pp). 

3)  Alles  Andere  gleich,  wird  die  tägliche  Hamstoffmengc 
etwas  geringer,  wenn  die  Blase  selten,  grösser,  wenn  sie  öfters 
entleert  wird  (Kaupp).  — Bei  den  unter  2 und  3 hervorge- 
hobenen Umständen  änderte  sich  das  Hamvolum  durch  Hebung  der 
Schweissbildung  und  Minderung  des  Harnwassers. 

4)  Muskclanstrcngung  mehrt  die  Harnstoffausscheidung,  wenn 
das  für  die  genossene  Nahrung  erreichbare  Maximum  noch  nicht 
gewonnen  ist,  selbst  dann,  wenn  sich  das  Harnvolum  nicht  ändert; 
also  bei  einer  Kost  von  mittlerem  Wassergehalt  wird  die  Harn- 
stoffausscheidnng  reichlicher,  wenn  die  Muskeln  anhaltend  gebraucht 
werden;  ist  dagegen  die  Kost  sehr  wasserreich,  so  mindert  die 
hiuzukommendc  Bewegung  den  Harnstoff  eher,  als  dass  sie  ihn  mehrt. 
(Genth,  Mosler).  Da  sich  zugleich  das  Harnvolum  bei  der 
Bewegung  gemindert  hat,  so  würde  die  Beobachtung  sagen,  dass 
die  Mnskelbewegung  die  Harnstoffausscheidungen  nicht  so  weit  ge- 
steigert habe,  dass  der  durch  die  Schweissbildung  erzeugte  Ver- 
lust habe  gedeckt  werden  können. 

5)  In  allen  bis  dahin  beobachteten  Individuen , wie  sehr  auch 
ihre  Lebensweise  mit  Rücksicht  aut  den  Genuss  von  festen  und  flüssi- 
gen Speisen,  Körperbewegung  und  Temperatur  geregelt  war,  stellte 
sich  die  tägliche  Harnstoffmenge  nicht  von  einem  zum  andern  Tage 
vollkommen  gleich  her,  sondern  sie  schwankte  auf  und  ab  in  mehr 
oder  weniger  regelmässigen  Perioden  und  Abständen.  Diese  That- 
sachen  fordern  die  Annahme , dass  die  an  der  Bildung  oder  Aus- 
scheidung des  Harnstoffes  betheiligten  Vorgänge  aus  inneren  in  dem  tliic- 
risehen  Haushalt  begründeten  Einrichtungen  veränderliche  W crtlie  sind. 

Bcigel  fand  in  zwei  Fallen  während  der  Menstruation  weniger  Harnstoff,  als  un- 
mittelbar vor  und  nachher;  da  vor  der  Menstruation  weniger  Harn  (mit  mehr  Harnstoff), 
als  während  derselben  geliefert  wurde,  so  wäre  daraus  zu  schliosnen,  dass  bei  diesem 
Zustand  die  Harns toffbil düng  vermindert  sei.  — Auch  in  einigen  Krankheiten,  z.  B.  dem 
Typhus,  ist  die  Harnstoffausscheidung  vermehrt,  in  anderen,  z.  B.  der  Bright’schcn 

•)  Virchow's  Archiv.  VI.  Bd  215. 

*•)  Meissner'«  Jahresbericht  flir  1857.  313. 

Ludwig,  Physiologie  II.  3.  Auflage.  • 25 


Digitized  by  Google 


_ 386  Einfluss  der  Tageszeiten  auf  die  üamatoffansscheidung. 

Nierendegeneration  und  dem  gelben  Fieber,  mindert  sich  die  Menge  des  ausgeschie- 
denen Harn*  sehr  merklich,  ln  dem  ersten  Fall  (Nierendegeneration)  häuft  er  sich  im 
Blute  an;  der  Grund  der  Verminderung  liegt  darum  nur  in  dem  ausscheidenden  Apparat 

Eine  Vergleichung  der  täglichen  Absonderungsgeschwindigkeit 
des  Harnstoffs  in  verschiedenen  Lebensaltern  und  Geschlechtern 
hat  Thatsachen  ergeben,  welche,  wie  es  scheint,  in  vollkommener 
Uebereinstimmung  mit  den  Ableituugm  aus  dem  bis  dahin  Mitge- 
theilten  sind,  insofern  im  Allgemeinen  Männer  und  Kinder  mehr 
essen  und  sich  bewegen,  als  Frauen  und  Greise.  — 1)  Bei  Kin- 
dern ist  die  Bildung  des  Harnstoffs  lebhafter,  als  bei  Erwachsenen, 
sehr  bedeutend  gehemmt  ist  sie  im  Greisenaltcr  (Lecanu*), 
Scherer**),  Bisehoff).  2)  Beim  männlichen  Geschlecht  soll  im 
Allgemeinen  die  Harnstoff  bildung  in  grösserem  Maassstab  vor  sich 
gehen,  als  beim  weiblichen  (Becquerel***)  Lecanu,  Bischoff). 
lieber  die  Hnrustoffabscheidung  schwangerer  Frauen  s.  Böckerf). 

B.  Aenderung  des  Harnstoffs  mit  den  Tageszeiten.  1)  Im 
ruhenden  und  hungernden  Individuum  bleibt  die  Geschwindigkeit 
der  Harnstoffausscheidung  nicht  fortwährend  gleich.  In  einer  von 
Becher  an  sieh  selbst  gewonnenen  Beobachtung  ging  Harn  und 
Harnstoffmenge  vom  Morgen  bis  in  die  späteren  Nachmittagsstunden 
unter  Auf-  uud  Abschwankungen  der  höchsten  Erhebung  zu  und 
sank  von  da  wieder.  Diese  Erscheinung  schliesst  sich  den 
ähnlichen  der  Gallen-  und  COs-Ausscheidung  durch  Leber  und  Lunge 
an,,  und  zeugt  fltr  den  schaukelnden  Gang  der  Umsetzungen  und 
Ausscheidungen  aus  einem  uns  unbekannten  Grunde.  — 2)  Beim 
speisenden  Individuum  macht  sich  die  Zeit,  in  der  feste  und  flüssige 
Speise  genommen  wird,  merklich.  Fig.  55  und  56  (umstehend).  Die 
Speisezeit  ist  in  dem  Abrisse  durch  einen  Strich  angedeutet;  das 
Mahl  hatte  einen  beträchtlichen  Fleischantheil.  Die  erste  Curve  ist 
nach  Becher’s,  die  zweite  nach  Voit’s  Angabe  entworfen. 
Kurze  Zeit  nach  der  Fleischmahlzeit  steigt  der  Harnstoffgehalt, 
erreicht  etwa  nach  sechs  Stunden  seinen  Höhepunkt  und  sinkt 
dann  wieder.  Sinken  und  Steigen  geht  mit  Schwankungen  um 
eine  mittlere  Linie  vor  sieh.  — Auch  der  blosse  Genuss  von  Wasser 
steigert  nach  Mos ler  die  Hamstoffmenge.  — Legt  man  gleich- 
zeitig die  Curve  der  stündlichen  Aenderung  des  Gesammthams  Uber 


•)  Journal  de  Pharmacia.  XXV.  lld.  1S30. 
■*)  Würzburger  Verhandlungen.  IU.  Bd.  180. 
*••)  Der  Urin.  Leipzig  1842.  26. 
t)  Scherer’*  Jahrunbericht  fUr  1848.  i»3. 


Digifized  by  Google 


Einfluss  «1er  Tageszeiten  auf  die  Hamstoffiausacheidung. 
Fig.  55  und  5t>.- 


387 


i -i 


die  des  Harnstoffes,  so  ist  ersichtlich,  dass  beide  Linien,  unter- 
geordnete Ausnahmen  abgerechnet,  gleichzeitig  zu  steigen  und  zu 
fallen  beginnen.  Dabei  ist  jedoch  der  Gang  durchaus  kein  pro- 
portionaler. Dieses  erklärt  sich  insbesondere  bei  den  Cnrvcn  der 
Speisetagc  sehr  leicht,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  der 
Wasser-  und  Harnstoffgehalt  des  thierisehen  Körpers  nicht  in  einem 
bestimmten  Verhültniss  stehe;  wäre  also  nach  Tische  das  Wasser 
der  Organe  und  des  Blutes  rascher  vermehrt  als  ihr  Harnstoff,  so 
würde,  gleiche  Nierenthätigkeit  vorausgesetzt,  jetzt  mehr  Wasser, 
weniger  Harnstoff,  später  mehr  Harnstoff  und  weniger  Wasser  aus- 
geschieden. 

Einige  Mittelzahlen  aus  Beobachtungen  am  Menschen  sind 
zum  Beleg  der  aufgestellten  Regeln  in  der  folgenden  Tafel  ver- 
zeichnet. 


25* 


Digitized  by  Google 


388 


Mittelzahlen  der  Harnstoffausschcidung. 


tieitc  hlecht  Kfirpcr- 

und  gewicht  Lj 

Aller.  Kilo. 


Männl.  35  J. 


llarnmgo.  Harn»HT  KirnitlTj 

Nahrung.  in  C.C.  in  Gr.  f.  1 Kilo  Bemerkungen.  j Beobachter. 


Männl.  24  J. 


Männl.  45 1.  10S 
Woibl  43  J.  89,75 
Männl.  I6J.  48.5 
Wcibl.  I S J.  55,1) 
Männl. 3,  5J.  j 3g6 
*»  ' 1 
22  J .'ln50 
38  J.|( 135,0 


'gemischte 

Pflanzenkost 

Zucker 

'gemischte 


■ gemischt 


her  idem 


Staude 


gemischt 


r| 

53,0 

> 

32,0 

? 

22,5 

15,4 

47,2 

II 

tj 

30,6 

r 

71,16 

? 

1 

fl 

40,36 

: 

47,79 

' 1662,7 

37,7 

0,35 

r »51,2 

25,3 

0,28 

i 741,6 

19,9 

0,41 

1 723,3 

20,9 

0,32 

12,98 

18,29 

jo, 81 

1 " 

27,00 

29,82 

jo, 42 

> Lehmann. 


/ Becher. 


>Bischoff. 


>Scherer. 


In  den  nun  folgenden  Versuchen  war  die  Kost  eine  geregelte,  gemischte;  jeder 
Beobachtete  genoss  zwar  eine  von  der  andern  verschiedene,  aber  während  der 
Versuchsd&ucr  immer  dieselbe. 


Männl.  39  J 


Männl.  26  J.  < 


Weibl.  30  J. 


Männl.  20  J. 


1/74,10 

1 . w 1 1252 

u.  ohncWass.1  ...... 

) i 1 2o'J 

40,21 

0,54 

mit  vermehrter  \ 

474,56 

44,99 

0,60 

Körperbeweg.  J 

174,04 

(und  2 Liter  3251 

46,60 

0,62 

d.  Wasser  aus».  1 

174,19 

( Wasser  1 3175 

50,12 

0,68 

der  Mahlzeit  ( 

1 173,99 

/und  4 Liter!  5514 

54,26 

0,73 

währ.  d.  Mahlz.  f 

^ 473,68 

j Wasser  j 5075 

52,13 

0,71 

0,62 

ohne  Bewegung  1 

[74,35 

und  1 Liter;  2325 

46,38 

mit  Bewegung  1 

Wasser 

Dieselbe  Kost  j 
u.33,6  Gr.NaCli  2369,6 

35.80 

0,53 

) 

<67,0 

u.  1,5  Gr.  NaCl  2102,0 

33,50 

0,50 

1 

gemischte  \ 1369,1 

37,77 

0,56 

12  ( Humen tl.  ( 

! V 

Kost  | I34S,6 

34,75 

0,52 

2(  in  24  Std.  / 

1 

65,0 

|( 

gemischte  )j 

Ko8t  jj 

27,17 

24,70 

28,39 

0,42 

0,3S 

0,44 

'°.r,  ,)d.  Men-!) 
wahrd}  . . ;> 

nach  (8lru*‘-  1 

gemischt.  Kost  1723 

41,0 

0,85 

ruhig  zu  Hause 

44,5 

u.  2500  kalt.i  3977 
Wasser. 

46,17 

0,95 

Beweg,  i.  Freien 

gemischtKost  1943 

52,25 

1,08 

ruhig  zu  Hause1 

1. 

u.2500wonn.  3663 
Wasser.  1 

54,0 

1,12 

Beweg.  i.FreienJ 

f Genth. 


kaupp. 


Beigcl. 


Zur  quantitativen  Bestimmung  des  Harnstoffs  dürften  von  nun  an  nur  noch  die 
Methoden  von  Liebig,  Bunsen  oder  Hei  nt  z angewendet  werden,  da  die  ältem 
V erfahrungsarten  zu  Verlusten  führen.  Die  Zahlen  von  Bischoff,  ßcherer  und 
Becher,  welche  nach  Liebig’s  Vorschrift  analysirten,  sind  darum  nicht  vergleichbar 
mit  den  Lehmann 'sehen. 


Digit  teöd-by  Google 


Kreatin ; Harnsäure. 


389 


Kreatin* ••))  und  Kreatinin  können  fast  immer  aus  dem 
Harn  dargestellt  werden  (Heintz,  Pettenhofcr,  Liebig).  Da 
das  letztere  sieb  sehr  leicht  in  das  erstere  umwandelt,  so  ist  man 
geneigt,  alles  Kreatin  aus  dein  Kreatinin  abzuleiten.  Seine  Menge 
wechselt;  es  ist  reichlicher  im  Harn  Fleisch-  (resp.  Milch-)  fressender 
Thiere,  z.  B.  der  Kälber  (Socoloff),  der  Hunde  (Liebig). 
Vorzugsweise  reich  ist  der  Harn  an  Kreatin,  welcher  nach  ein-  bis 
mehrstündiger  Unterbindung  eines  Ureters  ans  der  bis  dahin  ruhen- 
den Niere  ausgeschieden  wird  (Hermann). 

DP'Bsaigncs  fand  in  100  C.C.  Menscherham  0,2  Gr.  Kreatinin. 

Harnsäure*).  Das  2NaO,  HO,  POr.  des  Urins  soll  sie  flüssig 
erhalten,  indem  dieses  Salz  durch  freie  Harnsäure  inNaO,2HO,  PCL  und 
Na02Ur  verwandelt  wird  (Liebig);  auch  sollen  die  Hamfarbstoffe 
zur  Lösung  der  Harnsäure  beitragen  (Dnvcrnoy).  Hierdurch  er- 
klärt es  sich,  warum  der  Ham  so  viel  mehr  Harnsäure  gelöst  ent- 
hält als  das  Wasser  von  gleicher  Temperatur. 

Hie  Harnsäure-Niederschläge  im  gelassenen  Ham  sind  veranlasst  entweder  durch 
Abkühlung  der  aus  der  Blase  entleerten  Flüssigkeit  oder  durch  eine  in  Folge  der 
Hamgährung  eintretendc  Säurebildung,  die  die  Löslichkeit  der  Harnsäure  um  so  mehr 
beeinträchtigt,  wenn  sie  auch  die  lösenden  Farbstoffe  zerstört. 

Das  Maximum  der  täglichen  Hamsäureansscheidung,  zu  welchem 
es  der  gesunde  Mensch  bringt , ist  nach  absolutem  Maass  immer 
nur  ein  geringes;  die  Schwankungen  aber,  die  jene  Absonderung 
in  ihren  (engen)  Grenzen  erleidet,  sind  verhältnissmässig  bedeutend; 
diese  Schwankungen  treten  zum  Theil  scheinbar  unbegründet,  d.  h. 
während  ganz  unveränderter  Lebensuiuständc  auf;  diese  Unregel- 
mässigkeiten werden  aber  geringer,  wenn  man  statt  der  täglichen 
Ausscheidungen  mehrtägige  miteinander  vergleicht  (Ranke).  Eine 
Acnderung  der  Ausscheidung  bewirkt  die  Ernährungsweise;  der 
Hungernde  entleert  wenig  Harnsäure  und  zwar  mit  der  steigernden 
Fastenzeit  weniger  (Ranke).  Fleischnahrung  giebt  am  meisten, 
weniger  Pflanzenspeise,  noch  weniger  eine  Kost  aus  Zucker  (Leh- 
mann, Ranke).  Ganz  verschwindet  sie  nach  sehr  reichlichem 
Genuss  von  Wasser  (Genth),  dagegen  sollen  alkoholische  Ge- 
tränke sie  vermehren.  Geringe  Körperbewegungen  sollen  sie  mindern, 


•)  Hel  nt  z,  Zoocbemle  1883.  192.  — Liebig,  dessen  Annalen.  Bd.  108.  — Pcasmignes, 
Glossen.  Jahrcsber.  1857.  543.  — Hermann,  Wiener  akadem.  Berichte.  1.  c. 

••)  LicMg,  Annalen,  80.  Bd.  1dl.  — Bcncc  Jonei , rhlloaophloal  tranaaettona.  1*43.  250. — 
Banke,  1‘ebor  die  Ausscheidung  der  Harnsäure.  München  1868. — Hocker,  Virchow’a  Archiv. 
XL  225. 

♦ 


Digitized  by  Google 


390 


Harnsäure;  Xanthin. 


kräftige  sie  mehren  (Ranke );  das  Letztere  soll  auch  durch  Minde- 
rung der  Hantausdünstung  erreicht  werden,  vorausgesetzt,  dass  das 
Harnmaass  dadurch  entsprechend  gesteigert  ist  (Marcet).  — Sek- 
tionen von  Kindern,  die  innerhalb  einiger  Wochen  nach  der  Geburt 
gestorben  sind,  zeigen  öfters  Nieren,  deren  Canälchen  mit  Ham- 
säurekrjstallen  gefüllt  sind  (Cless).  Ob  dieses  allen  gesunden 
Neugebomen  eigen  ist,  wann  nach  der  Geburt  die  Harnsäure  er- 
scheint und  wie  lange  sie  besteht,  ob  dabei  eine  Vermehrung  der 
Harnsäure  eintritt,  ob  die  Harnsäure  die  Nieren  als  solche  verlässt 
oder  dort  vorher  verändert  wird,  darüber  geben,  wenn  auch  noch 
unbestimmte  Aufklärung,  die  Beobachtungen  von  Virchow,  Ho- 
dann,  Hecker. 

In  Krankheiten,  namontlich  in  fieberhaften,  ist  die  tägliche  Harnsäurcmengo  oft 
ungewöhnlich  vermehrt;  auch  im  Icterus  ist  sie  reichlicher  vorhanden  (Kühne); 
ebenso  in  der  Leukämie  (Virchow,  Ranke).  — Vermindert  soll  sie  werden  nach 
Chiningebrauch  (Rauke). 

Das  Mittel  der  täglichen  Menge  setzt  Becquerel  auf  0,5; 
Bence  Jones  von  0,4  bis  0,6  Gr.  — Lehmann  fand  bei  Fleisch- 
kost l,5Gr.,  bei  gemischter  Kost  1,2  Gr.,  bei  Pflanzennahrung  1,0  Gr., 
bei  Zuckerftitterung  0,74  Gr.  — Ranke  bei  Pflanzcnnabrung  im 
Mittel  0,7  Gr.,  bei  Flcischnahruug  0,9  Gr. 

Die  Veränderung  der  Harnsäureausscheidung  mit  der  Tages- 
zeit wird  bestimmt  durch  die  Vertheilung  des  Essens;  bei  einer 
täglichen  Hauptmahlzeit  fällt  das  Maximum  der  stündlichen  Aus- 
scheidung einige  .Stunden  hinter  dieselbe,  daB  Minimum  aber  un- 
mittelbar vor  sie. 

Violen  Thieron,  2.  B.  den  Hunden,  den  Katzen,  den  Wiederkäuern , fehlt  die 
Harnsäure  zwar  nicht  immer,  aber  doch  meist;  andere,  wie  Vögel,  Schlangen  u.  s.  w., 
entleeren  sic  massenhaft.  Die  Lagerung  der  Harnsäure  bei  Vögeln  und  Schnecken  im 
Innern  der  Zellen,  welche  die  Hamcanälchen  auskleiden  (Busch,  Wittich),  hat  die 
Aufmerksamkeit  erregt. 

Man  unterstellt  eine  enge  Beziehung  zwischen  Harnsäure  nnd 
Harnstoff,  indem  man  die  erste  als  eine  Uebergangsstnfe  znm  Harn- 
stoff bei  der  Zersetzung  von  Leim  und  Eiweiss  ansieht.  Ausser  den 
Wabrscheinlicbkeitsgründeu,  welche  die  chemischen  Formeln  in 
die  bekannten  Zerfällungsprodukte  der  Harnsäure  darbieten,  ist 
anzufltbren,  dass  die  eingenommene  Harnsäure  als  Harnstoff  aus- 
tritt,  und  dass  sie  in  den  Geweben  auch  solcher  Tliiere  zu  finden 
ist , deren  Ham  frei  von  unserer  oder  einer  ihr  ähnlichen  Säure  ist. 

Xanthin.  In  sehr  geringer  Menge  (Strahl,  Lieberkühn, 
Strecker)  zuweilen  als  Harnstein  (Marcet,  Liebig,  Wühler). 


Hippursäure. 


391 


Hippur  säure*).  Sie  wird  durch  das  2NaO,  HO,  POs  des 
Harns  gelöst  erhaben.  Sie  bildet  einen  meist  noch  geringem  An- 
theil  des  Menschen -Harns  als  die  Harnsäure;  nach  Ranke,  Du- 
chek  u.  A.  soll  sie  häufig  ganz  fehlen.  — Vermehrt  wird  ihre  täg- 
liche Menge  in  erster  Linie  durch  den  Genuss  von  Benzoesäure 
und  solchen  Nahrnngs-  und  Arzneimitteln,  die  sie  und  ihre  Salze, 
oder  solche  Benzoylverbindungen  enthalten,  die  sich  leicht  zu  Ben- 
zofc'säure  oxydiren.  Ihr  mehrender  Einfluss  ist  jedoch  in  enge 
Grenzen  geschlossen  (Ure,  Wöhler,  Frerichs).  Nimmt  ein 
Mann  von  mittlerer  Grösse  täglich  mehr  als  2 Gr.  Bcnzotfsäure,  so 
erscheint  ein  Thcil  der  letztem  als  solche,  und  nicht  zu  Hippur- 
säure verwandelt,  im  Harn  (Duchek).  Vermehrt  wird  die  Hippur- 
säure ferner  durch  den  Genuss  von  Zinuntsäure  (CisHsOrj  (Mar- 
ch and),  Bernsteinsäure , wie  Buchheim  und  Ktihne  behaupten, 
denen  jedoch  Hall  wachs  entgegentritt,  und  endlich  durch  den 
Genuss  von  Gräsern , Gemüsen , Früchten , die  nur  sehr  wenig  oder 
auch  gar  keine  Benzoylverbindungen  enthalten  (Hall  wachs,  \V  eise- 
rn ann,  Duchek).  Vermindert  wird  sie  dei  Grasfressern  durch 
Brodnabrung  (Weissmann),  beim  Menschen,  Hunden,  Kälbern 
durch  Fleischnahrong;  Ranke,  Wurtz  und  JCüh ne  sahen  sie  nach 
dieser  Kost  ganz  schwinden.  Bei  der  Harnruhr  kommt  sie  jedoch 
auch  während  ausschliesslicher  Fleischkost  vor.  Nach  der  Beobach- 
tungen von  Roussin,  die  Hall  wachs  im  Allgemeinen  bestätigt, 
geben  Arbeitspferde  mehr  Hippursäure  als  Luxuspferde.  Die  beiden 
Beobachter  legen  den  Grund  für  das  Mehr  in  die  stärkere  Mus- 
kelanstrcngung;  ob  ihn  nicht  das  Futter  bedingt  ? 

Hall  wachs  fand  bei  gemischter  Diät  bis  zu  1 Qr.  Hippursäure  täglich;  Wciss- 
mann  nach  einer  weniger  genauen  Scheidungbart  bei  gemilchter  Kost  zu  2,4  bis  3,4, 
bei  Fleischkost  bis  zu  0,8 — 1,8  Gr. 

Da  die  Uippursäure  aus  der  Summe  der  Atome  der  Benzoö- 
säure  und  des  Glycins  weniger  2 At.  Wasser  besteht,  da  sieh 
ans  den  genannten  Stoffen  die  Hippursäure  darstellen  und  diese 
sich  auch  wieder  in  Benzoesäure  und  Glycin  zerlegen  lässt  (Des- 
saignes),  so  darf  man  wohl  behaupten,  dass  sich  die  genossene 
Benzoesäure  mit  dem  im  thierischen  Körper  vorfindigen  Glycin 


•)  H.  Ranke,  Physlolog.  - chemisch«  Untersuchungen  etc.  Krlangon  IBM.  — Roussin, 
Compt.  rend.  42.  Bd.  583.  — Ha  11  wachs,  IJeber  den  Ursprung  der  Hippursäure  Int  Harn  der 
Pflanzenfresser.  1857.  — Weissmunn,  Ueber  den  Ursprung  der  Hipp.  Im  Harn  der  Pflanzen- 
fresser. 1857.  — Kühne  und  11  all  wachs,  Archiv  fUr  path«l.  Anatomie.  XII.  Bd.  38G.  — 
Kühne,  Ibld.  396.  — Meissner’*  Jahresbericht  flir  1856.  271.  — Duchek,  Chemisches  Central- 
blatl  1656.  900. 


-Digitized  by  Google 


392 


llippursäure;  Kohlenhydrate. 


paare.  Dieses  letzte  liefert  die  Leber  in  der  GlycochoMure  und  die 
Paarung  geht  im  Blute  vor  sich  (Kühne,  Hall  wachs). 

K.  und  H.  geben  in  oincr  durchdachten  Arbeit  folgende  Gründe  ftlr  ihre  Be- 
hauptung. Benzoesäure  allem  in  da*  Blut  gespritzt  gebt  alsbald  wieder  als  Bolche  in 
den  Harn  über,  die  plötzliche  Mehrung  dieses  Atoms  im  Blut  entspricht  keiner  gloichcn 
des  Glycins;  spritzt  man  aber  Benzoesäure  und  zugleich  eine  entsprechende  Menge 
glycocholsaurcs  Natron  ein,  so  wird  der  Harn  entsprechend  hippursäurehaltig.  — 
Briugt  man  Benzoesäure  in  den  Magen,  so  entsteht,  weil  sic  nur  langsam,  und  zwar 
der  Glycinbildung  in  der  Leber  gemäss,  zum  Blut  kommt,  auch  Ilippursäurc , selbst 
dann  noch,  wenn  man  eine  Gallcnßstel  anlegt,  die  alle  Galle,  welche  zur  Blase  kam, 
nach  aussen  fuhrt ; also  geht  die  Paarung  nicht  im  Darm , sondern  im  Blut  vor  sich. 
Die  Bildung  der  Hippursäure  steht  aber  still,  wenn  man  nach  dem  Eingeben  von 
Benzoesäure  die  Gallen-  und  Blutgefässe  im  Hilus  der  Leber  unterbindet;  also  liefert 
die  Leber  das  Glycin.  — Dunkel  ist  es  noch,  woher  die  Benzoesäure  kommt,  wenn 
im  Futter  keine  Benzoylverbindungen  enthalten  sind.  Man  hat  verschiedene  Ver- 
muthungon  Uber  ihren  Ursprung  festgestellt ; so  glaubte  man  sie  u.  A.  ableiten  zu 
können  aus  der  lebendigen  Umsetzung  des  Eiweisses  und  Leimatomo,  weil  siu  durch 
Oxydation  der  letztem  künstlich  dargestellt  werden  kann.  Wenn  e/ sich  bestätigt,  dass 
die  Hippursaure  mit  Hülfe  der  Bernsteinsiiure  entstehen  könnte,  so  würde  um  so  eher 
die  letzte  Ursache  ihrer  Bildung  im  thicrischen  Stoffwechsel  gesucht  werden  müssen, 
als  Bemsteinsäure  schon  im  lebenden  Körper  gefunden  wurde.  Auf  denselben  Ursprung 
deutet  auch  dio  Beobachtung  von  Lohmann,  dass  diabetische  Kranke  nach  viel- 
tägiger  Fleischkost  noch  Hippursäure  ausharnen. 

Die  Bedingungen , welche  die  Entstehung  der  Ilippursäurc  aus  ihren  Compo- 
nenten  veranlassen,  sind  unbekannt.  Durch  gleichzeitige  Digestion  von  Blut,  Lebor, 
Galle  und  Benzoesäure  bei  der  normalen  ßäugcthicrwiirme  kann  sie  nicht  erzeugt 
worden,  auch  dann  nicht,  wenn  durch  jenes  Gemenge  ein  Sauerstoffstrom  geleitet  wird 
(Kühne). 

Nach  einer  belangreichen  Beobachtung  von  Kühne  geht  bei 
gelbsüchtigen  Menschen  oder  Hunden,  deren  duet.  choledochus 
allein  unterbunden  war,  die  eingegehene  Benzoesäure  als  solche 
in  den  Harn  Uber,  obwohl  dieser  letztere  dann  Cbolalsiinrc  enthält. 
Also  muss  bei  der  in  jenem  Falle  bestehenden  Gallcnstauung  die 
Bildung  des  Glycins  in  der  Leber  unterbrochen  sein.  » 

Kohlenhydrate.  Im  Harn  sind  aus  dieser  Classc  beobach- 
tet worden:  Trauben-,  Rohr-,  Milchzucker,  ein  nicht  krvstallisircnder 
gührnngsfähiger,  die  Polarisationsebene  links  drchenderZucker*),  Ino- 
sit,  Mannit,  Milchsäure. 

Der  Trauben-  oder  Leberzucker**).  CI.  Bcrnard  hält 
die  beiden  nicht  für  gleichartig  wegen  ihres  ungleichen  Widerstandes 


•)  Liiwlg,  Chemie  dor  orgno.  Verbindungen.  IMS.  I.  422. 

••)  E.  B r tt  c k o,  Wiener  akad.  Si tzutijraber.  28.  u.  28.  Bd.  286.  — Blot , Compt.  read.  4*.  Bd.  p.  67R.  — 
Leconte,  ibid.  44.  Bd.  Juin.  — Wieder  hold,  Cbeni.  Centralbl.  . ,M  c i . » n c r , Uenle'i 


Digitized  by  Google 


Trauben  - oder  LeberrucVer. 


393 


gegen  die  zersetzenden  Einflüsse  des  thierischen  Körpers.  Dieser  Zncker 
kommt  fast  regelmässig,  jedoch  in  sehr  veränderlichen  Mengen,  im 
Harn  vor;  er  scheint  in  dem  Maasse  durch  die  Niere  zu  treten,  in 
welchem  er  im  arteriellen  Illut  enthalten  ist.  — Im  Ham  eines  auf 
gewöhnliche  Weise  ernährten  Menschen  fand  ihn  Brücke  jedoch 
in  so  geringer  Menge , dass  das  durch  ihn  bei  der  Trommerschen 
Probe  zu  Oxydul  reducirtc  Oxyd  sich  im  Ammoniak  des  Harns  löste; 
indem  man  diese  Wirkung  des  Ammoniaks  nicht  beachtete,  über- 
sah man  bisher,  dass  der  gesunde  Ham  Zucker  enthält.  — In  ver- 
mehrter Menge  wird  er  nach  eiuer  reichlichen  Mahlzeit  beobachtet, 
namentlich  wenn  diese  viel  Zncker  führt  und  genossen  wurde,  nach- 
dem ein  24  bis  36stündiges  Fasten  vorausgegangen  war  (CI.  Ber- 
nard).  — Vennehrt  ist  er  ferner  bei  Säugenden  (Blot),  was  von 
Leconte,  Meissner  u.  A.  jedoch  ohne  genügenden  Gegenbeweis 
bestritten  wird ; namentlich  vermehrt  ist  er  bei  Säugenden  nach  Unter- 
drückung der  Milchabsonderung.  Ferner,  wenn  die  Bildung  des  Zuckers 
in  der  Leber  lebhafter  ist,  also  beim  diabetes  mellitus,  nach  einem 
Stich  in  die  Mittellinie  des  verlängerten  Markes,  nach  der  Dureh- 
schneidung  des  nervus  splanchnicus  in  der  Unterleibshöhle;  die  in 
Folge  der  beiden  letzten  Verwundungen  gesteigerte  Zuckeraussehei- 
dung  verschwindet,  wenn  das  Thier  sonst  gesund  bleibt,  nach 
mehreren  Stunden  wieder  (CI.  Bernard).  Der  Hamzucker  ver- 
mehrt sich  ferner  nach  Curare -Vergiftung,  wenn  das  Leben  durch 
künstliche  Respiration  erhalten  wird  (CI.  Bernard),  ferner  nach 
Einspritzung  von  Acther  und  verdünnter  Ammoniaklösung  in  die 
Pfortader  (Harley),  nach  Einathmunng  von  A etherdämpfen  (Rcy- 
noso).  — Endlich  erscheint  er  reichlicher,  wenn  eine  Traubenzueker- 
lösung  in  das  Blut  gespritzt  wird.  Um  eine  deutliche  Vermehrung 
des  Harnzuckers  zu  erzielen,  mussten  Hunden  von  etwa  6700  Gr. 
Gewicht  10  bis  13  Gr.  Zneker  injicirt  werden;  es  gingen  dann  in 
den  Ham  etwa  1,4  bis  0,2  Gr.  Zucker  Uber;  die  Ausscheidung  ge- 
schah in  -den  ersten  fünf  auf  die  Einspritzung  folgenden  Stunden. 
Als  nur  5 bis  7 Gr.  Zucker  injicirt  waren,  hatte  sich  der  des 
Harns  nicht  merklich  vermehrt  (Falk,  Limpert).  Aehnliche  Er- 
fahrungen machten  am  Kaninchen  CI.  Bernard,  Lehmann, 
Uhle,  Becker. 


und  Pfeufer’a  Zeitschrift.  — Boedcker.  ibid.  3.  R.  VII.  Bd. — Limpert  und  Falk  in 
Vlrchow’  s Archiv,  0.  Bd.  fifi,  wo  wich  die  Literatur  über  Zuckeroinsprltzungen  xb  finden.  — 
CI.  Bernard,  Legona  aur  Im  liquides.  II.  Bd.  74  ff.  — llcyuaiua,  Archiv  flir  Holland.  Bei- 
träge. 1857.  I.  Bd.  243.  — 8.  auch  die  Literatur  auf  8.  311  dloaes  Bandes  unter 


Digitized  by  Google 


394 


Rohrzucker;  Inosit;  Milchsäure. 


Ausser  der  im  Text  erwähnten  verdeckenden  Eigenschaft  des  Ammoniaks  enthält 
der  Harn  noch  zwei  andere  Verbindungen,  welche  zu  Fehlern  in  der  Zuckerbestim- 
mung , und  zwar  nach  der  entgegengesetzten  Richtung  hin , führen  können.  Der  von 
Schunck  im  Ham  aufgefuudene  indigobildendc  Stoff  giebt  sehr  leicht  den  mit  ihm 
gepaarten  Zucker  ab  und  die  Harnsäure  reducirt  ebenfalls  das  Kupferoxyd.  Um  diesen 
Täuschungen  zu  entgehen,  stellte  Brücke  aus  dem  frischen,  nicht  eingedampften 
Harn  durch  Zusatz  von  viel  Alkohol  und  von  etwas  reinem  Kali  Zuckerkali  dar;  die  in  der 
alkoholischen  Flüssigkeit  unlöslichen  Krystalle  löste  er  in  Wasser  auf;  dann  bewies 
er  die  Abwesenheit  der  Harnsäure  durch  den  negativen  Erfolg  der  Murexidprobe  und 
die  Anwesenheit  des  Zuckers  durch  die  nun  gelingende  Tromm  er’ sehe  Reaktion  und 
durch  die  Reduktion  dos  basisch  Salpetersäuren  Wismuthoxyds.  — Nach  diesen  neueren 
Erfahrungen  verlieren  ebensowohl  die  quantitativen  Zuckerbestimmungen  des  Harns 
durch  die  Fehling’ sehe  Flüssigkeit  ihren  Werth,  als  auch  die  Angabe,  die  man 
gemacht  hat  über  die  Gronzen,  innerhalb  deren  Bich  der  Zuckergehalt  des  Blutes  be- 
wegen könne,  bevor  der  Ham  zuckerhaltig  werde.  — Die  Angabe  von  Blot,  dass 
Saugende  häufig  zuckerreichen  Urin  entleeren,  wird  von  den  Fehlern,  welche  so  eben 
erwähnt  wurdon,  nicht  berührt,  weil  er  ausser  der  Tromrae r’ sehen  auch  noch  die 
Probe  durch  Gährung  in  Anwendung  brachte. 

Rohrzucker  findet  man  im  Harn  öfter  aber  nicht  immer 
nach  reichlichem  Genuss  desselben,  und  dann  nach  Injektion  des- 
selben ins  Blat.  Unter  den  letzten  Umständen  gilt  das  Gleiche 
vom  Milchzucker.  Doch  besteht  nach  CI.  Bernard,  Falk 
und  Limpert  zwischen  den  Erfolgen,  die  das  Einspritzen  von 
Rohr-  nnd  Milchzucker  nach  sich  ziehen,  der  Unterschied,  dass 
mehr  Milchzucker  dem  Blut  zugesetzt  werden  muss,  wenn  er  in 
den  Harn  übergehen  soll,  und  dass  von  gleicher,  in  das  Blut  ein- 
geftthrten  Menge  Rohr-  und  Milchzuckers  von  letzterem  ein  geringerer 
Äntheil  in  den  Ham  übergeht.  Es  steht  also  der  Milchzucker  rück- 
sichtlich  seiner  Ueberftlhrbarkeit  in  den  Ilam  und  seiner  Ersetz- 
barkeit in  dem  Blut  in  der  Mitte  zwischen  Trauben-  und  Rohr- 
zucker. 

Inosit,  der  in  der  Niere  selbst  enthalten  ist,  wurde  nur  ein- 
mal von  Cloötta  im  Ham  bei  Brightscher  Entartung  beobachtet; 
im  gesunden  Harn  fehlt  er.  — Mannit  geht  aus  dem  Magen  in 
den  Harn  über,  aber  nur  zum  kleinen  Theil,  znm  grössere,  wenn 
er  in  das  Blut  gespritzt  wird.  Der  Unterschied  soll  davon  ab- 
hängen,  dass  das  Mannit  im  Darmkanal  schon  in  Milchsäure  sich 
umsetzt  (Biddor,  Witte)*). 

Milchsäure  fehlt  dem  Harn  für  gewöhnlich , gie  soll  zuweilen 
nach  zuckerhaltiger  Kost  zugleich  mit  oxalsaurem  Kalk  Vorkommen 
(Lehmann).  In  dem  aus  der  Niere  getretenen , in  der  Blase  ver- 

•)  Meissner'*  .Jahresbericht  für  185B.  U73. 


Digitized  by  Google 


Harnfarbstoffe;  Urhaematin;  Gallenfarbstoff. 


395 


weilenden  oder  in  schon  gelassenem  Harn  entsteht  sie  bei  der  säuern 
Gährung  desselben. 

Farbstoffe*).  Der  Harn  kann  roth,  gelb,  grün,  blau, 
braun , schwarz  gefärbt  sein.  Von  den  diese  Färbungen  bedingenden 
Stoffen  sind  uns  bekannt 

a)  der  Urhaematin,  Hamroth;  es  enthält  Eisen  (Harley) 
nnd  N (Scherer)  und  zeigt  auch  Aehnlichkeit  in  seinen  Reaktionen 
mit  Blutroth ; vielleicht  stimmt  cs  vollkommen  mit  ihm  überein.  Im 
Harn  mehrt  es  sieh,  wenn  im  Blute  das  Roth  von  den  Körperchen 
auf  das  Plasma  übertragen  wird,  z.  B.  nach  Einspritzungen  in  die 
Blutgefässe  und  zwar  von  Gallensäuren  (Dusch,  Frerichs),  die 
die  Blutkörperchen  lösen  (Hünefeld,  Kühne),  oder  von  Wasser, 
welches  die  Blutkörperchen  auswäscht  (Kierulf,  Härtner). 

b)  Brauner  Gallenfarbstoff,  welcher  mit  NOs  Ubergossen 
das  bekannte  Farbenspiel  giebt,  erscheint  im  Harn,  wenn  er  aus 
der  Galle  in  das  Blut  tritt,  z.  B.  nach  Hemmungen  des  Gallen- 
abflusses; ferner  wenn  farblose  Galle  in  das  Blut  gespritzt  wird 
(Frerichs);  seine  Anwesenheit  im  Harn  „ist  dann  constant,  aber 
seine  Menge  nicht  im  Verhältniss  zu  der  der  eingesprizten  Gallen- 
sänren ; es  erscheint  am  meisten  Farbstoff,  wenn  mit  sehr  geringen 
Mengen  von  Galle  zugleich  eine  Lösung  von  Haematoglobulin  ein- 
gespritzt wird.  Ebenso  entleeren  Hunde,  die  durch  Unterbindung 
der  Gallengänge  ikterisch  wurden,  einen  ungewöhnlich  gallenfarb- 
stoffreichen Harn,  wenn  man  in  ihr  Blnt  eine  Auflösung  des  Blut- 
körpercheninhalts einspritzt  (Kühne). 

Die  Erklärungen  für  das  Auftreten  des  Farbstoffs  noch  der  Einspritzung  von 
Gallensäure  in  das  Blut  sind  doppelt.  Frerichs  und  Stacdeler  lassen  ans  den 
in  den  genannten  Säuren  selbst  enthaltenen  Atomen  die  Farbstoffe  entstehen.  Denn  es 
kann  nach  Stacdeler  durch  SO3  aus  der  Glycocholsäuro  ein  Körper  hergestellt  werden, 
der  an  der  Luft  ein  ähnliches  Farbenspiel  zeigt,  wie  der  Gallen farbsto ff  mit  NO5. 
Frerichs  unterstützt  seine  Meinung  noch  dadurch,  dass  er  im  Harn  von  Hunden 
die  Gallensäurc  nicht  wiederfinden  konnte,  wenn  er  diese  letztere  dem  Blut  der  ge- 
nannten Thiere  beigemischt  hatte.  Mit  dem  genauon  Verfahren  von  F.  Hoppe  ist  cs 
jedoch  Ktihno  gelungen,  im  beregton  Fall  immer  Gallensäuro  im  Harn  nachzuweisen. 
Hält  man  damit  zusammen,  dass  niemals  ein  der  eingespritzten  Gallenmenge  auch  nur 
entfernt  sich  annäherndes  FarbstofTgewicht  im  Harn  vorkommt,  ja  dass  Frerichs 
bei  35  pCt.  seiner  Beobachtungen  gar  keinen  Farbstoff  fand,  so  muss  man,  um  die 
Annahme  des  Letzteren  zu  halten,  sagen,  dass  es  noch  besonderer,  nicht  immer  gloich- 

•)  Harley,  Wllrzburger  Berichte.  V.  IW.  April.  — Frerichs,  Klinik  der  Leberkrankheiton. 
p.  95  nnd  404.  — Kühne,  Vlrchnw’s  Archir.  XIV.  810.  — Bchunck,  Chcui.  Centralblatt. 
1851  957.—  Vlrchow,  Wllrzb.  Berichte.  II.  Bd.  303.—  fllmon,  BeltrÜjre.  I.  Bd.  118.  — 
Hansa).  Pharmazeut.  Ccntralblatt.  1854.  255  and  768.  — Scherer,  Lieblg’s  Annalen. 
90.  Bd.  181. 


Digilized  by  Google 


396 


Harnfarbstoffe ; Indigo : Ammoniak. 


massig  erfüllter  Bedingungen  bedürfe,  damit  die  Gallensäure  zum  Farbstoff  werden 
könne.  — Kühne  sieht  dagegen  das  Blutroth  als  den  Stamm  des  Gallenfarbstoffs  an 
und  betrachtet  die  Galle  nur  insofern  an  der  Farbatoffbildung  betheiligt,  als  sie  das 
Blntroth  aus  den  Körperchen  befreie.  Wollte  man  dieser  Unterstellung  auch  erlassen 
zu  erklären , warum  das  Blutroth  erst  die  Körperchen  verlassen  müsse , um  sich  um- 
zugestalten , so  würde  sie  doch  immer  noch  angeben  müssen , warum  fast  immer  Blut- 
roth unverändert  in  den  Harn  übergeht,  ohne  dass  der  Harn  für  gewöhnlich  Gallen- 
farbst.  enthält,  warum,  wie  Kühne  solbst  gefunden,  eine  Lösung  von  Uaematoglobulin 
für  sich  dem  Ham  keine  Gftllenfarbc  bringt,  und  warum  dieses  erst  geschieht,  nach- 
dem der  einzufüllcnden  Masse  Gallensäure  zugefügt  wird. 

c)  Im  Ham  kommt  öfter  Indigo  vor  (Front,  Martin,  Mit- 
scherlich n.  A.).  Dieser  entsteht  aus  einem  andern  indigobildcn- 
den  Stoff,  den  Schunck  im  Harn  gesucht  und  auch  hiinffg  dort 
gefunden  hat.  Dieser  Stoff  zerlegt  sich  durch  Säuren  (nnd  Gährung?) 
in  Zucker  nnd  Indigo;  der  Ham  wird  also  nur  dann  blau,  wenn 
jener  Indigopaarling  zerlegt  ist. 

Sollte  jener  Indigobildner  mit  dem  Indican  von  Schunck  gleich  sein,  so  würden 
sich  aus  seiner  Zersetzung  noch  andere  Verbindungen  im  Harn  herlciten  lassen,  die  man 
auch  schon  dort  gefunden  hat,  namentlich  Harze,  Leucin,  Ameisen-,  Essig-,  Propion- 
säure, und  das  Indiggluzin  (Cf* H»o  Oit)  würde  sich  durch  Gäbrung  in  Essigsäure  um- 
wandeln können , ohne  vorher  Alkohol  gewesen  zu  Bein. 

In  Ermangelung  einer  Abscheidungsmcthode  bedient  sich  J.  Vogel*)  der  fär- 
benden Kraft  des  Urins,  um  die  relativen  Mengen  von  Farbstoff  zu  finden,  welche  in 
zwei  Hamen  vorhanden  sind.  Da  nach  seinen  Beobachtungen  die  dunkeln  von  den 
hellen  Harnen  sich  nicht  durch  eine  besondere  Art,  sondern  durch  eine  stärkere  Con- 
zentration  des  Farbstoffs  unterscheiden , so  stellte  er  Normalfarbungen  (Farhensknla) 
her  und  zugleich  die  Verdünnung  fest,  welche  die  tieferen  Farben  erfahren  müssen, 
um  in  die  helleren  überzugehen. 

Ammoniak.  Der  frische  Ham  entwickelt  immer  Ammoniak, 
selbst  bei  Anwendung  eines  analytischen  Verfahrens,  welches  die 
Hamstoflzersetzung  vermeidet  (Boussingault,  Neubauer)**). 
Je  nach  Umständen  scheint  es  als  AmO,  CO*  oder  als  Ara  CI  vor- 
zukommen. Da  auch  Ammoniak  ausgeathmet  wird,  so  kann  kein 
Zweifel  sein,  dass  ein  Theil  des  Haraammoniaks  schon  ans  dem 
Blute  der  Niere  abgeschieden  wird;  unzweifelhaft  bildet  sich  aber 
auch  unter  Umständen  im  Harn  Ammoniak. 

Neubauer  und  Genth  fanden  die  Ammoniakmengen  von 
Tag  zu  Tag  veränderlich;  die  Grenzen  lagen  zwischen  0,3  bis 
1,2  Gr.  Am.  = 1,4  bis  3,8  Salmiak.  Nach  Genth  scheint  es  als 


•)  Archiv  des  Vereins  für  wissensch.  Arbeiten.  I.  1W1.  p !X». 

••)  Annale«  de  chimie  ot  physique.  XXIX. 472.(1851). — Pharmazeut.  OntrnlM.  1855. 257  0.  281. — 
Genth,  Ucber  den  Einfluss  des  Wiuwertrinkens.  1856.  — Desssignes,  Compt.  rend.  iS.  Bd. 


.DigifcsslöX.GoQgle 


Harze;  Extrakte;  Chlor. 


397 


ob  viel  Wasser  in  der  Nahrung  die  Amnioniakmengen  mehre.  Sal- 
miak geht  aus  den-  Speisen  leicht  und  vollständig  in  den  Harn 
Uber.  — Im  Harn  ist  auch  dreifach  Methyl-Ammoniak  (Trimetbyl- 
amrnin)  gefunden  worden  (üessaignes). 

Harze*)  (Omychmyl);  sie  erinnern  nach  Scharling  durch  ihre 
prozentische  Zusammensetzung  an  die  Körper  der  Salicylgruppe; 
wann  und  wie  ihre  Menge  im  Harn  steigt  und  fällt,  ist  noch  un- 
bekannt. 

Extrakte.  Farbstoff,  Harnharze,  die  Spuren  der  fluchtigen 
Säuren  des  Harns** •*•))  (Stacdeler)  und  wahrscheinlich  noch  einige 
andere  Körper,  die  man  nicht  von  einander  scheiden  kann,  be- 
stimmt man  gewöhnlich  zusammen  und  nennt  dann  dieses  Gemenge 
Extrakte.  Nach  Lehmann  sollen  die  täglich  entleerten  Mengen 
zunehmen  bei  vegetabilischer  Kost;  Scherer  fand  relativ  zum 
Körpergewicht  im  Harn  zweier  Kinder  (3  und  7 Jahre)  weniger 
Extrakte,  als  bei  Erwachsenen. 

Das  Chlor  des  Harns  ist  an  mehrere  Basen  gebunden;  man 
kann  es  je  nach  seiner  und  der  Menge  der  letzteren  zutheilen  dem 
Natrium,  Kalium,  Calcium,  Ammonium.  Die  alte  Annahme,  das 
das  Na  genlige,  um  alles  CI  zu  binden,  hat  Genth  fUr  den  Harn 
nach  gewöhnlicher  Kost  nicht  bestätigt  gefunden. 

Wie  viel  Chlor  täglich  aus  der  Niere  fliesst,  wird  bestimmt 
durch  den  Sättigungsgrad  der  thierischen  Säfte  mit  Chlorsalzen 
und  durch  dasUaass  der  Nierenthätigkeit,  oder,  was  dasselbe  sagt, 
durch  die  Grösse  der  Zufuhr  mit  Abzug  dessen,  was  durch  Koth 
und  Scbweiss  austritt. 

Das  Clilor  ist  nicht  in  dem  Sinne  Auswürfling  wie  Harnstoff,  Hippur-,  Schwefel- 
säure u.  s.  w.  Was  Uber  seine  Ausscheidung  und  seine  Stellung  im  Thierleib  bekannt  ist, 
führt  ungezwungen  zu  der  Annahme,  dass  der  gesammte  Chlorbesitz  desselben  seiner 
Bedeutung  nach  zerfalle  in  einen  das  Leben  erhaltenden,  sesshaften,  und  in  einen  dem 
Leben  nicht  nothwemiigen , fliegenden  Anthi.il.  Haut  und  Niere  sind  also  in  erster 
Linie  angewiesen  auf  das  fliegende  Chlor  mit  der  besondern  Aufgabe , dahin  zu 
wirken , dass  sich  das  Chlor  nicht  bis  zu  einem  die  Gesundheit  störenden  M&asse  an- 
häufe. Die  Grenze,  welche  hiermit  dem  ausscheidbaren  Chlor*  gezogen  wird,  ist  jedoch 
keine  feste,  indem  es  scheint,  als  ob  der  sesshafte  Antheil  desselben  keine  im  Vcr- 
hältniss  zum  Körperge wicht  unveränderliche  Grösse  sei,  sondern  dass  er  je  nach  der 


•)  LIebig’s  Annalen.  42.  Dd.  295. 

•*)  I.  Bd.  p.  92.  ' 

•*•)  Bischoff,  Der  Harnstoff  als  Maas*  des  Stoffwechsels.  Giessen  1863.  — Derselbe,  Lie- 
big’*  Annalen.  88.  Bd.  109.  — Biddcr  und  Schmidt,  VcrdauuugsaäiU.  1852.  312.  — Hcgar, 
Scherer’ s Jahresbericht  über  phyilolog.  Chemie  fUr  18ft2.  p.  121.  — Wundt,  Ibld.  fllr  1863. 
p.  135. — Hinkelbein,  U ubergang  des  Na  Ci  in  den  Harn.  Marburg  1859. — Ausserdem  Genth, 
Riupp,  Mosler,  Volt  1.  cit. 


398 


Veränderlichkeit  der  Chlorausscheidung  mit  der  Zufuhr. 


l'lilorzufuhx  innerhalb  gewisser  Grenzen  steige  und  sinke.  Man  würde  die  hier  in 
Frago  kommenden  Erscheinungen  auch  so  erklären  können : wenn  der  Chlorgehalt  der 
Stifte  unter  eine  gewisse  Grenze  sinkt,  so  setzt  sich  seiner  Ausscheidung  durch  die 
Niere  ein  Widerstand  entgegen,  der  mit  der  Verminderung  des  Chlorgehaltes  im  Blut 
wächst.  Als  Mtuiss  für  die  Grösse  dieses  Widerstandes  kann  aber  nicht  der  nackt« 
Quotient  aus  dem  Chlor  und  dem  Körpergewicht  gelten,  weil  auch  eine  Chlorraastung 
statthnden  kann.  Nach  allem  Diesen  wäre  es  zunächst  wünschcnswcrth , die  Starke 
der  Chlorausschcidung  mit  dem  Chlorgehalt  des  Blutes  zu  vergleichen. 

1)  Veränderlichkeit  mit  der  Zufuhr.  Wird  der  Katze  alieNabrung 
entzogen , so  verschwindet  nach  einigen  Tagen  das  CI  vollkommen 
aus  dem  Harn  (C.  S c b m i d t ).  — Nach  Genuss  einer  zum  Lebensunter- 
halt sonst  genügenden,  aber  von  Chlor  vollkommen  befreiten  (?)  Nah- 
rung blieb  beim  Menschen  bis  zu  dem  am  5.  Tage  erfolgten  Schluss 
der  Versuche  der  Harn  chlorhaltig;  seine  tägliche  Menge  minderte 
sich  jedoch  von  Tag  zu  Tag,  erst  rasch,  dann  langsamer.  Vom 
Abend  des  3.  Tages  an  enthielt  der  Harn  Eiweiss  (Wnndt).  — 
Iici  einer  bestehenden  Chlorznfuhr  ändert  sich  der  Chlorgehalt  des 
Harns  im  Allgemeinen  wie  der  der  Nahrung,  doch  ist  die  tägliche 
Menge  ausgeschiedenen  Cl’s,  nicht  gleich  der  verspeisten.  Diese  That- 
sachcn  sind  vouBischoff  und  Barral,  am  genauesten  aber  von 
K a u p p verfolgt  worden.  Ans  einer  68  Tage  umfassenden  Beobach- 
tungsreihe des  Letzteren  sind  die  folgenden  Zahlen  ausgeschrieben. 
Zu  dieser  Tabelle  ist  zu  bemerken:  Alles  Ci  ist  als  Na  Ci  berech- 
net, wie  es  auch  im  Harn  enthalten  sein  mochte;  die  auf  24  Stun- 
den bezüglichen  Zahlen  sind  das  Mittel  ans  eine»»  je  zwölf  Tage 
dauernden  Versuchsreihe;  die  Zahlen  der  letzten  Columne  stellen 
den  Unterschied  dar,  der  nach  Verlauf  von  zwölf  Tagen  zwischen 
der  Einnahme  von  Kochsalz  und  der  Ausgabe  desselben  durch  den 
Harn  stattfand;  der  Unterschied  wurde  als  positiv  bezeichnet,  wenn 
die  Einfuhr,  als  negativ,  wenn  die  Ausgabe  überwog.  — Die  Ein- 
nahme konnte  ohne  Störung  der  Kothbildung  nicht  über  33  Gr. 
täglich  gesteigert  werden.  Die  Versuche  wirden  in  der  Reihen- 
folge augcstelit,  in  der  sie  hier  niedergeschricben  wurden. 


Mittlere  j 
Temperatur. 

• 

Tlcl  1 T8gl. 

NaCl-Aufnahme.  Na  Cl-Ausschol- 
aung. 

Tägliche. 

1 lern  Volumen 
in  C.  C. 

Verhältnis»  zwi- 
schen Kin-u.AiiR- 
fuhr  des  Na  CI.  . 
Znfnhr— 1.  f 

| 

Unterschied 
der  Nn  Cl-An»-  n. 
Einfahr 
in  12  Tugen. 

+•8,25°  | 

33,6  ßr. 

27,3 

2309 

0,76 

--75,6ßr. 

9,8 

28,7  „ 

24,06 

! 2278 

0,79 

- - 56,4  „ 

1 0,5 

19,0  „ 

17,05 

2455 

0,89 

--24,0  „ 

16,1 

14,2  „ 

13,57 

2056 

0,96 

+ 7,2  „ 

12,5 

9,3  „ 

10,08  ‘ 

2534 

1,06 

— 9,6  „ 

16,5 

1,5  ,, 

3,77 

2162 

2,46 

-27,6  „ 

H,2 

23,9  „ 

17,63 

2384 

0,72 

+ 75,6  „ 

tized  by  Google 


Veränderlichkeit  der  Chlorausscheidung  mit  der  Zufuhr. 


399 


Diese  Zahlen  ergeben , dass  im  Allgemeinen  mit  der  Aufnahme 
auch  die  Ansscheidung  des  Chlors  ansteigt,  jedoch  nicht  so,  dass 
immer  gerade  so  viel  entleert  wird,  als  verzehrt  war.  Geht  man 
von  den  grössten  Chlormengen  abwärts,  so  ergiebt  sich,  dass  an- 
fänglich die  Aufnahme  die  Ausscheidung  Uberwiegt,  dass  dann  ein 
Punkt  kommt,  in  welchem  sich  beide  das  Gleichgewicht  halten  und 
dass  bei  noch  weiter  vermindertem  Chlorgehalt  der  Nahrung  der 
des  Harns  Uberwiegt.  Betrachtet  man  daun  das  Verhältniss,  in 
welchem  das  CI  der  Nahrung  und  des  Harns  zu  einander  stehen 
(Col.  6),  so  zeigt  sich,  dass  relativ  zur  Nahrung  mn  so  weniger 
CI  durch  die  Niere  geht,  je  reichlicher  es  in  den  Speisen  vertreten 
war.  Inwieweit  das  beträchtliche  Missverhältniss,  welches  die  erste 
Versuchsreihe  zwischen  dem  CI  der  Nahrung  und  des  Harns  auf- 
weist, abhängig  ist  von  einer  Anhäufung  des  Chlors  in  den  Säften 
oder  von  einer  vennehrten  Ausgabe  durch  Schweiss  und  Koth,  diess 
mnss  wegen  mangelnder  Beobachtung  unentschieden  bleiben.  Jeden- 
falls wird  ein  Theil  des  nichterschcinenden  Chlors  dazu  venvendet, 
um  den  Gehalt  der  Säfte  an  Chlor  zu  steigern.  Denn  es  ist  die 
Menge  des  Harnchlors,  welche  an  einem  beliebigen  Tage  beobach- 
tet wird,  nicht  allein  abhängig  von  der  Chlormenge  der  Nahrung, 
an  diesem  Tag,  sondern  auch  von  der  in  den  vorhergehenden  go- 
"nossenen.  Dieses  zeigt  sich  am  klarsten,  wenn  man  von  einer 
kochsalzarmen  Kost  zn  einer  kochsalzreichen  Ubergeht.  Dann  wird 
in  den  ersten  Tagen  nach  dem  Wechsel  weniger  entleert  als  später, 
wenn  die  neue  Kost  einige  Tage  hindurch  gleichbleibend  inne- 
gehalten wurde.  Das  Umgekehrte  gilt  bei  einer  umgekehrten  An- 
ordnung des  Versuchs.  Da  diese  merkwürdige  Erscheinung  aus 
den  Mittelzahlen  der  obigen  Tabelle  nicht  zur  Genüge  einleuchtet, 
so  dient  das  folgende  Beispiel  aus  den  Zahlen  von  Kau  pp  zur 
weitem  Erläuterung. 

Nachdem  12  Tage  laug  je  28  Gr.  Na  CI  genossen  wurden,  wurden 
darauf  12  Tage  lang  nur  je  19  Gr.  verzehrt.  In  den  ersten  Tagen 
der  letzten  Reihe  wurden  21,38  Gr.,  in  den  letzten  derselben  Reihe 
18,79  Gr.  Na  CI  entleert.  Und  als  12  Tage  hindurch  1,5  Gr.  Na  CI 
genossen  waren  und  dann  während  der  12  folgenden  Tage  auf 
23,9  gestiegen  wurde,  entleerte  der  Ham  am  ersten  Tage  der  letzten 
Reihe  13,2  Gr.,  am  letzten  Tage  derselben  Reihe  18,6  Gr.  Na  CI. 

Für  eine  festere  Bindung  eines  Theita  des  thierischen  Chlors,  wie  sie  oben 
beansprucht  wurde,  tritt  ein  das  ungemein  rasche  Absinken  des  Chlors  im  Harn  nach 
einer  an  diesem  Element  magern  Nahrung.  Da  die  meisten  thierischen  Säfte  mehr 


Digitized  by  Google 


400 


Veränderlichkeit  der  Chlorausschoidung  aus  andern  Gründen. 


als  0,5  pCl.  Chlorsalae  enthalten,  so  kann  in  ihnen  nicht  in  dem  Maa&se  wie  im  llarn 
das  Chlor  abgenommen  haben;  also  mindert  sich  die  Ausscheidung  nicht  direkt  pro- 
portional dem  Cl-üehalt  des  Thiercs.  — Für  irgendwelche  Verwandtschaft  des 
Chlors  zum  Blut  spricht  auch  die  Beobachtung,  dass  der  Harn,  der  mehrere  Stunden 
in  dem  zugebundenen  Ureter  eingefangen  blieb , einen  viel  geringeren  prozentischcn  Gehalt 
an  Chlor  besass,  als  dem  Blut  gewöhnlich  eigen  ist;  dieses  ist  aus  den  bekannten 
Regeln  über  Ditiusion  unerklärlich  (Hermann). 

2)  Bei  glcichbleibendcr  Kochsalzkost  gelten  dieselben  Regeln, 
welche  ftir  die  Harnstoffausscheidung  entwickelt  sind.  Es  mehrt 
sich  das  Na  CI  mit  dem  ausgeschiedenen  Harn  volum,  mit  der  ab- 
nehmenden Wärme  der  Atmosphäre,  mit  der  Häufigkeit  der  Harn- 
entleerungen aus  der  Blase,  und  es  macht  sich  auch  hier  die  In- 
dividualität der  Niere  geltend.  Körperbewegungen  machen,  je 
nachdem  sie  Schweiss  oder  keinen  bedingen,  die  Ausscheidung 
geringer  oder  stärker.  Die  Tabelle  giebt  hierüber  einige  Mittel- 
zahleu. 


Nahrung. 

Harn  menge 
io  C.C. 

CI  in  Gr.  1 

Bemerkungen. 

Beobachter. 

Dieselbe  ohne  Wasser  . 

1 1252 

7,78 

— 

Gemischte  „ . 1 

( 1259 

7,68 

mit  Bewegung. 

Nahrung  mit  2000  C.C. 

| 325t 

9,01 

1 Wasser  ausser)  der  Mahl- 

Genth. 

Wasser  . . . | 

i 3175 

9,48 

„ wahrend)  seit. 

„ mit  4000  C.  C.j 

I 5514 

9,48 

— 

Wasser  . . . | 

1 5070 

8,33 

mit  Bewegung. 

Der  Veränderung  des  Ilamchlors  mit  den  Tageszeiten  ist  noch 
wenig  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden.  Hegar  giebt  an,  dass 
er  bei  gewöhnlicher  Kost  in  je  einer  Stunde  abschicd:  Nach- 
mittags von  1 bis  10  Uhr  = 0,807  Gr.,  Nachts  von  10  bis  7 Uhr 
= 0,280  Gr.  und  Morgens  von  7 bis  1 Uhr  — 0,783  Gr.  — Voit 
hat  den  Kochsalzgehalt  seines  Harns  von  Stunde  zu  Stunde  an  dem  Tage 
bestimmt,  an  welchem  er  dasselbe  für  den  Harnstoff  unternahm  (p.  386). 
Construirt  man  aus  einer  Zahl  die  Curve  der  Kochsalzschwankung, 
so  sieht  man  sie  ungefähr  der  des  Harnvolums  gleichlaufen,  nament- 
lich zeigt  sich,  dass  wenige  Stunden  nach  dem  Essen  schon  ein 
grosser  Theil  des  damals  anfgenonimcnen  Kochsalzes  wieder  nus- 
tritt. Achnliches  fand  Hinkelhein;  die  Steigerung  der  stünd- 
lichen Entleerung  nimmt  nach  dem  letztem  Beobachter  auch  mit 
dem  Salz  der  Nahrung  zu,  doch  nicht  in  dem  Maasse  wie  das 
letztere. 


Schwefelsäure;  ihre  Beziehung  zum  Harnstoff. 


401 


Die  Schwefelsänre*)  des  Harns  ist  an  Alkalien  gebunden. 
Die  Schwefelsäure,  welche  dem  Blut  zugebracht  wird,  geht  ohne 
Aufenthalt  von  dort  wieder  weiter , denn  man  findet  daselbst  immer 
nur  sehr  wenig  aufgehäuft;  dabei  steht  jedoch  nicht  Zeit  um  Zeit 
der  Zu-  und  Abgang  im  Gleichgewicht,  sondern  es  Uberwiegt  er- 
fahrungsgemäss  in  engen  Grenzen  bald  der  Zu-  und  bald  der  Ab- 
fluss. — Das  Blut  wird  in  Folge  zweier  Vorgänge  mit  SO3  ge- 
speist, nämlich  durch  Umsetzung  der  Leimbildncr  und  der  Eiweiss- 
arten, oder  dureb  Aufnahme  von  kalischcn  Verbindungen  des  Schwefels 
oder  der  Schwefelsäure  aus  dem  Inhalt  des  Darmes.  Was  den 
ersten  Hergang  betrifft , so  wird  nicht  aller,  sondern  nur  der  grösste 
Theil  des  eingewachsenen  Schwefels  in  SOa  umgesetzt;  ein  andrer 
fällt  mit  den  Haaren  und  Hautschuppen  ab,  ein  noch  andrer  geht 
im  Taurin  durch  den  Darmkanal  fort.  Trotzdem  kann  man  den  Satz 
gelten  lassen,  dass  die  SO3  dem  Blut  in  dem  Maasse  zuwächst,  in 
welchem  Eiweiss  aus  Leimbildnern  zersetzt  werden.  Mit  der  Nah- 
rung nehmen  wir  zwar  S-  und  SCL-Verbindungen  nicht  absichtlich, 
wohl  aber  in  zufälliger  Beimischung  auf;  da  auch  ausserdem  die 
genannten  Stoffe  zu  den  Arzneimitteln  zählen,  so  könnte  der  Zu- 
gang der  Schwefelsäure  zum  Blut  nicht  allein  sehr  veränderlich, 
sondern* er  wtlrde  auch  unter  Umständen  sehr  gross  sein,  wenn  sie 
und  ihre  Verbindungen  ohne  merkliche  Hindernisse  die  Dannwand 
dnrehdringen  könnten.  Diese  letztem  bedingen  es,  dass  der  grösste 
Theil  der  genossenen  SOa  aus  dem  After  wieder  austritt.  — Die 
Schwefelsäure,  die  durch  das  Blut  hindurch  answandert,  thut  dieses 
zum  grössten  Theil  durch  die  Niere , zum  kleinsten  durch  die  Haut. 

Der  Inhalt  der  vorstehenden  Einleitung  verlangt , dass  die  täg- 
liche Menge  der  SOa  1)  mit  der  Hamstoffausscheidung  wachse  und 
falle  und  dasB  das  entleerte  SOs-  und  Harnstoffgewicht  ein  be- 
stimmtes Verhältniss  zu  einander  einhalten,  vorausgesetzt,  dass 
sich  die  Nahrung  unverändert  erhält  Die  Gleichläufigkeit  von  SO3 
und  Harnstoff  ist  aber  nur  dann  zu  erkennen , wenn  man  den  Ham 
aus  mehreren,  statt  aus  nur  einem  Tage  zur  Bildupg  von  Mitteln 
benutzt.  Denn  Eiweiss-  und  Leimbildner  zerfallen  nicht  gleich  so, 
dass  ihr  S und  N in  SO3  und  Harnstoff  eingehen,  sondern  sie  bethei- 

*)  Simon,  Mediz.  Chemie.  II.  B«l.  p.  474.  — Duma*,  Chimie  physiologiqae.  Pari«  1846. 
p.  540.  — Grüner  in  Scherer'«  Jahresb.  Air®>hysiolog.  Chemie,  f.  1852.  p.  122. — Bt4B- 
heim,  ibid.  18M.  109.  — Bcncc  Jonei,  Philosophical  transactions.  1849.  II.  Thl.  p.  262  and 
ibld.  1850.  p.  CC1.  — bidder  and  Schmidt,  Yertlauungssäflo.  p.  296  and  313.  — Cläre, 
Valentin'«  Jahresbericht  Air  1856.  103.  — Außerdem  die  Öfter  genannten  Abhandlungen  von 
Oenth  und  Mosler. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage, 


26 


402 


Schwefelsäure ; ihre  Beziehung  zum  S-Gchalt  der  Nahrung. 


ligen  sich  erst  uoch  an  der  Bildung  von  andern  Atomgrnppen , die 
unabhängig  von  einander  das  letzte  Ziel  erreichen.  Also  kann 
trotz  gleichen  Ausgangspunktes  wechselnd  bald  die  SO-j  und  bald 
der  Harnstoff  den  Vorsprung  im  Laufe  zu  den  Nieren  haben. 

Je  nach  der  Nahrung,  dem  Tauringehalt  des  Kothes  u.  s.  w.  wird  sich  die  Ver- 
haltnisnzahl  zwischen  dem  Harnstoff  und  der  Schwefelsäure  ändern;  bei  Genth  liegt 
sie  in  5 miteinander  vergleichbaren  Reihen  zwischen  14,5  bis  16,5;  bei  Mosler  in  den 
längeren  Reihen  der  Versuchspersonen  10.  11.  12.  zwischen  13,3  und  14,1.  Die  Ab- 
weichungen sind  in  Anbetracht  der  grossen  Schwierigkeit  und  der  geringen  Ausdeh- 
nung der  Untersuchung  wenig  beträchtlich.  Vergleicht  man  das  Verbal tniss  zwischen  dem 
N und  dem  8 in  den  genannten  Stoffen  des  Harns  mit  dem  in  dem  Eiweiss  und  den 
Leimbild nern , so  sieht  man,  dass  es  etwa  dem  des  CaseYns  gleichkommt;  es  liegt  also 
in  der  Mitte  zwischen  der  Yerhältnisszahl  der  genannten  Stoffe  in  Albumin  und  Leim, 
wie  zu  erwarten  war. 

Da  die  Ausscheidungsmittcl  von  SO,  und  Harnstoff  um  so  ge- 
nauer einander  parallel  laufen , je  mehr  sieb  die  Beobachtungszablen 
den  wahren  Mitteln  annähero,  so  kamt  rUcksichtlich  der  Aenderungen, 
die  die  tägliche  Schwefelsäuremenge  des  Harns  erfährt,  durchaus 
auf  den  Harnstoff  liingewiesen  werden.  Ausgenommen  sind  natür- 
lich die  Fälle,  in  welchen  der  Harnstoff  naclt  dem  Verspeisen  von 
S-freien  Atomen  auftritt.  — Die  Uebereinstimmung  ist  durch  die 
Beobachtungen  von  B.  Jones,  Grüner,  Lecanu,  Genth, 
Mosler,  Cläre  u.  A.  bewiesen.  — 2)  Die  Zunahme  der  SOs  in 
dem  Harn  nach  der  Zumischung  einer  löslichen  Satzverbindung 
zu  den  Speisen  ist  grösser,  wenn  MgO  und  NaOSOa,  als  wenn 
verdünnte  SO:),KaS,  oder  reiner  Schwefel  genommen  wird  (B.  Jo- 
nes). Ihre  Menge  mehrt  sich,  wenn  die  Aufenthaltsdauer  der 
Salze  im  Darmkaual  verlängert  wird;  durch  das  willkürliche  An- 
halten des  Stuhls  oder  durch  Opium,  welches  die  laxirende  Wirkung 
des  NaOSO:j  aufihebt  (Buchheim). 

Die  folgenden  Mittelzablen  sind  aus  der  Abhandlung  von  Genth 
genommen,  die  feste  Nahrung  war  immer  dieselbe  gemischte  Kost 


Wasserzasatz  , 
zur 

Nahrung  In  C.  C.1 

Körperbeweg.  ; 

Harnvolanicn 
ln  C.  C. 

TSgL 

Schwefelsäure 
1 In  (Ir. 

N — 

geringer 

1252 

I 2,5 

— * H 

stärker 

1259 

3,1 

4000 

geringer 

5514 

1 3,3 

^ Die  Veränderung  der  SOs-Ausscheidung  mit  den  Tageszeiten 
zSTgt,  dass  erst  einige  Stunden  nach  dem  Genuss  von  schwefel- 
sauren Salzen  sowohl,  wie  dem  des  Eiweisses  der  S03-Gehalt  des 
Harns  sich  mehrt  (Bence  Jones);  dasselbe  geschieht  in  Folge 


PhoHphorsaure  ; Einleitung. 


403 


von  Körperbewegungen.  Nach  G rn ner  ist  Nachmittags  (das  Haupt- 
Essen  zwischen  2 und  1 Uhr  vorausgesetzt)  die  Abscheidung  in  der 
Zeiteinheit  am  stärkten,  schwächer  in  der  Nacht,  am  schwächsten 
Vormittags. 

Phosphorsäure*).  Mit  Kali,  Natron,  Kalk  und  Magnesia 
stellt  sie  im  Harn  basische , neutrale  und  saure  Salze  dar. 

Der  Thierleib  beherbergt  einen  grossen  und  ständigen  Vorrath 
von  POs  und  dazu  wird  täglich  mit  der  Nahrung  neue  eingeftlhrt; 
so  wird  es  möglich , dass  das  Maass  der  Ausscheidung  und  der  Zu- 
fuhr sich  während  einer  längeren  Zeit  nicht  zu  entsprechen  brauchen, 
obwohl  diess  für  gewöhnlich  der  Fall  ist.  — Die  mit  Kalk  und  Bitter- 
erde verbundene  Phosphorsäure  kann  nur  geschöpft  werden  aus  den 
Leimbildnern  und  Eiweissstoffen  entweder  unserer  Nahrung  oder 
unseres  Leibes,  denn  diese  Erdsalze  können  erfahrungsgemäss  aus 
dem  Darmkanal  nur  dann  in  das  Blut  kommen,  wenn  sie  mit  den 
genannten  organischen  Körpern  in  Verbindung  sind.  Demnach  hat 
cs  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  flir  sich,  dass  die  täglich  aus- 
geschiedenen  phosphorsauren  Erden  den  Leim-  und  Eiweissstoffen 
angehört  haben,  welche  zurZeit  zerstört  worden  sind;  somit  wurde 
ihre  Entleerung  durch  die  Niere  ungefähr  nach  den  bei  der  SOs 
des  Harns  aufgestellten  Grundsätzen  zu  beurtheilen  sein.  Anders 
verhält  es  sich  mit  den  phosphorsauren  Alkalien;  sie  sind  gelöst 
im  Blute,  namentlich  in  dessen  Körperchen , im  Muskelsaft  u.  s.w., 
wo  sie  Überall  für  das  Leben  thätig  sind,  und  ausserdem  gehen 
sie  leicht  aus  dem  Dann  in  das  Blut  über.  Auf  sie  würde  also 
das  beim  Na  CI  Gesagte  anwendbar  sein;  es  besteht  nur  der  Unter- 
schied, dass  die  aus  der  Nahrung  in  Verbindung  mit  Alkalien 
eingeftlhrte  Phosphorsäure  sich  vollständig  durch  den  Harn  entleert. 
Auch  ist  die  Steigerung,  welche  das  phosphorsaure  Natron  des 
Harns  in  Folge  eines  vermehrten  Genusses  erfahren  kann,  enger 
als  bei  Na  CI  begrenzt,  indem  es  stärker  abführend  wirkt;  die 
Damiwand  scheint  nicht  befähigt,  den  Tag  Uber  mehr  als  4 bis  8 Gr. 
(des  krystallwasserfreien)  2NaOHOPÜ!,  zum  Blute  durchzulassen. 

Im  Einzelnen  lässt  sich  über  die  tägliche  Mengen  sagen:  l)wenn 
entweder  gar  keine  feste  Nahrung  oder  eine  Nahrung  von  gleicher 
qualitativer  Zusammensetzung  in  ungleichen  Mengen  denselben  oder 
auch  verschiedenen  Individuen  gegeben  wird,  so  ändert  sich  zwar 

•)  Lieb  Ir,  de.vsoo  Annalen.  SO.  Bd.  p,  180.—  Bene«  Jones,  Phllosophica!  trnusactlon*. 
1846  p.  386.  Winter,  1t»  Scherer**  Jahresbericht  ftlr  1MP2..  p.  IW.  — Mo*! er,  Ibld.  ftlr 
1863.  p.  134,  — Breed,  Liebiga  Autuilen.  78  Bd.  p.  150.  — t> n n kl e nb e r g , Ibld.  JW.  Bd. 
p.  88.  — Klctilnaky,  in  Scherer**  Jahresbericht  über  phyaiul.  Chemie.  1862.  126. 

26* 


Digitized  by  Google 


404 


Tägliche  Menge  der  Phosphorsäure  im  Harn. 


die  absolute  Menge  der  POs,  aber  ihr  Verhilltniss  zum  Harnstoff 
bleibt  annähernd  dasselbe.  Diese  Regel  findet  jedoch  nur  dann 
ihre  Restätigung , wenn  man  die  Mittelzahlen  aus  verschiedenen 
Beobachtungsreihen,  von  denen  jede  mehrere  Tage  umfasst,  mit 
einander  vergleichen  kann.  Demnach  finden  alle  ftlr  Harnstoff- 
ausscheidung entwickelten  Regeln  auch  hier  ihre  volle  Anwendung, 
den  Fall  natürlich  ausgeschlossen,  in  welchem-  der  Harnstoff  aus 
phosphorsäurefreiem  Rohstoff  gebildet  wird. 

Bei  verschiedener  Nahrung  muss  die  Verbal  tnisszahl  zwischen  POs  und  Harn- 
stoff noch  viel  mehr  sich  ändern,  als  unter  den  gleichen  Umstanden  bei  SO3,  wegen 
der  grossen  Abweichungen  der  £iweiss-  und  Leimstoffe  an  phosphorsauren  Bei- 
mengungen. Beseitigt  man  in  der  Beobachtungsreihe  von  C.  Schmidt*)  die  beiden 
ersten  Tage,  weil  sie  noch  die  Nachwirkung  der  Fütterung  enthalten,  und  theilt  die 
übrigo  Zeit  bis  zum  Hungertode  in  3 Theilo  und  zieht  aus  jedem  das  Mittel,  so  ver- 
hält sich  in  den  zwei  ersten  5 Tagen  dor  Harnstoff  zur  PO5  = 17:1,  und  in  den 
letzten  5 Tagen  = 19:1.  In  5 mit  einander  vergleichbaren  Reihen  von  Genth 
schwanken  die  Verhältnisse  zwischen  1:10,8  bis  13,5;  bei  den  Mosler’schen  Per- 
sonen 10.  11.  12.  zur  Zeit  des  reichlichen  Wassortrinkens  zwischen  1:7,2  bis  7,7. 


2)  Das  mit  der  Nahrung  in  das  Blut  aufgenommene  phosphor- 
saure  Natron  wird  in  dem  Maasse  durch  den  Harn  ausgeschieden, 
in  dem  es  aufgenommeu  wurde;  nur  dann  tritt  in  der  vom  Na  CI 
und  von  derSCh  her  schon  bekannten  Weise  ein  Defizit  oder  ein  Uebcr- 

schuss  ein,  wenn  von  einer  bisher  an  PO5  armen  Nahrung  zu  einer 
daran  reichen  oder  umgekehrt  tibergegangen  wird,  indem  sich  die 
Folgen  einer  Kost  auch  noch  einige  Tage  hindurch  geltend  machen, 
wenn  man  sie  auch  schon  verlassen  hat,  weil  unter  ihrem  Einfluss 
der  Vorrath  des  thicrischen  Körpers  an  Phosphorsäure  sich  änderte. 


Tägl.  PO:,  des 
Harns  in  Gr., 

Feste  Nahrung. 

Wasser. 

Körperbcwg. 

Tägl.  Ham-  Körpergew. 
menge  in  C.C.  in  Kilo.  j 

Beobachter. 

3.7  i 
3,6 

3.8  1 

| dieselbe 
i'  gemischte 
| Kost 

2000  c.c. 

weniger 
mehr 
; weniger 

1252  1 

1259  l 7,  z 

3175  1/  74’5 

Genth. 

4,0 

4000  „ 

! weniger 

5514  ) 

5,1  I 

4,5  1 

reichlich 

mässig 

» 

j mehr 
I weniger 

3000  ! ) „„ 

1700  ;(  6‘ 

1 Mosler. 

ln  den  nun  folgenden  Beobachtungen  wurde  der  Nahrung  2NaOPOß  augesetzt. 


3.0 

4.1 
5,3 
0,1 


dieselbe 


“)Gr.P05in|| 

9 >dem  tägl.  »dieselbe 


2774 

2988 

3010 

3058 


58 


Sich. 


Nach  Kau  pp  und  Sick  soll  Nacht  und  Tag  die  POj-Aus- 
sclieidung  gleichmässig  vor  sich  gehen;  nach  Mosler,  Vogel, 
Winter  wächst  nach  der  Hauptmahlzeit  das  stündliche  Mittel  an, 


•)  Uiddcr  und  Sch  ml  di,  Verdatumgasäflc.  p.  310. 


Digitized  by  Got 


Verhältnis»  der  phoephorsauren  Erden  zu  den  gleichnara.  Alkalien ; Oxalsäure.  405 

erreicht  wenige  Stunden  nach  demselben  seinen  Gipfel  und  fällt 
dann  wieder  durch  Nacht  und  Morgen  bis  zum  Miltagsessen.  Die 
von  Vogel  aufgefllhrten  Zahlen  widersprechen  eben  so  oft  seiner 
Regel,  als  sie  dieselbe  bestätigen. 

Nach  Dunklenberg  giebt  die  Methode  von  Liebig,  ych  welcher  die  mit- 
getheilten  Bestimmungen  geschehen  sind,  zu  hohe  Wert  he. 

Ueber  das  Verhältnis  der  phosphorsauren  Erden  zii  den  gleich- 
namigen Alkalien  sagen  die  vorliegenden  Untersuchungen  aus,  dass 
sich  die  letztem  gradezu  mehren,  wie  der  Gehalt  der  Speisen  an 
ihnen  zunimmt  (Sick),  und  zwar  soll  sich  das  phosphorsaure  Kali 
des  Harns  mehren  nach  dem  Genuss  von  phosphorsaurem  Natron 
(Böcker).  — Die  phosphorsauren  Erden  des  Harns  nehmen  zu, 
wenn  sich  das  Leben  auf  Kosten  der  Eiweissstoffe  erhält,'  also 
nach  Fleischkost  (Bence  Jones,  Lehmann)  und  nach  Muskel- 
anstrengungen ( Mo  s 1 e r ).  Unter  sonst  gleicher  Nahrung  und  Muskel- 
bewegung nehmen  die  erdigen  Phosphorverbindungen  im  Harn 
um  ein  Geringes  ab,  wenn  die  alkalischen  daselbst  zunehmen 
(Sick).  — Das  Verhältniss  zwischen  der  Magnesia  und  dem  Kalk 
ist  ßehr  wechselnd. 

Als  Beispiele  fUr  das  Vorstehende  können  dienen : Lehmann  entleerte  bei 
gewöhnlicher  Kost  täglich  1,1  Gr.,  bei  Fleischkost  3,6  Gr.  phosphorsauro  Erde.  Als 
der  Harn  von  Sick  2,1  Gr.  HO,2NaO, FO5  enthielt,  kamen  0,69  phosphorsaure 
Erden  darin  vor;  als  das  erster«  6,1  Gr.  betrug,  sanken  die  Erden  auf  0,41.--  Neu- 
bauer fand,  dass  im  Mittel  auf  l Acq.  3CaOPOs  etwa  3 Aeq.  2MgOPOj  entleert 
wurden.  Im  'einzelnen  Fall  weicht  jedoch  das  Verhältniss  sehr  bedeutend  von  dem 
erwähnten  ab. 

Kieselsäure  in  geringer  Menge  (Bcrzelius,  Dunklenbcrg). 

Oxalsäure*).  Mit  Kalk  in  Lösung  zwar  häufig,  aber  in  ge- 
ringer Menge;  das  Salz  ist  im  sauren  phosphorsauren  Natron  des 
Harns  gelöst;  dann  mit  Kalk  in  fester  Form  und  zuweilen  auch  mit 
Alkalien  verbunden. 

Man  leitet  die  Säure  ab  aus  der  Verwesung  der  Eiweisskörper 
und  insbesondere  aus  der  eines  ihrer  Abkömmlinge,  der  Harnsäure.  — 
Bei  dem  beständigen  und  häutigen  Vorkommen  dieser  letztem  Säure  in 
den  Geweben  müsste  demnach  die  Oxalsäure  sehr  reichlich  im  Ham 
gefunden  werden,  wenn  sich  nicht  noch  besondere  Bedingungen 
einzufinden  hätten,  vermöge  welcher  die  bei  der  Oxydation  der 
Harnsäure  entstehende  Oxalsäure  in  COa  umgewandelt  wurde.  — 
Man  behauptet,  dass  die  Erscheinung  der  Oxalsäure  im  Harn  begünstigt 

•)  C.  8$hmldi,  1.  c.  888.  — Lehmann,  I’hys.  Chorn.  I.  Bd.  47.  — Neubau  er,  Arihly*e 
des  Harns.  3.  Auflage.  104.  — Plotrowsky,  Meissner'«  Jahrcsbcr.  für  1856.  369. 


Digitized  by  Google 


406 


Kohlensäure;  feuerbeständige  Basen  des  Harns. 


werde  durch  den  Genuss  kohlensäurehaltiger  Getränke  (Donn6, 
Wilson,  Lehmann).  — Man  führt  2.  die  Oxalsäure  des  Harns 
zurück  auf  die  oxalsauren  Salze  der  Nahrung  (Piotrowsky). 

Wohl  er,  Frerichs,  Neubauer,  Gallo  i 6 haben  bei  ihren  schon  erwähnten 
Fütterungen  mit  Harnsäure  nur  zuweilen  eine  Vermehrung  der  Oxalsäurebildung,  für 
gewöhnlich  aber  keiib  solche  gefunden ; also  muss  auch  dio  auf  diesem  Wege  ein- 
gedrungene Säuxc  in  Harnstoff  und  CO*  zerfallen. 

Kohlensäure*).  Der  Harn  enthält  verdunstbare  und  gebun- 
dene CO2;  über  beide  siehe  bei  den  Gasarten  des  Harns. 

Die  feuerbeständigen  Basen**)  des  Harns  (Kali, Natron, 
Kalk,  Magnesia).  Ohne  genauere  Untersuchungen,  als  sie  bisher 
erfahren,  lässt  sich  über  ihre  Aendernng  im  Harn  wenig  allgemein 
Gültiges  sagen. — 1)  Die  SOs,  C1H,  Oxalsäure  kommen  im  Harn  immer 
mit  Basen  und  zwar  zu  neutralen  Salzen  verbunden  vor;  also 
mehren  sich,  vorausgesetzt,  dass  der  Ammoniakgehalt  des  Harns 
ungeändert  bleibt,  mit  jenen  Säuren  auch  die  Basen.  — Für  die 
PO:>  gilt  aber  auch  dieses  nicht  einmal,  da  sie  in  neutralen  und 
sauren  Verbindungen  anftritt.  — 2)  Die  Säuren  können  mit  allen 
fixen  Basen  verbunden  sein,  also  sagen  die  bekannten  Verhältnisse 
der  erstem  zueinander  nichts  aus  über  diejenigen  der  Basen.  — 
Hiervon  macht  vielleicht  die  SOa  eine  Ausnahme,  die  man  bisher 
noch  nicht  mit  CaO  vereinigt  fand,  aber  wohl  nur  darum,  weil  im 
Verhältnis»  zur  Menge  der  Basen  immer  nur  wenig  SOj  in  den  Ham 
übergeht.  — 3)  Im  Allgemeinen  wird  zwar  jede  der  Basen  in  dem 
Maasse  ausgeschieden,  in  welchem  sie  in  das  Blut  geführt  wird, 
und  soweit  wir  wissen,  gilt  dieses  ausnahmslos  für  die  Erden.  — 
Auch  soll  durch  eine  Vermehrung  des  löslichen  Kalks  in  der  Nah- 
rnng  sich  die  Magnesia  des  Harns  and  durch  eine  Steigerung  der 
Magnesia  die  des  CaO  nicht  mehren  (Wagner).  Andres  gilt 
in  dieser  Beziehung  von  den  fixen  Alkalien,  denn  es  soll  durch 
einen  vermehrten  Genuss  von  Natronsalzen  das  Kali  (Böeker) 
und  nach  einem  gleichen  von  Ammoniaksalzen  das  Natron  und  Kali 
vermehrt  ansgeschieden  werden , daraus  könnte  man  folgern  wollen, 
dass  eine  lebhaftere  Bildung  von  Ammoniak  im  Thierleibe  selbst 
aus  diesen  alle  oder  wenigstens  den  grössten  Antheil  seiner  fixen 
Kalien  austreiben  könnte.  Hiergegen  spricht  freilich  der  stetige 
Gehalt  vieler  Gewebe  nicht  allein  an  fixen  Alkalien,  sondern 
sogar  an  Kali  oder  Natron.  Also  muss  jener  Tausch  nur  in  be- 

•)  Marchand,  Journal  fUr  prnkt.  Chemie.  44.  Bd.  250, 

•)  Wilde,  Valentin**  Jahroaher.  fUr  1866.  p.  97.  — Wagner,  Ibid.  p.  98.  — Dasa  die 
bei  den  Säuren  ungezogenen  Schriften. 


Difl.tvod  by  Google 


Verhältnis»  zwischen  Sauren  und  B&ien  de«  Ham«. 


407 


schränkten  Grenzen  möglich  sein.  — 4)  Man  sollte  erwarten,  dass 
nach  dem  gesteigerten  Eindringen  von  solchen  Säuren  in  den  Thier- 
leib, deren  Salze  dort  keine  bleibende  Stätte  finden,  die  Alkalien, 
welche  aus  dem  stetigen  Vorrath  des  thierischen  Körpers  zur  Bin- 
dung derselben  benutzt  wurden,  auch  vermehrt  ausgesohieden  würden. 
Dagegen  erheben  sieh  aber  Versuchsreihen  von  Buch  heim  (bei* 
Wilde),  der  nach  Genus»  von  SO3,  POs,  Oxal-  und  Weinstein- 
säure, so  wie  nach  dem  von  MgOSOi,  welche  ebenfalls  dieSOsdcs 
Harns  mehrte,  keine  Steigerung  der  Harnalkalien  gewahr  wurde. 

Das  Verhältniss  der  Säure  zu  den  Basen*).  Die  An- 
gaben über  das  Ucbergewicht  der  Säure  oder  Alkalien  im  Harn 
geben  natürlich  keine  Auskunft  über  das  tägliche  oder  stündliche 
Mehren  des  einen  oder  des  andern  Atoms;  denn  es  konnte  ebenso 
gut  im  sauren  wie  im  alkalischen  Harn  die- tägliche  Säuremenge 
vermehrt  oder  vermindert  sein.  Die  Resultate . der  Untersuchung 
über  die  Reaktionen  des  Harns  sind  nichtsdestoweniger  und  beson- 
ders flir  den  Arzt  von  Belang. 

Die  saure  Reaktion  des  Harns  rührt  vorzugsweise  von  sauren 
Salzen,  insbesondere  von  saurem  phosphorsauren  Natron  her,  sie 
kann  aber  auch  von  ungebundenen  Säuren  abhängen.  Da  die 
schwachen  Sänren  des  Harns,  namentlich  die  Hippur-,  Harn-, 
Kohlensäure,  aus  dem  neutralen  phosphorsauren  Natron  ein  Atom 
Basis  abspalten  und  saures  phospliorsaures  Natron  zurücklassen, 
so  kommt  es  auf  das  Verhältnis»  jener  Säuren  zum  phosphorsanren 
Natron  an,  ob  die  saure  Reaktion  von  dem  letztem  Salz  oder  von 
den  genannten  oder  auch  vielleicht  von  andern  Säuren,  z.  B.  der  Milch- 
säure abhänge.  — Der  saure  Harn  wird  beobachtet  nach  dem  Ge- 
nuss von  freien  Säuren,  namentlich  der  SO3,  PO.-,,  NO:, , C1H,  Ci- 
tronen-,  Weinstein-,  Bernstein-,  Benzoösäure,  dann  nach  der  Ein- 
führung von  Ammoniaksalzen,  selbst  nach  AmO OOj,  aber  nur  dann, 
wenn  der  Ammoniak  sich  im  thierischen  Körper  in  NOs  umwandelt 
(B.  Jones);  ferner  nach  dem  Genuss  von  Brod,  Obst,  Gemüse, 
Zucker,  insofern  sie  die  Bildung  von  Milch-  und  Hippursäure  ver- 
anlassen, ferner  nach  einer  Fleischkost.  Aus  diesen  letzten  Mit- 
theilungen-geht  hervor,  dass  der  Ham  des  gutgenährten  Menschen 
meist  sauer  ist.  — Die  saure  Reaktion  kann  ferner  bedingt  sein 
durch  die  sogen,  saure  Gährung  des  Harns,  welche  schon  in  der 


•)  Phllosophlnal  tranaaction«.  1(48.  p.  937,  und  1860.  66®.  — J.  Vogel,  in  Neubauer'« 
Analyse  des  Harn».  3.  Autl.  239.  — Eylanrft,  Cläre  and  C.  Wagner,  in  Valentin'« 
Jahresbericht  Uber  Phytiolog.  für  1853. 


Digitized  by  Google 


408 


lteaction  des  Harns. 


Blase  ihren  Anfang  nimmt,  und  endlich  soll  sie  ein  Zeichen  für 
die  Güte  der  Muskelkraft  nnd  der  Grösse  der  Muskelanstrengung 
des  Menschen  sein  (J.  Vogel).  — Die  tägliche  Schwankung  der 
freien  Säure  ira  Harn  soll  nach  gemischter  Kost  so  geschehen , dass 
sie  kurz  vor  Tische  ein  Minimum  erreicht,  nach  Tische  ansteigt 
und  in  der  Nacht  den  höchsten  Werth  erreicht  (J.  Vogel).  Dem 
entgegen  fand  B.  Jones  bei  einer  immer  regelmässigen  Diät  aus 
Fleisch  und  Kaffee  oder  ans  Fleisch,  Eiern,  Kartoffeln  und  Kaffee, 
dass  die  freie  Säure  ihr  Maximum  vor  dem  Essen  erreicht,  während 
zur  Zeit  der  lebhaftesten  Magen-Verdauung  der  Harn  alkalisch  war. 

Die  alkalische  Reaktion  des  Harns  kann  abhängen  von  al- 
kalisch reagirenden  Natron-  oder  Ammoniaksalzen.  — Sie  tritt  ein 
nach  dem  Genuss  von  kaustischen  und  kohlensauren  Alkalien.  Um 
sie  zu  erzeugen , werden  fllr  verschiedene  Menschen  ungleiche 
Mengen  jener  Stoffe  erfordert;  zuweilen  sind  ihre  Wirkungen  sehr 
anhaltend,  so  dass  sich  die  alkalische  Reaktion  einen  Tag  und 
mehr  nach  dem  Wiederaufhören  des  Natrongebrauchs  noch  fort- 
erhält. Auch  tritt  die  Wirkung  schnell  ein,  so  dass  z.  B.  eine 
Stunde  nach  der  Einnahme  von  NaOCOi  der  Harn  alkalisch  ist 
Sie  tritt  ferner  ein  nach  dem  Genuss  von  essig-,  äpfel-,  Weinstein-, 
citronensaurem  und  andern  pflanzensauren  Natronsalzcn ; ferner  nach 
dem  Gebrauch  solcher  Stoffe,  die  in  thierische  Körper  in  pflanzen- 
saure und  dann  in  kohlcnsaure  Alkalien  Ubergeführt  werden 
können;  aus  diesem  Grunde  entleeren  die  gut  gefütterten  Manzen- 
fresser einen  alkalischen  Harn.  Doch  erzeugt  die  Pflanzennahrung 
diesen  Erfolg  nicht  noth wendig,  namentlich  kommt  das  Gegentheil 
zum  Vorschein,  wenn  sie  nicht  die  nothwendigen  Alkalien  mit- 
bringt, oder  wenn  sich  aus  ihr  Säuren  erzeugen,  welche  nicht 
in  CO2  Ubergeführt  werden  können.  — Die  alkalische  Reaktion 
kann  ferner  bedingt  sein  durch  die  alkalische  Gährung  des  Harns 
in  der  Blase;  sie  soll  endlich  muskel-  und  nervenschwachen  Indi- 
viduen eigen  sein. 

Den  Gehalt  an  freier  Säuro  bestimmte  B.  Jones  nnd  Winter  nach  der  Menge 
Ton  Kali , welche  rar  Neutralisation  de«  Harns  nothwendig  war. 

Wasser*).  Seine  tägliche  Menge  ist  sehr  veränderlich.  1)  Die 
Niere  regelt  vorzugsweise  den  Abfluss  des  Wassers  aus  den  Thier- 
leib, sie  bestimmt  so  zu  sagen  den  mittlem  Prozentgehalt  des  Ge- 

•)  J.  Vogel,  Archiv  fllr  gemeinschaftliche  Arbeiten.  I.  Bd.  p. 96. — Scheffer,  Valentin'« 
Jahresbericht  für  1861.  p.  187.—  Falk,  Archiv  für  physiologische  Heilkunde.  XI.  Bd.  135  n.  7M.  — 
Derselbe,  ibid.  XII.  Bd.  150.  — Klerulf,  Henlc't  and  Pfeafer's  Zeitschrift.  N.F.  Ml.  t79. 


Wasser  des  Harns. 


409 


sammtthieres  an  Wasser.  Demnach  wird  das  Maass  ihrer  Wasser- 
abscbeidnng  in  erster  Linie  bestimmt  durch  den  Flttssigkeitsrest, 
welcher  bleibt,  wenn  man  von  dem  Wasser  der  Getränke  und 
feuchten  Speisen  dasjenige  abzieht,  was  durch  Haut,  Lunge  und 
Darm  weggeht.  Dieser  Rest  — und  somit  das  Harnvolum  — kann 
natürlich  umfangreich  sein  trotz  einer  grossen  Thiitigkeit  der  andern 
Wasserausscheider,  er  kann  klein  sein  trotz  einer  Ruhe  der  letztem; 
er  kann  sich  endlich  im  quantitativen  Gegensatz  zu  dem  durch 
Lunge  und  Haut  austretenden  Wasser  befinden.  Indem  nicht  alle 
möglichen,  sondern  nur  die  zuletzt  erwähnten  Fälle  berücksichtigt 
wurden,  kam  man  dazu  einen  sog.  Antagonismus  zwischen  Lungen- 
nnd  Hautthätigkeit  einerseits  und  der  Nierenarbeit  anderseits  hin- 
zustellen. Dieser  Ausdruck  entspricht  nicht  den  Thatsachen , wenn 
er  bedeuten  soll,  dass  Haut,  Lunge  und  Niere  nicht  gleichzeitig 
thätig  sein  könnten ; es  ist^dagegen  nichts  gegen  ihn  einzuwenden, 
wenn  er  nur  sagen  will,  dass  die  genannten  Werkzeuge  ihr  Wasser 
aus  derselben  Quelle  beziehen,  so  dass  sich  ihre  Ausgaben  gegen- 
seitig beschränken.  — Obwohl  sich  nun  das  Maass  von  Wasser, 
welches  durch  die  Niere  wandert,  im  Allgemeinen  anpasst  dem 
Umfang,  in  dem  Wasser  genossen  und  an  andern  Orten  aus- 
geschieden wird , so  geschieht  dieses  doch  nicht  so , dass  man  sagen 
könnte,  es  sei  wie  in  einem  mit  Zu-  und  Abflussrohr  versehenem 
Wasserbehälter  Eintritt  oder  die  Anwesenheit  von  Wasser  auch  die 
Ursache  des  Austritts,  mit  einem  Wort,  beide  Vorgänge  entsprechen 
sich  einander  nicht  mit  Rücksicht  auf  die  Zeit  Denn  bald  entleert 
sich  in  .Stunden  oder  Tagen  mehr  und  bald  weniger  als  aufgenommen 
wurde;  so  dass  der  Wassergehalt  des  Gesammthieres  um  einen  be- 
stimmten Mittelwerth  von  einer  zur  andern  Zeit  auf-  und  abschwankt. 
Hierdurch  werden  aber  offenbar  selbst  wieder  Kräfte  rege  gemacht, 
welche  den  Einfluss  des  genossenen  Wassers  verstärken  oder  ab- 
schwächen, so  dass  z.  R.  ein  reichlicher  Trunk,  den  ein  relativ 
wasserarmes  Individuum  thut,  weniger  auf  den  Harn  wirkt,  als 
wenn  er  in  ein  wasserreicheres  cinging.  Kurz  es  kommt  hier  auf  die- 
selben Regeln  hinaus,  die  wir  fttr  die  Ausscheidung  von  Na  CI  n.  s.w. 
schon  kennen  lernten.  — 2)  Wie  die  Menge  der  täglichen  festen  Ham- 
bestandtheile  mit  dem  Wassergenuss  wuchs,  so  bestimmt  umgekehrt  die 
Menge  der  festen  löslicher!  Stoffe  die  täglich  aus  der  Niere  gehen , das 
Gewicht  des  Hamwassers;  dieses  beweist  sich  dadurch,  dass  die  Menge 
der  gelösten  Stoffe,  die  täglich  abgesondert  werden,  sich  richtet  nach 
dem  Maasse,  in  welchem  sie  der  Niere  geboten  werden,  und  dass 


Digitized  by  Google 


410 


Wasser  des  Harns. 


dabei  der  prozentische  Gehalt  des  Harns  an  festen  Stoffen  eine 
obere  Grenze  nicht  übersteigt;  so  wurde  namentlich  beim  Menschen, 
noch  kein  Harn,  der  Uber  9 pCt.  feste  Stoffe  in  Lösung  hält, 
beobachtet;  dieses  Verhältniss  würde  also  verlangen,  dass  für  einen 
Gewichtstheil  Festes  mehr,  mindestens  täglich  9 flüssige  mehr  ab- 
geschieden würden.  — Damit  scheint  jedoch  die  obere  Grenze  des 
festen  Prozentgehaltes  noch  nicht  gegeben  zu  sein,  da  man  schon 
aus  dem  filtrirten  Hundeharn  bis  zu  15  pCt.  Rückstand  gewann. 
Zudem  haben  wir  Ursache  zu  vermuthen,  dass  die  Mengen  von 
Wasser,  welche  zur  Entleerung  der  Gewichtseinheit  des  Festen  noth- 
wendig  ist,  mit  der  chemischen  Natur  des  letztem  sich  ändert,  so 
dass  namentlich  dieselbe  Menge  Wasser  mehr  Harnstoff  als  Zucker, 
Na  CI,  2Na0P05  u.  s.  w.  entleeren  könnte.  — Beispiele  für  die 
Abhängigkeit  des  Harnwassers  von  den  hamfähigen  festen  Stoffen 
liegen  darin  vor,  dass  nach  Entziehung^illcr  Flüssigkeit  doch  noch 
Ham  abgeschieden  wird,  dass  nach  Salzkost  oder  nach  vermehrter 
Bildung  des  Leberzuckers  eine  Harnruhr  eintritt.  In  diesen  Fällen 
wecken  die  bei  der  Ausscheidung  des  Festen  thätigen  Vorgänge 
eine  Kraft,  die  genügend  ist,  um  den  Geweben  ihr  Stammwasser 
zu  entziehen,  mit  andern  Worten,  der  Harn  führt  so  viel  und  von 
solchen  Orten  Wasser  mit  sich,  dass  er  einen  lebhaften  Durst  hervor- 
ruft;  wie  auch  umgekehrt  das  durch  Trinken  hervorgebrachte  Viel- 
barnen Hunger  erzeugte. 

Viele  Diuwtica  sollen  vorzugsweise  dadurch  wirken,  dass  sie  den  HarnrücksUnd 
und  damit  doa  Wasser  mehren  (Kramer).  — Insofern  die  festen  Bestandteile  des 
Harns  ungelöst  ausgeschieden  werden  (wenn  a.  B.  in  Krankheiten  die  Harnsaure  an 
dio  Stelle  des  Harnstoffs  tritt),  geht  nur  wenig  Wasser  aus  der  Niere  fort 

3)  Um  die  schon  erwähnte  Erscheinung  zu  erklären , dass  ohne 
einen  in  den  äusseren  Umständen  nachweissbaren  Grand  sich  von 
Tag  zu  Tag  die  Wasseransscheidung  ändert  , hat  man  sohon  seit 
lange  eine  Veränderlichkeit  der  in  der  Niere  selbst  liegenden  Be- 
dingungen vorausgesetzt.  Dass  auch  in  der  That  jene  Be- 
dingungen, sagen  wir  kurzweg  die  veränderliche  Nierenthätigkeit, 
bestimmend  auf  die  Wasseransscheidung  eingreifen  kann,  dafür 
sprechen  verschiedene  Erscheinungen.  Wird  die  Blutflüssigkeit  ver- 
dünnt entweder  dadurch,  dass  der  nüchterne  Magen  mit  Wasser 
angeftlllt  wird  (Falk)  oder  noch  besser  durch  mehrere  in  10  bis 
15  Minuten  aufeinander  folgende  Einspritzungen  von  mässigen 
Wassermengen  (Westphal),  so  wird  nicht  alsogleich,  sondern 
erst  nachdem  ein  Stunde  und  mehr  seit  der  ersten  Einspritzung 


Wasser  des  Harns. 


411 


verflossen,  die  Harnausscheidung  gesteigert;  das  nnn  folgende 
Anwachsen  gestaltet  sich  aber  nicht  etwa  so,  dass  die  Ham- 
absonderung  sich  steigend  bis  zu  einem  Maximum  nnd  dann  wieder 
allmählig  sinkend  bis  auf  den  Werth  vor  der  Einspritzung  sich  be- 
wegte, bis  die  gesammte  Menge  des  neuhinzugekommenen  Wassers 
entleert  ist;  im  Gegentbeil  es  steigt  die  Absonderung  regellos  auf 
und  ab.  — Hat  man  sich  gleichzeitig  beide  Ureteren  blosgelegt 
und  fitngt  den  Ham  jeder  Niere  gesondert  auf,  so  sieht  man  bald 
rechts  nnd  bald  links  mehr  Ham  hervortreten;  hier  war  aber  das 
Blut,  welches  durch  beide  Drttsen  strömt,  gleich  zusammengesetzt, 
und  die  Ungleicheit  der  Absonderung  konnte  auch  nicht  in  einem 
feststehenden  Unterschied  der  einen  von  der  andern  Seite  begründet 
sein,  weil  dieselbe  auf  den  beiden  Nieren  in  der  Zeit  wechselte 
(Go  11,  Hermann).  Versuche  von  Hermann  lehrten  auch  die 
Nierentbätigkeit  willkührlich  anzuregen.  Wenn  man  nach  ihm  den 
Ureter  der  einen  Seite  unterbindet,  ihn  längere,  Zeit,  etwa  1 bis 
2 Stunden  geschlossen  lässt  und  ihn  dann  öffnet,  so  beginnt  nun 
durch  längere  Zeit  hindurch  eine  profuse  Absonderung  eines  sehr 
wasserhaltigen  Harns,  während  die  Niere  der  andern  Seite  den 
Ham  in  gewöhnlicher  Weise  ausströmen  lässt.  — Die  innern  in  der 
Niere  für  die  Harnabsonderung  wirksamen  Bedingungen  sind  uns 
nun  allerdings  wesentlich  unbekannt;  wir  haben  jedoch  die  Wahr- 
scheinlichkeit in  hohem  Grade  für  uns,  wenn  wir  zu  ihnen  zählen 
einerseits  den  von  den  Nerven  abhängigen  Zustand  der  Gefäss- 
mnskeln,  wodurch  der  Querschnitt  des  in  die  Capillaren  führenden 
Blutstroms,  also  auch  der  Druck  desselben  auf  seine  Wandungen 
und  die  Berührungsfläche  desselben  mit  den  Harnkanälchen  geändert 
wird , nnd  anderseits  dürfen  wir  dazu  rechnen  den  Widerstand,  den 
der  in  die  Harnkanälchen  ergossene  Harn  beim  Abfliessen  findet.  — 
Wäre  der  erste  Theil  unserer  Voraussetzung  richtig,  so  würde  die 
Wasserausscheidung  steigen  mit  der  Erschlaffung  der  Gefässmuskeln. 
Aus  dem  zweiten  Theil  würde  sich  dann  vielleicht  die  von  Kaupp 
beobachtete  Thatsache  erläutern,  dass  die  tägliche  Wasseraus- 
scheidung sich  mindert,  wenn  der  in  der  Harnblase  angehäufte 
Ham  seltener  entleert  wird. 

4)  Bei  Krampfkrankheiten  soll  zuweilen  die  Wasserausschei- 
dung durch  die  Nieren  vermehrt  werden.  — 5)  CI.  Berard  fand 
ihn  vermehrt,  wenn  er  das  verlängerte  Mark  etwas  unter  der 
Stelle  verletzte,  von  welcher  aus  die  Zuckerbildnng  der  Leber  an- 
geregt werden  kann. 


Digitized  by  Google 


412 


Gase  des  Harns. 


Bei  gewöhnlicher  Lebensweise  ist  die  Wasserabsondemng  des 
Harns  am  niedrigsten  während  der  Nacht,  sie  steigt  des  Morgens 
an  und  erreicht  nach  dem  Mittagsesseu  ein  Maximum.  — Die 
Grenzen,  innerhalb  der  bei  gesunden  Erwachsenen  das  tägliche 
Harnwasser  variirt,  liegen  zwischen  500  und  25,000  Gr.  — Nach 
Becquerel  und  Vogel  liegt  bei  jungen  Männern  das  Tagesmittel 
zwischen  1200  und  1600  Gr. 

Gase  des  Harns*).  Die  Bestimmungsstucke  für  den  Ge- 
halt des  Harns  an  Gasen  werden  sein : die  Absorptionscoöffizienten 
des  Harns  für  jede  einzelne  der  in  ihm  vorkommenden  Gasarten, 
der  Druck,  unter  welchem  jede  derselben  in  der  Blutflüssigkeit 
steht,  aus  welcher  der  Harn  abgesondert  wurde , die  Veränderungen, 
welche  der  Harn  an  seinen  Gasen  anbringt  durch  seine  eigenen 
chemisehen  Umsetzungen  und  diejenigen,  welche  an  ihnen  Vor- 
kommen, vermöge  der  Diffusion  zwischen  den  Gasen  des  Blutes 
und  des  in  der  Blase  verweilenden  Harns.  — Alles  dieses  sind  so 
wechselnde  Grössen,  dass  sich  namentlich  in  Betracht  der  wenig 
zahlreichen  Untersuchungen  über  die  hier  in  Frage  kommenden 
Elemente  nichts  im  Voraus  wird  aussagen  lassen. 

Die  Thatsachen , die  Uber  den  Gehalt  des  Harns  an  Gasen  vor- 
liegen, beschränken  sich  auf  einige  schätzenswerthe  Angaben  von 
Planer.  Sie  sind  in  der  folgenden  Tabelle  zusammenge'stellt 


Harngattung. 

Spezlf. 
Gew.  des 
Harns. 

Harnstoff- 

Prozente. 

100  Tbc 
von  0 

N. 

Ju  Harn  e 
G.  and 

0. 

n Ulalten  n 
,76  Meter 

freie  COj. 

a Gasen 
Druck 
Kcbond. 

CO* 

1. 

Fünf  Stunden  nach  dein  Früh- 
stück 

1,0154 

1,54 

0,87 

0,06 

4,54 

2,07 

2. 

Vierzehn  Stund,  nach  der  letzten 
Mahlzeit  Wasser  genommen 

1,0113 

1,37 

0,80 

0,02 

4,41 

1,88 

3. 

Zwei  Stunden  nach  dem  Mittags- 
mahl 

1,0213 

2,43 

0,78 

0,05 

9,06 

5,25 

4. 

Nachdem  4 Stunden  vorher 
13, t Gr.  KO  2 Ti  u.  500  Gr. 
HO  genommen 

1,0132 

1,44 

1,09 

0,08 

12,5 

2,76 

5. 

Nachdem  5 Stunden  vorher 
8,7  Gr.  KOTS  und  500  Gr. 
HO  genommen 

1,0093 

0,68 

1,28 

0,04 

6,22 

keine 

Aus  diesen  Beobachtungen  geht  hervor: 

Die  verdunstbare  CO2  ist  im  Ham  des  Menschen  weniger  reich- 
licher vertreten  als  im  Blut,  vorausgesetzt,  dass  das  letztere  so 


■)  Planer,  Zcltchrlft  der  Gesellschaft  der  Aerzte  zu  Wien.  1R59.  465.  — CI.  Bcrnard,  *ur 
Io»  liquide#  de  l'organ.  X.  347. 


Digitized'by  Google 


Gase  des  Horns. 


413 


reich  an  dieser  Gasart  ist,  wie  Setschenow  das  der  Hnnde 
fand.  Dieser  Unterschied  hat  aber  selbst  bei  der  Gültigkeit  der 
letzteren  Unterstellung  nichts  Auffallendes.  Denn  der  grösste  Theil 
der  verdunstbaren  CO2  des  Bluts  ist  nicht  im  engem  Wortsinn  ge- 
löst; sondern  an  alkalische  Salze  gebunden.  In  so  fern  also  dem 
Ham  diese  alkalisch  reagirenden  Salze  fehlen,  kommt  flir  ihn 
auch  nur  die  vom  Blute  wahrhaft  absorbirte  CO2  in  Betracht. 
Diese  scheint  aber  in  der  Tkat,  wie  beim  Athrnen  weiter  erläutert 
werden  soll,  sich  in  den  Grenzen  zu  bewegen,  die  auch  der  Harn- 
COi  gesteckt  sind.  Eine  andere  mögliche  Erklärung  für  den  Unter- 
schied hat  Planer  widerlegt.  Man  konnte  es  nämlich  für  wahr- 
scheinlich halten,  dass  der  Iiam  als  eine  liarastofF-  und  salz- 
reichere Flüssigkeit  wie  das  Blut  einen  niederem  Absorptionscoöffizien- 
ten  fllr  CO2  besässe,  als  die  letztere.  Nach  den  Untersuchungen 
von  Planer  nimmt  aber  der  Ham  ungefähr  ebensoviel  CO2  auf 
wie  Wasser,  resp.  wie  Blut. 

Der  Gehalt  des  Harns  an  verdunstbarer  CO2  ist  grösser  wäh- 
rend der  Verdauungszeit;  dieses  entspricht  dem,  was  wir  über  das 
Verhalten  des  Bluts  unter  gleichen  Umständen  w’issen.  — Die  * 
verdunstbare  CO2  mehrt  sich  auch  noch  durch  Genuss  von  doppelt- 
w einsteinsaurem  Kali,  nicht  aber  nach  dem  von  einfaehwein- 
saurem. 

Der  Ham  ist  arm  an  fixer  CO2  gefunden  worden;  wenn  der 
hier  untersuchte  Ham  sauer  reagirt,  so  hat  die  Thatsache  nichts 
Auffallendes.  Nach  Genuss  von  einigen  pflanzensauren  und  nach 
kohleusauren  Alkalien  soll  er  reich  an  fixer  CO2  sein  (Wöhler, 
Lehmann.). 

Der  Gehalt  des  Harns  an  Sauerstoff  ist  sehr  gering;  dieses 
könnte  auffallend  sein,  weil  während  der  Hamabsonderung  selbst 
das  aus  der  Niere  kommende  Blut  noch  reich  an  0 war 
(CI.  Bernard).  Aber  auch  der  Sauerstoff  ist  sowohl  in  den  Blut- 
körperchen (L.  Meyer)  wie  in  der  Blutflüssigkeit  (Fernet)  ge- 
bunden, so  dass  nur  ein  sehr  kleiner  Theil  des  Blutsauerstoffs 
bei  der  Diffusion  in  Frage  kommt;  es  steht  also  die  in  der 
Niere  abgesonderte  Flüssigkeit  unter  einem  sehr  niedera  Sauer, 
stoffdruck. 

Aehnliches  gilt  für  das  N-gas. 

CI.  Bernard  hat  noch  die  Zusammensetzung  einen  Gasgemenges  veröffentlicht, 
das  aus  dem  Harn  gewonnen  war;  es  enthielt  in  1 00  Theilon:  CO«  7$, 8;  N lb,ü; 

0 2,5. 


Digitized  by  Google 


414 


Gesammtkarn. 


Gesammtharn*).  Nach  den  eingehenden  Betracbtnngen, 
die  jedem  einzelnen  Bestandteile  gewidmet  wurden,  ist  Uber  die 
chemische  Zusammensetzung  des  Harns  im  Ganzen  nur  noch  wenig 
zn  ergänzen.  Die  tägliche  Menge  jedes  einzelnen  Bestandteils, 
oder  was  ganz  auf  dasselbe  hinausläuft,  die  prozentische  Zusammen- 
setzung des  täglichen  Gesammtharns  kann  von  einem  Tag  zum 
andern  sehr  verschieden  sein ; Beides  gilt  in  noch  erhöhterem  Maasse 
vom  Stundenharn.  Diese  Voraussetzung  bestätigt  die  Erfahrung  in 
sehr  ausgedehnter  Weise.  Daraus  folgt,  dass  es  keinen  Normal- 
harn, d.  h.  einen  solchen  giebt,  welcher  dem  Gesunden  Überhaupt 
eigen  sein  müsse;  da  es  eben  eine  Eigenschaft  der  Gesundheit  war, 
dass  sie  den  Harn  den  Lebensbedingungen  anpasste. 

Verlangt  man  also  zu  beliebigen  Zwecken  einen  Musterharn, 
so  muss  man  hinzufUgen,  wie  die  Umstäude  beschatten  waren,  als 
derselbe  gebildet  wurde,  und  dann  lässt  sich  aus  den  gegebenen 
Mitteilungen  Uber  die  Abscheidungsgeschwindigkeit  jedes  einzelnen 
Harnbestandtheils  unter  diesen  Bedingungen  eine  ungefähre  Angabe 
Uber  den  Musterharn  machen.  — Unter  diesen  Geschichtspunkten 
kann  man  denn  auch  viel  weiter  ins  Einzelne  gehen  und  die  Mittel- 
zahlen fllr  noch  andere  Kategorien  angeben  als  lllr  Morgen-,  Mittag-, 
Nacht-,  Sommer-  und  Winter  - Harn , oder  ftlr  den  Harn  armer  und 
reicher,  junger  und  alter,  männlicher  und  weiblicher  Individuen. 
Denn  wenn  die  Zunahme  des  Körpergewichts  (ob  sie  null  oder 
merklich  sein  soll)  und  die  Beschaffenheit  der  Getränke  und 
festen  Speisen,  die  Anordnung  der  Essensstunden,  die  Art  und 
Monge  der  Haut-  und  Darmausscheidungen  bekannt  ist,  so  kann 
danach  der  zu  den  gegebenen  Bedingungen  gehörige  Harn  ent- 
wickelt werden.  Für  ärztliche  Zwecke  wären  hier  allerdings  all- 
gemeine liegein  und  auch  Mittelzahlen  fllr  besondere  Fälle  wünsebens- 
werth,  um  so  mehr,  weil  es  vielleicht  möglich  wäre,  Harnmengen, 
die  nicht  den  ganzen  Tag,  sondern  nur  in  bestimmten  Tagesab- 
schnitten gelassen  sind,  zur  Diagnose  zu  benutzen. 

Beispielsweise  führen  wir  an:  der  Ham  der  Säuglinge  ist  immer  sehr  reich  an 
Wasser,  weil  sie  stets  eine  flüssige  Nahrung  geniessen ; von  den  festen  Theiien  der  Nah- 
rung wird  aber  ein  merklicher  Theil  zum  Aufbau  dor  Organe  benutzt.  Heiden  hain, 


•)  J.  Vogel,  Archiv  für  gemeinsame  Arbeiten.  I.  Bd.  p.  79. — Becquerel,  Der  Urin,  über- 
setzt von  Ne  u her. — Mil  Ion,  Compt.rend.  XXVI.  120. — Trapp,  Beiträge  zw  Kenntnis«  u.a.  w. 
Giessen  IHM.  — H « es  er  und  Vogel,  Archiv  f.  gern.  Arbeiten.  I.  Bd.  p.  267.  — Neubauer 
und  Vogel,  Analyse  des  Harns.  11.  Aull.  1858. 


TTTgitized  by  Goögle 


Physikalische  Eigenschaften  des  Harns. 


415 


Hoppe,  Hecker  fanden  in  ihm  0,8  pCt.  feste  Bestandtheile  überhaupt. — Nach  dem 
Genuss  von  Fleisch  wird  sich  Harnstoff,  SOj  und  PO5  zugleich  mehren,  war  das 
Fleisch  gesalzen,  auch  das  Na  CI;  und  insofern  es  frisch  und  wasserreich  war,  oder  gar 
mit  Getränk  versetzt  wurde,  auch  die  Wasserraonge.  Aber  diese  Stoffe  werden  nicht 
gleichzeitig  aus  der  Niere  gehen;  zuerst  läuft  überwiegend  das  Wasser  und  mit  ihm 
freies  Na  CI  ab,  dann  kommen  SO3  und  Harnstoff  ah  die  Reihe  und  am  spätesten  die 
Phosphorsäure.  Nimmt  ein  Bettlägeriger  den  Tag  über  öfter  und  jedesmal  wenig  "Nah- 
rung, so  wird  die  Absonderung  ziemlich  gleichraässig  von  Stunde  zu  Stunde  gehen 
müssen,  oder  ist  sie  die  eine  Stunde  erniedrigt,  so  muss  sie  in  der  andern  ent- 
sprechend erhöht  werden  u.  s.  w. 

Die  Färbung  des  Harns  ist  im  normalen  Zustand  zwischen 
rothgelb  und  hellgelb  der  Vogel’ sehen  Farbenskala.  Die  dunk- 
leren .Nuancen  sind  im  Allgemeinen  dem  sparsam  gelassenen  Ham 
eigen;  darum  ist  der  Morgeubarn  (während  der  Nacht  bereitet) 
dunkler  als  der  Getränk-  und  Mittagsharu.  — Kinderharn  ist  im 
Allgemeinen  heller,  als  der  der  Erwachsenen. 

Durchsichtigkeit.  Schwachsaurer  und  schwachalkalischer 
Ham  ist  meist  klar;  eine  starke  Reaktion  nach  der  einen  oder  der 
andern  Seite  ist  meist  von  Niederschlägen  begleitet.  Diese  bestehen 
im  alkalischen  Harn  meist  aus  phosphorsaurer  Kalkerde  und  Mag- 
nesia; im  sauren  aus  harnsaurem  Ammoniak  oder  Natron,  zuweilen 
auch  aus  reiner  Harnsäure. 

Das  spezifische  Gewicht  des  mittleren  täglichen  Harns 
liegt  hei  1020  (Vogel).  Da  es  in  inniger  Beziehung  zu  den  gelüsten 
Stoffen  steht,  so  muss  es  natürlich  sehr  variiren,  und  namentlich 
wird  bei  reichlicher  Harnentleerung  das  spez.  Gewicht  niedriger  als 
bei  sparsamer  Ausscheidung  des  Harns  sein.  — Man  hat,  um  den 
Zusammenhang  zwischen  spez.  Gewicht  und  dem  Gehalt  an  festen 
Stoffen  festzustellen,  empirische  Regeln  aufgestellt  (Becquerel, 
Millon,  Trapp,  Haeser).  Wirerwähnen  hier  nur  dieTrapp'sche 
Regel,  wobei  wir  die  von  ihm  selbst  gegebene  Bemerkung  wiederholen, 
dass  sie  nur  eine  Annäherung  an  die  Wahrheit  gebe.  — Setzt  man 
die  Einheit  des  spezifischen  Gewichts  (die  des  Wasser)  = 1000, 
so  soll  man  von  dem  gefundenen  spez.  Gewicht  des  Harns  diese 
Einheit  abziehen;  die  hintere  Zahl  des  Restes  soll  man  durch  ein 
Komma  abschnciden  von  der  vordem  und  dann  den  Rest  verdoppeln. 
Die  hier  ausgefundene  Zahl  drückt  den  Prozentgehalt  des  Harns 
an  festen  Stoffen  aus;  wäre  also  z.  B.  das  gefundene  spezifische 
Gewicht  eines  Harns  =*=  1020,  so  würde  sein  prozentischer  Rück- 
stand = 4,0  sein. 


Digitized  by  Google 


416 


Seltenere  Bcstandtheile  des  Harns. 


Seltenoro  Harnbos  tand  theile. 

Eiweissartige  Stoffe*).  Die  Abwesenheit  Ton  Blutungen  vorausgesetzt, 
gehen  öfter  in  den  Harn  über: 

Faserstoff  wird  bald  flüssig  (gerinnbarer  Harn)  und  bald  schon  geronnen  ent** 
leert.  Sein  Vorkommen  scheint  melkt  durch  Nierenleiden  bedingt  zu  sein. 

Albumin  kommt  im  Harn  vor  sowohl  weil  der  Strom  und  die  Zusammen- 
setzung des  Bluts , als  auch  weil  die  Nieren  vorändert  sind  Es  findet  sich  nach  ln- 
jection  von  verdünntem  Hühnereiweiss  in  das  Blut.  CI.  Bernard  sah  es  ausbleiben, 
wenn  er  das  Eiweiss  statt  in  die  v.  jugularis,  in  die  v.  port&rum,  und  zwar  sehr  all- 
mälig  einbrachte;  nach  Injection  von  Serum  desselben  oder  uines  andern  Saugethieres 
(CI.  Bernard);  häufig  bleibt  cs  jedoch  nach  dem  Einbringen  dieser  Eiweissart  aus 
(CI.  Bernard,  Bouchardat,  Sandras,  Schiff).  Ausbleiben  soll  es  auch  nach 
der  Einspritzung  von  etwas  wenigen  künstlich  verdünnten  Eiwsasscs  und  von  Fleisch- 
albumin  (Corvisart,  Schiff).  — Der  Ham  wird  ferner  eiwcisshaltig  nach  Ader- 
lässen (Ha y den),  noch  mehr,  wenn  nach  vorgangigem  Aderlass  dos  zurückbleibende 
Blut  durch  ein  grosses  Volum  Wasser  verdünnt  wird  (Kicrulf);  die  ei  weisstreibende 
Wirkung  des  blutverdünnenden  Wassers  bleibt  aus,  wenn  ihm  Na  CI  zugefUgt  wird 
(Härtner). — Der  Ham  enthält  ferner  Eiweiss:  nach  Injection  von  gallonsaurem  Natron 
in’s  Blut,  und  zwar  häufig,  aber  nicht  immer  (Frerichs);  nach  Einathmung  von 
Arsenikwasserstoff  (J.  Vogel);  nach  mehrtägigem  Kochsalzhunger  (Wundt),  jedoch 
nicht  immer  (Kaupp);  nach  Athembesch werden  (Köhler);  zuweilen  nach  Unter- 
drückung der  Milchsekretion,  nach  Excessen  im  Essen.  — Im  Ham  erscheint  auch 
Eiweiss  bei  bestehender  Herzhypertrophie,  nach  Unterbindung  der  Nierenvene  oder 
Hohladcr  (H.  Meyer);  nach  leidenschaftlichen  Aufregungen  mit  lebhaftem  Herz- 
schlag ; bei  besondern  Veränderungen  dos  Nieronbaues,  Losstossung  des  Epitheliums  etc. — 
Ferner  nach  einer  selbst  vorübergehenden  Störung  des  Blutlaufcs  in  den  Nieren 
(Brachct,  Peipers,  Müller),  und  endlich  nach  Verletzung  des  vierten  Him- 
veutrikels,  etwas  über  dem  Ort  des  sogen.  Zuckerstichs  (Bernard).  Das  Pankreas- 
ferment geht  in  das  Blut  eingespritzt  mit  allen  seinen  Eigenschaften  in  den  Ham 
Uber  (CI.  Bernard). 

Fette**).  Menschen  und  Säugethiere,  welche  anhaltend  mit  fettreicher  Nah- 
rung gefüttert  werden,  entleeren  fetthaltigen  Ham  (Lang). 

Oallensäuren  **•).  Nach  Injection  von  glycocholsaurem  Natron  erscheint  Glyco- 
cholsäuro;  nach  Unterbindung  des  Gallengangs  und  bei  Gelbsucht  Cholsäure  (Kühne). 

Eisensalse  f)  sind  zuweilen  nach  vermehrtem  Genuss  derselben  gefunden 
worden;  häufig  aber  fehlten  sie  auch  dann  (Wöhler,  Aldrigo,  H.  Müller  und 
K öllik er);  nach  Injection  von  Wasser  in  das  Blut  (Härtner). 

Leucin,  Tyrosin  fanden  Frerichs  und  Staedeler  im  Ham  der  Hunde 
und  Menschen,  z.  B.  bei  gelber  Lebererweichung,  in  welcher  jene  Stoffe  reichlich  in 
der  Leber  u.  s.  w.  Vorkommen. 

•>  Frerichs,  Die  Br  lg  h t'sche  Nicrenkrunkhcit.  Braunschwelg  1861.  180  u.  376.  — H.  Meyer, 
Zeitschrift  fUr  physiologische  Heilkunde.  1844.  p.  114.  — Härtner,  Beiträge  sur  Phya.  der  Harn- 
nbsondorung.  1858.—  Vogel  n.  Neubauer,  Analyse  des  Harns.  8.  And.  1858.  — CI.  Bernard, 
snr  les  llqnides.  I.  130.  386. 

••)  Lang,  De  Adlpe  in  urina  ot  renihna.  Dorpat  1852.  ß 

•••)  Ktthno,  Virchow’s  Archiv.  XIV.  Bd.  460. 
t)  Scherer,  Jalireaber.  für  physiolog.  Chemie.  1844.  p.  125.  — Härtner,  Beitrüge  zur 
Physiologie  etc.  Erlangen  1858. — Müller  und  K öllik  er,  zweiter  Bericht  der  physiolog.  Anstalt, 
1850.  Resorption  von  Eiscnsalzcn. 


Digitized  by  Google 


Seltenere  Bestandteile  des  Harns. 


417 


Allantoin*).  Wenn  einem  erwachsenen  Hunde  so  viel  Oel  in  die  Lunge  ein- 
gospritzt  wurde,  dass  eine  beträchtliche  Athemnoth  entstand,  oder  auch  nach  allhal- 
tendem Kinathmen  von  Chlor  wurde  Allantoin  im  Harn  gefunden  (Stacdcler, 
Köhler). 

Cystin  **)  suweilen  als  Harnstein,  öfter  auch  gelöst. 

Veränderung  des  Harns  durch  einen  ungewöhnlichen  Speisezusatz. 

Von  den  löslichen,  mit  Blut  überführbaren  Stoffen  erscheinen  einige  im  Harn  nicht 
als  solche  wieder,  wenn  sio  verschlungen  wurden.  Die  Veränderungen,  die  sic  er- 
fuhren, geschahen  entweder  schon  im  Harmcanal,  oder  in  dem  üesammtblut,  oder  nur 
in»  Blut  cinselner  Organe;  wio  und  wioviel  von  den  einzelnen  Stoffen  zersetzt  wurde, 
hangt  ab  von  der  Verbindung  und  der  Menge , in  der  sic  aufgenoiumcn  wurden , von 
der  Aufenthaltsdauer  im  tliierischen  Körper  und  von  dem  jeweiligen  Zustand  des 
letzteren. — Andere  Stoffe  erscheinen  unverändert  im  Harn  wieder.  Es  ist  von  Wichtig- 
keit diesen  Untersuchungen  nachzugehen,  weil  ihre  Ergebnisse  das  chemische  Leben 
der  Organe  und  die  absondernden  Eigenschaften  der  Nierenhäutc  beleuchten. 

A.  Umgewandolt  erscheinen: 

Salicin  •**)  = (V.HisOu,  es  liefert  spiroylige  Säure  =**  C14H0O4  (Mil  1 ö n und  Le  - 
voran).  Diese  Säure  ist  hervorgegangen  aus  einer  Spaltung  des  Salieins,  die  schon 
der  Speichel  bewirkt  (Stacdeler);  unter  Aufnahme  von  2 At.  Wasser  = CatlljoOir. 
zerfallt  es  in  Zucker  = CtiHuOt«  und  Saligenin  — « CuHgOa,  welches  letztere  nach 
Austritt  von  2H  in  spiroylige  Säure  übergeht. 

Gerbsäure  t)  = CigHgOi«  erscheint  im  Harn  als  Gallussäure  ==  CmHgOio  und 
Brenzgallussäure  = CitUsOr.  (Wühler  und  Frorichs).  Diese  Umwandlung  ist  die- 
selbe, welche  Gerbsäure  u.  A.  in  schwach  alkalischen  Lösungen  erleidet;  sic  geschieht, 
wie  man  sieht,  unter  Abscheidung  nur  von  C4H3O*,  oder  gleichzeitig  von  2C0|. 

Harnsäure  ff)  = CsHiNtOa  bewirkt  das  Erscheinen  von  CO*,  etwas  Oxalsäure  C*0 
und  Harnstoff  C*Il4N*0*  (Wo  hl  er  und  Frerichs);  um  in  diese  Stoffe  zerfallen  zu 
können,  muss,  abgesehen  von  der  Bildung  anderer  Zwischenproductc , die  Harnsäure 
Wasser  und  0 aufnehmen. 

Guanin  = CiolIsNsOi,  Allantoin  =*  C'illjNtOa,  Alloxanthin  = CuHqNiOio  ©t- 
scheinen  nicht  als  solche;  jedesmal  mehren  sio  dagegen  den  Harnstoff;  Allantoin  mehrt 
aber  nicht,  wie  man  erwartete,  die  Oxalsäure. 

Thiosiuammin  = NiCsHsS*  gab  Rhodanammouium  =3  NtCiHjS*;  aus  dom  ersten 
sind  also  C4H4  ausgeschieden  worden. 

Eine  Reihe ttf)  von  Säuren:  Benzoe-,  Zimmet-,  Toluyl-,  Salicyl-,  NitrobunzoC- 
säure,  paaren  sich  mit  dem  Glycin  der  Galle;  Benzo£süuro  geht  in  Giycobenzoüsiiuru 
(Hippursaurc)  Über;  Zimmetsäurc  (C|gHM0|),  welche  unter  Aufnahme  von  HO  in  Essig- 
und  Benzoßsäure  zerfällt,  bildet  ebenfalls  Hippursäure  (Marchand,  Chiozza,  Ber- 
ta gn  in  i).  — Salicylsäure  = CuHßO»;  bildet  Salicyluraaure  =>  CtslbiN  Og  (Ber- 


")  8 ta  edel  er  und  Frerichs,  Müller'«  Archiv.  18&4.  — Uermann  Kühler,  de  allan 
tolno,  dissertatlo.  1857. 

*■)  Ncnbnuer,  Harnanalyse.  8.  Anti.  10t». 

•••)  Mn  idor,  1.  c.  1279.  — Stnedelcr,  Chemisches  Centralblatt.  I8f«8.  109. 
t)  LI  e big’  s Annalen.  65.  Bd. 
tt)  Siebe  die  Literatur  bei  Harnstoflinehrung  p.  304. 

4tt)  Auw»er  der  Literatur  bei  Hlppuraifare  p.  391  noch:  ’Nenbaucr.  Harnanalyse.  p.  191.  — 
Bertagni  nl,  Conipt.  rend.  XXXI.  490.  — Derselbe,  Lieb  lg'«  Annalcu.  1W9.  Februar. 
Ludwig.  Physiologie  II.  2.  Auflage.  « ^7 


Digitized'  by  Google 


418 


Seltenere  Bestandteile  des  Harns;  Hambcreitung. 


tagnini).  — Toluylsäure  = CigHtOs  bildet  Tolursaure  =»  CtoHuNOg  (Kraut).  — 
Nitrobenzoesäure  geht  in  Kitrohippursäure  = C|gHsN*üto  Uber  (Bertagni  n i). 

Essigsäure  (C4H4O4),  Aepfelgäurc  (C4H3O5),  Weinsäure  (C4H3O6),  Citronensäure 
(C0H4O7).  Oxalsäure  (CfHOs),  frei  oder  in  Verbindungen  gegeben,  geben  je  nach  der 
genossenen  Menge  ganz  oder  theilwcise  in  den  Harn  Uber  ; erscheinen  aio  gar  nicht  oder 
nur  theilwcise  als  solche,  so  enthält  der  llarn  kohlcnsauro  Verbindungen  ( Wähler, 
Buchheim,  Millon).  Die  Umwandlung  der  essig  -,  äpfel  Weinstein  citronensauren 
Salze  geht  schon  im  Darmcanal  vor  sich  durch  Gährung  (Büchner,  Buchheim). — 
Bernsteinsäure  (C4H3O4)  ist  bald  gar  nicht,  bald  in  CO»,  bald  in  Hippunäure  ver- 
wandelt wiedergefunden  worden  (Buchheim, ‘Kühne,  Hall  wachs,  Wähler). 

Ammoniak  Verbindungen  *)  mit  organischen  Säuren  kommen  im  Harn  als  NOr. 
wieder  (Bence  Jones);  Salmiak  als  solcher  (Neubauer). 

Schwefelkalieu  theils  als  Schwefelsäure,  thcils  unverändert. 

Perrocyanid  kommt  im  Harn  als  Fcrrocyanür  wieder,  in  Folge  einer  von  der 
Harnsäure  ausgeübten  Desoxydation  (Buch heim)  •*). 

Nach  dem  Verschlingen  von  Amygdalin  fand  Ranke  Ameisensäure,  nach  Ein- 
spritzungen in  das  Blut  fanden  K öl  liker  und  Müller  den  unveränderten  Stoff  wieder. 

TheYn,  Theobromin,  Anilin,  Alcoholaether  und  mehrere  Farbstoffe  treten  im 
Harn  nicht  unverändert  auf.  Ihre  Schicksale  sind  zweifelhaft. 

B.  Unverändert  ersehe  nun  im  Harn : Chinin  , Morphin , Strychnin  , Leucin  (in’a 
Blut  injicirt),  Campher-,  Anis-,  Amminsäure  (Bertagnini,  W.  Hoff  mann),  Bern- 
steinsäure  (?),  Arsen,  Gold,  bor-,  chlor-  und  salpctersaure  Alkalien,  Jod,  Rbodan- 
kalien,  Quecksilber,  Wisinuth,  Blei,  Zinn,  Blutlaugensalz  und  viele  Farbstoffe, 
v.  B.  der  des  Rhabarbers,  des  Lakraus,  der  Cochenille  u.  s.  w. 

Harnbereitung.  Thatsächlich  scheint  Folgendes  zu  sein: 
1)  zur  Herstellung  des  Harns  entnimmt  die  Niere  dem  Blute,  mit 
der  wässerigen  Salzlösung  zugleich  auch  deu  Harnstoff,  das  Krea- 
tin und  Kreatinin,  die  Harn-  und  llipptirsäure,  die  Zuckerarten 
und  die  Farbstoffe;  sie  fährt  also  die  genannten  Blutbestandtheile 
unverändert  in  den  Ham  tiher***). 

Bewiesen  soll  diesos  sein:  1)  durch  die  Erfolge  der  Nicrenauarottung ; wäre  in 
der  That  die  Niere  nicht  an  der  Bildung,  sondern  nur  an  der  Ausscheidung  der  ge- 
nannten Stoffe  betheiligt,  so  müsste  sich  nach  der  Nierenausrottung  so  viel  von  ihnen 
im  thierischen  Körper  anhäufen,  als  das  unverletzte  Thier  in  der  entsprechenden  Zeit 
durch  den  Harn  entleert  hätte  (rrovost  und  Dumas).  Der  Versuch  hat  ergeben, 
dass  nach  jener  Operation  mehr,  aber  auch  weniger  Harnstoff  im  Blut  vorkommt,  als 
man  in  dem  Blut  des  gesunden  Thieres  findet,  ja  dass  er  auch  ganz  fehlen  kann 
(Stannius*,  Bernard,  Barreswil).  Wegen  der  mit  einem  namhaften  Verlust 
verknüpften  Bestimmungsweise  des  Harnstoffs  haben  die  Resultate  allerdings  keinen 
▼ollgiltigen  Werth,  aber  immerhin  haben  alle  Beobachter  den  Eindruck  empfangen,  als 
ob  die  Anhäufung  keineswegs  der  hypothetischen  Entleerung  entspräche.  Um  trotzdem 

•)  Procedlngs  of  the  royal  »ociety.  Vol.  VII.  M.  — Liebig  8 Annalen.  78.  Üd.  261.  — Neu- 
bauer, 1.  c.  p.  lüo. 

•*)  Mayer,  De  ratione  qua  femim  mutetur  ln  corpore.  Dorp.  1860. 

■••)  Stannina,  Archiv  Mr  physiologische  Heilkunde.  IX.  Bd.  201.  — Bernard  und  Bar- 
reiwil,  Archiv,  gludr.  1847.  442.—  Strahl  und  Lieberkübn,  Harnsäure  im  Blut.  Berlin  1848. 


' * ~ffm  — 


Folgen  der  Nierenausrottung  und  des  Nierenumsatzes. 


419 


die  Unabhängigkeit  der  Hornstoffbildung  von  der  Niere  festauhalten , muss  man  an- 
nehmen,  die  Neubildung  sei  entweder  durch  die  zurückgehaltenen  Harnbestandtheile 
selbst  unter  der  Norm  gehalten , oder  der  nicht  ausgeschiedeno  Harnstoff  sei  weiter 
zersetzt  worden.  Bernard  und  Barreswil’finden  das  Letztere  darum  wahrscheinlich, 
weil  die  nicronlosen  Hunde  mehr  Magensaft  als  sonst  abscheiden , der , obwohl  er  sauer 
ist,  doch  viel  Ammoniak  salze  enthält  — Dass  eine  Anhäufung  von  Harnstoff  im  Blut 
und  in  den  Gewebsflüssigkeiten  nach  gänzlicher  oder  theilweise  aufgehobener  Harn* 
absonderung  beim  Menschen  nichts  für  die  Frage  beweist,  ist  sogleich  ersichtlich,  weil 
ja  die  Niere  noch  anwesend  ist.  — Ausser  deni  Harnstoff  ist  nur  noch  die  Harnsäure 
im  Blut  nierenfreier  Thiero,  und  zwar  mit  einem  der  vorstehenden  Hypothesen  gün- 
stigen Erfolg  gesucht  worden  (Strahl,  Lieberkühn).  — 2)  Durch  die  Ver- 

gleichung des  Nicrenrenenblntes  mit  dem  der  Arterie.  Nach  Picard  soll  das  erstere 
ärmer  an  Harnstoff  sein  als  das  letztere.  Solche  Vergleiche  sagen  aber  darum  nichts* 
weil  die  gcgenübergestellten  Blutmassen  niemals  denselben  Gehalt  an  Plasma  und  Kör- 
perchen haben  und  der  Harnstoff  doch  wohl  nicht  über  beide  gleich  vertheilt  ist.  — 
Ausserdem  warnt  Recklinghausen  vor  der  Methode  von  Picard,  und  Gubler 
und  Poiseuille  geben  an,  dass  oft  gerade  das  Gcgentheil  von  dem,  was  Picard 
fand,  statt  hat.  — 3)  Einen  andern  Beweis  für  die  blosse  Ausscheidungsthätigkeit  der 
Nieren  erbringt  man , indem  man  die  Entstehungsorte  der  ausgeharnten  Stoffe  auf- 
deckt. Dieses  gelingt  fUr  Kreatin  (Muskeln,  Hirn),  Zucker  (Magen,  Leber),  Harn- 
säure (Milz,  Lunge,  Leber),  Hippursäure  (Leber  und  Blut),  die  Farbstoffe  (Lebor, 
Blut).  Aber  immer  bleibon  noch  Bedenken , ob  die  Entstehung  an  jenen  Orten  die 
Neubildung  einiger  der  aufgezählten  Stoffe  in  der  Niere  aüsschliesst ; so  verdient  es 
der  Aufmerksamkeit,  dass  sich  in  einer  Niere,  deren  Ureter  unterbunden  ist,  viel 
mehr  Kreatin  anhäuft,  als  während  der  Unterbindungszeit  entleert  worden  wäre ; ferner, 
dass  die  Nieren  Inosit  enthalten,  ln  den  seltenen  Fällen  also,  in  welchen  jene  Zucker- 
art im  Harn  vorkommt,  ist  ihr  Ursprung  ungewiss.  — Dem  Harnstoff  endlich  kann 
man  keinen  Erzeugungsort  mit  Sicherheit  zuweisen ; wahrscheinlich  ist  es , dass 
Guanin  *=*  C10N5H5O , Sarkin  = CjNaHiO , Xanthin  = C&N*H*Oi , Harnsäure 
*=  C5N1H4O3  zu  seiner  Bildung  beitragen ; ob  diess  aber  die  einzigen  Uebergangs- 
stufen  von  dem  Eiwciss  und  J*eim  zu  ihm  sind,  und  ob  Bie  an  dem  Orte,  wo  sie 
entstanden,  auch  zu  Harnstoff  umgeformt  werden,  ist  nicht  einmal  der  Vermuthung 
zugänglich.  Jedenfalls  steht  es  fest,  dass  die  in  die  Niere  gelangte  Harnsäure  sich 
noch  weiter  dort  zerlegen  kann,  wenn  sie  in  Folge  der  Ureterenuntcrbindung  längere 
Zeit  dort  festgehalton  wird  (Beckmann).  — 4)  Weil  so  viele  Stoffe,  die  mit  den 
Nahrungsmitteln  in  den  Thierleib  gelangen,  verändert  oder  unverändert  durch  die 
Niere  austreten,  so  war  man  geneigt,  die  Nieren  überhaupt  nur  als  Ausscheidungs- 
organe anzusehen  ; diese  Unterstellung  ist  aber  nicht  mohr  in  dem  alten  Umfang  fest- 
zuhalten , seit  man  mancherlei  der  Niere  eigenthümlichc  Umsetzungsprodukte  kennen 
lernte. 


2)  Das  Nierengewebe  oder  die  an  einzelnen  Orten  desselben 
eingeschlossenen  Flüssigkeiten  erfahren  eigenthümlichc  chemische 
Umsetzungen.  Dafür  spricht  die  Anwesenheit  des  Taurins  oder 
Cystins  und  des  Inosits  (Cloütta),  Stoffe,  welche  trotz  ihrer 
Gegenwart  im  Nierengewehe  nur  selten  in  den  Harn  übergeben; 
ferner  die  Farbenänderung,  welche  das  Blut  in  der  Niere  erfährt; 

27  • 


420  Einfluss  ilcs  Spannunprsuntcrachiedes  zwischen  Blut  und  Han». 

ferner  die  Umsetzung,  welche  der  Harn  erleidet,  der  durch  Unter- 
bindung des  Ureters  in  der  Niere  zurückgehalten  wird.  Wo  die 
Flüssigkeiten  gelegen  sind,  welche  die  erwähnten  nicht  in  den 
Harn  übergehenden  Stolle  enthalten,  ob  in  der  Masse  zwischen 
den  GefUssmascbcn  der  glomeruli  oder  in  den  Zellen  der  Canälelieu, 
ist  ebenso  unbekannt,  wie  es  die  Vorgänge  sind,  welche  die  ehern. 
Umsetzung  einlciten  und  die  Stammatome,  welche  davon  ergriffen 
werden. 

Der  chemische  Vorgang  in  der  Niere  kann  Übrigens  ebensowohl 
dazu  dienen,  die  Bestandteile  des  Harns  zu  mehren,  wie  die  Ab- 
seheidung des  Harns  ans  dem  Blut  zu  unterstützen. 

Zerlegt  sich  unter  Zutritt  des  dem  Blut  entzogenen  Sauerstoffs  das  Taurin  noch 
weiter,  so  würden  endlich  die  beiden  Harnbestandthcilu  SOj  und  Am()  zum  Vorschein 
kommen.  Aus  Inosit  konnte  man  Milchsäure  ableiten  und  sich  so  erklären,  warum 
der  saure  llaru  aus  dem  alkalischen  Blut  kommt,  aber  in  dem  Ilarn  ist  diese  Säure 
eine  Seltenheit. 

3)  Mit  dem  Unterschied  der  Spannung,  welche  Blut  und  Harn 
in  der  Niere  besitzen,  ändert  sieh  die  Absonderung;  innerhalb  ge- 
wisser Grenzen  ändert  sich  mit  dem  Druckunterschied  nur  die 
Menge  des  abgeschiedenen  Harns,  jenseits  dieser  aber  auch  die 
Art  der  Stoffe,  welche  in  ihn  übergehen,  a)  Bei  ungehindertem 
Abfluss  mindert  sieb  die  Geschwindigkeit , mit  welcher  ein  gesunder 
Ham  ausgesebieden  wird,  während  der  Beizung  der  n.  vagi  und 
nach  einem  Aderlass;  sie  steigt  dagegen  nach  Durcbsclineidung  der  n. 
vagi;  ebenso,  wenn  die  Blutmasse  eines  Thiers  dadurch  gemehrt 
wird,  dass  man  ln  den  Blutgefässraum  desselben  das  ans  der  Ader 
gelassene  Blut  eines  gleichartigen  Thieres  cinfiillt;  endlich  auch 
dadurch,  dass  man  in  der  Nierenartcric  den  Druck  erhöht  ver- 
mittelst des  Verschliessens  einiger  grösserer  Abzugsrohren  ans  der 
Aorta,  so  z.  B.  nach  Unterbindung  der  aa.  carotides,  subclaviae 
crnrales.  — Eine  Blutdrucksteigerung  jenseits  gewisser  Grenzen 
bedingt  aber  auch  den  Uebergapg  von  Eiweiss  iu  den  Ham;  auf 
diese  Weise  erklärt  man  sich  wenigstens  das  Auftreten  des 
genannten  Stoffes  nach  Unterbindung  der  Aorta  unterhalb  der 
Nierenarterien.  b)  Bei  unverändertem  Blutdruck  wird  die  Ge- 
schwindigkeit des  Harnabflusses  ans  der  Niere  wesentlich  beschränkt 
durch  Hindernisse,  welche  in  den  Ureter  eingebraebt  werden.  Loc- 
bell  gab  an,  dass,  wenn  der  Druck  der  im  Ureter  angesammeltcn 

•)  llnll,  llcule'»  uml  Pfe  Ufer'»  Zeitschrift.  *.  Reihe.  III.  Dil. 

•■)  Valentin ’s  Jahresbericht  für  184tf.  157. 


NerveneinJlujjs  auf  die  Harnbereitung. 


421 


Flüssigkeit  wahrend  der  Muskelruhe  dieses  Rohrs  auf  7 bis  lOMm  Hg. 
gestiegen  sei,  so  höre  das  Naehfliessen  von  Harn  schon  auf.  ln 
der  That  kann  man  sich  leicht  davon  überzeugen,  dass  ein  Hg- 
Manometer,  das  in  den  Harnleiter  mündet,  in  den  ersten  Mi- 
nuten rasch  auf  den  genannten  Werth  oder  auch  um  einige  M.-M, 
höher  steigt  und  dann  viel  Minuten  hindurch  immer  wieder  auf 
dieselbe  Höhe  herunterfällt,  nachdem  es  während  der  sich  häufiger 
folgenden  Ureterenbcwegungen  bedeutend  emporgedrttekt  war.  L o e - 
bell  schloss  daraus,  dass  ein  Gegendruck  von  dem  genannten 
Werth  die  Harnabsonderung  zum  Stocken  bringen  könne.  — Als 
Hermann  mit  besonderen  Vorsichtsmaasregeln  ein  Manometer 
in  den  Ureter  brachte,  der  zwei  Stunden  lang  geschlossen  gewesen 
war,  so  trieb  sein  Inhalt  das  Quecksilber  um  40  M.-M.  empor. 
Hieraus  würde  man  folgern  dürfen , dass  der  Harn  auch  noch  trotz 
eines  viel  hbhern  Gegendrucks,  als  Loebell  meinte,  abgesondert 
werde,  wenn  in  der  That  der  Inhalt  der  ausgedehnten  Nieren- 
kanälchen ein  Harn  im  gewöhnlichen  Wortsinn  gewesen  wäre. 
Dieses  schien  aber  nicht  der  Fall  zu  sein,  denn  die  Flüssigkeit 
enthielt  keinen  Harnstoff,  sondern  relativ  viel  Kreatin.  Demnach 
hatte  also  die  Hambildnng  jedenfalls  aufgehört  bei  einem  Gegen- 
druck, der  unter  40  M.-M.  lag.  Die  hohe  Lage,  welche  der  Niere 
im  thierischen  Körper  über  der  Harnblase  gegeben  ist,  wodurch 
der  Harnabfluss  so  sehr  begünstigt  wird , ist  jedenfalls  vorteilhaft 
für  das  ungestörte  Bestehen  der  Absonderung. 

4)  Veränderungen  in  der  Ilarnabsonderung  wurden  beobachtet 
nach  Verletzung  des  vierten  Ventrikels  (vermehrte  Wasser-,  Zucker-, 
Eiweissabscheidung),  nach  Reizung  und  Durchschneidung  der  n. 
splanchnici  und  renales,  nach  Einsetzung  der  Enden  einer  tätigen 
Inductionsrolle  in  die  Nierengegend,  nach  allgemeinen  Krämpfen. 
Aus  allem  Diesen  muss  man  schliesscn,  dass  die  Nerven  die  Ab- 
sonderung beeinflussen.  Tbeilweise  geschieht  dieses,  wie  z.  B.  bei 
der  Zuckerausscheidung,  auf  bekannten  Umwegen,  zum  Tbeil  viel- 
leicht dadurch,  dass  die  Strömung  des  Bluts  in  der  Niere  geändert 
wird.  Die  letztere  Vermutung  gründet  sich  darauf,  dass  sich 
mit  dem  Blutdrücke  die  Harnabsondcrung  ändert  , dass  sich  der 
Blutstrom  der  Niere  unabhängig  von  dem  Gcsammtkreislauf 
stellen  kann,  weil  die  kleinsten  Arterien  der  Niere  stark  muskel- 
haltig sind.  Mit  diesem  allgemeinen  Nachweise  schliesst  sich  aber 
auch  unsere  Kenntniss;  denn  bis  dahin  sind  alle  Versuche  über  die 
vorliegende  Frage  noch  sehr  mangelhaft. 


Digitized  by  Google 


422 


Einflufts  der  Blutzugammensetzung  auf  die  Hambereitung. 


# Bei  neuon  Rettungsversuchen  über  die  Abhängigkeit  der  Haroabsonderung  von 
den  Nerven  ist  zu  beachten , dass  fiir  sie  Zeit  und  Umstände  zu  wählen  sind,  in  denen 
die  aus  unbekannten  Gründen  eintretenden  Schwankungen  der  Harnabsonderung  nicht 
gar  zu  gross  sind;  dann  müssen  als  unbrauchbar  allo  die  Versuche  ^ei  Seite  gelegt 
werden,  die  einen  blutigen  oder  ciwcisshaltigen  Ham  liefern;  die  Fehler,  welche  aus 
der  ungleichen  Füllung  und  Bewegungsfolge’  der  Ureteren  hervorgehen,  sind  zu 
meiden  und  die  Reizmittel  selbst  sind  mit  den  allgemein  bekannten  Vorsichten  anzu- 
wenden. — Auch  die  hoffnungsvollen  Versuche  der  Nervendurchschneidung  ara  splanch- 
nicus  und  plex.  renalis  sind  bis  dahin  wegen  der  Abkühlung  der  Nieren,  der  Zer- 
rungen und  Zusammen  pressungen  der  Ge  fasse,  des  darauf  eintretenden  Bluthamens  u.  e.  w. 
noch  unbrauchbar.  — Von  dem  Einfluss  der  Nervcnreizung  auf  Verminderung  der  Harn- 
absonderung kann  man  sich  leicht  überzeugen , wenn  man  durch  eine  feine  Oeffnung 
in  den  Bauchdecken  inducirbare  Drähte  bis  in  die  Nähe  der  Nierongefasse  schiebt  und 
den  Harn  in  getheilte  Röhren  fliessen  lässt,  welche  in  den  Ureter  gebunden  waren. 
Mit  dem  Beginn  der  Schläge  stockt  oder  verlangsamt  sich  der  Hamstrom. 

5)  Die  Zusammensetzung  des  Blutes  greift  unzweifelhaft  bestim- 
mend in  die  Art  und  in  das  Maass  des  Harns  ein ; aber  das  Genauere 
des  Abhängigkeitsverhältnisses  ist  fast  vollkommen  dunkel;  dieses 
gilt  namentlich  auch  für  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  sich  die 
Blutänderung  im  Harn  zeigt;  denn  wenn  auch  einige  Stoffe  fast 
augenblicklich,  nachdem  sie  in  das  Blut  gekommen  sind,  im  Harn 
wieder  erscheinen,  so  rufen  andere  erst  längere  Zeit,  nachdem  sie 
dem  Blute  beigemengt  waren,  in  der  Niere  den  ihn  zukommenden 
Erfolg  hervor.  Dieses  letztere  gilt  z.  B.  für  das  in  das  Blnt  ein- 
gespritzte WasRer,  welches  häufig  nicht  allsogleich,  sondern  erst 
nach  einer  Stunde  die  Harnausscheidung  vermehrt;  hier  scheint  es 
also  fast , als  ob  erst  vorgängig  Blut  oder  Niere  vorbereitet  werden 
müssten,  damit  die  Harnbildung  lebhafter  werden  könne. 

Eine  andere  Betrachtung  knüpft  sich  an  das  Verhalten  der 
Eiweissstoffe  zum  Haru.  Offenbar  kann  die  Niere  nicht  dem  Ei- 
weiss  überhaupt  den  Eingang  in  den  Harn  wehren;  sondern  sie 
vermag  es  nur  so  lange,  als  das  Blut  seine  normale  Zusammen- 
setzung behauptet.  Denn  der  Ham  wird  sogleich  eiweisshaltig, 
wenn  das  Blnt  plötzlich  mit  viel  Wasser  verdünnt  wird,  wenn  Ei- 
weiss-  oder  solche  Stoffe,  wie  z.  B.  gallensaures  Natron,  ein- 
gespritzt werden,  welche  die  Blutkörperchen  auflösen.  Fast  sollte  man 
denken,  dass  hier  die  Kochsalz  verdünnung  von  Einfluss  sei ; denn  das 
eingespritzte  Wasser  treibt  kein  Eiweiss  mehr  aus,  w^n  ihm  Na  CI 
beigemengt  wird  (Härtner)  und  nach  NaCl-hunger  sah  Wundt 
seinen  Ham  mit  Eiweiss  beladen.  Muss  nun  die  Niere  oder  das 
Eiweiss  geändert  werden,  damit  das  Letztere  ein  Harnbestandtheil 
werden  könne?  «. 


Beziehung  zwischen  Abfluss  und  Zusammensetzung  des  Harns. 


423 


6)  Beziehung  zwischen  der  Zusammensetzung  des  Harns  und 
der  Geschwindigkeit  seines  Abströmens  aus  der  Niere.  Fängt  man 
den  Harn  jeder  Niere  gesondert  auf,  so  gewahrt  man  fllr  gewöhn- 
lich, dass  bald  aus  dem  einen  und  bald  aus  dem  andern  Ureter 
der  Abfluss  beschleunigter  wird.  Obwohl  diessmal  der  Harn  aus 
demselben  Blut  hervortrat,  so  weicht  doch  die  beiderseitige  Zu- 
sammensetzung noch  beträchtlich  von  einander  ab  und  zwar  um  so 
mehr,  je  grösser  der  Unterschied  des  gleichzeitig  entleerten  Harn- 
voluras  ist.  So  weit  bekannt,  bezieht  sich  die  chemische  Ver- 
schiedenheit der  beiden  Harnsorten  vorzüglich  auf  die  Verhält- 
nisse zwischen  den  einzelnen  Hambestandtheilen.  Namentlich  ist  in 
dem  langsam  austretenden  Harn  der  Quotient  aus  Wasser  in  dem 
Harnstoff  grösser  als  bei  rascher  hervorgehendem,  umgekehrt  ver- 
hält es  sich  vielleicht  mit  dem  Verhältnis«  zwischen  Wasser  nnd 
NaCl;  sicher  ist  dagegen  der  Quotient  aus  Na  CI  in  den  Harnstoff 
in  dem  rascher  gelassenen  Harn  kleiner  als  in  dem  andern.  — Man 
könnte  die  Annahme  machen,  dass  der  Harn  ursprünglich,  wie  er 
soeben  aus  dem  Blut  in  die  Canälchen  trat,  sich  in  beide  Nieren 
gleich  verhalten  habe,  und  dass  die  verschiedene  Aufenthaltsdauer 
in  den  Canälchen  ihn  geändert  habe;  dann  musste  also  aus  dem 
ursprünglichen  Harn  mehr  Wasser  und  NaCl  als  Harnstoff  ver- 
schwunden sein.  Folgt  man  dieser  Voraussetzung,  so  muss  an  der 
eingetretenen  Veränderung  die  Diffusion  einen  Antheil  haben;  aber 
sie  kann  dieselbe,  vorliegenden  Thatsachen  entsprechend,  nicht 
allein  bedingen.  — Anderseits  Hesse  sich  aber  auch  behaupten, 
dass  auch  schon  im  Augenblick  der  ersten  Bildung  der  beiderseitige 
Harn  ungleich  gewesen  sei,  weil  die  Möglichkeit  nicht  bestritten 
werden  kann,  dass  jeder  Werth  der  absondernden  Kräfte  au  nnd 
fitr  sich  ein  anderes  Verhältniss  zwischen  den  Hambestandtheilen 
fordere. 

4 JJio  Diffusion  wurde,  abgesehen  davon,  dass  sie  die  einfachste  Erklärung  der 
beregten  Erscheinung  giebt,  in  Betracht  gezogen,  weil  sie  erklärt,  warum  der  Gehalt 
des  Harns  an  festen  Bestandteilen  gewisse  Grenzen  nicht  übersteigt  und  in  dem 
Lösung6gemenge  ein  Stoff  den  andern  zu  ersetzen  vermag  und  weshalb  der  Harn  fast 
trocken  wird,  wenn  die  festen  Bestandteile  des  Harns  unlöslich  sind,  wie  es  i.  B.  ge- 
schieht , wenn  der  auszuwerfende  N statt  durch  Harnstoff,  durch  Harnsäure  aus- 
geschieden  wird.  Die  Zurücknahme  des  Wassers,  welches  die  Harnsäure  durch  die 
Haut  der  Gefässe  überfUhrte,  wurde  natürlich  zur  Notwendigkeit,  so  wie  diese  in 
der  Niere  aus  dem  gelösten  in  den  ungelösten  Zustand  übergegangen  war. 

Andere  Erfahrungen  scheinen  jedoch  zu  zeigen,  dass  die  Diffusion  nicht  mehr 
znr  Erklärung  ausreicht.  Denn  der  Ham,  welcher  sich  nach  einstttndiger  Unterbin- 
dung dea  Ureters  in  diesem  letztem  anhäuft,  enthält  in  100  Theilcn  weniger  NaCl 


Digitized  by  Google 


424 


Eigenthätigkeit  der  Niere. 


als  das  Blut  und  als  der  Harn , welcher  vor  und  nach  der  Unterbindung  auf  derselben 
Niere  und  gleichzeitig  auf  der  entgegengesetzten  abgesondort  wurde;  ja  öfter  ist  in 
dem  »urückgehaltcncn  Harn  das  Na  CI  nur  noch  spurweise  enthalten.  — Dieses  rerstösst 
aber  gegen  die  Grundgesetze  allefr  Diffusion.  — J.  Hoppe  hat  noch  auf  einen  zweiten 
Umstand  hingewiesen;  nähme  man  an,  meint  er,  dass  der  Ham  auf  dem  Wege  der 
Diffusion  von  Blutserum  conzentrirt  werde,  so  müsse,  wenn  man  einen  gesättigten 
Harn  durch  eine  Scheidewand  vom  Blutserum  desselben  Thierc»  trennte,  kein  Wasser 
aus  dem  Serum  zum  Ham  übergehen;  dieses  geschah  jedoch,  als  er  den  Versuch  aus- 
führtc.  Bevor  diese  Thatsache  mit  don  Erscheinungen  in  der  Niere  verglichen  werden 
darf,  müsste  man  wissen,  ob  die  Haut,  welche  Hoppo  anwendeto , gleiche  endos- 
motische Eigenschaften  wie  jene  der  lycreneanälchen  besass;  würde  die  todtc  Haut 
für  Kiwciss  und  Harnstoff  durchgängiger  gewesen  sein,  so  müsste  auch  eine  andere 
Yerthcilung  der  Stoffe  auf  beiden  Seiten  eintreten.  Dor  Grund,  warum  in  seiner 
Beobachtung  das  Harnvolum  zunahm,  könnte  also  erst  nach  einer  genaueren  Zergliederung 
des  Vorgangs  begriffen  werden. 

7)  Die  nach  Maas»  und  Art  ungleiche  Absonderung,  welche 
in  derselben  Zeit  die  gleichschweren  Nieren  desselben  Thiers  dar- 
bicten,  könnte  inan  wohl  erklären  aus  Ungleichheiten  des  Blutstroms, 
die  veranlasst  wären  durch  den  jeweiligen  Zustand  der  Muskeln 
in  den  kleinsten  Arterien,  oder  auch  durch  die  veränderliche  Leich- 
tigkeit des  Harnabflusses ; aber  mau  kann  sie  zum  Theil  wenigstens 
auch  andern  in  der  Niere  vorkommenden  mit  der  Zeit  veränderlichen 
Umständen  zuschreiben.  Das  Vorkommen  dieser  letztem  wird  wahr- 
scheinlich gemacht  dadurch,  dass  bei  sonst  gesunden  Hunden  oft 
Stunden,  ja  Tage  lang  gar  kein  Harn  abgesondert  wird,  dass  Opium  die 
Harnabsonderung  öfter  wenigstens  verlangsamt,  Curare  (Kölliker), 
Terpenthin,  Cantharidcn  u.  s.  w.  sic  beschleunigen.  Zur  Gewissheit 
wird  diese  Vermuthung  durch  die  Beobachtung  von  Hermann, 
dass  nach  Lösung  einer  Unterbindung  des  Ureters,  die  wenigsten« 
eine  Stunde  lang  bestanden,  der  Harn  so  ungemein  reichlich  zum 
Vorschein  kommt.  Untersucht  man  eine  solche  Niere  bevor  das 
Unterband  geöffnet  wurde,  so  findet  man  sie  sehr  angesehwollen, 
so  dass  sie  an  Maass  und  Gewicht  die  entgegengesetzte  bedeutend 
Ubertrifft ; die  Canälchen  sind  mit  Flüssigkeit  gefüllt,  die  Epithelien 
ausgedehnt,  die  Venen  beengt,  was  daraus  hervorgeht,  dass  die 
auf  der  Kapsel  verlaufenden,  durch  die  Niere  zur  ven.  ren.  treten- 
den Zweige  beträchtlich  ausgedehnt  sind,  und  in  der  Umgebung 
der  Niere  Ocdem  veranlasst  haben. 

Härtner  fand  die  Epithelien  solcher  Nieren,  die  in  Folge  von  Wasscrein- 
apritzungen  in  das  Blut  reichlich  abgesondert  hatten , ebenfalls  beträchtlich  aus- 
gedehnt; ob  dieses  Folge  oder  Ursache  der  gesteigerten  Harnbildung  war,  ist  un- 
bekannt. 


Hypothesen  zur  Erklärung  der  Hambereitung.  425 

Da  sich  die  Thatsachen  noch  nicht  znsammenreihen  zur  Er- 
klärung der  Harnabsonderung,  so  hat  man  sich  bemüht,  das  Feh- 
lende durch  Hypothesen  zu  ergänzen , in  der  Absicht,  um  durch 
sie  zu  neuen  Versuchen  geführt  zu  werden.  Die  Anforderungen , die 
man  an  ein  solches  Unternehmen  mit  Recht  stellen  darf,  bestehen 
darin,  Rechenschaft  zu  geben,  wodurch  die  dem  Harn  eigenthUm- 
lichen  Bestandtheile  aus  denen  des  Bluts  ausgelesen  werden,  weiter, 
wodurch  sie  in  die  Canälchen  tlbergeftlhrt  werden , ob  sie  dort  sich 
wieder  verändern  und  wodurch  dieses  geschieht,  denn  es  erscheint 
von  vomeherein  und  insbesondere  im  Hinblick  auf  den  eigentüm- 
lichen Bau  der  Nieren  unmöglich,  dass  ein  so  verwickeltes  und  so 
veränderliches  Lüsungsgemengc  wie  der  Harn  ohmj,  Zuthun  viel- 
facher Bedingungen  bereitet  würde. 

1)  Da  nach  vorübergehender  Unterbindung  der  Nicrengefässe  und  Nierennerven 
der  Harn  blutig  und  oft  sogar  die  Niore  zerstört  wurde  (Brachct,  Müller, 
Fcipers)*),  so  war  man  geneigt,  die  llarnbildung  den  Nerven  zuzuschrciben.  So 
sehr  cs  zu  wünschen  wäre,  dass  der  Grund,  warum  nach  jener  Operation  die  Niero 
zerstört  wird , einer  neuen  Untersuchung  unterworfen  würde , so  wenig  berechtigt  die 
genannte  Thatsache  zu  der  Annahme , dass  die  Nerven  in  der  unverletzten  Niere  die 
Auswahl  des  Harns  aus  dem  Blut  und  seine  Uebcrführung  in  die  Canälchen  besorgen. 
Es  ist  im  Gcgcnthcil  wahrscheinlicher,  dass  durch  die  Quetschung , welche  Vene  und 
Arterie  erleiden , der  Blutstrom  in  der  Niere , wenn  auch  nicht  plötzlich , so  doch  all- 
mälig  verändert  werde  und  dann  Nierenbrand  eintrete,  der  durch  die  besondern  chemi- 
schen Einrichtungen  der  Niere  eine  besondere  Gestalt  annimmt.  Die  letztere  Unter- 
stellung ist  darum  die  wahrscheinlichere,  weil  die  Zerstörung  der  Nieren  noch  nicht 
beobachtet  ist,  wenn  die  Nerven  ohne  Quetschung  der  Blutgefässe  durchschnitten 
wurden. 

Andere  Beziehungen,  die  man  zwischen  der  Nervenerregung  und  der  Harn- 
bildung beobachtete,  lassen  darauf  schliessen,  dass  die  erstere  den  Blutstrom  regelt; 
wenn  sich  der  Einfluss  der  Nerven  darauf  beschränkt,  so  würde  man  sagen  können, 
er  sei  befähigt,  den  Gang  der  Absonderungsmechanik  einzuleiten  und  zu  ver- 
stärken, aber  nicht  in  den  innern  Zusammenhang  der  letztem  cinzugreifcn.  — Dafür, 
dass  der  Nerv  in  die  chemischen  Hergänge  eingerechnet  sei,  welche  zur  Hambildung 
gehören,  liegt  kein  Beweis  vor.  — Dondcrs  deutet,  indem  er  die  Möglichkeit  des 
letztem  vor  Augen  hat,  auf  die  Analogie  zwischen  Magen  und  Niere  hin,  die  beide 
eine  saure  Flüssigkeit  abscheiden. 

2)  Die  Epithclialzcllen  der  Hanicanälchcn  ziehen  die  festen  Bestandtheile  des  Harns 
aus  dem  Blut  an , und  diese  werden  ausgewaschen  durch  das  Wasser,  welches  aus  den 
Ülomorulis  abgeschieden  wird  (Bo w man).  In  dieser  Form  befriedigt  die  Hypo- 
these nicht  und  die  Thatsachen  sprechen  nicht  für  und  nicht  wider  sie.  Nachdem 
Busch  in  den  Zellen  der  Haraorganc  bei  Schnecken  und  Wittich  in  dem  der  Vögel 
Harnsäure  aufgefunden,  gab  der  letzte  Thysiolog  der  genannten  Hypothese  folgende 

•)  Müller*»  Handbuch  der  Physiologie.  4.  Anti.  Bd.  1.  p.  376  u.  f.  — C.  Ludwig,  Wag- 
ner'« Handwörterbuch.  U.  628.  — Schultz,  Valentin'«  Jnhrcsber.  für  1861.  p.  134. 


Digitized  by  Google 


426 


Hjrpthese  von  Bowman-Witticb. 


Gestalt:  die  Zellen  der  Vogelnioro  ziehen  aus  dem  Blut  neutrale«  hamsaures  Kali  an; 
dieses  wird  in  den  Zellen  durch  die  anwesenden  Eiweisskörper  oder  die  vorhandene 
Kohlensäure  in  saures  harn*.  Kali  zerlegt,  welches  in  fester  Form  niederfallt.  Das  frei- 
gewordene, mit  dem  Eiweiss  oder  der  CO*  in  Vorbindung  gekommene  Kali  zerstört 
die  Zelle,  so  *daas  die  feste  harnsaurc  Verbindung  in  die  Hohle  des  Canälchens  ge- 
langt und  durch  den  Strom  von  Flüssigkeit  ausgespült  wird , welcher  sich  in  den 
Glomerulis  absondert.  Diese  Flüssigkeit  ist  aber  ursprünglich  dem  Blutsorum  gleich 
zusammengesetzt ; sic  kann  durch  die  Diffusion  verändert  werden , aber  immer  wird  sio 
eiweisshaltig  bleiben.  — Da  der  Ham  der  Säugethiere  kein  Eiweiss  enthalt,  wenig- 
stens nicht  in  merklichen  Mengen,  so  kann  die  letzte  Unterstellung  überhaupt  nicht 
für  sic  gelten.  — Nehmen  wir  sie  aber  in  der  Grenze,  in  der  sio  aufgcsteilt  wurde, 
nämlich  für  die  Vögel  an , so  lässt  sich  Folgendes  für  und  wider  sagen : Der  Beweis 
dafür,  dass  die  Zellen  die  hamsauren  Salze  anziehen,  soll  darin  liegen,  dass  sie  dort 
gefunden  werdon ; offenbar  ist  mit  diesem  Vorkotumon  noch  nicht  bewiesen , dass  sio 
aus  dem  Blut  zunächst  in  die  Zellen  dringen  und  von  da  erst  dann  in  die  Böhren- 
lichtung  gelangen,  worin  sich  die  Zellen  damit  überfüllt  haben.  Eben  so  gut  können 
die  hamsauren  Salze  in  verdünnter  Lösung  aus  den  Glomerulis  in  die  Canälchen 
kommen;  sie  können  dort  die  Zellen  durchtränken,  sich  in  ihrem  Verlauf  durch  die 
Röhrchen  sowohl  in  der  Lichtung  der  letzteren , wie  in  den  Zcllenhöhlon  verdichten 
und  nicdcrfallen.  Da  die  in  den  Zellen  enthaltenen  Niederschläge  durch  dieso  letzteren 
selbst  festgehalten  werden , so  kann  es  sich  auch  ereignen , dass  die  in  der  Lichtung 
enthaltenen  hamsauren  Verbindungen  ausgeschwemmt  werden,  wahrend  die  ersteren 
liegen  bleibon.  Diese  Erklärung  gewinnt  im  Gegensatz  zu  der  von  Wittich  gegebenen 
an  Gewicht  durch  die  Beobachtung,  dass  die  zugebundenen  Vogelnieren,  statt  sich  mit 
Harnsäure  zu  füllen,  sie  im  Gcgentheil  verlieren  (Beckmann).  Jedenfalls  tritt  dieso 
Thatsachc  sehr  entschieden  gegen  die  Harnsäureanziehung  der  Zellen  auf.  — Um  don 
Uobcrgang  der  Harnsäure  in  die  Röhrenhöhlung  zu  erläutern,  nimmt  Wittich  an, 
dass  die  Zellen  zerstört  würden.  In  dieser  Annahme  liegt  insofern  etwas  Logisches, 
als  sich  entweder  das  Anziehende  oder  das  Angezogenc  verändert  haben  muss,  wenn 
die  aus  dem  Blut  stammende,  in  der  Hamröhrenlichtung  enthaltene  Flüssigkeit  die 
Stoffe  wieder  aus  den  Zellen  an  sich  nehmen  soll , die  ihr  so  eben , als  sic  noch  im 
Blut  war,  durch  die  Zellen  entzogen  wurde;  dieses  gilt  um  so  mehr,  als  nach 
Wittich  jene  Flüssigkeit  Blutserum  sein  soll.  Denn  dächte  man  sich  in  den  Zellen 
anziehende  Wirkungen  und  die  von  ihnen  angezogenen  Stoffe  unverändert,  so  könnten 
die  letzteren  nicht  wieder  aus  den  Zellen  entfernt  werden  durch  die  Flüssigkeit , es 
sei  denn,  man  wolle  annehmen,  dass  die  anziehenden  Kräfte  der  Flüssigkeit  bald 
grosser  und  bald  kleiner  als  die  der  Zellen  seien , je  nachdem  sie  in  den  Blutgefässen 
oder  in  den  Harocanälchcn  gelegen  sei.  — Nimmt  man  nun  an,  dass  dio  Zelle  zerstört 
wird,  so  müssto  sich  dieses  bei  der  grossen  Menge  von  Harnsäure  im  Vogelharn  sehr 
oft  ereignen , und  demnach  müssten  sich  auch  sehr  viele  Zellen  ueu  bilden ; finden 
sich  nun  in  der  Niere  Formstufen,  die  auf  einen  solchen  Vorgang  hinweisen?  — Die 
Flüssigkeit , welche  die  festen  Bestaudtheile  des  Vogelharns  entfernt , soll  nach 
Wittich  darum  aus  den  Glomerulis  ausgesehieden  werden,  einmal  weil  die  Gefäss- 
schlingcn  unter  Berücksichtigung  des  Druckes  doch  etwas  aussondern  müssen , das  Ab- 
gesonderte könne  aber  keine  Harnsäure  sein , weil  die  Gefässe  nicht  mit  Zellen  über- 
kleidet seien  und  weil  die.  Zellen  in  der  Näho  der  Müll  er*  sehen  Capscl  keino  harn- 
sauren Niederschläge  enthalten;  ferner  auch  darum  nicht,  weil  hier  der  Druck  als 
Absonderungsursache  wirken  müsse,  der,  da  ihm  keine  chemische  Kraft  innenwohne, 


Digitized  by  Googhp 


Hypothese  von  C.  Ludwin. 


427 


unverändertes  Berum  zum  Vorschein  bringen  worde.  — Begreiflich  lässt  sich  aber  auch 
die  Abwesenheit  der  Niederschläge  in  den  Zellen  nahe  an  den  Glomerulis  dadurch  be- 
greifen , dass  hier  die  Harnsäure  führende  Flüssigkeit  noch  nicht  die  Dichtigkeit  oder 
überhaupt  noch  nicht  die  Veränderungen  erlitten  hatto , die  zum  Festwerden  jener  Ver- 
bindungen nöthig  sind.  Aus  allem  Diesen  geht  hervor,  dass  die  tatsächliche  Nothi- 
gung,  sich  der  B o wm  an  - W i ttich’ sehen  Annahme  anzusch Hessen , noch  sehr 
gering  ist. 

Die  Gründe,  aus  welchen  man  so  allgemein  die  Anziehungshypothese  festhält, 
müssen  also  tiefer  liegen ; vorzugsweise  scheint  darauf  zu  wirken  die  Erfahrung,  dass  an  so 
Tielen  Orten,  namentlich  in  der  Leber,  in  den  Speichel -,  Schleim-,  Samendrüsen  u.s.w., 
der  frühere  Zolleninhalt  einen  wesentlichen  Theil  des  späteren  Drüsensaftes  ausmaeht- 
Man  setzte  also  auch  Gleiches  in  der  Niere  voraus , indem  man  stillschweigend  unter- 
stellte, es  sei  der  allgemeine  Charakter  der  Zellen,  eine  lebhafte  chemische  Thätigkcit 
zu  entwickeln;  eine  kurze  Umschau  über  die  verschiedenen  Zellenarten  lässt  aber  bald 
erkennen,  dass  statt  dieser  nicht  allgemein  gültigen,  eine  andere  allgemeine  Leistung 
hingestellt  werden  muss,  die  nämlich,  dass  die  Zelle  einen  eigenthUmlichen  chemischen 
Vorgang  ab  grenzen  kann,  wo  ihr  ein  solcher  gegeben  ist. — Indem  man  nun  die  Nieren 
mit  den  andern  Drüsen  verglich , 'konnte  man  nicht  Übersehen , dass  die  Nieren  nicht 
vorzugsweise  bilden , sondern  nur  ausscheiden , also  wurde  hier  der  Zelle  statt  eines 
Erzeugung«  - ein  Anziehungsvermögen  zugetheilt.  Hierdurch  entstehen  aber  neue 
Schwierigkeiten,  denn  was  soll  das  für  ein  Stoff  in  der  Zelle  »ein,  der  Säuren,  Basen, 
Salz  und  indifferente  Körper  aus  allen  Naturreichen  gleich  gnt  anzieht.  Und  wenn  cs 
einen  solchen  gäbe,  wie  würden  die  von  ihm  angezogenen  Körper  wieder  frei?  Für 
das  Letztere  lägen  zwei  Möglichkeiten  vor,  entweder  die  angezogenen  Stoffe  änderten 
sich  und  büsaten  dann  ihre  Verwandtschaften  ein,  oder  der  anziehende  Stoff  ginge  zu 
Grunde.  Beides  müsste  eine  Folge  zurücklassen,  die  im  Ham  sichtbar  wäre.  Zählt 
man  hinzu,  dass  nach  Unterbindung  der  Niere  bei  Säugethieren  (Hermann)  und 
Vögeln  (Beckmann)  die  Niere  frei  von  Hambestandtheilen  wird,  so  ist  man  schwer- 
lich geneigt,  die  Zellen  als  Sammler  der  letzteren  anzusehen. 

Wenn  man  die  Zelle  als  eine  Einrichtung  ansieht,  die  in  ihrem  geschlossenen 
Binnenraum  einen  chemischen  Vorgang  isoliren  kann , so  wird  man  leicht  zu  der  Be- 
hauptung kommen,  dass  wo  ein  Binnenraum  sei,  auch  ein  eigentümlicher  chemischer 
Vorgang  stattfinde,  weil  das  Erstere  ohne  das  Letztere  unnütz  sei.  Jeder  Kenner  der 
organischen  Natur  wird  diesen  Grund,  obwohl  er  kein  strenger  ist,  gelten  lassen; 
damit  würde  aber  auch  die  Zelle  einen  Antbeil  an  der  Harabildung  gewinnen , der  ihr 
prinzipiell  auch  nie  abgesprochen  wurde,  der  aber  factisch  unbekannt  ist.  Man  sagt 
also  etwas  Selbstverständliches  aus,  wenn  mau  hervorhebt,  dass  die  Haut  des  Harn- 
canälchens  ohne  die  Zelllage  andere  endosmotische  Eigenschaften  haben  würde,  als  sie 
mit  derselben  hat,  und  dass,  wenn  chemische  Neubildungen  in  dem  Zelleninhalt  statt- 
finden , diese  den  durch  die  Rohre  wandernden  Ham  ändern  würden. 

3)  Eine  andere  Hypothese  zieht  in  Betracht  die  eigentümliche  Art  des  Blut- 
stroms durch  die  Nieren  und  die  Erscheinung,  dass  die  Wandung  zahlreicher  Capillar- 
systeme  des  thierischen  Körpers  für  eiweissartige  Stoffe  und  Fette  endosmotisch  undurch- 
dringlich ist.  Von  diesem  Boden  ausgehend,  stellt  sie  nun  die  Vermutung  auf,  es 
möchte  der  Blutdruck , welcher  auf  der  innem  Fläche  der  Gefässe  des  Glomerulus 
ruht,,  das  gesammte  Blutserum,  weniger  Eiweissstoffe,  Fette  und  die  mit  denselben 
verbundenen  Salse  durch  die  Blutgefässwandungen  in  das  Lumen  der  Hamcanälchen 
eintreiben.  Die  hier  angelangte  Flüssigkeit  würde  allmälig  durch  die  Hamcanälchen 


Digitized  by  Google 


428 


Hypothese  von  C.  Ludwig. 


treten  und  auf  diesem  Wege  in  endosmotische  Beziehung  kommen  au  dem  conzentrirten 
Blut,  welches  in  den  Capillaren  läuft,  die  jenseits  der  Glomeruli  die  Harncanälchcn 
umspinnen  (C.  Ludwig).  Im  Einklang  mit  dieser  Hypothese  ist  zuerst  die  Beobach« 
tung,  dass  diu  Geschwindigkeit  der  Harnabsonderung  in  einer  unbczweifelbaren  Be- 
ziehung zum  Spannungsunterschied  zwischen  dem  Inhalt  der  Harn-  und  Blutgefässe 
steht  ; — sic  wird  unterstützt  durch  die  Thatsaclien,  welche  das  Eingreifen  der  Diffusion 
in  die  Harnbildung  darthun;  weiter  dadurch,  dass  wenn  von  zwei  Nieren,  die  gleich- 
zeitig, und  somit  aus  demselben  Blut  Ham  erzeugen,  die  cino  mehr  Wasser  abson- 
dert als  die  andere,  sie  auch  mehr  Harnstoff  aus  dem  Blut  nimmt;  die  Hypothese  er- 
klärt endlich  ohne  Schwierigkeit,  warum  das  Blut  so  vielerlei  und  so  verschiedene 
Stoffe  durch  die  Nieren  entlässt  und  nur  wenige  zurückhält. 

Um  zu  erklären , warum  die  in  den  Ham  übergehenden  Bestandteile  in  ihm  in 
einem  ganz  andern  Verhältnis»  Vorkommen  als  im  Blut,  giebt  es  verschiedene  Wege. 
Setzt  man  voraus,  dass  die  in  den  Glomorulis  ausgeschiedene  Flüssigkeit  Plasma,  weniger 
Eiweiss  und  die  damit  verbundenen  Salze  sei,  so  muss,  da  auch  die  Häute  der  Haro- 
canälchcn  in  ihrem  weitem  Verlaufe  für  Eiweiss  undurchgängig  sind , zunächst  das 
Bestreben  entstehen,  das  Wasser  aus  dem  daran  sehr  reichen  Ham  in  das  Blut  zu 
führen,  und  zwar  so  lange,  bis  die  Kraft,  mit  welcher  das  Wasser  diesseits  und  jon- 
scits  der  Haut  festgehaltcn  wird,  gleich  wäre,  vorausgesetzt,  dass  der  Ham  lange 
genug  in  den  Canälchen  verweilte.  Indem  dieses  geschieht,  Werden  aber  auch  sehr  bald 
die  Harnstoffe  und  Salzprozcnte  des  Harns  höher  6ein,  als  die  des  Blutes,  und  cs 
wird  also  die  cndosmotische  Ausgleichung  auch  durch  don  Uebergang  jenor  Stoffe  be- 
werkstelligt. Die  Monge  jedes  einzelnen  dieser  Stoffe,  die  in  den  Canälchen  zurück- 
bleibt, würde  dann  abhängig  sein  von  dem  Unterschiede  ihrer  Dichtigkeit  im  Ham 
und  Blut  und  von  der  Diffusionsgeschwindigkeit,  dio  ihr  zukommt  in  Anbetracht  des 
besondem  Ucbergangswiderstandes , den  die  trennende  Haut  entgegensetzt  Da  nun  be- 
kanntlich durch  die  bis  dahin  untersuchten  Häute  das  Na  CI  viel  rascher  geht  als  KO  KO* 
und  2NaO  HO  PO*,  so  würde  es  damit  in  Uobcreinstimmung  sein,  dass  trotz  dos 
grossem  Dichtigkeitsunterschiedes  der  beiden  letzten  Salze,  sie  sich  doch  im  Verhält- 
nis zum  NaCl  viol  reichlicher  im  Ham  als  im  Blut  finden  können.  Anders  beim  Harn- 
stoff; nach  Hoff  mann  diffundirt  durch  den  Herzbeutel  oino  50  (?)  prozentige  Harastoff- 
lösung  noch  einmal  so  geschwind  als  eine  26,5  proz.  Kochsalzlösung ; also  dürften  beide 
Stoffe  bei  gleicher  Dichtigkeit  etwa  gleiches  Diffusionsvermögen  besitzen , und  somit 
würde  man  bei  dem  geringem  Harnstoff-  als  NaCl-Gchalt  des  Blutes  voraussetzen 
müssen,  dass  der  Harnstoff  im  Ham  sich  nie  wesentlich  anhäufen  dürfe.  Somit 
bleibt  unter  Aufrcchterhaltung  der  andern  Bedingungen  entweder  nur  übrig,  cino  be- 
sondere Struktur  in  der  Canälchenwandung  anzunehmen  , die  die  Diffusinnsgcschwindig- 
keit  herabsetzt,  oder  zu  unterstellen,  dass  das  Na  CI  unter  Umständen  durch  eine 
der  chemischen  analoge  Kraft  in  das  Blut  zurückgenommen  werde. 

Aus  den  oben  hingestelltcn  Annahmen  lässt  sich  auch  ersehen,  warum  das  in  das  Blut 
eingespritzto  Wasser  nicht  sogleich  die  Abscheidung  desselben  durch  den  Harn  mehrt; 
das  Wasser  wurde  nainlich  , insofern  sich  nicht  auch  gleichzeitig  der  Gehult  des  In- 
halts der  Canälchen  an  festen  Bestandteilen  gemehrt  hatte,  wieder  in  das  Blut  zurück- 
genommen.  Es  würde  die  Mehrausscheidung  von  Ham  also  erst  dann  beginnen  könnet), 
wenn  sich  durch  eine  von  dem  Wasser  eingeleitete  Diffusion  zwischen  Geweben  und 
Blut  die  Salze  des  letzteren  vermehrt  hätten. 

Eine  Frage  von  besonderer  Art,  dio  durch  die  vorstehenden  Hypothesen  gor 
nicht  gelöst  wird,  ist  die,  warum  wird  das  Eiweiss  nicht  in  die  Uamcanälchen  über- 


Btgnized  by  Google 


Ausstn&sung  des  Harns  aus  der  Niere;  Ernährung  der  Niere.  429 

geführt r Denn  wenn  auch  nach  Valentin  und  Schmidt  bei  der  Filtration  von 
Eiweiaslosungcu  die  durehgegangene  Flüssigkeit  weniger  Albumin  enthält,  als  die  auf- 
gegossene,  so  enthält  sie  doch  Albumin,  und  ebenso  enthält  bei  einer  möglichst  bald 
nach  dem  Tode  angcstellten  Filtration  von  Blut  durch  die  Niere  in  die  liarncanülchon 
ubergehende  Flüssigkeit  Eiweiss  (Loebell).  Zur  Aufhellung  dieser  dunkeln  Seite 
unseres  Vorgangs  dienen  vielleicht  dio  neuerlichst  entdeckten  chemischen  Vorgänge  im 
Innern  der  Niero , durch  welche  möglicher  Weise  das  Eiweiss  ausgeschlossen  werden 
könnte.  Heynsius  glaubt  in  der  Thal  den  Umstand,  der  dieses  augführt,  schon  ge- 
funden zu  haben,  und  zwar  in  der  Säure,  welche  das  Nicrougewcbc  immer  und  nament- 
lich auch  das  solcher.  Thicro  enthält,  deren  Horn  schon  im Calyx  alkalisch  rcagirt.  Die 
Scheidekraft  der  Säuren  hält  er  aber  darum  für  feststehend , weil  diffundirrndes  und 
*liltrircndcs  Blut  durch  eine  Amnios-Haut  mehr  Eiweiss  entlässt  in  dcstillirtea 
Wasser , als  in  Uarn  oder  in  ein  durch  Essigsäuro  angesäuertes  Wasser.  Es  wäre  zu 
wünschen , dass  diese  wichtige  Beobachtung  zu  Gunsten  der  Uamabsondvrung  noch 
dadurch  erweitert  würdo,  dass  sic  wo  möglich  mit  der  Saure,  welche  der  Niere  eigen* 
thiiiulich , angestellt  würde , wobei  zugleich  zu  bestimmen  wäre , ob  diese  Säure  in 
einer  so  grossen  Verdünnung,  wio  sie  in  der  Niero  vorkommt,  noch  wirksam  waro. — 
Die  Wahrscheinlichkeit  aber,  dass  der  chemische  Vorgang  in  der  Niere  sieh  an  der 
Ausschliessung  des  Eiwcisses  betheiligt , wird  noch  dadurch  erhöht , dass  einige  im 
Wasser  lösliche  Bestandthcile  des  Nierenextraktes  nicht  in  den  Harn  übergehen ; sollten 
sie  vielleicht  ähnlich  wie  in  der  Leber  auch  hier  in  das  Blut  eiutreten?  Die  Epithelial* 
zelle  ist  hier  wie  überall  au  Hülfe  genommen , um  dio  Abwesenheit  des  EiweissOs  zu 
erklären.  Dieser  Satz  wird  dadurch  gestützt , dass  im  Eiweissham  zuweilen  Epithclial- 
zcllen  der  Hamcanälchcn  gefunden  werden;  er  bedarf  kcincrWiderlegung. 

Die  Ausstossnng  des'  Harns  aus  der  Niere  ge- 
schieht unzweifelhaft  durch  den  aus  den  Blutgefässen  nachdringen- 
den Harn;  ist  er  einmal  aus  der  l’apille , oder  besser  gesagt, 
ans  der  leicht  zusammendrückb&rcn  Verlängerung  der  Harnkanälchen 
Uber  die  Nierenoberfläche  getreten,  so  kann  er  in  die  Niere  nicht 
wieder  zurltckkehreu ; denn  die  Papille  wirkt  genau  wie  ein  Rolireu- 
ventil  ( E.  H.  W e b er ). 

Ernährung  der  Niere.  In  der  fertigen  Niere  geht  ein 
gelbsständiger  Stoffwechsel  vor  sieb , wie  die  beim  chemischen  Bau 
erörterten  Thatsacheu  beweisen.  — Nach  reichlicher  Fettnahrung 
fällen  sich  namentlich  bei  der  Katze  die  Zeilen  der  Harnkanälchen  mit 
Fett  (Lang).  Krankhafter  Weise  schuppt  sich  häufig  das  Epi- 
theliiun  ab  und  es  mehrt  sich  der  formlose  Bindestoff  zwischen 
Harn-  und  Blutgefässen.  — Nach  Unterbindung  der  Nierenarterie 
schwinden  unter  vorgängiger  Erweichung  (Brand)  die  Nieren  häufig 
so  rasch,  dass  36  Stunden  nach  vollendeter  Operation  keine  Spur 
.mehr  von  denselben  aufznfinden  ist  (Schnitz).  Die  Erweichung 
beginnt  in  der  Cortikahmbstanz  und  ergreift  zuerst  die  Gefässhaut 
der  Glomcruli.  — In  der  fertigen  Niere  bilden  sieh  zerstörte  Haru- 
und  Blntkanäle  nicht  wieder. 


Digitized  by  Google 


430 


Ureter;  Han» blase. 


B.  Urcteren  und  Blase*). 

1)  Das  untere  Ende  des  Ureters  durchbohrt  die  Blasenwand 
schief,  so  dass  er  auf  einer  kurzen  Strecke  zwischen  Schleim-  und 
Muskelhaut  hingeht.  Die  nothwendige  Folge  dieser  so  oft  im 
Organismus  wiederkehrenden  Ycrbindungsart  von  Canal  und  Be- 
hälter besteht  darin,  dass  bei  einem 
jeden  Druck,  der  von  der  innem 
Blasenfläche  her  wirkt,  der  Ureter 
geschlossen  wird ; mit  einem  Worte, 
es  ist  dadurch  ein  Ventil  gegeben,!» 
welches  deu  Strom  des  Harns  nur 
vom  Ureter  zur  Blase  möglich 
macht.  — An  dem  Uebergang  der 
Blase  iu  die  Harnröhre  A (Fig.  57) 
faltet  sich  die  vordere  Blasenvvand 
B zu  einer  Grube  ein.  Daraus 

Horlzout.  _ , 

würde  folgen,  dass  bei  gefüllter 
Blase  die  Harnröhre  ohne  Zuthun 
eines  Muskels  geschlossen  werden 
kann  (Kohlrausch). 

2)  Die  Muskeln  des  Ureters  sind  bekanntlich  quer-  und  längs- 
laufende; ihre  Nerven  treten  aus  dem  Lendengrenzstrang;  der  Ur- 
sprung derselben  soll  nach  Valentin  und  Kilian  bis  in  die  Seh- 
htigel  hinauf  verfolgt  werden  können.  Die  Bewegungen,  welche 
sie  einleiten,  sind  immer  peristaltische,  nie  antiperistaltische,  d.  h. 
es  laufen  dieselben  immer  in  der  Richtung  von  der  Niere  zur  Blase. 
Wenn  man,  während  eine  Bewegung  im  Fortschreiten  begriffen  ist, 
ein  beliebiges  Stück  Muskelsubstanz  an  der  Zusaramenziehung, 
z.  B.  durch  einen  Druck  auf  dieselbe,  hemmt,  so  steht  die  Be- 
wegung an  der  gedrückten  Stelle  still;  durehschneidet  man  den 
Ureter  des  Hundes,  so  geht  die  Bewegung  nur  bis  zum  Schnitt 
(Vulpian).  Im  normalen  Verlaufe  des  Lcbeus  kommen  die  Ner- 
ven nur  zeitweise  in  Erregung;  die  l’ausen  zwischen  den  Zeiten 
der  Erregung  verkürzen  sich,  wenn  aus  der  Niere  viel  Harn  ent- 
leert wird;  aber  selbst  wenn  gar  kein  Harn  entleert  wird,  kommen 
doch  dann  und  wann  fortlaufende  Zusammenziehungen  zu  Stande.  — 
Die  Zusammenziehungen  erfolgen  nicht  nothwendiger  Weise  gleich 
zeitig  in  den  beiderseitigen  Ureteren , so  dass  die  Nerven  eines  jeden 
von  besonderen  Orten  aus  erregt  werden  müssen.  — Ein  aus- 

*)  Ko  hinzu  «cli,  Anatomie  und  Physiologie  der  15c» kcoorgant:.  1864. 


Kg.  57. 

Iteckenneigunff. 


Bewegung  der  Harnblase. 


431 


geschnittener  Ureter  bewegt  sich  nicht  mehr,  weder  peri-  noch 
antipcristaltisch  (Donders)*). 

Am  todten  Tliier  ist  die  Urctorenbcwcgung  sichtbar,  wenn  künstliche  Athmung 
eingeleitet  wird  (Yulpian);  auch  ohne  diese  ist  sie  am  Moorschwein  au  beobachten. 

Die  Muskeln  der  lilase,  der  Detrusor  und  Sphincter,  stehen 
nach  Kohlrausch  in  der  Beziehung  zu  einander,  dass  sieh  die 
Enden  des  ersteren  in  die  Zöge  des  letzteren  einflechten;  es  ver- 
hält sich  also  der  die  Blase  verengende  Detrusor  zugleich  als  ein 
die  Blasenmündung  umgebender  Radialmuskel,  der  bei  seiner  Zu- 
sammenziehung die  llamröhrenöflnung  erweitert.  Die  Nerven  der 
Blasenmuskeln  treten  aus  dem  Grenzstrang  der  Lenden  (und  des 
Kreuzbeins V) ; ihre  Ursprünge  sind  nach  Budge**)  mit  Leichtigkeit 
bis  in  das  Lendenmark  nachzuweisen,  nach  Kilian  und  Valen- 
tin sollen  sic  durch  das  Rückenmark  hindurch  bis  in  das  Hirn 
hinein  zu  verfolgen  sein.  — Die  Erregungen  des  m.  detrusor  treten 
unwillkührlich  und  wahrscheinlich  auf  reflectorischem  Wege  ein, 
namentlich  immer  nach  AnfHllung  der  Blase,  öfter  auch  nach  ver- 
breiteten Hanterregungen , z.  B.  nach  allgemeinen  Bädern.  Durch 
Berührung  der  Blasenschleimhant  in  der  Nähe  der  Ureterenmün- 
dungen  kann  nach  Ch.  Bell***)  am  leidesten  die  Zusammen- 
ziehung des  Detrusor  ansgelöst  werden ; man  vermnthet  darum,  dass 
der  Druck , welcher  bei  gleichzeitiger  AnfHllung  der  Blase  und  der 
L'reteren  auf  jene  Schleimhautnerven  ausgeübt  werde,  die  gewöhnliche 
Veranlassung  zur  reflectorischen  Erregung  abgcbc.  Wenn  die  Ner- 
ven des  Detrusor  eiumal  erregt  sind,  so  veranlassen  sie  einige 
Zeit  hindurch  Harndrang ; dieser  verschwindet  jedoch  alhuählig 
wieder,  selbst  wenn  die  Blase  nicht  entleert  wurde.  Die  harnaus- 
treibendc  Wirkung  des  m.  detrusor  kann  durch  die  Znsamnicnziehung 
der  Bauchmuskeln  unterstützt  werden.  Der  Spkincter  des  Blase 
ist  willkührlich  beweglich.  Reflectorisch  erregbar  ist  er  von  der 
Schleimhaut  in  der  Blasenmündung  und  in  dem  Beginn  der  Harn- 
röhre (CI.  Bell).  — Die  Ursache,  warum  der  Harn  nicht  stetig 
abträufelt,  sondern  in  der  Blase  znrückgebalten  wird , soll  liegen  in 
der  schon  erwähnten  ventiiartigen  Hervorragung  der  Blasenmündung 
(Kohlrausch),  in  der  Elastizität  des  Sphincters  und  der  Prostata 
(Wittich)f)  und  endlich  nach  einer  verbreiteten  Ansicht  in  der 


*)  Onderzoekingen  etc.  .laar  8.  p.  82. 

**)  V I r c b o w ’ 8 Archiv.  XV.  Bd. 

Homberg.  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten.  1.  Bd.  400. 
t)  Medizin.  Jahrbuch.  Bd.  11.  12. 


Digitized  by  Google 


432 


Veränderung  des  Hato«  in  der  Blase. 


tonischen  Zusamineuziehuug  des  letztem  Muskels.  Da  die  todte 
Blase  den  in  ihr  angchäuften  Harn  zurückhält,  so  ist  unzweifelhaft 
auch  ohne  Muskelhille  der  lilasenschluss  möglich.  Der  Druck,  der 
die  Ocffnung  der  todteu  Blase  erzwingen  soll,  muss  nach  Wittich  *) 
und  Kosenthal  bis  zu  Ü00  M.  M.  Wasser  ansteigen,  nach  Heiden- 
hain**) und  Colberg  bei  weiblichen  Hunden  auf  130M.-M.,  bei 
männlichen  auf  380  M.-M.  Die  letzteren  Beobachter  beweisen 
auch,  dass  die  lebende  Blase  einen  viel  hohem  Druck  als  die  todte 
ertragen  kann , bevor  sie  sich  entleert.  — Wie  hoch  der  Druck  ist, 
nutor  dem  im  unversehrten  Thier  der  Ham  fUr  gewöhnlich  steht, 
ist  unbekannt  Also  bleibt  cs  ungewiss , ob  eine  tonische  Erregung 
des  Sphineters  zum  Sch  Hessen  der  Blase  nothwendig ; noch  weniger 
ist  entschieden,  ob  eiue  solche  besteht. 

Die  Schleimhaut  der  Ureteren  und  der  Blase  ist  mit  einem 
geschichteten , aus  cylindrischen  und  platten  Zellen  zusammen- 
gefilgten  Epithelium  bekleidet.  In  der  Umgebung  der  Blasenmltu- 
dung  sind  in  die  Schleimhaut  einfach  tranbige  Drüsen  eingebettet, 
welche  einen  schleimhaltigen  Saft  absondern: 

Veränderung  dns  Harns  in  der  Blase,  a)  Harngäh- 
ru  n g.  Während  des  ^lfenthaltes  in  und  nach  seiner  Entfernung  aus 
der  Blase  verändert  der  Ham  durch  Selbstzersetzung  seine  Reaktion 
entweder  zu  einer  stark  alkalischen  oder  zu  einer  stark  sauren. 

Die  alkalische  Reaktion  ist  abhängig  von  einer  Umwandlung 
des  Harnstoffs,  welcher  unter  Aufnahme  von  Wasser  in  kohlen- 
saures Ammoniak  übergeht.  In  Folge  dieser  Amnmniakbildung 
wird  der  llarn  durch  einen  Niederschlag  von  phospborsaurem  Kalk 
getrübt.  Sic  ereignet  sich  in  der  Blase  selten  und  scheint  vorzugs- 
weise bei  Rückenmarkslähmnngen , bei  denen  sich  auch  eine  reich- 
liche Blasenschleimabsonderung  einstellt,  beobachtet  zu  werden. 
In  diesen  Fällen  geht  die  Umsetzung  des  Harnstoffs  so  rasch  vor 
sich,  dass  sie  selbst  eintritt,  wenn  der  Ham  nur  kurze  Zeit  in  der 
Blase  verweilte,  nachdem  diese  vorher  mit  lauem  Wasser  wieder- 
holt ausgespült  worden  war  (Smith)***).  — Im  gelassenen  Ham 
kommt  zu  einer  gewissen  Zcitperiode  diese  Umsetzung  immer  vor. 

Die  saure  Gährungf)  wird  eingeleitet  durch  den  Harnblasen- 
schleim  und  durch  Luftzutritt,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  sie  in 


*)  Itoaenthal,  de  touo  muaoulormn  impriuiis  sphiiicteruiu.  Königsberg  1*67. 

*»)  Müller*  Archiv,  ltfo  437. 

*••)  Homberg,  1.  c.  p.  735.  • 

t)  Höherer,  Ltebig’s  Annalen.  17.1hl.  171.—  Ltebig,  flrid.  50.  Bd.  161.  — VirchoWn 
Archiv  dir  pathol.  Anatomie.  VI.  8d.  7W.  — Lehmann,  l'hysiolog.  Chemie.'  11.  Ihl.  401. 


- — - -. 


Veränderung  de»  Harns  in  der  Blase  durch  Diffusion. 


433 


dem  gelassenen  Harn  unterbrochen  werden  kann,  wenn  er  vor 
dem  Luftzutritt  bewahrt  und  der  Schleim  von  ihm  abfiltrirt  wird. 
In  den  späteren  Stadien  derselben  entstehen  aber  auch  Gälirungs- 
Pilze  (Scherer,  Virchow,  Lehmann).  Ihre  hervorragendsten 
Produkte  sind  Essig-,  Benzoö-,  Oxal-  und  Milchsäure.  An  der 
Bildung  der  ersten  betheiligt  sich  wahrscheinlich  der  Farbstoff 
(Scherer,  Liebig),  während  die  Benzoesäure  aus  der  Zer- 
fällung  der  Hippursäure,  die  Milchsäure  wahrscheinlich  aus  dem 
Zocker  hervorgeht.  Ist  die  saure  Gährung  ausgeprägt  vorhanden, 
so  trtlbt  sich  der  Harn  durch  Ausscheidung  von  Harnsäure  oder 
saurem  harnsauren  Natron.  Scherer  macht  darauf  aufmerksam, 
dass  dieser  Prozess  Veranlassung  zu  Harnsäureeoneretioncn  geben 
kann.  — Im  diabetischen  Harn  entsteht  durch  Gährung  Buttersäure 
(Fonberg,  Scherer)  und  Essigsäure  neben  COi  und  Am 
(Neubauer*). 

b)  Veränderung  durch  Diffusion**).  Bei  den  Nummern,  welche 
von  Harnstoff,  Na  CI,  Wasser  u.  s.  w.  handeln,  wurde  schon  be- 
merkt, dass  nach  Kau  pp  der  tägliche  Ham  eines  auf  gleiche 
Weise  lebenden  Menschen,  wenn  er  zwölf- Mal  des  Tags  entleert 
wurde,  mehr  von  den  genannten  Stoffen  enthält,  als  wenn  er  nur 
zweimal  täglich  aus  der  Blase  gelassen  wurde. 

Um  die  Unterschiede,  die  hier  eintreten,  ersichtlicher  zu  machen, 
setzen  wir  folgende  Zahlenreihe  hin,  welche  durch  die  grosse, 
von  wissenschaftlicher  Begeisterung  geleitete  Untersuchung  K au pp’s 
gewonnen  ist.  Die  Zahlen  bedeuten  das  mittlere  Uebergewicht, 
welches  die  verzeichneten  Werthe  in  dem  in  12  Stunden  12  Mal 
entleerten  Ham  über  den  nur  2 Mal  entleerten  gewonnen  hatten. 
Wasser  . 87,3  C.C.  P0S  . . . . 0,17  Gr. 

Harnstoff.  0,93  Gr.  SO.  ....  0,06  „ 

Na  CI.  . . 0,79  „ Feste  Best.  2,12  „ 

Dieser  Verlust,  welchen  der  Ham  bei  längerem  Aufenthalt  in 
der  Blase  erleidet,  kann  abhängen  von  einer  Diffusion,  welche 
zwischen  dem  Blut-  und  dem  Blaseninhalt  eintritt,  aber  er  kann 
auch  bedingt  sein  dadurch,  dass  die  gefüllte  Blase  den  Abfluss 
des  Harns  aus  dem  Ureter  hindert.  Um  diese  Alternative  zu  ent- 
scheiden, würden  die  Versuche  fortzuführen  sein,  welche  Kau  pp 
an  Hunden  begonnen,  denen  er  Ham  von  bekannter  Zusammen- 


*)  Liebig*»  Annalen.  Februar  1866. 

•■)  Archiv  fUr  phya.  Heilkunde.  1866. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  28 


Digitized  by  Google 


434 


Männliche  OcschleehUwerkzeuKo ; anatomischer  Bau  dor  Hoden. 


Setzung  in  die  leere  Blase  einspritzte,  während  die  Ureteren  unter- 
bunden waren. 

Männliche  Geschlechtswerkzeuge. 

A.  Hoden. 

1.  Anatomischer  Bau.  Das  Charakteristische  der  Samenkanäl- 
chen besteht  darin,  dass  ein  jedes  sich  ununterbrochen  schlängelt 
und  oft  anastomosirt , bevor  es  in  das  vas  deferens  ausläuft,  und 
dass  jedes  einzelne  der  zahlreich  vorhandenen  von  verhältniss- 
mässig  weitem  Lumen  ist,  während  der  Gang,  in  dem  alle  Röhr- 
chen ausmttnden , ein  verhältnissmässig  sehr  schwaches  Kaliber  be- 
sitzt; es  verengert  sich  also  das  Gesammtlumen  der  Samenröhren 
vom  Anfang  zum  Ende  des  Hodens.  Diese  Verengung  scheint  aber 
keineswegs  eine  stetig  fortschreitende,  sondern  eher  eine  auf-  und 
absteigende  zu  sein;  so  hat  es  offenbar  den  Anschein,  als  ob  das 
in  den  djictus  efferentes  so  ungemein  verschmälerte  Bett  der  (ver- 
einigt gedachten)  .Samcnröhrehcn  in  den  eoni  vasculosi  sich  wieder 
erweiterte  und  gegen  das  vas  deferens  wieder  verengere.  — Die 
Wand  der  Samenkanälchen  ist  ans  elastischen  muskelfreien  Binde- 
geweben gebildet,  dessen  innere  Fläche  mit  kugeligen  Deck- 
zellen belegt  ist;  ebenso  sind  die  Wände  der  ductuli  efferentes 
gebaut,  mit  der  Ausnahme  jedoch,  dass  das  Epithel  aus  einer 
Lage  konischer  Zellen  besteht,  welche  zu  allen  Zeiten,  also  auch 
im  unreifen  Hoden,  Wimperfäden  tragen.  Die  Haut  der  »Samen, 
kegel  und  die  des  Nebenhodenkanals  enthält  ausser  dem  elastischen 
Bindegewebe  auch  noch  Muskelzellen  und  ihr  Epithel  ist  aus  einer 
mehrfachen  Lage  von  cylindrischen  und  dttnmvandigen  Zellen  ge- 
baut, die  sich  zur  Zeit  der  Geschlechtsreife  mit  sehr  langen  Wim- 
pern versehen  (0.  Becker)*).  — Die  Wand  der  Nebenhoden  be- 
steht, von  aussen  nach  innen  gezählt,  ans  einer  elastischen  Binde- 
gewebshaut,  aus  drei  Lagen  von  Muskelzcllen , nämlich  einer  mitt- 
leren Kreis-  und  einer  äusseren  und  einer  inneren  Längenschicht, 
ferner  aus  einer  Schleimhaut  mit  zahlreichen  Grübchen  und  endlich 
aus  einer  Lage  von  Plattenepithelium.  — Die  Capillargefässe  des 
Hodens,  welche  aus  der  langen  und  engen  art.  sperinat.  entsprin- 
gen , sind  nicht  zahlreich ; sie  sammeln  sich  in  ein  vielfach  anasto- 
mosirendes  Netz  von  weiten  Venen.  — Aus  den  Hoden  gehen  sehr 


•)  Moleschott,  Untersuchungen.  II.  Bd.  71.—  Kölliker,  Handbuch  der  Gewebelehre. 
UI.  Auflage.  514. 


Digitized  by  C 


Samen. 


435 


voluminöse  Lymphgefässe  hervor.  — Die  Nerven  des  Hodens  und 
insbesondere  des  vas  deferens,  welche  aus  dem  Lenden-  und  Sa- 
cralthcil  des  Grenzstrangs  hervortreten,  sollen  ebenfalls  bis  in 
das  Hirn  zu  verfolgen  sein.  — Auf  der  innern  Fläche  der  tunica  vagi- 
nalis communis,  wo  sie  den  Hoden  und  Nebenhoden  umschiiesst, 
also  zwischen  ihm  und  der  tunica  propria  findet  sich  eine  Lage  von 
Muskelzellen  (Köl liker);  von  diesen  aus  sollen  sich  Muskeläste 
erstrecken  gegen  die  tunica  albuginea  und  in  die  Scheidewand 
zwischen  die  Läppchen  des  Hodens  (Rouget). 

Ueber  die  chemischen  Eigonthümliehkeiten  des  Hodens  liegen  nur  Notizen  Tor. 
Staedeler  gewann  ans  den  Hoden  des  Hundes  Krystalle,  die  dem  Kreatin  ähnlich 
sahen;  Berihelot  giebt  an,  dass  dos  Hodengewebe  rascher  als  Casein,  Fibrin  und 
Leim  dos  Glycerin  und  den  Mannit  in  Zucker  umwandclt. 

2.  Samen*).  Eine  mechanische  Scheidung  zerlegt  den  von 
dem  Hoden  abgesonderten  Satt  in  einen  flüssigen  und  in  einen  aufge- 
sehwemmten  TheiL  Dieser  letztere  enthält  bestimmt  geformte  Gebilde, 
und  zwar  entweder  Samenfäden  und  Samenzellen  zugleich  oder  auch 
nur  Samenzellen.  Das  zuletzt  erwähnte  Vorkommen  ("Anwesenheit 
von  Samenzellen  bei  Mangel  an  Samenfäden)  findet  sich  ganz  all- 
gemein vor  den  Pubertätsjahren  (in  dem  sogen,  unreifen  Samen) 
und  häufig,  aber  keineswegs  immer,  in  sehr  hohem  Alter  und  zu- 
weilen in  chronischen  Krankheiten  (Duplayj. 

Aus  den  Canälen  des  reifen  Hodens,  ist  meist  das  Epithelium 
verschwunden  und  statt  dessen  findet  sich  der  Hohlraum  der  Röhr- 
chen ausgefllUt  mit  Samenzellen , die  von  1 bis  zu  10  und  20  Kerne 
bergen ; geht  man  in  den  Canälchen  weiter  gegendie  ductus  efferentes, 
so  kommen  neben  den  genannten  auch  Samenzellen  vor,  welche  statt 
der  rundlichen,  verlängerte  Kerne  enthalten  und  noch  weiter  sieht 
mau  den  Kern  bimförmig,  an  dem  spitzen  Ende  mit  einem 
kleinen  Ausläufer  versehen , der  endlich  zum  Schwanz  des  Samen- 
fadens auswächst,  während  der  Kern  vollkommen  die  Form  des 
Samenfadenkörpers  annimmt,  worauf  sich  die  Samenfäden  in 
der  Höhle  der  Zellen  zu  regelmässigen  BUndeln  Zusammenlegen.' 
Gelangen  die  so  veränderten  Zellen  in  die  ductus  efferentes , so  platzt 
die  Haut  derselben  und  es  werden  die  Samenfäden  frei,  so  / 


•)  K öl  llke  r,- Handbuch  der  Gewebelehre.  3.  Aull.  330.  — Duplay,  Archive*  generale*.  Däc. 
1832.  — Valentin,  Lehrbuch  der  Physiologie.  2.  Aufl.  11.  Bd.  1.  Abthlg.  p.  41.  — Lcukart 
(und  Frericha),  Todd,  Cyklopaedia#  IV.  Bd.  p.  540.  — Molcschett  nnd  Uiehcttl,  Wiener 
medizinische  Wochenschrift.  1855.  274. — Ankertnann.  Zeitschrift  Air  Wissenschaft!.  Zoologie. 
VUI.  Bd.  — K bl  11  kor,  ibidem.  VII.  Bd. 

2S* 


Digitized  by  Google 


436 


Bewegung  der  Samenfäden. 


dass  im  Schwanz  dos  Nebenhodens  und  im  vas  deferens  sich  nur 
diese  letzteren  neben  geringen  Beimengungen  von  Körnchen  und 
Zellen  finden  (Kölliker). 

* In  dem  frischen,  aus  dem  lebenden  Thier  genommenen  Hoden 
zeigen  alle  die  Fäden  Bewegungen , welche  sich  jenseits  der  vasa 
effierentia  befinden,  keineswegs  aber  die,  welche  in  den  Canaleben 
und  den  genannten  Gängen  enthalten  sind  (0.  Becker).  Es  können 
jedoch  alle  Fäden,  also  auch  diejenigen,  welche  an  ihrer  natür- 
lichen Lagerstätte  ruhig  sind,  durch  passende  Mittel  zu  Bewegungen 
veranlasst  werden , in  günstigen  Fällen  selbst  noch  am  dritten  Tage 
nach  dem  Tode  des  Thiers,  dem  der  untersuchte  Hoden  angehörte. 
Diese  Bewegungen  gehen  ursprünglich  von  dem  Schwanz,  nicht 
aber  vom  Kopf  aus,  denn  Kölliker  hat  gefunden,  dass  der  ab- 
getreunte  Schwanz  sich  noch  bewegt,  der  abgetrennte  Kopf  aber 
ruht.  Der  von  dem  platten,  naeh  vorn  etwas  zugespitzten  Kopfe 
ausgehende  lange  fadenförmige  Schwanz  krümmt  sich  bei  diesen 
Bewegungen  ohne  regelmässige  Folge  bald  da,  bald  dort  hin  und 
her  und  streckt  sich  rasch  wieder;  hierbei  entwickelt  derselbe  hin- 
reichende Stosskräfte,  um  eine  Ortsbewegung  des  ganzen  Fadens 
zu  veranlassen,  welche  denselben  in  einer  Sekunde  um  0,27  MM.  in 
gerader  Linie  weiterschieben  kann  (Heule).  Bei  diesen  Bewe- 
gungen weichen  die  Fäden  Hindernissen  aus,  die  ihnen  entgegen- 
treten, so  dass  cs  den  Anschein  gewinnt,  als  ginge  in  den  Be- 
wegungsakt  eine  sinnliche  Wahrnehmung  und  eine  Schätzung  der 
bevorstehenden  Hemmung  ein. 

Die  Bewegungen  können  für  längere  Zeit  erlöschen  und  dann 
unter  günstigen  Bedingungen  wieder  kommen;  sie  scheinen  nur 
möglich  zu  sein  in  den  Temperaturgrenzen  von  12  bis  46°  C.,  ferner 
nur  so  lange , als  die  Samenfäden  sich  in  einem  gewissen  Grad  von 
Quellung  und  in  einer  bestimmten , nicht  näher  zu  bezeichnenden 
chemischen  Verfassung  befinden.  Die  Bedingungen,  unter  denen 
die  ruhenden  Fäden  wieder  zur  Bewegung  gebracht  werden  oder 
die  bewegten  beruhigt  werden , sind  nicht  überall  mit  denen  gleich, 
durch  welche  der  reizbare  Nerv  und  Muskel  erregt  werden  kann 
% oder  seine  Erregbarkeit  embUsst. 

Die  Bewegung  erhält  »ich  unverändert  in  allen  thierischen  Flüssigkeiten  von  mitt- 
lerer Conzcntration.  und  schwach  alkalischer  Reaktion;  »ie  verschwindet  dagegen,  wenn 
die  Safte  sauer  oder  durch  ammoniokalische  Beimischungen  stark  alkalisch  sind.  Die 
Bewogung  erhalt  sich  ferner  in  I prozentigen  Lösungen  von  Na  CI,  KCl,  Am  CI,  NaONOg, 
KO  NO»,  und  in  5— 10 prozentigen  Lösungen  von  2NaOHOPO»,  NaOCOi,  NaOSOs, 
MgO  SOj,  Üa  CI;  ferner  in  mitte lst&rkcn  Lösungen  von  Zucker,  essigsaurem  Morphium, 


_ Qigi^ed  by  Goog(e 


AbsondertrngKgnzchwindigkeit  des  Samens. 


437 


Cyankalium  nnd  Strychnin  (Valentin,  R.  Wagner,  Kramer,  Ankcrraann, 
Moleschott,  Kölliker).  Alle  die  genannten  Lösnngen  heben  dagegen  die  Be- 
wegungen auf,  entweder  wenn  sie  so  wässerig  sind,  dass  die  Samenfäden  darin  stark 
aafquellen,  oder  so  conzentrirt,  dass  sie  schrumpfen.  Im  ersten  Fall  kann  ein  Zusatz 
von  Salz,  im  letzten  Fall  ein  Zusatz  von  Wasser  dio  Bewegung  wieder  hervorrufen 
(Ankermann).  Sind  die  Bewegungen  in  den  günstig  wirkenden  Lösungen  der 
genannten  Stoffe  erloschen , so  können  sie  oft  doch  vorübergehend  durch  Aetzkali  her- 
▼orgerufen  werden.  — Die  Bewegung  sowohl  wie  die  Fähigkeit  dazu  erlischt  un- 
wiederbringlich entweder  augenblicklich,  oder  nach  wenigen  Minuten  in  Lösungen  von 
Ü,5proz.  CIH,  in  sehr  verdünnten  Lösungen  von  Metallsalzen  (z.  B.  Sublimat  von 
0,01  pCt.)  und  allen  Säuren,  in  Chloroform,  Alkohol,  Aether,  Kreosot  u.  s.  w. 
Lösungen  von  Gummi  und  Dextrin  verhalten  sich  wie  reines  Wasser  (Ankermann, 
Kölliker).  Elektrische  Schläge  haben  keinen  Einfluss  auf  die  Bewegungen,  ein 
constanter  Strom  wirkt  nur  du^:h  seine  elektrolytischen  Ausscheidungen.  — Die  Be- 
weglichkeit der  Samenfäden  von  Vögeln,  Amphibien  und  Fischen  verhalten  sich  zu  den 
genannten  Reagenticn  nicht  immer  wie  die  der  Säugethiero  und  der  Menschen.  Sieho 
hierüber  Kölliker  1.  c. 

lieber  die  chemischen  Eigenschaften  des  Inhaltes  des  Ilodens 
und  des  vas  deferens  ist  Folgendes  bekannt:  Die  Samenfäden 
der  Sängetbierc  können  nicht  vollständig  gelöst  werden  durch  con- 
zentrirte  SOi,  NO:.,  Ae;  sie  sind  ferner  unlöslich  in  kohlensaurem 
Natron;  in  kalter  Lange  von  50  pCt.  KO  quellen  sie  stark  anf,  in 
warmer  lösen  sie  sich  (Kölliker).  Die  mit  Wasser  ausgewasche- 
nen Samenzellen  des  Hodens  enthalten  einen  eiweissartigen  Körper, 
die  Samenfäden  auf  gleiche  Weise  behandelt,  einen  in  Kali  lös- 
lichen Eiweissstoff,  ein  butterartiges  Fett  nnd  phosphorsauren  Kalk. 

Die  SamenflUssigkeit  ist  im  Inhalt  des  Hodens  nur  in  geringer 
Menge  da,  sie  ist  klebrig,  reagirt  alkalisch  und  enthält  einen  in 
Wasser  löslichen,  durch  Kochen  nicht  gerinnenden  Eiweisskörper 
(Kölliker)  oder  Schleim  und  NaCI  (Frerichs). 

Sperma  aus  den  Nebenhoden  und  vas  deferens  des  reifen  Ochsen  gab  Kölliker 
in  100  Thcilen:  82,00  Wasser,  15,20  organischo  Stoffe  (daruntor  2,16  Fett)  und 
2,64  Salze.  — Das  Sperma  des  .unreifen  Stieres  gab  88  pCt.  Wasser. 

3.  Die  Absondernngsgesehwindigkeit  des  Samens.  Vor  der 
Pubertät  geht  die  Bildung  des  unreifen  Samens  zuerst  äusserst 
langsam  vor  sich;  denn  in  dieser  Zeit  wird,  so  weit  wir  wissen, 
gar  kein  Saft  ans  dem  Hodeu  entleert.  — Nachdem  mit  den  Puber- 
tätsjahren die  Absonderung  eines  vollkommenen  Samens  zu  Stande 
gekommen,  kann  sie  bis  in  das  hohe  Alter  bestehen;  Duplay 
fand  in  den  Hoden  80jährigcr  Greise  nocli  Samenfäden;  übrigens 
sind  nach  demselben  Beobachter  bei  Hochbejahrten  die  Samenfäden 
meist  spärlicher  vorhanden,  und  fehlen  auch  nicht  selten  gänzlich, 


Digitized  by  Google 


438  8amen-Bcrcitung  und  -Entleerung;  Beiwerkzeuge  des  Hodens. 

oder  sic  sind  mindestens  missgestaltet.  Man  vermuthet,  dass  eine 
öftere  Entleerung  des  Samens  die  Neubildung  desselben  beschleu- 
nige. — Bei  Individuen  mittleren  Alters  fehlen  zuweilen  die  Samen- 
fäden; die  Beziehungen,  welche  man  zwischen  gewissen  krank- 
haften Störungen  der  allgemeinen  Ernilhrungsprozesse  und  der  aus- 
bleibenden Bildung  von  Samenfäden  vermuthet,  haben  sich  durch 
die  Untersuchungen  von  Duplay  nicht  bestätigt. 

4.  Sameubereitung.  Die  Formfolge  bei  der  Entwicklung  der 
Samenfäden  ist  schon  soeben  nach  der  Angabe  von  Kölliker  ge- 
schildert worden.  Danach  ist  ihre  Bildungsstätte  die  Samenzelle. 
Die  gekrümmten  und  langen  Wege,  die  häufigen  Anastomosen  und 
endlich  die  Enge  des  vas  deferens  bedingen  eine  hinreichend  lang- 
same Bewegung  des  Samens  von  den  Anfängen  zu  den  Enden  des 
Hodens,  um  die  zur  Formentwicklung  nnthweudige  Zeit  zu  ge- 
winnen. — Die  Bedingungen  für  die  Entstehung  des  Samenfadens 
müssen  theils  in  der  Blutzusammensetzung  und  theils  in  Zuständen 
des  Hodens  selbst  gesucht  werden.  Für  den  letzteren  Satz  spricht 
vor  Allem  die  Beobachtung  von  Duplay,  dass  bei  demselben  In- 
dividuum in  dem  einen  Hoden  der  Samen  fadenhaltig  und  im 
andern  fadenfrei  sein  kann.  Worin  diese  Bedingungen  liegen,  ist 
unbekannt,  sicherlich  nicht  in  dem  Säftereichthum  desselben  über- 
haupt, da  Hoden,  welche  einen  normalen  Samen  e'rzengen,  im 
Mittel  nicht  schwerer  sind , als  diejenigen , welche  dieses  nicht  ver- 
mögen (Duplay). 

5.  Die  Entleerung  des  Hodens  kann  möglicher  Weise  veran- 
lasst werden  durch  die  in  der  tunica  vaginalis  cornm.  vorhandenen 
Muskeln;  die  Anwesenheit  eines  serösen  Sackes  (tunica  vaginalis 
propria)  deutet  mindestens  auf  eine  Verschiebung  der  beiden  Blätter 
desselben,  also  auf  selbstständige  Hodenbewegungen  hin.  Die  Aus- 
treibung des  Sperma  ans  den  Nebenhoden  muss  dagegen  begünstigt 
werden  durch  die  von  Becker  nachgewiesenen  Cilien,  welche 
einen  Strom  vom  Hoden  zürn  vas  deferens  einleitcn.  — Der  in  das 
vas  deferens  entleerte  Samen  wird  durch  die  Mnskelbewegungen 
dieses  Schlauchs,  nicht  aber  durch  die  Zusammenziehungen  des 
m.  cremaster  ( L.  Fick)  gegen  die  Samenbläschen  hin  ausgestossen, 
wo  er  mit  andern  Drüsensäften  vermischt  und  endlich  in  die  Harn- 
röhre entleert  wird.  Seinen  weiteren  Weg  verfolgt  die  Zeugnngslehre. 

B.  Beiwerkzeuge  des  Hodens. 

Das  Wenige,  was  Uber  die  Absonderungserscheinungen  der 
serösen  Ilodcnhaut  bekannt  ist,  wurde  schon  S.  259  erwähnt.  — 


Djgitized  by  Google 


Accessorische  Samendrüsen  ; Erektion  des  männlichen  Gliedes.  439 

Der  Muskel  des  Samenstranges  (Cremaster)  ist  ein  unwillkürlich 
beweglicher. — Die  tunica  dartos,  welche  aus  einer  Lage  gekreuzter 
Muskelzellen  besteht , verkürzt  sich  meist  nur  dann , wenn  sie  ab- 
gekUlilt  oder  mit  Elektrizität  geschlagen  wird.  Zuweilen  auch  unter 
der  Einwirkung  eines  Druckes  auf  dieselbe.  Ueber  eine  Art  von 
rhythmischer  Bewegung  in  derselben  siehe  Betz  *). 

C.  Accessorische  Samendrüsen  (vas  deferens,  Samen- 
blasen, Prostata.) 

Ueber  ihre  Ernährung  und  die  in  ihnen  vorgehende  Säftebildung 
ist  so  gut  wie  nichts  bekannt.  Die  beiden  ersten  Gebilde  sondern 
eine  den  Ilodensaft  verdünnende  Flüssigkeit  ab  (E.  II.  Weber)  **); 
denn  es  ist,  wie  das  Mikroskop  lehrt,  die  Zahl  der  Samenfäden 
in  gleichen  Portionen  Inhalts  der  vasa  deferentia  viel'bedeuteuder,  als 
in  denjenigen  der  vesiculac  seminales.  Da  man  keinen  Grund  hat 
anzuuehmen,  dass  sich  Samenfäden  in  den  Bläschen  aufläsen,  so 
kann  die  Erscheinung  nur  aus  einer  Verdünnung  des  Hodensaftes 
durch  Zusatz  neuer  Flüssigkeit  erklärt  werden.  v 

D.  Das  männliche  Glied. 

Nachdem  schon  an  verschiedenen  Stellen  von  den  Schweiss- 
und Schleimdrüsen  des  Penis  gehandelt  wurde,  beschränken  wir 
uns  hier  auf  die  Erektion  und  die  Betheiligung  des  Gliedes  an 
Samen  - nnd  Harnentleerung. 

1.  Die  Erektion***)  ist  abhängig  von  einer  Veränderung  des 
Blutstroms  im  Penis,  die  durch  die  Nerven  des  letzteren  eingeleitet 
wird.  Die  Lumina  der  Gefüssröhren  sind  nämlich  in  dem  Penis 
so  angeordnet,  dass  sehr  enge  spiralig  gewundene  Arterien  in 
relativ  weite,  von  Balken  durchzogene  Säcke  (eorpora  cavernosa) 
münden,  welche  wieder  in  enge  Venen  übergehen.  In  diesem 
Rfihrenwerk  strömt  das  Blut  nun  entweder  in  der  Art,  dass  sein 
Seitendruck  nicht  genügt,  um  die  Cavcrnen  auszuspannen,  oder 
dass  er  beträchtlich  genug  wird,  um  sie  straf!'  zu  pressen  gegen  die 
fibrösen  Häute  bis  zur  vollkommenen  Steifung  des  Gliedes.  Der 
Zusammenhang  dieser  Strömungsänderungen  und  der  Penisnerven 

•)  Flenle’s  und  Pfcufer'*  Zeitschrift.  N.  F.  I.  Bd.  831. 

••)  Zusätze  zur  Lehre  vom  Baue  und  den  Verrichtungen  der  Geschlechtsorgane.  Leipzig  1848.  897. 

•••)  Krause,  Müller’*  Archiv.  18-17.  p.  1.  — Günther,  Untersuchungen  und  Erfahrungen 
Im  Gebiete  der  Anatomie  u».  w.  Hannover  18B7.- — Arnold,  Anatomie  des  Menschen. — Kobelt, 
I»as  Wollnstorgnn.  Preiburg  1844.  — Kohl  rau  sch,  Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Becken- 
organo.  Leipzig  1854.  — Kölllker,  Würzburger  Verhandlungen.  II.  Bd.  N.  8 u.  9.  — Haus- 
mann, Ueber  die  Zeugung  und  KnUtehung  des%w*hrcn  weiblichen  Eie*  u.s.  w.  Hannover  1840. — 
Rouget,  Recherche»  sur  1c*  organe«  erectile*  de  ln  feramo  in  Brow  n - Slquard’s  Journal  de 
Physiologie.  1.  Bd.  p.  B'io. 


Digitized  by  Google 


440 


Mechanismen  der  Erektion. 


ist  durch  die  Folgen  ihrer  Zerschneidung  bei  Pferden  erwiesen 
worden  (Günther);  diese  Operation  beschränkt  nämlich  eben- 
sowohl die  vollkommene  Steifung,  als  die  vollkommene  Erschlaffung 
des  Gliedes.  Der  Strom  scheint  eine  mittlere  Spannung  anzu- 
nebmen. 

Der  Mechanismus,  welcher  diese  Stromverändcrung  einleitet,  wird  verschieden- 
artig aufgefasst.  — a)  Dio  Stromhindernisse  in  den  Arterien  werden  vermindert 
(Hausmann)  z.  B.  durch  Erschlaffung  ihrer  Wandung;  daraus  würde  natürlich  eine 
Erweiterung  ihres  Querschnitts  entstehen.  Gründe  für  diese  oft  ausgesprochene  Behaup- 
tung giobt  es  keine.  Als  einen  Gegengrund  für  dieselbe  könnte  man  den  Erfolg  der 
Nervendurchschneidung  am  Penis  selbst  anschen  ; denn  indem  die  Gefässnerven  hierbei 
mit  verletzt  und  somit  die  zuführenden  Arterien  ausgedehnt  werden,  müsste  nach  der 
Operation  Erektion  eintreten.  Dieses  geschieht  aber  nicht.  — b)  Steigerung  der 
Stromhemmnisse  in  den  ausführenden  Röhren.  Die  Vertheidiger  dieser  Ansicht  haben 
zwei  Möglichkeiten  aufgestellt  Entweder  es  werden  zusammengepresst  die  Venen- 
stamme (dorsalis,  bulbosae,  plexus  venosus  santorini)  durch  dio  musc.  ischio-  und 
bulbocavemosus  und  adductor  prostatae) •).  Abgesehen  davon,  dass  diese  Muskeln  die 
erwähnten  Venen  zu  comprimiren  vermögen,  führt  diese  Vermuthung  für  sich  an:  die 
Anwesenheit  tonischer  oder  klonischer  Krämpfe  in  den  Muskeln  während  der  Erektion 
und  nächstdem  die  Beobachtung,  dass  bei  einer  Injection  dünnflüssiger  Massen  in  den 
todten  Penis  die  Steifung  desselben  erst  dann  zu  Wege  gebracht  werden  kann,  wenn 
man  die  Venen  desselben  ganz  oder  theilweise  zuschnürt  (Krause).  So  annehmbar 
von  dieser  Seite  diese  Vorstellung  ist,  so  darf  andererseits  nicht  verkannt  werden, 
dass  man  willkürlich  die  erwähnten  Muskeln  zusammenziehen  kann,  ohne  damit  eine 
Erektion  zu  Staude  zu  bringen.  — Im  Anschluss  an  diese  Annahme  steht  die  andere, 
dass  sich  die  Oeffnungcn,  welche  die  Cavcrnen  und  die  ausführenden  Venen  verbinden, 
selbst  verengern  und  bei  einer  weit  gediehenen  Anfüllung  des  Penis  sogar  ganz  ver- 
schliessen  möchten.  Diese  Hypothese  wird  für  die  corpora  cavernosa  penis  sehr  wahr- 
scheinlich angesichts  der  leicht  zu  constatirenden  Thatsache,  dass  die  Injectionsmasse 
oder  Luft,  die  man  durch  eine  künstliche  Oeffnung  geradezu  in  die  Hohlräume  ein- 
spritzt, nicht  in  die  ausführenden  Venen  übergeht,  selbst  wenn  man  einen  bedeutenden 
Druck  anwendet  Unläugbar  verlangt  .dieses  Verhalten  die  Anwesenheit  von  Hemm- 
nissen an  der  Grenze  von  Cavcrnen  und  Venen,  wenn  sich  die  letztem  ausgedehnt 
haben , obwohl  noch  der  anatomische  Nachweis  derselben  fehlt  (Kobelt,  Kohl- 
rausch). Die  Schwierigkeiten,  welche  diese  Erklärungsart  der  Erektion  mit  sich 
führt , liegen  nnn  aber  darin , dass  sie  einmal  nicht  fcststellt , wodurch  die  Cavemcn 
zuerst  zu  dem  Grade  von  Anfüllung  kommen , der  nöthig  ist , damit  die  klappen- 
ähnlichen Apparate  in  Wirksamkeit  troten  können ; dann  aber  lässt  sie  unorertert , wie 
der  Penis  wieder  abschwillt,  da  seine  Klappen  ununterbrochen  wirken,  wie  man  an 
der  Leiche  sieht.  — Auf  keinen  Fall  können  aber,  wie  schon  erwähnt  wurde,  ähn- 
liche Vorrichtungen  wirksam  sein  bei  der  Anschwellung  der  corp.  cavernos.  urethrae 
und  der  Eichel,  da  die  in  ihre  Höhlen  cingeblasene  Luft  den  Ausweg  leicht  durch 
die  Venen  findet.  — c)  Die  dritte  Annahme,  welche  Kölliker  in  weitester  Ausdeh- 
nung vertritt,  behauptet,  dass  die  Mündungen  der  zu  und  von  den  Cavemcn  füh- 


')  Das  iat  der  vordere  Theil  de«  muskulösen  Bcckenzwerchfells. 


Ausstoßung  wn  Harn  und  Hainen  ans  der  Harnröhre. 


441 


I renden Gofäaso  wesentlich  unverändert  bleiben,  dass  aber  die  Carernenwandungen  nach- 

giebiger würden,  so  dass  sie  von  dem  einströmenden  Blute  leichter  als  früher  zu  er- 
weitern wären.  Die  Ursache  der  Erschlaffung  finden  Kölliker  und  Kohlrauseh 
in  der  Erregung  der  Penisnerven , welche  zu  ihren  Muskeln  in  einem  ähnlichen  Ver- 
hältnis* stehen  sollen , wie  die  nn.  vagi  zum  Herzmuskel.  Mit  Qewissheit  kann  aller- 
dings die  Behauptung  ausgesprochen  werden,  dass  eine  kräftige  Zusaramenziehung  der 
▼on  Kölliker  und  Valentin  in  den  corpora  cavemosa  entdeckten  Muskeln  die 
Erektion  gerade  unmöglich  machen,  weil  sie  so  angelegt  sind,  dass  ihre  Verkürzung 
das  Volum  des  Penis  minderte;  so  sah  es  Kölliker,  als  er  den  Penis  eines  Hin- 
gerichteten mit  elektrischen  Schlägen  behandelte,  und  so  ist  das  abgekühlte  Qlied, 
dessen  Muskeln  zusammengezogen  sind,  immer  sehr  klein  und  derb.  Damit  ist  aber 
natürlich  nicht  die  Behauptung  erwiesen , dass  die  Muskeln  des  Penis  ein  dem 
Vagus  und  Herzmuskel  analoges  Verhalten  zeigen.  RücksichtKch  des  letztem  Punktes 
iat  um  so  grössere  Vorsicht  nöthig,  alz  es  sehr  wahrscheinlich  ist,  dass  der 
Vagus  nicht  geradezu  den  Herzmuskel  erschlafft,  sondern  andere  auf  ihn  wirkende 
Erregungsursachen  ausser  Wirksamkeit  setzt;  zudem  widerspricht  der  Annahme  von 
Kölliker  der  Umstand,  dass  eine  Injeetion  von  Flüssigkeit  in  den  todten,  voll- 
kommen schlaffen  Penis  erst  dann  die  Steifung  erzeugt,  wenn  der  Abfluss  der  Flüssig- 
keit durch  Verengerung  der  Venen  gehemmt  ist. — d)  Arnold  weist  endlich  auf  die 
Möglichkeit  hin , dass  dos  Strombett  des  Blutes  in  dom  gesteiften  Penis  ein  ganz 
anderes  sei , als  in  dem  schlaffen ; er  glaubt  sich  nämlich  überzeugt  zu  haben , dass 
das  Blut  auf  zwei  Wegen  aus  den  Arterien  in  die  Venen  gelangen  könne;  einmal  durch 
Capillaren , welche  auf  den  Wänden  der  Cavernen  verlaufend  in  die  Venen  einmünden, 
und  dann  dureh  Zweige,  welche  direkt  in  die  Cavernen  tibergehen.  Diese  Möglichkeit 
wird  so  lange  bestritten  werden  müssen,  bis  diese  beiden  Wege  genauer  dargestellt  sind« 

Ueber  die  vorübergehende  Erektion  der  Eichel  und  die  m&nnichfachen  Erregungs- 
mittel  der  Erektion  handeln  Kobelt  und  Valentin  ausführlich. 

2.  Ausstreuung  von  Harn  und  Samen  aus  der  Harnröhre.  Da 
in  die  Urethra  die  Ausflthrnngsgänge  der  Samen  - und  Harnbehälter 
m linden , ohne  dass  die  eine  der  beiden  Flüssigkeiten  in  die  Wege 
der  andern  eindringt,  so  müssen  Vorrichtungen  bestehen,  welche 
den  beiden  Säften  immer  nur  einen  Weg  anweisen.  Als  Schutz- 
mittel der  Samenwege , welches  den  Eintritt  des  Harns  in  dieselben 
verhindert,  ist  anzuschen  der  schiefe  Gang,  welchen  die  samen- 
ausftthrenjlen  Röhren  durch-  die  Wand  der  Urethra  nehmen.  Als 
eine  Hemmung  fllr  den  Weg  des  Samens  in  die  Harnblase  be- 
trachtet Kob  eit  das  caput  gallinaginis , welches  ebenfalls,  mit 
Schwellkörpern  versehen , zur  Zeit  der  Erektion  die  lllasenmttndung 
verstopft.  — Da  nun  aber  auch  bei  abwesender  Schwellung  der 
Samen  nicht  in  die  Harnblase  gelangt,  so  muss  schon  der  normale 
Blasenschluss  als  Hinderniss  genügen.  — Der  Harn  wird  schon  in 
die  Urethra  mit  hinreichender  Kraft  getrieben,  um  ans  der  Mün- 
dung derselben  in  einem  Strahl  befördert  zu  werden.  Anders  ver- 
hält es  sich  mit  dem  Samen,  der  durch  die  schwachen  Muskeln 


Digitized  by  Google 


442 


Weibliche  Geschlechtsorgane;  anatomischer  Bau  des  Eierstocks. 


der  Samenbläschen  nur  bis  in  die  Harnröhre  getrieben  wird;  aus 
dieser  befördern  ihn  die  Znsammenziehungen  des  m.  bulbocaver- 
nosus.  — Bei  der  Steifung  des  Gliedes  ist  das  Eindringen  des 
Samens  in  die  Harnröhre  noch  besonders  erleichtert,  da  diese  zu 
jener  Zeit  in  Folge  der  Ausspannung  ihrer  Wände  ein  geöffnetes 
Lumen  besitzt.  Uer  Harn  findet  aber  zu  dieser  Zeit  an  dem  ge- 
schwollenen Schnepfenkopf  ein  Hinderniss,  so  dass  er  durch  den 
gesteiften  Penis  nur  schwach  abfliesst. 

Weibliche  Geschlcchtswerkzeugc. 

A.  Eierstock. 

1.  Anatomischer  Bau.  Das  Stroma  des  Eierstocks  besteht  aus 
Bindegewebe,  glatten  Muskelfasern  (?)  und  Blutgefässen;  in  diese 
Massen  sind  eingebettet  unreife,  reife  und  zerstörte  Eikapseln,  und 
das  Ganze  (Stroma  und  Eitheile)  ist  umzogen  von  einer  fibrösen 
Htllle.  Die  Blutgefässe  des  Eierstocks  haben  an  derjenigen  seiner 
langen  Seiten,  welche  von  der  Trompete  abgewendet  ist,  einen  Bau, 
wie  er  in  Schwellkörpern  gefunden  wird.  Zwischen  diese  Gefässe 
treten  Muskeln  in  das  Ovarium,  welche  in  Verbindung  stehen  mit 
den  Muskelzügen,  die  im  lig.  Uteri  latum  verlaufen  und  von  da  in 
das  lig.  uteri  rotundum,  den  Uterus  und  die  Tuben  Ubergehen 
(Rouget)*)  — Die  reife  Eikapsel  ist  ein  kugeliger  Sack,  der  mit 
Flüssigkeit  (Eiwasser)  gefüllt  ist.  Die  Wand  dieses  Sackes  besteht 
nach  aussen  hin  aus  Bindegewebe;  dann  folgt  eine  strukturlose 
Haut  und  auf  diese  eine  mehrfache  Lage  von  Zellen  (Kömerkant), 
gnd  in  dieser  liegt  das  Eichen.  Die  Elemente  der  Kömerhaut,  zu- 
sammengedrückte,  getrübte,  kernhaltige  Zellen,  liegen  zum  grössten 
Theil  .in  einer  nur  mehrfachen  Schicht  auf  der  strukturlosen  Haut 
des  Sackes  an , an  einer  Stelle  aber  sammeln  sie  sich  so  zahlreich, 
dass  sie  einen  kleinen  Hügel  bilden  (Keimhügel),  und  in  diesem 
ruht  das  Eichen  eingebettet.  Dieses  selbst  besteht,  vorn  Centruin 
an  gerechnet,  aus  einer  hellen  Zelle  mit  dunklen  Pünktchen  (Keim- 
bläschen und  Keimfleck),  diese  liegt  in  einem  trüben  Tröpfchen 
(Dotterkugel),  welches  endlich  von  einer  breiten,  durchsichtigen, 
zähen  Schaale  (Dotterhaut,  Eiweissschicht)  umgeben  wird. 

2.  Chemische  Beschaffenheit  **).  Die  Grundmasse  des  Eier- 
stocks besitzt  wahrscheinlich  die  Zusammensetzung  des  elastischen 


•)  Jounuü  de  phyalolofic  par  lirown-8<5quard.  I.  320. 

••)  Gdbley,  Pharmazeut.  CentrnlbUtl  1817.  — Derselbe,  Journal  de  pharmacie.  Ihne  S<?r. 

XVII.  und  xvm.  Bd.  — Fremy  und  Vslenclennei,  Journal  de  pharmacie.  3me  Ser.  XXVI. 


Chemische  Beschaffenheit  des  Eierstock* ; Eibildung. 


443 


Bindegewebes.  Die  Eigenschaften  der  strukturlosen  Eikapsel,  der 
membrana  granulös»  und  des  Eiwassers  sind  ganz  unbekannt.  Die 
Zusammensetzung  des  menschlichen  Eies  können  wir  seiner  Klein- 
heit wegen  nicht  durch  direkte  Untersuchung  in’s  Klare  bringen. 
Auf  die  Bestandtheile  des  reifen  menschlichen  Eies  schliessen  wir 
darum  nur  aus  der  Untersuchung  des  thierhehen.  Unter  Be- 
schränkungen halten  wir  uns  hierzu  berechtigt,  weil  die  Unter- 
suchungen von  Gobley,  Valenciennes  und  Fremy  gezeigt 
haben,  dass  wenigstens  analoge  Bestandtheile  das  Ei  sehr  ver- 
schiedener Thiere  znsammensetzen.  Die  quantitative  Zusammen- 
setzung ist  in  den  verschiedenen  Eiern  durchaus  ungleich. 

Nach  Gobley,  Valenciennes  nnd  Fremy  findet  sieh  in  den  Eiern  aller 
Wirbelthiere  Albumin , M&rgarin , Olein , phosphorhaltige  Fette  und  die  gewöhnlichen 
Blutaalze.  Dazu  kommt  bei  den  Vögeln  ein  eigentümlicher  eiweiseartiger  Körper,  das 
Vitellin , welches  bei  den  Knochenfischen  durch  ichtidin  und  bei  den  Knorpelfischen 
durch  Ichthin  vertreten  wird.  — Om  eine  Vorstellung  von  der  grossen  Complikation 
der  Zusammensetzung  des  Hühnereies  zu  geben,  zählen  wir  seine  Bestandtheile  auf: 
Albumin,  Viteiin  (C  52,8,  H 7,2,  N 15,1,  0 26,16),  Margarin , OleVn,  Cholestearin, 
Lceithin,  Corebrin,  Zucker,  NaCl,  KCl,  NH4CI,  KO  SO*  3CaOPO*,  3MgOPOs,  NaOOO*, 
SiOj,  ein  rother  eisenhaltiger  und  ein  gelber  Farbstoff,  Wasser. 

3.  Bildung  und  Ausstossnng  des  Eies  *).  Ueber  die  Form- 
folge  des  entstehenden  Eies  ist  uns  Einiges  bekannt.  Zuerst  tritt 
es  auf  als  eine  grosse,  durchsichtige,  kernhaltige  Zelle,  welche  im 
Centrum  eines  Haufens  kleiner,  mit  trilblichem  Inhalt  gefüllter 
Zellen  liegt  (Steinlin).  Diese  letztem  Zellen  gleichen  schon 
ganz  denen  der  spätem  membrana  granulosa.  In  einer  zweiten 
Formstufe  umgiebt  eine  strukturlose  Haut  die  Zellenmasse;  auf  die 
äussere  Fläche  dieser  Hüllenanlage  setzt  sich  später  das  Binde- 
gewebe an,  auf  die  innere  die  membrana  granulös». 

Die  Bedingungen  zur  Bildung  von  Eiern  können  während  des 
ganzen  Lebens,  vielleicht  mit  Ausnahme  einiger  Krankheiten  (z.  B.  der 
Bleichsucht)  nnd  der  des  höheren  Alters,  vorhanden  sein,  denn  es 
finden  sich  selbst  in  den  Eierstücken  der  Embryonen  schon  An- 
lagen von  Eikapscln.  Ihre  vollkommene  Ausbildung  erlangen  aber 
« 

Weber,  Poggendorf's  Annalen.  70. ßd.  398.  — Barreswill,  Scherer’s  Jahresbericht  über 
phys.  Chemie  Ihr  1849.  p.100.  — Winkler,  Oleeeencr  Jahresbericht  Uber  Chemie.  1847  a.  48.858. — 
Rurige,  Li'ebig's  Annalen.  Bd.  R4.  p.  127. 

•)  Bi  sc  hoff,  Entwickelangagcschichtc  der  Söugethicre  und  des  Menschen.  Leipzig  1842.  — 
Derselbe,  Beweis  der  von  der  Begattung  unabhängigen  LoBstossnng  der  Eier.  Glessen  1844.  — 
Leuokart.  Zeugung  in  Wagncr's  Handwörterbuch.  VL  Bd.  — Bischof f,  Hcnle'n  und 
Pfeufer’s  Zeitschrift.  5.  F.  IV.  Band.  120.  — Stclnlln,  Züricher  Mitthellungcn.  1849.  - 
Kölliker,  Gewebelehre.  3.  Atifl.  B9fl. 


**  -- 1- 


Digitized  by  Google 


444 


AiiMtnrnnng  de*  Kien;  Eileiter 


die  Eier  nur  während  eines  bestimmten  Lebensabschnittes  der 
Frauen,  der  in  nnsern  Gegenden  mit  dem  14.  bis  15.  Jahre  beginnt 
Hnd  nach  dem  40.  sebliesst.  Einzig  während  dieser  Periode  werden 
auch  die  Eier  ans  dem  Ovarium  ansgestossen ; dieses  geschieht 
dadurch,  dass  in  den  Binnenraum  der  Kapsel  mehr  und  mehr 
Flüssigkeit  eindringt,  so  dass  diese  endlich,  nachdem  sie  das  um- 
gebende Gewebe  verdrängt  und  sich  Uber  der  Oberfläche  des  Eier- 
stockes  erhoben  hat,  platzt.  Die  aus  der  Kapsel  hervorsttlrzende 
Flüssigkeit  spült  dabei  das  locker  angeheftete  Eichen  auf  die  freie 
Fläche  des  Eieretockes.  Dieser  Hergang  erfolgt  bei  Thieren,  wie 
Bischoff  nachgewiesen,  nur  zurZeit  ddr  Bmnst  und  beim  Menschen 
nur  zur  Zeit  der  Menstruation ; er  bleibt  beim  Menschen  wahrschein- 
lich jedesmal  nur  auf  ein  oder  mehrere  Eier  beschränkt.  Während 
der  Dauer  der  Schwangerschaft  ist  die  Ausstossung  der  Eier  unter- 
brochen. — Nachdem  das  Säckchen  das  Ei  ausgestossen,  schrumpft 
es  unter  Faltenbildung  zusammen,  ohne  dass  jedoch  dadurch  der 
ganze  Ilohlraum  zum  Verschwinden  kommt.  Dieser  letztere  füllt 
sich  anfänglich  mit  Blut  und  allmälig  mit  einer  von  der  Haut  aus- 
gehenden Zell-  und  Bindegewebswucherung.  Diese  Rückbildung 
geht  langsamer  zur  Zeit  der  Schwangerschaft  vor  sich,  als  ohne 
dieselbe.  Darum  findet  man  eine  mit  mehr  oder  weniger  weit  zer- 
setztem Blut  gefttllte  Capsel  (corpus  luteum)  deutlich  bei  den  wäh- 
rend der  Schwangerschaft  gestorbenen  Individuen  (Meckel, 
Bischoff.) 

B.  Eileiter. 

Der  Eileiter  empfängt  seine  physiologische  Bedeutung  dadurch, 
dass  er  die  Eier  aus  dem  Ovarium  in  den  Uterus  überführt.  Das 
Wenige,  was  wir  über  seine  Lebenserscheinungen  wissen,  bezieht 
sieh  auf  diesen  Vorgang,  beziehungsweise  auf  die  dabei  stattfin- 
deaden  Bewegungen.  Diese  letzteren  werden  entweder  durch 
Muskeln  oder  durch  ein  Flimmerepithelinm  ausgeführt. 

Die  Muskeln  gehören  zu  den  glatten;  die  Nerven,  unter  deren 
Einfluss  sic  stehen,  verlaufen  in  den  unteren  Partien  des  Grenz- 
strangs.  Die  Muskeln  bedingen  je  nach  ihrer  Anordnung  einen  ver- 
schiedenen Erfolg.  — Diejenigen,  welche  sich  vom  freien  Ende  der 
Tuben  zu  den  Ovarien  erstrecken,  nähern  bei  ihrer  Znsammen- 
ziehung  die  beiden  genannten  Theile.  Rouget  vermuthet,  dass 
sie  sich  in  Folge  reflektorischer  Anregung  zusaramenziehen , wenn 
das  Eichen  reif  und  sein  Sack  zu  platzen  im  Begriff  ist.  Es  würde 
dann  durch  sie  das  Anlegen  der  Fimbrien  an  den  Eierstock  und 


Digitized  by  Google 


Kileittr;  FruchthiUtor ; Menstruation. 


445 


das  Eindringen  des  Eieg  in  die  Tubenhühle  ermöglicht.  — Die 
Muskeln,  weiche  die  Hüblang  der  Tuben  selbst  uuischliessen,  werden 
im  Stande  sein,  sie  zu  ändern.  Die  Bewegungen,  die  man  an 
ihnen  beobachtet,  sind  immer  fortschreitende;  das  Weiterschreiten 
kann  ebensowohl  vom  Eileiter  zum  Fruchthälter  als  in  der  um- 
gekehrten Richtung  geschehen.  Diese  Bewegungen,  welehe  dureh 
galvanische  und  mechanische  Erregungsmittel  hervorgerufen  werden 
können,  treten  häufig  auch  ohne  nachweisliche  Veranlassung 
auf,  und  zwar  geschieht  dieseB  Letztere  ebensowohl,  wenn  der 
Eileiter  noch  ia  seinen  normalen  Verbindungen  sich  vorfindet, 
als  wenn  er  gemeinschaftlich  mit  dem  Uterus  ausgeschnitten  ist. 
Die  eigenen  Muskeln  des  Eileiters  verhalten  sich  also  ähnlich  denen 
des  Darms. 

Die  Flimmerzellen  der  Eieretöcke,  deren  Faden  in  der  Art 
schwingen,  dass  sie  einen  Strom  von  dem  Ovariura  nach  dem 
Uterus  bin  veranlassen,  zeichnen  sich  vor  allen  übrigen  durch  ihre 
ausserordentliche  Empfindlichkeit  gegen  schädliche  Einflüsse  aus. 

Die  Fortbewegung  der  Eier  durch  die  Tuben  geschieht  nach 
den  Beobachtungen  von  Biscboff  und  Hyrtl  ausserordentlich 
langsam,  indem  5 bis  8 Tage  (beim  Menschen  und  Hund)  nüthig 
sind,  um  sie  dureh  den  Eileiter  hindurchzufördern.  Durch  welche 
Einrichtungen  die  Bewegung  so  verlangsamt  wird,  ist  nicht  be- 
kannt; denn  sie  müsste  rascher  vor  sich  gehen,  wenn  das  Ei  dem 
Strom  der  Flimmerhaare  oder  der  peristaltischen  Bewegung  der 
Muskeln  folgte. 

C.  Fruchthälter. 

Die  Wand  des  Uterus  ist  zusammengesetzt  aus  Muskelfasern, 
welche  so  laufen,  dass  die  Höhle  des  Fruchthälters  allseitig  zn- 
sammengepresst  werden  kann;  ferner  besteht  sie  aus  Blutgefässen, 
welehe  sich  im  Körper  des  Uterus  zu  einem  wahren  Schwellgewebe 
gestalten  (Rouget),  und  aus  einer  Schleimhaut,  die  im  Cervix 
mit  1 “finster-,  im  Fundus  mit  Flimmerepithelium  besetzt  ist.  Die 
Wimpern  sind  jedoch  erst  in  ■ der  mannbaren , nicht  aber  in  der 
unreifen  Gebärmutter  vorhanden. 

Menstruation.  Vor  der  Pubertät  macht  sioh  der  Uterus 
wenig  bemerklich,  und  nach  derselben  auch  nur  zur  Zeit  der 
Schwangerschaft  und  der  Regeln.  Unter  diesen  letztem  versteht 
man  bekanntlich  eine  in  vierwöchentlichen  Zwischenräumen  wieder- 
kehrende blutige  Ausscheidung  aus  der  Gebärmutterhöhle. 


- Oigitized  by  Google 


446  Chemische  Zusammensetzung  der  Menstrnalflüssigkeit;  Erscheinen  derselben. 


1.  Chemische  Zusammensetzung  der  Menstrualflässigkeit*)  Sie 
stellt  ein  Gemenge  von  flüssigen  und  festen  Körpern  dar.  Die  auf- 
geschwemmten  Massen  bestehen  aus  Blut-  und  Lymphkörperchen, 
Epkheliuuizellen;  die  flüssigen  enthalten  Wasser,  Eiweiss,  Faser- 
stoff, Fette  und  alkalisch  reagirende  Balze. 

Ueher  den  Faserstoffgehalt  bestehen  Controversen ; Simon,  Vogel  und  früher 
auch  Denis  fanden  das  Blut,  welches  aus  dem  Uterus  ausgetreten,  weder  gerinnbar, 
noch  enthielt  es  Faserstoffflocken.  Nach  E.  H.  Weber**),  der  in  dem  Uterus  einer 
Person,  die  während  der  Menstruation  gestorben  war,  Faserstoffgerinnsel  fand,  ist 
dieses  nur  darum  der  Fall , weil  das  Blut  kurz  nach  seinem  Austritt  auf  die  Uterus- 
flache  gerinnt  und  aus  diesem  Qerinnsel  Blutkörperchen  und  Serum  austreten,  während 
der  Fasertoff  wenigstens  zeitweilig  zurttekgchaltcn  wird.  — Mit  dieser  Annahme 
stimmen  neue  Untersuchungen  von  Denis  und  üenle  überein,  welche  im  Menstrual- 
blut  Gerinnung  beobachteten. 

Ueber  die  quantitative  Zusammensetzung  des  Menstrualblutes 
besitzen  wir  Angaben  von  Simon,  Denis  und  J.  Vogel;  die 
Mittheilungcn  des  letztem  Autors  dürften  darum  am  zuverlässigsten 
sein,  weil  er  die  Flüssigkeit  unmittelbar  aus  der  vorgetallenen  Ge- 
bärmutter sammelte.  Nach  ihm  enthielten  zwei  l’ortionen  des  Aus- 
flusses, von  denen  die  eine  zu  Beginn  und  die  andere  zu  Ende  der 
Menstruation  aufgefangen  war,  in  100  Theilen  gleich  viel  Wasser, 
nämlich  83,9  pCt.;  ein  Berum,  das  aus  diesem  Ausfluss  gewonnen 
war,  enthielt  in  100  Theilen  93,5  Wasser;  unter  6,5  pCt.  festen 
Bestandteilen  befänden  sich  0,65  pCt  feuerbeständiger  Balze.  Diese 
wenigen  Thatsachen  scheinen  doch  hinzureichen  zu  dem  Schluss, 
dass  die  untersuchte  Flüssigkeit  kein  reines  Blut  gewesen  sei. 

2.  Das  Erscheinen  der  Menstruation  ***)  ist  von  verschiedenen 
Umständen  abhängig,  a)  Die  Menstruation  kommt  nur  dann  zu 
Stande,  wenn  sich  aus  dem  Ovarium  ein  Ei  ablöst.  Der  Beweis 
für  diese  Behauptung  liegt  darin,  dass  man  jedesmal,  so  oft  es 
möglich  war,  die  Leiche  einer  während  der  Menstruation  verstor- 
benen Person  zu  untersuchen , in  dem  Eierstock  entweder  eine  reife 
oder  so  eben  geplatzte  Eikapscl  fand,  und  ferner  darin,  dass  keine 
Frau  menstruirt  ist,  der  in  Folge  einer  Operation  oder  der  ur- 
sprünglichen Entwickelung  die  Eierstöcke  fehlten.  Die  Verknüpfung 
beider  Vorgänge  ist  jedoch  insofern  keine  nothwendige , als  es  um- 
gekehrt beobachtungsgemäss  möglich  ist,  dass  ein  Eiaustritt  er- 

*)  Litzmann,  Artikel  Schwangerschaft  in  Wagner'«  Handwürtcrb.  III. 1.—  Lenckart,  Le. 

•*)  1.  c.  p.  418. 

••■)Tllt,  V al  ent  ln’  s Jahresbericht  iibeT  I’hysiol.  fllr  18&0. 132. — Hannover,  ibid.  1861. 18y. — 
P z u k i t s , Zeitschrift  der  Wiener  Aerxte.  1847.  • 


hu  C.onolp 


Dauof  und  Geschwindigkeit  de*  Mcn*tniftlflume*. 


447 


folgen  kann , ohne  das»  die  Regeln  in  merklicher  Weise  eintreten. — 
b)  Die  Regeln  kennen  nur  erscheinen,  wenn  ein  gewisses  Lebens- 
alter erreicht  und  ein  anderes  nicht  überschritten  ist.  Das  Alter, 
nach  dessen  Vollendung  die  Menses  auftreten,  wechselt  mit  dem 
Klima  und  der  Lebensweise.  Nach  statistischen  Beobachtungen 
füllt  der  mittlere  Eintritt  derselben  im  nördlichen  Deutschland  in 
das  16.,  im  südlichen  Frankreich  in  das  16.  nnd  in  den  tropischen 
Ländern  in  das  11.  bis  6.  Jahr.  Die  Städterin  soll  im  Durchschnitt 
um  ein  Jahr  früher  menstruirt  sein,  als  die  Bewohnerin  des  Landes, 
Ueber  das  Alter,  in  dem  die  Menstruation  verschwindet,  sind  we- 
niger allgemeine  Regeln  festgestellt;  in  unsern  Gegenden  hört  die 
Menstrualblutung  gewöhnlich  mit  dem  40.  bis  46.  Jahre  auf  oder 
tritt  von  da  an  nur  sehr  unregelmässig  ein.  — e)  Wenn  eine  Men- 
strualblutung stattgefunden  hat,  so  muss  ein  gewisser  Zeitraum 
verstreichen,  bevor  eine  neue  eintreten  kann.  Die  Zeit,  welche 
zwischen  je  zwei  Reinigungen  liegt,  beträgt  gewöhnlich  4 bis  4 
und  eine  halbe  Woche.  Abgesehen  davon,  dass  sich  hier  indivi- 
duelle Verschiedenheiten  finden,  soll  sich  auch  der  Unterschied  der 
Klimate  geltend  machen,  nnd  namentlich  giebt  man  an,  dass  in 
nördlichen  Gegenden  die  Menstruationen  seltener  aufeinander  folgen, 
als  in  südlichen.  — d)  Endlich  ist  es  eine  Regel,  die  nnr  seltene 
Ausnahmen  erleidet,  dass  nur  das  ungesehwängerto  Weib  der 
monatlichen  Reinigung  unterworfen  ist. 

3.  Die  Dauer  und  die  Geschwindigkeit  des  Blutflusses  sind 
sehr  variablen  Werthcs,  indem  namentlich  die  Dauer  des  Ausflusses 
bei  den  verschiedenen  Frauen  zwischen  einem  bis  zu  acht  'Lagen 
schwankt.  — Im  Allgemeinen  soll  bei  magern,  lebhaften  und  süd- 
ländischen Frauen  die  Geschwindigkeit  des  Ausflusses  grösser  sein, 
als  bei  fetten,  trägen  und  denen  des  Nordens. 

Zahlenangaben  wie  die,  dass  die  norddeutschen  Frauen  und  die  Engländerinnen 
90  bis  105  Gr.,  die  süddeutschen  240  Gr.,  die  Italienerinnen  und  Spanierinnen  3t>0Ur. 
uud  die  Frauen  der  Tropen  000  Gr.  Flüssigkeit  verlieren  sollen , müssen  mit  einem  ? 
aufgenommen  werden. 

4.  Die  Veränderungen,  welche  man  in  dem  Uterus  während 
der  Dauer  der  Menstruation  beobachtet  hat,  bestehen  in  einer  An- 
schwellung seiner  W and ; diese  soll  bedingt  sein  durch  eine  Füllung 
des  Schwellgcwebes , welche  gleichzeitig  mit  der  eintritt,  die  in 
dem  Ovarium  hei  Loslösung  eines  Eies  aus  demselben  beobachtet 
wird.  Die  Steifung  beider  Schwellkürper  findet  aber  ihren  näch- 


. Digiiized  by  Google 


448  Mechanismus  des  Blutflussres ; anatomischer  Ban  der  Brustdrüse. 

sten  Grund  in  der  Hemmung  des  Blutstroms  ihrer  abführenden  Venen, 
welcher  veranlasst  wird  durch  die  Zusammenziehnng  der  die  lezteren 
umgebenden , im  lig.  latum  verlaufenden  Muskeln.  In  Folge  dieser 
Steifung  mehrt  sich  auch  die  Spannung  des  Bluts  im  Uterus  und 
zwar  soweit,  dass  sie  den  Eintritt  des  Blutflusses  bedingt  (Kongetk 
Neben  diesen  im  Innern  der  Wand  stattfindenden  Vorgängen  ändert 
sich  auch  die  Schleimhaut;  namentlich  fällt  das  Flimmerepithelium 
ab,  und  ihre  Masse  selbst  schwillt  an,  so  dass  sich  häufig,  wenn 
auch  nicht  immer  (Bisch off),  die  Uterindrüsen vergrössem.  Ge- 
schieht dieses  letzte,  so  schwitzt  auf  die  gesaminte  innere  Ober- 
fläche des  Uterus  eine  weiche  weisse  Haut  aus,  die  Deeidua. 

5.  Die  Ausstossung  der  in  die  Gebärmutterhöhle  ausgetretenen 
Flüssigkeit  wird  wahrscheinlich  auf  verschiedenen  Wegen  besorgt. 
Zum  Theil  mag  die  Flüssigkeit  einfach  ausfliessen , zum  Theil  aber 
wird  sie  sicher  durch  die  Bewegungen  des  Uterus,  die  als  wehen- 
artige Schmerzen*  empfunden  werden,  in  die  Scheide  befördert; 
auf  dem  letztem  Wege  muss  offenbar  auch  die  Entfernung  der 
festen  Masse  (des  Faserstoffgerinsels  und  der  etwa  gebildeten  De- 
eidna)  geschehen.  Bemerkenswerther  Weise  bleiben  diese  letztem 
oft  sehr  lange  in  der  Gebärmutter  liegen,  so  dass  sie  mehrere 
Wochen  nach  Beendigung  der  Kegeln,  in  der  sogen,  weissen  Men-' 
struation,  mit  Schleim  vermischt  entleert  werden. 

Ueber  die  Erektion  der  Scheide  siehe  Kob  eit  in  dessen  Wol- 
lustorgan und  die  Gegenbemerkungen  dazu  bei  Rouget;  die  Fett- 
und  Schleimdrüsen  der  Vagina  sind  schon  früher  erwähnt 

Milchdrüsen. 

1.  Anatomische  Beschaffenheit  der  weiblichen  Brustdrüse*). 
Ihre  Höhlen  sind  im  Allgemeinen  angeordnet  wie  die  einer  trau- 
bigen  Drüse  mit  mehreren  Ausföhrungsgängen , z.  B.  der  Thränen- 
drttse;  der  Milchdrüse  eigentümlich  sind  die  länglichen  Erwei- 
terungen in  den  grösseren  Ausföhrungsgängen  kurz  vor  deren  Mün- 
dung. Die  Wandung  enthält  durchweg  eine  strukturlose  Grund- 
lage, auf  der  innera  Seite  derselben  liegt  in  den  Endbläschen  ein 
vieleckiges  und  in  den  grossem  Gängen  ein  cylindrisches  Epithc- 
lium.  Auf  der  äussem  Seite  ist  die  strukturlose  Wandschicht  in  den 
stärkeren  Gängen  mit  einer  Lage  glatter  Längsmuskeln  belegt,  die 

•)  Kül  liker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  2. Aull.  550. — llenle,  Jahresbericht  Uber  mikro- 
skopische Anatomie  Air  1850.  31.  - Reinhardt  lin. Archiv  Air  pathol.  Anatomie.  I.  ßd.  52.  — 
Eckhardt, 'BeltrKge  zur  Anatomie  und  Phyelogielo.  1855.  1. 


i by  Google 


Milch.  Muttermilch. 


44» 


jedoch  nicht  bis  in  die  Brustwarze  hinreichen.  — Die  Gefässe  um- 
spinnen mit  den  gewöhnlichen  Maschen  in  traubigen  Drüsen  die 
Bläschen;  in  der  Milchperiode  nimmt  der  Durchmesser  derselben 
merklich  zu.  — Die  Nerven,  welche  in  das  Innere  der  Drüsen 
gehen , sind  nicht  sehr  zahlreich ; sie  kommen  zum  Theil  aus  dem 
vierten  bis  sechsten  Intercostalnerven ; ein  anderer  Theil  unbekann- 
ten Ursprungs  geht  mit  den  Blutgefässen.  Die  erstem  enden  theil- 
weise  in  den  Muskelmassen  der  Drüse  (Ekhard).  — Die  ganze 
Drüse  ist  in  einen  muskulösen  Hautbeutel  eingeftillt ; die  Muskeln 
desselben  ziehen  sich  zwischen  den  Läppchen  der  Drüsen  durch 
in  das  Bindegewebe,  welches  die  Läppchen  scheidet. 

Die  männliche  Brustdrüse  gleicht  der  weiblichen , ausgenommen 
dass  ihre  Endbläsehen  viel  weiter  und  dafür  sparsamer  vorhanden 
sind,  und  dass  den  Ausfübrangsgängen  die  Erweiterung  kurz  vor 
der  Mündung  abgeht. 

2.  Mil  eh*).  Die  Drüse  liefert  ihren  Saft  gewöhnlich  nur  bei 
Neugebomen  beiderlei  Geschlechts  und  bei  schwängern  und  nieder- 
gekommenen Frauen , sehr  selten  auch  bei  Männern.  Wir  schildern 
zuerst  die  Eigenschaften  der  Muttermilch,  d.  i.  derjenigen,  welche 
von  .Frauen  und  Mutterthieren  knrz  vor  oder  nach  dem  Gebären 
abgesondert  wird. 

Die  Muttermilch  jst  ein  bläulich  weisser  Saft,  der  schwach 
sauer  oder  neutral  oder  auch  schwach  alkalisch  reagirt,  sein  spez. 
Gewicht  schwankt  zwischen  1018  und  1045.  — Das  Mikroskop 
lässt  erkennen,  dass  er  aus  aufgeschwemmten  Stoffen  ^Milchkügel- 
chen, Colostrnmkörperchen  und  Epithelialzellen)  und  aus  einer 
Flüssigkeit  besteht.  Eine  Scheidung  beider  Bcstandthcile  behufs 
einer  chemischen  Untersuchung  hat  noch  nicht  gelingen  wollen. 

Der  reichlichste  Theil  der  aufgeachwemmtcn  Bcstandthcile,  die  Milchkügelchen 
sind  fettreich,  die  Flüssigkeit  ist  eine  wässerige  Lösung  von  Salzen  und  Eiweissstoffen; 
man  sollte  demnach  erwarten,  dass  sich  das  Serum  und  die  Kügelchen  der  Milch  in 
Folge  ihres  spezifischen  Gewichtsunterschiedes  trennten.  Dieses  geschieht  aber  selbst 
nach  monatelangerä  Stehen  nicht  vollkommen;  die  grosseren  der  Milchkügelchen  gehen 
wohl  nach  oben  (Oberes,  Kahm),  aber  die  kleineren  nnd  kleinsten  bleiben  inmitten 
der  Flüssigkeit.  — Nicht  viel  weiter  führt  die  Filtration  der  frischen  Milch  durch 


Scherer,  Milch  In  Wagner'*  Handwörterbuch.  IT  Rd.—  Clemm,  Inquisition«*  chemicae 
ac  jnicroteop.  etc.  Güttingen  1*46.  — Renach,  Llebig’s  Annalen.  61.  Bd.  221.  — Qorop, 
Archiv  dir  phyaiolog.  Heilkunde.  VIII.  717.  — Griffith,  (.'hem.  Gazette.  1848.  192.  — - Wilson, 
Ibld.  TSSO.  866.  — A.  Becquerel  et  VCrnois,  De  lalt  chez  4a  fetnme.  Paris  1856.  — Wilden- 
stein,  Journal  Air  prakt.  Chemie.  58.  Bd.  28.  — t.  Eueren,  Onderzoeklngen  gedaan  ln  hat 
phyaiolog.  Laborator.  1848 — 49.  91.  — Dumas,  Compt.  rend.  XXI.  Bd.  *—  F.  Hoppe,  Vircbow’a 
Archiv.  XVII.  417. — Ausserdem  die  Lehrbücher  von  Dumas,  Simon,  Lehmann,  L'liärltler. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  29 


..  Qigitized  by  Google 


450 


Muttermilch;  Milch  - wnd  Coloatrumkügelchen. 


starkes  Papier  (Querenne);  auf  dem  Filter  bleiben  keine  reinen  Milchkugeln  und 
durch  dasselbe  gehen  noch  immer  sehr  viele  Molekularkörnchen.  Die  letzteren  sollen  nach 
Hoppe  im  Filtrat  vermieden  werden,  wenn  man  die  frische  Milch  durch  eine  thicrische 
Haut  presst.  Die  gewonnene  Flüssigkeit  soll  aber  armer  an  gelösten  Eiweissstoffen 
sein,  als  das  unfiltrirte  Milchserum.  Ausser  der  Analogie  liegt  hierfür  kein  Beweis 
vor.  — Versetzt  man  die  Milch  mit  conzentrirter  NaCl-Lösnng,  so  lässt  sie  sich 
leichter  filtriren,  und  die  Kügelchen,  welche  auf  dem  Filter  Zurückbleiben,  lassen  sich 
mit  NaCl-Wassar  aus  waschen  (Dumas);  es  ist  wahrscheinlich,  dass  diese  Kügelchen 
von  der  normalen  Zusammensetzung  ab  weichen;  aber  wie  weit,  ist  unbekannt. 

Die  Milchkügelchen  sind  kugelige  Körperchen ; der  Dnrchmesser 
der  kleinsten  ist  unmessbar,  der  der  grössten  = 0,025  M.M. ; sie 
sind  Fetttropfen,  welche  von  einer  Hülle  umzogen  werden,  die 
nach  seinen-  Reaktionen  ans  einem  dem  CnseYn  nahe  stehenden  Ei- 
weisskörper  gebildet  ist  (Henle,  E.  Mitscherlich,  Dumas). 
Die  Kligelehenhülle  soll  in  der  frischen  Milch  schwächer  sein  als 
in  der  seit  Längerem  entleerten  (Filhol  nnd  Joly)*).  — Der 
fettige  Inhalt  der  Kügelchen  (Hutter)  aus  der  Kuhmilch  (also  wahr- 
scheinlich auch  ans  der  Frauenmilch)  kann  zerlegt  werden  in  Olein 
nnd  andere  neutrale  Fette.  Aus  diesen  geht  durch  Verseifung  her- 
vor: Butin  - (CmHmOi)  (?),  Stearin  - (CV.RmOj),  Palmitin  - (CsiHaiOc), 
Myristin-  (C^IL-Oi),  Caprin-  (C20H10O4),  C’apryl-  (CioHtsOi);  Ca- 
pron-  (C12H12O4)  nnd  Buttersäure  (C-HsOi)  (Lercli,  Heintz).  Den 
gegebenen  Formeln  nach  gehören  diese  Säuren  sämmtlich  zur  Gruppe 
der  Fettsäuren  von  dem  Typus  2(0„H„)0i , von  welchen  aber  in 
der  Butter  nur  die  Glieder  vertreten  sind,  deren  Kohlen-  nnd 
Wasserstoffatomzahl  durch  4 theilbar  ist.  Dem  Gewicht  nach  be- 
steht die  Butter  vorzugsweise  aus  Olein  und  Palmitin. 

Da  die  Milchkügelchen  aus  zwei  Stoffen  bestehen , von  denen  der  eine  (Casein) 
ein  grösseres  nnd  der  andere  (Fette)  ein  geringeres  spezifisches  Gewicht  hat  als  dio 
Milchsäure,  so  erklärt  es  sich,  dass  ein  Theil  jener  Kügelchen  über  dos  letztere  steigt, 
während  ein  anderer  in  ihm  schweben  bleibt,  ln  den  Rahm  müssen  nämlich  die 
Kügelchen  gehen,  welche  im  Verhältnis»  zum  C'aseYn  das  meiste  Fett  enthalten,  also 
wahrscheinlich  die  grösseren.  Demnach  wird  die  Rahmbildung  nicht  allein  vom  Fett- 
gehalt der  Milch  überhaupt,  sondern  auch  von  der  Art  der  Fettvertheilung  »bhangen. 

Die  ColostrumkUgeleheu  bestehen  wesentlich  ans  einem  zu- 
Bammengebiillten  Häufchen  sehr  kleiner  freier  Fetttropfen;  zu- 
gammengehalten  werden  die  Tröpfchen  . entweder  durch  die  Haut 
einer  Zelle,  in  deren  Hohlraum  das  Häufchen  eingelagert,  oder 
durch  eine  die  Tröpfchen  verklebende  (caseiuhaltige  ?)  Zwischen- 


* Meiiiner'i  ,1ahre*>l»ericht  für  1S&7.  3?A. 


Digilized  by  C 


Milchserum  ; chemische  Zusammensetzung.  451 

Substanz,  so  das»  sie  auch  dann  noch  Zusammenhalten,  wenn  die 
Zellhaut  verschwunden  ist. 

Das  Milchscrum  enthält  in  Lösung  einen  oder  mehrere  eiweiss- 
haltige Körper,  das  Casein  und  das  Albumin.  Weil  aus  der 
frischen  Milch  nur  ein  Theil  der  gelösten  Eiweissstoffe  durch  Er- 
hitzen auf  75°  C.  und  ebenso  auch  nur  ein  Theil  duruh  Lab  ge- 
fällt wird , so  ist  man  geneigt,  anzuuehmen , dass  der  erste  Eiweiss 
und  letzterer  Casein  sei.  Das  Verhältnis»,  in  welchem  die  auf  die  eine 
oder  andere  Weise  gefällten  Mengen  zu  den  nicht  gefällten  stehen, 
ändert  sich  in  derselben  Milch,  aber  mannigfach.  So  wird  ans  der 
kalten  frischen  Milch  durch  Lab  weniger  gefallt  als  aus  der  ge- 
kochten (lleynsius);  und  aus  der  neutralisirten  oder  schwach 
angesäuerten  Milch  wird  durch  Kochen  mehr  gefallt  als  aus  der, 
welche  schwach  alkalisch  reagirt  (Scherer).  War  die  frische 
Milch  durch  Latj  iu  der  Kälte  gefällt,  so  wird  aus  der  abfiltrirten 
. Molke  ein  weiter  Theil  abgeschieden , wenn  sic  Uber  40  bis  zu  «0° 
erhitzt  wird  (Schübler,  Scherer),  der  ganz  die  Eigenschaften 
des  Caseins  besitzt.  Aus  der  frischen  Milch  wird  durch  COj  nichts 
gefällt,  wohl  aber  aus  der  gekochten  oder  aus  dor,  welche  einige 
Zeit  gestanden  (Hoppe).  Lieberktthn*)  gieht  sogar  an,  dass 
der  kalte  wässrige  Auszug  eines  MilcbrUckstandes,  der  darch  Ab- 
dampfen der  Milch  bei  der  Siedehitze  bereitet  wurde,  einen  Eiweiss- 
stoff enthält,  welcher  beim  Erhitzen  gerinnt.  Aus  alledem  geht 
hervor,  dass  die  eine  oder  die  andere  Abscheidungsweise  keine 
scharfen  Trennungszeichen  giebt.  Zudem  stehen  sich  Albumin  und 
Casein , wenn  sie  möglichst  von  ihren  Beimischungen  befreit  worden, 
so  nahe,  dass  es  unthunlieh  ist,  sie  zu  unterscheiden.  Trotzdem  wer- 
den wir  in  Folgendem  den  Sprachgebrauch^ Albumin  und  Casefn 
beibehalten,  um  durch  ein  Wort  andeuten  zu  können,  ob  die  Siede- 
hitze einen  grossem  oder  geringem  Antheil  der  gelösten  Eiweiss- 
stoffe aus  der  Milch  nusfällt.  — Das  Milchserum  enthält  ferner 
Milchzucker,  öfter  Milchsäure,  Extrakte,  Kali,  Natron,  Kalk,  Mag- 
nesia, Eisenoxyd,  Salz-,  Phosphor-,  Kohlensäure,  Spuren  von  Kie- 
sel- nnd  Flusssäure.  Der  phosphorsaure  Kalk  und  die  phosphor- 
saure  Magnesia  sind  an  die  Eiweisskörper  gebunden. 

Picard  theilt  der  Milch  auoh  Harnstoff  zu;  Hoppe  fand  denselben  nicht. 

Von  den  Veränderungen,  welche  die  Zusammensetzung  der 
Milch  darbietet,  hat  man  bis  dahin  vorzugsweise  nur  die  prozen- 


•>  Pn((|?entlorf»  Amutlcn.  8rt.  Bd.  117. 

29  * 


Digitized  by  Google 


452 


VerändeniBg<bedit>g<m;«i)  ihr  Milcti. 


tische  berücksichtigt;  man  suchte  und  fand  dieselbe  veränderlich 
mit  folgenden  Bedingungen dem  Alter,  der  Constitution,  der  Haar- 
farbe, den  Gemüthszuständen , der  Nahrung  der  Mutter,  ferner, 
ob  die  letztere  während  der  Milchabsonderung  schwanger,  oder  seit 
wann  sie  niedergekommenen ; ob  sie  menstrualfähig  oder  nicht  und 
wenn  ersteres,  ob  sie  menstruirt  oder  nicht  menstruirt  war,  ob  sie 
eine  Erst-  oder  Mehrgebärende,  wie  entwickelt  die  Brustdrüse  sei; 
endlich  untersuchte  man  die  Milch  je  nach  der  verschieden  langen 
Aufenthaltszeit  in  der  Brustdrüse,  und  ob  die  in  verschiedenen 
Orten  des  BruxtdrUsenraumes  enthaltene  anders  zusammengesetzt 
sei.  Die  bei  diesen  Untersuchungen  gewonnenen  Zahlen  hat  man 
gewöhnlich  nur  zur  Ausrechnung  der  prozentischen  Zusammen- 
setzung der  Gesammtmilch  benutzt.  Da  die  Fette  nur  aufgeschwemmt 
und  unabhängig  von  den  flüssigen  Stoffen,  veränderlich  sind,  so 
würde  es  nöthig  sein , auch  die  prozentischc  Zusammensetzung  des 
Milehscrunis  anzngeben;  denn  ohne  diese  ist  die  Vergleichung  der 
gelösten  Bestandtheile  zweier  Milcharten  von  gleichem  Butter- 
gehalt unthunlich.  Weil  aber  das  Serum  nicht  abscheidbar  ist, 
würde  es  vielleicht  angemessen  sein,  CaseYn,  Zucker,  Salze  und 
Wasser  mit  Ausschluss  der  Fette  auf  100  zu  berechnen,  und  dann 
das  Verhältnis  der  Fette  zudem  einen  oder  andern  Bestandtheile  oder 
der  Gesammtmilch  anzugeben.  — So  wichtig  die  Kenntnis  der  pro- 
zentiseben  Zusammensetzung  ist,  so  ist  es  doch  zur  Entscheidung 
vieler  Fragen  nicht  genügend,  zu  wissen,  wie  die  Milch  zusammen- 
gesetzt sei,  die  man  ein  oder  mehrmals  am  Tage  entnommen  hat. 
Denn  da  sieh  unter  Tags  die  Milchzusammcnsetzung  bald  regel- 
mässig und  bald  unregelmässig  ändert,  so  muss  man  selbstverständ- 
lich die  ganze  tägliche  Mileh  sammeln  und  eine  Portion  derselben 
zerlegen,  wenn  es  sieb  darum  handelt,  den  Einfluss  einer  stetigen 
tagelang  fortwirkenden  Bedingung  auf  die  Absonderung  hinzustelien. 
Dieses  ist  nur  wenige  Male  geschehen.  — Zur  Zerlegung  hat  fast 
jeder  Beobachter  ein  nnderes  analystisehes  Verfahren  gewählt,  die 
sämmtlich  mit  spezifischen  Fehlern  behaftet  sind;  somit  sind  die 
Zahlen  von  verschiedenen  Beobachtern  nicht  miteinander  vergleich- 
bar. — Bedenkt  man  zu  Allem , dass  die  obigen  Fragen  mehr  tlir 
die  Miichzucht  und  Ammenwahl  als  für  Aufklärung  des  Absondernngs- 
vorgangs  von  Belang  sind,  so  wird  man  von  den  folgenden  Auf- 
zählungen nicht  allzuviel  erwarten. 

Wir  berücksichtigen  zuerst  die  Milch,  welche  nach  dem  Ge- 
bären geliefert  wird. 


Aendorang  des  Kfieegehalt«  der  Milch  mit  der  Nahrung  etc. 


453 


a.  Die  aufgesehwemmten  Bestandtheiie  der  Milch  erscheinen 

in  den  ersten  Tagen  nach  der  Gebart  vorzugsweise  unter  der  Form 
von  Coiostrumkörperchen  und  erst  später  als  Milchkügelchen  (Donn6, 
Dontrepont);  die  Colostroinkörperchen  kehren  mehr  oder  we- 
niger zahlreich  wieder;  wenn  sich  fieberhafte  Zustände  des  gauzen 
Körpers  einstellen.  .. 

b.  Der  Gehalt  der  Frauenmilch  an  Ei weissstoff  im  Allge- 
meinen und  an  Käse  insbesondere  ist  unter  gewöhnlichen  Ver- 
hältnissen von  den  frtthern  Beobachtern  zwischen  1,0  und  7,1  pCt. 
geftmden  worden;  nach  Vernois  und  Becquerel  liegt  er  im 
Mittel  bei  3,92  pCt.  — Fi  1 hol  und  Jo  ly,  die  eine  andere  analy- 
tische Methode  befolgten,  legen  die  physiologische  Schwankung 
in  die  Grenzen  von  0,6  bis  2,3  pCt.  und  das  Mittel  auf  0,98  pCt. 
Sollte  in  der  That  der  Unterschied  nur  in  der  Methode  begründet  sein, 
so  würden  alle  folgenden  Angaben  von  sehr  geringem  Werth  sein. 

Veränderung  mit  der  Nahrung.  Hier  wäre  zu  scheiden  der 
Einfluss  der  Menge  und  der  Art  derselben.  Beim  Menschen  zeigte 
die  Art  derselben  eine  nur  untergeordnete  Bedeutung.  Simon  sah 
nach  dem  Uebergang  von  einer  nothdürftigen  vegetabilischen  zu 
einer  reichlichen  fleischhaltigen  Kost  den  CaseYngehalt  der  Milch 
von  3,5,  resp.  3,9  pCt.  auf  3,7,  resp.  4,0  pCt.  steigen.  Becquerel 
und  Vernois  geben  den  mittleren  Gehalt  an  Casein  und  Extrakten 
aus  21  Beobachtungen  bei  mangelhaft  gespeisten  Frauen  zu  3,7  pCt., 
bei  gut  gefütterten  aber  (aus  61  Beobachtungen)  zu  4,0  pCt.  an.  — 
Da  sich  die  tägliche  Milchmenge  mit  der  reichlichen  Kost  mehrt, 
so  würde  auch  die  tägliche  CaseYnmenge  damit  wachsen. 

Nach  Poligot  stieg  der  CaseYngehalt  der  zu  derselben  Tageszeit  entleerten 
Milch  oiner  Ksclin  von  1,2,  resp.  1,6  auf  2,3,  als  sie,  statt  mit  Hafer,  Kartoffeln  oder 
gelben  Rüben,  mit  rothen  Rüben  gefüttert  wurde.  — - Bei  Kühen  bemerkte  Bonssin- 
gault  keinen  Unterschied  weder  an  Menge,  noch  an  prozentischer  Zusammensetzung, 
mochten  sie  mit  grünem  oder  trockenem  Futter , mit  Rüben , Kartoffeln  (?)  oder  'Hafer ' 
gespeist  werden.  — Beim  Hunde  fand  Young,  dass  die  Milch  der  mit  Fleisch  ge- 
fütterten Thierc  durch  Stehen  nicht  gerann , und  Dumas,  dass  sie  beim  Kochen  ge- 
rann; diese  letztere  Eigenschaft  verschwindet,  wenn  statt  des  Fleisches  Brod  gegeben 
wird  (Filhol,  Joly).  Beim  Kost  Wechsel  ändert  sich  auch  der  Prozentgehalt  der 
Hundemilch  an  Eiweisskörpern;  cs  sanken  Eiweissstoffe  und  Salze  von  16, S pCt.  auf 
11,4  herab,  als  von  Fleisch  zu  Brod  und  Fettsuppen  übergegangeu  wurde  (Duraas). 

In  dem  ersten  Monat  nach  dem  Gebärakt  soll  die  Milch  etwa 
1,5  pCt.  weniger  CaseYn  enthalten,  als  später  (Simon).  Hiergegen 
erheben  sich  die  Beobachtungen  von  Griffith,  Vernois  und 
Becqu  e rel. 


Djgitized  by  Google 


454  Veränderung  des  Käsegchalta  mit  der  Häufigkeit  der  Entleerung  etc. 


Wird  die  Frau  während  der  Milchabsonderung  geschwängert, 
so  nimmt  der  Käsegehalt  um  etwa  0,5  pCt.  gegen  den  • frühem  ab 
(Becquerel  und  Vernois). 

Die  Wiederkehr  der  Menstritalperiode  hat  keinen  oder  einen 
gering  steigernden  Einfluss  in  den  Zeiten,  in  welchen  sie  nicht 
gerade  eingetreten  ist;  während  der  bestehenden  Menstrualblutung 
ist  dagegen  der  CaseYngehalt  immer  verändert  , aber  bald  in  auf- 
und  bald  in  absteigender  Linie. 

Wird  die  Brustdrüse  rascher  hintereinander  entleert,  so  ist  die 
Milch,  die  sie  liefert,  reieher  an  Casein , als  wenn  sie  lange  Zeit 
in  der  Brustdrüse  verweilte  (Peligot,  L ’ h fritier).  Eine  Fran, 
welche  während  mehrmaliger  Entleerung  des  Tags  Uber  eine  Milch 
mit  1,4  pCt  gegeben  hatte,  lieferte,  als  40  Stunden  lang  der 
BrustdrUseninhalt  zurttckgehalten  war , eine  Flüssigkeit  mit  0,2  pCt. 

Bei  der  Eselin  fand  Peligot  folgende  Zahlen:  1,6  Stundo  nach  dem  rorher- 
gegangenen  Melken  = 3,5  pCt.  CaseYn ; 0 Stunden  nach  demselben  = 1,5  pCt.  und 
24  Stunden  nachher  = 1,0  pCt.  — Die  Milch  derselben  Kiiho  enthielt  bei  drei- 
maligem Melken  des  Tags  4,5,  bei  zweimaligem  4,1  pCt.  Casein  (Tromnier). 

Wird  die  gefüllte  Mutterbrust  in  einer  Sitzung  entleert , so  ist  die 
Milch,  die  in  den  verschiedenen  Abschnitten  der  Mahlzeit  entleert 
wird,  ungleich  reich  an  CaseYn,  und  zwar  ist  bald  die  anfänglich 
und  bald  die  später  ansgestrichene  die  caseYnreichere  (lieiset, 
Vernois  und  Becquerel),  Die  Unterschiede  sind  gering,  etwa 
0,2  pCt.;  vielleicht  in  Fehlern  der  Methode  begründet  (Heynsius). 
Stark  entwickelte  Brustdrüsen  liefern  im  Durchschnitt  eine  Milch 
mit  0,3  p'Ct.  mehr  CaseYn,  als  schwach  ausgehildete.  Damit  im 
Zusammenhang  steht  vielleicht  die  Erfahrung,  dass,  wenn  die  mitt- 
lere tägliche  Absonderung  reichlich  uud  leicht  von  statten  geht,  die 
Milch  um  etwa  0,4  pCt.  reicher  an  CaseYn  sei,  als  wenn  das  Ge- 
gentbeil  stattfindet.  Für  ein  und  dasselbe  Individuum  hat  dieses,  wie 
es  scheint,  keine  Geltung,  vorausgesetzt  , dass  die  Drtisc  gleich  oft 
entleert  wurde.  Bonssingault  fand  nämlich  die  Milch  der  Kühe 
gleich  reich  an  CaseYn,  gleichgiltig  ob  sie  täglich  3 oder  12  Kannen 
Milch  gaben. 

Die  Milch  der  Kuh , ’ welche  währond  der  Nacht  abgesondert  wird , soll  mehr 
Casein  halten,  als  die  Tagesmilch  (Plaifayr).  Diess  bestreitet  Go ru p,  und  Struck- 
mann findet  sogar  umgekehrt  in  der  den  Morgen  entleerten  Milch  um  0,1  pCt. 
weniger  als  in  der  am  Abend  entleerten  Milch.  — Diese  Unterschiede  konnte  Wicke 
an  der  Ziege  nicht  bestätigen. 

Variabel  wurde  der  CaseYngehalt  ferner  gefunden  mit  dem  Alter  der  Saugenden, 
insofern  bei  15-  bis  20  jährigen  die  Milch  durchschnittlich  5,5  pCt.,  also  mehr  als  das 


Veränderung  iin  Buttergelialt  mit  der  Nahrung  etc. 


455 


Mittel,  enthielt,  jenseits  dieses  Termins  zeigt  sich  keine  Beziehung  zwischen  de» 
Alter  uud  dem  CaseYngehalt  (Becquerel  und  Vernoit). 

Constitution.  NachBecqu  erel  und  Vernois  sollen  blonde  oder  rothhaarige 
Frauen  mit  weisser  Haut  und  schlaffer  Musculatur  (schwache  Constitution)  eine  Milch 
mit  3,9  pCt.  Casein  und  Frauen  mit  dunklem  Haar,  brauner  Haut  und  lebhaftem 
Temperament  (starke  Constitution)  eine  solche  von  2,9  pCt.  Casein  liefern.  — Bei 
' Kühen  und  Schafen  prägt  sich  trotz  gleichen  Futters  u.  s.  w.  der  Unterschied  der 
Race  in  dem  Casetngehalt  der  Milch  sehr  bedeutend  aus  (Becquerel,  Vernois, 
Fi  1 hol,  Joly).  — Frauen,  die  hei  sonst  gleich  kräftigen»  Aussehen  blondhaarig 
sind,  sollen  Milch  mif  1,6t  pCt.  liefern,  dunkelhaarige  dagegen  2,56  pCt  (L'h6- 
ritier).  — Dieses  fanden  Becquerel  und  Vernois  nicht  bestätigt. 

c.  Der  Buttergehalt  beläuft  sich  im  Mittel  auf  2,66  pCt.; 
sein  Minimum  wurde  zu  0,6;  sein  Maximum  zu  8,9  gefunden. 

Reichliche  Nahrung,  gleichgiltig  ob  sie  aus  Fleisch  oder  Brod 
besteht,  mehrt  die  Butter  und  kärgliche  setzt  sie  herab;  die  Unter- 
schiede betragen  2 bis  3 pCt.  (Dumas,  Simon,  Becquerel 
und  Vernois).  Die  Folge  der  bessern  Nahrung  macht  sich  schon 
am  ersten  Tage  nach  dem  Genuss  derselben  geltend  (Simon). 

Mütter  zwischen  15  und  20  Jahren  geben  im  Allgemeinen  etwas  buttem ichero 
Milch  als  ältere  (Becquerel  und  Vornois). 

In  den  ersten  5 Tagen  nach  dem  Gebärakt  ist  die  Milch  ärmer  an 
Fett,  als  in  den  folgenden  10  Tagen;  der  Unterschied  liegt  in  der 
Nahe  von  0,5  pCt.  In  den  spätem  Monaten  zeigt  sich  kein  Ab- 
hängigkeitsverhältniss  zwischen  dem  Bnttcrgehalt  und  der  Zeit  seit 
dem  Beginn  der  Absonderung,  im  Allgemeinen  ist  aber  der  Butter- 
gehalt geringer,  als  in  den  ersten  5 Tagen. 

Wird  die  Frau  während  der  bestellenden  Milchabsonderung  ge- 
schwängert, so  wird  der  Buttcrgehalt  gesteigert,  in  den  untersuchten 
Fällen  betrug  im  3.  Schwangerschaftsmonat  das  Mehr  gegen  früher 
3,0  pCt. 

Nicht  menstruirte  Frauen  liefern  Milch  mit  demselben  Butter 
gebalt,  wie  menstrualfähige  in  den  Zeiten,  die  zwischen  der  Blu- 
tung liegen ; während  des  Bestehens  der  letztem  wird  der  Butter- 
gehalt  bald  auf-  und  bald  absteigend  alterirt,  die  positiven  Ver- 
änderungen stiegen  bis  zu  4,5  pCt.  (Becquerel  und  Vernois). 

War  bei  Thieren  das  Euter  seit  mindestens  4 Stunden  nicht 
entleert  worden,  und  wurde  dann  der  ausgestrichene  Inhalt  der- 
selben absatzweise  aufgefangen , so  ist  der  zuletzt  abgezogene  Theil 
bis  zum  lOfachen  reicher  an  Fett,  wie  der  zuerst  gewonnene  (Pe- 
ligot,  Reiset).  Man  erklärt  sich  dieses  aus  dem  Aufsteigen  des 
Fettes  in  den  Hohlen  des  herabhängenden  Euters.  Beim  Menschen 
finden  sich  nicht  immer  (Vernois  und  Becquerel),  aber  häufig 


Digitized  by  Google 


456 


Veränderungen  im  Zucker-  und  Salzgehalt. 


ähnliche,  wenn  anch  geringere  Unterschiede  (Reiset,  Heyngins). 
Der  zuletzt  genannte  Beobachter  erklärt  sich  dieses  durch  die  An- 
nahme, dass  in  deu  engem  Gängen  der  DrUse  die  butterreichere 
Flüssigkeit  aufbewahrt  sei. 

Die  am  Abend  entzogene  Milch  ist  bis  zum  Doppelten  reicher 
an  Butter,  als  die  Morgenmilch  (G o r u p , Struckmann,  Wicke). 

Eine  Frau,  welche  durch  den  plötzlichen  Tod  ihres  Kindes  eine  lebhafte  Ge- 
müthserregung  erlitt,  sonderte  alsbald  eine  viel  butterreichere. Milch  ab.  — Schwache 
und  starke  Constitutionen  in  dem  unter  b.  genannten  Sinne  zeigten  sich  einflusslos, 
blonde  Frauen  gaben  nach  L'hcritier  eine  Milch,  die  etwa  2 pCt.  Butter  mehr 
führen  soll,  als  die  Milch  dunkelhaariger  Mütter.  Vernois  und  Becquerel  laugnen 
dieses.  — Die  Race  der  Schafe  und  Kühe  hat  einen  sehr  grossen  Einfluss  auf  den 
Buttergehalt  (Becquerel,  Vernois,  Filhol,  Joly). 

d.  Die  Grenzwerthe  des  Zuckergehaltes  fallen  auf  1,2  und 
6,0  pCt. ; das  Mittel  liegt  bei  4,3.  Bei  Hunden  ist  nach  Fütterung  mH 
einer  reinen  Fleischkost  der  Zuckergehalt  zwar  sehr  verändert  (Dumas, 
Heynsius),  aber  nicht  gänzlich  verschwunden  (Bensch).  — In 
den  ersten  14  Tagen  nach  dem  Gebären  ist  die  Milch  nach  Simon 
zuckerreicher,  eine  Thatsache,  welche  Vernois  und  Becquerel 
nicht  bestätigt  fanden. 

Ob  die  Frau  menstrualfähig  sei  oder  nicht,  ist  gleichgültig; 
während  der  fliessenden  Regeln  ändert  sich  der  Zuckerwerth  auf 
und  ab  um  je  ein  Prozent. 

Bei  absatzweiser  Entleerung  der  Brustdrüsen  findet  sieh  in  der 
ersten  Portion  der  ausgesogenen  Flüssigkeit  0,2  pCt.  Zucker  weniger 
als  in  der  zweiten. — Wenn  die  tägliche  Menge  der  ausgeschiedenen 
Milch  grösser  wird,  so  nimmt  der  Zuckergehalt  zu. 

Ohne  Einfluss  auf  den  Zuckergehalt  ist  das  Alter  der  milchgebenden  Frau,  die 
wiederkehrende  Schwangerschaft,  der  Umfang  der  Brustdrüse.  — Die  Milch  von  Frauen 
mit  schwacher  Constitution  enthielt  im  Durchschnitt  4,3  pCt. , diejenige  von  Frauen 
mit  starker  3,2  pCt.  Zucker,  — Dunkelhaarige  Frauen  gebe»  auokerroichere  -Milch- als 
blonde  (L’heritier).  Dieses  läugnen  Vernois  und  Becquerel. 

e.  Salze.  Nach  einer  von  Wildenstein  ausgefUhrten  Analyse 
der  menschlichen  Milchasche  besteht  dieselbe  in  100  Theilen  aus: 
Na  = 4,2;  Ka  = 31,6;  CaO  = 18,8;  MgO  0,9;  FejOn  = 0,1; 
CI  = 19,1;  POs  = 19,1;  Söi  = 2,6  und  einer  Spur  von  Kiesel- 
säure. Eine  ähnliche  Zusammensetzung  trägt  nach  R.  Weber*) 
und  Hai  dien  auch  die  Milchasche  der  Kuh,  so  dass  namentlich 
der  grosse  GehaH  an  Kalium  im  Gegensatz  zum  Natrium  ein  con- 


')  Poggendorf's  Annalen.  81.  Bd.  402. 


Wassergehalt  der  Mlleh ; Oawrnitntmilch. 


457 


stanter  zn  sein  scheint.  — Kohlensäure,  welche  in  der  obigen 
Analyse  fehlt  und  wahrscheinlich  durch  die  während  der  Verbren- 
nung entstandene  SO*  ausgetriehen  wurde,  ist  in  der  frischen  Milch 
vorhanden  (Lehmann),  und  zwar  kann  sie,  ähnlich  wie  im  Blut, 
theilweise  dnrch  Acndening  des  Drucks  und  theils  dnrch  stärkere 
Säuren  abgeschieden  werden.  — Der  mittlere  Gehalt  der  Milch  an 
Asche  variirt  zwischen  0,05  und  0,3  pCt.,  so  dass  sie  nngetähr 
2 pCt.  des  trockenen  Milehrtickstandes  ansmacht.  Die  Abhängig- 
keit der  Veränderungen  von  den  früher  aufgezählten  Bedingungen 
ist  noch  nicht  genügend  festgestellt,  oder  es  verdienen  wenigstens 
die  mitgetheilten  Zahlen  noch  geringes  Zutranen. 

f.  Wassergehalt.  Er  schwankt  zwischen  80,9  und  94,8pCt. 
Das  Mittel  fällt  auf  88,9  pCt.  — Die  vorliegenden  Mittheilungen 
lassen  schon  erkennen,  dass  der  Wassergehalt  der  Milch  unter 
das  Mittel  fällt  bei  Frauen  zwischen  15  und  20  Jahren,  bei 
schwacher  Constitution,  in  den  ersten  Tagen  nach  dem  Gebärakt, 
hei  eingetretencr  Schwangerschaft,  bei  braunhaarigen  Frauen  (?), 
bei  sehr  guter  Nahrung,  bei  reichlicher  Milchabsonderung,  und  dass 
er  umgekehrt  Uber  das  Mittel  fällt  bei  starker  Constitution,  bei 
Blondhaarigen  (?),  schlechter  Nahrung,  beschränkter  Milchabson- 
derung, und  dass  er  während  der  ansfliessenden  Regeln  bald  Uber 
und  bald  unter  den  Mittelwerth  geht. 

Feste  Beziehungen  im  prozentischcn  Gehalt  zwischen  den  ein- 
zelnen Bestandth  eilen  der  Milch  sind  noch  nicht  aufgefunden,  was 
Vernois  und  Becquerel  dadurch  ausdrücken,  dass  sie  die  von 
ihnen  untersuchten  Ammen  in  CaseYn-  und  Buttei'ammen  ein- 
theilen. 

Die  Zusammensetzung  der  mittlem  Frauenmilch  in  lOOTheilen 
würde  sich  nach  Vernois  und  Becquerel  folgendemmassen  aus- 
-nebmen:  Wasser  = 88,91 ; Zucker  = <4,36  > Käse  und.  Extrakte 
= 3,92;  Butter  = 2,67;  Asche  = 0,14.  Nach  Scheret  und 
Clemm  aber:  Wasser  ==  89,10;  Zucker  und  Extrakte  = 3,85; 
Käse  = 3,37  ; Butter  = 3,71;  Asche  = 0,17. 

Um  zu  bestimmen,  ob  die  Milch,  welche  kranke  Säuglinge  genossen,  an  dem 
Uebel  dieser  letzteren  schuldig  oder  unschuldig  sei,  analysirten  Becquerel  und Ver- 
nois die  betreffende  Milch  und  fanden  eben  so  häufig  Abwciohungen  von  dem  Mittel, 
als  ein  Bestehen  desselben.  Daraus  wird  es  allerdings  wahrscheinlich , dass  etwas 
mehr  oder  weniger  des  einen  oder  andern  Bestandteils  nieht  die  Ursache  des  Leidens 
der  Säuglinge  war.  Viel  eher  dürften  die  nicht  untersuchten  und  bis  dahin  auch 
nicht  untersuchbaren  qualitativen  Unterschiede  der  einzelnen  Bestandteile  anzu- 
klagen sein. 


458 


Drüaenaaft  der  Schwängern. 


Ans  der  Nahrung  gehen  in  die  Milch  Uber  die  ätherischen  Oele 
des  Knoblanchs,  des  Anis  und  der  Cruoiferen,  der  Bitterstoff  des 
Absynth  etc.;  von  mineralischen  Bestandtheilen  Jod  (sehr  langsam, 
aber  es  haftet  lange)  (Lewald),  Wismuth,  Arsenik,  Antimon,  Blei, 
Zink,  Eisen, Quecksilber.  Siehe  hierüber  Lewald  und  Harnier  *). 

Nach  Wnsserinjectioneu  in  das  Blut  enthält  die  Milch  viel 
Eiweiss  (Eckhard). 

Die  Milch**),  oder  besser  gesagt  der  Drüsensaft,  welcher  wäh- 
rend der  Schwangerschaft,  also  vor  der  Geburt,  abgesondert  wird, 
muss  den  Angaben  von  Lassaigne,  Simon,  Clemni  und 
v.  ßueren  zufolge  im  Ansehen  und  der  Zusammensetzung  in  ver- 
schiedenen Fällen  sich  sehr  abweichend  verhalten.  Wir  weder- 
holen hier  zuerst  den  Inhalt  der  Beobachtungen  von  Scherer  und 
Cie  mm  und  lassen  die  abweichenden  Angaben  folgen.  Nach 
diesen  ist  die  aus  der  menschlichen  Brustdrüse  gewonnene  Flüssig- 
keit von  seifenwasserartigem  oder  gelblichem  Ansehen,  zuweilen 
mit  Blutstreifen  durchzogen,  klebrig,  reagirt  fast  neutral  und  wird 
beim  Sieben  an  freier  Luft  bald  sauer.  Das  Mikroskop  wies 
Colostrnmkügelchen  und  Fetttropfen , zuweilen  veränderte  Epithelial- 
zellen nach.  Casein  fehlt,  seine  Stelle  wurde  durch  Eiweiss  ver- 
treten. Die  Zerlegung  ergab  bei  derselben  Schwängern: 


• 

28  Tage  vor 
der  Gehurt. 

18Tuge  vor  UTogp  vor  4 Tage  vor 
der  Geburt.  dorGehnrt.  der  Gebart. 

Was »er . 

85,20 

85,17 

85,18 

85, §5 

Butter  i' .........  . 

Milchzucker  u.  Weingeist- 

4,13 

■ < 

3,02 

y>  r 

2,35 

extraktc  

3,94 

4,37 

3,64 

14,8t 

Albumin 

6,79 

7,37 

7,91 

In  Wasser  lösliche  8alze 

0,33 

0,34 

0,38 

In  Wasser  unlösliche  Salze 

0,1t 

0,11 

0,16 

4,83 

5,16 


15,89 


Am  zweiten  Tage  nach  der  Geburt  war  erst  das  Eiweiss  ver- 
schwunden und  der  Saft  hatte  die-  Eigenschaften  der  Milch  ange- 
nommen. Eine  Vergleichung  der  einzelnen  Tage  lehrt,  dass  bis 
zur  Geburt,  den  letzten  wegen  der  Nahrung  nicht  mehr  vergleich- 


*)lfnrnier,  quaedam  de  transitu  niedkamentorum  in  lac.  Marburg  1847.  — Lewald, 
Unterjochungen  Aber  den  lebergang  von  Arzneimitteln  ln  die  Milch.  Brealan  1857.—  Späth  und 
Schauenstein.  Zeitschrift  der  Wiener  Aerzte  1859. 

■•)  Simon,  Mediz.  Chemie.  II.  Bd.  280.  — Cietntn,  I.  c.  — v.  Bueron,  Ondcrzoekingen 
gedaan  In  hot  physiologisch  Laboratorium  otc.  1818—49.  166.  — Moleschott,  Archiv  filr  phy- 
elolog.  Heilkunde.  XI.  Bd.  696. 

Die  gewöhnliche  Kost  war  am  Tuge  vorher  mit  einer  vcgetabiliachcn  'vertauscht  worden. 


Driistjnsaft  d«r  Schwängern. 


459 


baren  Tag  ausgenommen,  die  Butter  kn  Abnehmern  und  das  Eiweisg 
im  Steigen  begriffen  war;  Zucker,  Salze  und  Wasser  varürten  da- 
gegen wenig,  oder  mindestens  ohne  Kegel.  — Van  Bueren  fand 
den  Drllsensaft  stark  alkalisch,  gelblich,  eiweissfrei  und  dafür 
caseiu - und  stark  fetthaltig,  und  neben  den  ColostinmkUgelehen 
mit  feinkörnigem  Fett  erfüllte  Epithelialzellen.  — Simon,  welcher 
den  Drllsensaft  der  Eselinnen  untersuchte,  erhielt  14  und  8 Tage 
vor  der  Geburt  eine  Flüssigkeit,  welche  Albumin,  Casein , Butter 
und  nur  Spuren  von  Zucker  enthielt  — ’ Die  Safte  des  Kuheuters 
»e.hliessen  sich  nach  den  Beobachtungen  von  Lassaigne,  Mole- 
schott und  Clemm  an  die  der  menschlichen  Brustdrüsen,  inso- 
fern sie  nur  Eiweiss  und  kein  CaseYn  führen,  dagegen  waren  sie 
sehr’ rahmhaltig. 

f Fast  alle  Neugeborenen*),  männliche  und  weibliche,  sondern  aus  der  Brustdrüse 
einige  Tage  nach  der  Geburt  einen  Saft , die  Hexenmilch , ab.  Sie  erscheint  meist  am 
4.  Tag  nach  der  Geburt,  erreicht  am  8.  ihr  Maximum  und  ist  nur  noch  selten  nach 
Yerfluss  eines  Monats  zu  linden.  Die  Heienmilch  enthält  nach  Schlossbergor  und 
Gu  Pilot  Milchkügelchen  und  nach  Don  ne  auch  Colostnnnkfirperchen.  Schloss- 
berger, der  oin  solches  Produkt  analysirte*  fßnd  in  100  Thailen  Wasser  =®  96, 7ü; 
Fett  s=>  0,82;  Casein,  Extrakte  und  Zucker  — 2,38;  Asche  = 0,3.  Sie  verhält  aioh 
nach  diesem  Analytiker  wie  gewässerte  Milch.  Querenne  zerlegte  ein  Produkt,  das 
reichar  an  festen  Stoffen  war. 

Bei  erwachsenen  Männern**)  und  männlichen  Säugethieren  stellt  sich  in  sehr 
seltenen  Fallen  ohne  nachweisbare  Ursachen  Milchabsonderung  ein.  Schlossborger 
«erlegte  die  Milch  eines  Bockes;  diese  war  um  einige  Prozent  reicher  an  Casein  und 
um  so  ärmer  au  Milchzucker  und  Butter,  als  es  die  Ziegenmilch  nach  den  vorliegenden 
Untersuchungen  von  Chevalier,  Clemm  und  Henry  ist 

3.  Die  Absonderungsgeschwindigkeit  der  einzelnen  Milchstoffe 
ist  unabhängig  von  einander,  wie  eie  sich  aus  der  relativen  Zu- 
sammensetzung der  Milch  ergiebt.  Das  Maass  der  täglich  abge- 
sonderten Gesammtmilcb  nimmt  bei  Kühen  bekanntlich  von  der 
Niederkunft  an  bis  zum  ersten  Monate  nach  derselben  zu  jind  von 
da  au  in  den  folgenden  Monaten  ab  bis  unter  das  Quantum,  welches 
das  Thier  unmittelbar  nach  dem  Gebären  gab.  Zahlenbclegc  für 
diese  alte  Erfahrung  giebt  Boussingault.  • — Es  scheint  ferner, 
als  ob  die  Menge  der  Absonderung  in  Beziehung  stehe  zur  Häufig- 
keit der  Brustentleerung.  Jedenfalls  wird  der  Milchfluss  bei  Frauen 
unterdrückt,  wenn  das  Kind  aufhört  zu  saugen.  Dazu  behauptet 

•)  Scanzoni,  Würzburger  Verhandlungen.  II.  Bd.  p.  3QU.  — S oh  lo  sa  b c rger , Lieblg's 
Annalen.  87.  Bd.  324.  — Na  t a 1 1 g G u i 1 1 ot , Gazette  nufdicale  1853.  p.  686.  — Van  Bueren, 
1.  c.*p.  IW. 

••)  6 ehloazbc  rg  c r , L leb  lg’ » Aona!en.  51.  Bd.  — Donderi,  Onderzoeklngcn  gcdnnn  in 
het  Laboratorium  etc.  1848—4».  p.  153.  Todd,  Cyciopnedca.  Artikel  Secretio.  IV,  465. 


Digitized  by  Google 


460 


Abeoudenin^geMehwiiidifckoft  der  ÜlHch«tofFc ; Milchbereitung. 


man  auch,  dass  die  Milch  reichlicher  werde,  wenn  das  Kind  häu- 
figer sauge.  Das  Saugen  könnte  Übrigens  auch  durch  etwas  Anderes 
als  die  blosse  Entleerung  der  Drttge  wirken,  was  wahrscheinlich 
wird  im  Hinblick  auf  die  Fälle,  in  welchen  die  monatelang  unter- 
drückte Absonderung  durch  Saugen  wieder  erweckt  werden  konnte 
Grübler)  *).  — Die  stockende  Absonderung  kann  ferner  wieder  in 
Gang  gebracht  werden , wenn  man  öfter  durch  feuchte  oder  trockene 
Elektroden  mehrere  Minuten  hindurch  die  Schläge  eines  Inductions- 
apparates  auf  die  Drüse  wirken  lässt  (Auber,  Becquerel)**).  —«• 
Ehe  Milch  bleibt  weiter  ans,  wenn  die  Drüse  durch  einen  Druck- 
verband  zusammengepresst  wird.  — Eine  genaue  Zergliederung 
verdient  auch  der  Fall  von  plötzlicher  Milchstockung  in  fieberhaften 
Krankheiten  u.  s.  w. 

Nach  Bestimmungen  mit  einer  Säugpumpe  schätzt  L am- 
periirre***) die  tägliche  mittlere  Milchmenge  aus  beiden  Brüsten 
auf  1350  Gr. 

4.  Milchbereitung.  Ueber  die  Formfolge  f)  bei  der  Entwicke- 
lung der  Milchkügelchen  ist  uns  Einiges  durch  Henle,  Nasse,- 
Will,  H.  Meyer,  van  Bueren  und  Reinhardt  bekannt  ge- 
worden. Macht  man  die  Voraussetzung,  dass  die  Bildung  aller 
geformten  Massen  nur  von  der  Drüsenwand  ausgeht,  so  ist  als 
feststehend  anzusehen,  dass  die  Col ostrumkörper-chen  aus 
dem  umgewandelten  Inhalt  der  Deckzellen  des  DrUsenbläschen  her- 
vorgehen. Denn  an  der  strukturlosen  Wand  derselben  liegen  zur 
Zeit  der  Colostrumabscheidung  zunächst  kleine  Zellen  an,  welche 
nach  der  Terminologie  der  Cytoblastenhypothese  als  Kerne  be- 
zeichnet werden;  auf  diesen  ruhen  grössere  kernhaltige  Zellen  auf, 
deren  Binnenranm  zum  Theil  mit  durchsichtigen,  zum  Theil  mit 
Fetttröpfchen  gefüllt  ist;  diese  letzteren  sind  in  eine  körnige 
Zwiseheusubstanz-  eingebettet  und-  um  den  -Kern  herum  grappirt. 
Noch  weiter  gegen  das  Centrum  des  Drüsenbläschens  liegen  Häufchen 
von  Fetttröpfehen,  welche,  znsammengehalten  durch  eine  körnige 
Zwischensubstanz  und  von  keiner  gemeinsamen  Zellenhaut  mehr 
umgeben ; ganz  das  Ansehen  der  Colostrumkörperchen  tragen.  Zu- 
weilen soll  sich  in  der  Mitte  eines  solchen  Häufchens  noch  ein 


•)  Valentin,  J»hre«hork-ht  rtlr  11»!.  1J1. 

•*)  MeiBaner'8  Jahresbericht  für  1856  p.  359  und  fUr  1867  p.  383. 

•••)  Lehmann,  Physlologiache  Chemie.  II.  Bd.  p.  338  and  396.  • 

t)  H.  Meyer,  Züricher  MlUheilangcn.  1849.  I.  Bd.  2.  Heft.  p.  70.  — Will,  lieber  Milch- 
absonderung. Erlangen  1850.  — Van  Bneren,  1.  e.  — Reinhardt,  Vlrchow's  Archiv.  I.  Bd. 
p.  U u.  f. 


Diqilized  by  Googl 


% ■ MiUhbcmttmg.  ■ . * - 461 

Gebilde  mit  den  optischen  Eigenschaften  des  Zellenkerns  vorfinden; 
in  den  grosseren  Gängen  endlich,  wohin  die  Drüsen  bläsehen  ihren 
Inhalt  entleert  haben,  sind  die  Häufchen  zerfallen,  und  es  liegen 
die  einzelnen  Fetetröpfeben  oder  Milchkügelchen  frei  in  der  Flüssig- 
keit Diese  Reihenfolge  von  Formen  findet  sich  aber  nur  zur  Zeit 
der  Coiostrumabsomierung  und  in  den  Brüsten  der  Neugeborenen, 
keineswegs  aber  in  der  nulchgebenden  Frauen brost  (Reinhardt)**), 
*o  das«  es  daraus  wahrscheinlich  wird,  es  möchten  die  Milchkügel- 
chen auch  noch  unter  einer  andern  Formfolge  entstehen. 

Eine  Vergleichung  der  Blnt-  und  MHebstoffe  zeigt  sogleich, 
«lass  der  Milchzucker  in  der  Drüse  entstanden  sein  muss,  weil  er 
selbst  dann  noch,  obwohl  vermindert,  in  der  Milch  beobachtet 
wird,  wenn  sich  (he  Säugenden  jeder  Art  von  Zucker-  und  MeU- 
nahrnng  enthalten,  and  weil  auch  in  den  an  andern  Orten  des 
Thierleibes  (Leber,  Muskeln)  bereiteten  Zuckerarten  kein  Miieh- 
zncker  vorhanden  ist.  Jedenfalls  wird  jedoch  seine  Entstehung  be- 
günstigt durch  den  Genass  von  Amylaceen.  — Ob  das  Casein  and 
die  Fette  aus  dem  Biet  abgesetzt  oder  in  den  Drüsen  enstanden 
sind,  mnss  einstweilen  dahin  gestellt  bleiben.  Oesehäbe  das  erstere, 
so  würden  in  der  Drüse  jedenfalls  aacii  noch  andere  chemische 
Produkte  bei  der  Umsetzung  der  Blntbestandtheile  in  Fette  u.  s.  w. 
abfallen , die  dann  in  das  Blut  znrückkebrten.  — Für  einen  innigeren 
Zusammenhang  zwischen  der  Fettbildung  im  Gesammtkörper  und 
der  Bntterausscheidung  spricht  die  den  Landwirthen  bekannte  That- 
sacbe,  dass  KUhe,  welehc  eine  butterreiche  Milch  liefern;  trotz 
guten  Futters  mager  bleiben,  und  umgekehrt,  dass  die  Milch  bei 
eistretender  Mästung  mager  bleibt. 

Die  Mjlch'bildung  kann  ungestört  vor  sieh  gehen,  auch  ohne 
Znthun  der  Intercostalnerven , wie  die  Durchsehneidungsversuehe 
von  Eckhard  beweisen.  Da  aber  die  Absonderung  beschleunigt 
wird  durch  elektrische  Scidäge  auf  die  Brust  selbst  (und  durch  das 
reflektorisch  wirkende  Saugen  V),  so  ist  die  Betheilignng  von  con- 
traktilen  Elementen  nicht  zu  bestreiten.  Ihr  Antheil  an  der  Milch- 
bildung  könnte  sieh  aber  beschränken  auf  die  Erzeugung  von 
Spannungsunterschieden  zwischen  dem  Blutstrom  und  dem  Drüsen- 
inhalt,  eine  Vermnthung,  die  man  auszusprechen  wagt,  weil  die 
Anhäufung  der  Milch  in  der  Drüse,  resp.  die  steigende  Spannung 
des  Inhalts  ihrer  Gänge  einen  störenden  Einfluss  auf  die  Abson- 
derung übt. 

•)  1.  C.  p.  01. 


^Qigitized  by  Google 


462  Ausstattung  der  Milch;  Ernährung  der  Brustdrüse;  Atbmung;  Einleitung. 

5.  Die  Ausstossung  der  Mileh  kann  geschehen  darcäi  die 
Kräfte , welche  eie  in  die  Gänge  treiben,  and  aie  kann  beschleunigt 
werden  durch  die  Muskeln , welche  in  der  Haut  und  dem  Binde- 
gewebe der  Brustdrüse  liegen.  Meist  geschieht  dieses  aber  nicht, 
so  dass  nur  durch  Aussaugen  die  Entleerung  zu  Stande  kommt.. 

6.  Die  Milchdrüse  des  Neugeborenen  ist  aus  mehreren 
flasehenförraigen  Höhlen  zusammengesetzt,  die  sieh  nach  aussen  auf 
dieBrustwarze  öffnen ; die  einzelnen  flaschen  entsprechen. den  späteren 
grösseren  Ausfllhrungsgängen.  Bis  zur  eintreteuden  Pubertät  gehen 
beim  weiblichen  Geschlecht  uns  den  blinden  Enden  alluiählig  die 
ersten  Anlagen  der  DrUsenbläschen  hervor,  die  während  der  ein- 
getretenen Pubertät,  namentlich  aber  zur  Zeit  der  ersten  Schwanger- 
schaft, ihre  volle  Ausbildung  erlangen.  Nach  dem  Schluss  der 
Menstruationsfdhigkeit  schwinden  die  Drüsenbläschon  wieder,  so 
dass  in  dem  höheren  Alter  an  ihre  Stelle  ein  fetthaltiges  Binde- 
gewebe getreten  ist  (Langer)*).  Die  Ausbildung  der  Drilse- und 
der  andern  weiblichen  Gesclilechtswerkzeuge  muss  aber  bekanntlich 
nicht  nothwendig  gleichläutig  sein,  da  Mütter  mit  mangelhaft  ent- 
wickelten Brustdrüsen  gerade  nicht  zu  den  Seltenheiten  zählen. 

Athmnng. 

Einleitung. 

Alle  thierischen  Flüssigkeiten  enthalten  Luftarten,  und  die 
Grenzen  des  thierischen  Körpers  sind  entweder  dauernd  und  über- 
all (Haut  und  Lungen)  oder  nur  zeit-  und  theilwcise  (Dannkanal) 
mit  Luft  umzogen.  Zwischen  den  Gasen  der  einzelnen  Flüssig- 
keiten sowohl  als  auch  zwischen  ihnen  und  der  umgebenden  Luft 
findet  ein  steter  Austausch  statt.  Diesen  Luftwechsel  zwischen  den 
thierischen  Flüssigkeiten  nennt  man  die  innere,  den  zwischen 
den  letzteren  und  der  Umgebung  die  äussere  Atbmung.  Beide 
Vorgänge  sind  so  innig  mit  einander  verknüpft,  dass  der  mittlere 
Umfang  des  Verkehrs  an  permanenten  Gasen  in  beiden , wenn  auch 
nicht  immer  gleich,  doch  wenigstens  immer  proportional  ist.  Dieses 
rührt  daher,  weil  das  Gas,  welches  die  äussere  Athmnng  in  das 
Blut  führt,  und  von  dort  in  die  beim  inneren  Gasaustausch  betheiligten 
Flüssigkeiten  geht,  hier  sich  verändert  und  dann  ganz  oder  theilwcise 
wieder  in  den  äusseren  Luftraum  zurüekkehrt.  Die  so  eben  ge- 
schilderte Beziehung  erklärt  und  verlangt  die  Eigentümlichkeit, 

•)  Denkschriften  4er  k.  Akademie  <1rr  Wissen* chatten  In  Wien,  1IT.  B«1. 


Diaifaed  by  Gpflgle 


Aetusere  Athmung-;  l.uflkrci«. 


dass  an  allen  atbmenden  Orten  zwei  Gasströme  in  entgegengesetzte» 
Riehtnngen  gehen,  einer  ans  der  Luft  in  das  Gewebe  und  ein  an- 
derer von  dem  letztem  zn  der  erstem.  Wegen  der  geringen  Kennt- 
niss  der  innem  Athmung  lohnt  es  sich  nicht,  ihr  einen  eigenen  Ab- 
schnitt zu  widmen;  die  wenigen  auf  sie  bezüglichen  Erfahrungen 
sollen  an  passenderem  Orte  eingepflochten  werden. 

A'eussere  Athmung. 

Die  Gase,  welche  im  normalen  thierischen  Leben  durch  die 
Flächen , welche  Blut  und  Luft  trennen  (durch  die  Athmungsiächei») 
strömen,  sind  Sauerstoff,  Kohlensäure,  Stickstoff,  Wasserdampf 
und  in  sehr  geringen  Mengen  Wasserstoff  und  Aramoniakdampf. 
Die  Bewegung  der  CO2  und  des  Wasserdampfesfist  vom  Blut  zur 
Luft,  die  des  Sauerstoffs  umgekehrt  gerichtet;  das  N-gas  kann  je 
nach  Umständen  bald  nach  der  einen  und  bald  nach  der  andern 
Richtung  gehen. 

Diese  Luftströmungen  von  und  zu  dem  Blut  bestehen  während 
der  ganzen  Lebensdauer;  daraus  entspringt  die  Forderung  eines 
stetigen  Vorraths  und  eines  stetigen  Vergehens  der  Gasarten  in 
dem  einen  und  dem  andern  Raume;  in  der  That  sjnd  auch  hiezu 
Mittel  genug  vorhanden;  dahin  zählen:  die  ungeheure  Ausdehnung 
der  irdischen  Luft  und  die  stetige  Reinigung  derselben  von  COi 
und  Wasserdampf,  die  stets  fortgehende  Entstehung  von  C02  in 
den  thierischen  Geweben  aus  dem  C der  Nahrungsmittel  und  dem 
0 der  Luft,  der  wiederkehrende  Genuss  von  Wasser,  der  Unter- 
schied der  Temperatur  und  der  Wechsel  von  Luft  und  Blut  in  und 
auf  den  Athmungsflächen. 

Da  diese  Bedingungen  für  die  Beschleunigung  der  Luftströmung  • 
allen  verschiedenen  Athmungs-  oder  Respirationswerkzeugen  gleich- 
massig  zu  Gute  kommen,  so  werden  wir  hier  sogleich  im  All- 
gemeinen auf  sie  eingehen. 

« 

Der  Luftkreis. 

Bis  zu  einer  endlichen,  wenn  auch  nicht  gemessenen  Höhe, 
wird  der  Raum  um  unsere  Erde,  wie  bekannt,  ausgefüllt  durch 
ein  Gemenge  permanenter  und  compressibler  Gasarten,  unter 
denen  für  unsern  Zweck  N,  0,  CO»,  HO -gas  zu  nennen  sind. 
Diese  Gasarten  äussern  unter  den  Bedingungen  ihres  Aufenthaltes 
in  der  Atmosphäre  keine  Verwandschaft  zu  einander,  und  somit 
üben  sie,  wenn  sie  in  den  statischen  Zustand  gelangt  sind,  auch 


- Digilized  by  Google 


464 


Stickstoff-  und  ßaucrstoffatmosphäre. 


keinen  gegenseitigen  Druck  ans*);  man  könnte  sagen,  jeder  ein- 
zelnen Gasart  sei  die  Gegenwart  der  andern  vollkommen  gleichmütig. 
Wir  würden  also  in  der  Luft  mehrere  vollständig  von  einander  un- 
abhängige Atmosphären  zu  betrachten  haben.  Wir  behandeln  alter 
des  mannigfach  Uebereinstimraenden  wegen  die  Lnftkreise  von 
Stick-  und  Sauerstoff  gemeinsam,  die  von  COi  und  Wasscrdampf 
dagegen  gesondert. 

1.  Stickstoff-  und  Sauerstoffatmosphäre.  Die  aus  diesen  “beiden 
Luftarten  gebildeten  Atmosphären  können  gemeinsam  betrachtet 
werden,  weil  sie  sich  in  ihren  gegenseitigen  qnantitativen  Verhält- 
nissen kaum  ändern.  Der  Saueretof%ebe!t  der  Luft  ist  allerdings 
nach  Regnault**)  und  Bunscn  veränderlich;  aber  die  Schwan- 
kungen seines  ptozentischen  Wert  lies  sind  ftlr  unsere  Bedürfnisse 
nicht  in  Anschlag  zu  bringen;  sie  liegen  zwischen  21,0  und  20,9. — 
Der  atmosphärische  Sauerstoff  erfährt  dagegen  sehr  häutig  eine 
quantitative  Veränderung,  indem  er  sich  in  Ozon  umwandelt  (Schön- 
bein). Diese  Veränderung  erstreckt  sich  allerdings  auf  einen  nur 
sehr  kleinen  Antheil  der  Luft,  denn  es  kommen  in  100  Ltr.  Luft 
nur  zwischen  0,01  bis  0,002  Milligramm  Ozon  vor  (Pless,  Pierre, 
Zenger)***),  aber  dennoch  ist  sie  von  Bedeutung  für  das  Wohl- 
befinden des  Menschen. 

Da  die  quantitative  Bestimmung  des  Oxons  sehr  umständlich  ist,  so  hat  man 
pich  zunächst  begnügt,  sein  Wachsen  und  Sinken  in  der  Atmosphäre  zu  schätzen  - 
Hierzu  bedient  sich  Schonbein  eines  mit  Jodkalinm  getränkten  Stürkepapierchens.  Je 
tiefer  sich  dieses  der  freien  Luft  ausgesetzte  Probepapierchen  in  der  Zeiteinheit  färbt, 
um  so  reicher  ist  die  Luft  an  Ozon.  Nach  Beobachtungen,  welche  auf  den  Stern- 
warten von  Bern,  Kremsroünster  und  Krakau  durch  Wolff,  Reishuber  und  Kar- 
lin s k i unternommen  sind , ist  man  über  den  relativen  Oaongehalt  au  folgenden  Sätzen 
gelangt:  bei  östlichen  Winden  ist  er  kleiner,  als  bei  westlicbon;  im  Winter  ist  er  bei 
östlichen  Winden  grösser,  als  im  Sommer;  umgekehrt  verhält  es  sich  mit  westlichen 
Winden,  die  im  Sommer  mehr  Ozon  erzeugen,  als  im  Winter.  Bei  hohem  Barometer- 
stand ist  der  Ozongehalt  kleiner,  als  bei  niederem,  bei  hoher  Temperatur  kleiner,  als 
bei  tiefer;  an  feuchten  und  trüben  Tagen  grösser,  als  an  trockenen  und  heitern;  bei 
Regenwolken  grösser,  als  bei  Cirrus  und  Circocumuiua ; in  der  Nacht  höher,  als  bei» 
Tag.  Während  Schneefalls  erreicht  er  sein  Maximum.  Der  Werth  dieser  Angaben 
wird  sehr  beschrankt  durch  die  übereinstimmenden  Versicherungen  von  Cloez, 
Houzeau,  Berigny,  Pierre,  Pless,  Zenger  u.  s.  w. , dass  die  Jodstärke- 
papierchen ein  sehr  unsicheres  PrÜfnngsnuttcl  seien.  Dagegen  scheinen  sich  glück- 
licher Weise  die  Angaben  von  Cloöz  nicht  bestätigt  su  haben,  welcher  den  Angaben  des 
JodstürkepapiercheUB  alle  Glaubwürdigkeit  ab  sprach.  Siehe  hierüber  Bineau,Bechamp, 


•)  I.  Hd.  p.  «o. 

•*)  Annalu*  de  chirale  ct  phyaiqne.  3me  Stfrlc.  38.  ßd.  (188?). 

Wiener  nkadesn.  Herl  rhu.  XXIT.  «1.  «Ml  XXIV  7*. 


Digitized  by  Goo^je 


Stickstoff-  und  Sauerstolfatmoaphäre. 


465 


Scoutteten  *).  — Andere  die  Stärkepapi  er  eben  ersetzende  Methoden  haben  vor- 
geschlagen Pless,  Ho  uze  au  u.  s.  w.  Hie  einfachste  besteht  darin,  dass  man  ein 
saures  Lakmuspapier  mit  Jodkalium  tränkt;  das  mit  Hilfe  des  Ozons  freigemachte  KO 
bläut  das  Fapiercken  **). 

Die  Stick-  und  Sauerstoffantheile  der  Gesammtluft  machen  den 
grössten  Theil  derselben  aus  und  Uberwiegen  namcntlieb  die  an- 
dern permanenten  Gase  des  Luftraums  in  einem  solchen  Grade, 
dass  man  den  Stick-  und  Sauerstoff  mit  der  trockenen  Atmosphäre  fUr 
gleichbedeutend  erklären  kann.  Unter  dieser  letztem  versteht  man 
aber  den  Theil  der  Luft,  welcher  Übrig  bleibt.,  wenn  man  den 
Wasserdampf  von  der  Gesammtluft  abgezogen  hat. 

Spannung  und  Wärme  der  trockenen  Atmosphäre  erfahren  mit 
Zeit  uud  Ort  mancherlei  Veränderungen,  die  beide  fllr  uns  nicht 
oline  alle  Bedeutung  sind.  Da  wir  aber  die  Temperaturverhält- 
nisse der  gemässigten  Zoue  nach  ihren  wesentlichen  Charakteren 
als  bekannt  voraussetzen  können,  so  gehen  wir  nur  auf  die  Druck- 
äuderungen  der  trockenen  Luft  ein , welche  das  Barometer  sicht- 
bar macht.  , * 

Her  Baroraeterdruck  der  gemässigten  Zone  ist  veränderlich***):  1)  mit  den 

Tageszeiten  (täglicher  Sonnengang).  Hove  zeigte , dass  sich  der  Druck  der  trockenen 
Atmosphäre  zwischen  einem  täglichen  Maximum  und  Minimum  bewegt,  deren  Eintritt 
Vom  Gang  der  Sonne  abhängig  ist.  Das  Minimum  erchcint  in  Folge  der  Erwärmung 
(Ausdehnung  und  seitliches  Abströmen),  das  Maximum  in.  Folge  der  Abkühlung  der 
. Luft  (Verdichtung  und  seitliches  Zuströmen).  Der  Werth  des  Unterschiedes  ist  mit 
der  Breite,  den  Jahreszeiten  u.  s.  w.  verschieden;  da  er  in  der  gemässigten  Zone 
höchstens  nur  wenige  Zchntheilo  einer  Linie  beträgt,  so  gehen  wir  nicht  weiter  auf 
ihn  ein.  — 2)  Mit  den  Jahreszeiten  (jährlicher  Sonnengang)  ; im  Sommer  ist  der 
mittlere  Barometerstand  etwas  niederer  als  im  Winter,  entsprechend  den  Wärme- 
unterschieden und  den  daraus  folgenden  Verdichtungen  und  Vertlüunungen  der  Luft. 
In  unserem  Klima  fällt  das  Maximum  auf  den  Januar,  das  Minimum  auf  den  August. 
Der  Unterschied  beträgt  etwa  3 MM.  — 3)  Mit  deu  Winden  (Temperaturunterschiede 
des  Erdballs);  dieso  Schwankungen  sind  hei  uns  weitaus  die  bedeutendsten,  Südwest 
bringt  den  niedrigsten,  Nord  den  höchsten  Barometerstand.  Ha  die  Temperatur-  und 
Windbewegungen  im  Winter  viel  unruhiger  als  im  Sommer  sind  , so  kommen- dort 
auch  die  grössten  Schwankungen  des  Barometerstandes  vor;  in  unsern  Gegenden  geht 
'der  Unterschied  höchsten  und  niedrigsten  Standes  im  Winter  bis  zu  29  MM.,  hu 
Sommer  aber  nur  bis  zu  13  MM.  — 4)  Endlich  ist  der  Druck  variabel  mit  der  senk- 
rechten Höhe  des  Bcobachtungsortes  Über  dem  Meeresspiegel ; wir  brauchen  huf  an 
das  bekannte  Faktum  zn  erinnern,  dass  der  Druck  mit  dem  Aufsteigen  in  einer  geo- 
metrischen Proportion  abnimmt. 


")  Corapt.  rend.  ßd.  43.  p.  38  — p.  162  — p.  388  — p.  316. 

Compt.  reud;  Bd  46.  p.  873.  — Bd.  46.  p.  670. 

•••)  Riimti,  Lehrbuch  der  Meteorologie.  2.  Bd.  p.  230.  — Duve,  Reperior.  IV.  Bd.  p.  232.— 
K'ämtz  im  Handwörterbuch  der  Pby»ilt  vorn  August  u.  ».  w.  Berlin  1842.  1.  Bd.  246. 

Ludfrig,  Physiologie  11.  2.  Auflage. 


jpiaifeed  by  Google 


466  , Kuhlen »äare  und  Wasserdanipf  de«  Luftkreisea. 

2.  Kohlensäure*).  Der  geringe  Gehalt  des  Luftraums  an 
Kohlensäure  soll  nach  Saussure  Schwankungen  unterworfen  sein; 
so  soll  insbesondere  auf  hohen  Berggipfeln,  in  der  Nacht,  über 
gefrorenem  Boden  mehr  COj  Vorkommen,  als  in  der  Ebene,  bei 
Tag  und  Uber  feuchtem  Boden.  Boussingault  bestreitet  den 
Unterschied  in  der  Tag-  und  Naebtluft.  Eine  Bestimmung  der  COi 
in  den  bevölkertsten  Strassen  von  Paris,  in  welchem  täglich  un- 
gefähr 3 Millionen  Cubikmeter  COj  entwickelt  werden,  gab  ftlr 
100  Theile  Luft  im  Mittel  = 0,032  pCt.  und  gleichzeitige  Beobach- 
tungen auf  dem  Lande  0,030  pCt.,  also  keinen  Unterschied.  Die 
Grenzen,  in  welche  Saussure  und  Boussingault  den  prozen- 
tischeri  Gehalt  eingescklossen  fanden , liegen  zwischen  0,03  und  0,05. 

3.  Wasserdampf.  Der  in  der  Atmosphäre  zerstreute  Wasser- 
dampf muss  den  Forderungen  der  Theorie  gemäss,  mit  Zeit  und 
Ort  sehr  beträchtlich  wechseln,  thcils  wegen  der  ungleichen  Ver- 
theilung  des  Wassers  Uber  die  Erdoberfläche,  aus  welcher  der 
Wasserdunst  seinen  Ursprung  nimmt,  theils  auch  wegen  der  ver- 
änderlichen Temperatur,  welche  das  Fassungsvermögen  des  Luft- 
raums fUr  den  Wasserdunst  bestimmt.  Das  erstere  ist  an  und  fUr 
sich  klar,  wir  wenden  uns  also  sogleich  zur  Abhängigkeit  der 
Dunstmenge  von  der  Wärme. 

Der  W aaserdampf  kann  wie  alle  Gasartet)  durch  einen  Druck,  welcher  die 
Theilchen  desselben  zusammenpresst,  zu  einer  Flüssigkeit  verdichtet  werden,  und  der 
Druck , der  hierzu  nötliig  ist , muss  grösser  und  grösser  werden , wenn  die  Temperatur 
des  Dampfes  ansteigt.  Dasselbe  kann  man  auch  so  aussprechen , dass  die  Dichtigkeit 
des  Wasserdunstes  (die  Zahl  seiner  Theilchen  in  der  Raumeinheit)  um  so  grösser 
werden  könne , je  wärmer  derselbe  sei.  Und  weil  mit  der  Dichtigkeit  des  Wasser- 
dampfes auch  die  abstossenden  Kräfte  zunehmen,  welche  zwischen  seinen  Theilchen 
wirksam  sind,  also  die  Drücke  steigen,,  welche  er  auf  seine  feste  oder  flüssige  Um- 
gebung auszuüben  vermag,  so  drückt  man  die*  vorgeführte  Erfahrung , gemeiniglich 
dahin  aus,  dass  die  'Spannkräfte  (Tensionen)  des  Wasserdampfes  durch  die  Wärme  vermehrt 
werden.  Zieht  man  nun  den  andern  bekannten  Satz  zu  Hülfe,  dass  von  mehreren  in 
einem  beliebigen  Raume  zerstreuten  Gasarten  nur  die  gleichartigen  Theilchen  einen 
Druck  auf  einander  ausübän,  so  kommt  man  sogleich  zn  der  Ableitung,  dass  mit  der 
Temperatur  (oder  den  Spannkräften)  die  in  der  Raumeinheit  enthaltene  Dampfmenge 
(die  Dichtigkeit  des  Dampfes)  steigen  müsse.  Denn  in  dem  Luftraum  sind  ja  keine 
andern  . zuaammenpreasendet^  Kräfte  zur  Umwandelung  des  Dampfes  in  Wasser  vor- 
handen, als  diejenigen,  welche  durch  die  anwesenden  Wasserdünste  eingefUhrt  wurden. 

Demnach  wljrde  man  mit  Hülfe  der  in  den  Lehrbüchern  der 
Physik  gegebenen  Spannungstabellen  des  Wasserdampfs**)  fUr  jede 

■)  Th.  de  8aussur«,  Poggendorf's  Annalen.  19.  Bd.  — Boussingault,  Anaales  de 
ehlmie  et  physique.  3me  S&lo.  X.  Bd.  454.  — Boussingault  und  Lef  y , Ibid.  470. 

J.  Müller,  Lehrbuch  der  Physik.  4.  Aufl.  1L  Bd.  p.  490  u.  f.  • 


lieber  den  Wechsel  des  atmosphärischen  Wasser  dampf«.  467 

beliebige  Temperatur  der  Luft  den  Dampfgehalt  der  letztem  an- 
zugeben im  Stande  sein , wenn  in  der  That  die  Luft  immer  mit 
Wasser  gesättigt  wäre.  Dieses  ist  aber  nicht  der  Fall,  theils  weil 
die  Verdunstung  des  Wasser  langsam  vor  sich  geht,  und.  theils 
weil  Winde  häufig  die  feuchte  Luft  wegfllhren  (z.  B.  in  die  höhern 
Regionen)  und  durch  trockene  ersetzen.  Aus  diesem  Grunde  müssen 
wir  rtlcksichtlioh  des  Dampfgehaltes  der  Luft  unterscheiden: 
die  absolute  und  die  relative  Dampfmenge.  Unter  der  letztem  ver- 
stehen wir  das  Vcrhältniss  zwischen  dem  wirklich  * vorhandenen 
Dunst  und  demjenigen,  welchÄi  die  Luft  bei  der  gegebenen  Tem- 
peratur zu  fassen  vermöchte. 

a)  Die  absolute  Menge  des  atmosphärischen  Wasserdampfs  wechselt  mit  der 
Meeresnähe,  der  Bodenerhebung,  der  Tages-  und  Jahreszeit  und  den  Winden.  1)  Am 
Meeresufer  steigt  dieselbe  von  der  kältesten  Stunde  des  Tages  allmälig  bis  zu  der 
wärmsten  Stunde  und  senkt  sich  von  da  an  wieder  ab  (Dove).  — 2)  Im  ebenen 
Binnenland  steigt  sie  dagegen  von  Sonnenaufgang  an  bis  gegen  Mittag , dann  nimmt 
sie  bis  zum  Abend  hin  ab , steigt  abermals  im  Beginn  der  Nacht  und  sinkt  dann  bis 
zum  Sonnenuntergang.  — Der  Orund  der  Verschiedenheit  beider  Lokalitäten  ist  darin 
*u  suchen,  dass,  wenn  am  Mittag  die  erwärmten  untern  Luftschichten  aufsteigen,  in 
der  Meeresnähe  die  weggehenden  feuchten  Luftmassen  ersetzt  werden  durch  andere 
feuchte,  welche  vom  Meere  her  eindringen,  währepd  in  den  Binnenländern  statt  ihrer 
trockene  Luft  eingeschoben  wird.  Darum  kann  am  Nachmittag  der  Wasserdampf  erst 
wieder  zunehmen,  wenn  der  aufsteigendc  Luftstrom  an  Mächtigkeit  verloren  hat.  — 

3)  Auf  höhen  Bergen  fehlt  desshalb  wieder  das  Sinken  um  Mittag,  weil  zu  dieser  Zeit 
der  aufsteigende  Strom  die  Feuchtigkeit  aus  der  Ebene  emporführt  (Kämts, 
Saus su re).  — 4)  Im  Juli  ist  die  mittlere  tägliche  Dampfmenge  während  (dee  Jahres 
am  hochston,  im  Januar  am  niedrigsten.  Dieser  Unterschied  ist  in  der  Nähe  der 
Küsten  hervortretender,  als  im  Innern  der  Continente. — 5)  Bei  Ostwinden  im  Winter 
ist  die  Dampfmenge  am  niedrigsten , bei  SQdwestwinden  im  Sommer  am  höchsten.  Die 
Unterschiede,  die  der  Nord-  und  Stidwsstwind  hcrbeifÜhren , sind  im  Winter  weniger 
bedeutend  gefunden  worden,  als  im  Sommer  (Daniel). 

b)  Die  relative  Menge  des  Dampfs.  1)  Das  stündliche  Mittel  der  relativen 
Menge  des  Wasserdampfs  in  der  Ebene  ist  Mittags  am  geringsten,  bei  Sonnenaufgang 
am  grössten;  diese  Unterschiede  treten  weniger  im  Winter  al»  im  Sommer  hervor.  — 

2)  Die  relative  Dnnstmenge  ist  auf  hohen  Bergen  meiBt  geringer  als  in  der  Ebene 
(Kämts).  — 3)  Im  Juli  und  August  ist  die  Luft  relativ  trockener,  als  im  Januar. — 

4J  Bei  Nord-  und  bei  allen  Ostwinden  (Süd-  bis  Nordost)  ist  die  relative  Feuchtigkeit 
geringer,  als  bei  Süd-  und  Westwinden. 

Vergleicht  man,  wo  und  wann  die  absolute  und  relative  Luftfeuchtigkeit  am 
grössten  und  kleinsten  sei,  so  findet  man  sogleich,  dass  meist  die  Luft  relativ  um 
so  trockener  ist,  je  mehr  Wassergas  (nach  absolutem  Maass  gemessen)  sie  enthält 
Diese  Bemerkung  wird  uns  mehrfach  vou  Wichtigkeit  sein.  — Beispielsweise  geben 
wir  noch  einige  Tabellen,  welche  dem  Werke  vpn  Kämts  entnommen  sind;  in  ihnen  * 
ist  der  prozentische  Wassergehalt  der  Luft  durch  eine  nach  MM.  gemessene  Quecksilber- 
säule, also  durch  die. Spannung  ausgedrückt,  die  der  in  ihr  enthaltene  Wasscrdunst 


Pjgitized  Google 


468 


Absolut«  und  relative  Dampfmenge  in  der  Luft 


ausübt.  Um  aus  dieser  Angabe  das  Gewicht  des  Wasserdampfs  zn  finden,  welcher  in 
der  Rauincinhcit  Lnft  enthalten  ist,  dienen  die  an  vielen  Orten  mitgctheilten  Feuchtig- 
• kcitstabdlen  •).  Die  unter  der  Columne  „relative  Dampfmenge“  stehenden  Zahlen  geben 
die  Prozente  an , welche  die  wirklich  vorhandene  Dampfmenge  von  der  ausmacht, 
welch©  bei  der  bestehenden  Temperatur  hätte  vorhanden  sein  können. 


I.  Tabelle. 


■ 

Zürich. 

-• 

F a u 1 h o r n. 

Tageszeit. 

• 

Absolute 
Dampfim-ngc.  t 

Relative 

Dumpfimnge. 

Absolute 

Dampfmenge. 

Relative 
I taiupfinenge. 

Mittag 

10,92  MM.  1 

58,9"* 

4,88  MM. 

73,4«,'. 

4h 

10,97  „ 

00,9  „ 

4.94  „ 

80,8  „ 

8 •* 

11,35,, 

70,3  „ 

4,01  „ 

76,1  „ 

Mitternacht 

10,94  „ 

85,3  „ 

3,72  „ 

73,7  „ 

4h 

10,50  „ 

90,0  „ 

3,50  „ 

72,1  „ 

S>> 

11,12  „ | 

70,9  „ 

3,79  „ 

69,8  „ 

II.  Tabelle.  Beobaehtungsort  Halle. 


Monat. 

Absulute 

Dampfinengc. 

Relative 
’ Dampfmenge. 

Januar  

4,5  t MM. 

85,0  »/o 

Februar  

4,75  „ 

79,9  „ 

März 

5,11  „ 

76,4  „ • 

April *.  . 

6,25  „ 

71,4  „ 

Mai  

7,84  „ 

69,1  ,, 

Juni 

10,84  „ 

69,7  ., 

Juli 

11,62  „ 

66,5  „ 

August 

10,70  „ 

66,  i „ 

September 

9,50  „ 

72,8  „ 

Oktober 

7,87  „ 

78,9  „ 

November 

5,64  „ 

85,3  „ 

Dezember 

5,00  „ 

80,2  „ 

III.  Tabelle.  Beobachtungsort  London. 


Absolute  Dampfinenge. 


Winde. 

• Witter. 

• Frlilijalir. 

i Houuncr. 

Hertat. 

NO* 

5,01  MM. 

7,1ÖMM. 

10,30  MM. 

8,53  MM. 

SO 

6,86  „ 

9,77  „ 

13,76  „ 

10,79  „ 

SW 

8,17  „ 

1 9,37  „ 

13,83  „ 

11,67  „ 

NW 

6,14  „ 

7,56  „ 

11,45  „ | 

8,67  „ 

4.  Der  Einfluss,  den  diese  Veränderungen  anf  die  Athmungen 
im  Allgemeinen  Üben,  gestaltet  sich  folgendermaassen.  — a)  Den 
Druckschwankungen  der  trockenen  Atmosphäre  (nicht  aber  des 

*1  Müller ‘a  Lehrbuch  der  Physik.  4.  Auii.  2.  Bd.  p.  CUU. 


KinfliiRs  der  Luftveränderungen  auf  das  Athmen. 


469 


Wasserdarupfs)  etftsprecheud , wird  die  Dichtigkeit  des  im  Blut 
diffnndirton  Sauerstoff-  und  Stickstoffgases  sich  mehren  oder  min- 
dern nach  dem  bekannten  Grundsatz,  dass  sich  der  Druck  ans- 
gleicht zwischen  zwei  Antheilen  eines  gleichartigen  Gases,  von 
denen  der  eine  in  der  Flüssigkeit  absorbirt  ist  und  der  andere  frei 
darüber  steht.  Ob  diese  geringen  atmosphärischen  Dichtigkeits- 
änderunge.n  für  die  Athnmng  des  N-gases  von  namhafter  Bedeutung 
sind,  ist  zweifelhaft.  Für  den  absorbirten  0 könnte  sie  es  nur  insofern 
sein , als  dadurch  die  Geschwindigkeit  beeinflusst  wird , mit  welcher 
derselbe  aus  dem  Luftkreis  zu  den  Blutkörperchen  kommt.  — 
b)  Da  in  der  freien  Lnft  die  00;  nur  unwesentliche  Veränderungen 
erfährt,  so  wird  die  Dichtigkeit  der  atmosphärischen  die  der  .im 
Blut  diffundirten  C0_>  nicht  wesentlich  ändern.  Da  nun  aber 
unzweifelhaft  ein  grosser  Tlieil  der  verdunstbaren  COj  des  Blutes 
nicht  bloss  diffundirt,  sondern  dnreh  irgendwelche  andre  Hilfen 
verdichtet  ist,  so  wäre  es  wenigstens  denkbar,'  dass  der  Barometer- 
druck der  Gesammtluft  von  Bedeutung  ist  für  die  Geschwindigkeit, 
mit  der  diese  C02  verdunstet.  — c)  Der  Wasserdampfgehalt,  die 
Temperatur  und  die  Gesammtspannnng  (Barometerstand)  der  At- 
mosphäre werden  sich  sämmtlich  geltend  machen  für  die  Verdun- 
stung des  Wassers.  Was  zunächst  den  Dampfgehalt  der  Atmo- 
sphäre anlangt,  so  ist  seine  Bedeutung  für  den  Wasservcrlust  bei 
der  Athmung  verschieden,  je  nachdem  die  Luft,  in  welcher  die 
Verdunstung  geschieht  bei  der  Athmung  auf  die  Normaltemperatur 
des  menschlichen  Körpers  gebracht  wird,  oder  oh  sie  diejenige- 
der  Atmosphäre  behält.  Im  ersten  Fall,  der  sich  z.  B.  mit  der  in 
die  Lungen  anfgenommenen  Luft  ereignet,  wird  um  so  mehr  ver- 
dunsten können,  je  geringer  der  absolute  Wassergehalt  der  ein- 
genommenen Luft  ist,  also  cctcris  paribus  am  meisten  im  Winter, 
bei  Sonnnnaufgang , auf  hohen  Bergen,  bei  Nordostwind.  Dieses 
bedarf  keiner  Erläuterung;  weil  die  Luft  in  der  Lunge  auf  etwa 
36°  C.  erwärmt  und  nahezu  für  diese  Temperatur  nrit  Wasserdampf 
gesättigt  wird,  also  muss  die  vorher  trockenere  Luft  mehr  Wasser 
ausftthren,  als  die  früher  feuchtere.  — Gerade  umgekehrt  verhält 
sich  dagegen  der  Wasserverlust  Heim  Hautathmcn;  dieser  wird  um 
so  bedeutender  sein , je  grösser  die  Capazität  der  umgehenden  Luft 
für  Wasserdampf  ist  und  je  entfernter  diese  Luft  von  ihrem  .Sät- 
tigungspunkt steht  (hei  niedrigem  relativen  Dampfgehalt).  Da  sich 
nun  beide  Zustände  erfährungsgemäss  zur  Mittagszeit  und  im  hohen 
Sommer  ereignen,  während  hn  Winter  die  Luft  fast  vollkommen 


Digitized  by  Google 


470  Einfluss  des  Dunpfgehaltes  und  Barometerdruckes  auf  die  Athmung. 

mit  Wasserdampf  gesättigt  ist,  so  finden  sich-  die  Verdunstungs- 
gesckwindigkeiten  von  Lunge  und  Haut  in  einem  zeitlichen  Gegen- 
satz. — Der  Barometerstand,  selbst  wenn  er  auch  durch  eine  Ver- 
änderung eines  Druckes  der  trockenen  Atmosphäre  bei  gleiohblei- 
bender  Spannung  des  Wasserdampfes  gesteigert  oder  erniedrigt 
wird,  übt  immer  einen  Einfluss  auf  die  Verdunstung.  Denn  es 
druckt  auf  das  Wasser  als  solches  jede  Luftart,  und  dieser  Druck 
bestimmt,  wie  wir  wissen,  die  Geschwindigkeit  der  Verdunstung. 
Erniedrigt  sich  also  der  Barometerstand , so  wird  die  Dampfbildung 
beschleunigt,  und  umgekehrt  wird  sie  bei  steigendem  Luftdruck 
verlangsamt.  Indem  man  diese  Regel  auf  die  wirklich  ver- 
kommenden Verhältnisse  anzuwenden  versucht,  darf  man  natürlich 
niemals  vergessen,  neben  dem  Barometerstand  die  gleichzeitig  vor- 
handene relative  Dampfmenge  der  Luit  mit  in  Rechnung  zu  bringen. 
So  ist  z.  B.  auf  hohen  Bergen  die  Geschwindigkeit  der  Dampf- 
bildung vermehrt  Wegen  des  niederen  Luftdruckes  und  gemindert 
wegen  der  dort  öfter  vorhandenen,  relativ  grösseren  Dampfmenge, 
so  dass  das  Resultat  dieser  zusammenwirkenden  Umstände  mög- 
licher Weise  doch  dem  in  der  Ebene  vorhandenen  gleich  sein  kann, 
wo  die  relative  Dampfmenge  gering  und  der  Barometerdruck  gross  ist. 

Ueber  den  Gewinn  und  Verlust  des  Bluts  an  Gasen 
durch  die  Oxydation  der.  lebendigen  Atome  und  den  Austausch  der 
verbrennenden  und  verbrannten  Produkte  zwischen  Blut  und  Geweben. 

Wie  in  der  Atmosphäre,  so  müssen  auch  im  Blute  Umstände 
wirken,  die  die  Zusammensetzung  seiner  Luft  gleich  zu  erhalten 
trachten.  Denn  wenn  der  schon  geschilderte  Gasstrora  ununter- 
brochen von  und  zu  dem  Blute  gehen  soll , so  muss  der  eingetretene 
Sauerstoff  fortwährend  wieder  verschwinden  und  die  ausgeschiedege 
CO2  ebenfalls  wieder  ersetzt  werden,  denn  sonst  würde  das  Blut 
bald  vollkommen  frei  von  CO2  und  statt  dessen  bis  zur  Sättigung 
mit  0 beladen  sein,  womit  denn  der  Gasaustausch  zwischen  Luft 
und  Blut  sein  Ende  erreicht  hätte. 

Beides,  die  Neubildung  von  CO2  und  das  Verschwinden  von 
0,  geschieht  nun  in  der  Regel  durch  die  sogen,  thierische  Ver- 
brennung. Hierunter  versteht  man  aber  einen  Vorgang,  bei  welchem 
die  organischen  Atome  des  thierischeü  Körpers  mit  Hülfe  des  aus 
der  Luft  aufgenommenen  Sauerstoffs  umgewandelt  werden  in  COi, 
N,  HD  und  in  die  festen  organischen  Bestandtheile  des  Harns  und 
Schweisses.  Von  der  Lebhaftigkeit  dieser  Oxydation  hängt  es  also  im 
letzten  Ende  ab,  welchen  Umfang  der  Gasaustausch  auf  denAthmungs- 


Digitized  by  Google 


Ucber  den  Gewinn  und  Verlust  des  Bluten  an  Gasen,  471 

flächen  unter  sonst  günstigen  Umständen  annehmen  kann.  Betrach- 
tet man  nun  dieselbe  mit  Rücksicht  auf  die  Grösse  des  Gasstromes, 
den  sie  einleitet,  so  ist  bald  Zweierlei  ersichtlich;  zuerst,  dass  die 
Menge  des  in  der  Zeiteinheit  hin-  und  hergeführten  Gases  sich  mit 
dem  Verlauf  der  Umstände  bedeutend  ändert,  und  zweitens,  dass 
für  gleiche  Mengen  eingebrachten  Sauerstoffs  sehr  ungleiche  Mengen 
von  COj  ausgeführt  werden. 

Was  zuerst  den  letztem  Punkt  anlangt,  so  ist  aus  .der  che- 
mischen Zusammensetzung  der  verbrennlichen  Atome  einleuchtend, 
dass  100  V0I.-TI1.  Sauerstoff,  die  zum  Verbrennen  von  Zucker  be- 
nutzt werden,  wieder  100  Vol.-Th.  COi  liefern,  während  aus  ihnen 
nur  etwa  70  Vol.  COs  enstanden  wären,  wenn  sie  Tristearin  oxy- 
dirt  hätten.  Denn  der  Zucker  (CisHuOu)  besitzt  bekanntlich  ge- 
nug 0,  um  allen  seinen  H vollkommen  zu’ Wasser  zu  verbrennen, 
während  bei  der  Verbrennung  des  Tristearin’s  (Ciu  Hm  O12)  immer 
noch  ein  grosser  Theil  des  atmosphärischen  Sauerstoffs  zur  Oxy- 
dation des  Wassers  verwandt  werdeji  muss. 

Wie  bei  der  Umsetzung  des  Fettes  mohr  0 eingenommen  war, 
•als  in  der  ausgeschiedenen  COi  von  diesem  Element  enthalten  ist, 
so  könnte  möglicher  Weise  auch  in  beschränkten  Zeiträumen  mehr 
COi  ausgeschieden  werden , als  Sauerstoff  absorbirt  war.  Denn  es 
zerfallen  die  thierischen  Atome,  so  weit  wir  wissen,  nicht  beim 
ersten  Angriff  in  CO2 , HO  u.  s.  w. , • sondern  vorerst  in  noch  ver- 
wickeltem Verbindungen;  zur  Herstellung  derselben  ist  Sauerstoff 
nöthig,  welcher  der  COi- Bildung  erst  dann  zu  Gute  kommt,  wenn 
die  genannten  Spaltungsprodukte  vollkommen  verbrennen;  also  ist 
der  Sauerstoff,  der  schon  früher  aufgenommen  wurde,  erst  später 
mit  der  COi  wieder  fortgegangen.  Aehnlich  kann  auch  die  Ver- 
änderlichkeit der  Reaktion  einzelner  Gewebe,  wie  namentlich  der 
so  sehr  verbreiteten  Muskeln , wirken.  Denn  wenn  die  saure  Reak- 
tion durch  das  eintretende  Uebergewicht  einfachkohlensauren  oder 
basischphosphorsauren  Natrons  in  das  basische  überschlägt,  so 
muss  ein  Theil  der  damals  in  den  Muskeln  gebildeten  COi  zurück- 
gehalten  werden,  welcher  erst  dann,  wenn  die  saure  Reaktion 
wiederkehrt,  ausgetricben  wird.  Dieses  Ueberwiegen  des  ausgeschie- 
denen COi -Volums  über  das  eingeführte  0 kann  aber  immer  nur 
auf  kurze,  niemals  auf  längere  Zeit  bestehen.  Denn  wir  ge- 
messen in  der  Regel  keine  sauerstoffhaltigere  Nahrung  als  den 
Zucker,  und  diesen  niemals  allein,  sondern  gemischt  mit  andern, 
viel  sauerstoffärmeren  Verbindungen.  Bei  der  Verbrennung  des 


472 


Innere  Respiration. 


2^fickers,  ist,  wie  schon  erwähnt,  das  Volumen  der  gebildeten  CO* 
gerade  dem  des  verbrauchten  Sauerstoffs  gleich;  bei  der  Verbren- 
nung aller  andern  Atome  ist  aber  immer  das  erste're  kleiner  als 
das  letztere.  Weil  nun  im  Lebenden  Zucket,  Fette  und  Albumin 
zugleich  verbrannt  werden,  so  muss  auch  ein  grösseres  Volumen 
an  Sauerstoff  ein-,  als  an  CO2  ausgeathmet  werden. 

Mehr  noch  als  das  Verbältniss  zwischen  aus-  und  eingehenden 
Gasen  ändert  sich  der  GcBammtverkehr  derselben  in  der-  Zeitein- 
heit. Denn  die  thierische  Verbrennung  geht  nicht  zu  allen  Zeiten 
gleich  lebhaft  vor  sieh;  dieses  ergieht  sich  schon  daraus,  dass 
nicht  in  jeder  Zeiteinheit  des  Tags  gleichviel  Wärme  und  gleichviel 
Ilarnstoff  entsteht,  zwei  Produkte,  die  unzweifelhaft  eine  Folge 
der  thierischeu  Verbrennung  sind.  Der  letzte  Grund  dieser  Va- 
riation ist  darin  zu  suchen,  dass  die  Oxydation  nicht  so  lange 
glcichmässig  fortsehreitet,  als  0 und  brennbare  Stoffe  vorhanden 
sind,  sondern  dass  die  lilut-  oder  Organbestandtheile  erat  einer 
Vorbereitung  bedürfen,  bevor  sie  den  Angriffen  des  O's  zugängig 
sind.  Diese  wird  ihnen,  aber  zu  Theil  entweder  in  Folge  der  Tem- 
peratur der  Luft  oder  einer  veränderten  Mischung  unserer  Säfte, 
z.  B.  nach  der  Nahrungsaufnahme,  oder  auch  durch  die  Erregung 
der  Nerven',  Muskeln,  Drüsen,  wobei  wahrscheinlich  eine  Spaltung 
von  chemisch  trägen  in  leicht  veränderliche  Atome  eintritt. 

Zwischen  dem  Gasverkehr  auf  den  Atbemflächen  und  der  Um- 
setzung der  Gase  in  der  thierischcn  Oxydation  liegt  aber  noeb  ein 
Vorgang  in  der  Mitte,  den  man  als  die  innere  Respiration  be- 
zeichnen könnte.  Ihm  fällt  die  Aufgabe  zu,  den  0 ans  dem  Blute 
an  den  Ort  der  Verbrennung,  und  umgekehrt,  die  bei  der  letztem 
gebildeten  Gase  in  die  Blutflüssigkeit  zurttckzuführen.  Da  wir  nun 
aber  -nicht  einmal  mit  Sicherheit  den  Ort  kennen , wo  die  Verbren- 
nung geschieht,  so  können  wir  auch  nicht  den  Mangel  an  empi- 
rischen Daten  ersetzen  'durch  Ableitungen  'aus  bekannten  Eigen- 
schaften der  hier  in  Betracht  kommenden  Flüssigkeiten  und  GaBe. 
Wir  wissen  nur  so  viel  mit  Sicherheit,  dass  das  mit  0 durchtränkte 
Blut  sehr  viel  länger  hellroth,  d.  h.  sauerstoffreich  bleibt,  wenn  es 
für  sieh  bei  der  Temperatur  des  thierischeu  Körpere  aufgehoben 
wird,  als  wenn  es  durch  die  Capillaren  des  lebenden  oder  des  so  eben 
getödteten  Thiers  läuft.  Also  begünstigt  die  Berührung  des  Blutes 
mit  den  Wandungen  der  Capillaren  beziehungsweise  mit  den  sie 
umgebenden  Flüssigkeiten  und  Geweben,  die  Umwandlung  des 
0 -Stoffe.  Ob  nun  aber  aus  den  Capillaren  der  Sauerstoff  in  die 


Wo  wird  dio  CO*  gebildet? 


473 


Gewebe  tritt,  dort  COj  bildet  nnd  dann  erst  wieder  in  das  Btat 
znrtickkebrt,  oder  ob  sieb  der  0- Stoff  in  den  Capiilaren  in  Ozon 
nmwandelt  oder  ob' leicht  oxydable  Kfirper  aus  den  Geweben  dnreh 
die  Capillarenwand  in  das  Blut  übertreten , die  sich  dort  sogleich 
mit  0- Stoff  verbinden,  ist  vollkommen  unbekannt.  — Hier  ist  also 
noch  ein  ganz  neuer  Abschnitt  der  Athmungslehre  zu  sehaffeu. 

Einige  wenige  Th&taachen,  die  sich  auf  die  innere  Athmung  beziehen,  sollen  hier 
zusammengestellt  werden,  mehr  um  Fragen  aufzuwerfen,  als  zu  losen.  — Ausgeschnittene, 
blutfreie,  noch  reizbare  Muskeln  fuhren  fort,  CO»  zu  bilden,  wenn  sie  in  einer  sauer- 
stoffhaltigen Atmosphäre  au  fgeh  fingt  sind.  Daraus  könnte  man  schliessen,  dass  der 
Muskel  auch  ohne  Zuthun  des  Blutes  verbrennt,  oder  mit  Rficksicht  auf  das  Vor- 
liegende, dass  der  Ort,  an  dem  die  CO«  gebildet  wird,  in  dem  Muskel  und  nicht  in 
seinen  Blutgefässen  zu  suchen  ist.  Da  ferner  die  Musifein  und  Nerven  nur  so  lange 
reizbar  sein  sollen , als  sie  freien  0 enthalten , so  miisste  man  auf  die  Anwesenheit  des 
letztem,  also  auch  auf  die  CO«-Bildnng  in  Nerv  und  Muskel  schliessen  aus  einer 
Beobachtung  von  Setschenow.  Diese  besteht  darin,  dass  Thiere  noch  Athem- 
bewegungen  und  Herzschläge  erkennen  lassen  , wenn  selbst  ihr  Blut  vollkommen  frei 
an  verdunstbarem  0 ist.  Diese  Thatsachc  würde  unter  der  obigen  Voraussetzung  noch 
zu  ganz  besondern  Betrachtungen  Veranlassung  geben  Uber  das  Verhältnis*  der  Ver- 
wandtschaften der  Muskelstoffc  und  der  Blutkörperchen  zu  freiem  Sauerstoff.  Aber 
ein  genaueres  Eingehen  in  den  (legenstand  erscheint  nicht  gerathen , so  lauge  die 
Beobachtung  von  Be  nur d aufrecht  steht,  dass  das  Blut,  welches  aus  den  Venen  der 
absondermlen  Speicheldrüse  hellroth  znrückkommt , sehr  viel  rascher  dunkelt',  als  das 
arterielle,  vorausgesetzt,  dass  beide  bei  gleicher  Temperatur  aufbewahrt  wurden.  Denn 
diese  Thatsache  verlangt  im  Gegensatz  zu  «den  frühem  die  Annahme,  dass  ein  leicht 
verbrennlicher  Stoff  dem  Blute  in  der  Drüse  beigemengt  wurde. 

Wenn  die  CO*  in  den  Geweben  gebildet  wird  und  von  dort  in  das  Blut  tritt, 
so  muss  die  Spannung  der  CO«  in  der  erstem  grösser  als  in  der  letztem  nein.  Da 
wir  nnn  aber  Grund  haben  zu  vermuthen  , dass  der  Absorptionscoeffizient  für  CO«  in 
der  Gewebsflüssigkeit  und  im  Blut  derselbe  ist  (vom  Harn  wissen  wir  dieses  gewiss  durch 
Planer),  so  müsste  demnach  auch  der  Gehalt  an  freier  CO«  in  den  Gewebsflüssig- 
keiten höher  als  im  Blut  sein,  insofern  das  Gas  von  dort  hierher  treten  sollte.  In- 
sofern man  den  Hum  als  einen  Gewebesaft  dcr.Nicre  ansieht,  müsste  also  auch  dasselbe 
für  ihn  gelten.  Dieses  scheintg^bor  wenigstens  nach  den  Beobachtungen  von  Planer 
(p.  412)  nicht  der  Fall  zu  sein,  da  er  unter  Umständen  nur  4,4  pCt.  00«  in  dem  Ham 
fluid,  d.  h.  so  wenig,  wie  noch  niemals  im  arteriellen  Blut  beobachtet  wurde. 

Mit  der  Zeit  und  mit  den  Gewcbsarten  ändert  sich  das  Sauerstoffbodürfnisa. 
Dieses  ist  eine  Thatsaehe,  die  sich  vor  Allem  aus  der  chemischen  Zusammensetzung, 
der  Winnebildung  und  der  physiologischen  Arbeit  verschiedener  Gewebe  ergiebt. 

Zahlenwerthe  für  den  0 -Verbrauch  in  den  verschiedenen  Geweben  würde  man 
natürlich  finden  , wenn  man  die  Blntmenge  kennte , welche  ein  Gewebe  in  der  mitt- 
lern  Zeiteinheit  durchsetzte,  und  den  mittlere  Saucrsloflgehalt  den  venösen  und 
arteriellen  Blutes.  Zu  einer  proportionalen  Messung  des  Sauerstoffverbrauchs  in  der 
Zeiteinheit  würde  die  Bestimmung  des  Sauerstoffgchaltcs  zweier  Vcncnblutarten  genügen, 
die  mit,  gleicher  Geschwindigkeit  durch  ' ihre  zugehörigen  Capiilaren  gegangen  sind» 
und  Zwar  darum,  weil  man  voraussetzen  darf,  dass  das  arterielle  Blut  überall  und  zu 


474  Berührung  der  Luft  inner-  und  ausserhalb  des  Blutes. 

allen  Zeiten  ungefähr  gleichviel  Sauerstoff  mitbraciite.  — Bestände  die  Bedingung 
gleicher  Geschwindigkeit  und  enthielten  die  verglichenen  Venenblutarten  gleichviel 
Körperchon,  so  würde  man  zu  dem  Vorgesetzten  Ziel  auch  dadurch  gelangen,  wenn 
man,  statt  den  Sauerstoffgehalt  der  verschiedenen  Vencnblutarten  zu  messen,  aus- 
mittelte,  wie  weit  eine  jede  Art  der  letztem  von  ihrer  vollkommenen  Sättigung  mit 
0 entfernt  wäre;  es  würde  offenbar  der  Sauerstoffverbrauch  auf  einer  beliebigen  Bahn 
um  so  grösser  gewesen  sein,  je  mehr  Sauerstoff  dem  aus  ihr  hervortretenden  Blut 
wieder  zugesetzt  werden  müsste,  um  dassolbe  vollkommen  mit  jenem  Gas  zu  sättigen.  — 
Gl.  Bernard  hat  einige  der  zuletzt  erwähnten  Bostimmungen  ausgefiihrt  und  folgende 
Zahlen  erhalten: 

100  Volum  Blut*  bedurften  zur  toIIco  Sättigung 

aus  Volumina  O 

der  Pfortader  . . . 23,0  VoL  — 19,3  Vol.  — 30,0  VoL 

dem  rechten  Herzen  . 21,0  „ — 17,6  „ — 21,1  „ 

der  vena  jugul.  .•  . . 16,0  „ — 14,0  „ — 16,6  „ 

Diese  Zahlen  sagen  natürlich  nichts  aus  über  den  relativen  O -Verbrauch  in  den 

Dam-  und  Kopfgefasaen , da  weder  der  Umfang  und  die  Geschwindigkeit  des  Blut- 
stroms in  ihnen,  noch  auch  der  Körperchcngch&lt  jener  Blutarten  bekannt  ist.  — 
Einen  andern  ähnlichen  Versuch  hat  Bernard  angestellt,  in  welchem  er  bestimmte, 
wie  viel  O zur  Sättigung  das  Blut  in  der  vena  jugularis  brauche,  bevor  und  während  der 
nerv,  sjmpathicus  gereist  war,  also  je  nachdem  Blut  sich  kürzer  oder  länger  in  den  Capillaren 
aufgehalten  hatte.  lOOTheile  Blut,  welches  ausströmte,  bevor  der  Nerv  gereizt  wurde,  be- 
durften 5,7  Vol.  O;  das,  welches  ausfloss,  während  der  Nerv  gereizt  wurde,  verlangte  7,4  Vol. 

Wenn  nun  einmal  das  verschiedene  Saucrstoffbedürfniss  in  verschiedenen  Zeiten 
und  Orten . feststeht , so  ist  es  auch  nothwendig,  dass  die  Geschwindigkeit  und  die 
Ausbreitung  des  Blutstroms  und  namentlich  seiner  Körperchen  mit  jenen  Umständen 
wechsele,  damit  immer  den  veränderlichen  «Anforderungen  genügt  wird.  Hierfür  haben 
wir  nun  zahlreiche  Andeutungen,  indem  die  Drüsenadern  während  ihrer  Absonderung, 
und  die  Muskeln  nach  ihrer  Zusammenziehung  von  mehr  Blüt  durchstromt  werden  als 
sonst ; ferner  darin , dass  das  Blut  der  vena  portar.  reicher  an  Körperchen  ist , als  das 
der  v.  jugularis  u.  s.  w.  Mit  Rücksicht  auf  diese  Frage  verdient  der  Blutstrom  noch 
eine  genauere  Untersuchung. 

Wir  brauchen  kaum  zu  erwähnen,  dass  das  abdunstende  Wasser 
mit  den  Speisen  geradewegs  wieder  ein  geführt  wird,  dass  es  aber 
auch,  zum  freilich  geringsten  Theil,  dur^j  Oxydation  wasserstoff- 
haltiger Atomeomplexe  entsteht. 

Berührung  zwischen  den  Luftarten  der  Erd-  und 
Blnta  tmospbäre. 

Die  Geschwindigkeit  und  der  Umfang  des  Austausches  der 
Gasarten  hängt,  alles  Andere  gleichgesetzt,  ab  von  der  Fläche,  auf 
welcher,  und  von  der  Zeit,  während  welcher  die  Berührung  ge- 
schieht. Der  Einfluss  der  ersten  Bedingungen  bedarf  gar  keiner 

Erwägung ; rücksiehtlich  des  letzteren  erwähnen  wir  dagegen,  dass 
eß  zur  Unterhaltung  der  Athmung  keineswegs  genügt,  Luft  und 
Blut  überhaupt  iu  Berührung  zu  halten,  sondern  dass  fllr  einen 


Digitized  by  Google 


Berührung  der  Luft  inner-  und  ausserhalb  des  Blutes. 


475 


gegebenen  und  constanten  0-  und  CÜj-Gehalt  des  Luftkreises  und 
der  Gewebsflüssigkeiten  das  mögliche  Maximum  in  der  Austau- 
scbungsgesehwindigkeit  der  Gase  nur  dann  zu  erreichen  ist,  weuu 
die  in  Bertihrnng  befindlichen  Theile  des  Blutes  und  der  Luft  mög- 
lichst genau  so  viel. und  so  wenig  0 und  CO2  besitzen,  als  einer- 
seits die  Flüssigkeit  der  Gewebe,  ans  denen  das  Blut  hervorging, 
und  anderseits  die  nicht  mit  dem  Körper  in  Berühung  stehende, 
resp.  nicht,  in  seinen  Höhlungen  eingefangene  Luft.  Diese  Be- 
dingung ist  aber  nur  dann  befriedigt,  wenn  ein  möglichst  rascher 
Blut-  und  Gaswechsel  eingeleitet  wird,  wenn  also  das  Blut  aus 
den  Athemflächen , mit  Sauerstoff  geschwängert,  rasch  durch  die 
CGi-Region  dringt  und  von  dort,  bevor  noch  sein  Sauerstoffgehalt 
beträchtlich  gesunken , wie  derin  eine  möglichst  rein  eatmosphärische 
Luft  zurtickcilt.  — Verweilen  dieselben  Bluttheilchen  längere  Zeit 
an  demselben  Orte  in  den  Geweben,  so  wird  der  Unterschied  der 
Gasarten  des  Blutes  und  der  Gewebe  sich  ausgleichen  und  damit 
auch  der  Gasstrom  zwischen  beiden  Lokalitäten  immer  langsamer 
werden.  Dasselbe  gilt  natürlich  auch  für  den  Gasstrom  zwischen 
dem  Blut  und  der  Luft,  wenn  der  Antheil  dieser  letztem,  welcher 
die  Athmnngsflächen  berührt,  nicht  im  Wechsel  begriffen  ist;  daraus 
folgern  wir,  dass  mit.  der  Geschwindigkeit  des  Blutströms,  der  der 
Athemzüge  und  der  die  äussere  Körperoberfläche  berührenden  Winde 
auch  die  Geschwindigkeit  des  Gasaustausches  wächst. 

Von  dem  hier  berührten  Prinzip  macht  der  Atlmiungsmechanis- 
mus  jedesmal  Gebrauch,  wenn  das  Blut  mit  CO2  überladen  ist; -die 
Brustbewegungen  folgen  rasch  aufeinander;  er  benutzt  es  ferner, 
wenn  lokale  Nöthigungen  zu  grösserem  Bauerstoffverbrauch  ein- 
treten;  dann  wird,  wie  in  den  Speicheldrüsen  während  der 
Sekretion  u.  s.  w.,  der  Blutstrom  durch  den  thätigero  Ort  leb- 
hafter. — Die  nothwendige  Folge  dieses  vermehrten  Zuströmens 
von  Luft  oder  Blut  ist  'die , dass  der  prozentische  Gehalt  an  CGi 
in  der  abströmenden  Flüssigkeit  geringer  wird,  obwohl  die  Summe 
der  in  der  Zeiteinheit  ausgeflthrten  COa-Menge  gemehrt  ist  Der 
Grund  für  das  Letztere  liegt  darin,  dass  die  Geschwindigkeit  des 
Luft-  oder  Blutstroms  mehr  gewachsen  ist,  als  die  des  ausführenden 
COj-Süoms.  .•  ' 1 ' 

Die  Absorptionsfähigkeit  des  Blutes. 

Diese  greift  endlich  als  eine  - allgemeine  Bedingung  in  die 
Athmung  ein,  weil  das  Blut  die  Uebertragung  des  Sauerstoffs  aus 
«ler  Luft  in  die  Gewebe  und  diejenige  der  Kohlensäure  in  der  um- 


oole 


476  AbsnrptirtiisfKhttfcgit  des  Blutes  nsch  Set.ch.noW  und  tfernet. 

gekehrten  Richtung  vermittelt.  Die  Mittheilungen  Uber  Absorptions- 
nihigkeit  des  Blutes  (p.  13  und  26  d.  Bd.)  sind  noeh  wesentlich 
von  Setschenow*)  vervollständigt.  1)  Ans  arteriellem  Blut  ent- 
wickelt ein  neues  Abscheidungsverfahron  der  Gase  mehr  Sauerstoff, 
als  man  bisher  daraus  erhalten.  Der  möglichen  Erklärung,  dass 
dieses  Sauerstoff- Mehr  abhängig  sei  von  einem  reichlichen  Gehalt 
des  Blutes  an  Körperchen,  kann  entgegnet  werden,  dass  jedesmal, 
wenn  Blut  aus  der  gleichnamigen  Arterie  verschiedener  Individuen 
derselben  Thiergattung  untersucht  wurde,  es  mit  dem  neuen  Ver- 
fahren mehr  0 gab  als  mit  dem  alten.  — 2)  Das  Blut  enthält  mehr 
COi  als  man  bisher  glaubte,  insbesondere  aber  gilt  dieses  für  die 
Verhältnisszahl  zwischen  der  verdunstbaren  nnd  ■ der  chemisch  ge- 
bundenen, d.  h.  der  nur  durch  fixe  Säuren  austreibbaren  COi;  denn 
während  es  bisher  galt,  dass  das  Maass  gebundener  CO.  etwa  um 
das  vier-  bis  sechsfache  grösser  sei  als  das  der  verdnnstbaren,  stellte 
sieh  umgekehrt  heraus,  dass  auf  10  Theile  freie  1 Theil  gebundene 
kommt.  Also  enthält  auch  das  Blut  der  Hunde  jedenfalls  nur  sehr 
wenig  kohlensaures  Natron.  — Da  aber  nach  Meyer  ein  Theil 
der  verdunstbaren  CO;  in  einer  Salzverbindung  enthalten  ist,  so 
bleibt  zur  Herstellung  einer  solchen  nur  noch  das  HO,  2NaOPO& 
übrig,  welches  nach  Fern  et  bei  Gegenwart  überschüssiger  COi 
für  je  1 Atom  Salz  2 Atome' CO;  aufnehmen  kann;  daraus  würde 
man  folgern  müssen,  dass  der  nicht  zusnmmcndrtlckbare  Antheil 
der  verdunstungsfähige»  CO;  vorzugsweise  an  den  Blutkörperchen 
hafte,  da  diese  vorzüglich  die  phosphorsauren  Natronsalze  enthalten 
sollen.  Dieser  Folgerung  sind  die  Beobachtungen  von  Fern  et**) 
über  die  freie  CO;  des  Serums  und  des  Gesammtblutes  vom  Ochsen 
nicht  günstig,  aber  sie  widerlegen  sie  auch  nicht;  denn  er  fand, 
dass  gleiche  Maasse  von  Serum  und  von  Gcsammtblut  ungefähr 
ebensoviel  CO;  im  strengen  Wortsinn  absorbiren,  wie  das  Wasser; 
der  anderweitig  gebundene  Antheil  der  freien  CO;  war  im  Gesammt- 
blut  nur  um  ein  weniges  grösser  als  im  Serum.  — 3)  Das  Ge- 
sammthlut  enthält  etwas  mehr  N-Gns  als  ein  gleich  grosses  Wasser- 
volum absorbiren  kann. 

Nach  den  Beobachtungen  von  Setschenow  gewinnt  man 
aus  100  Theilen  arteriellen  Hundebluts  im  Mittel  Vol.  0 = 15,73; 
Vol.  N = 1,19;  Vol.  freie  CO;  = 29,46;  Vol.  gebundene  CO;  = 2,43. 
Die  Gase  sind  auf  0°  nnd  1 Meter  Hg-Druck  berechnet. 

*)  Wiener  HiuuauiberiehU  XXXVI.  SM. 

Annalen  «le»  aclcaee»  naturelles.  Tom.  VIII.  1857.  ^ 


Mothode  der  Gasgewinnung  von  C.  Ludwig. 


477 


Nach  Fern  et  bedürfen  100  Theile  gasfreien  Serams  oder  Bluts 
des  Kindes  folgende  Gasmengen  zur  vollen  Sättigung: 


0 C02  N 

absorbirt,  anderw.  gbdn.  absorbirt,  anderw.  gbdn. 


Temperatur  ......  1(5,8"  C.  16,0"  C.  15,8«  C. 

Serum 2,9  0,1  98,9  47,1  1,41 

Blut 2,9  9,5  96,4  49,1  — 


Die  Gase  sind  auf  760  Millimeter  Druck  und  0"  C.  berechnet. 
Nach  Setschenow  absorbiren  100  Theile  gasfreien  Bluts  des 
Bundes  18,87  Vol.  O. 


Da«  Verfahren,  welches  Setschenow  benutzte,  um  .aus  dem  frischen  Blut  die 
Gase  zu  gewinnen,  gründet  sich  auf  die  Anwendung  der  Torizelli’achen  Leere;  der 
Apparat  ist  vop  C.  Ludwig  construirt;  er  ist 

schematisch  in  Fig.  58  dargcstellt.  Kr  besteht  ^8. 

au»  einem  U-förmigen  lluhr  A B 2),  welches  bei 
A B C D offen  ist.  Auf  dio  üeffnüng  bei  A ist 
ein  durch  eine  Klemme  vcrschlicssbares  Kautschuk- 
rohr gesetzt;  aus  B geht  hervor  ein  senkrechtes, 
über  800  MM.  langes  Glasrohr  B F,  dessen  untere 
Mündung  F ebenfalls  mit  einem  vcrschlieasbaren 
Kautschukrohr  versehen  ist;  das  Ende  F taucht 
in  ein  mit  Quecksilber  gefülltes  (Je  fass.  An  der 
Ocffnung  C sitzt  mittelst  Kautschuk  der  Blut- 
bchaltcr.  Auch  diese  Kautschukverbindung  ist 
durch  eine  Klemme  verschliessbar.  Auf  der  Mün- 
dung I)  endlich  sitzt  mittelst  Kautschuk  und 
Klemme  ein  oben  geschlossenes  und  graduirtes 
Maassrohr.  Zur  Ausführung  des  Versuchs  wird 
auerst  das  Blutgefäss  gefüllt,  und  zwar  aus  der 
Ader  des  Thieres  unter  Quecksilber  mit  Ausschluss 
aller  Luft;  nachdem  sein  Kautschukansatz  unter 
Quecksilber  durch  die  Klemme  geschlossen  ist, 
wird  es  an  C gesetzt  Darauf  werden  alle  Rohre 
mit  luftfreiem  Quecksilber  gefüllt,  während  die 
Klemme  bei  F geschlossen  ist,  und  hierauf  werden 
alle  andern  Klemmen  geschlosson  und  die  bei  F 
unter  Quecksilber  geöffnet.  Indem  dieses  letztere 
ausfliesst,  entsteht  zwischen  C und  2)  ein  luftleerer 
Raum ; ist  das  Quecksilber  unter  die  Mündung  C 
gelangt,  so  wird  F wieder  geschlossen  und  die 
Klemme  bei  C geöffnet  und  das  Blut  in  einem 
Wasserbad  von  40°  bis  50°  C.  erwärmt.  Augen- 
blicklich kocht  das  Blut  in  dem  luftleeren  Raume. 

Hat  man  dieses  Kochen  einige  Zeit  unterhalten, 
so  schliesst  mun  wieder  C,  füllt  durch  A Queck- 
silber nach  und  presst  somit  das  in  dem  Raume 


ßiailiieiby  Google 


478  Verfinderwigcn  der  Absorptionsfähigkeit  des  Blutes. 

C I)  enthaltene  Gas  zusammen.  Wenn  es  nahezu  auf  die  normale  barometrische  Span- 
nung gekommen,  öffnet  man  die  Klemme  bei  D,  worauf  das  Gas  in  das  ßammelrohr 
£ Übertritt.  Nachdem  man  I)  geschlossen , wiederholt  man  den  Versuch,  und  zwar  so 
oft,  bis  man  aus  dem  Blut  keine  Luft  mehr  erhalten  kann. 

Fern  et  nimmt  an,  dass  das  Ton  ihm  zu  Absorptionsbeobachtungen  benutzte  Blut 
an  Prozenten  enthalten  habe : 0,25  NaO  CO*  und  0,03  2 NaO  POs.  IÖ0  Theilc  auf  diese 
Weise  zusammengesetzte  Lösung  absorbiren  unabhängig  vom  Druck  47,1  Vol.  COt,  was 
nahe  zusammentrifft  mit  der  von  ihm  am  Serum  wirklich  beobachteten  Zahl ; diese 
Unterstellung  gilt  aber  nicht  für  das  von  Sotschenow  untersuchte  Blut , welches 
seiner  geringen  Menge  fixirter  COi  nach  noch  nicht  0,01  pCL  Na  CO*  enthalten  konnte. 
Da  das  Blutserum  ebenfalls  ein  wenig  0 unabhängig  vom  Druck  absorbirt,  was  eine 
Lösung  der  Blutsalze  nicht  thut,  so  glaubt  F er  net  den  Eiweisskörpern  des  Serums 
eine  Verwandtschaft  zum  Sauerstoff  zuschreiben  zu  müssen.  War  das  von  ihm  an- 
gewendeto  Serum  frei  von  Blut-  und  Lyraphkörperchen?  — Auf  die  abweichende 
Eigenschaft  des  Blutes , so  viel  COt  und  0 im  wahren  Wortsinn  zu  absorbiren , ist 
besonders  aufmerksam  zu  machen.  100  Vol.  Th.  Blut  (von  1055  spez.  Gew.  und  80  pCt. 
Wasser)  enthalten  nur  etwa  84  Vol.  Th.  Wasser  und  absorbiren  doch  so  viel  wie  100  Th. 
Wasser;  entweder  erhöhen  also  die  Eiweisskörper  den  ^baorptionscoeffizienten  des  Wassers, 
oder  sie  verhalten  sich  im  flüssigen  Zustande  selbst  wie  Wasser.  — Die  NaCl-Aende- 
rungen , welche  dem  gesunden  Blut  eigen  sind,  scheinen  keinen  Einfluss  auf  die 
Abs9rption  zu  üben,  was  trotz  der  gegen theiligen  Versicherungen  aus  Ferne t’a 
Beobachtungen  horvorzugehen  scheint. 

Ganz  besonders  müsste  noch  untersucht  werden,  wie  sich  die  Geschwindigkeit, 
mit  welcher  die  COt  d^g  Blut  verlässt,  änderte  mit  dem  variablen  Unterschied  der  im 
Blut  absorbirten  und  der  in  der  darüber  stehenden  Luft  enthaltenen  OOt-Mcnge. 
Namentlich  wäre  es  wissenswürdig,  wie  tief  der  COt-Drock  der  Umgebung  gesunken 
sein  muss,  bis  die  vom  phosphorsauren  Natron  aufgenommene  COt  entlassen  werden  kann. 

Untersuchungen  über  Veränderungen  der  Absorptionsfähigkeit 
und  ihren  Einfluss  auf  die  Athmnng  liegen  nicht  vor.  — Voraussicht- 
lich wird  mit  der  Abnahme  der  rothen  Körperchen  der  Sauerstoff- 
austauseh  beschränkt  (Aderlass,  Bleichsucht,  Leukämie?).  — Da 
das  Serum  zwischen  dem  Sauerstoff  der  Gewebe  oder  dem 
der  Luft  und  demjenigen  der  Blutkörperchen  den  Vermittler  spielt, 
so  müssen  Veränderungen  in  seiner  Zusammensetzung,  welche  die 
Aufnahme  des  Sauerstoffs  beeinflussen,  auch  die  Geschwindigkeit 
fernerer  Uebertragung  von  und  zu  den  Körperchen  bestimmen.  — 
Für  den  Austausch  der  CO2  dürfte  ihr  in  der  Flüssigkeit  gelöster 
Antbeil  genügen,  und  noch  mehr,  er  dürfte  sich  allein  an  demselben 
betheiligen-  Einen  teleologischen  Beweis  könnte  man  dafür  finden 
wollen  in  der  Leichtigkeit,  mit  welcher  das  Na02CG2  und  2NaOPOs 
in  den  Harn  übergehen ; noch  mehr  dürfte  die  Ueberlegung  wiegon, 
dass  die  an  die  Salze  gebundene  CO2  erst  dann  austretefi  kann, 
wenn  die  leichter  gebundene  und  absorbirte  erschöpft  ist;  das 
wird  aber  niemals  eintreten.  Von  Wichtigkeit  für  die  innere  Ath- 


— ■ - > • •*»  - bj  im 


r~ ' 


Beionderc  Athemwerkieuire ; Lungcn»thmting ; Lttftnngsuwkrooge.  479 

mimg  können  die  Salzverbindungen  dann  werden,  wenn  plötzlich 
viel  COs  entsteht.  Dann  entlasten  sie  die  Gewebe  von  der  freiem 
chemisch  wirksamem  COs. 

Besondere  Athem Werkzeuge. 

Rttcksichtlich  des  in  den  Vordergrund  gestellten  Gasaustausehes 
scheiden  sich  die  Athemorgane  durch  die  Ausbreitung  der  Berüh- 
rungsflächen zwischen  Luft  und  Blut,  durch  die  chemische  Zu- 
sammensetzung und  die  Mächtigkeit  der  flüssigen  Schicht,  welche 
das  Blut,  resp.  dessen  Kiirperchen  von  der  Luft  trennt,  und  end- 
lich durch  die  Geschwindigkeit  des  Blut-  und  Luftwechsels  in  den 
Aihemfläehen. 

A.  Lungenathmung. 

Die  an  ihr  betheiligten  Werkzeuge  zerfallen  wir  in  lüftende 
und  luftverändemde;  zu  den  ersteren  gehören  Brust-  und  Banch- 
wandungen,  Nase,  Mundöffnung,  Kehlkopf,  Luftröhre  bis  in  ihre 
feinsten  Verzweigungen.  Zu  den  letzteren  zählen  wir  die  Häute 
der  Lungenbläschen  und  der  Blutgefässe,  welche  auf  und  in  den 
letztem  liegen,  und  die  Flüssigkeiten,  welche  diese  Häute  dnrch- 
tränken  oder  von  diesen  umschlossen  sind. 

Lü  ft  ungs  Werkzeuge. 

Da  wir  schon  zu  wiederholten  Malen  auf  diese  Organe  die 
Aufmerksamkeit  gelenkt  haben,  so  heben  wir  hier  nur  noch  die 
Beziehungen  derselben  zum  Luftstrom  in  den  Lungen  hervor. 

1.  Ueber  die  Mittel,  welche  den  Luftstrom  erzeugen*).  Der 
Luftwechsel  innerhalb  der  Lungen  wird  dadurch  bewerkstelligt , dass 
die  Wandungen  des  Brustkastens,  indem  sie  sich  ausdehnen  und 
znsammcnziehen , das  Volum  der  Brusthöhle  mindern  (Exspiration) 
oder  mehren  (Inspiration).  — Bei  dem  gesunden  Menschen  ist  aber 
jede  Veränderung  in  dem  Durchmesser  der  Brust  gleichbedeutend 
mit  derjenigen  der  Lungenböhle,  weil  die  äussem  Oberflächen  der 
leicht  ausdehnbaren  Lungen  innig  angeschlossen  sind  an  die  innem 
Flächen  der  Brustwand  und  den  Bewegungen  dieser  Folge  leisten 
müssen.  Da  dieser  Anschluss  aber  nur  so  lange  besteht,  als  die 
Pleurahöhle  luftleer  ist,  so  kann  er  nur  abhängig  sein  von  dem 
Druck,  welchen  die  Luft  in  dem  Binnenraum  der  Lunge  gegen  die 


•)  Traube,  lo  dessen  Beiträgen  zur  experimental.  Pathologie.  1846.  91.—  Hutchinson, 
Cyclopaedla  by  Todd.  IV.  Bd.  Thorax.  — Beau  et  Malis  int,  Archiv.  gdner.  D6c.  1842.  — 
Meissner,  dessen  Jahresbericht  für  1866.  p.  486  (Helmholta)  und  Air  1867.  601.—  8 r b , 
Wiener  med.  Wochenschrift.  Januar  1869.  — He  nie,  Anatomie  dos  Menschen  etc.  Braunschweig 
1866 — 68.  — Arnold,  Physiologische  Anstalt  zu  Heidelberg.  1869.  146. 


Digitized  by  Google 


480 


Einziehung  der  Luft  in  die  Lange. 


ausdehnbaren  Lungeulmute  ausübt,  ein  Driiok,  der  im  normalen 
Zustand  kein  Gegengewicht  in  dem  Pleurasack  findet.  Demnach 
können  wir  bis  auf  Weiteres  fingiien,  die  äuseern  Lungen-  und 
die  innern  Brustflächcn  seien  mit  einander  verwachsen , welches  zu- 
dem oft  genug  wirklich  vorkommt.  Unter  dieser  Voraussetzung 
leuchtet  ein , dass  bei  einer  jeden  Erweiterung  der  Brusthöhle  ein 
Luftstrom  in  die  Lungen  gehen  muss,  so  lange  ihr  Hohlraum  und 
die  Atmosphäre  in  offener  Verbindung  stehen.  Denn  mit  der  Er- 
weiterung der  Brusthöhle  wird  auch  die  in  ihr  enthaltene  Luft  ver- 
dünnt, so  dass  sie  nicht  mehr  im  Stande  ist,  dem  Druck  der  at- 
mosphärischen das  Gleichgewicht  zu  halten;  der  Strom  wird  also 
so  lange  andauern,  bis  die  Spannung  der  Luft  inner  - und  ausser- 
halb der  Lungen  wieder  gleich  geworden  ist.  Umgekehrt  muss 
aber  ein  Luftstrom  aus  den  Lungen  dringen,  wenn  der  Brnstramn 
verengert  wird.  Es  ist,  wie  man  danach  sieht,  der  Apparat  zur 
Einleitung  des  Luftwechsels  ganz  nach'  dem  Grundsätze  eines  ge- 
wöhnlichen Blasebalgs  gebaut. 

Zu  den  Umständen,  welche  den  Brustkasten  erweiteru,  also  die  Ein- 
athmung  einleiten,  gehören  die  Zusammenziehungen  des  Zwerchfells,  der 
mm.  scaleni,  intercostales  extemi,  beziehungsweise  intern!,  levatores  co- 
starnm,  serrati  postici  superiorcs,  sternocleidomastoidei,  pectorales  mi- 
nores,  serrati  antici  majores  (?),  und  endlich  der  Wirbelsäulstrecker.  — 
a)  Die  Wirbelsäulstrecker  sind , wenn  mau  sich  so  ausdrücken  darf, 
weniger  von  direkter  als  indirekter  Bedeutung;  eine  Streckung  und 
Beugung  der  Wirbelsäule  ändert  zwar,  aber  keineswegs  in  einer 
hervorragenden  Weise  die  Räumlichkeiten  der  Brusthöhle;  sie  üben 
dagegen  einen  bedeutenden  Einfluss  auf  den  Umfang,  den  die  Be- 
wegungen der  Rippen  gewinnen  können.  Nach  Hutchinson 
ist  bei  gestreckter  Wirbelsäule  das  Luftvolum,  welches  durch  eiu 
Maximum  der  Brusterweiterung  und  Verengerung  eingozogen  und 
ausgestossen  werden  kann,  am  grössten  und  in  der  That  strecken 
wir.  nns  auch  unwillkührlich,  wenn  wir  möglichst  tief  einatliinen 
wollen.  — b)  Bei  der  Zusammenziehung  des  Zwerchfells  flachen 
sich  die  gewöhnlich  an  den  Rippen  unmittelbar  anliegenden  (Don- 
ders)  rotheu  Seitentheile  des  Zwercbfellgewölbes  ab  und  steigen 
in  die  Bauchhöhle  hinunter,  während  die  mit  dem  Herzen  in  Ver- 
bindung stehenden  Abschnitte  des  centr.  tendinenm  ihfe  Lagen  be- 
haupten (Hyrtl).  — Der  Bogen,  den  ein  von  rechts  nach  links 
durch  das  Zwerchfell  geführter  Schnitt  während  der  Ruhe  desselben 
darstellt , flacht  sich  also  ab  und  nähert  sich  einem  Winkel , dessen 


Digitized  by  Google 


* • r 


Einziehung  der  Luft ; Wirkung  der  m.  intercostales. 


48l 


abgestumpfte  Spitze  unter  dem  Herzen  liegt.  Der  Brustraum  wird 
demnach  dadurch  erweitert,  dass  er  sich  an  seinem  breitesten 
Theil  verlängert.  — c)  Um  die  Wirkung  der  viel  besprochenen 
m.  intercostales  ersichtlich  zu  machen,  ist  es  noth wendig  sich  zu 
erinnern,  dass  die  Rippe  sieh  nur  um  eine  annähernd  horizontale 
Achse  drehen  kann , welche  von  innen  und  vom  schief  nach  hinten 
und  aussen  läuft;  die  Richtung  derselben  ändert  sich  von  Rippe 
zn  Rippe  und  zwar  so,  dass  der  Winkel,  den  sie  mit  der  Stimebene 
bildet,  um  so  spitzer  ist,  je  höher  die  Rippe  liegt,  so  dass  er  sich 
an  den  untern  einem  rechten  nähert.  Daraus  folgt,  dass,  wenn 
die  Rippe  sich  aus  ihrer  gesenkten  Lage  erhebt,  sich  zugleich 
jeder  Ihrer  Punkte  nach  aussen  bewegt,  und  dass  für  gleichen 
Hebungswinkel  die  Auswärtsbeugung  um  so  grösser  sein  wird,  je 
tiefer  unten  die  bewegte  Rippe  liegt.  Erfahrungsgemäss  werden 
die  Rippen  bei  der  Einathmung  gehoben,  und  zwarnur  so  weit, 
dass  jeder  Zwischenrippenramn  sich  vergrössert,  hiezu  wirken, 
wie  ebenfalls  die  Erfahrung  lehrt,  die  Intercostalmuskeln  ins- 
besondere bei  kräftigen  AthemzUgen  mit.  — Insoweit  aber  das 
Heben  von  den  m.  intercostales-  ausgefiihrt  werden  soll,  kann  es 
nur  geschehen  an  den  knöchernen  Rippentheilen  durch  die  inter- 
costales externi  und  an  den  knorpeligen  durch  die  intercostales 
interni  (Hamberger). 


Um  dieses  einzusehen,  betrachte  man  Fig.  59  eine  beliebige  Intercostalfaser 
a e als  Diagonale  eines  Parallelogramms,  dessen  Seiten  gegeben  sind  durch  die 
Rippenstücke  a b und  d c, 
die  nämlich,  welche  abge- 
schnitten  werden  dürch  die 

geraden  a d und  b cf  wol-  ' y ,.£\ 

che  vom  obern,  reap.  untern  ■ i 

Ansatzpunkt  der  Fasern  aus-  / f ^ 

gehen.  Gesetzt  nun,  es  seien  a/  ^ C 

die  Rippen  a b und  d e 

in  der  gesenkten  (ruhenden),  ^ \//\  \\ 4 - ^ 

a f und  e g in  der  er-  / 1 

hoben en  Lage,  so  ergiebt  so-  / /\\  | / y^  - jrfv'X  , 

gleich  die  Anschauung,  dass  ,’ki  v. „ \ 

die  der  Richtung  a c entspre-  y \ ^ / 

chende  Diagonale  sich  verkürzt,  j\  \v  ^ y \ Jk, 

und  die  entgegengesetzte  sich 
verlängert  hat.  — Da  nun 

aber  bekanntermaassen  der  Muskel,  wenn  er  sich  zusammenzieht , seine  Ansatzpunkte 
nur  nähern  kann,  so  wird  der  musc.  extern,  die  Rippen  nur  erheben,  der  rausc. 
intern,  aber,  so  weit  er  auf  dem  knöchernen  Rippentheil  entspringt,  die  Rippe  nur 

Ludwig,  Phj »iologl«  11.  8.  Auflage.  31 


Oigilized  by  Google 


482  Gleichzeitige  Zusammenziehung  der  mm.  intercoM.  intemi  und  ertemi. 

senken  können.  — Die  zuletzt  genannte  Muflkelabtheilung  würdenur  dann  hebend  wirken 
können , wenn , wie  Meissner  vorauaaetzt , sich  während  der  Drehung  der  untere 
Ansatzpunkt  des  m.  intereost.  intern,  vor  den  obern  schöbe,  so  dass  er  in  der  That 
den  Verlauf  eines  extern,  an  nähme. 

Eine  andere  Frage  ist  die,  ob  sich  während  der  Einathmung 
die  au  den  knöchernen  Kippen  vorhandenen  m.  intercostales  externi 
nicht  ebenfalls  zusammenziehen,  und  welcher  Erfolg  daraus  hervor- 
gehe.  Das  Bestehen  der  Zusammenziehung  hat  man  aus  verschie- 
denen Grilnden  behauptet.  Def  vornehmste  darunter  ist  hergenommen 
aus  der  Beobachtung,  dass  sieh  bei  der  Einathmung  die  Zwischen- 
rippenräume nicht  gegen  die  Brusthöhle  einziehen  (?).  Dieses 
müssten  sie  aber,  wenn  ihre  Wände  nicht  gesteift  wären;  ftiit  Er- 
folg kann  diese  Steilung  aber  nur  durch  die  gleichzeitige  Zusammen- 
ziehung der  Faserkreuzung  (der  musc.  externi  und  intemi)  ge- 
schehen (Henle).  Die  Annahme,  dass  die  Steifung  wirklich  auf 
die  genannte  Weise  stattfindet,  erhält  ihre  Bekräftigung  dadurch, 
dass  die  senkend  wirkenden  intercostales  da  fehlen,  wo  andere 
Muskeln  die  Brustwand  verstärken  , und  dass  sie  gleichzeitig  mit 
den  m.  externi,  und  zwar  beide  ip  kräftiger  Ausbildung,  gefunden 
werden  in  den  häufig  vorkommenden  Rippenfenstem , welche,  weil 
sie  rings  von  Knochen  umgeben  sind,  gar  keine  Veränderung  ihres 
Durchmessers  zulassen.  Wären  die  Muskeln  während  des  Lebens 
dort  nicht  öfter  in  wirksame  Zusammenziehung  versetzt,  so  wären 
sie  wohl  atrophirt  (8rb). 

Ziehen  sich  die  mm.  intercostales  intern. , welche  von  den  knöchernen  Kippen 
entspringen,  gleichzeitig  mit  den  in.  extern,  zusammen,  so  müssen  sie  die  hebende 
Wirkung  der  letztem  mindern.  Dieser  nicht  wegzuläugnende  Widerspruch  sollte  da- 
durch gemildert  werden , dass  man  annahm , es  werde  jede  Kippe  nicht  durch  die  ihr 
zukommenden,  sondern  durch  die  der  nächst  höher  gelegenen  Kippen,  und  an  letzter 
Stelle  durch  die  m.  scaleni  gehoben  (Me  issn er).  Diese  Annahme  ist  widerlegt  durch 
die  bekannte  Erfahrung , dass  sich  die  unteren  Kippen  noch  heben , wenn  sie  durch 
einen  Querschnitt  der  Brust  ron  den  höheren  getrennt  sind. — Arnold  hat  beobachtet, 
dass  sich  bei  Hunden  und  Kaninchen  einzelne  Zwischenripponräumc  während  der  Ein- 
athmung  verengern.  Hier  waren  also  sicher  die  mm.  intemi  gleichzeitig  in  Thätigkeit. 

Aus  dem  Vorhergehenden  versteht  es  sich  von  selbst,  dass 
der  untere  Rand  der  erhobenen  Rippe  sich  weiter  nach  vorn 
stellen  muss,  und  nicht  minder,  dass  bei  tiefer  Inspiration  die 
unteren  Rippen  stark  nach  auswärts  treten  müssen.  Für  das 
Gewinnen  von  Raum  lenehtet  es  als  Vortheil  ein,  dass  der  Bmst- 
theil,  welcher  durch  das  Zwerchfell  Verlängert,  zugleich  durch  die 
Rippen  ansehnlich  verbreitert  werden  kann.  Dass  diese  letztere 


4 


Ausstnssung  der  Luft;  Elaatiaität  der  Lungen. 


4*3 


Erscheinung  aut'  einer  Eigenschaft  der  Hippenbewegung  an  und 
ftir  sich  und  nicht  von  den  durch  das  Zwerchfell  gepressten  Ein- 
geweideu  abhängt,  ergieht  sich  daraus,  dass  sie  auch  nach  geöffneter 
Unterleibshöble  beobachtet  wird  (Duchenne).  — d)  M.  scaJeni, 
leratores  costarum,  serratus  posticus,  sternocleidomastoideus  wirken 
nach  bekannter  Weise.  — e)  Die  Kumpfschulterblatt-  nnd  Kumpf- 
armmuskeln  können  erst  nach  Feststellung  des  Schulterblattes  und 
Armes  für  die  Auseinanderziehung  des  Thorax  wirksam  werden; 
man  könnte  darum  geneigt  sein,  ihnen  hierbei  eine  Holle  zu  übertragen, 
weil  wir  bei  tiefeu  und  namentlich  krampfhaften  Inspirationen  Arm  und 
Schulterblatt  durch  Anstemmen  des  Arms  feststellen.  Aber  auch 
dann  sollen,  wie  der  Verlauf  beweist,  nur  die  drei  obem  Zacken 
des  serratus  anticus  major  rippenhebend  wirken  können  (Cöster). 
Am  ruhigen  Einathraen  betheiligen  sich  die  genannten  Muskeln 
gewiss  nicht. 

Die  Zusammenpressung  der  Brusthöhle  wird  bedingt  durch  die 
elastischen  Kräfte  der  Brust-,  der  Lungen-  oder  Bauchwand  und 
des  Darminhalts  und  durch  die  Zusammcnziehnngen  der  mm.  inter- 
costales  intemi,  so  weit  sie  vom  Knochen  entspringen,  mm.  trans- 
versns  und  obliqui  abdominis,  serrati  postici  inferiores,  sternocostalis 
und  der  Beuger  der  Wirbelsäule,  vor  Allem  des  rectus  abdominis.  — 
a)  Schon  früher  (p.  144)  wurde  erwähnt,  dass  die  Wandungen  der 
lebenden  Lungen  durch  den  auf  ihre  inneren  Flächen  wirkenden  Luft-  ■ 
druck  immer  ausgedehnt  sind.  Dieses  wird  einfach  dadurch  bewiesen, 
dass  die  Lungen  auf  einen  kleineren  Umfang  zusammen  fallen , wenn  . 
man  während  des  Lebens  oder  kurz  nach  dem  Tode  den  Luft- 
druck auf  den  beiden  Wandflächen  gleich  macht,  z.  B.  dadurch, 
dass  man,  während  die  Stimmritze  offen  steht,  den  Pleurasack 
dem  Luftzutritt  bloslegt.  Die  Spannung,  welche  die  ausgedehnte 
Lungenwand  der  in  ihr  vorhandenen  Luft  mittheilcn  kann,  wenn 
man  die  Trachea  luftdicht  geschlossen  und  die  äussere  Lungenfläche 
dem  Zutritt  der  Luft  geöffnet,  ist  veränderlich  mit  dem  Elastizitäts- 
coöftizienten  der  Wandung,  den  Zuständen  der  kleinen  Lungen- 
muskeln und  der  Ausdehnung  der  Lunge  (Carson,  Donders). 

Don-ders*)  maaiw  die  Spannung  der  Lnngenluft  (die  Federkraft  der  Lungen- 
wand)  dadurch , dass  er  in  die  Luftröhre  einer  sonst  unversehrten  Leiche  ein  ge- 
bogenes, mit  Quecksilber  gefülltes  Manometer  einsetzte  und  dann  die  Pleurahöhle 
durch  Anschneidon  eines  Intercostalraums  öffnete,  ln  diesem  Fall,  wo  sich  die  Lunge 


ITsndleldlng.  0.  Bd.  393. 

31* 


. ..  Qigitized J^y  Google 


484  9 AuMtoMang  der  Luft;  Eltttizttkt  der  Brustwand. 

im  Zustande  einer  tiefsten  Exspiration,  aUo  in  der  geringsten  Ausdehnung  fand,  die 
sie  während  des  Lebens  einninuut,  trieb  sis  das  11g  in  deui  Manometer  um  t>  MM.  in 
die  Höhe.  Als  die  Lunge  durauf  annähernd  bis  zu  dem  Umfang  aufgeblasen  wurde, 
der  ihr  während  der  Inspiration  zukotnmt,  hielt  die  durch  die  Wand  erzeugte  Span- 
nung der  Lungenluft  30  MM.  Hg  das  Gleichgewicht. 

An»  dieser  Thatsacbc  geht  hervor,  dass  die  elastischen  Ge- 
bilde des  Lungengewebes  der  Inspiration  eine  Hemmung  entgegen- 
setzen und  die  Exspiration  befördern.  — b)  Die  Wände  der  Brust 
besitzen  (1.  Band  512)  wegen  der  Steifigkeit  und  liefe» tigungsart 
der  Kippen  eine  bestimmte  Gleichgewiehtslage,  in  die  sie  immer 
wieder  zurllckzukehren  streben,  gleiehgiltig  nach  welcher  Richtung 
hin  sie  auch  daraus  entfernt  wurden.  Durch  diese  elastischen 
Kräfte  sind  sie  befähigt,  die  Ausatbiuung  zu  hemmen  und  fördern. 
Das  ersterc,  wenn  der  Brustkasten  durch  eine  energische  Wirkung 
der  Ausatliwungsimiskeln  auf  ein  geringeres  Volum  zusamtuengepresst 
werden  soll,  als  er  es  vermöge  seiner  elastischen  Kräfte  einnehmen 
würde;  der  Widerstand,  den  die  Brustwandung  der  Zusaminen- 
ziehung  der  Muskeln  entgegensetzt,  wächst  mit  der  steigenden 
Verengung  der  Brusthöhle  so  rascli , dass  er  für  jene  bald  unüber- 
windlich wird.  Die  Elastizität  des  Brustkastens  hemmt  dagegen 
die  Einattmiung  und  befördert  also  die  Exspiration , jedesmal  wenn 
diesselbe  von  der  Gleichgewichtslage  an  ausgedehnt  werden  soll. 
Dieser  Widerstand  wächst  ebenfalls  rasch  mit  der  steigenden  Aus- 
dehnung der  Brusthöhle.  Die  durch  die  Inspiration  bedingte  Span- 
nung der  Wandung'  führt  also,  wenn  die  Zusammeuziehung  der 
Einathmungsmuskcln  nachlässt,  die  Exspirationsbevvegnngen  aus.  — 
c)  Die  Baucheingeweide  sind  innerhalb  ihrer  elastischen  Decken 
(Haut,  Muskeln,  Fascien,  Kippen)  mit  einer  gewissen  Spannung 
eingesehlossen,  welche  variirt  mit  den  Eigenschaften  dieser  Decken, 
mit  der  Menge  und  Art  des  (festen,  flüssigen,  gasförmigen)  Darm- 
iuhaltes.  Da  Brust-  und  Bauchhöhle  nur  durch  eine  leicht  beweg- 
liche, sehr  ausgedehnte  Scheidewand  (diaphragma)  von  einander 
getrennt  sind , so  muss  der  jeweilige  Spanuungsgrad  in  der  Bauch- 
höhle sich  gegen  die  Brusthöhle  hin  geltend  machen,  und  es  wird 
das  Zwerchfell  so  weit  gegen  die  Brusthöhle  emporsteigen,  bis  die 
rückwirkende  Spannung,  welche  sich-iu  seiner  Substanz  entwickelt, 
gleich  ist  derjenigen,  die  den  Baucheingeweiden  zukommt.  Daraus 
folgt,  dass  die  Anfüllung  der  Unterleibshöhie  und  die  Zustände 
ihrer  Wandung  bestimmend  wirken  auf  die  Ausdehnung  des  Brust- 
raums während  der  Ruhe  der  äussem  Brustwand  und  des  Zwerch- 


Ausstreuung  der  Luft;  Loitungsröhrrn  fllr  den  Luftetrom  in  die  Lunge.  485 


felis,  indem  da»  letztere  hei  gefüllten  Eingeweiden,  in  der  Schwanger- 
schaft n.  8.  f.  höher  emporsteigt , nnd  insofern  als  die  Inspiration» 
welche  durch  das  Zwerchfell  ansgcfttbrt  wird,  an  der  Spannung 
der  Baucheingeweide  eine  Hemmung  erleidet,  während  der  Rück- 
gang des  diaphragma  nach  der  Exspirationsstellung  bin  hierdurch 
unterstützt  wird.  — d)  Die  Wirkungen  der  aufgezählten  Muskeln 
setzen  wir  als  bekannt  voraus.  Wir  erlauben  uns  nur  daran  zu 
erinnern , dass  der  m.  transversus  abdominis  ein  wahrer  Antagonist 
des  Zwerchfells  ist,  welcher  ohne  irgend  eine  andere  Nebenwirkung  den 
Bauchinhalt  znsammenpresst  und  damit  das  Zwerchfell  empordrängt. 

2.  Leitungsröhren  für  den  Luftstrom  in  die  Lunge.  Die  Luft 
dringt  aus  der  Atmosphäre  nicht  unmittelbar  in  die  Lunge,  sondern 
ans  der  letztem  zunächst  in  ein  Rohr  (Trachea),  das  mit  zwei 
MUndnngen  (durch  Mnnd  und  Nase)  in  das  Freie  nnd  mit  sehr 
zahlreichen  Aesten  in  die  Lungenenden  übergeht.  — Alle  Abthei- 
lnngen  dieses  Rohres  sind  hinreichend  gesteift,  um  nicht  durch 
einen  Unterschied  des  Luftdrucks  auf  ihrer  änssem  oder  inncra  Seite, 
wie  ihn  der  Athemstrom  erzengen  kann,  zusammengedruckt  zn 
werden.  An  der  weicheren  Nase  ist  die  Scheidewand  anfgestellt, 
an  die  sich  jederseits  ein  spiraliger  Knorpel  legt,  und  hinter  diesem 
■folgt  der  Knochen.  Wird  die  Mundhöhle  als  Atbemöffnung  benutzt, 
so  steifen  sich  durch  die  Contraktion  des  m.  orbicularis  die  Lippth- 
ränder,  oder  sie  werden  auch  unter  und  Uber  die  Zahnränder  ge- 
führt. — Die  knorpeligen  Halbringe  der  Luftröhre  greifen  weit  ge- 
nug, uni  den  Theil  der  letzteren,  welcher  nicht  schon  von  der 
Wirbelsäule  geschützt  ist,  zu  festigen,  und  die  Knorpelplättchen  in 
den  Bronchien  dienen  dazu,  dass  die  Drücke  der  Bmstwand  die 
Röhre  gar  nicht  oder  mindestens  nicht  auf  die  Dauer  zusammen- 
drücken können;  denn  wäre  ihr  Lumen  auch  einmal  geschlossen, 
so  würde  es  beim  Nachlass  des  Drucks  durch  die  elastischen 
Knorpelplättehen  wieder  geöffnet  werden.  — Die  Muskeln,  welche 
in  das  Rohr  eingelagert  sind,  glosso-  nnd  pharyngopalatini,  levator 
und  tensor  palati,  die  grossen  und  kleinen  Kehlkopfmuskeln  n.s.w. 
sind  ihrer  Wirkung  nach  theils  schon  besprochen  (I.  Bd.  566),  theils  er- 
fahren sie  bei  dem  Artikel  Schlingen  noch  weitere  Aufmerksamkeit. 
Die  langen  Muskeln  des  Kehlkopfs,  namentlich  stemohyoidei  und 
stemothyreodei,  und  die  Muskeln  zwischen  den  Ringen  der  Trachea, 
reguliren  die  Dimensionen  nnd  die  Lage  der  letztem,  welche  ohne 
dieses  durch  häufige  Zerrungen  nach  Länge  nnd  Quere  bei  jedem 
tiefen  Atkemzug  alterirt  würden. 


- Digitized  by  Google 


486 


Verknüpfung  der  bewegenden  Elemente. 


3.  Verknüpfung  der  bewegenden  Elemente  zu  Athembewegungen. 
Bei  der  grossen  Zahl  willkührlich  erregbarer  Muskeln,  die  an  dem 
Athemapparat  angebracht  sind,  können  begreiflich  unzählige  Arten 
von  Combinationen  derselben  sowohl  unter  einander,  als  auch  mit 
den  elastischen ‘Einrichtungen  hervorgebracht  werden.  Die  Athem- 
. Werkzeuge  sind  aber  auch  un willkührlich  erfolgenden  Erregungen 
unterthan,  wie  wir  schon  früher  sahen  (I.  Bd.  212).  Da  diesen 
automatischen  Apparat  ein  genau  vorgezeichneter  Mechanismus  be- 
herrscht, so  sind  die  aus  ihm  hervorgehenden  Combinationen  be- 
schränkt. — a)  Die  unwillkürliche  Erregung  ordnet  jedesmal  die 
den  Brustkasten  bewegenden  Kräfte  so  an,  dass  auf  eine  Ein- 
ziehung der  Luft  unmittelbar  ein  Ausstossen  derselben  folgt,  und 
.dass  dann  längere  Zeit  der  Brustkasten  in  Kühe  verharrt,  welche 
die  eben  vollendete  Exspiration  von  der  folgenden  Inspiration  trennt 
Die  Einathmnng  dauert  gemeiniglich  etwas  länger  als  die  Ausath- 
mung,  und  die  Pause  nimmt  mehr  Zeit  ein  als  beide  Bewegungen 
zusammengenommen. 

Das  hier  angedeutete  Verhältnis«  zwischen  Ein-  und  Ausathmungsdauer  kann 
sich  mannichfach  ändern.  Selten  wir  von  den  willkürlich  angebrachten  Modifikationen 
ab,  so  scheint  es,  als  ob  besondere  Zustände  der  Nerven,  des  Bluts  u.  s.  w.  sich  auch 
ausprägten  durch  einen  bestimmten  Quotienten  der  Aus  - und  Einathmungszcit.  Die 
ersten  Anfänge  zur  Aufhellung  dieser  auch  wichtigen  Erscheinungen  geben  unter 
AÄcndung  genauer  Methoden  Yierordt*),  Q.  Ludwig,  Liebmann  und  Hegel- 
m a i e r. 

b)  Die  Zahl  der  gleichzeitig  zur  Athmnng  in  Bewegung  gesetzten 
Muskelnist  veränderlich.  In  Rücksicht  darauf  hat  man  mit  einiger, 
aber  für  praktische  Zwecke  gerechtfertigten  Willkübr  einige 
Typen  der  Athembewegnng  ausgeschieden,  das  leichte  das  tiefe 
und  das  krampfhafte  Athraen.  — «)  Beim  ruhigen 
Athmeu  ziehen  sich  während  der  Inspiration  in  den  Leituugsröhren 
' zusammen  die  Heber  des  Daumens.  Die  Stimmritze  bleibt  (bei  In- 
und  Exspiration)  weit  offen ; ihre  Mündung  wird  nur  gedeckt  durch 
den  nach  hinten  geschlagenen  Kehldeckel  (Czermak)  **).  Diese 
Stellung  scheint  nicht  die  elastische  Gleichgewichtslage  der  Stimmritze 
zu  bezeichnen , weil  nach  Durchschneidung  der  n.  vagi  die  Bänder 
zusammenfallen.  An  den  Brustwandungen  aber  zieht  sich  entweder 
nur  das  Zwerchfell,  oder  die  mm.  sealeni  und  intercostalös  zusammen. 
Die  Erweiterung  des  Brustkastens  geschieht  namentlich  bei  Männern 


*)  Archiv  flir  physlolog.  Heilkunde.  1655  und  1866.  — Hegclmaicr  (Viorordt),  Die 
Athembewegnng  bei  Himdruck.  Hcflbronn  1659, 

Der  Kehlkopfspiegel.  Lejpx.  1660.  png.  87. 


Leichtes,  tiefes,  krampfhaftes  Athmen. 


487 


durch  da«  Zwerchfell,  bei  Frauen  durch  die'  mm.  scaleni  und 
intercostales  (Traube).  Die  ausserordentliche  Wichtigkeit  des 
Zwerchfells  leuchtet  daraus  ein , dass  nach  Durchschneidung  beider 

nn.  phrenici  der  Tod  eintritt  (Budge-Eulenkamp)*).  — An  der 
ruhigen  Exspiration  hetheiiigt  sich  keine  Zusammenzichung  eines 
Muskels;  die  Entleerung  des  Brustkastens  geschieht  durch  die  • 
elastischen  Wirkungen  der  Lungen,  der  Brust-  und  Bauchwand, 
des  Darms.  Diese  Art  der  Bewegung  pflegt  die  gewöhnliche  zu 
sein , wenn  das  Blut  und  die  Luft  normale  Zusammensetzung  tragen, 
wenn  die  Berührung  zwischen  beiden  ungehindert  vor  sich  geht, 
wenn  die  übrigen  Partien  des  Nervensystems,  insbesondere  des 
Herzens  und  der  den  Leidenschaften  untergebenen  Hirnthcilc  in 
einem  mittleren  Grad  von  Erregung  stehen.  — (?)  Beim  tiefen 
Athmen  9 ziehen  sich  in  der  Einathung  die  bei  der  leichten  Inspi- 
ration erwähnten  Muskeln  kräftiger  zusammen,  so  dass  z.  B.-  das 
Zwerchfell,  wenn  im  erstem  Falle  gewöhnlich  bis  zur  6.  und  7.  Rippe,  .• 
bei  tiefer  Inspiration  bis  zur  11.  hinuntergeht,  wobei  sich  das 
Gaumensegel  hoch  hebt  und  die  Stimmritze  weit  öffnet  u.  s.  w. 
Ausserdem  treten  noch  hinzu  in  den  Leitungsröhren  die  Zusammen- 
ziehungen der  levatores  alae  nasi,  öfter  auch  der  arytaenoidei  po- 
stici  bei  der  Einathmung  und  der  arytaenoidei  laterales  bei  der  Aus- 
athmung,  so  dass  die  cartil.  arytaenoideae  in  ein  den  Nasenflügeln 
analoges  Hin-  und  Hergehen  geratben  (Czermak);  am  Brustkasten 
kommen  hinzu  die  levatores  costarura,  serrati  postici,  sternocleido- 
mastoidei.  Durch  die  Zusammcnziekung  der  zaldjeicken  Muskeln,  ' 
welche  den  Brustkasten  auseinander  ziehen,  wird  unter  den  Hy- 
pochondrien ftir  die  Baucheingeweide  ein  so  bedeutender  Raum  ge- 
wonnen, dass  trotz  des  herunter  steigenden  Zwerchfells  der  Bauch 
nicht  vorgetriebeu  wird,  sondern  zusammenfällt  (Hutchinson). 
Die  Unterschiede,  welche  die  leichte  Inspiration  des  Mannes  und 
der  Frau  darbot,  verschwinden  bei  der  tieferen.  — Leidenschaftliche 
oder  plötzliche  sensible  Erregungen  oder  Mangel  an  0 im  Blut  sind 
die  gewöhnlickeu  Bedingungen,  unter  denen  das  tiefe  Athmen  sich 
einstellt.  — y)  Bei  der  krampfhaften  Einathmung  treten  die  bis 
dahin  als  Einathmungsmuskeln  bezeichnet«!  in  eine  ganz  intensive 
Zusammenziehung  und  zugleich  die  hyo-  und  thyreostcrnalis , so 
dass  die  Luftröhre  weit  herunter  gezogen  und  dadurch  möglichst 
weit  wird.  Am  Brustkasten  greifen  noch  an  die  Strecker  der 

*)  Yalentiu’s  Jahresbericht  für  lt&6.  p.  130. 


Digitized  by  Google 


488 


Athemfolge. 


Wirbelsäule  und  die  RumpfsohulterblaU  - und  Rumpfarmmuskeln, 
so  dass  u.  A.  der  Arm  unwillkürlich  emporgeschleudert  wird.  Die 
Ausathmung  wird  durch  möglichst  viele  Muskeln  besorgt.  Krampf- 
haft wird  die  Athmung  bei  der  Erstiekungsnoth.  — Vergleiche  A r- 
nold*)  Uber  die  Betheiligung  verschiedener  Muskeln  an  der  tiefen 
und  leichten  Athmung  von  Hunden  und  Kaninchen. 

Der  Mechanismus  einiger  besonderer  Arten  unwillkürlicher  Athcmbewegungen : 
des  Niessens,  Hustens,  Gähnens,  Lachens,  Seufzen«,  Schluchzcns , kann  bei  einigem 
Nachdenken  leicht  abgeleitet  werden. 

4.  Athemfolge.  Die  Zahl  der  Athemzüge  in  der  Zeiteinheit 
wird  dureh  sehr  mannigfache  Umstände  geändert,  namentlich  durch 
den  Willen,  durch  Leidenschaften,  durch  Erregungszustände  des 
n.  vagus  und  der  meisten  andern  Gefilhlsnerven,  durch  Hiradnick, 
durch  die  Grösse  der  Hindernisse  flir  den  Luftsrom  in  de%  Athem- 
wegen,  die  Eigenschaften  der  Lungenwand,  die  chemische  Zu- 
sammensetzung und  die  Temperatur  der  Luft,  Art  und  Menge  der 
Nahrungsmittel,  Zustände  der  Verdanungswerkzeuge  und  Muskeln, 
Blutmenge,  Gehalt  des  Bluts  an  Körperchen,  die  Zahl  und  Stärke 
der  Herzschläge,  Tageszeiten,  Körpergrösse,  Alter,  Geschlecht  u.  s.  w. 
Alle  diese  Bedingungen  lassen  sich,  wie  es  scheint,  zusammenfassen 
unter  die  Nummern:  Seeleneinwirkungen,  Erregungszustände 

der  Gefilhlsnerven,  insbesondere  des  n.  vagus,  Gehalt  des  Bluts 
an  leicht  abscheidbaren  Gasen,  Erregbarkeit  (ErmUdungsgrad)  des 
verlängerten  Markes. 

Die  Einwirkung  jener  Bedingungen  äussert  sich  nun  entweder 
an  der  gesammten  Athembewegung  und  zwar  ebensowohl  durch 
Förderung  wie  durch  Hemmung  anderer  die  Bewegung  einleitender 
Umstände,  oder  auch  dureh  einen  Eingriff  in  die  Beweglichkeit 
nur  einzelner  an  der  Athembewegung  betheiligter  Muskeln.  — 
a)  Von  den  leicht  abscheidbaren  Blutgasen  können  nur  CO,  und 
0 berücksichtigt  werden.  Mit  dem  Sauerstoff- Gehalt  des 
Blutes  ändert  sich  die  Athembewegung  so,  dass  sie  seltener  und 
weniger  tief  wird,  wenn  das  Blut  reich  an  diesem  Gas  ist;  nimmt 
dasselbe  ab,  so  wird  der  Athem  beschleunigter  und  tiefer,  bei 
noch  weiterem  Sinken  des  0- Gehalts  wird  die  Bewegung  wieder 
seltener  und  tiefer,  und  endlich,  wenn  alles  absorbirte  O-gas  ver- 
schwindet, wird  die  Athmung  sehr  viel  seltener  und  krampfhaft 
(W.  Müller,  Setschenow).  Wird  von  da  an  kein  neues  O-Gas 


*)  Die  physiologisch«  Anstalt  ln  Heidelberg,  p.  146. 


Digitized  by  Google 


Aenderung  der  Athem folge  mit  dem  0*  und  C9»-Gehalt.  489 

zugeführt,  so  wird  die  Panse  zwischen  den  Athemzttgen  immer 
grösser  tuid  die  Bewegung  zugleich  schwächer,  bis  sie  endlich 
ganz  aufhört.  — Diese  Erscheinung  beobachtet  man  bei  der  ge- 
wöhnliehen Erstickung,  bei  sehr  reichlicher  Zuführung  von  Luft 
auf  dem  Wege  künstlicher  Respiration,  nach  Einführung  von -Hem- 
mungen in  die  Athemwege,  auch  z.  B.  nach  Lähmung  des  Recur- 
rens, Zuhalten  des  Mundes  und  der  Nasenöffmuig  (Aubcrt),  nach 
Austreibung  des  Sauerstoffs  aus  den  Blutkörperchen  durch  Kohlen- 
oxyd, bei  einer  Aendernng  des  O-Verbrauchs  in  Folge  der  vermehrten 
oder  verminderten  Nahrung,  der  gesteigerten  Wärmebildung,  leb- 
hafter Muskelbewegung.  — Die  Thatsache,  dass  auch  noch  nach 
vollkommenem  Verschwinden  des  0 aus  dem  Blut  die  Athmung 
einige  Zeit  fortdauert,  beweist,  wie  es  scheint,  die  Anwesenheit 
dieses  Gases  in  den  Flüssigkeiten  des  verlängerten  Markes  selbst. 
Die  Kohlensäure  des  Blutes  kann,  vorausgesetzt,  es  fehlt  dem 
Blute  nicht  an  Sauerstoff,  sehr  beträchtlich  anwachsen,  ohne  dass 
die  Athembewegungen  dadurch  verändert  werden;  erst  wenn  das 
Blut  fast  vollkommen  mit  CO-j  gesättigt  ist,  wird  die  Athmung 
flacher  und  seltener,  und  sie  erlischt  endlich  nnter  dem  dauernden 
Einfluss  des  so  beschaffenen  Bluts,  selbst  bei  Anwesenheit  von  viel 
0 in  der  Athmungsluft  (W.  Müller). — b)  Erregungszustand  der 
Gcfifhlsnerven*).  In  einer  besondere  Beziehung  steht  der  n.  vagus 
zu  der  Atheuibewegung.  Wird  der  Halsstaram  desselben  durch- 
schnitten, so  werden  die  Atkemzüge  tiefer  und  seltener;  die  Ver- 
langsamung ist  geringer,  wenn  ein,  bedeutender,  wenn  beide 
Nerven  verletzt  sind. 

ln  letztens  Fall  mischen  sich  erfahrungsgemäss  zwei  verlangsamende  Einflüsse  ein, 
von  denen  einer  sicher  darauf  beruht,  dass  die  Lähmung  des  n.  teourren»,  beziehungs- 
weise die  Verengerung  der  Stimmritze,  dem  Lnftetrom  ein  Hindernis«  setat;  denn  die 
Zahl  der  Zuge,  welche  nach  Durchschneidung  der  beiden  Vagi  sehr  gesunken  war, 
hebt  sich  wieder  nach  Anlegung  einer  ergiebigen  Luftröhrenfistcl,  aber  durchaus  nicht 
auf  den  Punkt,  den  sie  vor  der  Nervendurchschneidung  cinnahm.  Da  die  länger- 
dauerndc  Zurückhaltung  der  Luft  bekanntlich  mit  einem  unangenehmen  Gefühl  verbunden 
ist,  so  darf  der  zweite  Grund,  aus  dem  die  Dnrchschneidung  der  n.  vagi  die  Athem- 
folge  seltener  macht,  mit  Wahrscheinlichkeit  gesucht  werden  in  der  Beseitigung  von 
Reflexen,  welche  die  Lungenluft  durch  die  n.  vagi  auslogt;  durch  welchen  Umstand 
sie  dieses  vermag,  ist  unbekannt;  wahrscheinlich  jedoch  nicht  durch  ihren  COa-Gehalt, 
da  der  Aufenthalt  in  einer  Luft,  die  zugleich  an  0 und  CO*  reich  ist,  keine  Bcschleu.- 


•)  Llehnunn,  L e.  - Traube.  Preuss.  Vereinszeitung,  -1847.  — Helmolt,  Uefaer  die 
reflector.  Beziehung  des  n vncus  rte.  Gic**en  185«.  — Anbert  und  T/chischwitz  in  Mole- 

schott's  rntemuchunge».  111.  Bd.  275.  — Valentin',  Die  EinrtilsMi  Vier  VtigustnlimuSg.  1857. 


_ . Digjjized  by  Google 


490 


Aendertmg  der  Athemfol&e  durch  Reflexe. 


niguDp  der  Athembewegnng  nach  »ich  rieht  — Ueberlebt  da*  Thier  die  Dnrchachnei- 
dung  einige  Zeit,  so  nimmt  die  Athembewegung  offenbar  aus  andern  Gründen  einen 
bosondern  Charakter  an  (Liebmann). 

Die  elektrische  Reizung  der  centralen,  noch  mit  dem  Hirn 
verbundenen  Enden  des  durchschnittenen  n.  vagus  ist  je  nach  der 
Stärke  der  Schläge  und  der  Erregbarkeit  der  Nervenmassc  ver- 
änderlich. Während  der  Einwirkung  von  Schlägen,  die  im  Ver- 
hältniss  zur  Erregbarkeit  sehr  schwach  sind,  folgen  sich  die  Be- 
wegungen rascher  und  werden  oft  auch  tiefer;  wird  die  Reizung 
stärker,  so  steht  die  Athmung  still,  jedoch  so,  dass  das  Zwerchfell 
in  einen  dauernden  Krampf  gerätii  (Traube,  Anbert).  Wie 
sich  dabei  die  andern  Athmungsmusk ein  verhalten,  ist  Iqjder  unbekannt. 
Bei  noch  weiter  gesteigerter  Erregung  bleibt  die  Athmung  eben- 
falls stehen,  aber  nun  verharrt  das  Zwerchfell  in  der  Esspirations- 
stellung (Eekharcf,  Anbert),  oder  aneh  in  einer  solchen,  wie 
sie  einer  schwachen  Zusammenziehung  jenes  Muskels  entspricht, 
so  dass  nach  dem  Anfhiiren  der  Schläge  das  Zwerchfell  sich  bald 
nach  der  Exspirations -,  bald  aber  auch  nach  der  lnspirationslage 
hin  bewegt.  Alle  diese  Erscheinungen  kommen  sowohl  hei  ein-,  - 
Bis  doppelseitiger  Vagusreizung  vor. 

Aus  allem  Dem  kann  man  folgern , das*  der  n.  vagus  sowohl  auf  das  Organ 
wirkt,  welches  geordnete  Bewegungen  anregt,  wie  auch  auf  die  Bahnen  des  n.  phre- 
nicus  selbst.  Beide  nn.  phrenwi  müssen  immer  xngleich  jedem  Vagus  zugänglich  sein, 
da  einseitige  Heizung  der  letztem  von  doppeltseitiger  Zusammonriehung  oder  Erschlaffung 
des  Zwerchfells  gefolgt  ist,  während  einseitige  Reizung  des  n.  phrenicus  nur  die  zu- 
gehörige Zwerchfellshälfte  verkürzt  (Budge). 

Durch  Erregung  der  sensiblen  Rückenmarksnerven  und  des 
n.  quintus  kann  die  Folge  und  Tiefe  des  Athmens  verändert  werden. 

c)  Die  Erregbarkeit  des  verlängerten  Markes.  Ihrer  Veränderung 
kann  man  zuschreiben:  die  Folgen  der  Strychnin -Vergiftung,  welche 
sich  darin  zeigen,  dass  die  Brastmuskeln  in  einen  tetanischen 
Krampf  verfallen  nach  Anregungen , die  sonst  eine  geordnete  Athem- 
bewegung anslösen ; ferner  die  Vergiftung  dtfreh  Chloroform , welche 
die  Befähigung  des  verlängerten  Marks  zur  Entwicklung  von  Ath- 
mungsreitzen  vermindert  und  auch  ganz  aufhebt  Ferner  die  Ver- 
änderungen, welche  in  der  Athmung  eintreten,  nachdem  dieselben 
längere  Zeit  mit  einer  bestimmten  Beschleunigung  und  Tiefe  aus- 
geftthrt  wurden,  mit  einem  Wort  die  Erholung  und  Ermüdung  der 
reizerzeugenden  Einrichtungen.  Aach  ist  es  vielleicht  hier  nicht 
mehr  gewagt,  wie  atn  Herzen,  wenn  man  annimmt,  dass  in  der 


f.  . 


Aendermng  dar  Athcm  folge  durch  di«  med.  oblong,  und  den  Willen.  491 

Zeiteinheit  mir  eine  gewisse  Summe  von  reizender  Kraft  entwickelt 
werde,  die  entweder  verwandt  werden  kann  zu  einer  grossem 
Zahl  von  flachen  oder  zu  einer  kleinern  von  tiefen  Atbemztlgen.  — 
Ferner  kann  man  es  aus  veränderter  Erregbarkeit  des  verlängerten 
Marks  ableiten,  wenn  in  Folge  eines  Druckes  auf  das  Hirn  die 
AthemzUge  seltener  und  tiefer  werden,  namentlich  wenn  der  Him- 
drnek  einen  solchen  Grad  erreicht  hat,  dass  davon  auch  die  I’uls- 
schläge  voller  und  seltener  werden  (Hegelmaier). 

d)  Die  Einwirkungen  des  Willens  können  sich  in  den  Athem- 
bewegungen  mannigfach  äusscm,  denn  sie  können  durch  ihn  sowohl 
"beschleunigt,  als  verlangsamt  werden;  aber  alles  dieses  ist  nicht 
ohne  Beschränkung  möglich.  So  kann  der  Wille  die  Athembewe- 
gungen  nicht  bis  ins  Endlose  hemmen,  da  er  im  Kampf  mit  den 
andern  Anregungen,  die  auf  das  reizentwickclude  Organ  oder  in 
ihm  wirken,  bald  unterliegt.  Umgekehrt  kann  er  die  Athcmfolge  auch 
nicht  Uber  ein  gewisses  Maass  beschleunigen,  schon  nicht  wegen 
des  Widerstandes  der  Bewegungswerkzeuge.  Je  nach  der  Tiefe 
der  AthemzUge  liegen  die  Grenzen  höher  oder  niedriger.  Noch 
weniger  kann  der  Wille  die  Bewegungen  einzelner  Abtheilungen 
beschleunigen  und  anderer  zugleich  verlangsamen , sondern  er  muss 
entweder  die  gesummte  Reihe  der  Athemmuskeln  im  engen)  Wort- 
sinn in  Bewegung  setzen,  oder,  will  er  sie  beschränken,  so  kann 
er  es  nur  in  der  Ordnung  thun,  welche  auch  dem  automatischen 
Organ  des  verlängerten  Marks  vorgeschrieben  ist.  So  kann  er 
z.  B.  die  flache  Einathmung  nicht  mit  einzelnen  Intercostalmuskcln, 
sondern  nur  mit  dem , Zwerchfell  ausftthren;  und  will  er  die  Inter- 
costalniuskeln  in  Bewegung  setzen,  so  muss  auch  vorher  oder 
gleichzeitig  das  Zwerchfell  sich  zusammenziehen.  Daraus  scheint 
hervorzugehen,  dass  der  Wille  auf  den  Ort  wirkt,  wo  sich  die  mo- 
torischen Athemnerven  schon  verknöpft  haben , nicht  aber  auf  jeden 
einzelnen  jener  Nerven  fttr  sich.  Diese  Punkte  bedürfen  einer  ge- 
nauen Untersuchung;  dasselbe  verlangt  den  Einfluss  der  Leiden- 
schaften anf  die  Atbemfolge. 

Die  Uebereinstimmung,  wefche  zwischen  den  Beschleunigungen 
der  Zug-  und  Schlagfolge  der  Brust  und  des  Herzens  besteht,  ist 
in  die  Augen  fallend.  Quetelet*)  und  Guy**)  geben  an,  dass 
im  Allgemeinen  die  Zahl  der  Herzschläge  4mal  so  gross  bleibe, 

0 — . 

•)  Der  Mensch,  Übersetzt  von  RI  ecke;  1838.  8M. 

••)  Donders  und  Bsndnln,  Hnndlciding.  11.  Bdt  872. 


„Diqit 


492 


' “ Kttwumn entlang  zwweheir  AtKrm-  nnd  Hm.bcwnguug. 


als  die  der  Athemzüge  Diese  Zahl , die , weil  sie  eo  ungefähr  7.n- 
trifft,  flir  praktische  Zwecke  verwendbar  wäre,  gilt  jedoch  nur  kl 
engen  Grenzen.  Bei  Thieren,  deren  Athens-  nnd  Pulsfolge  in  viel 
grösserm  Umfang  als  beim  Menschen  schwankt,  ist  dieses  nament- 
lich deutlich.  Sinkt  bei  Hunden  die  Zahl  der  ArhemzUge  unter 
12  bis  IS  in  der  Minute  herab,  so  ttbertrifft  sie  die  der  Pulsschläge 
um  mehr  als  das  4facbe , ja  selbst  um  mehr  als  das  5facbe.  Wird 
dagegen  umgekehrt  ihr  Athem  lechzend,  so  ist  die  Zahl  der  Puls- 
schiägc  gleich  der  der  Atbemztige.  Das  Ausgesprochene  wir  durch 
ein  Zahlenbeispiel,  welches  Arnold  gesammelt  hat,  belegt:  als 
ein  Hund,  der  sieh  ruhig  verhielt  und  fastetq,  27mal  in  der  Mi- 
nute athmete,  schlug  sein  Puls  83,7mal,  also  3,lmal  häufiger,  und 
als  der  Hund  13mal  in  der  Minute  Athem  holte,  sank  der  Herz- 
schlag auf  59,3,  er  blieb  also  4,6mal  beschleunigter.  Die  Erschei- 
nung, dass  nach  Durchsehneidung  der  n.  vagi  die  Beziehungen 
zwischen  Athem-  und  Pulszahl,  wenn  auch  nicht  vollkommen  ge- 
löst, so  doch  sehr  beträchtlich  gelockert  sind,  beweist,  dass  die 
Regelung  jener  Verhältnisse  vorzugsweise  dem  verlängerten  Mark 
Itbertragen  ist.  Da  die  Reizung  des  verlängerten  Markes  die 
Athembewegungen  auslöst  und  zugleich  den  Herzschlag  hemmt, 
so  könnte  es  paradox  erscheinen,  dass  mit  der  Beschleunigung  in 
der  Athemfolge  auch  eine  gleiche  des  Herzschlags  eintreten  soll. 
Biese  Ungereimtheit  verschwindet  jedoch,  so  wie  man  die  Ver- 
änderung des  Herzschlags  nicht  mehr  als  eine  Mitbewegung  an- 
sieht, die  der  Athem  reiz  einleitet.  Dächte  man  sieh  statt  dessen 
die  Beziehung  hergehtellt  durch  Aenderungen  in  der  Verkeilung 
nnd  in  dem  Drucke  des  Bluts  in  der  Brust  und  in  dem  Hirn , so 
würde  es  nicht  schwer  sein,  eine  Theorie  des  Zusammenhangs  zu 
geben. 

Die  Zahl  der  unwillkürlichen  AthemzUge  variirt  in  der  Minute 
bei  Neugeborenen  von  23  zu  70  (Quetelet),  bei  Erwachsenen 
von  9 zu  40  (Hutchinson).  Unter  1897  Personen  fand  der 
letzte  Beobachter  die  überwiegend®  Zahl  mit  16  — 24  Athemzügen 
begabt. 

5.  Luftströmung  in  den  Athemwegen.  a)  Die  Triebkräfte  des 
Luftstroms,  nämlich  der  Dichtigkeitsunterschied  der  Luft  in  und 
ausser  den  Lungen  ist  in  jedem  Moment  der  In  - un^  Exspiration 
gering,  so  lange  die  Zuleitungsröhren  offen  stehen.  Nach  mano- 
metrischen Beobachtungen  von  C.  Ludwig,  Krahmer,  Valen- 


Luftströmung  io  d«n  Athemwegen ; Volum  de»  Bruntraums.  493 

tin*)  beträgt  er  nur  einige  MM  Quecksilber;  dieses  »st  bei  der 
Leiehtbeweglichkeit  der  Luft  noth wendig,  da  sieh  ein  Minimum 
eines  bestehenden  Spannungsunterschieds  augenblicklich  ausgleicht ; 
darum  ist  auch  der  durch  den  Brustkasten  eingeleitete  In-  und 
Exspirationsstrom  momentan  mit  der  Brustbewegung  beendet,  wenn 
die  Nase  und  Stimmritze  geöffnet  sind. 

Bei  einer  so  beträchtlichen  Verengerung,  dass  sie  die  plötzliche  Ausgleichung 
verhindert , oder  bei  vollkommenem  Verschluss  der  zu  der  Lunge  führenden  Röhren 
kann  die  Differenz  des  äussern  und  innem  Luftdrucks  bedeutend  gesteigert  werden; 
der  Werth  derselben  ist  aber  selbst  bei  demselben  Menschen  sehr  veränderlich,  was 
sich  erklärt,  wenu  man  bedenkt,  von  wie  vielen  Umständen  er  abhängig  ist.  Nehmen 
wir  z.  B.  an , es  sei  das  Athmungsrohr  vollkommen  geschlossen , so  muss  bei  der  Eio- 
athmung  die  Spannung  der  Luft  um  so  mehr  sinken,  je  vollkommener  die  Lnnge  ent- 
leert war,  als  die  Einathmung  begann,  ferner  je  geringer  die  Widerstände  sind,  welche 
die  Wandungen  und  Eingeweide  der  Brust  und  des  Bauchs  der  ausdohnenden  Wirkung 
der  Muskeln  entgegensetzen,  und  endlich,  je  grösser  die  ausdehnenden  Muskelkräfte 
selbst  sind.  — Unter  denselben  Bedingungen  (Verschluss  der  Stimmritze  etc.)  musa 
aber  die  Spannung  in  der  Brusthöhle  bei  der  Exspiration  um  so  mehr  wachsen,  je 
mehr  die  Brust  bei  der  beginnenden  Ausathmung  mit  Luft  gefüllt  war,  jo  höher  der 
Elastizitatscoeffizieut  der  Bauch  - und  Brusttheile  ist  und  je  kräftiger  die  Ausathmungs- 
muskeln  wirken.  Bei  diesen  Variationen  kann  einer  absoluten  Bestimmung  dieser 
S^annungsdifferenzcn  wenig  Werth  beigelegt  werden. 

b)  Die  Geschwindigkeit  des  Luftstrom  ist  natürlich  variabel 
mit  der  Längenachse  und  dem  Durchmesser  der  Athemwege.  Da 
der  Querschnitt  der  letzten»  mit  der  Längenachse  wesentlich  sich 
ändert,  nnd  namentlich  anch  zuweilen  ganz  plötzlich , wie  am  aus- 
geprägtesten am  Uebergang  der  Bronchioli  in  die  Infundibula , so 
kann  von  einem  regelmässig  angeordneten  Luftstrom  keine  Rede 
sein.  Die  mittlere  Querschnittsgeschwindigkeit  ist  natürlich  gegen 
die  Lungenbläschen  hin  wegen  des  bedeutend  grüssern  Durch- 
messers der  Athemwege  an  jener  Stelle  viel  geringer,  als  in  der 
Luftröhre. 

6.  Volum  des  veränderlichen  und  unveränderlichen  Brustranms. 
a)  Der  Mensch  entleert  seihst  durch  die  tiefste  Ausathmung,  welche 
ihm  möglich  ist,  nicht  alle  Luft  aus  seiner  Brusthöhle;  das  Volum, 
welches  zurüekbleibt  (residual  air  von  Hutchinson),  giebt  den 
unveränderlichen  Brustraum.  Dieser  ist  natürlich  mit  der  Beweg- 
lichkeit und  dem  Umfang  des  Brustkastens  (seiner  Höbe  und  Tiefe) 


Valentin,  Lehrbach  der  . 
/ 


•)  Müller*»  Archiv.  1847.  — Hee«  er*  ■ Archiv.  IX.  Bd.  3».  — 
Hhy»i»lutflc.  ».  Aull.  1.  Bd.  5W. 


• -ßigfeed  by  Google 


494 


Gonstsnter  und  veritodarlieher  Bru* träum. 


sehr  veränderlich.  Nach  einigen  Untersuchungen  an  den  Leichen 
Erwachsener  von  tioodwin  wechselt  derselbe  zwischen  1500  und 
2000  CC. 

Eine  Methode,  um  das  Volum  des  unveränderlichen  Brustraums  bei  lebenden 
Menschen  *u  bestimmen,  giebt  Har  lese  *)  an.  Er  läset  eine  möglichst  tiefe  In« 
Kpiration  vollziehen,  nach  deren  Vollendung  Lungenraum  und  Atmosphäre  durch  die 
offen  gehaltenen  Lippen  und  Stimmritze  in  Verbindung  bleiben  müssen.  Die  unbe- 
kannte Räumlichkeit  der  Lungenhöhle  (x)  steht  dann  unter  bekanntem  Barometer* 
druck  (b).  Darauf  bringt  er  mit  dom  geöffneten  Mund  in  luftdichte  Berührung  einen 
Kasten , dessen  Hohlraum  mit  einem  bekannten  Luftvolum  (v)  unter  dem  den  atmosphä- 
rischen übertreffenden  Drucke  b'  gefüllt  ist.  Dann  wird  durch  eine  bis  dahin  ver- 
schlossene Ocffnung  des  Kastens  die  Luft  dieses  letztem  und  der  Lunge  in  Verbindung 
gebracht , so  dass  sich  die  Drücke  in  beiden  Höhlungen  ausgleichen  zu  einem  mitt- 
leren (b“)>  beiden  Räumen  gemeinsamen ; dieser  kann  an  einem  Manometer  des  Kastens 
abgelesen  werden.  Bekanntlich  ist  aber  das  in  einem  Yohim  enthaltene  Luftgewicht 
gleich  diesem  Volum,  mnltiplizirt  mit  dem  Druck,  unter  welchem  die  Luft  in  ihm 
•teht;  demnach  war  das  Lüftgewicht  der  Lunge  und  das  in  dem  Kasten  vor  der 
Kommunikation  dieser  beiden  Räume  = x b -j-  t k';  dieses  Luftgewicht  muss  aber 
auch  = (x  v)  b"  sein,  d.  b.  gleich  der  Luft,  welche  unter  dem  Druck  b“  in  x 
und  v nach  ihrer  Verbindung  enthalten  ist.  Aus  der  Gleichung  x b -|-  vb' = (x -{- v)  b" 
lässt  sich  nun  x finden.  Vorausgesetzt,  es  sei  die  Temperatur  im  Kasten  und  der 
Lungenluft  vollkommen  ausgeglichen  oder  die  Temperatur  beider  Orte  genau  bestimmt, 
wie  die  Notiz  von  Harless  in  Aussicht  stellt,  so  würde  sich  gegen  diese  sinnreiche 
Bestimmungsart  doch  noch  der  Einwand  erheben,  dass  das  Volum  des  Lungenrauraes 
vor  und  nach  der  Verbindung  mit  dem  Kasten  nicht  dasselbe  geblieben  wäre.  Denn 
der  Brustkasten  ist  von  beweglichen  Wänden  und  von  Blut  umschlossen , und  somit 
muss  das  Volum  seines  Hohlraums  sich  ändern  mit  der  Spannung  der  in  ihm  enthal- 
tenen Luft  Ist  dieses  der  Fall,  so  geht  die  obige  Gleichung  Über  in  x b -f  v b' 
«*=  (j  -f-  ▼)  b",  d.  b.  in  eine  Gleichung  mit  zwei  Unbekannten,  und  os  ist  weder  s 
noch  y aus  ihr  zu  finden.  Wir  müssen  erwarten,  ob  Harless  diesen  Umstand  be- 
rücksichtigt und  don  aus  ihm  hervorgehendon  Fehler  in  enge  oder  bestimmbare  Grenzen 
eingeschlossen  hat. 

b)  Der  Raum  der  Brust  kann  zwar  bei  demselben  Menschen 
je  nach  der  Tiefe  der  Athembewegung  sehr  beträchtlich  und  iu 
unendlich  vielen  Abstufungen  wechseln,  aber  er  ist  doch  in  be- 
stimmte Grenzen  eingeschlossen,  welche  gegeben  sind  durch  den 
Unterschied  der  Brustfassiuig  während  möglichst  tiefer  Ex-  und 
Inspiration;  das  durch  diesen  Unterschied  dargestellte  Luftvolum 
(vital  cupacity  von  Hutchinson)  wollen  wir  die  grösste  Athmnngs- 
tiefe,  Athmungsgrösse  nennen.  — Ihrer  bedient  sich  bekanntlich 
der  Mensch  bei  gewöhnlichem  unwillkürlichem  Atkmen  nicht,  wohl 

% 


’)  Münchener ‘'gelehrt«  Anzeigen.  8ept-  1864.  98. 


Athen  grftsse. 


495 


aber,  wie  wahrscheinlich,  immer  nnr  einer  annähernd  gleichen  Luft- 
menge,  indem  er  jedesmal  ungefähr  gleich  tief  ein-  nnd  ausathmet; 
wir  wollen  dieses  Volmn  als  das  des  mittleren  Athmens  bezeichnen. 

Die  Bestimmung  beider  YVertbe  ist  von  Interesse. 

Der  Umfang  des  tiefsten  Athemzugs  (die  Athemgrösse) 
ist  technisch  wichtig  geworden  als  ein  Mittel,  um  die  Gesundheit 
der  Brust  zu  prüfen.  Denn  es  ist  von  vornherein  wahrscheinlich, 
dass  im  gesunden  Menschen  ein  bestimmtes  Verhältniss  besteht 
zwischen  den  sanerstoffverbranehenden  Leibestheilen  oder  einer 
damit  in  Verbindung  stehenden  Funktion  und  dem  Raum  der  ruhen- 
den Brust,  und  dass  eben  ein  solches  besteht  zwischen  dem  Um- 
fang der  ruhenden  Brust  und  ihrer  Beweglichkeit.  Gesetzt,  es  gäbe 
solche  Relationen,  und  gesetzt,  sie  sollten  dazu  benutzt  werden, 
um  zu  unterscheiden , ob  dieser  oder  jener  Mensch  gesdnde  Lungen  ■* 
besitze,  so  müsste  die  Körpereigenschaft,  mit  welcher  die  Brust 
verglichen  wird,  zu  den  relativ  unveränderlichsten  des  Menschen 
gehören,  und  in  einer  so  lockern  Beziehung  zum  Brustkorb  stehen, 
dass  sie  keinenfalls  durch  erworbene  Fehler  des  letztem  verändert 
würde.  Denn  wenn  der  Forderung  nicht  genügt  ist,  dass  die  Eigen- 
schaft, mit  welcher  der  kranke  Brustkorb  verglichen  wurde,  noch 
denselben  Werth  besässe,  der  ihm  beim  Vergleichen  mit  der  ge- 
sunden Brust  zukam,  so  würde  natürlich  der  erste  Quotient  eine 
ganz  andere  sachliche  Bedeutung  haben  als  der  letztere.  Aus  einer 
weitem  Ueberlegung  geht  aber  hervor,  dass,  wenn  das  obengenannte 
Verhältniss  gefunden  würde,  dieses  nicht  durch  eine  einzige  Zahl, 
sondern  nur  durch  einen  Zahlenranm  ausdrüekbar  wäre,  da  bis 
zu  gewissen  Grenzen  die  Brust  ihren  Mangel  an  Umfang  und  Be- 
weglichkeit durch  die  Häufigkeit  ihrer  Bewegungen  ersetzen  könnte. 

War  ausserdem,  wie  verlangt,  ein  durch  das  Leben  relativ  un- 
veränderter Vergleichungspunkt  fllr  die  Brust  genommen,  so  muss  den- 
noch das  Verhältniss  in  den  Grenzen  der  Gesundheit  beträchtliche 
Schwankungen  erfahren,  weil  die  Eigenschaften  der  Brust  mit 
Alter,  Gewerbe  u.  s.  w.  sich  ändern. 

Hutchinson,  der  zuerst  auf  den  Gedanken  kam,  die  Brust  auf  die  ange- 
deutetc  Weiae  an  prüfen,  wählte  zu  dem  von  der  Athmung  hergenommenen  Verglei- 
chungspunkt das  Luftvolum,  welches  die  tiefste  Exspiration  nach  der  tiefsten  Inspiration 
ausathmet.  Diese  Grosse  ist  abgeleitet  aus  dem  (Jmfang  der  ruhenden  Brust,  der  Be- 
weglichkeit der*  Rippen,  der  Lunge,  der  Eingeweide,  der  Bauchdecken  und  aus 
den  Kräften  der  Athmungsmuskeln ; sie  will  also,  wenn  sie  über  die  Lungeneigen- 
schaften Aufschluss  geben  soll,  vorsichtig  benutzt  sein.  — Um  das  Luftvolum  zu 


E>i§rtized  by  Google 


496 


Spirometrie. 


messen . bedient  er  sich  eines  Gasometers , den  er  Spirometer  nannte ; die  Fig.  60  giebt 
ihn  nach  den  Einrichtungen  ron  Wintrich* * •••)).  Eine  graduirte  Glasglocke  Ay  oben  mit 
eiuersc  hliessbaren  Öffnung  (»uni  Auslassen  der  Luft)  und 
einem  Haken  (zum  Au  (Hängen)  versehen , wird  durch  das 
Gewicht  C,  welches  Über  die  Rolle  B sieht,  Sguilibrirt. 
Die  Glocke  taucht  in  den  Musscrn  Wasserbehälter  von 
Blech  D,  der  oben  mit  einem  Glasfenster  versehen  ist. 
Nahe  am  Boden  wird  der  Behälter  D durchbohrt  von 
zwei  Röhren  ; P dient  zum  Auslassen  des  Wassers  aus 
D ; das  andere  Rohr  G erstreckt  sich  innen  bis  unter  die  Glas* 
glocke  A.  Nach  aussen  geht  es  in  einen  mit  dem  Mund- 
stück G“  versehenen  Schlauch  über.  Bein»  Gebrauch 
wird  die  Glocke  A bis  zu  einem  gewissen  Theilstrieh 
ihrer  Scala  herabgclassen , dann  Gu  in  den  Mund  ge- 
nommen und  durch  G in  die  Glocke  A ausgoathmet. 
Weitere  Vorsichtsmaassregeln  siche  bei  Arnold.  Andere 
Spirometer,  die,  statt  des  Athemvolums  direkt,  eine 
davon  abhängige  Grösse  messen,  siehe  in  den  angeso- 
genen Schriften  •*).  Sie  empfehlen  »ich  durch  ihre  Klein- 
heit als  Taschenspirometer.  Als  zweiten  Yergloichungs- 
punkt  wählte  Hutchinson  die  KÖrperlinge  (das  Körper- 
gewicht ist  ganz  unbrauchbar)  und  statt  dessen  Fabius 
die  RumpflÜnge.  Nach  Arnold  sollen  die  ersten  Pa- 
rallelen wenigstens  eben  so  gut  soin  als  die  letzten.  Der 
Vergleich  zwischen  diesem  Luft-  und  Körpermaass  wurde 
durchgefübrt  bei  vielen  Personen,  verschieden  an  Alter, 
Geschlecht,  Grösse,  Gewerbe  u.  s.  w.  Neben  diesem 
hat  man  auch  mit  der  Athemgrösse  verglichen  den  Um- 
fang  der  ruhenden. Brust  (ttbar  die  Brustwarst)  gemessen),  oder  den  Unterschied  dieses 
Umfangs  bei  tiefster  Kin:  und  Aussthmung,  oder  das  Produkt  dieses  Umfangs  und  der 
BrusthShe.  Selbstredend  bedeuten  die  hierbei  gewonnenen  Quotienten  etwse  gans 
anderes  als  der  zuerst  erwähnte,  welcher  aue  dem  gcathmeten  Körpcrrolum  herror- 
ging.  Da  der  Brustumfang  bei  I, ungenkrankheiten  auffallend  sich  ändert,  so  geben 
sie  auch  keinen  Aufschluss  Ober  die  AtbmungsgrSese , die  dem  untersuchten  Menschen 
in  gesunden  Tagen  aukommen  müsste  (Dondera)  ••*). 

lin  Folgenden  sind  die  wesentlichen  Resultate  der  spirometriseben  Arbeiten  »on 
Hutchinson,  Fabine,  Wintrich,  Schnoerogt,  J.  Vogel,  Arnold  n.  A. 
aufgezählt,  wie  sie  Arnold  t)  zusammengestellt  hat.  — Die  AthmungsgrBeeo  bei 
Männern:  1)  Sie  ändert  eich  mit  der  Körperlänge.  Schlicsst  man  ron  der  Ver- 
gleichung die  Körpcrlöngen , die  unter  150  Ctm.  liegen,  aus  und  hält  sich  an 
das  Mittel  aus  einer  griiesem  Reihe  ron  Hoobachtungen , so  darf  man  nagen,  dass  bei 
einer  Längenznnabme  ron  je  2,5  Ctm.  die  Athmungsgröese  um  je  150C.-Cm.  wächst 


Fig.  60. 


•)  Arnold,  Atlimengsgrösse  de«  Menschen.  1845.  p.  9. 

Bo  na  et,  Oatette  uifd.  de  Paris.  184«.  — Harles«,  Theorie  und  Anwendung  dee  Seiten- 
druck-Splrometers.  MUncben  J86Ä. 

•••)  flculc'»  und  Pfeufer’s  Zeitschrift.  N.  F.  IV.  Bd.  804. 
t)  Physlolog.  Anstalt,  p.  182. 


Spirometrie ; mittleres  Athen  volura. 


497 


Im  Mittel  beträgt  der  tiefste  Athcrozug  bei  Männern  von  155  Ctra.  Höbe  *=•  2700C.-Ctm., 
bei  180  Ctm.  JUöbe  aber  *=  4200.  Diese  Regel  trifft  nicht  mehr  ein,  wenn  inan  ein- 
zelne wenitfk  Individuen  mit  einander  vergleicht.  — 2)  Im  Verbältniss  zur  Iinmpfböhe 
nimmt  die  Athmungsgrösse  nicht  regelmässiger  zu,  als  im  Verhältnis  zur  ganzen 
Körperlänge.  — 3)  Zwischen  Athmungsgrösse  und  Körpergewicht  besteht  keine  all- 
gemein gültige  Relation.  — 4)  Athmungsgrösse  und  Brustumfang  stehen  im  Mittel  in 
der  Proportion  t dass,  wenn  von  65  Ctm.  an  der  Brustumfang  um  2,5  Ctm.  wächst,  die 
Athmungsgrösse  um  je  150  C.M.M.  zugonoromen  hat;  doeh  gilt  dieses  Verbältniss  nur, 
wenn  man  annähernd  gleich  muskelstarke  und  fettreiche  Männer  vergleicht.  — 5)  Mit 
dem  Unterschied  des  Brustumfangs  in  der  In-  und  Exspiration  steigt  die  Athmungs- 
grösse. — 6)  Derselbe  Cmfangsunterscbied  in  den  genannten  Stellungen  erhöht  bei 
grossem  Brustumfang  das  ausgeathraete  Luftvolum  mehr,  als  bei  kleinem  Brustmaass.  — 

7)  Beweglichkeit  und  Umfang  der  Brust  nehmen  nicht  nothwendig  mit  einander  zu. — 

8)  Die  Atherogrösse  steigt  bis  zum  35.  Jahre  und  sinkt  von  da  an  wieder;  die  Zu- 
nahme erfolgt  am  raschesten  vom  20.  bis  zum  25.  Jahre  und  sinkt  am  raschesten 
zwischen  45  und  50  J.  — 9)  Individuen  höherer  Stände  und  Arme  haben  das  niedrigste, 
'Seeleute  das  höchste  Athmungsmaoss.  — 10)  Singende  und  blasende  Musikanten  haben 
eine  grosse,  Ringer  und  eifrige  Turner  eine  geringe  Athemgrösse.  — 11)  Starke  Fett- 
leibigkeit, Anfüllung  dos  Unterleibs  mit  Speisen  oder  Koth  mindern  den  Athmungs- 
umfaug. 

Bei  Frauen  gelton  dieselben  Regeln,  nur  mit  der  Beschränkung,  dass  für  je 
2,5  Ctm.  Länge  dos  Atheinvolum  nur  um  100  C.M.M.  wächst  Schwangere  Frauen 
haben  dasselbe  oder  öfter  ein  grösseres  Athemmaoss,  als  vor  der  Empfdngniss 
(Küchenmeister). 

Eolgende  Krankheiten  mindern  in  absteigender  Ordnung  das  Athemmaoss : 
Tuberkulose,  pleuritische  Ergüsse,  Emphysem,  chronische  Bronchitis,  Asthma,  Scoliose, 
Lähmung  der  Athemmuskeln , Ascites,  Leber-  und  Milzanschwellungen,  Katarrhe,  all- 
gemeine KÖrperschwäche. 

. Das  Volum  deB  mittleren  Athems  ist  schwer  zu  be- 
stimmen, weil  sich  beim  Messen  desselben  sogleich  willkUhrliche 
Zusätze  und  Abzüge  einfinden.  Unzweifelhaft  variirt  es  aber  auch 
bei  verschiedenen  Menschen  und  steht  wahrscheinlich  in  Beziehungen 
zur  Häufigkeit  des  Athmens.  da  es  offenbar  abnimmt,  wenn  diese 
über  einen  gewissen  Werth  znnimmt.  — Vierordt,  dör  in  Folge 
langer  Uebnng  die  Fähigkeit  gewonnen  hatte,  das  Volnm  eines 
unwillkürlichen  Athemzngs  ungestört  zu  messen,  fand  es  bei  sich 
zwischen  500  und  600  CC. 

7.  Mischung  der  zurückbleibenden  und  der  wechselnden  Luft*). 
Setzen  .wir  beispielsweise  das  Volnm  des  unveränderlichen  Brust- 
ranms  = 2000  CC.  nnd  das  des  mittleren  Athems  = 500,  so  sicht 
man  sogleich,  dass  beim  Athmen  nur  ein  kleiner  Theil  der  ganzen 
Lnngenlnft  im  Wechsel  begriffen  ist.  Demnach  wird  die  neu  ein- 


•)  Bergmann,  Müller' s Archiv.  1846.  296. 
Ludwig,  Physiologie.  11.  2.  Auflage. 


32 


498 


LuftmiMhnnK;  luftverandemde  Wertoeoge. 


eintretende  und  die  restirende  Lnft  und  zwar  durch  den  Athenmtrom 
selbst  rasch  gemischt,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  die.  Luft,  welche 
unmittelbar  nach  dem  Emathmen  auch  wieder  ausgeathmet  wird, 
schon  so  wesentlich  ihre  Zusammensetzung  geändert  hnt,  dass  dieses 
den  langsamer  wirkenden  Üiflussiuusstrüuien  nicht  zugeschrieben 
werden  kann.  Die  wesentlichsten  Hilfsmittel  zur  Erzeugung  dieser, 
wir  wollen  sagen,  mechanischen  Mischung  scheinen  zn  liegen  znerst 
in  der  grossen  Nachgiebigkeit  der  Lungenbläschen,  neben  der  re- 
lativen Steifigkeit  der  Bronchialröhren.  Dieser  Umstand  bedingt 
es  natürlich,,  dass  jede  Veränderung  des  Lungenraums  zusammen- 
fällt mit  der  der  Bläschen,  so  dass  nur  bei  sehr  bedeutenden  Vo- 
lnmsverändemngen  der  Brust  neben  den  Lungenenden  auch  die 
Lnngcnwurzcln  ausgedehnt  werden.  Bei  jeder  Einatbmung,  sei  sie 
auch  noch  so  weuig  tief,  bewegt  sich  dagegen  die  Liuigenobci  fiäche,- 
und  zwar  immer  von  dem  unbeweglichen  Ort  des  Brustraums  (Spitze 
und  Ktlckenwand)  gegen  den  beweglicheren  (Basis  und  Brustbein) 
(Donders)*).  Darum  strömt  bei  jeder  Inspiration  Luft  aus  den 
Bronchiolis  in  die  weiten  Trichter,  und  stösst  dort  gegen  die  zahl- 
reich vorhandenen  Vorsprünge,  welche  die  sogen.  Lnugcnzellen 
begrenzen,'  so  dass  der  fein  eindringende  Strom  rasch  vertheilt 
wird.  Im  ähnlichen  Sinne  muss  die  enge  Stimmritze,  müssen  die 
vielen  Winkelbiegungen  der  Bronchi  wirken,  und  endlich  muss, 
um  des  Kleinsten  zu  erwähnen,  die  Mischung  auch  durch  die 
Flimmerbewegung  unterstützt  werden.’ 

Luftverändernde  Werkzeuge. 

Damit  der  bis  dahin  eingehaltene  Gang  nicht  unterbrochen 
werde,  verfolgen  wir  die  Schicksale  der  eingcathmetcn  Luft  so- 
gleich weiter. 

Ueber  die  Eesttellung  ihrer  Veränderungen  ••).  Die  Tempcraturveranderungtii, 
welche  die  aüsgeathiuete  Luft  erlitten,  misst  man  nach  Valentin  und  Brunner  mit 
einer  hinreichenden  Genauigkeit,  wenn  man  ein  empfindliches  Thermometer  mittelst 
eines  Korkes  in  ein  längeres  Glasrohr  befestigt.  Eine  der  Oeifnungen  des  Kohrs  soll 
bis  zur  Capillarenweitc  verengert  sein.  Die  weitere  führt  inan  vor  den  Mund  und 


■)  Henlc's  und  Pfeufer's  Zeitschrift.  N.  F..m.  30. 

**)  Valentin,  Lehrbuch  der  Physiologie.  1.  ßd.  2.  Auflage.  534  u.  f.  — HandwürterbucU  der 
Chemie  von  Li  e big  n.  s.  w.  II.  Bd.  1050.  — Frnnklund,  Liebig's  AnnaU-u.  K8.  Bd.  p.  82. — 
Molesohott.  Holländische  Beitrüge.  I.  Bd.  p.  86.  — Scharling,  Liebig's  Annalen.  45.  Bd. — 
Derselbe,  Journal  Air  prnkt.  Chemie.  30.  Bd.  — Andrst  und  Gavarret,  Geber  die  durch 
die  Lungen  AiiHgmtliincti*  CO^-Meugc.  Wiesbaden  1845.  — Allen  und  Pepys,  8 cli  w e i g g c r’s 
Journal  Air  Chemie  und  Physik.  I.  Bd.  196.  — Vlerordt,  Physiologie  de»  Atlimen*.  Karlsruhe 
1845.  — Proul,  Schweigger’s  Journal  fUr  Chemie  etc.  15.  Bd.  — Becher,  Studien  Uber 
Respiration.  Züricher  Mittht-iiungcn.  1855.  — W.  Müller.  Beiträge  zur  Theorie  'der  Respiration. 
Wiener  akud.  Berichte.  XXX1I1.  Bd.  p.  99. 


r 


Digitized  by  Go 


Luftveränderung ; analytische  Methoden. 


499 


athraet  durch  dieselbe  mehrere  Minuten  hindurch  aus,  bis  die  Temperatur  des  Thermo- 
meters constant  geworden  ist. 

Mit  einer  Untersuchung  der  chemischd^  Veränderungen  der  Luft  verbindet  man 
verschiedene  Absichten.  Entweder  man  will  nnr  erkennen,  wie  sich  ihre  prozentische 
Zusammensetzung  zn  einer  beliebigen  Zeit  gestaltet  habe,  oder  man  will  auch  wissen, 
wie  gross  die  Q<jsanuntmenge  der  Gase  ist,  welche  während  eines  bestimmten  Zeit- 
raums von  der  Lunge  verzehrt  und  geliefert  wurde. 

Wenn  es  sich  pur  um  den  prozentischen  Gehalt  der  Ausathmungsluft  an  0,  00*, 
N handelt,  so  genügt  es,  eine  beliebige  Menge  der  Ausathmungslnft  aufzufangen  und 
nach  bekannten  enüioraetrischen  Methoden  zu  analysiren,  welche  seit  Bunsen, 
Bag  na  ult,  Frankland  einen  so  hohen  Grad  von  Vollkommenheit  und  Einfachheit 
und  damit  ein  si^cres  Uebergcwicht  über  die  mühseligen  Ue wichtsbestimmungen  ge- 
wonnen haben.  — Man  hat  sich  dieser  vervollkommneten  eudiometrischen  Methoden 
noch  nicht  in  allen  vorliegenden  Untersuchungen  bedient;  namentlich  hat  man,  wio 
a.  B.  in  der  ausgedehnten  Versuchsreihe  von  Vierordt,  versäumt,  die  Gasvolumina 
vor  und  nach  der  Bestimmung  eines  ihrer  Best&ndtheile  auf,  gleichen  oder  auf  be- 
kannten Gehalt  an  Wassergas  zu  bringen,  und  auch  oft  nicht  die  nothige  §orgfalt  auf 
die  Temperaturbestimmung  gewendet,  so  dass  .die  in  dem  Volum  des  analysirten  Gases 
beobachteten  Veränderungen  fälschlich  alle  auf  Mehrung  eines  aus  der  Luft  entfernten 
Bestandtheils  geschoben  werden.  Die  hieraus  erwachsenden  Fehler  sind  um  so  merk- 
licher, wenn,  wie  es  bei  den  Athemgasen  gewöhnlich  geschieht,  aus  den  Analysen 
kleiner  Mengen  auf  dio  Veränderungen  sehr  grosser  zurückgeschiossen  wird,  weil  sich 
dann  der  Fehler  in  demsolbcn  Verhältnis  mehrt,  in  welchem  dio  analysirten  zu  den 
berechneten  Voluminibus  stehen.  — Den  Prozentgehalt  der  Ausathmungsluft  an  Wasser- 
dampf ermittelte  man  bis  daliin  dadurch,  dass  man  durch  ein  Rohr  ausathmete,  welches 
mit  Asbest  von  6O3  befeuchtet  gefüllt  war»  Das  vom  Mund  abgewendetc  Ende  dieses 
Bohres  stand  in  Verbindung  mit  einem  Ballon,  der  vor  Beginn  des  Versuchs  mit  Salz - 
wasser  oder  Oel  gefüllt  war.  Die  in’s  Kohr  gelassene  Ausathmungsluft  gab  an  die 
SO3  ihren  Wassergehalt  ab  und  stieg  dann  über  die  Sperrflüssigkeit.  Die  Gewichts- 
zunahme des  Asbestrohres  giebt  den  Wassergehalt  des- Luftvolums , welches  in  den 
Ballon  eingetreten  ist  (Valentin,  Mole se hott).  Bei  solchen  Versuchen  muss  die 
Vorsicht  gebraucht  werden,  zwischen  den  Mund  und  die  Schwefelsäure  kein  kühles, 
durch  Erniedrigung  der  Temperatur  wasserausfällendes  Mittelstück  einzuschalten.  Dieses 
etwas  umständliche  und  durch  die  noth wendigen  Volumbestimmupgen  der  Luft  und 
die  Reduktion  des  beobachteten  Volums  auf  dio  höher  erwärmte  der  Lunge  immer  un- 
sichere Verfahren  könnte  vielleicht  mit  Vortheil  ersetzt  werden  durch  das  Thermo- 
und  Psychrometer,  mit  deren  Hülfe  die  Temperatur  und  der  Sättig upgsgrad  der  Luft 
zu  finden  sind. 

Yiel  komplizirterc  Versuche  sind  nothwendig,  wenn  man  den  ganzen  Gewinn 
oder  Verlust  eines  oder  aller  am  Gosaustausch  betheiligten  Stoffe  während  einer  be- 
stimmten Zeit  feststellcn  will.  In  oinem  solchen  Fall  muss  natürlich  das  Gewicht 
sämmtlicher  Luft,  welche  in  die  Lunge  ein  - und  ausgeht,  bekannt  sein,  und  da  dieses, 
zum  grössten  Theil  wenigstens , nur  mit  Hülfe  eines  Raummaasses  gewonnen  werden 
kann,  so  sieht  man  sogleich  die  Schwierigkeiten  ein,  welche  sich  einer  langem  Fort- 
setzung des  Versuchs  entgegenstellen,  wegen  der  Isolation  der  grossen  Luftmengen, 
welche  aufgefangen  Werden  müssen. 

• Am  relativ  einfachsten  gestaltet  sich  der  \ ersuch,  wenn  man  nur  die  aus- 
geathmete  C0s/4u  wägen' beabsichtigt,  indem  dann  die  eingeaftunete  Luft  wegen  ihres 
f 32  * 


500  Sammlung  der  au ggoath nieten  Gasvolumina. 

geringen  C Oi-Gehaltes  unberücksichtigt  bleiben  kann.  Diese  Aufgabe  hat  man-  sieh 
vielleicht  darum  auch  am  häufigsten  gestellt.  Die  in  Anwendung  gebrachten  Methoden, 
die  ganze  Monge  der  CO*  zu  fangen,  Jfed  folgende  gewesen:  1)  Man  brachte  Mund- 
und  Nasenötfnung  des  zu  beobachtenden  Menschon  in  einen  geschlossenen  Raum, 
z.  B.  in  eine  mit  einem  Fenster  versehene  Kautschukmasse , leitete  durch  diesen  einen 
Luftstrom,  dessen  einseitige  Richtung  durch  Ventile  gesichert  war;,  die  Luft,  welche 
in  die  Maske  eindrang,  kam  dorthin  ans  der  Atmosphäre,  und  die,  welche  ansdrang, 
wurde  entweder  durch  eine  Reihe  von  Röhren  geführt,  deren  Inhalt  CO*  und  Wasser- 
dampf absorbirte  (Scharling),  oder  in  einen  luftverdünnten  Raum  (Andral  und 
Gavarret).  Die  Gewichtszunahme  der  Röhren,  welche  die  CO*  absorbirt  hatten,  gab 
im  ersten  Fall  die  während  der  Versuchszeit  ausgestossene  COs;  im  zweiten  Fall  wurde 
nach  Beendigung  des . Versuchs  Druck , Temperatur  und  Volum  der  durchgetretenen 
Luft  gemessen  und  eine  Probe  derselben  oder  die  ganze  Masso  analysirt.  Der  Luft- 
strom,  welcher  durch  die  Maske  hindurchgeht,  wurde  bei  Andral  und  Gavarret 
unterhalten  durch  die  Unterschiede  des  Luftdruckes,  indem  nach  der  einen  Seite  hin 
aus  der  Maske  eine  Röhre  in  die  Atmosphäre  und  nach  der  andern  in  einen  oder 
mehrere  gjossc,  bei  Beginn  des  Versuchs  luftleere  Ballons  ging.  Scharling  sog  die 
Luft  mittelst  eines  Aspirator«  durch,  d.  h.  er  legte  hinter  die  Absorptionsttlhren  ein 
grosses,  mit  Wassor  gefülltes  Fass,  welches  während  des  Versuchs  seine  Flüssigkeit 
entleerte  und  sich  dafür  mit  Luft  füllte , welche  es  aus  der  Maske  beztfg.  Das 
Wesentliche  dieser  Einrichtung  giebt  Fig.  70  wieder.  — 2)  Die  Personen  athraeien 
ungehindert  durch  die  Nase  Luft  ein  und  stiesson  dieselbe,  nachdem  sie  in  der  Lunge 
verweilt  hatte , aus  durch  ein  Rohr,  das  bei  geschlossener  Nase  in  einen  geschlossenen, 
ursprünglich  luftfreien  Raum  mündete.  Man  bestimmte  zu  Ende  des  Versuchs  Volum, 
Temperatur  und  Druck  des  mit  Athemgasen  gefüllten  Raumes  und  analysirte  eine  Probe 
der  wohlgemengten  Luft  Indem  man  ako  den  prozentischen  CO«* Gehalt  der  aus- 
gcathmeten  Luft  und  das  Gesammtgewicht  dieser  letztem  kannte,  konnte  man  auch 
das  Gesammtgewicht  der  ausgehauchten  CO*  berechnen.  — 3)  Zu  besondern  Zwecken 
wendete  W.  Müller  den  durch  Fig.  61  versinnlichten  Apparat  an.  Der  Zweigt  des 
• t 

Pig.  61. 


dreischenkcligen  Rohrs  A B C ist  in  die  blossgelegte  Luftröhre  eines  Thieres  ein- 
gebunden, die  Zweige  B und  C münden  in  zwei  Quecksi Iber- Ventiltf  Ul  und  112,  welche 
die  Luft  in  entgegengesetzter  Richtung , und  zwar  nach  Angabe  der  Pfeile  durchlassen. 
Aus  jedem.  Ventile  geht ‘das  ausführende  Rohr  D 1 und  1)2  in  die  Glocke  (KJ,  welche  in 


Sammlung  der  ausgeathraeten  Gasvolumina.  . 


501 


ein  QnecEsilbergefäss  J J eintaucht  und  in  die  ea  bis  su  jeder  beliebigen  Tiefe  vor- 
senkt werden  kann.  Aus  der  genannten  Glocke,  und  zwar  nahe  von  ihrer  untern 
offenen  Mündung  an  führt  ein  Kohr  G su  dem  mit  (Quecksilber  oder  Wasser  gesperrten 
Gasometer  L.  Ausserdem  führt  aus  dem  Ventil  112  noch  ein  drittes  Kohr  (die  Rohre 
D2  und  M können  durch  Quetechhähne  verschlossen  werden),  dessen  in  die  Luft 
gehende  freie  Mündung  durch  Wasser  gesperrt  ist.  — Der  Zusammensetzung  des 
Apparats  liegt  die  Absieht  zu  Grunde,  den  Athmungshergang  mit  vorzugsweiser  Be- 
rücksichtigung der  Gas-Absorption  durch  das  Blut  zu  untersuchen,  und  zwar  mit  oder 
ohne  Gegenwart  des  N.  Im  letztem  Falle  wird  der  Gasometer  und  dio  Glocke  mit 
0 gefüllt,  die  Glocke  so  weit  aus  dem  Hg  gesogen,  dass  das  untero  Ende  des 
Rohres  G frei  bleibt;  das  Rohr  1)2  wird  zugeklemmt  und  M geöffnet.  Beginnt  in 
dieser  Stellung  die  Athmung,  so  geht  der  0 aus  L in  JT,  von  da  durch  Ul  in  dio 
Lunge  und  sus  ihr  durch  das  Ventil  H2  in  das  Rohr  M zur  freien  Luft  lat  auf 
diese  Weise  der  Strom  so  l&ngo  geführt  worden,  bis  aller  N aus  der  Lunge  entfernt 
war,  so  klemmt  man  M zu,  öffnet  D2  und  senk4  die  Glocke  so  tief  in  Quecksilber, 
dass  das  untero  Ende  von  G ointaucht  Dann  athmet  das  Thier  in  dio  mit  0 gefüllte 
Glocke  K aus  und  ein. 

Dio  Methoden,  die  Luft  aufsufangon,  waren  verschiedenartige.  Prout  bläst  die 
Luft  in  cino  durch  vorgängiges  Zusammen  drücken  entleerte,  luftdichte  Blase ; Viorordt 
in  einen  Ballon,  der  ursprünglich  mit, Salz wassor  gefüllt  war;  Allen,  Pepys  und 
Becher  in  ein  mit  Quecksilber  gesperrtes  Gasometer.  Um  die  Versuche  mit  einer 
vorhältnissuiässig  geringem  Mengo  des  thouren  und  schwer  zu  handhabenden  Queck- 
silbers möglich  su  machen,  bedienten  sich  Allen  und  Pepjs  zwei  kleiner  Gaso- 
meter, deren  jeder  nur  wenige  Athemzügc  fassen  konnte.  Diese  wurdon  abwechselnd 
benutzt.  War  einer  derselben  mit  Luft  gofüllt,  so  wurde  aus  ihm,  naehdom  der  In- 
halt durchgeschttttelt  und  auf  sein  Volum  bestimmt  war,  oine  Probe  Luft  in  ein 
kleines  Röhrchen  aur  späteren  Analyse  zurückgestellt  und  dann  wieder  mit  Quecksilber 
gefüllt.  Unterdcss  war  in  das  andere  Gaso- 
meter geathmot  und  dieses  dadurch  mit  Luft 
gefüllt  worden1,  man  kehrte  alsdann  zu  dem 
ersten  zurück,  und  während  des«  wurde  aus 
dem  zweiten  eine  Luftprobe  entnommen  u.  s.  f.  — 

Beo  lue  r gobranchto  dagegen  das  Gasometer 
von  Deep  reiz  oder  Döbereiner,  dessen 
Einrichtung  durch  Fig.  62  erläutert  wird. 

Auf  das  Brett  (E  F)  ist  ein  Uohlcylindcr 
aus  Eisenblech  (A.  B C DJ  und  ein  wohl- 
gefirnisster  solider  Holzcylinder  (LJ  aufge- 
schraubt , so  dass  der  üohlraum  des  Blech- 
cylinders  bis  auf  oine  schmale  Kinne  und 
einen  über  dom  Holzcylinder  stehenden  Rand 
ungefüllt  ist.  ln  diese  Rinne  passt  möglichst 
genau  eine  cylindrischo  tubulirte  Glasglocke 
G J K H\  .wenn  also  dio  Glocke  über  den 
HolzpÜock  möglichst  tiof  eingeschoben  ist,  so 
ist  dor  Hohlraum  des  Cylindors  fast  voll- 
kommen ansgefüllt;  in  den  übrig  bleibenden 
Reet  desselben  wird  Quecksilber  gegossen,  das 


Fig.  62. 


=*F 


Digfözed  by  Google 


502 


Temperatur  der  Ausathmnngsluft. 


bei  möglichst  tiefem  Eintauchen  der  Glocke  bis  in  den  Tubalus  derselben  fity  hinein- 
reichen  muss;  bläst  man  darauf  Luft  in  den  mit  einem  Hahn  versehenen  Schlauch 
(M  N)  y so  erhebt  eich  die  Glo<£e,  das  Quecksilber  sinkt  in  die  Rinne  zwischen  L 
und  A B C D,  und  die  Luft  wird  immer  gesperrt  sfcin , wenn  auch  nur  so  viel  Queck- 
silber vorhanden  ist,  um  die  Rinne  so  weit  zu  füllen,  dass  das  abgerundete  obere 
Endo  des  Holapflockes  bedeckt  bleibt.  Bei  0 ist  In  den  Blechcylinder  ein  ebenes  Gla« 
eingesetzt,  um  den  Stand  des  Quecksilbers  und  die  Erhebung  der  graduirten  Glas- 
glocke abzulesen.  — Die  Resultate  der  Versuche,  welche  sich  des  Quecksilbers  als 
Sperrmittel  bedienten , verdienen  ceteris  paribus  natürlich  den  Vorzug  vor  denen , in 
welchen  man  zu  gleichem  Zwecke  Kochsalzlösung  anwendete.  Denn  diese  letztere 
absorbirt  merkliche  Mengen  von  CO*,  und  es  wird  diese  Absorption  um  so  weniger 
zu  vernachlässigen  sein,  aU  dio  Ausathmungsluft  in  einzelnen  Blasen  durch  das  Sperr- 
wasser hin  durch  dringt  und  dann  über  dem  letztem  stehend , es  in  einer  beträchtlichen 
Ausdehnung  berührt.  Der  daraus  erwachsende  Fehler  ist  auch  kein  constanter,  weil 
die  vom  Sperrwasser  aufgenommene  CO*-Mengc  variirt  mit  der  Berührnngsdauer  und 
dem  COs-Gehalt  der  Ausathmungsluft.  So  lange  nicht  durch  direkte  Versuche  die 
Grenzen  dieses  Fehlors  dargethan  sind,  muss  man,  dem  Ansspruch  der  bessern  Gas- 
analytiker gemäss,  behaupten,  dass  die  auf  diesem  Wege  angestellten  Versuche  nur 
brauchbar  sind,  um  bedeutende  Unterschiede  im  KohlensSuregshalt  der  Ausathinusgs- 
luft  aufsudecken.  — Alle  Versucho  aber,  welche  bis  dahin  nach  der  unter  Nummer  2 
aufgeführten  Methode  angestellt  wurden , leiden  an  dem  gemeinsamen  Uebolstande,  dass 
sie  sieh  über  einen  nur  kurzen  Zeitraum  erstrecken.  Sie  erlauben  also  bei  der  un- 
gemeinen Veränderlichkeit  in  der  Absonderungsgeschwindigkeit  der  COi  keinen  Schluss 
auf  andere,  nicht  untersuchte  Zeitabschnitte. 

Geht  man  endlich  darauf  aus,  geradewegs  zu  bestimmen,  wie  viel  O-Gas  in  den 
Lungen  verschluckt,  wie  viel  HO-Gas  dort  abgedunstet  und  wie  viel  N-Gas  einge- 
nommen oder  ausgegeben  sei,  so  muss  man  Menge  und  Zusammensetzung  der  in  der 
Versuchszeit  ein-  und  ausgeathmeten  Luft  kennen.  Denn  diese  Oase  sind  in  beiden 
Luftarten  enthalten  und  sie  können  somit  nur  aus  dem  Unterschied  ihrer  Gewichte  in 
den  Ein-  und  Ausathraungsprodukten  aufgefunden  werden.  Bis  dahin  sind  am  Menschen 
solche  Versuche  nicht  angcstollt  worden.  Boi  Thieren  ist  dagegen  die  Seliwferigkoit, 
die  sie  darbicten,  überwunden,  wie  wir  mittheilen  werden,  wenn  wir  auf  die  staunens- 
vTerthe  Versuchsreihe  eiugehen,  welche  der  grosse  Physiker  Rognault  in  Verbindung 
mit  Reiset  ausgeführt  hat.  Dort  werden  wir  auch  einige  indirekte  Methoden  er- 
wähnen, welche  &ich  das  ohen  bezeichnete  Ziel  gesteckt  haben. 

1.  Temperatur  der  Ausathmungsluft.  Die  in  die  Lun- 
gen aufgenommene  Luft  muss  ihre  Temperatur  ausgleichen  init 
derjenigen  der  Lungenwand,  re.sp.  des  in  ihr  strömenden  Hintes. 
Die  Zeit,  die  zu  dieser  Ausgleichung  noth wendig,  wächst  mit  dem 
Temperaturunterschied  zwischen  Hlnt  und  Luft  und  dem  aufgenom- 
menen Volum  der  letzteren.  So  fand  z.'B.  Valentin  (gleiche  Zahl 
und  Tiefe  der  Athembewegung  vorausgesetzt),  dass  bei  ehier  Luft- 
temperatur von  — 6,3°  C.  die  ausgentlimete  Luft  auf  -f-  29,8°  C.,  bei 
einer  Lufttemperatur  von  -f- 19,5°  C.  die  ausgcathmetc.  Luft  auf 
-J- 37,25°  C.,  bei  einer  Luttemperatur  von  -4-41,9°  C.  die  Ausatli- 


Wassergehalt  der  Ausathmungsluft. 


503 


mnngslnft  auf  4*83,1°  C.  erwärmt  oder  abgekühlt  war.  Die  zur 
Ausgleichung  der  Temperatur  nöthige  Zeitdauer  kann  keinesfalls 
gross  sein  bei  den  zahlreichen  Berührungen  zwischen  Luft  und 
Lungenwand.  - . . 

2.  Vermehrung  des  Wassergehaltes.  Die  Luft,  welche 
in  die  Athemwege  gefiltert  wird,  ist  meist  niederer  temperirt,  und 
somit  jedenfalls  trockener,  als  die  Ausathmungslnft , welche  in  den 
Lungen  erwärmt  und  in  vielfache  Berührung  mit  feuchten  Flächen 
gebracht  wurde.  — Die  Luft,  welche  in  die  Lungen  aiifgcnommen, 
wird  sich  darum  rasch  mit  Wasser  sättigen ; der  Zeitraum , welcher 
hierzu  nothwendig,  wechselt  mit  dem  Volum,  der  Trockenheit  und  . * 
der  Wärme  der  Einathmuugsluft.  Leber  den  absoluten  Zeitwerth, 
der  zur  .Sättigung  nötbig,  bestehen  bedeutende  Widersprüche j Va- 
lentin behauptet,  dass  selbst  bei  rascher  Athcmfolge  die  Sättigung 
für  die  bestehende  Temperatur  beendet  sei;  Moleschott  traf  sie 
dann  kaum  zur  Hälfte  satt.  — Das  Gewicht  des  Lnngendampfes, 
welches  wir  in  der  Zeiteinheit  ausstossen,  variirt  nachweislich  mit ^ 
der  Zahl  der  Athcmzüge.  Hierüber  giebt  Valentin*)  folgende 
Tabelle,  aus  welcher  hervorgeht,  dass  das  Gewicht  des  Wasser- 
dunstes sich  mindert , wenn  die  Zahl  der  Athemzüge  in  der  Minute 
Uber  sechs  steigt. 


• ■ 7,«hl  1 

der  Athemzüge  in 
der  Minute. 

Mittler«-«  fipwicht  «Ip* 
ausgcäciiletleuen  Warnten»  in  Gr. 
flir  die  Minute. 

Mittlere*  Gewicht  des 
aueggehtedanen  Waiaen  in  Gr. 
fUr  eh\en  Atliemzu^. 

Zahl  der 
Boobnchtuugcn. 

5 ’ 

0,287 

0,057 

6 

6 

6,297 

0,049 

30 

12 

0,24« 

0,021 

30 

24 

0,261 

0,010 

30 

36 

0,197 

0,005 

3 

40 

0,205 

0,005 

2 

Wünschenswerth  würde  es  sein,  zu  wissen,  wie  die  Aufent- 
haRszeit  und  das  Volum  der  aufgenomraenen  Luft  mit  der  Athem- 
folge  gewechselt  habe.  Auch  mit  der  Temperatur  der  Atmosphäre 
findet  Valentin  das  Gewicht  des  ansgestossenen  Dampfes  ver- 
änderlich. In  der  Kälte  sollen  gleichviel  Athemzüge  weniger  Dunst 
zu  Tage  fördern,  als  in  der  Wärme. 

Als  tägliches  Mittel  des  von  ihm  ausgehauchten  Wassers  giebt 
Valentin  (54  Kgr.  schwer)  375  Gr.  an.  Nach  einer  geringeren 
Zahl  von  Beobachtungen  fand  er  es  bei  8 Studenten  zu  540  Gr. 


•),i.*.3>.  mm. 


DigifizecfTsy  Google 


504 


KnhleullttregehaH  der  Aunthmafigslaft. 


täglich.  Diese  Menge  repräsentirt  natürlich  nieht  den  Wasser- 
verlust, den  das  Blut  durch  die  Athmnng  erleidet;  um  ihn  zu 
finden,  würde  man  von  den  gegebenen  Zahlen  die  unbekannte 
Menge  des  Wasserdunstes  abzuziehen  haben,  welche  in  der  Ein- 
athmungsluft  enthalten  war. 

Ueber  indirekte'  ScbüUungsmethoden  siehe  thierischo  Wärme  nnd  Vergleichung 
der  Ausgabe  und  Einnahme  des  Blutes. 

3.  Veränderung  der  Kohlensäure.  Das  Gewicht  der 
täglich  entleerten  COi  ist  wesentlich  bestimmt  von  der  Menge  der 
täglich  gebildeten,  weil  der  thierischo  Körper  dieses  Gas,  fast  so 
rasch  wie  es  entstand,  auch  wieder  nnd  zwar  vorzüglich  durch  die 
Lunge  entlässt.  Die  Mittel,  durch  welche  sich  die  Ausstossnng  der 
Neubildung  anpasst , sind  gegeben  durch  Veränderungen  des  Un- 
terschiedes der  COsspannnng  in  der  Luft,  des  Blutes  und  der 
Lunge,  des  Wärmeunterschiedes  zwischen  dem  Blut  und  der  Lungen- 
luft,  durch  Veränderungen  des  Blutdrucks  und  der  Berührungs- 
. fläche  zwischen  Luft  und  Blut. 

Theoretische.  Einleitung.  Um  die  Bedeutung  der  Bedingungen  richtig  au 
fassen,  welche  die  Absonderungsgeschwindigkeit  der  CO*  beherrschen,  dienen  folgende 
Erfahrungssätze.  Wie  bei  den  entsprechenden-  Betrachtungen  über  Wasserbewegung 
sollen  die  eingeflochtenon  theoretischen  Ausdrücke  nur  Mittel  zur  leichteren  Fasslich- 
keit sein. 

1)  Die  Kräfte  (Spannungen),  mit  welchen  sich  die  Theilchen  eines  Gases  ab- 
stossen,  verringern  sich  mit  der  abnehmenden  Dichtigkeit  des  Gases  (Mariotte’sches 
Gesetz);  diese  abstossenden  Kräfte  können  ganz  in  derselben  Weise,  wie  es  p.  44  für 
das  Wasser  entwickelt  wurde,  dazu  dienen,  Geschwindigkeit  oder  Spannungen  de« 
Gases  zu  erzeugen,  und  hier  wie  dort  ist  die  Geschwindigkeit,  welche  der  Gewichts- 
einheit Gas  mitgetheilt  werden  kann,  proportional  dem  Unterschied  der  Spannungen, 
welche  auf  den  entgegengesetzten  Grenzflächen  der  bewegten  Gasart  herrschen. 

2)  Nur  die  gleichartigen  (aus  denselben  chemischen  Atomon  und  Atomsahlen  be- 
stehenden) Gastheilchen  üben  eine  Abstossung  gegen  einander,  oder  besser  ausge- 
drückt:  in  einem  Gemenge  aus  verschiedenen  Gasen  ist  die  schliessliehe  Anordnung 
jedes  einzelnen  Theilchens  in  der  Qleichgewichtalage  nur  abhängig  von  den  Kräften, 
welche  von  den  ihm  gleichartigen  Theilchen  ausgehen.  Während  dos  Ucbergangs  aus  einer 
Stellung  in  die  andere,  also  während  der  Bewegung  wirkt  dagegen  die  Anwesenheit 
anderer  Gase  hemmend  auf  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  neue  Lage  einge- 
nommen wird. 

3)  Die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  ein  ohne  Hinderniss  bewegliches  GastheH- 
chen  ein  anderes  fixirtes  flieht,  wächst  mit  der  Zeit,  so  dass  es  in  der  ersten  Zeitein- 
heit einen  kleineren  Weg  zurücklegt,  als  in  der  zweiten,  in  dieser  einen  kleineren  als 
in  der  dritten  u.  s.  f.  — Die  Unterschiede  der  Geschwindigkeiten  in  den  Zeiteinheiten 
(die  beschleunigenden  Kräfte)  nehmen  dagegen  ab  mit  der*  steigenden  Zeit.  Dieses 
folgt  aus  dem  Beharrungsvermögen  und,  aus  dem  ersten  Satz,  dass  die  Intensität  der 
abstossenden  Kraft  sich^mit  der  Dichtigkeitsabnakme  mindert.  Denn  das  Gastheilchen 


Kohlensäuroausscheidung ; theoretische  Einleitung. 


505 


wird  die  iin  ersten  Augenblick  empfangene  Geschwindigkeit  auch  noch  in  allen  folgen- 
den behaupten;  dieselbe  wird  aber  in  jedem  felgenden  Augenblick  vermehrt  durch 
eitlen  neuen  Druck  der  sich  abstossenden  Gasmolekeln.  Die  Anzahl  der  SJösae,  welche 
das  in  Bewegung  gesetzte  Gastheilohen  empfangen  hat,  wächst  also  mit  der  Zeit  und 
darum  in  derselben  Weise  die  Geschwindigkeit.  Die  Kraft  der  Stösse  nimmt  aber  von 
einem  zum  andern  Zeitthoilchen  ab,  weil  die  Entfernung  der  beiden  Molekeln  mit  der 
Dauer  der  Bewegung  steigt,  und  darum  verringert  sich  mit  der  steigenden  Zeit  dio 
Beschleunigung,  welche  von  jenen  Stössen  abhängt. 

4)  Die  Gesetse,  welche  fUr  die  Bcwogung  tropfbarer  Flüssigkeiten  durch  Röhren 
gölten,  finden  auch  ihre  Anwendung  auf  Gase,  welohe  sieh  im  Diffusionsstrom  durch 
Röhren  bewegon.  Tauchte  t.  B.  die  eine  Mündung  eines  Rohrs  in  einen  Behälter  voll 
Sauentoffgas  und  die  andere  Röhrenöffnung  in  eine  Atmosphäre  von  Kohlensäure,  so 
würden  unabhängig  von  einander  zwei  GasstrÖme  in  entgegengesetzten  Richtungen 
durch  das  Röhrenlumen  laufen,  und  zwar  darum  ohne  gegenseitige  Störung,  weil  dio 
Sauerstofftheilcken  nicht  von  der  CO*  und  diese  nicht  von  jener  ihre  Anregung  zur 
Bewegung  empfangen.  Die  Bowcgungsanregung  eines  jeden  dieser  Ströme  würde  ein- 
zig und  allein  begründet  sein  in  dor  Abstossung  der  gleichartigen  Gastheilohen,  oder, 
was  dasselbe  bedeutet,  von  dem  Dichtigkeits - (Spannungs-) unterschied,  welcher  zwi- 
schen den  gleichartigen  Gasthcilchcn  an  den  beiden  Endon  der  Röhre  besteht.  Die 
Gegenwart  der  fremden  Gasart  würde  nur  iusoweit  die  Strömung  beeinflussen,  als  sie 
nach  Art  eines  Reibungswiderstandes  die  Geschwindigkeit  behinderte.  Voruusgesetst, 
man  bewerkstelligte  es  nun  durch  irgend  welche  Vorrichtung,  dass  der  Spannnnge- 
u^fterschied  um  Ende  und  am  Anfang  des  Rohrs  während  der  ganzen  Versuchsdauer 
unverändert  bliebe,  so  würde  sich  auch  die  Geschwindigkeit  eines  jeden  Stroms  in 
dieser  Zeit  constant  erhalten,  und  es  müsste,  weil  eine  Bowcgung  materieller  Theil- 
chen  vor  sich  geht,  die  Geschwindigkeit  abhängig  soin  einerseits  von  dem  Spannungs- 
unterschied,  und  andererseits  von  den  Reibungen  und  dem  Widorstando,  welohe  die 
Anordnung  der  Röhro  mit  sich  bringt..  Da  es  den  Anschein  hat,  als  ob  diese  Be- 
hauptungen der  Theorie  an  sich  klar  waren,  so  betonen  wir  der  physiologischen  Wich- 
tigkeit wegen  nur,  dass  die  Dimensionen  des  Rohrs  von  Einfluss  sind  auf  die  Ge- 
schwindigkeit des  Diffusionsstroms  nach  der  Röhrenlängo.  Nehmen  wir  an,  es  sei  uns 
ein  trichterförmiges  Rohr  A B Fig.  63  gegeben,  in  woloher  sin  Sauerstoffstrom  von  B 
nach  A und  ein  Kohlensänrestrom  von  A 
nach  B gehe.  Gesetzt,  es  sei  der  Unter- 
schied der  grösseren  Kohlcnsäurediehtigkeit 
bei  A und  der  geringere  bei  B gleich  dem- 
jenigen fiir  den  Sauorstoff  bei  B (der 
grossen»)  und  A (der  goringern),  so  wür- 
den die  Triebkräfte,  welche  den  COistrom 
bewegen , doch  grösser  sein,  als  diejenigen, 
welcho  die  S&uerstoffbewegung  einleiten 
und  darum  auch  die  Geschwindigkeit  des 
enteren  über  die  des  letzteren  überwiegen. 

Dieses  ist  ohne  weiteren  Beweis  einleuch- 
tend, weil  bei  gleicher  Spannung  in  den  Gasflächen  die  Zahl  der  COftheilchen,  welohe 
von  A nach  B hin  drücken,  grösser  ist,  als  die  der  Sanorstoffkhoilchen,  welche  von 
B nach  A hin  drängen.  Wir  machen  im  Voraus  darauf  aufmerksam,  das  der  COtstrom 
beginnt  von  der  Lungenoberfläche,  welche  etno  Ausbreitung  von  vielen  Quadratfussen 


Fig.  63. 

B 


- Digiti? ed  jpy  Google 


506 


Kohlensänreauneheidnng ; theoretische  Einleitung. 


besitzt,  und  in  der  engen  Luftröhre  mündet,  wahrend  umgekehrt  der  Bauerstoflstrom 
von  den  Wurzeln  gegen  die  Endon  der  Lunge  streichen  muss.  > 

5)  Setzen  wir  voraus,  ei  wäre  uns  ein  geschlossener  Kaum  gegeben,  weither  mit 
einer  beliebigen  Gasart,  z.  B.  mit  atmosphärischer  Luft,  gefüllt  sei,  und  et  werde 
oiuc  beliebige  Grenz«  dieses  Hau  ms  in  Vorbindung  gebracht  mit  einer  andern  Gasart, 
s.  B.  CO«,  deren  Dichtigkeit  unveränderlich  gedacht  wird,  Bedingungen,  wie  sie  an- 
nähernd in  dor  Lunge  verwirklicht  sind,  so  werden  wir  behaupten  dürfen:  a)  Die 
Geschwindigkeit  des  Diffusionsstroms  aus  der  CO«  in  die  Luft  nimmt  ab , wenn  die 
Zeit  des  bestehenden  Diffusionsstroms  zunimmt,  und  insbesondere  wird  sich  dio  Ge- 
schwindigkeitsahnahme so  gestalten,  dass  sie  im  Beginn  des  Di  (Fusion  sstroms  rasch 
und  mit  der  waehsendon  Dauer  desselben  langsamer  und  langsamer  absinkt  Ahneh- 
men muss  die  Geschwindigkeit  überhaupt,  weil  dio  treihonden  Kräfte,  odur  der  Dicb- 
Ugkeitsuntcrschied  der  CO«,  zwischen  der  angenommenen  Grenzfläche  und  dem  ge- 
schlossenen Kaum  mit  dom  Eindringen  von  CO«  in  den  letztem  geringer  werden,  muss. 
Im  Beginn  der  Zeit,  wo  der  geschlossene  Raum  vollkommen  00«frei  war,  wird  dor 
Strom  unter  der  ganzen  Spannung  der  angrenzenden  CO«  ointreten ; im  nächsten  Augen- 
blick wird  dor  Strom  schon  gehemmt  dnreh  die  zuerst  oingetreteno  CO*'U.  s.  f.,  und 
die  Geschwindigkeit  muss  also  immer  langsamer  werden.  Daraus  geht  auch  hervor, 
«hu»  die  Goschwindigkeitsabnahmo  nicht  im  geraden  Verhältnis*  zum  Wachsihum  der 
Zeit  erfolgen  kann.  Die  Geschwindigkeit  wird  auf  Null  herahsinken , wenn  die  CO*- 
spannung  im  geschlossenen  llaum  und  an  der  angenommenen  Grenzfläche  gleich  gewor- 
den ist.  b)  Der  Zeitraum,  welcher  verlliesst,  bis  die  Diehtigkoit  der  CO«  in  dem 
geschlossenen  llaum  und  der  Grenzfläche  gleichwertig  ist,  wächst  (bei  gleicher  Be- 
rührungsfläche und  gleicher  ursprünglichen  Spannung  der  CO«)  mit  dein  Cubikiniiftlt 
des  Raumes ; or  nimmt  dagegen  ab  (bei  gleicher  Spannung  und  gleichem  Cubikinhait 
de»  Raumes)  mit  der  Berührungsfläche,  und  (bei  gleichor  Berührungsfläche  und  gleichem 
Cubikinhait)  mit  abnehmender  Anfnngsspannung.  — c)  Das  Maximum  des  Dichtigkeits- 
Unterschiedes , welche«  die  00«  während  der  Stromdauor  in  den  verschiedenen  Quer- 
schnitten des  geschlossenen  Raume«  darbietet,  nimmt  milder  Zeit  ab;  mit  der  nähern 
Bestimmung,  dos«  die  Abnahme  während  gleicher  Zeiten  um  so  goringer  wird,  je  ent- 
fernter die  Zeit  vom  Beginn  de«  Stromes  liegt  Zur  Verdeutlichung  dieses  Satzes 

ziehen  wir  die  Fig.  61  herboi.  Stellen  wir  uns 
ihr  entsprechend  den  geschlossenen  Luftraum 
als  einen  Hohlcjrlinder  vor,  der  mit  einer  seiner 
Grundflächen  AU  in  ein  Kohlonsäuremeer  von 
constantor  Dichtigkeit  taucht,  so  wird  der  Ort 
der  höchsten  Spannung  immer  auf  der  Fläche 
Ali  und  der  der  niedrigsten  auf  der  entgegen- 
ge<ctzt*n  Ghin'd (liehe  CD  zu  ' flhdoh  sein.  Demi 
es  ist  das  Fortschreiten  des  Diffusioushtroruc*  eine  Folge  der  fortlaufend  veränderten 
Dichtigkeit  (nicht  etwa  einer  Wellenbewegung)  und  es  muss  domnach.  wenn  die  Be- 
wegung von  einem  an  AB  näheren  zu  einem  von  A U entfernteren  Ort  gehen  soll, 
die  Spannung  an  dem  erstem  höher  als  an  dem  letztem  sein.  Das  Maximum  des 
DichtigkcitsunUrschiodes  wird  also  immer  gefunden,  wenn  man  die  auf  der  FUobe 
CD  bestehende  Spannung  abziebt  von  der  constanten  in  AB.  Wir  wollen  uns  nun 
der  Einfachheit  wegen  die  Dichtigkeit  der  CO«  an  beiden  Orten  gemessen  denken  darob 
die  gleichcu  Längeneinheiten  der  Linien  CD  und  AU.  Die  vorhin  ausgesprochene 
Behauptung  würde ‘demnach , auf.  den  Fall  in  Fig.  64  ttbergetragen,  so  lauten,  daaa  dis 


Fig.  64. 


Kohlensäureausocheidung ; theoretisch«  Einleitung. 


507 


Dichtigkeit  der  CO«  auf  der  Pläoho  CD  in  kürzerer  Zeit  von  Null  auf  halb  DC  (von 
D auf  E)  ansteigt,  als  Ton  halb  DC  auf  ganz  DC.  Dieses  rechtfertigt  sich  aber  da- 
durch, dass  die  absoluten  Mengen  ton  00«,  welche  zur  lierbeifährung  eines  gleichen 
Zuwachses  von  Dichtigkeit  auf  CD  nothwendig  sind,  gleich  sein  müssen.  Die  Menge 
der  CO«  aber,  welche  ein  Strom  unter  Voraussetzung  gleichen  Querschnitts  in  der 
Zeiteinheit  mit  jioh  führt,  ist  natürlich  proportional  dem  Spannnngsunterschiede  der 
CO«  am  Beginn  und  Ende  der  Strombahn  (=  der  Geschwindigkeit  derselben).  Nun 
bewegt  sich  aber,  wenn  die  Dichtigkeit  in  CD  von  Null  (DJ  auf  K[,%DC  (F.J  anwächst, 
der  Spannungsunterschied  zwischen  ganz  und  halb  DC  (sein  arithmetisches  Mittel  in 
diesen  Grenzen  ist  = 3/«  DC),  während  er  sich  bei  dem  Ansteigen  der  Spannung  von 
y'iCD  (E)  auf  ganz  DC  ( C)  zwischen  ein  halb  DC  und  Null  bewegt  (sein  arithme- 
tisches Mittel  ist  = */i DC).  Die  Stromgeschwindigkeit  wird  also  zwischen  K und  D 
auch  viel  grösser  sein , als  zwischen  E und  C.  — Die  soeben  gewonnene  Erfahrung 
fuhrt  uns  weiter  zu  der  Behauptung : d)  Die  Curve  der  Dichtigkeit , besehrieben  über 
die  Achse  des  geschlossenen  Baumes,  nimmt  mit  der  wachsenden  Stromdauor  an  Steil- 
heit ab.  Zum  Verständnis«  dieses  Satzes  ist  zunächst  die  Erläuterung  einiger  Aus- 
drücke nothwendig.  Achs«  des  geschlossenen  Baumes  nennen  wir  dio  gerade  Linie, 
welche  oinen  Tunkt  höchster  mit  dem  zunächst  gelegenen  niedrigster  Spannung  ver- 
bindet In  dom  Beispiel,  welches  Pig.  <14  «larstellt,  würden  also  olle  Linien,  welche 
der  Cylindcrnchsc  parallel  laufen , als  Achsen  des  geschlossenen  Raumes  zu  bezeichnen 
sein.  Dächten  wir  uns  nun  auf  oine  dieser  Achsen  der  Bcibo  nach  dio  verschiedenen 
Dichtigkeiten  der  CO«  und  zwar  als  Ordinatcn  au  fge  tragen,  die  in  den  Orten  enthalten 
sind,  welche  die  Achse  durchschneidet,  so  würden  wir  die  Curve  der  Dichtigkeit  er- 
halten. Die  Curve  der  Dichtigkeit  giebt  also  nichts  anderes  als  einen  Ausdruck  für 
dio  Yerthcilung  der  CO«  nach  einer  bestimmten  Richtung  des  geschlossenen  Baumes, 
und  darum  will  dio  obige  Behauptung  nichts  anderes  sagen , als  dass  die  Spannunga- 
untemchiedo,  welche  dio  Längeneinheit  de»  Stromes  an  einer  beliebigen,  ober  bestimm- 
ten Stolle  desselben  darbietet,  mit  der  Stromdauor  abnimmt,  und  ferner,  dass  die  Zeit, 
welche  zur  gleichwertigen  Verminderung  dieser -Unterschiede  nothwendig  ist,  mit  der 
Dauer  des  Diifusionsstromes  wächst  Die  Nothwcudigkcit  dieses  Satzes  leuchtet  gleich 
ein,  wenn  man,  wie  dieses  in  Pig.  f>4  geschehen,  unuimml,  dass  die  Dichtigkeit  auf 
der  Achso  (BD)  abnehme  proportional  der  Entfernung  ihrer  Tunkte  von  dom  Anfangs- 
orte  höchster  Spannung  B.  Unter  dieser  Voraussetzung  geht  bekanntlich  die  Steilheit 
der  Spannungscurve  AK  und  A D an  jedem  beliebigen  Abschnitte  der  Achse  propor- 
tional dem  Maximum  des  Spannungsnntcrsc&cdes,  wolches  in  dem  Raume  enthalten  Mt. 
Dieser  letzte  Zusatz  gilt  nun  allerdings  nicht  mehr,  wenn  die  Curvo  der  Spannung 
einen  gekrümmten  Verlauf  angenommen  bat,  indem  dann  nicht  überall  dla  Spann  ungs- 
untenchiede  proportional  dem  Maximum  desselben  abgenommen  haben  werden , aber 
immerhin  muss  sifch  auch  hier  dio  Abnahnio  'des  grössten  ITÄterschiedes  vorfheileA  auf 
den  Verlauf  der  Curve  und  diese^  somit  im  Allgemeinen  an*  Steilheit  abnehmvn.  — 
Bei  der  praktischen  Bedeutung,  welche  der  Curve  der  Diohtigkeit  zukommt,  wäre  ee 
wünschenswert!!,  ihre  allgemeine  Form  zu  entwickeln  in  einem  geschlossenen  ltaumo 
von  der  Gestalt  der  I, ungenhöhle.  Bei  der . Complikation  dieser  letzteren  ist  dieses 
aber  unmöglich;  wir  müssen  uns  also  mit  dem  gegebenen  ungefähren  Ausdruck  be- 
friedigen. 

(V)  Die  Temperaturunterschiede  der  Orte,  von  und  zu  denen  die  Strömung  geht, 
sind  bedeutungsvoll,  weil  sie  bei  gleicher  Dichtigkeit  des  Gases  einen  Spannungaunter- 
schied  desselben  erzeugen ; denn  mit  der  steigenden  Temperatur  mehrt  sich  die 


508 


Kohlensäureabduastung  aas  Flüssigkeiten. 


abstossende  Kraft  der  Gaetheilchen.  Eine  gleiohmässige  Erhöhung  oder  Erniedrigung 
der  Temperatur  an  allen  Orten  des  Diffusionsstroms  könnte  auf  diesen  nur  einflussreich 
■ein  durch  Veränderung  einer  etwa  bestehenden  Reibung. 

7)  Bis  dahin  verfolgten  wir  den  Gang  der  COi-Diffusion  im  freien  oder  nur  luft- 
erfÜ  Ilten  Raum ; wir  werden  nun  betrachten,  wie  sich  die  Spannung  und  Geschwindig- 
keit jenes  Diffusionsetroms  an  der  Grenze  zwischen  Flüssigkeit  und  Luft,' oder  mit 
Rücksicht  auf  die  Athmung  ausgedrückt,  wie  sie  sich  an  der  Grenze  zwischen  Blut- 
und  Luftröhren  der  Lunge  verhalten.  Die  hier  in  Frage  kommenden  Gesetze  sind  von 
Stefan*)  einer  mathematischen  Untersuchung  unterworfen  worden,  deren  Ergebnisse 
mit  der  Erfahrung  vollkommen  Übereinstimmen.  Nach  seinen  Annahmen  wird,  wie 
beim  Üebergang  der  Gase  aus  einer  Luftschicht  in  eine  andere , auch  in  der  Grenz- 
schicht zwischen  Flüssigkeit  und  Luft  die  Geschwindigkeit  des  Stroms  bestimmt  durch 
den  Spannungsuntersehied  der  Gase  diesseits  und  jenseits  jener  Schicht.  Die  Abwei- 
chung der  Vorgänge  an  den  beiden  verschiedenen  Orten  besteht  nur  darin,  dass  die 
Spannung  der  Gase  in  der  Flüssigkeit  in  undorcr  Weise  von  der  Dichtigkeit  derselben 
abhängt,  als  im  freien  Luftraum,  und  dass  den  Gasen  beim  Durchgang  durch  die  Flüs- 
sigkeit ein  anderer  Reibungswiderst&nd  entgcgenstcht,  als  in  der  Luft.  Von  dem  Ein- 
fluss des  letzteren  Umstandes  müssen  wir  einstweilen  noch  ganz  absehen , da  er  keine 
praktische  Erledigung  gefunden.  Von  der  Spannung  der  Gase  lässt  sich  dagegen  aus- 
sagen,  dass  sie  in  der  Luft  wie  in  der  Flüssigkeit  unter  Voraussetzung  gleicher  Tem- 
peratur mit  der  Dichtigkeit  wächst;  aber  wenn  in  dem  Luftvolum  V die  Gasincnge  A 

zerstreut  ist,  so  ist  der  Druck  p , den  sie  erzeugt,  = d.  h.  die  Spannung  ist  nur 

abhängig  von  dem  Verhältniss  des  Luftvolums  zu  der  in  ihm  vorhandenen  Gasmenge; 
wenn  dagegen  das  in  dem  gleichgroßen  Flüssigkeitsraum  V absorbirte  Gas  denselben 

Druck  erzeugen  soll,  so  muss  die  Menge  dieses  Gases  *=*  oA  sein,  so  dass  p = ^ 

ist.  Hier  bezeichnet  a den  Absorptionscocfßzicnten  oder  das  Volum  Gas,  welches  bei 
der  angenommenen  Temperatur  von  äer  Raumeinheit  der  Flüssigkeiten  aufgenommen 
werden  kann.  Um  den  Inhalt  dieser  Gleichungen  durch  ein  Zalilenbeispicl  aufzuklären, 
nehmen  wir  an  V,  d.  i.  das  gleiche  Volum  von  Flüssigkeit  und  Gas,  sei  = 1 C.  C., 

der  Druck  p,  welcher  nach  vollendeter  Absorption  dom  Gas  in  Luftraum  und  in  der 

Flüssigkeit  zukomme,  sei  = 1,0  Metr.,  und  der  Absorptionscoefßeicnt  sei  = 0,8,  so 

wird  die  Menge  des  Gases  in  dem  fre^pn  Raum  = 1,0  und  in  der  Flüssigkeit 

• = 0,8  sein. 

S t e f ui  hat  mit  Zuhilfenahme  der  angedeuteten  Grundlagen  das  Verschlucken 
und  Abdunsten  von  Gas  unter  sehr  verschiedenen  Bedingungen  untersucht;  von  seinen 
Erörterungen  sind  für  die  Athmung  namentlich  folgende  von  Wichtigkeit:  Wieviel 
Gas  ist  aus  der  Luft  in  ein  gegebenes  Volum  von  Flüssigkeit  eingetreten  nach  Aus- 
gleichung des  Druckes  in  beiden,  und  zwar  wenn  entweder  der  Luftraum  unbeschränkt 
war,  so  da es  der  Druck  des  freien  Gases  durch  den  A-bsorptionsvorg&ng  selbst  nicht 
geändert  wird,  oder  wenn  auch  der  Luftraum  von  beschränkter  Ausdehnung  war,  so 
dass  sich  der  Druck  des  freien  Gases  durch  die  Absorption  selbst  änderte.  Unter  den- 
selben Bedingungen  hat  er  weiterhin  untersucht,  wie  sich  die  Geschwindigkeit  der 
Strömung  in  der  Grenzfläche  zwischen!  freiem  Gas  und  Flüssigkeit  ändert  mit  der 

*)  Wiener  akademische  fiiuoogsherlchtc  XXVII.  375. 


Kohlensäureausscheidung,  abhängig  ton  der  Athembcwegung  509 

•wachsenden  Zeit,  and  demnach  auch  die  Gasmenge  bestimmt,  die  in  jedem  Zeitabschnitte 
wahrend  der  bestehenden  Absorption  in  die  Flüssigkeit  Ubergeht.  Ausser  der  Ab- 
sorption hat  er  auch  die  Abdunstung  von  Gas  berücksichtigt  und  namentlich  unter- 
sucht , wie  sich  das  letztere  verhält,  wenn  eine  Flüssigkeit  ihr  Gas  von  constantem 
Druck  in  einen  beschränkten  llaum  entlässt;  auch  hier  hat  er  die  mit  der  Zeit  abneh- 
mende Geschwindigkeit  und  die  in  jedem  Zeitintervall  austretende  Gasmenge  festge- 
stellt. So  wichtig  dieser  Inhaltsanzeige  nach  die  Resultate  seiner  Untersuchung,  die 
überall  von  der  Erfahrung  bestätigt  werden,  für  die  Athmungsiehre  sind,  so  können 
sie  hier  doch  nicht  mitgetheilt  werden,  weil  die  gefundenen  Formoln  ohne  Anwendung 
des  höhere  Calcüls  nicht  verständlich  sind.  1 

8)  Da  die  verdunstbare  CO«  des  Blutes  nicht  allein  gelöst,  sondern  znm  Theil 
auch  anderweitig  gebunden  ist,  so  könnte  es  fraglich  sein,  ob  die  Gesetze,  welche  für 
die  Abdunstung  des  einfach  absorbirten  Gases  gelten,  auch  für  die  Athmung  in  Be- 
tracht kommen.  Nach  zahlreichen  Erfahrungen  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  der  Theil  der  verdunstb&ron  CO«,  welcher  nicht  gebunden,  sondern  nur  gelöst  ist, 
gerade  so  abdunstet,  wie  wenn  der  gefundene  Antheil  des  Gases  gar  nicht  vorhanden 
wäre.  Der  Unterschied  zwischen  dem  Blut  und  einer  anderen  von  gebundener  CO« 
freien  Flüssigkeit  würde  also  günstigsten  Falles  darin  bestehen,  dass  bei  der  Abdun- 
stung aus  dem  Blut  neben  der  Spannung  der  aufgelösten  auch  noch  die  der  gebun- 
denen 00«  in  Betracht  käme.  Aber  auch  dieser  Unterschied  scheint  nicht  zu  bestehen 
unter  den  Bedingungen  des  normalen  Lebens;  es  scheint  nämlich,  als  ob  nur  der 
locker  gebundene  Gaaantheil  an  der  Athmung  Theil  hätte.  Wir  schlicsscu  dieses  dar- 
aus, weil  bei  den  gewöhnlichen  Absorptionsversuchen  mit  Blut  erst  unterhalb  sehr 
niedriger  Druckgrenzen  sich  die  Anwesenheit  der  gebundenen  CO«  bemerklich  macht, 
und  aus  der  Aehnlichkeit  (nicht  Uebcreinstimmung)  des  Verhaltens  der  im  Blut  ge- 
bundenen CO«  mit  deijenigen,  welche  aus  einer  Lösung  von  2Na0C0«  entweicht.  Wenn 
nämlich  bei  einer  Temperatur  von  23°, 6 C.  in  Wasser  so  viel  2NaOCO«  enthalten  ist, 
dass  die  Menge  der  gebundenen,  aber  verdunstbaren  CO«  so  viel  wie  im  Blut  betragt, 
so  genügt-  die  Anwesenheit  von  1,0  pCt.  CO«  in  dem  darüber  stehenden  Luftraum, 
um  die  Verdunstung  dieses  Gases  aus  der  Flüssigkeit  zu  verhindern  (L.  Meyer*). 
Im  Leben  sinkt  abor  der  C0«-Gehalt  der  Lungenluft  nie  auf  jenen  Werth,  sondern  er 
erhalt  sich  immer  weit  darüber.  Demnach  würde  man  sich  für  berechtig#  halten,  die 
gebundene  CO«  des  Blutes  von  der  Betheiligung  an  der  Athmung  auszuschliessen,  wenn 
man  wüsste,  ob  die  an  2NaoPhOs  gebundene  CO«  sich  eben  so  4Vhalte,  wie  die  an 
NaOCOt  geknüpfte.  Es  wäre  wünschenswert^  dieses  durch  besondere  Versuche  zu  er- 
mitteln. 

Die  folgende  Darstellung  der  Schwankungen  in  der  COa-Ans- 
scheidung  untersucht  der  Reihe  nach  den  Einfluss  der  Athem-  und 
Blutbewegung,  der  Luft-  und  Blutzusammensetzung  und  endlich  der 
verschiedenen  Zustände  der  Lungenwand. 

Athembewegung.  Im  Ruhezustand  des  Brustkastens  ist 
der  Lungenraum  mit  Luft  gefüllt,  welche,  in  feine  Bläschen  ver- 


•)  Oase  des  Blutes  p.  42* 


Digitized  by  Google 


510  • Änderung  der  00*  mit  dem  Lungenort  «od  •*»  .* 

theilt,  durch  Wandungen  von  einer  «ehr  grossen  Ausdehnung  begrenzt 

wird;  die.se  letzteren  sind  dnrehzogen,  man  könnte  sagen,  gebildet 
von  einem  dichten  Blutgefässnetze,  dessen  Inhalt  verdunstbare  COa 
fuhrt.  Insofern  also  die  Luft  in  dem  Lungenraum  jemals  COa-frei 
war,  wird  sie  sogleich  einen  Antheil  dieses  Gases  empfangen,  und 
dieser  Antheil  wird,  alles  Andere  gleich  gesetzt,  mit  der  Zeit  ihres 
Verweilen«  in  der  Lunge  so  lange  wachsen,  bis  sie  die  Spannung 
der  CO2  im  Blute  angenommen  hat.  Bevor  jedoch  diese  Ausglei- 
chung eintritt,  geschieht  eine  Einatlmiung,  durch  ‘welche  COa-freie 
Luft  theils  mit  der  bis  dahin  vorhandenen  vermengt  und  theils 
Uber  die  bis  dahin  vorhandene  geschichtet  wird.  Das  erstere  ge- 
schieht, wenn  die  Einathuiung  zu  umfänglich  ist,  um  nach  Ver- 
drängung der  Luft  aus  den-  Bronchien  in  diesen  Platz  zu  finden, 
so  dass  ein  Theil  der  eingeatbmeten  noch  in  die  Bläschen  gelangt; 
der  in  den  Bronchien  zurUckbleibende  Theil  der  neu  eingetretenen 
Luft  ist  die  aufgeschichtete.  Nach  längerem  oder  kürzerem  Ver- 
weilen wird  sämmtliche  mit  der  Einathmung  aufgenommene  Luft  . 
wieder  ausgestossen , nachdem  sie  natürlich  durch  Diffusion  und 
Mischung  CO:  empfangen,  und  es  bleibt  nach  dieser  Exspiration 
ein  Gasgemenge  zurück , welches  weniger  COa  enthält , als  das  un- 
mittelbar vor  der  Inspiration  vorhandene.  Der  COa-Gehalt  desselben 
steigt  von  Neuem,  und  es  wiederholt  sieh  dann  der  frühere  Vor- 
gang u.  s.  f.  Bei  einer  solchen  Einrichtung  unseres  Apparates 
dürfen  wir,  alles  Uebrige  gleichgesetzt,  erwarten: 

a)  Nach  vollendeter  Einathmung  wird  die  Dichtigkeit  'der  COi 
in  den  Lungen  (oder  der  Prozentgebalt  ihrer  Luft  an  COa)  abneh- 
men von^len  Lungenwänden  hin  gegen  das  Centrum  der  einzelnen 
Uöhlcnabtheilungen  und  von  den  engeren  Röhren  (den  Infundibulis) 
gegen  die  weÄren  (die  Bronchien).  Der  Unterschied  der  Dichtig- 
keit an  diesen  verschiedenen  Orten  wird  abnehmen  mit  der  Aufent- 
haltszeit der  Luft  in  der  Lunge.  Allen,  Pepys  und  Vierordt, 
welche  bei  ihren  Versuchen  auf  diesen  Umstand  Rücksicht  nahmen, 
fanden  in  der  That,  dass  die  Luft,  welche  in  dem  Beginn  der  Aus- 
athmung  ausgestossen  wird,  ärmer  an  COa  ist,  als  diejenige,  welche 
am  Ende  der  Ausathmung  erscheint.  Der  grössere  Theil  ersteren 
Luftquantums  kommt  aber  imzweifelhaft  aus  den  Bronchien,  der 
letztere  ursprünglich  aus  den  Lungenbläschen.  Dieser  Unterschied 
des  COa-Gehaltes  verschwindet  jedoch  nach  Vierordt*),  wenn  die 


■ «)  1.  c.  p.  174. 


“**•*■  4 «it  d«r  Aafenthaltazeit  der  Luft  in  der  Log«.  . V 511 

eingeathmete  Luft  40  8ec.  lang  in  der  Lunge  verweilte,  bevor  sie 
wieder  ansgestossen  wurde.  l)a  zu  dieser  Zeit,  wie  wir  sehen 
werden,  der  GO] -Strom  von  dem  BJnt  zu  der  Luft  noch  nicht  ge- 
schlossen ist,  so  muss  man  annehmen,  dass  auch  dünn  noch  Un- 
terschiede bestehen,  die  aber  durch  den  Versuch  nicht  nachweisbar 
waren  (siehe  die  theoretischen  Betrachtungen  5.  c und  d). 

b)  Die  mittlere  Dichtigkeit  (der  Prozentgehalt ) der  COj  in  der 
ausgeathmeten  Luft  wird  uni  so  mehr  zugeuommen  haben,  je  län- 
ger die  eingeathmete  Luft  in  der  Lunge  verweilte  und  je  kleiner 
das  eingeathmete  Luft volum  gewesen  war  (Vierordt).  Um  den 
ersteren  Thcil  dieses  Satzes  testzustellen , genügt  es,  in  kurz  auf- 
einander folgenden  Zeiten  Ein-  und  Ausathmungen  von  immer  glei- 
chem Volum  auszuflilireu  und  die  aufgenommene  Luft  der  Reihe 
nach  kürzere  und  längere  Zeit  zurtiekzuhalten,  bevor  sic  wieder 
ausgestossen  wird.  Als  Beispiel  für  den  Gang  der  Sättigung  füh- 
ren wir  eine  mit  genaueu  Hilfsmitteln  angestellte  Versuchsreihe  von 
E.  Becher  au.  ln  dieser  wurden  im  Mittel  4560  CC.  Luft  ein- 
und  ausgeathmet;  die  Dancr  der  Einathmung  betrug  2 bis  3 Sec, 
die  Zeit  des  Zurückhaltens  der  Reihe  nach  0 , 20  , 40,  60  , 80, 
100  See.  Der  mittlere  Prozentgehalt  der  Ausatlnuungslutl  an  COj 
betrug  nach  0 Sec.  = 3,6  pCt.,  nach  20  Sec.  = 5,6  pCt.,  auch  40  Sec. 
=■=  6,3  pCt.,  nach  60  Sec.  — 7,2  pC't.,  nach  80  Sec.  = 7,3  pOt, 
nach  100  Sec.  = 7,5  pC'f.  Werden  diese  Zahlen  in  ein  Coordina- 
tensystem  eiugctragcn 
(Fig.  65),  dessen  Ab- 
scisse  die  Zeit,  dessen 
Ordinate  die  CO,-Pro- 
zente  misst,  so  geben 
dieselben  die  einlie- 
gende Curve,  welche 
uns  zeigt,  dass  die 
Zuwttchse,  welche  die 
Dichtigkeit  der  COi 
in  gleichen  Zeiten  em- 
pfängt, rasch  almeh- 
men,  wenn  die  Zeit- 
dauer des  Znrttekhal- 
tens  der  Luft  wächst.  In  Zahlen  ausgedrückt,  wuchs  nemlich  von 
0 bis  20  Sec.  der  Gehalt  um  2,0;  zwischen  20  und  40  Sec.  um 

• • 


I 


Digitized  by  Googli 


513  Kohlensäureauiaöheidong , ablmngiK  Ton  dem  geathjnoten  Loftrolnm. 


0,7;  zwischen  40  nnd  60  nm  0,9;  zwischen  60  und  80  um  0,3 
und  zwischen  80  und  100  um  0,2  pCt  Die  einzige  Zahl  dieser 
Reihe,  welche  freilich  innerhalb  der  Fehlergrenzen  Yon  dem  durch 
die  Theorie  verlangten  Gange  abweicht,  ist  wahrscheinlich  die 
dritte  zwischen  40  nnd  60  Sec.  gelegene. 


Stefan*)  hat  diese  Erfahrungen  mit  seiner  Theorie  verglichen,  indem  er  seine 
Gleichungen  cigends  für  diesen  Zweck  umformte ; dann  hat  er  drei  Zahlen  von  Becher 
benutzt,  um  daran»  die  ConsUnten  zu  finden^  und  für  die  anderen  3 folgenden 
Werthe  berechnet 


Zeit 


COg-Procen  te 
beobachtet  berechnet 


Unterschiede 


Hoch  0 See.  3,0  3,0  —0,6 

Mich  40  - 6,3  6,7  + 0,4 

Nach  80  - 7,3  7,4*  » + 0,1 

Diese  Uebereinstimmung  ist  als  eine  sehr  gute  anzusehen,  da  Becher  selbst  bei  zwei 
unter  ganz  gleichen  Umstanden  aUBgeführten  Versuchen  Fehler  von  0,2  pCt.  erhielt 
Sollte  sich  bei  weiteren  Versuchen  diese  Uebereinstimmung  bestätigen,  so  wtirdo  eine 
Fortsetzung  der  Beobachtungen  nach  dem  vorliegenden  Plane  sehr  wlinschens- 
werth  sein. 

Setzt* man  die  Kechnung  mittelst  der  Gleichung  von  Stefan  fort,  so  zeigt  sich, 
da«B  das  Maximum , welches  die  OOj-Prozente  in  der  Lungenluft  bei  der  vorliegenden 
Versuchsreihe  annehmen  konnten,  = 7,57  pCt.  war.  Demnach  dürfte  mit  einer  Rtr 
praktische  Zwecke  genügenden  Genauigkeit  angenommen  werden,  dass  nach  100  Seeun- 
den  die  Ausgleichung  zwischen  der  COt-Spannung  in  der  Lungenluft  und  in  dem  Blute 
erfolgt  wäre.  Unter  diesen  Voraussetzungen  könnte  man,  wenn  Druck  und  Temperatur 
der  Lungenluft  bekannt  wäre,  aus  obigen  Versuchen  den  Absorptionscoäfhzienten  des 
lebenden  Blutes  für  CO,  ableitcn.  — Auch  liesse  sich  aus  den  Versuchen  finden,  wie 
gross  das  Luftvolum  ist,  welches  vor  der  Inspiration  in  der  Lunge  noch  vorhanden 
war;  dasjenige,  welches  wir  früher  den  unveränderlichen  Brustraum  nannten  (p.  493). 


Vierordt  giebt  eine  Beobachtungsreibe,  ans  der  hervorgeht, 
dass  %in  kleines  Volum  eingeathmeter  Luft  kürzere  Zeit  in  der 
Lunge  zu  verweilen  braucht,  um  den  COj-Gehalt  zu  gewinnen,  wel- 
chen ein  bedeutenderes  in  längerer  Zeit  erreicht.  Als  er  nemlieh 
500  bis  600  CC.  Luft  mit  je  einer  Einathnrung  einzog  und  1800  CG. 
ausstiess  und  in  einer  andern  Reihe  möglichst  tief  inspirirte  und 
jedesmal  etwa  3600  CC.  ausathmete,  so  gab  er  in  der  ersten  Reihe 
nach  20  Sec.  ZurUckhaltens  eine  Luft  mit  6,5  pCt.  COj;  nach 
40  Sec.  = 7,2  pCt.  und  nach  60  Sec.  = 7,4  pCt.  ln  der  zweiten 
Reihe  enthielt  dagegen  die  Luft  nach  20  Sec.  = 4,8  pCt,  nach 
40  Sec.  = 5,2  nnd  nach  60  Sec.  = 6,0  pCt.  COj.  — Allerdings 


•)  Wiener  Akademische  Sitzungsberichte.  27.  Bd.  3#6. 


Digitized  by  Google 


Kobleitaanreausscheidung , abhängig  von  der  Äthetnbewegüng.  513 

sied  beide  Reihen  nicht  ganz  vergleichbar;  in  dieser  Beobachtung 
besonders  nicht,  weil  in  der  ersten  Reihe  die  ansgeathmete  Luft 
m Überwiegender  Menge  aus  solcher  bestehen  musste,  welche  län- 
ger als  die  bezeichneten  Zeiten  in  der  Lunge  zurückgeblieben  war. 
Hätte  man  aber  auch  diese  Ungleichheit  beseitigt,  so  würden  sich’ 
dennoch  die  beiden  Versuchsreihen  durch  mehr  als  durch  blosse 
Volumunterschiedfe  der  aufgenommenen  Luft  unterscheiden.  Das 
grössere  Volum  dringt  tiefer  in  die  Bläschen  und  mischt  sich  dort  . 
inniger,  und,  um  es  aufzunehmen,  müssen  sich  die  Lungenwände 
mit  ihren  Gefässen,  d.  h.  die  Berührungsflächen  zwischen  der  Luft 
und  den  COa  - abdunstenden  Häuten  weiter  ausdehnen.  Dieser 
Grund  kürzt  die  zur  Sättigung  nöthige  Zeit  wieder  ab,  während  sie 
die  Volumvermebrung  für  sich  allein  verlängert. 

c)  Die  mittlere  Geschwindigkeit  der  COa-Strömung  in  den  Lun- 
genraum  hinein  steigt  mit  dem  Volum  der  in  der  Zeiteinheit  (Minute) 
eingeathmeten  Luft  und  mit  der  Geschwindigkeit  des  Luftwechsels 
(Vierordt).  Dieses  geschieht  darum,  weil  durch  die  Ventilation 
die  Dichtigkeit  der  COa  in  der  Lungenluft  vermindert  und  der 
Spannungsunterschied  zwischen  der  CG*  im  Blut  und  in  der  Luft 
erhöht  wird.  Man  könnte  also  auch  sagen,  die  Geschwindigkeit 
der  CO-j-Strömung  und  damit  die  absolute  Menge  von  COa,  welche 
in  der  Zeiteinheit  durch  die  Lunge  entleert  wird,  steigt,  wenn  der 
prozentische  CCb-Gebalt  in  der  ausgestossenen  Luft  abnimmt.  Der 
scheinbare  Widerspruch,  dass  die  absolute  Menge  der  COa  in  der 
Ausathmungsluft  wächst  mit  der  abnehmenden  Dichtigkeit  derselben, 
löst  sich,  wie  begreiflich,  leicht;  denn  wenn  der  prozentische  COj- 
Gehalt  der  Luft  abgenommen,  so  hat  sich  in  ungemein  reichlicherer 
Weise  die  Menge  der  in  der  Zeiteinheit  ausgestossenen  Luft  ge-#  • 
mehrt.  — Die  Athembewegungcn  sind  nun  im  Stande,  dasselbe 
Luftvolum  auf  zwei  verschiedene  Arten  in  die  Lunge  zu  führen, 
entweder  durch  zahlreichere  und  flachere  oder  durch  seltenere  und 
tiefere  Züge.  Bei  gleichem  Volum  der  wechselnden  Luft  wird  der 
letztere  Respirationsmodus  die  Menge  der  ansgeführten  COa  mehr 
steigern,  als  der  erstere,  denn  es  begünstigt  derselbe  die  mecha- 
nische Mischung  der  zurückbleibenden  und  der  eingeathmeten 
Luft,  und  er  vergrössert  auch  die  Berührungsfläche  zwischen  der 
letzteren  und  dem  Blute.  Die  Versuche  von  Vierordt  geben  fol- 
gende Zahlen: 


Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage. 


33 


Digitized  by  Google 


514 


KohlensÄureausscheidung , abhängig  von  der  AfcheTObeweguftg- 


Zahl  d.  Atliemzttge  COt-Gehalt  d.Luft  Luflvolum,  in  d.  Minute  COf Volum,  in  d.  Minute 


ln  der  Minute. 

in  Prozenten. 

auageathmet,  in  CC. 

auageathuet,  in  CC. 

Reibe.  6 

5,1 

3000 

168 

„ 12 

4,1 

6000 

246 

„ 24 

3,3 

12000 

372 

„ 48 

3,0 

24000 

720 

„ 90 

2,7 

48000 

, 1296 

Reihe.  12 

5,4 

3000 

162 

„ 12 

4,5 

600t) 

270 

„ 12 

4,0 

12000 

480 

0 12 

3,4 

24000 

816 

Vergleicht  man  die  Zahlen  je  einer  dieser  Reihen,  so  siebt 
map  sogleich , dass , wenn  die  absolute  Menge  der  ausgehanchten 
Luft  wächst,  der  l’ro/.entgohalt  der  CÜi  ab-  und  die  absolute 
Menge  derselben  zunimmt.  — Vergleicht  mau  aber  die  Zahlen 
beider  Tabollen,  und  namentlich  die  absoluten  Mengen  und  die 
Prozente  der  CO2  bei  gleichem  Volum  der  Exspirationsluft,  so  sieht 
man,  dass  die  COj-Prozente  bei  langsamer  Atbemfolge  (ausgenom- 
men sind  nur  die  beiden  ersten  Beobachtungen  in  der  ersten 
[6  Zuge]  und  in  der  zweiten  [12  Züge)  Reihe)  höher  sind,  als  bei 
rascher.  Daraus  wttrde  man  den  Beobachtungen  zuwider  folgern 
können,  dass  die  mittlere  Geschwindigkeit  des  (.'( h-Stroms  in  die 
Lungenluft  bei  langsamer  Athemfolgc  und  voluminöseren  Luftztigen 
geringer  sein  möchte,  als  bei  dem  entgegengesetzten  Modus  zu 
athmen;  wenn  trotzdem  mehr  CO2  geliefert  wird,  so  kann  dieses 
seinen  Grund  nur  in  der  grossem  Strombreite  (wegen  vermehrter 
Berührungsfläche)  oder  in  der  Ausgiebigkeit  der  mechanischen 
• Mischung  haben.  — Natürlich  sind  diese  Erklärungsgrikide  nur 
giltig,  wenn,  was  aus  dem  Versuche  nicht  hervorgeht,  die  Zeit, 
während  welcher  die  eingeathmete  Luft  in  der  Lunge  verblieb,  ftlr 
gleiche  Luftvolumina  dieselbe  war,  und  wenn  zur  Zeit  der  beiden 
Reihen  gleiche  Spannungen  der  COi  des  Blutes  bestanden. 

d)  Die  mittlere  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  COs  in  die 
Lungenluft  strömt  während  eines  ganzen  Athcmzugs  (Ein-,  Ans- 
at Innung,  l’ausc),  wird,  alles  l ebrige  gleichgesetzt,  wachsen  mit 
der  Zeit,  während  welcher  der  Brustkorb  in  der  Einathmungsstel- 
lung  verweilt 

Die  Wirksamkeit  des  Athemzugs  für  die  Ausscheidung  der  OOf  würde  jedenfalls 
gesteigert  werden,  wenn  die  Brust,  statt  nach  vollendeter  Einathmung  sogleich  wieder 
in  die  Exspirationsstellung  öberaugehen  , in  erweitertem  Zustand  verharrte.  Aber  im 


Digitized  by  Google 


knhlensiiureautiseheidung,  abhängig  von  der  Athcmbewegung.  515 

Verhältnis«  *ur  Anstrengung  würde  der  Erfolg  doch  immer  nur  ein  sehr  untergeord- 
neter sein,  wie  die  auf  p.  511  gezeichnete  (June  von  Becher  einsehen  lässt,  da  mit 
der  über  ein  gewisses  Maas«  dauernden  Inspir&tionsseit  die  CO«  nur  um  ein  Geringes 
gesteigert  wird  (Stefan). 

Bei  grösserem  Umfang  des  Brustkastens  wird  die  Dichtigkeit 
der  CO2  in  dem  Lungenraum  langsamer  ansteigen,  als  bei  geringem ; 
demnach  wird  im  ersten  Fall  längere  Zeit  ein  grosser  Spannungs- 
unterschied  bestehen.  Versuche,  welche  diese  Angabe  der  Theorie 
bestätigen,  fehlen. 

Eine  Untersuchung,  welche  die  oben  aufgestellten  theoretischen 
Voraussetzungen  auf  ihre  Richtigkeit  prüfen  wollte,  müsste,  ausser 
den  schon  angegebenen,  mindestens  noch  folgende  Bedingungen 
erfüllen : 1)  Sie  hätte  herznstellen  die  Gleichheit : in  der  Zusammen- 
setzung der  eingeathmeten  Luft,  in  der  Menge  und  Zusammen- 
setzung der  in  der  Lunge  restirenden  Luft,  in  der  Zusammen- 
setzung und  Stromgeschwindigkeit  des  Blutes.  Dieses  Alles  ist 
annähernd  zu  erreichen,  theils  dadurch,  dass  man  die  zu  verglei- 
chenden Versuche  unmittelbar  hinter  einander  anstellt,  theils  dass 
man  den  Brustkasten  auf  einem  bestimmten  Umfang  hält.  — 2)  Sie 
hätte  zu  verändern  die  Zeit,  während  welcher  das  cingesogene 
Luftvolum  in  dem  Brustkasten  zurückgehalten  wird,  und  gleich  zu 
halten:  das  gesummte  Volum  des  -Luftwechsels  in  der  Zeiteinheit,  • 
die  Berührungsflächen  zwischen  Blut  und  Luft  und  den  Umfang 
der  mechanischen  Mischung  neuer  und  restirender  Luft  in  der 
Lunge.  Dieses  wäre  zu  erreichen,  wenn  man  gleich  viel  Luft, 
immer  gleich  rasch  eingezogen,  mehr  oder  weniger  rasch  wieder 
entfernte,  so  dass  die  Athempause  kürzer  oder  länger  würde.  — 

3)  Sie  hätte  zu  verändern  das  in  der  Zeiteinheit  gewechselte  Luft- 
volum und  dabei  gleich  zu  erhalten  die  mechanische  Mischung,  den 
Querschnitt  des  Diffusionsstroms , die  Anwesenheitsdauer  der  inspi- 
rirten  Luft;  um  dieses  zu  erfüllen,  würde  man  eine  ungleiche  Zahl 
gleich  tiefer  Athemzügc  machen , von  denen  jeder  einzelne  um  so 
länger  gehalten  werden  müsste,  je  seltener  die  Athcmzüge  erfolg- 
ten. — 4)  Sie  hätte  zu  verändern  die  mechanische  Vermischung 
der  neuen  und  restirenden  Luft  und  die  Berührungsflächen  zwischen 
Luft  und  Blut  und  dabei  gleich  zu  machen:  das  in  der  Zeiteinheit 
gewechselte  Luftvolum,  die  Zeitdauer  der  Einathmungsstellung. 
Dieses  würde  geschehen,  entweder  wie  wir  schon  oben  unter  c er- 
wähnten, oder  auch  durch  Bewegungen  des  Brustkorbes  nach  ge- 
schehener Einathmung  und  bei  geschlossener  Stimmritze. 

33  * 


Digitized  by  Google 


516 


KohUositareausseheidung,  abhängig  vom  BluUtrom 


Blutstrom.  Bei  der  Frage,  wie  eine  Veränderung  des  Blut- 
stroms in  der  Lunge  die  Ausscheidung  der  Kohlensäure  vermehren 
oder  vermindern  könne , ist  wesentlich  aus  einander  zu  halten 
der  Einfluss  variabler  Spannung  und  variabler  Geschwindigkeit 
des  Stroms. 

Eine  vermehrte  Spannung  des  Blutstroms  muss,  alles  Andere 
gleichgesetzt,  unzweifelhaft  die  Ausscheidung  der  CO-2  mehren,  und 
zwar  auf  zweierlei  Art.  Zunächst  wird  durch  sie  die  Berührungs- 
fläche zwischen  Blut  und  Luft  vergrössert;  da  sich  die  Gelasse,  in 
denen  das  Blut  unter  einem  höheren  Druck  strömt,  ausdehnen. 
Mit  dem  Druck  des  Gesammtblutes  mehrt  sich  aber  auch  der 
Druck  seiner  COi,  und  dieser  stellt  demnach  eine  zu  den  gewöhn- 
lichen neu  hinzukommende  Bewegungsursache  dar,  vorausgesetzt, 
dass  die  gashaltige  Flüssigkeit  mit  einem  Kaum  von  niederer  Span- 
nung in  Berührung  kommt,  wie  dieses  in  der  That  zwischen  Blut 
und  Lungenluft  geschieht.  — Ob  diese  Umstände  von  praktischer 
Bedeutung  sind,  ist  noch  niemals  untersucht  worden. 

Der  veränderten  Geschwindigkeit  des  Blutstroms  würde  nur 
ein  Einfluss  auf  die  COj-Abscheidung  zuzuschreiben  sein,  wenn  es 
feststünde,  dass  der  Unterschied  der  CO-2-Spannung  in  dem  arte- 
riellen und  venösem  Lungenblut  merklich  stiege,  wenn  die  Ge- 
schwindigkeit des  Stroms  in  den  Grenzen  des  normalen  Lebens 
abnimmt.  Man  könnte  in  der  That  geneigt  sein,  dieses  in  Abrede 
zu  stellen,  weil  jedenfalls  die  Zeit,  während  welcher  ein  Bluttheil- 
chen  in  den  Lungencapillarcn  verweilt,  nicht  merklich  grösser  aus- 
fällt, je  nachdem  es  das  eine  Mal  langsamer  als  das  andere  Mal 
die  ungemein  kurze  Wegstrecke  durch  die  Lungenbläschen  zurttck- 
legt.  Die  Möglichkeit  kann  freilich  nicht  bestritten  werden.  Setz- 
ten wir  also  fest,  das  langsam  strömende  Blut  führe  beim  Austritt 
aus  der  Bläschenwand  CO2  von  niederer  Spannung  (weil  es  bei 
längerem  Aufenthalt  in  der  Lunge  mehr  abgegeben),  als  das  rasch 
fliessende,  und  geben  wir  in  beiden  Fällen  dem  arteriellen  Blut 
gleiche  Spannung,  so  würde  die  mittlere  C02-Dichtigkeit  des  Bluts 
während  des  Aufenthaltes  in  der  Lunge  beim  langsamen  Strom 
geringer  als  beim  raschen  sein.  Der  rasche  Strom  beschleunigt 
also  die  Abscheidung.  Beobachtungen  Uber  die  hier  besprochenen 
Probabilitäten  sind  nicht  angestellt. 

Luftveränderungen,  a.  Die  Zusammensetzung  der 
eingeatbmeten  Luft  kann,  insofern  sie  von  der  gewöhnlichen 
atmosphärischen  abweicht,  aus  allgemeinen  physiologischen  Gesichts- 


und  von  dor  7m stramen Setzung  der  Einathmungsluft. 


517 


punkten  betrachtet,  auf  zweierlei  Weise  verändernd  in  die  Ab- 
seheidung der  CO2  eingreifen.  Einmal,  indem  sie  ein  Material  in 
die  Lungen  und  von  da  in  das  Blut  fuhrt,  welches  die  Bildung 
von  CO2  innerhalb  aller  oder  einzelner  Organe  fordert  oder  hemmt; 
mit  einem  Wort  dadurch,  dass  sie  die  Zusammensetzung  des  Bluts 
Ändert;  wir  werden  die  Betrachtung  dieser  Einflüsse  einstweilen 
verschieben.  — Dann  aber  greift  möglicher  Weise  die  in  ihrer 
normalen  Zusemmensetzung  veränderte  Luft  auch  dadureh  auf  die 
Abseheidung  der  Kohlensäure  ein,  dass  sie  die  Entleerung  der 
einmal  in  dem  Blute  vorhandenen  beschleunigt  oder  verlangsamt. 
Diese  letztere  Weise  der  Einwirkung,  die  wir  hier  abhandeln,  hebt 
sieh  vor  der  ersteren  sogleich  dadurch  ab,  dass  sie  sieh  nicht  erst 
nach  dem  Verlauf  von  mehreren,  vielleicht  von  vielen  Einathmungen, 
geltend  macht,  sondern  schon  mit  dem  ersten  Athemzug  aus  der 
verändert  zusammengesetzten  Luft. 

Der  Physiolog  muss  nun  mit  Rücksicht  auf  die  Veränderung 
in  der  Zusammensetzung  der  Einathmnngsluft  den  Unterschied  als 
wesentlich  festhalten,  ob  der  COi-freie  oder  der  C'02-haltige  Theil 
der  Atmosphäre  alterirt  worden  ist. 

lj  Bei  der  Athmung  in  kohlensäufefreien  Gasen  muss 
der  Theorie  entsprechend  die  COj- Ausscheidung  überall  dieselbe 
bleiben,  wenn  auch  die  Zusammensetzung  der  eingenommenen  Luft 
sonst  noch  so  sehr  wechselt.  Diese  Behauptung  ist  die  nothwen- 
dige  Folge  aus  .dem  feststehenden  Grundsatz,  dass  nur  die  Molekeln 
der  gleichartigen  Gasarten  im  Stande  sind,  sich  gegenseitig  in  ihrer 
Ausdehnung,  oder  wie  man  sich  gewöhnlich  ausdrückt,  in  ihrer 
Diffusion  zu  hemmen.  Versuche,  die  zur  Bestätigung  dieses  Satzes 
dienen  könnten,  lassen  sich  nur  mit  wenigen  Gasarten  ausführen. 
Denn  einmal  sind  viele  Gasarten,  deren  Aufzählung  in  der  Toxiko- 
logie gesucht  werden  muss,  geradezu  Gifte,  und  dann  sind  von 
den  nichtgiftigen  nur  solche  zu  gebrauchen,  welche  Sauerstoff  in 
freier  oder  locker  gebundener  Form  enthalten,  da  die  Gegenwart 
dieses  Gases  im  Blute,  wie  wir  schon  früher  ausführten,  durchaus 
nothwendig  ist,  um  die  Lebenseigenschaft  der  Muskel-  und  Nerven- 
substanz  zu  erhalten.  Es  bleibt  somit  nur  übrig  reines  O-Gas, 
Knallluft  (Sauerstoff  und  Wasserstoff),  Genjenge  von  Stickstoff  mit 
Sauerstoff  in  einem  Vcrbältniss,  das  von  dem  atmosphärischen  ab- 
weicht, und  endlich  Stickoxydul  (Lnstgas).  — Mit  diesen  Gasarten 
sind  nun  auch  schon  Versuche  angestellt,  jedoch  meist  in  einer 
Weise,  die  keinen  Vergleich  zulässt  mit  der  COrAbscbeidung  in 


Digitized  by  Google 


518 


Kohlensäureausseheiduiig,  abhängig  von  der  Luftwärme. 


gewöhnlicher  Luft.  Ein  solcher  Vergleich  würde  nemlich  nur  dann 
zulässig  sein,  wenn  man  Rücksicht  genommen  hätte  auf  die  Ge- 
schwindigkeit des  Luftwechsels,  oder  wenn  man  die  Versuche  früher 
beendet  hätte,  bevor  die  Folgen  der  verändert  zusammengesetzten 
Luft  auf  die  Blutmisohung  eingetreten  waren. 

In  einem  Widerspruch  mit  den  theoretischen  Ableitungen  scheinen  sich  die  Er- 
gebnisse der  Untersuchung  von  Allen  und  Pepys  zu  befinden.  Denn  als  der  von 
ihnen  beobachtete  Mann  in  5,3  Atheuuügcn,  die  er  während  der  Minute  ausführtc, 
5332  CG.  atmosphärische  Luft  aufgenommen,  entleerte  er  eine  Luft,  welche  8*)  pCt. 
CO*  enthielt;  als  derselbe  Mensch  auf  dieselbe  Weise  5800  CC.  eines  Gasgemisches 
aus  99  pCt.  Sauerstoff  und  2 pCt.  CO*  einathmctc  und  den  Versuch  9,5  Minuten  fort- 
setzte,  athmete  er  eine  Luft  mit  1 1 pCt.  Kohlensäure  aus.  In  der  zweiten  Beobach- 
tungszeit war  im  Gegensatz  zur  ersten  der  Zustand  des  Menschen  aber  nicht  derselbe 
geblieben;  die  Zahl  der  Pulsschlägo  war  von  72  auf  98  in  der  Minute  eraporgegangen, 
und  es  hatte  sich  ein  Gefühl  von  Wärme  und  zugleich  eine  gelinde  Hautausdünstung 
eingestellt.  Die  Vermuthung  liegt  damit  nahe , dass  sich  schon  in  den  ersten  Minuten 
nach  der  Sauerstoffathmung  die  Zusammensetzung  des  Bluts  änderte ; diese  Annahme 
gewinnt  eine  Bestätigung  durch  den  17.  Versuch  der  erwähnten  Autoren,  in  welchem 
vön  demselben  Manne  56099  CC.  eines  Gemenges  von  99  pOt.  0 und  2 pCt.  N wäh- 
rend 7,55  Minuten  (7490  CC.  in  der  Minute)  eingeathraet  wurden.  Die  während  die- 
ser Zeit  ausgeathmeten  Luftmassen  wurden  von  halber  zu  halber  Minute  gesondert 
aufgefangen  und  untersucht.  Hierbei  ergab  sich , dass  die  in  den  ersten  30  Secunden 
gelieferte  Luft  9 pCt  CO*,  die  in  den  darauf  folgenden  60  Secunden  entleerte  10,5  pCt 
CO*,  die  in  den  letzten  30  Secunden  ausgeatlimeto  endlich  12,5  pCt.  CO*  enthielt. 
Auch  bei  diesem  Versuch  war  schliesslich  die  Zahl  der  Pulsschläge  von  86  auf  102 
gestiegen  und  gegen  Ende  desselben  eine  Schweissbildung  eingetreten.  Diese  Beden- 
ken gewinnen  um  so  mehr  an  Kraft,  als  ähnliches  Beobachtungen  von  W.  Müller 
di^  Theorie  für  die  Lungenatlunung  und  die  Ycrsucho  von  Bcis'et  und  Kegnault 
sie  für  den  Gesammtgaswechsel  bestätigen. 

Ein  Zusatz  von  COa  znr  Athmungsluflt  wird  jedesmal’  die  Aus- 
scheidung dieses  Gases  ans  dem  Blute  hemmen;  der  Werth,  den 
die  Hemmung  erreicht,  wird  steigen  mit  dem  COa-Gehalte  der  Luft 
und  zwar  so,  dass  schliesslich  eine  Stromumkehr  stattfindet.  So 
wie  nemlich  dieses  Gas  in  der  Luft  höher  gespannt  ist  als  im 
Blut,  so  muss  es  nun  aus  dem  ersteren  in  das  letztere  dringen. 
Dieses  hat  zuerst  Legallois**)  beobachtet,  als  er  Katzen  und 
Kaninchen  in  eine  Atmosphäre  brachte,  welche  mehr  als  21  pCt. 
CO,  enthielt.  . W.  Müller  hat  die  hierher  gehörigen  Erscheinungen 


•)  Wir  erlauben  uns,  die  Beobachtungen  von  Allen  und  Pepys  noch  anznflihren.  obwohl 
die  CfV, -Bestimmungen  sicher  mit  einem  Fehler  behaftet  sind.  Dieser  Fehler  ist  aber  in  allen 
Beobachtungen  derselbe  geblieben , und  somit  geben  die  Zahlen  immer  noch  ein  vergleichbares 

Maas«  ah. 

**>  Annales  de  chimle  et  phyaique.  IV.  Ud.  (1817)  p.  12«. 


Kohlcnsiiurcnu.scheitlitnfl,  abhängig  van  dar i.nfh?nnhe. 


51« 


weiter  verfolgt.  Er  befreite  die  Lunge  des  Thieres  möglichst  von 
allem  Stickstoff,  indem  er  0 durch  dieselbe  leitete;  dann  setzte  er 
die  Lunge  in  Verbindung  mit  einem  Raum  von  150  bis  250  CC. 
Inhalt,  der  mit  reinem  O-Gas  gefüllt  war.  Wenn  das  Thier  (Ka- 
ninchen) in  diesem  mit  Hg  gesperrten  Raum  (siehe  Fig.  61)  aus- 
und  einathmet  und  der  Luftdruck  in  demselben  immer  dem  atmo- 
sphärischen gleich  bleibt,  so  verschwindet  sein  gasartiger  Inhalt 
vollkommen;  das  Thier  saugt  den  ganzen  Inhalt  der  Glocke  auf. 
Der  Grund  hierfür  liegt  darin,  dass  im  Anfang  der  0 vom  Blut 
aufgenommen  und  statt  dessen  CO2  ausgesehieden  wird.  Indem 
sich  nun  der  Gasraum  durch  Entfernung  des  O-Stoffs  mindert,  meh- 
ren sich  die  COa-Prozente  desselben  und  also  auch  der  Druckan- 
theil  der  letzten  Luftart;  sowie  der  letzte  gleich  dem  der  CO2  im 
Blut  geworden,  wird  keine  COj-Aüsscheiduug  aus  letzterem  mehr 
stattfinden,  sondern  alle  neugebildete  CO2  im  Thier  verbleiben; 

es  wird,  wenn  die  0- Absorption  fortsehreitet , auch  die  ur- 
sprünglich ausgeschiedene  COj  zurückgcnommen  werden,  und  da 
sich  der  0 bis  zum  vollkommenen  Verschwinden  mindert,  so  wird 
dieses  auch  mit  der  CO2  geschehen.  Dieses  kann  jedoch  nur  so 
lange  fortdauem,  bis  das  Thier  Vollkommen  mit  CO2  gesättigt  ist. 
Bedient  man  sich  also  eines  Raumes,  der  den  Umfang  des  Thieres 
ttbertrifft,  so  hört  bei  fortschreitendem  Athmen  allmählich  die  Ver- 
kleinerung des  Luftraums  auf,  indem  nunmehr  so  viel  COj  aus- 
geführt als  0 aufgesogen  wird.  Dieses  tritt  ein,  wenn  das  Thier 
etwas  mehr  Cd?,  als  die  Hälfte  seines  Volums  beträgt,  zum  Ver- 
schwinden gebracht  hat.  Aber  dann  stirbt  auch  das  Thier,  obgleich 
die  geathmete  Luft  noch  viel  mehr  0 enthält,  als  die  atmosphä- 
rische; also  ist  es  nicht  aus  Mangel  an  Sauerstoff,  sondern  durch 
die  Giftwirkungen  der  CO»  gestorben;  dem  entsprechend  tritt  der 
Tod  nicht  unter  den  Erscheinungen  der  Erstickung,  sondern  unter 
denen  der  Narcose  ein.  — Die  prozentige  CfVMengc,  welche  die 
Luft  enthalten  muss,  um  dieses  Gas  an  das  Blut  abzugeben,  statt 
es  von  ihm  zu  empfangen,  wird  begreiflich  variabel  sein,  da  die- 
ses auch  mit  der  Spannung  der  CO2  im  Blute;  der  Fall  ist. 

Wenn  der  WasserdunBt  in  der  atmosphärischen  Luft  zunimmt,  soll  auch  das 
Gewicht  der  ansgeathmeten  CO*  steigen  (Lehmann)*). 

b.  Physikalische  Luftveränderung.  Mit  der  Erniedri-  • 
gung  der  Temperatur  steigt  die  ausgeschiedene  Kohlensäure 

•)  Valentin' * Jahresbericht  flir  1WG.  |i.  IgO. 


. jjigitizßd  by  Google 


520 


Kohlensäureauseeheidung , abhängig  vom  Luftdruck. 


(Lavoisier,  Letellier,  Vierordt);  dieser  Einfluss  der  ernie- 
drigten Lufttemperatur  macht  sich  ebenso  rasch  als  dauernd  gel- 
tend. So  giebt  z.  B.  der  letztere  Beobachter  aus  einer  grossen 
Versuchsreihe  an  sich  selbst  folgende  Mittelzahlen: 


Mittel  in  der  Minute. 

Mittlere  Lufttemperatur. 

Unterschiede. 

8», «J  C. 

190,40  C. 

Pulsschläge | 

72,93 

■ 71,29 

1,64 

AthemzÜge ! 

12,16 

11,57 

0,59 

Atsgeathmetes  Luftvolum 1 

6672  CC. 

6106  CC. 

656  • 

Ausgeathmete  Kohlensäure 

299,3 

257,8 

41,5 

Prozent.  GOi  - Gehalt  der  ausgeathmeten 
Luft 

; 4,28 

4,0 

0,28 

Letellier*)  stellte  dagegen  fest,  dass  kleine  Säugethiere  bei 
einem  VsstUndigen  Aufenthalt  in  einer  Temperatur  von  — 5°  bis 
-f-  3°  C.  um  das  Doppelte  mehr  COj  aushauchten,  als  hei  einem 
gleich  langem  Verweilen  in  einer  Wärme  von  + 28°  bis  -f-  43°  C. 
— Das  Ansteigen  der  CO2  - Ausscheidung  bei  abnehmender  Luft- 
temperatur muss  wesentlich  bedingt  sein  von  der  beschleunigten 
Oxydation  der  kohlenstoffhaltigen  Verbindungen.  Zum  kleinem 
Theil  könnte  sie  aber  auch  darin  begründet  sein,  dass  der  COj- 
Gehalt  des  Organismus  im  Winter  herabgedrückt  wird,  in  Folge 
der  zu  jener  Zeit  beschleunigten  Ausfuhr.  Dieses  letztere  könnte 
eingeleitet  sein  durch  eine  lebhaftere  Athemfolgc,  •welche  reflekto- 
risch von  der  abgekühlten  Haut  und  Lunge  erweckt  würde,  oder 
auch  durch  die  gesteigerte  Diffusionsgeschwindigkeit  aus  dem  immer 
gleich  wannen  Blut  in  die  kältere  Lungenluft,  da  nach  Valentin 
(p.  502)  bei  niedrigerer  Temperatur  der  Atmosphäre  die  ansgeath- 
mete  Luft  noch  um  einige  Grade  kälter  ist,  als  bei  warmer  Um- 
gebung. Die  ungemeine  Abnahme  der  CO2,  welche  Letellier 
in  verhältnissmässig  so  hohen  Wärmegraden  beobachtete,  hängt 
wahrscheinlich  zusammen  mit  der  Herabstimmung  der  Erregbarkeit 
aller  Nerven  und  Muskeln  und  insbesondere  derjenigen,  des  Brust- 
korbes. — 

Die  Erklärung,  welche  Lavoisier**)  und  Seguin  davon  geben,  dass  in  kal- 
ter Lnft  mehr  COf  ausgeathmet  werde,  kann  trotzdem,  dass  sie  in  verschiedenen  Mo- 
difikationen häufig  wiederholt  wurde,  mit  Stillschweigen  Übergangen  werden.  — Gerade 

•>  Annalen  de  ehimle  et  physiqne.  XIU.  Bd.  478  (1845). 

••)  Memoire*  de  racademle.  1790.  60i.  — Ltebig.  Thier  Chemie. 


Digitized  by  Google 


Kohlensäureausschoidung,  abhängig  von  der  Blutraischnng.  521 

umgekehrt  wie  die  Warmblüter  verhalten  sich  die  Frftsehe , die  bei  hoher  Temperatur 
mehr  CO*  bilden  (Moleschott)*). 

Mit  der  Steigerung  de«  Luftdrucke«  «oll  «ich  auch  die  CO2- 
Abscheidung  mehren  (St.  Sage  und  Hervier),  eine  Thatsache, 
welche  Vierordt  in  freilieh  sehr  engen  Grenzen  des  wechselnden 
Barometerstandes  nicht  bestätigt  fand.  Aber  auch  er  bemerkte, 
dass  bei  hohen  Barometerständen  der  Luftwechsel  rascher  und 
demach  der  prozentig^  COj-Gehalt  der  Lungenluft  geringer  wird. 
Die  Theorie  würde  also  auch  in  «einen  Beobachtungen  Vermehrung 
der  absoluten  Menge  der  auggeschiedenen  CO5  verlangen.  Da  sich 
aber  im  Allgemeinen  niedere  Temperaturen  und  hohe  Barometerstände 
combiniren,  so  ist  e«  schwer  zu  entscheiden,  was  dem  einen  oder 
anderen  nach  gleicher  Kichtung  hin  wirkenden  Einfluss  zuzuschrei- 
ben ist. 

Die  bei  dieser  Veranlassung*  öfter  citirten  Versuche  von  Legallois  sind  mit 
den  übrigen  nicht  vergleichbar,  weil  seine  Beobachtungsthiere  eine  stark  kohlensaure- 
haltige  Luft  einathmeten. 

Blutmischung.  Die  Theorie  verlangt,  dass,  alles  Andere 
gleichgesetzt,  die  Ausscheidung  der  CO,  in  die  Lnngenluft  beschleu- 
nigt werden  muss,  wenn  sich  dieses  Gas  im  Blute  anhäuft  in  Folge 
einer  gesteigerten  Kohlensäurebildung  in  den  Geweben.  Die  JCr- 
fahrung  ist  bis  dahin  nicht  befähigt,  auf  geradem  Wege  diese  frei- 
lich an  sich  gerechtfertigte  Annahme  zu  bestätigen,  weil  ihr  jedes 
Mittel  fehlt,  um  den  COi-Gehalt  des  lebenden  Bluts  auch  mit  nur 
annähernder  Schärfe  festzustellen;  sie  ist  darum  genöthigt,  mit  in- 
direkten Beweisen  vorzuschreiten,  die  jedoch  um  so  werthvoller 
sind,  weil  die  dabei  zur  Sprache  kommenden  Thatsachen  uns 
Aufschluss  geben  Uber  einige  die  Oxydation  der  thierischen  Koblen- 
stoffverbindnngen  beschleunigende  Bedingungen. 

Die  Beweise,  dass  die  beschleunigte  Ausscheidung  von  CO*  begründet  sei  in  einer 
vermehrten  Bildung  odef  einer  vermehrten  Anhäufung  derselben  im  Blute , sind  auf 
zwei  verschiedenen  Wegen  erbracht  worden.  E.  Becher  benutzt  als  ein  proportionales 
Maos«  für  die  Anhäufung  der  CO*  im  Blote  den  prozentischen  OOf Gehalt,  welchen  ein 
gleich  grosses  Luftvolum  annehraen  kann,  das  zu  verschiedenen  Zeiten  von  demselben 
Individuum  eingoatbraet  und  gleich  lange  in  der  Lunge  zurückgehalten  wurde,  nach- 
dem der  Brustkorb  jedesmal  vor  der  Einathmung  durch  eine  tiefe  Exspiration  auf  das 
möglichst  gleiche  und  geringste  Moass  seines  Inhaltes  zurück  gebracht  wurde.  Durch 
diese  Maassregeln  werden  für  jede  der  zu  vergleichenden  Einathmungcn , die  Einflüsse 
der  mechanischen  Mischung,  der  Berührungszeit , der  Berührungsfläche  und  des  ur- 

• 

■)  Untersuchungen  zur  Xaturlehre.  II.  Bd.  1A57. 


Digitized  by  Google 


KoMensäureaussebeidung,  abhängig  von  der  Blutraischung. 


522 

•prilngiich  CO»-freien  Lnfl volume  gleich  gemacht;  ändert  sich  also  in  der  ausgoath- 
meten  Luft  die  prozentige  Menge  der  COa,  so  kann  dieses  nur  daher  führen,  weil  die 
Kraft,  mit  welcher  dieses  Gas  aus  dem  Blute  gestossen  wird,  veränderlich  war.  Ira 
Allgemeinen  wird  nun  die  Behauptung  richtig  sein,  dass  die  Spannkräfte  der  CO*  des 
Blutes  wachsen  mit  ihrer  Anhäufung  daselbst;  also  wird  auch  zu  sehliessen  sein,  dass 
eine  Vermehrung  der  COi-Prozento  in  der  Ausathmungsluft  unter  den  gegebenen  üm- 
ständen  auf  einen  gesteigerten  COa-Gehalt  des  Blute«  binweist  — ~ Andere  Experimen- 
tatoren buchen  dagegen  die  Beschleunigung  der  COi-ßildung  zu  messen,  ohne  Rücksicht 
au  nehmen,  wie  sich  dabei  die  Anhäufung  dieser  Gasart  im  Blute  gestaltet.  Das  in 
Angriff  genommene  Problem  lüst  Vierordt  dadurch,  dass  er  die. in  gleichen  Zeiten 
ansgehauchten  CO*-Gewichte  (die  absoluten  Mengen)  bestimmt«.  Stellt  sich  nun  her- 
aus, dass  während  eines  gewissen  Zeitraums  das  in  der  Zeiteinheit  gegebene  CO*. 
Gewicht  vermehrt  oder  vermindert,  der  COt-Gehalt  des  Individuums  aber  zu  Beginn 
und  Ende  des  erwäbuten  Zeitraums  gleich  geblieben  ist,  so  ist  selbstverständlich  die 
Oxydation  des  Kohlenstoffe  zeitweise  verändert  gewesen.  Die  letztere  Bedingung,  d.  h. 
ein  gleicher  CO*-Gehalt  des  Individuums  an  den  Grenzen  des  Zeitraums,  ist  aber  als 
erfüllt  anzusehen , wenn  die  Lunge  in  je  zwei  Zeiteinheiten , von  denen  die  eine  zu 
Beginn  und  die  andere  zu  Ende  des  Zeitraums  liegt,  gleiche  COi-Menge  ausgiebt, 
während  die  Folge  und  der  Umfang  der  Athembcwegungen  dieselben  sind.  Würde 
nemlich  unter  diesen  Umständen  der  Gehalt  des  Blutes,  rosp.  des  Individuums  an  CO* 
variabol  geworden  sein,  so  müsste  dieses,  den  feststehenden  allgemeinen  Grundsätzen 
zufolge,  auch  zu  einer  Abweichung  in  den  Gewichtsmengen  der  CO*  führen.  — Ver- 
zichtet man  auf  kurz  vorübergehende  Schwankungen  der  COf-Absonderung,  wünscht 
man  z.  B.  nur  das  Tagesmittel  der  COi-Abscheidung  zu  vergleichen , so  erhält  man 
mit#  Hegnault,  Scharling,  C.  Schmidt  Aufschluss  durch  Vergleichung  langer 
Zeiträume , während  welcher  so  grosse  Kohlensäuregcwichte  ausgeschieden  wurden, 
dass  dagegen  die  Unterschiede  der  gesamraten  zu  verschiedenen  Zeiten  auf  einmal  im 
Thiefkörper  enthaltenen  CO* -Mengen  verschwinden.  — Ueber  indirekte  Methoden 
siehe  später. 

a)  Die  Abhängigkeit  der  Bildung  der  CO2  von  dem  Kohlen- 
stoffgehalt der  Nahrung.  — Da  die  CO2  ein  Produkt  der  lebens- 
nothwendigen  chemischen  Prozesse  ist,  so  geht  ihre  Bildung  min- 
destens bis  zum  Tod  (und  meist  auch  Uber  ihn  hinaus);  sie  wird 
darum  durch  die  Lungen  auch  dann  noch  ausgeschieden,  wenn 
selbst  keine  kohlenstoffhaltige  Nahrung  genossen  wird,  wobei  sich 
natürlich  das  Gewicht  der  kohlenstoffhaltigen  Körperbestandtheile 
mindert.  Vom  Beginn  des  Ilungerns  bis  zum  Tode  nimmt  zuerst 
die  tägliche  Menge  der  ausgeschiedenen  Kohle  sehr  wenig,  in  den 
letzten  Tagen  des  Lebens  sehr  raseh  ab  (Schmidt)*).  — Bei 
einer  Nahrungsaufnahme  in  solchen  Grenzen,  dass  dabei  das  mitt- 
lere tägliche  Körpergewicht  unverändert  erhalten  wird,  stellt  sich 
ein  dynamisches  Gleichgewicht  her,  indem  sich  die  Menge  der 


•)  Verdnuungwitfte.  p.  310. 


KohlessäurstuH.clieidung.  abhängig  von  dar  Blutmisi  liung.  523 

ausgohauchten  OOj  genau  nach  dem  mit  der  Nahrung  angenom- 
menen Kohlenstoff  richtet,  so  dass  durch  die  Lunge  jedesmal  an- 
nähernd die  ganze  Monge  von  Kohlenstoff  wieder  entleert  wird, 
welche  aus  dem  DaruikanaJ  in  das  Blut  Ubergcgaugeu  war.  Das 
tägliche  Mittel  steht  also  bei  dem  Genuss  von  vegetabilischer  Nah- 
rung mit  viel  Kohlenhydraten  hiihcr,  als  hei  dem  von  Fleisch  mit  viel 
Fett.  — Die  Steigerung,  welche  der  Genuss  verdaulicher  Nahrungs- 
mittel mit  sich  führt,  beginnt  kurze  Zeit  nach  der  Aufnahme  der- 
selben und  scheint  mit  ihrem  vollendeten  Lebertritt  in  das  Blut 
(2 — 3 Stunden  nach  dem  Essen)  das  Maximum  zu  erreichen,  und 
sinkt  dann  wieder  ab.  — Vierordt  stellt  für  die  einzelnen  Tages- 
stunden die  Minutenmittel  der  von  ihm  ausgehauchten  COs  in  der 
folgenden  Tabelle  zusammen,  zu  welcher  zu  bemerken  ist,  das  vor 
9“  ein  Frühstück  und  um  lh  30'  ein  Mittagsessen  genossen  wird. 

Stnndo  d.  Beobachtg.  9 10  11  12  1 2 3 4 5 6 7 

Monge  der  in  1 Min.] 

ausgeathmeten  CO*-  } 261  251  276  241  276  291  276  261  251  236  226 

Menge  in  CC.  J 

Menge  dar  in  1 Min)  fi050  6250  ftI50  5550  6250  6750  6350  6150  60M)  5550  M50 
auftgc&thm.  Luft  in  CG.  J 

Zebl  der  Puleeehlägej  73  6fl  69  fi9  gl  g3  g,  77  75  7ä  73  , 

in  1 Minute.  ) 

Diese  Zahlen  sind  dazu  benutzt  , um  zwei  Curvcn  (Fig.  t>6) 
zu  construircn;  auf  die  Abscisse  sind  die  Zeiten,  auf  die  Ordinate 

Flg.  6«. 


Volumina. 


aber  Werthe  aufgetragen,  die  proportional*)  sind  den  zu  den  be- 
treffenden Zeiten  ausgehauchten  CO2-  ( a ) und  Luftvolumina  (i). 
Wir  machen  einstweilen  darauf  aufmerksam,  dass  die  Volumina 
der  .Ausathmungsluft  und  der  CO2  einander  sehr  nahezu  gleich 

•)  Die  in  der  Curre  benutzten  Ordinatenwerthe  nlnd  die  Quotienten  , welche  durch  Division 
de«  geringsten  COt-  and  LuflTolums  ln  die  anderen  grosseren  der  Reihe  nach  erhalten  wurden. 


Digitized  by  Googli 


524  Kohlensloretoincheidung , »bbfagig  Ton  der  Blntmuehnng. 

stehen.  Daran«  könnte  man  folgern,  dass  die  Tiefe  nnd  Häufigkeit 
der  Athemztlge  wächst,  wie  die  ans  der  Lunge  hervortretenden 
COt-Volumina.  — Im  Gegensatz  zu  unseren  gewöhnlichen  und  un* 
entbehrlichen  organischen  Nahrungsmitteln  befinden  sich  nach  Vier- 
ordt  die  Spirituosa  (und  der  Tbee?  Front).  Nach  ihrem  Genuss 
wird  die  COi-Abscheidung  unter  das  Maass,  welches  man  ohne  sie 
hätte  erwarten  können,  herabgedrtlckt.  So  bewirkte  z.  B.  der  Zu- 
satz von  250  Gr.  Wein  zum  Mittagsessen,  dass  statt  des  gewöhn- 
lichen Unterschieds  von  50  CC.  COj  zwischen  12b  nnd  2“  nur  ein 
solcher  von  20  CC.  eintrat. 

Nach  den  Beobachtungen  von  Smith*),  die  mir  nur  in  einem  sehr  gedrängten 
Auszug  zugänglich  waren,  gestaltet  sich  Manches  anders,  als  man  bisher  annahm.  Er 
verzehrte  noch  vor  dem  Frühstück  eine  bestimmte  Speise  in  massiger  Menge  und  be- 
stimmte dann,  während  er  in  sitzender  Stellung  verharrte,  die  Menge  der  ausgeath- 
meten  CO«  und  der  eingeathmeten  Luft,  die  Zahl  der  Pulsschläge  und  Athemzüge  und 
die  Temperatur  und  den  Druck  der  Luft.  Er  fand,  dass  sich  die  Nahrungsmittel  un- 
terscheiden lassen,  in  solche,  welche  die  CO«-Ausscheidung  steigern,  und  solche,  welche 
sie  mindern.  Tritt  eine  Steigerung  ein , so  ist  dieselbe  entweder  rasch  vorübergehend 
oder  dauernd;  und  cs  mehrt  sich  hierbei  nicht  sowohl  die  Zahl  der  Athemzüge,  als 
vielmehr  ihre  Tiefe. 

Die  COi-Ausscheidung  wird  befördert  durch  Zucker,  Milch,  Speisen  aus  Getreide- 
mehl,  Kartoffeln,  Thee,  Kaffee,  Cichorien,  Cacao,  Alkohol,  Rum,  Ale,  einige  Weinarten« 
Gluten,  Casein,  Fibrin,  Albumin  und  Leim.  — Thee  und  Zuoker  steigerte  schon  wenige 
Minuten  nach  dem  Genuss  die  COf-Ausscheidung,  Gluten  und  Casein  wirkte  mit  ge- 
ringerer Geschwindigkeit.  Nach  Zucker  und  Thee  dauerte  die  Periode  der  gesteigerten 
Abscheidung  kurze  Zeit;  nach  Milch,  Rum  und  Brod  hielt  sie  am  längsten  an.  Die 
Menge  der  ausgeschiedenen  CO«  stand  nach  Thee  und  Leim  in  keinem  Verhältnis*  zur 
Menge  des  genossenen  Mittels , und  namentlich  wirkte  dieselbe  Quantität  Thee  mäch- 
tiger, wenn  sie  absatzweise,  als  wenn  sie  auf  einmal  genommen  wurde. 

Eine  Minderung  der  CO«-Bildung  findet  er  nach  dem  Genuss  von  Fett  und  eini- 
ger Alkoholartcn  (Brandy  und  Genevre).  Die  CO«-minderndo  Kraft  des  Fettes  macht 
sich  auch  so  geltend , dass  nach  gleichzeitigem  Genuss  von  Zucker  oder  Brod  und 
Fett  die  CO«-Bildung,  die  in  Folge  der  erstcren  Nahrungsmittel  hatte  eintreten  müs- 
sen, ausblieb.  — Auffallend  ist  es , dass  die  verschiedenen  Alkoholsorten  verschieden 
wirken  sollen.  — Stärke  mehrt  die  CO«-Bildung  nicht,  was  ebenfalls  mit  Rücksicht 
auf  das  gegenteilige  Verhalten  des  Zuckers  rätbselhaft  ist. 

b)  Abhängigkeit  der  COi-Bildung  von  den  Eigenschaften  der 
Einathmungsluft.  Wenn  der  Sauerstoffgebalt  der  geafhmeten  Luft 
sehr  beträchtlich  vermehrt  wurde,  so  soll  kurze  Zeit  nachher  auch 
die  ansgeathmete  Luft  reicher  an  CQ>  sein  (Allen,  Pepys). 
Diese  Thatsache  fand  W.  MO  Iler  nicht  bestätigt.  Tritt  aber  auch 
diese  Vermehrung  ein,  so  ist  sie  jedenfalls  sehr  vorllbergehend. 


•)  Procffcdlojr»  of  the  royal  «oetety,  vol.  IX.  636. 


K.ohlen8ftureau»Hch«*idung,  abhängig  von  der  Blutmischung. 


525 


Denn  wenn  die  Einathmung  der  sehr  sanerstoffreicheu  Lnft  einen 
Tag  lang  fortgesetzt  wird,  so  steigt  das  CO>-Mittel  in  letzterer 
nicht  über  den  Werth  eines  Tages,  an  dem  atmosphärische  Lnft 
eingenommen  wurde  (Regnault,  Reiset).  — Eine  Erniedrigung 
der  Temperatur  (und  eine  Erhöhung  des  Druckes)  der  Luft  stei- 
gern, wie  schon  erwähnt  (p.  519),  die  Absonderungsgeschwin- 
digkeit 

Einige  der  eben  beigebrachten  Erfahrungen  hat  man  öfter  benutzt,  um  die  Hypo- 
these zu  stützen,  dass  eine  Vermehrung  des  freien  Blutsauerstoffis  die  Oxydation  der 
Kohlenstoffiatome  dauernd  beschleunige ; diese  Annahme,  welche  von  der  Voraussetzung 
ausging,  dass  alle  organischen  Verbindungen  des  Thierkörpers  in  dem  Maasse  oxydirt 
würden,  in  welchem  Sauerstoff  vorhanden  sei,  widerlegt  sich  durch  die  Beobachtungen 
von  Kegnault,  Reiset  und  W.  Müller. 

Ein  Zusatz  von  Stickoxydulgas  zur  Einathinungsluft  steigert 
die  COs-Aussclieidung  (Zimmer mann). 

c)  Abhängigkeit  der  CO2- Bildung  von  der  Muskelzusammen- 
ziehung. Nach  einer  kräftigen  Bewegung  der  Gliedmaassen  steigt 
sehr  bald  das  Minutenmittel  der  CO2  Uber  den  Normalwerth 
(Scharling)  und  erhält  sich  Uber  demselben  stundenlang,  wenn 
die  Bewegung  anhaltend  war  (Vierordt).  Der  letzte  Grund  die- 
ser Erscheinung  liegt  darin,  dass  die  Muskeln  während  und  auch 
noch  durch  längere  Zeit  nach  ihrer  Zusammenziehung  viel  CO» 
bilden  (Valentin)*).  Um  die  vermehrt  gebildete  CO2  zu  ent- 
leeren, wächst  Zahl  und  Umfang  der  AtherazUge  und  der  COi- 
Gehalt  der  Athmungsluft. 

d)  Veränderlichkeit  der  COj-Anhäufung  im  Blut  mit  der  ver- 
änderten Bildung  derselben.  Wenn  die  COj-Bildung  innerhalb  des 
tbierischen  Körpers  steigt,  so  wird  sich  nothwendig  die  Strömung 
dieses  Gases  in  das  Blut  hinein  beschleunigen;  wird  es  sich  des- 
halb dort  anhäufen  oder  wird  es  so  rasch  abströmen  wie  es  zu- 
floss? Man  sollte  dieses  Letztere  fast  vermuthen,  da  sich  alsbald 
zu  den  - Zeiten  vermehrter  Bildung  auch  eine  lebhaftere  Atheml'olge 

. cintindet.  Das  Gegentheil  dieser  Untcrstölluug  geht  jedoch  aus  den 
Beobachtungen  von  Bacher  hervor.  Nach  ihm  steigt  der  COj- 
Gehalt  des  Blutes  auf  und  ab,  selbst  an  solchen  Tagen,  an  welchen 
keine  Nahrung  aufgenommen  und  die  Gliedmaassen  wenig  bewegt 
wurden.  Unmittelbar  nach  dem  Erwachen  steht  die  CO2  hoch, 
sinkt  bis  gegen  ll1*  ab,  steigt  dann  bis  um  3b  auf  ihr  Maximum 


•)  Archiv  (lir  phy»iologi»che  Heilkunde.  1867. 


. _ Digitized  by  Google 


526 


KohlrasiureftHsächeidtmg,  abhängig  r«n  der  Blutroischung. 


und  sinkt  dann  wieder  gegen  den  Abend  hin.  Diese  in  den 
Gegenwirkungen  der  menschlichen  Organe  selbst  begründeten  Ver- 
änderungen reihen  sioh  ähnlichen  an,  welche  uns  Uber  den  täg- 
lichen Gang  der  Harnstoffbildung  der  thierischen  Wärme  und  des 
Pulses  bekannt  sind.  — Der  COi-Gehalt  des  Blutes  ist  aber  auch 
abhängig  von  der  Kalirung.  Dieses  zeigt  sich  einmal  darin,  dass 
das  tägliche  Mittel  des  CO,-Gehalts  an  einem  Hungertag  niedriger 
als  an  einem  Speisetag  ist;  dieser  Unterschied  tritt  um  so  stärker 
hervor,  je  länger  das  Hungern  andauert;  also  das  tägliche  Mittel 
des  ersten  Hungertags  ist  noch  höher,  als  das  dos  zweiten  u.  s.  f. 
Der  Einfluss  der  Kährung  drückt  sich  auch  im  Gang  der  täglichen 
Schwankung  aus,  indem  einige  Zeit,  2 bis  3 Stunden,  nach  der 
Mahlzeit  der  COj-Gehalt  des  Blutes  ziemlich  bedeutend  ansteigt  und 
erst  nach  einigor  Zeit  und  allmählig  wieder  absinkt.  Dieses  An- 
steigen prägte  sich  ganz  auffallend  aus,  als  nach  mehrtägigem 
Hungern  Nahrung  aufgenommen  wurde.  Die  Lungenluff,  welche 
46  Stunden  nach  der  letzten  Mahlzeit  unter  den  bezeichneten  Cau- 
telen  ausgeathmet  wurde,  enthielt  5,9  pCt.  COj,  zwei  Stunden  nach 
dem  darauf  erfolgten  gewöhnlichen  Mittagsessen  enthielt  sie  8,2  pCt. 
Die  Uber  die  Zeit  beschriebenen  Curven  (Fig.  67)  geben  eine 

Anschauung  der 
täglichen  Schwan- 
kung des  COj-Ge- 
halts.  Ihre  Ordina- 
ten  sind  die  zu  den 
bezeichneten  Zei- 
ten beobachteten 
CÖ2- Prozente  der 


Fig.  67 


9l’hr. 


7 t tl  / 3 5 

Lungenluft.  Von  den  beiden  Curven  stellt  ab  den  Gang  vor,  wenn 
gar  keine  Nahrung  genommen,  ac  ist  dagegen  gütig,  wenn  um 
1*  ein  gewöhnliches  Mittagsmahl  genossen  wurde.  Darf  man,  wie 
cs  nicht  unwahrscheinlich  ist,  annehmen,  dass  das  Maximum,  des 
COj-Gehalts  im  Blute  zusämmenfällt  mit  demjenigen  der  Bildung  # 
dieses  Gases,  so  gehen  aus  dem  von  der  Speise  gelieferten  Mate- 
rial die  COj  - und  Hamstoffbildung  nicht  gleichzeitig  vor  sich,  denn  • 
das  Maximum  des  COt-Gebalts  fällt  einige  Stunden  früher , als  das 
Maximum  der  Hamstoffausscheidung.  Siehe  Figg.  56  n.  57. 


Man  könnt«  Torsucht  »«in,  den  Widerspruch  in  der  Beobachtung  ron  Vierordt 
und  Bocher  «u  discutiren,  indem  der  Krstere  du»  Maximum  der  CO»-Aus»cheidung 
um  eine  Stunde  früher  n«ch  dem  MtttsgsmsM  f»nd , »ls  d»T  Letztere  sein  Meximum 


KohUnsättreausBcheidung,  abhängig  von  dem  Lungenbau. 


527 


der  Biut-COi,  Die  Vorsicht  gebietet,  so  lange  von  einem  Erklärungsversuch  dieser 
Abweichung  abzustehen,  bis  an  einem  und  demselben  Beobachter  beide  Curven  gemes- 
sen und  dargethan  ist,  dass  die  zwischen  Vicrordt  und  Becher  bestehenden  Unter- 
schiede keino  indäriduellen  sind. 

Viel  höher  als  beim  Menschen,  nemlich  bis  zu  15,7  pCt.,  stieg  der  COi-Gehalt 
in  der  Lungenluft  solcher  Hunde,  welche  durch  einen  luftdichten  Verschluss  der 
Trachea  erstickt  wurden  (W.  Müller).  Setschenow  hat  diese  Thataache  bestätigt 
und  dadurch  erweitert,  dass  er  zugleich  die  CO*  des  Blutes  von  erstickten  Thieren 
bestimmte;  er  fand  COt 

in  100  Theilen  Arterl  enblut  in  100  TheUcn 

verduustbure  durch  Säuren  abteheidbur«  Lnngculuft 

58,15  4,01  15,  62 

. 38,86  1,79  12,75 

Abhängigkeit  der  Kohlensäureausscheidung  von 
der  Lungen  wand.  Hierbei  kommt  in  Betracht  das  Verhältnis« 
der  Wandausdehnung  zum  Luftvolum,  welches  die  Lunge  fasst,  die 
Dicke  und  die  chemische  Constitution  der  Trennungsschicht  zwischen 
Blut  nnd  Luit. 

Da  uns  alle  Versuche  über  die  auf  diesen  Elementen  beruhen- 
den individuellen  Verschiedenheiten  fehlen,  so  müssen  wir  uns 
damit  begnügen,  ans  theoretischen  Gründen  zu  behaupten,  dass 
bei  gleicher  Räumlichkeit  ciue  grossblasige  (emphyseinatische) 
Lunge  weniger  CO2  liefern  wird,  als  eine  klcinblasige , vorausge- 
setzt, dass  die  Spannung  der  Blut-COj  und  der  Luftwechsel  gleich 
angenommen  werden.  Denn  im  letzteren  Falle  ist  die  Fläche, 
welche  CO*  ausscheidet,  grösser,  als  im  ersteren.  — Von  der  Dicke 
der  Lungen  wand,  dem  Wassergehalt  derselben  u.  s.  w.,  hängt  der 
Widerstand  ab,  den  die  €02  auf  ihrem  Wege  vom  Blut  in  die 
Lnngculuft  findet;  also  muss  auch  hiermit  die  C'02-Ausscheidung 
veränderlich  werden. 

Veränderlichkeit  der  C02-Ausscheidung  aus  ge- 
mischten Gründen.  Ans  einer  Combination  der  bis  dahin  vor- 
gefUhrten  Elemente,  denen  sich  vielleicht  noch  andere  ansehliessen, 
lässt  sich  ableiten,  dass  mit  den  Ilirnzuständen , welche  einen  Ein- 
fluss auf  die  Erregbarkeit  der  reflektorischen  nnd  automatischen 
Herde  oder  auf  die  willkührliche  Muskelerregung  gewinnen,  mit 
der  Gewohnheit,  dem  Lebensalter,  dem  Geschlecht,  den  Tages- 
und Jahreszeiten , den  Klimaten  u.  s.  w.  die  in  der  Zeiteinheit  aus- 
geschiedene mittlere  C02-Menge  sehr  veränderlich  sein  müsse.  Es 
kann  natürlich  vom  Standpunkt  der  Theorie  aus  kein  Interesse 
gewähren,  auf  die  weiteren  Verwickelungen  einzugehen.  Wichtiger 


■ Bi§itized  by  Google 


5i8 


KohUnsaureaunacheidung  au>  gamiathteo  0rttnä«n. 


kt  es,  die  Versuebswege  so  weit  ausznbilden , dass  es  gelingt,  bei 
jedem  beliebigen  Individuum  den  Werth  zu  bestimmen,  mit  wei- 
chem sich  jedes  einzelne  Element  betheiligt  an  der  gesummten 
COicAneseheidung.  Insbesondere  wltrde  es  dem  Arzt  von  Wich- 
tigkeit sein,  messbar  festznstellen , ob  nnd  wie  weit  sich  die  Indi- 
vidualitäten von  einander  absetzen  durch  ihre  Fähigkeit,  kohlen- 
stoffhaltige Körperbestandtheile  rascher  und  in  grösserer  Ausdehnung 
zu  oxydiren.  Diese  Fähigkeit  kommt  unzweifelhaft  Personen  mit 
lebhafter  Nervenerregbarkeit,  mit  relativ  grosser  Muskelmasse,  mit 
beträchtlicher  Verdauungsfähigkeit  u.  s.  w.  im  höhern  Grade  zu, 
als  den  entgegengesetzt  constituirten.  Möglich  wäre  es  aber  immer- 
hin, dass  neben  diesen  Gründen,  welche  u.  A.  dem  Kind,  dem 
Mann,  dem  thätigen  Individuum  eine  relativ  reichlichere  COr Aus- 
scheidung sichern,  auch  noch  andere  constitutionelle  Verhältnisse 
sich  geltend  machen,  und  die  Zuversicht  auf  cid  Bestehen  dersel- 
ben wird  sehr  gesteigert,  wenn  man  sich  einzelne  krankhafte  Zu- 
stände in  das  Gedächtnis»  ruft. 

Angabe  der  mittleren  Gewichte  ansgeschiedener 
Kohlensäure.  Bei  den  ungemeinen  Schwankungen,  welchen  die 
COj-Ausscheidung  unterworfen  ist,  mtlsste  man  tiber  sehr  zahlreiche 
Beobachtungen  gebieten  können,  wenn  man  daraus  ein  Stunden-, 
Tages-,  Jahresmittel  fllr  Personen  verschiedenen  Alters,  Geschlech- 
tes u.  s.  w.  mit  Sicherheit  ableiten  wollte.  Wir  besitzen  aber  in 
der  Tbat  nur  wenige  Beobachtungen,  welche  billigen  Anforderungen 
entsprechen.  Ihre  Mittheilung  darf  jedoch  nicht  unterbleiben,  um 
so  weniger,  weil  sie  eine  bemerkenswertbe  Uebereinstimmung  bieten, 
hi  der  folgenden  Tabelle  sind  die  Zahlen  von  Scharling  aus 
stundenlangen,  die  von  Andral  und  Gavarret  aber  nur  aus 
3 — 13  Minuten  dauernden  Beobachtungen  abgeleitet.  Die  Zahl, 
welche  Vierordt  mittheilt,  zeichnet  sich  vortheilhaft  aus  durch 
die  grosse  lleihe  der  zu  Grunde  gelegten  Versuche.  Alle  Beob- 
achtungen beziehen  sich  auf  ruhige,  unwillkürliche  Atheuibewe- 
gungen.  Die  Absonderungsgesehwindigkeit  ist  ausgedrUekt  dnreh 
den  Quotienten  des  Körpergewichts  in  das  Kohleustoffgcwicht,  wel- 
ches die  ausgeschiedene  COj  enthielt.  Da  sich  durch  den  ganzen 
Körper  hindurch  die  CO?  bildet,  und  da  die  Bildung  und  Aus- 
scheidung mit  annähernd  gleicher  Geschwindigkeit  vor  sieh  gehen, 
so  wird  diese  Ausdruckswefee  erlaubt  sein.  Statt  der  ausgehaueh- 
ten  COi  setzen  wir  den  Kohlenstoff  ans  später  einleuchtenden 
GrUnden.  Um  diesen  auf  das  entsprechende  COi-Gewieht  zu 


Digitized  by  Googl 


Mittler«  kohlensäureausscbcidung ; absolut  und  prozen  tisch. 


ö'jy 

reduzircn,  ist  es  nur  nöthig,  (Ue  Zahl  des  ereteren  mit  u(s  za  mul- 
tipliziren.  Wollte  mau  das  hieraus  erhaltene  Gewicht  der  CCL 
auf  Volumiua  bringen,  so  wllrde  es  mit  louu/i,»«ii  zu  multiplizi- 
reu  sein. 


Alter 

Zahl 

! f i 

Körper- 

■ 

e * => 

Absoude- 

rungsge* 

t a 

izz 

lu  Kilogr. 

schwindigk.  | 

der  beobachteten  Individuen. 

s - 1 

$ — 14  Jahr. 

( Männlich. 

6 

7,2 

- 

— 

Andral,  Gavarret. 

I » 

1 

6,4 

22,5 

0,280 

Scharling*). 

15—25  „ 

9 

1 

10,7 

10,S 

57,75 

b,lS7 

Andral,  Gavarret. 
Scharling. 

/ ” 

16 

11,0 

Andral,  Gavarret. 

26— SU  „ 

) 

t 

n,4 

82,0 

0,140 

Scharling. 

) 99 

1 

10,7 

54,0 

0,198 

Valentin. 

( n 

1 

8,76 

— 

— 

V ierordt. 

51— UO  „ 

* 

— 

Andral,  Gavarret. 

61-70  „ 

3 

10,2 

— 

71 -SO  „ 

■i 

6,0 



• — 

91—102  „ 

2 

7,3 

_ 

8-14 

| Weiblich. 

3 

6,2 

— 

— 

ig  ii 

1 » 

■1 

6,1 

23 

0,263 

Scharling. 

15—25  „ 

4 

6,8 

- 

— 

Andral,  Gavarret. 

1 » 

1 

8,0 

55,75 

0,143 

Scharling. 

26—50  „ 

9 

7,4 

_ 

— 

Andral,  Gavarret. 

51—60  „ 

2 

7,3 

— 

— 

61—70  „ 

*1 

2 

6,8  # 

— 

— 

ii  ii 

TI— 80  „ 

»i 

2 

6,3 



— 

»»  ii 

Das  Verhältniss  des  niedrigsten  zum  höchsten  Werth  (aus 
welchem  das  Mittel  gezogen)  ist  nach  Yierordt  — 1 : 2,55  und 
nach  Scharling  = 1 : 1,62. 

Angabe  des  mittleren  Volumprozents  der  aus- 
gcathmcten  Luft  an  COj.  Die  Beobachtung  hat  hei  sehr  ver- 
schiedenen Individuen  unter  ganz  verschiedenen  Umständen  keine 
scly  auffallenden  Schwankungen  im  l’rozeutgehalt  der  Güj  aufge- 
deckt, vorausgesetzt,  dass  die  Athemhewegung  unwillklihriich  vor 
sich  ging.  In  sehr  zahlreichen  Beobachtungen  von  Brunner  und 


ft 


*)  I>ic  Zulileu  von  Scharling  sind  nicht  das  Mittel  aus  alluu  von  ihm  ungestillten  Versuchen, 
sondern  nur  aus  denen,  die  auf  die  Zeit  *wl*cheu  l und  2 l'hr  fallen,  xu  welcher  Zelt  auch  An* 
drill  und  Gavarret  Ihre  Beobachtungen  unatellteu.  Oieae  liier  gegebenen  Werth«  sind  hoher, 
da  das  Ooaiunitmltui.  Vergl.  Journal  fUr  prokt.  Chemie.  4h.  Bd.  p.  453. 

Ludwig,  Physiologie  U.  2.  Auflage.  34 


ÖTgitFzed  by  Google 


530 


YerMerUehkeit  der  Sauerstoffen  foahma: 


X. 


Valentin  bewegte  er  sich  von  3,3  zu  5,5  pCt.  und  in  000  Be 
Stimmungen  von  Vierordt  zwischen  8,4  und  8,2  pCt.  Die  ge- 
wöhnliche Zahl  hielt  sich  nahe  um  4,0  pCt  Diese  Beständigkeit 
des  mittleren  COj-Gehalts  ist  dem  innigen  Anpassen  der  Athem- 
bewegungeu  nach  Zahl  und  Tiefe  an  den  COi-Gohalt  des  Blutes  - 
zu  verdanken,  in  Folge  dessen  sich  immer  ein  dynamisches  Gleich- 
gewicht herstellt  zwischen  der  Bildung  und  Ausfuhr  von  COs.  In 
der  That  sehen  wir,  wenn  die  COrBildung  langsam  vor  sich  geht 
(bei  körperlicher  Ruhe,  Entziehung  der  Speisen  u.  s.  w.)  die  Atheiu- 
folge  sich  verlangsamen  und  im  umgekehrten  Fall  sich  beschleu- 
nigen; ist  der  Lungenraum  oder  seine  Veränderlichkeit  auf  irgend 
welche  Weise  beschränkt  (Zwerchfelllähmung,  krankhafte  Ergüsse 
in  die  Lunge,  Anfllllung  der  Unterleibshöhle),  so  wird  der  kurze 
Athem  rasch  u.  s.  w.  — Das  Verhältniss  zwischen  Zahl  und  Tiefe 
der  Athembewegungen  einerseits  uud  dem  GOi-Gehalt  der  Lungen- 
ltift  andererseits  ist  aber  weder  für  alle  Zustände  desselben , noch 
für  die  ähnlichen  verschiedener  Menschen  gleich.  Eine  Aufmerk- 
samkeit auf  diese  Verschiedenheiten  durfte  vielleicht  von  Bedeutung 
sein,  weil  offenbar  der  mittlere  COa- Gehalt  der  Luugcnluft  eine 
Schätzung  für  die  COj-Süttigung  des  ganzen  Körpers  gewährt,  in- 
dem die  COi-Prozente  der  Lungen  die  Grenze  bezeichnen,  unter 
welche  die  des  Bluts  nicht  herabsinken  können;  es  würde  somit 
aus  ihnen  eine  Charakteristik  für  die  Individualität  (Constitution, 
Temperament)  zu  gewinnen  sein. 

Die  meisten  älteren  Beobachtungen  stimmen  mit  dem  oben  Erwähnten  überein  ; 
andere  sind  dagegen  sehr  abweichend,  was  aus  den  ganz  mangelhaften  Methoden,  die 
CO*  zu  bestimmen,  abgeleitet  werden  kann. 

4.  Veränderung  der  Sauerstoffaufn ahme.  Die  atmo- 
sphärische Lnflt  verliert  bei  ihrer  Anwesenheit  in  der  Lunge  einen 
Theil  «ihres  Sauerstoffs.  Da  aber  bekanntlich  das  Volum  der 
trockenen  Aus-  und  Einathmungsluft,  wenn  sie  auf  gleichen  Baro- 
meterstand gebracht  worden,  annähernd  wenigstens  gleich  ist,  und 
beide  auch  ungefähr  denselben  Gehalt  an  Stickstoff  führen,  so  muss 
im  Ganzest  und  Groben  auch  die  Behauptung  richtig  sein,  dass 
ungefähr  so  viel  Sauerstoff  ans  der  Luft  verschwindet,  als  Kolden- 
säure  in  sie  gehaucht  wird. 

Der  Grundstein  dieser  Beziehung  ist  dadurch  gegeben,  dass 
die  ansgehauchte  Kohlensäure  den  Sauerstoff  wieder  mit  sich  führt, 
welcher  aus  der  Luft  in  das  Blut  getreten  war,  indem  der  thierische 
Kohlenstoff  von  dem  atmosphärischen  Sauerstoff'  verbrannt  wurde, 

• 


Quantitative  Beziehungen  zwischen  O und  OOt. 


531 


schliesslich  also  nicht  mehr  CO.  ausgehaucht  werden,  als  aus  dem 
aufgenommeneu  Sauerstoff  entstehen  konnte,  oder  umgekehrt,  es 
konnte  nicht  mehr  Sauerstoff  verschluckt  werden,  als  die  oxydablen 
Atome  des  Thierkörpers  verbrauchen  konnten.  Indem  man  aber 
den  letzten  Ausdruck  formt,  sieht  man  auch  gleich  ein,  dass  die 
Beziehung  eine  nicht  überall  nothwendige  ist,  da  die  Kohlensäure 
keineswegs  das  einzige  Oxydationsprodukt  des  thierischen  Körpers 
ist,  sondern  ausserdem  noch  HO  und  manche  andere  flüssige  sauer- 
stoffreiche Körper  (Harnstoff,  Harnsäure  u.  s.  w-)  aus  dem  Blnt- 
stroiu  hervortreten.  Daraus  gebt  also  hervor,  dass  fltr  gewöhnlich 
mehr  .Sauerstoff  verschluckt  wird,  als  in  der  ausgcliauchten  Kohlen- 
säure enthaltet!  ist,  und  dass  namentlich  dieses  Missverbältniss 
steigen  muss,  wenn  wir  vorwaltend  von  Wasserstoff  - und  stickstoff- 
reichen Atomen  leben,  wie  bei  . Fett-  und  Fleischuahrung  oder  aber 
beim  Hungern,  sei  es  nun,  dass  das  Letztere  Folge  der  Nahmngs- 
eutzichung  oder  der  gestörten  Verdauung  ist,  wie  z.  B.  nach  Durcli- 
sclineidutig  des  Vagus  (Valentin).  Die  ausgehauchte  00,  wird  da- 
gegen nahezu  die  ganze  Menge  des  ausgeathmeten  Sauerstoffs  wieder 
wegfübren,  wenn  die  Nahrung  vorzugsweise  aus  Zucker  und  Amy- 
lon  besteht,  da  der  in  diesen  complexen  Atomen  enthaltene  Sauer- 
stoff hinreicht,  um  den  Wasserstoff  derselben  zu  Wasser  zu  oxydi- 
ren,  so  dass  bei  einer  Verbrennung  derselben  nur  so  viel  Sauerstoff 
kinzuzutreten  braucht,  als  nütliig,  um  den  C in  CO2  umzuformen. 
Aber  auch  in  diesem  Falle  ist  nu>  ein  schliesslicher,  aber  keines- 
wegs ein  in  jedem  Augenblick  paralleler  (fang  des  Verbrauchs  an 
O und  des  Uewinns  an  OOi  nothwendig.  Denn  zwischen  dem 
ersten  und  letzten  l'rodnkt  der  Oxydation  liegen  meist  manche 
Zwischenstufen,  so  dass  anfänglich  viel  Sauerstoff  verbraucht  wird, 
bevor  sich  CO2  bildet;  endlich  geht  dann  freilich  Alles  in  CO2 
Uber.  — Es  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  auch  noch  von 
einer  andern  Seite  her  eine  Störung  des  Zusammengehens  der  CO2 
und  des  O's  in  die  Lunge  eintreten  kann,  da  die  Lunge  nicht  der 
einzige  Ort  ist,  an  dem  Gas  aus-  und  in  das  Blut  tritt.  Je  nach 
den  Eigenschaften  der  Wäude  jener  anderen  Athcmwerkzenge  muss 
das  Verhältnis«  von  CO2  und  O in  dem  Blute  altcrirt  werden  und 
damit  auch  dasjenige  des  Ein-  und  Ausganges  beider  Gase  in 
der  Lunge. 

Der  Mechanismus,  dnreh  welchen  im  gesunden  Leben  dies 
normale  Verhältnis«  zwischen  Ein  - und  Ausfuhr  von  Sauerstoff  und 
CO2  erhalten  wird , ist  leicht  zu  übersehen , wenn  man  bedenkt, 

3.4* 


L 


532 


» * 


0- Aufnahme  veränderlich  mit  • ••  ** 


dass  im  Blnte  zwei  verschiedene  Absorptionsmittel  vorhanden  sind, 
das  eine  fllr  .Sauerstoff  (in  den  Blutkörperchen)  und  das  andere 
ftlr  Kohlensäure  (das  Wasser  des  Bluts),  ln  dem  Maasse,  in  wel- 
chem der  Träger  des  Sauerstoffs  entlastet  wird,  belastet  sich  der 
der  COi,  und  dieser  letztere  entledigt  sieh  seines  Gases  an  einem 
Orte,  an  welchem  Sauerstoff  zur  Sättigung  des  andern  vorhauden 
ist.  Nach  diesen  allgemeinsten  Kegeln  scheint  noch  folgendes 
Besondere  von  Belang:  '•  * 

a.  Abhängigkeit  der  Aufnahme  des  Sauerstoffs  von  dem  Gehalt 
der  Lungenluft  an  diesem  Gas.  Der  Uebergang  des  Sauerstoffs 
aus  der  Lungenluft  in  das  Blut  wird  so  lange  fortdauem,  entweder 
bis  die  Blutkörperchen  vollkommen  mit  O gesättigt  sind,  oder  bis 
der  Gehalt  der  Lnngenluft  an  Sauerstoff  bis  auf  einen  sehr  geringen 
Werth  herabgedrllckt  ist,  der  dem  entspricht,  bei  welchem  die 
Verwandtschaft  der  Körperchen  und  das  Ausdehnungsbestreben 
des  Sauerstoffs  sich  das  Gleichgewicht  halten.  Aber  wenn  auch 
in  den  bezeichneten  Grenzen  die  Bewegung  des  Sauerstoffs  fort- 
dauert, so  ist  doch  ihre  Geschwindigkeit  abhängig  von  der  Dich- 
tigkeit des  genannten  Gases  in  der  Lnngenluft.  Denn  der  Sauer- 
stoff kann  nur  zu  den  Körperchen  kommen,  inwiefern  er  vorher 
vom  l’lasma  absorbirt  war,  und  damit  ist  aus  schon  oft  ausge- 
sprochenen Gründen  der  obenhingestellte  Satz  bewiesen.  Das 
genauere  Abhängigkeitsvcrhältni*  zwischen  dem  Gehalt  der  Lnn- 
genluft an  Sauerstoff  und  seiner  Einströmungsgeschwindigkeit  in 
das  Blut  bleibt  freilich  unbekannt,  weil  wir  nicht  wissen,  wie  sich 
in  der  nächsten  Umgebung  des  Körperchens  der  Sauerstoffreichthnm 
des  Plasmas  mit  dem  der  Körperchen  ändert.  Für  physiologische 
Zwecke  ist  es  nun  jedenfalls  von  Bedeutung,  zu  wissen,  wie  gross 
die  Geschwindigkeit  des  Uehergangs  sein  muss,  damit  dem  Ver- 
brauch unseres  Gases  im  Leibesinnem  Genüge  geleistet  werden 
kann,  oder  mit  Rücksicht  auf  unsere  Frage  ausgedrückt,  in  wel- 
chen Grenzen  darf  der  Sauerstoffgehalt  der  Lungenluft  schwanken, 
damit  das  Leben  ungestört  erhalten  werden  könne.  Wir  sagen,  in 
welchen  Grenzen,  da  sich  die  Geschwindigkeit  des  Sauerstoffstroms, 
beziehungsweise  also  auch  der  O-Gehalt  der  Lungenluft  sehr  ver- 
änderlich gestalten  wird  mit  dem  Gang  der  Lebensbedingungen, 
wie  namentlich  mit  dem  Wärmcverbrauche,  der  Muskelanstrengung, 
der  Zuftthr  neuer  Brennstoffe  u.  s.  w. 


: . GtWole 


r 


d«m  Gehalt  der  J-ungonluft  an  O.  53g 

Zur  Erledigung  dieser  Aufgabe  sind  von  W.  Möller  einige 
Versuche  angestellt.  Da  es  unmöglich  ist,  die  Ueborgangsgcschwin- 
digkcit  des  Sauerstoffs  aus  der  Lungen  I aff  in  das  Hlul  geradezu 
zu  messen,  so  bediente  er  sich  als  SchiitzungsmiUel  ftlr  denselben  der 
physiologischen  Keaktion,  die  wir  als  Athemuoth,  die  Erstickung  mit 
eingerechnet,  bezeichnen.  Dieses  konnte  mit  Hecht  geschehen,  da 
wir  wissen,  dass  im  Allgemeinen  mit  dem  Bcdllii’niss  nach  .Sauer- 
stoff auch  der  Antrieb  zur  Athcmbcwcgung  zunimmt.  — Ilei  seinen 
Beobachtungen  ergab  sich,  dass  die  Lungenlullt  solcher  Hunde,  die 
in  Folge  eines  luftdichten  Verschlusses  der  Trachea  gestorben 
waren,  gar  keinen  oder  nur  noch  Spuren  von  Sauerstoff  enthielten. 
.Setse  heno  w hat  diese  Thatsache  bestätigt  und  zugleich  gefunden, 
dass  auch  das  arterielle  Blut  solcher  Thiere  vollkommen  frei  von 
0 ist  ...  • ■ ■■■. 

W.  Mllller  fand  weiter,  dass  aufgebundene,  in  der  Verdauung 
begriffene  Kaninchen  sehr  bald  ahsterben,  wenn  ihnen  in  beliebiger 
Menge  eine  Luft  mit  3 pCt.  0 zur  Einathmung  dargeboten  wurde. 
Bei  Hunden  war  der  Erstickungsraum,  welcher  vom  Sauerstoff  ganz 
befreit  wurde,  relativ  klein.  Wenn  also  das  Blut,  wie  es  in  der 
That  geschah,  seinen  Sauerstoff  in  den  Körpercapillaren  -alsbald 
verlor,  so  musste  das  Blut  allen  Sauerstoff  ans  der  Lunge  fortneh- 
men, vorausgesetzt,  dass  der  Blutwcchsel  in  der  Lunge  nur  noch 
eine  kurze  Zeit  hindurch  andauerte.  Diese  letztere  Bedingung  war 
aber  ebenfalls  erfüllt,  da  das  Herz  zur  Zeit,  als  das  Blut  aufge- 
fangen wurde,  noch  fortschlug.  Wahrscheinlich  war  demnach  von 
früher  her  dem  Muskelgewebe  noch  so  viel  Sauerstoff'  beigemengt, 
als  zur  Unterhaltung  seiner  Bewegungen  für  diese  kurze  Zeit  notb- 
wendig  war.  — Dem  Kaninchen  war  dagegen  eine  sehr  viel  grössere 
Luftmasso  geboten ; wenn  also  der  Sauerstoffgebalt  der  Lunge  nicht 
genügte  zur  L'eberfUhrung  von  so  viel  Sauerstoff',  wie  ihn  das 
Leben  erforderte,  so  war  allmählig  der  0 in  dem  Gewebe  au  ('ge- 
braucht und  cs  erfolgte  darum  schon  Herzlähmung,  also  auch 
Blutstillstand  in  der  Lunge,  bevor  alle  Luff  dea  grösser»  Baumes 
genügend  lange  Zeit  mit  deiu  Blot  in  Berührung  gewesen  war, 
am  von  ihrem  Sauerstoff  vollkommen  beireit  zu  werden. 

Um  die  Grenze  zu  erkennen,  bis  zu  welcher  der  Sauerstoff- 
gehalt der  Lunge  sinken  durfte,  wenn  er  das  Leben  noch  erhal- 
ten sollte,  leitete  W.  Mil  Her  Luft  von  constantem  O-Gehalt  aus 
dem  p.  500  gezeichueten  Apparat  in  die  Lunge  und  Hess  die  Aus- 
athmungsluft  in  das  Freie  streichen.  Dabei  fand  er,  dass  ein  auf- 


Diflitized  by  Google 


534 


t>-AttfUhm«  rwüiiderlirli 


gehnndenes  verdauendes  Kaninchen  bei  4,5  p('t.  O der  Athmnngs- 
Inft  sehr  schwer  nthnictc,  wie  kurz  vor  der  Erstickung;  das«  hei 
7,5  pCt.  das  Thier  etwas  tiefer  als  gewöhnlich  Luft  einzog,  nnd 
endlich  dass  bei  14,8  pCt.  die  Brust  sich  wie  heim  Kingehen  at- 
mosphärischer Lnft  bewegte.  — Mit  diesen  Zahlen  sind  Angaben  von 
Kegnault  und  Reiset*)  in  Uebereinstimnuing;  als  diese  Letztem 
wohlgcfUttcrteodcrfressendc  Kaninchen,  Hunde,  Katzen  in  einen  Kanm 
brachten,  dessen  Sauerstotfgehalt  allmählig  sieh  änderte,  fanden  sie, 
dass  die  Athnning  öfter  beschwerlich  zu  werden  anfing,  wenn  die 
Lnft  zu  Ende  des  Versuchs  weniger  als  10  pCt.  <>  enthielt,  dass 
sie  dagegen  sehr  beschwerlich  wurde,  wenn  die  Lnft  6,4  pt’t.  0 
enthielt  nnd  dass  bei  4 und  5 pUt.  die  Thicre  dem  Krstiekungs- 
tode  nahe  waren.  — Da  nun  die  Ansatlmmngsluft  des  Menschen, 
vorausgesetzt,  dass  er  unter  gewöhnlichen  Bedingungen  athmet, 
zwischen  14  bis  18  pCt.  schwankt,  so  kann  daraus  geschlossen 
werden,  dass  der  Sanerstoffdrnek  in  der  Lunge  zu  allen  Abschnitten 
der  Athembewcgnng  noch  gentlgt,  um  dem  »Strom  des  O’s  in  das 
Blut  hinein  die  nöthige  Geschwindigkeit  zu  geben.  Damit  er  aber 
nicht  unter  diesen  Werth  herabsinke,  mnss  sich  die  Folge  der 
Athcmbcwegung  und  damit  der  Umfang  des  Luftwechsels  dem 
variablen  Verbrauch  des  O’s  anpassen,  ganz  in  der  Weise,  wie 
wir  dieses  schon  ausführlicher  bei.  der  CO2  besprachen. 

b.  Acnderung  der  O-Anfhahme  mit  der  Veränderung  des  Blnt- 
stroms.  1)  Wenn  sich  die  mittlere  Geschwindigkeit  dos  Blntstroms 
in  Folge  geänderter  Herzthätigkeit  steigert,  so  wird  sich  auch  die 
Summe  der  Blutkörperchen  mehren,  die  in  der  Zeiteinheit  durch 
die  Lnnge  gehen;  denn  wir  sahen  schon  früher,’  dass  bei  einer 
geringem  Stromgeschwindigkeit  die  Blutkörperchen  aus  den  cen- 
tralen in  die  seitlichen  Strombahnen  (Ibergehen,  dass  sieh  also  hei 
der  langsamen  »Strömung  das  Plasma  rascher  weiter  bewegt , als 
die  Körperchen.  Treten  aber  mehr  Körperchen  durch  die  Lnnge, 
so  vergrössert  sich  auch  die  Absorptionsfläche  für  den  Sauerstoff. 
Demnach  wachsen  im  Allgemeinen  die  Absorption  des  Sauerstoffs 
tmd  die  Blutgeschwindigkeit  gemeinsam.  — 2)  Die  Geschwindig- 
keit des  Blntstroms  in  den  Lungen"  ändert  sich  in  Folge  der  Aus- 
dehnung der  Lungenwand.  Je  tiefer  die  Inspiration,  um  so  länger 
und  enger  werden  die  Lungencapillaren,  nm  so  langsamer  strömt 


*)  Anim)««  de  chlmie  et  phy«tqtm  9*.  Bd.  (1849)  p.  MB  u.  f 


mit  dom  Blutstrom. 


.•>35 


also  ancli  das  Hlnt  und  um  so  mehr  wird  sich  der  Durchmesser 
der  flüssigen  Schicht  verkleinern,  welcher  die  Blutkörperchen  von 
der  Lungenluft  trennt.  Daraus  folgt,  dass  die  Blutkörperchen  sich 
vollkommen  mit  Sauerstoff  sättigen  werden  und  .zwar  wegen  des 
geringeren  Widerstandes,  den  der  Sauerstoff  auf  seinem  Wege  zu 
ihnen  findet.  — 3)  Bei  gleicher  mittlerer  Geschwindigkeit  des  Blnt- 
stroms  durch  die  Aorta  kann  natürlich  das  Verhältniss  der  mitt- 
leren Geschwindigkeit  in  den  ciuzelnen  Zweigen  derselben  sehr 
veränderlich  sein.  Es  kann  also  fort  und  fort  gleichviel  Blut  durch 
die  Aorta  fiiessen  und  dabei  doch  bald  dieses  und  bald  jenes  Ge- 
fässchen  mehr  Blut  in  Anspruch  nehmen,  wie  dieses  in  der  Tbat 
je  nach  der  Grösse  der  Stromhindernisse,  beziehungsweise  der  Ca-» 
pillarenweite  in  den  Verdauungswerkzeugen,  den  Mnskeln,  der 
Haut  u.  8.  w.  geschieht.  Nun  greift  aber  jedes  Gewebe  den  Saucr- 
stotf  mit  ungleicher  Kraft  an,  und  es  wird  demnach  auch  trotz 
gleicher  mittlerer  Geschwindigkeit  des  Stroms  in  der  Aorta  das 
Blut  sehr  ungleich  reich  an  Sauerstoff  in  den  Lungen  ankommen 
können. 

Die  bis  dahin  dargelegten.  Einflüsse  des  Blutstroms  auf  die 
Menge  und  die  Eigenschaften  der  Blutkörperchen  in  der  Lunge 
begründen  mannigfache  Veränderungen  in  dem  Herzen  und  der  Athem- 
bewegung;  und  umgekehrt  es  beziehen  sich  auf  sie  auch  Eigen- 
tbtlmliehkeiten  der  Athembcwegung.  Je  sauerstoffarmer  bei  glei- 
cher mittlerer  Geschwindigkeit  des  Stroms  das  Blut  in  das  Herz 
zurllckkehrt,  um  so  wärmer  wird  es  auch  sein,  und  um  so  lebhaf- 
ter wird  es  das  Herz  erregen;  dieses  könnte  einer  der  Gründe 
sein,  warum  nach  Muskelbewegnngcn  nur  bei  bestehender  Ver- 
dauung der  Herzschlag  häufiger  und  kräftiger  wird.  Entlässt  aber 
die  Lunge  wegen  unzureichenden  Luftwechsels  die  Blutkörperchen 
nur  unvollkommen  mit  0 gesättigt,  so  wird  das  verlängerte  Mark 
zu  beschleunigten  und  tiefen  Athcmbewcgungen  erregt  und  somit 
auch  der  Sauerstoff  der  Lungenluft  vermehrt. 

Werden  in  Folge  einer  tiefen  Einathmung  die  bisher  in  den’ 
Venen  anfgehäuften  Körperchen  in  das  Herz  entleert,  so  wird  so- 
gleich auch  die  Wirkung  des  Sauerstoffs  auf  sie  kräftiger,  um  so 
mehr,  als  auch  die  Herzschläge  häutiger  werden  (Einbrodt)  — 
Die  tiefen  Einathmungen  setzen,  wie  wir  sahen,  den  Uebergangs wider- 
stand des  Sauerstoffs  zum  Blute  beträchtlich  herab,  also  können  sie, 
trotz  einer  niedrigen  Sauegdotfspannung  in  der  Lungenlutit  doch 


536 


Yrriindoninp  II**  fHteltg****. 


noch  den  Strom  dieses  Gases  /rnn  Blot  lebhaft  machen.  Hieraus 
erklärt  sich  der  Nutzen  der  tiefen  Einathmnng  in  sauerstoffarmer 
Luft,  und  es  leuchtet  ein,  wie  zweckmässig  es  ist,  dass  sich  die- 
ser Athmungsweise  die  sanerstoffhedttrftigen. Wesen  bedienen. 

c.  Abhängigkeit  der  Sanerstoffaufnahme  von  der  Bindekraft 
der  Blutkörperchen  fitr  Sauerstoff,  Bei  der  Auseinanderlegnng  des 
Zusammenhangs  zwischen  dem  Sanerstoffverbraueh  und  der  Bildung 
von  CO;  und  HO  wurden  schon  die  I'mstände  erwähnt,  unter 
denen  das  Blut  von  seinem  Sauerstoff  befreit  und  somit  auch  ge- 
schickt gemacht  wurde,  O zu  verzehren.  Es  giebt  aber  anch  noch 
andere  Blntändemngen , welche  cs  bedingen,  dass  das  Vermögen 
des  Blutes,  0 zu  ahsorbiren,  gemindert  wird,  .ja  es  gieb.t  vielleicht 
auch  solche,  die  im  Stande  sind,  den  einmal  aufgenommenen  Sauer- 
stoff fester  als  gewöhnlich  zu  binden:  zwei  Zustände,  die  gleieh- 
mässig  zu  einer  Verminderung  des  Sauerstoffnrasatzes  flihren.  Be- 
kannt ist,  dass  die  Absorptionsfähigkeit  herabgedrückt  oder  auf- 
gehobenwird durch  Zusätze  von  Kohlenoxyd ( B e r n ard,  P.  Hoppe), 
durch  Morphin,  Strychnin,  Brnein  (?),  durch  Alkohol  (Harley). 

5.  Veränderung  des  Stickgases.  Das  Verhalten  des 
Stickstoffs  in  der  Ausathmungslnft  hat  bis  dahin  kaum  Berücksich- 
tigung gefunden;  was  um  so  mehr  zu  bedauern,  als  es  der^  Theorie 
ans  mehreren  Grtinden  unmöglich  ist,  diese  Lücke  auszufüUen.  — 
Wir  benutzen  zur  Ergänzung  des  Fehlenden  die  Resultate,  welche 
ans  einer  Untersuchung  des  gesummten  thierischeu  Gasaustausehes 
hervorgegangen  sind;  die  Berechtigung  hierfür  liegt  darin,  dass 
die  Lunge  die  hervorragendste  unter  allen  Athemflächen  ist.  Aus 
jenen  Beobachtungen  ergiebt  sich,  dass  eine  diffnsive  Bewegung 
des  Stickgases  fehlen  und  vorhanden  sein  kann;  die  Richtung  des 
Diffusionsstroms  kann  abermals  verschieden  sein , indem  er  das 
Stickgas  zu  der  einen  Zeit  ans  dem  Blute  in  die  Luft  und  zu  einer 
andern  gerade  in  nngekehrter  Richtung  führt.  — a)  Die  Ausatb 
mung  des  Stiekgases  tritt  ein:  nach  vorgängigem  Genuss  von 
Fleischspeisen  und  Brod  (Regnault,  Reiset,  Barral),  ferner 
während  eines  Aufenthaltes  in  einer  N-gasfreien  Luft  (Alien, 
Pepys,  Legallois,  Marchand)  nnd  zwar  in  so  überwiegender 
Menge,  dass  dieselbe  nicht  abgeleitet  werden  kann  ans  dem  Rück- 
stand von  atmosphärischer  Lnft,  der  in  den  Lungen  noch  znrtksk- 
blieb,  als  das  Athmen  in  dem  N-freien  Gas  begonnen  wurde.  Da 
da»  Blut  N-Gas  aufgelöst  enthält,  so  ist  die  Ausbauchung  dessel- 
ben unter  den  zuletzt  erwähnten  Umständen . auch  eine  Notbwen- 


) 

Digitized  by  Googh 


V«rSnderung  du  gMUimtw  Loftwlam.  537 

digkcit.  — b)  Die  Aufnahme  von  N-Gab  in  das  Blut  geschieht 
hei  anhaltendem  Hungern  und  c)  vollkommen  indifferent  bleibt  es 
bei  einer  Nahrung,  die  aus  reinen  Vcgetabilien  besteht. 

Da  es  thatsächlich  feststeht,  dass  der  Gehalt  der  Lungenluft 
an  COj,  so  lebensgefährlich  er  jenseits  gewisser  Grenzen  ist,  die 
Athembewegung  nicht  auslöst,  sondern  dass  die  Veranlassung  zur 
Bewegung  mit  dem  Mangel  an  Sauerstort'  in  Beziehung  steht,  so  muss 
die  Anwesenheit  des  N-Gases  in  der  Atmosphäre  den  COi-Gehalt 
des  thierischen  Körpers  in  engere  Grenzen  cinschlicsscn,  als  wenn 
wir  in  reinem  O-Gas  athmeten.  Denn  in  einem  so  verdünnten 
Sauerstoff  wird  schon  eine  zur  Athembewegung  nöthigende  Abnahme 
eingetreten  sein,  bevor  die  COi  auf  einen  bedrohlichen  Werth  ge- 
stiegen. 

Die  Gasvolumina,  welche  sich  in  dem  Stickstoffstrom  bewegen, 
sind  zwar  sehr  gering  gegen  den  der  COi  und  des  0,  aber  sie 
sind  unter  Umständen  nicht  unbedeutend  im  Vergleich  zu  dem 
Stiokstoffgchalt  der  täglichen  Nahrungsmenge.  Nach  Barral*) 
soll  sich  das  Gewicht  des  gasförmig  ansgeschiedenen  Stickstoffs 
anf  das  Dritttheil  oder  gar  die  Hälfte  des  Genossenen  belaufen. 

6.  Veränderung  des  Gesammtvolums  der  eingeath- 
meten  Lnft.  a)  Das  in  die  Lunge  aufgenommene  Gasvolum 
verändert  sich  unabhängig  von  dem  dort  erfolgenden  Austausch 
permanenter  Gase;  wenn  wir,  wie  fllr  gewöhnlich,  kältere  und 
trocknere  Luft  ein-  als  ausathmen,  so  wird  das  eiugeathmete  Luft- 
volum durch  den  Wasserdarapf  und  die  Wärme  vergrüssert.  Die 
jedesmalige  Zunahme  des  Volums  ist  nach  bekannten  Kegeln 
leicht  zu  berechnen,  wenn  die  Unterschiede  der  Temperalhr  und 
der  Dampfspannung  in  der  Aus-  und  Einathmungsluft  gegeben  sind, 

b)  Eine  zweite  verwickeltere  Betrachtung  erstreckt  sich  auf 
die  Veränderung  des  ein-  und  ausgeathmeten  Luftvolnms  in  Folge 
des  Gasaustausches.  Die  Untersuchung  Uber  diesen  Pnnkt  rtlhren 
wir  unter  den  Voraussetzungen:  dass  der  Thorax  bei  der  Exspi- 
ration genau  wieder  anf  den  Punkt  znsammenfällt , von  dem  er 
bei  der  beginnenden  Inspiration  ausgegangen  war,  und  dass  die 
ausgeathmete  Lnft  bei  der  Vergleichung  der  betreffenden  Volumina 
genau  wieder  auf  den  Barometerstand,  Temperatur-  und  Feuchtig 
keitsgrad  gebracht  werde,  den  die  eingeathmete  besass.  Bei  die- 
sen Annahmen  wird  der  Werth  der  Veränderung  abhängig  sein: 


Digitized  by  Google 


■)  Sutiquo  chimique  de*  inltninx,  Paris  1810.  170. 


538 


Veränderung  de«  geeammteu  Luftrotamt. 


von  der  Menge  de»  ausgehanchten  oder  eingesogenen  Stickstoffe, 
von  dem  Kohlensäure-  oder  Nauerstoffvolum,  welches  die  anderen 
liehen  der  Lange  bestehenden  athmenden  Flächen  des  Tkicrleibes 
aufnehmen  und  abgeben , von  der  Menge  flüssiger  Oxydationspro- 
dnkte,  welche  neben  der  entstehenden  CO2  mit  Hilfe  des  ver- 
schluckten Sauerstoffgases  gebildet  werden.  — Da  der  erste  dieser 
drei  Punkte  an  und  Ihr  sich  klar  ist,  so  wenden  wir  uns  sogleich 
zur  Besprechung  der  beiden  letzteren.  Nehmen  wir  nun  zuerst 
an,  es  werde  der  ganze  aus  der  Atmosphäre  anfgenonimene  Sauer- 
stoff innerhalb  des  Organismus  zur  Bildung  von  COj  verwendet, 
die  wiederum  gasförmig  aus  dem  Blute  sich  entfernte,  so  folgte 
daraus,  dass  das  Gesammtvolum  der  aus  dem  Körper  ausgeschie- 
denen Gase  gerade  so  gross  sein  würde,  als  das  des  angenom- 
menen Sauerstoffs,  weil  bekanntlich  die  aus  der  Vereinigung  von 
C und  O-i  entstehende  gasförmige  CO*  genau  den  Kaum  einnimmt, 
den  vor  der  Vereinigung  die  beiden  Atome  Hauerstoft  besessen. 
Die  Ausseheidung  und  Aufnahme  der  Gasvolumina  könnte  sich  nun 
aber  trotz  ihrer  im  Ganzen  bestehenden  Gleichheit  doch  auf  die 
verschiedenen  mit  der  Luft  in  Berührung  befindlichen  Flächen  ver- 
thcilen,  u.  A.  so,  dass  an  einem  Orte  überwiegend  mehr  COi  aus- 
geschieden und  an  dem  andern  mehr  0 aufgenommen  würde;  ge- 
setzt also,  es  bestände  die  EigenthUndickkcit,  dass  die  äussere 
Haut  mehr  CO2  ausschied,  als  sic  Sauerstoff  aufnähme,  so  würde 
in  der  Lunge  dafür  ein  grösseres  Volum  von  dem  letzteren  Gas 
aufgesogen  und  ein  geringeres  von  dem  erstercn  abgegeben  werden 
müssen.  — Um  die  Bedeutung  der  dritten  Bedingung,  die  wir 
oben  anfllhrten’,  einzusehen,  machen  wir  die  Voraussetzung,  es 
werde  auf  jeder  Athemflächc  die  Gewichtsmcugc  von  Sauerstoff' 
wieder  ausgegeben,  die  sie  aufgenommen:  dagegen  aber  soll  das 
in  das  Blut  anfgenonimene  Sauerstoffgas  nicht  allein  zur  Bildung 
von  COi,  sondern  auch  zur  Erzeugung  anderer  Oxvdationsprodukte 
verwendet  werden.  Bei  dieser  V oraussetzung  muss  das  Verhältnis» 
zwischen  dem  von  uud  zu  der  Lunge  gehenden  Luftvolum  abhän- 
gig sein  von  der  Verwendung,  die  das  Sauerstoffga«  innerhalb  des 
Körpers  erfährt,  so  dass,  wenn  z.  B.  die  Hälfte  desselben  zur  Er- 
zeugung von  COj  und  die  andere  zur  Verbrennung  des  Wasser- 
stoffs in  Wasser  benutzt  wird,  auch  nur  die  Hälfte  de»  durch  die 
Lungenwand  eiugedrnngenen  Luftvolums  von  ihr  wieder  ausge- 
schicden  würde. 


BlniinderuDK  in  ‘len  Lnngencapillaren. 


539 


Eine  Vergleichung  der  gegebenen  Betrachtungen  mit  den  bis 
dahin  gewonnenen  Erfahrungen  ergiebt:  1)  Das  Volum  der  aus- 

gcathmeten  Luft  ist  geringer,  als  das  der  eingeathmetcn.  Diese 
Thatsache,  weiche  Lavoisier  entdeckt  hat,  haben  alle  genaueren 
Beobachter  nach  ihm  bestätigt.  — 2)  Nacli  dem  Genuss  von  Pflan- 
zen stoffen  (Körner,  Gras)  erreicht  der  Unterschied  zwischen  dem 
eingenommenen  Sauerstoffvolum  und  ansgeathmeten  COiVolura  sei- 
nen geringsten  Werth,  seinen  grössten  aber  nach  der  Ernährung 
mit  Fleischkost  (Dulong)*);  Regnault  und  Reiset  geben, 
wenn  das  Volum  des  eingesogenen  0 = 1 gesetzt  wird,  als 
Grenzwerthc  der  Vcrhältuisszahlcn  flhr  den  ersten  = 1,04  nnd  für 
den  letzten  Fall  = 0,62  an.  — Hungernde  Thiere  verhalten  sieh 
wie  fleischfressende,  ninge  die  Volumvenninderung  allein  von 
dom  Unterschied  zwischen  dem  verseil luckten  0 und  der  ausgeath- 
meten  CO«  ab,  so  müsste  sie  bei  der  Fleisehnahrung  am  bedeu- 
tendsten werden.  Da  aber  bei  Fleischnahrung  auch  Stickstoff 
ausgehaucht,  beim  Hungern  dagegen  aufgesogen  wird,  so  wird  sie 
in  der  That  unter  der  letzteren  Bedingung  am  merklichsten  sein. 

7.  Veränderungen  des  Bluts  in  den  Lungencapilla- 
ren.  In  der  Lunge  kann  sich  das  Blut  ändern  durch  die  Wech- 
selwirkung seiuer  eigenen  Bestandtheile , und  dann  durch  eine 
solche  mit  dem  Lungengewebe  oder  mit  der  in  den  Lungenhöhlen 
wechselnden  Luft. 

Was  die  Aenderungen  in  Folge  der  letzteren  Beziehung  an- 
geht, so  ist  crsichtlieh,  dass  sie  ein  Gcgeubild  von  derjenigen  der 
Lungenluft  sein  müssen;  also  wird  das  Blut  auch  nach  seinem 
Weg  durch  die  Lunge  Wärme  verlieren.  Bischoff  und  G.  Lie- 
big  haben  in  der  That  gezeigt,  dass  das  Blut  des  rechten  Herzens 
um  etwas  wärmer  ist  als  das  des  linken.  Diese  wichtige  That- 
sache soll  in  der  Lehre  von  der  thierischen  Wärmte  weiter  gewür- 
digt werdeu.  Ausserdem  wird  aber  das  Blut  auch  immer  verdunst- 
bare COi  und  zuweilen  N-Gas  verlieren  und  daftlr  an  verdunst- 
barem Sauerstoff  und  zuweilen  an  N-Gas  gewinnen.  Dieser  Satz,  der 
in  den  bekannten  Absorptionsvorgängen  jener  Gase,  in  den  Be- 
dingungen, unter  denen  das  Blut  in  der  Lunge  vorkommt,  und  in 
den  beschriebenen  Veränderungen  der  Athemlnft  seine  ausgiebige 
Unterstützung  findet,  erfährt  auch  noch  dadurch  eine  Bestätigung, 
dass  die  Röthe  des  Bluts,  welches  während  des  Lebens  ans  dem 


•)  Sch*  «i  peef , Journal  <*r  Chemie.  je.  Bd.  SO».  0(0».) 


540 


BluUmttrung  in  den  LtnigenupUltrra. 


linken  Ventrikel  genommen  wird , heller  ist  als  die  des  Bluts  aus 
der  rechten  Kammer.  Diese  Farhenanderung  tritt  aber  bekannt- 
lich nur  dann  ein,  wenn  das  Blut  aus  dem  zuletzt  genannten  Be- 
hälter COi  abdunstet  und  Sauerstoffgas  verschluckt. 

Aus  mancherlei  Gründen  wäre  cs  wünschenswert!) , diese  qua- 
litativen Angaben  durch  quantitative  zu  vervollständigen,  und  hierzu 
bieten  sich  scheinbar  zwei  Wege.  Zur  Auswertung  des  Trozcnt- 
gehaltes  beider  Blutarten  an  Gasen  würde  es  scheinbar  am  Ein- 
fachsten sein,  die  Luft  des  Blutes  im  rechten  und  linken  Ventrikel 
zu  analvsiren.  Aber  hier  wie  überall  steht  der  vergleichenden 
BlutanalyBe  der  Einwand  entgegen,  dass  die  verglichenen  Blutarten 
namentlich  mit  Beziehung  auf  ihren  Kßrperchengehalt,  nicht  gleich 
zusammengesetzt  waren.  ', — Oder  man  würde  aus  der  bekannten 
Menge  von  Blut  und  Luft,  welche  in  der  Zeiteinheit  durch  die 
Lunge  geht,  und  ans  der  Veränderung,  welche  die  Lnft  erlitten; 
zu  berechnen  haben,. wie  gross  die  Veränderung  des  Blutes  an 
Gasen  gewesen  sei.  Bei  der  letzten  Betrachtungsweise  bleibt  aber 
immer  einer  der  Grundwerthe,  nemlieh  die  Blutmenge,  welche 
die  Lungen  durchsetzte,  mit  beträchtlichen  Unsicherheiten  behaftet. 
Stellt  man  aber  dessungcachtct  auf  Grund  der  vorliegenden  Daten 
einen  l’ebersehlag  an , so  ergiebt  sich , dass  das  Blut  des  rechten 
Herzens  um  etwa  2 Vol.  Pr«.  CO>  mehr  und  eben  so  viel  Sauer- 
stoff weniger  enthält,  als  das  des  linken.  Hiermit  stimmt  es  im 
Allgemeinen,  dass  das  Blut  der  Venen  noch  viel  abdunstbaren  0 
(Magnus)  und  das  der  Arterien  noch  viel  abdunstbare  COi  ent- 
hält (Magnus,  L.  Meyer,  Setschenow). 

Nach  Vierordt  entleert  der  mittlere  Horesclilag  180  OC.  Blut;  nehmen  wir 
aus  der  AthmungsUbelle  denselben  Beobachters  (p.  523  10.  Stunde)  eine  Minute  her- 
aus, in  welcher  09  i&rsachlftge  geschehen,  so  würde  in  dieser  Zeit  12400  CC.  Blut  durch 
die  Lunge  getrieben;  in  derselben  Zeit  wurden  ausgehaucht  281  CC.  CO*;  donuiaeh 
würden  100  Vol.  Blut  = 2,3  Vol.  CO*  eingebüsst  haben. 

Um  zu  erfahren,  ob  das  Blut  in  der  Lunge  noch  andere  Ver- 
änderungen als  die  abgehandelten  erleidet,  giebt  es  ausser  der  nur 
sehr  bedingungsweise  brauchbaren  vergleichenden  Blutanalyse  noch 
zwei  andere  Mittel.  Das  eine  besteht  darin,  die  Zusammensetzung 
der  Flüssigkeit,  welche  die  Lang»  durchtränkt,  festzustellen 
(Uloetta)  und  das  andere  prüft  die  Veränderung,  welche  $in 
Blut  erfahren  hat,  das  durch  die  Lunge  des  so  eben  getüdtetcu 
Thieres  gesprützt  wurde  (Pavy). 


L 


Bau  der  Lungen. 


541 


Wenn  die  vergleichende  Analyse  darlegen  soll,  welchen  Einfluss  die  Lunge  auf 
die  Gestaltung  des  Bluts  gewinnt»  so  darf  rar  Zerlegung  nur  \erwendet  werden  der 
Inhalt  des  rechten  und  linken  Herzens;  es  sind  somit  alle  Beobachtungen  werthlos» 
bei  denen  das  Blut  einer  beliebigen  Einzelvene  mit  dem  arteriellen  verglichen  wurde. 
Denn  im  rechten  Vorhof,  dem  Ausgangspunkte  für  den  Strom  in  der  Longe,  mischt 
sich  der  Inhalt  sehr  verschiedener  Venen,  und  zugleich  der  der  Lymphstämrne.  Aber 
auch  die  Vergleichung  des  Blutes  beider  Hcrshälften  ist  allen  Ein  würfen  in  erhöhtem 
Maassstab  ausgesetzt,  welche  die  vergleichende  Blutunalyeo  tretfen.  Denn  weil  das 
rechte  Herz  den  Zusammenfluss  aller  möglichen  Blutarten  darstellt,  und  weil  der  Quer- 
schnitt und  die  Geschwindigkeit  der  einzelnen  zufiihrenden  Strombahnen  in  der  Zeit 
sehr  veränderlich  ist,  so  muss  hier  am  meisten  Gelegenheit  zu  Acnderungen  der  Blut- 
zuaamraensetzung  gegeben  seht.  Darum  wird  ira  vorliegenden  Ralle  sogar  das  Ergeb- 
nis« der  vergleichenden  Scrutuaiialyse  bedenklich. 

Die  nach  dem  beschriebenen  Plane  Angestellten  Untersuchungen 
ergaben:  1)  Die  Lnngcnsitfte  enthalten  Inosit,  Taurin,  Harnsäure, 
und  zwar  jedenfalls  vielmehr  von  diesen  Körpern,  als  das  Blut 
(Cloßtta).  Woher  stammen  diese  Körper?  Sind  sie  aus  der 
Leber  mitgeflthrt  und  in  die  Lunge  abgelagert?  Ist  das  Taurin 
ein  Zersetzungsprodukt  der  Taurocholsänre?  — 2)  Das  Blut  des 
linken  Herzens  soll  nach  Chaveau,  Harley,  Poggiale,  Hevn- 
sius  ebensoviel  und  mehr  Traubenzucker  enthalten,  als  das  des 
rechten,  'nach  Bern ard  und  Lehmann  aber  weniger.  Insofern 
man  den  Methoden  der  genannten  Analytiker  Zutrauen  schenken 
will,  muss  man  in  diesen  Widersprüchen  die  Folgen  einer  unglei- 
chen Blutmischuug  in  dem  rechten  Vorhof  sehen.  — 3)  Zuckerhal- 
tiges, fibrinfreies  Blut,  welches  man  durch  die  Lunge  des  eben 
getödteten  Thieres  sprützt,  kommt  znckerUmier  in  den  Lungen- 
venen an  (Pavy). — 4)  Das  Lungenvenenblut  soll  weniger  Faser- 
stoff enthalten,  als  das  der  Aorta  (?_).  - 

Welchen  Antheil  an  der  Erzeugung  jener  Veränderungen  das 
Aufeiuanderwirken  der  Blntbestandtheile,  und  welchen  das  Lungen- 
gewebe  besitzt,  ist  unmöglich  auzngebcn.  Der  oft  gehörten  Mei- 
nung, dass  der  0,  der  sich  in  der  Lunge  dem  Blute  beimengt, 
sehr  wirksam  sei,  steht  das  gerechte  Bedenken  ehtgegen,  dass  das 
Blut  der  Lnngcnarterien  noch  immer  sehr  sauerstoffhaltig  ist.  Also 
braucht  der  Inhalt  jenes  Gefiisses  nicht  erst  auf  den  aus  der  Lunge 
kommenden  Sauerstoff  zu  warten,  wenn  er  sich  verändern  will. 

8.  Bau  der  Lungen.  Nach  der  anatomischen  Einrichtung 
uud  den  physiologischen  Folgen  derselben  kann  man  in  der  Lunge 
unterscheiden  die  Zuleitungsröbren  (traehea  und  bronebi)  und  die 
Behälter  für  die  Mischung  nnd  den  Austausch  der  Gasarten,  die 
mau  ihrer  Form  wegen  passend  Trichter  (inftmdibula)  nennt 


542 


Bau  der  Lungen. 


(RoBsignol).  Wnnd  und  Höhlung  beider  setzen  sieh  ununter- 
brochen in  einander  fort.  — Die  Höhle  der  Trachea  theilt  sich 
gabelig,  und  ebenso  wieder  die  eines  jeden  Bronchus  und  auch  die 
eines  jeden  seiner  Zweige,  und  so  fortlaufend  viohnal ; dabei  bleibt 
der  Querschnitt  der  Höhle  /.war  immer  annähernd  kreisförmig,  aber 
der  Radius  dieses  Kreises  nimmt  nach  jeder  neuen  Theilung  ab, 
bis  er  auf  0,2  MM.  und  weniger,  jedoch  nicht  auf  mikroskopische 
Grösse  herabsinkt.  Die  Wand  der  Bronchien  besteht  aus  FErumer- 
cpithelien,  deren  Schlag  dem  aufgestreuten  Körperchen  eine  Bewe- 
gung in  der  Richtung  von  den  Bronchis  zur  Trachea  ertheilt;  fer- 
ner aus  elastischen  und  Bindegeweben,  aus  ringförmigen  Muskel- 
zellen und  einzeln  eingestreuten  Knorpelplättchen.  In  dieser  Wand 
sind  kleine  traubige  Sebleimdrüschen  eingebettet,  die  sich  in  die 
Bronchialhöhlen  öffnen.  — Die  Infundibula  sind  blindendigende, 
keulige  oder  trichterförmige  Auftreibungen  von  verhnltnissmässig 
bedeutender  Grösse,  deren  Zuspitzung  gegen  je  einen  kleinsten 
Bronchus  (bronchiolus)  gerichtet  ist;  die  Oberfläche  der  Keule  ist 
maulbccrartig  ausgebuchtet;  die  einzelnen,  an  Ausdehnung  ver- 
schiedenen, halbkugelförmigen  Hcrvorragungen  (Cellulae)  öffueu 
sich  mif  breiter  Mündung  gegen  den  Mittelraum  der  Trichterböhle. 
Die  sehr  dllunen  Wandungen  der  verbältnissmässig  grosseu  Höhle 
bestehen  aus  einer  elastischen  Grundhaut,  die  von  sehr  spar- 
samen Muskelzellen  durchsetzt  ist  (Moleschott)  und  die  auf 
ihrer  inneren  Fläche  mit  einer  Schicht  von  kugeligen  Zellen  be- 
deckt ist.  — Der  Gesammtraum , den  die  Lunge  einnimmt,  ver- 
theilt  sich  zwischen  den  beiden  Bestandtheilen  so,  dass  der  weit 
ans  grösste  Antheil  derselben  auf  die  Infundibula  fällt. — Zu  jedem 
dieser  beiden  durch  Wand  und  Hohlraum  unterschiedenen  Lnngen- 
bestaudtheile  geht  auch  ein  besonderes  Blutgefäss;  zu  den  Bron- 
chis die  engere  art.  bronchialis,  zu  deu  Inluudibulis  die  weite  art. 
pulmonalis.  Die  aus  den  beiden  Arterien  hervorgehenden  Capillar- 
netze  gehen  ineinander  über  in  den  kleinsten  Bronchis,  so  dass 
jedes  derselben  sowohl  von  der  a.  pulmonalis,  wie  von  der  a. 
bronchialis  aus  vollgesprützt  werden  kann.  — Die  Nerven  der 
Lunge  kommen  aus  dem  n.  vagus  und  n.  sjiupathicus;  ihre  En- 
dungen sind  unbekannt;  sensible  Fasern  gehören  jedenfalls  dem 
n.  vagus  an.  — Aus  der  Lungenoborfläche  kommen  zahlreiche 
Lymphstämme,  deren  Wurzeln  bis  zu  deu  Bronchien  hin  verfolgt 
werden  können.  — Die  ganze  Lunge  endlich  ist  in  deu  l'leura- 
sack  eiugeschlagen.  4 ‘trrrrrta  m ufti  +*> 


CliMn.  Znn«mm«ii8.  d.  Lunge;  Wirkungen  d.  Lungonmusk . ; Einst.  Eigentch.  543 

9.  Chemische  Zusammensetzung  der  Lunge.  Der 
in  Wasser  unlösliche  Antheil  des  Lungengewebes  bestellt  aus  dem 
unlöslichen  Rückstand  der  Muskeln,  des  Bindesgewebes  etc.  — 
Ans  der  Lunge  kann  ein  Saft  ansgepresst  werden,  der  ausser 
eiweissartigen  Körpern  Inosit,  Harnsäure,  Taurin  (Cloötta),  zu- 
weilen auch  Leucin  (Staedeler  und  Freriehs)  enthält.  Aus 
welchen  Formbestandtheilen  der  Lunge  diese  Stoffe  stammen,  bleibt 
dahingestellt. 

10.  Wirkungen  der  Lungenmuskeln.  Ihrer  anatomischen 
Anordnung  nach  können  die  kleinen  Muskeln  der  Lunge  zunächst 
wohl  nur  den  Durchmesser  der  Blutgefässe  und  Bronchien  mindern. 
Da  aber  alle  Bronchien,  Trichter  und  Blutgefässe  durch  Binde- 
gewebe mit  eiuander  verschmolzen  sind,  so  müssen  die  Zusainmeu- 
zichungcn  jener  Muskeln  auch  die  muskelfreie  Umgebung  bewegen, 
und  da  ferner  muskeltragende  Rohre  uach  allen  Richtungen  ziehen, 
so  müssen  verbreitete  Zusammenzichungen  die  'gesammtc  Lunge 
zusnmmeupresseu.  Dieses  lässt  sich  nach  Traube  so  beweisen, 
dass  man  die  beiden  Lungen  eines  oben  getödteten  Thieres  in 
kaltes  Wasser  wirft,  die  eine  so  kurz  nach  dem  Tode,  dass  vor- 
aussichtlich ihre  Muskeln  noch  reizbar  sind,  und  die  andere  erst 
danu,  wenn  voraussichtlich  die  Reizbarkeit  abgestorben.  Die  erste 
zieht  sich  in  dem  kalten  Wasser  noch  weiter  zusammen,  die  zweite 
behält  dagegen  den  Umfang,  der  ihr  durch  die  elastischen  Kräfte 
angewiesen  ist,  also  ist  die  allseitige  Verkleinerung  der  ersten  in 
det  That  eine  Muskelwirkung.  Die  Nerven  dieser  Muskeln  sollen, 
was  jedoch  auch  bestritten  wird,  im  u.  vagus  laufen  (1.  Bd.  201). 
Unbekannt  sind  die  .Umstände,  unter  welchen  die  lebenden  Lungeu- 
muskeln  sich  bewegen,  und  die  Folgen,  welche  aus  den  Bewegun- 
gen hervergehen. 

11.  Elastische  Eigenschaften.  Die  Lunge  und  vorzugs- 
weise ihre  Trichter  vergleichen  sich  an  Elasticität  mit  den  in  die- 
ser Beziehung  bevorzugtesten  Gebilden  des  Thieres.  Sicherlich 
thcilen  auch  die  Lungenwaudungen  die  allgemeinen  Eigenschaften 
der  thierischcn  Elastizität,  so  dass  die  Zusammensetzung  der  sie 
durchtränkenden  Flüssigkeiten  und  die  schon  vorhandene  Span- 
nung die  Dehnbarkeit  bestimmt.  Also  müssen  sich  oft  Veranlas- 
sungen linden,  durch  welche  der  Elastizitätscoeffizient  der  Trichtor- 
baut  geändert  wird,  denn  sie  sind  zart  und  leicht  durchdringlich, 
uud  dazu  in  wechselnder  Ausdehnung  von  Luft  und  Blut  um- 
spült.  — Nicht  minder  veränderlich  sind  die  spauuenden  Kräfte 


544 


Ernährung  der  Lunge. 


fV  ? 


im  Leben,  weil  sie  sich  zusammensetzen  aus  dem  Zug  des  Brust' 
kasteus  und  dem  Widerstand,  den  die  Trichter  bei  ihrer  Ausdehnung 
an  dem  Blut,  den  Bronchien  u.  s.  w.  tiuden.  -*  L)a  endlich  die  Form 
des  Trichters  und  die  seiner  Zellen  von  dem  Elastizitätsmaass 
ihrer  Wand  und  der  spannenden  Krade  abhängt,  so  wird  sieh  auch 
jene  form  mannigfach,  und  zwar  dauernd  oder  vorübergehend,  ändern. 

Ein  Beispiel  hierfür  bietet  das  Emphysem,  ein  Zustand,  in  welchem  einzelne 
Abtheilungen  der  Lunge  auf  Kosten  anderer  sich  ausgedehnt  haben;  der  nachtheilige 
Erfolg  dieser  Formänderung  auf  die  Athmung  ist  einleuchtend;  einmal  werden  alle 
di«  Blutgefässe,  welche  zu  dem  nicht  mehr  erweiterbaren  Trichter  gelten,  uueh  nicht 
mehr  an  der  Athmung  thoilnelimo» , und  zugleich  wird  in  den  übermässig  erweiterten 
Blasen  der  Gassustauseh  weniger  ergiebig  sein,  weil  die  Blutgefässe  ausgedehnt  sind 
und  also  der  Strom  hier  einen  grossem  Widerstand  erfährt,  als  in  den  Gefässcn  der 
xusainiucngefallonen  Bläschen,  nnd  weil,  gleiches  Masse  der  wechselnden  Luft  voraus- 
gesetzt, diese  mit  einem  geringen  Umfaug  der  Waudilächc  in  Berührung  kommt  (wegen 
der  Kugelgestalt  der  Zellen),  und  endlich  werden  zu  gleich  inhaltsreichen  Athcm- 
ztigm  viel  grössere  Muskelkräfte  nüthig  sein,  weil  die  auch  schon  in  der  Ausathmung 
übermässig  ausgedehnten  Bläschenwände  der  noch  weiteren  Ausdehnung  stärkeren 
Widerstand  bieten.  Dieser  Zustand  findet  sich  in  einem  Lungenstück  ein,  wenn  be- 
nachbarte Thoile  den  Widerstand,  den  sie  der  Ausdehnung  bisher  entgegenstellten, 
nicht  mehr  leisten  können,  resp.  wenn  sic  sn  ihrer  Ausdehnung  selbst  behindert  wer- 
den, so  z.  B.  durch  Verschlieuung  der  suführenden  Bronchien,  oder  durch  Verwach- 
sung der  sio  bedeckenden  Pleurablätter,  oder  wenn  wegen  eingetretener  Unwegsamkeit 
eines  Arterienstämmchens  die  Geiassc  der  zugehörigen  Trichter  durch  den  Blutstrom 
nicht  -mehr  ausgedehnt  werden  u.  s.  w.  Geringere  Gefahr  als  durch  eine  Acnderung 
in  den  mechouischeu  Bedingungen,  scheint  der  Trichterforra  zu  droheu,  durch  den 
häutigen  Wechsel  einer  trockenen  .oder  abgekühlten  Luft,  oder  vielleicht  selbst  durch 
eine  Acnderung  in  der  chemischen  Natur  der  Sufte , welche  die  Lunge  durchstromten ; 
denn  so  lange  die  Zusammensetzung,  Wärme  und  Bewegung  des  Blutes  gesund  bTcibt, 
ist  es  gerade  wegen  des  häufigen  Wechsels  und  der  Dünne  der  Trichtcrwandungon 
sowie  der  vielfachen  Uefässausbreitung  wegen  nicht  zu  fürchten , dass  es  zu  einer  die 
Form  alterircnden  Veränderung  der  E-C'oeitizienten  kommen  sollte.  Eine  Bestätigung 
für  den  Inhalt  der  letzten  Betrachtung  scheint  darin  zu  liegen,  dass  Menschen,  welche 
statt  durch  die  Nase  durch  eine  Luftrührenfistel  athrnen,  vollkommen  gesuudo  Lungen 
bewuUrcn  ( Ulrich  j*). 

12.  Ernährung  der  Lunge.  Die  Formfolge  bei  der  ersten 
Entwickelung  derselben  ist  analog  derjenigen  anderer  gelappter 
Drüsen;  der  einzige  Unterschied  besteht  darin,  dass  die  Zellen- 
häufchen,  welche  die  späteren  Aeste  und  Aestchen  darstellen, 
gleich  von  vorn  herein  iui  Centrum  Flüssigkeit  führen , nicht  aber 
wie  gewöhnlich  compakt  sind.  — Nach  der  Geburt  vergrössert  sieh 
die  Lunge  nur  durch  die  Ausdehnung  der  vorhandenen  Bläschen 
und  Böhren;  eine  Neubildung  kommt  nicht  mehr  vor. 

■)  Zeltachrlft  der  Wiener  Aeralo,  186u.  *09.  * 'i 


Ernährung  der  Lunge. 


545 


Obwohl  die  Oberfläche  cler  gesunden  Lunge  nur  sein-  wenig 
befeuchtet  ist,  so  müssen  wir  doch  annehmen,  dass  in  die  Bronchial-  - 
höhle  hinein  eine  flüssige  Absonderung  und  zwar  aus  den  dort  vor- 
handenen Schleimdrüsen  erfolgt.  — Wie  die  Absonderung  beschaffen 
ist,  unter  welchen  Umstünden  sie  vor  sich  geht",  blieb  bis  dahin 
unbekannt.  Vorausgesetzt,  dass  die  Bronchialschleimhaut  fiir  ge- 
wöhnlich ahsondert,  muss  die  Menge  des  Saftes  so  gering  sein, 
dass  das  Wasser  desselben  in  der  Athmungsluft  verdampft  und  die 
unlöslichen  Rückstände  durch  die  Flimmerbewegung  entleert  werden 
können.  Zu  gewissen  Zeiten,  bei  sog.  Bronchialkatarrh  wird  die 
Absonderung  lebhafter.  Dieser  Zustand,  der  sich  leicht  bei  Thieren 
erzeugen  lässt,  giebt  Hoffnung,  auch  Uber  die  Eigenschaften  und 
Bedingungen  der  normalen  Absonderung  ins  Klare  zu  kommen.  — 

In.  die  Infnndibula  hinein  erfolgt,  wie  es  scheint,  gesunderweise  nie 
eine  flüssige  Absonderung;  es  wird  dieses  wahrscheinlich  dem  Um- 
stand zu  danken  sein,  dass  der  Blutstrom  in  der  Lunge  mit  einem 
geringem  Drucke  fliesst  und  die  Luugenhaut  summt  ihrem  Epi- 
thclium  der  andringenden  Flüssigkeit  einen  genügenden  Widerstand 
leistet  Hemmungen  im  Stromlaufe,  namentlich  auf  der  Seite  der 
Lungenvenen,  Veränderungen  im  Quellungszustande  und  in  der  Dehn- 
barkeit der  Lungenhäute,  Loslösnng  des  Epitheliums,  einseitige  Er- 
niedrigung des  Luftdrucks  in  der  Lungenhöhle  würden  demnach  in 
erster  Ordnung  den  Uebertritt  von  Flüssigkeiten  in  die  Infundihula 
bedingen.  Diese  Zustände  könnten  aber  erzeugt  werden  durch 
Aenderung  des  Strombett«,  der  Reibung,  der  chemischen  Zusam- 
mensetzung des  Blutes,  durch  Aenderungen  im  Erregungszustand  « 
der  Lungenmnskeln , also  auch  der  zugehörigen  motorischen  oder 
reflectorischen  Nerven,  durch  Eindringen  fremdartiger  Flüssigkeifen 
z.  B.  des  Speichels  in  die  Lungenhöhle,  durch  Hemmung  des  Luft- 
eingangs in  die  Trachea  oder  Bronchien.  Mit  der  Grösse  der  ge- 
nannten Störungen  könnte  auch  die  chemische  Zusammensetzung 
der  ans  dem  Blute  übertretenden  Flüssigkeit  veränderlich  werden. 

Obwohl  alle  diese  Funkte  dem  Versuche  zugänglich  sind,  so 
sind  doph  nur  wenige  in  Angriff  genommen.  Zu  diesen  zählen  die 
von  Virchow*)  behandelten  Fälle  von  Verstopfung  einzelner  Acste 
der  Lungenarterie. (Embolie),  welche  für  die  Pathologie  eine  grosse  - 
Wichtigkeit  erhalten  hat,  und  die  Erscheinungen,  welche  nach 

•)  Gesammelte  Abhandlung«-».  Frankfurt  185#.  '227. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  35 


i 


*Oigitized  Dy  Google 


546 


Ernährung  der  Lunge. 


Durchsclineidung  der  nn.vagi*)  beobachtet  wurden;  die  lctztrc  Heihe 
von  Thatsachen  besitzt  unmittelbar  physiologische  Bedeutung. 

Nach  Durchschneidung  der  nn.  vagi  oder  der  rami  recurrentes  dieses  Nerven  er- 
sticken einige  Thiere  alsbald  in  Folge  eines  ventilartigon  Verschlusses  der  Stimmritze; 
andere  mit  steifem  Kehlkopf  überstellen  den  Eingriff.  Bei  Kaninchen,  die  IS  bis 
24  Stunden  nach  der  Durchschneidung  beider  nn.  vagi  gestorben,  findet  die  Section 
in  der  Trachea  serösblutigcn  Schaum,  und  in  dem  Lungengewebe  zwischen  vollkommen 
gesunden  Stellen  einzelne  rothgefürbte  eingesunkene  l^rtien  von  kleinerer  oder  grösserer 
Ausdehnung ; diese  veränderten  Lungenstücke  sind  von  der  Trachea  aus  noch  aufzublasen 
und  wenn  man  sie  cinschneidet,  so  fiiesst  aus  ihnen  eine  rothe  schaumige  Flüssigkeit, 
die  der  mikroskopischen  Analyse  nach  Blutkörperchen,  Körnchenxellen,  Lungenopithelien 
und  gewöhnlich  auch  Speisenreste  und  Mundepithelien  enthält.  Haben  die  Thiere  länger 
als  24  Stunden  gelebt,  so  ist  in  vielen  der  voränderten  Lungenzellen  ein  Theil  des 
Inhalts  festgeworden,  so  dass  die  Zelle  nun  nicht  mehr  aufgeblassen  werden  kann  und 
nach  dem  Durchschneiden  nichts  oder  wenig  ansfliezst.  Bei  Hunden  fehlen  die  Er- 
scheinungen zuweilen  ganz;  wenn  sie  vorhanden,  so  gleichen  sie  ganz  den  beim 
Kaninchen  beschriebenen,  mit  der  Ausnahme  jedoch,  dass  die -Speisereste  und  Mund, 
epithclien  fehlen.  — Beim  Kaninchen  kommen  dieselben  Erscheinungen  vor,  jedoch 
ohne  Zugabe  der  Speisereste  und  Mundepithelien,  wenn  die  Trachea  nach  Durch- 
schneidung der  nn.  vagi  eröffnet  und  eine  CanUle  in  sic  gelegt  wurde,  die  dieAthmung 
erleichtert  und  den  Uebergang  des  Mundinhalts  in  die  Lungen  unmöglich  macht. 
Werden  die  rami  recurrentes  allein  durchschnitten  und  wird  nach  Anlegung  einer 
LuftrÖhrcnfistel  eine  CanUle  eingelegt,  so  bleiben  die  Lungen  Veränderungen  zuweilen 
aus;  sehr  häufig  erscheinen  sie  dagegen  gerade  so,  als  ob  die  n.  vagi  verletzt  wären.  — 
Nach  einseitiger  Durchschncidung  des  n.  vagus  kommt  keine  Lungenveränderung  zum 
Vorschein.  Diese  Thatsachen  lassen  mancherlei  Erklärungen  offen,  aber  sie  scheinen 
jedenfalls  darzuthun,  dass  die  Lungcnändernng  keine  unmittelbare  Folge  der  Verletzung 
der  Lungenäste  des  n.  vagus  ist.  Dafür  spricht,  dass  nach  einseitiger  Durchschneidung 
auch  gar  keine  Andeutung  derselben  vorkommt,  dass  nach  doppelseitiger  Operation 
nicht  alle,  sondern  nur  einzelne  Luugentheile  ergriffen  sind,  dass  ferner  in  ein- 
zelnen Fällen  die  Infundibula  ganz  unverändert  sind , und  dass  endlich  auch  die  Ver- 
letzung der  rami  recurrentes,  die  gar  nicht  zur  Lunge  gehen,  dieselben  Folgen  wie  die 
Zerschneidung  der  Stämme  nach  sich  ziehen.  — Man  hat  darum  den  Grund  der  Ver- 
änderung gesucht  in  den  tiefen  Athemzügen  oder  in  dem  Eindringen  von  Speichel ; 
die  letztere  Annahme,  welche  Traube  in  einer  gründlichen  Arbeit  vertheidigt,  stützt 
sich  darauf,  dass  der  in  die  Lunge  gespritzte  Speichel  ebenfalls  die  genannten  Ver- 
änderungen hervomift.  Im  Hinblick  auf  einen  Theil  der  obigen  Erfolge  müsste  man, 
wenn  man  die  Annahme  von  Traube  halten  wollte,  zu  ihr  noch  den  Zusatz  machen, 
dass  der  im  Uebermaoss  abgesonderte  Schleim  der  Luftröhre  dieselben  Folgen  erzeuge, 
er  dem  Mundspcichel  zuschreibt.  Darnach  bliebe  es  aber  noch  immer  dujikel,  wie 
der  Speichel  cinwirkt  und  warum  er  eine  blutige  Absonderung  erzeugt,  die  doch  ein 
Platzen  der  Öcfässe  voraussetzt. 


•)  Blllroth  (und  Traube),  de  nature  ct  causa  pulmou.  aflcctionis.  Berlin  1852.  — 
Fowelin  (und  Bidder),  de  causa  mortis  post  vagos  dissectos.  Dorpat  1861.  — Wund t, 
Mtiller's  Archiv.  1856.  — Arnsperger,  Vlrchows  Archiv.  IV.  Bd.  — H.  Nasse,  Archiv 
für  gemeinsame  Arbeiten.  II.  Bd.  (1866). 


Digitized  by  Goo^e 


Nachtrag  zur  Lungenathmung. 


547 


Die  Epithelien  der  Lungenoberfläche  sollen  sieh  sehr  allmählig 
abschuppen  (Kölliker).  — Ueber  die  Ernährung  des  formlosen 
Bindegewebe»  und  der  Lymphbildung  in  der  Lunge  fehlen  Nach- 
richten. 

Nachtrag  zur  Lungenathmung. 

Während  des  Druckes  der  letzten  Bogen  hat  Schöffer  unter 
meinen  Augen  eine  Bcobachtungsreihe  vollendet,  deren  Ergebnisse 
auf  unsere  Vorstellungen  über  die  Lungenathmung  von  Einfluss  sind. 
Die  Versuche  selbst,  so  wie  die  Begründungen  der  Methode  u.  s.  w. 
sind  in  der  Abhandlung  naehzusehen,  die  demnächst  in  den  Sitzungs- 
berichten der  k.  Akademie  erscheinen  wird.  Alle  Zahlen  beziehen 
sich  auf  100  Theile;  die  zu  den  Gasen  geschriebenen  Volumina  sind 
auf  1 Met.  Hgdruck  und  0°C  berechnet. 

a)  Das  Blut  und  das  aus  demselben  Blute  abgeschiedene  Serum 
enthalten  nicht  gleichviel  und  auf  gleiche  Art  gebundene  CO2. 

Verdunstbare  Nur  durch  Säure  Verdunstbare  Nur  durch  Säure 

CO*.  abscheidbare  CO*.  CO*.  abscheidbare  CO*.  % 

Blut  24,62  1,59  Blut  25,78  0,81 

Serum  10,20  23,77  _ Serum  16,65  16,06 

b)  Das  gashaltige  und  gasfreie  Blut  treibt,  wenn  es  zum  Serum 
gesetzt  wird,  aus  diesem  unter  Beihilfe  eines  niedrigen  Luftdrucks 
den  bei  Weitem  grössten  Theil  derjenigen  CO2  ans,  die  aus  dem 
von  Blutkörperchen  möglichst  freien  Serum  nur  nach  Zusatz  einer 
Säure  ausgeschieden  werden  kann.  So  gab  z.  B.  ein  Serum,  das 
16,06  pC.  fcstgebundener  COj  enthielt,  nur  noch  1,77  pC.  durch 
Säure  abscheidbare  COj , nachdem  es  zuvor  unter  Zusatz  gasfreien 
Blutes  ausgepumpt  war.  Also  war  die  festgebundene  COi  nicht 
sämmtlich,  sondern  nur  zum  grössten  Theil  ansgetrieben,  ln  diesem 
Vermögen  der  Körperchen  einen  Theil  der  CO2  auszutreiben,  .ist  es 
begründet,  dass  aus  dem  Blut  immer  viel  weniger  festgebundene  CO; 
gewonnen  werden  kann,  als  ihm  vermöge  seines  Gehaltes  an  Sernm 
/»kommen  müsste. 

c)  Aus  der  ebenerwähnten  in  Verbindung  mit  schon  bekannten 
Thatsachen  folgt,  dass  die  CO2  des  Blutes  auf  vier  verschiedene  Arten 
gebunden  ist,'  und  zwar  einfach  gelöst  als  Gas  (diffundirt),  dann  an 
alkalische  Salze  (Na(X>2  und  2NaO  HO  I’O,,)  gebunden,  dann  so  ge- 
bunden, dass  sie  unter  Mitwirkung  der  Blutkörperchen  und  endlich  so, 
dass  sie  nur  unter  Beihilfe  der  Säure  ausgesehieden  werden  kann. 

d)  Eine  vergleichende  Bestimmung  der  verdunstbaren  CO2  des 
Gesammtblutcs  und  seiner  phosphorsauren  Alkalien  ergab,  dass 

35* 


. . . ..  Qigitized  by  Google 


548 


Nachtrag  zur  Lungen&Uunung. 


die  COj  im  Allgemeinen  jedoch  nicht  immer  mit  dem  phosphor- 
sauren Alkali  wächst.  Macht  man  aber  mit  Fernet  die 'Annahme) 
dass  fUr  je  ein  Atom  l’hosphnrsäure,  das  an  Alkalien  gebunden  ist, 
2 Atome  COj  aufgennAnncn'  werden  können,  so  ist  das  phosphorsaure 
Alkali  meist  schon  für  sich  allein  genügend,  um  alle  verdunstbare 
CO2  des  Blutes  zu  binden.  In  der  folgenden  Tabelle,  die  dieses 
darthut,  ist  die  l’O-, , welche  an  Alkalien  gebunden  ist,  also  die 
gesammte  1’0,  des  Blutes  nach  Abzug  der  an  Erden  gebundene 
aufgeftthrt.  Die  POs- Bestimmungen  sind  an  derselben  Biutmenge 
gemacht,  die  auch  zur  Gasbestimmung  diente. 


Verdunstbare 

CO*. 

ro5 

an  Alkalien  gebunden. 

CO*,  die  nach  Fernet  von 
den  phosphoroauren  Alkalien 
zu  binden  wären. 

Arterienblut 

31,66 

0,088 

27,72 

ff 

26,44 

0,109 

34,17 

. ff 

26,70 

0,082 

25,83 

Venenblut 

33,05 

0,087 

27,62 

7» 

27,83 

0,097 

30,75 

ff 

21,32 

0,077 

23,90 

ff 

30,73 

0,095 

30,01 

ff 

30,54 

0,103 

32,45 

ff 

32,14 

. 0,099 

31,18 

e)  Eine  Vergleichung  der  CO2  des  Blutes  von  Thieren,  welche 
24  Stunden  gehungert  hatten,  mit  der  CO2  des  sauren  Harns,  welcher 
während  jener  24  Stunden  abgesondert  war,  ergab  im  Mittel  aus 
je  einem  Versuch  an'fi  verschiedenen  Thieren:  aus  Blut  verdunst- 
bare COs  = 28,72  pC.,  aus  Harn  verdunstbare  CO2  «=  3,78  pC. 

Da  nun  die  diffundirbare  CO2  sich  doch  offenbar  im  Harn  und 
Blut  ausgeglichen  haben  musste,  weil  ja  der  Harn  aus  dem  Blute 
kommt,  so  ergiebt  sich  daraus,  dass  das  Blut  einen  geringen  An- 
theil  an  diffundirbarer  CO:  enthält. 

f)  Mit  dieser  Anschauung  stimmen  auch  die  von  L.  Meyer 
und  Setschenow  gemachten  Erfahrungen,  nach  welchen  aus  dem 
Blute  nur  etwa  4 bis  5 pC.  CO:  entwickelt  werden  können,  wenn 
diese  aus  dem  kochenden  Blute  in  den  nicht  wieder  erneuerten 
Luftraum,  also  unter  einem  geringen  COj-Druek  abdunstet.  Sc  hö  ff  er 
hat  nach  einem  neuen  Verfahren  die  diffundirte  CO2  des  Blutes  ge- 
nauer zu  bestimmen  gesucht;  obwohl  dasselbe  noch  nicht  allen 
Anforderungen  entsprach,  so  konnte  doch  so  viel  ermittelt  werden, 
dass  im  Hundeblute  die  diffundirte  COi  etwa  so  viel  beträgt,  wie 
es  die  Harnuntersuchungen  verlangen. 


Diqitized  bv  Google 


Nachtrag  iw  Lungenathmung. 


549 


g)  Also  nimmt  die  Lungenluft  viel  mehr  COj  auf  als  die  mit 
dem  Blut  geschüttelte  Luft  und  als  der  Harn;  denn  es  fanden 
W.  Müller  und  Setseh enow  den  CO; -Gehalt  der  Lungenluft 
heim  Ersticken  übereinstimmend  zu  15  pC.  Schöffer  fand  "bei 
einem  Hunde,  dessen  Blut  = 25,45  pC.  COj,  dessen  Harn  = 3,31  pC. 
COj  enthielt,  in  der  nur  wenige  Sekunden  zurüekgehaltenen  Lungen- 
luft = 9,01  pC.  COj.  Daraus  geht  hervor , dass  die  in  der  Lunge 
ausgestossene  CO;  nicht  allein  von  derjenigen  stammen  kann,  welche 
das  Blut  schon  diiTundirt  in  die  Lunge  mitbrachte. 

h)  Eine  Vergleichung  des  gleichzeitig  aus  dem  rechten  Herzen 
und  aus  der  art.  carotis  entzogenen  Blutes  derselben  Thiere  wurde 
darauf  vorgenommen.  Beide  Blutarten  hatten  fast  genau  dieselbe 


Färbekraft,  also  wohl  auch  gleichviel  Blutkörperchen, 
ans  5 Versuchen  ergab  sich: 

Im  Mittel 

0. 

CO« 

verdungtbar. 

CO«  durch  Säure 
abscheidbar. 

W. 

Arterienblut  16,59 

28,70 

1,48 

1,24 

Vcnenblnt  10,78 

31,04 

3,12 

1,08 

Also  enthält  das  Arterienblut  2,34  pC.  verdunstbare  CO;  und  1,64  pC. 
durch  Säure  abseheidbare  OO2  weniger  als  das  venöse.  Die  auf- 
fallendsten unter  diesen  Angaben,  dass  das  arterielle  Blut  ärmer 
an  CO;  ist,  die  nur  durch  Säure  abgeschieden  werden  kann,  gilt 
aber  nicht  etwa  blos  für  den  Mittelwerth,  sondern  ftir  jeden  ein- 
zelnen der  5 verglichenen  Fälle.  Dieses  kann  mit  Berücksichtigung 
feststehender  Thatsachen  nur  dadurch  begriffen  werden,  dass  in 
der  Lunge  selbst  ein  Vorgang  stattiindet,  durch  welchen  die  ßasizität 
des  Blutes  beeinträchtigt,  beziehungsweise  sein  Antheil  an  freier  COj 
vermehrt  wird. 

Nach  allem  Diesem  würde  man  annehmen  müssen:  das  in 
der  Lunge  verweilende  Blut  wird  dort  auf  eine  eigentümliche, 
noch  nicht  näher  gekannte  Weise  geeignet  gemacht,  seine  COi 
abzugeben ; demnach  wäre  dieses  Organ  ein  spezifisches  Ausath- 
mungswerkzeug.  Das  in  den  andern  Geweben  strömende  Blut  ent- 
hält dagegen  immer  noch  einen  Ueberschuss  an  Mitteln,  welche 
CO2  binden  können  oder  es  ist  wenigstens  die  freie  CO2  mit  einer 
niedrigen  Spannung  begabt;  also  genügt  eine  geringe  prozentische 
Anhäufung  der  CO;  in  jenen  Gewebsflüssigkeiten,  um  einen  Strom 
dieses  Gases  in  das  Blut  zu  veranlassen. 


■ Digitized  by  .Google 


560 


Hautathmen. 


B.  Hautathmung.  ' 

1.  Die  Epidermis  und  das  oberflächlichste  Gefässnetz  sind 
die  anatomischen  Theile  der  Cutis,  welche  beim  Hautathmen  vor- 
züglich in  Betracht  kommen.  — Die  luft-  und  blutscheidende  Epi- 
dermis ist  fllr  alle  bis  dahin  geprüften  Gasarten  durchgängig  ge- 
funden worden;  diese  Erfahrung  ist  wichtig,  aber  ungenügend;  man 
wünscht  noch  zu  wissen,  wie  mit  der  Dicke , der  relativen  Mächtig- 
keit von  Zellen-  und  Homscliiekt,  der  chemischen  Zusammensetzung 
ihrer  Quellungsflüssigkciten , der  Temperatur  die  Absorptions-  und 
Reibungseofe'ffizienten  der  Gase  wechseln. 

Das  Blut,  welches  in  das  oberflächliche  Netz  der  Cutis  eingeht, 
strömt  dorthin  aus  den  Gefässen,  welche  die  Schweissdrüsen  um- 
schlingen, und  geht  dann  in  die  Hautvenen  Uber.  Der  Durchmesser 
seines  Bettes  in  der  Cutis  ist  sehr  variabel,  wie  ohne  Messung  jeder 
weiss,  der  die  Farbe  und  Schwellung  der  Haut  im  Gedächtniss  hat. 
Diese  Veränderlichkeit  ist  abhängig  von  den  Muskeln,  welche  in 
die  Cutis  (Haarbälge  u.  s.  w.)  und  in  die  Wandungen  der  Gefässe 
selbst  eingelegt  sind.  — lieber  die  Bewegungen  derselben  und  ihre 
Ursachen  siehe  pag.  111  u.  f. 

2.  Die  Mittel  zur  Analyse  der  Veränderungen  welche  die  mit 
der  Haut  in  Berührung  befindliche  Luft  erfahren  hat,  sind  einfach 
die  früher  schon  angegebenen.  Schwierigkeiten  stellen  sich  der 
Untersuchung  hier  nur  beim  Auffangen  der  veränderten  Luft  ent- 
gegen. 

Zum  Auffangen  der  durch  die  Hautathmung  veränderten  Luft  hat  man  sich  bis 
dahin  folgender  Einrichtungen  bedient:  a)  Lavoisier  und  Seguin*)  zogen  über  den 
nackten  menschlichen  Körper,  den  Kopf  ansgenommen,  einen  mit  flüssigem  Kautschouck 
dicht  gemachten  Taftbeutcl.  Diese  Methode  hat  wesentliche  Fehler,  namentlich  erhöht 
sie  die  Temperatur  der  Haut  und  den  Fouchtigkeitsgrad  der  Oberhaut;  sie  stellt  die 
natürlichen  Diffussionsbcdingungen  nicht  her  für  den  Wasserdunst,  denn  der  Inhalt  des 
Beutels  wird  nahebei  mit  Wasser  gesättigt  sein , und  ebenso  nicht  für  den  0 und  die 
CO*,  denn  der  Gehalt  der  eingeschlossenen  Luft  an  dem  enteren  Gas  wird  bald  geringer 
und  der  an  dem  letzteren  Gaa  bald  grösser  sein,  als  in  der  Athmosphäre.  Endlich  wird 
höchst  wahrscheinlich  die  Schweiesbildang  eingcleitct;  die  Verdunstungsprodukte  des 
Schweisses  mengen  sich  somit  der  liautausdünstung  bei. — b)  Gerlach**)  überdeckte 
nur  ein  mehrere  Quadratzoll  grosses  Hautstück  mit  einer  gefirnissten  Harnblase,  die  er 
luftdicht  an  der  Haut  befestigt  hatte.  Dieses  Verfahren  trifft  die  vorigen  Einwürfe  ; 
es  hat  jedoch  den  Vorzug,  eine  weniger  bedeutende  Störung  in  die  Gesammiausdünstung 
und  Schwcissabsonderung  einzuführen.  Die  von  ihm  zur  Analyse  des  gefangenen 
Gases  angewondoten  Verfahrungsarten  gehören  nicht  gerade  zu  den  fehlerfreiesten.  — 


Memoire«  de  l'Acadcmle.  1789.  p.  5fl7.  1790.  p.  601. 
••)  Müller'«  Archiv.  1841.  431. 


v.«  •mpt'rr 


llflutathmon.  55| 

c)  Regnault  and  Reiset*)  schlossen  die  ganzen  Thiere  , den  Kopf  ausgenommen, 
in  einen  luftdichten  Sack  ein,  und  leiteten  durch  denselben  einen  Luftstrom;  diese 
Methode  vermeidet  zwar  die  oben  gerügten  Fehler , setzt  dagegen  einen  neuen  an  ihre 
Stelle , indem  sie  das  Thier  zu  einer  fast  vollkommenen  Ruhe  seiner  Oliedmaassen 
zwingt.  — d)  Scharling**)  bediente  sich  eines  luftdicht  schliessenden  Kastens, 
durch  den  ein  Luftsrom  geführt  werden  konnte ; der  Deckel  desselben  war  von  einem 
Kautachouekrohr  durchbohrt,  das  innerhalb  des  Kastens  in  eine  Maske  auslief.  Dio 
Maske  wurde  luftdicht  vor  das  Gesicht  der  Person  gebracht,  welche  sich  behufs  der 
Untersuchung  in  dem  Binnenraum  des  Kastens  aufhielt.  Das  zu  beobachtende  Individiuro 
wurde  nackt  oder  bekleidet  cingeschlosscn.  Die  LuftA  welche  das  Lungenathmen  unter- 
hielt, wurde  also  durch  das  Kautschouckrohr  in  die  Lunge  geführt  und  auf  demselben 
Wege,  ohne  sich  mit  der  Luft  des  Kastenraumcs  zu  mischen,  wieder  ausgestossen 
Dieses  sonst  tadelfreie  Verfahren  erlaubt,  nur  die  COi  und  annähernd  den  Wasserdunst 
zu  bestimmen;  von  diesen  beiden  hat  Scharling  nur  die  erstere  in  Betracht  gezogen. 

3.  Die  Veränderungen,  welche  die  mit  der  Haut  in  Berührung 
kommende  atmosphärische  Luft  erfährt,  bestellen  darin,  dass  Wärme, 
Wasserdunst,  Kohlensäure  und  Stiekgas  (?)  ihr  z ti  gefügt  und  Sauer- 
stoffgas (?)  ihr  entzogen  wird. 

Die  Wärmemenge,  welche  die  Oberhaut  in  der  Zeiteinheit  durch 
Leitung  und  Strahlung  verheil,  muss  nach  bekannten  Grundsätzen 
sich  mehren,  a)  wenn  die  Temperatm'  der  Cutis  steigt ; Dieses  ge- 
schieht bei  Annahme  einer  konstanten  Temperatur  des  Blutes  mit 
der  Ausdehnung  der  Gefässe  und  der  Geschwindigkeit  des  Blut- 
stromes; — b)  mit  der  abnehmenden  Dicke  der  Epidermis,  welche, 
als  ein  schlechter  Wärmeleiter,  dem  Durchgänge  der  Blntwärme 
einen  um  so  grösseren  Widerstand  entgegensetzt,  je  stärker  die 
Schicht  ist,  die  über  den  Gefässen  liegt ; — c)  mit  der  Temperatur- 
erniedrigung  der  die  Epidermis  umgebenden  Luft,  und  darum 
auch  mit  dem  Luftwechsel.  Denn  die  Luft,  als  ein  schlechter 
Wärmeleiter,  würde,  wenn  sie  ruhig  auf  der  Oberhaut  läge,  ähnlich 
der  Epidermis  wirken. 

Die  Menge  des  Wasserdunstes,  welche  in  der  Zeiteinheit  aus 
der  Oberhaut  tritt,  wird  sich  mehren  a)  mit  der  relativen  Sättigung 
der  Atmosphäre  durch  Wasserdampf;  im  Allgemeinen  verlieren  wir 
aus  diesem  Grunde  durch  die  Haut  mehr  Wasser  im  Sommer,  als 
im  Winter;  — b)  mit  dem  Luftwechsel,  indem  dieser  die  schon 
dem  Sättigungspunkte  näher  stehende  Luft  durch  andere  weniger 
gesättigte  ersetzt;  — c)  mit  dem  abnehmenden  Barometerstaud, 
indem  ein  niedriger  Luftdruck  die  Dampfbildung  beschleunigt;  — 


Bigifeed  by 


•)  Annnle?  de  chlmle.  XXVI.  505. 

'•)  Journal  für  praktische  Chemie.  36.  Bd.  454. 


552 


Hautathroen. 


d)  mit  der  Ausbreitung  des  Blutstromes  in  der  Cutis,  indem  hiervon 
die  Feuchtigkeit  und  der  Temperaturgrad  der  Oberhaut  abliängt;  — 

e)  mit  der  abnehmenden  Dicke  der  Oberhaut,  weil  dieselbe  dem 
Durchgänge  der  Feuchtigkeit,  welche  auf  ihrer  ( iberfläche  die  Dunst- 
form  annehmen  soll,  einen  Widerstand  entgegensetzt. 

Eine  experimentelle  Prüfung  der  theoretischen  Forderungen  ist 
noch  nicht  unternommen  worden,  da  alle  die  zahlreichen  Versuche, 
die  bis  dahin  über  Wasserverdunstung  durch  die  Haut  angestellt 
wurden,  auch  zugleich  die  Sehweissbildung  berücksichtigt  haben. 
Jedenfalls  ist  der  Wasserverlust,  den  der  menschliche  Körper  auf 
diesem  Wege  erleidet,  beträchtlich. 

Die  in  der  Zeiteinheit,  z.  B.  in  der  Stnnde,  von  der  Haut  der 
untersuchten  Thiere  gelieferte  COjmenge  fanden  Regnault  und 
Reiset,  im  Vergleich  zu  der  während  derselben  Zeit  ans  der 
Lunge  ansgehauchten,  gering  und  zugleich  bei  demselben  Thiere, 
das  sich  scheinbar  unter  denselben  Verhältnissen  befand,  wechselnd; 
sie  sind  darum  geneigt,  die  Annahme  zu  machen,  dass  in  den 
Fällen,  in  welchen  der  COjgehalt  der  Luft  in  den  oben  beschriebenen 
Säcken  reichlicher  als  gewöhnlich  ausfiel,  zugleich  durch  den  After 
eine  Entleerung  dieses  Gases  stattgefunden  habe.  — Scharling’s 
Untersuchungen  am  Menschen  stimmen  annähernd  mit  den  vorhin 
genannten,  was  das  Verhältniss  zwischen  dem  Verlust  der  COj 
durch  Lungen  und  Haut  anlangt.  Wird  der  COiverlust  ans  der 
Lunge  zu  1 gesetzt,  so  schwankt  der  aus  der  Haut  zwischen  0,016 
und  0,031.  Die  höheren  Zahlen  beobachtete  er  bei  Erwachsenen, 
die  niederen  bei  Kindern.  Wir  geben  hier  die  absoluten  Werthe, 
welehe  er  für  1 Stunde  gefunden  hat;  sie  beziehen  sich  auf  die- 
selben Menschen,  die  in  der  Tabelle  p.  529  erwähnt  sind;  sie  sind 
auch  hier  in  dieselbe  Reihenfolge  gestellt:  Knabe  (99/<  J.)  ==0,181  Gr.; 
Jüngling  (16  J.)  = 0,181  Gr. ; Mann  (28  J.)  = 0,373  Gr.;  Mädchen 
(10  J.)  = 0,124  Gr.;  Frau  (19  J.)  = 0,272  Gr.;  — Gerlach  be 
obachtete  dagegen,  wie  es  scheint,  an  Menschen  eine  reichlichere 
COjansscheidung;  diese  soll  sich  mehren  mit  der  Muskelanstrengung 
und  der  steigenden  Temperatur  der  Atmosphäre;  die  letztere  Annahme 
wird  theoretischerseits  darum  wahrscheinlich,  weil  zu  der  bezeiebnoten 
Zeit  die  Gefässe  der  Cutis  angefüllter  sind,  als  in  der  Kälte. 

Ueber  das  Vorhalten  des  Ngftses  befinden  wir  uns  noch  Tollkommon  ira  Unklaren. 
Collard  deMartignj*)  giebt  an,  dass  nach  Fleischkost  Ngas  ausgehaucht  werde  (?). 


')  Wagner'»  Handwörterbuch,  il.  Bd.  Artikel  Haut  ron  Krause,  p.  141. 


ü fiunn  tgtwweehsel . 


553 


Die  Aufnahme  von  Sauerstoffgas  durch  die  Haut  ist  zwar 
theoretisch  wahrscheinlich,  aber  durch  den  Versuch  noch  nicht  voll- 
kommen erwiesen.  Die  Beobachtungen  von  Regnnult  und  Reiset 
lassen  einen  Zweifel  übrig,  weil  sie  nicht  die  absolnte  Menge  des 
Sauerstoffs,  der  durch  den  Sack  gegangen  war,  bestimmten,  sondern 
nur  sein  Verhültuiss  zur  COi  und  dem  Ngas.  Sie  fanden  nun  die 
Luft  so  beschaffen,  dass,  wenn  man  annahm,  es  sei  ihr  Stickstoff- 
gehalt durch  das  Hautathmen  nicht  verändert  worden,  gerade  so 
viel  Sauerstoff  verschwunden  war,  als  sich  hiervon  in  der  ausgc- 
hauchten  COj  wiederfand.  Diese  Annahme  ist  aber  durch  Nichts 
bewiesen.  Entscheidender  würden  die  Versuche  von  Ger  lach  für 
die  Sauerstoffabsorption  sprechen,  wenn  uns  die  Fehlergrenzen  seiner 
Beobachtungsmethode  besser  bekannt  wären.  Er  fand  nemlich  den 
Sauerstoff  im  Verhältniss  zum  Stickstoff  so  beträchtlich  vormindert, 
dass  eine  ganz  ausserordentliche  Stickstoffaushauchung  hätte  statt- 
finden müssen,  wenn  kein  Sauerstoff  aus  der  mit  der  Haut  in  Be- 
rührung gewesenen  Luft  verschwunden  wäre,  ln  allen  seinen  Ver- 
suchen war.  das  Volum  des  aufgenommenen  Sauerstoffs,  gerade 
entgegengesetzt  dem  Verhalten  in  der  Lungenluft,  viel  geringer,  als 
das  der  ausgeschiedenen  COj.  Die  verschwundene  Menge  wuchs 
auch  hier  mit  der  Temperatur  der  Luft  und  der  Muskelanstrengung 
des  Thieres.  . , 

4.  Der  absolute*)  Werth  des  Gewichtsverlustes,  den  wir  den 
Tag  über  durch  die  Hautausdünstung  erleiden,  ist  noch  niemals  für 
sich  gemessen  worden,  sondern  immer  gemeinsam  mit  dem  durch 
eine  etwa  dazwischen  eintretende  Sehweissbildung  veranlassten.  Da 
nun  diese  letztere  noch  viel  variabler  ist  als  die  erstere,  so  lässt 
sich  durchaus  nichts  allgemein  Gütiges  sagen.  — Ziehen  wir  aber 
die  vorliegenden  Untersuchungen  in  Betracht,  so  ergiebt  sich,  dass 
bei  mittlerer  Lebensart  und  Temperatur  das  Gesammtgewieht  des 
täglichen  Verlustes  durch  die  Haut  um  den  Werth  von  500 — 800  Gr. 
schwankt.  Offenbar  ist  dieser  Verlust  vorzugsweise  durch  die  Wasser- 
verdünstung bedingt,  wie  die  vorstehenden  Bemerkungen  überC'Diaus- 
schcidung  deutlich  zeigen. 

C.  Gesammtgas Wechsel  des  thierischen  Kürpers. 

Die  Bindung  und  Ausscheidung  von  Luft  auf  Haut,  Lunge  und 
Darmkanal  stehen  in  mannigfachen  Beziehungen  zu  einander, «o  dass 
sie  sich  theilweise  gleichzeitig  steigern,  theils  aber  auch  ergänzen, 


•)  Kraute  Io  Wagner'*  Handwörterbuch.  II.  Bd.  p.  130. 


Digitized  by  Google 


554 


Qesammtgaswechsol. 


indem  mit  dem  Sinken  der  Athmung  auf  einer  der  bezeichneten 
Flüchen  diejenige  auf  einer  anderen  im  Wachsthnm  begriffen  ist. 
Da  eine  theoretische  Feststellung  dieses  Zusammenhanges  vorerst 
noch  unmöglich  ist,  so  sind  die  Versuche,  welche  sieh  Uber  den 
Gesammtaustausch  der  Gase  erstrecken,  einzig  und  allein  unser 
Haltpunkt. 

• Die  Methoden,  mit  denen  die  Ausscheidung  und  Bindung  der  Oase  durch  das 
Thier  untersucht  wurde , sind  im  Prinsip  zwei  wesentlich  verschiedene ; die  eine  Ton 
ihnen  bestimmt  alle  oder  einzelne  der  aufgenommenen  Gasarten  geradezu,  wahrend  die 
andere  sie  aus  dem  Gewichtsunterschiede  der  festen  und  flüssigen  Bestandtheile  der 
Nahrungs-  und  Ausscheidungsstoffe  ableitct.  — 1.  Die  direkten  Wege  sind  nun  aber 
selbst  wieder  verschiedene. 

a)  Berthollet*)  führt  die  zu  beobachtenden  Thiero  in  ein  genau  gemessenes 
Luftvolum  von  bekanntem  Druck,  bekannter  Temperatur  und  Zusammensetzung  ein  und 
Hisst  sie  in  demselben  so  lange  verweilen , bis  sich  die  Zeichen  der  beginnenden  Er- 
stickung cinstellen;  er  bestimmt  dann  von  Neuem  Temperatur,  Druck  und  Zusammen- 
setzung der  Luft,  in  welcher  die  Thicre  enthalten  waren.  Auf  diese  Weise  erhält  er 
die  absolute  Menge  der  ausgeschiedenen  und  eingenommenen  permanenten  Gasarten. 
Das  Schema  des  Apparates,  den  er  hierzu  anwendet,  ist  in  Fig.  67  gegeben.  A ist  der 

Fig.  67.  luftdichte  Kasten  von  bekanntem  Kauminhalt,  a ein 

Quecksilber  - Manometer , das  den  Unterschied  des 
Druckes  in  der  Atmosphäre  und  den  Inhalt  des 
Kastens  angiebt,  b ein  Thermometer,  welches  die 
Temperatur  der  Luft  im  geschlossenen  Raume  misst. 
Ist  nyn  der  Rauminhalt  des  Behälters  bekannt,  so 
kann  man  jederzeit  die  Menge  von  Luft  berechnen, 
welche  er  enthalt,  vorausgesetzt,  dass  man  den 
barometrischen  Druck , unter  dem  sich  diese  Luft 
befindet,  und  den  Temperaturgrad  derselben  kennt. 
Ist  somit  das  Gesaramtgewicht  der  Luft  fcstgestellt, 
so  genügt  es,  einen  kleinen  Antheil'  des  Inhaltes  zu 
analysiren,  um  das  absolute  Gewicht  jeder  einzelnen 
Gasart  in  dom  Gemenge  zu  finden,  indem  aus  der 
gefundenen  prozentischen  Zusammensetzung  die  des 
ganzen  Gemenges  berechnet  werden  kann.  Dieser 
sinnreiche  Apparat  erlaubt  aber  nur  beschränkte  An- 
wendung, da  die  eingeschlossenen  Thiere  sehr  bald 
statt  in  reiner  Luft,  in  einem  Gasgemische  athmen,  das  reich  an  CO*  und  arm  an 
Sauerstoff  ist,  wodurch  die  natürlichen  Bedingungen  der  Athmung  wesentlich  umge- 
staltet  werden.  — Dieser  Einrichtung  hat  sich  ausser  Berthollet  auch  noch 
Legallois**)  bedient. 

b)  Regnault  und  Reise t***)  haben  den  eben  beschriebenen  Apparat  wesentlich 
dadurch  verbessert,  dass  sie  mit  dem  Kasten  eine  Einrichtung  in  Verbindung  bringen, 


a)  Schweigger,  Journal  für  Chemie  und  Physik.  I.  Bd.  178. 
•*)  Annalen  de  chlmie  et  physique.  IV.  Bd.  (1817).  1 u.  113. 
***)  Annalea  de  chlmie  et  physique.  26.  Bd.  (1849).  310. 


Digitized  by  Google 


Gesammtgaswochsel. 


555 


welche  es  möglich  macht,  dass  die  in  jedem  Augenblicke  gebildete  00«  absorbirt  und 
durch  das  entsprechende  Volum  von  Sauoratoffgas  ersetzt  wird,  so  dass  der  Druck  und 
die  Zusammensetzung  der  Luft  innerhalb  und  ausserhalb  des  Behälters  sich  nahozu  un- 
verändert erhält.  Ihr  Apparat  (Fig.  68)  ist  aus  folgenden  Theiien  zusammengesetzt: 

Fig.  68. 


A stellt  ein  Wassergefäss  vor,  dass  durch  die  Röhre  aa  in  den  Ballon  B mündet, 
welcher  bei  Beginn  dos  Versuchs  mit  Sauorstoffgas  gefüllt  ist;  dieser  steht  durch  die 
Rohre  AA  in  Verbindung  mit  dem  Behälter  C,  der  das  athraendu  Thier  aufnimmt.  In 
diesen  Kaum  öffnen  sich  das  Manometer  ce  und  die  zwei  8chläuche  dd  und  ee , welche 
letztere  in  zwei  mit  Kalilösung  gefüllte  Ballons  D und  E eintreten.  Die  zuletzt  erwähnten 
Kaligefässe  können  mittelst  eines  Uhrwerkes  in  eine  Bewegung  gebracht  werden,  bei 
der  das  eine  von  beiden  jedesmal  aufsteigt,  wenn  das  andere  niedergeht.  Da  beide 
durch  die  Röhre  ff  communizircn,  so  entleert  sich  der  flüssige  Inhalt  des  aufsteigenden 
in  das  absteigende  Gefäss,  und  dafür  entleert  das  letztere  seine  Luft  in  den  Behälter  C, 
während  das  erstcre  sich  aus  diesem  mit  Luft  füllt.  Diese  Wegnahme  resp.  Kinfüllung 
von  Luft  aus  den  Kalifässen  geschieht  nun  aber  wegen  der  Aufstellung  der  Röhren  ee 
und  dd  abwechselnd  aus  den  oberen  und  den  unteren  Schichten  des  Athmungsbehälters.  — 
Diese  Weise  zu  beobachten  lasst  nichts  zu  wünschen  Übrig,  und  da  ihre  Erfinder  zu- 
gleich zur  Bestimmung  der  Gasarten  vollendete  analytische  Hilfsmittel  in  Anwendung 
brachten , so  besitzen  unzweifelhaft  ihre  Beobachtungen  das  Uebergewicht  über  alle 
anderen.  Ein  ähnliche«  Frinzip  hat  March  and*)  bei  einem  Theile  seiner  Versucho 
benutzt;  es  ist  aber  in  seiner  Ausführung  nicht  zu  der  erreichbaren  Vollkommenheit 
gediehen. 

c)  Das  Verfahren  von  Scharling**)  endlich  beabsichtigt  nicht  alle,  sondern  nur 
einzelne  Veränderungen,  welche  die  Luft  durch  das  Athmen  erfährt,  und  insbesondere 
die  gebildete  CO«  zu  bestimmen.  Er  führt  seine  Beobachtungsobjekte  in  den  luftdicht 


•)  Journal  für  praktluche  Chemie.  44.  Bd.  1. 

••)  Li  ebig'tt  Annalen.  45.  Bd.  214,  und  Journal  für  prakt.  Chemie.  48.  Bd.  435. 


Digitized  by  Google 


556 


Gesammtgaswechsch 


»chli essenden  Kasten  A (Fig.  69)  und  leitet  durch  diesen  einen  kohlenaäurefreien 
Luftstrom , der  bei  a in  und  bei  b aus  dem  Kasten  dringt.  Die  aus  der  Atmosphäre 
kommende  Luft  geht,  bevor  sie  in  den  Kasten  gelangt,  durch  einen  mit  Kali  gefüllten 
Kugelapparat  von  L i e b i g k.  Aus  der  andern  bei  b befindlichen  Oelfnung  führt  ein 

Fig.  69. 


Rohr  durch  mancherlei  Zwischenstücke  in  ein  grosses  mit  Wasser  gefülltes  Fass  (B), 
dessen  Inhalt  aus  der  mit  einem  liahne  versehenen  Oefihung  g in  beliebig  raschem 
Strome  gelassen  werden  kann.  Der  Luftstrom , der  durch  das  Rohr  b f von  dem  aus- 
fliessenden  Wasser  angesaugt  hindurchging,  musste  zuerst  einen  gebogenen  Abschnitt  c, 
der  mit  SO3  und  BinisteinstUcken  gefüllt  war,  dann  einen  Liebig’schen  Kugelapparat  d 
und  darauf  abermals  ein  Schwefclsäurerohr  e durchlaufen.  Die  Gewichtszunahme,  welche 
die  Stücke  d und  e während  des  Versuches  erfahren , rührt  von  der  boim  Athmen  ge- 
bildeten CO*  her.  Diese  Methode  ist  mit  geringen  Abweichungen  von  Letellier*), 
Lehmann**),  Erlach***),  Philippit)  u.  A.  in  Anwendung  gebracht. 

2.  Die  indirekte  Methode  zur  Ermittelung  der  Gesammtmenge  der  Athraungs- 
produkte  hat  Ilonas  in  gault+t)  und  nach  ihm  Barralfff),  Scharling})  u.  A. 
benutzt.  Sie  besteht  darin,  dass  man  einmal  ermittelt,  wie  viel  N,  C,  H während 
eines  Tages  in  der  Nahrung  aufgenommen  und  ebenso  bestimmt,  wie  viel  derselben  in 
der  ncmlichen  Zeit  durch  den  Harn  und  Koth  entleert  wurde.  Unter  der  Voraussetzung, 
dass  zu  Beginn  und  Ende  der  Beobachtungszeit  der  thierische  Körper  dieselbe  quan- 
titative und  qualitative  Zusammensetzung  besitzt,  und  dass  kein  Verlust  an  Speichel, 
llautabschuppung,  Jiärung  u.  dergL  vor  sich  gegangen,  giebt  der  Unterschied  zwischen 
den  aufg«'nommenen  und  entleerten  Gewichten  an  N,  C,  H geradezu  die  gasförmigen 


•)  Annalc«  de  chimie  et  physiqae.  Xfl.  Ud.  (1845)  478. 

••)  Abhundlungen  der  K.  sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  für  1845.  4A|. 

•••)  Versuche  Uber  Respiration  einiger  mit  Longen  athmender  Wirbelthiero.  Bern  1846. 
t)  Valent!  n’s  Jahresbericht  über  Physiologie  fHr  1845.  WS. 
ft)  Annales  de  chimie  et  physiqae  X.  (1844  ) 456. 

t+t)  Statiqar  chlmiqae  des  aninvmx.  Paris  1850.  230.  — Journal  für  prakt.  Chemie.  48.  Bd. 
{1  Journal  flir  prakt.  Chemie.  36  Bd. 


Gesammtg  us  wechsd. 


557 


ausgeschiedcnen  Gewicht«  der  bezeiohneten  Stoffe.  Ks  sind  die  hierbei  angenommenen 
Voraussetzungen  nicht  in  allen  bisher  angestellten  Versuchen  erwiesen.  Wenn  sie  somit 
Vertrauen  erwecken  sollen,  so  müsste  wenigstens  die  empirische  Anwendbarkeit  vor- 
gängig dadurch  festgestellt  werden , dass  man  einige  Zeit  hindurch  gleichzeitig  feste, 
flüssige  und  luftförmige  Ausleerungen  der  beobachteten  Individuen  bestimmte , um  zu 
sehen,  ob  ihre  Summe  und  atomistische  Qualität  gleich  ist  derjenigen  der  Nahrung. 

Ans  den  Versuchen  Uber  Gesammtausscheidung  der  Gase  er- 
gab sich: 

1.  Aus  dem  thierischen  Körper  wird  Kohlensäure,  Wasserstoff, 
fllr  gewöhnlich  auch  Stickstoff  nnd  gasförmiger  Kohlenwasserstoff 
ansgestossen ; die  Ausscheidung  des  Kohlenwasserstoffs  geschieht 
wahrscheinlich  aus  dem  Darmkanai;  sie  ist  zugleich  meist  so  un- 
bedeutend, dass  sie  vernachlässigt  werden  kann. 

Schwefelwasserstoff , obwohl  wahrscheinlich  vorhanden,  ist  bis  jetzt  noch  nicht 
aufgefunden.  Die  Ausscheidung  von  Ammoniak  ist  behauptet  (Marchand)  und  be- 
stritten (Kegnault,  Heuling). 

2.  Die  Qualität  und  Quantität  der  ausgehauchten  und  aufge- 
nommenen Gase  steht  in  innigster  Beziehung  zur  Nahrung.  Stick- 
stoff wird  in  beträchtlichster  Menge  nach  reiner  Fleischdiät,  in  geringer 
Menge  nach  dem  Genüsse  von  Brod  ansgestossen ; dieses  Gas  wird  da- 
gegen ans  der  Atmosphäre  während  des  Hungems  aufgenommen.  — 
Von  der  gesummten  Menge  des  aufgenommenen  Sauerstoffs  ist  nach 
Brodnahrung  bis  zu  0,9,  nach  Fleischnahrung  und  Hungern  bis  zu  0,7 
und  nach  sehr  fetthaltiger  Nahrung  0,6  in  der  ausgeschiedenen  CO» 
wieder  enthalten.  Diese  Thatsachen  erlauben  die  Ableitung,  dass  ein 
grosser  Theil  der  aufgenommenen  Nahrung  alsbald  dem  Oxydations- 
prozesse  verfalle,  dessen  Endprodukte  auch  wieder  ausgeschieden 
werden.  Der  Theil  des  aufgenomiueuen  Sauerstoffs,  welcher  sich 
unter  den  Auswürflingen  nicht  wieder  mit  Kohlensäure  vereinigt  findet, 
ist  natürlich  v erwendet  worden  zur  Herstellung  anderer  Verbindungen. 
Unter  der  obigen  Voraussetzung  muss  aber  dieser  letztere  Autheii  des 
verzehrten  Sauerstoffs  nach  fettreichen  Mahlzeiten  grösser  als  nach 
brodreiehen  sein,  wie  schon  auf  S.  471  erörtert  wurde. 

3.  Rucksichtlich  der  Beziehung  zwischen  Athiuung  und  Körper- 
gewicht ist  thatsäcblich  fcstgestellt,  dass  bei  zureichender  Nahrung 
und  sonst  gleichen  Umständen  die  Menge  des  eingeathmeten  Sauer- 
stoffs (Regnaul t,  Reiset)  nnd  der  ausgeathmeten  CO»  dem 
Körpergewicht  nicht  genau  proportional  steigt.  Namentlich  bilden 
leichtere  Säugethiere  im  Verhältnis  zu  ihrem  Körpergewicht  viel 
mehr  COt,  als  schwerere  und  grössere  (Erlach).  Diese  Thatsnche 
erlaubt  zwei  Erklärungen:  entweder  enthalten  kleine  Thiere  ver- 


t 


Digitized  by  Google 


558 


G ©sa  mm  tg*« w echsel . 


hältnissmässig  mehr  Gewebe,  die  der  raschen  Oxydation  anheim- 
fallen, oder  es  sind  bei  ihnen  Einrichtnngen  vorhanden,  vermöge 
deren  die  Verbrennung  rascher  vor  sich  geht.  Fraglich  ist  es  noch, 
ob  diese  Erfahrung  auf  Menschen  von  verschiedener  Grösse  an- 
wendbar ist. 

4.  Anstrengungen  der  Muskeln  steigern  sehr  rasch  die  gelieferte 
Menge  der  CO2  und  zwar  so  bedeutend,  dass  sie  mehr  als  das  Fünf- 
fache des  gewöhnlichen  Mittel werthes  betragen  kann  (Scharling, 
Hirn). 

5.  Die  Unterdrückung  der  Hautausdünstung,  wie  sie  dadurch 
erzeugt  wird,  dass  man  die  Thiere  mit  Leim  oder  einem  Leinöl- 
firniss überzieht,  bringt  nach  Regnault  und  Reiset  kerne  merk-  - 
merkliche  Störung  in  das  Resultat  des  Gesammtgasanstausches. 
Namentlich  mindert  sich  hierdurch  weder  die  Menge  des  ausge- 
schiedenen Stickstoffs,  noch  die  des  aufgenommenen  Sauerstoffs, 
und  eben  so  wenig  ändert  sich  das  Verhältniss  dieses  letzteren  zu 
der  ausgestossenen  CO2. 

Dieses  Ergebnis»  deutet  darauf  hin,  dass  der  Tod,  den  man  nach  Anwendung 
eines  luftdichten  Verschlusses  der  Haut  ein  treten  sah,  ganx  anderen  Gründen  als  der 
Störung  des  Wechsels  der  permanenten  Gase  /.uxuschreiben  ist,  siehe  Gerlach, 
Valentin,  CL  Bernard*). 

t>.  Wenn  man  Fröschen  grosse  Blutverluste  beibringt  oder  ihnen 
die  Leber  ausschneidet,  so  geben  sie  weniger  COj  in  der  Zeiteinheit 
aus,  als  vorher.  Nach  der  letzteren  Operation  soll  der  Ausfall  zu 
gross  sein,  als  dass  er  allein  aus  dem  Blutverluste  abgeleitet  werden 
könnte  (Moleschott)**). 

7.  Bei  normalem  Gehalte  der  Luft  an  Stickstoff  und  Sauerstoff 
soll  die  Menge  der  gelieferten  COj  wechseln  mit  ihrem  Temperatur- 
und  Feuchtigkeitsgrade  und  dem  Barometerstände. 

a)  Nach  Le te liier  liefern  dieselben  Thiere  bei  0°  C noch 
einmal  so  viel  COj,  als  bei  30°  C;  sie  dunsten  dagegen  in  höheren 
Temperaturen  mehr  Wasser  aus.  Dieser'  Wasserverlust  nimmt  bei 
längerem  Aufenthalte  in  der  höheren  Temperatur  rasch  ab  und  er- 
reicht endlich  nach  mehreren  Stunden  einen  constanten  Werth. 

b)  Nach  Lehmann  mehrt  sich  die  Menge  der  ausgeschiedenen 
CO,  mit  der  steigenden  Feuchtigkeit  der  Luft. 

•>  Oirlich,  Müller  « Archlr.  1841.  p.4«7.—  V.lentl n’«  Archiv f.  phye. Heilkunde  IMS.  — 

CI.  Bernard,  Lecons  aur  lea  liquides.  1.  Rd.  277. 

••)  Müller'«  Archiv.  1B5S,  und  Wiener  cnedlz.  Wochenschrift.  18M.  142. 


Digitizedby. Google 


U eaammtgaswechsel. 


559 


c)  Mit  dem  steigenden  Barometerstände  soll  sieh  nach  Lehmann 
die  Menge  der  ausgestossenen  COj  mehren;  ihm  steht  die  Versuchs- 
reihe von  Legallois  entgegen,  wonach  bei  abnehmendem  Luftdruck 
eher  auf  eine  Zunahme  als  auf  eine  Abnahme  der  Kohlensäureaus- 
scheidung  zu  schliessen  wäre. 

8.  Bei  einem  längeren,  nahezu  24stündigen  Aufenthalt  der 
Säugethiere  in  einer  Luft,  deren  Zusammensetzung  von-  der  atmo- 
sphärischen abweicht,  ergeben  sich  aus  den  Reguault-Reiset’schen 
Versuchen: 

a)  In  einer  Luft  von  der  prozentischen  Zusammensetzung  COi 
= 3,01;  0 = 17,42;  N = 79,57  nahm  in  der  Zeiteinheit  ein  Hund 
mehr  0 auf  und  hauchte  mehr  CO*  aus,  als  in  einer  gleich  tem- 
perirten  Luft  von  der  Zusammensetzung  COs  = 0,77;  0 = 17,70; 
N — 81,53.  — Die  Beobachtung,  dass  dasselbe  auf  gleiche  Weise 
geftttterte  Thier  in  einer  Luft  von  demselben  0-  und  grösseren 
(Jüi-Gehalt  mehr  0 aufnahm  und  mehr  CO2  abgab,  zeigt  in  Ver- 
bindung mit  andern  Erfahrungen,  dass  die  wesentliche  Ursache  der 
erhöhten  Ausscheidung  von  COj  in  einer  grössern  Lebhaftigkeit 
ihrer  Bildung  gelegen  ist. 

b)  ln  einer  Atmosphäre,  deren  prozentische  Zusammensetzung 
vom  Beginn  bis  zu  Ende  des  Versuches  zwischen  CO,  = 1,(56, 
0 = 59,75,  N = 38,59  und  C02  = 1,89,  0 = 57,62,  N = 40,19 
wechselte,  hauchte  das  zu  den  vorigen  Versuchen  benutzte  und  in 
gleicher  Weise  gefütterte  Thier  nicht  mehr  N aus  und  nahm  nicht 
mehr  0 auf,  als  in  einer  Luft  von  nahebei  normaler  Zusammen- 
setzung. 

Bemerkenswerthe  Versuche  mit  biner  Atmosphäre,  deren  Stickstoff  zum  grössten 
Theil  durch  Wasserstoff  ersetzt  war,  siehe  bei  Regnault  und  Reiset,  1.  c.  p.500. — 

Warmblüter  (Mause  und  Vögel)  geben  im  grüncu  und  rothen  Licht  gleichviel  COi 
ab.  Frösche  dagegen  im  grünen  bis  zur  Uülftc  mehr  als  im  rothen;  zieht  man  ihnen  die 
Haut  ab,  so  geben  sie  mehr  ira  rothen  als  im  grünen  Licht.  Der  Einfluss  der  Licht- 
arten macht  sich  auch  auf  ausgeschlachtetes  Fleisch,  das  noch  nicht  todtenstorr  ist, 
geltend  (Beclard)*). 

Die  Angaben,  welche  aus  der  Anwendung  der  indirekten  Methode 
fliessen,  sind  nachzusehen  in  dem  Abschnitte,  der  von  der  Vergleichung 
der  Ausgaben  und  Einnahmen  des  thierischen  Körpers  handelt. 


•)  Couipt.  rend.  46.  Bd.  441.  % 


Digitized  by  Google 


500 


Um  Setzung  des  Blutes  innerhalb  der  Gofässe. 


.1 


Umsetzung  des  Mutes  innerhalb  der  Gefässe. 

Am  .Schlüsse  eines  Abschnittes,  der  vorzugsweise  von  den  TTm- 
setzungen  der  Atome  des  Blutes  bandelt,  nachdem  diese  die  Gefäss- 
liöhlen  verlassen  haben,  erscheint  es  nicht  unpassend,  darauf  einzu- 
gebon,  ob  das  Blut  auch  innerhalb  der  Gefiissröhren  eine  Umsetzung 
erfahre.  FUr  die  Möglichkeit  einer  solchen  spricht  zuerst  die  Zu- 
sammensetzung des  Blutes  aus  Verbindungen,  die  bei  der  Temperatur 
des  tierischen  Körpers  durch  den  Sauerstoff  so  leicht  umgesetzt 
werden,  und  dann  die  zahlreiche  Berührung  mit  verschieden  geeigen- 
scbaftetcn  Flüssigkeiten , aus  denen  das  Blut  Stoffe  aufnimint,  die 
theils  zu  einander  und  tbeils  zu  den  ursprünglichen  Blutbcstand- 
theilen  lebhafte  Verwandtschaft  zeigen,  theils  gährungerzeugend *) 
und  theils  gährend  sind.  Dazu  kommt,  dass  in  der  Blutflüssigkeit 
ein  eigentümliches  Gewebe,  die  Blutkörperchen,  schwimmt,  welches 
von  spezifischer  Zusammensetzung  auch  eine  von  der  des  Blutplasmas 
abweichende  Umsetzung  darbieten  muss.  Nach  dieser  Einleitung  ist 
man  erstaunt,  zu  erfahren,  dass  sich  die  Beweise  für  das  tatsäch- 
liche Bestehen  der  Umsetzung  des  Blutes  nur  sparsam  anffinden 
lassen,  und  dass  die  Art  des  chemischen  Vorganges  in  ein  voll- 
kommenes Dunkel  gehüllt  ist. 

Mit  Gewissheit  darf  man  behaupten,  dass  ausser  den  Stoff- 
änderungen, welche  bei  der  Atmung  in  der  Lunge  vor  sich  gehen, 
die  Lymph-  und  Blutkörperchen  umgeformt  und  vielleicht  auch  im 
Blut  zerstört  werden.  Ohne  diese  Annahme  würde  es  unverständlich 
sein,  warum  sich  die  beiden  Formbcstandtheile  bei  stetiger  Neu- 
bildung und  Znfuhr  nicht  ins  Unendliche  im  Blute  anhäufen,  da  sie 
doch  nicht  als  solche  aus  dem  Blutstrome  austreten  können,  so 
lange  die  Gefässwandungen  unverletzt  sind.  Ebenso  deutlich  weist 
auf  einen  chemischen  Vorgang  im  Blute  das  Flüssigbleiben  des 
Faserstoffs  hin  und  wahrscheinlich  wird  im  Blute  die  Hippursäure 
ans  ihren  nähern  Bestandteilen  zusammengestellt. 


')  Buhl,  Henle’s  und  Pfeufer’s  Zeitschrift.  N.  P.  VI.  Bd.  p.  100. 


Bhithrldung. 


561 


III»  lilutbildung. 

Das  Blut  ergiesst  in  den  Binnenraum  des  Kilrpers,  in  dessen  ’ i 
Höhlen  und  Gewebe  fortwährend  Atome,  durch  welche  der  chemische  ’•** 
Umsatz  in  den  letzteren  bestritten  wird,  und  aus  ihm  gehen  auch 
die  Stoffe  hervor,  welche  die  auswerfenden  Drüsen  im  Gange  er- 
halten. Diese  Erscheinungsreihe  setzt  nothwendig  voraus,  dass 
dite  Atome,  welche  in  die  Gewebe  und  die  geschlossenen  Höhlen 
ausgesendet  waren,  wieder  zum  Blut  zurückkehren,  damit  ihre 
Ausscheidung  auf  Haut,  Lunge  und  Niere  möglich  sei,  und  ferner, 
dass  von  aussen  her  wägbare  Stoffe  in  den  Körper  (angeführt  werden, 
welche  den  Verlnst  decken,  den  das  Blut  als  Gewehsernährer  er- 
leidet, Naturgemäss  zerfällt  also  die  Lehre  von  der  Bluthildung  in 
die  Darstellung  des  Rückstroms  aus  den  Geweben  (Resorptio)  und 
in  die  Aufnahme  und  Verdauung  der  Speisen  (Nutritio). 

Aufsaugung  aus  den  Geweben. 

Einleitung.  Der  Strom , welcher  aus  den  Geweben  in  das  Blut 
zurüekgebt,  muss,  wenn  auch  sein  Umfang  und  seine  mittlere  Ge- 
schwindigkeit nur  unvollkommen  bekannt  sind,  jedenfalls  als  ein 
mächtiger  angesprochen  werden,  der  im  Körper  des  erwachsenen 
Menschen  täglich  nach  Kilogrammen  zu  schätzen  ist.  Diese  Masse, 
welche  weitaus  die  Ausscheidungen  in  den  auswerfenden  Werkzeugen 
Ubertrifft,  macht  es  von  vorne  herein  begreiflich , dass  der  Rück- 
strom nicht  allein  die  Umsetzungsprodukte  der  Gewebe  und  der 
Gewebsflüssigkeiten  führen  kann.  Die  chemische  Untersuchung,  so 
. weit  sie  vorgenommen,  bestätigt  dieses,  indem  sie  nicht  allein  er- 
kennen lässt,  dass  in  dem  ans  den  Geweben  wieder  aufgesogenen 
Lösungsgemengc  die  wesentlichen  Blutbestandtheilc  in  unveränderter 
Eigenschaft  enthalten  sind,  sondern  noch  mehr,  dass  die  Menge 
dieser  letzteren  unvergleichlich  viel  bedeutender,  ist,  als  diejenige 
. der  wirklichen  Umsetzungsprodukte  erster  oder  zweiter  Ordnung. 

Aus  diesen  Erfahrungen  erwächst  uns  also  die  Ueberzepgung,  dass  • 
aus  dem  Blute  viel  mehr  austritt,  als  nothwendig  wäre  zum  ein- 
fachen Ersatz  der  Zerstörungen , welche  durch  das  Leben  ii^  den 
festen  und  flüssigen  Organbestandtheilcn  angebracht  sind,  und  dass 
demnach  der  grösste  Theil  der  ausgeschiedenen  Stoffe  auch  wieder 
unverändert  in  das  Blut  zurückkehrt.  »So  besteht  also  ein  innerer 

Ludwig,  Physiologie  II.  *2.  Antlajfe.  JJt) 


„ .Djgitized  by  Google 


562 


Aufsaugung  aus  den  Geweben. 


Kreislauf  der  ernährenden  Flüssigkeiten,  welchen  Bidder  und 
Schmidt  im  Gegensatz  zu  Stoffbewegungen  aus  den  Speisen  in 
das  Blut  und  aus  diesem  in  die  sogenannten  letzten  Wege  (Lunge, 
Niere,  Haut)  als  intermediären  Kreislauf  bezeichnet  haben. 

Die  erste  Bedingung  zur  Einleitung  dieses  inneren  Kreislaufes 
ist  also  die  reichliche  Absonderung  aus  dem  Blute  in  die  Gewebe 
und  die  Körperkühlen.  Diese  letztere  würde  ein  unbegreifliches 
Faktum  sein,  wenn  die  Blutflüssigkeit  in  den  Geweben  nur  durch 
die  Anziehung  dieser  letzteren  befördert  würde ; da  wir  aber  in  dem 
vorstehenden  Abschnitte  kaum  Spuren  einer  solchen  Beziehung"  auf- 
gefunden, da  wir  im  Gegenthcil  bemerkt  .haben,  dass  andere  all- 
gemeiner wirkende  Ursachen  die  Säftebewegung  aus  dem  Blute  unter- 
halten, so  kann  uns  in  der  That  die  Erscheinung  nichts  Befrem- 
dendes bieten,  so  lange  sich  die  Betrachtung  nur  an  die  groben  Üm- 
ris'sc  hält.  Das  Blut,  welches  in  den  Getässen  enthalten  ist , strebt, 
wie  wir  wissen , durch  die  porösen  Wandungen  hindurch  seinen 
Druck  und  seine  chemische  Zusammensetzung  auszugleichen  mit  den 
ausserhalb  der  Gcfässe  liegenden  Flüssigkeiten.  Mehrt  sich  also 
z.  B.  noch  der  Gefässinkalt,  so  wird  die  mittlere  Spannung  in  den- 
selben wachsen,  und  sogleich  wird  ein  Thoil  desselben  in  die  Ge- 
webe, durch  Filtrationsdruck  getrieben,  austreten.  Derselbe  Erfolg 
wird  zum  Vorschein  kommen,  wenn  sich  mit  der  Verdauung,  mit 
der  vermehrten  Ausscheidung  durch  Niere,  Lunge  und  Haut,  die 
Zusammensetzung  des  Blutes  ändert,  oder  auch,  wenn  die  chemische 
Anordnung  der  Gewebsflüssigkeiten  nach  gesteigertem  Umsatz  der- 
selben eine  Aenderung  erfährt.  Denn  dann  werden  die  Diffusions- 
ströme lebhafter  von  statten  gehen.  Dazu  kommen  nun  aber  noch 
Absonderungen  in  Folge  gesteigerter  Nervenerregung,  welche  u.  A. 
nachweislich  in  Drüsen  bestehen,  die  ihre  Säfte  in  zeitweise  ge- 
schlossene Höhlen  ergiessen.  Diese  Einrichtungen  müssen  nun  bei 
den  vorliegenden  Veränderungen  in  den  Zuständen  ebensowohl  der 
Flüssigkeiten  diesseits  und  jenseits  der  Gefässwand,  als  auch  in 
denen  dieser  letzteren  selbst,  einen  reic 
veranlassen. 

Unsere  nächste  Aufgabe  stellt  sich 
auf  welchen  Wegen  und  durch  welohe  Mii 
wieder  in  das  Blut  zurückkehren.  Die  Erfahrung  lehrt,  dass  dieses 
auf  zweierlei  Weise  geschehe,  einmal  durch  Diffusion  (und  Fil- 
tration?) in  die  Blutgefässe  selbst  und  dann  durch  Aufnahme  in 
die  Lymphgefässe. 


Flüssigkeitserguss 

, nachzusehen, 
gossenen  Massen 


Aufsaugung  von  dtn  Blutgefässen. 


563 


Aufsaugung  von  den  Blutgefässen. 

1.  Die  Erfahrungen,  die  wir  über  die  Eigenschaften  des  Bluts, 
der  Gewebesäfte  und  der  Gefässhaut  besitzen,  nöthigen  uns  zu  der 
Annahme,  dass  durch  die  letzteren  hindurch  ein  ununterbrochener 
Diffusionsstrom  stattfinde,  denn  die  beiden  wässrigen  Losungen,  das 
Blut  und  der  Gewebesaftes  sind  von  verschiedener  chemischer  Zu- 
sammensetzung und  eine  Ausgleichung  dieses  Unterschiedes  ist  nicht 
möglich,  weil  einerseits  das  Blut  sich  fortlaufend  in  den  Nieren  rei- 
nigt, aus  den  Speisen  erneuert  und  alle  Gewebe  im  raschen,  keine 
Zeit  zur  Ausgleichung  gönnenden  Strom  durchsetzt,  und  ander- 
seits weil  in  den  Gewebesäften  fortwährend  neue  Stoffe  entstehen, 
die  dein  Blut  nur  spärlich  oder  gar  nicht  eigen  sind;  endlich  aber 
sind  die  Gefässhäute  durchgängig  fllr  Wasser  und  ftir  die  in  dem 

Blute  und  den  Ge'webesäften  aufgelösten  festen  Bestandtheile. 

' ‘ ‘ ' 

Der  physiologische  Versuch  bat  das,  was  die  Theorie  voraussagte,  insofern  be- 
stätigt, als  er  darthut,  dass  viele  flüssige  Stoffe  in  der  Richtung  ;vom  Gewebe  zum 
Blut  durch  die  Wand  dor  grossem  und  kleinern  Gefisse  diffundiren , welche  sich  in 
der  cutis,  dem  Bindegewebe  u.  s.  w.  verbreiten. 

Die  Versuche •)  von  Prochaska,  Magendie,  Mayer,  Westrumb,  Sega- 
las,  Emmert,  Gmelin  und  Tiederaann  u.  A.,  welche  sich  das  oben  bezeichnet« 
Ziel  steckten,  mussten  naseweisen,  dass  die  aufgesaugten  Stoffe  wirklich  in  dos  Blut  ge- 
laugt waren,  und  dass  sie  ihren  Weg  dorthin  auch  durch  die  üefässwandung  genommen 
'hatten.  Man  liess  darum  Stoffe  resorbiren,  welche,  wie  z.  B.  Blutlaugensalz  und  Farb- 
stoffe leicht  als  solche  nachweisbar  waren,  oder  Gifte,  die  ihro  Anwesenheit  im  Blute 
durch  physiologische  Reaktionen  sichtbar  machten.  — Die  Gewissheit,  dass  die  Auf- 
nahme nuT  durch  die  Gefasse  hindurch  geschehen  sei , verschaffte  man  sich  auf  ver- 
schiedene Art  Entweder  man  legte  ein  längeres  Stück  eines  grösseren  Gefässes  voll- 
kommen frei , setzte  in  das  obere  und  untere  durchschnittene  Ende  desselben  ein  Rohr, 
so  dass  das  isolirte  Gefässstück  mit  dem  übrigen  Gefässsysteme  nur  in  Verbindung 
stand  durch  diese  Röhren,  und  brachte  nun  unter  dasselbe  eine  isolirende  Metall-  oder 
Papterrinne,  in  welcho  man  die  aufzusaugendc  Lösung  einfüllte  (Magendie).  Oder 
man  stellte  znerst  fest,  ob  von  einer  bestimmten  Körperstelle  aus,  z.  B.  von  der  Darm- 
Oberfläche,  der  Haut  u.  s.  w.  die  Aufsauguug  eines  bestimmten  Stoffes  geschah.  Darauf 
wiederholte  man  den  Versuch  nach  Unterbindung  aller  zuführenden  Blutgefässe  (Se- 
galas)  oder  aller  abführenden  Lyrophgefasse  (Magendie),  oder  nach  Unterbindung 
des  ductus  thoracicus,  oder  nach  Durchschneidung  aller  Verbindungen  eines  Gliedes  mit 
mit  dem  Körper,  die  grossen  Arterien  und  Venen  ausgenommen  (Magendie,  Kürsch- 
ner). — Drittens  untersuchte  man , einige  Zeit  nach  Beginn  der  Resorption  den  In- 
halt der  Blut-  und  £yii|]ppPlsge ; wurde  der  zur  Resorption  bestimmte  Stoff  in  den 
entern  aufgefunden  und 'in  den  letzterf  vermisst,  so  durfte  man  den  unmittelbaren 
Uebcrgang  in  das,  Blut  annehmen  (Flandrin,  Tiedemann  und  Gmelin).  — Yier- 

•)  Die  ältere  Literatur  giebt  Heu  singer.  Noten  an  Magendie'«  Physiologie.  Eisenach 
1836.  n.  242. 

3(i* 


— Digitized-by  Google 


5G4 


Blutstockung  in  Folge  dor  Aufsaugung. 


tcns  endlich  bestimme  man  die  Zeit,  welche  verfloss , bis  ein  aufgelegtes  Gift  tödtlich 
wirkte,  oder  im  Uam  erschien.  War  der  Zeitraum  sehr  kurz,  so  schloss  man  auf 
direkte  Ueberfhhrung  in  das  Blut , da  der  Lyinphatrom  sich  nursehr  langsam  weiter 
bewegt. 

Wichtiger  als  der  einfache  Nachweis  der  Aufsaugung  durch 
die  Blutgefässe  wttrde  ein  Aufsuchen  der  Bedingungen  sein,  welche 
jenen  Vorgang  beschleunigen  oder  verlangsamen,  und  die  Angaben 
der  im  Leben  vorkommenden  Umstände,  durch  welche  die  Auf- 
saugung befördert  wird. 

2.  Methodisch  angestellte  Versuche,  die  auf  die  erste  der  hin- 
gestellten  Aufgaben  zielen,  giebt  es  noch  nicht,  was  sich  znr  Ge- 
nüge erklärt,  wenn  man  die  ungemessenen  Schwierigkeiten  bedenkt, 
welche  die  Untersuchung  dieses  besonderen  Falls  von  Endosmose 
mit  sieh  bringt.  Wohl  aber  sind  einige  Thatsac.hen  bekannt,  die  für 
die  Methodik  sowohl,  wie  ftlr  die  lebendige  Aufsaugung  wichtig  sind*). 

a.  Viele  Stoffe  bringen , während  sie  aufgesaugt  werden , im 
Blutstrom  örtliche  Veränderungen  hervor.  Dieses  thnn  zuerst  alle 
diejenigen,  welche  das  EiweisS,  das  in  der  Wand  und  iu  dem  Lunten 
der  GefUsse  enthalten  ist,  niederscblagen  z.  B.  Fe  Ul,  SOj,  NO-,  n.s.w. ; 
die  entstandenen  Gerinnsel  können  die  Lichtung  der  Gefässe  voll- 
kommen verschliessen;  dann  hört  der  Blntstroni  nnd  die  Resorption 
an  den  mit  jenen  Stoffen  dnrehtränkten  Orten  auf.  — Eine  andere 
Zahl  chemischer  Verbindungen , die  sogenannten  reizenden  und  to- ' 
nischen  Arzneien,  iindeni  den  Elastizitätscoöffizienten  und  die  Muskeln 
der  Gefässwand.  Je  nachdem  sie  die  letzteren  zur  Zusammenzie- 
hung oder  Erschlaffung  bringen  oder  den  Elastizitätscocftizienten  er- 
höhen oder  erniedrigen,  wird  sich  das  von  ihnen  durchtrUnkte  Gefäss- 
rohr  ausweiten  oder  zusammenziehen.  Damit  wird  sich  aber  auch 
die  anfsangende  Fläche  entsprechend  ändern.  — Eine  dritte  Reihe 
von  Körpern,  wie  z.  B.  NaCl,  Harnstoff,  Zucker  u.  s.  w.  bewirken 
weder  Fällungen  des  Eiwcisses  noch  merkliche  Aenderungen  in  dem 
Gefässdurchmesser  und  dennoch  erzeugen  sie  eine  vollkommene 
Stockung  des  Blutlaufs,  veranlasst  durch  eine  bedeutende  Anhäu- 
fung der  Blutscheiben  in  den  Capillaren,  mit  welchen  sie  in  Be- 
rührung waren  (H.  Weber,  Virchow,  Schüler,  Günning). 
Fltr  diese  auffallende  Erscheinung  hat  ßotkin  eine  sinnreiche  Er- 
klärung gegeben : die  in  das  Blut  eingedrungenen  Lösungen  ändern 

•)  11.  Woher,  MUllera  Archiv  1852,  361. — Boncr,  die  fitaae ; Würzburger  Dinsertatlon  1866.— 
Gunning,  Archiv  Air  holl«  Beiträge  1.  365.  — Kn  app  Archiv  fllr  phyaiol.  Heilkunde  1855.  146. — 
Kühler.  Virchow’a  Archiv  14.  Bd.  401.  — B ot  k iftsHldd.  15  Bd.  1*1*. 


Acndorung  der  Aufsaugung  durch  die  Blutfüllc. 


565 


dort  die  Form,  Glätte  und  Elastizität  der  Klatsch  eiben;  sodass  die- 
selben nicht  mehr  durch  die  Capillarcn  schlüpfen  können,  sondern 
theils  an  vorspritigeuden  Wandstücken  lind  theils  aneinander  hän- 
gen bleiben.  Für  diese  Annahme  spricht  ausser  der  schon  ange- 
führten Häufung  der  Blutscheiben  die  Erfahrung,  dass  nur  die  in- 
differenten chemischen  Verbindungen  das  Blut  stauen,  welche  nach- 
weislich die  Gestalt  der  Blutkörperchen  ändern,  während  andere, 
wie  Borax,  phosphorsaures  Natron,  Alaun  weder  eine  »Stockung  des 
»Stroms,  noch  eine  merkliche  Gestaltsänderung  der  Blut^cheiben  er- 
zeugen; ferner,  dass  ein  paar  Tröpfchen  Wasser,  die  auf  das  Ge- 
fäss  mit  der  stockenden  Blutsiinlc  gebracht  werden,  den  Strom 
wieder  einznleiten  vermögen,  offenbar  darum,  weil  sic  das  form- 
verändernde Salz  aus  waschen. 

b.  Kaupp  und  Vierordt  legten  das  Bindegewebe  unter  der 
liUckenhaut  hei  verschiedenen  Kaninchen  in  möglichst  gleicher  Aus- 
dehnung bloss  und  brachten  in  die  Wunde  immer  gleiche  Mengen 
einer  verdünnten,  langsam  wirkenden  Strychninlösung;  sie  sahen, 
dass  der  Tetanus  um  so  früher  eintrat,  je  geringer  das  Gewicht 
der  vergifteten  Thiere  war.  Darauf  unternahmen  sie  eine  zweite 
Versuchsreihe  und  zwar  mit  Thieren,  denen  sie  Blut  abgclassen 
hatten.  Sie  sahen  nun,  dass  der  Tetanus  sowohl  wie  der  Tod 
später  eintrat,  als  es  der  vorhergehenden  Versuchsreihe  gemäss  bei 
einem  Thier  gleichen  Gewichts  hätte  erwartet  werden  können ; das 
Gilt  äusserte  seine  Wirkungen  um  so  später,  je  ergiebiger  der  Ader- 
lass gewesen  war.  Obwohl  die  Zeit,  welche  zwischen  der  Ankunft 
des  Gifts  und  dem  Eintritt  des  Tetanus,  beziehungsweise  des  Todes, 
verstreicht,  der  Aufsangungsgesehwindigkeit  nicht  proportional  sein 
kann  (Kaupp),  so  macht  es  diese  Versuchsreihe  doch  sehr  wahr-" 
seheinlich , ' dass  die  blutärmeren  Gefässe  langsamer  aufsaugen  als 
die  blutreicheren. 

Magen  die  brachte  ein  tödtendes  Gift  in  den  Pleurasack  und 
bestimmte  den  Zeitpunkt  der  Vergiftung  an  verschiedenen  Thieren, 
denen  er  entweder  nur  Blut  entzogen,  oder  denen  er  statt  des  ent- 
zogenen Blutes  eine  gleich  grosse  Menge  von  Wasser  in  die  Ge- 
fässe gespritzt  > oder  denen  er  ohne  vorgängige  Blutentziehung  viel 
Wasser  infundirt  hatte.  Im  ersten  Fall  trat  die  Vergiftung  früher, 
im  letzteren  später  ein,  als  bei  den  Thieren,  deren  Getässinhnlt  zwar 
an  Qualität,  nicht  aber  an  Menge  verändert  war. 

Vorausgesetzt,  dass  die  Versuche  von  Mage  ft  diu  so  augostellt  fraren, 

wie  die  von  Kaupp,  bietet  aich  folgender  Ausweg  zur  Hebung  den  Widerspruch» 


566  Welche  Stoffe  gehen  in  der  Kegel  durch  die  Gefasswand  T 

beider  Beobach  tungsreihen.  Jede  Aendernng  der  Gcföasräuiulichkeit  verändert  zunächst 
die  Wandspannung  und  damit  einerseits  die  Berührungsfläche  zwischen  Blut-  und  Gift- 
lösung, und  anderseits  die  Grösse  des  Druck  unterschied  es  zwischen  der  Umgebung  und 
dem  Inhalt  des  Blutgefässes.  Eine  Mehrung  der  enteren  muss  selbstverständlich  die 
Aufsaugungsgeschwindigkeit  erhöhen ; ein  Steigen  des  Druckübergewichts  von  seiten 
des  Gefässin halte*  gegen  die  Giftlösung  soll,  wie  man  freilich  ohne  vollen  Beweis  an- 
ainimt,  die  Aufsaugungsgeschwindigkeit  mindern.  Danach  würde  man  zu  sagen  haben, 
dass  in  den  Vcnuchcn  von  Kau  pp  der  verzögernde  Einfluss  der  verminderten  Berüh- 
rungsfläche über  der  beschleunigenden  des  erniedrigten  Druckunterschiedes  das  Ueber- 
gewicht  gewonnen  habe,  während  bei  Magendie  das  Gegentheil  eingetroffen. 

c.  Kühler  und  Nasse  hatten  einerseits  mit  wohlgeftitterten 
und  anderseits  mit  Thieren,  die  seit  42  .Stunden  hungerten,  genau 
dieselbe  Versuchsreihe  angestellt , welche  K a u p p und  V i e r o r d t 
mit  verschieden  blutreichen  Kaninchen  ausfllhrten.  Die  hungern- 
den Thiere  verfielen  in  Mittel  48  Sec.  früher  in  Tetanus  und  star- 
ben aber  in  Mittel  13  Minuten  später  als  die  gefütterten. 

Barry  hat  gezeigt,  dass  ein  aufsaugbares  Gift,  das  man  unter  einem  wirksäjnen 
Schröpfkopfe  auf  ^ie  Haut  bringt,  nicht  aufgenommen  wird.  Dieser  Versuch  sollte 
den  Beweis  liefern^  dass  ein  grosses  Uebergeiricht  des  Blutdruckes  über  den  atmo- 
sphärischen die  Aufsaugung  hemmen  könne.  Diese  Erklärung  ist  mit  bekannten  en- 
dosraotischen  Erfahrungen  im  Widerspruch;  er  lässt  zudem  andere  Erklärungen,  wie 
z.  B.  %iie  aus  der  Hemmung  des  Blutstroms  durch  den  Kand  des  Schröpfglases  zu. 

3.  Ueber  die  Stoffe,  welche  sich  an  der  regelrechten,  gesunden 
Aufsaugung  betheiligen  und  Uber  dem  Umfang,  der  dieser  letzteren 
im  Wechsel  des  Lebens  zukommt,  besitzen  wir  grösstentheils  nur 
Vermuthungen. 

Dem  Bilde  entsprechend,  welches  wir  uns  heute  von  der  che- 
mischen Zusammensetzung  der  Gewebesäfte  und  den  endosmotischen 
Kräften  des  Bluts  machen,  pflegen  wir  anzunehmen,  dass  die  Eiweiss- 
Vtoffe  und  Fette  von  der  Aufsaugung  durch  die  Blutgefässe  ausge- 
schlossen sind,  während  die  Abkümmlinge  dieser  verwickelten  Atom- 
gruppen (S.  217)  aufgenommen  werden.  Die  Fette  sebliesst  man 
aus,  weil  sie  in  Wasser  Überhaupt  nicht  diffundiren  und  das  Eiweiss, 
weil  das  Blut  gemeiniglich  viel  reicher  daran  ist,  als  die  Gewebe- 
säfte; so  weit  wir  wissen,  gilt  dieses  jedoch  nur  fiir  das  Albumin, 
so  dass  gegen  die  Aufnahme  von  anderen  Modiflcationcn  der  Eiweiss- 
stoffe nichts  einzuwenden  wäre. 

Die  Abkömmlinge  der  Eiweissstoffe , deren  Bildungsstätte  in 
dem  Gewebe  liegt,  gehen  nun  wohl  geradezu  in  das  Blut  ttber,  aber 
sie  nehmen  nicht  allein  diesen  Weg,  sie  strömen  nachweislich  auch 
in  di.e  Lymphe  Uber.  Demnach  würde  um  so  mehr  davon  unmittelbar 
in  das  Blut  diffundiren , je  ergiebiger  steh  jene  Produkte  bilden  und 


Aufsaugung  durah  die  Lymphgefäß*«.-. 


567 


je  weniger  von  ihnen  der  Lvmphstrom  wegftthrt.  Bin  weiteres 
Ansspinnen  dieses  Satzes  durfte  hier  nicht  am  Platze  sein. 

Aufsaugung  durch  die  Lymphgefässc. 

1.  Anatomischer  Hau  der  aufsaugenden  Gefäsae *).  An  ihnen 
pflegt  man  drei  durch  ihren  Bau  gekennzeichnete  Abtheilnngen,  die 
Wurzeln,  die  Drüsen  und  die  Leitungsröbren  zu  unterscheiden. 

Die  Lyra  pbwnrzeln,  durch  deren  Zusammenfluss  die  ab- 
leiteuden  Lymphwege  (die  sogenannten  Lymphgefässe)  entstehen, 
sind  vorzugsweise  im  Innern  der  dichtem  Gewebe  (Häute,  Drüsen,' 
Muskeln  u. s. w.)  gelegen,  also  da,  wo  sich  auch  vorzugsweise  die 
Blutgefässe  eapillar  vertheilen.  Genauere  Angaben  Uber  ihren  Bau 
besitzen  wir  nur  aus  der  Darmschleimhaut.  — Nach  Brücke, 
dessen  Beschreibung  Cu.  Koopmanns  bestätigt,  besteht  die  Grund- 
masse, das  sogenaunte  Stroma  der  Darmschleimhaut  aus  einzelnen, 
durch  Zwischenräume  getrenuten  Stückchen.  Diese  Zwischenräume 
stellen  die.  Lymphwurzeln  dar.  Trägt  die  Schleimhaut  Zotten,  bo 
liegen  im  Innern  einer  jeden  derselben  ein  oder  mehrere  Höhlen, 
die  centralen  Hohlräume,  deren  Contouren  im  Allgemeinen  mit  der 
Zottenoberfläehe  gleichläufig  sind.  Mit  diesem  Binnenkanal  bangen 
nun  die  schon  erwähnten  Lücken  zusammen,  welche  zwischen  den 
Beatandtheilen  des  Stromas  der  Schleimhaut  gelegen  sind ; die  letz- 
teren erstrecken  sich  also  vielfach  verzweigt  vom  Central kanal  aus 
bis  zur  ZotteuoberÜäche  unmittelhar  unter  das  Epithelium.  — Um  die 
Crypten,  welche  zwischen  den  Zotten  gelegen  sind,  findet  sieh  in  der 
Schleimhaut  ein  ähnliches  Lückenwerk , welches  mit  dem  aus  den 
Zotten  kommenden  in  Verbindung  steht,  das  sich  aber  scharf  gegen 
die  Eigenhaut  der  Crypte  absetzt.  Aus  diesen  noch  mit  keiner 
selbstständigen  Wand  versehenen  netzförmig  verzweigten  Höhlun- 
gen gehen  klappen  lose  Aeste  hervor,  welche  die  Längs-  und  Quer- 
muskelschicht der  Schleimhaut  durchbohren,  und  im  Unter- 
scbleimhautgewebe  ein  dendritisch  verzweigtes,  keineswegs  mit  sehr 


•)  He  nie,  allgemeine  Anatomie  INI.  Mi.  — Derselbe  ln  seiner  und  Pfeufer's  Zeltschr.  3.  Reih«. 
— Köl  liker,  Handbuch  der  («owebolehre.  8.  Auflage.  579.  — Noll,  Heule'*  a.  Pfeafer'a 
Zeitschrift.  IX.  Bd.  52.  — E.  Br Uckc,  Wiener  akademische  Denkschriften.  II.  und  VI.  Bd.  — 
Derselbe  . . Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie.  IX.  Bd.  900.  u.  X-  Bd.  27.  — C.  Bfnch, 
Zeitschrift  fUr  wlttsenftchnfU.  Zoologie.  IV.  Bd.  382.  — Donder»,  Henle’i  u.  Pfenfer'a  Zeit- 
schrift. N F,  IV.  Bd.  p.  232.  u.  f.  — Derselbe,  Physiologie  de»  Menschen.  2.  And.  842.  — 
Meissner,  Jahresbericht  flir  1856.  p.  185.  — Heidenhain,  Moleschott  Untersuchungen.  IV.  Bd. 
u.  gymholac  ad  anntomiaui  glanduiar.  Pcyeri.  Breslau  1859.  — Hyrtl,  Ustr.  Zeitsch^l  flir  prakL 
Heilkunde  18€0.  p.  293.  n.  338.  — Hi».  Zeitschrift  ftlr  wiss.  Zoologie.  X.  Bd.  384.  — Billroth, 
BeUrkge  zur  patholog.  Histologie.  1858.  .143,. 


Digitized  by  Google 


568 


Bau  der  Lfniplrwurzeln  im  Darm. 


häufigen  Anastomosen  versehenes  Gefässnetz  darstellen.  An  diesem 
Ort  verlaufen  die  Lymphgefässböhlen  in  den  Bindegewebszügeo, 
welche  das  submucöse  Gewebe  darstellen ; die  erste  Andeutung  einer 
selbstständigen  den  Lympligefässen  eignen  Haut  ist  durch  ein  Epi- 
thelium  gegeben,  welches  die  Lymphhöble  gegen  das  Bindegewebe 
abgrenzt;  dann  komtbt  es  zur  Bildung  von  Klappen,  deren  Anwe- 
senheit schon  auf  eine  selbstständige  strukturlose  Wand  schliessen 
lässt.  Nachdem  die  Gefiisse  auch  die  Muskelhaut  des  Darms  durch- 
brochen haben,  tragen  sie  alle  Eigentümlichkeiten  der  Lympbge- 
fässe-  im  engem  Wortsinn. 

' Heidenhain,  dessen  Erfahrungen  den  oben  vorgeftthrten  nicht 
entgegen  sind,  glaubt  annehmen  zu  dürfen,  dass  sich  in  dem  Zotten- 
gewebe und  namentlich  in  dem , welches  sich  zwischen  der  centra- 
len Höhle  und  der  Zottenoberfläche  erstreckt,  ein  Röhrennetz  aus- 
breitet, das  durch  die  hohlen  anastomosirendeu  Aeste  sternförmiger 
Zellen  gebildet  werde.  Ausstrahlungen  aus  diesem  Netz  münden 
nach  aussen  iu  hohle  Fortsätze  der  Epithelialcylinder , nach  innen 
wahrscheinlich  in  die  centrale  Höhle.  Selbstständige  Häute  hat  er 
nicht  dargestellt,  und  zudem  widersprechen  sich  die  Befunde  der 
aui  verschiedene  Weise  hergestellten  Präparate.  Man  kann  aus 
seinen  Zeichnungen  jedoch  schliessen,  dass  das  Zottengewebe  aus 
Stoffen  bestehe,  die  in  Chromsäure  und  Holzessig  ungleichmässig 
quellen  und  schrumpfen,  sodass  die  Reagentien  zur  Verdeutlichung  vor- 
handener oder  zur  Entstehung  neuer  Höhlen  Veranlassung  geben.| 
Meissner  und  Donders  schliessen  aus  der  scharfen  Ab- 
grenzung, welche  die  centrale  Zottenhöhle  gegen  ihre  Umgebung 
darbietet,,  auf  Anwesenheit  einer  strukturlosen  Haut,  welche  den 
Hohlraum  der  Zotte  umgrenzt.  ' ' 

Die  Zotten  des  Vogeldarms  enthalten  in  ihrem  centralen  Raume 
ein  oder  mehre  Reihen  paralleler,  vom  Zottengruud  gegen  die  Zotr 
tenspitze  aufsteigender  Gefässe.  Nahe  an  der  freien  Oberfläche  der 
Zotte  biegen  die  zu  einem  Bündel  gehörigen  Gefässe  ineinander . um, 
und  auch  auf  ihrem  Wege  durch  die  Zotte  anastomosiren  sie.  Aus 
einem  jeden  dieser  Bündel,  die  also  aus  der  Centralhöhle  der 
Zotte  hervorkommen , dringt  ein  Gefäss  in  das  1 ’nterschleimliaut- 
gewebe  und  von  dort  durch  die  Muskelhaut  des  Darms,  wo  dasselbe 
die  ersten  Klappen  empfängt.  Hyrtl,  der  diese  auf  Injektionen 
gestützte  Angabe  macht,  theilt  den  Gcfässen  überall  eine  eigne  Ilaat 
zu,  sodqgs  also  die  in  der  Zottenhöhle  gelegenen  Lymphräume  scharf 
abgegrenzt  sind  gegen  ein  etwa  vorhandenes  Lückenwerk  im  jen- 


Bau  der  Lymphwurzeln  in  der  Haut,  Lunge  ctc. 


569 


seifigen  Schleimbäutgewebe.  Dieser  Behauptung  wlirde  man  bei- 
pfliehten  müssen,  wenn  sieh  erweisen  Hess,  dass  die  peripherischen 
Oeffnnngen,  welche  im  Zottenraum  vorausgesetzt  werden,  sieh  ebenso 
leicht  öffnen  gegen  einen  Druck,  der  von  innen  nach  aussen  wirkt, 
wie  gegen  einen  solchen  von  entgegengesetzter  Richtung.  Ohne 
dies  können  Injektionspräparate  für  die  Controversen  nichts  ent- 
scheiden. 

An  andern  nicht  zum  Darm  gehörigen  Oertliehkeitcn  ist  von 
den  Lymphwurzeln  Folgendes  bekannt.  Werden  die  Lymphgefässe 
von  den  Organen  her  (der  Haut,  den  Drüsen  u.  s.  w.)  in jizirt f so 
sieht  man  das,  was  man  seinem  Bau  nach  für  ein  unzweifelhaftes 
Lymphgefäss  ansehen  muss,  aus  einem  sehr  reichlichen  von*  rela- 
tiv weiten  Rohren  gebildeten  Netz  hervorkommen.  Die  Zweige 
jenes  Netzes  sind  scharf  begrenzt  und  daraus  vermuthet  man,  dass 
sie  schon  mit  selbstständigen  Wänden  begabt  sind;  Klappen  sind 
in  den  Netzen  noeh  nicht  beschrieben  worden ; wären  keine  vor- 
handen, so  würden  jene  Präparate  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  die 
letzten  Enden  der  Lymphwurzeln  darstellen  (IIaase,Lauth,  Foh- 
mann,  Hyrtl). 

• 

Um  »ich  ein  Urtheil  Über  den  Bau  der  Lymphwurzeln  zu  verschaffen,  sind  mehre 
Methoden  angewendet.  1.  Von  der  Darmschleirahaut  wählt  man  £>lche  Stücke  zur 
mikroskopischen  Untersuchung  aus,  die  sich  während  des  Lebens  mit  feinen  Fett- 
tröpfchen gefüllt  haben , vermöge  einer  von  der  Darmhöhle  aus  stattfindenden  .Re- 
sorption. Solche  Stücke  kann  man  durch  einen  von  Brücke  angegebenen  Kunstgriff 
durchsichtig  machen.  Insofern  sie  eine  natürliche  Injektion,  und  zwar  eine  solche,  die 
von  der  Peripherie  her  unternommen  wurden,  darstcllen , und  insofern  die  gewonnenen 
Präparate  im  frischen  Zustande  mit  jeder  möglichen  Vcrgröasorung  untersucht  werden 
können , geben  sie  auch  den  vollkommensten  Aufschluss.  — Mit  der  Lyinphinjektidn 
hat  man  häufig  verwechselt  eine  solche  der  Blutgefässcapillaren,  welche,  wie  diess 
öfter  vorkommt,  mit  kleinen  kugeligen,  dem  erstarrten  Fett  ähnlich  sehenden  Körpcr- 
chon  (Leucinkugcln  r)  gefüllt  sind.  Man  darf  also  nur  solche  Gefnsse  für  Lvmphwur- 
xeln  halten,  welche  sich  in  ein  deutliches  klappcutragendes  Lymphgefäss  fortsetzen.  — 

2.  Feine  Durchschnitte  der  frischen  und  der  mit  Chromsäuro  oder  Holzessig  behandel- 
ten mit  resobirtem  Fett  gefüllten  Darinschlcimliaut  hat  lieidenhai«  benutzt,  um  aus 
der  sichtbaren  Anordnung  der  Elcnientartheilc  auf  die  Lymphwurzeln  zu  schlossen.  — 

3.  In  die  grossem  ciuer  Injektion» wunde  zugänglichen  Lymphgefussc  spritzt  man  Queck- 
silber (II aase,  Luuth)  oder  künstlich  erhärtbare  Massen  (Hyrtl)  ein,  und  zwar  in 
der  Richtung  von  dem  Stamme  zu  den  Wurzeln;  den  Widerstand  der  Klappen  über- 
windet man  durch  einen  örtlichon  Druck  auf  die  schon  angefüllten  Lymphstucke.  — 
•I.  ln  die  gerissenen  Maschen  des  Bindegewebes  hat  man  Quecksilber  (Fohinann) 
oder  gerinnende  Massen  (Hyrtl)  cingespritzt;  die  in  jene  künstlich  gebildeten  Hohlen 
mündenden  Lymphgefässe  werden  durch  die  dahin  gespritzte  Masse  angefüllt.  — Andere 
irt direkte  Beweismittel  werden  ifh  Verlauf  der  Darstellung  noch  zur  Sprache  kommen 


_ — -Digitizedhy.  Google 


570 


Bau  der  Lvmphdraeeii. 


Ueber  die  Stellung  der  Bluteapillaren  zu  den  Lymphwurzeln 
ist  vom  Darm  ber  bekannt,  dass  die  erstem  unmittelbar  an  das 
von  B rücke  beschriebene  Lückensystem  grenzen.  Billroth  giebt 
nach  einem  allerdings  zweifelhaftem  Bild  ein  ähnliches  Verhalten 
fUr  die  Lymphgefässe  des  menschlichen  Präputiums  an,  wie  es 
Brücke  auch  im  Unterhautscbleimgewebe  des  Kaninchens  beob- 
achtete; hier  werden  nämlich  die  blutfllhrenden  Gefässe  von  den 
lymphatischen  scheidenartig  umgeben. 

Die  Lymphdrüsen  scheidet  man  in  einfache  und  zusam- 
mengesetzte. Die  einfachen  Lymphdrüsen  (zerstreute  Follikel,  so- 
litäre Bälge)  sind  stecknadelkopfgrosse , kugel-,  spindel-,  linsen- 
förmige u.  s.  w.  Körnchen,  die  aus  einem  Gerüst,  Zellenhäufchen 
und  Blutgefässen  bestehen;  das  Gerüst  ist  aus  Bindegewebe  und 
zuweilen  aus  Muskelzellen  dargestellt;  an  der  Peripherie  des  soli- 
tären Korns  bildet  das  Bindegewebe  eine  mehr  weniger  diehtrna- 
sehige  Kapsel,  von  welcher  durch  den  von  ihr  umschlossenen  llohk 
raum  nach  allen  Richtungen  hin  Fasern  ausstralilen , die  die  letz- 
tem in  kleine  mikroskopische  Abteilungen  bringen,  welche  in  viel- 
facher Verbindung  untereinander  stehen.  In  die  Lücken  dieses 
Fasemetzes  sind  die  Lymphkürperchen  gelagert  und  auf  den  Bälk- 
chen  selbst  verzweigt  sich  ein  Netz  capillarer  Blutgefässe.  — Wenn 
mehrere'  solcher  einfachen  Bälge  von  einer  gemeinsamen  Bindege- 
webshülle, die  dann  meist  auch  Muskel  zollen  enthält,  umfasst 
werden , so  entsteht  eine  zusammengesetzte  ’Lympbdrüse.  In  einer 
solchen  zusammengesetzten  Drüse  sind  jedoch  die  einzelnen  Fol- 
likel nicht  scharf  von  einander  getrennt,  ihre  Hohlräume  stehen 
vielmehr  in  offener  Verbindung,  weil  die  von  der  gemeinschaftlichen 
Hülle  ausgehenden,  die  einzelnen  Follikel  trennenden  Scheidewände 
selbst  nur  «aus  netzförmigem  Bindegewebe  und  zuweilen  auch  aus 
Muskelzellcn  bestehen. 

Das  Verhalten  der  beschriebenen  Drüsen  zu  den  Lymphgefäs- 
sen  ist  nur  bei  den  zusammengesetzten  klar.  Gelangt  ein  Lymph- 
stamm in  die  "Nähe  einer  solchen  Drüse,  so  spaltet  er  sich  mehr- 
fach in  feine,  aber  noch  mit  unbewaffnetem  Auge  sichtbare  Aeste, 
welche  die  Capsel  durchbrechen,  sodass  je  einer  in  die  Höhle  eines 
oberflächlich  liegenden  Korns  einmündet.  Führt  die  durch  die  le- 
bende Drüse  strömende  Lymphe  viel  Fett,  oder  einen  ihr  beige- 
braebten  feinkörnigen  Farbstoff,  so  sieht  man,  vorausgesetzt,  dass 
kein  besonderes  ätromhemmniss  besteht,  die  Flüssigkeit  am  Umfang 
je  eines  Follikels  sich  herbewegen,  während  der  in  der  Mitte  des- 


DigitizecLby  Google 


Bau  der  Lyraphdriisen. 


571 


»eiben  gelegene  Zellenbaufon  farbstofffrei  und  durchsichtig  bleibt; 
auch  geht  die  Flüssigkeit  schon  eher  in  die  abführenden  Lymph- 
gefässe  Uber,  bevor  sie  sich  merklich  über  den  Theil  der  Drüse 
verbreitet  hat,  welche  aus  andern  Lympbstüinmchen  versorgt  wird. 
Setzt  man  dem  Strom  ein  Hemmnis»  entgegen,  z.  B.  durch  Verschluss 
de»  ausfiUhrenden  (fefässes,  so  verbreitet  sich  jetzt  die  gefärbte 
Flüssigkeit  weithin  durch  die  angrenzenden  Follikel  und  geht  zu- 
gleich zwischen  die  Zellenhaufen.  Aber  in  allen  Fällen  bewegt  sie 
sich  gegen  deu  ausfuhrenden  Stamm,  niemals  aber  in  die  einfüh- 
renden Gefässe  der  angrenzenden  Follikel,  selbst  wenn  diese  leer 
sind,  und  zwar  darum  nicht,  weil  hier  immer  Klappen  vorhanden 
sind.  Die  ausfuhrenden  Gefässe  aber  treten  aus  der  Seite  der  Drüse 
hervor,  welche  deu  Einmündungsorten  der  einführenden  Gefässe 
entgegengesetzt  ist;  die  Vasa  efferentia  bilden  unmittelbar  an  ihrem 
Ursprung  ein  vielfach  zusammenhängendes  Geliecht,  aus  welchem 
sich  endlich  wieder  ein  Gefässstamm  hervorbildet. 

Als  man  sich  überzeugt  hatte,  dass  die  einzelnen  oder  gehäuft 
stehenden  Drüsenbälge,  welche  in  der  Milz,  Thymus,  Mund-,  Rachen-, 
Magen-,  Darmschleimhaut  Vorkommen,  ihrem  Bau  nach  mit  den 
einzelnen  Körnern  der  zusammengesetzten  Lymphdrüscn  Uberein- 
stimmten,  war  man  geneigt,  auch  sie  für  Einlagerungen  in  die 
Lymphgefässe  zu  halten.  Diese  Unterstellung  schien  -bestätigt  zu 
werden  durch  die  Erfahrung,  dass  in  den  Follikeln  der  l’eyersehen 
Drüsen  während  der  Verdauung  Chylus  gefunden  wurde  (d.  h.  eine 
dem  Inhalt  der  Lymphgefässe  in  der  Schleimhaut  des  verdauenden 
Darmes  ähnliche  Flüssigkeit)  und  ferner,  dass  eine  in  die  Dannfol- 
likel eingespritzte  Masse  -sehr  leicht  einen  Weg  in  die  Lymphgo» 
fasse  findet  (Brücke).  Weil  man  aber  meist  gar  kein  znführen- 
des  Geftiss  auffinden  konnte,  so  erschien  es  auch  nicht  unmöglich, 
dass  ein  solcher  Follikel  den  Anfang  eines  Lymphgefässe»  darstellcn 
könnte  (Donders).  Diese  Thatsachen  genügen  jodoch  nicht,  um 
die  Annahme  als  eine  vollkommen  gesicherte  zu  betrachten,  welche 
behauptet,  dass  die  Follikel  überall  und  namentlich  auch  ausser- 
halb des  Darmes  erweiterte  mit  Zellen  gefüllte  Lymphgefässe  dar- 
stellen. • • - 

Die  Lymphgefässe,  welche  als  Leitungsröhren  aus  den  Wur- 
zeln hervorgehen,  besitzen  eine  strukturlose  elastische  Wand,  die 
auf  ihrer  innem  Fläche  mit  einer  Schicht  von  Deckzellen,  auf  ihrer 
äussern  aber  mit  Fascrzellen  belegt  ist;  an  diese  schlicsst  sich  strei- 
figes Bindegewebe  an.  Die  .Faserzellen  müssen  unzweifelhaft  zuni 


572 


ZusammeiMeUuftg  der  Lymphe. 


Muskelgewebe  gerechnet  werden,  da  es  gelingt,  durch  elektrische 
Schlüge  den  Durchmesser  der  mit  ihnen  • behafteten  Lymphgcfässc 
zu  verkleinern.  Die  Dicke  der  Wand  ist  im  Verhäkniss  zur  Weite 
des  Lumens  zwar  immer  gering;  sie  nimmt  jedoch  mit  dem  stei- 
genden Durchmesser  dieses  letzteren  zu.  Die  in  die  Gefässhöblen 
ragenden  Klappen  sind  aus  elastischem  Bindegewebe  gebaut,  dessen 
freie  Oberfläche  mit  Deckzellen  belegt  ist.  — Die  Anordnung  der 
Höhlung  in  den  Lymphstämmen  kann  als  bekannt  vorausgesetzt 
werden.  Im  Allgemeinen  scheint  die  Gcsainmtsumme  der  lumina 
von  den  Wurzeln  gegen  die  Stämme  beträchtlich  abzttnehmen.  Wegen 
der  grossen  Dehnbarkeit  der  Wandung  kann  der  Durchmesser  des- 
selben Gefdsscs  sehr  veränderlich  sein. 

Aus  verschiedenen  Organen  und  Geweben  gehen  sehr  ungleiche 
Mengen  von  Lymphgcfüssen  hervor.  Vorzugsweise  reichlich  gehen 
sie  aus  Bindegewebsräumen  oder  saftreichen  Drttsen  hervor  (Leber, 
Milz,  Leder-  und  Schleimhaut),  sparsamer  scheinen  sie  aus  den 
Muskeln  zu  kommen. 

2.  Lymphe*).  Da  sich  in  den  duetus  thoracicns  auch  der 
ans  der  Auflösung  der  Speisen  resultirende  Saft  ergicsst,  so  bleibt 
einstweilen  die  Betrachtung  seines  Inhaltes  ausgeschlossen ; die  fol- 
genden Bemerkungen  beziehen  sich  also  nur  auf  die  Flüssigkeit; 
welche  in  den  Gefttssen  des  Kopfes,  Halses  und  der  Extremitäten 
eingcschlossen  ist. 

Die  Lymphe  ist  ein  Gemenge  aufgeschwemmter  und  (lässiger 
Stoffe;  je  nach  dem  Verhültniss  dieser  Bestandteile  ist  sie  mil- 
chig, trttb  oder  wasserhell. 

• Die  aufgeschwemraten  Theilchen  sind  Molekularkörnchen,  Kerne, 
grössere  oder  kleinere  kernhaltige  Zellen  (weisse  Blut-  und  Lymph- 
körperchen)  und  gefärbte  Blutkörperchen,  welche  nach  Gubler 
und  Que venne  in  der  menschlichen  Lymphe  kleiner  als  die  des 
Blutes  sind;  beim  Hunde  fehlen  in  der  Ualslvmphe  zuweilen  die 
gefärbten  Scheiben  ganz  (Krause).  Die  Haut,  die  diesen  Gebil- 
den und  namentlich  den  zuerst  erwähnten  zukommt,  besteht  aus 
giner  in  Essigsäure  löslichen  Eiweissart;  ihr  Inhalt  ist,  teilweise 
wenigstens,  nantcdtlich  in  den  Molekularkörnchen,  ein  fetthaltiger.  — 

•)  II.  Nauru,  Handwörterbuch  der  Phyaioloprie.  11.  363.  — Her  bat,  Da«  Lyinphfcflaaiyatena 
und  »eine  Verrichtung:.  — Gabler  und  Queren  ne,  Gazette  ujöd.  185-1.  17.  Jnln  et  »q.  — 
W.  Knute,  Heule'»  und  Pfeufcr*»  Zeitnohrift.  N.  F.  — P o I s e u I II  e und  J»e  f or  t,  Compt. 
rund.  46  Bd.  «77.  — Wilrlx,  ibidem.  41)  Bd.  4M. — Frertch»  und  Stacdeler,  Müller'»  Archiv 
18'*«.  Colin,  Traltö  de  phyalolugie  rompor.  IHM.  11.  Bd.  — Scherer,  Dessen  Jahresbericht 
übet;  phvaiol.  ChemlrWür  1*67.  • 


Zusammensetzung  der  Lymphe;  Faserstoff,  Fette. 


573 


Die  Flüssigkeit  bat  behufs  "der  chemischen  Analyse  noch  nicht  von 
deir  aufgeschwemmten  Theilen  geschieden  werden  können.  Ihre 
Zusammensetzung  kann  darum  nur  erschlossen  werden  aus  der. 
Untersuchung  der  Geaammtlymphe.  Diese  enthält:  a.  meistentheils, 
jedoch  nicht  immer  Faserstoff  und  zwar  in  aufgelöster  Form;  nach 
der  Entleernng  der  Lymphe  gerinnt  derselbe  und  giebt,  indem  er 
die  aufgeschwemmten  Bestandteile  einschliesst,  Veranlassung  zur 
Entstehung  eines  sehr  lockeren,  wenig  zusammenhängenden  Kuchens. 
Der  Faserstoff  der  Lymphe  und  der  des  venösen  Blutes  stimmen 
in  ihren  Eigenschaften  tibercin  (Lehmann).  Die  Zeit,  in  welcher 
die  Lymphe  nach  der  Entleernng  gerinnt,  ist  verschieden  von  we- 
nigen Minuten  bis  zu  mehreren  Stunden;  in  seltenen  Fällen  erfolgt 
auch  innerhalb  derselben  Lymphe  die  Gerinnung  in  mehreren  weit 
von  einander  eutfernt  liegenden  Zeitpunkten.  — Die  Bedingun- 
gen, unter  (lenen  der  Faserst*»!!'  fehlt,  liegen  weder  in  der  Blutbe- 
schaffenheit des  lymphgebenden  Thicres,  noch  auch  in  der  Ge- 
schwindigkeit, mit  der  dieser  Saft  gebildet  wird.  Allerdings  ent- 
hält häufiger  die  reichlich  ausflicsscnde  Lymphe  ein  geringes  oder 
auch  gar  kein  Gerinnsel,  zuweilen  aber  ist  auch  die  sparsam  ab- 
gesonderte faserstofffrei  (Colin,  C.  Ludwig).  Die  aus  demselben 
Gefäss  ansströmendc  Flüssigkeit  ist  wechselnd  (von  Stunde  zu 
Stunde)  bald  faserstofffrei  und  bald  faserstoff haltig;  ebenso  ist  zu- 
weilen voii  zwei  Portionen,  die  gleichzeitig  aus  den  beiderseitigen 
Halsstämmen  mit  ungefähr  gleicher  Geschwindigkeit  hervorkommen, 
die  eine  schwach  oder  gar  nicht,  die  andere  stark  geronnen 
(Thomsa,  C.  Ludwig).  — b.  Albuminnatron , welches  nach  Neu- 
tralisation der  alkal.  Lymphe  in  geringer  Menge  ansfällt.  — c.  Al- 
bumin, welches  bei  Kochen  der  vrftgängig-  neutral iskten  Lymphe 
hcrausfällt.  — d.  Fette,  und  zwar  ölige,  feste,  krystallisirbare  und 
verseifte.  — e.  Traubenzucker;  von  Guhl  er  und  Qu«  venne  zu- 
erst nachgewiesen.  In  der  ans  dem  I laisstamm  des  Hundes  ergos- 
senen Flüssigkeit  ist  er  ein  nie  fehlender  Bcstandtheil,  selbst  wenn 
er  im  Blute  nicht  nachgewiesen  werden  kann  (Krause,  l’oi- 
seuille,  Lefort). 

lieber  die  Menge  des  Lymphzuckers,  und  Bein  Verhältnis»  zum  Zucker  des  illuts 
und  des  Chylus  geben  Foiseuille  und  Lefort  folgende  Zusammenstellung  für 
100  Theile.  Die  Zahlen  bedeuten  Zucker  in  Grammen: 


574  Mischung  der  Lymphe;  Zucker,  Harnstoff  etc. 


urUriolk**  Blot,  | 

Inhalt  de» 
dort,  thornden»! 

lUUjmpht. 

Hund  zu  Kode  der  Verdauung. 

Spuren 

0,10» 

0,166 

Pferd  1 

0,009 

0,222 

0,142 

Kuh  1 

0,055 

o.oos 

0,098 

> Während  der  Verdauung. 

Mesenterial- 

lyrnphe. 

1 

Kuh  1 

0,0 14 

O.ISti 

- 

Stier  1 

0,073 

1 0,123 

0,268 

f.  Harnstoff  fand  Würtz  beständig  in  der  Lymphe. 

Die  folgende  Tabelle  giebt  den  proscentischen  Harnstoffgehalt  an. 


Fütterung. 

Blut, 

vJhyiu«. 

Lymphe. 

Htmd 

Fleisch 

0,0ff9 

1 j 

0.016 

Derselbe 

1 

— 1 

i 0,018 

— . 

Kuh 

Trockner  Klee  . 

0,019 

0,019 

0,019 

Stier 

Klee.  Rapskuchen 

— 

0,019 

0,021 

Widder 

gewöhnliches  Futter 

0,025 

0,028 

— 

Pferd 

„ „ nach 

awei  Versuchen 

0,012 

— g.  Aus  den  Lymphdrlisen  gewann  Staedeler  und  Pr  er  ich« 
Leucin,  aber  kein  Tyrosin,  nach  dem  sie  suchten.  Vielleicht  enthält 
also  auch  die  Lymphe  den  ersteren  Körper.  — h.  Extrakte  von  un- 
bekannter Zusammensetzung.  Die  in  ältern  Beobachtungen  aufge- 
führten  dürften  wesentlich  aus  Albuminuatron  bestanden  haben  (Gei- 
ger).  — i.  Unorganische  Bestandteile,  und  zwar  Ämmoniaksalze, 
Chlornatrium  und  Cldorkaliuni,  phosphorsaure , Schwefelsäure,  koh- 
lensaure Alkalien,*  di^se  jedach  nicht  immer  (Scherer),  Eisen- 
oxyd und  Wasser. 

Die  Variationen  der  Zusammensetzung  nach  Zeit  und  Ort  sind 
noch  wenig  bekannt.  Die  Moleknlarkörnchen  sollen  vorzugsweise 
in  den  Lymphgefässen  vor  ihrem  Eintritt  in  die  Drüsen  bei  fetten 
Individuen  oder  auch  einige  Zeit  nach  einer  reichlichen  Mahlzeit 
Vorkommen;  ich  habe  sie  nie  beobachtet.  — Die  Lvinphkörperchen 
treten  in  den  Uefässen  jenseits  der  Drüsen  viel  reichlicher  auf  als 
diesseits  derselben;  demnach  ist  jedenfalls  die  grösste  Menge  der- 
selben aus  den  Drüsen  abzuleitcn  (Brücke).  Die  sparsamen  Kör- 
perchen, die  man  in  der  Lymphe  vor  dem  Durchgang  durch  die 
grössern  Drüsen  findet  (Köiliker),  könnte  man  ableitcrt  aus  den 
häufig  verkommenden  zerstreuten  Follikeln,  vorausgesetzt,  dass  ihre 


r-  • 


1 


Die  Lymphkürperchen  kommen  aus  den  Drtinen.  575 

Verbindung  mit  den  Lymphgefdssen  erwiesen  wäre.  Da  aber  auch 
in  der  Gefässwand  Zellenbildung  statHinden  kann,  so  wären  auch 
noch  andere  Quellen  derselben  möglich.  Blutkörperchen,  die  immer 
sparsam  vorhanden  sind,  trifft  man  in  der  Milz-  und  Ilalslymphe 
an  (Nasse,  Herbst),  und  zwar  vorzugsweise,  wenn  ein  Theil 
der  Drüsen,  aus  denen  der  Halsstamm  hervorgcht;  durchweg  roth 
gefärbt  ist  ln  diesen  Fällen  liegt  der  Verdacht  einer  Extravasation 
aus  den  Blutgefässen  nahe  (Krause).  — Der  Gehalt  der  Lymphe 
hungernder  Thierc  soll  reicher  an  Eiwciss  und  dafür  ärmer  an 
^ Wasser  sein  als  der,  gefütterter  (?)  (Chevreul,  L’hcritier  und 
Ginelin).  Die  Beobachtungen  zur  Begründung  der  letzteren  Be- 
hauptung sind  allerdings  insofern  nicht  vollkommen  vergleichbar, 
da  die  beiden  ersteren  Chemiker  ihr  Objekt  aus  dem  ductus  tho- 
racicus  eines  hungernden  Hundes  und  Menschen,  der  letztere  sic 
aus  dem  Lendengeflecht  des  hungernden  Pferdes  nahm.  — Krause 
bestätigt  am  Hunde,  dass  ein  und  dasselbe  Thier  unmittelbar  und 

in  den  ersten  Stunden  nach  der  Mahlzeit  eine  um  mehrere  Prozente 

• 

verdünntere  Lymphe  ansgiebt,  als  nach  24stündigem  Hungern.  Aber 
auch  bei  nüchternen  Thieren  wechselt  der  Rückstand  bis  zu  meh- 
reren Prozenten.  Die  Zunahme  derselben  steht  auch  in  keiner 
Beziehung  zur  Geschwindigkeit  der  Absonderung;  die  letztere  kann 
von  sehr  geringen  zu  sehr  beträchtlichen  Werthen  anwachseu,  ohne 
dass  sieh  der  Gehalt  an  festen  Stoffen  ändert. 

Quantitative  Zerlegungen  der  menschlichen  Lymphe  gaben  Que- 
venne  (I,  n)  und  Scherer  (111).  Danach  enthalten  100  Thüle: 


I. 

II. 

III. 

Fibrin  und  Körperchen  . . 

0,056 

0,063 

0,037 

Fett 

0,382 

0,920 

Albuminnatron  mit  0,01  pCt.  i 
3CaOPOs  . . . . j 

4,275 

4,280 

, 3,472 

Alkoholextrakt  . . . . > 

0,390 

Zucker  ) 

0,570 

0,050  ' 

NaOCl  | 

0,730 

0,640  ; 

| 0,73 

2 N aOPOs  und  NaOCO-i  j 

0,180  ! 

Wasser  

93,987 

93,477 

95,76 

Nach  W.  Krause  schwankt  bei  einem  und  demselben  und 
bei  verschiedenen  Hunden  der  prozentische  Gehalt  der  Lymphe  an 
festen  Bestandteilen  überhaupt  zwischen  2,8  bis  5,0  und  der  uu- 


QigitizecLby  Google 


576 


Die  Lymphbildung  begünstigt  durch  Bewegungen , Opium. 


organischen  zwischen  0,66  und  0,44.  Die  an  festem  Rückstand 
reichste  Lymphe  ftihrt  keineswegs  immer  die  meisten  Salze. 

Ausser*)  diesen  gewöhnlichen  Bestandteilen  kommen  auch  zahlreiche  andere  in 
der  Lymphe  vor;  es  scheint,  als  ob  alle  in  der  Flüssigkeit  des  Bindegewebes  auflös- 
lichen Stoffe  in  ihr  erscheinen  könnten ; namentlich  ist  es  festgestellt,  dass  narkotische 
Gifte,  was  man  lungere  Zeit  unter  dem  Einflüsse  von  Emmert  läugnete,  in  die 
Lymphe  übergehen  (Bise hoff).  Siehe  hierüber  CI.  Bernard  1.  c. 

3.  Die  Geschwindigkeit**),  mit  welcher  die  Lymphe  ans 
dem  Halsstainm  des  Hundes  ausHiesst,  ist  bei  verschiedenen  Hunden 
uuter  scheinbar  denselben  Umständen  eine  sehr  verschiedene.  Bei 
einem  '['hier  kann  man  in  kurzer  Zeit  grössere  Mengen,  bei  anderen 
selbst  während  einer  tagelang  fortgesetzten  Beobachtung  nur  wenige 
Grammen  sammeln.  Es  hat  den  Anschein,  als  ob  dieser  Unter- 
schied in  ursprünglichen  Einrichtungen,  in  der  sogenannten  Con- 
stitution begründet  wäre.  Junge  lebhafte  muskelkräftige. Hunde  mit 
straffer  Haut  geben  fast  regelmässig  mehr  Lymphe  als  träge,  fette, 
alte  mit  schlaffer  Haut. 

Aber  auch  an  demselben  Thier  ist  die  Geschwindigkeit,  mit 
welcher  die  Lymphe  austliesst,  je  nach  besonderen  Bedingungen 
eine  sehr  verschiedene;  mit  anderen  Worten,  es  sind  die  letzteren 
von  einer  sehr  ungleichen  Wirkung.  Namentlich  scheint  es  nicht  allzn 
gewagt,  dieselbe  nach  ihrer  auf  den  J.yinphstrom  wirkenden  Kraft 
in  zwei  grosse  Gruppen  zu  bringen;  eine  Reihe  von  willkührlich 
einzuführenden  Umstände  ist  nämlich  nur  befähigt,  deu  schon  vor 
ihrer  Anwesenheit  vorhandenen  Lymphstrnm  zu  verstärken,  keines- 
wegs aber  im  .Stande,  ihn  zu  erzeugen,  wenn  er  fehlt;  aber  auch  die 
verstärkende  Eigenschaft  kommt  ihnen  nicht  immer  zu.  Die  andere 
Reibe  kann  dagegen  den  ganz  fehlenden  Strom  auch  hervorrufen. 

Zu  den  ersteren,  die  wir  die  begünstigenden  nennen  wollen, 
gehören:  a.  Bewegungen  der  Gesichts-  und  der  Halsmuskeln  (Co- 
lin, Schwan  da).  — b.  die  Einspritzung  von  soviel  Opiumtinktur 
in  die  Venen,  dass  dadurch  ein  vorübergehender  Krampf  mit  dar- 
auffolgender tiefer  Narkose  erzeugt  wird.  Schon  während  des 
Krampfs  beginnt  die  Lymphe  verstärkt  zu  fliessen,  aber  dieser  stär- 
kere Strom  dauert  auch  noch  während  des  tiefen  Schlafes  bei  voll- 
kommener Muskelruhe  fort,  namentlich  wenn  die  Haut  des  Kopfes 


•)  llenle'a  and  Pf.ufur-»  Zcitechrlll.  I.  35.  — IV.Ild.  03.—  V.  Bd.  *03.  — Ztlbchrifl  für 
pliyslol.  Uoilkunde.  XI.  U«l.  23.  — «FrSükel.  I)e  rcnorpt.  vssor.  lyrnphnüc.  Berlin  1947.  — CI. 
Bernanl.  l/^oni  nur  las  liqnlde*  de  l'orptnlstm'  1859.  11.  4U9. 

••)  Kraute,  II «nie ’s  und  Ffeufer’s  Zeitschrift  N.  F.  VII.  Md.  — Schwunds,  Wiener 
med.  WncTirnnrhrifl  1x88.  m 


i ■»  -i. 


□iqitb  :d  by  Gonjl 


Koinng  und  Durfhsohneidnng  d«r  Htm«  , Entleerung,  Oedem. 


577 


sich  geröthet  hat.  Der  vermehrte  Ausfluss  dauert  meist  eine  Stunde 
und  mehr;  er  mindert  sich  jedoch  noch  während  der  Narkose 
auf  das  Maass,  welches  vor  der  letztem  bestand  (C.  Ludwig, 
Schwanda).  -je.  Tetanisirende  Reizungen  des  wohlisolirten  n.  fa- 
eialis  unmittelbar  nach  seinem  Austritt  aus  dem  for.  stylomastoideum 
mehren  den  vorhandenen  Strom,  selbst  dann,  wenn  dabei  die  Mus- 
keln des  Gesichts  in  Tetanus  übergehen,  sodass  also  das  Gesicht 
während  der  Reizungsdauer  unbeweglich  bleibt.  Zuw'eilen  kommt 
es  vor,  dass  mit  der  Schliessung  der  tetanisirenden  Vorrichtung  der 
Lymphstrom  beginnt  und  mit  dem  Ende  der  Reizung  plötzlich  auf- 
hört (Schwanda).  — d.  Schmerzhafte,  Geschrei  und  Kopfbewegung 
veranlassende  Reiznngen  der  Kopf-  und  Mundhaut  wirken  ähnlich 
(Kra  use).  — e.  Ebenso  Durchschneidung  des  n.  sympathicus  am 
Halse  (Thomsa,  C.  Ludwig).  — f.  Ein  öfter  wiederholter  Druck 
auf  den  Verlauf  der  Wurzeln  und  Stämme,  welche  sieh  in  das  Hals- 
gefäss  ergiessen,  namentlich  wenn  dieser  soweit  getrieben  wird, 
dass  sich  jene  zuflussgebenden  Röhren  entleeren,  kann  die  Menge 
der  ausfliessenden  Lymphe  sehr  mehren;  jedesmal  wenn  die  Ent- 
leerung stattgefunden,  füllt  sich  das  ganze  System  rasch  wieder,  so- 
dass es  bis  zu  einem  gewissen  Grad  in  der  Hand  des  Beobachters 
liegt,  wie  viel  Lymphe  er  gewinnen  will  (Schwanda,  Krause). 

Zu  den  Umständen,  welche  den  Lymphstrom  im  Halsstnmm 
dauernd  und  regelmässig  verstärken,  und  ihn  auch , wenn  er  vorher 
nicht  vorhanden,  wach  rufen,  gehört  die  Bildung  eines  Oedems  in 
der  Gesichtshaut.  Umschliesst  man  die  Sehuautze  mit  einem  festen 
Band  undschwilltin  Folge  dessen  die  Oberlippe  auf,  so  fliesst , wenn 
man  das  Band  lösst,  die  Lymphe  reichlich;  dabei  nimmt  die  Lip- 
penanschwellung ab , jedoch  nur.  sehr  allmählig , und  es  dauert  der 
vermehrte  Strom  oft  lange  Zeit.  . 

Ohne  merklichen  Einfluss  auf  den  Gang  |des  Abfliessens  ist 
dagegen  die  Unterbindung  der  Carotiden  (Krause),  ferner  die 
Unterbindung  der  blossgelegten  grossen  Halsdrüse,  aus  welcher 
der  Lymphstamm  hervorgeht  (C.  Ludwig)  und  endlich' ist  es  gleich- 
gültig, ob  das  Thier  zum  letzten  mal  vor  24  oder  vor  wenigen  oder 
vor  einer  Stunde  gefüttert  wurde. 

Die  folgenden  Zahlen  sind  aus  Beobachtungen  abgeleitet,  die  mindestens  t;4,  öfter 
aber  auch  mehrere  Stunden  dauerten.  Sie  sind  von  Krause,  Schwanda,  Thomsa 
und  C.  Ludwig  gefunden.  Die  Methode  des  Aufsaugcns  beschreiben  Krause  und 
Schwand«  l.  c. 

Ludwig,  Physiologie  11.  2.  Auflage.  3 1 


l 


■etgttfrMlby  Google 


578 


Umfang  der  Absonderung. 


Kammer  d. 
Hundes. 

Mittlere*  Lyinphmenge  In 
1 Minute  aus  d.  Orfiu. 
Kocht*.  1 Link». 

1 \ 

| Gewicht  de»  j 
j halben  Kopfes  j 

.-r^ 

Lymphmenge  (Br  1 Kilo 
1 Kopf  in  94  Stunden. 
Rechts.  | Links.  | 

Be- 

merkungen. 

I 

] 0,272  Gr. 

| 0,392 

| 0,965  Kilo 

| 405,6  Gr. 

5g5,0  Gr. 

Ausstrei- 

II 

1 0,227  „ 

0,349 

1,290  „ 

i 259,6  „ 

387,0  „ 

chon  der  Ge- 

111 

0,292  „ 

0,389 

! 1,025  „ 

414,0  „ 

539,5  „ 

füssstämme. 

’ 

0,217 

Bestreichen  des  Gesichts. 

IV" 

| 

0,172 

Üurchschncidung  d.  Synip.  ohne  Bestreichen. 



0,200 

Narkose. 

r 0,695 

0,U9 

Bestreichen  des  Gesichts. 

| 0,031 

0,041 

Vagus  links  durchschnitten. 

v. 

0,020 

0,029 

Dasselbe. 

I 0,034 

0,025 

Narkose. 

k 0,069 

0,040 

Eröffnung  d. 

Oedem  erzeugenden  Schnur. 

| 

[ Oh« 

— 

Vor  22  Stunden  das  lotste  Fressen. 

VI.  | 

0,36 

— 

Während  d.  ersten  17  Minuten  nach  Opiumeinspritzg. 

[ 0,11 

— 

Von  17—77 

Minuten  nach  Opiuraeinspriümng. 

, 0,015 

— 

Narkose. 

VII. 

1 0,050 

— 

Sympathie,  durchschnitten. 

0,062 

— 

Vagus  derselben  Seite  durchschnitten. 

[ 0,OS2 

r— 

Geöifnetes  Oedem. 

VIII.  : 

0,032 

0,007 

— 

Seit  24  Stunden  nüchtern  ' 
Vor  1 Stunde  gefüttert,  j 

1 da»  Thier  verharrt  wahrend 
[ d.  ganzen  Beobacht  ungtuoit 
[ in  aufrechter  Stellung  mit 
1 frei  beweglichem  Hals. 

0,009 

- 

Während  d.  3 folgend.  Std.  j 

Die  Menge  der  Lymphe,  welche  aus  den  untern  Extremitäten 
fliesst,  ist  wegen  der  zahlreichen  Verbindungen,  die  die  Stammchen 
untereinander  eiugehen,  nicht  sicher  zu  bestimmen.  Oefter  sieht 
man  aber  aus  den  geöffneten  Stämmen  die  Lymphe  reichlich  fliessen. 

Aus  einer  Oeffnung,  die  sich  in  einem  varikösen  Lympbgefäss 
des  Schenkels  einer  Frau  befand,  sammelten  Gubler  und  Que- 
venne  in  der  Stunde  120  Gran:  Da  der  Strom  aus  der  Oeff- 

nung mit  gleichförmiger  Geschwindigkeit  (zwei  Tage  hindurch)  vor 
sich  ging,  so  betrug  der  24stUndige  Verlust,  den  das  Individuum 
an  Lymphe  erlitt,  2900  Gr„  eine  Zahl,  die  sehr  gross  erscheint, 
wenn  man  bedenkt,  dass  ausser  dem  angestochenen  noch  viele 
andere  Lymphgefässe , die  allerdings  mit  diesen  communizircn  aus 
dem  Schenkel  anfsteigen.  In  Uebereinstimmung  mit  dieser  Beob- 
achtung sind  andere  von  Assalini  und  Müller.  Da  aber  in  allen 
diesen  Fällen  Krankheiten  der  Lymphgefässe  vorhanden  waren,  so 
so  darf  mau  sie  nicht  benutzen,  um  daraus  den  Umfang  der  ge- 
sunden Lymphabschcidung  abzuleiten.  Wie  gross  dieser  letztere 
ist,  danach  auch  nur  zu  fragen  ist  gegenwärtig  nicht  gerechtfertigt. 


eft>y  Google 


Wie  wnd  wo  entsteht  die  Lymphe. 


579 


4.  Lymphbildung.  Alle  Lymphe  bezieht  ihr  Material  ans  zwei 
Orten ; der  eine  ist  an  den  Wurzeln  der  Lymphgefässe  und  der 
andere  in  den  Drüsen  gelegen;  der  erstere  liefert,  wie  wir  ver- 
mnthen , alle  oder  mindestens  den  grössten  Theil  der  Flüssigkeit, 
der  zweite  die  Körperchen. 

Da  der  flüssige  Antheil  der  Lymphe  reichlicher  strömt,  wie  so 
eben  dargethan  wurde,  wenn  sich  die  Säfte,  welche  in  den  Ge- 
weberänmen  niedergelegt  werden , mehren , so  muss  zwischen 
der  Bildung  von  Lymphe  und  von  Gewebesaft  eine  gewisse 
Beziehung  bestehen.  Diese  könnte  allerdings  zunächst  nur  dadurch 
begründet  sein , dass  zum  Entstehen  der  beiden  Flüssigkeiten  ana- 
loge Bedingungen  nöthig  sind ; der  Zusammenhang  kann  aber  mög- 
licher Weise  auch  dadurch  gegeben  werden,  dass  das,  was  früher 
Gewebesaft  war,  später  Lymphe  wird.  Für  diese  zweite  Alternative 
scheint  nun  auch  die  schon  angeführte  Erfahrung  zu  sprechen,  dass 
in  Folge  eines  reichlicheren  Ausflusses  von  Lymphe  ans  solchen 
Stämmen,  welche  ihre  Wurzeln  aus  einer  Gegend  beziehen,  die  vom 
Oedem  befallen  war,  das  letztere  an  Umfang  abnimmt.  Also  scheint 
die  OedemfUissigkeit  durch  die  Lymphgänge  abzuttiessen.  Zu  dieser 
Erfahrung  gesellt  sich  bestätigend  noch  eine  andere.  Auf  S.  424 
wurde  erwähnt,  dass  die  Unterbindung  des  Ureters  einer  Niere,  die 
gerade  in  der  Harnabsonderung  begriffen  war,  ein  beträchtliches 
Oedem  in  der  Fettkapsel  jener  Niere  erzeugt.  Ans  diesem  kann 
man  nun  leicht  eine  sehr  reine  Oedemtlüssigkeit  gewinnen , die  je 
nach  der  Gewinnungsart  eine  verschiedene  Zusammensetzung  zu 
besitzen  scheint.  Tödtet  man,  nachdem  die  Oedembildung  voraus- 
sichtlich schon  weit  fortgeschritten,  das  Thier  durch  Verblutung,  rei- 
nigt dann  mit  Fliesspapier  möglichst  sorgfältig  die  Oberfläche  der 
GeschwutotJehneidet  nun  die  ausgedehnten  Maschen  ein  und  fängt 
dann  in  offschälchen  die  aussickernde  Flüssigkeit  auf,  so  erhält 
man  einen  wasserhellen  Saft,  der  gänzlich  frei  von  Lymphkörper- 
chen  ist,  der  aber  ähnlich  gerinnt  wie  die  Lymphe  und  der  einen 
in  Wasser  löslichen  Stoff  enthält,  welcher  das  CuO  rednzirt;  dieser 
letztere  Stoff  ist  dem  Anscheine  nach  mindestens  in  derselben  Menge 
im  Oedemsaft  enthalten,  in  welcher  der  Traubenzucker  in  der  Lymphe 
vorkommt;  denn  es  genügen  in  beiden  Fällen  wenige  Tropfen  des 
Ausgeflossenen  zur  Erzeugung  einer  merklichen  Keduction.  Daraus 
geht  also  hervor,  dass  die  Flüssigkeiten  in  dem  Oedem  und  in 
den  Lymphgefässen  einige  Eigenschaften  mit  einander  gemein 
haben. 

37* 


Digitized  by  Google 


580 


Antbtiil  der  Urflunn  ul  der  Lymphbildung. 


Wäre  der  »o  eben  als  wahrscheinlich  hinge«  teilte  Zusammen- 
hang wirklich  erwiesen,  so  würde  sieh  die  Frage  erheben,  wie  und 
wann  kommt  die  Entstehung  des  tiewebeBaftes  zu  Stande  und  wie 
dringt  er  aus  den  Gewcbsräuuien  in  die  Lymphwurzeln.  — Da 
nun  bekanntlich  die  aus  Bindegewebe  geformten  Organe  i Klema- 
tis anschwellen,  wenn  sich  ein  Hemmniss  in  dem  Strom  der  Ve- 
nen einfindet,  welche  *das  Blut  aus  der  angeschwollenen  Kegion 
abftihren,  und  da  sich  damit  auch  die  Spannung  des  Bluts  in  den 
betreffenden  Capillaren  steigert,  so  ist  man  geneigt,  diese  letztere 
als  die  Ursache  des  Oedems  anzusehen.  Diese  Annahme  ist  aller- 
dings nicht  ohne  Weiteres  verwerflich,  aber  es  ist  doch  auch  be- 
denklich, sie  ohne  Weiteres  anzunehmen,  so  lange  mit  ihr  nicht 
erklärt  werden  kann , warum  die  chemische  Zusammensetzung  der 
m die  Gewebsräume  filtrirten  Flüssigkeit  so  sehr  von  der  der  Blut- 
flüssigkeit abweicht.  — Das  Wie  und  Warum  die  OedemfiUssigkeit 
in  die  Anfänge  der  Lymphgefässe  übergebt,  ist  so  lange  keiner 
Diskussion  fähig,  als  die  Anatomie  der  genannten  Gebilde  noch  itn 
Dunkeln  liegt. 

Selbstverständlich  scbliesst  die  Annahme,  dass  die  Lymphe  aus 
der  durch  Filtration  entstandenen  OedemfiUssigkeit  hervorgebt,  an- 
dere nicht  aus,  aber  es  giebt  für  dieselbe  noch  weniger  Gründe, 
als  für  die  Oedemhypothese.  Siehe  hierüber  die  erste  Auflage 
dieses  Lehrbuchs  U.  371. 

Nach  einer  verbreiteten  Annahme  soll  die  Lymphe,  indem  sie 
durch  die  Drüsen  geht,  verändert  werden ; dieses  wäre  auf  mehrere 
Arten  möglich.  In  den  Hohlräumen  der  letzteren  kommt  die  Drüse 
noch  einmal  mit  Blutgefässen  und  festsitzenden  Zellenhaufen  in  Be- 
rührung; der  Inhalt  der  erstem  ist  jedenfalls  und  der  der  letztem 
wahrscheinlich  anders  zusammengesetzt  als  die  LympfcBMd  darum 
ist  die  Bedingung  für  einen  endosmotischen  Austausch  ge^K:n.  Beim 
raschen  Lymphstrom  ist  er  wohl  wegen  der  kurzen  Beruh rungseeit 
der  betreffenden  Säfte  von  sehr  untergeordneter  Bedeutung.  — In- 
sofern die  weiteren  Lymphgefässe  sich  in  der  Drüse  noch  einmal 
in  feinere  Gefasse  auflösen,  und  die  in  den  Drüsenraum  eingedrun- 
gene  Lymphe  sich  auch  zwischen  die  Zellenhaufen  ergiesst,  können 
feste,  in  ihr  aufgeschwemmte  Körperchen  dort  zurückgehalten  wer- 
den. So  findet  man  z.  B.  Zinnoberkörnchen  in  den  AchseldrUsen, 
wenn  an  dem  Vorderarm  vor  Jahren  Tätowirungen  vorgenonunen 
wurden.  In  gesunden  Verhältnissen  scheint  jedoch  nur  selten  Ver- 
anlassung zur  Filterwirkung  der  Drüsen  gegeben  zu  sein,  da  fein- 


Mechanik  des  Lymphnjroms. 


581 


körnige  Fette  erfahrnngsgemäss  sehr  leicht  durch  die  letzteren  hin- 
dmrcbgehen.  Vielleicht  ist  es  in  Krankheiten  anders.  — Endlich 
bersten  die  in  den  Drllsenranm  hineinhängenden  Blutgefässe  sehr 
leicht;  darum  sieht  man  sehr  oft  eine  bis  dahin  farblos  ansflies- 
sende  blntscheibenfreie  Lymphe  einen  Stich  in  das  Rothe  annehmen ; 
legt  man  nun  die  Drtlse  bloss,  so  ist  sie  an  dem  einen  oder  andern 
Theil  durch  und  durch  roth  gefärbt. 

Die  Körperchen,  welche  die  Lymphe  aufgeschwemmt  enthält, 
werden  ihr,  wenn  nicht  auschliesslich,  so  doch  jedenfalls  zum  grössten 
Theil  erst  in  der  Drüse  beigemengt.  Dieses  geht  aus  den  auf  S.  574 
mitgetheilten  Beobachtungen  hervor.  Mit  der  Feststellung  dieser 
Thatsache  sind  allerdings  die  älteren  anatomischen  Angaben-  Uber 
die  Entstehung  der  Lymphkörperchen  beseitigt,  die  von  der  Vor- 
aussetzung ausgingen,  dass  sich  die  letzteren  frei  schwimmend  in 
der  Lymphflüssigkeit  selbst  bildeten,  aber  es  ist  damit  noch  nicht 
ihre  wahre  Formfolge  aufgedeckt.  Die  meisten  Anatomen  scheinen 
sich  die  Annahme  zuzuneigen,  dass  sich  die  neuen  Körperchen 
durch  Theilung  der  schon  vorhandenen  bilden.  Als  Hindeutungen 
auf  diese  Entstehungsart  sieht  man  es  an,  dass  die  Kerne  derLymph- 
zellen  öfter  zwei  und  mehrere  Kernkörperchen  enthalten,  dass  die 
Kerne  öfters  von  der  Seite  her  eingebuchtet  sind,  als  wollteu  sie 
sich  spalten  und  andere  ähnliche  Erscheinungen  von  ebenso  geringer 
Beweiskraft.  — Ebenso  allgemein  sieht  man  die  kleinere  Gattung 
von  Lymphkörperchen  als  eine  Vorstufe  der  Blutkörperchen  an, 
tfaeils  weil  neben  merklichen  Unähnlichkeiten  doch  anch  gewisse 
Aehnlichkciten  in  der  Form  und  Grösse  zwischen  den  beiden  Zel- 
lenarten hfMMteftails  weil  man  keine  andere  Quelle  der  Blnt- 
körperchei^H^^en  weise. 

5.  Lymphstrom.  Die  Spannungen  und  Geschwindigkeiten,  welche 
der  strömenden  Lymphe  zukommen,  sind  jedenfalls  unbedeutend. 
Für  die  Spannung  der  Lymphe  hat  dieses  Noll  erwiesen  durch 
das  Manometer,  welches  er  bei  Hunden  und  Katzen  in  den  Hals- 
stamni  einsetzte,  ln  diesen  Versuchen  schwankte  die  Spannung 
zwischen  10  bis  30  MM.  Wasserdruck.  Die  Giltigkeit  dieses  Ver- 
haltens kann  auch  für  den  Lymphstrom  des  Menschen  behauptet 
werden,  weil  die  Wandungen  der  Gefässe  bei  gleichem  Durchmesser 
ihres  Lichten  von  einer  ähnlichen  Dicke  sind,  wie  die  des  Hundes. 
— Die  Geschwindigkeit  «des  Lympbstromes  muss  schon  darum  un- 
bedeutend sein,  weil  die  langen  und  engen  Gefässe,  no'ch  mehr 
aber  die  Lymphdrtfsen , einen  so  grossen  Widerstand  einfUliren.  Zu- 


V 


582  Triebkräfte  des  Stroms. 

dem  strömt  im  günstigsten  Fall  aus  dem  geöffneten  Halsstamm  des 
Hundes  die  Flüssigkeit  nur  tropfenweise  ab.  — Die  Richtung  des 
Stromes  muss  unter  allen  Umständen  von  den  Wurzeln  nach  den 
Venen  gehen ; dieses  ergiebt  sieh  ganz  einfach  aus  der  besonderen 
Anordnung  der  Klappen,  welche,  bekanntlich  in  sehr  kurzen  Zwischen- 
räumen aufeinander  folgend,  so  gestellt  sind,  dass  sie  den  .Strom 
nur  in  der  bezeichneten  Richtung  möglich  machen.  — Zu  den  Mit- 
teln, welche  die  Spannung  und  llewegung  der  Lymphe  unterhalten, 
zählen , wie  Noll  nachgewiesen , jedenfalls  die  Respirationsbewe- 
gungen und  die  Pressungen,  welche  die  umliegenden  Muskeln  ge- 
radezu oder  auf  Umwegen  auf  die  Gefässe  austiben.  — Beide  Ein- 
flüsse wirken  hier  ganz  in  derselben  Weise,  wie  diess  ausführlich 
beim  Blntstrom  besprochen  wurde  (pag.  142  u.  f.):  Ausserdem  kann 
nicht  wohl  bestritten  werden,  dass  auch  zeitweise  die  Muskeln  in 
der  Wand  des  Lympbgefässes  dem  Inhalte  eine  Bewegung  init- 
theilen  werden.  Daneben  steht  aber  auch  fest,  dass  diese  drei  Um- 
stände gewiss  nicht  die  einzigen  Triebfedern  des  Lymphstromes 
darstellen.  Denn  cs  besteht  auch  noch  eine  Lymphbewegung  an 
Orten,  wo  keine  Muskeln,  weder  innerhalb  noch  jenseits  der  Mus- 
kelwand,  wirksam  sein  können,  wie  z.  B.  in  den  Lymphgefässen 
der  Knochen  und  in  den  Anfängen  der  Lymphgefässe  mit  muskel- 
freien Wandungen;  zudem  ergiebt  die  Beobachtung  der  blossgeleg- 
ten Lymphgefässe  oder  des  in  sie  eingefiigten  Manometers,  dass 
der  Strom  oft  unter  derselben  Spannung  lange  Zeit  hindurch  an- 
hält, ohne  irgend  welche  sichtbare  Veränderung  in  dem  Durch- 
messer des  Gefässes  oder  ohne  dass  irgend  welche  Zusammenzie- 
hung in  den  umgebenden  Muskeln  bemerklich  ist.  Endlich  erfolgt 
aber,  wie  aus  den  Beobachtungen  von  Stanniua™)  hervorgeht, 
auch  noch  die  Lymphbewegung  in  todtenstarren  Gliedern  (?).  Die 
Respirationsbewegnng  kann  aber  nicht  Ursache  des  dauernden  Stro- 
mes sein,  da  sie  selbst  in  der  Nähe  der  KinmUndung  des  Gefässes 
in  die  Vene  nur  sehr  unbedeutende  Spannungsverändernngen  er- 
zeugt und  keinesfalls  jenseits  der  Drüse  hinwirkt;  die  mögliche  Un- 
abhängigkeit unseres  Stromes  von  diesen  Bewegungen  wird  aber 
am  besten  durch,  den  bekannten  Versuch  erwiesen,  dass  ein  Ge- 
fä8S,  wenn  .es  auch  zugeschnürt  ist,  sieh  zwischen  den  Wurzeln  und 
dem  Unterbindungsfaden  strotzehd  anfüllt,  obwohl  sich  durch  die 
unterbundene  Stelle  hindurch  die  Folgen  der  Respirationsbewegung 

•)  Archiv  flir  ptiyaiolog.  Heilkunde.  XI.  2.1. 


Digitized  by  Google 


Zufuhr  neuer  Blutbcstnndtheile  durch  die  Speisen. 


583 


gar  nicht  geltend  machen  können.  — Nach  allem  Diesen  liegt  es 
nahe,  zu  vermuthen,  dass  die  Gewalt,  welche  die  Flüssigkeit  in  die 
Gefässe  treibt,  auch  die  Fortführung  durch  dieselben  zu  vermitteln 
möge.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  ist  es  nun  bemerkenswert!!, 
dass  auch  am  todten  Thierc,  bevor  der  Inhalt  der  Gefässe  geron- 
nen , der  Lymphstrom  nntcrbalten  werden  kann , wenn  man  durch 
Einspritzung  von  Wasser  in  die  Blutgefässe  eine  wassersüchtige 
Ansehwellung  der  Gewebe  bewirkt-*  und  dass  die  Spannung,  unter 
der  die  Lymphe  strömt,  sich  steigert  mit  der  zunehmenden  Anfül- 
lung  des  Unterhautzellgewebes  (Noll).  — Noch  mehr  aber,  dass 
der  Lymphstrom  wenn  nicht  ganz  aufhört,  so  doch  wenigstens  sehr 
verlangsamt  wird,  wenn  die  Blutcirculation  in  der  untern  Extremi- 
tät nahebei  oder  ganz  unterdrückt  ist  (Bisehoff,  Meder*). 

Zufuhr  neuer  Blutbestandtheüe  durch  die.  Speisen. 

Der  Verlust,  den  der  thierische  Körper  an  wägbaren  Atomen 
erleidet  durch  Ausscheidung  von  Ham,  Koth,  Dunst,  Epithelial- 
zellen, Hamen,  Milch  u.  s.  w.,  erfährt  seine  Ausgleichung  durch 
eine  Aufnahme  von  festen,  flüssigen  und  gasförmigen  Stoffen.  Da 
wir  bei  der  Athmung  schon  das  Eindringen  des  Sauerstoffs  be- 
sprochen haben,  so  bleibt  es  uns  hier  noch  übrig,  den  Gewinn  an 
festen  und  flüssigen  Massen  zu  behandeln,  welche  durch  den  Darm- 
kanal hindurch  in  das  Blut  eindringen. 

A.  Nalirungsbedürfniss**). 

Eine  Reihe  von  eigenthttmliehen  Empfindlingen,  die  wir  Hunger 
und  Durst  nennen,  bestimmt  den  Menschen  Nahrung  aufzunehmen. 

1.  Der  Hunger  drückt  sich  durch  eine  nagende  oder  drückende 
Empfindung  in  der  Magengegend  aus;  wenn  sie  einige  Zeit  be- 
standen, so  gesellt  sich  zu  ihr  eine  unbehagliche,  leidenschaftliche 
Stimmung  und  der  bestimmt  ausgesprochene  Wunsch  nach  fester 
Nahrung. 

Die  Nerven,  welche  den  Hnnger  veranlassen,  scheinen  bei  nie- 
deren Graden  desselben  die  sensiblen  Magcnncrvcn  zu  sein.  Bei 
höhern  Graden  des  Hungers  scheinen  sich  dagegen  an  seiner  Er- 
zeugung auch  die  sensiblen  Nerven  des  Dünn-  und  Dickdarms  zu 

% *)  Meder  in  Meisuneni  Jaltrcob.  fllr  1858.  p.  219. 

*•)  Volk  tu  a u n , Hiimlwortcrl.mh  der  Physiologie.  FI.  588.  — Longe  t.  Anatomie  et  phynlo- 
logl«*  du  «yijtome  nervenx.  II.  p :H7.  — Moleachntt,  Die  Physiologie  der  NfthnmgvtnltTfel, 
(ilewCi),  1859.  178.  — Husch  in  Virchovr'u  Archiv.  XIV.  140. 


Diqilized  by  Google 


584 


Hunger  durch  Erregung  der  Magen-  und  Dannnerven. 


betheiligen,  und  vielleicht  auch  noch  andere  weit  und  zahlreich 
durch  den  Organismus  verbreitete  Nervenmassen. 

Für  den  Antheil  der  Nerven  des  Magens  spricht  die  örtliche 
in  dem  genannten  Organ  anftretende  Empfindung,  vorausgesetzt, 
dass  die  Gefühle  des  Magens,  gerade  so  .wie  die  aller  übrigen 
empfindenden  Flächen  nur  ausgelösst  werden  durch  die  Nerven, 
welche  sich  in  ihnen  verbreiten.  Diese  Annahme  findet  noch  darin 
ihre  weitere  Bestätigung,  dass  der  schwach  gradige  Hunger  durch 
passende  örtliche  Einwirkungen  auf  den  Magen  gestillt  werden 
kann.  So  wird  namentlich  unmittelbar  nach  der  Anfüllung  des 
Magens  mit  Speisen  und  insbesondere  bevor  die  eingeführte  Nah- 
rung verdaut  oder  in  merklicher  Menge  in  das  Blut  aufgenommen 
ist,  der  Hunger  gestillt.  Auch  stellt  sich  häufig  der  Hunger  nicht  ein, 
wenn  die  Absonderung  aus  der  Magenschleimhaut  verändert  oder 
die  Anfüllung  ihrer  Blutgefässe  jenseits  eines  gewissen  Grades  ge- 
steigert ist,  obwohl  sonst  noch  so  gute  Gründe  für  seinen  Eintritt 
vorhanden  sein  mochten. 

Der  Versuch , mittelst  Nervendurchschneidungen  ins  Klare  zu  kommen  , scheint 
bis  dahin  erfolglos  geblieben  zu  sein.  Es  wurde  allerdings  Übereinstimmend  festge- 
stellt,  dass  Thiero,  deren  nn.  vagi  am  Halse  durchschnitten  waren,  unter  Umständen 
noch  begierig  die  Vorgesetzte  Speise  verzehrten  (Reid,  Longet,  Bidder  u.  A.), 
und  dass  ebenso  Katzen  nach  DurchBchneidung  der  nn.  splanchnici  noch  fräsen  (II aff- 
te r,  C.  Ludwig);  aber  diese  Beobachtungen  widerlegen  keinenfaUs  die  Annahme, 
dass  sich  an  die  genannten  Nerven  die  Hungerempfindung  knüpfe , da  noch  mannigfal- 
tige andere  und  namentlioh  psychische  Gründe  Veranlassung  zur  Aufnahme  der  Speisen 
geben  können.  Diesen  letzteren  müsste  man  cs  allerdings  Schuld  geben , wenn  den 
speisesuchenden  Thieren , wie  es  Longet  ausführte,  neben  den  nn.  vagi  auch  noch 
die  Geschmacksnerrcn  durchschnitten  wurden. 

Andererseits  kann  aber  auch  der  Hunger  bestehen  trotz  einer 
andauernden  Anfüllung  des  tüchtig  verdauenden  Magens  mit  leicht 
verdaulichen  Speisen.  Dieses  'geschieht  namentlich , wenn  die  im 
Magen  veränderten  Speisen  wegen  einer  bestehenden  organischen 
Verengung  des  pylorus  oder  einer  Dünndarmfistcl  nicht  in  den 
Dünndarm  übergehen  und  also  auch  nicht  der  Blntbildung  zu  Gute 
kommen.  In  diesen  Fällen  verschwindet  allerdings  nach  dem  Essen 
das  lästige  vom  Magen  ausgehende  Gefühl,  aber  es  bleibt  immer 
noch  ein  mächtiger  Antrieb  zur  Aufnahme  von  Speisen  zurück. 
Dieser  letztere  kann  dagegen  gestillt  werden,  wenn  in  den  Dünn- 
und  Dickdarm  Nahrung  eingebraeht  und  diese  von  dort  in  das 
Blut  Ubergeführt  wird  (Tiedemann,  "Longet,  Busch).  — Aus 
diesen  Thatsacheu  kann  man  zunächst  nur  folgern,  dass  hei  dauern- 


Digitized  by  Google 


Bedingungen  zur  Erzeugung  und  Stillung  des  Hungern  585 

der  Entziehung  der  Speisen  nicht  allein  der  Magen  sondern  anch 
die  übrigen  Darmstücke  den  Hunger  anregen.  Für  den  weiteren 
Schluss,  den  man  gezogen,  dass  alle  Empfindungsnerven  des  Kör- 
pere ihre  mangelhafte  Ernährung  zum  Bewusstsein  bringen,  Hegen 
keine  Beweise,  aber  auch  keine  Gegengründe  vor,  es  sei  denn,  man 
wolle  unter  die  letzteren  die  Erfahrung  zählen,  dass  trotz  der 
höchsten  Abmagerung  alle  Lust  znm  Fressen  fehlt,  wenn  die  Ver- 
dauungswerkzeuge auch  nur  von  einer  leichten  krankhaften  An- 
wandlung ergriffen  sind. 

Die  Veränderungen,  welche  die  Säfte  oder  Organe,  in  welche 
die  Hungernerven  eingebettet  sind,  erleiden  müssen,  um  die  Erre- 
gung dieser  letztem  zu  veranlassen,  kennen  wir  nicht ; statt  dessen 
sind  uns  nur  einige  ganz  allgemeine  Bedingungen  bekannt,  unter 
denen  sie  entsteht.  Namentlich  stellt  sich  der  Hunger  ein  nach 
längeren  Enthaltungen  der  Nahrung;  die  Zeit,  welche  nach  einer 
Mahlzeit  verstreichen  muss,  bevor  sich  das  Bedürfnis  nach  einer 
neuen  einfindet,  variirt  mit  der  Menge  zuletzt  aufgenommener  Nah- 
rung und  mit  dem  Blutverbraneh  während  der  Enthaltung  von  der- 
selben; so  beschleunigen  Muskelanstrengungen,  Entleerungen  blut- 
ähnlicher Flüssigkeiten  (Samen-,  Milch-,  Eiterverlust),  Ablagerungen 
von  Blutbestandtheilen  in  die  Gewebe  (Wachsthum,  Erholungssta- 
dium  nach  Krankheiten)  den  JEintritt  desselben.  — Ferner  ist  sein 
Kommen  abhängig  von  seelischen  Erregungen,  indem  er  sich  ein- 
stellt zu  gewissen  Tageszeiten,  an  denen  wir  gewöhnt  sind  zu 
essen;  man  vermuthet  in  diesem  Falle  die  Abwesenheit  von  Be- 
dingungen, die  den  vorher  erwähnten  ähnlich  sind , weil  ein  solcher 
flunger  auch  leicht  wieder  verschwindet,  ohne  dass  das  Nahrungs- 
bedürfitiss  durch  Aufnahme  von  Speise  befriedigt  wurde. 

Man  giebt  auch  an,  dass  der  Genuss  einiger  stark  schmeckender  Stoffe,  wie  z.  B. 
des  Pfeffers,  essbarer  Seethiere  (Austern,  Häringe)  u.  s.  w.)  Hunger  erregt  (?). — Ueber 
tynen  pathologischen  Hunger,  den  sogenannten  Bulimus  siehe  Moleschott  am  be- 
zeichneten  Orte  p.  185. 

Die  Stillung  des  Hungere  kann  entweder  geschehen  durch  die 
Abstumpfung  der  Erregbarkeit  oder  durch  Entfernung  der  erregenden 
Ursache.  — Auf  den  erstem  Fall  wird  man  schliessen,  wenn  das 
Gefühl  nach  längerem  Bestehen  verschwindet,  auch  ohne  dass 
Nahrungsmittel  aufgenommen  sind,  oder  wenn  Arzneistoffo,  die  die 
Erregbarkeit  abstumpfen,  wie  z.  B.  Tabak,  Opium,  Alkohol  u.  s.  w., 
genossen  wurden.  — Die  Entfernung  der  erregenden  Ursache  ist 


Dioitized  bv  Google 


586 


I 


Durst. 


gegeben,  wenn  der  Magen  oder  der  Darrakanal  mit  verdauungs- 
fahigen  Speisen  erfüllt  wnrde. 

Nach  einer  AnfUllnug  des  Magens  tritt  auch  noch  ein  anderes 
Gefühl,  das  der  Sättigung  hervor,  welches  als  das  bestimmte  Zeichen 
für  das  Genug  der  Nahrung  angesehen  werden  muss.  Dieses  hängt 
wahrscheinlich  von  verschiedenen  Umständen  ab,  namentlich  aber 
scheint  es  begründet  zu  sein  in  dem  Drucke,  welchen  die  Umgebung 
des  Magens,  insbesondere  die  Bauchdecken,  durch  die  Anfitllung 
desselben  erfahren. 

2.  Durst.  Das  Gefühl,  als  dessen  nächstes  seelisches  Resultat 
das  Begehren  nach  Wasser  auftritt,  äussert  sich  als  eine  Empfindung 
der  Rauhigkeit  und  des  Brennens  in  der  hintern  Schlundwand,  dem 
weichen  Gaumen  und  der  Zungenwurzel.  — Die  Nerven,  deren 
Erregung  sich  als  Durst  ausdrückt,  liegen  wahrscheinlich  auch  an 
den  eben  genannten  Orten,  da  eine  isolirte  Durchtränkung  derselben 
den  Durst  mindert  oder  aufhebt.  Wir  haben  so  die  noch  unent- 
schiedene Wahl  zwischen  Vagus,  Glossopharyngeus,  Trigeminus.  — 
Die  Durstempfindung  stellt  sich  ein,  wenn  der  prozentische  Wasser- 
gehalt der  Gaumen-  und  Rachenhaut  unter  einen  gewissen  Werth 
sinkt,  wie  dieses  z.  B.  geschieht  nach  reichlichem  Wasserverlust 
des  Blutes,  ohne  den  entsprechenden  an  festen  Bestandteilen  (Wasser- 
abschcidung  durch  Haut  und  Lungen),  oder  nach  örtlicher  Ein- 
trocknung des  Mundes  durch  eingezogene  Luft,  oder  nach  dem 
Genuss  salziger,  wasseranziehender  und  wasserabflihrender  .Stoffe. 
Die  obige  Definition  schliesst  die  Folgerung  in  sich,  dass  ein  gleicher 
Verlust  an  Wasser  und  den  wesentlichen  festen  Thcilen  selbst  bei 
vollkommener  Entbehrung  des  Wassers  nicht  zuin  Durst  führen  kann. 
Diese  Behauptung  hat  Chossat  durch  den  Versuch  bestätigt, 
welcher  zeigte,  dass  die  Thiere,  denen  die  festen  Speisen  bis  zum 
Verhungern  entzogen  waren,  auch  das  Wasser  entweder  ganz  ver- 
schmähten oder  nur  sparsam  benutzten,  welches  ihnen  in  der  Hunger- 
zeit  gereicht  wurde.  — Die  Stillung  des  Durstes  ist  möglich  sowohl 
durch  örtliche  Befeuchtung  des  Rachens,  als  auch  durch  Einführung 
von  Wasser  in  das  Blut,  gleichgiltig,  ob  es  dorthin  durch  den 
Magen,  durch  den  Dickdarm  oder  durch  direkte  Einspritzung  in 
die  Venen  gelangte. 

3.  Das  Nahrungsbegebren  beschränkt  sich  aber  bekanntlich 
nicht  blos  darauf,  Stoffe  festen  und  flüssigen  Aggregatzustandes 
zu  verlangen,  es  dringt  auf  Stoffe  ganz  bestimmter  Zusammen- 
setzung, die  sog.  Speisen,  und  unter  diesen  wählt  es  je  nach  dem 


Digitized  by  Google 


587 


t Wahl  der  Nahrung.  > 

Bedürfniss  de»  Organismus  auch  noch  die  eine  oder  andere  vorzugs- 
weise aus.  Die  Gründe,  welche  bei  dieser  Wahl  das  höhere  Thier 
vorzugsweise  bestimmen,  liegen  offenbar  in  den  Geruchs*)-  und 
Geschmackswcrkzengen , in  dem  Temperaturgrad  des  Körpers  und 
der  Speisen,  in  dem  Widerstand,  den  die  letzteren  beim  Kauen 
den  Zähnen  entgegensetzen,  in  Erinnerungsbildern  u.  s.  w.  Keinem 
falls  kann  aber  eine  spezifische  und  prädestinirtc  Beziehung  zwischen 
dem  Nabrungsbegehren  und  der  Nährfähigkeit  der  geforderten  Sub- 
stanz angenommen  werden;  denn  es  verschmäht  bekanntlich  ein 
Hnnd  das  Fleisch,  wenn  es  vollkommen  mit  Wasser  ausgezfigen, 
von  allen  schmeckenden  Substanzen  befreit  ist,  trotz  seiner  aus- 
gezeichneten Fähigkeit  die  Ernährung  zu  unterstützenj  die  unver- 
daulichen Sägespähne  aber,  welche  mit  Bratenbrllhe  besprützt  sind, 
frisst  er  begierig. 

4.  Dem  Nahrungsbegehren  steht  der  Ekel  entgegen ; veranlasst 
wird  dieser  seelische  Zustand  durch  unbestimmte  Empfindungen  in  der 
Racheubühle,  ähnlich  denen,  welche  einem  Brechanfall  vorausgehen ; 
es  scheint  demnach , als  ob  ihn  die  nn.  vagus  oder  glossopharyngeus 
einleiteten.  Da  zu  den  ihn  erregenden  Umständen  Kitzeln  der 
Sachen  höhle,  Sehleimanhäufungen  daselbst,  gewisse  Gertlche  und 
Gesehmäckc  und  Erinnerungen  an  diese  letzteren  gehören,  so  ist 
es  begreiflich,  dass  sich  der  Ekel  ebensowohl  gegen  die  Nahrung 
überhaupt  als  auch  gegen  einzelne  Speisen  richten  kann. 

B.  Nahrung.**) 

1.  Der  unwiederbringliche  Verlust  des  Blntes  licss-sich  schliess- 
lich zurtlckftlhren  auf  den  seines  Wassers,  seiner  Mineralsalze, 
seiner  Fette  und  Eiweissstoffe ; also  muss  die  Nahrung  diese  Ver- 
bindungen entweder  geradezu  eiubringen,  oder  wenigstens  solche 
Stoffe,  aus  denen  jene  Atomcombinationen  innerhalb  des  thicrischen 
Körpers  horvorgehen  können.  Diese  neu  cinzuftihrenden  Atome 
müssen  jedoch,  wenn  si<?  den  Fett-  und  Kiweissverlust  ersetzen 
wollen,  in  Verbindungen  anlangen,  welche  ärmer  an  Sauerstoff  sind, 
als  die,  in  welchen  sie  den  Organismus  verlassen,  da  sie  in  diesem 
dann  doch  endlich  jedesmal  oxydirt  werden;  ausserdem  müssen 

•)  Schiff,  l'ntersochungfn  zur  Naturlehre  s.  Molcschott  VI.  ‘2M. 

»•)  Molcschott.  Physioloffle  der  Nahrungsmittel.  Giessen.  ltfcKL  — Artmann,  Die  Lehre 
von  den  Nahrungsmitteln.  Prag.  1859.  Du  «rstere  dieser  beiden  Werke  erörtert  in  grosser  Aus- 
führlichkeit die  ganze  Physiologie  der  Nahrung;  das  letzter«  tritt  ergänzend  ein,  Insofern  e#  die 
Anfbewahrnng  and  Fälschung  der  Nahrung« mittel  nach  dem  nettesten  Stunde  bespricht.  — FI  i I d c s - 
heim.  Versuch  einer  Normsldiät.  Berlin  1856.  Dieses  giebt  anf  Grundlage  meist  bekannter  TtuU- 
sachen  Derer hnungon  der  zum  Bedarf  nothwendlgen  Nährmittel 


. Dipitizedby  Google 


588 


Nothwendige  Besiandtheile  der  Nahrung. 


auch  die  Verbindungen  der  Nahrungsmittel  mehr  Spannkräfte  führen 
als  die  Auswürflinge,  da,  der  thierische  Körper  tbeils  bei  der  Wärme- 
bildung  und  tbeils  bei  der  Muskelzusammenziehung  Spannkräfte 
in  lebendige  umsetzt.  — Diese  Bestimmungen  sind  nun,  wie  man 
leicht  einsieht,  noeh  lange  nicht  genügend,  um  die  besondere  Com- 
bination  der  nährenden  Atome  festzustellen,  da  sich  in  der  That 
die  geforderten  Bedingungen  auf  unzählige  Weisen  erfüllen  lassen, 
wenn  dem  Darmkanale  oder  seinen  Hilfswerkzengen  die  Befähigung 
zukommt,  beliebige  sauerstoffarme  C-»  H-,  N-verbindungen  zu  Eiweiss 
und- Fett  zusammenzuordnen.  Diese  Unbestimmtheit,  welche  die 
theoretische  Feststellung  der  Nahrungsmittel  übrig  lässt,  hat  die 
Erfahrung  kurzweg  beseitigt  Sie  zeigte  nemlicb  dass  den  Ver- 
dauungswerkzeugen die  oben  vorausgesetzte  combinatorische  Be- 
fähigung abgehe,  und  zwar  geschah  dieses  durch  den  schlagenden 
Versuch , dass  die  Thiere  unrettbar  dem  Hungertode  entgegengehen, 
wenn  ihnen  die  im  Eiweiss  und  Fett  enthaltenen  Atome  in  anderen 
Verbindungen  als  gerade  in  diesen  gereicht  werden.  Demgemäss 
müssen  in  der  Nahrung  mindestens  enthalten  sein : eiweissartige 
Stoffe  (Fibrin,  Casein,  Albumin  etc.),  Fette  (Olein,  Stearin,  Mar- 
garin,  Palmitin),  Natron,  Kali,  Eisenoxyd,  Magnesia,  Kalk,  Chlor, 
Fluor,  Phosphorsäure,  Wasser.  Die  obigen  Ableitungen  lassen  es 
aber  begreiflich  zu,  dass  in  den  Nahrungsmitteln  neben  den  auf- 
gezäblten  noch  andere  Verbindungen  enthalten  sein  können,  da  sie 
nicht  behaupten,  dass  nur  mit  Fetten  und  Eiweiss  u.  s.  w.  die 
Zwecke  des  thierischen  Körpers  erreicht  werden  könnten.  Im  Ge- 
gentheil , ist  es  sogleich  einleuchtend , dass  dieses  nach  der  einen 
oder  andern  Seite  hin  auch  mittelst  der  ersten  Abkömmlinge  der 
Eiweissstoffe  und  Fette,  oder  mit  Hilfe  von  Atomgruppen  geschehen 
könne,  die  jenen  Abkömmlingen  nach  Zusammensetzung  und  Eigen- 
schaften nahe  stehen.  In  der  That  enthalten  die  wirklich  aufge- 
nommenen Nahrungsmittel  auch  noch  solche  Gruppen,  von  denen 
bervorzuheben  sind : Kohlenhydrate  (Amylon , Dextrin , Zucker) ; 
von  diesen  werden  die  beiden  erstcren  mindestens  bis  zum  Zucker 
nmgewandelt.  Obwohl  Zucker  aus  anderen  Stoffen  im  Thierleibe 
selbst  gebildet  wird  (Leber,  Muskeln),  so  führt  ihn  doch  selbst  die 
natürliche  Nahrung  des  Säuglings  (Milchzucker);  der  Erwachsene 
sucht  die  Kohlenhydrate  so  begierig,  dass  cs  sogar  fraglich  wird, 
ob  sie  nicht  zu  den  absolut  nothwendigen  Nahrungsmitteln  zählen. 
Die  Nahrung  enthält  ferner  leimgebende  Stoffe  (Bindegewebe  und 
Knorpel);  diese  sind  häufig  aber  keineswegs  notli wendig.  Endlich 


by  Google 


Dlgitizec 


Verhältnis*  der  Bestandteile  in  der  Nahrung. 


589 


enthält  die  Nahrung  häufig  organische  Säuren  (Essig-,  Milch-, 
Aepfiel-,  Citronensäure)  und  deren  Salze.  4 

2.  Die  Nahruug,  welche  das  Leben  erhalten  soll,  muss  also 
ein  Gemenge  mindestens  von  Eiweiss,  Fetten  und  den  bezeiehneten 
Mineralien  sein,  zu  ihnen  gesellen  sich  meist  noch  Kohlenhydrate. 
Die  Gewichtsverhältnisse  der  einzelnen  Nahrungsmittel  in  diesem 
Gemenge  sind  keine  cönstanteu,  wie  die  oberflächlichste  Betrachtung 
der  menschlichen  Nahrung  ergiebt.  Diese  Erscheinung  ist  erklärlich, 
wenn  man  die  Umsetzungen  ln  und  die  Ausscheidungen  aus  dem 
thieriseben  Körper  betrachtet.  Denn  es  stellt  sich  dieser  letztere 
als  eine  Zusammensetzung  sehr  mannigfaltiger  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  von  einander  unabhängiger  Zersetzungsherde  heraus.  Je 
nachdem  nnn  in  dem  einen  oder  andern  die  Umsetzung  sich  min- 
dert oder  mehrt,  muss  sieh  also  bei  gleich  bleibendem  Umsatz  der 
einen  Stoffgruppe  derjenige  einer  anderen  veränderlich  gestalten. 
Statt  aller  erinnern  wir  nur  an  die  eine  hierher  gehörige  Erscheinung, 
dass  die  Ausscheidung  des  N-gases,  Harnstoffes,  Wassers,  Koch- 
salzes n.  s.  f.  durch  Lunge,  Niere  und  Haut  einen  veränderlichen 
Betrag  gewann  mit  dem  Gehalte  des  Eiweisses,  Amylons,  Wassers 
u.  s.  w.  in  der  Nahrung  selbst.  — So  umfangreich  nun  aber  auch 
der  prozentige  Gehalt  der  einzelnen  Bestandtheile  in  der  Gesammt- 
nahrung  wechseln  kann,  so  ist  er  doch  auch  wieder  in  gewisse 
Grenzen  eingcschiossen ; namentlich  darf  als  feststehend  gelten: 
a)  in  der  Nahrung  nimmt  das  Wasser  das  grösste  und  die  feuer- 
festen Mineralhestandtheile  das  geringste  Gewicht  ein ; in  der  Mitte 
zwischen  beiden  liegen  die  organischen  .Stoffe.  — b)  Der  Nahrung, 
welche  für  die  Dauer  das  Leben  erhalten  soll,  darf  niemals  fehlen 
Wasser,  die  aufgezählten  Salze  und  die  Eiweissstoffe;  fraglich  igt 
dagegen,  ob  der  Nahrung  des  Menschen  das  Fett  entbehrlich  ist, 
vorausgesetzt  dass  es  durch  Kohlenhydrate  ersetzt  wird.  — c)  Bei 
einer  Steigerung  der  Fette  und  Kohlenhydrate  dürfen,  unbeschadet 
der  Lebenserhaltung,  die  prozentigen  Werthc  der  Ei weissstoffe  ab- 
nehmen und  amgekehrt.  — Weitere  Zusätze  zu  diesen  Bemerkungen 
giebt  noch  der  Abschnitt  Uber  Vergleichung  von  Einnahme  und 
Ausgabe. 

3.  Damit  dieses  Gemenge  aber  nährfähig  sei,  mnss  noch 
Folgendes  erfüllt  sein:  a)  die  einzelnen  Nahrnngsbcstandtheile  müssen 
in  ihm  in  der  Art  Vorkommen,  dass  sie  von  den  verdauenden  Sätlen 
in  Blutbestandtheile  umgewandelt  werden  können.  Namentlich 
müssen  also  die  Nahrnngsstoffe  nicht  in  einer  innerhalb  des  Darm- 


Pjgitized  by 


590 


Nährstoffe  und  Speisen. 


kannls  unlöslichen  und  unzersetzbaren  Verbindung  gereicht  werden, 
oder  sie  dürfen  nicht  von  unlöslichen  und  undurchdringlichen  Hullen 
umgehen  sein.  — b)  Da  die  Nahrungsmittel,  mit  Ausnahme  der 
Salze  und  des  nicht  nothwendigen  Zuckers,  sieh  gleichgiltig  gegen 
die  Nerven  verhalten,  so  mtlssen  sie  nervenerregende,  (schmeckende, 
heissende,  brennende  u.  dgl.)  Zusätze  erfahren.  Denn  nur  damit 
wird  es  möglich,  die  Speichel  - Magen-  und  Darmdrüsen,  die  unter 
dem  Einflüsse  der  Nerven  ahsonderu,  zur  Bildung  einer  genügenden 
Menge  verdauender  Säfte  zu  veranlasset.  Diese  Beigabe,  das  Gewürz, 
besteht  je  nach  der  Bildung  und  Empfindlichkeit  des  Geschmack- 
sinnes aus  sehr  verschiedenen  Stoffen. 

Wir  vergreisen  bezüglich  der  Gewürze  anf  Moloschott,  Artinann  und  Röch- 
le der*).  Man  findet  dort  auch  Mittheilungen  Uber  mancherlei  andere  Stoffe,  die  der 
Mensch  nur  des  Geschmackes,  oder  auch  der  Minierregung,  der  Verlangsamung  oder 
Beschleunigung  des  Stoffwechsels  n.  s.  w.  wegen  aufnimmt. 

4.  Speisen.  Die  Mischungen  einfacher  Nahrungsmittel  oder 
der  Speisen,  wie  sie  die  Natur  oder  Kunst  bietet,  sind,  voraus- 
gesetzt, dass  man  Rücksicht  auf  die  Nahrung  aller  Erdbewohner 
nimmt,  von  unsäglicher  Verschiedenheit,  je  nach  den  Eigentüm- 
lichkeiten des  Wohnortes,  der  Cnlturstufe  und  der  Race  der  sie 
geniesscndcu  Menschen.  Untersucht  man  aber  genauer  die  Werke 
der  Kochkunst,  welche  von  weitaus  den  meisten  Individuen  unter 
den  gebildeten  Nationen  verzehrt  werden,  so  gewahrt  man  bald, 
dass  diese  sich  im  Ganzen  doch  nur  weniger,  von  der  Natur  ge- 
botener Gemische , als  Elemente  ihrer  complizirten  Gerichte  und 
Mahlzeiten  bedienen.  Zu  diesen  natürlichen  Speisen,  anf  denen 
das  leibliche  Wohl  des  besten  Theiles  der  Menschheit  ruht,  ge- 
hört: das  Fleisch  einiger  Säugetiere  (der  Wiederkäuer,  weniger 
Nager  und  Dickhäuter),  einiger  Vögel  und  vieler  Fische,  die  Milch 
der  Wiederkäuer,  die  Eier  grosser  Vögel,  das  Mehl  von  Weizen, 
Roggen,  Gerste,  Hafer,  Mais,  Reis,  Bohnen,  Erbsen  und  Kartoffeln, 
einige  Baumfrüchte,  einige  Gemüse  (Rüben,  Kraut  u.  s.  w.)  und 
endlich  Quellwasser.  Zn  diesen  gemischten  Nahrungsmitteln  kommen 
schliesslich  noch  einige  einfache  Zucker,  Fette,  Oele  lind  Kochsalz. 

Da  der  grösste  Theil  derselben  erst  dann  gegessen  wird,  nach- 
dem er  in  der  Küche  mancherlei  Umwandlung  seines  natürlichen 
Zustandes  erfahren  hat,  so  wird  eine  physiologische  Betrachtung 
jener  Speisen  anf  diese  Umwandelungen  Rücksicht  zu  nehmen  haben. 

(IsnnssoiiltH  nwl  Grwlrtc.  Wien  I8i2. 


Digitized  by  V 


Nährfähigkeit  und  Verdaulichkeit  der  Speisen.  591 

Ganz  allgemein  betrachtet,  stellt  sich  nun  die  Kochkunst  drei  ganz 
verschiedene  Aufgaben.  Zuerst  mischt  sie  die  natürlichen  Speisen 
noch  weiter,  namentlich  setzt  sie  ihnen  mancherlei  Gewürze  bei; 
zweitens  befreit  sie  die  Nahrungsmittel  von  unverdaulichen  Beimen- 
gungen, nnd  endlich  verändert  sie  die  Auflöslichkeit  derselben  in 
den  Verdaaangssäften  in  der  Art,  dass  sie  die  Zeit,  welche  zu  ihrer 
Verdauung  nothwendig  ist,  entweder  verlängert  oder  abkürzt  Von 
diesen  drei  Einwirkungen  der  Kochkunst  sind  die  beiden  ersten 
entweder  so  vielfacher  Willkür  unterworfen,  oder  so  einfacher  Art, 
dass  sie  aus  der  folgenden  Betrachtung  ausfallen  müssen  oder 
können. 

Die  Lehre  von  den  Speisen  hat  zunächst  zu  ermitteln,  welche 
einfachen  Nahrungsstoffe  in  den  Speisen  enthalten  sind  und  in 
welchen  Verbindungen  und  Aggregatzuständen  sie  daselbst  Vor- 
kommen. Dieses  aufzudecken  ist  die  Aufgabe  der  chemischen  Ana- 
lyse, die  sich  dabei  natürlich  nicht  darauf  beschränken  darf,  den 
Gehalt  der  Speisen  an  C,  H,  N,  0 u.  s.  w.  anzugeben. 

Mit  der  noch  so  vollkommenen  Einsicht  in  das  chemische  Ver- 
halten ist  aber  noch  nicht  das  physiologisch  Wissenswttrdige  er- 
schöpft, da  die  Nährhfähigkeit  der  Speisen  auch  noch  abhängt  von 
der  Arbeit,  welche  der  Dannkanal  nöthig  hat,  um  die  Massenein- 
heit der  Nahrung  zu  verdauen,  oder  von  dem  Anthcile  der  genos- 
senen Speisen,  welcher  während  des  Durchgangs  durch  den  Dann- 
kanal überhaupt  aufgenommen  wird.  Allgemein  lässt  sich  jedoch 
hierüber  nichts  sagen,  da  der  Dannkanal  bei  verschiedenen  Men- 
schen nnd  zu  verschiedenen  Zeiten  seine  besonderen  noch  nicht  er- 
gründeten Eigenthümlichkeiten  bietet,  vermöge  deren  er  im  Stande 
ist,  in  gegebener  Zeit  mehr  oder  weniger  kräftig  verdauende  Wir- 
kungen ausznüben,  resp.  die  in  der  Speise  enthaltenen  Nahrungs- 
stoffe mehr  oder  weniger  vollständig  auszuziehen.  Im  einzelnen 
Falle  würde  man  Uber  die  Fähigkeit  des  Darmkanales,  eine  Speise 
ausznnlttzcn,  abgesehen  von  dem  Grade  der  Anstrengung,  die  hierzu 
nöthig  ist,  Aufschluss  erhalten,  wenn  man  jedesmal  eine  Probe 
der  Speise  und  den  nach  ihrem  Genuss  aus  dem  After  gestosscucn 
Koth  analysiren  würde. 

a.  Das  Fleisch,  welches  cur  Nahrung  verwendet  wird,  enthält:  eiweisshaltigc, 
leimgebende , elastische  Stoffe , Fette , sämnitliche  Salze  des  Mensehcnblute* , Wasser, 
und  Ausserdem  die  nur  als  Gewürze  zu  veranschlagenden  krystullisirendcn  organischen 
Be&iandtheile  der  Extractivstoffe.  — Die  Verhältnisse  dieser  Uemcngtheilo  zu  ein- 
ander sind,  die  gleichen  Thierarten  vorausgesetzt,  abhängig  1)  von  dem  Körpcrtheilc, 


592 


Fleisch. 


dem  der  Muskel  entnommen  wurde,  indem  damit  der  Durchmesser  der  Primitivschlauche 
und  die  Verbreitung  der  Bindegewebe  in  Verbindung  steht;  2)  von  dem  Grade  der 
Mästung,  welcher  den  Gehalt  an  Fett  und  an  durchtränkender  Flüssigkeiten  bestimmt; 


3)  von  der  AnfUllung  der  Muskelgefässe  mit  Blut;  4) 
g e r * ••) •••)),  dessen  Angaben  v.  Bibra  bestätigte,  fand 

von  dem  Alter; 

Schlossbcr- 

im 

Fleisch  des 

des  Kalbes  v 

des  Kalbes  v. 

Ochsen. 

12  Wochen. 

4 Wochen. 

In  kaltem  und  kochendem  Wasser  unlösl. 

17,5 

16,2 

15,0 

In  kaltem  lösl.,  in  kochend.  Wasser  unlösl. 
In  kaltem  und  kochendem  Wasser  löslich 

2,2 

2,6 

3,2 

(Salze,  Extrakte)  

2,8  . 

3,0 

2,2. 

Wasser 

77,2 

78,2 

79,7 

Das  Kalbfleisch  ist  somit  etwas  reicher  an  Wasser  und  coagulirbarem  Eiweiss  als  das 
des  Ochsen  und  nach  y.  Bibra**)  auch  leimhaltiger.  5)  Ueber  die  Zusammensetzung 
des  gleichnamigen  Mtfskels  verschiedener  Thiere,  deT  mittelst  des  Scalpells  möglichst 
von  Fett  und  Bindegeweben  befreit  war,  giebt  folgende  Tabelle  Aufschluss***). 


Ochse. 

Reh. 

Schwein. 

Huhn. 

Karpfen. 

In  kaltem  und  kochendem  Wasser  unlöslich 

15,8 

16,8 

16,8 

16,4 

12,0 

In  kaltem  Wasser  lösl.,  in  kochendem  unlÖBl. 

2,2 

1,9 

2,4 

3,9 

5,2 

In  kochendem  Wasser  löslich 

1,9 

— 

0,5 

— 

— 

In  kaltem  und  kochendem  Wasser  löslich 

2,8 

4,7 

2,5 

3,2 

2,7 

Wasser 

77,1 

74,9 

78,3 

77,3 

80,1 

Das  Fett  ist  im  Fleisch  auf  zweierlei  Art  vorhanden,  mechanisch  eingelagert  als  Fett- 
gewebe in  den  Bindostoflfen  zwischen  den  Muskelröhren  und  näch&tdem  in  chemischer 
Verbindung  mit  dem  Muskelgewebe.  Der  Gehalt  dieses  letzteren  scheint  bei  verschie- 
denen Thieren  von  wechselnder  Grösse  zu  sein,  denn  y.  Bibra  fand  nach  möglichst 
Yollkommner  Abscheidung  des  beigemengten  Fettes  im  trockenen  Brustmuskel  des 
Ochsen  21,9  pCt.,  des  Kalbes  10,5  pCt.,  des  Hammels  9,3  pCt.,  des  Rehes  7,9  pCt., 
des  Hasen  5,3  pCt.  +)•  — Das  beigemengte  Fett  ist  bekanntlich  nicht  allein  im  Ge- 
sammtgewicht  sehr  wechselnd,  sondern  es  ändert  auch  seine  Zusammensetzung  mit  dem 
Thiere,  indem  das  Fett  des  Schweines  flüssiger  (elainreicher),  das  der  Wiederkäuer 
fester  (stearin-  und  margarinreicher)  ist. 

Die  Salze  des  Fleisches  sind  mannigfach , aber  mit  sehr  ungleichwerthigen  Me- 
thoden untersucht;  Stölzelff),  der  nach  Strecker' s Anweisungen  arbeitete,  fand 
in  100  Theilen  der  Asche  des  Ochsenfleisches : 


COi 

8,92 

POs 

34,36 

MgO 

3,31 

SiOj 

2,67 

FeOs 

0,98 

• 

KaCl 

10,22 

so9 

3,37 

CaO 

1,73 

NaO 

35,94 

Der  Gehalt  des  trockenen  Fleisches  an  Asche  scheint  bei  verschiedenen  Warmblütern 
annähernd  gleich  zu  sein,  indem  er  nach  v.  Bibra  beim  Ochsen,  Reh,  Hasen,  Huhn 
und  der  Ente  ^zwischen  4,0  bis  -5,5  pCt  schwankte. 


•)  Frerlchs,  Artikel  Verdauung  ln  Wagner* s Handwörterbuch.  II.  Bd.  p.  694. 

••)  Scherer,  Jahresbericht  Uber  pbysiolog.  Chemie  fUr  1646.  p.  132. 

•••)  Weitere  Zusammenstellungen  siehe  bei  Mole  schott,  1.  c.  p.  208.  240.  263.  u.  fc  wo 
Sieh  da-*  Fleisch  der  Amphibien,  Mollusken,  Insekten  berücksichtiget  findet, 
t)  Siehe  hierüber  auch  Marchal,  compt.  rend.  34.  Bd.  p.  691. 
tt)  Lieblg’s  Annalen.  77.  Bd.  p.  256. 


Fleisch. 


593 


Wir  geniesten  da«  Fleuch  roh  (niedere  Thiere),  getrocknet,  geräuchert,  gesalzen, 
mit  Essig  ausgewogen  , gekocht  und  gebraten.  RUcksichllich  der  Veränderungen4;  die 
^ici  diesen  verschiedenen  Bereitungswoiscn  mR  dem  Fleische  Vorgehen , befinden  wir 
uns  meist  im  Unklaren.  Beim  Erhitzen  des  Fleisches  mit  wenig  Wasser  (Braten  und 
Dampfen)  wird  das  Eiweiss  geronnen,  einige  ei  Weisshaiti  ge  Körper  werden  sauerstoff- 
reicher,  die  Extraktivstoffe  werden  zersetzt,  wobei  sich  die  Inosinsäure,  in  ein  wohl- 
riechendes Kreuzprodukt  umwandelt,  das  Bindegewebe  wird  zum  Theil  in  Leim  ver- 
wandelt, und  Wasser  verdunstet.  — Beim  Kochen  in  Wasser  werden  dem  Fleische 
Eiweiss,  Extrakte,  Salze  und  insbesondere  Chloralkalien  und  Wasser  entzogen;  dioscs 
letztere  geschieht  danrtn , weil  die  Quellungsfähigkeit  des  Fleisches  beim  Kochen  ab- 
nimmt. -r-  Der  wässerige  Auszug,  die  Fleischbrühe , muss  nach  den  Flcischsorten  sehr 
veränderlich  sein.  Eine  ungefähre  Vorstellung  von  der  Zusammensetzung  der  Fleisch- 
brühe giebt  ein  Versuch  von  Chorreul,  welcher  1 Pfd.  Fleisch,  das  von  anhan- 
gendam  Fett  und  Knochen  befreit  war,  in  3 Pfd.  Wasser  5 Stunden  lang  unter  Er- 
satz der  verdunsteten  Flüssigkeit  sieden  liess.  Ausser  dem  beigemengten  Fette  enthielt 
diese  Suppo  in  100  Tjioilen:  Wasser  = 98,4;  Late,  Eiweiss  und  Extrnctivstoffe  = 
1,3;  Salze  *=  0,3.  — Die  Salze  der  Fleischbrühe,  oder  vielmehr  die,  welche  man 
durch  vollkommenes  Erschöpfen  des  Fleisches  mit  Wasser  erhält,  sind  von  Keller*) 
bestimmt ; in  das  Wasser  waren  H‘2  pCt  des  gesummten  Salzgehaltes  vom  Fleische 
Übergegangen,  welche  in  100  Theilen  bestanden  aus: 

P0S  21,50  KaO  31,85  2 FetOjPQ»  0,46 

Ka  CI  14,81  2Cb0P0s  2,51 

KaO  80a  6,42  2MgOP0s  3,72 

Das  rückständige  Fleisch  enthielt  noch  Verbindungen  der  PO5  mit  Alkalien  und  Erden 
aber  keine  Clilorsalze  mehr.  — Die  Grenze , bis  zu  welcher  überhaupt  das  Fleisch 
durch  Wasser  und  insbesondere  durch  kaltes  ausgelaugt  werden  kann,  hat  Liebig**) 
zu  bestimmen  versucht;  er  giebt  an,  dass  man  dem  gehackten  Ochsenfleische  durch 
kaltes  Wasser  6 pCt.  feste  Bestandteile  entziehen  könne,  von  denen  3 pCt  gerinn- 
bares Eiweiss  sei,  das  bekanntlich  aus  der  Suppe  als  Schaum  entfernt  wird.  — Die  Folgen 
des  Einsalzens  nnd  Räucherns  sind  wenig  bekannt.  Eine  Aschenanalyse  des  gesalzenen 
Ochsenfleisches  und  des  rohen  Schinkens  giebt  Thiel***).  Siche  auch  Liebig  am 
angeführten  Orte. 

b.  Der  Inhalt  des  Hühnereies,  das  wir  von  den  Eiern  zumeist  geniessen,  besteht 
nach  Proutf)  im  Mittel  aus  07,6  pCt.  Eiweiss  und  32,4  pCt  Dotter,  nach  Pre  vost  und 
Morin  dagegen  aus  02  pCt.  Eiweiss  und  3S  pCt.  Dotter.  Das  Eiweiss  enthält  un- 
gefähr: Wasser  = 85  pCt.,  Eiweiss  — 12,5  pCt.,  feuerfeste  Salze  — 1,5  pCt.  und 
l^xtrakte  = 2,0  pCt.  Die  letzteren  enthalten  u.  A.  constatot  Milchzucker  (Winkler 
und  Budgeff).  In  der  Asche  sind  nach  Wcbcrftt),  der  dos  verbesserte  Verfahren 
von  U.  Rose  befolgte,  enthalten: 


a)  Llebig'a  Annalen.  70.  B<1.  01,  # t 

••)  Liebig'«  Annalen.  62.  Rd.  3&3.  u.  f. 

•••)  Llebig's  Annalen.  81.  Bd. 

• t)  Ph.  Falk,  Handbuch  der  Arzneimittellehre.  1848. 

tt>  Liebig's  Annalen.  64.  Hd.  197.  — Siehe  auch  Aldrlge  und  Bar  reale  h im  Uleasener 
.lahrbuch.  1840. 

tttf  Fug  gen  dorf,  Annalen.  79,  Ud.  898. 

Ludwig,  Physiologie  II.  8.  Auflage.  38 


Digitized  by  Google 


594 


Eier,  Milch,  Körner. 


CO*  9,67 
8i0s  0,28 


NoCl 

39,30 

MgO 

2,70 

KaO 

27,66 

Fo,Oj 

0,54 

NkO 

12,09 

ro. 

3,16 

CaO 

2,90 

SO, 

1,70 

Das  Eigelb  besteht  nach  Gobley*)  aus: 


Wasser 

61,46 

Phosphoglycerinsäure  1,20 

Extrakte 

0,40 

Vitellin**) 

15,76 

Cerebrin(säure  ?) 

0,30 

Farbstoff 

Margarin  und  Olein 

21,31 

AmCl 

0,30 

Eisen 

| 0,55 

Cholesteann 

0,44 

NaCl.KaCl,  KaOSOj 

0,27 

Milchsäure  ] 

Oel  und  Magarinsäure 

7,22 

3MgOPOs,  3CaOPOs 

1,02 

Milchsäure 

Eine  vollständige  Aschenanalyse  theilt  R.  Weber 

mit; 

NaCl  9,12 

NaO 

13,62  MgO 

2,20 

P05 

60,16 

KaO  10,90 

CaO 

13,62  Fe,0j 

2,30 

Si03 

0,62 

Die  Eier  gemessen  wir  meist  gekocht;  hierbei  gerinnt  das  Eiweiss  und  Vitellin 
unter  Abscheidung  von  etwas  SH.  In  hartgesottenen  Eiern  fand  H.  Rose***)  das 
Verhältniss  des  Eiweisses  zum  Dotter  etwas  anders,  als  es  Prout,  Prerost,  und 
Morin  im  frischen  Ei  angeben  haben,  nämlich  von  60,6  bis  58,3  : 39,4  bis  41,6. 

c.  Milch.  Die  Zusammensetzung  derselben  ist  schon  früher  erwähnt.  ; — Der 
aus  ihr  bereitete  Käse  (gesalzene  und  entwässerte  Milch)  dient,  kleine  Landstriche  - 
ausgenommen,  nur  als  Gewürz.  Ucber  die  Zusammensetzung  desselben  siehe  Knappt) 
und  Moleschott. 

d.  Weizen  ff).  Das  Korn  desselben  besteht  aus  der  Schaale , dem  Kern  (al- 
bumen)  und  dem  kleinen  Embryo.  Die  Schaale  setzt  sich  zusammen  aus  der  von  meh- 
reren Zcllenlagen  gebildeten  Fruchthülle  (a)  und  der  von  nur  einer  Zellenlage  gebildeten 
Kernhaut  (b).  Der  Kern  (albumen)  wird  in  seinem  äussern  Umfang  dargcatellt  von  einer 
Zellenlage  (c),  in  wolchcr  die  miskroskopisoho  Reaktion  keine  Starke,  wohl  aber  Eiweiss- 
stoffe und  Fette  nachweist,  die  übrige  weitaus  grösste  Masse  des  Albumens(d)  besteht 
aus  Zellen,  die  vorwiegend  mit  Stärkekörnchen  und  daneben  mit  Klebcrfäden  gefüllt 
sind.  Die  Fig.  70,  welche  Donders  entworfen,  vorsinnlioht  die  Struktur.  — Die 
chemische  Zerlegung  weisst  im  Weizenkom  nach : verschiedene  Eiweisskörper.  Eine 
Gruppe  derselben  ist  unter  dem  Namen  Kleber  (Gluten)  bekannt;  sie  ist  in  Wasser 
unlöslich;  beim  Behandeln  mit  Weingeist  bleibt  ein  Theil  derselben  ungelöst  (Fibrin 
oder  Elastin)  eii\  Theil  löst  sich  nur  in  kochendem  (Pflanzencasein),  ein  anderer  auch 
in  kaltem  Alkohol  (Pflanzenleim,  Glutin).  Eine  andere  Gruppe  von  Eiweisskörpern  des 
Weizmikorns  ist  in  kaltem  Wasser  löslich } ein  Theil  derselben  gerinnt  beim 
Kochen;  sie  führen  den  Namen  Albumin  und  Ccrealin;  dos  letztere  ist  nach  Meges- 
Mouries  dadurch  ausgezeichnet,  dass  es  die  Stärke  in  Dextrin,  Zucker  und  Milch- 
säure umwandelt;  der  Rest  des  in  kaltem  Wasser  löslichen  Eiweissstoffes,  der  aus 
mehreren  durch  anderweite  Reaktionen  unterschiedbaren  Modifikationen  besteht  (0  n d e - 
Jnanns),  gerinnt  nicht  in  der  Siedehitze.  — Das  Weizenkorn  enthält  ferner  Gummi, 
Zucker,  Dextrin (?),  Amylon,  Cellulose;  von  den  beiden  zuletzt  genannten  Stoffen  kommt 

•)  Pharmazeut.  Centralblatt.  1847.  p.  584. 

■•)  Daa  Vitellin  besitzt  nach  Frcmy  die  Znfanunensctznng  des  Fibrins.  Pharmazeut.  Ccn-  , 
tralbl.  1864.  p.  (126. 

•••)  Poggendorf' s Annalen.  76.  Bd.  393.  * 

t)  Knapp,  die  Nahrungsmittel.  1848.  p.  39.  — • 

tt)  Bibra,  Die  Getreidearten  and  das  Brod.  Nürnberg  1860.  — Donders,  Onderzoeklogen 
gedan  In  het  physiologisch  lnborat.  1848 — 1849.  — Oudemanns,  Archiv  Ihr  holländ.  Beitrüge. 

1.  405.  — Jessen,  Poggenüorfs  Annalen.  106.  Bd.  479. 


izecrl 


Weisen. 


595 


die  Cellulose  nicht  sllein  in  d%n  Schaalen  und  Zellenmembranen  , sondern  nach  N a e - 
ge  Li  und  Maschke  auch  im  Stärkekorn  vor,  wo  sie  von  dem  gleichfalls  anwesenden 
Amylon  durch  die  Reaktion  gegen  Jod  unterschieden  werden  kann.  Das  Amylon  des- 
selben soll  im  Wasser  löslich  gemacht  werden  können , wenn  man  das  Korn  fein  zer- 

Fig.  70. 


reibt  (Jessen).  Ferner  enthält  das  Weizenkorn  Fette, 
einen  braunen  Farbstoff,  Kali,  Natron,  Talkerde,  Eisen- 
oxyd, PhOs,  S(h,Si03,Cl  (?).  — Von  den  Salzen  sind 
die  phosphorsauren  Erden  mit  Eiweisskörpern  in  Ver- 
bindung, und  zwar  so,  dass  jede  besondere^  Art  der 
genannten  Körper  auch  einen  ganz  bestimmten  Antheil 
der  Erden  zu  enthalten  scheint  (Mayer);  auch  an 
das  Gummi  sind  phosphorsaure  Erden  gebunden  (Bibra). 
Die  phosphorsauren  Alkalien  scheinen  dagegen  frei  vor- 
zukommen. 

Ueber  die  Lagerung  der  chemischen  Bestandtheüe 
ist  bekannt,  dass  die  Schaalen  aus  Cellulose  und  Farb- 
stoff bestehen,  die  aussersten  Zellcnlagen  des  Albumens 
enthalten  die  in  Wasser  löslichen  Eiweissstoffe,  Kleber 
und  Fette , also  auch  viel  phosphomure  Erden ; die  Übrigen  Zellen  des  Kerns  enthal- 
ten die  Amylonkörnehcn , Kleber,  lösliches  Eiweiss  und  phosphorsaure  Alkalien. 

Die  mittlere  quantitative  Zusammensetzung  des  Weizenkoms  wechselt  mit  der 
Fruchtsorte,  dem  Klima  (so  soll  z.  B.  sibirischer  Weizen  reicher  an  Eiweisstoffen  sein, 
als  deutscher  und  dieser  wieder  daran  reicher  als  ägyptischer  und  australischer) ; auch 
der  Gehalt  des  Bodens  an  DUnger  soll  nicht  ohne  Einfluss  sein.  Kleine  Körner  sind 
wegen  des  grossen  Schaalengehalts  relativ  reicher  an  Eiweiss  als  grössere  u.  s.  w.  — 
Das  Verhältnis , in  welchem  die  einzelnen  Salze  des  Korns  zu  einander  stehen , ist 
ganz  unabhängig  von  den  Verhältnissen  der  Salzmischung  im  Boden.  Dies  ist  z.  Th. 
begreiflich,  weil  die  Menge  des  phosphorsauren  Kalkes  von  der  der  Eiweisskörper  ab- 
hängt; räthselhaft  bteibt,  dass  selbst  aus  einem  Boden,  der  reich  an  NaO  und  CaO  ist, 
wellig  von  jenen  Stoffen  anfgenommen  wird.  Nach  Peligot,  Millon,  Mayer, 
Oudemanns,  Bibra  u.  A.  schwankten  in  100  Tkeilon  des  lufttrocknen  Korns 


das  Wasser  zwischen 

11,0 

und 

16,5 

pCt. 

der  Stickstoff  „ 

1,4 

und 

3,8 

»» 

also  die  Eiweisskörper 

zu  15,0  pCt.  N „ 

und 

19,4 

» 

38  * 


TJigitfeeb'by  Google 


596 


Weizen. 


Gummi,  Dextrin,  Zucker:  zwischen 

5,9 

Änd 

10,5  „ 

Amylon  „ 

55,1 

und 

67,1  „ 

Fett 

1,0 

und 

1,9  ,, 

Cellulose  „ 

1,5(1)  und 

6,1  „ 

Asche  „ 

1,5 

und 

2,3  „ 

Die  verschiedenen  Eiweissstoffe  können  sich  vertreten , so  dass  bei  einem  glei- 
chen Gehalt  an  N bald  mehr  Kleber  und  bald  mehr  lösliche«  Eiweiss  vorhanden 
ist  (Millon  Bibra). 

ln  30  verschiedenen  Weisensorten,  die  Bibra  untersuchte,  fanden  sich  in  100  Th. 
Asche 


Kali 

zwischen 

27 

bis 

38,3 

pCt 

Natron 

0,7 

bis 

5,4 

»» 

MgO 

it 

7,8 

bis 

16,3 

« 

CaO 

n 

M 

bis 

5,7 

ff 

rcb 

»» 

39,2 

u. 

51,4 

II 

SiOj 

»» 

0,3 

n. 

1,3 

ff 

Fe,Oj  SO, 

»9  . 

1,1 

u. 

0,3 

ff 

Mit  diesen  Angaben  stimmen  diejenigen  aller  übrigen  Beobachter;  namentlich  was 
den  überwiegenden  Gehalt  der  Asche  an  Kali,  Talkcrdc  und  PO5  betrifft. 

Aus  deui  Weisen  stellt  man  Kleie,  schwarzes,  mittleres  und  feines  Mehl  dar.  Das 
letstere,  welches  aus  don  innem  Theilen  des  Kerns  gewonnen  wird,  ist  frei  von  Schneien 
und  Farbltoff,  es  enthält  weniger  N,  also  auch  weniger  Eiweisskörper  und  PI1O5  als 
das  dunklere  Mehl,  welches  vorzugsweise  oder  wenigstens  zum  Theil  aus  der  Zcllen;- 
schicht  gemahlen  wird,  welche  der  Kcmhaut  unmittelbar  anliegt.  Die  Kleien  endlich 
enthalten  neben  vielen  Holzfasern  aus  der  Fruchthülle  und  Schaalcnhaut  auch  noch 
einen  grossen  Antheil  des  Inhalts  der  eiweissführenden  Zellen,  die  unmittelbar  der 
Schaalenhaut  anlicgen.  Sie  ist  also  relativ  sehr  N-reich  an  Eiweiss  und  phosphor- 
sauren  Erden.  Als  Proben  für  die  Unterschiede  der  verschiedenen  Mahlprodukte  mögen 
folgende  Zahlen  gelten.  Die  unter  demselben  Beobachter  aufgeführten  Zahlen  beziehen 
Bich  auf  dieselben  Pruchtsorten. 


Bibra.  Mayer. 


Kaiser  uiehl. 

Schwarzmehl. 

Feinste«  Mehl. 

Grober*Mehl. 

Kielen. 

Waaser 

15,5 

14,2 

Eiweissstoff  13,0 

14,3 

27,9 

Eiweissstoff 

11,1 

13,2 

PhOs  0,2 

0,5 

0,S 

Zucker 

2,3 

2,3 

Gummi 

6,2 

0,5 

Fett 

1,0 

1,2 

Stärke 

63,6 

61,8 

Nach  Oudemanns,  der  zur  Cellulosebestimmung  ein  verbessertes  Verfahren  an- 
wendet, enthalten  die  Kleien  25  bis  30  pCt.  Cellulose  und  4 bis  6 pCt.  Asche. 

Bibra.  # 

In  100  Theilen  Asche  sind  enthalten 


Kaiaermehl. 

Kleien. 

KO 

36,0 

0,24 

NaO 

0,9 

0,6 

MgO 

8,2 

16,8 

Roggen,  Gerste,  Hafer  etc. 


597 


C.0 

2,8 

4,6 

I’05 

52,0 

61,8 

SiOa 

0,0 

M 

F.»  Os 
SO  3 

| o,o 

1,0 

e.  Roggen.  Der  Unterschied  zwischen  dem  Mehle  dieser  Fruchtart  und  dem 
des  Weizens  liegt  vorzugsweise  darin,  dass  unter  den  eiweisshaltigen  Bestandteilen  ^ 
weniger  Pflanzenfibrin  und  statt  dessen  mehr  Pflanzenleim  und  Giweiss  vorkommt,  was 
vielleicht  schon  durch  das  kleinere  Korn  des  Roggens  bedingt  ist;  es  soll  ausserdem 
•einen  besonderen  gewürzhaft  schmeckenden  Stoff  (?)  enthalten  und  gewöhnlich  auch 
mehr  CeUuloeo  als  das  Weizenmehl,  wahrscheinlich,  weil  es  weniger  sorgsam  d&rge- 
s teilt  wird.  Sonst  gilt  Alles,  was  von  dem  Mehl  und  der  Kleie  des  Weizens  ausge- 
sagt .wurde  auch  vom  Roggen. 

S.  Gors  te,  Hafer  und  Buchweizen  liefern  ebenfalls  ein  Mehl,  das  in  dem 
Gehalte  seiner  wesentlichen  Bestandteile  von  dem  des  Weizens  nicht  merklich  ab- 
weicht; Hafer  und  Gerste  enthalten  mehr  Holzbestandtheile  als  die  übrigen  Fruchtarten. 
(Fehling  und  Faist).  Der  Zucker  der  Gerate  droht  die  Polaris&tionsebcne  nicht. 

g.  Das  Maismehl  unterscheidet  sich  durch  einen  Gehalt  von  3 bis  9 pCt.  an 
fettartigen  Stoffen  (ein  gelbes  dickflüssiges  Ocl).  Sein  Ngehalt  erreicht  den  des  Wei- 
zens nicht. 

h.  Der  Reis  endlich  ist  nahebei  um  die  Hälfte  ärmer  an  Giwcissstoffen  und 
Äsche,  als  der  Weizen  und  um  so  viol  tticher  an  Amylon. 

Das  Mehl  aller  dieser  Körnerfrüchte  gemessen  wir,  nachdem  cs  geröstet  oder  mit 
kochendem  Wasser  behandelt  wird.  Hierdurch  verändern  sich  die  Bestandteile , in- 
dem namentlich  das  Eiweiss  gerinnt,  während  die  Stärkekörner  sich  mehr  oder  weniger 
in  Dextrin  auflösen.  Werden  nämlich  die  letzteren  ira  lufttrockenen  Zustand  bei  einer 
Temperatur,  die  zwischen  190  und  200*  C.  liegt,  geröstet,  so  verwandelt  sich  zuerst 
das  Schichtcnccntrum,  das  sogenannte  Korn  des  Stärkekörnchens  in  Dextrin,  dann  folgen 
in  dieser  Veränderung  einzelne  zerstreute  Stellen  nach , so  dass  das  Korn  ein  netzför- 
miges Ansehen  gewinnt;  es  scheint  sich  jedoch  niemals  das  ganze  Korn  in  Dextrin 
umzuwandeln.  Werden  dagegen  die  Starkekömehen  im  Wasser  erwärmt,  so  beginnen 
sio  bei  einer  Temperatur  von  55  bis  60°  C.  aufzuquellen  und  im  Centrum  derselben 
bildet  sich  ebenfalls  eino  mit  Dextrinlösung  gefüllte  Höhle.  Steigt  die  Wärme  höher, 
etwa  auf  70°,  so  greift  die  Dextrinbildung  weiter  um  sich,  so  dass  dio  Körperchen 
Öfter  platzen  (Naogeli*).  Mit  Rücksicht  auf  die  Quellungsfähigkeit  verhält  sich  dio 
Stärke  verschiedener  Sorten  sehr  abweichend. 

Eine  sehr  verbreitete  Anwendung  findet  das  Mehl  des  Weizens  und  Roggens  als 
Brod.  Dieses  wird  im  Allgemeinen  so  dargestcllt,  dass  man  das  Mehl  mit  kochsalz- 
haltigem  Wasser  zu  einem  Teig  anknetet,  dann  den  letztem  durch  sehr  fein  vcrtheilte 
CO«  aufbiälit  und  ihn  einer  Temperatur,  die  sich  bis  auf  250°  C.  erheben  darf,  einige 
Zeit  hindurch  aussetzt.  Das  Einbringen  des  auftroibenden  Gases  geschah  früher  aus- 
nahmslos dadurch,  dass  man  zum  Teig  gewöhnliche  Hefcnpilze  mischte  und  ihn  dann 
der  Gährung  einige  Zeit  hindurch  überlicss , in  welcher  der  Zucker  des  Mehls  in  Al- 
' kohol  und  CO«  Überging,  welche  beim  spätem  Verbacken  des  Brodes  verdunstete. 
Dieses  Verfahren  führt  also  jedesmal  zu  einem  Verlust  an  nährenden  Stoffen,  es  kann 
aber,  wenn  nicht  besondere  Maassregeln  - in  Anwendung  kommen,  auch  noch  weiter 

*)  Dio  Stirkekürncr.  p.  M u.  f. 


Digitized  by  Google 


schädlich  werden.  Wenn  nämlich  die  üährung  bei  hoher  Temperatur  (über  20®  C.) 
vor  sich  geht,  oder  wenn  schwarzes  Mehl  angewendet  wird,  welche*  die  Eiweiaskdrper 
der  äussersten  Lage  de»  Kern»  (Alburaens)  enthält,  »«  findet  sich  vermöge  der  fermen- 
tirendcn  Eigenschaften  de*  Cerealin«  neben  der  alkoholischen  auch  noch  eine  milch- 
nder  butter»aure  u.  s.  w.  Oährung  ein,  und  zugleich  wird  der  Kleber  angegriffen  und 
der  Farbstoff,  der  au*  der  Kinde  stammt,  zerlegt.  Wenn  man  also  nicht  auf  die  be- 
sonders nahrhaften  Best&ndtheilc  der  kernrinde  verzichten  will,  muss  man  das  Cerealin 
unwirksam  zu  machen  suchen.  Hierzu  hat  M eg  es  -Mouri  e**)  Mittel  angegeben,  die 
nach  dem  Urtheil  der  Sachverständigen  au  dem  Ziel  führen,  selbst  aus  grobem  Mehl 
ein  lockeres,  weissea,  nicht  saures  Brod  zu  gewinnen.  Wenn  man  das  Brod  fabriks- 
m aasig  darstellt,  so  kann  man  auch  die  Uöhrung  ganz  umgehen,  dadurch  nämlich,  dass 
man  den  Teig  zuerst  mit  einer  Lösung  von  NaOfCOt  anmacht  und  dann  mit  saliaiure- 
haltigom  Wasser  durchknetet,  wobei  man  darauf  das  Natron  und  dife Salzsäure  in 
äquivalenten  und  noch  dazu  in  solchen  Mengen  zu  nehmen  hat,  dass  dat-lras  der 
Verbindung  hervorgehende  Na  CI  gerade  dem  sonst  nöthigen  Zusatz  dieses  Salzes 
gleichkommt.  Oder  man  hat  in  hermetisch  geschlossenen  Oe  fassen  den  Teig  mit  Wasser 
durchgeknetet,  welches  unter  hohen  Drücken  mit  CO*  geschwängert  war  (Dauglish**). 
Aus  dem  Teige  formt  man  dann  beliebigo  Stücke , die  man  in  einem  Baekofen  einer 
Temperatur  aussetzt,  welche  die  oberflächlichen  Theile  (Kruste)  auf  200  bis  250®  C., 
die  inneren  (Krume)  auf  100°  C.  erhitzt.  Hierbei  tritt  ausser  den  oben  angegebenen 
Veränderungen  auch  noch  die  ein,  dass  in  der  Kinde  das  Amylon  in  brenzliche  Pro- 
dukte, namentlich  in  Pyrodextrin,  das  ist  in  eine  schwarze  elastische  Masse  (CmHmOss;  HO) 
übergeht  (01‘lis)***),  während  in  der  Krume  das  Amylon  und  die  Eiweissstoffe  in 
allotrope  Modificationeh  Ubergeführt  werden,  die  aber  nur  solange  bestehen,  als  das 
Brod  den  Charakter  besitzt,  den  man  als  frischbacken  bezeichnet.  Liegt  dasselbe  einige 
Tage,  so  verschwindet  dieser  besondere  Zustand  wieder;  man  kann  ihn  durch  aberma- 
liges Erhitzen  jedoch  von  Neuem  herbei  führen  (Boussingault)t).  Analysen  des 
Brodc»  siche  bei  Oppelft)  und  Bibra. 

i.  Hülsen  früchte'.  Die  reifen  Erbsen  und  Bohnen  enthalten  dieselben  Atom  - 
gruppen,  wie  die  Körnerfrüchte.  — Unter  den  Eiweissstoffipn  erscheint  neben  den 
früheren  noch  ein  eigentümlicher,  das  Legumin  oder  Pflanzencasein,  ln  der  quan- 
titativen Zusammensetzung  unterscheiden  sie  sich  von  den  Körnerfrüchten  dadurch, 
dass  die  Eiweissstoffe  im  Ycrhäliniss  zum  Amylon  beträchtlich  gesteigert  erscheinen. 
Eine  Vorstellung  hiervon  soll  die  folgende  Analyse  von  trockenen  Erbsen  geben : 
Eiweissstoffe  = 2$,0,  Stärke  und  Gummi  = 57,3,  Asche  = 3,8,  Hülsen  = 7,6 
(Horsford).  — Die  Asche  der  Bohnen  und  insbesondere  der  Erbsen  ist  sehr  häufig 
untersucht  worden  iro  Aufträge  deutscher  und  englischer  Ackerbaugesellschaften ; das 
übereinstimmende  Kesultat  derselben  ist,  dass  sie  vorzugsweise  aus  Kali  und  Phosphor- 
säure, dann  aus  Kalk,  Magnesia  und  Kochsalz  und  endlich  aus  geringen  Mengen  von 
Eisenoxyd  und  Kieselerde  besteht  fff). 

Bei  der  Zubereitung  in  der  Küche  dürfte  vor  Allem  Gewicht  darauf  zu  legen  sein, 
dass  das  feste  Gefüge  der  Früchte  zertrümmert  werde , und  dass  beim  Kochen  in 

•)  Campt.  rend.  46.  Bd.  126. 

••)  Chera.  Centralbkrtt.  1H6U.  220. 

Compt.  rend.  45.  Bd.  690.  and  9«. 
t)  Annales  de  chlmie  et  physique.  36.  Bd.  (186V)  490. 
tf)  Oicwener  Jahresbericht  für  l«Al.  716. 
ttt)  Gieasener  Jahresbericht.  1849.  «67  u.  f. 


Kartoffeln , Baurofrücbte,  Trink  wasser. 


599 


Waaaer  keine  schwer  löslichen  Eiweisavorbindungrn  entstehen , wie  dieses  u.  A.  ge- 
schieht, wenn  das  Kochwasser  kalkhaltig  ist. 

k.  Kartoffeln.  Der  von  der  Schaale  umschlossene  Baum  Ist  gefüllt  mit 
Eiweiss,  Stärkemehl,  einer  besonderen  Art  von  Cellulose,  welche  in  kochendem  Wasser 
zu  einer  Qallerte  aufquillt  und  sieb  in  verdünnter  Schwefelsäure  zu  Gummi  und 
Zucker  uwsetzt;  mit  verseifbarem  Fette  (Solaninstearinsäure  CmHsqO«  und  ein  flüssiges 
Oel  von  unbekannter  Zusammensetzung) ; mit  einem  wachsähnlichen , nicht  verseiibaren, 
bei  27 0*  noch  festen  Stoffe  (Eichhorn)*);  Asparagin,  Aepfelsäure,  mit  den  Salxen 
der  Körnerfrüchte  und  Wasser.  Diese  chemischen  Bestandteile  vertheilen  sich  auf 
die  anatomischen  Gebilde  in  der  Art,  dass  die  Stärke  (und  ihre  nächsten  Verwandten) 
in  den  Zellen,  deren  Wände  aus  der  eigenthümlichen  ünlzsubstanz  bestehen,  oinge- 
schlossen  sind;  in  der  Flüssigkeit,  welche  diese  festen  Stoffe  durchtränkt,  sind  das 
Eiweiss,  das  Fett,  das  Asparagin,  die  Salze  der  Aepfelsäure  und  zum  grossen  Theile 
die  der  Phosphor-  und  Salzsäure  aufgelöst. 

Die  quantitative  Zusammensetzung  des  Kartoffelmarkes  ist  sehr  variabel  gefunden 
worden;  sein  Wasser  schwankt  zwischen  S2  und  77  pCt,  das  Stärkemehl  zwischen  11 
und  24  pCt.,  Eiweiss  und  Asparagin  um  2 pCt.,  Fette  um  0,05  pCt.,  Holzstoffe  gegen 
3 bis  4 pCt.  und  die  Asehe  um  1 *bis  2 pCt.  Diese  letztere  ist  vorzugsweise  reich 
an  Kali , auf  dieses  folgt  die  CO* , dann  erst  Phosphorsäure , Natron , Magnesia , Kalk, 
Kieselsäure  und  Eisenoxyd  (Way  nnd  Ogstone,  Wals).  Das  Verhältniss  der  Salze 
zu  einander  ist  mit  der  Sorte  verschieden.  Beim  Kochen  gerinnt  das  Eiweiss,  die 
Zellenhüllen  werden  lockerer,  jedoch  nicht  aufgelöst,  und  innerhalb  derselben  quillt 
das  Stärkemehl  auf.  — Während  der  Aufbewahrung  soll  sich  der  Stärkegehalt  ändorn, 
so  dass  er  nach  der  Ernte  bis  gegen  den  März  hin  zu-,  und  von  da  an  wieder  abnimmt  (?). 

l.  Die  Baumfrüchte  (Birnen,  Aepfel,  Pflaumen  etc.)  und  die  Gemüse  (Rüben, 
Kohlrabi  etc.),  Nahrungsmittel  von  theilweise  untergeordnetem  Werthe,  enthalten  neben 
den  Nahrungsstoffen,  die  in  den  bisher  behandelten.  Speisen  vorkamen,  noch  Pektin  (Pflan- 
zenschleim) = C|«HioOio  (Fr  oray),  das  sich  durch  seine  physikalischen  Eigenschaften 
Tor  den  Übrigen  Kohlenhydraten  wesentlich  ausxcichnet;  cs  kann  jedoch  in  Dextrin 
und  Zucker  umgewandelt  werden.  Nächstdem  ist  der  Reichthum  der  jungen  Gemüse- 
blätter an  leichtlöslichem  Kalisalze  zu  erwähnen.  Uebcr  das  Weitere  der  genossenen 
Arten  und  ihre  Zusammensetzung  Bind  die  angezogenen  Werke  von  Moleschott, 
Boussingault  und  die  Giessener  Jahresberichte  um  Rath  zu  fragen.  • 

m.  Trink wasser.  Das  reine  Wasser  der  Quellen  oder  das  gereinigte  der 
Flüsse  enthält  Luftarten  (Kohlensäure , Sauerstoff,  Stickgas)  und  je  nach  den  Gcbirgs- 
arten,  die  es  durchströmt,  Kohlensäure,  Schwefelsäure,  Salzsäure  mit  Kalk,  Magnesia 
und  Natron  verbunden  aufgelöst.  — Der  Gehalt  an  Salzen  bestimmt  den  Charakter 
des  Wassers,  däs  man  gemeinhin  weich  nennt,  wenn  es  wenig  Kalksalze  enthält,  wäh- 
rend das  mit  diesen  letzteren  beladene  hart  genannt  wird.  Der  Gcsammtgchalt  des 
Wassers  an  Salzen  darf,  wenn  uns  dasselbe  noch  zum  gewöhnlichen  Gebrauche  dienen 
soll,  den  Werth  von  einigen  Uunderttheilen  eines  Prozente«  nicht  Übersteigen.  Orga- 
nische Beimengungen  zum  Wasser  werden  immer  als  Verunreinigungen  empfunden. 

Das  gekochte  Wasser  nimmt  einen  faden  Geschmack  an,  theils  weil  dadurch  aus 
ihm  die  Gase,  theils  weil  Salze,  insbesondere  kohlensaure  Kalksalzo , entfernt  werden. 


*)  Poggendorf**,  Annalen.  S7.  Bd.  »M7.  — Bibra,  Die  Getreideartei»  und  dae  Br*>d. 
Nürnberg.  IMO. 


Digitized’by  Google 


600 


KahrungKftequiv&lente. 


5.  Nabrungsaequivalente*).  Diesem  Begriffe  hat  man 
zwei  Bedeutungen  lieigelegt.  a.  Gewöhnlich  versteht  man  darunter 
das  Gcwichtsverhältniss,  in  welchem  zwei  bestimmte  Speisen  ver- 
abreicht werden  mtlssen,  wenn  durch  jede  derselben  die  gleiche 
Menge  eines  und  desselben  einfachen  Stoffes  eingefllbrt  werden  soll. 
Die  Frage  ist  an  einem  Beispiel  erläutert  also  die:  Wie  viel  Brod 
muss  genossen  werden,  damit  durch  dasselbe  gerade  so  viel  Eiweiss 
in  den  Magen  kommt,  als  in  der  Gewichtseinheit  Fleisch  verzehrt 
wird  ? Darauf  antwortet  eine  gewöhnliche  I’roportionsrechuuqg,  wenn 
die  quantitative  Zusammensetzung  der  betreffenden  Nahrungsmittel 
bekannt  ist.  Der  grösseren  Bequemlichkeit  halber  haben  Liehig 
und  Boussingault  für  die  Speisen  mit  bekannter  Zusammen- 
setzung Tafeln  berechnet. 

b.  Ganz  anders  gestaltet  sich  die  Sache,  wenn  man  vom  phy- 
siologischen Gesichtspunkte  ausgehend,  die  Frage  erhebt : in  welchem 
Verhältnisse  mtissen  zwei  verschiedene  Speisen  genossen  werden, 
wenn  durch  sie  dieselben  Leistungen  innerhalb  des  thierisehen  Kör- 
pers erreicht  werden  sollen?  Da  die  allgemeinsten  Aufgaben  der 
Nahrungsmittel  darin  bestehen,  dass  sie  entweder  Wärme  erzeugen 
oder  mechanische  (Muskel-)  Kraft  hervorbringen  oder  endlich  den 
Wiederersatz  oder  die  Neubildung  von  Geweben  und  Säften  (Wachs- 
thum, Mästung)  bedingen  sollen,  so  würde  zuerst  die  Frage  zu  er- 
ledigen sein,  ob  in  der  That  ein  und  dasselbe  Nahrungsmittel  be- 
fähigt wäre,  diesen  verschiedenen  Anforderungen  zu  genügen.  Wäre 
nämlich,  wie  mau  zuweilen  ausgesprochen,  ein  jedes  einfache  Nah- 
rungsmittel nur  zu  einem  dieser  Zwecke  dienlich,  so  würde  es  na- 
türlich in  dem  oben  bezeichneten  Sinne  keine  Aequivalente  geben, 
sondern  es  müsste  entsprechend  dem  Verbrauche  an  Wärme,  an 
Muskelanstrengung  und  an  Gcwebsmassen  jedesmal  nur  ein  ganz 
bestimmtes  Nahrungsmittel  genossen  werden.  Mit  einem  Worte, 
die  Nahrungsmittel  würden  zu  zerfallen  sein  in  Wärme  erzeugende 
oder  respiratorische,  in  kraftentwickelnde  und  in  ge  websbilden  de 
oder  plastische. 

Da  die  unorganischen  Nahrungsmittel  ohne  Ausnahme  schon 
oxydirt  genossen  werden,  so  können  sie  keinen  Beitrag  zur  Wärme- 
bildung  liefern ; im  Gegensätze  hierzu  verlassen  alle  Organischen 
Atome  der  Nahrung  den  thierisehen  Körper  in  höher  oxydirtem 

•)  Frcrlchs,  Handwörterbuch  der  Physiologie.  III.  1.  Al>th.  731.  — B o u ss  i n g a n 1 1 , Die 
Landwirthschftft  II.  Tbl.  23 b.  u.  f.  — Lehmann,  Physiologische  Chemie.  III.  Bd.  Emühriui.-. 


Nahruugsaequivalenti1. 


601 


Zustande,  als  sie  in  ihn  eingetreten  sind ; die  letzteren  können  also 
sänuntlich  zur  Wärmeerzeugung  verwendet  werden,  und  es  muss 
diese  Verwendung  eintreten , insofern  die  bei  ihrer  Oxydation  frei 
gemachten  Kräfte  nicht  dazu  benutzt  werden,  um  Arbeiten  jenseits 
der  Grenzen  des  thierischen  Körpers  zu  verrichten.  Dieses  ist  auch 
niemals  bestritten  worden.  Wenn  man  nun  trotzdem  gewisse  Nah- 
rungsmittel, wie  namentlich  Fette  und  Kohlenhydrate  vorzugsweise 
wärmebildende  nennt,  so  mtlssen  dafür  besondere  Gründe  vorliegen. 
Zu  iluien  zählt  man,  dass  viele  Menschen  für  gewöhnlieh  viel  Amy- 
lon  und  wenig  Eiweiss  geniessen,  wesshalb  sie  nothwendigcr  Weise 
auch  den  grössten  Theil  ihrer  Wärme  aus  dem  Amylon  nehmen 
müssen.  Da  sich  der  Mensch  aber  auch  bei  dem  umgekehrten  Ver- 
hältnis der  Bestandthcilc  und  seiner  Kost  wohlbetindct,  so  begrün- 
det das  eben  genannte  Factum  auch  keinen  wesentlichen  Unter- 
schied. — Man  stellte  auch  darum  Fette  und  Kohlenhydrate  als 
Respirationsmittel  dem  Eiweiss  gegenüber,  weil  man  meinte,  die 
Oxydation  der  erstercn  gehe  einfacher,  gleichsam  mit  geringerem 
Zuthun  des  Organismus  vor  sich.  So  hob  man  hervor,  dass  die 
Atomcomplexe,  in  welche  das  Eiweiss  und  seine  Verwandten  »er- 
legt sein  müssen,  bevor  sie  verbrannt  werden  können,  nur  von 
den  Muskeln,  Bindegewebsfasern,  Zellen  u.  s.  w.  dargestellt  würden, 
also  mussten  die  Eiweissstoffe,  bevor  sic  in  die  Oxydation  eingin- 
gen, erst  flüssige  oder  feste  Bestandtheilc  jener  Gebilde  gewesen 
sein.  Angenommen,  alles  dieses  sei  richtig,  so  würde  daraus  noch 
nichts  für  die  Fette  und  den  Zneker  folgen.  Denn  auch  sie  wer- 
den unbestritten  durch  eigenthümliche  Wirkungen  des  Organismus 
oxydirt.  In  Wahrheit  sind  aber  die  Mittel  und  Wege  der  Zer- 
setzung für  Eiweiss,  Fette  und  Kohlenhydrate  so  gut,  wie  unbe- 
kannt, so  dass  man  auf  sie  auch  keine  Unterscheidungen  gründen 
kann.  Keinesfalls  ist  zur  Zersetzung  der  Eiweisskörper , wie  man 
früher  glaubte,  eine  Muskelanstrengung  nötbig,  da  Thiere,  welche 
in  relativ  sehr  ruhiger  Haltung,  in  Kästen  eingesperrt,  Tage  lang 
verharren,  dennoch  ungemein  viel  Fleisch  täglich  in  Harnstoff  um- 
arbeiten können  (Freriehs,  Schmidt,  Bi  sc  hoff).  Namentlich 
haben  die  wichtigen  Arbeiten  des  letztem  Physiologen,  die  er  theils 
allein,  theils  in  Verbindung  mit  Voit  ansgeführt  hat,  dargethan,  dass 
der  Hund  sehr  grosse  Mengen  von  Amylon  und  Fleisch  gleich  leicht 
und  ohne  merkliche  Aenderung  seines  Befindens  umsetzt.  Somit 
liegt  physiologischer  Seite  auch  gar  kein  Gruud  vor,  die  Umsetzung 
beider  Stoffnrten  für  prinzipiell  verschieden  zu  halten. 


602 


Nahrungtiaeq  ui  valente. 


Daraus  folgt  , dass  rücksichtlich  der  Wärmebildung  Aequiva- 
lcnte  der  Nahrungsstoffe  hinznstellen  wären,  ein'  Unternehmen,  das 
keine  Schwierigkeit  hat,  sowie  man  erst  einmal  die  latente  Wärme 
der  betreffenden  Atome  kennen  wird.  Die  schon  erwähnte  Erfahrung, 
dass  wir  je  nach  dem  Reichthum  unserer  Nahrung  an  Eiweiss  auf 
dieselbe  C02-Menge  viel  oder  wenig  Harnstoff  bilden , ohne  dass  wir 
dabei  unsere  Temperatur  ändern,  spricht  auch  entschieden  für  eine 
solche  Vertretung  bei  der  Wärmebildung.  Aber  gerade  diese  Er- 
fahrung beweist  auch,  dass  die  Vertretung  keine  vollständige  wer- 
den kann,  da  niemals  weder  die  Umsetzung  der  stickstofffreien 
noch  die  der  sticksoffhaltigen  Nahrungsmittel  allein  vor  sich  geht. 
Es  scheint  im  Mechanismus  der  Zersetzung  des  thierischen  Körpers 
zu  liegen,  dass  beide  Stoffreihen  gleichzeitig,  wenn  auch  in  un- 
gleicher Ausdehnung  in  die  Zersetzung  eintreten. 

Zur  Erzeugung  der  Nerven  und  Muskelkräfte  sind  unzweifel- 
haft die  Eiweisskörper  dienlich  und  wahrscheinlich  auch  unumgäng- 
lich nothwcndig,  denn  einmal  sind  diese  Organe  unter  allen  Um- 
ständen sehr  reich  an  diesen  Stoffen,  dann  findet  man  in  den  Säf- 
ten dieser  Organe,  namentlich  in  den  Muskeln,  um  so  mehr  Zer- 
setzungsproduktc  der  Eiweisskörper,  je  angestrengter  sie  gearbeitet 
haben,  und  endlich  soll,  gleiche  Ausbildung  der  Muskelmasse  vor- 
ausgesetzt, ein  und  derselbe  Mensch  um  so  arbeitsfähiger  sein,  je 
beträchtlicher  der  Fleischantheil  seiner  Nahrung  ist.  Diese  That- 
sachcn  schliessen  es  aber  natürlich  nicht  aus,  dass  sich  nicht  auch 
die  Fette  und  Kohlenhydrate  an  der  Erzeugung  von  Muskelkräften 
betheiligen  könnten , hierfür  sprechen  im  Gegentheil  die  reichlichen 
Mengen  von  Fett  in  den  Nerven  und  ferner  die  bedeutenden  Mus- 
kelanstrengungen, welche  Menschen  leisten,  die  sich  vorzugsweise 
von  den  eiweissarmen  Kartoffeln  und  Brod  nähren  und  endlich  die 
Erfahrungen,  dass  man  nach  Muskelanstrengungen  eine  bedeutende 
Vermehrung  der  Ausscheidung  von  COj  und  eine  nur  so  geringe 
von  Harnstoff  eintreten  sah ; wäre  in  der  That  die  Muskelkraft  allein 
auf  Kosten  des  Eiweisscs  entwickelt  worden,  so  müssten  wenigstens 
der  Harnstoff  und  die  CO2  proportional  vermehrt  gewesen  sein.  Bei 
diesem  Stande  der  Sache  ist  es  jedenfalls  besser,  unentschieden  zu 
lassen,  ob  die  Nahrungsstoffe  sich  behufs  der  Entwickelung  von 
mechanischen  Kräften  vertreten  können. 

Ein  jedes  Gewebe  bedarf,  da  es  eine  bestimmte  chemische 
Zusammensetzung  besitzt,  auch  bestimmter  Stoffe  zu  seinem  Aal- 
bau. Die  verschiedenen  zu  einem  Gewebe  nöthigen  Bestandteile 


Verdauung  der  Speisen. 


603 


müssen  also  beschafft  werden;  wenn  demnach  die  Nahrung  zum 
Ersatz  zerstörter  oder  zur  neuen  Herstellung  von  Geweben  benutzt 
werden  soll,  so  können  sich  die  einzelnen  Xahrungsstoffe  nicht  ver- 
treten. Dieses  würde  nur  dann  möglich  sein,  entweder  wenn  in 
einem  Gewebe  verschiedene  unter  sich  sehr  ähnliche  Stoffe  zu  dem- 
selben Zwecke  verwendbar  wären,  wie  z.  B.  in  den  Knochen  phos- 
phorsaure und  kohlensaure  Magnesia  statt  derselben  Verbindungen 
der  Kalkerde,  oder  wenn  ein  Stoff  bei  seinen  Zersetzungen  im  Thier- 
körper zu  einem  Atomcomplexe  führte,  welcher  identisch  wäre  mit 
einem  anderen  in  der  Nahrung  geradezu  anfgenommenen.  Insofern 
könnte  also  Amylon,  das  sich,  theilweise  wenigstens,  in  Fett  ver- 
wandeln soll,  bei  der  Ernährung  des  Hirns,  des  Fettgewebes  u.  s.  w., 
oder  es  könnte  Leim  statt  des  Eiweisses  zur  Ernährung  des  Binde- 
gewebes und  der  Knochen  verwendet  werden.  Diese  Vertretung, 
wenn  sie  überhaupt  besteht,  würde  aber  jedenfalls  eine  sehr  be- 
schränkte sein.  Unter  allen  Umständen  ist  es  aber  verwerflich, 
geradezu  ein  einfaches  Nahrungsmittel,  z.  B.  Eiweiss,  das  plastische 
oder  auch  nur  das  vorzugsweise  plastische  zu  nennen,  da  in  jedem 
Fall  auch  andere  Atomgruppen  zum  Entstehen  und  zum  Bestand  der 
meisten  Gewebe  nothwendig  sind.  Wäre  ausser  den  bekannten 
chemischen  Zusammensetzungen  der  Gewebe  noch  ein  weiterer  Be- 
weis nothwendig,  so  könnte  er  leicht  aus  den  Fütterungsversuchen 
von  Boussingault,  vorzugsweise  aus  denen  von  Bischoff  ge- 
führt werden.  Aus  diesen  geht  hervor,  dass  eine  Nahrung,  die  vor- 
zugsweise aus  Eiweissstoffen  und  in  geringer  Menge  aus  Amylon 
oder  Fett  besteht,  viel  weniger  mästet,  als  eine  solche  bei  welcher 
man  das  Fleisch  minderte  und  statt  dessen  das  Amylon  oder  Fett 
mehrte. 

C.  Verdauung  der  Speisen. 

Die  Speisen  müssen,  bevor  ans  ihnen  Blut  entstehen  kann, 
chemische  und  physikalische  Umwandelungen  erfahren.  Diese  gehen 
in  mehreren  räumlich  und  funktionell  von  einander  geschiedenen 
Behältern  vor  sich,  nämlich  in  der  Mund-  und  Kachenhöhle,  dem 
Magen,  dem  Dünn-  und  Dickdarme.  Ein  jeder  derselben  liefert  einen 
Beitrag  zur  Verdauung  durch  hemmende  oder  beschleunigenden  Be- 
wegungswerkzeuge, durch  Drüsen,  durch  die  Eigenschaften  der  Häute, 
welche  Darm  - und  Gefässhöhlen  trennen  und  endlich  durch  die  allen 
gemeinsame  Wärme. 


604  Mechanische  Arbeit  der  Yordsuunga  Werkzeuge ; Mund  und  Schlund. 

Mechanische  Arbeit  der  Verdauungswerkzeuge. 

1.  Mund  und  Schlund. 

Lippen,  Wangen  und  Kiefer  sind,  soweit  sie  nicht  scholl  be- 
sprochen, in  ihren  Leistungen  Jedermann  bekannt. 

Die  Zunge.  Ihre  Wurzel  ist  auf  bekannte  Weise  durch  Mus- 
keln und  Ränder  an  den  Stylfortsatz,  den  Kiefer  und  das  Zungen- 
bein geheftet,  sie  folgt  darum  auch  den  Bewegungen  der  beiden 
letzteren  und  insbesondere  denen  des  Zungenbeins.  — Das  Zungen- 
bein kann  vermöge  seiner  Befestigung  an  dem  Kehlkopfe  eine  all- 
gemeine Ortsvcrändcrnng  erfahren,  oder  es  kann  sieh  auch  nach 
Spannung  der  Bänder  um  diese  letztem  drehen;  so  können  sich 
namentlich  die  Hörner  um  den  durch  das  lig.  hyothyreoideura  me- 
dium festgestellten  Körper,  oder  dieser  letztere  um  die  durch  die 
ligamenta  lateralia  fixirten  Hörner  erheben  oder  senken.  Gehoben 
wird  das  Zungenbein  durch  die  Verkürzung  der  mm.  stylohyoidei 
(und  hyopharyngei?),  gesenkt  durch  die  stemo-,  thyreo-  und  omo- 
hyoidei.  Die  Unterschiede  dieser  drei  Muskclwirkungen  liegen  darin, 
dass  der  m.  omohy oideus  nach  unten  und  hinten,  der  stemohyoideus  nach 
unten  und  vorn  Kehlkopf  und  Zungenbein  zugleich'  ziehen,  während 
der  m.  thyreohyoidcus  den  Abstand  beider  bestimmt.  Die  Mm.  mylo- 
ttnd  geniohyoideus  und  digastrieus  anter.  ziehen  das  Zungenbein  nach 
vorn,  wobei  der  erstere  noch  die  Zunge  gegen  den  harten  Gaumen 
hin  lieht,  indem  er  den  nach  unten  bauchig  herahhängenden  Kelil- 
raum  abflacht.  — Alle  Bewegungen,  welche  von  den  Muskeln  der 
Wurzel  oder  des  Beines  der  Zunge  ausgeftthrt  werden,  übertragen 
sich  auf  Zunge  und  Zungenbein  zugleich ; eine  Ausnahme  hiervon 
dürfte  nur  dem  Hyoglossus  zustchen. 

Das  freie  Blatt  der  Zunge*),  das  seine  Gestalt  selbstständig  ver- 
ändern kann,  ist  von  Muskeln  durchzogen,  welche  et  weder  parallel 
der  Längsachse,,  (mm.  hyoglossi,  longitudinalis  inferior  und  supe- 
rior,  styloglossi),  oder  von  der  unteren  zur  obem  Fläche  (mm.  ge- 
nioglossi)  und  von  einem  zum  andern  Hand  (m.  transversus  linguae) 
laufen.  Die  verschieden  gerichteten  Züge  verflechten  sich  in  der 
Zunge  innig,  und  so  können  sic  nicht  allein  die  letztere  verschmä- 
lern  (und  dabei  strecken  und  verdicken),  abplatten  (und  dabei  ver- 
längern und  verbreitern),  sondern  auch  krümmen. 

Die  Nerven  aller  dieser  Muskeln  sind  in  vier  verschiedenen 
Stämmen  enthalten.  N.  trigeminus  versorgt  den  m.  mylohyoideus 


*)  Külliker,  Mikroskop.  Anatomie.  11.  Bd.  1.  Abthl.  p.  12. 


r 


Mechanische  Arbeit  der  Verdaunnggweifcfrug«;  Mund  und  Schlund.  605 

und  digastrieus  anterior,  n.  facialis  den  stylohyoideus  und  nn.  hy- 
poglossns  und  cervicalis  11  die  übrigen  Mnskeln.  Die  Folgen 
dieser  Anordnung  für  die  Verknüpfung  der  Bewegungen  sind  unbe- 
kannt. — Die  willkürliche  Erregnng  gebietet  unbeschränkt  über 
'die  Nerven  des  stylo-,  genio-  und  hyoglossus,  omo-,  sterno-,  Stylo- 
thyreo-  und  geniohvoidei,  longitudinales  et  transversi  linguae,  in- 
dem ebensowohl  ein-  als  zweiseitig  die  Zunge  nach  vorn,  nach 
hinten,  oben  und  unten  bewegt  werden  kann.  Beschränkt  ist  aber 
die  Willkür,  dem  m.  mylohyoideus  gegenüber,  insofern,  als  er 
jedesmal  nur  beiderseitig  zusammenziehhar  ist;  der  hyothyreoideus 
endlich  zieht  sich  für  gewöhnlich  nur  gleichzeitig  mit  den  Spnnn- 
muskeln  der  Stimmbänder  und  den  Gaumen-  und  Schlundschnürern 
zusammen. 

lieber  die  Znngenmnskeln,  im  engeren  Wortsinn,  ist  eine  derbe 
Bindegewebshülle  gezogen,  in  welche  an  vielen  Orten  die  Muskeln 
eingehen ; sie  ist  mit  einem  hornigen  Ueberznge  bekleidet,  der  sich 
auf  dem  Rücken  in  zahlreiche  feine  Fortsätze  (papillae  filiformes) 
erhebt.  Der  Ueborzug  macht  die  Zunge  rauh  und,  wo  er  dick  ist,  auch 
die  darunter  liegenden  weichen  Gewebe  weniger  angreifbar.  — Da 
aber  die  Hornschicht  auf  den  pap.  fungiformes  nur  dünn  ist  und  zu- 
gleich die  Zungenschleimhaut  reichliche  Vertheilungen  des  n.  lin- 
gualis  besitzt,  so  geht  aus  allem  Diesen  hervor,  dass  die  Zunge 
als  Schaufel  und  Tastwerkzeug  sehr  brauchbar  ist. 

Der  Kehldeckel  ist  ein  elastisches  Knorpelplättchon,  das 
sich  an  'das  Zungenbein  und  die  Spannknorpel  des  Kehlkopfes  (eart. 
thyreoid.)  mittelst  elastischer  Bänder  anheftet,  welche  ihm,  wenn 
er  sich  selbst  überlassen  bleibt,  eine  solche  Stellung  zu  der  Zun- 
genwurzel sichern,  dass  ihn  ein  Flüssigkeitsstrom  in  der  Richtung 
vom  Schlund  zur  Speiseröhre  gegen  den  Kehlkopf  umklappt.  In 
dieser  niedergedrückten  Lage  deckt  er  die  Stimmritze  aber  nur 
dann,  wenn  der  Kehlkopf  dem  Zungenbeine  durch  die  Verkürzung 
des  m.  thyreohyoideus  genähert  ist. 

Der  weiche  Gaumen*).  Seine  bogenförmigen  freien  Rän- 
der, von  denen  einer  zum  Rande  der  Zungenwurzel  und  ein  anderer 
zu  den  Seitentheilen  des  Schlundkopfes  läuft,  schliessen  bekanntlich 
die  mm.  palatoglossus  und  palatopharyngeus  ein.  Die  Zusammen- 
ziehung des  ersteren  flacht  den  vorderen  Bogen  um  ein  Weniges 
ab,  wobei  der  Gaumenvorbang , soweit  es  seine  Nachgiebigkeit  er- 


•)  Tourtoual,  L'eber  «len  Ban  des  inenschl.  Schlund-  und  Kehlkopfes.  Lelpxig  1848. 


V 


— . Jligiteedby  Google 


606  Mechanische  Arbeit  der  VerdauungswerkMBg»;  Mond  und  Schlund. 


laobt,  bernntertritt ; auf  eine  andere  Weise  kann  dem  Verkürzungs- 
bestreben  kein  Genüge  geleistet  werden,  da  die  in  die  Zungen* 
ränder  eingehenden  unteren  Enden  sieh  einander  weder  näheriiy 
noch  auch  die  Zunge  heben  können.  Bei  der  Zusammenziehung 
des  an  und  für  sich  schon  engeren  m.  palatopharyngeus  treten  da*' 
gegen  die  freien  Ränder  des  hinteren  Gaumenbogens  zur  Bildung 
einer  Spalte  (Dzondi)  von  dreiseitiger  Form  zusammen,  deren 
Basis  nach  der  Schlundwand  bin  gelegen  ist  (Tourtual).  — In 
dem  Theile  des  Segels,  der  von  der  Spitze  des  Bogens  bis  zum 
harten  Gaumen  sich  erstreckt,  münden  die  levatores  palati  poste- 
riores (circumäexus  palati)  und  anteriores,  die  tensores  palati  uqd 
die  levatores  nvulae  (azygos).  Die  vier  Gaumenheber  suchen,  wenn 
sie  kurz  werden,  das  Segel,  und  insbesondere  den  an  die  Knochen 
grenzenden  Theil  in  eine  Flucht  mit  dem  harten  Gaumen  zu  heben. 
M.  azygos  zieht  bei  seiner  Verkürzung  die  gesenkten  Bogenspitzen 
sarnint  dem  Zäpfchen  empor,  und  im  gleichen  Falle  zerrt  der  tensor 
die  genäherten  Bogenränder  auseinander  (?). 

Diese  Annahmen  gründen  sieh  theila  auf  Ableitungen  aus  dem  Muskelverlauf,  theile 
auf  direkte  Beobachtung  des  lebenden  Menschen , die  entweder  wie  gewöhnlich  von  der 
Mundhöhle  aus  geschieht,  oder,  wie  in  seltenen  Fällen  möglich  war,  von  der  Naaen- 
höhle  aus  (Dzondi,  Biddcr)*)  nach  Zerstörung  des  Oberkiefers  oder  von  den  unteren 
Stücken  der  Rachenhöhle  nach  Verletzungen  im  Seitcntheilc  des  Schlundes  über  dem 
Zungenbeine*  (Roheit). 

Die  Nerven  dieser  Muskeln  stammen  aus  sehr  verschiedenen 
Quellen;  m.  palatoglossus  erhält  sie  aus  dem  n.  vagus;  m.  levator 
palati  mollis  posterior  wird  zugleich  versorgt  durch  Fäden,  die  in 
den  nn.  facialis,  glossopharyngens,  vagus  und  accessorins  aus  dem 
Hirne  treten ; m.  tensor  palati  empfängt  seine  Nerven  aus  den  nn. 
trigeminns,  glossopharyngeus , vagus  uud  accessorins;  m.  azygos 
aus  den  nn.  vagus,  accessorius  und  glossopharyngeus.  — Die  Ner- 
ven des  arc.  glossopalatinus  sind  nicht  ermittelt,  da  der  Muskel 
den  meisten  Säugethiercn  fehlt;  auf  den  m.  levator  anterior  hat 
man  noch  keine  Rücksicht  genommen. 

Die  aufgezählten  Muskeln  sind,  wenn  überhaupt,  der  Willkühr 
nur  in  beschränkter  Weise  unterthan,  indem  niemals  die  Bewegung 
des  Gaumens  nur  auf  einer  Seite  ausgeführt  werden  kann.  Unter 
die  in  diesem  Sinne  willkürlich  beweglichen  Muskeln  gehören  un- 
zweifelhaft mm.  levatores  palati  und  uvulae.  — lteflectorisch  erregbar 

i 4 ^ r>  . VMiJy  f.T-  j ^ 

•)  Dzondi,  Die  Funktionen  des  weichen  Gaumens.  Halle  1881.  — Biddcr,  Beobachtungen 
über  die  Bewegungen  dee  weichen  Gaumens.  1848.  — - Kobelt,  Frorlep'a  Kotixen.  184«». 


.ßigilizedby  Google 


Kauen  and  Schlingen. 


607 


sind  die  Gaumenschnürer,  und  zwar  von  den  empfindenden  Nerven 
aus,  die  sieb  auf  der  Zuugeuwurzel , der  binteren  Fläche  des  Gau- 
mensegels und  in  der  Schleimhaut  Uber  den  mittleren  Schlundschnü- 
rern verbreiten. 

Sehlundkopf.  Die  Faserung  der  Schnürer  geht  zum  Theil 
spiralig  vom  Kehlkopf  und  Zungenbein  zur  entgegengesetzten  Kopf- 
hiilftc;  die  Züge  der  beiden  Seiten  verflechten  sich  in  der  hinteren 
Mittellinie  des  Schlundes;  zum  Theil  (im  pterygo-,  bnceo-  und  ke- 
ratopharyngeus)  läuft  sie  quer  von  einer  Seite  zur  anderen.  Diese 
Streifungen  müssen  die  unteren  Partien  heben  und  seitlich  znsam- 
menpressen:  an  den  Orten,  wo  die  hintere  Schlundwand  locker  an 
die  Wirbelsäule  geheftet  ist,  können  die  Schnürer  sie  auch  gegen 
die  Mundhöhle  hin  bewegen;  die  von  der  cart.  thyreoid.  entsprin- 
genden Fasern  sind  auch  vermögend,  die  Platten  des  genannten 
Knorpels  gegeneinander  zu  beugen.  — Der  m.  stylopharyngeus 
wird  seinem  Verlaufe  gemäss  die  seitlichen  Partien  der  Schlund- 
wand heben  und  auseinander  ziehen,  d.  h.  die  Falten,  die  sich  auf 
der  hinteren  Wand  gebildet  haben,  glätten. 

Die  Nerven  des  stylopharyngeus  laufen  im  n.  glossopharyngeus, 
die  Schnürer  werden  vom  n.  vagus,  accessorius  (und  glossopharyn- 
geus?)  versorgt. 

Ob  einer  dieser  Muskeln  ein-  oder  zweiseitig  durch  den  Willen 
erregt  werden  kann,  steht  noch  dahin.  In  Verbindung  und  unmit- 
telbar nach  der  Erregung  der  Gaumenmuskcln  scheint  dieses  nicht 
unmöglich.  — Reflexbewegungen  werden  in  ihnen  ausgelöst  auf 
Erregung  aller  cmfindenden  Flächen  hinter  dem  Gaumenbogen  bis 
zum  Beginn  der  Speiseröhre. 

Speiseröhre.  Ihre  Muskeln  sind  beim  Menschen,  abweichend 
von  dem  Verhalten  der  Haussäugethiere,  aus  Quer-  und  Läugsfädeu 
zusammengesetzt.  Die  Nerven  derselben  kommen  aus  dem  Vagus- 
stamme; sie  sind  dem  Willenseinflusse  durchaus  entzogen  und 
können  nur  in  besonderen  Zuständen  der  Erregbarkeit  von  der  sie 
deckenden  Schleimhaut  zu  Zusammenziehungen  veranlasst  werden. 

Die  bis  dahin  erwähnten  Werkzeuge  vollfuhren  das  Kauen  und 
Schlingen. 

Das  Kauen  oder  Verkleinern  der  eingefUhrten  und  unter  Um- 
ständen mit  den  Schneidezähnen  abgebissenen  Speisebrocken  ge- 
schieht durch  den  mahlenden  Druck  der  Backzähne;  diesem  Akte 
kommt  die  Kraft  der  Kieferschliesser,  die  Beweglichkeit  des  Unter- 
kieferkopfes  nach  verschiedenen  Richtungen  und  die  Härte  und  Un- 


608 


Das  Schlingen. 


eben  heit  der  Backzähne  zu  Oute.  — Die  Speisebrocken  würden  bei 
diesen  Bewegungen  von  der  erhaben  gestellten  Kauflacbe  herunter- 
fallen,  wenn  sie  nicht  durch  die  Wangen,  Lippen  und  die  Zunge 
anf  ihr  gehalten  wurden.  Wenn  diese  Einrichtungen  das  Abgleiten 
nicht  vollkommen  verhüten,  so  hebt  die  Zunge  das  Niedergefallene 
wieder  empor;  diese  letztere  wendet  zugleich  die  Speise  von  einer 
Wangenseite  auf  die  andere,  ein  Vorgang,  der  namentlich  beim 
Kanen  trockener  Bissen  Öfter  in  Anwendung  kommt.  — Den  Härte- 
grad der  eingeführten  Stoffe  prüfen  die  Zähne,  welche  bekanntlich 
sondenartige  Tastwerkzeuge  darstellen;  in  Verbindung  mit  der  Zunge, 
geben  die  Zähne  auch  Nachricht,  ob  die  Bissen  den  zum  Schlingen 
hinreichenden  Grad  von  Vertheilnng  erlangt  haben. 

Das  Schlingen.  Dieser  Muskelakt,  vermittelst  dessen  der 
verkleinerte  Bissen  aus  dem  Munde  in  den  Magen  befördert  werden 
soll,  wird  dadurch  verwickelt,  dass  die  Speisen,  nachdem  sie  ein* 
mal  in  die  Rachenhöhle  geschoben  sind,  nun  in  den  Oesophagus 
eindringen ; also  die  Mündungen  der  Luftwege  in  den  Rachen  ver- 
meiden sollen  und  zugleich  nicht  in  die  Mundhöhle  zurltckweichen 
dürfen.  Das  Einschieben  des  Bissens  hinter  den  vorderen  Gaumen- 
bogen besorgt  die  Zunge ; zu  dem  Ende  wird  sie,  nachdem  sie  die 
Speisen  auf  ihren  etwas  hohl  gestellten  Rücken  genommen  hat,  zu- 
erst vom  gehoben  durch  die  Muskeln  des  freien  Zungenblattes, 
dann  aber  in  der  Mitte  durch  die  Zusammenziebung  des  m.  mylo- 
hyoideus, indem  er  den  Boden  der  Mundhöhle  abflacht,  und  end- 
lich an  der  Wurzel  durch  den  m.  styloglossus.  Nachdem  der  Bissen 
somit  durch  die  Zunge  an  den  harten  Gaumen  gepresst  und  hinter 
den  arcus  glossopalatums  geschoben  wurde,  legt  sieh  dieser  um  die 
Zunge  an  und  sehliesst  damit  Schlund-  und  Mundhöhle  von  ein- 
ander ab.  — ln  diesem  Augenblicke  werden  aneh  die  Nasenöff- 
nungen und  die  Stimmritze  gedeckt.  Die  ersteren  dadurch,  dass 
das  Gaumensegel  in  Verbindung  mit  der  hinteren  Schlnndwand  eine 
zeitweilige  Scheidewand  zwischen-  dem  oberen  und  unteren  Theile 
des  Schlundkopfes , etwas  unterhalb  der  Choanen , herstellt ; hier- 
bei greifen  die  einzelnen  Theile  so  in  einander,  dass  die  levatores 
palati  antiei  und  poatici  in  der  Nähe  des  harten  Gaumens  und  die 
sohräg  vom  Kopf  nach  dem  Larynx  verlaufenden  Schnürmnskeln 
des  Schlundes  die  hintere  Fläche  des  Gaumensegels  zn  einer  hori- 
zontalen oder  schief  nach  hinten  abtiachenden  Fläche  erheben ; diese 
Wirkung  der  bezeichnten  Muskeln  wird  unterstützt  durch  den  Bissen, 
welcher  von  der  Zunge  aus  das  velum  palatinum  hebend  vor  sich 


ly-Qtßgjf 


Schlingen. 


609 


Verschiebt.  Der  Spalt,  der  zwischen  dem  hinteren  Ganmenbogen 
dann  noch  Übrig  bleibt,  wird  geschlossen  durch  eine  Falte,  welche 
sich  von  der  Scblundwand  hervorbebt  in  Folge  der  seitlichen  Zn- 
samruenpressung , welche  der  Pharynx  durch  die  absteigend  und 
horizontal  verlaufenden  Muskelfasern  erfährt.  — Der  liebergang 
der  Speisen  in  die  Luftröhre  wird  dadurch  verhindert,  dass  der 
Kehldeckel  sich  Uber  den  Kehlkopf  legt;  der  epiglottis  wird  der  Ein- 
tritt in  diese  Stellung  darum  erleichtert,  weil  sich  der  Kehlkopf 
erhebt  und  sich  demnach  gegen  die  Zungenwurzeln  drückt;  das 
Umlegen  des  Kehldeckels  selbst  aber  sollte,  wie  man  früher  an- 
nahm, durch  den  niedergehenden  Bissen  geschehen;  Czermak*) 
hat  jedoch  mit  dem  Kehlkopfspiegel  nachgewiesen,  dass  dieses  nicht 
der  Fall  sei,  sondern  dass  der  Kehldeckel  durch  seine ' Muskeln 
herabgezogen  wird.  Soll  der  Verschluss  des  Kehlkopfs  noch  fester 
gemacht  werden,  so  legen  sich  die  wahren  Stimmbänder  aneinander, 
die  falschen  Stimmbänder  nähern  sich  und  senken  sieh  bis  zum 
vollständigen  Verschwinden  der  Morgagnischen  Taschen  auf  die 
wahren  Stimmbänder  und  zugleich  drückt  sich  der  Kehldeckel  mit 
seiner  nach  hinten  vorspringenden  convexen  Geschwulst  auf  die 
geschlossene  Glottis  (Czermak).  In  dieser  Lage  überragt  die  Epi- 
glottis den  Kehlkopf,  sodass  ihre  freien  Ränder  beim  leeren  Schlin- 
gen durch  den  contrahirten  Schlund  aufgebogen  werden  können. 
Auffallend  ist  es,  dass  bei  dieser  kräftigen  Berührung  der  obern 
Glottis  fläche  kein  Hustenanfall  erzeugt- wird,  den  doch  jeder  ein- 
dringende Bissen  hervorbringt. 

Die  Schliesser  der  Stimmritze  spielen  jedoch  beim  Abhalten  des  Speisebissens  von 
der  Luftröhre  nicht  die  Rolle,  die  man  ihnen  früher  allgemein  zutheilte.  Dieses  geht 
daraus  hervor,  dass  kein  Speiseantheil  während  des  Sehlingens  in  die  Luftröhre  fällt, 
wenn  man  auch  eine  Röhre  oder  die  gesperrten  Arme  einer  Pincetto  in  die  Stimmritze- 
legt (Longot**),  Bouchut).  — Unter  Umständen  kann  sogar  nach  Abschnoidung 

dos  Kehldeckels  das  Schlingen  noch  gut  von  Statten  gehen  (LongOt). 

• 

Dem  allseitig  gedrückten  Bissen  bleibt  somit  nur  der  Weg  in 
den  unteren  Theil  des  Schlundkopfes,  der  um  so  leichter  genom- 
men wird,  als  sich  derselbe  mit-  der  Hebung  des  Kehlkopfes  der 
Zungenwurzel  entgegenschiebt.  Dort  angelangt,  wird  er  durch  eine 
Zusammenzichung  der  Schlundschnürer  dem  Oesophagus  überliefert, 
welcher  sich  jedesmal  in  den  Stücken  verengert,  die  unmittelbar 


*)  Der  Kehlkopfspiegel.  Leipzig  1860. 

•■)  Longe  t,  3'raitd  de  Physiologie.  I.  2 Abth.  102.  ->  Bouchut,  Aus  den  Sitzungsberichten 
der  medizinischen  Akademie  zu  Paris  1869. 

Ludwig,  Physiologie  11.  2.  Auflage.  39 


- -BigitizecHjy-Google 


610 


Schlingen. 


oberhalb  und  nm  den  Bissen  gelegen  sind;  diese  Znsammenziehnng 
schreitet  mit  dem  Inhalte  allmiihlig  von  oben  nach  unten  fort,  wo- 
bei sie  aber  immer  nur  einen  beschränkten  Abschnitt  der  Musku- 
latur zugleich  ergreift,  indem  die  Fasern  der  Orte,  welche  der  Bissen 
verlassen  hat,  auclr  allmählig  zu  ihrer  normalen  Länge  zurück- 
kehren. 

Die  Nerven,  welche  der.  Beihe  nach  beim  Schlingen  in  Erre- 
gung treten,  sind  nicht  durchweg  bekannt.  Aeste  der  nn.  trige- 
miaus,  hypoglossus  und  des  Vagussstammes  sind  unzweifelhaft  be- 
theiligt; ob  auch  die  Schlund-  und  Gaumenzweige  der  nn.  trige- 
minus,  facialis  und  glossopharyngeus  dazu  gehören,  ist  zweifelhaft. 
Jedenfalls  aber  steht  hier  wie  bei  der  Angenbewegung  fest,  dass 
Nervenröhren  mit  sehr  verschiedenen  Ilirnursprtlngen  in  diese  com- 
binirte  Bewegung  als  Erreger  eingehen. 

Die  Zusammenziehung  der  einzelnen  Muskelstucke  *)  des  Sehling- 
apparates ist  in  die  eigentümliche  Beziehung  gebracht,  dass  bei 
normaler  Erregbarkeit  auf  die  Verkürzung  eines  höher  gelegenen 
Stuckes  jedesmal  die  der  tiefer  gelegenen  bis  zum  Magen  hin  nach- 
folgt, während  niemals  auf  die  eines  tieferen  die  Zusammenzie- 
hung  eines  höheren  folgt.  Man  drückt  dieses  gewöhnlich  so  aus, 
dass  dem  Schlingapparate  eine  peristaltische,  aber  keine  antiperi- 
staltische Bewegung  zukomme.  — Das  Fortlaufen  der  peristalti- 
schen Bewegung  geschieht  allmählig  und  ist  namentlich  abhän- 
gig von  der  Zeitdauer,  welche  jedes  einzelne  Stück  zur  Vollen- 
dung seiner  Zusammenziehung  verbraucht,  da  die  nächst  tiefer 
gelegenen  Partien  nicht  eher  in  den  Zug  der  ßewegung  eintreten, 
bevor  nicht  die  höheren  wieder  zu  der  Erschlaffung  gekommen  sind. 
— Die  Einleitung  der  Bewegnng  ist,  wie  es  scheint,  nur  bedingt 
vom  Willen  abhängig;  dagegen  kann  sie  ohne  äussere  Ursache 
unwillkürlich  (vgl.  I.  Bd.  213)  und  auf  reflektorischem  Wege  zu 
Stande  kommen.  Die  sensiblen  Orte,  deren  Erregung  das  Schlia- 
gen  einleitet,  scheinen  für  gewöhnlich  auf  die  hintere  Fläche  des 
Gaumens  und  den  Eingang  in  den  Kehlkopf  (Wild,  Longet)  be- 
schränkt zu  sein;  nur  zuweilen  gelingt  es,  die  fortlaufende  Bewe- 
gung durch  einen  Anspruch  der  Speiseröhrenschleimhaut  auszulösen. 
Einmal  eingeleitet  schreitet  die  Bewegung  unaufhaltsam  bis  znm 
Magen  fort,  so  lange  Nerv  und  Muskel  erregbar  und  unversehrt 
sind,  und  so  lange  sich  der  fortschreitenden  Bewegung  kein  Hin- 
derniss  entgegenstellt.  Durchschncidet  man  aber  die  Muskeln  oder 

•)  Wild,  Henle's  und  Pfeafer’i  Zeitschrift.  V.  Bd.  76. 


3üaed  by  Google 


Mechanische  Arbeit  der  Verdainisgswerkzeugo;  Magen. 


611 


Nerven  des  Oesophagus,  oder  presst  man  ein  beschränktes  Stück  des 
letzteren  durch  einen  unigelegten  Faden  zusammen,  so  Überschreitet 
die  von  oben  herkommende  Zusammenziehung  den  verletzten  oder 
gedrückten  Ort  nicht  (Wild). 

Dor  Wille  vermag  die  Schlingbewegung  nur  dadurch  einauleiten,  daaa  er  den  festen 
oder  flüssigen  Inhalt  der  Mundhöhle  in  den  Hachen  schiebt,  welcher  dann  die  dort 
vorhandenen  sensiblen  Nerven  erregt;  dieses  geht  am  deutlichsten  daraus  hervor,  dass 
man  auf  Qeheiss  des  Willens  nur  bis  zum  Verschwinden  allen  Speichels  (drei*,  vier- 
bis  fünfmal  unmittelbar  hintereinander)  schlingen  kann,  dass  sich  aber  die  Fähigkeit 
dazu  sogleich  wieder  einstellt , so  wie  sich  wieder  Speichel  in  der  Mundhöhle  ansam-  4 
melt  oder  ein  Bissen  in  sie  eingebracht  wird.  — Die  Angabe,  dass  die  einmal  cinge- 
lcitete  Schlingbewegung  zu  ihrer  Fortführung  der  reflektorischen  Erregungen  nicht  be- 
darf, und  namentlich  nicht  in  Abhängigkeit  steht  von  den  Erregungen,  die  der  weiter 
geführte  Bissen  in  der  Schleimhaut  hervorbringt,  stützt  sich  darauf,  dass  sich  die  Be- 
wegung selbst  dann  fortsetzt,  wenn  der  Fortgang  des  Bissens,  z.  B.  durch  einen  ange- 
zogenen und  feBtgchaltenen  Faden,  aufgehalten  wird.  Siehe  das  Qenauere  bei  Wild. 

2.  Magen. 

Dieser  geräumige  Behälter  ist  im  leeren  Zustande  so  aufge- 
hängt, dass  cj  seine  grosse  Curvatur  nach  unten  wendet;  im  ge- 
füllten dreht  er  sich  dagegen  nach  vorn  und  somit  stellt  er  seine 
kleine  Krümmung  nach  hinten,  welche  sich  dann  über  die  Wirbel- 
säule und  die  auf  ihr  laufenden  Gefässe  hinspannt,  ohne  diese  letz- 
teren zn  drücken.  Diese  Drehung  muss  um  eine  Linie  geschehen, 
welche  durch  die  beiden  am  festesten  angehofteten  Punkte,  die 
Cardia  nnd  den  Pylorus  bestimmt  ist.  Die  Drehung  wird  möglich, 
weil  die  Krümmungen  nur  durch  die  schlaffen  Netze  angeheftet 
sind,  nnd  die  vordere  und  hintere  Magenfläche  mit  ihren  glatten 
ßanchfellttberzügen  frei  in  der  Pcritonialhühle  liegen.  Der  Mecha- 
nismus, welcher  diese  Drehung  leitet,  ist  noch  nicht  ermittelt.  Jeden- 
falls ist  er  von  irgend  welcher  Muskelzusammenziehung  unabhän- 
gig, da  sich  auch  der  Magen  in  der  Leiche  bei  seiner  AnfUllnpg 
dreht.  — In  dieser  Lage  nimmt  nun  die  Cardialöffnnng  die  höchste 
Stelle  ein,  so  dass  gegen  sie  die  spezifisch  leichtesten  Bestand- 
teile des  Mageninhaltes  zu  liegen  kommen.  Enthält  also  neben 
festen  und  flüssigen  Stoffen  der  gefüllte  Magen  auch  Luft,  so  wird 
sie  sich  an  der  bezeichneten  Stelle  finden  und  durch  den  Magcn- 
mund  anstreten,  wenn  er  geöffnet  ist.  — Die  Muskulatur  des  Ma- 
gens macht  vermöge  der  Anordnung  ihrer  Fasern  eine  Verschlies- 
sung  seiner  Mündungen,  insbesondere  der  nach  dem  Dünndärme 
gekehrten,  möglich,  und  ausserdem  kann  sie  eine  im  Einzelnen 
mannigfach  abgeänderte  Verengerung  der  Magenhöhle  herbeiführen. 

39* 


- Digitized  by  Google 


612 


Mechanische  Arbeit  der  Verdammgswcrkaenge;  Magen. 


Nerven  erhalten  die  Magenmuskeln  ans  den  Zweigen  des  n.  vagns, 
des  splanchnicus  und  dem. grossen,  viele  Ganglien  enthaltenden 
Geflecht,  welches  in  der  Bindegewebshaut  gelegen  ist  (Meissner, 
Manz*). 

Die  Bewegungen**)  des  lebenden  Magens,  der  in  seinen  na- 
tth-liehen  Verbindungen  und  unter  normalen  Verhältnissen  steht,  sind 
keine  einfachen  Zuckungen,  sondern  verwickelte  Vorgänge,  deren 
innerer  Zusammenhang  nicht  durch  die  einfache  Beobachtung, 
sondern  nur  durch  den  zergliedernden  Versuch  aufgedeekt  werden 
kann.  In  der  letztem  Richtung  ist  jedoch  noch  wenig  geschehen. 
Wir  wissen  Überhaupt  nur,  dass  sich  der  ausgeschnittene  mit 
Speisen  gefüllte  Magen  des  Kaninchens  rhythmisch  zusammenzieht. 
Diese  Bewegungen  erstrecken  sich  namentlich  auf  den  dem  Oeso- 
phagus unmittelbar  angrenzenden  Theil  der  Cardia.  Bei  ihrem 
Eintritt  plattet  sich  der  in  der  Nähe  konisch  geformte  Theil  ab,  es 
wird  der  Oesophagus  in  die  Magenhiihlc  hineingezogen  und  der 
Cardialsphincter  schliesst  sich.  Diese  Bewegungen  kehren  nach 
minutenlangen  Pausen  wieder  (Basslinger).  fjjc  sind  bisher 
weder  am  nüchternen  Magen  des  Kaninchens,  noch  am  gefüllten 
oder  leeren  anderer  Thiere  beobachtet  worden,  vorausgesetzt,  dass 
derselbe  ausgeschnitten  war.  — 2.  Reizt  man  den  ausgeschnittenen 
Magen  auf  seiner  • serösen  Fläche  momentan  und  beschränkt , so 
stellen  sich  zuweilen  weit  verbreitete  und  lang  dauernde  Bewegun- 
gen ein,  deren  Form  und  Dauer  aus  den  Eigenschaften  des  Reizes 
nicht  abgeleitet  werden  können.  — Statt  und  neben  diesen  Bewe- 
gungen, die  wie  gesagt,  häufig  fehlen,  stellt  sich  dagegen  immer 
eine  Zusammenziehung  ein,  die  als  eine  directe  Folge  des  Reizes 
angesehen  werden  kann.  Diese  Contractionen  geschehen  in  der 
den  glatten  Muskeln  eigenen  langsamen  Weise.  — 3.  Der  heraus- 
goschnittene,  entleerte,  ruhige  Magen  eines  Säugetliieres  kommt  in 
Bewegung,  wenn  man  ihn  in  der  Luft  auf  19°  bis  25°  C.  erwärmt 
(Calliburces).  — 4.  Reizt  man  am  ebengetödteten  Thiere  den 
Stamm  des  n.  vagns  am  Halse,  so  kann  eine  Bewegung  des  Ma- 
gens eintreten  oder  ausbleiben.  Das  erstere  geschieht  vorzugs- 
weise, wenn  der  Magen  einige  Zeit  hindurch  in  Verdauung  begriffen 


•)  Manz,  l>ie  Nerven  und  Ganglien  des  S&ngethlerdarms.  Freiburg  1859. 

•■)  Basslinger,  Wiener  Sitzungsberichte.  XXXVII.  Bd.  — Wolf,  Meissners  Jahresbericht 
für  1857.  -194.  — Volk  mann,  NcrvenphysiologWS  im  Handwörterbuch  der  Physiologie  II.  Bd.  686. 
— Longct,  Traite  de  Physiologie  I.  2.  Abthlg.  1857.  120.  — * Bulatowlos,  de  partibas  qua* 
nervi  vagl  ln  vomitu  agunt.  Don»  1868.  — Calliburces,  CoinpL  reud.  XLV. — Busch,  Archiv 
für  patholog.  Anatomie.  XIV  Bd.  106. 


Mechanische  Arbeit  der  Verdautmgswerkseuge ; Magen. 


613 


war.  Die  Bewegung  ist  entweder  eine  peristaltische,  oder  sie  be- 
steht in  einer  ZnsammcnschnUrung,  die  sich  vom  Gipfel  der  grossen 
zur  tiefsten  Ausbeugung  der  kleinen  Curvatur  erstreckt  (Bischoff, 
Longe t)  oder  in  Zusammenschnürungen  des  Pylorusendes  (Wolf). 
Ist  der  Magen  bewegungsfähig,  so  tritt  die  Zusammenziehung  nicht 
unmittelbar,  sondern  erst  einige  Sekunden  nach  der  Einwirkung 
eines  vorübergehenden  Reizes  auf,  auch  kehrt  sie  öfter  nach  Ent- 
fernung des  Reizes  weder.  — 5.  Betastet  man  am  lebenden  Thicre 
durch  eine  Fistel  hindurch  die  Schleimhautfläche  des  Magens  mit 
zwei  um  mehrere  mm.  von  einander  abstehenden  Drähten,  durch 
die  ein  Induktionsstrom  geht,  so  erzeugt  man  durch  Berührung  der 
Cardia  Brechbewcgnngen , die  mit  einer  Erschlaffung  des  ’Cardial- 
pfdrtners  verbunden  sind.  Einen  ähnlichen  Erfolg  kann  man  weder 
durch  Reizung  des  Fundus  noch  des  Pylorusendes  hervorbringen 
(G.  Ludwig,  Kupffer).  Dieser  Erfolg  fehlt,  wenn  vorgängig  die 
n.  vagi  am  Halse  durchschnitten  waren  (Bulato  wicz).  — 6.  Wird 
die  Schleimhaut  des  Pylorus  in  der  oben  bezeichncten  Weise  oder 
mit  dem  eingeführten  Finger  gereizt,  so  erfolgen  kräftige  Zusam- 
menziehungen  des  Pyloruspförtners.  — 7.  Wenn  der  Magen  des  le- 
benden Hundes  mit  Speisen  angefüllt  ist,  so  entstehen  am  Cardial- 
theile  rhythmisch  wiederkehrende  Contrakturen , die  meist  mit  der 
Inspiration  beginnen  und  mit  der  Exspiration  nachlasscn  (Longet). 
Diese  Bewegungen  werden  am  Magen  des  lebenden  Kaninchens 
jedesmal  durch  eine  Schlingbewegung  veranlasst,  indem  sich  die 
peristaltische  Bewegung  des  Oesophagus  auf  die  Cardia  fortsetzt 
(Basslinger).  — 8.  Der  mit  Speisen  gefüllte  Magen  des  lebenden 
Menschen  und  Hundes  lässt  Bewegungen  gewahren,  die  eine  Ver- 
engerung seiner  Höhle  anstreben;  sie  sollen  nach  Beobachtungen, 
die  Beanmont  bei  einem  Menschen  anstellte,  der  eine  Magcnfistel 
besass,  peristaltisch  vom  fFundus  gegen  den  Pylorus  hin  fort- 
schreiten. Diese  Bewegungen  kehren,  wenn  sic  einmal  eingetreten 
sind,  wie  die  Untersuchungen  an  Hunden  lehren,  nach  mehr  pder 
weniger  kurzen  Zeitabschnitten  wieder.  Ausser  dem  peristaltisehem 
Modus  wurde  auch  ein  antiperistaltischer  beobachtet.  Diese  Bewe- 
gungen treten  jedoch  nicht  alsbald  nach  dem  Niederschlingen  der 
Speisen,  sondern  erst  dann  ein,  wenn  die  letztem  einige  Zeit  im 
Magen  verweilten;  Longet  sah  sie  durch  eine  Magenfistel  des  Hun- 
des erst  nach  schon  weiter  fortgeschrittener  Verdauung  zum  Vor- 
schein kommen.  Dem  entgegen  beobachtete  Busch,  dass  schon 
15  bis  35  Minuten  nach  dem  Speisen  das  Genossene  aus  einer 


614 


Mechanische  Arbeit  der  Verdauungswerkzeuge;  Dünndarm. 


DUnndarmfistel  einer  Frau  bervortrat.  A eheliches  sieht  man  öfter  bei 
Hunden , die  eine  Duodenalfistel  tragen.  — 9.  In  der  Nacht  sind  keine 
Magenbewegungen  vorhanden,  selbst  wenn  der  Magen  Speisen  enthält 
und  sich  kein  Schlaf  eingestellt  hat  (Busch).  — 10.  Nach  Durchschnei- 
dung  der  nn.  vagi  werden  die  Bewegungen  vielleicht  schwächer,  aber 
sie  hören  nach  Übereinstimmenden  Angaben  nicht  auf,  zu  erscheinen. 

Aus  Allem  scheint  zu  folgen , dass  der  Magen  einen  automatischen 
Erreger  in  sich  trägt,  welcher  die  räumliche  und  zeitliehe  Ordnung 
der  Bewegung  bestimmt.  Diese  Selbsterreger  können  aber  auch 
von  aussen  her  und  zwar  sowohl  durch  den  n.  vagus  wie  auch 
durch  reflectorische  Veranlassung  zur  Auslösung  von  Reizen  be- 
stimmt werden.  Je  nach  der  Oertlichkeit  der  ursprünglich  erregten 
von  aussen  her  eindringenden  Nervenmassen  (Cardia,  Pylorus,  n. 
vagus)  werden  auch  nur  bestimmte  Muskelabtheilungen  zur  Bewegung 
veranlasst  Die  automatischen,  beziehungsweise  die  reflectorischen 
Organe  sind  aber  nicht  immer  im  Zustand  der  Erregbarkeit,  und  cs 
scheinen  auch  nicht  alle  automatischen  Stellen  des  Magens  gleich- 
zeitig in  die  letztere  zu  gerathen.  Für  die  Verdauungslehre  ist  es 
wichtig,  dass  die  den  Pylorus  beherrschenden  Nerven  schon  mit 
dem  Eintritt  der  Speisen  in  den  Magen  erregbar  werden,  während 
die  zu  den  übrigen  Muskeln  gehörenden  Nerven  erst  dann  thätig 
werden,  wenn  die  Magenverdauung  schon  kürzere  oder  längere 
Zeit  im  Gang  ist. 

3.  Dünndarm. 

Als  ein  Rohr  von  beträchtlicher  Länge,  dessen  Wandungen  bis 
zum  Verschwinden  der  Höhle  von  den  gespannten  Bauchdecken  zu- 
sammengepresst werden,  bietet  er  ein  ganz  anderes  Verhältniss 
zwischen  Binnenraura  und  Wandungsfläche,  als  der  Magen.  — Die 
Anheftung  durch  das  Peritonänm  zwi%t  das  lleum  und  Jejunum 
in  Schlingen  zu  hängen,  die  wechselnd  auf-  und  absteigen  können, 
das.  festgeheftete  Duodenum  wechselt  zum  Vortheil'  der  Gallen-  und 
Pankreasgänge,  welche  seine  Wand  schräg  durchbohren,  seinen  Ort 
niemals.  — Die  Falten  der  Schleimhaut  des  Jejunum  sind  so  ge- 
legt, dass  sie  das  Gleiten  des  Inhaltes  in  der  Richtung  von  oben 
nach  unten  erlauben,  während  sie  durch  einen  Stoss  im  umgekehr- 
ten Sinne  aufgestellt  werden. 

. Die  Längs-  und  Kreisfasern  in  der  Muskelhant  des  Darms 
werden  mit  Nerven  versorgt  ans  den  nn.  vagus,  splanchnic.  maj. 
und  min.  und  endlich  aus  dem  von  Meissner  entdeckten  plexug 


. ...  Digitizerl  hy  C.nogle 


Mechanische  Arbeit  der  Verdauung*  werk  zeuge ; Dünndarm.  015 

gangliosus,  der  in  der  Bindegewebshant  des  Darms  ausgebreitet 
liegt. 

Die  Bewegungen*)  der  Muskelhaut  sind  entweder  einfache  auf 
die  gereizte  Oertlichkeit  beschränkte  Zusammenziehungen  (lang- 
same Zuckungen)  oder  geordnete  Bewegungen.  Die  letzteren  können 
unter  zwei  Formen  auftreten;  sie  sind  nämlich  entweder  stehende, 
um  denselben  Darmumfang  rhythmisch  wiederkehrende  Verkürzungen 
und  Verengerungen  (pendelnder  Modus),  oder  sie  sind  fortschrei- 
tende Bewegungen.  Bei  diesen  letzteren  entsteht  eine  Zusammen- 
ziehung der  Längs-  und  Kreisfasern  an  einem  beschränkten  Darm- 
stück;  alsbald  nach  Vollendung  der  Contractur  lösst  sich  dieselbe 
ancb  wieder  und  während  dieses  geschieht,  zieht  sich  ein  zunächst 
liegender  Darmumfang  zusammen,  dieses  zweite  Stück  wird  dann 
ebenfalls  wieder  von  einem  dritten  abgelöst  u.  s.  w.  Die  Reihen- 
folge schreitet  hierbei  immer  nach  einer  Richtung  fort;  je  nachdem 
sie  von  oben  nach  unten  oder  umgekehrt  weiter  geht,  wird  sie 
peristaltische  oder  antiperistaltische  genannt. 

Zu  den  Bedingungen,  unter  welchen  diese  Bewegungen  ent- 
stehen und  vergehen,  zählen  erfahrungsgemäss  folgende.  — 1.  Der 
aus  der  Unterleibshöhle  im  Glanzen  oder  nur  in  Stücken  herausge- 
nommene, von  seinem  Mensenterium  möglichst  vollständig  befreite 
Dünndarm  bleibt  ungereizt  entweder  in  Ruhe  oder  er  bewegt  sich 
nach  dem  fortschreitenden  oder  dem  pendelnden  Modus.  Besonders 
ausgebildet  treten  die  Bewegungen  an  dem  ausgeschnittenen  Darm 
der  Thiere  auf,  die  nach  der  Durchschneidung  beider  nn.  splanch- 
nici  noch  einige  Tage  gelebt  haben  (Haffter).  — 2.  Wird  die  se- 
röse Oberfläche  des  ausgeschnittenen  Darms  in  beschränkter  Aus- 
dehnung durch  einen  Indnktionsstrom  oder  durch  einen  harten 
Körper  berührt , so  stellt  sich  entweder  eine  geordnete  oder  auch 
nur  eine  einfache  Reizbeu^pgung  ein.  Je  entfernter  im  Allgemeinen 
die  Zeit,  in  welcher  der  Darm  gereizt  wurde,  von  dem  Augenblick 
des  Todes  ist,  um  so  weniger  Aussicht  hat  man  auf  geordnete 
Bewegungen  zu  treffen;  einfache  Zuckungen  lassen  sich  dagegen 
lange  nach  dem  angegebenen  Zeitpunkt  erzeugen.  — 3.  Wird  der 
ausgeschnittene  und  bei  gewöhnlicher  Zimmerwärme  zur  Ruhe  ge- 
kommene Darm  durch  Luft  von  19°  bis  25°  C.  erwärmt,  so  beginnt 


•)  Ausser  der  beim  Magen  angeführten  Litteratnr:  Schwarzenberg,  Henle  and  PfenfePs 
Zeitschrift  Vll.  31  r.  — Haffter,  Ibld.  N.  P.  IV.  Bd.  — Beta,  Ibid.  N.  F.  I.  Bd-  — Pflüge/, 
Ueber  du  Hciumungsnervensyatcm.  Berlin  1857.  — C.  Ludwig  und  Kupffer,  Wiener  Sitzungs- 
berichte. 35.  Bd.  — Donder»,  Physiologie  des  Menschen.  3.  Aufl.  1859.  806. 


Digitized  by  Google 


616 


Mechanische  Arbeit  der  Verdauungrwerkaenge ; Dünndarm. 


er,  vorausgesetzt,  dass  er  durch  seinen  Inhalt  nicht  merklich  aus- 
gedehnt war,  geordnete  Bewegungen  (Call  iburces).  Erhöht  sich 
die  Temperatur  aber  auf  35°  C.,  so  hören  die  Bewegungen  auf.  — 

4.  Der  blossgelegte  Darm  eines  lebenden  Thieres  (namentlich  der 
Katze  und  des  Hundes,  nicht  selten  aber  auch  des  Kanininchens) 
liegt  meist  vollkomtnmen  ruhig.  Dasselbe  sieht  man  häufig  an  dem 
Darm  eines  ebengetödteten , und  namentlich  auch  des  durch  einen 
Herzstich  umgebrachten  Thieres.  Einige  Minuten  nach  dem  Tode,  un- 
gefähr zu  der  Zeit,  wo  das  Rückenmark  abstirbt,  geräth  der  Darm 
in  weit  verbreitete  pendelnde  und  fortschreitende  Bewegungen.  — 

5.  Unterbricht  man  nach  Bloslegung  des  Darms  den  Blntstrom  in 
dem  letztem  dadurch,  dass  man  die  Aorta  zudrückt,  so  fängt  der 
bis  dahin  ruhige  Darm  an  sich  zu  bewegen  (Schiff).  Dieser  letz- 
tere Erfolg  bleibt  übrigens  auch  oft  aus,  und  da  man  beim'  Druck 
auf  die  Aorta  auch  leicht  darmbewegende  Nerven  reizt,  so  ist  es 
wünschenswerth,  den  Versuch  mit  Sorgsamkeit  zu  wiederholen.  Nach 
vorübergehenden  Verschluss  der  ven.  portar.  soll  sich  zuweilen  auch 
Darmbewegung  einstellen  (Betz,  Donders).  — 6.  Durch  Reizung, 
namentlich  dnreh  Aetzung  des  gglion.  coeliacum  lässt  sich  fast 
immer  eine  anhaltende  peristaltische  Bewegung  einleiten.  — 7.  Durch 
Reizung  des  Vagusstammes  am  Halse  kann  man  den  ruhenden 
Darm  in  geordnete  Bewegungen  versetzen,  die  einige  Minuten 
nach  dem  Eintritt  der  Reizung  beginnen,  sich  auf  ein  mehr  oder 
weniger  ausgebreitetes  Darmstück  ausdehnen,  resp.  an  verschiede- 
nen Orten  gleichzeitig  beginnen,  nnd  oft  während  noch  bestehender 
Vaguserregung  wieder  auf  hören,  noch  häufiger  aber  die  letzteren 
überdauern.  Aber  die  Reizung  des  n.  vagus  hat  nicht  immer  diesen 
Erfolg.  Namentlich  bleibt  mit  seltenen  Ausnahmen  der  blossgelegte 
Dann  des  lebenden  Thieres  während  der  Vaguserregung  vollkommen 
ruhig;  erstickt  man  darauf  das  Thier$  so  wird  man  aber  sicher 
einige  Minuten  nach  dem  letzten  Athemzug  auf  jeden  Induktions- 
reiz des  n.  vagus  Bewegung  eintreten  sehen  (Valentin,  Wolf, 
KupfSer  und  C.  Ludwig).  — 8.  Die  Reizung  der  nn.  splanchnici 
kann  je  nach  Umständen  eine  vorhandene  peristaltischc  Bewegung 
zum  Schweigen  bringen  oder  den  ruhenden  Darm  zu  Bewegungen 
veranlassen.  Das  erstere  geschieht,  wie  Pflüger  entdeckte,  sicher 
am  lebenden  Kaninchen,  wenn  dessen  Darm  nach  Eröffnung  der 
Unterleibshöhle  selbstständig  in  Bewegung  geräth.  Während  der 
Darmruhe,  die  der  erregte  splanchnicus  hervorbrachte’,  kann  durch 
jede  auf  den  Darm  selbst  angebrachte  Reizung  eine  rasch  vorüber- 


DigntzBrDyÄSeogl 


Mechanische  Arbeit  der  VerdamuiKswerkzenge ; Dünndarm.  . 

gehende  Bewcgnng  eingeleitet  werden,  dagegen  -kann  die  durch  den 
n.  vagus  veranlasst«  Bewegung  nicht  entstehen,  so  lange  eine  ent- 
sprechend starke  Reizung  des  n.  splanchnicus  vorhält.  — Ist  da- 
gegen das  Thier  abgestorben,  so  kann  man  einige  Minuten  nach 
dem  letztem  Athemzug  durch  eine  vorsichtig  auf  den  n.  splanchni- 
cus beschränkte  Erregung  den  bis  dahin  ruhigen  Dann  zu  einer 
vorübergehenden  Bewegung  veranlassen  (Kupffer,  C.  Ludwig). 
— 9.  Am  lebenden  Menschen  und  Thier  kann  die  Darmbewegung 
bei  geschlossener  Unterleibsböhle  sichtbar  werden  entweder  bei 
ausserordentlicher  Magerkeit  oder  mit  Hülfe  einer  Darmfistel  (C. 
Ludwig,  Busch).  Hier  gewahrt  man,  dass  der  Darm  Zeiten  der 
Ruhe  und  der  Beweglichkeit  hat.  Beide  Perioden  dauern  oft  Stun- 
den lang,  ln  der  Zeit  der  Beweglichkeit  folgen  sich  in  kurzen 
Zwischenzeiten  peristaltische  und  antiperistaltische  Gänge;  beim 
Hunde  (Dannfistel  am  Ende  des  ileums)  wurden  nur  peristaltische, 
beim  Menschen  (Darmfistel  am  Anfang  des  jejunum)  auch  antiperi- 
staltische beobachtet.  .Zur  Zeit  der  Beweglichkeit  kann  durch  sanfte 
Berührung  der  Bchlcimhautfläche  (also  auch  durch  die  Anwesenheit 
von  Speisen  und  Galle  u.  s.  w.)  jedesmal  eine  Bewegung  eingeleitet 
werden.  Die  Beweglichkeit  tritt  ein  zur  Zeit  der  Verdauung,  aber 
Bie  fehlt  auch  nicht  am  nüchternen  Thiere ; nach  mehrtägigem  Hun- 
gern kann  sie  sogar  sehr  häufig  und  anhaltend  auftreten.  Auch 
scheint  es  nicht,  als  ob  sie  an  Thieren  häufiger  wiederkehre,  deren 
nn.  splanchnici  durchschnitten  sind  (Haffter).  Gewisse  Arz- 
neien (die  drastischen  Abführmittel)  scheinen  begünstigend  auf  das 
Erscheinen  der  Beweglichkeit  zu  wirken.  — Die  Zeit  der  Ruhe 
scheint  namentlich  während  der  Nacht  anwesend  zu  sein,  selbst 
wenn  Speisen  genommen  wurden  und  kein  Schlaf  eintrat.  In  der 
Ruhezeit  kann  durch  selbst  kräftige  Berührung  der  Darmschleimhaut 
keine  Bewegung  eingeleitet  werden  (Busch,  Schwarzenberg). 

Aus  diesen  Thatsachen  ergiebt  sich,  dass  der  Darm  in  seinen 
Häuten  ein  automatisches  und  zur  reflektorischen  TJebertragung  ge- 
schicktes Organ  birgt,  dieses  ordnet  und  bestimmt  die  Bewegungen 
des  Darms  je  nach  seinem  innem  Zustande.  Dieser  letztere  wird 
aber  geändert  durch  die  Erregungen  der  nn.  vagi  und  splanchnici, 
durch  eine  Aenderung  der  Temperatur , eine  solche  des  Blutstroms, 
und  durch  gewisse  Arzneimittel  (?).  — Je  nach  den  gerado  vorhan- 
denen Eigenthümlichkeiten  des  Organs  können  namentlich  die  erreg- 
ten Nerven  Bewegung  auslösen , oder  unterdrücken  oder  auch  voll- 
kommen wirkungslos  bleiben. 


$13  Mechanische  Arbeit  der  Verdauungewcrkzeuge ; Dickdarm. 

4.  Dickdarm.  - 

Dem  Verhältnis»  seiner  Wandflächen  zu  seinem  Binnenraum 
gemäss  steht  er  in  der  Mitte  zwischen  Magen  und  Dünndarm.  Die 
auf-  und  absteigende  Richtung  seiner  Höhle,  welche  durch  die  Bauch- 
fellauheftung unverrückt  erhalten  wird,  bedingt  nothwendig  die  Schei- 
dung des  flüssigen  und  festen  vom  gasförmigen  Inhalte,  indem  der 
letztere  ebensowohl  vom  Coeeum  als  vom  Rectum  gegen  den  Quer- 
grimmdarm  emporsteigen  wird.  Die  Massen,  welche  einmal  aus 
dem  dünnen  in  den  dicken  Darm  getreten  sind,  werden  durch  das 
häutige  Ventil  zwischen  beiden,  die  Valvula  Bauhini,  verhindert, 
nach  dem  Ueum  zurückzukehren , da  dasselbe  die  weitere  Mün- 
dung seines  trichterförmigen  Hohlraumes  gegen  den  Dünndarm 
kehrt.  Die  Last  des  Kothes  ruht  im  Beginn  des  Dickdarmes  nicht 
auf  dieser  Klappe,  sondern  auf  dem  Coeeum,  weil  sie  bekannt 
lieh  wie  die  Mündung  des  Dünndarmes  selbst  an  der  Seitenwand 
des  Colon  angebracht  ist.  Der  im  Colon  ascendens  aufsteigende 
Koth  findet  in  den  seitlichen  Buchten  (haustra)  Ruhepunkte,  wenn 
die  ihn  emportreibende  Bewegung  naehlässt.  Aus  diesen  muss  er 
wegen  ihrer  spiraligen  Anordnung  bei  wieder  beginnender  Bewe- 
gung nach  oben'  gehen.  Der  Inhalt  des  absteigenden  Grimmdarmes 
wird  aus  demselben  Grunde  nicht  unmittelbar  nach  unten  sinken. 
Ist  er  aber  einmal  im  Mastdarme  angelangt,  so  drückt  er  nicht  un- 
mittelbar gegen  dieOeffnung  desselben,  sondern  er  lastet,  so  lange 
er  oberhalb  der  Blase  steht,  auf  dieser,  und  ist  er  hinter  sie  ge- 
langt, auf  der  plica  transversalis  recti  and  der  Ausbiegung  des 
Kreutzbeines,  so  dass  er  selbst  durch  den  geöffneten  After  (nach 
Durchschneidung  oder  Lähmung  der  Sphinetern)  vermittelst  der 
Schwere  nicht  ansgedrückt  wird  (Kohlrausch)*). 

Auf  die  Bewegungen  des  Dickdarmes  findet  zum  grössten  Theil 
auch  das  beim  Dünndärme  Gesagte  Anwendung.  Nachweislich 
verschieden  sind  die  peristaltischen  Dickdarmbewegungen  dadurch, 
dass  sie  nicht  durch'  den  gereizten  n.  splanchnicus  besänftigt  wer- 
den können  (Pflüger).  — Der  verbreiteten  Annahme,  dass  der  sphinc- 
ter  ani  durch  einen  stetigen  Schluss  den  Austritt  des  Kothes  hemthe, 
steht  die  schon  angeführte  Wahrnehmung  des  gleichen  Verhaltens 
bei  gelähmtem  Afterschliesser  entgegen;  aber  auch  in  vollkommen 
beweglichem  Zustande  ist  der  Anus  nicht  immer  gesperrt,  wie  man 
bei  Touchiren  desselben  leiaht  wahmimmt.  Von  der  Haut  des 


>)  Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Beckenorgene.  Leipzig  18M.  p.  6.  u.  f. 


Bauchpresso. 


619 


Aftereinganges  kann  dagegen  sehr  leicht  eine  reflektorische  Bewe- 
gung eingeleitet  werden.  Auffallend  bleibt  der  lange  Zeitraum, 
welchen  der  Koth  zu  seinem  Durchgänge  durch  das  Colon  bedarf. 

5.  Banchpresse. 

Der  Darminhalt  steht  endlich  noch  unter  dem  Einflüsse  der 
ihn  drückenden  Banckmuskeln  und  der  Widerhalt  leistenden  Bauch- 
knochen. Zwei  Bauchmuskeln,  das  Zwergfell  und  der  quere  Bauch- 
muskel, sind  so  aufgespannt,  dass  sie  bei  ihrer  Verkürzung  die 
Baucheingeweide  unter  einen  allseitigen  Druck  versetzen,  ohne  dass 
sie  eine  besondere  Richtung  desselben  bevorzugten.  Dieses  wird 
ohne  Weiteres  aus  Fig.  71  verständlich,  welche  in  einem  sche- 
matischen Körper- Durch- 
schnitte die  Faserrichtung 
des  Zwergfelles  (zz)  und 
des  m.  transversns  (tt) 
wiedergiebt.  — Neben  die- 
sen beiden  Muskeln  tragen 
aber  wesentlich  zur  Bil- 
dung der  Bauchwand  die 
Obliqui  bei.  Der  äussere 
oder  absteigende  (dd)  in 
Fig.  72  giebt,  seinem  Fa- 
serverlaufe entsprechend, 
den  Eingeweiden  neben 
einem  Drucke  gegen  die 
Wirbelsäule  auch  noch 
einen  solchen  gegen  das 
Zwergfell;  der  innere  oder 
aufsteigende  ( aa ) muss 
dagegen  bei  seiner  Ver- 
kürzung den  Bauchinhalt 
nach  unten  ziehen;  wir- 
ken beide  gemeinsam,  so 
werden  sie  die  Bauch- 
höhle allseitig  verengern. 

In  Folge  der  aufge- 
zählten Pressungen  kann 
nun  1.  der  Inhalt  der  Gedärme  weiter  bewegt  werden;  dieses  ge- 
schieht namentlich  bei  dem  Auf-  und  Abgänge  des  Zwcrgfelles,  wie 
die  Versuche  an  Thieren,  denen  Darmfisteln  angelegt  wurden,  lehren. 


Fig.  71.  Fig.  72. 


620 


Erbrechen. 


Ein  Draht,  der  in  eine  solche  gesteckt  ist,  wird  bei  jeder  Ein- 
athmnng  nach  anssen  und  während  jeder  Ausathmung  nach  innen 
bewegt.  Da  diese  Bewegungen  während  der  verschiedenen  Akte 
in  umgekehrter  Richtung  gehen,  so  heben  sie  sich  im  Enderfolg 
mehr  oder  weniger  auf.  Sie  sind  dagegen  insofern  bedeutungsvoll, 
als  sie  den  flüssigen  Inhalt  von  den  verschiedensten  Seiten  her 
gegen  die  Darmwand  nnd  deren  Falten  anstossen.  — 2.  Die  Pressun- 
gen werden  sehr  htilfreich  und  vielleicht  entscheidend  sein  für  die 
Entleerung  der  Stoffe  aus  den  beiden  natürlichen  Mündungen  des 
Darmkanales,  der  Mundhöhle  und  dem  After,  dem  Erbrechen  nnd 
Kothen. 

a.  Erbrechen.  Das  Auswerfen  des  festen  oder  flüssigen 
Mageninhaltes  durch  die  Cardia  und  den  Schlund  in  die  Mundhöhle 
kann  unzweifelhaft  besorgt  werden  durch  jeden  heftigen  nnd  ins- 
besondere durch  jeden  allseitigen  Druck  auf  die  Bauchhöhle,  vor- 
ausgesetzt, dass  der  Magenmund  und  der  Schlund  offen  stehen. 
Dafür  bürgt  nicht  allein  der  geradlinige  Verlauf  des  Schlundes, 
sondern  es  ist  .der  empirische  Beweis  dadurch  gegeben , dass  man 
den  gefüllten  Magen  einer  Leiche  durch  einen  entsprechenden  Druck 
auf  die  Bauchhöhle  sogleich  entleeren  kann.  Darum  wird  also, 
wenn  der  Cardialsphincter  erschlafft  ist,  während  das  Diaphragma, 
mm.  transversus  und  obliqui  sich  zusammenziehen,  Erbrechen  statt- 
finden können.  So  wenig  Uber  diesen  Punkt  gestritten  werden 
kann,  so  schwierig  ist  es,  zu  entscheiden,  ob  auch  während  des 
Lebens  das  Erbrechen  nur  unter  den  bezeichneten  Umständen  sich 
ereignet,  oder  ob  nicht  noch  gleichzeitig  eine  Zusammenziehung 
des  Magens  hinzutritt.  Die  Schwierigkeit  liegt  einmal  darin,  dass 
ein  Thier  sich  noch  erbrechen  kann , wenn  auch  die  Bauchhöhle 
desselben  eröffnet  wurde,  ja  wenn  ein  Theil  des  Magens  aus  der 
Bauchwunde  hervorgezogen  wurde;  zweitens  aber  wird  die  Ent- 
scheidung dadurch  erschwert,  dass  sich  während  des  Erbrechens 
die  Bauchmuskeln  jedesmal  kräftig  zusammenziehen.  Eine  Be- 
sprechung der  Literatur  und  der  in  Betracht  kommenden  Fragen 
findet  man  bei  Rühle*).  Die  Muskeln  der  Speiseröhre  bleiben 
während  des  Erbrechens  erschlafft,  insbesondere  aber  zeigt  sich 
keine  antiperistaltischc  Bewegung  (Wild),  die  man  früher  allge- 
mein annahm. 


*)  Traube,  Beitrage  zur  experimentellen  Pathologie.  1.  Heft.  — Siehe  auch  Valcntl  n 's  Lehr- 
buch der  Physiologie.  I.  Bd.  378.  * • 


4 


Digitized  by  Google 


Kothen.  Chemische  Arbeit  der  Verdauungssäfte. 


621 


Ueber  die  Betheiligung  der  Nerven  an  der  Brechbewegung  ist 
nur  bekannt,  dass  sie  reflektorisch  eingeleitet  werden  kann  durch 
Erregung  einiger  noch  nicht  genauer  bestimmten  AbtheilungeB  des 
Schlundes  und  der  Zungenwurzel , durch  Bestreichen  der  Cardial- 
scbleimhaut  des  Magens  und  durch  Reizungen  der  Peritonaealfläche 
des  Magens,  des  Dünndarms,  des  Ureters  u.  s.  w.  — Starke  Ge- 
müthsbewegungen , Ekelvorstellungen  u.  s.  w.  leiten  ebenfalls  das 
Erbrechen  ein.  Nach  Durchschneidung  des  n.  vagus  kommt  ein  re- 
flektorisches Erbrechen  nicht  mehr  zu  Stande  (Bulatowicz). 

, b.  Das  Kothen.  Durch  die  Bauchpresse  kann  der  Koth  nur 
dann  aus  dem  Mastdarme  entleert  werden,  wenn  er  die  Dannhöhle 
vom  S romanum  an  bis  zum  Mastdarme  hin  füllt.  Enthielte  nur 
das  erstere  Darmstück  Koth,  so  würde  der  Druck  ihn  nicht  weiter 
fördern,  weil  derselbe  die  Schlingen  jenes  vom  Mastdarm  abspe  rren 
würde,  und  zwar  entweder  dadurch,  dass  ihre  Wände  gegen  ein- 
ander oder  gegen  die  Bancbwand  gepresst  würden.  Ist  aber  nur 
im  Mastdarm  Koth  enthalten,  so  wirkt  der  Druck  nicht  mehr  auf 
ihn,  denn  das  Rectum  liegt  ja  grösstentheils  ausserhalb  der  Bauch- 
höhle. Von  der  Richtigkeit  der  letzteren  Behauptung  kann  man 
sich  jeden  Augenblick  überzeugen,  wenn  man  einen  beliebigen 
Gegenstand  in  das  untere  Ende  des  Mastdarms  einfuhrt,  so  dass 
er  noch  aus  der  Aftenpündung  theilweise  hervorsteht ; er  wird  durch 
noch  so  heftiges  Drängen  nicht  aus  dem  After  befördert.  — Darum 
ist  auch  in  der  That  das.  Kothen  der  Bauchpresse  nicht  allein  über- 
lassen; insbesondere  ist  eine  thätige  Mitwirkung  der  peristaltischen 
Bewegung  des  ganzen  absteigenden  Dickdarmes  und  dem  levator 
ani  (dem  Afteröffher)  zugestanden.  Wahrscheinlich  betheiligen  sich 
auch  m.  coccygeus  und  transversus  perinaei  prof.  an  dem  Akte, 
welche  hinten  und  vorne  dem  andrängenden  Kothe  einen  Wider- 
halt entgegenstellen.  Siehe  Kp>hlrausch  am  angezogenen  Orte. 

'Chemische  Arbeit  der  Verdauungssäfte. 

Eine  chemische  Untersuchung  der  Umwandclungen,  welche  die 
Speisen  während  ihres  Aufenthaltes  im  Darmkanale  erfahren,  muss 
zu  ermitteln  suchen:  a)  deu  Unterschied,  welcher  zwischen  der 
Zahl  und  Anordnung  der  Atome  in  den  veränderten  und  unverän- 
derten Nahrungsstoften  besteht.  Die  Zahl  der  Atome  hat  die  Ele- 
mentarannlyse  festzustellen;  die  Anordnung  ist  darum  zu  berück- 
sichtigen, weil  die  Verdauungssäfte  meist  weniger  die  Zusammen- 
setzung als  die  Löslichkeit,  die  Verwandtschaften  und  die  Spaltbar- 


Digitized  by  Google 


622 


Chemische  Arbeit  der  Verdauunggwerfczeuge ; Speichel. 


keit  der  einfachen  Nahrungsstofle  ändern.  — b)  Es  ist  der  Einfluss 
festzustellen , den  jeder  einzelne  Drüsensaft  auf  jeden  einzelnen 
Nahrnngsstoff  ausübt.  Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  jeder 
Drüsensaft  von  veränderlicher  Zusammensetzung  ist,  es  müssen  also 
die  verschiedenen  Modifikationen  eines  und  desselben  • Saftes  zur 
Prüfung  kommen ; da  ferner  jeder  Saft  ein  Gemenge  verschiedener 
Stoffe  ist,  so  muss  der  Versuch  gemacht  werden,  zu  ermitteln,  wie 
sich  jeder  einzelne  Bestandtheil  desselben  an  einer  durch  den  Ge- 
sammtsaft  eingeleiteten  Veränderung  betheiligt;  ferner  erzeugt  zu- 
weilen ein  Saft  an  einem  und  demselben  Nahrungsstoff  mehrere 
Umwandlungen,  es  ist  also  festzustellen  die  Reihenfolge,  in  der  die 
betreffenden  Umformungen  geschehen,  und  in  wie  fern  dieselben 
bedingt  sind  von  dem  Aggregatzustande  und  den  isomeren  Modifi- 
kationen, in  denen  das  Nahrungsmittel  der  Einwirkung  des  Saftes 
ansgesetzt  wird.  Alle  diese  Beziehungen  müssen  natürlich  nach 
ihrem  Umfange  und  nach  ihrer  Geschwindigkeit  bestimmt  werden, 
mit  anderen  Worten,  in  welcher  Zeit  und  in  welcher  Menge  der 
Nahrungsstoff  durch  die  Gewichtseinheit  des  Saftes  von  bekannter 
Zusammensetzung  umgeändert  wird.  — e)  Darauf  würde  zu  erle- 
digen sein,  welche  Veränderungen  ein  Nahrungsmittel  erfährt,  wenn 
es  der  Reihe  nach  mit  den  verschiedenen  in  Betracht  kommenden 
Säften  behandelt  wird,  oder  aber  wenn  die  natürlich  vorkommen- 
den  Combinationen  der  Verdauungsflüssigkeiten  gleichzeitig  auf  das- 
selbe wirken.  — d)  Endlich  müssten  mit,  verschiedenen  quantitativ 
genau  bestimmten  Mengen  einfacher  Nahrungsmittel  (den  Speisen) 
dieselben  Versuche  vorgenommen  werden,  welche  für  jeden  einzel- 
nen Nahrungsstoff  vorgeschrieben  wurden,  ln  allen  Fällen  würde 
angegeben  werden  müssen,  ob  und  welche  Verwandelungen  die 
Bestandtheile  der  Verdauungssäfte  selbst  erfahren  bei  dem  Einflüsse, 
den  sie  auf  die  Nahrungsmittel  üben. 

Nach  Beendigung  dieser  Vorversuche  würde  man  dazu  über- 
gehen können,  die  Veränderungen  zu  studiren,  welche  die  Nah- 
rungsstoffe in  den  einzelnen  Abtheilungen  des  Darmkanales  selbst 
erfahren,  und  die  Gründe  für  die  Abweichungen  und  Uebereinstim- 
mungen  zwischen  natürlicher  und  künstlicher  Verdauung  aufzusuchen. 

Die  Reihe  von  Versuchen,  welche  der  angegebene  Gang  vor- 
schreibt, ist  allerdings  gross  und  jeder  einzelne  meist  mühsam,  aber 
dennoch  ist,  wie  die  Geschichte  der  Wissenschaft  lehrt,  der  vorge- 
zeichuete  Weg  der  kürzeste.  Wir  gehen  nun  dazu  über,  die  bis 
dahin  bekannt  gewordenen  Beobachtungen  aufzuzählen. 


Digitized  by  Google 


Chemische  Arbeit  der  Verdatnings Werkzeuge  ; Speichel. 


623 


1.  Speichel*).  Aller  Speichel,  wie  und  wo  er  auch  gewonnen 
wird,  verhält  sich  als  ein  dem  Wasser  ähnliches  Lösungsmittel.  Für 
nnsere  Zwecke  verdient  namentlich  hervorgehoben  zu  werden,  dass 
frischer  Speichel  die  Fette  und  Eiweissstoffe , den  Rohrzucker,  das 
Gummi,  Pectin  und  Cellulose  selbst  bei  längerer  Digestion  nicht 
mehr  und  nicht  weniger  ändert,  wie  es  ein  reines  Wasser  vermag 
(Schwann,  Frerichs). 

Anders  verhält  sich  der  Speichel  dagegen  zu  rohem  und  ge- 
kochten Amylon.  Rohes  Amylon  vermag  er  bei  einer  Temperatur, 
die  über  40°  liegt,  in  Dextrin  umzuwandeln  (Naegeli).  — Ge- 
kochte Stärke  setzt  er  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  der 
Reihe  nach  in  Dextrin,  Traubenzucker,  Milch  und  Buttersäure  um 
(Leuchs,  Frerichs,  Schwann).  Obwohl  nun  die  letztere  Reihe 
von  Umwandlungen  von  allen  Speichelarten  bewirkt  werden. [kann, 
so  unterscheiden  sich  dieselben  doch  dadurch  von  einander;  dass 
die  einen  die  Zuckerbildung  schon  nach  wenigen  Minuten,  andere 
aber  dieselbe  erst  nach  stundenlanger  Digestion  einleiten. 

Der  Parotisspeichel,  welcher  aus  dem  unverletzten  Ausflibrnngs- 
gange  des  gesunden  Menschen  aufgefangen  wird,  verwandelt  das  ge- 
kochte Amylon  rasch  in  Zucker  (Eckhard,  Ordenstein).  Der- 
jenige dagegen,  welcher  aus  der  frisch  angelegten  Fistel  des  Pfer- 
des (Lassaigue,  Magendie,  Rayer)  oder  Hundes  (Bernard, 
Bi d der  und  Schmidt)  gewonnen  wird,  wirkt  äusserst  langsam. 
Dieser  Unterschied  der  Wirkung  scheint  begründet  zu  sein  in  der 
verschiedenen  Zusammensetzung,  welche  der  Saft  zeigt,  je  nachdem 
er  auf  die  eine  oder  andere  Weise  gefangen  wurde.  Der  aus  dem 
durchschnittenen  Gang  (auch  des  Menschen)  aufgefangene  Speichel 
enthielt  nämlich  1,6  bis  0,5  pCt.  feste  Rückstände  (vide  p.  340), 
während  der  von  Eckhard  und  Ordenstein  benutzte' aber  5,0 
Rückstand  hinterliess.  Für  diese  Deutung  spricht,  dass  zuweilen 
(Bidder  und  Schmidt),  wenn  auch  nicht  immer  (Frerichs) 
der  wässerige  Auszug  der  gl.  parotis  das  Amylon  rasch  umwandelt. 

Ein  Gemenge  von  Ohr-  und  Unterkieferdrüsenspeichcl  (CI.  Ber- 
nard) wandelt  den  Kleister  sehr  allmählig  um ; eine  Mischung  aus 
Ohr-  und  Mundwandungsspeichel  verändert  denselben  zuweilen  rasch 


•)Frerich*a,  Handwörterbuch  der  Physiologie.  Verdauung,  p.  7(58.  — Bidder  u.  Schmidt, 
Verdauungss&fto.  p.  14.  — Schröder,  Succi  gastrici  humani  ria  digestive.  Dorpat  1W3.  — 
F.  Hoppe,  Vlrchow'a  Archlr.  X.  Bd.  144.  — Ordenstein  und  Eckhard,  ln  dca  letztem 
beitrügen  zur  Physiologie.  IL  Bd.  93  und  124.  — Naegeli,  Die  Stärke  körn  er.  Zürich  18M.  p.  93, 
113  und  124.  — • Longet,  TralW  de  Physiologie.  I.  2.  Abfh.  171. 


Digitized  by  Google 


624 


Verdauung  durch  den  Speichel. 


(Jacubo  witsch),  zuweilen  aber  auch  nur  sehr  langsam  (Bidder, 
Schmidt);  der  mit  Vorsicht  aus  der  Unterkiefer-  und  Unterzungen- 
drtise  aufgefangene  Speichel  des  Menschen  bedingt  eine  rasche 
Zuckerbildung  (Longet);  ein  Gemenge  von  Muudwandungs-  und 
Unterkieterdrlisenspeickel  endlich  fuhrt  schon  nach  wenigen  Minuten 
eineUmwandelung  des  Kleisters  in  Dextrin  und  von  daaus  in  Trauben- 
zucker herbei;  bei  einer  dauernden  Berührung  beider  Stoffe  gebt 
die  Zuckergährung  in  die  Milch-  und  Buttersäuregährong  Über.  Nach 
den  Erfahrungen  von  Ordenstein  und  Eckhard  wird  es  noth- 
wendig,  bei  künftigen  Versuchen  die  verdauende  Wirkung  des 
Speichels  und  seine  Zusammensetzung  immer  zugleich  zu  unter- 
suchen. 

bau  reinen  Speichel  aus  der  Parotis  fangt  Eckhard  dadurch  auf,  dass  er  ein 
Röhrchen  in  die  Mündung  des  duct.  stenon.  einlegt.  Statt  dieses  allgemein  anwend- 
baren Verfahrens  war  man  früher  auf  die  Benutzung  von  zuweilen  beim  Menschen  vor- 
kommenden Fisteln  beschränkt  Bei  Thieren  gewinnt  man  den  Speichel  der  grosseren 
Drüsen  aus  den  durchschnittenen  Gängen;  den  Speichel  aus  den  Drüsen  in  der  Mund- 
wandung gewinnt  man  gesondert,  indem  man  die  Ausführungsgänge  der  Farotiden  und 
Submaxillaren  unterbindet.  Statt  dieses  Verfahrens  bedient  man  sich  auch  eines  wäs- 
serigen Auszuges  der  einzelnen  Drüsen  oder  dor  drüscnhaltigcn  Mundschleimhaut.  — 
Die  Vermischung  des  Speichels  mit  Amylon  geschah  ausserhalb  der  Mundhöhle  ent- 
weder bei  der  gewöhnlichen  Zimmer-  oder  bei  der  normalen  Körperwarme.  — Zur 
Prüfung  auf  die  Umwandelung  des  Amylons  bediente  man  sich  der  Trommer’schen 
Probe  und  ergänzend  der  Reaktion  des  Jods  auf  Amylon ; mit  dem  enteren  erfährt 
man,  ob  Zuckerbildung  eingetreten,  die  letztere  giebt  darüber  Aufschluss,  ob  alle 
Stärke  in  Dextrin  oder  Zucker  verwandelt  ist,  indem  in  diesem  Falle  die  blaue  Fär- 
bung vollkommen  ausbleibt 

Zur  genaueren  Bestimmung  der  Wirkung  des  gemischten  Spei- 
chels auf  Amylon  dienen  noch  folgende  Angaben,  a)  Die  Einwir- 
kung des  Speichels  auf  das  rohe  Stärkekorn  geht  nicht  bei  gewöhn- 
licher Temperatur  vor  sieh;  sie  beginnt  bei  40°  C.,  d.  h.  einer  Wärme, 
in  welcher  die  Stärke  noch  nicht  wie  bei  der  Kleisterbildnng  auf- 
schwillt. Bei  der  genannten  Temperatur  löst  der  Speichel  zuerst 
die  Stärke  des  Korns  und  zwar  von  aussen  her,  zwischen  45  und 
50°  löst  sich  auch  die  Cellulose  des  Korns,  jedoch  langsam  (Nae- 
geli).  ln  der  Lösung  ist  Dextrin  vorhanden. — b)  Das  gekochte, 
zum  Kleister  aufgequolleno  Korn  setzt  der  Speichel  schon  bei  ge- 
wöhnlicher Temperatur  um,  die  dem  Amylon  verwandten  Stoffe, 
Rohrzucker,  Gummi,  Pektin,  Cellulose,  lässt  er  unverändert  (Fre- 
riehs).  — c)  Die  Umwandelung  des  Kleisters  geht  noch  von 
statten,  wenn  der  alkalische  Speichel  neutralisirt  wurde;  ebenso- 
wenig wird  sie  gehemmt  durch  einen  Zusatz  von  SO3,  C1H,  NO&, 


_ Digiti; 


ogle 


Verdauung  durch  die  Magensäfte. 


625 


Essigsäure,  saurem  Magensaft  bis  zur  stark  sauren  Reaktion  (Fre- 
riehs).  Ein  sehr  bedeutender  Säureüberschuss  stört  dagegen  die 
Umsetzung;  aus  diesem  Grunde  ist  die  Umwandlung  beendet,  wenn 
in  Folge  der  weiter  gehenden  Zersetzung  bedeutendere  Mengen  des 
Zuckers  zu  Milchsäure  umgeformt  sind;  aber  auch  hier  beginnt  die 
Zuekcrbildung  von  Neuem , wenn  die  Säure  mit  Natron  gesättigt 
.wird  (CI.  Bernard).  — d)  Die  Stärkegährung  wird  nicht  beein- 
trächtigt durch  ein  einmaliges  Auf  kochen  der  Mischung  aus  Stärke 
und  Speichel,  durch  einen  Alkoholzusatz,  durch  Beimengung  von 
arseniger  Säure  (Frerichs).  — eV Das  sogeuannte  Ptyalin  Leh- 
mann ist  für  sich  angewendet  nicht  im  Stande,  die  Zuckerbildung 
hervorzurtifen.  4gj  gKpr  ' 

Die  eigenthtimliche  Wirkung  des  Speichels  auf  das  Amylon 
pflegt  man  und  wohl  mit  Recht  von  einem  in  dem  erstem  \ ent- 
haltenen Ferment  abzuleiten;  dieses  Ferment  kommt  aber  nicht  wie 
man  angab,  mit  der  sog.  Diastase  überein;  dieses  beweist  Stae- 
deler*)  dadurch,  dass  der  Speichel  bei  38°  bis  40°  C.  Salicin  in 
Saligenin  und  Zucker  zerlegt,  was  die  Diastase  nicht  vermag. 

Da  den  Erfahrungen  von  Bidder  und  Schmidt  zu  Folge 
der  gemischte  Speichel  sehr  rasch,  schon  nach  wenigen  Minuten, 
einen  Kleisterbrei  theilweisc  in  Zucker  umsetzt,  da  ferner  im  Munde 
immer  gemengter  Speichel' vorhanden  ist,  so  folgt  daraus,  dass  der 
Aufenthalt  in  der  Mundhöhle,  wie  er  z.  B.  zum  Zerkauen  des  Brodes 
nothwendig  ist,  hinreicht,  um  die  Zuekcrbildung  einzuleiten.  Diese 
Folgerung  ist  von  Lehmann  und  Schröder**)  bestätigt  worden, 
welche  eine  Minute  nach  Einführung  des  Kleisters  in  den  Mund 
Zucker  auffanden.  Rohes  Stärkemehl  wurde  nicht  umgewandelt. 

2.  Flüssigkeiten  des  Magens. 

Die  in  den  Magen  gelangten  Speisen  kommen  dort  in  Be- 
rührung mit  dem  Magensaft;  diesen  letzteren  haben  wir  schon  als 
ein  sehr  veränderliches  Gemenge  von  Speichel,  Labsaft  und  Magen- 
schleim erkannt  (p.  362).  Ausser  den  genannten  Stoffen  sind  ihm 
zuweilen  auch  «och  Galle,  Bauchspeichel  und  -andere  Darmsäfte 
beigemischt,  die  durch  den  Pylorus  in  den  Magen  steigen.  Diese 
Thatsachen  machen  es  nothwendig,  von  den  Wirkungen,  welche 
die  einzelnen  Bestandtheile  jenes  Gemenges  auf  die  Speisen  aus- 
übend auszugeheu , um  dann  mit  Hülfe  dieser  Erfahrungen  abzu- 


•)  ChemlKli.  CaxtnlbUH.  1«58.  ]09. 

**)  Lehmann,  Phyiiolog.  Chemie.  ITT.  Bd.  p.  293.  — Schröder,  I.  c.  p.  9. 
Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  40 


626 


Verdauung  durch  den  künstlichen  Labsaft. 


leiten,  was  entstehen  wird,  wenn  die  genannten  Stoffe  in  verschie- 
denen Verhältnissen  gemengt  sind.  Dabei  schliessen  wir  jedoch 
einstweilen  noch  die  jenseits  des  Pylorus  gebildeten  Säfte  aus. 

A.  Verdauung  durch  den  künstlichen  Labsaft*). 

Um  die  verdauenden  Wirkungen  des  von  anderen  Beimengun- 
gen möglichst  befreiten  Labsaftes  zu  erforschen,  hat  zuerst  Eberle 
ein  sicheres  Verfahren  angegeben.  Die  von  ihm  zu  Verdauungs- 
versuchen angewendetc  Mischung,  welche  wesentlich  aus  Pepsin 
und  aus  einer  sehr  verdünnten  wässerigen  Lösung  der  im  Magen 
vorkommenden  Säuren  (Salz-  oder  Milchsäure)  besteht,  pflegt  man 
den  künstlichen  Labsaft  zu  nennen. 

£berle  bediente  sich  statt  des  Pepsins  geradezu  der  Magenschleimhaut,  welche 
er  mi|kg8rilümiter  Salzsäure  den  zu  verdauenden  Speisen  2usetzte.  * Sc  h w ann  wendete 
zuerst  einen  wässerigen  Auszug  der  vorher  gereinigten  und  in  Stücken  zerschnittenen  lab- 
drüsonhaltigen  Magenschleimhaut  an.  Aus  der  Lösung  fällte  er  das  Pepsin  mit  essigsaurem 
Bleioxyd  und  zerlegte  dann  den  wohlausgewaschenen  Bleiniederschlag  mit  Sü.  Eine  noch 
weiter  gehende  Reinigung  versuchte  Wassmann  dadurch,  dass  er  die  von  PbS  abfiltrirte 
Flüssigkeit  eindampfte  und  mit  Alkohol  und  Pepsin  ausfüllte.  — Das  gegenwärtig  im 
Handel  vorkommende  Pepsin  ist  zura  Theil  wenigstens  nichts  anderes,  als  ein  Gemenge 
von  Labzellen,  Epithelialzellen  u.  s.  w.,  welche  aus.  der  rorhergereinigten  Magenschleim- 
haut des  Schlachtviehes  ausgedrückt  und  bei  niederer  Temperatur  getrocknet  wurden 
Diesem  Gemenge  wird  noch  Amylum  zugesetzt,  theils  um  cs  zu  verdünnen,  und  theüs 
um  es  weniger  hygroskopisch  zu  machen. 

Von  den  in  der  gewöhnlichen  Nahrung  vorkommenden  chemi- 
schen Verbindungen  lässt  der  künstliche  Labsaft  unberührt : die  Horn- 
stoffe,  die  stärkeren  elastischen  Membranen,  die  Wachsarten,  die 
Fette  (?),  die  Cellulose  (?),  die  holzige  Verdiekungsschicbt  der  Pflau 
zenzellen. 

In  Lösung  versetzt  er  die  in  Wasser  oder  verdünnten  Säuren 
löslichen  Proteinkörper,  die  Kohlenhydrate,  die  alkalischen  Salze  mit 
fixen  Säuren  und  die  phosphorsauren  Erden.  Unter  Austreibung  der 
Säuren  zersetzt  er  die  Salze  mit  schwachen  oder  flüchtigen  Säuren. 

• Eigentümlich  ist  sein  Verhalten  gegen  die  in  Wasser  und  ver- 
dünnten Säuren  löslichen  oder  unlöslichen  Eiweisskörper  und  gegen 
Leim  und  leimgebende  Stoffe.  Die  unlöslichen  Eiweissstoffe  löst  er 
auf,  die  in  alkalischer  Lösung  befindlichen  schlägt  er  nieder,  um 

•)  Frcrlch»,  Verdauung,  In  Wagners  Handwörterbuch,  lü.  Ikl.  I.  Abthig.  — 8c  hw  an», 
Müllers  Archiv.  1836.  90,  — Brücke,  Wiener  akademische  Sltxungsberichte.  XXXVII.  131.— 
Mulder,  Archiv  flir  hollünd.  Beiträge.  11.  Bd.  1.  — Knoop  Coopmanns  ibid.  1.  Bd.  1.  — 
Meissner,  Henle's  und  Pfeufers  Zeitschrift.  3.  Reihe.  VII.  ibid.  VIII.  uud  X.  Bd.  — KÖbner, 
Dluertatlo  de  sacchari  cannae  mutatlon.  etc.  Breslau  1839.  — J.  Hoppe,  Archiv  für  patbolog. 
Anatomie.  X.  Bd.  144. 


jO  i oogl  e 


Lösung  der  Eiweisskörper  durch  den  Labsaft. 


627 


sie  dann  wieder  zu  ltisen.  Alle  Eiweisskörper  aber,  gleichgültig 
ob  sie  durch  den  Magensaft  in  Lösung  bleiben,  oder  erst  in  eine 
solche  gebracht  werden  müssen , verändert  er  in  ihren  chemischen 
Reactionen,  wein  sie  längere  Zeit  mit  ihm  in  Berührung  bleiben. 

— Die  unlöslichen  Leimstoife  verwandelt  er  dagegen  einfach  in 
lösliche. 

Einer  Besprechung  der  in  Betracht  kommenden  Einzelheiten 
ist  die  Bemerkung  vorauszuschicken , dass  sich  die  folgenden  An- 
gaben auf  die  Wirkung  einer  Verdauungsflüssigkeit  beziehen,  die 
etwas  weniges  l’epsin,  0,05  bis  etwa  0,3  pCt.  Salzsäure  und  100  Th. 
Wasser  enthält. 

Bei  der  Betrachtung  der  verdauenden  Wirkungen  des  künst- 
lichen Labsatles  auf  die  Ei  weisskörper  ist,  wie  erwähnt,  ausein- 
anderzuhalten die  Lösung  und  die  chemische  Umwandlung. 

Aus  einer  frischen  Albumin  - Lösung  (Eiereiweiss  und  Blut- 
serum) wird  durch  den  künstlichen  Labsaft  ein  geringer  Theil 
des  flüssigen  gefällt,  der  grösste  Theil  dagegen  bleibt  in  Lösung. 

— Gelüstes  Kalialbuminat,  Casein  und  Legumin  werden , indem  die 
alkalische  Reaktion  verschwindet,  gefällt,  der  erzeugte  Niederschlag 
löst  sich  aber  wieder  in  der  im  Ueberschuss  zugesetzten  sauren 
Flüssigkeit.  Es  verhält  sieh  also  dieser  Stoff  gegen  das  Verdauungs- 
gemisch ähnlich  wie  gegen  eine  sehr  verdünnte  Salzsäure.  — Un- 
gekochter Kleber,  Muskel-  und  Blutfaserstoflf  werden  bei  gewöhn- 
licher Lufttemperatur  von  dem  Verdauungsgemisch  rasch  gelöst. 
Aus  diesen  Stoffen,  namentlich  aus  Kleber-  und  Blutfaserstoflf  zieht 
die  verdünnte  Säure  bei  niederer.  Temperatur  bekanntlich  einen 
Eiweisskörper  aus,  während  der  grösste-  Theil  derselben  nur  auf- 
quillt und  sich  sehr  allmählig  löst.  — Gekochte  Eiweissstoffc  (Al- 
bumin, Muskel-  und  Blutfaserstoflf)  lösen  sich  ebenfalls  im  Verdauungs- 
gemisch auf,  während  sie  bei  niederer  Temperatur  von  der  verdünn- 
ten Säure  gar  nicht  angegriffen  werden. 

Die  in  dem  künstlichen  Labsaft  gelösten  Eiweissstoffc  tragen 
noch  deutliche  Zeichen  ihres  Ursprungs ; namentlich  sind  diejenigen 
Körper,  welche  vor  dem  Kochen  znr  Lösung  kommen,  dadurch  aus- 
gezeichnet, dass  sie  ans  dem  neutralisirten  Verdauungsgemisch  bei 
der  Siedellitze  gerinnen,  während  dieses  die  vor  der  Verdauung 
gekochten  nicht  thun  (E.  Brücke). 

Die  Erscheinungen,  welche  man  w ährend  und  unmittelbar  nach 
der  vollendeten  Lösung  wahrnimmt,  gewähren  den  Anschein,  als 
ob  die  letztere  in  einer  durch  Aufquellen  veranlassten  sehr  feinen 

40* 


Diaiiizednv  Google 


628 


Sättigunguiiederschlag  und  Peptone. 


Vertheilung  der  Ehveissmoleküle  bestehe.  Denn  es  lösen  sich  die 
Eiweissstoffe  am  leichtesten  in  einem  Verdauungsgemisch  von  solchem 
Siiuregehalt,  der  auch  ohne  Zusatz  von  Pepsin  sie  am  vollständig- 
sten und  leichtesten  quellen  macht;  sie  lösen  sieh  ferner  um  so 
leichter,  je  weniger  sie  durch  mechanische  Mittel  am  Quellen  ver- 
hindert werden.  Nach  erfolgter  Lösung  sind  die  Flüssigkeiten  meist 
trltb  und  polarisiren  das  Licht,  sie  enthalten  also  spiegelnde  Par- 
tikeln (E.  Brücke). 

Dauert,  nachdem  die  Lösung,  resp.  Vermischung  des  Eiweiss- 
stoffes mit  künstlichem  Labsaft  eingetreten , die  Einwirkung  der 
letzteren  noch  fort,  ^so  empfangen  die  Eiweisskörper  zunächst  die 
Eigenschaft,  welche  sie  auch  erhalten,  wenu  sie  unter  dem  Einfluss 
der  Wärme  in  Salzsäure  gelöst  waren,  namentlich  werden  sie  jetzt 
aus  der  Lösung  durch  Neutralisation  der  Säure  ausgefällt.  Dieser 
Niederschlag  führt  den  Namen  Sättigungs-Niederschlag  (Schwann, 
Mul  der,  Brücke).  — Dieser  Zustand  dürfte  bei  den  gekochten 
Eiweissstoffen  und  den  aus  Kaliverbindungen  gefällten  schon  wäh- 
rend der  Auflösung  eintreten.  Beim  ungeronnenen  Eiweiss  erfolgt 
sein  Eintritt  in  der  Kälte  nur  allmählig,  bei  der  Blutwännc  dagegen 
rascher. 

Verweilen  endlich  die  Eiweissstoffe  mehrere  Stunden  oder  auch 
Tage  lang  in  dem  künstlichen  Labsaft  und  zwar  in  einer  der  Blut- 
temperatur nahestehenden  Wärme,  so  verwandeln  sie  sich  in  die 
sogenannte  Peptone  (Schwann,  Lehmann,  Mialhe).  — Mul- 
der  sah,  dass  nach  einer  96  Stunden  lang  fortgesetzten  Digestion 
alle  bisher  genannten  Eiweisskörper  aus  der  Lösung  nicht  mehr 
niedergeschlagen  werden' konnten  durch  Kochen,  durch  AmCCh,  NOs 
PbOAc,  Blutlaugcnsalz  und  NaOSOj.  Sie  konnten  dagegen  gefällt 
werden  durch  Gerbsäure,  Cl-Wasser,  Sublimat.  Der  beim  Eintrock- 
nen. der  Lösung  verbleibende  Rückstand  konnte  durch  kochenden 
und  kalten  Alkohol  in  drei  verschiedene  Körper  gespalten  werden, 
eine  Thatsachc,  die  schon  Schwann  erwähnte.  Es  scheint  jedoch, 
als  ob  die  Peptone,  welche  ursprünglich  aus  verschiedenen  Eiweiss- 
stoffen hergestellt  waren,  auch  Verschiedenheiten  darböten ; jedenfalls 
Hessen  sich  die  verschiedenen  Eiweisskörper  ungleich  leicht  in  Pep- 
tone umwandeln.  So  konnte  mit  nur  verdünnter  Säure,  also  mit 
Ausschluss  des  Pepsins  digerirt,  sehr  leieht  in  Pepton  umgcseizt 
werden  Legumin;  schwieriger  Muskel-  und  ßlutfibrin;  wahrschein- 
lich ohne  ßeihülfe  des  Pepsins  gar  nicht  gekochtes  Albumin  und 
gekochter  Kleber. 


Diqilizediw  Google 


VtrinderlicliM  LöBungsTermogcn  des  LnWftes 


629 


Wesentlich  verschieden  lauten  die  Angaben  von  Meissner. 
Nach  ihm  soll  gekochtes  und  rohes  Albumin  und  Muskelfibrin  beim 
Peptonisiren  zerfallen  in  Pepton,  Meta-  nnd  Parapepton  und  das 
Casein  soll  ausser  den  genannten  noch  ein  viertes  Produkt  geben, 
das  Dyspepton  *).  Neben  diesen  Produkten  bildeten  sich  ans  allen 
untersuchten  Eiweisskiirpem  noch  eine  grössere  oder  geringere 
Menge  eines  anderen  .Stoffgemenges  (Extrakte).  — Dys-,  Para-  und 
Metapepton  sind  gerade  sowie  das  Pepton  Endprodukte  der  Ver- 
dauung, d.  b.,  es  können  die  erstem  durch  noch  weiter  fortgesetzte 
Digestion  mit  künstlichem  Labsaft  nicht  in  Pepton  umgewandelt 
werden;  und  jode  Art  von  Eiweisskörper  soll  ein  .quantitativ  be- 
sonders zusammengesetztes  Gemenge  jener  Stoffe  geben.  So  geben 
z.  B.  100  Theile  Muskelfihrin  Pepton  und  Metapepton  = 44,2  Th., 
Parapepton  --=■  17  Th.  nnd  Extrakte  = 38  Th.;  — 100  Th.  Casein 
dagegen  Pepton  und  Metapepton  = 78  Th.,  Parapepton  = 2 Th., 
Dyspepton  = 26  Th.  — Der  erstere  Theil  dieser  Angabe,  dass 
nämlich  jene  Para-,  Meta-  nnd  Dyspeptone  Endprodukte  der  Ver- 
dauung seien,  ist  in  geradem  Widerspruch  mit  den  Erfahrungen, 
von  Brlieke  und  Mulder,  welche  bei  genügender  Dauer  der  Di- 
gestion Alles  in  Peptone  Ubergehen  sahen. 

Die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  Lösung  nnd  Umwand- 
lung der  Eiweisskörper  erfolgt,  ändert  sieh  mit  der  Art  und  dem 
Aggregatzustand  der  letztem,  ferner  mit  dem  Gehalt  der  Verdauungs- 
fltlssigkeit  an  Pepsin  und  Säure,  ferner  mit  der  Menge  von  Eiweiss- 
stoffen, welche  in  Folge  der  andauernden  Verdauung  in  einem  be- 
schränkten Volum  Labsaft  schon  in  Lösung  ttbergegangen  waren, 
ferner  mit  mancherlei  andern  Zusätzen,  welche  dem  Labsaft  bei- 
gemengt wurden,  nnd  endlich  mit  der  Temperatur  des  letztem. 

Insofern  das  Verdauungsgemisch  Überhaupt  auf  die  unlöslichen 
Stoffe  lösend  wirken  soll,  muss  es  mit  Säuren,  und  da  wir  hier 
vorerst  nur  die  C1H  betrachten,  mit  dieser  Säure  versetzt  sein. 
Eine  ungesäuerte  oder  eine  früher  saure  und  dann  mit  KO  oder  NaO 
ncutralisirte  Pepsinlösung  ist  nicht  wirksamer  als  reines  Wasser. 


•)'Para-,  Meta-,  Dyspepton  unterscheidet  Meissner  frilgendermsaasen : 

Parapepton  hat  alle  Eigenschaften  des  ln  einer  Säure  gciöatcn  Eiweisskörpers , dea  oben 
genannten  Sältigunganicderschlag* , ausgenommen  , dass  es  aus  der  schwach  sauren  Lösung  nicht 
durch  Alkohol  fällbar  lat. 

Meta pepton  ist  aus  einer  achwach  sauren  Lösung  durch  geringe  Mehrung  der  Säure  fällbar, 
aber  nicht  durch  Neutralisation,  sonst  lat  es  unverändert  gelösten  ElweissstofTcn  sehr  ähnlich. 

Pyspepton.  Aus  dem  durch  die  Verdauung  aufgelöstem  Casein  fällt  bei  weiterer  Digestion 
ein  mit  Fett  vermengter  unlöslicher  Elwelsakörper  heraus;  er  ist  etwas  schwerer  löslich  ln  ver- 
dünnter Saure  als  das  Casein;  sonst  thellt  er  die  meisten  seiner  Elgenachnflcn, 


Digitized  by  Google 


030  Aenderung  des  Lobti n gs v erroögens  durch  den 

Mit  dem  Anwachsen  des  Säuregehaltes  nimmt  die  lösende  Kraft 
der  Mischung  erst  zu  und  dann  wieder  ab;  d.  h.,  innerhalb  enger 
Grenzen  des  Säuregehaltes  kommt  dem  Labsaft  ein  Maximum  der 
Verdauungsfähigkeit  zu;  hat  die  Säure  diesen  Werth  nicht  erreicht, 
oder  überschritten,  so  ist  das  Lösungsvermögen  des  Saftes  vermin- 
dert. Das  für  die  Verdauung  günstigste  Verhältnis  zwischen  Lab- 
saft und  Säure  ist  jedoch  nicht  für  alle  Eiweisskörper  dasselbe. 
Für  frisches  Bluttibrin  liegt  es  bei  0,8  bis  1,0  Säure  auf  1000  Gr. 
Verdauungsgemisch  (Brücke).  Kleber  (K.  Koopinanns)-  und 
Casein  (Meissner)  scheint  bei  einem  ähnlichen  Gehalt  an  Säure 
am  besten  verdaut  zu  werden  ; gekochtes  Albnmin  mit  einem  solchen 
von  1,2  bis  1,6  pr.  Mille  Säure  (Brücke).  Einen  ähnlichen  Säure- 
gehalt, scheint  auch  das  gekochte  Fibrin  zu  verlangen!?).  — 


Beispielsweise  folgen  zwei  Tabellen  ans  den  Vordauungsversuchen  von  Brücke. 
Die  erst«  bezieht  sich  auf  die  Verdauung  einer  frischen  Fibrinflocke  aus  Oehsenblut ; 
die  zweite  auf  eine  kleine  Scheibe  aus  gekochtem  Eiwciss.  Die  Zahlen  bedeuten,  wie 
viel  Säure  1000  Theilo  des  Verdauungsgemisches  enthielten.  Sie  sind  nach  der  Zeit 
geordnet,  in  welcher  die  Auflösung  beendet  war;  die  Reihe  beginnt  mit  deijenigen 
Mischung, ' welche  am  raschesten  löst: 


I.  Fibrin. 

U.  Gekochte.  Albumin. 

0,86 

1,60 

0,44 

3,2  t 

1,66 

0,80 

2,04 

6,41 

2,90  , 

12,82 

3,70 

20,04 

0,22 

4,48 

Statt  mit  Salzsäure  kann  das  Verdauungsgemisch  auch  durch  einen  Zusatz  von 
Milch-,  Essig-,  Schwefel-,  Salpeter-  und  Phosphorsäure  wirksam  gemacht  werden;  es 
scheint  jedoch , als  ob  jede  dieser  Säuren  in  einem  andern  Verhältnis«  als  der  Salz- 
saure angewendet  werden  müsste,  damit  der  Labsaft  sein  Maximum  von  Verdauungs- 
fähigkeit erhalte  (Valentin).  Meissner  giobt  an,  dass  ein  Verdauungsgemisch 
von  1 bis  2 pCt.  wasserfreier  Milchsäure  noch  nicht  so  wirksam  sei  als  ein  solches 
mit  0,1  bis  0,2  pCt.  Salzsäure.  Schwefeligc  und  arsenige  Säure  sollon  in  jedem  Ver- 
hältnis unwirksam  sein;  ebenso  saure  Salze  wie  namentlich  der  saure  phosphorsaure 
Kalk. 


Welchen  Pepsingehalt  die  Verdau ungsflüssigkeit  besitzen  muss, 
damit  dieselbe  mit  merklicher  Geschwindigkeit  lösend  wirjee,  ist 
unbekannt.  Bekannt  ist,  dass  weniger  als  1 Theil  Pepsin  anf 
60,000  Theile  verdünnter  Säure  genügt,  um  Stücke  geronnenen 
Eiweisses  in  wenigen  Standen  bei  Blutwärme  zu  verflüssigen.  Be- 
schleunigt wird  die  Auflösung  durch  eine  Steigerung  des  Pepsinge- 


DigitizedEy  Gßogle 


Gehalt  an  Säure  und  Pepain. 


631 


halte»  in  der  Verdauungsflüssigkeit ; die  Beschleunigung  der  Ver- 
dauung wächst  jedoch  langsamer  als  die  Zunahme  des  Pcpsinge- 
haltcs,  so  dass  es  scheint,  als  ob  durch  eine  fortgesetzte  Anhäufung 
des  Pepsins  in  dem  Labsaft  die  Lösungsgeschwiudigkeit  alsbald 
auf  ein  Maximum  geführt  werde,  tlber  das  hinaus  sie  nicht  noch 
weiter  durch  einen  Pepsinzusatz  erhöht  werden  kann  (Brücke).  t 
Wendet  man  statt  eines  möglichst  reinen  ein  mit  andern  Eiweiss- 
körpern  verunreinigtes  Pepsin  an,  so  kann  sogar  die  Lösungsge- 
schwindigkeit vermindert  werden,  wenn  der  Pepsingehalt  vermehrt 
wird.  Dieser  schädliche  Einfluss  der  Pepsinvermehrung  kann  durch 
eine  stärkere  Ansäuerung  der  Flüssigkeit  wieder  zum  Schwinden 
kommen.  — Auch  scheint  es,  als  ob  die  Fähigkeit  des  Labsaftes, 
die  Eiweisskörper  noch  weiter  zu  verwandeln,  beeinträchtigt  werden 
könne  durch  einen  Pepsingehalt,  der  im  Verhältniss  zum  Säuregrad 
des  Gemisches  zu  gross  war  (Meissner). 


Wie  sich  die  Geschwindigkeit  der  Verdauung  mit  dem  Gehalt  des  Labsaftes  an 
Pepsin  ändert,  neigen  die  nachfolgenden  Versuche  von  Brücke.  Sie  sind  bei  einer 
Temperatur  von  18°  bis  20°  C.  angestellt;  der  aufzulösendo  Stoff  war  Fibrin,  die 
Flüssigkeit  enthielt  0,1  pCt.  Säure.  Der  Pepsingehalt  der  zweiten  zur  Beobachtung  ge- 


nommenen  Probe  war  doppelt  so  gross 

als  der  der  erstem, 

der  dor  dritten  doppelt 

gross  als  der  der  zweiten  u.  s.  f.  War 
war  die  der  zweiten  2x  u.  s.  f. 

also  die  Pepsinmenge  der  ersten  Lösung  x, 

. I.  Peptingehalt. 

Vcrdaunngszeit. 

11.  Pepalngehalt. 

Vcrdaunngtzelt. 

X 

45  Minuten 

X 

45  Minuten 

2x 

30  „ 

2* 

20 

4 x 

20  „ 

4x 

15  f, 

8x 

20  „ 

10 

Von  zwei  Proben  flüssigen  Eiweisses,  die  mit  gleich  viel  Säure,  aber  ungleich 
viel  Pepsin  versetzt  werden,  wandelt  sich  die,  welche  weniger  Pepsin  enthält,  rascher 
um  als  die  andere;  namentlich  kann  aus  der,  welche  weniger  Pepsin  enthält,  durch 
Abstumpfung  der  Säure  schon  zu  einer  Zeit  ein  Niederschlag  erhalten  werden,  in 
welcher  die  pepsinreichere  keinen  gewahren  lässt.  Wird  aber  der  letzten  Flüssigkeit 
auch  mehr  Säure  zugesetzt,  so  ist  sio  jetzt  befähigt,  dio  Umwandlung  so  rasch  her- 
beizuführen wie  die  an  Pepsin  und  an  Säure  ärmere.  — 

Einen  Begriff  von  der  grossen  Wirksamkeit  des  Pepsins  giobt  die  Erfahrung  von 
Frerichs,  welcher  mit  1,2  Th.  Labdrilscnextrakt,  das  wohl  kaum  zur  Hälfte  aus  Pepsin 
bes^nd , 100  Theile  trocknen  geronnenen  Eiweisses  löste. 


Die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  Auflösung  der  festen 
Eiwcissstoffe  in  einer  beschränkten  Menge  von  Labsaft  vor  sich 
geht,  nimmt  mit  der  fortschreitenden  Verdauung  ab  (Schwann). 
Dieses  hat  zwei  Gründe,  einmal  wird  die  Säure  unwirksam  durch 
die  in  Lösung  Ubergegangenen  Eiweissstoffe;  dieses  wird  dadurch 


. Digitizedisy  Google 


632 


Auflösung  des  Leim*. 


bewiesen , dass  man  von  vorneherein  einer  sonst  gut  verdanenden 
Mischung  die  Lösungsfähigkeit  rauben  kann,  wenn  man  ihr  lösliches 
Eiweiss  zusetzt.  Sie  kann  wieder  verdauuugsfUhig  werden , wenn 
man  die  Siinremenge  mehrt  (Brücke).  Durch  dasselbe  Mittel  kann 
aber  auch  die  durch  die  fortschreitende  Verdauung  selbst  unwirk- 
• sam  gemachte  Verdaunngsfillssigkeit  wieder  wirksam  werden,  aber 
nicht  für  die  Dauer.  Denn  allmählich  erlischt  trotz  des  Nachsäuerns 
die  verdauende  Kraft  der  Mischung,  vermutlich  darum,  weil  auch 
das  Pepsin  unwirksam  geworden. 

Der  Labsaft  vermag  ferner  nur  so  lange  die  Eiweiss-  und  Leimstoffe  aufzulösen 
als  er  Pepsin  mit  solchen  Eigenschaften  enthält,  die  es  im  frischen  Zustande  darbictet. 
Diese  Bedingung  wird  aber  aufgehoben  durch  die  Anwesenheit  von  concentrirten 
Sauren,  verdünnter  Gerb-,  schwefeligcr,  arseniger  Säure , Metallsalzen , Alaun,  Kreosot, 
concentrirtem  Alkohol , durch  einmaliges  Kochen  des  Labsaftes. 

Die  Salze  des  natürlichen  Labsaftes  und  die  häufig  in  ihm 
vorkommenden  Fette  und  löslichen  Kohlenhydrate  haben,  so  weit 
bekannt,  im  verdünnten  Zustande  keinen  Einfluss  auf  den  Lösungs- 
prozess (Lehmann).  Sind  die  Salzlösungen  so  eoncentrirt,  dass 
sie  die  Quellung  der  zu  lösenden  Eiweisskitrper  hindern,  so  wirken 
sic  schädlich. 

Die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  der  Lahsaft  die  Kiweiss- 
stoffe  löst  und  nmsetzt,  wird  mit  der  Temperatur  gesteigert;  hei 
einer  zwischen  35°  bis  45°  C.  gelegenen  Wärme,  also  in  einer  der 
Blutwärme  naheliegenden  scheint  er  zum  Maximum  seiner  Wirk- 
samkeit zu  gelangen. 

- Leim  und  leimgebende  Gewebe  löst  die  aus  Pepsin  und 
verdünnter  C1H  bestehende  Mischung  auf;  leichter  den  Leim  als  die 
leiragebenden  Gewebe  und  von  diesen  wieder  das  gekochte  und  das 
collagene  rascher  als  das  chondrigene  (Frerichs).  Die  Auflösung 
verhält  sich  genau  so  wie  eine  auch  ohne  Zutbuu  des  Pepsins  ver- 
fertigte Lösung  jener  Stoffe  in  verdünnten  Säuren  (M  u I d e r).  Sonst 
gelten,  so  weit  bekannt,  alle  fiir  das  Eiweiss  gemachten  Erfahrun- 
gen auch  für  den  Leimstoff. 

Zur  Theorie  der  Labsaft  Wirkung.  Der  Labsaft  uffter- 
scheidet  sich  in  seinen  Wirkungen  von  der  reinen  verdünnten  Säure 
dadurch,  dass  er  das,  was  die  letztere  langsam  oder  uur  unter 
Beihilfe  einer  erhöhten  Temperatur  vollbringt,  rasch  und  bei  niederer 
Temperatur  vollftihrt.  Man  bat  also  hier  eine  durch  das  Pepsin 
unterstützte  Wirkung  der  Säure  vor.  sieh. 


ntggd  by  Google 


Ist  das  I'vpsin  ein  Ferment? 


633 


Um  die  Art,  wie  das  Pepsin  Hülfe  leistet,  «och  genauer  zu  be- 
stimmen, hat  man  seit  Schwann  die  Annahme  gemacht,  dass  das 
Pepsin  ein  Fermentkörper  sei.  Dazu  wurde  man  bestimmt,  1)  weil 
man  dasselbe  fUr  einen  Ei  weisskörper  hielt,  die  bekanntlich  sehr 
leicht,  zu  Fermenten  werden.  Aber  seine  Eiweissnatur  ist  durch- 
aus unerwiesen,  ja  sie  wird  nach  den  Angaben  von  M nid  er*) 
sogar  unwahrscheinlich.  — 2)  Einen  zweiten  Grund  ftir  die  Ferraent- 
hypothese  fand  man  darin,  dass  sehr  kleine  Mengen  von  Pepsin 
sehr  grosse  Mengen  von  Eiweiss  lösen  und  umwandcln  können. 
Diese  Erfahrung  sagt  aber  nur  aus,  dass  man  cs  hier  nicht  mit 
einer  nach  Aequivalcnten  vor  sich  gehenden  chemischen  Verbindung 
zu  thun  habe;  keineswegs  aber,  dass  eine  Giihrung  vorhanden  sei. 
— 3)  Eine  Reihe  von  chemischen  Körpern  und  physikalischen  Ein- 
flüssen, welche  die  milchsaure  und  alkoholische  Gährung  aufheben, 
vernichten  auch  die  lösende  Kraft  des  Labsaftes;  diese  Analogie 
ist  jedoch  nicht  vollständig,  immerhin  aber  bleibt  sie  bemerkenswert!!. 

- 4)  Wie  in  Fermentationsgemischen,  so  wird  auch  das  Verdauungs- 
gemisch  während  der  andauerden  Lösung  allmählich  unwirksam. 
Diese  Thatsache  würde  nur  dann  eine  Aehnlichkeit  mit  der  Gäh- 
rung begründen,  wenn  erwiesen  wäre,  dass  das  Verdauungsge- 
misch darum  seine  Kräfte  einbüsste , weil  das  Pepsin  durch  die 
fortschreitende  Verdauung  zerstört  wurde.  Dieses  wäre  aber  um 
so  nothwendiger,  da  noch  eine  andere  Erklärung  ftir  jene  That- 
sache vorliegt,  die  nämlich,  dass  die  in  Auflösung  gekommenen 
Eiweisskörper  eine  schädliche  Wirkung  ausüheu.  — Hedenkt  man 
Angesichts  dieser  geringen  Beweismittel,  dass  dem  Pepsin  die  Fä- 
higkeit ahgeht,  sich  während  der  Verdauung  neu  zu  erzeugen 
(p.  360),  wie  es  doch  die  Fermenten  während  der  Gährung  thun, 
so  wird  man  zum  Mindesten  eingestehen  müssen,  dass  die  Hypo- 
these von  Schwann  nicht  erwiesen  ist. 

Dasselbe  gilt  von  einer  zweiten  Unterstellung,  welche  annimmt, 
dass  das  Pepsin  mit  der  Salzsäure  sich  zu  einer  hesondem  Säure, 
dem  Chlorpepsinwasserstoff,  gepaart  habe  (S  c h m i d t),  welcher  ein 
vorzügliches  Lösungsmittel  ftir  Eiweissstoffe  sei.  Da  auf  direktem 
We&  das  Dasein  einer  solchen  Säure  nicht  bewiesen  wurde,  so 
erschloss  man  ihr  Vorhandensein  aus  der  Beobachtung,  dass  ein  ge- 
wisser Gehalt  des  Labsaftes  an  Pepsin  auch  ein  gewisses  Säurc- 
maass  fordere,  damit  das  Gemisch  lösungskräftig  wird  (M  e i s s n e r). 


■)  Archiv  flir  holUtad.  Rcl  trüge.  11  Bd.  9, 


fiiaitizeoiiy  Google 


634 


Magenschleim.  Natürlicher  Magensaft. 


Wie  dieses  aber  für  .das  Bestehen  und  die  Wirksamkeit  der  hypo- 
thetischen Säure  etwas  beweisen  kann,  ist  unklar.  Denn  wenn 
auch  beim  Vorhandensein  Überschüssigen  Pepsins  nicht  die  ganze 
Menge  desselben  in  die  gepaarte  Säure  eingeht,  so  musste  doch 
der  wirklich  gebildete  Antheil  der  letzten  lösend  wirken.  Diese 
Thatsache  kann  viel  eher  bedeuten,  dass  das  in  das  Gemisch  ge- 
brachte Pepsin  nicht  rein,  sondern  mit  Eiweisskörpern  vermengt 
war;  unter  dieser  Voraussetzung  würde  die  Erfahrung  mit  der  andern 
zusammenfallen , dass  ein  Zusatz  von  frischem  Eiweiss  auch  eine 
sonst  wirksame  VerdauungsilUssigkeit  abtödten  kann. 

B.  Mage  nach  leim.  Der  aus  den  Schleimdrüsen  des  Magens 
gepresste  Saft,  wie  auch  der  wässerige  Auszug  derselben  verhält 
sich  neutral  und  angesäuert  indifferent  gegen  Eiweiss-  und  Leim- 
stoffe (Wassmann,  Goll).  Wie  er  sich  gegen  die  übrigen  Nah- 
rungsmittel stellt,  ist  unbekannt. 

Verdauung  mit  natürlichem  Magensaft  ausserhalb  des 
Magens.  Das  Saftgemenge,  wie  es  aus  Magenfisteln  beim  Menschen 
und  Thiere  gewonnen  werden  kann,  verändert  unter  gar  keinen 
Umständen:  Fette,  Gummi,  Pektin,  Cellulose,  elastisches  und  hor- 
niges Gewebe.  Gegen  andere  einfache  Nahrungsstoffe  verhält  es 
sich  je  nach  seinen  Eigenschaften  verschieden. 

a.  Alkalischer  Magensaft ; abgesehen  von  zurllckgetretener  Galle 
und  von  Bauchspeichel  kann  er  bestehen  aus  reichlich  abgesonder- 
tem Schleimsaft,  namentlich  bei  Magenkatarrli ; aus  einem  Gemenge 
von  viel  verschlungenem  Kopfspeichel  mit  neutralem  oder  saurem 
Labsaft;  vielleicht  auch  aus  einem  von  den  oberflächlichen  Magen- 
gefässen  gelieferten  Exsudat ; F.  Hoppe  vermuthet,  dass  das  Letz- 
tere vorkomme,  wenn  eine  concentrirte  Kochsalz-  oder  Zucker- 
lösung in  den  Magen  gebracht  wird.  Die  Benutzung  eines  solchen 
Gemenges  zü  Verdauungsversuchen  hat  so  lange  keinen  rechten 
Werth,  als  man  nicht  in  jedem  Fall  seine  Zusammensetzung  angeben 
kann.  Wollte  man  mit  einem  solchen  Gemisch  Versuche  anstellen, 
so  würde  es  vortheilhafter  sein,  es  künstlich  zusammenzusetzeu. 

Der  alkalische  Saft  des  nüchternen  Magens,  der,  wahrschein- 
lich vorzugsweise  aus  Speichel  besteht,  verhält  sieh  dem  Amjlon 
und  Zucker  gegenüber  wie  gemischter  Speichel;  die  ungekochte 
Stärk$  greift  er  nicht  an,  die  gekochte  verwandelt  er  in  Zucker 
und  diesen  (Rohr-,  Trauben-,  Milchzucker)  in  Milchsäure.  Der  beim 
Magenkatarrh  abgesonderte  schleimige  Saft  wandelt  Rohrzucker  in 
Traubenzucker  um  (Köbner).  — sUeber  die  Folgen,  welche  für 


Wirkung  des  alkalischen  und  sauren  Magensaftes. 


635 


die  festen  Eiweissstoffe  aus  der  Berührung  mit  dem  alkalischen 
Magensaft  hervorgehen,  widersprechen  sieh  die  Erfahrungen.  Nach 
Bidder  und  Schmidt*)  verhält  sich  der  neutrale  oder  alkalische 
Magensaft  des  Hundes,  vorausgesetzt,  dass  er  als  solcher  aus  dem 
Magen  genommen  wurde,  gleichgültig  gegen  die  genannten  Stoffe; 
nach  Versuchen  von  Sch  rüder**)  mit  menschlichem  Magensafte 
ist  dagegen  die  alkalische  Reaktion  durchaus  nicht  hinderlich  der 
raschen  Auflösung  des  gekochten  Hühnereiweisscs  und  Fleisches. 
Diese  letztere,  allen  künstlichen  Verdauungsversucben  so 
sprechende  Thatsache,  scheint  auf  einen  grundsätzlichen 
zwischen  der  künstlichen  oder  natürlichen  Verdauung 
stens  auf  eine  bedeutende  Lücke  in  unsern  Kenntnissen  Uber  die 
Natur  der  menschlichen  Magensäfte  schliessen  zu  lassen.  Vielleicht 
erklärt  sich  die  Erscheinung  auch  dadurch,  dass  Darmsäfte,  die 
bei  alkalischer  Reaktion  verdauen,  in  den  Magen  zurüekgcstiegen 
waren. 

b.  Der  saure  Magensaft,  ein  Gemenge,  in  welchem  der  Lab- 
saft überwiegt,  ist  um  so  weniger  geeignet,  gekochtes  Amylon  und 
Zucker  umzuwandeln,  je  relativ  weniger  Speichel  er  enthält;  in 
saurem  Magensaft  geht  also  die  bezeichnete  Umwandlung  langsam 
und  in  recht  saurem  so  gut  wie  gar  nicht  mehr  vor  sich.  Stumpft 
man  die  Säure  ab,  so  gewinnt  er  dagegen  wieder  die  Fähigkeit, 
Zucker  in  Milchsäure  überzufübren  (Frerichs).  Rohrzucker  ver- 
mag er  weder  vor  noch  nach  der  Neutralisation  in  Traubenzucker 
zu  verwandeln  (Köbner).  — Eiweissstoffe  löst  er;  die  Versuche 
von  Bidder  und  Schmidt  an  Hunden  und  von  Schröder  am 
Menschen  geben  übereinstimmend  an,  dass  im  Allgemeinen  ein  saurer 
Magensaft  um  so  reichlicher  gekochtes  Eiweiss  und  Fleisch  auflöst, 
je  mehr  er  Kali  zu  seiner  Sättigung  bedarf,  mit  anderen  Worten, 
je  saurer  er  ist;  Wird  die  Säure  abgestumpft,  so  büsst  der  Magen- 
saft des  Hundes  und  wie  es  scheint  auch  der  des  Menschen  sein 
Vermögen  ein,  auflösend  auf  Eiweissstoffe  zu  wirken. 

Hundert  Theile  natürlichen  Magensaftes  vom  Hunde  waren  im 
Stande,  höchstens  4,0  Theile  (Schmidt  und  Bidder),  100  Theile 
des  sauren  menschlichen  Magensaftes  höchstens  0,4  Theile  (Schrö- 
der) trockenen  Eiweisses  zu  lösen. 

Bidder  und  Schmidt  stellten  ihre  quantitativen  Verdauung» versuche  in  der 
Weise  an,  dass  sie  durchfeuchtete  Eiweiss*  und  Fleischstücke  von  bekanntem  Gehadte 


•)  I.  e.  p.  79.  Vers.  XIV. 

1.  c.  p.  18.  Vers.  III.  8.  IV.  VIII.  1**«.  u.  s.  w. 


ÖigitizecTßy  Google 


636 


Natürliche  Magon  Verdauung. 


an  fentora  Rückstand  bei  einer  Temperatur  von  40°  C.  so  lange  mit  verschiedenen 
Proben  bekannter  GowichUraengcn^on  Magensaft  in  Berührung  Hessen,  als  dieser  noch 
irgend  etwas  aus  ihnen  su  lösen  vermochte.  Darauf  wurde  der  ungelöst  gebliebene 
Anthcil  tiltrirt  und  getrocknet.  Man  erhielt  damit  daq  Gewicht  des  aufgclöston.  Den 
Säuregehalt  bestimmten  sie  ans  der  Menge  von  Kali,  welche  nothwendig  war,  nm  den 
Saft  vollkommen  zu  ncutralisiren.  Wenn  dio  freie  Säure,  wie  beim  Hunde,  nur  aus 
Chlorwasserstoff  besteht,  so  ergiebt  sich  allerdings  die  Menge  dieser  letzteren  , wenn 
aber,  wie  beim  Menschen,  die  freien  Säuren  aus  verschiedenen  gemengt  sind,  so  ge- 
nügt natürlich  dieses  Verfahren  nicht  (Schröder).  Zn  den  oben  zusamroengestcllten 
Thatsachcn  muss  wiederholt  bemerkt  werden , dass  selbst  der  Magensaft  dea  Hundes 
sich  nicht  in  dem  direkten  Verhältnisse  als  ciweissauflösend  erweist,  in  welchem  er 
Kali  zu  seiner  Neutralisation  bedarf. 

Kat  II  r liehe  Magen  Verdauung.  Die  Verdauungsresnltatc 
der  Nahrungsmittel  im  lebenden  Magen  de«  (Hundes  oder  Menschen) 
bestätigen  meistens  die  der  künstlichen  Vcrdaunng.  So  ist  z.  B. 
erklärlich,  dass  der  Magen  nach  dem  Genüsse  gekochten  Arnvlons 
bald  Zucker  enthält  (Pr e rieh 8,  Lehmann,  Bouchnrdat, 
Sandras  n.  A.),  bald  auch,  dass  er  ihm  fehlt  (Blondlot,  Schmidt 
u.  A.),  weil  je  nach  dem  Ueberwiegen  des  Labsaftes  oder  Speichels 
die  Umwandlung  der  Stärke  geschehen  oder  unterbleiben  muss. 
Aehnlich  verhält  es  sich  mit  der  Umwandlung  des  Trauben-  und 
Rohrzuckers  in  Milchsäure,  welche  zuweilen  beobachtet  (Freriehs, 
Lehmann,  Bouchardat),  zuweilen  vennisst  ist  (Freriehs, 
Schmidt):  allerdings  scheint  das  letztere  häufiger  zu  sein,  wie  er- 
klärlich, weil  schon  eine  geringe  Beimengung  von  Labsaft  dem 
Speichel  das  umwandelnde  Verneigen  zu  entziehen  vermag.  — Der 
Rohrzucker  wird  im  gesunden  Hundemagen  niemals  in  Trauben- 
zucker verwandelt;  findet  man  den  letztem  nach  dem  Genuss  des 
Rohrzuckers,  so  ist  jedesmal  eine  andere  Quelle  desselben  naebzu- 
weisen  (K  ö b e r). 

Sehr  merkwürdig,  ans  den  vorliegenden  künstlichen  Verdanungs- 
versnehen  vollkommen  unverständlich,  sind  die  Beobachtungen  von 
Fr  er  i cli  s*)  nnd  Schmidt,  wonach  zuweilen  Bnttersäure -,  zu- 
weilen auch  schleimige  und  Alkoholgälirung  im  Magen  Vorkommen 
kann;  das  Auftreten  der  beiden  letzteren  war  aber  auch  immer 
mit  Kranklicitszuständen  verknüpft.  Vereinzelt  steht  noch  die  An- 
gabe von  Mare  et**),  dass  im  Magen  der  Hunde,  die  mit  neutralen 
Fetten  gefüttert  wurden,  Fettsäuren  auftreten  sollen. 

Eiweissstoffe  und  insbesondere  gekochtes  Hühnerciweiss,  werden 
im  Magen  rascher  aufgelöst,  als  ausserhalb;  dieses  lässt  sich  ah- 

oi I.  c.  80». 

••)  Medical  Times  and  Gazette  1808. 


Entstehen  bei  derselben  Peptoner 


637 


leiten  ans  mancherlei  Gründen,  z.  B.  ans  der  stetigen  Erneuerung 
des  Magensaftes,  aus  der  Entfernung  der  mit  dem  umgewandclteu 
Eiweiss  geschwängerten  Lösung  durch  den'  l’ylorus,  dem  t mrühreu 
des  Mageninhaltes  in  Folge  einer  Bewegung  der  Wandung  u.  s.  w. 
Die  Beobachtungen  hierüber,  welche  von  Bi d der  und  Schmidt 
am  Hunde,  von  Schröder  am  Menschen  angcstellt  sind,  lehren 
auch,  dass  Eiweissstücke,  die  in  einen  Magen  gelegt  werden,  der 
vor  12  bis  20  Stunden  die  letzte  Mahlzeit  aufgenommen  hatte,  in 
den  ersten  2 Stunden  ihres  Aufenthaltes  weit  mehr  an  Gewicht  ver- 
lieren, als  in  den  2 darauf  folgenden  Stunden,  und  in  diesen  wieder 
mehr  als  in  2 auf  diese  kommenden.  Daraus  folgt,  dass  iu  einem 
Magen,  der  einige  Zeit  geruht  hat,  die  zur  Verdauung  des  Eiweis- 
ses  milbigen  Bedingungen  am  mächtigsten  wirken.  — ln  Ueber- 
einstiiumung  mit  seinen  künstlichen  Verdauungsversuchen  fand  €. 
Koopmauns,  dass,  wenn  gekochtes  Eiweiss,  roher  und  gekochter 
Kleber  iu  Säckchen  eiugeschiossen,  durch  den  Mund  in  den  Magen 
gebracht  würden,  von  beiden  immer  ungleich  viel  aufgelöst  wurde. 
Bald  war  der  Kleber,  bald  das  Eiweiss  in  der  Lösung  weiter  vor- 
geschritten. 

Die  Frage,  ob  die  verflüssigten  Eiweissstoffe  im  Magen  in  Pep- 
tone umgewandelt  werden,  oder  ob  sie,  bevor  es  geschehen,  schon 
vou  dort  entfernt  sind,  kann  nicht  vollkommen  beantwortet  werden. 
Sicher  ist,  dass  das  verzehrte  flüssige  Albumin  noch  als  solches 
jenseits  des  Pylorus  angeftoffen  wurde  und  zwar  so  wenig  verän- 
dert, dass  es  nicht  einmal  den  Sättigungsuiedcrsehlag  gab.  Gehen 
die  verflüssigten  Eiweissstofie  immer  so  rasch  durch  den  Magen, 
wie  cs  in  dem  später  zu  erwähnenden  Fall  einer  Dünndarmfistel 
geschah  (Busch),  so  würden  selbst  Caseinlösungen,  die  sich  nach 
Meissner  am  schnellsten  zu  Peptonen  bilden,  nicht  Zeit  haben, 
um  jene  Umwandlungen  zu  erleiden. 

Ucber  die  Veränderungen,  welche  die  gemischten  Nahrungs- 
stoffe (Speisen)  im  lebenden  Magen  erfahren,  besitzen  wir  zuver- 
lässige Beobachtungen  nur  von  Frerichs  und  Schröder.  Das 
Thatsächlichste  ihrer  Untersuchungen  ist  kurz  folgendes.  Aus  der 
in  den  Magen  gebrachten  Milch  gerinnt  rasch  der  Käsestotf,  dar- 
auf verlässt  das  Milchserum,  ob  durch  die  Wandung  oder  den  l’y- 
lorus  ist  ungewiss,  die  Magenhöhle,  so  dass  ein  aus  Käsestoff  und 
Fett  bestehender  Klumpen  zurückblcibt,  der  allmählich  von  der  den 
Magenwäpden  zugekehrten  Fläche  gegen  seiu  Centrum  hin  verän- 
dert wird.  Eine  genauere  Untersuchung  der  veränderten  Müssen 


Digitized  by  Google 


638 


Verdauung  der  gewöhnlichen  Speisen. 


lässt  erkennen,  dass  die  Wände  der  Milchkügelchen  aufgelöst  wer- 
den, während  das  Fett  des  Inhaltes  zu  grösseren  Tropfen  zusam- 
menfliesst,  ohne  dass  es  eine  chemische  Veränderung  erfährt.  Die 
Kalksalze  der  Milch  lösen  sich  auf.  — Das  Mus kelfleisch  zer- 
fällt nach  Auflösung  des  Bindegewebes  in  die  einzelnen  Muskel- 
röhren ; dieselben  zerbröckeln  sich  dann  in  kurze  Stückchen , deren 
Länge  dem  Abstande  zweier  benachbarten  Querstreifen  entspricht; 
der  Muskel  wird  also  in  seine  Scheiben  zerlegt.  Diese  letztem 
werden  allmählich  aufgelöst,  jedoch  niemals  vollkommen,  selbst 
wenn  man  sie  durch  eine  Hülle,  durch  welche  sie  eingeschlossen 
werden,  zwingt,  möglichst  lange  in  dem  Magen  zu  verweilen  (?).  Die 
aus  dem  Muskel  hervorgehende  Lösung  zeigt  zuweilen  die  Eigen- 
schaft, durch  die  Hitze  zu  gerinnen,  zuweilen  aber  fehlt  auch  die- 
selbe. Kalbfleisch  löst  sich  rascher,  als  Ochsenfleisch  (Schröder). 
Gekochtes  oder  gebratenes  Fleisch  erfährt  die  bezeichnete  Umwande- 
lung rascher  als  rohes;  nach  Frerichs  darum,  weil  der  Magen- 
saft leichter  in  die  Zwischenräume  eindringen  kann.  Diesem  ent- 
gegen beobachtete  Schröder,  dass  vom  menschlichen  Magensafte 
ausserhalb  des  Magens  das  rohe  Fleisch  rascher  aufgelöst  werde. 
— Die  Kalk  salze  lösen  sich  auf  und  werden  zum  Theil  aus  ihrer 
Verbindung  mit  den  Eiweisskörpem  getrennt,  wie  sich  daraus  ergiebt, 
dass  dieselben  durch  Neutralisation  der  sauren  Lösung  gefällt  wer- 
den. — Aus  den  Knochen  wird  die  leimgebende  Substanz  auf- 
, während  der  grösste  Theil  der  Kalisalze  als  eine  krümliche 
ungelöst  bleibt;  ihr  Verhalten  im  Magensafte  gleicht  also 
haus  nicht  dem  in  einer  verdünnten  Säure  (?).  — Das  Amylon 
des  Brodes  wird  in  Dextrin  und  Zucker  umgesetzt,  wenn  aber,  wie 
häufig,  das  Brod  nicht  ausgebacken  ist,  so  dass  es  noch  rohe,  von 
der  Hitze  nicht  älterirte  Amylonkörner  enthält,  so  werden  diese  von 
dem  Magen  nicht  angegriffen;  die  Eiweissstofle  des  Brodes  lösen 
sich.  — Hlilsenfrüehte  und  Kartoffeln  erfahren  dieselbe  Um- 
wandlung, aber  langsamer  und  meist  auch  unvollkommener,  weil 
die  holzige  Zellenmembran,  welche  das  Amylon  und  die  Eiweiss- 
stoffe nmscbliesst,  dem  Eindringen  der  auflösenden  Säfte  einen 
Widerstand  entgegensetzt.  Die  das  Amylon  der  Kartoffeln 
schliesscnde  Zelihaut  findet  sich  häufig,  trotzdem  dass  ihr  J 
schwunden  ist,  noch  unverletzt.  Da  die  Kartoffeln  vorzngswd 
eine  Stärke  enthalten,  welche  nicht  in  den  autgequollenen 
versetzt  ist,  so  findet  sieh  oft  Tage  laug  nach  dem  letzten  Genüsse 
dieser  Speise  noch  unveränderte  Stärke  im  Magen  des  Menschen. 


•toffeln  um- 

i'  lnhrijyer- 
veisfctfig 
en  Zuständ 


- ■■  . glc 


Zusammensetzung  des  Cbymus  im  Magen. 


639 


Von  der  Verdaulichkeit  der  Speisen  im  Magen.  Be- 
rücksichtigt man  bei  der  Frage  nicht  die  Zeit,  sondern  nur  über- 
haupt, ob  eine  oder  die  andere  Speise  im  Magen  gelöst  werden 
könne , so  beantwortet  sie  sich  aus  dem  Vorstehendem  von  selbst. 
Wollte  man  aber  feststellen,  welche  Gewiehtsmengen  dieser  oder 
jener  Speise  in  der  Zeiteinheit  aufgelöst  werden,  so  würde  man 
offenbar  angeben  müssen:  die  chemische  Zusammensetzung,  den 
Aggregatzustand , die  Verkeilung  und  Mengung  der  Speisen  mit 
anderen  unverdaulichen  Stoffen ; ferner  den  jeweiligen  Gehalt  des 
Magensaftes  an  Speichel,  Pepsin,  Säure,  Wasser  u.  s.  w-,  die  Ge- 
schwindigkeit der  Absonderung,  den  Wechsel  der  Zusammensetzung 
der  Säfte  mit  der  Absonderungszeit  und  vielleicht  noch  manches 
Andere.  Demnach  lässt  sich  über  die  gestellte  Frage  nicht  allein 
für  jetzt  gar  nichts  aussagen,  sondern  es  fällt  dieselbe  demnächst 
auch  gar  nicht  iu  das  Bereich  des  vernünftigen  Experimentes,  da 
man  die  geforderten  Bedingungen  znr  Erzielung  der  Vergleichbar- 
keit weder  constant,  noch  messbar  variabel  machen  kann. 

Missbräuchlich  hat  man  aber  auch  unter  Verdaulichkeit  die 
Aufentkaltszeit  der  Speisen  im  Magen  verstanden,  welche  iu  gar 
keiner  Beziehung  zur  Auflöslichkeit  zu  stehen  braucht,  da  ja  auch 
vollkommen  unverdauliche  den  Magen  verlassen.  In  diesem  Sinne 
nimmt  die  Verdaulichkeit  nur  Rücksicht  auf  den  Druck,  unter  dem 
die  Speisen  in  dem  Magen  liegen , und  den  Widerstand  im  Pfört- 
ner. Die  Mittbcilungen,  die' Uber  die  Verdaulichkeit  in  diesem 
Sinne  gemacht  worden,  sind  hei  Freriehs*)  nachzusehen,  welcher 
sie  zuerst  auf  ihren  wahren  Werth  zurückgeftihrt  hat. 

Der  Chymus  oder  der  Speisebrei,  welcher  durch  den  Pfört- 
ner den  Magen  verlässt,  verdient  schliesslich  noch  einige  Aufmerk- 
samkeit. Unter  Voraussetzung  einer  Nahrung  aus  gekochten  Mehl-, 
Eiweiss-  und  Leimarten,  Fetten,  Blutsalzen  und  Wasser,  gemengt 
mit  Holzfaser,  Horn-  und  elastischen  Stoffen,  Kieselsäure  u.  s.  w., 
wird  der  Chymus  einen  Brei  darstellen,  der  bald  mehr,  bald  we- 
niger Flüssigkeit  enthält;  die  Menge  dieser  letzteren  wird  sich 
ändern  mit  dem  Gehalte  der  Speise  an  Wasser,  dem  Ergüsse  von 
Verdauungssäften  in  den  Magen  und  der  Lösliehkeit  der  Xahrungs- 
den  Magensäften.  Hier  muss  jedoch  schon  angemerkt 
dass  nicht  die  ganze  Menge  von  Flüssigkeit,  welche  in 
s;en  geliefert  wurde,  diesen  letzteren  auch  wieder  durch  den 


*)  l.  c.  an. 


■oy  Google 


640 


Flüssigkeiten  des  Dünndarms;  Galle. 


Pförtner  verlässt,  weil  iu  die  Venen-  und  Lymphgefässe  desselben 
sogleich  ein  Theil  jener  Flüssigkeit  eintritt.  Die  unaufgelösten  Be- 
standtheile  des  Breies  werden  ihrer  Grösse  nach  variiren  mit  der 
Zerkleinerung,  welche  die  festen  Nahrungsmittel  durch  die  Zähne 
erfahren  haben,  mit  dem  Vermögen  der  Magensäfte  die  Speisen 
anzufressen,  und  dem  Widerstande,  den  der  Pförtner  bei  gegebenen 
Bewegungen  der  Magenmuskcln  zu  leisten  vermag.  — Die  Zusam- 
mensetzung der  Chyimisllllssigkcit  wird  sich  immer  charakterisiren 
durch  ihren  Gehalt  an  Säuren  und  je  nach  den  genossenen  Nah-  • 
rungsmitteln  an  Zucker,  Dextrin,  Eiweisstoffen , Leim  und  Fetten; 
die  ungelösten  Stoffe  werden  dagegen  bestehen  zum  Theil  aus  ganz 
unlöslichen  Bestandteilen , Holzfasern  , Epithelialschuppen , elasti- 
schen Geweben,  Kieselsäure,  Kalkerde  u.  s.  w.,  zum  Theil  auch 
aus  löslichen,  aber  noch  nicht  gelösten  Speiseresten,  insbesondere 
aus  Fleisch-,  Eiweiss-  und  Bindegewebsstüekchen,  aus  Amylon  und 
Krümeln  von  Kalksalzen.  Daraus  geht  hervor,  welch  mannigfal- 
tige Gestaltung  dem  Chymus  zukommen  kann.  , . „ 


3.  Flüssigkeiten  des  Dünndarmes. 

Künstliche  Dünndarmverdauung,  a.  Die  von  Schleim 
und  Farbstoff  befreiten  gallensauren  Salze  des  Ochsen  ver- 
mögen das  gekochte  und  rohe  Amylon  sehr  allmählig  in  Trauben- 
zucker umzuwandeln  — das  hyoeholinsaure  Natron  (Cm  Hij  Ni  Om) 
der  wesentliche  Bestandteil  der  Sehweincgallc  löst  rohes  Amylon 
leicht  auf  (Nasse)*).  — l)er  in  der  gereinigten  Ochsengalle  auf- 
gelöste Zucker  erleidet  keiue  Veränderung  (Lehmann).  — Die 
frischen  Blutkörperchen  der  Menschen,  Säugethiere  und  Vögel  wer- 
den durch  die  gallensauren  Salze  leicht  aufgelöst  (Kühne)**). 

b.  Die  Blasengalle  (Galle  und  Schleim)  setzt  den  Zucker 
unter  den  Erscheinungen  der  Fäulniss  sehr  allmählich  in  Milchsäure 
um  (Meckel,  Schiel);  Fettsäuren  löst  sie  in  geringer  Menge, 
während  sie  die  neutralen  Fette  unverändeit  lässt.  Eine  Einwir- 
kung auf  die  anderen  Speisen  ist  nicht  beobachtet. 

c.  Ein  reichlicher  Zusatz  von  Galle  zu  dem  Magensafte 
raubt  diesem  die  Befähigung,  geronnene  Eiweisskörper  aufzulösen; 
geschieht  die  Beimischung  nach  vollendeter  Auflösung,  z.  B.  zu  der 
durch  Filtration  von  dem  Chymus  geschiedenen  Flüssigkeit,  so  wird 
die  Fäulniss,  welche  sonst  leicht  in  der  Flüssigkeit  einlT*^ 


■)  Archir  ftlr  gerne!  nachafllfrlte  Arbeiten.  IV.  445. 
••)  Archiv  flir  patholog.  Anatomie.  XIV.  310. 


Digitized  by  Google 


Verdauung  durch  Bauchapeiclicl  und  Pancreoeextract. 


641 


heuimt  (H.  H offmann).  Die  Galle  soll  in  diesem  Falle  nach  den 
Angaben  von  Scherer  und  Frerichs  auch  dem  aufgelösten 
Eiweisse  seüie  Fähigkeit,  durch  llit/.e  zu  gerinnen,  wiedergeben, 
eine  Thatsaehe,  die  von  Leb  mann  und  Schmidt  bestritten  wird. 

d.  Der  reine  15  a u e h s p e i c h e 1 und  der  Pankreasauszug  verwan- 
deln das  rohe(?)  und  gekochte  Amvlon  sehr  rasch  in  Zucker  (Va- 
lentin*), Bouchardat,  Sandras);  diesen  selbst  aber  nicht  in 
Milchsäure  (Lassaigne):  der  Bauchspeichel  zerlegt  bei  Gegen- 
wart freier  Alkalien  die  neutralen  Fette  auf  dem  Wege  der  Giihruug 
in  Oelsllss  und  Fettsäuren  (Bernard);  mit  den  Fetten  geschüt- 
telt emulsirt  er  sie  permanent,  d.  h.  es  bleiben  die  difrch  Schüt- 
teln entstandenen  Fetttröpfchen  getrennt  ft) her le,  Bernard). 

Zu  künstlichen  Verdauungsversuchen  der  Eiweissstoffe  **)  be- 
nutzt man  verschiedene  aus  dem  Pankreas  abstammende  Produkte 
namentlich  den  natürlichen  aus  dein  Gang  autgefangenen  Saft,  oder 
den  wässerigen  Auszug  aus  der  Drüsenmasse  eines  nüchternen  oder 
eines  zuvor  gefütterten  Thieres,  oder  endlich  die  wässerige  Auflö- 
sung des  Pankreatins.  Der  letztere  Name  bezeichnet  einen  nicht 
näher  umschriebenen  Körper,  der  durch  1’bOAc  aus  dem  Wasser- 
auszug der  Drüse  niederzuschlagen  ist,  und  der  darauf  als  eine  in 
Wasser  lösliche  Substanz  durch  Zerlegung  des  Blciniedci Schlags 
wieder  gewonnen  werden  kann;  ein  andermal  nennt  man  auch  Pan- 
kreatin die  durch  Alkohol  aus  dem  wässerigen  Pankreasinfusum  ge- 
lällten  Gemenge  (Cor visa rt). 

Gekochtes  Eiweiss,  Muskel  und  Blutfibrin,  gefälltes  Casein,  der 
Sättigungsniederschlag  des  in  künstlichem  Labsalt  gelösten  vorher 
geronnenen  Eiweisses,  beziehungsweise  das  Parapepton  dieses  letz- 
teren und  das  Dyspepton  des  Caseins  werden  gelöst,  und  nachdem 
dieses  geschehen,  in  peptonähnlicbc  Körper  umgewandelt  durch 
die  wässerige  Lösung  des  Pankreatins,  vorausgesetzt,  dass  dieselbe 
sehr  schwach  angesäuert  und  das  Pankreatin  aus  der  Drüse  eines 
in  Verdauung  begriffenen  Thieres,  namentlich  des  Schweines  aus- 
gezogqpi  ist  (Purkinje,  Pappenhoim,  Corvisart,  Meissner). 
Die  Auflösung  des  geronnenen  Eiweisses  scheint  langsam  vor  sich 

*)  Lehrbuch  der  Physiologie.  2.  Aufl.  I.  3 56. 

•*)  Frerichs,  Handwörterbuch  der  Physiologie.  Ul.  1.  Abth.  84fc  — Corvisart,  Rur 
une  fonction  peu  connue  du  Pancrlas.  Paris  1858.  — Meissner,  llcnle  und  Pfeufers  ZelLichrift. 
3.  Itclhe.  YJI.  Ihl.  17.  — - Derselbe , Verhandlungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  zu  Freiburg 
Int  llr.  Juli  1859.  — Kcferstein  und  Ha  II  wachs,  Göttinger  Nachrichten.  1858  Stück  14.  — 
O.  Funke,  Schinidt's  Jahrbücher.  Ild.  101.  p.  155.  — Skrebltxki,  Ibid.  105.  Ild.  153.  — 
Schiff,  Ibid.  260. 

Ludwig,  Physiologie  U.  2.  Auflage.  4 1 


Digitized  by.Google 


642 


Verdauung  durch  ein  Qemiech  au*  Bauchepeichel  und  Labuft. 


zu  geben  und  es  greift  der  Verdnuungssaft  die  Oberfläche  desEiweiss- 
wtfrfels  nicht  glcicbmässig  an,  denn  dieselbe  wird  während  der  fort- 
schreitenden Lösung  höckerig  (Meissner).  Während  der  cintrc- 
tenden  Lösung  verliert  auch  das  Paukreasferment  seine  Fähigkeit, 
durch  Kochen  zu  gerinnen. 

Wie  das  Pankreatin  verhält  sich  auch  der  wässerige  Auszug 
des  Pankreas,  der  von  einem  in  Verdauung  begriffenen  Thiere  ge- 
wonnen wurde;  dieser  Auszug  reagirt  bekanntlich  (durch  Milch  - oder 
Buttersäure?  p.  351)  schwach  sauer.  Angesäuerter  Bauchepeichel 
des  Esels  verdaute  kein  Eiweiss  (Frerichs),  der  des  Schweines 
war  es  inf  Stande  (Meissner). 

Das  neutrale  oder  alkalische  Extrakt  des  Pankreas,  und  ebenso 
der  natürliche  Banchspeichel  lösen  die  Eiweisskörper  nicht  (Kcfer- 
stein,  Hallwachs,  Meissner),  führen  aber  sehr  leicht  Fäulniss 
herbei  (0.  Funk  e).  Wenn  dieses  geschehen,  so  löst  der  Bauehspeiehel 
vermöge  seines  KO-Gehaltes  feste  Eiweisskörper  auf  (Skrebitzki). 

Collagene  Gewebe  werden  durch  das  Pankreasextrakt  eben- 
falls gelöst  (Corvisart). 

Das  Ferment  des  Bauchspeichcls,  welcher  Amylon  und  Fette  um  wandelt,  kann 
nicht  identisch  sein  mit  demjenigen  unbekannten  Körper,  welcher  die  Auflösung  der 
Eiweissstoffc  besorgt.  Denn  der  BauchBpoickol  führt  zu  allen  Zeiten  die  erstgenannten 
Umwandlungen  aus,  wahrend  ihm  die  letztre  nur  unter  gewissen  Umständen  gelingt  — 
Aber  auch  die  Bedingungen,  welche  die  Auflösung  der  Albuminate  herbeiführen, 
müssen  unter  sich  verschieden  sein;  Meissner  sah,  wie  erwähnt,  jene  Auflösung  nur 
durch  das  schwachsauro  Extrakt  erfolgen,  Corvisart,  Schiff,  auch  durch  das  neu- 
trale und  schwach  alkalisch  reagirende;  auch  die  Umwandlungen,*  welche  die  Eiweiss- 
stoffe  nach  der  Lösung  erfahren,  sind  noch  sehr  wenig  aufgeklärt  Siehe  die  Kritik 
der  Peptonbildung  durch  den  pankreatischen  Saft  bei  Brücke  1.  c. 

e.  Künstliche  Verdauung  durch  ein  Gemenge  von  Labsaft 
und  Banchspeichel.  — Dieses  Gemisch  löst  die  Albuminate 
langsamer  und  weniger  umfangreich  auf,  als  es  jeder  Bestandtheil : 
für  sich  thut.  — Das  durch  künstlichen  Labsaft  aufgelöste  geron- 
nene Eiweiss  soll,  wenn  es  während  6 Stunden  mit  Banchspeichel 
digerirt  wurde,  seine  Fällbarkeit  durch  Kochen  wieder  gofvinnen 
(Frerichs).  Die  Peptone,  welche  die  Labsaftvcrdanung  ans  den 
Eiweisskörpern  bildete,  werden  durch  den  Banchspeichel  nicht  weiter 
verändert  (Corvisart).  Die  Angaben  von  Frerichs  und  Cor- 
visart können  anfgefasst  werden  als  sich  widersprechende,  oder 
sie  können  auch  nebeu  einander  bestehen,  wenn  die  Eiweissstofe, 
welche  Frerichs  dem  Bauchspeichel  zusetzte,  noch  nicht  bis  zu 
Peptonen  verändert  waren. 


mmtim 


Verdauung  durch  Danusaft. 


643 


f.  Künstliche  Verdauung  durch  ein  Gemcngo  von  Labsaft,  Galle  und  Bauch- 
speichel. — Frerichs  erwähnt,  dass,  wenn  er  das  im  Labsaft  verdauto  Eiweiss  mit 
Galle  und  pankreatischem  Saft  digerirtc,  sich  die  Galle  nach  24  Stunden  als  eine  har- 
zige Masse  zu  Boden  setzte.  Die  über  diesen  Niederschlag  stehende  klare  Flüssigkeit 
wurde  durch  Kochen  stark  getrübt. 

g.  Zur  künstlichen  Verdauung  mit  Darmsaft  sind  benutzt 
worden:  der  aus  dem  Darm  nach  der  Methode  von  Frerichs 
oder  Bidder  (p.365)  gewonnene  Saft ; wohlabgewaschenene  Stück- 
chen von  Dannschleimhaut;  oder  wässerige  Auszüge  aus  der  letztem. 

Gekochtes  Amylon  geht  bei  der  Digestion  in  Traubenzucker, 
Milch  und  Buttersäure  Uber  (Frerichs,  Pelouze).  Mannit  ver- 
wandelt sich  in  Milchsäure  (Witte).  — Geronnenes  Eiweiss  wird 
gelüst  (Bidder,  Schmidt,  Köllikcr,  II.  Müller).  — Citron- 
sanres,  weinsaures,  äpfelsaures  Kali  und  Natron  verwandeln  sielt 
in  kohlensaure  Salze  (Kerkow,  Magawly). 

Natürliche  Dünndarmverdaunng.  Da  die  Drüsen, 
welche  ihren  Inhalt  in  den  Dünndarm  schicken,  nicht  an  demselben 
Orte  einmünden,  so  bietet  sich  hierdurch  die  Gelegenheit,  die  Lei- 
stungen derselben,  sowohl  einzeln  als  in  mancherlei  Combinationen, 
aufzuhellen.  Insbesondere  gelingt  es  innerhalb  des  Thicrcs  zu  iso- 
liren  die  Wirkung  des  Darmsaftes  und  zu  verbinden  die  des  Darm- 
nnd  Magensaftes  (nach  Unterbindung  des  Gallen-  und  Pankreasgan- 
ges), des  Darm-  und  Magensaftes  mi^  der  Galle  oder  dem  Baueh- 
speichel,  des  Dannsaftes  mit  der  Galle  oder  dem  Bauehspcichel, 
oder  mit  beiden  (nach  Unterbindung  der  horizontalen  Abtheilung  des 
Zwölffingerdarmes).  Demnach  lässt  sich  Uber  alle  denkbaren  Com- 
binationen verfugen,  mit  Ausnahme  derjenigen,  welche  eine  Elimi- 
nation des  Darmsaftes  verlangen. 

a.  Die  verdauenden  Kräfte  des  menschlichen  Darmsafts*) 
hat  Busch  mittelst  einer  Darmfistel,  die  sieh  am  obern  Theil  des 
Dünndarmes,  vielleicht  kurz  hinter  dem  Zwiilfingerdarm , fand,  be- 
obachtet. Aus  der  obern,  dem  Magen  zugewendeten  Oeffnung  des 
Darms  traten  alle  Flüssigkeiten,  welehe  vom  Magen  und  Zwölffinger- 
darm herabströmten,  vollkommen  ans,  sodass  in  das  untere  iu  den 
After  ansmündende  Darmstüek  auch  nicht  eine  Spur  von  oben  her 
gelangte.  Die  Stoffe,  deren  Verdauung  geprüft  werden  sollte,  konnten 
also  jfafCb  die  untere  Mündung  des  künstlichen  Afters  in  das  mit 
dem  Dickdaim  verbundene  Dünndarmstüek  eingeflihrt  werden  und 
hier,  entweder  in  Tüllbeutel  eingeschlosscn  nahe  an  der  Einfllhrungs- 


■)  Basch,  Archiv  ftlr  patholog.  Anatomie.  XIV.  HO. 


41 ' 


Digitized  by  Google 


644 


Natürliche  Dünndarmverdauung  mit  Dannsaft. 


stelle  fest  gehalten  und  dann  nach  beliebiger  Zeit  wieder  hervor- 
gezogen  werden,  oder  man  konnte  die  Nahrungsmittel  auch  durch 
das  ganze  untere  Darmendc,  das  aus  einem  grossen  Tbeil  des 
Dünndarms  und  dem  ganzen  Dickdarm  bestand,  wandern  lassen 
und  aus  dem  gebildeten  Koth  die  vor  sich  gegangene  Verdauung 
erschlossen. 

Nach  beiden  Methoden  ergab  sich , dass  gekochte  Eiweiss- 
stoffe (Fleisch  und  Eier)  unter  Entwickelung  von  Ammoniak  und 
Fäulnissprodukten  aufgelöst  wurden;  rascher,  wenn  sie  durch  den 
ganzen  Darm  wunderten,  langsamer,  .wenn  sie  in  Ttillbeutel  aufge- 
hängt waren.  Die  Fäulniss,  welche  in  den  gekochten  Eiweissstof- 
fen schon  nach  G — 7 Stunden  sehr  merklich  war,  muss  von  einer 
Gegenwirkung  zwischen  dem  Damischleim  und  den  Albuminaten 
bedingt  sein,  da  keiner  dieser  Stoffe  für  sich  in  so  kurzer  Zeit  fault. 

Gekochte  Stärke  geht  leicht  in  Traubenzucker  über  und  ira 
Koth  ist  weder  sie  noch  der  Traubenzucker  zu  finden,  selbst  wenn 
nicht  unbeträchtliche  Mengen  derselben  durch  die  Fistelöffinung  ein- 
gingen. — • Rohrzucker  bleibt  dagegen  nngeändert.  Die  Butter  und 
der  Lebcrthran,  die  nach  längerm  Aufenthalt  im  untern  DarmstUck 
(bis  zu  10  Tagen)  im  Koth  wieder  erschienen,  rochen  nach  Butter- 
säure, dem  Anblick  nach  waren  sie  theils  unverändert,’  tbeils  aber 
kristallinisch  geworden.  » 

Ausser  dieser  Beobachtung,  die  auch  für  Versuche  an  Thieren  als  methodischer 
Prototyp  gelten  muss,  sind  noch  andere  bekannt,  bei  welchen  man  aus  der  geöffneten 
Uiiterleibshöhle  eines  Thiers  eine  Darmschlinge  hervorzog,  sie  von  ihrem  Inhalt  rei- 
nigte, oben  und  unten  abband  oder  abklemmtc  und  dann  die  frische  Speise  in  dieselbe 
brachte.  Nachdem  auch  die  hierzu  nöthige  Oeffnung  zugebunden  war,  wurde  die 
Schlinge  in  die  Untcrlcibshöhle  zurückgeführt  (Prerichs,  Bidder  und  Schmidt). 

In  einer  solchen  Schlinge  verwandelt  sich  Kleister  rasch  in  Zucker  und  Milch- 
säure und  die  unlöslichen  Modifikationen  der  Eiweiss-  und  Deirastoffe  in  lösliche. 

Durch  diesen  Versuch  würde  man  das  Verhalten  des  Darmsaftes  gegen  die  frischen 
Speisen  für  aufgeklärt  ansehen  dürfen , wenn  niofit  die  Befürchtung  nahe  läge , dass 
die  der  Operation  folgenden  Störungen  des  Blutlaufes  in  der  Unterlcibshöhle  die  nor- 
male Df®piab3ondcrirng  vollkommen  änderten.  Die  Beobachter  geben  zwar  an,  dass 
mindestens  noch  einige  Stunden  unmittelbar  nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  ein  un- 
veränderter Darmsaft  abgesondert  werde,  sie  bringen  dafür  jodoch  keinen  andern  Be- 
weis als  den  vor,  dass  4 bis  6 Stunden  nach  dem  Bauchschnitte  die  Entzündung  und 
ihre  Folgen  erst  im  Maxiraum  sichtbar  seien. 

b.  Wenn  man  nach  Unterbindung  des  Gallen-  und  Banch- 
spcicbelganges  aus  einer  am  Dünndärme  angelegten  Fistel  den 
Speisebrei  schöpft,  so  findet  man,  dass  das  Fleisch  und  die  Auiy- 


‘■*Dip£??rDy‘GoogIe 


und  mit  Combinationon  aus  Gallo,  Bauchapcichel  etc. 


645 


laeecn  nngefilhr  ebenso  verändert  sind,  als  sie  es  gewesen  sein 
würden  ohne  Abschluss  der  beiden  DrUsensäl'tc  (Bidder  und 
Schmidt)*).  War  cs  nicht  zur  Bildung  von  Milchsäure  gekom- 
men, so  rcagirtc  der  Speisebrei  alkalisch,  was  man  nach  Ausschluss 
des  stark  alkalischen  Pankreassaftes  kaum  erwartet  hätte. 

c.  Die  vereinigte  Wirkung  der  Galle,  des  Bauchspeichcls 
und  Darm  saftes  oderauch  nur  die  des  Bauchspeichels  und  Darm- 
saftes auf  die  frischen  Speisen  suchte  man  zu  ermitteln,  indem  man 
das  Duodenum  noch  Uber  der  Leber-  und  l’ankreasmllndung  ab- 
band ("Bidder  und  Schmidt)**),  oder  auch  zugleich  den  Gallen- 
gang verschloss  (Corvisart),  im  Uebrigcn  aber  gerade  wie  bei 
Benutzung  jeder  andern  Darmschlinge  verfuhr.  Die  Ergebnisse  der 
Versuchsreihen  waren  denen  unter  a sehr  ähnlich,  nur  insofern 
zeigte  sich  ein  Unterschied,  als  in  der  vorliegenden  dieFälle  relativ 
häufiger  sind,  in  welchen  die  Auflösung  der  Eiweissstofl'e  sehr  weit 
vorgeschritten  war. 

Bei  der  bekannten  Eigentümlichkeit  des  Pankreas , seine  Absonderung  für  einige 
Zeit  nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  einzustellen,  ist  es  fraglich,  ob  die  angegebene 
Operation  den  gewünschten  Erfolg  bedingte. 

d.  Die  combinirte  Einwirkung  der  Galle,  der  Magen-  und 
Darmsäfte  auf  die  Speisen  wird  erzielt,  wenn  man  entweder  das  Pan- 
kreas ausschneidet  oder  seine  Ausftihrungsgänge  unterbindet.  — Die 
überwiegende  Mehrzahl  der  Beobachter  (Bidder  und  Schmidt, 
Wein  mann,  Herbst  u.  A.)  fand  das  Zusammenwirken  jener 
Säfte  gerade  so  erfolgreich,  als  ihre  Verbindung  mit  dem  Bauch- 
speichel; insbesondere  zeigte  sich  der  aus  dem  After  gestossene 
Koth  nicht  reichlicher  nnd  nicht  anders  beschaffen,  als  wenn  die 
Operation  unterblieben  war. 

e.  Bauchspeichel,  Magen-  und  Darmsäfte,  welche 
nach  Ableitung  der  Galle  aus  einer  Blascnfistel  auf  den  Darminhalt 
wirken,  erzeugen  ebenfalls  eine  vollkommene  Verdauung;  cs  scheint 
aber,  als  ob  die  Anwesenheit  der  Galle  mancherlei  weitere  Um- 
setzungen der  aufgelösten  Stoffe  verhindere,  die  bei  ihrer  Abwe- 
senheit vor  sich  gehen;  im  letztem  Fall  bilden  sich  viel  Darmgaso 
und  ein  sehr  unangenehm  riechender  Koth. 

f.  Die  verwickcltste  Zusammenstellung  der  verdauenden  Flüs- 
sigkeiten endlich,  die  nämlich,  bei  welcher  in  zeitlicher  Reihenfolge 


•)  1.  c.  |>.  371. 

••)  1.  c.  p.  176. 


Digitized  by  Google 


646 


Chyrnus  des  Dünndarms  beim  Menschen. 


auf  die  Speisen  zuerst  sämmtliche  Säfte  wirken,  welche 
in  den  Magen,  und  dann  die,  welche  in  den  Dü tfndarm  er- 
gossen werden , erzielt  rücksichtlich  der  Auflösung  der  Speisen  kein 
anderes  Resultat , als  alle  vorerwähnten  einfacheren  Combinationen ; 
auch  hier  werden  die  Leimarten,  die  Albuminate  und  das  Amylon 
zur  Auflösung  in  Wasser  gesehiekt  gemacht. 

Chymus  des  Dünndarms.  Die  Fortschritte,  welche  die 
Verdauung  macht,  gestalten  sich  wesentlich  verschieden  je  nach 
der  Aufenthaltszeit  der  Speisen  in  dem  Dünndarm.  Ueber  diesen 
Punkt  konnte  Busch  in  seinem  schon  oben  erwähnten  Fall  Erfah- 
rungen sammeln.  Wegen  ihrer  grossen  praktischen  Wichtigkeit 
müssen  dieselben  hier  kurz  zusammengestellt  werden. 

Schöb  kurze  Zeit  nach  der  Einftlhrung  der  Nahrungsmittel  in 
den  Mund  begannen  dieselben  wieder  aus  der  obern  dem  Magen 
zugekehrten  Fistelöffnung  zu  erscheinen.  So  kamen  nach  Vollen- 
dung der  Mahlzeit  an:  die  ersten  Stücke  gekochten  Eies  20  bis 
35  Min.,  FleischstUcke  22  bis  30  Min.,  Rüben,  Kohl,  Kartoffeln  12 
bis  19  Alirj,,  aber  erst  3 bis  4 Stunden  nach  einer  reichlichen  bei 
Tage  genossenen’  «Mahlzeit  war  der  Ausfluss  der  Speisestücke  vol- 
lendet. War  dagegen  die  Nahrung  spät  am  Abend  genommen  wor- 
den, so  ging  dieselbe  nur  theilweisc  alsbald  wieder  ab,  die  Reste 
derselben  kamen  erst  am  andern  Morgen  zum  Vorschein , weil  wäh- 
rend der  Dauer  der  Nacht  die  Bewegungen  des  Magens  unterbrochen 
waren.  — Die  Menge  von  Flüssigkeit,  welche  aufgefangen  werden 
konnte,  richtete  sich  nach  der  Menge  und  Art  der  Nahrung.  Am 
meisten  erschien,  nachdem  Fett  genommen  war,  schon  bedeutend 
weniger  im  Verhältniss  ztrr  Menge  des  Aufgenommenen  nach  Gela- 
tine und  gekochten,  Eiern,  nach  Fleisch  und  Milch , am  wenigsten 
nach  Kohl  und  Kartoffeln.  Die  Menge  des  Ausfliessenden  nahm 
auch  ab,  wenn  während  eines  Tags  statt  einer  gemischten  nur  eine 
einfache  Nahrung,  z.  B.  nur  Brod  genossen  wurde. 

Was  die  chemischen  Eigenschatten  des  Ausfliessenden  anlangt, 
so,  war  das  Gemisch  meist  von  neutraler  und  nur  zuweilen  von 
alkalischer  oder  von  saurer  Reaktion.  — Die  Flüssigkeiten,  welche 
denen,  wenn  gar  keine  Speise  genossen  war,  sodass  nur  die 
n Verdauungssäfte  abströinten,  enthielt  zwischen  2,3  bis  2,6  pCt. 
feiten  Rückstand,  ihr  fehlte  die  Reaktion  auf  Rhodankalium;  es 
war  »Iso  wahrscheinlich  aller  Speichel  verschwunden.  — Waren 
gekochte  Fleisch-  oder  Eierspeisen  genommen  worden,  so  gab  der 
fiitrirtc  Saft  mit  den  Rcagentien  Niederschläge,  die  auch  aus  einer 


Oigitized-by  Go'tfgle 


Zusammensetzung  des  Chymus  an  verschiedenen  Orten. 


647 


einfachen  Lösung  die  gekochten  Eiweissstoffe  fällen.  Flüssiges 
Eiweiss  erschien  als  solches  wenigstens  theilweisc  wieder.  Nach 
dem  IVinken  von  Milch  fanden  sich  im  Ansgeflossenen  CaseYn- 
flocken;  ein  anderer  Theil  des  CaseYns  konnte  dureh  Neutrali- 
sation der  alkalischen  Flüssigkeit  gefällt  werden.  — Das  aus  der 
Fistel  hervortretende  enthält  nach  dem  Genuss  von  Gelatine  einen 
nicht  mehr  gerinnenden  Leim  in  Auflösung.  — Nach  dem  Ver- 
schlucken von  Rohrzuckerlösung  konnte  etwas  Traubenzucker  in  dem 
Allsgeflossenen  aufgefunden  werden  und  dieses  auch  dann,  wenn 
alle  andere  Nahrung  ausgeschlossen  war  und  die  unmittelbar  vor 
dem  Essen  ausgestossenen  Yerdauungssäfle  keine  Reaktion  auf 
Traubenzucker  gegeben  hatten.  Gummi  kam  unverändert  wieder, 
das  Fett  war  in  einer  feinen  Emulsion  enthalten. 

In  der  aufgefangenen  Flüssigkeit  schwammen  immer  grössere 
oder  kleinere  Brocken  der  in  den  Magen  geführten  festen  Spei- 
sen. Bestanden  diese  letzteren  aus  Eiweissstoffen,  so  wurden  sie 
gelöst,  wenn  sic  mit  der  ausgetretenen  Flüssigkeit  längere  Zeit  hin- 
durch in  Berührung  blieben;  diese  Auflösung  ging  vor  sich,  wie 
auch  die  Flüssigkeit  gegen  Lackmuspapier  reagiren  mochte.  Frische 
Würfel  aus  gekochtem  Eiweiss  und  aus  Fleisch,  die  den  filtrirten 
Verdanungssäften  zugesetzt  wurden , konnten  zwar  auch  gelöst 
werden,  aber  sie  lösten  sich  viel  langsamer  als  die  Stücke,  weicht 
noch  unverdant  mit  den  Verdauungssäften  gemischt  ankamen. 

Ucber  das  Verhältnis»  des  Gewichts  der  eingeführten  Nahrungsmittel  zu  dem  des 
Speisebreies  sammelte  Busch  folgende  Zahlen;  sie  bedeuten,  die  genossene  Nahrung 
gleich  l gesetzt,  das  Gewicht  des  ausgeflossenen  Breies : Fett  = 6,0  ; Gelatine  — 3,7 ; 
gesottene  Eier  = 2,7;  Fleisch  1,7;  Milch  oder  Mohrrüben  = 1,2;  Kohl  =0,9;  Kar- 
toffelbrei =0,7.  Den  NahrungsstofTen,  welche  nach  einer  Abendmahlzeit  am  darauf  fol- 
genden Morgen  ankamen , war  fast  gar  kein  Verdauungssaft,  namentlich  keine  Galle 
beigemischt.  Sie  waren  auch  relativ  am  wenigsten  verändert. 

Nimmt  dagegen  die  Dünndarmverdauung  ihren  regelmässigen 
Verlauf,  so  besteht  sein  Chymus  zwar  auch  wie  der  des  Magens 
aus  festen  Partikeln,  flüssigen  Fetten  und  Gasbläschen,  welche  in 
einer  wässerigen  Lösung  aufgeschwemmt  sind,  aber  cs  sind  sicht- 
bare Unterschiede  zwischen  beiden  Breiarteu  vorhanden;  nament- 
lich sind  die  festen  Theilchen  des  Dünndarmes  kleiner,  die  Fette 
sind  nicht  mehr  in  grossen,  sondern  in  sehr  kleinen  Tröpfchen  ver. 
theilt,  und  endlich  ist  der  Chymus  des  Dünndarmes  von  der  bei- 
gemengten Galle  gelb  gefärbt.  Das  Verhältnis  der  testen  zu  den 
flüssigen  Thcilcn  variirt  aus  denselben  Gründen,  die  schon  beim 


Digitizdö  by  Google 


648 


Enthält  der  Dünndarm  reptone  ? 


Speisebrei  des  Magens  und  des  Duodenums  erörtert  sind,  sehr  be- 
trächtlich; im  Allgemeinen  nimmt  aber  die  Flüssigkeit  gegen  das 
Ende  des  Dünndarmes  ab. 

Die  chemischen  Bestandteile  der  aufgeschwemraten  Massen 
sind  zum  Theil  den  beim  Magen  erwähnten  gleich ; neu  hinzu  kom- 
men noch  Kalkscifen,  harzige  Umsetzungsprodukte  der  Galle,  Schleim 
und  losgestossene  Epithelien  der  Darmoherhaut.  Das  Verhältnis 
zwischen  den  einzelnen  Gemengthcilen  stellt  sich  für  die  verschie- 
denen Abteilungen  des  Darmrohres  so,  dass  mit  der  steigenden 
Entfernung  vom  Pyloras  die  Holz-,  Horn-  und  Kalkmassen  u.  s.  w., 
welche  vollkommen  unlöslich  sind,  allmählig  bedeutend  das  Ueber- 
gcwicht  gewinnen  Uber  das  Amylon  und  die  Albuminate. 

Die  Flüssigkeit  enthält  in  Lösung  Znckerarten ; und  zwar  Trau- 
benzucker, vielleicht  Fruchtzucker  und  nach  dem  Genuss  von  Rohr- 
zucker auch  diesen  (Kühner).  Die  Menge  des  letztem  nimmt 
gegen  das  Ileura  hin  merklich  ab;  ferner  sind  im  Chymus  gelöst 
Milchsäure  und  deren  Salze  und  Eiweissstoffe.  Lieber  die  chemische 
Natur  dieser  letztem  sind  die  Meinungen  geteilt;  Meissner, 
Corvisart,  0.  Funke  scheinen  geneigt,  wenigstens  einen  Theil 
der  gelösten  Eiweissstoffe  für  Peptone  zu  halten,  während.  Andere, 
z.  B.  Brücke  noch  einen  sichern  Beweis  für  diese  Unterstellung 
tfeunssen.  Da  sich  ein  einigenuassen  befriedigender  chemischer 
Beweis  nicht  anbringen  lässt,  so  musste  die  Anwesenheit  der  Pep- 
tone aus  andern  Gründen  erschlossen  werden.  Der.  erste  derselben 
stützt  sich  darauf,  dass  die  Eiweissstoffe  erst  nach  ihrer  Ueberfüh- 
rung  in  Peptone  aufgesaugt  werden  könnten;  dieser  Vordersatz, 
aus  dem  allerdings  die  Pcptonbildung  mit  Nothwendigkeit  folgen 
würde,  entbehrt  aber  vorerst  noch  jeglicher  Begründung.  Ebenso 
wenig  überzeugend  wirkt  eine  andere  Herleitung,  die  sich  auf  die 
lange  Anwesenheit  der  Eiweissstoffe  im  Darmkanal  stützt;  da  die 
Peptonbildung  erst  nach  der  Auflösung  der  Eiweissstoffe  vor  sich 
geht,  so  ist  begreiflich  nicht  die  Aufenthaltsdauer  der  ungelösten 
sondern  nur  die  der  flüssigen  nach  geschehener  Auflösung  von  Be- 
deutung. Wie  will  man  aber  die  Zeit  des  Verweilens  dieser  letz- 
tem bestimmen?  — In  der  Flüssigkeit  des  Chymus  kommen  ferner 
vor  die  ursprünglichen  nnd  die  nmgesetzten  Bestandtheile  der  Drüscn- 
säftc  (Gallensäure,  Taurin,  Leucin,  Ammoniaksalze,  Cholestearin 
u.  s.  w.).  Alle  diese  Stoffe  stehen  in  so  mannigfachen  Verhältnis- 
sen zu  eiuander,  dass  sich  nichts  Allgemeingültiges  darüber  nus- 
sagcu  lässt.  Gewöhnlich  überwiegen  jedoch  schon  in  der  Mitte  des 


Vergleichung  der  natürlichen  und  künstlichen  Darm  Verdauung.  (549 

Dünndarmes  die  alkalisch  reagirenden  Stoffe,  so  dass  von  da  an 
die  Flüssigkeit  ihre  saure  Reaktion  in  eine  alkalische  nmwandelt. 
Aber  auch  dieses  Vorkommen  erleidet  eine  Ausnahme  hei  lebhafter 
Milchsäurcbildung,  wie  sie  nach  reichlichem  Genüsse  von  Arnyla- 
eeen  beobachtet  wird. 

Eine  Vergleichnng  zwischen  den  Erfolgen  der  na- 
türlichen und  künstlichen  Verdauung  im  Dünndarm  kann  bis  in  das 
Einzelne  nicht  vorgenommen  werden,  da  uns,  wie  wir  eben  sahen, 
eine  gründliche  Kenntniss  der  chemischen  Beschaffenheit  des  Dünn- 
darmchymus  fehlt;  der  gegenwärtige  Stand  der  Thierchemie  lässt 
auch  demnächst  keine  solche  voraussehen.  Das  wenige,  was  wir 
Uber  dieselbe  wissen,  ist  allerdings  aus  den  Erfahrungen  zu  er- 
klären, zu  denen  die  künstliche  Verdauung  geführt  hat.  So  ist 
das  Umschlagen  der  Reaktion,  welche  der  saure  Chymus  des  Ma- 
gens mitbringt,  erklärlich  ans  den  alkalischen  Säften,  die  sich  in 
den  Dünndarm  ergiessen.  — Die  Auflösung  der  aus  dem  Magen 
noch  ungelöst  ankommenden  Eiweiss-  und  Leimstoffe  kann  der 
Dannsaft  und  unter  Umständen  der  pankreatische  besorgen.  — 
Dasselbe  gilt  für  die  ungelösten  oder  unverwandelten  Amylaceen, 
und  die  Ueberführung  der  Zuokerarten  in  Milch-  und  Buttersäure  — 
die  feine  Emulsion,  in  Welche  die  Fette  gebracht  werden,  kann 
dem  Banchspeichel,  dem  Gallen-  und  Darmschleim  zugesekrieben 
werden,  — die  Umsetzung  einiger  pflanzensauren  in  kohlensaure 
Alkalien  vermag  der  Bauchspciekel  und  der  Darmsaft  zu  vollführen. 
Die  Zerlegung  der  Galle  in  Cholsäure , Taurin  und  Glycocoll  leitet 
der  saure  Magensaft  in  Verbindung  mit  dem  Banchspeichel  ein.  Das 
Auftreten  von  Buttersäure  kann  abgeleitet  werden  aus  dem  Ver- 
mögen des  pankreatischcn  Saftes,  die  neutralen  Fette,  hier  also  das 
Butyrin,  zu  zerlegen;  oder  sie  kann  auch  bedingt  sein  von  dem 
1 'ebergang  der  milchsauren  in  die  buttersäure  Gährnng.  Für  'die 
letztere  Entstehungsweise  würde  die  Gegenwart  von  Il-gas  sprechen, 
welches  man,  wie  gleich  zu  erwähnen,  schon  in  der  Darmhöhle  ge- 
funden hat.  — Die  Galle  endlich  verhütet  den  Eintritt  der  stinken- 
den Fäulniss. 

Ucberblickt  man  noch  einmal  die  Lösung  der  Speisen  im  Dünndarm , so  ergiebt 
sich,  dass  ein  jeder  Nahrungsstoff  durch  verschiedene  Verdauungssäfte  verflüssigt  wer- 
den kann.  Die  Eiweisskörper  konnten  durch  den  sauren,  zuweilen  durch  den  neutra- 
len Magensaft,  aber  auch  durch  den  Darmsaft,  und  endlich  durch  den  schwachsauren, 
zuweilen  auch  durch  den  neutralen  oder  alkalischen  Bauchspeichel  gelöst  werden.  Das 
Amylon  konnte  der  Darmsaft,  der  Kopf-  und  Bauchspeichel  in  Traubenzucker  umwandcln; 
das  Fett  wurde  durch  die  verschiedenen  Schlcimarten  und  den  Pankreassaft  in  Emul- 


Digitized  by  Google 


050  Wirkung  verschiedener  Säfte  auf  dieselben  Speisen. 

sinn  gebracht.  Diese  Erfahrung  musste  natürlich  zu  der  Frage  führen,  welehen  Sinn 
und  welche  Folgen  diese  Häufung  verschiedener  Mittel  zu  demselben  Zweck  mit  sich 
führe.  Obwohl  sich  die  aufgeworfene  Frage  schwerlich  umfassend  beantworten  lässt, 
bevor  die  Art  der  Auflösung  und  der  Umsetzung,  welche  die  einzelnen  Säfte  mit  sich 
bringen,  genauer  gekannt  ist,  so  dürfte  sich  doch  schon  jetzt  Folgendes  Vorbrin- 
gen lassen.  Die  Untersuchungen  mittelst  des  künstlichen  und  natürlichen  Labsaftes 
hatten  ergeben,  dass  nicht  alle  Eiweisskörper  bei  demselben  Säuregrad  mit  gleicher 
Leichtigkeit  verdaut  wurden;  namentlich  ergab  die  Erfahrung,  dass  in  dem  Magensaft 
des  Uundos  und  Schweines  das  gekochte  Eiwciss  nnd  der  Kleber  nicht  gleich  leicht  gelöst 
werden.  Daraus  konnte  man  also  folgern : cs  mussten  zur  gehörigen  Ausnutzung  ver- 
schiedener Eiweissstoffe , welche  gleichzeitig  genossen  waren,  auch  Verdauungsflüssig- 
keiten von  allen  möglichen  Säuregraden  vorhanden  sein.  Diese  Betrachtung  verliert 
jedoch  ihre  Spitze,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  der  alkalische  Darmsaft,  soweit  wir 
wissen,  alle  Eiweisskörper  gleich  gut  vorflüssigt.  Also  wären  die  Einwirkungen  des 
Magensaftes  Überflüssig.  — Um  aber  diesen  Einwurf  wegzuräumen , könnte  man  sagen, 
die  Anwesenheit  des  Magens  mache  es  möglich , dass  die  Aufnahme  von  Speisen  in 
den  Mund  auf  einmal  für  längere  Zeit  abgethan  werden  könne;  der  Magen  zerlege  dann 
die  grossen  Speisestücke  in  kleinere,  diese  würden  darauf  in  dem  Maas»,  wie  sie  zer- 
kleinert wären,  in  den  Dünndarm  gebracht  und  diesem  werde  somit  sowohl  durch  die 
Verkleinerung  als  auch  durch  die  chemische  Vorarbeit  des  Magens  dio  Auflösung  er- 
leichtert. Diese  Annahme  empfängt  gewissennaassen  eino  Unterstützung  durch  die 
Angabe,  welche  Busch  über  die  verschiedene  Löslichkeit  von  Eiweissstoffen  gemacht 
hat,  je  nachdem  dieselben  vorgängig  der  Einwirkung  des  Magensafts  ausgosetzt  oder 
noch  nicht  ausgesetzt  waren.  — Vielleicht  wäre  es  auch  für  die  Resorption  von  Be- 
deutung, dass  die  sauren  Lösungen  der  Eiweissstoflb  erst  in  eine  alkalisch  reagirende 
Lösung  gebracht  würden , bevor  sie  die  alkalisch  reagirende  Darmwand  durchsetzen, 
damit  sie  an  und  in  derselben  nicht  gefällt  würden.  Hiergegen  könnte  man  einwen- 
den,  dass  erfahrungsgemass  schon  im  Magen  dio  Resorption  beginnt,  wie  dieses  u.  A. 
bei  der  öfter  erwähnten  Frau  mit  der  Darmfistel  geschah.  Boi  ihr  blieb  es  aber  un- 
gewiss, ob  der  Magensaft  wirklich  sauer  war.  — Endlich  ist  cs  auch  nicht  wahr- 
scheinlich, dass  zu  allen  Zeiten  eine  jede  Saftart  mit  gleicher  Leichtigkeit  beschafft 
werden  kann  ; sie  wären  also  als  gegenseitige  Aushülfen  zur  Vermeidung  physiologi- 
scher Verdauungsstörungen  anznsehen.  — Für  die  Verthcilung  von  Amylon  auflösenden 
Säften  auf  verschiedene  Orte  des  Darms  Hesse  sich  anführen , dass  nur  hierdurch  dem 
Ucbelstand  vorgebengt  werden  könnte , concentrirte  Zuckerlösungen  in  einer  beschränk-^ 
ten  Darmabtheilung  anzuhäufen.  Bei  der  Geschwindigkeit,  mit  welcher  dio  Umwand^ 
lung  des  Amylons  vor  sich  geht,  und  bei  dem  grossen  Antheil , den  jener  Stoff  nfe 
unserer  Nahrung  einnimmt,  hätte  dieses  sonst  nothwondig  geschehen  müssen  und  hiaflfl 
durch  würde  sowohl  die  Aufsaugung  dieses  Stoffes,  wio  auch  «die  Verdauung  aller 
anderen  gehemmt  worden  sein,  eine  Annahme,  dio  durch  die  bekannten  Folgen  eines 
reichlichen  Genusses  von  Zucker  bestätigt  wird. 

4.  Die  Flüssigkeiten  des  Diekdarmes  sind  ausserhalb  des 
tuerischen  Körpers  noch  nicht  geprüft  worden;  als  Steinhäuser 
die  Gelegenheit  benutzte,  die  ihm  eine  Fistel  des  Coeeums  am 
Menschen  darbot,  frische  Speisen  in  den  Dickdarm  zu  bringen,  fand 
er  dieselben  im  Kothe  unverändert  wieder.  Dieses  lässt  begreiflich 


Digitized  by  Google 


Dickdarm.  Koth. 


651 


keinen  Schluss  zu  anf  die  Veränderung  der  Speisen  in  dem  Zu- 
stande, in  welchen  sie  gewöhnlich  aus  dem  Dünndarme  in  den 
Dickdarm  übergehen.  In  der  That  scheint  auch  während  des  Le- 
bens der  Inhalt  des  Dickdarmes  sich  noch  fortwährend  zu  verän- 
dern; denn  es  entwickeln  sich  in  demselben  Säuren  (Milchsäure, 
Buttersäure  u.  s.  w.)  und  Gase,  H und  CH  (Chevrcul),  Bildun- 
gen, die  sich  allerdings  auch  erläutern  aus  einer  in  dem  Speise- 
brei eingeleitetcn  und  ohne  Zuthun  des  Dick^larmsaftes  fortschrei- 
tenden Gährung.  — Der  Schleim  und  die  Schleimhaut  des  Kanin- 
chendickdarms  wandeln  Amylon  rasch  in  Zucker  um  (0.  Funke*). 

Der  Koth**)  oder  der  Antheil  des  Speisebreies,  welcher  aus 
dem  Mastdarme  hervortritt,  enthält  in  wechselnder  Menge  Festes 
und  Flüssiges.  — Die  Flüssigkeit  gewinnt  über  das  Aufgeschwemmte 
um  so  mehr  das  Uebergewicht , je  rascher  die  Speise  durch  den 
Darmkanal  gegangen,  je  mehr  der  aufsaugende  Apparat  in  seinen 
Leistungen  beschränkt  ist,  und  weitere  Stoffgemische  in  der  Koth- 
flüssigkeit  aufgelöst  sind , welche  mit  kräftiger  Verwandtschaft  zum 
Wasser  begabt  sind  und  mit  geringer  Geschwindigkeit  durch  die 
Darmwand  in  die  Blut-  und  Lympbgefässe  treten. 

Seiner  chemischen  Zusammensetzung  nach  besteht  der  aufge- 
schwemmte Theil  bei  einer  gemischten  Kost  aus  Homschüppchen, 


geringen  Mengen  elastischer  Häute,  einigen  zerbröckelten  Muskel- 
fasern, unlöslichem  Blutroth,  Fetten,  Stearin-  und  margarinsaurem 
Kalk,  Holzfaser,  l’flanzenwachs,  Chlorophyll,  etwas  Amylon,  Schleim, 
Darmepithelium , Umsetzungsprodukten  der  Galle  (Dyslysin,  Cho- 
loidin-  und  Cholalsäure)  und  nach  M ar  cct  beim  Menschen  auch  aus 
Excretin , einem  in  Aethcr  löslichen  Körper  *C;s  H;s  O2  S),  ferner  aus 
Cholestearin,  Kieselsäure,  phosphorsauren,  schwefelsauren  und  kohlen- 
sanren  Erden.  — Die  Flüssigkeit  enthält  Eiweiss,  Gummi,  Gallen- 
farbstoffe, wenig  Gallensäure,  schwefelsaure  nebst  ein  wenig  salz- 

‘ sauren  Alkalien.  — 

Wr  Der  Geruch  des  Kotlies  scheint  von  flüchtigen  Fettsäuren  be- 
dingt zu  sein ; L i e b i g konnte  durch  Behandeln  von  eiweissartigen 
Stoffen  mit  Kali  ein  Gemenge  von  flüchtigen  Fettsäuren  .herstellen, 
welches  ausgeprägt  nach  Koth  riecht. 


•)  Lehrbuch  der  Physiologie.  3.  Aufl.  I.  320. 

••)  Wehs  arg,  Mikroskopische  und  chem.  l.'ntentuchnngen  cic.  Giessen-  18*2.  — Ihrlng, 
Mikroskopische  und  chemische  Untersuchungen  etc.  Glossen  18*2.  — Marc  et,  Prorccdings  of  the 
royal  Society  VII.  153.  — Derselbe,  Phllosophlcal  Transactiona  1857.  108.  — Li  ob  lg,  Thicrchearfe 
3.  Aufl.  136.  — Kilhne,  Archiv  flir  pathqlog.  Anatomie.  XIV.  310. 


Digitized  by  Google 


652 


Darm  gas©  etc. 


Die  proportionale  Menge  des  Kotlies  oder  das  Geweht  des- 
selben dividirt  durch  dasjenige  der  genossenen  Nahrung,  ist  ab- 
hängig von  der  Menge  absolut  unverdaulicher  Einschlüsse  in  die 
letztere  (aus  diesem  Grunde  giebt  GemUsenahrung  viel  mehr  Koth, 
als  Fleisch)  von  der  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  Speisen 
durch  den  Darmkanal  gehen , endlich  von  der  Kraft  der  auflöseu- 
den  und  aufsaugenden  Verdauungswerkzeuge. 

Nach  den  Erfahrungen  «von  Liebig  befindet  sich  der  Koth  nicht  ini  Zustande  der 
fauligen  Gährung , er  gelangt  erst  in  sie,  nachdem  er  dem  Zutritt©  der  Luft  blossge- 
legt war.  Zuweilen  kommen  in  ihm  Gährangspilze  vor  (Mitscherlich,  Bemak, 
Böhm). 

Che rreu  1*)  hat  mit  -freilich  noch  unvollkommenen  Methoden  dio  Gasarten  des 
menschlichen  Darmkanals  untersucht.  In  der  Leiche  eines  Hingerichteten  bemerkte  er 
im  Magen  eine  geringe  Menge  von  Gas,  welche  in  lOOTheilen  bestand  aus:  0=11,00; 
COi  = 14,00;  N = 71,45;  H = 3,55.  — Im  Dünn-  und  Dickdarme  dreier  Hinge- 
richteter beobachtete  er: 


Dünndarm.  | 

Dickdarm. 

Coecum. 

i Rectum. 

Bemerkungen. 

CO, 

24,39 

co. 

43,50 

L « 

55,53 

CH  u.  HS 

5,47 

| 

- j 

| Zwei  Stunden  vor 

• ( N 

20, 08 

N 

51,03 

d.  Tode  eine  Mahl- 

( co. 

40,00 

CO* 

"0,00 

I 

zeit  ausBrod,  Käse, 

II.  1 H 

51,15 

H u.  CH 

11,16 

— 

- I 

i Wein  u.  Wasser. 

! N 

S.S5 

N 

18,04 

j 

I 

co. 

12,5 

( co» 

25,0 

; CH 

12,5 

CO,  42,86  ! 

| Yor  dom  Tode  Rind- 

in.  j h 

8,4 

— 

H 

7,5 

, CH  11,18  ( 

r fleisch , Brod  , Lin- 

( N 

66,0 

1 N 

67,5 

, N 45,96  . 

| sen,  Rothwcin. 

Aufsaugung  in  den  Verdauungswegen. 

Von  dem,  was  als  Speise  und  als  Dritsensaft  in  den  Darm 
eiugeflihrt  ward,  tritt  nur  ein  kleiner  Theil  durch  den  After  her- 
vor; also  niusä  der  Rest,  da  er  nicht  in  der  Höhle  zurtickbleibt, 
durch  die  Darmwand  austreten.  Dass  die  grosse  Menge  von 
Flüssigkeit,  welche  diesen  Weg  betritt,  ihn  in  so  kurzer  Zeit  vol 
lenden  kann,  begründet  sich  einmal  durch  die  grosse  Ausdehnung  • 
der  Darmwand,  wie  sic  ermöglicht  ist  durch  die  Röhrenform  des 
Darmes,  und  durch  die  Falten,  Zotten  und  Krypten  der  einzelnen 
Schleimhautpartien.  Wenn  dieses  ausgebreitete  Filtrum  die  Auf- 
saugung an  vielen  Orten  gleichzeitig  möglich  macht,  so  wird  durch 

*)  Magcndie’s  Physiologie , deutsch  von  Ho u ainger.  lt.  IM.  75.  101  u.  116. 

'-■V, 


Digitized  by.  Google 


Einrichtungen  des  SclileimhautfiUer«. 


653  * 


die  Bedeckung  der  Wand  mit  nur  einer  Schiebt  eigentümlich  ge- 
bauter Cylinderzcllen  jede  einzelne  Stelle  sehr  leicht  durchdringlich. 

Nach  den  Beobachtungen  von  0.  Funke  und  Kill  liker,  vor- 
zugsweise aber  nach  denen  von  Brettauer  und  Steinach*)  ist  die 
Basis , welche  die  trichterförmigen  Deckzellen  gegen  die  Darmhökle 
wenden  durch  einen  hellen  Saum  begrenzt,  auf  welchem  prisma- 
tische Stäbchen  aufsitzen.  Diese  Stäbchen  sind  jedoch  nicht  immer 
gleich  gestaltet;  so  sitzen  namentlich  auf  den  Zellen,  die  aus  dem 
Dann  eines  seit  vielen  Stunden  nüchternen  Thiercs  stammen,  sehr 
deutliche  scharf  von  einander  abgesetzte  Prismen ; die  Zellen  aber, 
die  ans  dem  Darm  des  verdauenden  Thiercs  genommen  werden, 
sind  an  ihrer  gegen  den  Darm  gewendeten  Seite  durch  einen  schein- 
bar vollkommen  homogenen,  stäbchenfreieu  Saum  begrenzt,  der 
schmäler  ist,  als  der  Kaum,  welchen  im  vorhergehenden  Fall  die 
Stäbchen  sainmt  ihrer  Unterlager  cinnchmeu.  Aber  auch  jetzt 
sind  die  Stäbchen  nicht  verschwunden,  sie  sind  nur  durch  Ver- 
kürzung und  gegenseitiges  Aneinanderlegen  unsichtbar  geworden; 
denn  sie  kommen  wieder  zum  Vorschein,  wenn  man  die  Zellen 
in  eine  Lösung  von  phospborsaurem  Natron  legt.  Der  stäbchen- 
tragende Saum,  den  mau  kurzweg  den  Zelleudeckel  nennt,  hängt, 
wie  es  den  Anschein  hat , fester  mit  dem  schleimigen  zähen  Zellen- 
inhalt als  mit  der  seitlichen  Zcllenwand  zusammen;  man  könnte 
sagen, fl  es  stecke  der  mit  dem  Deckel  verbundene  Inhalt  in  der 
Zellenhfrisb  wie  ein  Pfropf  in  einem  Trichter.  Diese  Annahme  grün- 
det sich  auf  die  Erfahrung  von  Brettauer  und  Steinach,  dass 
der  Zclleninbalt  mit  dem  auf  ihm  sitzenden  Deckel  seine  normale 
Lagerstätte  verlässt,  und  sich  neben  die  leere  Iitilsc  legt,  wenn 
man  den  Inhalt  durch  passende  Mittel,  z.  B.  durch  destillirtcs  Was- 
ser zum  Aufqucllen  gebracht  hat.  — Aus  diesen  Erfahrungen,  so- 
.,>icl  sie  auch  sonst  noch  zu  wünschen  übrig  lassen,  geht  das  für 
■ransere  Zwecke  wichtige  Resultat  hervor,  dass  die  Zellenhöhle 
™ gegen  die  Darmlichtung  nicht  durch  eine  homogene  Haut  abgegrenzt 
ist.  Wollte  man  einen  Vergleich  zulassen,  so  würde  man  zwischen 
dem  Zellcndeekel  der  Darmepitkelien  und  der  Haut  in  andern  Zellen 
etwa  denselben  Unterschied  statuiren  können,  wie  er  zwischen  ^ 
einem  Fliesspapier  und  einer  Collodiummembran  besteht.  — 
Brücke  vermuthet,  dass  auch  die  in  der  Schleimhaut  steckende 
Spitze  der  Epflhelialzellen  nur  durch  einen  lockeren  Pfropf,  nicht 


*)  Brettauer  und  8 t ei  nach,  Wiener  akad.  Sitzungsberichte.  2J.  Bd.  303. 


Digitized  by  Google 


654 


Anfänge  der  Chyluagefässe  ; Zotten. 


aber  durch  eine  homogene  Hant  verschlossen  sei  und  Hei  den  - 
hain  findet  es  sogar  wahrscheinlich,  dass  die  von  jenen  Spitzen 
ausgehenden  Fortsätze  in  das  von  ihm  beschriebene  die  Schleim- 
haut durchsetzende  Zellennetz  münden  (p.  568).  Diese  Thatsache 
wird  von  Henle  bestritten. 

Jenseits  der  Oberhaut  stösst  die  cingedrungcne  Flüssigkeit  auf 
ein  lockeres  von  Lücken  durchzogenes  Gewebe.  Diese  Lücken 
öffnen  sich,  wie  schon  früher  beschrieben  wurde,  auf  die  eine  oder 
andere  Weise  in  die  Lymphgefässe , in  sie  hinein  ragen  Blutcapil- 
laren;  die  absorbirte  Flüssigkeit  kann  also  je  nach  Umständen  in 
das  eine  oder  das  andere  Gefäss  eintreten.  Erwägt  man,  dass  die 
Hohlräume  der  Schleimhaut  ihre  Formen  ändern  können,  vermöge 
der  sie  umgebenden  Muskeln,  so  sieht  man  hier  ein  kunstreiches 
Filter  hergestcllt,  das  auch  für  ölige  und  eiweissartige  Flüssig- 
keiten länger  durchgängig  bleibt  als  selbst  eine  grobmaschige  Lein- 
wand. 

A.  Aufsaugung  durch  die  Lymphgefässe. 

1.  Anatomisches  Verhalten  der  Anfänge*).  Nachdem  schon 
früher  die  Lymphwurzcln  in  der  Darmschleimhaut  geschildert  wur- 
den , bleibt  es  hier  nur  noch  übrig,  auf  das  Verhalten  der  Blutge- 
fässe und  Muskeln  in  der  Schleimhaut  namentlich  in  den  Zotten 
cinzugehen.  In  den  lockeren  oberflächlichen  Schlcimhautpartien 
liegt  überall  ein  engmaschiges  Netz  von  Blutgefässen  eingebettet, 
das  mit  freien  Wandungen  in  die  Lücken,  welche  den  Anfang  der 
Chylusgcfässe  darstellen,  hincinragt.  Daraus  folgt  zweierlei;  ein- 
mal nämlich  wird  die  Möglichkeit  eines  Austausches  zwischen  den 
Flüssigkeiten  gegeben  sein,  die  in  den  Lücken  und  den  Blutgefäs- 
sen eingeschlossen  sind;  zugleich  werden  aber  auch  die  Blutge- 
fässe vermöge  ihres  durch  den  Blutstrom  gespannten  Inhaltes  die 
Schlcimhautoberfläebe  nnd  namentlich  den  Zottenmantel  ausspannen, 
resp.  die  den  Lymphgefässanfang  darstellenden  Ilohlräume  offen 
erhalten,  selbst  wenn  ein  gelinder  von  der  Danuhöhle  her  wirken- 
der Druck  sie  zusammenzupressen  sucht  (Brücke,  Donders). 

• Ausser  diesen  Gebilden  enthält  die  Schleimhaut  bekanntlich  noch 
Muskelzellen.  Diese  sind  in  den  Zotten  zu  Fasern  angeordnet, 
welche  der  grössten  Länge  der  ersteren  entsprechend  verlaufen; 

•)  Brücke,  Ucber  Chylusgefiisse  ti.  d.  Resorption  d.  Chvlus.  Wien  1853.  — Bonders, 

• Uenle'a  und  l'feufer'a  Zeitschrift.  N.  F.  IV.  Bd,  230.  and  die  p.  567  aafgcxühlte  Literatur. 


Google 


Filtration»-  und  Diftasionsstrom  gegen  die  C'hylusgofttsse. 


655 


sie  Hegen  nach  innen  von  den  ßlutgefässcapillaren  und  nach  aussen 
vom  Centralkanal  der  Zotte.  Ziehen  sich  die  Muskeln  zusammen, 
wie  dieses  am  geöffneten  Darme  des  lebenden  oder  eben  getödte- 
ten  Thieres  beobachtet  werden  kann,  und  zwar  mit  einer  Kraft, 
welche  die  durch  den  Blntstrom  gesteiften  Blutgefässe  zusanunen- 
drttckt,  so  muss  dadurch  der  vorhandene  Inhalt  des  Centralkanalcs 
nach  den  Lymphgefässcn  in  dem  Untcrscbleimhautgewebe  entleert 
werden,  während  die  einzelnen  Epitheliumszellen  durch  die  Ver- 
kürzung der  Zotte  comprimirt  werden.  Falls  sie  an  ihren  Enden 
offen  sind,  muss  hierdurch  ein  Theil  ihres  Inhaltes  in  die  Darm- 
höhle  zurücktreten.  Man  kann  nicht  sagen,  ob  dasselbe  auch  für 
den  Inhalt  der  äusseren  Gewebsr&mne  des  Stroma's  eintreten  müsse, 
da  man  nicht  weiss,  ob  die  Epitheliumszellen  so  cingepHanzt  sind, 
dass  der  Chylus  ebenso  leicht  aus  dem  Stroma  in  die  Zellen,  als 
aus  den  Zellen  in  das  Stroma  tritt.  Diese  Darstellung,  welche  der 
klassischen  Arbeit  von  Brücke  entlehnt  ist,  lässt  uns  erkennen, 
wie  zierlich  und  zweckmässig  zugleich  die  Zotte  zum  Behufe  der 
Filtration  und  der  Weiterbewegung  ihres  Inhaltes  gebaut  ist. 

2.  Stoffaufnahme  in  die  Chylusgefüsse.  Durch  die  Wand, 
welche  die  Höhlungen  des  Darms  und  der  Chylusgefässe  von  ein- 
ander trennen,  dringen  wässerige  Flüssigkeiten  und  Fetttröpfchen 
hindurch. 

Der  Lebergang  von  wässerigen  Lösungen  in  die  Anfänge 
der  Milehgefässc  kann  mit  Hülfe  bekannter  Thatsachen  ohne  Schwie- 
rigkeiten erklärt  werden,  denn  überall,  von  der  Cardia  bis  zum 
Anus,  ist  die  Schleimhaut  für  Wasser  durchgängig  und  es  ist  Ge- 
legenheit znm  Wirksamwerden  von  Gapillaranziehung , von  hydro- 
statischen Drücken  und  Diffusionen  gegeben.  — Die  Lücken  der 
Schleimhaut  sind  eng  und  ihre  Wände  mit  wässerigen  Lösungen 
benetzbar,  also  muss  die  erste  der  drei  aufgezählten  Füllungsnr- 
sachen  in  Betracht  kommen.  — Ist  aber  aus  einem  oder  dem 
andern  Grunde  der  Anfang  der  Chylusgefässe  auch  mit  noch  so 
wenig  Flüssigkeit  gefüllt,  so  muss  sich  von  ihm  ein  Diffusionsstrom 
entwickeln  znm  Darm-  und  Blutgefässinhalt  oder  mindestens  gegen 
den  letztem  von  beiden,  da  beide  Flüssigkeiten  in  einander  diffusibel 
und  zugleich  von  verschiedener  Zusammensetzung  sind.  — Läge 
aber  der  Darm-  und  Blutgefässinhalt  unter  einem  höheren  Drucke, 
als  derjenige  der  Chylusgefässanfänge,  so  müssten  die  letzteren  all- 
mählich sich  auf  dem  Wege  der  Filtration  anfUllen.  Das  Vorkommen 
eines  solchen  »Spannungsunterschiedes  der  Flüssigkeiten  kann  aber 


Digitized  by  Google 


656 


Ueberg&ng  der  Fette  in  die  Chylungefüsse. 


nicht  bestritten  werden , da  sieh  die  Ampullen  und  Lttcken  entleeren 
durch  die  periodisch  wiederkehrenden  Zusammcnzichuugen  der 
Schleimhautmuskeln  und  dann,  wenn  die  letzteren  erschlafft  sind, 
wieder  ausgespannt  werden  durch  die  vom  Blutstrome  gestreckten 
Blutgefässe.  Der  Inhalt  der  Lymphräume  wird  also  off  genug  unter 
einer  sehr  geringen  Spannung  verweilen,  während  der  Darminhalt 
unter  einer  wenn  auch  geringen  Pressung  liegt,  die  sich  namentlich 
cinstcllcn  muss,  wenn  eine  abwärts  hängende  Darmschiingc  mehr  oder 
weniger  nugcfUUt  ist.  Anderseits  wird  zu  einem  Filtrationsstrome  von 
Seiten  der  Blutgefässe  her  Veranlassung  gegeben  durch  die  nor- 
male Spannung  des  Blutstromes.  Somit  scheint  es  nur  fraglich  zu 
bleiben,  ob  für  gewöhnlich  der  wässerige  Darminhalt  vorzugsweise 
durch  Filtration  oder  durch  Diffusion  weggeschafft  werde.  Berück- 
sichtigt man  die  Erfahrung,  dass  die  in  das  Dannrohr  gebrachten 
Lösungen  von  salzsauren  Alkalien  viel  reichlicher  aufgenommen 
werden,  als  diejenigen  der  schwefelsauren  Alkalien  und  Erden,  so 
dürfte  mau  geneigt  sein , den  Diffusionen  das  Uebergewicbt  zuzu- 
schreiben. Denn  fiitriren  die  Lösungen,  so  kann  man  nicht  ein- 
sehen , warum  ein  solcher  Unterschied  sich  geltend  machen  sollte, 
während  man  ihn  aus  der  ungleichen  Diffusionsgeschwindigkeit 
jener  Salze  und  aus  dem  ungleichen  Quellungsvermögen  der  Häute 
durch  dieselben  begreifen  kann. 

Von  den  Fetten*),  welche  sich  im  Damiinhalt  tuonl,  gehen 
mit  chemisch  unveränderten  Eigenschaften  nnr  diejemgen  in  die 
Lymphwurzeln  über,  welche  bei  der  Temperatur  des  menschlichen 
Körpers  flüssig  sind.  Um.  übergangsfähig  zu  werden,  müssen  sie 
im  Darmkanal  selbst  erst  eine  mechanische  Vorbereitung  erfahren 
haben,  die  darin  besteht,  dass  sie  in  höchst  feine  Tröpfchen  ver- 
theilt und  zugleich  mit  einer  Hülle  umgeben  werden.  Für  die  An- 
wesenheit dieser  letztem  spricht  der  Umstand,  dass  sie  gewöhnlich 
nicht  Zusammenflüssen,  wenn  sie  auch  unter  einem  merklichen 
Druck  in  einen  engen  Kaum  zusammenged  rängt  werden.  — Die 
Bedingungen,  welche  das  Fett  zertheilen,  liegen  wahrscheinlich  in 
den  feinen  Unebenheiten  der  Darmoberfläche.  Durch  sie  werden 
die  grösseren  Tropfen  in  kleinere  zerspalten,  wenn  jene  durch  die 

•)  li  Id  der  und  Schmidt,  Vcrdaimugin>üfte.  224  ff.  u.  252.  — Fr  e rieh«,  Artikel  Verdauung, 
Wagner»  Handwörterbuch.  III.  847.  u.  853.  — Weinmann,  Honle'e  n.  Pfcufer's  Zeitschrift- 
N.  F.  111.  247.  — llerbat,  Ibid.  889.  — CI.  Bernard,  Mi'molrrf  aar  ie  pancrJas  et  §nr  le  rül« 
da  soc  paucrtfallque.  Paris  1850.  — Don  der»,  Physiologie  des  Menschen.  2.  Aull.  1859.  322.  — 
Colin,  Gazette  im'dicalc  de  Paria.  1856.  54.  — O.  Funke,  Zeitschrift  für  wiss.  Zoologie.  VL 
30b.  u.  VII.  815.  — Külliker,  Würzburger  Verhandlungen.  Juni  1856. 


Digitized  by  Google 


Weg  des  Fettes  durch  die  Darmwand. 


657 


peristaltischen  Bewegungen  auf  der  Darmoberfläehe  hergepresst 
werden.  Die  Wiedervereinigung  der  kleineren  zu  grösseren  Tröpf- 
chen wird  aber  unmöglich  gemacht  durch  die  reichliche  Anwesenheit 
schleimiger  Flüssigkeiten,  welche  die  die  Darmoberfläehe  benetzen. 
Namentlich  dienen  hierzu  der  Darmschleim,  die  schleimartige  Galle 
und  der  Bauehspeichel  (Eberle,  CI.  Bernard);  eine  Behauptung, 
deren  Richtigkeit  leicht  bestätigt  werden  kaim  durch  Schlitteln  eines 
der  bezeichneten  Drüsensäfte  mit  flüssigen  Fetten.  — 

Aus  diesen  Mittheilungen  folgt  nun  schon,  dass  für  gewöhn- 
lich der  Magen  kein  Fett  aufnimmt;  ausnahmsweise  kann  es  (je 
nach  dem  Eintritt  der  Bedingungen)  dennoch  geschehen,  wie  z.  B. 
Kölliker  in  den  Epithelialzellen  des  Magens  von  Säuglingen  Fett- 
tröpfchen sah.  Aehnlichcs  sagt  die  mikroskopische  Erfahrung  vom 
Dickdarm  aus,  in  dessen  Epithelialzcllen  nur  nach  Oelklystieren 
Fetttröpfchen  gefunden  wurden.  Dennoch  bleibt  es  zweifelhaft,  ob 
sich  der  fettige  Zelleninhalt  in  die  Lymphräume  entleert;  deru  An- 
schein nach  geschieht  dieses  äusserst  selten,  da  die  Lymphe,  welche 
aus  dem  Magen  und  Dickdarm  eines  fettverdauenden  Thieres  kommt, 
niemals  nfilchig,  sondern  klar  und  durchsichtig  ist.  — Also  ist  nur 
deir  Dünndarm  der  eigentliche  Fettsauger.  Aber  er  ist  es  nicht  an 
allen  Stellen  gleichmässig.  Niemals  hat  man  das  Fett  durch  die 
Zellen  der  Crypten  gehen  sehen  und  für  gewöhnlich  findet  man  cs 
nur  in  den  Spitzen  der  Zotten.  Goodsir  und  Frerichs,  welche 
den  Weg ' der  Fette  durch  die  Damiwand  zuerst  genauer  verfolgten, 
fanden  das  chemisch  unveränderte  Fett  zu  sehr  feinen  Tröpfchen 
vertheilt  zunächst  in  der  Höhle  der  Epithelialzcllen.  Diese  That- 
sachen  haben  alle  späteren  Beobachter  bestätigt;  merkwürdiger 
Weise  fand  man  aber  niemals  Tröpfchen  in  den  Zellendeckcln.  Da 
sie  diese  aber  durchsetzen  müssen,  um  aus  dem  Darm  in  die  Zel- 
lenhöhlen zu  gelangen,'  so  bleijit  nur  die  Annahme  übrig,  dass 
sie  den  Zellendeckel  Belir  rasch  durchwandern.  Aus  der  Zellen- 
höhle gelangen  die  Tröpfchen  in  die  Fortsätze  derselben,  dann  in 
die  Lücken  der  Schleimhaut,  weiter  in  den  Centralcanal  der  Zotte, 
und  endlich  in  die  Lymphgctiisse.  ln  allen  diesen  Theilen  liegen 
die  Tröpfchen  nach  einer  fettreichen  Nahrung  so  gedrängt,  dass 
dieselben  im  auffallenden  Licht  milchweiss  erscheinen. 

Viel  weniger  bekannt  als  die  Bahnen,  welche  das  Fett  durch- 
läuft, sind  die  Kräfte,  welche  dasselbe  treiben  und  die  ihm  ent- 
gegenstehenden Widerstände  wegräumen.  Nachweislich  befördert 
die  Anwesenheit  der  Galle  und  vermuthlich  auch  die  des'pankrea- 

Loilwlg.  Physiologie  II.  3.  Auflage.  42 


Digitized  by  Google 


058  Gallo  und  Bauchspeichel  hftlfreich  für  die  Fettaufnahme. 

tischen  Saftes  den  Uebergang  der  Fette.  Denn  die  Aufnahme  des- 
selben wird  wesentlich  beschränkt,  wenn  die  Galle  nicht  in  den 
Dtlnndarm  treten  kann,  sei  es,  dass  sie  durch  eine  Fistel  nach 
aussen  geführt  wird  oder  dass  der  Ausfltbrungsgang  der  Leber  ver- 
stopft ist(Brodie,  Tiedemann,  Gmelin,  Bidderu.  Schmidt). 
Der  Beweis  für  die  Minderung  der  Fettaufnahme  während  des  auf- 
gehobenen Gallenzuflusses  wird  dadurch  geführt,  dass  der  aus  dem 
Dünndarm  kommende  Chylns  fettärmer  und  der  Koth  entsprechend 
fettreicher  ist.  — Die  Hülfe,  welche  die  Galle  dem  Fettübergang 
leistet,  erklärt  man  sich  meist  dadurch,  dass  dieselbe  den  Wider- 
stand mindere,  welchen  die  l’oren  dem  Durchgang  der  Fette  ent- 
gegensetzen. Dieses  könnte  auf  verschiedene  Weise  erreicht  wer- 
den ; z.  B.  dadurch , dass  die  in  die  Schleimhaut  eingedrungene 
Galle  die  Porenform  ändert  und  die  Festigkeit  des  Gewebes  -ver- 
ringert; oder  dadurch,  dass  sie  die  Porenoberfläche  schlüpfriger 
macht,  sodass  sich  die  Reibung  zwischen  Fett  und  Porenwand 
mindert;  oder  noch  dadurch,  dass  sie  die  Fetttröpfchen  geeigneter 
macht,  sieh  den  Formen  der  Porenkanälchen  anziischliessen,  indem 
sie  die  sogenannte  Tropfenspannung  des  Fettes  herabsetzt 

Die  Anwesenheit  der  Galle  gehört  nun  aber  keineswegs  zu 
den  Bedingungen,  die  durchaus  erfüllt  sein  müssen,  damit  der  Fett- 
Ubergang  möglich  sei;  denn  nach  den  Beobachtungen  von  Bidder 
und  Schmidt  enthält  der  Chylus  auch  dann  noch  Föft , wenn 
selbst  der  Zutritt  der  Galle  zum  Darmkanal  vollkommen  aufgehoben 
ist.  Man  ist  dcssbalb  geneigt,  dem  pankreatischen  Saft  dieselbe 
Holle  zuzuschreiben,  welche  der  Galle  unzweifelhaft  zukommt.  CL 
Be rnard,v  Welcher  vorzugsweise  die  Aufnahme  der 'Fette  unter 
der  Betheiligung  des  Bauchspeichels  geschehen  lässt,  geht  sogar  so 
weit,  zu  behaupten,  dass  dieser  der  alleinige  Vermittler  der  Fett- 
resorption  sei.  Es  bleibt  unerklärfieh,  warum  der  ausgezeichnete 
Beobachter  den  Uebergang  des  Fettes  in  die  Chylusgefässe  immer 
aufgehoben  sah,  nachdem  der  Bauchspeichel  von  der  Dannhöhle 
ausgeschlossen  war,  während  alle  übrigen  Beobachter  von  Brunn 
bis  auf  Colin  herab  nach  Exstirpation  des  Pancreas  oder  nach 
Anlegungen  einer  Fistel  die  Aufnahme  des  Fettes  wenig  beeinträch- 
tigt fanden. 

Wird  der  Banchspeichel  und  die  Galle  zugleich  ausgeschlossen, 
so  wird  nach  Busch  nur  noch  ein  Minimum,  vielleicht  auch  gar 
kein  Fett'  mehr  resorbirt. 


tizod  bv  Google 


659 


Kräfte,  die  das  Fett  treiben. 

Die  Kräfte,  welche  den  Eintritt  des  Fetts  in  die  Zellen  bedin- 
gen, und  die  auf  item  Weg  vorkommenden  Widerstände  tiberwinden, 
können  natürlich  keine  sein,  welche  mit  den  die  Diffusion  erzeu- 
genden Aehnlichkeit  besässen.  Denn  diese  letztem  verlangen  eine 
innige  Vermischung  der  sich  in  einander  verbreitenden  Flüssig- 
keiten. Darum  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  an  einen  in  der 
Richtung  vom  Dann  zum  Zottenraum  wirkenden  Druck  zu  denken. 
Ob  die  Druckunterschiede  der  Flüssigkeiten,  ob  Bewegungen  der  Epi- 
thelialstäbchen oder  ob  Bewegungen  der  Darrawandungen  gegen 
einander  diese  Triebkraft  darstellen,  bleibt  zweifelhaft. 

Aus  dom  Darmkanalc  in  das  Blut  gehen  bei  Kaninchon,  Hunden  und  Fröschen 
beobachtungsgemäss  folgende  feste  Stoffe  Über*):  Blut-  und  Pigmentkörperchen  (Mo- 
l e sch  o tt),*  Stärk  ekörperchcn  (Hör  bst,  üesterlcn,  Donders),  Guecksilberkügel- 
chon  (Oe ster len),  Kohlcnflittern  und  Schwefelblumen  (Ocstcrlcn,  Donders, 
H.  Meyer,  Eberhard).  Moleschott,  der  den  Mechanismus  des  Ueberlritte*  am 
genauesten  verfolgt  hat,  fand  in  den  Bpithelialzellen  des  Säugethierdarms  Pigmentmo- 
leküle und  in  denen  des  Frogchdarms  Scheiben  des  Saugethicrbluts.  Aber  nicht  jedes- 
mal , wenn  die  genannten  Körper  in  dem  Darmkanal  Vorkommen , gehen  sic  auch  in 
den  Chylua  über;  im  Gegcntheil , es  ereignet  sich  sogar  dieser  L'ebeigtu®^ äusserst 
selten.  Der  Grund,  warum  die  genannten  Körperchen,  namentlich  w##tf  sie  noch 
kleiner  als  die  aufnahmsfaliigcn  Fetttröpfchen  sind,  nicht  durchdringen,  bleibt  unbe- 
kannt. Vielleicht  ist  ihre  Oberfläche  nicht  biegsam  genug,  sodass  ein  besonders  Weicher, 
leicht  durchbrechborcr  Verschluss  die  Epithelialbascn  decken  muss,  wenn  sie  Durch-  . 
lass  gewahren  sollen.  — Croeq,  welcher  sehr  verschiedenartige  feste  Körperehen 
durch  die  Darmwand  dringen  sah,  behauptet,  dass  sie  nur  die  von  Epithelien  ent- 
blüssten  Steifen  durchzusetzen  vermöchten. 

3.  Zusammensetzung  des  Chylus.  Die  Flüssigkeit,  welche  aus 
dem  Darme  in  die  Chylusanfänge  eindringt,  muss  in  ihrer  chemi- 
schen Anordnung  verschieden  ausfalten  mit  der  Zusammensetzung 
des  flüssigen  Darminhaltcs  und  des  Blutes  und  mit  dem  relativen 
Uebergewiehte  der  Kräfte,  welche  die  Anfänge  der  Chylusgcfässe 
füllen.  Die  einmal  in  die  Gel'ässe  eingegaugene  Flüssigkeit  muss 
veränderlich  sein  mit  der  Zahl  der  Drüsen,  die  sie  dnrehströmt  hat; 
der  Inhalt  des  dttctns  thoracicus  endlich  wird  variiren  mit  der  Zu- 
sammensetzung der  einzelnen  Chylus-  und  Lympharten,  aus  deren 
Vermischung  er  entsteht,  und  der  relativdn  Menge,  mit  der  sich 
jeder  einzelne  an  der  Bildung  des  Gesammtinbaltes  betheiligt. 

Die  Beziehung  zwischen  dem  Darminhaltc  und  dem  primitiven 
Chylus  ist  einmal  dadurch  gegeben,  dass  alle  im  ersteren  aufgeliis- 

•)  Henlo's  und  Pfeiffer’«  Zeitschrift.  N.  P.  1.  Bd.  409.  — Wiener  medizinische  Wochen- 
schrift. IHM.  30.  Dezember.  — *■  Moleschott's  Untersuchungen  zur  Naturlebre.  II.  10*2.  ti.  119.  — 
Wittlch,  Archiv  für  pntholog.  Anatomie.  XI.  — Croeq,  De  la  pdniHraUon  des  purtirules  soli- 
des etc.  Mdinoircs  conronnds  par  l’acaddmie  de  Bolgique.  IX.  1809. 

42* 


Digitized  by  Google 


660 


Zusammensetzung  des  Ohjrlus. 


ten  Stoffe  zugleich  mit  den  Fetten,  entsprechend  dem  Ban  der 
Wände,  welche  die  Anfänge  der  Chylusröhren  Ilmkleiden,  in  die 
letzteren  eintreten.  Demnächst  greift  der  Darminhalt  dadurch  be- 
stimmend in  die  Zusammensetzung  des  primitiven  Chylus  ein,  dass 
durch  die  Gegenwart  einzelner  seiner  Bestandtheile  (Säure,  Galle  etc.) 
das  Eindringen  anderer  (Fette,  Eiweiss)  möglich  gemacht  wird.  — 
Die  Zusammensetzung  des  Blutes  kommt  für  die  des  primitiven 
Chylus  in  Betracht,  einmal,  weil  der  letztere  schon  innerhalb  der 
Schleimhaut  in  diffusive  Beziehung  zum  ersteren  tritt,  und  ausserdem, 
weil  mit  dem  Blute  nothwendigerweise  auch  der  Darminhalt  selbst 
veränderlich  sein  muss,  insofern  die  chemische  Anordnung  nnd 
die  Menge  der  Drüsensäfte  davon  abhängen,  und  insofern  hier- 
durch der  Grad  der  Umwandlung  bestimmt  wird,  welche  der 
Darminhalt  vor  seinem  Eintritte  in  die  Chylusgefässe  in  Folge  der 
zwischen  ihm  und  dem  Blute  bestehenden  Diffusion  erleidet.  — 
Mit  dem  relativen  Werthe  der  Kräfte,  der  Diffusion  und  Fil- 
tration gjggelchc  die  Chylusanfänge  füllen , wechselt  die  Zusam- 
mensetzung ihres  Inhaltes,  weil  die  eine  von  ihnen  (Filtration) 
gleichmässig  alle  in  den  Flüssigkeiten  des  Darmes  aufgelösten 
Stoffe  überfüllt,  während  die  Diffusion  den  einen  Bestandteil 
langsamer  als  den  anderen  und  das  Fett  gar  nicht  in  Bewegung 
setzt.  Nun  kann  es  aber  gar  keiner  Frage  unterworfen  sein , dass 
die  beiden  Prozesse  nicht  überall  und  nicht  zu  allen  Zeiten  in  dem 
selben  Verhältnisse  ihrer  Intensität  stehen,  da  mit  der  Contraktion 
der  Darmmuskeln  und  der  Spannung  der  Blutgefässcapillaren  die 
Filtration,  und  mit  der  Zusammensetzung  des  Darminhaltes,  insbfr 
sondere  mit  seinem  Gehalte  an  Labsaft,  Galle,  Bauchspeichel,  die 
Diffusion  veränderlichen  Werthes  wird.  — Der  Chylus,  welcher  aus 
der  Darmschleimhaut  in  die  Chylusgefässe  eingeht,  erleidet  auf 
seinem  Wege  bis  zum  ductus  thoracicus  Veränderungen  in  den 
Drüsen,  theils  durch  die  Berührung  mit  dem  Blute  und  theils  durch 
die  in  den  Drüsen  jätest  vorgehenden  Umsetzungen ; also  wird  mit 
der  Geschwindigkeit  seipes  Stromes  mit  der  Zahl  und  dem  Umfange 
der  eingelegten  Drüsen  die  Grösse  der  Umwandelung  Hand  in  Hand 
gehen.  — In  den  ductus  thoracicus  münden  ausser  den  Cbylus- 
gefässen  die  Lymphgefässe  der ‘unteren  Extremitäten,  der  Bauch- 
und  Brustwandungen,  des  Beckens,  der  Milz,  der  Leber,  des  Pan- 
creas,  des  Peritonäums,  der  Brusteingeweide  u.  s.  w.  Abgesehen 
davon,  dass  es  schon  unwahrscheinlich  ist,  eine  Gleichartigkeit  in 
der  Zusammensetzung  der  verschiedenen  Lympharten  anzunehmen, 


_ Diqitized  bv  Google 


Veränderlichkeit  desselben  mit  der  Nahrung. 


661 


besteht  aber  sicher  ein  Unterschied  zwischen  Lymphe  und  Chylus; 
mit  dem  Uebergewicht  der  einen  oder  anderen  Flüssigkeit  muss 
also  jedenfalls  der  Inhalt  des  dnetns  thoracicus  seiner  Zusammen- 
setzung nach  veränderlich  sein. 

.Aus  diesen  Angaben  erhellt  die  unendliche  Variation,  welche 
sich  zu  verschiedenen  Zeiten  an  demselben  Orte  und  zu  derselben 
Zeit  an  verschieden  gelegenen  Chylusgetässen  ereignen  kann;  die 
Theorie  verhält  sich  den  Einzelheiten  gegenüber  noch  stumm,  und 
die  Erfahrung  ist  sehr  beschränkt,  da  ihr,  abgesehen  von  allen 
anderen  Mangeln,  nicht  einmal  die  Kenntniss  des  primitiven  Chylus 
aus  der  Schleimhaut  zu  Gebote  steht.  — Das  Wenige,  was  die  Be- 
obachtung erworben,  ist  Folgendes. 

Der  Chylus  kann,  wie  Blut  und  Lymphe,  in  einen  flüssigen 
und  aufgeschwemmten  Theil  geschieden  werden;  der  letztere  besteht 
seiner  Gestalt  nach  bald  aus  aufgeschwemmten  Fettpartikelchen, 
bald  aus  diesen  und  Zellen  sehr  verschiedener  Art,  die  zum  grossen 
Theile  den  Charakter  der  Körnchenzellen  an  sich  tragen,  iuid  end- 
lich aus  Bntkörperchen.  — Die  chemischen  Bestandteil^  des  Chy-‘ 
lus,  welche  bis  dahin  aufgefunden  werden  konnten,  sindTmscrtoff, 
gerinnbares  Eiweiss,  ein  durch  starke  Essigsäure  fällbarer  Eiweiss- 
stoff, Fette,  Zucker,  Harnstoff,  Verbindungen  von  Kali,  Natron  und 
Kalk  mit  organischen  Säuren  und  mit  Kohlen-,  Salz-  und  Phosphor- 
säure. Dennach  fehlen  dem  Chylus  von  den  im  gelösten  Darmin- 
balte  nachweisbaren  Stoffen:  Leimarten,  gallensaure  und  schwefel- 
saure SaUe,  während  er  vor  ihm  Faserstoff  und  .gerinnbares  Eiweiss 
voraus  hat,  zwei  Körper,  von  denen  der  erstere  immer,  der  zweite 
wenigstens  häufig  dem  Chymus  fehlen. 

a.  Einfluss  der  Nahrung*).  Die  blossgelegten  Chylusgefdsse 
hungernder  Thiere  sieht  man  von  einer  durchsichtigen  Flüssigkeit 
erfüllt;  die  Durchsichtigkeit  des  Inhaltes  bezeugt  den  Mangel  an 
aufgeschwemmten  Fetten ; eine  Analyse  dieser  Flüssigkeit  liegt  noch 
nicht  vor.  — Wiederholt  ist  dagegen  der  ductus  thoracicus  bei 
Menschen  (L ’H  er itier),  Hunden  (Chevreul),  Pferden  (Gm el in), 
die  vor  dem  Tode  gehungert  hatten,  untersucht  worden.  Eine  Ver- 
gleichung dieser  Resultate  mit  der  Lymphe,  die  aus  den  unteren 
Extremitäten  gewonnen  und  analysirt  wurde,  würde,  auch  ohne 
dass  man  den  Gewichtsantheil  kennte,  den  jede  der  beiden  Flüs- 
sigkeiten an  dem  Inhalte  des  ductus  thoracicus  nimmt,  zu  mancherlei 

•)  Simon,  Med.  Chemie,  n.  Bd.  p.  244.  — Nasec,  HnndwSrterbnch  d.  Phyeiologie.  1.  Bd. 
Chylua.  II.  Bd.  Lymphe.  — Colin,  Tr  eite  de  Physiologie  comparee  1856.  IL  n.  f. 


Digitized  by  Googb 


662 


Chylus  hungernder  und  gefutterter  Thiere. 


werthvollen  Betrachtungen  fuhren,  wenn  es  nur  feststüude,  dass  die 
Lymphe’  des  Beckens  und  der  UnterleibsdrUseu  übereinstimmend 
mit  der  der  unteren  Extremitäten  zusammengesetzt  wäre,  und  wenn 
die  Lymphe  und  der  Inhalt  des  duetus  thoracicus  gleichzeitig  von 
demselben  Individuum  gewonnen  worden  wäre. 

Dieses  ist  nicht  der  Fall , darum  gewinnen  die  aus  den  nachstehenden  Zahlen 
abzuleitenden  Schlüsse  eine  zweifelhafte  Gültigkeit. 


1 Wasser. 

Geloste  El- 
wclssatoffc  a. 
Kümcrchen. 

Faserstoff. 

E*. 

trakte. 

Fett. 

Beobachter. 

Reine  Lymphe 
Inhalt  d.  duetus 

Mensch 

93,73 . 

4,28 

0,06 

1,28 

0,65 

O übler. 

thoracicus 

»» 

92,43 

6,00 

0,32 

? 

0,50 

L'  Hcrititr. 

Wasser. 

Elwelss. 

trockener 

Ex- 

Fett. 

Kochen. 

trakte. 

Keine  Lymphe 

Pferd 

96,34 

2,1 1 

0,19 

1,0« 

Spuren 

Inhalt  d.^ductus 
• thoracicus 

N 

93,7» 

4,07 

1,06 

i,13 

V 

wenig 

. 

Gtnetin. 

Der  Verlust  in  der  Lymphanalyse  des  Pferdes  betrug  0,2  pCt.  — Soweit  die 
unvollkommono  Untersuchuug  zu  schliessen  erlaubt,  enthielten  die  Lymphe  und  der 
Inhalt  des  duetus  thoracicus,  also  auch  der  aus  dem  Darme  kommende  Antheil  des- 
selben, gleiche  Bcstandthuilc.  Diese  Folgerung  scheint  um  so  gerechtfertigter  , als  die 
in  den  Chylusgefasscn  der  hungernden  Thiere  strömende  Flüssigkeit  ebenfalls  entweder 
direkt  oder  indirekt  (vermittelst  der  Darmsäfte)  aus  dem  Blute  stammt,  Betrachtungen, 
die  man  über  die  quantitativen  Unterschiede  anstcllcn  wollte,  würdon  zu  nichts  (führen. 

• Die  Nachrichten,  die  uns  von  dem  Chylus  gefütterter  Thiere 
zu  Theil  geworden,  sind  ebenfalls  meist  gewönnen  durch  die  Unter- 
suchung des  duetus  thoracicus.  Diese  Thatsachen  haben  Werth, 
indem  sie  die  Natur  der  Säfte  feststellen,  welche  während  der  Ver- 
dauung in  das  Blut  kommen;  eine  selbst  beschränkt  deutliche  Vor- 
stellung über  das  Verhältnis  von  der  Zusammensetzung  des  Chy- 
lus und  der  Speisen  geben  sie  nicht,  weil  den  betreffenden  Ana- 
lysen nur  unvollkommene  Angaben  Uber  die  Zusammensetzung  der 
letzteren  selbst  beigegehen  sind.  Bei  Anstellung  ähnlicher  Beob- 
achtungen dürfte  es  am  vorteilhaftesten  sein,  die  Zusammensetzung 
des  Speisebreies,  aus  welchen  der  Chylus  seinen  Ursprung  nahm, 
zu  ermitteln. 

Der  Inhalt  des  duetus  thoracicus  enthält  nach  den  vorliegenden 
Beobachtungen  jedesmal  Eiweiss,  Faserstoff,  Extrakte,  salzsaure 
und  phosphorsaure  Alkalien  und  phosphorsaure  Erden;  nach  melil- 
und  zuckerreicher  Nahrung  kommt  dazu  in  einzelnen  Fällen  auch 


' Google 


Veränderung  des  Chylus  mit  dem  Blnt  und  dem  Fortschreiten.  663 

Zucker  und  nach  fetthaltigen  Speisen  (Fleisch,  Milch  u.  s.  w.)  reich- 
lich (bis  zu  3 pCt.)  aufgeschwemmtes  Fett.  Rucksichtlich  aller 
Übrigen  Eigenschaften  bietet' sich  keine  feste  Beziehung  zu  der 
Nahrung,  indem  man  bald  nach  Fldiscb-  und  bald  nach  Pflanzen- 
kost das  Blutroth,  den  Faserstoff',  das  Eiweiss  vermehrt  oder  ver- 
mindert fand. 

b.  Die  Beziehungen  zwischen  der  Zusammensetzung  von  Blut 
und  Chylus  sind  durch  den  Versuch  in  beschränkter  Weise  aufge- 
hellt; Fenwick*)  giebt  an,  dass  Blutlaugensalz,  in  die  Venen  ein- 
gesprtitzt,  im  Inhalte  des  duetns  thoracicus  wiedergefunden  wird. 

c.  Der  Chylus  soll  auf  seinem  Wege  vom  Darme  bis  zu  dem 
ductus  thoracicus  einige  Veränderungen  erfahren,  welche  man  vor- 
zugsweise dem  Einflüsse  der  Drüsen  zuschreibt.  Vor  dem  Eintritte 
in  dieselben  soll  der  Chylus,  insofern  er  aus  einem  fetthaltigen 
Chymus  stammt,  viel  mehr  feine  Tröpfchen  aufgeschwemmten  Fettes 
enthalten,  als  nachdem  er  durch  die  Drltsen  gewandert  ist.  Für 
diese  Annahme  spricht  nicht  gerade  der  Augenschein,  welcher  lehrt, 
dass  die  Fetttröpfchen  durch  eine  blossgelcgte  Mesenterialdrüse 
leicht  aus  dem  Vas  afferens  in  das  Vas  efferens  übergehen.  — Jen- 
seits der  Drüsen  enthält  der  Chylus  mehr  Lvmphkörperchen ; da 
nun  schon  innerhalb  der  Schleimhaut  des  DarrncS  Lymphdrüsen  ge- 
legen sind,  die  Pey  er  'sehen  und  solitären  Drüsen,  da  man  wäh- 
rend der  Fettverdauung  'diese  Drüsen  mit  Fetttröpfchen  geltillt  sieht 
(Brücke**),  Kölliker),  mithin  der  Chylus  schon  diese  Drüsen 
durchsetzt,  so  wird  auch  der  auf  der  Aussenfläche  der  Schleimhaut 
verlaufende  Chylus  schon  Körperchen  führen,  welche  sich  aber  von 
Drüse  zu  Drüse  bedeutend  vennehren  (Kölliker)***). 


Sehr  auffallende  Veränderungen  zeigte  der  Chylus  des  Pferdes  vor  und  nach  den 
Drüsen  bei  einer  chemischen  Zerlegung  von  G molin.  Dio  folgenden  drei  Analysen 
sind  am  Chylus  desselben  Thiores  angestellt. 


Wasser. 

Trockne«  Coag.  Albumin. 

Fett. 

Extrakte  u. 
Balze. 

Ductus  thoracicus 

96,79 

0,19 

1,93* 

wenig 

1,01 

Hinter  der  Mesenterialdrüse 

94,86 

0,3t 

2,43 

1,23 

0,96 

Vor  der  „ 

87,10 

wenig 

3,58 

smuT"" 

Daraus  hat  man  geschlossen,  dass  der  Faserstoff  erst  jenseits  der  Drüsen  auftrete. 
Colin  giebt  dagegen  an,  dass  derselbe  auch  -niemals  vor  den  Drüsen  fehle.  Die  ge- 
ringere Menge  vom  Coagulnm,  welche  G-melin  in  dem  Chylus  vor  den  Drüsen  findet, 
bezieht  sich  also  wohl  auf  den  Mindergehalt  an  Körperchen , der  im  CoAgulum  cinge- 

•)  Valentin,  Jahresbericht  rtir  1845.  p.  175. 

••)  Wiener  Sitzungsberichte.  XV.  Btl.  ‘267. 

•••)  Zeitschrift  Air  wissenschaftliche  Zoologie.  VII.  Bd.  |#2. 


Digitized  by  Google 


664 


Das  Ugliche  Volum  des  Chylus. 


schlossen  ist.  Begreiflich  beweisen  aber  solche  Analysen  für  die  Drüsen  Wirkungen 
überhaupt  nicht«,  so  lange  man  nicht  dargetlian  hat,  dass  der  jenseits  der  Drüse  flies- 
sende Saft  vor  dieser  dieselbe  Zusammensetzung-  besass,  als  der,  welchen  man  behufs 
der  vergleichenden  Analyse  aus  den  Gcfasscn  vor  den  Drüsen  genomjucn  hat. 

4.  Das  Volum  der  Flüssigkeit,  welches  durch  die  Chylusge fasse 
strüint,  resp.  der  Antheil  derselben,  welcher  aus  dem  Chynius  seinen 
Ursprung  nimmt,  wird  mit  der  reichlichen  Anwesenheit  von  Fetten 
und  gelösten  Eiweissstoffen  im  JDarmkanale  und  mit  der  Mächtig- 
keit der  einsaugenden  Kräfte  sich  offenbar  mehren;  in  welchem 
Maasse  dieses  geschieht,  ist  unbekannt. 

Wiederholt  ist  der  Versuch  gemacht  worden , die  mittlere  Menge  vom  Chylus  zu 
bestimmen , welche  bei  erwachsenen  Menschen  binnen  24  Stunden  durch  die  Gänge 
strömt.  Vierordt*)  ging  hierbei  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  alles  verdaute 
und  aufgesogene  Kiweiss  durch  die  Chylusgefässe  aufgonommen  würde,  und  dass  der 
ganze  Eiweissgehalt  des  Chylus  nur  aus  dieser  Quelle  stamme.  Die  Richtigkeit  dieser 
Annahme  vorausgesetzt,  würde  man  , wenn  der  Chylus  des  Pferdes  und  des  Menschen 
ungefähr  gleiche  Zusammensetzung  besässo , aus  dem  bekannten  Gehalte  der  Nahrung 
an  Eiweiss  mindestens  die  Grenzen  ermitteln  können,  in  denen  sich  die  tägliche  Chy-* 
lusmenge  bewegen  würde.  Die  der  Rechnung  zu  Grunde  gelegten  Annahmen  sind  aber 
wenigstens  insofern  unhaltbar,  als  nicht  alle  Eiweisskörper  des  Chylus  aus  der  be- 
zeichnten Quelle  stammen,  da  auch  während  der  Zeiten,  in  denen  der  Darmkanal  leer 
ist,  der  Inhalt  der  Chylusgefässe  Eiweissstoffe  führt.  — Eine  ähnliche  Betrachtung 
stellte  Lehmann  an,  bei  der  er  das  aus  der  Nahrung  aufgenommene  Fett  zu  Grunde 
legte.  Da  sie  ihr  Urheber  selbst  zurückgezogen , so  enthält  man  sich , wio  billig  , der 
weiteren  Besprechung  derselben. 

Bei  Pforden  und  Rindern  legte  Colin  Fisteln  des  ductus  thoracicus  am  Halse  an, 
durch  welche  der  Ausfluss  8tundon  und  Tage  lang  beobachtet  werden  konnte.  Beim 
Pferde  betrug  die  stündliche  Ausflussmenge  zwischen  700  bis  1200  Gr.;  bei  Stieren 
uud  Kühen  zwischen  900  und  5900  Gr.  in  dor  Stunde,  vorausgesetzt,  dass  die  Beob- 
achtung nicht  allzulange  fortgesetzt  wurde.  Einige  Zeit  nach  dem  Fressen  und  Saufen 
mehrte  ^ich  die  Ausflussgeschwindigkeit  meist,  aber  nicht  iipmer.  — Ein  Stier  von 
1S5  Kilo  Gewicht,  dessen  Fistel  bis  zum  vierten  Tag  offen  blieb,  gab  am  ersten  Tag 
zwischen  770  und  530  Gr.  stündlich;  am  zweiten  Tag  zwischen  540  und  440  Gr.  • 
am  dritten  Tag  zwischen  630  und  240  Gr.  und  am  Alerten  Tag  stündlich  315  Gr. 
Die  Entkräftung  des  Thieres  .steigerte  sich  von  Tag  zu  Tag. 

5.  Die  Kräfte,'  welche  den  Strom  des  Chylus  oinleiten  und 
unterhalten,  werden  zu  suchen  sein  in  den  Zusammenziehungen  der 
Sclileimhautmuskeln,  den  peristaltischcn  Bewegungen  der  groben 
Darmmusculatur  und  der  Elastizität  der  Gefässwandnng. 

B.  Aufsaugung  durch  die  Blutgefässe. 

1.  Der  Diffusionsstrom,  welcher  zwischen  dem  flüssigen  An- 
theile  des  Speisebreies  und  dem  Blute  in  den  Darmwandungen 

•)  Archiv  fUr  phystolog.  Heilkunde.  VII.  Bd.  Ml. 


^Google 


Aufsaugung  durch  die  DarmblutgefSsae. 


665 


besteht,  führt  den  allgemein  feststehenden  Regeln  entsprechend, 
nicht  alle,  sondern  nur  gewisse  Bestandtheile  der  aneinander  gren- 
zenden Flüssigkeiten  ineinander  über.  Soviel  wir  wissen,  .bethei- 
ligen sich  an  dem  Austausche:  Zucker,  pflanzen-,  gallen-,  fett-, 
Schwefel-,  phosphor-,  salz-  und  kohlensaure  Alkalien,  Farbstoffe, 
Eiweiss,  Faserstoff  (?),  Wasser.  Ausgeschlossen  sind  dagegen  die 
Fette.  — ln  der  Richtung  vom  Darme  zum  Blute  gehen  Zucker, 
Farbstoffe,  die  Salze  mit  organischen  Säuren,  Wasser  und  wahr- 
scheinlich auch  die  schwefelsauren  Alkalien.  Diese  Behauptung 
stützt  sich  auf  veAchiedene  Gründe.  Zuerst  ist  der  Uebergang 
des  Zuckers  und  eines  Theils  der  erwähnten  Salze  in  das  Blut  da- 
durch erwiesen,  dass  man  sie,  während  sie  allmählich  aus  dem 
Darmkanale  verschwanden,  geradezu  im  Blute  wieder  aufgefunden 
hat.  Die  Farbstoffe  hat  man  in  den  aus  dem  Blute  kommenden 
Säften,  z.  B.  dom  Harne  aufgelnnden,  ohne  dass  es  immer  gelun- 
gen wäre,  ihnen  in  dem  Chylus  zu  begegnen,  oder  man  hat  sie 
noch  im  Harne  angetroffen,  nachdem  man  die  Chylusgefässe  zer- 
störte, welche  aus  einem  abgegrenzten,  mit  den  bezeichnten  Stof- 
fen gefüllten  Darmstücke  hervorgehen.  Endlich  verlangt  die  Theo- 
rie das  Zugeständniss,  dass  ein  Theil  der  schwefelsauren  Salze 
des  Darminhaltes  in  das  Blut  einströmt,  weil  jene  fllr  gewöhnlich 
dem  Blute  fehlen  oder,  wenn  sie  vorhanden,  sogleich  durch  den 
Harn  wieder  ausgeschieden  werden.  — Eine  ähnliche  Bewandniss 
muss  es  aber  mit  dem  Wasser  haben,  da  das  Blut  meist  mehr  feste 
Bestandtheile  aufgelöst  enthält,  als  der  flüssige  Speisebrei.  — Vom 
Blute  zum  Darme  muss  gerinnbares  Eiweiss  gehen,  weil  der  Chy- 
mus  weniger  davon  aufgelöst  enthält,  als  das  Blut;  diese  Voraus- 
sage wird  bestätigt  durch  die  Erfahrung,  dass  Eiweiss  in  das 
Wasser  austritt,  welches  in  eine  abgesehnürte  und  in  die-  Uutcr- 
leibshöhle  zurltckgebrachte  Dünndarmschlinge  eingesprützt  wurde 
(Knapp). 

Insofern  dos  Blut  und  der  Chymua  ihre  Bestandtheilo  nur  durch  Diffusion  aus- 

tauschen  können,  muss  man  es  für  unmöglich  halten,  dass  die  Fette  aus  dem  D^rm- 

kanale  in  das  Blutgofässwerk  eindringen  können.  Nichts  destoweniger  sind  Bruch*) 
und  Lehmann  **)  dieser  Meinung.  Der  letztere  gründet  dieselbe  auf  den  grösseren 
Fettgehalt  des  Pfortadcrblutes , der  ihm  andoren  Venen  gegenüber  zukommt.  Dio  Un- 
antastbarkeit der  Thatsache  vornusgesetzt,  beweist  sic  noch  nicht,  dass  das  Fett  noth- 

wendig  aus  dem  Darmkanale  stammen  müsse.  — Bruch  beruft  sich  auf  ein  beson- 

deres Ansehen  der  Capillargcfössc  in  der  DUnndarmschlcimhaut , welches  auch  Vlr- 

■)  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie.  IV.  285. 

**)  Phyisiolog.  Chemie.  III.  Bd.  »27. 


Digiiizsd  by  Google 


660 


Aufnahmefähigkeit  einzelner  Nährstoffe. 


chow,  Brücke"),  Zenkor,  Funke  u.  A.  angetroffen  haben;  sie  sind  nämlich 
zuweilen  mit  einer  weissliohen,  dem  Fette  sehr  ähnlich  ausschenden  Materie  ganz  oder 
theil  weine  angefüllt.  Brücke  hat  aber  durch  chemische  Reaktionen  gezeigt,  dass  der 
wcissliche  Inhalt  keinenfalls  zu  den  Fetten  gestellt  werden  kann,  und  Yirchow**) 
darauf  hingewiesen,  dass  er  zum  Theil  wenigstens  aus  Leucin  bestehe. 

Auf  die  Diflusioncn  im  Dannkanale  sind  die  schon  früher  (p.  563) 
hervorgehobeuen  Bemerkungen  anwendbar.  Dagegen  würde  es  ein 
grosses  Missverständnis  verrathen,  wenn  man  auf  die  Strömung 
im  Darme  ohne  Weiteres  die  Zahlen  der  Diffnsionsgeschwindigkeit 
und  des  endosmotischen  Aequivalentcs  in  Anwcqjlungjmngen  wollte, 
welche  unter  ganz  anderen  Bedingungen  von  Graham,  Jolly, 
C.  Ludwig,  A.  Fick,  Clogtta  n.  s.  w.  aufgefunden  wurden. 

C.  lieber  die  Aufnahme  durch  Blut-  und  Chylus- 
gefiisSe  zugleich. 

Das  praktische  Bedttrfniss  verlangt  endlich  noch  Aufschluss, 
wie  sieh  die  Aufsaugung  der  einzelnen  Nahrungsstoffc  gestaltet, 
gleichgültig,  ob  sie  durch  das  Blut-  oder  Chylussystem  geschehen 
ist.  Diese  Frage  kann,  mehrfach  variirt,  von  der  Erfahrung  ge- 
löst werden,  wie  es  in  der  That  für  einzelne  Stoffe  annähernd  ge- 
schehen oder  wenigstens  versucht  ist. 

1.  Wenn  man  fragt,  wieviel  der  gesammte  Darmkanal  von 
jedem  einfachen  Nahrungsstoff***)  während  eines  laugen  Zeitrau- 
mes, z.  B.  während  24  Stunden  aufnehmen  kann,  so  leuchtet  auch 
sogleich  ein , dass  für  jeden  Nahrnngsstoff  eine  solche  Grenze 
bestehen  müsse,  dass  diese  aber  von  Menseh  zu  Mensch  und  von 
Zeit  zu  Zeit  wechselnd  sein  müsse.  Hier  scheint  cs  nicht  mehr 
nöthig,  darauf  hinzuweisen,  dass  mit  der  Bewegung  des  Blutstroms 
und  der  Darmmuskeln,  der  ausschliesslichen  oder  der  mit  anderen 
Stoffen  verbundenen  Anwesenheit  der  Nahrung  u.  s.  w.  sich  jene 
Grenze  mächtig  ändern  muss.  Folgendes,  welches  meist  aus  den 
Thatsachen  der  täglichen  Erfahrung  abgeleitet  ist,  gilt  darum 
auch  nur  für  sie,  d.  h.,  wenn  man  etwa  täglich  1 mal  Koth  ent- 
leert und  nach  Bedürfniss  eine  gemischte  Nahrung  g'enicsst. 

•)  Wiener  Sitzungsberichte.  XII.  682. 

*•)  Archiv  für  patholog.  Anatomie.  VIII.  355. 

•••)  Buch  he  im,  Archiv  fUr  physiologische  Heilkunde.  XIII.  93.  — F.  Hoppe,  Archiv  für 
patholog.  Anatomie.  X.  144.  — O.  Funke,  ibidem.  XUI.  449.  — Berthe,  Corapt.  rend.  Bd.  42. 
901.  — ö *w.  Naumann,  Oleum  jecor.  Aselli  ad  mernbrn  anlraalia  njulto  niajorum  aflmiutem 
haboro  quam  alla  pinguia.  Leipzig  1858  — Knupp,  Archiv  fllr  physiologische  Heilkunde.  1855. 
385.  — Sick,  ibidem  1857.  482.  — Derselbe,  Ueber  die  Abhängigkeit  der  SÜ3  dos  Urins  etc. 
Tübingen  1859.  — Bo  ussin  ga  u lt , Annalcs  des  chinilo  et  physiqne  3me  Serie.  XVUI.  461,  (1848). 
— J.  Lehmann»  Lieb  lg  s Annalen.  108.  357.  — Bi  sc  ho  ff  and  Volt,  Die  Ernährung  des 
Fleischfressers.  1860. 


Aufgenommene  Al  engen  von  Wasser,  Zucker,  Ei  weis«.  667 

Hier  ersieht  »ich,  dass  von  den  grössere  zu  den  kleinern  Wer- 
then  absteigend  am  meisten  aufgenommen  wird  vom  Wasser;  es 
ist  jedermann  bekannt,  dass  viele  Pfunde  desselben  leicht  aufge- 
nommen werden ; diesfc  Erscheinung  ist  auch  vollkommen  erklärlich.' 
Denn  das  Wasser  durchdringt  die  thieriBchcn  Häute  im  Allgemeinen 
sehr  rasch  und  leicht,  und  zwar  um  so  leichter,  je  weniger  seiner 
Verwandtschaft  zum  Blute  das  Gegengewicht  gehalten  wird  durch 
die  im  Chynms  selbst  aufgelösten  Stoffe;  darnm  werden  verdünnte 
Lösungen,  wie  sie  das  gewöhnliche  Triukwasser  darstellt,  in  ganz 
überraschender  Menge  und  in  verhältnissmiissig  kurzer  Zeit  anfge- 
saugt,  und  oben  darum  verschwindet  so  rasch  das  Wasser  des  Lab- 
saftes, der  Galle,  des  Bauchspeichels  wieder  aus  der  Darmhöhle. 
Das  Wasser  conzentrirter  Lösungen  dagegen,  besonders  solcher  Salze, 
welche  wie  die  Schwefelsäuren  nur  schwierig  die  thierischen  Häute 
durchwandern,  verlassen  langsamer  die  Darmhöhle,  da  das  Wasser 
durch  seine  Verwandtschaft  zum  Salze  zurüekgehalten  wird  und  es 
nur  in  dem  Maasse  in  die  Blut-  (oder  Chylus-?)gcfässe  übergehen 
kann,  in  welchem  die  Lösnng  durch  Uebertrcten  von  Salz  an  Con- 
zentration  verliert  (Buch  he  im).  . 

Auf  das  Wasser  folgt  der  Zucker;  er  kann  täglich  bis  zn 
einem  und  mehreren  Pfunden  absorbirt  werden,  namentlich  wenn 
nicht  soviel  auf  einmal  von  ihm  cinverleibt  wird,  dass  er  Durch- 
fall und  Erbrechen  bringt,  sondern  in  dem  Maass  wieder  nachge- 
schoben wird,  in  welchem  er  sich  entfernt,  wie  es  z.  B.  bei  der 
Amylonverdauung  zu  geschehen  pflegt.  Doch  kann  auch  aus  einer 
reichlich  genossenen  Zuckerlösung  viel  aufgenommen  werden;  so 
fand  Hoppe  nicht  die  Spur  von  Zucker  im  Kothe  des  Hundes,  der 
200  Gr.  gelösten  Rohrzuckers  auf  einmal  verschlungen  hatte.  Dass 
der  Zucker  so  reichlich  resorbirt  werden  kann,  ist  begreiflich,  weil 
er  auf  der  ganzen  Darmfläche  durch  Cbylus  und  Blutgefässe  zu- 
gleich eingeht,  und  weil  er  ans  dem  Blut  selbst  wieder,  sei  es 
durch  Umsetzung  oder  Ausscheidung  verschwindet. 

Von  den  ei wei ssartigen  Stoffen  kann  täglich  bis  zu 
einem  Pfund  und  darüber  resorbirt  werden.  Wie  der  Durchgang 
einer  so  grossen  Menge  möglich,  bleibt  unklar,  so  lauge  man  an- 
nehmen muss,  dass  bei  der  Resorption  von  wässerigen  Lösungen 
im  Darmkanal  wesentlich  die  Diffusion  betheiligt  ist,  und  so  lange 
man  an  der  Meinung  festhält,  dass  den  Eiweissstoffen  der  Weg  zndeu 
Blutgefässen  verschlossen  sei,  weil  der  Inhalt  derselben  schon  sehr 
eiweissreich  ist.  Dem  langsam  djffiuidirendeu  Eiwciss  ständen  also 


Dia 


668 


Täglich  aufgenommenes  Fett 


nur  die  Lymphgefässe  offen.  Den  vorliegenden  Widerspruch  glaubt 
man  lösen  zu  können  durch  die  Annahme,  dass  das  Eiweiss  des 
Darminhaltes  ein  Pepton  sei,  diese  besitzen  aber,  wie  Funke  zeigt, 
•eine  viel  grössere  Beweglichkeit  sowohl  im  Filtrations-  wie  im  Dif- 
fusionsstrom. Schon  früher  musste  aber  darauf  aufmerksam  ge- 
macht werden,  wie  die  Anwesenheit  von  Peptonen  im  Darmkanal 
nicht  bewiesen  und  nicht  einmal  wahrscheinlich  sei.  Möglich  wäre 
es,  dass  aber  auch  schon  das  verdaute,  wenn  auch  noch  nicht  um- 
gcwandelte  Eiweiss  rascher  diffundirte,  als  gewöhnliches  und  dass 
auch  von  diesem  die  Blutgefässwand  durchdrungen  werden  könnte,  weil 
es  doch  vielleicht  eine  eigenthümliche  Eiweissmodifikation  darstellt. 

Die  Fettaufnahme  ist  eine  beschränktere,  was  schon 
der  Mechanismus  derselben  vermuthen  lässt.  Aus  einer  Unter- 
suchung, die  Berthe  an  sich  selbst  anstellte,  geht  hervor,  dass 
nicht  alle  Fettsorten  gleich  leicht  aufsaugbar  sind.  Von  Leber- 
thran,  Butter  und  andern  thierischen  Fetten  können,  wenn  sie 
einer  gemischten  Nahrung  zugesetzt  werden,  in  günstigen  Fällen 
täglich  bis  zu  50  Gr.,  meist  aber  nur  etwa  30  Gr.  aufgesaugt  wer- 
den ; zu  den  weniger  leicht  aufnehmbaren  gehören  Mandel-,  Oliven-, 
Mohnöl ; von  ihm  werden  täglich  meist  nur  20  Gr.  und  weniger  re- 
sorbirt.  Uebersteigt  die  Menge  des  verzehrten  Fettes  den  aufnahme- 
fähigen Werth,  so  nimmt  bei  anhaltendem  Fortgebrauch  jener  Fctt- 
menge  der  Gehalt  des  Kothes  an  Fett  allmählich  zu;  es  tritt  also 
gleichsam  eine  Ucbersättigung  der  .Zotten  ein , vermöge  deren  ihr 
Resorptionsvermögen  geschwächt  wird.  — Die  eben  angeführten 
niedrigen  Zahlen  stechen  bedeutend  gegen  bekannte  Erfahrungen  an 
nördlichen  Völkern  ab.  Eifahrungsgemäss  geniesst  der  Nordländer 
unbeschadet  seiner  Gesundheit  das  vielfache  von  dem  an  Thran, 
Speck,  Butter,  welches  Berthe  bewältigen  konnte. 

Als  Beispiel  für  die  Uebersättigung  dienen  folgende  zwei  Versuchsreihen  von 
Berthe,  ln  beiden  Fällen  bestand  die  Nahrung  aus  Fleisch,  Brod , Früchten,  Wein 
und  Kaffee.  — Zu  ihr  setzte  er  in  der  jetzt  zu  erwähnenden  Reihe  6 Tage  hindurch 
40  Gr.  WalliUchthran;  von  diesem  wurden  im  Mittel  31,5  Gr.  resorbirt  und  8,5  Gr. 
erschienen  im  Koth.  Als  er  nun  auf  00  Gr.  Thran  stieg,  erhob  sich  der  Gehalt  des 
Kothes  an  Thran  sogleich  auf  t2  Gr.  (also  waren  48  Gr.  aufgenommon).  Im  Verlauf 
der  Beobachtungszeit,  die  24  Tage  anhielt,  wuchs  und  zwar  erst  langsam  und  dann  rasch 
die  Fettmenge  .des  Koths  auf  50  Gr.,  so  dass  jetzt  nur  noch  10  Gr.  vom  genossenen 
Thran  verschwanden.  — Zu  derselben  Nahrung  setzte  er  ein  anderes  Mal  Butter. 
Zuerst  60  Gr.;  dabei  enthielt  der  Koth  in  4 Tagen  je  9,3  Gr.  Dann  aber  wuchs  der 
Buttergehalt  desselben  allmählich  auf  12,8  Gr.  Als  er  nur  100  Gr.  IJuttor  verzehrte, 
stieg  der  Gehalt  des  Kothes  auf  29  Gr.;  und  wio  er  dann  auf  60  Gr.  Butternahrung 
zurückging,  sank  zwar  in  den  ersten  Tagen  der  Fettgehalt  des  Kothes  auf  19  Gr.,  er* 


- Diaitizegby  Google 


Täglich  »»(genommene  Babe. 


669 


hob  sich  dann  aber  allmählich  während  8 Tagen  auf  24  Qr.  täglich,  ln  dem  mir  zugäng- 
lichen Bericht  über  die  Versuche  von  Berthe  ist  nicht  angegeben,  wieviel  resorbir- 
baren  Fettes  schon  an  und  für  sich  in  der  Nahrung  enthalten  war. 

Ganz  anders  als  der  Darm  von  Berthä  verhielt  Bich  der  eines  Hundes,  welchen 
Bisch  off  und  Voit  fütterten.  Er  wurde  öfter  Wochen  lang  mit  250  bis  300  Gr. 
ausgelassener  Butter  täglich  gespeisst,  ohne  dass  im  £oth  mehr  als  etwa  5 Gr.  täg- 
lich ausgeworfen  wurden. 

Unter  den  gewöhnlichen  Salzen  unserer  Nahrung  steht  in 
Beziehung  auf  die  Aufnahmsfähigkeit  obenan  das  Kochsalz;  von 
diesem  können  täglich  bis  zu  30  Gr.  durch  die  Darmwand  gehen 
(Kaupp).  Nach  ihm  folgt  das  phosphorsaure  Natron  (2Na(JIIO 
POs),  von  dem  günstigsten  Falls  etwa  12  Gr.  täglich  aufgenommen 
werden  (Sick)  nnd  darauf  endlich  das  NaOSOs,  das  bis  zu  6 Gr. 
täglich  resorbirt  wird.  Wenn  man  die  Aufnahme  dieser  Salze  stei- 
gern wollte,  so  würde  zu  beachten  sein,  dass  dieselben  in  gesätr 
tigteren  Lösungen  jedenfalls  die  Darmoberfläche  so  ändern,  dass 
die  Durchgängigkeit  derselben  gemindert  wird.  Da  diese  Salze 
wegen  ihrer  starken  Verwandtschaft  zum  Wasser  den  Danninhalt 
flüssig  erhalten,  und  dann  wegen  der  leichten  Beweglichkeit  des- 
selben auch  rascher  entfernt  werden,  so  ist  die  Möglichkeit  einer 
ausgiebigem  Resorption  auch  durch  Mittel  herbeizuführen , welche 
die  Darmbewegung  mindern,  z.  B.  durch  eine  Gabe  von  Opinm 
(Buch  h eim). 

Für  Gummi  scheint  die  Darmwand  undurchdringlich  zu  sein 
(Boussinganit). 

Die  phosphorsauren  Erden  könnten  im  Magen,  wo  sie  von  der  Säure  gelöst  sind, 
in  das  Blut  und  den  Chylus  cindringen,  wenn  sic  nicht  an  den  Grenzen  jener  alkaliseh 
reagironden  Flüssigkeiten  niedergeschlagen  würden ; man  sollte  darum  denken , dass  sie 
nur  zugleich  mit  den  eiweissartigen  Stoffen , denen  sie  sich  verbunden  haben,  aufsaug“ 
bar  wären.  Ist  dieses  der  Fall  t so  müssen  sich  solche  Verbindungen  im  Darmkanal  er- 
zeugen lassen,  da  nach  J.  Lehmann  das  dem  Futter  eines  Kalbes  beigemengte 
Pulver  aus  phosphorsaurem  Kalk  und  Magnesia  reichlich  aufgenommen  wird. 

2.  Die  absoluten  Mengen  einfacher  Nahrungsstoffe,  welche  von 
der  Flächeneinheit  der  Magen,  Dünn-  und  Dickdannwand  in 
der  Zeiteinheit  aufgesogen  werden  können,  sind  bis  dahin  nur 
für  Eiweiss  und  Zucker  in  dem  Dünndarme  des  Kaninchens  auf 
Veranlasrung  Lehmann’s  durch  Kaupp  und  Becker  unter- 
sucht worden.  Wie  vorauszusehen,  sind  diese  Werthe  sehr  verän- 
derlich gefunden  worden.  In  vier  Stunden  nahm  der  Quadratcen- 
timeter  ans  einer  9 pCt.  Eiweisslösung  0,001  bis  0,002  Gr.  Eiweiss 
auf,  während  ans  einer  4,5  pCt.  haltenden  Lösung  nur  höchstens 
0,0005  Gr.  übergingen.  Diese  Versuche  lassen  schlossen,  dass  die 


Digitized  by  Google 


670 


Aufnahme  bezogen  auf  die  Flächeneinheit 


aufgesaugte  Menge  mit  der  Conzentration  die  Lösung  anwächst.  Die 
Beobachtungen,  tvelehe  Becker  mit  Zucker  anstellte,  geben  durchaus 
andere  Resultate.  In  4 Stunden  wurden  von  der  oben  genannten 
Flächeneinheit  aufgesaugt  aus  einer  l,2prozentigen  Lösung  0,003  Gr., 
aus  einer  dprozentigen  0,005  bis  0,007  Gr.,  aus  einer  5,8  und  3pro- 
zentigen  0,003  Gr.  Als  er  den  Versuch  so  abänderte,  dass  er  eine 
lOprozentige  Lösung  1,  2,  3,  4 Stunden  in  dem  Darme  verweilen 
Hess,  gingen  in  der  ersten  Stunde,  wo  die  mittlere  Conzentration 
am  höchsten  war,  0,003  Gr.  über,  in  der  zweiten  und  dritten  Stunde 
0,007  und  in  der  vierten  Stunde  0,008.  Daraus  erfolgt  deutlio^ 
dass  in  diesen  Beobachtungen  die  Dichtigkeit  der  Lösung  und  die 
Ucbergangsgeschwindigkeit  in  keiner  einfachen  Beziehung  zu  ein- 
ander stehen;  in  der  That  kann  diese  Beziehung  durch  die  unge- 
meine Complikation  der  Bedingungen  verdeckt  gewesen  sein. 

Tn  den  vorstehenden  Veteuchen  wurde  eine  Darmschlinge  des  Kaninchens  heraus- 
gezogen  und  abgebunden,  mit  einer  gewogenen  Menge  Zucker-  oder  Biweissloaung  von 
bekannter  Zusammensetzung  gefüllt,  dann  in  die  Unterleibshohle  zurückgebracht,  nach 
Verfluss  der  bestimmten  Zeit  von  ihrem  Inhalte  befreit  und  in  diesem  die  Menge  dos 
Eiweisses  oder  Zuckers  gemessen.  Jedenfalls  wäre  cs  wünschenswert}] , die  Lösungs- 
dichtigkeit auch  zu  Ende  des  Versuches  zu  kennen.  — In  die  von  Becker  geliefert« 
Beurtheilung  seiner  Vcrstichsresultatc  haben  sich  einige  leicht  zu  verbessernde  Versehen 
eingeschlichen,  sodass  das  von  ihm  in  Worten  ausgodrückte  Endergebniss  der  Versuchs- 
reihen nicht  annehmbar  erscheint. 

3.  Zu  den  Bedingungen,  welche  den  Umfang  der  Aufsaugung 
der  Speisen  bestimmen,  gehört  die  Aufenthaltsdauer  des  Chymus 
im  Darmkanale;  diese  ist  aber  gegeben  einmal  durch  die  Bewe- 
gung des  Darmkanales,  und  dann  durch  den  Widerstand,  welchen 
die  Klebrigkeit  des  Breies  der  Fortschaflfnng  entgegensetzt.  Somit 
würde  also  die  Zeit  sehr  bedeutend  abgekürzt,  wenn  der  Speise- 
brei recht  flüssig  und  beweglich  wäre.  Dieses  würde  aber  eiutre- 
ten,  wenn  der  Dannkanal  gleichzeitig  viel  lösliche  Stoffe  enthielte, 
die  eine  mächtige  Anziehung  zum  Wasser  zeigten,  ln  dem  nor- 
malen Verlaufe  der  Dinge  musste  darum  dieser  Uebelstaud  vermie- 
den werden,  was  in  der  That  dadurch  geschehen  ist,  dass  wir  den 
Zucker  nicht  als  solchen,  sondern  als  Arnylon,  das  Giweiss  nicht 
flüssig,  sondern  geronnen  gemessen,  und  noch  mehr  dadurch,  dass 
die  erwähnten  Speisen  so  ganz  allmählich  in  die  lösliche  Modifi- 
kation übergeführt  werden,  und  dass  eine  jede  gelöste  Menge  durch 
die  Verdanungssäfte  aus  dem  noch  ungelösten  Antheile  in  entfernte 
Darmpartieen  weggespült  wird. 

•S'  *>'  t-  ; ' * fl  '..yk'-.-wv/  ,r  ] 


Abrechnung  des  Uiierisclien  Haushaltes. 


671 


IV.  Vergleichung  des  Verlustes  und  Gewinnes  an 
wägbaren  Stoffen. 

Ein  Rückblick  auf  die  Ernährnngsersclieinungen  des  Thier- 
leibes  legt  es  uns  nahe,  die  einzelnen  Organe  und  also  auch  die 
Summen  derselben  zu  vergleichen  mit  einem  Wassersanimier,  der 
gleic  hzeitig  einen  Zu-  und  einen  Abfluss  erfährt.  In  der  That  dringt 
durch  die  Lunge  und  den  Darmkanal  ein  Strom  von  Atomen  in 
den  Organismus  und  durch  Lunge,  Haut,  Nieren  und  After  wieder 
aus,  sodass  je  nach  dem  Verhältnisse,  in  w^hem  der  Umfang  und 
die  Geschwindigkeit  beider  Strömungen  zu  einander  stehen,  das 
mittlere  tägliche  Gewicht  des  Thierleibes  entweder  sich  annähernd 
unverändert  erhält  oder  in  einer  Ab-  oder  auch  in  einer  Zunahme 
begriffen  sein  kann.  Bei  einer  etwas  tiefer  eingehenden  Betrach- 
tung der  Ernährungserseheinungen  zeigen  sich  aber  sogleich  man- 
nigfache Abweichungen  von  den  Ergebnissen  eines  gewöhnlichen 
Stromes,  von  denen  eine 'schon  dadurch  zur  Andeutung  kam,  dass 
der  Begriff  des  mittleren  täglichen  Körpergewichtes  aufgestellt  wer- 
den musste.  Dieser  Ausdruck  weist  darauf  hin,  dass  die  Summe 
wägbarer  Atome,  welche  der  Thierleib  im  Laufe  eines  Tags  um- 
schliesst,  auf  und  abschwankt;  dieses  muss  aber  geschehen,  weil 
ein  Theil  der  Einnahmen  wie  der  Ausgaben  nicht  ununterbrochen, 
sondern  periodisch  geschieht,  während  ein  anderer  Theil  zwar  un- 
unterbrochen, aber  mit  auf  und  niederschwankender  Geschwindig- 
keit ein  - und  ausgeht. 

Der  wichtigere  Unterschied  zwischen  dem  oben  gewählten 
Bilde  und  Strome  von  Atomen  durch  den  thierischen  KörpSr  liegt 
aber  darin,  dass  die  in  den  Thierleib  geführten  Massen  nicht  durch 
ihr  Auftreten  die  in  ihm  vorhandenen  verdrängen  und  hinausschic- 
ben,  sondern  dass  sich  die  anstretenden  Atome  in  vielfachen  Punk- 
ten unabhängig  von  der  Zufuhr  aus  ihren  bisherigen  Verbindungen 
loslösen.  Dieses  wird  sogleich  einleuchtend,  wenn  man  die  That- 
sachenreihe  in  das  Auge  fasst,  welche  als  Verhungern  bezeichnet 
wird,  gleichgültig  ob  dieses  geschieht  in  Folge  einer  allgemeinen 
oder  einer  partiellen  Entziehung  von  Nahrungsmitteln. 


Digitized  by  Google 


672 


Verlust  beim  Gesammthunger. 


Uebersicht  der  Verluste  beim  Verhungern. 

Gesammthunger.  Wird  einem  Tbiere,  das  bis  dahin  zur 
Genüge  gefüttert  wurde,  nur  noch  die  Sauerstoffnahrung  gewährt, 
während  ihm  jegliche  feste  und  flüssige  Nahrung  entzogen  wird, 
so  nimmt  sein  Gewicht  mehr  oder  weniger  rasch  ab.  Hat  diese 
Abnahme  einen  gewissen  Werth  erreicht,  so  tritt  der  Tod  des 
Thieres  ein. 

Daraus  geht  hervor,  dass  jedes  wohl  ernährte  Thier  einen  Vor- 
rath an  festen  und  flüssigen  Stoffen  birgt,  anf  dessen  Kosten  es 
leben  kann.  Es  wird  sich  nun  fragen,  wie  gross  ist  derselbe, 
welche  chemische  Zusammensetzung  besitzt  er  und  in  welchen  Ge- 
weben war  er  aufgehäuft , wie  rasch  braucht  er  sich  auf  und  durch 
welche  Ausscheidungswerkzeuge  verlässt  er  den  thierischen  Körper. 

Das  Gesammtgewicht  Vorraths  wird  gefunden  aus  dem  Unterschied  der  Ge- 
wichte , den  das  Thier  beim  Jäintritt  in  die  Hungerzeit  und  beim  Verenden  zeigt.  — 
Hie  chemische  Zusammensetzung  ergiobt  sich,  wenn  man  die  Gesammt  - Menge  von  0, 
die  das  hungernde  Thier  cinathmete,  und  die  Menge  von  C,H,N,0,S,Cl,Ps0t,  KO,NaO, 
CaO,  die  es  ausgab,  bestimmte;  aus  diesen  Daten  lässt  sich  mit  ZnhülfenaLmc  der  be- 
kannten Zusammensetzung  des  Kiweisses,  der  Fette,  des  Zuckers  u.  s.  w.  wenigstens 
annähernd  berechnen,  aus  welchen  complizirten  Verbindungen  jeno  Ausscheidungspro- 
dukte hervorgingen,  ln  Anbetracht  der  Schwierigkeit,  alle  diose  Zahlen  gewinnen  zu 
können,  hat  man  gewöhnlich  pur  einzelne  dor  aufgczahltcn  Atome,  z.  B.  den  ausge- 
schiedenen N,  die  Salze  u.  s.  w.  bestimmt.  Vorausgesetzt,  dass  aller  N,  der  ausge- 
schieden, auch  wirklich  gewogen  wurde,  kann  man  wenigstens  annähomd  (indem  man 
die  Leitngewebe  der  Gewebe  als  unveränderlich  ansieht)  die  Mengen  des  verbrauchten 
Eiweisses  berechnen.  — Um  den  Verlust,  den  die  einzelnen  Gewebe  und  Organe  wäh- 
rend des  Hungerns  erlitten , ausfindig  zu  machon , zerlegt  man  das  verhungerte  Thier 
und  wägt  seine  anatomischen  Bestandteile.  Diese  Gewichte  vergleicht  man  mit  denen, 
welche  die  entsprechenden  Organe  eines  Thieres  besitzen , das  nach  Gewicht  und  Kör- 
perbau möglichst  dem  verhungerten  gleicht  zu  der  Zeit,  als  mit  dem  letztoren  der  Ver- 
such begonnen  ward.  — Um  einen  andern  allgemeinem  Ausgangspunkt  für  den  Ver- 
gleich zu  erhalten,  bestimmte  C.  Schmidt  in  einem  normalen  Thier  das  Ge  wich  ts- 
verhäl Iniss  aller  einzelnen  Organe  oder  Organgruppen  zu  den  Knochen.  Nimmt 
man  an, »dass  in  jedem  andern  glcichbeschaffenen  Thier  die  Organe  in  demselben  Ge- 
wichtsverhültniss  zu  einander  stehen  und  ferner,  dass  durch  den  Hunger  die  Knochen 
nicht  abmagcron,  so  genügt  jetzt  die  Wägung  der  Organe  des  verhungerten  Thieres,  um 
ihren  Gewichtsverlust  festzustcllen.  Wir  wissen  nicht  einmal  annähernd,  wie  gross  der 
Fehler  dieser  Bestimmung  ist.  — Um  die  Geschwindigkeit  des  Verbrauchs,  respekt. 
die  Aenderungen  dieser  Geschwindigkeit  zu  finden,  muss  dos  verhungernde  Thier  von 
Zeit  zu  Zeit  (von  Tag  zu  Tag,  Stunde  zu  Stunde  u.  s.  w.)  gewogen  werden.  — Be- 
rücksichtigt man  bei  diesen  Wägungen  die  Menge  des  ausgcschiedenen  Harns  und 
Kotlis,  so  ergiebt  sich  aus  der  Differenz  der  Gewichte  der  letzten  Stoffe  und  dem  Ver- 
lust an  Körpcroiftsse  die  Menge  der  Verbindungen,  welche  durch  die  Perspiration 
abgingen. 


liditizecLby  ' 


Proportionaler  Tagesrerlust  beim  Verhungern.  • 673 

Da  sich  der  absolute  Werth  und  die  Zusammensetzung  des 
verwendbaren  Vorraths,  ebenso  wie  die  Geschwindigkeit  seines 
Verbrauchs  mit  der  der  Gattung,  dem  FUttorungszustand,  dem 
Wärmeverbrauch,  der  Muskelanstrengung,  dein  Alter  des  Thieres 
u.  s.  w.  ändern,  so  muss  man,  um  allgemeine  Resultate  zu  erzielen, 
das  Verhungern  unter  diesen  verschiedenen  Verhältnissen  vor  sieh 
gehen  lassen. 

Um  endlich  die  Versuche  mit  einander  vergleichbar  zu  machen, 
muss  man  den  gesummten,  den  täglichen  oder  stündlichen  Verlust 
aut  die  Gewichtseinheit  des  Gesammtthieres  oder  seiner  einzelnen 
Organe  zurückftlbren.  (Proportionaler  Verlust). 

1.'  Die  Grösse  des  proportionalen  Tagesverlustes  ist  verän-  * 
derlich  mit  dem  Zustand,  den  das  Individuum  darbot,  als  es  zu 
hnngern  anting.  Diese  Erfahrung  begründet  sieh  leicht,  wenn  man 
erwägt,  dass  der  beobachtete  proportionale  Tagesverlust  des  Ge- 
sammtkörpers  das  Mittel  ist  aus  den  Gewichtsabnahmen  der  ein- 
zelnen ihn  aufbauenden  Gewebe  und  Säfte.  Diese  aber  sind  von  sehr 
ungleicher  Zersetzbarkeit,  indem  sich  der  Inhalt  der  Muskel-  und. 
Nervenröhren,  der  Leberzcllen  u.  s.  w.  sehr  viel  rascher  urosetzt,  als 
die  Knochen,  die  elastische  Substanz,  das  Sehnengewebe.  Je  nachdem 
also  ein  dem  Versuch  unterworfenes  Thier  relativ  mehr  Knochen 
und^Bindegewebe  oder  mehr  Muskel  und  ♦ett  enthält,  wird  auch 
der  proportionale  Tagesverlust  grösser  oder  geringer  sein. 

Was  für  verschiedene  Thiere  in  gleichen  Terminen  der  Hunger- 
periode g'ilt,  ist  nun  auch  anwendbar  auf  ein  und  dasselbe  Thier 
in  verschiedenen  Abschnitten  der  Hungerzeit,  da  mit  derselben  seine 
Zusammensetzung  wesentlich  umgestaltet  wird.  Namentlich  muss 
mit  der  wachsenden  Hungerzeit  der  proportionale  Tagesverlust  ab- 
nehmen, indem  die  rascher  zersetzbaren  Gewebe  im  Anfänge  des 
Fastens  in  relativ  grösserer  Menge  vorhanden  sein  müssen,  als 
gegen  das  Ende  desselben.  Dennoch  kann  kein  regelmässiges  Ab. 
sinken  des  täglichen  Verlustes  erwartet  werden,  weil  bekanntlich 
die  thierische  Umsetzung  noch  von  andern  Umständen,  als  der  An- 
wesenheit zersetzungsfähiger  Massen  abhängt.  Je  nachdem  also 
diese  Bedingungen,  wie  z.  B.  Muskel-  und  Drüsenerreguugen  kräf- 
tiger einwirken,  wird  auch  der  Umsatz  lebhafter  werden  und  daher 
mag  es  rühren,  dass  der  tägliche  Verlust  unter  Schwankungen  ab- 
sinkt, während  die  Hungerzeit  wächst. 

Der  Reihe  nach  folgen  die  besten  der  bisher*  vorliegenden  Be- 
obachtungen an  Hunden,  Katzen  nnd  Tauben. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  43 


Digitized  by  Google 


674 


Verhungern;  Hund. 


a.  Hund*).  An  demselben  Thiere  haben  Bischoff  und  Voit 
eine  sehr  ausgedehnte  Reibe  von  Fütterungsversuchen  angestellt,  na- 
mentlich Hessen  sie  es  auch  verschiedene  Male  hungern , und  zwar 
dreimal,  je  mehrere  Tage  hindurch.  Diese  drei  Beobachtungsreihen 
werden  hier  nur  berücksichtigt  werden.  Ausser  den  Thatsachen, 
die  die  folgenden  Tabellen  aufzählen,  ist  noch  zu  bemerken,  dass 
das  Thier  vor  dem  ersten  Fasten  mit  1750  bis  1800  Gr.  mageren 
lfuhflcisches  täglich  gefüttert  war.  Vor  dem  zweiten  Fasten  hätte 
es  je  zwei  Tage  hindurch  absteigend  900,  600,  300,  176  Gr.  mageres 
Kuhfleisch  erhalten.  Vor  der  dritten  Hungerperiode  endlich  .war 
es  mit  Fleisch  und  ausgelassener  Butter  gemästet  worden;  in  dieser 
letzten  Reihe  hatte  das  Thier  auch  Wasser  getrunken,  was  es  in 
den  frühem  Reihen  meist  verschmähte. 


I. 


Körperge- 
wicht ln 
Kilo. 

Ge-  • 
j nossencs 
HO  in  Gr.  j 

Harn  in 
CCM. 

Harnstoff 
in  Gr. 

Gewichts- 
verlust In, 
Klio. 

Gewichtsver  - 
lust  auf  1 Kilo, 
Körperge- 
wicht in  Gr.j 

Harnstoff  auf  Harnstoff  auf 
1 Kilo  Kör- 1 1 Kilo  Ge- 
pergewieht  in  wichtsverlast 
Mgr.  1 in  Mgr. 

3.1,31  ] 

202 

24,49 

0,59 

18 

0,73 

0,78 

41 

32,72 

0 

225 

25,56 

0.58' 

18 

32,  U i 

205 

22,76 

0,52 

16 

0,71 

44 

31,62  1 

203 

_ 20,30 
*13,23 

0,51 

16 

0,64 

40 

31,11 

63,0 

135 

0,42 

1 14 

0,42 

32 

30,75 

0 

I 160 

15,23 

0,42 

i 14 

0,50 

36 

30,33 

1 - 

! - 

n. 

_ 

32,55  1 

j 

186,2 

16,93  1 

0,47 

14 

0,52 

*36 

32,3S  | 

0 

170,2 

17,00 

0,48  | 

15 

0,53 

35 

31.90  ' 

156,2 

15,76 

0,43  j 

13 

0,49 

37 

31,47  1 

- 1 

| 

- 1 

— 

| 

— 

m. 


Korpergc  - 
wicht  in 
Kilo. 

Genos- 
senes 
HO  ln 

m. 

Körperge- 

wicht 

-j  Wasser. 

Harn 

in 

CCM. 

Ge- 
ll am  «toff  wicht«  - 
ln  Gr.  verlnat 
in  Kilo. 

Gewichts- 
verlust auf 
1 Klio  Kör- 
pergewicht 
in  Gr. 

Harnstoff  auf 
HUf  1 Kilo 
Körperge-, 
wicht  iu  Gr. 

Harnstoff  auf 
1 Kilo  Ge- 
wichtsverlust 
In  Mgr. 

40,30  - 

319 

40,62 

384 

37,48 

0,94 

19 

0,93 

40 

39,68 

261 

39,90 

255 

23,26 

0,71 

18 

0,59 

33 

39,19 

460 

39,65 

194 

16,68 

0,89 

23 

0,13 

18 

39,76 

102 

38,76 

165 

14,85 

0,41 

11 

0,38 

36 

38,35 

122 

38,47 

150 

12,60 

0,51 

13 

0,33 

31 

37,90 

215 

38,18 

155 

12,77 

0.46 

12 

0,33 

28 

37,72 

37,42 

216 

37,94 

154 

12,01 

0,52 

14 

0,32 

23 

•>  Bischoff  und  Volt,  Die  Gesetze  der  Emiihrnng  de»  Fleischfressers.  1860. 


_ ..  zc-d  üy  Google 


675 


Hungernder  Hund  nach  Bise  ho  ff  und  Voit 

Diese  sehr  merkwürdigen  Thatsaehen  lassen  sich  folgendcr- 
massen  in  Worten  fassen. 

Der  ahsolnte  tägliche  Gesammt verlast  nimmt  im  Allge- 
meinen mit  "der  Dauer  der  Hangerzeit  ab.  — Dasselbe  ereignet 
sich  auch  mit  dem  proportionalen  Gesammtverlust.  Die 
Grösse  dieses  letztem  scheint  sich  vorzugsweise  nach  der  dem  I lun- 
gern vorausgegangenen  Flltterungsart  zu  richten.  Vereinigt  man 
die  drei  ersten  Tage  jeder  Reihe  zu  einem  Mittel,  so  ist  es  bei 
1 — 17;  bei  II  = 14 ; bei  III,  wo  allerdings  noch  Wasser  ge- 
nommen wurde  = 20,  also  bei  dem  am  reichlichsten  -gefütterten 
Thier  am  grössten.  Vereinigt  mau  die  noch  übrigen  Tage  der  1. 
und  3.  Reihe  zu  einem  Mittel,  so  ist  es  bei  1 — 14,6  und  bei  III 
= 12,5,  was  um  so  bemerkenswerther  ist,  als  das  gesamnite  Kör- 
pergewicht bei  III  um  7 Kilo  grösser  ist  als  bei  I. 

Der  proportionale  Harnstoffverlnst  ist  nach  einer  Fleisehnah- 
ruug,  insbesondere  nach  reichlicher,  grösser  als  nach  Fett  und  Fleisch- 
nahrung.  Dieses  gilt  ganz  allgemein , sowie  man  aus  der  Reihe  111 
den  ersten  llungcrtag  nicht  berücksichtigt.  In  allen  Fällen  nimmt 
mit  kleinen  Schwankungen  der  proportionale  Ilar-nstoffverlust  mit 
der  dauernden  Hungerzeit  ab.  , 

Der  HarnstofFgehalt  des  Gewichtsverlustes  ändert  sich  mit  der 
Hungerzeit,  und  auch  hier  ist  im  allgemeinen,  namentlich  in  der  I. 
und  III.  Reihe  die  Eigentümlichkeit  bemerkbar,  dass  das  Kilo  Ge- 
wichtsverlust der  späteren  Hungertage  ärmer  an  Harnstoff  ist  als 
das  der  frühem.  Unter  der  annehmbaren  Voraussetzung,  dass  die 
umgesetzten  Eiweisskörper  ihren  N nur  durch  den  Harnstoff  ent- 
leerten, würde  dieses  bedeuten,  dass  die  chemische  Natur  der  Um- 
setzung mit  der  wachsenden  Ilungerzeit  sich  änderte  und  dass  na- 
mentlich die  der  Eiweisskürper  sich  relativ  verminderte. 

Der  proportionale  mittlere  Perspirationsverlust,  der  aus  den 
obigen  Tafeln  abgeleitet  werden  kann,  wächst  mit  dem  Gewicht 
der  Thiere.  Bei  I ist  er  = 9,7  Gr.,  bei  II  — 8,7  Gr.,  bei  HI 
= 11,9  Gr. 

- Will  man  mit  Bischoff  und  Voit  noch  bestimmte  Annahmen 
Uber  die  Atomgruppen  (Fett,  Wassergehalt  des  Fleisches  u.  s.  w.) 
machen,  aus  welchen  die  ansgeschiedenen  Stoffe  hervorgingen , so 

43* 


Digitized  by  Google 


676 


Hunger.  Katze. 


lässt  sich  die  Zahl  der  Ableitungen  noch  weiter  mehren.  Wir  ver- 
weisen rUcksichtlich  derselben  auf  ihre  Abhandlung*). 

b.  Katie*1).  Aus  einer  weiter  in  da**Einso1ne  gehenden  nnd  mühevollen  Ver- 
suchsreihe  an  Katzen  schließt  Schmidt:  i)Die  täglich  eingeathmeto  Kohlenraengc  ist 
absolut  genommen  in  den  ersten  8 Tagen  der  Hungerzeit  am  grössten  , in  den  letzten 
2 Tagen  vor  dem  Tode  am  geringsten ; relativ  zum  Körpergewichte  halt  sie  sich  da- 
gegen in  den  orslen  0 Tagen  nahezu  gleich  y in  den  darauf  folgenden  7 Tagen  wächst 
sie  an  nnd  nimmt  in  den  letzten  2 Tagen  sehr  bedeutend  ab.  — 2)  Die  ausgeschie- 
done  Harnstoffraenge  sinkt  wahrend  der  boiden  ersten  Hungertage  beträchtlich , hält 
sich  dann  bis  zu  den  beiden  letzton  Tagen  vor  dem  Tode  nahezu  gleich ; in  den  beiden 
letzten  Tagen  sinkt  sie  sehr  bedeutend  ab.  — 3)  Der  Gehalt  des  Harnes  an  SO*  und 
PO5  steigt  mit  der  Hungerzeit,* der  Clgehalt  verschwindet  dagegen  vollkommen.  Das 
Verhältnis»  der  SO*  zur  PO.-,  bleibt  sich  bis  zum  Tode  gleich.  Denn: 

Ein  Kilogramm  Katze  gab  in  24  Stunden  in  Grammen 


•)  In  der  an  gezogenen  Abhandlung  wird  der  Por*pirationsYcrlu»t  nach  jeder  Versuchsreihe 
durch  zwei  (ilcichungcn  ausgedrückt , wobei  es  «ich  jedesmal  herausstellt , dass  die  beiden  ao «ge- 
rechneten Wcrtho  nahezu  Ubereinstimmen.  — Miese  Toberei nstimmung  müsste  als  eine  Bürgschaft 
für  die  Richtigkeit  der  Annahme  angesehen  werden  , wenn  die  in  den  beiden  Ausdrücken  vorkom- 
menden Worthc  wirklich  auf  verschiedene  Weise  abgeleitet  wären.  Dazu  hat  es  aber  den  An- 
schein , weil  die  zn  den  beiden  Rechnungen  gebrauchten  Zahlen  wirklich  ganz  verschieden  «tu- 
schen. In  der  That  sind  jedoch  die  Wcrthe  beider  Gleichungen  auf  dieselbe  Weise  abgeleitet:  sie 
unterscheiden  sich  nur  durch  bcsoudcr©  Annahmen  über  die  Berechnung  eines  meist  kleinen  Koth- 
antheils.  Dieser  Ausspruch  bewahrt  sich  durch  folgendes.  , 

ln  der  ersten  Gleichung , die  nach  dem  N-verbrauch  berechnet  ist , werden  folgende  Werthe  in 
den  Ansatz  gebracht-  A'  das  corriglrte  Anfangsgewicht,  E'  das  corrigirtc  Endgewicht  de»  Thier», 
ferner  K'  der  berechnete  Koth ; fl  ein  Cocfßzient  , mit  welchen  man  eine  bekannte  t^n.i.ntitut  von 
Stickstoff  multiplizlren  muss , wenn  man  erfahren  will , wie  viel  Fleisch  von  bekannter  Zusammen- 
setzung mit  Hülfe  jenes  Stickstoffs  dargestellt  werden  kann  ; n der  Stickstoff  des  gefütterten,  feuch- 
ten Fleische»;  n'  der  Stickstoff  des  entleerten  Harnstoffs;  n*'  der  Stickstoff  des  entleerten  Rothes: 

w da»  genossene  Waaaergcwlcht;  u dos  entleerte  Harngewicht. 

Nach  der  ersten  Gleichung  von  Volt  und  Hlschoff  ist  nun  die  Einnahme,  welche  das  Thier 
macht  W+[n|l-(n|i-  n ft  — u'/f)j  -f  n,i  — (n'  -f  n")  fl  — (E‘  — A');  die  Aus- 
gabe aber  = u 4.  K'.  Zieht  mau  die  Ausgabe  von  der  Einnahme  ab,  so  erhält  man  die  Per- 
spiration =#  r.  Also  lat  P =s  W -f  nft  4.  A'  — K'  — 0 — K . Die  A\  E',  K'  sind  aber 

folgcndermaasscn  zu  verstehen.  Es  »ei  A das  gefundene  Körpergewicht  beim  Region  einer 

Versuchsreihe , *0  unterscheidet  »Ich  diese»  von  dem  corrigirten  A’  dadurch , dass  es  noch  um 
einen  gewissen  Werth  vermindert  werden  muss,  welcher  dem  Koth  entspricht,  den  es  aus  einer 
früheren  Füttornngsrcihe  mitgebracht,  aber  noch  nicht  entleert  hat,  nennen  wir  diesen  initgcbmch- 
ten  Koth  K,  so  ist  also  A'  = A — K.  Zu  Ende  der  Versuchsreihe  , wo  das  Thier  E wog,  pahro 
es  aber  auch  noch  Koth  mit,  welchen  es  während  der  betrachteten  Versuchsreihe  gebildet  «brr 
beim  Schluss  derselben  noch  nicht  entleert  hatte.  Nennen  wir  diesen  K,  so  ist  da»  corrigirte  End- 
gewlcht  de»  Thicrea  E'  * B — K'  — K.  — Der  berechnete  Koth  endlich  ist  der  wahrend  der  Ver- 
suchsreihe entleerte  Koth  k weniger  des  imtgebrnchtcn  nnd  mehr  des  mitgenommenen,  also  K'  =* 
— k f K.  Setzen  wir  diese  Wcrthe  statt  A\  E'  und  K'  in  die  obige  Gleichung,  so  erhalten  wir 
W + n 0 + A — E — U — k + K = P. 

In  der  zweiten  Rechnung  werden  dagegen  unter  die  Einnahmen  gesetzt  dos  Anfangsgewicht  A. 
das  aufgenommene  Fleisch  nft,  das  Wasser  U und  unter  die  Ausgaben  das  Endgewicht  E,  der  Harn  t\ 
der  während  der  Beobachtungszeit  ausgestosacne  K ; also  ist  jetzt 

W + n/f-f-A  — E — U — k=P*  und  P*  =*  P — K. 

*•)  Bidder  und  Schmidt,  Verdauungssäfte  etc.  p.  308  u.  f. 


* 

DyCoogle 


Hungernde  Katze  nach  B i d d • r und  Schmidt. 


677 


Zelt  in  Stunden 
nach  der  letzten 
Fütterung. 

W asser 
durch  Niere 
u.  Darm.  1 

Harnstoff. 

so3 

po5 

Summe 

unorgan. 

Bestdthlf. 

Ausgcath- 
mete  kohle. 

Faeces 

wasserfrei. 

9 — 32 

37,09 

3,437 

0,133 

0,144 

0,5  IS 

5,64 1 

0,503 

32  — 56 

' 22,00 

2,298 

0,092 

0,109 

0,359 

5,620 

0,540 

5(1  — 80 

19,39  1 

1,887 

0,080 

0,104 

0,309 

5,883 

0.484 

SO  — 104 

19,80 

1,732 

0,077 

0,104 

0,294 

5,658 

0,502 

101  - 128 

25,39 

2,227 

0,091 

0,129 

0,333 

5,594 

0,779 

12S  — 152 

20,31 

2,133 

0,079 

0,114 

0,281 

5,712 

0,291  • 

152  — 176 

19,25 

1,969 

0,075 

0,113 

0,271 

5,642 

0,339 

176  — 200 

21,35 

2,091 

0,083 

0,131 

0,301 

5,670 

0,592 

200  — 224 

23,26 

2,263 

0,083 

0,1  19 

0,301 

5,971 

0,982 

224  — 248 

19,92 

1,907 

0,077 

0,113 

0,277 

6,127 

0,745 

248  - 272 

18,22 

2,723 

0,073 

0,1 10 

0,264 

6,024 

0,643 

272  — 296 

18,11 

1,648 

0,062 

0,093 

0,227 

6,310 

0,525 

296  — 320 

23,33 

2,166 

0,087 

0,1 15 

0,303 

6,439 

0,287 

320  — 341 

25,07 

2,224 

0,095 

0,113 

0,321 

6,423 

0,224 

344  — 369 

26,76  j 

2,052 

0,094 

0,104 

0,296 

6,534 

0,223 

369  — 392 

32,78 

2,154 

0,085 

0,109 

0,307 

6,350 

0,172 

392  — 416 

19,93 

1,216 

0,049 

0,065 

0,182 

5,850 

0,119 

416  - 440 

10,21  1 

0,597 

0,024 

0,036 

0,005 

■ 4,79t 

0,244  ' 

Za  dieser  Tafel  ist  zu  . bemerken:  das  dem  Vcrsucho  unterworfene  Thier  (eine 
trächtige  Katze)  erhielt  während  der  Dauer  der  Beobachtung  zu  7 verschiedenen  Tageil 
etwas  Wasser,  im  Ganzen  131,5  Gr.  — Der  Harnstoff  wurde  nach  der  Methode  von 
Heintz-Ragsky  und  die  CO*  in  einem  Respirationskasten  mit  Luftdurchzug  be- 
stimmt. Die  fiir  die  COt  verzeichneten  Werth e sind  abgeleitet  aus  44  Beobachtung*- 
stunden,  so  dass  das  Thier  im  Mittel  2,5  Stunden  täglich  im  Athembehälter  verweilte. 
Diese  Beobachtungsstunden  sind  so  ausgewählt,  dass  wo  möglich  die  eine  in  das  Maxi- 
mum und  die  andere  in  das  Minimum  der  täglichen  CO*- Ausscheidung  fällt.  Eine  be- 
stimmung  des  durch  die  Lunge  ausgeschiedonen  N-Gases,  welche  nach  Regnault 
und  Reiset  bei  hungernden  Thicren  statt  hat,  ist  nicht  versucht  worden.  Schmidt 
leitet  aus  den  Zahlen  der  Tabelle  auch  noch  her,  wio  viel  bindcgcwebshaltigcs  Fleisch 
und  Fett  sich  während  der  Hungerzeit  umgesetzt  habe.  Da  mehrere  seiner  Voraus- 
setzungen nicht  festgestellt  sind,  wie  z.  B.,  dass  aller  N durch  Iiarn  und  After  aus- 
geschieden sei,  dass  das  fettfreie , bindegcwebsbaltige  Katzenfleisch  zu  allen  Zeiten  der 
Hungerperiode  gleich  zusammengesetzt  sei  u.  s.  w.,  so  verweisen  wir  auf  dio  Abhand- 
lungen selbst.  Wir  kehren  zurück  zu* der  Aufzählung  weiterer  Beobachtungen. 

Da  auch  täglich  mehrmals  das  Körpergewicht  der  oben  geschilderten  Katze  be- 
stimmt wurde,  so  konnte  noch  festgestellt  werden:  4)  dnsS  der  Verlust,  der  durch 
Haut  und  Lunge  geschieht,  in  der  Nacht  geringer  als  bei  Tage  ist;  die  Unterschiede 
treten  in  den  ersten  Tagen  bcträcÄtlicher  hervor;  in  den  letzten,  nachdem  das  Thier 
erblindet  war,  verschwanden  6ie  tlagegen  nahezu.  Nach  einer  Mittclbcreehnung  von 
Schmidt*)  liegt  der  grösste  Werth  zwischen  12 — 6 Uhr  Mittags,  der  niedrigste 
zwischen  2—6  Uhr  Nachts.  — 5)  Dio  täglich  abgesonderte  Gallenmenge  nimmt  bei 
hungernden  Katzen  sehr  rasch  ab  in  den  ersten  beiden  Tagen  (p.  323),  von  da  sehr 
allmählich  bis  zu  dem  10.  Tage.  Vorausgesetzt , dass  bei  der  vorliegenden  Katze  in 
demselben  Verhältniss  zum  Körpergewicht  Gallenausscheidungen  stattgefunden  haben, 
wie  in  der  früher  aufgeführten  Beobachtung,  so  lässt  .sich  nach  Schmidt  behaupten, 


•)  1.  c.  ln  der  Tabelle  XVU.  p.  347. 


Digitized  by  Google 


ß78  ' Hungernde  Taube  na^h  Chossat,  Uchuchardt  u.  A. 

dass  im  Beginn  der  Beobachtung  nur  oin  kleiner  Theil,  vom  10.  Tage  an  aber  die 
ganze  Menge  der  ausgeschiedenen  Galle  durch  die  Faeces  entleert  worden  sei. 

c.  Taube.  Aus  den  Versuchen*)  von  Chossat  und  Schuckardt  an  Tauben 
geht  rücksichtlich  des  täglichen  Verlustes  hervor,  I)  dass  er,  'alles  Andere  gleichge- 
actzt,  steigt  mit  dem  Körpergewichte.  — Kr  variirt  gewöhnlich  in  der  Art , dass  er 
in  den  ersten  Tagen  nach  der  Nahrungsentziehung  sehr  beträchtlich  ist,  dann  gegen 
die  Mitte  der  Ilungcr/eit  abnimmt,  in  den  letzten  Tagen  vor  dem  Tode  wieder  an- 
steigt und  einige  Stunden  vor  letzterem  aber  rasch  absinkt.  — Der  grösste  Theil  des 
täglichen  Verlustes  fällt  auf  Haut-  und  Lungenausdünstung.  Zur  Bestätigung  dieser 
Behauptung  lassen  wir  die  Beobachtungsreihen  von  Schuch ar dt  folgen: 


_ Gewicht  der  Taube  iin  Beginn  Gewicht  der  Taube  im  Beginn  Gewicht  der  Taube  im  Beginn 
X?  der  Versuchsreihe  268,0  Gr.  der  Versuchsreihe  2*9.0  Gr.  der  Versuchsreihe  29«J,0  Gr. 

c — _____  - - ; 


SS  • 

u , 

<5  » Insge- 

* 2"  Nimmt. 

Verlust 

durch  durch 

Lunge  u.  Ham  und 
llaut.  1 Faeces. 

I nage- 
lt ammt. 

Verlust 
durch  1 
Lunge  u. 
Haut. 

durch 
Lira  und 
Faeces 

Insge- 

aanimt. 

Verlust 
| durch 
Lunge  u. 
Haut. 

durch 
Harn  und 
Faeces. 

1.  I|  15,0 

11,5 

3,5 

17,0 

13,2 

3,8 

22,8 

13,3 

9,5 

2.  13,2 

10,7 

2,5 

14,2 

11,2 

3,0 

16.0 

11,2 

4,8 

3.  | 11,6 

9.« 

2,0 

15,8 

— J 

18,0 

13,0 

5,0 

4.  11,5 

7,3 

4,2 

18,0 

11,2 

0,8 

19,1 

14,0 

5,2 

5.  12,7 

0,6 

6,1 

26, S 

21,6 

7,2 

21,0 

14,0 

7,0 

6.  14,3 

7,1 

7,2 

1,2 

1,2 

0,0 

7,1 

7,1 

0,0 

7.  1 10,4 

6,4  1 

2,0 

— 



— 

Bou s s i n gaul t**)  fand,  dass  hungernde  Turteltauben  in  der  Nacht  weniger 
Kohlenatoff  verlieren,  als  bei  Tage.  Eine  Turteltaube  hatte  bei  normaler  Ernährung 
in  einer  Tag6tunde  im  Mittel  0,25MGr.  C.,  in  oincr  Nachtstunde  aber  0,162  Gr.  C.  aus- 
geathmet.  Als  dieselbe  168  Stunden  hungerte,  verlor  sie  in  einer  Tagstunde  im  Mittel 
0,117  Ur.  C.,  in  einer  Nachtstunde  aber  0,075  Gr.  C. 

Zur  Charakteristik  der  Lebensvorgänge  resp.  des  Verlustes  beim  Verhungern  tragt 
noch  wesentlich  bei  die  Feststellung  des  Verhaltens  der  thicrischon  Wärme  und  der 
Athembowegungon  an  den  einzelnen  Hungertagen,  wio  sie  Chossat***)  in  ausgedehn- 
ter Weise  für  Tauben  geliefert  hat.  Um  die  einzelnen  Beobachtungen  zur  Gewinnung 
von  Mittelzahlen  vergleichbar  zu  machen,  thcilte  er  die  Lebensdauer  jedes  einzelnen 
Thicres  vom  Beginn  des  Hangems  bis  zum  Todestage  (diesen  exclusive)  in  drei  gleiche 
Theil«  und  zog  nun  aus  allen  gleichnamigen  Abschnitten  die  folgenden  Mittel.  Die 
Temperaturen  bestimmte  er  im  Mastdarmo  und  die  Athemzüge  zählte  er  um  Mittag 
und  Mitternacht.  Die  Beobachtungen  während  des  genügenden  Futters  sind  an  den- 
selben Thieren  gewonnen.  Die  Temperaturmessungen  ergaben: 


Te m p c r st ur  w äh r o n d der 

H nngeraelt. 

Temperatur  wäh- 
rend normaler 
Fütterung. 

Erstes  DrltttheiL 

Zweites  DrltttheiL 

Drittes  DrltttheiL 

Mittag  .... 

42,1 t“  C. 

41,87“  C. 

41,37«  C.  j 
1 37,32  „ 

42,22“  C. 

Mitternacht  . . 

39,85  „ 

38,72  „ 

41,48  „ 

Unterschiede 

2,26  „ 

3,15  „ 

4,05  „ | 

0,74  „ 

*)  Chossat,  Sur  riuanition.  Mdtnnires  dos  savan*  dtrangcr».  VIII.  Bd.  — Sehuchirdt, 
Quaedain  de  effectu  quem  privatis  sing.  part.  nutrimentum  coostltuentlum  etc.  Marburg  1847. 

••)  Annale*  de  chlm.  et  phy*.  »«fr.  XI.  (1844.)  446. 

•**)  L c.  p.  107.  o.  f. 


Digitized  by  Google 


Hunger;  proportionaler  Gesammtverlust. 


679 


Am  letzten  Tage  sank  die  Temperatur  sehr  rasch ; war  sie  auf  26°  angelangt , so 
gingen  die  Thiere  zu  Grunde. 

Die  Zählung  der  Atkombcwegungen  stellte  fest: 


Zahl  «1er  Athemziigc  Zahl  «1.  Athemztige 

In  der  Minute  wahrend  derllangerselt.  ln  der  Minute 

— — — r — — — während  normaler 

Erstes  Dritttheil.  Zweites  Dritttheil  Drittes  Dritttheil.  Fütterung. 

25  j 23  | 21  | 31 

Vereinigt  man  alle  Zählungen  der  Athembewegungen  bis  zum  Tage  vor  dem  Hun- 
gern, so  erhält  man  um  Mittag  22  und  um  Mitternacht  24  Athemzüge  in  der  Minute; 
während  der  hinreichenden  Ernährung  athmeten  die  Tauben  am  Mittag  30  Mal  und 
um  Mitternacht  32  Mal  in  der  Minute.  Das  auffallende  Ergebnis«,  dass  bei  der  ver- 
hungernden Taube  in  der  Nacht  die  Athemfolgc  beschleunigter*  gefunden  wurde,  ist 
nach  Chossat  wahrscheinlich  darin  begründet,  dass  die  Thiere  durch  den  Beobachter 
aus  dem  leisen  Schlaf  aufgeschreckt  wurden , den  sic  während  der  Hungerzeit  gemes- 
sen. Am  letzten  Lebenstage  sank  das  Minutenmittel  der  Athcmzüge  auf  19  herab. 

2.  Der  proportionale  Gesammtverlust,  oder  der  Quotient  ans 
der  Gewichtsabnahme  des  Thieres  während  der  ganzen  Hungerzeit 
in  das  Körpergewicht  vor  Beginn  der  letzteren,  ist  ebenfalls  sehr 
veränderlich  gefunden  worden  und  insbesondere  haben  die  Beob- 
achtungen von  Chossat  anfgedeckt,  dass  junge  magere  Turtel- 
tauben (mittleres  Anfangsgewicht  ="110  Gr.)  im  Mittel  schon  bei 
einem  proportionalen  Gesammtverlust  von  0,25  starben,  während  er 
bei  älteren  fetten  (mittleres  Anfangsgewicht  = 189  Gr.)  den  Werth 
von  0,46  erreichen  musste,  bevor  sie  zu  Grunde  gingen.  Diese 
Erscheinung  findet  ihre  Erklärung  darin,  dass  eine  gleichwcrthige 
Abzehrung  verschiedener  Organe  des  Thierkörpers  von  ganz  un- 
gleichen Folgen  flir  das  Bestehen  des  Lebens  sein  mtiss,  wie  z.  B. 
offenbar  die  Abmagerung  der  Herzmuskeln  und  des  Jlirns  viel  er- 
greifender wirkt,  als  die  des  Fettes,  des  Bindegewebes,  des  Ske-  * 
lets  und  seiner  Muskeln.  Da  aber  die  Thiere,  welche  einen  ge- 
ringem proportionalen  Gesammtverlust  ertrugen,  auch  nach  viel  kür- 
zerer Zeit  (nach  3 Tagen)  hinstarben,  als  die  alten  und  fetten  (nach 
13  Tagen),  so  folgt  auch  aus  den  gemachten  Mittheilungen,  dass 
ein  Reichthum  an  Skeletmuskeln  und  Fett  die  wichtigeren  Organe 
vor  wesentlichem  Verlust  zu  schätzen  vermag,  sei  es,  dass  die  um- 
setzenden EinfiUsse  nicht  eher  die  letzteren  Gebilde  angreifen,  be- 
vor die  ersteren  bis  zu  einem  gewissen  Grade  aufgezehrt  sind,  oder 
sei  es,  wie  wahrscheinlicher,  dass  die  wichtigeren  Organe  und  ins- 
besondere das  Hirn  tägliche  Verluste  auf  Kosten  des  Fettes  und 
der  Skeletmuskeln  wieder  ersetzen , so  lange  diese  vorhanden.  Zur 


Digitized  by  Google 


680 


Proportionaler  Gesammtverlust  der  Organe. 


Unterstützung  der  letzteren  Alternative  dient  namentlich  die  Beob- 
achtung, dass  das  Hirn  unter  allen  Organen  durch  den  Hunger  den 
.geringsten  proportionalen  Verlust  erlitten  hat,  obwohl  dieses  Organ, 
so  lange  cs  lebt,  nothwendig  auch  umgesetzt  werden  muss,  denn 
ohne  dies  würde  weder  sein  arterielles  Blut  in  kohlensäurehaltiges 
venöses  umgcwandelt  werden  können,  noch  könnte  das  Organ  fort- 
während lebendige  Kräfte  entwickeln. 

Von  einem  nicht  untergeordneten  Interesse  sind  die  Beobachtungen  über  den  pro- 
portionalen Gesammtverlust,  den  die  einzelnen  Organe  durch  das  Hungern  erleiden. 
Die  Zergliederung  der  Thiere  wurde  von  Chossat  unmittelbar  nach  dem  Tode  vor- 
genommep  und  die  ausgeschnittenen  Organe  sogleich  gewogen.  Hierbei  konnte  jedoch 
ein  Verlust  durch  Wasserverdunstung  nicht  vermieden  werden , welcher  sich  bis  zu 
8 pCt.  steigerte.  Um  diesen  Uebelstand  zu  beseitigen,  wurden  auch  die  getrockneten 
Organe  mit  einander  verglichen.  Das  Mittel  aus  allen  Wägungen  lieferte  nun  die  fol- 
gende Tafel,  in  welcher  die  Zahlen  den  Verlust  bedeuten,  welchen  100  Theile  des  be- 
• treffenden  frischen  oder  wasserfreien  Organ  es  während  der  ganzen  Hungerzeit  erleiden. 


frisch. 

trocken. , j 

frisch,  trocken,  |; 

frisch. 

trocken. 

Fett  . . . 

93,3 



Uebrigc  Sko- 

1 

Lungen , 

Blut  . . 

61,7 

— 

letmuskcln 

35,6  1 35,1) 

blutleer 

22,4 

22,5 

Mil*  . . . 

71,4 

66,6 

1 Alle  Muskeln 

Knocheft 

— 

16,7 

Pankreas  . . 

64,4 

65,2 

im  Mittel 

42,4  [ 34,5  | 

Augen 

10,0 

— 

Leber  . . . 

52,0 

47,3 

,Pharyn%  und 

Hirn 

0,0 

Herz  . . . 

44,8 

46,9 

' Oesophagus 

34,2  | - 1 

Rücken- 

9,0 

Gedärme  . . 

42,4 

Haut  . . . 

33,3  — 

mark 

7,0 

Brustmuskeln 

53,1 

55,0 

Nieren  . . 

31,9  1 — 1 

Auf  demselben  Wege  hat  Schuch  ardt  für  die  feuchten  Organe  ganz  ähnliche 
Zahlen  erhalten. 

Da  wir  die  täglichen  proportionalen  Verluste  der  lebenden  Gesammtkatze  ange- 
geben haben,  für.  welche  Schmidt  die  Organverlustc  berechnet  hat,  so  lassen  wir  hier 
auch  die  von  ihm  gegebenen  Zahlen  der  letzteren  folgen , wobei  wir  uns  jedoch  auf 
die  beschränken, •welche  mit  den  Beobachtungen  von  Chossat  vergleichbar  sind.  Sie 
beziehen  sich  sämmtlich  auf  die  getrockneten  Organe  und  haben  die  Bedeutung  der- 
jenigen in  der  vorhergehenden  Tafel. 


Mesenterium  und  Fettgewebe 

91,3 

Muskeln  und  Sehnen 

65,0 

Blut 

90,4 

Haut 

Milz 

70,2 

Lungen 

10,5 

Pankreas 

84,5 

Gehirn  und  Rückonmark 

32,9 

Leber  

64,7 

Knochen  

0,0 

Darm  k anal 

27,8 

Berücksichtigt  man  nun,  dass  unter  dcü  thierischcn  Gewebstheilen , welche  vor- 
zugsweise zum  Verluste  kommen,  Blut,  Muskeln  und  Fettgewebe  dem  Gewichte  uach 
überwiegen  über  alle  anderen,  so  folgt  daraus,  dass  das  hungernde  Thier  auf  Kosten 
seines  Blutes,  seines  Fettes  und  Muskclgowcbcs  lebt,  wobei  sich  u.  A.  die  auffallende 
Erscheinung  einfindet , dass  bei  der  Taube  die  zum  Aufrochthalten  des  Rumpfes  be- 


Verhungern  bei  unvollständiger  Nahrung. 


681 


nutzten  Muskeln , welche  während  der  Hungcrzeit  Öfter  in  Bewegung  sind , weniger 
verlieren,  als  die  ruhig  gehaltenen  Flugmuskeln;  es  haben  sich  also  auch  die  Muskeln 
gegenseitig  ernährt. — Der  grosse  Verlust 'des  Hirns  und  Rückenmarkes  beim  Säuge- 
thiere,  gegenüber  dem  verschwindenden  beim  Vogel,  bedarf  weiterer  Bestätigung. 

Verhungern  bei  qualitativer  ungenügender  Nah- 
rung. Unvollständige  Nahrung.  An  die  Versuche  mit  voll- 
kommener Nahrungsentziehung  schliessen  sich  die,  bei  welchen  nur 
einer  oder  einige  der  lebensnothwendigen  Stoffe  dem  Thier  vor- 
enthalten werden.  Diese  Reihen  können  zu  verschiedenen  Erfol- 
gen führen. — 1)  Der  Tod  erscheint  mindestens  so  rasch  wie  beim 
Gesammthunger  und  die  Einbusse  des  Tbieres  an  Gewicht  ist  da- 
bei entweder  ebenso  gross  oder  auch  kleiner  als  beim  Verhungern 
nach  Entziehung  aller  Nahrung.  — Im  ersten  Fall  würden  die 
festen,  flüssigen  und  gasförmigen  Ausgaben  des  Thieres  nicht  alle 
die  Stoffe  enthalten,  die  sie  beim  Gesammthunger  führen,  sondern 
auch  noch  diejenigen,  welche  in  der  qualitativ  ungenügenden  Nah- 
rung gereicht  wurden;  daraus  würde  dann  hervorgehen,  dass  die 
Fähigkeit  eines  Nährstoffes,  sieh  im  thierischen  Körper  anzusam- 
meln, nicht  allein  von  seiner  chemischen  Zusammensetzung,  son- 
dern auch  von  der  Natur  des  Gemenges  abhing,  in  welchem  das- 
selbe genossen  wurde.  — Wenn  dagegen  das  Thier  ebenso  rasch 
\yie  beim  Gesammthunger  zu  Grunde  geht,  dabei  aber  im  Augen- 
blick des  Todes  merklich  schwerer  ist,  als  es  voraussichtlich  beim. 
Tod  nach  vollkommener  Nahrungsentziehnng  gewesen  sein  würde, 
60  würde  daraus  zu  folgern  sein,  dass  das  Thier  aus  der  qualita- 
tiv ungenügenden  Nahrung  allerdings  Stoffe  aufnehmen  konnte, 
aber  dass  dieselben  keine  lebensfähigen  Verbindungen  darzustellen 
vermögen.  — 2)  Das  Thier  konnte  aber  beim  Theilhunger  auch 
viel  später  als  bei  Gesammthunger  sterben.  Dann  würden  auch 
die  den  Answurf  führenden  Absonderungen  anders  zusammengesetzt 
sein  als  bei  vollkommener  Nahrungsentziehnng ; dieser  Erfolg  würde 
bedeuten,  dass  die  wenn  auch  unvollkommene  Nahrung  theilweise 
wenigstens  ergänzend  für  die  zum  Leben  nothwendigen  Umsetzun- 
gen eintreten  könnte.  — 3)  Auch  könnte  es  sich  ereignen,  (nament- 
lich wenn  der  Nahrung  das  eine  oder  andere  Salz  fehlte),  dass 
von  dem  Augenblick  an,  wo  der  Gehalt  des  Thieres  an  dem  Stoff, 
welcher  der  Nahrung  nicht  zugesetzt  ist,  auf  ein  Minimum  herabge- 
bracht ist,  dieser  mit  Hartnäckigkeit  vom  Organismus  zurückgehalten 
würde.  Möglicherweise  Würde  er  aber  auch  durch  einen  andern 
chemisch  verwandten,  ohne  dass  der  Tod  erfolgte,  verdrängt  und 


Digitized  by  Google 


682 


Entziehung  aller  festen  Nahrung. 


durch  diesen  ersetzt.  Daraus  würden  sich  vielleicht  Fingerzeige 
für  den  Antheil  des  fraglichen  Stoffes  an  den  Lebensvorgängen 
ergeben.  • 

Das  Folgende  giebt  die  wichtigem  der  bekannten  Thatsachen. 

Entziehung  aller  festen  Nahrung.  Reicht  man  den  Thieren,  während 
man  ihnen  alle  feste  Nahrung  vorcnthält , nach  Belieben  Wasser,  so  genicssen  einige 
gar  kein  Wasser  mehr,  andere  verschmähen  es  erst  nach  einigen  Tagen,  noch  andere 
endlich  nehmen  es  fortwährend.  Der  von  Bischoff  und  Voit  beobachtete  Hund 
soff,  wenn  er  nach  einer  Nahrung  aus  magerm  Fleisch  hungerte,  nichts  oder  nur  selten; 
während  de*  Hungers  nach  vorgängiger  Fütterung  aus  Fleisch  und  Fett  nahm  er  da- 
gegen Wasser  auf.  Wünscht  man  also  die  Erscheinungen  des  alleinigen  Hungers  an 
festen  Stoffen  bei  einem  das  Wasser  verschmähenden  Thier  zu  erfahren,  so  ist  es 
nothwendig,  das  Wasser  in  den  Magen  zu  spritzen.  Stellt  man  die  Beobachtungen, 
welche  Schmidt  an ‘zwei  Katzen,  von  denen  die  eine  wenig,  die  andere  viel  Wasser 
enthielt,  zusammen,  so  ergiebt  sich,  dass  1 Kilogr.  Katze  im  Mittel  24  Stunden  verliert: 


Tägliche 
Wasserauf- 
n .Hirne. 

Harnstoff. 

so. 

1 

ro3 

Ucbrigo 

H&rnsalzc. 

, Ausgeath- 
uictc  Kohle. 

i 

Faeces 
wasserfrei.  . 

Wasser  durch 
Niere  und 
Darm. 

51,12 

2,237 

0,055  ; 

0,071 

0,263 

4,417 

I 5,460  ; 

0,215 

55,47 

5,97  | 

2,06  ; 

0,052 

0,1 16 

1 0,296 

0,5S9 

21,47 

Diese  Beobachtungsrciho  lässt  erkennen  , dass  mit  der  vermehrten  Aufnahme  des 
Wassers  auch  die  Ausscheidung  desselben,  aber  nicht  ira  Verhältnisse  der  Aufnahme, 
zunimmt.  Dieser  Schluss  dürfte  keine  Anfechtung  dadurch  erleiden,  dass  dio  durch 
Verdunstung  verlorenen  Wassermengen  nicht  angegeben  sind,  indem  mindestens  die 
Annahme  gerechtfertigt  ist,  dass  die  erstere  Katze,  welche  weniger  CO*  ausatbmetc, 
als  die  letztere,  durch  die  Lungenverdunstung  nicht  mehr  Wasser  verloren  habe  als 
die  letztere ; der  Wasserverlust  durch  die  Haut  dürfte  aber  bei  behaarten  Thieren  über- 
haupt nicht  hoch  anzuschlagcn  sein.  Genügt  nun,  wie  in  unserm  ersten  Falle,  die 
eiugeführte  Wassenncnge,  um  den  grössten  Theil  des  Wasscrverlustcs  zu  decken,  so 
muss  nothwondiger  Weise  bei  fortschreitender  Abnahme  der  festen  Bestandteile  der 
prozentische  Wassergehalt  der  Organe  in  einem  Steigen  begriffen  »ein,  woraus  mancher- 
lei Störungen  derselben  erwachsen  werden.  In  der  Tliat  stellen  sich  diose  in  der 
oben  zusammcngestelltcn  und  in  einer  gleichartigen  Beobachtungsreihe  ein,  welche 
Chossat  an  Tauben  ausführtc.  — Die  mitgetheilte  Zusammenstellung  lässt  aus- 
serdem schliessen,  dass  der  tägliche  Verlust  an  festen  Bestandteilen  geringer  wordc 
bfi  einer  reichlichen  Tränkung  mit  Wasser.  Dieser  Satz  scheint  aber  nur  von  Gel- 
tung für  die  Säugetiere  zu  sein,  da  Chossat  ihn  wohl  bei  Kaninchen,  nicht  aber 
bei  Tauben,  die  unter  gleichen  Verhältnissen  verhungerten,  bestätigt  fand. 

Entziehung  des  Wassers.  Zu  denen  des  Durstes  gesellen  sich  sehr  bald 
die  Folgen  des  Hungers,  indem  dio  Thiere  die  trockne  Nahrung  mehr  mul  mehr  und 
endlich  ganz  verschmähen.  Eine  Anschauung  des  allgemeinsten  Vorganges  giebt  fol- 
gender Versuch  von  Schuchardt,  welcher  aus  einer  grossen  Reihe  ausgewählt 
wurde.  Die  verdurstete  Taube  wog  im  Beginn  des  ersten  Versuchtages  301,0  Gr. 
Ihre  Nahrung  bestand  aus  lufttrockner  Gerste.  Die  proportionalen  Verluste  sind  auf 
das  Anfangsgewicht  eines  jeden  Tages  bezogen. 


Entziehung  von  Wasser  und  Eiweisi. 


683 


T«*. 

Kürporgewi 
Ende  des 

cht  am 
Tages. 

Verzehrte 

Körner. 

Gewicht  der  täglichen 
Endausgsbcn  für  die  Einheit 
des  Körpergewicht«. 

Hiervon 

durch  Niere  und 
Dannkanal. 

1. 

280,0 

Gr. 

23,0 

Gr. 

0,188 

Gr. 

0,090 

Gr. 

2. 

267,0 

16,6 

0,106 

„ 

0,040 

3. 

. 259,2 

13,0 

0,076 

„ 

0,027 

4. 

249,5 

7,9 

0,066 

0,021 

5. 

239,0 

12,5 

0,092 

0,033 

6. 

231,0 

10,5 

0,077 

0,036 

7. 

222,5 

.. 

12,1 

0,089 

•» 

0,042 

8. 

214,4 

15,0 

0,106 

0,040 

9. 

207,4 

11,2 

0,085 

0,040 

19. 

196,0 

9,6 

0,102 

0,038 

11. 

186,0 

8,3 

0,098 

0,033 

12. 

177,3 

7,0 

0,094 

0,040 

13. 

163,2 

10,0 

0,134 

0,067 

14. 

160,2 

*» 

0,0 

»» 

0,019 

»» 

0,000 

Die  wässerigen  Abscheidungen,  insbesondere  die  des  Horns,  nehmen  beträchtlich 
ab;  sie  betrugen  an  einom  verdurstenden  Hunde  nach  Falk  und  Scheffer  in  den 
ersten  drti  Hungertagen  im  Mittel  täglich  = 46,0  Gr.,  in  den  folgenden  drei  =25,5  Gr., 
in  den  darauf  folgenden  = 18,1  Gr.  und  in  den  letzten  drei  endlich  = 6,6  Gr.  — 
Die  Angaben  Uber  die  Verluste  der  einzelnen  Organe  schliessen  sich  an  die  bei  Ge- 
aammthunger  mitgetheilten  an,  mit  Ausnahme  dos  Fettes,  welches  beim  Genuss  trocko- 
ner  Nahrung  nicht  sehr  beträchtlich  schwindet.  Dio  Gewichtsabnahme  der  Organe  ge- 
schieht allerdings  auch  durch  den  Austritt  fester  Bcstandthoile ; vorzugsweise  aber  ent- 
fernt sich  aber  das  Wasser,  sodass  die  Organe  relativ  trockener  werden;  vergleicht 
man  die  Bückstandsprozentc  derselben  Organe  zweier  möglichst  gleicher  Thiere,  von 
denen  das  eine  nadi  normaler  Ernährung,  das  andere  durch  Entziehung  des  Wassers 
getödtet  war,  so  findet  man,  dass  Haut,  Sehnen,  Muskeln,  Darmkanal  und  Blut  4 bis 
11  pCt  fester  Bcstandtheile  mehr  enthalten,  während  sich  die  Zusammensetzung  des 
Hirns  und  der  meisten  Drüsen  nicht  verändert  hat  (Scheffor). 

Entziehung  der  E i w e i ssnahrun g.  Wir  besitzen  hierüber  Angaben  von 
Schuchardt,  welcher  die  dem  Versuche  unterworfenen  Tauben  mit  einem  Gemenge 
von  Amylon,  Gummi,  Zucker,  Ocl  und  den  gewöhnlichen  Blutsalzen  in  einem  Verhält- 
nisse fütterte,  in  dem  sie  von  Norton*)  im  englischen  Hafer  beobachtet  wurden. 
Die  Uebersicht  über  den  täglichen  Gewinn  und  Verlust  giebt  die  folgende  Tafel,  welche 
nur  eines  der  drei  untersuchten  und  in  ihren  Erscheinungan  wohl  übereinstimmenden 
Thiere  berücksichtigt.  Die  ganze  Bcobachtungszeit  ist  in  vier  gleiche  Theile  von  je 
5 Tagen  gespalten  und  aus  jodem  derselben  das  Tagesmittel  genommen.  Bei  Beginn 
des  Versuches  betrug  das  Körpergewicht  344  Gr. 


Zeit  der  Beob- 
achtung. 

Körpergew. 
am  Ende  des 
Tages. 

Täglich  aurgenommen  j Für  die  Gewichtseinheit  des  Thlercs 

Fest«  Speise. 

Wjsser. 

Endausgabe. 

durch  Haut 
und  Lunge. 

durch  Niere 
und  Darm. 

1.  Viertel 

"Z. 

3.  „ 

4. 

310 

307 

258 

230,5 

' 16,5 

29,2 

0,152 

0,149 

0,204 

0,231 

■ 0,061 

0,1 16 

•)  Giessener  Jahresbericht  Air  1847,  1095,  (Hopetonhafer  , I.  Columno). 


Digitized  by  Google 


684 


Verhungern  bei  Fett  und  Wasser. 


Frerich**),  welcher  bei  einem  ähnlich  gefütterten  Hunde  die  Haru9toflaus- 
scheidung  mass , fand  sie  (im  Verhältniss  zum  Körpergewicht)  beträchtlich  geringer  als 
bei  anderen  normal  ernährten,  aber  nicht  wesentlich  niedriger  als  bei  hungernden 
Hunden. 

Der  proportionale  Gesammtverlust,  den  die  von  Schuchardt  beobachteten  Tauben 
bis  zum  Tode  erlitten,  war  viel  geringer,  als  bei  allen  denon,  welche  unter  den  früher 
aufgezählten  Umständen  verhungert  waren ; entsprechend  war  auch  der  proportionale 
Gesammtverlust  der  einzelnen  Organe  verschieden. 


Blut  . . . 

. 0,514 

Dannkanal 

0,281 

Brustmuskeln  0,453 

Knochen  . 

0,204 

Fett  . . . 

. 0,393" 

Hirn  . . 

0,138 

Herz 

I 

Lungen 

0,010 

Haut 

Leber 

[ 0,311 

1 

Augen 

0,009 

Es  wird  nicht  entgehen,  wie  sehr  das  Fett  und  die  Drüsen  geschont  sind,  im 
Vergleich  zu  anderen  verhungerten  Thieren.  Die  Verluste  an  Muskelsubstanz  sind 
dagegen  nicht  niedriger  geworden. 

Nahrung  aus  Fett  und  Wasser.  Bischoff**)  verglich  an  demselben 
Hunde  die  Ausgabe,  während  dieser  das  eine  Mal  nur  mit  Wasser,  das  andere  Mal 
mit  Fett  und  Wasser  gefüttert  wurde. 

Für  t Kilogr.  Hund  in  24  Stunden: 


Mittlote»  Qs* 
SAmint- 
gewlcht. 

Eingenommen  Ausgegeben 

1 _ _ I Körperge-  durch  Darm  durch  Haut 

Wawer.  lot».  | Wicht.  und  Nim,,  und  Lunge.  MarnMoH. 

N. 

38,100  Kilr.  13,08.  Gr.  0,0  Gr. 
30,016  „I  24,91  „17.17  „ 

i 13,41  10,8|  15,63  ‘ 1 

i 0,91  j 10,34  10,12 

0,5.82 

0,311 

! 0,251 
0,113 

Zu  dieser  Beobachtung  gehört  die  Bemerkung,  dass  derselbe  Hund,  welchem  bei 
verschiedenen^  Körpergewichte  die  festen  Speisen  entzogen  und  nur  Wasser  gegeben 
wurde,  nicht  immer  dieselbe  proportionale  Harnstoffmengc  aussonderte;  bei  einem  mitt- 
leren Körpergewichte  von  24  Kilo  lieferte  1 Kilogr.  0,56  Gr.  Harnstoff,  und  bei 
33  Kilo  mittlerem  Körpergewichte  gab  1 Kilogr.  0,62  Gr.  Harnstoff  aus.  Als  er  aber 
nach  der  oben  erwähnten  Nahrung  mit  Fett  und  Wasser  noch  4 Tage  hindurch  nur 
mit  Wasser  gespeist  wurde,  sonderte  1 Kilogr.  des  Thieres  nur  noch  0,28  Gr.,  also 
weniger  aus,  wie  zu  den  Zeiten  der  Fettnahrung.  Bischoff  sieht  diese  Erscheinung 
als  eine  Nachwirkung  der  Fettfütterung  an  und  findet  soine  Meinung  bestätigt  durch 
den  sichtbaren  Fettgehalt  des  Kothcs,  welcher  während  der  letzten  Zeit  entleert  wurde. 
Zudem  war  in  allen  Beobachtungsreihen  die  Harnstoffausscheidung  von  Tag  zu  Tag 
sehr  veränderlich,  was  zura  Theil  wenigstens  begründet  w'ar  in  der  unregelmässigen 
Entleerung  der  Blase.  An  einzelnen  Tagen,  ja  einmal  sogar  während  48  Stunden, 
Hess  das  Thier  gar  keinen  Ham.  • 

Aus  diesen  Beobachtungen  geht  hervor,  dass  bei  der  Fettfütterung  das  reichlicher 
aufgenommene  Wasser  und  Fett  den  täglichen  Gesammtverlust  des  Thieres  quantitativ 


•)  Müller’«  Archiv.  1848.  p.  490. 

••)  Der  Harnstoff  »1«  Mauas  de«  Stoffwechsels.  18M.  p.  S5. 


f 


Hungern  bei  Wasser  und  Fett  oder  Zucker. 

nahezu  deckten,  so  dass  nur  eine  geringe  Abnahme  im  Gesammtgewicht  des  Tbieres 
eintrat.  Sie  verminderte  zugleich  den  Umsatz  der  stickstoffhaltigen  KÖrperbestand- 
theile  beträchtlich,  aber  sie  war  nicht  wesentlich  geringer  als  hei  Entziehung  aller  Nah- 
rung. Hierfür  spricht  auch  ein  neuer  Vemu^  von  Bischoff  und  Voit  L c.  pag.  150. 

In  gewisser  Weise  ergänzend  schlicaat  sich  an  diese  eine  Beobachtungsreihe  von 
Le  to  liier  bei  Turteltauben'  an , welcfie  mit  Butter  und  Wasser  bis  zum  Tode  gefüt- 
tert wurden.  In  Mittelzahlen  aus  allen  Versuchen  stellen  sich  seine  Resultate  fol- 
gendermaassen  zusammen : 


Mittleres  Körpergewicht 
ohne  Fudern. 

jTägt.  proport. 'Proport.  Gc- 
' Abnahme  des.  sanunt vertust 

Kutter  lügt.  J.jj*1' 

imDnrmlwoa!  t of  *•  d'T  l-clmisdnuer 
naorbtrt  uormalneflltt.  In  'Innen. 
Thiere  = I. 

Zu  Beginn. 

Zu  Ende. 

• Körpergew. 

1 des  Fette». 

15,01» 

1 

90,3 

0,0214 

1 0,500 

1 

5,8  Gr.  0,6S5  1 18,42 

Aus  dieser  Zahlenreihe  ist  ersichtlich,'  dass  die  Kohlnsäureausscheidung  zwar  be- 
trächtlich herabgedrückt  ist,  aber  doch  nicht  bis  zu  dem  Maasse,  das  ihr  bei  vollen 
Hungern  zukommt.  Die  unvollkommene  Nahrung  vermochte  auffallend  lange  Zeit  das 
Leben  zu  erhalten;  diese  Erscheinung  scheint  in  Beziehung  zu  stehen  mit  dem  lang- 
samen Umsätze  der  eiweisslialtigen  (hamstoffliefernden)  Atome  bei  Fettnahrung,  Reg- 
nault  und  Reiset  beobachteten,  dass  eine  mit  Fett  und  Wasser  gefütterte  Ente  N 
aus  der  Atmosphäre  absorbirtc. 

Wasser  und  Zuckor.  Eine  sehr  reichliche  und  ausschliessliche  Fütterung  mit 
Zucker  wirkt  wegen  des  eintretenden  Durchfalls  rasch  tödtlich  (Chossat,  Lctel- 
lier).  Bei  einer  massigen  Gabe  des  Zuckers  gestalten  sich  die  Erscheinungen  nach 
Letellier  an  Tauben  folgcndermaassen : . 


Mittierei«  Körpergewicht 
ohne  Federn. 

Zu  Beginn.  Zn  Ende. 

TMgl.  proport. 
Abnahme  desi 
Körpergew.  | 

Proport.  Ge-, 
sammtvertust 
des  Fettes,  j 

Tilgt,  verab-  | 
reichtet  | 
Zucker  in  Qr. 

Tägl.  ansgeh. 
COj , die  der 
normal  geflltt. 
Thiore-=l.  1 

Lebensdauer 
in  Tagen. 

140,8 

08,2 

0,035 

0,460 

13  Gr.  j 

0,810  j 

14,2 

ln  mehreren  der  5 Beobachtungen,  aus  welchen  diese  Mittelzahlen  gezogen  sind, 
war  der  Verlust  durch  die  Faeces  noch  sehr  bedeutend.  — Die  Ausscheidung  der 
CO*  bleibt  hier  immer  noch  sehr  beträchtlich.  Bei  dieser  Fütterungsart  wird,  wie  bei 
der  vorhergehenden,  die  Umsetzung  des  Eiwcisscs  gehemmt,  wie  die  Becbachtungsreihe 
lehrt,  die  Lehmann  an  sich  selbst  anstelltc;  er  fand,  wie  schon  früher  angegeben, 
die  täglich  ausgeschiedenc  Harnstoffmenge  sehr  vermindert  Die  Fütterung  mit  Zucker 
schützt  ebenso  wie  die  mit  Fetten  das  im  Thierleibe  enthaltene.  Fettgewebe  vor  der 
Umsetzung,  indem  die  Menge  der  letzteren  in  den  Thieren,  welche  bei  Fett  und  Zucker 
verhungert  waren,  beträchtlich  höher  geblieben  ist,  als  bei  Thfcren,  die  am  Gesammt- 
hunger  starben.  v 

Letellier  bestimmte  den  Fettgehalt  in  der  Haut  und  im  Netze  durch  Aus- 
kochen,  in  dem  gekochten  Rückstände  und  in  dem  übrigen  Thierc  aber  dadurch , dass 
er  dasselbe  trocknete,  pulverte  und  mit  Aether  auszog. 

Eiweissartige  Körper  oder  Leim  und  Wasser..  Die  ausschliessliche 
Fütterung  mit  eiweissähnlichen  Stoffen  hat  bis  dahin  nur  Boussingault  bei  Enten 
in  Anwendung  gebracht;  von  seinen  Bestimmungen  an  dieseu  Thieren  haben  für  uns 


Digitized  by  Google 


Hungern  bei  Eiweiss  und  Saison. 


686 


nur  Werth  die  der  ausgeschicdenen  Harnsäure.  Eine  hungernde  Ente  lieferte  stünd- 
lich 0,01  Qr.  Harnsäure  in  die  Faeces;  eine  mit  reinem  Leim  und  reinem  Käse  oder 
gewaschenem  und  gepresstem  Ochsenfleische  gefütterte  0,41  bis  0,50  Gr.  l)cr  grossere 
Gehalt  der  Faeces  an  Harnsäure  war  schon  wenige  Stunden  nach  der  Fütterung  mit 
den  erwähnten  Stoffen  eingetreten. 

Eiweiss,  Zucker,  Wasser.  Letellier  führte  eine  Versuchsreihe  an  Tur- 
teltauben aus  , sie  ergiebt  in  ihren  «Mittelzahlen : 


Mittlere«  Körpergewicht  ' 
ohne  Keilern. 

Zn  lieginn.  Zn  Ende. 

Tägliche  propor-  Proportionaler 
tionnle  Abnahme1  Gasaauntverlust 
des  Körpergew.  i der  Feite. 

Täglich  vcrnl>- 
' reicht  an  Zucker  j 
, und  KIweLvi. 

Lebensdauer 
in  Ta^cn. 

131,2 

96,95 

0,017  0,800 

Zucker  10  Gr. 
Eiweiss  12  „ j 

17,17 

Die  Faeces  waren  sehr  Aich  an  Harnsäure. 

Eiweiss,  Blutsalze,  Wassor.  An  die  eben  gegebenen  scliliessen  sich  eng 
an  Versuche  mit  Tauben,  welche  Schuchardt  mit  Hühnereiweiss  und  einem  Salz- 
zusatz fütterte  in  dem  Verhältnisse,  in  welchem  Salz  und  Eiweissstoffe  im  Hafer  vor- 
handen sind.  Die  Lebenszeit,  welche  eine  dieser  Tauben,  die  wir  als  Beispiel  aus- 
wählen, bei  der  unvollkommenen  Fütterung  erreichte,  ist  in  drei  gleiche  Thcile  ge- 
theilt;  die  Mittelzahlcn  der  Einnahmen  und  Ausgaben  aus  jeder  derselben  sind  in  der 
folgenden  Tafel  eingetragen.  Das  Anfangsgewicht  des  Thieres  betrug  367,0  Gr. 


Körpergew. 
am  Endo  der 
Periode. 

Tägliche  Nahrung. 

Tägliche  Ausleerung  für  die 
Einheit  de«  Körpergewichts,  j 

Lebens- 

dauer. 

An  Waaaer. 

An  EiwcIss  i 
und  Salzen. 

Durch  Niere  | 
und  Dann. 

Durch  Flaut 
und  Lunge. 

1.  Dritttheil.  ! 

2. 

3-  »>  I 

330.0  ßr. 

301.0  „ 
233,8  „ | 

. 21,3  Gr. 
i 17,3  „ 

1 U.S  ..  1 

3,2  Gr. 
3,2  „ 
3,2  „ 

0,055 

0,038 

0,050 

0,054  | 

0,042 
0,084  ' 

9 Tage. 

Nach  der  Section  stellte  sich  der  proportionale  Verlust  der  wichtigsten  Einge- 
weide folgendermaassen  heraus: 

Fett  ==  0,921  Haut  0,418  Lungen  *=  0,042 

Blut  = 0,797  Herz  — 0,424  Knochen  = 0,038 

Brustmuskeln  = 0,507  Leber  = 0,413  Hirn  = -f.  0,074 

Das  Hirn  hatte  also  mindestens  keinen  Gewichtsverlust  erlitten. 

Versuche  mit  .vollkommenem  Ausschluss  der  salzigen  Nahrungs- 
mittel sind  bis  dahin  noch  nicht  angestellt  worden. 

Vollständige  Nahrung. 

Unter  einer  vollständigen  Nahrung  ist  diejenige  begriffen,  welche 
sämmtliche,  zur  Lebenserhaltung  nothwendige  Nahrnngsstoffe  ent- 
hält. Die  vollständige  Nahrang  kann  aber  ihre  einzelnen  Getneng- 
theile  in  sehr  ungleichen  Verhältnissen  enthalten,  z.  B.  vorzugsweise 
aus  Eiweisskörpern  oder  Amylaceen  und  Fetten  bestehen,  wie  dieses 


■-  — ' »igle 


Vollständige  Nahrung;  Mensch  nach  Barral. 


687 


z.  B.  bei  den  natürlichen  Speisen  der  Thiere  (Fleisch,  Körner,  Gras) 
der  Fall  ist.  — Die  Nahrung  mit  gleichem  prozentischem  Gehalt 
ihrer  Gemengtheile  kann  demselben  Thier  in  ungleichen  Mengen 
gereicht  werden.  — Das  Thier  kann  zwar  von  derselben  Art, 
aber  an  Alter,  Gewicht  u.  s.  w.  verschieden  sein,  sich  während  der 
Fütterungszeit  ausruhen  oder  anstrengen,  mehr  oder  weniger  ab- 
klililen  u.  s.  w.  — und  endlich,  es  können  Thiere  aus  verschiedenen 
Familien,  Ordnungen,  Klassen  methodisch  gefüttert  werden.  Es 
bleibt  also  auch  hier  eine  unendliche  Variation  des  Versuchs  möglich. 

Mensch.  Die  nachstehende  Beobachtung  ist  von  Barral*) 
(47,5  Kilo  schwer)  an  Bich  selbst  angestellt. 


I.  Beobach  tungszeit  5 Tage.  Mittlere  Temperatur  — 0,54^pC.  Barometer  750,11  MM. 


Angenommen. 

FUr  1 Kilogr.  In  24  Stunden  io  Gr. 

C. 

H. 

X, 

0. 

| BO. 

j Summe. 

ln  den  Nahrungsmitteln. 

1,2 

0,6 

7,0 

42,1 

Durch  die  Lunge. 

— 

' 22,3 

— 

i 

Entleert. 

Durch  die  Verdunstung. 

7,06 

1 1,09 

0,31 

2S,94 

17,31 

54,71 

„ die  Niere. 

0,32 

0,06 

0,23 

0,17 

22,56 

23,34 

„ den  Darm. 

0,32 

0,05 

0,06 

0,19 

2,23 

2,85 

Der  C und  H,  der  durch  Verdunstung  entleert  wird,  giebt  oxy- 
dirt  fllr  47,5  K.  C02  = 1230,9  Gr.  und  HO  = 1287  Gr.;  für 
1 K.  COj  — 25,91  Gr.,  HO  — 27,08  Gr. 


XL  Beobachtungszeit  5 Tage.  Mittlere  Temperatur  + 20,18°  C.  Barometer  754,40  MM. 


Für  1 Kilogr.  in  24  Standen  in  Gr. 


Aufgenoininen. 

C. 

II. 

N. 

0. 

HO. 

Somme. 

In  den  Nahrungsmitteln. 

5,e" 

0,9 

0,4 

4,0 

38,8 

I 

Durch  die  Lunge. 

- 1 

16,4 

Entleert. 

■ 

Durch  die  Verdunstung.  1 

5,12 

0,81 

0,16  ! 

20,13 

87,06 

43,28 

„ die  Niere. 

0,29 

0,06 

0,21 

0,15 

20,59  ; 

21,30 

„ den  Darm. 

0,19 

0.03 

0,03 

0,12 

1,15  1 

1,52 

')  StAtique  chimique  des  Hoimaax.  Paris  1BS0.  230. 


688 


Vollständige  Nahrung.  Katze. 


Der  C und  H,  der  durch  Verdunstung  entleert  wird,  giebt  oxy- 
dirt  für  47,5  K.  COs  = 888,4  Gr.  und  HO  = 1158,0  Gr.;  für 
1 Kilo  CO.  = 19,70  Gr.  und  HO  = 24,37  Gr. 

Um  diese  Tabelle  entwerfen  zu  können,  hat  Jiarral  geradezu  bestimmt  die  Menge 
und  Zusammensetzung  seines  Nahrung  (Fleisch,  Gemüse , Kartoffeln,  Brod,  Zuckerwerk, 
Butter,  Senf,  Fleischbrühe,  Milch,  Kaffee,  Wein),  seines  Harnes  und  Kothes.  Da  bei 
der  cingchaltenen  Lebensweise  das  mittlere  tägliche  Gewicht  des  Gcsammtkörpers  sich 
unverändert  enthielt,  so  ist  annäherungsweise  die  Annahme  erlaubt,  dass  die  täglich 
ein-  und  ausgehenden  Atome  wie  an  Zahl  so  auch  an  Art  einander  gleich  waren , so 
dass  sich  die  Zusammensetzung  des  Organismus  unverändert  erhielt.  Unter  dieser  Vor- 
aussetzung kann  man  aus  den  direkt  erhaltenen  Bestimmungen  mittelst  einfacher  Sub- 
traktion der  sensiblen  Ausleerungen  von  den  Speisen  ableiten,  welche  Menge  der  mit 
der  Nahrung  eingeführten  H,  C,  N,  0 ihren  Weg  durch  Haut  und  Lunge  nehmen 
musste.  Wir  wollen  den  ^ialtenen  Unterschied  den  Verdunstungsrest  nennon.  Da 
nun  ferner  erlaubt  ist , anzunehmen , dass  der  C,  H und  0 aus  der  Haut  und  Lunge 
nur  als  Wasser  und  Kohlensäure  austreten,  so  lässt  sich  auch  berechnen,  wie  viel  0 
noch  zu  dem  Verdunstungsrest  geführt  werden  muss,  um  seinen  H und  C zu  oxydiren. 
Dieser  Sauerstoff  muss  aber  im  freiem  Zustande  zum  grössten  Theile  durch  die  Lun- 
gen aufgenommen  sein.  Obwohl  man  anmöglich  verkennen  kann , wie  viel  Gewagtes 
diese  Annahmen  enthalten , so  ist  doch  einzuschen , dass  sich  das  Kesultat  nicht  all- 
zuweit entfernen  kann  von  der  Wahrheit,  vorausgesetzt,  dass  Speisen  und  Ausleerungen 
genau  analysirt  und  die  Beobachtungen  über  mehrere  Tage  fortgesetzt  werden. 

Katze. 

Die  folgenden  Versuche  sind  von  Bidder  und  Schmidt  an- 
gestellt. 

I.  Mittleres  Gewicht  des  Thicrcs  3,228  K.  Beobachtungszeit  9 Tage. 


FQr  ! Kilogr.  ln  24  Standen  ln  Gr. 


Aii  (genommen. 

* • 

Wasser. 

c. 

11. 

N. 

o. 

Salze. 

Im  Fleisch,  Fett  u.  Wasser. 

60,164 

6,209 

0,851 

1,390 

2,184 

0,441  ' 

Durch  die  Lunge. 

. 

18,632 

— 

Entleert. 

■ 

Durch  dio  Verdunstung. 

9,569 

5,542 

0,644 

0,008 

19,932 



„ die  Niere. 

49,877 

0,592  . 

0,197 

1,380 

0,853 

0,409 

„ den  Dann- 

0,71b 

0,075 

0,010 

0,002 

0.031 

0,032 

Der  C und  H des  Verdunstnngsrestes  oxydirt  giebt  für  3,228  K. 
COi  = 65,60  Gr.  und  HO  — 49,59  Gr.;  für  1 K.  aber  COi  = 
• 20,322  Gr.  und  HO  = 15,368  Gr. 


ifjifepq  jw  Google 


Vollständige  Nahrung;  Katze. 


689 


IL  Dieselbe  Katze  unmittelbar  nachher  dem  Versuch  unterworfen.  Mittleres 
Gewicht  3,22*  K.  Beobachtungszeit  51  Stunden. 


An  Speise. 

Wasser. 

c. 

" N. 

0. 

Salze. 

Trockncs  Fleisch  und  Col- 

lagen  21,0  Gr. 

- 

11,15 

1,17 

3,38 

1,80 

1,07 

Fett  5,09  Gr. 

— 

3,99 

0,60 

— 

0,53 

- 

Wasser 

95,95 

— 

— 

— 

f 

Sumo». 

95,95 

15,12 

2,07 

3,38 

5,13 

1,07 

Ausgegeben. 

Durch  die  Niere. 

«5,71 

1,03 

0,34 

2,40 

1,42 

0,63 

„ den  Darm. 

2,01 

0,15 

0,21 

• 0,01 

0,00 

0,13 

„ die  Lunge. 

d 

0,23 

s 

> 

— 

,,  die  Verdunstung  u. 

Zunahme  des  Körperge- 
wichtes. 

28,23 

4,71 

1,52 

0,97 

0,31 

Dem  Gewichte  nach  vertheilen  sich  die  L'eberschtlsse  der  Ein- 
nahme Uber  die  ganze  Nieren-,  Darm-  und  die  beobachteten  An- 
tlieile  der  Lungenausscheidung  in  der  Art,  dass  17,15  Gr.  auf  die 
Verdunstung  und  31,39  Gr.  auf  die  Zunahme  des  Körpergewichts 
fallen. 


III.  Eine  andere  Katzo  von  2,177  Kilogr.  gab  (Beobachtungszeit  8 Tage): 


Angenommen. 

r 

Für  1 Kilogr.  ln  24  Stunden  ln  Or. 

Wasser. 

c. 

H. 

* 

O. 

Salze. 

Im  Fleisch,  Fett  u.  Wasser. 

101,74 

18,80 

2,60 

3,95 

0,36 

1,29 

Entleert. 

Durch  die  Niere. 

82,11 

1,53 

0,51 

3,58 

2,21 

0,99 

„ den  Darm. 

1,99 

0,29 

0,04 

0,01 

0,14 

0,24 

„ die  Lunge. 

i 

9,32 

> 

? 

? 

— 

„ die  Verdunstung  u. 

Zunahme  des  Körperge- 

wichtes. 

17,64 

7,64 

2,01 

0,36 

0,00 

Dem  Gewichte  nach  vcrtbeilt  sich  der  Einnahmetlberschuss 
Uber  die  Ausgaben  durch  Niere,  Darm  und  den  beobachteten  An- 
theil  der  Lungenausschcidung  so,  dass  auf  die  Verdunstung  9,3(5  Gr., 
auf  die  Zunahme  des  Körpergewichts  18,35  Gr.  fielen. 

Hund.  Aus  den  Beobachtungen,  welche  Bischoff  an  zwei 
Hunden,  vorzugsweise  mit  Rücksicht  auf  die  Hamstoffausscheidung 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  44 


Digitized  by  Google 


690 


Vollständige  Nahrung;  Hund. 


anstellte,  heben  wir  folgende  hervor.  Der  N der  Ausgabe  bezieht 
sich  immer  auf  den,  welcher  im  entleerten  Harnstoffe  enthalten  ist. 
Steht  das  Körpergewicht  unter  der  Hinnahme,  so  bedeutet  dieses 
eine  Verminderung,  steht  es  unter  der  Ausgabe,  so  bedeutet  dieses 
eine  Vermehrung  desselben. 


I.  Hund  mit  einem  mittleren  Gewicht  von  31,297  Kilo-Gr.  Beobachtungszeit  8 Tage. 


FHr  1 K l l *•  Hund  in  24  Stunden  in  Gr. 


Kar- 

toffeln. 

Fett. 

Wnaaer. 

Kothi 

Ham. 

V«. 

diiiutaoir. 

N. 

Körper- 

gewicht. 

Aufgenommen. 

Ausgegeben. 

28,95 

6,53 

• 

19,12 

8,02 

17.65 

2?>.S7 

0,150 

0,200 

2, OS 

An  demselben  Hunde , als  er  im  Mittel  30,107  Kilo  wog,  gal 
die-  Vergleichung  des  mit  den  Kartoffeln  ein-  und  dem  Harnstoff 
ausgeschiedenen  .Stickstoft7|uantums  Folgendes : 


II.  Beubaohtunguzeit  7 Tage. 


Kür  1 K ilo  Hund 

auf  '24 

Stunden  ln  Gr. 

Kartoffeln. 

Fett. 

N. 

Aufgenommen. 

49,22 

8,28 

0,255 

Ausgeschicdon. 

~ | 

| 0,138 

III.  Derselbe  Hund  mit  einem  mittleren  Gewichte  von  35,16  Kilo.  Beobachtung»* 
zeit  15  T&go. 


Für  1 Kilo  Hund  auf  24  Stoa  den  In  Gr. 

Flelach. 

Wiuacr. 

Koth. 

N. 

Körpcrgew. 

Atifgenoinmen  .... 

74,79 

? 



2,01 

. 

Ausgegeben 

— 

. ? 

.,62 

1,73 

9,57 

Die  folgenden  Tafeln  beziehen  sich  auf  einen  zweiten  Hund. 


L Körpergewicht  12,5  Kilo.  Beobachtungazeit  14  Tage. 


Für  1 

; Kilo  n u n d 

ln  24  Stunden  in  Gr. 

Flelach.  | 

Waaaer. 

Koth.  j 

Hnr».  Verdünnt#.  , N. 

K.  - Gew. 

Aufgenommen.  47,14 

1,19 

1 - 

1,42 

• 0 

Ausgogeben.  | — 

— 

1,84 

20,70  21,79  0,84 

i <* 

Yullatäiuiige  Nahrung;  llnud. 


691 


II.  Körpergewicht  im  Mittel  1 (>,44  Kilo.  Bcobachtungaaeit  6 Tag«. 


Fiir 

Kilo  Hund  au  f 24 

Stunden  in  Gr. 

ndach. 

Wiuuor. 

Roth. 

Harn. 

Vcrdmistg.  N. 

K.  - Gew. 

Aufgenoninien. 

45,62 

4,11 



1,37 

4,5« 

AUHgOgcbüQ. 

— 

| 1.3« 

30,25 

20,47  1 1,17 

T 

IU.  Körpergewicht 

7,82  Kilo. 

Beobaehtungszeit  8 Tage. 

Für  1 K 1 To  Hund  auf  2t 

Stunden  in  Gr. 

llefich. 

Wasser« 

KuUi. 

Harn. 

Vcrdunstg. , JK. 

K.  - Gew. 

Aufgenommnn. 

42,ol:< 

NfüT 

— 

1,27 

0 

Auagegeben. 

- 

— 

1,42 

22,5s 

*2 1,82  0,85 

0 

IV.  Mittleres  Körpergewicht  17,75  Kilo.  Beobach  tu  ngszcit  15  Tage. 


Für  1 

Kilo  flund  nuf  tH  Stunden  in 

Gr. 

: 

Fett. 

Fleisch.  , 

Wasser. 

Koth.  Harn. 

Ver- 

dunstung. 

N. 

1 Körper- 
1 gewicht. 

Aufgctioimiicn.  ! 
Ausgcgcben. 

7,10 

42,25 

«,77  ! 

2,51  | 23, «S  ] 

; 24,29 

1,27 

0,57 

5,31 

V.  Mittleres  Körpergewicht  13,5 

Kilo.  Beobachtungszcit  14  Tage. 

Für  1 

1 Kilo  Hund  auf  24  Stunden  In  Gr. 

Fett. 

1 

: Fleisch. 

Wasser. 

Koth.  Horn. 

Ver- 

dunstung. 

1 * 

Körper- 

gewicht. 

Aufgenomnien. 

Auagegeben. 

j 9,73 

! 35,52  f 

15,34 

_ i _ 
M7  | 21, #6 

24, «9 

! 1,07 

0,77 

i - 

i 6,37 

Vom  6.  bis  9.  Tag  erhielt  das  Thier,  weil  es  durch  das  reich- 
lich genossene  Fett  zum  Erbrechen  gebracht  wurde,  nur  Fleisch. 

Einen  dritten  Hund  hat  Bisch  off  gemeinsam  mit  Voit*) 
liinger  als  ein  Jahr  dem  Versuche  unterworfen.  Bei  diesen  mit 
ungewöhnlicher  Ausdauer  und  Sorgfalt  ausgefllhrten  Beobachtungen 
wurde  täglich  bestimmt  das  Gewicht  des  Thieres,  Gewicht  und  Zu- 
sammensetzung des  Futters,  Gewicht  und  Zusammensetzung  des 
Kothes,  namentlich  dessen  Wasser-,  Zucker-,  Fett-  und  N-Gchalt; 
das  absolute  und  spezifische  Gewicht  des  Harns,  dessen  llarnstoff- 
und  N-Gebalt  nnd  zuweilen  auch  der  NaG-Gebalt  desselben.  — Als 

•)  Die  Gesetze  der  Ernährung  dt«  Fleischfresser».  18dU. 

44  * 


' Digitizecf  by  Googl 


692 


Beine  Fleisch  nahrung ; Hund. 


Nahrungsmittel  wurde  verwendet  mageres  Kuhfleisch  [mit  folgender 
Zusammensetzung:  Wasser  = 75,9,  feste  Theile  24,1;  in  100  Gr. 
der  letztem  : C 51,95;  H 7,18;  N 14,11;  0 21,37;  Salze  5,39], 
ferner  ausgelassene  Butter,  Milch-  oder  Traubenzucker,  Stärke,  Brod 
[mit  53,65  festen  Theilen  und  in  100  Gr.  dieser  C 45,41 ; H 6,45 ; 
N 2,39;  0 41,63;  Salze4,12];  feinen  Leim  [mit  82,37  festen  Theilen; 
in  100  Gr.  derselben:  C 50,00;  H 6,50;  N 17,31;  0 25,11.  — Aus 
dieser  umfassenden  Arbeit  kann  nur  ein  kurzer  Auszug  gegeben 
werden.  Die  in  ihr  niedergelegten  Zahlen  dürfen  sich  noch  auf 
viel  mannigfachere  Weise,  als  es  von  den  Verfassern  geschehen 
ist,  zusammenstcllen  und  zur  Lösung  von  mancherlei  andern  Fragen 
benutzen  lassen. 

Die  Bedeutung  der  Zahlen  in  den  folgenden  Tabellen  erhellt 
aus  den  Ueberschriften ; unter  corrigirtem  Körpergewicht  ist  das  am 
Anfang  eines  jeden  Versuchstages  gefundene  Gewicht  des  Thieres 
zu  verstehen,  nachdem  von  diesem  der  Koth  in  Abzug  gebracht 
wurde,  welcher  noch  von  den  vorhergehenden  Versuchstagen  im 
Dann  zurückgeblieben  war.  Alle  andern  Zahlen  beziehen  sich  auf 
einen  Zeitraum  von  24  Stunden. 


Reine  Fleischnahrung. 

A.  Reihe  mit  sinkender  und  aufsteigender  Fleischfütterung.  Die 
in  dieser  Reihe  verzcichneten  Beobachtungstage  folgen  unmittelbar 
aufeinander.  Vor  Beginn  derselben  war  die  grosse  Fütterungsreihe 
mit  Brod  vollendet,  welche  unter  E (p.  697)  erwähnt  ist. 


Corrlgirtci» 

• 

Stickstoffgehalt  in  Gr. 

!l| 

gewicht  in 

Fleisch 
in  Gr. 

Wasser 
in  Or. 

Ilurn 
iu  C.-C. 

Harnstoff 
in  < • r. 

des 

de« 

de« 

K 1 1 > ■ . 

Fleisches. 

Harnstoffs. 

Kothes. 

».  34,317 

213 

1751 

80,850 

40,532 

| 

34,032  | 

5 

1428 

11 8,524 1 

55,314  , 

33,889  [ 

310 

1599 

131,750 1 

61,490  1 

38,905  / 

1800 

137 

1313 

120,790/ 

01,20 

56,436 

0,90 

424 

34,052 

340 

1401 

131,694 

01,460 

34,300  ' 

18 

1185 

123,714 

57,730 

34,410  , 

120 

1213 

123,626 

57,694 

b.  34,020 
34,713  \ 

1500 

10 

10 

990 

1003 

108,50 

108,12 

51,00 

50,63 

50,44 

0,80 

341 

c.  34,785  / 
34,773  | 

1200 

0 

0 

830 

809 

89,81 

87,37 

40,80 

41,91 

40,77 

0,64 

328 

d.  34,700  | 
34,000  \ 

000 

0 

0 

071 

015 

69,784 

65,805 

30,60 

32,56 

30,71 

0,46 

334 

c.  34,5!  ( 

34,28 

000 

0 

0 

465 

450 

49,848 
48,650  1 

20,40 

23,26 

22,47 

0,32 

313 

Diqilizcd  liv  C '.noole 


Reine  Fleischnahrung;  Hund. 


693 


Corrlgirtaa 
Körper- 
gewicht ln 

Kilo. 

Fleisch 
In  Gr. 

Wasser 
ln  Gr. 

Harn 
ln  C.-C. 

Harnstoff 
in  Gr. 

Stickstoffgeh  al 

des  1 des 

Fleisches  { Harnstoffs. 

in  Gr. 
des 

Kothes. 

S&g 
5 *2 
*<=1 

f.  34,10 
33,14 

300 

P 

0 

320 

317 

32,640 

32,651 

10,20 

15,23 

15.23 
12,18 

12.23 

: oje 

; 295 

g.  33,42 
33,03 

tis 

0 

0 

214 

258 

21,400 

26,212 

6,20 

0,09 

301 

h.  32,61 

1 

0 

186 

16,920 

1,90 

32,15 

0 

0 

110 

11,000 

0 

1,93 

' 

211 

31,66 

1 

0 

156 

15,156 

1,35 

i.  31,23 

I-  , 

315 

1050 

91,650 

45,513 

31,94 

31,14 

1S00 

105 

150 

1424 

1416 

131,008  1 
135,192 

61,20 

61,140 

63,313 

* 0,55 

451 

31,12 

120 

1339 

131,222 

61,333 

k.  31,11  | 

162 

161$ 

155,328 

12,490 

32, OS 

2500 

268 

1865 

119,040 

$5,00 

83,558 

0.11 

566 

32,29 

382 

1914 

183,164 

85,162 

1.  32,56 
32,50 

2000 

232 

136 

1618 

1409 

161,088 

142,309 

68,00 

15,10 

66,41 

0,62 

519 

32,52 

| 

B.  Versuchsreihen  mit  grossen  Fleischmengen,  nachdem  vor- 
gängig verschiedenes  Futter  gereicht  worden  war. 

a.  Der  folgenden  Fütterung  ging  eine  Nahrung  aus  1000  bis 
1500  Gr.  Fleisch  und  250  bis  300  Gr.  Fett  voraus. 


Corrlglrtes 
Körper  - Gew. 
iu  Kilo. 

Fleisch 
In  Gr. 

Wasser 
In  Gr. 

Ham 

in  C.-C. 

Harnatoff 
in  Gr. 

Ötickstoffln  G 
Im  Fleisch.  Harnstoff. 

31,990 

1305 

150,051 

10,030 

38,182 

2200 

0 

1310 

146,120 

14,198 

68,412 

38,184 

1490 

166,880 

11,881 

38,100 

2660 

0 

1611 

181,451 

90,438 

84,680 

38,360 

2900 

0 

1540 

115,56 

98,597 

81,932 

38,190 

Erbrechen 

0 

619 

16,121 

35,096 

35,890 

31,620 

0 

1212 

145,008 

61,614 

31,910 

2200 

0 

1510 

163,080 

\ 14,198 

■ 16,108 

31,980 

0 

1495 

158,410 

13,956 

38,000 

0 

1505 

153,510 

11,641 

38,040 

0 

b.  Der  folgenden  Reihe  ging  voraus  eine  Fütterung  mit 
150  Gr.  Fett  und  mit  Fleisch,  welches  letztere  absteigend  von 
1500  Gr.  bis  auf  400"  Gr.  gereicht  wurde. 


Digitized  by  Google 


694 


Reine  l'leischnahmng ; Hund. 


c.  d.  Dcu  folgenden  Reihen,  von  denen  die  erste  4 Monate 
früher  fiel  als  die  letzte,  ging  eine  Kost  aus  Brod  und  Brühe  voraus. 
In  der  zwischen  beiden  Reihen  gelegenen  Zeit  war  der  Hund  durch 
Fett  und  Fleisch  gemästet  worden. 


Corrifflrtos 
KönuTg»  Fleisch 

WUht  In  ln  fjr 

Kilo.  ' r- 

Wasser  Hnnt 

ln  <.'r. 

Harnstoff 
In  (?r. 

L 

N-Gehalt  I 

de»  de» 

Flclaches.  Hariutoff« 

c.  32,80  1 

0 1384 

11 6,256 1 

54,25 

32,66  I 2000 

145  1458 

128,304 

OS, 000  59,S7 

32,55  1 

335  1150 

136,300 

63,61 

32,72  ) 

•V  1 

d.  38,79  ] 

132  1 1096 

108,604 

50,038 

36,72  J 

218  1208 

123,216 

! 57,503 

36,71  1 

275  1241 

123,852 

57,601 

38,71  I 

132  1275 

127,500 

! 59,50 

38,67  [ . 

218  1270 

129,290 

61,20  60,34 

38,60  > 1800 

447  1290 

129,258 

60,32 

38,06  1 

295  1220 

126,392 

58,98 

38,51  1 

411  1344 

126,336 

58,96 

38,38  1 

443  1305 

127,890 

59,68 

38,49 

317  1276 

127,600 

59,50 

38,37  I 

de» 

Kolbe». 


S 2® 
- *■£ 


0,62 


0,67 


664 


•t  . - 


Diaitized  bv  Google 


695 


Fett  und  Fleisch;  Hund. 

Fütterung  mit  Fett  und  Fleisch. 

C.  In  den  nächstfolgenden  Versuchen  ist  ein  und  dieselbe  Menge 
von  Fett  mit  immer  steigenden  Mengen  von  Fleisch  verbunden.  — 
Die  zu  einer  Reihe  mit  gleichem  Fettgehalt  gehörenden  Beobach- 
tungen sind  zum  Thcil  nieht  unmittelbar  nacheinander  angestellt. 

a.  Ihr  voraus  ging  eine  Fütterung  mit  150  Gr.  Fleisch  und  100  Gr. 
Zucker. 


Corriglrtes 

Kürporgo- 

wlrht  in 

Fleisch 

Fetl  1 

Wasser 

Harn 

8t  icksto  ff  in 

Gr. 

in  Gr. 

in  Gr. 

in  Gr.  I 

in  C.-C. 

ln  Gr.  ! 

des  des 

de» 

Fleisches,  Harnstoffs. 

Kothes. 

28,35  | | 

0 350  15,05 

28,13  1 J 

5 213  14,67 

27,97  I J 

307  : 186  15,62 

23,10  1 1 

500  ] 334  17,50 

23,38  [ 

280  293  15,62 

28,36  > 150  > 250 

313  I 393  13,99 

28,20  l l 

273  | 264  13,62 

28,19  l 

410  312  1 18,10 

28,32  1 1 

310  412  16,32 

28,27 

220  1 352  15,35 

23,19  1 1 

5,10 


i 


7,02 

6.34 
7,20 
3,18 
7,29 
6,5.9 

6.35 
8,45 
7,62 
7,16 


• 0,65  N. 


b.  Zwischen  der  vorhergehenden  nnd  der  nun  kommenden  Reihe 
liegen  drei  Tage,  während  welcher  250  Gr.  Fett,  250,  350, 450  Fleisch 
gefüttert  wurden.  — Die  folgende  Reihe,  welche  32  Tage  anhielt, 
ist  durch  5 Zahlenreihen  wiedergegeben.  Die  Körpergewichte  sind 
genommen  vom  1.,  9.,  17.,  25.,  33.  Tage;  das  Wasser,  der  entleerte 
Harnstoff  und  also  auch  der  N desselben  in  einer  jeden  Reihe  ist 
das  Mittel  aus  dem  1.  bis  9.;  dem  9.  bis  17.  u.  s.  f.  Tage.  Der 
N des  Kothes  ist  das  Mittel  aus  allen  Tagen. 


Je  . 

sä 

I3 

> 

1 ® £ 

« > v . 

II« 

u» 

UL 

Am 

1 • Tag 

28,25 

Ara 

9.  Tag 

, 30,10 

Am 

17.  Tag 

1 31,33 

Am 

25.  Tag 

32,40 

Ara 

33.  Tag 

33,37 

Fleisch 
in  Gr. 


Fett 

ln  Gr.  | 

Wasser  ln  Gr.  , 

Harn- 
stoff 
in  Gr. 

N-Geh.lt 

des  d.  Harn- 

Fleisches  . 1 Stoffs 

des 

Kothes. 

i Mittel  für  jo 
8 Tage 

J | 

1 — 8 = 215 

28,503  | 

[ 13,302  | 

250 

9_16=  109 

131,744  / 

> 17,00  > 

| 14,815/ 

> 0,73 

17-24=  114 

31,5  41  | 

1 14,720  | 

25-32=  137 

131,184  < 

I 14,554  ■ 

Digitized  by  Google 


696 


Fett  und  Fleisch;  Hund. 


c.  d.  Zwischen  b und  c liegen  3 Tage  mit  750  Gr.  Fleisch 
und  250  Gr.  Fett.  Zwischen  c und  d 3 Tage  mit  1250  Gr.  Fleisch 
und  250  Gr.  Fett. 


Corrlglrtee 

N - G e h a 1 1 

Kör|iorjc<>- 

gewicht  ln 

Kilo. 

Fleisch 
in  Gr. 

Fett 
ln  Gr. 

Wasser 
ln  Gr. 

Harn 
ln  C.-C. 

Harnstoff 
in  Gr. 

des 

Fleisches 

des 

Harnstoffs. 

des 

Kothes. 

c.  34,06 

122 

545 

62,13 

28,99 

34,16 

1000 

250 

90 

530 

58,30 

34,0 

27,20 

1 ,42 

34,49  I 

30 

555 

61,61  I 

28,75  1 

34,61 

| 

d.  35,67 

0 

853 

98,94 

46,17 

44,16 

35,06 

0 

830 

91,62 

51,0 

10,4 

36,39 

1500 

250 

47 

876 

99,86  1 

46,00  1 

36,71 

0 

870 

100,05 

46,78 

36,97 

• 

c.  Der  folgende  Versuch  wurde  141/*  Monate  später  als  der 
soeben  verzeichnete  unternommen ; ihm  unmittelbar  voraus  gebt  eine 
Nahrung  von  1800  Gr.  Fleisch. 


38,58 

130 

! 1119  | 

| 117,94 

i 55,04 

l 

38,87  1 

193 

i 1124  i 

1 13,52  | 

1 52,98 

j 

39,25 

160 

i 1210 

120,76 

| 61,20 

' 56,35 

1 

39,44  ( 

> 1800  | 

> 250 

25 

1 1115 

115,74( 

54,01 

[ 0,75 

39,64  ( 

473 

1174 

1 19,75  ( 

55,88 

40,01 

281 

1226 

127.50 

59,51 

1 

40,18  I 

495 

1167 

130,00  1 

60,67 

1 

40,30  , 

] 

f.  Diese  Reihe  liegt  der  Zeit  nach  zwischen  d und  e.  Un- 
mittelbar vorher  ging  eine  Fütterung  mit  2000  Fleisch  und  200  bis 
' 300  Stärke. 


34,72 

0 

1428 

131,38 

34,58  1 

2000 

250 

200 

1432 

140,34 

68  . 

34,64 

125 

1429 

136,04 

1 

34,86 

0,55 


g.  h.  i.  k.  Reihe  aus  Fett  und  Fleisch;  wie  in  den  vorhergehen- 
den änderte  sich  bei  gleichem  Fett  das  Fleischgewicht.  Die  Zah- 
len sind  Mittelzahlen  mit  Ausnahme  der  in  den  beiden  ersten  Co- 
lumnen  verzeiehneten.  Die  Versuchsreihen,  aus  denen  sie  gebil- 


iqitize 


Zucker  und  Fleisch ; Hund. 


697 


det  sind,  liegen  unmittelbar  hintereinander,  sie  folgen  auf  eine  sehr 
reichliche  Fleischnahrung. 


k 

i* 
© © 

l! 

Fleisch 
in  Gr. 

Fett 
ln  Qr. 

Wasser 

in  Gr, 

Ham  - ..  _ 

niCDjrc  «smstoir 
In  C.-C.  111  Gr- 

Stickstoff  in 
Grammen. 

des  Id.  Tfarn-|  des 
Fleisches,  j Stoffes.  | Kothes. 

if 

B 

V 

38,04 

+ 30 

1500 

150 

0 

1077  108,76 

51,0 

50,76 

0,.*>2 

2 Tage 

38,61 

+ :,1 

1000 

150 

0 

656  73,34 

34,0 

34,27 

0.5.5 

3 „ 

40,48 

— 455 

700 

150 

0 

509  53,41 

23,8 

25,86 

0,58 

5 „ 

39,03 

— 70 

400 

150 

105 

292  | 34,89 

13,6 

16,10 

0,25 

2 „ 

Die  folgenden  Beobachtungen  sind  so  geordnet,  dass  das 
Fleisch  constant  und  das  Fett  veränderlich  gemacht  wurde. 

1.  m.  p.  Der  Beobachtung  voraus  ging  die  p.  674  hingestellte 
3.  HuDgerreihe,  darauf  1 Tag  mit  1500  Fleisch  und  100  Fett. 


Corrlgirtea 
Körperge- 
wicht in 
Kilo. 


37,31 

37,34 

37,29 

37,22 

37,18 

37,24 

37,50 

37,49 

37,55 

37,72 

37.90 

37.91 


Fleisch 
in  Gr. 

Fett  Wasser 

in  Gr.  in  Gr. 

Harn 

in  C.-C. 

Harnstoff 
in  Gr. 

I 193 

405 

33,21 

178 

384 

33,79 

500 

ioo  ; 30 

319 

30,62 

, " . 

'■ 

186 

359 

37,77 

| 552 

456 

35,57 

500 

200  i2i 

347 

32,62 

| 132 

319 

32,857 

„ 542 

558 

34,373 

500 

300  | 288 

338 

29,203 

Stickstoff  Io  Graptmeu 


de,  | des  ] du 

Fleisches.,  ilsrnstoffes.  Rothes. 

15,49  ) 

15,77  ) 

•17,00  13,71  1 0,62 

17,62  ) 

16,60  t . 

17,00  15,22  ( 

15,30  1 

16,00  I 

17,00  13,62  ( °*50 


o.  Die  kommende  Beobachtung  liegt  etwa  2 Monate  später  als 
die  vorhergehenden  und  sie  folgt  einer  Fütterung  aus  Fleisch  und 
Zucker. 


\ 1 

243  1 

363 

38,473 

17,90  \ 

1 | 

598  | 

438 

39,682 

17,00 

18,00  1 

> 500 

250 

150  \ 
402  | 

703 

75,924 

17,71  } 
17,71  l 

• Die  folgenden  ßeihen  p.  q.  r.  sind  repräsentirt  durch  eine 
Reihe  von  Mittelzablen ; sie  folgten  unmittelbar  auf  eine  Nahrung 
aus  Fett  und  Leim. 


Digitized  by  Google 


Fleisch  und  Traubenzucker;  Hund. 


698 


«IQ  i • 

V i J Sh  i 

t u 1 >0  ' 

Üfe-S  5 - Fleisch 

£i;  1 ' ln  Gr. 

UJ  1 * cs 

js  o“ 

Fett 
Ifi  Gr.  | 

Wasser 
ln  Gr. 

i 

Harn 
In  C.-C.1 

Harnstoff 
In  Gr. 

Stickstoff 
In  Gr. 

des  de« 

Fleisches.  Harnstoffes, 

! *4 

i s s 

1 41 
JJ 

35,60  — 1050  i 176 

50 

624 

187 

17,67 

6,20 

6,24 

4 Tage 

34,55  — 300  176 

! 200 

681 

: 276  | 

18,10 

6,20 

S,58 

1 „ 

34,25  ± 0|  17« 

300 

634 

! 249  1 

16,25  | 

6,20  | 

8,52 

: 3 .. 

D.  N ahrung  aus  Fleisch  und  Traubenzucker. 

Die  folgenden  Reihen  a.  b.  c.  stellen  in  Mittelzahlen  drei  auf- 
einanderfolgende Versuchsreihen  dar.  Ihnen  voraus  ging  eine  Reihe 
mit  Fett-  und  Fleischnahrung. 

Das  Körpergewicht  ist  vom  Anlang  jeder  Reihe  genommen. 
Die  Gewichtszunahme  ist  die  gcsammte,  während  je  einer  ganzen 
Reihe  eingetretene.  Das  Vorzeichen  -f-  bedeutet  einen  Zuwachs, 
— eine  Verminderung. 


U : 3» 

I*  -5, 
|=  i •ES 
3 41 « 

Fleisch 
In  Gr. 

i hi 

\ k 

Wasser 
ln  Gr. 

Han» 
in  C.-C. 

i 

Harnstoff 
in  Cr. 

Stickstoffgeh  alt 
IdOi. 

de«  d.  Hnrn-|  de« 
Fleisches.  Stoffes.  : Kothcs. 

i ■ 
f S 

fl 

> 

36,391+  127 

500  i 

300 

303 

350 

32,73  J 

17,0  15,27 

0,56  : 

3 Tag? 

36.51  — 70 

500  ! 

200 

314 

366  : 

35,56 

17,0  , 16,60 

0,56 

3 „ 

36,52  — 700 

500  | 

100 

254 

332  j 

37,60 

17,0  1 17,70 

0,56  ! 

3 „ 

d.  Der  folgenden  Reihe  ging  in  Fütterung  nur  Fett  und  Fleisch 
vorher. 

28,47  — 120  j 150  bi*°3<lü!  208  ! 130  I 13,42  5,1  j 0,23  1,35  ! 6T»se 

34,74  1 + 200  2000  j 200  | 0 1 1288  ! 134,25  68,0  ! 62,65,  1,72  |3T»gt 

Dasselbe  Resultat  giebt  eine  Reihe  mit  2000  Gr.  Fleisch  und 
100  Gr.  bis  200  Gr.  Milchzucker. 


E.  Nahrung  aus  Fleisch,  Fett  und  Stärke. 


k • 

iS  1 

es 

3«  Fleisch  Stärke  i Fett  Wasser 

o a 

o. 

|ln  Gr.  In  Gr.  1 In  Gr.  in  Gr. 

c.  - c. 

ln  Gr.  dp*  d.  Ham-  des 

« -a 

s 

Sf  I 

»I  1 

Fleisches.1  stoffc*.  Kothes. 

> 

31,93 

610  1 500  j 250  250  175 

640 

39,25  17,0  18,33  0,66 

. ’ 1 J 1 

1 Tage 

Digitizedüy'Google 


Brrtd  , Leim;  Hand. 


699 


F.  Nahrung  aus  Brod. 

In  der  folgenden  Tabelle,  welche  Uber  eine  während  41  Tage 
fortgesetzte  Brodnahrung  Auskunft  giebt,  sind  die  Mittclzahlen 
aus  je  6 Tagen  zusammcngestellt. 


Stickstoff  in 


z . 
äg> 

fc3 

> 

ö 

g|S 

1 3 1?  e i 
1 «5  « — 

s ^ 

Brod 
in  Gr. 

Wasser 

ln  Gr. 

Harn 
in  C.-C. 

Harnstoff 
in  Gr. 

1 

Koth 
in  Gr. 

des 

Brodes. 

Grammen 

di* 

Harnstoffes. 

des 

Käthes. 

t bis  6 

34,39 

500 

561 

364 

20,79 

166 

6,4 

9,7 

i.t 

7 „ 12 

31,46 

626 

574 

149 

21,18 

152 

8,0 

9,9 

1,0 

1»  „ IS 

33,96 

i 676 

696 

670 

23,71 

17s 

1 6,7 

11,0 

1,2 

19  „ 24 

34,29 

S96 

1001 

964 

27,59 

226 

11,5 

12,9 

1,5 

25  „ 30 

34,26 

843 

764 

809 

25,91 

270 

10,8 

12,0 

1,8 

31  „ 36 

34,26 

| 966 

990 

882 

27,21 

357 

12,4 

12,7 

2,3 

37  „ 41 

34,72 

1 911 

597 

723 

, 26,01 

290 

, 11,7 

1 

12,1 

i 1,9 

G.  Nahrung  aus  feinem  französischen  Leim. 


Corrlglrtea 
Körpergewicht 
in  Kilo. 

Loim  in 
Gr. 

Wasser 
In  Gr. 

Ilaru 
in  C.-C. 

Harnstoff 
in  Gr. 

Stickstoff  In  Grammen. 

des  1 <l«s  des 

Leims.  | Harnstoffs.  Kothes. 

37,06 

692,2 

580 

63,800 

29,776 

36,64 

> 200 

792,0 

745 

67,050 

34,62 

31,292 

' 0,26  j 

36,68 

930,0 

i 744 

66,216 

30,913 

30,44 

H.  Nahrung  aus  feinem  französischen  Leim. 


Ms 

t!s 

* Htickstoffin 

Leim 
In  Or. 

Fett 
in  Gr. 

Wasser 
in  Gr. 

Ham 
in  C.-C. 

Harnstoff  Grammen 

ln  Gr. 

des  des  des 

Leims.  Harnstoffs.  Kothes. 

36,25 

1 1 

1026 

790 

.63,20 

29,50 

36,31  1 

36,47  1 

1 

I 200  I 

r 200 

1302 
767  ’ 

878 

853 

' 55,84  1 
69,95  1 

| 34,62 

26,06 

32,64 

36,15  1 

J 

J 

36,09  ] 

l 

1 

685 

325 

34,15  1 

16,08 

35.89  1 

50  1 

} 

828 

256 

24,63  1 

11,55 

35.76  1 

1 

382 

289 

26,59  | 

12,41 

35,44.  ] 

I 

1 

i 

35,44  , 

L 1 

778 

318 

32,75  1 

15,29 

35,11  | 

1 

752 

356 

38,52  | 

17,31 

17,98 

34,76  , 

10° 

> 200 

723 

333 

38,30 

I7,S7 

Digitized  by  Google 


700 


Vollständige  Nahrung;  Turteltaube. 


Turteltaube.  Folgende  Zusammenstellung  giebt  Boussin- 
gault: 


I.  Mittleren  Körpergewicht  186,08  Qr.  Beobachtungszoit  7 Tage. 


Fllr  1 Kilo  Taube  auf  24  Stunden  in  Gr. 


Eingenommen. 

Wasser. 

c. 

i H. 

N. 

0. 

Salze. 

K.-Gew. 

In  der  Speise  . . . . ! 

12,74 

35,98 

4,88 

2,56 

32,55 

2,00 

0,94 

Durch  die  Lunge  . . 

— 

— j 

107,10 

— 

Ausgegcben. 

Durch  Darm  und  Niere.  . 

29,89 

7,50 
28,28  1 

j — 1 

0,92 

1,69 

6,38 

1,98 

„ V erdunstung. 

18,39 

3,96 

0,87 

26,17 

0,02 

1 — 

Der  H des  Verdunstungsrestes  entspricht  35,64  Gr.  HO;  ad- 
dirt  man  dieses  zur  Einnahme  und  zieht  yon  der  Summe  das  Wasser 
des  Harnes  und  Kothes  ab,  so  gewinnt  man  die  Zahl,  welche  in 
die  Reihe  Verdunstung  eingetragen  ist  — Der  ausgeathmcte  C ist 
an  derselben  Taube  auch  noch  auf  direktem  Wege  geprüft  und 
ganz  nahe  übereinstimmend  mit  dem  auf  indirektem  Wege  erhal- 
tenen gefunden  worden. 

II.  Eine  Turteltaube  von  175,6  Gr.  Körpergewicht  gab  durch 
die  Verdunstung  20,32  Gr.  C.  auf  die  mittlere  Tagesstunde;  dieses 
Thier  Hess  Boussingault  216  Stunden  hungern,  wobei  sein  Ge- 
wicht auf  112,5  Gr.  sank.  Als  darauf  wieder  die  gewöhnliche 
Portion  Hirse  gereicht  wurde,  nahm  das  Körpergewicht  und  der 
ausgehauchte  C folgendem) aassen  zu.  — Die  Zeit  ist  von  der  ersten 
Stunde  des  Fressens  an  gerechnet 


Zeit  in  Standen.  - 

Körpergewicht. 

Zeit  in  Stunden,  j 

C in  einer  mitt- 
leren Tagesstunde. 

nach  48 

143,7 

noch  24 

0,168 

„ 168 

150,1 

„ 48 

0,206 

0,249 

0,250 

„ 480 

157,3 

„ 84 

„ 264 

Digilizai  by  Google 


/ 


Zu  geringe  Nahrung  ; Turteltaube. 


701 


Fütterung  mit  einer  zu  geringen  Menge  volletandiger  Nahrung. 
Die  Verbuche  won  Chossat  Hessen  sich,  wie  folgt,  zusammenstellen. 


Thier. 

Gewicht 

desselben. 

Tägliche 

Nahrung. 

Gewicht  der 
tägl.  Kndaua- 
gaben  fllr  die 

Gew.  d.  tägl. 

Futters  auf 
die  Gewichts- 
einheit des 
Thieres. 

Unterschied 
der  Einnahme 
und  Ausgabe. 

Wasser. 

Körner. 

Einheit  dea 
Körpergew. 

150,15 

18,97  Gr. 

16,57  Gr. 

0,237 

0,237 

0,000 

! 139,01 

9,19  „ 

8,29  „ 

0,172 

0,125 

0,047 

laube  1. 

119,78 

3,30  „ 

4,14  „ 

0,089 

0,062 

0,027 

99,19 

2,40  „ 

2,07  „ 

0,095 

0,045 

0,050 

Taube  2. 

149,0 

0,00  „ 

0,00  „ 

0,057 

0,000 

0,057 

136,9 

23,50  „ 

17,03  „ 

0,296 

0,296 

0,000 

133,7 

9,78  „ 

8,55  „ 

0,205 

0,148 

0,057 

Taube  3. 

100,9 

4,53  „ 

4,27  „ 

0,125 

0,087 

0,038 

86,1 

1,49  „ 

2,07  „ 

0,101 

0,041 

0,060 

Taube  4.  | 

132,0 

0,00  „ 

0,00  „ 

0,057 

0,000 

0,057 

Aus  dieser  Tafel  geht  hervor,  dass  die  Ausgaben  mit  den  Einnahmen  abnehmen, 
jedoch  keineswegs  in  der  Art,  dass  die  Abnahme  beider  proportional  geht,  da  bei 
ungenügender  Nahrung  die  Ausgaben  das  Gewicht  der  ersteren  überwiegen.  Daraus 
folgt,  dass  die  Thiere  auch  in  diesem  Falle  dem  langsamen  Hungertode  entgegengehen, 
der  sich  einfindet,  sowie  die  Abmagerung  der  wichtigen  Organe  auf  einen  dem  früher 
erwähnten  ähnlichen  Grad  gediehen  ist 


Die  zusammengestellten  Thatsachen  beantworten  zunächst  fob 
gende  Fragen;  1)  Wie  ändern  sich  die  Gewichte  und  die  Zusam- 
mensetzung der  Masse  des  gefütterten  Thieres  beziehungsweise  die 
Ausgaben  desselben  einerseits  mit  dem  Gewicht  nnd  der  Mischung 
des  Thieres,  bevor  es  in  eine  Ftltterungsreibe  eintrat,  und  ander- 
seits mit  dem  Gewicht  und  der  Mischung  des  Futters , das  es  wäh- 
rend der  Reihe  erhielt.  2)  Wie  vertheilen  sich  die  Ausgaben  des 
thierischen  Körpers  auf  die  einzelnen  Ausscheidungswerkzeuge  mit 
der  Aenderung  der  Nahrung. 

Massenänderung  des  Thieres.  Die  folgende  Darstellung 
ist  in  Ermangelung  anderer  Thatsachen  vorzugsweise  auf  die  Er- 
nährungsverhältnisse des  Hundes  angewiesen,  wie  sie  von  Bi- 
schoff  nnd  Voit  ermittelt  sind. 


Digitized  by  Google 


702 


Ma^eaanderung  des  Thiers  ^mit  der  Nehrung. 


‘1.  Die  Gewichtsänderung  des  Thiercs  an  und  für  sieh,  also 
die  Ab-  oder  Zunahme  seiner  Masse,  abgesehen  von  der  chemi- 
schen Zusammensetzung  derselben  stellt  sieh  verschieden  mit  der 
Menge  und  der  Zusammensetzung  der  Nahrung,  mit  dem  abso- 
luten Körpergewicht  und  der  vorausgegangenen  Ftttterungsweisc 
des  Thiers. 

a.  Wenn  man  einen  Hund,  der  nicht  Uber  34  Kilo  schwer 
ist , nach  vorausgegangener  FleischtUttcrung  in  der  Weise  ernährt, 
dass  auf  1 Kilo  Thier  in  24  Stunden  52  Gr.  magern  Fleisches  ge- 
reicht werden,  so  tritt  regelmässig  eine  Gewichtszunahme  ein ; werden 
weniger  als  40  Gr.  gegeben,  so  magert  das  Thier  ab.  Durch  eine 
Nahrung  zwischen  40  und  50  Gr.  pr.  Kilo  kann  sich  ebensowohl 
das  Gewicht  mehren  als  mindern.  Trat  dagegen  das  Thier  ans 
einer  Nahrung,  die  ans  Fleisch  und  Fett  gemengt  war,  oder  nur 
aus  Brod  bestand,  in  eine  reine  Fleischnahrung  ein,  so  konnte 
selbst  bei  einer  Fleischmengc  von  61  Gr.  pr.  Kilo  das  Körperge- 
wicht merklich  sinken.  War  der  Hund  auf  3«  Kilo  gemästet,  so 
genügten  selbst  bei  anhaltender  Fleischfiitterung  46,4  Gr.  Fleisch 
pr.  Kilo  nicht  mehr,  um  das  Körpergewicht  zu  steigern. 

Zu  der  folgenden  Tabelle  ist  zu  bemerken,  dass  das  Fleiseh 
75,9  pCt.  Wasser  enthielt.  Die  unter  der  ersten  Columne  ste- 
henden Buchstaben  verweisen  auf  die  schon  früher  mitgetheiltcn 
Beobachtungen. 


Vcraachszabl. 

Beobachtung**  eil. 

Anfangsgewicht 
der  Thierc  ln 
Kilo 

Mittlere  Ge- 
wichtszunahme 
d.  ganzen  Thlere* 
in  Grant. 

Fleisch  In  Gr. 
pro  RJlo. 

A.  . 

1.  und  2.  Tag 
3.  bis  7.  Tag 

34,76 

33,89 

34,62 

— 244 
-+-  126 

32,35 

b 

2 Tage 

+ 82 

43,32 

c 

34,78 

- 12 

34,02 

d. 

34,76 

— 125 

25,99 

e 

34,51 

— 205 

17,38 

9,60 

f 

34,10 

33,42 

— 290 

K 

— 4S5 

5,26 

h 

3 Tago  1 32,6t 

— 493 

0 

i 

4 Tago 

31,23 

+ 120 

57,64 

k 

3 Tage 

31,71 

-f-  293 

79,84 

l 

2 Tage 

32,56 

— 2« 

61,42 

B.  c 

l.  und  2.  Tag. 

32,S0 

— 175 

66,79 

d 

10  Tago 

39,79 

— 59 

40,40 

b.  Wenn  dem  Fleisch  noch  Fett  zugesetzt  wird,  so  genügt 
eine  viel  geringere  absolute  Futtennenge,  um  eine  Gewichtsver- 


- -— *•  >4le 


' Masaenindefung  mit  der  Zusammensetzung  der  Nehrung.  703 

■ 

mehrnng  herbeizufilhren.  Dieses  zeigt  die  folgende  Zusammen- 
stellung. 


Jlcob-  1 Beobacht  unifa- 
achtunga-  1 ze|t 

nuumior. 

Anfangsgcw. 
dgi  Thier  CS 
in  Kilo. 

Mittlere  tiigl. 
Gcwichtszu- 
nahtne  d.  gan- 
zen Title  ros 
in  Gram. 

Mittlere  Ge- 
wichtszu- 
nahme pro 
Kilo  Thier 
in  Gr. 

Flolwli 
pr.  Kilo  ln  Gr. 

Fett  pro  Kilo 
In  Gr. 

a 

1 3 Tage 

37,37 

4.3 

— 1,15 

13,37 

2,67 

m „ „ 

37. IS 

25 

4-  0,67 

13,44 

5,25 

\ 1 bis  S Tag 

28,26 

+ 231 

+ 8,17 

17,70 

S,55 

, ! 9 bis  1 6 Tage 

30. 1 0 

4-  154 

— 

— 

— 

l 17  Mi  24  Tage 

31,33 

+ 134 

— 

— 



) 25  bis  32  Tage 

32,40 

+ 121 

+ 3,73 

15,43 

7,71 

c. 

n 3 Tage 

37.55 

4-  120 

+ 3,19 

13,31 

7,99 

T3. 

a 10  Tage 

28,35 

— 26 

— 0,91 

5,29 

8,62 

c. 

c 1 3 Tage 

34,06 

+ 116 

+ 3,41 

29,36 

7.34 

c. 

d j 4 Tage 

35,67 

4-  325 

4-  9, 76 

42,00 

7,01 

c. 

e 7 Tage 

3S,5S 

-j-  246 

4-  6,3s 

46,65 

6,4S 

c. 

f 3 Tage 

34,72 

4-  46 

4-  1,92 

57,60 

7,20 

Hebt  man  sich  ans  dieser  Tabelle  die  Zahlen  heraus,  wo  bei 
gleichem  Körpergewicht  und  gleicher  Fleischgabe  die  Fettmenge 
veränderlich  ist,  so  erhält  man 


Körpergewicht. 

Fleisch  Fett 

pro  Kilo. 

Gewichtszunahme 
pro  Kilo. 

37,37 

13,37 

2,67 

— 1,15 

37,18 

13,44 

5,25 

+ 0,67 

37,55 

13,31 

7,99 

+ 3,19 

Darnach  wächst 

also  mit  dem  steigenden  Fettgehalt  der  Nah- 

rnng  auch  das  Körpergewicht. 

Hebt  man  aus 

der  Tabelle 

die  Zahlen  heraus,  wo  bei  annä- 

hernd  gleichem  Körpergewicht 

die  Fettgabe  dieselbe  blieb,  aber 

die  Fleisehfütterung 

veränderlich 

war,  so 

erhält  man 

Körpergewicht. 

Fett 

Fleisch 

Gewichtszunahme 

pro  Kilo. 

pro  Kilo. 

37,35 

7,99 

13,31 

+ 3,19 

35,67 

7,01 

42,00 

4-  7,08 

3£,58 

6,38 

46,65 

+ M8 

Darnach  wächst  auch  mit  dem  steigenden  Fleischgehalt  der 
Nahrung  das  Körpergewicht. 


Digitized  by  Google 


704 


MMsenänderung  mit  der  Zusammensetzung  der  Nahrung.' 


Entnimmt  man  ferner  der  vorstehenden  Tabelle  solche  Zahlen, 
in  denen  das  Fleisch  und  Fettfutter  annähernd  gleich  war,  das 
Körpergewicht  aber  sich  verschieden  stellte,  so  ergiebt  sich 


Körpergewicht. 

FleUch 

Fett 

pro  Kilo. 

Gewichtszunahme 
pro  Kilo. 

28,25 

17,70 

8,85  . 

+ 8,17 

32,40 

15,43 

7,71 

4-  3,37 

35,6 

42,00 

7,01 

+ 9,76 

38,5 

46,65 

6,48 

-+-  6,38 

32,40 

15,43 

7,71 

+ 3,37 

37,18 

13,44 

5,25 

+ 0,67 

Demnach  nimmt  die  Gewichtseinheit  Körpermasse  durch  das- 
selbe Futter  um  so  weniger  zu,  je  mehr  das  Thier  schon  ge- 
mästet war. 

c.  Die  vorliegenden  Versuchsreihen  lassen  erkennen,  dass  bei 
der  gleichzeitigen  Fütterung  mit  Zucker  und  Fleisch;  Amylon  und 
Fleisch;  Zucker,  Amylon  und  Fleisch  sich  die  Erfolge  ähnlich  ver- 
halten. Die  Erfahrung,  dass  sich  die  Thiere  nur  bei  gemischter 
Kost  mästen,  ist  auch  schon  längst  den  Landwirthen  geläufig.  So 
giebt  u.  A.  Boussingault*)  an,  dass  Gänse  und  Enten,  die 
leicht  durch  eine  reichliche  Nahrung  von  Mais  oder  von  Reis  mit 
einem  Butterzusatz  zu  mästen  sind,  nicht  durch  Reis  allein  eine 
wesentliche  Vermehrung  ihres  Gesammtgewichtes  erfahren.  Ebenso 

• nahmen  Schweine  rasch  und  bedeutend  an  Gewicht  zu  bei  einem 
Futter,  das  Fett,  Eiweiss,  Kohlenhydrate  und  Salze  in  einem  Ver- 
bältnisB  von  1 : 5, 1 ö : 20,65  : 1,82  enthielt,  während  sie  bei  Futter, 
das  die  oben  genannten  Bcstandthcilc  in  derselben  Reihe  gezählt, 
im  Verhältniss  von  1 : 5,30  : 37,38  : 2,65  enthielt,  nur  langsam 
Zunahmen  und  namentlich  nicht  damit  gemästet  werden  konnten, 
selbst  wenn  auf  gleiche  Gewichtsmengen  Thier  von  dem  letzteren 
Futter  sehr  viel  mehr  gereicht  wurde,  als  von  dem  ersteren. 

d.  Während  einer  reichlichen  Nahrung  aus  Leim  und  Fett 
nimmt  das  Körpergewicht  allmählich  ab. 

e.  Bei  einer  Nahrung  aus  Brod  kann  ein  Hund  wie  das  vor- 
liegende Beispiel  zeigt,  besteben.  Katzen  starben  bei  dieser  Fütte- 
rung eines  sehr  langsamen  Hungertodes,  wie  Bisch  off  und  Voit 
durch  besondere  Versuche  darthun. 


•)  Annnle»  de  chimle  et  de  physique.  3me  8«*ric.  XIV.  Bd.  (1846).  419. 


Digitiz§d  bjtXüoogle 


Chemische  Aenderung  der  Körpermaße  mit  der  Nahrung. 


705 


2.  Ob  «ich  auch  die  chemische  Zusammensetzung  der  thie- 
rischen  Massen  mit  der  Fütterung  ändere,  lässt  sich  durch  die 
Analyse  des  getödteten  Thieres  und  durch  die  Vergleichung  der 
Einnahmen  und  Ausgaben  des  lebenden  entscheiden. 

a.  Wenn  während  einer  Fütterungsreihe  alle  Elemente  der  Ein- 
nahmen und  Ausgaben  mit  höchster  Sorgfalt  quantitativ  bestimmt 
sein  würden,  so  könnte  man  auch  angeben,  welche  von  den  we- 
sentlichen Atomcomplexen  des  thierischen  Körpers  (Eiweiss,  Fettete.) 
ausgeschieden  und  welche  statt  dessen  angesetzt  wären.  Beobach- 
tungen, die  dieser  Anforderung  entsprechen,  sind  sehr  schwer  her- 
zustellen; und  unter  allen  bekannten  nähert  sich  einzig  eine  von 
C.  Schmidt  angestellte  dem  genannten  Ziele  an.  (Siehe  Katze  II. 
und  111.).  — Wenn,  wie  es  in  der  grossen  Fütterungsreihe  von 
Bischoff  und  Voit  geschehen  ist,  nur  die  Aenderung  des  Ge- 
sammtgewichtes  und  von  den  elementaren  organischen  Ausgaben 
nur  die  des  N bestimmt  wurde,  so  reichen  diese  Data  auch  nur  hin, 
um  einzusehen,  wie  sieh  mit  der  Aenderung  der  Gesammtmasse  der 
Stickstoffzuwachs  gestaltet  habe.  Eine  Vergleichung  dieser  beiden 
veränderlichen  führt,  auch  wenn  sie  von  allen  hypothetischen  Zu- 
sätzen befreit  wird,  zu  bemerkenswerthen  Ableitungen. 


A.  Reine  Fleischnahrung. 


I.  Fälle, 

, in  welchen 

das  Thier 

gleichzeitig 

an  Gesammtge- 

wicht  und  an 

N verlor. 

Tägliche  Fleisch- 
monge. 

Beobachtungszeit 
und  Tage. 

Verlust  an  Ge- 
sammtgcwicht. 

Gesamtatver-  Verlust  d.  Kör- 

lust an  Stickstoff,  pergewichts  dirldlrt 
durch  den  Stickxtoff- 
veriuat. 

1200  Gr.  ) 

24  Gr. 

2,3 

10,4 

900  „ 1 

253  „ 

3,0 

84,3 

600  „ [ 

je  2 Tage 

412  „ 

5,5 

74,9 

300  „ ( 

617  „ 

10,4 

64,5 

176  „ ] 

810  „ 

13,0 

62,3 

II.  Verlust  an  Gesammtgewicht  und  Gewinn  an  Stickstoff. 


Tägliches  Fleisch. 


Beobnchtungsxelt. 


1800  Gr.  3 Tage. 

1800  „ -7  „ 

2000  „ 2 „ 

Ludwig^  Physiologie  II.  1.  Auflage. 


Verlust  an  Gesamtnt- 
gewicht. 

70  Gr. 

136  „ 

89 


Gewinn  an  N. 


29.4 
6,4 

24.4 


45 


Digitized  by  Google 


706  Chemische  A endenin  g der  Korpermaase  mit  der  Nahrung. 

III.  Gewinn  an  Gesammtgewieht  und  an  Stickstoff. 

Tigl.  Fleiscbnahning.  Beobachtungszelt.  Gewinn  an  Gesamrot-  Gewinn  an  Gcwlnrf  an  Gesammt- 


gewicht. 

Stickstoff. 

gewicht  divid.  d.  den 
Gewinn  an  Stickstoff. 

1800 

7 Tage. 

241  Gr. 

26,0  Gr.  9,3 

1800 

4 „ 

479  „ 

11,3  „ 

42,4 

2100  u.  2000 

5 „ 

1592  „ 

46,4  „ 

34,3 

2500 

3 „ 

853  „ 

10,6  „ 

80,5 

Diese  Zusanimenstellung  lässt  erkennen,  dass  der  Hnnd  bei 
einer  reinen  Fleischnahmng  reicher  an  einem  stickstoffhaltigen 
Atom  werden  mtisse. 

Dieses  ergiebt  sich  ohne  weiteres  für  die  Fälle,  in  welchen 
das  Gesammtgewieht  abgenominen  hat  und  trotzdem  in  der  Nah- 
rung mehr  Stickstoff  eingenommen  wurde  als  durch  den  Harn  ab- 
geschieden war.  Dass  aber  auch  bei  der  gleichzeitigen  Abnahme 
des  Gesammtgewichts  und  des  Stickstoffs  der  Hund  stickstoffreicher 
geworden  sei,  folgt  daraus,  dass  der  Quotient  aus  dem  Gesammt- 
verlust  durch  den  Stickstoffverlust  grösser  ist,  als  der  Quotient  aus 
dem  N-Gehalt  des  Fleisches  (der  einzigen  Nahrung)  in  das  ge- 
nossene Fleisch;  der  letztere  beträgt  nämlich  nur  29,4,  während 
der  vorhergenannte  Quotient  im  Mittel  59,2  ist.  Dass  endlich  aber 
dasselbe  Gesetz  auch  fUr  den  Fall  gilt,  in  welchem  der  Stickstoff 
und  das  Gesammtgewieht  zugenommen  haben,  folgt  aus  der  Ver- 
gleichung der  Fleischnahrung  mit  einer  aus  Fleisch  und  Fett  oder- 
auch nur  aus  ßrod. 

B.  Fleisch-  und  Fettnahrung. 


I.  Verlust  an  Gesammtgewieht  und  au  Stickstoff. 


Tägliche  Nahrung 

an  Fleisch.  an  Fett.  Bcobachtangszeit. 

Verlust  an  Ge- 
aannntgew. 

Verlust  an  N. 

Verlust  an  Ge- 
sammtgewh-hl 
dirid.  durch  den 
Verlost  an  N. 

150  Gr. 

250  Gr.  10  Tage. 

161  Gr. 

28,2  Gr. 

5,7 

700  „ 

150  „ 5 „ 

485  „ 

13,2  „ 

61,2 

11.  Gewinn  an  Gesammtgewieht  und  an 

Stickstoff. 

Fleisch. 

Fett.  Renbftchtungszeit.  Gewinn  an  Gesamint 

gewicht. 

» • 

- Gewinn  Gewinn  an  Go- 
an  N.  wicht  dirld.  il. 

J.  Gewinn  an  N. 

500 

250  31  Tage 

4543  Gr. 

61 

74,4 

1000 

250  3 „ 

654  „ 

13 

50,3 

1500 

250  4 „ 

1175 

16 

73,4 

1800 

250  7 „ 

1715  „ 

28 

61,2 

2000 

250  3 „ 

143  „ 

12 

11,8 

• 

Digitized  by.GQQgle 


Chemische  Aenderung  der  Körpermaße  mit  der  Nahrung. 


707 


Vergleicht  man  den  mittleren  Quotienten  aus  dem  Gewinn  an 
' Körpermasse  und  den  des  Stickstoffs  bei  reiner  Fleischnahrung  und 

i bei  Fleisch-  und  Fettnabrung,  so  findet  mau  ihn  im  ersten  Fall 

= 41,6  und  letzteren  54,2.  Es  war  also  im  ersten  Fall  in  der 
aufgespeicherten  Körpermasse  mehr  N enthalten'  als  in  letztem. 
Noch  auffallender  ist  das  Missverhältnis,  wenn  inan  die  Brod-  und 
Fleischnahrung  vergleicht.  Als  der  Hund  41  Tage  hindurch  mit 
| Brod  geftlttert  war  und  dabei  um  581  Gr.  leichter  geworden  war, 
I hatte  er  126,4  Gr.  N mehr  ausgegeben  als  eingenommen.  Hier 
betrug  also  der  beregte  Quotient  gar  nur  4,1. 

Sieht  man  die  Zahlen,  ans  denen  die  vorstehenden  Mittel  ge- 
zogen sind,  im  Einzelnen  durch,  so  macht  man  die  Bemerkung, 
, dass  vorzugsweise  beim  Uebergang  aus  einer  Fütterung  in  die 
Andere  eine  Aecommodation  des  Stickstoffgehaltes  des  Körpers  an 
den  der  Nahrung  stattfiudet.  Dieser  Umstand  deutet  darauf  hin, 
i dass  ein  Theil  jenes  Stickstoffs,  der  in  den  Ausscheidungen  fehlte, 
• oder  in  ihm  zuviel  vorhanden  war,  aus  dem  Harnstoff  der  tliie- 
rischen  Säfte  stammte  oder  in  diesen  verwandelt  wurde;  denn  nach 
der  Analogie  einer  an  Kochsalz  und  ähnlichen  Stoffen  ärmeren  oder 
reicheren  Kost  in  ihrem  Einfluss  auf  die  Anhäufung  und  Abschei- 
dung des  Chlors  im  thierischen  Körper  (p.  397)  könnte  man  auch 
hier  vermuthen,  dass  wenn  sich  in  Folge  eines  Kostwecbsels  die 
Menge  des  bisher  gebildeten  Harnstoffes  ändert,  nicht  allein  die 
Quantität  des  ausgeschiedeuen,  sondern  auch  des  in  de»  Säften  ver- 
weilenden Harnstoffs  variirt. 

Wenn  aber  beim  andauernden  Genuss  derselben  Nahrung  auch 
die  Einnahme  und  Ausgabe  des  N dauernd  sich  nicht  entsprechen, 
so  dürfte  es  jedenfalls  zu  einer  Aenderung  der  eiweisshaltigen  Ge- 
webe und  Säfte  kommen,  wie  dieses  sogleich  erörtert  werden  soll. 
Es  würde  wünschenswerth  sein,  zu  wissen,  auf  welches  Minimum 
und  Maximum  der  Gehalt  des  thierischen  Körpers  an  Eiweissstoffen 
gebracht  werden  kann,  ohne  dass  die  Leber  beeinträchtigt  wird. 

b.  Die  Aenderung,  welche  die  chemische  Zusammensetzung 
eines  Thiers  durch  eine  bestimmte  Fütterungsweise  erfahren  hat, 
kann  dnreh  die  chemische  Analyse  aufgehellt  werden,  entweder 
wenn  man  von  zwei  möglichst  gleichartigen  Thieren  das  eine  vor 
Beginn  und  das  andere  nach  Schluss  der  Fütterung  tödtete  und 
zerlegte,  oder  dadurch,  dass  mehrere  möglichst  gleichartige  Thiere 
auf  verschiedene  Weise  gefüttert  wurden  und  nach  ihrem  Tod  das 
Verhältniss  der  wesentlichen  chemischen  Bestandteile  des  Thicres 

45* 


Dlgitized  by  Google 


708 


Chemische  Aenderung  der  Körperaasse  mit  der  Nahrung. 


hingestellt  wird.  Es  bedarf  kaum  der  Andeutung,  dass  diese  Ver- 
fahrungsweisen  keinen  Anspruch  auf  besondere  Genauigkeit  machen. 

Muskeln  und  Hirn  der  Katzen,  welche  bei  Brodnahrung  ver- 
hungerten, enthalten  in  100  Theilen  mehr  Wasser  als  die  genannten 
Organe  der  mit  Fleisch  ernährten  Thiere.  Der  Unterschied  beträgt 
zwischen  3 bis  5 pCt.  (Bischoff,  Voit). 

Gemästete  Schweine  enthalten  nach  Boussingault  weniger 
(fettfreie)  Knochen  als  ungemästete;  Fett  und  Muskeln  stehen  da- 
gegen in  magern  und  gemästeten  Schweinen  annähernd  in  dem- 
selben Verhältnis  zu  einander. 


- -V  ' . - ' 1 

1 

Haut  mit 
Boraten,  j 

Fettfreie 

Knochen. 

Alles  Fett. 

r 

Muskel. 

| Quotient  aus 
dem  Fleisch 
j und  Fett. 

Mit  Kartoffeln  gofütt.  =i 
65  Kilo  mittl.  Gewicht 

9,5 

1 

6,5  I 

22,5 

37,2 

0,60 

Mit  Kartoffeln,  Milch  und' 
Spülwasser  — 75  Kilo 
mittleres  Gewicht 

8,27 

6,91  j 

25,57 

39,69 

0,64 

Mit  Mastfutter  = 111  K. 
mittleres  Gewicht 

9,35 

6,23 

27,30 

41,46 

.. 

0,65 

Es  wäre  wünschenswerth  zu  wissen,  wie  sich  mit  der  Rage, 
der  Aenderung  des  Mastfutters  u.  s.  w.  die  Zusammensetzung  ge- 
staltete. 

Boussingault  zerlegte  auch  gemästete  Enten  und  Gänse'; 
seine  Resultate  sind  in  den  folgenden  Zahlen  enthalten.  Das  -+- 
vor  der  Zahl  bedeutet  einen  proportionalen  Gewinn,  das  — einen 
eben  solchen  Verlust,  d.  h.  den  Quotienten  aus  der  Gewichtszu- 
oder  Abnahme  der  einzelnen  Organbestandtheile  in  das  ursprüng- 
liche vor  der  Mästung  vorhandene  Gewicht. 

I.  Gänse  mit  Mais  gemästet.  Mittel  aus  6 Versuchen. 


Fett.  Fettfreie  Knochen.  Fettfreie  Haut,  Mus- 

keln, Bindegewebe. 

+ 4715  — 0,094  + 0,274 

Schlund. 

— O,300 

Hirn. 

0,0 

2.  .Ente  mit  Reis  gestopft. 

Fettfreie  Haut,  Mus- 
Fett.  Fettfreie  Knochen,  kein,  Bindegewebe. 

Schlund. 

Hirn. 

-+-  0,183  0,0  + 0,269 

— 0,298 

0,0 

2.  Ente  mit  Reis  nnd  Butter. 

Fettfreie  Haut,  Mus- 
Fett.  Fettfreie  Knochen.  kein,  Bindegewebe. 

1,096  — 0,133  -+-  0,195’ 

Schlund. 

— 0,456 

Hirn. 

0,0 

Diaitized  bv  Google 


Tfgliche  Ausgaben. 


709 


Wie  beim  Verhungern  das  Hirngewicht  nicht  hemntergeht , so 
steigt  es  beim  Mästen  nicht;  der  Sehland  und  die  Knochen  magern 
wie  bei  den  Schweinen  während  des  Mästens  ab.  Die  zu  der 
Haut,  den  Muskeln  und  deren  Hilfswerkzeugen  gehörenden  Eiweiss- 
und Leimstoffe  haben  bei  Mästung  der  Vögel  zugenommen,  doch 
in  einem  ganz  anderen  Verhältnisse,  als  das  Fett,  sodass  100  Th. 
gemästeter  Vögel  eine  ganz  andere  Zusammensetzung  darbieten, 
als  100  Th.  ungemästeter. 

Ausser  den  bisher  betrachteten  Bedingungen  (Körpergewicht 
und  FUiterung)  wirken  nun  bekanntermaassen  noch  viele  andere 
auf  die  Mehrung  oder  Minderung  des  Körperumfangs  ein , dahin 
gehört  die  ursprünglichen  Anlagen  des  Thiers,  wie  sie  durch  die 
Kamen:  Classe,  Ordnung,  Geschlecht,  Art  und  Spielart  ausgedrückt 
werden,  ferner  der  körperliche  und  geistige  Erregungszustand,  das 
Alter  und  vieles  mehr;  Uber  einige  Punkte  geben  die  Erfahrungen 
der  fleischzüchtenden  Landwirthc  Aufschluss. 

t 

Die  täglichen  Ausgaben  bei  genügender  Nahrung.  Bei 
einer  Beurtheilung  der  täglichen  Verluste  eines  Thieres  muss  man 
im  Auge  behalten,  ob  sich  dasselbe  mit  der  Nahrung,  die  es  ver- 
zehrt, schon  in  das  Gleichgewicht  gesetzt  hat,  oder  ob  es  dieses 
noch  nicht  gethan.  Nehmen  wir  an,  dass  das  Thier  unter  dem 
Einfluss  einer  bestimmten  Nahrung  sein  mittleres  tägliches  Gewicht 
behauptet,  und  weiter,  dass  es  am  Ende  eines  jeden  Tages  auch 
auf  dieselbe  chemische  Zusammensetzung  zurückkekre,  dann  werden 
natürlich  die  Ausgaben  den  Einnahmen  quantitativ  und  qualitativ 
genau  entsprechen  müssen.  Diesen  Satz  konnte  man  auch  so  aus- 
spreehen,  dass  einer  jeden  nach  Art  und  Maass  festgestellten  Be- 
leibtheit des  Thieres  auch  eine  nach  Art  und  Maass  bestimmte 
Ausscheidung  entspreche.  Denn  eine  jede  Fütterungsweise  führt 
genügend  lange  fortgesetzt  zu  einer  nach  Gewicht  und  Zusammen- 
setzung genau  bestimmten  Körpermasse,  also  kann  das  Thier  auch 
erst  nach  Erreichung  der  letztem  den  ganzen  Werth  seiner  Ein- 
nahme wieder  ausgeben. 

Vergleicht  man  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  Futter,  Körper- 
gewicht und  Ausscheidungen,  so  ergeben  die  vorliegenden  Beobach- 
tungen, dass  der  Hund  bei  einer  Nahrung  mit  magerm  Fleisch  im 
Stande  ist,  trotz  eines  niedern  Körpergewichts  viel  umzusetzen  und 
auszuscheiden,  während  der  mit  fettem  Fleisch  oder  neben  dem 
Fleisch  noch  mit  Kohlenhydraten  ernährte  Hund  auf  ein  höheres 


Digitized  by  Google 


710 


Verhältnis!*  zwischen  der  Masse  des  Thiers  and  den  Ausgaben. 


Gewicht  kommen  muss,  bevor  er  jene  ausscheidende  Fähigkeit 
erlangt. 

Das  Genauere  der  Beziehung  zwischen  dem  Gewicht  der  Kör- 
permsse  und  der  Grösse  der  Ausscheidung  bleibt  jedoch  selbst  bei 
demselben  Thier  wegen  Mangels  an  ausgedehnten  Versuchsreihen 
unbekannt ; nur  so  viel  scheint  aus  den  vorliegenden  Beobachtungen 
hervorzugehen,  dass  die  Ausgaben  nicht  in  geradem  Verbältniss 
mit  dem  Körpergewicht  wachsen.  Denn  es  scheidet  die  Gewichts- 
einheit des  beleibteren  Thieres  viel  mehr  aus  als  die  des  magern. 

Ausser  der  Fiitterungswcise  und  dem  Mästungsgrad  übt  die 
Art  und  Individualität  des  Thieres  einen  wesentlichen  Einfluss  auf 
die  Lebhaftigkeit  der  Ausscheidungen.  »So  bedarf  die  Gewichtsein- 
heit Taube,  um  sich  auf  constantem  Körpergewichte  zu  erhalten, 
mehr  Futter  als  die  Gewichtseinheit  Hund,  Katze,  Mensch.  Wie 
sich  die  Verhältnisse  bei  den  drei  letzteren  Warmblütern  verhalten, 
geht  aus  den  vorliegenden  Thatsachen  nicht  mit  Sicherheit  hervor, 
da  die  Fütterungsart  sehr  abweichend  war.  Die  Vergleichung  der 
Erfolge  annähernd  gleicher  Fütterung  bei  den  Katzen  I.  und  III. 
ergiebt,  dass  sich  die  von  geringem  Körpergewicht  trotz  etwas 
reichlicherer  Nahrung  doch  weniger  mästet,  als  die  schwere.  Diese 
Beobachtung  erhält  um  so  mehr  Werth,  als  sie  in  Uebercinstim- 
mung  ist  mit  den  von  Erlach  bei  Respirationsversuchen  gewon- 
nenen Erfahrungen  (p.  557). 

Wir  wollen  nun  den  andern  Fall  betrachten,  in  welchen  sich 
das  Gewicht  und  die  Zusammensetzung  des  Thiers  vermöge  des 
gereichten  Futters  nicht  unverändert  erhalten  kann.  Wenn  dieses 
geschieht,  so  wird  die  Ausgabe  nicht  mehr  allein  durch  das  gegen- 
wärtig gereichte  Futter,  sondern  auch  durch  den  Zustand  bestimmt, 
den  der  thicrische  Körper  unter  dem  Einflüsse  der  früheren  Fütte- 
rung erlangte.  Dieses  zeigt  sieh,  wie  schon  wiederholt  hervorge- 
hoben wurde,  dadurch,  dass  das  Gewicht  der  Ausgaben  bald  grösser 
und  bald  kleiner  ist,  als  das  der  Einnahmen;  das  erstere  ereignet 
sich  bekanntlich,  wenn  beim  Eintritt  in  die  neue  Nahrang  die  ge- 
sammte  Masse  oder  eine  Atomgruppe  des  Thieres  reichlicher  vor- 
handen ist,  als  sie  es  unter  dem  Einfluss  der  genannten  Fütterung 
hätte  werden  können,  das  letztre  im  umgekehrten  Fall.  Die  allge- 
meine Richtung,  nach  welcher  also  der  Massenzustand  des  Thieres 
auf  die  Ausscheidungen  wirkt,  wird  sich  immer  angeben  lassen, 
wenn  man  weiss,  in  welchem  Sinn  der  Zustand  des  thierisehen 
Körpers  von  demjenigen  abweicht,  welchen  das  jeweilige  Futter  zu 


Digitized  by  Google 


Verhältnis»  zwischen  ehern.  Zusammensetzung  des  Thiers  und  den  Ausgaben.  711 


erzeugen  strebt.  Die  vorliegenden  Erfahrungen  zeigen  auch,  dass 
der  Zuwachs  oder  der  Abgang,  den  die  Ausgaben  vermöge  des  Kör- 
perzustandes erleiden,  um  so  grösser  ist,  je  weiter  nach  Maass  und 
Zusammensetzung  der  gegenwärtige  Zustand  des  Körpers  von  dem 
ab  weicht,  welchen  das  gereichte  Futter  zu  erzeugen  strebt,  aber 
darliber  hinaus  offenbaren  die  gegenwärtigen  Erfahrungen  nichts. 
Um  weiter  zu  kommen,  wäre  es  nothwendig,  die  Kegeln  ftir  die 
Geschwindigkeit  zu  kennen,  mit  welcher  sich  bei  der  Aendernng 
des  Futters  der  tbierisehe  Leib  dem  Zustand  anpasst,  welchen  das 
neue  Futter  verlangt.  Mit  Rücksicht  auf  diesen  Funkt  geht  aus 
den  Tabellen,  die  die  Ernährung  des  dritten  Hundes  verzeichnen, 
hervor,  dass  in  den  ersten  oder  in  den  paar  ersten  Tagen  nach 
einem  Futterwechsel  der  Einfluss  des  durch  die  frühere  Fütterung  . 
hervorgerufenen  Zustandes  sich  am  meisten  geltend  macht.  — Aus 
allem  Diesen  folgt  endlich,  dass  die  Ansgaben  an  keinem  Tage  den 
Einnahmen  gleich  sein  können,  wenn  die  Art  und  Menge  der  Nah- 
rung sieh  fort  und  fort  ändert,  wie  es  in  der  Tliat  beim  Menschen 
der  Fall  za  sein  pflegt. 

Der  Antheil  des  Körperzustandes  an  den  Ausscheidungen  ist 
der  obigen  Definition  entsprechend  gleich  dem  Unterschied  der  Ein- 
nahmen und  Ausgaben;  stellt  man  sich  diese  Unterschiede  aus  den 
verschiedenen  Fütteningsreihen  des  3.  Hundes  mit  abnehmendem 
und  aufsteigendem  Gewicht  zusammen,  so  erkennt  man  alsbald, 
dass  nur  dann,  wenn  alle  Nahrung  entzogen  wird  oder  die  Nah- 
rnng  mindestens  sehr  spärlich  gereicht  wird,  der  Einfluss  der  Füt- 
terung zurtlcksteht  hinter  dem  des  Körperzustandes.  In  allen  übrigen 
Fällen  wird  die  Ausgabe  nach  Quantität  und  Qualität  überwiegend 
durch  die  Nahrung  bestimmt. 

Eine  Theorie  der  Thatsaehen,  die  aus  der  Vergleichung  der 
Einnahmen  und  Ausgaben  des  tbierischen  Körpers  hervorgegangen 
sind,  lässt  sich  mit  Hülfe  eben  dieser  Versuche  nicht  geben.  Denn 
es  liegt  in  der  Natur  derselben,  dass  sie  Uber  den  Mechanismus 
des  Stoffwechsels  nichts  aussagen  können,  weil  sie  die  genossenen 
Atome  nicht  in  den  Körper  hinein  verfolgen  und  nicht  naebsehen, 
wie  und  wo  sie  angehäuft,  zerschlagen  und  ansgestossen  werden. 
Erklärt  können  jene  Thatsaehen  erst  werden,  wenn  man  die  in 
jedem  einzelnen  abgesonderten  Stück  unsers  Organismus  wirksamen 
Kräfte  kennt  und  zu  beobachten  im  Stande  ist,  wie  sieh  dieselben 
unter  dem  Einfluss  einer  verschiedenen  Nahrung  ändern. 


i. 


Dlgitized  by  Google 


712 


Vftrthcilung  der  Aufgaben  auf  die  auKacheidenden  Drüsen. 


Verthcilung  der  Ausgaben  auf  die  verschiedenen 
Aussonderungswerkzeuge.  I.  Zuerst  würde  hier  überhaupt 
anzugeben  sein, "warum  sich  die  Umsetzung  und  Ausscheidung  in 
ähnlicher  Weise  zu  einander  verhalten,  wie  Einnahme  und  Um- 
setzung. Dieses  gegenseitige  Anpassen  bedarf  einer  besonderen 
Erläuterung,  da  die  Organe,  welche  vorzugsweise  die  Umsetzung 
der  Thierstoffe  bedingen,  von  durchaus  anderen  Bedingungen  re- 
giert werden,  als  Haut,  Lunge,  Nieren  nnd  Darmkanal.  — Der 
Mechanismus,  welcher  diesen  Zusammenhang  vermittelt,  ist  für 
Lungen,  Haut  und  Darm  genügend  klar.  Eine  vermehrte  Um- 
setzung, welche  zu  einer  reichlichen  Bildung  von  CO2  führt,  erhöht 
die  Temperatur  und  die  Nervenerregbarkeit;  eine  Anhäufung  von 
CO2  erregt  aber  die  brustbewegenden  Nervenmassen;  damit  be- 
schleunigt sich  die  Athmung  und  die  Ausbauchung  der  COj,  und 
nicht  minder  vermehrt  die  erhöhte  Wärme  die  Bildung  des  Wasser- 
dunstes.  Aus  dem  Mastdarme  müssen  - desgleichen  ceteris  paribus 
mit  den  Speisen  auch  die  Ausscheidungen  wachsen.  — Nicht  so 
klar  ist  dagegen  die  Beziehung  zwischen  der  absondernden  Thä- 
tigkeit  der  Niere  und  der  Anhäufung  von  Salzen,  Harnstoff,  Wasser 
u.  b.  w.  im  Blute,  da,  wie  wir  früher  sahen,  diese  Stoffe  zuweilen 
im  Blute  reichlich  vorhanden  sein  können,  ohne  dass  sich  ihre 
Ausscheidung  mehrt. 

2.  Wenn  man  übersehen  will,  welchen  Antheil  des  Ge- 
sammtverlustes  jedes  einzelne  Ausscheidungswerkzeug  ausfUhrt,  so 
wird  es  am  gerathensten  sein,  sich  die  Aufgabe  dahin  zn  stellen, 
dass  man  die  Antheile  des  Gesammtvcrlustes  an  Wasser,  C,  N,  H, 
0 und  Salzen  angiebt,  die  durch  Lunge  und  Haut,  Niere  und 
Darmkanal  ausgeschieden  werden. 

a.  Wasser.  Der  Verlust,  welchen  der  thierische  Körper  in 
der  Form  von  Wasser  erleidet , überwiegt  den  durch  alle  übrigen 
Excrete  zusammengenommen.  Seine  Verthcilung  auf  Haut  und 
Lunge,  Niere  und  Darm  kann  sich  sehr  mannichfaltig  gestalten. 
Annähernd  am  constantesten  ist,  wie  schon  früher  gesagt  wurde, 
die  Wasserausgabe  der  Lunge  und  gewöhnlich  am  niedrigsten  die 
durch  den  Darmkanal,  sodass  sie  nur  in  den  seltensten  Fällen 
überhaupt  von  erheblicher  Bedeutung  wird.  Ungemein  variabel  ist 
dagegen  die  Wasseransscheidung  durch  Niere  und  Haut,  in  der 
Art,  dass  diese  beiden  Organe  vorzugsweise  als  die  Regulatoren 
des  thierischen  Wassergehaltes  angesehen  werden  können.  In  der 
That,  nimmt  der  Wassergehalt,  des  thierischen  Körpers  bedeutend 


— ~ _ _ Digitized  bv  Google 


Aufgaben  an  Wasser  und  Kohlemdoif. 


718 


zn,  so  geben  SchweissdrUsen  und  Nieren  gleichzeitig  reichlich 
Wasser  aus  (Wasserkuren),  während,  wenn  der  Körper  relativ 
trocken  wird,  beide  Organe  in  ihrer  Thätigkeit  zurttektrcten ; mehrt 
sich  bei  mittlerem  Wassergehalte  des  Organismus  der  Wasserver- 
lust'durch  die  Haut,  weil  die  Atmosphäre  trocken  und  die  Haut 
warm  ist,  so  vermindern  die  Nieren  ihre  abscheidenden  Loistungen, 
nnd  umgekehrt,  wird  die  Verdunstung  auf  der  Haut  beeinträchtigt, 
so  steigt  der  Verlust  aus  den  Nieren.  Nimmt  endlich  der  Wasser- 
verlust aus  den  Nieren  zu,  weil  grössere  Mengen  wasserverbin- 
dender Atome  (Salze  und  Harnstoff)  durch  diese  fortgehen,  so 
stellen  die  Sehweissdrösen  ihre  Absonderung  ein  und  die  Oapil- 
laren  der  Cutis  verlieren  an  Ausdehnung. 

Beispielshalber  stellen  wir  den  Wasserverlust  zusammen,  den  nach  Barral 
l K.  Mann  in  24  Stunden  erleidet  (Mensch  I.  und  II.).  Hierbei  ist  das  aus  der 
Lunge  entleerte  Wasserquantum  folgendcrmaassen  berechnet  worden.  Man  nahm  an, 
es  sei  in  der  Ausathmungsluft  4 pCt.  COj  vorhanden  gewesen , hierdurch  gewinnt  man 
das  Volum  der  enteren  unter  Berücksichtigung  des  Umstandes , dass  sie  auf  37°  C. 
erwärmt  gewesen  sei;  dann  nimmt  man  ferner  an,  dass  die  ausgeathmete  Luft  voll- 
kommen mit  Wasser  gesättigt  gewesen  sei,  die  Einathmungsluft  aber,  deren  Tempe- 
ratur auf  16°  C.  gesetzt  wurde,  nur  60  pCt  des  bei  dieser  Temperatur  fassbaren 
Wasserdunstes  erhalten  habe. 


Durch  Lunge 

Reut 

Niere 

Darm. 

I.  20,01 

7,01 

22,25 

2,23 

II.  12,53 

11,84 

20,59 

1,15 

Wir  erinnern  daran,  dass  die  Beobachtung 

1.  in  den  Winter, 

II.  in  den  Sommer 

fällt.  Es  braucht  kaum  noch  einmal  hervorgehoben  zu  werdon , dass  diese  Berech- 
nung auf  einem  zum  Theil  sehr  angreifbaren  Boden  ruht  ; es  ist  ihr  nur  darum  ein 
Platz  gestattet  worden , weil  sie  im  Allgemeinen , den  theoretischen  Forderungen  sich 
fügend,  ein  Bild  von  der  Verkeilung  des  Wasserverlustes  im  Winter  und  Sommer  giebt. 

b.  Das  Gewicht  des  täglich  durch  den 'Körper  wandernden 
Kohlenstoffes  ist  immerhin  noch  bedeutend,  wenn  auch  viel  ge- 
ringer als  die  der  entsprechenden  Wassermengen.  Der  von  einem 
nnd  demselben  Menschen  täglich  verzehrte  Kohlenstoff  ist  aber  zu- 
gleich auch  viel  weniger  veränderlich,  als  das  Wasser.  Nach  Fl  ay- 
fair*)  wechselt  je  nach  der  Muskelanstrengnng  und  dem  Alter  der 
erwachsenen  Individuen  die  täglich  eingenommene  Kohlenstoffinenge 
zwischen  220,3  Gr.  (alte  unthätige  Arme)  bis  zn  387,3  Gr.  (Ge- 
fangene in  Bombay  mit  schwerer  Arbeit).  Der  Unterschied  der 
Klimate  macht  sich  nach  Play  fair’ s Zusammenstellungen  weniger 
geltend,  als  man  gemeinhin  behauptet,  da  der  ostindische  und  der 

*)  PhArmAzeutincbes  CentralhlAtt.  1854.  p.  417 


Digitized  by  Google 


714  Ausgaben  an  Wasserstoff  und  Stickstoff. 

% 

englische  Tagelöhner  oder  Soldat  unter  gleichen  Bedingungen  sehr 
annähernd  gleich  viel  C einnchmen.  Auffallend,  und  in  einer  solchen 
Weise,  dass  man  zweifelsüchtig  werden  könnte,  sind  die  Angaben 
von  Esquimaux,  Jakuten,  Buschmännern  und  Hottentotten.  Ein  Er- 
wachsener der  ersteren  von  diesen  wilden  Völkerschaften  soll  täg- 
lich 41*96,6  Gr.  C.  (etwa  10  Pf'd.)  und  von  der  letzteren  2682,6  Gr.  C. 
(etwa  5,25  lTd.)  täglich  verzehren.  — Von  dem  täglieh  in  den 
Körper  eingekehrten  Kohlenstoffe  tritt  bei  weitem  der  grösste  Theil 
durch  die  Lungen  aus,  durch  die  Nieren  geht  nach  den  übereinstim- 
menden Beobachtungen  von  Barral  (aui  Menschen)  und  Schmidt 
(an  Katzen)  etwa  der  10.  Theil  des  aus  den  Lungen  hervortreten- 
den fort.  In  einem  ähnlichen  Verhältnisse  6teht  die  Kohlenstoff- 
ausscheidung des  Darmkanales  zu  derjenigen  der  Lunge. 

e.  Die Gewichtsmengen  nicht  schon  oxydirten  Wasserstoffes, 
welche  täglich  genossen  werden,  sind  immer  sehr  gering.  So  weit 
die  vorliegenden  Untersuchungen  reichen , wird  er  zum  grössten 
Theil  in  Wasser  umgewandelt,  und  es  lässt  sich  dann  nicht  mehr 
entscheiden,  auf  welchem  Wege  er  den  Organismus  verlässt.  Der 
im  Stoffwechsel  nicht  oxydirte  Wasserstoff  geht  allein  durch  den 
Darm  und  die  Nieren  davon,  vorausgesetzt,  dass  man  die  Spuren 
dieses  Elementes  vernachlässigt,  welche  in  den  flüchtigen  Säuren 
und  Basen  durch  die  Verdunstung  austreten. 

d.  Mit  der  Nahrung  gemessen  wir  unter  allen  Umständen 
nur  wenig  Stickstoff,  aber  relativ  ist  die  Menge  desselben  sehr 
wechselnd.  Innerhalb  des  Körpers  werden  die  stickstoffhaltigen 
Produkte  entweder  so  zerlegt,  dass  der  N gänzlich  frei  wird,  oder 
so,  dass  er  noch  in  Verbindung  mit  einigen  oder  allen  organischen 
bleibt.  Der  freie  Stickstoff  wird  durch  Lunge  und  Haut,  der  noch 
verbundene  zum  grössten  Theil  durch  den  Harn  und  zum  kleinsten 
durch  den  Darm  entleert.  In  welchem  Verhältnisse  freier  und  ge- 
bundener N zu  einander  stehen,  ist  noch  zu  ermitteln,  und  insbe- 
sondere scheint  es  gewagt,  die  an  einer  Thierart  gewonnenen  Re- 
sultate auf  den  Menschen  zu  übertragen.  Während  es  den  An- 
schein hat,  dass  bei  den  Katzen  nur  ein  sehr  kleiner  Theil  gas- 
förmig entweicht,  geht  bei  Tauben  unzweifelhaft  ein  Dritttheil  der 
gesummten  im  Organismus  kreisenden  Menge  aus  Haut  und  Lunge 
aus,  und  zwar  unter  Umständen,  unter  welchen  nach  Regnault 
Säugethicre  gar  keinen  gasförmigen  Stickstoff  aushauchen  würden. 
Bestätigen  sich  die  Beobachtungen  von  Barral,  so  kann  bei 
Menschen  die  Hälfte  des  Stickstoffs  der  Nahrung  durch  die  Lungen 


5<Ste 


— — I)ig';i7_p(1  hy  £ 


Ausgaben  an  Sauerstoff  und  Salzen. 


715 


aasgeschieden  werden.  Wir  verweisen  rücksichtlieh  dieses  Punktes 
noch  auf  die  Harnstoffentleerung  (p.  380). 

e.  Sauerstoff.  Die  Menge  von  Sauerstoff,  die  wir  consu- 
miren,  ttbertrifft  diejenigen  aller  anderen  Elemente.  Der  Antheil 
desselben,  welcher  durch  die  Lungen  und  Haut  eingelit,  ist,  je 
nachdem  die  Nahrung  aus  llrod  oder  Fleisch  besteht,  mehr  oder 
weniger  überwiegend  über  den  in  den  trockeneu  Speisen  selbst  enthal- 
tenen; in  den  vorliegenden  Beobachtungen  mit  genügender  Nahruug 
wechselt  das  Verhältnis»  des  Sauerstoffs  in  den  Speisen  zu  dem  in 
der  Einathmungsluft,  der  erstere  gleich  1 gesetzt,  zwischen  0,33 
bis  0,11.  Noch  mehr  wird  aber  durch  die  Lungen  wieder  ausgegeben; 
in  der  That  ist  der  Antheil  des  bezeiehueten  Sauerstoffs,  welcher 
mit  der  CO*  und  dem  HO  ausgeathmet  wird,  so  gross,  dass  da- 
gegen geradezu  derjenige  als  verschwindend  betrachtet  werden  kann, 
welcher  durch  den  Harnstoff,  die  Gallenreste,  den  Hamextraktiv- 
stoff  u.  s.  W.  entleert  wird. 

f.  Die  mineralischen  Bcstandtheile  der  Nahrung,  deren 
Menge  immer  sehr  zurücktritt,  suchen  den  Ausweg  aus  dem  Kör- 
per durch  Schwciss,  Harn,  Koth;  der  erstere  giebt  vorzugsweise 
NaCl  aus,  der  zweite  sämmtliche  Schwefelsäure,  I’hosphorsäure, 
Kalkerde,  Eisenoxyd  und  den  grössten  Thcil  des  Kalis,  Natrons 
und  Chlors,  welche  aus  den  Speisen  in  das  Blut  tibergetreten  waren. 
Durch  den  Koth  gehen  dagegen  die  unverdaut  gebliebenen  Salze, 
meist  schwefelsaure,  kieselsaure,  phosphorsaure  Kalicn  und  Erden  ab. 

Anhangsweise  folgen  noch  einige  Zahlen  Uber  die  eigentüm- 
liche typische  Massenzunahme,  welche  man  als  Wachsthum  be- 
zeichnet. Das  folgende,  welches  auf  Vollständigkeit  keinen  An- 
spruch macht,  findet  wesentlich  seine  Ergänzung  in  den  Mittbei- 
lungen, die  bei  der  Ernährung  der  Gewebe  gegeben  wurden. 

Unter  Wachsthum*)  versteht  man  bekanntlich  die  Zunahme 
des  thierischen  Körpers,  welche  dieser  von  der  Geburt  an  bis  zu 
der  vollkommen  erreichten  Pubertät  erfährt.  Die  Lebenszeit,  welche 
auf  diesen  Prozess  verwendet  wird,  ist  für  verschiedene  Menschen 
zwar  nicht  die  gleiche,  aber  es  scheint  doch  die  Regel  zu  sein, 
dass  mit  dem  zwanzigsten  Jahre  die  volle  Länge  des  Körpers  er- 
reicht ist;  nur  in  seltenen  Fällen  ist  es  constatirt,  dass  sich  das 
Wachsthmn  auch  noch  am  ein  bis  zwei  Jahre  jenseits  dieses  Ter- 

•)  Quetelet,  I'cber  den  Menschen.  Deutsche  Ausgabe.  1838.  327.  — Hniohkc,  Anatomie 
der  Kingewcldc.  Leipzig  1841.  — Valentin,  Lehrbuch  der  Physiologie.  11.  Bd.4L  Ablh.  164. 


Digtfeee-by  Google 


716 


Wachsthum. 


mins  erstreckt  (Mailet),  und  zweifelhaft  ist  es,  ob  die  Behauptung 
Qnetelets  richtig,  dass  es  bis  anf  das  25.  Jahr  und  Aber  das- 
selbe hinaus  sich  verlängere.  Den  allgemeinen  Rang,  der  aus 
diesem  Prozesse  resultirenden  Längen-  und  Gewiehtsvermehrung 
giebt  die  folgende  Tafel,  welche  nach  den  Beobachtungen  von 
Quctelet  entworfen  ist.  Die  zweite  Colonne  giebt  an  die  Liingen- 
zunahme,  die  das  Individuum  in  dem  in  der  ersten  Colonne  ange- 
zeichneten Jahre  gewinnt;  die  dritte  Colonne  aber  giebt  die  auf 
das  Kilogramm  reduzirte  Vermehrung  des  Gewichtes  in  dem  gleichen 
Zeitranme.  Die  zweite  und  dritte  Spalte  sind  je  in  zwei  Unterab- 
theilungen gebracht,  von  denen  die  eine  sich  auf  das  männliche, 
die  andere  auf  das  weibliche  Geschlecht  bezieht.  Die  mittlere 
Länge  des  männlichen  Neugeborenen  wurde  = 0,5  M.,  des  weib- 
lichen = 0,49  M.  und  die  Gewichte  zu  3,2,  resp.  zu  2,9  gefunden. 


Jahr. 

Längenzunahme  in  MM. 

Gewichtszunahme  d.  Gewichtseinheit 
des  Körpers  ln  Gr. 

Männlich. 

Weiblich. 

Männlich. 

Weiblich.* 

1 

198 

290 

1,960 

2,020 

2 

88 

0,200 

0,214 

3 

71 

73 

0,099 

0,141 

0,105 

4 

63  . 

60 

0,103 

5 

56 

65 

0,1  OS 

0,105 

G 

59 

57 

0,093 

0,115 

115 

56 

0.108 

0,096 

8 

53 

0,087 

0,087 

0 

61 

51 

0,091 

0,119 

Hl 

79 

51 

0,082 

0,101 

u 

54 

30 

0,105 

0,090 

12 

50 

54 

0,100 

0,162 

13 

58 

87 

0,153 

0,104 

14 

HO 

5S 

0,127 

0,114 

15 

5t 

21 

0,125 

0,100  • 

IG 

40 

22 

0,138 

0,079 

17 

25 

35 

0,064 

0,083 

1« 

lt 

0,095 

0,078 

19 

20 

,0 

5 

0,083 

0,024 

25 

5 

0,048 

0,019 

Die  Grundzahlen  für  die  obige  Tabelle  wurden  nicht  dadurch  erhalten,  dass  die- 
selben Individuen  zu  verschiedenen  Lebensaltern,  sondern  dadurch,  dass  verschiedene 
in  verschiedenen  Lebensaltern  stehende  Menschen  gewogen  und  gemessen  wurden.  Ob- 
wohl die  Zahl  der  Individuen , aus  welchen  das  Mittel  abgeleitet  wurde , nicht  unbe- 
trächtlich ist,  so  ist  doch  noch  immer  gerechte  Besorgnis»  zu  hegen , dass  diese  Mit- 
telzahlen im  günstigsten  Falle  die  Wachsthumserscheinungen  eine»  einzigen  Landes 
oder  Landstriches  darstellen. 


Digitized  by  Google 


Wachüthuro. 


717 


Demnach  ist  der  absolute  Werth  der  Längenzunahme  beim 
männlichen  Gcschlechte  in  den  ersten  Jahren  am  grössten,  nimmt 
von  da  an  ab  bis  zum  vierten  und  bleibt  dann  annähernd  con- 
stant  bis  zum  16.,  von  wo  eine  rasche  Abnahme  erfolgt;  beim 
Weibe  erfolgt  die  Längenzunahme  bis  zum  14.  Jahre  analog  der 
des  Mannes,  wenn  ihr  absoluter  Werth  auch  um  ein  kleines  ge- 
ringer ist;  vom  14.  Jahre  an  sinkt  aber  das  Wachsthnm  rasch  ab. 
— Die  proportionale  Gewichtszunahme  ist  in  den  ersten  Jahren  des 
Lebens  sehr  bedeutend,  dann  nimmt  sie  ab,  steigt  beim  Manne 
and  beim  Weibe  um  die  Pubertätsentwickelung  wieder  an  und 
dauert,  wenn  auch  in  sinkendem  Maasse,  noch  fort,  wenn  das 
Wachsthum  beendet  ist,  sodass  Männer  meist  im  40.  und  Frauen 
erst  im  50.  Lebensjahre  das  Maximum  ihres  Gewichtes  erreichen. 
Daraus  lässt  sich  erkennen,  dass  die  Ausdehnungen  des  menschlichen 
Körpers  nach  Länge  und  Breite  wesentlich  von  einander  unabhän- 
gig sind. 

Quetelet,  Villerrod  und  Cowell  haben  die  für  das  Län- 
genwachsthum der  einzelnen  Individuen  gewonnenen  Zahlen  auch 
noch  zu  anderen  Zusammenstellungen  benutzt,  aus  denen  sich  zu 
ergeben  scheint,  dass  die  Individuen  der  ärmeren  Klasse  bei  gleichem 
Alter  kleiner  als  die  der  wohlhabenden  sind.  Dieses  gilt  nicht  allein 
für  Bewohner  eines  Landstriches  (Brüssel  und  seine  Umgegend), 
sondern  auch  für  die  verschiedenen  Viertel  einer  Stadt  (Paris); 
Stadt-  und  Landleben  oder  auch  verschiedene  Beschäftigungsarten 
scheinen  dagegen  keinen  Einfluss  zu  tlben.  Die  Zeit,  welche  auf 
die  Vollendung  des  Wachsthums  verwendet  wird,  ist  io  südlichen 
Gegenden  (in  Städten  und  Niederungen  ?)  am  geringsten.  Mehr 
als  alles  dieses  mag  die  Mensehenrace  resp.  die  ursprüngliche  An- 
lage des  Menschen  auf  die  räumlichen  und  zeitweisen  Verhältnisse 
des  Wachsthumes  von  Einfluss  sein. 

An  der  Umfangszunahme,  welche  der  menschliche  Körper  wäh- 
rend des  Wachsthums  erfährt,  betheiligen  sich  nicht  alle  Theile 
gleichmässig.  Vorzugsweise  scheint  sie  dem  Skelett,  den  Muskeln 
und  der  Haut  zu  Gute  zu  kommen,  sodass  mit  dem  steigenden 
Alter  einzelne  Organe  trotz  absoluter  Vergrösserung  relativ  zum 
Gesammtgcwichte  des  Körpers  doch  abnehmen.  Wir  entlehnen, 
um  diese  zu  veranschaulichen,  den  Wägungen  von  Huscbke  und 
R e i d folgende  Zahlen ; die  Zahlen  unter  den  betreffenden  Organen 
drücken  das  Gewicht  derselben  aus,  vorausgesetzt,  dass  das  des 
Gesammtkörpers  = 1 angenommen  wird. 


Digitized  by  Google 


718 


Waehathum. 


AHcr. 

Gehirn. 

Her*. 

Ww. 

Schikl- 

drtlne. 

Thymtu. 

--  - 

Niere. 

== 

Neben- 

niere. 

Hoden. 

Elentoek. 

0 

’ 

0,0025 

0,0045 

0,0110 

0,0017 

0,0003 

0,00004 

S Tag«. 

— 

0,075 

— 

0,0020 

— 



_ 

' 

28  „ 

— 

— 

0,042 

0,0009 

0,0015 

— 

— 

— 

— 

1—5  Jahr. 

0,118 

o.oor, 

0,047 

- — 

, 

— 

— 

— 

— 

5 

0,100 

0,008 

0,048 



— 

— 

— 

— 

7 „ 

0,095 

0,000 

0,042 

. . — 

* — . 

— 

— 



— 

13—15 

0,004 

0,006 

0,034 

— 

— 

— 

— 

' 

20—30  ., 

0,028 

0,000 

0,027 

0,0006 

— 

0,0041 

0,0001 

0,0002 

0,00016 

Noch  deutlicher  tritt  diese  ungleichmässige  Zunahme  hervor, 
wenn  man  die  Gewichte  der  einzelnen  Organe  mit  einander  ver- 
gleicht, aus  denen  sich  u.  A.  ergiebt,  dass  bei  Neugeborenen  der 
Dünndarm  im  Verhältniss  zum  Dickdarm  gewichtiger  ist,  als  bei 
Erwachsenen;  dasselbe  gilt  für  das  Pankreas  verglichen  mit  der 
Milz,  dem  rechten  nnd  linken  Leberlappen.  Bekannt  ist  auch,  dass  ' 
die  Gescblechtswerkzeuge,  die  Brüste  und  der  Kehlkopf  ihr  lebhaf- 
testes Wachsthum  erst  beginnen,  wenn  das  Skelett  seiner  vollkom- 
menen Ausbildung  nahe  ist. 


Tiigrrifee-b^oogle 


Siebenter  Abschnitt, 


T hierische  Wärme. 


Die  blntfUhrenden  Organe  des  lebenden  Menschen  bewahren 
annähernd  denselben  Wärmegrad,  wenn  auch  die  Temperatur  der 
Umgebung  nicht  unbedeutend  auf-  und  absteigt;  diese  Thatsache 
setzt  voraus,  dass  der  Organismus  Uber  erwärmende  und  abküh- 
lende Mittel  gebietet,  die  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  in  der 
Stärke  ihrer  Acusserung  und  in  ihrem  Zusammenwirken  den  Um- 
ständen anpassen.  Wir  werden,  indem  wir  auf  die  Zergliederung 
der  thierischen  Wärmeerscheinungen  eingehen,  zuerst  die  normalen 
Temperaturschwankungen  des  Organismus  und  dann  die  Mittel  an- 
geben, durch  welche  ein  entstandener  Verlust  der  Wärme  wieder 
erzeugt  oder  ein  Ueberschuss  derselben  abgeftlhrt  wird. 

Normaltemperaturen. 

Insofern  die  Wärme  eine  Bedingung  zur  Einleitung  und  Er- 
haltung von  mancherlei  insbesondere  aber  von  chemischen  Lebens- 
prozessen ist,  gewinnt  die  Temperaturbestimmung  einen  grossen 
Werth  ; in  Verbindung  mit  anderen  Beobachtungen  kann  sie  auch 
dienen,  um  eine  Einsicht  in  den  Gang  der  Erzeugung  und  des 
Verbrauches  an  Wärme  zu  gewinnen. 

Um  an  zeigen , Inwiefern  dieses  letztere  möglich , wählen  wir  ein  einfaches  Bei- 
spiel. Wir  nehmen  an,  cs  seien  drei  unmittelbar  an  einander  grenzende,  wärmeleitende 
Flächen  gegeben,  von  denen  die  beiden  äusseren  unter  allen  Umständen  auf  verseilter 
dene  Grade  erwärmt  sein  sollen;  in  diesem  Falle  wird  die  innere  der  drei  Flächen 
eine  Temperatur  annohmen,  die  in  der  Mitte  liegt  zwischen  derjenigen  der  beiden 
äusseren,  da  sic  von  der  einen  Seite  her  erwärmt  und  von  der  anderen  abgekühlt  wird. 
Um  auch  hier  wieder  den  einfachsten  Ausdruck  zu  wählen,  wollen  wir  annehmen , die 


Digitized  by  Google 


120 


Thermometriache  Apparate. 


Temperatur  der  inneren  Fläche  sei  das  .arithmetische  Mittel  zwischen  den  beiden  äus- 
seren. Unter  dieser  Voraussetzung  wird  man  einsehen , dass  in  Folge  einer  Terape- 
raturbcstimmung  der  inneren  Fläche  niemals  etwas  ausgesagt  werden  kann  Über  die 
Unterschiede  der  Temperatur  auf  den  äusseren  Flächen,  da  aus  unendlich  vielen  Unter- 
schieden ein  und  dasselbe  Mittel  hervorgohen  kann.  Kommt  aber  zu  der  Kenntniss 
der  Mittelwärme  noch  die  einer  der  beiden  Grenztemperaturen  hinzu,  so  ist  begreiflich 
auch  die  andere  Grensteraperatur  bestimmt.  Zugleich  ist  ersichtlich,  dass,  wenn  in 
der  Zeit  die  Temperatur  der  mittleren  Fläche  sich  ändert,  auch  diejenigen  der  erwär- 
menden und  abkühlenden  Flächen  Veränderungen  erlitten  haben  müssen;  über  die 
Natur  dieser  letzteren  lässt  sich  aber  wiederum  nur  dann  etwas  angeben,  wenn  das 
Verhalten  von  einer  der  Grenzflächen  während  der  Beobachtungszeit  bekannt  ist,  da 
z.  B.  ein  Ansteigen  der  Temperatur  in  der  mittleren  Flache  erzeugt  sein  kann  eben- 
sowohl durch  eine  Minderung  des  Verlustes  als  eine  Vermehrung  des  Gewinnes  an 
Wärme  oder,  auf  die  Grenzflächen  angewendet,  durch  Erhöhung  der  Temperatur  ent- 
weder in  beiden  oder  auch  nur  in  einer  von  beiden  Flächen  beim  Gleichbleiben  der 
Warme  in  der  anderen.  — Die  Resultate  dieser  Betrachtung  bleiben  nun , wie  ein 
kurzes  Nachdenken  lehrt,  unverändert,  wenn  man  statt  der  abkühlenden  und  erwär- 
menden Platte  in  die  mittlere  Fläche  selbst  eine  Quölle  und  einon  Verbrauch  an 
Wärme  eingelegt  denkt  — Sollen  demnach  die  in  neuerer  Zeit  so  zahlreich  Ange- 
stellten Temperaturmessungen  von  Bedeutung  für  die  Beurtheilung  des  Wärmehaus- 
haltes werden,  so  muss  auf  einem  oder  dem  anderen  Wege  noch  Aufschluss  gegeben 
werden  Über  die  Veränderungen  des  Verbrauches  oder  der  Erzeugung  von  Wärme  an 
der  beobachteten  8telle. 

Zur  Messung  der  Temperatur  bedient  man  sich  des  Thermometers  and  des  gm- 
duirten  Thermomultiplikators.  — Das  erstcre  dieser  beiden  Instrumente  ist  ein  sehr 
zuverlässiger  aber  auch  ein  träger  Apparat,  d.  h.  es  muss  das  Quecksilbergeföss  des- 
selben längere  Zeit  an  einem  Orte  verweilen , bevor  es  dessen  Temperatur  vollständig 
angenommen.  Daraus  folgt,  dass  der  Thermometer  nur  beständige  Temperaturen  messen 
kann  und  auch  dieses  nur  dann,  wenn  das  aufgelegte  Thermometer  die  Tempera- 
tur des  Ortes  nicht  ändert,  dessen  Wärme  es  messen  soll.  Aus  dem  letztem 
Grund  ist  eB  z.  B.  unbrauchbar  zur  Ermittelung  der  Temperatur  eines  Ortes,  durch 
welchen  ein  constanter  Wärmestrom  geht,  wie  z.  B.  der  Epidermis.  Denn  auf  dieser 
kann  es  nur  Anwendung  Anden,  wenn  die  Epidermisoberfiäche  (Handteller,  Achsel- 
grube, Schenkelung  u.  s.  w.)  so  gekrümmt  wird,  dass  sie  die  Kugel  möglichst  allseitig 
umschliesst,  oder  wenn  die  in  beschränkter  Berührung  aufgesetzte  Kugel  mit  einem 
schlechten  Wärmeleiter,  der  auch  noch  die  anliegende  Epidermis  bedeckt,  umkleidet 
wird.  Beide  Anwendungsweisen  verhindern  aber  die  normal  bestehende  Abkühlung 
jener  Hautstelle,  deren  Temperatur  man  messen  wollte;  man  erhält  darum,  wenn  man 
das  Thermometer  so  lange  liegen  lässt,  bis  sein  Quecksilberniveau  einen  unveränder- 
lichen Stand  eingenommen,  die  Temperatur  der  unterliegenden  Cutis  resp.  des  sie  durch- 
dringenden Blutes.  — Aus  dem  schon  früher'  mitgetheilten  Prinzip  des  graduirten 
Thermomultiplikators  (Bd.  1.  p.  467)  geht  hervor,  dass  er  ein  Differentialinstrument 
ist,  welches  beständige  und  veränderliche  Temperaturunterschiede  zweier  Orte  mit 
grosser  Schärfe  auffasst.  Seine  Anwendung  ist  dagegeu  umständlich  und  die  Re- 
duktion seiner  Angaben  auf  thermometrische  Grade  nur  bei  äusserst  sorgfältiger  Arbeit 
zuverlässig.  Bringt  man,  wie  es  Becquerel*)  u.  A.  gtfthan,  die  Löthstellen  auf 


*)  Anna! es  des  sc.  nat,  xoolog..  in.  u.  IV.  Bd.  (1836  u.  88.). 


Wärtuo  dos  Blutes. 


721 


einer  Nadel  an , so  kann  man  im  lebenden  Menschen  auch  die  sonst  unzugänglichen 
Orte,  z.  B.  Muskeln,  Eingeweide  u.  s.  w.,  auf  ihre  Temperatur  bestimmen.  — Der  dem 
thierischen  Körper  eingewachsenc  Wärmemesser,  der  Empfindungsnerv  der  Haut,  ist 
bekanntlich  kein  Instrument  znr  Messung  unveränderlicher  Temperaturen,  er  ist  im 
engern  Wortsinne  kein  Thermometer.  Da  er  an  der  Grenze  von  Luft  und  Blut  steht, 
so  kann  der  Nerv  auch  ein  Abainken  der  ilauttomperatur  anzcigcn  (ein  tfroatachauern 
veranlassen),  trotzdem , dass  die  Blutwärme  im  Steigen  begriffen  ist  und  umgekehrt 
Das  auffallendste  Beispiel  hierfür  ist  der  Vieberfrost , dessen  Auftreten  jedesmal  be- 
gleitet wird  von  einer  Steigerung  der  Bluttemperatur  (Gierso,  Bärensprung, 
Traube’,  Michael  u.  A.).  Dieser  scheinbare  Widerspruch  erklärt  Bich  einfach  aus 
dem  Zustand  der  llautgefiisse,  welche  sich  so  sehr  zusammenziehen,  dass  das  Blut  nur 
in  sehr  geringer  Ausdehnung  mit  der  Haut  in  Berührung  ist;  die  Abkühlung  gewinnt 
also  trotz  einer  erhöhten  Bluttemperatur  das  L'ebergewicht.  Ebenso  häutig  geht  die 
Empfindung  der  Hitze  mit  einer  fortschreitenden  Abkühlung  des  Bluts  Hand  in  Hand. 

I.  Die  verschiedenen  Orte  des  menschlichen  Körpers  sind  zu  . 
einer  und  derselben  Zeit  nicht  auf  gleichen  Grad  erwärmt. 

a.  Blut*).  Nach  den  Beobachtungen  von  Bi  sc  hoff,  G.v.  Lie- 
big  und  CL  Bernard  ist  das  venöse  Blut,  welches  aus  der  Haut 
zurückkommt,  im  allgemeinen  kühler  als  das  arterielle,  welches  in 
sie  strömte.  Das  Blut,  welches  dagegen  in  die  Niere  und  Leber 
eingeht , ist  kühler  als  das , welches  jene  Organe  verlässt.  Das 
Blut,  welches  in  die  Darmwandungen  cindringt,  ist  bald  kflhler. 
und  bald  wärmer  gefunden  worden  als  das  der  venu  portarum. 
Das  Blut  der  Speichel-  und  Muskelvenen  ist  zeitweise  wenigstens 
wärmer  als  das  der  entsprechenden  Arterien.  Aus  allen  diesen  er- 
giebt  sieh,  dass  der  Inhalt  derjenigen  Venenstäuime,  welche  das 
Blut  aus  verschiedenen  Organen  sammeln,  bald  wärmer  und  bald 
kälter  als  das  Arterienblut  sein  kann. 

Das  Blut,  das  aus  der  vena  eav.  inferior  ins  Herz  einlliesst, 
scheint  immer  wärmer  zu  sein  als  das,  welches  durch  die  vena 
eava  superior  dort  anlangt,  eine  Erfahrung,  die  sich  auch  ohne 
Schwierigkeit  aus  deren  Menge  und  der  Temperatur  der  Blutarten 
erklärt,  welche  in  die  beiden  genannten  Gefässe  einströmen.  Das 
Gemenge  aus  allen  venösen  Blutarten,  also  der  Inhalt  des  rechten 
Herzens  wechselt  in  seiner  Temperatur  je  nach  dem  Uebergevvieht 
des  Stroms  aus  der  eava  descendens  oder  ascendens;  aber  immer 
findet  sich  bei  gleichzeitiger  Beobachtung  der  Inhalt  des  rechten 
Ventrikels  wärmer  als  der  des  linken. 


. •)  G.v.  Lieb  lg,  t'ebcr  die  Temperaturunterschiede  des  venösen  und  arteriellen  Blutes. 
Giessen  IBM.  — J.  Gavarret,  I>c  la  chaleur  prod.  par  les  ßtres  vivant*.  Paris  IBM.  p.  119.  — 
Hernard,  Compt.  rend.  48.  Rd.  p.  MH  und  Ml. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  40 


Digitized  by  Google 


722 


Wärme  des  Blutes  und  der  Eingeweide. 


Die  folgende  Tabelle  giebt  einige  Beispiele  fttr  die  obigen 
Anssprliebe. 


Hund. 

Ort. 

Wärme  in 
C-Graden. 

Bemerkungen.  ’ 

Beoltachter. 

Vena  eava  super. 

35,98 

1 

Atrium  dextr. 

36,37 

1 

| G.  r.  Liebig. 

2 ' 

Vena  cruralis. 

37,20 

2 I 

Vena  cava  infer. 

3S,l  1 

• 3 ! 

I Aorta. 

1 Vena  portarum. 

38,7 

39,2 

Endo  der  Verdauung. 

4 

1 

| Vena  portarum. 

| Vena  hepatica. 

39,1» 

39,5 

Anfang  d.  Verdauung. 

5 ! 

t 

\ Vena  portarum. 
| Vena  hepatica. 

39,7 

41,3 

Verdauung. 

G 

j 

| Vena  portarum. 
| Vena  hepatioa. 

37,  8 
3S,4 

Seit  4 Tagen  nüchtern. 

. CI.  Beraard. 

1 

< 

\ Vena  portarum. 
| Vena  hepatica. 

39, l> 
39,7 

V erdauung. 

\ Aorta. 

38,4 

1 Vena  hepatica. 

39,4 

i 

Rechtes  Herz. 

38,8 

• Nüchtern. 

9 i 

1 

) Linkes  Herz. 

38,6 

\ Rechtes  Ilere. 
[ Linkes  Herz. 

39,2 

39,| 

Verdauung. 

10 

} Rechtes  Herz. 

36,37 

\ 

/ Linkes  Herz. 

\ Rechtes  Herz. 

30,82 

39,21 

> G.  v.  Liebig. 

1 Linkes  Herz. 

34,02 

I 

Diesen  Beobachtungen  der  oben  genannten  Autoren  ist  darum  der  Vorzug  ge- 
geben worden  vor  den  zum  Theil  entgegengesetzt  berichtenden  anderer  Physiologen 
(Davy,  Krimer,  Hering,  Brechet  u.  A.),  weil  die  zu  den  vergleichenden  Unter- 
suchungen verwendeten  Thermometer  an  und  für  sich  möglichst  empfindlich  und  ge- 
nau auf  einander  reduzirt  waren  , weil  beim  Ablesen  der  Zahlen  der  aus  der  Paralaxe 
fliessende  Fehler  vermieden  war,  ferner  weil  die  Thermometerkugel  in  das  Gefäaslumen 
des  lebenden  Thiercs  und  zwar  so  eingefügt  war,  dass  sic,  ohne  den  Blutatrom  zu 
hemmen,  nur  mit  dem  Blute,  nicht  aber  mit  den  Gcfässwandungen  in  Berührung  war. 
Den  Resultaten,  die  aus  solchen  Messungen  hervorgegangen  sind,  lassen  sich  natürlich 
die  nicht  ebenbürtig  gegenüber  stellen,  bei  welchen  man  die  Thermometerkugel  in  deu 
Aderlassstrahl  hielt  oder  in  Gelasse  steckte,  die  dem  Luftzutritte  Treis  gegeben  waren, 
und  zwar  zum  Theil  erst  dann , nachdem  einige  Zeit  vorher  der  Tod  erfolgt  und  die 
Athmung  und  somit  auch  der  Unterschied  zwischen  venösem  und  arteriellen  Blut  auf- 
gehoben war. 

b.  Die  Unteramgengegend  ist  um  0,5  bis  0,25°  C.,  die  Blase, 
der  Mastdarm  nnd  die  Scheide  uni  0,8  bis  1,1"  C.  wärmer,  als  die 
Achselgrube  (Hallmannn*),  Bärensprnng**)  L.  Fick***), 
Berger,  Davy).  Das  Bindegewebe  unter  der  Haut  ist  um  2,1"  C. 

*)  ilc  Imholz,  1.  c.  530. 

•*)  Mit  II  er’»  Archiv  IM1. 

••■>  Ibld.  IHM.  » 


Aendcningen  der  Temperatur. 


723 


bis  0,9°  C.  niedriger  temperirt  als  das  der  Skelettmuskeln  (Bec- 
querel und  Brechet).  Die  Baucheingeweide  sind  nach  den  ther- 
moelektrischen Bestimmungen  derselben  Gelehrten  etwas  wärmer, 
als  die  Lungen  und  das  Hirn. 

2.  Kein  Ort  des  thierischen  Körpers  verhält  sich  im  Verlauf 
auch  nur  eines  Tages  stetig  auf  derselben  Temperatur,  Überall  und 
fast  immer  schwankt  dio  Wärme  auf  und  ab.  Diese  Schwankung 
kann  allerdings  zunächst  nur  abgeleitet  werden  aus  einer  Veränder- 
lichkeit des  Gewinns  und  des  Verlustes  an  Wärme,  aber  die  ab- 
steigende Temperatur  ist  dennoch  kein  Zeichen  fllr  ein  Sinken 
und  die  aufsteigende  kein  solches  für  das  Anwachsen  der  Wärme- 
erzeugung, denn  es  kann  die  absteigende  Wärme  eben  so  gut 
von  einer  Erleichterung  und  die  aufsteigende  von  einer  Hinderung 
des  Wärmeabflusses  abhängen.  Diese  Zweideutigkeit,  welche  der 
Temperaturangabe  mit  Rücksicht  auf  die  Ursache  der  Aenderung 
anklebt,  ist  um  so  mehr  im  Auge  zu  behalten,  als  in  der  That  im 
thierischen  Körper  die  Vorgänge,  welche  Wärme  erzeugen,  in 
weiten  Grenzen  unabhängig  sind  von  denen,  welche  Wärme  fort- 
schaffen. 

Wenn  sich  im  thierischen  Körper  die  Wärme  ändert,  so  treten 
damit  auch  in  einigen  andern  seiner  Lehensvorgänge  Variationen 
ein,  einige  dieser  letzten  Veränderungen  sind  so  beschaffen,  dass 
mit  ihrem  Eintritt  sich  auch  nothwendig  die  Erzeugung  oder  der 
•Verlust  von  Wärme  ändern  muss,  andere  so,  dass  dieses  zwar  oft, 
aber  nicht  nothwendig  geschehen  muss.  Nehmen  wir  an,  es  sei 
der  Verlust  an  Wärme  unverändert  geblieben , es  seien  dagegen  die 
Umsetzung  und  die  nachfolgende  Oxydation  der  organischen  .Stamm- 
atome des  thierischen  Körpers  (Eiweiss,  Fette  etc.)  gesteigert 
worden,  so  muss  auch  die  Wärme  reichlicher  fliessen,  beziehungs- 
weise die  Temperatur  zunehmen.  Wir  dtirfen  also,  alles  Andere  gleich 
gesetzt  auf  eine  aufsteigende  Temperaturschwankung  rechnen,  wenn 
mehr  Sauerstoff  verschluckt  oder  mehr  Galle,  Harnstoff,  Kohlensäure 
u.  s.  w.  abgesondert  wird.  Die  chemischen  Prozesse,  aus  welchen 
diese  letztem  Umsetzungsprodukte  hervorgehen,  werden  aber  an- 
geregt durch  die  Aufnahme  von  Speisen,  durch  Nerven-  oder  Mus- 
kelerregnng  u.  s.  w.  Insofern  also  nach  der  Mittagsmahlzeit  die 
chemische  Umsetzung  wirklich  gesteigert  wird,  oder  der  erregte 
Muskel  die  von  ihm  entwickelten  Kräfte  nur  zu  Arbeiten  innerhalb 
des  thierischen  Körpers  selbst  verwendet  u.  s.  w.,  können  wir  die 
eingetretene  Temperatursteigerung  auch  als  abhängig  von  den  genann- 


724 


Tempcraturändorung  mit  Bildung  vonCOi,  Galle 


ten  physiologischen  Vorgängen  ansehen.  ln  Folge  eines  vermehr- 
ten Bedürfnisses  nach  Sauerstoff  und  einer  lebhaftem  Umsetzung 
des  Eiweisses,  der  Fette  etc.  bewegen  sich  Herz  und  Brustkasten 
häutiger,  also  kann  man  auch  die  Wärmeänderuug  als  eine  Funk- 
tion von  den  zuletzt  genannten  Bewegungen  betrachten. 

Aus  diesen  Bemerkungen  erklärt  es  sich,  warum  die  Erfahrung 
kein  allgcmeingliltiges  Gesetz  aufdeckte,  durch  welches  die  Ab- 
. hängigkeit  der  Temperaturschwaukuiig  von  den  Aenderungen  ein- 
zelner physiologischer  Vorgänge  bestimmt  wird.  Die  folgenden  An- 
gaben haben  darum  nur  Werth  als  Durchschnittsregeln  und  als 
Ausgangspunkte  fUr  weiter  gehende  Untersuchungen. 

a.  Die  Temperatur  ändert  sich  mit  dem  Grade  der  Geschwindig- 
keit, den  die  Ausscheidung  von  CUi  und  die  Aufnahme  von  Sauerstoff 
durch  die  Lunge  hindurch  annimmt.  Beispiele  hierfür  liefern  dieMittel- 
* temperaturen  verschiedener  Thierklassen.  So  verzehren  u.  A.  die 
warmblütigen  Wirbelthiere  viel  mehr  Sauerstoff'  als  die  kaltblütigen. 

. Auch  an  demselben  Individuum  geht  meist  die  Temperatur  dem 
täglichen  Gang  der  COs-Ausscheidung  parallel,  siehe  hierüber  Chos- 
sat,  Bidder  und  Schmidt*).  — Mit  der  Lebhaftigkeit  des  Gas- 
stroms durch  die  Lungenwand  wächst  aber  bekanntlich  auch  die 
Geschwindigkeit  der  Athemfolge;  darum  athmet  auch  ein  Thier 
rascher,  wenn  seiue  Temperatur  steigt.  Belege  hierfür  finden  sieh 
hei  Chossat,  welcher  die  Temperatur  und  die  Athemfolge  hun- 
gernder und  gefütterter  Tauben  vergleicht.  *• 

h.  Die  Lebhaftigkeit,  mit  welcher-  die  Gallenbildung**)  vor 
sich  geht,  lässt  sich  an  der  Temperaturüuderung  erkennen.  Arnold 
verglich  hei  einem  hungernden  Hund  (von  der  18.  bis  42.  Hunger- 
stunde)  die  Menge  des  festen  Rückstandes,  welchen  die  in  je  einer 
Stunde  abgesonderte  Galle  enthielt,  mit  der  Temperatur  im  rectum. 
DerGallenrückstanduud  die  Temperatur  stiegen  und  fielen  gleichzeitig. 

c.  Mit  der  Erregung  der  Nerven  und  der  von  ihnen  abhän- 
gigen Muskeln  und  Drüsen  wächst  die  Wärme.  So  erhöhte  sich 
u.  A.  die  Bluttemperatur  J.  Davy’s  nach  dauernden  Muskelan- 
strengungeu  um  0,7°  G.  und  nach  anhaltender  geistiger  Beschäfti- 
gung um  0,27°  C.  — Die  Erwärmung  geht  von  den  erregten  Orte» 
aus;  dieses  ist  .für  die  Muskeln  durch  Becquerel.,  Brechet, 
Uelmholtz  (I.  Bd.  p.  407)  und  Ziemscn***)  erwiesen  worden. 


•)  Vvrriaaungriisäfte  p.  347. 

••)  PhyslnloKltwhe  Anntnlt  iif  Hclilcllrerir  p.  97. 

•••)  Die  KlektrirUiit  in  der  Medizin  1867.’ 


der  Muskelbetvctfung,  den  Tageszeiten. 


725 


Letzterer  beobachtete,  dass  die  Wärme,  welche  von  den  zusammen- 
gezogenen Muskeln  ausgebt,  sich  auch  in  die  tlbcr  ihnen  liegende 
Haut  verbreitet;  und  dass  nach  der  Rückkehr  des  Muskels  in  seine 
Ruhelage  die  Tcmperatnrsteigerung  noch  einige  Zeit  anhiilt.  Mit 
der  Fähigkeit  des  Muskels,  die  Temperatur  zu  steigern,  hängen 
wahrscheinlich  auch  die  niedern  Wärmegrade  gelähmter  Gliedmas- 
sen zusammen.  Die  Wärme  der  Hautdecken  stieg  nach  Bewegun- 
gen der  unterliegenden  Muskeln  im  Maximum  um  4"  0.  Dauernde 
und  ausgebreitete  Muskelzusammenziehungen  erwärmen  aber  nicht 
allein  den  thierischen  Körper  bedeutend,  sondern  sie  steigern  auch 
unter  Umständen  seine  Temperatur  sehr  rasch;  so  sah  Bärensprung, 
dass  das  in  den  Masplarm  eines  Neugeborenen  eingeflthrte  Ther- 
mometer alsbald  zu  steigen  begann , sowie  das  Kind  zu  schreien 
anfing.  — Die  Wärmesteigerung  der  erregten  Speicheldrüse  ist 
S.  341  erwähnt. 

• • 

d.  Die  in  Vorstehendem  mitgetbeiltcn  Untersuchungen  fordern, 
dass  an  jedem  Tag,  gleichgültig,  ob  wir  hungern  und  ruhen 
oder  essen  und  arbeiten,  ein  Auf-  und  Absteigen  der  Temperatur 
eintreten  müsse;  zugleich  verlangen  sie  auch,  daSs  mit  dem  stei- 
genden Alter  die  mittlere  Tageswürme  sich  ändern  müsse.  Von  • 
den  hier  augedeuteten  Schwankungen  soll  zuerst  die  betrachtet 
werden,  welche  unabhängig  von  der  Muskelbewegung  und  der 
Nahrungsaufnahme  eintritt.  Die  letztre  Wärmeänderung  führt  den 
Namen  der  typischen  Wärmeschwankung.  Das  Bestehen  einer 
solchen  typischen  Tagesschwankung  ist  von  Bärensprung  durch 
Beobachtungen  amMenschen  und  von  Chossat  und  Schmidt  an 
hungernden  eingesperrten  Thieren  dargethan  worden;  als  Beispiel  * 
für  dieselben  wählen  wir  die  Angaben  von  Lich'tcnfels*)  und 
Fröhlich.  Bei  vollkommener  Enthaltung  aller  Nahrung,  möglich 
ster  Ruhe  der  Muskeln  und  einem  Aufenthalt  in  einer  Lntt  von 
12“, 4 bis  13°, 6 0.  fi.el  die  Temperatur  von  der  letzten  Mahlzeit  an 
(des  Abends)  bis  10  Stunden  nach  derselben,  erhob  sieh  in  der 
11.  Stunde  nach  derselben  um  ein  Geringes,  sank  dann  stärker  bis 
zur  15.  Stunde  und  erhob  sich  bis  zur  lll.  wieder  auf  den  Stand 
welchen  sie  zur  Zeit  der  10.  eingenommen ; und  begann  von  da 
an  wieder  zu  siiikeu.  Der  grösste  Unterschied  betrug  bei  L iah- 
ten fei s (11.  und  15.  Stunde)  0,80u  C.,  bei  Fröhlich  0,56°  C. 

f •)  Wiener  flkidrm.  Denkschriften.  a.  IW. 


Digitized  by  Google 


726 


Tagessohwankung  Hungernder. 


Der  tägliche  Wärmegang,  wie  er  eben  hingestellt  wurde,  ändert 
sich  natürlich,  wenn  die  Lebensweise  eine  andere  wird;  vor  Allem 
übt  die  Aufnahme  von  Nahrung  einen  Einfluss,  den  man  im  allge- 
meinen als  eineu  wärmeerhöhenden  anseben  kann;  er  zeigt  sieh 
am  schlagendsten  sogleich  darin,  dass  die  Wärme  nach  Entziehung 
aller  Nahrung  sinkt.  So  fanden  z.  B.  Lichten fels  und  Fröh- 
lich die  mittlere  Temperatur  der  Ilnngcrtage  zu  30,60°  C.,  wäh- 
rend sie  an  den  wie  gewöhnlich  verlebten  Tagen  auf  37,17°  C. 
stand.  Dieser  Wänncuntersehied  wächst  mm  aber  nicht  geradezu 
mit  der  Dauer  der  Hungerperiodc,  sondern  es  hält  sich,  nach  den 
an  verhungernden  Thieren  augestellten  Beobachtungen  die  Tempe- 
ratur vom  zweiten  ljungertage  an  constant  bis  gegen  die  dem  Tode 
unmittelbar  vorangehenden,  wo  die  Wärme  von  Tag  zu  Tag  rasch 
sinkt  (Cho.ssat,  Schmidt).  In  ciuer  Versuchsreihe  an  einer 
Katze  (Schmidt)  zeigte  bis  znm  15.  Ilnngcrtage  das  Thermometer 
im  Mittel  38,0°  C.,  am  10.  Tage  38,3“,  am  17.  Tage  37,64°,  am 
18.  Tage  35,8°  und  endlich  am  13.  (dem  Sterbe-)  Tage  33,0.  — 
Mit  diesen  Angaben  sind  wenigstens  die  von  Chossat*),  der  seine 
Beobachtungen  an  den  höher  temperirten  und  rascher  verhungern- 
den Tauben  anstellte,  nicht  im  Widerspruche.  Den  Erscheinungen 
der  Hungerkur  entsprechend  scheinen  sich  die  Dinge  auch  bei  der 
Einnahme  der  Nahrung  zu  stellen ; unzweifelhaft  nimmt  nämlich 
die  Temperatur  nicht  mit  dem  Gewichte  der  aufgenommenen  Speise 
zu;  träfe  dieses  ein,  so  durfte  die  Temperatur  der  Erwachsenen 
sich  nicht,  in  so  engen  Grenzen  halten , da  sie  doch  so  ausseror- 
dentlich verschiedene  Mengen  von  Nahrungsmitteln  gemessen.  Zu 
weiteren  Angaben  fehlen  jedoch  noch  die  genaueren  Untersuchungen. 

Ucbcr  die  Art  und  Weise,  wie  die  Nahrungsaufnahme  die  ty- 
pische Tagesschwankung  modifizirt,  ist  Folgendes  bekannt. 

Nach  den  Messungen  von  Lichtenfels-Fröhlich,  Gierse, 
II allmann  und  Bärensprung,  welche  ungefähr  zu  denselben 
Stunden  auf  gleiche  Weise  assen,  steigt  die  Wärme  nach  dem  Früh- 
stück an  und  erreicht  4 — 6 Stunden  nach  demselben  ihr  erstes 
Maximum,  dann  sinkt  sie  bis  zur  Hauptmahlzeit  nnd  steigt  nach 
derselben,  bis  sie  l'/2  bis  21/;  Stunden  danach  ihr  zweites  Maxi- 
mum erlangt;  die  Abendmahlzeit  erzeugt  aber  kein  neues  Steigen, 
mit  anderen  Worten,  sie  vermag  das  Sinken  in  Folge  der  typischen 
Schwankung  nicht  aufzuhalten.  — Bei  J.  Davy  erreichte  die 


•)  Ilechcrctics  experimentales  »ur  l'inanition.  Pari»  184J. 


Tagessoll  wankung  Gespeister. 


727 


Wärme  2 Ständen  nach  dem  Frühstück  ihr  Maximnm  und  sank 
von  da  ab ; dieser  absteigende  Gang  konnte  dnreh  die  um  6h  Abends 
eingenommene  Hauptmahlzeit  nicht  in  einen  aufsteigenden  verwan- 
delt werden.  Uebercmstimmend  gaben  Davy,  Gicrse,  II a 1 1 - 
iuann  und  Licht enfels  den  grössten  Unterschied  in  der  Tages- 
wärme  zu  0,73  bis  0,68"  C.  an,  Härensprung  fand  ihn  an  sich 
selbst  zu  1,12°  und  Fröhlich  zu  0,56°. 

Als  Beispiele  fuhren  wir  die  Benbachtungsreihon  von  Baren  sprung  und 
Davy  an : 


Tages-  o-  Mahliclt. 

Stande. 

Temperatur. 

I Tage*-  u.  Mahlzeit.  Stunde. 

Temperatur. 

Morgens  im  Bette. 

5—7 

.16, GS 

Morgens.  1 

36,94 

Kaffee. 

7—9 

37,10 

Frühstück.  9 

36,89 

9—11 

37,26 

11 

36,89 

- 

11—1 

36,87 

l I 2 

37,05 

1—2 

30,*>3 

4 

37,17 

Mittagessen. 

2-4 

37,15 

5 

37,05 

4— (! 

37,18 

Mittagessen.  1 0,5 

.36,83 

G-S 

37,43 

Thee.  7,5 

36,50 

Abendessen. 

8—10 

37,92 

1 1 

36,72 

10 — 12 

30, $5 

| 

36,44 

Aus  dem  Schlafe 

12-2 

36,65 

m 

geweckt. 

2 — 1 

36,31 

i • 1 

Die  tägliche  Pulsschwankung,  deren  auf  S.  tOO  gedacht  wurde, 
fällt  häufig  mit  dem  Wärmegang  zusammen,  aber  nicht  immer  ist 
der  Parallelismus  beider  C'urven  ein  vollständiger;  so  fand  u.  A. 
Bärensprung,  dass  das  mittägige  Maximum  der  Wärme  dem  des 
Pulses  vorausging,  ln  Krankheiten  endlich  ist  Temperatur  und 
Puls  in  weiten  Grenzen  unabhängig  von  einander  (Traube,  Joeh- 
m a n n)  *). 

Diese  Schwankungen  finden  sich  in  allen  Lebensaltern  (Bä  ron Sprung).  — Aus 
der  mitgetheilten  Tabelle  dieses  Letzteren  geht  hervor,  dass  die  mittlero  Tagcstempe- 
ratur,  wie  sie  aus  den  mittleren  Zahlen  abgeleitet  werden  kann , bei  ihm  in  der  That 
vorhanden  ist  um  Sh  Morgens,  I2h  Mittags  und  101‘  Abends.  — Bei  Fröhlich  und 
Lichtcnfels  findet  sich  die  mittlere  Temperatur  in  der  3.  Stunde  nach  dom  Früh- 
stück. Diese  Bemerkung  dient  dazu , um  die  Beobachtung  von  der  Amffindung  der  mitt- 
leren Tagestempenitur  zu  erleichtern. 

Die  typische  Alters -Schwankung  d.  i.  die  Acnderung  der  mittleren  täglichen 
Wärme  in  Folge  des  Alters  ist  weit  schwieriger  darzustellen ; zu  diesem  Jlehufo 
müssten  elhninirt  sein  die  zahlreichen,  allgemeinen  und  individuellen  Gründe,  aus 
denen  bei  den  verschiedenen , der  Vergleichung  unterworfenen  Menschen  die  Tempe- 
ratur schwanken  kann.  Diese  Forderung  ist  bis  dahin  nicht  befriedigt.  Das  geringe 
Zutrauen  aber,  was  schon  darum  die  Angaben  Über  die  mittleren  Temperaturen  der 


')  l)eoliiichtiing<;ii  Uber  die  Körperwärme.  1853. 


728 


Temperaturanderung  durch  Aderlass 


verschiedenen  Lebensalter  vordienen , wird  'noch  geschwächt  durch  den  Umstand , dass 
die  Temperaturunterschiede  der  verschiedenen  Individuen  desselben  Alters  grösser 
Ausfallen , als  die  Unterschiede-  in'  den  Mittelzahlen  dor  verschiedenen  Alter.  Die 
folgende  Tafel,  die  nach  Bärensprung  entworfen,  giebt  darüber  Aufschluss*). 


Lebensalter. 

’ 

& 

- 

Jä 

i J* 

9. 

Orens- 

Temperatur. 

Heoliach  - 
tvngsort. 

■°f  s 

-II 

PI 

ij 

l i 

H Q. 

H 

Tageszeit  der 
Beobachtung 

Bemerkungen. 

Nougeborcnr. 

37,8  t 

3H,<>  -30,0 

Mutdarm. 

37 

Unmittelbar 
n.  d.  Geburt 

f> — 9 Jahr. 

37,72 

37,87—37,62 

Mund  und 

4 

ä 

Morgens. 

Mutdarm. 

7t 

Mittags. 

Während  d. 

3 

Abends. 

Handarbeit 

15 — 20  „ 

37,37 

36,12—38,1 

Achselhöhle. 

ll 

' 

N 

3 

0 

o 

nach  Mittag. 

Während  d. 
Handarbeit 

21—30  „ 

37,22 

3* 

II 

25—30  „ 

36,91 

4 

i 

xu  verschie- 

Aus  d.  höh. 

Ti 

den.  Zeiten 

Ständen. 

31  — -10  „ 

37,1 

»• 

6 

3 

vorzugaw. 

C 

nach  Mittag. 

41—50  „ 
51—60  „ 
* 50  „ 

36,87 

36,83 

37,46 

Mund. 

7 

2 

1 

zu  verschie- 
den. Zeiten. 

e.  Während  eines  ausgiebigen  Aderlasses  sahen  Bisch  off, 
G.  Liebig,  Bärensprung  und  Marshall  Hall  die  Temperatur 
um  einige  Zehntel  eines  Grades  steigen;  in  den  paar  ersten  Tagen 
nach  der  Blutentziehung  ging  die  Wärme  auf  den  Werth  vor  der- 
selben zurück  und  noch  später  sank  sie  unter  die  Norm  und  hielt 
sich  auf  diesem  niederu  Werthe  längere  Zeit. 

f.  Der  Erfahrung  entsprechend,  dass  die  Haut  einen  wesent- 
lichen Einfluss  auf  die  Abkühlung  übt,  sollte  man  erwarten,  dass 
mit  der  steigenden  Durchfeuchtung  und  BlntfUllc  der  cutis  die  Blut- 
temperatur sinken  müsse  und  andrerseits , dass  die  letztere  steigen 
würde,  wenn  die  umgekehrten  Zustände  der  cutis  einträten.  Die 
geringe  Herrschaft,  die  wir  über  die  Wärmeerzeugung  ausüben,  ver- 
hindert es  aber,  beweisende  Beobachtungen  zu  gewinnen.  Aller- 
dings sind  einige  Thatsachen  bekannt,  aus  denen  der  veränderte 
Wätjiegang  aus  dem  Zustand  der  Haut  erklärt  werden  kann.  So 
steigt  z.  B.  die  Temperatur  im  Fieberfrost  (Gierse,  Bären- 
sprung, Traube**),  Michael***),  oder  nach  vorübergehenden 


•)  lieber  dl«  Temperatur  Im  Tode  siehe  Adler  Wiener  med.  Wochenschrift  1849.  Nr.  4a. 

••)  Krisen  nnd  krit.  Tape.  Berlin  !«:.». 

•••)  Archiv  (Ur  physiolog.  Heilkunde,  1846.  30. 


Digitized  by  Google 


durch  Zusilände  der  Haut  und  der  Hiisscrn  Umgebung. 


729 


Abkohlungen  der  ITaut  (F.  H o p p e , L i e b e r m e i s t er) ; man  könnte 
sagen  darum,  weil  der  Wärmeverlust  durch  die  Haut,  deren  Gc- 
fässe  sich  verengert  haben , vermindert  sei.  Umgekehrt  sinkt  die 
Blutwärme  sehr  häufig,  wenigstens  im  Hitzestadium  des  Fiebers, 
wo  die  Gefässe  der  Haut  weit  ausgedehnt,  und  also  zur  Wärme- 
abgabe sehr  geeignet  sind.  Aber  diese  Erklärungen  sind  nur  hy- 
pothetische, da  sich  nicht  nachweiscn  lässt,  wie  sich  zu  jenen  Zeiten 
die  Wärmeerzeugung  verhalten  habe. 

g.  Aenderung  der  Eigenwärme  mit  der  Temperatur,  Leitungs- 
fähigkeit und  dgl.  in  der  Umgebung.  — Wenn  wir  uns  aus  einer 
Umgebung,  die  pinen  massigen  Wärmeverlust  bedingt,  in  eine  solche 
begeben,  die  uns  stärker  abzuktlklen  vermag , so  gehen  daraus  ver- 
schiedenartige Folgen  für  unsere  Körpertemperatur  hervor.  Un- 
mittelbar nach  dem  Uebergang  aus  dem  Warmen  in  das  Kltblc 
kann  auch  die  Temperatur  unseres  Körpers  herabgehen,  aber  sie 
muss  es  nicht,  ja  sie  kann  im  Gcgentheil  etwas  ansteigen  (Lie- 
bermeister). Die  Eigenwärme  scheint  nur  dann  jedesmal  fast 
momentan  zu  sinken,  wenn  der  Wärmeabstand  zwischen  unserm 
Blute  und  unserer  Umgebung  ein  bedeutender  ist,  oder  die  Lei- 
tungsfähigkeit des  uns  umgebenden  kllhlern  Mediums  eine  merk- 
liche ist.  So  beobachteten  Davy,  Virchow,  Hoppe  u.  A.  schon 
nach  einem  kurzen  Aufenthalt  in  einer  Luft  von  0"  oder  im  See- 
bad u.  s.  w.  ein  Sinken  der  Eigenwärme  und  zwar  ein  grösseres 
bei  der  Messung  in  der  Mundhöhle,  ein  geringeres  bei  der  im  Mast- 
darm. — Aehnlich  wie  beim  plötzlichen  und  vorübergehenden  Ein- 
wirken der  änssern  Kälte,  verhalten  sich  auch  die  Folgen  fllr  die 
thierische  Eigenwärme  bei  andauerndem  Bestehen  der  erstem.  Unter 
Voraussetzung  einer  genügenden  Ernährung,  Muskelbewegung  und 
Hautbckleidung  kann  eine  sehr  niedere  Lufttemperatur  ertragen 
werden,  ohne  dass  die  Eigenwärme  des  Warmblüters  merklich  sinkt. 
AlsBeispiele  hierfür  dienen  die  Beobachtungen  von  I’arry  und  Back, 
welche  im  arktischen  Winter  bei  einer  Lufttemperatur  von — 30°  bis 
— 35"  die  Temperatur  der  dort  vorhandenen  Säugetbierc  zu  -f-  4(1'' 
fanden.  Die  sorgfältige  Arbeit  von  Martins  sagt  Achnliches  für 
Schwimmvögel  aus.  — Wenn  aber  die  nöthige  Speise  oder  die  Bewe- 

•)  Hoppe,  Archiv  ftlr  pathol.  Anatomie.  XI.  450.  — Virchow,  Ibidem.  XV.  70.  — 
Parry,  Annales  de  chim.  et  do  phys.  ihn«  Sdr.  XXVIII.  223.  — Baak,  Compt.  rond.  11.  891.  — 
'Martins,  Mriinoires  de  l'aeftdemlo  dd  Montpellier.  HI.  180.  — Lieber  iu  Oiste  r,  Deiitscl^ 
Klinik.  1859.  391.  — Hags  pi  hl,  Valentins  .Jahresbericht  Uber  Physiologie  für  1857.  58.  - Va- 
lentin, Archiv  für  physiolog.  Heilkunde.  1858.  lirown-Sd  qusrd,  Journal  de  Physiologie. 


730 


Temperatur&nderungen  bei  hoher 


gung  mangelt,  so  sinkt  die  Temperatur  des  Warmblüters  je  nach 
Umständen  mehr  oder  weniger  tief  und  rasch  ab.  Ein  sehr  auf- 
fallendes Beispiel  giebt  Chossat;  er  fand,  dass  hungernde  Thiere 
selbst  bei  einer  Lufttemperatur  von  -+-  12°  bis  18°  C.  in  Folge  der 
Abkühlung  sterben  können. 

- Folgt  auf  die  Einwirkung  vorübergehender  Kälte  wiederum 
die  eines  mässig  warmen  Mediums,  wie  es  z.  B.  nach  dem  Aus- 
tritt ans  einem  kalten  Bad  der  Fall  ist,  so  gestaltet  sieh  jetzt 
der  Gang  der  Temperatur  so,  dass  sich  die  während  des  Bades 
gesunkene  oder  normal  gebliebene  Wärme  alsbald  wieder  hebt  und 
zwar  meist  höher,  als  sie  vor  dein  Eintritt  in  das  Bad  stand. 

Lokal«  Abkühlungen , wie  sie  oft  als  Heilmittel  angewendet  werden , kühlen  zu- 
nächst örtlich  und  dann  auch  allgemein,  siche  hierüber  Hagspihl. 

Wird  die  Temperatur  unserer  Umgebung  auf  diejenige  unseres 
Bluts  gebracht,  oder  tibersteigt  der  äussere  Wärmegrad  gar  den 
innern,  so  sind  die  Folgen  für  die  Blutwärme  sehr  ernsthaft;  die 
Wirkungen  dieser  hohen  Temperatur  unserer  Umgebung  werden 
bedeutend  verstärkt,  wenn  gleichzeitig  die  umgebende  Luft  mit 
Dampf  gesättigt  ist. 

Wärmegrade  der  Umgebung,  die  oberhalb  der  thierischen  Nor- 
maltemperatur liegen,  erträgt  der  Organismus,  ohne  seine  Wärme 
wesentlich  zu  erhöhen,  vorausgesetzt,  dass  eine  lebhafte  Sebwciss- 
bildnng  unterhalten  werden  kann  (Franklin)  und  dass  die  At- 
mosphäre trocken  genug  ist,  um  eine  rasche  Verdunstung  des 
Wassers  von  der  Ilaut  und  der  Lunge  aus  zu  erlauben.  In  einer 
mit  Feuchtigkeit  vollkommen  gesättigten  Luft,  oder  gar  in  einem 
warmen  Bade,  steigt  dagegen  die  Temperatur  des  Organismus  rasch. 
So  fanden  u.  A.  Berger  und  de  la  Roche,  dass  bei' einem  Auf- 
enthalte, von  8 bis  16  Minuten  in  einem  auf-)-  100°  bis  127°  C.  er- 
wärmten Raume  die  Temperatur  unter  der  Zunge  um  4°  bis  5° 
stieg.  Die  englischen  Beobachter*)  B 1 a gd  e n , D o b s o n , F o r d v c e 
u.  A.  fanden  dagegen  in  der  gleichen  Zeit  unter  ähnlichen  Um- 
ständen nur  eine  Temperatursteigerung  von  etwa  1°  C.  Aebnliehe 
Beispiele  giebt  Hoppe.  Der  letztre  verfolgte  auch  noch  den  Gang 
der  Temperatur,  nachdem  die  Thiere  wieder  aus  dem  warmen 
Dunst  oder  Wasserbade  ausgetreten  waren.  Er  fand,  dass  die 
Thiere  nach  ihrer  Rückkehr  in  die  Luft  von  gewöhnlicher  Zimmcr- 
wärme  nicht  allein  bald  wieder  auf  die  normale  Eigenwärme  zu- 

•)  l'iiilo»op)iical  Irantaeiioiu.  IS.  Ild. 


Digitized  by  Google 


und  niederer  Wärme  der  Umgebung.  731 

rflckkamen,  sondern  dass  sie  auch  im  Verlauf  von  25  bis  50  Mi- 
nuten auf  eine  niedrere  Temperatur  anlangten , als  sie  ihnen  vor 
dem  Eintritt  in  den  erwärmten  Kaum  eigen  gewesen  war. 

Crawford  machte  bei  Thieren , welche  den  Einflüssen  höherer  Temperaturen 
ausgesefcit  waren , die  Beobachtung,  dass  das  in  ihren  Venen  enthaltene  Blut  nicht 
dunkel-  sondern  hcllroth  gefärbt  war. 

Wenn  man  die  Abkühlung  der  Tliierc  durch  die  Haut  dadurch 
auf  lieht  oder  vielleicht  auch  nur  ändert,  dass  man  sic  in  einen 
Kautschukbeutcl  cinschliesst  oder  ihre  Haut  mit  Leim  oder  Eiweiss 
überzieht,  so  nimmt  die  Eigenwärme  derselben  nicht  zu,  wie  man 
wohl  hätte  erwarten  können,  sondern  ab  (Bernard,  Hoppe). 
Verweilen  die  Thiere  in  dem  Ueberzug  bei  gewöhnlicher  Zimmer- 
wärmc  längere  Zeit,  so  erfolgt  unter  steigender  Abkühlung  (durch 
die  Lungen?)  der  Tod;  erhöht  man  dagegen  die  Wärme  der  Um- 
gebung, so  bleiben  die  Thiere  nicht  allein  am  Leben,  sondern  es 
erholen  sich  auch  andere  geschwächte  Lebensfunktionen  wie  z.  B. 
die  (XL-Bildung  wieder  (Valentin,  Schiff). 

ln  Verbindung  mit  den  vorstehenden  Beobachtungen  hat  man 
wiederholt  die  Frage  aufgeworfen,  ob  Menschen  und  Thiere  gleicher 
Art  in  warmen  Gegenden  höher  temperirt  sind  als  in  kalten.  Davy, 
Brown-Sequard,  Eydoux  und  Soulcyct  fanden  in  der  Tliat 
die  Eigenwärme  des  Menschen  in  wannen  Gegenden  höher.  Die 
folgende  Tabelle,  welche  der  Abhandlung  von  Brown-S£quard 
entnommen  ist,  gieht  die  gefundenen  Temperaturunterschiede  an.  Die 
Beobachtungen  beziehen  sich  auf  dieselben  Menschen,  welche  aus 
kaltem  Gegenden  in  die  Tropen  oder  umgekehrt  gereist  waren. 
Zum  Vcrständniss  der  folgenden  Tabelle  umss  bemerkt  werden, 
dass  wenn  die  Lufttemperatur  sieh  um  die  in  der  ersten  Columne 
stehende  Zahl  gemehrt  (+)  oder  gemindert  ( — ) hat,  die  Wärme 
des  Menschen  um  die  in  der  zweiten  Columne  stehende  Zahl  gestiegen 
(-(-)  oder  gesunken  ( — ) ist. 


Wärmcunterachled 

.... 



Ort  der  Messung. 

Beobachter. 

der  Atmosphäre.  ; 

den  Menschen. 

+ 40“.  0 C. 

4-  t»,0  C. 

ltectum. 

Eydoux  u.  .Soulcyct. 

4-  1 1 °.  1 1 0. 

4-  o“, ss  c. 

1 

J.  Davy. 

+ 3H°,7  C. 
— 13",  5 C. 

-f  C.  1 

— 0“,67  C.  ' 

j MumlhSble.  1 

Brown-Sequard. 

Martins  beobachtete  bei  Enten,  die  er  im  Winter  nnd  Sommer 
untersuchte,  keinen  Unterschied  der  Eigenwärme  trotz  eines  Tem- 
peraturunterschiedes der  Atmosphäre  um  20°  C. 


Digitized  by  Google 


732 


TemperaturspieluTi}'  des  Warmblüters. 


3.  Spielraum  der  Eigentemperatur  des  Warmblüters*).  Wenn 
das  Säugethier  lebend  erbalten  werden  soll,  so  darf  sein  Blut 
nicht  filier  45°  C.  und  nicht  unter  19°  bis  20“  C.  temperirt  sein. 
Oberhalb  der  bezeiehneten  Grenze  erfolgt  der  Tod,  weil  dann  die 
Muskeln  absterben,  die,  wie  Kühne  zeigte,  einen  Eiweisskörper  ent- , 
halten,  der  über  jener  Temperatur  gerinnt.  Unterhalb  20°  C.  wird  die 
COj-  Bildung  beeinträchtigt  und  die  Nervenerregbarkeit  sehr  be- 
trächtlich herabgesetzt,  so  dass  ein  Thier,  welches  einmal  auf 
diesen  Temperaturgrad  herabgesunken  ist,  unfehlbar  zu  Grunde 
geht,  wenn  es  in  gewöhnlicher  Zimmerwärme  verweilt.  Wird  es 
dagegen  in  einer  Temperatur  von  36“  bis  40°  C.  künstlich  erwärmt, 
so  erholt  es  sieh  in  kurzer  Zeit  wieder  vollständig. ' — Eitr  den 
Menschen  liegen  die  Temperaturgrenzen  des  Lebens  wahrscheinlich 
ähnlich  wie  beim  Säugethier.  Nie  wenigstens  sah  man  die  Tempe- 
ratur des  leitenden  Uber  44,5“  C.  steigen,  und  noch  sah  man  ihn 
lebend,  wenn  seine  Temperatur  auf  26,6“  C.  herabgesunken  war. 
Aber  beide  Temperaturen  wurden  nur  bei  heftigen  Krankheiten 
(Fieber  und  Cholera)  beobachtet;  die  Temperaturen  des  gesunden 
Menschen  sind  also  in  noch  engere  Grenzen  eingeschlossen..  — 

Vögel,  die  gewöhnlich  über  40“  warm  sind,  sterben  schon  bei 
einer  Bluttemperatur  von  26“  C. 

Ursprung  der  thierischen  Wärme. 

1.  Die  Wärme  ist  bekanntlich  eine  besondere  Art  von  Bewe- 
gung, die,  wie  es  scheint,  von  jeder  Masse,  wägbarer  wie  unwäg- 
barer, ausgeftlbrt  werden  kann.  Der  erste  Theil.  dieses  Satzes 
wurde  bekanntlich  dadurch  bewiesen , dass  sich  Bewegung  in 
Wärme  und  umgekehrt  die.  Wärme  in  Bewegung  umwandeln  lässt, 
so  dass  für  die  verschwundene  Wärme  Geschwindigkeit  und  für  die 
vernichtete  Geschwindigkeit  Wärme,  zu  gewinnen  ist.  Also  kann 
die  Wärme  kein  Stof!',  sondern  sie  muss  eine  Bewegung  sein,  weil 
es  aller  Erfahrung  widerspräche,  anzunehmen,  dass  durch  den  Ver- 
lust eines  Stoffes  Bewegung  und  durch  denjenigen  einer  Bewegung 
ein  Stoff  entstehen  könnte. 

Wenn  nun  die  Wärme  eine  Bewegung  ist,  so  kann  sie  auch, 
entsprechend  dem  von  Helmholtz  entwickelten  Gesetze  Uber  Er- 
haltung der  Kraft , nur  dann  entstehen , wenn  ein  wägbarer  oder 


•)  Dernard,  Lecona  de  Physiologie  1854— *5.  p.'188.  — Derselbe , Caeette  niddlcale  1859. 
460.  Außerdem  die  schon  angelegenen  Abhandlungen  von  ltaren»  prung.  Traube,  Joch'- 
mmn,  M i c h a cl , .V  kl  e n 1 1 n , Schiff  and  Chosiat. 


Digilized  by_GoogI 


Ursprung  der  thieriachen  Warme.  733 

unwägbarer  Körper  seine  Geschwindigkeit  .einbüsst,  oder  wenn 
Spannkräfte  als  solche  znm  Verschwinden  kommen.  Das  erstem 
Glied  der  Alternative  ist  an  und  fllr  sich  klar,  das  '/.weite  wird 
es,  so  wie  man  erfährt,  dass  der  Physiker  unter  Spannkraft  die 
Bedingungen  versteht,  welche,  obwohl  sie  selbst  keine  Bewegung 
sind  oder  wenigstens  nicht  zu  sein  scheinen,  dennoch  eine  ruhende 
Masse  in  Bewegung  versetzen  können.  Solche  Bedingungen  sind 
aber  dadurch  charakterisirt,  dass  sic  nur  herbeigeflihrt  werden 
können  durch  einen  vorgängigen  Verlust  von  gerade  so  viel  Ge- 
schwindigkeit, als  sie  selbst  wieder  erzeugen  können.  Unter  diese 
Spannkräfte  zählten  wir  u.  A.  schon  früher  den  Druck,  welchen 
die  unteren  Schichten  einer  Wassersäule  zu  ertragen  haben;  unter 
sie  gehören  auch  gewisse  chemische  Anordnungen,  wie  sie  z.  B. 
den  verbrennlichen  Atomen  zukommen.  Denn  die  letztem  sind 
während  des  Ueberganges  in  den  verbrannten  Zustand  befähigt, 
entweder  wägbare  Massen  zu  bewegen  (wie  dieses  bei  der  Aus- 
dehnung der  Körper,  in  der  Dampfmaschine,  den  Wurfröhren  u.  s.  w. 
geschieht),  oder  auch  sich  und  ihre  Umgebung  zu  erwärmen.  Die 
beiden  Leistungen  stehen  nun  bekanntlich  insofern  im  Gegensatz, 
als  die  eine  Kraft  des  Verbrennungsprozesses  in  dem  Maasse  ab- 
nimmt,  in  welchem  die  andere  Kraft  in  Anspruch  genommen  wird, 
so  dass,  wenn  aus  einem  Verbrenunngsyorgang  viel  Wärme  ge- 
zogen wurde,  die  Grösse  der  verwendbaren  Geschwindigkeit  ab- 
nimmt und  umgekehrt.  — Da  nun  die  Atome  des  verbrannten  Kör- 
pers in  den  verbrennlichen  Zustand  nur  dann  zurUckgeftlhrt  werden 
können,  wenn  dieselbe  Menge  von  Wärme  oder  Geschwindigkeit 
aufgewendet  wird,  die  sie  bei  der  Verbrennung  ausgaben,  so  kann 
man  sagen , es  sei  der  verbrennliche  Körper  mit  einer  zur  Ruhe 
gekommenen  Geschwindigkeit  begabt,  welche  sich  als  Spannung 
zwischen  seinen  Atomen  geltend  mache.  Keinesfalls  wird  durch 
die  Verbrennung  "neue  bewegende  Kraft  gewonnen,  sondern  alte', 
längst  vorhandene  von  einem  Körper  auf  den  anderen  Übertragen. 

Diese  der  Physik  entnommenen  Thatsachen  fuhren  zu  dem 
Ausspruch,  dass  die  einzige  Wärmequelle  des  menschlichen  Körpers 
die  langsame  Verbrennung  seiner  organischen  Bestandtheile  ist. 
Dieser  Satz  wird  von  der  physiologischen  Beobachtung  zunächst 
dadurch  bestätigt,  dass  kein  anderer  Grund  fUr  die  thieriscb'e 
Wärme  aufgefunden  werden  kann.  So  genügen  offenbar  zur  Ent- 
wickelung derselben  die  Stösse  nicht,  welche  der  menschliche  Kör- 
per von  den  ihn  umgebenden  Medien,  z.  B,  der  bew'egten  Luft, 


Digitized  by  Google 


734 


Die  latente  Wirme  der  Nahrungsmittel 


empfängt,  da  sie  einestheils  zu  unregelmässig  erfolgen  und  andeni- 
theils  in  den  meisten  Fällen  weitaus  nicht  den  Kraftwerth  der 
Stösse  erreichen,  welchen  der  menschliche  Körper  selbst  beim  Gehen, 
bei  Armbewegungen  u.  s.  w.  seiner  Umgebung  mittheilt.  — Ferner 
können  die  von  den  Muskel-  und  Nervenkräften  ausgehenden  Be- 
wegungen keine  neuen  Ursachen  der  Wärme  abgeben,  da  die  Ent- 
wickelung  dieser  Kräfte  selbst  von  dem  thierisehen  Stoffumsatzc 
abhängt.  Die  in  den  Muskeln  und  Nerven  vorkommenden  Bewe- 
gungen sind  also  erst  wieder  abgeleitet  aus  den  latenten  Kräften 
der  Nahrungsmittel.  Jene  Apparate  schöpfen  ihre  Befähigung  zur 
Erzeugung  von  lebendiger  Kraft  aus  derselben  Quelle  mit  der  freien 
Wärme,  und  somit  muss  in  dem  Maasse,  in  welchem  jene  Appa- 
rate lebendige  Kräfte  zum  Vorschein  bringen,  die  Befähigung  des 
thierisehen  Stoffes  zur  Bildung  freier  Wiinne  abnehmen. 

Daraus  ergiebt  sich  schliesslich,  dass. auch  die  Keibnngen, 
welche  in  Folge  der  Muskelbewegung  erscheinen,  wie  z.  B.  die  der 
Gclenkköpfe  in  den  Pfannen,  der  Sehnen  in  den  Sehnenscheiden, 
des  Bluts  In  den  Gefässen  ursprünglich  immer  wieder  demselben 
Material  ihr  wärmcbildendes  Vermögen  verdanken.  Denn  die  Mus- 
kclbewcgungen,  welche  durch  die  eingeleitete  Reibung  Wärme  er- 
zeugten, konnten  nur  entstehen  durch  eine  Aufwendung  derjenigen 
Kräfte,  welche  Latent  zwischen  den  sich  umsetzenden  Atomen  ent- 
halten waren;  also  ist  auch  die  Reibungswärme  nur  durch  einen 
Umweg  aus  der  latenten  Wärme  des  Eiwcisses,  Fettes,  des  Sauer- 
stoffs u.  s.  -w.  hervorgegangen,  indem  die  letztere  sich  zuerst  in 
eine  Bewegung  des  Muskels  und  diese  wieder  in  eine  solche  der 
Knochen,  des  Blutes  u.  s.  w.  umsetzte,  welche  durch  die  wärme- 
erzeugende Reibung  zur  Ruhe  kam. 

Diese  auf  theoretischem  Wege  gewonnene  Ueberzeugung  vom 
Ursprünge  der  thierisehen  Wärme  hat  man  durch,  den  Versuch  noch 
zu  befestigen  versucht,  oder  wahrheitsgemässer  gesagt,  Lavoisier 
und  nach  ihm  D u 1 o n g und  andere  haben  die  zu  ihrer  Zeit  theo- 
retisch nicht  beweisbare  Annahme,  dass  die  thierische  Wärme  auf 
der  Oxydation  des  Thieres  beruhe,  durch  den  Versuch  erweisen 
wollen.  Dieses  Unternehmen  ist  jedoch  bis  zum  heutigen  Tage  noch 
nicht  vollkommen  geglückt. 

Im  Prinzipe  muss  dasselbe  darauf  hinauslaufen,  die  Menge  von 
Wärme,  welche  hervorgehen  kann  aus  der  Oxydation  des  Eiweisses 
der  Fette,  des  Zuckers  zu  CO2,  HO,  Harnstoff  u.  s.  w.  zu  ver- 


Digitized  by  Google 


ist  die  Quelle  der  thierischen  Wärme. 


735 


gleichen  mit  der  Wärmemenge,  welche  das  Thier  liefert,  während 
es  seine  bestimmte  Menge  von  COs,  HO,  Harnstoff  bildet. 

2.  Um  die  erste  dieser  Forderung  mtiglich  zu  machen,  muss 
inan  die  latente  Wärme  der  bezeiehneten  Atome  ermitteln ; dieses 
geschieht,  indem  man  die  Wärmequantität  misst,  welche  frei  wird, 
wenn  das  Eiweiss,  die  Fette  u.  s.  W.  verbrennen.  Die  Einheit,  in 
welcher  die  'erhaltene  Wärme  ausgedrUckt  wird,  ist  bekanntlich  das 
Fassungsvermögen  der  Gewichtseinheit  des  Wassers  für  Wärme, 
oder  diejenige  Menge  der  letzteren,  welche  je  nach  dem  Ueberein- 
kommen  zu  einem  Gramm,  einem  Pfund  (500  Gr.)  oder  einem  Kilo 
(1000  Gr.)  Wasser  geführt  werden  muss,  damit  die  Temperatur  des- 
selben um  1°  C.  erhöht  werde. 

Dio  bei  der  Verbrennung  entwickelte  Wärme  fängt  man  dadurch  auf,  dass  man 
den  zu  vorbrennenden  Körper  in  einen  rings  von  Wasser  oder  Quecksilber  umgebenen 
Metallkastcn  einbringt,  und  dort  dio  Verbrennung  so  geschehen  lässt,  dass  alle  frei 
gewordene  Wurme  auf  die  Flüssigkeit  übertragen  wird.  Aus  dem  bekannten  Gewichte 
des  verbrannten  Körpers  und  dem  des  umgebenden  Wassers  und  endlich  aus  der  Tem- 
peraturzunahme dieses  letzteren  lässt  sich  ableiten , wie  viel  Wärmeeinheiten  bei  der 
Verbrennung  der  Gewichtseinheit  eines  beliebigen  StofTes  frei  werden.  Ueber  die  zahl- 
reichen Fehler,  die  diesem  Verfahren  anhaften  können,  und  ihre  Vermeidung,  siohe  die 
Abhandlungen  von  Favre  und  Silbermann.  — 

Ausser  dioser,  wenn  man  will,  absoluten  W'ürmemessung  giebt  es  noch  eine  rela- 
tive; sie  beruht  auf  dem  Satze,  dass  die  Menge  von  Warme,  welche  ein  Körper  ab- 
glebt,  proportional  dem  Unterschied  seiner  eigenen  und  der  ihn  umgebenden  Tempe- 
ratur ist.  Wenn  man  eine  .Messung  nach  diesem  Prinzip  ausführen  will,  bringt  man 
in  das  Innere  eines  rings  geschlossenen  Kastens  eine  ‘constante  Wärmequelle,  setzt 
denselben  in  einen  Raum  von  constanter  Temperatur,  und  wartet,  bis  ein  in  den 
Kasten  gehängtes  Thermometer  auch  hier  eine  constante  Temperatur  anzeigt  Wenn 
somit  der  Unterschied  in  der  Temperatur  der  Luft  innerhalb  und  ausserhalb  des  Kas- 
tens constant  geworden  ist,  so  muss  auch  der  Kasten  in  jedem  Augenblick  so  viel 
Warme  empfangen,  als  er  ausgiebt.  Mit  Rücksicht  auf  den  obigen  Vordersatz  lässt 
sich  nun  zeigen , dass  innerhalb  gewisser  Grenzen  wenigstens  der  Temperaturunter- 
schied zwischen  dein  Kasten  und  dor  Umgebung  mit  der  Menge  von  Wärme  wachst, 
die  im  Innern  des  Kastens  aufgewendet  wurde.  — **  Einen  solchen  Apparat  kann  man 
aber  auch  graduiren , d.  h.  in  einen  absoluten  Maassstab  umwandeln.  Hierzu  ist 
nichts  Anderes  nüthig,  als  dass  man  das  constante  Tcinperaturübergewicht  des  Kostens 
Uber  seiner  Umgebung  dadurch  erreicht,  dass  man  in'  seinem  Innern  H - Gas  ver- 
brennt, dessen  latente  Warme  aus  anderweiten  Beobachtungen  bekannt  ist.  Dieses  Ver- 
fahren rührt  von  Hirn  her,  der  cs  auch  zu  physiologischen  Zwecken  benutzt  hat. 

Aus  den  Erfahrungen,  welche  die  Versuche  über  die  Verbren- 
nungswärme  ergeben  haben,  hebt  sich  Folgendes  für  den  physiolo- 
gischen Zweck  als  wichtig  hervor. 


Digitized  by  Google 


736 


Wärmemenge  der  thierischjen  Atome.  * 


a.  Die  Zahl  der  Wärmeeinheiten , welche  die  Gewichtseinheit 
eines  einzelnen  oder  einer  Gruppe  von  Atomen  beim  U ebergange 
aus  einer  niederen  in  eine  höhere  Oxydationsstufe  entwickelt,  ist 
unabhängig  von  der  Art  und  Zahl  der  Mittelstufen,  welche  zwischen 
den  beiden  Endgliedern  gelegen  sind.  So  giebt  z.  B.  ein  Gramm 
Stearinsäure , wenn  sie  mit  Hülfe  des  gasförmigen  Sauerstoffs  zu 
COj  und  HO  verbraunt  wird,  immer  dieselbe  Wärmemenge,  gleich- 
gültig, ob  die  Verbrennung  in  einem  Akte  oder  in  der  Art  geschieht, 
dass  sich  noch  mancherlei  Zwischenprodukte  (niedere  Glieder  der 
Fettsäureureihe,  CO  u.  s.  w.)  eiuschieben,  bevor  es  zu  einer  voll- 
ständigen Ueberftihruug  in  COs  und  HO  gekommen  ist.  Dieser  em- 
pirisch aufgefundene  Satz  ist  eine  nothwendige  Folgerung  aus  der 
mechanischen  Wärmetheorie.  Denn-  nach  ihr  war  die  messbare 
Wärme  nichts  Anderes  als  die  lebendige  Kraft,  welche  frei  werden 
konnte  durch  den  Unterschied  an  Spannkräften  im  unverbrannten 
und  verbrannten  Atome.  Dieser  Unterschied  ist  aber  natürlich  nur 
abhängig  von  dem  Zustand  des  in  die  Verbrennung  eingehenden 
und  des  aus  ihr  hervortretenden  Atoms,  unabhängig  dagegen  von 
den  Mittelgliedern,  welche  zwischen  der  Anfangs-  und  Endstufe  ge- 
legen sein  können.  Es  verhält  sich  hierbei  Alles  gerade  so,  wie 
mit  der  Arbeit,  welche  durch  den  freien  Fall  eines  Körpers  gelie- 
fert werden  kann.  Dieselbe  wird  bekanntlich  nur  bestimmt  durch 
die  Fallhöhe,  nicht  aber  dadurch,  ob  der  Körper  auf  einmal  oder 
in  Absätzen  ans  der  gegebenen  Höhe  herunterfällt.  — b.  Die  Ver- 
brenunngs wärme,  welche  einfache  Atome  oder  Atomgruppen  von 
einer  und  derselben  chemischen  Zusammensetzung  liefern , ist  ab- 
hängig von  dem  Zustande,  in  dem  sie  sich  finden.  So  giebt  u.  A. 
ein  Gramm  Kohle  in  ihren  verschiedenen  allotropischen  Modifikatio- 
nen (Diamant,  Graphit,  Holzkohle)  eine  ungleiche  Menge  von  Wärme- 
einheiten ; desgleichen  geben  gleiche  Gewichte  zweier  Atomgruppen, 
welche  in  verschiedener  Anordnung  gleich  viel  Atome  derselben 
Art  enthalten  (isomere  und  polymere  Verbindungen),  ganz  ungleiche 
Wärmemengen.  — c.  Damit  in  innigem  Zusammenhänge  steht  die 
Erfahrung,  dass  die  Verbrennungswanne  eines  Atoms  im  freien 
unverbundenen  Zustande  eine  andere  als  im  verbundenen  Zustande 
ist;  mit  anderen  Worten,  die  Summe  der  Wärmeeinheiten,  welche 
bei  der  Verbrennung  eines  eomplizirteu  Atornes  frei  werden,  können 
nicht  abgeleitet  werden  aus  der  bekannten  Wärmemenge,  welche 
die  in  dem  complizirtcn  Atome  enthaltenen  Atome  geben,  wenn  sie 
im  freien  Zustande  verbrannt  werden.  Im  Allgemeinen  gilt  jedoch 


Digitized  by  Google 


Wärmeeinheiten  nach  Favre  und  Sil  her  mann. 


737 


die  Regel,  dass  die  mit  anderen  schon  verbundenen  Atome  weniger 
Warme  ausgeben,  als  die  freien.  Dieser  Satz  bestätigt  sich  nicht 
allein,  wenn  in  das  complicirtc  Atom  Sauerstoff  eingetreten,  sondern 
auch,  wenn  die  Verbindung  frei  von  demselben,  z.  H.  ein  Kohlen- 
wasserstoff, ist.  Es  haben  sich  also  der  Kohlen-  und  Wasserstoff 
bei  ihrer  Vereinigung  schon  verbrannt,  indem  sie  bei  derselben 
Wärme  entwickelten.  In  einigen  sehr  seltenen  Fällen,  z.  B.  beim 
Schwefelkohlenstoff  ist  jedoch  auch  die  Vcrbrennungs wärme  des 
complicirten  Atoms  grösser,  als  das  aus  ihren  constituirenden  Ele- 
menten berechnete  Resultat.  — d.  Bei  der  Oxydation  durch  gas- 
förmigen Sauerstoff  ist  die  Zahl  der  entwickelten  Wärmeeinheiten 
geringer,  als  bei  der  Verbrennung  durch  Stickoxvdul.  Die  Ver- 
brennung in  reinem  Sanerstoffgas  oder  in  atmosphärischer  Luft 
führt  jedoch  zu  demselben  Resultat.  — e.  Die  Zahl  der  Wärme- 
einheiten, welche  die  Gewichtseinheiten  der  in  den  Speisen  enthal- 
tenen oder  zum  Aufbau  des  menschlichen  Körpers  verwendeten  or- 
ganischen Atome  ergeben,  ist  nur  fUr  die  geringste  Zahl  derselben 
ermittelt.  Durch  Favre  und  Silbermann  ist  bekannt,  dass 
1 Gr.  der  folgenden  Stoffe  die  verzeichneten  Wärmeinheiten  giebt. 


Stearinsäure 

(C;ltsH:if,Oi) 

= 

9700 

W.-E. 

Margarinsäure 

(CuRnO-i) 

= 

9560 

n 

Palmitinsäure 

(C32H«Oi) 

= 

9420 

n 

Caprylsäure 

(CieHicOj) 

= 

7780 

n 

Capronsäurc 

(C1SH|204) 

==* 

7000 

11 

Buttersäure 

(CsHsOO 

= 

5623 

11 

Propionsäure 

(CflHnCL) 

— 

4670 

11 

Essigsäure 

(CiHiOj) 

= 

3505 

11 

Ameisensäure 

(C2H2O4) 

= 

1915 

11 

Alkohol 

(CiHuOo) 

=e 

8958 

11 

Kohlenstoff  (aus  Holzkohle) 

= 

8086 

11 

Wasserstoff  ' 

= 

34462 

11 

Diese  Mittheilungen  lassen  erkennen,  wie  ungemein  lückenhaft 
die  Erfahrungen  Ubfer  die  latente  Wärme  der  im  thierischen  Körper 
verbrannten  Stoffe  sind.  Man  sieht  sich  darum  genöthigt,  zu  einer 
Hypothese  söine  Zuflucht  zu  nehmen,  wenn  man  eine  Angabe  Uber 
die  Wärmeqnantität  machen  will,  deren  Verwendung  dem  thie- 
rischen Körper  zu  Gebote  steht.  Zu  dtesem  Behufe  nimmt  man 
an,  dass  die  in  den  organischen  Verbindungen  der  Nahrung  ent- 

Ladwlg,  Physiologie.  TI.  2.  Auflage.  47 


Digitized  by  Google 


738 


Wärme  aus  dem  thicr.  VerbrennuBgsproccsse. 


haltenen  C-  und  H-Atome  gerade  soviel  Wärmeeinheiten  auszugehen 
vermöchten,  als  wären  sie  im  freien  Zustande  verbrannt,  und  fttgt 
zu  dieser  Unterstellung  den  vyeiteren  Zusatz,  dass  der  0,  welchen 
die  genannten  Verbindungen  mitbringen,  so  angesehen  werden 
solle,  als  ob  er  schon  einen  ihm  entsprechenden  Wasserstoffantheil 
der  Verbindung  zu  Wasser  verbrannt  habe;  mit  anderen  Worten, 
wenn  man  nach  der  obigen  Voraussetzung  die  latente  Wärme  einer 
Verbindung  berechnen  will,  so  zieht  man  eine  ihrem  Sauerstoffge- 
halte entsprechende  Wasserstoffmeuge  ab. 

Nach  dieser  Hypothese  würde  nun  z.  B.  1 Gr.  Stearinsäure 
9905  Wärmeeinheiten  geben,  während  er  beobachtungsgemäss  nur 
9700  liefert,  das  berechnete  Resultat  tibersteigt  das  beobachtete. 
Anders  gestaltet  es  sich  mit  den  Kohlenhydraten.  Wir  wählen  als 
Beispiel  den  Traubenzucker  (CuHijOu).  Da  dieser  eine  genügende 
Menge  von  0 enthält,  um  allen  seinen  II  zu  HO  zu  verbrennen,  so 
kommt  bei  unserer  Berechnung  nur  der  C in  Betracht.  Nun  ent- 
hält 1 Gr.  Zucker  nach  obiger  Formel  0,4  Gr.  C.,  diesem  ent- 
sprechen aber  3234  W.-E.;  1,0  Gr.  Zucker  giebt  aber  auch  0,51  Gr. 
Alkohol,  welche  nach  empirischer  Feststellung  4568  W.-E.  liefern. 
Diese  müssen  also  jedenfalls  schon  in  dem  Gr.  Zucker,  welcher 
zur  Alkoholbildung  verwendet  wurde,  enthalten  gewesen  sein.  Be- 
. denkt  man  aber  noch,  dass  auch  Wärme  aus  dem  Zucker  ent- 
v wickelt-  wurde , als  er  bei  der  Gährung  unter  C'Oi-Abscbeidnng  in 
Alkohol  überging,  so  folgt  aus  allem  Diesen,  dass  das  berechnete 
Resultat  weit  unter  dem  beobachteten  bleibt.  Aus  diesen  beiden 
Beispielen,  die  einzigen,  welche  dem  kritischen  Experiment  unter- 
worfen wurden,  geht  hervor,  dass  jene  Hypothese  eine  bald  z_u  ge- 
ringe, bald  eine  zu  hohe  Verbrennungswärme  giebt.  Wollte  man 
also  von  obiger  Annahme  Anwendung  machen  auf  ein  Thier,  das 
viel  Fett  und  wenig  oder  gar  kein  Amylon  frisst,  so  hätte  man 
seine  latente  Wärme  überschätzt,  während  man  bei  einem  anderen 
Thiere,  das  Amylon  und  Fette  im  umgekehrten  Verhältnisse  ver- 
zehrt, die  latente  Wärme  zu  gering  veranschlagt  haben  würde. 

3.  Die  zweite  Forderung  zur  praktischen  Lösung  der  Frage, 
oh  die  aus  dem  thierischen  Verbrennungsprozesse  disponibel  wer- 
dende Wärme  mit  der  vom  Thiere  wirklich  gebildeten  Uberein- 
stimmt,-  verlangt  Angaben  Uber  die  während  der  Versuchszeit  ent- 
• wickelte  Wärme  und  die"  in  derselben  umgesetzten  Stoffgewichte, 
mit  genauer  Bezeichnung  der  in  und  aus  den  oxydirenden  Processen 


-.i,. 


Mi-K.su ng  der  entwickelte!)  t liier.  Wiirme. 


739 


tretenden  Atomgruppen.  Von  diesen  Bedingungen  ist  die  erstere 
ganz  und  die  letztere  mindestens  theilweise  zu  erfüllen. 

Die  Wärme,  welche  die  Tliiere  während  der  Versuchszeit  ent- 
wickeln, kann  durch  ganz  dasselbe  Verfahren  gemessen  werden, 
welches  zur  Bestimmung  der  Verbrennungswärme  yines  beliebigen 
Atoms  dient.  Man  sperrt  das  zu  untersuchende  Thier,  dessen  Tem- 
peratur zu  Anfang  und  Ende  des  Versuches  Ubercinstimmen  muss, 
in  einen  rings  von  Wasser  umgebenen  Metallkasten  und  bestimmte 
die  Tempcratnrzunahmc,  welche  das  bekannte  Gewicht  des  nmge- 
' enden  Wassers  während  der  Anwesenheit  des  Thicres  im  Kasten 
erfahren  hat. 

Den  qualitativen  und  quantitativen  Gang  der  .Stoffbewegung 
des  dem  Versuche  unterworfenen  Thiercs  erschlicssen  Dulong  und 
Despretz  aus  der  Menge  des  aufgenommenen'  Sauerstoffs  und 
der  ausgegebenen  CO2 ; nach  den  in  der  Rcspirationslehrc  entwickel- 
ten Grundsätzen  genügen  bekanntlich  diese  Angaben,  um  daraus 
auch  die  Menge  des  verbrannten  Kohlen-  und  Wasserstoffs  zu 
finden.  Vorausgesetzt,  es  sei  die  möglichst  günstige  Annahme  zu- 
getroffen, dass  während  der  Versuchszeit  die  ganze  Menge  von  0, 
welche  in  derselben  aufgenommen  wurde,  auch  zur  Bildung  von 
CO2  und  HO  verwendet,  und  es  sei  auch  die  ganze  Menge  der  ge- 
bildeten CO.  wieder  ausgeathmet  worden,  so  würden  die  gelieferten 
Bedingnngcn  immer  noch  nicht  genügen,  um  daraus  die  Menge  der 
Wärme  zu  bestimmen,  welche  während  der  Oxydation  frei  wurde. 
Dieses  folgt  unmittelbar  aus  den  vorhin  mitgethellten  Erfahrungen, 
dass  die  Wärmemenge,  welche  ein  Atom-  II  oder  C bei  seiner  Um- 
wandclung  in  CO2  und  HO  liefert,  sieh  richtet  nach  der  Verbin- 
dung, aus  welcher  jene  Elemente  verbrannt  wurden.  Demgemäss 
müssten  zu  jenen  Angaben  des  erwähnten  Versuches  auch  noch  die 
der  complizirten  Stoffe  kommen,  aus  welchen  die  CO2  und  das  HO 
herausgebrannt  wurden. 

4.  Aus  dieser  Besprechung  der  Methoden  und  der  Voraus, 
Setzung  der  Rechnungen  für  die  Versuche  von  Despretz  und 
Dulong  dürfte  der  Schluss  gezogen  werden,  dass  die  aus  ihnen 
gewonnenen  Resultate  keinesfalls  der  Ausdruck  der  vollen  Wahr- 
heit sein  können,  namentlich  lässt  sich  Voraussagen,  dass  die  Rech- 
nung für  die  Thierc,  welche  überwiegend  Fette  umgesetzt  haben- 
zu  hoch,  und  für  die,  welche  vorzugsweise  Auiylaeeen  verzehrten 
(z.  B.  Kaninchen,  Meerschweinchen)  zu  niedrig  ausfalle.  Als  Werthe 

47* 


_____ 


740 


Veränderliche  Wärmeerzeugung. 


welche  «ich  jedoch  entfernt  der  Wahrheit  annähern , sind  sie  nicht 
ohne  Interesse;  wir  geben  darum  die  Tafel  von  Dnlong.  Bie 
unter  der  Rubrik  Wärmcverhältniss  aufgeführten  Zahlen  sind  ein 
Quotient  aus  den  vom  Thiere  wirklich  ausgegebenen  Wärmeeinheiten 
in  die  aus  der  COi-Ausscheidung  und  dem  O-Verbrauch  berechneten. 


Zahl  der  Beobachtungen. 

Katze  . . 5 # 

Hund  . . 3 

Meerschwein  3 
Kaninchen  2 


Wärmeverhältniss. 

0,902 

0,956 

0,865 

0,913 


Aus  der  Thatsache,  dass  in  keinem  Falle  die  nach  der  lie- 
rechnung  gebildete  Wärme  den  wirklichen  Verlust  erreicht,  schlies- 
sen  wir,  indem  wir  das  Gesetz  von  der  Erhaltung  der  Kraft  als 
ein  unumstüssliches  ansehen,  dass  auch  die  Eiweisskürper  wie  die 
Amylaeeen  hei  ihrer  Verbrennung. mehr  Wärme  ausgeben,  als  sich 
ans  ihr  nach  den  aufgestellten  l'rincipien  berechnet. 


In  der  obigen  Tafel  von  Dulong  sind  statt  der  von  ihm  selbst  angewendeten 
Lavoisier’schen  Zahlen  für  die  Verbrennungswärme  des  C und  H die  von  Favre 
und  Silbormann  gefundenen  (8086  und  34462)  benutzt.  Die  Beobachtungen  von 
De  spreiz  lieferten  ein  ungünstigeres  Verhältnis«  zwischen  dem  hypothetischen  Wämie- 
ge winne  und  dein  wirklichen  Verluste  ; dieses  verwandelt  sich  allerdings  ebenfalls  in 
ein  sehr  günstiges,  wenn  man  statt  der.  von  ihm  benutzten  Zahlen  für  die  Verbren- 
nungswänne  de»  O und  H die  Silber  mann- Fa  vre’ sehen  substituirt  Dieses  dürfte 
aber  wohl  nicht  erlaubt  sein,  weil  Deftpretz  die  Verbrennungswärme  der  Thiere  nnd 
der  genannten  Elemente  nach  derselben  Methode  bestimmt  hat , so  dass  also  der  bei 
seinem  Verfahren  eingetretene  Verlust  in  der  einen  und  der  anderen  Bestimmung  sich 
geltend  macht.  Die  Beobachtungen  von  Dcspretz  sind  aber  darum  nicht  fehlerfrei, 
weil  die  Luft,  in  welcher  seine  Thiere  athmeten,  zn  Ende  des  Versuchs  mehr  CO*  und 
weniger  Sauerstoff  enthielt,  als  zu  Beginn  derselben.  Also  mussten  auch  die  Thiere, 
nach  den  in  der  Athemlehre  entwickelten  Grundsätzen  zu  Ende  der  Beobachtung 
reicher  an  CO«  sein , als  zu  Anfang  derselben ; dieser  Unterschied  bedingt  aber  einen 
Verlust  an  der  beobachteten  CO*  und  damit  auch  an  der  berechneten  Warme. 

5.  Veränderliche  Wärmeerzeugnng.  Setzt  man  die  Annahme 
als  richtig  voraus,  dass  die  thierische  Wärme  der  chemischen  Be- 
wegung ihren  Ursprung  verdanke,  so  folgt  unmittelbar,  dass  die 
Wärmequellen  mit  der  wechselnden  Zeit  sehr  ungleich  fliessen 
müssen.  Eine  Andeutung  für  die  Richtigkeit  dieser  Folgerung  giebt 
die  tägliche  Temperaturcurve , welche  bekanntlich  ansteigt,  jvenn 
der  Sauerstoffverbranch  gewachsen  ist,  ohne  dass  eine  unverhült- 


Da*  Verhält»)«#  der  Wanuebilduog  zu  ander»  phys.  Vorsingen.  74 1 

iii.ssmii.ssig  grosse  Wärmeansfuhr  bestellt.  Früher . wurde  jedoch 
aifti  gesagt,  dass  die  einfache  Temperaturbeobachtung  nicht  im 
Stande  sei,  die  nöthigen  Daten  fllr  die  Veränderlichkeit  derWarme- 
erxcngnng  zu  liefern;  dazu  würde  nur  die  Messung  der  jederzeit 
erzeugten  Wärme  führen  können. 

Hirn  hat  sich  in  der  That  bemüht,  das  Ahhüngigkeitsvcrhältniss  aufzusuchen, 
welches,  zwischen  irgendwelchen  andern  physiologischen  Bedingungen  und  der  Wärme* 
bildung  bestehe.  Zur  Messung  der  entwickelten  Wärme  bedient  er  sich  des  schon  be- 
schriebenen calorimetrischen  Kastens  (p.  735).  Die  Mensche»,  welche  sich  in  dem- 
selben aufhieltcn,  athmeten  aus  einem  Gasometer  in  ein  anderes,  so  das#  ausser  dem 
Wärmeverlust,  den  der  constante  Temperaturunterschied  zwischen  der  Luft  im  Kasten  und 
derjenigen  im  Zimmer  maass,  auch  noch  dio  Menge  der  Gase  bestimmt  werden  konnte,  die 
bei  der  Athmnng  verbraucht  und  gewonnnen  wurde.  Jede  der  an  Alter,  Geschlecht, 
Körpergewicht,  Wohlbefinden  u.  s.  w.  verschiedenen  Personen,  welche  Hirn  dem  Ver- 
such uuterwarf,  musste  nun  im  Calorinieter  entweder  in  ruhender  Stellung  verharren 
oder  in  einem  Rade,  das  ton  einer  Dampfmaschine  getrieben  wurde,  auf-  oder  ab- 
steigen.  Die  Arbeit,  die  sie  dabei  leistete,  hemmende  oder  beschleunigende,  konnte 
somit  ebenfalls  nach  Kilogrammmeter  gemessen  werden. 

Die  Ergebnisse,  welche  diese  Versuchsreihe  geliefert  hat,  müssen  aus  mehreren 
Gründen  auffallcn.  So  sollen  1)  alle  Personen  gerade  so  viel  Volumen  0 verschluckt 
haben,  als  sie  CO*  ausstiessen,  so  dass  also  aller  eingenommene  Sauerstoff  zur  Oxy- 
dation von  Kohle  gedient  hätte;  da  der  Mensch  nicht  ausschliesslich  Amt  Ion  und 
Zucker  verzehrt,  so  bleibt  jenes  Resultat  unerklärlich.  — Zweitens  aber  findet  Hirn, 
dass  die  ruhenden  oder  im  Rad  absteigenden  Menschen , wie  sio  auch  sonst  beschaffen 
waren,  immer  für  l Gr.  verschluckten  Sauersoffs  rcsf>cct.  für  1,375  üt.  ausgehauchter 
CQl  mehr  als  5D00  Warmegramme  (zwischen  5ÜU0  und  5500)  ausgaben.  Aber  auch 
diese  Zahl  ist  noch  immer  befremdend  gross , selbst  wenn  man  zugeben  wollte , dass 
die  Hirn’schen  Versuchspersonen  nur  Kohlenhydrate  verbrannt  hätten.  Da  wir  nicht 
wissen,  wio  viel  Wärme  ein  Gramm  Sauerstoff  entwickelt,  wenn  er  sich  mit  der  aequi- 
valenten  Menge  von  Zucker  zur  Bildung  von  CO*  und  110  vereinigt,  so  wollen  wir, 
um  der  Gefahr  der  Unterschätzung  auszuweichen,  annehmenr  dass  bei  der  Verbrennung 
des  Zuckers  die  in  ihm  vorhandenen  C-  und  H-Antheile  gerade  soviel  Wärme  lieferten, 
als  ob  sie  aus  dem  freien  Zustand  heraus  in  COi  und  HO  verwandelt  wären.  Dann 
gäbo  1 Gr.  freien  O's , indem  er  0,937  Gr.  Zucker  verbrennt,  510*2  W.  E.  Diese  Zahl 
erreicht  also  noch  immer  nicht  das  von  Hirn  öfter  gefundene  Wärmeäquivalent  des- 
jenigen Sauerstoffs,  den  der  ruhende  Mensch  verzehrt.  Dieses  Zurückbleiben  erscheint 
aber  besonders  bedenklich,  weil  der  Zucker  der  oxygenreichste  Nahrungsstoff  ist,  der 
desshalb  auch  zur  Verbrennung  die  geringste  Menge  freien  Sauerstoffs  nöthig  hat. 
Aus  diesem  Grunde  giebt  auch  1 Gr.  freien  O’s,  welches  sich  mit  Zucker  verbindet, 
mehr  Wärme,  als  bei  seiner  Vereinigung  mit  jedem  andern  verbrennlichen  Blutbestand- 
theil.  Wollte  man  also  die  Zahlen  von  Hirn  noch  annehmbar  finden,  so  müsste  man 
unterstellen,  dass  in  dem  von  ihm  beobachteten  Menschen*  neben,  der  Oxydation  noch 
andere  wärmebildende  Umsetzungen  stattgefunden  hatten.  Da  diese  aber  nur  auf 
Kosten  des  gesammten  thierischeu  Wärmovorraths  geschehen  konnten,  so  mussten  nun 
auch  Zeiten  kommen , in  denen  der  ruhende  Mensch  für  denselben  Sauerstotfverbraucli 


Dlgitized  by  Google 


742 


Beziehung  zu  Sau  orsto  ff  verbrauch  und  Warraebildung. 


viel  weniger  Warjno  ausgegeben  hatte;  diese  Zeiten  mussten  aber  niemals  bei  den 
zahlreichen  Versuchen  von  Hirn  anwesend  gewesen  sein.  & 

Ein  Theil  dieser  Abweichungen  erklärt  sich  wohl  aus  den 
wenig  sorgsamen  analytischen  Behelfen , deren  er  sich  bediente.  • — 
Drittens  endlich  macht  Hirn  die  Annahme,  dass  der  Sauerstoff  in 
den  arbeitenden  Muskeln  gerade  so  benutzt  werde,  wie  in  den  Zer- 
setzungen, die  der  ruhende  Körper  erleidet,  und  zwar  darum,  weil 
bei  seinen  physikalischen  Anschauungen  nur  unter  dieser  Voraus- 
setzung seine  Versuche  zu  den  von  ihm  gewünschten  Folge- 
rungen (Uhren.  Nun  wurde  aber  schon  wiederholt  (p.  385;  525; 
602)  erwähnt,  dass  bei  der  Muskelbewegung  relativ  viel  COi, 
aber  wenig  Harnstoff  gebildet  werde,  ja  es  hat  V o i t *)  neuer- 
lichst dargethan,  dass  die  tägliche  Harnstoffausscheidung  eines 
Thiers  von  der  Muskelanstrengung  gänzlich  unabhängig  ist,  also 
giebt  es  jedenfalls  zwei  verschiedene  Reihen  von  Oxydationen, 
eine,  die  ebensowohl  im  ruhenden  wie  im  bewegten  Körper  ein- 
tritt,  diejenige  nämlich,  die  zur  Harnstoffbildung  führt,  und  eine 
andere,  nur  dem  bewegten  Körper  eigentümliche,  die  nicht  in  das 
letztere  Produkt  ausmündet. 

Aus  Allem  dem  geht  hervor,  dass  die  von  Hirn  gezogenen 
Folgerungen  Uber  die  Beziehungen  zwischen  .Sauerstoffverbrauch, 
Wärmebildung  und  Arbeitsleistung  nicht  stichaltig  sind.  Nimmt  man 
aber  an,  dass  der  Fehler  in  seinen  Bestimmungen  überall  anna-- 
lieftid  derselbe  gewesen  sei,  so  gewähren  seine  Zahlen  noch  we- 
sentliches Interesse.  Wir  lassen  darum  seine  Tabellen,  soweit  sie 
Thatsachen  enthalten,  folgen. 

. Zum  Verständnis  derselben  muss  bemerkt  werden,  dass  die 
1.  Reihe  in  einem  Kasten  von  andern  Dimensionen  ausgeführt 
wurde  als  die  zweite.  Beide  Kasten  waren  aber  auf  gleiche  Weise 
graduirt.  — In  der  Columne  Arbeit  bedeutet  -4-  ein  Aufsteigen, 
— ein  Absteigen  im  Rade. 


•)  Münchner  .Sitzungsberichte  der  mathcmat.-phyidk.  Klasse  1860.  139. 


0 -Verbrauch,  Wärmebildung  und  Arbeitsleistung. 


743 


L Reihe. 


In  der  Stande. 


Bczeichnnng 

und 

Aller  dei  Indi- 
viduum*. 

Inder 

Minute. 

_ , j Athem- 
Pal»,  j l0p!. 

Körpcrue- 
wicht  In 
Kilo. 

!Elnv=-aus- 
geathmete 
Lnftvolum 
bei  00  unr 
0,760  M. 
Hg- Druck 
Cub.-M. 

1 

sorblrtes 
O-Gew. 
In  Gr. 

Ent- 
wickelte 
Wärme  - 
Kilo*. 

Zahl  der 
Warnte  - 
Kilo*  ffir 
1 Gr.  *h- 
sorbirt. 
O. 

Arbeit'  in  der 
Stunde  nach 
KOogr.  - Metr. 

H 42  Jahr. 
» 

' 

63,85 

i 

0,819 

27,6 

143,0 

5,21 

0 

2 



— 

63,80 

0,717 

26,6 

146,0 

5,52 

0 

3 

— 

65,51 

0,776 

21,0 

147,0 

» 5,48 

0 

4 • 

— 

— 

62,  li 

1,75 

113,1 

245,6 

2,71 

4 23257 

5 

— 

»> 

1,77 

112,2 

283,6 

2,64 

-j-  20750 

6 

— 

... 

1,96 

126,0 

302,1 

2,37 

+ 22208 

7 

— 

1,06 

123,3 

300,3 

2,52 

-f  21700 

8 

— 

62,26 

1,78 

117,0 

333,8 

2,84 

4-  2*2 1 7 (?) 

0 18  Jahr. 

- 

_ 

52,20 

0,757 

45,3 

161 

4,8 

0 

2 



— 

51,45 

1,40 

111,3 

206,7 

2,04 

4-  17539 

J.  47  Jahr. 
1 

_ 

84,52 

0,67 

32,0 

189 

5,73 

0 

2 

— 

»» 

2,75 

156,1 

325,2 

2,08 

-|-  34532 

3 



— 

84,91 

2,51 

1 56,5 

356,3 

2,27 

4 34260 

Mädchen 
18  Jahr. 

84,91 

0,37 

24,6 

129,2 

5,25 

0 

2 

— 

— 

65,00 

1,47 

107,8 

252,1 

2,34 

-f-  22387 

2.  Reihe. 

H 42  Jahr. 

1 1 SO 

.8 

0,621 

29,65 

155 

5,22 

0 

• 2 

145 

30 

60,9 

2,634 

131,74 

251 

1 ,005 

4 27449 

3 

145 

30 

61,0 

1,9755 

115,7 

203 

1,754 

4-  23357 

4 

105 

20 

61,3 

1,548 

63,85 

351 

5,5 

— 26972 

0 18  Jahr. 
1 

0,875 

32,04 

170 

5,161 

0 

2 

— 

53,7 

1,601 

99,12 

291,5 

2,04 

-4-  25912 

3 

— 

- 

51,2 

1,364 

88,7 

269 

3,02 

-f  22989 

• 4 

80 

22 

51,6 

0,8883 

47,33 

251 

5,31 

— 24175 

J.  42  J. 
1 

85 

11,5 

_ 

0,5085 

32,8 

170 

5,183 

0 

2 

— 



'85,1 

1,6222 

116,22 

255 

2,194 

4 33332 

S.  47  J. 
1 

00 

7,5 

0,5445 

27,07 

140,2 

5,181 

0 

2 

120 

11 

72,85 

1,405 

128,2 

229 

1,78 

4-  32550 

3 

— 



73,2 

0,7356 

48,28 

251 

5,18 

— 30275 

Mädchen 
18  Jahr. 

. 

0,6055 

29,52 

147,9 

5,0 

0 

2 

~ 

61,5 

1,474 

108,3 

280 

2,050 

4-  208SS 

Wärmeverluste. 

Die  Wärmeverluste  entstehen  1)  dadurch,  dass  die  flüssigen 
nnd  festen  Einnahmen  (Speisen)  des  thierisehcn  Kiirpers  kälter 
sind,  als  seine  flüssigen  nnd  festen  Ausgaben  (Harn  und  Koth); 


Digitized  by  Google 


744 


Wärmcverluste. 


die  Wärme , die  auf  die  Gewichtseinheit  dieser  den  Organismus 
durchlaufenden  Massen  übertragen  wird,  ist  abhängig  von  ihrer 
Wämiecapacität  und  dem  Unterschiede  ihrer  Temperaturen  beim  Ein- 
und  Austreten  aus  dem  thierischen  Körper.  Unter  allen  Umstünden 
ist  dieser  Wärmeverlust  nur  ein  geringer  Antheil  der  Gesanimtein- 
busse.  — 2)  Durch  Leitung  und  Strahlung  von  den  freien  Ober- 
flächen des  Körpers,  insbesondere  von  Lunge  und  llant,  gegen  die 
umgebenden  Medien.  Wie  viel  Wärme  hierdurch  in  der  Zeiteinheit 
auf  der  Einheit  der  Oberfläche  verloren  geht,  ist  bekanntlich  ab- 
hängig von  dem  mittleren  Temperaturunterschiede  zwischen  dem 
umgebenden  Medium  und  dem  Organismus,  von  der  Wärmccapaci- 
tät  und  Leitungsfähigkeit  der  Umgebung,  oder  wenn  diese  letztere 
Eigenschaft  wie  bei  der  Luft,  ganz  fehlen  sollte,  von  der  Bewe- 
gung derselben.  — Für  die  Lunge  lassen  sich  die  nöthigen  An- 
gaben leicht  gewinnen , weil  sie  eine  constante  Temperatur  besitzt 
und'  die  Luft,  die  mit  ihr  in  Berührung  kommt,  sie  immer  auf 
nahezu  36°  bis  37°  C.  erwärmt  verlässt.  Beispielsweise  werden  wir 
sogleich  eine  Rechnung  ausführen.  — Für  die  Haut  sind  dagegen 
die  nöthigen  Angaben  nicht  zu  erbringen;  dieses  ist  ersichtlich, 
weil  die  Temperatur  der  Hautoberfläche  nach  Zeit  und  Ort  fort- 
während veränderlich  ist,  eine  Veränderung,  welche  eine  compli- 
zirte  Folge  ihrer  Blutfülle,  der  Geschwindigkeit  des  Blutstroms,  der 
Bluttemperatur,  der  Wärmezul.eitung  von  den  inneren  Organen  durch 
den  panniculus  adiposus  hindurch,  der  Wärmeleitungsfähigkeit  und 
der  Dicke  der  Epidermis  und  des  Wärmeverlustes  auf  der  Ober- 
fläche ist;  denn  die  Haut  kommt  nicht  blos  mit  Luft,'  sondern  auch 
mit  Kleidern,  Wasser  u.  s.  w.  in  Berührung,  und  der  Temperatur- 
grad, den  die  berührende  Luft  annimmt,  ändert  sich  mit  ihrer  .Be- 
wegung, welche  selbst  wieder  aus  vielen  Gründen,  die  in  der  Luft 
und  in  der  Art  der  Kleidung  begründet  sind,  variirt.  — 3)  Der 
thierische  Körper  verliert  ferner  Wärme,  weil  er  fortwährend  Wasser 
verdunstet;  der  Verlust  au  Wärme,  die  in  den  Wasserdampf  latent 
übergeht,  muss  für  die  Zeit-  und  Flächeneinheit  abhängig  sein  von 
der  Temperatur  der  Körperoberfläohe,  ihrer  Befeuchtung  und  der 
Sättigung  der  Luft  mit  Feuchtigkeit,  kurz,  von  allen  den  Umstän- 
den, welche  wir  bei  der  Verdunstung  schon  ausführlicher  angegeben. 
Die  in  Frage  kommenden  Faktoren  sind  nun.  bekanntlich  wiederum 
in  der  Lunge  constanter  als  »in  der  Haut,  so  dass  cs  immerhin  ge- 
lingt, den  Wärmeverlust , den  wir  durch  Verdunstung  aus  der 
Lunge  erfahren,  sicherer  zu  bestimmen,  als  den  durch  die  Haut.  — 


Tägliche  Gesammteinnahme  und  Wärmcausgabe. 


745 


4)  Die  Lehre  von  der  Erhaltung  der  Kräfte  drängt  endlich  noch 
zu  der  Annahme,  dass  auch  Wärme,  gleichgültig  ob  sie  latent  oder 
frei  war,  verloren  gehe  durch  die  Erzeugung  derjenigen  Muskel- 
kräfte, welche  zu  einer  mechanischen  Arbeit  jenseits  der  Leibes- 
grenze verwendet  werden.  Für  gewöhnlich  mag  dieser  Verlust 
allerdings,  nicht  sehr  hoch  anzuschlagen  sein , da  das  mechanische 
Aequivalent  der  Wärme  eine  sehr  beträchtliche  Grösse  besitzt,  oder 
besser  gesagt,  da  mit  einem  geringem  Aufwande  an  Wärme  sehr 
viel  Arbeit  zu  leisten  ist. 

l)a  die  Wärme  eino  Bewegung  ist,  so  muss  sich  auch  angeben  lassen,  wie  viel 
von  irgend  welcher  anderen  bewegenden  Kraft  z.  B.  der  Schwere,  angewendet  werden 
muss,  um  eine  bestimmte  Menge  von  Wärme  zu  erzeugen  und  umgekehrt.  Nach  den 
Messungen  von  Joule,  Jacobi  und  Legnin  ist  übereinstimmend  festgestellt,  dass 
430  Metergramme , d.  h.  eine  Kraft,  welche  430  Gramme  auf  1 Meter  zu  erheben  ver- 
mag, aequivalent  sind  einer  Wärmeeinheit,  d.  h.  der  Wörme,  welche  nöthig  ist,  um 
1 Gr.  Wasser  von  0°  auf  1°  zu  erwärmen. 

Vergleichung  der  täglichen  Gesammteinnahme  und 
Ausgabe  an  Wärme., 

Wir  «teilen  dieselbe  nach  Barral*)  au,  welcher  sich  auf  eine,, 
wie  es  scheint,  umsichtig  geführte  Versuchsreihe  stützt;  seine  Rech- 
nungen können  jedoch,  weil  sie  zum  Theil  auf  unrichtigen  Annah- 
men beruhen,  nur  zu  einer  annähernd  richtigen  Vorstellung  führen. 
Uebrigens  herrscht  eine  gewisse  Uebereinstimmung  zwischen  seinen 
und  den  Resultaten  einer  Rechnung,  welche  Helmholtz**),  von 
durchaus  anderen  Voraussetzungen  ausgehend,  anstellte. 

Barral  unternahm  an  4 Individuen,  zwei  Männern,  einem  von 
59  und  einem  von  29  Jahren,  einer  Frau  von  32  und  einem  Kinde 
von  6 Jahren,  5 Versuche,  vdu  denen  je  einer  einen  Zeitraum  von 
5 Tagen  nmspannte.  In  dieser  Zeit  bestimmte  er  Gewicht  und  Zu- 
sammensetzung der  Speisen,  des  Harnes  nnd  Kothes;  da  das  Kör- 
pergewicht unverändert  blieb  oder  wenigstens  als  solches  ange- 
nommen werden  darf,  denn  er  Hess  die  Leute  bei  ihrer  gewöhn- 
lichen Lebensweise  nnd  Nahrung,  so  gab  der  Gewichtsunterschied 
zwischen  der  Nahrung  und  dem  aus  After  und  Blase  entleerten 
Massen  den  Verlast  durch  Hant  und  Lungen.  Da  auch  die  Zu- 
sammensetzung der  Nahrung,  des  Harnes  und  Kothes  bekannt  war, 
so  Hess  sich  auch  die  des  Haut-  und  Lungendunstes  finden.  Be- 
rücksichtigt man  das  24stündige  Mittel  in  Einnahme  und  Ausgabe 
für  Wasser  und  organische  Bestandthcile,  so  hat  man : 

•)  SbtOque  chiiniquo  de»  aniinaux.  Paria  1850.  p.  ‘245  u.  (. 

••)  l.  c.  p.  562. 


Digitized  by  Google 


liesammteinnahme  und  Wärmeausgabe. 


I. 

II. 

III. 

IV. 
V. 

» o 
c-  S» 

» a 

^ O.  C 

ä E 
P ~ 

V»  — o»  cr>  CD 

© co  © © io 

© o>  j-  © © 

KS  W ® ® 

3 

st 

P 

335.7 
242,3  . 
140,2 

296.8 
274,6 

p 

i(>  K9  U (3 

— to  •—  go  — 

*■  "-4  ® 

s 

14,3 

10,1 

3,0 

9.6 

11.6 

2 

W M - - M 
O »-  U -4  * 

W t ® 

4»  Ijd  ”ao  o>  ob 

O 

er 

CD 

= 

CD 


a 


Männlich  29  Jahre. 
»»  »» 

„ 0 Jahre 

„ 59  Jahre. 

Weiblich  32  Jahre. 

Zieht  m 
so  erhält  man 

c 

ES 

e> 

ffc 

|? 

* 

a* 

P,  jf  © Ü*  — 4* 

ETI  “ — an  <y»  ~-J 

CD  IO  — 4 © 3 O' 

o.  © © © © 

^ f ° C 

s-rsg 

o« 

■"1" 

|o  + + + + 1 

5 ~ «1  05  Jk  O C 

fTD  M W W M - W 

^7^  ca  >o  w er  4. 

CO  ' o 

■h 

f 

3 4-y  ^ -4 

cn  -u  ü»  ^ in 
er  v.'  -j  ca  - 4»  cj 

’tö  Io  « *«t»  — 

= ?5 

SS32 
S3  S 

CD  - 

— -4  © © QP  © 

w c c 4-  c 

3}  5 - 5"  M oo 

5 g 1*3  © Ir  l» ' ci» 

y*  Pj  © © CO  © 

s 

s 

i 

3“  »-H  M W - IO  W 

n ©coc«©© 

O J-  **  4*  © 

B , 'li  crflo  1c  1- 

g.  ^ 4»  IO  © © © 

p 

■» 

*n 

CD  lU  4-  lv  i.  Iv 

0-31  _©>  © CO  to  »1 

CD  2*  — M *-4  *tv 

•1  rs  co  ©*  © © oi 

W 

B 

»3 

O 

O 

n 

“ SJ  to  K3  IO  IO 

c ™ r1  r*  r r1 

B _ 4»  io  © — © 

(yq  P-  CO  © CO  -J  © 

265,73 

191,42 

129,82 

265,08 

213,19 

8 Kotl 
in-  un 

o 

3-  3 

O i-  ■—  *»  •“* 

k—,  CD  - er  tn  O - 

CO  © © CO  —4 

PB  od  <*  j*i  jo  -4 

es  b V#  “i  m "*>i 

J*  ^ 4to-c»o 

* 

s 

% 

■t 

s 

3 »—  co  — • io  co 

os  X er.  v»  a*  io  © 

e-  » - © - © v 

p:  -i  i»  co  io  — © 

o 

■ 

3 

o> 

5 

CD  © CO  © hi  4»  CJ« 

c”  ® V w y w 

g ^ 4»  cp  os  © o 

3 

F 

0 

0 

st 

3 

CP3  O > 

3 ^©  jo  jt-  «-*  co 

^ O 1j  ® © C3 

rt>  Pj  -ly  - 'jo  © 

?.  ■ 

CS.  3 © © JJD  IO  ©. 

J"  Vi  o o V Io 

05  g 4»  -1  © IO  4» 

O 

a 

rs 

3 

3 ^ io  io  — io  io 

’ . . CO  -4  CO  CO  — 1 

25  4»  — © QC  CH 

50  © ~ © © o> 

3 rcS3 

= Zs® 

*»  5. 1 ? 

er  ^ . 

2 — © © © io 

3 © © © © © 

° - jo  4 e y 

05  0D  © 4fc  © 

3 

er 

IttSo 

i s - ■ 

Digitized  by  Google 


Tabelle  I. 


W.-E.  durch  Vorbrennnng  des  H.  ü.  C.  747 

Aus  den  Angaben  der  Tabelle  II.  berechnet  sich  nnn:  1)  der 
wärmende  Wasserstoff;  darunter  versteht  man  aber  nach  der  frü- 
heren Verabredung  den  Tlieil  des  aus  den  Speisen  verbrannten  H, 
welcher  zu  seiner  Verbrennung  den  eingeathmeten  Sauerstoff  benutzt, 
nicht  aber  denjenigen,  welcher  schon  im  festen  Zustande  in  den  Speisen 
enthalten  war.  Er  wird  aus  den  Zahlen  der  Tabelle  II.  abgeleitet,  in- 
dem man  berechnet,  wie  viel  H nöthig  ist , um  den  in  der  letzten  Co- 
lonne  aufgeführten  0 in  HO  umzuwandeln;  zieht  man  diesen  be- 
rechneten Werth  ab  von  dem  in  der  Tabelle  aufgeftthrten  II,  so 
bildet  der  Rest  den  wärmenden,  d.  h.  denjenigen,  welcher  bei  der 
Wänneberecbnung  in  Anschlag  gebracht  wird.  — 2)  Das  neu  ge- 
bildete Wasser,  und  zwar  dadurch,  dass  man  den  H der  vörliegen-  , 
den  Tabelle  auf  Wasser  berechnet.  — 3)  Addirt  man  dieses  Wasser 
zn  dem  der  zweiten  Colonne,  so  erhält  man  das  Gesammtgewicht 
des  verdunsteten  Wassers.  — Das  Gewicht  der  verdunsteten  COj 
wird  nach  bekannten  Regeln  ebenfalls  aus  dem  Vorstehenden  ab- 
geleitet. — 5)  Macht  man  endlich  die  Voraussetzung,  dass  die 
Au8athmungsluft  im  Mittel  4 pCt.  COr  enthalten  habe,  so  findet  sich 
aus  unseren  Daten  auch  noch  das  Gewicht  der  Ausathmungsluft. 
Alle  diese  berechneten  Werthe  sind  in  der  Tabelle  III.  zusammen- 
gestellt. Die  Zahlen  bedeuten  Gramme. 

Tabelle  III. 


Ordnung*- Nr. 
d Versuche*. 

Wärmender 

Nengeblldete* 

Gesammtgewicht 

Gewicht  der  ver- 

Gewicht  der 

W tuserstoff. 

Wasser. 

Wassern. 

dunsteten  CO^. 

Ausathmungsluft. 

I. 

20, s 

467,0 

1287,8 

1230,9 

30772,5 

II. 

16,4 

348,5- 

1158,0 

888,4 

22210,0 

m. 

6,2 

192,8 

1*4,7 

514,0 

10350,0 

IV. 

12,2 

386,3 

522,6 

1088,3 

27207,5 

V. 

16,3 

366,5 

965,7 

1006,9 

15140,0 

Damit  ist  nnn  die  weitere  Möglichkeit  eröffnet,  zu  berech- 
nen: 1)  die  Zahl  der  den  Tag  tlber  gebildeten  Wärmeeinheiten 
unter  der  Voraussetzung,  dass  der  wärmende  H und  der  0 bei 
ihrer  Verbrennung  ebensoviel  W.-E.  eut wickelt  haben,  wie  bei  ihrer 
Verbrennung  im  freien  Zustande.  Wir  legen  hierbei  die  Zahlen 
von  Favre  und  Silbermann,  nämlich  für  1 Gr. C.  = 8086  W.-E. 
und  für  1 Gr.  H.  = 34462  W.-E.  zu  Grunde.  Dieser  Voraus- 
setzung dürfte  weniger  Wärme  entsprechen , als  in  der  That  ansge- 
geben wurde,  da  die  feste  Nahrang  in  den  beobachteten  Fällen  vor- 
zugsweise aus  Brod,  Zucker  und  Gemüse,  also  aus  Kohlenhydraten 
bestand,  *welche,  wie  früher  erwähnt,  in  der  That  eine  höhere 


Digitized  by  Google 


748 


Wiirmcvorlust  durch  Wasnerverdunstungp. 


Wärme  entwickeln,  als  nach  unserer  jetzigen  llercchniingsgrund- 
lagc  aus  ihnen  gefunden  wird.  — 2)  Den  Wärmevcrlnst  durch  Ver- 
dunstung des  Wassers;  indem  man  die  Wirme  des  den  Körper 
verlassenden  Wasserdunstes  auf  37“  setzt  und  ihn  im  Maximum 
der  Tension  befindlich  annimmt  — 3)  Den  Wiinnevcrlust  durch 
die  Erwärmung  der  Athmungsluft;  die  spec.  Wärme  der  Athmungs- 
luft  ist  gleich  der  der  atmosphärischen  mit  de  la  Roche  und 
156  rard  auf  0,267  gesetzt  — 4)  Die  Wärme,  welche  an  die  ein- 
gegangenen Nahrungsmittel  abgegeben  wurde,  deren  mittlere  Tem- 
peratur vor  der  Aufnahme  auf  15"  angenommen  wird.  — 5)  Die 
Wärme,  welche  mit  der  flüssigen  und  festen  Ausleerung  entfernt 
, wurde;  die  spezifische  Wärme  beider  ist  dem  Wasser  gleich  ge- 
setzt. — 6)  Endlich  die  Wärme,  welche  durch  Strahlung,  Leitung 
und  Umsetzung  in  Arbeit  verloren  ging. 


I. 

ii. 

in. 

IV. 

v. 


Wärm  e- 
Gewinn. 

Wärme-Verlust. 

Unreh  Durch  Krwiir- 

Wu»rr-  in ting  J.  Ath- 

verdanstang.  mungeloft. 

Durch  Erwär- 
mung der 
Nahrungein. 

Durch  die  Durch  Stroh  • 
fltlss.  u.  fwte  hing. -Leitung 
Kntloerang.  und  Arbeit. 

3677820 

789421 

308438 

60610 

52697 

2566654 

2706076 

699801 

10081 1 

52492 

33020 

1819952 

1461334 

425851 

90558 

30716 

20288 

8S7921 

3103536 

320354 

222808 

59620 

66103 

2431591 

2928831 

612103 

132570 

51471 

33556 

1 1999131 

Eine  einfache  Uebersieht  Uber  das  Verhältniss  der  Würmege- 
wiune  gieht  folgende  Zusammenstellung,  in  welcher  die  Zahl  der  in 
24  Stunden  gewonnenen  Wärmeeinheiten  auf  die  Einheit  des  Kör. 
pergewiebtes  (auf  1 Gr.)  reducirt  ist. 


Ordntingsnummer  des 
Versuches.  • 


W.-E.  für  1 Gr.  Körpergewicht 
während  24  Stundon  entwickelt. 


I. 

77,4 

n. 

. 65,9 

in. 

97,4 

IV. 

52,9 

V. 

47,9 

Diese  Zusammenstellung  ergiebt,  dass  der  Mann  in  den  mitt- 
leren Jahren  im  Sommer  weniger  Wärme  erzeugt,  als  im  Winter; 
das  Kind  /elativ  mehr,  die  erwachsene  Frau  weniger  als  alle 
übrigen  Individuen. 

Um  die  Hetheiligung  der  einzelnen  Processe  an  dem  gesummten 
Wärmeverbranch  zu  übersehen,  ist  letzterer  in  der  nächsteu  Tabelle 
in  Procenten  der  Gesammtwärme  berechnet.  • 


Athmungsloft,  feste  und  flüssige  Ausleerung  etc. 


749 


Ordnunga- 
Nuimner  de« 
Versuche«. 

Verlast. 

Durch  Wngaer- 
verdunstung. 

Durch  die 
Athmnngsluft. 

Durch  die  flüs- 
sige und  feste 
Entleerung. 

Durch  Strahlung, 
Leitung  r.d.  11  mit 
u.  mech.  Arbeit. 

1. 

21,46  pCt. 

8,39  pCt 

l’,43  pCt. 

fi7,07  pCt. 

11. 

25.S5  „ 

3,72  „ 

1,22  „ 

67,22  „ 

m. 

29.14  „ 

6,19  „ 

1,90  „ 

60,77  „ 

IV. 

10, .42  „ 

7,18  „ 

2,13  „ 

79,43  „ 

V. 

20,90  „ 

2,63  „ 

1,14  „ 

71,67  „ 

Ans  dieser  Tabelle  ist  ersichtlich,  dass  weitaus  die  grösste 
Eiubusse  durch  Strahlung  und  Leitung  und  durch  Erzeugung  me- 
chanischer Arbeit  zu  Stande  kommt;  eine  einfache  Ucberlegung 
weist  dann  aber  darauf  hin,  dass  von  den  in  der  letzten  Keihe  zu- 
sammengefassten ‘ Funktionen  die  mechanische  Leistung  die  ge- 
ringste Menge  von  W.-E.  verzehrt.  — Denn  nehmen  wir  z.  B.  an, 
der  Mann  I.,  welcher  im  Mittel  täglich  3191948  gewinnt,  habe  einen 
Berg  von  2000  Metres  Höhe  erstiegen,  d.  h.  er  habe  sein  Körper- 
gewicht von  47500  Gr.  auf  diese  Höhe  gehoben,  so  würde  er  (das 
mechan.  Aequivaleut  zu  430  Metergramme  genommen)  dazu  nur 
220930  Wärmeeinheiten,  d.  h.  etwa  7 p(Jt.  seiner  gesammten  Wärme-’ 
menge,  verbraucht  haben. 

Bildung  und  Verbrauch  von  Wärme  in  den  ein-' 
zelnen  Organen. 

Zunächst  liegt  es  nun  ob,  anzugeben,  in  welchem  Maasse  sich 
die  einzelnen  Organe  nnd  Gewebe  an  dem  Gewinne  und  dem  Ver- 
luste der  Wärme  betheiligen,  da  es  aus  dem  uns  bekannten  che- 
mischen Leben  derselben  offenbar  ist,  dass  sie  dieses  nicht  alle  in 
gleicher  Weise  thun. 

Um  den  Werth  feststellen  zu  können,  mit  dem  ein  jeder  Be- 
standteil unseres  Leibes  in  jenen  verbreiteten  Process  eingreift,  wird 
nichts  mehr  und  nichts  weniger  genügen,  als  die  Kenntniss  von  der 
Art  und  dem  Umfange  des  Stoffumsatzes  und  des  Wärmeverlustes 
durch  Leitung  und  Strahlung  an  allen  Orten ; statt  dessen  würden 
auch  vorausgesetzt,  es  hielte  sich  die  Temperatur  in  den  betreffen- 
den Organen  constant,  die  Wärmecapazität  und  der  Temperatur- 
unterschied der  zu-  und  abfliessenden  tropfbaren  Flüssigkeiten  und 
die  Verluste  durch  Strahlung  genügen;  oder  wenn  die  Temperatur 
variabel  wäre,  so  würde  noch  die  Kenntniss  der  Wärmecapazität 
des  Organes  und  des  Umfanges  der  Temperaturschwankung  nü- 
thig  sein. 


Digitized  by  Google 


750  Wärmeökouomie  einzelner  Organe. 

. In  der  Tliat  wissen  wir  aber  im  Einzelnen  nur  Folgendes.  Zu 
den  vorzugsweise  witrmesam  mein  den  Gebilden  zählen  wir: 

a.  Die  Muskeln  im  ruhenden  und  im  verkürzten  Zustande. 
Denn  diese  Organe  verlieren  durch  Strahlung  keine  Wärme,  wäh- 
rend sie  mit  Hülfe  des  hinzutretenden  O’s  COj  entwickeln,  und 
dieses  letztere  in  gesteigertem  Maassstabe,  wenn  sie  sieb  im  ver- 
kürztem Zustande  befinden.  Hiermit  im  Einklänge  finden  Bec- 
querel und  Brechet  durch  die  thermoelektrische  Messung,  dass 
der  zusammengezogene  Muskel  um  0,5"  bis  1,0°  wärmer  als  der 
verlängerte  ist 

b.  Die  Speicheldrüsen. während  der  Zeit  ihrer  Absonderung. 

c.  Die  Baucheingeweide.  In  ihnen  ereignen  sich  weit- 
verbreitete wärmeerzeugendc  Vorgänge,  so  u.  A-  die  häufigen  Zu- 
sammenziehungen der  Darmmuskeln,  die  Gährungen  im  Darmrohre, 
die  Bildung  von  Harnsäure  in  der  Milz,  von  Gallenstoffen  in  der 
Leher  u.  s.  w.,  gegen  deren  erwärmende  Macht  die  Abkühlung 
durch  die  Speisen,  die  einzige,  welche  sie  erleiden,  nicht  in  Be- 
tracht zu  kommen  scheint.  Die  Richtigkeit  dieser  Folgerung  be- 
stätigt die  Temperatur  des  Blutes  in  der  vena  cava  ascendens, 
welche  immer  noch  höher  ist,  als  die  des  Arterienblutes,  trotzdem 
dass  sich  in  jener  Vene  neben  dem  aus  den  Baucheingeweiden 
stammenden  auch  noch  das  aus  den  kälteren  unteren  Extremitäten 
zurückkehrende  Venenblut  sammelt. 

d.  Die  Organe,  welche  vorzugsweise  aus  Bindegewebe, 
Fett,  Knorpel  und  Knochen  bestehen,  sind  rücksichtlich  ihrer  Fä- 
higkeit, Wärme  zu  erzeugen,  noch  wenig  untersucht : soviel  scheint 
nur  gewiss,  dass  ihnen  dieselbe  nicht  abgesprochen  werden  kann, 
da  das  in  sie  dringende  arterielle  Blut  venös  aus  ihnen  zurüek- 
kommt , zum  Zeichen , dass  dasselbe  dort  Kohlensäure  empfangen 
hat,  und  da  in  einzelnen  derselben,  wie  z.  B.  in  der  Lungensub- 
stanz, Harnsäure  gefunden  worden  ist.  — Ungewiss  ist  cs  end- 
lich, ob  das  Blut,  welches  gegen  eine  vielfache  Berührung  mit  den 
Organen  geschützt  ist,  Umsetzungen  erfährt,  die  Wärmeentwicke- 
lung zur  Folge  haben.  Von  den  Thatsachen,  welche  man  bis  dabin 
für  das  Bestehen  einer  Wärmebildung  in  ihm  anfilhrte,  bestand  eine 
darin,  dass  das  aus  den  Lungen  zuriiekkommende  Blut  durch  die 
Abkühlung,  welche  es  dort  erfahren  musste,  höher  temperirt  sein 
sollte,  als  das  eindringende.  Diese  Thatsache  ist  aber  durch  die 
oben  erwähnten  Beobachtungen  von ‘Bischoff,  G.  Liebig,  Ber- 
ns rd  u.  A.  widerlegt  worden. 


1 by  Google 


Haut  und  Lunge  als  Kiiblungsapparate. 


75  L 

Zu  den  kühlenden  Apparaten  zählen  vor  allen  Haut  und  Lunge. 

a.  Haut.  Die  Wärmemenge , welche  dieses  Organ  ausstrahlt 
und  ableitet,  ist  unter  der  Annahme,  dass  dasselbe  in  unbekleidetem 
Zustand  in  Betracht  gezogen  und  alles  Uebrige  gleiehgesetzt  wird, 
aus  einleuchtenden  Gründen  abhängig:  1)  von  der  schlecht  leiten- 
den Epidermis  und  des  Haarbcleges;  der  Wärmeverlust  ist  darum, 
alles  Andere  gleichgesetzt,  an  den  Fusssohlen,  den  Handtellern, 
der  Kopfschwarte  geringer  als  an  den  Lippen,  Ohren,  Augenli- 
dern n.  s.  w.  — 2)  Von  der  Fülle  des  Gefässsystems , welche  be- 
kanntlich wechselt  mit  dem  Blutdruck  und  der  Widerstandsfähig- 
keit der  Wandung,  und,  insofern  diese  bedingt  wird  durch  die 
kleinen  Muskeln  des  Hautgewebes  und  der  Gefässwandung,  auch 
von  dem  Grade  der  Zusammenziehung,  in  dem  diese  begriffen  sind. 
— 3)  Von  der  Gestalt  der  Unterlage,  über  welche  die  Haut  ge- 
spannt ist.  Auf  der  Flächeneinheit  dünner,  spitzer  Körpertheile, 
wie  z.  B.  der  Ohrmuschel,  der  Nase,  den  Fingern  und. überhaupt 
den  Extremitäten  wird  der  Verlust  grösser  sein,  als  auf  der  eines 
Kumpfstückes,  und  zwar  darum,  weil  die  Strahlung  aus  Spitzen 
überhaupt  lebhafter  vor  sich  geht,  als  aus  ebenen  Flächen.  — 
4)  Die  Vorgänge  der  Verdunstung  entziehen  aber,  wenn  alles  Uebrige 
gleich,  der  Haut  um  so  mehr  Wärme,  je  feuchter  ihre  Oberfläche 
ist.  Aus  diesem  Grunde  wird  namentlich  eine  Haut,  deren  Schweiss- 
drüsen  in  Thätigkeit  sind,  und  die  sich  in  folge  dessen  mit  Flüs- 
sigkeit bedeckt,  in  das  Maximum  des  Wärmeverlüstes  durch  Ver- 
dunstung cintreten.  — Der  thatsächliuhe  Ausdruck  dieser  Voraus- 
sichten liegt  nun  darin,  dass  das  Blut  der  Hautvenen  die  niedrigste 
Temperatur  unter  allen  Blutarten  zeigt,  dass  die  thermoelektrische 
Untersuchung  das  . Unterhautbindegewebe  kälter  findet,  als  dasje- 
nige tiefer  liegender  Organe,  und  endlich  darin,  dass  unter  den 
verschiedenen  Ausgaben,  welche  sich  in  die  Wärmeeinnabme  des 
Körpers  theilen,  die  durch  die  Haut  immer  die  grösste  ist.  — Bei 
dem  grossen  Werthe,  welchen  der  Wärmeverlust  hier  erreicht,  ist 
es  nun  unmöglich  zu  sagen,  ob  und  wie  viel  Wärme  in  der  Haut 
selbst  erzeugt  wird. 

b.  Die  Abkühlung  durch  die  Lunge  nimmt  mit  der  Zahl  und 
und  dem  Umfange  der  Athemzilge  und  mit  der  Geschwindigkeit  des 
Blutstromes  zu.  Da  man  ungefähr  die  Luftmengen  kennt,  welche 
den  Tag  über  in  den  Lungen  wechseln,  und  zugleich  ihren  Feuch- 
tigkeitsgehalt und  Temperaturgrad  heim  Ein-  und  Austritte  aus  den 


Digitized  by  Google 


,752 


Tcmperaturausglcichung  zu  verschied.  Organen. 


Lungen,  so  ist  eine  angenäherte  Berechnung  des  täglichen  Wämie- 
verlustes  möglich.  . 

Wir  legen,  indem  wir  sie  anstellen,  die  Barral’schcn  Beobachtungen  mit  fol- 
genden Unterstellungen  zu  Grunde:  Aus  den  Angaben  des  absoluton  Gewichtes  der 

Ausathmungsluft  lässt  sich  berechnen,  wie  viel  Wasser  sie  enthalten  habe,  vorausge- 
setzt, dass  sic  auf  37°  C.  erwärmt  und  mit  Wasscrdamfrf  gesättigt  gewesen  sei.  Zieht 
man  von  diesem  das  Gewicht  des  Wassers  ab,  welches  man  erhält,  wenn  man  annimmt, 
dass  die  eingeathmete  Luft  auf  15°  erwärmt  gewesen  und  etwa  die  Hälfte  (z.  B. 

00  pCt)  des  Wasserdampfes  enthalten  habe , den  sie  b(fi  dieser  Temperatur  fassen 

konnte,  so  erhält  man  das  in  der  Lunge  wirklich  verdunstete  Wasser.  Diese  Mengen 
betragen  für  die  Beobachtungen  I.  und  II.,  die  einzigen,  welche  wir  betrachten  werden: 

In  der  Lunge  verdunstetes  Zur  Verdunstung  nothw.  Zur.  Erwärmung  der  Ath-  Summe  der  ver- 
Wiisser.  Wärmeeinheiten.  mangsluft  verbrauchte  W.-K  brauchten  W.-E. 

L 950,5  Gr.  609590  308438  919928 

II.  596,0  „ 382240  100811  483051 

Diese  Beobachtungen  können  nun  dazu  benutzt  werden,  um  zu  ermitteln,  um  wie 
viel  das  Blut  abgckühlt  werden  musste,  welches  durch  die  Lunge  strömt  — Nehmen 
wir  nämlich  mit  Yolkmann*)  an,  ein  jedor  Herzschlag  entleere  0,0025  des  Körper- 
gewichtes Blut,  und  rechnen  wirmit  Barral  als  mittlere  Pulszahl  in  der  Minute  70  Schläge, 
so  würden  in  -24  Stunden  11,970,000  Gr.  Blut  durch  die  Lunge  strömen.  — Ver- 
theilte man  den  Wärmeverlust  auf  diese  Blutmenge,  so  würde  in  Beobachtung  I.  das 
arterielle  Blut  um  0,70°  C.  und  in  Beobachtung  II.  um  0,04°  C.  kälter  Bein,  als  das 
venöse.  — Wir  folgern  begreiflich  aus  dieser  Uebereinstimmung  mit  den  von  Bi  sehn  ff 
und  G.  Liebig  für  die  Temperatur  des  venösen  und  arteriellen  Herzblutes  gefundenen 
Zahlen  weder,  dass  die  Unterlagen  unserer  Rechnung  tadelfrei  sind,  und  noch  weniger, 
dass  in  den  Lungen  durchaus  keine  tV'ärme  gebildet  werde.  Jedenfalls  ist  sie  aber 
geeignet,  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  zu  ziehen.  Denn  wenn  sich  die  Beobachtungen 
noch  melir,  als  es  bisher  geschehen,  zuschärfen  sollten,  60  würde  cs  möglich  sein,  die 
alte  Controvcrse  Zum  Abschluss  zu  bringen,  ob  in  der  Lunge  eine  wesentliche  Wärme- 
quelle zu  suchen  sei.  Sie  lehrt  aber  jetzt  schon,  dass  die  Angaben  von  J.  Davy, 
Becquercl-Brechet  u.  A.  Uber  die  Temperaturzunahme  des  Blutes  bei  seinem 
Wege  durch  die  Lunge  von  fehlerhaften  Beobachtungen  herrilhren  müssen. 

Ausgleichung  der  Temperatur  zwischen  verschie- 
denen Organen. 

Da  die  abktlhlenden  und  erwärmenden  Ursachen  mit  einer  so 
ungleichen  Kraft  in  den  verschiedenen  Körpertheilen  wirksam  sind, 
und  ihre  Temperatur  trotz  der  schlechten  Wärmeleitungsfähigkeit 
der  Thierstoffe  dennoch  so  geringe  Unterschiede  bietet,  so  müssen 
offenbar  Einrichtungen  gegeben  sein,  welche  diese  Unterschiede 
fortwährend  ausgleichen.  Diese  liegen  nun  in  der  That  klar  genug 
vor  in  der  Bewegung  und  Mischung  der  thierischen  Säfte  und  ins- 
besondere des  Blutes. 


i by  Google 


’)  Haemodynamik.  p.  20«. 


Temperatur-Ausgleichung  zwischen  verschiedenen  Organen. 


753 


Als  Gründe,  die  hierfür  sprechen,  sind  anzuführen  1)  die 
Mischung  des  erwärmten  und  abgekühlten  Illutes  im  Herzen  und 
somit  die  gleicbinässige  Vertheilung  des  Blntes  von  mittlerer 
Temperatur  in  die  verschiedenen  Organe;  2)  die  Beobachtung, 
dass  in  allen  der  Abkühlung  unterworfenen  Theilen,  und  nament- 
lich der  Haut,  die  Temperatur  sich  um  so  mehr  der  des  Herz- 
blutes nähert,  je  rascher  und  j<5  breiter  der  Blutstrom  ist,  der 
durch  diesen  Theil  kreist,  während  sie  sich  um  so  weiter  von  der- 
selben entfernt,  je  geringer  der  Querschnitt  oder  die  .Schnelligkeit 
des  Stromes  ansfällt.  — Diese  letzte.  Thatsache,  die  unzählige  Male 
in  Gliedmaassen  beobachtet  wird,  in  denen  eine  veränderte  Blut- 
strömung stattfiudet,  sei  es  eine  Stockung  in  Folge  von  Arterien 
oder  Venennnterbindung,  sei  es  eine  Beschleunigung  nach  einer  Er- 
weiterung der  zuführenden  Gefassc,  ist  durch  eine  Reihe  von  Be- 
obachtungen, welche  CI.  Bernard*)  ausgeführt  hat,  in  das  hellste 
Licht  gesetzt  Wir  haben  schon  wiederholt  erwähnt,  dass,  wenn 
er  am  Halse  den  Sympathicns  durchschnitt,  sich  alle  Gefässe  der 
entsprechenden  Kopfhälfte  erweiterten,  und  dass  sie,  wenn  er  das 
peripherische  Schnittende  mit  einem  galvanischen  Induktionsappa- 
rat erregte,  sich  wieder  verengerten.  Nach  der  einfachen  Durch- 
schucidung  steigerte  sich  nun  auch  die  Temperatur  in  der  Gesichts- 
haut dieser  Seite,  während  die  der  entgegengesetzten  um  einen 
grösseren  oder  kleineren  Werth  abuahm,  und  umgekehrt  erniedrigte 
die  Temperatur  sich  auf  der  verletzten  Seite,  wenn  er  die  erregen- 
den Pohldrähte  an  den  peripherischen  Stumpf  des  durchschnittenen 
Nerven  anlegte.  — Die  Wärmcerhöhung,  welche  nach  der  Durch- 
schneidung des  Sympathicns  auftritt,  wird  man  aber  um  so  eher 
aus  dem  oben  berührten  Gesichtspunkte  und  nicht  aus  einer  Neu- 
bildung von  Wärme  erklären,  weil  die  Temperatur  niemals  die- 
jenige übersteigt,  welche  gleichzeitig  im  Herzen  gefunden  wird, 
und  auch  noch  darum,  weil,  wie  Bernard  beobachtete,  das  aus 
den  Venen  zurück  kehrende  Blut  dem  arteriellen,  namentlich  in  Be- 
ziehung auf  Färbung,  sehr  ähnlich  ist,  sich  also  wegen  des  raschen 
Durchganges  nicht  mit  den  gewöhnlichen  Oxydationsprodukten  der 
Bindegewebssubstanz  überladen  hat. 

Bernard  weicht  allzu  vorsichtig  noch  einer  Erklärung  der  von  ihm  gefundenen 
ThaUachcn  aus;  gegen  die  eben  mitgetheiltc  aussert  er  »ich  sogar  ungünstig,  weil  er 

•)  Recherche«  experimentale«  »ur  le  grand  ■ympathiqag  etc,.  Paria  1864.  — Gazette  mddicale« 
1854.  Nr.  1.  2.  3.  ^ 

I.Ddwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  • 


Digitized  by  Google 


754 


yf  iirmoregulatoren . 


gefunden , dass  in  der  Ohrmuschel  auf  der  verletzten  Seite  immer  noch  eine , wenn 
auch  nicht  mehr  sehr  bedeutende  Wirmesteigerung  eiutrat,  nachdem  er  mehrere  der 
aus  ihr  zurückkehrenden  Venen  , oder  die  zuführeudrn  Arterien  unterbunden,  d.  h.  die 
Geschwindigkeit  und  die  Ausbreitung  des  Blutstromes  in  dem  Ohre  gemindert  hatte. 
Siehe  hierüber  noch  v.  d.  B ec kc-C  allen  fcls*) 

Mittel  zur  Erhaltung  des  normalen  Wärmegrades. 

Das  Verhältnis  zwischen  Aus-  und  Einfuhr  von  Wärme,  wie 
es  ausgedrtlckt  wird  durch  den  Temperaturgrad  des  thierischeh 
Kürpers,  bleibt,  wie  wir  sahen,  in  verhältnissmässig  engen  Grenzen 
eingeschlossen;  es  muss  «Iso  auch  der  Gewinn  der  Wärme  mit  dem 
„ Verluste  derselben  steigen  und  fallen.  Die  organischen  Bedingun- 
gen, welche  diese  Beziehungen  herstellen,  sind  zum  Theil  wenig- 
stens bekannt,  der  Mechanismus  dieses  Zusammenhanges  ist  da- 
gegen noch  nicht  aufgedeckt.  — Eine  der  wesentlichsten  Beziehun- 
gen, welche  wir  gesondert  betrachten,  ist  gegeben  durch  die  Tem- 
peraturempfindling, welche  je  nach  den  Einwirkungen  der  Kälte 
oder  Hitze  einen  Wärmehunger  und  Wärmeekel  erzeugt;  in  der 
natürlichen  Folge  davon  begeben  wir  uns,  wo  irgend  möglich,  in 
Verhältnisse,  welche  die  unangenehmen  Empfindungen  beseitigen; 
wir  wählen  hierzu  gewöhnlich  solche,  welche  ohne  Zuthun  irgend 
welcher  inneren  Veränderungen  die  gewünschte  Körpertemperatur 
herbeifuhren,  indem  wir  die  Wärmeleitungsfähigkeit  der  Kleidung 
regulären,  warme  oder  kalte  Speisen  gemessen  n.  s.  f.  — Neben 
diesen  willkürlichen  Mitteln  zur  Herstellung  des  Gleichgewichtes 
zwischen  den  Ein-  nnd  Ausgaben  von  Warme , giebt  es  noch  eine 
Zahl  von  solchen,  die  durch  unsere  Seelenzustände  nicht  so  un- 
mittelbar bestimmt  werden.  Sie  wirken  in  allen  Individuen , aber 
in  den  verschiedenen  unzweifelhaft  mit  einer  auffallend  verschie- 
denen Mächtigkeit;  ausser  besonderen,  durch  die  Gehurt  gegebenen 
Anlagen  wirkt  auf  diesen  letzteren  Umstand  namentlich  der  Ge- 
brauch der  willkUhrlichen  Ausgleichungsmittel  ein,  ein  Einfluss,  der 
gemeinhin  als  Abhärtung  oder  Verwöhnung  bezeichnet  wird. 

1.  Wenn  die  Wärme  vermehrt  oder  vermindert  wird  in  Folge 
der  gesteigerten  oder  verringerten  chemischen  Umsetzung  innerhalb 
des  Thiers,  so  muss  die  Thätigkeit,  den  wärmeausgehenden  Or- 
ganen entsprechend,  sich  ändern.  — Vermehrt  sich  die  Wärmecin- 
nahme  und  nähert  sich  damit  die  Körpertemperatur  ihrem  Maxi- 
mum, so  geschieht  es,  dass  a)  die  Capillaren  in  der  Oberfläche  der 

*1  II  etile'  s und  Pfcufer'a  Zcft«ihrift.  2.  Kolgv.  VII. 


* 


tby  Google 


Wanncrcgulatoren. 


755 


Cutis  sich  erweitern;  der  raschere  und  ausgedehntere  Blutstrom, 
der  durch  sie  kreist,  bringt  die  Haut  auf  eine  höhere  Temperatur, 
und  damit  wird  der  Verlust  durch  Leitung  und  Strahlung,  welcher 
dem  Temperaturunterschied  zwischen  dem  thierischen  Körper  und 
dem  umgehenden  Medium  proportional  ergeht,  erhöht.  — b)  Meist 
tritt  zugleich  eine  Schweisshildung  ein,  und  damit  wird  eine  ge- 
steigerte Verdunstung  eingeleitet,  welche  beträchtlich  abktihlend 
wirkt.  Diese  Schweisshildung  tritt  aber  wegen  besonderer,  noch 
unbekannter  Einrichtung  nicht  an  jeder  Drüse  mit  gleicher  Lebhaf- 
tigkeit hervor,  und  zugleich  ist  auch  die  Summe  des  ergossenen 
Wassers  nicht  auf  allen  Ilautflächcn  gleich  gross,  da  die  Zahl  der  ' 
Schweissdrtisen  in  ihnen  variirt.  - Wenn  wir  nun  auch  gar  keine 
Vorstellung  davon  haben,  warum  mit  der  gesteigerten  Eigenwärme 
sich  die  Gefässe  erweitern  und  die  Schweisdrüsen  absondern,  so 
ist  doch  der  Vortheil,  den  beide  Apparate  in  ihrer  Vereinigung  zu 
leisten  vermögen , einleuchtend  genug.  Denn  offenbar  würde  die 
Ausbreitung  und  Beschleunigung  des  Blutstromes  in  der  Haut  wenig 
abkühlcn,  wenn,  wie  im  Sommer  und  den  Tropen,  die  Temperatur 
der  Atmosphäre  sieh  derjenigen  des  thierischen  Körpers  annähert 
oder  sie  gar  Ubertrifft.  — c)  Es  mehrt  sich  endlich  mit  dem  ge- 
steigerten Stolfumsatze  auch  die  Zahl  und  die  Tiefe  der  Athembe- 
weguugen,  und  damit  auch  die  Abkühlung  durch  Leitung  und  Ver- 
dunstung von  der  Lungenoberfläche  ans. 

d)  Der  verminderten  Wärmeeinnahme  folgt  jedesmal  eine  Zu- 
sammenzielmng  der  kleinen  Muskeln  in  dem  Gewebe  und  den  Blut- 
gefässen der  Haut,  wodurch  sich  das  Bett  des  Blutstromes  in  dieser 
verengert;  die  Haut  wird  also  trockener,  und  zugleich  sinkt  ihre 
Temperatur  und  damit  auch  der  Verlust  durch  Verdunstung  und 
Strahlung.  Unterstützend  für  die  Zurückhaltung  der  Wärme  tritt 
wenn  einmal  die  Gefässfülle  der  Haut  auf  ein  Minimum  gesunken 
ist,  auch  der  panniculus  adiposus  ein,  welcher  die  Ableitung  der 
Wärme  von  den  Muskeln  und  tieferen  Gcfässpn  zu  der  Haut  hemmt 
(Bergmann).  Für  die  Athmung  gilt  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
das  Umgekehrte  von  dem , was  für  den  Fall  vermehrter  Wärmebil- 
dung ausgesprochen  wurde. 

Um  zu  zeigen,  in  welchem  Maasse  die  Luft  durch  Aufnahme 
von  Wärme  und  Wasserdampf  abktihlend  wirken  kann,  hat  Helm- 
hol tz  das  unten  stehende  Tafelchen  berechnet.  In  diesem  finden 
sich  die  Wärmeeinheiten  verzeichnet,  welche  ein  Volum  Luft,  das 
einen  Gramm  wiegt,  nötbig  hat,  um  von  einem  gegebenen  Tem- 

4S* 


*.r 


Digitized  by  Google 


756 


Wärmeregulatoren. 


peratur-  und  einem  gegebenen  Feuehtigkeitsgrad  auf  37°  C.  erwärmt 
und  mit  Wasserdampf  vollkommen  gesättigt  zu  werden. 

ln  der  Colonne  A ist  die  Temperatur  angegeben,  welche  die 
Luft  besass,  ehe  sie  dem  erwärmenden  Einflüsse  ausgesetzt  wurde; 
die  Colonne  B zerfällt  in  4 Unterabtheilungen,  welche  die  Ueber- 
schriften  50,  70,  90,  100  pCt.  tragen.  Diese  Ueberschriften  be- 
ziehen sich  auf  die  Prozente  der  ganzen  Dunstmenge,  welche  die 
Luft  fassen  kann,  wenn  sie  die  in  A angemerkte  Temperatur  be- 
sitzt. Die  unter  den  einzelnen  Unterabtheilungen  stehenden  Zahlen 
geben  an,  wie  viel  Wärmeeinheiten  verbraucht  werden,  um  die 
Luft  bei  einer  Temperatur  von  37°  C.  vollständig  mit  Wasserdampf 
zu  sättigen,  nachdem  sie  schon  bis  zu  den  bezeichneten  Grenzen 
fUr  die  unter  A gegebene  Temperatur  mit  Wasserdampf  erfüllt  war. 
Unter  C endlich  ist  die  Zahl  der  Wärmeeinheiten  uotirt,  welche  die 
Luft  verbraucht,  um  ihre  Temperatur  von  den  unter  A gegebenen 
Graden  an  auf  37°  C.  zu  bringen. 


B. 

A. 

c. 

50  pCt. 

70  pCt. 

90  pCt. 

100  pCt. 

30“  C. 

15,0 

12,1 

9,3 

7,9 

1,7 

20“  C. 

20,5 

18,9 

17.3 

23.3 

16,5 

4,2 

io»  e. 

25,1 

24,2 

26,5 

22,9 

6,9 

5"  C. 

27,2 

25,9 

28,2 

25,5 

7,4 

0»  c. 

29,7 

28,6 

28,0 

9,9 

Piese.Tafel  lässt  erkennen,  dass  in  den  sommerlichen  Temperatur-  und  Feuchtig- 
keitsgraden die  Abkühlung , welche  die  Luft  zu  erzeugen  vermag , fast  nur  der  Ver- 
dunstung zuzuschreiben  ist. 

e)  Obwohl  alle  Hauttheilc  mit  Mitteln  zur  Temperaturreguli- 
rung versehen  sind,  so  sind  doch  einige  derselben  vorzüglich  be- 
günstigt; dahin  gehören  die,  welche  zugleich  mit  starken  Hornge- 
bildcn  und  zahlreichen  und  grossen  Sehweissdrüsen  begabt  sind, 
z.  B.  das  Haupt,  das  einerseits  das  Kopfhaar  und  andererseits  die 
schweissdrüsenreiche  Stirnhaut  trägt;  die  dicke  Epidennissohle  der 
Füsse,  das  Haar  und  die  Schweisdrüsen  der  Achselhöhle  sind  eben- 
falls hierher  zu  ziehen.  — Anderen  Hautstellen  ist  durch  ein  sehr 
leicht  und  bedeutend  zu  erweiterndes  und  verengerndes  Gefäss- 
gystern  die  Möglichkeit  gegeben,  ihre  Temperatur  dem  wechselnden 
Gewinne  und  Verlust  anzupassen ; so  die  Ohrmuscheln , die  Nasen- 
höhle u.  s.  w. 


Wärmeregulatoren. 


757 


2.  Auch  den  ungleichen  Verlusten  an  Wärme,  welche  der  tliie- 
rische  Körper  durch  Aenderungen  der  ahktihlenden  EirifltJsse  er- 
leidet, passt  sieh  die  Wärmeerzeugung  an.  — a)  Sind  die  Aus- 
gaben an  Wärme  flir  die  Dauer  vermehrt,  so  kann  dem  Bedürfniss 
begreiflich  nur  durch  eine  grosse  Einnahme  von  Wärme  genügt 
werden,  mit  anderen  Worten,  der  Warmblüter  muss  unter  diesen 
Umständen  viel  Nahrung  zn  sich  nehmen.  Dieser  Satz  findet  viel- 
fältige Bestätigung. 

So  ist  es  gar  keinem  Zweifel  unterworfen,  dass  bei  den  Warm- 
blütern die  proportionale  Menge  von  Nahrung  wächst  mit  dem  stei- 
genden Quotienten  ans  der  Oberfläche  in  das  Gewicht  des  Kör- 
pers, womit,  wie  Bergmann*)  in  der  anziehendsten  Weise  dar- 
gelegt hat,  die  Abkühlung  der  Thiere  steigen  muss;  kleine  Men- 
schen und  Thiere,  welche  relativ  zu  ihrem  Körpergewichte  mehr 
abkithlen,  essen  demnach  auch  relativ  mehr  als  grosse.  — Mit  der 
Muskelanstrengung  nimmt  ebenfalls  das  Nahrungsbedürfniss  zu,  und 
zugleich  steigt  auch  mit  ihr  der  Wärmeverlust,  da  ein  Theil  der 
latenten  Wärme  sich  in  mechanische  Arbeit  umsetzt  und  mit  der 
Muskelzusammenziehung  zugleich  der  wärmebildende  Stoffumsatz 
und  die  Mitteltemperatur  und  somit  auch  der  Wärmeverlust  durch 
Abkühlung  gesteigert  wird.  — Man  behauptet  endlich  auch,  dass 
mit  den  klimatischen  Verhältnissen  der  Stoffumsatz  resp.  die  Wärme- 
bildung veränderlich  sei.  Alle  Zahlcnbcobachtungen,  welche  bis 
dahin  vorliegen,  lassen  aber  diese  Annahme  sehr  zweifelhaft  er- 
scheinen. Doch  muss  man  eingestehen,  dass  die  Untersuchungen 
auch  noch  mangelhaft  genug  sind.  Denn  da  die  Wärme,  welche 
die  Gewichtseinheit  des  Nahrungsmittels  leisten  kann,  sehr  beträcht- 
lich mit  der  Zusammensetzung  wechselt  (Fette  liefern  bekanntlich 
am  meisten),  so  ist  es  nicht  genügend  zu  bestimmen,  ob  das  Ge- 
wicht der  Nahrungsmittel  in  Island  oder  Westindien  gleich  gross 
gewesen  sej,  sondern  es  ist  nöthig,  auch  zu  wissen,  ob  sic  in  Is- 
land reicher  oder  ärmer  an  Kohlenhydraten  waren.  Noch  weniger 
befriedigend  sind  die  Beobachtungen  mit  Rücksicht  auf  die  Lebens- 
bedingungen verglichener  Individuen;  denn  es  ist  an  sieh  klar, 
dass  sich  durch  die  Kleidung,  die  Muskelthätigkeit  u.  s.  w.  sehr 
auffallende  Unterschiede  der  Klima’s  ausgleichen  lassen.  — 

b.  Dem  thierischen  Körper  steht  aber  auch  die  Fähigkeit  zu, 
über  den  in  seinen  Atomen  nicdergelogtcn  Wärmevorrath  so  zu  ver- 

•)  lieber  die  Verhältnisse  der  Wärmcökonoraie  der  Thiere  zu  ihrer  Grösse.  Göttinnen  1848. 


4 


Digitized  by  Google 


7.'»  8 


Wanne  reiral  atoren . 


lügen,  dass  er  einer  plötzlichen  Steigerung  oder  Minderung  des  Wärme- 
bedtlrfnisses  sieh  anpassen  kann.  Beweise  hierfür  bietet  die  Erfah- 
rung, dass  die  Temperatur  des  Blutes  in  kalter  Luft  oder  in  einem 
kalten  Bad  nicht  nothwendig  sinken  muss,  obwohl  namentlich  in 
dem  letztem  Fall  der  absolute  Wänneverlust  grösser  ist  als  sonst 
(Li Obermeister).  Die  Mittel,  durch  welche  die  Grösse  der  thie- 
rischcn  Umsetzung  sieh  nach  dem  Wäriueverlnst  einrichtet,  sind 
nur  zum  Tbeil  bekannt.  Es  zählt  zu  ihnen  nachweislich  die  ver- 
änderliche Muskelthätigkeit,  welche  ein  so  ausgezeichnetes  Erzeu- 
gungsmittel von  Wanne  darstellt , wie  aus  den  schon  früher  mitge- 
theilten  Versuchen  hervorgeht.  Bekanntlich  benutzen  auch  alle  mns- 
kelkräftigen  Individuen  ihre  eigne  Körperbewegung  dazu,  um  sich  in 
kalter  Umgebung  zu  erwärmen.  Aber  mit  ihr  scheint  keineswegs  die 
Zahl  der  Mittel,  welche  die  Eigenwärme  bei  bedeutenden  Verlusten 
regeln,  erschöpft  zu  sein,  da  auch  stillsitzende  Thiere  bei  selbst 
gesteigertem  Wärmeverlust  ihre  Bluttemperatur  erhöhen  können 
(Hoppe).  Man  könnte  in  dem  letztem  Fall  fragen,  ob  nicht  die 
wegen  der  Abkühlung  der  Haut  cintretende  Verengerung  ihrer 
Blutgefässe  Veranlassung  dazu  gäbe,  dass  sieh  der  Blntstrom 
umfänglicher  den  andern  vorzugsweise  Wärme  erzeugenden  Or- 
ganen zuweudete,  z.  B.  den  Muskeln,  der  Leber  u.  s.  w.  Dieser 
reichliche  Blutzufluss  könnte  dann  nicht  allein  die  Ursache  einer 
lebhafteren  Umsetzung,  sondern  auch  in  zweiter  Linie  die  eines 
gesteigerten  Nahrungsbedürfnisses  sein. 


Sachregister, 


A. 

AbkUhlung  durch  die  Haut  II,  751. 

— durch  die  Lunge  II,  751T 
Abkömmlinge  der  Fette  und  dca  Eiweisses 

II,  217. 

Absonderung  II,  202. 

— öligem.  Bedingungen  der».  II,  203. 

— durch  Druckuntcrschicde  II,  200. 

— durch  Nervenerregung  II,  214. 

— Eigenschaften  der  nervösen  Abson- 
derung II,  215. 

— Triebkräfte  der».  II,  204. 
Absondeningsdruck , Messung  dess.  II,  211.  ' 
Absonderungsncrveu  L 21s.  II,  214. 
Absonderungssüfte , weitere  Veränderungen 
dera.  II,  215. 

Absonderungsstoffe,  chemische  Umsetzungen 
ders.  II,  216. 

Absorption  verschiedener  Gase  1^  62.  8. 

a.  Gase. 

Absorptionsfähigkeit  des  Blutes  (für  Gase 
6,  476,  478. 

Abweichung,  chromatische  1^  289. 

— monochromatische  ^ 291. 
Achsolgolenk  514. 

Achselhöhle,  Wärme  ders.  II,  722. 
Achsenlänge  der  brechenden  Augenmedien 

I,  260. 

Accoraodation,  Einfluss  ders.  auf  die  Grösse 
gesehener  Gegenstände  ^ 331. 

— negative  1^  2S8. 

— Mechanismus  ders.  ^ 274. 

— positive  L 285. 

Accomodationsbewegungen,  positive  I,  287. 
Accomodationslinien  I,  271. 

Aderfigur  L 351. 

Aequivalent , cndosmotisches  I,  76. 

— zur  Theorie  dess.  I,  81. 

Aether,  Wirkung  dess.  a.  d.  Nerven  I,  126. 
Aethcrschwingungen , als  Erroger  der  Be- 
tina  L 299. 

Aetherwellen  1^  301.  316. 

— farbige  und  farblose  1^  301.  316. 


I Aetherwellen,  gemischto  I,  303. 

— unsichtbare  1^  302. 
Aggregatzustände,  Entstehung  der  festen 

II,  222.  224. 

— Form  folge  ders.  II,  221. 

— Gefüge  der  festen  II,  226. 

— Mischungsfolge  ders.  II,  223. 

— Physiologie  ders.  I,  59. 

— veränderte,  in  den  Säften  II,  223. 
Albumin  I,  42;  II,  6. 

— Modifikationen  dess.  I,  42. 

Alkalien  im  Harn  II,  106. 

— phoaphorsaure  1^  23. 

— schwefelsaure  L 24. 

Alkohol,  Wärmeeinheit  dess.  II,  737. 

— Wirkung  dess.  auf  die  Nerron  I, 
126. 

Alkoholgährung  I,  34. 

Allantoin  I,  39. 

Allantursaüre  1^  40. 

Altstimme  I,  560. 

Ambos,  Bewegung  dess.  I,  367. 
Ameisensäure  1,  25.  29. 

— Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 
Ammoniak  ira  Harn  II,  396. 
Araraomaksalze  im  Organismus  I,  24. 
Amyloid  der  Leber  II,  310. 

Amylon  I,  33. 

Anordnung  der  Atome  1^  HL 

— dipolare  1^  106. 

— elektromotorische  I,  07. 

— d.  Muskclncrven  im  Hirn  u.  Rücken- 

mark I,  485. 

— peripolare- 1,  10-1. 

Antagonisten  I,  542. 

Apparate , thcrinomctrische  II,  720. 
Arachinsäuro  1^  27. 

Arbeit  des  Blutlaufs  II,  201. 

— des  Muskeh  s.  Muskel. 
Arbeitsleistung,  Beziehung  ders.  zu  O-Ver- 

brauch  und  Wärmebildung  II,  743. 
Arbeitsmaaas  der  Spannung  bei  Fliiasig- 
keiten  IX,  4Ch 

— für  bewegte  Massen  II,  47. 


Digitized  by  Google 


760 


Register. 


Arm  s.  Oberarm,  Brustglied. 

Arterielles  Blut  II,  31. 

— — Einfluss  auf  die  Nervenerre- 

gung 1^  125. 

— — Unterschied  von  anderen  Blut- 

arten II,  32. 

Arterien , Stromspannung  bei  Verschluss 
einer  oder  mehrerer  II,  1 60. 

Arterienhaut  II,  165.  , 

Artikulation  I,  496. 

Artikulationsflächen  .U  490. 

— Evolvento  ih_  Evolute  ders.  497. 
Aspiration  des  Herzens  II,  131. 
Athembewegung  I,  212;  II,  4S6.  509. 

— Einfluss  ders.  auf  d.  Stromspannung 
in  den  Blutgefässen  II,  161. 

■*—  — der  unterdrückten  II,  165. 

— Zusammenhang  ders.  mit  der  Herz- 
bewegung II,  492- 

— Aendorung  ders.  durch  den  0-  und 
CO*-Uchult  der  Athmungsluftll, 
4ML 

— durch  Reflexe  II,  490. 

— durch  die  Sied,  oblongata  uud  den 

Willen  II,  491. 

Athcmfolge  II,  488. 

Athem volum  II,  495. 

— mittleres  II,  497. 

Athemwerkzcuge  II,  479. 

— luftverändernde  II,  498. 

Athmung  11,  462. 

— äussere  II,  463. 

— Einfluss  der  Luftveränderung  auf 
dies.  II,  469. 

— innere  II,  472. 

— krampfhafte  II,  487. 

— leichte  II,  487.  — 

— ruhige  II,  486. 

— tiefe  II,  487. 

Athmungsfliichc  II,  463. 

Athmungsgase,  Sammlung  dors.  II,  500. 
Athmungsmuskeln  II,  4SI. 

Athmungswege,  Luftströmung  in  dens.  II, 

493. 

Atlas,  Gelenk  zwischen  ihm  und  dem  Epi- 
stropheus  I,  504. 

— zwischen  ihm  und  dem  Hinterhaupt 

^ 503. 

Atraosphäro  II,  463. 

Atome  L JJL 

— Anordnung  ders.  L Jji. 

— chemische  als  Gcfühlserreger  I,  398.  i 
— Funktionen  ders.  1^  U5. 

— Physiologie  ders.  ^ 16. 

— thierische,  Wärmeeinheiten  ders. 

II,  736. 

Atrien,  a.  Yorhöfe. 

Aufgabe  der  Physiologie  ly_  L 

— allgemeinste  ^ 13. 

Aufrechtselien  1^  325.  I 


Aufsaugung  1,  62.  II,  202.- 

— Aenderung  ders.  durch  die  Blutftllle 
II,  565. 

— Blutstockung  in  Folge  ders.  1I>  564. 

— aus  den  Gewehen  II,  561. 

— der  Fette  im  Darm  II,  65s. 

— durch  die  Blutgefässe  II,  563.  666. 

— durch  die  Lyinphgc fasse  II,  567.  654. 
— Umfang  ders.  im  Darm  II,  670. 

— in  den  Verdauungswegen  II,  652. 
AufsaugungsstofTo  II,  566. 

Augapfel,  Ortsverändorung  dess.  1,  226. 238. 
Auge  s.  Gesichtssinn. 

— Accommodation  dess.  U 274. 

— Achsenlängen  der  brechenden  Me- 
dien dess.  1^  260. 

— Adaption  dossT  I,  275. 

— Bänder  dess.  1^  229.  ~ 

— Bewegungen  dess.  u.  deren  Geschwin- 
digkeit I,  226.  241.  * 

— Bewegungsachsc  dess.  228. 

— - Bewegungswerkzeuge  dess.  226. 

— als  Brochungsapparat  I,  262. 

— dioptrischer  Thoil  dcssT  I,  241. 

— Drehbewegungen  dess.  1,  -227. 

— Drehpunkt  desa.  230. 

— empfindende  Werkzeuge  des».  I,  296. 

— form  verändernde  Bewegung,  dess. 

II,  239.  272. 

— Gelenkseinrichtung  dess.  I,  221. 

— mittleres  1^  263. 

— Muskeln  dess.  233. 

— Ortsveränderung  dess.  I,  238. 

— Physiologie  doss.  I, 

— Primärstellung  dess.  I,  231. 

— das  reducirtc  I,  266.  S ' 

— Schutzwerksenge  dess.  L 346. 

— Seeundärstellung  dess.  I,  233. 

Augendrehung , Eigcnthümlichk.  der«.  1,231 . 
Augenlider  ^ 346. 

Augenmcdion  , durchsichtige  , Dimensionen 
den.  259. 

Augenmuskeln  JL  233. 

— Ansätze  ders.  U 235.  . 

— Nerven  ders.  1,  239.  (Stellung  zum 
Willen)  1^23^ 

— Synergie  ders.  1,  239. 

— Ursprünge  ders.~Ü~235. 

Augenspiegel  1^  253. 

Augenwasscr  1^  264 ; U,  264. 
Ausathmungsbowogung  II,  483. 

-T-  Einfluss  ders.  auf  d.  Blutlauf  II,  161. 
Ausathmungsluft , Kohlensäuregehalt  ders. 
II,  504^  , 

— Sammlung  ders.  II,  500. 

— Temperatur  ders.  II,  502. 

— Wassergehalt  ders.  II,  503. 
Auslösung  der  Kräfte  durch  IfenreneiTe- 
gung  I,  146. 

Ausscheidung  U,  202. 


3 by  "Google 


Register. 


7M 


Auscheidung,  chemische  Veränderung  der». 

II,  216. 

— * Oxydation  de«.  II,  217. 

— physikal.  Veränderung  ders.  II,  220. 
Aussonderungsorgane,  VertheiluDg  der  Aus- 
gaben auf  die  verschiedenen  II,  712. 

Ausstossung  des  Eies  II,  444. 

— der  Galle  II,  322. 

— des  liaros  II,  429.  441. 

— des  Samens  II,  441. 

Auswurfstoffe  II,  217. 

Auto  matie  II  211. 

B. 

B&ndmosse  I,  492. 

Bänder  501. 

— der  Wirbelsäule  1,  506. 
Barometerschwankung  II,  470. 

— Einfluss  auf  die  Athmung  II,  470. 
Basen,  feuerbeständige  des  Harns  II,  406. 
Bauchmuskeln,  ihre  Bedeutung  für  d.  Blut- 
lauf II,  147.- 
Bauchpresse  II,  6 1 9. 

Bauchspcichcl  II,  35 1 . 645. 

— Absonderungsgeschwindigkeit  dess. 
II,  253. 

— Ausstossung  dess.  II,  355. 

— Bereitung  dess.  II,  254. 

— Verdauung8kraft  dess.  II,  641. 
Bauchspeicheldrüse  II,  350. 

Bauch wasser  II,  258. 

Baurafriichte  als  Nahrung  II,  599. 

Becken  I,  511. 

Beharrung  der  Geruchsnerven  ^ 387. 

— der  Geschmacksnerven  I,  394. 
Beharrungsvermögen  der  Nerven  1^  135. 

— der  Retina  I,  309. 

Beils  Gesetz  1^  156. 

Benzoesäure  367 
Bernsteinsäure  ^ 27. 

Beweglichkeit  der  Wirbelsäule  1^  510. 
Bewegung  der  Brust,  Einfluss  auf  d.  Blut- 
lauf II,  143. 

— der  Sehobjekte  1 1 342. 

— der  Hand  ^ 518. 

Bewegungsachsen  der  Gelenke  1,  499. 
Bilifulvin  I,  42. 

Bilipliain  I,  41. 

Biliverdin  ^ 41. 

Bindegewebe  II,  251. 

— Ernährung  dess.  II,  253. 

— Formfolge  dess.  II,  234. 

— gemengt  mit  elastischem  Gewebe 

II,  256. 

Binnengerüche  388. 

Binnengcschmäcke  1^  394. 

Binnenobjekte,  leuchtende  I,  353. 
Binnenraum  der  Gelenke  I7~ 302. 
Binnentöne  1^  381- 
Blase  s.  Harn-,  Gallenblase. 


Blausäure,  Einwirkung  a.  d.  Nerven  I,  126. 
Bloslegung  des  Rückenmarks  1 661 
Blut  II,  L 

— Albumin  in  deras.  II,  6. 

— Asche  dess.  II,  II,  26. 

— Gasgehalt,  veränderlicher  dess.  II, 
41L 

— spezifisches  Gewicht  II,  29. 

— Veränderlichkeit  BeinerBcstandtheile 
mit  der  Nahrung  II,  jJT. 

— Verhalteu  in  den  Gefässen  11,  1 20. 
— Verschiedenheit  nach  Geschlecht  u. 
Alter  II,  40. 

— Wärme  dess.  II,  29.  721 . 

— * Zusammensetzung  desB.  II,  L 
Blutanalyse  II,  22. 

Blutarten  II,  30. 

Blutbereitung  aus  den  Speisen  II,  583. 
Blutbestandtheilc,  aufgcschwemmte  11,  Iji. 

— Zufuhr  neuer  d.  d.  Speisen  II,  583. 
Blutbewegung  II,  44. 

Blutblldung  11,  561. 

Blutdruck  s.  Stromspannung. 

Blutfibrin  I,  42. 

Blutflüssigkeit  II,  L 

Blutfülle , veränderter  Druck  des  Blut- 
stroras  durch  dieselbe  II,  ICO. 

Blutgase  1^  26 ; II,  476. 

Blutgefässe  11,  105. 

— Bau  ihrer  Wandungen  11,  105. 

— Einfluss  ihrer  Muskeln  II,  1 15. 

— Elastizität  ihres  Gewebes  II,  105. 
109. 

— Muskelschicht  ders.  II,  106. 

— Menge  ihrer  Muskeln  II,  107. 

— Nerven  ihrer  Wandungen  U,  1 12. 
— Reibung  in  dens.  II,  109. 

— Verhalten  d.  Bluts  in  dens.  II,  120. 
— Verknüpfung  der  Gewebe  ders.  unter 
einander  II,  107. 

— Wirkung  der  Hcrzbewegung  auf  sie 
II,  131. 

Blutkörperchen,  arterielle  II,  33. 

— farblose  II,  21.  • 

— venöse  II,  33. 

— Wände  ders.  II,  297.  S.  a.  Blut- 
scheibcn. 

Blutkreislaufsschema  nach  Weber  II,  74. 
Blutlauf  in  den  Capillaren  und  Venen  li, 

m 

— in  den  kleinen  Arterien  II,  179 
Blutmenge  II,  10. 

Blutmincrale  II,  9. 
Blutraischungsändörungen  II,  37. 
Blutplasma  II,  l_. 

Blutsalze  II,  9. 

Blutscheiben  II,  jö. 

I — anatora.  Bau  ders.  II, 

— Asche  ders.  II,  19. 

— Chemie  ders.  II,~7B.  19. 


Digitized  by  Google 


762 


Register. 


Blutscheiben,  Form  der».  II,  jjL  _1H. 

— Gase  ders.  II,  20j 
— Verfahren  zur  Sonderung  ders. 71,  [T 
— Vcrtheilung  ders.  im  Blutstrom  II, 
Ü11L 

Blutaernm  11,  14. 

BluUtrom,  absolute  Wcrthe  der  Spannung 
in  dem».  11,  153. 

— Bedeutung  der  Athembewcgung  für 
denn.  II,  U3. 

— Constanten  dess.  11,  200. 

— Einwirkung  der  Bauchwände  und 
Schwere  auf  dons.  II,  1 17. 

— Geschwindigkeit  des».  II,  1^3. 

— — veränderte  mit  dem  Herzschlag 

ii,  m. 

— in  der  Leber  II,  318. 

— Richtung  dess.  ind.  Gelassen  II,  123. 
Veränderlichkeit  des  Mitteldrucks 
in  dom8.  mit  der  Blutfülloli,  160. 

— verfügbare  und  verlorene  Arbeits- 

kraft in  dems.  II,  201. 

, — Verthcilung  der  Blutkörperchen  in 
dems.  II,  100. 

— Wirkung  der  Gcfässmuskeln  auf 
den».  II,  149.  S.  a.  Spannung. 
Blutvoränderung  durch  Lungcnathmung  II, 

539. 

— in  den  Gelassen  II,  560. 

— bei  veränderter  Nahrung  II,  37. 
Blutwärmo  II,  29.  721. 

Blutwellcn  II,  132. 

Brechende  Flächen  1^  259. 
Brechungsapparat,  allgemeinste  Aufgabe  des 
physiologischen  im  Auge  I,  252. 
Brechungsin dices  der  durchsichtigen  Augen- 
medien I,  262. 

Brennebenen  243. 

Brennpunkte  1^  242.  250. 

Brennweite  I.  243. 

Brücke’s  Muskel  I,  283. 

Brustdrüse  II,  41^.  a.  Milchdrüse. 

— männliche  II,  449. 

— der  Neugeborenen  II,  462. 

— weibliche  II,  448. 

Brustraum , constantcr  und  veränderlicher 
II,  494, 

— Volum  deR«.  II,  493. 
Brustschlüsselbeingelenk  1^  512. 
Bruststimme  1^  36 1 . 579. 

Brustwand , Elastizität  ders.  II,  434. 
Brustwasser  II,  258. 

Buchstaben  ^ 586, 

— Bildung  ders.  I,  587. 

Bntinsäurc  I,  27. 

Butter,  Bestandteil  der  Frauenmilch  II, 

452.  455. 

Buttojgäure  1^  25.  29, 

— Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 
Butvrin  I,  30. 


Capillargefässe  II,  108. 

— Spannung  in  dens.  II,  174. 

Caprin,  Caproniu , Caprylin  1,  30. 

Capri n-,  Capron-  u.  Caprylitisäure  L 25.  29. 
2iL 

— — Wärmeeinheiten  ders.  II,  737. 
Carbonit  1^  41. 

Cardinalpunktc,  optische  -L  242. 

— Aufsuchung  ders.  I,  249. 

— Constructionsver fahren  bei  dens.  I* 

IAA. 

— einfacher  brechender  Flächen  I,  248. 

— • der  Hornhaut  1^  265. 

— der  Crystalllinse  ^ 265. 

Casein  I,  44.  45. 

— Bestandteil  der  Frauenmilch  U, 

453.  454. 

— Entstehung  dess.  II,  451. 

Cellulose  l,  33. 

Centralorgane  als  Bedingung  der  Erregbar- 
keit L 123. 

Cerobrin  1,  33. 

Cerebrinsäure  1,  33. 

Chemische  Folgen- der  Leistungen  dor  form- 
losen Elemente  ^ 5. 

Chemismus,  Bedeutung  dess.  im  Leben  1,  2. 

— als  Erreger  des  Gefühls  1,  4067 

— als  Erreger  des  Muskels  ^ 436. 

— als  Quelle  der  Nervenkräfte  1^  142- 
| Chlorgehalt  des  Harns  II,  397. 

Chlorsalze,  alkalische  2t. 

— erdige  ^ 22. 

Chlorverbindungen  2_L 

— Veränderlichkeit  der  Ausschoidang 
ders.  aus  dem  Harn  II,  398. 
Chlorwasserstoff  I,  21. 

Cholcinsäure  1^  37. 

Cholepyrrhin  I,  42. 

Cholestearin  L.  Ü2.  % 

Cholsäurc  1,  38. 

Chondrigen  I,  56. 

Chondrin  I,  56. 

Choroidealgefässo  I,  276. 

Chromatische  Abweichung  am  Auge  L 289. 
Chylus , Aufsaugung  durch  die  Darmblut- 
gefasse  II,  665. 

— Bestandtheile  dess.  II,  659. 

— abhängig  von  der  Nahrung  II,  661. 

— abhängig  von  anderen  Umständen 

II,  663. 

— hungernder  und  gefütterter  Thiere 

II,  662. 

— Menge  dess.  II,  664. 

Chylusgefässe,  Anfänge  ders.  II,  654. 

| — Aufnahmefähigkeit  verschied.  Nähr- 

stoffc  durch  dies.  II,  666. 

— Beziehung  ders.  zu  d.  Blutgefässen 
II,  663. 


Ccrby  ! 


Register. 


763 


Chylusgefassc,  Ucbergang  d.  Fette  in  dies. 

II,  656. 

Chymus  des  Dünndarmes  II,  646. 

— des  Magens  II,  639. 

— verschied.  Orte  des  Darmes  II,  647. 
Cohäsion  der  eiwoissartigen  Stoffe  I,  52. 

— ihr  Einfluss  auf  die  Quellung  I,  72. 

— der  Venenhaut  II,  109. 
Cohäsionszustande  der  Bildungsstoffc  II,  225. 
Colla  1,  57. 

Collagen  I,  57. 

Colostrumkörperchen  II,  450. 
Cominunikation  d.  Nervenröhren  im  Rücken- 
mark  (flehe  Rückenmark). 

Compensation  am  Multiplicator  I,  96. 

— am  Stimmorgan  1,  581. 
Complementaire  Farben  302. 

Constanten  , optische  1^  239. 

•—  des  Blutrtromes  11,  2U0. 
Contraction  der  GefKsswiinde  II,  1 12. 

% Contrast  (Farben)  1^  315. 

Convergenzen  des  Auges  1^  232. 

— Beziehungen  zwischen  der  Grösse 

der  Bilder  zur  Convergenz  der 

Strahlen  1,  248.  335.  338, 

Cornea  I,  264 ; II,  260.  S.  o.  Hornhaut. 
Crystallin  1,  44. 

Cyanverbindungen  des  Acthyls  I,  26. 

— des  Amyls  1^  27.  ’ 

— des  Methyls  I.  26. 

Cylinderrohr , gerades,  Strom gesch windig- 

keit  in  dems.  II,  56« 

Cystin  I,  39. 

D. 

Damal  ursäure  L 36. 

Damolsäure  1^  36. 

Darmdrüsen  II,  363  (schlauchförmige). 
Darmgase  II,  652. 

Darmnerven,  Hunger  durch  Erregung  ders. 
H,  584. 

Darminhaltbewegung  II,  619. 

Dannsaft,  reiner  II,  643. 

— in  Verbindung  mit  Galle , Bauch- 

speichcl  etc.  II,  645. 

Darm verdauung,  natürliche  und  künstliche 
II.  040. 

Darmzotten  II,  654. 

Deckhäutc,  einfache  II,  24 1 . 

Dickdarm,  Mechanismus  seiner  Bewegung 
II,  618.  651. 

Dickdarmsäfte  II,  650. 

Diffusion  I,  59 ; II,  210. 

— physiolog.  Bedeutung  ders.  L.  83. 
— • der  Gase  L 60.  S.  a.  Gasdiffusion. 

— durch  Thon,  Collodium-,  Herzbeutel- 

platten  II,  21L 

— einer  Lösung  fester  Körper  in  Wasser 

I,  68.  69. 


Diffusion  eines  Lösungsgemenges  in  Wasser 

I,  69. 

— tropfbarer  Flüssigkeiten  I,  63.  (in 

einander)  65.  70. 

— Veränderungen  des  Harns  in  der 
Harnblase  durch  dies.  II,  433. 

— von  Flüssigkeiten  (in  Luftnrten)  ^ 

63.  (in  thior.  Stoffe)  I,  70. 

— von  Lösungen  u.  Losungsgemengcn 

in  feste  Stoffe  69.  72. 

— Vorkomm en /physiolog.,  ders.  II,  213. 
' — zweier  Flüssigkeiten  durch  eine 
Scheidewand  I,  75. 

— zweier  Gasarten  durch  eine  wässe- 

rige Scheidewand  ^ 63. 

— zweier  Lösungen  in  einander  I,  65, 70. 

— zwischen  Lösungen,  deren  Lösungs- 

mittel sich  nicht  mischen  70. 
Diffusionsgeschwindigkeit  I,  68. 69  ; II,  211- 
Diffusionsstrom  gegen  die  Lympbgcfässe 
II,  655. 

Dioptrik  des  Auges  I,  211. 

Dipolare  Anordnung  L.  106. 

— — Theorie  ders.  L 106. 

Direktes  Sehen  s.  Sehen. 

Doppelbilder  I,  .332. 

Doppelschlägigkeit  des  Pulses  II,  171. 
Doppeltsehen  mit  einem  Auge  I,  316. 

— mit  zwei  Augen  I,  328. 
Drehbewegungen  ahi  Auge  1^  227. 
Drehpunkt  des  Auges  L 230. 

Druck , die  Nervenerregbarkeit  zerstörend 

L 121 

— als  Erreger  des  Muskels  I,  436. 
Druckmesser  II,  53.  155.  157. 

— Theorie  dess.  II,  158. 

Drucksinn  1,  415. 

— Hülf<j  d.  Muskeln  bei  dems.  I,  415. 
— Verbindung  mit  Wärmesinn  L 418. 
Drüsen,  Antheil  ders.  an  d.  Lymphbildung 
11,  380. 

Drüsennerven,  Erregung  ders.  1^  1 12. 

Du  Bois'sches  Gesetz  d.  elektrischen  Mus- 
kelerregung I,  438. 

Dünndarm  , Flüssigkeiten  dess.  II,  *640. 

— Chymus  dess.  II,  646. 

— Mechanismus  seiner  Bewegung  II, 

OLL 

— Peptone  (?)  dess.  II,  618. 
Dünndarmaderblut  11,  36. 
Dünndarmverdauung,  künstliche  II,  640. 

— natürliche  II,  649.  - 

Durchschneidung  des  Rückenmarkes  oder 

einiger  Theile  dess.  1^  166. 

Durst  II,  586. 

Dynamische  Folgen  der  Leistungen  der 
formlosen  Elemente  L 6. 


Digitized  by  Google 


764 


Register. 


E. 

Ei,  Ausstossung  dess.  II,  144.  * 

Kjaculatio  goininia  II,  Hl. 

Eibildung  II,  443. 

Eier  als  Nahrung  II,  594. 

Eierstock  II,  442. 

— chemische  Beschaffenheit  II,  443. 
Eigenwärme,  Aenderung  ders.  mit  der  Tem- 
peratur der  Umgebung  II,  729. 

Eileiter,  Bewegungen  ders.  II,  444. 
Einathnmngsbewegung , Einfluss  ders.  auf 
den  Blutlauf  II,  146. 

Eindringen  fester  Körper  in  die  Gefässe 
II,  143. 

Einfachsehen  mit  zwei  Augen  I,  326. 
Eingeweide,  Wärme  ders.  II,  722. 
Einrichtung  s.  Accoramodation. 
Einrichtungsbewegungen  des  Auges  I,  2S4. 
Einrichtungsmittcl  zur  Accommodation  des 
Augos  X 274. 

Einziehung  der  Luft  in  d.  Lungen  II,  4SI. 

Eisen  im  Blute  II,  jb 

Eisenoxyd  , phosphorsaures  X 23. 

Eiweiss  X 42 ; II,  3j.  s.  a.  eiweissartige 
und  Eiweissstoffe. 

— Abkömmlinge  dess.  II,  217. 
Eiweissartige  Stoffe  1,  42. 

— — als  Träger  des  Lebens  1,  47. 

— — als  Wärmeleiter  X 55. 

— — Filtration  durch  dies.  L.  JÜL 

— — ihre  Cohäsion  X 52^ 

— — ihre  cheni.  Eigenschaften  I,  50. 

— — ihre  feste  Form  I,  51. 

— — ihre  Gährung  I,  47.  48. 

— — ihr  Aggregatzustand  X 50.  51.  • 

— — ihre  Imbibition  X 52.  54. 

— — ihre  Katalyse  X 47.  50. 

— — ihre  Leitungflfuhigkeit  für  Elek- 

trizität I,  55. 

- — — ihre  physik.  Eigenschaften  I,  50- 

— — ihre  Quellung  X 51L 

— — ihre  Zersetzungserscheinungen 

I,  45.  47.  4b;  II,  217. 

— — Theorie  ihrer  Zusammensetzung 

kü 

Kiwoisscntbchrung  II,  063. 

Eiweissfiltterung  II,  066. 

Eiweissstoffe  d.  Blutflüssigkeit  II,  T. 

— der  Blutkörperchen  II,  Hh 

— Sättigungsniederschlag  ders.  II,  626. 
Eiweissverdauung  durch  künstlichen  Lab- 
saft  II,  627, 

Ekel  II,  377. 

Elastizität  der  Brustwand  II,  4S4. 

— der  Uefässwände  11,  109. 

— der  Lungen  II,  463. 

des  Muskels  U,  429.  456. 
Elastischer  Stoff  X 56. 

— — in  der  Gefässwand  II,  77. 


Elastisches  Gewebe  II,  177. 

Elektrische  Eigenschaften  d.  Muskeln  I,  424. 
Elektrisches  Leitungsvermögen  der  Nerven 

x m 

Elektrizität , allgem.  Bedeutung  im  Leben 

k l 

— als  Erreger  dos  Gefühls  I,  395. 

— als  Erreger  des  Muskels  X 325. 

Elektronegative  Schwankung  in  den  Ner- 

Ycnmolckülen  1,  106. 

Elektromotorische  Anordnungen  I,  97. 

— Eigenschaften  d.  NervenrüKren  I,  67. 
Elektromotorischer  Zustand  1,  98. 

— Gesetze  dess.  X 106-  * 

— Theorie  dess.  X HU. 

Elemcntarbau  d.  verlängerten  Markes  X 167. 

— des  nerv,  sympath.  I,  213. 
Elementare  Bedingungen  des  Lebens  X X 
Elemente,  Leistungen  der  formlosen  im 

Organism.  X 3. 

— chemische  Folgen  ders.  XJl 

— dynamische  Folgen  ders.  X^i 
Ellcnbogengelenk  1,  514. 
Emplindungsorgane  I,  592. 

— Veränderungen  ders.  durch  die  Mus- 
keln oder  Muskelnerven  I,  466. 
Endosraosc  X "■>  ; ®»  a»  Diffusion. 
Endosmotisches  Aeqnivalent  I,  76.  79. 

— ^ — Bestimmung  dess.  X ÄÜi 

— — Thcorio  dess.  X 61» 
Entfernung,  Beurthcilung  ders.  beim  Sehen 

I.  336. 

Entoptische  Erscheinungen  1,  349. 
Entzündung,  Brücke’»  Theorie  II,  176. 
Epidermis  II,  236. 

— Athmungsverluste  ders.  II,  551. 

— Durchdringbarkeit  ders.  II,  237. 

— Ernährung  ders.  II,  238. 

Epithelien  11,  234. 

— Anatomie  ders.  II,  234. 

— Chemie  ders.  II,  235. 

— geschichtete  II,  234. 

— Quellungserschoinungenders.  11,  236. 
Erbrechen  II,  620. 

Erden  ira  Harne  II,  406. 

— phosphorsaurc  X 23. 

Erektion  II,  439. 

Ermüdung  I,  440. 

Ernährung  der  Epidermis  II,  236. 

— der  Haare  II,  245. 

— der  Knochen  II,  275. 

— der  Knorpel  II,  269. 

— der  Muskeln  II,  295. 

— der  Nerven  II,  290. 

— der  Niere  II,  429. 

Ernährung,  Physiologie  ders.  II,  X 

— der  Zähne  II,  262. 

Erregbarkeit  des  Herzens  II,  89. 

— der  Nerven  X 12.  116. 

— des  Rückenmarks  X 162. 


Register. 


» 

765 


Erregbarkeit , veränderte  11H, 

— — im  Hirn  L 1*5.  210. 

— Bedingungen  d.  veränderten  1^  120. 

— des  Rückenmarkes  (s.  Rückenmark). 
Erreger  der  Nerven  1 12. 

— der  Gcfiihlsnerven  I,  .'193.  (f.  beson- 

dere Gefühle)  L 407. 

— der  Gehörnerven  2^  373. 

— der  Geruchanerven  L.  3*2. 

— der  Geachmacksnerven  f,  389. 

— der  Herznerven  II,  92^ 

— des  Muskels  433. 

Erregung , Abhängigkeit  ihrer  Stärke  von 
der  dos  Erregers  ^ 1 13. 

— Abhängigkeit  ihrer  Stärko  von  der 
Zahl  der  getrotfonen  Nervenröh- 
ren 1,  PI 

— ihr  Verhältniss  zur  Erregbarkeit  der 

Nir\»n  1 'Jo. 

— dos  Herzens,  unmittelbare  II,  92. 
— Mittheilung  der«.  I,  1 09. 

— Lcitungggeschwindigkeit  ders.  im 
Nerven  L 137. 

— Nachwirkung  ders.  I,  135. 

— Wechsel  ders.  mit  dem  Erreger  1, 

m. 

— willkürlich  motorische  1^  598. 

— Uebortragung  ders.  1^  160. 

Erregung  der  Sehnerven  1,  306. 

— — durch  Elektrizität  309. 

— — durch  Licht  .L  306 

— — mechanische  L 30*. 
Erregungsmittel  der  Nerven  1^  1 12. 
Erregungszustände,  verschiedene  d.  Nerven 

L U6. 

— Mittheilung  ders.  in  den  Norven- 
röhren  des  Hirns  'L  205 
Essigsäure  25.  29. 

— Wärmeeinheiten  ders.  II,  737. 
Enstachi’sche  Röhre  _L  371. 

Evolvente  d.  articnlirendon  Flächen  1,  198. 
Evolute  der  articulirenden  Flächen  1,  19s. 
Excretion  des  Harnes  II,  1 1 8. 

Exspiration  II,  ls3. 

Extrakte  im  Harne  II,  397. 

F. 

Falten  der  Dünndarmschleimhaut,  Mecha- 
nismus ders.  II,  614. 

Farbenmischung  I,  302. 
Farbenunterscheidung  L.  311. 

Farbstoffe,  thierische  I,  41. 

— im  Harne  II,  395. 

Faser , Remak’sche  1^  214. 

FaserstofT  L 42^  II,  L_  57^ 

— Formen  dess.  I,  42.  43. 
Fasersiotfschollen  L 43  ; LI,  21. 

Faserzelle,  muskulöse,  Physiologie  ders.  I, 
474, 


Fascien  1^  530. 

Ferment  der  Leber  II,  310. 

. — Pepsiu  als  solches  1 1,  633. 
Fempunktc  L.  255. 

Fernsichtigkeit  L 258. 

Fettähnliche  Stoffe  II, 

Fettdrüsen  II,  265. 

Fette  II,  jk  573.  S.  a.  neutrale  Fette. 

— Beziehung  zur  Zellenbildung  I,  31. 

— in  der  Leber  II,  31  1. 

— Nutzen  der  Galle  und  des  Bauch - 
Speichels  zu  ihrer  Assimilirung 
II,  658. 

— phosphorhaitigor  in  d.  Blutacheiben. 

II,  HL 

— tägliche  Aufnahme  desa.  durch  den 

Darm  II,  668. 

— Uebergnng  dem.  in  die  Chylusge- 
gefäase  11,  656. 

Fottemulgirung  ira  Dünndärme  II,  656. 
Fettnahning  II,  706. 

Fettreaorption  II,  656. 

Fettzellen  II,  284. 

— Bau  ders.  II.  2S5. 

— Füllung  ders.  II,  287. 

— Mechanismus  ders.  II,  287. 
Feuchtigkeit,  Einfluss  ders.  auf  Nerven- 
leitung L 123. 

Filtration  zur  Sonderung  d.  Blutkörperchen 

II,  17.  205. 

— chemische  Scheidung  durch  selbige 

II,  209. 

— durch  todte  Häute  11,  207. 
Filtrationsstrora  gegen  die  Chylusgefoase 

n,  055. 

Fistelstimme  L.  561.  579. 

Flächen,  articulircndc , Evolvente  u.  Evo- 
lute ders.  I.  498. 

— - brechende , Krümmungshalbmesser 

ders.  I 259. 

Fleisch  als  Nahrung  II,  592. 

Fleischbrühe  II,  382. 

Fleischnahrung,  reine  H,  705. 
Flimrnerhaare  11,  241. 

— Beschleunigung  ihrer  Bewegung  1L 

112, 

Flüssigkeiten,  schmeckbare  I,  390. 

— seröse  II,  257. 

Flüssigkeitsströme  11,  48. 

— durch  diu  Ge  fass  wand,  ihre  Bedeu- 

tung für  den  Blutstrom  II,  150. 
Flüstern  L,  585. 

Fluorcalcium  1^  XL 

Folgerungen  für  die  Anordnung  elektrischer 
Theilc  im  Nerven  1,  97. 

Formbildung,  organische  II,  221  u.  folg. 
Formen,  ihre  Leistungen  im  Organismus 

L 1L 

Formende  Kräfte  II,  227  u.  folg. 
Formfolge  If,  22:1. 


Register. 


766 


Fovea  centralis  1,  296. 

Froschschenkel,  strmuprüfonder  1,  92. 
Fruchthalter  II,  445. 

Fass,  als  Stützpunkt  d.  Körp.  1,  550. 
Fussgelenko  1,  526. 

Fusswurzel-Jfittelfussgelenke  I,  527  u.  folg. 


O. 

Gährungen  I,  34. 

Galle  II,  320.  640. 

— Ausfuhr  ders.  II,  322. 

— Einwirkung  ders.  auf  die  Verdauung 
. II,  640. 

— Mechanismus  ihrer  Absonderung  II, 

322. 

— Menge  ders.  II.  326. 

— Veränderlichkeit  ders.  II,  321. 

— Zusammensetzung  ders.  II,  320. 
Gallenabsomlcrung , Geschwindigkeit  ders. 
II,  322. 

— Abhängigkeit  ders.  von  d.  Nahrung 

II,  323. 

Gallenfarbstoff  I.  41. 

Gallenfisteln  II,  325. 

Gallenraenge  II,  326. 

Gallensäure  II,  2 1 9. 

Gallcnwasser,  Absonderungsgeschwindigkeit 
dess.  II,  324. 

Galvanische  Ströme,  Einfluss  ders.  auf  die 
Nerven  ^ 127. 

Ganglienköqmr  I,  147. 

— als  Erreger  147. 

— die  Erregung  modificirend  1^  147. 

— — übertragend  147. 

~ verschiedene  Arten  ders.  125, 
Gasarten  de»  Blutes  II,  26. 

Gasaustausch , zwischen  Blut  und  Atmo- 
sphäre 11,  476. 

Gasdiffusion  1.  60.  83. 

— Dalton's  Gesetz  1^  60. 

— durch  trockne  Scheidewände  1^  60. 

— in  tropfbaren  Flüssigkeiten!,  61.  63. 

— der  Gasarten  uuter  sich  1^  63. 

— Graham'*  Gesetz  63. 

— in  den  Lungen  II,  53T. 

— Mariotte's  Gesetz  6L 

Gaae . AbsorptionBCocfficient  ders.  in  Flüs- 
sigkeiten L-62. 

— des  Blutes  II,  476. 

— Gewinnung  ders.  aus  d.  Blute  (nach 
Ludwig)  II,  477. 

— im  Uarn  II,  4lT 

Gaswechsel , gesummter  des  thier.  Körpers 
II,  553. 

Gaumen , Thätigkeit  dess.  bei  der  Ver- 
dauung II,  605. 

Gebärmutter  s.  Geschlechtsworkzouge. 

Ge  fass  haut  des  Auges  1,  276. 


Gefäsfilnmcn , Veränderlichkeit  dess.  mit  der 
Verthcilung  der  Gefasse  II,  1 17. 

— Ein-  und  Austritt  von  Flüssigkeiten 

n,  150. 

, Gefässmuskeln , Einwirkung  ders.  auf  den 
Blutstrom  II,  140. 
i üefäBsnerveu  II,  1 12. 

, — physik.  Eigenschaften  ders.  II,  I OS. 

! Gefässräumlichkeit  II,  HC. 

Gcfässsyatem , Richtung  dauernder  StTome 
in  solch.  II,  123. 

! Gefässwandungon  II,  1(1$.  297. 

— Nerven  ders.  II,  1 
' Ge  fühlen  erven , zur  Anatomie  ders.  404. 

— für  besondere  Gefühle  403. 

— Erreger  für  dies.  1,  406, 

Gefühlssinn  1,  394. 

— ehern.  Atome  als  Erreger  des«.  I,  398. 

— Etectrisität  als  Erreger  dess.  I,  395. 

— Erreger  des«.  ^ 395. 

— Temperatur  als  Erreger  des«.  I,  398.  ’ 
Gehen  I,  349. 

— natürliches  555. 

Gehör  1^  354. 

— musikalisches  360. 
Gehörempfindung,  Nachausscnsetzen  dera. 

I,  360. 

Gehörknöchelchen  1^  364. 

— akustische  Vorgänge  in  solch.  I,  368- 

— — Schalllcitung  durch  dies.  17367 
Gehörnerv  s.  Nerv.  acuBtic. 

— Errcgungsmittel  dess.  1,  373. 

— Schalllcitung  zu  dems.  1,  359. 
Gelenkachsen  1,  499. 

Gelenke,  Binnenraum  ders.  I,  502. 

— Flächen  ders.  f.  d.  Bewegung  I,  496. 

— der  Rippen  1^  511. 

— Rotationsflächen  dera.  1^  497. 

— Steifung  ders.  heim  Stehen  1^  551 . 

— zwischen  Atlas  u.  Epistroph.  1^  504. 

— — Hinterhaupt  uud  Atlas  503. 

&!Äe } ^ . 

Gelenksehmiere  II,  259. 

Gemeiugcfühl  I,  395. 

Geräusch  ^ 379.  * 

Gerste  II,  397. 

Geruchsempfindungen , Beharrungsvermögen 
dera.  1^  3S7. 

— Nachaussensetzen  ders.  I,  3S7. 

— Vermischung  ders.  I,  367. 

Geruchssinn  I.  362. 

— Erregungsmittel  dess.  1^  3S2. 
Geruchsnerv  b.  Nerv,  olfact. 

Geruch88 türke  1^  384. 

Geruchsvorstellungon  1^  366. 

Gesammtauge  L 265. 

Gesammtblut  II,  TL 

Gc'.sammti'innahine,  Beziehung  der  tügl.  zur 
Wärmeausgabc  11,  745. 


. Dioitized  by  Google 


Register. 


♦ 

Ißl 


Gesaramteinnahme,  Gasarten  des«.  II,  J26. 

— Zusammensetzung  des«.  II,  24. 
Gesammtharn  II,  414. 

Gosammthunger  II,  672. 

Gesamratmilch  II,  457. 
Geschlechtswerkzeuge,  männl.  1^  434. 

— weibliche  1^  442. 
Geschmacksempfindung  1,  369. 

— Art  dore.  1,  39ü. 

« — Erreger  dere.  I,  389. 

— Galvanismus  als  Erreger  I,  390. 

— Flüssigkeiten  als  Erreger  1,  390. 

— Geschwindigkeit  ders.  1,  393. 

— Ort  dere.  I,  391. 

— Stärke  ders.  1,  392. 

Geachraacksnerv  1 12. 

Geschmackssinn  I,  3SS. 

Geschinacksstärke  I,  392. 
Geschmacksvoretcllungen  *1,  3113, 
Geschwindigkeit  verschied.  Flüsaigkeitsfiiden 
eines  Stromes  II,  53. 

— des  Blutstroms  II,  183. 

— — abhängig  v.  Herzschlag  II,  193. 

— gleich-  od.  ungleichförmige  II,  195. 

— abhängig  v.  .Spannungsunterschieden 

u.  andern  Bedingung.  II,  194.  19t». 
— Mehrung  ders.  im  Blutstroin  (nach 
Weber)  II,  164. 

— — auf  Stromquerschnitten  II,  189. 

ULL 

Gesetz  der  Zuckungen  I,  437. 

Gesichtsnerv  s.  Nerv,  opticus. 

Gestaltung  organ.  Niederschläge  11,  225  u.  f. 
Gewebe,  elastisches  II,  249. 

— der  Gefässe  II,  105. 
Gewichtsverlust  beim  Hungern  II,  683. 

— durch  llautausdünstung  II,  553. 
Glanz  I,  344. 

Glaskörper  I,  274  ; II,  265. 
Gleichgewichtsgefühl  I,  488. 
Gleichzeitigkeit  der  Bewegungen  in  den 
Elementartheilen  einzelner  Hcrzabthlgn. 

II,  0)3, 

Globulin  I^üi  II,  19. 

Glycerin  I,  31h  33. 

Glycerinphosphorsäure  1^  33. 

Glycin  I,  40. 

Glycocholsäurc  I,  37. 

Glycocoll  I,  37. 

Grössenbcurtheilung  beim  Sehen  1,  335. 
Grundfarben  ^ 302. 

Gruppirung  der  Nerveuröhren  im  Rücken- 
mark s.  Rückenmark. 

H, 

Haarbalgdrüscn  II,  366. 

Haare  II,  244. 

— Ernährung  ders.  II,  245. 

— Lebensdauer  ders.  11,  24V 


Haare,  Wachsthum  der«.  II,  247. 
Haargefässe  s.  Capillaren. 

Uoarsiickchen  II,  246. 

Uämdtin  I,  41  ; II,  246. 

Hämatoidin  1^  4 1 . 

Hamadromometer  II,  164. 

Hiimatocrystallin  II,  19. 

Hämin  II,  19. 

Hafer  II,  MFT 
Halsbowegung  I,  509. 

Halsgelenkc  I,  ~569. 

Hammer,  Bewegung  dess.  I,  365. 
Handbeweguug  ^ 518, 

Handgelenke  I,  516. 

Handwurzolgelenke  1^  517.  519. 

Harn  II,  37S. 

— Ausstossung  dess.  a.  d.  Niere  1J,  429. 
— Beziehung  zwischen  Abfluss  u.  Zu- 
sammensetzung dess.  II,  423. 

— Einfluss  der  Spaunungsunterschicdo 
zwischen  Blut  und  Harn  II,  42». 
— Harnstoffe  in  dem«,  u.  in  der  Nah- 
rung II,  364. 

— physikalische  Eigenschaften  II,  1 1 5. 

— seltnere  Bestandteile  dess.  II,  416. 
— Verhältnis«  zwischen  Basen  u.  Säu- 
ren dess.  II,  407. 

— Wassergehalt  dess.  II,  40S. 
Harnbereitung  II,  418. 

— Einfluss  der  Ulutzusammensetzung 
auf  dies.  II,  422. 

Hypothesen  zur  Erklärung  ders.  11, 

'425. 

— Ncrveneinflusa  bei  selbiger  II,  42 1 . 
Uarnbestandtheile,  seltnere  II,  4 1 6. 
Harnblase,  Bewegung  ders.  II,  430. 

| AAL 

Harnfarbstoffe  1^421  II,  395. 

Harngase  II,  4 1 2. 

Harngährung  in  der  Blase  II,  432- 
Haruigc  Säure  I.  39. 

Harnleiter  II,  430. 

Harnröhre,  Ausstoseuug  v.  Harn  u.  Samen 
aus  ders.  II,  411. 

Harnsäure  _L  36 ; II,  389. 

— ihre  Zersetzungen  1,  38;  II,  389. 

— im  Blute  II,  9. 

Harnstoff  1,  40.  41;  II,  379. 

— Beziehung  dess.  zur  Nahrung  II,  3s 7. 

— — zum  Harmolum  II,  383.  ~ 

— im  Blute  II,  9. 

— Veränderlichkeit  des  täglich  entleer- 
ten 11,  380.  361. 
Harnstoffausscheidung , Mittelzahlen  dere. 
II,  388. 

— Veränderung  der«,  jo  nach  Tempe- 
ratur, Maskclbewcgung,  Tages- 
zeiten u.  s.  w.  II,  385.  u.  folg. 
Uarnstoffentstchung  II,  381. 

Harnwerkzeuge  II,  373. 


Digitized  by  Google 


Beginter. 


768 


Harnsucker  34. 

Harze  im  Harn  II,  397. 

Hau^tbrcnnebenen  I,  243. 

Haut,  Ortssinn  der  bewegten  L 4 1 3. 

— — der  ruhenden  1,  407. 

— Wärmeverlustc  durch  dies.  11,  751. 
Hautaderblut  II,  U 
Hantathraung  II,  550. 

Hautstellen,  Raum  Unterscheidung  an  den«. 
I,  410. 

Häute,  seröse  II,  256. 

Hera,  Erregbarkeit  des«.  II,  89. 

— — Eigonthümlichkeit  ders.  II, 

— Mechanismus  dess.  II,  89. 

— Muskclröbren  dess.  II,  78. 
Uersatrien  s.  Vorkammern;  Herzkammern. 
Herzbewegung,  Dauer  der».  II,  88. 

— Einfluss  der»,  auf  die  Geschwindig- 
keit dos  Blutstroms  II,  193. 

— Folgen  ders.  in  den  Ge  fass  röhren 
II,  |3L  14L 

— Reihenfolge  ders.  II,  88. 

— Rhythmus  der».  II,  87. 

— Zusammenhang  ders.  mit  den  Atb- 
mungsbewegungen  II,  492. 
Herzkammern,  Inhalt  ders.  II,  TTT 
— Zusammenzichung  ders.  ll,  128. 
Uerzmu»kulatur  II,  78. 

Herzschlag  II,  89.  92. 

— Einfluss  dess.  auf  die  Geschwindig- 
keit des  Blutstroms  II,-  193. 

— Häufigkeit  dess.  II,  100. 

— — Aendcrung  der»,  mit  der  Nah- 

rung II,  101. 

Herastoss  II,  83. 

Herztöne  II,  104. 

Herzwasser  II,  258. 

Hinterhauptgelenk  I,  504. 

Hippursäure  1,  36. 

— im  Blute  II,  jh 

— im  Harn  II,  391, 

Hirn  I,  167;  II,  291. 

— Anordnung  der  Muskelnerven  in 
deros.  1,  485. 

— Beziehungen  dess.  zu  den  Nerven- 
wurseln  163. 

— ehern.  Zusaramensetzg.  dess.  II,  291. 
— Ernährung  dess.  II,  294. 

— Errcgbarkeitsvcrhältnisse  in  dems. 
II,  m 

— Mittheilung  der  Nervenerregung  in 
dems.  1,  205. 

— motorische  Nervenwurecln  in  dems. 

I,  4S5. 

— sensible  Nefven  wurzeln  in  dems.  1, 

205. 

Hirnnervcn  167. 

— Ausbreitung  und  Funktionen  ders. 

■L.  190. 

Hirntheile,  Verletzung  einiger  1,  208. 


Hirnwasser  257. 

Hoden  11,  434. 

— Bau  dort.  II,  434. 

— Beiwerkzeuge  dars.  II,  438. 
Hodenwasser  II,  259. 

Hohlvene,  untere,  Blut  ders.  11,  37. 
Holzkohle,  Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 
Hören  gleichzeitiger  Töne  1^  375. 

Hornhaut  ^ 264 ; II,  260. 

— Ernährung  ders.  II,  263. 

— Quellung  ders.  II,  262. 

Horopter  I,  329. 

Hüftgelenk  I,  521. 

Hühnerei  als~Xahrnngsraittel  II,  593. 
Hülsen früchte  als  Nahrungsmittel  II,  598. 
Hunger  II,  564.  S.a.  Hungern,  Verhungern. 
— Bedingungen  zur  Erzeugung  u.  Stil- 
lung dess.  II,  585- 
Hungern , allgemeines  II,  672. 

— partielles  II,  664. 

Hungemerven  II,  583. 

Hydrodiffusion  II,  205. 

Hydrodynamik  II,  45. 

Hydrostatik  II,  44. 

Hydrotsäure  I,  39. 

Hypoxanthin  1,  39. 


Identische  Netzhautstcllen  ^ 326. 
Imbibition  I,  70. 

— ei  weissartiger  Stoffe  1^  52.  54. 
Induktion  der  ltctinaltkeilc  I,  314. 
Inosinsanre  39. 

Inosit  Ii  J14. 

— im  Harn  II,  394. 

— in  der  Leber  II,  312. 

Inspiration  II,  4SI. 

Intercostalmuskeln,  Wirkung  beim  Athracn 
II,  4SI. 

Intermediärer  Kreislauf  U,  562. 

Iris  1,  277. 

— Bewegung  ders.  1,  279 
Irradiation  I,  314. 

I»olirte  Leitung  der  Erregung  der  Nerveu 

L 136. 


Käse.gelialt  der  Milch  II,  454. 

Kalk,  oxalsaurer  I,  24. 

Kalkerde,  kohlensaure  L _2L 
— pbnsphorsaurc  L 23. 

Kartoffeln  I f,  599. 

Katalyse  der  eiweissartigen  Stoffe  47. 
Kauen  II,  607. 

Kegclgelenk  1,  496. 

Kehldeckel,  Thätigkeit  dess.  bei  der  Ver- 
dauung II,  605. 

Kieferraußkcln  1^  548. 

Kieselsäure  L 24. 


**  "DTgitized  by  GoÖ^Ie 


Register. 


769 


Klang  I,  377. 

Kleesäure  39. 

Kniegelenk  lj_  522. 

Kniescheibengelenk  ^ 525, 

Knochen  I,  49 1 ; II,  272. 

— Artikulation  ders.  ^ 496. 

— Bau  ders.  L 491 ; XI,  272. 

— cheiu.  Zusammensetzung  II,  273. 

— — Veränderlichkeit  ders.  II,  274. 
— Ernährung  ders.  II,  275. 

— Entstehung  der».  II,  276. 

— Form  ders.  I,  492. 

— Verbindungen  ders.  I,  495. 

— Wachsthura  ders.  II,  277. 

— — Bedingungen  dies.  II,  27$. 
Knochenmasse  1^  491. 

Knorpelgewebe  I,  492 ; II,  269. 

— Wachsthum  desa.  II,  270. 
Knotenpunkte  ^ 241. 

Kochen  des  Fleisches  II,  592. 

Kochkunst  II,  592. 

Kochsalzlösung,  Einfluss  ders.  auf  die  Ner-  ' 

ren  1^  125. 

Körner  als  Nahrung  II,  594. 

Kohlenhydrate  im  Harn  II,  392. 
Kohlensäure  I,  20.  . 

— Absondemngageschwindigkeit  ders. 

II,  504. 

— beim  Athmcn  II,  504. 

— Bildungsort  ders.  II,  473. 

— in  der  Atmosphäre  II,  466. 

— im  Blute  II,  1JL 

— im  Harne  II,  046. 

— Veränderung  ders.  beim  Athmen  II, 
504. 

Kohlensäureauschcidung  durch  die  Lungen 

II,  505. 

abhängig  von  den  Atkcmbewegungen 

II,  509,  513. 

— • — von  der  Aufcntbaltszeit  der 
Luft  in  d.  Lungen  II,  511. 

— — von  der  Blutmischung  JLX,  521. 

— — vom  Blutstrom  II,  516. 

— — von  der  Einathmungsstufe  II, 

517.  549. 

— — von  d.  geathmeten  Luftvolum 

II,  512, 

— — vom  Luftdruck  II,  520. 

— — .von  d.  .Lufttemperatur  II,  518. 

— — von  der  Lungenwund  II,  527. 

— — v.  d.  Muskelthätigkeit  II,  514. 

— — von  der  Nahrungsaufnahme  II, 

. 523, 

— — v.  verschied.  Ursachen  II,  528. 

— absolute  und  procentische  II,  529. 

— mittlere  II,  529. 

— Theorie  ders.  II,  504. 

— variabel  mit  der  Tageszeit  II,  514. 
Kohlensäuregehalt  der  Athmungsluft,  mitt- 
lerer II,  504. 


Kohlcnstoffausgabc  II,  713. 
Kohlenwasscrstoffgas  I,  19. 

Konsonanten  588. 

Kopfbewegung  I,  543. 

Kopfknocbon,  ScKallleitg.  durch  dies.  I,  372. 
Kopfmuskeln  I,  543. 

Koth  II,  621.  65 1 . 

Kothen  II,  621. 

Krampf,  übertragener  171. 
Kranzarterien,  Verschluss  ders.  durch  die 
Semilunarklappen  II,  129. 

Kreatin  L Kl. 

— im  Blute  II,  Jb 

— im  Ham  II,  389. 

Kreatinin  Ij  40. 

— im  Blüte*  II,  9, 

— im  Harne  II,  389. 

Kreislauf,  kleiner,  Spannungsverhältnisse 
in  dens.  II,  180. 

Kreosot,  seine  Wirkung  o.  d.  Nerven  1,  126. 
Krümmungshalbmesser  brechender  Außen- 
flächen 1±  259. 

Krystalllinse  264.  274.  . 

Kugeldrchong  mit  Bezug  a.  d.  Auge  1,  226. 
Kugelflächen,  brechende,  Objectbildcr  ders. 
L 247. 

Kugelgelenk  1^  496. 

Kurzsichtigkeit  L 258. 

Kymographion  II,  122. 


L. 


Labdrüsen  II,  355. 

Labdrüsensaft,  künstlicher  II,  j>. 

Labsaft  II,  35«. 

— Absonderungsgeschwindigk.  II,  35$. 

— Ausstossung  des».  II,  301. 

— Bereitung  dess.  II,  359. 

— künstliche  Verdauung  durch  dens. 

II,  626. 

— (ichalt  an  Säure  u.  Pepsin  II,  631.  * 
— Lösung  d.  Eiweisskörper  durch  dens. 

II,  «27. 

T*  Lösungs  vermögen  dess.  II,  629. 
Labyrinth,  des  Ohres  1,  369. 

Ladung  I,  88. 

Ladungsstrom  I,  91. 

Längsleituog  d.  Erregung  im  Nerven  163. 

— durch  das  Hirn  202. 

— durch  das  Kückenmark  163. 

Laute  s.  Buchstaben. 

Lebendige  Kräfte  des  Blutlaufes  II,  201.  • 
Leber  II,  308. 

V Amyloid  ders.  II,  310.  * 

— Ausfuhrstoffe  ders.  II,  332. 

— Bau  ders.  II,  30$.  * 

— ehern.  Bestandteile  der».  II,  310. 

— Ernährung  ders.  II,  335. 

— Ferment  ders.  II,  3 1~ÖT 


Ludwig,  Phy»iologie  II.  ^ Auflage. 


49 


Digitized  by  Google 


770 


Register. 


Leber,  Mechanismus  ihr.  Punktionen  II,  333. 
Leberaderblut  II,  35.  316. 

Loberblut  II,  316. 

Leberblutstrom  ll,  318. 

Lebergewicht  II,  323. 

Leberlymphe  II,  233. 

Leberschleim  II,  334. 

Leberzellc,  ehern.  Vorgänge  in  ders.  II,  328. 
Leberzuckor,  im  Harn  II,  393. 

Lecithin  1,  33. 

Legumin  II,  398. 

Leim,  Auflösung  durch  den  Labsaft  II,  632. 
Leitung,  der  Erregung  im  Nerven  1^  136. 
. — in  den  Nervenröhren  L 135. 

— isolirte  im  Nerven  I,  136. 

— längs  der  Nerven  163. 

— quer  durch  die  Nerven  1^  1 69. 

— * von  einer  Nervenwurtel  zur  andern 
-durch  d.  Rückenmark  1^  1 69. 
Leitungsgeschwindigkeit  der  Erregung  ira 
Nerven  1^  137. 

Leitungsröhren  für  den  Luftstrom  in  den 
Lungen  II,  485. 

Lcitungsvermögen,  elektrisches  I,  1 1 Ü. 
Leucin  L 40.  45.  56. 

— in  der  LebcrII,~5l5. 

Licht,  Nachfarben  d.  woissen  I,  316. 

— Nebenfarben  d.  weisseh-!,  304. 
Lichtbrechung  241. 

Lichtempfindung  I,  299.  307. 

— Stärke  ders.  I,  308, 

— elcktr.  Einwirkung  bei  ders.  1.  309. 

— mechanische  Einwirkung  bei- ders. 
L 306. 


Lufteitixiohung  in  die  Lungen  II,  460. 
Luftkrois  II,  463. 

Luftleitungsrohrcn  11,  283. 

Luftmischung  beim  Athnien  II,  499.  537. 
Luftröhre  II,  483. 

Luftströmung-  in  d.  Athnienwegen  11,  493. 
Luftveränderung  beim  Athnien  II,  499. 

— Werkzeuge  für  dies.  II,  498. 
Lumenveränderung  mit  der  Gcfässvcrthei- 
lung  II,  1 19. 

Lungen,  Bau  derselben  II,  111. 

— ehern.  Zusammensetzung  II,  543. 

— Elasticität  ders.  II,  543. 

— Ernährung  ders.  II,  544. 
Lungenathmung,  Chemismus  ders.  II,  479. 
347.  549. 

— Mechanismus  ders.  II,  479. 
Lungenmuskeln,  Wirkung  der«.  II,  543. 
Lungensäfte  II,  54  L 
LymphdrÜsen,  Bau  ders.  LL,  570. 

Lymphe,  Geschwindigkeit  ihrer  Absonde- 
derung  11,  576.  577. 

— ihre  Entstoliung  II,  579. 

— ihre  Zusammensetzung  II,  572.  574. 
— Umfang  ihrer  Absonderung  II,  578. 

Lymphgefässanfange  im  Barme  II,  634. 
Lym phge fasse , Aufsaugung  ders.  II,  567. 

— Bau  ders.  II,  368. 

Lyraphkörpcrchen  U,  21.  575. 

— Abkunft  ders.  ll.  575. 

Lymphstrom  II,  581. 

M. 


Ligamenta  flava  1,  507. 

— intervertebralia  I L 506. 

— longitudinalia  1,  307. 

Lingualdrüse  s.  Mundspcichel. 

Linse  1^  274 ; II,  265. 

— ehern.  Zusammensetzung  II,  266. 

— Wachsthum  ders.  II,  267. 

Linsenbewegung  ^ 285. 

Linsenschichtung  I,  275. 

Lipyloxyd  I,  33. 

Lösung  f08tcr-Stoffe  in  Flüssigkeit  I,  66. 
— Diffusion  solcher  in  WasserH,  68. 

— gleichzeitige,  mehrerer  Stoffe  1,  69. 
— Siede-  und  Gefrierpunkt  ders.  IT  67. 

— spcc.  Gewicht  der».  I,  67. 

— Wärmeverbrauch  bei  ders.  1^  66. 
Lösungsgemenge,  Diffusion  ders.  in  Wasser 
I,  69. 

Lüftungswerkzeuge  II,  479. 
Luftabsondemde  Werkzeuge  s.  Athmungs- 
flächcn.  • 

Luftarten , Berührung  der  atmosphärischen 
mit  denen  im  Blut  II,  474. 
LuftausstoHsung  aus  den  Lungen  IT,  483. 
Luftdruck , Bedeutung  dess.  für  die  Ge- 
lenke 1,  496. 


Magen,  Flüssigkeit  dess.  II,  625. 

— Mechanismus  seiner  Bewegungen  II, 
011. 

Magendrüsen  11,  355. 

Magennerven,  Hunger  durch  Erregung  dess. 
II,  584. 

Magensaft  II,  362.  525.  645. 

— Mcngo  des«.  II,  263. 

— natürlicher  II,  634. 

— r Wirkung  dess.  II.  G35. 

Magensäure  II,  360. 

M&gencchlcim  II,  634. 

— Wirkung  ausserhalb  des  Körpers  II, 
626.  634. 

Magenverdauung , küns^iche  IJ,  626.  634. 

— natürliche  II,  636. 

Magnesia,  kohlensaure  L,  20. 

— phosphorsaure  1^  22. 

Mais  II,  384. 

Mangan  im  Blnte  II,  8. 

Manometer  II,  j>iL 

— registirender  II,  155. 

Margarin  1^  24^  27, 

Margarinsäure  I,  25.  27.  53. 

— als  Seife  1,  21. 

— Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 


?igitizBd  by-Google 


Register. 


771 


Mark,  verlängertes  1^  187. 

— Verholten  d.  grauen  Massen  in  dem«. 

k i#L 

Massen,  formlose,  Prägung  dors.  IX,  228. 
Mastdarm,  Bewegung  dess.  L 170. 

— Wärme  des».  II,  722. 

Mästung  II,  708. 

Mechanische  Eindrücke  als  Gefühlserreger 

I,  300. 

Medien,  brechende,  polarisirendc  Wirkung 
dors.  Ij,  290. 

Meibom'sche  Drüsen  il,  366. 

Meissner’scho  Körperchen  I,  303. 
Mehrfachsehen  (Fick)  1,  294. 

Melanin  I,  42. 

Menstrualfluss,  Mechanismus  dess.  II,  448. 
Menstnialflüssigkeit  II,  446. 

Menstruation  II,  445. 

— Erscheinen  der».  II,  440. 

— Dauer  ders.  II,  447. 

Metacarpo - Plialangealgelenke  1^  520. 
Metacctonsäure  1^  29. 

Metalle  im  Blute  JI,  10. 

Metalloxyde  I,  24. 

Metallsalze  1^  24. 

Metatarso-Phalangealgelenko  L 530. 

Milch  II,  449. 

— Absonderungsgeschwindigkeit  dere. 

II,  400. 

— als  Nahrungsmittel  II,  594. 

— der  Männer  II,  459. 

— der  Neugeborenen  II,  459. 

— der  Schwangeren  II,  458. 

— Veränderungsbedingungen  ders.  II, 

Ml 

— • Zusammensetzung  der«.  II,  454. 
Milchanalyso  II.  451. 

Milchbereitung  U,  452.  460. 

Milchdrüse  II,  448. 

Milch drüsensa ft  der  Schwängern  II,  458. 
Milchkügelchen  II,  450. 

Milchsäure , Bestand theil  der  Frauenmilch 
II,  451. 

— im  Blute  II,  9. 

— im  Ham  II,  394; 

— Hydrate  ders.  I,  35. 

— im  Labsafte  II,  026. 

— im  Magensäfte  II,  360. 

— in  der  Leber  II,  313. 
Milchsäurcgährung  I,  34. 

Milchsäurchydrnte  I,  35. 

Milchscnim  II,  45fT 

— Bestandteil  d.  Frauenmilch  II,  451. 
Milchstoffe , Absonderungsgeschwindigkeit 
ders.  II,  460. 

Milchzucker  L.  39-' 

— Entstehung  dess.  II,  461. 

Milz  II,  299. 

— Ausschneidung  dors.  II,  306. 

— im  Ganzen  LL,  305. 


Milz,  Bau  ders.  II,  299. 

— Blutstrom  in  ders.  II,  303- 

— chemische  Zusammensetzung  11,  301. 

— Funktionen  ders.  II,  305 ■ 

— Stoffbewegung  in  ders.  II,  304. 
Milz-Aderblut  II,  >33. 

Milz-Asche  II,  3027 

Milzextrakt,  Harnsäure  darin  I,  39. 

— Hypoxanthin  in  dera.  ^ 39. 
Mitbewegung  ^ 175.  200.  222. 
Mitempfindung  1^  177.  222. 

Mitteldruck,  abhängig  von  dem  Abstande 
vom  Herxen  II,  168. 

— abhängig  von  den  Athembewegun- 

gen  II,  16L 

— abhängig  von  der  Blutfilllc  II,  100. 
-1-  abhängig  von  der  Herzbewegung  II, 

131.  161. 

— abhängig  von  der  Zahl  der  Blut- 

bahnen II,  1 66. 

— absoluter  Werth  dess.  in  d.  grossem 

Arterien  II,  172. 

— in  den  verschiedenen  Abtheilungen 

des  arteriellen  Systems  II,  172. 
S.  a.  Blutstrom ; Spannung. 
Mittelhandgelenkc  der  Finger  I,  520. 
Mittelprodukte  der  Absonderungsstoffe  II, 
219.  . 

Mittheilung  d.  Nervenerregung  im  Rücken- 
mark s.  Rückenmark. 

— innerer  Zustände  im  Nerven  I,  135. 
Mittönende  Stimmworkzeuge  I,  580. 
Molckularbewegung  I,  355. 
Molokularkömchen  im  “Blüte  II,  21. 
Monochromatische  Abweichung  I,  291. 
Motorische  Wurzeln  d.  Rückemnarksnerrcn 

s.  Rückenmarksnerven. 

Mucin  I,  55. 

Multiplikator  I,  87. 

Mund  II,  005. 

Mundspeichel  II,  340. 

Muskelarbeit,  Nutzwerth  ders.  1,  460. 
Muskelbewegungcn  der  Ge  fass  Wandungen, 
ihre  Bedeutung  für  den  Blutlauf  II,  149. 
Muskelermüdung  1,  446. 

Muskelerrcgbarkeit  I,  444. 

Muskclerrcger  I,  435. 

MuskelerregungT automatische  1,  430. 
Muskclfibrin  I,  43. 

Muskel Aüssigkeit  L 422. 

Muskelgefühlc  I,  489. 

— reflektorische  ^ 486. 
Muskelgruppen,  I,  543. 

Muskelcontraktiou , die  Xohlcnsäure-Aus- 

scheidung  bedingend  II,  525. 

— tetanischo  436.  43S. 

Muskelkraft,  absoluto  I,  404. 

— Bcstimmungsweise  ders.  I,  534. 

— Theorie  ders.  I,  477.  534. 

— Verwendung  ders.  L 537. 

49  * 


772 


Register. 


Muskelmecbanik  Ij_  531 . 

Muskclmolekcln , parclcktrononiische  (Du- 
Boia)  12v 
Muskeln  I,  4 IS;  II,  294. 

— Antagonisten  1^  542. 

— Arbeitsleistung  ders.  1^  460.  477. 

— des  Auges  1^  233. 

— des  Bauchgliedes  1,  548. 

— des  Beines  548. 

— Brücke’s  283. 

— des  Brustgliedes  I,  545. 

— Chemie  ders.  I,  433.  469. 

— Coereitivkraft  TTers.  1,  467. 

— Ernährung  ders.  II,  295. 

— des  Skeletts  I,  490. 

— der  Wirbelsäule  1,  545. 

— Effekt  ders.  auf  d.  Knochen  1,  534. 
— Einfluss  der  Nerven  auf  ihre  phy- 
siolog.  Zustände  I,  480. 

— ein-  und  zweigelenkige  ^ 542. 

— elastische  Eigenschaften  ders.  ^ 

429.  464. 

— elektr.  Eigenschaften  ders.  ^ 424. 
— Ernährung  ders.  II,  293. 

— Gesetz  der  schwankenden  Dichtig- 
keit I,  437. 

— glatte  s.  Muskelzelle. 

— Gruppen  ders.  ^ 543. 

— Leitungsfäliigkcit  ders.  1,  539. 

— Physiologie  ders.  I.  411L  424  (be- 
sondere)  1^  478. 

— quergestreifte  419. 

— — Bau  ders.  1,  419. 

— — Chemie  ders.  421 . 

— Verbreitung  der  Nervenröhren  in 
den«.  I,  479, 

— Verknüpfung  ders.  mit  den  Nerven 

1,  479. 

— verkürzte  Form  ders.  1^  448. 

— — Elasticitat  ders.  ^ 457. 

— — Hubfähigkeit  ders.  I,  151. 

— Verkürzung  ders.  1,  435.  481. 

— Grosse  ders.  448. 

— Verlängerung  ders.  I.  424. 

— Verthcilung  ders.  L 542. 

— der  Wirbelsäule  1,  545, 

— Wärmeoigenschaften  ders.  I,  432. 
407. 

— Wärroestarrc  ders.  _L  470. 

— Zuckung  nach  doppelter  Reizung  I, 

440. 

— Zusammenfassung  ders.  _L  541. 

. — Zusaromenziehung  ders.  1,  433. 

— — zeitlicher  Verlauf  ders.  I,  449. 
Muskelfa&encello  474. 

Muskelgellihle  I,  189. 

Muskel  gruppen  I,  543. 

Muskelkräfte,  Theorie  ders.  I,  477. 
Muskelnerven,  Anordung  ders.  in  Hirn  u. 
Rückenmark  ^ 485. 


Muskelnerven,  Erregung  ders.  I,  112. 
Muskel-Physiologie  1^419.  4787  — 
Muskelprimitivthcilc , Zusammenfassung 
fassung  ders.  zu  Muskeln  ^ 540. 
Muskelrohr,  verkürzter  Zustand  dess.  I,  435. 

— — verlängerter  I,  424. 
Muskelröhrcn  des  Herzens  II,  7^ 

— — Zahlenverhältniss  zwischen 

ihnen  und  den  Nervenröhren 
1.  480. 

Muskelschicht  der  Gefässc  II,  106. 
Muskelsinn  ^ 486. 

— Theorie  dess.  ^ 489. 

Muskelstarre  470. 

Muskelstrom,  ruhender  426. 
Muskelwiirme,  Messung  ders.  1^  468. 
Muskelzelle,  glatte  II,  296. 

Muskelzucker  I,  34. 

Muskclzuckung  nach  doppelter  Reizung  I, 
440. 

Muskelzug  _L  531 . 

— Richtung  dess.  1,  531. 

Muskulöse  Fascrzello  L 474. 

Muskulöse  Gegner  und  Helfer  542. 
Muttermilch  II,  449. 

Mutterscheidc,  Wärme  ders.  II,  722. 
Mydriasis  I,  285. 

Myristin  1,  27.  30. 

Myristinsäure  I,  25.  27. 

N. 

Nachaussensetzcn  des  Geruches  ^ 357. 

— des  Gesehenen  1^  323. 

•—  des  Tones  I,  350. 

Nachbild  1^  309. 

— Dauer  ders.  I,  309. 

— Farbe  ders.  17  3 11 . 

— — Bedingung  für  diese  1^  312. 

— negatives  1,  311. 

— positives  I,  311. 

Nachfarben , des  weissen  Lichts  1^  316. 
Nachgefuhl  I,  416. 

Naehscbmerz  402. 

Nachtönen  I,  379. 

Nachwirkung  der  Nervenerregung  ^ 186. 
Nagel  II,  210. 

Nähepunkte  L 255. 

Nährstoff  II,  590. 

Nahrung,  vollständige  II,  686. 

— Acndening  d.  Körpermasse  mit  ders. 
II,  ^750. 

— tägliche  Ausgaben  bei  genügender 

II,  709. 

Nahrungsäquivalcnte  II,  600. 
Nahrungsbedürthisse  II,  583.  * 
Nahrungsbestandtheile,  nothwendige  II,  5SS. 
— Verdaulichkeit  ders.  II,  591. 

— Verhältnisse  ders.  II,  589. 

— Nnhrungswahl  II,  5891 


Qjjjitized  by  Google 


Register. 


223 


Nahningsbestandtheile,  Würzung  ders.  II, 

ML 

Nahrungswahl  II,  587. 
Narbenverschrumpfung  II,  255. 

Natrium  im  Blute  II,  10. 

Natron,  phosphorsaures  im  Blute  II,  JJL 
Natronalbuminat  II,  8. 

Natronsalzo.  kohlcnsaure  L 20. 

Neben  färbe®  ddi  weisson  Lichtes  I,  304. 
Negative  S^ii$Sfkiing  des  Muskelstr  1,464. 

— — aes  Nervenstromos  1^  108. 
Nerven,  Einfluss  auf  die  Lvmphabsonderung 

II,  577.  - 

— Einfluss  auf  die  Muskelverkürzung 
und  Verlängerung  I,  482.  484. 
— Elcktrieitätsleiter  I^  1 10. 

— elektrisches  Verhalten  ders.  I,  98. 
— Folgerungen  für  die  Anordnung  der 

elektr.  Theile  in  dens.  I,  97.  103. 
— Gleich-  und  Ungieichartigkeit  ders. 

km 

— verschiedene  Erregungszustände  ein 

und  des».  1^  l Iti. 

Nervendurchschneidung,  Einfluss  auf  die 
Lymphabsonderung  II,  577. 

Nervenkräfte  als  Ursache  von  Filtrationen 

Ü,  214. 

— elektrische  1^  143. 

— Quelle  ders.  1^  142. 

— Theorie  ders.  ^ 141. 

Nervenphysiologie,  allgemeine  1,  85.  IIP. 

— — specielle  L 150. 

Norvenreizc  1 12. 

Nervenröhren  II,  289. 

— markhaltige  1^  85. 

— marklose  L 85. 

— Absterben  ders.  140- 

— anatom.  Beschaffenheit  ders.  1^  ^5. 
— Beharrungsvermögen  ders.  135. 

— ehern.  Beschaffenheit  ders.  1^  86; 

II,  28«. 

— Einfluss  der  galv.  Ströme  auf  dies. 
I,  127. 

— elektrische  Eigenschaften  ders.  1^ 

87.  127. 

— Ernährung  ders.  II,  290. 

— Erregbarkeit  ders.  1^  112.  1 18. 

— Gleichartigkeit  ders.  I,  113. 

— Gruppirung  ders.  im  Rückenmark  L 
181. 

— Kreutzung  d.  motor.  im  Hirn  1,  203. 
— Leistungen  l,  86. 

— Leitungen  1^  135. 

— Mittheilung  der  Erregrung  in  denen 
des  Hirns  I,  205. 

— PhyBiölQgie  ders.  1,  85. 

— Beize  ders.  1 1 2T 

— sensible , ihr  Verlauf  durch  das 

Hirn  I,  205. 

— todter  Zustand  ders.  1^  1 30. 


Nervenröhren,  Ungleichartig!,  ders.  ^ 1 13. 
— Untersuchungsraethodc  ders.  1^  87, 
— Verbreitung  ders.  zu  d.  Muskeln  1, 470. 
— Verlauf  ders.  im  Hirn  1^  205. 
Nerven  wurzeln,  Beziehung  zwischen  dens. 
und  dem  Hirn  1^  163. 

— Verbindungsraassen  zwischen  den», 
u.  d.  Organen  der  Willkür  I,  208. 
Nervenstrom,  ruhender  I L 93. 

— schwache  Anordnnng  I,  93. 

— starke  Anordnung  1,  98. 

— unwirksame  Anordnung  I,  93. 
Nervensystem,  Physiologie  ders.  I,  85. 
Nervus  abduceus  193. 

— accessorius  Willisii  1^  197.  199.  206. 

— acusticus  I,  112.  191.206.354.373. 

— facialis  1^  195.  206. 

— glossopharyngeus  ^ 196.  206. 

— hypoglosaus  1^  198.  201. 

— oculomotoriua  1^  192.  205. 

— olfactorius  1^  1 12.  190.  382. 

— opticus  I,  ML  205- 

— sympathicus  JL  203. 

— trigeroinus  L 195.  205. 

— trochlearis  1^  493. 

— vagus  1^  197.  206. 

--  — Einfluss  a.  d.  Herzthntfgk'.  II,  93. 

— — — auf  die.Athmung  II,  546, 

— — a.  d.  Lungenernährung  II,  546. 
Netzhaut  L_  296. 

Netzhautstellcn,  identische  1^  326. 

— ■ — zugeordnete  I,  326. 

— — Lage  ders.  I,  329. 

Neutrale  Fette  1,  30. 

— — ihre  Adhäsion  zu  den  Harn- 

geweben L 32. 

— — ihre  Bedeutung  für  die  Wärme- 

ökonomie ^ 31» 

— — ihre  chem.  Indifferenz  I,  31. 

— — ihre  katalytischen  Wirkungen 

I,  50. 

— — ihre  Zellenbildung  I,  31. 

— — ihre  Zerlegung  I,  31. 

— — ihre  Versoifung  1,  28. 
Niederschläge  in  thier.  Flüssigkeiten  II, 

m. 

— Cohäsionszustände  ders.  II,  225. 
Nieren  II,  373. 

— Ausrottung  11,  419, 

— • Bau  ders.  II,  273. 

— Blut  ders.  II,  376. 

— Blutgefässe  ders.  II,  374. 

Blutstrom  in  dens.  II,  377. 

— chem.  Bau  ders.  II,  375. 

— Eigentümlichkeit  ders.  11,  424. 

— Ernährung  ders.  II,  4l9. 
Nierenaderblut  II,  37. 

Niercnumsatz  II,  319. 

Normaltemperaturen  II,  319. 

Nutzwerth  des  Muskels  I,  342. 


1 


Digitized  by  Google 


774 


Register. 


O. 

Oberam-Gelenk  1,  513. 

Oberhäute  II,  231. 

— Athmungsverluste  ders.  II,  551 . 
Objectbilder,  durch  brechende  Kugelflachcn 
I,  247. 

Oedem  II,  577. 

Oetthungszuckungen  E 437. 

Oelsäure  I,  29. 

• — oxydirte  I,  27. 

Oolstiss  E 33. 

Ohm’s  Gesetz  E 77. 

Ohr,  Funktionen  dos  äussem  I,  359. 
Ohrenschmalzdrüscn  II,  360. 

Ohrmuschel  I,  '359. 

Ohrspeicheldrüse  II,  340. 

Olein  E^L^L 
Oleinsäure  E 3^ 

Olive  E 108. 

Oiephosphorsäure  E 32. 

Ophthalmometer  (Hclraholtz)  I,  201. 
Ophthalmoseop  E 253. 

Opiumtinktur,  ihro  Wirkung  auf  d.  Lymph- 
driisenabsonderung  II,  570. 
auf  die  Nerven  E 1 26. 

Optik  f,  241. 

Optometrie  E 250., 

Organe  der  Empfindung  I,  592, 

— der  Willkür  I,  208. 

Ortssinn  1,  407. 

' — Feinheit  dess.  1,  408. 

— Theorie  dess.  1,  408. 

Oxalsäure  im  Harn  II,  405. 

OxaUaurer  Kalk  I,  24. 

Oxydation  der  thier.  Stoffe  IT,  210. 

Ozon  in  der  Atmosphäre  ,11,  46T! 

»i 

P. 

Palmitin  I,'27.  30. 

Palmitinsäure  E 25.  27.  33. 

— Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 
Pankreas  U,  350. 

— Extrakt  041. 

Paradoxo  Zuckungen  E 00. 

Paralb  umen  I,  42. 

Parelektronoimscho  Schicht  I,  428. 

Parotis  II,  340. 

Paukenhöhle,  Schalllcitung  durch  dies.  I, 

359. 

Pendulirende  Bewegung  1,  223, 

Penis  II,  439. 

— Erection  dess.  II,  439. 

Pepsin  E 50j_  II,  300.  631. 

— als  Fcnncnt(?)  II,  633. 

Peptone  II,  628. 

Entstehung  ders.  II,  637 
Peripolnre  Anordnung  E 104. 

— — Theorie  der*.  E 104. 


I Peripolarer  Zustand  E 103. 

Peristaltische  Bewegung  E 

— — des  Dünndarms  U,  615. 

— — des  Schlingapparates  II,  610 
rflasterepithelien  11,  264. 

Pfortaderblut  II,  35.  316. 

Phasen  des  Elektrotonus  E 99. 

Phenylsäure  I,  30. 

Phosphorglycerinsaure  E 33. 

Phosphorsäure  im  Harne  II,  403. 
Phosphorsaurc  Alkalien  1,  23. 

— Erden  E 23. 

— Kalkerde  E 23.  . 

— Magnesia  E 23. 

— Salze  E 23. 

Phosphorsaures  Eisenoxyd  E 23. 
Physiologie , ailgem.  Aufgabe  ders.  E 13. 
t — der  Atome  I,  lfi.# 

— der  A ggregätzuständc  1,  59. 

— der  Nervenrohren  1,  85.  1 10. 

— des  Rückenmarks  und  seiner  Nerven 

E Edh 

— Vortragsplan  ders.  E Ü; 

Physiolog.  Bedeutung  der  Zuckerarten  1,  35. 
Piezometer  11,  53. 

Pigmentum  nigrum  E 42. 

Plasma  II,  E 
Platten  11,  228. 

Polarisation  I, 

— des  Lichtes  im  Auge  1.  296. 

Poren  der  organ.  Häute  II,  250. 

Poren  , wesentliche  und  zufällige  II,  203 . 
Porosität  der  Häute  II,  204. 

Prägung  der  formlosen  Massen  U,  228. 
Processus  obliqui  E 50"- 
Pronationsgclenk  E ^15- 
Propion-  (Metaceton-)  Säure  1,  25.  29. 

— Wärmeeinheit  ders.  11,  737. 
Prostata  1 1,  439. 

Proteinbioxyd  E 43. 

Proteinstoflc  E 42.  44. 

— ihre  Zusammensetzung  1,  44. 

— Gründe  für  ihre  Annahme  E 44. 

— Zersetzungserscheinungen  I,  45. 
Protointritoxyd  I,  44. 

Puls  II,  100.  102.  159;  s.  a.  Herzschlag. 
— Abhängigkeit  desa.  vom  Herzschlage 
IE  45. 

— Aufhören  desa.  in  d.  kleinsten  Ar- 
terien II,  139. 

— Untersuchungen  dess.  mittels  Spygrao- 
graphs  II,  1*0. 

Pulsfühlen  II,  1 69. 

Pulsfrequenz,  Einfluss  auf  die  Geschwin- 
digkeit deB  Blutstromes  II,  131 . 161 . 
Pulshebel  (Vierordt’a)  II,  1 70.* 

Pulsus  dicrotus  II,  171. 

Pulsverhältniss  zur  Herzsystoio  II,  171 . 
Pupillenbewegung  durch  Reflex  efc.  1.  280, 
Pyin  I,  49. 


ffitjitized  by  Google 


Register. 


m 


Ol 

Quellen  der  Nervenkräfte  142. 

Quellung  1,  70. 

— begünstig.  Momente  der».  1,  72. 

— eiweissartige  Stoffe  I,  52. 

— der  Epithelien  II,  236. 

— theoretische  Bemerkungen  über  dies. 

I,  70. 

Quollungsmaxiraum  1^  70. 
Quellangsverhäitniss  1,  70. 

Querleitung  der  -Erregung  von  einer  Xer- 
venwurzel  xur  andern  durch  das 
Rückenmark  1^  169. 

— zur  Theorie  der».  1^  179. 
Querschnitt  - Geschwindigkeit,  Messung  ders. 

des  Blutstromes  II,  189. 

— — mittlere  II,  192. 

R. 

Kauminhalt  der  Blutgefässe  II,  1 16. 
Kaumvorstellung  durch  das  Sehen  s.  unter 
Sehfen. 

— durch  den  Tastsinn  I,  411. 
Reflectorische  Hirnbezirke  ^ 205. 

Reflex  als  Erreger  d.  Muskels  1,  435. 
Reflexbewegung  ^ 169.  221. 

Charakter  ders.  !,•  169. 

— geordnete  1^  172. 

— Theorie  ders.  1,  170. 
Refloxemptindung  177.  206. 
Keflexkrampf  ^ 121. 

Regulator  der  thier.  Wärme  II,  754. 
Reibung  in  den  Blutgefässen  II,  109. 
Reihenfolge  der  Herzbewcgungen  II,  36. 
Reis  II,  598. 

Reize  der  Nerven  1^  1 12, 

— des  Nervensystems  I,  85. 
Resonnanz-Apparate,  Nerven  der».  I,  594. 
Resorption  II,  561 . 

Respiration  8.  Athmung, 
Respirationsmechanismus  II,  479. 

Retina  I,  96. 

— Bau  ders.  I,  297. 

— Beharrungsvermögen  ders.  I,  309. 
Betinalge  fasse,  Schatten  ders.  I,  351. 

— diffusive  Spiegelung  dors.  1,  295. 

— Erregungsmedien  ders.  1^  1 12.  299. 

Rhythmus  der  Uerzbcwegung  II,  87. 
Richtung  des  Blutstromes  II,  1 23. 

— des  Hörens  I,  381. 

— des  Nervenltromes  1,  128. 
Richtungslinien  267. 

— Kreuzungspunkt  ders.  ^ 268. 
Rippengelenke  I,  511. 

Roggen  II,  597. 

Rohrzucker  im  Ham  II,  394. 

Röhren,  Eustachi' sehe  1,  371. 


Röhren,  Flüssigkeitaströma  in  solchen  II, 
5^  u.  folg. 

— Strombewegung  in  asymmetrisch  ver- 
zweigten II,  64. 

— — in  symmetr.' verzweigten  11,  61. 

Rückenmark  II,  291. 

anatom.  Verhalten  1^  1 5<>. 
Anordnung  seiner  Norvenelementc 

I,  15t. 

— Blosslegung  des»,  !<»(■. 

Capillaron  in  den».  II,  295. 
chemische  Zusammensetzung  des». 

II,  291. 

Durchschneidung  dess.  1 66. 
Einfluss  der  einzelnen  Stränge  auf 
die  Leitung  L 165. 

Ernährung  dess.  IX,  294. 

— Erregbarkeit  des».  1,  1S2. 

— Faserung  dess.  151. 

— graue  Masse  dess.  151. 

— Gruppirung  der  Nervenröhron  in 
demselben  1^  81. 

— hintere  Stränge  dess.  1^  152.  156. 
Längslcitung  dess.  L 163. 

— Methode  der  Untersuchung  dess. 

L IM; 

— Mitthoilung  der  Erregung  in  dems. 

L.  16tL 

— Physiolog.  Verhalten  dess.  1^  154, 
— Seitenstränge  dess.  1^  151. 

--  vordere  Stränge  dess.  1^  151  ■ 156. 

— weisse  Masse  dess.  ^ 151 . 
Rückenmarksnerven  150. 

— Mengenverhältnis»  ihrer  hinteren 
und  vorderen  Wurzeln  L 157. 

— motorische  Wurzeln  ders.  156. 
sensible  Wurzeln  ders.  156. 

* — veränderte  Erregbarkeit  1^  185. 

— Verbreitung  ders.  im  Ccntralorgane 
I,  157. 

— Verbreitung  ders.  in  dor  Peripherie 
I,  155. 

— Verbreitungsgesetze  ders.  1^  156. 

— Wurzelröhren  ders.  L 152. 
Rückenmarkswurzeln  I,  152. 

. — Verbreitung  ders.  1,  159. 

Rückstoss  des  Herzens  II,  85. 

Ruhe,  Einfluss  ders.  auf  die  Erregbarkeit 
der  Nerven  121. 

Ruthe  II,  439.  ' 

S. 

Saligenin  I,  40. 

Salze,  Austritt  ders.  aus  dem  Körpor  II, 

Ü5, 

— der  Frauenmilch  II,  456. 

— des  Harns  II,  400. 

— kohlensaure  1^  2(1 

* — der  Leber  II,  315. 


776 


Register. 


Salze , phospborsnnre  23. 

— tägl.  Aufnahme  ders.  durch  d.  Ver- 

dauung II,  009. 

Salzlösungen , Uebertragungszeit  ders.  aus 
einem  Blutgefässe  ins  andere  II,  19s. 
Salzsäure  im  Labsaft  II,  631 , 

Samen,  männl.  II,  435. 

— Absonderungsgeschwindigkeit  dess. 
437. 

— Aussstossung  dess.  II,  441. 

— Bereitung  dess.  II,  43S. 

Saraenblase,  Bewegung  ders.  I,  218;  II,  441. 
Samendrüscn , acccssorische  II,  439. 
Samenfäden,  Bewegung  ders.  II,  436. 
Samenleiter,  Bewegung  dess.  I,*218. 

Sarkin  I,  4». 

SättigungsgefHhl  II,  586. 

Sauerstoff  1^  Jjs 

— im  Blute  II,  ^4. 

— seine  Funktionen  im  Körper  I*_  18^ 

— sein  quantitatives  Verhältnis«  zur  CO* 
in  der  ausgeatlimeten  Luft  II,  531. 

Sauerstoffatmosphärc  II,  464. 
Sauerstoffaufnahme  d.  d.  Haut  II,  551.  553. 

— durch  die  Lungen  II,  53(T 

— veränderlich  mit  dem  Blutstrom  II, 

5M . 

— nach  d.  Gehalt  d.  Lungenluft  II,  533. 
Sauerstoffausgabe  II,  7 15. 
Sauerstoffverbrauch,  Beziehung  zur  Wärme- 
bildung und  Arbeitsleistung  II,  743. 

Saugkraft  der  Lunge  für  das  Blut  II,  144. 
Säuron nach  d.  Formel  C*nH(2n  — I) Os ; HO 
k 39. 

— harnige  I,  39. 
ßcliall  354. 

— Fortpflanzung  I,  355 . 

— Richtung  dess.  1,  360. 

Scb&lUcitung  zum  Gehörnerven  I,  358. 

, — durch  die  Gehörknöchelchen  I,  367. 

— durch  die  Kopfknochen  1,  3727 

— durch  die  Paukenhöhle  1^  359. 

— in  das  Labyrinth  ^ 369. 
Schallwellen , Länge  ders.  351. 
Schattenbilder  L 349. 

Schätzung  der  Entfernung  durch  das  Auge 
I,  336. 

— der  Grösse  1^  334. 

Scheiner's  Versuch  I,  256. 

Schlaf  L 609. 

Schlauchwellen  II,  69. 

— Bewegung  Ser  Wasserthoilchen  in 
dens.  II,  69. 

— Geschwindigkeit  in  dens.  II,  72. 

— mittlere  Spannung  in  dens.  II,  72. 
— Theorie  ders.  II,  70. 

Schleimbeutel  II,  260. 

Schleimdrüsen  II,  348. 

— des  Magens  II,  362. 
Schleimhautfilter  II,  34?T 


Schleimsaft  II,  348. 

Schleimstoff  I,  55. 

Schliessungszuckung  I,  437. 
Schlingbewegung  I,  213. 

Schlingen  II,  607.  608. 
Schlüsselboingelebke  L 5 1 2. 

Schlund  II,  604. 

Schlundkopf  II,  607. 

Schmerz  I,  395. 

— Abhängigkeit  von  der  Dauer  nnd 

Stärke  der  Erregung  I,  400. 

— Beharrung  dess.  I,  402. 

— Erreger  dess.  I,  396. 

— cxccntrische  Erscheinungen  dess.  I, 

401. 

— Oertlichkeit  dess.  I,  401.  (Weber* s 
Theorie  in  Betr.  <lers.)  402. 
Schrittdauer  I,  557.  558. 
Schulterblattgelenk  I,  513. 

Schwangere,  Milchsaft  ders.  II,  458. 
Schwankung  der  Pulsfrequenz  II,  100. 

— Einfluss  des  KorperzustanTtes"  auf 
dies.  II,  ]02, 

*■—  — der  Nahrung  auf  dies.  II,  101 , 

— — der  Tageszeiten  a.'dies.  II,  100. 
Schwefelcyansalze  L 24. 

Schwefelsäure  Alkalien  1^  24. 

Schwefelsäure  im  Harn  II,  401. 

— ihre  Beziehung  zum  Schwefelgehalt 

der  Nahrung  II,  402. 

Schweiss  II,  367. 

— Absonderungsgeschwindigkeit  dess. 
II,  367. 

— Acnderung  dess.  mit  der  Absonde- 
rungsgeschwindigkeit und  -Dauer 

II,  369. 

— Ansammlung  dess.  II,  36S. 

— Bereitung  dess.  II,  372. 

— Statistik  dess.  II,  372. 
Schwcissdrüssen  II,  367. 

Schwerkraft,  Bedeutung  für  den  Blutlauf 

II,  147. 

Schwerlinic  1^  54iT 

Schwerpunkt- des  GosammtkÖrpcrs  I,  549. 

— des  Rumpfes  549. 

Schwindel  I,  488. 

Sclerotica  I,  346. 

Secretioncn~~ll,  202.  8.  &.  Absonderungen, 
Ausscheidungen. 

Seele  ^ 605. 

— Beziehungen  der»,  zum  Gehirn  1,  607. 
— Organe  ders.  ^ 592. 

— Physiologie  ders.  I,  592. 

— Sitz  ders.  I,  603T 
Sehen  315. 

— Aufmerksamkeit  bei  dems.  1^  32 1 . 

— aufrechtes  ^ 325. 

— Bedingungen  dess.  I,  316. 

— bewegter  Gegenstände  I,  342. 

— deutliches  L 255. 


Digitized  by  Google 


Register. 


TU 


Sehen,  direktes  _L  318. 

— Einfluss  der  Muskelbeweguug  auf 
dass.  1^  320. 

— im  Raume  322. 

— indirektes  I.  318. 

— in  Tcrschiedene  Feme  254. 

— mit  12  Augen  1^  326. 

— Rauravorstellungen  d.  dass.  I,  322. 
— Richtungen  dess  II,  323. 

— Schärfe  dess.  I,  317. 

— — Grenzen  dieser  I,  319. 

Sehnen  I,  530. 

Sohnenknochen  1.  530. 

Sehnenscheiden  1,  530;  II,  260. 

Sehnerv  s.  Nerv,  optic. 

Sehstrahl  ^ 324. 

Sehweite  ^ 256. 

Sehwinkel  L 2G8.  333. 

Seitendruck  in  Wasserströmen  II,  41. 
Selbsterregung  I,  211. 

Semilunarklappen  , Verschluss  der  Kranzar- 
terien durch  solcho  II,  129. 

Sensible  Wurzeln  des  Rückenmarks  siehe 
Rückenmark. 

Seröse  Flüssigkeiten  II,  257. 

— Häute  II,  256. 

Serum  II,  LL 
Sirene  1,  358. 

Skelet  1^  490. 

Skoletiuuskeln  dess.  I,  490.  530. 

— — Wirkung  der*.  1,  53t. 
Skeletsehnen  li  530. 

Sondergeschwindigkeit  des  Blutstromos  auf 
seinen  Querschnitt  II,  189. 
Sopranstimme  I,  560. 

Spannung  des  ~Blutes , abhängig  von  den 
Athombewegungen  II,  144. 

— Arbeitsinaass  ders.  II,  46. 

— Beziehung  ders.  zur  Stromgeschwin- 
digkeit II,  47.  53. 

— des  ruhenden  Blotes  II,  120. 

— Druckmaass  ders.  bei  Flüssigkeiten 
im  AUg.  II,  46. 

— gestörte  im  Blutsystem  II.  124. 

— in  d.  Arterien  II.  135.  137.  159.  172. 

— — in  d.  grosseu  Arterien  II,  172. 

— in  den  Haargcfassen  II,  141.  174. 

— im  Lungenkreisläufe  II,  180. 

— des  strömenden  Blutes  II,  134. 

— in  der  Vena  jugularis  II,  177. 

— in  den  Venen  II,  141.  176. 

— Störung  des  Gleichgewichts  ders.  in 
den  Gcfassen  II,  124. 

— strömende  Flüssigkeiten  II,  44.  57. 

— des  Wassers  II,  44. 
Spannungabnahme  bei  vermindertem  Zu- 
flusse II,  140. 

Spannungunterschied  im  Blutgefässsy steine 

II,  132. 

— . zwischen  Blut  und  Harn  II,  420. 


Spannungswechsel  bei  verschied.  Schlag- 
folge des  Herzens  II,  136. 
Speichel  II,  338.  623. 

— Absonderungsgeschwindigkeit  dess. 
11,  343. 

— Ausstossung  dess.  347. 

— Menge , mittlere  dess.  II,  345. 

— Verdauung  durch  dens.  II,  624. 

— Wärme  dess.  II.  341.  342. 
Speicheldrüsen  II,  336. 

— Blut  u.  Blntstrom  in  dens.  II,  337. 
Speisen  II,  590. 

— Nährfähigkeit  ders.  II,  39 1 . 

— Verdaulichkeit  ders.  II,  591. 

— — im  Magen  II,  639. 

— Verdauung  ders.  II,  603,  638. 

— Wirkung  verschiedener  Säfte  auf 
dies.  II,  650. 

Speiseröhre  II,  607. 
Speiseröhrenverkürzung  217, 

Sphärische  Abweichung  des  Auges  I,  216. 
Sphygmograph  II,  154. 

Spiegelung  der  Cornea  und  Linse  1^  296. 

— der  Retina  295. 

— — diffusive  .L  295. 

— der  Lichtstrahlen  ira  Ango,  Ein- 

richtungen zu  ders.  294. 

— der  Stäbchenschicht  1^  294 
Spielraum  der  Eigentemperatur  des  Warm- 
blüters II,  732. 

Spiralen  dor  Rumpfmuskulatur  1,  401. 
Spirometrie  11,  496, 

Spitzenstoss  des  Herzens  II,  85. 

Sprache  I,  584. 

Spracherzeugung,  ollg.  Beding,  ders.  1,  585. 
Sprachwerkzeuge  I,  559. 

— Nerven  ders.  ^ 591 . 

Sprungbein,  Stellung  dess.  auf  dem  Fuss- 
hodon  1^  553.  • 

Stäbchonschnitt  dor  Retina  I,  297. 

Stärke  der  Licbtempfindung  1,  308. 

Ötearin  1^  30. 

Stearinsäure  I,  25.  27.  33. 

— Wärmeeinhoit  ders.  II,  737. 

Stehen  I,  549. 

Steifung  der  Gelenke  L,  551. 

Steigbügel  I,  367. 

— Uebertragung  der  Bewegung  von 
dems.  auf  das  Labyrinth  1,  369. 
Stereoskop  I,  340. 

Stickgaa  im  Org.  I,  19. 

— Verhalten  zur  Respiration  II,  536. 
Stickstoff  im  Blute  II,  14. 
Stickstoffatmosphäre  II,  264. 
Stickstoffausgabe  II,  714. 

Stimmbänder  I,  565. 

— Spannung  ders.  566.  569. 
Stimme  I,  559. 

— Klang  der*.  560. 

— Register  ders.  1^  572. 


Digitized  by  Google 


778 


Register. 


Stimme,  Reinheit  der».  1.  561. 

— Rcsomiriz ders.  _U  5S0. 

— Stärke  der«,  .‘>01. 

— Theorio  ders.  575. 

— Umfang  der#.  If  550. 
Stimmerzeugung,  Orte  ders.  1.  504. 
Stimmhautatelle  und  -Spanner,  Nerven  ders. 
lv  583. 

Stimmhaut«,  Spannung  ders.  I,  560.  509. 
Stimmritze  U 506. 

Stimmwerkzeuge  1^  599. 

— inittönende  580. 

— Nerven  ders.  ^ 582. 

— Uutersuchungsmcthoden  ders.  1,  502. 
Stoffokonomic  des  Thieres  II,  671.  710. 
Stoflatrömung  b.  genügend.  Nahrung  II.  709. 

— durch  den  Thierleib  II,  671.  710T 
Strahlenbrechung  im  Auge  I,  241. 

— Gesetze  ders.  1^  241. 
Strahlcnbüschol,  Vereinigung» weite  des». 
245. 

Strom,  constanter  in  Röhren  II,  51. 

— in  cylindrischen  Röbron  Ilj~51.  56. 

— in  elastischen  R.  11,  66. 

— in  gleichwciten  gebogenen  Röhren 

II,  61. 

— in  geradem  Cjlinderrohr  II,  ofh 

— in  ungleich  weitem  Rohr  II,  62. 

— in  ungleich  dehnbarem  Rohr  II,  (VT 
— Verlust  dess.  an  Arbeit  II,  6^ 

— in  verzweigten  Röhren  II,  63. 
Strom,  elektrischer  1^  8. 

— als  Geschmackserreger  1^  390. 

— die  Erregbarkeit  des  Muskel»  erre- 

gend 1^  424.  438. 

Strombewegung,  bei  Flüssigkeit,  Mitthci- 
lung  Uber  ihre  Grenzen  II,  49. 

— — bei  Austritt  von  Flüssigkeit 
• durch  d.  Gefässwändo  11,  160. 

Stromcurve,  elektrische  1^  439. 

— Steilheit  ders.  beim  Muskel  1,  439. 
Stromgcscliwindigkeit  flüssiger  Körper  II, 
49.  53.  57. 

Stromkreise,  elektrische,  Einwirkung  auf 
den  Muskel  I,  443. 

Stromprüfung  (elektr.)am  Froschschenkel  jU 
XL 

Stromschwankung,  negative  beim  Nerven 

U 108. 

— — beim  Muskel  I,  438.  464. 
Stromspannug,  absolute  Werthe  der»,  für 

den  Blutstrom  II,  153. 

— durch  Arterien  Verschluss  II,  166. 

— Messung  der».  II,  154. 

— Veränderung  ders.  mit  der  Athcm- 
bewegung  II,  161. 

— — ders.  mit  der  Entfernung  vom 

Herzen  II,  168. 

Stromstärke,  absolute  Werthe  der»,  bei 
Muskclvcrküraung  I.  441. 


Stromzweige,  Abhängigkeit  der»,  von  ein- 
ander II.  197. 

Strömung,  weitere  Ursachen  ders.  in  G« 
fassen  11,  151. 

Strychninkrürapfc  I,  182. 

Strychninlösung,  Wirkung  auf  die  Nerven 

I,  126. 

Sublingualdrüse  s.  Mundspoichel. 
Supinationsgelcnk  515. 

Sympathischer  Nerv  I,  213. 

— Abhängigkeit  Hess,  vom  Hirn  und 
Rückenmark  ^ 219. 

— Absonderungsnerven  doss.  218. 

— Anatomie  dess.  213. 

Anordnung  seiner  Elemontartheile 
I,  214. 

— — der  von  ihm  abhängigen  Bewe- 

gungen I,  223. 

— automat.  Erregung  dess.  1^  224. 

— Elomentartheile  dess.  ^ 213. 

— als  Kmpfindungsvcrmittler  I,  222. 
— Halstheil  dess.  216. 

— Lendentheil  I±  2TT 
— Mittheilung  der  Erregung  zwischen 
dems.  u.  d.  Cerebrospinalnerven 
I,  221.  222. 

— motorische  Röhren  dess.  1^  215. 

— motorische  Wirkungen  des  Hals-, 

Rücken-  und  Lcndentheils  dess. 
1,  216.  217. 

— Muskelbcwegungen  vermittelnd  I, 

222. 

— physiolog.  Verhalten  dess.  I,  2 15. 
— Reflexbewegungen  vormittelhd 

Uh^21L 

— Rückentheil  dess.  1^  217. 

— Sacraltheil  dess.  1^  217. 

— Stellung  zum  Willen  ^ 220. 

— Verbreitungsbezirke  seiner  motor. 
Röhren  1,  215. 

— Verkettete  Bewegungen  in  dems.  ^ 

223. 

Symphysen  des  Beckens  1,  510. 
Synchondrose  1^  496. 

Synergie  der  Augenmuskeln  I,  239. 

Synovia  II,  259, 

T. 

Tagesschwankungen  der  Temperatur  Hun- 
gernder II,  726. 

— — Gespeister  II,  727. 

Tastsinn  (im  engern  Sinne)  I,  407.  487. 

— veränderte  Feinheit  dess.  bei  Raurn- 

unterecheidung  1,  412. 
Tastkörperchen  1,  404. 

Taurin  I.  39. 

Taurochols&uro  I,  37. 

TauryUäure  1^  36. 

Temperatur,  Einfluss  ders.^auf  Nervenerre- 
gung 1^  125. 


Digitized  by  Google 


Register. 


779 


Temperatur  als  Erregerin  d.  Gefühls  1,  MO. 
Temperaturausgleichungen  im  Thierkörper 
11,  752. 

Temperaturbostimmung  II,  739. 
Tempcraturompfindung  4 1 6. 
Temperaturschwankung  d.  Aderlass  11.  72S. 
• - bei  Anstrengungen  II,  728. 

— abhängig  von  Aufnahme  und  Aus- 

scheidungen von  Gasen  II,  724. 

— — von  der  Gallenbildung  II,  721. 

— — vom  Lebensalter  II,  748. 

— — von  Muskelbewegung  II,  725. 

— — von  Nervenerregung  II,  724. 

— — von  der  Lufttemperatur  II,  729. 

— — von  der  Nahrung  II.  724. 

— — v.d.  Sauerstoffverbrauch  II,  724. 

— von  dem  Stotfumsatze  II,  723. 

— von  der  Tageszeit  II,  725. 

— von  Zuständen  der  Haut  und  der 

äussern  Umgebung  II,  729.  751 . 
Temperaturspielung  beim  Warmblüter  II, 
12L 

Tenorstimme  ^ 590, 

Thierisehe  Wärme,  Ursprung  ders.  II,  732. 
Tetanus  electricus  1^  724. 

Thal  wellen  II,  IX 
Themiometrischc  Apparate  II,  720. 
Thräncn  II,  349. 

Thrüncnapparat  1,  347 
Thränendriiae  II,  349. 

Thymus  II,  306. 

— ehern.  Bestandteile  ders.  II,  307. 
— Ernährung  ders.  II,  307. 

Tibialfibulargelcnk  1^  526. 

Todtenstarre  1,  471. 

— Dauer  ders.  I,  473. 

Ton  I,  374. 

— gemischter  1^  375. 

Tonbildung  im  Kehlkopfe  I,  564. 

— Theorie  ders.  1^  5717 

— veränderte  I,  571. 

Tonhöhe  1,  374.  571. 

— Bedingungen,  veränderte  r,  571. 

— — am  todten  Kehlkopfe  I,  574. 
Tonreihe,  Grenzen  ders.  1^  375. 

Tonstärke  ^ 375. 

Tonunterscheidung  1^  380. 

— mittels  Sirene  1,  378. 

Tonus  1^  183. 

Traubenzucker  I,  34. 

— im  Harn  II,  393, 

— in  der  Leber  II,  31 1. 

Traum  I,  609. 

Triebkräfte  der  Absonderung  II,  205. 

— des  Blutes  II,  1 52. 

Trinkwasser  II,  599. 

Triolein  I.  30. 

Trioxyprotein  I,  45. 

Tripalmitin  I,  30. 

Tristearin  I,  30. 


Trockenheit  der  Nerven,  Einiluas  ders.  auf 
ihre  Erregung  1^  125. 

Trommelfell  I,  361. 

— MiUchwingungen  dess.  L 362. 

— Spannung  des».  1,  361.  364. 

Tuba  Eustachii  371. 

Tyrosin  I,  40.  45.  47. 

— in  der  Leber  II,  315. 

ü. 

Uebung  604. 

Umsetzungen,  chemische,  als  Quellen  der 
Nervcnkräfte  1^  142. 

— der  ausgeschiedenen  Stoffe  II,  1 26. 
Uuterkief*  rdrüse,  Blut  und  Bktstrom  de$t. 

II,  337. 

— Speichel  ders.  II,  338. 
Unterkiefcrgclenk  I,  503- 
Unterzungeudrüso  II,  338. 
Ünterzungcngegend , Wärme  ders.  II,  722. 
Uretcren  II,  430. 

Urin  s.  Harn. 

V. 

Vas  deferens  II,  439. 

Venenblut,  Unterschied  vom  arteriellen  II. 

Venenhaut  II,  108. 

Verbindungsmassen  zwischen  den  Fort- 
setzungen der  Nerven  wurzeln  und  Or- 
ganen der  Willkür  1^  208. 

Verbrennung  ini  tierischen  Körper  L J_8. 

— Quelle  d.  tierischen  Wärme  II,  738. 
Verbrennungswämu»  organ.  Stoffe  II,  738. 
Verdaulichkeit  der  Nahrungsmittel  11,  59 1 . 

— der  Speisen  für  d.  Magen  II,  591 . 
Verdauung,  Atifsaugungswege  dess.  II,  652. 

— Chemismus  ders.  11,  621. 

— Mechanismus  ders.  11,  604. 
VerdauungsBäfte,  ehern.  Arbeit  ders.  11,  621. 
Verdunstung  thier.  Flüssigkeiten  L 63. 
Vereinigungsseitc  d.  Strahlenbüschcl  77~240. 
Verhalten,  physiolog.,  der  Nerven  1^  1 10. 
Verhungern  II,  672.  674. 

Verknüpfung  der  Gerüche  1^  397. 
Verkürzter  Muskel  J,  435.  448. 

— Elastizität  dess.  1^  437. 
Verlängerte»  Mark , Elcmcntarbau  dess.  I_, 
187.  IpP» 

Verlängerung  der  Muskeln  durch  Nerv.cn- 
errogung  L 424.  484. 

Verlauf  der  sensiblen  Nervenröhron  durch 
das  Hirn  L 205. 

Verletzung  einzelner  Hirntheile  I,  208. 
Vermischung  d.  Geruchsempfindung  1^  387. 
Vitalismus  T.  2.  ‘ 

Vokale  1,  586. 

Volum  des  Brustraumes , unveränderliches 
II,  493. 

Volum  d.  Brustraumes,  verändcrl.  II.  493. 


IM 


Register. 


Yohimänderung  d.  Einathmungsluft  I,  537. 
Vorkammern , Erscheinungen  während  des 
Kreislaufes  in  den*.  II,  124. 

— Zusaminenziehung  II,  126. 
Vorsteherdrüse  *.  Prostata. 

W. 

Wachsthum  II,  715. 

— der  Knochen  11,  277. 

Wandungen  der  üefässe  U,  108.  297. 

— Nerven  ders.  II,  112. 

Warmblüter,  Temperaturspielung  ders.  II, 
730.  732. 

Wärme,  Bedeutung  der*.  L JiK 
# — Bildung  ders.  mit  Bezug  auf  gew. 
physioL  Vorgänge  II,  741. 

— — in  d.  einzeln.  Organen  II,  749. 

— des  Blutes  11,  721. 

— der  Eingeweide  II,  722. 

— als  Erreger  des  Muskels  1,  436. 

— Folge  des  thier.  Verbrennungspro- 

cesscs  II,  738. 

— latente  der  Nahrungsmittel  II,  724. 

— d.  Nervcnerregbark.  zerstörend  1,  126. 

— als  Ursache  der  phys.-mechan.  Kraft- 

äusserung ul 

— Ursprung  d.  thierischen  II,  732. 

— Verschiedenheit  ders.  n.  d.  Gegend 
d.  Körpers  11,  721.  S.  a.  Temperatur. 
Wärmeeigenschaften  d.  Muskels  1,  432.  407. 
Wärmeeinheiten  d.  thier.  Atome  II,  730. 

— durch  Verbrennung  d.  II.  u.  C.  11,  747. 
Wärmeerzeugung,  veränderliche  II,  740. 
Wärmegewinne  n.  Jahreszeit,  u.  Alter  11,  748. 
Wärmeökonomic  einzelner  Organe  II,  749, 
Wärmeregulatoren  II,  754. 

Wärmesinn  1^  416. 

— Verbindung  mit  Drusksinn  1^  418. 
Wärmcstarro  1|  470. 

Wärmeströmung  durch  d.  Thierleib  II,  745. 
Wärmeunterschiedc  nach  Tageszeiten  11,  723. 
Wärmeverluste  11,  743.  S.  a.  Temperatur. 

— durch  Haut  u.  Lunge  II,  751 . 
Wärmeverlust  durch  Verdunstung  II,  748- 
Wasser  des  Blutos  II, 

— seine  Bedeutung  für  das  Leben  im 

Allg.  L.  UL 

Wasssrausschcidung  II,  712. 

— durch  die  Haut  II,  551. 
Wasserentbchrung  II,  682. 

Wassergehalt  der  Atmosphäre  II,  466. 

— des  Blutes  II,  L4. 

— der  Frauenmilch  II,  457. 

— des  Harn»  II,  408. 
Wasserstoffausgabe  II,  711. 

Wasserstoffgas  I,  19. 

— Wärmeeinheit  dess.  II,  737. 

Weizen  als  Nahrung  II,  593. 

Wellen  in  den  grossen  Arterien  II,  131 . 


Wellenbewegung  in  eiast.  Röhren  II,  68. 
Wollenlänge  b.  Molekularbwg.  (Schall)  1, 337. 
Wellenzeichner  II,  122. 

Werkzeuge,  empfindende  des  Auges  1,  296. 

— luftabsonderndc  s.  Athmungsflacbcn. 

— luftveriindernde  II,  498. 
Wirbelgclenke  L 505. 

Wille,  Ein  wirk.  a.  d.  Selbsterregung  II,  211. 

— als  Erreger  dos  Muskels  1,  435. 

— mechanische  Leistung  dess.  1^  602 
Willkürbewegung  1,  599. 

— mcchan.  Leistungen  ders.  _L  603. 
Willkürerrogung,  mech.  Werthe  der«.  1,  603. 
Wirbel,  schiefe  Fortsätze  ders.  1,  507. 
Wirbelgelenke  1,  545. 

Wirbelsäule,  Muskeln  ders.  L 545. 

X. 

Xanthin  im  Harn  11,  390. 
Xanthoproteinsäure  1^  416. 

Z 

Zahlenverhältniss  zwischen  Muskeln  und 
Nervenröhren  1,  480. 

Zähne  II,  281 . 

— Ernährung  ders.  II,  282. 

— Formfolge  d.  Entstehung  ders.  II,  283. 
Zelle , Einfluss  ders.  auf  ihre  Umgebung 
und  umgekehrt  II,  232. 

Zellenbildung  II,  230. 

— Bedingungen  ders.  II,  2 10. 

— innere  und  freie  II,  231. 

— Veränderungen  ders.  II,  162. 
Zellenhaut,  Wachsthum  ders.  11,  2S6. 
Zellhaut  der  üefässe  II,  107. 

Zergliederung , mechanische  einer  Lebens- 
erscheinung L.  L 

Zerstreuungskreiso  I,  255  (n.  Listing)  I,  270. 
Zotten  des  Darmes  ~TI,  654. 

Zucker  im  Blute  II,  8. 

Zuckerarten  1^  33. 

physiologische  Bedeutung  dess.  I,  35. 
Zuckergährung  durch  den  Speichel  II,  625, 
Zuckergehalt  der  Frauenmilch  II,  456. 
Zuckung  I,  437. 

— Gesetz  ders.  (v.  Pfaffu.  Ritter)  1,  443. 

— paradoxe  I.  90.  - 

— sekundäre  I,  467. 

Zunge,  ThätigkcitUei  d.  Verdauung  H,  604. 
Zusammensetzung  d.  Blutes  II,  L 

— der  Nerven  mit  Bezug  auf  ihre  Er- 

regbarkeit 124. 

Zusaramenziehung  d.  Herzkammern  II,  128. 

— der  Uerzvorböfe  11,  126. 

— titanische  d.  Muskels  I.  438. 
Zuwachs,  elektrischer  I,  99.  100. 

— Gesetze  dess.  1^  100. 
Zwangsbewegungen  1,  208. 
Zwischenwirbelbänder  I,  506. 


Gedruckt  bei  E.  Pols  in  Leipzig. 


‘> 

■ 


Digitized  by  Google 


Soun 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google