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Full text of "Pfaelzische Heimatkunde; Monatschrift für Natur- und Landeskunde der Pfalz"

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De: Breith, Notar 





Monnts[ceift 
für Shule und Haus 


unter Berückfihtigung der Bedürfnilfe der Yfälzifchen Schulen. 


—- 2.24 92 —— 


Schriftleiter: Sehrer Ph. Fanth, Landſtuhl. 


Erfier Jahrgang 
1905. 


Mit 3 Bafeln und 10 Abbildungen im Bext. 


R 


KRaiferslantern. 
Druck und Derlag der ſofbuchdruckerei von Kermann Kanjer. 











HARVARD 
UNIVERSITY 
LIB 


Inhalts-Verzeichnis. 


An die Leſer 

Aus der, Geidichte von Biedesheim 

Auguft Drumm F — 

Ankündigung einer volkskundlichen Sammluug 
Aus Urgroßvaters Zeit 
Alter Turm in Eiſenberg 

Beſetzung des Biſchofsſtuhles in Speyer 
Bender Franz T r 
Bremerhof und das frühere Stiftsgut 
Bayeriſcher Flußgebiets⸗Atlas 

Drakedenkmal in Offenburg 

Dürkheimer Wurſtmarkt 

Dünen in der Pfalz 
Einbürgerung der Kartoffelpflanze 

Einteilung der ehemaligen Grafichaft Eidingen 
Entſtehungsgeſchichte des’ Speyerbacdes 
Erforihung der neolithiihen Berhältniffe in der Borderpfalz 
Zlora von Dürkheim ; s ; : F 
Fauniſtiſche und biologiiche Notizen 

Gruß an die Prälzer Heimat 

Gold im Bliestale 

Großſchiffahrt auf dem Oberrheine 


Seneralverfammlung des Bereins Hıftoriiches Mufeum der Bat 


Beichichte des Weinbaues in der —— 
Großes Faß zu Heidelberg . 
Aydographiiches von Speyerbache 
Dimmelsericheinungen 
Hagelwetter im Bezirke Landau 
Hahresveriammlung der Pollichia 
AJudenfriedhof zu Worms 
Zohanniskreuz . ; 
Breuzotter, betr. Umfrage . 
Kreuzotter, Notiz darüber 
Kartoffel, Notiz darüber 

Klofter Limburg 

Königskreuz, das 


Seite. 


. 8, 16, 24, 48 


12 
21 
39 


Lambrechter Geisbod, der 

Mleteoritenfall bei Krähenberg (Pfalz) 
Mitteleuropäiſche Zeit in der — 

Maifröſte 

Meteor vom 3. Auguſt 

Neue neolithiſche (neuſteinzeitalterliche) Station 
Ockergewinnung in der et en 
Ornithologiiches 

Drtölage und Entwidelung von Raiferslautern” 
Wiälziiche Gemwerbe- und ei 
Pfalzführer, neuer 

AQuedjilberbergmwerfe tm Königöberge bei Wolfflein 


Mömiiche Funde 

Sieges- und Friedensdenkmal bei Edenkoben 
Sickinger Würfel zu Landſtuhl 
Strohdächer 

Schillerdenkmal in Oghertheim 

Sonne, von unſerer 

Schutz der Naturdenkmäler 

Schutz den Wäldern 

Sickinger Bademoor und Moorertrakte 
Sinnesleben der Pflanzen 

Stahlberg 

Sturm am 10, Auguft 

Urkunden, dauerhafte ehrwürdige 

Uhr als Orientierungsmittel 

Von der Meifezeit der Trauben 
Berwendung der Steinkohle 

as wir wollen 

Weiße Diamanten im Obmbarhtale 
Wafjerdampferuption bei Neuftadt 
Waſſerdampf-Exhalation bei Neuftadt 
Wanderbud für den Pfälzerwald 
Wiffenichaftlicher Verein in Bad Dürkheim 
Wo ift es in Deutihland am wärmſten? 
Weltenbummler, ein ; 
Weihnachtsbuch 

Waſſerverbrauch, der 

Bugvögel, Anregung betr. 


Seite. 


103 


Plälziſche Deimarkunde 


Monatsſchrift 
für heimatliche Archäologie, Anthropologie, Geographie, Geologie 
und Botanik ſowie verwandte Wiſſenſchaften. 


Schriflleiter: Lehrer Ph. Sauth, Candftuhl. — fermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 


Die „Pfalziſche —— toftet jährlich in 12 Heften ME. 240. Vellellungen werden von allen Buchhandlungen und 
Poftanflalten ferner vom Berleger (Bortofrete Streifbandfendung) angenommen. 


1. Probenummer. _ Aaiferslautern. .  Oftober 1904. 


IAnbalt: Was wir wollen — Gruß an die Pfälzer Heimat, Gedicht von 3. Boshenz. — Bon 
der Reifezeit der Trauben, vom Schriftleiter. — Die weißen Diamanten im Ohmbadıtale, 
von 9. Deubel. — Die sIdergewinnung in der Gemarkung Battenberg, von 8. Wagner. 
— Aus der Flora von Dürkheim, von Ibckel. — Einbürgerung der Kartoffelpflanze, 
— — An die — — 




















Ras wir wollen. 






SI: n pfälziicher Literatur für Geimatliche Schilderungen ift gerade fein Mangel. 
R y A: Führer durd die Pfalz, Einzelbefchreibungen, Zeitichriften Hiftoriicher 
= oder touriftiicher Richtung gibt es in umfänglich wie inhaltlich genügender 
Zahl. ES hieße diefen Unternehmungen eine unnötige Konkurrenz bereiten, 
wollten wir die dort begangenen Wege auch wandeln. Darum fol es Ziel und 
Zweck unjerer neuen Monatsjchrift fein, in zwedfmäßiger und wünſchenswerter 
Ergänzung der beitehenden Schriften dasjenige aus unjerer an bemerkenswerten 
Eigenihaften und Befigtümern jo reichen Heimatprovinz für fpätere Zeit und zum 
gegenwärtigen Gebrauhe aufzuzeichnen, was den idealen Intereſſen und den 
praktiichen Bedürfniffen dient. An Stoff aus den naturgeichichtlihen und ver- 
wandten Gebieten ift jowenig ein Mangel, daß nur eines die Sorge des Leiters 
fein wird: wie die Fülle bringen, ohne ſich ins vein ftatiftiiche Fahrwaſſer zu ver: 
lieven! In einer ralchlebigen Zeit, wie die unjere ift, muß man ernfte Dinge und 
ſelbſt ſolche, die fi eines augenblidlihen Intereſſes erfreuen, ſchon jchwarz auf 
weiß bewahren, um jie baldiger Bergefjenheit zu emtreißen. Die angenehme 
Möglichkeit einer Rückkehr zu ftiller Betrachtung heimatlicher Verhältniſſe in der 
Arbeitspauje und ein direkter Nubken der Sammlung pfälziiher Charakterijtifen 
für unfere pfälziihen Schulen, allen voran die Volksſchulen, mögen als weitere 
Ziele unfer Unternehmen rechtfertigen. Gerade auf diefem Felde ijt ed nötig und 
möglich, im Zuſammenwirken Gutes zu jhaffen. Wir appellieren an den bewährten 
Sinn der Bevölkerung für heimatliche Angelegenheiten, uns mit Beiträgen aus 
dem Rahmen der im Titel der neuen Monatsihrift erfichtlichen Wiffensgebiete zu 
unterjtügen. Ob wir auf dem Wege find, den Erwartungen zu entipredhen, wollen 
unfere Gönner aus der Brobenummer erjehen. 


Der DBerleger. Der Schriflleiler. 


. — 2 — 


Gruß an die Pfälzer Heimat. 


Sei mir gegrüßt im Morgenſonnenglanz, Die Traube reift auf deinen Kebenhöh'n, 
Bu Deimatland in ewig junger Schöne! | Im Uehrengold erfirablen deine Sluren; 
Du ladji mich an; ein Reigen füßer Töne | Durch deiner Wälder Nacht auf grauen Spuren 
Scmellt mir die Seele zu Gefang und Tanz, | Seh' ich die Geifter der Gefchichte geb'n. 
Und jauchzend mit den Vögeln ſtimm' ich ein: Und in der Wipfel Raufchen fiimm ic ein: 
„Ich grüße dich, du [höne Pfalz am Rhein!“ | „Ich grüße dich, du ſchöne Pfalz am Rhein!“ 


O berrlih Land am ſchönen deutfchen Strom, 
Praus Städt und Dörfer winken, bell wie Sterne, 
Mit deinen waldumraufhten Burgen in der Ferne, 
Mit deinem bebren, dunfeltürm'gen Dom, 
Land, drin die Liebe Blübt, Gefang und Wein: 
„sh grüße dich, du Schöne Pfalz am Kbein!“ 
J. Böshenz. 





Von der Reifezeit der Trauben. 


Solange Erkenntniſſe aus Beobachtungen geſchöpft werden, find dieſe nicht 
zahlreich genug zu jammeln. Die Folgerungen für das praftiiche Reben, welches 
eine auf Borteil und Bequeinlichkeit gerichtete Abficht der Befjergeitaltung verrät, 
find oft ebenfo überraichende als die rüdmwärts deutenden Auftlärungen über 
das Gewordenfein jegiger Zuſtände. Dieſe wiederum können uns Wegweiſer zur 
Abwehr Ihädliher und zur Anbahnung nüglicher Einflüffe werden. Aus jolden 
Erwägungen heraus ericheint es denn auch gerechtfertigt, über den ſcheinbar zu: 
fälligen Wechſel des Geichehend um uns herum Betrachtungen anzuftellen; da mir 
durch Freundliche Vermittlung das in Tagebuchforn gefaßte diesbezügliche Material 
einer ehrbaren Winzerfamilie über allerlei meteorologiihe und den Weinbau be— 
treffende Wahrnehmungen innerhalb der Jahre 1846 — 1886 in die Hände kam, jo 
jei ein unmittelbarer Gebrauch davon gemacht, indem ich auszüglich die Umftände 
andeute, unter welchen an der unteren Hart die Meife der Trauben eintrat. 


Es wäre natürlich hochintereffant, ähnliche Aufzeichnungen auch aus dem 
Gebiete von Grünstadt, Neuftadt und Landau, aus dem Aljenz: und Glantale zu 
bekommen, deren Mitteilung dann aus prafttiihen Gründen leicht und überſichtlich 
in graphifcher Form geichehen könnte. Noc dringender wäre aber eine Fortiegung 
der Notizen bis heute wünjchenswert, ja unbedingt notwendig, wenn die periodiiche 
Wiederkehr bejonderer Neifezeiten von einem höheren Geſichtspunkte aus ge: 
funden werden will. Dieje zu ſuchen ift heutigen Tages nicht mehr abjurd, nach— 
dem eine ganze Reihe von phyfikaliichen, allgemein terrejtriihen und auf das 
Wahstum bezüglihen Ericheinungen fi) von der Sonnenftrahlung, bezw. Sonnen: 
flefentätigfeit direkt abhängig erwielen hat. Mindeſtens wäre es ohne weiteres 
logisch, gerade das Gedeihen der Weinrebe in denjenigen Gegenden, die der nörd- 
lien Verbreitungsgrenze des Weinjtodes am nächſten liegen, von der periodijchen 
Sonnentätigfeit abhängig zu erachten. 


— 


Entwickle ich nun aus den Datumangaben des vorliegenden Tagebuches für 
die erſten Blüteerſcheinungen, das Verblühen, das Erſtauftauchen „heller“ Trauben 
und den offiziellen Herbſtbeginn in den meiner Bearbeitung zugänglichen vierzig 
Yahren wacenheimer Erfahrung Ausmittelungskfurven, um die aus abnormem 
frühjahrswetter und äquinoftialen Wetterftörungen hervorgehenden Ausnahmefälle 
gemildert einwirken zu lafjen, jo entitehen zunächſt fcheinbar zufällige Wellenlinien. 
Gleichwohl überjieht man leicht, da die Kurve der eriten Blüten, dem unbeitändigen 
Frühlingswetter zunächft liegend, am meiften ſchwankt, die des Verblühtſeins fait 
ebenjo, die der eriten hellen Trauben weniger und die des SHerbitbeginnes ganz 
wenig. Das alles ift zwar ohne Bedeutung für die zu findende große Periode, 
d. h. für ihren Charakter und die Deutung, welde man den Wellenbergen und 
Wellentälern inbezug auf die Epochen des Marimums oder Minimuns der Sonnen 
flefen geben muß; aber dieje Periode kann mit einer gewiſſen Sicherheit gefunden 
werden, wenn von mehreren Weinorten und aus längerer Zeit biß heute zuverläſſige 
Angaben nad Art meines oben angezugenen Manuffriptes zur Verfügung geitellt 
werden. . 


Bis jegt läßt fich aus dem begrenzten Stoffe ſoviel erjehen, daß 3. B. die 
Zeitdauer zwiichen den Jahren ganz befonders früher Blüte 32 Fahre, alfo nahe 
drei Sonnenfledenperioden umfaßt, jelbit wieder mit 9, 13 und 10 Jahren Einzel: 
perioden daritellend, wie fie genauer auch von der ſolaren Fyledentätigkeit ſelbſt 
nicht eingehalten werden. Das Jahr 1865 macht allein eıne Ausnahme, war aber 
aud in vielen anderen Beziehungen ein Ausnahmejahr. 


Ebenjo liegen die Zeiten befonders jpäter Eritlingsblüte faft genau zwei Sonnen- 
perioden voneinander entfernt. Die Zeiten des Berblühens fügen fich womöglich nod) 
beſſer in die Periode, natürlich auc die Zeiten der intenfiviten Blütenentwidelung. 


Betradten wir die Kurve, welche fi aus den Daten der Entwidelung der 
eriten hellen Trauben ergibt, jo jehen wir zwei Jahrgänge jehr jpäter Entwidelung 
um genau zwei Sonnenperioden auseinander liegen mit einem mittleren Ausjchlage 
näher der eriten Epoche. Die Kurve des offiziellen Herbftbeginnes geht aus nahe» 
liegenden Gründen faft parallel mit der vorgenannten. 


Ach weiß ſehr wohl, wo die Schwachen Stellen einer ſolchen Unterfuhung 
liegen; es ift aber ebenfo offenbar, daß den Mängeln einer bisher nur ganz ober- 
fdächlich möglichen Vorarbeit abaeholfen werden kann, indem das bis jegt verborgen 
liegende ftatiftiiche Material aufgededt wird. Es wird eine Aufgabe diejer Beit- 
ihrift fein, das für weite Kreiſe hochinterefjante, vielleicht jogar irgendwie praftiich 
verwertbare Unternehmen einer Prognoitizierung der Trauben 
erträge auf kosmiſcher Grundlage zu fördern und zu einem befriedigenden 
Ende zu führen. Für diesmal foll nur gezeigt fein, daß den alten Hausbücern 
nad) diefer Seite hin ein hoher Wert innewohnt, der zu nügen alle Beteiligten 
mitintereffiert jein müſſen. $. 


Die weißen Diamanten im Ohmbachtale. 


Das Ohmbachtal, welches jeinen Namen nad einem Eleinen Bächlein, dem 
Ohmbach, erhalten hat, ift ein gejegnetes Stüdchen Land der Weftpfalz. Ju feiner 
ganzen Länge wird es von niedrigen, meift dichtbewaldeten Hügeln umjäumt, welche 
im Nordojten vom PBogberge und im Südweſten vom Höherberge überragt werden, 
während ſaftige Wiejen und fruchtbare Felder die Ufer des Baches begrenzen. 
Die ftumpf Eegelförmigen Hügel bergen im Innern mineraliſche Schäße mannig— 
faher Art. Außer dem in ungeheurer Mächtigkeit gelagerten und den verjchiedenften 
Farbenichattierungen vorkommenden Sandfteine finden fi ftarfe Melaphyrlager, 


wer 


Kalkiteine und fogar abbaumwürdige Steinkohlenflöge vor. Die Gewinnung diejer 
von heimtüdiihen Bergkobolden bewachten jchwarzen Diamanten ift ein ſchweres 
Stüd Arbeit, aber immerhin lohnend. 

Daß aber im Ohmbadhtale neben diefen jchwarzen auch weiße Diamanten, 
jene Eoftbaren Edeljteine, welche — von der geidhidten Menichenhand Eunftvoll ge 
ihliffen — in der Morgenjonne bligenden Tautropfen gleihen, zu finden find, 
dürfte wohl den mwenigiten Leſern befannt fein. Dennoch ift es jo. Selbige find 
jedody nicht in die hierorts geſchichteten Gejteinsarten eingeiprengt, Tondern fie 
ruhen wohlverwahrt in dem feuerfejten und diebesfihern Schranke der Treifuß'ſchen 
Diamantichleiferei. Dieſes Etablifjement ift eine anjehnliche Fabrik aus mehreren 
Gebäuden beitehend. Es fteht auf dem rechten Ufer des Ohmbaches vor dem 
Eingange des Dorfes Brüden, am Fuße des Neumühlerberges, wovon das 
Anmwejen den Namen Neumühle führt. Zum Betriebe der Schleiferei fteht 
Dampf: und Wafjerkraft zur Verfügung. Dieje Werkitätte ift die einzige ihrer 
Art im Königreiche Bayern. Jedenfalls iſt es für die Leſer interefjant zu erfahren, 
dak in dem mehr ald 1300 Seelen zählenden Dorfe Brüden die zwei Formen des 
Kohlenjtoffes Gegenſtand induftrieller Unternehmung find. Der Schönheit und 
Kojtbarkeit wegen lafjen wir dem weißen Diamanten, dem Fürften der Edeliteine 
den Vorrang der Erjtbeiprehung. — Dieſer Eojtbare, jhon im grauen Altertume 
befannte Edelftein wurde in der geheimnisvollen Werkitätte der Natur durch plutonijche 
Kräfte aus reinem Kohlenftoff in Kryſtallform hergeftellt. Alle Kryitalle haben die 
Form des Dftaöders, d. i. der vierjeitigen Doppelpyramide, und zeigen den joge- 
nannten Diamantglanz. In abjolut reinem Zuſtande ift der Diamant farblos. 
Zumeilen zeigen die Steine aber gelbliche, grünlihe und bräunliche Färbung, welche 
ihre Urfache in der Beimengung organijcher Körper hat. Intenſiv gelbe oder grüne 
Steine gelten ald Naritäten und überiteigen im Preiſe die farblojen Steine in 
hohem Maße. Die Eryitalliniihen Aggregate, welche trübe Färbung befigen, 
bezeichnet man mit dem Namen „Bort”; fie werden als Scleifmaterial benützt 
oder finden bei Schneid- und Bohrwerkzeugen in manchen Induſtriezweigen Ber: 
wendung. 

Die reichjten Fundorte der Neuzeit find im Saplande und hier jpeziell auf 
den Diamantfeldern bei Kimberley. Dortielbft werden die weißen Diamanten auf 
gleiche Weife wie die Schwarzen, nämlich durch Schadhtanlage bergmännisch gewonnen. 
Die Ausbeute ift enorm. Damit der Preis der Diamanten nicht finkt, wandern 
alle Kapdiamanten an das Syndikat nach London. Auf dem Weltmarkte der 
Juwelen werden nicht mehr Steine umgejegt als es die Nachfrage erfordert. 

Um die Bearbeitung diejes weitgereiiten Gejellen, des Kapdiamanten, mit 
eignen Augen fchauen zu können, itatten wir der Zreifuß'ihen Diamantſchleiferei 
dabier einen Beluch ab. Die Diamantinduftrie des Ohmbachtales ruht in den 
Händen dreier Brüder. Zwei davon haben ihren ftändigen Wohnfig in London. 
Von dort aus gelangt das Rohmaterial in Wertpadeten an die hiefige Schleiferei. 
Wir ſprechen zuerit bei dem Chef des Geichäftes, Herrn J. Treifuß, vor. Derſelbe 
geleitet uns in jehr freundlicher Weile auf jein Kontor. Unſer Wunjd, einmal 
Diamanten jehen zu dürfen, wird in bereitwilligiter Weije erfüllt. Er entnimmt 
dem Eiienjchranfe ein Briefpadet und jchüttet den Inhalt desjelben, mehr als 
100 Steine zählend, auf den Schreibtiih. Hier liegen num dieje Fremdlinge als 
NRohproduft von Nadelkopf: bis Erbiengröße ſchön Eryftallifiert und in verichiedenen 
Farbenfchattierungen erglänzend vor unjern Auyen. Das Gewicht diejer Steine 
ihwanft zwiichen Yss und 10 Karat. Das Karat ift ein holländiſches Gewicht 
und ift nur in der Diamantbrande gebräuhlid. Es ift gleih "sg. Größere 
Steine find Seltenheiten. Sie gelten als Raritäten und bilden Juwelenſchätze. 

Bon dem Werkmeiſter geleitet, betreten wir nun den Arbeiterjaal. Dajelbft 
nd in 3 Längsreihen mehr als 30 Schleifſtühle aufgeftellt.. Am obern rechten 


Ende jtehen die Tiſche der Reiber. Es find dies ſtarke Eichentifche mit einer tiefen 
Einbuchtung an der Borderjeite der Tiichplatte. In der Einbuchtung ift ein Kleines 
Käſtchen angebradht, auf deifen mit Metall bejchlagenem- obern Rande die beiden 
Kittftöde während der Arbeit aufgelegt werden, und zwar dienen denjelben wiederum 
zwei auf dem Metallrtande angebrachte Stahlitifte al8 Halt. Wir jehen den 
Ürbeitern zu. Mit Eräftigem Drude werden die in beide Kittſtöcke eingefitteten 
Diamanten jolange aneinander gerieben, bis die Rundung vollendet und die Stelle 
der Tafelfläche gekennzeichnet ift. Die Arbeit befteht ja darin, dem Diamanten 
die Grundform zum Brillanten zu geben. Es ift dies eine mühſame, fiir das 
Gelingen de3 Schliffes jehr wichtige Arbeit. Die bei der Reibung erzeugten Staub: 
teilhen werden in einem feinen Siebihen des Käſtchens aufgefangen. Die Steine, 
welche nad diejer Arbeit volljitändig ihres Glanzes verluftig find, und viel von 
ihrem Gewichte verloren haben, wandern alsdann padetchenweije in die Hand des 
Scleiferd. — 

An einen Scleifftuhl herangetreten erjehen wir, daß auf einen malfiv ge 
bauten Geftelle eine am Rande erhöhte Platte ruht. In der Mitte derjelben 
freift mit ungeheurer Geihwindigfeit in horizontaler Richtung eine aus feinkörnigem 
Bußitahl bergeitellte Schleificheibe. Dieje Umdrehungen — 3000 in der Minute — 
find jo raſch und gleichmäßig, daß die Scheibe ruhig zu ftehen jcheint. Jede einzelne 
Scheibe wird mitteld Riemenwert von der an der Dede der Werkitätte liegenden 
Maihinenwelle zur Rotation gebradt. Ehe die Scheibe zum Scleifen gebraucht 
wird, wird fie mit einer Miſchung von Diamantftaub und Dlivendl beftrichen. 
Der zu jchleifende Stein wird mitteljt eines Lotmetalles, d.i. eine Miſchung von 
Zinn und Blei, in der halbkugelförmigen Höhlung eines Kupfergriffel® befeſtigt, 
welcher in eine Art Zange jo eingeipannt wird, daß man ihm verjchiedene Stellungen . 
zu geben imſtande iſt. Durd ein belajtendes Gewicht wird alsdann der gefaßte 
Stein unter gleihmäßigem Drude auf die rotierende Scheibe gejegt. Iſt num in 
der betreffenden Richtung eine FFagette von erforderliher Größe angeichliffen, jo 
wird da3 Lot an einer Eleinen Spiritusflamme erwärmt, der Stein mitteld einer 
Pinzette umgejegt und fofort eine andere Facette in Angriff genommen. Dieje 
Arbeit wird folange fortgejegt, bis der Schliff auf allen Seiten vollendet ift. Ein 
ſehr geichidter Arbeiter vermag etwa 12—15 Steine zu gleicher Zeit in Arbeit zu 
nehmen. Dazu gehört vor allem eine geihidte Hand und ein ficheres Auge. Flint 
bewegen jich die fleigigen Hände der meilt nod jugendlichen Arbeiter, die immer 
(uftig und froh bei der Arbeit find. Nachdem wir noc eine zeitlang dem einen 
oder dem andern Arbeiter zugeichaut haber, verlaffen wir den Saal und jpreden 
nochmals bei dem Herrn Fabrikbefiger vor. Derjelbe zeigt und jegt eine Partie 
fertiger Ware. Direkt unter einer elektriihen Lampe breitet er diefe im wunder» 
barjten Lichte erftrahlenden Steine aus, welche alle, auch der allerkleinfte, in 
Brillantforın geichliffen find. Was den Diamanten zum Fürjten unter den Edel: 
fteinen erhebt, das ift das wunderbare Farbenipiel, welches durh das ihm im 
höchſten Make eigne Brehungsvermögen erzeugt wird und in der Brillantforn 
zur höchſten Wirkung kommt. In diejer Form gruppieren fih um eine achtjeitige 
Zafelflähe 56 teils vier- teild dreiedige Flächen, Facetten genannt. An Stelle 
der Spige tritt die 5Bfte Fläche. Jeder Strahl weißen Lichtes, welcher gebrochen 
aus irgend einer Façette austritt, wird in die Farben des Regenbogens zerlegt. 
Diefe Farben verlaffen aber die Flächen unter jo vielen und jo verjchiedenen 
— — daß fie getrennt ins Auge und daher zu ſolch lebhafter Farbenwirkung 
gelangen. 

Alle hier geichliffenen Diamanten wandern wieder zurüd auf den Juwelen— 
markt nad) London. Dortjelbit werden größere Steine einzeln, die Eleineren dagegen 
partienweije abgejegt. Als Schmud treffen wir jie dann im Fingerreif, ja ſelbſt 
bis zur Fürſtenkrone auffteigend. Wollen wir ung einen Diamanten als Andenken 


— 6 — 


an den Beſuch in der Diamantſchleiferei im Ohmbadhtale mitnehmen, jo iſt der 
Befiger jo freundlich, folhe im Gewichte von Yıs Karat zu 30 Mark bis 5 Karat 
zu 3000 Mark anzubieten. 5. Deubel. 








Die Ockergeminnung in der Gemarkung 
Buttenberg. 


Wie luſtig fingt unfere Schuljugend das Liedhen: „Ach lieb’ das jchöne 
Dörfhen ꝛc. ꝛe.“ Dies gilt hauptſächlich unſerem Eleinen Dorte Battenbera. Frei 
auf der Höhe, 320 m Über NM. N. und 220 m über dem Wafleripiegel des Rheins, 
ltegt da8 Dorf auf der Unterhart. Die Gemarkung bildet eine Eleine Hochebene, 
nad) drei Seiten abſchüſſig und nur auf der Weſtſeite mit dem Bergrüden zuſammen— 
bängend. Battenberg ift alten Uriprungs. Zur Zeit Karls des Großen ftand 
bier oben eine Kapelle und neben diefer eine Wohnung der damaligen Glaubens: 
boten. Der Ortsname hatte in verfchiedenen Zeiten eine ganz verichiedene Schreib: 
weile. Go finden wir Battenberg und Bettenberg, Badenberg und Batenberg, 
Bittberg und Betberg (heute Battenberg). Hieß doch batten') jo viel als beten 
oder bitten und jo mag Battenberg auf Bitt- oder Betberg zurüdzuführen fein?). 
In früherer Zeit wurde hierher gewallfahrtet, die Toten der Umgegend wurden 
mit Vorliebe hier begraben. Battenderg war in Wirklichkeit ein Betbere Gar 
reihhaltig ift die Mineralogie auf unferem Berge vertreten; der Mineraloge findet 
Ddererde, Faſerbaryt, Brauneifenftein, bunten und gelben Sanditein, Oxrydröhren, 
33% Eifenerz, Manganerz, veriteinerte Mufcheln, Opal, Schweripat. Gewiß lauter 
Dinge, die in anderen Gemarfungen wenig oder gar nicht vorfommen. 


Im Hinblid auf unfere Überjchrift wollen wir heute etwas über die Oder 
gewinnung berichten. 

Bor einigen Jahrhunderten war auf der nördlichen Seite ded Dorfes eine 
Silberfhlemmerei. Durch Ausbeuten des Silberd fam man an die Dder- 
ſchlemmerei. Im DOderfand finden fich Eleine Silberteilhen. Der Oder findet fich 
‚in den Ablagerungen der Tertiärzeit. Er verbreitet fid) in einer Länge von etiva 
1 km. Streifen von 10 cm bis zu I m Mächtigfeit durchziehen den Lehm: und 
Sandboden in einer Tiefe von 10—20 m. Mandmal endet die Echicdhte und ſetzt 
fih dann nad Unterbrehung von einigen m weiter fort. &o findet man der, 
die in einigen Jahren ausgebeutet find, während ein anderer Ader, etwa 200 m 
abliegend, noch eine langjährige Musbeute zuläßt. Die Gemarkung birgt zwei 
Arten der jeltenen Erde, den dunfeln oder Brennoder und den hellgelben oder 
Ballenoder. Eriterer wird z. 8. nicht mehr geſchlemmt, jondern als Rohoder zur 
Farbenfabrif im Nacbardorfe gefahren und dafelbft zu vielerlei Anſtrichfarben 
verarbeitet. Die Tonne Rohoder bringt dem Beliger etwa 10 ME, ein. Der 
gelbe Oder wird geſchlemmt und macht die Reife als Ballenoder (Tüncherocker 
gelbe Kreide) durch Deutichland, Schweiz, Ofterreih und Rußland. 

Früher, vor der Leit der GEifenbahnen, waren etwa dreißig bis vierzig 
Schlemmereien (Kleinbetriebe) vorhanden. Heute find diejelben verichwunden bis 
auf vier Für den Landwirt ift die DOderproduftion heute ein Nebenerwerb, 
während diejelbe vor dreißig Fahren Haupterwerb war. Dies hat feinen Grund 
darin, daß ehemals pro Zentner 5 ME, bezablt wurden, jegt nur mehr 1,50 ME. 
bi8 2 ME. Trogdem werden pro Jahr nocd bis 100 Tonnen geichlemmt. Der 
Nohoder wird nicht bergmänniich gewonnen. Die Fundgruben find Taglöcher bis 
zu einer Tiefe von 15 m. Das Ausgraben ift für den Schlemmer eine Winter: 


) Heute nochleriitiert „batten” in der mundartlihen Form: „'s batt nix“. D. Sch. 
9 Bgl.: „Bettenhaufen”“ beit Glanmünchweiler (Betbaus beit Slanmöndmeilen. D. Sc. 


— U 


arbeit. Im Januar und Februar, bei Froft und Schnee, kann derjelbe in der 
Deergrube arbeiten. Zuerſt werden Humus und Geftein abgehoben; alsdann wird 
die Ockerſchichte ausgeſtoßen. Sit die Grube tief, dann wird der Rohoder in Körbe 
gefüllt und durch Aufftieg auf einer Leiter auf den Acker aufgejchüttet. Bon hier 
aus wird er zur Sclemmerei oder direkt zur Fabrik befördert. Die warme 
Frühlingsſonne bringt den Schlemmer an jeine Arbeitsftätte. Cine Tonne von 
etwa 5 hl Inhalt wird mit Waſſer und Nohoder, unter dem fih Sand und Ge- 
jtein befindet, gefüllt. Dann dreht der Schlemmer jeine Schippe jolange in der 
Miihung under, bi8 Sand und Geftein am Boden der Tonne lagern. Die Oder- 
erde hat ſich mit Waffer verbunden und bleibt oben, ähnlich wie DL auf Waſſer. 
Der Zapfen der Tonne wird gezogen und die reine Ockerbrühe fließt in einen 
Kalten ab. Hit derjelbe gefüllt, dann kommt die breiige Ockermaſſe auf den eriten 
Trodenraum — die Bente. Nad) einigen trodenen Tagen ift das Wafjer ver- 
dunftet und die reine Ockermaſſe wird in Ballen geformt. Lettere kommen auf 
den Trofenraum, Britiche, und bleiben dajelbit etwa 2 Monate liegen und werden 
dann zum Verkauf gebradt. Ein gewandter Schlemmer kann pro Tag bis 3 Bir. 
ichlemmen und hat dann einen Tagesverdienit von 2,20 ME. — Daß die Arbeiter, 
bejonders in den Gruben, jehr vorfichtig find, beweilt die Tatſache, daß bis jett 
nur ein Unfall hier befannt it. Sm Jahre 1861 nämlich fand ein Farbwäſcher 
Nasdol in einer Ockergrube durch herabfallenden Schutt feinen Tod. 

Der 27. Pfarrer, Philipp Daniel Kremer, 1823— 1848 hier, geiturben in Ylbes* 
heim am 30. März 1870, hat fi) um die hieſige Gemeinde jehr verdient gemacht. 
Er Eonftruierte hier den erjten Brennofen, wodurch e8 möglich wurde, den gelben 
Deer in glänzendes Engliichrot zu verwandeln. Dies gab die Anregung zur An— 
lage der Farbwerke im Karlbadı Tal. A. Wagner. 


Aus der Zlora von Dürkheint. 


Für den Botaniker bietet die nächte Umgebung Dürkheims ein dankbares 
Feld. Infolge der Salzquellen und Kalkhügel it die Flora eine ganz eigenartige 
und mannigfaltige. Es jollen hier nur ſolche Pflanzen namhaft gemacht werden, 
welche in andern Zeilen unjerer Pfalz entweder gar nicht oder doc nur jelten 
vorkommen. In unmittelbarer Nähe der Gradierwerfe auf den Bleichwiejen finden 
wir jolche, die zu ihrem Gederhen jalzhaltigen Boden verlangen. Glaux maritima L., 
Mieerstrands: Dreizad, Lepidium latifolium L., Breitblätteriges Pfefferfraut, Sper- 
gularia salina Presl., Salz. Schuppenntiere, Samolus Valerandi L., Salzbunge, hinter 
der Saline und längs der Iſenach bis nach Frankenthal Hin,') Apium graveolens L., 
gemeiner Sellerie. Auf den Kalkhügeln bei Kallftadt und Leiftadt findet man nod) 
Hutchinsia petraea R. Br., die Felſenkreſſe, desgleichen Globularia vulgaris L., die 
Kugelblume und Trinia glauca Dumort., die meergrüne Trinie, Inula hirta L, der 
rauhhaarige Alant. Doc, dürften die drei eritgenanuten Arten in abjehbarer Zeit 
aus unjerer Gegend verjchwinden da jedes Fledchen auf den Kalkhügeln zur Anlage 
von Weinbergen umgerodet wird, wie auch viele Drcdideenarten, die früher daielbit 
vorfamen, verihwunden find. Dafür erzeugen dieje Kalkhügel jet ein anderes 
Blümden, das aud von Nichtbotanikern nicht minder gelucht und geichägt wird. 





) Bgl. die Verbreitung gewiſſer Alpenpflanzen, z. B. des Enzlan, über die bayerifche Hoch— 
ebene und längs des Oberrheins. Intereſſant ijt, daß die falzbedürftige Pflanze mur längs des 
Baches, nicht breit über die Felder Hin zerjtrent, vorfommt, weil fie offenbar feine fortpflanzungs- 
fähigen Samen erzeugt und mangel$ der notwendigen Bedingungen nad kurzer Entwidelung 
untergebt. Die Pilanzenindividuen fcheinen dur ihre Samen unmittelbar durch das Waller 
angefrebelt worden zu fein. 


— — 


Zwiſchen Grethen und Seebach wächſt häufig eine Grasnelke, Statice elongata 
Hoffm., welche ſich auch ſonſt nirgends in der Pfalz finden dürfte. Am ſogenannten 
Geißenwege treffen wir Isatis tinctoria L., Färberwaid, melde Pflanze aud in 
großer Anzahl auf dem Schutt des Pedjjteinkopfes bei Forſt vorkommt, mojelbft 
Schreiber diejes vor zwei Jahren aud einige Eremplare von Salvia verticillata L., 
wirtelförniger Salbei, angetroffen hat. 

Als einziger Standort in der Pfalz für Tritillaria Meleagris L, Schahblume, 
dürften die Wieſen hinter dem Wachenheimer Bahnhofe fein, woſelbſt fie recht 
häufig teils in weißer teil8 in brauner Färbung zu finden ift. Iörkel, 


Ginbiürgerung der Bartoffelpflanzge. Es beitcht der Wunſch, 
über die Einführung des Kartoffelbaues in unjerer Pfalz einiges Nähere zu erfahren. 
y Übereinftimmung mit unferen Bielen erbitten wir daher von den verehrten 
ejern Notizen hierüber, die ſich vielleicht aus den Traditionen älterer Bauersleute 
oder in Familienchroniken alteingejefjener Geichlechter gewinnen laſſen. Auch die 
Bemeindearchive können Anhaltspunkte bieten, wann und unter weldhen Umſtänden 
das heute unentbehrlich gewordene Bolksnahrungsmittel bei und Eingang fand. 
Soviel jcheint gewiß zu fein, daß dies erit in den legten Jahrzehnten des 18. Jahr: 
hundert3 der Fall war. Im Intereſſe einer befriedigenden Klärung diejer Frage 
erlauben wir uns die Rundfrage in diejer Zeitjichrift und bitten, etwa gefundene 
Angaben an die Schriftleitung einzujenden. 

An die Lefer, 

Die „Pfälziihe Heimatkunde” Hat fich eine jehr umfaffende Aufgabe geftellt. 
Wie alle derartigen Unternehmungen, welde ihre Eriftenz zum großen Teile der 
Opferwilligkeit Weniger verdanken und der Offentlichkeit in ſelbſtloſer Weije dienen, 
kann die neue LBeitichrift nur gedeihen, wenn eine Reihe von Mitarbeitern eben 
dasjenige Material zujanmenträgt, welches zu wiſſen jedem heimatliebenden Menjchen 
eine Freude und Berriedigung, jedem Lehrer eine angenehme berufliche Unterjtügung 
fein wird. Der Berleger und der Scriftleiter werden es an nichts fehlen laſſen, 
was zu erfüllen in ihren Kräften jteht; aber die Hauptarbeit wird aus den Händen 
einfichtiger Mitarbeiter kommen müſſen, um aus allen Zeilen unjerer engeren 
Heimat Kunde zu bringen, was jeden als Bejonderes und Eigentümliches ziert, 
was die Natur beut; was Menichenhand erzeugt, wie jie fi Kräfte nugbar macht, 
wie fie fih behelfen muß; wie die Bewohner der Gaue arbeiten, ſich nähren, ſich 
vergnügen; wie es ehedem war und wie e3 jet ijt; welche Hoffnungen und melde 
Enttäujhungen man erlebte u. dgl. m. Gin wahrer Schag heimatliher Eigenart 
ihlummert im Gedächtniſſe Einzelner und bleibt in engen Lebensverhältniffen ver- 
borgen. Diefen zu heben und an das Tageslicht der DOffentlichkeit zu fördern, 
(lebendig wirfend zu madhen zu Nug und Frommen der Schule und des heimat- 
freundlihen Haufes fei die Loſung unjerer Gönner. Der Verleger wird im Intereſſe 
des Beitandes feiner zeitgemäßen Unterachmung umfangreidere Beiträge und folde, 
deren Mitteilung mit bejonderer Mühe verbunden war, honorieren. Wir laden 


die geehrten Mitarbeiter ein, Ihre Beiträge direft an den Schrift 
leiter einzujenden. 





Verantwortlich für die Schriftleitung: Lehrer Pb. Fautb in Landftuhl 
Sür Sorm und Inhalt der Berträge find die Kerren Derfaifer verantwortlich 








Druck und Derlag von Rermann Kayſer, AR. B. hof» Buchdiucherei in Aauferslautern. 





2. Probenummer. 


an 


Dezember 1904. 


JPALZISCHE HEIMATKUNDE | 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


EMANNHEMIR 





Berwendung der Steinkohle. 


Es iſt Elar, daß in den Gegenden 
ausgedehnter Steinkohlenproduftion ſchon 
recht frühe die Verwertung der Fohle 
als Brenn- und Heizmaterial üblich war, 
wenn auch zugeitanden werden muß, dar 
in früheren Seiten, al& der Waldreichtum 
des deutichen Landes noch ein enormer 
war und nicht zur Sparjamfeit mit dem 
heutzutage Eojtbar gewordenen Holze 
mahnte, der Verbraud an Steinkohlen 
ſicher ein bejchränfter, vielleicht wegen 
der unangenehmen Begleitericheinungen 
des SKohleverbrennens jogar verpönter 
war. Daß aber die Brennbarkeit und 
die große Heizkraft des jeltenen Minerals 
auch fernen Zeiten befannt geiwejen fein 
muß, geht jhon aus dem Borkommen 
fogenannter Tagkohlen hervor, die ſich 
dem Auge und der Unterfuhung von 
jelbit darboten, wenn auch vielleicht erit 
der Zufall die Brennbarkeit derjelben 
gelehrt haben mag. 

In der Saargegend ſcheint man den 
Charakter der Steinkohle jhon jehr frühe 
erkannt zu haben. Im reife Merzig, 
ın der Nähe des heutigen Bedingen, hat 
man die Reſte einer römiihen Billa auf: 
gefunden. Bei den Ausgrabungen der 
Trümmer derjelben ergab ſich als jeltenes 
und hochintereſſantes Fundſtück ein mehrere 
Fauft dies Stüd Steinkohle, das halb 
verbrannt war. Eine ungezwungene Er» 
klärung findet ſich auch zu diefem Funde, 
denn etwa dreiviertel Stunden von dort 


entfernt treten bei Düppenmweiler Aus— 
läufer der Saarkohlenflöge zutage. An 
ſolchen Stellen wurden die Rodlen offenbar 
von den Römern, die ja viele Wohnorte 
in diefem Bezirke hatten, entdedt, abge— 
baut und zum Brennen benugt. Es mag 
fogar jein, daß eine ehemalige römiſche 
Zöpferei, die fi) in Düppenmeiler be- 
funden haben joll, an dem Verbraud; des 
intenjiveren SHeizitoffes beteiligt war. 
Die ältefte noch vorhandene urkund- 
liche Nachricht über die Kohlengewinnung 
im Saargebiete iſt ein Richtungsbrief 
aus dem fahre 1430. Friedrich Greiffen- 
Eau von Vollrats überträgt darin der 
Gräfin Wittwe Elifabeth von Saarbrüden 
jeine „Iſſenſchmitten und Kohlengruben 
im Sinder Dal und darumb“, das ift 
bei Sciffmeiler im heutigen reife Dtt- 
weiler. Die Kohlengewinnung bei Dud— 
weiler und Sulzbach weſtlich von St. Ing— 
bert wird in Urkunden von 1549 und 
1586 erwähnt. In legerem Schriftftüde 
beißt es, daß ſchon damals die Kohlen: 
gräberei an den genannten Orten ein 
„Bebraud von Altersher“ gemejen jeı. 
Die Belgier konnten im Kahre 1897 
aber das 700jährige Jubiläum der bel- 
giihen Kohle feiern, nachdem feititeht, 
daß ein Schmied aus Lüttih im Jahre 
1197 diejelbe entdedt und zum Heizen 
verwendet habe. Nah authentiichen 
Dokumenten jollen denn aud in unjerem 
Nachbarlande bereit8 im Jahre 1288 


Steinkohlenminen in vollem Betriebe ge- 
weſen fein. Dieje Umftände find doppelt 
interefjant gegenüber der Verwendung der 
Saarkohlen, als aud die erften Kohlen 
blöde von Neweaſtle früheitens im Jahre 
1316 nad) London gebracht worden fein 


Aydrographilches 


Wen hätte nicht jchon die Sonder: 
barkeit fiußig gemacht, welche uns im 
Speyerbache entgegentritt und welde das 
Bild der Wafjerläufe der vorderen Pfalz 
harakteriftiich beeinflußt? Aus zwei 
iemlich gleich ftarfen Duellbähen jet 
ni eın Gewäſſer zufammen, das nad 
einem faum 10 km langen Laufe wieder 
in zwei Mündungsarme von weiter 
Deltafpannung auseinander jtrebt. Wo: 
her die jeltene Erjcheinung einer „Bifur- 
kation“? Biehen wir die ältere General: 
ſtabskarte zurate, jo finden wir einmal 
die Namen Rehbad und „Triftkanal nad 
Frankenthal” für die nördliche Abzwei- 
ung, die ihren Weg über Iggelheim, 

hifferftadt, Rehhütte und Neuhofen 
nimmt und 1,5 km öſtlich von Rhein— 
zu. unter jpigem Winfel in den 

heinbogen mündet, unterwegs ziemlich 
gleihmäßiges Gefälle von im Ganzen 
42 m einhaltend — und zum andern 
Speyerbadh oder „Triftkanal nach Speyer” 
oder „Floß- oder Speyerbach“ für die 
jüdlich den Nonnenwald umfliegende Ab— 
zweigung über Speyerdorf und ſüdlich 
an Hanhofen und Dudenhofen vorbei 
direft nad) Speyer, wo die Mündung 
3 m höher liegt als die des Rehbaches. 
Haben jchon die Namen und Zweck— 
benennungen einem Zweifel an der na- 
türliden Entſtehung der Wajjerader 
gegen Speyer hin Raum gegeben, jo 
wird dieſer unterftügt, wenn wir die 
merkwürdigen Gefälleitufen derielben be: 
trachten. Bi8 1 km vor Speyerdorf 
eilt das Wafjer mit 2,755 m Gefälle 
pro Kilometer abwärt!, um dann auf 
4 km bis zur „Frohnmühle“ nur 0,725 m 
pro km abwärts zu gelangen; bis zur 
Kreuzung mit der Diftriktsitraße nad) 
Hanhofen (4,25 km) ſenkt ſich der Spiegel 
1,365 m pro km, auf weitere 3,5 km 


10 


| 


| 


follen, wo fie den Schniieden und Brauern 
infolge ihrer intenfiveren Heizkraft will- 
kommen waren. Im Saargebiet jcheint 
man aljo am früheiten den Nugen unferer 
„ſchwarzen Diamanten“ erfannt und ge 
würdigt zu haben. ; 


vom Speyerbache. 


— — — — — — — —— — — — — — — 


(ſüdöſtlich von Hanhofen) bloß 0,829 m 
pro km; dann kommt die intereſſanteſte 
Strecke, auf welcher der „Speyerbach“ 
während 6 km nur 0,483 m Gefälle pro 
km bat; vom Rande der Stadt Speyer 
an bi8 zum Rheine ift das Gefälle 6,9 m 
pro km, während unter Borausjegung 
einer gleichmäßigen Senkung des Bettes 
das Gefälle 1,625 m pro km wäre; bei 
dem Rehbache beträgt derjelbe Wert, der 
aber, auf dem ganzen Laufe ziemlich 
genau eingehalten bleibt, 1,50 m pro km. 
Berraten ſich jchon in dieſen Zahlen 
ungewöhnliche Umftände, — o fließt fein 
Bath! — jo wird ein weiterer Beweis 
für die Anomalie dur die „Zuflüſſe“ 
von Süden her erbradt. Da kommt 
von der Kalmit her der Kropfsbach, aus 
dem Edenkobener Tal der Triefenbad, 
die fih vor Geinsheim vereinigen und 
als Altbach oder Diſſenbach in das Bett 
des Speyerbaches ergießen ; hochinterejjant 
ift nun, daß 25 m unterhalb diejer Stelle 
dieſes Wafjer feinem natürlichen Zuge 
nah ONO folgt und jo gleihjam dent 
Speyerbach durchquert. Haben ſchon 
Eis, Eckbach, Fuchsbach und Iſenach ihre 
Bogen immer mehr der Rheinrichtung 
angeichmiegt und der Rehbach die Tendenz 
gewiffermaßen am hartnädigften bezeugt, 
jo jtrebt auch das Gewäſſer bei Eden- 
koben in demjelben Sinne zu Rheine, 
weıl eben der allgemeine Zug des Fließen— 
den mit der Verengerung des Raumes, 
der vom ehemald mächtigeren Strömen 
des heutigen Aheines beherricht war, um 
jo deutlicher nadzN abbiegt. So kommt 
denn der fräftigere Modenbad zu völligen: 
Barallelismus mit dem Rehbache und der 
ainbadgraben übertrifft ihn noch im 
treben nad) NO. Die Natur hat auch 
dem Modenbad) j. 3. den Weg über das 
untere Stüd des Hainbaches gezeigt, mo 


11 


[egterer heute noh am O-Ende von | vor der Stadt wieder raſch zu fallen. 


Dudenhofen vorüber fi) zum Woogbade | 
wendet; diejer iſt die natürliche Fort— 

ſetzung des Diffenbahes und ſomit — 

abgejehen vom Speyerbache — die von 

der Natur geichaffene Ader, welche ſämt— 

liches Gewäjjer von Lachen her und aus 

den Tälern von St. Martin, Edenkoben, 

Edesheim, Roihbad und Waldheim, alio 

aus einer 10 km breiten Bone, nad) 

Speyer führte. Hätte man nod einen 

leifen Zweifel, ob der „Zriftfanal” oder 

Floßbach“ nah Speyer künſtlich quer 

durch das natürliche Net von Waller: 

läufen gezogen it, jo gäbe der unſchein— 

bare „Ranſchgraben“ einen weiteren Be- 

weis ab. Diejer nimmt jeinen Weg 

unterhalb der „Frohnmühle“, kaum 200 m 

vom heutigen „Speyerbach“ entfernt, im 

jelber Wiejengrunde, läuft eine Zeit lang 

parallel mit dieſem umd geht in ganz 

gleihmäßigen Gefälle im schön ge 

Ihwungenen Bogen nad) Norden, um fich 

kurz vor Rehhütte mit dem Rehbache zu 

vereinigen. Wäre der heutige Speyer: 

bad) eine natürliche Wafjerader, jo müßte 

jein Wafjer dem Laufe des Ranichgra- 

dens folgen oder von jeher gefolgt jein. 

Übrigens hätte derfelbe nicht weit unter: 
halb der Annäherung an die DQuellitrede 
des Manichgrabens eine zweite Gelegen- 
heit zur Wendung gegen NO, wiederum 
zu diefem Graben hin. 

Um mehrere natürlide Wajjerläufe 
zu freuzen, muß man deren trennendes 
Zwiſchengelände von etwas höherem 
Niveau überfteigen. Dasſelbe tut aud 
der jogenannte Speyerbadh. Den Difjen- 
bad von Geinsheim her hat er nod) in 
der Höhe des Wafleripiegeld gekreuzt 
und der ihm links wieder entwijchende 
Woogbach ift tatſächlich an der Gabelungs— 
ſtelle um ein Drittel breiter als er jelbit; 
hier finden fich zudem Ausmauerungen 
der Ufer als Zeugen des Eingriffes der 
Menichenhand vor. Erſt der Modenbad 
bringt 1 km abwärts die Wafjermenge 
unjeres Floßkanals auf die des MWoog- 
baches. Nun fteigt aber das Terrain 
gegen Speyer ziemlich ftarf an, um kurz 


Diefe Stufe muß der anal nehmen 
und jo fein Gefälle reduzieren; da ihm 
aber der Hainbad) hinderlich in die Quere 
kommt, to läßt er diefen ſamt jeinem 
Tälhen einfach — unter fi Hinmweg- 
ziehen! Wir treffen die Abionderlichkeit, 
dak das Kanalbett auf eine Strede von 
1! bi8 2 km Länge auf einem 
Danıme liegt, beiderjeit3 von Dämmen 
eingefaßt. Südweſtlich von Dudenhofen, 
wo der Hainbach — auf der Duden» 
hofener Seite Krebsbach genannt — ihn 
kreuzt, muß folgerichtig die höchſte Stelle 
des Dammkanals liegen; fie erreicht dort 
tatſächlich 1e bi8 2 m. Da nun der 
unjcheinbare Graben (Hainbad): Krebs» 
bach) in einer Dohle unter dem Kanals» 
damme hindurch geführt ift, jo ift das 
icheinbare Hydrographiihe Rätſel des 
„Speyerbaches“ gelölt. a, um den 
Krebsbahh — jein Name mag von der 
ehemaligen fürftbiichöflichen Krebszüchterei 
heritammen — in heißer Jahreszeit jei- 
nem Namen würdig zu erhalten, hat man 
den Kanal zur Ader gelafjen und ein 
Nohr von der Weite eines Dfenrohres 
(„Zwölfmannsdohl”) aus den Stanalbette, 
wo ed mit einem Geiher geihügt iſt, 
Enieförmig gebogen durch den Damm und 
in den Krebsbach geleitet. So geht denn 
eine fonitante Menge Wafjer aus dem 
Kanal dur den Krebsbah zum Woog— 
bache. Erſterer ift alfo eine künſtliche 
Anlage, über deren Herkunft wir noch 
beionders berichten wollen. 

Sp neu und interefjant mandem 
Lejer diejes Faktum fein wird, jo ficyer 
wird er einiehen, daß es nicht ganz richtig 
ift, wenn aus Gründen der überfchtlic“ 
keit 3. B. auf der Schulmandfarte und 
der Handkarte von Gäbler (Süddeutid: 
land) und auf der ſchönen Handkarte 
von Geiftbet- Lange nur der „Speyer: 
bach“ angegeben ijt; aus oben dargeleg- 
ten Gründen, und um das topographiiche 
Bild der Borderpfalz nicht gefälicht er- 
ſcheinen zu laffen, müßte der Rehbach 
angegeben, aber der Floßkanal weg— 
gelaffen jein. S. 


2 — 


Aus der Geſchichte von Biedesheim. 
(Berfuch einer Ortöchronif.) 
(Die Abbildungen verdanken wir ber Güte des Herrn Jean Eymann in Biebdesheim.) 


Wenn ed wahr ift, daß die Geichichte | 
des weiteren Vaterlandes in den Zeit: 
geſchicken der engeren Heimat ſich jpiegelt, 
daß das kulturelle und politifche Geichehen | 
der Bergangenheit Leben und konkrete 
Geſtalt gewinnt an lofalen Trägern, dab | 
Baterlandsliebe und Treue ihre Wurzeln 
zutiefft in den Wutterboden der Anhäng- | 
lichkeit an die Heimat ſenken müſſen, 
dann hat der Zug der Gegenwart nad) | 
Erforihung der Lokalgeihichte feine Er: | 
klärung, dann hat auch der nachitehende | 
Verſuch jeine Rechtfertigung gefunden. 

In das fruchtbare, getreidereiche Bor: 
land des Donnersberg3, den alten Worms: 
gau, führt uns die Betrachtung der Ge— 
ihide unferes Heimatortes und jeiner 
Umgebung. Uralt Hiftorijher Boden! 
Nicht von ferne nur und fanft zerrinnend 
haben die Wogen der Zeit u.ıd des 
Schickſals an die Ränder dieſer Hügel 
angeipüft, nein, mit voller breiter Wucht | 
wälzten fie durd unſre ſchönen Täler 
hin und der donnernde Schwall ihrer 
Brandung hat über die Höhenſäume 
getobt. 

Wo Menihen und menicliche Zeug: 
niffe Schweigen, müſſen die Steine reden, 
und je fpärlicher die ſchriftlichen Quellen 
fließen, deſto redjeliger gibt die Erde ihre 
lang begrabenen, wieder aufgededten Ge— 
heimnifje preis. ZSteigen wir in unjere 
Kalkſteinbrüche Binab! Da lagern tief 
unten im harten Geftein, nun jelbjt Stein 
geworden,fganze Schichten von Muſcheln, 
Scneden und Ammonshörnern. — Wie | 
könnte überzeugender dargetan werden, | 
daß unfre jchöne Heimat einft unter | 
Meereswogen begraben lag! Bahr 
taujende lang mögen des Nordens Sterne 
ſich in den dunklen Wafjern gejpiegelt | 
haben, bis jie den Abzug durd das 
waldige Gebirge ſich erzwangen und aus 
ihrer verlaffenen Tiefe das neugeborene 
Land ſich emporhob. 

Und wieder Jahrtaujende mögen ver: 
gangen jein, bi8 jene Kelten und Germanen 
dasjelbe bevölkerten, deren allerdings 
ſchwache Spuren im Aderboden unjerer | 
Dorfgemarkung (Gräber, Gefährefte, | 








£upferne Speerſpitze) ſchon 
wurden. 

Es folgte die große römiſche Invaſion. 
Auf dem Höhenrücken, der, das Eis- und 
Pfrimmtal jcheidend, fi aus der Wormier 
Gegend von Monsheim bis gegen Kaiſers— 
lautern hin erjtredt, dehnte fich die große 
Hoch- und Heerftraße aus, melde die 
einzelnen Niederlaffungen’unter einander 
verband und die zumteil heute noch er: 
halten ift. Der hödfte Punkt unjerer 
Drtögemarkung, die jogenannte „Warte“, 


gefunden 


| mag wohl als Halte- und Ausfichtäjtelle 


feine geringe ftrategiiche Bedeutung ge: 
habt haben, nicht minder zwei weitere 
günitig gelegenen Höhenpunkte, die mod) 
heute die Gerwannennamen „am Wacht— 
baum” und „auf dem Schild“ tragen. 
Es dürfte jauch nicht ſchlankweg in das 
Reich der Phantajie zu verweilen jein, 
wollte man den Urjprung der ſchon zur 
Karolıngerzeit in den Lorjcher Urkunden 
genannten Burg (Bufinsheim-Butens: 
heim» Büdesheim) in römiſchen Befe— 
ftigungen ſuchen, wenigitens jcheinen et— 
lihe im Bereihe der Burg gefundenen 
römijchen Gefäßreite, darunter die Scher: 
ben eines römiſchen Weinkrugs, eine der« 
artige Deutung zuzulajjen. Römergräber 
wurden vereinzelt vor Jahren ſchon in 
der - Umgebung gefunden, ihr Inhalt 
leider aber achtlos vernidtet. 

Wenige Jahrhunderte, da brad) unter 
dem Anjturm germaniſcher Volkskraft 
das morjche römische Weltreich zulammen. 
Auf den „Warten“ der von den Römern 
verlafjenen Heerſtraße hielten viefige 
Burgunden ſcharfe Wacht und ihre Volks: 
genofjen wurden raſch heimisch im Worms— 
gau. Nah den heute noch befannten 
Ortsnamen Zzu ſchließen, Iſcheinen bur- 
gundiſche Anſiedelungen in Menge ſich 
gebildet zu haben. Auch das ſchon frühe, 
vielleicht im Bauernkriege untergegangene 
Dorf Gundheim (Guntenheim) — etwa 
I km von Biedesheim entfernt geweſen — 


‚ dürfte wohl Uriprung und Namen der 


Zeit der Burgundenherrihaft zu ver- 
danfen gehabt haben. 
Sie. war nur von kurzer Dauer. 


Der Sturm der Bölferwanderung fegte 
jie wie Spreu hinweg. Im dritten oder 
vierten Jahrzehnt des V. Jahrhunderts 


3 — 


| 


| 
| 
1 


joll da8 Burgundenreich dem Anprall der | 


Hunnen erlegen jein. Auf unjerer Hoc 


jtraße, durch unfere Täler wälzten ſich die | 
wilden aſiatiſchen Horden dem fränkischen | 


Weiten zu. Die Niederlaflungen rings 
umher gingen in Flammen auf und wel 
ches Scidjal ihrer geängiteten, flüchten: 
den Bewoh— 
ner barrte, 
Elingt nod) 
aus dunklen 
Flurbenen⸗ 
nungen wie; 
der, wie „to⸗ 
ter Mann“, 
„Mordfam- 
mer“ (bei 
Göllheim). 
Noch einmal 
jtrömte die 
wilde Flut 
zurüd, nad): 
dem auf der 
fatalauni- 
ihen Ebene 
an dem Block 
der vereinig: 
ten Germa— 
nen ihre 
Wucht? ge: 
brochen war, dann wards ftill im Worms: 
gau über Trümmern und Leichen. 

Bon Norden und Weiten her wanderten 
die gelbhaarigen Franken ein und nahmen 
von dem verlafjenen und verwüſteten 
Gebiete Befig. Bald blühten neue An- 
fiedelungen eınpor. Königsſitze entjtanden 
in Göllheim und Albisheim, und aud 
unjer Heimatsort Biedesheim (Bufins: 
heim-Butensheim, vielleiht Yon bü gen. 
büwes-Aderbau) hat, wie die fränkiſche 
Endung „heim“ anzeigt, damals jeinen 
Urfprung genommen. Es muß jogar zu 
ziemlicher Bedeutung emporgeblüht ſein, 
wie aus der Aufdeckung eines großen 
fränfiichen Grabfeldes am füdöſtlichen 
Dorfende geichloffen werden fann. Als 
ziemlich jicher darf auch angenommen 
werden, daß zur nämlichen Zeit die Burg 
— auf vielleiht römiſchen Grundlagen, 








Burgrefte und Dorf Biebesheim. 


wie oben erwähnt — erfitand. Eine 
Menge im Burgrayon aufgefundener 
fränkiſcher Scherbenrejte weist darauf hin. 
Non beftimmendem Einfluſſe jcheint 
bei diefer Ummandlung, bei der ein Bol 
von Ichweifenden Kriegern in die für es 
mehr oder minder jtarre Form des ſeß— 
haften Bauernlebens gezwungen wurde, 
die fieghafte Macht des jungen Ehriften- 
tums gewejen zu fein. Zwar weiß die 
Sage jchon 
von Majjen: 
befehrungen 
unter den 
Burgunden 
zu berichten, 
und es iſt 
gewiß, daß 
chriftliche 
Lehre und 
chriſtliches 
Leben ſchon 
blühende 
Heimſtätten 
gefunden 
hatten im 
Burgunden— 
reiche. Aber 
die Sturm— 
flut der 
Völkerwan— 
derung 
ſchwemmte 
ſie hinweg. Der den Franken günſtige 
Ausgang der Schlacht bei Zülpich und 
die Bekehrung Chlodwigs öffneten nun 
der Heilslehre Jeſu aufs neue weit 
die Pforten. Miſſionare durchzogen die 
Gaue, auch die neu entſtandenen Klöſter 
entfalteten eine fruchtbare Tätigkeit; ſo 
dürfte es gekommen jein, daß unjere 
Gegend noch während der Merovinger: 
Beit völlig dmiftlichen Charakter annahın. 
BiedesheimZerhielt damals aller Wahr: 
icheinlichfeit nad) jeine erfte Kirche, die 
bei der Burg gelegene Kapelle, an welde 
heute noch der Haupt: Quellbrunnen des 
Ortes, der jogenannte „KRapellbrunnen” 
erinnert und welche jedenfalls 1470 mit 
der Burg ihren Untergang fand. 
Über den äußeren Berlauf der Ge: 
ſchicke des Dorfes Biedesheim liegen bis 
jegt nur jehr ſpärliche urkundlich ver- 





Ehemaliger Burghof 





Ede des Burabofs 


— 14 — 


bürgte Nachrichten vor, jo daß natur— 
gemäß das geſchichtliche Bild derſelben 
nur ein ſehr undeutliches und lückenhaftes 
ſein kann. 


Am früheſten taucht der Name unſeres | 


ige in den Urkunden des in der 
eihicdhte der Karolinger jo viel ge 
nannten Klofters Lorih auf. Allem An— 
Icheine nad) faın Biedesheim ala Geſchenk 
eines Bliedes jener berühmten Herricher: 
familie, vielleicht Ludwigs des Deutichen, 
in Lorſcher Befig. Ungefähr ein Jahr: 
hundert jpäter find die geiftlihen Herren 
von Hornbad Eigentümer des Ortes. 
Abt Ernit von Hornbah aber übergab 
denjelben im Jahre 1100 an die Bropftei 
Zell. Die Kirche mit ihren Einkünften 
verblieb aud in legterem Abhängigkeits— 
verhältnis bis fie zur Reformationszeit 
ſich felbjt davon befreite. Dorf und Burg 
dagegen erſcheinen um die Mitte des 
13. Jahrhunderts ald Domäne des Grafen 
Emicho IV. von Leiningen. Als Lehens- 
mann desjelben tritt in den Urkunden 
des Haner Kloſters (Bolander Kloſter) 
1250 und 1252 ein Udo v. Büdesheim 
auf. Bon nun an blieb der Ort leiningiich 
bis die franzöfiiche Revolution die Eleinen 
Staaten und Stätchen der Pfalz hinweg- 
fegte. 

Bei der im Jahre 1315 erfolgten 
Teilung der gräflihen Familie in die 
Friedrich'ſche Linie, Leiningen-Dachsburg, 
und die Jofried'ſche Linie, Leiningen— 
Hartenburg, fiel Biedesheim an die 
Familie L.-Hartenburg. Der Name 
Biedesheim findet fih von nun ab im 
Laufe der Hahrhunderte ſtets mit den 
Freuden und Nöten der Leininger Grafen 
verknüpft, bald verpfändet, bald auf's 
neue wieder erworben, gelegentlid jogar 
heiß umftritten. So erfaufte Graf 
Emiho V. im Jahre 1363 von der 
Abtiffin Jutta von Leiningen zu Hert: 
lingshaufen eine jährliche Gilte von 50 
Malter Kom zu Biedesheim, Kinden— 
heim und Göfjesheim (untergegangenes 
Dorf zwiſchen Kindenhbeim und Biedes> 
heim). Emicho VI. dagegen verpfändete 
die genannten Dörfer nebſt Bodenheim 
im er 1384 um 1600 ®ulden an 
die Nitter Bechtolf von Flörsheim und 





Im Jahre 1423 entftanden wegen der fur» 
pfälziihen Lehen Streitigfeiten zwijchen 
dem Kurfürften von der Pfalz, Ludwig 
dem Bärtigen, und Graf Emicho VI. 
Auch die Burg Büdesheim und eine Gilte 
von 60 Malter Korn zählten zu den 
Streitobjeften, die übrigens im leiningi— 
ichen Bejige verblieben. Denn bei dem 
um das Jahr 1448 erfolgten Tode 
Emicho VI, teilten deſſen Söhne Emich VIL., 
Schafried und Bernhart das väterliche 
Erbe, wobei Dorf und Burg Büdesheim 
Bernhart zufielen. 

Als im Jahre 1467 mit dem Tode 
des Landgrafen Heſſo die Linie Leiningen— 
Dachsburg erloich, entftanden der Erb» 
ſchaft wegen große Zwiftigkeiten zwiſchen 
Heſſos Schweiter, Margareta von Weiter- 
burg und Emicho VII. von Hartenburg. 
Kurfürft Friedrih der Giegreihe von 
der Pfalz, der alte Feind der Leininger, 
jtellte jich jofort auf die Seite der Weiter: 
burger Gräfin, während Emicho VII. jeden- 
fall3 bei jeinen Brüdern Unterftügung 
fand. Schlimme Zeiten famen da für 
unjer Dorf. Es widerhallte von Srieg 
und Kriegsgeſchrei. Nach vergeblicher 
Abwehr dur die Leininger wurde die 
Burg 1470 von den Pfälzern genonunen 
und ging jamt der alten Kapelle in 
Flammen auf. Sie wurden nicht wieder 
aufgebaut. 

Trogdem blieb Biedesheim lekningi— 
iher Beſitz. Im Jahre 1498 wurde 
eine neue, dem hi. Andreas geweihte 
Kirche erbaut, deren Batronatöherr der 
jeweilige Propjt von Zell war. Es iſt 
das heute noch jtehende und dem Eirch- 
lihen Gebraude dienende Gotteshaus 
der protejtantiichen Gemeinde. Die Kirche 
wurde — jedenfalld von der gräflichen 
Herrihaft — mit einem Frühaltargut 
von 80 Morgen und außerdem noch mit 
einem bejonderen Sirchengut von 140 
Morgen ausgeitattet. Nad Einführung 
der Reformation jcheinen die Kirchengüter 
von den Herren ded Ortes angezogen 
worden zu fein und bi8 zum Jahr 1793 
oblag die Unterhaltung der Kirche, die 
Bejoldung von Pfarrer und Lehrer dem 
jeweils vegierenden Grafen. 

Frühe ſchon fand die Reformation 


Druſchel von Wachenheim (a. d. Pfr.) | hier Eingang, denn bereit von 1578 bis 


15 


1581 amtierte Martin Müller als evan- | aufs neue Brand und Lerftörung in 


geliich- [utheriicher Pfarrer. Später finden 
wir in demfelben Amt Ulrich Koch, der 


von 1618 bis 1638 als Prediger bier | 


wirkte, aljo den ganzen Jammer des 
ihredensvollen 3Ojährigen Krieges nicht 
durchlebte. Diefer muß auch hier furchtbar 
gewütet haben, wie jich wenigitens aus 
dem Schickſal der Nachbargemeinden, 
davon eine (Göſſesheim) gänzlich zerſtört 


wurde, jchließen läßt. Hunger und Peit | 


dezimierten hier und in Göllheim die 
Bevölkerung; Gemannennanen wie 
„Wolfskehle“ „Wolfskeul* deuten 
welcher Art neue Schreden die entvölferte 
Gegend heimjudhten. Mord, Raub und 
Diebftahl jcheinen auch hier an der Tages— 
ordnung gemwejen zu jein, und der Galgen 
mußte feine traurige Hilfe leihen, um 
Dorf und Gegend auch von den menſch⸗ 
lichen Beſtien zu befreien. So klingt 
es wenigſtens aus der Volksſage dunkel 
wieder, die heute noch ſich an die Flur— 
namen „Balgen”, „Blutacker“ und „Diebs— 
pfad“ heftet.') f 
‚Das Mad der Leiden hatte fich für 
unjeren Heimatsort aber damit noch nicht 
gefüllt. Nach kurzer Ruhezeit trug die 
Ruchloſigkeit franzöſiſcher Mordbrenner 
) Ein kleiner Beitrag zu der Frage: Was 
fojtete Deutjhland der 30jährige 
Krieg? jei bier angefügt: Vielleicht ift es 
befier, wenn man c$ gar nicht weiß; denn man 
fühlt fich fait verbittert, wenn man im die ent- 
jeglichen Berheerungen eindringt, die dieſer 
ſchändliche Krieg, angeblich der Keligion wegen 
geführt, im Gefolge hatte. Was er dem dama— 
ligen Herzogtum Württemberg Eojtete, er- 
fahren wir au& dem 1. und 2. Hefte VIII der 
Württembergijchen BVierteljahröhefte für Landes— 
aeichichte, wo Geh. Arhiviat v Stälin nach— 
meiit, daß 1654 der dem Lande von 1628— 1650 
erwachſene Schaden ſich auf 3,562,285,920 ME. 
nad) heutigem Geldwert belief. Hiermit iſt aber 
nod) bei weitem nit aller Schaden gedcdt, 
wenn man 3. B. erwägt, daß von den 1623 
vorhandenen 425,288 Einmohrern nad) 1650 
nicht weniger als 375,186 (alſo 85%) fehlten 
und fich doch in der Zeit ſchon viele wieder neu 
— hatten. Erſt nach 100 Jahren 
hatte — die Einwohnerzahl von 1623 
wieder erreicht. nd welcher Schaden erwuchs 
nicht daraus, daß 1650 noch der größte Teil des 
Landes wüſt, ruiniert und unbebaut dalag, weil 
e8 feine Menſchen gab, die die Meder u. |. w. 
Bebauen fonnten! Auch lagen 1650 nod 53 
Städte und Dörfer gänzlich niedergebrannt am 
Boden, zahlreihe Kirchen und viele Taufende 
von bürgerlien Häufern. (D. Sc.) 





\ 
I 





an, | 








' 


die pfälziihen Gaue. Die Soldaleska 
des allerchriftlichiten Königs jcheint be- 
ſonders der evangelichen Bevölkerung 
unjeres Ortes ſchwer zugejegt zu haben. 
Der damalige Pfarrer von Biedesheim, 
Leo, mußte im Jahre 1691 über den 
Rhein flüchten, und die Gemeinde blieb 
bis 1697 ohne Geijtlihen. Uber den 
Berlauf der nächſten hundert Jahre bis 
zur franzöfiihen Revolution find wir 
faft gänzlih ohne Zeugniſſe. Soviel 
aber jteht feit, daß während des öſter— 
reichiichen und bayerischen Erbfolgekrieges 
jowie des fiebenjährigen Krieges die Um- 
egend und wohl auch Biedesheim unter 
—* und Einquartierungen 
mancherlei zu leiden hatten. Wir en 
unfer Dorf um dieje Zeit im Befige der 
Familie Leiningen-Guntersblum. Nicht 
lange mehr! 

Bereits ballten ih im Weiten die 
ichmweren Wetterwolfen zufammen, deren 
niederzudende Blige aud) das alters- 
morſche Gefüge des römiſch-deutſchen 
Staatskörpers zuſammenſchmetterten. 

Schon den erſten Streichen erlag in 
den Jahren 1793/95 die Herrſchaft der 
£leinen pfälziihen Botentaten, auch der 
Leininger. Die Franzoſen waren tat: 
ſächlich ſeit 1796 die Herren im Land. 

Was unſre Dorfbevölferung von nun 
an die langen Kriegsjahre hindurd an 
Laſten und Abgaben, Einquartierungen 
und Erefutionen zu tragen hatte, liegt 
in ganzen Stößen von Kriegsrechnungen, 
Kriegsichuldenverzeichniffen, Briefen und 
anderen Schriftitüder im Gemeindeardiv 
vergraben. Die Cemeinderechnung von 
1796 weiit den enorm hohen Bolten von 
8164 fres. ald „an die Franken geliefert“ 
auf. Nur einige wenige Einzelfälle aus 
einer Unmaſſe ähnlicher oder gleicher 
jeien bier vermerkt: 

„galt an Henrih Man vor ein 
pferd und geichirr, fo ihm auf der Kriegs» 
frohud bei den Franken ijt verloren 


' gangen oder von denjelben genommen 


worden — 195,15 frs.“ 
„ſodann zahlt an Karl Winkler vor 
ein pferd jo ihm von einem fränkiſchen 
officier ijt genommen worden, welcher 
ihm zwar ein anderes pferd ſtehen ge- 


we. AB: = 


laffen, jo aber die helfte nicht jo viel Das Jahr 1816 ftellte unjer Dorf 
werth geweßen als das feine. Dahero | unter bayeriihe Herrihaft. Ein dent: 
wurde Ihm der Schaden vergütet von | würdiges und freudiges Ereignis! Aber 
der Gemeinde . . . „ 100,15 frs.“ | jo groß war die Schuldenlaſt der Ge- 
„galt an philipp Sezer vor einen | meinde geworden, daß man der neuen, 
Hammel jo ihm auf den Feld von den | glückverheißenden Zeit nit redt froh 
fränkiſchen Hußaren iſt — wurde und ſich zuletzt dazu entſchließen 
worden . . h 15 fr.” | mußte, am 1. Juli 1819 die „wenigen 
„galt an die Franken, — führer | noch vorhandenen Gemeindegüter“ um 
von hier bis auf das zwei ftund von | 2884 Gulden zu veräußern. Der „Blut: 
hier im wald gelegene häufen mit | ader”, die „Dirtenwiefe”, die „Bakkes— 
genommen, um diejelben wieder los zu wieſe“ (jegt „Bockswieſe“), der „Rams— 
bringen . . . 22 fr3,” | bühl“, der „Dardtader”, der „Galgen- 
Zu Dußenden ließen fid) diefe Bei- | ader” famen damals unter den Hammer. 
ipiele vermehren. Eigentümlich berühren Zrogden hatte die Gemeinde noch bis 
und Notizen aus den Jahren 1806,07 | ins dritte und vierte “Jahrzehnt des 
wie „zalt für ein pfundt Pulver für die | vorigen Jahrhunderts mit der Tilgung 
gardiften bei den Tranßport der Preißi- | der Kriegsſchuld zu kämpfen. 
ihren Gefangenen . . 1frs. 50 etm.“ Aber der Genius des deutichen Volfes, 
Aus den Jahren 1813/14 verlauten | der damals in trauernder Knechtsgeſtalt 
Klagen über jchwere Laften und Ber | an unfren heimatlihen Hütten vorüber- 
drüdungen ſeitens der Ruſſen. ine | ging, er raujchte einige Jahrzehnte jpäter 
Anfzeihnung mieldet „ein Bote nachge- mit ftolzen Flügelihlage nad) Weſten. 
Ihidt an die franzöjiihe Gränze um | Wir jahen ihn, wir jpürten jeiner Flügel 
auszukundichaften, wo die Fuhrleute ge: | Wehen; aud die Söhne unferer — 
blieben, ſo die Ruſſen mitgenommen.“ folgten ſeinem unwiderſtehlichen Sieges— 
Auch von ſonſtigen Hriegsnöten blieb | fluge, und fie ſetzten Gut und Blut ein 
Biedesheim nicht verichont. Nicht genug | für das neue große Vaterland, dag nun 
damit, daß unjre Bauern die jchweriten | auch unjer Eleines Dörfchen im Worms— 
materiellen Opfer, die fie oft genug dem m umfängt mit feinem mächtigen Schuß. 
Ruin nahe bradıten, willig leiften mußten, e unjrer jchönen Heimat nimmer 
ihre Söhne wurden in Tranzöfıiche Me: | die era Pie des Friedens untergehen und 
gimenter geitedt, um auf fremden Schlacht: | Segen und Gedeihen walten über ihren 
feldern zu bluten. Srankheiten und | blühenden Fluren! Die Gejdichte iſt 
Mißwachs vergrößerten den allgemeinen | eine gute, jie ift die beite Yehrmeiiterin. 
Jammer. Die Kirche wurde von den | Möge fie uns lehren, die Heimat zu 
Franzoſen einmal ein ganzes Fahr als | lieben! Denn wir halten es mit Fon— 
Yazarett verwendet, fo daß die Gottes- taned Überzeugung, der feinen „König 
dienfte im alten Rathaus (Schule) ab- ; Jakob” zu „Douglas“ iprechen läßt: 


gehalten werden mußten. Tief hat fich „Der iſt in tieffter Seele treu, 
die Erinnerung an jene Zeiten im VBolfs- | Der die Heimat liebt, wie Du.“ 
gemüt eingeprägt. | 3. Böshen;. 








An unfere Lefer. 

Die heutige 2. Probenummer erjcheint in ihrem endgiltigen Gemwande, nachdem 
wir den Titel und Typenjak vereinfacht haben, um unjere Abjicht £Elarer erfennen 
und den Tert leihter benügen zu lafjjen. Auch dem Bilde joll in Zukunft 
ein bejcheidener Raum gewidmet jein; ebenjo wollen wir die hauptjächlichen meteor o— 
logijhen Erjdheinungen bringen und hoffen mit alledem den Beifall unierer Leſer 
zu finden. Die frdl. Gönner und Jutereſſeuten weilen wir auf den beiliegenden Be— 
itellfarte Hin und erlauben uns uohmals die Bitte, uns mit Beiträgen aus dem Rahmen 
unferes Programms unterftügen zu wollen. Der Schriftleiter. — Der DBerleger. 





Schriftleiter: Ph. Sauth, Eandjtuhl — Bermann Kayſer's Verlag, Kaiferslautern. 
orm und Inhalt der Beiträge find die Herren Verfaſſer verantwortlich. 
Die „Pfälziiche Geimattune" Tape jährlich in 12 Heften DIE. 2.50. Weflellungen werden vom allen Buchhandlungen und 
Galanftalten ferner vom Berleger (Bartafreie Etretibandienhung! anaeunmmen. 








I Jahrgang. 


Nummer 3. 


Januar 1905. 


IPALZISCHE HEIMATKUNDE 


_ MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


v 


ENANNRSMINh 





— 


Der Meteoritenfall bei Krähenberg (Pfalz). 


Als Meteore bezeichnet man bekannt— 
lich alles, was von oben herab der Erde 


zufällt oder zuzufallen ſcheint, ohne daß 


man das Hinaufkommen geſehen hat oder 
vorausſetzen darf; demnach nennt man 
ſowohl Regen, Schnee und Hagel, als 
auch Sternichnuppen und Feuerkugeln 
meteorijhe Erſcheinungen und bezeichnet 
die erjteren genauer als meteorologiiche, 
die andern als altronomiiche Meteore und 
von legteren die Feuerkugeln jpeziell als 
„Meteorite”. 

Die Meteoriten find „von Himmel 
gefallene” Mafjen erdiger oder metalliicher 
Natur, im legteren Falle hauptſächlich 
eiſenhaltig. Ihre ftofflihe Zuſammen— 
ſetzung und kosmiſche Herkunft als dem 
Sonnenreiche fremd geweſene Körper 
kennt man heute genau, während es im 
Jahre 1790 noch vorkommen konnte, daß 
die Pariſer Akademie den Bericht über 
einen von 300 Augenzeugen beglaubigten 
Meteoritenfall als „unterhaltenden Blöd: 
ſinn“ energiſch ablehnte. 

Solche Zuſammenſtöße fremder Körper 
mit der Erde auf ihrer Bahn durch den 
Weltraum kommen keineswegs ſelten vor; 
nur iſt es im aegebenen Falle Schwer, die 
durchichnittlich Eleinen Maſſen niederger 
ftürzter Meteoriten aufzufinden, befonders 
wenn fie in wenig bevölferten Gegenden 
oder zu ungeeigneten Stunden nieder: 
gegangen jind. Nachdem 








A achd wir zudem 
wiſſen, Daß zwei Dritteile dev Erde mit | 


Waſſer bededt und die Bolargebiete über: 
haupt der Forſchung kaum unterworfen 
find, jo darf man angejichtd der ziem- 
lihen Zufälligkeit Eonftatierter Meteor: 
fälle getrojt annehmen, daß die Zahl der 
wirklich von der Erde „unterwegs“ auf: 
gefammielten Meteoriten ein Vielfaches 
von der Zahl der wirklih da und dort 
gejehenen tft. Dabei ift allerdings nicht 
zu vergeffen, daß manche der gemeldeten 
Ericheinungen nur hellere Sternichnuppen 
geweien jein mögen. — 

Um eine diejer jelteneren Himmels— 
ericheinungen zu erleben, braucht man 
nur eine jtete Aufmerfiamkeit auf den 
Elaren Himmel zu haben. Auch über 
unjever Pfalz iſt ſchon des öfteren ein 
derartiger himmliſcher Segen niederge- 
gangen. Am 21. Juni 1846 abends war 
in der Vorderpfalz „eine Ericheinung 
gleich einer Feuerkugel“ geſehen worden, 
am 17. Oktober des gleichen Jahres 
wiederum und am 11. Mai 1852 noch— 
mals „wie im Fahre 1846*. Am 4. Juni 
1901 erichien in den Abendftunden in der 
mittleren Pfalz (auch bei Monsheim ge- 
jehen) ein vecht helles Meteor; und ſeit— 
ber jind ficher nod) zwei andere mit be— 
jonderer Glanzentwidelung begabte Er: 
ſcheinungen £onjtatiert worden, wie denn 
auch zwiichen 1852 und 1901 jo und jo 
viele Phänomene unbeachtet geblieben oder 
vergefjen worden fein mögen. Was nun 
die Sichtbarkeit derjelben innerhalb be: 


ſtimmter Bezirke anlangt, fo fei hier ein: 
geichaltet, daß dieje eigentlich nur von 
der Höhe und Lage der Bahnlinie des 
kleinen Himmelskörpers inbezug auf die 
Erdoberflähe, jowie von seiner Licht: 
entwidelung abhängt. So konnte einmal 
ein und dasjelbe Meteor vom Breisgau | 
bis Über den Rheingau hinaus neiehen 
werden, natürlich auch in der Pfalz. 
Wenn wir die unten angegebene Höhe 
einer leuchtenden Bahnitrede von etwa | 
dem zwanzigfacen der relativen Höhe 
des weithin fichtbaren Donnersberges | 
ins Auge faſſen, jo ift es nichts weniger 
al8 verwunderlich, wenn die betr. Er— 








18 










körper — um 6 Uhr 32 Minuten Orts: 
zeit in 25,8 öjtlicher Länge von Ferro 
und 49° 197,7 nördlicher Breite bei dem 
Dorfe Krähenberg, 8,5 kın djtlid von 
Homburg nieder. Die Feuerkugel ergab 
nur einen Stein, der aber dafür feine 
31,5 Pfund wiegt; fie wurde, wie das 
gewöhnlich der Fall ift, an mehreren 
Drten gejehen, aber nur zwei Beobachter 
konnten ich von ihrer Wahrnehmung fo 
genane und objektive Rechenſchaft geben, 
daß nad ihren Mitteilungen Me Bahn 
des Mörpers im Weltraume, d. h. zu 
nächſt die fichtbar gewordene Bahnftvede 
innerhalb unjerer Atmojphäre und damit 


ſcheinung — auch die 
in Land» a 
ſchaften einer 
beobach⸗ Herkunft 
tet wird, errechen— 
die ein bar wur— 
Viel: de. Nach 
faches der Angabe 
Größe des Hrn. 
unſerer Neuer in 
Pfalz ber | Kuiel, 23 
denten: km nord: 
sah: lich von 
vend nun ı der Fall— 
Die oben ſtelle, 
augezo— wurde 
genen — — — — die Kugel 
Meteore er — zuerſt ĩm 


ſo mangelhaft beobachtet wurden, daß die 
Ableitung einer befriedigenden oder über— 
haupt einer Bahn aus den verſchiedenen 
Berichten unmöglich war, — offenbar 
war den überrajchten glüdlichen Beobach— 
tern vor lauter Be: und Verwunderung 
nicht zum Bewußtiein gekommen, daß 
hier geiftesgegemmwärtige Fixierung der 
Orts⸗, Nihtungs- und Zeitmomente wert: 
voll wäre! — konnten aus dem ſoge— 
nannten Krähenberger Meteoritenfalle 
infolge eines günftigen Zuſammenwirkens 
mehrerer Umftände die Grundlagen zu 
einer erfolgreichen Rechnung gewonnen 
werden. Wir find in der angenehmen 
Lage, durch das Entgegenkommen ‚des 
Verlags der „Bartenlaube” eine Abbil- 
dung des Meteoriten zu bringen. Am 
5. Mai 1869 ging dieſes Stück Maſſe 
— ein ehemals jelbftitändiger Himmels— 


Oſten nach Weiten. 


Südoſten beobachtet; ſie zog dann von 
Eine Meſſung am 
Standorte des Beobachters ergab, der 
Situation und der Erinnerung angepaßt, 
eine Neigung dev Flugbahn gegen den 
Horizont zu 32’ und beim Verſchwinden 
war die Höhe des Körpers nod 20° 
(wahricheinlich in einer Wolkenſchichte 
oder hinter den Höhen jüdlich von Kuſel). 
Man konnte die Bahngeichwindigkeit bei 
der Dauer von 2-3 Sekunden nod) raſch 
nennen. Eine nachträglich angefertigte 
Zeichnung enthält eine Darftellung der 
Bahn mit einer Neigung von nur 23°, 
ein Beweis, daß Täufchungen von weient- 
liher Größe bei ſolchen flüchtigen Wahr- 
nehmungen ungeübter Leute vorkommen; 
es war ein Glüd, daß das Eude der 
Bahın bekannt war und fo über den vela- 
tiven Wert beider Schägungen ein Urteil 


gewonnen werden konnte. Die zweite 
Beobachtungsſtelle mit brauchbarer Ans 
gabe lag 67 kın entfernt. Herr Forite | 


19 


| 
| 


gehilte Kaſtl ah die Feuerkugel mit ge: | 
ringer nördlichen Abweichung von der | 
jenfrechten Linie über jeinem Kopfe nad) | 


Weſten zu vaich abwärts fallen und hinter 
einer Wolfe verichwinden. 

Znuächſt ergab fi aus dem befannten 
Orte des Niederganges (Krähenberg) und 
der eriten Beobadhtung, daß die Höhe, 
wo der Meteorit infolge der Neibung in 
der Atmoiphäre zu leuchten anfing — 
Hemmungshöhe —, 8,2 km betragen 
haben mochte. Die Bahn jelbit hat Herr 
Dr. Neumayer*) nach der zweiten Angabe 
als „aus 295° Azimut gerichtet” und nad) 
der eriten zu 32° geneigt angenommen; 
der rüdwärts verlängert nedachte Bahn 
ajt wies demnach zur betreffenden Stunde 
und Minute auf den Stern „Delta“ in 
der Jungfrau. Das wäre alſo die einiger 
maßen befriedigend beftimmte Richtung 
der Herkunft des Meteoriten. Ein mehr 
als gewöhnliches Intereſſe liegt nun in 
dent Umſtande, daR ebenda ein „Nuss 
trahlungsort” von Meteoriten bekannt 
iſt, welcher für meteoriiche Ericheinungen 
in der Zeit vom 2, April bis 4. Mai 
jedes „Jahres ald gut beftimmt, bezw. 


erkannt angelehen wird. Es dürfte alfo 
‚wahrfcheinlich fein, daß der am 5. Mai 
1869 niedergegangene Meteorit, ald er 
noch feinen kosmiſchen Lauf verfolgte, 
jenen Scwarme angehörte, der eben 
Ihon oft aus der Gegend von Delta in 
der Jungfrau ber ſich bemerklich ge: 
macht hat. 

Glückliche Umftände haben ſomit eine 
ajtronomiiche Rechnung ermöglicht: die 
nicht allzuſchwer zu firtevende Bahnlage 
von Kuſel aus, der nahe ſenkrechte Fall 
aus dem Zentt des anderen Punktes und 
die relativ bedeutende Entfernung beider 
Beobadhtungsorte von der befannten Fall: 
itelle. Sollte wieder ein derartiges glän— 
zendes Ereignis bemerkt werden, jo wird 
ed eine lohnende Mühe für die glüd- 
lihen Augenzeugen jein, unter ftrenger 
Selbitkritif die näheren Umftände zu no: 
tieren, Orte mitbezug auf Horizontpunkte 
oder, wenn es dunkel war, nach bejtimmten 
Sternen anzumerken und außer guter 
Zeitangabe brauchbare Größen zu firteren, 
aber nicht nach „Metern“ oder gar „Arm: 
längen“, die im leeren Raume feinen 
Sinn haben, jondern vergleichsweife etwa 
mit Monddurdhmefjern oder dem Abjtande 
gewiffer Sterne in befannten Stern: 
gruppen. 


*) Erz. Wirkt. Geheimrat Prof. Dr. dv. Neumaper. 


®rnitholegifches. 
Die „Ornithologiihe Gejellihaft in | in erfter Linie die Lehrer zur Mitarbeit 


Bayern? erläßt einen Aufruf zur Ein: 
jendung von Beobadtungen des Früh— 
jahrszuges der Rauchſchwalbe (Hirundo 
rustica). Man will durch Mafjenniel- 
dungen zunmächit dem „Wie?’, der „äuße— 
ven Ericheinung diejes ebenjo anziehenden 
ale dunkeln Naturphänomens, das wir 
den Wanderzug dev Vögel nennen”, auf 
die Epur fommen. Auch für unfere 
engere Heimat hat diejer Plan Intereſſe, 
und die Unterzeichner des Aufrufs: Dr. 
Parrot (München), Seminarhilfslehrer 
Bertram (Kailerslautern), Major a. D. 
Frhr. v. Beſſerer (Augsburg), Direktor 
Sallenfamp (München) und Stabsarzt 
"Dr. Gengler (Erlangen) haben einen 





erfolgfihernden Weg betreten, wenn fie | 


bitten. Was 4000 ungarijche Volksſchul— 
lehrer ım Jahre 1898 mit rühmlicher 
Einmütigfeit betr. der Rauchſchwalbe ge⸗ 
leiſtet haben — ähnlich wie die Baftoren 
beider Medlenburg bez. des Stores —, 
das jollte auch den pfälziichen Lehrern, 
Pfarren, Forſtleuten und Naturfreunden 
ein Anſporn fein, gleiches Fundament 
im Königreich Bayern zu legen für Er: 
fenntniffe, die nun einmal nicht ohne 
jelbjtlofe Mitwirkung weiter, berufener 
Kreife zu gewinnen find. Zudem ijt die 
Aufgabe, das Eintreffen der Rauch— 
(Stall:, Dorf-, Stadel:) - Schwalbe zu 
konſtatieren, die denkbar einfachite, zumal 
auf dem Lande, wo fie mit Menjch und 
Tier unter einem Dade hauft. Die 


Sadje mag unwichtig und harmlos jchei- 
nen; man wolle aber nicht vergeflen, dat 
die Lüftung des Scleierd aud über 
Keinen Geheimnifjen von großer Trag- 
weite werden fann für Aufklärung ähn— 
liher Phänomene, und daß alle natur: 
wifjenichaftlihen Errungenichaften aus 
jolher Kleinarbeit zahlreicher Spezialiſten 
erwacjen jind. Helfen wir eimmütig, 
eine gute Sache zu Fördern und damit 
auch unſere engere Heimat mit neuer 
Erkenntnis zu bereichern! Herr Bertram 





wird Anmeldungen zur Mithilfe ent: 
gegennehmen und bereits frankierte 
Beobachtungskarten nebſt Ynftruftionen 
an die freiwilligen Beobachter beſorgen. 
Daß von den Ergebniſſen der Beobach— 
tungen, deren Mitteilung mit dem Jahre 
1906 erwartet werden darf, jedem Mit: 
arbeiter Kenntnis gegeben wird, iſt eine 
ichr liebenswürdige und bei ihrer finanziell 
ungünfttgen Lage doppelt anzurechnende 
Noblefje der „Ornithologiſchen Gejell- 
— $. 


Jahresverſammlung der „Pollichia“ 


Am 20. November letzthin fand in 
Bad Dürkheim die 64. Jahresverſamm— 
lung der „Pollichia“, naturwifjenichaft- 
licher Berein der Pfalz, ftatt. Den Borjik 
führte dev Ehrenpräfident, ©. Erz. Herr 
Wirkt. Geheimrat Prof. Dr. v. Neumayer, 
welder mahnte, das in der wiſſenſchaft— 
lihen Welt beitens anerkannte Leben der 
„Pollichia“ im Intereſſe der Forſchung 
friſch zu erhalten und den Verein aus— 
zudehnen. Herr Kgl. Rektor Roth er: 
ſtattete Jahres- und Geſchäftsbericht; die 
Zahl der Mitglieder iſt 260, der Ehren: 
mitglieder 19. Schenkungen und Kauf 
ergänzten die Sammlungen; ein großes 
Pfalzrelief kommt bald zur Aufſtellung. 
Tauſchverkehr beſteht mit 160 gelehrten 
Geſellſchaften. 


Prof. Dr. Rudolf in Straßburg refe-— 


rierte über „Die Organijation des Erd 
beben-Beobadhtungsdienftes in der Pfalz“, 
für welche als Stationen Speyer, Kaiſers— 
lautern und Zweibrüden in Ausſicht ge 
nommen find und außerdem freiwillige 
Mithilfe erwartet wird. — Erz. v. Neu: 
mayer hielt Vortrag Über * 3. — 


lage erſcheinendes Werk „Anleitung zu 
wiſſenſchaftl. Beobachtungen auf Reiſen“ 
(3 Bände), das natürlich auf die Zwecke 
der Koloniſation und das eminente mo— 
derne Hilfsmittel der Photographie ge— 
bührend Rückſicht nimmt. — Herr Dr. 
Zſchokke, Direktor der Wein: und Obſt— 
baufchule in Neuftadt, ſprach über Sonnen» 
Ichein-Autographen, da eine Station zur 
Beitimmung der Dauer des Sonnenſcheins 
inmitten der pfälziichen Weinkultur, in 
Neuftadt, errichtet wird. Brof. Dr. 
Chr. Mehlis referierte über „Steinzeitliche 
Niederlaffungen” zwiſchen Neuftadt umd 
Speyer (bei Neuſtadt, Haßloch Wald— 
höhl), Lachen-Speyerdorf, ꝛe) — Von 
anderem möge ferner erwähnt ſein die 
kartographiſche Darſtellung von Herrn 
Dr. 9. Schäfer in Neuftadt „Verbreitung 
des Rehwildes in der Pfalz mit Berüd- 
Jihtigung der au einzelnen Standorten 
beobadıteten Geweihſtärke. Auch die Er- 
richtung eines naturhiſtoriſchen Muſeums 
in Dürkheim — ein kleiner Anfang iſt 
ja vorhanden — wurde befürwortet. 


Mom Indenfriedhof zu Worms.*) 


Man jchreibt ver Frankfurter Zeitung | zu Worms“ herausgegeben. In neuerer 


aus Worms: Im Jahre 1855 hatte Dr. 
Lewyſohn, Prediger der hiejigen israe— 
litifchen Gemeinde, „60 Epitaphien von 
Grabjteinen des israelitiihen Friedhofes 


Zeit hat der Vorſtand der Gemeinde den 
Beſchluß gefaßt, die Arbeit Lewyſohus 
fortjegen zu lafjen. Seit ungefähr fieben 
Jahren werden alljährlid die Inſchriften 


*, 68 it jelbjtverjtändfich, daß die „Pfälziſche Heimatkunde” nicht engherzig auf Materialien, 


die * 
bedenkli 


ınnerbalb der blauweißen Grenzpfähle liegen, angewieſen ſein will; 
dem Artikel über Verhältniſſe der alten Reichs- und Nachbarſtadt Worms Raum. 


wir geben daber un— 


von 130 Grabfteinen entziffert. Man iſt 


jegt bei No. 1043 angekommen und die 
Arbeit wird wahrfcheinlich in zwei Jahren | 
Soviel läht ſich 
jegt ſchon überbliden, daß einem jeden | 
Forſcher, der die Geichichte der Wornier | 


zu Ende geführt jein. 


jüdiichen Gemeinde — einer der älteften 
jüdischen Gemeinden Deutichlands — er: 
gründen will, neben den Dokumenten des 
Archivs auch dieje Aufzeichnungen als 
wertvolle und jchägenswerte Hilfsmittel 
dev Forſchung ſich darbieten werden. 
No. I von Lewyſohns Epitaphien ent: 
hält die Grabjchrift einer „Frau Segirah, 
Tochter des Rabbi Sammel, der wegen 
feines Glaubens ermordet wurde”. Als 


Jahreszahl las Lewyſohn 900. Er gibt ' 


in einer Bemerkung allerdings zu, daß 
er in dem hieſigen Memorialbudh den 
Namen Segirah nicht gefunden habe. 
Der Stein wurde des Öftern, aber ver: 
geblich gejuht. Bon einem Straud)e 
verdedt, wurde ev emdlid vor einigen 
Wochen gefunden. Da er feinerzeit veno- 
viert wurde, fonnte man auch die Jahres— 
zahl 900 deutlih leſen. Ginige Tage 
Ipäter wurde die Inſchrift eines andern 
Steins, nicht weit von dem exjten ent» 
fernt, entziffert, die deutlich die Jahres: 


zahl 1145 trug und welde einer „Frau | 


21 


| Peruza, Tochter des Rabbi Sautuel, der 
wegen feines Glaubens ermordet wurde”, 
gewidmet war. Da auf beiden Leichen- 
fteinen der gleiche Bater genannt wurde, 
und zwiichen dem Tode der einen Tochter 
und dem deranderen ein Zeitraum von 245 
Jahren liegt, jo war es geboten, da die 
Jahreszahl des zweiten Steins deutlich 
zu lejen war, nochmals die Inſchrift des 
erjten Steind genau zu unterſuchen. In 
der Tat stellte fich heraus, daß Lewyſohn 
an einem Buchftaben das Häkchen über: 
ſehen hat das fi) mit dem Finger genau 
fühlen läßt, wodurd der Buchſtabe eine 
andere Geftalt und einen anderen Zahlen: 
wert erhält, ſodaß das Alter des Steins 
um 200 Jahre weitergerüdt werden muß. 
Rabbi Samuel it alio wahriceinlid) 
1096 ermordet worden und feine beiden 
Töchter find 1100 und 1145 geſtorben. 
Der Irrtum Lewyſohns wird noch da- 
durch ılluftriert, daß bei der großen Zahl 
entzifferter Inſchriften auch nicht eine 
einzige aus dem 10., wohl aber viele 
aus dem 11. Jahrhundert gefunden wur: 
den. Es ſcheint aljo der Friedhof wahr: 
ſcheinlich 1034 angelegt worden zu jein, 
alfo zu derjelben Zeit, in welcher die 
Synagoge erbaut worden tft. 


3. Rolhſchild. 





Bildhauer Anguf Brumm 7. 


Am 23. Dftober 1904 trug man in | 


Solln bei München die vergänglichen 
Hefte eines Mannes zugrabe, welcher es 
verdient, in der Erinnerung feiner pfäl- 
ziichen Landsleute fortzuleben jeiner Hei— 
mat zur Ehre. Er war zwar in der 
Lage, indem er für andere Zwecke hehre 
Denkmäler ſchuf, fich jelber Malſteine zu 
ſetzen, die hoffentlich Generationen er- 
freuen und überdauern; aber auch an 
diefer Stelle jei jeiner rühmend gedacht. 

Im Jahre 1862, den 26. Mai, in 
Ulmet am lan geboren, bejuchte er die 
Boltsichule dort, verfuhte e8 an der 
Lateinſchule und Realſchule je ein Jahr, 
im Kaufmannsjtande einige Fahre und 
mußte durch eine jelbftfumponierte und 
ausgeführte Qaubjägearbeit — ein Schwei- 
zerhaus — für jeinen wahren Beruf ent 


det werden! Im 19, Jahre endlich 
ließ man ihn zur Kunſtſchule nah München 
ziehen, welche Gunft er nach zwei Jahren 
mit einem ehrenden Auftrage jeines Pro» 
feſſors quittierte, der ihm 8 Kinder: 
geitalten für Neuſchwanſtein zu fertigen 
gab. Während jeines A'sjährigen Auf: 
enthalte® an der Akademie erwarb er 
1 bronzene, 2 fleine und 2 große filberne 
Medaillen für ausgeitellte Arbeiten. Se. 
Kal. Hoheit, der Prinzregent Luitpold 
unterftügte den Schnell aufitredenden 
Künftler mehrmals freiwillig; auch erhielt 
er das große Reileftipendinm für Italien. 





Arbeiten dieſer Periode waren Figuren 
nach Koburg, aud ein Grabdenkmal dahin 
und das Friegerdenkmal in Ingolſtadt, 
für das er als eriter unter 22 Bewerbern 
den 1. Preis befam. Ähnlich verhält es 


fih beim Edenkobener Friedensdenkmal, 
welches er zudem ſeinem Entwurfe getreu 
durchführte und licber nicht auf die Koften 
kam, als daß er fein erfted größere Werk 
nadträglih aus Sparſamkeitsgründen 
beeinträchtigte. 1896 verfertigte er für 
feine verftorbenen Eltern in Ulmet ein 


Monument, 1900 ein folches für Deides- | 


heim (Familie Buhl), welches ihm in 
München (internationale Ausitellung) die 


goldene Medaille einbrachte; es war die | 


Beranlaffung zu einem neuen münchener 
Auftrage. Auch die „Balatia” auf der 
neuen Luitpoldbrüde in München ift fein 
Wert. Außer Konkurrenz fertigte er 2 


22 


| 





Figuren zum Rathaus in München und 
auf Wallots Beranlaffung den Bild» | 


ſchmuck am bayerifhen Südportal des 
Neichdtagsgebäudes. Sein leytes großes 
Werk, der für Aweibrüden beftinmite 
Luitpoldbrunnen, der ihm wieder einen 
1. Preis bradte, it im Modell fertig 
und wird von der Freundeshand des 
Profeffors Floßmann ausgeführt, die ihm 
dem Bernehmen nach aud Fein eigenes 
Grabdenkmal in Solln Schaffen wird, 


— wir erinnern nur an Liebig. Seine 
phänomenale Entwidelung als Künitler, 
jein genialed und äußerſt fruchtbares 
Schaffen iſt uns ein Troit gegenüber 
jeiner mehr oder weniger verfebiten 
Leitung in jeiner Jugendzeit. Wir finden 
e8 ganz in der Ordnung und fühlen eine 
Art Erleihterung in dem Bewußtſein, 
daß unſer geliebter Prinzregent gut 
machen half, was ein ungenügendes mo— 
dernes Grziehungsiyiten zu verderben 
auf dem beiten Wege war. Dem Legten 
feiner Sculklaffen verlieh Se. KHönigl. 


' Hoheit ohne äußere Veranlaſſung den 


Titel eines Kol. Profeſſors der Aka— 
demie und bejucdhte ihn noch auf dem 
Seranfenlager. Halten wir das Andenken 
eines pfälziichen Künftlers und Genies 
hoc, eines Menschen, der ſich als jelbit: 
gemachter Mann durchgerungen hat, bis 
ihn die Öffentlihe Anerkennung in die 
Reihen der Eriten ftelen mußte. Auf 


‚ der Höhe des Lebens und des Schaffens 


Drumm war ein Schüler, der zu | 


nichts taugte; es gitt und gab noch ſolche 


hat ihn ein grauiamer und doch freund« 
licher Tod jäh abgerufen und die Mit 
lebenden um fo empfindlicher fühlen laſſen, 
was fie an ihm hatten und noch bätten 
erwarten dürfen. 


Mallerdampf-Eruption bei Menfadt. 


In meuefter Zeit wurde aus der 
Gegend von Neuſtadt a. H. eine inter 
eſſante Wahrnehmung berichtet. Zwei 
Kilometer weitlich der Stadt beginnt das 


befannte „Schöntal“ mit ſeinen auziehen— 


den Anlagen. Seine nördliche Begrenzung | 


ift der 419 m hohe Königsberg, auf dem | 


die Generalitabsfarte eine „Römerſchanze“, 


nämlich einen Wall verzeichnet. Die Höhe, | 
welche als Ausfichtspunft beſucht wird, | 


ift von der „Königsmühle* aus in Ser— 
pentinen zu erreichen. Auf diefer Süd— 
oftflanfe des Berges liegt nun das ſo— 
genannte „Heidenloch“, eine natürliche 
Felſenhöhle von IO m Tiefe 36 m Länge. 
Etwa 25 m oberhalb befindet fich eine 
Felſenkluft im Buntjanditeine, zwar nur 
60 cm hoch, aber am Eingange 2,30 m 
breit und allmählıh auf 80 cın ſich ver: 
engernd. Die Kluft führt 5 m meit 
horizontal in den Felien. 





Wenn nun die Außentemperatur unter 
ven Gefrierpunft finkt, jo entweicht der 
Höhle eine Dampfjäule, die oft 4—5 m 
body wird, aber bei nebeligen Wetter, 
wenn alio dev Dampf in der mit Feuchtig— 
keit gelättigten Luft langiamer aufge: 
nommen wird, auch die dreifache Höhe 
erreichen joll, wie Herr Fabrikant L. Heck 
mitteilt. Man kann alſo das Entweichen 
eines ſtark durcchfeuchteten Luftſtromes 
aus den Spalten des Gebirges ald Tat: 
ſache hinnehmen; das Merfwürdige aber 
ift die hohe Temperatur der Dampriäule, 
die rund 10° Gelfius betragen Joll und 
es den Grälern und Kryptogamen, die 
um inneren der Borhöhle gedeihen, er— 
möglicht, immer grün zu bleiben. Natür— 
lich hat auch die Tierwelt bier einen ans 
genehmen Schlupfwinkel gefunden und 
die Eilen haben ſich da wohnlich ein- 


‚ gerichtet. 


Ganz Süddeutichland ſoll keine der- | 
artige Erhalation aufweilen; diefe Be: | 
hauptung muß aber angeficht8 der höhlen- | 


reichen Juragegenden und der leicht er- 
Härbaren Zirkulation verichieden warmer 


Luftmaſſen innerhalb kommunizierender | 
Räume etwas vorfichtig aufgenommen | 
Dagegen mag die Entweichung | 
eines relativ warmen und zugleich feuchten | 


werden. 


Luftftromes einzigartig fein. Es könnte 
mit der einstweiligen Bermutung feine 
Richtigkeit haben, daß tief in der Erd— 
rinde — vermmtlih ein Drittel eines 
Kilometers — cine Waſſeranſammlung 
ſich vorfindet, deren nadı Maßgabe der 


Tiefentemperatur ziemlich ſtarke Ber: | 


| dunjtung fi bis an die Oberfläche be 
| merkbar macht, weil Epalten und Riffe 
| das Emporjteigen der Dänpfe ermög- 
| lichen. Dazu muß man weiterhin vor- 
| ausjegen, daß andere Röhren die Außen: 
| Luft vermöge ihrer Schwere an die Wärme: 
und Dunjtquelle hinuntergelangen lafjen. 
Eine genauere Kenntnis der Umſtände 
| läßt fich nur gewinnen, wenn wenigitens 
| während eines Jahres ununterbrodene 
| Beobachtungen des Feuchtigkeitsgehaltes, 
| der Temperatur umd der Ausſtrömungs— 
| geichwindigfeit des Luftſtromes angeftellt 
amd mit Nüdjicht auf den jeweiligen 
Luftdrud und die Außentemperaturen 
bearbeitet jein werden. Ä 





Himmelserfcheinungen. 


2 Die nächften Wochen bringen auch am 
Himmel einiges Intereſſante, das wert 
it, zu geeigneter Stunde angejchen zu 
werden. Wir bringen dieje Mitteilungen 
in der Nbficht, bei den Lejern eine ge— 
wife Scheu vor ter Reichäftigung mit 
Vorgängen, die ſich am Himmel abipielen, 
zu befiegen. 
über Studieren. Wer fich nur im Befige 
des „Yahrer hinfenden Boten” oder „Ein: 
ſiedler Kalenders“ mit ihren in Sym- 
bolen ausgedrüdten ausführlidhen 
Angaben der himmliſchen Ereigniſſe be- 
findet, und mer nur wenigitens cin 
Opernglas, cinen FFelditecher oder ein 
terreftriiches Fernröhrchen von geringer 


Größe benügen kann, wird jehr überraicht | 
und hocherfreut fein, wie viele und eigen- 


artige geiftige Genüſſe er fich durch einige 
Minuten aufmerfiamen Suchens am 
abendlichen Himmel bereiten kann. Um 
den 22. Januar herum 3. B. iſt eine 
Gelegenheit, den jo ſchwer fichtbaren 


Planeten Merkur vor Sonnenaufgang | 


im Südosten zu finden. Am 27. Januar 
fteht der Mund als legtes Viertel dicht 
bei einem vötlich blinkenden Sterne, 


Gold im 
Eine neue Entdeckung wurde in letzter 


Zeit wieder im Bliestale gemacht; wie 
bereit3 früher berichtet, wurde gelegentlid) 


Probieren gebt auch bier | 


| welcher der in den legten Jahren 
| jo vielbeiprodene Mars it; in einem 
Fernrohre fieht er wie ein Blutstropfen 
| aus. Eine glänzende Konitellation tritt 
am 9. Februar ein, wenn die ſchmale 
' Sichel des Mondes, deſſen unbeleuchteter 
Teil matt im Scheine des Erdenlichtes 
glimmt, zwiichen dem hellſtrahlenden 
Abendjterue, der Benus, und den gleich- 
' falls ſehr hellen Blaneten Jupiter jteht. 
' Meben legterem Eanı man mit ganz 
fleinen Fernrohren ſchon Jeine vier, 
gewöhnlich in einer geraden Linie ftehenden 
Begleiter oder Monde jehen. Die Venus 
wird von Tag zu Tag heller und kann 
in zwei Monaten jogar unter Umftänden 
am hellen Tage — nachmittags — 
auf dem blauen Himmelsgrunde gefunden 
werden. Am 14. Februar tft die jchein- 
bare Entfernung der Venus von der 
Sonne am größten geworden. Wir weijen 
schon jegt auf die am 19, Februar abends 
von 7 bis N Uhr fihtbare teilweife Mond- 
finfternıs Hin, deren Demonjtration 
| auch den Schilern ein willkommener 
Genuß fein wird. 





Bliestale. 

der Suche nah Kohlen in dem Gebiete 
| der Blies Gold gefunden, worauf man 
an verſchiedenen Stellen Bohrungen vor- 


— 


nahm. Es ſtellte ſich nach der „gZweibr. Chemiker und Profeſſoren aus Straß— 
Ztg.“ dabei heraus, daß im ganzen Blies- burg und London wurde feſtgeſtellt, daß 
gebiete, von Reinheim bis nad) Saar | etwa 10 Zentner Erde 8 bis 10 Gramm 
gemünd, ſich Goldablagerungen im Ge | Gold enthalten, und es erichien daher 
ftein und im Sande befinden; bejonders | die Ausbeutung ziemlich gewinnbringend, 
günftig erichien das Ergebis auf dem | zumal man mit den heutigen Mittel im— 
preußiichen Ufer zwiichen Auersmacher | ftande iſt, alles Gold aus dem umgebenden 
und Bliesransbah. In dem Gelände | Geitein und Sande zu ziehen. Im Sommer 
zwilchen Auersmacher und SHanweiler | vorigen Jahres wurde jedoch durd einige 
wurde allerdings, wie geichichtlich Feit- | Bergbaubeamte von Bonn feitgeitellt, daß 
geitellt ift, vor einigen Jahrhunderten | fich eine Ausbeute wegen der allzu großen 
Gold gegraben, woraus in der Haupt | Unkoſten, wie Bahnverbindung nah Han 
ftadt Lothringens, Meg, Geld geprägt | weıler ujiw., nicht lohnt, und man ftellte 
wurde. Warum das Berfahren feiner | daher das Verfahren als ausfichtslos ein. 
zeit dort eingeftellt wurde, darüber it | Ein Herr aus Saargentind, welder der 
man ſich bis jet noch) im unklaren, doch Sache Aufmerkſamkeit entgegenbringt und 
nimmt man allgemein an, daß durch die | jchon viel Geld dafür ausgegeben hat, 
damaligen langen Kriege und infolge | bejigt einige Materialien dieſer Gegend, 
Mangels an Arbeitskräften das Ber- | in denen man das Gold deutlich erkennen 
fahren eingeſtellt und Später nicht wieder | kann. In neueſter Beit wurden jedoch 
aufgenommen, ſomit vergefjen worden it | wieder Unterſuchungen vorgenommen, 
— befanntlih war ja nad) dem dreißig: | woher man fand, daß eine Erdſchicht 
jährigen Kriege das männliche Gejchlecht | unter den Goldablagerungen die 
beinahe vollftändig ausgerottet, und man | Feinften Karbitoffe ceuthält; nad) 
fonnte in mehreren Dörfern juchen, um | Ausjage eines Chemikers jei die Ans: 
einen jungen Mann zu finden, nur Greiie | beutung diefer Erde lohnend. 

und Kinder waren zu jehen. Durch einige 





Umfrane. 

2. Unjerer Erfahrung gemäß bejteht richtes bitten wir, auf die Kreuzotter 
über das Auftreten der Krenzotter | bezüglice Angaben über Fundorte, 
in der Pralz eine große Meinungsver- | Häufigkeit, jahreszeitliche Beobachtungen, 
ſchiedeuheit. Auch bier können wir die , Terrainbeichaffenbeit, Traditionen in der 
Dritteilung politiven Materials in Aus- Gegend, Unglüdsfälle u. dgl. an uns 
ſicht ſtellen. Im Intereſſe einer gewiffen | gelangen zu lajjen. D. Sch. 
Rollftändigkeit des diesbezüglichen Be: 


An unfere Leſer. 

Wir machen darauf aufmerkſam, daß der 1. Jahrgang der „Pfälziſchen 
Heimatkunde”, welche nad Ausweis des bisherigen Inhaltes ganz entichieden 
praftiihen Zweden neben den unterhaltenden dienen will, mit den bereits 
vor Neujahr herausgegebenen beiden Probeberten 14 Hefte umfajlen wird und 
hoffen auch aus dieſem Grunde auf zahlreiche Unteritügung unjeres Unternehmens 
duch Abonnement und literariiche Beiträge. 

Der Verleger. Der Schriftleiter. 


DIndalt: Der Metcoritenfall bei Krähenberg (Pfalz). — Ornithologiſches. — Jahresver— 
fammlung der „Bollichia”. — Nom udenfriedhof zu Worms — Bildhauer Auguit Drumm 7. — 
Waflerdampf-Eruption bei Nenitadt. Dimmelserfcheinumgen. — Gold im Bliestale — Umfrage. 
— An unfere Leſer. — 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sautb, Landjtuhl — Hermann Kayſer's Verlag, Raiferzlautern. 
Alter Form und Anbalt der Beiträge find die Serien Berfaffer verantwortlich. 


Die „Pfalziſche Heimatkunde” Lofter jährlich in 1% Heften ME. 2.50. WBeflelungen twerden von allen Buchhandlungen und 
Voftanftalten ferner vom Berleger (Portofrete Strelfbandiendurg) angenommen. 


= 


a 


— WERE OL ERDE _ bio 





Inneres des Sieges- und Friedensdenkmals bei Edenkoben. 


(Beilage zur „Heimatkunde“ Nr, 4 1995 


I. Jahrgang. 


. Nummer 4. 


Februar 1905. 


FPALZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


U} 


EMINHUETR 


Als im Sommer des Jahres 1870 
die Schreden eines unabwendbaren Frie: 
ges nach dem Plane des „böjen Nad)- 
barn im Weften“ ihre traurigen Spuren 
auf deutſcher Erde zeichnen jollten, 
da war es die Pfalz, die oft verwültete, 
die auch diesmal das Kampffeld abzu- 
geben ſchien. Kühne Borausficht und 
weile Einrichtungen aber bewirften, daß 
wohlgerüftete deutiche Deere in über: 
raihender Schlagfertigkert und glühender 
Begeiiterung für die Verteidigung ihrer 
bedrohten Güter die Wacht amı Rhein 
bezogen. Da war der drüdende Alp 
von den Pfälzern gewichen. Mit wär- 
merem Danke wird kein deutiches Land 
den Siegedzug der unermüdlichen Trup— 
pen verfolgt haben als die Pfalz; ihr 
gebührte es auch, den Gefühlen ihrer 
Bewohner, die lange genug eine bange 
Grenznachbarlichkeit erlebt hatten, leben: 
digen, ſichtbaren Ausdrudf zu verleihen 
in einem hehren Denkmale. Wo konnte 
dafür ein befjerer Bla gefunden werden, 
als an der Höhe, an deren Fuß ſich die 
von Fruchtbarkeit jtrogende Ebene breitet, 
deren Hänge mit Nebenlaub befränzt 
find und wo der Blid ungehemmt über 
die Fläche der heute noch pfälziichen 
Gefilde hinüberichweift in Eurpfälziiches 
Land, ja bi8 an die alte Reſidenz Hei— 
delberg! Grund und Boden des Den: 





Das Sieges- und Friedensdenkmal bei Edenkoben.*) 


L/ 





Pf.Gi 


mals hatte ſchon hiſtoriſch anmutenden 
Klang: es ift der zu Ehren ded Generals 
v. Werder, der im Jahre 1871 den 
drohenden Einbruch der fFranzöfiichen 
Urmee unter General Bourbafi in die 
Flanke unjeres Heeres mit heldenmütiger 
Kühnheit zurüdgemwieien hat, Werder. 
berg genannte Ausläufer der Höhen 
weſtlich von Edenkoben, am nördlichen 
Ufer des Gemwäljers, das vom Schänzel 
herab das anmutige Edenkobener Zal 
durchfließt. Vor uns der „reiche Gottes» 
garten“ der Ebene; in duftiger Ferne 
die breite und turmgezierte Gilhuette 
des ehrmürdigen Kaijerdomes zu Speyer, 
der mit Heidelbergs erniten Ruinen an 
alte deutiche Herrlichkeiten, aber auch an 
Beiten gräßlicher Barbarei und tiefer 
Schmad erinnert; zu Füßen ein blühen- 
der Kranz mohlhabender Ortſchaften 
und Städte; links hinauf die mittel« 
alterlicdhen Nefte der Kropsburg, dahinter 
auf fteiler Höhe das römische Kaftell der 
Marburg; rechts hinab ein Lieblings- 
aufenthalt Ludwigs I. von Bayern, die 
f. Billa Qudwigshöhe und hod) darüber die 
Nuinen der Rietburg: das ift der wür— 
dige Rahmen, weldyer das Sieged- und 
Friedensdenkmal umſchließt. 

Schon von ferne madt die tempel— 
artige Anlage des Denkmals einen großen 
Eindrud auf den Beſchauer; die edle 


*) Die Abbildung des Denkmals verdanken wir der Güte de8 Bürgermeijteramts Edenkoben. 


Form ift im Ganzen einfach und würdig, 


26 


im Einzelnen aber prädtig und kraſt— 


jtrogend. Hinter einer weit im Bogen 
angelegten Terraſſe erhebt ſich ein maſ— 
fiver Unterbau, von zwei Treppenauf: 
gängen an den Seiten durdjiegt. Bier 
ftrebt auf vier mächtigen Säulen der 
auf 3 Seiten offene Tempel breit und 
doch leicht empor, die gemwölbte Derte 
ihon in den ſchwungvollen Bogen ver: 
ratend, welde die Säulen verbinden. 
An der hinteren Wand jehen wir 2 wohl 
charakteriſierte Frauengeſtaiten, welche 
ſich die Hand zum Bunde reichen und 
die Einigung des Nordens und Südens 
ſymboliſch darſtellen. Darüber werden 


Volkes 


die großen Männer einer großen Zeit 
und mit ihnen die ganze deutiche Armee | 


eehrt, welche im Siegeszuge dem deut: 
Fe Namen Ehre und Ruhm, dem 
deutichen Volke die lang erſehnte natio— 
nale Einigkeit, das Fundament feiner 
Wohlfahrt, errungen hat: Sailer Wıl- 
beim I., der Stegreiche, König Rudıwig IT, 
Prinzregent Luitpold, Reichskanzler Fürst 
Bismard, Generalfeldmarichal! Moltke 
und die Generäle v. d. Tann und Hart: 
mann. Weber ihren Häuptern find Die 
Wappen der zum Reiche zuſammenge— 
ichmweißten Einzeljtanten in einem Bande 


zufammengefaßt; wie Zweige entipriehen | 


fie einem Stamme und ıhre Wappen 
umranfen das gemeinfame Symbol, den 
Neichsadler, In der Höhe der Kuppel- 
wölbung aber ſtrahlt in meiſterhafter 
Moſaik das Sinnbild der Einigung, die 
deutiche Kailerfrone, als wolle fie das 
gelungene Werk und die Größen, die 
es jchufen, mit ıhrem Glanze übergieken. 

Wie die Schönheit Über dem ſteiner— 
nen Zeugnis unſerer Dankbarkeit an die 
Vergangenheit ausgebreitet ericheint, To 
reden auh Widmung und Ausiprüce 
eine ernſte Sprache und weden gewich— 


tige Erinnerungen. Da lieft man die | 
Widmung: „Zur Erinnerung an die 
glorreihen Stege von 187071, zum 


Preiſe des ſiegreichen Bundesfeldherrn 
und unſerer hochherzigen Landes- und 


Bundesfürſten, zur Ehrung der großen 


Heerführer und unſeres erſten Staats— 
mannes wie zum Ruhm unſerer tapferen 
Armee, zum Dank für die Rettung des 








Landes, für ſeine Erhaltung bei Deutſch— 
land und für die Einigung des deutſchen 
im Reiche, errichtet von der 
dankbaren Pfalz 1895—1899.“ Auf einer 
anderen Tafel ſind geſchichtliche Merk— 
ſteine bezeichnet, beginnend mit der 
Kriegserklärung vom 18. Juli 1870 und 
endigend mit dem Friedensſchluß vom 
10. Mai 1871 und den Worten: „Gott 
war mit uns, ihm ſei die Ehre!” Eine 
dritte Platte verewigt denkwürdige Aus: 
jprüche Kaiſer Wilhelms J. König Lud— 
wigs I, Bismarcks und des Reichs— 
tages; darunter der von König Ludwig M.: 
„Mit Begeiiterung werden meine Trup— 
pen für deutiches Recht und deutſche 
Ehre den Kampf aufnehmen. Möge er 
zum Wohle Deutjichlands und zum Heile 
Bayerns werden” (20. Juli 1870). So— 
dann die Raiierproflamation: „Uns und 
Unjeren Nacfolgern in der Kaiſerkrone 
wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer 
des Reiches zu ſein, nicht in Eriegerifchen 
Eroberungen, jondern in den Werfen 
des Friedens, auf dem Gebiete nativ: 
naler Wohlfahrt, Freiheit und Gefittung 
(18. Januar 1871). Ferner Bismards 
Worte: „Wir Denutichen fürchten Gott 
und ſonſt nichts in der Melt! Gott 
wird mit uns fein!” (6. Februar 1887). 

Bor dem Tempel hält unter freiem 
Himmel ein Germane body zu Roh, eine 


padende Idealfigur voll männlicher, 
jugendlidh kraftvoller Schönheit, eine 


Friedensgeſtalt, Die dem Volke zuvuft: 
„Es iſt wieder Friede worden unter den 
Völkern, freut Euch deilen, frohlocket! 
Setd aber eingedenf deilen, was Sud 
den Steg und den Frieden gebracht; 
jeid einig und wach und Ahr werdet 
itark fein und Frieden haben! Danadı 
tuet allezeit!” 

Das Denkmal, eine Perle unter den 
in der Pfalz nicht allzu zahlreichen künſt— 
leriſchen Schöpfungen, iſt ein Werf des 
jüngft verstorbenen Pfälzers Auguſt 
Drumm nad Entwurf und Ausführung. 
Hoc oben am Geftimfe lieft man in be- 
icheidener Andentung „A. D.“ Der 
Baumeilter Chr. Hode von Kreuznach 
it der Erbauer des Tempels, deffen Zur- 
ftaudefommen einem rührigen Kreiſe 
patriotiſcher und opferwilliger Männer, 


an ihrer Spitze 
Ruby ın Edenkoben, In eiſter Linie zu 
danken ift. Die Mittel flojfen aus Bei- 
trägen von Pfälzern in und außer der 
engeren Heimat, de8 Denkmalvereins, 
der Stadt Edenkoben, von bayerischen 
Freunden des Unternehmens, von Ber: 
einen, des Landrates der Pfalz, insbe- 
jondere auch von Se. 
Brinzregenten Quitpold und jämtlichen 
bayerischen Prinzen und aus Mitteln 
der Staates zur Förderung der Kunſt. 

Das Baumaterial für den Tempel, 
die Eeitenflügel, den Aufgang zur Platt- 
form, die Terraffe und ihre Treppen: 
anlagen entitanmt den Steinbrüden 
bet Edenkoben; die Ehrengruppe ir in der 


k. Hoheit, dem | 


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Dberlandesgerichtärat | Apſis iſt Donaudolomit; die Bronze des 


ı Heros zu Pferde ift aus Kanonenmetall, 
welches das bayeriiche Kriegsminiſterium 
geipendet hat; der Buß des Heros er— 
folgte in der v. Millerihen Erzgießerei 
in München, wo jeinerzeit aud die Ba— 
varia vor der Ruhmeshalle in Münden 
qegojfen wurde Auf der Plattform des 
Tempels, zu welcher man auf einer an 
der Hinterjeite angelegten Qireppe ge 
langt, befindet fi eine Orientierungs— 
tafel von Bräparandenlehrer Lenert, 
welche die entzücdende Ausficht erläutert. 
Die Einweihung des Denkmals geihah 
am Gedanstage 1899 unter Anweſen— 
heit der pfälziichen Kriegervereine. 


e „Mittelenropäilche Beit“ in der Pfalz. 


Der tteigende Eiſenbahnverkehr, be- 
ſonders aber die in den legten Jahr— 
zehnten beftändig geiteigerte Geſchwindig— 
keit der Perjonenzüge, die poftalischen 
und mit den ZXelegraphendienfte zu: 
ſammenhängenden Bedürfniſſe haben be» 
fanntlich ein Übereinkommen gezeitigt, 
nah welchem ın gewiſſen Ländern und 
Sonenitreifen der Erde eine für die 
Allgemeinheit giltige Zeitrechnung Gel: 


reih-Ungarn vom 1. Dftober 1891, 
Bayern, Württemberg, Baden und Elſaß— 


‚ Lothringen vom 1, April 1902 ab diete 


tung haben fjoll. Im Sabre 1883 hatte | 


ihon die Europäiſche Gradmefjungs: 
fommtifion in ihrer Sigung zu Nom 
den Borichlag gemacht, e3 möge der 
Meridian von Greenwich den Anfangs: 
meridian für eine rein wifjenichaftlichen 
Zweden dienende Weltzeit bilden. 
Anwendung 


von Stundenzonen: 


zeiten gemadt, deren Mittellinien die | 


Meridiane 75°, 90', 105” und 120° 
weſtlich von Greenmich bilden. Seit 1879 
hat übrigens Schweden ſchon den 15. 
ö. v. Grw. ald Nom für jeine 
einheitliche Eiienbahnzeit benügt. Der 
Beneralvertammmlung des Deutſchen Eiſen— 
bahnvereins in Dresden (1890) tag nun 
ein Antrag der Ungar. Staatsbahnen 
vor, nach welchen im Sommer 1891 im 
Bereinsgebiete diefer 15. Längengrad 
in der Berechnung einheitlicher Uhrzeit 
gelten jolle. 





Wirklich nahmen Deiter | 


en. | Randesgrenzen erhöht worden it. 
Daraufbin hat Nordamerika jchon 1884 | 


Zeit an und das übrige Deutichland 
tolgte hierin ein Jahr ſpäter. Auch 
Luremburg, Bosnien und Serbien ſchloſſen 
ih an, wogegen Länder mit ziemlicd 
oder ganz abgeſchloſſenem Verkehr, wie 
Norwegen, Dänemark, Stalien, auch die 
Schweiz, eine Landeszeit einführten. 
Es muß ohne weiteres zugegeben werden, 
daß die Aufitellung der immer Eompli« 
zierteren Fahrpläne der europäifchen 
Länder dadurch ebenio erleichtert, wie 
die Betriebsficherheit und Zuverläffigkeit 
der Anſchlüſſe beim Ueberichreiten von 
Bor 
wenigen Jahrzehnten hätte man wohl eine 
ſolche Nüdficht auf das reiſende Publi— 
kum als zu weitgehend eradıtet ; heute 
aber gehört ziemlich jedermann zu dieſem 
Publikum und genießt, wenn auch in 
den meilten Fällen für feine Eleinen 
Reiſen ohne Not, fiherlicd ohne Bewußt— 
jein davon, die Annehmlichkeiten, welche 
der Weltverfehr aus der Bereinfahung 
dev Beitablefung geihöpft hat. Der 
kleine FFehlbetrag oder Weberichuß, den 
die wahren Uhrangaben haben erleiden 
müſſen, um für die Ortszeit die „M. EZ. 
einzutauschen, dient allen zum Nugen. 

Woher die Unterſchiede zwiſchen wahrer 


Drts- oder Sonnenzeit und der jet 
geltenden M. E. Z. rühren, ſei fur; an: 
gegeben. Die Dauer einer Erdum- 
drehung hat man in 24 Abteilungen oder 
Stunden (zu 60 Min., diefe zu 60 Sef.) 
geteilt; der Erdumfang wird dabei be- 
fanntlich in 360° zerlegt. Daraus folgt, 
daß in jeder Stunde 15° in Längen: 
rihtung (Oſt-Weſt) an der Sonnenziel- 
linie vorbeipaflieren und jeder Grad 
braudt demmad; 4 Minuten dazu. Am 

quator, wo 1° 111 km, rüdt aus 
diejem Grunde um die Zeit der Früh: 
lingd- oder ker der Ort 
ſenkrechter Beitrahlung pro Sekunde 
463 m gegen Weiten; in höheren jüd- 
liden und nördlihen Breiten, wo die 
Längengradlinien näher zuiammenrüden, 
ift diefer Weg kürzer und beträgt in 
der Pfalz nur gerade 300 m. Man fieht 
daraus, daß genau nach wahrer (oder 
auch mittlerer, d. h. gleihmäßig ge 
dachter) Sonnenzeit gehende Uhren jchon 
auf ziemlich geringe Entfernungen im 
Richtung Oſt-Weſt merklich abweichende 
Angaben liefern müſſen. Alle öftlich 
von uns gelegenen Länder haben die 
Sonne vor und; auch ihre Uhren müfjen 
alle Angaben früher aufweiſen als die 
unfrigen und gehen daher vor lekteren. 
Andererjeit3 befommen weitliche Gegen- 
den die Sonne und fomit die Tages: 
zeiten jpäter als wir, weshalb ihre 
Uhren jemweild unjere Zeitangaben noch 
nit erreiht haben, alio nachgehen. 
Diefe Berjchiedenheit abjoluter Zeitan— 
gaben ift durchaus nicht nebenjächlich 
oder für das Verkehrsleben bedeutungs: 
(08. Wir wollen zur Erklärung, in 
welhem Umfange der ununterbrochene 
Buß der Zeit um die Erde herum ins 

ewicht fällt, zwei Beiſpiele wählen. 
Das Dorf Hütichenhaufen ift von Oſten 
bis Weiten 1800 m lang; da in unferer 
Breite Schon eine Strede von 300 m 
Länge eine Zeitjefunde Unterjchied be- 
deuten, jo hat das erite und legte Haus 
dieje8 Dorfes ganze 6 Sekunden Diffe- 
renz, d. h. das Ditende hat um b Gef. 
Früßer Mittag ald das Weſtende, was 
ja praftijch nichts heißen will. Sehen 
wir aber die Strede vom Rheinufer bei 
Altrip bis zur Wejtipige der pfälziichen 


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Landesqrenze (Sulzbadher Glashütte) an, 
jo macht die Entfernung ſchon 346 Sef. 
oder 5 Minuten und 46 Sefunden aus, 
was jchon für jedermann eine unleid: 
lihe und als recht jtörend empfundene 
Differenz ift, zumal, wenn auf den Bahn: 
verkehr Rüdjicht genommen wird. Wenn 
ſchon in einem Eleinen Landesteile zwiichen 
den öftlichen und weftlihen Grenzen jo 
ftörende Zeitunterſchiede vorkommen, 
dann ift ohne meiteres rerjtändlidh, dat 
in Rändern, wie Bayern oder gar Preußen, 
die Einhaltung der Sonnenzeit geradezu 
ein Hindernis für den fteigenden Berkehr 
werden mußte. Anfangs half man ſich 
mit einheitlihen Seiten für begrenzte 
Gebiete; die ungeahnte Entwidelung 
unſeres Eiſenbahnweſens überwand dieje 
Zwiſchenſtufe der Abhilfen und brachte 
uns endlich vor vierzehn Jahren die 
Einheitszeit des 15. Läugengrades (Gör— 
litz Stargard), die um eine volle Stunde 
von der Greenwicher Zeit (für wiſſen— 
ſchaftliche Zwecke angenommen) abweicht. 
Wir find nun gehalten, von unſerer 
wahren Zeit etwas abzulafjen, um die 
M. E. Z. zu benügen, weil wır von dem 
15. Grad eine berrädhtlide Strecke ent- 
fernt find. Man jagt, die Abweichung 
betrage eine halbe Stunde. Wır haben 
aber geliehen, daß dies nur für eine ge 
wife Linie der Fall jein kann. Dieje 
wird in dev Pfalz durd folgende Drt- 
lichkeiten bezeichnet: Eſchenau amı Glan 
(Ditrand), Friedelhaufen am Potzberg 
(Wefthälfte), Föckelberg am Potzberg 
(Oftrand), Mitte zwiſchen Fockenberg 
und Neunfirhen, Mitte zwiihen Spes- 
badı und Hütichenhauien, Ede der Staats— 
ftraße öftlid von Hauptftuhl, Yangmwieden 
(Weitende), Mitte zwiihen Knopp und 
Biedershaufen und Weftrand von Botten: 
bad). Der durch dieje Punkte ziehende 
Meridian weicht aenau 1800 Sekunden 
von der M. E. Z. ab, alle Orte gegen 
Diten weniger, die gegen Weiten mehr. 
Seitdem ſich auch die bürgerliche Tages- 
ordnung nad der amtlihen M. E. Z. 
richtet, bat wohl faum jemand das 
Empfinden eınervom Sonnenlaufe weient- 
lich abweichenden Beitzählung — außer 
denen, welde durch ihren Beruf die 
wahre Ordnung der Ereigniffe von dem 


Uebereinfommen trennen müffen. Gleich— 
wohl ift e& auch für den Prälzer inter: 
efjant, für feinen Wohnort zu willen, 
um wieviel er dev wahren Zeit mit 
feiner Uhrangabe voraus ift. Es mögen 
hier für einige Orte die Differenzen 
gegen 15 Grad Länge folgen. Brüde 
zwiſchen Saarbrüden und St. Johann 
(32,00 Min.), Angbert (31,51), 
Blicäfajtel (30,94), Homburg (30,61), 
Zweibrücken- Zunbach (30,50), Glan: 
münchweiler (30,21), Altenglan (30,13), 
Sternwarte Landftuhl (29,73), Lauter: 
eden (29,61), Wolfitein, Kindsbach, Bann, 
Weielberg, Zeſelberg (Straßenmitte), 
Höheindd, Pirmaiend (Mitte) (29,55), 
Meißenheim am Glan (29,29), Kaiſers— 
lautern Otterberg (28,90), Dahn (28,85), 
Alſenz (28,71), Kreuznac:Winnweiler 
(28,57), Hochſpeyer (28,39), Annweiler 
(28,12), Bergzabern 7. v9), Kirchheim; 
bolanden (27,94), Göllheim —— 1), Alzey: 
Landau (27,52), Neuftadt (27,41), Grün: 
jtadt (27,32), Dürkheim (27,30), Lauter: 


burg (27,20), Frankenthal (26,58), 
Worms (26,55), Germersheim (26,51), 


Mannheim (Alte Sternwarte) (26,16), 
Speyer (Rheinbrüde) (26,13) und Oſtende 
der Pfalz bei Altrip (25,90). 

Alle vorftehenden Minutenwerte jagen 
und, um wieviel unjere Uhren nad) 
Uebereinkommen vorgehen, aliv mehr an: 
geben, al3 die Sonnenuhren. Wenn wir 
aljo „Mittag“ halten, it es in Wahr: 
beit erſt 11 Uhr 30 Minuten in runder 
Zahl. Diefe M. E. Z. hat auch ge 
legentlid einen anderen Vorteil als den 
der WBereinheitlihung; wenn nämlich 
irgend eine aftronomiiche Angabe unge: 
rechnet werden muß, hat man bei uns 
nit den Längenunterjcied zwiſchen 
Pfalz und Greenwih in Rechnung zu 
ziehen, jondern, da wir ja nicht pfälziiche, 
Jondern Görliger Zeit haben, eine volle 
Stunde zuzuzählen. Berichwinvet 3. B. 
ein heller Stern am Mondrande nad 
dem aſtronomiſchen Kalender (Grw. Zt.) 
um 9 Uhr 3 Min. 26 Sek., io ichen 
wir das Ereignis in ganz Mittel— 
europa eintreten um 10 Uhr 3 Dem. 
26 Sek. — ſonach iſt die Rechnung jehr 
einfach geworden. 

Es gibt heute nicht mehr jehr viele 


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— ——— — —— — — — nr —— —— — — —— — 


Leute, welche ſo wenig Rückſicht auf 
Verkehr und Zeit nehmen, daß ihnen 
die eigenen Uhrangaben blindlings ver— 
trauenerweckend erſcheinen. Nach Aus— 
ſage von Fachleuten ſind auch die An— 
ſprüche des großen Publikums an die 
Zuverläſſigkeit einer Taſchenuhr erheblich 
deſtiegen. Man darf alſo annehmen, 
daß ſich im Laufe der Jahre ein Be— 
dürfnis nach geringerer Unſicher— 
heit der Zeitangaben herausgebildet hat 
Dieſes rechtfertigt die Unterhaltung da— 
rüber, wie man eigeutlich in den Beſitz 
einer ganz und gar einwandfreien Uhr— 
zeit gelangt. In richtiger Erkenntnis 
des Wertes dieſes Elementes im ſozialen 
Leben erteilt der Staat täglich genaueſte 
Auskunft, was die Uhr geichlagen hat. 
Nachmittags um Fünf Minuten vor drei 
Uhr M E. Z. joll die Beförderung von 
Telegranmmen in ganz Bayern ruhen; 
zwei Minuten vor drei Uhr beginnen 
die Apparate zu ſpielen und tiden etwa 
zwanzigmal oder öfter MEZ. MEZ, MEZ; 
zwanzig Sekunden vor drei Uhr bleibt 
der Taſter niedergehalten, ſo daß bei 
eingeſchaltetem Uhrwerk des Apparates 
ein langer Strich auf dem Papierſtreifen 
entfteht, welcher plötzlich durch das Zurück 
ſchnellen des Taſters einen Abſchluß 
findet. Dieſes Ende iſt das wahre Zeit: 
moment „3 Uhr M. E. Z* Die unjict: 
bare Urſache aller diejer Signale, welche 
jäntliche Telegraphenämter des König: 
reiches gleichzeitig erhalten, tit die Hand 
eines Beamten der Münchener Stern- 
warte (Bogenhauien‘, welcher ſich nad 
einer unter fortwährender ajtro- 
nomiſchen Kontrolle ftehenden koſt— 
baren „Normaluhr” richtet, ſodaß der 
Hörer des Signals in Hof, Würzburg 
oder der Pfalz ſicher jein kann, das 
Zeitmoment „3 Uhr“ bis auf Bruchteile 
der Sekunde genau zu empfangen. Auf 
kleineren Stationen fann jedermann das 
Beichen abhören ; die dörflichen Stationen 
erhalten dasielbe auf telephontichem Wege. 
Nun haben aber die (mancherlei mecha— 
niichen und thermiſchen Einflüffen aus: 
gelegten) Taſchenuhren keineswegs einen 
zuverläffigen Gang; man faun jagen, 
dak jede einigermaßen in qutem Stande 
gehaltene Pendeluhr Giegulator) em 


befjerer und auf längere Dauer zuver— 
läſſiger Zeitmeſſer iſt, als jelbit eine 
„gute und teure” Taſchenuhr. Darum 
ergibt fich die Forderung, die auf der 
Poit enipfangene Zeit auf eine Pendel: 
uhr bie und da einmal zu über: 
tragen, wenn man innerhalb enger Gren— 
zen feiner Tageszeiten ficher fein möchte. 
Wer jih aus beionderen Gründen mit 
„ebenio guter“ Eifenbahnzeit verjchen 
will, darf aber nicht meinen, die „Bahn 
uhr“ fei der paflende Vermittler, denn 
dieje hat, wie man leicht Feititellen kann, 
ihre Eigenheiten; auch bier muß dad 
Ohr das telegraphiih anfunmende Sig: 
nal abbören. Es bieibt nad dem Ger 
jagten nur noch übrig, zu bemerken, daß 
man fi) der einmal gewonnenen Zeit 
am beften dadurch verfichert, daß man 
jene Uhren immer um dieſelbe 
Stunde aufziebt, 3. B. beim Abend- 
fen, eine länger gehende Pendeluhr aber 
jeden Sonntag ulm. Ein Unfug aber 
it es angeficdhts des immer allgemeiner 
werdenden Beitrebens nah einheitlicher 
Meſſung der Tagesabſchnitte, wenn die 
der ganzen Dffentlichfeit dienenden 
Kirchennhren auf beiondere Weifung hin 
„rünf Minuten“ vorgeben. Abgeſehen 
davon, daß diefe Zugabe eine dritte 
Zählung daritellt, welche zudem die un— 
vermeidliche Abweichung von der wahren 
Zeit verſchärft, ut der erhoffte Ge: 
winn ein völlıq eingebildeter. Wenn 
der Schlendrian ſanmſeliger Menschen 
durch das gewohnheitsmäßige Zugeben 
einer Galgenfrift von 5 Minuten etwa 
vor dem Berfehlen des Zuges geſchützt 
werden ſoll, jo vergißt man Eurzfichtiaer: 
weile, daß der Gewarnte doch auch weiß, 
daß philütröfe Füriorge ihm 5 Minuten 
ertra zugemeffen hat: er ſündigt auch 
auf dieſe umd die ganze Einrichtung 
bleibt verfehlt. Eine Uhr ſoll die übliche 
und der Öffentlichkeit nügliche Zeit 
angeben, Keine beliebig und willkürlich 
gefälſchte. 

Wir haben eingangs des Umſtandes 
gedacht, daß dem Zuviel der Uhran— 
gabe bei uns ein Zuwenig in öſtlich 
vom 15. Rängengrad gelegenen Län— 
dern entipriht. Da unfere Differenz 
rund eine halbe Stunde beträgt, 10 


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merken wir die Ungleichheit der um den 
jegigen „Mittag“ liegenden Tageshälften 
jehr deutlih. Am Winter 3. B. wird 
ed bei uns erſt gegen halb neun Uhr 
heil und erit gegen halb fünf Uhr Nacht: 
der Morgen tt -alfo um eine volle 
Stunde fürzer als der Nachmittag. Aber 
ein anderer Einfluß it noch ſehr be- 
merfenswert. Zwei Spridwörter weiien 
uns darauf hin: „Der Schlaf vor Mitter- 
nacht ift der beite“ und „Morgenitund’ 
har Gold in Mund.” Bei den Gewohn: 
heiten in unserem jozialen und gelelligen 
Leben läßt es ſich nicht qut vermeiden, 
daß die Tagesereigniffe erit in ſpäter 
Stunde einen Abichlug finden, jo daß 
die Iprihwörtlich am zwedinäßigiten wir: 
fende Ruhezeit entichieden zu Eurz kommt. 
Bezüglich des anderen Sprichwortes iſt 
zu beflagen, daß es noch viele Menichen 
geben joll, denen Sunnenaufgänge ſo 
aut wie unbefannte Genüfje find. Nun 
iteflen wir zweterlet Betrachtungen au. 
Die erſte lautet: Da unſere nad) mittel— 
europälicher Zeit gehenden lihren immer 
(für die Pfalz) eine halbe Stunde zu- 
viel fagen, fo find wir in allem, was 
wir unternehmen, nah Sonnen: oder 
Weltzeit — die doch unjere Lebensver— 
hältniffe regelt —, um ene halbe Stunde 
zurüf. Gehen wir „um 10 Uhr” zu 
Berte, fo beginnen wir in Wahrheit 
die Mubezeit un 2210 Uhr; itehen wir 
um 27 Uhr vom Lager auf, fo iſt es 
erit 6 Uhr. Wir nähern uns alſo ohne 
Abficht durch das Rechnen nad der Zeit 
des 15. Längengrades jenen Berhält- 
niffen, welche iprichwörtlich als der Ge— 
fundheit förderlich bezeichnet find. Wohl 
kann man Tagen, daß diele halbe Stunde 
fo qut wie ohne Bedeutung ſei; dabei 
vergigt man aber, daß es ſich oh um 
zwei halbe Stunden handelt: um eine, 
die man früher zur Ruhe geht und um 
eine, die man früber aufiteht, als es 
unter anderen Umſtänden ge: 
ihehen wäre; man vergißt ferner, 
dar Diele Eleine, ja ganz Eleine Wer: 
befferung unierer Lebensgewohnheiten fich 
im einem Jahre 365 mal wiederholt. 
Jetzt ſieht die Sache ſchon aus, als ob 
man mit einer gewiſſen Berechtigung 
ſagen könnte, die Einführung der Ein— 


heitäzeit habe uns Brälzern und allen 
ähnlich weit weitlih Wohnenden ein ge- 
jundheitlich nicht unwichtiges Moment 
als Zugabe gebradht. Wer — abgejchen 
von dem Grade des Vorteils unierer 
Stundenveridiebung, deu wir durchaus 


nicht mit Werten einichägen wollen — | 


diefer Ueberlegung zweifelnd oder ab: 
lehnend gegenübertteht, den möchten wir 
fragen, ob er es etwa angenehmer finden 
würde, in allen Dingen formell der Zeit 


nachzuhinken, aber tatiählıh voran zu 


fein, wie der änßerſte Oſten Deutich- 
lands und Ungarns. Stier verkehrt ſich 
die Sache ind Gegenteil, denn wer um 
Mitternaht das Lager aufſucht, muß 
mit der wahren Zeit al Uhr vechnen, 


31 





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1 


und wer um e7 Ahr aufſteht, bat es 
tatfächlich erſt um 7 Uhr getan. Das 
macht gegenüber der Geitaltung weſt— 
deuticher Berhältniffe je eine volle Stunde 
Unterichied zu ungunſten des Ditens 
in geiundbeitlicher Beziehung. Auch dort 
multiplizieren jich die zur Gewohnheit 
gewordenen Einflüffe der verichobenen 
Tagesordnung, aber mir dem Rejultate 
erhöhten Nachteiled. Immerhin kann 
der Pfälzer das Bewußtſein haben, daß 
der Tauſch der früheren ohnedies 
nie richtigen — Ortszeiten gegen Die 
jtaatlich vermittelte Einheitszeit in jeder 
Beziehung nüglih und angenehm war. 
F. 


Notizen über die Arenzotter und die Kartoffel. 


I. Obwohl es wünschenswert wäre, 
Material über die Verbreitung der 
Kreuzotter in der ganzen Pfalz zu 
jammeln, ſei ein Anfang gemacht und 
als unumſtößliche Tatſache fejtgeitellt, 
daß wiederholt im Geläunde nördlich von 
Steinwenden am Mohrbach diele Gift: 
ihlange gefunden wurde Herr Lehrer 
Bayermann hat vor etwa 20 und vor 
15 Sahren und 1904 je ein Gremplar 
lebend gefunden, die beiden erften jogar 
in Spiritus zu Dentonitrationszweden 
aufbewahrt. Sie hielten fih im Ge— 
meindewalde von St, auf, anı jogenann- 
ten Erdbeerenberg und wurden zufällig 
alle drei im Auguſt entdedt, als fie ſich 
auf der Sonnenijeite des Wald: 
randes auf dem Wege fonnten. Ihre 
Färbung war nicht gleich, was ja auch 
bei $reuzottern nicht der Fall zu fein 
braucht; aber die zutreffende Rücken— 
zeichnung war vorhanden. Keines dieier 
Ziere war über 60 cm lang. Da audı 
die Ringelmatter häufig vorkommt, welche 
unter Umjtänden dreimal jo lang und 
did wird, aber einen walzenfürmigen 
Körper hat, jo waren die Ottern gar 
nicht zu verwechſeln. Ihr Körper ver: 


vereinzelt vorfommen; wirklich häufig 
joll fie bei Meg zwiichen da und Grave: 
lotte fein und schen behördliche War- 
nungen vor ihr veranlaßt haben. Die 
vorjtehende Mitteilung möge den Anlaß 
abgeben, daß der „Pr. H.“ aud aus 
anderen Zeilen der Pfalz noch Nach— 
richten zugehen, 

2, 83 ſcheint vorläufig nicht ganz 
genau naczumeiien zu fein. wann der 
Anbau der Kartoffel in den ein 
zelnen Gegenden der Pralz begonnen 
wurde. Um auch in dieſem Punkte den 
Intereſſenten einen Anhalt zu bieten, 
um welche Zeit herum alte Urkunden 
davon berichten Eönnen, jet aus einem 
Bortrage des Herrn Lehn in Jägers— 
burg die Stelle erwähnt, nad) welcher 
am Ende des 30jährigen Krieges 
die Kartoffel noch unbekannt ge 
weien, weil erit 1700 eingeführt 
worden Sei. Bon Oberarnbad 
(Sidinger Höhe) erfahre id, daß vor 
etwa 80 Jahren dort bereitd zwei 
Sorten angebaut und fchon damals, 
wie heute noch, zu Brennzweden benüßt 
worden ſeien. „Aderbau der Pfälzer“ 
von J. N. Schwerz, (Berlin 1816) be- 


dünnt ſich gegen den Kopf zu allmählich; | richtet über eine Mufterwirtichaft bei 


diefer ift breit und ftumpf. Der Schwanz 


Haßloch auf fandigem und lehmigen 


jegt mit auffälliger Verdünnung ein. — | (ja reinem Letten-) Boden, wobei wir 


Immerhin mag diefe Giftichlange nur | 


außer der üblichen und einer theoretischen 


Fruchtfolge, in welcher 


32 


Kartoffeln 


vorkommen, leſen: „Bet Speyer baute 


man vorher nidts als 1. Spelz, 
2. Kartoffeln oder 1. Tabatf, 2. Spelz, 
3. Kartoffeln Dieſer Sandboden 
nahm alſo der Wirtichait weit mehr 
Dünger weg, ald er imitande war, 
wiederzugeben, ftatt, daß ev heute (1816) 
der ganzen Übrigen Wirtichaft zur Stüge 
dient.” Die Kartoffeln wurden damals 
auch gebrannt. 

Ebenjo wurde ein Anhaltspunkt aus 
einer Berpachtung vom September 1821 
in Dudenhofen gewonnen, wo frühere 
„Almengüter“ als „Acker im Grund- 
birnfeld” in 91 Loſen, alſo in 
jolhem Umfange ausgeboten wurden, 
dat der Anbau der , Grundbirne“ nichts 
Seltenes mehr geweſen fein kann. Herr 
Landwirt Ludwig Zimmer in Ober: 
arnbac weiß folgendes zu berichten: 
Nach Lonſers Geſchichte der Landwirt— 


ſchaft wurden die Kartoffeln 1716 im | 





dev Bralz eingerührt. Durch auswan- 
dernde Pfälzer famen diejelben 1720 in 
De Mark Brandenburg. Nah tradito: 
neller Überlieferung kamen fie erit in 
der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts auf 
die Sicktnger Höhe, wo fie nach den 
Dungerjahren von 1771 und 72 als 
menschliches Nahrungsmittel große Dienite 
leiſteten. Gegen Ende des 18. Jahr— 
hunderts, zur Zeit der franzöftichen 
Staatsummälzung waren jchon Brenne- 
veren vorhanden, In Gerhards- 
brumm wurde die erite Brennerei 1813 
errichtet. In alten, jegt noch ftehenden 
Wohnbhäufern, welche im 18. Jahrhundert 
erbaut wurden, befanden ji) no vor 
20 Fahren im Fußboden der Wohn: 
zimmer Offnungen, durch welche die 
Kartoffeln wach der Ernte in die Keller 
befördert wurden. Es iſt dies ein Be— 
weis, daß die Startoffeln in der bereits 
erwähnten Zeit in Oberarnbadh ange- 
baut wurden. 


Walırdampfexhalation bei Neuſtadt. 


Unfere in Heft 3 ausgeiprocdene Ber: 
mutung bezüglih der Herkunft des mitt 


Feuchtigkeit gelättigten Luftſtromes aus | 


der Spalte am Königsberg bei Neujtadt 
findet auch anderwärtige Unterſtützung, 
ebenfo unfere Forderung einer fortge— 
jeßten Beobachtungsreihe. Die „Str. 
Poſt“ berichtet weiter: 
‚Die Dampfjäule im Hardtgebirge 
am Königsberg wurde nad ihren chemi— 
hen Eigenſchaften von Chemiker Dr. 
Möslinger aus Neuitadt unterjucht. In 








Säure noch Schwefelwaſſerſtoff. Auch 
Dr. Möslinger hat die Erklärung des 
Phänomens, daß es auf dem Prinzip 
dev kommunizierenden Röhre beruhe, 
angenommen, ebenio Profeſſor Dr. Con- 
weng. Die Temperatur der Wärme- 
quele des Phänomens bewegt fi zwiſchen 
+83 bis +10 Brad Celſius. Es müſſen 
Sommer: und Winterbeobachtungen zahl: 
reicher Art vorausgehen, bis die Frage, 
ob der Grund in thermalartigen Waffer- 
beten oder in bloßen Drudluftunter: 





dem aufgefangenen Dampf fand er | jchied oder in einer Verbindung mit der 
Wafferdampf und einige gastörmige | Aheinipalte zu ſuchen iſt, entſchieden 
Kohlenjäure, dagegen weder ſchwefliche werden kann.’ 

Inbalt: Das Sieges- und Friedensdenkmal bei Edenkoben. — Die „„Mitteleuropätjche 


Zeit“ in der Pfalz. — Die Hreuzotter und die Kartoffel. — Wallerdampferhalation bei Neuftadt 








Schriftleiter: Eehrer Ph. Sauth, Lanöftuhl — ſermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich. 


Die „Bfälziiche Heimatkunde“ toftet jährlich In Ir Heften DIE. 2.50. We’rliurgen werden von allen Wucdbandlungen und 
Boftanflaltın ferner vom Verleger (Bortofrere Etreifbandiendur g) angenommen. 


I Jahrgang. 


Nummer 5. 


März 1905. 


\IPALZISCHE HEIMATKUNDE | 


MONATSSCHRIFT 
De FÜR SCHULE UND HAUS. 
———— — — —— — e——— 


FMANNE ER 





6 


Von den ehemaligen vereinigten Queckſilberbergwerken 
im Aönigsberge bei Molffein. 


Einer freundlichen Anregung des 
Schriftleiters diejer Blätter nachkommend 
erlaube ich mir, an diejer Stelle einige 
Mitteilungen über die ehemaligen Queck— 
jilberbergwerfe im Königsberge zu 
machen, die auf das Intereſſe manches 
Leſers rechnen dürften. Dur das Ent: 
gegenkommen des Altbürgermeiſters von 
Wolfſtein, Herrn F. E. Braun und des 
nunmebrigen Gemeindevorjtandes, Herrn 
C. Diehl, kam ich in den Bejig zweier 
jehr wertvollen Quellen, die es allein 
ermöglichen, wahrheitsgetreue Mittei— 
lungen zu geben; denn was uns auf 
dem Wege mündlicher Ueberlieferung 
überfommen ift, wurde im Laufe der 
Jahre entitellt und ift auch teilweiſe jo 
nebenjächlicher Art, daß eine zujammen« 
faffende Daritellung desjelben fich kaum 
lohnte. 

Das eine der genannten Quellen— 
jtüde it ein Plan der ganzen Berg: 
werfsanlage in Grund» und Aufriß und 
ift Eigentum des Stadtarhivs Wolfiten, 
das andere iſt eine von dem Betriebs: 
beamten F. W. Günther im Jahre 1838 
zu Dreifönigszug gefertigte Abhandlung 
über die Wolffteiner Quedjilbergruben. 
Anf Dreikönigszug, dem bedeutenditen 
Quectjilberbergmwerf des Poßberges und 
der ganzen Rheinpfalz, jcheint den Ber: 
fofjer auch unjer Landsmann Auguſt 
Beder beſucht zu haben, welcher ſich ſehr 


interejliert und anerfennend über die 
Eoftbare Mineralieniammlung, die treff- 
lihe mineralogiiche Pfalzkarte, jowie das 
Bogberger Laboratorium „dieſes Kory— 
phäen im Bergfache“ ausipridt. 

Die Quedjilberbergwerke des Königs: 
berges jcheinen aber denen des Pop: 
berges nicht viel nachgeltanden zu haben. 
Denn wenn aud von dem Hauptwerke 
des Potzberges berichtet wird, daß es 
jährlich 20000 Pfund Quedjilber lieferte, 
jo betrug doc auch die Ausbeute eines 
einzigen Werkes im Königsberge — es 
gab hierielbft drei größere Werke — in 
den Jahren 1771— 1794 134000 Pfund 
Queckſilber, aus welchen 194000 Gulden 
erlöjt wurden. Und insder Beichreibung 
des bayer. Nheinfreiies von den kath. 
Pfarrer und Bezirksihulinipeftor Mid. 
Frey können wir lejen, daß immerhin 
etwa 45 Bergleute zum Betriebe der ' 
Duedfilbergruben bei Wolfjtein not: 
wendig waren. 

Was nun zumäcit die geognoftiichen 
BVerhältniffe des Königsberges betrifft, 
jo jei in Kürze folgendes angegeben. 
Der Königsberg erhebt fich Über einer 
eigentümlihen Schichtung von Kohle und 
Kalk zu einer Höhe bis 54) Meter über 
den Meeresipiegel. Sein Gipfel Liegt 
etwa 550;Meter über der Talſohle im 
Dften, gegen weldye er in einem großen 
felfigen Abhang abfällt; ähnlich ift fein 


Abfall nach Welten. Dagegen ſchließt 
er fih nad) Norden und Süden an den 
allgemeinen Kohlengebirgsrüden mit 
ſtarken Kaltflögen an und erhebt ſich 
nicht bedeutend über diefen. „Tief ein- 
geichnittene, von Oſt nadı Weit ziehende 
Schluchten mit jähen pralligten Abhängen 
geben ihm ein wildes Anſehen.“ Er 
beiteht fait ganz aus gewöhnlichen Feld: 
ſtein Porphyr, ver Glinmer, Quarz und 
Feldſpat als Einlagerungen enthält. 
Die in ihm im der legten Hälfte des 
18, Jahrhunderts angelegten Zechen und 
Werke führten ſämtlich- auf Binnober- 
puren; außerdem ſtieß man Häufig 
auf Schweripat, Rot: und Braunetien- 
jtein und Schwefelkies. 

Die einzelnen Werke erhielten viel 
verheigende Namen; aber die Mehrzahl 
entiprad) nicht den in fie geſetzten Hoff- 
nungen. Bei einigen Werfen mußte 
jehr bald die Arbeit wegen der In— 
rentabilität eingeftellt werden. Die wid 
tigjten Bauc waren: Theodors Erzluit, 
Ehriftians Glüd, Pfälzer Mut umd 
Herrenipig. Das größte Werft war 
Theodors Erzluft, das ſich ſüdöſtlich von 
Wolfitein im Laufbaufer Tale befand. 
Dieje Zeche wurde, wie Günther mit: 
teilt, Schon 1725 eröffnet; dann fteflte 
man den Betrieb ein, um ihn 1748 
wieder aufzunehmen. Theodors Erzluft 
war die reichite aller Wolffteiner Gruben, 
lieferte von 1771— 1787 126764 Pfund 
Duedfilber und beichäftigte allein 20 
Arbeiter. In den etwa 1—2 Meter 
mächtigen Gängen dieſes Werkes fand 
man zwiſchen Schweripat, Schwefelkies, 
Rot- und Braumeiienitein den Binnober 
und als Eeltenheit ſogar gediegenes 
QDuedfilber. Die Grube war aufges 
ichloffen durch einen Stollen und durch 
einen Tageſchacht in der Nähe des Lauf: 
haufer Weihers, der fih im ziemlicher 
Höhe am Königsberge befindet, dann 


durd) den Weiherftollen, etwa 300 Meter 


öftlih des Laufhaufer Weiherd und 
drittens durch den großen Eliasftollen, 
der 700 Meter lang war. Er reichte 
von dem Laufhauſer Zal bis zum Feten: 
teiher Tal, das im Volksmund kurz 
„Zal” genannt wird. Der Eliasſtollen 


war ganz in Porphyr getrieben und die | 


34 


— war dermaßen ſtark, daß auf 
Zimmerung und Mauerung dev Grube 
verzichtet werden fonnte. Vor Eurzer 
Zeit nody war diejer Stollen ganz und 
gar pajlterbar, jo daß man, im Keſten— 
teiher Tale ins — der Erde ge— 
langt, nach einer Wanderung von 700 
Metern im Laufhauſer Tal wieder ans 
Tageslicht kam. — Die anderen Werke, 
die oben genannt jind, waren nicht jo 
reich wie Theodors Erzluft. Das 
Ehriitians Glück Werk befaud jich cben- 
fals im Laufhaufer Tal, weitlih von 
Theodors Erzluft. Die Gangmafje der 
Stollen diefer Zeche zeigte weniger 
Duedfilbererze, als vielmehr Braun— 
und Schwarzeiienitein, Schwefelkies und 
Schwerſpat. Legteren fand man aber 
am häufigften uud jchönften in einem 
Stollen des Pfälzer Mut:Werfes, der 
wegen feines Spatgehaltes den Namen 
„Spataang” führte. „Pfälzer Mut“ 
lag nördli von „Theodors Erzluſt“ 
und von „Chriſtians Glück“, tm öfters 


' genannten Seftenteiher Tal. 





Weiter oben wurde ſchon betont, daß 
gediegened Queckſilber jehr ſparſam in 
der Natur verteilt it. Am häufigſten 
tritt e8 in der chemiſchen Verbindung 
nit Schwefel auf und diefes Sulfid 
führt dann den Namen Binnober (Hg. S) 
Der Name Zinnober joll aus der indischen 
Sprache herrühren und Toll joviel als 
Dradenblut bedeuten. Ter Binnober 
verdanft mithin dev dunfelroten Farbe 
feinen Namen. Bald zeigt er fih in 
Eryftalliniichen Partien, bald in erdigen 
Mafjen. Die Alten verwandten diejen 
zur Malerei und zum Schreiben auf 
Pergament; auch rieben nicht jelten die 
Sieger in den Sampfipielen ihren Kör— 
per mit Binnober ein. Später diente 
Binnober zum Malen, zur Bereitung 
des Siegellads und zur Herftellung der 
roten Buchdruderfarbe. 

Die Daritellung des Duedfilbers 
aus Zinnober ift nicht gerade ſchwierig, 
indem ſowohl der Sauewttoff der Atmo- 
Iphäre als auch Metalle [Kaleium, Eijen] 
dem Zinnober den Schwefel bei ſtarker 
Erbigung abnehmen. Das in Dampf- 
forın entweihende Quedfilber nimmt in 
den jogenannten Verdichtungskammern 


jeine flüfjfige Geitalt wieder an. Der 
Hüttenarbeiter, der ‚bei der Deftillierung 
tätig tft, leidet jehr unter dem giftigen 
DQuedjilberdampfe; es ftellen ſich früh— 
zeitig bei ihm Geſchwüre im Munde, 
Speichelfluß, Lähmungen und Darm— 
krankheiten ein. 

Die Trennung des Metalls aus 
jeiner Verbindung geihah an Ort und 
Stelle und noch erinnern ſich die älteften 
Leute Wolfſteins der Art der Verſchickung. 
Dabei mußte die größte Vorficht ob» 
walten. Man verwandte bejonders zu- 
bereitete Schaffelle, in welde das Metall 
eingenäht wurde; dann wurde ed im 
Kiften und Fäſſern ſorgfältig verpadt. 

Das meilte Quedjilber des Königs— 
berged wanderte nach England, da die 
Wolfſteiner Gruben, wie überhaupt die 
meilten Pfälzer Queckſilber-Werke in 
den Händen reiher Engländer waren. 
Dieje gingen weniger darauf aus, eine 
erafte Ausbeute der Grube vorzunehmen, 
als vielmehr ihre Gewinnſucht zu be- 
friedigen, indem fie nur mwegnahmen, 
was leicht und mühelos zu erreichen 
war. Dann wurden die noch Qiuedfilber 
genug enthaltenden Werke und die ein- 
gearbeiteten Bergleute einfach 


35 


ihrem | 


Schidjale überlafen. Es drängt fid 
angeficht3 dieſer Tatiahe und in Er 
innerung nur wenig zurüdliegender Er: 
eignifje qus dem deutichen Weiten ein 
Wort ded Geheimrats und Univerfitäts- 
profefjors von Leonhard auf, der jagte: 
„sch bin weit entfernt davon, im allge: 
meinen und unbedingt den Grundiag zu 
verwerfen, daß Regierungen ſich losſagen 
vom Betrieb der Bergwerke und dieſe 
Brivaten überlaffen; aber wie den nad) 
teiligen FFolgen vorbeugen, welde da- 
durch entftehen können und müſſen, 
wenn die Gewinnung ſolcher metalliſchen 
Subſtanzen, die, zu nicht geringen Zeilen 
wenigitens, für Befriedigung wejentlicher 
Bedürfniffe notwendig find, in Hände 
von Unternehmern fallen, von denen zu 
erwarten ift, daß fie nur ihren Vorteil, 
nur das Streben nad Geld-Gemwinn im 
Auge haben?“ — — 

Außer dem Queckſilberbergwerk bei 
Wolfftein gab es früher noch jolche im 
Pogberg bei Kuſel, im Stahlberg bei 

| Nodenhaufen, im Landsberg bei Ober— 
| mojchel und im Lemberg bei Feilbingert. 
| Vielleicht hören wir einmal Näheres von 
| jenen, jegt überall ruhenden Betrieben. 
2. Bertram, 


Die Sirkinger Würfel zu Candſtuhl. 


Auf dem Marktplage der Stadt 
Landftuhl liegen vier mächtige Sand— 
jteinquader aufeinander geichichtet, und 
die Stadtverwaltung hat diejelben mit 
ihügendem Eifenzaun umgeben lafjen. 
Das jind die „Sidinger Würfel“. Da 
jeder diejer vier Würfel faft 1 ın lang, 
75 cın breit und Hoch ift, fo iſt aud 
der ſtärkſte Mann nicht imjtande, nur 
einen derjelben aufzuheben oder davon 
zu tragen. Trotzdem berichtet die Sage, 
daß der jtarfe Ritter Franz von Sik— 
fingen, der auf der feiten Burg Land» 
ftuhl wohnte und bei deren Belagerung 
am 7. Mai 1523 gefallen iſt, ehedem 
mit diefen Quadern Würfel geipielt 
habe. Die braven Landjtuhler glauben 
zwar jelbjt dieie Sage nit mehr, doc) 
weil fie ihren Ritter Franz von Sidingen 
heute noch verehren, und weil dieje 
Steine einmal „Sidinger 


Würfel | 


heißen, jo erbt fi diefe Sage fort 


von Geſchlecht zu Geſchlecht, und das iſt 


recht ſo. 

Allein die Geſchichte iſt ſtrenger als 
die Sage. Die Geſchichte will keine Un— 
wahrheit dulden. Sie führt uns vor 
die Denkmäler des Ritters Franz von 
Sidingen, deren eined vor jeinem 
Sclofje Ebernburg an der Allenzmün: 
dung jteht, das andere, viel ältere in 
der Kirche zu Landftuhl, und hält uns 
die alten Urkunden unter die Augen, 
damit wir jehen, daß aud Franz von 
Sidingen nur ein ſterblicher Mann, aber 
fein Nieje war, daß er aljo unmöglid 
mit diefen ſchweren Stein-Würfeln zu 
ipielen vermochte, Weberdies haben auch 
gelehrte Männer ſchon lange nachgeforicht, 
wo dieje 4 großen Steinwürfel ehedem 
' gefunden wurden und was fie zu be 
deuten haben. 





Bis zum Jahre 1864 lagen dieje ! 
vier Steine draußen im Felde öftlich 
von Landſtuhl, an der alten römischen 
Straße „in der Ringgaffe”. Dann bat 
man fie aus den Aeckern herausgeid;afft 
an den Rand der Faiferftraße, welche 
von Katjer Napoleon I. erbaut und nad) 
ihm benannt ift. Dort lagen fie wieder 
40 Jahre, und nun mögen fie noch recht 
lange auf dem Marktplage zu Landſtuhl 
in Frieden liegen bleiben. 

Der Blag, an dem diefe vier alten 
Steine zuerit lagen, ift aber ein römiſcher 

riedhof geweſen, der bald nad 
hrijti Geburt angelegt wurde, zu 
einer Zeit, in der die Römer ihre Toten 
zumeift auf dem Gceiterhaufen ver: 
brannten. Die Aſche der Toten und 
ihre Fnoceniplitter haben fie dann in 
Braburnen gejanımelt und auf ihrem 
Frriedhofe neben der Straße beigejegt. 
Ueber den Gräbern errichteten jie oft 
fteinerıne Denfmäler mit Anichriften und 
Neliefbildern. Solche Brandgräber wur: 
den auch „in der Ringgaffe* vor Land» 
jtuhl gefunden, wo die Sidinger Würfel 
zuerit lagen, und dieſe Würfel find 
darum zuverläſſig nichts anderes als 
Teile von einem römiſchen Grabdenk— 
male, oder vielleicht auch von zweien. 

Warum hat man das lange Zeit 
nicht gewußt, obwohl der eine dieſer 
Würfel eine große jechszetlige Inſchrift 
enthält? Eben deswegen, meil lange 
niemand dieſe Inſchrift zu entziffern 
verſtand, und weil man die Reliefbilder 
der drei anderen Würfel nicht genau 
betrachtet hat. Zur Zeit des Ritters 
Franz von Sickingen haben die Leute 
ih audy;ichon mit dieſen Steinen und 
ihrer Inſchrift beſchäftigt und eines Tages 
kam ein Steinmetz, der hat mit Meißel und 
Hammer all die Buchſtaben, jo wie er fie 
verftand, nachgemreißelt und fo vermeißelt, 
daß fie jetzt kaum einen Sinn mehr geben. 


Die jegigen Buchltaben heißen nämlich: 
Beile J. *V. = in jest — nicht mehr 


u. HERE | 


3. EXANIVYHDLID 
..VAVMISLX 


H 


„4. 


„6. QAV NHL L. 


36 


— ——— ers —— — —— —— —s, Te 





5. IVIAMOUGN > | 


Nun haben findige Leute in der fünf: 
ten Zeile MOUGN > umgeſtellt und haben 
Mogunz geleien und behauptet, das 
Banze ſei eine Weihe-Anichrift eines 
römijchen Soldaten der IV. Legion, weldye 
eive zeitlang in Moguntiacum — Mainz 
lag. Wäre das richtig, dann könnten 
wir auch genau das Alter diejer In— 
Ichrift angeben, da die IV. Legion zur 
Zeit des Kaiſers Claudius, 43 nad) 
Ehriftus, an den Rhein verjegt und von 
Kaiſer Bespafian, 117 nadı Ehr., auf- 
gelöft wurde, Allein man darf vielleicht 
beim Leſen Leine Buchſtaben umftellen 
und deswegen darf, ganz abgejehen von 
anderem, aud nicht Mogunz geleten 
werden. Der legte Buchſtabe der 5. 
Zeile ift zudem fein Z, jondern ein altes 
römishes > — C, die Kürzung für 
Centurio — Hauptmann. Der miittel« 
alterliche Landftuhler Steinmeg hat diejes 
Zeichen nicht verjtanden, und weil es 
ganz hinten an der Zeile jtand, hat er 
ed wohl unverändert ftehen gelafjen. 
Nur fo wifjen wir, dak dieſe Inſchrift 
jih auf einen römiſchen Genturto bezieht. 

Betrachten wir nun die Reliefbilder 
der drei anderen Sidinger Würfel, fo 
finden wir zuerft außen links einen 
mittelalterlihen Stechhelm und vechts 
zwei Wappenichilde flach eingemeißelt. 
Auf einem dieſer Schilde jehen wir noch 
fünf runde Erhöhungen, die 5 Schnee» 
ballen des Sidinger Wappens. Das 
hat der Landjtuhler Steinmeß des 16. 
Jahrhunderts gemadıt. 

Auf der Borderjeite dagegen jehen 
wir zwei Männer in Kampfitellung mit 
vorgejegtem Beine und hoch erhobenen 
Armen. Solde Kampf-Szenen begegnen 
uns öfter auf römischen Grabdenkmälern. 
Sie find aud hier ein Beweis für das 
Alter der Steinwürfel. 

Am meisten jagt uns noch der unterfte 
Stein, der allein zu Füßen der drei 
anderen liegt, und den die Landſtuhler 
eigentlich gar nicht mitzählen, wenn fie 
immer nur von den „drei Steinen” und 
den drei „Sickinger Würfeln“ ſprechen. 
Diefer Stein ift oben etwas ausgehöhlt, 
wie es die römischen Aſchenkiſten im den 
Brandgräbern zu jein pflegen. Vorn 


| aber fieht man die geichweiften Füße 


von zwei dreibeinigen Prunftiichchen und 
neben dielen Tifhfüßen die Unterkörper 
von 2 Dienern, bis zun Nabel erhalten. 
Was darüber lag, ift abgeichlagen, doc) 
wiſſen wir aus anderen ähnlichen Dar: 
jtellungen, daß‘, darüber der Herr, diejer 
Diener beim Mahle jaß oder lag, beim 
Totenmahle, das die Sklaven ihrem ver: 
itorbenen Herrn auf ſolchen Prunktiſch— 
chen vorzuſetzen pflegten. Dieſe Sitte, 
die Verſtorbenen aufjihren Grabſteinen 
bei ſeligem Gaſtmahle darzuſtellen, war 
faſt nur in der flaviſchen Kaiſer— 
zeit, 69 bis 110 nach Chriſtue üblich. 
Die „Sickinger Würfel“ ſind alſo ein 
römiſches Grabdenkmal aus dieſer Zeit. 
Dr. Grünewald. 


Zuſaß der Schriſtleitung: Bei der 
zweifelloien Umficherheit, welde in der 
Deutung mander Funde und Inſchriften 
aus jehr alter Zeit beiteht, bejonders 
aber mit Rückſicht auf die intereffante 
Art und Weile, wie der Gelehrte auf 
Ummegen zu Erfenntniffen von einiger 
Wahricheinlichkeit gelangt, teilen wir ım 
Anhange zu den vorjtehenden ſchätzens— 
werten Ausführungen die Anficht eines 
anderen Erklärers mit, deffen Namen 
feitzuitellen uns leider nicht glüdte. 

„Indem ich die Entzifferung der In— 
ihrift diefes an der Heerſtraße aller 
Zeiten gelegenen Denkmals verjuche, 
füge ich eine Nachbildung einer in dem 
Yntelligenzblatte der Pfalz vom Sahre 
1821 enthaltenen lithographierten Ab- 
bildung desjelben bei: 


.. 7. 8.“ 


E*NI V)l. IDUC 
IV*yMLS L* 
IV*N MOUCNZ. 
QAV NH* LL 











* W auf dem Stein, 
Riſt ein Unterfceidungszeichen gleich wie y 


Aus der Silbe FOR jdliekt man, 


37 


tuna ehren jell, ohne zu erwägen, daß 
die bei allen frommen Stiftungen der 
Nömer ganz unerläßliche Formel V. S., 
d. i.: votum solvit, zu deutſch: „bat 
fein Gelöbnis erfüllt“ mangelt. Es wird 
dagegen nicht ichwer fallen, zu ermweijen, 
daß wir vor einem römischen Grabmale 
jtehen (und zwar vor dem Grabmale 
eines Kriegers, wofür aud die Embleme 
zeugen, nämlich: 2 nadte, ſchlanke, kräf— 
tige Ringer auf der Vorderjeite der zwei 
unteriten nebeneinander liegenden Würfel 
und zwei ovale Heine Kriegsichilde in 
einem bejonderen Felde auf der äußeren 
Seite des rechts befindliden Wiürfels). 

Erfte Zeile. Der Borname des Hono: 
rierten beginnt mit I, der mit V am: 
fangende Familienname ift im übrigen 
verwilcht. 

Zweite Zeile. H FOR, zu lejen 
honesto forti, dem Angejehenen, Tapferen. 

Dritte Beile. E: equiti, N I: nobili; 
V: viro, )| it Unterjcheidungszeichen ; 
[!| DUC, das ift: ductori, militärifcher 
Grad des Gefeierten, welcher einer der 
Genturionen oder ordinum ductoris der 
Legion, das ift Hauptmann, war. 

(Zur dritten und vierten Zeile eine 
andere Lefeart anftatt IV- W- folglid: 
IDUC, priew duei velitum: Dem erften 
Anführer der Beliten, d. i.: der leichten 
Truppen, gewöhnlich 120 Mann bei der 
Legion.) 

Vierte Zeile. Beginnend mit der 
Zahl IV, weldhe im Zuſammenhang mit 
DUC darauf deutet, daß der Verlebte 
ductor quarti pili der Triarier war, das 
ift Anführer der vierten Kompagnie. 
Das Zeichen y iſt ein Unterſcheidungs— 
zeihen. Mit MLS L beginnt die Be- 
zeichnung der Stifter des Denkmals, zu 
lefen milites legionis. 

Die fünfte Zeile enthält mit der 
Zahl IV die Fortfegung zu legionis, 
nämlich quartae; N: nomine, MOUCNZ, 
was, obwohl das U vor dem G jteht, 
mocunziacae zu lejen ift, zu deutſch: 
Soldaten der vierten fogenannten main» 
ziichen Legion. 

Die vierte und achtzehnte Legion 
waren unter Kaiſer Nero (54— 68) aus 
dem Orient nach Obergermanien gezogen 


daß diejes Monument die Göttin For | und nad) Mainz gelegt worden; nad 


dejfen Tod begannen die Kaiſerein— 
ſetzungen durd die Legionen. 

Die jechfte Zeile beſteht nur aus 
mehreren bei der Lapidarichrift üblichen 
Yormelu: QAV: qui annos vixit; NH: 
nostra hibernia; LL: libens lubens; zu 
deutich: der jeine Jahre verlebte, in 
unjerem ®Winterlager, mit willigem Herzen. 

Ich leſe die Inſchrift wie folgt: 
„Tito V.....forli... Duei quarli 
(pili), milites legionis quartae, nomine 
moecunziacae, qui annos vixit, nostra 
hiberna, libens lubens. 

Zu deutih: Dem Titus ® 
dem tapferen Hauptmann der vierten 


Kompannie, widmen dieſes Denkmal die | 


Soldaten der vierten jogenannten main: 
ziichen Legion vach feinem Ableben in 
dem Winterlager mit willigem Herzen. 

Sinnftörend ift, daß die Zahl der 
Lebensjahre 3. B. XXX und die Zahl 
der Stipendia 3. B. X fehlt, was bei 


Der Pfälzer ift nicht mehr gewohnt, 
dad Stroh al! Mittel zur Dachbe- 
Kleidung angewendet zu ſehen. Neben 
nicht zu feugnenden Vorteilen, darunter 
eine außergewöhnlihe Dauerhaftigfeit, 
tällt aber in dichtbebautem Terrain die 
Feuersgefahr jo jehr ins Gericht, daß 
Strohdächer heute zu den unerlaubten 
Dingen gehören, jie müßten denn gerade 
zur Bedeckung von Eisfellern dienen. 





Strohdächer. 





Das öffentliche Intereſſe hat chen ziem- | 


lich lange einen! Kampf gegen ſolche 
Bedachung geführt; die Behörden haben 
diejelbe grumdiäglich Für ungeeignet er- 
Elärt, aber in der Duldung beitehender 
und neu angelegtev Dächer aus dem 
feuergefährlihenyMateriale jind jie jehr 
nachſichtig geweſen. 

Schon ein Geſetz vom 27. September 
1791 hat ein Verbot gegen die Stroh— 
bedachung erlaſſenzund ein Beſchluß des 
Präfekten des „Donnersberg-Departe— 
ments“ vom 4. September 1807 hat 
dieſes Verbot erneuert. Gleichwohl 
ſcheint man ſich daran nicht viel ge— 
jtoßen zu haben, denn das „Intelligenz— 
blatt“ bringt unter dem 14. Februar 1821 





dergleichen Inſchriften negen die Hegel ift. 

Was die Zeit der Entitehung diejes 
Grabmales, mit welchen übrigens aud) 
ein Opferaltar in Verbindung gewejen 
fein mag, anbelangt, jo habe ich ge 
funden, daß ums Jahr 69 nach. Chriſtus, 
zur Beit der Erhebung des Feldherrn 
Galba zur römiſchen Kaiſerwürde, die 
Beiagung von Mainz aus der vierten 
und actzehnten Legion beitand, wovon 
folglih eine Mbteilung der vierten in 
unferer Gegend lag. Auch erzählt die 
Geſchichte von dieſen Leyionen, daß fie 
unter die Zahl derjenigen gehören, die 
ji in der Provinz Obergermanien, das 
iſt gerade in der linksrheiniſchen römiſchen 
Beligung am Ahein, gegen Galba empört 
hatten und ſogar den Ausſchlag gaben, 
Galbas Bild zertrümmerten, Vitellius 
zum Kaiſer ausriefen und nad Stalien 
zogen (Fuchs, Geſchichte der Stadt Mainz; 
Taeitus, Annalen.).“ 


ſeitens der pfälziſchen Regierung ein 
„neuerliches Verbot“ der Strohdächer für 
Städte und Flecken. In Land— 
gemeinden ſollten die Ortsvor— 
ſtände durch „geeignete Vor— 
ſtellungen dieſe, die öffentliche 
Sicherheit ſo ſehr gefährdende 
Bauart für die Zukunft zu be— 
ſeitigen“ ſtreben. Wie dieſe dem 
Belieben ſchwerfälliger Kreiſe der Be— 
wohner überlaffene Anregung — denn 
anders iſt doch der zweite Teil des Er: 
laffes nicht zu nennen — gewirkt oder 
vielmehr nıcht gewirkt hat, eriehen 
wir daraus, daß jelbit in unſere Zeit 
der Feuerverſicherung hinein da und 
dort ein einjam vagendes, wahrhaftiges 
Strohdach feine Erifteng gerettet hat. 
So berichtet Herr Lehrer Volkert 3. B, 
zur Sade: 

„In Dietichweiler, in der Mitte des 
Dorfes, ſteht tatiächlich heute noch ein 


ı Gebäude (Wohnhaus, Stall und Scheune), 


das ein Strohdad) hat. 
Lange hat dieſes bemooſte Kuriofum 


den Bahn der Beit, den Sturm, jelbft 


dem roten Hahne, der vor ungefähr 20 


Jahren in unmittelbarer Nähe fein Wejen 
trieb, und dem Unmute der Nachbarn, 
denen die antiquierten Neigungen de& 
Befigers nicht unerheblichen Schaden durch 
erhöhte Mobiliarverficderungsprämien zu- 
fügen, getrogt. 

Für die Biegelbedahung waren die 
Befiger, obwohlZ die Nachbarn für die 


Koften desjelben teilweife aufgefommen | 


Standhaft | 


wären, nicht zu gewinnen. 
hielten jie, wie Naboth an jeinem Wein: 
berge, an dem Strohdach, das „im 
Sommer jo kühl und im Winter jo 
warn” macht, feit. Mit eigener Hand 


„flickten“ fie immer wieder die jchadhaft | 


Mittelft Weiden 


gewordenen Stellen. 


39 





wurden die Strohbüſchel an die eichenen 
oder buchenen Stangen, welde die Stelle 
der Ratten vertreten, gebunden und als— 
dann frifiert und geitugt. 

Gegenwärtig macht das Strohdad) 
gebäude einen mitleiderwedenden Ein- 
druck. Die hintere Giebelfeite neigt bes 
ängftigend ihr Haupt. Am Laufe des 
Sommers wird, da es in andere Hände 
übergegangen iſt, fein Scidjal bejiegelt 
werden. 

Bor 20 Fahren jtanden in Dietich- 
weiler, in Nanzweiler und in Börsborn 
noch mehrere Häujer mit Strohdäcern. 
In Nanzweiler verſchwand das legte 
vor ungefähr 10 Jahren.“ 


Ankündigung einer volkskundlihen Sammlung. 


Der Berein für bahyeriſche 
Volkskunde und Mundarten- 
forihung, der bereits durch feine 
1. Beröffentlihung „Volkskundliches 


| 


aus Fiihbadı in der Pfalz“ von | 


Herrn Lehrer C. Kleeberger in Lud- 
wigshafen a. Rh. jein bejonderes Inte— 
rejle an unjerer engeren Heimat befundet 
bat, beabjichtigt in einer weiteren Publi— 
fation unjere pfälziihen Volks— 
lieder herauszugeben. 

An 900 Lieder aus allen Teilen der 
Pfalz liegen bereit3 gejammelt vor und 
harren ihrer weiteren Verwertung. Wir 
fönnen jedoch mit unjerer Sammlung, 
deren Redaktion Herrn Dr. Albert 
Beder in Yudwigshafen a. Rh. 
übertragen worden ift, nicht eher an die 
Öffentlichkeit treten, als bis alle Lieder 
nochmals von ſachkundiger Seite auf 
ihre Urjprünglichkeit und volkstümliche 
Form geprüft wurden. Dieje Nadı- 
prüfung denken wir leicht in der Weite 
ausführen zu fönnen, daß die einge: 
jandten Lieder nad) möglichſt abge- 
ſchloſſenen Landichaftsgebieten gejondert 
und dann den zur Mitarbeit bereiten 
Damen und Herren, die in jenen 
Gegenden heimiſch find, zur gefälligen 
Durchſicht überlaffen werden. So wird 
die ganze Pfalz fich in eine Reihe von 
Eleineren Teilen zerlegen lafjen, inner: 
halb deren ortskundigen Mitarbeitern 


die geplante Durdficht nicht mehr viel 
Mühe veruriachen kann. Fehlende Lieder 
— und deren find ed wohl mande — 
werden dabei leicht nachzutragen jein. 

Nun iſt aber „die Seele und das 
Weien des Liedes der Gejang”; eine 
zeitgemäße VBeröffentlihung von Volks— 
liedern ohne Beigabe der Singweiſe 
fönnte man fih darum kaum denken. 
So Sollen denn neben unferen Texten 
auch die Melvdien der Volkslieder jchlicht 
und einfach wiedergegeben werden. Die 
Nedaktion diejes muſikaliſchen Teiles 
wird Herr Gymnaſialmuſiklehrer Arthur 
Berg in Ludwigshafen a Rh. 
übernehmen, der jede Mitteilung, die 
das Mufikalifche betrifft, dankbar be- 
grüßen wird. 

So richten wir aljo an die geſamte 
pfälziiche Lehrerichaft die herzliche Bitte, 
dem vaterländiichen Unternehmen ihre 
tatfräftige Unterftüßung nicht zu ver- 
jagen und nad Kräften eine Aufgabe 
zu fördern, deren Erfüllung für jeden 
bayerifchen Pfälzer eine Ehrenſache jein 
jollte. der zuverfichtlichen Erwar— 
tung, daß unfer Auf in den zunächſt 
beteiligten und begeiiterten Sreifen der 
pfälziichen Lehrer lebhaften Widerhall 
finde, bitten wir die geehrten Damen und 
Herren, die zur Mitarbeit bereit find, mit 
Herrn Dr. Albert Beder in Lud— 
wigshafen a. Rh. ſich zu benehmen 


40 — 


Anregung beir, Zugvögel. 


Indem wir an unſere Anregung in 
Heft 3 (Drnithologiiches) erinnern, 
bitten wir nochmals, die Notierungen 
über das Eintreffen der Nauchichwalbe 
nicht zu verſäumen und gehörigen Ortes 
zugänglich zu machen. Bielleidt läßt 
ſich damit eine nicht minder wichtige und 
in ihrer Erfcheinung noch leichter auf- 
zufaffende Beobachtung verbinden, näm— 


ı Hilfe 





lich das Eintieffen des Stordyes, wie es 
bereits für einzelne, wenn auch eng be 
grenzte Gegenden feitgeftellt it. Alle 
Freunde der Natur und ihrer Lebens: 
äußerungen wollen hier werftätige Bei— 
leiftten und wenigſtens mittelit 
Poſtkarte ihre Wahrnehmungen weiter: 
befördern. 
D. Sch. 





„Fauniſtiſche und biologiſche Hotizen‘ 


heißt der Titel des 2. Teiles wertvoller 
Beiträge zur Fauna und Flora des 
Dberrheine® von Univerjitätsprofeffor 
Dr. Robert Lauterborn aus Ludwigs: 
bafen. Die Arbeit ijt ein Sonderabdrud 
aus Mitteilungen der Pollichia 1904. 
Die inhaltsreihe Schrift muß auch an 
diefev Stelle Erwähnung finden, denn 
ſie bringt dem Hiſtoriker mande inte 
veffante Notiz, jo über die „milden 


Aus Urgroßvaters Beit. 


Belanntlich fit e8 in Altbayern, Schwaben 
und im Schwarzwalde nicht felten, dab Silber: 
münzen al8 Zeichen befonderer Wohlhabenheit 
als Knöpfe an Rod und Weite getragen werden. 
In der Pfalz ijt diefe Sitte, bezw. Unfitte und 
Geihmadsverirrung verſchwunden. Es lieſt ſich 
daher ſpaßhaft, was das Intelligenzblatt vom 
28. März 1821 hlerauf bezüglich amtlich befannt 


Pierde” von Kaiſerslautern, das Er- 
iheinen eines Walfiiches (Schwertwales) 
in Jahre 1688 im Rheine, die noch zu 
Lifelottend Zeit im Karl Ludwigsiee 
bei Ketih vorkommende Sumpfidıld- 
fröte, die Erklärung der im Mittel: 
alter in unſeren MRheingegenden viel— 
gefangenen Fiſchart „Undelinge* (Flun— 
dern?) u. a. m. 


macht: Nachgemadte Münzen als Anöpfe find 
verboten; aber es gebt an, daß „angeöhrte 
und zu Snöpfen verwendete ädte 
Münzen Hierdurch nicht aufhören, 
Münzen zu bleiben und daß hlernach 
bie für den Schalt der Silberwaren 
beitchenden Berordnungen auf die— 
felben nidt paſſen.“ 


Beridtigung. Seite 32 des borigen Heftes find leider ftörende Drudfehler ſtehen ge- 
blieben. Beile 3 von oben rechts Heiße e8 traditionell; letzte Zeile liinks fchtweflige; rechts mu 


e8 auch heilen Röhren und bloßem. 





Inbalt: Bon den ehemaligen vereinigten Queckſilberbergwerken im Stönigsberge bei 


Wolfitein. — Die Stdinger Würfel zu Landſtuhl. 
tundlihen Sammlung — Anregung betr. Zugvögel. 


— Aus Urgroßvaters Beit. 


— Strohdächer. — Ankündigung einer volls- 
— „Fauniſtiſche und Biologifche Notizen.” 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — ſermann Kayſer's Verlag, Aaiferslautern. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich. 


Die „Pfälgtiche Heimatkunde” Tofter jährlich im 12 Heften ME. 2.50, Wefellumgen werden von allen Puchbanbiungen urd 
Vollanfaltcn ferner vom Berleger (Bortofrere Streifbandiendu 9) augnommen. 





I. Jahrgang. 


\PALZISCHE HEIMATKUNDE 


Nummer 6. 


April 1905. 


— 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 





ENBINKHHEMICA 








PIL.GM 


Die Ortslage und Entwicklung von Anilerslantern. 
Bon D. Häberle, Kalſerl. Rechnungsrat, Heidelberg. 


Läßt man vom Gipfel des Pogberges, 
dem ob jeiner weitumfaljenden Fernſicht 
gerühmten König des Weſtrichs, die Blide 
nadı Süden jchweifen, jo tritt und dor 
dem dörferreihen Plateau der Sidinger 
Höhe und den langgeitredten Buntſand— 
fteinrüden des Pfälzer Waldes ein eigen- 
tümliches Gebilde entgegen, das iſt der 
Landftuhler Brud. Als eine breite Mulde 
mit jteilen ſüdlichen und ſanft auf- 
fteigenden nördlichen Rändern zieht ſich 
diefe Moorniederung aus der Gegend 
von Kaiſerslautern bis nad Blieskaſtel 
hin, und bedeutendere Waſſermengen, als 
die heutigen Flußläufe führen, werden 
an der Ausgeſtaltung tätig geweſen ſein, 
ſei es, daß das tertiäre Meer von Mainz 
am Donnersberg vorbei über Standen— 
bühl, Göllheim, Börritadt, Langmeil, 
Sembadh und die Hocfläde von Neu- 
firhen einen Arm nac Weiten entjandte, 
oder ein wafjerreiher Fluß von den Höhen 
der Haardt in diejer Richtung zog, ehe 
ihm der Speyerbady und andere Bädhe, 
von der Rheinebene her jich einichneidend, 
jein Quellgebiet immer mehr abzapften. 
Heute wird diejed Gebiet durch Blies, 
Glan und Lauter, melde rüdmwärts 
erodieren) das nördliche Ufer als tren— 
nende Schranke durdinagt Haben, ent- 
mwällert, und nur durch Sinken des 
Waſſerſpiegels entitandene Sümpfe und 
Moore deuten die Ausdehnung der ehe— 


| 


maligen Wafjerflähe an. Den öftlichen 
Teil der Niederung bildet die Lauterer 
Senke, die nur durch einen ſchmalen 
Nüden bein Lothringerhof vom Land: 
ſtuhler Bruch geichteden wird und deren 
Ausläufer nad) Oſten in der angegebenen 
Richtung über den jogenannten „Sreis“ 
verfolgt werden Fönnen. Die Aus 
geitaltung des landichaftlihen Reliefs 
öftlih von Kailerslautern mit den infel- 
artig hervorragenden Buntjandfteinrüden 
des Rummel-, SKahlen-,, QDueiders-, 
Langen- und Kolbenberges würde unter 
einer ſolchen Borausiegung die ent: 
ſprechende Erklärung finden. Die Geo- 
logen vermuten, daß diejer jeßt jo viel- 
fach zeritüdelte, von Nordweſt nad 
Südoſt verlaufende Höhenzug durch Em: 
porhebung der unteren Schichten des 
mittleren Buntiandfteins längs einer 
Berwerfung entftanden ift, welde aus 
den Rotliegenden der Nordpfalz kommend 
von Schallodenbach über Otterberg nad) 
der Eſelsfürth verläuft. 

In diefem Gebiete entitand nun 
unjere Stadt und es ſoll unterſucht 
werden, welche Momente für deren erfte 
Unfänge maßgebend geweſen fein mögen. 
Jede Anfiedelung ift von der Natur- 
umgebung abhängig und deren Anlage 
durch phyfikaliich geographiiche Verhält— 
niffe bedingt, während ihre Bedeutung 
in den verjchiedenen Berioden der Ge- 


ſchichte aus dem Gang hiftoriiher Er- 
eigniffe abgeleitet werden ınuß. Wir 
haben uns die von einem Hügelkranz 
umrahmte Ebene von Kailerslautern 
noch in hiftorischer Zeit als einen großen 
Sumpf vorzuiftellen, durch den fich die 
Lauter in vielen Armen träge dahin: 
wand und erjt nad ihrer Vereinigung 
mit dem Gerberbad und dem im Tier— 
garten entipringenden Ziegelbach von 
der heutigen Kammpgarnipinnerei an ein 
rajcheres Gefälle annahın. Aus der Nie: 
derung ragten einzelne maulmwurfshügel- 
artige Bodenanichwellungen, wie heute 
noch der Peterskopf am Harzofen, als 
für die Eroſion widerjtandsfähigere 
Schichtenbänke hervor, deren bedeutendite 
bei der Stiftskirche und am Altenhof zu 
juchen find. Am Sentralgefängnis und 
Nitterdberg fiel das Gehänge als Steil- 


ufer zur Miederung ab, die jich weit 
nah Süden und Weſten halbEreisförmig 
ausdehnte. Bei der Kloſterkirche jprang 


das hohe öftliche Ufer halbinfelartig vor 
und die oben erwähnten Hügel bildeten 
ald Reit eines von den Wafjerläufen 
durchbrochenen Felſenriffs die direkte 
Verbindung nah der aus Weiten vom 
Rothringerhof ſich entgegenitredenden 
Landzunge. Died war die Dertlichkeit, 
auf der fih Kailerslautern entwideln 
ſollte; noch heute treten bei einer Wan- 
derung dur die Stadt trog Erhöhung 
des Straßenniveaus durch Schuttablage: 
rungen, die urfprünglichen Bodenformen 
hervor, welche auf die erfte Anlage von 
großem Einfluß geweſen fein müſſen. 

Drei Gründe laffen ſich ins Feld 

führen, welde nad) topographiihen und 
verfehrd-geographifchen ee die 
uriprüngliche Niederlaffung hervorgerufen 
haben können: 

1) Der fruchtbare Boden des Rothen— 
berg3. 

2) Das vom Sumpf geihügt halb: 
inje'förmig vorjpringende hohe 
Ufer. 

3) Der durch die Inſeln erleichterte 
Uebergang über die Niederung. 

Neo Siedelung ſetzt Wege voraus, 

die fie ınit den Nachbarfiedelungen ver- 
bindet. Da nun der jumpfige Süden 
ür natürlihe Straßen feinen Raum 


42 


ließ, Eonnte nur das hochgelegene Nord» 
ufer in Betracht kommen. Es find da- 
ber die Mannheimer, Gau-, SKlofter- 
und Ritteritraße als Glieder des älteften 
natürlihen Verkehrsweges anzufehen, 
welcher die Rheinebene über den Scor- 
lenberg und weiter über die Morlauterer 

öhe mit dem Nordweſten verband, 

ie von ihm berührten janft abfallenden, 
nah Süden offenen und gegen Norden 
geihügten Hänge des Nothenbergs konn- 
ten von der mit ihren Rodungen in die 
Wälder vordringenden Urbevölterung 
nicht überjehen werden, da defjen Löß— 
dede in Vermengung mit dem Ber: 
ſetzungsprodukt des Buntjandfteins einen 
für die Bebauung günftigen Boden ver- 
ſprach. Die hohe, fidhere, an den Sumpf 
ſich anlehnende Uferſtelle beſtimmte die 
Gründung und Entwicklung der erſten 
Anſiedlung, welche mit der Annehmlich— 
keit der Waſſernähe und eines feſten 
Bau- und Weggrundes die Zugänglichkeit 
und leichte Erreichbarkeit der auf dem 
Nothenbera ſich hinziehenden Aderflur 
verband. Noch heute läßt fih in der 
ſtädtiſchen Flurkarte dieſe Ericheinung 
verfolgen, da dieſelbe im Süden nur 
die Ränder der Niederung einſchließt, 
während die daran ſtoßenden Höhen, 
den 1303 abgetrennten Spitzrain mit 
einbegriffen, in das Gebiet des Reichs— 
waldes fallen. Die ſumpfige Niederung 
konnte nicht umgangen, ſondern mußte 
an einer dazu geeigneten Stelle gekreuzt 
werden; nur auf großen Umwegen, über 
den Entersweilerhof, ließ fich dieſes Ver— 
kehrshindernis vermeiden und es ſprechen 
Anzeichen dafür, daß das alte Nenters— 
weiler mit ſeinem bequemen Paß durch 
das Scheidtal nach Südweſten früher 
einmal für den Verkehr von Bedeutung 
war, ehe derſelbe 1332 auf Anordnung 
Ludwigs des Bayern ganz über Lautern 
geleitet wurde. 

Für den Uebergang nach Weſten 
kamen nur die hohen, trockenen, von 
beiden Seiten voripringenden Ufer des 
Diluvialplateaus in Berbindung mit den 
aus der Niederung als Ruhepunften an 
der Stiftöfirhe und am Altenhof ſich 
erhebenden Hügeln in Betracht. Gerade 
diefe mußten bejonders zur Befiedelung 


loden, da ihr Felskern fiheren Baus 
grund, die ijolierte Qage in der jump» 
figen Niederung aber Schuß gegen äußere 
Feinde bot. Dazwifchen liegende Furthe 
oder Sinüppeldämme, von denen gelegent- 
[ih der SKanalifation Spuren zu Tage 
gefördert wurden, erleichterten die ÜÜber- 
Ihreitung und wieſen dem Verkehr im 
Zuge der Markt:, Kerit- und Fackel— 
jtraße feine urjprüngliche Richtung. Die 
Alurbezeihnung „am Diebspfad” (diet 
— Volk) weſtlich vom Wittelöbacherplag, 
läßt den weiteren Verlauf diejer, fchon 
1523 als Königitraße erwähnten erften 
Wegeführung vermuten. Cine weitere 
Verbindung mag nad Süden zum hohen 
Sand mit feinen zahlreichen natürlichen 
Wegeteilungen beitanden haben. Für 
die Anlage von Mühlen und die Aus- 
übungvon allerlei Hantierung und®emwerbe 
waren die in das Selfenriff einge: 
Ichnittenen Wafjerläufe der Lauter, des 
Gerber: und JLiegelbaches, gerade wie 
geſchaffen. 

Von den älteſten Anſiedlern berichten 
Funde von Steinwerkzeugen aus neo— 
lithiſcher Zeit, dagegen fehlen fichere 
Merkurale für eine ftändige Niederlaffung 
der Römer, obwohl in der geichriebenen 
unzuverläffigen Lautrer Chronik dem 
Eroberer Gallien, Yulius Cäfar, bezw. 
der aus Trier geflohenen dhriftlichen 
Afiyrerin Lutrina die Gründung der 
Stadt zugeichrieben wird. Wenn aud) 
fihere Hemeile für die Eriftenz eines 
römischen Kaftelld, wie Hein vermutet, 
nicht erbradıt werden können, jo läßt 
die geichüßte Lage und der an den Tal- 
Öffnungen für den Berkehr günftig ge 
legene Snoten- und Webergangspunft 
nach den Funden in der weiteren Um: 
gebung eine frühe Bejiedelung durch die 
für ſolche Vorzüge beſonders ſcharf— 
ſichtigen fremden Eroberer vermuten. 

Der urſprüngliche Namen Lutern iſt 
wohl dem königlichen Bannforſt Lutra 
entlehnt, welcher ſich als Ausläufer des 
Pfälzer Waldes vom Donnersberg bis 
zum Glan erſtreckte und ſeine Benennung 
der ihn durchfließenden Lauter — Lutheraha 
zu danken hat. 

Als Lutra erſcheint es zum erſten 
Mal in einer Urkunde Karls des Dicken, 


43 


der dem Bartholomäus-Flofter in Frank. 
furt a. Main 882 Einkünfte von jeinem 
föniglihen Hofe dajelbft verlieh; aus 
einer gleihen Schenkung mag der Befik 
des altberühmten Kloſters Lorih zu 
Luthra datieren, welder in 62 Morgen 
Aeder, 24 Morgen Dedung, Wieſen und 
7 Huben (ca. 200 Morgen). beitand. 
So tritt und Lautern, ebenjo wie 
Albisheim, Kreuznach, Ingelheim u. a. 
in verjchiedenen Frühmittelalterlichen Ur— 
£unden als urjprünglich rheinfränkiſcher 
Befig entgegen, der, wenn auch im Laufe 
der Zeit durch Schenkungen an geiftliche 
und weltliche Herren geichmälert, immer 
noch bedeutend geweien jein muß, um 
für den Eöniglichen Hof bei zeitweiligem 
Aufenthalt die nötigen Bedüirniffe liefern 
zu können. Die Fürften waren nämlid 
mangels einer feiten Reſidenz damals 
gezwungen, die Erträgniffe der weit zer- 
jtreuten Domänen an Ort und Stelle 
zu verzehren und, begleitet von zahlreichen 
Dienern, Beamten und Sagdtroß im 
Lande herumzuziehen. Unterkunft ge: 
währte die Pfalz, welche mit zugehörigen 
Wirtichaftshof große Gebäudekumplere 
umfaßte, Mühlen, Wohn: und Arbeits: 
häufer, Gärten und Fiſchweiher in fid 
Ihloß und nah außen mit Befeftigungen 
gefihert war. In diejer Weile mag fi 
das alte Luthra, angelehnt an die frucht- 
baren Hänge des Rothenbergs, auf dem 
nördlichen Ufer oder den ficheren Juſeln 
ausgedehnt und den fränkiſchen Königen, 
ſei es zur Jagd, ſei es zur Erholung vor. 
übergehend eine Unterkunft gewährt 
haben. Anders wurde es unter den 
Hohenſtaufen, welche durch FErbſchaft 
Nachfolger der rheinfränkiſchen Herzöge 
geworden waren. Der tatkräftige, auch 
in der Lautrer Sage verherrlichte Fried— 
rich Barbaroſſa erbaute 1152 zur Siche— 
rung der Reichslande eine ſtattliche Burg 
aus roten Quaderſteinen, welche durch 
eine ſtarke Schildmauerzgegen die Land— 
ſeite geſichert wurde. Auf der Südſeite 
gewährte ein großer Woog, deſſen Stau- 
damm das Wafler der Lauter bis über 
den Schillerplag geichwellt haben mag, 
ausreihenden Schuß gegen Angriffe. 
Neben der Burg entjtanden, auf dem 
Nittersberg die Wohnungen der mit 


Neichslehen ausgeftatteten Burgmannen 
und reiche Arbeitögelegenheit lodte Fremde 
zur Niederlaffung im Schuß der mwohl- 
verwahrten Neichsfefte. An ihrem Fuß 
wurde von der Lauter die Burg. und 
ijpätere Scloßmühle getrieben. Eine 
Deutung für den BZufammenhang des 
ihon ſehr frühe genannten, bei der 
Kammgarnipinnerei ausmündenden Burg: 
graben? mit der Kaijerpfalz konnte nicht 
gefunden werden; auf der arte von 
1742 wird er ald Mühlweg eingezeichnet. 

Einen weiteren Anſtoß zur Entwid» 
lung gab die Gründung des Marien: 
hoſpitals und jpäteren Prämonſtratenſer— 
Klofterd durch Barbarojja im Jahre 
1174. Der kirchliche Mittelpuntt — die 
heutige Stiftskirche aus dem dreizehnten 
Jahrhundert — wurde neben der Kaiſer— 
burg auf der Inſel im Anſchluß an die 
bier wohl ſchon beftehende Niederlaffung 
errichtet und fcharte ihre nächiten Ange: 
hörigen um fich herum. Die rechtlich in 
ſich abgeichlofjene Gemeinschaft war durd) 
eine Umfafjungsmauer abgegrenzt, ſoweit 
nicht die infelartige Lage ausreichenden 
Schuß gewährte; fie hatte eine vom 
Biegelbad getriebene Mühle, die jpätere 
Stifts- oder Delmühle, während die 
Spitalmühle an der Lauter das Wafjer 
aus dem Abflug des dem Barfüßer— 
Elofter gehörigen Mühl- und Schnepfen- 
woogs erhielt. Auffallend ift die 1372 
erfolgte Stiftung eines ewigen, Tag und 
Naht brennenden Lichtes in dem Fenſter 
oder in der Mauerblende neben dem 
Hochaltar der Stiftsfirde durch Die 
Bürgerin Elje Sprunfart, welches an- 
icheinend den von Norden fommenden 
Bürgern die Richtung über die Furth 
andeuten jollte. Auf derjelben Boden: 
ſchwelle beſaß auch das Ciſterzienſer— 
Kloſter Otterberg ſchon 1195 einen Hof; 
aus ſeiner Benennung als „ſteinern 
Haus“ (1306) wird uns ein Rückſchluß 
auf die früher übliche Bauart aus leich— 
terem Material geſtattet. War doch erſt 
kurz vorher (1288) ein großer Teil der 
aus Holz errichteten und mit Schindeln 
oder Stroh gedeckten Häuſer einem ver— 
heerenden Brande zum Opfer gefallen! 

Auch der im 13. Jahrhundert ge— 
ründeten Deutſchoördenskomthurei Ein— 


44 





ſiedel gehörte um dieſe Zeit auf dem 
Altenhoöf der „Comthureihof“, welcher 
nach Hollenſteiner an der Ecke von Fackel— 
und Kerſtſtraße ſtand. Ob derſelbe jedoch, 
wie in der Stadtbeſchreibung von 1510 
erwähnt wird, das erſte Haus in der 
Stadt war, erſcheint nach Vorſtehendem 
zweifelhaft oder bedarf einer anderen 
Auslegung. 

Dieſe drei geiſtlichen Niederlaſſungen 
ſind als Kryſtalliſationspunkte des mittel— 
alterlichen Lauterns anzuſehen, welches 
im Gegenſatz zur Kaiſerpfalz zunächſt 
„burgum“ genannt wurde, aber gegen 
die Anſiedlung auf dem Hochufer bald 
den Vorrang gewann, obwohl auch hier 
von Kaiſer Friedrich II. auf deſſen ſüd— 
lichem Ausläufer ein Barfüßerkloſter ge— 
gründet worden war. Dasſelbe konnte 
keine dauernde Bedeutung gewinnen und 
läßt nur durch die katholiſche Kirche 
ſeinen Standort vermuten. 

Weiter nördlich neben dem Ritters— 
berg dehnte ſich der Ziegelhof aus, halb 
dem Kloſter Otterberg, halb den Herren 
von Hohenecken gehörig, welche ihn 1369 
nad einer unglücklichen Fehde an den 
Erzbifhof von Mainz al8 Lehen auf 
tragen mußten. Andere größere Kom— 
plere bildeten der 1334 von den Rittern 
von St. Alban zur Aufnahme unglüd- 
(iher Frauen gegründete Bequinenfon: 
vent und das 1349 in der Peitzeit von 
der Stadt erbaute Feldfiehenhaus, die 
Höfe der Klöſter Wadgaſſen und Wörſch— 
weiler und der in der Umgegend ange— 
jefjenen Adeligen. 

Ausschlaggebend für die Entwidlung 
war die Verleihung des Stadtrechts 
durch König Rudolf im Jahre 1276. 
Die auf den Inſeln und dem Hochgeitade 
ſich ausdehnende Niederlaffung wurde 
zu einem Gemeinwejen zufammengefaßt, 
die Grenzen des Stadtgebietes durch 
Namiteine bezeichnet und die neue Reichs— 
ftadt durch Mauern, Gräben und Tore 
befeftigt.. Mittel hierzu gemährte das 
von 1323 mit Genehmigung König 
Ludwigs erhobene Ungelt (Oktroi); bereits 
1336 war die neue Ringmauer bis zum 
Prämonftratenjer-Slofter ausgebaut und 
von da mit einem Bogen über die Lauter 
weitergeführt. Gräben wurden nur auf 


der Nordjeite gezogen, da rundum das 
Gebrühe und in jpäterer Zeit Wooge 
die Berteidigungsfähigkeit verjtärften und 
deren Anlage entbehrlich machten. Die 
Kaiſerburg war von der Stadt durch 
Wall, und Graben getrennt. Ruprecht 
der Ältere verwendete auf ihren Ausbau 
bedeutende Mittel und unter feinen Nach— 
folgern erhielt fie zwei neue Flügel. 
Bon — Caſimir wurde ſie durch 
Ankauf benachbarter Grundſtücke er— 
weitert und als Herrſcherſitz eingerichtet. 
Nach Wiedervereinigung des Fürſtentums 
Lautern mit Kurpfalz nahm der Amt— 
mann darin Wohnung. 

So tritt uns die Stadt mit der 
Failerburg nach dem bekannten Stich 
von Merian aus dem Anfang des 17. 
Jahrhunderts recht ſtattlich entgegen. 
Das Hauptſtück der Befeſtigung bildet 
die ſtarke, durch Erdanſchüttungen ver— 
ſtärkte Ringmauer, bewehrt mit Zinnen 
und achtzehn runden oder viereckigen 
Türmen, von denen vier über den Toren 
errichtet waren. Die beiden nach Weſten 
vorgelagerten Vorſtädte waren von der 
Ringmauer mit eingeſchloſſen, hatten 
aber durch das Fadel- und Kerſttor ihre 
eigenen Pforten und ftanden durch das 
Mitteltor mit der Marktitraße in Ver— 
bindung, welde auf beiden Seiten unter 
den Borbauten der Häufer hinführende 
Laubengänge beſaß. Das ftark befeftigte 
Schloß, die Stiftö- und Barfüßer-Kirche 
heben ſich gegen die fie umgebenden Ge- 
bäude jtattlih ab; von den 1510 ge- 
nannten 33 Straßennamen find heute 
noch eine ganze Anzahl gebräuchlich. 

Unfer Stadtplan kann als eine ge 
ihichtlihe Urkunde gelten, welde von 
dem eigentümlihen Zuſammenwirken 
politiicher, kirchlicher und wirtichaftlicher 
Entwidelung zeug. Er läßt ın der 
Altitadt — an der Kloſter-, Marft- 
und Rummelftrage — troß der vielen 
das Stadtbild verändernden Durchbrüche 
und Nivellierungen mehrere Zentren er- 
fennen, von denen eine Anzahl Erummer 
Straßen angeht. Die Stiftskirche, be- 
drüdt durch anitoßende oder früher gar 
zwilhen die Strebepfeiler angeklebte 
Profanbauten, ftößt an einen polygonalen 
Kaum, den die bald vordringenden, bald 


45 


zurüdweichenden Häuferblöde freigelafjen 
zu haben jcheinen, den heutigen Stifts- 
plag. SHervorgegangen aus dem alten 
Klofterbezirk, ipeziell dem Kloftergarten, 
wurde er durch den Stadtwoog — wegen 
des darin jtehenden Taubenhaujes aud 
Taubhauswoog genannt — begrenzt und 
vom Münd (= Mönd) oder Scefer- 
bach durcfloffen. Das 1808 durch Auf- 
ihüttung hergeitellte Fackelrondell, Grüner 
Graben, Allee, Theater, Kanal-, Baur, 
Mannheimer, Ludwigs: und Marftraße, 
teilweiſe auf eingeebneten Wällen ange 
legt, bildeten bis ins 19. Jahrhundert 
die äußere Stadtgrenze und manches 
anſehnliche Stüd der alten Ringmauer 
und der Türme ijt der heutigen Generation 
noch in Erinnerung. —* Beſſerung 
der ſanitären Verhältniſſe wurde 1729 
der Stadtwoog ſowie das dabei befind— 
liche Gebrüche in Wieſen umgewandelt 
und dadurch neuer Baugrund gewonnen. 
Daran ſchloß ſich die Trockenlegung der 
anderen Weiher und Einebnung der 
Feſtungswerke. Eine anziehende Schilde— 
rung des alten Lauterns an der Hand 
eines Plans aus dem Jahre 1742 gibt 
uns Dekan Hollenſteiner in ſeinem 
Schriftchen über Kaiſerslautern, indem er 
als Augenzeuge das Andenken an manches, 
in den letzten fünfzig Jahren verſchwun— 
dene Stück der Altſtadt für die Nach— 
welt retten fonnte. Jahrhunderte lang 
ftand die zu einem Eurpfälziihen Ober— 
amtsjtädtchen herabgeiunfene alte Reichs— 
ftadt in der Entwidlung ftill; das durch 
Zuzug gewerbfleißiger Wallonen auf- 
blühende Dtterberg ſchien es zu über- 
holen. So tiefe Wunden hatte der greuel- 
volle dreikigjährige Krieg der verödeten 
Stadt geichlagen, in welder nur der 
Pfad zum Sichelbrunnen allein nod) 
gangbar geweſen jein jol. Noch im 18, 
Jahrhundert mußte der Stiftsichaffner 
in Lautern berichten, daß ſich fein Bürger 
dajelbit ohne Aderbau ernähren könne, 
obwohl Kurfürft Karl Theodor der 
Stadt zu ihrer Hebung große Ber- 
günftigungen durch Privileg vom 1. 
Dtober 1779 bemilligt hatte. Beſſer 
wurde es unter franzöfiicher Herrichaft, 
als die Anlage der Kaiſerſtraße neues 
Leben und die Gründung einiger. ge— 


— 46 — 


werblichen Niederlaſſungen brachte, aber völkerung, verſtärkt durch den Zuzug 
auch den Reſt der ſtolzen Kaiſerburg — von außen, raſcher heran, neue Erwerbs» 
damals Wohnung des Landſchreibers — | quellen eröffneten ſich. Der uriprüng- 
bejeitigte, foweit fie der Sprengung im | liche, die legten Hahrhunderte genügende 
— ——— Erbfolgekrieg entgangen war. | Stadtbezirk wurde binnen weniger Jahre 

en SHauptanftoß zur heutigen Blüte | zu enge, Straßendämme durdkreuzten 
der Stadt gab die 1848 eröffnete Lud- den alten Weihergrund, neue Stadtteile 
wigsbahn, welche zwar die Landftraßen | legten fih an der Peripherie gleihjam 
veröden ließ, aber Induſtrie und Ber- | in Wahstumsringen an, teilweife dem 
kehr in ungeahnter Weile belebte. Wurde | fumpfigen Untergrund abgerungen. Kai— 
doch die Eijenbahn beim Naclaffen des | jerslautern war aus einer ftillen Anıts- 
Landverkehrs von Furzfichtigen Bemwoh: | ftadt eine aufblühende Induſtrieſtadt 
nern als ein unvermewdlicher, aber von | geworden; an ihr haben Handel, Ber: 
der Stadt unverichuldeter Uebelftand ans | fehr und Gewerbe in wenigen Fahr: 


gejehen ! — unter dem Einfluß moderner 
Mit der Bahn kam der Aufihwung | Transportmittel ihre ftädtebildende Kraft 
von Handel und Gewerbe; durch den | gezeigt. 


Einfluß der Anduftrie wuchs die Be- 


Die Einteilung der ehemaligen Graffıhaft Hirkingen.*) 


Ein großer Teil der „Sidinger Höhe“, | von Norden nad Süden falt ganz genau 
ded Hoclandes jüdlich und jüdweftlih | 3 km, von Oſten nad) Weiten gut 5,5 km. 
von Landjtuhl, welches fih im Mittel Da kartographiihe Darftellungen 
gegen 460 m (220 m über dem ches dieſes ſickingiſchen Gebietes Faft nicht zu- 
maligen „Bruch“) über die Meeresflähe | gänglich find, jo möge hier für dıe In— 
erhebt, war länger al drei Jahrhunderte | terefjenten der Verlauf der Grenze der 
der ehemaligen ſickingiſchen Grafihaft | ganzen Grafihaft, der gemeinfamen 
Landftuhl zugehörig, Das Gebiet zer- | Grenze beider Gerichte und des Kondo- 
fiel in ein fogenanntes Großgericht | miniums mitgeteilt fein. Sie lief von 
und ein Kleingericht, jedes zehn Oxt- | Mühlbah an, welches von Bruhmühl- 
ſchaften umfaſſend, dazu noch Landſtuhl bach durch den Frohnbach geſchieden iſt, 
ſelbſt zu zählen it. Das Großgericht diefem Gewäſſer entlang aufwärts bis 
exſtrekte ſich von Kindsbach bis nad | zur Quelle, jodann über das „Eichelchen“, 
Waldfiſchbach längs des Dueidersbahes | wo fie 500 m weftlich des Trigoneter- 
al3 ein Streifen von 6 km Breite und | fignals die Straße nach Lamsborn kreuzte, 
15 km Länge. Das Kleingeriht lag | Tal und Höhe im gleichen Abftand weit- 
genau weſtlich davon und reichte bis zu | (ich der Straße nad Roſenkopf über: 
dem Dorfe Roſenkopf. Die Nordgrenze ſchritt, 0,5 km vor diefem Dorf die 
der Herricaft fällt auf der ganzen 16 km dortige Höhe, den Talichluß, den Almers- 
langen Strede ein wenig nördlich von | berg 0,5 km nördlich der Cote 392 m, 
der Bahnlinie, mit welcher fie durch- das folgende Tal, den Sesberg ſüdlich 
Ihnittlih in einem halben Kilometer | der Cote 403 m in öftlihem Laufe 
Abſtand parallel läuft. querte und dann gegen Südoſten ver- 

Landftuhl bildete nebit Gemarkung | lief, immer über Tal und Höhe, dabei 
ein Kondominium, d. h. ed war gemein: | die Coten 392 m und 398 m berührend; 
james Gebiet; jeine Ausdehnung betrug | von legterer an fällt fie mit der heutigen 


*) Die zu hohen Koſten lafien uns davon abjehen, eine Karte des chemaligen Befigitandes 
beizugeben; da aber drei Dutzend Ortſchaften in und nahe bei der Grafichaft heimatkundlich 
an diejer, im übrigen ja trodenen Materie intereffiert find, fo geben wir die —— genau 
an, daß jedermann aufgrund guter Karten imſtande tft, fie einzutragen. Eine weitere Mitteilung 
über Erbverhältniffe in den fidingijchen Ortfchaften wird folgen. 


Bezirksamtsgrenze 1,5km lang zufammen 
und folgt von der Höhe des „Anöpper 
Hübel” an dem Laufe des Morbadyes 
bi8 zu feiner Bereinigung mit dem 
Stuhlbadhe, (welcher von Mittelbrunn 
herfommt.) Zwiſchen diefem und dem 
Arnbade eritredt fih ein langer Rüden 
von 120 m Erhebung, auf defjen Grat 
ein Feldweg zieht; dieſer war die 
Grenze bis zum „Engelbujch” bei Obern- 
heim, wo jie ins Tal berabitieg, dem 
Arnbade bis zur Neumühle, dann dem 
Graben im „Slingelstal” folgte, den 
Bremenberg überichritt, um dem Waſſer— 
laufe im Schauertale (am Fuße von 
Scauerberg) zu folgen; dann bog fie 
um den Wahlentopf — immer noch dem 
Wafjer entlang, bog über den anderen 
Schauerberg auf die „Große Höhe” 
(Eote 406 m), direft herunter ins 
Stlappertal (Cote 310 m), wo fie dem 
Wuffer bis Waldfiihbad folgte. Bon 
da an war die Moosalb und vom Bled): 
walzwect (am Eingange in das Karlstal) 
an das Weitufer des Großen Weihers 
(auch des jegt verjumpften nördlichen 
Endes weſtlich der Straße) die Grenze; 
fie verlief am Fuß der Höhen (Wald: 
und Wielenrand) zum Gelterswoog, an 
deffen Südufer Hin, durch das Langen: 
tal an jener Weftieite und von Cote 
3U0 m an der heutigen geraden Echneuße 
nad über den Orozen Berg, das Ein: 
fiedfer Tal, den Glasberg zur Kaijer- 
ftraße, dieje oftwärts, den Ginfiedlerhof 
umjchließend, der heutigen Bahn entlang 
nochmals oftwärts und die Ziegelei um— 
faffend. Nördlich der Bahn ift der Ge— 


47 


markungsgrenzweg zugleid. die Grenze 
des fidingtichen Befites. 

Sroß- und Kleingericht ſchied folgende 
Linie: Bon Neumühle an das Rothen- 
borntal aufwärts bis Cote 440 m, links 
der Höhenjtraße entlang den alten Weg 
einhaltend, über den Kreuzberg bis zur 
Vereinigung mit der Arnbaher Straße, 
immer 0,5 km Abſtand gegen Weiten 
behaltend. Hier ftieß fie auf das Kon— 
dominium. 

Die Grenze des Gebietes von Land— 
ſtuhl war im Weſten der Waſſerlauf im 
Lochweiher bis zu 2,5 km Entfernung 
von der Raiterkkraße, dann aufwärts 
zur Cote 439 m (Langenftein), nordöft- 
lich zutal, wieder aufwärts über den 
„Hochwald“, den alten Fahrweg vom 
„Stuhl” aus auf den Kuhſchwanz“, 
quer über die Höhe (höchſte Erhebung 
der Sickinger Höhe mit 462 m) und 
herab zum oberjten Eingang in das 
Bärental, fodann ein Stück nordwärts 
der heutigen Straße nad, zuletzt geraden 
Weges ditlih am Forfthaufe Kahlenberg 
vorüber zur Kaijerjtraße, am weftlichen 
Fuße des „Galgenbühl“ her über die 
Bahnlinie. 

Zum Eroßgeriht gehörten alfo: 
Bann, Dueiderdbah, Linden, Krüden- 
bad, Horbach, Hermersberg, Harſchbach, 
Wejelberg, Zeielberg, Kindsbach; zum 
Kleingeriht: Hauptſtuhl, Mühlbadı, 
Langwieden, Martinshöhe, Gerhards- 
brunn, Knopp, DOberarnbad, Mittel: 
brunn, Schauerberg, Kirchenarnbach und 
wohl auch Obernheim; zu beiden: 
Landftuhl. 








Manderbudh für den Yfälzerwald 


heißt ein neued Werkchen, von Dr. C. 
Mehlis herausgegeben und von der unit: 
anftalt Lautz und Balzar in Darmitadt 
hergeitellt. Seine jehr dankensmwerten 
Beigaben find 49 Landichaftsbilder in 
fauberen Autotypien, darunter ſolche, 
die man fonft kaum finden wird (Krops— 
burg, Landeck, Linvdelbronn, Gräfenftein, 
Elmftein, u. a. m.), jowie eine ſehr 
jauber ſich präfentierende und große 
Pfalzkarte von Lehrer Hilſchmann 


(1 : 150000). Lettere enthält außer 
Bahnlinien und Hauptitraßen die Mar: 
fierung der Ausflugswege in farben 
und die Waldflächen in grünem Tone, 
jo daß allen touriftiihen Bedürfniffen 
Rechnung getragen fein dürfte Der 
Wunſch, den erit in den legten Jahren 
jo recht für den Wanderluftigen auf: 
geichlofjenen Pfälzerwald auh dem 
Kreile Fremder Ausflügler leichter zu- 
gänglih zu machen, war Anlaß zur 


— — 


Abfaſſung des Werkchens, deſſen Text | nung von Standquartieren, alle Bahn- 
bei aller Kürze doc überrajchend reich- | und Boftlinien und ein ausführlicher 
baltig und vollftändig ausgefallen ift. | Fahrplan erhöhen die praftiihe Brauch— 
Das „Pfälzer Lied“ leitet ein; eine geo- | barkeit des Biüchleins bedeutend. Die 250 
logiſche Erfurfion durch das Gejamtgebiet | beichriebenen Touren jind auf 16 Seiten 
und eine hiftorische in Anlehnung andievie- | zujammen gedrängt; auf 42 Seiten wird 
uns näherer Auf- 
ihluß über die 
Ausgangsorte und 
Standquartiere bei 
Ausflügen in den 
Pfälzerwald. Eine 
Zuſammeunſtellung 
der Markierungs— 
routen und ein 
8ſeitiges Inhalts— 
verzeichnis dienen 
der praktiſchen 
Ueberſicht. Das 
Büchlein ſei allen, 
die ihre Heimat 
aus eigener An— 
ſchauung kennen ler: 
nen wollen, als 





Burg Wasgenſtein überall hilfsbereiter 
(en Denkmäler unſerer Heimat bereitet den | Führer und Ratgeber empfohlen! 
Touriften auf die, interefjanten Erfah- Durd das freundliche Entgegentommen 


rungen vor, die jeiner warten. Auch über | des Berlags ift es ung möglich geworden, 
Bevölkerung und Gaitlichkeit, ferner über |; in den Anſichten des Wasgenfteins und 
die Art und den Verlauf der Markierung der Limburg Proben der trefflihen Illu— 
leſen wir Nütliches, letzteres durch die | jtrierung zu geben. — Das Bild der 
Karte wirkſam unterftügt. Die Kennzeich- Limburg bringen wirin dem nächſten Hefte. 








An unjere Jeſer. 

Der pflege der pfälziichen Urgeſchichte (Ar- Gebiet der Bergefienbeit anheim gefallen wäre. 
chäologie und Anthropologie;haben wir in unjerm | Wir bitten daber unfere Leſer und Mitarbeiter 
Programm ebenfalls eine Stelle angemwiefen. Wir | dringend, uns durch Meberfendung bon Zeitungs: 
glauben dem Intereſſe weiterer Kreifezu | ausfchnitten oder kurze Mitteilung mitteljt Poſt— 
entiprechen, wenn wir unter einer bejfonderen | farte zu einer möglichht volljtändigen, wenn mög» 
Rubrik von allen Funden auf diefem Gebiete | lih monatliden „Fundchronik“ verbel- 
fur, Notiz nehmen, um in fpäteren gen dem | fen zu wollen. Eine ſolche Notiz würde —— 
Helmatforſcher gewiſſermaßen ein Nachſchlage- | zu lauten haben: Landwirt A fand bein Pflügen 
werk auf diefem Gebiet bieten zu fönnen. So | jeines Aders in der Gewann B am 15. de. Mıs. 
intereflant fich die Notizen in den Tageszeitungen | einen bronzenen Armring. Derjelbe wurde bon 
lefen, fo jchnell werden fie auch wieder vergejjen | Herrn C unterfucht und ins Mufeum nad) D ver- 
und die gemachten Funde verfchtwinden in Privat | verbracht, bezw. befindet fich im Brivatbefig bon 
fammlungen oder Öffentlichen Mufeen. Es jet | Herm E. Die Früchte einer derartigen Sanımel- 
bier auf die wertvollen Berichte in dem Antelli- | tätigkeit werden fich jchon nach wenigen Jahren 
genzblatt des Rheinkreiſes bon 1818—1830 ver- | bemerkbar machen. 

— ohne die manche Entdeckung auf diefem | D. 


DInbalt: Die Ortslage und Entwidlung von Kaiferslautern. — Die Einteilung der ehe— 
maligen Grafſchaft Sickingen. — Wanderbud für den Pfälzer Wald. — Un unfere Lejer. 











u Schriftleiter ; Eehrer ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Verlag, Kaiferslautern. 
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


De „Pfälztiche Heimatkunde” toftet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Wellellungen werden von allen Buchhandlungen, und 
Voftanflalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbaubiendung) angenommen. 


I. Jahrgang. 


Nummer 7 


Mai 1905. 


JPALZISCHE HEIMATKUNDE | 


MONATSSCHRIFT 


N 


FMAxÊ. 


FÜR SCHULE UND HAUS. 





Ein Hchillerdenkmal in Oggersheim. 


So weit die deutihe Zunge Elingt, 
rüftet man ſich in edlem Wettitreite, den 
100. Zudestag von Deutichlands aroßem 
Dichter zu feiern, und aud die Pfalz 
will nicht zurüditehen. Aber nurein 
einziger Ort derjelben — es iſt 
überhaupt der einzige in ganz 
Bayern — kann ſich rühmen, 
Schiller beherbergt zu haben 
undein Schillerhaus zu beſitzen, 
das mit andern um die Palme ringen 
kann und zu erzählen weiß von den 
Leiden, Entbehrungen, bitteren Eut— 
täuſchungen, aber auch von Schaffens— 
freudigkeit und unſterblichen Dichtergaben 
des flüchtigen Karlsſchülers, ſowie von 
treuen Seelen, rührender Anhänglichkeit 
und gegenſeitiger Zuneigung. Oggers— 
heim bot in jenen trüben November— 
tagen 1782 Schiller als „Dr. Schmidt” 
und feinem treuen und jelbitlojen Freunde 
Andr. Streicher als „Dr. Wolf” nad) ihrer 
Flucht aus Stuttgart ein Miyl, „der 
Dihtkunft in erwünſchter Verborgenheit 
lebend“. Hier vollendete der Dichter 


keinen Fiesko und „arbeitete fleißig an | 


Wuife Millerin*. Beide find gleichjam 
Dagersheimer Werke. So ift der an 
htoriihen Reminiizenzen jo reiche Ort, 
‚en regierende Pfalzgrafen 
eeitügt und gehoben haben“ und welcher 
ie Sommerrefidenz des Kurfüriten Karl 
beodor war, auch klaſſiſch geweiht. 


daß man deshalb hier die Wiederkehr | 


beichügt, | 





des Todestaged würdig begeht, ift nur 
jelbftverftändlih. Eine Straße hier trägt 
den Namen de3 Dichterd und die 1859 
gepflanzte Scillerlinde ift zu einem 
ftattlihen Baume gedichen. Aber es ift 
eine Ehrenichuld nicht bloß für Oggers— 
heim, fondern für die Pfalz und Bayern, 
ein bleibendes würdiges Andenken zu 
ftiften an der Stätte, wo Schiller ın 
freiwilliger Verbannung unvergängliche 
Werke geichaffen. 

Es ift deshalb beſchloſſene Sadır, 
hier ein würdiges Denkmal für Deutſch— 
lands großen Dichter zu errichten, das 
um fo mehr der Allgemeinheit entipricht, 
je Ichöner und würdiger es fich daritellt. 
In opfermilliger Weile hat der hiefige 
Stadtrat bereit$ zu diefeu Zweck einen 
namhaften Betrag bewilligt Diejer 
reicht jedoch bei weitem nicht aus und 
es find daher noch weitere Opfer er- 
forderlid. Darum ergeht ſeitens des 
Denkmalkomitees an alle Werehrer des 
volkstümlichſten deutichen Dichters nad 
in» und auswärts, an Wereine, Geſell— 
icharten, an alle deutjch gefinnten Männer 
und Frauen die ebenfo freundliche wie 
dringende Bitte, beifteuern und uns 
mit Gaben unteritügen zu wollen. Möge 
der Geiſt Schillers auch in Rehrerkreiien 
jene Begeilterung und Opferwilligkeit 
erweden, die eines ſolch' edlen Zweckes 


würdig iſt! 
L. Schmidt, Lehrer. 


50 


Über das Kloſter Limburg*) 


ift eine Schrift vorhanden, die außer 
Fachleuten nur wenigen befannt jein 
dürfte. Sie ift betitelt: 

„Klofter Limburg an der Haardt. 
Eine baumwiffenichaftliche und geichichtliche 
Abhandlung von W. Mandot, Architekt. 
Herausgegeben vom Mannheimer Alter: 
tumsverein. Mit 54 Tertilluftrationen 
und 7 Tafeln, wovon 6 Doppelte. 
Mannheim 1892, Kommilfionsverlag 
von Ernft Wasmuth, Architekturbuch— 
handlung, Berlin, Markgrafenftraße 35.“ 


Lehrer nur das erwähnt, daß der Be: 
weggrund zur Stiftung der Kirche, wie 
er in den Leſebuche der Mittelflafjen 
dargeftellt ıft, in nichts verbürgt ſei 
und daß die Annahme des Gründungs: 
jahres 1030 auf einem Irrtum berube; 
1025 jei als ſolches anzunehmen. 

Am 2. und 3. Teil, wo ſich der Ber: 
faffer auf jeinem Fachgebiet bewegt, ift 
fein Wert außerordentlih anziehend. 
| Er zieht jeine Schlüfje und führt feine 

Beweife erit auf Grund vielfaher Be: 











| 


zur 1 














Diefe Schrift ift nad Anhalt, Form 
und äußerer Ausftattung gleich gediegen 
und vornehm. 

(GFormat 25%X34 cm). Freunde der 
„Heimatkunde“ ſeien hiemit auf diejes 
Werk aufmerfjam gemaht! ein In— 
halt gliedert fih in ein Vorwort mit 
T Seiten und in 3 Zeile, nämlich Ge: 
ihichte des Klofters, baufünftleriiche Ur— 
beberijchaft der Limburger Kirche und 
Stellung der legteren in der Geſchichte 
der Baukunft, endlih Baubejchreibung 
des Ktloſters nebſt Einleitung und Nach— 
trägen, im ganzen 90 Seiten. 

Was den Anhalt betrifft, jo jei für 


*, Unſere Abbildung verdanken wir dem 
u. Balzar in Darmftadt; fie ift dem Buche von Dr. E. Mehlis, „Wanderbuch durch 


wald“, entnonmen. 


obahtungen und genauer Mefjungen, 
nad umfafjender Vergleihung und unter 
Herbeiziehung von Urteilen bedeutender 
Kunftaltertumsforicher, Geſchichtsſchreiber 
und Spradfundiger. Mehrmals ift dem 
Berfaffer der Nachweis von Irrtümern 
in der einjchlägigen Literatur gelungen. 

Sp hat der Berfaffer des „Klojter 
Limburg? ein Werk geichaffen, das dem 
behandelten Gegenitand ähnlih ift an 
ichlihter Hoheit, Einheit und „Wohllaut 
jeiner Verhältniſſe“. Durch feine tüch- 
tige Methode hat der Berfafler dem 
Leier die Grundlage gegeben, auf welcher 
er fih den monumentalen Klojterbau in 


freundlichen Entaegentonmen der Firma Yang 


en PBfälzer- 


jeiner Borftellung wiederheritellen kann, | Befuhe dieſes Kleinods romaniſcher 


um jo leichter, ald der Berfaffer den 
Bau zeichnerifch ſchön rekonftruiert hat. 
Ein Leſer obigen Werkes wird beim 


Kirchenbauten mit Berftändnis zu fchauen 
vermögen und ſich an diefer Offenbarung 
deutichen Gemüts erfreuen und begeiftern. 


Dachfteiner. 





Maifröfte. 


Kinder Floras, die Blumen der Wiefen 
und die Blüten der Fruchtbäume ge: 
worben hat, dann tritt nicht jelten der 
harte Fuß eines kurzen, tüdiichen Nach— 
winter® nieder, was ſich zu fröhlichen 
Leben entfalten wollte. Die Menichen 
find daran gewöhnt, mit Ueberraſchungen 
aus dem Gebiete der Witterung zu rechnen 
und finden aud in außergewöhnlichen 
Umjclägen des Wetters nur eine Be- 
jtätigung der alten Erfahrung, daß hier 
in dev Regel die Borausficht zu Schanden 
wird. Wenn aber der Wonnemonat 
herannaht, jo jchlägt doc das Herz des 
Landwirtes oder gar des Winzerd oder 
Obſtzüchters höher, je mehr ſich fein 
Auge an einer früh erjtandenen Früh— 
jahrspradıt erfreut hat. Er weiß, daß 
ihm die zweite Maiwoche empfindlichen 
Schaden bringen kann, und gerade die 
unheimliche Sicherheit, mit welcher die 
Tage des 11, bis 14. Mai nur allzu 
oft Schon empfindliche Temperaturftürze 
gebradıt haben, allem jungen Treiben 
zum Schoden, erhöht das peinliche Ge— 
fühl banger Erwartung eines Unheils. 
Wir find zwar — dank der Rührigkeit 
der Wetterwarten und des telegraphiich 
unterftügten Witterungsdienftes — ge 
wöhnlich über die kommende Wetterlage 
des folgenden Tages befriedigend unter: 
richtet; aber was müßt es bier, um 
einige Stunden voraus zu wiflen, daß 
eine kalte Nacht unjere Obſt- und Wein: 
ernte zum größeren Teile vernichten 
wird? Es gibt ja nur in jehr be: 
Ihränftem Umfange Mittel, den Ein- 
flüffen der gefürchteten Maifröfte zu 
begegnen. 

Was wird der diesjährige Mai 
bringen? ift auch jett wieder die er» 
mwartungsvolle Frage der zunädit Be- 
drohten. Profeſſor Habenicht jpricht fich 


von dem Nordatlantiihen Dzean und 
Europa” u. a. dahin aus: „In Mittel: 
enropa verlief der März günſtig, erit in 
der zweiten Hälfte der erjten Aprilwoche 
ftellte fihb der erwartete intenfive 
Kälterüdichlag ein. Die Gefahreiner 
Wiederholung ift aber nod 
feineswegsd ausgeſchloſſen und 
wird bejonderd gegen Ende der 
eritten Maiwodhe groß fein, da 
die Alpen und die deutſchen 
Mittelgebirge jüngft viel Neu- 
Ihnee erhalten Haben und im 
ganzen Norden unjeres Fon: . 
tinentes nod viel Ei3 lagert. 
Auf dem Mälarſee z. B. ijt die 
Eisdede (Mitte April) immer 
noch 45 Bentimeter did.“ 

Um jolhe wenig tröftlihe Vorgänge 
zu verftehen, muß man auf die Luft— 
drudveränderungen in unjerer Atmo— 
iphäre zurüdgehen. Das Luftmeer, an 
defjen Grunde wir leben, ſchwankt an 
feiner „Oberfläche, wie man fidy nicht 
unzutreffend ausdrüden kann, bedeutender 
ald das jchwerere Wafler der Ozeane; 
auch bringt das Durceinanderftrömen 
verjchteden warmer oder feuchter Quft- 
mafjfen und das Aufmwärtäftreben der 
warmen neben dem Niederſinken der 
falten Schichten ziemlich bedeutende 
Trudunterihiede hervor, die fih be: 
kanntlich an der felbittätigen Wage, 
Barometer genannt, in der unterjchied- 
lichen Länge der Duedfilberfäule oder 
in bedeutenden Ausſchlägen eines Metall 
eigers miderjpiegeln. Der Luftozean 
* alſo auch eine Art Wellenberge und 
täler; die letzteren, Depreſſionen genaunt, 
bewegen ſich nun nicht bloß”, wie, die 
„Marina” (Megionen hohen Diudes) 
über die Erdoberfläche fort wie Wirbel- 
trichter eined Bades über dejjen Grund, 
jondern fie find in ganz hervorıagender 


Weile an der Geftaltung unſeres mittel- 
europäiihen Wetter beteiligt.*) Die 
aus Gründen der geonraphiihen Wer: 
teilung von Land und Waffer und der 
verjchiedenartigen Erwärmung derjelben 
bet uns bevorzugte Zugitraße dev atlan- 
tiihen „Minima” geht über Nordfranf: 
reich und ferner entweder über Alpen 
und Lombardei, öftlich wieder bald nadı 
Ungarn, bald nah der Balkanhalbinſel 
idjwenfend, oder fie geht gegen die Ditiee 
und Finnland, Andere Minima zichen 
über Schottland oftwärtsd. Dabei ftrömt 
Luft von allen Seiten in die Depreifion 
hinein, wobei der Wirbel dem Uhrzeiger 
entgegen gerichtet iit. Wenn alſo 3. 8. 
eine Depreifion über den „Kanal“ heran 
kommt, jo haben wir Pfälzer Wind aus 
Süden; zieht fie über die Schweiz, ſo 
fühlen wir am Nordrande derjelbrn Oſt— 
wind, welcher ſich in NO Wind ver: 
wandelt, wenn das Minimum feine 
Reife fortjegt. Wäre es über der Pralz 
binmwegngegangen, fo hätten wir Wind 
aus Süden, darauf Winpdftille und zum 
Schluß Nordwind haben können. 

Am Frühlinge treten num neben 
atlantiihen auch im O und NO Minima 
auf, die dann naturgemäß Wegen der 
nah Mitteleuropa geführten falten 
öitliben und nördlihen Winde Nacht— 
tröfte von verderblider Wirkung er- 
zeugen. Der Herkunft diefer Minima 
entiprechend find die Füften der Ditice 
am 11. Mai diejen Unbilden zuerit aus: 
geiegt; das mittlere Norddeutſchland 
wind gewöhnlich um den 12. heimgejucht, 
Sadien und Sclejien leiden am 13., 
die Aheingegend am 14. Mai darunter. 
Frankreich kennt zwar auch „les Saints 
de glace”, „die Eisheiligen“ (nämlich 
Mamertus, PBankratius, Servatius und 
Bonifatius), aber die Ericheinung zieht 
jih gerne bis zum 16. Mat hin und 
verflaht naturgemäß aud in ihrer ver: 
derblihen Wirfung. Übrigens find diefe 
Folgen feineswegs auf den mittleren 


52 


— 


Mai beſchränkt; vielmehr verurſachen 
die Depreſſionen, welche ſich im Juni 
von Schottland oſtwärts bewegen, in 
Deutichland vielfah unangenehme Son: 
merregen und gelegentlich Nachtfröfte, 
bei denen nicht jelten jogar das’ Kar: 
toffelfraut erfriert und ſchwarzbraun 
wird, Natürlich werden bei der räume 
lid} begrenzten Ausdehnung der baro- 
metriihen Minima auch nur gewiſſe 
Bezirke durch Froſt heimgefuct. Darum 
meldet die traurige Liſte jolcher Kälte: 
rüdjälle den Scaden bald aus Frank— 
reich, bald aus der Balz, aus Branden: 
burg oder Schleſien — aber wehe der 
Gegend, die eben betroffen wird! 

Muß nun irgend cine Gegend 
Deutidlands den berüdjtigten Maifröſten 
Tribut zahlen? Zum Glüde können 
wir Diele. Frage verneinen. Da das 
Auftreten falter Quftitröme von dem 
Borhandenjein von Depreifionen abhängt 
und wiederum von deren YZugrichtung, 
und da diejelben an ſich auch nicht gerade 
über Schottland auftauchen und uns 
zum Schaden dftlid wandern müſſen, 
jondern beweglich im bemeglihen Ele— 
mente irgendwie ziehen können, jo kann 
es faſt ebenjo aut geichehen, daß wir 
mit dem bloßen Schreden davonfommen; 
aber Schaden kann es nichts, wenn in 
Eleineren Berbältniffen in der £ritiichen 
Zeit durch Beralühenlaffen von Torf: 
broden oder Ähnlichem eine Gegend 
unter eine jchügende — wenn auch übel- 
richende — Rauchſchichte gebracht wird, 
deren Einfluß auf die Verzögerung der 
Wärmeausitrahlung des Bodens ficher 
nicht zu unterihägen it. 

Nebenbei find aud im dieſem Falle 
die „Deprejiionen“ als Störenfriede 
für unser Werter erkannt; und da fie 
in der Regel von Weiten kommen, To 
it es auch im allgemeinen zutreffend, 
wenn man „das Schlechte Wetter” als 
aus Weiten kommend anspricht. 


) Stünde die Erde ruhig. fo zögen wohl alle Marima und Minima gegen Norden oder 
Süden; da fie fi aber in 24 ftündigem Umſchwunge dreht, jo werden die äquäatorſeits ftärferen 
Bewegungen der Luftmaſſen in jchrägem Yaufe abgelentt, 


— U 


Bon unferer Sonne. 


Mir dem Frortichritte des Frühlings | abnimmt. Die unfaßbar große und in 
machen ſich aud die Wirkungen der er: | unbegreifliher Erhitzung befindliche 
höhten Kraft dev Sonnenjtrahlung immer | Sonnenkugel von (außen wenigitens) 
deutlicher bemerkbar. Außer der Pflan- | gasförmigem Zuftande findet keine Ruhe 
enwelt, die den Beginn eines neuen | und erlebt ununterbrohen Ausbrüche 
Bebensabfanittes icon im Anlegen eines | und Explofionen von Wafleritoffans: 
neuen Kleides und neuer Organe zur | mafjen, die ſich bald geradenmwegs, bald 
Nahrungsaufnahme oder Samenbildung | mehr oder weniger ſchräg aus dem 
verrät; außer dev Tierwelt, deren Glie- | inneren ergießen und als „Flecken“ 
der zumtel erjt wieder aus einem | oder — wenn jie mweißleuchtend auf dem 
Schlafe der Erftarrung oder aus jhügen- | Gcwoge der etwas weniger hellen Glut 





der Buppen- der allge: 
unhüllung meinen 
erwachen ; Sonnen: 
außer der oberfläche 
Menſchen— ſichtbar wer⸗ 
welt, welche den — als 
körperlich „Fackeln“ 
die „angrei— (krumme, 
fenden“ von einem 
Einflüſſe der Herde be- 
mwärmeren ſonders 
Lenzesluft ſtarker Tä⸗ 
und in ihrem tigkeit aus 
Gemüts⸗ gehende 
leben nicht Adern) zu 
minder eine ſehen ſind. 
aus den Statt aller 
Stimmen Beſchrei⸗ 
der gefieder— bung ſei auf 
ten Sänger das beige— 
wieder⸗ gebene, als 
klingende Beiſpiel 
Frühlings: ausgezeich⸗ 





luft empfin- j net paſſende 
det, veripüren auch andere Berhältniffe | Bild der Sonne verwiejen, defjen Ab: 
eine wachſende Beeinfluffung durch die | drud wir dem freundlichen Entgegen: 
Sonnenwärnte, vornehmlid; die mit der | kommen des Herrn Großh. Reallehrers 
Geftaltung des Wetterd zuiammen: | Ad. Mang*) verdanten. Es iſt die 
hängenden Eriheinungen. Die Betrady | Wiedergabe einer photographiihen Auf- 
tung über die Frühreife der Weintrauben | nahme der Sonne am 22. September 
in Heft 1 hat uns fogar in der Ber- | 1870 durch den englifchen Aftronomen 
mutung beftärkt, daß der Sonneneinfluß | Rutherfurd. Auch die Größe dieſer 
innerhalb gewijjer Zeiträume, | „Fleden“, die man fit als eine Art 
melde nad) jahren zählen und von den ! von Wirbelfturm innerhalb der Gashülle 
Lebensäußerungen der Kräfte in dem | zu denken hat, deren Licht großenteils 
Sonnenballe abhängen, merklich zu: oder | in den Trichtern aufgefaugt wird — 


*) Das Sonnenbild iſt entnommen dem Scrifthen: „Duadrantenfernrohbr zum 
Meflen und Beobachten der Geſtirne; nad) method. Grundfägen bearbeitet von Abd. Mang, nebſt 
einem Anbang: Wegmeifer am Himmel für Anfänger der elementaren Aftronomie von Ph. 
Fauth“, Heidelberg, Selbitverlag; 60 Seiten, 12 Abbildungen und Mondfärtchen, 1904. 


daher die geringere Leuchtkraft! — grenzt 
and Tabelhafte. Die Erde z. B. wäre 
im Bergleihe zu dieſer Sonnenphoto- 
graphie nur etwa fo groß als das 
rundlidhe, dem Mittelpunfte am 
nädjten liegende Fleckchen — alio 
etwa °4 Millimeter! Darnad mag 
man abihägen, welhe Fläche die 
großen Flecke bededen und welde 
Räume gar ihre wirbelnden Trichter 
einnehmen ; die Größe der hier wirkenden 
Kräfte nur abzuihägen überfteint das 
menſchliche Faſſungsvermögen. Tatſäch— 
lich können ſich die explodierenden Gaſe 
in ſpringbrunnenähnlichen Strahlen bis 
zu Y% und °4 Sonnendurhmefjern über 
die Kugel erheben, alio auf dem Bilde 
Feuergarben von 4-6 cm Länge dar: 
ftellen. 

Nun wird im Laufe diefes und des 
näditen Yahres mehrfach von „magne: 
tiichen Störungen“ und Nordlidter: 
iheinungen in den Beitungen zu leſen 
fein, welche mit Recht mit außergewöhn: 
lihen Gaseruptionen an der Sonnen: 
oberfläce in Verbindung gebracht werden, 
weil plötzliche ſtarke Schwankungen der 
wagredt ſchwebenden Magnetnadel unter 
Umjtänden innerhalb weniger Minuten 
auf jene Ausbrüche folgen; die Häufig: 
feit des Zuſammentreffens jolher Er- 
iheinungen beweift Elar die Abhängigkeit 
der irdiichen von den tolaren Vorgängen, 
Wenn nun die Zeitungen von dem Zu— 
ftande und der Tätigkeit der Sonne be- 
richten, möchte wohl mander Leſer, den 
unjer typiiches Bild vom Jahre 1870 
allein nicht befriedigt, ſich einmal den 
intereffanteren Anblif der gegenwär- 
tigen Sonne gönnen, glaubt aber 
wohl nicht im Bejige der optiichen Mittel 
hierzu zu jein. Gerade jekt bereitet 
fie mit großer Schnelligkeit ein fogen. 
„Fleckenmaximum“ vor, nachdem vor 
einer Reihe von Monaten auch Eleine 
Flecken eine rechte Seltenheit waren. 
Wir geben den wiljensdurftigen Lejern 
einen Weg an, die Flecken jederzeit in 
wenigen Sekunden zu finden. Souſt 
fieht man mit einem angerußten Glaſe, 
etwa bei Finfterniffen, in die Sonne 
und riskiert dennocd unangenehme Blen: 
dungen. Bei unjerer Methode tft weder 


Dämpfung des Shädlichen Glanzes nötig, 
noch irgend eine Gefahr vorhanden. 
Man ftelle die beweglichen Auszüge eines 
(oder eines beliebigen 

ernrohres) jo ein, daß weit entfernte 
Dinge gut gefehen werden. Sodann 
laffe man einfach die Sonne der Länge 
nad dur das Fernrohr jcheinen, jo daß 
das Licht am Augenende austritt. Zu: 
nächſt wird auf einem vorgehaltenen 
Papiere ein weißglänzender, runder Fleck 
eriheinen. Sieht man dann unter 
ruhigem Feſthalten das Anftrument 
noch etwas länger auseinander, 
jo wird an einem gewiffen Punkte aus 
dem verſchwommenen Lichtflede ein 
prächtiges, ſcharf begrenztes Sonnen- 
bild, das fogar an feinem Umfange 
etwas gelblid im Zone abfällt und 
ihwärzliche Fleckchen, eben die gefuchten 
Sonnenfleden, und gelegentlih auf dem 
Rande jogar die ſchwerer zu jehenden 
weißen Adern oder Fackeln aufmweiit. 
Während das ummittelbare Himein: 
jehen in die Sonne mit jofortiger 
Erblindung geftraft würde, bereitet 
da8 (Entwerfen eines glanzlojen und 
überfichtlihden Sonnenbildes, das mit 
weißem Papiere jozujagen in beliebigem 
Abftande vom Inſtrumente aufgefangen 
wird, weder dem Auge, noch aud dem 
Fernrohre den geringiten Schaden, 
nicht einmal bei langer ununterbrochenen 
Benügung. 

Die jegt immer günftiger fich ge- 
ftaltenden Berhältniffe zur Beobachtung 
der Sonne im Zuſtande des Aufruhrs, 
die nur etiva alle elf bis zwölf Jahre 
wiederfehren, werden nad vorftehender 
Anleitung manchen Lejer reizen, einmal 
mit eigenen Augen zu ſehen, was fein 
Bild darftellen kann, nämlich die feinen 
und durchſichtigen Lichtabftufungen und 
zarten Farbentöne. Der uniceinbare 
Feldſtecher verjegt uns jogar in die Lage, 
eine ftändige Sonnenmwarte zu unter» 
halten, die täglich Bericht erjtattet über 
die jolare Tätigkeit und die das raſche 
Fortrücken der Flecken über die Sonnen: 
Icheibe dartut, denn der Sonnenball dreht 
fi) in weniger als vier Wochen einmal 
un, jo daß große Flecken, wie fie neu» 
lich fogar mit bloßem Muge (und 


—— 


Dämpfglas) erblidt wurden, 14 Tage 
hhtbar find, ebenjo lange verichwinden 
und dann am linfen Sounenrande wieder: 
holt auftauchen. Wer jeinen Apparat | 
gar am einen Ende eines innen ge 
Ihwärzten Kaſtens anbringt und das 
Projektionsbild etwa in einem Meter 
Abſtand am anderen Ende auf Olpapier 


oder einer matten Glasicheibe anfängt, 
tut dasjelbe wie der Photograph, ja 
er faun ſogar feine Sonne wirklich 
photugrapbieren. Wer aber Geld an 
die Sache wenden will, hat in dem 
Mang’ihen „Quadrautenfernrohr“ ein 
Brobachtungs-, Meß- und Projektions— 
inſtrument gleichzeitig. 








Beſehung des Biſchofsſtuhles in Speyer. 


Die Ernennung des bisherigen beſetzt und von da an datiert ſeine 
Speyerer Domdechanten Konrad Bud) | vegelmäßige Belegung. Die legten 
zum Nachfolger des im März verihie- Biſchöfe hieken: ze. ll. v. Geißel 
denen Biſchofs v. Ehrler hat in unferer | 1836—1842 (geftorben als Erzbiſchof 
engeren Heimat bejondere Befriedigung | und Kardinal in Köln 1864); Nikolaus II. 
erwedt, denn einem lange gehegten | v. Weis 1842— 1869; Konrad Vi. Reither 
Wunde gemäß befteigt mit Buſch ein 1870-1871; Daniel Bonifacius v. Hane- 
geborener Pfälzer den Biſchofsſtuhl. Herg 1872—1876 und Joſeph Georg 
Der neue Biſchof ift 57 Jahre alt, war | v. Ehrler 18761805. 
1882 —1889 Gtadtpfarrer in Landau Dem U iſt das Bi 
und wurde 1899 zum Domkapitular er- em Umfange nad) ift das Bistum 
nannt. Gr wird alei „| Speyer die Eleinfte von allen bayerischen 
. gleich jeinem Vor Dibaefen, d r Gt 48 Quad 
gänger als hervorragender Kanzelredner | Diözelen, denn e8 umfaßt nur ne 


; ratmeilen mit 372000 katholiſchen 
Eger ie ——— (393000 andersgläubigen) Einwohnern. 


ara? . . { deden ſich politiich mit 
päpſtliche Ehrenkreuz pro Ecclesia et Seine Grenzen de 

Pontifiee. Nah den Beftimmmungen des denen der rer RR der ganzen 
Konkordates erhält der Biichof von Speyer | Dibzeſe jind ſechs Ordeusprieſter vor- 


j f handen (Minoriten), die im SHlofter 
EN el nn Dogersheim Sottesdienft und Seelforge 


Das Bistum ift eines der älteften | der Wallfahrer verſehen, die weiblichen 
in Deutichland. Schon im Jahre 346 | Yrden find durd Dominikanerinnen, 
wird ein Bifhof von Speyer namens | Arme Schulſchweſtern, Engliihe Fräu— 
Jeſſe erwähnt; dann kennt die Geſchichte lein, Franziskanerinnen, Schweſtern 
wieder einen Hulderih im Jahre 614, | vom armen Sinde Jeſu m Töchter 
Im Zahre 650 war der Bılhofsftuhl des allerheiligiten Hetlands faus Ober— 
mit einen Wanne namens Arhanafinz | Proun) vertreten. 








Bon der Arenzotter 


fönnen wir ferner berichten, daß Herr | fiher zu fein. — In der Giüdpfalz 
Lehrer Bold in Landftuhl im ſogen. (Gegend von Fiſchbach) erinnert fich 
„Bärenloh“ vor einigen Jahren ein | Herr Steuereinnehmer Schellhaaß eben- 
Exemplar an feuchter Halde mit ſchie- falls vor Jahren eine Kreuzotter ge 
ferigem Sandbodten — zwiällig aud | jehen zu haben. 

Sonnenfeite — fing; vor einer Reihe Iſt der Biß der Sreuzotter 
von Fahren entwiichte ihm eine andere | tödLich? Darüber referiert Köhler im 
Otter im „Lochweiher“ ın das Geröll. | 1. Hefte „Aus der Heimat” (Berlag 
Die erftgenannte wurde in Spiritus | von 8. ©. Lug, Stuttgart) aufgrumd 
aufbewahrt, aber auch im legtgenannten | von Prüfungen während eines längeren 
Falle glaubt der Beobachter feiner Sahe | Zeitraumes ausführlid. Daß er kom— 





petent ijt, befräftigt er mit dem Beweis— 
grund, daß wohl in feiner Gegend feines 
engeren Baterlandes die Otter häufiger 
vorfomme als im Uuellgebiete der 
Zwönig ſüdlich von Chemnig. Bor 
mehreren Jahren wurden an einem Nach— 
nittage auf einer Waldwieſe 35 Stück 
gefangen. „Selbitveritändlich find in 
folhen Lagen Fälle von Kreuzotterbik 
nicht felten, doc ift bisher an den zahl- 
reihen Fällen der vom Referenten fon: 
trollierten legten 50 Jahre feiner 
mittödlihem Ausgangebefannt. 
Meift ohne beiondere ärztliche Hilfe 
waren alle gebijfenen Individuen am 
dritten Tage wieder in normalem Zu: 
ftande.” -— „Der Kreuzotterbiß an ſich 
it nicht tödlich. Die örtliche Geſchwulſt 
mag größer jein ald beim Bienen- oder 
Weipenftich, die Gefahr ift eher geringer, 
da die Otter, die fi nur handhoch über 
den Boden erheben kann, feine edlen 
Teile des Menichen verwundet, der 


eluen Faällen den Tod herbeigeführt 
bat. Die Tödlichkeit des GBiftichlangen- 
biffes jcheint überhaupt noch nicht Ti. 
zuftehen. Cooper läßt feine gebiſſenen 
Indianer mit einem einzigen Schrei tot 
u Boden ftürzen; bei Gerftäder haben 
ie nod Zeit, den Todesgejang ihres 
Stammes; zu fingen, heute wilfen wir 
genau, daß die auf ihren Rejervationen 
lebenden Indianer Nordamerika ganz 
fiher wirkende einfache Mittel gegen den 
Biß der Slapperichlange anwenden. Auf 
alle Fälle hat das Senjationsbedirfnis 
und die Phantajiefreudigkeit des Schrift: 
jtellertums einen hervorragenden Anteil 
an der Naturgeichichte der Gıftichlangen 
auf Kojten der nüchternen Forichung.“ 

Es wäre erfreulich, wenn dieſer Sad 
verhalt feine volle Richtigkeit hätte, was 
ja wohl gelegentlich andere Kenner bejtä= 
tigen werden. Im gleichen Hefte bringt W. 
Schuſter Belegedafür,daßder Häherund 
unjere Rabenvögel überhaupt als 


Bienenftih am Kopfe aber ſchon in ein- | Feinde der Kreuzotter zu gelten haben. 





Dauerhafte und ehrwürdige Urkunden. 


Im Rathauſe zu Eſſingen befand | 


jih ein Stein mit Inſchrift, welche nad) 
dem Sntelligenzblatte von 1821 lautete: 
„Als man zalt 
Tausend funf hundert 
Jar neunzig auch 
Die Jarzal war 
Dieses Rathaus sein 
Anfang nam. 5. Fuder 
Wein hundert Gilden 
kam. Als Wolf fun 
Dahlburg uns regiert 
S Churfürstentum 
Zu Meinz auch firt.“ 1590. 

An Dahn war ebenda neben dem 
damald neuen Schulhaufe ein Stein, der 
bejagte: 

„MD und XXXX 


Anmerkung zu $. 87 in 


Calt s Fuder Wein 
Gulden XX. Korn 4 Gulden 4 Batzen, 
Also straft Gott die Welt. 540." (1540). 
Am Sahre 1725 wurde ein zweiter 
Stem mit den Notizen beigefügt: 
„Renoviert anno 172 
Da galt das Malter Korn 7 
Batzen das Fuder 
Wein 50 Gulden. 
Also straft Gott die Welt.“ 
An einen Haus in der Nähe der 
Elmſteiner Boft lieft man: 
„Das Hausz gebaut 1617 
Da hat das malter Korn 


gekost 40 fl. sim Krom 
biren ı fl. XXIII kr. G. F. M. 
K. L. M.* 


ulden ein 


eft 5.: Als Berfaffer bed zweiten Artikels über bie 


F ss 
„Sidinger Würfel? fann nachträglich der in Landſtuhl verftorbene k. Notar Röbel genannt werden. 





Snbalt: Ein Scillerdentmal in Oggersheim. — lleber das Klofter Limburg. — Maifröite- 
— Bon unferer Sonne. — Beſetzung des Bifchofsjtuhles in Speyer. — Bon der Kreugotter. — 
Dauerhafte und ehrwürdige Urkunden. — Anmerkung zu Heft 5, ©. 37. 





Schriflleiter : Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — Kermann Aanfer’s Verlag, Kaiferslautern. | 
Für Form und Inhalt ber Reiträge find die Herren Verfafler verantwortlich. 


Die „Pfälztiche Heimatkunde” Kofler jährlich in 12 Heften Me. 2.50. 


Br tellungen werden von allen Buchhandlungen kubd 


Toftanftalten ferner vom Verleger (Vortofreie Streifbaudfendurg) angenommen. 


Nummer 8 





Juni 1905. 


IPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


\) 


BMANNE EM 





9 


Großſchiffahrt auf dem GEberrheine. 


I. 

Im vorigen Jahre, während der Dauer 
der Berhandlungen über das Syſtem 
des ſtaatlichen Kanalbaues in Preußen 
hatte am Ahein unerwartet ein privater 
Berein ſich gebildet, der nicht weniger 
bezwedt, als die alte rheiniſche Waſſer— 
gaſſe in ihrer ganzen Länge von ver 
Schweiz bis nadı Holland zu einer für 
Großſchiffe ununterbrochen und voll: 
kommen fahrbaren Straße zu machen. 
Die Idee trat damals jo unvermittelt 
in der Breffe auf, daß man es mit 
einer Senfation zu tun zu haben ver- 
meinte. Man bat ja in wifjenichaftlichen 
Kreiſen die Fahrbarkeit des Oberrheines, 


insbejondere von Straßburg bis Baiel, | 


ſtets vernemt, und es gab jeit 1870 
viele Autoritäten, welche die Unausführ: 
barkeit der an fic gewiß recht patriotiich 
Elingenden Frage als Feititehende Tat— 
jahe ausgaben. Noch in diefen Tagen 
trateır in Stuttgart namhafte Gelehrte 
für die Ausſichtsloſigkeit aller jolder 
auf die Schiffbarmachung des Oberrheins 
zielenden Unternehmen in die Scyranfen. 
Nichtsdeitoweniger traten einige Männer 
zuſammen, welde dem alten Borurteil 
zum Zrog auf eigene Fauft und mit 
eigenen Mitteln die Stromverhält: 
niffe des Rheines untersuchten, um der 
ſtark angezweifelten Eadye auf den Grund 
zu kommen. Und ſiehe da, das Er: 
gebnis der Forſchung hat die Er: 





wartung nicht getäujdt, die Mög- 
lichkeit einer rationellen Schiff 
barmadhung des Oberrheins hat 
jih bewahrheitet. Die Praris hat 
über dıe Theorie der Gegner gefiegt. 

Eine alte Rheinjage berichtet, daß 
eine Schar fühner Jünglinge von Bajel 
zu einer Feitlichleit in Straßburg in 
einem Kahn die Fahrt den Rhein herab 
unternommen und einen Topf Reisbrei 
warm als Gruß aus der Heimat deu 
Straßburger Ratsherren überbradt habe. 
Zwiſchen jener mittelalterlihen Reiſe 
und der Bereinigung tapferer Männer 
in unferen Tagen liegt eine lange, trau: 
rige Geſchichte varerländiichen Elends. 
Als Eljak im franzöfiihen Befig war, 
wurde der Rhein als Grenze angeichen. 
Alles geſchah aus politiihen Gründen, 
um feinen Charakter als Wafjerftraße 
zu verwiihen. Seine Ufer bildeten weite 
Sümpfe, feine Fahrrinne veriandete. 
Nod in den fiebziger Jahren jah man 
im Sommer die Ediffbrüde bei Kehl 
halb auf dem Trodenen liegen, einzelne 
Joche türmten fich über Kiesbänke, die 
mit dem veränderlihen Strombett ihre 
Lage wedielten. Bon Kehlaufwärts 
warder Rhein jo unbefannt, wie 
die Quellen des Nils. 

Im Monat Juni vorigen Jahres 
hat die Ruhrorter Neederei Knipſcheer 
den erſten Verſuch gemacht und glücklich 
durchgeführt, einen Schleppzug Kohlen 


nah Bajel zu bringen. Das alte 
Märchen von der Unſchiffbarkeit 
des Nheins oberhalb Straßburg 
tft zerjtört. Das ift ein Ereignis 
in der Geſchichte der Rheinſchiff— 
fahrt, ein Wendepunft in ihrer 
Eutwidlung, der Anfang einer 
neuen Epoche, deren ganze Bedeu- 
tung ſich nod nit überjehen läßt. 

Ueber den modernen Argonautenzug 
iſt mances Intereſſante zu jagen. Es 
war eine Forſchungsreiſe im Her— 
zen von Deutſchland. Die erſte Fahrt 
beanſpruchte für die Strede Straßburg: 
Bajel drei Tage, während man jegt jchon 
mit zweien ausfommt. Man jteuerte 
damals zum erjten Mal in völlig unbe: 
kanntem Fahrwaſſer. Die Schiffbrüden 
von Ottenheim und Rheinau verzögerten 
die Fahrt um 4 Stunden. Während 
eine3 heftigen Sturmes und Gewitters 
mußte Anker geworfen werden. Es 
kamen einjame Gegenden, viele Stunden 
war weder Menid noch Haus zu jehen. 
Anımer näher jchloffen fih Schwarzwald 
und Bogejen aneinander und umrahmten 
in weitem Bogen die den mächtigen 
Strom begleitenden Weiden und Bappeln. 
Die ſchwierigſte Arbeit war die Ueber: 
mwindung des Gefälliturzes bei der Neuen- 
burger Eiienbahnbrüde Dann glid die 
Weiterreile einer beichaulichen Spazier: 
fahrt. Der durchichnittlihe Fortichritt 
betrug 3,3 Milometer in der Stunde, 
eine anjehnliche Reiftung für einen Dop- 
pelichranbendampfer von 350 Pferde— 
Eräften mit einem Anhangkahn von der 
immerhin nicht geringen Ladung von 
300 Tonnen (6000 Zentner). 

Nicht zum geringiten aufgrund diefer 
glüdlichiten Schiffahrt bildete ſich ſofort 
ein Berein ichweizerijcher Intereſſenten 
unter dem Präfidium des Nationalrates 
Paul Speiier, Profefjor an der Bajeler 
Univerfität, der fich die Aufgabe ftellte, 
in Theorie und Praxis für die Aus- 
dehnung der Nhein-Großihiffahrt über 
Straßburg hinaus bis nah Baſel und 
darüber hinaus bis Zürih und in 
das Bodenjeebeden hinein zumirfen. 
Bald bildete fich ein zweiter Berein zum 
gleichen Zwecke der Rheingroßſchiffahrt 
über Straßburg hinaus. Wir bemerken, 


58 


daß auch diefer Verein durchaus privater 
Natur ift. An feiner Spige ftehen die 
Dberbürgermeijter Bat von Straßburg 
und Schnegler von Karlsruhe, Kom— 
merzienrat Stöfjer-Lahr und Handels— 
fammerpräfident Schaller - Straßburg. 
Im verflofjenen Winter haben fich weitere 
private Vereine Eonitıtuiert, welche die 
Aufgabe der erjten Bereine weiter aus: 
bilden und zu beionderen Unterneh- 
mungen ausnugen. Bon jet ab werden 
aljo regelmäßige Fahrten die oberrheiniiche 
Strede, welche bis dahin eine terra in- 
cognita gewejen iſt, in fteter Folge neu 
beleben, jo daß wir und von den Lei— 
jtungen dieſer Bereine viel mehr ver- 
ſprechen dürfen, als von allen bureau- 
£ratiich geleiteten ftaatlihen Unternehmen, 
welche nie fertig werden, wie insbeſondere 
die aus den Rheinuferſtaaten gebildete 
Kommilfion zur Rhein-Korrektur oder zur 
Kanalifierung des Rheins, die faft 25 
Jahre gebraucht hat, um ein Stüdwerf zu 
ihaffen, über dem fich noch heute wegen 
der Beitragskoften Baden, Elia und 
Bayern in den Haaren liegen. 
(„Brälzifche Preſſe“) 
II. 

Die Frage der Großidiffahrt auf 
dem Oberrhein zwiſchen Straßburg und 
Bafel geht nun raſch ihrer Löſung ent- 
gegen; die erite Verjuchsfahrt in diejeu 
Jahre ift kürzlich glüdlih von ftatten 
gegangen. Unter dem Hurrahrufen und 
dem Tücherfchwenfen der nadı Taufenden 
zählenden Zujchauermenge, die Kopf au 
Kopf gedrängt Kais und Rheinbrüden 
bejegt hielt, lief am 19. April ds. 8. 
mittags halb 1 Uhr der Doppelichrauben- 
id „0. Rnipicheer IX” aus Ruhr: 
ort von Straßburg kommend in Bajel 
ein und ging bei der Xotentanzfähre 
vor Anker. An Bord befanden ſich u. a. 
Direktor Bomann der Reedereifirma 
vormals Knipſcheer & Cie. in Ruhrort 
und Ingenieur Gelpfe aus Bajel, der 
unermüdliche Förderer der Rheinjdiff- 
fahrt auf dem Oberrhein. 

Ueber die Fahrt jelbit, die im jeder 
Hinficht befriedigend verlief, abgejehen 
von einer unliebjamen Berzögerung, die 
die Straßburger Behörde verurjachte, 
machte ein Teilnehmer folgende Mit: 


59 


teilungen: Samstag (15. April) nad | Schwierigkeiten, und es wurde Eonjtatiert, 


mittags fuhr „Joh. Mnipicheer IX“ von 


daß die Stromverhältniffe zwiſchen 


Straßburg ab und traf am Sonntag | Rheinau und Baſel Sogar beſſer find, 


Morgen vor der Dttenheimer Schiff: 
brüde ein. Man fand zu allgemeiner 
Überrafhung die Brücke geichloffen ; das 
Waflerbauamt in Straßburg hatte die 
Weiſung erteilt, den Durchpaß nicht zu 
geftatten! Die Berufung auf die inter: 
nationalen Rheinſchiffahrtsakte half nichts 
und der Dampfer mußte zwei Tage vor 
der Brüde liegen bleiben. Erſt am 
Montag Abend traf aus Straßburg ein 
Telegramm ein, das die Erlaubnis zur 
Turdfahrt erteilte. Als der Weg frei- 
gegeben war, jegte das Schiff unverzüg- 
lich die Fahrt fort. Abends halb 8 Uhr 
wurden bei Rheinau (10 Kilometer) die 
Anker ausgeworfen. Schon früh mor— 
gens wurde am Dienstag die Fahrt 
fortgefegt und bi® zum Abend legte 
„Joh. Knipſcheer“ den 66 Silometer 
langen Weg bis Neuenburg zurüd. 
Geitern Morgen halb 8 Uhr wurde die 
Fahrt auf der legten Teilſtrecke ange 
treten und um halb 1 Uhr mittags traf 
der Danıpfer mohlbehalten an feinem 
Beitimmungsort Bajel ein. 

Die neuefte Verſuchsfahrt hat be 
wiejen, daß die Schiffbrücken — es gibt 
deren fieben von Straßburg bis Baſel 
— ein läftiges Hemmmis für den regel- 
mäßigen Schıffahrtäbetrieb bilden, da— 
gegen erwiejen jich die natürlichen Strom- 
verbältniffe als vorzüglich, faſt möchte 
man jagen ideal. Der Oberrhein ift 
eine Waflerjtraße eriter Güte, die vor» 
läufig feine Regulierung und feine Aus- 
baggerung erfordert. Hemmend wirken 
heute einzig die künſtlichen Hinderniſſe, 
wie Ediffbrüden und dergleihen. Wie 
noch erinnerlich fein dürfte, wurden im 
vorigen Fahre zwei und im vorlegten 
Jahre eine VBerjuchsfahrt zwiſchen Straß: 
burg und Bajel ausgeführt. Seither 
bat ſich die Beichaffenheit des Flußbettes 
nur wenig verändert, jo ijt 3. B. die 
Fahrrinne von Breiſach bis Bajel un- 
gefähr die gleide wie letztes Jahr. 
Zrogden der Waſſerſtand bei der neueften 
Verſuchsfahrt einen Meter niedriger war 
als bei den Fahrten im legten Sommer, 
ergaben fi) aud nicht die geringiten 


ald unterhalb Straßburg. Daß es 
möglich fein wird, auf dem Oberrhein 
zwiichen Straßburg und Bajel die 
Schiffahrt während der gleihen Zahl 
von Tagen wie auf dem Mittelrhein 
aufrecht zu erhalten, ift heute erwieſen 
und darf nicht mehr als eine bloße 
Hypotheſe angejehen werden. 6 bis 7 
Monate Schiffsverkehr find außer Zweifel. 

Der Doppelihraubendampfer „oh. 
Knipſcheer IX” befigt eine Länge von 
35 Metern, eine Breite von 7 Metern 
und einen Tiefgang von 1,80 Meter. 
Er verfügt über 350 Pferdefräfte. Was 
die Geihmwindigkeit bei der Bergfahrt 
anbelangt, fo hat der Danıpfer auf der 
Sirede Neuenburg. Bajel durchichnittlich 
8 Kilometer pro Stunde zurücdgelegt. 
Die Stromjchnelle war relativ mäßig, 
es konnte die meiſte Zeit niit Halbdampf 
gefahren werden. 

Am Laufe diejes Sommers werden 
nun nach einem zwiſchen dem Verein 
ſchweizeriſcher Rheinichiffahrtsinterefien- 
ten und der Reedereifirma vormals oh. 
Kuipicheer in Ruhrort abgeichloffenen 
Bertrag noch weitere Berfuchsfahrten 
mit ganzen Schiffszügen (Schleppdampfer 
und Laſtkähne) ausgeführt werden, und 
nächite8 Jahr wird man jodann zum 
regelmäßigen Schiffsverkehr übergeben. 
Wenn einmal die fünftlihen Hinderniffe, 
die heute noch den Schiffsverkehr henmmen, 
befeitigt find, jo follen nur noch Rad— 
dampfer, die eine vierfache Mehrleiftung 
aufweiien, Verwendung finden. In Roß— 
lau a. d. Elbe baut die Needereifirma 
vormals Knipſcheer zur Zeit einen be: 
ſonders ftarfen Raddamprer von 1200 
Bferdeftärfen, der ausichließlich den Dienft 
zwischen Bajel und Straßburg verjehen 
wird. Der Dampfer, der eine Länge 
von 72 Metern, eine Breite von 19 Metern 
und einen Tiefgang von 1,20 Meter er- 
hält, wird Reftaurationsräume, Büfetts, 
Schlafkabinen befigen, kurz, mit allem 
Komfort der Neuzeit ausgejtattet jein. 
Mit dieſem Dampfer werden auf ber 
Bergfahrt Straßburg-Bajel 1200— 1500 
Tonnen auf einmal von Straßburg nad 


- 0% — 


Bafel in zwei Tagen geführt werden | Kilometer verkürzt haben, dem beliebten Titel 

io @alfahrt mi * run, | eines „ichönen, freien Stromes“ eingebüht habe; 
fönnen. Die Talfahrt wird en. Stun der jetzige, mit Rückſicht auf die landwirtſchaſt- 
den (für einen einzelnen Dampfer 4 Stun liche Landesmelioriation geſchaffene „Strom— 
den) in Anipruch nehmen. ſchianch“ fei nur ein „profaifcher Entwäſſerungs- 


Für die Schweiz und Baſel find die | kaual“ mit mafenber — dem man 
ser; einen zweiten an die Seite legen müſſe, der „wie 
Vorteile eined jolden Schiffsverkehrs der frühere freie Strom für die Schiffahrt 
auf dem Oberrhein jehr groß, aber auch | pientich fei.” 
Deutichland wird dadurch nur gewinnen. Wir fehen nicht fo ſchwarz, denn auch die 


Wie es jeinerzeit den Bau des Gott- — * 50 km * J —— ge 
? n : nei jirf Strecke Lanterburg Mannheim iſt, wie ja die 
— —— Hat, jo or neuen Berjuchsfabrten beweiſen, ſehr wohl fchiff- 
e auch er Schiffahrt auf dem Uber | par; freilich müſſen auch die Fahrten bei Nieder— 
rhein alles Intereſſe entgegenbringen, | waſſer zur Beurteilung berangeiogen werden. 
da dieſe Deutichland neucd Abſatzgebiet a —— gg an beb a ——— 
‚12 rüden und fonjtigen Einrichtungen für 
——— Bar en von F * eine regelmäßige Schiffahrt nicht geeignet ſind. 
wgung Der Fra pejen. un IM | Auch gibt es auf der in Betracht kommenden 
militäriſcher Hinſicht kommt der Ober: | Rheinitrete noch keine patentierten Stenerleute, 
rhein als Verkehrsſtraße in Betracht. | denn Rheinfchifferpatente konnten bis jet nicht 
Sind zu Kriegszeiten die dem Ufer ent- no... ig ao eine Großſchiffahrt daſelbſt 
- h . > Ä 
lang führenden Eifenbahnen überlaitet, Bi — — * 
eh Hochintereſſant und aud dem Yaien ein 
jo kann die Wafjerftraße des Mheins | Icuchtend find ferner die Ausführungen des 
zur Proviantzufuhr und zum Kranken- Ingenieurs R. Gelpfe von Bafel, am 6. Mai 
transport benüßt werden. beit der Verſammlung der Binnenfciffahrtö- 
(„Münd. N. Nadır.”) Intereffenten in Karlsruhe geſprochen. Er fieht 
gi ze — „die Berhältniſſe hinſichtlich der Talverfaſſung 
‚I. Lange nicht fo — * —— —— 
Die Cliches unſerer Beilage zu Heft VIII: | bat“; auf der Strecke Iſtein -Zelſaſſiſch Rheinau 
„Der Rheinlauf bei Sreuftett ine Jahre 1838 | — von 83 km Länge bilde ſich raſch ein Be 
und 1872* (ein Stromftüid von 10 km Länge | harrungszuftand im Kies und Strombette aus. 
bon der Ill mündung an abwärts) find einer Die Beränderlichfeit der Talwegsformation nehme 


Brofchüre im Verlage der „Straßburger Druderei | Nah Süden raſch ab, jo daß eigentlich nur dic 
——— Schult — —— „Beiträge Strede Germersheim—elſäſſiſch Rheinau einer 
zu der Frage Kanal oder Aheinregulierung? | Kigentlihen Regulierung bedürfe. Den gewich— 
von 2. Ungemad), Straßburg 1905* ; fie wurden tigſten Faltor bei derſelben ſieht ex aber in 
uns von der „Studiengejellfchaft für den Ausbau | «iner Stauvorrihtung am Bodenſee und ähn: 
elfaß-lothringtiher Wafleritrahen, ®. m. b. 9.” lichen Einrihtungen an den Schtweizerjcen. 
in entgegenfommender Weife zur Verfügung ge. | „Mit Hilfe einer zwiſchen Dießenhofen und 
ftellt. Die Brofchüre felbſt befpricht die Güt. Stein am Ausflufe des Rheins aus dem 
achten über die Möglichkeit einer Stromregu- | Bodenjee zu erftellenden beweglichen Schuß: 
lierung zur Erzielung eines ber Großſchiffahrt wehranlage mit Oeffnungen von 20-25 m 
günjtigen Babrivaftere und läßt überall deutlich | ſollen die jährlichen normalen An» und Ab— 
erkennen, dat die Techniker dem Oberrheine ſchwellungen des Sees derart reguliert werden, 
gegenüber, der ihnen gana eigenartige umd in | daR der zwiſchen den Pegelitandögrengen + 5,0 m 
ihrer Gefamtheit neue Probleme Bet ohne und + 2,70 m in Stein liegende Stauraum?) 
Erfahrung find und ihre Gutachten unter Be, | don eiwa 1200 Millionen Meter**) für Regu: 
rufung auf eine Reihe von Borausfekungen lierungszwecke Berwendung findet.“ 

abgeben. Ein Anhang, dem die beiden Cliches *, (von 9 km Länge D. Ed.) 

gewidmet find, will Mar machen, daß der Rhein | *, 1(Diefe Zahl iſt unverſländlich,“ da 
gerade durch die umfangreichen Regulierungs- ſchätzungsweiſe 10 Millionen Fuder Waſſer in 
arbeiten, welche die Stromlänge von Bajel bis diefem Stromftüde liegen dürften; die Höhe 
Lauterburg um 14 Prozent (von 218 auf 186,3 | der fer über Waſſer ift uns unbefannt D. Sc.) 


— — — — 
— — — — — — — 











Schutz der Naturdenkmäler. 


Kürzlich hielt der Pfälzerwald-Verein über die Pflege der Naturdenkmäler 
in Ludwigshafen eine Berfammlung ab | reden zu hören. Man braucht nicht exit 
und Hatte dabei Gelegenheit, Herrn | abzuwarten, bis etwa übereifrige Für— 
Dr. Conweng, Direktor des Weit: | forge eine Heidelberger Schloßruine in 
preußijchen Provinzialmuſeums in Danzig ı faliher und jehr übel angebracter 


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fi „SEC Membrechthofen 


Figur I. 
Der Rhein bei Freystett im Jahre 1838 


vor der Korrektion. 





—— — 


Figur Il. 
Der Rhein bei Freystett im Jahre 1872 


nach der Korrektion. 


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hetät modernilieren und damıt den Beijt 
der natürlichen Anmut und des tiefen 
Ernftes, der aus den großartigen Trüm— 
mern Spricht, gründlich austreiben will; 
man kann auch in den Eleineren Ber: 
bältnifjen der Pfalz ſündigen. Die Tat: 
ſache, daß gutgemeinte, aber leider auf 
nicht einwandfreien: Urteile aufgewacjiene 
Erhaltungsiuht auch in der Pfalz an 
manden „romantiihen” Stellen das 
Auge und den hiltoriihen Sinn be- 
leidigte — etwa durch allzu ausgiebige 
Benügung der Zementtechnik, oder durch 
geometriich tadelloje Anlagen, oder durd) 
fein ſäuberliche Faſſung einer düjteren 
MWaldquelle mit dem „dauerhaften“ 
Bementrohr, und was dergleihen Sün— 
den der Kultur mehr find — dieje Tat: 
jahe muß auch den Pfälzer überzeugen, 
daß Vorſicht not tut. Wenn die Forſt— 
pflege ed mit ſich bringt, daß bald nicht 
einmal mehr die ungezwungene Regel 
lofigteit eines Hochwaldes das Auge er: 
freut, Sondern jelbjt der Wald feine 
Refruten in Reihe und Glied zwingt, 
jo iſt der Anblid einer abgelegenen 
Stelle mit unberührten natürlichen Ber: 
hältniffen eine wahre Augenweide. Man 
joflte Reipekt haben vor einem ehrmwür- 
digen Baumriejen und ihn mindejtend 
nicht mit farbiger Wegemarfe verkleren; 
man jollte eine Felsſzenerie nicht ohne 
zwingende Not mit bequemer Treppe 
zugänglich machen und gar mit einem 
Gitter für Unvorfichtige verjehen; man 
jollte panoramaähnlide Durch- und 
Ausblide, wie fie leider nicht mehr 
zu häufig find, ſoweit als möglich er- 
halten und nicht durch profitablere Ab— 
bolzung zerftören; eine Schughütte 
und dgl. braucht auch nicht gerade da 
zu ftehen, wo die Natur ohne fie viel 
ihöner wäre. Wir finden es ganz jelbit- 
verftändlich, daß fonftige Denkmäler 
im engeren Sinne des Wortes einen 
öffentlihen Schuß genießen; diejer be: 
fteht aber nicht in der Anbringung einer 
Zafel,welde den „Zuwiderhandelnden“ 
mit Polizeiftrafen bedroht, jondern zu« 
nächſt darin, daß man Mittel und Wege 
findet, auch außerhalb der Berichöne- 
rungs- und Touriftenvereine das Inte— 
refje für Naturichönheit und den Wert 


61 


altertümlicher oder wertvoller vder jeltener 
Erzeugniffe des Kunſtfleißes zu weden. 
Dann wird die Erhaltung derielben 
weniger Mühe und Sorge bereiten. 
Nah den Ausführungen des Herrn 
Dr. Conwentz ficht man in der In— 
ventarilierung der „Naturdenf: 
mäler“, ihr Siherungim Gelände 
und Befanntmacung pafjende Mittel 
zur GErreihung des jchönen Zweckes. 
Freiwillige Mitwirkung von 
Brivaten und Bereinen, Maß— 
nahmen der Bermwaltung und 
endlih die Gejeggebung jollen 
dazu beitragen, daß Orte und Erinne— 
rungszeihen an vergangene Zeiten in 
wiürdiger Weife erhalten bleiben. Das 
nnd gewiß beherzigenswerte Winke; 
allein faffen wir den Begriff der Natur- 
dentmäler weit, jo daß aud topo— 
graphiſche Eigentümlidkfeiten 
und Aehnliches darunter verftanden 
werden können, jo jehen wir, daß es 
ihon nocd einer anderen Hilfe bedarf, 
ſonſt hätten alle die vorgeicdlagenen 
Mittel nicht gerade bei den jhönjten 
Gelegenheiten jämmerlih veriagen 
können. Man made mur eine Fahrt 
durch den fchöniten Zeil des Rhein: 
durhbruds, wo Reklameplafate von 
vielen Quadratmetern Größe inmitten 
der poefievollen Bergeshänge und Heben: 
gelände den Eindruck verdarben , oder 
wohl noch verderben; oder man verfolge 
die Projekte zur ausgiebigen Kraft: 
gewinnung aus dem Rheinfalle bei 
Laufen! Das Mittel, welches über 
alle verftedten und offenfundigen Polizei: 
maßregeln hinauswirkt, it die Erziehung 
des Volkes zum Berftändnis der 
Naturihönheit und zur Wert: 
ihäßung der Naturdenfmäler; 
darum ift gerade die allgemeine Volks— 
ſchule hier vor eine jchöne und ſchwierige, 
weil vielleicht nicht jehr ermutigende Auf: 
gabe geſtellt. Käme einmal diez Zeit, 
daß Feine Obſtbäume mehr mutwillig 
ruiniert oder Tiere herzlos und unnötig 
gequält würden, dann wäre aud die 
Zeit da, in welcher das Leritören von 
Borfehrungen zum Öffentlihen Nugen, 
das breiten von Wegmeijern oder das 
Verſtümmeln von Denkmälern zu den 


— — 


Unmöglichkeiten gehörte. Heute wird 
man froh ſein, wenn z. B. die Anlage 
des Grundbuches wieder einen höheren 
Reſpekt vor dem unſcheinbaren Grenz— 
ſteine erzeugt; es beſteht die Ausſicht, 
daß damit auch zunächſt den Trigome— 


wird eine gute Ueberleitung ſein, über— 
haupt ſteinerne Zeugniſſe zu ehren und 
allem Beſonderen oder Seltenen dieſer 
Art ein erhaltendes Intereſſe zuzu— 
wenden. Bis zur GErreihung des er- 
jtrebenswerten Zuſtandes aber werden 
terfigalen und altehrwürdigen Grenz: | die von Herrn Dr. Conwentz aufge: 
und ſonſtigen Maliteinen wieder mit | führten Maßregeln ihre Schuldigkeit zu 
größerem Reſpekt begegnet wird. Das | tun haben. 


Schub den Mäldern! 


Nachdem nun längit das jproffende | als bald verwelfte Trophäen euch jelbft 
Grün der Wälder den endgiltigen Sieg | zur Laſt und anderen verloren. Schone 
des Frühlings verkündet, tft die frohe ; junge Anpflanzungen, denn was dein 
Reit der Wanderungen in Gottes freie | und deiner Nacfolger Fuß zertreten 
Natur gekommen. Tauſenden von aus- | hat, kann eine Lüde geben, die noch nad) 
dauernden Fußgängern oder lufthung- | Dienjchenaltern fichtbar ift. Kürze nicht 
rigen Erholungsbedürftigen, welche ichon | ohne Not Wege ab, denn dein Pfad 
vor dem erjten Hahnenjchrei das heimat- | leitet auch andere ab, läßt fie einen un— 
lihe Dad zu verlaffen pflegen, bietet | beabjichtigten rohen Pfad treten, den der 
der Wald eine Stätte willtommenen | Wafjeriturz aus einem Gemitterregen 
Aufenthaltes, wohltuender Erfriichung | zerreißen kann; Wege und Fünftliche 
und heiteren Naturgenuſſes. Im Ans | Piade kommen dadurd in Gefahr. Früh: 
terejie feines Schußes richtete neu» | ftüdspapiere und zerichlagene Flaſchen 
lih die badiihe Foritverwaltung ein | find Zeugniſſe einer unfeinen, wenn 
mahnende® Wort an alle Ausflügler, | nicht gar rohen gejellichaftlihen Art; 
das die Waldbejucher dankbar beherzigen | balle das Bapier klein zujammen und 
jollten und das aud) unjerer Jugend nicht | lege e3 ins Didicht, die Flaſchen lege 
vorenthalten bleiben joll. beifeite! Feuer und Bigarren behüte 

Jeder Waldbeſucher joll bedenken, | jorgfältig, um jo mehr, je heißer die 
daß viele Mitmenschen gleichzeitig mit | Jahreszeit ift! Scone die Tiere des 
ihm die Freuden des Waldes teilen und | Waldes, deren Anbli jedes empfängliche 
mit ihm gleiche Ansprüche machen wollen. | Gemüt erfreut! Hüte deinen Hund, 

Wenn der Einzelne aus Webermut | wenn er Jaägdgelüſte zeigt! 
oder in überjprudelnder Laune eine un— Nur wenn die Waldfreunde fich jelbit 
überlegte Handlung begeht, jo kann ſie | auf einen beichränfenden, höheren ſitt— 
zwar harmlos jcheinen; wollten Alle | lihen Standpuntt ftellen, kann der Wald 
fi) dasjelbe erlauben, jo käme der Wald | audy bei dem Beſuche von Tauſenden 
oder das Öffentliche berechtigte Intereſſe jedermann wirklichen Naturgenuß, die 
zu Schaden. Darum vor allem den | im ihm gejuchten Freuden und die geiftige 
eigenen Gelüften und — joweit der per: | Ablenkung vom täglichen Getriebe bieten. 
fönlihe Einfluß reicht — denen anderer | Dann jehen auch Forftverwaltung und 
Menihen Zügel angelegt! Laßt vor | Privatbefiger mehr und mehr in den 
allem den Waldgewäclien ihre Zweige, | wandernden Scharen einen wohltätigen 
Blätter und Blüten! Sie erfreuen | Schuß und brauchen nicht mit Warnungen 
andere wie euch, aber abgeriffen find jie | und Strafen zu drohen. 














Iohanniskrem. 
„Johanniskreuz, eine Prälzerwald: | heimatkundlichen Literatur. Ein Blid 


geſchichte“, betitelt fich eines der neueften | in das Inhaltsverzeichnis klärt den 
Werke auf dem Gebiete der pfälziſchen Toppelfinn des Titels genügend auf. 


63 


ZTerritoriale, kultur- und politiich-hifto- | daß das ältefte Krenz (das jegt ftehende, 


riſche Berhältniffe, in reiher Mannig— 
faltigkeit erfahren eine überraichend Elare 
umd gründliche Beleuchtung. Im Brenn: 
punfte des Intereſſes iteht das in tiefer 
Waldeinjankeit „mitten im grünen Her: 
zen der Pfalz” emiporragende „Johannis— 
freuz“, in alten Urkunden auch „jant 
—— Greug” und „Herr Johanns 
reutz“ genannt. 

Don der Menge geichichtlicher Be: 

ziehungen, die das Bud, hierzu bietet, 





jeien hier nur hervorgehoben die zentrale 
Lage des Drtes inmitten der alten Hoc) 
und Heerjtraßen, ſowie das in unmittel— 
barer Nähe — kaum 300 m entfernt — 
erfolgende Zufammentreffen der alten 
Gaugrenzen, des Blies-, Worms: und 
Speyergaues. 

Verweilen wir indes etwas länger 
bei den SKernpunfte der Parftellung, 
dem „Urſprung und der Bedeutung des 
Hohannisfreuzes’. Hier hat nun der 
Verfaſſer der Legende, die jeither in 
allen Fremdenbüchern eine Rolle jpielte 
und mwonad das „Johanniskreuz“ das 
Grabmal eines im 30 jährigen Kriege 
gefallenen Offiziers jein jollte, ein gründ— 
lihes Ende bereitet durch den Nachweis, 





1831 errichtete, ift ſchon das dritte) 
bereit3 1533 jtand. Ebenſo wird über: 
zeugend dargetan, daß es fich nicht um 
ein „Gerichtskreuz“ oder um ein „Mar- 
terl”,nod) um einen gewöhn' ichen „Grenz— 
jtein” handeln kann, 

Das „Johanniskreuz“ iſt als „Hoheits- 
zeichen“ errichtet worden, in einer Zeit, 
da die kleinen Machthaber der Gegend 
wirkliche oder vermeintliche Rechte auf— 
recht zu erhalten bejtrebt waren. Der 


0 — — — 


Verfaſſer begründet dieſe Theſe in ein: 
leuchtender Weiſe, wie hier in Kürze 
folgt: 

Die einzigen Anhaltspunkte für die 
Errichtung des älteſten „Johannis— 
kreuzes“, das nebſt dem zweiten glück— 
licherweiſe aufgefunden wurde, ſind die 
auf demſelben angebrachten Wappen. 
In der Kreuzvierung hat man ziemlich 
ſicher das Wappen der Ritter von 
Hohenecken zu erkennen, während die 
Schilde auf dem Kopfe und den beiden 
Kreuzarmen wahrſcheinlich dem Geſchlechte 
derer von Wilenſtein angehörten. 
In ſcharfſinniger Weiſe ſpürt nun der 
Verſaſſer dem politiſchen undpſycho— 
logiihen Momente nad, in dem zwei 


Beichlechter auf demfelben Steine durch 
Anbringung ihrer Wappen ihre Hoheits— 
rechte befundeten. 

Schon zu Anfang des 13. Jahr— 
hunderts Taken die Grafen von Hohe: 
neden als Reichsſchultheißen oder Burg- 
grafen im Kailerslautern, und es jtand 
Ihnen im ganzen Gebiete der Reichsſtadt 
da8 Boll» und Geleitörecht zu. 
Ein Reinhart v. Hoheneden amtierte 
als folcher um das Jahr 1269, wo der 
zum Ddeutichen König erkforene Richard 
von Gornwallis mit der Gräfin Beatrice 
v. Falkenstein glänzende Hochzeit hielt. 
Dieje Ehre Eoftete aber die Neichsitadt, 
welche die ganze Hofhaltung zu tragen 
hatte, jhmwere Summen, die aufzubringen 
fie mit ihren gewöhnlichen Einkünften 
nicht imftande war. Was war natür- 
licher, ald daß der Burggraf einjprang? 
König Richard zeigte fich ihm im der 
Weije erkenntlich, daß er ih das Pfand: 
recht über Rautern verlieh. Auch über: 
gab er ihm die Reichskleinodien, die er 
doh nicht mit nah England nehmen 
konnte, zur Aufbewahrung. Reinhart 
v. Hoheneden, nunmehr Inhaber des 
Zoll, Geleits- und Pfandrechtes, ftand 
jegt auf dem Höhepunkte feiner Macht, 
die durch äußere Zeichen Eumdzutun er 
keine Urſache hatte, folange Richard lebte. 
Am 2. April 1272 aber itarb König 
Richard; am 29. September 1273 erit 
wurde Rudolf von Habsburg ge 
wählt. 
die Unſicherheit im Weide wurde, deſto 
mehr mußte fich naturgemäß ein Ritter 
wie Reinhart um die Aufrechterhal- 
tung feiner Madıt jorgen. So jah er 
ſich jedenfall veranlaßt, durd äußere 
Zeichen für die Anerkennung wenigitens 
jeiner alten Zoll- und Geleitsrechte ein- 
zutreten, wenn er auch, wie er fich wohl 
bewußt war, das Pfandrecht bald wieder 
aufgeben mußte. 

Er ließ daher jedenfalls im I. Halb- 
jahr 1273 das noch vorhandene älteite 
Kreuz mit in erhabener Arbeit ausge— 


Inbalt: Großſchiffahrt auf dem Oberrheine. 


den Wäldern! — Johanniskreuz. 


64 


Je größer in der Zwiſchenzeit 





meißelten Wappen in der Kreuzvierung 
an der Grenze feines Gebietes aufitellen. 

Sleichzeitig aber jaß auf der Burg 
Wilenftein ein emergiiher Mann, der 
Ritter Johannes von Wilenftein. 
Diejem konnte es jedenfalld nicht gleich. 
giltig fein, wenn der Reihsichultheiß an 
der Wılenfteiner Grenze fein Hoheits— 
zeichen aufrichtete. Er Eonnte hieran 
nichts ändern, aber auch ihn konnte 
Niemand hindern durch Anbringung jeines 
Wappens auch feine Rechte zu wahren. 
Co ließ er am Kopfe ımd den Kreuz: 
arınen jeine Wappen einmeißeln, für 
deren nachträgliche Anbringung der Um— 
ftand Ipricht, daß fie vertieft in den 
Stein eingehauen find, während das 
Hoheneder Wappen fih erhaben aus 
gemeißelt zeigt. 

Daß das Kreuz nunnah Johannes 
und nicht nadı jeinem Erridter Rein— 
hart genannt wurde, ift nun allerdings 
nicht genügend geklärt. Ob bei den 
Rivalenfämpfen der beiden Grenznad): 
barn, wie die dreifahe Anbringung 
jeines Wappens anzudenten jcheint, die 
trogige Energie des Wilenfteiners dem 
Volksgemüte tiefer und fieghafter ſich ein- 
prägte und nun erjt vecht aus dem von 
Reinhart aufgerichteten Machtzeichen ein 
„Herrn Johanns Creutz“ erſtehen ließ? 
Wahrſcheinlicher erſcheint mir dieſer 
Schluß als die Meinung des Herrn Ver— 
faſſers, die annimmt, es ſei der Name in 
Gebrauch gekommen, weil mehrere Wilen— 
ſteinerund auch einer der Hohenecker 
Herren auf „Johannes“ getauft waren. 
Im übrıgen fcheinen die vor itehend wieder: 
gegebenen Folgerungen Herrn Bilfingers 
das Richtige getroffen zu haben. 

Der Reichtum feines Buches an 
wiffenswertem und wiſſenſchaftlichem In— 
balt namentlic; in Eulturgefchichtlicher Hin— 
ficht dürfte es zu einem der gediegenften 
und lefenswertejten der pfälziſch-geſchicht— 
lihen Literatur mahen. J. Wöshenz. 

(Die Abbildung verdanken wir der Güte 
des Berlags Thieme.) 


— Schutz der Naturdenkmäler. — Schutz 





Schriftleiter : Eehier Ph. Sauth, Landftuhl — Bermann Kayſer's Verlag, Aaiferslautern. 
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


te „Pfalziſche Heimatkunde“ Loftet jährlich in 12 Heften ME. 2.50. Peflellungen werden von allen Buchhandlungen Lub 
Toltanftalten ferner vom Werlener (Bortofreie Streifbandiendung) angenommen. 


I. Jahrgang. 


Nummer 9 


Juli 1905. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 


LU) 


ENANNN EICH 


— 





Das Königskrenz. 
(Die Schlacht am Kafenbühl bei Göllheim am 2. Juli 1298.) 
Aus Sranz Weiß: Die malerifche und romantifche Pfalz. Neuftadt a. &, A. ſo. Goltſchick, 1840. 


Dort bei Göllheim aui dem Selde, 
Schon feit langer Jah’e Raum, 
Don dem Blitze halb zerichlagen, 
Steht ein alteı Rüfterbaum. 


Trauernd ruht in feinem Schatten 
Eines Kreuzes fleinern Bild, 
Drauf die Sweige. wie zum Schuße, 
Sich hernicederbeugen mıld. 


Wohl bedeutfam ifl die Stätte, 
Die ein foldhes Seichen ichnnick‘, 
Das nur felten, wo die Sreude 
Sich gebettet, wird erblickt. 


Ward ein Mord einft hier begangen, 
Oder birget wen das Grab, 
Dem des Sreundes Band ein Seichen 
Seiner treuen Liebe gab? 


Hlüh’nde Strahlen wirft die Sonne 
Nieder in des Tales Schoß, 
Mo, sur Ernte reif, die Saaten 
Barren rüfl’ger Schnilter bloß. 


Aber an den- Blgelhängen 
Rat der Kerricher Machtgebot 
And’re Saalen aufgepflanzet, 
Deren Schnitter ift der Tod. 


In dem beraumkränzten Tale, 
hei, wie brauft die laute Schlacht ! 
freute gilt es Aron’ und Eeben, 
Neffen will fih Macht mit Madıt. 


Mörd' riſch treffen ſich die Heere., 
Und in heißer Kampfesglut 
Achten fie nicht ihrer Wunden 
Kargen nicht mit ıhrem Blut. 


Lange ſchwankt des Sieges Wage, 
Immer milder tobt der Streit, 
Jeder ift zum Meldentode 
Wie zum Sıege gleich bereit. 


Ob auch ganze Scharen finken, 
Aingemäht vom fcharfen Schwert, 
Dennoch furchtlos ſteh'n die Aämpfer 
Alle höchſten Ruhmes wert. 


Und der Aaıfer, kampfbegierig. 
Sprenget vor auf hohem Roß, 
Defitueihs falfhen Merzog ſuchend 
In der Streiter dichtem Troß. 


„Keute wirft du nicht entrinnen, 
Wie du Seiger oft getan, 
Reich und Leben follft du lafjen 
Bier zur Stund!* ruft er ihn an. 


Und mit hochgeſchwung'nem Stahle 
Dringt der Aaifer auf ihn ein; 
Jener fleht in kalter Ruhe, 
Unbekümmert um dies Dräu’n; 


Rebt das Schwert zum Todesflreiche, 
Das vernichtend niederfährt, 
Und den todesmunden Kaiſer 
Miederfchleudert von dem Pferd. 


Miltag mwar’s, im nahen Alofter‘ 
Schlug die Glocke zwölfmal an, 
Als der hochgefinnte Kaifer 
Endete die Keldenbahn. 


Unter Roffeshufen liegend, 
Und mit Staub und Blut bedeckt, 
Ward die haiferliche Leiche 
Mad der Mordſchlacht fpät entdeckt. 


Dort bei Höllheim auf dem Selde; 
Wo gefloſſen Aaiferblut, 
Steht ein ſteinern Kreuz in eines 
Alten Rüflerbaumes Aut. 


66 


Schaltend neigen fi die Sweige 
Auf des Kelden Todenmal, 
Leife fchauernd, wenn des Srühlings 
Lüfte wehen durch das Tal. — 





Über Hirkinger Bademoor und Moorrztrakte, 


Pfalz ift relativ arm an natürlichen 
Heilquellen.. Außer den Salzquellen 
von Dürkheim bietet unjere engere Heimat 
infolge ihrer geologiihen Beichaffenheit 
feine eigentlichen Heilquellen. 

Um jo beredtigter war bei Errid- 
tung der Kur und Wafjerheilanitalt 
Sidingen zu Landftuhl im Fahre 1896 
der naheliegende Gedanke, diejenigen 
Heilfaftoren, die unjerem Plage eigen- 
tümlich find, die ihn charakterifieren, als 
willtommene Geſchenke der Mutter Natur 
dankbar anzunehmen und als vollwertige 
en zur Anwendung zu bringen. 

iefe Gaben wurden und geboten zu: 
nächſt in unferen präctigen Wäldern 
und idylliich Schönen Bergen; dann aber 
birgt die vor und ausgebreitete Ebene 
ein reiches Moorlager in einer Aus— 
dehnung von 14 Kilometer Länge, 2 
Kilometer Breite und 0,5-35 Meter 
Tiefe, dad, wie man annehmen darf, ın 
underten von Sahren nod nicht er- 
höpft fein wird. Schon im Jahre 1898 
wurde der Wert und die Verwendbar— 
keit des Landftuhler Moorbodend zu 
Heilzweden in unferem damaligen Sahres- 
berichte ausführlich dargelegt. 

Diejes Moorfeld fpendet das Material 
zu den Moorbädern, die unjere Anjtalt 
als erjte und einzige in der Pfalz jeit 
nunmehr acht Jahren bei vielen Krank: 
heitsformen mit ausgeiproden gutem 
Erfolge in einer jolden Ausdehnung 
und in ftet3 wacjendem Umfange an- 
wendet, daß diefe Moorbäder derjelben 
geradezu das Gepräge geben, und das 
„Moorbad Sickingen“ zu Landftuhl bei 
Verzten und Patienten ein ftetig wach— 
ſendes Anjehen erlangt. 

Die Moorbäder finden ihre Heil 
anzeige überall da, wo es gilt, Auf— 
faugung von Grgüffen und Aus: 


zu heben, die Blurbildung zu fördern, 
und eine allgemeine Kräftigung des 
Organismus anzubahnen. In diejem 
Sinne jind die befannten Wirkungen 
des Moorbades auf Blutumlauf, Atmung, 
Stoffwechſel, Lymphbewegung, Wärme— 
bildung und Wärmeableitung, ſowie 
Drüfenjecretion und Harnabſonderung 
aufzufaffen. 

Im ſpeziellen jeien vorab die frauen: 
leiden hervorgehoben, bei welchen die 
Moorbadekur teils Borbrreitung, teils 
Unterftügung und Nachkur der eigent: 
lichen Behandlung bildet. 

Während wir für gewifje Krankheits: 
formen aud das Moorjalz zu Bade- 
zweden verwenden, wählt man zur Be: 
bantlung anderer Fälle lieber die 
Moorlauge, wegen ihres hohen Grhaltes 
an Ehlornatrium, da ja nach alter Er- 
fahrung die Salz und Soolbäder hiefür 
wertvoll find. Oft erweift fih auch eine 
meditamentöje Behandlung unter dem 
Bebrauche der Moor: und Moorertraft- 
bäder viel wirkſamer als ohne diejelbe. 


Auch bei manchen Formen der Neu: 
rafthenie haben jid) die Moorbäder gut 
bewährt. 

Seit Alters her werden ferner die 
Moorbäder angewandt bei Gicht, chro- 
niihen Gelenkleiden der verjchiedenften 
Art. Alle dieſe Leiden ftellen ein großes 
Krankheitsgebiet vor, auf weldem die 
Moorbadekur in Verbindung mit anderen 
zweckmäßigen phyſikaliſchen Heilmitteln 
oft ganz Hervorragendes zu leiſten vermag. 

Die Gegenanzeihen für die Moor— 
bäder find die gleichen, wie für alle 
hautreizenden, twarınen Bäder: alle akut 
auftretenden Affeftionen des Herzens, der 
Lunge und Blutgefäße verbieten die 
Movrbäder, ebenjo inkfompenfierte Herz: 


fehler, Arterioſeleroſe und 


Qungenleiden. 

Die Anzeigen für Moorbäderbehband- 
lung find nad obigen Andeutungen To 
vieljeitige und ausgedehnte daß es 
zweifellos ein berechtigte Beſtreben, ja 
eine Pflicht für uns war, unfere Moor: 
bäder jo vollwertig zu gejtalten und auf 
jolhe Höhe zu bringen, daß fie aflen 
Anforderungen, die man an ein gutes 
Bademoor mit Fug und Recht ftellen 
darf, zu genügen vermögen. Tatſächlich 
hat unjere Anftalt auf dieſem Gebiete 


gewiſſe 


67 


anderen Moorboden übertroffen wird. 
Es können demnach bei ausſchließlicher 
Verwendung unſerer Moorerde neben 
dem thermiſchen und mechaniſchen 
Hautreiz des Moorbreies faſt nur die 
vegetabiliſchen Säuren, beſonders die 
freie Humusſäure einen chemiſchen 
Reiz ausüben, während dagegen der 
mächtige Hautreiz, der bei ſtark mineral— 
haltigen Mooren durch die gelöſten 
Mineralſalze nachweisbar erzielt wird, 
bei unſerem von Natur aus mineral» 
armen Moor nur in geringem Maße 








Das Moorbad Sickingen in Landftuhl. 


dieſes Biel erreicht, wie wir im folgen- 
den näher erläutern werden. 

Das und zur Berfügung ftehende 
Moor, defien Analyje von Profeſſor 
Dr. Tade, Borftand der Berjuchsitation 
ın Bremen, im Yan 1897 auf unfere 
Beranlaffung hin feftgeftellt wurde, ift, 
wenn es auch jchwefeliaures Eifen in 
geringen Mengen enthält, in der Haupt: 
jahe nah Art der „Hochmoore“ ein 
vegetabiliihes Moor, in dem vorwiegend 
organiihe Säuren enthalten find. Dieie 
find allerdings in jo reichlichem Mae 
vorhanden, daß unfer Moor nad diejer 
Hinfiht unferes Wiſſens nur von einem 


| gut Geltung kommen kann. 
e 


Um das— 

(be nun mac dieſer Hinſicht gehalt. 
voller und dadurch wirkungsvoller zu 
machen, haben wir anfänglich unſerm 
Material Moorextrakte zugeſetzt, wodurch 
es tatſächlich gelang, unſere Moorbäder 
wirkſamer zu geſtalten. 

Doch ergaben ſich hierbei mancherlei 
Störungen und Übelſtände (Preis der 
Surrogate, die weite Entfernung der 
Bezugsquelle und der lange Transport), 
die auch von den Surgälten, welche die 
Moorbäder benugten und zuhauſe ihre 
Kur fortjegen wollten, unangenehm 
enipfunden wurden. Da ergab ſich für 


und die Notwendigkeit allmählich von 
jelbft, anzuftreben, daß unjer Moorbad 
völlig jelbitändig und unabhängig in 
feinem Betriebe werde, indem wir ver- 
fuchten, uns jelbft ein brauchbares, allen 
Anforderungen, die man an ein ſolches 
Präparat ftellen kann, genügendes 
Moorertraft zu bereiten. Es mußte 
möglichſt gehaltvoll werden, um wirkjam 
zu jein und durfte nicht zu teuer zu 
ftehen kommen. 

Nach längeren praftiihen Verſuchen 
ift e8 mix durch ſyſtematiſche Bearbeitung 
unferer Moorerde gelungen, diefe Forde— 
rungen zu erfüllen und ein ebenjoldes 
Moorertraft darzuftellen durch Anreiche— 
rung unferes Moorbodens mit Chloriden 
und Eiſenſalzen. Durch diefe Präpa- 
ration wurde zugleich erreicht, daß unfer 
Material immer gleihmäßig in feinen 
Prozentiag an wirkjamen Beitandteilen 
ift, 5 daß wir es wie ein Medikament 
genau dofieren und in einer der Indi— 
vidualität entjprechenden Quantität und 
Stärke verabreichen können. 

Enthalten find in dem Bademoor, 
berechnet nad) Analogie anderer fräftiger 
Eifenmoore, in 1000 Teilen getrodneter 
Moorerde: 


erg ei (gebunden) 313,2 
reie Humusfäure 210,7 
Begetabilifche Nefte . 443,6 
Eifenorydb uud Tonerde . . . 58,0 
Schmetelfaures —— are ER 
Phosphborfäure . — 1,2 
Schmefeljaurer Kalt . . 1237 
Kieſelerde 64,8 
Ehlorkalium 13,0 
Eblornatrium . re 
Ghlormagnefium . 0,9 

Stüchtige Säuren (Eitef., Ameifenf ) 08 

umin . 12,2 


Mit dieſem — Gehalt an — 
Humusſäure, ſchwefelſauren Eiſenſalzen 
und Kochſalz kann ſich unſer Bademoor 
anderen bekannten Moorarten ebenbürtig 
ur Seite ſtellen. Einen beſonderen 
eichtum beſitzt unſer Bademoor, wie 
aus der Analyje erſichtlich, an freier 
che he Don dieler jagt Prof. 
rt. Tacke in feinem Gutachten: „Be 
fonder8 möchte ich auf das Borhanden- 
fein der freien Humusjäuren hinweiſen. 
Kommt es neben anderem darauf an, 


durch das Moorbad energiiche Hautreize | 


8 — 


hervorzurufen, fo find diefe Subjtanzen 
hiefür in hohem Grade geeignet.” 
Durch praktiſche Verſuche, die wir 
in unſerer Anſtalt anſtellten, ergab ſich, 
daß ca. 50 Kilo unſeres Bademoores 
genügen zu einem guten und £räftigen 
Moorbade In einen foldhen kommen 
nah unjerer Analyie berechnet über 
2 Kilo freie Humusfäuren, nahezu 1 Kilo 
lösliche Schwefeleifenverbindungen, ca, 
1 Kilo Chlornatrium, ungerecdhnet der 
übrigen mineralischen und organischen 
flüchtigen Säuren, zur Wirkſamkeit. 
Zugleich gewannen wir bei der Dar: 
ftellung unfjeres Bademoors eine Moor» 
(auge, der wir jede gewünſchte Konzen: 
tration geben können. Die zur Unter— 
ſuchung eingefandte Moorlauge hat ein 
ſpez. Gewicht von 1,105 bei 17,5" G., 
zeigt ſauere Reaktion und enthält: 


in 100 gr 

Feſte Stoffe . 12,47 
Unverbrennliche Stoffe 10,78 
Stiditof . i 
In Säuren Untöstiches r ... 0,007 
Schwefelf. Eifenorydul . . .. 454 
Eifenoryd | in organifchen 0,40 
Tonerbde ———— 2.004 
Schwefelſ. Kalk . ea, 
Kodfal . . . 5,68 
Ehlorfalium . 0,89 
Ehlormagnefium . 0,14 
Flüchtige Säuren ( (als "Eifigfäuren 

berechnet . 0,004 


(Humusfäuren in geringen Mengen.) 


Praktiſche Verſuche ergaben, daß dies 
Moorlaugebad als milder wirkender 
Eriag in allen Fällen ſich empfiehlt, in 
denen aus beftimmten Gründen ein 
Moorbad nicht gegeben werden kann, 
und im übrigen doch eine Moorbadekur 
angezeigt ericheint. 

Unjer präpariertes Bademoor zeigt 
ſich bei der gleichen Hummusmenge nod 
einmal jo ſchwer, wie die natürliche un: 
bearbeitete Moorerde. Dieſes Mehr an 
Gewicht verdankt das Sidinger Bade: 
moor ganz wejentlih jeinem durch 
igitematiihe Bearbeitung des Roh— 
material® erreichten hohen Gehalt an 
wirkſamen Beitandteilen. 

Wir können mit dieſem gehaltvollen 
Material in beliebig fompendidier Weile 
eine Einzeldofis für ein Moorbad dar: 
ftellen, 10 daß die Patienten zuhauſe 


und zu jeder Jahreszeit unter Leitung 
und Überwachung ihres Arztes mit diejen 
Einzeldojen ohne weitere Bearbeitung 
oder Zujäge eine Moorbadefur durch 
führen können. Tenn nicht jeder Patient 
ift in der Rage, Zeit und Mittel auf: 
menden zu können, um in der größten 
Behaglichkeit fi in einem Kurort einer 
mehrwöchentlihen Kur zu unterziehen. 

Un für das größere Publikum eine 
wirkliche Moorbadefur auch zu Haufe 
zu ermöglichen, hat Herr Finger, der 
Beliger der Kuranſtalt Sidingen, ſich 
entichloffen, nicht bloß das für die Moor: 
bäder in der Anſtalt nötige Bademoor 
nad) meinem Berfahren bereiten zu laffen, 
jondern dasjelbe jowie die Moorertrafte 
auh zum Berjand nach auswärts in 
größeren Mapitabe herzuftellen. Die 
Darftellungsweife iſt Herrn Bh. Finger 
patentiert worden. (D. R. P. No. 139585) 
Die erforderlihen Räume und Einrich— 
tungen find bereits im Betriebe. 

Im Moorbade jelbft jowie im Haus: 
gebrauche hat fi) unfer Bademoor be: 
fonders in feiner Anmwendungsweiie als 
Moorkataplasma vorzüglid bewährt 
Die hiezu nötige Weichheit, Unzerſetzlich— 
feit umd Gleihmäßigkeit der Mafje ver: 


69 


dankt unſer Bademoor hauptſächlich der. 


Verbindung mit dem mineralreichen vul- 


In der Serie von Bänden, die der 
„Kosmos“ (Gejellichaft der Naturfreunde, 
Stuttgart) im laufenden Sabre feinen 
Mitgliedern als „Ordentliche Veröffent— 
lihungen” überweift, befindet fit) „Das 
Sinnesleben der Bflanze* von 
R. H. France In höchſt anziehender 
Weile läßt und der Verfaſſer darin 
einen Einblid gewinnen in das neue 
Leben, das jest aud in der Botanik 
erwacht ift, jeitdem man fich nicht mehr 
mit trodenen, geiftlofen Blatt- und 
Blütenbeihreibungen begnügt, jondern 
tiefer einzudringen ſtrebt in das rätiel: 
bafte Walten der Kräfte in Baum und 
Blume Das init zahlreihen, den Tert 
erläuternden Abbildungen nad) Original: 


faniihen Schlamme, dem Fango di Ba- 
taglia, deſſen alleiniges direktes Bezugs— 
recht das Moorbad Sidingen für jehr 
lange Beit in der Pfalz und Saargegend 
befigt. Die nlüdliche Verbindung diejer 
zwei natürlichen Heilfaftoren — Moor 
und Fango — führte ſchließlich dazu, 
dab das Sickinger Bademoor mit jeden, 
aud den berühmteiten Moorbade in 
Konkurrenz treten kann uud daß wir 
unfer Bademoor mit Fug und Recht 
ald Fangomoor bezeichnen dürfen. 


Fehlt fomit unferen Bade, wie ein— 
gangs hervorgehoben, aud bislang eine 
eigentlihe Heilquelle, jo haben wir ın 
unjeren Moorbädern immerhin einen 
wichtigen Heilfaktor erichloffen, der gar 
mande Heilquelle reichlich aujwiegt, Tv 
daß wir vollauf berechtigt ſind zu 
jagen: 

„Die Heilquelle des Moor: 
bades Sidingen entipringt jei- 
nem Moorboden.“ 

Wir dürfen darum aud) nad der 
bisherigen Entwidlung des Moorbudes 
Sickingen die zuverfihtlihe Hoffnung 
hegen, daß es uns gelungen ift, dieſe 
Duelle fo zu erichliegen und zu faſſen, 
daß fie ihre Heilkraft fortan für die 
Allgemeinheit immer mehr ſegensreich 
entfalten wird. 


| zeichnungen des Autors geihmücdte Bud) 


will dem Maturfreunde eine Überſicht 
bieten über die Ergebniffe diejer mo— 
dernen Forschung, die ihn erkennen lafjen, 
wie das Leben der Pflanze vigentlich 
beichaffen tft, und zugleid, warum es 
für uns Wichtigkeit hat, davon zu willen. 
Um unjern Lejern eine Probe von der 
lebensvollen Daritellungsweile Frances 
zu geben, laſſen wir nachitehend einige 
jeiner Ausführungen folgen, die fih auf 
das in der Ueberichrift genannte Thema 
beziehen. 

Es hat Zeit gekojtet, bis man ſich 
davon überzeugte, aber jegt weiß man 
es fiher: Bewegung gebt feiner 


Pflanze ab. Ste bewegt ihren ganzen 


Körper jo frei und leicht und grazids 
wie das geichidtefte Tier — nur viel 
laugſamer. Die Wurzeln wühlen fuchend 
in Erdreich, die Knoſpen und Sprofje 
vollführen gemeffene Kreiſe, die Blätter 
und Blüten niden und jchauern bei Ver: 
änderungen, die Ranken Ereifen fuchend 
und langen mit gejpenftigenm Arm nad) 
der Umgebung — aber der oberflächliche 
Menſch geht vorbei und hält die Pflanze 
für ftarr und leblos, weil er ſich nicht 
die Zeit nimmt, eine Stunde lang bei 
ihr zu weilen. Die Pflanze aber hat 
Zeit, darum eilt fie nicht; denn die 
iejen in Floras Neid, leben durd die 
Jahrtauſende und fehen zu ihren Füßen 
ungezählte Generationen von Menſchen 
aufleben und vergehen. Das ganze 
Wachstum ift nichts wie eine Kette Kleiner 
Nude, und fo lang ein Pflanzenteil am 
Leben, ift er ftet3 zu Krümmungen oder 
Zudungen befähigt. Freilich ift dieſe 
Bewegung nicht jo Schnell, wie die unſerer 
Drgane, fie entfteht ja aud) nicht durch 
Zufammenziehung von Muskeln oder 
durch Elaftizität, ſondern eigent— 
lich durch etwas, das man noch nicht 
genau kennt. Wir dürfen es uns näm— 
lich nicht verhehlen, im Sinnesleben der 
Pflanzen ſind wir noch recht am Anfang 
aller Kenntniſſe. Da iſt noch genug un: 
bebautes Land, und jeder Naturfreund 
kann bier noch Entdedungen machen und 
jelbit Dinge beobadıten, die ihm die 
Wiſſenſchaft mit Dank lohnen wird. 
Die Phyfiologen jagen, diefe Pflan- 
zenbewegungen — Nutationen nennt 
man fie — formen dadurch zuftande, 
daß der Druck des Waſſers in den faft- 
reihen Organen fich verjchieden verteilt, 
daß er auf einer Seite bald zunimmt, 
bald abnimmt. Demgemäß krümmen 
fih diefe Teile. Dder auch dadurd, 
daß bald die eine Seite ftärker wächſt, 
bald die andere. Wenn man fid) das 
aber ein wenig überlegt, jo wird ınan 
finden, dies fei eine Ähnlihe Antwort 
wie die, daß eine Lokomotive deshalb 
fahre, weil man den Sperrhahn geöffnet 
hat. Schließlich ift ja die Frage nad 
der Urjache des Fahrens damit beant- 
wortet, aber über die Urſache der Be 
wegung wifjen wir doch nichts. Erklären 


70 


wir da lieber ehrlich: daß wir vorläufig 
nur die Tatſachen jener geheimen Be— 
wegungen kennen, aber noch nicht ihre 
wahre Urſache. Es geben ung übrigens 
ſchon die erfteren zu ſchaffen genug, jo 
mannigfaltig find fie. 

Eines der lebendigften Organe des 
Pflanzenkörpers iſt die Wurzel, oder 
richtiger gejagt, find jene feinen, wurm— 
artigen Wurzelenden, deren Spige Dar— 
win nicht umfonft mit einem Gehirn 
vergliden hat. Es iſt kaum zu glauben, 
was dieſes weiße Fädchen alles leitet. 
Bor allem dreht es jeine Spitze nr 
fam, doch ftändig im Kreiſe und jchraubt 
fi jo förmlich in den Erdboden ein. 
Jeder, der dies noch beobadıtet hat, 
vergleiht e3 mit einem Suden nad 
Nahrung. Die Wurzeln tajten dadurch 
jedes Erdkrümchen ihrer Umgebung ab. 
Und wie jeltfam; von dort, wo das 
Erdreih troden ift, wendet fich die 
Wurzel ab zu feuchteren Stellen. Stets 
wäh fie dorthin, wo mehr Treuchtig- 
feit ift. 

Aber die Wurzel wendet fih auch 
nah abwärts. Sie bat aud) Schwer: 
fraftempfindung (Geotropismus). Wie 
mit winzigen Seilen wird dadurch jedes 
Gewächs tiefer in die Erde hinabgezogen. 
Man unterfuche mehrjährigen Wirjenklee 
oder eine Möhre, ber der man es be- 
fonders gut fieht, und man wird finden, 
daß fie jedes Jahr um etwa 5 cm tiefer 
hinabgerät von dem Punkte, wo fie ur« 
fprünglich keimte. Sie vermag Ddiejes 
eig in die Tiefe nur durch ftetes 

ahstum des unterirdiihen Stengels 
auszugleichen, aber gerade das ſichert 
ihr den feiten Stand. Die lebenden 
Weſen wiſſen alles zu ihrem Nuten 
zu drehen. Das ift eine Art Natur: 
gejeg und die tiefite Wurzel des menſch— 
lihen Egoismus. 

Aber diejer Drang nad) Erdtiefe und 
Waffer ift nicht die einzige treibende 
Kraft der Wurzeln. Sie entwideln 
ſolche Energie, daß fie ein Blatt Papier 
durchbohren können — für ein ſchwaches 
Wurzelipigchen gewiß eine Riejenleiftung! 
Dabei welche Zwedmäßigkeit der Ber 
wegung! Wo Hinderniffe find, wird 
ausgewichen; verlegt ſich die Wurzel: 


ipige dennoch, jo wächſt fie raſch von 
der gefahrdrohenden Umgebung weg. 
Und fo ıft unter dem Waldboden ſtets 
eine unterirdische Schar ſolch geheimnis— 
voll lebender und ſich regender „vege— 
tabiler Würmcen“ raftlos tätig, un das 
Leben von Hain und Flur zu fihern 
und zu fördern. 


21 


Die gleiche Regſamkeit, wie die Wur-- 


zeln im Finſtern, befigen jedoch im Tages— 
licht die Ranken, jene jo graziös ver: 
ichlungenen und mannigfach gevoflten 
Ausläufer, welcde gleihwie mit grünen 
Seilen den wilden Wein, die Kürbiffe, 
Melvuen, die Zaunrübe und nod viele 
andere raukende Pflanzen ländlicher 
Bärten feſt an ihre Unterlage binden. 
Ein Weingarten oder eine Gartenlaube 
bietet da Gelegenheit zu einem feſſelnden 
Erperimentalvortrag der Natur. Blidt 
man einen fid an dem Spalier empor» 
ziehenden Weinftod näher an, jo ift es 
unmöglich, died zu überjehen. Wie ein 
Polyp mit taufend Fangarmen, jo ftredt 
er Ranfe um Ranke toftend in die Quft. 
Und hat man gut acht, verweilt man 
einen Vormittag dabei, jo bemerkt man, 
wie fie wirklich juchen und tajten, indem 
ihre Spite ſachte Kreiſe beichreibt, je 
einen in 67 Minuten. Die Ranke ſteigt 
dabei langjam in die Höhe; andere 
folgen ihr, und jo jtehen an warmen 
Sonnentagen (denn nur dann fieht man 
es gut) vor der lauſchigen Weinlaube 
hundert Polypenarme, zitternd ° und 
dauernd, wie vor Gier, aber nicht nad) 
einem Opfer langend, fondern nad) einer 
neuen Stütze fit den jchweren Stod. 
Finden jie Feine, jo ſenken fie fich 
herab -- gibt es auch unten fein Aejtchen, 
feine Mauer, kein Gitter zum An— 
Elammern, fo fteigen fie wieder in die 
öhe, aber immer bleiben fie an der 
berflähe, an den günftigen Punkten, 
um neue Stügen zu finden. Haben fie 
eine erreicht, dann kommt erjt richtiges 
Leben in die Ranke. Sofort — man 
ftellte eine Frift von 20 Gefunden feit 
— umſchlingt ihr ohmedies meift ſchon 
gebogenes Ende ringförmig den Gegen- 
ftand, und binnen einer Stunde hat fie 
fih unauflösbar darum gemwunden, daß 
fie jelbjt mit Gewalt nur ſchwer entfernt 


werden kann. Dann zieht fie fich 
ihraubenförmig zujammen und zieht 
durch diefe Verkürzung den Gtanım 
empor. Und jo Elettert der Wein, fo 
klimmt die Zaunrübe langſam aber ficher 
an Bäumen und Wänden hinauf. 

Aber nicht nur die Ranken jchwingen 
im Sonnenlicht — jeder Sproß, jeder 
wadiende Stamm bejchreibt dieje zittern: 
den Kreiſe. Am ſchönſten fieht man es 
an mindenden Stänmmen, fo an den 
Hopfen, mag er nun wild den Wald- 
rand .überipinnen, oder an jeinen hohen 
Stangen emporfriehend, mit feinem 
feinen Dufte das Herz des Züchters 
im vorhınein erfreuen. Man jehe fich 
die herrlichen Guirlanden, die er bildet, 
nur näher an. Smmer zieht fich der 
Gipfeliproß in weiten Windungen um 
den überfallenen Aft, den er ſchließlich 
erftiden wird, und bei etwas Geduld 
ſehen wir auch auf einem Stüdchen da- 
hinter geftellten Karton, auf dem der 
Gipfelpunft markiert ift, fein zartgrünes 
Köpfchen wandern und in ſachtem Kreijen 
nad neuer Stütze ſuchen. 

Jede Blume nimmt teil an diefer 
Beweglichkeit, jedes WBlättchen verrät 
dadurch fein Leben. Am jchönften fieht 
man ed, wenn man im legten Abendlicht 
oder vor Sonnenaufgang über die Wiejen 
und Felder geht. Tyreilich kommen wir 
Städter fo jelten dazu, aber Berg- 
wanderer werden es ſchon oft bemerkt 
haben, daß dann auf der Berghalde fait 
alle Blumen fehlen. Tags zuvor war 
fie noch überjät mit den weißen Sternen 
der Vogelmiere und der Gänſeblümchen, 
geftit mit prangendem Blau und Rot 
der Enziane und Lichtnelken, leuchtend 
im brennenden Gelb des FFingerfrautes 
— und jegt ift alles verihwunden im 
eintönigen falten Blaugrün des Früh. 
morgend. Sind die Blumen unter die 
Erde gejunten? Nein, aber fie „ichlafen“ 
noch. Der alte Linne mußte das 
ihon, aber trogdem hielt er die Pflan- 
zen nicht für empfindende Wejen. Frei— 
lid) in Wirklichkeit „Ichlafen” die Wiejen- 
blumen niht — und deshalb ift es 
befjer, diejen Zuftand ala Nadhtwenden 
(Nyetitropismus) zu bezeichnen, wie es 
die neuere Botanik tut. Die meijten 


Brüten ſchließen des Nachts ihre Biumen- , freundlich blanen Auglein anlugt, hat es 
behälter, ja mande, jo 3. B. die Glocken- jo weit gebradt, daß er bei bewölktem 
binmen, die Stiefmütterden oder die : Wetter, wie es in ſolchen Höhen die 
Möhren, lafjen das Blütenköpfchen ſo- Regel, alle paar Minuten, auf jeden 
gar wie verwelft herabhängen. Deshalb flüchtigen Sounenblid ſein azurmes 
ift die Blumenpracht des Nachts ver- Kelchlein öffnet und bei jeder vorüber: 
ſchwunden, und erit die Morgenienne ziehenden Wolke wieder ſchließt. 

erwedt jie von neuem. Aber nicht alle Bon den jogen. mechaniſchen Sinucs- 
Pflanzen jchliegen und öffnen ihre Blüten - organen der Pflanze ausgehend, führt 
zu gleicher Zeit, jo daß man aus diejem | uns France weiter zu immer größeren 
Wedel eine Blumenubr zuiammen: botaniſchen Wundern, zu immer über: 
ftellen konnte, die dem Kundigen durch vaichenderen Wahrnehmungen in dicier 
ihre Regelmäßigkeit die Zeit verrät. ! Härielwelt voll ftiller und doch gemal- 
Auh als Wetterprophet bewähren fie : tiger Kräfte. Das Endergebnis aber ift 
fi, denn auch bei berannahendem Regen - dic Erkeuntnis, daß das Leben der 
verändert ſich die Wieſe und idhließt vor: , Pflanze im tiefiten Grunde eins iſt mit 
jorglih ihre taufend Blumenkelche. Und jenem der Tiere, mit dem von uns 
fteigt man in das_Hochgebirge, dort, wo | jelbit. Das Bud beichrt mit mur, 
in Geröll an der Schneegrenze die leg: : jondern es bietet auch durch die weiten 
ten Blüten winken — da gibt es dann , Ausblide in den geiamten Kreislauf der 
Virtuoſen der Empfindlichkeit. Der Natur, die es erichließt, eine Fülle 
kleine Aipenenzian, der und dort mit ' edeliten, geiltigen Genufles. 








Franz Bender 7. 
Am 15. April wurde auf dem FFricd- ' und Für geichmadvolle Alzidenzdrud: 
hofe zu Heidelberg der früh verstorbene erzeugniite, vorzügliche Arbeiten auf dem 
Leipziger Künſtler und SKunftgewerbler Gebiete der Plakatkunſt waren die Brobe 
Franz Bender beerdigt. An Germerd ſeiner ſchöpferiſchen Arbeit. Sein Haupt: 
heim geboren, genoß Bender feine künſt- intereſſe wandte er aber, wie &. Wuft- 
teriiche Ausbildung in Karlsruhe. Ende mann in einem Nekrolog hervorbebt, dem 
der neunziger Jahre jiedelte er nah künſtleriſchen Fenſterbild zu, den er jeine 
Leipzig über umd legte bald darauf in beite Kraft widmete. Auf allen Aus: 
einer Ausitellung gelegentlid feines Ein jtellungen, an denen der junge Künitler 
trittes in den Leipziger Künftlerverein fi im den legten Jahren beteiligt hat, 
fein Programm und feine große Be: haben ſchöne Arbeiten diefer Art von 
gabung für dekorative Flächenkunſt klar der geſchmackvollen Kompofitionsweije 
an den Tag. TQTapetenentwürfe. in denen Benders und einem heivorragend feinen 
ein ausgeſucht femer Geihmad und jein © Farbenſinn Seugnis abgelegt. Der 
Farbenſinn zum Ausdrud kamen, Ent ' reihen künſtleriſchen Tätigkeit des Ver— 
würfe für moderne Kunſtverglaſungen ſtorbenen bat der Tod ein viel zu frühes 
in einfacher, klarer Flächenwirkung, Ar Wnde bereitet. 
beiten für künſtleriſche Buchausſtattung 








SDunbalt: Tas Königskreuz. Die Schlacht am Hatembin bei Geuheim am 2. Juli 12981, 
— liber Zidinger Bademoor und Moorertrakte. Peitacteitt von Tr. Weiner, Badearzt in Yand- 
ſtudl. Mit 1 Abbildung. — Das Zinnesichen der Pilanzen. — Franz Bender +. 





Schriftleiter: Eehrer Ph. Sautb, Landitubl — Kermann Aanier’s Verlag, Kaiferslautern. 
Aür Form wad Jabalt der Beiträge find Me Serren Berfafler berantmertliä. 


The „Blitsiige Delmottunde” toftet jährlich Im 12 Keften Bit 250 Peteiunarn werden von aUen Autbanblungen ud 
Fehesnfalten ferwer vom Verleger (Vertefrere Eirerikantirnzarg: engrarmarn. 


1 Jahrgang. 


* 


Nummer 10 


August 1905. 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


EMMA 


IV. Bfälzifhe Gewerbe: und Indufrie-Ausfellung. 








”i - 


Kaijerslautern als der natürliche aus den eriprießlichen ftillen Einflüſſen 


Mittelpunft unjerer engeren Heimat, 
hat zum viertenmale Gelegenheit, ſich 
in der Geftaltung und Durdführung 
einer pfälziihen Ausſtellung leiſtungs— 
fähig zu erweilen, diesmal aus Anlaß 
des für die Pfalz wichtigen Umftandes, 
dag e3 am 22. Auguft 1905 fünfund— 
zwanzig Fahre find, feit das Zentral— 
inftitut für Kunſt und Kunſtgewerbe, das 
Prälziihde Gewerbemujeun, feier: 
lic) eingeweiht wurde. In den Fahren 
1843, 1860 und 1872 hatten bereits 
„Prälziiche $nduftrie-Ausftellungen“ ſtatt— 
gefunden; waren damals ſchon von Fall 
zu Fall bemerkenswerte Fortichritte in 
den Leiftungen zu verzeichnen gewejen, 
jo ließ jchon die diesmal jehr lange Ent: 
widelungspaufe von 33 Jahren auf 
Uberrafhungen hoffen. Die am 1. Juni 
eröffnete jüngite Gelegenheit, unjere 
heimischen Kräfte der öffentlihen Ber 
wertung dargeftellt zu jehen, hat denn 
auch nicht getäuſcht. Während der 
andertbhalbjährigen Aüftzeit ift eine un: 
überjehbate Summe von Intelligenz, 
Kunstfertigkeit und Kraft aufgewendet 
worden, den Beweis zu liefern, daß die 
Heimat des Pfälzers nicht bloß in ihren 
natürlichen edlen und müglichen Pro: 
duften den bekannten Ruhm in die weiten 
Lande verbreitet, fondern daß auch der 
Fleiß und Geſchmack ihrer Bewohner 
imjtande find, denjelben zu mehren. 
Dean ann jagen, der Segen, welder 


unſeres Gemwerbemujeums erblüht tft, 
macht fi überal im hochanerkennens— 
werten Arrangement, beionderd aber an 
den geſchmackvoll, teilweiſe hochkünſtleriſch 
ausgeführten Einzelleiſtungen bemerkbar. 
Natürlich fallen zuerſt die hochelegant, 
zumteil vaffiniert zujammengejtellten 
Zimmereinrichtungen auf; aber aud, 
was dekorative Kunft, Photographie, 
Malerei, Bildhauerei geleiftet haben, 
wird eine Freude für jeden inferejfierten 
Beſucher fein; man überjicht gerne, daß 
das Allzumoderne manchmal über eine 
weiſe einzuhaltende Grenze geraten ift. 
Mafjenprodufte intereilieren durch monu« 
mentalen Aufbau; auch die nüchternen 
Erzeugniffe des Maſchinenbaues, zumteil 
im Betriebe, ringen uns in vielen 
Stüden Bewunderung ab; wir erhalten 
Elare Einblide in unjer öffentliches Baus 
wejen jamt Brüden- und Straßenbau 
und Fabrifanlagen. Wo joviele Beweije 
von Kunſt und Geihmad vorliegen, 
durfte mandes Werk geringeren Jaute— 
reſſes zurückgewieſen bleiben! Die in 
der Pfalz jo ausgedehnte Tonwaren— 
induftrie fcheint allein unvertreten. — 
158 Ausiteller werden gezählt. Am 20, 
Augujt wird die Preisverteilung ſtatt— 
finden, anı 1. September die 4. Aus 
ftellung geichloffen werden. Bis jegt 
ſollen 150000 Beſucher gezählt worden fein; 
den übrigen Pfälzern kann der lehrreiche 
Bejuh nur dringend empfohlen werden, 


14 


Motizen zur Einführung der Aartoffelpflanze, 


1. Herr Kaplan Weber: 


Baum, Chronik von Hinter: 
weidenthal: ©. 52: Im Jahre 1723 
wurde dajelbft die proteltantiihe Brarr- 
jtelle erridtet und mit diejer zugleich 
aud die Lehrerftelle verbunden. Der 
Gehalt de3 Pfarrers wurde dement: 
iprechend durch die bisherige Beſoldung 
des Lehrers erhöht. Der Berfaffer der 
Chronik bemeift dann weiter ©. 52: 
„Dazu nod die früher dem Lehrer von 
der Kirche in Genuß gegebenen Güter: 
„2 Kleine Stüder für Grundbirnen 
und Hanf zu bauen und einigen Wied: 
wachs“ (2 kleine Wicjen).” 

©. 99 ift für das Jahr 1740 die 
Nede von „2 Scyemel für Grundbiren.” 

S. 102f. wird eine von dem Lehrer 
Steinmann im Fahre 1771 aufgeitellte 
Schulbeſoldung mitgeteilt, welche als 
ihäßenswerten Beitrag für die Be: 
deutung der Kartoffel in diefen Hunger: 
jahren (vgl. Prälz. Heimatkunde ©. 32). 
Folgende Bemerkung enthält S. 103: 
„Auch iſt bei hiefigem Schulgut nicht 
Ein Stüd, wo ein zeitliher Schulmeiſter 
die jo nötigen Grundbirnen vor 
feine Haushaltung anbauen Könnte, 
weldhe man dod allerdings haben 
muß.“ 

Notiz aus dem Jahre 1740 
aus dem Kreisarıhiv Speyer, Abt. Hochſt. 
Speyer, Fasz. 320: In einem Briefe 
vom 11. November 1740 beklagte 
fih der Pfarrer Friedel von Arzheim 
beit dem Dr. Schuhmader in Brudjfal, 
daß „die fatalilät der Wütterung die in 
dem dahiefigen Kleinen Zehndten ein- 
gehendte Früchten als obs, rüben, grund: 
beer und waß dergleihen . . . Früch— 
ten der erdten mehr jeynt, ſchon ziem— 
lid) beihädigt” hat. 

Bezüglich der Stelle aus dem Bor: 
trage des Herrn Lehn in Jägersburg 
(Pf. H. 31) möchte ich darauf hinmweilen, 
daß fie wahrichernlich entnommen ift dem 
Büchlein von Heing, „Das Herzogtum 
Bweibrüden während des dreikigjährigen 
Krieges.” (Ich benüge die 1. Ausgabe 
vom %. 1810). Dort finde ich S. 152 


eine Bemerkung im Terte über die Not: 
ftände in Bezug auf die Nahrungsmittel 
im 3Ojährigen Kriege: „Bon dem Aus— 
lande war feine Zufuhr zu erwarten, 
und von dem jegt (d. h. 1810!) jo 
wichtigen, und fajt in jeder Kriegs— 
zeit dem Hunger trogenden Gewächſe — 
den Grundbirren wußte man 
noch nichts.” Und weiterhin: „Es find 
jegt ohngefähr 100 Fahre, ſeit dem 
die eriten Grumdbieren in unjerer (wohl 
der Zweibrüder) Gegend find gepflanzet 
worden.” „Hundert Jahre vor 1810,” 
aliv etiva 1710! Es iſt dabei das Wort 
„ohngefähr” zu betonen, weshalb man 
nicht gerade defintiv das Jahr 1700 
nennen kann; hiezu fehlen die notwen— 
digen geſchichtlichen Belege. 


2. Herr & Rechnungsrat Häberle: 


Nah der von Forſtamtsaſſeſſor 
Müller Wahenheim im „Brälzer Wald” 
Nr. 7 vom 15. Mai 1905 veröffentlichten 
Studie über die Geichichte der Geraide— 
waldungen hatten die Einwohner von 
Rhodt gegen den Wideriprucd des Biſchofs 
von Speyer einen Teil der Haingeraide, 
die jog. „Röder“ ausgeftodt und chen 
1757 mit Grundbirnen bepflanzt. 

Die Gewinnung don Branntwein 
aus Kartoffeln muß gegen Ende des 
18. Jahrhunderts ſchon einen größeren 
Umfang angenommen gehabt haben, da 


das Oberamt Rautern am 24. Dezember 


1770 das Verbot erließ, aus „Grund— 
birnen” Brauntwein zu brennen. Ent: 
weder ſollte hierdurch der Trunkjucht 
vorgebeugt oder eine Verteuerung der 
fih einbürgernden Kulturpflanze ver: 
mieden werden. Ein ähnliches Verbot 
war Schon 1739 wegen des hohen Preiſes 
der Feldfrüchte für die Herftellung von 
Kornbranntwein erlaffen worden. Um 
deffen fteifte Durchführung zu gewähr- 
leiiten, wurde den Brennern einfach der 
Hut von den Keſſeln weggenommen. 
3. Herr Pfarrer Stod: 

Am Jahre 1773 berichtete Pjarrer 
Jakob Karl Herzogenratl; in den „Be: 
merfungen der phylifaliich-öfonomischen 


Gejellihaft in Lautern” über die Ber: 
hältniffe in Dtterberg. Den Auszug, 
den wir Herr Lehrer Th Zink in 
Kaijerslautern freundlichit zur Verfügung 
geftellt, ſei das auf den Sartoffelbau 
Bezüglihe entnommen. „War das Me: 
dumsland, d. i. folches, das durch Hoden 
der Wälder gewonnen war, mit Jar: 
toffeln, Flachs, Hanf, Rüben und dergl. 
bewachſen, jo war fein Demsgeld, ſon— 
dern nur der Zehnten zu leiſten.“ 
„Durdjichnittlich trug der Morgen 60 80 
Garben Frucht, vorwiegend Roggen und 
Spelz, welche mit Kartoffeln abwedhjelten. 
Gegen den übermäßigen Sartoffelbau, 
der ſich eingebürgert hatte, zog Ber: 
zogenrath im Intereſſe des Kleebaues zu 
Felde, der gute Fortſchritte machte.“ 
Daraus geht Elar hervor, daß der Kar— 
toffelbau um jene Seit in Otterberg 
nicht bloß befannt, jondern ſchon hei» 
mifh war. Stammt die Nachricht 
darüber auch erit aus dem Ende des 
18. Jahrhunderts, jo darf dod ange 
nommen werden, daß die Kartoffel ſchon 
bedeutend früher gepflanzt wurde, In— 
folge ihres Gewerbebetriebes Tuchmacherei, 
Gerberei, Wollenweberei und :Spinnerei, 
Glasmacherei kamen die Einwohner viel 
in der Welt umber und hatten jo Ge: 
legenheit die Frucht fennen zu lernen, 
die auf ihrem nicht gerade jehr ergie- 
bigen Boden immerhin nocd einen guten 
Ertrag in Ausficht ftellte.e Daß die 
Semwerbetreibenden ſich auch für der: 
gleichen intereifiert haben mögen, geht 
daraus hervor, daß die 14 Bauern in 
Dtterberg auh die Felder der 
„Profeſſioniſten“ das ſind 
eben die Gewerbetreibenden — 
beſtellten. 

4. Herr Fabrikant Goßler: 

Was das Simri Kartoffeln im 
Hungerjahre 1817 gefoftet hat, ift an 
einem Haufe in Elmitein eingehauen. 
Das Simri (ungefähr 36 Pfund, ſpäter 
!; Bentner) Eojtete 1 Gulden und 24 
Kreuzer. 
5. Herr £, Rechnungsrat Häberle: 

Zu den Notizen in Nr. 4 über die 
Einführung des SKartoffelbaues in der 
Pfalz jei ergänzend bemerkt, daß deffen 


' wurden Die 


a” — 


Anfänge bereit3 ind 17. Jahrhundert 
zurüdreihen. Nah Gümbel: „Die 
Fremdenkolonie in Billigheim”, Seite 10, 
wanderten 1665 Waldenier aus Pie— 
mont im Amt Germersheim ein umd 
brachten die Kartoffel mit, welche von 
Genua aus in den piemontefiichen Tälern 
ſchönſeit 530 Fahren befannt war. Auf 
dent Daubornerhof bei Kailerslautern 
erften Anbauveriuche im 
Jahre 1760 gemacht; in den eriten 
Jahren waren fie ein jo jeltener Artikel, 
daß fie, wie heute die Apfel, forgfältig 
auf beionders hHergeridhteten Gejtellen 
überwintert wurden. Da die Boden: 
verhältniffe für die neue Kulturpflanze 
außerordentlih günftig waren, lohnte 
reichlicher Ertrag die Verſuche und ſchon 
1787 wurde dem „Beiltlihen Admini— 
ſtrations-Erbbeſtünder“ Johannes Häberle 
daſelbſt durch die kurfürſtliche Hofkammer 
die Erlaubnis erteilt, gegen Entrichtung 
von 1 Gulden 30 Kreuzer jährlicher 
Rekognition und drei Gulden herrſchaft— 
licher Taxe daraus Branntwein zu 
brennen. Für die damalige weitere 
Verbreitung im Oberamt Lautern ſpricht 
auch der Umstand, daß auf der vom 
Dberamtörenovator (Landmeffer) Joſeph 
Etienne 1786 entworfenen Karte des 
Stftswalds (Kreisarchiv) bereitö ein 
Grundbirnengarten verzeichnet wird. 
Auffallenderweije ift bei Aufzählung der 
Nuppflanzen in den Borlefungen der 
£urpfälziichen phyſikaliſchen ökonomischen 
Geſellſchaft in Heidelberg 1785 der Kar: 
toffel nicht bejonders gedacht, während 
der gleichzeitig eingeführte Kleebau ein» 
gehend behandelt wird. 

Heute hat die plebeiiche Kartoffel 
eine univerfale Verbreitung und fpielt, 
wenn ihr auch die unbeichräntte Trans- 
portfähigfeit des Getreide abgeht, für 
die Bolf3ernährung bejonders in rauherem 
Klima mit geringwertigerem Boden eine 
wichtige Rolle. So fommt es, daß ein- 
zelne Teile der Pfalz unter den Kar— 
toffel produzierenden Gegenden die erfte 
Stelle einnehmen. 

(Die voritehend abgedrudten Mitteilungen 
haben die Frage genügend geklärt und wir wollen 


demnächſt auch eine moderne Aufgabe des 
Kartoffelbaues anfchneiden. D. Sc.) 


— 


16 


Das Brake-Benkmal in Offenburg. 


Wir ſchließen mit den oben abge 
drudten Mitteilungen vorläufig unfere 
Unterfuhung über die Einführung der 
Kartoffelpflanze am Rheine. Aber wir 
wären unvollitändig geblieben, wollten 
wir übergehen, was anfangs der 50er 
Jahre zum Andenken und zur berech— 
tigten Ehrung des engliihen Seefahrers 
Francis Drake geihah. Das freundliche 
Entgegentonimen der Verwaltung der 
Stadtgemennde Offenburg ließ uns Ein» 
blit in eine Brojhüre von 30 Dftav- 
feiten gewinnen, deren Titel heißt: „Zur 
Erinnerung an die den 17. Juli 1853 
zu Offenburg ftattgehabte feierliche 
Schlußfteinlegung und Enthüllung des 
Drake-Denkmals.“ Hier wird uns aus 
führlic eine Feſtlichkeit geichildert, wie 
fie heutigen Tages etwa nur aus An- 
laß eines ganz außergewöhnliden vater: 
ländiishen Ereigniſſes denkbar it umd 
ein ſchönes Zeugnis für die Werts 
ihäßung des Drafrihen Geſchenkes ab- 
legt. Bildhauer Andreas Friedric hatte 
aus Begeifterung für feinen Helden ein 
Denkmal des Wohltäterd der alten Welt 
geihaffen: Drake im Rittergewande (vor 
der Königin Eliſabeth gedacht, die ihm 
neben jeinem Schiffe, deſſen Hinterteil 
angedeutet ift, zum Ritter jchlug), hält 
die Karte von Amerika und ein Bündel 
Kartoffeln mit Stengeln, Blättern, 
Blüten und Beeren; Globus, Anker und 
Kompak zieren zu feinen Füßen den 
Sodel des Denkmals. Er jchenkte es 
der Stadt Offenburg; der badiſche Kon— 
ful Hummel ın Straßburg bejorgte den 
Transport, die Stadt ließ den Sockel 
heritellen.. Das Standbild allein ift 
2.75 m hoch, das ganze Denkmal über 
7 m; das Material tft fein- und grob- 
körniger rötliher Sanditein. Die Grund: 
jteinlegung am 17. Juli 1853 von 1 Uhr 
ab vollzog ſich ber ſchönſtem Wetter 
unter einer riefigen Beteiligung auch 
der Umgegend der Stadt und war durd 
Reden, Muſik, 
zeichnet. Die Feſtordner trugen ſinniger 
Weiſe Kartoffelblüten und ſieben Ge— 
meinden hatten je ſechs Jünglinge und 


Kanonenſchüſſe ausge 





ſechs Jungfrauen in ihren heimiſchen 
Trachten abgeordnet, um den Feſtakt zu 
verſchönen; auch Straßburg und Karls— 
ruhe fehlten nicht; fie hatten hervor: 


vagende Vertreter gejandt. In den 
Schlußftein de3 Denkmals wurden in 
bleierner, mit SHolzverichalung ver: 


iehenen Kiſte eine Anzahl Erinnerungs: 
zeihen verſenkt: Bildniffe des Groß— 
herzogs Leopold und des Regenten; 
Abbildungen der Stadt und der alten 
und der damald neu gebauten Sinzig: 
brüde; Landesmünzen ; verjchiedene Ge: 
treidejorten; zwei Flaſchen vom beiten 
roten und weißen Wein der Gegend von 
1846 ; zwei Nummern des „Ortenauer 
Boten“ mıt der Biographie Drakes; 
Nehenichaft&bericht der Stadt von 1852; 
endlich ein umfangreiches Dokument über 
das Feſt ſelbſt. Ter Bildhauer übergab 
darauf das Denkmal und die Schenfungs: 
urkunde dem Bürgermeilter und der 
Feſtredner beiprad; Leben und Berdienit 
Drakes, wobei er auch hervorhob, wie 
die Kartoffellultur zur Bermeidung der 
Kriebeltrankheit und des Mutterforn« 
brandes beigetragen habe. Sechzehn 
weißgekleidete Mädchen enthüllten mitteljt 
Zugihnüren das Riefendentmal, worauf 
dem Künjtler zum Danf eine Urkunde, 
die ihn zum Ehrenbürger Offenburgs 
ernannte, und ein ſchwer vergoldeter 
Pokal überreicht wurden; die 16 Mäd— 
chen dankten ihm mit Blumenfträughen 
und die liebe Schuljugend befanı Bregeln. 
Das übliche Feſteſſen mit 200 Gededen 
beihloß die Feier mit einer Reihe von 
Reden und mit einem Feuerwerk. „Ein: 
fach und prunklos — — — wurde dieſe 
für die Stadt Offenburg bedeutungs- 
volle und denkwürdige Feier begangen,” 
meint die Broſchüre treuberzig; aber 
wir haben Reſpekt vor der Begeiiterung, 
mit welcher man in richtiger Erkenntnis 
des hohen Wertes der Sartoffelpflanze 
dem erjten Überbringer, Sir Franeis 
Drake, feine Huldigung darbrachte. Aus 
der FFeitrede heben wir noch einige Punkte 
hervor. Drafe ift 1545 von armen 
Eltern in der englischen Landſchaft Devon: 


ihire geboren als ältefter von 12 Söh— 
nen. Früh anf Kiüftenfahrten geübt, 
wurde er im 18. Jahre ſchon Scdiffe: 
führer und kam aud bald nad) Meriko. 
Um üblen Gerüchten über den Erwerb 
der mitgebradgten Schätze zu begegnen, 
erhob ihn die Königin Eliſabeth 1581 
in den Ritteritand; aus Holz von feinem 
Schiffe wurde ein Seſſel gemadt, den 
die Univerfittät Drford erhielt. Er 
zeichnete fich im Kriege gegen Spanien 
aus und wurde Bizeadmiral gegen die 
„Armada“. 
Mittelamerika verſtarb er am Fieber den 
30. Dezember 1596. — Das Vaterland 
der Kurtoffelu iſt Beru und Chili, von 
wo jie zuerſt nah Spanien kamen. 
Spanier brachten die Pflanze aud nad 
Belgien und von hier aus erhielt der 
Botaniker Elufius in Wien 1588 die 
eriten Anollen und Früchte von Bhil. 
de Sivry. Ihr wirklicher Anbau geichah 
zuerft in Irland und England, nad) 
welch legterem Lande fie Drake wahr: 


ſcheinlich ım Jahre 1586 aus Wejtindien | 


77 





Nach einer Erpedition nach | 





Pfalz, in Elſaß und Schwaben „fällt 
zwiichen die Jahre 1714 und 1724 ; doch 
blieben die Kartoffeln im Ganzen immer 
noh eine Seltenheit und ihr Anbau 
gewann jelbit nad dem fiebenjährigen 
Kriege nur langlam an Ausdehnung, jo 
daß fie um 1760 herum in der Öffen- 
burger Gegend nur erit in Gärten ge 
pflanzt wurden. Nah der großen 
Hungersnot von 1770 und 1771 aber 
wurden fie jchneller und aflgemeiner im 
Großen angebaut, indem ed durch das 
Beifpiel einzelner Dörfer, die im Befige 
von SKartoffelvorräten größerer Be: 
drängnis entgangen waren, jedermann 
anichaulich wurde, wie leicht durd den 
Betrieb des Kartoffelbaues der Mißwachs 
des Getreides ausgeglichen werden Eonnte. 
Der Feitredner zeigte auch, wie 1 Heftar 
Land, welcdes etwa 2800 Pfund Korn 
oder 3400 Pfund Weizen hervorbringe, 
an Kartoffeln 35000 Pfund zu liefern 
vermöge, alfo in dieler Pflanze 6840 
Pfund Stärfemehl gegen 1196 Pfund 
bein Korn und 1590 Pfund beim 
Weizen. 


Die Uhr als Qrientiernngsmittel. 


mitbrachte. Die Berbreitung in der 
In der gegenwärtigen Zeit der 
Ferien und der häufigeren Ausflüge 


wird es nicht unzweckmäßig jein, auf ein 
bequemes Hilfsmittel der Orientierung 
aufmerfiam zu machen, das gelegentlich 
qute Dienfte leitet. Wer in eine ihm 
wenig oder gar nicht bekannte Gegend 
reift, wird fich bereit vor Antritt feines 
Ausfluges mit denjenigen Karten ver: 
fehen haben, welcde ihm das Studium 
der betreffenden Landichaft ermöglichen; 
er wird auch Starten mit fich nehmen, 
um jederzeit Über einzuichlagende Rich— 
tungen, über Entfernungen und die Ge: 
ftaltung des Terrains die wiünichens: 
werten Angaben entnehinen zu können. 
Nun iſt fein Zweifel, dab unjere Stabs- 
karten eine ſozuſagen abjolute Treue des 
Geländes verbürgen; aber im Falle der 
praftiihen Benügung derielben in un: 


überfichtliher Gegend geſchieht e3 nicht | 





felten, daß auch den an ihre Ablejung 
Gewöhnten ein Gefühl der Unſicherheit 
beichleicht, daS meiftens feinen Grund 
darin haben mag, daß die geiltige Ver— 
arbeitung des gezeichneten Terrains 
unter dem Geſichtspunkte des Maßſtabes 
doch in manchen Fällen ihre Schwierig- 
feiten bat. Die Unannehmlichkeit diejer 
Lage wird noch wejentlich verichärft, 
wenn dem Wanderer aus Gründen einer 
zeitweiligen Achtlojigfeit oder des fehr 
verwidelten Talzuges oder längerer Ab- 
mweienheit einer freien Ausficht die 
Drientierung verloren gegangen tft, d. h. 
die Möglichkeit, die Kartenränder nad 
den wahren Himmelsgegenden zu richten. 
Wer je lange und gleichförmige Tonren 
im waldigen Gebiete zurüdgelegt bat, 
fennt das Gefühl plöglichen Unver— 
mögen® der Orientierung. Nun wäre 
ja dem leicht mit einem Kompaß abzu— 


helfen; auch iſt ein ſolches nützliche In— 
ſtrument jo billig zu haben,*, daß man 
glauben follte, die meiften Ausflügler 
jeien wenigftens für Unternehmungen, 
welche ſich mehrere Tage hinziehen, mit 
demſelben ausgerüftet. In Wirklichkeit 
ift die Sache freilich anders. Wie wenige 
Menihen, ſelbſt unter denen, die es 
nötig hätten, find imftande, eine Stabs— 
arte mit aflieitigem Borteile zu leſen, 
geſchweige auf weiteren Ausflügen aus: 
zunügen! Eine gewiffe Scheu, diefes 
„wiffenichaftliche” Hilfsmittel zu ges 
brauchen, läßt viele auf jeine Mitnahme 
ganz verzichten; man verläßt fich lieber 
auf die „Markierungslinien”, die ja auch 
den bequemjten Zonriften mühelos ans 
Biel dringen. Ähnlich verhält es ſich 
mit der Anwendung des Kompaſſes, der 
wohl vielfach als Zierftüf an der Uhr: 
fette baumeln mag, aber im ent: 
icheidenden Augenblid entweder vergejjen 
oder ungeichidt um Nat gefragt wird. 


Es gibt nun in Ermangelung des 
magnetiichen cin anderes Orientierungs— 
mittel, das jeder Ausflügler ohne Aus— 
nahme bei fich tränt, die Taſchenuhr. 
Über ihren diesbezüglichen Gebrauch jei 
in folgenden Zeilen berichtet. Die erite 
Überlegung lautet: Die Sonne madıt 
anı Tageshimmel (allgemein geſprochen) 
einen Halbbogen, während der Stun— 
denzeiger der Uhr in derjelben Zeit 
einen Voll kreis durchläuft, alfo inbezug 
auf Winkelgeſchwindigkeit doppelt foviel 
al3 die Sonne. Alſo wird von O (12) 
an gerechnet die Entfernung des kleinen 
Stundenzeigerd von 12 immer doppelt 
fo groß * als der Sonnenbogen von 
Mittag an. Soferne nun die Sonne 
überhaupt ſcheint — wenn auch nur 
matt —, kann man ihre Richtung durch 
den Schatten eines Fadens, den ein 
vorſichtiger Wandersmanu immer bei 
ſich haben ſollte, in Ermangelung eines 


*, Kompaſſe bekommt man: Durchmeſſer 
13 mm zu 040 .4; Dm. 30 mm und Nadel— 
feftftelung zu 1,50 4; Dm. 45 mm, verfilberte 
Kreisteilung, Achatlager, Nadelfeititelung zu 
3,4 1 Man fehe darauf, einen foldhen in 
Uhrenform mit Bügel und befferer Ausjtattung 
u erbalten, bei dem die Nadel gejchont und ihre 
Empfindlichteit erhalten wird; die Abweichung 
der Nordrichtung fol angemerkt jein (etwa 10"). 


18 





ſolchen aber aud durd den Schatten 
eines dünnen Grashalmes erhalten. 
In jedem Falle beichwert man das 
untere Ende des Fadens oder Halmes, 
inden man etwa einen Schlüſſel, ein 
Steindien, ein Stüd Holz oder das 
Taſchenmeſſer daran befeftigt, und trägt 
Sorge, daß die Mitte dev wageredt ge 
legten Uhr, alfo der Drehungspunkt 
der Zeiger, von dem Schatten gejchnitten 
wird. Aus dem Eonnenftande im all 
gemeinen und der Uhrzeit im befonderen 
weiß man ungefähr, wo Süden iſt; 
man legt daher die Uhr ſchon anfangs 
jo, daß die Zahlen 6—12 die genäherte 
Richtung Süd-Nord angeben, wobei 12 
nad) Norden gerichtet wird. Läßt man 
jegt die Schattenlinie über dem Zentrum 
des Hifferblattes fpielen, jo bat man 
nur noch Eorge zu tragen, daß dieles 
fo gedreht iſt, daß der Schatten den 
Bogen zwiihen 12 und dem Stunden: 
zeiger halbiert. Folgendes Beilpiel möge 
das Elar machen. Um 10 Uhr vor: 
mittags lege ich die Uhr jo, daß 6 redjts 
von der Sonnenrichtung einigermaßen 
gegen Süden gerichtet it. Der Bogen 
zwiſchen 10, wo der Stundenzeiger fteht, 
und 12, dem Nullpunkt des Bifferblattes, 
muß nun durch den darüber erzeugten 
Schatten des Fadens halbiert werden, 
fo daß die Schattenlinie über die Zahl 11 
und die Mitte des Bifferblattes, ebenſo 
über die Zahl 5 geht; um dieje Halbie- 
rung zumwege zu bringen, muß ich die 
Uhr ſanft drehen, bis eben die Halbie- 
rung ftattfindet. Jetzt ift die Linie 
12-6 gleih Nord-Süd und damit 9— 3 
gleich Weſt-Oſt. Hätte das Erperiment 
früh um 6 Uhr ftattgefunden, jo hätte 
der Schatten über 3, Mitte, 9 fallen 
müfjen, abends um 6 Uhr über 9, 
Mitte, 3; um 4 Uhr 24 Min, wenn 
aljo der Stundenzeiger am 22, Minuten: 
ftrihe von 12 ab gerechnet fteht, muß 
der Schatten von der Mitte aus den 
11. Minntenftrich (neben Ziffer 2) treffen; 
morgens um 5 Uhr 12 Min, wenn der 
Kleine Zeiner am 26. Minutenftridh jteht, 
muß der Schatten über den 13, und 43. 
Minutenſtrich ziehen, ufw. Immer alio 
müſſen die beiden Bogen zwiſchen dem 
Etundenzeiger umd der Zahl 12 (Null: 


punkt der Teilung) von der Scatten- 
linie halbiert werden. Faſſen wir nod) 
einmal die nötigen Handlungen 
ſammen, fo it folgendes zu tum: 
ihägt man nach der Uhrzeit, die ja ge— 
geben ift, die mwahrjceinliche Mittags— 
richtung der Sonne ab, die vormittags 
rechts, nachmittags natürlich links von 
der jeweilig Stattfindenden Richtung licat; 
in diefe genäherte Sid-Nord-Richtung 
(legt man die ihr, 12 gegen Norden 
weilend. Zweitens halbiert man den 
Beigerabftand von dev Zahl 12, um zu 
wiſſen, wohin der Schatten von 
Mitte aus ziehen muß (um 8 Uhr früh 
3. B. über den 20. und 50. Minuten: 
ftrih). Drittens projizient man dieſe 
Schattenlinie über das LBifferblatt und 
dreht die Ahr jo lange, bis der Schatten 
richtig zieht. Die Dimmelsrichtungen 
find fodann mit einer Genauigkeit ge— 
geben. wie fie dem Touriſten genügt. 
Aus der Betrachtung Über die Mittel: 
europäiiche Zeit im 4. Hefte (S. 28 u. 29) 
wiſſen wir nun wohl, daß unſere Uhren 
nicht mit der Sonne gehen, fondern 
rund eine halbe Stunde zuviel angeben. 
Wenn wir diejen Unterjchied der wahren 
und angenommenen Zeit auch noch bes 
rüdfihtigen und uns merken, daß nicht 


zu: | 
Erftens | 


der | 


19 





die Ziffer 12 unjerer Uhren dem Hoch— 


ftande der Sonne im wahren Mittage 
entipricht, jondern die Mitte zwijchen 
dem 2. und 3. Minutenftriche, wo alio 
der Eleine Zeiger um halb 1 Uhr steht, 
fo fünnen wir die vorjtehend geichilderte 
Beftimmung der Hinmelsgegenden nadı- 
träglich berichtigen, inden wir die Uhr 
um einen Eleinen Betrag „linksherum“ 
drehen, jo daß Nord Eid, ſtatt über 
12 —6, über die Minutenteile 2,5 —325 
geht. Die ganze Beltimmmung bleibt alfo 
genau gleich wie eingangs geichildert, 
nur muß am Schluſſe eine Drehung 
„um 2,5 Minuten” und zwar „gegen 
den Uhrzeiger“ erfolgen. 


Die Sade fieht Eompliziert aus; 
wer ſich aber die geringe Mühe geben 
will, jie zu erproben, wird erfahren, 
daß ſie jehr leicht auszuführen iſt. Gegen: 
wärtige Anleitung will auch keineswegs 
anftelle der unmittelbar zweddienlichen 
Ablefung des Kompafjes eine umitänd- 
liyere Methode der Orientierung an: 
preijen; aber es fünnen Fälle eintreten, 
3. B. bei Verluſt des geihägten Kom: 
pafjes, in denen die Uhr diefen mit 
Nugen erjegt und jedenfall® ſichere und 
zuverläfligere Angaben liefert al etwa 
die zweifelbafte Deutung der Bemooſung 
der Baumftänme, 


Nener PBfalzführer. 


Bon E. Heuſer. 


Ein Reifehandbuch für die bayerische Pfalz und angrenzende Gebiete. 


Mit 14 


Starten, darunter eine topographijche Karte der Pfalz in 6 Blättean und 5 Karten der Wegezeichen 


im Maßſtab 1: 50000. 


Diefer mit großer Sorgfalt aus: 
gearbeitete Führer dur die Pfalz liegt 
nun in 3. Auflage und völliger Neugeital- 
tung vor. Der Tert jowohl, als auch die 
Kartenbeigaben bieten Neues und geben 
ein deutliches Bild, wie jehr ſich in den 
legten Fahren das Touriſtenweſen und 
was dazu gehört, au in der Pfalz ent: 
faltet hat, wo das Intereſſe für der: 
gleichen lange geihlummert. Dev Pfalz: 
führer tritt diesmal in ganz eigenartiger, 
jehr handlichen Geitalt auf, nämlich in 
drei getrennten, je für ſich zuſammen— 
nn Teilen, wovon der erite die 





Preis 3.4. Berlag: Ludwig Witter, Neuftadt a. Hdt. 


Stuff und die Beichreibung dev Burgen 
ufw. bringt, während der dritte Teil die 
Karten enthält, und zwar in der Weile, 
daß jede Karte einzeln heraus: 
nehmbar ift — eine mwejentlühe Er» 
leichterung, da man nur die Karten für 
das zu bereilende Gebiet zu entnehmen 
hat. Die drei einzelnen Zeile umfaßt 
eine gemeinfame Hülle. Wichtig ift die 
Zugabe von 5 neuen Sarten mit farbig 
eingezeichneten Wegezeihen der Haupt: 
touriſtengebiete der Pfalz, ausgeführt in 
dein großen, unbeſchränkte Dentlichkeit 
gewährenden Maßitab 1: 50000. Hier: 


ouriftif, der zweite den geichichtlichen | durch hat der meue Pfalzführer, ohne 


daß der bisherige Preis erhöht wurde, 
eine wejentliche Bereicherung erfahren. 
Und diefe Wegezeihen oder Markierungs:- 
linien find nicht etwa auf's Geratewohl 
in die Karten eingezogen, jondern durch 
ein kundiges Vorſtandsmitglied des Präl- 
zerwald Vereins in der Natur jorgfältia 
aufgenommen und erſt dann eingetragen 
worden, was nurdurch den großen Maßſtab 
der Karten ermöglicht wurde. Zudem ent— 
halten dieſe fünf Wegmarkierungskarten 
auch die geſamte Lokalmarkierung der 
dargeitellien Gebiete in klar hervor— 
tretender Zeichnung. Auch die 30 Schön: 
ſten Nad- und Motorfahrten durch die 
Pfalz wurden im entiprechender, durch 
den Neubau von Straßen und durch 
ſonſtige Umſtände bedingter Abänderung 
wieder in dad Bud) aufgenommen, außer: 
dem zum eriten Male ein Berzeichnis 
der Bäder und Sommerfriſchen der 
Pfalz mit Angabe der Ilnterkunftsge- 
legenheiten, jowie — ebenfalld neu — 
eine vorläufige Überficht über die in der 
Pfalz anzutreffenden Naturdenktmäler. 
So ftellt der Neue Pralzführer von 
E. Heujer ein vortichflihes Handbuch 
über die Pfalz dar, aus dem jeder 
Pfälzer gründlide Kenntnis feiner hei— 
matlihen Provinz ſchöpfen wird und 
das als Führer dem Fremden, der die 
Pfalz bejucht, durch kein anderes Bud) 
auch nur annähernd erjegt werden fünnte. 
Neben dem in Schöner Spracde geſchrie— 
benen Tert bilden die trefflichen Karten 
einen wertvollen Zeil diejes inhalts- 
reihen und billigen Buches. Schon 
das Eiienbahnkärtchen zeichnet ſich durch 
Klarheit und Neichhaltigkeit aus, auch 
reicht es vorteilhafter Weſſe von Lauters 
burg bis Wiesbaden und von Saar: 
brüden bi8 Eberbah am Nedar. Auch 
die Beigabe, welde die den Touriſten— 
fahrkarten der Pfälziſchen Bahnen an- 
gepaßten Wanderwege überjihtlic dar: 
jtellt, ift eine jehr praftiihe Neuerung. 
Hohes Lob verdienen die ſechs Aus- 


80 


ſchnitte der prächtigen und Elaren Raven— 
ſtein'ſchen Höhenſchichtenkarte in mehr: 
farbigen Drud. Sie erjegen mit gutem 
Grunde den Mangel der Terraindar: 
ftellung in den fünf großen Blättern. Bei 
einem Neudrude muß auf dem Aus— 
ichnitt Donneröberg der Dorfname 
Nansweiler am Stahlberg nahgetragen 
werden. Ebenſo möchten Wünſche be- 
züglid; der Markierungsfarten bei einer 
Neuauflage am Plage jein. Die präd)- 
tigen Blätter jind zu menig wider: 
ftandsfähig gegen den Gebraudh im 
Gelände, wo fie doch erſt ihren Zweck 
recht erfüllen. Vielleicht kann man fie 
mit größerer Garantie für ihre Halt- 
barkeit in Zukunft auf Pauſeleinen 
druden. Ferner wäre auf den Blatte 
Kaiferslautern die volle Ausführung der 
Detaild bis nad Landſtuhl am Linken 
Nande zwedinäßig, zur Fortführung der 
bei Krüdenbah endigenden Route bis 
nad) dem Hausberg und Bärenloch, bezw. 
der Burg Landftuhl und weil die ſüd— 
(id der Bahnlinie bei Kindsbah auf 
tretenden, geologiſch hochintereſſanten 
Dünenzüge der Touriſtenwelt beſſer zu— 
gänglich würden. Endlich ſei dem Wunſche 
Ausdruck gegeben, daß das Wegenetz 
bei Schönau auch jenſeits der Pfalz— 
grenze vollſtändig verzeichnet werden 
möge; es gibt auch Leute, die das Wan— 
dern lieben in Gegenden, die noch von 
Markierungszeichen unberührt find. 
Ceite 64 ım I. Teile müſſen in der 
eriten Zeile die Worte „vom Feldberg” 
geitrihen werden; auf der Karte der 
Wanderwege zu den Tounrijtenfahrfarten 
muß es heißen (fiehe Seite VII) ſtatt 
„S. 15"; und der Name des Gehöftes 
bei Dreifen (Karte Donnersberg) heißt 
Miüniterhof, früher zum Kloſter Roſenthal 
gehörig.) Wir machen unjere vorjtehenden 
Abänderungsvorichläge in der Abjicht, dem 
höchſt zeitgemähen Werke des rührigen Ber: 
fafjers auf die Höhe zu verhelfen, welche 
eine Kritik in Zukunft ausjchliegen wird. 


DInbalt: IV. Pfälziihe Gewerbe: und Anduftrie- Austellung. — Notizen zur Einführung 


der Ntartoffelpflanze. 
- Neuer Pfalzführer. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sautb, Eandftuhl _ Hermann Kayſers Verlag, Aaiferslautern. 


- Das Drafe-Denfmal in Offenburg. — 


Die Uhr als Drientierungsmittel. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich. 


Die Pfalziſche Heimatkunde“ toftet jährlich im 12 Heften Mt. 2.50. Weflellungen werben vom allen Buchhandlungen ıu 
Poftanflalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbandfendung) angenommen. 


1. Jahrgang. 


Nummer 11 


September 1905. 


(PALZISCHE HIEIMATKUNDE | 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UNDHAUS. (m —7 





Bur Entflehungsgeldichte des Speyerbaches.“) 


—ñ— —ñ — 


So ziemlich alle unſere heimatlichen 
Geſchichtsforſcher ſtimmen darin überein, 
daß unſere Kreishauptſtadt Speyer ihren 
Namen erhalten hat von dem Flüßchen, 
an deffen Mündung fie liegt. Deſſen 
Namen lautet urſprünglich Spira oder 
Spiraha, in jpäteren Urkunden Spirbad). 
Zur Erklärung diejes Namens find ver- 
Ichiedene Deutungen gegeben worden, 
die beiderjeitd? Zuſtimmung gefunden 
haben. Während die Einen dad Wort 
Spira oder Spiraha von den Gpeier- 
baum (spirbaum), „deijen Frucht unter 
dem Namen Speierling befannt iſt,“ 
herleiten, bezeichnen andere Spiraha als 
„die fprudelnde” „mit Bezug auf das 
emporjprudelnde Quellwaſſer des Speier- 
brunnens.” Ebenſo erhielten auch die 
Orte Hocdipeyer, Speyerbrunn, Speyer- 
dorf und Altipeyer von diefem Bade 
ihren Namen. 

Dieje Namengebung ift für uns zus 
gleich ein Anhaltspunkt zur Bielbeftim- 
mung für den Bau des heutigen Speyer: 
baches vder Floßfanald. Denn in 
deınfelben Moment, wo die Namen der 
angeführten Orte Speyer und Speyer: 
dorf auftreten, muß auch Schon der Floß— 
kanal eriftiert haben. Bis vor einigen 
Jahrzehnten ließ ſich das erſtmalige Bor- 
fommen des Ortes Speyerdorf erſt für 
das Jahr 966 (mad dem Loricher Ur— 
kundenbuch) konſtatieren. Nah den 


Weißenburger Urkunden jedod erjcheint 
der Ort jhon im Jahre 774. Es muß 
alfo der Floßkanal oder Speyerbad in 
feinem unteren Qaufe gegen Speyer zu 
im genannten Jahre vorhanden gemwejen 
jein. Der badiſche Geſchichtsſchreiber 
Mone bemerkt über den Speyerbad 
folgendes (Bad. Arc. I. 41): „Der Ab: 
fluß der Speyerbah von Neuftadt an 
der Haardt nad) Speyer ift dur eine 
Eünftliche Qeitung bewirkt, wie man an 
der Belchaffenheit der Ufer noch jeßt 
merken kann, abgeſehen von der Rich— 
tung diejes Armes, der gegen den Lauf 
der übrigen Bäche ganz regelwidrig ift. 
Nur bei Speyer, wo fie das Hochufer 
etwas ausgefteffen und durd die Mühlen 
gefpannt wird, heißt fie deshalb Wog- 
bach.*) Die Leitung wurde von den 
Franken in der zweitenTHälfte des (8.) 
9. Jahrhunderts ausgeführt, und daher 
verlor die Stadt den Namen Nemeta 
und wurde Spira genannt." Docnahl, 
der in feiner Chronik von Neuftadt a. 9. 
S. 15f. diefe Stelle in das Jahr TT5 
einmweift, jtimmt Mone in der Anjicht 
über die Mbleitung des Speyerbaches 
durch die Franken bei, wenn er (©. 14) 


*, Der Berfafler will Hier nicht ein end— 
giltiges Nefultat über die Forſchungen zur Ent- 
ſtehung des Speyerbaches geben, — —— nur 
einige Geſichtspunkte zu deren Beurteilung. 


) über „Wog“ demnächſt mehr. (D. Sc.) 


ihreibt: „Das größte Werk der Franken 
ift aber unjtreitig die Ableitung oder 
Heritellung des Speyerbadyes von hier 
nah Speyer.” Das Jahr 775 ift aber 


82 


nad dem Vorkommen Speyerdorfs im 


Jahre 774 als ein zu jpäter Termin 
angejegt. Übrigens ift Mone der gleichen 
Anficht, daß Speyer feinen Namen von 
dent Bade erhielt. 

Wenn dem aber jo ift nad) aflge- 
meiner Übereinftimmung, jo liegt die 
Entiheidung für die ZBeitbeftimmung, 
wann der Epeyerbad abgeleitet wurde, 
zum guten Zeile in der FFeititellung des 
eritmaligen Erſcheinens des Namens 
Spira in der Geſchichte als Namen der 
leihnanigen Stadt. In diefer Din: 
ht gibt uns Zeuß (Die freie Reichs: 
ftadt Speier vor ihrer Zeritörung ©. 3) 
einen Fingerzeig. Er erklärt Dielen 
Namen Spira, indem ex einleitend be: 
merkt: „Das erite Vorkommen der dritten 
diefer Benennungen (Noviomagus, Ne- 
metes, Spira), der noch geltenden deut: 
ichen, fällt wohl nod) in das ſechſte Jahr— 
hundert. Der jogenannte ravennifche 
Beograph, der unter Karl dem Großen 
aus älteren Schriften ein geographiiches 
Handbuch zuſammentrug, entnimmt einem 
gothiſchen Schriftſteller, Athanarid, fol— 
gende Namen rheiniſcher Städte von 

ainz aufwärts: „Gormetia, Al tripe, 
Sphira, Porza, Stratisburgo, Brezecha, 
Bazela‘, wo man in den etwas ent: 
ftellten Namen leiht „Spira, Brisacha, 
Basila* erfennen wird.” Es darf 
alfo angenommen werden, daß das 
Wort Spira zum erften Male im 
6. Jahrhundert*) vorfommt, alio 
zur Beit der Franken. Der Speyerbad) 
wäre darnad) mindeftens Das Werk der 
Franken des 6. Jahrhunderts. 


Wenn wir die Vorgeſchichte und Ur: 
geichichte der heutigen Stadt Speyer 
betrachten, jo finden wir, daß Speyer 
eine größere Bedeutung in der römiſchen 
eit beſaß als in der Anfangszeit der 
en im 5. oder 6. Jahr— 
hundert. Dadurch gewinnt aud die An« 


* Das 6. Zahrhundert ift beſtimmt nicht 
nach dem Geographen von Ravenna, der übri- 
gend im 7. Jahrhundert lebte, fondern nad) 
feiner Quelle, dem Werke des Gothen Athanarid. 





fiht mehr an Wabhricheinlichkeit, daß 
nicht etwa die Franken, ſondern jchon 
die Römer den Speyerbad) abgeleitet 
haben. Dieſe Anfiht vertritt ſchon 
Lehmann in jeiner Chronica der freien 
Neichsitadt Speyer (wir benügen die 
Auflage vom Fahre 1711). Dort zeigt 
der Berfafjer, day Speyer eine römiſche 
Anjiedlung fei, und gibt S. 1112. Spalte) 
ald 5. Beweispunkt folgenden: „Zum 
fünfften ift diß faft ein ungmweifentlicher 
Beweiß der Römer Stiftung und Dis- 
pofition der Stadt / dak die Bad) ! Speyr 
genenet / durch die Stadt und darhinter 
eng dabey in Rhein getragen wird. 
ann die Teutichen ſich mit joldher Be: 
mühung zu beladen / und über ſechs Meil 
Weges ein Waller zu juchen / Gräben 
auszuführen / und mit groffer Arbeit 
ſolche Wafjerleitung anzuftellen für eine 
Unehre / und ihrer Frreyheit verfleiner- 
lich ermeſſen hätten / wie fie dann vom 
Aderbau undalerhand Arbeitein Scheuens 
gehabt” ꝛc. und ©. 12 bemerkt er weiter: 
„Die Römer aber haben zu jol- 
hen nüglihen Wajierleitungen 
jondere Luft und Neigung ge: 
babt / und der Bad auffın Ge— 
birge einen Graben und Gang 
auff und durd die Stadt ge: 
führet / deren Arbeit man ſich nod) 
heutiges Tages wegen der fürtrefflicyen 
guten Nugbarkeit zu erfreuen ı umd 
jolches für ein köſtlich Kleinod zu halten 
bat . . Alſo iſt aud die Stadt 
Speyer / da fie noch in ihrem alten 
Weſen und Teutichen weitläufftigen Revier 
beftanden ‘ als die Römer ! um höchiter der 
Stadt Nothdurfft willen die Bad) dahin 
geleitet / der Badı Nahmen nad) Speyr 
genennt.“ — Diejer Anficht pflichtet auch 
Weiß (Geidh. d. St. Sp. ©. 11) bei: 
— . . wenn- man den Lauf des 
Speierbadies von Neuftadt bi8 Speier 
betrachtet, wie er Duerthäler durch— 
Ichneidet, und wie bei Dudenhofen ver- 
mittelft der jogenannten Zwölfsmanns— 
dohle der Modenbah*) unter feinem 
Bette durchläuft, jo gewinnt die Mei— 
nung an Wahrjcheinlichfeit, daß derjelbe, 
wohl durch die Nömer, künſtlich 
*, Modenbach jtcht Hier irrtümlich jtatt 
Heimbach. 


bieher geleitet wurde, und daß der Reh: 
badı*) das eigentliche Bett des Speier- 
badyes iſt.“ 

Werfen wir nunmehr noch einen 
Blid auf die Bedeutung der Stadt 
Speyer zur ARömerzeit, um obige Anficht 
näher und eingehender zu begründen. 
Schon unter dem römischen Kaiſer Au- 
quftu8 wurde Speyer als befeftigter 
Srenzort angelegt, der bejonders den 
Rheinübergang dügen jollte.e Bon 
Speyer, das an der großen Rheinftraße 
von Bajel nah Mainz lag, gingen drei 
große Heerftraßen aus über den Rhein 
nah Often; auf der linken Rheinſeite 
wurde die Verbindung mit der Nömer- 
ftraße längs des Gebirges bewerfitelligt 
dur die Straßen über Schwegenheim 
nah Godramitein, über Freisbah nad 
Edesheim, über Hanhofen nad) Neuftadt, 
über Fogelheim und Medenheim nad 
Dürkheim. Für einen derartigen Grenz- 
ort war es eine ganz weientliche Folge, 
dak er zu einem befeitigten Plage und 
weiterhin in kurzer Zeit zu einem Han» 
delöplage ſich entwickelte. Was liegt 
aber in diefem Falle näher als das Bor: 
handenjein eines größeren floßbaren 
Gewäſſers, das verjchiedenen Zwecken, 
vor allem aber dem billigen Waſſer— 
verfehr mit dem Innenlande dienlich 
jein Eonnte! Eben diejem Bedürfniffe 
abzuhelfen, ſuchte man eine fFünftliche 
Waſſerſtraße vom Gebirge her zu bauen, 
eben unſeren Speyerbad). 

Für eine Feſtung ift eine jtarfe Um— 
wallung mit Wafjergräben eine „Lebens: 
bedingung.” In Speyer aber konnte 
man das Wafler nicht aus dem Rheine 
ringsum in die Gräben leiten aus leicht 
erfichtlihden Gründen, ebenjowenig aus 
dem Altbache, der eine tiefe Ableitung 
nötig gemadt hätte. Tatſächlich it ja 
auc das Waffer in den Gräben auf der 
Südſeite der Stadt aus dem Floßkanal 
abgeleitet. Allein die Bewällerung der 
Gräben war nicht der einzige, vielleicht 
nicht einmal der Hauptgrund zum Baue 
des Floßkanals. Fiir eine aufjtrebende, 
fi jtet3 erweiternde Stadt, was Speyer 
zu Seiten der Römer auch war, mußte 


*, Auf diefen jelbjt kommen wir noch zurüd. 


83 


das notwendige Material zum Häufer- 
bau, vorzüglich die Steine, jchnell und 
billig beichafft werden, was ſich am leich— 
teften auf dem Waſſerwege bewerfitelligen 
ließ. Auf dem Rheine war das in 
unjerer Gegend jo gut wie ausgeſchloſſen. 
Denn er fließt weithin durch eine Ebene, 
die feine natürlichen Steinlager aufweilt. 
Die Steine aber ließen fit) aus der 
Neuftadter Gegend auf einem Fünftlichen 
Waflerwege, als dem nädjten, jehr leicht, 
bequem und billig herbeiichaffen. 

Ein weiterer Grund dürfte auch in 
hygieniſcher Hinficht zu Eonftatieren jein, 
indem ein durch die Stadt fließendes 
Gewäſſer unendlich viel beiträgt zur 
Reinlichkeit und damit zu den gelund- 
heitlihen Berhältniffen ihrer Bewohner. 
Nicht zuletzt ift auch die Bedeutung eines 
fließenden Wafjers in einer Stadt beines- 
wegs zu unterihägen in Kriegszeiten. 
Manche Belagerung ift Hart und lang» 
wierig, zieht ſich Wochen und Monde 
lang hinaus. Da muß natürlich für 
ausreichenden Proviant gejorgt jein und 
wenn die Mehlinagazine fih allmählich 
„erihöpfen und leeren,” dürfen die 
Mühlräder erſt recht nicht ftille ftehen. 
Die Gejchichte der Stadt Speyer kann 
das uns erzählen. 

Es bleibt uns endlich noch eine Frage 
zu beantworten übrig: Wie verfuhr man 
bei der Anlage, um dem Floßkanal einen 
ziemlich vegelvehten Lauf und eine ge 
nügende Wafjermenge geben zu können? 
Der Floßkanal mußte alle Gewäſſer 
auf feinem Laufe jammeln, die ihm in 
die Quere kamen. Das gelang denn 
auch To ziemlich bis Dudenhofen, Bei 
Hanhofen hat er zwar alles Wafjer ger 
fanımelt, gibt aber einen Teil davon 
wieder ab in einem nördlichen Arme 
(Wogbach, Altbach, Altipeyerbad), der 
durch Hanhofen fließt und bei Speyer 
das ehemalige Dorf Altipeyer von der 
eigentlichen Stadt Speyer trennt. Diejer 
Arın war der urjprüngliche und natür- 
lihe Lauf der Wafjermafjen; ihn durfte 
man jedoch nicht aufgeben, weil er auf 
der nördlichen Seite von Speyer einen 
natürlichen Befeftigungsgraben bildet. 
Dafür wurde der Floßfanal in Eurzer 
Entfernung weiter unten durch den 


Modenbach entihädigt, deffen Lauf auf 
eine furze Strede abgeleitet merden 
mußte, um ihn dem Floßkanal dienftbar 
zu madhen. An der jog. „fteinernen 
Brüde“, beginnt die Grenze der Bänne 
von ——— und Hanhofen, die dem 
ſog. Grenzgraben“) folgt, welcher in der 
Rıdtung von Südweſten nach Nordoften 
in den jog. „Allmendgraben”**) mündet. 
Deffen Waffer läuft vermittelt einer 
kleinen Dohle unter dem Speyerbade 
hiedurch, durhzicht dann das Wiefen- 
tälhen und vereinigt fih kurz oberhalb 
Dudenhofen mit dem ſog. Altbade. 
Dem Laufe des Grenz- und All— 
mendgrabens folgte urjprüng- 
lid der Modenbad. Dielen konnte 
man jedoch nicht an der heutigen Kreu— 
zungsftelle von Speyerbad) und Allmend- 

*, auf der Generalftabslarte nicht ber: 


zeichnet. (D. Sch.) 
**) ebenda unvolljtändig gezeichnet. (D. Sch.) 


graben dem Speyerbache zuführen. Unter 
dieſem Eonnte man ihn nicht durchführen, 
weil der Speyerbad nicht die hiezu not- 
mwendige Höhe hatte. Man mollte es 
auc nicht, weil dann die Waſſermaſſen 
des früher viel wafjerreicheren Moden- 
baches für den Floßkanal verloren ge: 
gangen wären. Nur eine Möglichkeit 
bot fi dar, wenn man den Modenbad) 
höher legte. Das ließ fih am leid} 
teften bewerfftelligen dadurd, daß man 
jein Bett an die ſüdliche Grenze des 
Wiejentaled verlegte, wo das Gelände 
etwas anifteigt, und jo gewann man 
die für den Modenbach genügende Höhe 
zum ebenmäßigen Einfluß in den Floß— 
kanal. — Die Kreuzung des Heimbaches 
dagegen ließ fih nur Heritellen durch 
eine Unterführung des legteren. (Bgl. 
dazu den Artikel S. 10 und 11 diejer 


itſchrift. 
ee I. Weber. 


Ber Bremerhof und das frühere Stiftsgut. 
Bon D. Häberle, Kaiferlier Nechnungsrat, Heidelberg. 


Bei der großen Beliebtheit, welcher 
fih der von hochſtämmigen Wäldern ums 
jäumte und tdylliich gelegene Bremerhof 
bei den Einwohnern von Kaiferslautern 
fowohl wie bei fremden als Ausflugs- 
und Luftkurort erfreut, wird es vielleicht 
manden Beſucher intereifieren, etwas 
über deſſen Vergangenheit zu erfahren. 
Mit dem jegigen Bremer StiftSwald zu- 
fammen bildete er früher in der Form 
eines gleichichenkligen Dreied3 ein ge 
ſchloſſenes Ganze innerhalb natürlicher 
Grenzen, wobei der Kamm des Legberges 
als Baſis angeſehen werden kann. 
Bereits 1215 wird dieſer Bezirk in der 
Beſtätigungsurkunde Kaiſer Friedrichs II. 
für das Prämonſtratenſer-Kloſter Lautern 
als deſſen Eigentum erwähnt und ſeine 
Grenzen folgendermaßen aufgeführt: 
„Der Hof im Bremenreyn zwifchen zwei 
Wegen, deren einer nad Asbach, der 
andere nad dem Legberg bi8 zum Sol 
(Wafferftelle) führt.” Diejelbe Beichrei- 
bung findet fih 1222 in der Schutz— 
urkunde Kailer Heinrichs VI. für das 
Klofter und iſt auch heute, nach faft 700 





Fahren, noch vollftändig zutreffend. Da 
diefer Waldfompler bis zur Schenkung 
des Spikraind an die Stadt Lautern 
durch Kaiſer Albrecht J., im Fahre 1303, 
vom Reichswald umgeben war, iſt es 
zweifellos, daß zwiſchen 1176 und 1215 
der Bremenrain entiweder durch Friedrich 
Barbarofja oder jeinen Sohn Heinrich VI. 
dem neugegründeten Marien-Hoipital 
und jpäteren Prämonſtratenſer-Kloſter 
Lautern zu feiner Dotierung überlafjen 
wurde. Die Elugen Mönde mußten 
diefes Fönigliche Geſchenk wohl auszu— 
nüßen, indem fie auf der Terraſſe des 
Legbergs die fruchtbare Lößinſel mitten 
im Buntjandfteingebiet zur Anlage eines 
Meierhofes unter den Pflug nahmen, 
um mit dem Ertrag ihre Küche zu be— 
reichern. Daneben genoß der Hof, nad 
dem Willen des edlen Stifters, Freiheit 
von Frohnden, Steuern, Forſt- und 
Futterhafer, ebenfo wie die anderen 
Klojtergüter. 

Der Name Bremenrain bezog ſich 
urſprünglich, nad) der Grenzbeichreibung 
wohl auf den ganzen Bezirk; die erite 


Silbe ift aus dem althochdeutſchen Brame 
(Brombeere) leicht zu erklären, während 
Rain eine mehrfahe Deutung zuläßt, 
jowohl ald Grenze, Grenzitreifen, ab— 
hängiger Rand eines Waldes, wie aud 
als Bern überhaupt. Bremenrain wird 
daher ald Brombeeren-Berg oder Ab— 
hang auszulegen fein, defjen jegige Be- 
nennung als Pfaffenberg an den ehe: 
maligen geiftlihen Befig erinnert. 


Die nächſte Erwähnung fällt in das 
Fahr 1303 gelegentlih der Schenkung 
des Spigrains, dejjen weſtliche Grenze 
der Bremenrain und die nah Asbach 
führende Straße ausmachte. Letztere, 
zwiihen Erbſen- und Bepenberg heute 
als Fabrikſtraße ausmiündend, wird in 
den alten Grenzbeichreibungen oft genannt 
und bildete Über den Par fzwilchen dem 
großen und Eleinen Humberg (— hoher 
Berg) einen wichtigen Verkehrsweg nad) 
dem Süden. 

Über ein Saeculum jpäter wird der 
Bremenrain 1417 im MWeistum der 
Burgmannen von Lautern al3 einer 
der Grenzpunkte des Reichslandes, welches 
damals ſchon beträchtlih zuſammen— 
geihmolzen war, erwähnt. Und wieder 
vergehen über 100 Jahre, biß er 1535 
in einer Abmadung des inzwifchen in 
ein weltliches Stift verwandelten Kloſters 
mit dem Rat von Rautern wegen des 
Mahlens in der Stiftsmühle ericheint. 
Mit Einziehung des Stifts durd Kur: 
fürft Friedrich den Fronmen fam das 
Hofgut 1565 in den Befig von Kurpfalz, 
die ed, nad) dem Gefällregifter (Kreis— 
arhiv Speyer), an Zohann Klein als 
Pächter überließ. Ta fich hierbei an- 
fcheinend Schwierigkeiten ergaben, wur: 
den die bebauten Ländereien ansgefondert, 
gegen den umgebenden Wuld mit zehn 
Steinen abgegrenzt und unter Herzog 
Johann Caſimir (1583-1592) an 
Konrad Schüller auf Eigentum ver 
äußert. 

Über diejen Verkauf und die da- 
maligen Berhältniffe „überhaupt geben 
uns die genauen Grenzbeforihungen der 
Eurpfälziichen Forſtmeiſter Philipp Bel- 
mann und Friedrich Carll von Germers: 
heim aus dem Jahre 1600 bezw. 1609 





intereffante Aufihlüffe.*) Die Nieder: 
laffung hie damals ſchon Breinerhof**) 
und beftand aus einem Wohnhaus und 
Drfonomiegebäuden, nebſt zugehörigen, 
gegen den Wald ausgefteinten Adern, 
Willerung (= Dedung und Gejtrüpp), 
einer Eleinen Wieje und etwas Garten. 
Auf dem Hofe war ein tiefer Brunnen, 
aus dem dad Wafjer mit einem Mad 
gewonnen wurde, außerdem eine Waller: 
galle (Tümpel auf undurchläſſiger Sicht), 
die in feuchten Jahren als Viehtränke 
benugt werden konnte, in trodenen Zeiten 
jedoch verfiegte. Gegen das Wıld und 
die hHerumichweifenden Pferde (vergl. 
Pfälz. Rundfhau vom 13. September 
1902) waren die Felder durd einen 
Zaun geihügt, der aber, laut Kaufver— 
trag, nicht höher wie fünf Fuß fein 
burfte. Dagegen hatte Conrad Schüller 
Anſpruch auf unentgeltlihen Bezug von 
Bau, Geihirr- und Brennholz nad) An- 
weilung der Forſtknechte, ſowie die Er- 
laubnis zum Weidetrieb mit Schweinen 
und Rindvieh, nicht allein im Bremer-, 
fondern aud im ganzen Stiftswald, „io 
Bott das Gemäld jegnet und mit Edern 
begabet.” Biegen und Schafe zu halten 
war ihm wegen der von diejen Tieren 
verurfahten Schädigung der jüngeren 
Waldbeftände unterjagt. Außer dem 
Hofbefiger war niemand im Bremer 
Stiftswald berechtigt, auch nicht die 
Lauterer Bürger, welde im Stiftshnupt- 
wald größere Nutnießungen Hatten. 
Falls ein Unbefugter mit einer Säge 


*) Diefe beiden Grenzbefchreibungen der 
Ländereien und Waldungen des früheren Stifts 
Lautern haben anfcheinend nur in einer einzigen 
——— welche jetzt auf dem Daubenborner- 

of verwahrt wird, die Stürme der letzten drei 
Jahrhunderte überbauert und find infofern wichtig, 
al® auf Grund derfelben nicht allein die Hof: 
befiter zu Anfang des vorigen Jahrhunderts ihre 
Ansprüche auf Nutungen im Stadtwald geltend 
machen und die Eintragung im Grundbuch als 
deſſen einzige dauernde Betaftung bewirfen konn⸗ 
ten, fondern die Stadt Kalſerslautern felbit in 
ihrem langtvierigen Prozeß gegen den bayeriichen 
Staat wegen der Rechte im Stiftshauptwald ſich 
auch diefer Urkunden als Bemeisjtüde bediente 
und ein obfiegendes Urteil gewann. ; 

**, Huch Bremerbof geichrieben; ber Pfrim— 
merbof bei Breunigweiler führte mehrere Jahr— 
hunderte, bis die — Schreibart wieder 
in Aufnahme kam, benfalls dieſen Namen. 





im Bremer Wald ertappt wurde, hatte 
er den Fahgulden zu entrichten und fich 
vor dem Stiftsſchaffner im Beifein des 
Oberamtmannes zu verantworten. 


Mit der Grenzbegehung wurde am 
16. Mat 1600 unter Zuziehung nament: 
(ih aufgeführter f£urpfälziiher und 
ftädtiicher Beamten bei den Stein am 
Lepberg. oben am Pfaffenborn, neben 
dem Aſchbacher Brad begonnen und die: 
jelbe bergabwärts am Reichswald entlang 
durch das Fleine und große Lämmleins— 
tal (Dunkeltälchen) bis zum Bınfelitein, 
einem Biermarfer an der Walditraße 
nad dem Humberg, fortgeiegt. Bon 
bier aus ging es danı wieder ſüdlich 
talauhvärts, den Begenberg, Jungwald 
und das Premierlod; (Bremerlod) links 
laffend an einer bereit3 damals auf 
gegebenen Ziegelhütte vorbei, die Hohl 
hinaus zum Dreimarfer zwiſchen Hum- 
berg und Letzberg und über deffen Kamm: 
höhe wieder zum Pfaffenbovn; hierbei 
wurden die einzelnen Grenziteine genau 
beſchrieben und die fehlenden eriegt. Der 
Wald beitand auf der Höhe aus Buchen 
und Hainbuchen, am Abhang außer den 
genannten Holzarten und Eichen und 
Aipen, hauptſächlich aus Kiefern und 
barg Rot: und Schwarzwild, ferner einen 
Wildhag und zwer Sohle. Kurpfalz hatte 
als Rechtsnachfolger des aufgelöften Stifts 
und umbejtrittener Beſitzer in ihm die 
Eihelnugung, Hagen und Jagen, konnte 
aber wegen der niedrigen Holzpreiſe 
wenig Vorteil daraus ziehen. (Bergl. 
Pfälzer Muſeum 1904 ©. 87.) 


Heute wird diefer, 130,655 Hektar 
umfaffende und ganz tjolierte Staats— 
wald vom Forſtamt Kaiſerslautern-Weſt 


“ (Reichöwald) mit verwaltet, da jeine An— 


gliederung an das Forſtamt Stiftsrwald 
wegen der räumlichen Entfernung mit 
Schwierigkeiten verfnüpft it. 

Außerdem gehörte damald dem Stift 
der vordere Teil des zu feiner Zeit noch 
mit Wald bededten Begenberges. welder 
vom Hinkelitein, den großen Lämmches— 
tal (anı Waldſchlößchen), Kohlbruch, einem 
an den Stadtmwiejen entlang führenden 
Pfad zum Kniebrech, dem Asbacher Weg 
zwiichen Erbisberg Erbſenberg) und 
Betzenberg, und der über des letzteren 
höchſte Erhebung hinab zum Hinkelſtein 
führenden Stadtwaldgrenze gegen die An« 
ftößer geichieden wurde. Er war mit 
Kiefern beitanden und an den Hängen 
mit Geſtrüpp befleidet, in dem ſich gerne 
Hafen und Füchſe aufhielten; die legten 
Nefte diefes Waldes bildeten bis in die 
Mitte des vorigen Jahrhunderts eine 
Gruppe von 3 Kiefern, die jogenannten 
„Jungfernkiefern“. Da dieſes Gelände 
ih jegt in Privatbejig befindet, muß 
die Veräußerung durch Kurpfalz ſeit dem 
Jahre 1609 ftattgefunden haben. Durd 
die großen Steinbrudanlagen und den 
Bau der Eifenbahn hat diefer Teil des 
Betzenberges ein ganz anderes Ausjehen 
gewonnen, der Bremer Stift3wald aber 
fpendet noch heute dem Erholungsbedürf- 
tigen und Ausflügler feinen erquidenden 
Duft und Schatten. 


Ein alter Turm in Eifenberg. 


Wie die meiiten Ortichaften der Hardt» | 
täler an den Ausgangspforten zur Rhein-⸗ 
ebene noch Überreſte von mittelalterlichen 
Befeftigungen aufweifen, jo finden ſich 
beionders nody Spuren und Überbleibiel 
von Ummallungen, Mauern und einigen 
wenigen Türmen in den Orten, die am 
Ausgang des von einer Schon zur Nömer: 
zeit und beionders im Mittelalter jehr | 
belebten Straße durchzogenen Cistales 
tegen. So hat das induftrielle Eiſen— 


berg zwar, von außen betrachtet, heute 
durch feine zahlveihen Neubauten faft 
das Anſehen einer Neugründung; durch— 
wandert man aber den Flecken, fo findet 
man doc über dem Boden noch manden 
Überreft aus längit vergangenen Zeiten. 
Freili mußte der frühere Kirchenbau 
mit feinem altehrwürdigen Turme im 
Jahre 1898 einem Neubau Plag macen ; 
allein noch ein Turm der früheren Be» 
feftigung vagt aus dem Häuferhaufen 


hervor. Es iſt dies der jogen. Storchen- | deifen Abbau man im vorigen Jahre 
turm, auf welchem Dorfgenofje Udebar | auf drei Seiten (DOften, Süden, Weiten) 
jeine Sommerwohnung wohl Fahrhuns | dem Mauerwerk auf 1,5 bi8 2 Meter 
derte hindurch aufgeichlagen hatte. Mag | nahe gekommen ift, während die Nord» 
der bejagte Turm nun zur Ortöbefeiti- | jeite des uriprünglidyen Bodens, ein von 
gung gehört haben oder eine Warte bezw. | Bäumen umgrenztes Gartenland, noch 
Signalturm geweien jein, er bietet des | erhalten iſt. Ein ſolch denkwürdiger 
Interefjanten genug, um durd eine flüch- | Turm ſollte erhalten bleiben, weil er 
tige Beſchreibung desjelben jeiner Er- | der einzige bedeutende Überreſt aus der 
haltung das Wort zu veden. Der fog. | Vergangenheit Eifenbergs ift und zudem 
Stordienturn zu Eifenberg — in dem | außerhalb des Verkehrsweges fteht, weil 
Eijfenberger „Met: und Bemwandnis: | er alle harakterijtiihen Merkmale mittel: 
Protokoll von Fahre 1743” der „gemeine | alterlicher Türme aufweift; weil er im 
Zurm” genannt — iſt rund. Sein | Gelamtbilde des Fleckens eine bedeut- 
Mauerwerk hat eine Höhe von 12 Meter, ſame Stelle einnimmt und weil hier ſpäter 
jein fegelförmiges, mit Rinnziegeln ver- | eine Eleine Anlage mit ſchönem Ausblid in 
jehenes Dad) eine joldhe von 5 Meter; das äußere Eistalmit feinen ſchmucken Dör- 
der äußere Turchmeſſer beträgt 5,45 und | fern wie in die Aheinebene bis zur Berg- 
der innere 3,5 Meter. Das Innere iſt ſtraße geichaffen werden fann. Zum 
in drei Gejchofje geteilt, von denen das | Schuge des zwar nicht baufälligen, aber 
unterfte ein Gewölbe aus Brucdhjiteinen | einer gründlichen Reparatur bedürftigen 
dedt. Das Mauerwerk it von zweier: | Turmes ift es nötig, die bedrohten drei 
lei Scießiharten, nämlich von ſog. Seiten durch Mauerwerk zu jchügen, die 
Schlüfjeliharten (für fFeuergewehre) und | Riffe im Mauerwerk auszufüllen und 
von freuzförmigen, den franzöfiichen | zu verpugen, die Bedahung gehörig aus: 
Armbruftiharten ähnlichen Scieköff: | zubeffern und das nod) a Brad Stüd 
nungen durhbrohen. Zum Erdgeſchoſſe, Gartenland auf der Nordjeite anzu— 
führt eine Türe; unter der Bedahung | kaufen (das heißt, den jegigen Beſitzer 
befinden ſich große, rechtedige Tichtungen. | entiprehend zu entichädigen) und das 
Die Eingangstüre wird durch ein vom | Ganze fo gut als möglich in feiner Ur- 
dritten Geſchoſſe aus bedienbares Guß- | iprünglichkeit zu erhalten. Die Eilen- 
loch, eine jog. Pechnaſe, geihügt. WBon | berger, welche ja auch wie alle Bewohner 
diefem aus Fonnte man entweder mit | unjeres ſchönen Pfälzer Waldgebietes 
den Einlaß begehrenden Perſonen ver- | auf regen Touriftenverfehr rechnen, jihern 
ehren oder auf Angreifer Steine werfen | fih durh Erhaltung des Platzes mit 
oder Pech, heißes Waſſer und dergleichen | feinem geichichtlihen Denkmale den Dank 
gießen. Der Zurm wurde aljo mit | der Fremden; fie befunden dadurch an« 
allenı ausgejtattet, waS zur Verteidigung | erfennenswerten Sinn für die geichicht- 
eines jolden Bauwerfes im Mittelalter | lihe Vergangenheit ihres Wohnortes 
erdadt war. Er fteht etwa 12 Meter | und eriparen fich auch den Borwurf ihrer 
über der Talſohle am nördlichen Ab: | Nachkommen, ein charakteriftiiches Merk: 
bange des Tales auf einer ca. 6 Meter | mal ihrer Heimjtätte in gleichgiltiger Weife 
diden Schichte von KHlebjandftein, mit | bejeitigt zu haben. 


Ber CFambrechter Geisbock. 


Der Fortbeſtand mancher noch heute | des Lambrechter Bockes. Die Bürger 
gangbaren Gerechtſame ift gewöhnlich | diejes betriebfamen Fabrikortes genieken 
bedingt durd einen Tribut, defjen Ab- | in den Deidesheimer Waldungen das 
leiftung aljährlih um die Pfingitzeit zu | Weideredht, wofür fie den Deidesheimern 
geichehen Hat. So ift es auc im Falle | jährlid auf den Pfingitdienstag einen 


u Te; 


Hammelbock abliefern müfjen. Der muß | unter Abfingen eines zu diefem Zwecke 
jung und ſtark und gut beichlagen fein | eigens verfakten „Geisbockliedes“ in das 
und zugleid, was ein Haupterfordernis | Gaithaus „zur Krone”, feinem Abjteige- 
des Uebereinkommens ift, vom jüngjten | quaxtier, geleitete. Bor einer entfandten 
der Lambrechter Bürger eigenhändig ge | Kommiſſion auf feine Tauglichkeit ge: 
führt jein und Schlag vier Uhr morgens | prürt, wurde er den verlangten Eigen: 
auf dem Marktplaße zu Deidesheim ſtehen. ſchaften entſprechend gefunden, ange: 
Der Stadtrat umd natürlich zahlveihe | nommen und dem Führer das hiſto— 
Zuſchauerſchaft empfängt die Ankömm— riſche Käſebrot und eine Flaſche 
linge und das Tier wird unter lebhaftem Deidesheimer verabreicht. Nachmit— 
Intereſſe der Anweſenden ſpäter ver- | tags punkt 246 Uhr hörte man Glocken— 
ſteigert. Der Fußweg beträgt etwa drei | geläute, das Zeichen des Beginnes 
Stunden; die geringfte Berjpätung jollte | des BVBerfteigerungsaktes. Lange 
die Lambrechter ihres alten Rechtes ver» | vorher fchon hatten fich die Straßen und 
luftig gehen laſſen. Nun gab es freilih | Pläge um das Stadthaus mit Menfchen 
mehrmals Beripätungen und es Fam | angefüllt. Auf dem Stadthauje fanden 
jogar zum Prozeß, jo daß diejelben eins ſich Stadträte ein, pflihtgemäß Zeuge 
mal ſieben Böde mit ficben Führen | des Borganges zu fein. Nah Ver— 
nad) dem Nachbarſtädtchen abihiden | (ejen der Urkunde wurde zur ab» 
mußten. mwechjelungsreihen Auktion geichritten, 
Wie alljährlich am Pfingitdienstag, | die beim Verftummen Glode, Schlag 6 Uhr, 
entledigte jich auch heuer wieder die Stadt | beendet war, woher dem Legtbietenden zu 
Lambrecht ihrer Pfliht. Bor Sonnen: | 40 Mark zugeichlagen wurde. Nach— 
aufgang war der Bock vor Deidesheim | dem zog fi das Publikum in die ver- 
erſchienen, mojelbft feiner eine große | jchiedenen Wirtichaften zurüd, um den 
Anzahl Neugieriger harrte und den reich: | Neft des Tages bei Bodbier und Bod- 
befränzten, diesmal in reichem SKoftüm | würften zu verbringen. 
erichienenen neuen Deidesheimer Bürger 


Bimmelserfcheinungen. 

Sonnenfleden fieht man jegt unter | über unjere Pfalz niedergegangene Un— 
Anwendung der im 7. Hefte beichriebenen | wetter hat Tauſende von Winzer am 
Mapregeln eine große Zahl, darunter |; Rande des Gebirges aufs Schwerte be- 
jolhe von größerer Ausdehnung als der | troffen und außer der Ernte auch die 
auffälligite Doppelfled unfere® Bildes | Weinreben zerichlagen. Eisftüde bis 
Seite 53 (lint8 am Rande). Die riefig | T cm Größe und darüber haben auch 
angewachſene Tätigkeit auf der Sonne | die eingefleiichteften Anhänger der meteoro- 
mag an der abnornen Hige der legten | logischen Hageltheorie überzeugen müſſen, 
Wochen unmittelbar mit Schuld tragen. | daß jolde Kataftrophen kosmiſche Ereig- 

Hagelihläge erichredenden Um: | niffe find und nicht Meteore aus unferer 
fangs haben in der legten Zeit im weit: | eigenen Atmojphäre. 
lichen Mitteleuropa übel gehauft. Das 


DInbdalt: Zur Entjtehungsgefchichte ded Speyerbaches. — Der Bremerbof und das frühere 
Stiftsgnt. — Ein alter Turm in Eiſenberg. — Der Lambrechter Geisbock. — Himmels— 
erſcheinuugen. 








Schriflleiter: Lehrer ph. Sauth, Landituhl — Hermann Kayfer's Verlag, Kaiferslautern. 
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafjer verantwortlich. 


Die „Pfälztiihe Helmattunde* koſtet jährlich in 12 Heften mt. 2.50, — werden von allen Buchhandlungen ıub 
Pofanflalten ferner vom Berleger (Bortefreie Etreifbandiendurg) angenommen. 


I. Jahrgang. 


ws :®: 


(JPALZISCHE FIEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


EMWANNHEICH- 


Nummer 12 





Oktober 1905. 


7 


Betradytungen über das Hagelmetter im Bezirke Landan. 


Am 10. Auguft legthin wurde ein 
frudtbarer Teil der gejegneten Vorder: 
pfalz in tiefe Trauer und in begründete 
Sorge um die Zukunft vieler Eleinen 
Eriftenzen verjegt, ald3 ein Hagelwetter 
von ungewöhnlicher Stärke und Dauer 
Ernte und Weinreben vernichtete. Solde 
nicht vorherzufehenden und überhaupt un: 
abwendbaren SKataftrophen haben das 
einzige Gute, daß fie ſtrichweiſe auftreten 
und, wenn fie jih überhaupt weithin 
eritreden, einen ziemlich ſchmalen Weg 
nehmen. Hagelfälle an ſich find nichts 
Seltenes; aber ſolche von ſchlimmeren 
Wirkungen bleiben wohl regiitriert, und 
fo meldet uns das Tagebuch einer Wachen» 
heimer Winzerfamilie vom 29. Mai 1849 
ein „ſchweres Gewitter mit Scloßen 
und berſchwemmung“, nachdem auch 
der April 1847 ſich über eine Woche 
lang mit Sturm und Hagel ausgezeichnet 
hatte. Am 4. Oktober 1849 fand gleich— 
falls jo jchwerer Hagelichlag ftatt, „daß 
in Mußbach und Gimmeldingen jchnell 
geherbitet werden mußte.” Am 2. Sep- 
tember 1857 ging „ein ſchweres Gewitter 
mit Schloßen“ über Forit und Deides- 
heim nieder, fo daß die herunter- 
geichlagenen Trauben aufgelefen und 
ſchnell geherbitet werden mußten; das 
Wetter braudite einige Tage zur Wieder: 
heritellung des Gleichgewichtes in den 
atmosphäriihen Borgängen. Wir fügen 
aus unten erhellenden Gründen hinzu, 





daß Ende November 1858 ein unge 
wöhnliher Eisbruch zahlreihe Bäume 
vernichtete. Am 10. uni 1859 fonden 
ihwere Gemitter ftatt über Ddinstal, 
Forſt und Deidesheim, „daß es geflößt 
bat.” Was unter legterem Ausdrucke 
zu verfteben fei, ift an Hausmarken in 
Forſt, betreffend die Höhe der Hoch— 
waſſer, zu entnehmen! Der 2. Auguft 
1861 bradte wiederum „ichweres Ge: 
witter mit Wafjersnot vor der Burg“, 
d. i. aus dem „Wachenheimer Tal” 
heraus. Am 21. Auli 1865 war „ein 
merfwürdiger Sturm, der Bäume umriß, 
Frucht fortjagte (d. h. Kornhaufen ver: 
wehte), und das Obſt von den Bäumen 
ichüttelte.” Der 28. Juli 1868 brachte 
„ein Gewitter mit Überſchwemmung, daß 
bei Deidesheim eine Mühle und ein 
Wappenhammer (— Gerätichaftenichmiede) 
zerftört wurden und zwei Menichen er: 
tranfen.” Die Kataftrophe beim Wappen- 
hammer eriftiert noch in lithographiicher 
Daritellung. Am 26. Dftober 1870, 
zur Zeit des vielbeiprodhenen Eriegeriichen 
Aufruhrs in der Atmojphäre, hatte die 
Begend einen Orkan, „der Bäume aus: 
riß“ und in jeltfamer Laune die maifive, 
mehrere Zentner wiegende Kreuzblume 
vom gothiichen Turme der Schloßkirche 
zu Dürkheim herab durch Kirchendach, 
Gewölbe und Orgel hindurch fchleuderte. 
Da diefer Steinflog mit Ddider und 
langer Eijenftange eingejegt war, muß 


ihn der Sturm im Wirbel ſenkrecht 
herausgehoben haben, was um fo mehr 
zu verwundern ift, ald der Stein wenig 
Angriffsflähe bot. Anfangs Juni 1872 
und vom 4, bis 11. Juli 1875 und vom 
13. Juni 1877 werden „ichwere Gewitter 
mit Überfchwemmungen“ notiert; am 
4. Juli 1877 zugleich: „eine Windhoje 
hat in den Gemarkungen Bönnheim und 
Ellerftadt Bäume und Reben mit Stie- 
feln (d. i. Wingertspfählen) und Balten 
(d. i. Holzleiften zur Befeftigung der 
Neben) ausgeriffen.” Im Auguſt des 
Jahres 1885, das mit der für die Rhein— 
orte um Ludwigshafen jo ſchlimmen 
Neujahrsnaht -— Dammbruch und Über: 
ſchwemmungen — begonnen hatte, gab 
ed „ringsum ſchwere Gewitter mit 
Schloßen und Wafjersnot.* Hier ſchließt 
das eingangs erwähnte Tagebuch; wir 
legen an das Ende der Lüde bis heute 
ein ungewöhnliches Hagelwetter am 11. 
Auguft 1904, das hauptiädlich einige 
Drte des „Landftuhler Bruches“ böſe 
mitnahm, und endlich die SKataftrophe 
vom legten 10. Auguſt. — 


Aus der trodenen Aufzählung von 
bedauerlihen SKalamitäten wollen wir 
etwas lernen, damit die Sache einen 
auftlärenden Anhalt gewinnt. Zunächſt 
ift es längjt erkannt, daß Hagelfälle am 
häufigſten zu nn erhöhten Auf: 
ruhrs auf der Sonnenoberflähe vor- 
kommen. Sodann wollen wir und über- 
zeugt halten, daß die oben angeführten 
Fälle nicht bloß in die Monate hödjiten 
Sonnenftandes, ſondern auch im die 
Jahre größter jolarer Tätigkeit fallen; 
denn dieje waren 1847,49, 185761, wo: 
bei da8 Jahr 1865 dicht Hinter ein 
nohmaliges® Auffladern der Son- 
nenfledenbildung fällt, 186972, wobei 
1872 ein zweites Marimum dev 
Flecken ftattfand. 1875— 77 zwar trifft 
auf das gänzliche Abflauen dieſer Tätig: 
keit, was aber „Nachzügler“ von be- 
fonderer Wirkung nicht ausſchließt. 
1883 und jegt wieder 1904,05 bedeuten 
neuerdings genau Marina der Sonnen 
fleden. Es follte uns nicht wundern, 
wenn andere Notierungen aud für die 
Jahre 1891 — 95 ungewöhnliche Wetter: 





ftürze und Sataftrophen in den betr. 
Sommern verzeichnet hätten. 

Nun fallen auch die Zeiten vorzüg- 
lihen Weinertrags gerne in die Nähe 
der Marina der Connentätigfeit, was 
die Statiftit Schon längſt herausgebradt 
bat; aber es jceint, als müfje „ein 
gutes Weinjahr” immer im Zeichen der 
Furcht vor Hagelihäden ftehen. Um 
über dieje und gerade die letzte Kata— 
ftrophe etwas Elarere Boritellungen zu 
befommen, wollen wir uns erinnern, 
was die Meteorologie zu jagen weiß; 
ed wurde meulih von berufener Seite 
dahin zujammengefaßt: „Über die Ent- 
ftehung des Hagels find die Anſichten 
zwar noch nidt völlig geklärt, 
aber ed wird jett allgemein ange- 
nommen, daß die Hagelbildung mit 
dem Borhandenjein überkalteter, d. h. 
unter 0° abgefühlter, aber noch flüffiger 
Nebeltröpfchen in 3000 bis 6000 m Höhe 
zulammenhängt. Fallen aus einer höheren 
Cirruswolke Schnee: oder Eiskryſtalle 
durch eine derart überfaltete Wolke Hin- 
durch, Jo werden fie ſich während des 
Fallens zu je nad) der Dide der Wol- 
fenichichte mehr oder weniger großen 
und mitunter unregelmäßig geformten 
Hagelkörnern vergrößern. Die über: 
Ealteten Wolfen verdanken ihr Bor- 
handenjein zweifellos dem bei jedem 
Gewitter zu beobachtenden lebhaften Auf: 
triebe der unteren, mit Feuchtigkeit be- 
ladenen Luftmaſſen.“ (Naturw. Wochen: 
Ihrift 36.) Zweifellos ift bier nur das 
Eine, daß die Wiffenjchaft hier mit An- 
nahmen ausfommen muß. Scon die 
allererite Überlegung, wie Cirruseisnadeln 
und »wolfen in Höhen von 10, 20 — 
ja jogar 82 km hinauffonmen jollten, 
(denn die jog. „leuchtenden, filberglän- 
zenden Nachtwolken“ am Mitternacts: 
borizonte der Hochſommernächte find 
nichtS anderes als irren), macht die 
myſtiſche Erklärung des Hagels nicht 
Elarer und glaubwürdiger. Cine ganze 
Reihe meteorologiiher Ertremfälle, zu 


denen nicht bloß Hagelfataftrophen mit 


fauftdiden Eisbroden, jondern aud) 3. B. 
die Zaifune, Orkane, Hurrikane und 


' eine gewiſſe Klaſſe tropiiher Wollen: 


brüche von weitefter Ausdehnung ge 


hören, weifen darauf hin, daß bier kein 
terreftriiher Borgang, der in umnferer 
Atmorphäre entiteht und verläuft, erlebt 
wird, jondern daß ein kosmiſcher Eis- 
zufluß von beſtimmter Form den Anjtoß 
zu jenen Revolutionen gegeben hat, die 
wir unten an der Erde, am Grunde 
des Quftozeans, mit allerlei jchreden- 
bergenden Namen belegen. Man jollte 
den geehrten Fachleuten nicht zutranen, 
daß fie io geiftreihe Annahmen, wie 
oben mitgeteilt, nur Für möglid halten; 
jeder einigermaßen vorgejchrittene Mittel: 
ſchüler dürfte nachrechnen können, daR 
die Dagelitüde, die — umseretwegen in 
8000 m entitehen jollen, noch Feine 
Minute allzeit brauchen, um unten 
anzufommen. Die „Cirren“ genannten 
Eisnadelwolken aber ſchweben majeftätiich 
langſam nieder, können alſo die plößlich 
aus überkaltetem Wafler entitandenen 
Hagelförner gar nicht durd) ihr Material 
vergrößern, weil dieje der Region der 
Eisnadeln pfeilſchnell enteilen; zudem 
fpricht die verhältnismäßig geringe End- 
geichwindtgfeit felbit der gröberen Eis: 
ftüde gegen die Eniſtehung in großen 
Höhen, und fo ift und bleibt es ein 
Rätſel, wie trogdem fauitdide Eisbroden 
herunterfallen können — ein Rätſel, 
jolange man der bisherigen „Annahme“ 
zuftimmmt. Wir haben eine Reihe von 
Ericheinungen für unjere Anſchauung 
ipreen laffen, duß in allen Fällen, 
welche dem Unglüde vom 10, Auguft 
ähneln, der kosmiſche Einbruc von Eis 
in unſere Atmoſphäre vorliegt, über 
deffen Herkunft, Verlauf und Bertodizität 
uns auszulaffen einer anderen Gelegen« 
heit vorbehalten bleiben mu. Wenn 
der Metevrologe zugeiteht, daß in etwa 


9 


3000 m Höhe der Dampfgehalt unferer 
Luft in Eis übergeht, jo kann er uns 
auf der anderen Seite nicht zumuten, 
zu alauben, daß der Eisftaub der Eirrus: 
wolfen auf dem Wege des Auftriebes 
bi8 in ungemefjene Höhen der Eonita- 
tierten Girrenfchleier gehoben wurde: 
das ift Material von außen, aus dem 
Weltraum. Kommt es in der zarten 
Form des Eisftaubes, jo iſt die Folge 
Abkühlung, bededter Himmel, Deprej- 
fionen, Regen; fommt das Eis einmal 
— und aus guten Gründen — grob, 
jo fett e8 Hagel in allen Abſtufungen, 
bis zu Dimenfionen, die wir „leider zu 
erfennen Gelegenheit hatten. Niemals 
hat ein Meteorologe das Auffteigen von 
Eisſtaubſchichten verfolgt, nurda8 Herab- 
ihweben; fie jtehen beim heiteriten 
Wetter plöglih am ganzen Himmel 
und einen oder zwei Tage darauf gibt 
ed Abkühlung. Auch die Eirrenhäufig- 
keit geht den gleihen Gang wie die 
Sonnenfleden; darum treten fie wohl 
heuer fo ſtark und mit jo unheimlicher 
»Begleiterfcheinung auf, Man wird jomit 
auch den in den November 1858 — alſo 
mitten ins Sonnenflefenmarimum — 
fallenden Eisnadelüberihuß und Schnee- 
bruch, den wir eingang3 miterwähnt 
haben, nicht ungewöhnlich oder gar un— 
erklärlich finden. Gegen den Tod iſt 
fein Kraut gemahlen; aud gegen Hagel- 
kataſtrophen gibt es fein Abmehrmittel. 
Sie kommen unangesneldet, wenn aud 
ihre größere Häufigfeit vorauszu- 
ſehen iſt. Es ift Pflicht der Nichtbe— 
troffenen den Heimgeſuchten beizuſpringen, 
denn mit größerem Rechte als vom Blig- 
ſtrahl kann man von einem Hagelſchlage 
jagen, er treffe ein „ohne Wahl”. 


Stahlberg. 
Bon der Station Dielfirchen im | an dem idplliich gelenenen Neubauferhof) 


Alfenztal gelangt man links der Alienz 
auf ſanft anfteigender, gut gehaltener, 
aroßenteild durh Wald führender Land— 
itraße, von welder aus auf halber Höhe 
dem Wanderer fih die ſchönſte Ausficht 
ins Alfenztal hinab bis nad) Münfter a. ©t. 
bietet, nad fajt einftündiger Wanderung 


vorbei in das mitten im Walde hoch 
auf dem Berge gleihen Namens liegende 
Stahlberg (305 Einwohner). In 
dieſem jegt stillen Dörfchen herrichte 
einjt infolge der auf dem Stahlberge 
betriebenen Silberbergwerfe veges 
Leben. Über dieje Silberbergwerke ſoll 


im Nacjfolgenden etwas ausführlicher 
geiprochen werden. 

Stahlberg, früher zur Pfarrei Rans— 
weiler, jett zur Pfarrei Dielkuchen ge: 
hörend, iſt Schon 1360 in einem Etreit 
Heinrichs NM. von Sponheim mit Graf 
Wilhelm von Katzenellenbogen erwähnt, 
wobei unter andern auch ein Werner 
Kerbils von Stalberg Schiedsrichter 
war. Weiter iſt Stahlberg genannt in 
einer Urkunde von 1448, nach welcher 
der Ertrag des dortigen großartig be— 
triebenen Queckſilberbergwerks auf dem 
Stahlbergerwalde in 2 gleiche Teile ge 
teilt wird; ein Zeil erhält der Herzog 
von Zweibrücken, in den Reit aber 
teilten fih Rauhgraf Otto und Junker 
Wyrih von Dun-Oberftein. Das pfalz: 
zweibrüdiihe Haus beſaß nämlich aus 
dem veldenzer Erbe ein Drittel an der 
raubgräflichen Veſte und Herrichaft Stol- 
zenburg an der Alſenz, während die 
beiden anderen Drittel noh an Bhilipp 
von Dun, Herr zu Oberftein und 
Falkenftein, jowie an Wygeln von Elee: 
burg „ielig” verpfändet waren. Rechts 
der Alfenz, eine Biertelftunde von Bayer: 
feld, ift hoch auf dem Berge eine Erd: 
erhöhung, um die fih Gräben zieben. 
Hier ftand die Stolgenburg, deren An 
fänge ins 12. Jahrhundert reichen; fie 
war in älteiter Beit ein Neirslehen, 
zur Rauhgrafſchaft gehörend. Schon 
Naubgraf Georg I. von Altenbaumburg 
“befaß die von Trier lehensabhängige 
Feite Stolzenburg und nennt fich auch 
„Braf von Stolzenburg und Stolzen- 
berch“ 1253— 1309 (zwiichen Cöln und | 
Stedweiler, mit Dietentirchen, Burfeld, 
Steingruben 2c.). 1358 verjegte Rauh— 
graf Wilhelm den Grafen von Leiningen 
einen Zeil des zu Stolzenberg gehörigen 
Waldes „Steigelberg* (Stahlberg) und 
feiner Schweſter Söhne und Erben 
Philipp und Conrad von Bolanden ver: 
pfändeten 1364 dem Grafen Walranı 
von Sponheim ein Drittel von Stolzen: 
berg für 2000 fl. und 1367 verkauften 
fie dem Grafen Heinrich von Veldenz 
(wurde auch 1368 von Kaifer Karl IV. 
förmlich damit belehnt) mut Vorwiſſen 
der obengedachten Grafen von Yeiningen 
ihren Anteil anı genannten Walde zu 











92 


Stahlberg um 900 „florenzer” Gulden 
auf Wiedereinlöjung; 1356 erwarb dann 
Heinrich von Veldenz wieder ein Drittel 
von Stolzenberg, welche Zeile nie ein: 
gelöft wurden; ſonach kamen dieie Teile 
durch die Erbtochter Anna von Beldenz 
an Etephan von Zmweibrüden. 

1514 faufte Herzog Alerander von 
Aweibrüden die Stolzenburg von dem 
Haubarafen Hubert und Engelbrecht 
von Selm un 500 rheiniihe Gulden 
und Zweibrücken erhielt jo wieder einen 
weiteren Teil der Herrichaft, der on den 
von Gleeburg verjegt war, bejonders 
Bayerfeld, Stedweiler und Stahlberg 
allein; die übrigen Dörfer blieben mit 
alkenftein geteilt, Zweibrücken zwei 
Drittel, Falkenitein ein Drittel z. B. Diel: 
firhen, Cöln und Steingruben. 

Tie Burg zu Stolzenberg wurde 
1471 von Ehmfürft Friedrich I. erſtürnit 
und liegt feitdem in Trümmern (jet 
Etolzenbergerhof mit Holzberechtigung 
auf dem Gtahlberg), Was nun Haupt: 
ſächlich den Stahlberg betrifft, jo erteilte 
Herzog Wlerander von Bweibrüden zu 
Anfang 1514 im Berein mit jhon oben» 
genanntem Philipp von Dun, Herr zu 
Dberitein und Falkenſtein, einer beſon— 


' deren Gejellichaft eine förmliche Berg: 


ordnung „um die in diefev Herricait 
befindlichen ergiebigen Werfe auf dem 
Stabhlberge und Selberge zum Beiten 
de8 Landes und der Ilntertanen, zur 


ı Förderung des Wohlftandes und der 


Anduftrie fräftiger und zweckmäßiger 
betreiben zu können.” Auf dem Selberg 
und bejonders auf dem Stahlberg wurde 
bis 1514 hartes, gediegenes Silber ge- 
baut, ſpäter nur Quedfilber, „mweilen 
man nicht die rechten bergveritändigen 
Leute gehabt Habe.” Später blieben 
dieje Werfe ganz liegen, bis der Herzog 
ein „neues Privileg, Gnad und Freiheit 
zum Betrieb des Bergwerkes gegeben 
und erterlet“ und alddann die Gewerke 
wieder die Arbeiten in Angriff nahnıen. 
Weil nun aber die rauhgräfliche Familie 
feither in derjenigen der Grafen von 
Selm aufgegangen war und dieje von 
der alten Raubgrafihaft ſonſt feine 
Beiigungen bier herum hatten, jo ver: 
äußerten (cf. oben) die Rauhgrafen 


93 


Engelbredt und Hubert, Gebrüder und | in Meifenheim anzulegenden Münzjtätte 


Grafen zu Selm, an den Herzog von 
Zweibrüden und jeine Erben und Nach— 
fonmen 1514 das an den von Eleeburg 
verjegte Dritteil von Stolzenburg mit 
allen Zubehörden und für erb und eigen 
un 500 ſchlechte Gulden zu 24 Albus 
und un 100 Gulden unter den jonft 
gebräuchlichen Berfaufsbedingungen. Mit 
den Grafen von Dun und Falkenſtein 
aber hatten die Herzöge von Zweibrücken 
wegen der Bergwerköverhältniffe lange 
Zeit großen „Hader und Späne, Zwei: 
ungen und Miſſel“, bis durch VBermitt- 
lung von Churfürſt Ludwig VI. von der 
Pfalz 1521 ein Vergleich zuftande kam 
zu  beiderjeitiner AYZufriedenheit: den 
Grafen jollte der vierte Teil aller Erze 
aus dem Bergwerk zuftehen und ihnen 
beim Verkauf des Zehuten jedesmal ver- 
abfolgt werden, jowie fie auch ein Viertel 
aller Frevel, die dajelbit — jedoch außer: 
halb der Bergordnung — jährlich fallen 
würden, zu genießen haben follten; 
handle aber jemand gegen die Bergord: 
nung und werde deöwegen dur den 
Herzog beftraft, jo müſſe jenem ebenfalls 
der vierte Teil diefer Strafgelder werden, 
während der Pfalzgraf die übrigen 
Frevelgelder allein zu beziehen habe; 
überdem ftünde denen ron FFalkenftein 
jonft durchaus feine Obrigkeit oder Recht 
an jene® Bergwerk zu. (Datum Heidel: 
berg uff Dienstag nad) Barthalemmi 
anno Domini Millesimo quingentesimo 
vicesimo primo (1521), 27. Auguft). 
1560 bejtätigte Herzog Wolfgang von 
Zweibrücken die früheren Ordnungen, 
Rechte und Freiheiten für die „guten 
Silberbergwerte am Stahlberg und 
Selberg.” Wolfgang begünitigte dieſe 
Werke jehr und der Bau im Stahlberg 
war äußerft reich und ergiebig an Silber, 
jo daß der Herzog dadurd bewogen ward, 
Geld daraus prägen zu laffen, zu weldyem 
Behufe er den Nicolaus Am ge und 
den Hieronymus Dberriedt zu Baſel er- 
fuchte, ihm Stempel zu ganzen und 
halben Zalern und Reichsqulden (lettere 
zu 60 und 30 Sreuzer), ſowie auch zu 
12: und 10-freuzerjtüden jchneiden zu 
lafjen und fie zugleich aufforderte, ihm 
über die „wednähigfte Einrichtung der 


nn — nn — — — — — — — — — ——— — 


genauen Bericht zu erſtatten, ſowie auch 
darüber, woher „die von Zürich“ die 
vortrefflich geſchnittenen Stempel zu ihren 
ihönen Münzen hätten. Er ſchreibt 
wörtlih, Datum 6. Septemberi$ anno 
1563: „Wir wollen auch hineben aud) 
anedig nit verhalten, das wir ein hart 
filber Berkwerk In viefem unjerm Für— 
itenthum, der Stalberg genannt, haben, 
welches fi) von den qnaden Gottes wol 
erzeigt, dann das Waſſer jm Schadt 
aljo beweltigt ijt, das man uff dem erzt, 
jo man zuvor waſſers halben hat ver- 
lafjen müffen, widerumb arbeiten kann 
und aljo fein Mangel an erzt jein 
wird.” — 

Jene beiden basler Bürger waren 
auch zum Vollzuge diejer Aufträge bereit, 
beforgten die gewünjchten Stempel und 
berichteten darüber genau reip. über die 
ganze Angelegenheit, worauf dann Die 
Münzitätte zu Meifenheim angeordnet 
und 1564 mit dem Prägen begonnen 
ward. 1565 - 1568 wurden dort 1368 
Mark (Gewicht) ftahlberger Silber zu 
Talern vermünzt, welche — 8 Xaler 
auf 1 Markt Silber gerechnet — 10944 
Stüd ausmahten, woraus man einen 
fiheren Schluß ziehen darf auf die Er— 
giebigkeit und Rentabilität der ftahl: 
berger Silbergruben. 

Wie bedeutend der Bergwerksbetrieb 
auf dem Stahlberg früher war, davon 
zeugen heute noch die vorhandenen vielen 
Halden, Stollen, Schadhte, wo maſſen— 
weile die ausgeglühten, erjtorbenen 
Schlafen und Steine (caput mortuum) 
lagern, welche heute öfters als wert— 
volles Straßendedmaterial verwendet 
werden, auf welchen Halden bi 1884 
noh viele Baulichkeiten, Laboratorien 
mit zerbrochenen Keſſeln und Retorten 
zu jchauen waren, aber jo ruinös ge- 
worden in Mauern und Dachwerk, daß 
fie nicht mehr bewohn- und benügbar 
waren und als zu gefährlich für den 
Beſucher abgebrochen werden mußten. 
Einzelne Schachte hatten bis dahin — 
1884 — teils ſchlecht, teild auch gar 
nicht umzäunt und offenjtehend — der 
lieben Jugend viel Gaudium verurjacht, 
inden man oft Steine und Felsjtüde in 


den gähnenden Abgrund warf und mit 
angehaltenem Atem dem mehrere Sekun— 
den dauernden Anprall und Abprall, 
den Aufklatſchen der Steine in den 


94 


Waſſern des Tartarus lauihte und die | 
| 1763 Johann Andreas Schi zu Nans- 


Berggeifter aus ihrer Ruhe aufitörte. 

Auch die Namen der Schachte haben 
ſich bis heute erhalten und werden die 
Walddiſtrikte noch jegt darnadı benannt 
3- B. hohe Halde, friiher Muth, St. Beter, 
Kaiſerſtuhl, St. Katharinenichacdht, Erz: 
engel Michael, blaue Halde, Schadht K, 
Schwefelgrube, St. Jakob ꝛc. 

Oberſteiger Andreas Becker III. auf 
dem Stahlberg, geitorben 1887, gab nad) 
einem von jeinem Vater und Großvater, 
Bergleuten zu Stahlberg, ererbten Notiz: 
buch folgende Aufſchlüſſe: 

1. Erzengel Michael hat einen 100 m 
langen Stollen, mündete an der Bett: 
ftube und am Zechhaus. Zu der Grube 
gingen noch 2 andere Stollen, einer von 
Bayerfeld aus, welches der tiefite, joge- 
nannte Erbitollen war, der andere ging 
über die jogenannte Schmelzhütte. Zu 
diefer Grube führte der Schacht St. Yakob. 

2. Friiher Muth hat 2 Stollen; der 
Karlitollen mündet zwiſchen Steingruben 
und Dieltirhen, 700 Lachter lang; der 
andere am fogenannten Stollerhäuschen. 

3. Prinz Friedrich, zwiichen Erzengel 
und friiher Mut. Vom friihden Mut 
öftlich it die Grube „Gottesgabe“. 

4. St. Peter, auch ein Stollen, 40 m 
vom friihen Mut entfernt. 

5. Schwefelgrube mit 2 Stollen; da: 
jelbft waren 3 Weiher angelegt zum 
Erzwaſchen. 

6. Selbach-Roßwald war ein Stollen, 
136 mı lang mit einem ſeitlichen Quer— 
ſchlag von 10 m. 

Laboratorien waren an der Bett: 
ftube, am friihen Mut, am Erzengel 
und Selbah. Biel gereinigtes Erz wurde 
nah Mainz verkauft, das Pfund zu 
2 fl. 42 Er. 

Sogar aud zu Waldgrehmeiler wur- 
den Bergbauverfuche gemacht in der 
Grube „Gotthilftgroß” und Zechſteiger, 
Bergknappen und Schichtmeifter kamen 


aus aller Herren Länder und wohnten | 


auf den Neubau, Stahlberg, zu Hans» 
weiler, Schönborn, Waldgrehweiler und 


| 





Bilterihied 2c.; jo 1740 Bedhiteiger 
Rupert Stolz aus dem Wefterwald zu 
Nanzweiler und Berquffiziant Kreber 
1759 auf Stahlberg, id. 1752 Zechſteiger 
Gaipar Ludwig Brand, Georg Bart, 


weiler, die Bergieute Beder, Früban, 
Lenz auf Stahlberg und eine Menge 
„Bergpuriche”, unſer Bergverwalter 
Johann Burcard Jacobi auf Neubau 
1747, Auch heute noc find vorjtehende 
Namen auf Stablberg und Umgegend 
zumteil zu finden. 

Auf Stahlberg iſt jegt noch ein Haus, 
genannt die Bettitube, wo die Ober: 
fteiger mit ihrer Mannſchaft vor dem 
Beginne der Schicht ihre Andachten ab- 
hielten. 

Es müſſen Hunderte von Arbeitern 
aewejen fein nah den Taufbüchern der 
Pfarrei zu Schließen, eine fluftuievende 
Mafje, die ihren Abgang durch immer 
neuen Zuzug von überallher erjegte. 
Tempora mutantur! -- Mit dem Auf: 
Ihluß der jo großen und reihen Berg— 
werke zu Idria und durch die Möglich: 
feit viel wohlfeilerer Förderung der Erze 
dortjelbit, Eonnten die Gruben auf dem 
Stahlberg bei höherer Löhnung und viel 
ichwierigerer Förderung nicht mehr fon- 
furrieren; die Werke und ihr Berrieb 
ließen immer mehr nad und gingen zu— 
legt ganz ein. Das Werk kam durch 
die franzöſiſche Nevolution in Privat: 
hände, die jährlihd nur einige Tag— 
ichichten vornehmen ließen, damit ihr 
Recht nicht verjähre; auch eine rheiniſch— 
weitfäliihe Bergbaugejellihaft muchte 
1884 nochmals Verſuche, die aber nicht 
hinreichende Mejultate lieferten, zur Er- 
neuerung des früheren Betriebes und 
jo liegt jegt leider alles jtill, die früheren 
Schadte jind jegt endlich der Gefährlich— 
feit wegen von der kgl. Foritbehörde 
überdedt und die alten Berggeifter in 
die Tiefen gebannt worden und dürften 
auch Kaum geſtört werden durch die 
Sonmnerfriichler, welche durch die neueften 
Berbefferungen und Verihönerungen an 
verichiedenen Bergpunften und Wegen 
(durch die Forſtbehörde und den;pfälziichen 
und Stahlberger Verſchönerungsverein) 
angelodt, die herrliche Waldluft genießen 


95 


— 


und die Lungen weitend ſich laben an | der früheren Bergleute, nicht mehr mie 


der gar prächtigen Ausficht talabwärts 
bis Müniter am Stein, an der Fernſicht 
ringsum, deren Glanzpunft die Ger: 
mania auf dem Niederwalde bildet. 
Vielleiht wird noch einmal der Stahl: 
berg mit Neubau zum Quftkurort, jo 
daß die Stahlberger, meift Abkömmlinge 


jegt al8 Tagner und Steinhauer oder 
ald Waldarbeiter und Handwerker figu- 
tieren — nur wenige Bauern find droben 
vorhanden oder für fih und die 
Ihrigen ihr Brod ſuchen als Brunnen» 
macher und Bergarbeiter. 

Alunzinger. 


Die Generalverfammlung des Yereins Hiſtoriſches Mufeum der Pfalz 


tagte heuer am 30. April im Stadthaus: 
faale in Speyer und war von etwa 130 
Herren aus der ganzen Pfalz bejudht. 
Der erite Borfigende, Erz. v. Neuffer, 
begrüßte die Erichienenen und gedachte der 
im legten Jahre verftorbenen Mitglieder, 
unter denen leider gewichtige Namen fiqu- 
rieren. Das alljeitige Intereſſe habe die 
Sadje des Bereind um einen bedeutenden 
Schritt vorwärts gebracht, einen Entwurf 
zum Wujeumsbau habe der Erbauer 
des Nationalnujeums in Münden, Brof. 
Dr. Gabriel v. Seidl, ausgearbeitet und 
derjelbe babe einjtimmige Billigung ge 
funden. Nach dem Berichte des Herrn 
Regierungsrates Berthold wurden die 
Sammlungen im legten Jahre quanti- 
tativ umd qualitativ bedeutend bereichert ; 
man habe wertvolle Ermwerbungen ge 
macht. 3. B. von prähiftoriichen und 
römischen Funden. Der Berein habe 
mit Schluß dieſes Jahres ein Kapital 











von über 400000 Mark zur Verfügung. 
Herr Einnehmer Rumpf teilt mit, daß 
dad Bermögen des Bereind im Jahre 
1904 um 33253 ME. gewachſen ſei, 
ebenjo die Mitgliederzahl um 80, fo daß 
fie bei 1883 angelangt jei. Darunter 
befinden fi 450 Gemeinden; 300 Ge: 
menden jtehen dem Verein noch ferne. 
Prof. Dr. v. Seidl erklärte hierauf die 


Pläne des Mujeumsneubaues, deſſen 
Erläuterung nebjt Abbildungen Kerr 
Gymnaſialprofeſſgr Hildenbrand im 


„Pfälz. Mujeun“ in dantenswerter Aus- 
führlichkeit gebradjt hat. Der Beſchluß, 
die Pläne auf der ftattgehabten Pfälz. 
Gewerbe: und Anduftrie-Ausftellung der 
DOffentlichkeit mitzuteilen, ift ausgeführt 
worden, wie die Beſucher diejfer Aus- 
itellung wiſſen. Kleinere Mitteilungen 
und die Neuwahl der Borftandichaft 
ihlofjen die Generalverfammlung. 


Miſſenſchaftlicher Berein in Bad Bürkheim. 


Erfreuliherweile war der PBortrag 
des Herrn Univerfitätsprofefjor Dr. Bfaff- 
Breisgau am 29. Auguſt d. 5%. jehr qut 
beſucht. Bor Beginn des Vortrages 
widmete der Vorfigende, Herr Inſtituts— 
lehrer Strauß, den beiden fürzlich ver- 
ftorbenen Männern Onken-Gießen und 
Bulthaupt-Bremen einen warmen Nach— 
ruf und jtattete Herrn Profeſſor Pfaff 
für fein liebenswürdiges Anerbieten, im 
Wifjenichaftlihen Verein einen Vortrag 
u halten, jeinen Dank ab. Der Pro— 
—** Pfaff begann hierauf mit ſeinem 
Vortrage: „Aus der deutſchen Sit— 
tengeſchichte“. Wir heben aus dem in— 
ſtruktiven, gediegenen Referate folgendes 





Volkskunde müßte auch in der Pfalz ein 
ähnlicher Berein mit ähnlichen Zwecken 
eritehen, ein Berein aljo, der fih mit 
der Bulammenftellung und Grklärung 
der Orts- und Flurnamen, der Familien- 
und Zaufnamen, der Bolkötradten, 
Bolkslieder, Sprihwörter, Inſchriften, 
Märchen, Sagen, Sitten und Gebräuce 
innerhalb unferer pfälziichen Provinz zu 
befaffen hätte. Auch ein Wörterbud 
der pfälziihen Mundarten wäre zu er- 
treben. Der geehrte Redner zeigte, 
wie Sagen entitehen und wandern und 
weld ein tiefer Sinn gar oft aus ihnen 
Ipricht. Zu diefem Zweck behandelte er 
eingehend die Sage vom wilden Jäger 


hervor: Gleich dem badiichen Berein für | und wilden Herrn, die Holda-Gagen, 


— — 


die Zähringer Sage, die Sage von der | feines Vortrages eine liebevolle Pflege 
Jörell und dem SKandelfelfen (Baden) | der Heimatkunde. Die Beihäftigung mit 
und Schlieglih die Tannhäuſer-Sage. | derjelben jei ebenjo anzichend als frucht— 
Dem Borgange der Gebrüder Grimm | bringend. 

folgend fordert der Redner am Schlufje ı (N. B. 3.) 





Wo if es in Bentfchland am wärmſten? 


Der „Globus“ veröffentlicht folgende | gejuht werden. Diefe Station mies 
Ausführungen von Wilhelm Krebs: „Die | jedenfall3 tm Jahre 1903 das hödhite 
Klimatologie des wärmften Teiles von | der berichteten Temperaturmaxima in 
Deutichland kann in den Elimatifch vecht | Deutichland auf. Am 29. Juni 1903 
intereffanten Anfangsjahren des 20. | verzeichnete Worms 33,5 Grad Eeljius, 
Sahrhunderts mit wünſchenswerter Ge: | während als nächitfolgeirde Orte Frank: 
nauigfeit ftudiert werden. Bom „Deut: | furt a. Main am gleihen Tage, Magde— 
ihen meteorologiihen Jahrbuch“ Liegen | burg und Berlin am 3. Auli nur 33 
die yabrgänge 1901, 1902 und 1903 | Grad erreichten. Rom, das für Juni 
der Beobadtungen im Großherzogtum | ebenfalld am 29. die Höcjittemperatur, 
Hefjen vor, bearbeitet von G. Greim | aber nur mit 30 Grad, verzeichnete, er- 
und herausgegeben vom Großherzog: | reichte im ganzen Jahre 1903 nur 30 
lihen Hydographiihen Bureau. Der | Grad (am 4. September), Nizza (am 
jüdweftlihe Teil des Großherzogtums, | 3. September), Elermont (am 1. Sep: 
Rheinheifen, gehört zu dem mittleren | tember) jogar aud) nur 34 Grad. jene 
Rheintal oberhalb Mainz, nah Hann | Funihige im Mheinheifiihen ift umſo 
dem „Sig der größten Mittelwärme”, | bemerkenswerter, als fie nur 6 oder T Tage 
milder Winter- und hoher Sommer: | nad einem Kälterüdichlag einjegte, der im 
temperatur. Das Zentrum diejer be» | Großherzogtum Reifbildung, in tieferen 
vorzugten Gegend darf wohl bei Worms | Lagen jonar Froftichaden veranlaßt hatte. 





Ein Meltenbumnler. 


Bor nahezu Jahresfriſt, am 21. März | Württemberg; er Ereuzte Württemberg, 
1904, tauchte am abendlihen Himmel | Baden, die Pfalz und das jüdliche 
im Oſten ein Meteor auf, dad durh | Luxemburg, ftieg bis zu einer Höhe von 
jeinen blendenden Glanz und die ftetige | 65 km herab und vollendete den 400 km 
Ruhe, mit der es jeine Bahn zog, vieler | langen Weg in nicht ganz 10 Sek. Als 
Augen auf fich lenkte, biß es ſchließlich kosmiſche Bahn ergibt fid) eine allerdings 
unter einer großartigen Lichtentwidlung | nicht ganz fichere jog. Hyperbel ; dad Meteor 
zeritiebte. Die damals gelammelten Be- | entpuppt ſich aliv im wahrjten Sinne des 
obachtungen haben nun ergeben, daß der | Wortes als „Weltenbunmler*, als ein 
Ort, Über den es zeriprang, unweit | Bote aus der Unendlichkeit, und eigen: 
Sedan liegt. Der Himmelskörper, der | tümlich berührt der Gedanke, daß mit 
in jo greifbarer Nähe dahinzufchweben | ihm vielleicht ein einiamer Zeuge einer 
ichien, befand fich in der reipeftablen Höhe | gewaltigen Kataftronhe, die in unfaß- 
von TO km. Als er zu leuchten begann | baren Entfernungen ſich abipielte, zu 
ſtand er 100 km hoch über Ellwangen in | Grunde ging. (Frkf. Ztg.) 











= Dnbatt: Betrachtungen über das Hagelwetter im Bezirke Landau. — Stahiberg. — Gene- 
ralverfammlung des Vereins Hiftorifches Muſenm der Pfalz. — Wiffenfchaftlicher Berein in Bad 


Dürkheim. (Portrag). — Wo ift es in Deutichland am wärmjten? — Weltenbummiler. 
Schrifileiter : Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Verlag, Aaiferslautern. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


Die „Pfätzii he Heimatkunde“ Toftet jährlich in 12 Heften Mr. 2.50. Wefellungen werben vom allen Buchhandlungen zub 
®oftanftalten ferner vom Berleger (Portofreie Etreifbandfendurg) angenommen. 


I. Jahrgang. 


MONATSSCHRIFT 


Nummer 13 


November 1905. 


1 


FÜR SCHULE UND HAUS. 


ENANKMEMWC A 





Pf. 


Bur Geſchichte des Weinbanes in der Aheinpfals. 


Bortrag, beim 22, Weinbaufongreh gehalten von Dr. jur. Friedrich Baffermann-Jordan. 


Noch heute herrſcht in den Köpfen 
von mindeitens °ıo aller Gebildeten die 
Anſchauung, daß der Weinſtock aus Afien 
über Südeuropa in unfere Gegend ge: 
kommen ſei. Diefe Wanderungstheorie, 
die für die Kartoffel und ihre Wande- 
rung aus Amerika zutreffen mag, wurde 
für den Weinftod eigentlich jchon in dem 
Momente hinfällig, als man in Amerika 
Neben fand; denn wie hätten diefe aus 
Aſien dahin gewandert fein follen! 


Und gänzlich erledigt war die Wan- | 


derungätheorie in dem Moment, ald man 
Reſte fojfiler Reben in prähiftoriichen 
Schichten meift der Tertiärperiode fand, 
wie ſolche niht nur in Deutichland, ſon— 
dern 3. B. auch in Japan, jogar in 8: 
land, zu Tage gekommen find. 

Die Abfallhaufen der Pfahlbauten 
mit ihren Traubenfernen bradıten weiter 
den Beweis, daß der vorgeichichtliche 


Menih die Trauben, die er im Walde | 


wildwachlend vorfand, gegeſſen hat, wenn 
er auch von der Weinbereitung nichts 
ahnte. 

Und dieje Urreben find bis auf unjere 
Zeit gekommen, fie jpinnen ſich nod) ver: 
einzelt an hohen Bäumen in Waldungen 
der Flußtäler in verichiedenen europätichen 
Ländern empor, wenn fie freilich leider 
auch mehr und mebr der ordnenden 
Hand der Foritbehörden zum Opfer 
fallen, denen ihre Erhaltung hier beſonders 


empfohlen jein joll. Die Flußtäler find 
überall die Heimat der Urreben, wie es 
auch bei Moſes heißt: „Und fie kamen 
an den Bach Eskol und jchnitten dajelbit 
eine Nebe ab und ließen fie zween auf 
einem Steden tragen.” ’) 


In Deutichland Haben fi Urreben 
nur im Rheintal auf der Strede von 
| Baſel bis Mannheim nachweiſen lafjen, 
und man konnte vor 50 Jahren deren 
| nod 36 Arten gärtneriih in Kultur 
nehmen. In neuejter Leit find nod) 
jolhe an Standorten des Elſaß, Badens 
und der Rheinpfalz bei Speyer und auch 
nahe bei Neuftadt, im Speyerdorfer 
Wald, gefunden worden. 
Man hat dieje Urreben oft für ver- 
wildert gehalten; jeder Winzer weiß 
aber, daß es unmöglich wäre, eine Kul— 
turrebe im geichloffenen Walde auf einen 
Eihbaum hinaufzuziehen oder im Wald 
zu erhalten, kommt fie ja doch jelbit 
unter einem Mandelbaum nur mühlam 
fort; charakteriftiich ift auch, daß in den 
ichon Seit jo vielen Hunderten von Fahren 
Weinbau treibenden Flußtälern des 
Mains, des Nedars und auch des Rheins 
unterhalb Mannheim nie eine lebende 
Urrebe hat nachgewiejen werden können; 
| es jcheint die Natur alio das Elſaß, Baden 
und die Aheinpfalz in beionderer Weije für 
den Weinbau prädeitiniert zu haben. 


') Mofes IV. 13. 24. 


Nicht für die Weinrebe, aber für die 
Weinfultur mag die Theorie von der 
Wanderung aus Afien Berechtigung be: 


halten, doch trügt dabei leicht die Tat: 


jache, daß die Weltgeihichte jenen Weg 
von Dften nad) Weiten genommen hat, 
und daß die geichichtlihen Nacrichten 
auf dem Weg von Ajien nad) Griechen: 
land, Ron und Deuticland immer jünger 
werden. 

Die Erfindung der Weinbereitung 
wird wohl eher eine zufällige Ent— 
dedung gemwejen jein, am wahridein: 
lichiten erfolgte fie in einem Lande mit 
reihem Beitand an Urreben in gün- 
ftigem Klima. Die Entdeckung könnte 
aber ebenjo gut an mehreren Orten, 
ebenjo gut in Griechenland vder Italien 
u. a. Ländern als nur in Afien gemacht 
worden jein. 

Wir haben feine geichichtlihen Nach— 
rihten vom Weinſtock ohne Rebkultur. 

Daß griechische Koloniften nach Stalien, 
das ıhnen jo viel verdankt, auch die Reb— 
kultur gebradt haben, ift ſehr wahr: 
ſcheinlich; daß griechiſche Anfiedler aus 
Phokäa die Weinkultur nah Maſſalia 
(Marjeılle) in Südgallien bradıten,?) wird 
Ihon von antiken Autoren verfichert. 
Der galliihe und galliſch-römiſche Wein: 
bau aber ift eigentlich als Vater des 
biefigen Weinbaues zu betradjten, wie 
nod heute in manden Dingen, in guten 
und böjen, der franzöjiihe Weinbau 
Öfterd dem deutichen voraus zu fein 
pflegt. 

Die Ausbreitung der Rebkultur aus 
der Umgegend von Maffalia, wo die 
Phokäer möglicherweile ſchon Weinbau 
vorfanden, erfolgte langiam. Bon wejent: 
lichſtem Einfluß war jedenfalls die Unter: 
werfung Galliens durch Cäjar?); denn 
damit wurde Gallien und dev galliiche 
Weinbau tatiählih römiih und zahl: 
reihe römiihe Anfiedler führten die 
Kultur nad römischen Grundfägen weiter. 

Plinius kennt bereit3 den Weinbau 
der Allobroger, ungefähr im heutigen 
Burgund; von da hat die Nebkultur 
ihren Weg immer weiter nördlich ge 


2) Im 600 vor Chriſtus. 
2) 63861 vor Chriſtus. 


98 


| 


| 


— ee —eem — — — — —— — — uk nn nn — — 


nommen und wird ſpäteſtens gegen Ende 
des erſten Jahrhunderts | Chriſtus 
zu den nördlich der Allobroger bis ins 
obere Elſaß ſitzenden Sequanern auf 
denn Weg des Rhein-Rhone-Kanals und 
der trouée de Belfort vorgedrungen jein. 


Späteſtens unter der ruhigen Regie- 
rung der großen Kaiſer Hadrian, Ans 
toninus Pius und Marc Aurel im zweiten 
Jahrhundert ift der Weinbau hierher in 
die Pfalz und am linken Rheinufer weiter 
abwärts, gleichzeitig auch von Gallien 
aus ind Mojeltal gelangt. 

Die Verbreitung von einem Wolfe: 
ftamm zum anderen, wie von den Allo- 
brogern zu den Sequanern ac., iſt weniger 
wejentlih als die Mole, die in jener 
Zeit die römiſchen Kolonijten geſpielt 
haben, die, von Hauſe aus an Wein ge: 
wöhnt, denjelben überall für den eigenen 
Gebrauch anzubauen fuchten, ähnlich wie 
dies Später die chriftliche Kirche zum 
Bwede des Gottesdienftes getan hat. 

Der Weinbau braudt, um Fuß zu 
faffen, ruhige, jichere Zeiten ; ſchon darum 
wird man feine Anfänge am linken Rhein— 
ufer nicht jpäter als in die Regierungs— 
zeit der erwähnten großen Sailer an— 
jegen dürfen, denn damals herrichten 
glüdliche, friedliche Zeiten, und das Land 
war gegen die Einfälle der Germanen, 
die nad Tacitus feinen Weinbau kannten, 
durch den jeit Trajan angelegten Limes 
geſchützt. 

Auf Grund fpätlateiniiher Autoren 
hat man jeit der Nezeption der römischen 
Schriftjteller in der Renaiffance- Zeit 
immer wieder den Sailer Probus, der 
von 276 bis 282 regierte, ald Begründer 
der Weinkultur in Deutichland hingeftellt; 
dieje Auffaſſung ift im allgemeinen heute 
noch faſt ebenſo vorherrichend, wie die 
unhaltbare Theorie von der Wanderung 
des Rebſtockes aus Aſien. 

Die fraglichen römischen Stellen be- 
haupten, daß Probus den Bewohnern 
von PBannonien, Spanien, Britannien 
und fämtlicher Gallien*) den Weinbau 


*) Die heutige Pfalz gehörte nach der urfprüng: 
lien Einteilung zur Gallia belgica; für den 
römishen Sprachgebrauch änderte daran die 
amtliche Mbtrennung der Germania superior 
nichts. 


erlaubt habe und bei Neuanlage von 
Weinbergen ſelbſt tätig geweſen fei. 
Man hat vermutet, dab Probus ein Ge- 
legenheitögejeg des Domitian, der ebenfo 
wie Später 3. B. Karl IX. von Frankreich 
in einem an Wein überreihen und an 
Brotfruht armen Jahr die Ausrottung 
zahlreicher Weinberge, beſonders in den 
PVrovinzen, anordnete, aufgehoben habe, 
doch iſt jenes domitianiiche Geſetz, wie 
ſchon Suetonius bezeugt, nicht zur Aus— 
führung gekommen. Bielleicht hat Brobus 
ein älteres, republifaniiches Geleg, das 
auf Koiten der Provinzen den Weinbau 
und Weinhandel für Italien zu mono: 
polifieren ftrebte, und das ſich bei Cicero 
erwähnt findet, aufgehoben, doc wäre 
eine ſolche Aufhebung eine reine Fyor: 
malität geweſen, denn aus rönnjchen 
Autoren erfährt man, daß Pannonien, 
Spanien und Ballien bereits vor Probus 
Weinbau trieben; aus römiſchen Pane— 
gyrifern ergibt fich die Blüte des Wein- 
baues im nördlichen Gallien gerade in 
der Zeit vor Probus; alio auch eine 
Wiederheriteltung etwa zerftörten Wein— 
baues ift Probus nicht zuzuſchreiben. 

Dagegen hat er, beionders durch An— 
fiedelung von Koloniften und auch durd 
Anlage von Weinbergen unter ınili« 
täriſchem Befehl zur Ausbreitung des 
Weinbaues auch in unjerer Gegend jehr 
erheblich beigetragen und darf deshalb 
nit Mecht gefeiert werden; bejonders 
das Aufkommen der zahlreihen Wein: 
gefäße mit Trinkerinichriften, wie „bibas 
multos annos* und dergleichen, in unſerer 
Gegend aus einheimiichen Fabriken gerade 
gegen Ende des dritten Jahrhunderts, 
legt von feiner önologiſchen Tätigkeit 
Zeugnis ab. 

Für die Begründung des Weinbaues 
wären Seine 6 Regterungsjahre, von 
denen nur die legte kurze Bert Frie— 
denswerken gewidmet werden konnte, 
auch feinesmegs ausreichend gewejen; er 
war nicht der Begründer, aber der 
Dauptbeförderer des Weinbaues in 
Deutichland und trog feiner furzen Me 
gierungszeit einer der größten Monarchen 
aller Zeiten, ftarf genug, um in jener 
verrotteten Zeit nod an allen Grenzen 
des Römerreichd die Feinde zu vernichten, 


99 


groß genug, um nad erfochtenen Siegen 
mit gleiher Hingabe fid; den Werfen des 
Friedens zu widmen und den Gedanken 
zu faffen, er wolle bald jo weit fein, 
feiner Soldaten mehr zu bedürfen, dabei 
Idealiſt genug, um diclen Gedanken aus— 
zuſprechen und dadurch die Soldaten 
zum Mord zu reizen, ſodaß fie ihn er: 
ihlugend); ev war ein Mann von einer 
erhabenen Größe, vor der auch unier 
kanonenſtarrendes Jahrhundert fih in 
Ehrfurdt beugen muß — aber der Be: 
gründer unſeres Weinbaued® mar er 
nicht. 

Es ift Öfterd die Vermutung ausge 
ſprochen worden, Kaiſer Probus habe 
den Weinbau aus dem Diten an den 
Rhein verpflanzt, es ift auch die Theorie 
aufgeftellt nd mit guten Gründen unter» 
jtügt worden, daß der Weinbau unab- 
hängig von den Römern zu feltiicher 
Zeit von der griechiſchen Kolonie Majfalia 
ausgehend über Nordgallien an die Mojel 
und erit von der Mofelmündung rhein« 
aufwärts und rheinabwärts an den Rhein 
gelangt ſei. Mbgeiehen von anderen 
Gründen tritt ein ganz neues Gebiet 
der Wiffenichaft auf, das dieſe Ber: 
mutungen widerlegt, nämlich die Numis- 
matif mit ihrer neuerdings erlangten 
Kenntnis der römiſchen Miünzzeichen, 
die feit dem dritten Jahrhundert auf 
den römischen Münzen vorfommen. Diefe 
Miünzzeichen geben bei Münzfunden an, 
aus melden Prägeftätten die Münzen 
an die Fundſtelle gelangt find, fie geben 
alſo die beſtimmteſten Hinweiſe über die 
Richtung des römischen Verkehrs. Ich 
babe vor zwei Jahren von den zahlreichen 
bei Ruppertöberg und Deidesheim ge: 
fundenen Münzen die in Betracht kom— 
menden von einer der vorzüglichiten 
Autoritäten auf dielem Gebiete unter: 
juchen laffen; das Ergebnis war, daß 
alle Münzen aus den Prügeltätten Nom, 
Taracco (jet Tarragona in Spanien) 
und Rugdunum (jegt Lyon) ſtammten; 
man fieht alio, daß der Verkehr aus 
dem Süden in das Mhonetal und als: 
dann Taoneaufwärts und rheinabwärts 


9, Probus wurde im Oftober 282 bei Sirmium 
in Bannonien inmitten jeiner landiwirtjchaft- 
lichen Tätigkeit ermorber. 


hierher gelangt iſt, wie das auch für die 
Ausbreitung des Weinbaues aus anderen 
Gründen anzunehmen if. Die zahl- 
reichen Brägeitätten der ditlichen römiſchen 
Reichshälfte, ebenjo Trier, fehlten voll- 
ftändig. 

Man hat auch verſucht, jeden römischen 
Weinbau für das linke Rheinufer zu 
beftreiten, einen jolchen vielmehr nur 
für die Mojel anzunehmen, für die er 
durch die Mojella des Antonius um 365 
ermwiejen iſt. Abgeiehen davon, daß der 
galliſchrömiſche Weinbau fich mindefteng 
ebenjo leiht von der Rhone an den 
Rhein, ald ins Mojeltal verbreiten 
konnte, fehlt es für die Gegend von 
Straßburg bis Mainz keineswegs an 
klaſſiſchen Zeugniſſen für den vönnjchen 
Weinbau daielbit. ch erinnere, abge: 
jehen von den zahlreichen, auch in ganz 
ärmlichen Gräbern gefundenen Wein: 
gefäßen, an die Traubenferne, die in 
römiichen Gefäßen gefunden wurden, an 
Weinreben und Winzergeräte, die in 
römischen Gräbern zu Tage kamen, an 
die römischen Landhäufer mit ihren Wein- 
kellern, wie ein ſolches erft im ver- 
gangenen Jahre wieder an der pfälzer 
Grenze bei Wacenheim ausgegraben 
wurde, endlid an die hHiejigen Heben: 
erziehungsarten, den Rahmenbau und 
Kammertbau, die nad den 1ömiichen 
Zeugniffen dem Gebraud; der Römer 
mehr entiprechen als irgend eine andere 
Kulturart, und Schließlich an die zahl: 
reihen, dem Lateinischen entlehnten öno— 
logiihen Ausdrüde, von denen ich als 
für die Pfalz beſonders charakteriitiich 
nur 3. B. Seder, römiſch sectum, Schentel, 
römiſch scammellum, und Winzer, römiid) 
vinitor, erwähnen will. 

Daß die Römer die beiten Weinbergs- 
lagen der Pfalz betreten haben, ergibt 
id für Neuftadt, Ruppertéberg, Deides- 
heim, Dürkheim u. a. durd Funde von 
Münzen oder Gefäßen innerhalb der be- 
treffenden Weinberge. 

GSteinjfulpturen, es jei denn, daß es 
Inſchriften wären, möchte ich zum Beweis 
nicht heranziehen, obwohl unjere Mujeen 
deren vielerlei enthalten, denn ſolche 
Skulpturen auch mit den ichönften Dar: 
jtellungen von Trauben, Neben, Wein: 


100 











fäffern und dgl. ſind Feineswegs für 
römischen Weinbau beweilend, jondern 
entjtammen regelmäßig Altären oder 
Srabmälern römischer Weinhändler. Die 
\hönjten Steinrelief3 mit der Dar: 
ftellung des Transports von Helzfäfjern 
find 3. B. nit nur in Neumagen bei 
Trier, jondern auch in Augsburg, wo 
gewig niemals Weinbau gemwejen iſt, ge: 
funden worden. 

Der Weg, den hierzulande der Wein 
bau bei jeinem Vorwärtsſchreiten nach 
Norden genommen hat, mußte fih aus 
den römiichen Straßen ergeben ; an dieſen 
fanden die römiſchen Anfiedelungen ftatt, 
und die Anfiedler ſuchten fich ihren Wein, 
an den fie gewöhnt waren, überall jelbit 
zu pflanzen. 

Die eine Römerſtraße, die Rheinſtraße, 
lief von Lauterburg über Rheinzabern, 
Speyer, Worms nad) Mainz, die andere, 
die Bergitraße, etwa von Weikenburg 
über Bergzabern nad) Neuftadt (Brand: 
weiler Hof), von da über Mußbach— 
Deidesheim » Dürkheim : Grünftadt » Alzey 
nach Bingen; es beftanden natürlich 
zahlreiche Verbindungswege zwiichen bei— 
den Straßen. 

Dieje Straßenzüge bewirkten, daß der 
Weinbau in der heutigen Pfalz cbenjo 
früh am Rheinufer als am Gebirge ent: 
ftand; 3. B. dem Narrenberger bei Speyer 
gebührt dasjelbe römische Alter wie den 
Weinen dom Abhang des Gebirges. 
Dagegen wird das Weinbaugebiet des 
Aljenztals, des Glantald und Lauter: 
tal8 von Nahetal, da8 des Blicstala 
von Lothringen abhängig ſein. 

Die Wölferwanderung bradıte dem 
hiefigen Weinbau feine Bernichtung, 
nur Stillitand ; die germanischen Stämme 
juchten Wohnfige und Land zum Anbau, 
planmäßige Berwüftung betrieben nur 
die Hunnen und aud die Banpdalen. 
Die Alemannen, die für die hiefige 
Gegend von bejonderer Bedeutung find, 
hatten nach Probus' Tod das römiſche 
Dekumatenland in Befig genommen umd 
waren demnach jchon ſeit mehr ala 100 
Jahren an römijche Kultur und wohl 
auch Weinbau gewöhnt. 


(Fortſetzung folgt.) 


101 





Ber Bürkheimer Wurfimarkt. 


Unter den drei großen Tüddeutichen 
Volksfeſten, dem Münchener Oktoberfeſte, 
dem Kannftatter Volksfeſte und dem Dürk— 
heimer Wurftmarfte, gebührt legterem 
binfichtlich des Alters die erite Stelle. 
Das Münchener Dftoberfeft verdanft be: 
kanntlich feine Entitehung der Vermäh— 
(ung des bayerijhen Kronprinzen Ludwig, 
des nachmaligen Königs Ludwig I., mit 
der Prinzeifin Therefia von Hildburg- 
haufen am 12, Oktober 1810, während 
der Dürkheimer Wurjtmarft ein Alter 
von nahezu 500 Fahren aufzuweiſen hat. 
Im Norden bes Bade: und Trauben: 
furortes Dürkheim erhebt fich eine lang- 
gejtredte Hügelreihe, deren eriter Kopf 
den Namen Michaelsberg führt und 
wohl in vordriftliher Zeit als Begräb- 
nisjtätte gedient hat; denn vor einigen 
Jahren ftieß man gelegentlidh einer 
Rodung am öſtlichen Abhange auf etwa 
50 fogenannte Plattengräber, die nad) 
der Anſicht Sadyveritändiger nur von 
den Mheinfranfen herrühren fönnen. 
Es ift diefe Annahme um fo mehr be- 
rechtigt, ald man in der eriten Hälfte 
des vorigen Jahrhunderts bei Anlegung 
der Straße von Dürkheim nach Ungftein 
ganz in dev Nähe bei Pfeffingen mehrere 
* ſteinerne Särge ausgrub, in welchen 
ſich viele Koſtbarkeiten von Gold, Silber 
und edeln Steinen, ſowie auch eine ſilberne, 
vergoldete und mit koſtbaren Steinen 
beſetzte Strahlenfione vorfanden, die 
alle wahrſcheinlich von fränkiſchen Her— 
zögen herrühren. Auf genanntem Hügel 
ſtand eine dem hl. Michael geweihte 
Kapelle, welde der pfälziihe Amtınann 
von Neuftadt in Fahre 1601 abbreden 
ließ. Den Wallfahrten dahin, welche 
bejonder8 auf den Namenstag des Hei- 
ligen vorgenommen wurden, verdankt 
der Wurjtmarft, auh Michaels: 
marft genannt, jeine Entjtehung. Zu 
der anfänglichen Bewirtung der ange 
fommenen Wallfahrer gejellten jich, wie 
ed gewöhnlich zu geichehen pflegt, nad 
und nad Kaufbuden, Sehenswiürdigkeiten, 
Künftler, ꝛc. Während der vordere 
Br. zur Abhaltung der eigentlichen 


Meſſe diente, waren die beiden nördlichen | 


den Bühnenvorftellungen, den Scau- 
jtellungen, den Turnieren, den Ringel: 
ftehen und andern Künſten gewidmet, 
weshalb fie auch heute noch den Namen 
„Spielberge” führen. 

Don welcher Bedeutung jchon Frühe 
der Michaeldömarktt war, dürfte aus einer 
Urkunde vom Jahre 1442 hervorgehen, 
in welcher die Kaufmannſchaft von Speyer, 
welche in dieſer Zeit mit dem Ritter und 
und Bogt von Hunoldjtein in Fehde 
lebte, den Grafen Emich VI. von Reinıngen 
um freies Geleite erfuchte, damit fie den 
Jahrmarkt auf den Michelsberg beſuchen 
könne. Von allen, was auf der Meſſe 
verkauft wurde, mußte den Abte von 
der Limburg eine feſtgeſetzte Abgabe 
entrichtet werden. 


Dem Bruder Simon, welder der 
Kapelle vorftand und den Buttesdienft 
zu bejorgen hatte, wurde im Jahre 1486 
von der Stadt das Weiderecht für I Pferd 
auf der Brühlwieſe“*) zugeftanden; 
auch erhielt derjelbe im Jahre 1493 zehn 
Stück Bauholz „um Gottes willen“ zur 
Ausbefferung der Turmſpitze über der 
Kapelle. Später teilten fih die Hoch— 
ichule von Heidelberg und der Graf von 
Leiningen in den Befig der Kapelle, bis 
diefe, wie oben angedeutet, 1601 nieder: 
gerifjen wurde. 


Bei der allmählihen Ausdehnung des 
Marktes erwiejen fi die Hügel als zu 
Elein und e8 wurde alsdann der Wunrft: 
marft auf die Brühlwieje verlegt. Die 
drei Kalkhügel dienen heute cinem anderen 
Zwecke, fie find mit Neben bepflanzt und 
liefern den weithin bekannten und jeines 
edeln Gehaltes wegen hochgeichägten und 
beliebten „Michaeldberger” und „Spiel 
berger”, die nicht wenig zum ſtarken 
Befuche des Wurftmarktes beitragen. 

Gewiß dürfte fih in der Pfalz fein 
geeigneterer Plaß zur Abhaltung eines 
ſolchen Volksfeſtes finden, wie ihn Dürk— 
heim jett befigt. Während die beiden 


\ großen ſchattigen Alleen, davon eine mit 


vier Reihen Bäumen, zur Aufjtellung 


| der verichtedenen Kaufmannsſtände dienen, 


*) im Boltsmunde „Brügelmiefe”. 


bietet die eigentliche Brühlwiele genügend 
Raum für die großen Weinhallen, in 
welchen während des ganzen Marktes 
Militärkapellen konzertieren, fiir die Zelte 
fahrender Künftler und für andere 
Sehensmwürdigkeiten. 

Nachdem vor 15 Jahren die legten 
noch in Brivatbefiß befindlichen Brühl: 
wieſen von der Stadt angefauft waren, 
wurde der ganze FFeitplag fanalifiert und 
breite Kieswege angelegt, jo daß heute 
die Beſucher auch bei ungünftiger Witte- 
rung nicht befürdten müſſen, im auf- 
geweicdhten Boden fteden zu bleiben. 

Ein Wiejenquadrat ift rejerviert für 
die Kleinen Winzer, welche dajelbit in 
primitiven Selten meiſtens ihren ſelbſt— 
gezogenen Wein zum Ausſchank bringen 
und, weil fie denjelben gewöhnlich auf 
einem Scieb: oder Schubfarren herbei: 
bringen, kurzweg „Schubkärchler“ genannt 
werden. Wohlwenig Wurſtmarktsbeſucher 
verſäumen es, auch bei den „Schub— 
kärchlern“ Einkehr zu halten und fie 
wiffen wohl, warum. 

Auf dem Zurnplag find die Kübler: 
waren aufgeitapelt und es finden im 
guten Weinjahren Zuber, „LRotten” 
( Fäffer) ꝛe. aller Größe reichen Abſatz. 

Einen beionderen Anziehungspunft 
für die Hausfrauen bietet der Geſchirr— 
markt. In großer Auswahl find hier 
die irdenen und Emailwaren vertreten. 

Nicht Tarf vergeffen werden der 
Zwiebelmarkt, zu dem die Bewohner von 
Beisfam, Flomersheim, Eppftein 2c. ihre 
Produkte liefen. Hier wird jo ziemlich 
der Bedarf fürs ganze Rahr gededt. 

Der Beſuch des Wurftmarktes ninmit 
mit jedem Jahre zu. 1904 bradıten dic 
vegelmäßigen und eigens eingelegten 
Eıjenbahnzüge aus allen Zeilen der 
Pfalz und den angrenzenden Ländern 
an den zwei erſten Feittagen 52.000, 
am 3. Tage 8000 und am Nachmarkte 
(darauffolgenden Sonntag) 6000 Bäite. 
Die Frequenz wilrdezeine noch bedeu: 
tendere geweſen fein, wenn nicht in dieſen 
Tagen am ganzen Gebirge die Weinleie 
begonnen hätte. ‚ 

Bei dem Andrange einer solchen 
Menihenmenge ift es jelbftverftändlicdh, 


102 


daß zur Aufrechthaltung der Ordnung 
die Bolizeiorgane verftärkt werden müſſen. 
Das Polizeibureau wird während der 
Feittage in cine beionderd errichtete 
Bretterbude auf dem Feitplage verlegt. 

n unmittelbarer Nähe ſchlägt feit einigen 

ahren auch die Sanitätäkolonne ihr 

elt auf, um etwa Berunglüdten nötigen 
falls die erfte Hilfe zu bringen. 

Antereffant für den Beſucher ift der 
Aufzug am Sonntag. Nad Beendigung 
des Gottesdienstes in den beiden Kirchen 
verjammeln ſich die Militärkapellen auf 
den Schloßplage vor dem Stadthauie. 
Nachdem jede Kapelle einige Stüde vor: 
getragen, ordnen ſich die Sicherheits: 
organe und Sanitäter zum Bug und 
nun geht's unter dem lange fröhlicher 
Weiſen zur Feſtwieſe. 

Daß Metzger, Bäcker und Wirte an 
dieſen Tagen ſich rühren müſſen, um 
die Feſtgäſte zu befriedigen, braucht kaum 
erwähnt zu werden. Nach genauer Zu— 
ſainmenſtellung wurden von den hieſigen 
Metzgern am Wurſtmarkte 1904 in der 
Zeit vom 26. September bis 8. Oktober 
geſchlachtet: 261 Schweine, 66 Kälber, 
20 Rinder, 7 Stiere, 5 Kühe, 4 Faſſel 
und 2 Ochſen; daß dabei auch ein ent— 
ſprechendes Quantum Wein Verwendung 
fand, braucht wohl nicht beſonders be— 
merkt zu werden. 


Alle Anſtrengungen anderer Orte, 
ihre Kirchweihe zu ähnlichen Volksfeſten 
umzugeſtalten und dadurch mit dem 
Wurſtmarkt in Konkurrenz zu treten, 
find bis jegt erfolglos geblieben, 

Der „Wurſtmarkt“ ift auch poetiich 
verberrliht in Woll's Elaffiicher Dia- 
feftdihtung und er hat feine Originalität 
und Bugkraft bewährt — trug übler 
Folgen, die mancher Beſucher davon: 
getragen haben mag. 

Wie Sehr der „Derkemer Woridt- 
mark” volkstümlich bekannt geworden 
ift, mag daraus eriehen werden, daß der 
Berein der Aheinpfälzer, gegründet 
1899, am 1. Dtober in Köln im Bör— 
jenfaal des Gürzenih zur Erinnerung 
an das prälziiche Volksfeſt eine Feſtlich— 
feit abhielt, zu der auch Abordnungen 
de8 Bereins der Rheinpfälzer in 


Düjjeldorf, Duisburg und Krefeld 
erihienen waren. Bejonders große Freude 
machte an diefem Abend auch die Mit: 
teilung, daß von einem Gönner aus der 
Heimat eine namhafte Summe für die 
Unterftügungsfaffe des Vereins über: 
wiejen wurde. Mebit einer Anzahl von 
Telegrammen, u. a. der Brudervereine 
in Würzburg, Münden und Zürich, 





103 


waren auch poetiihe Grüße von den 
heimischen Dichtern Paul Gelbert, Rid). 
Müller, Emil Weber, Frig Claus, Ernft 
Kiefer, Daniel Kühn, Auguft Seiler, 
Emil Haas, &. U. Ney eingelaufen — 
gewiß ebenſo Zeichen, daß die Heimat 
auch in der Ferne geichägt wird, als 
für die Bopularıtät des „Wurſtmarktes“. 
A. vöckel. 


Eine nene „neolithifche‘ (nenfeinzeitalterliche) Station 


und Fabrikationgftelle wurde in der Nähe 
von Neuftadt, und zwar nad Diten zu 
zwiſchen der alten Haßlocher Landſtraße 
und dem Harthauſer Weg im ſogenannten 
„Böhl“ feſtgeſtellt. Bis zur Station 
Wallböhl iſt eine Entfernung von 3,5 km. 
Zahlreiche unbehauene Silerfnollen und 
bearbeitete Werkzeuge beweijen auf diejer 
altdiluvialen Schotterterraffe die Arbeit 
des neolithiihen Menichen, der hier 
zweifello8 da8 Material der Schotter: 
mafjen zu feinen Sweden verwertet und 
wahricheinlich aud da gewohnt hat, wo 
die Nähe des Rehbaches und ein jonniger 
Platz einlud. Nahe diejer Stelle, im 


Römifche 


Wie die Ausgrabungen des Fabri— 
Eanten Wilhelm Ludowiei zu Jockgrim, 
wo jüngit im Scelmenmwald am Rande 
des Otterbachs ein größeres römiſches 
Bad aufgededt wurde, neuerdings auf: 
genommen wurden, jo ließ neulich der 
Hiſtoriſche Verein der Pfalz an ver: 
ſchiedenen vorgeihichtlichen und römischen 
wie fränkiſchen Wohnftätten Grabungen 
vornehmen, die vom beiten Erfolg be: 
gleitet waren. In der Gemarkung 
Iggelheim 3. B. im Flurbezirt Eich 
ihwalbe auf dem Felde des Landwirtes 
Koob murde diht an der ehemaligen 
Nömerftraße, dort Herrenweg, aud 
Schifferftadter Weg genannt, ein römisches 
Hypofauftum, wie e3 in den römischen 
Häuiern in Germanien, Gallien und 
Dberitalien häufig vorkommt, aufgededt. 


Garten des Gutsbefigerd Schaaf, war 
vor einigen Jahren eine Anzahl Nep- 
jenfer aus Ton ausgegraben worden, 
wie fie auch anderwärt3 als der neo» 
lithiichen Periode des Menjchen ange 
hörig gefunden worden find. Beide 
Stationen können mit einander verbun— 
den gedadht werden. — In zwei Jahren 
ıjt in diefer Gegend ein ganzes Spitenn 
ſolcher Wohnftelen bekannt geworden, 
die zumteil dem FFlomborn- (Hoderära-) 
Typus, zumteil dem BPfahlbau Typus 
angehören und uns verraten, daß vor 
beiläufig viertaujend Jahren die Gegend 
befiedelt war. (Nah „Pf. Kur.”). 


Funde. 


nungen, alfo eine Urt Quftheizung aus 
jo früher Zeit. Erhalten find das Pro- 
pnigeum, d. i. die Mündung des Ofens, 
Zeile der Umfäffungsmauern, ſowie 
ſämtliche Badjteinläulhen auf Liegel- 
mörtelbeton.. Dabei fanden ſich aud 
Brucdftüde der Röhren (tubi), farbige 
Verpugftüde, ein Glöckchen um. Bei 
diejer Gelegenheit werden die Bewohner 
der Pfalz, welche wünſchen, daß die 
Pfälzer Altertümer den Kreismujeum 
zu Speyer zugewendet werden jollen, 
gebeten, dem „Ausihuß des Hiitoriichen 
Vereins zu Speyer” bezw. über vor» 
geichichtlihe, römiſche und fränkiſche 
Funde dem Konſervator Profefjor Hilden- 
brand in Speyer, liber Gegenftände aus 
Ipäterer Zeit dem Konſervator Regie: 
rungsrat Berthold in Speyer gefälligit 


Es iſt dies ein unter dem Boden be- | Mitteilung zu machen. 


findlicher Raum zur Heizung der Woh- 


| 


104 


4 


Das Meteor vom 3. Anguſt, 


das aud bei und in Münden und ander: 
wärts in Bayern beobachtet werden 
Eonnte, iſt bezüglich feiner Flugbahn 
von der Heidelberger Sternwarte 
auf Grund von mehr als 250 Berichten, 
die dem Objervatorium brieflich oder in 
Beitungsausichnitten zugingen, wiſſen— 
ſchaftlich unterſucht worden. Dr. Moſchick 
von der Sternwarte auf dem Königs— 
ſtuhl bei Heidelberg berichtet nun ſelbſt 
darüber. Das Meteor erſchien am 3. 
Auguſt abends 8 Uhr 55,8 Minuten 
mitteleuropäiſcher Zeit. Es wurde in 
der ganzen Schweiz, in Bayern, Württem— 
berg, Baden, in der Pfalz, in Heſſen, 
dem Rheinland und Thüringen beobachtet. 
Es liegen weiter Berichte aus Münden, 
Prag, Leipzig und Berlin vor, ja jelbjt 
in Moskau fonnte es geliehen werden. 
Als es in die Nähe der Erde kam und 
deren Lufthülle durchſchnitt, erhigte es 
fich infolge der Reibung mehr und mehr, 
bis zur höchſten Weißglut, wodurd es 
für uns ſichtbar wurde. Dieſes Ereignis 
trat etwa über den Seckauer Alpen 
(Steiermark) und in einer Höhe von 
183 Kilometern ein. Das Meteor flog 
nad Weit-Nordweit, Ereuzte die deutiche 





Grenze in der Nähe von Braunau, flog 
weiter jüdlich von Regensburg, Nürn- 
berg, Würzburg. Als es fih ungefähr 
10 Kilometer nordöſtlich von Aichaffen- 
burg befand, teilte es fich, das Eleinere 
Stüd fiel 1 Kilometer gegen die Erde 
zu, um dann zu erlöichen, während der 
Hauptkörper jeinen Weg nod) bis Hanau 
fortiegte und an dem Ort mit der Ränge 
8 Brad 55 Minuten 5 Sekunden ö. Br. 
und der Breite 50 Grad 7 Minuten 
6 Sekunden in 58,9 Kilometer Höhe 
rafetenartig zerſtiebend verſchwand. Ueber 
die Größe vermögen wir uns keine be— 
ſtimmten Vorſtellungen zu machen. Denn 
wegen der Mangelhaftigkeit im Bau des 
menschlichen Auges ericheint ung ein ſtark 
leuchtender Punkt nicht als folcher, ſon— 
dern als leuchtende Fläche. Dadurd) 
wird der fcheinbare Durchmeſſer ftarf 
vergrößert. Eine weitere Urjache zur 
Vergrößerung des jcheinbaren Durch— 
meflers dürfte darin zu ſuchen jein, daß 
ſich um den dahineilenden Körper gleich— 
Jam eine Hülle mitgeriſſener Luft bildet, 
die ebenfalld mit den in ihr ſchwebenden 
feiten Teilchen ind Glühen kommt. 


Der Sturm am 10. Auguf. 


Die großherzoglide Generaldirektion 
der Staatdeifenbahnen hat eine Nach— 
rehnung der Wirkungen des 
Sturme3, der am 10. August de. Is. 
fo verheerend über die badischen Gefilde 
gebrauft ift, auf Grund der Abmefjungen 
und der Widerjtandsfejtigkeit dev umge- 
ftürzten Hallen vornehmen und daraus 
die Stärke des Sturmes ermitteln laflen. 
Es kann danach mit Sicherheit ange: 
nommen werden, daß der Sturm einen 
Luftdrud von mindejtens 230 Kilogramm 





auf den Quadratmeter ausgeübt hat, 
was einer Quftgeichwindigfeit von 43 
Metern in der Sekunde entipridt. Die 
größten bisher in Deutichland beobad)- 
teten Stürme haben laut „Karlsr. Ztg.“ 
eine Stärfe von 180 Kilogramm für 
den Quadratmeter oder eine Luft— 
geihwindigkeit von 38 Meter in der 
Sekunde bejefjen. Der Sturm vom 10. 
Auguft übertrifft alfo die bekannten 
ftärkiten Stürme in Deutichland an Ge— 
walt um fait ein Zrittel. 








Inbatt: ur Geſchichte des Weinbaues in der Rheinpfalz. Bortrag, beim 22. Weinbau: 


fongreß gehalten von Dr. jur. F 


Eine nene „neolithiſche“ (iteinzeitalterliche) Station. - 


zriedrich Baſſermann-Jordan. — 


Der Dürkheimer Wurſtmarkt. — 


Nömifhe Funde. — Der Metor vom 3. 


Auguft. — Der Sturm vom 10. Auguft. 
Schrififeiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — ſermann Kayſet's Derlag, Aaiferslautern. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


Die „Pfälzifche Heimatkunde” koftet jährlich in 12 Heften Mf. 2.50. Peitellungen werden von allen Buchhandlungen ud 
Toftanftalten ferner vom Verleger (Bortofreie Etreifbandjendurg) angenommen. 


1. Jahrgang. 


Nummer 14 


Dezember 1905. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


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% 





| Bayerilcher Flußgebiets-Atlas. 
He mehr mit der Entwidlung der In- und das Flußgebiet des Mains umfaffend, 


duftrie und der dadurch gejteigerten Nach— 
frage nad; Wajlerfräften einerjeit$ und 
dem Fortichritt der Landeskultur anderjeits 
auch die Eleineren Waflerläufe an volfs- 
wirtichaftliber Bedeutung gewinnen, deſto 
weniger fann die für das Nönigreich Bayern 
im Sahre 1881 von der Oberſten Baus« 
behörde herausgegebene „Hydrographiicde 
Überſichtskarte“ (1 : 750,000), melde 
nur die Hauptflußgebiete und deren be- 
deutendere Unterabteilungen enthält den an 
fie geftellten Anjprüchen genügen. Das 
im Jahre 1898 errichtete Hydrotechniſche 
Bureau hat es deshalb jofort nad) jeinem 
Entjtehen als eine feiner vordringlichiten 
Aufgaben erachtet, ein ermeitertes und 
möglichft detaillierte® Tert- und Starten- 
werk über die Bach- und FFlußgebiete im 
Königreich Herzuftellen, das für alle ein- 
ichlägigen Verhältniſſe ausreichend fein ſoll. 
Das Werk befteht aus zwei Teilen: 
einem Verzeichnis der Flächeninhalte der 
Bad: und Fylußgebiete und einem Fluß— 
gebiets-Atlafje im Maßſtab von 1: 200,000, 
Bayern partizipiert an vier Gtrom- 
gebieten: Donau, Rhein, Elbe und Weſer. 
Vom Flächenverzeichnis find bis jekt er» 
ihienen da8 Stromgebiet der Donau (I. 
bis V. Heft) jowie die Stromgebiete der 
Elbe und Wejer (VII. Heft). Die Hefte 
VI und VII, das Stromgebiet des Rheins 


= 





find teil$ noch in Bearbeitung, teils jchon 
unter der Preſſe. Vom Flußgebiets-Atlas 
find jehs Blätter gleichfalls erjchienen, 
vier Blätter find noch in Arbeit. Das 
Bejamtwerf wird vorausſichtlich ım Laufe 
des Jahres 1906 vollendet werden, Da 
das Hhdrotechniihe Bureau zum Zwecke 
der möglichſten Evidentftellung des Gewäſſer— 
neges unferes engeren Baterlandes an die 
einschlägigen Diftriftsverwaltungsbehörden, 
Forfiämter, Straßen: und Flukbauämter, 
fulturtechniichen Bureaus, Magiſtrate, jowie 
an eine Reihe von Gutsverwaltungen und 
Private Kartenabzüge zur Durchſicht und 
Einjendung von Berichtigungen hinausgibt 
und außerdem vielfach bei den Geme' Ye» 
verwaltungen über ortsübliche Waflerlaufs- 
benennungen anfrägt, jo darf das Werk 
wohl Anſpruch auf Vollftändigkeit machen 
und die feit langem wünſchenswerte Teit- 
ftellung der Nomenklatur der bayerifchen 
Gewäſſer fich zum bejonderen Verdienſt an- 
rechnen. 

Seine Publikation wird allen Inte— 
reflenten, vor allem dem Wajjerbau- und 
Kulturingenieur, nicht zum menigjten aber 
aud) den Berwaltungsbeamten für die 
meiften in der Praxis ſich ergebenden 
Fragen Hydrotechniicher Natur einen be» 
grüßenswerten Behelf bieten. 


— — 


— 


106 


Dünen in der Pfals. 
Von D. Häberle, Raiferl. Rechnungsrat, Heidelberg. 


Wohl jedem, der einmal unjere nord» 
deutichen Küften oder Seebäder bejudht hat, 
bleiben die hochaufgeſchütteten Sanddünen 
in fteter Erinnerung, weldje in langgezogenen, 
wallartigen Hügelreihen bis zu 100 m 
Höhe den flachen Strand oft parallel hinter- 
einander begleiten und ihm einen wertvollen 
natürlichen Schuß gegen den Anfturm der 
Meereswogen verleihen. Anm einzelnen 
Küfterftrichen dagegen, 3. B. an der furijchen 
Nehrung bildeten fie, in beftändigem Bor: 
rüden landeinwärts begriffen, früher eine 
große Gefahr, da fie fruchtbares Land und 
ganze Dörfer unter fi begraben haben, 
Erſt der neueren Beit blieb es vorbehalten, 
durch planmäßige Anpflanzung von Dünen- 
bafer und Aufforftung dem meiteren Bor- 
rücken eine Schranfe zu jegen, fie zu ver- 
feftigen und nutzbar zu machen. 

Als Produkte des Windes knüpfen ſich 
derartige Flugjandbildungen nicht allein an 
die Küſten, wir finden fie aud in Troden- 
gebieten der Binnenländer. Bon ihnen er- 
zählen uns die Wüftenreifenden und auch 
in den Berichten unferer Kämpfer in Süd— 
weftafrila werden Sandwüſten und Dünen 
in Verbindung mit Wafjermangel leider 
nur zu oft genannt 

Zur Entftehung don Dünen find die 
Vedingungen überall da gegeben, wo der 
Wind auf nacktem Boden ohne Bilanzen» 
wuchs ungehindert fein Spiel treiben fann 
und wo das Material der Bıldung feinen 
Sandes günftig ift. Am Meeresftrand jett 
der Wird den bei Ebbe freigelegten See- 
fand aufmwirbelnd in Bewegung, im Binnen- 
land dagegen übt er außerdem am an« 
ftehenden Geftein feine forradierende (ab— 
tragende) ZTätigfeit (Deflation) aus; das 
losgelöfte feine Material wirft wie ein 
Sandgebläfe mit zerftörender Kraft weiter. 
Da aber einzelne Teile der Geſteine wider. 
ftandsfähiger find als die andern, jo ent- 
ftehen eigenartige ifolierte Felsgebilde, mie 
wir fie auch bei uns in der Dahner Gegend 
als pittoresfe Überbleibfel der ehemaligen 
Buntjandfteindede bewundern fünnen. Da: 
neben lodern Bermwitterung und Froſt den 
Boden auf, der Wind treibt den Sand 

 fich her, wirbelt ihn in die Höhe, bis 





bei nadjlajjender Gejchmwindigfeit die Sand- 
förner, befreit von dem verfittenden Ton- 
ftaub, durch ihr eigenes Gewicht finfen und 
ih an den von der Natur gegebenen 
Hinderniffen im natürlihen Böſchungs- 
winkel abjegen. Diefer wird durd die 
Größe der Sandförner, ihre Geftalt, die 
Form des fi in den Weg ftellenden Hin- 
derniffes und die vorherrichende Wind: 
richtung beftimmt. Rechtwinklig zu legterer 
legen fi die Dünen an; auf der Wind- 
(Yuv)feite find fie flach geböjcht, fallen aber 
auf der hinter dem Hamm im Windichatten 
gelegenen Eeite (Leejeite) fteil ab. Dabei 
laffen die aufgehäuften Sandmaſſen eine 
deutlihe Schichtung erkennen; die mehr 
horizontale Ablagerung entſpricht der An- 
wehung des Sandes auf der Yupjeite, die 
ichräge Schichtung dem Abfall auf der 
Pecjeite. Entſprechend der jchwanfenden 
und veränderlichen Natur der hier wirtenden 
Kraft entitehen regellofe Hügelreihen, die 
auf vorhandene Unebenheiten des Bodens 
auch ausgleichend und nivellierend wirfen 
fünnen. 

Nahdem nun die für die Entitehnng 
von Dünen im Allgemeinen giltigen Bor 
bedingungen vorausgeſchickt find, wollen wir 
uns in umjerer engeren Deimat nad) diejen 
merkwürdigen Naturgebilden umſehen. Wir 
finden fie an den verfchiedenften Punkten 
der Pfalz, in der Nheinebene, in der weft: 
pfälziſchen Woorniederung (Bruch), auf 
dem Hodjplateau von Enkenbadj- Neukirchen 
u. a. O. in gleicher gejegmäßiger Aus- 
bildung. Alle zıchen vorwiegend in nord« 
öftliher Nichtung und haben den Steilab- 
fall nadı Süden; e8 waren aljo haupt» 
jächlich nordweftliche Winde, die zu ihrer 
Anhäufung beigetragen haben, Heute find 
fie meift mit Geſtrüpp oder Wald be- 
ftanden und dadurd; der Ginwirfung des 
Windes entzogen. Sandgruben oder Durch— 
ftihe bei Eijenbahn: und Straßenbauten 
verraten ihre Eriftenz unter der ſchützenden 
Naiendede. 

Da fid) aber jegt bei uns feine neuen 
Dünen bilden und die vorhandenen nicht 
weiter wandern, müjjen andere Elimatijche 
Bedingungen, als fie jegt berrfchen, zu 


- 107 — 


ıhrer Entſtehung PVeranlaffung gegeben | hier fam die abtragende Straft der von 


haben. 
Wie vorausgeſchickt, gehört zur Dünen- 
bildung eine vorherrjchende Windrichtung 


und ein nadter, fteriler Boden ohne Vege | 


tation. Diefen finden wir nur in Troden- 
gebieten, in Polargegenden oder im Hoch⸗ 
gebirge. Da num die beiden letten Faktoren 
in der Pfalz außer Betracht bleiben, müſſen 
wir für unfere Heimat einmal eine Periode 
mit trocknerem Klima und geringeren Nieder- 
Ichlägen als heute vorausſetzen. Es wird 
jest jajt allgemein angenommen, daß wäh- 
rend und nad) der von Stürmen begleiteten 
Eiszeit (Diluvium) im mittleren Europa 
eine Art Steppenklima, ähnlich wie jegt in 
Bentralafien, mit entiprechender Yauna und 
Flora herrſchte, während dem die früher 
weit außgedehntere, aber damals vegetations- 
loſe Buntjandfteindede durd) die Einwirkung 
des Windes vielfach zerftört, das losgelöſte 
Material forttransportiert und zu Dünen 
aufgehäuft wurde. Ihre Entftehung in 
der Rheinebene iſt leicht erflärlih. Wir 
müſſen uns die ganze oberrheinijche XTief- 
ebene im Diluvium als ein, von zahlreichen 
verfandeten Rheinarmen durchfurchtes Über- 
ihwemmungsgebiet vorftellen, in dem das 
feinere Material, joweit e8 nicht durd 
eine perennierende, von der Flußfeuchtig- 
feit lebende Pflanzendede feftgehalten wurde, 
in fteter Wanderung begriffen war und fich 
an geeigneten Stellen zu Dünenzügen auf- 
türmte. Wir finden dieje, heute meift be» 
waldeten unregelmäßigen Hügelreihen hinter 
Germersheim (an der Holzmühle), im 
Bienwald, im Streitwald bei Speyer u. a. O., 
in noch höherem Maße aber jenfeits des 
Mheins bei Sandhauſen, Dftersheim, 
Schwegingen, bis gegen Darmftadt hin, 
Beionders an der Bahnjtrefe Mannheim: 
Heidelberg treten bei Durcjfreuzung des 
Waldes die Dünenmwälle bei Friedrichsfeld 
ganz deutlich hervor. Ya, in der Gegend 
von Schwetzingen beiteht, falls die Ab» 
holzung des Waldes ſich nicht in beftimm- 
ten Grenzen hält, die Möglichkeit, daß die 
Dünen ınfolge der durch einen intenfiven 
Spargelbau bedingten ftändigen Bloßlegung 
de Bodens mieder einmal ins Wandern 
fommen können. 

Andere Bedingungen finden wir auf 
der Hochfläche von Neufirchen- Enfenbad) ; 


Nordmweiten mehenden Winde ungehindert 
zur Entwidlung. Die Sandmaffen wurden 
über den Galgenberg binabgefegt, ſtießen 
fih in der Niedermehlinger Mulde und 
lagerten fich dahinter auf der Bodenſchwelle 
des Beltenbergs ab. Gegenüber dem Nieder: 
mehlinger Hof entwicelten fich drei typiſche 
Diinenzüge mit fteil abfallenden Südrändern 
in geringen Abftänden hintereinander, die ge: 
rade jeßt infolge der Abholzung des Wald: 
diftrifts gut beobachtet werden können. Der 
vordere Kamm ıft etwa 2 m, der nächſte I m, 
der legte O,5 in hoch. Daran jchließen ſich 
weiter weſtlich höhere, aber regellos an- 
geordnete Münen, die ſeit langer Zeit als 
Sandgruben benußt werden. Der Mangel 
an jeglihem Geröll ſtellt den geoliichen Ur- 
Iprung ganz außer Zweifel und madıt den 
fleifchfarbenen Sand zu einem gejuchten Bau- 
material; von der früher beliebten Verwen— 
dung als Bimmerftreufand ift man unter den 
fortgejchrittenen Lebensverhältniffen ab: 
gefommen. In diefen Aufichlüffen ift etwa 
1 m unter der jegigen Oberfläche und etiwa 
2 m über dem urjprünglichen, an jeiner 
Ihmwarzen Färbung fenntlidyen Untergrund 
eine 15 cm ftarfedunfle Humusichicht zwischen 
die Sandmajjen eingelagert. Es hat alfo 
eine Unterbrechung in der Aufjchiittung und 
währendderjelbeneineBegetationsentmwiclung 
ftattgefunden, die auf einen vorübergehenden 
Klimawechſel hindeuten. 

Auch) in derangrengenden Gemarfung von 
Enfenbah finden wir ähnliche Verhältnifie, 
bejondersander Gewann „Eeil”. Zum Ader- 
bau find derartige fandige Gelände wenig ge« 
eignet und große Teile der Feldmark von 
Entenbad daher in Aufforitung begriffen, da 
ſich deren Bewirtichaftung unter den heutigen 
fortgefchrittenen Verhältniſſen nicht mehr 
lohnt. Hierdurd wird auc der Verjandung 
des Enfenbacher Tales etwas gefteuert. An 
der im 13. Jahrhundert in Angriff ge- 
nommenen und damals über der Taljohle ge- 
legenen Klofterfirche hatte der Sand ſich im 
Laufe der Zeit jo gehäuft, daß die Kirchen— 
bejucher bis zur Erhöhung und Auffüllung 
des Fußbodens im Jahre 1819 ca. 12-15 
Treppen hinab fteigen mußten. 

Wieder anders liegen die Verhältniſſe 
in der wejtpfälziihen Woorniederung. 
Hauptiädlih den Sidrand des Bruches 


— 108 — 


begleiten vom Wurzelmoog über den Einfied« 
lerbruch bis nach Kindsbach und vom Pfaifen- 
tal bei Vogelbach bis hinter Homburg lange 
dammartig aufgeworfene Dünenzüge aus hell 
roten Sand. Teilmeife find fie durch die 
fortichreitende Wielenfultur zur Auffüllung 
verwendet, oder, ſoweit ihr Eifengehalt durch 
Humusjäure entfärbt ift, als Glasfand zu in« 
duftriellen Zwecken abgefahren werden, 
Am beften laſſen fich die, ſchon von 
der Eifenbahn aus fichtbaren Dünenmwälle 
zwifchen Ginfiedlerhof und Kindsbach be- 
obadjten, wo fie mit fümmerlihem Raſen 
oder verfrüppelten Siefern bededft die 
rejpeftable Höhe von 6 m erreichen; beim 
Vorſignal der Haltejtelle Einfiedlerhof find 
fie teilweife in zwei parallelen Zügen mit 
deutlicher Schichtung entwickelt. Über die 
Beit und Art ihrer Entftehung gehen die 
Anſichten noch auseinander. Wahrjcheinlich 
wurden fie durch den Wind noch vor 
Bildung des Torfbruhs aufgehäuft und 
trugen zur Anftauung des Waſſers und 
Entwidlung des Torf mit bei. Auch die 
Ausgeftaltung des füdlichen Steilrandes 
der Niederung wird auf die Tätigkeit des 
Windes zurüdgeführt. Tatſächlich befteht 
auch eine gewiffe Ühnlichkeit des Nord- 
abfalls der Sickinger Höhe mit den Bergformen 
der Wüſte, die ich auf meinen Reifen durch 
eigene Anfchauung fennen gelernt habe. 
Über das Alter der Dünen geben uns, 
wenigftens für die in der Rheinebene ge: 
legenen, prähiftoriihe Funde Aufichluß. 
Bei Friedrichsfeld wurden im Jahre 1901 
und neuerdings bei Sedenheim in den 
Dünenſand eingelagerte Kulturjchichten als 
Spuren menschlicher Tätigfeit 4 m unter 
der heutigen Oberfläche entdeckt. Ihre 
Logerung ließ ein janftes NAbfallen nad) 
Nordoften erkennen, jodaß die Anfiedlung 
durch die weſtlich und füdlich vorgelagerten 
Diinenfämme gegen den Wind geichligt 
war Auf Grund der Funde an Werk: 
zeugen u, dgl. wurde ihr Alter in die Zeit 
des llbergangs von der jüngeren Steinzeit 
in die Bronzezeit, alfo etwa um das Jahr 
2000 v. Chr. verlegt. Damals waren die 
Dünen vielleiht vorübergehend zur Ruhe 
gefommen und hatten ſich mit einer ultur« 
ichicht bedekft, dann aber trat abermals 
eine Periode von Sandiwehungen ein, welche 
die hinter dem Wind liegende Anſiedlung 








mit einer bis zu 4 m hohen Schicht von 
Flugſand überjchüittete. 

Diefe über die flache Umgebung fid) 
erhebenden, Umjchau und natürlihen Schuß 
zugleich gewährenden Hügelrüden waren 
von der Urbevölkerung anjcheinend bevor» 
zugte Wohnpläge. Denn aud in unjeren 
pfälziihen Dünen begegnen wir ihnen, jo 
bei Speyerdorf (Pfälz. Mufeum 1905, 
©. 132), bei Niedermehlingen (König, 
Römiſche Denkmäler S. 149) u. a. O., wenn 
auch die Möglichkeit zu einer Altersbeitim- 
mung der Sandanhäufungen bei ihnen fehlt. 

Es find aljo mindeftens 4000 Yahre 
jeit diefen Dünenbildungen bingegangen. 
Die Steppenzeit erreichte ihr Ende, reichere 


Niederichläge ftellten fih ein, mit der 
Wiederbewaldung der Höhen hielt die 
BWaflerhaltung gleichen Schritt, und die 


alten Duellen traten wieder in Xätigfeit. 
Das Landichaftsbild näherte fich allmählich 
dem heutigen und aus dem Oſten und 
Süden einwandernde Tiere und Pflanzen 
verdrängten die ausfterbende Fauna und 
Flora der Steppe, nur der Menjch verftand 
es, vermöge feiner höheren ntelligenz, den 
veränderten Verhältniſſen fich anzupajfen. 

Ein Umftand aber joll als hierher gehörig 
noc) erwähnt werden. Es gewinnt, jomwohl 
nad eigener Beobachtung als auch nach Wahr- 
nehmung anderer den Anſchein, als ob in den 
legten Jahren die Niederichläge, namentlich 
im Winter, abnehmen würden. Sn Folge 
deſſen finkt der Grundwaſſerſpiegel mehr und 
mehr, Quellen und Brunnen laflen nad 
oder bleiben ganz aus, überall ertönt 
der Auf nad Wafferleitungen. Soll die 
intenfivere Land» und Forftwirtichaft und 
die fteigende Bevölkferungsziffer den Wajler- 
mangel allein bewirfen oder follen Ddieje 
Erjcheinungen vielleicht Worboten für eine 
neue Steppenzeit jein? Für den Meteoro» 
logen wäre es eine danfbare Aufgabe, 
diejer Frage einmal auf den Grund zu gehen! 
Intereſſenten feien auf einen in der Natur- 
wiffenschaftlihen Wochenschrift für November 
1905 erjchienenen Artifelvon Arthur Stenzel 


| (Hamburg) über das „Austrodnen der Stonti- 


nente” aufmerkſam gemadt. Der Berfajler 
legt ausführlich dar, wie wir gegenwärtig in 
einer Periode der Austrochnung leben, was er 
am Ijad-See, Salz See u. a. Beiipielen 
erläutert. 


— 


109 


Zur Geſchichte des Weinbanes in der ARheinpfals. 


Bortrag, beim 22. Weinbaukongreß gehalten von Dr. jur. fyriedrih Baffermann-Fordan. 
Schluß.) 


Und was die Franken betrifft, die nach 
Chlodwig's Sieg 496 die Alemannen aus 
der Pfalz faſt gänzlich verdrängten, ſo er— 
gibt ſich nicht nur aus der lex Salica, 
ſondern auch aus dem Volksrecht der für 
die hieſige Gegend ſpeziell maßgebenden 
ripuariſchen Franken, daß ihnen der Wein— 
bau vollkommen geläufig war. 

Man ſieht, die Kette von der römiſchen 
Stultur zur deutſchen ſchließt ſich ohne 
Lücke, auch ohne die Funde von Wein» 
gefäßen und dgl. aus der Merovingerzeit 
in der Pfalz. 

Und aus der Merovingerzeit ftammt 
aud) die für die Pfalz ültefte Urkunde im 
engften Sinn, welche den Weinbau er- 
mwähnt: Im Sahre 653*) jchenft König 
Siegbert von Auftrafien dem Bifchof Prin- 
cipius von Speyer den Weinzehnten im 
Speyergau, eine Schenkung, die ſchon ein. 
gebürgerten Weinbau vorausjeßt. 

Seit der Merovingerzeit ift die chrift« 
lihe Kirche in Deutſchland in mächtiger 
Ausdehnung begriffen und bejonders zahl- 
reiche Klöſter blühen in jener Zeit empor; 
die für unjere Heimat jo wichtigen Klöſter 
Weißenburg, Yorih und Fulda entftanden 
im 7.—8. Jahrhundert. Für den Wein» 
bau ift die Kirche von der allergrößten 
Bedeutung geworden. Wie einft der römijche 
Kolonift das ihm unentbehrliche Getränf 
überall jelbit zu produzieren fuchte, fo be: 
deefte die Slirche das Land mit Weingärten, 
da fie den Wein zum Gottesdienit brauchte, 
und da die kirchlichen Niederlaffungen feiner 
nit nur auch zum eigenen Gebraud), fon» 
dern in großem Umfang als Almojen an 
Fremde und zur Berjendung an verbrüderte 
oder befreundete Klöſter ın ummirtlichem 
Yande bedurften, 

Das Evangelium und der Weinbau 
ind gemeinfam ausgebreitet worden, und 
die Kirche hat als die eigentliche Mutter 
des deutichen Weinbaues zu gelten. Auch 
die Verdienſte großer Monarchen müſſen 
ihr gegenüber in den Hintergrund treten, 

*) Zwiſchen 650 und 656. SKtönig Siegbert 
ftardb 656. Biſchof Principius fam 650 zur 
Regierung. 


— 





deren größtes Verdienſt um den Weinbau 
eben doch nur darin beſteht, daß ſie die 
Kirche unterſtützten. Es gilt dies auch für 
Karl den Großen. 

Wohl hat er Muſterwirtſchaften auf 
ſeinen Gütern angelegt und daſelbſt Vor— 
ſchriften ſür Sorgfalt im Weinbau erlaſſen, 
ſodaß dieſen Mufteranftalten eine nützliche 
Wirkung auf den ganzen Weinbau —micht 
abzufprechen jein wird, aber wir dürfen 
— ein Bunft, über den ähnlid die mo— 
dernen Wernbaufchulen wieder zu lagen 
haben — die Einwirkung auch des größten 
Monarchen auf das fonjervative, den Neue- 
rungen ſchwer zugängliche, wenn, auch da- 
muls unfreie Volk der Winzer nicht über» 
ichäßen gegenüber der ungebeueren Be— 
förderung, die dem Weinbau von jeiten der 
Kirche zu Teil geworden iſt. 

Für die rechtörheiniichen Gebiete ergibt 
ih aus dem Bertrag von Berdun 843, 
daß der dortige Weinbau für die Bedürf— 
niffe jener Beit damals noch nicht aus-« 
reichte, weshalb König Yudwig der Deutiche 
linfsrheinijcd das Gebiet von Mainz, der 
Nahe, Worms und Speyer, aljo auch die 
heutige Pfalz, zu jeinem rechtörheinifchen 
Reichsanteil dazu erhielt, doch hatte ſchon 
damald die Kirche dem Weinbau jenen 
Siegeszug borbereitet, der ihn von einem 
Kloster zum anderen im 10, Jahrhundert 
nah Sachſen, im 11, nad Thüringen und 
Hannover, im 12, nad) Brandenburg und 
Pommern, im 13.— 14. fogar nad) Schlefien, 
Lübeck, Schleswig Holitein, Mecklenburg, 
Weit- und Oftpreußen führte.**) 

Nahdem der produzierte Wein dem 
Bedarf der kirchlichen Niederlaffungen zu 
genügen begann, wandte man mehr der 
Uunalität feine Aufmerffamfeit zu; befonders 
geeignete Yagen wurden erfundet und in 
Kultur genommen, mie der berühmte 
Kohannisberg und Steinberg im Rheingau 


**) Als 1363 Herzog. Rudolf von Bayern 
in der Marienburg in Preußen mit Wein bon 
den Thorner Bergen beiwirtet murde, erklärte er 
den Trank für „echtes Del, davon einem bie 
Schnautze anklebt“ und leerte jeinen Humpen 
auf das Andenken Saijer Ludwigs des Bayern‘ 


im 11, bis 12, Jahrhundert; in den all: 
mählid zu Bedeutung gelangten Städten 
wurden Seller der Geiftlichfeit angelegt, 
die dem Weinhandel einen mächtigen Im— 
puls geben. 

In der heutigen Pfalz aber hatte der 
Weinbau ſchon zu Farolingijcher Zeit un— 
gefähr das Marimum feiner Ausdehnung 
erreicht. E83 ergibt fi) das aus den zahl- 


reichen, aus jener Zeit überlieferten Klofter- | 


urfunden. Man findet den Weinbau im 


8.—9. Jahrhundert nicht nur am Gebirge, | 


3. B. in Godramftein, Flemlingen, Edes- 
heim, Edenkoben, Winzingen, Deidesheim 
Wachenheim, Ungitein, Karlbach, Yauters- 
beim, Gbertsheim, Quirnheim, Harxheim 
im Bellerthal; auch mehr in der Ebene in 
Fiſchlingen, Luſtadt, Hochdorf, Herrheim 
bei Landau, Lachen, Haßloch, Böhl, Meden- 
heim, Hochdorf, Friedelsheim, Gönnheim, 
Erpolzheim, Lambsheim, Weiſenheim, Lau— 
mersheim, Frankenthal; und auch noch 
näher am Rheinufer, zu Bellheim, Mun— 
denheim, Frieſenheim, Hemshof, Oppau, 
Edigheim, jedenfalls im Zuſammenhang 
mit der römiſchen Rheinſtraße. 

Für die heutige Rheinpfalz war die 
Zeis nah dem Ausgang der Karolinger 
zunächſt mehr eine Periode der inneren 
‘ Konjolidierung des Weinbaues als der 
räumlichen Ausbreitung, während damals 
im Norden und Dften Deutichlands die 
Weinkultur immer neue Strecken eroberte 
und Bierländer in Weinländer ummandelte, 
wie 3. B. Niederbayern bis ins 16. Jahr— 
hundert ein Weinland gemejen ift.!) 

Die fogenannte Nationalneigung der 
Deutjchen zum Trunk fam dem Weinbau 
treffli zu ftatten; wir bewundern die 
Trinfgefüße vergangener Zeiten, während 
wir jelbjt mit bejcheideneren Gemäßen den 
alten Trinffomment weiterführen. 

Um die Zeit des 15. Jahrhunderts 
war die Periode der größten Ausdehnung 
des deutichen Weinbaues; Rieſenfäſſer und 
Niefenyumpen jymbolifierten den Wein 
reichtum und die Trinfluft; davon hatte 

'; Nod 1580 konnte ein Chroniſt ſchreiben: 
„Das bayerifch Volk iſt geiftlich, ſchlecht und 
gerecht ... bat aud viel Kirchfahrt, legt ſich 
mehr auf den Aderbau und das Vieh, dann 
auf den Krieg . . bleibt gern daheim . . trinkt 


ſehr .. . der gemeine Mann fit Tag umd Nacht 
bei dem Wein ER 


110 





| die Pfalz ſeit dem ausgehenden Mittel- 


alter bejonders berühmte Exemplare; id 
erinnere nur an die Fäſſer zu Seftenburg 
und Heidelberg, auch an den Domnapf zu 
Speper ıc. 

Der Weinhandel, der jchon zur Römer: 
zeit hochbedeutend war und der nad er- 
haltenen Berichten ſchon im 9. Jahrhundert 
oberrheiniihe Weine verjandte, war zumal 
mit den Städten mächtig emporgefommen ; 
für die hiefige Gegend waren befonders 
Landau und Speyer bedeutende Stapel« 
pläge und legterer Ort der wichtigſte Aus- 


‘ fuhrplag; auch von Ulm, Frankfurt u. a. 








Orten famen zahlreiche Fuhren und nahmen 
Wein als Rückfracht, oder pfälzer Fuhren 
beförderten Wein und bradten andere 
Baren, wie Salz, Stoffe u. a. zurüd; 
und den Rhein hinab, nad Holland und 
England, ift jeit uralten Zeiten hiefiger 
Wein in großen Mengen verjandt worden. 

Der Wein, deſſen Ruhm das Mittel- 
alter und die Zeit bis gegen Ende des 
17. Jahrhunderts beherricht, der Bacharacher, 
war ein pfälzer Wein, denn Badarad) 
war jeit uralten Zeiten kurpfälziſch. 

„gu Badharad am Rhein, 

Bu Alingendberg am Muin, 

Zu Würzburg am Stein . .“ 
lautete der alte Bers vom beiten Wein, 
dem man fpäter andere Namen untergelegt 
hat, König Wenzel entband die Nürnberger 
gegen 4 Fuder Bacharacher aller Ver— 
pflihtungen gegen ihn, und Bapft Pius 2,?) 
ließ ih jährlid 1 Fuder Bacharacher 
nad) Rom bringen. Die Auslegung fam 
auf, daß die Stadt Bacharach von Bachus 
jelbft den Namen habe.?) 

Ebenſo wie Bacharach waren Eurpfälziich 
andere mweinberühmte Orte, ich nenne mur 
Caub, Nierjtein, Oppenheim*) am Rhein, 
Brauneberg und Trarbach an der Moſel, 
Kreuznach und Monzingen an der Nahe 
und viele andere; die Pfalz mar der 
Weinkeller des alten Deutſchen Reiches. 

In Bacharach, als einem Hauptver— 
ſandplatz, wurden die Weine von hier ſo— 
wohl wie aus kurmainziſchen und kur— 


») 1458— 1464. 

®) ‚Bacchi ara“. 

* Auf feiner Burg Landskron zu Oppen: 
beim jtarb am 18. Mai 1410 König Nuppredt 
bon der Pfalz. 


trierifchem Gebiete und den anderen alten 
Weinbauländern zufummengeftapelt und 
gingen jo aus der Pfalz in die Welt 
hinaus; das pfälzifche Bacharach hat zum 
BWeltruf der deutichen Weine den Grund 
gelegt. 

Den Rüdgang der Weinproduftion, der 
jeit dem 16. Jahrhundert beginnt, haben 
nicht Natur-Ereigniffe, wie Klimawechſel, 
Schädlinge und dgl, verjchuldet, ſondern 
die Menichen jelbft. 

Mit dem Emporfommen der Yandes« 
hoheiten murde der Berfand des Weines 
durch Bollpladereien maßlos erfchwert, die 
Abgaben, die ſowohl die Produftion als 
den Handel, wie aud den Ausſchank be- 
drücten, wuchſen in's Ungemefjene; der 
Rhein wurde durch Rheinzölle, an denen 
Surpfalz bejonderz zu Germersheim, Oppen- 
heim und Gaub teilnahm, faſt unfahrbar 
gemadt. Zahlloſe Fehden der Landes« 
herren und größere Kriegszüge bedrängten 
die Winzer und verwiülteten das Yand. 
Am fpäteren Mittelalter fam der Alkohol 
auf, moch jpäter andere Genußmittel, die 
alle dem Weinfonfum Abbrud taten. Seit 
dem 14. Jahrhundert machte fich auch die 
Beinfälfchung, zunächſt in Holland und in 
deutjchen Städten, geitend, ſodaß noch im 
14. Jahrhundert die alte Reichsgeſetzgebung, 
wenn auch ganz vergeblich, dagegen zu 
Felde z0g; ſpäter hat fie dies Gebiet den 
Landesherrichaften überlaſſen. 

Der große, morddeutiche Handel, den 
zumal die Hanſa zur Blüte brachte, war 
dem deutlichen Weinbau beionders im Norden 
nachteilig; er bewirkte, da& man auf billiger 
Waſſerſtraße ein befleres Produft bezog, 
zu borteilhafterem Preis, ala man das 
geringere Produft im Yande produzierte; 
jo begann der nordiihe Weinbau 
zurückzugehen, aber die großen Weinlager 
der Hanfa zu Köln, Brügge, Antwerpen ıc. | 
füllten fi nicht nur mit Weinen aus dem 
Rhein und Mofeltal u. a. deutichen Wein: 
baugebieten, fondern vorzugsmweife mit fran» 
zöſiſchen und ſpaniſchen Weinen, die in 
vielen Gegenden das deutſche Produft be: 
nachteiligten. 

Einen mächtigen Impuls gaben be- 
ſonders in qualitativer Sinficht noch ein | 
mal für den deutichen Weinbau die Römer, | 
als fie durch die Rezeption der Agrar- 





111 





bald | 


ichriftfteller in der Renaiſſance-Zeit noch 
aus dem Grabe ihre Stimme erhoben: 
Damals erſt haben die Deutſchen die 
Weisheit eines Cato, Varro, Plinius, 
Columella und Palladius kennen gelernt, 
die ſchon den größten Teil deſſen in ihren 
Schriften gelehrt haben, was die praktiſche 
Bildung eine8 modernen Weinbaufchülers 
ausmadht. Wenn man die alten Slupfer- 
ftihe des 16. Yahrhunderts betrachtet, die 
den Sämann mit dem Buche in der Hand 
ſäend, den Winzer mit feinem römiſchen 
Autor neben ſich ſchneidend und dgl. dar» 
ftellen, dann unterjchägt man diefe Fern: 
wirfung römijchen Geiftes, Diele zweite 
Gründung des deutfchen Weinbaues durd) 
die Römer nicht, obwohl aud damals 
hartföpfige Winzer allen Berbeflerungen 
Widerftand entgegengejegt haben werden. 

Aber nicht lange genok Deutichland in 
Ruhe die Errungenschaften der Renaifjance. 
Die Reformation bradte dem Weinbau 
durch Aufhebung vieler Klöſter ſchweren 
Schaden; der große, 30jährige Neligions- 
frieg aber bat dem deutſchen Weinbau einen 
Schlag verjegt, von dem er ich nie wieder 
erholt bat. Viele Weinbaugebiete haben 
diefen Namen damals für immer eingebüßt. 
Unfere fruchtbare Gegend erholte ſich jehr 
raſch, bald aber folgte der orleanijche Krieg, 
und als das „brulez le Palatinat* zur 
Tatfache geworden war, überzogen Sich 
viele Weinbergslagen mit Buſchwerk, und 
die pfälzischen Wolfsjagden erlangten jport- 
liches Renommee im Reiche. 

Erſt in den erften Jahrzehnten des 18. 
Jahrhunderts konnte ſich unjere Gegend 
von den Kriegsnöten erholen, aber der 
Weinbau war ſtark zurückgegangen, an 
Ausdehnung und auch an Qualität, denn 
was die Produktion an Anbaufläche ein— 
gebüßt hatte, ſuchte man möglichſt raſch 
durch Anbau reichtragender, aber geringer 
Traubenſorten auszugleichen. Der Wein— 
handel hatte von dem in anderen Wein» 
baugebieten eingetretenen enormen Nüdgang 
der Produktion gewiſſe Vorteile, indem ſich 
neue Abjaggebiete erichloffen, aber die Be— 
völferung ging vielfach zum Bier über. 

Für die Entwidelung einer eigentlichen 
Qualitätsfultur maren die Zeiten nach den 
großen Ariegen und unter der Feudal- 
herrichaft zahllufer Yandesherren - in der 


heutigen Pfalz allein 44 — die denkbar 
unglinftigften.. Wie follte ein Qualitäts- 
bau auffommen, troß mander guten landes- 
herrlichen Verordnung, wenn man des 
Behnten wegen immer nur auf Quantität 
ſehen wollte, wenn man die Beit der Yeie 
in den einzelnen Lagen ohne Rüdficht auf 
deren Qualität vorfchrieb, um die Zehnt— 
bitten nicht mehrfach dorthin bringen zu 
müffen, wenn man die meilten Gehälter 
zum guten Teil in ompetenzwein bezahlte, 
alfo au in diefer Richtung auf quanti- 
tativ große Erträgniffe des Lardes ohne 
Intereſſe an der Qualität angemiejen war. 

Als einzige Säule aus jener Feudal— 
zeit ragt in unjer modernes Jahrhundert 
noch der gemeinſame Leſebeginn. 

Dualitätskultur konnte nur aufkommen 
in freien, von Abgaben möglichit unab- 
hängigen Großbetrichen, die Intereſſe an 
der guten Qualität haben fonnten. Das 
waren eigentlich nur die Klöfter, da die 
Yandesherren, zumal hier ın der Pfalz, in 
den guten Lagen nur unbedeutend begütert 
waren und auch meilt zu fern mohnten, 
um mit perfönlichem Intereſſe dem Betrieb 
zu folgen. 

Leider waren gerade in der Pfalz von 
‚jeher wenige Klöſter in der Weingegend 
jelbit gelegen und dieſe waren frühzeitig 
zu Grunde gegangen, ich erinnere nur an 
Alingenmünfter, Heilsbrud bei Edenfoben 
und Limburg bei Dürkheim; die größten, 
befonders reih im Weinland begüterten 
Klöfter der Pfalz lagen im Weftrich, wie 
3. B. Otterderg, Hornbad u. a., und fie 
murden meift durch die Reformation auf: 
gehoben. Ihre Dependence-Höfe im Wein 
baugebiet Fonnten feinen Qualitätsbau 
treiben; der Name „Hofſtück“ erinnert 
heute noch vielfah an ihr ehemaliges 
Dafein. 

Anders lagen die Berhältniffe im Rhein— 
gau. Dort lagen von der Reformation 
unberührt Johannisberg, Eberbach und 
andere Klöſter inmitten ihrer wohlgepflegten 
Weinberge; da das Quantum für jeden 
Bedarf genügte, mußte man im eigenen 
Intereſſe auf Beförderung der Qualität 
fommen. 

Und doch wird die Entdeckung des in 
unjerem Klima bei weißen Qrauben meift 
ſegensreichen Einfluffes der Edelfäule dem 


112 


Zufall zu verdanken fein, wenn fie nicht 
mit den Vorſchriften der römiihen Schrift: 
ftellev iiber Geminnung von Trockenbeer— 
weinen zujammenhängt. 

Die erften Qualitätsleſen unter Be— 
rückſichtigung der Edelfäule jollen um die 
Mitte des 18. Yahrhunderts von den be- 
rühmten Rheingauer Klöſtern gemacht wor- 
den ſein, die dadurch den hohen Ruf der 
Rheingauer Weine begründeten. 

Hier in der Pfalz, wo feine Nlöfter 
mehr im Weinbaugebiete lagen, bei der 
unfreien, gedrüdten Winzerbevölferung und 
einem meift wenig begüterten Adel war 
dergleichen zunächſt nicht zu erwarten, jolche 
Beitrebungen find hier erſt möglih ge 
weien, als der Winzer, freilich durch Die 
Stürme der franzöfiidhen Nevolution,‘, frei 
geworden war und die 44 pfälzer Yandes- 
berrichaften verschwanden. 

Die erften Qualitätsweinpreiie für 
pfälger Gemwächje, die noch im 18. Jahr— 
hundert faſt nie über 300 fl. per Fuder 
(ca. 1000 Liter), meiſt aber unter 100 ft. 
erzielt hatten, find gegen Ende, des ger 
nannten Sahrhunderts an der Mittelhaardt 
von einem Produzenten?) in Deidesheim, 
Forſt und Ruppertsberg erlöjt worden; 
alle Umftände weiſen darauf hin, dat bei 
Erzielung Ddiefer Gewächſe der Rheingau 
Lehrmeifter geweſen ift; 3. B. 1798er 
Forfter erbrachte 1300 fl.; der auch noch 
als Franzoſe gewachſene pfälzer 1811er 





erzielte ſowohl für Deidesheimer wie für 
Forſter und Ruppertsberger Wachstum 
»1800 fl. per Fuder. Schon um 1820 
waren die grundlegenden Berbellerungen 
an der Mittelhaardt ziemlih Allgemeingut 
geworden, und dieje Berbeflerungen waren 
ja auch nicht jchwierig: 

Leſe im richtigen Beitpunft unter Be— 
rücfichtigung der Lage, die überall damals 
erſt anfing, dem Wein jeinen Namen zu 
geben; jorgfältige Leſe unter Berückſich— 
tigung der XTraubenjorten, des Rieslings 
und Gemwürztraminers, welch' legterer aber 
jeit der Mitte des 19. Jahrhunderts gegen: 
über dem Riesling außerordentlich zurück— 
gegangen ift. Die ſchlechten Sorten, wie 
' Alben (Sleinberger) u. dgl. find jeit jener 


*) Andreas Jordan, Bürgermetiter in Dei— 
desheim. 


— 13 — 


Zeit in der Pfalz allmählich gänzlid ver 
ſchwunden. 

Mit Zehntwirtſchaft, Zwangsleſe u. dgl. 
war bier die Erzielung von Qualitäts- 
weinen unvereinbar. Der eigentlihe Bau 
der Weinberge dagegen, Erziehung an dem 
niederen, römifchen Joch (Rahmen) oder 
der camera (Kammert), Bewirtichaftung, 
Düngung x. waren in der Pfalz ſeit alter 
Zeit auf Qualitätsbau zugejchnitten, ebenſo 


war die Keflerbehandlung frühzeitig jorg- | 


fältig. ’ 

Der immer allgemeinere llbergang der 
Pfälzer zum Qualitätsbau, etwa jeit den 
1820er Jahren, ließ es erft recht empfinden, 
wie jchwer die auch innerhalb des deutichen 
Bundes bejtehenden Bollgrenzen den Erport 
hbemmten, obwohl das früher jo zerjtücdelte 
Land bald nadı Aufhören der Franzoſen— 
berrihaft nur noch einem Herrn, dem 
bayerijchen König, unterjtand. 

Und das alte Renommee des pfälzer 
Gewächſes mußte eigentlich neu geichaffen 
werden, da viele der berühmteiten fur: 
pfälziihen Weinbauftätten fich nicht mehr 
unter der bayeriſchen Krone zujamınen» 
fanden, jondern an Preußen, Hellen u. a. 
fielen, und da andererjeit3 die meiften der 
heute befannteften pfälzer Weinorte nie 
kurpfälzifch waren, ındem z. B. Deides- 
heim, Forſt und Ruppertsberg und viele 
Drte zwiichen Hambad und Edesheim zum 
Fürſtbistum Speyer, Dürkheim, Ungftein 
Kalljtadt u. a. zum Fürſtentum Leiningen 
gehört hatten. 

Freilich bot das neue bayerijche Vater: 
land ein wichtiges Abjabgebiet, und es war 
für die Pfalz von großer Bedeutung, daß 
ihr Weinland früher ald das von Franken 
ih mit Bayern vereinigte; aber fremde 
Staaten lagen leider auch bier trennend 
dazwiſchen; den pfälziichen Quantitätswein 
alter Zeit fonnte man im Inland konſu— 


mieren, der pfälziſche Qualitätsmwein brauchte | 


auswärtige Abſatzgebiete. 

Als König Ludwig I. 1829 zum erjten 
Dale die Pfalz bereifte, jprach er zu Deides: 
heim die Worte: „Ein neuer Markt ſoll 


Reben preismwirdiges Grzeugnis“®); und 
*, Ähnlich äußerte der König in Dürkheim, 


daß „gewiß recht bald die Lage der Weinprodu: 
jenten befier werden“ jolle. (7. VI. 1829.) 








diefes Königswort war bereitö voll in der 
Einlöfung begriffen dur Gründung des 
Bollvereins, als noch unzufriedene Winzer 
hinter der ſchwarzen Winterfahne am 27. 
Mai 1832 auf das Hambader Schloß bei 
Neufiadt zogen und fangen: 


„Wir wohnen in dem jchönften Land 
auf Erden 

Bon Gottes Segen voll, 

Doch müflen wir noch all’ zu Bettlern 
werden 

Durd den verdammten Zoll“ ... 


Erit nad Einführung des Zollvereins 
hat fich der moderne pfälziiche Weinhandel 
von anderen Berufen fondern und felbit« 
ftändig entwideln fünnen; aus den Wein: 
ftihern find größtenteil® die modernen 
Weintommilfionshäufer erwachſen, die viel- 
fach ein jehr hohes Alter haben. 

In die 1830er Jahre fällt aud die 
für Bayern hochbedeutijame, nod heute 
mufterhafte Anlage des Landesfatafters, 
welche zur Ausführung des Grundjteuer- 
gejeges von 1828 erfolgte; dabei fand die 
Feitlegung der Lagenamen und die Feſt— 
jegung der Boden Bonitätsflaffen ftatt, 
mwobei den befannten Reborten der Mittel- 
baardt die höchſten Bonitäten des ganzen 
Königreich$ zuerfannt wurden. 

Bollverein, Zollparlament und Deutjches 
Reich führten zum freien Wettbewerb der 
deutjchen Weine in Deutichland, gleichzeitig 
traten fie immer impofanter im auslän- 
diichen Weltmarft auf, wobei daß um die 
Mitte des 19. Jahrhunderts beginnende 
Ausftellungsweien fürdernd mirfte; auch 
den pfälzer Weinen haben die internatio« 
nalen Breisrichter der MWeltausjtellungen 
von jeher ebenjo wie den anderen beiten 
deutichen Weinen die jeweils höchiten ver: 
fügbaren Auszeichnungen zuerfannt. Welde 
Höhe die Anfaufspreie für die edelften 
Gewächſe erlangt haben, ıft befannt. 

Vieles ging für den pfälzer Weinbau 
aufwärts im 19. Jahrhundert gegen die 
Duodezwirtfchaft der alten Leiten‘; die 


kriegeriſchen Verwüſtungen blieben endlich 
dem Rheinfreis geöffnet werden für jeiner | 


aus, Qualitätsproduftion und Handel er- 
blühten, landwirtichaftliche und weinbau— 
liche Vereine und Schulen famen auf, die 
Klage des alten Golumella, daß,e8J Schulen 
gebe für alles, für Redner, Köche, Mufiker, 


— 14 — 


Buderbäder und Haarkräusler, nur nicht | 


für Landwirte, wurde hinfällig, die Qampe 
des Gelehrten, deren nächtlicher Schein die 
Welt erleuchtet, brannte auch für den 
fleißigen Winzer. Und notwendig war es, 
daß alle Kräfte fich zujammenfanden, denn 
e8 famen neue, natürliche Feinde der Rebe 
größtenteild aus Amerifa; das Didium 
hielt in den 1850er Yahren in der Pfalz 
feinen Einzug, die Peronofpora hier in den 
1880er Sahren, die furdtbare Reblaus 
zeigte fih 1895 auch auf pfälzer Boden; 
die aufblühende Induſtrie verteuerte dem 
Weinbau die Löhne, mit denen die Wein- 
preife nicht Schritt hielten, dabei murden 
die Weinbergsarbeiten durd) den Fortfchritt 
der Schädlinge zahlreicher und foftipicliger ; 
der Antialfoholismus trug zur Verminde- 
rung des Abſatzes bei, und nicht felten 
machte fich bedauerlicherweiie gehäffige Ston- 
furrenz unter einzelnen Weinbaugebieten 
bemerkbar; vielfah mußten pfälzer Be- 
wäcje die Anmendung falfher Namen 
über fich ergehen laffen und anderen Reb— 
gebieten das Renommee maden helfen. 

Und doch zeigten fid) auch Symptome, 
ald ob es dem Weinbau zu gut ginge; 
die Bedürfniffe der Winzer wuchſen ber 
deutend, ebenjo die Anjprüce der Wein- 
füufer; Fälfcher ließen nicht von ihrem un- 
jeligen Handwerk, und andererfeits follen 
Klagen laut werden, dab hie und da 
fapitaliftifcher, ſportwer Weinbau die 
vernünftige, rentable Weinbergsfultur be- 
drobe. 


Das beginnende 20. Jahrhundert findet 
unjeren Weinbau feineöwegs in glänzender 
Lage”), aber vielfah zeigt ſich auch be- 
merfenswerter Fortſchritt; Wiſſenſchaft und 
Prarıs arbeiten eifrig zuiammen, die mäch— 
tige Hand des Staates ſchützt den Wein- 
bau gegen die Bedrohung der Reblaus, 
die im Ausland jo furdtbar gehauft hat, 
aber in der Pfalz danf den getroffenen 
Mahregeln jeit 10 Yahren unberufen nicht 
mehr aufgetreten ift®); der Strafrichter 
verfolgt die Unreellität, die den Winzer 
um feinen Lohn zu bringen ſucht, es ift 
gerade darin die bayeriiche Staatsbehörde 
mit Erfolg führend vorangegangen, und es 
wird eine einheitlich durchgeführte Nah 
rungsmittelfontrolle im ganzen Neid un- 
abweisbar notwendig; die Intereſſenten in 
Weinbau und Weinhandel ſchließen ſich 
immer mehr zulammen, und es wird aud) 
auf diefem Gebiet noch weiter fortzu- 
jchreiten jein. 

Blicken wir zuverfichtlich in die Zukunft, 
die hiftsriihen Erinnerungen diejes alten, 
ſchwer heimgeſuchten deutſchen Grenzlandes 
ſind der beſte Beweis dafür, daß ſein ge— 
ſegneter Weinbau die innere Kraft hat, 
alle Stürme zu überdauern. 

) Die fchlimmite — bildet zurzeit 
der Sauerwurm, der gerade in den beſten 
Reborten ſeit bald 10 Jahren alljährlih den 
größeren Teil der Weinernte vernichtet hat. 

*, Beſondere Verdienſte hat ſich hierbei, wie 
um die Reblausgeſetzgebung, der 1896 verſtorbene 
hie Dr. Armand Buhl in Deidesheim er— 
worben. 


Das große Faß zu Feidelberg. 


Der Segen und der Umfang der Wein- 
fultur auf pfälziſchem Boden hat einen 
charakteriſtiſchen Ausdrudf gefunden in dem 
„magnum vas vinavium*, dem großen Faß 
auf dem Heidelberger Schlofje. Wie diejes, 
jo hat aud; „das Faß” feine Schidjale ge- 
habt; tatjächlich iſt das jegt vielberwunderte 
Ungetüm jchon das vierte feiner Art, Das 
erfte ließ Pfalzgraf Johann Kaſimir nad 
dem Weinfegen von 1589 vom Faßbinder 
Michael Werner von Yandau zwiſchen 1589 
und 1591 erbauen. Es hatte 27 Fuß 
Länge und das Eifen daran allein 122 Bir. 
Gewicht; feine 112 Dauben waren durd 





24 eiferne Ninge verbunden. Der Küfer 
hatte dabei 1500, der Schloſſer 1400 Gulden 
verdient, Das durch 30 Jahre gebraucdhs« 
fähige Faß hielt 132 Fuder, 3 Ohm und 
3 Viertel. Als es dem 30jährigen Kriege 
zum Opfer gefallen\war, lag es 40 Jahre 
lang in Trümmern. — Gin zweites Faß 
rief Kurfürſt Karl Ludwig ins Dajein, in- 
dem er e8 durch den „Hofkeller“ Johann 
Maier 1664 in einer Länge von, 30, Fuß 
bei 24 Fuß Höhe und 204 Fuder Anhalt 
berftellen ließ. Es war mit allerlei fünft- 
licher Bildnerei und mit Schnigmwerf ver: 
ziert; in der „Franzoſenzeit“ ift es „vers 


let” und zufammengebroden. — Kurfürſt 
Karl Bhilipp ließ e8 1727 durch Hoffeller 
Johann Anton Engler reitaurieren und 
1728 neu füllen; e8 war Clemens Berfeos 
Faß „Clementel“. — Kurfurft Karl Theodor 
endlich ließ durdh Johann Jakob Engler jr. 
ein neues Faß 1751 vollenden, das 32 Fuß 
lang und vorn und hinten 22 Fur hoch 
war und 80088 fr. Gulden gefoftet hat. 
Es war aus 127 jehlerfreien Dauben zu- 
jammengejeßt; fein Spundlody war 3'5 Boll 
breit. Achtzehn verzahnte Stück Balfen- 
reifen von 8 Zoll Dife und 15 Zoll Breite, 
fomwie äußere Eijenreifen von 18 Boll Bıeite, 
die mit Bändern und Schrauben verjehen 


15 - 


Das Faßlager beftand aus fünf geſchnitzten 
mächtigen Hölzern. Born ward ein mit 
dem Kurhut abgeichloilenes Schild mit dem 
Namenszug Karl Theodors angebradt. 
Daneben jah man das Handwerkszeug: 
einen Birfel von 8'» Fuß Länge, eımen 
Hobel T Fuß 10 Boll lang und 4 Fuß 
dick. Bei einer Gemwölbehöhe des Feller- 
raumes von 35'4 Fuß maß das artige 
Gefäßlein vom Kellerboden bis zum oberen 
Rande 26' Fuß Es hıelt 236 Fuder 
oder 283000 Flaſchen und war 1753, 
1760 und 1766 gefüllt. ine Treppe 
führe auf seinen Rüden, wo auf einem 
3 Fuß hohen Boden für eine ganze 


macht rafche Fortichritte. Zwar fehlen in 
diefem fruchtbaren Gartenlande, das wie 
der Wormjergau von jeher der Stonfurrenz 
des Bölferfampfes ausgeſetzt war, die reichen 
Gräberfunde Rheinheſſens. Es ijt nur ein 
neolithijches Gräberfeld, und zwar vom 
Flomborner Typus (Spiral-Bandkeramif 
mit Hodern) in der Borderpfalz fejtgelegt 
worden, und zwar das von Kirchheim 
a. d. Ed. Um jo mehr Wohnſtätten aus 
dem genannten Zeitraum find während der 
legten Monate entdeckt morden, jo daß 
hierin die Vorderpfalz faſt Rheinheſſen 
gleichkommt. Bei Speyerdorf wurden 
nahe bei einander Wohngruben mit Röfjener- 
und mit Spiraibandferamif freigelegt, 
ebenjo zwijchen Niederluftadt und Weftheim. 
In der gleichen Gegend find in der legten 
Beit vom hiftorijhen Verein der Pfalz 
zahlreiche Tumuli mit verhältnismäßig an 
fehnlichen Funden aus der mittleren Bronze- 
zeit (Radnabdel, gejchweiftes Meſſer, Yronze- 
beil und anderes) unterfucht worden. Weitere 





Wohnftätten der jüngeren Steinzeit find 
im legten Jahre befannt geworden von 
VBenningen und von Stnittelöheim. Cine 
Bodenhafe aus Hirfchhorn, ſowir ein mit 
Randtupfen verziertes Gefäßſtück weiſen 
jene Funde dem Pfahlbautypus zu, während 
diefe nad) ihrer Keramik und ihren eleganten 
Jaſpismeſſern der Kultur der Bandferamif 
angehören. Letztere entitammen den weftlich 
im Wasgau bei Waldhambach im Alingbadh- 
tale offenftehenden Melaphyrbrüchen. Bon 
der gleichen geologijchen Formation ift ein 
feines Karneolmeſſer, das bei Knittelsheim 
gefunden wurde. Der Neolithifer hat den 
weiten, mühevollen Weg von feiner pfahl- 
bauähnlichen Niederlaffung im hinteren 
Wald zwiſchen den beiden Armen der Queich 
bis zu den Fundftellen des wertvollen Roh- 
materials im Stlingtale, etwa 20 Kilometer, 
nicht gefchent, um ih Material für Mefler 
und Schaber zu verichaffen. In kurzer 
Zeit wird die Topographie der Steinzeit- 
periode fr die Vorderpfalz feftgeitellt fein. 


Ber Wafferverbrand 


in 50 deutichen Städten mit Wafjerleitungen 
wird durch eine Tabelle in dem „Sejundheits- 
ingenieur” trefflich illuftriert. Die Sta 
tiftit ergibt im Durdjichnitt einen Ber 
brauch von 111,6 Litern für jeden Kopf 
täglih. Natürlich läßt fi hieraus weder 
auf die Reinlichkeit, noch auf den Durft 
ein Schluß ziehen; vielmehr beitehen je 





nach den örtlichen Berhältniffen und Be- 


dürfniſſen große VBerfchiedenheiten im Ber- 
brauch des Waſſers, namentlih an Orten 


mit ausgedehnter Bierproduftion oder mit 
vielen Fabrifanlagen; an anderen Orten 
laufen wiederum ungemeffene Mengen reinen 
Waſſers aus Springbrunnen und ähnlichen 
Runftanlagen jozujagen unausgenügt davon, 


— 116 — 


intereffanter wäre, feitgejtellt zu ſehen, 
Breisgau, nämlich 332 Liter auf den Stopf | für welche Zwede die teueren Wafler- 
und Tag. Mehr als 200 Liter entfallen | leitungen in verjchiedenem Grade nutzbar 
auf Würzburg, Dortmund, Bodum, Lübeck gemacht morden find. Auch in der 
und München ; zwifchen 100 und 200 Liter | Pfalz werden ja fortgejegt neue Anlagen 
auf Barmen, Franffurt a. M., Hamburg, | zur Herleitung reinen Gebirgswaſſers 
Mes, Eſſen, Defjau, Altona, Karlsruhe, | unternommen; da ift es nicht ohne Intereſſe 
Köln und Bremen. Vielerortö wird zudem | denen, die etwa vor den Anlagekoften zurück- 
auch aus Flüffen Wajler zu verschiedenen | fcheuen möchten, ein Beiſpiel zur Ans 
Zwecken entnommen, jo daß obige Statiftif | feuerung zu geben. Eine Wafjerverjorgung 
immerhin eine ftarf einieitige, ja gewiſſer | pflegt auch wie faum ein anderes Unter— 
maßen gegenjtandsloje jein möchte, da doch | nehmen zu ventieren. 


Ein Weihnadtsbud. 
Gottlieb Gutfreunds Adventbilder, Weihbnahtsgefhichten und Wintermärchen. 
Aus dem Nachlaß herausgegeben von Dr. Karl Beder. 

Die traute Zeit vor Weihnachten mıt | iſt — gejchrieben hat und in verjchiedenen 
ihren Wünſchen und Erwartungen, ihren | Beitichriften erjcheinen ließ, wo fie un» 
Tränen der Freude und der Sorge rüdt | geteilten Beifall fanden. 
heran. Der Winter mit jeinen Schnee | Es find Fleine Erzählungen und Szenen 
ſtürmen ſteht vor der Türe, Da wird es | aus dem heimlichen Leben der Advent- und 
immer traulicher und lebendiger im Haufe, | Weihnachtszeit. Die Poeſie der Kinderjahre 
nit den luſtigen Böglein und dem Laube | und des Familienlebens jollen darınnen 
der Bäume find die Kinderfreuden auf der | zur poetiichen Veranſchaulichung und Ver: 
Straße fortgeflogen, die warme Stube klärung fommen, — eine Gattung duftiger 
wird von den Stleinen gejucht und fie Seelengeihichten aus der Wirklichkeit, die 
laſſen ſich vom Chriſtkindlein und ſeinen | nicht ſelten ins märchenhafte hinüberſtreifen. 
Beicherungen auf Weihnachten erzählen. | Die ganze traute Weihnachtszeit wird dem 


Das meifte Wafjer verbraucht Freiburg im 


Da muß nun ein Bud) willfommen jein, Lejer aus dem Büchlein auftauhen, das 
weldyes gleihmäßig für Erwachſene mie | nichts enthält, was nicht die Aleinen auch 
für Kinder gejchrieben ift, jene in ihre leſen fünnen. 

Kindheit mit ihren Freuden zurüdverjegend, Aber noch ein anderes Intereſſe bietet 


diefe mit Erwartung umd Luft erfüllend | das Weihnachisbuch⸗ nämlich für den 
" f 

an die nahende Weihnachtszeit. Freund der heimatlichen unit und Forfchung. 
Wieder ift es der Pfälzer Dichter | Spielen doc die meiften der Erzäh— 

Auguft Beder, aus defjen poetiſchem Nad- | [ungen in der Heimat des Berfajiers 

laß eine Ausleje von Erzählungen geboten | oder der näheren Umgebung und 

wird, welche er vor nahezu fünfzig Jahren | bringen jie doch zahlreide Sdil- 

unter jeinem Pjeudonym: Gottlieb Gut- | derungen des Wolfslebens der 

freund — weil er Gott lieb hat und dejjen Pfalz in früheren Jahren! 

Kindern, den Menſchen ein guter Freund 








FYfälziſche Sagen. Herausgegeben von F. W. Hebel. Mit 18 Abbildungen. Be- 
ſprechung diejes trefflihen Geſchenkwerkes folgt im Januarheft mit Illuſtrationsprobe. 


Dnbalt: Bayeriſcher Fiußgebiets-Atlas. — Dünen in der Pfalz. — Zur Gefchichte des 
Weinbaues in ber Rheinpfalz. Bortrag, beim 22. Weinbaufongreh gehalten von Dr. jur. Friedrich 
Baflermann-Fordan. (Schluß. — Das große geb zu Heidelberg. — Die Erforfhung der neo- 
lithiſchen Berhältnifie der VBorderpfalz. — Der Waflerverbrauch in 50 deutfhen Städten. — Ein 
Weihnachtsbuch. — Pfälzifche Sagen. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandjtuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Raiferslautern. 
Für Form und Inhalt der Belträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


Die „Pfälztiche Heimatkunde“ Loftet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Bellellungen werben von allen Buchhandlungen ıud 
Poftanflalten ferner vom Verleger (Portofreie Streifbandiendung) angenommen. 














Kfäßilche Heimarkunde 


Monnts[deift 
für Schule und Baus 


unter Berückſichtigung der Bedürfnilfe der pfälzifhen Schulen. 


— — —— —— 


Schriftleiter: Behrer Fh. Fauth, Sandſtuhl. 


Zweiter Jahrgang. 
1906. 


ur men — 


Mit 4 Abbildungen und 2 Aartenfkizzen im Wezt. 


Kaiferdlantern. 
Drud und Berlag der Hofbuchdruderei von Hermann Kanfer. 


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Inhalts-Verzeichnis. 


Archãologiſche Studien.. . 3.8.38 


Alte Hochſtraße 


Wajaitgang im Haardtgebirg. 

Barometriſche Auriofirät 

Bebenimern, don den 

Battenberger Oxydröhren ’ 

Beiträge zur Geſchichte der Dörfer Min. 
feld und Freckenfeld 

Bemwegung des Grundwaſſers 


Denkmalpflege . 


Erdbebenforſchung 

Erdmagnetiſche Bermeſſung der — 
Rheinpfalz ne Eee 

Endziltige Ergebniffe der Borfszäblung 
tom Sabre 1905 j 

Ergicbigfeit u. vorausfichtiiche Geiophung 
der Steinfohlenlager ei 

Eignung der Pialz zu einem Zentralinſtitut 
für Aſtrophyſil zc. . 

Eußerthal 

Erhaltung alter Straßennamen . 

Erihöpfung der Wälder 


Forſchungen über die verfchiedenen Formen 


de& deutichen Banernhofes u. -baufes 
Forſtliches Intereſſe für den Pfälzerwald 
Frühlingseinzug in Deutſchland. 
Flora der kleinen Kalmit 
Gredenttage . . 1 24, 36, 48, 60, 76, 


[100, 116, 140. 





' Delmatihg . 


Bra g« 





-.— 


Gemeiner Bauerntag zu Arzheim 
Grabungen und Bunde . b 
Geichichte des Geisbocks von — 
Geſchichte des Kunſtgewerbes. 


Generalſtabsblätler zum Schulgebrauch). 


Gollheim . 
Goldwäſcheret am hen. 


Sımmeikihan . 


EBEEBERBERE BEEREBERE 


Heimat und Deimatfunit . 
Hildegard von Hobencken . 
Hiße und Durit 

Denfieber . . 
Hrizung des — 


i Höbenfchichtenfarte von Bayern . 


Jahrhundertfeler vom Königreich Bayern 


1806 — 1906 


| Yahresverfammtung 65. der „policha 


Intereſſanter Fund 


Naiſergräber in Speyer 
Kaltlſteingeblet der kleinen Kalmit 


Kontlgintätsentſchädigung der Krone Öfter: 
reih an Bayern 

Königsiand im Jahre 1600 

Kartenkunde. pfälztiche 


Kurpfälziſches Oberamt Lautern 


Liebesweh von Wilenjtein . 


| Materialien zur bayer. Ornithologie IV . 


Menſchliche Wohnung 


Ü 
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Sa Eon. 


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E Eke 


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Neunkirchen und Neukirchen 


Neumayer- Jubiläum . 5 
Neuejte geographiiche —— 
Naturpflege in der Pfaltz 


Piälzliche Sagen . 
Pfatziſches Krelsmuſeum 


Maͤuberleben des Hühnerhabichts 
Rundfrage über den Wolf 
Richard Lowenherz auf Trifels . 


Sickingens Tod 

Schub der Naturbenfmäler 
Saargruben ftantliche 
Sidingen vor Wormbs . 


Trunfk aus bem Stiefel 


Unwetter vom 4. Mai . j i 
Ueber die Ernte des Jahres 1905 in — 
Ueber bie Aderböbden der Pfalz im Zuſam— 

menbang mit bem geologiihen Aufbau 


IV 


Seite Seite 

18 | Ueber Anfänge ciner geregelten Forſtwirt⸗ 

47 fchaft durch fünstliche Wiederbewaldbung 
61 im Reihöwalb . . . . 110 

62 | Ueber den falifornifchen Arzt Slebr. Barl 
II: Be nt ee 
11 | Verfhiedened 2 2 ren. 60 
109 | Berfpätete Schwalben . . » 2 2... 5 
Volksarzneipflanzen. 16 
an Volkskundtiches aus Stichbad) i. d. Balz 235 
“ Bolfezählung . .» . . ick Ze = ——— 
181 Berwertung ber Srügttngsbtumen ce 88 
10 Volkstunde — Bolksktunit . -. » » . . 109 
34 Borfommen des Wolfes in der Pfalz 102, 128 
* Weichbild von Laiſerslauten 1 
100 Maflerreichtum und Grumdbwaflerftand . 25 
135 | Wittelsbah auf Landsburg . . . . .. 838 
Waldmeiiter — Maltranf . . » 2 ...56 
64 ! Wie nehmen unfere Höhen ab? . . . . 78 
86 | Wetterpropheten unter ben Bögen . . 183 
| Weidwerk zur Mammutzet . . . . . 150 

103 


II. Jahrgang. Nummer 1 Januar 1906. 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 





1806-1906. 


Am Neujahrstage 1806 morgens um | Stämme ging unjer Bayernland aus 
10 Uhr ritt der bayerische Randesherold | den Prüfungen jener Tage hervor; es 
duch Münden und verkündete unter | ift nad Preußen der gewidtigfte Faktor 
Zrompetengeichmetter den Bewohnern | des neuerjtandenen Kaiſerreiches geworden. 
der Stadt die Erhebung des Kur- | Eine NAllerhöhite Entichliegung jeiner 
fürjten zum Könige von Bayern. | K. Hoheit, des Prinzregenten Luitpold, 
„Da durd die Vorſehung Gotte8 es | vom 6. Dezember kennzeichnet die heutige 
dahin gediehen ift, daß das Anjehen und | Lage der Dinge trefflihh mit den dent» 
die Würde des Herrichers in Bayern | würdigen Worten: 
jeinen alten Glanz und jeine vorige Wenn das Gefühl der Zujammen- 
Höhe zur Wohlfahrt des Bolkes, umd | gehörigkeit ſich fo innig geftaltet hat, fo 
zum Flor des Landes wieder erreicht, | ift dies nicht zulegt in der Erfenntnis 
jo wird der Allerdurchlauchtigſte und pegründet, zu welher hoben Stufe 
Großmächtigſte Fürft und Herr, Herr | der kulturellen Entwidlung wie 
Marimiltian Joſeph, ald König von | der materiellen Wohlfahrt das 
Bayern, und allen dazugehörigen Län: | Rand in vereintem Wirken von 
dern hiemit feierlih ausgerufen, und Fürſt und Bolk unter Gottes 
diejes jeinen Völkern allenthalden Eund | gnädigem Beiftand ſich emporge- 
und zu willen gemadt.” Es waren | hoben hat. 


ſchwere Leiten, weldhe damals, fünf e : 
Tage nad) dem von Napoleon 1. diktierten | .,; Den Gerungenidaiten früherer et 
— reiht ſich als die wertvollſte an der Zu 
Frieden zu Preßburg, über dem Geſchike fammeufchluß der deutihen Stan 
des „taujendjährigen deutihen Reiches“ | ton zu einem mächtigen Reide, in 
lagen und die deshalb 14 deutjche Fürſten dem Bayern ſich geahtet und an- 
zu einem „Rheinbunde” vereinigten. geiehen weiß 

Aber groß und mächtig im Bunde der i 


Das Meichbild von Aaiferslantern. 
Bon D. Häberle, Kaijerl. Rechnungsrat, Heidelberg. 

In den älteren Urkunden der Reichs- pfändung gefliffentlich bemüht waren, 
ftadt Lantern, oder wie fie jeit 1322 | die frühere Schreibweife wieder in Auft 
offiziell Heißt, Kailerslautern, — troßdem | nahıne zu bringen und dadurd die Er- 
die pfälzischen Rurfürften nach der Ber- | innerung an die Reichsunmittelbarkei— 








zu verwilhen, — it oft von den 
ftädtifhen Ramſteinen die Rede, ohne 
daß hiefür eine nähere Erklärung ge 
geben wird. So ift 3. B. in der Be: 
Ichreibung des Dberamts Lautern!) vom 
Jahre 1601 (Kreisarchiv Speyer) darauf 
bingewiejen, daß die Bürgerichaft auf 
Grund Eaiferlicher und königlicher Privi: 
legien einen eigenen Rat an der Spike 
habe und frei jei von Frohnden, Leib- 
eigenichaft und Dienitbarkeit, joweit die 
Hamfteine reihten. „Es hat aud die 
Stadt Rautern ihr eigen peinlid Hals: 
gerichtögerechtigkeit, zu richten über Hals 
und Bein, was fih in der Stadt in 
deren Ramiteine für a begeben.“ 
(Blutbann — Recht über Leben und Tod.) 


Wenn auch der Ausdrud „Ramſtein“ 
in dem großen Wörterbud von Grimm 
u. a. feine Aufnahme gefunden hat, jo 
geht aus defjen Anwendung doch uns 
zweifelhaft hervor, daß hierunter die Ab— 
grenzung (Rahmen) des eigentlichen 
Stadtbezirfes gegen das Territorium 
(Feld: und Waldmarf) durch bejondere 
Steine zu verftehen ift. Unwillkürlich 
wird man hierbei an das Dorf Ram: 
ftein bei Steinwenden erinnert, welches 
den Namen vielleicht jeiner Nandloge 
an den Grenzen des Reichswalds zu 
danken Hat, Sofern derjelbe nicht aus 
einem Gigennamen (vergl. Wolfram) 
hervorgegangen ift. Auch in der Grenz- 
beichreibung von Sippersfeld aus dem 
Jahre 1019 wird ein Nannenftein (auch 
Ranıeftein) als Markzeichen gegen das 
zum Sattelhof bei Langmeil, einem alten 
faliſchen Königsgut, gehörige Dorf Bon» 
badı"aufgeführt.*) 

Uns ıft heute die aus Norddeutich- 
land ſtammende Bezeichnung „Weichbild“ 
für das Stadtgebiet geläufiger, dem aber 
diefelbe Bedeutung trotz verjchiedener 
Erflärung?tinnewohnt. Denn während 
e8 die einen von dem altdeutichen wih 
— geweiht und Bild — hölzerner oder 
fteinerner Bildftod (Kreuz, Cäule), ıv0- | 
mit die Grenze einer Stadtflur im Mittel- 
alter bezeichnet war, abzuleiten juchen, 





!) Beitbilder Nr. 15 von 1904. 

) Diefen NRamenjtein für identifch mit | 
Römerſtein zu halten, erjcheint zum mindejten 
zweifelhait (Pf. Gejchichtsblätter 1905 ©. 48). | 


\ Weichbildes 


ſehen andere in Weich das niederdeuticdhe 
wich, lateiniiches vieus — Flecken oder 
Stadt, und in Bild Recht (mod in 
Unbill und billig erhalten), alio Gel: 
tungsbezirk des Stadtredits. 

Die ſtädtiſchen Namfteine begrenzten 
den unter der Aurisdiktion des Rates 
ftehenden Gerichtsbezirk, zunächſt die 
Stadt felbit und dann auch die unmittel- 
bar an die Mauern ftoßende Flur. Die 
Ausiheidung aus dem Berband des 
alten Wormsganes erfolgte wohl im 
September 1276, als Kaiſer Rudolf von 
Habsburg der Stadt diejelben Rechte 
und Freiheiten verlieh, wie fie der Reichs— 
ftadt Speyer von Sailer und Königen 


zugejtanden worden waren. Hieraus 
erklärt ſich aud, daß in bejonders 
ſchwierigen Nechtsfällen der Lauterer 


Rat nah dem erhaltenen Gerichtsbuch?) 
von 1440 bei dem von Epeyer fi Be 
lehrung erbat. Wiederum wurde das 
Lauterer Stadtrecht durch Kaiſer Karl 4. 
am 7. Scptember 1349 an den Grafen 
Heinrih von Beldenz für Obermojcel 
und Ddernheim am Glan weiter ver: 
lieben, ſodaß fegtere indirekt diejelben 
Privilegien wie Speyer zu genießen 
hatten. Welch geringen Borteil dieſe 
beiden Pläge wegen ihrer ungüuftigen 
Verkehrslage aus ver kailerlihen Gnaden— 
bezeigung ziehen konnten, hat ihre Ge— 
ſchichte beiviejen. 

Wenn demnach die Nedte für Lau— 
tern damals im Einzelnen aud nicht 
aufgeführt wurden, jo war in eriter 
Linte neben Berleihung der hohen Ge— 
richt&barfeit und des Marktrechtes ver- 
bunden mit Erhebung von Marftgeld 
(Oktroi) unter dieſem Privileg die Bes 
freiung von Zoll und Leibeigenſchaft, 
Negelung des LZunftweiens, und als 
äußeres Leihen die Befeſtigung der 
Stadt mit Mauern, Graben und Toren 
zu veritehen. Schon 1247 wird eine 


| eigene Lauterer Münze und 1285 ein 


Lauterer Mat als Beweis für das Auf 
blühen des jungen Gemeinweſens erwähnt, 

Leider jind über bie Ausdehnung des 
nur unvollſtändige Nach: 
richten auf uns gekommen; foviel aber 


im ftädtifchen Archiv, 


jteht feit, daß die das Gebiet des Stadt- 
rechts. begrenzenden Ranıfteine an ſämt— 
lihen in die Stadt führenden Straßen 
als Hoheitszeichen ftanden. Zufällig 
erwähnt der kurfürſtliche Forſtmeiſter 
Belmann in feiner Befchreibung der 
Ländereien des Stiftes Lautern*) vom 
16. Mai 1600 einige diejer Steine mit 
folgenden Standorten: Der erite Ram— 
jtein an der Yautertalitraße bei der dem 
Spital gehörigen Mühle (jegt Kamm 
aarnipinnerei), der zweite als ſogenannter 
Bodramftein neben dem ftädtiichen Allmen 
(Almende), der dritte am Gersweilerweg, 
der vierte bei den drei Linden am Baal- 
bornerpfad, der jegt eine kurze Strede 
mit der unter Napoleon I. vollftändig 
neu angelegten Kaiſerſtraße zuſammen— 
fällt, der fünfte neben der Enkenbacher— 
ftraße zwiichen Lentel und Beditein, der 
jechfte an der Straße nah Neuftadt, 
von welcher am neuen Kirchhof die 
Römerſtraße durch die Hellen Eichen 
über das Weidjohl nach dem Schorlen— 
berg abzweigte. 

Als Ramftein ift wohl auch das in 
dem Erbbeitandsbrief für die Papier: 
mühle aus dem Jahre 1656 erwähnte 
Ramiftelkreuz gegen den Erbſenberg auf: 
zufaffen. (Forſtarchiv.) Auh in Bel: 
manns gleichzeitiger Beichreibung des 
Reichswaldes (Stadtarhiv) werden uns 
Ramſteine aenannt, fo am Kohlbruch 
neben den Stadtwiejen, an der Tripp— 
ftadter Straße, anı hohen Sand, an der 
Hohenecker Straße und an den Neideder 
Wieſen {bei der Praffichen Fabrik an 
der Witteldbaher Straße) Von bier 
bis zum Ramſtein an der Rautertalitraße 
Elafft eine Lüde Belmann erwähnt 
zwar auf diejer Strecke zwiichen der 
zum Reihswald gehörigen Forithube und 
den Stadtgebiet, aud einige Grenziteine, 
die aber wegen Streitigkeiten ımit der 
£urpfälziihen Regierung damals um— 
geftürzt waren. Dod jcheinen diejelben 
bald darauf beigelegt worden zu fein, 
da ein noch erhaltener Stein die Jahres: 
zahl 1604 trägt. Die Grenze verlief 
von dem zulegt aenannten Ramitein 
über den Galgenberg und folgte dem 


*, vergl. Pfälz. Preſſe Nr. 330 vom 27. | R 
1904 : ı gehenden früheren Heerjtraße,Lmelche über 


Rovdember 1904. 





nach der Benderichen Fabrik auf dem 
Lothringerhof hinabführenden Feldweg. 
Kurz vorher Ereuzte fie vor dem Bau 
der Kaiſerſtraße die alte Landituhler- 
ſtraße bei Stein Nr. 310 aus dem Jahre 
1604. Getzt Diebspfad — Dietspfad 
— Volk- oder Heeritraße; die Buchſtaben 
F I = foröt imperiale machten den 
Reichswald als franzbſiſches Staatseigen- 
tum fenntlih.) Der nädite Stein 
Wr. 309 oberhalb des Einjchnittes der 
Lautertalbahbn an der alten Schanze 
Iichließt den Ring und ermöglicht eine 
Rekonſtruktion des alten ftädtiichen Weich— 
bilds unter Zuhilfenahme eines modernen 
Stadtpland. Es braucht wohl nicht be— 
ſonders hervorgehoben zu werden, daß 
eine derartige Skizze eine wertvolle 
Beigabe zu der im Erſcheinen begriffenen 
ſtädtiſchen Chronik von Herrn Küchler 
bilden würde. 

Hatte alſo ein armer Schächer inner— 
halb dieſes Bezirkes ein Kapitalverbrechen 
begangen, ſo wurde er nach Stadtrecht 
gerädert, gevierteilt oder gepfählt, wäh— 
reud er außerhalb der Ramſteine nach 
Landrecht die Vergünſtigung genoß, wohl 
mit gleichem Effekt gepfählt, gevierteilt 
und gerädert zu werden. Unter kur— 


pfälziſcher Regierung wurde Lautern 
durch bureaukratiſche Bevormundung 
immer mehr herabgedrückt und die 


ſtädtiſche Verwaltung 1440 durch die von 
Pfalzgraf Otto von Mosbach als Vor— 
mund ſeines Neffen Ludwig, des ſpäteren 
Kurfürſten, erlaſſene Ordnung und den 
Vertrag von 1510 geregelt, aber auch 
in ihrer Selbſtändigkeit beſchnitten. Noch 
faſt drei Jahrhunderte hindurch wußte 
die Stadt wenigſtens einen Schein davon 
zu retten, bis die franzöſiſche Herrſchaft 
bei Neuordnung aller Dinge der zuletzt 
nur noch auf dem Papier vorhandenen 
reichsſtädtiſchen Herrlichkeit ein klangloſes 
Ende bereitete. 

Von allen dieſen Grenzzeichen des 
Stadtgebietes haben nur drei die Stürme 
der Jahrhunderte Überdauert, da ein 
weiterer am Baalbornerpfad beim Bau 
der Lila Raab bejeitigt wurde. Der 
am beiten erhaltene fteht beim alten 
Friedhof an der vom autor aus: 


4 


die Wormſer Höhe und hinter der Nenn- | dem Gutadhten von Herrn Oberlehrer 
bahn hinunter auf die Eſelsfürth, als | Hahn aus Berlin vermuten, daß ihre 


Borläuferin der Kaiſerſtraße über Enfen- 
bad, den Stumpfwald und Göllheim 
nad) dem Rheine führte. Ein anderer 
fteht im Stadtpark (= auf dein hohen 
Sand) und wird in der Beichreibung des 
Neihswalds aus dem Jahre 1763 als 
Anfang und Endpunkt dieſes 45400 
Schritt umfaffenden ausgedehnten Wald- 
gebiet3 erwähnt, und endlich dev legte?) 
ın der Nähe der Billa Ritter, der wohl 


mit dem von Velmann auf der jtädtifchen | 


& 


Allmende erwähnten . identiih ift. Die 
Form des ftädtiichen Wappens läßt nad) 


| 


Aufrichtung ungefähr um 1400 erfolgte. 
Alle anderen find der über die ehemaligen 
engen Etadtmauern hinaus ſich bes 
tätigenden Bauluft oder den Straßen— 
anlagen ftillichweigend zum Opfer gr 
fallen. Möge diejer drei einzigen Zeugen 
alter reichsftäotijcher Herrlichkeit für die 
Folge etwas Sorgfalt für ihre Erhaltung 
gewidmet und ein beiceidenes Plätzchen 
gegönnt werden! 


) Frodl. Mitteilung don ger . Küdler, 
Pfälz. Prefie vom 19. Dezember 1904. 





Die Aaifergräber in Speyer. 


An den Grüften des altehrwürdigen 
Domes zu Speyer, deffen Bau von 
Konrad II. dem Salier 1027 beichloflen, 
und der unter Heinrich IV. 1061 vollendet 
wurde, ruhen nicht nur die Erbauer 
dieſes Gotteshaujes, jondern eine Reihe 
von bedeutiamen deutichen Fürften und 
deren Gemahlinnen. Auch Rudolf von 
Habsburg hat dort feine legte Ruhe ge: 
funden. Bei ihrem Einfall in die Rhein: 
pfalz haben die Franzoſen 1689 auch im 
Dom zu Speyer bös gehauft. Einer 
beuteluftigen Soldatesfa waren jelbft die 
Kailergräber nicht heilig; fie wurden 
durhmwühlt, mehrere Särge erbrocden, 
denn man glaubte dort Gold und Edel: 
fteine zu finden. Uber zwei Jahrhunderte 
wurden die Kaiſergräber weiter nicht 
mehr berührt. Auch bei der verdienit- 
vollen Renovation des Domes unter 
König Ludwig I. ging man nicht an die 
gewagte Aufgabe, hiev Wandel zu ichaffen. 
Der Neuzeit war e3 vorbehalten, die 
Berunglimpfung des umvergänglichen 
Andenkens hervorragender deuticher Für: 
jten wieder gut zu machen. Bor mehreren 
Jahren jegte die bayerijche Regierung 
eine Kommiljion ein, die Gräber zu 
öffnen, ihren Anhalt zu prüfen und zu 
ordnen. Anthropologen, Hiftoriker, Künſt— 
ler, Architekten und Geijtliche taten fich 
unter Zuftimmung des Biſchofs von 
Speyer in jeltener Einmütigfeit zuſammen, 
um unter Wahrung aller gebotenen 


| 





Pietät die Erdgräber bloßzulegen und 
nad genauer Unterſuchung dev mumi— 
fizierten Leichen und der Gebeine ſowie 
nad) den vorhandenen Anichriften feit- 
zuftelen, wer im Dom begraben liegt. 
Dies gelang der wiſſenſchaftlichen For: 
hung vollftändig. 

Die Hiftorifer, namentlich Profeſſor 
Grauert, ftellten die Forderung auf, daR 
die Särge an derjelben Stelle und auf 
demielben Niveau bleiben müßten wie 
bisher, und danach jollte auch die neuere 
Ausgeftaltung der Gruft ſich richten. 
Eine Kommiſſion, gebildet aus den 
Herren Oberbaurat v. Stenpel, den 
Profefforen Heinrich v. Schmidt, 
Gabriel v. Seidl, Kunſtmaler Dtto 
Hupp, beichäftigte fich eingehend mit der 
Frage des Umbaues der Gruft. Die 
Forderungen der Hiftorifer find nun er: 
füllt, die Särge ftehen aber frei, man 
fann um fie herumgehen und kann fie 
auch von dem Grufteingang aus über: 
bliden. In der Gruft befindet fich ein 
Eleiner Altar mit pradtvollen Kreuz, 
Altarleuchtern und Ampeln. Am Dom 
hängt über jedem Sarg eine Ampel, 
außerdem tft darin eine mächtige, aus 
Kupfer getriebene, vergoldete Karfer: 
frone und ein großes Kruzifix auf: 
gehängt. Dieje Kunftgegenftände wurden 
dur die Kommilfiondmitglieder ent: 
worfen und von PBrofeffor Otto Hupp 
ausgeführt. Bon dem gleichen Künitler 


ſtammt auch das Eingangstor zur Gruft, 
das in dielen Tagen von der Erzgießerei 
v. Miller fertiggeitellt wurde. Dieſes 
Portal iſt im Gegenſatz zu der ein- 
fadhen Art des Gruftbaues von pompöjer 
Wirkung. Es ijt maifiv in Bronze ges 
goffen und hat ein Gewicht von 45 
Bentnern. Otto Hupp hat ſich beim 
Entwurf liebend in den Charakter des 
romantichen Bauwerks vertieft und jtreng 
in dem Stil ded Domes auch das Tor 
gehalten, jo daß dieſes ſich harmoniich 
dent altehrwürdigen Bau cingliedern 
wird. Das Rundportal wird durd) die 
Form eines Kreuzes in vier Felder ge 
teilt, die durch Gitter aus maſſiven 
Bronzeitäben durchbrochen find. Die 
mit Roſetten geichmüdten Gitter geftatten 
einen Einbli€ in die beleuchtere Gruft. 
Auf den Kreuze thront in der Mitte, 
die heilige Schrift mir der Linken auf 
den Knien haltend, die Rechte ſegnend 
erhoben, Ehriitus in der Auffaſſung als 
„König der Könige.“ Dem entipricht 
aucd die finnige, in großen Buchitaben 
plaſtiſch Hervortretende Inſchrift „Per 
me reges regnant.* (Durch mic; herr» 
chen die Könige.) Auf den Enden des 





Kreuzquerbalkens find Engelöfiquren mit 
Spruchbändern, dereu Inſchrift lautet: 
„Te Christe laudamus!* Ein Orna— 
ment und ein togenannter konkaver Eier- 
ftab umfaſſen die Kante des Rundbogens. 
Der figürlihe Schmuck des Kreuzes, die 
Engel und die Chriitusgeitalt wurden 
von dem Münchener Bildhauer Profeſſor 
Pruska modelliert, 

Bornehme Ruhe, getragener Ernit ift 
die Signatur dieſes Funftgewerblichen 
Prachtſtücks. In dem warmen, goldigen 
Bronzeton wird es in der von Halb- 
dämmerung unfangenen Gruft vorziig: 
lih wirkten. Dem Gejamtgewicht des 
Portals entipricht auch die Schwere der 
beiden verichließbaren Türen, von denen 
jede 6 Bentner wiegt. Tas Portal, 
deffen Guß in muftergiltiger Weile aus- 
gerührt iſt, ging an jenen Beſtimmungs— 
ort ab. Nach jeiner Aufſtellung iſt die 
Speyerer Kailergruft in ihrer Neue 
geitaltung vollendet. Jeder Bayer, jeder 
aute Deutsche, kann fich freuen, daß die Kat. 
jergräber in Speyer eine ſowürdevolle Aus: 
ftattung erhalten, und für uns iſt es ehren— 
voll, daß daran die Kunſtſtadt Müncen fo 
reihen Anteil hat. (M. M. N.) 





Verſpätete Schwalben, 


die aus irgend welchen Gründen die 
Reiſe nach dem wärmeren Süden unter— 
laſſen haben, ſcheint es im abgelaufenen 
Herbſte ungewöhnlich viele gegeben zu 
haben. Mitte Oktober fanden ſich in 
denn Stalle einer Neuſtadter Fabrik 
jeden Abend 500-600 Schwalben ein, 
die ein warmes oder wenigſtens geichügtes 
Plägchen für die Nacht juchten. Leider 
überlebten jedesmal viele nicht die Ealte 
Naht und lagen früh erftarrt am Boden. 
Futter nahmen die Tieren auch nicht 
an und mußten jo zum größten Zeile 
nad) und nach zugrunde gehen. Man 
bat ſich der nützlichen Tierchen auf andere 
Weile angenommen, jo gut e3 gehen 
wollte. Herr Jakob Belten in Speyer 
ließ mehrere Sendungen eingefangener 
Schwalben, die ihm zumteil auc bereit: 
willig von auswärts zugelandt wurden, 
mit den Schnellzgügen über die Alpen 


befördern. Um die gleiche Zeit (Mitte 
Oktober) waren Wanderzüge der Schwal- 
ben in der Schweiz von dem frühzeitig 
eingetretenen Schneewetter überraicht 
worden. Kälte und Hunger trieben fie 
in die Ortichaften, wo fie gleichwohl 
aus Futtermangel zu Hunderten zu— 
qrunde gingen. In Luzern forgte die 
Ornithologiiche Geiellihaft für die be- 
dauernswerten Reilenden, jammelte die 
noh Lebensfähigen, fütterte fie und 
jandte fie mohlverpadt mit dem 
Botthardsichnellzuge nad) dem jonnigeren 
Süden, wo der ABugführer und die 
Stattonsbeamten von Chiaſſo 200 Stüd 
aufflattern ließen. Nur 3 Tierchen 
waren auf dem Transport eingegangen. 

Die durd Herrn Jakob Velten ge: 
janımelten und nah Chiaffo in Italien 
abgejandten Schwalben (etwa 1500 an 
der Bahl) find nah einer Sarten- 


mitteilung aus Chiaſſo von dem dortigen | 
Stationächef, datiert vom 27. Oktober, | 
gut dorten angekommen. Es find laut 
„Speyerer Beitung“ von der großen 
Menge nur 42 umgekommen, alle übrigen 
flogen freudig in ihre Winterheimat 
weiter. Bei einer Sendung mußte der 
Ausflug wegen zu Starken Nebels ver: 
ichoben werden. Bon allen Gegenden 
Deutichlands, fo aus Berlin, Stuttaurt, 
Dchienfurt, Würzburg, Tauberbiſchofs— 
heim, Baden-Baden, Babern i. Eli., 
Neuftadt, Edenkoben, Fußgönnheim, 
Haßloch, Schifferſtadt ꝛe. trafen An— 
fragen über die Art und Weiſe der 
Verſendung ein, wie man ſie verpacken | 





oder verföjtigen joll ꝛc. Am beiten it 
ein leichter Spankob oder ein Kiltchen, 


6 


mit dünnen Steden oder Dräbten ver- 
jehen, auf welden die Tierchen figen 
können und mit Packtuch luftig zugenäht. 
Sie frejjen am liebften fliegende Inſekten. 
Die Berjendung ging immer 8.57 morgens 
mit dem D-Zug über Bajel ab. Die 
Adreffe bei direfter Sendung wurde an 
die Bahnverwaltung Chiaffo gerichtet 
mit der Aufforderung: „Bei Ankunft 
fofort ausfliegen zu laſſen“. Die Schwal- 
ben, welde tagsüber eintrafen, ließ Herr 
Velten in feinem Palmenhaufe fliegen 
bis zum mäditen Morgen; über Tag 
wurden fie von Zeit zu Zeit mit Müden, 
die man in Stallungen oder jonftigen 
Räumen mit dem Bejen oder Gänie- 
flügel in ein Bigarrentiftchen raſch hinein» 
kehrte, gefüttert. 


65. Iahresverfammlung der „Pollichia“. 


Im großen Stadthausjaale von Bad 
Dürkheim fand am 29. Oktober, mit: 
tags 12 Uhr, die vd. Jahresverſammlung 





der „Pollichia”, naturwiljenichaftlicher 
Berein der Pfalz, ſtatt. Der Ehren- 
präfident, Seine Erzellenz Profeſſor 


v. Neumayer, übernahm den Borjig 
mit herzlicher Begrüßung. Lokalvoritand | 
Nektor Roth hier eritattete zumächit den 
Jahres- und Geihäftsberiht. Die Pol: 
lichia zählt gegemwärtig 237 Mitglieder, | 
5 weniger als ımı Borjahre. Der Tauſch— 
verkehr der Bollichia mit wiffenichaftlichen | 
Inſtituten tft ein vegerer geworden. Sie 
jteht mit 140 Bereinen und nitituten 
in Fühlung. Die Gelamteinnabmen der 
Pollichia im Jahre 1904 betrugen 
2978 M. Die Ausgaben 2005 M. Es 
ergibt ſich fomit ein Ueberſchuß von | 
973 M. Das Nettovermögen des Ber: 
eins beziffert fih auf 4120 M. Als 
wertvolle Geichenfe, die der Pollichia zus 
gegangen, nennt der Berichteritatter einen 
Faſan, ſowie eine Krofodilshaut, ge: | 
jpendet von Direktor Janſen-Lambrecht. 
Die meteorologiiche Station erhielt einen 
jelbft regitrierenden Regenmefjer. Als 
wertvole, ja hochbedeutſame Publikation 
der Pollichia bezeichnet der Bericht: Eine 
erdinagnetiiche Vermeſſung der bayerischen 
Nheinpfalz 1855,56 von Direktor Dr. ©. | 


; Entgegenfonnmen der Bevölkerung. 
waige Funde möge man den einzelnen 


v. Neumayer, ſowie eine kurze geologiiche 
Beichreibung der magnetiihen Stationen 
von Brofeffor Dr. v. Ammon und Dr. 
M. Reis. — Anichliegend an den Bericht 
des Meftord Roth verbreitete ſich Dr. 
Mehlis über die MWirkjamkeit der 


anthropologiſchen Station der Pollichia. 


Hienach wurden einige Befeitigungen der 
Südpfalz (Bergzabern, Abtskopf, Bären: 
berg 2.) unterfucht, Straßenzüge am 
Dradenfel® und Donnersberg (alte 
Nömeritrvaße) fejtgeitellt und mehrere 
Wohnjtätten aus der neolgthiichen und 
Bronzezeit entdeckt (Weitheim, Ben: 
ningen, Speyer, Wallböhl ꝛc.). Der 
Neferent wünſcht vor allen ein größeres 
Et⸗ 


Muſeen als Depoſition überlaſſen, damit 
der Forſcher dort Gelegenheit habe, die 
Fundſtücke zu ſtudieren. 

Admiralitätsrat Exz. von Neumayer 
leitete alsdann zum wichtigſten Gegen— 
ſtande der Tagesordnung, zur Ge— 
dächtnisrede des Bezirksamtsaſſeſſors 
Dr. Poeverlein-Ludwigshafen auf 
den verdienſtvollen pfälziſchen Gelehrten 
und Botaniker Karl Heinrich Schultz 
Bipontinus über. Anläßlich dieſer Feſt— 
rede waren eine reiche Anzahl Gemälde, 
Photographien, Zeichnungen, Werke, Di- 


plome, Tagebücher, Briefe, Faclimiles xc. 
ausgelegt, die fih alleiamt auf Schulg 
Bıpontinus bezogen. Es gebührt Herrn 
Stationseinnehimer Auguft Händen in 
Hailerslautern, einem Verwandten 
Familie Schulg, das Berdienjt, im zivei 
ausgelegten Mappen Briefe bedeutender 
Noaturforiher an Schulg, ſowie bio- 
araphiiche Arbeiten desjelben über jeine 
Wanderungen und Wandlungen zc. ger 
ordnet zu haben. So warm ſchon die 
periönlihen Erinnerungen des Ehren— 
vorfigenden berührten, der namentlich 
die Verdienfte des heimgegangenen Ge: 
lehrten um die Bollihia feierte, jo licht 
und lebenswarnt geitaltete fid) das pietät- 
volle Bild, das Affelfor Dr. Poeverlein 
von Karl Heinrich Schule, deſſen 100, 
Geburtätag am 30. Juni 1905 wieder— 
gekehrt war, entwarf. Sculg wurde im 
Jahre 1805 in Zweibrüden als der Sohn 
eines Apothefers geboren. Am elterlichen 
Haufe fand feine Neigung zur Botanik 
reichlihe Nahrung und als Student der 
Medizin zu Erlangen und Münden 
arbeitete er getreu feinem Wahlipruce: 
„&3 lebe der fefte Wille“ auf dem Felde 
der Naturwiſſenſchaften rüſtig weiter. 
Nachdem er jeine freiheitlichen Beitre- 
bungen leider mit einer dreijährigen Haft 
in Münden büßen mußte, ließ er fich 
als Hoipitalarzt in Deidesheim nieder. 
Seine politiihe Bergangenheit war Ur: 
fache, daß die bayeriihe Krone ihm die 
Beitätigung ald Ordinarius der Uni— 
verfität Erlangen verlagte. Aber die 
wifjfenichaftlihe Welt ichägte den tüch— 
tigen und berühmten Botaniker Schulg 
und ließ ihm gar manche Ehrenbezeigung 
zuteil werden. Anläßlich der 25. Fubel- 
feier der Pollichia erhielt Schulg als 
Gründer und Direkter derjelben den 


der 





| 


Micaelsorden erfter Klaſſe. Das An- 
denfen an dieſen trefflihen Mann wird 
1 der Geſchichte der Wiffenihaft fort: 
eben. 

Darauf folgten die Mitteilungen von 

Schäfer:Neuftadt über die Ein- 
wirkung des Weins auf die Strafitatijtik 
anftelle des verhinderten Oberlandes— 
gerichtsrats Oehlert. Dr. Schäfer reſu— 
mierte dahin: Der Wein kann beſtehen 
vor dem Forum der Kriminalſtatiſtik. 
Körperverletzungen, Roheitsdelikte x. ꝛc. 
find in der Regel weniger dem Wein— 
genuß zuzuichreiben, fie find wohl eher 
eine Folge der Bolksverrohung, die 
nantentlih in Induſtrie-Gegenden ſich 
breit mache. Auch der Volkscharakter 
müſſe bei Behandlung der vorwürfigen 
Frage in Betracht gezogen werden. 

Erz. von Neumayer bericter jo: 
daun über die Vorarbeiten der Pollichia 
zur Errichtung einer Erdbeben- 
tation in der Pfalz. Diejelbe joll 
als Nebenitation der Benkale Straß- 
burg in Kaiſerslautern gegründet 
und an die dortigen Mittelichulen (In— 
duſtrieſchule und Nealichule) angegliedert 
werden. Hierzu tt ein einmaliger Ber 
trag von ca. 1400 M. und ein laufender 
Fahresbetrag von TOO M. nötig. Hier 
wegen ſoll dem pfälziichen Landrate eine 
Dentichrift unterbreitet werden. Pro— 
feſſor Rudolf von der Bentrale Straß- 
burg unteritügt die Ausführungen des 
Borjigenden und gibt eine Meihe ichäß- 
barer Winfe und Ratichläge, die Errich— 
tung der Station betreffend. Die 
Generalverfammlung genehmigte alle 
Schritte, welche die eingeiegte Kommiſ— 
ſion behufs Gründung der beiagten ſeis— 
mijchen Station demnächſt zu tun gedenkt. 


Pr. Pr.) 


Erdbebenforfchung. 


Ein deuticher Gelehrter war es, der 
die Überzeugung zum Ausdruck brachte, 
daß die Koſten und Mühen der ſeis— 
mologiſchen Arbeit nur einen ent— 
iprehenden Erfolg ergeben könnten, 
wenn in allen Stulturitaaten nach ein- 
heitlihem Syitem und mit möglichſt 





gleichen, jedenfall® vergleihbaren In— 
jtrumenten die Unterſuchungen aufges 
nommen werden würden. So entitand 
durh Profeſſor ©. Gerland’3 Ber 
mühungen die internationale ſeismo— 
logiſche Bejellichaft, die alle Kulturitaaten 
von Japan bis Südamerika, ganz Eu- 


ropa, Nordamerifa, das Gebiet der 
Südjee (Samoa), Auftralien und Afrika 
umfaßte. Als Zentralſtelle für dieſe 
weitverzweigte ſyſtematiſche Arbeit wurde 
einſtimmig Straßburg i. E. und als 
Präſident dieſer Aſſoziation Profeſſor 
Gerland dortſelbſt erwählt. Eine vor— 
treffliche Anſtalt, ausgeſtattet mit den 
beſten, ununterbrochen aufſchreibenden 
Apparaten (Seismographen) wurde ge— 
ſchaffen und damit dem vom Deutſchen 
Reiche unterſtützten neuen Forſchungs— 
zweig eine feſte Grundlage gegeben. Es 
war nun der neugeichaffenen Einrichtung 
die Aufgabe der Organijation geftellt 
und dieſe zunädit innerhalb des Ge— 
biete des Deutichen Reiches ins Leben 
zu vufen. So wurde dad Reid in 11 
Bezirke geteilt mit den Orten: Wachen, 
Karlsruhe, Darmftadt, Münden, Göt- 
tingen, Hamburg, Leipzig, Jena, Bres— 
lau, Königsberg i. Pr. und Potsdam. 
Diefe „Haupt-Srationen“ find mit vor: 
züglichen, teilweiie ſehr komplizierten 
Apparaten ausgejtattet, die ohne Unter— 
bredung die mafrofeismischen (mit dem 
Störungsherde in der Nähe), die mikro— 
ſeismiſchen (von der weiten Ferne her 
wirkenden), und die bradyleismiichen 
(langjame Scmanfungen der Niveaus 
fläche) Erjchütterungen aufzeichnen und 
zur Bearbeitung tm internationalen 
Syſteme vorbereiten. Zur Feititellung 


eines Gebietes der mafrojeismiidhen Er: | 


Ichütterung, aus welcher Feititellung nur 





allein wieder allgemein verwertbare Er» 
gebniſſe abgeleitet werden können, dienen 
die Nebenjtationen. Jede der genannten 
Hauptitationen iſt mit einer größeren 
und geringeren Anzahl jolcher Neben- 
ftationen umgeben. 

Die bayerijhe Rheinpfalz ge 
hört nah der getroffenen Einterlung 
dem Bezirk Hefjen Darmftadt, Heſſen— 
Naſſau an und es jollte dementiprechend 
aud) wenigitend eine Nebenjtation 
dajelbit eingerichtet werden, welde die 
Begrenzung aller ſeismiſchen &ricei- 
nungen und in erjter Linie die lang» 
jameren Schwankungen der Niveaufläche 
aufzeichnen fönnte. Das Fehlen einer 
jolben Nebenjtation in der Pfalz, die 
etwa ın Kailerslautern einge— 
richtet werden könnte, wird bei 
Forihungen der Seismologie, deren 
Hauptaufgabe die Feititellung der „Seis— 
mizität“, d. h. des ſeismiſchen Verhaltens 
der Geſamterde iſt, wird in hohem 
Grade jtörend empfunden, weshalb darauf 
Bedahıt genommen werden müßte, dieſe 
ſchwer ſühlbare Lüde auszufüllen. Die 
„Bollihia”, als naturmilfenichaftlicher 
Berein der Gejamt:Pfalz, hat fi denn 
auch diejer wichtigen Angelegenheit an- 
genommen und eine Kommiſſion er- 
wählt, die in der Hauptveriammlung 
am 29. Dftober v. %. in Bad Dürk— 
heim durch eines ıhrer Mitglieder Bericht 
eritattete. (Pf. Br.) 


Eine barometrifrhe Anriohtät 


haben wir gegen Mitte November er: 
lebt. Schon am Ende der eriten 
Oktoberwoche v. %. war dad Duedjilber 
innerhalb vier Tagen in raſcher Be: 
mwegung um 18,5 mm geftiegen, als 
gleichzeitig ein Rieſenſonnenfleck die dies- 
feitige Hälfte der Sonne pajfierte; er 
war eine von drei ungewöhnlich aus: 
gedehnten und lebhaft „tätigen Sraft- 
quellen, die ihre Wirkung auf dev Erde 
ehr prompt fühlen ließen. Vom 10, 
bis 12, November aber, als die gleiche 


Fleckengruppe wiederum vorüberzog, fiel 
das Barometer in zwei Tagen um volle 
22 mm, woraus fi denn auch das 
mwechjelnde Wetter erklärt. Wetterftürze 
von fo jchroffem Charakter find auf dem 
Feitlande nicht gerade häufig; fie haben 
aber ihre eigentliche, tiefere Urſache nıcht 
in atmosphäriichen Vorgängen, jon« 
dern find kosmiſch beeinflußte Er- 
jheinungen, über deren nähere Be» 
gründung man in abjehbarer Zeit noch 
näheres erfahren wird. 


9 


Bimmelsfchan. 


Wie die teilweife jehr auffälligen 
Witterungsabuormitäten der zweiten 
Hälfte des abgelaufenen Jahres manchen 
veranlaßten, den Blick öfter nach denn 
Wolkenhimmel zu richten, von woher 
erfahrungsgemäß Wohl und Wehe für 
Land und Leute kommt, jo wird gegen- 














wärtig mancher zum geitirnten Himmel 
aufbliden, jo oft es die neidiichen Wol— 
fen oder der mildere Schein de Mondes 
zulaffen. Zu jehen ift allerdings vielerlei, 
was da in ruhiger Majeſtät feinen ge 
heimmisvollen Gang geht, und wer ſich 
an einem erhebenden Scaujpiele im 








Jungfernfprung. 


Freien erbauen will, hat gerade im 
Januar die ſchönſte Gelegenheit dazıı. 
Nidt ald ob man im Spätherbite jich 
nit die gleihen Genüfje verichaffen 
könnte! Aber wen zieht es, wenn es 
nicht jein Beruf ift, in dem aflezeit auf: 
geichlagenen Buche der Natur zu leſen, 
in den jpäten Stunden nach Mitter: 
nacht ind Freie oder nur ans Fenſter, 


1 
I 


wo er der Gefahr ausgejegt it, feine | 


löbliche Begeifterung für Naturichaufpiele 


mit einer Erkältung zu büßen? Der 
Liebhaber kann abwarten, bis die lang» 
ſam fortrüdende Sonne allmählih mehr 
die Schönheiten des Firmamentes und 
jeine Überrafhungen in die Abendzeit 
hereinrüdt, und das iſt gerade in den 
kommenden Wochen der Fall. Wie ein 
Wald oder ein Gebirge beſonders au— 
zichende Stellen bat, wohin ſich der 
Strom der Beſucher gerne und regel 
mäßig mendet, jo gibt es auch am 


— — 


Sternenhimmel gewiſſe Bezirke, auf | weiten wird der Himmel wieder 
denen das Auge des Kundigen immer | intereflant: da glänzt Hod oben der 
wieder mit Befriedigung und Bewunde— | Schwan und darunter die Leier mit 
rung ruht. Da. jteigt joeben allabend- | der glänzenden Wega. Ihr gegenüber, 
(ih im Dften das glänzende Sternbild | unterhalb des Orion kommt der hellite 
des Orion herauf: ein großes Viereck Firitern des geſamten Himmelsraumes 
mit zwei Sternen erfter Größe links | über den Horizont herauf, Sirius, 
oben und rechts unten, von denen der | aber gleihwohl nicht zu vergleichen mit 
erftgenannte goldgelb ſchimmert; dar | Jupiter. Über unferem Haupte Hin 
zwiichen in gleihen Abſtänden drei zieht in mildem Schimmer das zarte, 
aligernde Edelfteine „im Gürtel des | unbeitinnmt begrenzte, bald flodige, bald 
Drion.” Darunter, wie ein umge | unterbrocdene Band der Milchſtraße, 
kehrtes Ausrufzeihen, befindet fih eine | Drion und Leier verbindend. Unterhalb 
Eleine Sterngruppe, die aber eins der | der Wega aber befindet ſich der Ziel— 
fonderbarften und größten Gebilde des | punft — per — der Sonnenbahn, 
Himmeld enthält, den Drionnebel, | wohin die Reife auf unferen Welten: 
ſchon mit einem Opernglaſe als janfter | Schiffe geht. Bon Polaritern hängt der 
Lichthauch erkennbar. Leber dem Orion | „Eleine Bär” oder kleine Wagen fait 
jteht das Stewnbild des Stieres, ge | jenfreht herab und quer darunter iſt 
wöhnlich durch die Sterugruppe der | der „große Bär’ oder Wagen öſtlich 
Plejaden (lucke) und den Haupt: | im Emporiteigen begriffen. Unjere Erde 
ftern Aldebarann ausgezeichnet. Heuer | befindet jich mit Beginn des neuen Jahres 
aber ſchmückt noch ein anderer Glanz: | — genauer am 21. Dezember ſchon — 
punft diefe Gegend, der den Blick jofort | mit von der Sonne abgewendetem Nord- 
auf fich zieht: der Planet Jupiter, | pole in Winteritellung, und nur dem 
zwar nur ein Kollege der Erde in der | zeitlihen Nachinfen der Folgen einer 
Bejellicdhaft derer, welche die Sonne in | minimalen Erleuhtung und Erwärmung 
ewigem Laufe ummpandern, aber von elf | ift es zuzujchreiben, dat die Kälte erit 
mal fo großen Durchmeſſer und faſt im Januar ihren Höhepunkt erreicht. 
310mal jo großer Maffe. Seiner Rie- | Man muß aber nicht glauben, daß die 
jengröße verdankt er feinen Glanz, denn | Entfernung der Sonne um dieje Zeit 
die Sonne erleuchtet ihn mur ZT mal | größer wäre; im Gegenteile befindet ſich 
ihwächer ald unjere Erde. Er jtand im | unjere Erde am 3. Januar am näch— 
vorigen Winter im benadhbarten Sterne | jten bei der Sonne, 5 Mill. Kilo: 
bilde rechts und wird um das nächite | meter näher als im Hochſommer, woraus 
Neujahr iin Sternbilde der „Zwillinge“ | folgt, daß das Maß der Entfernung nicht 
links davon jtehen, denn ev braucht fait | für den Charakter unſerer Se 
12 Jahre zu einem Kreislaufe, der ihn | ausschlaggebend ift. In dev Neujahrs- 
mitten durch den. Stier führt, wo er nacht endlich ging die: Erde durch jene 
gegenwärtig zu finden ift. Gegen ihn | Richtung, welde der, Richtung des 
ift fein Nachbar Saturn, der abends | Sonnenfluges genau entgegenge 
etwa im Südweiten zu finden ift, ein | fegt it. Wer den Wunſch begt, über 
unfcheinbarer Geſelle. Nurein Neunzigitel | gewiſſe, immer wiederkehrende aſtro— 
unferes Lichtes erhellt ihn, jo daß auch | nomische Berhältniffe unterrichtet zu 
eine über 9mal jo große Leuchtkraft | bleiben, wird gut tun, vorjtchende drei 
gering ericheint. Im Weiten und Norde Überlegungen im Gedächtnis zu behalten. 
Sickingene Tod, 
Bon Dr. Earl Puid. 


1. Wie neu befebe mit alter Pracht 2, Der Landgraf Bbilipp, der Fürſt von Trier 
Er wiederum deutfche Kaiſermacht, Erboben des Pfälzer Kriegspanier, 
Das ließ Franz Sidingen nimmer ruh'n, | Für fie war Sidingen allzugleich 
Den Ländern der Fürſten web zu tun, | Nur Störenfried und ein Feind im Reich 


Ron Landſtuhl, feiner Beite. | Auf Landſtuhl, feiner Weite. 


3. Die Fürſten hatten fi drum bedacht 
Und hatten viel Kriegsvolk aufgebracht, 
Wo boffnungsfroh hinter Mauernſchutz 
ER Eidingen bot jeinen Feinden Truß 
u Landſtuhl, auf der Beite. 


. Harıbaunendonner und Büchſenkrach, 
Die brachten der Burg viel Ungemad, 
Und Franz erkannte mit Sorg' und Not, 
Daß batd feine Mauer nicht Schuß mebr bot 
Zu Landſtuhl, auf der Beſte. 


An jonnig blühendem Maicntag 

Der Held dem Geſchütz' des Feindes erlag; 
Die Landsknecht' trugen ihn till. beiſeit' 
Und meinten in bitterem ig 

Zu Landftubl, auf der Veſte. 


. Nun übergab man dem Feind das Schloß -- 
Und als fie da kamen hoch zu Roß, 
Trug Franz ihr Scelten in jtunmem Schmerz, 
Sie ſahen verbluten ein Heldenherz 
Zu Yandjtubl, auf der Beite, 


7. Die Landsknecht' wußten's ihm Lob und Preis: 
„Ein Nitter, wer fo zu jterben weiß!“ 
Wo Franz in Ehren fein Leben gab, 
Da rubt er mit Frieden im kühlen Grab 
Zu Landitubl, bei der Bejte. 


Dfälsifche Sagen. 
Herausgegeben von F. W. Hebel. 
Mir 18 Abbildungen. — Elegant gebunden 2.40 ME, 


Das Bud, beitimmt für Volk und Jugend, 
für Haus und Schule, will unfere beimatlichen 


— 








| 


Sagen, die immer mehr der Bergeflenbeit ans | Ausgang nahmen. 


heimzufallen drohen, davor bewahren und fie 
wieder dahin bringen, von wo jie einften® ihren 
Dabei bietet e8 die alten 








Rheingrafenitein. 


pfälzifchen Bolfsdichtungen in der ihnen eigenen 
ſchlichten und einfachen Darjtellung, nicht aber, 
wie es bie und da immer noch beliebt if, in 
weiter phantafiemäßigen Ausgejtaltung und ein— 
gehender ſprachlichen Umarbeltung und Aus— 
Ihmüdung. Neben dieſem Zwecke der Erhaltung 
unferer Volksſage, melde „Angſt und War— 
nung vor drm Böfen umd freude an dem 
Buten mit gleichen Händen austeilt“, wird 


durch die vorliegende Sammlung weiterhin be= 
abjichtigt, insbefondere auf die Jugend einen 
erzicheriichen Einfluß auszuüben, und in ber 
Tat findet die Wahrheit der eben zitierten 
Grimmſchen Worte auch in den „Bfälzifhen 
Sagen“ ihre dolle Betätigung. Da mit ber 
zunehmenden Stenntnis der Be und mit der 
Erfemmmtis all ihrer Vorzüge ımd Schönheiten 
die Yiebe zu ihr und damit zugleich zum weiteren 


— IE — 


re. und Norboitpfalz 16, für Haardt- 
nebirg und Ada Täler 27, für Speyer und die 
reich wirken. Rheinebene 18, für die füdlihe Pfaly 18, für 

Vielfach tft die irrige Anſicht verbreitet, als Bweibrüderland und Bliesgegend 16, für Glan- 


Baterlande eine Steigerung erfährt, jo dürfte | 
ob unſere Balz fagenarm fei; das wäre denn tat und Nordmweitpfalz 14, für Nahetal und Um— 


endlich das Buch auch in iefem inne jegend« 


doch in einen Lande mit fo vielen Burg- und | gebung 7 Sagen. Dazu treten nuch einige zum 
Klofterruinen gar verwunderlih. Manches, am | Teil jagenbafte Volkslieder. — Was die äußere 
Ende wohl vieles iſt durch die Ungumnft der Ber: | Ausſtattung des Buches angeht, jo enthält das- 
hältniſſe verloren gegangen. Aber dennoch darf | felbe 18 wohlgelungene Abbildungen von Dert- 
unfere Sammlung reichhaltig genannt werben. | lichkeiten, an denen Sagen ſpielen. Außerdem zeigt 
Zum Beweije deſſen fei aus dem Inhaltsver- der vornehme Einband in Prägedrud eine wenig be- 
zeichnis, das die Stoffe in örtlicher Gruppierung | Fannte Zrifels:AUnfiht vom Jahre 1461. — Alle 
und Marer Uebe fichtlichkeit bringt, angeführt, | diefe Vorzüge laſſen die „Pfälziſchen Sagen“ als 
daß ſich ergeben: treffliches Gefchent für alt und jung erjcheinen. 

Für SKaiferslautern und Umgebung 16 | (Die Abbildinngen find durch das Entgegenkommen 
Sagen, für Alfenztal und Umgebung 16, für | des Berlags dem Buche entnommen.) 


— 


Unter dieſem Titel erfchten ſoeben eine hoch⸗ und Poeiiſchen im ſchlichteſten bürgerlichen wie 
intereſſante Schrift aus der auf dem Kunſtgebiete im Öffentlichen Leben, in Architektur, Skulptur 
äußert Fundigen Feder des f. Gymnaſialprofeſſors | und Malerei, ebenfo wie in Muſik und Literatur, 
Hermann Baur in Burghaufen. An Furgen, | Erhaltung maleriiher Landfchaftsbilder, kunit- 
markanten Zügen jchildert der Berf afler die be: hate Banten, denfiwürdiger Stätten, deutfcher 
dauerlihen Einflüffe ausländiicher Kunſt auf | Bolfsitten umd Feite, Volkstrachten, Volks— 
| lieder ufw. Um diefes gemeinfame edle Biel 
zu erreichen, jollte ein jeder, der für Patertand 
deutfhen Renaiflance, und micht mir Unrecht | und vaterländiiche Kunſt, Sitten und Gebräuche 
ſchreibt ex die Geringfhägung, die wir bei Eng- | ein warmfühlendes Herz bat, dieſe berrliche 
ländern, Franzofen uſw. finden, gerade diejen | Schrift lefen. Namentlich follten alle hiſtoriſchen 
Hange zur Nachahmung fremder Kultur, Sprache Vereine, alle Mujeumsd- und Kunſtbereine dies 
und Gefittung zu. Mit Worten flammender | felbe unter „seen Mitgliedern umd Freunden 
Begeiiterung wendet firh der Berfafler dann an | verteilen. Die Brofchüre tit zum Preife von 
das gefamte deutihe Volt und an jeden Ein- | 0.25 Mt. erhältlich in jeder Buchhandlung, 
zelnen, ſich zu vereinen in einem großen Bunde ſowie bei der Verlagshandlung W. Trinkl in 
—— deſſen Aufgabe fein foll: | Burghauſen (Oberbayern) 

ahrung und Wicdergewinnung des Perfönlichen | 


die Entwicklung deutjcher Kultur und deutfcher 
Eigenart, namentlich zur Zeit der jogenannten 


Gedenktage im Januar. 


Beboren: ob. Hch. Bejtalozai, | (18491. — 8. Galileo Galilei, der zuerit und 
Begründer des —* Erziehungs und Unter- am glücklichſten das neu erfundene Fernrohr 
richtsweſens (1746). — 22. Gotth. Ephr. Yeffing, | auf den Himmel ammendete (1642). — 19. Hans 
Reformator der deutſchen Nationalliteratur und | Sachs, der Nürnberger Metjterfänger und 
des gelitigen Lebens in Deutjchland überhaupt, | fruchtbarite Dichter (1576. — 9. €. M. 
Borläufer unserer Digterfürjten Schiller und | Arndt, Dichter der FFreibeitöfriege (1860). — 
Goeihe (1729). — 24. — ur Große, | 31. Fr. Rüdert, fein Zeitgenoffe und Dichter: 





König von Preußen (1712). - Rolfgung | follege (1866). 

Amadeus Mozart, Neiftertomponiit von un— Aus dem großen Rricge: 15.-17. 
verwüſtlich reicher Eigenart und Begründer einer | Schlacht bei Belfort: Werder fiegt über 
neuen Zeit in der Muſik (1750). Bourbafi (1870). — 18. Wiederaufrihtung 


Gejtorben: 4. Franz Xaver Sabels- | des Deutfhen Reiches in Verſailles. 
berger, Begründer der Stenographie in 1871). — 38. Waffenftilljtand (1871). 
Deutichland und Erfinder eines eigenen Syjtems | 


nBalt: 1806 — 1906. — Das Weichbild von Kaiſerslautern. — Die Kaiſergräber in Spever. 
— Berjpätete Schmwalben. — —* Jahresverſammlung der Pollichia. — Erdbebenforihung. — Eine 
barometrifhe Suriofität. — Hinmelsſchau. — Sidingens Tod. Pfälziſche Sagen. — Heimat: 
ſchutz. — Gedenktage im Januar. 


Schriftleiter: Lech ec Ph. Sauth, Landituhl — ſermann Aanfer’s Der!aa, Aaiferslautern. 
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 

















Die Pfalziſche Heimatkunde” Ffiet ithrlich in 12 Ge ften Mt. 250. Mer e'lumaen werden bon allen Buchhandlungen u 
BVoftanflalten ferner vom Verleger (Bortofrere Etreifbandiendurg) angenommen. 


II. Jahrgang. 





Nummer 2 


Februar 1906. 


( 
—— 





FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


v 


FMANKRENN A 





— 


Aus dem Ränberleben des Hühnerhabichts. 


Ich durdhitreifte vor Fahren bujchie- 
rend die Flur, ald außer Schußmeite 
ein jogenannter Dreiläufer aufftand und 
über das friich gepflügte Feld dem nahen 
Walde zurannte. Da drang plöglicd 
heftiges Rauichen durch die Luft mir ins 
Dhr, und kaum hatte ich überraicht den 
Blick aufwärtd gerichtet, jo ſauſte ſchon 
der Hühnerhabicht wenige Meter ber 
dem Haſen nieder und jchlug im Nu feine 
Fänge in deſſen Weichen. Der Haie 
brady unter der Wucht des Anpralls zu: 
jammen und Elagte laut in dem ihm 
eigentümlihen näfelnden Ton. Dod 
ſuchte er ji wieder zu erheben und die 
Laft abzumwerfen. Mit den Hinterläufen 
zappelte und jchlug er auch, den Leib 
ſchnellte er mit Anitrengung aller Kräfte 
empor, er überjchlug und wälzte ſich und 
rutjchte niedergehalten am Boden hin. 
Mit ausgebreiteten Flügeln dedte ihn 
der Habicht, der ihn mit Fängen und 
Schnabel zu verwunden und zu betäuben 
ftrebte. Zuweilen löſte ſich die Wolle 
des Haſen in Kleinen Fetzen oder ein 
fang war abgeglitten; eilig aber jchlug 
ihn der Habicht von neuem in den Balg 
ein, um fein Opfer fiber zu bannen. 
Wıld funfelten des Räuber Augen, 
Wut, unbejchreiblich leidenſchaftliche Hin- 
gebung an den Augenbli der Zat, eine 
Art Beraufhung unter der Wirkung der 
Mordgier feffelte ihn an das wider: 
ftrebende Opfer. Jetzt aber ward meine 





Aufmerkiamkeit durch eine neue Er- 
iheinung geteilt. Mehrere Krähen kamen 
eilend, mit lautem Feldgeſchrei herbei; 
ihr ſcharfes Gehör hatte die Klagetöne 
de3 Hafen vernommen und ihr meit- 
ichweifender Blick entdedte aus der 
Ferne die feindliche Szene. Entichlofjen 
griffen jie den Habicht an, indem fie ſich 
mehrere Ellen hoch über ihn erhoben 
und dann ihre Schnabelhiebe herabftoßend 
auf ihn richteten. Dieſer beugte ſich 
jedoch zurüdt und wehrte den Angriffen 
mit freigehaltenem Yang. Das madıte 
die Krähen vorjichtig. jo daß es jelten 
eine Dderjelben wagte, dicht genug auf 
ihn zu ſtoßen. Die Stellung des 
Habichts wurde indefjen immer ſchwie— 
tiger und unhaltbarer. Verzweiflungs— 
voll Erallte er ſich an den Hajen feit, 
während er mit dem abmwehrenden Yang 
nah den Krähen hieb. In buntem 
Durdeinander ward der Kampf jo eine 
Zeit lang mit großer Erbitterung einer: 
ſeits und mit hartnädfigem Widerftand 
andererjeits fortgeiegt. Wolle vom Hafen 
und Federn von zumeilen jid über: 
purzelnden Krähen und dem Habicht 
flogen davon. Endlich fonnte fi der 
Räuber nicht mehr in feiner Doppel: 
jtellung halten, ev mußte in der Be- 
drängnis den Raub fahren lafjen und 
mit dem Aufgeben desjelben war aud) 
jein Abzug von dem Schlachtfeld ver: 
bunden. Aber die Krähen, noch nicht 


zufrieden mit ihrem Sieg, verfolgten 
den meichenden Feind unter ftet3 er- 
neuerten Angriffen, wobei der Fliehende 
pur felten ſich zur einentliden Wehr 
feste, jondern jein ganzes Streben dar: 
auf richtete, außerhalb des Bereiches der 
feindlihen Zeugen ſeines Raubanfalles 
und jeiner ungeftümen Dränger zu 
kommen. Weit in die Ferne ward er 
von ihnen getrieben und dann erſt kehrten 
diefe nacheinander zurüd. Wäre der 
Hale von den Fängen des Habichts 
tötlich getroffen worden, unfehlbar wür— 
den die Krähen ihn nun  zerfleiicht 
haben, wie fie ed mit anderer Beute 
auch machen, welche fie dem Raubgefindel 
abjagen. 

Wer ergründet aber die ganze Ab— 
fiht der Krähen, dieſer anicheinenden 
Polizeiwache der Felder, mit Sicherheit? 
An dem vorliegenden Falle hatten offen: 
bar zwei Beweggründe Anteil an dem 
Unternehmen der ſchwarzen Gejellen, 
einesteild der unaustilgbare Hab gegen 
den Räuber der Lüfte, und andernteils 
ein innewohnender Trieb, einem bedrohten 
und bedrängten Tiere behülflich zu jein. 
In vielen Fällen mag die eigene ange: 
regte Raubluft ein wirkſamer Un: 
trieb jein. 

Der hervorragende Eharakterzug des 
Habidts ift in dem eben geſchilderten 
Erlebnis Elar genug ausgeiprocdhen. Die 
ganze Familie der Habichte, von der 
unjer Hühnerhabiht Haupt und Reprä- 
jentant iſt, teilt diefen unbändigen Trieb 
zum Raub und Mord. Wenn jchon der 
gemeine Sperber, ein vergleichämweile 
kleiner Räuber, fih in Seiten der Not 
an alte Eihhörnden wagt, wie vielmehr 
(afjen fid derartige und weit verwegenere 
Angriffe von dem viel größeren umd 
ftärferen Better — dem Hühnerhabidt 
— erwarten! Sch ſelbſt jah, wie ein 
Habicht eines Eihhörnchens habhaft werden 
wollte. Fehlgehende Stöße, vergebliche 
Sprünge von Alt zu At, mißlungene 
Anwendung des Kreiiend um den Baum: 
ftamm und die Äüſte, erfolglojes ftilles 
Auflauern — alle diefe Unternehmungen 
eugen von der großen Leidenichaft für 

aub, Mord und Fraß. Die eriten 
Angriffe find immer jähb und von 


14 


blinder Hingabe an den Augenblid be- 
gleitet. 

Ein Habicht, der auf Sperlinge ftieß, 
welde ji in die Heden und Dornen 
ftürzten, vermwidelte fi vor ıneinen 
Augen dergejtalt in das Dorngeftrüpp, 
daß ich ihn dort niederitredte Ein 
zweiter jaufte während des Stoßes auf 
eine in meiner Nähe Schu jucende 
Taube jo diht an meinem Kopfe vorbei, 
daß ich den Quftzug deutlich ſpürte. Es 
ift died ein um jo wichtigerer Beweis für 
die rajende Mordgier des Räubers, als 
er e3 vermag, während des Stoßens 
iharfe Wendungen zu machen. Wird 
aber der einmal fehlitoßende Berauichte 
ernüchtert, jo handelt er mit Überlegung 
und Benugung jeiner Erfahrung. F 
älter und erfahrener der Habicht iſt, 
deſto mehr Liſt und Schlauheit wendet 
er zu ſeinem Vorteil und zur Täuſchung 
des auserſehenen Opfers an. 

Der ältere, erfahrene Hühnerhabicht 
iſt ein verſchmitzter, verſchlagener Räuber 
und voller Verſtellungsgeſchicklichkeit. 
Wahrlich, man fieht e8 dem Stillauernden 
nicht au, daß fein Naturell heikblütig, 
raſch enticloffen, zur Zat fortwährend 
bereit if. Wit aufgeblajenen Federn 
verweilt er ftundenlang an einem und 
demjelben Bläschen fait regungslos, um 
das Ziel feiner Hintergedanken zu er: 
reihen. Aber in feinen wachen Blid 
leuchtet unheimlich und verftohlen das 
Feuer der Mordluſt; der Bau jeiner 
kurzen, abgerundeten Schwingen, die 
jegt loie am Leibe herabhängen, jpricht 
für da8 Vermögen, den Bogel wie einen 
Pfeil unter mächtigem Rauſchen durd 
die Luft zu tragen und der über 15 cm 
lange Schwanz verrät jeine Eigenſchaft 
als wirkſames Steuerruder im Meer 
der Lüfte. Und nun gar die zum Grei- 
fen und Schlagen jo tücdhtigen „Fänge“ 
an den hohen befiederten „Läufen“ und 
der ſeitlich zuſammengedrückte, von breiter 
Wurzel in einer Wölbung jcharf zu: 
laufende, gedrungene Schnabel, — welche 
naddrudsvolle Waffen gegenüber der 
unbewehrten Schar der Bögel und 
Säugetieren! 

Ya, diefer unermüdliche Wegelagerer, 
der aus feinem Hinterhalt hervoritößt, 


oder aus der Höhe herabrauidt, oder 
tief an der Erde her, womöglich in ge: 
dedtem Fluge die Tiere überraſcht, diefe 
iogar noch auf der Erde im Sprung: 
lauf durch @eftrüpp und bis im Die 
Heden hinein verfolgt, er lehrt das 
ganze Hontigent der befiederten Wald» 
und Feldbewohner vom Faſan bis zum 
Goldhähnden, vom Rebhuhn bis zur 
Lerche, er lehrt das Federvieh auf dem 
Bauernhof von der Gans bis zur Taube 
und dem Küdjlein die ihnen zu gebote 
ftehenden Rettungsmittel zu gebrauchen, die 
weitaus am meilten nur Mittel der 
Flucht find. Der todedmutige, tapfere 
Haushbahn weiß ihm Freilich manchmal 
zu begegnen und durch jeine Tollkühn- 
heit Achtung einzuflößen. Nicht jelten 
greift auch der Habicht deu Hamſter 
und jelbft das ſich windende und beißende 
Wieſel vom Boden auf, oder er gleitet 
in leifem Fluge über das Waller des 
Fluſſes oder Teiches Hin, um die Ente 
zu erfaflen, welche ſich überraichen läßt 
oder im Eifer des Ernährungsgeichäftes 
den Hopf unter das Waſſer oder zu 
tief in die Wafjerpflanzen geftedt hat. 

Sein ſcharfer Sinn hat mit Hülfe 
des vortrefflihen Gedächtniffes die Ab- 
fiht des wiederholt am Badhufer nad) 
den Wildenten ſchleichenden Schützen er- 
foriht. Er weiß, daß er die Wildente 
im Flug ohne große Schwierigkeit ftoßen 
fann, während fie auf dem Wafler fait 
immer vor ihm fiher ift. Wachen Auges 
folgt er dem Schügen und benugt kühn 
entichloffen den Augenblid, wo ſich die 
Enten vor dieſem erheben. Dann fährt 
er plöglich unter fie, Ichlägt eine der: 
jelben und ftrebt mit ihr wiehernd vor: 
wärtd. Sein Ungeftüm ıjt da zuweilen 
Urfade, daß er, vom Hagel getroffen, 
die Ente fahren laffen muß und ftatt 
ihrer oder auch mit der gleichfall3 Ge— 
troffenen zum legten Mal den Weg 
zur Erde zurüdlegt. 

Einit jah ich, wie eine Stodente 
hoch in der Luft von einem Habichte 
gejagt wurde. Die Ente, anfänglich dem 
Berfolger bedeutend voraus, hatte fich 
allmählih in fchiefer Richtung geſenkt 
und jegt nocd einen Raum von mehreren 
hundert Schritten bis zum Bette ves 


15 


Mohrbaches zurüdzulegen. Immer Kleiner 
wurde der Abſtand zwiſchen Ente und 
Habicht; da auf einmal Über den Spiegel 
des Baches fuhr die Ente mit ihrem 
langen Halſe nach unten und ftürzte fich 
vor dem nur noch einige Schritte hinter 
ihr her und nun über fie hinmeg Tau: 
jenden Dränger turmhoch jäh in den 
Mohrbad herab, daß das Wafler mehrere 
Meter body Iprigte. 

And die Elfter ift vor dem Habicht, 
diefen lebendigen Schred aus der Höhe, 
nicht fiber; er ſchlägt und trägt leicht 
davon die von einem Baum zum andern 
oder über freie Feld- oder Wiejenflächen 
ftrebende Diebin; vie Geichlagene ftöht 
verzweiflungsvolle Töne aus und ihre 
Berährten erheben unter fehr erregtem 
Bebahren lautes Gezänk. Insbeſondere 
zeigt er fich au derartigen Angrıffen bei 
Schnee und Kälte gereizt. Die belieb- 
teften Plätze, wo er jeinen Raub ver: 
zehrt, find deckende Heden und Hohlwege. 

Ber ſolchem fortwährenden Bedadıt 
auf Raub und Mord, jelbit dann, wenn 
die jchwer zu ftillende Freßgier befriedigt 
ift, läßt fi das Einzelleben des Habichts 
und feine entichiedene Abneigung gegen 
jegliche Gejelligkeit, jogar mit feines- 
gleichen außer der Brautzeit, zur Ge— 
nüge erflären. Hielten fih die Habichte 
nicht gegenieitig in Meipeft, es würde 
fiherlih wenigitens zur Seit der Not 
einer den anderen ftoßen. Ein merklich 
verlegter wird von einem andern ihn 
wahrnchnmenden ohne weiteres getötet 
und aufgefreffen. Beſonders zeichnet 
ſich durch Unternehmungsluſt das jtärfere 
und das Männchen um 10 em über— 
ragende Weibchen aus. 

Von zwei Jungen, welche auf einem 
Horſte ſchon zur ſtattlichen Größe heran— 
gewachſen waren, gelang es mir, das 
Weibchen wegzuſchießen. Das Männchen, 
hierdurch ſcheu gemacht, kehrte nur ſelten 
mit Futter zum Horit zurüd. Als ic 
von der Bemühung abjtand, das ulte 
Männden ebenfalls zu erlegen und den 
Baum nad einigen Tagen beftieg, wo: 
rauf der Horit mit den ungen ftand, 
war nur noch ein junger Habicht allein 
am Zeben oder vielmehr überhaupt nod) 
vorhanden; der jüngere war ihm zur 


Beute geworden, wovon noch faum Die Unerfättlichkeit der jungen Ha— 
nennenswerte Überrefte Zeugnis ablegten. | bichte nimmt die Sorge der Eltern fort- 
Es bejteht fein Zweifel darüber, daß der | während in Anſpruch. Dadurch werden 
Habicht unter Umftänden die Bande des | diefe nod) verwogener und furchtlofer bei 
Familienlebens nicht in Geringiten achtet, | ihren Räubereien. Es ıft Tatſache, daß 
und wenn man gar jeinen Charakter im | fie zu diejer Zeit in den Gehöften vor 
Gefangenenleben kennen gelernt hat, wie | den Augen der Leute Hühner ꝛc. ichlagen. 
ih, kann man ſich des natürlichen Ab— So fennzeichnet ſich jelbit dev mit 
ſcheues nicht erwehren, denn da ift nichts | Recht von Beichügern der nüglichen Tiere 
als Mord, der an den Genofjen fremden | gründlich gehaßte Habicht, und bei der 
und verwandten Bejchlecht3 begangen wird, | geringen Ausdauer unddernocd geringeren 
fobald diejfe nur bezwingbar find. Geſchicklichkeit, mit der ihm nachgritellt 
Trog diefer unumftößlichen Tatiachen | wird, treibt er leider jein verheerendes 
habe ich mich auch Hinlänglich von der | Unmejen in ausgedehntefter Weile. Zwar 
großen Anhänglichkeit‘ der Habichte an | nötigt er durch jeine Gerwandheit und 
ihre Brut überzeugt. Nie vergefje ich | insbejondere durch feinen zum Schuß 
die hHaarjträubende Szene, wie mein | der Nachfommenicaft hochiteigenden Mut 
jugendliher SKamerad, der als guter | dem mit diefen Zügen Bertrauten eine 
Kletterer bekannt war und dem es ſonſt gewiſſe Achtung ab; aber als Mörder, 
wahrlich nidt an Mut fehlte, im Horft | der keine Grenzen einhält und oft jeine 
von dem Habichtspaare angegriffen wurde, | eigene Sippe nicht ſchont, und als wider: 
als er die En ausnehmen wollte. | wärtiger Nimmerjatt, jomwie als Feind 
Sie jegten ihm durch Flügelichläge und | des geielligen Lebens und Vorbild der 
das Weibchen jogar durch Ankrallen an | ausgeprägteiten Selbſtſucht verdient er 
jeine Kleider jo zu, daß er beinahe alle | ed ebenio wenig, eines Menjchen wie 
beionnene Haltung verlor und mit ge | eines Vogels oder eines andern Tieres 
nauer Not vom Baume herabfam. Freund zu fein. J. B. 





Über Volksarzneipflanzen. 


Gar mannigfach ſind die verborgenen Blaubeeren: getrocknet gegen 
Säfte und Kräfte, die in den Pflanzen Diarrhbe. 
ihlummern. Sind die Säfte der einen | Dide Bohne (Saubohne): die Hül« 
u heilfräftig gegen bejtimmte | jen gegen Wafjerfucht. 
Krankheiten und Leiden, jo vermögen Dornichleeblüten: mildewirfendes 


andere ſolche hervorzurufen und jogar | Abführmittel. 

den Tod herbeizuführen. Wir nennen Eibifchtee (Alteewurzel): gegen 
hier die wichtigeren Volksarzneipflanzen Huften. 

mit ihren gebräudlichen deutichen Namen. hei { 

Leider weichen die volfstümlichen Be- | ERS AENS DE FIELDONUNGRDEHRUEL BER. 
nennungen in den verjchiedenen Gegenden einer Samen bei Lungen: 


jehr voneinander ab. 
Aderveilhen: das Kraut wird an. | _  HLieder (Hollunder): die Blüten und 
gewandt gegen den Ausichlag der Kinder. | Der eingedidte Saft der Beeren als 
— Schweißmittel bei Erkältungen, die Blätter 
Anis: Abkohung geaen Blähungen gegen entzündete Wunden, die Wurzeln 


und Eranıpfartige Kolikzuſtände. und innere Rinde als harntreibendes 
Brennefjel: der Samen gegen | Mittel. Fliedertee wirft blutreinigend. 

Blutjpeien. Gundermann: dad Kraut gegen 
Brombeerftraud: die Blätter ger | Lungen: und Harnkrankheiten. 

trodnet ald Tee gegen Yungenfatarrh, Gänſefingerkraut: Abfohung mit 





die Beeren getrodnet gegen Durchfall. Mil gegen Krämpfe. 


Hausmwurz (Hauslaud): der aus: 
gepreßte Saft mit Del beiBerbrennungen. 

Huflattich: Blätter wirken auf ent: 
zündeten Stellen und Eleinen Wunden 
beilfam; vor Gebraud find die Blätter 
nit warmen Wafler jauber zu waſchen. 
Tee aus getrodneten Blättern gut gegen 
Huften und Berichleimung. 

Johannisbeeren, ſchwarze: die 
Beeren in Branntwein als harntreiben— 
des Mittel. 

Kalmus: die Wurzeln bei Ver— 
dauungsſchwäche. 

Kamille: gegen leichte Berdauungs- 
ftörungen, Leib: und Blafenichmerzen. 

Königskerze: die Blüten ald Tee 
gegen Wechielfieber. 

Knoblaud: 
Spulwürmern. 

Lindenblüte: Tee davon ift ſchweiß— 
erregend. 


zum Mbtreiben von 


Löwenzahn (Rettenblume): die 
Wurzel gegen Gelbjucht; auflöiendes 
Mittel. 

Lilie, weiße: die Wurzel ald Brei» 
umſchlag bei Abfreſſen (ſchwärenden 
Fingern.) 

Meerrettih: die Wurzel gegen 


Appetitlofigkeit und Wafjerjucht. 

Miſpel: die unreife Frucht gerditet 
im Aufguß gegen Durdfall. 

Mohn (Klatichroje): Blüten ge 
trodnet als Bruſttee. 

Nupbaum: die Blätter aufgekocht 
in Wafjer gegen Skropheln und Haut- 
ausichläge der Kinder; das Geficht mit 
dem Aufguß gewaſchen, 
Mückenſtich. 
der Pferde.) 

Pfefferminze: das Kraut getrock— 
net und An Tee bereitet genen Magen- 
ſchwäche, Magentrampf, Blähkolit, Durd;- 
fal. Dieſe Pflanze jollte in feinem 
Garten und feiner Haushaltung fehlen. 

Beterjilie: der Samen und die 
Wurzel gegen Waſſerſucht; auch gegen 
Deren friſche Peterfilie zu 

ee gekocht. 

Dueden: die Wurzel gegen Unter: 
leibsleiden. 

Quitte: die Kerne gegen Durch— 
liegen. 


(auch bei wunden Stellen 


ſchützt gegen | 


17 








ſohle gelegt vder innerlich 
| wenigen Aufguß gegen Wafjerjuct. 


Rainfarrn: die Blüten, Blätter 
und Samen gegen Würmer. 

Rettich: als Prekjaft gegen Keuch— 
huſten. 

Rosmarin: 
urintreibend. 

Salbei: die Blätter als Tee gegen 
Verſchleimung und übermäßige Schweiße, 
als Gurgelmittel bei Mund-, Zahn- und 
Halskrankheiten. 

Salep (Knabenkraut): gegen Darm: 
katarrh. 

Schafgarbe: die Blätter und Blüten 
gegen Lungenblutungen und Unterleibs— 
leiden. 

Sellerie: die Knolle zu Brei ge— 
kocht und oft gegeſſen gegen Gicht und 
Rheumatismus. 

Spargel: als Gemüſe reichlich ge 
noſſen gegen Stein- und Blaſenkrank— 
heiten. 

Spitzwegerich: Tee davon wirkt 


gutes Magenmittel; 


ſchleimlöſend bei alten Lungenkatarrhen. 
Stechpalme: die Blätter gegen 
Gelbſucht. 


Stangen-und Vittsbohne: die 
Fäden der Schoten im Aufquß gegen 


Waſſerſucht. 

Sternmiere (Miere): zu Breium— 
ſchlägen bei Abſzeſſen, ſchwärenden 
Fingern, Blutſchwären. 

Wermut: das Kraut als Ver— 

dauungsmittel. 


Wachholder: die Beeren bei Wafler- 
fucht; dem Sauerkraut beigefügt, ver- 
leihen fie ihm bejonderen Wohlgeihmad 
und Verdaulichkeit. 

Binnkraut (Schadtelhalm): gegen 
Naienbluten und Harnbejchwerden. 

Baunrübe: die friihe Rübe im 
Scheiben geichnitten und unter die Fuß— 
in einem 


Dean fieht aus der Zujammenitellung, 
daß die Natur nicht nur Wunden jchlägt, 
jondern auch in den der Pflanzenwelt 
innewohnenden Kräften und Säften die 
Mittel an die Hand gibt, diejelben 
wieder zu heilen. Indeſſen jollen dieſe 
Mittel nur bei leichten Erkrankungen 
angewendet werden. Nimmt die Krank— 
beit einen ernfteren Gharafter an, ſo 
verfäume man nicht, einen Arzt zu 


Nate zu ziehen. Aber auch die Kraft, 
ung zu Freude und Frohmut anzuregen, 
wohnt dev Pflanzenwelt inne; denn die 


18 


Narur bringt Hopfen und Gerjte hervor | 


— 


und Wein, von dem es ſchon in der 
Bibel heißt, daß er des Menichen Herz 
erfreut, und den bereits die Alten als 
Sorgenbrecher rühnten. (9. Tabl.) 








NHennkirchen nnd Meukirchen. 
Zwei pfälzer Ortönamen. 
Bon D. Häberle, faiferlicher Rechnungsrat, Heidelberg. 


Grenzfteine, Orts- und Ylurnamen 
find eine Geidichtäquelle, die bei Ab» 
taffung von Dorichronifen durd richtige 
Deutung ein reiches Material an dic 
Hand geben können und Borgänge oder 
Berhältniffe veritehen laffen, von denen 
wegen der Ipärlichen Überlieferung aus 
dem frühen Mitrelalter keine Kunde auf 
und gekommen ti. Während ich mit 
den Flurnamen der Pfalz und ihrer 
aefhichtlichen Bedeutung Gyinnafialreftor 
Ohlenſchlager in München ın einer be 
jonderen Schrift beichäftigt bat. iſt für 
die Deutung pfälziicher Ortsnamen, ab: 
geiehen von den Veröffentlichungen des 
Profeſſors Heeger u. a. für cinzelne 
Gebiete, noch wenig neichehen, obwohl 
ihon aus dem Namen an und für fich 
auf die Zeit und den Zweck der Dorf: 
anlage, die Gründe, tele für die Be: 
nennung maßgebend waren md jogar 
die Stammesangehörigkeit der eriten 
Koloniften geichloffen werden kann. An— 
regend für jolde Studien wirken die 
Werfe von Meigen: „Siedlungen und 
Wanderungen deuticher Stämme”, Ar: 
nold: Anfiedlungen, Lamprecht u. a. 

Als Beweis für die voritehenden 
Ausführungen mögen die beiden Prälzer 
Dörfer Neunfirhen am Potzberg und 
Meufichen bei Kailerslautern dienen. 
Die jegige Schreibart des eriteren als 
Neunkirchen iſt inlofern unzutreffend, 
als es jeiner Ableitung nach richtiger 
Neukirchen genannt werden müßte, da 
es bereit8 936 ber Verſchenkung feiner 
Hauptfirche durch Otto I. an das Wormſer 
Domftift als Niunkirche — Neunfirche 
erwähnt wird und wohl feine Gründung 
befehrungseifrigen, chriſtlichen Sendboten 
aus den benachbarten Remigiuslande 
zu danken bat. 


Ganz anders liegt es mit Neukirchen, 


das bei jeiner eriten Erwähnung (1185) 


und auch im Ipäteren Mittelalter als 
Nunkirchen, dann audı alö Neunkirchen 
ericheint. Die Silbe Nun — Nunne oder 
Nonne, abd. nunna, jeltener mit einem n 
geichrieben, läßt vermuten, daß die rich 
tige Schreibart der Entwidelung der 
Sprache folgend, jegt Nonnenfirche zu 
lauten hätte und das heutige Dorf aus 
einer um die von Nonnen gegründete 
Kirche angelegten Siedlung vielleicht im 
Anihluß an eine bereits vorhandene 
kleine Niederlaffung, entitanden iſt, doc) 
it aud eine Ableitung aus Niun, zu— 
janmengezogen aus Niuwenkirchen 
Neukirchen nicht ausgeichloffen, wenn 
anftatt vom hiſtoriſchen vom jprad)- 
geichichtlihen Standpunkt ausgegangen 
wird. 

Das nächſte Nonnenklofter war das 
der Prämonftratenjerinnen im benadı): 
barten Enkenbach, welches 1148 bei 
feiner Begründung durch Ludwig Graf 
Arnitein und Dunfried von Alienborn 
zuerit dem Kloſter Müniter- Dreiien 
und dann vorübergehend der Ciſterzienſer— 
abtei Otterberg unterftellt wurde. Da 
legtere nur vier Jahre früher gegründet 
worden war, beitand zwiſchen Dielen 
beiden geiftlihen Niederlaffungen an: 
icheinend eine gewiſſe Rwalität, und 
Enkenbach jegte mit Erfolg alles daran, 
wieder unter die Dberaufficht von Müniter- 
Dreiien zu kommen. Hierzu traten noc 
materielle Differenzen, weil Otterberg 
mit feinen Aniprüchen auf das Enfen- 
baher Wiertel der Wuldmarf ein ob: 
fiegendes Urteil aemwann. Vergl. hier- 
fiber die interejlanten Aufſötze von 
Pfarrer Stod in Sembah über die 
Waldmark, Feierftund, 1899, Nr. 43 — 45.) 


Da im Lagerbud) des Kloſters Enken— 
bad von 1567 (Kreisarchiv zu Speyer) 
en Zeil der Neukicher Gemarkung vom 
huchgelegenen alten Kirchhof, bei dem 


früher die Kirche itand, nah dem 
Fröhnerhof Hin „Schwanden“ genannt 
und diefe Flurbezeihnung als Rodung 


im Walde durh Brand (Neubruch) ge 
deutet wird, jo ift die Vermutung nicht 
von der Hand zu meilen, daß die 
Nonuenkirche ichon frühe von den Prä- 
monftratenjerinnen auf einem Zeil der 
ftrittigen Waldmarf, deren genauere 
Begrenzung erit aus dem Jahre 1277 
datiert, und die dann ſpäter, als 1254 
die Enticheidung zu ungunften von 
Enkenbach getroffen worden war, an die 
Abtei Dtterberg fiel, angelegt wurde. 
Dafür iprehen auch die eigentümlichen 
Mechtöverhältniffe, weil bis zur Eins 
ziehung der beiden Klöſter und Errich— 
tung einer eigenen CEdultheißerei in 
Neufirchen, des jogenannten Büttelamtes, 
durh Kurpfalz dad Miedere Gericht 
dajelbft durch den Abt von Dtterberg, 
dad Obere Gericht dagegen durd den 
Probſt von Enkenbach ausgeübt wurde, 
„mit der Beredhtigung, den Schultheiß 
au jegen und zu entjegen‘. In einer 
Nenovation des Klofters Otterburg von 
1488 wird das Niedergeriht in Ne: 
kirchen auch das Schwander Gericht ge- 
nannt. Wenn auch Frey II., 127, Neu: 
kirchen als eine Zubehör zur Burg und 
Stadt Lautern aufgefaßt haben will, 
und die Ritter und Brüder Rudolf und 
Johannes von Neukirchen 1185 als 
Zeugen bei der Ausjteiungsurkunde des 
Dtterberger Klofterbezirfes zitiert, To 
beweifen doch die Anichriften auf den 
zahlreichen, die Neufirher Gemarkung 
gegen Enkenbach, Daubornerhof ujw. 
abichliegenden alten Grenziteinen, daß 
Neutirhen ſchon fehr früh zur Mbtei 
Dtterburg gebört haben muß. Da die 
Beihnungen im Laufe der Jahrhunderte 
durch Bermitterung oder mutwillige 
Beichädiqung mehr oder weniger uns 
fejerlihh geworden find, mag bier nad) 
der Velmanſchen Beichreibung aus dem 
Jahre 1600 eine Schilderung derjelben 
folgen, um Intereſſenten ein Vergleichs— 
mittel an die Hand zu geben: Sie tragen 


auf der, dem früheren Otterberger Befik 
zugewandten Seite zunächſt zwei jogen. 
Eideshände, dargeftellt durch je zwei 
gegeneinander geneigte Striche, dazwiſchen 
den gefrünmmten Abtſtab als Hoheits— 
zeichen, der mitten durch die Buchſtaben 
ottbg und das darunter befindliche 
Dtterberger Wappen mit den drei Eich— 
hörnchen, wohl richtiger Ottern, verläuft. 
Ein beionders wohl erhaltener Stein im 
alten Aınjeltale, der aber zur Abgrenzung 
der Waldmarf gegen den Wartenberger 
Beſitz diente, dicht neben dem Aufftieq 
der Kaiſerſtraße von der Eſelsfürth nad 
den Fröhnerhofläßtdieie Zeichen heute noch 
deutlichertennen. Eine Ausnahme bildet der 
Grenzftein neben dem Weg von Enkenbach 
nach Niedermehlingen an der Weinfurt, 
aufden, anicheinend bei Säfularifation des 
Kloiterd 1559, das kurpfälziihe Wappen 
nadıträglich mit aufgelegt wurde. 

Dafür, daß Nuntirhen ald Nonnen: 
kirche zu deuten ift, möge die auf weit: 
hin fihhtbarem Bergrüden in der Nähe 
von Simmern als Einzelbau fich erhebende 
heutige Nunfircche, eine Gründung des 
Frauenkloſters NRavengieröburg, an der 
merkwürdige Überlieferungen haften, ala 
Beweis dienen. Wegen ihrer zentralen 
Lage bildete fie früher in fommerzieller 
und rechtlicher Beziehung den Mittelpunkt 
des Kloftergebieted. „Hier wurde (nad) 
denn Hunsrüdführer) eines der beiden 
Handgedinge des Gotteshaufes gehalten 
zum Schuß von Straß und Weg, von 
Waſſer und MWeid, zur Prüfung und Er: 
haltung von Maß und Gewicht; auch 
peinliche® Gericht ward bei ihr geübt. 
Zum Galgen in Nunkirchen Itellten die 
Bewohner von Tiefenbach) 2 Steil(Pfoften), 
die von Riesweiler die First (Duerbalfen), 
die von MWeidelbah 2 Leitern, die von 
Holzbach Kordel und Geil, die von Bub- 
jtof einen hähen (hainbuchenen) Knebel, 
die von Ohlweiler das Siedel, da die 
Richter figen, die von Auen dem Nadı- 
richter einen Stuhl, die von Mengericied 
den Waſumb, d. bh. die Binde zur Be: 
deckung des Angelichts des Gerichteten.” 
Dur dieſe Arbeitsteilung wurde der 
Schimpf vermieden, weldher aus der an— 
rüchigen Hantierung für die Beteiligung 
an andern Orten oft entſtand. 


Auch ein großer Markt finder anfangs 
September bei der Kirche ftatt, welder 
jedoch, wie alle diefe Volksfeſte, im Laufe 
der Zeit an Wichtigkeit verloren hat; 
dagegen bildet der neu erbaute Bismarck— 
turm einen Anziehungspunft für die ganze 
Umgegend. 

Menn auch unjer Neukirchen dieje 
Bedeutung ald Mittelpunkt eines ganzen 
Bezirks wegen der anders gelagerten 


20 


| 


Berhältniffe nicht gewonnen hat, da der 
jogen. „Kreis“ nad den benachbarten 
Kailerslautern konvergierte, jo konnte 
doch die anicheinend gleiche Veranlaſſung 
zur Dorfbenennung hier nicht Übergangen 
werden, zumal die Findigfeit des Abts von 
Ravengierdburg weitere Kreiſe im Anichluß 
an die Beröffentlihdungen von Herrn 
Küchler in der Feieritunde über den Lautrer 
Soldatengalgen interejfieren dürfte. 


Das Aalkfleingebiet der kleinen Aalmit. 
Ueber die kleine Kalmit bei Arz- | Ausdehnung des ganzen Gebietes be- 


heim jchreibt Auguft Beder (Die Pfalz 
und die Pfälzer ©. 397) u. a. Folgendes: 
„Die Eleine Calmit ift nur ein Hügel, 
aber in mehr als einer Hinfiht beachtens- 
werth. Sie erhebt fich zwiichen dem fteil 
abfallenden Rande des Gebirges und der 
Stadt Landau als höchſter Punkt des 
Landrüdene, der das Thal der Queich 
jüdlich abgrenzt. Oeſtlich dacht fie ſich 
allmählig ab, weſtlich jedod; ziemlich 
ſchroff, und gewährt von ihrer frei nad 
allen Seiten fih bis zu 900 Fuß — 
272 m — erhebenden Kuppe eine präd)- 
tige Rundfict, befonders auf die Schluchten: 
reihe Gebirgäfette der Vogeſen, vor der 
fie liegt. Die Franzoſen nannten die 
fleine Galmit „le rocher blanc*, der 
weiße Feld. Sie befteht aus weißgrauem 
dürrem Geftein, aus Tertiärkalf, der aus 
gezeichnete Conchilien*) enthält, und in 
zerflüfteten, grobmafligen, fteilen und 
zeriplitterten Fyelien in dem Gebrüche 

gegen die Straße zu Tage tritt.” 
Diejes Kalkiteingebiet erftredt fich 
vom Dorfe Ilbesheim in der Richtung 
von Süden nah Norden, weftlih am 
Dorfe Arzheim vorüber, bis hart an 
den von Ranſchbach herabtommenden 
Bach gleihen Namens, ja es fett fich 
auf deffen nördlihem Ufer in nordmweft- 
liher Richtung fort, allerdings äußerlich 
nicht mehr fihtbar; hier tritt der Kalk— 
ſtein nicht al8 großes Lager auf, ſondern 
in @eftalt von og. Findlingen, daher 
der Flurname „im Steingäſſel“. Die 
)d. h. h. verſteinerte Schalen von Weichtieren 


2 ufw.). Solche findet man häufig, 
jelten jedoch ein größere® Eremplar. 


trägt etwa 2!/s km in der Ränge. Gegen 
Dften zu ift der Landrüden der kleinen 
Kalmit angebaut als Wderland und 
Wingerte. Auf der Höhe wächſt ein 
guter Wein, denn der Kalkboden befigt 
jo ziemlich alle Hiezu notwendigen Bor- 
bedingungen umd Eigenſchaften. Im 
übrigen iſt der Boden, ſoweit das Terrain 
von alter® her noch brach liegt, mit 
einem niedrigen Graswuchſe überzogen 
und ſomit geeignet zur Viehweide umd 
als folche auch tatlächlid; benügt. Bor: 
zugsweiſe find es Biegen, welche dorthin 
getrieben werden. Auch Arzhein hat 
jeine „Geißbuben“, die zum mindeſten 
nicht bräver find als die andermärts 
auch; ıhre „Hirtenerfebnifje* und Aben- 
teuer find jehr mannigfaltig. 

Die Trodenheit des Bodens bedingt 
eine dem Kalkiteingebiete eigentümliche 
Flora, welche dem Botaniker ein dankens— 
wertes Arbeitsfeld bietet. In der Tat 
ſah auch die Kleine Kalmit viele Bejucher 
von nah und fern, die gerade zu dieſem 
Bwede dahin gefommen waren. Bon den 
verjchiedenen, jonft Yeltener auftretenden 
Pflanzen jeien nur erwähnt die beiden 
hübſchen DOrcideenarten: Ophrys mus- 
cifera Huds., fliegenähnliche Frauenträne, 
und Ophrys Arachnites Murz., jpinnen» 
ähnlihe FFrauenträne, im Volke nur 
„Mücden und Spinnen” genannt. Gehr 
zahlreich anzutreffen ift die Pulsatilla 
vulgaris Mill., die gemeine Kuhſchelle. 
Mit diejer Blume vergnügen ſich be- 
fonders gerne die Kinder, indem fie dar 
raus Kränze und Sträuße winden oder 
aber die Zweige der dort in Menge 


wachſenden Schlehdornheden in der Weije 
ihmüden, daß fie auf die Dornen folde 
Blumen fteden und das Ganze mitunter 
auswärtigen Bejuchern der Kalmit gegen 
ein £leines Entgelt überlafjen. 

Bei der großen Bedeutung des 
Kalkſteins ald Baumaterial iſt jeine 
Ausbeutung an diefem Orte natürlic) 
eine jehr alte. Beſonders ift der rechts 
der Straße von Aızheim nad) Ilbesheim 
liegende nördliche Abhang - der kleinen 
Kalmit, der jog. Steinberg (früher 
„Steinweide“ und „Steinert“ — Steinerde 
genannt) im Laufe der Zeit ausgebeutet 
mworden, zieht ja unmittelbar an jeinem 
Fuße die fränfiiche Heeritraße, der jog. 
Weißenburger Weg, vorüber! Große 
Schuttmaſſen ringsum find übrig geblieben 
und vor mehr als hundert Fahren mit 
Nupbäumen*) bepflanzt worden. Boden 
und Bäume find Eigentum der Gemeinde 
Arzheim; Nüffe und fallendes Laub werden 
jedes Jahr zur Meifezeit öffentlich ver- 
jteigert. Weil nahezu das ganze Kalk: 
gebiet in Banne der Gemeinde Arzheim 
liegt, dieje aljo Eigentümerin des weitaus 
größten Teiles ift, jo wurde naturgemäß 
vor allem von Arzheim aus der Abbau 
und zwar vorerft des dem Dorfe zunädit 
liegenden „Steinberges“ betrieben, wäh. 
rend jegt mehr die im engeren inne 
jo benannte Kalmit die meisten Steine 
liefert. Früher fand der Kalkitein eine 
größere Berwendung als heutzutage, 
er war nicht bloß Mittel zur Herftellung 
des Mörteld, jondern wurde aud als 
Bauftein benügt. Eine große Zahl älterer 
Wırtichaftsgebäude (Scheuer, "Stall, 
Kelterhaus ujw.), jogar viele Wohnhäuſer 
beitehen aus lauter Kalkitein, wozu fich 
die Findlinge reht gut eigneten. Da— 
neben fand der Kalkitein Berwendung 
als Dedmaterial der Straßen, als 
Pflafterftein für die Dorfgaffen; heute 
freilich ift das anders geworden. 

Nod vor wenigen Jahren dedten 
viele Kalkbrennereien und Biegeleien der 
Lorderpfalz ihren Bedarf an Kalkſteinen 
zu Arzheim, allen voran die Herrheimer. 
Schon vor mehr denn 200 Fahren war 


*) Für durchmwandernde Zigeuner find biefe 
roßen Bäume famt ihrer Umgebung ein be- 
tebter Mufenthaltsort. 


21 


das jo. Als im Jahre 1516 Arzheim 
zum Hochſtifte Speyer kam, da fand ſich 
in dem meugebildeten Amte Medenburg 
noch feine Ziegelhütte, erit im Jahre 
1527 ward die erjte gebaut zu Arzheim, 
unmittelbar an der Weitfeite des Stein: 
berges; heute allerdings ift jie dem Erd- 
boden gleihgemadt und nur der Name 
der „Biegelwiefen“ bewahrt noch ihr 
Andenten. Der Erbauer, Nıkolaus 
Biegler von Godramftein, ſchloß mit der 
Gemeinde Arzheim im Jahre 1529 einen 
Vertrag, demzufolge er der Gemeinde 
das Achtel gebrannten Kalkes um einen 
niedrigeren Preis (1 Albus) als ven 
Privaten, dem Landesherrn um neun 
Pfennig auf die Medenburg liefern mußte. 
Am Sahre 1562 wurde ihm reip. feinem 
Nachfolger jeitend der Gemeinde die Er: 
höhung des Lieferungspreijes auf adıt- 
zehn Pfennige zugeftanden. Dafür hatte 
er gemäß des Vertrages von 1529 neben 
anderen aud noch dies Vorrecht: er 
durfte umentgeltlih „uff dem, jtein 
graben” und zwar dort, „wo man ed 
ihm anweiſt“. 

Früher wurde der Kalkſtein wirklich 
gegraben, indem er von der Oberfläche 
aus ſchichtenweiſe abgehoben wurde. So 
kommt es, daß beſonders auf der Höhe 
der Kalmit der Boden viele Unebenheiten 
zeigt. Am beſten wird dies bewieſen 
durch die Tatſache, daß man in einer 
Tiefe von etwa 30—40 em mitunter 
aufzerbrocdhene und zerichlagene Conchilien 
jtößt, die [oje umberliegen. Später wurde 
der Berg vom Weftabhange aus in An- 
griff genommen, mwodurd die jegigen 
Steinbrüde entitanden find. Nach 
Erbauung der Ziegelhütte treten jozujagen 
zwei Unternehmer auf zur Ausbeutung 
des Kalkſteines, der Arzheimer Ziegler 
und die Gemeinde jelbjt. Lettere ließ 
die Steine von den Abnehmern jelbit 
ausgraben und verkaufte ſie dieſen — 
auswärtigen Kalkbrennern und einzelnen 
Gemeinden wie Privaten. Unter den 
Abnehmern finden fih 3. B. jolde 
aus Herrheim (1698 und jpäter), aus 
Wollmesheim und Germersheim (1724), 
die Gemeinden Rohrbach und Leimersheim 
(1725), die Gemeinde Mörzheim (1728) 
ufw. Sehr viel Kalk wurde geliefert 


— ——— 


an Private zu Landau (1725, 1728 u. Bürger gegen Erlegung einer kleinen 
ſ. f.), mußte aber auch unentgeltlich zum Gebühr, Kalkſtein zu brechen. Das war 
Baue der Feltung Landau in den Fahren | fiir ärmere Leute eine gute Art Winter: 
1688—90 abgegeben werden. Der un- | beihäftigung; Ablag fanden fie immer. 
gebrannte Kalfitein wurde nad Klaftern Selbit die „Geißbuben“ fanden Gefallen 
verkauft; der Preis für ein Slafter | und Unterhaltung an diefem „Geſchäft“, 
belief fih 3. B. in den Jahren 1724 | das fie jedoch gebührenfrei betrieben. 
und 1725 auf 1 Gulden, 1728 dagegen | Einige Arzheimer befchäftigten fih fo 
bezog ein Bürger von Landeu 83 Klafter, | das ganze Jahr hindurch und gaben den 
aA 30 Kreuzer = ("a Gulden), während | Anftoß zur Deritellung von Brennöfen 
die Gemeinde Mörzheim für das Klafter | ummittelbar beim Steinbrucde. In legter 
im jelben Jahre 11 Bagen (1 Baten = | Reit pachteten die Ziegeleibeſitzer ein 
8 Kreuzer) 8 Pfennig zahlen mußte. | größeres Terrain und laffen nunmehr 
Ein Wagen Kalkfteine wurde in der | durch ihre Taglöhner die Kalkiteine graben 
Regel mit 2 Bagen bezahlt. — Der | bezw. brechen. Mit dem Verſchwinden 
Ziegler mußte der Gemeinde den Kalk | der Ziegelei, vor etwa 30 Jahren, 
in gebranntem Zujtande liefern ; für das | änderte fi zwar das Wild, die wirt: 
Malter erhielt er (wenigjtens jeit 1684) | ichaftlihe Bedeutung der Eleinen Kalmit 
3 Batzen. Außerdem mußte ihm much | jedoch ift geblieben, wenn fie ſich aud 
ein bejtimmtes „Meßgelt“ und, wenn | mehr zu gunjten des Weinbaues ver- 
er den Kalk an Ort und Stelle lieferte, | jchoben Hat: dem trodenen und jonit un: 





der „Laderlohn“ bezahlt werden. fruchtbaren Kalkboden ſucht man ein 
In ſpäterer Zeit gab die Gemeinde edleres Naturprodukt abzuringen. 
ihren „Betrieb“ auf und erlaubte jedem J. Weber. 





Heimat und Heimatkunf*) 


Die große Jahresverſammlung des | Scherhol auffommen. Fern im Norden 
Vogeſenklubs fand voriges Jahr im nörd- | leuchten im freundlichen Lichte der hellen 
lichſten Zipfel des Randes, in Weißenburg, | Morgenfonne die ſchimmernden, weißen 
jtatt und die meilten Teilnehmer werden | Gemäuer der weitläufigen Madenburg, 
wohl der Einladung der Weißenburger | deren Ausficht obne leihen ift,; weiter 
Sektion folgend hinauf gepilgert fein | djtlich davon ragt aus der Queichtalſenke 
zum beliebten Ausflugspunft der Weißen: | bei Annweiler die ſchlanke Bergpyramide 
burger, zu ihrer Scherhol, die dem Be: | des Scharfenberg mit ihrem feinen Berg- 
jucher von der Zinne ihres elegant und | fried, die dftlichfte der Zrifelsburgen; 
geihmadvoll erbauten Ausjichtsturmes | miehr tm Vordergrunde ragt auf der 
eine fo weite, eigenartige Rundfiht dar- | grüne Bergfegel des Gutenberges, der 
bietet über das Wäldermeer der Nord» | auf feiner Höhe noch die fümmerlichen 
vogefen, über den alten Wasgau, den | Muinenreite feiner Burg zeigt. Drüben 
die Burgenromantif und die Wälderpoefie | der Stäffelsberg und die jagenhafte Peter: 
miteiner lichten Aureole vergoldet. Wunſch- nefl erinnern an die Bohänmermetropole, 
land, Traumland möchte man's heißen, | das aufblühende Bergzabern.. Dann 
jenes Fzledchen Erde, wu Bergeund Burgen, | wieder verliert fich nah Nordweften der 
landichaftlide Schönheiten und geichicht- | Blid in dem fatten Grün der weiten, 
liche Erinnerungen in gehäufter Fülle | hohen, fühlen Buchen- und Eichenmwälder, 
das leibliche und geiftige Auge entzüden. | die den langen, breiten Bergwall der 
Eine Ahnung von den wunderbaren, | hohen Droit und das Maſſiv des Boben- 
keuſchen Reizen dieler einzigartinen Qand- | taler Anopfes bededen und jenen jelt- 
ſchaft läßt ſchon der Ausbiit von der | ſamen MWintergäften, den Bohämmern, 


*, Ded wig, Roman aus dem Wasgau don Auguft Beder. (Halferslautern 1905, Ber’ 
lag von J. 3. Taſchers Buchhandlung). 





reihe und fette Nahrung bieten. Ein 
Stückchen, gerade die oberfte Spike des 
Gemäuers des Lindelbronn, ſieht das 
fundige Auge Hinter dem Ausläufer des 
Bobentaler Knopfes herüberguden. Dann 
aber fieht man die Felſenwunder des 
Dahnerlandes und fie jelbit, die weitläufige 
Burg Dreifaltigkeit von Altdahn, Grafen- 
dahn und Tomſtein. Ernſt und groß, 
beinahe greifbar nahe, ragt aus dem 
Bergegewirr der machtvolle, Doppelgipflige 
Bergrüden auf, der die Wegelnburg, 
die Hohenburg, den Lindenichmidt auf 
freier Höhe trägt. Ganz im Weiten 
verſchwimmen die jagen: und mythen— 
reichen, einfamen Bergwälder von Bitſch 
und Niederbronn. 

Es mag wohl im Herzen manches 
Vogeſers damals auf freier Bergeswarte 
der ſehnſüchtige Wunſch fich geregt haben, 
ad, könnte ich doch auch einmal die Berge 
und Täler durchſtreifen, über die jet 
jo leiht das jchönheitsirunfene Auge 
bineilt. Bei manchem wird es ein frommer 
Wunſch bleiben, aber audı ihm kann ge: 
holfen werden. Wenn er mit Dichters 
Auge diejes Ländchen ſchauen will, dann 
will ich ihm einen verraten, feinen trodenen 
Wegmarkierer, jondern einen lebeniprühen: 
den, gemütvollen Wasgaudichter ; ich meine 
Auguft Beder mit jeinem Heimat- und 
Wasgauroman „Hedwig“. 

Bücher haben ihre Scidjale.. Das 
läßt fih aud von diefem Buche jagen. 


Unter diejen Titel hat der Verein 
für Volkskunde und Mundartforihung 
das 1. Heft umfänglicherer Beröffent: 
lihungen nah Sammlungen ded Herrn 
Lehrer Klceberger in Qudwigshafen a. Rh. 
(Bgl. ©. 39 vorliegender Monatsichrift!) 
im Jahre 1902 im Berlage eben ge 
nannter Schrift herausgegeben. Nach 
dem Vorwort des 1. Heftes ſoll dieſes 
als Durchſchnittsbild einen Überblid über 
das einihlägige Forihungsmaterial und 
ein Borbild für ähnliche Arbeiten gewähren. 

Beim Durchleſen diejes Heftes fanden 
wir, daß es wirklich ein Durchſchnittsbild 
liefert ; denn für manche Gegend unjeres 


23 


| 





Auflage in die Welt hinaus. Und viel 
leicht erit jet nadı 40 Fahren wird die 
Beit für den Roman gekommen fein. 
Das liegt im Charakter des Buches und 
im verjchiedenartigen Gepräge der da- 
maligen und der jegigen Bet. Bor 
40 Jahren noch waren die Menjchen 
ihollentreu, die wirtichaftlihen und 
Berfehrsverhältniffe, die ja hierin von 
ausschlaggebender Bedeutung find, waren 
noch derartig, daß der größte Teil aud 
der Gebildeten, vornehmlich aber des 
Bürgerftandes, ihre Lebensheimat in 
ihrer Jugendheimat finden Eonnten, 
Die Menſchen verjpürten fein nagendes 
Heimweh nad ihrer Heimat. Sie ver- 
ſteht und jhägt man ja immer erft 
dann als koſtbares Gut, wenn man fie 
niht mehr hat, wenn man aus der 
Ferne mit jehnfüchtigen Augen nad ihr 
bliden muß. Eine Fernwirkung ift es 
denn auch, daß wir an unjerer Heimat 
dann nicht mehr die ftörenden gemöhn- 
lihen Züge des nüchternen Alltagslebens 
ſehen; es liegt dann eine hehre Feiertags— 
ftimmung über ihr und eine verklärende, 
vom Zauber der Romantik umfloffene 
Aureole umftrahlt fie. Damals empfanden 
die Menſchen kein Heimweh, eher erfaßte 
fie mandmal ein Fernweh, ein heißes 
Berlangen, au einmal von der Scholle 
loszukommen, ſich Hineinzutauchen in den 
raujhenden, braufenden, wirbelnden 
Strom fonzentrierten Welt- und Men- 
ſchenlebens. (Schluß folgt.) 





eimatlandes brauchte man nur einzelne 
triche zu ändern oder beizufügen, um 
einen andern Schrifttitel zu rechtfertigen. 
In Erwägung, daß kein anderer 
Stand im Ganzen in jo naher Beziehung 
zum Bolfe und feinen Kindern fteht und 
daher Gelegenheit hat, auf dem ge— 
nannten Gebiet zu jammeln und die 
Ergebnifje zugleih unmittelbar zu ver: 
werten als der Bolksidullehreritand, 
jeien die Herren Kollegen auf dieſe 
Schrift und auf den herausgebenden 
Berein hiermit hingewieſen. 
Derjelbe erleichtert Intereſſenten die 
Mitarbeit an genannten Beröffent- 


Zu Mi 2 


lihungen, indem er ihmen Hefte der | liebige Exemplare derjelben, mit Papier 
obigen Schrift, zum Beichreiben mit Mit- | durhichoffen, und Fragebogen Eoftenlos 
teilungen und Ergänzungen, aud) ber | zur Verfügung ftellt. 3. Daditeiner. 








Himmelsſchau. 


Noch ſtehen wir im Zeichen der Februar gar den Vorhang zu und ver— 
winterlichen, langen Nädte; aber eine ſteckt ſich gerade während ſeines Unter— 
deutliche Zunahme der Tageslänge kündet ganges in den Schatten unſerer eigenen 
ein fieghaftes Näherrüden der Sonne | Erde. Wenn er au jo rüdjichtsvoll 
an, die immer merklider ihre Mittags: | ift, fein langjames Eintauchen in die 
höhe vergrößert und immer angenehmer | Dunkelheit in diejenige Morgenitunde 
die wärmende Kraft der länger wirfen- | zu verlegen, in der die meiſten Menichen 
den Strahlen fühlen läßt Unjere Sonne | bereitd ohne Änderung ihrer Tages» 
hat friſch eingeheizt: man jicht die | ordnung denne der „totalen Mond: 
Stellen, wo die wilde Glut ihrer äußeren | finfternis“ fein Eönnen, jo wird es doch 
Schichten um Eräftig markierte Brand» | kaum ein bejonderd anziehendes Schau— 
ftätten lodert, fortgejegt in einer jelten | jpiel geben, denn die Dünfte am Hori— 
vorfommenden Größe und Zahl. Wer | zonte machen bei folden Gelegenheiten 
fi) der Vorfihtsmaßregeln bedient, welche | gerne einen Strich durd die Rechnung 
wir ım vorigen Sahrgange geichildert | derjenigen, die der bequemen Umſtände 
haben, kann fih mit einem Feldſtecher wegen auch einmal was Außergewöhn- 
von der Wucht überzeugen, mit welcder | liches jehen wollen. — Iſt einmal der 
unfer Sonnenofen gegenwärtig geheizt | Nachthimmel Elar, jo liegt er aber auch 
wird. Bejonders um den 25. Februar | wie ein offenes Bud vor dem Blide 
herum dürfte es möglich fein, ausge: | und weiß vielerlei zu bieten: abends im 
dehnte Sonnenfledengruppen zu er: | Süden den glänzenden Orion, von den 
kennen. Haben wir im Januar merk: | die Milditrape aufwärts quer über den 
würdige Witterungserjcheinungen im Zur | Himmel zieht; hoch im SW jteht der 
ſammenhange mit der diesjeitigen Lage | glänzende Yupiter, „der die Nacht regiert”, 
diefer FFleden auf der Sonne erlebt, jo | während der Mond jeinen Hocditand er- 
diirfen wir au Ende Februar abnormes | reicht, wenn er wenig links von Jupiter 
Wetter erwarten. — Aud unfer Mond | fteht. Sogar zwei Kometen eilen in langen 
ftreift; nicht genug, daß er jahraus, | Tagesmärichen zwiichen den Sternen hin; 
jahrein Flecken die liebe Menge hat, die | nur haben fie die Tüde, dem Laienauge 
aber bei ihm als Schönheitsfehler gelten | verborgen zu bleiben, aber die Aſtro— 
können, er zieht am Morgen des 9. | nomen befigen bereits ihre Legitimation. 


Gedenktage im februar. 
Geboren: 9. Franz Xaver Gabelsberger — En — 13. Richard Wagner (1883). 


(1789). — 16. Melanchthon, Luthers reforma: 15. ©. €. Leffing (1751). — 18. Martin 
torifher Mitarbeiter (1497). — 19. Kopernitus, | dather (1546). 

ber die Sonne als Mittelpuntt unſerer Welten: | Aus dem großen Striege 1871: 15. Bel- 
infel fennen lehrte (1473). — 23. &. Fr. Händel, —* kapituliert. — 20. Eröffnung des Bundes— 
Komponiſt (1685). ates. — Friedensprälimingarien verabredet zu 


Geſtorben: 12. Kant, der Königsberger | Berjailes. 


Dnbalt: Aus dem NRäuberleben des Hühnerhabichts. -— Über VBolfsarzneipflanzen. — 
Neunkirchen und Neukirchen. — Das Kalfjteingebiet der Meinen Kalmit. — Heimat und Deimat- 
funjt. — Volkskundliches aus Fiſchbach in der Pfalz. — Himmelsichau. — Gedenktage. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — Kermann Kayſer's Derlag, Kaiferslautern. 
Für Form und Ynbalt der Beiträge Rad bie Herren Berfafler verantwortlich. 


Die „Bfälziihe Heimatkunde” koſtet jährlich in 12 Heften mt. 2.50. Bellellungen werden von allen Buchhandlungen ınd 
BVoftanfalten ferner vom Verleger (Portofreie Streifbandiendung) angenommen. 


II. Jahrgang. 


Nummer 3 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


v 





L/ 


Mallerreihtum und Grundwallerfand. 


Am Schluſſe jeines NAufjages über 
„Dünen in der Pfalz” erwähnt Herr 
Häberle eine in unjerer Beit vielbejprochene 
Vermutung, nad) welcher die Niederjchläge, 
hauptjächlich im Winter, abgenommen hätten; 
dad Grundwafjer habe fich mejentlich ge: 


jenft, Quellen und Brunnen laſſen nad); | 


man könne vielleiht an die Vorboten einer 
„Steppenzeit* denken. Auch wird da ein 





jehr lejenswerter Aufjak von A. Stenzel ' 


über das „Austrodnen der Kontinente” 
angeführt, nach welchem wir gegenwärtig 
„in einer Periode der Austrodnung” leben 
jollen. 
und auf bloßer Schätung der Erjcheinungen 
beruhende Vermutungen nicht zu Mißver: 
ftändnijjen führen, ſei dem Gegenftande 
näher getreten! 

Es ift nicht zu leugnen, daß unjere 
einheimijhen Winter und die Zufuhr des 
naffen Glementes in unjeren mittleren 
Breiten jeit einer Reihe von Jahren von 
dem weit abgemwichen find, was man glaubte 
erwarten zu dürfen. Bielleiht müſſen wir 
jolde Erfahrungen mit teuerem Lehrgelde 
auch fernerhin bezahlen, mwenigftens noch 
eine weitere Reihe von Jahren, bis einmal 
die Erkenntnis beſtimmter Urſachen zur 
Verbeſſerung derjenigen Zuſtände geführt 
hat, über welche der Menſch Macht beſitzt; 
höheren Gewalten zu gebieten wird freilich 
unmöglich bleiben. 

Wenn wir an vielen Orten Quellen 
abnehmen jehen, jo liegt es wohl nahe, dieje 


Damit derartige Gedanfengänge | 


' man 


| Ericheinung der allgemeinen Witterungslage 


zuzujchreiben ; man fann da aber jehr weit 
fehlgehen, und es fommt darauf an, wie 
man den Begriff Wetter auffaßt. VBerfteht 
darunter die der Erfahrung ent- 
Iprechenden Formen, unter denen man ge: 
wohnt iſt, Wind, Niederjchläge, Nebel, Kälte 
u. dgl. zu erleben, jo mag e8 richtig fein, 
daß die ebenjo lokalen Formen der Wafler- 
produktion in laufenden Quellen ober 
künſtlich angezapften Waſſeradern (Biehr, 
Bump- und arteſiſchen Brunnen) unmittel- 
bar mit dem Witterungscharafter zujammen» 
hängen. Begreift man unter Wetterlage 
aber die Summe von Erjcheinungen, mie 
fie über einem größeren Teile der Erbd- 
oberfläche, 3. B. Mitteleuropa, in direktem 
BZufammenhange mit dem wechſelnden Quft- 
drucke ftehen, jo fann man füglich beweifeln, 
ob unjer da und dort zu beanftandender 


' Quellwafferreihtum, bezw. unjer Mangel 


an jolhem geradezu ein Abbild mittel- 
europäilcher Niederichlagsarmut ift. Kurz 
gejagt, es fann gung wohl der Fall jein, 
daß Quellen überhaupt als lokale Bildungen 
von ebenjo lokalen Umftänden beeinflußt 
find, In diefem Falle heißt e8 wohl meit 
übers Biel jchießen, wenn das Gejpenit 
eıner „Steppenzeit” vor dem geiftigen Auge 
der allzu ngftlihen auftauht. Eine 
Steppenzeit ift ein geologiicher Begriff und 
als Gharakteriftitum einer geologijchen 
Periode ein gewordener Zuſtand, der aber 
Beitabjchnitte zur Vorbereitung braudte, 


26 


gegen die unfere hiftorifche Zeit vielleicht | 


furz genannt werden muß, der ebenſolche 
Beiträume dauerte und ebenfolde einer 
allmählihen Wiederdurdhfeudhtung 
erlebte. Wenn alfo ein paar Jahre lang 
das, mas der Landwirt Bodenfeuchtigfeit 
nennt, in geringerem Maße geboten wurde, 
jo hat es noch gute Wege, dab hieraus 
Anzeichen einer neuen geologiichen Zeıt- 
periode abzulejen jeien. Wir hatten bereits 
Gelegenheit zur Mitteilung einer Anjchauung, 
nach welcher gewiſſe Niederichlagsiormen 
nicht meteorologificher, jondern rein fosmifcher 
Natur find; wir werden bald mehr davon 
hören. Ebenſo fünren grundlegende Ande: 
rungen im Witterungscarafter einer geo 
graphiihen Zone (Breitengegend) nur vom 
kosmiſchen Standpunfte aus gemiürdigt 
werden; fie entipringen Urſachen, welche 
die Erde als Weltförper und Glied des 
Sonnenreiches betreffen. 


Nun ift aber unbeitreitbar auch unfere 
Pfalz in der Lage, gerug Beijpiele von 
der Abnahme des Quell» und der Senfurg 
des Grundwaſſers zu liefern. Unſere Be— 
trachtung foll fich deshalb den möglichen 
Urſachen dieſes Umſtandes zumenden und 
Vorſchläge zu deren Behebung machen. 
Bei uns kann man ja vorläufig dem allerorts 
fühlbar gewordenen Mangel durch Er— 
ſchließung neuer Waſſeradern, durch tiefere 
Bohrungen und ſorgfältigere Unterhalturg 
der befiehenden Quellen (3. B. Verhütung 
unnötiger Wafferverzettelung), auch durd) 
Anlage der immer beliebter gewordenen 
fünftlichen Wafferleitungen begegnen. Das 
ift aber feine Beſſerung des BZuftandes, 
jondern nur eine auf Ummegen betriebene, 
weitere Ausbeutung des Grundmwafjers, 
deſſen Spiegel ſich folgerichtig weiterhin 
ſenken muß; daraus erwächſt derjelbe Schluß, 
wie dort, wo außer den Zinjen allmählich 
aud das Stapital aufgezehrt wird, Wir 
werden uns aljo nicht nur „behelfen”, 
fondern auch nach Gegenmaßregeln umiehen 
müſſen. Bu diefem Zwecke müſſen wir uns 
flar werden, in welchem Maße uns bie 
verjchiedenen Formen der Niederichläge 
Erſatz Ichaffen und wovon dieie abhängen. 


Betrachten wir den Niedergang eines 
fräftigen Gewitterregens, jo fjehen wir das 
flüſſige Element mit Wucht fommen und 








gewöhnlich ohne fonderliche Durchtränfung 
des Bodens wieder ablaufen. Auch wo die 
Erde „mwailerhart” geworden iſt, ijt der 
Gewinn der Durchfeuchtung mit einer rauhen 
Sandanſchwemmung erfauft, deren größere 
Poroſität einer rafcheren Verdunftung günftig 
it. Bei einem länger dauernden leichten 
Regen, gar bei einem Landregen, dringt 
dagegen eine Menge Waſſer tief in den 
Erdboden ein und jenft fih der Schwere 
zufolge bis zum Grundmafjerjpiegel; Die 
Verdunſtung ift ziemlich gering, da tage, 
ja wochenlang die Luft mit Wafferdampf 
gelättigt bleibt, zur Aufnahme der Ber- 
dunstungsprodufte unfähig. In ähnlicher 
Weiſe wirkt in der kühleren Jahreszeit der 
lofale Nebel, weldyer Gras, Sträuder und 
Fäume unter Umftänden triefend durchnäßt, 
jo daß alle Poren, aud des Erdreichs, 
durch und durch naß werden fünnen. Über 
einen Landregen haben wir zwar teine 
bemalt, aber Über Nebelbildung wohl, das 
beweiien die „klimatiſchen Berbefferungen” 
gewifjer Gegenden, wo man es im Laufe 
weniger Jahrzehnte fertig gebracht hat, 
den „läftigen Nebel“ zu vertreiben — auf 
Nimmerwiederjehen! Schon vor adhtzig 
Jahren hat ein fachverftändiger und weit: 
blitender Mann den mwohlbegründeten Nat 
gegeben, die Austrodnung der oberbayerifchen 
Moore nicht zu übertreiben, denn dem augen: 
blicklichen landichaftlichen und landwirtichaft- 
lichen Gewinn ftehe für jpätere Jahre eine 
Elimatiiche Verſchlechterung der ganzen 
weiteren Umgebung gegenüber, die 


ſich zunächft in einer deutlichen Armut an 


Luftfeuchtigkeit bemerflid made und die 
Pflanzenwelt unmittelbar beeinfluffe. Sobald 
die Nebelbildung zurüdgeht, befommt die 
angrenzende Landſchaft ein ungeheures 
Quantum Wafler weniger als früher. Daß 
Nebel fogar „naſſer“ ift als Regen, macht 
ung eine Auslaſſung des „Brometheus“ 
(Berlag von Rud. Midenberger, Berlin 
W. 10) in leicht verftändlicher Form be- 
fannt wie folgt: „Wenn es ftarf regnet, 
enthält ein Kubikmeter der Luft weit weniger 
Waller als bei dıchtem Nebel. Das ericheint 
auf den erſten Blick parador, ift aber durch 
aus richtig, wenn es uns aud) manchmal 
bei einem tüchtigen Blatrrgen jo vorfommt, 


' alö würden wir durchs Waller gezogen. 


Bei einem fehr heftigen Regen, für den 


dev Regenmeſſer 60 Millimeter anzeigt, 
fällt pro Stunde auf einen Quadratmeter 
eine Waflermenge von 60 Kilogramm, pro 
Quadratmeter und Sefunde alfo etwa 16 
Gramm. Bei einer Gejchwindigfeit der 
NRegentropfen von 1 Meter pro Sekunde 
ergibt das für 1 Kubifmeter Luft während 
des Regens einen Baflergehalt von 16 Nubif 
zentimeter, bei 2 Meter Geichwindigfeit der 
Tropjen nur 8 ubifgentimeter u. ſ. f. Die 
Geihwindigfeit der Negentropfen ift be 
fanntlih proportional ihrer Größe und 
ichwanft von 1,84 Meter pro Sekunde bei 
I Millimeter Tropfendurchmeſſer bis zu 
4,08 Meter bei 5 Millimeter Durchmeffer. 
Bei heftigem Megen beträgt der Tropfen 
durchmeiler etwa 1 Millimeter, jo daß ſich 
der Waſſergehalt von 1 Kubikmeter Luft 
bei Regen im Durdichnitt auf 10 Kubik— 
zentimeter Stellen dürfte. Andererfeits aber 
berrägt der FFeuchtigfeitsgehalt der mit 
Waller gefättigten Luft bei 15’ C. etwa 
13 Ntubifzentinrerer, woraus fich ohne weiteres 
der größere Waſſergehalt der Lust bei Nebel 
al& bei Regen ergibt.“ 

Die Erfahrungen an der Trodenlegung 
des „Yandftuhler Torfbruches” find ein 
wertvoller Beleg für die Wichtigfeit der 
Waſſerzufuhr und »verbreitung durd Nebel. 
Nochgegen das fahr 1900 hin fonnte 
man in fühlen Sommernäcten aus den 
feuchteren Bruchflächen joviel Waſſerdampf 
aufficeigen fjehen, daR die ganze Gegend 
80— 100 m hoch wie von einem (von oben 
gejehen) leicht gewellten, flodigen Meere 
erfüllt fchien, aus dem nur die Häupter 
des Höchenerbergs, Potbergs, Nönigsbergs 
und in glnftigen Augenblicken die oberen 
Qurmränder der Burg Sıfingen mit dem 
Arlaggenmafte mie Inſeln und Klippen 
herauftauchten ; die Morgenſonne löjte da 
mals in verhältnismäßig kurzer Zeit den 
langſam ſich erhebenden Nebel ſpurlos auf, 
nachdem er gelegentlich jo die war, daß 
unten cine bleierne Dede über Yandftuhl 
fag, während auf der eriten Terralfe der 
Sidingerhöhe (130 m höher) der blunfe 
Mond ſchien. Seit jener Zeit gibt es 
dieje Ericheinungen nicht mehr Mit 
dem Bertreiben des Nebels, der ja aller 
ding feine angenehme Zugabe zu der 
Nahbarichaft des Torfbruches war, nahmen 
die Quellen auf der nördlichen Borftufe 


27 


der Sickingerhöhe zufebends ab und Tal» 
ichluchten, wie die des als Wusflugsziel 
befannten „Fleiſchackerloches“ zeigen heute 
nur noch leere Rlutgräben, in denen das 
den Berg herunterlaufende Waſſer höchftens 
im Frühjahre nad dem Abgange des 
Schnees überhaupt noch die „Kaiſerſtraße“ 
erreicht; vom Juni ab läuft fein Waſſer 
mehr. Hier iſt Mar, daß der Nebel einzig 
der Spender des Quellwaſſers war, welches 
in wenigen Jahren völlig verſchwunden jein 
wird Zugleich muß die Qualität des 
Wald und Nderlandes auf der nördlichen 
Terrafie der „Höhe“ zurücdgehen und das 
trodnere und weniger bewachſene Terrain 
bet Gewitterregen allmählich feine ohnedies 
geringe Grund und Humusdecke verlieren, 
fo daß in dieſer Region tatſächlich ein 
klimatiſcher und wirtſchaftlicher 
Schaden aus der Urbarmachung und allzu— 
weit getriebenen Entwäfjerung des früheren 
Bruches erwacien muß. — Die Fähigkeit 
des dichten Nebels, die Landichaft intenfiv 
mit Wafjer zu durchtränfen, geht auch aus 
einem anderen Beiſpiele aus der Nähe 
von Landſtuhl bemeiskräftig hervor. Die 
Sickingerhöhe befigt in ihrer nördlichen, 
jpigen Endigung zwiſchen Yandftuhl und 
dem Tal von Bann ihre höchſte Erhebung 
überhaupt und zmar mit 462 m abfolut. 
Zu ihren Füßen gabelt fi das Arnbachtal 
in zwei Zweige von 500 m Abſtand. Zu 
gewilien Zeiten des Jahres treibt num der 
in unjerer Gegend vor herrichend ſüdweſtliche 
Quftftrom die Nebelmaflen des etwa 10 kın 
langen Zales in dieſe Sadgafje und über 
die Höhe, wo fie jich wie Rauch oder wollige 
Wolfen über die Fluren wälzen und ſchieben 
— mobei fie ihren Wajjergehalt zum großen 
Teile an die Aderflächen abgeben. Unter 
diefem Gefichtöpunfte iſt nichts Merkwürdiges 
dabei, daR dieje höchjte Ruppe auf ihrem 
Scheitel ein jumpfiges, von Waſſer— 
tümpeln überjäctes Gebiet aufmweilt, 
deſſen Brombeer- und Sclehenbüjche des 
wegen — außer im Hochſommer — ſchwer 
zugänglich find. Bier findet der Nebel ein 


 Ktondenfationsfeld auf dem 2 erggipiel, wo: 


rauf dann tiefer eine Quelle auf dem Nord- 
abhange und eme auf dem Südabhange 
ihr Waſſer filtriert zu verfchiedenen Fluß— 
gebieten (Glan und Wallalb) entjenden — 


‚ und unweit davon müſſen große Streden 


Wald und Flur aus Gründen des Rück— 
ganges der alten Bruchnebel verdurften. 


28 





Ein ſehr wejentliher Faktor zur Er 


haltung der aus Niederichlägen gewonnenen 
Bodenfeuchtigkeit und ebenfo zur leichteren 
Beranlaflung lofaler Regen find die Wälder. 
Die finnlofe und rückſichtsloſe Entwaldung 
der iftrianischen und dalmatinifchen Hüften: 
gebiete und Inſeln hat diejen einft üppigen 
Gegenden den Ruin und die VBerarmung 
gebracht; von Corſika fommen bittere Klagen 
über mißratene Ernten und Ruin des Wohl- 
ftandes der Bewohner, jeitdem übermäßige 
Abholzung eine Flimatifche Änderung auf 
der Inſel eingeleitet hat, und wenn die 
einft unermeßlichen Urmwälder Nordamerikas 
in nicht allzuferner Zeit der Geſchichte an- 
gehören werden, dann wird es fein Wunder 
jein, wenn Niederfchlagsmangel auf der 
einen Seite, Sterilität auf der anderen 
und außerdem Erhöhung der Gefahren, 
welde aus den Wirbelftürmen erwachſen, 
dem Lande unerjeglichen Schaden bringen. 
Mehr als heute wird dann der Anſchein 
erwedt jein, als ſei die gemäßigte Bone 
im Begriffe, in eine Art „Steppenzeit” 
hineinzugeraten; aber die Schuld tragen 
zum großen Teile die Menjchen, welche zu 
ſpät erfannt haben, welchen Nußen ihnen 
die Wälder durch ihr bloßes Vorhanden- 
jein gewährt haben. In wie großem Maße 
aber jegt jchon einzelne Länder bedroht 
find, Waflermangel zu leiden, las man 
neulich bezüglich Englands, des Inſellandes 
und des Landes der vielen Nebel. Profeſſor 
Bentley, der Präfident der königlich eng- 
liihen Meteorologijchen Gejellichaft, führte 
jüngft in einem Vortrag vor den Mitgliedern 
der genannten Bereinigung aus, daß, ver 
anlaßt durch die riefige induftrielle Tätigkeit 
und den wachſenden Waflerbedarf der Be: 
völferung, England fich jchon in naher 
Bufunft einem Problem von verblüffender 
Größe, nämlich dem Mangel an Wafler, 
gegenüberjehen werde. So enorm hat jchon 
die Entwäfjerung des Bodens, das Wachs— 
tum der zahlreichen Städte, die Ausdehnung 
der für Waſſer undurdläffigen Straßen 
oberflädhen, die Zerteilung der natürlichen 
BWaflerläufe und ganz bejonders das 
Berihmwinden der Wälder der Natur 
entgegengearbeitet, daß den engliſchen 


— — — — — 











die Löſung einer Aufgabe von faſt unüber- 


' windlicher Schwierigfeit vorbehalten bleibt. 


Wir Lebenden fünnen einigermaßen dieſer 
„Waffernot” in anderem Sinne entgegen- 
arbeiten, indem wir zahlreihe Ddungen, 
welche jogar mitten zwiſchen Aderland an- 
zutreffen find, nicht brad liegen lajjen, 
jondern wo es geht, mit Wald bepflanzen, 
ferner daß wir unjeren Wald nad; Möglich 
feit zu erhalten ſuchen. Es mird nicht 
mehr allzaulange dauern, jo ſuchen wir 
unfere fließenden Gemwäfler mehr als je zu 
Kraftquellen zu geftalten, und eine fommende 
Generation wird es umbegreiflich finden, 
daß das Geſchlecht, welches mit Kohlenrauch 
aus den Dampfmaſchinen die Quft verpejtere, 
die nad Millionen zählenden Pferdefräfte, 
welche in dem fließenden Waller unjerer 
Bäche enthalten liegen, unausgenügt hat 
zuial laufen laſſen. Man könnte Fälle 
genug anführen, in denen es nur einer 
ſehr beſcheidenen „Talſperre“ be 
dürfte, um zur Zeit des Schneeabganges 
und der Frühlingsregen bedeutende Waſſer— 
mengen zurückzuhalten, alſo aufzuſparen, 
welche heute zwecklos ablaufen; ſie könnten 
den Wieſengründen bis tief in den Sommer 
hinein bei weiſer Verteilung des Überfluſſes 
nutzbar gemacht werden und würden zugleich 
zur Feuchterhaltung der Luft weſentlich 
beitragen. Die Flüſſe aber werden nicht 
ſowohl unmittelbar aus den Niederſchlägen 
in Regen- und Schneeform geſpeiſt, als zu 
einem großen Teile auf Umwegen aus dem 
Überſchuſſe der Luftfeuchtigkeit, welcher ſich 
jahraus, jahrein, Tag und Nacht hindurch 
an allem Hervorragenden verdichtet und in 
Tropfen in die Erdſchichten eindringt. Dann 
erſt können Quellen fließen und Brunnen 
Waſſer geben. 

In neuerer Zeit hat man an Orten 
die mit friichen Quellen zu geizen jchienen, 
auf originelle Art Waflerläufe entdedt — 
durch die „Wünjchelrute”“. Die Wünfchel- 
rute hat von jeher auf empfängliche Ge- 
müter einen großen Eindrudf gemadt. Sie 
hat tatjächlich in mancher Beziehung einen 
realen Hintergrund, denn Verſuche haben 
es als erwieſen bingejtellt, daß man mit 


' Hilfe von Weidenholzruten in der Erde 


verborgene Wafjerftellen auffinden kann. 
Sin der legten Beit hat fich beionders ein 


Ingenieuren und Meteorologen der Zukunft | Mann große Verdienſte mit der Wünſchelrute 


— 29 — 


erworben, ein gewiſſer Herr Paſſehl, der Wirkung ausüben, läßt ſich noch nicht be+ 
fließendes Waller fogar in der Tiefe von | ftimmen, vielleiht find es magnetijcdh- 
etwa 100 Metern nod fefiftellen ann. elektriſche Ströme, die wir 3. Zt. noch nicht 
Daß an der Sade etwas ift, geht aud | nachweiſen fünnen; dann müßte die Gabel 
daraus hervor, daß jüngft die preußifche | aber eigentlich nidyt aus Holz, fondern aus 
Regierung Stellung zu der Angelegenheit | Metall jein; da aber gerade Holz auf dieje 
genommen hat und eine Brofchüre ver- | Wirkungen reagiert, jo muß man vielleicht 
öffentlichen läßt, in der auf die Wünjchel- | doch damit rechnen, dat die Fähigkeit, die 
rutenfrage näher eingegangen wird. Was | auf die Annäherung an eine Wafjeritelle 
für Einflüffe auf die Rute jelber ihre | wirkt, einen Einfluß auf das Holz ausübt. 





Materialien zur bayerilhen ®rnithologie IV 


nennt fich eine ungemein inhaltsreiche und der 12, April.” Bergleiche mit der be- 
mit großem Fleike und von Sadjfenntnis | treffenden Witterungslage ergaben erfreu- 
unterftüßter Liebe zum Gegenftande be» | liche Beftätigung früherer Schlüffe: 
arbeitete Broſchüre, die Herrn K. Bertram „Noch bevor das Yuftdrudminimum 
in Raiferslautern zum Berfafler hat. Sm | feinen deutlihften Ausdruf angenommen 
Zufammenhange mit den zeitgemäßen Be- | (am 15. IV.), erreicht die Bewegung ihren 
ftrebungen auf dem Gebiete der Beobachtung | Höhepunft (11.—13.1V.). Was auf Grund 
des Vogellebens, die im vorigen Jahre zur | reicher Beobadjtungen die ungarischen Orni« 
öffentlichen Aufforderung führte, man möge | thologen in geradezu Flaffifcher Darftellung 
ein SHauptaugenmert auf den Bug der | feit länger Eonftatierten, trifft auch für ung 
Rauchſchwalbe richten, find hier zahl- | zu, nämlich daß Depreffionen einen jördern- 
reiche Notizen über das Gintreffen und | den Einfluß auf den Zug nicht nur der 
Wegziehen unjerer gefiederten Gäſte aus | Schwalben, jondern vieler anderen Wander« 
den Jahren 1903 und 1904 geſammelt und | vögel ausüben, indem die aus Süden zu: 
gefichtet. Hauptbeobachtungsorte inbezug | fließende Luft die Vögel mit fi nimmt, 
auf den Frühjahrszug in der Rheinpfalz | Wie die „gute” Seite der Depreſſion be» 
waren Bad Dürfheim und Wolfftein, wo | fchleunigend, jo wirft die „jchledhte” Seite 
bauptfählih Bejiedelungsdaten ge- | mit ihren fühlen, nördlichen Strömungen 
monnen wurden, und Kaiferslautern, deſſen verzögernd auf den Bug.“ 

Lage für Durchzugserſcheinungen be- Folgerungen jolcher Art find gleichwohl 
ſonders günftige Berhältniffe darbietet. | mit Borfiht aufzunehmen, und der Ber. 
Schwalbe, Stordd und Kuckuck konnten | faffer spricht deshalb auch mit vollem 
naturgemäß an viel mehr Orten beobadıtet | Rechte ein danfenswertes Schlußwort: 
werden. Da das Material über Hirundo „Am Sciuffe angelangt verhehle ich 
rustica aud für unfere Lejer näheres In» | mir nicht, daß die von mir eingefchlagene 
tereife haben wird, jo führen wir zunächſt Methode einer Gruppierung des Beobad)- 
an, daß fich die Befiedelung der Pfalz in | tungsmaterials auf der Grundlage immerhin 
der Beit vom 23. März bis zum 2, Mai ziemlich willfürlich angenommener Witte 
vollzog, alfo in einem Zeitraume von an- | rungsperioden geeignet jcheint, einer faljchen, 
nähernd 6 Wochen. Naturgemäß find die | allzu mechanischen Auffafjung des Bug- 
Erftbeobadhtungen bis zum Eintreffen der | phänomens Vorſchub zu leiften. Allein ich 
Haupteinwanderung hin durd; die Beobachter | bin andererjeits gewiß, daß von einer ſolchen 
bevorzugt worden, jo daß „der Beginn und | Gefahr nicht die Rede ſein kann, wo der 
der Berlauf der Befiedelung bis zur Aul- | nötige Reſpekt vorhanden ift vor dem, mas 
mination treffend zur Anſchauung fommt, | wir von diefer großartigen Naturerjheinung 
der weitere Fortgang der Füllungserichei- | nicht wiſſen und vorausfichtlih auch nie 
nung und ihr langjames Berlöfchen jedoch | wijjen werden und mo die Erfenntnis 
nicht entfprechend berückſichtigt ſind.“ „Als | ift, dab die Natur überhaupt nicht nad) 
durchfchnittlicher Ankunftstag ergibt ih — | der Schablone wirft und ſchafft. Es gibt 


30 


auch hier teinen beiferen Dämpfer auf vor- | geteilten Ankunftsdaten berechnet ſich als 
eilige Affoztationen und Kombinationen ald ' Durchſchnitt der 13. IV. 
die Achtung vor dem Unerforjchten und dem | 


Unerforichlichen.” 

Die Art der Bearbeitung mag aus dem 
nachfolgenden Auszuge hervorgehen, den 
wir im Einverftändnis mit dem Berfafler 
hier wiedergeben, und der zugleich ein jchönes 
Beugnis für eine vielfeitige Opfermilligfeit 
im Dienfte der Erfenntnis der Naturbor- 
gänge und eine Anregung zu friiher Mit- 
arbeit jein wird, 

Vom 8. April bis zum 3. Mai. 

Es iſt zunächſt noch kühl und regnerisch; 
bald aber tritt eine entjchiedene Beſſerung 
ein, melde fich mit geringen Schwanfungen 
als beftändig erweiſt. Ausgezeichnet ift der 
15. IV. dur tiefften Barometerftand, 
völlige Windftille und höchſtes tägliches 
Temperaturmittel. Die heftigen Winde, 
welche der vorigen Periode ihr Gepräge 
geben, jchweigen feit dem 8. IV. Die 
Windrichtung ift jet feine fonftante, jedoch 
wiegen weftlihe Strömungen vor. Nur 
ein einzigeömal in der Nacht geht Die 
Temperatur unter den Gefrierpunft zurück 
Un den Tagen ift viel Sonnenfchein. In 
der Nacht zum 18. IV. regnet es außer: 
ordentlich ſtark. — 

Der Zug verläuft normal. 
Daten am 18. IV. 

Der Kudfud (Cuculus canorus) wird 
zuerft gehört zu 


Negative 


Scifferftadtt am 8. IV. 1 Er. 

Hoerdt „11. IV. 8 h. a. m 
Wolfſtein 12. IV. 

Wörth a. Rh. „ 12. IV. 

Scifferftadtt „ 12. IV., mehrere 
Kaltenbach „13. IV. 7 h. 30 a. m. 
Krähenberg „13. IV. 

Landau „ 13. IV. 

Mölſchbach 13. IV. 

Birkenhördt 13. IV. Th.a.m, 4 Er. 
Dürfheim „ 13. IV. Th.a.m. 1 6Er. 
Trippftadt 14 IV. 1 Er. 

. „ 12. IV. 5 ©. 
Stailerslautern „ 15 IV. 

Rutsweiler ER Iv. 


Am 17. IV. hört Herr Kollege Lawall 
auf einer Fußtour von hier nach Neuſtadt 
(ca. 35 km durch den Wald) ca. 5—6 
rufende Kuckucke. Aus diejen 16 mit 








Der Wendehals (Jynx torquilla), der 
jih wie der Kuckuck auch erft durch jein 
Rufen bemerflih zu machen pflegt, wird 
in Dürkheim und Kaijerslautern zuerjt am 
12. IV. bemerft. Am 13. IV. rufen bier 
mehrere. Die erfte Notiz aus Wolfitein 
lautet vom 20, IV.: er fcheint indes hier 
überjehen worden zu jein, 

Die Nachtigall (Addon luseinia) trifft 
ein zu Scifferftadt am 11. IV., eine zweite 
am 14. IV., zu Landau am 15. IV., zu 
Wolfftein am 16. IV., zu Dürkheim am 
18. IV. In Wörth findet fie Herr Lickroth 
am 17. IV. jhon vor. Eıne hier in Kaiſers— 
lautern durchziehende Nachtigall ſchlägt am 
14. IV. 6 b. 30° a. m. in einem ®rivat- 
parfe, eine zweite am 27, IV. im alten 
trriedhofe. An Franfelbah trifft fie erſt 
am 30, IV. ein. 

Auf den 12, IV. fälle außerdem für 
bier die erjte Stonjtatierung der Schafitelze 
(Budyles flavus) und des Möndes (Sylvia 
atricapilla), die beide in Dürkheim jchon 
in der vorigen BZugperiode auftreten. Am 
15. IV. find hier viele Schwarzföpfchen 
vorhanden, ebenjo in Dürkheim ſeit dem 
13. IV. Die erfte Notierung für Yandau 
und Wörth fällt auf den 17. IV. Außer 
ordentlich viele Grasmliden, neben Schwarz- 
föpfen aud Dorn» und Baungrasmücen 
(Sylvia sylvia et curruca) beleben am 
Morgen des 18, IV. die Büfche und Heden. 
Die Dorngrasmüden verhalten fich ftille, 
während die Mitllerchen einen abgebrodyenen 
Geſang hören lajjen. Sylvia sylvia wird 
in Wörth jchon am 12, IV,, in Dürfheim 
erit am 20, IV. notiert. Die erfte Spur 
der Einwanderung der Gartengrasmüde 
(S. simplex) zeigt fi in Woljjtein am 
24, IV., in Trippftadt am 2, V. Die 
meiften Gartengrasmüden treffen indes 
erit nach dem 11. V. ein, 

Am 10, IV. werden in Wolfftein be» 
merkt die eriten Girlige (Serinus serinus), 
Baumpieper (Anihus trivialis), Gartene 
rotfhwänze (Rulicilla phoenicura) und 
Steinichmäger (Saxicola oenanthe). In 
Kaijerslautern tritt der Baumpieper auf« 
fallend häufig am 14, IV. auf, in Dürt: 
heim am 17. IV. Der Gartenrötel wird 
hier und in Dürkheim am 12, IV, zuerft, 


— 


feit dem 17. und 18. IV. häufig bemerft. 
Um 3. V. wird er in Trippftadt gejehen 
und gehört. Der Steinihmäßer kommt in 
Dürkheim jhon am 7. IV. häufiger jeit 
dem 12. IV. vor. Am 18. IV., dem 
Tage nad der Nacht mit ftarfem Regen, 
werden hier auf einem Ader ca. 15 Stein- 
ſchmätzer beiſammen angetroffen, meift 55 


(3 bi8 4 im Alterskleid). Ein 5 juv. 
fingt ſehr eifrig. Unter den Schmägern 
zeigen fih die erſten Braunfehlchen 


(Pratincola rubetra). 

Fitis (Phylloscopus trochilus) fommt 
bier und in Wolfftein zuerft am 11. IV, 
zur Beobachtung, der Waldſchwirl (Phyllos- 
copus sibilator) wird in Dürfheim am 
14. IV., hier am 21. IV. gehört und ge 
ſehen. Am 23, IV. find es mehrere. Sn 
den legten April- und den eriten Maitagen 
ftarfer Durchzug diefer Urt. 

Die Hausſchwalbe (Chelidonaria urbica) 
fommt zur Beobachtung in Dürkheim am 
9. IV. 3 h 30 p. m. (2 Ex.), in Rei» 
polt3firhen am 10. IV. 12 h (1 Er.), 
in Wörth am 13. IV. (ca. 100 Er.), in 
Wolfſtein jeit 13. IV. häufiger, in Kaiſers— 
lautern am 25. IV. 5 h p. m. (bei Nord- 
wind in nordöſtl. Richtung durchziehend) 
und in Bobentgal und Trippftadt am 1. V. 
(2 bezw. 6 Er); am 3. V. find es in 
Bobenthal ca. 15 Er., am 4. V. in Tripp- 
ftadt (ca. 10 Er.) 

Der Zurmfegler (Apus apus) erjcheint 
in diejem Jahre troß der anſcheinend befferen 
Zugsverhältniffe (Ende April) fpäter als 
in den vorausgegangenen Jahren, nämlıd) 
in Dürkheim am 1. V., in $aijerslautern 
am 2. V. (ca. 12 Er.), in Landau am 
3. V., in Wolfſtein am 7. V. (Am 2, V. 
wurden in Frankenthal noch feine Segler 
bemerft.) 


Der Kothahn oder Wiedehopf (Upupa | 


31 


epops) wird am 9, IV. 5 h. p. m. auf 
dem Durchzug bei Reipoltsfirchen, in Dürk— 
beim zuerſt am 13. IV. bemerkt. Ein 
Lanius senator, bei ung ziemlich jpärlicher 
Brutvogel, wird ſchon am 14. "IV. bei 
BWolfftein, ein rotrüdiger Wärger (Lanius 
collurio) am 30, IV. 4 h. 30° p. m. bei 
Dürkheim, am 1. V. bei Dreihof £onftatiert. 
Hypolais salicaria fommt am 1. V. bei 
Dreihof, am 2, V. bei Dürkheim ſchon vor. 
ebenfo Oriolus galbula am 3. V. in Dürfheim, 
Ein prächtig ausgefärbtes 5 der jchwarzen 
Form von Museicapa atricapilla zeigt ſich 
ſchon am 18, IV. ‚bei Saiferslautern auf 
dem Durchzug, unjere Brutoögel (graue 
Form) treffen am 23. IV, und fpäterhin 
ein. Erſte Beobachtung aus Dürkheim 
datiert vom 2, V.6 h. p. m. (3 Er.) 
Bon Durchzüglern aus diefer Zeit jeien 
noch erwähnt zwei Gejellichaften von Wieſen— 
piepern (Anthus pratensis), die am 18. 
und 20. IV., zwei Flüge Saatfrähen, die 
am 25. und 28. IV. und eine kleine Schar 
Singdrojjeln, die am 18. IV. durchziehen, 
Dem Bolfe, das feit undenflichen Zeiten 
dem Wanderzug der Vögel jeine Aufmerf- 
jamfeit geichenft, das, lange bevor jich die 
empiriftiihe Forſchung mit Aviphänologie 
befaßte, mußte, daß eine Schwalbe nod 
feinen Sommer made, ihm ift aud das 
pedantiſche Einhalten der Zugzeiten dieſes 
geheimnisfundigen, viel befannten und 
wenig gefannten Lenzfünders nicht ent- 
gangen und in Redensarten bat fich dieje 
Erfenntnis niedergejchlagen. So hört man 
in der Vorderpfalz vom Kuckuck jagen: 
„Am 10. April fann er fumme, 
am 15. April muß er kumme,“ 
und in der Dinterpfalz: 
„Am 13. April 
freilcht der Kuckuck, 
er man ſtecke, wo er will,“ 





Heimat und Beimatkunf. 
Schluß.) 
Die. Seelen:. und vor allem die Ge- | dernen Berkehrslebens hat die Scollen» 


mütsjtruftur der modernen Menjchen bat 
in. den legten Jahrzehnten eine tiefgreifende 
Umbildung erfahren. Der reißende, raſche, 
bis in die entfernteften und abgelegeniten 
Zandesteile eindringende Strom des mo» 


feftigfeit der früheren Zeiten ſchwer er- 
Ichüttert und die Menjchen mehr und mehr 
murzellofer gemacht. Seine zehn Prozent 
der modernen gebildeten Menichen haben 
das Glück, in ihrer engen Jugendheimat 


— 32 


ihre Xebensheimat gründen zu dürfen. Sa 
ganze Stände und Berufsflaffen, vor- 
nehmlich die Beamten, gehören zur mo— 
dernen Bohöme, die bald hier, bald dort 
ihre Zelte aufſchlagen muß. Die Bins- 
wohnung beherricht den Wohnungsmarft. 
Und fo ıft es nicht zufällig, daß ein hef- 
tiges Heimmeh, eine Sehnfuht nad der 
ihnen fremd gewordenen Heimat, bejonders 
nad) jenen Gegenden, wo unverfäljchte, 
reine Natur, wo autochthones Volksleben 
blüht, die heutigen Menjchen bejeelt. Wie 
man heute, wo Volksſitte und Volksbräuche 
im Schwinden find, diejelben eifrigft ſammelt, 
jo durchzieht die heutigen Menſchen jekt, 
wo die meijten ihre Yugendheimat verloren 
haben, ein beftiges Heimmeh. Und darum 
ift es nicht verwunderlich, wenn auf dem 
fruchtbaren Boden diejer veränderten Da- 
jeinsbedingungen die Heimatfunft und das 
Berlangen darnach erwadte. Und jo ift 
eben für unjer Bud, das ein reifes Pro— 
duft edeljter Heimatkunft ift, mohl erſt jet 
jeine Zeit gefommen. Während früher nur 
wenige Auserlejene Sinn und Berftändnis 
hatten für die munderbaren Reize und 
Schönheiten des alten Wasgaus, [lenkt heute 
mehr und mehr in jährlich fteigender Anzahl 
die Touriftenmwelt ihre Schritte in diefe 
landichaftlich wie geihichtlich fo anheimelnde 
ihöne Gegend. Sekt ift die Beit der 
Heimatkunft, und „Hedwig“ ift eine ihrer 
ihönften Perlen. 

Wenn auch der Roman fein Schlüfjel« 
roman ift, jo liegen den Schilderungen der 
Perſonen und Ereignilfe wahrhafte Begeben- 
heiten zugrunde. Die Hedwig hat gelebt, 
zwar nicht die Hedwig des Romans, dieje 
ift ein eigenftes Produkt dichterifcher Phan- 
tafie; aber die Berjon, an die des Dichters 
Phantaſie anknüpfte. Perfönliche Beziehungen 
und Berührungen zwijchen dem Dichter und 
feinem Urbild jehlen nach übereinftimmenden 
Mitteilungen ſowohl von jeiten der Familie 
des 1828 in Alingenmünfter geborenen und 
1891 in Eiſenach verftorbenen Dichters, 
als aud von Seiten der direften und in« 
direften der in Weißenburg und Überlingen 
lebenden der 1816 im Mainzifchen geborenen 
und erſt 1900 hochbetagt verftorbenen Hedwig, 
die eigentlich einen anderen Namen trug. 
Trogdem wird man jagen müſſen, es jind 
Büge von ſolch piychologiicher Feinheit und 


ſolch überrafchender Eigenart in dem Roman, 
daß man unmillfürlich das Gefühl hat, hier 
hat nicht bloß die Phantafie, fondern wohl 
aud die perjönliche Erinnerung die Feder 
geführt. Aber die ſeltſam verjchlungenen 
Fäden entwirren zu wollen, ift ein über— 
flüffiges Bemühen, angefichts der deutlich 
ausgeſprochenen und meifterhaft durch⸗ 
geführten Tendenz des Dichters, die in 
nicht8 anderem beſteht, als in einer poetijchen, 
darum aber nicht unwahren oder ungeredht« 
fertigten Berberrlichung jeiner ſchönen Heimat. 

Das aber ift die feine Kunft des Dichters, 
daß er die feelenloje Landſchaft zu bejeelen 
weiß, daß fie nicht wie eine fremde, ftörende 
Staffage fich zwiſchen die handelnden Per- 
jonen jchiebt, jondern jedesmal gerade auf 
den Höhepunften der Darftellung eine voll 
tönende Reſonanz bildet zu ihren inneren 
Leiden und Freuden. Dazu gehört aber 
eine einzigartige Einfügung in die Yand» 
ichaft, eine ſcharfe, fait inftinftmäßige Fein- 
fühligfeit für das Weben und Walten des 
Geiftes, der der Gegend ınnemwohnt, eine 
abfolute Vertrautheit mit ihrer Eigenart, 
die fich offenbart in ihrer landichaftlichen 
Schönheit, wie in der Fülle der hiftorijchen 
und fagenhaften Ummallungen, die dieje 
Gegend fo anziehend machen. 

Die im Lande murzelnden Berjonen 
find mir Künftlerauge gejchaut und meifter« 
haft gezeichnet, der Schafob von Bergzabern 
mit feinem Faftotum, dem liebenswürdig- 
liederlihen Kumpan, dem Hammichel — 
bejonders im Kapitel der Bohämmerjagd 
lernen wir beide fennen — find prächtig 
getroffene Geftalten der fröhlichen Weinpfalz ; 
die jchönften und wundervolliten Perlen des 
Buches Yind die Szenen, die im Herzen des 
BWasgaus, am Fuße der Hanstrappburg 
in Holenbach, ſich abjpielen, wo die ge- 
Ihichtlihe Hedwig einige Zeit bei Ber- 
wandten ſich aufhielt. Es kann nicht meine 
Aufgabe jein, den Hergang des Romans 
zu Schildern, ich fünnte nur ftatt blühenden 
Lebens ein lebloſes Gerippe geben. Der 
Roman will jelber gelejen jein und wird es 
mit dem höchften Genuß von dem, der 
einigermaßen mit der fchönen Gegend und 
ihren treuberzigen Bewohnern vertraut ift. 
Den mutet dann die Hedwig an wie eine 
Verförperung der reinen Keimatliebe und 
Heimatſehnſucht. Und wenn der Dichter 


fie frühe fterben läßt, im Gegenfag zur 
- Wirklichkeit, jo bat er damit unbewußt jein 
tragijches Verhältnis zu feiner Jugendheimat 
geichildert. Ihm, der jo mit allen Fajern 
feines Herzens an feiner Heimat hing, ift 
fie in der Tatziweggeftorben, es war ihm 
nicht vergönnt, in feiner Jugendheimat ſich 
eine Xebensheimat zu gründen. In der 


Fremde lebte er mit ftillem Heimmeh im | gegeben hat. 


33 


Herzen. Und von ihm gilt auch das jchöne 
Wort: Selig find, die da Heimweh haben, 
denn fie jollen hineinfommen. Seine näheren 
und entjernteren Landsleute und die vielen, 
die bei uns eine zweite Heimat gefunden 
haben, werden ihm aber Dank wiſſen für 
die in vieler Hinficht innigfte Gabe, die 
er ihnen mit dem Heimatroman „Hedwig“ 
Nah %. L., Str. Poſt.) 





Wittelsbach anf Landsburg. 
Ein Stüd pfälziſcher Geſchichte von Ludwig Eid, 
(Berlag v. Erufius, Kaiferslautern. 2,80 Mt.) 


Dem Nationalftolz des Pfälzers mag 
ed von bejonderem Reiz erjcheinen, daß 
der Fürftenftamm, welcher unferem weiteren 
Baterlande Bayern jo hervorragende Könige 
gegeben, ſeines Fleiſches und Blutes ift. 
Gern erinnert er ſich daran, daß die Vor- 
fahren feines auch von ihm über alles ge 
liebten Regenten unjerer pfälziichen Heimat 
Herricher gaben, deren Namen in der Ge- 
ihichte der Zeiten dauern werden, 


Diefem gerechten Stolze verleiht aud) 
das neuejte Werf unjeres durch jeine ge- 
diegenen Forihungen auf dem Gebiete 
pfälziſcher Gejchichte beftbefannten Lands- 
mannes Ludwig Eid Ausdruck. Es ift 
Sr. Kgl. Hoheit dem Wrinzen Ludwig 
dediziert worden und trägt die Benennung 
„Wittelsbach auf Yandsburg”. 


Wie der Titel jchon erkennen läßt, 
will der Verfaſſer nicht etwa eine Gejchichte 
der merfwürdigften unter den nordpfälziichen 
Burgen, der Landsburg bei Dbermojcel, 
bieten; jeine Abficht geht dahin, darzuftellen, 
„was die Landsburg den Wittelsbachern 
gewejen, welche Wittelsbacher das Haus 
ausgeftaltet, was fie in demjelben als 
Hausherren und Familienhäupter erjtrebt, 
erzielt, genofjen und erlitten haben“, und 
die Verwirklichung dieſer Mbfichten dürfte 
nicht8 zu wünſchen übrig laffen. Ein 
rejpeftables Kapital an Forſcherfleiß Liegt 
in diefer Schrift geborgen und? — man 
muß geitehen — ohne Wufdringlichkeit. 
In blühender, teilweije poetiſch gehobener 
Sprade fließt der Strom der geichichtlichen 
Darftellung dahin. In förmlichen Kultur 
bildern — die wie hiftorijche Erzählungen 


anmuten — entrollt uns der Verfaſſer ein 
wirklich anfchauliches Bild von dein „Schaffen 
und Weben, Dichten und Tradıten, Streiten 
und Leiden auf der Burg“ bis zu ihrem 
Ende im Jahre der Niedertracht 1689, 


Was der Forſcher an interejjanten 
Details politiihen und fuzialen Genres 
der Öffentlichkeit unterbreitet, das fann 
und foll hier nicht des Breiteren Erwäh— 
nung finden; dafür jei jeder Gejchichts- 
freund auf das Eid’she Buch aufmerkſam 
gemadht. 

Hingegen dürfte es in den Rahmen 
der „Pfälziſchen Heimatkunde” wohl paflen, 
der bisher wenig befannten, von 2%. Eid 
ziemlih eingehend gejchilderten Tatſache 
zu gedenken, wie die Landsburg einft 
Induſtriezentrum gemejen. 

Schon jeit 1429 war es befannt, daß 
die Höhen des Landsburger Amtes Silber 
und Quedfilber in ihrem Schoße trügen. 
Nachdem fie über ein Jahrhundert lang 
im Befige bürgerlicher Eigentümer gemejen, 
trat 1546 Herzog Wolfgang von BZrei- 
brüden als Mitaftionär in die Bergwerfs- 
leitung ein. Da im erften Sabre eine 
Silberausbeute von 60000 Gulden große 
Hoffnungen ermedte, reorganifierte der 
Herzog den ganzen Betrieb, indem er aus 
Sadjen, Böhmen, Tirol und der Schweiz 
Bergleute heranzog und in der Perſon 
des Niürnberges TIhain einen tüchtigen und 
energiihen Fachmann an die Spike des 
Unternehmens ftellte. 

Allein die erwartete Ausbeute Fam 
nicht, viefige Summen an Betriebsfapital 
gingen verloren und wurden nicht wieder 


eingebradt. Thain fam nun auf den Ge- 
danfen, das Tonjteingebirge des Stahlberges, 
das neben feinen Kupfer-, Gilber- und 
Duedfilbererzen auch ſchwefelhaltige Erden, 
Schweripat und Schwefelkies führt, zur 
Heritellung des damals jehr gut im Preis 
ftehenden Alaum zu verwenden. Schmefel- 
faure Tonerde, der eine Bejtandteil des 
Alaun, war wegen des reichen Schmwefel- 
gehaltes leicht zu gewinnen. Es handelte 
fih daher nur darum, wie die andere 
Hälfte des gewünſchten Doppelfalzes zu 
beichaffen fei, nämlich Kali uder Ammoniaf, 
und furz entichloffen nahm man — „Harmb 
oder Urina“, 

Mit ungefähr 10000 Mt. Unkoſten 
murde eine Giederei eingerichtet. „Ein 
Sieder wurde aus Joachimstal (Böhmen) 
berufen und ihm ein Junge als „Fürläufer”, 
ein Küſer und zwei Holzhauer und Köhler 
(als Heizer) beigegeben. In die benad)- 
barten Dörfer aber ftellte man zur gütigen 
Benügung einige „fahlin, fo den Harmb 
oder Urina in fich jamblen und aufnehmen 
mögen.“ 

Die Fabrikation fchien anfangs auch 
flott von jtatten’zu gehen und Thain fonnte 
jeinem hohen Auftraggeber einen guten 
Überſchuß in Ausficht ſtellen. Aber die 
Sachlage änderte ſich, als die Ammoniak: 
lieferanten, die Bauern, mit der Lieferung 
ihrer Salze verjagten. Trotzdem gab man 
die Hoffnung nicht auf. 

Da die Bergwerfe doch nicht rentierten, 
entließ man die Arbeiter, verbeijerte in der 
Alaunfiederei die Inventur, regelte die 
Holz- und Kohlenlieferungen und fuchte den 
„toßigen Ungehorfam der Pauren“ bei 


— — — — — — — — — nr —— — — — 


Lieferung der „Harmbs“ zu brechen. Thain 
ſchlug dem Herzog vor, „daß ein ernſtlich 
Mandat, ſchriftliche Urkund angeſchlagen 
und den Untertanen bei einer Straf auf— 
erlegt, auch Keller und Schultheißen ernſtlich 
befohlen werden, den Harmb zu ſamblen 
. . Und ſoll dem Mandat ſonderlich ein: 
geleibt fein, daß die Untertanen bei ernſter 
Straf fein Waſſer in den Urin oder Harmb 
mengen und daß ihnen die Schultheißen 
und Seller ernjtlicdh zu geben, dasſelbe 
ernſtlich und nicht fchimpflich zu verjehen,” 
Meiienheim joll 2 „ziembliche Fäſſer“ 
befommen; auch mit Mofchel und Gted« 
weiler war man nicht zufrieden, „denn 
wo die Bauren zu Stefmwerler am Berg» 
werk hindern fünnen und dasjelbe gar zu 
Boden treiben fönnten, fparen fie feinen 
Fleiß.“ Tie Antwort des Herzogs ift 
nicht bekamt. Tatſächlich ſoll die Alaun— 
ſiederei nochmals eine ſolche Blüte erreicht 
haben, daß ſie das geſamte Bergweſen in 
Schatten ſtellte. 

Auch mit den Gruben wurde es noch— 
mals verſucht. Bergfundige aus allen 
kergbautreibenden Staaten zog man als 
Sachverſtändige bei, etwa 25 neue Zechen 
wurden angelegt. Der Herzog jelbit warb 
unter den befreundeten Fürſten und Städten 
um Teilnehmer und fand fie auch in über: 
rafchend großer Anzahl Eine große Vlüte- 
periode ſchien fi für das Yand zwilchen 
Glan und TDonnersberg vorzubereiten, da 
raffte der Tod die Seele des ganzen Unter: 
nchmens, den Herzog Wolfgang, am 11, 
uni 1569 weg; jein Nachfolger zog feine 
Stammfupitalien zurüf und das ganze 
Unternehmen zerfiel. 


Schut der Haturdenkmäler. 


Das Beltreben, die fogenannten Natur« 
denfmäler — ichöne Wald- und FFelspartien, 
jeltene, befonders mächtige oder hiſtoriſch 
interefjante Bäume und dergl. — zu er» 
halten, ift derzeit allenthalben ein jehr 
reges; aus Privatkreiien (Prof. Conmeng), 
von Berichönerungsvereinen angeregt, hat 
es bei den FForftverwaltungen der ver» 
ſchiedenen deutſchen Staaten freundliches 
GEntgegenfommen gefunden, zu einer ganzen 
Reihe von Publifationen wie zu mandem 





Erlaß feitens der Regierungen Beranlaffung 
gegeben 

Auch in Bayern it jeitens des Sal. 
Staatöminifteriums der Finonzen im vorigen 
Fahr eine Verfügung an die jämtlichen 
Forftämter ergangen, melde unter Din- 
meis auf jchon früher für einzelne Bezirke 
getroffene Anordnungen ausipricht, daß den 
mehrfach in die Offentlichkeit getretenen 
Beitrebungen auf Pflege und Erhaltung 
der landihaftliden Schönheit jomwie der 


jogenannten Naturdenfmäler in ſachgemäßer 
Weiſe Rechnung getragen werden ſolle. 

Es wird zu diefem Behufe angeordnet, 
daß bei jedem Forftamt ein eigener 
Akt anzulegen ift, in welchem alle auf 
diefen Gegenſtand bezüglichen Aftenftücfe und 
Korreipondenzen einzuordnen find; ins— 
bejondere find auf befonderen Blättern die 
etwaigen Beftimmungen über Bewirtichaf- 
tung und Behandlung einzelner Waldteile 
vorzumerfen., 

In den Akt ift ferner ein Verzeichnis 
einzufügen über bemerkenswerte Bäume 
und Baumgruppen, die durch Alter, jeltenes 
Borfommen, Gigentümlichfeit der Wuchs— 
form, durch hiſtoriſche Erinnerungen und 
dergl. mehr eine beiondere Beadhtung und 
Berüdfihtigung, Erhaltung über den Ab- 
tricb des umgebenden Beltandes hinaus 
verdienen; auch Borfommen jeltener Pflan- 
zen fann in diefe Berzeichnijfe aufgenommen 
werden. Wo nötig, wird zur Erleichterung 
des Auffindens und der liberwachung der 
verzeichneten Objekte ein kleiner Handriß 
deren Stelle im Walde bezeichnen. 

Auch andere Vorkommniſſe — jo z. B. 
ſchöne Felspartien, welche mit der Stein: 
gewinnung zu verichonen find — können 
in jenen Berzeichniffen Aufnahme finden, 
Bon UÜberſchwänglichkeiten ſoll man ſich 
ſelbſtverſtändlich ferne halten, den Rückſichten 


35 


des Verkehrs und der Sicherheit bei Er— 
haltung ſchadhaſter alter Stämme, brüchiger 
Aeſte entſprechend Rechnung zu tragen. 
Die Aufnahme der betreffenden Objekte in 
jene Verzeichniffe ſoll feitens der Forft- 
ämter nach vorheriger Beiprechung mit den 
Inſpektionsbeamten an Ort und Stelle 
und auf Grund übereinftimmender An- 
fihten über Erhaltungs-Würdigfeit er: 
folgen. 

Mit Recht wird am Schluß jener jehr 
zu begrüßenden Entjchließung darauf hin- 
gemwiejen, daß, mie einerſeits den Beſtre— 
bungen nach Erhaltung des Intereſſanten 
und Schönen jeder Vorjchub zu leiften, jo 
andererjeit8 auch zu verhindern jei, daR 
bei dem Streben nadı Naturverjchönerung 
Mißgriffe aus eigener Initiative der Fort 
beamten oder auf fremde Anregung hin 
gemacht werden, wie fie durch Errichtung 
einfacher Gebäulichfeiten, gartenmäßige An— 
lagen, Anpflanzung zur Waldumgebung 
nicht pafjender Holzarten und dergl. mehr 
jhon vorgefommen find. 


Schließlich wird den Forftbeamten em- 
pfohlen, auch für die ihnen unterftellten 
Gemeinde- und Stiftungswaldungen An» 
regung in obigem Sinne zu geben und 
mit Willen und BZuftimmung der Beliger 
auch Für deren Waldungen ähnliche Ver: 
zeichniffe anzulegen. (Forſtl. Zentralbl.) 





Denkmalpflege. 


Eine Entſchließung des f. Staatömini- 
fterrums des Innern empfiehlt den Ge. 
meindebehörden die Beachtung folgender 
Leitfäge, welche der jechite Tag für Denf: 
malpflege über die Erhaltung alter Straßen- 
namen aufgeftellt hat: 

1. Jede alte und als foldye neichichtlich 
bedeutungsvolle Bezeichnung von Straßen, 
aber auch von Plägen, Brüden, Häufern 
und ganzen?Stadtteilen, dann von Uder: 
und Waldftüden, Flüſſen, Bächen, Zeichen 
und Bergen ift auf alle Fälle zu ſchützen 
und zu erhalten, und zwar umjomehr, je 
eigenartiger und finnvoller fie iſt. 

2. Inſonderheit dürfen alte Namen 
nicht zu Gunften von ſolchen berühmter 
oder verdienter Männer des Baterlandes 
oder der engeren Heimat bejeitigt werden. 


3, Bei Benennung neuer Straßen find 
in erjter Linie die alten Flur- und Orts— 
bezeichnungen zu verwenden. 

4, Da, wo erft in neuerer Beit der 
alte Name durch einen modernen erjekt ift, 
foll der erfte, jo weit ed irgend angeht, 
wieder zu Ehren gebracht werden. 

5. Es muß freilih dem Taftgefühl der 
betreffenden Behörde überlaffen bleiben, 

a) inwieweit auch jolde Namen, die 
ichon im Gedächtnis des Volkes geſchwunden 
find, wieder in Gebraud zu jegen find, 

b) inwieweit aud; ein neuerer Name 
bereits geichichtlichen Wert gewonnen und 
deshalb auf Schuß Anspruch zu erheben hat, 

c) inmieweit alte, aber verderbte 
Namen ihre urjprüngliche Form wieder 
erhalten können. 


— 36 — 


6. Zu allen Umnennungen alter Straßen | fundige Perſonen, insbeſondere die Leiter 
und zur Benennung neuer jollen ſtets die | der ftaatlichen und ftädtiichen Archive, Biblio» 
örtlihen Geſchichts und Altertumsvereine | thefen und Mujeen als Sadjverftändige zu 
ſowie auch einzelne gejchichts- und jprad)- | Rate gezogen werden, 





Forſchungen über die verfchiedenen Formen 
des dentfchen Banernhofes und Banernhanles. 


Das. b. Staatsminifterium des Sinnern | und für die Gefchichte der wirtichaftlichen 
hat an die Diftriktsverwaltungsbehörden, | Verhältniffe der deutichen Bauern. Der 
die £. Bauämter und die Gemeindebehörden | Verein für bayeriſche Bolfsfunde 
folgenden Erlaß gerichtet: und Mundartenforihung in Würz: 

„Der Gefamtverein der deutichen Ge- burg bildet für Bayern die Zentralſtelle 
ſchichts und Altertumsvereine hat beichloffen, | der Erhebungen und bittet um förderliche 
dur; Fragebogen die verfchiedenen Formen | Unterftügung feiner Bejtrebungen durch 
des deutichen Bauernhofes und Bauern, | die Berwaltungsbehörden. Diejem Wunſche 
haufes nach ihrer geographiichen Berbrei- | entipredhend werden Die Diſtriktsverwal · 
tung zu verfolgen. Dieſe erfreuliche tungsbehörden, die f. Bauämter und die 
Forschung ift nicht nur von Bedeutung für Gemeindebehörden veranlaßt, die bezeichnete 
die eigentlihe Volkstunde und Kultur: Forſchung bei gegebener Beranlafjung tun« 
geichichte und für die alte Stammesgefchichte lichſt zu unterjtügen.” 





Gedenktage im März. 


Geboren: 21, Yean Paul (1763) 1871: Am 1. Einzug don 30000 
und Joh. Seb. Bad (1685). — 23. 9. H. Deutihen in Paris. — Am 22. März 
Francke (1663). — 31. Joſ. Haydn (1732). | 1797 Kaiſer Wilhelm 1. geb, am 9, 

Geftorben: 14. Klopftsc (1803). — : März 1888 geft. — 1813: Am 31, Ein: 
22. Goethe (1832). — 26. 8. v. Beet- | zug der Verbündeten in Paris, 
boven (1827), | 





Rundfrage. 


Den verehrlichen Leſern unſerer „Pfälz. Heimatkunde“ iſt bekannt, daß wir ein 
Zuſammenwirken veranlaßt haben, um über die Einführung des Kartoffelbaues in der 
Pfalz genauere Daten zu gewinnen. Das Refultat, wie e8 im vorigen Jahrgange 
vorliegt, fann nur befriedigen; es ermutigt uns, zunäcft über das Vorfommen 
des Wolfes in unferen Wäldern Grfundigungen einzuziehen, Wir bitten aljo 
befonders unjere verehrten Gönner in der Südpfalz, die Traditionen der Bewohner 
zu prüfen und vornehmlih Notizen aus dem Beginne des 19. Yahrhunderts zu 
jammeln. (D. Sch.) 


Inhalt: Wafferreihtum und Grundwafleritand. — Materialien zur Bayerifchen Orni— 
thofogie IV. — Heimat und Heimatkunſt. (Schluß). — Witteldbah auf Landsburg. — Schu 
der Naturdentmäler — Denkmalpflege. — Forichungen über die verfchiedenen Formen des deutſchen 
Bauernhofes und Bauernhaufes. — Gedenktage im März. — Rundfrage. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Kandftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern. 
Für Form und Inhalt der Beiträge find bie ‚Herren Berfaffer verantwortlich. 


Die „Pfälgtiche Helmatkunde“ koſtet jährlich in 12 Heften at. 2.50. Peftellungen werden bon allen Buchhandlungen und 
Poftanflalten ferner vom Berleger (Vortofreie Streifbaubfendung) angenommen. 


II. Jahrgang. 





\PALzIs 


FÜR SCHULE UND HAUS. 


Städte: 


1) Ludwigshafen 
2) Saiferslautern 
3) Birmajens 
4) Speyer 

5) Neustadt 

6) Franfenthal 
7) Landau 

8) ©t. Ingbert 
9), Zweibrüden 
10) Oggersheim 
11) Dürfheim 
12) Germersheim 
13) Homburg 
14) Edenkoben 
15) Grünftadt 
16) Landſtuhl 
17) Annweiler 
18) Kuſel 

19) Lambrecht 
20) Kirchheimbolanden 
21) Dtterberg 
22) Bergzabern 
23) Deidesheim 
24) Yautereden 
25) Wacenheim 
26) Blieskaſtel 
27) Hornbad) 
28) Obermojchel 
29) Wolfftein 


Nummer 4 


Bolkssählung 1905. 
I 


Die Ergebnifje der Volfszählung in den Städten und den größeren Land, 
gemeinden der Pfalz Haben wır zufammengeftellt und ihnen zum Vergleich die Zahlen der 
BVolfszählung vom Jahre 1900 hinzugefügt. Daraus ergibt fich nachftehende Reihenfolge: 


1905 
712168 
52197 
34500 
21792 
18565 
18187 
17141 
15521 
14145 

6639 

6360 

5914 

5491 

5144 

4514 

4442 

4013 

3871 

3690 

3625 

2692 

2681 

2678 

2223 

2220 

1580 

1472 

1339 

1205 


1900 
61914 
48310 
30195 
20921 
17795 
16899 
15824 
14050 
13716 

6128 

6207 

5868 

4785 

5232 

3931 

4202 

3664 

3122 

3629 

3458 

2701 

2600 

2808 

1952 

2275 

1558 

1339 

1347 

1100 


2 


April 1906. 


CHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 


L/ 


Yandgemeinden: 

1905 

1) Scıfferftadt 7508 

2) Haßloch 7119 

3) Mutterftadt 4653 

4) Mittelberbad) 4502 

5) Herrheim 4426 

6) Lambsheim-Mardorf 4322 

T) Oberberbad 3998 

8) Rheingönheim 3766 

9) Kandel 3664 

10) Oppau 3661 
11) Rodalben 3623 
12) Rülzheim 3368 
13) Maifammer-Alfterweiler 3298 
14) Bellbeim 3243 
15) Eifenberg 2955 
16) Hochſpeyer 2684 
17) Mußbach 2676 
18) Freinsheim 2504 
19) Iggelheim 2470 
20) Neuhofen 2467 
21) Rohrbach b. St. Ingbert 2453 
22) Offenbad) 2406 
23) Weijenheim a. ©. 2362 
24) Albersweiler 2325 
25) Lachen Speyerdorf 2281 
26) Edesheim 2273 
27) Hambach 2234 
28) Ramftein 2213 
29), Wörth 2168 





1 


1900 
6075 
6423 
4294 
3972 
4179 
4095 
3415 
3118 
3601 
3354 
3151 
3201 
3475 
2955 
2555 
2508 
2632 
2462 
2315 
216U 
2185 
2202 
2362 
2143 
2266 
2264 
2244 
2082 
2018 


Die größeren Städte (mit iiber 10000 
Einwohnern) haben danach ihren Plat be: 
hauptet. Die fleineren Städte dagegen 
haven alle, mit Ausnahme von Germers- 
heim, Annweiler und den vier legten, 
ihre Pläße geändert, Bemerfenswert iſt 


aud) diesmal wieder der Bevölkerungs 
zuwads von Ludwigshafen, das jeit | 
1895, wo es 39779 Einwohner zählte, 


jeine Einwohnerzahl nahezu verdoppelt hat. 
Pirmaſens vermehrte fi) um rund 5300, 
tailerslautern nur um 3900, Nadı 
diefen drei großen Fabrikſtädten hat die 
größte Zunahme St. Ingbert mit 1471 
aufzumeifen; es folgt dann Yandau mit 
1317, Sranfenthal 1288, Zweibrüden 
1029, Speyer 8T1 und Neuftadt mit 
768. Abgenommen hat die Einwohnerzahl 
in Deidesheim um 130, in Edenfoben 
um 88, in Wadenheim um 55, in 
Dtterberg um 9 und in Obermoſchel 
um 8. Bei den größeren Landgemeinden 
haben nur Maifammer und Hambad 
einen Bevölferungsrüdgang, und zwar 
eriteres einen jolchen um 176, letzteres 
einem jolhen um 10 Köpfe. Dagegen 
haben in der Neihenfolge nadı der Be- 
völferungszahl nur fünf der größeren Yand- 
gemeinden ihren Platz behauptet, nämlich) 
Mutterfiadt, Oppau, Bellbeim, 
Freinshbeim und Wörth. Haßloch, 
das bisher die größte Landgemeinde der 
Pfalz mar, 
überflügelt. Mittelberbad kam über 
Herrheim und Yambsheim-Mardorf, 
Maitlammer-Alfterweiler rüdt von 
der 8. auf die 13. Stelle und umgefehrt 
Nheingönheim von der 13, auf die 8. uſw. 


Die Gejamtbevölferung der Pfalz beträgt | 


jett 885280 und ift feit dem Jahre 1900 
um 53602 Seelen gewachſen. (X. U.) 


II. 


Das Erhebungsmaterial der Volks— 
zählung vom 1. Dezember 1905 (Bäh 
lungsliften, Stontrofliften ujmw.) ift nun: 
mehr zum größten Zeile dem fgl. Sta- 
tiftiihen Bureau zugefommen, jo daß da» 
jelbft die Arbeiten für die Auszählung 
bereitö beginnen fonnten, Für mehrere 
Monate find das jedoch nur Vorarbeiten 
zur eigentlihen Zählung, der Feititellung 
der Ergebniſſe. 


wurde von Scifferftadt | 


38 











Man begegnet häufig der Anichauung, 
daß die Bolfszählung mıt dem Erhebungs- 
tage des 1. Dezember oder doch alsbald 
nachher beendet jei; dies iſt eine irrige 
Annahme. Die Volkszählung findet aller: 
dings nad) dem Stande vom 1, Dezember 
ftatt; an diefem Tage werden aber nur 
die Berjonalangaben (die Zählungslifte ent- 
hält für jede einzelne Perſon 17 Spalten) 
aufgezeichnet ; die Auszählung diejer An» 
gaben kann erjt nach mehreren Monaten 
in den ſtatiſtiſchen Bentralitellen der ein» 
zelnen Bundesftaaten beginnen, und die 
Ichließliche BVeröffentlihung der Ergebniffe 
fann jeweils erft längere Beit nach dem 
Bolfszählungstag erfolgen. Beiſpielsweiſe 
mag erwähnt werden, daß das Staijerliche 
ftatiftiiche Amt in Yerlin die Grgebniffe 
der Volkszählung vom 1. Dezember 1900 
für das Deutfhe Reich im April 1903 
veröffentlicht hat. 

Da es die Allgemeinhei intereifieren 
dürfte, etwas über den Gang einer Bolfs- 
zählung zu erfahren, mögen hier einige 
Angaben folgen. 

Das bayeriſche Zählungsmaterial der 
legten WBolfszählung befteht — abgeiehen 
von etwa 30000 Nebenliften (Kontroll— 
liften 20.) — aus den für jede einzelne 
Haushaltung angelegten Liſten, zujammen 
rund 1500000 Zählungsliften, welche — 
bei einer Yiftenbreite von 49 Zentimeter 
— nebeneinander ausgebreitet eıne Yänge 
von über 750 Kilometer ergeben würden, 
gleich der Bahnftrede von Münden nad 
Florenz. 

Nach Eintreffen des Materials ım kgl. 
Statiſtiſchen Bureau erfolgt zunächit die 
Prüfung der Zählungsliften auf Boll« 
zähligfeit (nach Gemeinden und gemeind- 
lihen Zählbezirken), jodann die Prüfung 
des Yilteninhalts. Bei der vorletten Zäh— 
lung waren rund 25000 Lilten mangelhaft 
oder unrichtig ausgefüllt und mußten zu 
bejonderer Erhebung zurücdgejendet werden. 

In den beum Statijtiichen Bureau zu 
bearbeitenden Zählungsliften find die Per- 
fonalangaben von rund fehs Millionen 
Perjonen aufgezeichnet (die Zählungs— 
ergebniffe für die Stadt Münden 
werden durd) das ftädtiiche Statiftifche Amt 
bearbeitet). Alle dieſe verjchiedenen Per— 
jonalangaben (Geſchlecht, Geburts-Tag, 


39 


Monat und -Jahr, Geburtsort, Familien- | 
jtand, Meligion, Staatsangehörigfeit, Mili- 


tärzugebörigfeit ujw,) können aber nicht 
gleichzeitig aus den Grhebungsliften aus 
gezählt werden. Daher werden die für 
die erite Bearbeitung (j. u.) erforderlichen 
einzelnen Angaben für jede Perſon auf 
ein fleines Blättchen — für männliche und 
weibliche Berjonen je von befonderer Farbe 
— aufgejchrieben und dann je nach dem 
Inhalte der zu fertigenden BZujammen- 
ftellung gruppiert und abgezählt. 

Da bei diejer erften Bearbeitung für 
jeden der außerhalb der Stadt München 
gezählten rund jechs Millionen Einwohner 
zwölf Angaben in Betracht fommen, müffen 
172 Millionen Angaben ausgeichrieben 
werden, Die ausgejchriebenen 72 Millionen 
Angaben werden durch Bergleihung mit 
den rund anderthalb Millionen Urliften 
auf Nichtigkeit geprüft. Erft nach dieſen 
Borarbeiten beginnt die erſte der ver- 
Ichiedenen Auszählungen, bei der Volks— 
zählung von 1900 begannen dieje im 
Dftober 1901, aljo zehn Monate nad) dem 
Erhebungstage. 

Das Auszählen erfolgt in der Weile, 
daß die Vlättchen nach den auf ihren ver 
zeichneten Angaben — 3. B. nach dem 
Familienſtand in vier Häufchen (für ledige, 
verheiratete, verwitwete, geichiedene Per— 
fonen) — ausgeſchieden und dann abge: 
zählt werden. Wird 3. B. die Staats— 
angehörigfeit bearbeitet, jo werden Die 
Blätthen in ebenjoviele Häufchen aus: 
einandergelegt, als Staaten berüdlichtigt 
werden. Das bezügliche Verzeichnis deut- 
jcher und ausländischer Staaten umfaßt 
rund 60 Staatennamen. Yede einzelne 
dev Bearbeitungen der Bolfszählung er- 
fordert eine” folde gefonderte Ausscheidung 
und Abzählung von ſechs Millionen Blättchen. 

Die erfte der Bearbeitungen beim fgl. 
Statiftiihen Bureau bezieht fih auf das 
von Ddiejem herauszugebende Gemeinde— 
verzeihnis, welches für jede Gemeinde 
15 verichiedene Angaben über den Be- 
völferungszuftand und die Unzahl der 
Haushaltungen nachweiſt. Da 7993 Ge— 
meinden in Berradıt kommen, ergibt die 
Ausicheidung rund 120000 Häufchen von 
Bählblättern, jo daß ebenfoviele Zahlen feit- 
zuftellen und in Rubrifen einzutragen find, 








— — — — —— — — —— 


Mit dieſer Arbeit ſind aber nur für 
jede einzelne Gemeinde die Summen her— 
geitellt, die für da8 Gemeindeverzeich— 
nis erforderlich find (3! B, für jede Ge- 
meinde die Summe der fämtlichen Aus: 
länder nur in einer Zahl). Für die nad) 
Bundesratsbefchluß herzuftellenden elf be— 
jonderen Tabellen ift noch eine Reihe von 
bejonderen Bearbeitungen (nad) Religion, 
Staatsangehörigfeit, Alter ujw.) erforder« 
lid. Hinfichtlih der Religion jcheint 
dies eine einfache Arbeit zu fein, da die 
meiften wohl nur an die drei Hauptnamen 
Natholifen, Proteftanten und Söraeliten 
denken. Das Verzeichnis der Befenntniffe, 
die bei der Erhebung jelbit in die Liften 
eingetragen werden fönnen, umfaßt aber 
weit über 200 verjchiedene Bezeichnungen, 
die bei der Bearbeitung in neun Haupt- 
gruppen zu vereinigen find. 

Noch umfangreicher ift die Ausscheidung 
nad dem Alter der Perjonen. Diele 
erfolgt zwar nicht nad} einzelnen Gemeinden, 
fondern nur nad größeren Gemeinden, 
Städten und Amtsgerichten, Es ergeben 
fich aber 3. B. für jedes Amtsgericht zus 
nächſt 100 Päckchen von Zählblättchen für 
die 100 Geburtsjahre jeit 1805. Da 
ferner die Zählung am 1. Dezember ftatt: 
fand, muß bei der Altersziffer ſtets auch 
in das Borjahr zurüdgegriffen werden. 
3. B. die am Bählungstage im 1, Lebens- 
jahr ftehenden (unter 1 Jahr alten) Kinder 
jegen ſich zuſammen aus jolden, die im 
Jahre 1905 (bis zum 30, November), und 
folchen, die im Dezember 1904 geboren find. 

Bei der Ausscheidung nah dem Alter 
find daher die Wlättchen für jeden Yahr- 
gang in ſolche zu jcheiden, welche die in 
der Zeit vom ‚Januar bis zum 30, November 
eines Jahres uud in folche, welche die im 
Dezember des Vorjahres geborenen be- 
zeichnen. Dies ergibt, da mit einem Lebens— 
alter bis 100 Jahren zu rechnen ift, 200 
Alterspädchen, die wieder für fich nach dem 
Geſchlecht und den vier Hamilienjtandsarten 
der dargeſtellten Perſonen auszujcheiden 
find, Die Altersausjcheidung für die Per, 
onen eines Amtsgerichts ergibt daher — 
wenn man als geringites Alter für Ver— 
heiratete das 20, Lebensjahr, für Ver— 
twitwete und Gejchiedene das 30. Lebens- 
jahr annimmt — etwa 1230 Päckchen von 


— 40 — 


Zählblättchen, jene ſür ſämtliche Amts— | der 1. Zuli 1907 für die Tabellen nad 
gerichte, Städte und größere Gemeinden | Oberlandesgerichtsbezirfen, Wahlkreiſen, 
etwa 380000 Pädcen. Für jedes diejer | Eleineren Verwaltungsbezirken (unmittel: 
Päckchen ift die Zahl der Blättchen (Per- | baren Städten und Bezirfsämtern), Ger 
fonen) durch Abzählen feitzujtellen und in | meinden und Wohnplägen und endlich für 
die betreffende Tabellenrubrit einzutragen. | Ausjcheidung nad der Religion, welche den 
Ähnlich vollziehen fich die Bearbeitungen | Schluß der Bearbeitung bildet. 
der Volfszählung für die übrigen Tabellen. Mit Nücjicht auf diefe Termine ift im 
Un das Abzählen der Blätthen und | fgl. Statiftiichen Bureau ein beitimmter 
den Eintrag in die elf Tabellen fjchließen | Arbeitöplan aufgeftellt, von welchem nicht 
ih dann jeweild noch die Arbeiten der | abgewichen werden fann. 
Prüfung, Vergleihung, Auffummierung der Die eingangs erwähnte irrige Auffaſſung, 
Bufammenftellungen ufw., welche gleichjalls | als ob am BVolkszählungstage das Volks: 
einen erheblichen Zeitaufwand beanfpruchen. | zählungsergebnis geihaffen würde, und 
Tiefe verjchiedenen Bearbeitungen der | die bald nach dem Bählungstage erfolgte 
Volkszählung können felbftverftändfich nur | Bekanntgabe des vorläufigen Ergebniſſes 
je für fih und nad und nad) erfolgen. | binfichtlich der Gefamt-Einwohnerzahl der 
Da die Bearbeitung in allen deutichen | Bezirfsämter und unmittelbaren Städte 
Staaten gleichzeitig und gleihmäßig voll- | haben zur Folge gehabt, daß beim gl. 
zogen wird, find vom Bundesrat für die | Statiitifchen Bureau ſchon von manchen 
Sertigitellung der einzelnen Tabellen ber | Seiten nad Einzelheiten der Erhebungs: 
jondere Termine feitgejegt. Es find dies: | ergebnifje angefragt wurde, die nicht mit- 
der 1. März 1906 für die vorläufige | geteilt werden fonnten, da deren endgil- 
Überficht; der 1. November für Flächen | tige Bearbeitung erft jet in der oben 
und Einwohner und die bejondere Auf | dargeftellien Weife vorbereitet werden fann. 
ftellung nach Boll: Direftivbezirfen; der 1, Diefe Zeilen jollen daher nicht nur 
Februar 1907 für die befondere Bearbei: | weiteren Streifen der Bevölferung einen 
tung der Haushaltungen nach Art und Zu- | Einblid in die Werfjtätte des Wolfs- 
jammenfegung; der 1. Mai 1907 für die | zählungsgeichäftes gewähren, fondern aud) 
Ausscheidung nach der Staatsangehörigkeit | eine zutreffendere Bürdigung der Bolfs- 
“und die Nadweilung der Landiturmpflich- |; zählungsarbeiten ermöglichen, welche ver 
tigen nach ihrer militärischen Ausbildung; | frühte Anfragen verhindern. (M. N. NR.) 





Aontignitätsentfchädigung der Arone öſterreich an Bayern. 


Bei der Beratung der Nacmeifungen | geichloffen zu Wien am 23. April 1815 
zum Gtat der Zinſen, Menten und zus | zwilchen Dfterreich, Rußland, Breußen und 
fälligen Einnahmen ujw. fragte Referent Bayern unter Mitwirfung von England, 
Neicherat Frhr. dv. Wiirgburg nad) der | wurden die Gebietsverhältniffe Bayerns 
Herfunft der mehrbeiprochenen, in diefem | neu geregelt und insbefondere der Anfall 
Etat verrechneten 150000 ME Konti- | beträchtliher badiſcher Webietsteile an 
guitätsentfhädigung der Strone Ofter- | Bayern verabredet. Der Vertrag wurde 
reich. Der Finanzminifter gab darauf Über | aber nicht genehmigt. Im Vertrage mit 
deren hiftorifhe Entwicklung eine längere | Dfterreih vom 14. April 1816 mußte 
Erklärung ab; hiernach war Bayern fchon | Bayern auf den Zufammenhang feines Ge: 
in einem geheimen Artifel des Rieder Ver: | bietes verzichten. In den beigefügten ge- 
trage von 1813 für etwaige Gebiets: | heimen Artıfeln wurde aber der badijce 
abtretungen cine Gntihädigung in der | Main- und Tauberkreis beſtimmt, der 
Weije veriprochen worden, daß Abtretungen | Krone Bayern als Entſchädigung zu dienen 
in Bayern mit diefem ein zuſammen- für den veriprodjenen territorialen Zu— 
hängendes und ununterbrochenes Ganzes | jammenhang. Damit die Intereſſen Preußens 
hilden. In einem weiteren Bertrage, ab» durch den Aufichub, welchen die Abtretung 





des Main- und TQauberfreijes erfahren 
würde, nicht verlegt werden fünnen, über: 
nahm aber durch Artikel II diejes geheimen 
Vertrages der Kaiſer von Delterreich die 
jährlihe Zahlung einer Entihädigung, die 
nad) freiwilliger Übereinkunft auf 100000 
Gulden RW. feitgeiegt wurde. Auf Grund 
Bertrages von 1819 mit Baden wurde in 
den Frankfurter Gebietörezeß die Beſtimmung 
aufgenommen, daß die Baden im Bertrage 
von 1813 auferlegte belajtende Klauſel 
widerrufen jein joll. Zugleich verwandelte 
der Kaiſer von Defterreich in Artikel VII 
dieſes Rezeſſes die bedingte und temporäre 
Nente von 100000 Gulden, welche er in 


41 


dem Münchener Bertrage von 1816 über: 


nommen hatte, zum ®Borteile Bayerns in 
eine immermwährende Rente (un rente 
perpetuelle). Hierin hat die Öfterreichifche 
Kontiguitätsentichädigung ihren Grund. 





Die Staatsſchuldenkommiſſion in Wien 
beichloß neulich, die Regierung aufzufordern, 
ihr die Aften über die Abfindungsjumme 
von 100000 Gulden, die jeit dem Jahre 
1814 für die Abtretung des Main-Tauber- 
Kreijes in Bayern bezahlt wurden, auszu- 
folgen und eine Ginigung durch Zahlung 
einer einmalıgen Abfindungsjumme 
anzuregen. 


Ein Balaltgang im Baardtgebirg, 
Bon Otto Stang. 


Die hohe Dfthaardt mit dem fteilen 
Abfall nach der Nheinebene wird durch den 
jogenannten Buntjandjtein gebildet, deſſen 
tiefere Schichten längs des Djftabhanges 
überall fihtbar zu: 
tage treten und ein 
vortrefflihes Baus 
material liefern, 
das in zahlreichen 
Steinbrücdhen ge 
brochen und weit: 
hin verjendet wird. 
Auch die Unterlage 
de8 Sandſteines 
wird? an vielen 
Stellen fihtbar 
und beſteht «us 
Gneis, Porphyr, 
Melapbyr und ans 
deren Gefteinsar- 
ten, die jämtlih älteren Uriprungs find 
als der Buntjandftein. Während das 
Haardtgebirge fich ſonſt frei von jüngeren 
GEruptivgefteinen zeigt, macht das mächtige 
Vorfommen von Bafalt in einem engen 
Tale bei Forft eine Ausnahme. Ungefähr 
3 km meitli von dem Dorfe hat ein 
mächtiger Bajaltgang den Sandftein durd)- 
brochen. Der Zeil des Bergrüdens, der 
diefes fchwarze Geftein birgt, heißt der 
Pechſteinkopf, der zugleich eine prachtvolle 
Ausfiht auf das Nheintal bietet. 

Diefer Bafalt hat durd feine eigen- 











tümliche Beichaffenheit, durch interefjante 
Mineraleinichlüffe, ſowie durd feine Lage— 
rungsverhältniffe und nicht zulegt durch) 
feine praftijche Verwendbarkeit jchon lange 
die Aufmerfjamfeit — 
weiterer Kreiſe auf 
ſich gezogen. 

Der Balaltgang 
erſtreckt ſich in der 
Richtung von Nord» 
oft nah Südweſt 
aufeine Entfernung 
von 7T00- 800 m. 
Dod find die beiden 
Enden des Ganges 
nod) unbefannt, da 
fie durh über 
lagernden Grus 
verdedt find. Der 
Gang hat nad) den 
bisherigen Aufichlüffen 150 —200 m Mäd)- 
tigkeit. Wie weit er in die Tiefe geht, ift 
unbeftimmt. Nach Anfiht der Geologen 
ift feine Tiefe unbegrenzt. Der Bajalt 
heißt im Volksmunde Pechſtein. Als Pech— 
ſtein bezeichnet die Wiſſenſchaft halbglaſige 
Maſſen von pechähnlichem Ausſehen mit 
mehr oder minder ſtarkem Fettglanz, vor— 
herrſchend dunkelgrau, bräunlich oder ſchwärz⸗ 
lich gefärbt, denen ein Waſſergehalt eigen- 
tümlich ift. (Siehe: Zeitfchrift der deutichen 
geologischen Gejellichaft, 19. Band, 1867, 
S. 778 ff.) 





Der Bajalt bei Forft ift durch Brüche 
aufgejchloffen. Einen gar ichönen Anblick 
gewähren hier die aus gewaltıgen Säulen 
pfeilern aufgebauten Gefteinsmafjen. Die 
Bafaltmaffen find nämlih in regelmäßigen 
jechsjeitigen Säulen abgejondert, die durd) 
wagrechte Teilung in 80—150 cın lange 
Stücke gegliedert erjcheinen 
von 40—80 cm und wohl auch noch da- 
rüber fteigen die Säulen in langgejtredten 
Reihen meistens fchief auf. 
Säulen haben fih im Laufe der Zeiten 
weiße weiche Rinden abgejegt, die 90— 96 
fohlenfauren Kalk enthalten. Zahlreiche 
Spalten im Bajalt find aud mit Kalkſpat 
ausgefüllt, jo daß die falfigen Majjen wie 
Schnüre oder Adern die Bujaltlager durd)- 
ziehen. (Über die Stalkbildungen fiche Jahres- 
bericht der Pollihia, 1866, ©. 214 ff.) 

Der Bajalt bildet im Bruche ein dichtes 
blaufhmwarzes Geftein. Sein jpezifiiches 
Gewicht iſt 3,5—-39. Nah Profeflor 
Dr. Leppla in Berlin (Siehe Yahresbericht 
der Pollichia, 1884, ©. 54 ff.) find im 
Forſter Bafalt folgende Gemengteile zu 
beobaditen: Mit bloßem Auge erfennt man 
die häufigen und oft ziemlich großen blaß 
grünen Körner von Dlivin. Die frijchen, 
lebhaft glänzenden Kryſtalle find mit ſchwach 
grünlidy-gelber Färbung durchſichtig. Faſt 
alles, was nicht dem Olivin im Geſtein 
angehört, iſt Augit. Die Augite beſitzen eine 
blaßbräunliche bis gelbbräunliche Färbung, 
der Rand iſt etwas dunkler. Im Augit 
find hin und wieder Olivinkryſtalle und 
vereinzelte Magnetitförner eingeſchloſſen. 
Als dritter Gemengteil find leßtere ver: 
treten. Der Magnetit bedingt die Schwarze 
Färbung des Geiteins durd feine große 
Berbreitung in annähernd gleichmäßig großen 
Kriftällhen. Die Bafis bilder gleid)- 
jam das Bett aller einzelnen Mineralaus- 
jcheidungen, tritt aber gegen dieje fo zurück, 
daß es bei flüchtiger Betrachtung Überhaupt 
nicht leicht jein dürfte, die Balis zu jehen. 
Sie ftellt fih als ein farblojes Glas dar. 
Weitere Kriftalle find nicht im Bajalt ein: 
geftreut. 

Brofeflor Cohm von Straßburg äußert 
fi über den Bajalt von Forſt aljo: „Das 
Beftein von Forſt ift ein Lımburgit; die 
Grundmaffe befteht aus Augit, Magnetit 
and einer nicht allzu reichlich vorhandenen 


In einer Dide | 
des Mephelinbajaltes 


Zwiſchen den | 








farblojen, ijotropen Balis, die in der Kälte 
durch Salzſäure zerjegt wird und eine 
reichlich Chlornatrium enthaltende Yöjung 
lieſert. Porphyrartig eingeiprengt treten 
Augit, Olivin und einzelne große Magnetite 
auf, der Dlivin mit zierlihen Einſchlüſſen 
von PBicotit. Nach dem Berhalten der Baſis 
wiirde der Yimburgit als ein Acquivalent 
aufzufaflen fein.“ 
(Jahresbericht XL—XÄLI der Bollichia, 
Dürfpeim 1884, ©. V.) 

Der Foriter Bafalt it aljo aus Augit, 
Dlivin, Magnetit in farblofer Baſis zu: 
jammengejegt und alfo ein typiſcher Lim: 
burgit, wie Profeſſor Roſenbuſch ſolche 
Geſteine nach einem Vorkommen am Kaiſer— 
ſtuhl bezeichnet hat. (Neue Jahrbücher für 
Mineralogie von. C. v. Leonhard, 1872.35.) 


Der den Bajalt bedefende Sanditein 
ift von heller Farbe, jehr ſchwach verfittet 
und läßt fich leicht wieder zu Sand zer 
ftoßen. Sein Bindemittel ift teil$ Quarz, 
teils Kalt. Auch Liegen fefte quarzige 
Mailen auf den Gehängen. Das Volt 
nennt fie Waden. 


Die Entftehung des Baialts hat viel- 
fahe Deutung erfahren, Auch über die 
Beit der Entitehung gingen die Anfichten 
ichon weit auseinander, Die ziemlich all: 
gemeine Annahme, daß der Bajalt in vor— 
geichichtlicher Zeit zu Ende der Tertiär- 
periode entitanden, der Pechſteinkopf eine 
Veranlaffung des Diluviums diefer Gegenden 
jei, blieb nicht unbeftritten. Aus Mißver— 
ftändnis einer bedeutungsvollen Stelle des 
Taecitus (Annal., XII, 57), die von einem 
Feuerausbruche aus der Erde in den ger: 
manchen Rheinlanden unmeit Köln handelt, 
ließ man ihn inmitten der hiftorijchen Zeit 
entjtehen. (Neues Jahrbuch der Mineralogie 
von Dr. Leonhard, 1833, ©. 670.) 


Im Hinblide auf die Lehre von der 
Entjtehung des Bajalts fann man 2 Schulen 
unterjcheiden, da über die Bildungsweife 
des Bajalıs zwei verjchiedene Anfichten 
geltend gemacht werden. Die eine Schule 
betrachtet das Waſſer als Bildungsurfache 
des Baſalts und wird deshalb als die 
neptuniftiiche bezeichnet nach Neptun, dem 
Gott des Meeres in der griechiichen Götter: 
lehre. Die andere Schule, die plutonijche 
oder vulfaniihe (nad) Pluto, dem Gott 


des Feuers), lehrt, daß das Feuer bei der 
Bildung des Bajalts wirfiam geweſen jei. 

Dr. F. Mohr in Bonn vertritt die 
Theorie, daß aller Bajalt auf naffem Wege 
entjtanden ſei, d. h. er hätte fich nach und 
nah auf dem Grunde der Gewäſſer nad) 
dem Geſetze der Schwere abgelagert oder 
niedergeichlagen.. War doch das ganze 
Rheintal von Bajel bis Bingen nach Anficht 
der Beologen in der Urzeit ein ungeheuerer 
Ere. In diefen großen Binnenjee ergoffen 
fich die Waffer des Aheines und Maines, 
welche das nördlich und früher tiefer ge- 
legeue Schiefergebirge bei Bingen durch— 
bradyen und den Abfluß des Waſſers nad 
der Nordiee bemwirften. Was unleugbar 
die Überijchwemmung diefer Gegend durd) 
das Meer bemeift, Jind die Ülberrefte von 
Haififhen und anderen Seetieren, die man 
bejonders bei Alzey und an der Nahe findet; 
ferner die Schichten zahllojer Meerjchneden, 
welche ganze Hügelreihen des Rheinufers 
von Mainz bis Laubenheim bilden und fich 
auf eine Tiefe von 15—18 m erftreden. 
Die Anficht, daß der Bajalt eine Wirfung 
des Wallers jei, findet nah Dr. Mohr in 
dem Forfter Bafalt die vollftändigite Be- 
ftätigung. Der Forſter Bajalt enthalte 
1’ o/o Kohlenjäure und 2,025 » Wajier 
in jeinen Stanälen eingeichloffen Auch jei 
er verwitterbar, während alle geichmolzenen 
Steine früherer und noch tätiger Bulfane 
geradezu unverwitterbar feien. Die Urjache 
diejer Vermwitterungsfähigfeit fieht Dr. Mohr 
in dem Gehalt des Baſalts an Eohlenjaurem 
Waſſer und Spateifenftein. (Siehe Dr. Mohr, 
der Bajalt vom Bechfteinfopf im XXII.XXIV. 
Fahresbericht der Pollichia, Dürkheim 1866, 
©. 214 ff.) 

Gejteine, welche wie unjer Bajalt Waſſer 
und Sohlenjäure enthalten, können nad 
Anfiht der Neptuniften nie gejchmolzen ge- 
weſen jein, da mafjerhaltige Subftanzen 
das Waller in der Glühhige verlieren und 
Kohlenjäure durch Glühen ausgetrieben 
werden kann. Es lehren dies Beobachtungen, 
die man im Laboratorium gemacht. Aber 
gewiß fann in der Natur möglic) jeın, was 
im Laboratorium oder fonft Fünftlich nicht 
gelingen will. Es fann der Baſalt Waſſer 
und Stohlenjäure enthalten und doc aus 
feurigflüffigen Maſſen, die an die Erd— 


43 


oberfläche gelangten, entjtanden jein. — | 


Iſt doh auch Schon Waller in der Lava 
beobachtet worden. Biele Geologen, wohl 
die Mehrzahl, erflärt deshalb den Bajalt 
für ein Gluterzeugnis. Die heute den 
Bafaltgang füllende Maſſe jei urfprünglich 
in einer weiten Spaltenfluft des Sandfteins 
aus der Tiefe in geichmolzenem Buftande 
emporgeprekt worden. 

„Und vorwärts troß Schichten und Seen 

Drang ſiegreich der feurige Held, 

Bis daß er von fonntgen Höhen 

Zu Füßen ſchaute die Welt.” 

(B. Sceffet.) 

Mächtige Kräfte, wie fie bei Erdbeben 
fich offenbaren, haben die feurigflüffige Maſſe 
emporgehoben. An der Oberfläche fühlte 
fich diefe ab und erftarrte. Die eigentliche 
Gangmaſſe des Baſalts hat fich bei der 
Abfühlung und Erſtarrung zunädit zu 
großen Kugeln abgejondert, die teilmeije 
ineinander übergreiſen und jo verwachſen 
find. In diefen Gebilden hat dann bei 
weiterer Abkühlung die Abjonderung der 
ihon erftarrten Maffe zu Säulen ftatt- 
gefunden. 

Treten wir auf Seite der PBlutoniiten, 
welhe den Bajalt für echte alte Laven 
halten, die an dem Orte ihrer jegigen 
Pagerftätte aus Spalten übergeflojlen find! 
Der Augenschein ſchon läßt faum einen 
Zweifel über ſeine eruptive Natur, über 
fein Flüffiggeweienfein. Oberfläche und 
Inneres gaben Kunde von dem einftigen 
glühend-flüffigen Zuftand. Doch 

„Grau, teurer Freund, ift alle Theorie 

Und grün des Lebens goldner Baum”, 
fagt Goethe. Wenden wir uns deshalb 
der Indnſtrie des Bruches zu! 

Der Bajalt bei Forſt liefert ein äußert 
wertvolles Deck und Pflaftermaterial für 
Straßen. Untern 6. Mai 18909 wurden 
dem mechaniidytechniichen Laboratorium der 
föniglihen technischen Hochſchule München 
Eteine aus dem Forster Bruche überjendet, 
um das Material einer Prüfung auf Ab— 
nügbarfeit und Druckfeſtigkeit zu unter 
werfen. Aus den überfandten Steinen 
wurden 6 Stüd Probewürfel von je 5,5 cm 
Stantenlänge herausgejchnitten, deren Prü— 
fung in der üblichen Weife erfolgte. Das 
Ergebnis der Unterfuchung, das äußerſt 
glinftig ausfiel, ift in nachjtehender Tabelle 
enthalten. 


44 


















































| | |  Abnügbarfeit |Drud ' 
\ | | für 200 Umdrehungen ber Bußeifen- feitig | 
Labor. 5 ! ‚Spn. ſcheibe im Normalradius von 49 cm! Feit 
| Material | & nn in kg) Bemert 
A 8 ‚Gem. tes 2tes | Btes | Mittel nah N 
| 8 | | mal | mal | = — Boiume pro 
| \ — ie er gr _| ccm Om, _ ß 
I J — a J | f Ei ki 
16 | Bafalt , a | 3091 185 | 118 | 1165| 120 | 3,9 | 3250 ne 
aus dem Brude, b | 308 | 194 | 115 | 116 | 118 | 38 1380) „ 
ce | 3071| 16|8|15 | 115 | 3,7 || 3030 | x 
| ber Gemeinde | 5 | 306 | 108 | 130 | 117 | 115 | 38 |sı0 | „, 
Forſt 5 e 306 | 108 | 112 [110 | ı10| 36 |sı0) , 
a. d. Haardt | f Ä 306 | 97 | 105 | 116 | 106 | 35 | 8155| „ | 
N N 
| — 
| | Mittel | ‚07 | 114 | 3,7 | 3170 | | 
| | | 
Mechanifch-tehnifches Laboratorium der K. techniichen Hochſchule 
(S.) gez.: Foppl. 


Die Bauverwaltungen haben aber auch 
mit dem Forfter Material im praftifchen 
Betriebe die beiten Erfahrungen gemacht. | 


Auch die zerfegten Bajaltmafjen, die in | 


braune, mürbe Mafjen und fruchtbare Erde 
übergehen, finden Verwendung. Sie werden 
ald ausgezeichnetes Material zur Boden» 
miſchung für die Wingerte benüßt und zur 
Erzeugung von Bufettwein gepriejen. Hier 
und in dev Umgebung ift Bajalterde ein 
hochgeſchätztes Material zur Bodenverbejle- 
rung und man überfährt die Wingerte mit 
Dunderten von Wägen, wodurch der Boden- 
wert natürlich ungemein ftieg. 
im Jahre 1828 von der Kgl. bayerischen 


Regierung vorgenommenen Stlalfifizierung | 


des Bodens nad) feiner Güte befindet fich 
Forft in der höchſten Bonitätsklaſſe (65) 
des Stönigreiches. Seine Rebenfelder tragen 
den König der Pfalzweine. „ES jcheint”, 
jagt der Pfälzer Dichter Fr. Blaul, „als 
ob das Feuer des ehemaligen Bulfanes 
noch fortglühe und als ob die Erdgeiſter 
da unten das lautere Gold ſchmelzen zum 
würzigiten feuerigfien Tropfen.“ 

Die Anfänge der Ausbeutung des Bruches 
liegen weit zurück. Sie find höchſt primi- 
tiver Natur, aber doch interejlant genug, 
fie zu verfolgen, da merkwürdige alte Rechts» 
verhältniffe damit verknüpft erjcheinen. Sie 
führen uns in frühere Jahrhunderte zurück. 
Entgegen der jegigen Praris treten in der 
Geſchichte als erſte Arbeiter „Weiber” auf, 
Im Dienfte der Stadt Neuftadt, melde 





Nah der 


altem Herfommen zufolge das Recht hatte, 
am Pfingftdienstag im Forſter Wald Pech— 
fteine zur Straßenpflafterung zu beziehen, 
finden wir an diefem Tage die „Weiber“ 
von Forſt als Arbeiterinnen auf dem Pedh- 
fteinfopfe beſchäftigt. In mühjamer Arbeit 
leſen fie an der Oberflähe Steine für die 
Stadt Neujtadt zujammen. Aber die jauere 
Arbeit wird den Frauen reichlich gelohnt. 
Wenn fie, was Feld und Garten boten, 
nad Neuftadt zu Marft trugen, genojjen 
fie Freiheit von Weggeld und Marftabgaben. 
Ya, jedem Bürger war dieſe Marftrecht- 
und Weggeldfreiheit zugeftanden. Uber auch 
' ein Tranf voll füßer Labe wurde am Pfingit- 
dienstage den müden Weibern gereicht 
Um recht viele fleißige Hände rege zu 
machen, hatte der Nat von Neuftadt oder 
ein Bürger diefer Stadt den jogenannten 
Weiberwein geftiltet. Bon einem Morgen 
Wingert im Schnepfenflug, heute Plan- 
Nummer 1305 "s, "a und "5, an der 
Niederfircher Straße gelegen, mußten jähr- 
lit) 2 Logeln Moft in den Gemeindefeller 
geliefert werden. Bon diefem Weinvorrate 
wurden 7 Biertel und 2 Maas „hellen“ 
Weines als der Mühe Preis den Bürgers: 
weibern nach vollbrachtem Werke gereicht. 
„Tages Arbeit, Abends Gäſte, 
Saure Wochen, Frohe Feitel (Goethe.) 
Die Stiftung beftand ſchon zur Zeit 
des dreikigjährigen Krieges und dürfte bis 
in das Ende des 15. Jahrhunderts zurüd- 
reichen. Die merfwürdigen Rechtsverhältniffe 





zwiſchen Neuftadt und Forſt erhielten fich 
fort bis in unjere Zeit herein. Nod in 
den vierziger Jahren des 19, Jahrhunderts 
zahlte Neuftadt für das Recht, in dem 
Forſter Gemeindewalde Bajaltfteine zur 
Unterhaltung des ftädtiichen Pflaſters holen 
zu dürfen, jährlich 1 Gulden 30 Kreuzer. 
Erſt im Jahre 1847 verzichtete Die Gemeinde 
Forft auf diefe Erfennungsgebühr und das 
Recht der Stadt Neuftadt erlofjh. Im 
Laufe der Zeit wurde die Lieferung von 
Wein vom BWeiberfeld an Weinzinfen für 
21 Maas Treberwein 2 Gulden 37 '/s 
Kreuzer an die Gemeindekaſſe abgeliefert. 
Im Jahre 1864 wurde dieje Weingülte 
um den 20jachen Betrag losgekauft. Damit 
ihwand das Andenfen an die Stiftung. 
Die primitive Art der Ausbeutung des 
Bruches wurde Jahrhunderte geübt. Wan 
brach einfach die Steine willtürlich an der 
Dberfläce des Pechſteinkopfes. Die Käufer 
hatten die Steine zu brechen und alles zu 


45 





jtellen, was zum Brechen und Transport | 


der Steine erforderlihd war, ohne hiefür 
Entjchädigung verlangen zu fünnen, Bon 
einer Ausſcheidung der Steine nad der 
Qualität war feine Rede. a, die Aus- 
beute geſchah ohne Auffiht und Stontrolle. 
Das Jahr 1838 brachte hierin eine Wendung 
zum Beilern. Durch Gemeinderatsbeichluß 
vom 19, uni 1838 murde eine Kontrolle 
eingeführt, mit welcher der Gemeindeadjunft 
und der Waldſchütz betraut wurden und 
hiefür eine GEntjchädigung von 2 Kreuzer 
pro chm zu beanjpruchen hatten. Das 
Bürgermeifteramt erteilte nun Anmeifungen 
und ftellte Ladeſcheine an die Fuhrleute 
aus, um Ordnungsmwidrigfeiten vorzubeugen, 
Sonit blieb alles beim alten. Den Grund 
zur heutigen ſyſtematiſchen Ausbeute des 
Prudjes legte der Gemeinderatsbeichluß vom 
25. Juli 1846. Beranlafjung zu diejem 
Beichluffe gab der geregelte Betrieb des 
Bruches des Agl. Ärars, der im Auguſt 
1841 in unmittelbarer Nähe der Gemeinde- 
bruchitellen eröffnet wurde. Der Gemeinderat 
befchloß, den Gemeindebruch in derjelben 
Weiſe auszubeuten, wie dies bei dem Sol. 
Aerarialſteinbruch geſchieht. Ein Bruch 
von 20 m Länge und 10 m Breite ſollte 
angelegt und das Geftein fiir die Folge auf 
Negie der Gemeinde gebrochen merden. 
Nach der Qualität wurden die Steine in 


3 Nlaſſen eingeteilt, wovon die 1. Klaſſe, 
ausgejuchte Steine, zu 2 Gulden, die 2. 
Klaſſe, gewöhnliche Pflafterfteine, zu 1 ®ulden 
20 Kreuzer und die 3. Hlaffe, Steine zur 
Chauffierung von Wegen, zu 40 Kreuzer 
pro cbm verkauft werden follen. 

Der Beſchluß war von großer finanzieller 
Tragweite. Die Betriebskfoften, ein neuer 
Faktor, betrugen gleich im Jahre 1846/47 
690 Gulden und murden hivon 617 Gulden 
für Brecher der Steine und 73 Gulden 
für Stontrolle und Aufficht verausgabt. Die 
Die Einnahmen ftiegen auf 1587 Gulden; 
mitbir ergab das Jahr einen Reingewinn 
von 897 Gulden. Die Broduftion belief 
fi auf insgefamt 1605 cbm. 

Dad Ergebnis mar immerhin ein 
günftiges troß der verhältnismäßig fehr 
beträchtlichen Betriebsfoften. Freilich war 
der Reinertrag in früherer Beit, in der 
man noch feine oder nur geringe Ausgaben 
fannte, zuweilen noch beträchtlicher, jo im 
Jahre 1840, das einen Reingewinn von 
2500 Gulden abwarf, da nur 5l Gulden 
für Auffiht und Drud der Radefcheine auf- 
zuwenden waren. Das Jahr 1830, alſo 
ein Jahr, in dem es noch feine Betriebs: 
auögaben gab, erbradte eine Einnahme 
von 300 Gulden. Der Preis der Steine 
betrug in dielen Jahren 36 Kreuzer pro 
ebm. Die Einnahmen aus einem joldhen 
Betriebe find ihrer Natur nad eben 
ſchwankend und unficher. Sie bewegen fi 
aber jeit 1847 in einer auffieigenden Linie. 
Folgende liberficht über die Einnahmen und 
Ausgaben des Bruches jeit 1850 und zwar 
von zehn zu zehn Jahren liefern den Be— 
weis, daß der Betrieb einen großen Aufs 
ſchwung genommen und für die Gemeinde 





eine hHochbedeutende Ginnahmequelle ge 
worden ift. Bemerft jei noch, daß in der 
Jahr Einnahme Ausgabe | Gewinn — 
Gulden | Gulden | Suiden | 
1850 115 82 33 — 
1860 | 2500 | 1355 14 | — 
‚ 1870 4356 | 2507 1849 — 
Dart Mart Mart 
1880 5094 4051 1045 — 
1890 | 114160 ⁊6620 3884 | — 
1300 | 34322 | 16705 | 17617 | — 











Summe der Ausgabe jämtlihe Betriebs- 
foften, aljo die Löhne, der Aufwand für 
Unterhaltung der Geräte, des Bruchmeges, 
die Beiträge zu den Arbeiterverficherungen, 
foweit dieje in Betracht fommen, das Gehalt 
des Aufſehers u. j. mw. eingeſchloſſen find, 

Wir erjehen aus den Zahlen vorftchender 
Tabelle, wie ſich der Bruch aus beſcheidenen 
Anfängen zu einem bedeutenden Unter— 
nehmen entwicdelte. Obgleich die Breiie 
der Steine im Yaufe der Jahre geitiegen 
find und zwar für nicht abgerichtete Steine 
pro cbm I. Klaſſe auf 6 ME, I. Klaſſe 
4 ME. und für abgerichtete Steine das 
ebm 1. Klaſſe auf 13 ME, IT. Klaſſe auf 
11 Mk., 11. Klaſſe (Schottermaterial) 3 ME. 
ab Bruch, hat doch der Abſatz eine ganz 
unerwartete Höhe angenommen. Im Jahre 
ar wurden 3. B. abgejett 445 cbm 

Klaſſe, 253 I. und 883U III, alfo ins: 
. 9528 cbm gegen 1605 ebm im 
Jahre 1847. An Bafaltgrund murden 
im Jahre 1890 2101 chm abgefahren 
a 050 Mt. Es gilt auch hier das Wort: 
das Gute bricht ſich Bahn. 

Freilich find auch die Betriebsfoften 
höher geworden, Während 3. B. noch im 
Jahre 1850 1 chm I. Klaſſe zu brechen 
1 Gulden, Il. Klaſſe 36 Kreuzer, II. Klaſſe 
12 Streuzer Eoftete, ſtellen sich heute die 
Preiſe wie folgt: 1. Klaſſe 2,25 Mk., IT. SL. 
1,50 ME. und IT. At. TO Pig. Für das 
Ubrichten der Steine werden pro cbm 
(I. und I. Alaffe) 4 ME. bezahlt, für das 
Schlagen des Straßenfchotters 3,60 ME. 
bis 4 ME, 

Bon der größten Bedeutung für den 
Aufihwung des genteindlichen Bruches war 
die Einftellung des Betriebes des Sal. 
Hrarialbruches im Jahre 1897, ſowie die 
ftreng durchgeführte ſyſſematiſche Ausbeute, 
der rationelle Betrieb des Gemeindebruches 
unter einem praftiich vorgebildeten AuleREN 


46 


der durch Gemeinderatsbeihluß vom 21. 
März 1896 aufgeftellt wurde. Das Sol. 
Straßen: und Flußbauamt Speyer ift jeit- 
dem bei fulanteftem Geichäftsverfahren ein 
prompter Abnehmer der im Ghemeindebruche 
anfallenden Bflafterfteine I. Klaſſe. Auch 
bezieht e& bedeutende Quantitäten Baſalt— 
rohmaterial für Straßenichotter auf die 
Staatsitraßen. 

Den Betrieb erichwert die örtlich un- 
günftige Lage des Bruches, da derſelbe 
etwa 1100 m vom Dfteingange des Forjter 
Tales entfernt ift und der Transport doch 
eine jehr wejentliche Rolle für die Renta— 
bilität ſpielt. Schon unterm 30. April 
1839 regte daher das damalige Yand- 
fommillariat Neuftadt an, für den Trans 
port eine Holzbahn vom Bruche bis zur 
Staatöjtraße anzulegen, da die Noften 
geringer jeien, als die einer Eifenbahn. 
Der Bezirfsbaufchaffner, der Plan und 
Koſtenvoranſchlag auszuarbeiten hatte, be» 
zeichnet eine Holzbahn als unpraftiich und 
empfiehlt den Bau einer Eifenbahı. 

Da die often einer Eiſenbahn nur 
vom Bruch bis zum Djteingange des Tales 
Ihon zu hohe waren — fie murden ver: 
anichlagt zu 20176 Gulden — entſchied 
fih der Gemeinderat für die Anlage eines 
Rollpflafters. In neuer Zeit wurde wieder 
die Anlage einer Drahtieilbahn in Erwägung 
gezogen, aber das WProjeft wieder fallen 
gelaffen. (Gemeinderatsbeichluß vom 12, 
Juli 1895 und 11, Januar 1896.) 

So it das mächtige Vorkommen von 
Bafalt bei Forſt in mehrfacher Hinficht 
von großem miflenfchaftlichen und ökono— 
milden Intereſſe und Die „ſteinreiche“ 
Gemeinde Forft befigt in den ‘Bajaltfteinen 
ihre jchwarzblauen Diamanten, in dem 
Baſaltgang des Bechiteinfopfes ein außer: 
ordentlich wertvolles Objekt, das hoffentlich) 
einen andauernden Betrieb geftattet. 


Bas forflide Intereffe für den Pfälzerwald. 


Der Bfälzerwald, die Freude des Natur« | 


freundes, geihäßt wegen der außerordentlich 


reihen Gliederung feiner Bodengeftaltung | 
und wegen des reizvollen Wechjels von | 


freundlichen Laub- und düjteren Nadelwald 
beftänden, wird auch von forftliden Fach— 


männern häufig als Neijeziel gewählt zum | 


N) 





Studium der forftlich technijchen Behand: 
lung. Was neben der großen Mannigfal- 
tigfeit der Beſtockung die Wirtichaft jo be» 
jonders intereljant macht, ift das heute noch 
erkennbare Ergebnis der jeinerzeitigen Wald» 
behandlung unter der großen Anzahl von 
Herrihaften, welche fich vor der Ummwälzung 


im Gefolge der großen franzöjiichen Revo- | 


lution in den heutigen Pfälzerwald teilten. 


Das waren hauptfächlih der Kurfürft von 


der Pfalz, der Herzog von Zweibrüden, der 


41 


Biihof von Speyer, der Fürſt und die 


gräflichen Linien von Leiningen, der Fürft 
von Naſſau Weilburg, der Marfgraf von 
Baden, der Landgraf von Heffen und na» 
mentlich uud) eine Anzahl beliehener Klöſter. 
Dann famen noch, ehe die Pfalz dem Staate 
Bayern angegliedert murde, zwei Dezenien 
franzöfiicher Herrichaft dazwiſchen. Cine 
forſtliche Praxis war auf mwifjenjchaftlicher 
Grundlage damald noch nicht aufgebaut, 
und fo wirtichafteten die Jägermeiſter und 
Forjtmeilter der Herrſchaften mehr oder 
weniger jozujagen jeder nad) eigenen Heften, 
wobei das verjchiedene Bedürfnis jeder 
Herrichaft und deren Untertanen, die Abſatz— 
möglichfeit für die Waldprodufte und — 
nicht zum wenigſten — die Pflege der Yagd 
die maßgebende Rolle jpielten. 

Nun find die hiernad) damals erfolgten 


großen Anzahl der legteren maßgebend für die 
künftige Behandlung, und es werden von jeßt 
ab immer noch manche Jahrzehnte vergehen, 


Maturpfleue. 


Die Staatöminifterien des Innern beis | 


der Mbteilungen geben im „Minifterial- 
amtöblatte” folgendes befannt: 

„Die Wlpenvereinsjeftion Mün- 
chen har gemeinfam mit anderen Ber: 
einigungen einen „Yandesausihuß für 


Naturpflege” gegründet. Diejer bezweckt 


den Schuß derjenigen Naturgebilde Bayerns, 
deren Erhaltung einem hervorragenden ide: 
alen Intereſſe der Allgemeinheit entipricht, 
und zwar a) durd Abgabe von Gutachten 
für die Behörden; b) durch möglichft um« 
fangreiche jelbitändige Tätigkeit, namentlich 
durh Weckung und Verbreitung des Sinnes 
für Naturpflege in den weiteſten Kreiſen 
und durch geeignetes Eingreifen bei Be- 
drohung einzelner Naturgebilde, insbejondere 
Stellung von Anträgen bei den zuftändigen 
Behörden; c) dur Heranziehung gleich- 
artiger Beftrebungen im Lande zu gemein» 
jamem Bujammenmwirfen. 


So kommt es, daß 3. B. das dem 
Pfälzerwald nadı Bodenart und natürlicher 
Holzartenvertretung am nächſten ftehende 
Waldgebiet des Speſſart, welder in der 
Dauptjadhe nur einer Herrichaft und darnach 
auch nur einem Wirtſchaftsſyſtem unterjtand, 
weniger eigenartige Bilder bietet, wenn 
auch in Einzelnem ohnegleichen großartige. 
Die reihere Abwechſelung in unſerm Hei« 
matmald macht denjelben daher jo intereilant 
für den Studierenden wie für den Praktiker. 

Der Pfälzerwald ift deswegen fchon 
immer das Biel zahlreicher foritlicher 
Studienreilenden, auch aus nicht deutjchen 
Ländern mit größerem Waldbelig gemweien, 
3. B. von Ruſſen, Defterreichern, Fran— 
zojen, Japaneſen. 

Am abgelaufenen Jahre wurde er nur 
von Ddeutichen Fachmännern bejucht, und 
zwar von Forſtprofeſſoren der Hochſchulen 
von Karlsruhe und Gießen mit Studierenden, 
von rechtörheiniich bayerischen, heifiichen und 


fürſtlich leiningenihen Wirtſchaftsbeamten. 
Eingriffe in den Wald entſprechend der | 
natürlichen Langlebigkeit jeiner Bejtände 
heute nad) einem Jahrhundert noch bei einer | 





Sie alle konnten fich befriedigend über ihre 
Wahrnehmungen ausipreden und werden 
faum verjehlen, in ihren Streifen neues 
Intereſſe für unjeren Wald zu werden und 
Nachfolger befommen, die dejlen Hegern 
und Pflegern gleihermaßen willkommen jein 
aren. 


(R. im Pſfwald.) 


Der Ausſchuß für Naturpflege wird ge— 
bildet aus Vertretern von Vereinen, welche 
die vorbezeichneten Beſtrebungen zu fördern 
| geeignet und bereit find. Zur Zeit beſteht 
derielbe aus PBertretern: 1. der Alpen: 
vereinsjeftion München, 2. des Vereins zur 
' Erhaltung der landfchaftlihen Schönheiten 
| der Umgebung Münchens, bejonders des 
ı SYartales, 3. des Vereins für Naturfunde, 
4. der Ornithologiſchen Geſellſchaft in 
Bayern, 5. der Bahyeriſchen Botanifchen 
Sejellihaft zur Erſorſchung der heimischen 
Flora, 6. der Seographiichen Gejellichaft, 
7. der Münchener Künftler-Genofienichaft, 
8. des Vereins bildender Künſtler Mün— 
chens „Sezeilion“, 9. der Stünfilervers 
einigung Yuitpoldgruppe, 10. des Baye⸗ 
riihen Architekten und Ingenieurvereins, 
11. des Bayeriſchen Bereins für Volfsfunft 
und Volfskunde, 12. des Bayerischen Bezirfs- 
dereins des Vereins deutjcher Ingenieure”. 





— 48 — 


Um die neue Einrichtung nicht zu | dem Vorſitzenden und zwei weiteren Mit- 
ſchwerfällig zu geftalten, mußte man ſich | gliedern befteht. Gr erledigt die Bureau 
bei der Auswahl der im Ausichuffe ver: | geichäfte einschließlich des Rechnungsweſens. 
tretenen Vereinigungen eine gewiſſe Be- In der Regel aber erfolgt Beichlußfaflung 
Ichränfung auferlegen. Um ferner die Mit: | inden Berfammlungen des Landesausſchuſſes. 
glieder auch in dringlichen Fällen folort Alle Zuschriften find an die Adreſſe 
zur Verfügung zu haben, wurde die Aus | „Landesausihuß für Naturpflege in Mün— 
wahl zunächſt auf Vereine gerichtet, die in | hen, Mathildenjtraße Nr. 4”, zu richten, 
Männchen ıhren Gik haben, An der Ger Die erwähnte Minifterialbefanntmacjung 
Ihäftsordrung ift jedoch bejtimmt, daß zu | enthält noch folgendes: „Den Stellen und 
Referenten und Sorreferenten nicht nur | Behörden der inneren Verwaltung wird an- 
Mitglieder des Landesausfchufles, jondern | heimgegeben, in geeigneten Fällen den Nat 
aud; anderwärtige Sacdverftändige aus- | des Landesausſchuſſes zu erholen. Diejelben 
gewählt werden fönnen, welden dann in | werden ferner etwaige Beftrebungen, welche 
den Berjammlungen Stimmredt zufommt. | auf die Bildung ähnlicher Ausſchüſſe in den 

Ferner ift zum Zwecke einer möglichft ein» | einzelnen reifen und Berwaltungsbezirfen 
fachen und fürderlichen Geichäftsbehandlung | gerichtet find, in jeder Weile unterftügen.“ 
ein engerer Ausſchuß eingejegt, welcher aus (M. N. M) 


Auf den ſtaatlichen Saargruben Gefamttiefe von 666 Metern, Die nädjt- 
die Gejamtförderung im Jahre 1904 im | tiefen Schächte find die Brefeldichächte mit 
ganzen 10 Millionen 364 777 Tonnen gegen , 619, die Camphauſerſchächte mit 568 Dietern 
10 Millionen 67338 des Vorjahres, Die Geſamttiefe. Es folgen dann der Helenen- 
Entwidlung der fiskalifhen Gruben ver ſchacht mit 564 Meter, die Meybaächſchächte 
anfchaulicht gerade ein Bericht über die | mit 525 Meter, der Redenſchacht Il mit 
Förderung am beiten. Sie betrug im Jahre | 490 Meter, der Herminenſchacht des Stein« 
1820 nur 101337 Tonnen, 1860 war mit kohlenbergwerks König mit 458 Meter, der 
1 Million 955961 Tonnen nahezu die zweite | Bildftoderihadht mit 451 Meter, der Ame- 
Million erreicht, 1870 brachte 2 Millionen | Iungichacht II des Stohlenbergmwert3 Bon der 
734019 Tonnen und in der Dekade 1870 | Heydt mit 446 Meter, die Altenwalder Eijen: 
bis 1880 jchnellte fie bis auf 5 Millionen |- bahnjchächte mit 436 Meter, der Wilhelm« 
211389 hinauf, um dann innerhalb 24 ſchacht Il des Steinfohlenbergwerfs König 
Jahren fi) beinahe zu verdoppeln. Der | mit 417 Meter, die Dudweiler Scalley- 
Gefamtabfag im WBerichtsjahre belief fich | ſchächte mit 410 Meter Tiefe. Die geringiten 
auf 10 Millionen 350797 Tonnen gegen | Tiefen haben der Jägersfreuder Schacht 
10 Millionen 82121 ın 1903. Die Stein» | und der Wellesweiler Schacht (je 149 Meter), 
Eohlenbergwerfe an der Saar haben zur | der Rhein-Nahe-Bahn-Schadht (156 Meter) 
Beit 34 Hauptichächte, deren Gejamttiefe | und der Förderſchacht Geislautern (160 Mtr.) 
jehr verfchieden ift. Die tieffte Schacht iſt 
der Fettkohlenſchacht Louiſenthal mit einer (fatz. Preſſe.) 








Gedenktage im käry. 

Geboren: 1. Bismard (1815). — 22. Kant | E. Geibel (1884). — 7. W. bp. Kaulbach (1874). 
1724), — 23. Shafejpeare (1564). — 26. Uhland — 8. W. vd. Humboldt (1835). — 13. Händel 
(1787). — (1759. — 19 Melanditbon (1560. — 23. 

Geſtorben: 6. Albr. Dürer (1528) und | Shalefpeare (1616), — 24. Moltke (1891). — 


Dnbalt: Bollszählung 1905. — SKontiguttätsentfchädigung ber Krone Defterreih an 
Bayern. — Ein Bafaltgang im Haardtgebirge. — Das forftliche nterefi je für den Pfälgermald. — 
Naturpflege. — Bon ben ftaatlihen Saargruben. — Gedenktage im April. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landſtuhl — ſermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern. 
Für form und Inhalt ber Beiträge find bie Herren Berfafler verantwortlich. 


Die „Blälziiche — koſtet jährlich in 12 Beften ar. 2.50, Vehellungen werden von allen Buchhandlungen und 
Voflanfialten ferner vom Berleger (Bortofrele Streifbandbiendung) angenomuien. 


U. Jahrgang. 





JPALZISCH E HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 


EMAINWn Ch 


Nummer 5 


Mai 1906. 


9 


Eine erdmagnetifche Vermeſſung der bayer. Kheinpfalz 1855]56 


bon Dr. &. von Neumayer. 


So iſt die neuefte Mitteilung der 
Pollichia, des naturmillenjchaftlichen 
Vereins der Rheinpfalz, betitelt (Mr. 21. 
LXI. Jahrgang 1905). Unſer berühmter 
Yandsmann, Wirkl. Geheimer Admiralitäts- 
rat v. Neumayer, welder bis vor kurzem 
Direftor der von ihm gegründeten und 
eingerichteten Deutjchen Scewarte in Ham 
burg und früher Direktor des Flagſtaff 
Dbjervatory in Melbourne (Auftralien) 
war, fam erit 50 Jahre nadı Anjtellung 
der Beobachtungen ın die Yage, die auch 
heute noch mertvollen Grgebnijje einer 
wiljenjchaftlichen Bearbeitung zu unter: 
ziehen. Die romanhaft zu lejenden Um— 
jtände diefer Verzögerung wolle der Yejer 
aus der aus guten Gründen umfänglichen 
Einleitung: „Zur Gejchichte der Magne— 
tiihen Vermeſſung der Rheinpfalz“ ent: 
nehmen, die wir um jo lieber einem weiten 
Leferfreife vorführen, als zugleich ein hod)- 
intereflanter Einblick in die Werfjtätten 
der Beiftesfultur gewonnen und erjehen 
werden fann, welche Arbeitslalt auf füh— 
renden Männern der Wiſſenſchaft laftet. 

„Als ih im Spätjommer 1855 mit 
der Ausrüſtung an Inſtrumenten, erforder: 
lich für erdmagnetiſche Beobachtungen, jo» 
weit zu Ende gefommen war und nament- 
lid die magnetischen Inſtrumente mit den 
Normalinftrumenten der Sternwarte in 
Bogenhaufen (Minden) genaueftens ver- 
glihen hatte und die SKonftanten meiner 





Apparate geprüft worden waren, fahte ich 
den Entichluß, einer Anregung Profeſſor 
Lamonts folgend, meine Heimat, die bay 
riſche Pfalz, magnetijch genauer zu unter- 
juhen Für mich konnte dies in gewiſſem 
Sinne als eine Vorübung für die von mir 
in Auftralien auszuführenden größeren Ar« 
beiten auf diefem Gebiete gelten. Da 
Profefior Lamont im Jahre 1851 und 
1852 im mittleren Rheingebiet und in der 
Pfalz (im meiteren Sinne) etwa 13 
Stationen nach ihren meteorologiichen Ele- 
menten bejtimmt hatte, wovon fieben auf 
die bayeriihe Rheinpfalz entfielen, jo 
ihien es zwedmäßig, daran anjchließend 
eine größere Anzahl von Stationen mag— 
netiſch zu beobachten, und entichloß ich mich 
daher, dieſe intereflante Arbeit noch vor 
Berlaffen Europas auszuführen. Das war 
nun allerdings ein etwas jchwieriges Unter- 
nehmen, da meine Abreiſe von Europa 
für den Sommer 1856 in das Auge ge 
faßt worden war und der Vorbereitungen 
noch jehr viele zu treffen waren. Es iſt 
befannt, daß ich durch Seine Majeftät den 
König Marimilian 1. von Bayern im 
Sommer 1855 den Auftrag erhalten hatte, 
dahin zu wirken, es möchte in Auftralien 
ein Objervatorium für die Phyſik der Erde 
und im bejonderen für die erdmagnetiiche 
Forſchung errichtet werden, und dazu durd) 
Seine Majeftät eine Ausftattung an In— 
ftrumenten, Apparaten uf. bewilligt erhielt. 


Unter die mir gejtellte Aufgabe gehörte 
auch die Ausführung einer größeren erd- 
magnetijchen Vermeflung im Südoften des 
auftraliichen Feſtlandes (Viktoria), weshalb 
infoferne die Ausführung der erdmagne: 
tiſchen Aufnahme der bayerischen Rheinpfalz, 
wie ich fie plante, als eine Vorſtudie der 
größeren auftraliihen Aufgabe anzufchen 
if. Die foesen dargelegten Berhältniffe 
in Erwägung zicehend, wird man mir wohl 
zugeftehen, daß die Ausführung der pjäl- 
ziihen Vermeſſung von erheblichen Schwie- 
rigfeiten umgeben war, zumal dafür tat« 
fählidy nur die Wintermonate November, 
Dezember 1855 und Januar, Februar 1856 
zur Verfügung blieben. Während überdies 
die Ausführung magnetischer Beobachtungen 
im Freien bei ungünftiger Witterung über: 
haupt jehr fchmwierig ift, jo ift dies in 
erhöhtem Grade in den Wintermonaten 
der Fall. Denn dabei ſtößt die Ermitte 
fung der genauen Lage der beobachteten 
Station, fowie die des Azimuts entfernter 
Stationen auf befondere Schwierigfeiten; 
aber darauf beruht in erjter Linie die 
Beltimmung der erdmagnetiichen Deklination. 
Auf die Möglichkeit der Durdführung 
aftronomifcher Beltimmung für diefen Zweck 
fann man in den Wintermonaten in unjerm 
Klima nur wenig rechnen, während anderer- 
jeits auch die Fernſicht zum Cinfchneiden 
von geodätijch beftimmten Gegenftänden 
durch Mebel, Niederjchläge ujw., haupt: 
jählih in manchen Gegenden der Provinz, 
jo beichränft ift, daß man auf große 
Shwierigfeiten rechnen muß bei der Durd)- 
führung der oben angedeuteten Aufgaben. 
Nur die gröhte VBorjicht bei der Wahl der 
Station und der bei der Ginjchneidung er: 
forderlichen Objekte fann hier einigermaßen 
vor Irrtümern und Weiterungen bei der 
Ausarbeitung der erforderlichen Berech— 
nungen jchügen. Alles Ddiejes hatte ich 
mir beim Entwerfen des Planes einer erd- 
magnetiihen Bermefjung der bayerijchen 
Rheinpfalz Far zu machen; wie es mir 
gelungen iſt, unerachtet der Ungunft der 
Berhältniffe, den Plan durchzuführen, wird 
aus der Darlegung der Ergebnifje erjicht- 
lich werden. 

Bunädjft joll nun einiges über den 
Plan jelbit gejagt werden. Es murde 


50 


1851:1852 einige Stationen (alle Elemente) 
erdmagnetiich beftimmt hatte. Es maren 
deren fieben: Homburg, Kaijerslautern, 
Langenfandel, Ludwigshafen, Neuftadt a. 9., 
Pirmaiens und Speyer, woraus ſich, den 
Flächeninhalt der Provinz zu 5928 qkm 
angenommen, eine mittlere Entfernung 
diejer Stationen von 29 km ergibt. Gin 
wejentlich engeres Neß der Beobachtungen 
zu erhalten, mußte nun mein Bejtreben 
jein, wenn die immerhin mühevolle Arbeit 
dem Ergebniffe noch entiprechen ſollte: 
daher ſchien es mir zweckmäßig die Durch: 
ichnittsentfernung der Stationen auf die 
Hälfte zu vermindern, was mir denn auch 
in der Folge gelungen ift, indem ſich nad) 
der Durchführung der Arbeit]eine Durch— 
Ichnittsentfernungder Stationen von 13,2km 
ergab. Nur jelten dürfte ſich bei Arbeiten 
diejer Art in früherer Zeit eine größere 
Dichte der Mafchen des Beobadhtungsneges 
ergeben haben. Was die Anordnung der 
Beobachtungen betrifft, jo erichien es mir 
am meiften zwedentiprechend, jo zu ver— 
fahren, daß, von Frankenthal als der 
Bafısitation ausgehend, zuerjt peripheriſch 
bon den nördlichen Stationen Göllheim, 
Kirchheimbolanden, Ebernburg uſw. in der 
Rıdıtung nach Südweſten herumgegangen 
werden würde bis wieder nah Franken 
thal. Schlierlich ſollte wieder, im äußerten 
Südweſten anfargend, die Stationen auf 
einer Linie mitten durch die Balz gewählt 
werden. Bon diefem Wlane abweichend 
find nur einige Stationen in der Nähe 
von Frankenthal gewählt worden: Mörſch 
und Weijenheim a. ©. Die weiteren 
Modalitäten der Durhführung des Planes 
betreffend jei erwähnt, daß als Regel alle 
Strefen zu Fuß durchwandert, im An— 
fange nur von Franfenthal bis Göllheim 
zu Wagen vorgegangen und gelegentlic) 
nur vereinzelt, bejonders auf der Noute 
mitten durch die Balz, die Eiſenbahn be- 
nügt wurde. Dieje Weile des Reiſens 
war unter anderem dadurch geboten, daß 
ic ein Schiffschronometer bejter Nonftruftion 
zu aftronomiichen Beobadhtungen, wie aud) 
zur Beitimmung der Horizontalintenfität 
des Erdmagnetismus mittelft Schwingungen 
mitzuführen gedachte, Inſtrumente dieſer 
Art aber den Transport auf Wagen nur 


ichon hervorgehoben, daß Profefjor Lamont | unter Anwendung der größten Sorgfalt 


51 


ertragen können. Diejes Inſtrument wurde aſtronomiſchem Wege die Azimute der ge- 


von einem geeiqueten Diener ın der Hand 
frei jchweberd und nur dur ein Band 
von der Schulter herab unterjtügt getragen, 
während derjelbe die übrigen Inſtrumente 
auf einem Rückentraggeſtell (Käze) trans- 
portierte. Die Erfahrung hat ergeben, daß 
die jämtlichen Anftrumente, Chronometer, 
eingeichloffen, vom Transport nicht wejent« 
lid) nachteilig beeinflußt wurden. Zunächſt 


möge einiges über die Bajisftatıon Franken: | 


thal geiagt jein. 

Dit Genehmigung der fgl. Regierung 
wurde auf dem fgl. Holzhofe, außerhalb 
der Stadt und vor dem Speyerer Tore, 
eine Hütte aus Holz mit Klupfer- 


fteinernen Bfeilern, jowohl die Instrumente 
fir Beobachtungen der Bariationen des 
Erdmagnetismus, ald auch die Inſtrumente 
für die abjoluten Werte der erdmagnetijchen 
Elemente aufgejtellt werden fonnten, Zu 
Ende des Dftober 1855 war diefes fleine 
Dbiervatorium gebrauchsfähig. Bei der 
Auswahl der Bauftelle diejes Objervatoriums 
wurde Bedacht darauf genommen, daß feine 
Yofalftörungen einen Einfluß auf die Be: 
ſtimmung der magnetischen Beobadıtungen 
äußern fonnten, Ferner hatte man darauf 
zu achten, daß Mirenpunfte in genügender 
Anzahl vorhanden waren, um jomwohl die 
Bofition der Beobadhtungsftelle als aud 
die Azimute genaueftens beitimmen zu 
fünnen. Es mußten zu diefem Zwecke in 
der Holzhütte und in der Umgebung Yüden 
und Delfnungen gelajlen, beziebungsweife 
gebrochen werden, um einen Durchblick nad 


oder | 
Mejlingverbindung errichtet, in welcher auf | 





| 


der Sternwarte in Mannheim und der | 


Kuppel des Jeſuitendoms daſelbſt einerjeits, 
andererſeits nach den Kirchtürmen von 
Fraukenthal und Edigheim zu geſtatten. 
Selbſtverſtändlich wuren in den Seiten— 
wänden des kleinen Gebäudes verſchließ— 
bare Lucken gelaſſen, um die genannten 
Punkte anviſieren zu 


Univerſalinſtrument von Ertel und Sohn, 
Münden, eine ſichere Auſſtellung finden 
fonnte. Da das Dad verjchiebbar mar, 
jo daß man die Sonne oder auch ein 
anderes Geſtirn beobachten fonnte, ſo 
wurden mittelſt dieſer Einrichtung auf 


können. In der | 
Mitte des kleinen Obſervatoriums befand 
ſich ein ſteinerner Pfeiler, auf welchem ein 


| 
| 
| 
| 
| 


nannten Objekte genauejtens beſtimmt, 
jowie andererſeits audh aus den Stadt: 
plänen und eıner Triangulation die Pofition 
des Dbjerpatoriumd ermittelt wurde. Es 
foll fpäter von den Werten, die auf diefem 
Wege erzielt worden find, die Rede jein. 
Zunächſt jei jedoch bemerkt, dat der mag- 
netiiche Theodolit nad) Lamont auf dem- 
jelben Bentralpfeiler, auf weldem das 
Univerjalinftrument zu ftehen fam, auf* 
gejtellt werden fonnte und auf einem zweiten 
Pfeiler das zu den Bariationsinftrumenten 
gehörige, mit Spiegelablefung verjehene 
Fernrohr Aufftellung fand; die Variations— 
inftrumente jelbft wurden auf entiprechend 
rund um das Fernrohr in bejtimmter Ent- 
fernung errichteten SHolzpfeilern montiert. 
Die Anftrumente waren ein Bariometer 
für Deflination, ein anderes für Horizontal- 
ntenfität und ein drittes für Inklination; 
legteres war nad) dem Lloyd'ſchen Prinzip 
mit vertifal aufgehängten, weichen Eijen- 
ftäben verfehen. Eine Beichreibung diejer 
Inſtrumente ift nicht erforderlich, da die: 
jelben in feiner Weile von den Lamont'ſchen 
Inftrumenten diefer Art, die ja als all 
gemein befannt anzujehen find, ,abwichen, 
Der Erwähnung bedarf nur noch, daß auf 
dem Mittelpfeiler des Fleinen Gebäudes, 
nach) Gntfernung der’ jeweilig zu verwen» 
denden anderen Inſtrumente ein Spiegel: 
inflinatorium nach Meperftein in Göttingen 
aufgeftellt war, womit beobadjtet werden 
konnte. Auch diejes Inſtrument ift allge: 
mein befannt und bedarf einer bejonderen 
Beichreibung hier nicht. 

In diefem Eleinen Gebäude wurden nun 
von Zeit zu Zeit die zur Beltimmung des 
Wertes der magnetischen Inſtrumente er- 


| forderlichen Beobachtungen ausgeführt, wo— 


bei die ın dem Objervatorium in, Bogen« 
haujen ermittelten Konftanten der Inſtru— 
mente zur Verwendung gelangten. = Auch 
die Werte der Sfalenteile der einzelnen 
Variometer wurden nach der von Lamont 
aufgejtellten Inſtruktion ermittelt, allein es 
wurde davon abgejehen, eine fortlaufende 
Aufzeihnung dieſer Inſtrumente auszu: 
führen, einmal weil es fich ergab, daß der 
Ort der Aufftellung doch nicht frei war 
von zeitweiligen Störungen durch vorüber: 
gehende Fuhrwerke und zum !zweiten die 


mwilfenfhaftliche Hilfskraft nicht zur Ver— 
fügung ftand, um während meiner Abweſen— 
heit auf der Beobadhtungsreife die Auf 
zeichnungen durchführen zu können. Unter 
diefen Umftänden erachtete ich es für das 
zweckmäßigſte, jämtliche Beobachtungen auf 
die Nullpunfte der VBariometer des Objer- 
vatoriums in Bogenhaufen zu beziehen. 
Nahdem in den legten Tagen des 
Monats Oktober und anfangs November 
die erforderlichen Bafisbeobachtungen aus- 
geführt worden waren, trat ich am Mor- 
gen des 4. November, wie jchon erwähnt, 
mit Wagen die Reife nach dem Norden der 
Pfalz, zunächſt nad Göllheim an. An dem 
genannten Tage machte ich gegen Abend 
die erſten magnetijchen Beobachtungen nicht 
allzuweit von dem Schlachtfelde am Hajen- 
bühl, wo Kaifer Adolf von Naſſau unter 
den Schwertitreichen Albrechts I. von Deiter 
reih im Tode erlegen ift (Juli 1298), 
entfernt. Von Göllheim ging die Neife 
nad Sirchheimbolanden, meinem Geburts- 
orte, allmo ich am 6. November in der 
Nähe der katholifchen Kirche, die heute als 
Turnhalle benügt wird, Beobachtungen aus» 
führte. Die Reife über den Donnersberg, 
nad Rodenhaufen und der Ebernburg joll 
weiterhin im einzelnen bejchrieben werden. 
Für jet jei nur noch erwähnt, daß die 
Witterung fich nach und nad) jo ungünftig 
gefialtete im Verlauf der Weile, daß die 
Beobachtungen mit der Station Berghaufen 
(bei Speyer) am 21, November 1855 ab- 
geichloffen werden mußten, nachdem 22 
Stationen beobachtet worden waren, eine 
Leiftung, die wohl allgemein und in Son: 
derheit in Anbetracht des Falten und um» 
freundlichen Wetters als eine recht günftige 
bezeichnet werden darf. Während des erjten 
Teils dieſer Beobachtungsreife hatte ich 
Gelegenheit, die Erfahrung zu machen, daß 
es zeitweife tatfächlich nicht möglich war, 
vor Erftarrung der Finger die Inſtrumente 
gehörig zu bedienen. Im Monat Dezember 
wurden nur, nachdem furz nad der Rück 


fehr von der Reiſe wieder die erforder- | 


fihen Bafisbeobadhtungen im Obfervatorium 
ausgeführt worden waren, gelegentlicdy ab 
jolute Beltimmungen vorgenommen. Ein 
gleiches gilt für den Monat Januar 1856, 
wo gegen das Ende, als die Witterung 
milder geworden war, in Mörjch und in 


52 





Weilenheim am Sand beobadıtet wurde. 
Grit am 17. Februar 1856 fonnte ich 
daran denfen, an der Station Zweibrüden 
die Beobachtungen auf der Mittellinie durch 
die Balz in Angriff zu nehmen und bis 
zum 23. d8. Mts. mit der Beobachtung 
an der Station Edenkoben zu beenden. 
Die legte Zeit meines Aufenthaltes in der 
Pfalz wurde dazu vermendet, die ab» 
jchließenden Beobachtungen in dem kleinen 
magnetiichen Obfervatorium auf dem Holz: 
hof in Frankenthal auszuführen. Ende 
Mai 1856 nahm ich Abſchied von der 
Pfalz, begab mich direft nad München, 
um auf neue die don mir in Franfenthal 
und in der Pfalz benügten Anftrumente zu 
verifizieren, was in den eriten Wochen des 
Monats Juni geihah. Zwar verjuchte ich 
auch die Reduktion der in der Pfalz aus: 
geführten Beobachtungen in Angriff zu 
nehmen, in der Hoffnung, daß es mir 
möglih werden würde, die Ergebniſſe 
meiner unter erjchwerenden Verhältniſſen 
ausgeführten, ich darf mwohl jagen „er: 
rungenen” Beobachtungen in der Pfalz vor 
meiner Abreife nady Auftralien zu ver- 
öffentlichen, worauf auch Profeſſor Lamont 
Gewicht legte. Schon wurden jogar die 
erforderlichen Statafterblätter geſammelt, die 
Koordinatenverzeichniffe zuſammengeſtellt 
und mit der Berechnung der Stoordinaten 
der Beobadhtungsstationen und der Azimute 
der Miren begonnen. Allein unerachtet 
der mir von Profeffor Lamont und feinem 
langjährigen, treuen Aſſiſtenten Ch. Feld 
firchner gewährten Unterſtützung fonnte 
diefe wichtige Vorarbeit nicht zu einem er- 
ſprießlichen Ende geführt werden. Es 
lafteten der BVerpflichtungen fo viele auf 
mir, der zahlreichen Vorbereitungen waren 
jo viele auf den verjchiedenen Gebieten — 
galt es doch, fih für ein Obfervatorium 
der Phyſik der Erde auszurüften — daß 
ich die Hoffnung aufgeben mußte, das fo 
ſehnlich erhoffte Ergebnis zu erringen. Die 
Inſtrumente für aftronomiiche Beitimmung, 
für erdmagnetifche Forſchungen, für meteoro« 
logiiche und allgemein phyſikaliſche Arbeiten 
waren in München zu beftellen, zu prüfen 
und zu verpaden, was meine ganze Arbeits: 
fraft abjorbierte. Alles was ich damals 
erreichen konnte, war die Anfertigung au« 
thentiicher Abjchriften meiner Beobachtungen 


in der Balz und ein gewiſſenhaftes Zu— 
fammentragen aller derjenigen Daten, welche 
auf die Berechnung der Beobachtungen, auf 
die Feitlegung der Stationen einen Einfluß 
äußern fonnten. Someit war dieje Arbeit 
der magnetiihen Aufnahme der Pfalz, als 
ich Mitte Juni München verließ, um über 
Berlin nah Hamburg, wo ich mich ein- 
zufchiffen beabfichtigte, zu reifen. In Berlin 
angefommen, erwarteten mich neue Aufgaben 
von Wichtigkeit für mein auftralijches Unter- 
nehmen. Dort waren ebenfalld wieder 
Inſtrumente zu fonftruieren und zu prüfen 
und die Wünjche hervorragender Männer 
der Willenjchaft entgegenzunehmen, Wie 
in München Yamont, von Viebig, Stein. 
heil, Jolly, Kobell u. a, mich mit ihren 
Aufträgen bechrten, jo war es nun Alexander 
von Humboldt, Karl Ritter und Heinrich 
Wilhelm Dove, die mir ihre Wünſche mit 
Beziehung auf die Ausführung der nur in 
Auftralien zu erlangenden Beobadtungen 
ans „Herz legten, und ich erfannte nun, 
daß möglichermweife die Herausgabe der Er- 
gebnijje meiner magnetischen Aufnahme der 
Pfalz ad Kalendas graecas gelegt werden 
müfle. Denn in Hamburg angelangt, traten 
fo viele wichtige Anforderungen an mid 
heran, deren Erledigung mir gemifjermaßen 
zur Pflicht gemacht werden mußte und aufs 
neue dahin wirkte, meine pfälziichen Arbeiten 
beijeite zu legen. Der durch jeine Arbeiten 
auf dem auftraliichen Kontinente und als 
Direftor der Navigationsichule und der 
Sternwarte in Hamburg berühmt gewordene 


Dr. Charles Rümfer, der damals fon | 


nabe an den fiebziger Jahren ftand, Flagte 
mir jeine Not, die darin beftand, daß fchon 
jeit vielen Jahren die Werte der magne— 
tifhen Elemente in Hamburg nicht beftimmt 
worden waren, jo daß er dringend wünichte, 
ich möchte vor Verlaſſen Deutichlands dieje 
Lücke in unferem nautiſchen heimijchen 
Willen ausfüllen. Wer nun weiß, welche 
Bedeutung die Kenntnis der Bariation des 
Kompaß und der magnetijchen Elemente 
überhaupt im Geeverfehr einnimmt, wird 
begreifen, daß bei mir, dem einjtigen 
Schüler der Navigationsihule in Hamburg 
und dem geprüften Kapitän, die Klagen 
meines würdigen Lehrers ein geneigtes Ohr 
fanden, und mit Eifer trat ich in der eriten 
Hälfte des Monats Juli in die Arbeit der 








Beitimmung der magnetiichen Elemente in 
Hamburg und in Norddeutichland bis nad) 
Schleswig ein, führte die Beltimmungen 
denn aud) durch und hatte, da bier ein 
brenrendes Bedürfnis für den Seeverfehr 
vorlag, nicht nur die Beobachtungen ausd- 
zuführen, jondern auch die Ergebnijle davon 
zu beredinen und zu veröffentlichen. Yet: 
teres geichah in der fiebenten, noch von 
Rümker veranlaßten Auflage jeines be— 
rühmten Werkes der Schiffahrtskunde und 
Navigation. Begreiflicherweiſe waren das 
traurige Ausſichten für die Vollendung 
meiner erdmagnetiichen Aufnahme dev Pfalz. 
Auguft und September gingen darüber Hin, 
eine Reife nach England auszuführen, um 
dort die millenichaftlichen Berbindungen, 
unerläßlih für die Ausführung meiner 
ſchwierigen Miſſion in Auftralien, anzu—⸗ 
knüpfen und die Wünſche von Faraday. 
Airy, Sabine und Glaisher entgegen» 
zunehmen. Burüdgefehrt nach Hamburg, 
mar meine Zeit vollauf in Anjprucd ge 
nommen mit Vorbereitung für die Abreife, 
die dann endlich am 5 November mit der 
„La Rochelle” erfolgte. Unter den zahl« 
loſen Ballen und Sliften von Inſtrumenten 
befand fi auch eine mwohlverlätete Blech» 
fapjel, welche die jämtlichen anf die erd- 
magnetiiche Aufnahme der Pfalz bezug- 
babenden Dofumente enthielt. 

Mit Aufgaben überbürdet, die fich auf 
die Errichtung eines Obſervatoriums in 
Melbourne, die magnetische Tandesaufnahme 
des Südoftens Auftraliens und fogar auf 
die Durchquerung des Kontinentes bezogen, 
war die Aufnahme meiner pfälzifchen Arbeit 
völlig ausgeichloffen ; denn die Löſung diejer 
Aufgaben erheifchte meine ganze Willens» 
und Wrbeitsfraft und als ich nad) adıt 
Yahren, am 21. Juni 1864, mit dem 
guten jchottiihen Schiff „Garawald“ Mel- 
bourne verließ, um nach Europa zurück— 
zufchren, befand ſich auch die teuere Blech— 
fapiel unter den wertvollen Schägen der 
Wiſſenſchaft, welche ich mit mir nad) Europa 
zurücknahm. Da wir um das Kap Horn 
zurücdfehrten und um das Kap der guten 
Hoffnung die Reife nach Auftralien aus: 
geführt hatten, jo vollführten die erd- 
magnetifchen Beobachtungen in Berbin- 
dung mit der Aufnahme in der Pfalz 
eine Meile um die Erde, gewiß ein 


mit Dofumenten diejer Art jelten vor- 
fommendes Ereignis. 

Die Regierung der Kolonie von Biftoria 
ſah mic ungern aus ihrem Dienfte jcheiden, 
hatte ed mir aber zur Ehrenpflicht gemacht, 
die Nejultate meiner Beobachtungen auf 
dem auftraliichen Kontinente in ihrem Auf- 
trage herauszugeben und ftellte mir hierzu 
beträchtliche Mittel zur Berfügung. Nach 
der Pfalz zurücgefehrt, war meine einzige 
Sorge darauf gerichtet, mich diefer Ehren: 
pfliht zu entledigen, und es vergingen 5 
volle Yahre darüber, bis endlich im Jahre 
1870 meine wijjenichaftlichen Ergebnifje in 
Auftralien in 4 Quartbänden, in englijcher 
Sprache gejchrieben, vorlagen. Wichtige 
geographiiche Aufgaben traten nun an mic 
heran und nahmen meine ganze Aufmerf- 
iamfeit in Anſpruch, bis ich endlich um die 
Mitte des Jahres 1872, meinem vater: 
ländifchen Drange folgend, als Hydrograph 
und WUdmiralitätsrat in den Dienſt des 
neu begründeten Deutſchen Reiches trat. 
Es ift faum nötig, des Näheren zu er 
örtern und zu begründen, daß es bei den 
vieljeitigen und jchwierigen Arbeiten, die 
es bei der Einrichtung der unter meiner 
Leitung zu errichtenden Inſtitute, von welchen 
ih nur die Deutjche Seewarte nennen will, 
ganz unmöglid war, an die Grledigung 
älterer, wie immer auch wertvoller Arbeiten 
zu denfen, und erjt nach nahezu 5 Dezennien 
gedachte ich der Erledigung meiner erd- 
magnetiihen Aufnahme meiner Heimat. 
Als ich vor nunmehr einem Jahre nad) 
3ljährigem Reichsdienft in den Ruheftand 
trat, war mein erjter Gedanfe darauf ge- 
richtet, nunmehr zu meiner „erjten Liebe” 
zurüdzufehren und die teuere Dofumenten- 
fapjel aus dem Verwahrungsorte und zur 
Verwertung hervorzuholen. Es ijt ja ein 
jeltenes Geſchick, das dieje Arbeit erfuhr, 
etwas legendenhaftes, aber auch ein jeltenes 
Glück, daß es einem Gelehrten vor dem 
Abſchluß jeines Lebens vergönnt ift, einen 
aus den Fährniſſen eines bewegten Lebens 
geretteten Beobachtungsſchatz feinem Heimat» 
lande als eine wifjenjchaftliche Erinnerungs- 
gabe vorlegen zu fünnen. 

‚9 Mit Recht wird die Frage aufgeworfen 
werden, ob die Ergebnifje einer magnetijchen 
Aufnahme nad) nahezu 50 Jahren nod 
einen Wert haben fünnen. Darauf ift die 


54 


Antwort zu erteilen, daß es in der Eigen: 
art umd dem gegenwärtigen Stande der 
erdmagnetiihen Wijjenschaft begründet liegt, 
daß die Veröffentlihung von älteren Be- 
obachtungen, vorausgejegt daß diejelben 
mit guten und jtreng verglichenen Inſtru— 
menten und nad jtrengen Methoden aus» 
geführt wurden, zur Ableitung der Ver: 
änderungen der erdmagnetijchen Kraft, die 
nah einem jo langen Zeitruum jehr er- 
beblich fein müjjen, von erheblichem Werte 
find. Die nun in der Neuzeit ausgeführten 
magnetifhen Aufnahmen, die in Bayern 
und auch bei und in der Pfalz zur Aus: 
führung kommen, werden fi auch dieſe 
nun 50 Jahre zurüdliegende Arbeit, wenn 
auch nur auf ein fleine® Gebiet lich be- 
ziehend, zu Nußen zu machen wifjen. Bor 
dem Beginne der eigentlichen magnetiichen 
Bermeflung im Felde mußte begreiflicher- 
weile meine Sorgfalt darauf gerichtet 
werden, eine Station als Bafisftation für 
die Vermeſſung einzurihten. Es war 
die8 erforderlid, um an diejer Bafis« 
ftation die Inſtrumente zu vergleichen, 
die erforderlichen Beitbeftimmungen aus» 
zuführen und gewiſſermaßen ald eine Vor: 
übung in der Behandlung der ver- 
ichiedenen Bariometer, welche während der 
Ausführung meiner auftraliihen Miſſion 
zur Unmendung fommen follten, dienen 
zu können; die Errichtung einer Fleinen 
magnetiihen Warte war denn auch, wie 
eingangs jchon erwähnt, die erjte Aufgabe, 
der ich mich zu widmen hatte,” 

Aus den Ergebnifjen der glüdlich nod) 
zu einem befriedigenden Abſchluſſe ge— 
langten Wrbeiten wollen wir tabellariſch 
die Werte der magnetiſchen Abweichung 
der Deflinationsnadel (Kompaßnadel) von 
der mahren Nordrichtung, aljo dem 
„Meridiane“ der einzelnen Stationen, 
gegen Weften anführen, ebenjo die Werte 
für die Neigung einer ſenkrecht drehbaren 
Nadel gegen die Wagrechte: 








Magn. | Magn. 
Ro. | Stationen —— 
I-VIII) Frankenthal 17° 6,24 | 66” 10,17 
1 ölldeim 16 42,94 166 22,86 
2 Nirchheimboland. 16 49,45 ||66 30,08 

3 || Donneräberg 16 48,841 0 — 
4 || Rodenbaufen 16 52, 534 66 27,65 


] 




















r- Magn. Magn. 
No. Stationen | Deklination Intlination 
5 || Baterfeld 16°58,'60 | 66°81,,90 
6 ) Obermojchel 17T 2044 — — 
7 Ebernburg 16 40, 33 66 27,20 
8  Obdenbad a. Gl. ;19 2,00 66 30,40 
9 | Wolfitein 16 44,83) 66 24,75 
10 | Brücken-Ohmbch. | 16 38,34 || 66 26, 31 
11 | Mittelberbah 1 |16 55, 43 — — 
12 m 16 54,58 66 11,07 
13 || Der bremn. Berg | -— — — — 
14 || Biefingen 16 36,20) 66 15,43 
15 | Dietridhingen 17 2,47 || 66 11,71 
16 || Pirmafens 6 45,90 66 12,09 
17 Rumbach 16 32,75 || 66 12,55 
18 | Slingenmünjter 1|17 2,52|| 66 1,83 
19 || Klingenmünfter 2 | 17 17,69 66 7,98 
20 | Zangenfandel 16 51,43 || 65 59,30 
21 | Mectersheim 16 46,16 66 9,40 
22  Bergbaufen 16 57,581 — — 
23 Moöorſch 16 86,16 — — 
24 Weiſenheim a. ©. | 16 45,87) 66 15,60 
25 mweibrüden 1 16 23, 11 ee 
26 | Smweibrüden 2 17 0,7161 — — 
27 | Kaiferslautern 16 25,89 || 66 14,60 
28 | ®immeldingen 16 60, 10 66 17,33 
29 | Neuftadbt a. 9. 16 50,60 | 66 16, 37 
30 | Ebentoben 16 51,63) 66 11,11 


Auf 28 Seiten folgt eine genaue Be- 
fhreibung der 31 Gtationen, 
welche durch kleine Situationspläne unter- 
ftügt ift, worauf allgemeine Betrachtungen 
über die geologijhen Einflüjje auf 
den Berlauf der magnetiichen Linien einen 
interefjanten Einblick in teil verborgene 
und teils in Rechnung zu ziehende Störungs- 
urjahen gewähren. Dem Werke find ferner 
3 Starten der Pfalz angefügt, welche durch 
rote Linien den Berlauf der „Linien 
gleiher magnetijher Deflination 
(Iſogonen)“, der „Linien gleider 


magnetijher Inklination (Iſo— 
klinen)“ und der „Rinien gleicher 
magnetiſcher Kräfteentfaltung 


(Iſodynamey) überſichtlich, wenn auch 
nach der Natur ſolcher Verallgemeinerungen 
und bei der relativ großen Entfernung 
zwiſchen den wenigen Stationen vorläufig 
mehr ſchematiſch angeben. In zwei An— 
hängen gewinnen wir Einblick in das reiche 
Beobachtungsmaterial jener wiſſenſchaftlichen 
Erfurfion und finden eine „Kurze geo— 
logiſche Bejhreibung der magne 
tiſchen Stationen“, deren reicher In— 
halt gleichwohl allen Nichtfachleuten eıne 


55 


willlommene Fundgrube für 
Fragen jein wird. 

Für Neuftadt a. H. haben wir zur Er» 
mittelung der langjamen, fogen. Säfular- 
änderung der magnetiihen Glemente drei 
vorzügliche Beftimmungen: 1) von Brof. 
Lamont für 1. Januar 1850; 2) von 
Dr. v. Neumaper für 1856 und 3) von 
Dr. Mefjerfhmitt in Bogenhaufen bei 
Münden für 1903. Sie ergaben die ab- 
joluten bezüglichen Werte für die Defli- 
nation 17,°7833 (Lamont) und 12,070 
(Meflerihmitt) und miürden für 1856 
17,°007 bedeuten; das direft beobachtete 
Ergebnis lautet 16,835 bis 16,843 
(vd. Neumayer), alfo eine jehr befriedigende 
Uebereinjtimmung. Dr. Meſſerſchmidt be- 
obadhtete auch in Homburg und gibt für 
1903 den Wert der Deklination zu 12,708 
an. Seine Beitimmung der Inklination 
betrug für diefen Ort 64,602, für Neu. 
ftadt 64,0362 für den Jahresanfang 1903, 

Es kann fein Zweifel fein, daß ältere 
Urbeiten folder Art, jobald fie fih auf 
Kräfte beziehen, deren Stärfe und Rich— 
tung veränderlid find, einen bleibenden 
Wert für wiſſenſchaftliche Betrachtungen 
haben. Wie ftarf die magnetijchen @le- 
mente im Wandern begriffen find, mas 
freilih die „Landratten” weniger unmittel- 
bar angeht als die Seeleute und Küjten- 
bewohner, möge aus folgender fleinen 
Überficht erjehen werden, melde für Paris 
gilt (au8 Annuaire astronomique pour 
1902 von C. Flammarion): 

Detltination: 
1897 1898 1899 1900 1901 (1902) (1908) 
1,0085 1,0988 1,0857 1,0708 1,0789 (CET) 11k,°60) 
Intlinationt 
65,008 6,0982 CHE ,  — 

Noch Lehrreicher ift eine bei Dr. 3. 
Müller, Lehrbuch der Phyſik und Meteoro- 
logie (1864) gegebene BZujammenftellung, 
aus welcher Sinn und Größe der Veränder- 
lichkeit beider magnetijhen Elemente her— 
vorgeht und die ebenfalls für Paris gilt. 
Darnad) betrug die Deklination (1580) 
11,50 öſtlich, (1618) 8% Hftlich, (1663) 
fiel die Richtung der Kompaßnadel mit 
dem Meridiane zujammen, (1700) 8,0167 
weſtlich, (1780) 19,°92 weſilich, (1805) 
22,01 weſtlich, (1814) 22,057 weſtlich, 
(1835) 22,°07 weitlih ujm. — Die In— 


einichlägige 


flination betrug ebendort (1671) 75°, 
(1780) 72,8, (1806) 69,°2,(1820) 68,033, 
(1835) 67,°40. 

Für den praftiihen Gebraud) des 
Spaziergängers, der fi) im Pfälzerwalde 


56 


gelegentlich mit jeinem Kompaß orientieren 
will, genügt natürlich volltommen der Wert 
12! 2° der auch in dieſer abgerundeten 
Form für 1906 zufällig ſtimmt. 


Hildegard von Hohenerken. 


Leis atmet der Wald in der Mittagäglut; 
Es regt fich fein Blatt im dichten Gezweig, 
Der Rogel träumt auf der fchlummernden Brut, 
Die Blume nidt, nur die goldene Flut 
Des Lichtes tert zitternd durch’& dämm'rige Reid). 


Nun fchallt aus der Ferne verworrener Klang 

Und Hundenebell und Pferdegeitampf. 
Es gellen die Hörner, und fehmetternder Sarg 
Brauſt näher und näher; den Waldſaum entlang 
Hoch wirbelt's von Staub und von jprübendem 
(Dampf. 


Wie zwiichen den Stämmen enteilet der Zug, 
Da hemmen zwei Nofie des Yaufes Gemalt; 
Da ichwingt von des Rappen fchäumendem Bug 
So leicht fidh und weiß wie Mövenflug 
Hernieder Schön-Hildegards fchlanfe Geftalt: 


„Hier will ich erwarten das flüchtige Wild, 
Bom ftürmenden Troß mir entgegengejagt.” 
„„Und ich barre bei Dir, Du Herrin mild, 
Bis dar Du mein Hoffen und Schnen geftillt 
Und endlich ein Wort mir der Liebe gefagt.*” 


„Wie hoffte Herr Neitbard fo feltenen Lohn ?” — 
„Und ſcheim ich zu Schlecht Dir, holdſelige Frau?““ 
„Und ſetztet Ihr mich auf des Kaiſers Thron, 
Mich reizte nicht Macht, nicht die ſunkelnde Kron', 
Ich Hol’ mir den Falken aus ſonnigem Blau.” — 


Sein Auge rollt in flammendem Born: 
„Richt ſoll ich Dir’ danken, hochfahrende Maid!“ 
Er beiteiget jein Roß, und er gibt ihm den Sporn, 
Hinfprengend durch Dickicht und rigenden Dorn: 
„Nun wahr Dich, o Falk, vor des Geiers Geſjaid!“ 


Sie lacht fo hell durch den fchweigenden Wald; 
Hoch kreifet ein Falke im jonnigen Licht. 
Da ſchnellt ſchon ihr Pfeil; von der Schne Gewalt 
Beflügelt, durchbohrt er den Vogel alsbald; 
Der ſtürzt und fie fucht ibn und findet ihn nicht. 


Der Abend rinnt durch die Wipfel fadht; 
Herr Neitbard fchleicht durch den dumfelen Tanır: 
„Den Pfeil noch im Herzen fand ich vor Nacht 
Am Gebüfch einen Falk. Stolz Mädel, hab acht! 
sam foll mir dein Edelfalt’ nimmer von dann!” 


Schon naht aus der Ferne das frobe Gejaid — 
Die Meute bellt und es jubelr der Troß — 
Der ftattliche „Flörsheim“ an Hildenards Seit’ 
yı trautenm Gekos mit der herrlichen Maid, 

a plötzlich ein Schrei — und er finfet vom Roß. 


Schön⸗Hildegard bebet zu jammern au: 
„O nimmer auf Erden blüht mir ein Heil! 
Dein Trauter, mein Edelfalf, fich mich doch an, 
Das hat uns der Geier, der Neithard getan; 
Dein Herz, ad), durchbohrte mein — eigener Pfeil !* 


3. Böshenz. 








Waldmeiſter und Maitrank. 


Vieles Liebliche aus dem Pflangenreiche | 
bringt der Frühling, Veilchen, Anemonen, 
Schlüffelblumen und auch den Waldmeijter, 
den die Botanifer Asperula adorata nennen, 

Als echtes Waldfind gedeiht der Wald- 
meifter am beften in fchattigen Buchen: 
wäldern. Nur unter dem Schirm des 
Yaubdahes zeigen ſeine Blattquirle das 
ihnen charafteriftiiche Tiefgrin. Nur bier 
treibt das WPflängchen luftig weiter. Aus 
dem weichen Moospoljter erheben ſich dann 
dicht beieinander, gewiflermaßen ein Wäldchen 
im Walde bildend, die ſchlanken Stielchen 
mit ihren ſechs oder acdhtfirahligen Blatt- 
fternchen und den porzellanmweißen Blütchen. 
Das truppmeile Vorkommen des Wald- 


meilters bat indefien jeinen bejonderen 
Grund. Die Mutterpflanze fendet nad 
allen Seiten hin unterirdiiche Sproffe, deren 
Enden im Frühjahr aus dem Waldboden 
heraustreten und neue Bflänzchen bilden, 
während die älteren Stengel abjterben, 
Nicht nur auf dieſem Wege forgt das 
Pflänzchen für jeine Erhaltung. Der Duft 
feiner Blüte loct Fleine Inſekten an, die 
von den am Grunde der winzigen Blüten- 
röhre lagernden Neftartröpfchen najchen 
und dabei die Beftäubung bewirken. Bleiben 
indes dieje Gäfte aus, fo fällt der Bläten- 
ftaub auf die Narbe der gleichen Blüte und 
jtatt der Fremdbeftäubung tritt Selbit- 
beftäubung ein. Die mit fteifen, jadigen 


Furchen befegten PFrüchtchen gleichen den 
ftefnadelfopfgroßen borjtigen Stügelchen, 
welche beim Durchitreifen des Waldes ung 
fo oft cn den Kleidern hängen bleiben, 
Das find aber nicht Waldmeifterfrüchtchen, 
jondern die des Woaldlabfrauts, welche 
Pflanze dem Waldmeifter jo ähnlich ift, daß 
beide von Unkundigen leicht verwechſelt 
werden. Gin fiheres Unterjcherdungsmerf- 
mal iſt immer der Gerud. 

Es iſt befannt, daß der in jrhattigen 
Wäldern mit humusreihem Boden ftehende 
Waldmeifter am duftreichiten ift. Werden 
aber die fchattenfpendenden Bäume gefällt und 
fünnen die Sonnenftrahlen auf den moofigen 
Waldboden ungehindert herniederbrennen, 
fo wird das Pflänzchen krank und bleich 
und verfümmert allmählich. Ya, wer ſelbſt 
das Sräutlein im Walde jammelte, wird 
wiſſen, daß es frühmorgens am intenfioften 
duftet, während es tagsüber faft geruchlos 
ift. Schneidet man es aber zur rechten 
Beit, fo fteigert fih fein Duft, inden es 
trodnet; es ift, als hauche e8 fterbend jeine 
ganze Seele aus. 

Der Botaniker kennt den „Meifter des 
Waldes” unter dem Namen Asperula 
adorata. Die klaſſiſchen Lateiner nannten 
ihn Herba stellaria und cordialis, weche 
Namen unfere transrhenaniſchen Nachbarn 
in la cordiale par excellence, „das vor- 
trefflih Herzſtärkende“, überjegten, von 
welch' franzöfifierter Meberjegung wiederum 
das mittelalterlihe „Herzfreyd“ ſtammt, 
das ſich in der Schweiz als „Herzfreudeli“ 
bis heute erhalten hat. Asperula heißt 
auf deutſch Rauhlein oder Rauhchen, und 
zwar aus dem Grunde, weil einige Arten 
dieſes Geſchlechts rauhe Blätter haben. Aus 
verſchiedenen in mittelalterlichen Kräuter⸗ 
büchern gebrauchten Namen der Pflanze 
kann man erkennen, daß ſie einſtens viel— 
fach in der Heilkunde Verwendung fand. 
So bemerkt der Arzt Hieronymus Bock in 
ſeinem Kräuterbuche von 1539 von dem 
Kräutlein, daß es im Mai „in Wein ge— 
legt und darüber getrunken“ das Herz er- 
freue und der verjehrten Leber wieder auf- 
helfe; darum heiße es auch Leberfraut und 
Steinleberfraut. Noch im vergangenen 
Jahrhundert wurde das getrodnete Nraut 
als Herba matrysilvae gegen Unterleibs- 
ftofungen und Wafjerfucht verordnet, und 


57 





ein Aufguß von „Waldmutterfraut” lieferte 
unferen Großeltern einen bejonders bevor- 
zugten fchmweißtreibenden Tee. Bor Yahr- 
hunderten freilich erfreute fich das Pflänzlein 
eines ungleidy höheren Anſehens in diejer 
Beziehung; e8 war faft ein Univerfalmittel. 
Seine belebenden und verjüngenden Kräfte 
werden jchen in den Schriften des im 13. 
Jahrhundert lebenden berühmten Aldhimijten 
Arnoldus Billanovus gepriefen. Auch das 
„Varadiesgärtlein”, 1588 vom Pfarrer 
Konradium Roßlahium herausgegeben, er: 
wähnt das Nräutlein „Herzfreyde“ und 
nennt manche Siranfheit, gegen die e8 helfen 
fol. Theodor von Bergzabern jagt in 
feiner Botanif: „Im Mayen, wenn das 
Sträutlein noch friſch ift, pflegen es viele 
Menjchen in den Wein zu legen und darüber 
zu trinfen, dak es der Leber wohl tue und 
fie ftärfe, item foll e8 aud das Herz 
ftärfen und erfreuen, weswegen es auch den 
Namen Herzfreud befommen bat. So hat 
ed auch die Natur, die Leber zu eröffnen, 
und dient wider alle Gebreften derjelben, 
fo von Hite fommen.” Ähnlich äußert fich 
Jakob Bräuner in feinem 1713 erfchienenen 
botanischen Werke über das „Stein Leber— 
fraut”, und Qudwig Onfen jagt in feiner 
„Allgemeinen Naturgeichichte”": „Es ſchmeckt 
etwas bitter, wird daher im Frühling als 
Kräuterwein getrunfen gegen Hautausichläge 
mit anderen Sträutern, mie Ührenpreis, 
Sunifel, Erdbeerblättern, Gundelrebe, Me— 
liffe, Nelfenwurz, auch gegen Waflerfucht 
und Gelbfucht.“ Neuerdings ift der Wald- 
meifter rieder zum Heilkraut gemacht worden, 
und zwar von Pfarrer Kneipp und den 
Anhängern des Naturheilverfahrens. Troß- 
dem ift der Maitrunf nicht gefährlich. 

Im allgemeinen fieht die heutige wiſſen— 
ichaftlihe Heilkunde ın Asperula feinen 
Wohltäter der leidenden Menſcheit mehr, 
und in den Mpothefertaren iſt Herba 
matrysilvae längft geftrichen; deſto deut» 
fiher fteht fein Name auf der Karte, die 
der Freund eines guten Tröpfchens begehrt, 
dient er doch zur Herftellung des beliebten 
Maitranfs, der nichts anderes iſt als eine 
Ausicheidung des der Pflanze eigenen Aromas 
durch leichten Weihmwein. hr wunderbares 
Aroma verdanft fie cınem Ulkaloid, dem 
Numarin, welches auch in anderen Pflanzen 
enthalten ift, jo im Ruchgras, das dem 





friihen Heu jeinen Duft verleiht, in dem 


58 


jeltenen Mariengrad und, wit Donigduft | 


gemischt, auch in den Blüten des Stein: 


Elres, Beſonders rei an Kumarin find 
aber die Tonfabohnen, die Samen cınes 
hohen Baumes der Wälder Guahanos, 


welche von den Gingeborenen ihres Wohl» 


geruch& megen zu Stetten gereiht um den | 


Hals aetragen werden und erportiert zur 
PBarfiimierung des Tabaks umd zur Be 
reitung dev Maibowleneſſenz dienen, Wald 
meilterertraft kann fich übrigens eine praf 
tiiche Hausfrau auf die einfachlte Weije 
jelbjt herſtellen. Recipe: Von zwei großen 
Maldmeiiterfträußen die Blätter und häcke 
fie gröblih. Dazu gib 250 Gramm feinen 


Walde!” und davon nicht zu wenig, jondern 
ziemlich viel, den man aber nur furze Zeit 
in der goldenen Flut ziehen läßt, weil er 
jonft Sirenge wird und herbe. „HYuder 
nimm’, jo viel notwendig, und, id bite 
dich, jei verftändig, mach' die Bowle nicht 
zu ſüß!“ — „Dann vor allem merfe du: 
Gar kein Waſſer milch’ hinzu, weder Selters 
noch gemeines, denn es iſt ein Feind des 


' Weines; höchſtens ichnigle in den Wein ein 
paar Apfelfinenicheiben oder laſſ' es lieber 


Budfer und zmwer gewiegte Orangenſchalen. 
In einer recht meiten Flaſche übergieße 
dieſe Miſchung mit einem halben Liter Rum.“ 


Berkorke die Flaſche gut und ſtelle ſie vier 
Wochen lang an einen ſonnigen Ort. Schüttle 
während dieſer Zeit den Anhalt oft und 
tüchtig und bringe die Flache dann in den 
Kteller. Für Herrichtung der Bowle, die 
zu jeder Jahreszeit angejekt werden kann, 
gib auf eine Flaſche Wein 's Yiter Ertraft 


— ein halbes Fläſchchen Schaumwein joll | 


den Geſchmack erhöhen. 

Dieje Waldmeiſter-Eſſenz, die ja käuflich 
zu haben ift, bietet aber nur eiren minder: 
wertigen Erjaß für das Jriichgepflücte Straut. 
Ohnedies ift es nicht nach jedermanns Ge: 
ihmad, zu jeder beliebigen Zeit Maibowle 
zu trinfen. 


auch die früher üblıden „Zutaten. Die 


jelige Tavidis, die ja ſonſt wirflid ein | 


Segen für die Menjchheit it, empfiehlt in 
ihren älteren Ausgaben als ſolche Thymian, 
Salbei, Dragun, Baljam, Yavendel, Pimper— 
nelle, Zimmt und Zitronen; ſie follen „lot: 
weile” genommen werden und „nur“ ein halb 
Stündchen ziehen! 


Dean meide bei der Anrichtung | 


Zur Heritellung der Maibomwle verwende | 


man nur Waldmeiiter, „ſelbſtgepflückt mit 


manchem Bückling vor dem frühlingsahnenden 


bleiben” — und „Fleißig Eoften immerzu 
must du ohne Naft und Ruh.” Dann 
„Werden all’, die davon tranken, 
Undern Tages dir noch danken 
Für den wundervollen Tranf. 
Zage, gibt es jhönern Dank?“ 

Seit warn der Maitrank als ſolcher 
bekannt iſt, haben wir erſt in jüngſter Zeit 
erfahren. In der Bibliothek der Benediktiner 
abtei der Eifelſtadt Prüm hat man ein im 
Jahre 854 geichriebenes Menologium, d. h. 
eine Schilderung der zwölf Munate des 
Jahres, entdeckt, welches u. a. einen Hera» 
meter enthält, der überjegt etwa lautet: 
„Jetzt iſt es ratſam, den herben Wein mit 


duftigen Kräutern zu verſetzen und mit 
Tränken, die zu mancherlei Arzenei die 


Fluren hervorſprießen laſſen“. . . und wenn 
der Schreiber dann fortfährt, daß der Trank 
das Herz froh und die Leber geſund mache, 
to iſt er ein Vorbote aller Fräuter umd 
heilfundigen Männer des 16., 17. und 18, 
Jahrhunderts, denn auch ſie find der An: 
ficht, daß „das Sträutlein mit feiner Bluet 
in Wein gelegt” nicht nur den Körper ge 
jundet, jondern auch die Seele erfreut, Der 
Schreibersmunn aber war Wandalbertus, 
diaconus et monachus Prumiensis mo- 
nasterü, ein Nheinländer, der zuerit den 
duftigen Tran? aus heimiſchem Gemächs 
gemischt zu haben jcheint. Gewiß, eine 
Rheinweinbowle ſchmeckt gut, iſt aber doc 
nicht jo aromatiſch wie die Moſelweinbowle 
und auch nicht fo angenehm — am andern Tage. 


Die Merwertung von Frühlingsblunen. 
= 


Die in den eriten FFrühlingsmonaten 


Diärz und ‚April ericheinenden Blüten ev 


freuen lich begreiflicherweite einer bejonderen | 


Rorliebe ſeitens des Menfchen, Zwar 


kann man jetzt Blumen zu jeder Jahres— 
zeit haben, aber. im Winter weiß man, daß 
ſie in einem Zuſammenhang mit einem 
langen Eiſenbahntransport oder mit mehr 


oder weniger unnatürliden Wachstums 
bedingungen ftehen, und im Sommer gibt 


es wieder zu viel Blumen, als daß aud | 


die einfacheren und gewöhnlichen einzeln 
geihägt werden follten. Im Frühjahr da- 
gegen hat faft jedes Blümchen jenen Hang, 
auch wenn es wicht jo bejondere Eigen— 
Ichaften hat wie das Veilchen durch feinen 
Geruch, das Schneeglüfchen durch feinen 
Triumph über die winterlichen Schnecrefte 
und andere mehr. Außerdem haben 


jondere Verwertung gefunden. Einen medi— 


zinischen Gebrauch findet eine befannte Art | 


des Himmelsichlüffels, die deshalb auch mit 
dem lateinijchen Zunamen offieinalis oder 
mit der deutſchen Bezeichnung Apotheker— 
primel belegt wird. Sie wächſt in lichten 
Gehölz oder auf trodenen Wieſen. iu 


Aufguß der Blüten gilt als Heilmittel gegen | 
Erfranfungen der Atmungsorgane, gegen | 


Migräne und gegen Schwindel, Brimeltee 
wird für ebenjo beruhigend gehalten wie 
Lindenblütentee und foll ſich durch guten 
Geihmaf und Duft auszeichnen, Die 
großblütige Primel unferer Gärten befigt 


die 
Frühlingsblumen vereinzelt aud ihre be: | 


59 


dem Bater) bezeichnet, weil_die Blüten bei 
ihr vor den Blättern erjcheinen. Wegen 
ihres jtarfen und angenehmen Geruchs hat 
man ſeit alter Zeit die Blüren des Huf: 
lattich als heilfräftig für Bruſtleiden be» 


trachtet, und der lateinische Gattungsname 





die gleiche Eigenjchaft, aber ın geringerent | 


Grade, 
Beicherdenheit und des Wohlgeruchs, hat 
außerdem gleichfalls einen Ruf als Arzt, 
da aus jeinen getrockneten PBlättern auch 
ein Tee bereitet wird, der gegen Huſten 
nügen joll; ferner werden fie verfchiedenen 
Säften beigemiicht, die gegen Bruſtkrank— 
heiten verabreicht werden, oder auch anderen 
Medifamenten, denen fie wenigſtens einen 
angenehmen Geſchmack mitteilen ſollen. 


Daß die Veilchen in der Bereitung von | 


Parfümen zum Gegenftand einer anichn- 
lichen Induſtrie werden, braucht nur in 
Erinnerung gebracht zu- werden. In diejer 
Dinfiht wurden fie jhon vor Jahrtaujenden 
geihägt. Die Schönen im alten Athen 
trugen bejonders gern Beilchenfränge in den 
Haaren, und aus dem berühmten Tal von 


za 


Tas Veilden, diefer Birtuoje der | 





Zempe brachten die Yandbewohner jeden | 


Morgen ganze Körbe voll Beilchen nad 
dem athenifchen Markt. An feuchten Stellen 
ift die frühfte Blüte der Huflattich, deilen 
Blätter vom Rolf mit Pierde- oder Eſels— 
hufen verglichen worden find. {fm Mittel 
alter wurde dieje Pflanze mit dem hübſchen 
Namen filius ante patrem (der Sohn vor 


Tujftlago hängt mit dem lateiniihen Wort 
tussis, der Huften, zufammen. Neuerdings 
freilich hat man diefer Arznei jede Wirk: 
famfeit beftreiten wollen. Neben dem Huf: 
lattich ericheint auf nalfem, tonigen Boden 
die Peſtwurz, Fälfchlich auch großer Huf» 
lattich genannt, dejlen Wurzeln früher als 
Mittel gegen die Belt gejammelt wurden, 
Bon diefer Schäßung ift man längft zurück— 
gefommen, und auch die allerdings vor- 
bandenen‘; Eigenschaften” der Blüten als 
Mittel zur Beförderung des Schweikes 
ind zu geringfügig, um ſich Beachtung zu 
erobern, Zu den befanntejten Frühjahrs- 
pflanzen gehört ferner das Yungenfraut, 
das früher in Europa als Gemüſe gegeilen 
oder an Fleiſchſuppen und Eierſpeiſen getan 
wurde, weil es einen jtärfenden Einfluß 
auf Lunge und Herz haben jollte. In 
Beftalt von Tee follen die Blüten, denen 
man zumeilen auch Blätter hinzufügt, gegen 
Rruftfrantheiten helfen; jedoch ift dieſe 
Wirfung nicht derarı, dat der vielverheißende 
ame „Yungenfraut” gerechtfertigt wäre, 
Danı kommt ferner die Kuhblume, die 
früher gleichfalls ganz beſonders geſchätzt 
und benußgt wurde, und zwar als Mittel 
gegen die Pocken und die Peſt. Entweder 


wurden die Blüten in Milch oder in Bier 
' gefocht, oder es wurde ein Eſſig daraus 


gewonnen. Außerdem wird, wie wenigen 
befannt jein dürfte, aus den gelben Blüten« 
blättern der Nuhblume durch Anwendung 
von Alaun ein KFarbjtoff gezogen, der in 
der Induſtrie Benugung findet, Wie ver- 
ichiedene andere Gewächſe, die vom Bolf 
al8 Burtterblume bezeichnet werden, jollen 


die Kuhblumen, wenn fie reichlich auf der 


Weide ſtehen, der aus der Milch gewonnenen 
Butter eine mehr gelbe Farbe verleihen; 
auch wird jener Ffünftlid” gewonnene Yarb- 
jtoff von Yandleuten gelegentlich zum Fär- 
ben der Butter gebraucht. Die in Eſſig 
gelegten Knoſpen gelten ald ein Erjaß- 
mittel fir Napern, ebenfo wie die Knoſpen 
de3 Ginſters. Die Ginfterblüten werden 
übrigens noch immer reichlich als Arznei 


benußt, und zwar in der Geſtalt von Tee | Tränflein zur Herzftärfung, gegen Schlag— 
oder Syrup gegen Gicht, hronischen Rheu- Fluß, Lähmung und Srämpfe. Namentlich 
matißmus, Sfropheln und Berftopfung. | in Deutjchland benugte -man fie vorzugs- 
Ihr gelber Farbitoff wurde zur Herftellung | weiſe als Beimifchungen zum Wein. Die 
einer Farbe und eines Lacks benugt, der | neuere Wiſſenſchaft hat damit aufgeräumt, 
von Malern jehr aejhägt wurde. Die | nachdem fie nachgewiefen hat, daß der 
Blüten ded Maiglödchens dienen jegt vor- | Maiglöckchenſaft auf das Herz nicht anders 
zugsweiſe zur Parſümierung von Seifen, | wirft als der des giftigen Fingerhuts. 
und vor Alters bereitete man aus den ge- | Dadurch wird er zwar gerade wie diejer 
trodneten Blüten Schnupfpulver, die gegen | zu einem Heilmittel, das aber mit großer 
Ktopfleiden dienen und nervenftärfend wirken | Borficht zu gebrauchen ift. 

follten. Außerdem madte man daraus (Heidelb. Tagbl.) 





Verſchiedenes. 


„ | wurde dad Gänſegretel von Fechingen, ſpätere 
— a — a — .. Gräfin von Naflau-Saarbrüden, geboren.” 
12. Uprit in Frankenthal der Neftor der pfäl- Die erften Schwalben. Wohl mehr als 
glhen und wohl auch ber bayeriſchen Buch- | Hundert Schwalben hatten fi am DOjtermontag 
ruder, ber Berleger der „Sranfentbaler Zeitung” | an der Iſar in der Nähe des Bolfsbares in 
Friedrich Albeck geftorben. 1824 in | München eingefunden. Man kann es als ein 
Frankenthal geboren, trat er 1839 in die mit | gutes Zeichen für andauernd gutes Wetter be: 
der genannten Zeitung verbundene Buchdruderei | tradhten, daß gleich anfangs fo viele Schwalben 
als Lehrling ein, um nach beendeter Lehrzeit | auf einmal eingetroffen find. Auch Schwarz- 
und einer mehrjährigen Tätigkeit al8 Gehtfe | blättchen, Graßmüden, Rotkehlchen u. a. m. 
in Augsburg, Karlsruhe, Kaiferslautern, Speyer | find in unſeren Auen und Anlagen zablreid) 
und Worms das in Rede ftchende Geſchäft zu | vertreten. Yeider fehlen auch die VBogelfänger 
übernehmen, war bi$ vor ganz furzer Zeit noh | nicht und geben wieder ihrem jchändlichen 
täglid) ton morgens bis abends im Geſchäft Handwerk nad). 
tätig und erfreute ſich bis dahin einer niemals MandelBäume in der VBorderpfalz, die 
durch Krankheit geftörten Geſundheit. negen Mitte War) Ion, biühten und durch den 

a „, |, Kälterüdfall geſchädigt ſchienen, haben Mitte April 

ee — en Ga a zum ziweitenmal ihren Blütenichmud entfaltet. 
wegen Baufälligkeit abgetragen werden. Gegen— Motiz. Wir begimmen bereits im nächjten 
mwärtig ift an derfelben Stelle ein ftattlicher Bau | Hefte mit der Mitteilung der Ergebniſſe innerer 
aufgeführt, in welchem ein Gedenkſtein, geitiftet | Anregung betreffs Borlommens des Wolfes in 
vom Hiitorifhen Berein Saarbrüden, eingefügt | der Pfalz und bitten wiederholt um gefl. weitere 
wurde. Diejer Stein trägt die Infchrift: „Hier | Beiträge zu diefer Frage. (D. Sch.) 





Gedenktage im Mai. 


Geboren: 16. Fr. Nüdert (1788). — | 9. Fr. Schiller (1805). — 24. Kopernitus (1543) 
19. J. ©. Fichte (1762). — 21. U. Dürer (1471). | und Ranke (1886). — 31. 3. Haydır (1809). — 
— 22. Ri. Wagner 1813. — | — 1618, 23. Mai, Beginn des 30 jähr. Krieges. 

Geftorben: 6. 4. v. Humboldt (1859). — | — 1871, 10. Mai. Friede zu Frankfurt. — 


Berichtigung. Am Schluß des vorigen Heftes muß e8 beißen: Gedenftage im April. 











Dnbalt: Eine erdbmagnetiihe Bermeffung der bayeriſchen Rheinpfalz 1855/56. — Hilde: 
gard von Hoheneden (Gediht). — Waldmeiiter und Maitrank. — Die Berwertung don Frühlings: 
blumen. — Berſchiedenes. — Gedenktage im Mai. — Berichtigung. 








Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern. 
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich. 


Die „Plälziiche Heimatkunde” Toflet jährlich in 12 Heften ar. 2.50. Heſtellungen werden von allen Buchhandlungen und 
Vofanftalten ferner vom Berleger (Portofreie Streifbandiendung) angenommen. 


U. Jahrgang. Nummer 6 Juni 1906. 


\IPÄLZISCHE ==! 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 





Exzellenz v. — 


Am 21. Juni vollendet unſer allverehrter Landsmann, der als 
Hydrograph und Geophylifer, als Lehrer und Schriftiteller hervor: 
ragende pfälziiche Gelehrte 


Se. Exzellenz Wirklicher Geheimrat 
Brof. Dr. Georg v. Neumayer 


ſein 80. Lebensjahr in jeltener Frijche des Körpers und Geiltes. Die 
Ehrungen, welche diejem außergewöhnlicdhen Manne am 17. Juni in 
Neuftadt von der Bürgerjchaft, feinen nahen und fernen Freunden und 
von den Vertretern deutjcher Hochſchulen erwiejen werden, gelten dem 
Wirken einer auch nad) riejiger Arbeitsleijtung im jelbjtlojen Dienſte 
der hehren Wiſſenſchaft ungebrochenen Heldennatur, die bei der Ber: 
folgung neuer und jchwierigiter Bahnen der Erdforſchung märchenhaft 
zu lejende Wege wandeln und wahrhaftig abenteuerliche Grlebnijje 
machen mußte, um nad) Vollendung jo wichtiger als ehrenvoller Auf: 
gaben im ferniten Winkel der Erde auf heimatlihem Boden wiederum 
ebenjo neue als weitlichtige Unternehmungen zu gründen und zu leiten; 
jie gelten aber auch dem liebenswürdigen und fürjorglichen greifen 


Vertreter unferer freilich ihm gegenüber jo Kleinen heimatlichen Gruppe 
naturwifjenjchaftlich fühlender und jtrebender Landsleute und nicht zum 
wenigſten dem allezeit opferfreudigen, mit Rat und Tat Hilfreichen, bis 
in die legten Tage wirkſam tätigen Mitbürger. Gerne verzeichnet aud) 
die Pfälzische Heimatkunde den Ehren: und Freudentag St. Exzellenz 
und fügt zu den MWünjchen für die freundliche Gegenwart den aus 
tiefitem Herzen kommenden Wunjc für ebenjo freundliche künftige Jahre! 





Eine neueſte geographildhe Ortsbeſtimmung. 


Anfangs Mai hat die Aftronsmijche 
Abteilung der Sternwarte Königsituhl bei 
Heidelberg ein neues Heft herausgegeben, 
das als notwendige Ergänzung einer bereits 
1903 verjandten Beröffentlihung „Beſtim— 
mung der Polhöhe der Sternwarte zu 
Heidelberg” gelten muß; es teilt unter 
dem Titel „Bejtimmung der Yängendifferenz 
zwifchen der Großh. Sternwarte bei Heidel- 
berg und der Staif. Univerfitätsiternmwarte 
in Straßburg im Jahre 1903” diejenigen 
Beobachtungen mit, die zur Gewinnung 
auch einer genaueften geographiiden Länge 
des Inſtitutes, bezw. der Mittellinie durd) 
fein wichtigftes Inſtrument führten. Waren 
ihon jene Arbeiten während der Zeit vom 
Juli 1900 bis Auguft 1901 — es wurde 
in 124 Nächten dafür gearbeitet — ſehr 
umfangreich und peinlich, bis fie zu dem 
allerdings äußerft gevauen Werte führten, 
den man als die „Bolhöhe” oder „geo- 
graphijche Breite” des gejuchten Punftes 
auf der kugelförmig geſtalteten Erde be- 
zeichnet: + 49° 23° 54”,60, jo geftaltete 
fich die FFeitftellung der „Länge“ desjelben 
Bunftes zu einer noch fomplizierteren Auf: 
gabe, denn fie fann von einer Station 
allein gar nicht ausgeführt werden. 

„Unmittelbar nad) Bollendung der 
Großh. Sternwarte auf dem Nönigsituhl 
bei Heidelberg trat an das Aſtronomiſche 
Anftitut die Aufgabe heran, jeine Polhöhe 
und Yängendifferenz gegen die eine oder 
andere ihrer Yage nach gut befannte Stern: 





warte zu ermitteln. Während die Be: 
ftimmung dev Polhöhe alleinige Aufgabe 
des Inſtituts bleibt und demgemäß dieſe 
Koordinate auch ausſchließlich durch das 
Perſonal der Heidelberger Sternwarte feft- 
gelegt wurde, Fonnte die Bejtimmung der 
Längendifferenz nur unter Mitwirkung einer 
anderen Sternwarte erfolgen. Es war 
naheliegend, dag vom Heidelberger ne 
jtitut die Beihilfe der Kaiſerl. Sternwarte 
in Etraßburg erbeten wurde.” Die Be: 
obacdhtungen an den Meridiankreisfernrohren 
von 162 mm Lichter Weite wurden den 
Aſſiſtenten der beiden Sternwarten, den 
Herren Dr. L. Courvoiſier in Heidel— 
berg und Dr. 2. Garnera in Straßburg, 
die als die ftändigen Meridianbeobadhter 
mit der Behandlung der Inſtrumente und 
der Art der Beobadhtung an ihnen voll: 
ftändig vertraut waren, übertragen; außer- 
dem fungierte der Direktor des Aſtronom. 
Inſtituts auf dem Nönigsftuhl, Herr Hof- 
rat Brof. Dr. W. Balentiner, als Be 
obachter an einem dritten, transportablen 
Inftrumente bald in Straßburg, bald auf 
den Königsſtuhl. War damit ſchon eine 
bedeutende Erſchwerung der Arbeiten ver- 
bunden, jo erhöhte fie fih in fehr unan- 
genehmer Weiſe durdı die Ungunft der 
Witterung, indem mährend fajt zweier 
Sommermonate — 14. Juni bis 8, Auguft 
1903 — oftmals bededter Himmel die 
Beobachtungen vereitelte oder unruhige Luft 
lie beeinträdtigte. Dennoch wurde danf 


der Ausdauer und Umficht des Berfonals, 
ſowie der über alle Laienbegriffe gehenden 
Feinheit der Inſtrumente, Präziſion der 
Veranſtaltungen und der Ausarbeitung des 
unmittelbaren Beobachtungsmaterials ein 
Rejultat gefunden, das würdig neben dem 
ebenio genauen Werte der früheren Breiten: 
beitinnmung ftehen kann. 

Aus dem Materiale, weldes an beiden 
gleihen Meridiankreiſen erhalten murde, 
von denen der in Heidelberg mit Ber: 
größerung 150, der in Straßburg mit 
Vergrößerung 216 ausgeftattet war — 
Prof. Balentiners 65 mm-Fernrohr ver: 
größerte 90 fach —, ergab fich die Längen— 
dıfferenz beider Ynftrumentenpofitionen 
nad) Uhrzeit zu 3 Min. 48,609 Sek., 
jedody zu 3 Min. 48,601 Sek., wenn je 
die Beobadhtungen an dem größeren firen 
und dem Eleineren beweglichen Inſtrumente 
fombiniert wurden. Dem Laien jcheint 
diefer Unterfchied wohl nicht mehr der 
Nede wert, da es fih bloß um 8 Tau— 
jendjtel der Zeitjefunde dreht. Die Aſtro— 
nomen haben aber herausgeflügelt, daß 
Gourvoifier, der in Heideiberg eine etwas 
Ihwächere Vergrößerung gewöhnt war, mit 
der ftärferen Bergrößerung des Straßburger 
Anftruments die Sternantritte an die 
Spinnfäden im Befichtsfelde um 0,030 
Sekunden zu fpät, Garnera dagegen aus 
dem entgegengejegten Grunde in Heidelberg 
je um 0,016 Sekunden zu früh regiitriert 
haben dürftel! Der Ferneritehende molle 
aus folhen Unterfuhungen einen erhöhten 
Reſpekt vor der aftronomijchen Gewiſſen— 
haftigfeit befommen, die aber feine Ge— 
nauigfeitsfererei ift, jondern aus inneren 
Gründen und zur inneren beijeren Fun— 
dierung der Grundlagen der vechnenden 
Aftronomie bejtändig erhöht werden foll, 
Man arbeitet aber auch mit entiprechenden 
Apparaten: Die Hauptuhr der Heidelberger 
Sternwarte, bejtändig unter Kontrolle ge- 


63 


halten und mit der Normaluhr am Hinmel | 


verglichen, ging zwar nicht asjolut genau 
mit dem FFiriternhimmel, fondern blieb 
ftündfich etwa ein Hundertftel Sefunde im 
Vorſchuß; vergegenmwärtigen wir uns aber, 
daß nur die Aftronomen hier von „Falſch— 
gehen” sprechen dirfen, denn im Munde 
eines Yaien ift eine ſolche Bezeichnung 
eine Direfte Beleidigung für die Uhr, 


den Uhrmacher und die 
Witronomen! 

„Nach der von Th. Albrecht vorge, 
nommenen Ausgleichung des zentraleuro- 
päijchen Yängenneges beträgt die Längen» 
Differenz 
Sternw. Straßb. Stw. Greenwich I1m4, 523 
Sternw. Straßb.—Sım. Paris 21m43,:591 
Sternw. Berlin—Stw. Straßburg 22% 30, > 272 
und deshalb find mit Anbringung der 
Differenz 
Sternw. Königeftuhl — Stw. Straßb. Im 48, s 604 
die definitiven Yängendifferenzen (in Zeit) 
Stw.Königsit. tw. Greenmw. 34m 53, 127 (dftl.) 
Stw. Königsit.— Stw. Barit 25m 32,» 195 (ditl ) 
Stw.Königsit. - Stw. Berlin 18m 41,» 668 (meftl.). 

„In der Bublifation des K. Preuß. 
Geodätiſchen Juſtituts „Das Rheiniſche 
Dreiecksnetz“ III. Heft p. 171 finden ſich 
die unter Annahme der Dimenſionen des 
Beſſel'ſchen Erdellipſoids von Bonn aus 
übertragenen Yängen 
Königsſtuhl (Ausfichtsturm) 19 37° 52,03 öftlich 

bon Bonn 
Straßburger Münfterturm 0° 39 9,62 öſtlich 
bon Bonn. 

Nach dem im Yuni 1898 von Herrn 
Major von Bertrab ausgeführten Anſchluß 
der Heidelberger Sternwarte an das Net 
dev Trigonometriihen Abteilung der K. 
Preuß. Yandes-Triangulation liegt der 
Königsftuhl-Turm 10,99 öftlich vom Meri- 
dıanfrei8 der dortigen Sternwarte, und 
nad „Aftronom. Nachrichten” Nr. 2769 der 
Münfterturm 1’ 6,”80 weſtlich vom Meri- 
dianfreis der Straßburger Sternwarte. 
Hiermit und unter Annahme des Albrecht'ſchen 
ausgeglichenen Wertes der Yänge Straß- 
burg-Bonn 2”41,°349 ergeben fich die 
aſtronomiſchen Längenunterſchiede gegen 
Bonn 

Königsſtuhl Turm 1? 37° 40,9 

Straßburger Münftertum 0° 39% 13,”44 
mithin aftronomifch-geodätiiher Yärgen: 
unterschied von Bonn (vgl. obige Werte!) 

Königsſtuhl — 11,474 

Straßburg + 3,82 
entiprechend einer relativen öftlihen Yot- 
abweichung fir den Nönigsftuhl von 7,64 
und einer weftlichen für Strakburg von 
2,"53. Nach den Angaben „Hauptdreiede* 
(der E, Preuß. Yandes-Triangulation) be- 


übertwachenden 


— — 


trägt der Längenunterſchied Königsftuhl- | und 0,0041 Sekunden. — „Berechnet man 
Zurm bi8 Münfterturm 58° 42,"56, wor | den mittleren Fehler einer Stromzeit aus 
raus die Differenz der aftronomijchen und | den Abweichungen der einzelnen librdiffe- 
geodätifchen Länge zu 15,“71 oder die | rerzen von ıhrem Mittel, jo ergibt er ſich 
öftliche Lotabweichung des Nönigsftuhl gegen | zu + 0,0028 Sekunden. Die einfadhe 
Straßburg 10,“2 wie vorher folgt.“ — | Länge der Leitung Straßburg (Sternw.) 
Die Yotabweichungen haben zunädjit ihren | bis Heidelberg (Sternmw.) beträgt 185,4 
Grund in Iofalen Berhältniffen der betr. | Kilometer. Hiermit berechnet fich Die 
DOrtlichkeiten, alfo in der Maflenanziehung | Stromzeit aus Albrechts Formel zuO,* 0046, 
der Gebirge: Bogejen weftlid von Straß- | mithin 0,*0035 bezw. 0,0018 größere 
burg, Nedarhöhen öftlih vom Königsſtuhl. als die beobadteten Werte.” 

Da die aftronomifhen Anftrumente mit Selbftredend kann es an dieſer Stelle 
empfindlichften Waſſerwagen fontrolliert | nicht unfere Aufgabe fein darzulegen, aus 
werden oder auch mit Duediilberipiegel- | weldyen inneren und technifchen Gründen 
flächen, welche ihrerfeits von der Richtung | die Nftronomie fo feiner Beltimmungen 
der Schwere abhängig find, jo gehen die | bedarf und beftrebt fein muß, noch wejent: 
aus diefen Abweichungen folgenden Be- | lid weitergehenden Yinforderungen zu ge 
träge voll in die aftronomische Meffung ein, | nügen. Bemerft fei nur, daß unfere Erd- 
fönnen aber als befannte Werte wieder | fugel fich keineswegs genau um zwei Bol- 
elimmiert werden. Es läßt fi) fchon der | punfte dreht und daß es derartig feinen 
geographiichen Situation entjprechend ver- | Mejjungen zu verdanken ift, wenn wir 
muten, daß die Yage beider Stationen | willen, daß ſich die Erdpole feit 16 Jahren 
feinen merflihen Einfluß auf die Pol: | auf einem Raume hberumbewegen, deſſen 
höhenbeftimmung äußert; es ergibt fich auch | Durchmefler O,“4 oder 13 Meter beträgt; 
tatfächlich, „daß der Unterichied aftronomisch: | infolgedeffen ſchwanken die Volhöhen (geogr. 
geodätifcher Breite unter Annahme der Er- | Breiten) aller irdijhen Punkte um 
gebniffe der geodätifchen Übertragung von | diefen Betrag um eine mittlere Lage herum 
Bonn für Straßburg 1,78, für Nönigs- | wie ein Pendel um feine Ruhelage. 


ftuhl 1,”79 gefunden wird, wonach eine Im übrigen geftattet unjer Bericht 
meridionale Lotabweichung des Königsſtuhl Über die meuefte Längenbeftimmung einen 
gegen Straßburg nicht vorhanden ift.” weiteren (vgl. die magnet. Vermeſſung der 


Die vorftehende Differenz von O,*OL | Pfalz im vorigen Hefte!) interefjanten Ein- 
ift gleichbedeutend mit einer Daaresbreite, | blif in die Werfftätten der Naturforichung 
gejehen auf 2 km Entfernung, was zur | und läßt erfennen, daß hier die Natur 
Erhöhung des Reſpektes vor den NRejul- | jpigfindigere Aufgaben ftellt als die fteiffte 
taten einer eraften Wiſſenſchaft noch be- Vedanterie des Bureaufratentums etwa 
merkt fein mag. Anforderungen an die fogen. „Gewiflen- 

Um die beiderjeitigen Ubrzeiten in | haftigkeit” nur ftellen könnte. Dort aber 
Königftuhl und Straßburg mährend der | fteht das deal einer volllommenen Gr- 
Beltimmung der Yängendifferenzen nach | fenntnis als Biel in der Ferne, während 
Menſchenmöglichkeit auszugleichen, hat man | im täglihen Umgang und Getriebe der 
telegraphiiche Signale gemwecelt, gegen 30 | Buchftabe tötet und nur ein in maßvollen 
allabendlich; verwendet wurde eın „Chrono- | Grenzen freier Geift frifches Leben pul- 
graph mit Doppelanfer.” Die Strom- | fieren läßt. 
zeit der Elektrizität betrug zwifchen 0,0008 | 


Bas Unwetter vom 4, Mai. 


Wir nehmen Beranlaffung, in diefer | ungefähren Wortlaut einiger Meldungen 
Beitichrift dem ungemöhnlich heftigen Un- | folgen. 
weiter in der erften Maiwoche cın trauriges | Neuftadt. Es entluden fih am Nad- 
Denkmal zu fegen und laffen zunächit den | mittage des 4. Mai zwei Gemitter 


unter heftigem Blitzen; ein ftarfer 
Blagregen ſetzte zeitweilig eın. 

Mußbach. Das Schwere Gemitter 
tötete im Felde einen Mann nebjt feinem 
Pferde an der Haßlocher Banngrenze. 

Bimmeldingen. Leute wurden im 
nahen Walde durch Blitzſchläge zu Boden 
geworfen. Der Regen war mit Schlojfen 
gennfcht; unmittelbar darnah fam ein 
zweites Gewitter, das wieder heftig tobte. 

Ruppertsberg. Eine gewaltıge 
Waffermafle ftrömte zutal, riß Wingerte 
auf, wühlte Gräben und bededte die Wingerte 
mit Waſſer und Schlamm. Mit Aufgebot 
aller Araft wurde der Bahnverfehr aufrecht 
erhalten; im Felde wateıen Arbeiter bis 
an die Knie im Waller. Die Ortsftraßen 
waren in voller Breite überflutet und fur 
body mit Schlamm überdedt. Die älteſten 
Yeute können fih eines ſolchen 
Unwetterd nidyt erinnern, 

Deidesheim Die Nordhälite der 
Hauptitraße ift bis zum Marftplag von 
der „großen Hohl‘ ber mit Sand und 
Steinen überflötzt. Mehrere Mauerr 
wurden eingerijfen, im Zufammenhang 
damıt cin Weinberg überjchüttet und aus- 
geflögt. Tiefer liegende Gärten und Wiefen 
ftanden ganz unter Waſſer; der Steg über 
den Marladjgraben wurde weggerijlen, und 
der Hagel zerichlug einen Teil der Obſt— 
und Weinernte, Seit 1868 jollen 
feine jolden ®Bajjermafien mehr 
die Gegend vermwülter haben. Der 
Eifenbahndamm war überfchwemmt und an 
einem Daufe wurde eıne Steintveppe weg: 
geriffen. Der Schlamm liegt ſtellenweiſe 
'; m hoch. 

Forft. Das Unmetter dat furdhtbar 
gewütet; die Straßen find voll Geröll 
und Schlamm; Mauern wurden nieder 
geriffen. In BWohnhäufern drangen uns 
geheure Waſſermaſſen ın die Zimmer, mwo 
die Möbel förmlich ſchwammen. Die 
Keller jtanden im Nu unter Waller, in 
den Läden wurde durch Wegſchwemmen von 
Waren großer Schaden angerichtet. In 
der „Wahlshöhle” wurde eine 20 m lange 
Mauer total abrafiert; die Gewäſſer häuften 
Geröll, Sand und Haufen von ausgejätetem 
Gras um die Weinjtöde herum. 

Bad Dürfheim Ein ungemein 


65 





und 6 Uhr, wobei der Blitz fiebenmal 
einfhlug Die Straßen waren bald 
überflutet; eine Weile war der Regen mit 
Hagel vermiſcht. „Wir erinnern und 
nidt, jemals anfangs Mai ein 
jo Schweres Unwetter erlebt zu 
haben.“ Seller wurden unter Bajler ge- 
jeßt, auch wurde vom Orkan maſſenhaft 
Wäſche von der Bleiche in die Iſenach be» 
befördert. Ein Brennereifamin und ein 
Teil des anftoßenden Keſſelhauſes wurde 
durh Blitzſchlag zeritört. — Bejonders 
gegen Reiftadt zu wurden viele Weinberge 
arg verflögt; Bäume ftehen faft entwurzelt, 
Kartoffeln find aus den Feldern fort- 
geſchwemmt, Pfähle und Drahtfteine fort: 
geriffen, Die Gärten und Felder an den 
Burftmarktswiejen, ſowie diefe felbit, glichen 
einem See und find mit Geröll, Schutt 
und Schlamm bedeft. Hochgelegene Wein: 
berge find faſt vollitändig aus: und tief- 
gelegene wieder ganz zugeflött. Das 
Waſſer fam fo fchnell und in ſolchen 
Mengen von den Höhen in die Stadt, daß 
mehrere niedere Wohnungen im Nu unter 
Baffer ftanden. „Den älteſten Leuten 
gedenft ein Unwerter, das jo ver 
hbeerend haufte, wie daß geitrige, 
nicht.“ 


Dürfheimer Tal Das furdt 
bare Gemitter dauerte beinahe drei 
Stunden. Schon lange nidt mehr 


hatten die Dörfer unſeres Tales ein jolches 
Unwetter gejehen. Der Regen bradıte auch 
kirſchgroße Schloſſen. In Grethen 
ftürzten die Waäſſermaſſen an den Berg— 
abhängen der Ruine Limburg und der 
Ningmauer mit ſolcher Gewalt ins Tal, 
daß tiefe Gräben in die FFruchtfelder gerifien 
und im Tal kleine Seen gebildet wurden. 
Keller wurden voll Waſſer; der Blitz ichlug 
an mehreren Stellen, audy in Haufen, ein. 

Saufjenheim, Der Blig beſchädigte 
den QTurm der prot, Kirche und zerftörte 
einen Birnbatım, 

Kleinfarlibad. Bei dem ſchweren 
Gewitter jchlug der Blig in das „Altpörtel“ 
und jpaltete einen Slirjchbaum. Der mit 
Hagel vermifchte Negen war fo jtarf, daß 
der Eckbach bach anichwoll; die Orisſtraßen 
waren davon überflutet. 

Kindenheim Ein brauner, breiter 


beftiges Gemitter entlud ſich zwiſchen | Waflerjtrom ſtürzte ins Tälchen, durch— 


querie die Felder und richtete empfindlichen 
Schaden an; das Wafler ftand ſtellweiſe 
noch anderen Tages. 

Kichheimbolanden Das un 
gemein heftige Gewitter, da& weiter 
im Heffifhen in einen Wolkenbruch aus- 
artete, der einen Dammrutich zur Folge 
hatte, bielt den um 6 Uhr 36 Minuten 
fälligen Berjonenzug auf, der erſt um 
10 Uhr 15 Minuten antam, 

Worms. Beidem ſchweren Wolken— 
brucd, verbunden mit Dagel, wurden in 
Gundersheim drei Perjonen vom Blik 
erichlagen. 

Mainz, Schwere Gewitter haben 
in Rheinhefien Schaden angerichtet; in 
Gonſenheim geihahb ein Wolfenbrucd, 
bei dem Wohnungen geräumt werden mußten. 
In Quadersheim, wo die Feuerwehr 
als Waflerwehr funftionierte, wurden zwei 
Perjonen auf dem Felde erichlagen, in 
Niederflörsheim ein Arbeiter in einem 
Steinbrude. 

Hanau meldet, daß bei den ſchweren 
Unmwettern ein Mädchen in Marburg 
erſchlagen worden Sei. 

Wenn nun auch dieje Auszüge beredtes 
Zeugnis ablegen von der Stärfe der Natur 
gewalten, der Plöglichfeit der Erſcheinung 
und der unabſchätzbaren Eleftrizitätsmenge, 
die hierbei überall und insgeſamt zur Ent- 
ladung fam, fu wollen wir doch nod) daran 
erinnern, daß am T. Mai ein Wolfen 
bruc zwiſchen Bajjau und Wernftein 
ganze Felder vernichtete und den Erlenbach 
zum reißenden Strom madte; aud in 
Paſſau find mwolfenbrucartige Regen ge 
fallen. Bei einem am 9. Mui über 
Aſchaffenburg ziehenden Gewitter wurden 
ein Mann und zwei Kühe erjchlagen; an 
demfelben Tage traten Gewitter mit 
Hagel mit befonderer Heftigfeit im 
Iſartal (Thalfirchen, Grünmald, Prinz 
Ludwigshöhe) auf, ebenjo gleichzeitig eine 
ganze Reihe von ſchweren Gemwittern 
über Unterfranten und den angrenzenden 
badifhen und württembergijden 
Gebieten, bejonderd wurde durch die 
Hagelihläge und Wolfenbrüde 
das Taubertal heimgefudt. Am 10, 
Mai wurde das Iſartal nochmals ſchwer 
betroffen; am 9. Mai erlebte auch die 
Weftpfalz ein fehr ſchweres Umnmetter, 














abgeiehen von den faft tagtäglich bald 
da bald dort eingetretenen (leftrizitäts- 
entladungen, die in jedermanns Erinnerung 
blieben, weil fie eine faft nicht unterbrochene 
Kette von Gemittererfcheinungen darftellten. 

Wir haben ein nterefje daran darzu— 
legen, wie ungemein weit ausgebreitet Diele 
Ericheinung war und wie ftarf fie ſich troß 
ihrer Ausbreitung über ein riefiges Gebiet 
an allen Orten äußerte. Man it gewöhnt, 
nad) Sommergemwittern, die fi „ausgetobt” 
haben, deren Straft- nicht „jozujagen“, 
fondern ganz im mörtlichen Sinne er- 
ſchöpft ift, unter Umftänden fofort reinen 
Himmel zu ſehen; in den geichilderten Fällen 
zeigt ich keineswegs eine Intenfitätsabnahme 
weder der Niederichläge, noch der Eleftrizität. 
Das alles muß feinen bejonderen Grund 
haben; wir bitten unjere Leſer, welche ich 
bemühen wollen, dem Berftändnifie diejer 
Ericheinungen näher zu fommen, nod ein: 
mal unjere auf ähnliche Zufälligfeiten be- 
züglichen Mitteilungen des abgelaufenen 
Jahrganges (Seite 2- 3, 53 - 54, 89- 91, 
104) nachzuleien und fich zu erinnern, daß 
wir mitten auf dem SHöhepunfte des 
Sonnenflefenmarimums ftehen, wenn auch 
unfere Sonne nicht gar jo fledenreich ift, 
wie fie das Bild Seite 53 (22 September 
1870) zeigt. Wir dürfen außerdem daran 
erinnern, daß vom 5. bis 12, Mai eine 
fortlaufende Gefahr beitand, daß die an 
diefer Stelle vorläufig nur zu erwähnenden 
unmittelbaren Einflüffe, die von jehr großen 
Sonnenfleden auszugehen pflegten, ſich im 
Bufammenhange mit zwei Riejenfledfen 
bemerfbar machten, die am 10, Mai die 
Sonnenmittellinie pajfierten. Wer fie ſah 
und die Einflüffe erfahrungsgemäß fannte, 
fonnte die von den Zeitungen gemeldeten 
Wirkungen faft mit Beftimmtheit auf 
Tage vorausjehen. Nicht gerug damit, ging 
die Sonne nad trüben Tage mit Aufflärungen 
unter, es folgte flare oder faft klare Nacht 
— und mit fteigender Sonne trat wieder 
Bemwölfung ein — natürlich von Cirren, 
den Trägern alles meteorologifchen Übels. 
Seit Dftober war die Wechjelmirtung 
zwiichen den jeweils vorübergehenden großen 
Gruppen von Sonnenflefen oder Ginzel- 
Erplofionstrichtern einerfeit8 und den 
meteorologischen Störungen (Cirren, Schnee, 
Kälte, Regen, Gewitter) andererjeits eine 


faft tadellos präziſe. Etwa in der 
eriten Yunimwocetmukten dieſelben großen 
Flecken, wenn auch in veränderter Geltalt, 
vielleicht aud) merklich abweichender Yage und 
Größe mwiedergefehrt fein; es hat fich gezeigt, 
inwieweit Dann Regen- oder Gewitter— 
erſcheinungen neuerdings auftauchen, deren 
Art der Außerung aber davon abhing, wie 
eıne andere, jchon vorher mirderfehrende 
große Fleckengruppe ihrerjeits die Witterung®» 
lage beeinflußt hatte. Da dieje Phänomene 
in beftändigen Fluß befindlich find und 
da8 Hunderterlei von gegenjeitigen Gin 
flüffen derfelben gar nicht zu überjehen ift, 
auch die rem irdischen" Wettervorgänge fid) 
mit dieſen kosmiſchen Einwirkungen viel 
fältig vermengen, jo fann natürlich von 
einer ernfien Prognofe oder gar Termin 
angabe nicht geredet werden. Unjere Lehre 
von den akuten und fiber das gewöhnliche 
Maß weit binausgehenden Erſcheinungen 
im Yuftmeere muß fi vorerft an die An 
Ihauung gewöhnen, daß der vielgenannte 
„Nreislauf” des Waſſers keineswegs aud) 
nur im Gntfernteften ausreicht, um Bor: 
fommniffe zu erflären, wie ſie die zweite 
Maiwoche allenıhalben gebracht hat. 

Es jer aber ausdrüdlich hervorgehoben, 
das das Hagelunwetter vom 10. Auguſt 1905 


67 


— ebenfo das Ungemwitter vom 11. Auguſt 
1904 und, das Hochwaſſer von 1889 bei 
Landſtuhl — zumteil ganz anderer Natur 
it, auch anderer Herkunft. Diefe drei 
Überraihungen waren Einbrüche je eines 
Eisboliden in unjere Atmopjbäre, wobei 
durch Reibung, Erwärmung und infolge 
deſſen Beriplitterung des jpröden Eifes in 
Milliarden Stüde Hagelunmetter mit 
Sturm WMeſt der lebendigen Kraft des 
fosmiichen Eindringlings) und eleftrijchen 
Schlägen (HReibungseleftrizität) reſul— 
tierten. Die zweite Maiwoche aber hat eine 
unmittelbare Zufuhr von Eirruseis gebracht, 
das mit Abkühlung und Regen, natürlic) 
im Zujammenhang damit aud mit Sturm, 
aber exit in zweiter Linie auch mit Hagel 
niederging. Über dieje doppelte Form von 
Eiszuflüſſen aus dem Weltraum hat der 
vorige Jahrgang (8. 91) bereits An» 
Deutungen gebradt. Nähere Ausführungen 
geſchahen auch im Frühjahre gelegentlich 
eines Öffentlihen Vortrags über Bagel- 
fatajtrophen ım Anjchluß an das Unwetter 
vom 10. Auguft 1905 im Berein für 
Frauenintereffen in Haiferslauterın. Auf die 
ım Anfange des Monats Juni fich wieder: 
holenden Stataftrovhen fommen mir nod 


zurück. Ph. F. 


Der „gemeine Bauerntaäag'“ zu Arzheim. 


Zur firfibiichöflichen Zeit hatte Arzheim 
neben dem Torfgerichte, beftchend aus 


Schultheiß und 7 Schöffen, noch jeine 2 | 


„Dorfmeiſter“, auch „Bürgermeiſter“ 
genannt, welche jedes Jahr aufs neue ge— 
wählt werden mußten. Dabei war eine 
Wiederwahl zwar zuläſſig, in der Regel 
aber wurden zwei andere Bürger zu diefem 
Amte erforen. Sie hatten cin wichtiges 
Amt zu verwalten; denn fie waren We: 
meindercchner, Gemeindeeinnehmer und zu 
gleich Kirchenpfleger. Als ſolchen war ihnen 
die ganze finanzielle und wirtichaftliche Ver— 
waltung der Gemeinde und deren jümt 
lihen Bermögens wie auch der Pfarrei 
(Behent, Gülten ujw.) und Schule über: 
tragen, ja fie hatten jogar die herrichaft- 
lihen Abgaben und Steuern der Bürger: 
Ichaft zu jammeln und in die Nellerer ab 
zuliefern. Ihre Bildung mußte demnad; 
wenigftens einen joldhen Grad erreicht haben, 


i 


dak ſie geläufig leſen und fchreiben fornten, 
ganz bejonders aber zu rechnen verftanden, 
umjomehr, da fie ihr Amt jelbftändig zu 
führen hatten, Meiftens gehörten fie auch 
zu den jog. befleren Familien und ‚zufolge 
ihres Amtes bradıte man ıhrer Perſon 
mehr Achtung und Hochſchätzung entgegen 
als den „Gerichtsſchöffen.“ Naddem 
fie um Martini jeden Jahres ihre „Dorf- 
rechnung” und Stivchenrechnung zum Ab» 
ihluß und dem Gerichte zur Borlage ge: 
bradıt hatten, traten fie von ihrem Amte 
zurüd, An dem nämlidhen Tage fand noch 
die Neumahl Statt. i 

Dieier Tag — das Datum läkt ſich 
nicht bejtimmt angeben — mar befannt 
unter dem Namen: „gemeiner Bauern: 
tag.” Zwar hatte Arzheim in früherer 
Bet aud) jeine Handmwerfer, aber alle hatten 
eın mehr oder minder großes liegendes 
Gut, das fie ſelbſt bebauten, und darum 


waren fie troß ihres gewerblichen Betriebes 
im wahren Ginne des Wortes Bauern. 
Im Gegenjage zur Stadtbevölkerung war 
die des Dorfes eine bäuerlide. „Bauern: 
tag” hieß diefer Tag deshalb, weil an ihm 
die Bauern ein altes Borrecht ihres Stan- 
ded ausübten, das Recht der freien Wahl 
derer, melden fie die Verwaltung ihres 
gemeinfamen Beſitztumes anvertrauten. 
Darum war diefer „Bauerntag” ein Feſt— 
tag erfien Ranges für die ganze Bürger- 
Ihaft, wie ihn der Bauernfalender nur 
felten im Jahre verzeichnete. Dieſer Tag 
hat nad) und nad; viel von jeinem alten 
Glanze verloren; der Tag der heutigen 
Gemeinderatswahl fann damit gar nicht 
verglichen werden. Diejes Bild aus dem 
Bolfsleben bauptjächlich des 17. und 18, 
Yahrhunderts der Bergeflenheit zu ent- 
reißen ift die Beranlaffung nadıfolgender 
Schilderung. 

Selten verſammelten fich die Mitglieder 
des Dorfgerichtes zu einer jold feierlichen 
Sigung wie „ahm Jahrtag”; denn heute 
galt es die „neuen Ämter zu maden 
und auszuteilen.“ Hatten ja in der 
vorigen Sitzung vor dem verjammelten 
„Bollgerichte“ die bisherigen Bürger- 
meister zugleich mit ihrem Rechnungsabichluß 
auh Amt und Würde „laut Berordnung” 
niedergelegt, weshalb heute nun die Neu— 
wahl jtattfinden follte. Schon einige Tage 
vorher hatte der „Büttel” Tag und Stunde 
diejes feierlichen Altes „durd; die Orts— 
ichelle” bekannt gegeben. Und mährend 
alfo oben in der „Gerichtsſtube“ der 
Schultheiß und die Schöffen fich anſchickten, 
ihres Amtes zu walten, war unten im den 
offenen Hallen des Rathauſes gar zahlreich 
die Bürgerſchaft verſammelt, voller Er: 
wartung, wen heute das Los treffen würde, 
Endlich hatten fie fich geeinigt und eine 
Lifte der zu dem Amte eines Dorfmeifters 
„taugliden“ Bürger aufgeftellt und dem 
„Heimberger“ übergeben, auf daß er fie 
dem. verjammelten „Hubgerichte“ (oder 
„Kubhofe”) vorlege. Dieweil man aber 
nur zwei Männer zu wählen hatte, wurde 
eines jeden Name auf einen „Zedul“ ge 
Ichrieben und fämtliche Zettel in einer Urne 
geborgen. Drunten war e8 jeßt ganz Stille 
geworden, nichts regte ſich. Denn der 
„Heimberger“ trat mun heran, die neuen 


Dorfmeifter jollten „gezogen“ werden. Das 
Recht, fie auszulojen, hätten nämlich nur 
Schultheik und Gerihtsihöffen, an deren 
Stelle der Gerichtödiener, Heimburger 
(oder Heimberger) genannt, den feierlichen 
Alt vollzog. In kurzem hatte er ſich feiner 
Aufgabe entledigt, und „al man hat 
die burgemeifter gezogen”, da wurden 
alsbald ihre Namen der harrenden Menge 
feierlich verfündet. Alles fam in freudige 
Erregung bei der Stunde, daß „die newen 
ämbter vnd dienemwen burgermeifter 
gemadht worden” jeien. Die beiden 
Grforenen erjchienen alsbald vor dem Ge— 
richte und wurden bier in Bflidyt genommen, 
in Amt und Würden eingejegt. Darauf 
folgte dıe Einmweifung in ihr Amt, indem 
man ihnen den noch übrigen Wein aus 
den Gemeindewingerten libergab; denn jo 
war es herkömmlich bei „wieder Neuer 
befegung der Ämpter.“ 

Nach dem offiziellen Feftafte folgte am 
Nachmittage die „Feier“ der Bürgerichaft. 
Wohl felten im Jahre jah der „Rathaus: 
wirt“ in der „gemeinen Herberge” 
jo viele Säfte wie am „gemeinen Dag”. 
Alle Bürger waren bei ihm verjammelt 
und wurden dajelbit „von Gemeinde wegen” 
mit Speife und Trank „traftiert”. Bu 
diefem „Traktament“ ftellte der „Schild- 
wirt” die Speifen, und wahrlid, Spariam- 
feit ließ man an diefem Tage nicht walten. 
Denn jo berichten es uns die Dorf. 
rechnungen, die in mandem Jahre eine 
hohe Ausgabe für diefen Tag aufweiſen; 
jo 3. 8. 1671: 15 Gulden, 1691 : 10'% 
Gulden, 1717 : 11 Gulden, 1725 : 15 
Gulden ulm. Dazu ftellte die Gemeinde 
den Wein den „Bauren” gratis; ihn 
fredenzten die neuen Dorfmeifter. Bu ihrer 
Ehre aber fei e8 gejagt, daß fie wenigſtens 
an diefem Tage nicht Emauferig waren. 
So wurden 3. B. im Jahre 1671 etwa 
106 Liter geirunfen, anno 1684 aber 
1 Ohm 5 Biertel (= 136 Liter); 1725 
gar gingen an Wein nicht weniger als 
2 Ohm 4 Viertel (= 224 Liter) auf. 
Manchmal geftaltete fi das Feſt durd 
irgend einen Umftand noch feierliher. So 
berichten uns 3. B. „Jeſae Meyer vndt 
Baulus Schmidt alß verorderte Dorfi- 
meijter” in der Rechnung vom %. 1692, 
daß bei ihrer Wahl im Spätjahre 1691 


gegeben mwurden „3 Biertel (— 24 Liter) 
wie man die Ämpter beſetzet hatt Bor die 
miliß fo geipielt hatt“; es war da- 
mals gerade „Einguartierung” im Dorfe. 
Daß troß der Kriegswirren die Feſtes 
freude feinen Eintrag erlitt, hatte man nur 
dem Umftande zuzufchreiben, daß die 
mufizierenden Milizfoldaten zum Feſte 
„engagiert“ worden waren. 

So ſchildern uns die alten Gemeinde— 


9 — 


rechnungen den „gemeinen Bauern 
tag”. Jährlich ſah man feinem Er— 
jcheinen freudig entgegen, bis auf einmal 
die franzöfiiche Revolution diefer Poeſie 
ein Ende machte und mit rauher, gewaltiger 
Hand auch diefes Stück deutichen Volks— 
tumes und deuticher Heimatfitte wie fo 
manches andere vernichtete und für alle 
Zukunft zu Grabe trug. 
Joh. Weber. 





Das Bönigsland im Jahre 1600. 
Bon D. Häberle, kalferl. Rechnungs Rat, Heidelberg. 


Beim Niedergang des deutichen Kaiſer⸗ 
tums unter den legten Saliern löfte ſich 
die alte Gauverfaflung auf und die ver- 
waiften Krongüter wurden von den fleinen 
und großen Gemwalthabern zur Begrindung 
jelbftändiger Herrſchaften anftatt als Lehen 
nun als Eigentum in Anfprud genommen. 
Nur im Herzen der heutigen Pfalz hatten 
einige Landftriche noch feinen Herren ge: 
funden, da dichte Wälder, mweitousgedehnte 
Sümpfe und ein rauhes Klima fie als einen 
wenig erftrebenswerten Belig erjcheinen 
ließen und die jett jo zahlreichen früheren 
Waldhufendörfer erft einer jpäteren Rodung 
ihren Urjprung verdanften. Es war Dies 
dad Gebiet des königlichen Bannforftes 
Lutara, mwelder fih als Ausläufer des 
Bfälzer Waldes nad) einer Urkunde Kaiſer 
Dtto I. aus dem Jahre 945 vom Donners: 
berg bis in die Gegend von Boſenbach und 
Neihenbad und zum Reichsforſt Winter: 
bauch Hin erſtreckte und die weſtlichen Teile 
des Wormd- und Nahegaus als jpäteres 
Reichs und Hönigsland zwifchen Glan und 
Lauter in ſich ſchloß. Diefer Bezirk wurde 
in der Beit des allgemeinen Zerfall Mitte 
des 12. Jahrhunderts von dem tatfräftigen 
Friedrich Barbarofia für das Reich gerettet 
und erhielt dur) die an der Peripherie 
gegründeten Burgen Lautern und Wolfftein 
fefte Stützpunkte. Reichsſchultheiße be— 
ſorgten im Namen des Kaiſers die Ver— 
waltung und blühende Gemeinweſen ent- 
widelten fih in Anlehnung an die fidhern 
Schuß gemwährenden Reichsfeſten, ſodaß 
beiden Plätzen 1275 bezw. 1276 duch 
Kaiſer Rudolf von Habsburg die Redıte 


und Freiheiten der Reichsftadt Speyer ver- 
liehen werden fonnten. 

Auch nad dem Übergang an die Kur- 
pfalz blieb der Hiftorifch begründete innere 
Bufammenhang zwifchen Reichs und Königs— 
land fortbeftehen und Wolfftein wurde als 
Unteramt an dad Oberamt Lautern an- 
gegliedert. Über die ungefähren Grenzen 
des Geltungsbezirks des Reichsrechts gibt 
das Weistum der Lautrer Burgmannen von 
1417 Auskunft, doh muß angenommen 
werden, daß damals das Königsland fich 
meiter jüdlih über das Reichsland hin 
ftredte, wie das fpätere Amt Wolfftein. 
Denn nad) der NAufftellung Ottos von 
Mosbah, des Vormunds von Aurfürſt 
Ludwig IV., waren 1437 beim Ableben 
Johanns von Sponheim die Dörfer Kübel- 
berg, Sulzbach, Brambach, Katzweiler, Ols— 
brücken, Frankelbach, Zweikirchen, Ruths: 
weiler, Rothſelberg, Kritbach (7), Kreimbach, 
Kaulbach, Ußbruck (?), Wirnsbach (?), Hape: 
bach, Nanzweiler, Steinwenden, Nieder 
mohr, Obermohr, Mackenbach u. a. nad) 
Neu⸗Wolfſtein mit Frohnden und Abgaben 
dienſtbar. Vielleicht erfolgte die aus dem 
Jahre 1600 genau bekannte Abgrenzung 
ſchon 1549 oder 1566, als nach dem Ab— 
leben des mit Wolfftein und Zubehör be- 
lehnten Schweickard von Sidingen das 
Nönigsland wieder mit dem Oberamt 
Lautern vereinigt wurde, Damals beftand 
es aus der in der Gemarfung von Ruths— 
meiler gelegenen Stadt Wolfftein und den 
beiden Gerichten Rothjelberg uud Katzweiler. 
Zu NRothjelberg gehörte der untere Teil 
des Amtes mit Ruthsweiler, Zweikirchen, 


Kaulbach, Franfelbah und Kreimbach; zu 
Katzweiler der obere Teil mit Olsbrücken, 
Dber- und Unter Sulzbad, Hirſchhorn und 

Mehlbah. Durch Taufch mit Zweibrüden 

wurde das Unteramt 1768 durd; Einöllen, 

Hohenöllen, Roßbach, Tiefenbah, Ober 

weiler, Rödweiler- und Sulzbadherhof ver: 

größert und mehr arrondiert. Die von 

Plarrer Lehmann entworfene Starte des 

Reichs: und Nönigslands in der urkundlichen 

Geſchichte von Yautern würde dem ent: 

Iprechend zu modifizieren fein, 

Eine ausführlihe Schilderung des ehe 
maligen Nönigslands verdanfen wir dem 
Forftmeifter Philipp Belmann aus Germers- 
heim, welchet 1600 auf Anordnung jeines 
Herrn, des Aurfürften Friedrich IV. von 
der Pfalz für die Gebiete links des Rheins 
Wald und Grenzbefchreibungen verfaßte, 
Die dar Amt Wolfftein betreffende ift in 
der Zeit vom 21. Juni bis 2. Juli 1600 
geichrieben und in einer 304 Folio:Seiten 
umfaflenden und von der Hoffammer- 
regiftratur zu Mannheim gefertigten Kopie 
aus dem fahre 1730 anf uns gekommen, 
welche als Sal: und Yagerbud Nr. 124 
im Kreisarchiv zu Speyer verwahrt wird, 
Der ftattlihe Band gibt uns zumächft Seite 
1 bis 5 Nachricht über den Velmann er- 
teilten Auftrag: 

1. Feftzuftellen, was an Wald, Ader: 
land, Wiejen, Fiſchbächen, und 
Weiher Kurpfalz allein oder mit 
andern gemeinfam jei. 

. Die Grenzen zu beichreiben und 
dabei fich ergebende ftrittige An— 
iprüche zu prüfen, 

. die Brand. und Bauholzberedti: 

. gungen, die Eichel-, Weide-, Yagd- 
und FFiichereinugungen zu unter- 
juchen, 

*über die vorfommenden Wıldarten 
und die Erträge der Yüändereien 
zu beridhten., 

Mit der Grenzbeforchung wurde am 
21. Juni in Gemeinjchaft mit dem fur 
pfälziihen Amtmann von Wolfitein, dem 
Oberſörſter Philipp Frey und dem „fuß- 
gehenden” Forſtknecht Michael Gailinger 


aus Yautern unter Zuziehung von nament- | 


70 


— — — — nn. — — — — 





lich aufgeführten Gemeindevertretern aus 


Katzweiler, Sulzbach, Rothſelberg, Kraim— 
bach, Olsbrücken, Ruthsweiler und Mehl: 


feſtgeſtellt waren, 


bach begonnen. Man ging von der 
Mündung des Eimerbaches, (des Scheid 
grabens, gegen den Hoheneder Belik), in 
die Lauter aus, folgte der Sapmeilerer 
Vanngrenze den Gimerbady aufwärts bıs 
zur Quelle, wo die Hirten nad einer 
tadelnden Bemerfung Belmanns mit An— 
brennen des dort ftehenden Loch (Brenz) 
Baumes müßig gingen. Bon bier ab 
bildete iiber Eulenbis hinaus das Oberamt 
Yautern die Grenze bis zu Dem beveits 
damals verfchwundenen Bernhardskreuz auf 
der Weftedfe des Bannes von Rotbielberg, 
welches am Schnittpunft der Eulenbifer und 
Gaſſenberger Straße Reiche- und Königs— 
land ſchied. Nach Süden umbiegend folgte 
dann die Grenze dem weſtlichen Rand der 
Mark von Norhielberg, und vom weißen 
Stein ab auf dem Heerweg über den Kinſch— 
(Nönigs)berg, dem von Ruthsweiler und 
Zweifirchen bis zum Jungwald. 

“ Die Nordgrenze ftieg durch den Bieber— 
graben, unterhalb des Röckweilerhoſes — 
einem alten Nönigshofe und damals dem 
Kloſter Offenbach gehörig — hinab zur 
frummen Weide an der Yauter und folgte 
diefer dann aufwärts bis zur Weipolz 
firhiihen Schmeikbader Mühle in der 
Weiſe, dab ein drei Fuß breiter Pfad am 
öjtlihen Ufer liegen blieb und ſomit die 
Fiſcherei Kurpfalz allein gehörte. Roßbach, 
welches früher mit Stahlhauſen und 
Immetshauſen cine Gemeinde ausmachte, 
lag bereits außerhalb des Königslandes. 
Dasjelbe galt für das zur Herrſchaft 
Neipolzfirchen gehörige Dorf Morbach, das 
Flörsheimer Wörsbad) und dus Sicingeniche 
Schallodenbach. 

Hier bildete die Hochſtraße von Mor— 
badı nach Dtterberg und dann der Heerweg 
von Schallodenbacdh über den Homberg am 
Yauerhof vorbei die Grenze bis zur Ge— 
marfung von Sambach, diejer entlang und 


! die Lauterftraße abwärts fehrte man wieder 


zum Ausgangspunft am Eimerbach zurüd. 
Dtterbah und Sambadh bildeten eine den 
Grafen dv. d. Yeyen gehörige Enflave. (Seite 
10 - 76.) 

Nachdem fo die äußeren Grenzen des 
Bezirks an der Hand von Wafferläufen, 
Markſteinen, Höhenwegen, hervortretenden 
Felſen und im Feld alleinftchenden Bäumen 
folgte Seite 77 bis 83 


eine Aufzählung der Dörfer mit ihren Feuer: 
ftellen; zum Wergleich werden die von 
Widder in der Beichreibung der Kurpfalz 
aus dem Yahre 1788 gegebenen Zahlen in 
Klammern daneben gefeßt: Feuerſlellen Bewehner 


Wolfſtein — (— 486) 
Aatzweiler 32 (54 409) 
Nieder Sulzbach 10 
Ober⸗Sulzbach 9 133 186) 
Rutsweiler | cine Gemeinde 16 |. 

Zweikirchen bildend 7 130 160) 
Kreimbach 15 (24 186) 
Kaulbach 14 (23 146) 
Rothielberg 40 (52 332) 
Frankelbach 14 (21 120) 
Olsbrücken 23 (67 402) 
Mehlbach 11 (39 217) 
Hirſchhorn — (26 177) 


Dieſer, für die Bevölkerungsdichte vor 
dem dreißigjährigen Krieg intereſſanten Auf: 
ſtellung folgte eine Aufzählung der dem 
Amte BWolfftein abgabepflichtigen Höfe und 
Mühlen (Seite 78-82) Hirſchhorn be- 
ftand damals lediglich in einem dem Prä— 
monftratenjer-Stift Yautern gehörigen Hof- 
gut, welches ebenjo wie die Hirſchalber 
Mühle bei Geijelberg den Namen Hühner: 
Icherre führte. Die Schaafmühle mit der 
Walkmühle unterhalb Kapmweiler war von 
Kurpfalz in Erbbeitand verliehen, ebenjo 
die Oppenfteiner Mühle nebſt zugehöriger, 
aber verfallener Delmühle bei dem Hofe zu 
Prombach, der die Stelle des eingegangenen 
Dorfes Brambah einnahm; aud in der 
Yauttenbad bei Katzweiler wird ein jchon 
damals verjchwundener Hof erwähnt. 

Hieran fchließt fih nun der für die 
Lokalgeſchichte wichtigite Teil des VBelmann- 
ſchen Berichts, nämlich die eingehende Be: 
ihreibung der einzelnen Gemeindebezirke. 


So wird behandelt: @eite 
Katzweiler 83— 116 
Dber- und Nieder Sulzbach 117. 136 
Rothielberg 137 - 175 
Ruthsweiler, Zweificchen und 

Wolfſtein 176 - 518 


71 





Seite 
Kreimbad) 219 - 239 
Olsbrücken 240 - 253 
Mehlbach 254 - 266 
Hirſchhorn 267 — 272 
Frankelbach 273 - 281 
Kaulbach 282 — 291 


Den Schluß bildet die Aufzählung der 
Kurpfalz allein gehörigen Fiſchbäche und 
Weiher (292 bis 296) und eine Bejchreibung 
des Waldes hinter der Burg Wolfitein, bei 
deffen Umgang am 1. und 2, Juli der 
Bürgermeifter und die Stadtverordneten 
mitwirften (Seite 297 - 303). Weber die 
Verwüſtung der Wälder, die nur nod aus 
Buſchwerk beftanden, führt Belmann bittere 
Klage, da die Untertanen „zu aasrabild) 
und ungetreulich” damit umgingen, und 
fchlägt vor, des Amtmanns Schützen eine 
kleine Befoldung zu geben und ihnen die 
Beauffihtigung der Wälder in Eidespflicht 
zu übertragen. Die Fiicherei in der Lauter 
war verpachtet, dagegen ftand die Jagd im 
ganzen Königsland dem Amtmann zu; „er 
hat es wegen Dienft zu bejagen und wegen 
Pfalz zu bejuchen; wenn die Hunde ab- 
geichoffen oder mit einem Knebel behängt 
würden, wiirde der Haſe in dem raub- 
gräbigen Feld gern feine Wohnung nehmen.“ 

So ſchildert uns Belmann die damaligen 
Verhältniffe in der vielfeitigften Weile. Wir 
erfahren von ihm nicht allein die Grenzen, 
die urjprünglichen Flurbenennungen und die 
Namen einzelne! Bewohner, fondern mir 
können audy auf den damaligen Stand der 
Land und Forftwirtichaft, die Verteilung 
von Feld und Wald, Wiejen und Dedungen, 
die Höhe der Pachten, Yehrer- und Pfarrer: 
befoldungen, die Jagd und Fiſcherei, die 
Straßenzüge, die Ausdehnung des Wein: 
baues bis über Dlsbrüden hinaus uſw. 
wichtige Schlüffe ziehen. 

Bielleiht finden fi in den genannten 
Gemeinden Gejchichtsfreunde, welche dieſe 
wichtige Quelle für die Heimatsforichung 
nußbringend verwenden werden. 


Bom Frühlingseinzug in Bentfchland 


gibt Brof. Ihne einen lefenswerten Auf- 
ſchluß. Er betrachtet den Frühling im 


Reihe beitimmter Pflanzen aufblügen. Der 
Frühling dauert demnach 23 bis 33 Tage. 


botanischen Sınn als jene Zeit, wo eine , Das Mitieldatum füllt auf die Zeit der 


12 


Apfelblüte. In Mitteleuropa findet der 
Srüflingseinzug, abgejehen von einigen be 
vorzugten Orten an der Südabdachung der 
Alpen, am früheſten ftatt in der ober: 
rheinischen Tiefebene von Bajel bis Mainz, 
in der Borderpfalz ineinem breiten 
Streifen, der fih dann verjchmälernd 
fortjeßt im Rheintal bis Düffeldorf, an 
der Mojel bis Nancy, am Nedar bis Kann» 
ftatt. Bier hält der Frühling überall 
feinen Einzug zwiſchen dem 22, und 28. 
April, am früheften im Rheingau und 
der Pfalz, den berühmteften Weingauen. 
Nun erfolgt die Verbreitung des Frühlings 
raſch, am 1. Mai find jchon die Niede 
rungen des Marchlandes, am 2. und 5. Mai 
find Linz und Salzburg erreicht, das übrige 
öfterreichiiche Alpenland folgt zwiſchen dem 
4, und 6, Mai. Innsbruck ficht infolge 
des Föhns den Frühling fogar ſchon am 
3. Mai. In der Zeit bis zum 5. Mai 
fällt der Frühlingsbeginn aud für das 
Donautal bis Regensburg, für die ebenften 
Teile Böhmens, für die Gegenden von 
Dresden und Leipzig, für das Tal der 
Saale und Unftrut jowie für Teile der 
Weſer. Im meitaus größten Teile Mittel: 
europas erfolgt der Frühlingseinzug zwiſchen 
dem 6. und 12. Mai. Der nördliche Teil 
der Niederlande und ganz Rorddeutichlands, 
bis zu einer Linie, die von der Meier 
mündung gegen Kiel und von da über 


Grabungen 


Wörrftadt (Rheinh.) Hier wurden 
Gräber aus fränkiſcher Zeit, etma aus 
dem 5, bis 7. Yahrhundert n. Ghr., auf: 
gedeckt. Der zuftändige Direktor des 
Mainzer Mufeums Yındenjchmit leitete die 
Urbeiten. Eine Armfpange, ein £ugelför- 
miges Glas ohne jede Definung, Glas und 
Zonperlen, Metallbeſchläge eines reichen 
Frauengewandes, ein Tongefäß u. a, m. 
wurden ans vicht gefördert, und für das 
Mainzer Diufeum in Berwahrung genom: 
men. Früher jhon fand man in dieſem 
fränfiihen Totenfelde lange und furze 
Schwerter, Dolce, Pierdezäume, ie 
Kämme, Lederftücde und dergl. mehr. Ä 
Monat Oftober v. J. beabfichtigte —— 
direktor Lindenſchmit auf dem alten Gräber— | 


Stettin und Thorn nach Rußland zieht, 
gehört hierher, ebenjo die Marf und mit 
ihr Berlin; ferner Schlefien, das bayeriiche 
und jchmwäbifche Borland — München hat 
um fünf Tage jpäter Frühling als Inns— 
brud und jehs Tage jpäter als Nürnbeig 
— und die höheren Teile des fränfiichen, 
thüringifchen und heffiihen Hügellandes. 
Nur die Gebirge ragen in Siüd- und Mittel« 
deutichland heraus, wo das Frühlingsdatum 
erft in die Zeit nach dem 13., auf dem 
Höhen fogar erft nah dem 20, Mai fällt. 
Gegen Norden zu erjcheint der Frühling 
zwifchen dem 13. und 19 Mai in Schles- 
wig, dem nördlichen Mecklenburg und Bor- 
pommern, in gan; Öinterpommern und 
Preußen bis zum Samland, Am Nuriichen 
Haff, in Ecdonen, Eceland und Yürland 
hält der Frühling erft nach dem 20. Mai 
jeinen Einzug, in Starlöfrona, in Süd- 
ſchweden ſogar erft am 29. Mai, ebenjo 
wie zu Neipenhain im Erzgebirge. Bei 
diefen Beobadytungen ift Seehöhe und geo- 
graphiiche Breite allein nicht maßgebend, 
jondern jehr die Örtliche Page. Bei 100 
Meter Höhenyunahme tritt eine Verzögerung 
des Frühlingseinzugs um drei bis vier 
Tage ein. Nad dem 20. Mai hält der 
Frühling feinen Einzug am Harz in über 
515 Meter, am ſchwäbiſchen Jura in 725 
Dieter Höhe. (Feierft.) 


und Funde. 


felde weitere planmäßige Ausgrabungen vor: 
nehmen zu lajjen, auf deren Ergebnifle man 
gejpannt ſem darf. 

Marau Ein palüolithijcher, bie 
ber am Mittelrhein noch nicht fonftatierter 
Fund wurde am Rheinufer bei Marau ge- 
macht. Derjelbe beftcht in einer roh be- 
hauenen Lanzenjpige aus Urfalfgeftein von 
13 Bentimeter Länge und 5 Bentimeter 
Breite für jede der drei Geiten. Ein Ein 
Ichnitt in den unteren Dritteil ermöglichte 
das Anbringen eines Schaft aus Holz 
oder Hirihhorn. Der jeltene Gegenstand 
gelangt in das Mujeum der „Bollihia” zu 
Bad Dürkheim. 

Neuftadt. Die Fauna, die Tier: 
welt, die einft die Neolithiker von Wallböpl 


umgab, tourde durch freundliche Vermittlung 
‚bon Dr. Ohler in Neuftadt von Profeſſor 
Dr. Stoß in Münden 3. T. beſtimmt. 
Bon Yagdtieren ift der Ur, der gewaltige 
Bos primigenius, bemerfenswert. Ebenſo 
ift ein Equide, eine wahrjcheinlich wilde 
Bierdeart, nachgemiejen, die den Wallböhlern 
zur Nahrung diente. Bon weiterem Wild 
find nad) dem „Pf. 8.” Hirſch und Reh 
zu nennen. — Bon Haußtieren hat die 
Wallböhler Menſchenraſſe aus der Fremde, 
wahrjcheinlih aus Uberitalien und Nord 
afrifa mit an den Rhein gebradt: 1) das 
Hausrind, 2) das Schaf, 3) das Schwein. — 
Aus der noch ausftchenden Unterfuchung 
der Tierfnochen, die in München und Speyer 
untergebracht find, wird fich ergeben, ob 
auch bereits der Haushund das Gehöft und 
die Herden der Wallböhler geihütt hat. 
Andernortö diente der Hund in neolithifchen 
Anfiedelungen des Mittelrhein auch zur 
Nahrung. — Der micdhtigfte, ja geradezu 
phbänomenale Fund der prähiftorifchen 
Archäologie beiteht in den von Brof. Dr. 
Mehlis auf dem „Böhl” zwiichen Neuftadt, 
Mußbach und Haardt aus unberührten 
Schichten mit Schriftzeichen ꝛc. bemalten 
Kiejeln neolithifcher Abkunft. Es find jetzt 
4 Stück diefes Art vorhanden, die 11 pifto- 
graphiiche Zeihen und bandkeramiſche Ver- 
zierungSmotive aufmweifen. Die Unter: 
juchungen werden fortgejeßt. Der Leiter 
wird obige Objekte einer wiljenfchaftlichen 
Kommiffion vorlegen, bejtehend aus den 
Herren Hofrat Schliz-Heilbronn, Profeſſor 





13 


Dr. Schötenjaf Heidelberg und Dr. 8, 
Wilfer- Heidelberg. Der Fund wird im 
Mufeum zu Speyer deponiert. — Die 
Unterfuchungen in der ausgedehnten Neo- 
lithiſchen Station „Böhl“ werden fort- 
gejegt. Ein Hauptfundgebiet ift das Terrain 
der fol. Obſt- und Weinbaufchule, das von 
Direktor Dr. Zſchokke in liebensmwürdigfter 
Weiſe zur Verfügung geitellt wurde. — Un 
der Weitipige des Ordenswaldes, Abteilung 
Sandfaut, fand der Borftand der 
anthropologiichen Seftion das 6,5 cm breite, 
45 cm lange Fragment einer Gteinart 
aus Foriter Bafalt. Da Frau Wiedemann 
von Haardt im Ordenswalde vor Yahren 
ein prächtiges Steinbeil aus Siejeljchiefer 
auffand, fo war Hier wahrjcheinlich eine 
weitere Station der jlingeren Steinzeit vor» 
handen. Diefe Siedelungen reichten vom 
Abhang des Hardtgebirges bis an den Rhein 
bei Speyer bin. 

Nah einer Mitteilung des Sanitäts— 
rates Dr. Köhl an die anthropologijche 
Sektion der Pfalz wurde bei Dirmjtein 
ein wichtiger neolithifcher Grabfund gemadıt. 
Bei landwirtſchaftlichen Arbeiten ftieß man 
dort auf ein Hodfergrab, das offenbar zu 
einem Hoder-Srabfeld gehört. Bei dem 
Efelett, das zur Hälite erhalten ift, lag ein 
mit parallelen Linien-Riefen gezierter Zonen 
becher. In der Gegend der Arme lag eine 
Platte aus Kiejelichiefer, die ein feltenes 
Werkzeug, eine Armſchutzplatte gegen das 
Burücdjchnellen der Bogenfehnen, darftellt. 





Archäologiſche Htudien. 
Bon Dr. C. Mehlis, VBorftand der anthropol. Seftton der Bollichia. 


I. 
NReihengräberfunde bei Deidesheim. 
(Mit Zeichnung.) 


Neuftadt, im Dez. 1905. Archäo— 
logijhbe Funde wurden Ende Januar 
bis Anfang Februar 1905 zwiſchen 
Deidesheim und Niederfirden „im 
Hutmweg“ nahe der „Wlten Wormſer 
Straße”, einem Geleitswege, gemacht, der 
nad; Miniſterialrat Heing („die Pfalz unter 
den Mömern”, ©. 76 und arte) auf 
römifher Grundlage beruht. 


-10 maren 


Hier | 


ftieß Herr Dr. Karl Kimmich, Gutsbefiger 
zu Deidesheim, beim Roden auf ca. 25 
fränfifhe Plattengräber, die zu einer 
Friedhofanlage des 5.—6. Yahrhunderts 
nad) Chriftus gehören. Dieje Gräber find 
von Weit nah Oſt in Reiben angelegt. 
Die Sfelette lagen zwiſchen den roh ge- 
brochenen Steinplatten in einer Tiefe von 
1,40 Meter. Die meiften Gräber waren 
ihon früher ihrer Beigaben beraubt, nur 
noch unverjehrt. In ihnen 
waren Männer, Frauen, Ehegatten, 
Kinder vertreten. Ein fränkiſcher 


= 


Edelmann hatte zur Rechten die breite 
Spatha mit QUuergriffitange und Griff- 
fnopf, die nad, Reften in einer Holz 
jheide lag. Uber diefem Schwert ſtieß 
man auf den fleineren Sar, ein ein- 
jchnittiges großes Meſſer. Eine Edel- 
dame war mit einem SKollier geſchmückt, 
das aus ca. 150 Perlen befteht, die z. T. 
aus Ton, Glas, 3. T. aber aus Amethyſt 
und Bernftein hergeitellt find. Die Tunika 
war geſchmückt mıt einem halben Dugend 
von plattenförmigen Metallfnöpfen oder 
Rundfibeln, die fid mit geometrijchen ein- 
geftanzten Muftern verziert zeigen. — 
Mehrere zeigen ein Kreuz in der Mitte auf. 
Undere Fundftüde beftehen in Schnallen 
und Beichlägen für Riemenwerk aus Bronze, 





ein 


für 
hübſches Kinderhalsband, aus einer großen 


aus einem filbernen Scieber 
Millefiori-Berle, die an einem Silber 
draht (?) befeftigt war, aus Mefjern uſw. 
— Bon Tongefäßen ıft nur ein Stüd 
erhalten, eine doppelfonijche, jchwarze Grab- 
urne, verziert mit fleineren und größeren 
Model Eindrüden. Das Knochen- und 
Schädelmaterial wurde leider nicht 
aufgehoben, doch waren die Unterjchenfel 
der Männer und Frauen nah Herrn 
Dr. Kimmichs Angabe von bejonderer 
Größe. — Zmeifellos ift hier der ältefte 
Begräbnisplag für die Gründer des 
im Sabre 770 zuerit urkundlich erwähnten 
Didinesheim — Diotin's oder Thiotin’s 


Heim (vgl. Heeger: Die germaniiche Ber | 


fiedlung der Borderpfalz, ©. 11) feftgeitellt. 
— Herr Dr Kimmich verjprad dem Ber- 
treter des Kreismuſeums, dieſe Funde 
teilweije dem Hiftoriihden Muſeum 


der Pfalz nad) Beendigung der Grabungen | 
Ebenjo erteilte er 


überlafjen zu wollen, 





14 — 


die Erlaubnis, ein vollftändiges Platten 
grab mit allem Anhalt dem Friedhofe zu 
entheben und nad) Speyer in das Fünftige 
Landesmujeum zu transferieren, jobald die 
Nodung auf diefem feinem Grundftücde 
jpäter fortgefegt wird. — Beiten Danf 
auh an diefer Stelle hiefür! — Im 
Muſeum zu Dürkheim find aus einem 
etwas weiter nadı Norden gelegenen Felde 
von Werle jenior (Forft) vor ca. 20 Jahren 
gewonnene Fundftüce deponiert, die Stein 
järgen entjtammen, welche zu demjelben, 
weitläufig angelegten Reihengräber- 
Friedhofe zu gehören jcheinen, jedoch 
etwas jpäter anzufegen find. — Über vie 
Bedeutung dieſer Grabfunde von 
Deidesheim für die erjte Berbreitung 
des Chriftentums in der Border 
pfalz geben dieje Funde einige Aufklärung. 


ll. 
Neihbengräberfunde bei Knöringen. 


Neuftadt, 16. Dez. 1905. Nad) voll« 
zogener Audgrabung auf der „Böhl“ bei 
Neuftadt und auf Burgrume Walahftede 
wurden heute alamanijhe NReihengräber- 
funde in Snöringen zwiſchen Yandau 
und Edesheim vom Borftande der anthro— 
pologijchen Seftion der Pollichia fejtgeitellt. 
Es handelt ſich hierbei um ein Grabfeld 
der merovingiichen Periode, das ſchon im 
Fahre 1880 angejchnitten wurde und defien 
dumalige Fundſtücke, eingejendet von Prof. 
Mebhlis, an das Muleum zu Speyer ge- 
langten. (Bergleihe „Studien zur ältejten 
Geſchichte der Rheinlande“, 8. Abteilung, 
Seite 33.) Sie beftanden in Tonperlen, 
Reiten von Hornlamm, Eiſenmeſſern und 
anderen geringfügigen Grabbeigaben. Die- 
jem ärmlichen Gharafter entſprechen auch 
die heutigen Fundumſtände. In derjelben 
Gemwanne, wie ım Jahre 1880, im „Roden- 
häufer” wurden 14—15 Meter nördlich 
der zum Bahnhof führenden Ortsſtraße 
drei Gräber feitgeitellt. Zwei derjelben, 
die dicht nebeneinander lagen und zwar in 
einer Entfernung von 0,60 Meter, waren 
bloße Erdgräber, eines, da8 3 Meter 
von diejen nach Oſten zu lag, ein Blatten- 
grab. Xeider waren alle drei Gräber bei 
Ankunft des genannten Sektionsvorftandes 
bereits geftört und zerftört, jodaß nur die 
Fundumſtände feitgeftellt und einige Skelett: 


— TB u 


teile (Schädel und Tibia vom 1. Grab) | zweifellos die erjten germanischen Anfiedler 
für das Hiftorishe Mufeum der Pfalz ge: | von Snöringen, einer Ortichaft, die nad 
rettet werden fonnten. Der Schädel, deifen | der Bildung ihres Namens auf ala- 
linföjeitiger hinterer Quadrant zertrümmert | manijche Siedler zurüdgeht. Knoringen 
ift, weiſt ſtark dolichofephale Bildung auf | urf, i. J. 775 zuerjt erwähnt, geht nad) 
— Inder 74. Die Tibia hat 35,5 cm | Heegers Schrift: „Die germanifche Be- 
Länge, was auf mäßige Körpergröße hin- | fiedlung der Borderpfalz”, ©. 6 und ©. 5 
weiſt. In der Augenhöhlengegend lagen | (Mlamannen) auf einen germanijchen Eigen: 
zmwei abgerundete Handjteine, ebenjfo wurde | namen Knoro (?) zurüd, der, nad) der 
ein folder beim Nachbargrabe fonftatiert. | Vertaufchung von inlautendem „d* mit „r”, 
E3 dürften Wärmejteine gewejen fein, | mit ziemlicher Sicherheit auf die Namens- 
die man den Toten nad heimifcher Sitte | form Chnodo in Chnodomar zurüdzuführen 
mit in das falte Grab gab. Beim Blatten- | it. %. Grimm leitet diefen von knoton 
grab, deffen Sohle nicht 1,50 Meter, wie | — jchütteln ab. Zu Chnodos „Sippen” 
die beiden erften Gräber, jfondern nur 1,30 | wurde im 5.— 6. Jahrhundert die Neu: 
Meter tief lag, waren feine Beigaben, | gründung von den einmwandernden Ala— 
nit einmal Wärmejteine vorhanden. Ym | mannen benannt, und Glieder diejer alt: 
allgemeinen fcheinen die Blattengräber etwas | germanischen Sippe find es, die man im 
jünger zu fein, al8 die reinen Erdgräber. | Jahre 1880 und 1905 hier gefunden und 
Beide Arten von Sfelettgräber bergen | ausgegraben hat. 


Gelchichte des Geisborks von Lambredt. 


Auszug aus der Ehronif von Lambrecht. 


1404: Der erfte fleine Anfang von | gefahren wurde, zu fpät bei Sonnenjcein 
Lambrecht. Kaiſer Rupprecht bejtätigt den | eintraf und die vertragsmäßige Körperjchaft 
Nonnen in Lambrecht das Recht, nach altem | (bien cornulus et bien capabilis) nicht 
Herkommen in gewijjen Dijtriften des Dei- | hatte; dem Führer wurde daſelbſt fein Mahl 
desheimer Waldes ihr Vieh weiden zu | entzogen (und ein Prozeß begonnen, der erſt 
dürfen. Für dasjelbe muß aber Yambrecht | 1858 beigelegt werden konnte). 
jährlih an Pfingitdienstag vor Sonnen- 1858: Der Deitesheimer Bockprozeß 
aufgang einen Geißbock nah Deidesheim | wird vom Zweibrücker Appellhofe zu Gunften 
liefern. Der Führer, ftets der jüngfte | Lambrechts emtichieden, jedoch mit der 
Bürger Yambrects, erhält in Deides: Glaufel, daß alle Böcke feit 1851 nachge- 
heim ein Käſebrod und eine Flaſche Wein. liefert werden müſſen. 

1534: Eine Urkunde von diefem Jahr 1859: Lambrecht liefert 8 Geisböde, 
ſagt, daß Lambrecht jeit „urfürdenklichen“ | die vorher von Bezirfstierarzt für tauglich 
Beiten jährlih an Deidesheim zur Rekog- | befunden worden, nach Deidesheim, welches 
nition einen Geißbock liefern muß aber den achten nicht annimmt, weil die 

1808, 26. Nov.: Der Vertrag über Böcke erft nad Sonnenaufgang präfentirt 
die Qambrechter Bocklieferung nach Deides- wurden. Yambredt glaubt an die Beit „ bor 
heim wird durch eigenhändige Unterfchrift | Aufgang der Sonne“ laut gerichtlichen Ur- 
Napoleons I. im Lager zu Burgos in Spa- | teils nicht gebunden zu fein. 
nien erneuert, mit der ausdriidklichen Bei- 1860: Der wieder „zu ſpät“ in Dei» 
fügung: „sous la condition cependant, de desheim eingetroffene und daher wieder zu. 
fournir annuellement comme jusqu’a | Yüdgewiejene Lambrechter Bock wird wie 
present un boue bien cornu et bien ea- herkömmlich daſelbſt verfteigert umd der 
pable*. Mindererlös Lambrecht auferlegt. 

1851 Juni: Deidesheim nimmt den von 1906: 500. Ablieferung des Geiß— 
Lambrecht gelieferten Bock nicht an, weil er wie | be bodes, 


— 16 — 


Die Geſchichte des Kunſtgewerbes. 
Bon Dr. Anton Kiſa. 
Mit 61 1JJ. (Hermann Hilger Berlag, Berlin W 9. Brofchiert 30 Pfg., gebunden 50 Big. 


Auf fnappftem Raum ift Hier in über- | hat. Der reihe umd nicht leicht zu be- 
fihtliher Form die Entwidlung der ange- | herrichende Stoff ift troß des geringen 
wandten Sünfte, die fih in erfter Linie | Umfanges des Büchleins Mar und anfchau- 
die Beredelung des Hausrates zum Biele | lid) zufammengefaßt, die lebendige Dar: 
fegen, durd alle Jahrhunderte, von der | ftellung durch Einzelzüge bereichert, nament- 
vorgejhichtlihen Zeit bis heute, von den | Lich durch jcharf gezeichnete Charafteriftifen 
primitiven Verzierungen der Renntierfnochen | der einzelnen Zeiträume, aus melden fich 
bis zum Dreieditile Joſef M. Olbrichs | die verjchiedenen Erſcheinungen erklären, 
verfolgt. Neben den alten Stulturländern | Das Hauptgewicht ift auf die Renaifjance 
des Drients und Europas fehlt audy die | und die folgenden Stilperioden gelegt und 
Kunft Chinas und Japans nicht, ebenfo- | innerhalb Ddiefer mit großer Wärme der 
wenig die aufftrebende unferer Bettern jen- | hervorragende Anteil Deutichlands hervor» 
feitö des großen Waſſers. Gerade heute, | gehoben, für defien Kunftgewerbe ja auch 
wo die Eunftgewerblihe Bewegung durd | jet wieder beffere Tage gefommen find. 
die Schöpfung neuer, den modernen Be | So hat ein ebenfo großes, wie allgemeiner 
dürfniffen entiprechenden Formen zum Biele | Teilmahıne ficheres Wiffensgebiet eine Be- 
gelangt ift, erjcheint eine ſolche Rückſchau Handlung gefunden, die fich den bisher er- 
jehr zeitgemäß, zumal fie troß des großen | fchienenen Veröffentlihungen des befannten 
Anwachſens der Kunftliteratur bisher no | gemeinnüßigen Unternehmens vollwertig 
feine zufammenfaflende Darftellung erfahren | anreiht. 


Gedenktage im Juni, 


Geboren: 15. Rembrandt (1606). — Geftorben: 5. 8 M. v. Weber 
22. ®. v. Humboldt (1767). — 28. J. J. | (1825). — 8. 9. Franfe (1727) — 
Rouffeau (1712), — 29. Campe (1746). — | 14, Frdr. v. Raumer (1873). — 19. Ludw. 

| Richter (1884). — 30. Reuchlin (1522), 


An die Zefer und Mitarbeiter, 


Das gegenwärtige Heft erjcheint ausnahmsweife im Umfange von 16 Seiten, da- 
mit wir den Stoff unterbringen; an die verehrten Herren Mitarbeiter aber müffen wir 
trogdem die Bitte richten, wicht ungeduldig zu fein, wenn Beiträge etwas verfpätet ab: 
gedrudt werden, denn es beengt uns nichts als der zur Verfügung ftehende Raum. 


Die Schriftleitung. 





DInbalt: Graclteng v. Neumayer. — Eine neuefte geographifche Ortsbeftimmung. — Das 
Unmetter vom 4. Mat 1906. — Der „nemeine Banerntag” zu Arzhein. — Das Königsland im 
Jahre 1600. — Frühlingseinzug. — Grabungen und Funde — Archäologiſche Studien Canit 
Selchnung). — Geſchichte des Geisbocks von Sambredit. — Die Gefchichte des Kunſtgewerbes. 

edenktage. — An die Leſer und Mitarbeiter. — 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Kayſer's Verlag, Haiferslautern. 
Für Form und Inhalt der Beiträge And bie Herren ®Berfafler verantwortlich. 
Die „Bfälztiche Heimatkunde” Toftet jährlich in ı8 Heften mt. 2.50. Vefellungen werben vom allen Buchhandlungen und 
Pohanfalten ferner vom Verleger (Portofreie Gtreifbandiendurg) angenommen. 


ÜPALZISCHE FIEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 





Nummer 7 


Juli 1906. 


[7 


Hitze und Burf. 


Am Hochjommer freuen fich alle, die vom 
Durft ihrer Mitmenjchen leben: Bier und 
Weinwirte, kohlenſaure Waſſerjungſern, Obit- 
händler.und Konditoreien, ſogar die großen 
Warenhäuſer jollen dann jchier den größten 
Umſatz in der Ware Eiscröme, Eisfaffee 
und ähnlichem haben. Man munfelt jogar, 
daß das — Leitungswafler von echten 
Miündnern zur Gtillung ihres Durjtes 
in Anſpruch genommen wird! Ya, diejes 
köſtliche Naß, wer weiß es bei uns zu 
Ihägen? Die allerwenigiten! Nur wer 
einmal in einer Gegend gelebt hat, wo 
man wegen Anftekungsgefahr Wafjer nur 
nad) vorberigem Abfochen trinfen fann oder 
wo das Waller einen üblen Geichmad hat, 
der weiß zu würdigen, was es heikt, ein 
jo herrlicher, klares und frisches Waſſer zu 
haben wie aus Bergquellen. Aber, heißt 
ed, Wafler löſcht den Durft nicht! Darin 
liegt ein Körnchen Bahrheit. Wenn näm 
lid eine größere Portion Waſſer in den 
Magen gelangt und dieſen abfühlt, jo 
ziehen fich die Blutgefäße zufammen und 
die Aufjaugung im Magen und die Be: 
wegung des Magens zur Weiterbeförderung 
der Flüffigkeit wird verringert. Daher 
dauert es einige Zeit, bis der Körper die 
nötige Flüffigkeitsmenge aufnimmt. Sit 
Alkohol oder Stohlenjäure zugejekt, jo er— 
weitern Sich die Gefäße durch den Meiz 
rajcher. Alſo nur in ganz engen Grenzen 
ift jene Behauptung zutreffend. Auf die 
Dauer löſcht Waller den Durft am beiten, 


Eine alte Erfahrung ift e8, daß derjenige, 
der viel trinft, am allerdurftigften 
wird, Das ericheint unglaublich, und doc 
ift es eine alte Erfahrung von Tropen: 
reijenden, daß auffallend geringe 
Mengen Flüſſigkeit jelbit in diejen 
Gegenden genügen, um das Durftgefühl zu 
bejeitigen, ja, daß es überhaupt nur durch 
äußerfte Mäßigfeit im Trinfen möglic) 
ift, den dortigen Strapazen ftand- 
zubalten. In Stalien wird relativ jehr 
wenig getrunfen. Man kann Wehnliches 
auch an fich jelbjt erleben. Es ift 3. B. 
auffallend, wie gering bei vielen Menjchen 
das Durfigefühl wird, wenn fie eine Zeit: 
lang bei heißem Wetter gehen. Der Durft, 
der vorher beim Sigen im warmen Zimmer 
vielleicht groß war, wird nicht nur nicht 
jtärfer, er vergeht. Worauf dieje Er: 
icheinung zurücdzuführen ift, ob fie durch 
die lebhafte Blurzirfulation bedingt iſt, 
welche den Teilen des Gaumens, die beim 
Trodfenwerden das ſchlimmſte Durftgefühl 
übermitteln, mehr Flüſſigkeit zuführt, ift 
noch nicht klar. Sicher aber ift es, daß 
es bis zu gewijjen Grenzen aud 
eine Gewöhnung an wenig Trinken 
gibt wie an wenig Eijen. Das fieht man 
auch bei den am Unterleib Operierten, die 
nichts trinken dürfen. Der erjte Tag ift 
der allerunerträglichjte. Schon am zweiten 
läßt das ſchreckliche Durftgefühl - nad). 
Alfo, es ift ganz fiher, daß viel von dem 
Durſt nicht auf Mangel an Flüſſigkeit im 


Körper zurüdzuführen ift, ſondern wohl 
nur auf eine Trodenheit der Mund» und 
Rachenſchleimhäute. Und dieje wird durch 
das Hinunterfchluden der Flüſſigkeit nur 
für einen Moment bejeitigt, um dann in 
umfo größerem Sontraft zu erſcheinen. 

Ein einfadhes Mittel, um folden 
Durft zu verfheuden, ohne gleichzeitig 
die Laft des Trinfens, die dieſes fiir den 
Körper, für Herz, Nieren und die ſchweiß— 
abfondernden Drüſen bedeutet, mit in lauf 
zu nehmen, ift etwas fehr Einfadyes: Das 
Gurgeln mit faltem Wafjer, dem 
man noch etwas Pfefferminzipiritus aufeßen 
fann, oder in vielen Fällen nod etwas 
ganz verfehrt Ericheinendes: Das Aus— 
jpülen mit warmem. ja heißem 
Waſſer. Danad fühlt fi der Schlund 
ganz fühl an. ES ift jehr zu empfehlen, 
ſtatt des SHineintrintens dieſes Gurgeln 
audzuführen. Denn es iſt gar fein Zwei— 
fel, daß das viele Trinken, namentlich) 
untertags, eine ganz bedeutende Erhöhung 
des Unbehagens in der Hitze bedeutet. 
Das Schwigen ift nicht ein einfaches Durch— 
fifern des Waflers durch die Haut mie 
etwa durh ein Tuch. Es ift Arbeit der 
Taufende von Schmweißdritfen und des Her 
zens, und das geht mit Ermüdung einher. 
Alſo verſuche es einmal jeder, der im Tag 
mehr als ein bis zwei Liter Flüſſigkeit, 
Suppe und Kaffee mit eingerechnet, zu fich 
nimmt, ſich mit Gewalt zurückzuhalten, er 
wird jehen, daß der Durſt bald nicht mehr 
zunimmt, jondern abnimmt. Ganz be: 
fonders gilt dies von den alfoholifchen Ge- 
tränfen, die alle mehr Durft machen als 
andere. Man jagt nicht umfonft, das Bier 
jei ſüffig. Es ftillt den Durft im Augen: 
blid, um ihn dann umjo ftärfer zu er: 
regen, 

Da indes nicht anzunehmen ift, daß 


viele gerade jegt das Erperiment auf eine j 
weiteres ; 


Flüſſigkeitsverminderung ohne 
machen wollen, jo ſei wenigitens darauf 
hingewieſen, daß leicht angejäuerte Ge- 


18 


tränfe am beiten den Durft Löfchen. 
Etwas Bitronenfaft, einige Tropſen ver: 
diinnte Salz: oder Whosphor- oder Wein- 
oder Zitronenjäure, auch wie dies in der 
Bibel ſchon erzählt wird, ein paar Tropfen 
Eſſig laffen mit viel weniger Flüffigkeits- 
menge den Durft löfchen. Im bejonderen 
vorteilhaft find die Früchte, weil fie jehr 
viel Waller — über 80 Prozent — ent 
halten und diejes nicht jofort, fondern erſt 
allmählid bei der Berdauung abgeben, fo 
daß dadurd eine Art von Vorratskammern 
von Flüffigfeit durch den Körper mitge 
nommen werden. Im übrigen enthalten 
auch alle unfere anderen Nahrungsmittel 
viel Waller: trodenes Brot fogar noch 
40 Brozent. Unfer Körper befteht zu zwei 
Dritteln aus Waffer Daraus aber fchließen 
zu wollen, daß es nun nötig iſt, auch recht 
viel zu trinken, ift falfch, und jeder, der 
li) über das momentane Durjtgefühl bin- 
megjeßt, eventuell mit Hilfe des Gurgelns, 
der wird ſehen, daß er bald über die— 
jenigen lachen fann, die mit tropfendem 
Angeſicht und ganz aufgelöſt vor Mattig: 
feit jegt einherjchreiten. Denn der Körper 
hält äußerft zähe an dem für ihn nötigen 
Waflerbeitand feſt. Nur diefen brauchen 
wir zu erhalten. Was darüber hinausgeht, 
ift Ballajt, der bei der Hitze doppelt be- 
ſchwerlich fällt. 

So unglaublich es aljo Elingen mag: 
Nicht viel trinken verringert den Durft! 
Damit ift nicht gejagt, daß man nichts 
trinfen joll. Aber mit Mäßigfeit und 
bejonders nicht viel untertags, jolange man 
arbeiten foll, und abends möglichſt wenig 
Alkohol. Die Erhaltung eines gejunden 
Magens und Darms — bei der Sonmer- 
hige eine jehr wichtige und nicht leichte 
Aufgabe — und größere Friſche wird den 
belohnen, welcher fich felbft dieſes ver» 
meintlihe Dpfer bringt. Dagegen zum 
Eſſen nichts zu trinfen, ift für einen ge- 


| funden Menfchen eine unnatürlihe und un- 


nötige Forderung. 


Mie nehmen unfere Höhen ab? 
Bon D. Häberle, Kalſerl. Rech-⸗Rat, cand. palaeont., Heidelberg. 


Wenn wir unjere fchönen Pfälzer Berge | 


und Täler durchwandern oder von einem 


ringsum über die Gegend jchweifen Laffen, 
jo Scheine ich alles in reicher Abwechslung 


hochaelegenen Ausfichtspunft unſere Blide | zu einem von der Natur gegebenen, bon 


Ewigkeit her beitehenden Landjchaftsbild zu 
verbinden. Verfolgen wir aber mit fundigem 
Auge den Aufbau der Höhen oder die Aus- 
geitaltung der Täler, jo zeigen uns ſchon 
ihre äußeren Formen, daß fie erft im Yaufe 
langer, nah Jahren nicht meßbaren Zeit- 
perioden zu dem wurden, was jie heute 
find und daß fie noch tagtäglich nach be- 
ſtimmten Naturgejegen eine Umbrldung er: 
fahren. Die Konturen unjerer Berge 
(Negel, Kuppe, Niüden, Plateau) laſſen 
ohne weiteres erfennen, daß jede Geſteins— 
art unter dem Einfluß verichiedener, aber 
zujammenmwirfender Kräfte eine beitimmte 
Oberflädyenform erzeugt: teild wurden fie, 
jofern fie aus vulfanifhem Geftein zu: 
jammengejegt find, als glühendes Magma 
aus dem Erdinnern emporgetrieben (Suppen: 
Donnersberg, Nönigsberg), teils als fchichten- 
meije abgelagerte und verfeftigte Abſfätze 
des Waflers entweder durch Sontraftion 
der erfaltenden Erdrinde in die Höhe ge 
preßt und dabei oft gefalter (Höhenrüden: 
Soonwald), oder durch Berteilung einer 
vorher einheitlihen Maſſe (Blateau: Pfälzer 
Wald) aus diefer herausmodelliert, Kaum 
dab die Laven erfaltet oder die Ablage— 
rungen durch die aus dem Erdinnern heraus: 
mwirfenden Einflüffe aus dem Waſſer auf: 
getaucht waren, begannen bereits zerjtörende 
Einflüffe auf fie einzuwirken: Site, Froft, 
Wind, bejonders aber die abtragende Fraft 
der Miederichläge (Atmoſphärtlien) und 
des riejelnden und flichenden Wailers 
vereinigten fi zur gemeinfanten umge 
ftultenden Arbeit Co gering aud im 
Einzelnen die Wirkungen dieſer einer 
laufenden Beobachtung ſich entziehenden 
Faktoren fein mögen, im Yaufe langer 
Beitperioden muß durh ihr Zuſammen— 
wirfen unſere Grdoberflähe eine voll— 
ftändige Umwandlung erfahren. Uriprüng- 


lich bejtand dieje, joweit fie aus dem Waſſer 
Notliegenden der Nordpfalz und im Mufchel- 


aufgetaucht war, aus einer fahlen Felſen— 
decke, wie wir fie heute noch im Hochgebirge, 
in der Wüfte oder in Wolargebieten be- 
obadıten fünnen. Darauf unternahmen 
wohl ZTemperaturichwanfungen den erften 
zerftörenden Angriff. Die Sonne dehnte 
das Beltein dur Erwärmung aus (In— 
jolation), die Nadyrfühle oder plößlicher 
Regen zog 08 zujammen, Hierdurch wurde 
dad Gefüge der verjchiedenen ſich nicht 


19 





gleichmäßig gegen die Strahlung verhalten- 
den Dlineralier gelodert, es bildeten ſich 
feine Boren und Spältchen, in welcde die 
Niederfchläge eindrangen. Bier wirkten fie 
vermöge ihrer hemiichen Beichaffenheit zer— 
jegend und auslaugend, oder bei Froft 
durch Vergrößerung ihres Volumens (um !ı«) 
auseinandertreibend und Riffe hervorrufend,. 
Flechten und Mooſe fiedelten fidy darüber 
an, höhere Pilanzen jenften ihre Wurzeln 
in fie ein, loderten die Schichten auf, er: 
weiterten die Spalten und unterftügten 
durd; Ausfcheiden von Säuren die löjende 
Tätigfeit des Waflers; feine einzige Ge- 
fteinsart kann ihr auf die Dauer mider- 
ftehen. 

Infolge diefer teils phyſikaliſchen uud 
mechanischen, teils chemifchen, teils orga- 
nifchen feit vielen Millionen von Fahren 
ohne Unterbrehung von außen wirkenden 
(erogenen) Einfliiife verändert das Geſtein 
auch äußerlich feine Farbe; abweichend vom 
frischen Bruch wird feine Oberfläche ent- 
weder heller (gebleicht) oder dunkler: es 
ift mürbe und vermittert, Die geloderten 
und losgelöften Teilen werden dann ent: 
weder durc den Wind oder Regen binmweg- 
geführt (Ablation), oder bilden je nad) der 
Zujammenfegung des Geſteins und dem 
rad der Vermitterung eine allmählich zus 
nehmende Decke von Schutt, Grus, Sand 
oder Lehm, welche wir ald Boden be- 
zeichnen, In ihm finden Regenwürmer 
und andere wihlende Tiere Unterkunft und 
damit Gelegenheit zur weiteren Auflodferung. 
Unjere Adererde (Humus) ift lediglih ein 
mit Berjeßungsproduften gemijchter Ber: 
witteruingsrejt des darımter liegenden Ge: 
fteins und im ihrer Fruchtbarkeit in eriter 
Yınie durch deilen chemischen Zujammen: 
jegung bedingt. So finden wir Fimmer- 
liches Sandteld im Buntjanditeingebiet des 
Pfälzer Waldes, fruchtbares Aderland im 


falE der Sicdinger Höhe. 

Auf die loje, mehr oder weniger von 
Steinen durchfegte Erde übt nun der Wind 
(Teflation), tod) mehr aber das Waller 
(Denudation), eine abtragende und nivel- 
lierende Wirfung aus. Die als Negen, 
Schnee, ulm, fallenden Niederichläge ver- 
fifern entweder in die Erde, um auf un- 
durchläffigen (j. B. tonigen) Schichten 


wieder als Quellen zutage zu treten, oder 
verdunften, oder ftreben auf geneigtem Ger 
lände abwärts. Hierbei belaften fie Sich, 
fleine Rinnen bildend (erodierend), 
Sand, Lehm ufw. und tragen die auf- 
genommenen Bartifelchen den Quellbächen 
zu, weldie fie dann als Trübe dem Meer 
zur Ablagerung neuer Schichten zuführen; 
treten dieſe im Yaufe der Erdgeſchichte 
durch Verichiebung der Strandlinien oder 
innere teftoniiche Kräfte wiederum an die 
Dberfläche, jo beginnt an ıhnen das Waſſer 
von neuem jeine umlagernde Tätigkeit. 

Wenn wir num die Entftehung unferer 
Täler betrachten, jo finden wir, daß fie 
faft ohne Ausnahme dem fliegenden Waſſer 
(Erofion) ihre Entjtehung verdanfen und 
aus unfceinbaren Anfängen fi zu ihrer 
jegigen Form entwidelt haben. Schliekt 
doch jchon der Begriff „Tal“ für eine lang: 
geſtreckte Hohlform in eirem Gebirgsſtocke 
dad Merkmal der genetiihen Entſtehung 
durch fließendes Wafler in fich! 

In ein geneigte Gelände jchnitt ab- 
laufendes Waſſer zuerft eine Ninne ein, 
wobei das mitgeführte, je nach dem Gefälle 
und der Waſſermaſſe gröbere oder feinere 
Material jchleifend, feılend, nagend und aus- 
grabend auf den Untergrund mwirfen mußte 
(Corraſion). Die Rinne wurde ullmählic 
zu einer ſchluchtartigen Furche vertieft, aus 
deren urſprünglich fieillen Seitenwänden 
durch Einflüffe der Berwitterung und der 
Niederfchläge bezw. durch Abſtürze 
Materials in Folge Unterwühlung, je nad) 
der Gefteinsbejchaffenheit mehr oder weniger 
geneigte Hänge entjtanden. unge Täler 
haben daher fteile Talwände. (Neuftadter 
Tal.) Es ift dies die gleiche Ericheinung, 
wie fie und mitunter bei der Entftehung von 
Hohlwegen entgegentritt, wo die erodıerende 
Tätigfeit des den Geleiſen folgenden Waf- 
ſers durch den bodenlöjenden Wagen: und 
Fußgängerverkehr noch verftärft wird und 
deshalb jchneller wirfen muß. Manche 
Hohlmwege (3. B. die Schwenmhohl an der 
Pirimmerfteige) fönnen jogar als Fleine, in 
biftorischer Zeit entitandene Täler an- 
geiprochen werden, 

In dem Beftreben, bei gleich bleibender 
Menge der MNiederichläge ein möglichit 
Fonitantes Gefälle zu erreichen, ſuchen fich 
die Flüſſe ftändig weiter nach rücdwärts 


80 


mit | 


1 


des’ 





bis zu einem bejtimmten Grad einzufchneiden ; 
mit der Ausdehnung der Talſyſteme werden 
immer größere Flächen ın das Abtragungs: 
gebiet mit einbezogen. Die Neigung der 
Talſohle fteht dabeitim umgefehrten Ber- 
hältnis zur Menge des über fie fließenden 
Waflers, d. h. Fleine Bäche haben ein 
größeres Gefälle als große Bäche, welche 
ihre Konſtante nahezu ſchon erreicht haben. 

Da nmım die nach verfchiedenen Rich: 
tungen ftrebenden BWafjerläufe gegeneinander 
wirfen, müffen die zwiichengelagerten Höhen 
durch Abtragung des Verwitterungsichuttes 
erniedrigt und immer mehr gegliedert werden. 
Eine andere Folgeericheinung ift die Ver— 
legung der Waflerjcheide, mobei der mit 
ftärferem Gefäll ablaufende Bad feinen 
Konkurrenten die Zuflüſſe abzapjen wird. 
Widerftandsfähige, aus vulkaniſchem Gejtein 
oder jfeitverfittetem Geröll (Conglomerat) 
beitehende Schichten werden der Abtragung 
langiamer unterworfen fein und fih all- 
mählich als Kuppe mit fteigender Höhen: 
differenz über die vom weicheren Gejtein 


entblößte Umgebung erheben. (Donners: 
berg, Eichkopf.) 
Verwitterung und fpülendes Waſſer 


haben alfo unſere Pergformen in ihrer 
heutigen Geſtalt geichaffen und unjerem 
heimatlihen Landjchaftsbild fein charafte: 
riftifches Gepräge verliehen; die Höhen des 
Piälzer Waldes find in ihrem ormen: 
ſchatz lediglich die Reſte einer großen Tafel, 
gewiſſermaßen Rückſtände, die das Wajier 
verichont hat. 

Es joll nun verſucht werden, die 
Tätigfeit der verfchiedenen Faktoren an 
Beiipielen in ihrer Geſamtwirkung nud) 
zuweilen. Der Begriff der Wetterfeite ift 
wohl jedem bekannt; langjährige Erfahrung 
bat gezeigt, daß in unferem Klima die den 
regneriſchen Weftwinden direft ausgejegten 
Felswände und beionders Gebäude ftärfer 
den Einflüffen der Verwitterung unterliegen, 
al8 ihre davon abgemwendeten Seiten. 
Die Ziegel auf dem Dache, der Verpuß 
der Wände, Holzwerf und Farbe werden 
hier Schneller zerftört und müſſen öfters 
erneuert werden. Urjprünglich glarte Steine 
erhalten eine rauhe Oberfläde und der 
Schichtung entiprechende Rillen, laſſen ein- 


| geichlojienes Geröll aus härterem Material 


als Eleine Erhöhungen hervortreten und 


bieten niederen Pflanzen einen Nährboden, 
Die dem Wetter ausgejegten Inſchriften 
ton Grabdenfmälern, Feldfreuzen, Meilen« 
zeigern, Grenziteınen uſw. merden in 
menigen Jahrzehnten undeutlich, die jcharfen 
Ränder der Buchjtaben verfchwinden und 
bedürfen von Zeit zu Zeit je nad der 
Härte des verwendeten Material der 
Nacharbeitung, wenn jie nicht unlejerlich 
merden jollen. Inſchriften im Wetterſchutz 
von Gebäuden haben eine fast unbeichränfte 
Dauer. Der Grad der Bermitterung ge— 
ftattet oft allein, wenn alle anderen Zeichen 
uns im Stiche lajjen, einen Rüdichluß auf 
das mutmaßliche Alter eines Denkſteins 
zu ziehen, Toniger, den Cinflüffen der 
Atmojphärilien ausgejegter Buntjandftein 
verliert feine Stonfiftenz, wird brödelig, 
läßt fih in je nad der Witterung ver- 
ichiedenen Zeiträumen leicht abheben und 
dient dann als gejuchter Bau- und Form: 
land, (Schmalenberg, Gallenhäuschen und 
Landftuhl.) 

Der den Feld zertrümmernde Spalt- 
froft wirft im Hochgebirge faft das ganze 
Jahr und erzeugt durch mechaniſche Ge— 
fteinszerfleinerung den gefürchteten Stein- 
ſchlag. Auch bei uns läßt fich feine Tätig- 
feit, namentlih im Frühjahr beobachten, 
wenn 3. B. ein einzelner, frei emporragender 
Fels (Hinkelftein bei Kleinkarlbach) oder 
an teilen, Eünftlich Hergeftellten Böfchungen 
anftehendes Geſtein bei Tauwetter herab: 
ſtürzt. Bon unjern pfälzifhen Straßen 
find um dieje Zeit enge Talwege oder am 
Steilabfall von Bergen entlang ziehende 
Ghaufjeen, 3. B. von Odernheim nad) 
Dudroth oft nicht ganz ohne Gefahr zu 
pajlieren, wenn die erwärmenden Strahlen 
der Sonne die Adhäfion der Eiskriftalle 
durch Berringerung ihres Volumens in den 
ermeiterten Klüften aufheben. In den Ge: 
bieten alter vulfanifcher Tätigkeit (Donners- 
berg, Lemberg, u. a. DO.) find die jchroffen 
Hänge bie und da mit edigen und rauh— 
brüchigen Gefteinsbroden bededt, deren Ent» 
ftehung auf gleiche Urfachen zurüdzuführen 
it, Der vielfach vorkommende Flurname 
„Rofjel” oder „in den Roſſeln“ ift aus dem 
Herabriejeln von ſolchen, durch Spaltfroft 
losgetrennten und zu Schutthalden auf- 
gehäuften Felstrümmer zu erflären. Die 
Aufloderung durch Froſt ift eine dem 


81 


Landwirt befannte Erjcheinung, die er in— 
jofern für fich nutzbar zu maden verfteht, 
als er im Herbit das Feld hoch aufpflügt, 
um den Wderboden durch Ausirieren im 
Winter „müll” werden zu laffen. („Bodens 
froft.*) Vielfach werden am Gehänge bei 
Ausihadhtungen zu Selleranlagen oder 
Kulturarbeiten 2—3 m unter dem heutigen 
geneigten Boden Werfe von Menjchen- 
hand gefunden, die ihrer Natur nad) nur 
an der Oberfläche geftanden haben fünnen, 
Als vor etwa 60 Jahren auf dem Dauben- 
bornerhof an einem Bergabhang Erde zur 
Auffüllung von Wiejen entnommen wurde, 
fam 2" m unter dem Gehängeſchutt etwas 
über dem Niveau des heutigen Tales die 
niedrige Einfafjung einer Quelle zum Bor- 
ichein, die zur Wafjerverforgung der 1430 
zerftörten Burg Breidenborn gedient hatte, 
Innerhalb 400 Jahren hat aljo der Berg 
an jeinem Fuß Gehängeſchutt in dieſer 
Höhe abgelagert. Solche Beifpiele werden 
ſich vielfah anführen Lafjen. 

Auf die abtragende Tätigfeit des Win- 
des, namenlich in Gebieten mit nicht zu— 
jammenhängender Pflanzendecke, habe ich 
bei anderer Gelegenheit hingewieſen.“*) 


! Der beim Pflügen und Eggen vom feld 


oder aus dem zermalmten Schotter von der 
Landftraße aufgemirbelte Staub wird vom 
Wind verfradhtet und an anderer Stelle ab- 
geiegt. In trodenen Sommermonaten iſt 
auf der Leeſeite das Feld meithin von 
Staub wie mit einem grauen Schleier be- 
det, ungezählte Zentner werden ald März- 
ftaub von den am meiften der Wirkung des 
Windes ausgejegten Höhen hinweggeführt. 

Am augenfälligften ift die abtragende 
Tätigkeit des Waſſers. Jeder Negenjchauer 
bringt grobes und feines Material von 
den Höhen herab, das nie wieder an feinen 
Urjprungsort zurüdgelang. Bon den 
Bächen aufgenommen wird es entweder als 
Geröll, Sand, Schlamm, oder auch in ge» 
löftem Buftande talabwärt® transportiert: 
die bei Regen getrübten Waſſer von Glan 
und Aljenz führen in einem Tage allein 
als Flußtrübe manden Kubikmeter Material 
aus der Nordpfalz der Nahe zu. In unjern 
Tälern ragen vielfah die Schichtköpfe von 
Felſen aus gleihem Material, und in 


*) Pfalziſche Heimatkunde 1905 ©. 106. 


gleicher Neigung auf beiden Taljeiten rechts 
und links aus dem Gehänge hervor; fie 
belehren uns, daß fie früher in Zufammen- 
bang geftanden haben müllen, ehe das 
Waſſer mit dem wie eine Säge wirkenden 
mitgeführten Geröll und Kies fie durch 
ſchnitt. Härteres ſich entgegenftellendes 
Material wirkt als ein hemmender Riegel, 
verurſacht ein Ausweichen des Waſſers in 
der Richtung des geringſten Widerftundes 
und dadurch die Bildung einer Kurve oder 
Schlinge. Ein klaſſiſches Beifpiel für diefe 
Ericheinung bietet das untere Glantal bis 
zur Nahe, welches auf feinen beiden Seiten 
die gleiche Neigung der Schichten nah NW 
erfennen läßt. Bänfe von Außerft hartem 
Tonſchiefer (Eisgallen), deren Durchkreuzung 
beim Eijenbahnbau ziemlih Schwierigfeiten 
bereitete, veranlaßten den Glan bei Odern: 
heim zwei große Schlingen zu bilden. 

Heute ericheinen uns die Bäche in ihren 
weiten Tälern als jchmale Rinnen, die in 
feinem richtigen Verhältnis zu dem breiten 
Talboden ftehen. Um für dieje Erjcheinung 
eine Erflärung zu finden, müflen wir uns 
in eine weit entlegene Zeit zuriidverjegen, 
al der Menih noch fein Heim auf der 
fonnigen Höhe aufſchlug. Die Täler waren 
damals verjumpft, unzugänglid, mit Bäu— 
men und Gebüjch bededt, zwiichen denen 
ih das Wafjer träge in vielen Armen 
dahin wand (Altrhein). Ging nun ein 
plöglicher Wolfenbrudy nieder oder trat im 
Frühjahr ftarfer Eisgang ein, jo verftopf- 
ten ſich die engen, bewaldeten Täler, das 
Waller wurde zu einem See geitaut und 
über natürliche Hindernifle hinweg in ein 
neues Bett gemwielen; das alte Bett wurde 
jpäter vielleicht wieder eingenommen, blieb 
aber auch oft als Schlinge leer zurück. 
Wer einmal von der maleriichen Stlofter- 
ruine Difibodenberg ins Nahetal hinabiah, 
dem werden die alten, huchgelegenen Flußläufe 
dieſes Wildwaſſers nicht entgangen fein, Nicht 
gewundene Spalten und Klüfte in der 
Erdoberfläche, wie man vielleicht annehmen 
fünnte, haben dem Waſſer jein Bett von 
vornherein beftimmt, jondern es hat fich 
jeinen Weg unter dem Zwang natürlicher, 
aber der Beränderung ıunterliegender Ber- 
hältniſſe jelbft gejudht. 

Nocd heute vertieft fich das Bett unferer 
Bäche fortwährend, für manche Stellen 


82 





läßt fich hierfür fogar ein zahlenmäßiger 
Beweis erbringen. Unterhalb Rehborn 
wurden beim Bahnbau im alten Glanfies 
einzelne römifche Münzen gefunden, die nur 
durch Wafler dahin verichleppt jein konnten. 
Wahrſcheinlich führte in alter Zeit an 
diejer engen und durd) einen weniger fteilen 
Bergausläufer doch wieder für einen Ueber— 
gang geeigneten Zalftelle eine Furt dur 
den Glan. Da das Bett des Fluffes an 
diefer Stelle jegt etma 3 m tiefer liegt, 
muß fich der mit ftarfem Gefäll fließende 
Glan feit ungefähr 2000 Jahren dort um 
dieſen Betrag tiefer eingejchnitten haben. 
Ein anderes Beifpiel ift noch augenfälliger: 
Um das Waſſer der Flüffe für induftrielle 
Betriebe nußbar zu machen, wird es durch 
Wehre geipannt und deren Höhe durd 
einen jeitlih am Ufer in geſchützter Yage 
eingetriebenen Aichpfahl normiert, damit 
die Angrenzer nicht durch millfürliches, 
allzu hohes Stauen geichädigt werden. 
Erfahrungsgemäß muß nun ein juldes 
Wehr alle 20-30 Jahre um etwa ca. 10 
bis 15 cm bis zum Niveau des Nichpfahls 
wieder erhöht mwerden, da es innerhalb 
diejer Zeit durch das bei höherem Wailer- 
ftand mit dem Ueberlauf in großer Vehewenz 
darüber herabjtürzende Material um joviel 
abgeichliffen worden iſt. Natürlich jpielen 
lokale Umftände bierbei aucd eine Wolle, 
(e8 fann 3. B. der Untergrund etwas 
nachgegeben haben), aber der Erfahrungs: 
fat bleibt beitehen und geftattet für be» 
ftimmte Punkte eın Operieren mit genauen 
Zahlen. ch vermute, daB ſich aud an 
Pfeilern alter Brüden über Flüſſe mit 
itarfem Gefälle eine Vertiefung des Betres 
durch allmähliges Freimerden der Funda- 
mente erfennen lajlen wird, vorausgejegt, 
daß nicht durch Gingriffe des Menſchen 
(Regulirung) die erodirende Tätigfeit des 
Waſſers beeinflußt wurde, 

So leiht es nun it, für einzelne 
Ortlichkeiten durch Tiefbohrung oder Gras» 
bungen (Sanal- und Fundamentbauten) 
die aufichüttende Tätigkeit des Waflers _ 
(Akkumulation) nachzuweiſen, jo ſchwierig 
ift es, für deilen abtragende Wirkung 
einen zahlenmäßigen Beweis zu erbringen. 
Man hat vielfach verfucht, aus dem von 
einem Fluß mitgeführten Schlammquantum 
die Menge des jährlich Wwegtransportierten 


Materiald und daraus die Erniedrigung 
feines Gebietes zu berechnen, hat aber dabei 
nur unſichere WRejultate erzielt. Nach 
Penck beträgt der jährlihe Verluſt der 
Erdoberfläche durch Flüffe 0,64 mm, mit- 
hin für 1440 Jahre 1 m! Nah meinen 
Beobachtungen befteht aber die Möglichkeit, 
für einzelne hochgelegene Punkte das Maß 
der Abtragung mit einiger Sicherheit zu 
beftimmen. Gelegentlih der Triangulation 
der Pfalz (1838 — 1851) wurden die wid) 
tigeren trigonometriichen Punkte durch hohe, 


mit ihrem roh behauenen Sodel tief in | 
ſteinen entlang der alten Hochſtraßen herab- 


die Erde eingelaffene Steine bezeichnet. 
Einjam oft mitten im Feld und Wald 
jtehend, vielfach mit Jahreszahl und trigono— 
metrijchen Zeichen verjehen, werden fie vom 
Bolk ohne nähere Kenntnis von ihrer Be- 
deutung als Langerftein, Hinfelftein, Fin- 
fenftein uſw. bezeichnet. Die meijten von 
ihnen, joweit fie im freien Felde auf nicht 
ebenem Gelände ftehen, hängen jett ſchief. 
Eine nähere Unterjuchung ergibt, daß fie 
mit ihrem roh behauenen Sodel mehr oder 
weniger freigelegt find und deshalb im 
Boden feinen richtigen Halt beiten. Ein 
ühnlihes Bild bieten unter gleichen ört- 
lichen Berhältniffen alle Grenziteine, aber 
mit der Einfchränfung, daß die auf ihnen 
angebrachten Yahreszahlen nicht immer das 
Alter des betreffenden Steins anzuzeigen 
brauden, jondern aud) nachträglich darauf 
eingehauen jein fönnen. Bielfah fommt 
auf ihrem freigelegten Sodel das über der 
Erde angebrachte Hoheitözeichen zum zweiten: 
mal zum Vorjchein. Namentlich im Gebiet 
der alten Kurpfalz finden fich derartige 
aus der zweiten Hälfte des 18. Jahr— 
hunderts ftammende Steine, wo man unter 
einfacheren Berhältniffen durch Doppelte 
Signierung den Standort von in Abgang 
geratenen Örenzzeihen durch die im Boden 
ftefenden Stümpfe leichter feitzuftellen 
hoffte. Mißt man nun die Höhe des frei» 
gelegten Sodels und zählt die jeit dem 
Steiniag verfloflenen Jahre, jo ergibt ſich 
mit ziemlicher Sicherheit für den Standort 
des Steines die Höhe der NAbtragung; 
dabei läßt es fich mit trigonometrijchen 
Steinen zuverläjfiger operieren, da deren 
Aufftellungsjahr genay befannt ift. 

Es ließe ſich nun einmwenden, dat letztere 


83 





dem Rüden 


urjprünglich überhaupt nicht ganz mit dem 


Sockel eingegraben gemwejen jeien, oder ſich 
aud im Berlauf der Freilegung dur ihr 
Eigengewidit noch meiter geienft haben 
könnten. Gegen erjtere Annahme ipricht 
aber der Umitand, daß die auf Hochflächen 
ftehenden, bis jett nur menig freigelegten 
Steine bis zu einer zwiſchen dem oberen 
behauenen Zeil und dem rohen Sodel be» 
findlihen Furche eingelajjen find, ferner dak 
bei gewiſſen Grenziteinen das beftimmungs« 
gemäß urfprünglih im Boden verftedte 
zweite Wappen fichtbar wird und endlich, 
daß die Spuren von NRadnaben an Grenz» 


rüden und mit dem Freiwerden des Sodels 
gleihen Schritt halten. Iſt aber der Stein, 
wie es vielfach geichieht, durch Abweiſer 
geichügt oder im Feld von Lejefteinen oder 
Dorngeftrüpp umgeben, dann tritt dieſe 
Eriheinung an ihm jelbit weniger hervor, 
dagegen hebt ſich der ganze Fleck wie eine 
kleine Inſel aus der Umgebung ab. 

Die Höhe der Abtragung ift jehr ver» 
ſchieden. Zunächſt ift fie von der Boden« 
geftaltung abhängig. Auf einer von allen 
Seiten der Denudation ausgejegten Kuppe 
muß fie raicher vorwärts gehen, als auf 
Höhenrüden mit nur zwei Angriffsflächen 
oder im geneigten Gelände, In dem durch 
Bebauung gelodferten Feld, im leichten 
Sand, auf undurdläffigem Boden wirft fie 
Ichneller als im Wald oder in jchwerem 
Lehmboden oder auf durchläſſigen Schichten, 
welche die Niederichläge nicht ablaufen 
laifen, jondern zum größten Teil in fich 
aufnehmen. 

Bur näheren Unterjuhung und zahlen» 
mäßigen Feftftellung diefer mir ſchon früher 
aufgefallenen Tatſachen unternahm ich im 
April ds. 8. als der zum Betreten der 
Felder geeignetiten Zeit eine Fußwanderung 
durch die Pfalz. Bon der Rheinebene aus« 
gehend Freuzte ich den Pfälzer Wald, be» 
rührte das Holzland, ftieg zur Sickinger 
Höhe hinauf, wanderte durch den Yand- 
ftuhler Bruh und den Reichswald nad 
des Stumpfwalds umging 
nördlich den Donnersberg, gelangte bis zur 
Bereinigung von Glan und Nahe und glan- 
aufwärts zu den Höhen der Stemalb und 
fehrte dann über den Roßberg und die 
Hochſtraße nach dem oberen Alfenztal zurüd, 
Überall fand ich durch Meflungen meine 





Bermutung beſtätigt. Am ftärfiten war 
die Abtragung der Höhen im Rotliegenden 
der Nordpfalz, dann folgte in einigem Ab- 
ftand das Buntfandjteingebiet, weit zurüd 
blieben das Muſchelkalkplateau der Sıdinger 
Höhe. So har fih 3. B. der gerundete 
Segel über Nehborn „auf Leyen” (Uder- 
feld, Rotliegendes) jeit 1838 um 50 cm 
erniedrigt; andere, weniger ſtark gemölbte 
Erhebungen der Nordpfalz ergaben unter 
gleichen Bedingungen 25 - 35 cm, geneigtes 
Gelände 10 cm; alte £urpfälziiche Grenz: 
fteine hießen in legterem Fall jeit 1775 
eine Abtragung von 25—30 cm, erfennen. 

Im Buntjanditeingebiet der Mittel- 
pfalz, der Heimat des Waldes, war es mir 
auch möglich, die dur eine zujammen- 
bängende Pflanzendecke mehr gegen die 
Abtragung geichügten Steine zum Vergleich 
mit heranzuziehen; den Humus bildenden 
und dadurch erhöhend wirkenden Einfluß 
der Begetation zog ich hierbei nicht in Be- 
rechnung. Bei den im Feld auf der Höhe 
jtehenden trig. Steinen fonftatierte ich feit 
1838 bis zu 30 cm, an Grenzfteinen von 
1763 etwa 40 und 55 cm, an foldyen von 
1786 bis 40 cm; im Wald oder auf 
Ddungen, je nad) dem Geländeabfall und 
dem Standort (ob in geichloflener Rajen- 
dee, ob an Waldrändern, Wegen, Vieh: 
triften ufw.) bei Grenzfteinen von 


1600 eine Abtragung von cm 30, 25, 
1764 


6% nn m 480,8, 
1786 , Ri „ „40, 30, 5, W. 

Auf den durdläffigen Kalfichichten der 
plateauartigen Sidinger Höhe fonnte ich 
jeit 1838 nur Abtragungen bis zu 10 cm 
feſtſtellen. Daß ſolche vergleichenden Be- 
obachtungen ſich auch an hochgelegenen 
Burgruinen, Gebäuden, Mauern und an 
Ausfichtstürmen ausführen laffen, brauche 
ich nicht beſonders hervorzuheben; bier 
werden freigelegte Yundamente, überhöhte 
Türſchwellen u. a. einen Anhalt bieten 
fünnen. 

Aus diejen Zahlen läßt fi der Schluß 
ziehen, daß tatſächlich innerhalb beftimmter 
Beiträume eine ganz beträchtliche Erniedri- 
gung einzelner Höhen ftattgefunden hat. 
Naturgemäß geht fie im Felde rajcher vor 
fih, da hier der Boden durd die Bear- 
beitung beitändig gelodert wird; es iſt 


” * 49 “u 


dies eine dem Landwirt mohl befannte 
Ericheinung, die er als Abbau bezeichnet 
und durch manderlei Maknahmen (Hin- 
aufpflügen uſw.) zu verzögern ſucht. Durch 
die Denudation findet auch die troß langer 
Bearbeitung immer noch fteinige Bejchaffen- 
heit vieler Höhenäder ihre Erklärung: Aus 
dem, vom unterlagernden Geftein los» 
gewitterten Material werden die feineren 
Beitandteile durch die Niederichläge immer 
wieder weggeſchwemmt, die gröberen bleiben 
zurück. Feldſteine fommen trog jährlichen 
Aufiammelns immer wieder zum Borjcdein. 
(Wachſende Steine.) Dem gleihen Prozeß 
bezw. der Wegijpülung von untergelagerten, 
mweicheren Schichten verdanfen aud die jo- 
genannten Felſenmeere ihre Entſtehung 
(Karlstal). ALS weitere Folgeerjcheinung 
läßt fich hieraus ableiten, daß im Laufe 
der Beit früher fruchtbares Land nad) Ab» 
tragung der eine gute Aderfrume liefernden 
Schichten an jeiner Qualität einbüßen 
fann, wenn 3. B. der dem Muſchelkalk 
untergelagerte Buntjanditein einmal in den 
Bereih der Bermwitterung gezogen jein 
wird (Sifinger Höhe). Da ein paar hun» 
dert fahre bei diefem fih nur allmählich 
und in großen Zeiträumen vollziehenden 
Prozeß feine große Rolle jpielen, braucht 
für die Beteiligten noch fein direfter Grund 
zur Beunrubigung vorzuliegen. 

Mit der Abtragung kann aud eine 
Änderung der Ausficht zufammenhängen, 
wenn bei wechjelndem Gejtein einzelne, die 
Ausfiht hHemmende und aus weniger 
widerjtandsfähigerem Material aufgebaute 
Höhenrüdfen jchneller erniedrigt erden, 
ald der Standort des Beſchauers. Wie 
mir Herr Lehrer Bubmann (Odernheim) 
mitteilte, pflegte der 1904 im Alter von 
66 Jahren verjtorbene Gutsbefiger Großarth 
vom Difibodenbergerhof oft darauf Hinzu» 
meifen, daß er in feiner Jugend den durd) 
eine Bodenjchmwelle halb verdedten oberen 
Teil des Kirchturmes von Duchroth nicht 
jo mweit hervorragen gejehen habe, wie in 
jpäteren Jahren. Ob diefe Wahrnehmung 
nur auf fubjeftivem Empfinden beruhte, 
oder etwa eine deutlich hervortretende Abtra⸗ 
gung des aus ſandig lehmigen Schichten 
(Aderjeld) beſtehenden, zwiichengelagerten 
Rückens innerhalb eines Menfchenalters ftatt= 
fand, oder auch tektoniſche Kräfte in dieſem 


altvulfanijchen, von zahlreichen Verwer— 
fungen durchfegten Gebiet eine Niveau: 
änderung hervorgebracht haben, muß eine 
offene Frage bleiben. Jedenfalls wollte ich 
dieje mit dem von mir behandelten Thema 
möglicherweise in Zufammenhang ftehende Er- 
ſcheinung nicht mit Stillichweigen übergehen. 

Für Dlitteilungen aus dem Lejerfreis über 
ähnliche Beobachtungen wäre ich fehr dankbar. 

Als eriten Beitrag fügen wir eine Mit- 
teilung durch Herrn Lehrer Glück in 
Langmwieden an. Als er vor etwa 50 


Jahren dort anſäſſig wurde, Fonnte man | 
jugendlichem Alter! (D. ©d).) 


von dem nordöftlichen Gemwannenweg auf 





dem Taubenberg aus das gegenüberliegende 
Martinshöhe nod nicht fehen, da der 
„Rößberg“ davor lag. Beute aber, wie 
wir und überzeugten, ijt dieſer ftarf 
jandige Ausläufer ſoweit vom Wafler 
und Winde gegen die anderen, mehr lehmigen 
Höhenterle „abgebaut“ — vielleicht hat auch 
die Bodenbearbeitung dazu beigetragen, eben: 
fo mehrere ungewöhnlich ſtarke Wolfenbrüche 
(1856, 1870, 1898, 1906 3.8.) —, daß die 
oberen Zeile der Häufer von Martinshöhe 
herausragen. Am Falle des Gutsbefigers 
Großarth ift zu bedenfen, daß dieſer als 
Mann auch —24m größer war als in 


Bas — 


Das „Heufieber“ fordert gegenwärtig 
wieder ſeine Opfer. Da iſt es denn vielen, 
die an der merkwürdigen Krankheit leiden 
und aud den Arzten gewiß willtommen, 
daß gerade rechtzeitig (bei %. %. Yehmann, 
München, für 3 ME. 60 Big.) eine aus— 
führlide Abhandlung über „Das Heu. 
fieber, fein Wejen und jeine Be 
handlung“ von Dr. Alfred Wolff: 
Eisner erſchienen ift, die fidh mit der 
Geſchichte der Erkenntnis der jo lange rätjel- 
haft gebliebenen Stranfheit, mit ihren Er- 
iheinungsformen, ihrer Unterfcheidung von 
und ihrer Beziehung zu andern Krankheiten, 
vor allem auch mit der Behandlung mit 
Serum, Klimawechſel, mit dem Wirken des 
Heufieberbundes und der Bedeutung der 
Stranfheit für die Allgemeinheit befaßt. 
Wir entnehmen dem anregenden und gründ: 
lihen Buch vor allem, daß in Deutjd: 
land die endgültige Erkenntnis von der 
Urſache der Krankheit gefunden worden ift. 
Zwar hatte man fchon früher die Anficht 
vertreten, daß die Srankheit durch den 
Gräferblütenftaub und den Blütenjtaub an- 
derer Pflanzen veranlagt ift, namentlich) 
der Engländer Bladley brachte jchon 1856 
bis 1877 erperimentelle Beiträge zur Stüße 
der Anſchauung, daß Blütenpollen Die 
alleinige Urjache des Heufiebers find und 
Marſh nannte die Krankheit 1877 „Heu: 
fieber” oder „Bollenvergiftung”; aber erſt 
1903 veröffentlihte Dunbar, dem gegen: 
über jein ehemaliger Ajfiftent Weihardt 
den Anfpruc erhebt, die Anregung zu defien 


Berfuchen gegeben zu haben, jeine Mono: 
graphie, in der er den experimentellen 
Nachweis erbrachte, daß bei Leuten, die zu 
Heufieber disponieren, eine Heufieberattade 
auch außerhalb der eigentlihen Heufieber- 
zeit hervorgerufen werden kann. Diele 
beiden Forſcher baben auch das Verdienſt, 
je ein Mittel gegen die Krankheit gefunden 
zu haben, jener das PBolantin, diejer 
das Greminol, die beide ein Serum find, 
die nach den Prinzipien der fonft ſchon ge- 
brauchten Begengifte gegen Diphterie zc. 
gewonnen find, aber von diejen in ihrer 
Wirkungsweiſe ſich wohl mejentlih unter: 
icheiden, indem fie fein Antitorin darjtellen. 
Das erftere ift das Produft der Impfung 
von Tieren mit dem Bollengift, das letztere 
wird aus dem Blut von Tieren während 
der Beit der Grasblüte gewonnen, wo lid) 
Gegengifte gegen die ſtets eindringenden 
PBollengifte von jelbft bilden. Der Name 
Heufieber trifft eigentlich ſehr 
wenig zu. Denn das Heu hat mit der 
Krankheit faum etwas zu tun; es find viel: 
mehr gerade die friichen Pollenkörner, die 
gefährlich find, die getrodneten enthalten 
wohl das Gift noch, aber es bedarf der 
Verreibung mit Kochjalzlöjung zc., um es 
aus den Körnern herauszubefommen — 
und anderjeits bildet Fieber fein irgendwie 
charafteriftiiches oder aud nur häufiger vor— 


\ fommendes Symptom der Erkrankung. Aber 


der Name hat fich eingebürgert, und es 
weiß jept jedermann, was darunter zu ber- 
ftehen ift. Gefährlich find für die zur 


Krankheit Neigenden nicht nur die Blüten | Leider beziehen fich die mangelnden Erfolge 
der Gräfer- und Getreidearten, es hat ſich gerade auf die jchweren Fälle mit Aſthma. 
auch eine große Zahl von anderem Pflanzen- | Das Graminol ergab auch recht günftige 
blütenftaub als Gift für fie erwiefen, jo | Erfolge; es wurde nie behauptet, daß es 
3. B. aud) der von Maiglöckchen, Weißwurz, gegen ſchwere Fälle helfe, vielmehr wurde 
Neps, ftachlicher Diftel, Makliebehen, Korn» | e8 nur als Linderungsmittel empfohlen und 
blume, Aſtern, namentlich auch Hollunder: | deshalb gab es auch feine Enttäuſchung. 
und Lindenblüten. Bei dem einen Individuum Es hat den Vorteil, nie Berjchlimmerungen 
wirken nur die einen oder anderen, bei | hervorzurufen. Da dieſes Mittel auch 
manchen alle die verjchiedenen genannten und | billiger ift, wird es daher fidher mehr Ans» 
wohl noch mehr Blütenarten giftig. Sehr | wendung finden. Leichtere Fälle können 
wichtig, aud für die Heilmaßnahmen, ift | jhon ohne Serumanmwendung bei Ein— 
die Erjcheinung, daß mit den Jahren die | haltung eines entipredhenden Verhaltens be- 
Krankheit dazu neigt, ſchwerer zu werden: | jchmerdefrei bleiben; jchwerer Kranken wird 
die Aranfen werden 3 B. gegen Pollen: | dagegen auch weiterhin nichts übrig bleiben, 
arten empfindlich, die ihnen anfangs nicht | als an beftimmte Orte zu gehen, wo jie 
Ichadeten und Bollantin und Graminol, das | der Blütenzeit ausweichen können. Jeden— 
in den erften Jahren vielleicht Half, wirft | falls aber mögen nicht weiter die Aranfen, 
jpäter ſchwächer oder gar nicht mehr. Die | die von der Zeit, die für jeden Naturfreund 
Erfolge im Beginn — fehr lange reichen | fonft die ſchönſte Zeit des Jahres darftellt, 
die Beobadhtungen ja nicht — find mit | jo fchwere Leiden zu erdulden haben, ver- 
Pollantin nad) den günftigiten Statiftifen | lacht und als „nervös“ verſpottet werden, 
in 60 "ja gute, in 29°). teilmeije gute, in | wie dies noch häufig geſchieht. 
11”. waren feine Erfolge zu erzielen. (M. N. R.) 





Ueber die Ernte des Jahres 1905 in Bayern 


find der vom fgl. Statift. Bureau bearbei- | Weizen, Winteripelz und Roggen höher als 
teten Zufammenftellung der Ernteergebniffe | im Borjahre, bei Sommergerfte und Safer 
folgende allgemeine Daten zu entnehmen: | jedod) geringer; den aus den Ernteergeb- 
Die Anbaluflächen betrugen im Jahre | niffen der legten 34 Jahre (1871 - 1904) 
1905 ber Weizen (Winter: und Sommer: | berecjneten Gejfamtdurdfchnittsertrag über— 
weizen) 289991 Hektar, bei Winteripelz | trifft er mehr oder weniger bei allen er 
72480, bei Roggen (Winter und Sommer | wähnten Getreidearten mit Ausnahme von 
voggen) 567396, Sommergerite 362876, | Hafer. Aus den Ziffern des Durchſchnitts— 
Hafer 495660, Winterreps 1258, Star: | ertrages vom Hektar und jenen der An- 
toffeln 349597, Klee 267372, Luzerne | bauflächen berechret fich die gelamte KHör- 
40675, Wieſen 1286988, Hopfen 25386, | nermenge auf 4764107 Doppelzentner bei 
(davon neu angelegt 1580) und endlich ber | Weizen (1904: 4369151 D;.), 1264328 
Wein 24846 Hektar (davon 2298 nicht | Dz. bei Winterjpelz (1904: 1248605 D;.), 
im Grtrag Stchend). Gegenüber den Ber- | 9351333 Dz. bei Roggen (1904: 9100016 
hältniffen des Jahres 1904 ift bei Winter- | D;.), 5507487 Dz. bei Sommergerite 
weizen, Winterrogen, Binterreps, tartoffeln, | (1904: 5722755 D3.) und 5985415 Dz. 
Luzerne, Dopien und Wein eine größere, | bei Hafer (1904: 7421468 Doppelztr.) 
bei den übrigen FFruchtarten hiegegen eine Der Ertrag an Stroh belief fich bei 
geringere Anbaufläche zu verzeichnen. Weizen auf 30 (im Vorjahre 29), bei 
Bei den Körnerfrüchten berediner | Winterjpel; 33 (31), Roggen 32 (34), 
fich fir 1905 der Durdfchnittsertrag von | Sommergerfte 20 (21) und bei Hafer auf 
einem Heftar auf 16,4 Doppeljtr. Weizen, | 19 (23) Doppeizentner vom Hektar; für 
17,4 bei Winterjpel;, 16,5 bei Roggen, | die ganze Erhebungsperiode 1871 - 1904 
15,6 bei Sommergerfte und 12,1 bei Safer. | beziffert fich der durchichnittliche Strobertrag 
Der Durdjchnittsertrag war hiemit bei | bei Weizen und Winterſpelz auf 26, bei 


Roggen auf 28, bei Sommergerfte auf 19 
und bei Hafer auf 21 Doppelzentner vom 
Hektar. Die Qualität des Strohes wurde 
im allgemeinen als „gut” bezeichnet, abge: 
ſehen vom Haferſtroh, das etwas geringer 
geichäßt murde. 

An Sartoffeln murden im Sfahre 
1905 vom Hektar durchſchnittlich 138 Dop 
pelzentner geerntet gegenüber 112 ım Vor— 
jahre und 103 als Durchſchnittsertrag der 
Jahre 1871— 1904; der Geſamtertrag des 
Jahres 1905 ift der höch ſte ſeit 1871 und 
übertrifft mit 48137362 Doppelzentner 
erheblich jenen des Vorjahres (38 790 159) 
ſowie den aus den Ernten der Jahre 1871 
bis 1904 berechneten Durdjjchnittsertrag 
(diefen um 16,9 Millionen Doppelzentner). 
Die Qualität der Kartoffeln ift mit Note 1,7 
(gegen I1,5 im Borjahre 11,4 für die ganze 
Erhebungsperiode) bemeſſen; erfranft waren 
4,5 Proz. der geernteten Startoffeln (gegen: 
über 2,5 Proz. im Borjahrefund 4 Proz. 
im Durdichnitt der Erntejahre 1871 bis 
1904); unter den 294 Erhebungsbezirfen 
waren 57 mit einer Anbauflädhe von im 
Ganzen 72960 Heftar von Sartoffelfranf: 
heiten vollftändig verſchont. 

Das Erträgnis an Futtermitteln 
war ein ziemlid günftiges. Bei Klee 
wurden durchjchnittlih 49 Doppelzentner 
wie im Borjahre und bei Yuzerne 58 (im 
Borjahre 61) Doppelzentner vom Hektar 
geerntet; Gefamtertrag bei Stlee 13000292 
und bei Quzerne 2344424 Doppelzentner 
(Durcichnittsertrag 1871 1904: 13072871 
und beziehungsmweife 2140854 Doppel 
zentner). Qualität bei Nlee 1,8, bei 
Luzerne 1,9. 

Der Wiefjenertrag an Heu und 
Grummet ergab 48 Doppelzentner vom 
Hektar und 62004587 Doppelzentner im 
Ganzen; Uualitätsnote 1,8. 

Bei Winterreps, dejlen Anbaufläche 
gegen das Borjahr um 21 Hektar fih er: 
höhte, berechnete fich die Ernte im Ganzen 


87 


auf 18173 Doppelzentner gegen 17983 
Doppelzentner des Borjahres und 32559 
Doppelzentner Durchichnittsertrag der 
Perivde 1878-1904. Ertrag vom Hektar 
14,4 Doppelzentner; Qualitätsnote 11,1. 


Über die Hageljhäden in Bayern 
während des Yahres 1905 


veröffentlichte die „Zeitichrift des k. Bayer. 
Statiftifhen Bureans” eingehende Zu— 
fammenjtellungen mit Rückblicken auf die 
Erhebungen jeit 1879. Das Jahr 1905 
brachte für Bayern einen Hagelichaden von 
12689362 ME., wovon das rechtörheiniiche 
Bayern mit 5067245 Me. gleih 39,9 
Prozent, die Bfalz mit 7622117 ME. 
gleich 60,1 Prozent beteiligt ift. Höhere 
Sejamtichadenfummen find nur 1900 mit 
17004652 Mk. und 1903 mit 20951554 
Mark nachgewieſen. Im SYahre 1905 
wurden 933 Gemeinden gleich 11,7 Bros. 
jämtliher Gemeinden vom Hagel betroffen; 
für den ganzen Zeitraum von 1879 — 1905 
ift die Durchſchnittszahl 1043 Gemeinden 
gleich 13,0 Proz. Dabei läht das 27jäh— 
rige Durdjchnittsergebnis die Regierungs: 
bezirfe Oberbayern, Schwaben, die Ober: 
pfalz und Niederbayern als am meijten 
vom Hagel betroffen erjcheinen, während 
ipeziell für 1905 die Pfalz an die 
erfte Stelle rüdt. — Der Umfang der 
1905 verhagelten Tandwirtichaftlihen An— 
baufläce beträgt 118142 Hektar gleich 
3,13 Proz. der im Juni 1905 ermittelten 
Anbaufläche, d. i. um 8590 Hektar weniger 
als der Durchichnitt der Jahre 1887 — 1905. 
Die Zahl der Hagelgeichädigten landwirt- 
ichaftlichen Anmwejen beträgt für 1905 im 
Ganzen 45787, wovon nicht weniger 
als 22328 gleich 48,8 Proz. auf die 
Pfalz entfallen. Der ſchon genannte 
Geſamtſchaden von 12689362 ME. ift um 
4558 794 Mt. höher als der durchichnittliche 
Schaden von 1879 - 1904 mit 8130565 M. 





Archäologiſche Htudien. 
Bon Dr. C. Mehlis. 
I. Arhäologijhesvon timburg und Heidenmauer bei Dürfheima.d. 9. 


Bad Dürkheim, 4 April. 
Dradenfelsflub bat im Herbſt 1905 
und Frühjahr 1906 einen hübichen neuen 


| 


Der | Touriftenweg don der Limburg in 


der Richtung nad) Haufen vollendet. 
Er zieht in Serpentinen etwa 100 Meter 


zwijchen zwei Steinwällen herab, die zehn | auf der MNordfeite die nicht minder be- 
Meter von einander entfernt liegen und | rühmte „Deidenmauer” oder Ringmauer, 
unten, d. h. oberhalb Haufen, in einem fünf | urfprünglih Rentmauer oder Rindmaner. 
Meter hohen baftionartigen Borfprung | Auf ihrer Nordjeite, jenfeit® des fogen. 
endigen. Auf der Weftjeite des 257 (120) m | Wurfttrapp-Grabens, in dem Nitter 
hohen Limburg-Berges murden zahlreiche | Hans Trapp nad der Bolfsjage die ge- 
Gefäßſtücke von Ichwarzglängender und gelb- | ftohlenen Würfte hoch zu Rot heimbringt, 
roter Farbe, ferner Bruchftüde von Neib: | liegen 4 Grabhügelgruppen, die in den 
fteinen(Donnersberger Tonporphyr, Duarzit) | legten Jahren vom Wltertumsverein für 
jowie Brandplätze aufgefunden, Die Gefäß- | den Aanton Dürkheim mit dem Spaten 
ftücfegehören vorwiegend derjüngeren Bronze: | unterfucht wurden (vgl. Mufeum in Bad 
zeit und der Ja Tene-Zeit an. Nach allen | Dürfheim). Die vierte diefer Hügelgräber 
Anhaltspunften und den im Mufeum zu | Gruppen liegt vor dem nordmweftlichen 
Bad Dürkheim vorliegenden Beweisſtücken Gingang, deflen Abitieg zur Wurzel des 
waren Yimburg und feine Hänge jeit der | Schindtales und zur dort gelegenen Fleinen 
jüngeren Steinzeit bald mehr, bald weniger | Nefropole geleitet. Bei einer Unterjuchung 
beſiedelt. Wie bei den Ringwällen im | des nördlichen Einganges durch den Bor: 
Taunus, bei den galliihen Städten Bibracte | ftand der anthropologiihen Sektion der 
und Wlefia, waren die Siedlungen, d. h. | Bollichia (4. April) wurde auch hier an 
die Hütten, auf Fleinen Zerraiien gelegen, | dem zum „Stallftadter Tälchen“ ziehenden, 
die an der Nordoftjeite des Limburg-Berges | alten Fußwege eine weitere (5.) Tumulus: 
zum Teil noch erhalten find und bis zum | Gruppe feitgeftellt. Sie beiteht aus einem 
Tal herabreichten. Zahlreiche Neibfteine | Dugend Eleiner, 2-5 im Durchmefjer 
beweilen, daß dieſe Uranfiedler Aderbau | haltender Hügel, an deren Peripherie noch 
getrieben haben. Ein vor mehreren fahren | ftellenweije der urjprünglich vollftändig fon» 
an der Limburg gemadter Schapfund | ftruierte Steinfreis wahrzunehmen ilt. 
römifcher Denare, die meijt der republi- | — Nach den bei bisherigen Unterjuchungen 
fanischen Zeit angehören und bis Gäfar | gemachten Beobachtungen gehören die 
herabreichen, deutet an, dab verhältnis: | Eleinen Tumuli der äflteften Weriode 
mäßiger Wohlftand unter den Limburgern | der Bermohnung der Heidenmauer an, der 
berrihte. Die obigen Barallelmauern | Zeit des Ülberganges von der neolithijchen 
bilden wohl den auf geficherter Seite ge- | Periode zur Metallzeit (— ältefte Bronze- 
gelegenen Aufgang zur alt-galliihen Stadt. | zeit). Die 5 Gruppen von Grabhiigeln, 
Eine zweite Siedlung aus der gleichen | die in der ſogen. „BZuringmauer” liegen, 
Zeit lag nah Norden zu auf der 299 | deuten wohl auf d verichiedene Sippen 
Meter hohen Heidenmauer oder Ring: | bin, welche die Ringmauer bewachten und 
mauer, bewohnten. — Der Alrtertumsverein 

Bad Dürkheim, 5. April. Das | Dürkheim wird in dieſe Frage durch 
Gegenſtück zu der oben betrachteten „Befte | Grabungen bald die nötige Stlarheit bringen. 
der Urzeit* auf der füdlichen Seite der | Die archäologıiche Wilfenichaft wird ihm 
Iſenach, der befannten Yımburg, bildet hiefür Danf willen. 


Gedenktage im Duli. 
Geboren: 2, Nlopftof (1724). — | 18. Petrarka (1374). — 28. Joh. Seb. 
20. Betrarfa (1304). Bah (1750), — 30. Fürft Bismarck 
Geftorben: 2. 5%. J. Rouffeau (1778). , (1898). 
Dnbalt: Hite und Durft. — Wie nehmen umfere Höhen ab? — Das Heufieber. — Über 


die Ernte des Jahres 1905 in Bayern. — Archäologifhe Studien von Dr, E. Meblis. I. Archäo— 
fogifches von Limburg und Heldenmaner bei Bad Dürkheim a. d. H. — Gedenktage. — 


Schriftleiter : Lehier Ph. Sauth, Landftuhl — Bermann Kayſer's Derlag, Raiferslautern. 


Tie „Pfalziſche Heimatkunde“ Lofer jährlich In 12 Heften ME. 2,50. Perellungen werden bon allen Buchhandlungen und 
Voſtanſtalten ferner vom Berleger (Portofreie Streifbandjendung) angenommen. 


II. Jahrgang. 


August 1906. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


U) 





L/ 


Yon den Behemmern.*) 
Von Karl Bertram, Kaiferslautern. 


Was ift nicht Schon von diefen geheim» 
nisvollen Vögeln erzählt und über fie ge- 
jchrieben worden! Und doch ift jo außer- 
ordentlich wenig über fie befannt. Saum 
weiß man, daß es ſich um gefiederte Winter- 
gäfte handelt, die auf eine kurioſe Art in 
den Wasgaumäldern geyagt werden. Scilde- 
rungen ſolcher Behemmerjagden werden ja 
immer wieder einmal „unter dem Strich” 
oder in den Unterhaltungsbeilagen unjerer 
Tagesblätter und auch jonjtwo dem lejen- 
den Publikum aufgetiiht. Jedoch gewinnt 
der nlüchterne und unbefangene Xejer aus 
ihnen nicht immer die gewünſchte Klarheit 
über den mirflihen Sadverhalt, weil an 
die Stelle jchlichter, jahliher Mitteilung 
meift eine phantafievolle, mitunter gar 
pbantaftiihe Darftellung tritt, in melcder 
auf das Objekt diefer abjonderlichen Jagd, 
eben den Vogel jelbft, nur in allgemeinen 
Wendungen und dunklen Andeutungen ein« 
gegangen ift, dafür aber die mancherlei 
Wunderlihfeiten und myſteriöſen Neben: 
umftände um jo deutlicher hervorgefehrt 
werden. Solche Darjtellungen find dazu 
angetan, das Preſtige, defjen fich dieſe 
Bogelart jeit alters bei uns erfreut, zu 
feftigen und bei Fernſtehenden übertriebene 
und falſche Borftellungen zu erwecken. 


Nachfolgende Mitteilungen, auf dem Boden 
ftrenger Sachlichkeit ftehend, zielen indes 
durchaus nicht darauf ab, vormürfigen 
Stoff jeines volfstümlihen BZaubers zu 
entkleiden. 

1. Begegnung. 

Ein nebliger Oktobermorgen. Auf den 
Feldern arbeiten die Leute in kleinen 
Gruppen. Der ſchwache Nordoſt trägt den 
herben Rauch des verbrennenden Slartoffel- 
frautes berüber. In der Nähe geht ein 
Pflug. Die lebten weißen Bachltelzen 
trippeln zierlich in den Furchen. Obenhin 
ziehen krächzende Naben: eine einzelne 
Nebelkrähe, die erfte für diejes Spätjahr, 
zeigt fi) dabei. In ernfter Würde fteht 
die braune Wand des hHerbftlichen Laub» 
hochwaldes. Schmärme von Kleinvögeln 
fommen mehrmals vorbei und ziehen den 
Waldrand entlang nah Weiten. Sekt 
bäumt eine kleine Gejellichaft ganz nahe 
bei uns auf. Es find Buchfinken, meift alte 
Männchen. Die Menge der Weibchen und 
ungen iſt fchon vor Tag und Woche vor- 
übergefommen. Da dringt zwijchen den 
befannten Rufen eine fremdartige Stimme, 
eın vornehmliches, gezogenes „Quäck“ her- 
vor. Wir haben Glüd heute; denn das 
ift jchon der zweite Wintergaft, dem wir 


) Nah den gründlichen und überzeugenden Ausführungen des Herrn Brof. Dr. Heeger 
muß dieſe Schreibtweife al8 die mit den Qautgefegen unferer Mundart am beiten im Einklang 


jtehende bezeichnet werden. 


begegnen, der Bergfint oder Behemmer. | etwas früher als der ihrer Bettern, 


Sie treffen immer etwa zur gleichen Zeit 
bei uns ein, der graue Rabe und der 
Behemmer, nämlich wenn der Winter vor 
der Tür fteht. Wie nun die Fimkengeſell— 
ſchaft in elegantem Fluge in ein Stoppel- 
feld niederjchwenft, fünnen wir uns die 
fremden Säfte näher betrachten. Es find 
ihrer nur wenige. Das ungeübte Auge 
unterscheidet fie zunächſt faum von ihren 
Bettern, zumal nit nur in der Größe 
und den Bewegungen fondern aud in der 
Anordnung der Narben des Gefieders die 
nahe Verwandtſchaft zum Ausdruf fommt. 
Emfig juchen die Tieren nad) Nahrung 
und nügen fo die kurze Raſt auf ihrer 
weiten Reife, Doch jett fliegen fie auf, 
durch unjere Annäherung unruhig geworden, 
und wir fünnen nun die paar Bergfinfen 
recht deutlich unterjcheiden, indem im Fluge 
die charafteriftiiche weiße Färbung des 
Unterrüdens hübſch zur Geltung kommt. 
Wie enge die Stinder des Nordens im Fluge 
zufammenhalten! 
2. Bug. 

Zweimal im Jahre ift der Behemmer 
oder Bergfinf (Fringilla montifringilla, L.) 
in unferen Gegenden eine gewöhnliche, 
allerdings meift liberjehene Erſcheinung, 
auch in folchen Jahren, in denen nur ver» 
hältnismäßig wenige Individuen bei uns 
überwintern: im Spätjahr (zweite Hälfte 
Oftober und anfangs November) und im 
Frühjahre (März). Als frühefte Herbitdaten 
finde ih in meinem Tagebuche vermerft 
den 26. X. 1902, den 14. X. 1903, den 
10, X. 1904, den 11, X. 1905; als 
legte Beobachtungsdaten im Frühjahre 
jeien angeführt der 4. IV. 1900, der 2, 
IV. 1901, der 26. Ill. 1903, der 30. III, 
1904, der 23. II. 1905, der 9. IV, 1906. 
Auf ihren großen Wanderungen ſchließen 
fih die Behemmer gern wit verwandten 
Arten, jo mit Grünfinfen und Bänflingen, 
am liebften aber mit den Buchfinken zu— 
fammen. Die BZugsverhältnifje der Be- 
bemmer und Budfinfen*) wären völlig 
die gleichen, fiele nicht der Herbitzug der 
eriteren etwas ſpäter, der Frühjahrszug 


*) 68 handelt fi bier nicht um unfere 
beimifchen Brutvögel, fondern um Individuen 
aus nördlicher gelegenen Teilen des paläarftljchen 
Haunengebiets. 


90 — 


Auch 
dauert der Hauptzug der Behemmer nicht 
ganz ſo lange. Sind einmal die erſten 
kleinen Verbände vorübergekommen, jo folgt 
raſch Flug auf Flug. Nach 2-3 Wochen 
iſt der Durchzug vorbei. Freilich kommt 
es im Frühling nicht ſelten vor, daß ſich 
der Zug durch eintretende Witterungs— 
unbilden verzögert oder gar eine rückläufige 
Zugsbewegung eintritt, wie dies gerade im 
legten März infolge ſtarker Schneefälle 
borfam. Wie bei den meiften Arten, welde 
am Tage ziehen, ift auch bei den Bergfinfen 
der Zug im Herbite gegen Weiten mit ge- 
ringer Wendung nadı Süden, im Frühjahre 
nah Oſtnordoſten gerichtet. Gewöhnlich 
in den erſten VBormittagsftunden hat man 
Gelegenheit ziehende Berg: und Buchfinken 
zu beobachten. Es fommen dann an guten 
BZugtagen mit leichtem Gegenwind oft 
Tauſende vorüber. Die Behemmer mengen 
fich vielfach unter die Buchfinfenflüge, bilden 
aber auch jelbjtändige Verbände, Dieſe 
find zumeift ganz loder: es zmeigen ſich 
Zeile ab, neue Individuen und Gejellichaften 
ſchließen fih an. Selten fommen Flüge 
von mehr als 200 Eremplaren auf dem 
regulären Zuge vor. Die Höhe beim Zuge 
wechjelt ftarf, bald geht er fo hoch von— 
ftatten, daß er ſich der Beobachtung völlig 
entzieht und nur die Wanderrufe ſchwach 
berabdringen, bald ziehen die Vögel nur 
wenige Meter hoch über dem Erdfejten da- 
hin. ine beftimmte Anordnung wie bei 
Kranichen und wilden Gänjen ift nicht zu 
erkennen. Der gewöhnlihe Ruf im Fluge 
ift ein hartes „Jäck, jäd”, das der Be: 
obachter bald von dem weichen „üb, jüb“ 
der Buchfinken untericheiden lernt. Cine 
Trennung nad Gejchlehtern und Lebens— 
altern, wie fie beim Buge der meilten 
Vögel mehr oder weniger deutlih durch: 
geführt ift, fällt bei unjerer Art nicht auf; 
jowohl im Frühjahre als auch im Herbfte 
trifft man Männchen und Weibchen, Junge 
und Alte beifammen. Am Frühjahre haben 
es die Wanderer fehr eilig: als mächtiger 
Herricher waltet der Trieb, Plat zur Fort— 
pflanzung zu gemwinnen, über ihnen. Im 
Spätjahre meilen fie hingegen oft tage-, 
ja wochenlang an zujagenden Ortlichkeiten. 
Namentlich jcheint bei den zuletzt eintreffen- 
den Flügen der Wandertrieb nahezu oder 


— 


ganz erlojhen zu fein. Gerade fie jind es 
auch, welche im Falle des Borhandenjeins 
ausreichender Nahrung, beionders bei reich- 
fiher Buchenmaſt den Winter bei uns über- 
dauern. Im zeitigen Frühjahre, meift ſchon 
Ende Februar, jegt der Zug wiederum ein. 
Auf den Feldern erjcheinen große Flüge, 
Jetzt zeigt fich mitunter der Todfeind des 
Behemmers, ein nordijches Fälkchen, das 
auch in unferen Breiten überwintert, der 
Merlin oder Steinfalf (Falco wesalon, 
Tunst). Gelingt es dieſem gemandten 
Näuber die Finken auf freiem Felde zu 
überrafchen, jo muß in der Regel einer 
von ihnen das Leben lafjen. In der erften 
Hälfte des März vollzieht fi dann meift 
jhon der Hauptdurchzug in der oben an- 
gegebenen Richtung. Wenn die große 
Menge der Buchfinfen vorüberfommt, läßt 
der Zug der Bergfinfen jchon deutlich nach. 
Sehr wertvolle Beobachtungen laſſen fich 
an Tagen mit bejonders jchlehtem Wetter 
— bei heitigem Gegenwind, niedriger 
Zemperatur und ftarfen Niederichlägen — 
anftellen, indem dann die Wanderer ge- 
zwungen find den Zug zu unterbrechen und 
zu raften. Dan jpridt in der Aviphäno- 
logie dann von negativen Daten, welche 
gleihlam einen Querjchnitt durch den 
Strom des Frühjahrszuges zur Anfchauung 
bringen, indem, was ſonſt unbemerft viel- 
leicht in großer Höhe vorgegangen wäre, 
jegt in den Bereich der Beobadhtung ge- 
rüdt ift. Ein folder Tag mit „negativen“ 
Daten, war beiſpielsweiſe der 17. III. 1904, 
Ich entnehme darüber meiner Arbeit über 
den Frühjahrszug in der Rheinpfalz 1903 
und 1904*): „Am frühen Morgen findet 
bei leiſem Gegenmwinde jtarfer Zug ftatt 
In der furzgen Beit von Th 20’ —8h 
werden ca. 450 durchziehende Buch: und 
Bergfinfen gezählt und geihägt. Es iſt 
aber anzunehmen, daß vor 7 h20° jchon 
Hunderte von Bögeln pajlierten, da um 
7h20 der Bug jhon in vollem Gange 
geweien ıft. Um 8h wird der Gegenwind 
ftärfer und fälter. Cine großartige 
Stauung der Wanderer auf den Adern 
des Rotenberges ift die Folge. Mehrere 
Flüge von 800—1000 Er. treiben ſich 


*) Mitgeteilt in den „Berbandtungen der 
Ornithol. Gefellichaft in Bayern Band V“, pap. 
394 f. bei Guſtav Fiſcher, Jena. 





91 


umher. Auf einem auch während des 
Winters von den Finkenvögeln bevorzugten 
Acker iſt eine Geſellſchaft von ca. 3000 
Tieren zuſammengedrängt, zu zwei Dritteln 
aus Buchfinken, im übrigen aus Behemmern 
beſtehend. Die Männchen von Fr. monti- 
fringilla find jetzt ſehr ſchön ausgefärbt; 
die lichten Federränder haben ſich abgeſtoßen 
und Kopf und Rücken find infolgedeſſen tief- 
ſchwarz.“ Ähnliche Stauungen, ja ein aus— 
geprägter Rüdzug traten im heurigen 
Frühjahre in Erjcheinung. So traf id 
am 30. Mär; auf der Höhe des nod 
ſchneebedeckten Königsberges eine nach vielen 
Hunderten zählende Gejelliaft. Dies er- 
mwähne id; deshalb eigens, weil die Männ- 
chen lebhaft fangen, was in dem nod 
winterlihen Wald aus jo vielen Kehlen 
ih fremdartig anhörte und eine geringe 
Vorftellung von der Ienzlihen Situation 
eines nordiihen Birken» oder Föhren— 
mwaldes wachrief. Der „Geſang“ des 
Bergfinfen ift gegenüber dem jchmetternden 
Sclage des edlen Finken eine recht geringe 
Yeiftung. Gin Ereifchendes, an ähnliche 
Laute des Grünfinfen und Sperlings er- 
innerndes „Schrüik“ fcheint den Stern diejer 
Gejangsleiftung auszumachen, zu dem nod 
einige flirrende und zirpende Bfeiftöne 
treten. Einen geradezu ohrenbetäubenden, 
durch den Geſang taujender von Behemmern 
verurfachten Yärm, mit welchem das Spek— 
tafulıeren der Sperlinge, wenn fie um 
Allerheiligen auf bevorzugten Bäumen ihre 
großen Bolfsverfammlungen halten, gerade 
nod) verglichen werden kann, hörte ich am 1. 
April 1906 in dem nördlich unjerer Stadt 
binziehenden Hagelgrundgehölz. Es war dies 
die größte Behemmeraniammlung, melde 
mir je hier vorgefommen ift. Cine genaue 
Schätzung war ausgefcloffen; über 5000 
Er. waren es fiherlid. Am folgenden 
Tage war fein Stüf mehr zu hören noch 
zu jehen. Zu der oben angedeuteten r lic: 
läufigen Zugsbemwegung geben meift 
ſtarke Schneefälle während des Frrühjahrs- 
zuges Anlaß. Das war ihm Jahre 1901 
der Fall geweien. Mitte März fonnte 
man in jenem behemmmerreichen Nach— 
winter feinen Vogel diejer Art mehr jehen. 
Sie waren alle bei lauen füdmeftlichen 
Luftitrömungen abgezogen. Seit 19. II. 
übte ein ſehr Falter Nordoft feine Herr: 


haft aus und bradte den Frühjahrszug 
ins Stofen. Da lief am 26. III. neuer- 
dings der Wind um; Weft- und Südmelt- 


ftrömungen führten eine Menge Feuchtig-⸗ 


feit heran und überjchütteten während des 
26. Il. und in der Nacht zum 27. II. 
ganz Mitteleuropa mit Schnee. Das 
führte dann den Rückzug herbei. Nad 
Hunderten und Tauſenden wichen die Sing- 
drofieln, Krammetsvögel, Feld- und Heide- 
lerchen, Bud und Bergfinfen aus dem 
Bereihe der zujammenhängenden Schnee- 
dee zurüdf. Auch am 28., 29. und 30, Ill. 
zeigten ſich allenthalben große Behemmer- 
jhwärme. Mit dem 2, IV., nachdem die 
Schneedefe wieder zufammergeichmolzen 
war, verſchwand auch der lebte wieder. 
Zum andern Mal jah ich Bergfinten auf 
dem Nüdzuge am 2. Mär; 1904, wenn 
fie auch damals nicht jo entichieden und 
fopflos ausriffen als 1901 oder gar am 
14. Mär; 1906. Gine fleine Epifode, aus 
der früher zitierten, phänologiihen Arbeit 
mwörtlih angeführt, möge die jchtwanfende 
Haltung der Bergfinfen illuftrieren: „Auf 
einer Scmarzdornhefe bei einem Hohl- 
weg ſaßen ca. 40 Behemmer. Üben zog 
eine etwas jtärfere Schar in geringer Höhe 
darüber hin. Eifriges Locken beider Teile. 
Die oben auf dem NRüdzug begriffenen 
fcheinen unſchlüſſig, ob fie meiterfliegen 
oder fich niederlafjen, die unten fißenden, 
ob fie bleiben oder ſich anſchließen jollen. 
Jetzt erheben fich einige, gefellen fih zu 
ihren obenhin ziehenden Stameraden und 
fuchen durch lebhaftes Locken und ermuntern- 
des Umfliegen auch die übrigen zum Auf: 
bruch zu bewegen. Dieje bleiben indeflen, 
auch ihrerfeit® unausgejegt rufend, ruhig 
auf ihrem Schmwarzdorn, mährend Die 
ziehende Schar nad einem minutenlangen 
Aufenthalte, während deſſen fie ohne Ord— 
nung gejhwärmt, in der uriprünglichen 
Richtung (S.-W.) meiterfliegt. Doch jekt 
trennen fich die wenigen, die fich ihnen an- 
geichloffen, ab und ehren wieder zur Hede 
zurück.“ 
3. Heimat. 

Über das Verbreitungsgebiet des Berg— 

finken finden ſich in Meuen Naumann, 


dem vollſtändigſten Werke, das wir über 
die Naturgeſchichte der Bögel Mitteleuropas 


befigen, folgende Angaben: „Ein nordiſcher 
Bogel, der im Sommer die europäiſchen 
und aftatiihen Yänder in der Nähe und 
innerhalb des arftifchen Kreiſes bewohnt, 
auf feinen jährlichen Wanderungen fich aber 
auch über das ganze übrige Europa, bis 
Griehenland, Jtalien und Spanien hinab 
verbreitet und im den mittleren Teilen, 
wie 3. B. in Deutihland dann ganz 
beionders häufig vorfommt. In Schweden ' 
und Norwegen zeigt er fih im Sommer 
und niftend erft da, wo die Feldlerche und 
der Turmfalf aufhören dad Yand zu be» 
wohnen, d. i. vom 65. Grad nördl. Breite 
an, fehr häufig, und nimmt in den dor: 
tigen Wäldern die Stelle unjeres Bud) 
finfen ein und verbreitet ſich meiter jo 
body nah Norden hinauf, ald es noch be- 
deurende Waldungen gibt und die Bäume 
nit gan; verfrüppelt ericheinen. Die 
Waldungen des oberen Nordlands, Finnlands 
und der Qappmarfen find dann überall ber 
lebt von diejer Finfenart. (Zuſatz der 
neuen Wuflage): Am Uralgebirge reicht 
feine Brutzone bi8 zum 62, Grad nördl. 
Breite. An Sibirien ift er überall jehr 
häufig, brütet bis zum 50. Grad nördl. 
Breite auf der Inſel Sadalin, in Kamt- 
ihatfa und den nördlicheren Zeilen des 
Umurlandes. Im Winter erjcheint er in 
Japan, China, Turkeſtan, Afghaniftan, 
Nordweit-Pendshab, Kleinafien und wurde 
fogar, wenn auch jelten, in Algier und 
Marokko beobadıtet.” 

Bezüglich der Fortpflanzung weiß Nau: 
mann folgendes anzugeben: „Ihre Weiter 
bauen die Pärchen zerftreut im Walde auf 
Pirfen wie auf Nadelbäume in die dichten 
Zweige, auf einen jtarfen Aſt oder dicht 
an den Schaft eines Baumes, in welcdem 
Falle das Neft ſich an diefen anlehnt und 
an feinem Boden von fleinen Äftchen 
unterftügt wird, Es gehört unter Die 
fünftlihen Nefter, befteht aus einem dichten 
Gewebe von Moos und zarten Hälmden 
und ift von außen mit den Flechten des 
Baumes, worauf es fteht, jo ſchön be— 
fleidet, daß es einem mit Flechten über» 
mwachjenen alten Aſte vollfommen ähnlich 
fieht und deshalb oft ſchwer zu entdeden 
ift. Es bildet inwendig einen tiefen, am 
Rande etwas eingebogenen Napf und ift 
im Innern mit Federn und Haaren weich 


ausgepolftert. Das Neft gleicht in allem 
dem des Buchfinken jo volllommen, daß 
fid) die nahe Verwandtſchaft beider Arten 
auch hierdurch wunderbar ausſpricht.“ 


4. Uus dem Winterleben. 


Darf der Bergfinf in den Zugzeiten 
vorwiegend als Bogel des freien Feldes 
gelten. wie die meiften übrigen Yinfenarten, 
jo nimmt er doch im Winter wieder den 
Laubhochmwald zum Aufenthalt. Hier findet 
er auch jeine Lieblingsnahrung, die ölhal- 
tigen Früchte der Buche. Geraten dieje 
einmal ausnehmend gut, jo fann man mit 
viel Beltimmtheit auf ein gute Behemmer- 
jahr rechnen. Zu vielen Tauienden fallen 
fie dann in die Buchenjchläge ein und ver- 
urjachen lofalen Schaden, indem an ſolchen 
Orten, wo die Behemmer gehauft, nad 
Ausfage der Forftleute auf reichlichen 
Samenaufſchlag aud in den beiten Maft- 
jahren nicht mehr zu hoffen jei. Die Ge- 
jäme, von dem ſich die Behemmer nähren, 
auch die Bucheckern, werden von ihnen faft 
ausnahmslos vom Boden aufgenommen. 
Für Turn und Stletterfünfte, wie fie etwa 
die Beifige auf den Erlen ausüben, fehlt 
ihnen die nötige Geſchicklichkeit. Daher 
fommen fie auch in große Berlegenbeit, 
wenn infolge ſtarker Schneefälle der Boden 
fid) tage oder wochenlang unter der weißen 
Hülle verbirgt. Es gibt dann nur zwei 
Auswege, entweder fich durch ichleuniges 
Ausweichen nach fchneefreien Gebieten zu 
retten oder aber mit den Goldammern, 
Haubenlerhen und Buchfinken in Dorf und 
Stadt einzurliden, wie dies in dem grim— 
migen Februar 1901 gejchah, wo fie nad) 
vielen Tauſenden die Straßen bevölferten 
und mander unfundige Beobachter nicht 
flug werden fonnte, woher plöglich die 
vielen „artlichen“ Buchfinfen gefommen 
fein modten. Wie andere Wintervögel 
legen fie in folden Tagen der Not ihre 
Scheu vor dem Menſchen faft völlig ab 
und der Bogelfreund hat an dem Futter- 
plag, den jie bald regelmäßig und in 
mwachjender Anzahl befuchen lernen, Ge: 
legenheit ihre nähere Bekanntichaft zu 
madhen. Der Behemmer ift ein mürriſcher 
Gejelle, auch gegen jeinesgleichen, fo jehr 
auch während der Wanderungen und im 
Winter der Gejelligfeitstrieb hHervortritt. 


93 


Beim Futterplag zeigen fi namentlich die 
alten Männchen jehr zänkiſch, ftreiten unter 
einander, vertreiben die ſchwächeren Buch: 
finten und beißen fi mit den robujten 
Sperlingen herum, die fi gern als Die 
allein berechtigten Eigentümer der Futter: 
ftelle auffpielen. Ihre große. Unerfahren- 
heit im Verkehr mit dem Menjchen zeigt 
fi) recht deutlih. Wir haben in jenem 
erwähnten Februar bei einer ftarf frequen- 
tierten Futterftelle in einem fleinen Hofe 
inmitten der Stadt Landau die Berg— 
finfen zu Dußenden unter dem Sieb ge- 
fangen. Niemals ging ein Buchfinf oder 
Grünling in die Falle, vom Sperling gar 
nicht zu reden*) In große Flugfäfige 
gebracht gingen die Gefangenen jofort daran, 
dıe Tröge zu leeren, bifjen die jcheu aus— 
mweichenden Stanarienmweibchen fort und jaßen 
dann ganz behaglich auf der Stange. Nach 
dem Leben im Freien ichienen fie gar feine 
Sehnſucht zu haben. Als die jchlimmen 
Tage vorüber waren, durften fie ſich wieder 
der Freiheit erfreuen, Nur ein bejonders 
Ichönes, altes Männchen hielt ich in einem 
fleinen Bauer zurüd, um an ihm den Vor— 
gang beim Farbenwechjel des Gefieders 
genau zu beobadten. Diejer alte Herr 
entpuppte fich aber als ein ſchlimmer Gaſt, 
der meine Anweſenheit im Zimmer durd- 
aus übel vermerfte und fich nicht eher be- 
rubigte, bi$ ich den Käfig mit einem Tuche 
verhing oder wegging, worauf er in meiner 
Abweſenheit mit viel Hingebung fi mit 
dem Futternapf bejchäftigte. Nach ca. vier- 
mwöcentlicher Haft wurde er mieder in 
Treiheit geſetzt. Er hatte no immer 
feinen melierten Sopf und Oberrüden, 
während die Bögel im Freien an diejen 
Körperteilen jhon eine tiefichwarze Farbe 
aufwiejen, worin ein Beweis zu erbliden 
fein dürfte, daß die Abftoßung der lichten 


*, Ganz ähnliche Erfahrungen teilt Herr 
Dberjtabsarzt Dr. Gengler- Erlangen im 
2. Jahresbericht des Ornith. Bereins Münden 
(jegt Orn. Gef. in Bayern) mit pag. 19: „Die 
Vertrauensſeligkeit des Bergfinken iſt großartig. 
Ein Männchen, vor dem das Netz zuſchlug, ohne 
es zu fangen, ging eine halbe Stunde darnach 
ruhig in dieſelbe Falle und ließ ſich fangen; 
die andern, die vom Baume aus zuſahen, flogen 
nicht weg, ſondern beeilten ſich, ſobald das Netz 
wieder in Ordnung war, auch hineinzuſpazieren, 
m. die Buchfinfen alle Nee forgfältig 
mieden. 


Federränder fih unter dem Einfluß des 
Lichtes (vielleicht des direften Sonnenlichtes) 
vollzieht. 


5. Yagd.*) 


An Bayern ift nach Allerhöchſter Ber- 
ordnung vom 15. November 1889 der 
Bergfinf ausdrüdflich vom Vogelſchutz aus: 
genommen. So erklärt es fi, daß noch 
heute die vielleicht ichon Jahrhunderte alte 
Pehemmerjagd im pfälziihen Wargau im 
Schmunge ift, wenn auch nicht mehr in fo 
ausgedehnten Maße wie früher, was viel- 
leicht auf ein weniger ftarfes Auftreten der 
Tiere zurücdzuführen if. Denfwürdige 
Behemmerjahre leben in der Erinnerung 
des Bolfes jener Waldgegender fort, So 
jollen nad glaubmwürdigen Überlieferungen 
in dem auch jonft ausgezeichneten Jahre 
1811 die Behemmerichwärme die Sonne 
verfinjtert haben und joll von denjelben 
ein ohrenbetäubendes Getöſe ausgegangen 
fein. Auch in den 60er Jahren des ver- 
floffenen Jahrhunderts habe man forb- 
und fadfmweife die Tiere nachhauſe ges 
ichleppt. 

Die furiofe Jagd ift ſchon fo häufig 
beichrieben, daß ich mich kurz fallen darf 
und mich wejentlich auf Eindrüde beichrän- 
fen möchte, die ich ſelbſt auf einer jolchen 
nädtlihen Exkurſion gewann, mwelder ich, 
einer gütigen Einladung des Herrn Förſters 
Fath in Birfenhördt bei Bergzabern nad)» 
fommend, am 6. Februar 1901 beizu- 
wohnen das Vergnügen hatte, 

Haben ſich die Behemmer tagsüber in 
den Buchenmwäldern gütlich getan, ſo er- 
heben fie ſich etwa 1 Stunde vor Einbrud) 
der Dunkelheit ın großen Schwärmen und 
fuhen ihre Nadtquartiere in den meijt 
mit jüngeren Fichten- und Siefernjchlägen 
beitandenen Borbergen bei Bergzabern auf. 
Diefe Stunde des „Schwärmens” verpaßt 
der Behemmerjäger nicht. Geduldig ſteht 
er draußen an einer verichneiten Berg: 
lehbne auf der Lauer, jpähend, wo die 
Schwärme niedergehen. Dies zu willen 
ift infofern für ihn von Wichtigkeit, als 
ihm das lange Suchen während der Nadıt 
eripart bleibt. Doch geichieht es nicht 

*) Teilweije unter Bernügung meiner Arbeit 
„Böhämmerjagd im pfälziichen Wasgau“, mit- 
geteilt in „Natur und Haus” XII pag. 360f 


94 





jelten, daß jchen eingejeffene Vögel aus 
irgend welchem Grunde ihren Platz wieder 
verlafien, um fich an einer anderen, ficherer 
erfcheinenden Stelle, vielleicht ftundenmweit 
davon entfernt, von neuem niederzulaffen. 
Ber Gelegenheit des „Lauerns” fonnte ich 
Schwärme bis zu 2000 Stüd fehen, doch 
follen ftärfere Flüge feine Seltenheit jein, 
Haben fih die Bögel auf ihren Sclaf- 
bäumen beruhigt, ift auch die übliche Abend: 
unterhaltung beendigt und jenft fi über 
Berg und Tal die Naht, die echte, tiche 
Wasgennacht, dann ift für den Behemmer- 
jäger die Zeit zum Auszug zu rüjten. - 

Dort zieht ein Trupp von drei bis vier 
Leuten dem Walde zu, voran der „Schütz“ 
mit dem Blasrohr, dann der Träger des 
Feuerbrandes, zulegt „Hammichel“*) mit 
dem Harzholz. Das Blasrohr aus leid. 
tem Holze, mit Ringen aus Birfen- oder 
Kirichhaumrinde feſt ummidelt, hat eine 
Länge von 1,80 bis 2 m und einen Durd): 
meſſer im Lichten von durchſchnittlich 10 mm. 
Als beite Rohre werden folde gerühmt, 
melde innen mit Maulmwurfsiellen aus‘ 
gelegt find. Die Geſchoſſe find Lehmkugeln, 
die genau dem Rohre angepaßt fein müffen. 
Die Brände werden in einem halbfreis- 
förmigen Korb aus eijernen Bändern nad)- 
getragen, der an einem über meterlangen 
Stiel getragen wırd. Das feuer unter- 
hält „Hammidel”, indem er ın gewiſſen 
Paujen friiche, mit Harz getränfte Späne 
nadhlegt. 

Es ift oft ein mühjames, ftundenlanges 
Suden nad) dem „Wilde“ und diefes nächt— 
Ihe Umberftreifen im Walde bergauf, 
bergab iſt um fo geheimnisvoller, als 
Yärmen und Reden möglihit vermieden 
werden müſſen. Sind endlidy die Schlaf- 
pläße entdedt, jo ift Stille um jo mehr 
geboten. Die Brände werden hochgehoben, 
jo daß die ahnungslofen Scläfer in 
iharfer Beleuchtung erfcheinen. Der Schü 
nimmt jene Kugel zwiſchen die Lippen, 
jegt das Blasrohr an, zieht tief Atem, 
zielt und ftößt gemaltfam den Atem aus — 
das erſte Opfer liegt. In früheren Jahren 
jolen gute Schügen auf dieſe Weiſe oft 
weit über hundert Vögel ın einer Nacht 
erlegt haben. Doch nur wenige Kugeln 


*) Zupiiche Beitalt aus „Hedwig“, Roman 


ı bon Auguft Beder. 


find abjolut tödlich; in den meisten Fällen 
müffen die armen Tiere erſt durch Kopf- 
umdrehen oder Buhalten der Kehle „ab 
getan” merden. Wehe, wenn ein Vogel 
nur leicht gejtreift ift oder das Geſchoß den 
Zweig trifft, auf welchem die Tiere fiten! 
Einige jchreiend ausgeftoßene „Quäf, quäf” 
genügen, um im Sandumdrehen die ganze 
Situation zu ändern Die Schläfer er 
wachen und „meithin im Walde, fo weit 
man fieht und hört, brauft und raucht, 
Ichreit und lärmt es aus den hohen ®ip- 
feln der Bäume, daß man glauben möchte, 
der milde Jäger, der Gott des Sturmes 
und Wetters jelbit, fei im Anzuge.“ Die 
verdugt daftehenden Behemmerjäger haben 
da8 Nachſehen. Steiner will fchuld fein 
und es entitehen die ergöglidhiten Wort- 
gefechte. 

Bei ſtrenger Kälte ſollen die Behemmer 
dicht aneinander gepreßt ſitzen und die durch 
Abſchuß entſtehenden Lücken durch gegen— 
ſeitiges Zuſammenrücken wieder ſchließen. 
So heißt es in Beckers „Pfalz und Pfälzer“: 
Fühlen die Bögel im Schlafe eine Lüde, 
jo rüden fie dumpf und leiſe zwitichernd 
wie im Traume zufammen. Diejer Ge- 
wohnheit verdanft der pfälziihe Sprach— 
gebrauch das Wort „behemmern”, 

Zum Schluſſe jei noch kurz zur frage, 
ob es recht ift, daß mir die harmlofen 
BWintergälte vom Bogelihug ausnehmen, 


95 — 


Stellung genommen. Wenn ja auch an» 
erfannt werden muß, daß die Jagd auf 
Behemmer nichts oder nur wenig gemein 
hat mit dem Bogelmafjenmord in Südtirol 
und Stalien, dab fie fogar mweit weniger 
verwerflich erjcheint, als der Fang in Doh- 
nen, wie er leider noch un fo vielen Orten 
im Reiche floriert, jo muß fie doch aus 
ethiichen Gründen bedauert werden. Kann 
doch, um nur eines herauszugreifen, die 
nicht zu umgebende Graujamfeit bei der 
Abtötung der Tiere nicht. anders als ver- 
robend auf das Gemüt, namentlich der 
Jugend wirken. Möge daher bald die Zeit 
fommen, da man die Jagd auf Behemmer 
mit all ihrer Nomantif und Driginalirät 
zu den Raritäten der „guten, alten Zeit“ 
zählt und ihrer vielleiht mit Wehmut ge- 
dent. Freilich wird fih ein derartiger 
volfstümlicher Sport nicht jo leicht aus- 
rotten laffen, namentlih da man für den 
Behemmer nicht das Mitgefühl wie für 
unfere einheimischen Brutvögel bejigt,. „a, 
der Behemmer ift doch fein Vogel wie die 
andern!” hört man an Ort und Gtelle 
jagen, wenn man zugunften des barmlojen 
Geſellen plädiert. Berftände es der Berg» 
finf, fi ald Zimmervogel beliebt zu machen, 
dann wäre er fidher ein trauter Haus— 
genoffe ın den Häuschen der Gebirgsdörfer 
im Wasgau und mit dem Maflenfang für 
die Küche wäre ed wohl bald vorbei. 


Bie Flora der kleinen Kalmit bei Sandan. 
Bon Prof. Dr. Heeger in Landau. 


Eine fleine Stunde von Landau ent- 
fernt, zwijchen den Dörfern Arzheim und 
Ilbesheim erhebt fich die ſog. „Eleine 
Kalmit“ (270 m Meereshöhe, aljo 120 m 
höher als Landau). Der Name „Kalmit“ 
wird gewöhnlich von dem lateinischen Worte 
calamitas (= Wetterſchaden) abgeleitet, 
Über die Kalmit fommen vom Gebirge her 
die verheerenden Wetterftürme, Regen- und 
Hagelichauer gezogen. Zum Schuge gegen 
diefelben wurden früher bier hohe Wetter- 
freuze errichtet, und die von den Bemoh- 
nern Arzheims zur Höhe hinauf veran- 
ftalteten Prozeſſionen hatten urſprünglich 
nur den Bwed, drohendes Wetterunheil ab- 
zuwenden. Der Berg war einft den Wetter 


gottheiten geweiht; Hier hatten nah dem 
heidnifchen Bolksglauben die Wetterheren 
ihren Sig. Eine Stelle in der Nähe der 
Kapelle, die den Gipfel frönt, heißt „Deren: 
plag”. Die Franzoſen nannten die aus 
weißem Salfgeftein beitehende Kalmit „le 
rocher blanc* (= der weiße Felien). 
Der Name „Kalmit“ ift jedenfall ver- 
hältnismäßig jung; der ältefte germanifche 
Name diejer prächtigen Höhe war, wie ich 
ein andermal nachzuweiſen verjuchen werde, 
wahrſcheinlich „Kapfer” oder „Kaffenberg“ 
d. h. Schauberg, und diefe Benennung 
würde zu der wundervollen Ausficht, die 
man da droben hat, vortrefflih ſtimmen. 
Des herrlihen Blides wegen wird Die 


Kalmit viel befucht. Der Naturfreund, den 
die Liebe zur Natur zum tieferen Studium 
derjelben geführt hat, wird hier des An 
ziehenden noch mehr finden; bejonders zwei 
Dinge werden ihn immer wieder hierher 
loden: die geologifhen Berhältnifje 
und die Flora. 

Geologiſch ſtellt die Feine Kalmit einen 
Tertiärfalfhügel dar, der hier die 
höchſte Erhebung des dem Gebirge vorge 
lagerten Hügellandes bildet. In dem Kal: 
geitein, da8 dem jlingeren Tertiär angehört, 
trifft man zahlreiche Einjhlüffe von Land» 
fchneden, namentlih Helixarten (Land- 
ſchneckenkalk), daneben finden ſich auch Ein- 
ſchlüſſe von Meerestieren, 3. B. Eerithium- 
arten (Cerithienkalk). 

An botanifcher Hinficht hebt fich die 
feine Kalmit ganz ſcharf von ihrer Um— 
gebung ab. Mag man von Dften her, aus 
dem Quartärgebiet, oder von Weften her, 
aus dem Gebiete der Trias mit dem be- 
jonders mächtig entwidelten Buntfandftein 
fommen, ſtets wird die Eigenart der mie 
mit einem Bauberfchlage veränderten Flora 
fh auffällig bemerfbar maden. Der 
Lehrer, der feinen Schülern deutlich vor 
Augen führen will, in welch hohem Maße 
das Begetationsbild von der Bodenbeichaffen- 
heit abhängt, kann faum eine lehrreichere 
Erfurfion machen als die nad der kleinen 
Stalmit. 

So wird es vielleiht manchem Natur: 
freunde und Lehrer willlommen fein, wenn 
ich im folgenden die charakteriftifchen Pflan« 
zen der fleinen Kalmit, ſowohl des nod) 
brach liegenden Geländes ald aud der an— 
grenzenden Weinberge und Üder, aufgrund 
eigener botanifcher Erfahrung kurz zu: 
fammenftelle. 


1, Ranunculaceae. 


Anemone ranunculoides L. 
Gelbes Windröshen. Mpril. In 
Weinbergen an den Südhängen der Kalmit 
in großer Menge, bis gegen Wollmesheim 
bin. Auch auf Wieſen an der Straße von 
Wollmesheim nad Ylbesheim. 

Pulsatilla vulgaris Mill. (= Ane- 
mone Pulsatila L) Küchenſchelle. 
März, April, Auf dem unbebauten Ge— 
lände in großer Menge. Die Leute nennen 
fie vielfah „Kalmitblume”, ein Beweis, 


96 


pn 


wie dharafteriftifch fie für die Kalmit ift. 
In Arzheim nnd Ilbesheim ift der volfs- 
tümlihe Name „Gadelsblume“. 

Adonis flammea Jacq. Bluts 
tröpfchen. Juni, Juli. Auf Adern, zu» 
ſammen mit der häufigeren Adonis 
aestivalis L. 

Clematis Vitalba L. Waldrebe. 
Juni — Auguft. Un den unbebauten Hängen, 
bejonders in der Nähe der Heden häufig. 


2. Fumariaceae. 


Fumaria Vaillantii Lois. Erd» 
raud. Mai— September. Auf dern 
jehr Häufig. Seit Jahren beobachte ich, 
wie dieſe Pflanze in beftändigem Bor- 
dringen begriffen ift und jchon in der Nähe 
von Landau die häufige Furnaria offi- 
einalis L. immer mehr verdrängt. Die 
gleihjalls Falkliebende Fumaria parviflora 
Lmk., die ich vor Yahren auf dem nahen 
Dörrenberg entdedte, habe ich im Gebiete 
der Fleinen Kalmit bisher nicht gefunden. 


3. Cruciferae, 


LepidiumDrabaL. Pfeil Kreſſe. 
Mai, Juni. In Weinbergen jtellenweije 
in großer Menge, und immer weiter um 
fich greifend. Die Pflanze ift in der Gegend 
bei Ilbesheim und Wollmesheim bereits 
ein läftiges Unfraut gemorbden. - 

Camelina sativa Koch. Leim 
dotter. Juni, Juli. Auf Adern häufig. 

Thlaspi perfoliatum L. Durch— 
wacjenes Pfennigkraut. März — Mai, 
Überall häufig. 

Alyssum calieinum L. Kelch— 
Steinfraut. Mai— September. Sehr 
häufig. 


4. Linaceae., 


Linum tenuifolium L. Dünn 
blättriger Lein. uni, Juli. Auf 
dem unbebauten Gelände fehr häufig. 


5. Umbelliferae. 


Trinia glauca Dumort. 
dolde. April, Mai, 

Scandix 
Nadelkerbel, 
fehr häufig. 


Daar 
Jetzt ſehr felten. 
Pecten Veneris L. 
Mai, Juni. Auf Adern 


6. Papilionaceae. 


Lathyrus Aphaca L. Ranken— 
platterbje. Juni, Juli. Auf Adern. 


7. Gentianacenae., 


Gentiana ciliata L. Franſen— 
Enzian. September, Dftober. Auf dem 
unbebauten Gelände jehr häufig. 


8. Scrophulariaceae. 


Veronica Teucrium L. Breit: 
blättriger Ehrenpreis. uni, Zuli. 
An den unbebauten Hängen, bejonders in 
der Nähe von Gebüſch häufig. 

Veronica präecox All. rüber 
Ehrenpreis. April, Mai. Auf Adern 
und in Weinbergen häufig. 


9. Orobanchaceae. 


Orobanche caryophyllacea Sm. 
Nelfenfommermwurz. uni, Juli. Auf 
Galium ſchmarotzend. Die Pflanze, die an 
dem ausgeiprochenen Nelkenduft leicht er: 
fannt werden fann, findet fi in verein- 
zelten Gremplaren an den unbebauten 
Stellen des mweftlihen Hanges. Dajelbft 
finden ſich au Orobanche Piecridis 
F. Schultz (auf Pieris hieracioides), O. 
rubens Wallr. (auf Medicago falcata 
und sativa). 


10. Labiatae. 


Teucrium Chamaedrys L. Ga— 
mander. AYuli, Auguſt. Am Hohlwege 
bon der Arzheimer Kapelle zum Gipfel, 
rehtd. Auf dem unbebauten Gelände 
häufig. 

Teucrium Botrys L. Trauben- 
Gamander Juli, Auguft. Auf dem 
Schutt der Kalkſteinbrüche, auch auf be 
bautem Lande in der Nähe der Stapelle 
auf dem Gipfel. Nicht mehr jo häufig wie 
früher. An den fiederjpaltigen Blättern 
leiht von der vorigen Art zu unterjcheiden. 

Ajuga Chamaepitys Schreb. 
Gelbblühender Günſel. Juni— Auguft. 
In den Wderfurden in der Nähe des 
Gipfels. 

Stachys recta L. Aufrechter 
Zieſt. Juni— September. Auf den brach— 
liegenden Stellen häufig. Es iſt dies das 
in der Landauer Gegend und auch ſonſt 
in der Pfalz geſchätzte „Abnehmekraut“, 


97 


das als das befte Heilmittel gegen Ab» 
magerung (= Abnehmen) angejehen wird, 
In gleiher Weife wird aud) Stachys annua 
L. verwendet, die ich vor zwei Jahren auch 
auf Adern bei Landau entdedt habe. 

Bon fonftigen Labiaten find noch be- 
fonders häufig auf der Kalmit zu finden: 
Calamintha Acinos Clairv. und 
Galeopsis Ladanum L. 


11. Rubiaceae. 


Asperula cynanchia L. Rain 
Waldmeifter. uni, Juli. An rafigen 
Stellen ſehr Häufig. 


12. Compositae. 


Chrysanthemum corymbosum 
L. Traubige ®Bucderblume. uni, 
Juli. An den weftlichen Hängen in Menge. 

Anthemis tinctoria L. Färber- 
Kamille. Juli, Auguſt. Sehr häufig. 

Aster Amellus L. Berg-After. 
Auguft — Oftober. Un: den unbebauten 
Stellen jehr häufig. 

Cirsium acaule All. &tengel: 
loje Krapdiftel. Juli September. Wie 
vorige, jehr häufig. 

Crepis taraxacifolia Thuill. 
Lömwenzahnblättriger Pippau. Mai, 
uni, Auf bebautem Lande, an Weg: 
rändern, auf Rafenplägen. 


13. Liliaceae. 


Muscari neglectum Guss. Über 
jehene Muskathyazinthe, April, Mai, 
In Weinbergen und auf Adern. Etwas 
jpäter findet man auch dajelbft Muscari 
comosum Mill. 

Anthericum ramosumL. üſtige 


Graslilie Juli. Auf der Weftfeite in 
Menge. 

Gagea pratensis Schult. ®iejen» 
Goldftern. April, Mai. Auf dern 


und in Weinbergen. 

Allium rotundum L. Wunder 
Laud. Juni, Juli. In Weinbergen und 
auf Adern. 


14, Orchidaceae. 


Ophrysaranifera Huds. Spinnen» 
Ragmurz. Ende April, Mai. Auf dem 
unbebauten Gelände in manden Jahren 
häufig. 


Be 


Ophrysmuscifera Huds. Fliegen- | toxicum officinale Mnch., Ana- 
Ragmurz Mai. Wie vorige, aber | gallis coerulea Schreb, Specularia 
ziemlich jelten. Speceulum DC.,SambueusEbulusL. 

Ophrys apifera Huds. ift vor meh | In neuerer Zeit wurde die von Schulg 
reren Sahren zum legten Mal auf der | für das Gebiet der Kalmit verzeichnete 
Kalmit gefunden worden. Die von Schul  Thymelaea Passerina Coss. u. Germ. 
als dort vorfommend angegebene Ophrys nicht mehr gefunden. 
fuciflora Rchb. habe ich bis heute ver: An Kryptogamen find bemerkenswert: 
gebens gejucht. Die Mooje: Hylocomium chrysophyllum 

PlatantheraviridisLindl. Grüne | Brid. Hypnum molluscum Hedw. Hyp- 
Stendelmwurz. Mai, Juni, Auf Rajen- | num rugosum Ehrh. Encalypta strepto- 
plägen. carpa Hedw. Barbula tortuosa Web. 

Außer diejen finden fich auf der Salmit | u.M. Die Flechten: Cladonia endiviae- 
noch die folgenden bemerfenöwerten Bhanero- | folia Fr. Cladonia turgida Hoffm. 
gamen: Carlina vulgaris L., Vince- | f 


Archäologiſche Studien. 
Bon Dr. €. Meblis. 
IV. Mejolithifhe Fundftelle in der Rheinpfalz. 


Eine ſolche wurde vom Berichterftatter | plaftiichen Verzierungen und der farbe des 
vom September 1905 bis Ende März 1906 | Tones dem Laufe der 3. Jahrhunderts an. 
auf dem Böhl, einer Gewanne zwilchen | Dieje Nefie fjelbit find wohl als Studien 
Neuftadt a. H. und Mußbach feitgeftellt. | eines römischen Urnenfeldes zu betrachten. 
Nah der Anficht des Direktors der fgl. | In 60—80 cm Tiefe ftieß man unmittel- 
Obſt- und Weinbauſchule zu Neuftadt, | bar auf den „gewacjenen” braunroten 
Dr. Zſchokke ift die Lage des Fundplatzes Lehm, auf Anzeichen eines Feuerherdes, 
für eine Frühanfiedlung jehr günſtig, E8 | an dem angebrannte Herdfteine, zerichlagene 
handelt fih um ein kieſiges Terrain, das | Stiefel, ein roter, fchlechtgebraunter Ton- 
in Blateauform unmittelbar am Ufer des | jcherben ufw. lagerten. An jeder der beiden 
Speyerbacdhes gelegen ift und nach Süden | Fundftellen ftieß man auf einen der be- 
zu abfällt. Die Fundſtücke beitehen in | kannten rot bemalten Stiefel, jodaß deren 
eigentümlich roh bemalten, meift weiken | Provenienz durch dieje Lagerung als ge 
Kieſeln, die verfchiedene Figuren, bald in | jichert ericheint. Charafterifiert ift damit 
Geſtalt von Bilderzeihen (Bogen, Kreuz, | die ältefte unterfte Schidytung 1. durch 
Hacke, Plug (?), Dreieck, Schild ujm.), | zahlreiche angejchliffene und ungeichliffene 
bald in Geſtalt buchitabenähnlicher Formen, | primitive Werfzeuge, bergejtellt aus Ge: 
beionders M, E, O1 uſw.) aufweifen. Nah | jchiebeftüdfen und Geröllfteinen des mittel: 
Unterfuhung von fompetenter Stelle ift | rbeinifchen Diluviums, 2. durch angebohrte, 
diefe Farbe fünftlich aufgetragen und unter | öfters mit roter Füllung verjehenen Kiejel, 
den Figuren als plaftiicher Auftrag erfenn- | 3. durch die galets coloriees, die 3. T. 
bar. Dr. Röhl und Dr. Wiljer haben die | als Anhänger gedient haben, 4. durch ſehr 
zweifellofe Echtheit der Bemalung aner- | \eltene Beigabe roher, unverzierter Töpfer: 
kannt. ware, — Bon diejen meſolithiſchen Schichten 

Bon bejonderer Wichtigkeit für die ur- | wurde die erfte im Rheintale am „Böhl“ 
jprünglide Schichtung am „Böhl” waren | bei Neuftadt a. H. nah mehr als halb» 
zwei Grabungsverjuche, der 1. am 27. | jähriger Arbeit feitgeftellt. Zwei Einzel» 
Dftober, der 2. am 1. Dezember. In der | funde haben jchon vorher auf die Eriftenz 
Tiefe bis zu 30 em fanden fi) an beiden | emer folchen Anfiedelung bingedeutet. Bes 
Stellen (Nr. 47 u. 62) Stüde von Tegulae | ginn der 0er Jahren fand Theodor Schaaf, 
hamatea und bejjeren Sigillata auf. Dieje | Gutsbefiger in Winzingen, bei landmirt« 
römifhe Schichtung gehört nah den | jchaftlichen Arbeiten, ca. 25 cm vom „Eleinen 











Böhl” entfernt, in einer Tiefe von 3 m 
6 rohe, aus Tonmulften beftehende Netz— 
beſchwerer auf, wie ſolche häufig in den 
Pfahlbauten der Schweiz vorkommen, Sie 
lagen in einer geraden, mehrere Meter 
langen Linie, offenbar jo, wie vor Jahr— 
taufenden das hiezu gehörige Fiſchernetz 
lief (2 Eremplare in den Muſeen zu Speyer 
und Pad- Dürkheim). Bor etwa 8 Yahren 
wurden bei landwirtſchaftlichen Arbeiten 
auf dem „Böhl“ zwei neolithifche Anhänger 
ausgegraben. Der eine beiteht aus einer 
länglichen, abgeichliffenen Platte aus Kiejel- 
ichiefer, der oben zum Durchzichen einer 
Sehne gelocht iſt. Der andere in einer 
primitiven „Berle”, zu der man einen 
natürlich durchbohrten fchwarzen, abgerun- 
deten Geröllftein benüßt bat. Alſo aud 
bier wieder ift mie bei den im Jahre 1905 
bier gewonnenen Fundftüden, die ftrifte 
Benüßung der aus der diluvialen Rhein: 
ſchotterterraſſe herausgeſuchten Gerölle zu 
beachten. Das erſte Objekt iſt wohl als 
ein aus dem Süden (Schweiz oder Mittel— 
meerfüfte?) importiertes Kunjtproduft zu 
betrachten. Beide Fundplätze charafteri- 
fieren den ganzen Horizont der fogen. 
„meſolithiſchen“ Kultur jo gut wie die vom 
Berichterftatter durch Nachſuchen und Nadı- 
graben gewonnenen Refultate! Die be- 
malten Kiejel von Böhl bei Neuftadt 
a. 9. haben nad) Mitteilung von Dr. Wiljer- 
Heidelberg ein Gegenftiif aus Südfranfreic 
erhalten und zwar außer der befannten 
Fundſtelle Mas-d’Azil. Das vorlegte Heft 
der Barifer Beitichrift: „Anthropologie“ 
(1905 45, Heft) bringt Nachrichten über 
durchbohrte Kieſel aus der Höhle von Lacove 
und über jchriftähnliche Zeichen aus den 
Wandmalereien der Höhle von Marsoulas 
(Südmeitfranfreih). — Die Arbeit über 
die Böhler Funde, die zweifellos der mejo- 
lithiſchen Stufe angehören und nad dem 
Urteil von Sanitätsrat Dr. Köhl, der fie 
jüngft befichtigte, mit der neolithifchen 
Beriode nichts zu tun haben, erichien joeben 
in der Beitfchrift „Slobus” (1906 Nr. 11) 
mit Photographien, Situationsfarte und 
Abbildungen ſowie mit Tert. 

Außer den Siefeln mit Bemalung find 
zahlreihe, rohe Werkzeuge in der 
gleihen Schichtung und an ca. TO Fund: 
jtelen (vgl. Kartenjkizze im Globus, Bd. 


89, ©. 171), ebenjo zwei primitive Mahl: 
fteine mit einem Klopfer aufgefunden worden, 
Die erfteren find weder völlig geichliffen, 
noch völlig behauen, fondern angeſchliffen 
und angehauen und nehmen, wie die eben 
erwähnten ſüdfranzöſiſchen Funde, eine 
Mitteljtellung zwiichen palaeolithiijhem und 
neolithiichem Gebrauchswerfzeug ein. Dieje 
Werkzeuge dienten nah ihrem Wusjehen 
als Haden, Pfriemen, Schaber, Wet und 
Schleiffteine, tlopfapparate, Mefler (?) uſw. 
Zahlreihe Nuclei und angejchlagene Kieſel, 
Grauwaden-Findlinge, Melaphyre, Bafalte 
zeugen einerjeit® von der Findigfeit diejer 
rheinifchen Urbewohner, andrerfeitö von ihrer 
manufaftuellen Tätigfeit. Eine rohe, braune, 
unverzierte Tonſcherbe, die in 60 cm Tiefe 
an einem Feuerherde lag, beweift, daß diejen 
Meiolithifern die Kunft des Tonformens 
nicht völlig fremd war. Der rätjelhafte 
Hiatus, der bisher zwijchen der Renntier— 
periode, die auch in der Pfalz (Neuftadt: 
Landauerftraße), in Baden (Terniberg bei 
Freiburg i. Br.) und im Elſaß (Bölflins- 
hofen) vertreten ift, d. h. der palaeolithifchen 
Steinzeit und der neolithifchen Periode, welche 
die erften Kulturelemente in das Rhein— 
tal gebracht hat, beftand, ift durch die jüdmweft- 
franzöfifchen Befunde und die Böhler Fund- 
ftelle aus der mejolithijchen Zeit, wenn nicht 
überbrüdt, jo doch 3. T. ausgefüllt. Bmeifel- 
los kamen diefe erften Einwanderer aus 
dem Süden in das Mittel-Mheintal, wofür 
ihon der Mangel an Siler ($lint-Jwerf- 
zeugen Zeugnis ablegt. — Die Böhler 
Funde wurden bereits zumteil im Mufeum 
der PVollihia in Bad-Dürfheim aufgeftellt, 
wo fie der meiteren Forihung als ein- 
wandfreies Material dienen können. — 
Noch immer werden in Böhl weitere Funde 
gemacht. Unter letteren ift ein weißer 
Kiefel von 8,5 cm Länge bemerkenswert, 
der auf einer Seite einen fünftlichen, 5 cm 
langen Einfchnitt für eine Schaftung birgt. 
Der vorn abgenutzte Kiefel diente mwahr- 
icheinlich als Bodenhade. Außerdem ift er 
am oberen Ende mit drei Zeichen rot be 
malt, von denen das dritte das Werkzeug 
jelbft: Hacke mit Schaft darftellt. Eine 
zweite, gleichlange Bodenhacke trägt au] 
ihrem Rücken ein 5 cm langes, pflugähn- 
liches Zeichen in roter farbe. — Trügen 
nicht alle Anzeichen, jo trieben dieje erften 


Anfiedler im Rheintale bereits den Hack—⸗ 
bau zur Gewinnung von Bodenfrüchten. 
Ihre Wohnungen beftanden in leichtgebauten 
Hütten, deren Herde noch in situ zwiſchen 
Kies und Lehm angetroffen worden find. 
Soweit der Tatbeftand von „Böhl”. — 
Bur Chronologie ift noch folgendes zu be- 
merken: M. Hörnes hat in feinem Werke: 
„Der diluviale Menſch in Europa”, ©. 92 
den bisher unüberbrüdten Hiatus zwiſchen 
Palaeolithikum und Neolithikum durch obige 
und ähnliche Horizonte (Campignien uſw.) 
für überbrückt erachtet und zwar für einige 
Gebiete Italiens und Frankreichs. Durch 
die Unterſuchungen am „Böhl”, die eine 
bor der eigentlichen neolithifchen Kultur 


100° — 


liegende, jedoch an ihren Beginn zu ftellende 
Schicht nachgewieſen haben, wird auch für 
die Mittelrheinlande eine folde Übergangs- 
periode nachgewiejen und zwar mit den- 
jelben Kulturerfcheinungen, melde die ent- 
fprechenden Horizonte in Südmweftfranfreich 
(Mas d’Azil, Abei Dufaure u. a.) auf« 
weiſen. Auch die neolithiiche Kultur, die 
bochentwidelt bei uns im Rheinlande auf- 
tritt, hat jomit ihren Vorläufer gehabt. 
M. Hörnes, J. Evans u. a. find übrigens 
einig, daß Bölferfrämmen, die vom Mittel» 
meer ber längs der Rhöne in dad Rhein— 
tal ald Jäger und Hirten eindrangen, 
diefe meolithiichen Ur»Anfiedelungen zu 
danken find. 


Sirkingen vor Wormbs, 


Ein luſtigs newes Died, wie er zu herbſt 1515 dor Wormbs zu beld gelegen. 
Bon Dr. Carl Puſch. 


An ainem berbitag morgens frub 
ruckt Frank uf Wormbs, die reichsftatt zu; 
mit fartaunen iſt und ſchlangen 
er ihr Hart zu leib gegangen. 


Er wollt’ ben Wormbfer guoten mein 
ſich Heuer ſelwer herbſten ein, 
und thet, um ihn nachhauß zu tragen, 
im Wormbſer veld ſein lager ſchlagen. 


Derweil er vor den thoren lag, 
ließ nimmer er mit ſchießen nad); 
er thet zwar arg geberlich fchleßen, 
bie Wormbfer kunnt's nit jehr verdrießen. 


Man fah fie uf der mauern ftahn, 
und heimlich's lachen fam fie an; 
ihr wein that fchon feit wochen ruhen 
im feller tief in hölzen truben. 


Denn farrer wein mächt größern ſpaß, 
als noch jo volles maflerfaß: 
fo dachten ſchlau die Wormbfer eben 
und ſchnitten unzeit ihre reben. 


Und der euch dieſes lied trug vor, 
ber ftobt uf dem Andreasthor 
und thet's wie alle Wormbfer machen, 
thet weidlich über Franken lachen. 


Gedenktage im Auguft. 
Geboren: 7. Karl Ritter (1779. — 11. Fr. 2. Jahn (1778. — 25. Herder (1744). — 


28. J. W. Goethe (1749). — Geftorben: 14. Herbart (1841). 
4. Schlacht bei Weißenburg; 6. bei Spichern und Wörth; 18. bei Gravelotte. — 1875: 


— 27. Korner (1813). — 1870: 
16. Ent⸗ 


bülung des Hermannsdentmals im Teutoburgerwald. 


Motiz: Unfer Wolf: Artikel muß leider nochmals zurüdgeftellt werden. 


(D. Sch.) 





DInbalt: Bon den Behemmern. 
Landau. Bon Prof. Dr. 


Bon Karl Bertram. — Die Flora der Fleinen Kalmit bei 
Heeger. — Arhäologlihe Studien von Dr. C. Meblis. IV. Mejotithiiche 


Funbftelle in der Ahetnpfalz. — Sickingen vor Wormbs, Gedicht von Dr. E. Puſch. — Gedenttage. 





Schrifileiter : 


Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl. — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find Me Herren Verfaſſer verantwortlich. 


Die „Pfälgiiche — toſtet jährlich in 12 Heften mt. 2.50, 


Berellungen werden bon allen Buchhandlungen und 


oftanflalten ferner nom Berleger (Bortofreie Etreifbandfendurg) angenommen. 





Nummer 9 


September 1906. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


W 


2 


MONATSSCHRIFT 


— 


MAN EA 





FÜR SCHULE UND HAUS. 


Bie Battenberger Oxydröhren. 
Von Karl Wagner. 


Am öftlihen Abhange des Battenbergs 
ericheint der Sandftein auf eine jonderbarc 
Weije mit Brauneisenftein (Eiſenoxydhydrat) 
verbunden. Zuweilen durchziehen dünne, 
wellenförmig gebogene Lagen von Braun: 
eijenftein der Sand, oft laufen mehrere 
ſolcher Lagen übereinander hin, begegnen 
fih in Wellenbiegungen und bilden chylin« 
driſche meift etwas plattgedrüdte Röhren, 
welche den dazmijchen liegenden Sand um: 
ichlıeßen, bisweilen aber auch aus Braun» 
eilen beftehen. Oft find die Röhren viel- 
fach verzweigt und jtellen verjchiedene 
Formen und Geftalten dar, die für den 
erſten Augenblif zu Mikdeutungen Anlaß 
geben können. 


Über die Entftehung diefer Röhren wur: 
den verjchiedene hypothetiſche Anlichten 
ausgefproden. Anfangs hielt man jie für 
Bligröhren. Daher auch ihr Name. Die 
Bligröhren beftehen aber nicht aus Braun» 
eijenftein, jondern aus gejchmolzenen Quarz 
förnern und find inmwendig emailartig und 
außen rauh und hörferig und haben meiſtens 
einen geringen Durchmeſſer. 

Andere ſchrieben die Bildung derjelben 
Burzeln zu, um melde ſich eiienhaltiger 
Sand gelagert oder legten ihnen eine Kalk— 
bildung zugrunde. Vulkaniſches Produft 
fönnen dieje Röhren nicht fein, da Spuren 
einer vulkaniſchen Tätigfeit fich nicht vor- 
finden. 


Was die Anficht betrifft, dak die Röh— 
ren ſich durch Ablagerung eijenhaltigen 
Sandes an Wurzeln gebildet hätten, fo 
fann ſich nur jemand zu diefer Anficht ver- 
irren, dem eine richtige Anſchauung abgeht; 
denn es läßt ſich nicht erflären, wie durd) 
Ablagerung eijenhaltigen Sandes an Wur— 
zeln etwas plattgedrüdte zylindriiche Röh— 
ren don mehreren Metern Länge und 10 
bis 15 cm Durchmeſſer entitehen, ſich 
fleinere Röhren, von größeren umgeben, 
bilden und dann die Wurzeln gänzlich ver: 
ſchwinden fönnten, Noch nie fand man im 
Innern der Röhren Beftandteile von Wur- 
zeln oder anderen Bflanzenteilen. Ebenſo 
menig zeigten fich bei Anwendung von Säuren 
Spuren von Kalt. Es ift daher die An- 
fiht, daß der Röhrenbildung eine Salfbil: 
dung zugrunde liege, gleichfalls eine irrige, 
jelbjt dann noch, wenn angenommen würde, 
daß der Kalk vollftändig vom Waſſer fort: 
gelührt worden wäre, weil die Röhren an 
Stellen gebildet wurden, wo fein Salt 
vorhanden iſt. Unterjucht man die Röhren 
genauer, fo findet man, daß fie durd; Waſſer 
gebildet wurden, Man fieht, wıe der Waſſer— 
ſtrahl von oben eindrang, ſich oft in meh— 
rere Äſte teilte und allmählich verlief. 


Das Waſſer, welches auf jeinem Laufe 
Eiſenoxyd aufnahm, fiderte durch den Sand 
und es bildete fi an der äußeren Fläche 
des Waflerftrables, der zylinderförmig und 


— 12 — 


wie der Waſſertropfen etwas gedrüct ift, | aufnehmen, da dies im Waller unlöslid 


Brauneifenftein (Eiſenoxyd-⸗Hydrat), welcher 
mit etwas Sand vermijcht, zu einer harten 
Rinde erhärtete. 

Am Südabhange des Battenbergs wer: 
den die jchönften und mannigfaltigjten 
Röhren gefunden, weil das Wafjer über 
diefen Abhang feinen Weg uach dem Tale 
nehmen mußte und auf feinem Laufe Eifen: 
oryd vorfand, mit welchem es ſich zu Eifen- 
orydhydrat verband. Gelangte das Wafler 
auf feinem Laufe an Steine oder irgend 
einen anderen Widerftand, jo fand eine 
Ablenkung oder Teilung des Strahles ftatt 
und es bildeten ſich alsdann verſchiedene 
Verzweigungen und VBeräjtelungen, 

Die Röhren hängen entweder mıt den 
wellenförmig gebogenen Lagen von Braun- 
eijenjtein zufammen, oder enden im Sand, 
wo ihre unteren Teile nur wenig Eiſen 
enthalten und ſich leicht zerbrödeln laſſen. 
Legtere find ziemlid dünn und wurden 
daher von ſchwachen Wailerjtrahlen, melde 
ihren Eijengehalt größtenteil® oben abge- 
fett hatten, gebildet, während jene, die mit 
den wellenfürmigen Lagen von Brauneijen 
ftein zufammenhängen, größer und dider 
find und daher. durch größere und längere 
Beit fortdauernde Strömungen fich bildeten, 
wo das Waſſer in der Tiefe durch den 
Drud der hohen Waflerfäule und die Boden: 
verhältniffe begünftigt, ſich in horizontaler 
Richtung wellenfürmig zuverbreiten fuchte. (?) 

Mit der Ablagerung des Oders in der 
Tertiärzeit hat auch die Bıldung der Röhren 
begonnen und hat bis auf unjere Zeit fort: 
gedauert, Weſtlich und nördlich ver« 
ſchwinden die Röhren und die Buntjand- 
fteinform tritt auf. Die Röhren werden 
zu Gartenausichmüdungen verwendet. In 
Dörfern und Städten der Rheincbene, in 
einigen VYehrerbildungsanftalten, aud) in Bad 
Ems findet man Battenberger Orydröhren. 

Vorftehende Abhandlung ift nad Auf: 
zeichnungen des verftorbenen Volksſchul— 
lehrers Trott aus Kirchheim a. Eck be— 
arbeitet. Hiezu gab Dr. Friedrich Mohr 
aus Bonn ſolgende Erklärung in Erläuterung: 


Waſſer kann kein Eiſenoxyd als ſolches 





iſt; und aus aufgeſchlämmtem Eiſenoxyd, 
was ſogar von dem Sand zurückgehalten 
würde, kann feine feite zuſammenhängende 
Maſſe entſtehen. Der Vorgang der Bil— 
dung kann nur folgender geweſen ſein: 

In den oberen Schichten des Sand 
ſteines haben eingedrungene Wurzeln eine 
Reduktion des Eiſenoxyds bewirkt und dies 
in lösliches kohlenſaures Eiſenoxydul ver- 
wandelt. Dieſes konnte im Waſſer fort- 
geführt werden und erzeugt in tieferen 
Schichten Ausſcheidungen von Spateifenftein, 
welhe nah außen wuchſen. Nach dem 
Heben des Gebirges und dem Aufhören 
der Infiltrationen gingen dieſe Bildungen 
in Brauneijenftein durch Orydation- über, 
jowie denn dieſer Vorgang unendlich oft 
in der Natur vorfommt. Die Bildung des 
Sphäroſiderits beruht auf derjelben Ber: 
jegung. Der Brauneijenftein (Eijenoryd- 
hydrat) kann in Roteifenftein durch Wafler- 
verlufte übergehen, aber nicht umgekehrt. 

Die große Adhäſion diefer Gebilde, die 
nur durch einen Siryftallifationsaft, nicht 
aber dur bloße Anſchwemmung erklärt 
werden fann, ergibt fi) von jelbit. 

Herr Oberbergdireftor v. Gümbel, 
weiland in München, äußerte fih ım Jahre 
1892 über die Orpdröhren mie folgt: 

Trott hat Recht, wenn er die Gebilde 
der Einwirkung von Waſſer zuſchreibt, nur 
irrt er darin, daß er dicjelben für eine 
Ausiheidung von Waſſer hält, welches 
oberflächlich über Abhänge und Steine tal« 
abwärts abgeronnen fei. Vielmehr wurden 
die Röhren durch einen Akt der Infiltration 
von eifenhaltigem Waſſer durch den bereits 
abgelagerten, aber nocd) ungebundenen Sand, 
welcher die Ausfüllungsmafle neben und 
zwiichen den Röhren auch jegt noch aus- 
macht, gebildet. Sie find eine Art Tropf- 
fteinbildung nur mit dem Unterſchiede, daB 
ihre Erzeugung nicht in freier Luft inner- 
halb von Höhlen, fondern in lojem Sand 
ftattfand und das Abfagmaterial nicht Half, 
wie bei den gewöhnlichen Xropfiteinen, 
fondern Brauneifenftein iſt. Es entipricht 
dies ungefähr der Schilderung des Dr. Mohr. 


Borkommen des Wolfes in der Pfalz. 
Im Fichtelgebirge ift der legte der ein- | Luchfe 1710 und zwar in der Vutzenreuth 


beimiihen Wölfe 1811, der legte der 


bei Wunfiedel erlegt worden. 1883 tauchte 


bei Wunfiedel plöglih ein Wolf auf, der 
fi längere Zeit in der Gegend umbertrieb, 
dann aber bei einer Treibjagd in Culmain 
bei Kemnath erfchofjen wurde. Der Schädel 
des Wolfs befindet fich wohl in den Samm-» 
lungen des naturbiftoriihen Vereins zu 
Regensburg. — Der legte Bär wurde 1769 
im Fichtelgebirge am Schneeberg beim Dorfe 
Vordorf erlegt. Es war ein alter zahmer 
Burfche, mit dem die Holzhauer ihr Brot 
teilten und den zu töten der Marfgraf von 
Bayreuth verboten hatte. Der Bär hatte 
einen Haß auf den Unterförfter von Bor- 
dorf und als fich beide im Walde begegneten, 
griff er den FFörfter an, der ſich nur da- 
durch retten fonnte, daß er ihn niederichoß. 

Im Ulentale nächſt St. Panfraz trieb 
im Mai 1906 ein Bär fein Unmwejen. Er 
zerriß fieben Schafe. Die Jäger ſpürten 
ihn auf und jchoflen auf ihn; doch der Bär 
entfam. Er trieb aud) im {uni noch immer 
jein Unweſen und richtete unter den Scaf- 
herden große Berheerungen an, Eine neuer: 
liche Jagd blieb erfolglos, da man ihn nicht 
zu Geſicht befam. 

Der in der Münchner zoologifchen 
Staatsfammlung audgeftellte Wolf war 
fiherlich einer der legten Wölfe, die im 
rechtörheinifhen Bayern erlegt wurden. 
Der an diefem Stüd angebrachte Zettel 
befagt: Diefer Wolf wurde am 27. Dez. 
1836 im Yagdrevier Wieser, Forſtamts 
Tegernfee, durch den Forftgehilfen Hohen- 
adel erlegt. Hinzugefügt ift die Bemerkung: 
Es war der legte Wolf in Oberbayern. 
Wahrſcheinlich war aud dieſer herüber— 
gewechſelt aus Tirol, wo in den Jahren 
1833 bis 1835 noch 18 Wölfe geſchoſſen 
wurden. Im übrigen Yayern find nad 
1836 noh Wölfe erlegt worden: einer 


103 


einer 1852 bei Langenbrud in der Ober- 
pfal und mehrere 1848 in der 
Rheinpfalz. Leider fcheinen von allen 
dieſen nur wenige in Öffentliche Sammlungen 
gefommen und jo der Nachwelt erhalten 
geblieben zu fein, nur der legte Wolf in 
Unterfranfen, der 1810 bei Burgwallbach 
in der Nähe von Würzburg gefchoffen worden 
ift, wurde in der zoologifchen Sammlung 
der Univerfität Würzburg aufgeftellt. 

Herr Lehrer EC. Roos in Thal: 
fröſchen beridtet: 1. Als Knabe von 
jech8 oder fieben Jahren — im Jahre 
1846/47 — ſah ih in Zweibrücken einen 
in dortiger Nähe friſch erlegten Wolf, den 
ein Mann in Urbeitertraht auf einem 
Sciebfarren in der Stadt umberfuhr und 
für Geld zeigte, (Er hatte ihn mit einer 
gewöhnlichen alten Pferdsdecke zugededt.) 
Ich ftege heute im 67. Lebensjahr, das 
Bild jener Beftie ift mir aber noch jehr 
lebendig in der Erinnerung. Es war ein 
gewaltige8 Tier, viel fräftiger und ſchöner 
als die, melde man in den Menagerien 
zu jehen befommt. 

2. Im Winter des Jahres 1865 oder 
66 har fih ein Wolf in der hiefigen 
(Fröſchener) Gemarkung und der Umgegend 
mehrere Tage umbergetrieben und hat an 
Schafherden, namentlih an der hiefigen 
erheblichen Schaden angerichtet. Bürger 
von Höhfröjchen wollten ihn verichiedenemal 
am Tage gejehen und ficher ald Wolf er- 
fannt haben. Die Aufregung, die damals 
unter der Bevölferung biefiger Gegend 
berrichte, ift mir und den ältejten Leuten 
hierorts gleichfalls noch ın guter Erinnerung. 
Man vermutete damals, Ddiejes Tier habe 
aus der Gegend von Hornbach geftammt, 
wo damald® dem VBernehmen nad die 


1846 zu Falkenftein im Bayeriichen Wald, | Wölfe noch zahlreicher hauften. 





Meber die Acherböden der Pfalz im Bufammenhang mit dem 
geologiſchen Aufban. 


Es ift ein leider feineswegs in allen | 


einjchlägigen Streifen zum rechten Veritänd- 
nis gefommener Mißftand, daß in Bayern 
und damit auch in der Pfalz zurzeit für 
Erforihung der Bodenverhältnifje weniger 
geihieht ald in den Nachbargebieten. Am 
deutlichjten ergibt fi) das aus dem Auf: 


wand für Herſtellung von geologifchen 
Karten; das fleine Helfen gibt jährlich 
mehr, faft noch einmal jo viel dafür aus 
ald das große Bayern! Verſuche der 
bayerijchen Akademie der Wiflenfchaft, hier 
eine Belferung zu Semwirfen, find unferes 
Wiſſens völlig unbeachtet geblieben, Es 


— 104 — 


berührt eigentümlich, wenn man dagegen 
gewahrt, wie emſig wirtſchaftlich klare Köpfe 
in Amerika, in den Vereinigten Staaten, 
auf dieſem Gebiete vorwärtsdrängen und 
deshalb insbeſondere in den Schulen 
auf Förderung des Kartenverſtändniſſes mit 
allen Mitteln hinwirken. Sicher wird ſich 
bei uns ein Zurückbleiben der Schule in 
dieſer Beziehung ſpäter bitter und nach— 
haltig rächen. Profeſſor Nipeiller, der 
Vorſtand der Kreisackerbauſchule Kaiſers— 
lautern, hat ſich anläßlich der Frage, wie 
gute Heimatkarten für die Schulen zu be— 
ſchaffen ſind, über das beteiligte landwirt— 
ſchaftliche Intereſſe geäußert. „Mit der 
Durchführung“, jagt er, „wird die Grund« 
lage geichaffen, welche allein das Ber- 
ftändnis für agronomifche und Aulturfarten 
in die breiten Schichten der Bevölkerung 
zu tragen vermag.” Das jollte den ver- 
ichiedenen Stellen, die es angeht, Stoff zu 
einigem Nachdenken geben! Daß übrigens 
doch in den direkt beteiligten Streifen jchon 
vereinzelt ein Gefühl für die wahre Sach— 
lage fich einftellt, beleuchtet grell die inte- 
reſſante Tatjache, daß ein einfacher Defo- 
nom aus Yangmeil bereit$ vor mehreren 
Jahren, freilich vergeblich, die Bitte geitellt 
hat, e8 möchten auch für die Pfalz richtige 
agronomische Karten hergejtellt werden, wie 
fie für die Nachbargebiete bearbeitet wer: 
den oder bereit vorliegen. 

Unter folden Umſtänden ift e8 doppelt 
verdienftlih, wenn anderweitige Kräfte fich 
daran machen, jomweit e8 möglich, die ein: 
ichlägigen Verhältniffe zu flären. In 
jüngfter Zeit hat der Geologe Dr. E. Bland, 
z. Zt. in Kaiſerslautern an der Landwirt: 
ſchaftlichen Verſuchsſtation tätig, eine Arbeit 
über den Boden der Rheinpfalz in feiner 
Beziehung zum geologiihen Aufbau der— 
felben veröffentliht, Im folgenden foll 
verjucht werden, einzelne Ausführungen 
daraus einem größeren Publikum zugäng- 
fih zu maden, wobei freilich durch die 
Verfürzungen, zu denen wir mit Rückſicht 
auf den uns zur Verfügung ſtehenden Raum 
uns entjchließen mußten, die Arbeit nicht 
eben gewann. 

Dr. Bland führt aus: „Eng mit dem 
geologischen Bau einer Gegend hängt der 
Boden, die Adererde, zuſammen. Der 
Boden ift nichts anderes, als das Ber- 


witterungsproduft feines anftehenden Ge- 
ſteins, jomweit er nicht ein fogenannter 
Schmwemmlandsboden ift, und auch diefe find 
nur durch medanifche Kräfte aufbereitete 
Vermitterungsböden. Daher führt die 
Kenntnis des geologifhen Baues einer 
Gegend am jchnelliten und ficherften zur 
orientierenden Beurteilung der chemijchen 
und phyſikaliſchen Berhältnijje der Böden 
dieſes Gebietes, mithin zur FFeftitellung 
ihrer Güte, Unbaufähigfeit, Verwertung 
und Berbefjerung. Die Betrachtung der 
Böden eines Gebietes von diefem Stand- 
punft muß für den gebildeien Landmann 
ein weit höheres Intereſſe beanipruden, 
al8 die bloße Aufzählung der chemiſchen 
und phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens, 
Eine nicht unmwefentliche Anzahl geologiicher 
Hormationen beteiligt fih an der Zuſam— 
menjegung der Pfalz. Es find dies vor- 
mwiegend, dem Alter nach geordnet, das 
Friftallinifche Urgebirge, der Granit, darauf 
folgend die Steinfohlenformation oder das 
Karbon, das Notliegende mit dem eruptiven 
Porphyr und Melaphyr, der Buntjandftein, 
Muſchelkalk, das Tertiär, Diluvium und 
Alluvium. Was die Räumlichfeit des Auf- 
tretend diejer Formationen anbelangt, fo 
find nur ‚drei derjelben, Rotliegendex, 
Buntjandftein und Diluvium von großer 
Verbreitung und nimmt der Buntjandftein 
von diejen wiederum den größten, in der 
Mitte des Landes gelegenen Anteil ein, 
Diejes gilt aber natürlid) nur dann, wenn 
man die zum Alluvium bezw. Eluvium zu 
rechnende oberfte, alles bededende Ber- 
mwitterungsrinde unberüdfichtigt läht. An 
den Puntjandftein jchließt fih nad) Norden 
das Motliegende an, während der Oſten 
der Pfalz der Hauptſache nach diluvialen 
Bildungen angehört. Die übrigen genannten 
Formationen treten mehr oder minder zu* 
rück, was ſich namentlich von den Eruptiv- 
geiteinsvorfommniffen, Granit, Porphyr 
und Melaphyr, die nur in Durchbrüchen 
oder Durcdragungen vorhanden find, jagen 
läßt, ebenfo aber aud von dem Ober: 
Karbon, welches im Nordweſten der Pfalz, 
teild an der Grenze des Buntiandfteins 
nad Südweſten, teild innerhalb des Rot— 
liegenden auftritt, wo es von diefem um- 
gebene Inſeln bildet. Der Muſchelkalk 
nimmt ein fleines Gebiet jüdmeftlich des 


— 15 — 


aroßen Buntjandfteinmaflives ein, indem er 
ihn dortjelbft überlagert, und die terttären 
Schichten bilden einen langgeftreften Saum, 
faft den ganzen Oſten des Buntjanditeines 
begrenzend und zugleich den Übergang zu 
den diluvialen Ablagerungen bildend. Das 
Aluvium jchließlih treffen wir an allen 
Flußläufen und in den Niedermgen an, 
jomweit es nicht eine den älteren Formationen 
auflagernde Dede bildet, namentlih am 
Rhein und in der nordweitpfälziichen Moor: 
niederung in größter Ausdehnung. Bed: 
ftein, Reuper, Lias und Bajalt, welche 
außerdem vorfommen, find nur von ganz 
lofaler Bedeutung. 

Wie ichon oben angedeutet, tritt der 
Granit oberflählih nur gang vereinzelt 
auf. So ſehen wır ihn, von Süden aus- 
gehend, bei Weiler oberhalb Weikenburg 
im Lautertal, bei Albersweiler, Annmeiler 
im Queichtal, ferner zwifchen Weiher und 
St. Martin, dann nördlich Lindenberg und 
ſüdweſtlich Wachenheim hervortreten. Ends 
fi werden noch werter nördlich bei Batten- 
berg zahlloſe Blöcke von Granit gefunden, 
die auch wohl dort noch auf ein Vorhanden- 
jein dieſes Gejteing nahe unter dem Ter: 
tiär jchließen laſſen, jo daß diefes der nörd« 
lichſte Bunft in der Verbreitung des Grund» 
gebirges auf pfälzifchem Boden wäre. Im 
Gebiete des Granits finden fi) vorwiegend 
nur leichte Böden, wie reine, fein bis 
grobförnige Sande, weniger häufig lehmige, 
grufige Sandböden, ausnahmswrife wohl 
jandige, grufige Yehme und nur ganz jelten 
eigentlich jchwerere Böden. Der Gehalt 
an Feinboden fann jehr ſchwanken, ſtets 
ift der Granitboden jedod) rei an Sand 
und Kies, arm an feiniten Teilchen, wie 
an Ton und Humus, Der Phosphorfäure- 
gehalt iſt meiſt ein mittlerer, Stickſtoff iſt 
gewöhnlich ausreichend, Kalk dagegen gering 
vorhanden, doch mit Kali iſt der Boden 
meiſtens gut verſorgt. Ein innerhalb ſeiner 
Grenzen oft recht ſchwankendes Sand— 
Lehmgebilde läßt alſo die Verwitterung aus 
dem Granit hervorgehen. 

Faſſen wır die Ergebniſſe des Ber- 


witterungsprozeſſes der Granıtgemengteile | 


zujammen, fo jehen wir ein Gemenge frei- 
gewordener Körner von Quarz und 
Glimmerblättchen, son Ton, vermijcht mit 
Eiſenoxyden, zurücdfbleiben, aljo ein Ge: 


menge von Sand und Ton, in dem Phos— 
phorjäure und Kali in geringen wechſelnden 
Mengen vorhanden fein fünnen. Da von 
allen Beftandteilen der Quarz bezw. Sand 
vorwiegt, fo Stellt fich der Boden als Sand 
oder im glnftigiten Falle als fandiger 
Lehm dar. Bei ebener oder gering mul« 
denförmiger Qage wird der Granitvermitte: 
rungöboden bei längerer Zerſetzung einen 
ftarfjandigen, eiſenſchüſſigen Lehm bilden, 
der noch größere Gefteinsfragmente des 
Muttergefteins einjchließt, und nur die 
leichtlöslihen Verbindungen fünnen durch 
die Tagewäſſer gelöft, dem Boden entzogen 
werden, Wejentlih anders ift die Be— 
ichaffenheit des Bodens, wenn jeine Ober- 
flähe mehr oder meniger fteil abfällt. 
Dann werden nicht nur jene leichtlöslichen 
Berbindungen, fjondern aud die feineren 
Ton: und Glimmerteildhen, melde leicht 
durch das Wafler in Schmwebe gehalten 
werden, entführt, um am anderer Stelle 
zum Ubſatz zu gelangen; die Folge davon 
ift, daß der Boden einen viel fandigeren, 
rejp. grufigen Charafter erhält und dadurd) 
mehr zu einem Sandboden oder Grusboden 
wird. Aber nicht allein die Lage bedingt 
die Beſchaffenheit eines Öranitverwitterungs» 
bodens, auch der Fortichritt in der Ber: 
witterung jelbft liefert in Verbindung mit 
eriterer Urſache alle Bodenvarietäten vom 
Icehmig-grufigen Sand bis zum fandigen 
Lehm. Auch die Mächtigfeit des Bodens 
findet hierin ihre Urjache, fie kann, da der 
Untergrund meilt der Ackerkrume ähnlich 
ift, zwiſchen wenigen Bentimetern und 
mehreren Metern jchrwanfen. 

Anjchlickend an den Granit als erup- 
tives Geftein mögen num zunächft feine ihm 
verwandten Eruptivgeſteine Porphyr und 
Melaphyr ihre Beiprehung finden. Im 
Norden des pfälziichen Berglandes ſehen 
wir Porphyr infelförmig im NRotliegenden 
— reipeftive Karbon, Wolfftein — ein» 
gelagert, dem er zugleich gleichalterig it, 
in drei größeren Enflaven bei Wolfitein, 
am Donnersberg, den ce faft ganz bildet, 
und bei Kirchheimbolanden anftehend, außer- 
dem aber nur jehr ſpärlich am Dftabfall 
des Haardtgebirges an vereinzelten Punkten. 
Der Mineralfombination nah find die 
Vorphyre im meientlihen den Graniten 
gleichartig zufammengejegt. Die minera» 


— 106 — 


logiſch⸗chemiſche Zuſammenſetzung ift gleich 
der des Granits, fann aljo feinen anderen 
Bodendharafter hervorrufen, was in der 
Zar der Fall ift, denn auch hier find es 
faft reine Sandböden, die mit lehmigen, 
grufigen Sanden bezw. fandigen, grufigen 
Lehmen medjeln. Sollte ein Unterſchied 
von jenen zu beobadıten fein, jo muß er 
anderen Urjachen feine Herkunft verdanfen, 
Wir finden ihn in der bereit3 erwähnten 
dichten Struktur, die den Porphyrboden 
noch jteiniger macht, weil das dichte Ge: 
jtein der Bermitterung meniger leicht An- 
griffspunfte für ihre Tätigkeit darbietet. 
Die Bodenſchicht ift ſtets recht ſchwach, 
enthält wenig Feinboden und ift mäßig 
kalkarm. Der Untergrund zeichnet fich ge— 
wöhnlich durch große Trodenbeit aus, eben- 
falls eine Folge der ftrufturellen Berhält- 
nifje, die ein zerflüftetes Gefteinsmaterial 
ſchafft. 

Das Hauptverbreitungsgebiet der Mela- 
phyre, die vielfah in der Pfalz als Diorit 
bezeichnet werden, liegt wiederum im Nor- 
den der Pfalz, in Gebiete des Rotliegenden 
und ed gehört auch dieſes Eruptivgeftein 
dem Alter nach jener Formation an, In 
mehreren jchmalen, vielfach unterbrochenen, 
geitörten und untereinander parallel ver- 
laufenden, NW „is SO ftreichenden Zügen 
ziehen ſich Melaphyrvorkommniſſe durch das 
Rotliegende hin. So treffen wir ihn an 
den Orten Waldmohr, Gries, Dietſchweiler, 
Niedermohr, Reuſchbach, Neukirchen, Lang- 
meil, Ruppertsecken, Kirchheimbolanden und 
von dieſen weiter nördlich wie Herjchmweiler- 
Pettersheim, Montfort ꝛc. Gin weit flei- 
neres Melaphüurgebiet liegt im Dften des 
Buntjandfteinmajfives, am Rande der Haardt 
zur Rheinebene. Einige Punkte wie bei 
Albersweiler, Klingenmünfter, Silz, am 
Scieferfopf, Waldhambach mögen hier ge- 
narnt fein. Mllgemein geiproden, wird 
die mineralogiihe BZujammenjegung des 
Melaphyrs durd die Kombination eines 
Kalknarronfeldipates (Plagioklas) mit Augit 
und Dlivin nebjt reichlichem Borkommen 
von Apatit und Magnetit gefennzeichnet, 
der eine Menge Alzefjorien beigejellt find. 
Der Melaphyr liefert in den erften Stadten 
jeınes Berfalld neben vielen Starbonaten 
Grünerde und Gerpentin nebit tonigen 
Subitanzen und Eijenoryöhydraten, ſpäter 


führt er zu einem Gemenge von Siejel« 
fäure, Raolın und Toneiſenſteinen, durch 
Wegiührung der Kieſelſäure kann fogar in 
manchen Fällen ein Gemenge waſſerhaltiger 
Tonerde und Gifenoryd reftieren. Wir 
haben es alfo in den Melaphyrböden mit 
Ton-Lettenböden und Lehmen zu tun, Die 
wegen ihres ftarfen Eijengehaltes bläulich- 
rot bis rötlich gefärbt find. Sie find meilt 
ziemlich tiefgründig, enthalten his zu 90 
Prozent Feinboden und haben meiltens 
einen hohen Gehalt an Kalk und Magnefia 
aufzumweiien. Überhaupt zeichnen ſich die 
Böden der bafiihen Gejteindgruppe, zu 
denen der Melaphyr gehört, in ihrem Nähr- 
ftoffgehalt vorteilhaft von denjenigen der 
jaueren Gefteine aus, von melden wir als 
Bertreter den Granit und Quarzporphyr 
fenren gelernt haben. Hinſichtlich des ge 
ringen Auftretens der Melaphyre auf pfäl- 
ziſchem Gebiete ift diefed eine recht be» 
dauerliche Tatſache. Auch der fait gleiche 
Böden bildende Bajalt fommt nur an einem 
Punkte der Pfalz, am Pechſteinkopf bei 
Forft vor, io daß leider fein größeres 
Verbreitungögebiet jener oft zu den beiten 
zu zählenden Böden in der Pfalz vor: 
handen ift. 

Die älteften an dem Aufbau der Pfalz 
teilnehmenden Sedimentformationen find 
die Bildungen der Steinfohlenformation 
und zwar die des Dber-Starbons mit den 
Dttmweiler- und Saarbrüder- Schichten. Ihre 
ebenfalls geringe geographijche Verbreitung 
ftellt fich als Fortießung des großen Saar- 
brüder Stohlengebietes dar, und gehört der 
nördlichſte Teil derjelben bei Breitenbach, 
Oberfirchen, Dunzmweiler bis Ober Ohmbach 
ihon zur Pfalz, während das Gebiet um 
den Porberg, von Eiſenbach, Matzenbach 
ſich bis Tiefenbach jenleits Wolfftein hin— 
ziehend, eine karboniſche Inſel innerhalb 
des MNotliegenden bildet. Die an der 
Bodenbildung ſich beteiligenden Geſteine 
des ObersStarbons find vorwiegend Sand— 
fteine, teil8 Schieferiteine und Tonfteine. 
Sandfteine find ihrer Entftehung nad ur- 
fprüngli einmal als mechaniſche und 
chemiſche Zerftörungsprodufte aus Eruptiv- 
geiteinen oder anderen Sedimenten hervor» 
gegangen und aus dem Wafler — ſoweit 
e8 feine Wüftenbildungen find? — als loſe 
Sande abgelagert worden, Sn den Sand- 


ablagerungen der älteren Formationen jind 
diefe Mineral» und Geſteinsbruchſtücke Feine 
lofen Sandanhänfungen geblieben, jondern 
durch Infiltration von irgend weldem in 
Löfung befindlichen Bindemittel, das jich 
an ihrer Oberfläche durch VBerdunftung des 
Löſungsmittels ausgeichieden bat, und durd) 
ipäter erfolgten Gebirgsdruf zu einer Ge- 
jteinämafje verfeftigt worden. Diejes Bınde 
“mittel iſt es nun, welches die Verſchieden— 
heit aller Sandfteine verurfadht und für 
Quulität und Quantität des Sanditein: 
bodend maßgebend wird, Dasjelbe kann 
fiejelig, kieſeltonig, kalkig, mergelig, eifen- 
orydul- oder rilenorpdhaltig ſein . . . Se 
nach der Beſchaffenheit diejes Bindemittels 
wird die Bermwitterung verichieden wirkſam 
das Gejtein zerjegen föünnen und nad) der 
hemijchen Zulammenfegung desfelben wird 
es ſich richten, ob der Boden mehr oder 
weniger günſtig in feiner Nährftoffführung 
ansgeitattet fein wird, Der Bermwitterungd« 
prozeß verläuft hier genau analog den am 
Granit fennen gelernten Vorgängen, nur 
wird die Quantität der aus dem Binde: 
mittel Hervorgegangenen Bodenteile eine 
weit geringere jein müſſen, dagegen der 
„Sand“ dominieren, da folder im Geftein 
ihon den Grundton ın der Zuſammen— 
jegung angab. Das Motliegende nimmt 
den ganzen Norden der Pfalz ein, mit 
Ausnahme jener Karbon:, Melaphyr-, Bor: 
phyrvorfommniffe und mırd im Süden 
durch eine zwischen Dunzweiler ım Weiten 
einerferttö und Göllheim im Often anderer- 
jeitS gezogene Linie jcharf begrenzt. Bier 
tritt e8 unter den Buntjanditein, um wieder 
am Dftrande des Haardtgebirges in den 
tiefen Taleinſchnitten zutage zu treten, 
jo im Neuftädter-, Waldhambacer:, Ann» 
weiler- und Yautertal. Die mit den far: 
bonischen oft als permokarboniſch zufammen- 
efaßten Sejteinsbildungen des Rotliegenden 
Ad auh wie jene Sandfteine, Sciejer: 
tone und Tonſteine nebit Konglomeraten 
und Schieferletten. Der Gejamtcharafter 
der Bermitterungsböden des Notliegenden 
wırd dementiprechend im allgemeinen dem: 
jenigen des Karbons ähnlid sein, aljo 


jandige oder trümmerigrtonige Böden mit | 


allen möglichen Zwiſchengliedern je nad 
ihrer Herkunft liefern, die jedoch durch ihre 
intenfiv rote Färbung von den mehr grauen, 


107 





bräunlich-gelblichen bis grüngelblidhen Böden 
der Steinfohlenformation deutlich unter- 
ichieden find, Doch auch Tonmergelböden 
fünnen entitehen. Der Gehalt an Kalk in 
den Böden ift meiſt recht beträchtlich, was 
namentlid für das Oberrotliegende gilt, 
dagegen Magnefia und Stohlenfäure find 
nur in geringen Mengen vorhanden für 
die Landwirtſchaft bemerkenswert find die 
in den tieferen Schichten lagernden dolo— 
mitifchen Kalkbänke, welche an vielen Orten 
der Pfalz wie Altenkirchen, Rammelsbadh, 
Wolfitein, Yauteredfen 2c. angebaut werden 
und als Diingemittel Verwendung finden 
fünnen. Hieran anfchließend mag das ver: 
einzelte Borfommen von Zechſtein am Djft- 
abfall der Haardt Erwähnung finden. Das 
ſchmale Zechſteinband wurde zuerft am 
Hohenberg ermiejen, woran ſich jpäter wei» 
tere Vorkommniſſe am jüdöftlichen Haardt- 
rande anichlojien. Das Geſtein des Haupt- 
buntjanditeines beiteht vorwiegend aus 
QDuarzförnern undgangzvereinzelten®limmer: 
und Feldiparbroden, die Voren zwiſchen 
den einzelnen Körnern find durd ganz 
kleine, waflerhelle, Quarzkriftällhen zum 
Teil ausgefüllt, welche das ganze Geſtein 
mit einander verfitien und die größeren 
Körner umhüllen. Durd die Anordnung 
der Körner bleibt die Borofität des Ge— 
jteins gewahrt, das färbende Eifenoryd liegt 
frei zwifchen jenen, jo dak die Sickerwaſſer 
ungehindert durch das Geftein zirfulieren 
können. Die Schichtflächen werden manch— 
mal durch Tonlagen erfüllt und häufig 
finden fi in Geftein weiche Tongallen, 
welche ohne Kieſelſäureüberzug find, ferner 
jelten gerollte Kieſel mit jefundär über- 
zogenen Quarzfriftallen. Diejer Sandftein 
zerfällt durd; Verwitterung leicht, da das 
Eifen Schnell ausgelaugt wird, in Sand 
und bildet einen fterilen flachgründigen 
Sandboden; nur dort, mo die tonigen 
Bwiichenlagen zunehmen und damit feine 
Härte abnimmt, liefert er ſchwach lehmigen 
Sand. Einen für die landmwirtjchaftliche 
Praris entschieden vorteilhafteren Boden 
ergeben die Sanditeine des oberen und 
unteren Buntlandjteins mit ihren tonigen 
und eiſenſchlüſſigen Bındemitteln, in deren 
Schichten Sandfteinbänfe mit Zetteneinlagen 
abwechſeln. Alle Bodenarten find falfarın, 
haben bei ausreichendem Saligehalt genügend 


Stickſtoff, nur Phosphorſäure ift gering 
zugegen. Ihr Untergrund ift der Acker— 
frume ähnlich; bildet Sandftein das Lie— 
gende, jo find fie durchläſſig, Yettenjchichren 
an der Balis verringern die Durchläffigfeit 
und verbeflern ihn ın gewifler Beziehung 
phyſikaliſch. Der fogenannte Röt, die oberfte 
Stufe des Buntjandfteins läßt einen Lehm: 
bis jchweren, falten Xonboden mit vielem 
Ktaligehalt vorgehen. Vielerorts auf den 
Höhen des Buntjandfteinplateaus begegnen 
wir mächtigen Yehmablagerungen, melde 
nicht Wrodufte feiner VBermitterung find, 
Als Meliorationsmittel jür die falfarmen 
Böden des Buntjandfteins bilden die Dolo- 
mitmergel und Gipſe des oberen Bunt» 
landfteins ein vorzügliches Material. Im 
Südweſten der Pfalz wird der Buntjand: 
ftein vom Muſchelkalk überlagert und zwar 
im Gebiete der Blies, Birfenalb, Hornbad 
und Erbach. Sein Auftreten läßt fich durd) 
die Marken Hechingen, Blieskaftel, Zwei— 
brüdfen, Sidinger Höhe, Birmajens, Horn» 
bach, Bliesbrüden und abermals Fehingen 
umgrenzen. Die bier lagernden Muſchel— 
falkbıldungen find vorwiegend den unteren 
Schichten dieſer Formation, Wellenfalf, 
Muſchelſandſtein zugehörig. Dem größeren 
Berbreitungsgebiet im Weſten reiht ſich ein 
weit fleineres im Often an, wo e8 am 
Oſtfuß des Haardtgebirges längs der ab- 
gejunfenen Buntfandfteinjchollen einen oft 
unterbrochenen, ebenfalls teftonisch geitörten, 
ihmalen Streifen bildet. Die Gefteine der 
Formation find hellgraue Kalkſteine, Dolo- 
mite, dolomitiihe und tonige Sandfteine 
von grauer bis gelblich-brauner Farbe. 
Wir werden folgern, daß aus den dolo— 
mitiſchen und tonigen Sandjteinen leichte 
Lehmböden mit etwaigem Kalkgehalt ent- 
ftehen. 

Der Mufcheltalf bildet durchaus feinen 


108 


falfreichen Boden, wie dieſes wohl ange- 
nommen werden fönnte, vielmehr einen 
Lehmboden vom mehr oder weniger merge— 
liger Natur. Die Lehmbildung erfolgt in 
um jo größerem Maße, je toniger die Kalk— 
fteine und je mehr Bmilchenlagen von 
Mergelichiefern vorhanden find, meld) lektere 
auch häufig einen etwaigen Kalfgehalt ver- 
urjadhen. Wenn der Muſchelkalk bei ebener 
Bodenbeichaffenheit vermittert, jo dab die 
Abſchwemmung der vermitterten Teile mög- 
lichſt vermieden ift, jo entmwidelt fih ein 
bindiger Lehmboden, dem noch zahlreidye 
Kalkfteinbruchjtüide beigemengt find. Doch 
auch ziemlich zäher Ton fann unter Um- 
jtänden als Reſiduum verbleiben, der viele 
Geſteinsbrocken umschließt und einen durd)- 
läjfigen, recht flachgründigen, falfreichen 
Tonboden über einem aus grobem Gefteins- 
arus beftehenden Untergrund hinterläßt. 
Nur die Ddolomitiihen Kalkſteine zeigen 
erdiges Berfallen und bedingen einen fein- 
jandigen, mergeligen Rulturboden ton wäjle- 
riger Durcläffigfeit und tieferer Gründig- 
feit, der jedoch durch Gejteinsfragmente 
ebenfalls gewöhnlich verſchlechtert wird. 
Faft alle hierher gehörigen Bodentypen 
tragen den Gharafter jchwerer Tonböden, 
deren Untergrund infolge von Spalten 
und Berklüftungen des Geſteins und der 
grufigen Beichaffenheit der erfteren Ber- 
mwitterungsftadien des anftehenden Mufcel- 
falfes gut drainiert ıft, andererjeits durch 
den Gehalt an löslıhen Salzen, nament:» 
lid Kalkſalzen, lange nicht die Plaftizität 
der übrigen Tonböden befigen. Sodann 
wendet fich der Artifel der Betrachtung der 
Tertiärformation zu. Wir brechen unjere 
Auszüge hier ab und behalten uns vor, 
vielleicht Später auf diefen Teil der Blank: 
ihen Ausführungen zurüdzufommen. 


(Pi. Pr.) 








Heizung des 


Die Temperatur des Bodens bleibt im 
Frühjahre jehr ftarf hinter derjenigen der 
Oberfläche zurüdf und ift viel geringer, als 
man bei dem hohen Sonnenftande erwarten 
jollte. Die Pflanzen könnten ſich raſch ent: 
wiceln, wenn nidjt der Boden die Winter: 
fälte zurüdhielte. Der Boden hat im März 


Erdbodens. 


in 50—90 Bentimeter Tiefe durchichnittlich 
nur 1 Grad Wärme, im April etwa 7 Grad 
und erft im Mai 11 Grad. Dieje Tem: 
peraturen auf die Höhe der Oberflähen- 
temperatur zu bringen, ift das Biel der 
von Privatdozent Dr. Mehner erfundenen 
Bodenheizung. Das Verfahren verfolgt nach 


- m — 


einem Auffaß der „Deutjchen Landwirtichaft- | getrieben werden; die Heizung tut meiter 
lihen Preſſe“ den Zweck, durch Hervor- | nichts, als den Beginn des Wachstums auf 
bringung von frühen Gemüjen und Früchten | eiven früheren Zeitpunft zu verlegen. Auf 
der ausländischen Konkurrenz zu begegnen. | Beranlafjung des preußiichen Landwirt 
Da die Verwendung der Dampf und Heik- | jchaftsminifteriums ift Anfang Juli in der 
waſſerheizung nicht angängig ift, heizt Dr. | Gärtnerlehranftalt zu Dahlem eıne Ver— 
Mehner den Boden, indem er ein laumarmes | jucdhseinrihtung nah Mehnerichem Mufter 
Gemiſch von Luft und Dampf mittels eines | in Betrieb gejegt worden. Die Koſten der 
im Boden liegenden Tonrohrftranges, der | Anlage und der Heizung find verhältnis- 
zahlreihe Spalten und Löcher befigt, dem | mäßig gering. Als Heizrohre verwendet 
Boden zuführt. Durch die Definungen des | man die überall gebräudlichen Entwäſſe— 
Rohres entweicht die Luft nach oben und | rungsröähren. Fachleute find der Meinung, 
bewegt fich quer durd die ganze Erdſchicht daß die Bodenheizung für die Verjorgung 
nach aufwärts. Es mwird alſo der wärme: | der deutichen Märkte mit gutem und dabei 
tragende Körper ſelbſt an diejenigen Orte | billigem Frühgemüfe die größte mwirtichaft- 
geführt, wo die Wärme gebraucht wird. | liche Bedeutung erlangen wird. 
Bemerkenswert ift, daB die Pflanzen nicht 





Holkskunde — Bolkskunf. 


Der Berein für fächfifche Volkskunde, | liche Bedeutung der Bolfskunft; Vortrag 
der Sal. jähhjtfche Altertumsverein umd der ! von Herrn Profejlor O. Seyffert (Dres- 
Berein für Gefchichte Dresdens luden aus | den) zur Einführung in die fich daran an 
Anlaß der 3. Deutichen Nunftgewerbe-Aus- | jchließende Befichtigung der Abteilung für 
ftelung in Dresden für den 7., 8. und Volkskunſt in der Kunſtgewerbe Ausitellung. 
9. September 1906 zu einer Berjamm- | 3 Uhr nachmittags: Fefimahl im Ausftel- 
lung für Bolfsfunde und Bolfs- | lungsgebäude, 8 Uhr abends: Freie Ver- 
funft ein. Qagesordnung: 7. September, | einigung auf dem Belvedere. Sonntag, 
abends: Empfang im Belvedere der Brühl: | 9. September, 10 Uhr vormittags: 
ihen Terraſſe. — 8. September, 11 Uhr | Dampferfahrt nad der Baftei. Marktfeſt 
vormittags: Feſtakt im großen Saale des | in der Stadt Wehlen. — Die Anmeldungen 
Ausftellungsgebäudes unter Ghrenvorfik | zur Teilnahme an dem Feſte find an die 
Sr. 8. Hoheit des Prinzen Johann Georg, | Zentralftelle res Vereins für fächfiiche 
Herzogs zu Sachſen. Begrüßung; Haupt | Bolköfunde, Dresden-A., Wallftraße 9, l., 
vortrag von Herrn Brofeflor Dr. C. Fuchs | zu richten. 

(Freiburg i. Br.) über: Die volfswirtjchaft- 





Pfälziſches Arcismufeum. 


Herr Profeſſor Hildenbrand, Son- | ein diluvialer Schädel (mit Gehörn) vom 
jervator des pfälzijchen Kreismufeums, teilt | Bos primigenius, der Stammform der zahl: 
uns mit, daß die paläontologijche (ur- | reichen Rafjen des europäiſchen Hausrindes 
mweltlihe) Sammlung des Mufeums in | (Bos taurus). Faſt einen ganzen Edıranf 
den Tagen vom 27. Juli bis 1. Auguft | füllen die Überrefte von diluvialen Ger- 
I. J. überfichtlih geordnet und mit deut: | viden. Darunter befindet fi) der Kopf 
lien Auffchriften verjehen wurde, was den | und das fchaufelförmige, in feiner ganzen 
Bejuchern des Mujeums wohl willlommen | Größe 3 Meter jpannende Gemeih de& 
fein wird, Riejenhirjches (cervus giganteus) ſowie 

Auf den Schränken ftehen fünf Schädel | Überbleibjel an Gemweihen uſw. des ſchon 
(mıt Gehörn) des ım europäilchen Poſt- ım Dilupium vorfommender Edelhirſches 
pliogän vorfommenden Bison priscus und | (cervus elaphus). Zwei Schränfe und ein 


— 10 — 


Tiſch weiſen die mächtigen foſſilen Knochen- gefunden werden. 


refte jenes befannten, urmeltlichen Ele— 
fanten, de8 Mammuts, auf. Im erjten 
Schranf liegen die etwas rautenförmigen 
Molaren oder Badenzähne des dem 
älteren Dulivium ongehörenden Elephas 
antiguus ſowie der Unterfiefer und zahl: 
reiche Badenzähne des häufiger vorfom- 
menden Elephas primigenius mit ſchmalen 
Querleiften auf der Kaufläche. Unter den 
zahlreichen Brudftüden von Stoßzähnen 
befindet fi eın fait ganz erhaltener Zahn 
eines jugendlihen Mammuttieres von 1,58 m 
Länge und 27T cm Umfang ſowie das große 
Stoßzahn-Bruchſtück eineserwachjenen Tieres 
von 50 cm Umfang und über 5 m ur: 
iprünglicher Länge. Auf einem langen Tiſche 
längs der Schränfe liegen u. a. Hinter 
gliedmaken vom Mammut, darunter ein 
Dberjchenfel von 1,5 ra Yänge, ſowie 
Bordergliedmaken, dabei ein Oberarm von 
1,08 m und ein Sculterblatt von 1 m 
Länge Leicht ließe fich aus den erwähnten 
wie den anderen hier aufgejchichteten Knochen 
ein faft vollftändiges Mammutifelett, deflen 
Schulterhöhe über 3 Meter meſſen würde, 
darftellen. In einem Sammelfchranf be: 
finden ſich einzelne diluviale Hörner von 
Bovinen oder (diluvialen) Rindern, Zähne 
eines altertiimlichen Broboscidiers, nämlich 
des im Pliozän der Mheirebene vorge: 
fundenen Dinotheriums, Überrefte (da- 
runter ein gut erhaltener Oberkiefer) von 
Rhinozeros tichorhinus (diluviales Nass» 
horn) aus dem rheiniſchen Obermiozän, 
Knochen und Zähne des Hippopotamus 
maior (diluviales Flußpferd), zahlreiche 
Zähne von Notidaniden (Haififchen), wie 
fie im tertiären Gebiete der Rheinebene 


Der Tertiärformation 
gehören auch einige 1905 dem Mufeum 
geichenfte Gremplare von Ostrea (Aufter) 
und Pectunculus crassus aus der Nord» 
pfalz an. Die genannten organischen Reſte 
ftammen aus der Rheinebene, vornehmlid) 
aus der Rheinpfalz felber. Bon ander: 
weitigen Foililien find hervorzuheben der 
Oberfiefer eine® Belodon (Phylosaurus) 
und der Zahn eines Maftodoniaurus (Trias), 
der Stopf eines Ichthyosaurus longirostris, 
ein Aspidorhynchus acutirostris und ein 
Pierodaciylus suevicus, ferner Gebißrefte 
vom diluvialen Höhlenbären (Ursusspelaeus) 
und der Höhlenbyäne (Hyaena spelaea). 
Anzuführen wären auch noch der Kopf eines 
in der hiftoriichen Zeit ausgeftorbenen 
Dronten und die Fußknochen, ein Fuß und 
zwei riefige Eier des ausgeſtorbenen Hoch— 
vogels (Aepyornis maximus s. australis). 
— In einem der Schränfe find zahlreiche 
Pflanzenfojfilien aus der Steinfohlenzeit 
ſowie alle Arten der auf pfälzifchem Gebiet 
vorfommenden Steinkohle ausgeftellt. 

Die eben furz gejdilderte Sammlung 
im 2. Mujeumsjaale mit dem im gleichen 
Raume befindlichen, am 5. Mai 1869 bei 
Homburg in der Pfalz (Hrähenberg) ge: 
fallenen Meteorjtein zog von jeher viele 
Einheimifche und Fremde ın unfer Muſeum— 
Die Pfälzer Landsleute aber werden ge» 
beten, auch etwaige urweltliche Funde, 
jeien es Pflanzen: oder Tierfoffilien, dem 
Kreismufeum zuzumenden und zwar direkt, 
zumal neuerdings die Erfahrung gemadıt 
murde, dab wiederum dem Kreismuſeum 
zugedachte, zumteil auch auf Staat und 
Gemeindegrund gemacdte Funde nicht ab- 
geliefert wurden. (Nachdruck erwünſcht.) 


Heber Anfänge einer geregelten Forſtwirtſchaft durch künſtliche 
Miederbrwaldnng im Reichswald. 
Bon D. Häberle, Kaiſerl. Nechnungsrat, Heidelberg. 


Der heutige Reichswald bei Kaiſers— 
lautern ijt der fette Reſt des zur Sailer 
pfalz gehörigen füniglihen Bannforftes; in 
ihm bejaßen von alters her die Bürger von 
Yautern und die Bewohner des jogenannten 
Reichslandes als unmittelbare Königsleute 
große Holz: und Weideredite, nur Jagd 
und zumteil auch Fiſcheret blieben dem 


| Landesherrn als Regal vorbehalten. Jedem 


„Neichögenofjen* war es geftattet, feine 
Schweine zur Eidhelmaft in den Wald zu 
treiben, das Bieh darin zu hüten und Bau— 
und Brennholz; nad) Belicben zu Ichlagen. 
Als aber die Zunahme der Bevölkerung 
nicht allein neue Rodungen notwendig 
machte und die Wälder zulammenjchmelzen 


— 11 — 


ließ, fondern auch das Aufblühen der In— | 


duftrie (Herftellung von Faßdauben, Reifen, 
NRadnaben ufm.) immer fteigende Anſprüche 
an feine Produkte brachte, ftellte ſich infolge 
der planlofen Verwüſtung allmählich Holz- 
mangel ein. 


Bon einer rationellen Baldwırtichaft 
war damals noch feine Rede, die wenigen 
Forjibeamten ließen fich in erfter Linie nur 
von mweidmännijchen Intereſſen leiten und 
glaubten durch Sicherung der Grenzen jchon 
ein übriges getan zu haben. Jeder Reichs: 
genoffe nahm das Holz, wie er es brauchte 
und wo cr es fand, die Neubemwaldung 
überließ man der Natur, melde durd 
Samenanflug oder Stodausihlag für eine 
Verjüngung forgen mochte. Daß durch den 
planlo8 ausgeübten Weidetrieb der junge 
Nachwuchs aufs äußerfte gefährder wurde, 
daran dachte niemand, 


Befler wurde es erft, als Lautern 
mit dem Reichsland durch Verpfändung an 
Kurpfalz gekommen war. Die neuen 
Landesherren fonnten fich der Einficht nicht 
verichließen, daß es in der bisherigen Weije 
nicht weitergehen dürfe. In mohlberedhneter 
Fürſorge wurden nad) und nach verschiedene 
die jelbftändige Holz» und Weidenußung 
einjchränfende Verfügungen erlaffen und 
die Berechtigten als nunmehrige furfürft- 
lie Untertanen nolens volens zu Ver— 
gleidhen und Berzichten genötigt: daneben 
begann man, die vorhandenen Blößen und 
Lücken fünftlid wieder aufzuforften. 


Die Hurfürften folgten darin dem 
Veifpiel der Städte, melde während ihrer 
mittelalterlichen —S auch in der 
Waldwirtſchaft bahnbrechend vorangegangen 
waren. Nürnberg hatte bereits 1368, 
Frankfurt a. M. 1420 Saatbeete für 
Nadelholz angelegt und Seligenſtadt 1491 
Eicheln in ſeinen Waldungen ausgeſteckt. 
Auch für den Reichswald beſitzen wir, wenn 
auch aus etwas ſpäterer Zeit urkundliche 
Nachrichten über dieſe Art der Verjüngung. 
So verbot Herzog Johann Caſimir 1579 
den Weidgang der Ziegen im Reichswald 
„weil fie den jungen Eichen: und Buchen— 
wäldern hochjhädliche Tiere find, injonder: 
heit aber aud, weil wir hbiebevor 
und noh im NReihswald junge 
Bäume erziehen laſſen, weldes der 
Rürgerihaft und ihren Nachkommen zum 
Beiten gereicht”. Cine weitere Nachricht 
befigen wir aus dem Jahre 1600, wo der 
urfürftliche Forjtmeijter Philipp Vellmann 
bei Beichreibung des Hütjchenhauiener 
Bannes nachfolgende berichtet: „Ein 
Wald, im Nermel genannt, iſt mit ein 
wenig alten Eichen bewachſen, aber mit 


jungen Eihbäumen mieder be 
jeget und joll weiter bejeget 
werden.“ 


Bald ſollten dieje erſten Anſätze zu 
einer geregelten Forftwirtichaft durch die 
Stürme des Dreißigjährigen Krieges auf 
lange Beit hinaus erftidt und der Wald- 
verwüftung bon neuem Tür und Tor ge: 
öffnet werden. 





Beiträge zur Gefchichte der Börfer Minfeld nnd Frerkenfeld. 
Bon Joh. Walter, Bezirks:Hauptlehrer in Landau. (Selbjtverlag des Berfafferd). Preis 2.50 ME. 


Der Stoff zu dieſen Beiträgen ift 
mit Bienenfleiß zufammengetragen und mit 
Heimatsliebe und bejonderem Intereſſe für 
ſolche Geſchichte bearbeitet zu einem Werte, 
das nicht nur von den näheren Zandsleuten 
des Berjafjers ficher mit großem Intereſſe 
und Genuß gelejen wird, ſondern auch von 
den Yehrern der heimatlichen Landſchaft als 
willfommene Gabe zur Förderung ihres ge- 
ihichtlihen Unterrihts entgegengenommen 
werden blrfte, ; 

Wir haben leider an ſolchen Büchern 
aus leicht begreiflihen Gründen nur eine 


geringe Zahl, denn Yeute, die aus reinem 
Intereſſe für eine Sache arbeiten oder aud) 
nur arbeiten fünnen, finden ſich felten. 

Die „Beiträge“ find geeignet Lehrern, 
die vaterländiichen Gejchichtsunterricht zu 
erteilen haben, Winke zu geben, nad) wel: 
hen Richtungen und an melden Ortern 
fie fih den Stoff zu eigenem Bedarf zu 
ſuchen hätten; denn ohne die Grundlage des 
heimatlichen Wilfens ift der vaterländijche 
Gejhichtsunterricht nur ein Schloß in der 
Luft, 

Der Preis des Buches, das 250 Seiten 


— 12 — 


umfaßt, ift ein ſehr beicheidener und die 
Anichaffung desjel..n auf öffentliche Koſten 





für die oberen Schulklafjen der Pfalz wäre 
zu empfehlen. J. D. 








Bas Liebesweh von Wilenſtein 
Bon Dr. C. Bud. 


Es wollt der Ritter Sicgbert frei’n 
Das Burgiräulein vom Wilen’tein: 

Das Fräulein fah 'nen Andern gern 
Und wünfchte den zum Eheherrn. 


Sie hatt! den Schäferfüngling lich, 
Der oft am Schloß vorübertrieb, 
Blau leuchtete fein Augenpaar, 

Bom Haupte floh ibm golbnes Saar. 


Ste jah Ihn und von Stunde an 

War beiß ihr Herz ihm zugetan 

Bei feiner Flöte fühem Stang 

Bor Schnfucht bald ihr Herz zeriprang. 


Und als er Sienbertö Freit' erfuhr, 
Bergoß er leife Tränen mur; 

Kein’ laute Klage man vernahm, 
Sein Herz verging in jtilem ram. 


Man tat’8 dem Fräulein fhonend fund, 
Da zudte Leidmur um den Mund; 
* ſelbſtvergeß'ner Seelennot 

and fie in kühler Flut den Tod. 


Gar friedlich nun im felben Grab 

Ruht Ritterbraut und Hirtenfnab'. 

rg: ein Kreuz macht bis zur Stund' 
a8 Liebesweh der Beiden fund. 


Böhenſchichten-Karte von Bayern 
im Maßſtab I : 250000 
Bearbeitet im Topographiichen Bureau des k. b. Generalſtabs. 
(Lithographie und Drud in zehn Farben.) 


Bon dem auf zehn Blätter veranjchlag: . 


ten Kartenwerk find vor furzem die erften 
drei das ſüdliche Bayern umfaflenden 
Blätter (Nr. T— 9) erichienen, deren nörd— 
liher Rand ungefähr durch die Linie Ulm: 
Landshut-PBallau bezeichnet ift. 

Mit den gleichinhaltlihen Teilen der 
erften im Jahre 1872 begonnenen und 
1905 (bis auf ein Blatt) vollendeten Auf- 
lage der „Hypſometriſchen Karte von Bayern 
in 1: 250000 verglichen, ſtellen die neu: 
bearbeiteten Blätter unleugbar einen ge» 
waltigen FFortichritt dar, insbejondere be- 
züglih der unmittelbaren Beranichaulichung 
der Höhe ın Farben wie auch in tedhniicher 
Hinſicht. 

Der Scichtlinien-Zeihnung — als 
dem geomerrijchen Bild des Geländes — 
liegen die neueſten auf Normal Null fich 
beziehbenden Höhenmeſſungen zu Grunde, 
Bei 100merriger Schichthöhe enthält fie 
bis zur Höhe von 500 ım nod; 50 metrige, 
in geriffenen Linien gegebene Zwiſchen— 
ihichtlinien, während die 500er Kurven 
verjtärft find, Daß bei Darftellung der 
Höhe in Farben eine Verſtärkung der 
Kurven eigentlich gar nicht am Blake und 
auch nicht notwendig ijt, da ja die Farbe 
die Aufgabe der dideren Linie erfüllt — 


deilen war man ſich bei Anlage der Starte 
jehr wohl bewußt. Allein man mußte fie 
wohl oder übel mit ın den auf nehmen, 
da auch die Herftellung einer bejonderen 
Ausgabe ohne Farben beabficdhtigt iſt, 
in der eben die jtärfer gezogenen Kurven 
die Orientierung in den Höhenverhältniljen 
erleichtern ſollen. 

Was nun die farbige Darftellung 
der Höhe betrifit, jo befolgte man bei der 
Bearbeitung der älteren Ausgabe allerdings 
auch, mie jeßt, dem zuerit von Hauslab 
angeregten Gedanken: die im Scidptlinien- 
bild geometrijch verebnete und damit wohl 
meßbar, aber nod nicht direkt ſichtbar ge: 
mordene Höhe durch Töne mehrerer Far— 
ben auch unmittelbar anſchaulich zu 
machen. Allein fıatt feinem weiteren Bor- 
ihlag zu folgen und biefür Farben zu 
wählen, die bei entiprechender Stufung 
auch zugleih phaſtiſch zu wirken vermöch— 
ten, trug man — offenbar nur in Der 
Abficht, benachbarte Höhenftufen leicht unter- 
ſcheiden zu können — verſchiedene, ſich 
grell voneinander abhebende Farben mill- 
fürlich der Reihe nah auf. Damit erhielt 
man ein Bild, deflen Höhenfarben dem er- 
ftrebten Zwecke zwar vorzüglich dienten, 
aber, zum großen Schaden des Ganzen, 


— 13 — 


die Daritellung der Bodengeftaltung weit | fafjung der Bodengeftaltung zu Hilfe fommt. 
mehr verhüllten als anſchaulich machten. Ein weiterer Borzug der Karte iſt deren 
Bolllommen anders geartet Sieht fi | reihere Beihreibung. Die Zahl der 
daneben das Bild an, das die farbige | Namen von Wohnitätten ift ungefähr um das 
Darftellung der Höhe in der neuen Slarte | doppelte geftiegen, da jämtliche politischen Ge— 
bietet. Bei ihr liegt eben der Farben- | meinden eingetragen find, während die ältere 
verwendung zur Erfichtlihmadhung der Höhe | Karte außer den Namen von Städten und 
eine gänzlich veränderte Auffaffung zugrunde, | ‚Märften nurnod die der Piarrdörfer enthält. 
Bezüglich der Wahl und der Aufeinander:- Bom techniſchen Standpunft aus 
folge der $arben hielt man ſich im all» | müfjen wir die Starte ald ganz vorzüg— 
gemeinen an die Gejepe der Peuckerſchen liche Leiftung bezeichnen. Die Schärfe 
Höhenplaſtik in Farben*, die als | der Gravierung von Schrift und Gerippe, 
wiſſenſchaftlich begründeter Ausbau der | die Reinheit und Schönheit des Drudes 
urſprünglichen Hauslabſchen dee in der | an fidh wie im bejonderen der durchfichtige 
Kartographie erfreulicherweife immer mehr | Drud der verichiedenen Farben laffen zur 
an Boden gewinnt. Unter Beachtung der | Genüge erjehen, daß man jorgfältig bemüht 
von Peucker gegebenen Gefichtspunfte für | war, den zeitgemäß bearbeiteten Anhalt 
die Berwendung zurüdtretender und | der Starte aud in ein möglichit gefülliges, 
borjpringender Farben murde ein | aniprechendes Gewand zu Fleiden. 
Geländebild geichaffen, das infolge ver- Alles in allem haben wir ſonach ge: 
einigter Anwendung von Linien (Schicht- | nügenden Grund, von dem Begonnenen 
linien), Farben und Schatten (im Gebirge | mit Stolz; als von einem Werfe zu reden, 
nad jchräger Beleuchtung) als eine fertige, | dad, muitergiltig in jeiner Art, ein 
dreidimenfionale Karte fi darjtellt. | neuer glänzender Beweis von der Leiltungs: 
In weich ancınandergepakten und denn: | fähigkeit unferes Topographiichen Bureaus 
noch gut unterjdeidbaren Farbeufiufen — | und dem Borwärtsjtreben deifen derzeitiger 
vom Blaugrlin über Grün und gelbliches | längit bewährter, umfichtiger Leitung iſt. 
Grün (0—500 m), dann Gelb und Orange Unſeres Wiſſens ift die neue Höhenſchichten- 
(500 — 1000) und Braun in dreierlei Tönen | farte die erfte von militäriicher Seite 
(1000— 2000) zu NRotbraun und Rot | bearbeitete und wohl au die erjte um- 
(2000— 3000 m) anrfteigend — baut fih | fangreihere Karte größeren Maß— 
das Gelände nad der Höhe auf und läßt, | ftabs, in der das Gelände im Peuckerſchen 
troß diejer Gliederung in merflichen Stufen, | Sinne farbenplaftiich dargeftellt iſt; 
die Formen in gerundeter Plaftif beraus- , denn bisher jahen wir dieſes Verfahren 
treten -- ein Vorzug, den bejonders jene | nur in geographifchen Starten verwendet. 
Ihägen werden, die im Leſen von Schicht: | Wir können der prächtigen, namentlich aud) 
linienbildern weniger gelibt find und denen | für Unterrichtsjwede geeigneten arte nur 
daher eine fait greifbare Plaftif zur Er- | die beiten Empfehlungen mit auf den Weg 


. uder, Scattenplaftif nnd Farbenplaſtit. geben und wünſchen, daß fie in den weiteſten 
@ien 1898 * — 5 * ſtreiſen Anklang und Aufnahme finde, 


Alte Socftrafe. 

In einer Tour von 40 Kilometern | jchmalen Hängen ift diefe Hocftrake 3 m 
wurde im April ds. 8. die Hochftrake, | breit. An mehreren Plätzen find Brunnen 
welche vom St. Martiner Frohnbaum über | und Tröge zur Tränfung dicht neben der 
Forſthaus Heldenftein bis Taubenfugl (530 | Straßenlinie angebradt. — In alten 
Meter Höhe) auf der Waflericheide zwiſchen Grenzbeichreibungen (vergleihe Bilfinger: 
Speyerbah und Queich führt, archäclogiih | Johanniskreuz, Thiemeſche Drudereien, 
unterfuht. Dieſe alte Straße hat an | 1904, ©. 9) wird diefe auf den Wafichen- 
vielen Stellen noch 5 m Breite, wobei ein | firft laufende uralte Verkehrsſtraße zwiſchen 
deutliches Bankett, aus großen Sandftein- | Yandituhler und Landauer Gegend Mar: 
platten beftehend, noch erhalten if. Un | lemerftraße, gleich Martinerftraße, genannt. 





— 114 — 


Noch Heute ftehen an ihrem öftlichen Traft 
die Grenziteine von St. Martin (5. 4. 
M. 1822). Bilfinger (a. ©. S. 9 -10) 
Spricht diefe Trace als Römerſtraße an. 
Es glückte jedoch dem Vorftand der anthro- 
pologiichen Sektion der Pollichia an zwei 
Stellen links und rechts, d. h. ſüdlich und 


nördlih von ihr, vier alte Tumuli nad. 


zumeifen. Dieje liegen an der ÖStrede 
zwiſchen Silzgrundfopf und Erbenfopf am 


Kiefelek und am Feuerplag. In der un- 
mittelbaren Nähe der erfteren Stelle findet 
fich jchief gegenüber einem Tumulus zwiſchen 
Nußdorjer Grenzitein 212 und 211 ein 
vierediger Brunnenfhadht, der von der 
f. Forjtverwaltung jüngit freigelegt wurde. 
— Schon vor den Römern hatten bier 
auf der Höhe des Mond Bofagus Ur: 
bewohner ihre einjamen Höfe und Wohn— 
ftätten erbaut, 








Ueber den kalifornifchen Acıt Friedrich Karl Cafelhun, 


der vor furzem in San Franzisfo das 
Zeitliche fegnete, jchreibt Dr. A. Wirth 
im „Tag“: Er war von eritaunlicher Biel- 
jeitigfeit, jener Sohn eines Stailerslauterer 
Beamten, ein fröhliches Kind der Pfalz, 


die fo viele ihrer beiten Söhne, mie den | 


ebenfalls jüngft verftorbenen Jakob Müller, 
meiland Bizegouverneur von Ohio, mie 
Engelmann und Billard, eigentlich Dilgard, 
den berühmten Journaliften, der fich zum 
Eijenbahnmagnaten aufihwang und feinen 
Bruder Hilgard, den bedeutenden Geologen 
der Berfely:Univerfität, nad) Amerika ge: 
fandt bat. Caſtelhun wandelte auf den 
Spuren Platens und Schillers, Neben 
hohem Dden- und Balladenihmwung mußte 
er innige Töne der Lyrik feiner Laute zu 
entlofen und verjtand es, mit heiligem 
Zorn das bligende Schwert des Hafles 
und der Satire zu jchwingen. So ın feinen 
Angriffen auf Bismard und auf ameri- 
fanifche Staatdmänner, in jeinem Föftlichen 
Spotte über andere Barden, wie Udo Brad): 
vogel „„O du Udo! Lak das Dichten fein!” ), in 
feinen tiefen und jchneidigen Epigrammen und 
Diftichen, in jeiner Begrüßung an einen ber 
juchenden Großfürften („in Aleris”), den er 
mit dem Sohn des WPräjidenten Grant ver: 
gleicht und den Zaren mit Grant jelbft: 
Ihn benutzt auch die Umgebung 
Wie ein Werkzeug mit Geſchick; 


Dod; Zigarren, Schnaps und Pferde 
Wählt er aus mit Stennerblid. 


Wir auch haben Staatöbeamte, 
Treiben’3 wie in Rußland ganz, 
Suchen in dem eignen Wohle 
Nur das Wohl des Baterlande. 


Wir auch haben Generale, 
Mordgefellen, nlaube mir! 
Eine zweite Heimat findeit 
‚ Du, Alexis, bei uns bier. 


Eines nur blieb merfwürdigermeije dem 
lebensvollen Pfälzer Kinde verfagt: das 
alühende Wort leidenſchaftlicher Liebe. 
Immerhin ift feine Dichtung das Beite, 
was deutiche Lyrik ım Ueberjee geichaffen. 
Formvollendet, flar mie Bergmwafjer, fcharf 
gefantet wie Bergfriftall und ein Bürnen 
und Toſen darin mie im braufenden 
Bergtobel. Das Ichöne herrliche Gedidt: 
„Bflegt die deutihe Sprache” bat den 
Ruhm Caſtelhuns über ganz Amerifa ge- 
tragen; es ijt als Inſchrift für das Wor- 
tal einer neuen Schule in Graz gemählt 
worden. Wflerdings, noh ein Mangel 
baftet der Poefie des Deutſch-Kaliforniers 
ar. Caſtelhun war ein Achtundvierziger 
und als folder mehr als gemöhnlid ein: 
genommen und verbittert gegen die nette 
Entwicklung im alten Baterland. Unein- 
gedenf prometheiichen Hochgefühls, dem es 
nicht verjchlägt, „wenn auch nicht alle 
Blütenträume reiften”, war Gaftelhun 
geradezu ungereht gegen das heutige 
Deutjchland und feinen dritten Sailer. 
Die Angriffe waren derart, daB die zweite 
Auflage der Gedichte im Weiche verboten 
wurde. Leider war auch im Leben der 
Doktor allzufehr Dichter, Nachdem er als 
Arzt nahezu eine halbe Million erarbeitet, 
verlor er alles in gewagten und unnötigen 
Minenfpefulationen. Aber er war ein auf: 
rechter, lauterer Charakter. Auch äußerlich 
eine äußerſt ſtattliche, hoch und mohl- 
gebaute Perſönlichkeit; prächtige Zähne und 
reihlihes Haar bis ins hohe Alter, ein 
mild blidendes Auge, das aber auch far- 
kaftiich funfeln konnte. Gaftelhun ift als 
Achtundfiebziger geitorben. — Zum Schluß 
mögen die prächtigen Verſe mitgeteilt wer- 
den, „Au meine Rinder” überjchrieben: 


— 15 — 


Pflegt die deutſche Sprache! Wenn bereinit entfallen 
Hegt das deutſche Wort, Mir der Wanderjtab, 
Denn der Geiſt der Bäter Wenn ich längit fchon rube 
Lebt darinnen fort, Sn dem fühlen Grab: 

Der fo viel des Großen Was die Gunst der Mufe 
Schon der Welt geichentt, Freundlich mir befchied, 
Der fo viel des Schönen Ehrt e8, meine Kinder, 


Ihr ins Herz geſenkt. — — Ehrt das deutiche Lied! 





Meturpflege in der Pfalz. 


Auf Einladung der Kgl. Regierung, | Eigner beicdlofjen, im Anſchluſſe an den 
Kammer des Innern, fand fi am 27. | unlängft zu Münden gebildeten Landes» 
Juli d8. Is., nadhmittagg 4 Uhr, im | ausihuß für Naturpflege und nad defjen 
Rollegialfigungsjaale des Negierungsge- | Borbild einen ſolchen Ausihuß zu bilden 
bäudes zu Speyer, unter dem Borfige | zum Schuge derjenigen Naturgebilde der 
Seiner Erzellenz des Herrn Regierungs- | bayeriihen Pfalz, deren Erhaltung einem 
präfidenten Ritter v. Neuffer eine An» | hervorragenden ıdealen Intereſſe der Al- 
zahl von Bereinsvertretern und Einzel» | gemeinheit entſpricht. Zum Scluffe er: 
perjonen zufammen, um über die Bildung | folgte die Bildung eines engeren Ausſchuſſes 
eines Pfälziſchen Kreisausjhujjes für | unter dem Vorjige des Herrn Univerfitäts» 
Naturpflege zu beraten. Giner dom | profellors Dr. Yauterborn in Ludwigs— 
Pfälzerwaldvereine ausgehenden Anregung ! hafen a. Rh., an melden auch alle auf die 
entjprechend wurde nach eingehendem Re: | Sache bezügligden Mitteilungen und An 
ferate des Herrn Kgl. Regierungsrates | regungen zu richten wären. 








Gencrallabsblätter zum Schulgebrauch 


werden im Maßſtab 1: 100000 zum Preiſe liegt. Für Städte fünnen die Lofaljchul: 
von 30 Pfennig vom XTopographijchen | fommijfionen, für ländlide Diftrifte die 
Bureau in München verausgabt. Kür | Bezirfsämter, ım übrigen die Vorftände 
jeden Lehrer oder Schüler dürfen jährlich | höherer Schulen Beitellungen erledigen 
nicht mehr wie 1 Stück eines Blattes der | zwijchen dem 15 September und 15, 
Gegend beftellt werden, in der die Schule | Dftober. 





Ein interellanter Fund 
wurde laut „Bweibrüdfer tg.” auf der |; v. Leinenweber Zunft Sigel im* der 
Gemarfung von Schönenberg gemadt, | innere: „Gericht Kibelberg Obera. Lau- 
nämlich das BZunftjiegel der Leinenweber | tern.” Im mittleren Felde fehen wir die 
und Schneider im Stübelberg-Amte vom | Schere und das Leinenmweberjchiffchen als 
Jahre 1728. Der Abdruck hat einen | die Symbole der beiden Zünfte, fowie die 


Durchmefjer von 36 mm. Der äußere | Jahreszahl 1728, 
Kreis zeigt die Inſchrift: „Der Schneider | 


Endailtige Ergebniffe der Holkszählung vom 1. Bezember 1905. 


Die Ergebnifje der legten Volkszählung | gionsbefenntnis und der Staatsangehörig- 
(1905) im Königreich Bayern find nunmehr | feit) für das Gebiet des Königreichs, der 
endgiltig feitgeitellt. Eine zulammenfajlende | acht Regierungsbezirke, dann der unmittel: 
Darftellung (Zahl der ortsanweſenden Per- baren Städte, jowie der einzelnen Bezirks: 
jonen, Verteilung der Bolfszahl nad dem | Ämter und Amtögerichtsbezirke, veröffent- 
Geſchlechte, dem Familienſtande, dem Reli | licht ſoeben das ftatiftiihe Bureau im 3, 


— 16 — 


Hefte (Jahrgang 1906) feiner Zeitichrift, | Prozent) die ftärkfte verhältnismäßige Meb- 
zugleich mıt einer Ueberficht der ummittel- | rung jeit 30 Yahren. Der Bevölfe 
baren Städte und einiger anderer größerer | rungszuwachs tritt auch diesmal, wie 
Gemeinden nah ihrer Einwohnerzahl und | jhon in früheren Perioden, in erheblich 
unter Bergleihung diefer Einwohnerzahlen | höherem Maße bei den Städten zutage 
mit den Ergebniſſen der Zählung vom | als bei den Landgemeinden; doc) zeigt ſich 
Jahre 1900. Die für die jämtlihen | bei dem Bergleihe mit den im Jahre 
einzelnen (rund 8000) Gemeinden des | 1900 feitgeitellten allgemeinen Zumadjs- 
Königreihs feitgeftellten Ziffern merden | ziffern die Zunahme der Bolfszahl von 
im übrigen in dem zur Beit im Drudf be- | 1900 auf 1905 bei den Städten und 
findlihen Gemeindeverzeihnis für das König- | Übrigen Gemeinden mit mehr als 5000 
reich Bayern niedergelegt, welches voraus- | Einwohnern erheblicdy geringer, dagegen bei 
fichtlich noch im Laufe des Monats Dftober | den (Gemeinden mit weniger als 5000 
zur Ausgabe kommen wird. Der Veröffent- | Einwohnern erheblih größer als die Meh— 
lihung ın der Zeitjchrift find die folgenden | rung während des Zeitraumes von 1895 
allgemeinen und bemerkenswerten Daten zu | bi8 1900 war, denn der Zuwachs betrug: 
entnehmen: Die GBejamtbevölferung 

des Königreichs betrug am Bählungstage 

(1, Dezember 1905) 6524 372 Berjonen; | a in ummittel- 


in Grundzahlen in Progenten 
das bedeutet gegenüber dem Stand 5 baren Städten 213619 135172 16,7 8,9 


1900 1905 1900 1905 


Jahre 1900 mit 6176057 Perſonen eine | b) In ®emeind. m. _ 

Bunahme der Bolfszahl um 348315 ———— 273283 180778 174 94 
Verfonen oder 5,64 Prozent, abgejehen | one unm. St. 83665 16705 20 39 
von der noch etwas Höheren Zunahme der j 

Bevölkerung von 1895 auf 1900 (6,14 | (Schluß folgt.) 


Gedenktage im September. 


Geboren: 5. Wieland (1733. — | (18601. — 22. 3. P. Hebel (18%). — 3. 8. 

14. A. v. Humboldt (1769. — 238. 8, | Ritter (1859). 
Richter :1803). 1870: 1. und 2. Scladt bei Sedan. — 
4. Frankreich wird Republik. — 19. Beginn der 
Gejtorben: 3. Chr. vd. Schmid (1854). — | Belagerung von Parid. — 27. Einnahme von 


20. Hal. Grimm (1863). — 21. Schopenhauer | Straßburg. 


Berichtigung. Am vorigen Hefte Seite 98, 13. Beile links ließ rot; 18. Zeile lies 
M, E, O, P; 2. Belle von unten lic® hamatae und befferer; 9. Zeile rechts lıc8 rob; 
9. Zeile von unten lies diefer mejolithiihen Schichte; Seite 99, 23. Zelle rechts lies Tuni- 
berg; Seite 100, 7. Zeile rechts lies Abri Dufaure; 15. Zeile lie8 meſolithiſchen. 





nbdalt: Die Battenberger Orydrösren. Bon Karl Wagner. — Vorkommen des Wolfes 
in der Pfalz. — Ueber die Aderböden der Pielz im Zuſammenhang mit dem geologifchen Aufbau. 
— Heizung des Erdbodend. — Volkskunde — oltsfunft. — Pfälzifches Kreſsmuſeum. — Ueber 
Anfänge einer geregelten Forſtwirtſchaft durch Fünjtliche Wicderbewaldung im Reichswald. Bon 
D. Häberle, Kaifer!. Nehnungsrat, Heidelberg. — Beiträge zur Gejchichte der Dörfer Minfeld und 
gg von Koh. Walter, Bezirfd-Hauptlebrer in Landau. — Das Liebesweh von Wilen— 
ein. Gedicht von Dr. E. Puſch. — Höohenſchichtenkarte von Bayern. — Alte Hochſtraße. — Ueber 
den kaliforniſchen Arzt Friedrich Karl Eaftelhun. — Naturpflege in der Pfalz. — Generaljtabs- 
blätter zum Schulgebraud. — Ein intereflanter Fund. — Endgiltige Ergebnifte der Volkszählung 
am 1. Dezember 1905. — Gedenktage. — Berichtigung. 





Echriftleiter : Echrer Ph. Sauth, Eandftuhl — MKermann Aanjer’s Derlag, Aaiferzlautern. 
Rür Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


Die Pfatziſche Heimattunde” koſtet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. PBerellungen werden von allen Buchhandlungen und 
Feftonflalten ferner vom Verleger (Portofreie Etreifdandfendurg) angenommen. 


Nummer 10 


Öktober 1906. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


U) 


MONATSSCHRIFT 


N 


EMANER ERICH: 


FÜR SCHULE UND HAUS. 





— 


Br m 


Die Ergiebigkeit und vorausſichtliche Erſchöpfung 
der Steinkohlenlager 


ift ohne Zweifel eine Frage von eminenter 
ZTragmeite für den Stonfurrenzfampf der 
Nationen. Dem ſtatiſtiſchen Zahlenmaterial 
Profeſſor Dr. Frechs und den Ausfüh- 
rungen ®. Trodels in der Stuttgarter 
Halbmonatihriftt „Aus der Natur” 
(Herausg. Dr. W. Schoenichen, Verlag E. 
Nägele) zufolge hat England von jet 
an gerechnet noch Sohlenvorrat für nur 
255 Jahre! Andere Schägungen lauten 
zwar günftiger; Tatſache iſt jedenfalls, daß 
die Erſchöpfung der engliichen Flöze in nicht 
allzuferner Zeit zu erwarten und ein Sturz 
der induftriellen Vormacht Englands in ab» 
jehbare Nähe gerüct ift. Für Frankreich 
dürfte, obwohl die Broduftionsziffer in den 
legten Jahren über Erwarten jchnell ge: 
wachſen ift, bei der Mächtigfeit der Schichten 
der Vorrat noch für 350 bis 400 Jahre 
reichen. Bei weiten beffer liegen die Ver— 
hältnifje für Belgien. Die Mächtigfeit 
der Schichten und das langjame, gleich- 
mäßige Wachen der Förderung läht ein 
Ausreihen des Materiald auf 700 bis 
800 Jahre hoffen. In Rußland dürfte 
troß der Lager am Donez bei der geringen 
Mächtigfeit der Flöze die Stohlenproduftion 
niemals eine Bedeutung erlangen. Amerika 
verdankt dem Typus von Benniplvanien einen 
Kohlenreichtum, der unter allen erotijchen 
Ländern nur von China übertroffen wird. 
Nach der legten Schäßung werden dieſe 


Vorräte 640 Jahre reihen. China be- 
figt vor allen Dingen bei Peking, in Schan: 
tung und bejonders in Scanfi joldhen 
Ktohlenreihtum, daß die Produktion die 
aller europäijchen Länder weit überdauern 
wird. China hat aljo Ausficht, ſich einftens 
zu einem Zentrum der Weltinduftrie zu 
entwideln. 

Wie fteht es nun mit Deutſchland? 
Hier haben wir die beiden nordmejtdeutichen 
Becken von Aachen und Weitfalen. Neuere 
Bohrungen in der Kölnischen Tieflandbucht 
haben den Zuſammenhang beider Gebiete und 
zugleich die Möglichkeit einer bedeutenden Er— 
meiterung diejes Gebietes ergeben. Auch im 
Nordoften des weſtfäliſchen Gebietes ift eine 
jolche möglid. Die Abjchägung der Kohlen— 
mengen hat für das Aachener Revier eine Bro- 
duftionsdauer von 80V, für das weſtfäliſche von 
mindeftens ebenſoviel Jahren ergeben, wobei 
die Erweiterung des Gebietes noch nicht in 
Rechnung geftellt ift. Dazu trıtt das zufunfts» 
reiche oberjchlejiihe Revier mit einer Flöz— 
entwicklung, wie fie einzigartig Ddafteht. 
Nah den meueiten Berechnungen ift im 
preußijch- oberjchlefiichen Krohlengebiete mehr 
Kohle vorhanden als auf. den britijchen 
Inſeln zufammen. Cine Erjchöpfung diejer 
gewaltigen Vorräte fteht erjt Anfang des 
4. Jahrtauſend zu erwarten. „Lieb Vater— 
land, magft ruhig jein!” 


— 18 — 


Die Eignung der Pfalz zu einem Bentralinfitnt für Aſtrophyſik. 
Meteorologie und Geophyſik. 


Der bevorſtehenden Generalverſammlung der Pollichta gewidmet von Ph. Fauth. 


Unſere heimatliche Provinz' iſt nicht 
arm an naturwiſſenſchaftlichen Ar— 
beitskräften; ſie verfügt ſogar über 
recht anſehnliche äußere Mittel zur 
Gewinnung von wertvollen Beobachtungen 
aller Art. Nirgendwo aber findet ſich bis 
heute der Verſuch oder auch nur der Ge— 
danke daran, die Eignung unſerer Pfalz 
für dergleichen Arbeiten im großen Stil 
zu prüfen. Es ſoll der Zweck dieſer Zeilen 
ſein, dieſen Punkt einmal in das ent— 
ſprechende Licht zu rücken und das Intereſſe 
weiterer Kreiſe auf ein Bedürfnis zu 
lenken, das natürlich vom großen Publikum 
nicht als ſolches empfunden wird, deſſen 
Vorhandenſein aber jedem natur— 
wiſſenſchaftlich intereſſierten, 
wenn nicht gar unmittelbar tä— 
tigen Pfälzer fühlbar geworden 
ſein dürfte. 


Eine Unterfrage muß wohl ſein, ob 
gewiſſe Veranſtaltungen in unſerem Sinne, 
welche bereits ſeit längerer oder kürzerer 
Friſt beſtehen, berechtigten Anforderungen 
genügen oder nicht genügen; und dabei 
dürfte eine Kennzeichnung dieſer Veranſtal⸗ 
tungen von klärendem Werte ſein. Sehen 
wir uns in dieſem Sinne die Verhältniſſe 
in der Pfalz an, ſo finden wir da und 
dort wiſſenſchaftliche Vereinigungen, in 
welchen in mehr oder weniger zwangloſer 
Form mehr oder weniger freiwillig dar- 
gebotene Vorträge, zumteil mit Demon- 
ftrationen, häufig aber auch ohme jolche, 
ftattfinden; wir denken da in erfter Linie 
an den Naturmwiffenichaftlihen Verein in 
Kaijerslautern und an den Wiſſenſchaftlich— 
Literariſchen Verein ebendort, welche beide 
regelmäßig im Winterhalbjahre Zufammen- 
fünfte veranftalten, und an den Natur- 
wiſſenſchaftlichen Verein Pollichia, welcher 
leider nur einmal im Jahre tagt. Wir 
dürfen aber nicht vergeſſen, daß in manchem 
Laboratorium unſerer Mittelſchulen reiche 
inſtrumentelle Mittel mit Fleiß benützt 
werden und mancher Privatmann „redlich 


ſtrebend ſich bemüht“; aber in allen dieſen 


Fällen kann dem Einzelnen kaum „Erlöſung“ 


im Sinne rechter Befriedigung willenfchaft- 
lihen Dranges werden, folange ſich feine 
Tätigkeit in ftiller Vereinfamung abfpielt: 
vereinfamt im Wirken jelbft, vereinfamt im 
fehlenden Anfchluß an Bleichgefinnte, ver- 
einfamt inbezug auf den Wert der Arbeiten 
für die Öffentlichkeit. Wir haben mit 
Abficht die Erwähnung der zahlreihen ſo— 
genannten meteorologifhen Stationen 2. 
und 3. Ordnung an den Schluß geitellt, 
denn deren Tätigkeit fcheint einzig auf 
mechaniſche Regiſtrierung einiger Beobach— 
tungsnotizen beſchränkt zu ſein. 


Sehen wir alſo nochmals zurück, ſo 
erkennen wir ein mehrfältiges Bedürfnis, 
ſich gegenſeitig in verſchiedenen Zweigen 
des Naturerkennens auszuſprechen und 
auszuhören, d. h. ein ſichtliches Be— 
dürfnis nach häufiger Bewegung in den 
verſchiedenen diesbezüglichen Gedanfen- 
kreiſen. Das iſt berechtigt; aber die Ber- 
anftaltungen zu feiner Befriedigung feinen 
einesteild an einer gewiſſen Beſchränkung 
nad) Perjonen, Stoffen und Gelegenheiten 
zu leiden, andernteil® die Unterſuchung 
herauszufordern, ob da nicht von Staats- 
wegen oder auf irgend welchem anderen 
Wege Mittel zu finden wären, gleichſam 
in einer Öffentlih im Sinne der Natur- 
wiffenihaftler wirtenden, der Öffentlichkeit 
und jedem arbeitöfreudigen Mitarbeiter zu* 
gängliden Zentraljtelle den ruhenden 
Punkt ın der naturforfchenden Bemühungen 
Flucht zu jchaffen, der aber zugleich eine 
Art Kryſtalliſationspunkt wäre auch für die 
Intereffen, für das Fühlen und Denken 
derer, denen eine pofitive Mitarbeit fern 
liegt oder verjagt if. E8 gibt Fälle, 
in denen eine Brovinz auf ein der 
artiges Inſtitut „stolz if”. Was 
heißt das anderes, ald man lebt in dem 
frohen Bemwußtjein, dorten nicht allein im 
Sinne der eigenen, liebgewordenen Bor- 
ftellungsfreije gearbeitet zu ſehen, jondern 
auch ebenjolche Geiftesrichtungen im großen 
Publifum propagiert zu willen, nicht zum 
Schaden für dieje Tätigkeit, auch nicht zum 


| Schaden für ein den Zwecken der allgemeinen 


Bıldung und der Veredelung geiftiger Be— 
dürfniffe zugängliches Publikum; es heißt 
aber auch mit Genugtuung zu mwilfen, daß 
man Fühlung mit den Öffentlichen Einrich— 
tungen halten und gegebenen Falles an Ort 
und Stelle des Genufjes einer edlen Pe 
triebjamfeit, ja unter Umftänden der initrufs 
tiven Mitbeobadhtung und, was noch höher 
zu veranjchlagen ift, der Mitarbeit jelber 
teilgaft werden fann, Das alles zuiammen 
fann man dad Angenehme als erfreuliche 
Beigabe zum Nützlichen nennen und es 
wird faum jemand zu finden fein, der beides 
fo ganz unnötig finden Sollte. Weifen doc) 
die Darbietungen, wie fie in bejonderer 
Form vom Wiſſenſch. Vereine in Dürk— 
heim oder von der jungen Hochſchulkurs— 
Bereinigung in Saijerslautern gepflegt 
werden, genau nad demjelben Ziele hin, 
wenn fie fi an die DOffentlichfeit wenden! 

Kräfte find vorhanden und Mittel 
fehlen nicht, aber fie find getrennt und zer- 
jplittert; nur dad Bedürfnis ift allgemein 
— aud in reifen, die man nicht gerade 
al8 naturwiſſenſchaftlich vorgebildete wird 
bezeichnen wollen. Es gibt auch da ſchlum— 
mernde Wünjche und Erwartungen, Gab 
ed nun in der Pfalz niemals derartige An- 
ftalten, die jowohl im öffentlihen Dienite 
Nützliches mirften, als der Bevölkerung 
Achtung vor diejfer Arbeit im allgemeinen 
und vor dem Arbeitsfelde im bejonderen 
abnötıgten? Man darf da wohl an die ehrr 
würdige, jegt allerdings dem unmürdigen 
Schickſal einer Mietskajerne verfallene 
Sternwarte zu Mannheim erinnern, die 
ſchon im 18. Jahrhundert begann, den Ruhm 
der Furpfälziichen Reſidenz zu begründen; 
heute noch, obwohl feit 26 Jahren dort 
nichts mehr beobachtet wurde, nennen die 
großen aftronomifchen Jahrbücher die geo- 
graphiihen Koordinaten der ehemaligen 
Himmelöwarte. Es fei auch der Ajtronom 
Schwerd genannt, der in Speyer fleibig 
beobadhtete und dieje Stadt in den Gerud) 
brachte, eine Sternwarte zu befigen; wie 
man dort den Gelehrten und feine Tätig: 
feit ehrte, zeigt uns das Denkmal Schwerds 
im Domgarten. Das Berliner aftronomifche 
Jahrbuch verzeichnet ebenfall8 (wohl heute 
noch) die genaue Lage der Speyerer Warte. 
Nicht minder ijt das temporäre magnetijche 
DObjervatorium Dr. v. Neumayers auf dem 


119 — 


Kal. Holzhofe in Frankenthal zu erwähnen, 
das im Oftober 1855 gebraucdhsfertig war 
und durch mehrere Monate als Stüßpunft 
für die magnetijhe Vermeſſung unierer 
beimatlichen Provinz diente; erft vor furzem 
ift ja die Wichtigkeit jener Arbeit in ge 
bührender Weije gejchildert worden. Geit- 
dem ift es allerdings ftill geworden inbezug 
auf Beranftaltungen, denen gegenüber die 
Öffentlichfeit in merflicher Form interefliert 
wurde. Wenn auch das feit 16 Jahren 
tätige Objervatorium bes Berfafjers für 
Mond: und Planetenerforfchung wegen jeines 
rejpeftablen Inſtrumentes und der in- 
zwijchen erzielten Rejultate noch genannt 
fein mag, jo ift doch zu bemerken, daß aud) 
dieje Arbeiten fi fern vom öffentlichen 
Leben abjpielten und abjpielen mußten, und 
daß ed außerdem noch zwei andere pfälzische 
Liebhaberobjervatorien mit ſehr ſchönen 
Fernrohren ausgerüiftet gibt, nämlich in 
Rodenhaufen und in Frieſenheim, ebenjo 
daß es bis vor 15 Yahren noch ein klei— 
neres DObjervatorium gab, nämlich in Ger- 
mersheim, von welchen drei Stätten opfer- 
freudigen aftronomijchen Liebhabertums aber 
wohl die allerwenigften Bfälzer eine Ahnung 
haben werden. Darum nochmals: Es ift 
jehr ftill geworden inbezug auf die Reprä— 
jentation wiſſenſchaftlicher Forſchung durch 
ein angeſehenes Inſtitut der Pfalz. 

Was nun früher anders und beſſer war, 
könnte wohl künftig wieder erfreuliche Ge- 
ſtalt gewinnen, wenn nur das eingeengte 
Intereſſe beſtehender Vereinigungen und 
privater Mitbürger, ſowie das latente In— 
terefje aller der Forſchung mwohlgefinnten 
Piälzer lebendig mitwirft eine zentrale 
Stelle zu ihaffen zur Freude der Bürger, 
zur Genugtuung der Gönner und zum 
Nutzen der Wiſſenſchaft und der Menichheit. 

Iſt aber die Pfalz nad) Maßgabe ihrer 
Lage und orographiichen Verhältnifje, ihrer 
Größe und Nahbarjchaft bei ähnlichen In— 
jtituten geeignet etwa eine vereinigte geo- 
graphiich:meteorologiicraftronomische Stätte 
zur Sammlung wichtiger, ja fundamentaler 
Handhaben zu pflegen, jo daß etwa außer- 
gewöhnliche Erfolge den willkommenen 
Lohn für aufgemwendete Laften darftellten? 
Wir glauben dieje Frage mit guten Gründen 
mit einem fräftigen, bedingungslojen Ja! 
beantworten zu fünnen. freilich ift e8 eine 


— 120 — 


ganz beſondere Sache um den Ort für 
dieſes geplante Inſtitut. Nicht jede Gegend 
der Pfalz, am allerwenigſten aber irgend 
eine Stadt eignet ſich für die Aufſtellung 
jo feinfühliger Apparate wie fie ind Auge 
zu fallen find, oder für fo empfindliche Be: 
obachtungen, wie fie angeftellt werden müſſen, 
wenn die ganze Beranftaltung ihr Ber- 
iprechen halten fol. Der Sachfundige wird 
zugeben, daß gemilfe Unterjuchungen über- 
haupt nur an Örtlichkeiten, die weit abjeits 
von allen möglichen jtörenden Einflüfjen 
gelegen find, mit Hoffnung auf Erfolg an— 
gejtellt werden fünnen. Es gibt auch Fälle, 
in denen die Erfahrung bittere Lehren ge- 
geben hat. Führen wir zur befleren Wür— 
digung diejer Bedenken einige Fälle an! 
Die große Univerfitätsfternwarte in 
Straßburg liegt unweit der Zitadelle gegen 
die Orangerie hin; marjchiert in den Abend: 
ftunden des Winterhalbjahres ein größerer 
Truppenförper auf Straßenlänge ent 
fernt vorüber — und die Sternwarte fteht 
viele Meter tief mächtig im Alluvialboden 
fundiert, dazu auch noch weit innerhalb des 
Univerfitätsparfes —, jo find troß alledem 
gewiſſe Feinbeobadhtungen ſolange unmög- 
lich, bis fich die Zitterbemegungen des Erd- 
bodens beruhigt haben, — In Karlsruhe 
war ähnliches der Fall, wenn Rangierzüge 
in etwa zwei Straßenlängen Abſtand ar 
beiteten. Als im Auguft 1896 das Objer- 
vatorium auf dem Sirchberg bei Yandituhl 
(125 ın relative Höhe) feine Tätigfeit be: 
gann, dedte die erſte Beobachtung den 
Mikitand auf, daß die in 500 m Entfer- 
nung am Fuße des Berges vorüberfahrenden 
Büge den ganzen Berg jo erzittern machten, 
daß feine Wahrnehmungen an Planeten 
während der Erjchütterungen unmöglid) 
wurden. — Seismometer zur Regiltrierung 
feiniter Erdbebenwellen müſſen höchſte Em— 
pfindlichkeit beſitzen; es iſt alſo klar, daß 
ſolche Apparate auf keinen Fall innerhalb 
einer Stadt mit Yuhrmwerfsverfehr oder nahe 
bei FFabrifanlagen, ja nicht einmal unmeit 
eines braujenden Waflerwehres ıhren Platz 
finden oder behalten fünnen. Gewiſſe auf 
der Dderiniel innerhalb des Stadtgebietes 
ın Breslau aufgeftellte Mekinftrumente 
zen einfeitige Ablejungsfehler, je nad): 
der rechte oder linfe Oderarm durd) 
Wehr abgejperrt, aljo mit den jchweren 


Waſſermaſſen gefüllt oder nicht gefüllt ift. — 
Magnetiihe Stationen dürfen natürlich nicht 
nahe bei Eiſenbahn oder Telegraphen» oder 
eleftriihen Bahnlinien liegen, ja nicht ein- 
mal eijerne Beichläge, Schienen, Klammern 
am Beobachtungsgebäude ſelbſt befommen, 
wenn die Aufzeichnungen der empfindlichen 
Apparate nicht gefälſcht erfcheinen jollen. — 
Angefihts ſolcher Beiipiele begreift auch 
der Laie, dab rechte Erfolge nur am 
rechten Orte und unter entiprechend pein- 
licher Borforge zu gewinnen find. Diele 
Rückſicht erftredt fich aber jelbit auf die 
gewiß weniger anſpruchsvollen Ablefungen 
der meteorologifchen Inftrumente. Wenn 
man 3. B. aus Erfahrung weiß, daß eın 
Negenmefjer wefentlich verfchiedene Regen— 
mengen anzeigt, je nachdem er auf irgend 
einer der vier Eden eines freiftehenden 
Turmes plaziert ift, oder je nach der Höhe 
jeines Standortes, oder je nad) der Form 
und Größe feiner auffangenden Offnung. 
jo muß es geradezu lächerlich ericheinen, 
fieht man fo ein „Bräzilionsinftrument” in 
einem Garten hinterm Haus und zwiſchen 
Dbitbäumen aufgeftellt. Thermometeran- 
gaben find bekanntlich von der Ausitrahlung 
umgebender Flächen nicht gering beeinflußt; 
dennoch gibt e8 „meteorologijche Stationen“ 
in der Pfalz, wo fie die denkbar fragwür— 
digite Aufftellung gefunden haben. Mehr 
noch ift die Richtung und Stärke des Win- 
des von lofalen Umfiänden abhängig, fogar 
von der Lage des Beobadhtungsortes (Ebene, 
Tal, Abhang, Höhe) überhaupt; wie joll 
es da bei der üblichen Unordnung der 
Apparate in Städten, in der Nähe von 
Straßenzügen, langgeitreften Plägen mit 
merflihem Einfluß auf die Windridtung 
uſw. zu unbeeinflußten Angaben der jonft 
ja zuverläffigen Hilfsmittel fommen? — 
Wir können getroft den Sag aufftellen, daß 
die meteorologiichen Elemente, wie fie im 
allgemeinen in der ganzen Pfalz an vielen 
Stationen erhalten werden, feineswegs von 
ihädlichen Einflüffen gereinigt find und daß 
fie darum wenig zuverläjfig bleiben, ſolange 
man der bequemen Bedienung der Apparate 
zuliebe ihre üblichen Standorte beibehält. 
Welhen Wert hat denn der immerhin be» 
trächtlihe Aufwand von Geld, Arbeitskraft 
und Zeit, wenn man fich offenfundig mit 
nicht einmwurfsfreiem Materiale begnügt? 


Welche Schwierigkeiten erwachſen nicht da 
der bayerijchen oder irgend einer Zentrale, 
welche mit ſolchen Elementen arbeiten muß! 
Wie wertvoll wären dagegen Notierungen, 
welche man von all diefen Einflüffen bis 
auf ein unfhädfiches Minimum frei wüßte! 

Setzen wir einmal den Fall, eine Stätte 
der mwilfenichaftlichen Beobachtung, wie wir 
fie im Auge haben, jei fomeit vorbereitet, 
dab es fi nur noch um die Beftimmung 
ihrer age innerhalb der heimatlichen 
Grenzen handelte, Es wäre dann eine 
Gegend zu ſuchen, deren Zugänglichkeit und 
doc; erponierte Freiheit bezüglich eines 
. großen Wirfungsfreijes wenigitens für einige 
Zwere mit allen jenen Umitänden verbun- 
den bleibt, welche vorausgehend als uner— 
täglich fir gewiſſe Leitungen genannt wor- 
den find. Das ift natürlich weder der 
Donnersberg, noch die Kalmit, noch der 
Potzberg, ja überhaupt fein Berggipfel, denn 
befanntlich zieht ein folder zu gemiljen 
Jahreszeiten mit leicht veränderlichen Witte- 
rungszuftänden nur gar zu gern feine Wol— 
fenhaube auf oder er gilt in gewiſſem Sinne 
als „Wetterverteiler.” Die Praxis erfordert 
aber einen Standpunft innerhalb normas 
ler und nicht innerhalb außerordentlicher 
Verhältniſſe. Somit bleibt nur die Ebene 
übrig und wir haben die Wahl zwiichen der 
Rheinebene und der mittelpfälziichen und 
der ficfingiichen Hochebene. Die erite kann 
unbedingt nicht inbetracht fommen; fie befitt 
in ihrer Ziefenlage, Nord - Süd» Richtung, 
Bevölferungsdichte und bejchränfteren Ent- 
fernung der Horizontlinie ſchon allein Hin— 
dernifje für die und jene Unterjucung, 
liegt aud) räumlich zu nahe bei den Haupt» 
ftationen Heidelberg -Königsituhl und Sarls- 
ruhe als daß eine dortige Station befon« 
dere Wertung im internationalen Beobad): 
tungsneß erfahren könnte. Die zweite ift 
ungeeignet, weil fie in allzu großer Nähe 
zwei Ausgangspunfte ftarfer Einflüffe befigt, 
die, wenn fie nicht zwangsweiſe hingenom- 
men werden müſſen, gerne umgangen werden: 
es iſt dies die große Stadt Saijerslautern 
mit ihrer nächtlihen Beleuchtung, die fi 
auf zwei Meilen in der Runde bemerflich 
macht, mit ıhren Rauchmaſſen und ihren 
unrubigen Verkehrsverhältniſſen — alles 
natürlich vom empfindlichen Standpunft des 
Beobachter aus geurteilt —, und ferner 


121 





| 
h 


[3 


iſt es das gewaltige Maifio des Donners- 
berge3, der ohne Not nicht die Nachbar« 
ichaft einer Wetterwarte bilden darf. Es 
bleibt jomit als einzig inbetradjt kommende 
Gegend die Sıdingerhöhe übrig, deren 
Eignung zu prüfen wäre. 


Die Frage lauter nun: Bejigt die 
Sidingerhöhe überhaupt die er 
forderlihen Eigenſchaften und in 
welhem Maße fommen Diejelben 
zur Geltung? 

Für den Fernerſtehenden geben wir eine 
furze Charafteriftit der Umftände. Ziehen 
wir von Staiferslautern eine Linie nad 
Birmafens, jo folgt dieje im allgemeinen 
der Richtung des Moosalbtales und jcheidet 
die weitlichen flurenbededten, flachgemölbten 
Rücken der „Höhe“ von dem öſtlichen wald- 
bedeckten mit Rüden und Suppen gefenn» 
zeichneten, unregelmäßigen Berglande der 
Hardt. Die „Höhe“ dehnt fih in meitem 
Zuge und in einer Länge von faft 40 und 
einer Breite von faft 20 km vor dem Blicke 
aus und fteigt dabei von Südoften gegen 
ihre höchfte Erhebung und zugleich Endigung 
bei Landſtuhl nur von rund 400 m bis 
rund 455 Meter. Yandftuhl nahe Liegt 
an ihrem äußerften Ende zugleich ihre 
höchſte, wenngleich jehr fladhe Kuppe mit 
462 Meter Meereshöhe (210 Meter über 
der ehemaligen „Bruch“ Ebene). Hier in 
der Nähe ift die gejudte Stelle, 
An einer Höhe von 450 Meter liegt 
freies, ebenes Aderland auf flachem Rüden 
und der Blick trägt nördlidy bis zu den 
langen Rüden des Hod- und Soonmwaldes 
(50 km), jüdlich bis zur Lothringer und 
Elſäſſer Grenze (bis 45 km). Zwar find 
die höheren Erhebungen der vorderen Hardt 
Srenzpfeiler des Geſichtskreiſes, aber inan— 
betracht meteorologijcher Umblicke kann man 
den die Wolfenformen einichließenden Hori- 
zont mit einem Radius von 70 und mehr 
kın anjegen. Der Ausblif it fozufagen 
nirgends gehemmt, was z. B. gerade für die 
Beobahtung heran: und vorlberziehender 
Gemitter von großem Werte tit. 

Ein Fußpfad zieht in nächſter Nähe 
über die Waflerfcheide, welche Glan- und 
Schmwarzbadjgebiet trennt; eine feite Yand- 
ftraße zieht in T50 m Abftand vorüber und 
hat Pojtverfehr und Telephonleitung. Ob- 


wohl die Stadt Landſtuhl nördlih nur 
2 km entfernt (aber 200 m tiefer) Liegt, ift 
der Platz jchallfrei; daß er raudjrei ift, 
bedarf feiner Verficherung. Für Staubfrei» 
beit Hilft ein rings an den Hängen ziehen- 
der Ring von Laub» und Nadelmwald forgen. 
Der unter geringer Ackerdecke „gewachfenen” 
Sandjteinfeld zeigende Boden ift erjchüt- 
terungsfrei und troden, wierwohl in geringer 
Tiefe an beiden Hängen Wafferadern zutage 
treten. Fahrbare, ebene Wege führen hart 
am Plage vorüber dur Sulturland; die 
Entfernung von Landſtuhl und Oberarnbad) 
beträgt auf janft anjteigenden Straßen 4,5 
und 1,5 kın, die Entfernung von Bann und 
Mittelbrunn je 2,5 und 3 km. 

Die Gegend wird weitaus am häufigften 
von SW-Winden beitrichen, die allerdings 
zuzeiten den Talnebel aus den beiden an— 
liegenden Tälern über die Waſſerſcheiden 
herübertreiben, aber beiderjeits in Strömen, 
welche einige hundert Meter vom Orte 
des projeftierten Dkfervatoriums entfernt 
bleiben, fo daß deflen trodene Lage ge 
fihert bleibt. Baumaterial fann aus 1,5 
Kilometer Entfernung auf faſt ebenem 
Wege — zur Hälfte Landſtraße, zur Hälfte 
Feldweg — herbeigebradht werden. Der 
oben genannte Fußpfad dient zum aus« 
ichließlihen Verkehr der Talbewohner mit 
Landftuhl, bei ca. 400 m Entfernung vom 
Plage nahe genug zur Bequemlichkeit und 
fern genug inbezug auf rhögliche Störungen. 
Die Natur der Gegend bringt es mit ich, 
dab fozufagen ebene Streden bis zu 2 
Ktilometer Länge in drei Richtungen zur 
Verfügung ftehen, je eine von 4, 5,5 und 
6,5 km, welche insgeſamt als Baſislinien 
für verjchiedene Unterfuhungen und Beo— 
badıtungen dienen können, bejonders Linien 
von 2 und? 4 km Länge in Meridian: 
rihtung. Eine Anzuhl Punkte in allen 
Azimuten können als Anhalte zu allerlei 
Meſſungen und Kontrollen dienen. 

Sehen wir fo den inbetracht gezogenen 
Pla aus einer Summe von Tatbeftänden 
und Tatlähhlichfeiten heraus als für ein 
wiſſenſchaſtliches Inſtitut geradezu ideal 
gelegen gekennzeichnet, jo darf aud die 
Hoffnung ausgeiprochen werden, daß Ar- 
beiten, welche von einer folden Station 
unter vorzüglichen Umftänden geleiftet wür- 
den, an ſich vorzüglich und anderen gegen: 


122 


über zmwecdmäßiger, zahlreiher und wert: 
voller ausfielen. Anderswo hat man mit 
Koſten, welche nur die Opfermilligfeit ein- 
zelner Stellen und Privaten aufbringen 
konnte, weil ein laufender Betrieb für Staat 
und Gemeinden allein zu koſtſpielig ge- 
worden wäre, Hochobſervatorien für ge 
wiſſe Zweige der aſtronomiſchen Be— 
obachtung und zur temporären Be— 
nützung angelegt, wo mit Unterbrechungen 
gearbeitet wird: jo in Frankreich (Pic du 
Midi), Stalien (Ätna), Amerifa (Mt. Wıth- 
ney u. a, Orte) für hauptſächlich aftro- 
nomifche Studien, und auf dem Säntis, 
der Bugfvige und dem Sonnblid für rein’ 
meteorologijche Zwecke. Alle dieſe Ortlich- 
feiten haben in jeder Beziehung bedeutende 
Schmwierigfeiten im Gefolge, welche bewirfen, 
daß die Mejultate der dort gepflegten Unter: 
fuhungen weder qualitativ, was doch 
zu erwarten wäre, no quantitativ, was 
auch natürlıch erjchiene, in einem einiger- 
maßen befriedigenden Berhältniffe zu dem 
finanziellen Aufwande für die Inſtitute und 
zu dem phyſiſchen und moraliſchen Sraft- 
aufwande ſeitens der in die Verbannung 
geſchickten Beobachter ftehen. Das ift nicht 
zu ändern und wäre noch jchlimmer, wenn 
man in noch bedeutendere Höhen ftiege, 
wo die Unzugänglichkeit, die Unmohnlicfeit, 
die Kälte und die atmoſphäriſchen Gemalten 
nod) geiteigert zu finden find. Mit einem 
ganz Eleinen Bruchteile des Aufwandes 
für eine jo erponierte Warte wäre in 
unferem Sinne auf der Gidinger Höhe 
eine Forichungsftätte zu begründen, die ab- 
jolut frei wäre von all jenen Unbilden der 
Gipfelitationen und nur wenig hinter 
ihnen zurüdjtehen würde inbezug auf die- 
jenigen atmoſphäriſchen Verhältniffe, derent- 
wegen man die jchwierigen Beranftaltungen 
getroffen bat. Warum geht man denn 
überhaupt in große Höhen? Doch des- 
wegen nur, damit ein weſentlicher Teil 
der DHinderniffe aus dem Wege geräumt 
jei, die in der Dichte, dem Dunft- und 
dem Staubgehalte der Yuft begründet find, 
Nun liegen die Berhältniffe praftiich fo. 
dab man eine mweientlide Eliminie- 
rung der Hindernifje nur mit ganz 
erorbitanten Leiſtungen erfaufen 
fann. Will man nur ein Drittel der 
Dichte oder des Drudes der Luft aus» 


ichalten, jo muß man jchon in gut 3000 m 
Meereshöhe auffteigen; und ganz Europa 
mit dem Raufajusgebier hat feinen 
Gipfel, der mehr als die Hälfte der 


Dichte Überwinden ließe. Andererſeits aber. 


iſt der Umſtand jehr erfreulih, dab die 
feſten Moafjenteildhen, welche die Klarheit 
unſerer Atmoſphäre 
ſchaftlichen Studien hinderlich werden, eigent 
lich nur in den allerunterſten Schichten 
ſchweben und daß man ſich demnach nur 


in mäßige Höhen zu begeben braucht, 


um annähernd die günftigen Verhältniſſe 
anzutreffen, wie fie in gang weſentlich 
größeren Höhen durchaus nicht wejent- 
lih bejier zu finden find, Daher find 
Hochebenen von mäßiger Erhebung vorzu: 
zichen, beionders wenn fie von Tälern durd)- 
furdt find, welche den Maſſenteilchen von 
höherem fpezifiihen Gewichte geftatten, 
noch tiefer zu bleiben. Damit foll natür- 
lich nicht gejagt fein, daß auf der meft- 
plälzifhen Höhe dasſelbe geleifter werden 
könne, wie etira auf der merifanifchen oder 
peruaniichen Hochebene; aber was in diefen 
erotischen Regionen nit jo gar viel 
beijergemadht wird, Eoftet vielleicht 
bunderrmal joviel Geld, ald wenn es 
etwa bei und gemadt würde, und das 
ift der fpringende Bunft; darum eben 
eignet ſich unjere Sidingerhöhe 
vorzüglih für eine Beobadtungs- 
ſtation. 


In welchem Umfange die Tätigkeit 
eines derartigen Obſervatoriums entfaltet 
werden kann, bedarf noch eingehender Dar— 
legung. Die Überzeugung von der ſeltenen 
Gunſt ſeiner Lage bedingt die Ausdehnung 
des projektierten Arbeitsprogramms auf alle 
Zweige der Forſchung, welche hier in ver— 
mehrtem Maße wertvolle Reſultate zu 
gewinnen hoffen. In erſter Linie kommen 
da diejenigen Forſchungsarten inbetracht, 
deren Materie innerhalb der Erdatmoſphäre 
und jenſeits derjelben, im Weltraume liegt, 
aljo die Aftronomie und die Meteoro: 
logie, Weniger megen der gewöhnlichen 
Verbindung beider Wiſſenſchaften mit Unter- 
ſuchungen terreitriicher Natur, als weil die 
gegebenen Umftände einer Hereinbeziehung 
auch vornehmlich ſeismologiſcher und erd— 


123 


trüsen , und millen: : 


find, wäre aud der Erdbebenforihung mit 
ihren Unterzielen und der Überwachung 
der magnetiſchen Elemente ein fruchtbarer 
Boden angewieſen. Nicht al® ob derartige 
Studien getrieben werden müßten; aber 
ed wäre erwägenswert, ob man nicht im 
befondererr Ausnahmefalle die gebotene Ge— 
legenheit fruktifizieren wollte! Heute be» 


| kommt jedes durch Telegrapy oder Tele: 











magnetifcher Beobachtungen bejonders glinftig 


phon mit der betriebjfameren Welt ver- 
bundene Dörfchen in ganz Deutjchland von 
Staatsmwegen ein Beitfignal, welches ihm 
die genaue mitteleuropäiihe Zeit über- 
mittelt. Wenn man darauf ichon jo großes 
Gewicht legt, jo bedarf e8 aud feiner 
weiteren Worte, um das öffentliche Intereſſe 
an Himmels und Witterungsbeobadhtungen 
zu begründen. 

Die Sidinger Höhe hat im Norden eine 
breit ausladende Vorſtufe, die ſich mit faft 
horizontaler Oberflähe bis hart an den 
Rand des einftigen Moorbruches erjtredt 
und fteil zu ‚diefer Ebene abfällt. Auf der 
Endigung diejer Terrafje unmittelbar über 
der Stadt Landjtuhl befindet fich in 130 m 
relativer Höhe feit dem Sommer 1895 das 
planetographiiche Privatobjervatorium des 
Verfaſſers. Iſt dieje Lage auch beichwerlich 
und für gemiffe Arbeiten, melche ftunden- 
lang in gleichen Zeitabjchnitten fortgejegt 
werden jollten, ein direktes Hindernis, be— 
fonders in den jtrengen Wintermonaten, jo 
war fie doch zur Gemwinnung wertvoller 
Rejultate unumgänglich nötig, und die Er- 
fahbrung hat die Borausjegungen 
glänzender geredtfertigt, als nur 
zu erhoffen war. Es bejteht aber Die 
begründete Hoffnung, daß eine Warte am 
projeftierten Orte, der fi 2,5 km jüdlicher 
und noh 70-75 m höher befindet, noch 
wejentlich günftigere Berhältnijie 
ausnügen könnte. Haben die Unterjuchungeu 
am Wonde (vergl. des Verfaſſers Bud 
„Was wir vom Monde willen”, H. Hillger, 
1906) und an den Planeten, ganz bejonders 
am Planeten Jupiter, weitgehende Schlüffe 
auf die wahre Oberflächenbejchaffenheit und 
Aufflärungen bezüglich ihrer kosmiſchen Ge— 
ſchichte gezeitigt, ſo dürften diefe Rejultate 
unter beijeren Umftänden, zumal vielleicht 
bei Anwendung eines nod) leiftungsfähigeren 
Inftrumentes übertroffen werden, fo daß 
die Grenze überjchritten würde, jenjeits 


welcher gerade die fosmologiich jo hochwich⸗ 
tigen Erfenntnijje zu erwarten find. Das 
Biel der diesbezüglichen Arbeiten hieße auch 
fernerhin: Genauefte Erforihung der Zur 
ftände und Borgänge im Bereiche gewiſſer 
bejonders interejjanter Mondgegenden und 
auf den Planetenoberflächen, damıt die ver- 
wandtichaftlihen Beziehungen diejer Fami- 
lierglieder des Sonnenreihes und ihre 
Schöpfungsgeihichte immer deutlicher er- 
fannt würde. Um die vorzüglichen Be» 
dingungen des Platzes auszunügen, wären 
auch die Planeten Venus, Merfur und wohl 
auch noch Uranus in das Programm ein- 
zubeziehen. 

Dem Laien könnte es fcheinen, als jei 
die Erwartung jo ganz erquifiter Rejultate 
auf einen vielleicht wohl verftändlichen, aber 
nicht gerechtfertigten Optimismus des Ver— 
faffer8 zurüdzuführen. Die Dinge liegen 
aber ganz andere. Der Laie folgert ja 
ganz richtig: Das Landftuhler Fernrohr ift 
16,5 cm did, das Lie oder Nerkesfern: 
rohr 6 mal jo groß, folglich leiſtet e8 auch 
6 mal joviel — und doch ift diefe Anihauung 
fo faljch, als nur jemals eine fein konnte, 
wenn jie nur auf der formell richtigen 
Schlußfolgerung beruhte. Um aud ?en- 
jenigen, welche nie Gelegenheit zum Beob- 
achten mit einem aftronomiihen Fernrohre 
hatten, einen drajtiichen, aber in dieſem 
Falle ganz zutreffenden Vergleich anzufüh- 
ren, wolle man die folgenden beiden Sätze 
vergleichen: Ein Hammer von 50 g Gewicht 
fteht dem Goldarbeiter trefflih zur Hand; 
ein folder von 300 g Gewicht muß ihm 
6 mal jo bequem und zmwedmäßig fein. 
Jedermann fieht ein, dab die FFolgerung 
nicht zutrifft, weil es nicht auf die Wucht, 
fondern auf eine zweckmäßige Feinheit der 
Wirkung anfommt. Genau ebenjo iſt e8 
bei den Fernrohren. Wenn man mit Hilfe 
der modernen WRiejeninftrumente bis zu 
20 m Länge in allen Zweigen der 
ajtronomiihen Forſchung in gleichen 
Verhältniffen mehr leifien könnte als mit 
fleinen Mitteln, dann wären dieje legteren 
zur erniten Arbeit untauglih und über- 
flüſſig. Die Praris hat in den legten zehn 
Jahren deutlicher als früher das entjchei- 
dende Wort geiprochen und die planeto- 
graphiichen Arbeiten, welche an Fernrohren 
von nur 16—20 cm Öffnung geleiftet wur« 


124 


— 


den, übertreffen faſt durchweg diejenigen, zu 
deren Erledigung viel größere Rohre ver- 
wendet wurden. Es kann heute fein Kweifel 
mehr darüber beftehen, dak ein aftrono» 
mifches Fernrohrobjektiv von 25—30 cm 


lihtem Durcdmefjer in den Händen eines 


erfahrenen Beobadhters und am rechten Orte 
in der Anwendung auf Blaneten von feinem 
großen Inſtrumente übertroffen wird, 
Aus diefem Grunde und infolge langjähriger 
praftiicher Erfahrung hegen wir die Hoff- 
nung auf einen wejentlichen Fortſchritt in 
der Blanerographie, wenn es gelänge, auf 
der Sickinger Höhe die entipredende Ein» 
richtung zu treffen. Das will joviel heißen, 
daß ein folches, wenn äußerlich auch noch 
jo bejcheidenes Inſtitut imftande wäre, in 
feinen Leiftungen vorbıldlid für alle 
Sternwarten der Erde zu werden, 
welche das gleiche Feld bearbeiten, wie auch 
vor erft menigen Jahren die beicheidene 
Privatiternwarte des jeßigen VBorftandes der 
aftrophotographiichen Hälfte der Sternwarte 
Königsituhl, Hofrates Prof. Dr. M. Wolf, 
vorbildlich geworden ift für alle ähnlichen 
Sternmwarten, obwohl fie damals inmitten 
der Stadt Heidelberg mit zahlreichen Hin- 
derniljen zu kämpfen hatte. Wir betonen 
dieje Bunfte den Laien gegenüber, weil hier 
Berhältniffe inbetracht fommen, wie fie nur 
praftifche Erfahrung betätigen und würdigen 
lernt. Wie in einer Dynamitpatrone eine 
gewaltige Kraft konzentriert liegt, welche in 
weiſer Hand viel Nütliches vollbringen 
fann, jo jchlummert gewiſſermaßen aud in 
dem optiihen Wundermwerf, welches das 
aftronomische Fernrohr in der Tat ift, eine 
erjtaunliche Kraft, deren Nugbarmahung 
freilid nur wenigen, von der gütigen Natur 
Bevorzugten gelingt, denn das altronomilche 
Feinjehen, welches für planetographiiche 
Erfolge unerläßlih ift, fan zu einem 
großen Teil niemals „durd Übung“ erwor- 
ben werden, weil e8 auf einem phyfio- 
logifhen Zuſtande der Nephaut des 
Beobadters beruht. „Das Fernrohr madıt 
den Beobachter”, gewiß! Uber der Beo- 
bachter macht die Entdefungen, und es gibt 
genug Fadhaftronomen, melde ın ihrem 
ganzen Leben nicht die wahren BZuftände 
auf den Oberflähen der Planeten fennen 
gelernt haben oder hätten fennen lernen 
fönnen; es gibt ja auch eine fehr große 


— 15 — 


Anzahl „Farbenblinder“ oder „Ihmwer- 
höriger“ Menſchen. 

Bei der großen Wichtigkeit, welche heute 
allen Naturvorgängen beigelegt wird, die 
in ihrem wechſelnden Verlaufe eine deutliche 
Abhängigkeit von dem großen NRegulator 
unjerer engeren Welt, der Sonne, befigen, 
wird ed in Bufunft immer wichtiger jein, 
wenn alle Veränderungen auf dem befannt- 
lich nicht fleckenloſen Angefichte der Sonne 
recht ausgiebig überwacht werden, Ein 
DObfervatorium von der geichilderten Ten- 
denz entzieht fich natürlich einer folchen 
Aufgabe um fo weniger, als die betr. 
Arbeiten graphiiher Natur nur ein 
Seitenftüd zu den übrigen, auf die Planeten 
bezüglichen, bilden. Tägliche Aufnahmen 
der Sonne, joweit es die Witterung zuläßt, 
wären demnach ein jelbitverftändliches Biel. 

Auch die Überwahung des Licht. 
wecdhjels veränderliher Sterne ift in 
der letten Zeit zu einem dringlichen Be- 
dürfnis geworden. Die Zahl der veränder: 
lihen Sterne ift in ungeahntem Maße ge: 
ftiegen und die Theorie des Berlaufs der 
Lichtkurven und gar die Theorie der Bari: 
ablen überhaupt ftedt nod in den Sinder- 
ihuhen. Auf diefem Gebiete ift noch eine 
Menge Beobadhtungsmaterial zu jammeln, 
und wenn eine gemwifle Befriedigung über 
den Stand der Dinge nicht gerade geleugnet 
werden kann, fo hat man privaten Be: 
mühungen einen guten Zeil des VBerdienftes 
daran zu verdanfen. indem nun Reinheit 
der Quft, Freiheit von Nebeln und ftören- 
den Lichtquellen, häufigere Klarheit im all» 
gemeinen die Signatur der Höhenlage ift, 
jo erfcheint diejelbe auch zur Beobachtung 
veränderliger Sterne vorzüglich geeignet. 
Nicht minder leicht find in durchfichtiger 
Luft Beobadhtungen des Tierfreislichtes 
und feiner Begleitericheinungen (Brücken, 
Bänder, Strahlen oder Lücken, Gegenſchein) 
zu gewinnen. Daß ſolche Unterfudungen 
nit von geringem Gewichte wären, geht 
aus der Tatſache hervor, daß über das 
Wejen und die kosmiſche Rolle diejer Er- 
Iheinungsformen noch gar nidts Sicheres 
befannt ift und fie zweifeldohne kosmologiſch 
hochintereſſante Probleme darftellen. Die 
gewöhnlichen Stationen, welche der Him- 
melsfunde dienen, eignen fich nur jelten zur 


duftiger Ericheinungen, weil die Erleuchtung 
in den Städten und um dieſelben her zu- 
viel ftörende Helligkeit verbreitet, als daß 
3. B. die Grenzen und Intenſitätszonen des 
Tierkreislichtes mit wiffenichaftlich erforder- 
liher Genauigfeit feftftellbar wären. Auch 
das Studium des Phänomens der Mild- 
ftraße ift noch lange nicht als abgeichlofjen 
zu betrachten und bietet im allgemeinen die 
gleihen Schwierigkeiten, fände aber am 
beredeten Drte bejte Gelegenheit zu wert⸗ 
vollen Unterfuchungen. 

Wir Haben ſchon meiter oben durch 
Bezugnahme auf die Bermittelung der 
mitteleuropäifcdhen Zeit angedeutet, daß das 
geplante Obfervatorium einer bejcheidenen 
Einrihtung zur Zeitkontrolle bedürfe, 
Der Befiß einer aftronomifc genauen Zeit: 
angabe ift einerjeits ein weſentliches Er— 
fordernis für manderlei Beobachtungen, 
die jonft nur geringen Wert hätten, anderer: 
feit8 wird man die mohltuende Sicherheit 
in diefer Hinficht gerne auch ſolchen Er« 
eigniffen gegenüber nußbar machen, welche 
zahlreich vorfommen und bequem im Rah» 
men der Hauptarbeiten mitgenommen werden 
fönnen. Daß Mond und Sonnen 
finfternifje das gebührende Intereſſe 
finden, wenn fie nur nad Tagesftunde 
und Witterung zugänglich find, ift natürlich; 
aber auh Bedeckungen von Firfternen 
durch den Mond oder durch Planeten müß 
ten beobachtet werden und die im Jupiter- 
ſyſteme vorfommenden vielhundertfachen 
Fälle von Borübergängen der Trabanten 
vor der Scheibe des WPlaneten, ihr Ber- 
Ihwinden Hinter derjelben, ihre Berfinfte- 
rungen im Supiterjchatten und ‚die Vor: 
übergänge der Mondesichatten auf der 
Scheibe wären jo interejjante, als wichtige 
und dankbare Anläffe zu präzifen Felt 
ftellungen. 

So märe denn dad Programm der 
aftronomijchen Abteilung einer pfälzifchen 
Hochwarte reichlich bejegt; wenn es aud 
allzu vielfältig erjcheinen jollte, jo muß 
man doch bedenken, daß eine ganze Gruppe 
gleichartiger, technisch verwandter und zeit 
ih und örtlich benachbarter Tätigkeiten 
dabei einbegriffen ift, daß die einzelnen 
Aufgaben fich periodiich abzulöfen pflegen 
und daß gerade die peinlichen, umftändlichen 


Gewinnung von Daten bezüglich fo feiner, | Mikrometermeflungen, eine ſpezifiſch fach 


4 


— 16 — 


männifche Betätigung an offiziellen Stern- 
warten, mit Abficht und guten Gründen 
außer Acht gelafjen worden find. 

Das meteorologijhe Programm 
ift ähnlich vollftändig zu denfen. Die aus« 
ichließliche - Beftimmung einer erponierten 
Warte zur Gewinnung von jachlichen Grund 
lagen für jpätere theoretiſche Folgerungen 
bedingt eine Bieijeitigfeit innerhalb der 
meteorologiihen Spezialziele und eine 
Gründlichkeit in der Grmittelung der 
Elemente dieſer Forſchungszweige, welche 
naturgemäß nur von menigen derartigen 
Unftalten verbürgt werden fünnen. Indem 
wiederum nur Straßburg, Karlsruhe und 
Heidelberg und in weiterem Umfreije gegen 
Weiten nur Meg und Trier inbetradht 
fommen, faın man ermeijen, von welcher 
großen Bedeutung eine Wetter 
ftation I. Ordnung in bevorzugter Page 
an dem geplanten Orte werden müßte. 

Die Yuftdrud- und Temperatur 
mejlungen geſchehen mit Rückſicht auf die 
wünſchenswerte Vollftändigfeit ihres Wertes 
und wilfenjchaftlichen Gehaltes ſowohl fort« 
laufend durch automatische Regiſtrie— 
rung, als zu mehreren, beftimmten Tages— 


zeiten an Präzifionsinftrumenten durch 
direfte Ableſung, melde die Drud- 
und Temperaturkurven £ontrollieren. Auch 


der Grad der Yuftfeuctigfeit kann 
in diejer Weiſe ermittelt werden. Inbezug 
auf die Sonnenfstrahlung (Rlarheit und 
Durchlichtigfeit des Himmels) werden Auf: 
zeichnungen mit dem Sonnenicheinauto- 
graphen und aftinishe Meflungen im Ber- 
eine mit Beobachtungen der Bewölkung 
und Verjchleierung des Himmels die nötigen 
Angaben liefern und in diejer Richtung 
find Aftronomie und Meteorologie in gleicher 
Weile an den Stonftatierungen interejliert. 
Die Art und Dichtigkeit der Wolfendede 
fann auf höchſt bequeme und zuverläjlfige 
Weile mit Hilfe eines Wolfenpanoramas 
und freier Beobachtung feitgeitellt werden, 
in erfterer Form zugleidy die Zugrichtung. 
Beſondere Beranftaltungen zur regelmäßigen 
Beitimmung von Wolkenhöhen mürden 
das Programm mejentlih im Werte er 
höhen. Windridtung und geſchwin— 
digfeit find automatiich zu regijtrieren 
und bei fräftigerem Zuge auch dadurch 
ausjnbeuten, 


 abnahme nad) aufwärts bringen. 


durch Dradenaufftiege aus größeren 
Höhen herab Kunde von der Temperatur: 
Gerade 
hiefür wäre güuftigere Gelegenheit geboten 
als vielleiht an vielen anderen Orten. 
Die Menge und Form der Nieder- 
ichläge ergibt der Regenmeſſer, die Dide 
der Schneedede oder Lage des Hagels, deu 
Grad derjelben die Dauer der Regen und 
Schneefälle. Die Tiefe des Eindringens 
von Megenmwafler, die Dauer der ober 
flächigen Bodenfeuchtigfeit, die Tiefe und 
der mechielnde Stand des Grundmwajlers, 
die Ergiebigkeit und Temperatur der nahen 
Quellen zu beftimmten Beiten, etwa am 
Monutsbeginn, wären Fälle von genügendem 
ntereffe, um den Gang der wäjlerigen 
Erſcheinungen tiefer zu erforichen. Es jei 
nur im Zuſammenhange damit erwähnt, daß 
die optifchen Phänomene — Regenbogen, 
Höfe um Sonne und Mond mit ihren Be: 
gleitericheinungen, Halobildungen, Biſhop— 
iher Ring, Düämmerungsanomalien, aber 
auch die leuchtenden Nachtwolken des Hoch— 
jommers und die Polarlidter — gleihfalls 
bier einichlägig find. Der Gemitter: 
und Sturmbeobadtung ilt am pro- 
jeftierten Orte um fo mehr Aufmerkjam- 
feit zu ſchenken, als nicht nur lofule Er: 
eignilfe inbetradht fümen, jondern dem 
freien Ausblicke zufolge Gewitterzüge über 
dem Rheine, über dem Hunsrück und in 
der Gegend vor dem Donon unter Um- 
ftänden der unmittelbaren Beobadtung, 
fiher aber mittels des Gemitterfernmelders 
zugänglich wären. ortwährende Bejtim- 
mung der Intenſität der Qufteleftrizirät 
ift bloß zu nennen. 

„Zwiſchen Himmel und Erde” gibt es 
Geſchehniſſe, welche heutzutage noch völlig 
als innerhalb der Atmoiphäre vor Nic 
gehend betrachtet werden, obwohl man mit 
guten Gründen auch anderer Meinung jein 
kann; das find die Meteorfälle und 
Sternfhnuppenphänomene. Üritere 
find zwar jelten, aber an fich jo interefjant, 
daß ein phänologifches Dbjervatorium fi 
der Sicherung ſolcher Zufälligkeiten nicht 
entziehen fann; leßtere erfordern heute 
mehr als je fachmännische Überwachung, 
denn Soviel man auc über das äußere 
Auftreten der flüchtigen Gäſte erfannt haben 


daß Wegiftriertherinometer | mag, jo dürftig ift unjer Willen über die 


— 127 — 


fosmiihe Rolle zahlloſer Stleinförper um 
die Sonne, 

Gehen wir zur Geophyſik und Geo» 
dynamif über, jo darf man mohl aud 
eine gewiſſe Sorte Refraktionserſchei— 
nungen — horizontale Refraftion auf 
etwa 10—15 km Entfernung und jolde 
am Horizonte betrefjs der Sonne oder ger 
wijler glänzender Sterne — hier einbe» 
ziehen. Die Abweichung der jeweiligen 
Lotlinie von einer mittleren Normalen 
ift leicht und zuverläffig nad; Abbejcher 
Methode beftimmbar, bejonderd an einem 
erjchütterungsfreien Plate. Dieſer eignet 
fih, wie eingangs jchon bemerkt, gleichzeitig 
für die Aufitelung von Seismometern 
. zur Regiftrierung der Horizontal- und VBer- 
tifalintenfität. Schließlich böte eine Menge 
bequemer und gut verteilter Marken in 
allen Wzimuten Gelegenheit, erdmagne: 
tifjhe Meſſungen und Bergleichungen 
mit Erfolg auszuführen. Cie fänden ober: 
irdiich in einem Holzhäuschen eine pafjende 
Stätte, während die Anftrumente für die 
Erdbebenforfhung im Felögrunde unter dem 
Niveau der Umgebung zu fundieren wären, 


Damit mögen die programmatijchen 
Andeutungen in groben Umrifjen gegeben 
fein. Es ift nicht zu leugnen, daß damit 
dem geplanten Inſtitute eine jeltene Biel- 
jeitigfeit imputiert wird, zu welcher die 
ebenfall8 geplante relative Einfachheit 
der Ausjtattung und des Betricbes in einem 
BWiderjpruche zu Stehen fcheint. Aber man 
wird zugeben, daß da und dort eine Öruppe 
von Arbeiten zufammengefaßt werden fann 
und daß einige gar nur als Sontroll 
beobadhtungen anzujehen find und nach feiner 
Richtung Hin einen nennenswerten Auf: 
wand von Zeit und Mühe verurſachen. 
Einem ernften, für feine Wiſſenſchaft 
lebenden Beobachter verläuft das kompli— 
zierte Bild der verjchiedenartigen Erſchei— 
nungen immerhin in einer Slette verwandter 
Glieder, jo daß die Behandlung des jeweils 
Wichtigen und Gharafteriftiichen in den 
Vorgängen, aljo die Technik des Beobad)- 
tens, zu einer aus dem perjönlichen Inte— 
reſſe herauswachſenden Handlung wird, 
Freilich kann nicht eine Perſon allen An- 
forderungen gerecht werden und es wären 


batoren ind Auge zu fallen, die unter Um— 
ftänden auch jeismologifche und erdmagne- 
tiiche Arbeiten nebenher bejorgen würden, 
Auch ift der Gedanfe nicht abzumeijen, 
daß Hiliskräfte zeitweije oder zu gewiſſen 
Jahreszeiten oder überhaupt im Turnus 
in Geftalt von Bolontären zu gewinnen 
wären, 

Was das Inſtrumentarium anlangt, jo 
fann für die aftronomijche Abteilung der 
Nefraftor, das Hauptfernrohr der Land— 
ftuhler Sternwarte als vorhanden betrachtet 
werden. Das Inſtrument von 163 mm 
freier Öffnung ift zur Not ausreichend; 
aber wie jchon eingangs bemerkt wurde, wäre 
ein merflich ftärferes Hilfsmittel, welches 
foftiih die weit hinausgeſchobene 
Grenze des heute Bekannten inbezug auf 
die Mondfläche und die Planeten mit gutem 
Erfolge zu überjchreiten gejtattete, im Hin: 
blick auf das, was der bejchreibenden Aftro» 
nomie not tut, gewiß wünſchenswert. Gin 
Objektiv von 23 cm 3. B. würde nad) Maß 
gabe feiner lichtauffangenden Fläche und 
der ermöglichten jtärferen Vergrößerung ge- 
nau doppelt jo ſtarke Wirkung erzielen laffen, 
was vorerft völlig genügen dürfte. Sm 
übrigen erfordert das Programm einige Hand- 
fernrohre von abnehmender Größe, die jo: 
wohl transportabel, als zu verſchiedenen 
Zwecken geeignet wären, einen Brismen- 
teldftecher zu Beobachtungen veränderlicher 
Sterne und eine Einrichtung zur Gewinnung 
zuverläffiger Zeitangaben, Ein Silber- 
ipiegelfernrobr von 175 mm Offnung. fteht 
ebenfalls in vorzüglider Qualität zur Ber- 
fügung. Als Nebenapparate mwären- er: 
wünſcht und zu dem Hauptinftrumente ge— 
börig: ein SHeliosfop für die laufenden‘ 
Sonnenbeobadhtungen, ein Eleines Spef- 
trojfop, ein einfaches Photometer, ein Fleines 
Ofularmitrometer und Ring- oder Kreuz— 
ftabmifrometer. Ein Raum mit einer 4 m 
großen Drehtrommel würde den Nefraftor 
und den Beitapparat aufnehmen, ein ein- 
fadherer Raum den Nefleftor und event. die 
tragbaren Inſtrumente. 

Für die meteorologiichen Ableſungen 
wären außer automatischen Drud:, Tem 
peratur- und Feuchtigkeitsmeſſern die ent: 
Iprechenden Quedjilberbarometer und Ther— 
mometer nötig, ferner die für die Nieder: 


wenigſtens zwei Spezialiften als Obſer« | ſchläge, Bewölkung, Yuftbemegung, Inſolation 


— 18 — 


und Gleftrizität gemünzten Einrichtungen | erwieſen bat, wieweit das Intereſſe 
üblicher Art. Es ift fein Zweifel, daß das | der Pfälzer an der praftiihen För- 
geplante Inſtitut in allerfürzefter Beit Be- | derung der Naturforfhung reicht, 
weije liefern würde, daß der vergleichsweife | ob es ſich nicht lediglih in plato- 
geringe finanzielle Aufwand bei feiner Yn- | nifher Liebe zur Buchgelehrſamkeit 
ftandfegung reichliche Zinfen in Geftalt von | genüge tut und feine verfügbaren 
wiffenichaftli wertvollen Arbeiten tragen | Kräfte im Kampfe gegen widrige 
würde. Alle näheren Fragen befommen | Umftände erlahmen läßt. 

aber erft dann eine Bedeutung, wenn es ſich 


Horkommen des Wolfes in der Pfalz. 


3. Nod im fpäten Mittelalter war der | und entvölferten, nahm das Raubzeug der- 





Wolf, obwohl er eigentlich mehr ein Steppen« | art Überhand, dab das Oberamt Yautern 
tier ift, in unferen pfälzifchen Wäldern ein , 1713 den Adolf Weifenauer als Wolfs- 
ftändiger Gaft; er wurde gemwöhnlid in j jpürer annahm. Nach den von Herrn Küchler 
Gruben gefangen, an welche fi die Er- | herausgegebenen Ratsprotofollen von Sai- 
innerung ſowohl in der Bolksfage, wie | jerslautern finden wir den Genannten 1718 
aud in den Namen mancher Walddiftrifte | als ftädtifchen Wolfsfänger. Nah 1737 
wie Wolfsgrube, Wolfsloch, Wolfskaut ujw. | mußte die Stadt in ihren Wäldern zur Ber- 
erhalten hat. So erwähnt der kurpfälzifche | tilgung des Raubzeuges Gruben anlegen 
Forftmeifter Velmann in feiner Bejchrei« | lafjen; die Hirten wagten fi nur bewaff- 
bung des Neichslandes bei Kaiferslautern | net mit ihren Herden in den Wald. Troß 
bom Sabre 1600 auf der Mühlhöhe am | wiederholter Eingaben tat die furpfälziiche 
der Schwedelbaher Grenze 3 Wolfsfauten. | Regierung wenig für die Ausrottung der 
Gegen das Überhandnehmen der Wölfe | Wölfe; für fie mar es wichtiger, das Wild 
richtete fih ein in den Mannheimer ®e- | ungeftört zu lafjen als auf die Wölfe Jagd 
ichichtsblättern für 1903 S. 276 abge» | zu maden. Gründliche Remedur bradıte 
drudter Erlaß des Aurfürften Karl Ludwig | erft die franzöfiiche Revolution, als die durch 
vom 18. November 1658 an die pfälziichen | ſchweren Drud lange niedergehaltenen Bürger 
Oberämter: „Wir feind glaubhaftig berichtet | und Bauern in berechtigter Selbfthilfe nicht 
worden, dab die Wölf fih Hin und ber | allein mit dem die Felder verwüftenden Wild, 
häufig jehen laffen und unferen Unterthanen | jondern auch mit dem Raubzeug gründlich 
nicht wenig Schaden zufügen; ift derowegen | aufräumten. Gleichzeitig mit dem Hirſch 
unfer gnädigfter Will, daß allen unferen | verſchwand aud der Wolf im Anfang des 
Unterthanen Wölf zu fchießen, zu fangen | 19. Jahrhunderts aus den Wäldern unferer 
und tot zu fchlagen und einem jeden dafür | Heimat. Der lette Wolf auf dem Dauben- 
die Haut für fih zu behalten erlaubt zu | bornerhof bei Enfenbacd wurde von meinem 
fein bedeutet werde, hergegen aber aud | Großvater Georg Häberle ungefähr 1803 
unfer gnädigfter und ernfter Befehl, daß | erlegt; das im Laufe der Zeit ziemlich ftruppig 
Ihr wohl beobachten follet, daß unter diefer | gewordene Fell wird wohl heute noch in 
Prätent kein Wild gejchoffen oder gefangen | meinem Elternhaufe als Trophäe aufbe- 
werde.“ Der Chroniſt Qucä, der 1663 in | wahrt werden. Spuren ehemaliger Wolis- 
Heidelberg ftudierte, jah in diefem Sabre | gruben finden fich heute noch zwiſchen der 
auf einem Ritt von Speyer nach Heidelberg | Eſelsfürth und Enkenbach links ven der 
mebrere Wölfe, die ihn heulend verfolgten. | Stumpfwaldftraße in den Walddiftriften 
infolge der ftändigen Kriege, welde im | „Schwarzfehr und „Egersberg.“ 


17T. Jahrhundert unfere Pfalz verwüfteten D. Häberle, k. Rechnungsrat. 
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiſerslautern. 


Für Form uad Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


Die „Pfalzliche Helmattunde“ Toftet jährlich In 12 Heften at. 2.50. Befellungen werben von allen Buchhandlungen und 
Pohanftalten ferner vom Berleger (Vortofreie Streifbandiendurg) angenommen. 


Nummer ii 


PALZISCHE FIEIMATKUND 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


EMANNREICA: 





November 1906. 


9 


Zur pfälziſchen Kartenkunde. 


Bon D. Häberle, Kaiſerl. 


Gute Karten ſind für den, der ſie leſen 
fann, wichtiger als gute Lehrbücher. Ein 
richtiges Verſtändnis wird aber einzig und 
allein durch den fteten Vergleich mit der 
Natur erreicht und bei jedem Ausflug joll 
dad beite und genauefte Startenblatt der 
Gegend unſer Begleiter fein: denn nur jo 
vermögen wir uns mit der Darftellungs- 
weiſe, der Abihätung der Entfernung, dem 
Höhenunterjchied und dem Böſchungswinkel 
in den Brofillinien vertraut zu machen und 
auf Grund unferer Wahrnehmungen eine 
Vorftellung von der Lage, der Form und 
den Dimenfionen der verjchiedenen Teile 
der Erdoberflädhe zu geminnen. 

Bejonders für die Heimatkunde und 
Heimatforfhung find gute Spezialfarten 
ein umentbehrliches Hilfsmittel!) und id 
glaube vieljeıtigen Wünſchen zu entiprechen, 
wenn ich nachitehend ein Verzeichnis der 
für unfere engere Heimat in Betracht 
fommenden wichtigeren Starten unter An— 
gabe der ungefähren Breife?) und der Be— 


) Eine gute Anleitung zur Benügung der 
Karten für diefe Zwecke gibt der Herausgeber 
der „Deutfhen Gaue“ Gurat Frank „Braktiiches 
Handbücdlein für den ——— l Terrain: 
forihung“. 48 ©. aufbeuren 1903. WBreis 
0,80 Mt. Selbjiverlag des Berfallerd. Grails 
Doppelheft Nr. 15 und 16 des IV. Bandes der 
„Dentfchen Gaue“. 

», Die Preife der Karten jind in den geo» 
graphiſchen Handbüchern verjchteden angegeben 
und daher nur annähernd. 


Rechnungsrat, Heidelberg. 


zugsquellen zujammenftelle; wie ich aus 
eigener Erfahrung weiß, find gerade letere 
noch vielfach wenig befannt. 

Je nad) der, durch ihren Hauptinhalt 
gekennzeichneten Beitimmung lafjen fich fol- 
gende Gruppen unterjcheiden, wobei ich die 
Plan: und Flurfarten zu den topographijchen 
Sarten ftelle: 


l. Topographiſche Karten. 


1. Im Buchhandel zu haben. 


a) Topographifche Weberfichtsfarte des 
Deutſchen Reiches, herausgegeben von der 
Kartographiichen Abteilung der Kgl. Preuß. 
Landesaufnahme mit Höhenkurven (frühere 
Reymann’sche Karte). Kupferſtich im Maß: 
ftab von 1:200000. Blatt 149 Trier, 
150 Mainz, 151 Darmftadt, 159 Saar: 
brüden, 160 Landau, 161 Karlsruhe, 169 
Straßburg; das Blatt zu 1,00 bezm. 
1,50 ME. 

Dieje Karte jomohl wie die im Er 
icheinen begriffene Höhenjdichtenfarte von 
Bayern?) ım Maßftab 1: 250000 und die 
Ravenftein’sche Karte der Pfalz im Maßſtab 
von 1: 170000 (6 Blätter) find Lediglich 
Ueberfichtsfarten und fommen daher für 


») Näheres über diefes muftergültige Karten— 
werk findet fid, auf ©. 112/113 d8. Jahrganges. 
Schulwandfarten, Handfarten für faufmänniiche 
und Verkehrszwecke, ſowie Uberfichtöfarten habe 
ih abfichtlich nicht in den Kreis der Betrachtung 
gezogen. 


ipeziellere Zwecke der Heimatkunde weniger in 
Betracht. Die Ravenſtein'ſche Karte hat in 
der 3. Auflage von Heujers Pfalzführer 
Aufnahme gefunden. 

b) Karte des Deutjchen Reiches (Grad: 
abteilungsfarte, 30°’ aftronomijhe Yänge 
— 37 km und 15’ aftronomıshe Breite 
— 28 km), bearbeitet von der Königl. 
Preußifhen Landesaufnahme, den Topo— 
graphiichen Bureaus des Kgl. Bayerijchen 
und Kgl. Sächſiſchen Generalſtabs und 
dem Kgl. Württembergiſchen ſtatiſtiſchen 
Landesamt im Mapftab von 1: 100000. 
Kupferftih. Verlag von R. Eiſenſchmidt, 
Berlin, Neuftädter Kirchſtraße. 

Diefe aus 674 Blättern beftehende 
Reichökarte, „diefes Ehrendenfmal für das 
Reich für alle Zeiten”, bildet mit den 3699 
Mektifchblättern der SKgl. Preuß. Landes- 
aufnahme nicht allein für militäriiche Zwecke, 
ſondern auch für alle Kulturaufgaben wegen 
ihrer wiſſenſchaftlichen Genauigfeit eine un- 
übertroffene Grundlage, doch war der Preis 
von 1,50 bezw. 0,50 ME. für ihre allgemeine 
Verbreitung lange ein jtörendes Hindernis, 
Leider greifen die preußifchen Mektifchblätter 
nicht auf die Rheinpfalz über. 

Neuerdings hat nun die Kgl. Preuß. 
Landesaufnahme eine bedeutende Preis— 
ermäßigung der genannten Starten um 75 
und 90}% eintreten lafjen. 

Bur Orientierung lafle ich die Beding- 
ungen, unter denen die Starten verabjolgt 
werden fünnen, in ihrem ’ungefähren Wort- 
laut folgen: 

Bedingungen 

für den Bezug bon Karten der Königlich 
preußifchen Landesaufnahme durch die Unter: 
ridtsanftalten zum Dienjtgebrauch bezw. 

zu Lehrzwecken. 

Die Karten find auf dem vorgejchriebenen 
Formular tunlichft gefammelt bei der Plan— 
fammer der fgl. preuß. Yandes-Aufnahme, 
Berlin NW. Herwarthſtraße anzumelden. 
Die Preife verftehen fich für unaufgezogene 
Karten, doch werden auf Antrag unter Ber: 
längerung der Lieferfrift auch aufgezogene 
Eremplare geliefert. 

1) Die für Slarten zum Dienjt 
gebraud in der Armee ſowie bei allen 
Behörden fejtgeiegten ermäßigten Breije 
find ohne weiteres auch allen Unterrichts» 
anjtalten zugejtanden. 


130 


| 





2) Die Startenbejtellungen erfolgen durch 
die Schulbehörde (Anitaltsleiter) bei 
der Blanfammer der Yandesaufnahme, Ber: 
lin NW. 40, Herwarthftraße 23 möglichit 
nad) dem vorgejchriebenen Mufter. 

3) Genauefte Bezeihnung der 
gewünfchten Karten nad Nummer und 
Namen unter Benußung der betreffenden 
Überfihtsblätter ift dringend geboten, da 
Umtaufh oder Rückgabe unzuläffig iſt. 
Überfichtöblätter der Hauptfartenwerfe und 
Beftellformulare ftiehen grati® zur Ber- 
fügung. 

4) Die für Lehrzwecke hauptſächlich 
in Betradht kommenden Kartenwerke find 
die folgenden: 1, Meßtifchblätter (nur für 





ÜSerfihtsfarte 

zur Karte ded Deutjchen Neiches 1: 100000. 

Der bayerifche Anteil iſt ſchwarz eingefaht (566, 
557) und dom topograph. Bureau d. fol. bayer. 

Generaljtabes in München zu beziegen. 

Preußen erichienen) 1: 25000 mit folo: 
rierten Gewäſſern 0,50 Mt. 2, arte des 
Deutſchen Reiches 1 : 100000 (Breuß. An-+ 
teil; Blatt Karferslautern und Landau find 
vom topogr. Bureau des kgl. bayer. Gene- 
ralftabes in München zu beziehen. Die 
für den Bezug diefer Blätter gültigen Be- 
ftimmungen find auf ©. 115 ds. Yahr- 
ganges bereit8 angegeben.) Ausgabe A. 
Kupferdruf mit folorierten Gewäſſern und 
Grenzen 0,75 Mf. Ausgabe B. 3farbiger 
Kupferdruck (nur in bejchränfter Blattzahl, 
Weſtfalen und Hannover fertig) 0,75 ME, 
Ausgabe C. Schwarzer Umdrudf 0,30 ME. 
3. Topographiiche llberfichtöfarte des Deut- 
jhen Reiches 1 : 200000 (3farbiger Kupfer: 


— 131 — 


drud) 1.00 Mt. 4. Topographiiche Spezial- 
farte von Mitteleuropa 1: 200000 0,50 Mt. 

5) Eine weitere Ermäßigung tritt 
für die nachfolgenden Starten ein, wenn 
mindeftens 50 Eremplare desjelben 
Blattes beftellt werden, Es merden dann 
Ihwarze Umdruceremplare ohne Kolorit 
geliefert. Beftellungen find an die Karto— 
graphiſche Abteilung der Landesauf- 
nahme zu richten. 1. Mektifchblätter 
1: 25000 0,25 Mt. 2. Starte des Deut- 
Ichen Reiches 1: 100000 0,15 Mt. 3. Topo- 
graphiihe Spezialfarte von Mitteleuropa 
l: 000 0,15 Mt. 4. Garnifonum- 
gebungsfarten 0,30- 0,60 ME.; einzelne 
Eremplare hiervon werden nicht geliefert. 





—— 
zum Topograph. Atlas von Bayern 1: 


50000. 


Für unjere eugere Heimat fommen von 
der Reichskarte in Betracht: Platt 525 
Simmern, 526 Mainz, 542 Nufel, 543 
Kirdhheimbolanden, 544 Worms, 555 St. 
Wendel, 556 Saijerslautern, 557 Neuftadt 
a. H., 558 Mannheim, 570 Saarbrüden, 
571 Birmafens, 512 Landau, 573 Rarls- 
ruhe, 588 Raftatt; das Blatt aufgezogen 
je nad) Ausführung 1—2 Mt. 

Aus dieſen Blättern werden die be: 
fannten Mandöverfarten durch ein billiges 
Umdrudverfahren zufammengeftellt; aud) 
im Weſtrichführer haben obige Blätter, 
teilweife in fombinierter Form Aufnahme 
gefunden. 

ce) Topographiicher Atlas des König— 
reih8 Bayern, die jogenannte Baheriſche 





Generaljtabsfarte, herausgegeben vom Sal. 
Bayer. topographiichen Bureau im Maß— 
ftab von 1:50000. Verlag von Th. Riedel, 
München. Die Blätter erfcheinen des beſſeren 
Formats halber neuerdings teilmeije in Halb- 
blättern; das Blatt je nach Umfang in Stupfer- 
druck 3,00 bezw. 1,50 ME., aufgezogen 4 ‚20 
bezw. 2, 10 Mk., in Ueberdrud ein ganzes 
Blatt 1 50 Me., ein halbes 0,75 ME., auf: 
gezogen 2, 70 bezw. 1,35 Me. Blatt 101 
Ebernburg, 102 Sufel, 103 Lautereden, 
104 Kirdhheimbolanden, 105 Homburg, 106 
Kaiferslautern, 107 Frankenthal, 108 Zwei» 
brücden, 109 Birmajens, 110 Speyer, 111 
Bobenthal, 112 Langenfandel. Auf den 
Grenzblättern reicht die Karte nur bis zur 
bayerijchen Grenze.') 

Dieſe Blätte. des topographifchen Atlas 
dienen der von H. Kohl aufgenommenen 
Karte der Wegezeihen in der 3. Auflage 
von Heuſers Pfalzführer ald Vorlage. 

d) Pofitionsfarte von Bayern im Maß- 
ftab von 1:25000. Bhotolithographie. 
Beröffentlihung der Originalmektifchblätter. 
990 Blatt zu 1,05 bezw. 1,50 ME.; für 
die Pfalz find bis jegt noch feine erſchienen. 

e) Umgebungsfarten pfälziicher Städte, 
herausgegeben vom Kgl. Bayer. topograph. 
Bureau, Verlag von Th. Riedel, München, 
Brannerftraße 13. 


Germersheim 1:50000 zu 1,50 Mt. 


— „ 1:100000 „ 1,20 „ 
Bweibrüden 1:50000 „ 150 „ 
nn 1: 100000 „ 1,20 „ 


2. Nicht im Buchhandel erjchienen: 

a) Kreisüberfichtsfarte der Pfalz im 
Mapftab von 1:400000 zu 1,25 bezw. 
1,50 ME.; enthält die Grenzen der Amts- 
gerichtöbezirfe und ein Verzeichnis der ein- 
zelnen Flurkarten (jiehe c). 

b) Amtögerichtsüberfichtöfarte der Pfalz 
im 1 Mabflob von 1: 100000 zu 1,25 bezm, 


', Einen zuverläffigen Anhalt für die Aus« 


woahl der für einen bejtimmten Ort in Betracht 


fommenden Karten bietet für die Wejtpfalz das 
im Wejtrihführer auf der Innenfeite des legten 
Umiclages befindliche Gradnetz. Vergl. aud 
Weitrihführer S. XL. Ueberfichtsblätter zu 
den Startenwerfen des j Königl. Bayer. topo- 
grapbiihen Bureaus verfendet die Theodor 
Rledel'ſche Buch- und Landkartenhandlung, 
Münden, Prannerftrake 13, welche den Kom: 
miffionsverlag befigt, gratis. 


1,50 ME. ; enthält die Grenzen der einzelnen 
Gemeinden, 

ec) Lithographierte Flurfarten 1: 5000 
zu 1,00 Mk.; aus diefen Karten (Satafter- 
blättern) fegen fich die Gemarfungspläne 
der einzelnen Gemeinden zufammen. 

d) Ortspläne 1:2500 als Ausschnitte 
aus den Statafterblättern, 

Die vorftehend unter a—d aufgeführten 
Karten ac. ac. find bei der Königl. Bayer. 
Ratafterbureaufafje in München gegen Nach— 
nahme zu haben; durd die Berpafung und 
das Porto wird der Bezug einzelner 
Karten ſehr verteuert. 

e) Forftfarten-Steinabdrüfe im Maß— 
ftab von 1:25000, angefertigt in der 
Startographifchen Anftalt der Minifterial« 
forftabteilung in Münden, à Blatt 1 ME. 
mit den Namen der einzelnen Waldparzellen. 
Die Abdrüde find mittels Eingabe durch 
Vermittlung der FForftämter oder Direkt 
von der Regierungsforftabteilung in Speyer 
zu beziehen; die Verrechnung erfolgt durch 
dad Rentamt. 


1. Hiftorifhe Karten. 


Hiftoriiche Karte der Rheinpfalz nad 
den Xerritorialbeftänden im Jahre 1792, 
bearbeitet von Profeffor und Ardhivar J. 
C. Rau und Oberforftrat K. A. v. Ritter. 
Verlag von Ludwig Witter, Neuftadt a. 9, 
Preis 3 ME. 


II. Geologiſche Karten. 


a) Geologische Ueberfichtsfarte von 
Württemberg und Baden, dem Elſaß, der 
Pfalz und den weiterhin angrenzenden 
Gebieten, herausgegeben von dem Königl. 
Württembergifchen ftatiftifchen Landesanıt. 
Bearbeitet von C. Regelmann im Maßſtab 
von 1:600000. Sechſte Auflage 1906 
mit Tertheft 3,50 Mt. 

b) Geologiſche Karte des Deutichen 
Neiches, bearbeitet von Yepfius im Maß— 
ftab von 1:500000. Berlag von J. 
Perthes, Gotha. Blatt 22 Straßburg, 
zum Preife von 2,40 ME. (aufgezogen). 

c) Geologiſche Karte der Rheinprovinz 
und der Provinz Wejtfalen, bearbeitet von 
Dechen im Maßſtab von 1: 80000, Ber- 
lag der Schropp’ichen Landkartenhandlung, 
Berlin W., Zägerftraße 61. Blatt 30 
Kreuznad zum Preife von 3 Mt.; enthält 


132 — 


den nördlid der, Linie Rujel-Hirihhorn- 

Wartenberg: Hettenleidelheim gelegenen Zeil 

der Rheinpfalz. 

d) Geognoftifche Beichreibung des König- 
reichs Bayern, herausgegeben auf Befehl des 
Kal. Bayer. Staatsminifteriums des Innern. 
V. Ubteilung, Rheinpfalz. 4 Blätter im 
Maßſtab von 1:100000, WBerlag von 
Piloty und Loehle, München, 

Kartenblatt Nr. 18. Speyer 24 ME, Er- 
läuterungsheft hierzu 2 ME., umfaßt das 
Biere Ludwigshafen-Kaijerslautern-Lem- 
bach arlöruhe. 

Startenblatt Nr. 19, BZmeibrüden 24 Mk., 
Erläuterungsheft Hierzu 6 ME., bilder 


die mejtlihe Fortſetzung des vorigen 
Blattes, 
Kartenblatt Nr. 20. Kuſel Pr 
Kartenblatt Nr. 21. Donnersbergi begriffen. 


Durch diefe hohen Breije wird Privaten 
die Anihaffung erjchwert; der preußiiche, 
badische und hejliichej Staat gibt feine geo- 
logiihen Starten im Maßſtab von 1 : 25000 
mit einem Heft Erläuterungen für 2 Mark 
ab, ſodaß fie überall, namentlid) bei Touriften 
zu finden find und bei ihrer ftarfen Ber- 
breitung auch in weiteren Streilen der Be- 
völferung ein tiefer gehendes Berftändnis 
für die Yandesnatur erweden. Das preu- 
Bifche SKartenblatt mit Grläuterungsheft 
Eoftet für Schulen fogar nur die Hälfte, 
aljo eine ganze Markl!) 

e) Geologiſche Spezialfarte von EljaR- 
Lothringen, herausgegeben von der Direktion 
der Geologiihen LandesUnterfuhung im 
Maßſtab 1 :25000, Berlag der Schropp- 
schen Landfartenhandlung, Berlin W., 
Yügerftraße 61. Preis für das Blatt mit 
einem Heft Erläuterungen 2 ME. Entlang 
der reichsländiihen Grenze fommen in Be— 
tracht: Blatt 26 Saargemünd, 27 Blies- 
brüfen, 28 Wolmünfter, 29 Roppmeiler, 
40 Stürzelbronn, 41 Lembach, 42 und 43 
Weikenburg. Die Darftellung erftredt fich 
aber jelten auf bayerijches Gebiet. 

f) Das Gleiche gilt für die bis jeßt 
erfchienenen geologischen Spezialfarten von 
Breußen entlang der pfälzischen Grenze aus 
demjelben Verlag: Blatt 47 Dudmeiler, 42 


) Bgl. Hierzu die Beſchwerden aus lanb- 
twirtfchaftlichen Kreifen über den} Mangel von 
agronomifchen Karten in der Pfalz auf S. 104 
diefed Yahrganges. 


— 13 — 


Neunfirdhen a. Blies, 36 St. Wendel, 30 | jein, da er naturgemäß auch doppelt joviele 
Freifen, 53 Hanmeiler. Dbjefte zur Darjtellung bringen fann, Will 
g) Auch die anftoßenden Karten der | man aber Aufnahmen im Gelände machen, 
Badiihen geologiihen Landesaufnahme | jo wird man jchon zur Flurkarte (1 : 5000) 
ichneiden faft immer mit der Grenze ab, | greifen müſſen, weil auf Karten im Maß- 
jodaß fie für die Pfalz kaum Bedeutung | jtab von 1: 10000 faum mehr die Form 
haben. Es find dies die Blätter: 45 Graben, | der Objekte (Einzelgebäude, Brüden, Flüffe, 
39 Bhilippsburg, 30 Altlußheim, 21 Mann: | Wege) ohne Zuhilfenahme von Uebertreibung 
heim, 12 Sandhofen (noch nicht aufge» | dargeftellt werden kann. Auf einer Starte von 
nommen). Berlag der Carl Winterihen | 1:10000 ift 3.8. 1 mm = 10 m, 
Unwerfitäts- Buchhandlung in. Heidelberg. alfjo 1 qmm = 100 qm = 1 Ar, 

In Heſſen hat entlang der rheinpfälziichen 1: 100000 ift 1 mm = 100 m, 
Grenze noch feine Aufnahme ftattgefunden.') | alfjo 1 qmm — 10000 qm = 1 Hektar. 
Für die Auswahl der Karten ift der Empfehlenswert iſt es, im freien, ab: 
Zweck bejtimmend. Bon den geologifchen | gejehen von den Satafterblätiern, nur auf 
Karten wird die Karte von Lepfius für | Leinwand aufgejogene und in handlichem 
denjenigen genügen, der die hohen Anſchaf- Tajchenformat (12:20 cm) zufammenleg- 
fungsfoften der bayeriichen Starten jcheut. | bare Karten mit breiten Bruchbändern zu 
Die Karte des Deutichen Reiches im | benügen, da unaufgezogene Eremplare bald 
Mapitab von 1: 100000, die fogenannte Ihadhaft werden. Das Aufziehen wird je 
Generalftabsfarte, läßt fih ziemlich viel- | nad der Größe des Kartenblattes mit 0,50 
feitig verwenden, da fie die Verteilung der | bis 1,00 ME. berechnet. Es empfiehlt fich, 
Wohnpläge, deren Geftalt und gegenfeitige | vun vornherein ſchon aufgezogene Starten 
Entfernung, den Verlauf der Verkehrswege, | beim Buchhändler zu. bejtellen, da der Ber- 
die Ausdehnung von Feld, Wieſen und Wald | lag meift zweckentſprechend aufgezogene 
noch deutlich zeigt; der topographiiche Atlas | Eremplare auf Lager hält. Futterale find 
von Bayern wird ihr aber doch wegen des | überflüffig, direfter Bezug bei der mit dem 
| 


doppelt jo großen Maßſtabes vorzuziehen Vertrieb beauftragten Verlagsanſtalt ver⸗ 
— teuert die Starten, welche jeder Buchhändler 


') Eine vergleichende Zufammenfafiung der | ni PR? * 
Koſten der geol. Landesunterſuchung verſchledener zum ZQriginalpreis liefern kann, unndtig 


Staaten bat yengid geneben in der Zeitichr. f. | Durch Porto für Beitellung und Nachnahme. 
prakt. Geologie 1906, Bd. 14 ©. 47—54. 


Metterpropheten unter den Bögeln. 
Bon Philippfen in Flensburg. 


Es ift eine allgemein befannte Tatjache, | veranlaßt, ift aufgefallen und man hat ſolche 
daß mande Menſchen Witterungsmecjel | Tiere ald Wetterpropheten gehalten. Einige 
vorher zu fühlen vermeinen: dem alten In- | Vögel, wie Sturmpogel, Sturmmöve, Regen: 
validen judft der Stumpf, dem an Rheuma» | pfeifer find gar nach diejer ihnen eigen fein 
tismus Leidenden jchmerzen oder reißen die | follenden Gabe bejonder8 benannt. Der 
Glieder und andere verfpüren in den Hühner: | alte Schäfer mill an der Haltung jeines 
augen das Herannahen von jchlechtem Wetter. | Leithammels das Wetter vorher beftimmen 
Für diefe Eigenartigfeiten gibt es verichiedene | fünnen, der Landmann jchaut nad den 
Erflärungen und Mutmaßungen, eine ge: |- Spinnen und flröten, der Gelehrte nad 
nügende Begründung dafür hat aber nie- | jeinem Laubfrojch ufw., furz, die Zahl der 
mand geben fünnen. Weit ficherer als | als Wetterpropheten geltenden Tiere ift unge- 
Menſchen vermögen verjchiedene Tiere, die | mein groß. Unter diejer großen Zahl von 
zweifellos mit einem feineren Gefühls- | Wetterpropheten gibt e8 eine ganze Menge un- 
vermögen auögejtattet find, einen Witte | zuverläfliger, aber auch jolche, auf die man 
rungswechjel vorher zu erkennen; ihr eigen- | fich abjolut verlafjen fann, und ſolche habe 
artiges Betragen, durch ein VBorherempfinden | ich namentlich unter den Vögeln beobachtet. 


Alle Ungemwitter, die bei der Borher- 
verfündigung durch die Bögel ın Betracht 
fommen, laſſen fih wohl unter Regen oder 
Niederichläge, Sturm, Kälte und eleftriiche 
Ericheinungen unterbringen, und danach 
würde man die Vögel in vier Hlaffen von 
Wetterpropheten einteilen fünnen, 

Der herniederfallende Regen madt für 
die meiften Bögel nichts aus, ihr dichtes, 
eingeöltes Federkleid fchügt fie vor Durch— 
näjlen, oder jie können in Scughöhlen 
befieres Wetter abwarten; deshalb ift die 
Zahl der den Regen anzeigenden Bögel 
nur gering und von Menichen vielleicht 
mehr eingebildet als wirklich beobadıtet. 
Der Bolfsmund ſpricht vom Regenpfeifer, 
defien anhaltendes Pfeifen Regen verkiinden 
joll; welches aber ilt diejer Regenpfeifer? 
Die zahlreichen Arten der Regenpfeifer, zur 
Familie Charadrius gehörig, die ich habe 
beobachten können, fommen nicht in Betracht, 
fie pfeifen auch bei gutem Wetter ; gleiches 
gilt auch vom Regenbrachvogel, Numenius 
phaeopus L.. fowie von dem ffliegen- 
jchnäppern, die auch wohl Regenpieper ge 
nannt werden, Unter den erotiichen Vögeln 
gibt e8 ebenjo zahlreiche Arten, deren Namen 
mit Regen in Verbindung gebradjt wird, die 
vermutlich aber ebenjo falſch benannt find, 
wie die Regenpropheten unter unjern Bögeln 
Die einzigen Vögel, die infolge ihres weniger 
dichten und weniger eingeölten Gefieders vont 
Regen zu leiden hätten, find die Hühner 
und Tauben, aber aud) fie können vor dem 
Regen leicht ein ſchützendes Obdach aufjudyen. 
Der Volksmund jchreibt den Hühnern, be: 
fonders dem Hahn die Gabe des Wetter- 
vorherverfündens zu; das laute Krähen des 
Hahns bedeutet bei dem einen jchönes Wetter, 
ein anderer deutet es auf Negenmetter. Eine 
größere Wahrfcheinlichkert hat aber folgende 
Volksbeobachtung, melde beiagt, daß die 
Hühner bei kurz dauerndem Regenſchauer 
Schutz im Stall fuchen, bei lang anhalten« 
dem Regen aber draußen bleiben und im 
Negen ihrer Nahrung nachgehen. Die 
Tauben jollen vor dem Regen ıhren Schlag 
auffuchen, von den Schwalben iit befannt, 
daß fie vor Negen oder bei niedriger Luft 
dicht über dem Erdboden fliegen, jedoch nicht 
aus Furdt vor dem Regen, jondern weil 
fie den fi vor dem Regen hierhin flüchten: 
den Inſekten nachjagen. Es ergibt fich alio, 


134 


— — — — — — —— —— — — —— — — — — — —— —— —— — —— — = 


daß die Zahl der den Regen verkündenden 
Bögel nicht im Verhältnis ſteht zu der Zahl 
der danach benannten, ja, daß es ſolche viel 
leicht gar nicht gibt und ihre diesbezügliche 
Benennung auf falſcher Beobachtung beruht. 

Wie unzuverläſſig in manchen Fällen 
die Beobachtung des Volkes iſt, ſieht man 
ebenfalls darin, daß faſt keine Vögel be— 
kannt ſind, die als Propheten kommender 
ſtälte gelten, und doch iſt es gerade die 
Kälte, gegen welche die meiſten Vögel ſo 
wenig Widerſtandskraft haben. Deshalb 
verlaſſen im Herbſt und Winter ſo viele 
Arten ihre nördliche Heimat und gehen ſüd 
wärts, bis der fommende Frühling ihnen 
ihre liebe Heimat wieder angenehm erwärmt. 
Nicht Mangel an Nahrung allein treibt fie 
fort, mandje Arten würden wohl im Winter 
ihren Unterhalt bier finden fünnen, nein, 
das Vorgefühl kommender Kälte ift ed, das 
fie im Herbft der wärmenden Sonne ent 
gegen treibt, und im Frühjahr das Bor- 
gefühl Üübermäßiger Wärme, welches fie die 
Sonne fliehen heißt. Wohl gibt es manche 
Vogelarten, die der Kälte des Winters 
trogen; es find das folche, die ein beſonders 
warmes fFederfleid haben, oder denen auch 
im Winter der Tifch reichlich gedeckt if, 
oder endlich jolche, die im Schutze menſch 
liher Anfiedlung der Kälte trogen fünnen. 
Solden Standvögeln dürfte das feine 
Empfiudungsvermögen nad) und nad) ver: 
loren gegangen fein; fie fünnen deshalb 
nicht als Wetterpropheten gelten, vielmehr 
muß man dieje unter den Zugvögeln juchen. 
Doch da dieje gerade im Winter, wenn es 
kalt ijt, fern von uns find, jo können nur 
jolche Bögel in Berradt kommen, die aus 
dem eifigen Norden fich in unjere Gegenden 
gerettet haben und bier ein Dafeın ähnlich 
dem des Strichvogels führen. Als beionders 
zuverläſſige Kältepropheten habe ich die Enten 
und Gänſe, zahme wie auch wilde, kennen 
gelernt. Alle milden Gänje und Enten 
find Zugvögel, jedad gibt es eine ganze 
Anzahl nordiicher Arten, melde bier bei 
uns ihre Winterherberge haben und Die 
man gelegentlich recht gut beobachten famı, 
außerdem aber ift unjere Hausente ein 
direkter Abfümmling der wilden Ente, mit 
melcher fie alle Eigenichaften gemein har. 
Dies legtere gilt mit vollem Recht von den 
Hausenten auf der Inſel Föhr; denn da 


es hier feine Raubtiere gibt, auch dem 
biederen Friejencharafter die genaue Grenze 
zwijchen dem Mein und Dein befannt ift, 
jo fann man bier die Enten des Nachts 
unbejorgt fich ſelbſt überlaffen. infolge 
deſſen vermifchen fie fih mit den Stock 
enten und find nidjt viel mehr ald gezähmte 
Storfenten. Zur Nachtzeit halten ſich unfere 
Enten immer außerhalb des Dorfes in den 
Sümpfen auf, während fie den Tag über 
mehr beim Hauje find. Kommen im Winter 
die Enten des Abends freimillig nach Haufe, 
fo kann man fiher annehmen, daß eine 
ftrenge Kälte im Anzuge ift; desgleichen, 
wenn fie bereits ım Hofe find und von 
felbft den Stall aufjuhen jo hat das Bor- 
gefühl fommender Stälte fi bewogen, den 
märmeren Stall aufzufuchen. Befinden fie 
fih aber eingejperrt im Stall oder ım Hof 
und werden dann plöglich unruhig, fangen 
an berumzufliegen, als wollten fie hınaus, 
beginnen laut zu fchnattern, legen ſich auf 
den Boden und machen Bewegungen, ale 
ob fie ım Waſſer wären und ſich badeten, 
jo tritt innerhalb einiger Stunden ein 
Witterungsumſchlag ein, die Temperatur 
fteigt allmählich, und wir befommen Tau- 
oder Schneewetter. Das unendlich feine 
Empfinden des berannahenden Witterungs- 
wechſels offenbart fidy bei den Enten früher 
als an Barometer und Thermometer, und 
fann man an dem Gebaren dieſer Tiere 
auch nicht zahlenmäßig ablefen mie bei 
obigen Inſtrumenten, jo find fie doch als 
Berterpropheten bezüglich der Stälteericher- 
nungen abjolut zuverläffig. — Die wilden 
Enten entziehen ſich meiftens unierer Be- 
obachtung, desgleichen auch die meiften wil— 
den Sänje, Unter den Gänſen iſt e8 die 
Bernidel- oder Nottgans, die man an den 
Meerestüften einigermaßen beobachten fann. 
Sie trifft hier im Herbft ein, bald früher, 
bald jpäter, je nachdem Kälte und Eis fie 
im Norden vertreiben. Mit einem gewiſſen 
Recht vermag man aus ihrem frühen Er- 
fcheinen auf einen frühen Wintersanfang 
zu ichließen; zieht fie wiederum früh von 
bier fort, jo ehrt auch der Frühling 
zeitig ein, 

Als ziemlich ficherer Kälteprophet gilt 
auh der Schneefint, Emberiza nivalis., 
Er ſcheint fih mit größter Borliebe an der 
Eis: und Schrieegrenze aufzuhalten und ift 


135 


— — — — ner ve 


ſo gewiſſermaßen ein Vorläufer von Kälte 
und Tauwetter. Wenn er im Winter er- 
icheint, jo folgt ihm größere Kälte nad, 
die ihn im Norden vertrieb, und zieht er 
wieder nordwärts, jo ift auch ziemlich regel- 
mäßig Taumetter zu erwarten. 

Als ziemlich fichere Kälteanzeiger fann 
man im Winter die großen Scharen der 
Aufternfiicher, Brachvögel ujw. anfehen, die 
oft plöglich eintreffen und nur jo weit ziehen 
als jie nötig müſſen, und deren Erſcheinen 
faft immer ftrenge Kälte folgt. Diele 
Bögel find ähnlich wie der Schneefinf durd) 
die Kälte im Norden vertrieben, man kann 
fie nicht als direfte Wetterpropheten an: 
fehen, wohl aber läßt fih aus ihrem Er- 
iheinen ein Schluß auf das Wetter ziehen. 

Mit den Bögeln, die den Sturm heran: 
nahen fühlen, verhält es ſich wohl ähnlich 
wie mit den Regenverfündern. Der Sturm 
geht wie der Regen verhältnismäßig jchnell 
vorüber, die Yandvögel finden überall Shut 
und kümmern ich jomit wenig um den— 
felben. Anders aber ift eö mit den Ser 
vögeln. Nicht nur beim Fliegen, jondern 
auh im Wafler haben fie von dem Sturm 
zu leiden, und unter den Seevögeln wird 
man deshalb die Sturmmarner ſuchen 
müffen. Da in Sturm und Bellen fein 
Bogel lange dauern fann, fo muß das Be- 
ftreben diefer Vögel darauf gerichtet jein, 
vor Ausbruch eines Sturmes den ſchützenden 
Strand zu erreihen, und ein Borgefühl 
de3 herannahenden Unwetters müßte alfo 
für fie von größter Bedeutung fein. Die 
Bahl der Bögel, deren Namen mit dem 
Sturm in Berbindung gebradt ift, ift eine 
recht große: Sturmmöwe, Sturmpogel, 
Sturmjhmalbe, Sturmtaucher ujw, ; an allen 
wird man eine auf den Sturm fi be 
ziehende Beobachtung gemacht haben. Die 
Sturmmöwe joll vor dem Sturme in ftar- 
fen Scharen das Meer verlafien und fid) 
landeinwärts flüchten; aber auch bei gutem 
Wetter fann man zahlloie Sturmmöwen 
auf Üdern fehen, wo fie Würmer und Sterb- 
tiere ſuchen. Seeſchwalben verlaffen bei 
ftarfem Sturm den Strand, aber nicht 
vorher. Sturmmömwen und Seeſchwalben 
find deshalb nicht zuverläflig, ebenjowenig 
die anderen Möwen. Die Seeleute be- 
richten, daß bei ſchweren Stürmen die ge: 
fiederten Begleiter der Schiffe verſchwunden 


— 1356 — 


find, fie wollen aber ein Abnehmen des 
Sturmes erkennen, wenn erjt die Sturm- 
ihwalben oder Haptauben wieder erfcheinen 
und um den Wimpel des Schiffes herum 
ipielen, d. 5. wohl eigentlich in ihrem 
Heißhunger danach beißen. BZuverläjfige 
Sturmmarner find aljo jelten, dem Binnen- 
länder ift die Beobachtung derielben un- 
möglich, für den Küſtenbewohner nicht minder, 
dem Seemanne mag das Gebaren derjelben 
einige Anhaltspunkte geben; würden mir 
aber aus dem Gebaren unierer Seevögel 
urteilen, jo würden wir häufig zu falſchen 
Schlüſſen fommen. 

Die gewaltigſte und erhabenſte Witte: 
rungserjcheinung, da8 Gewitter, übt auf 
die Vogelwelt einen ftarfen Einfluß aus. 
Zunädit ift es wohl die Furcht vor Blig 
und Donner, welche alle Vögel bejchleicht. 
Der plöglich aufleuchtende Blig verſcheucht 
alle Bögel und der rollende Donner macht 
ihre Angft noch größer. Bor herannahendem 
Gemitter fuchen faft alle Vögel zeitig ihre 
Schutzwinkel auf und eine ängftliche Ruhe 
geht dem Ausbruche des Unmetters vorher. 
— Eigentlihe Gewitterwarner find felten, 
nur Angſt empfinden alle. Wohl jagt die 
Schwalbe trog Blig und Donner den In— 
jeften nad, bis die erſten fallenden Regen: 
tropfen dieſe Beute unter das Obdach des 
Ihügenden Laubes treiben, und wohl durch— 
fucht die Wildente den Pfuhl, bis fie durch 
den grellen Blig in das Röhricht gejagt 
wird, mehr oder mweniger Angſt zeigen alle, 
Als beften Gemwitterpropheten babe ıch die 
Silbermöwe fennen gelernt, und ich glaube 
faum, daß ihr in dieſer Fähigkeit ein anderer 
Bogel gleihfommt. Jahrelang habe ich 
Mömer gezähmt gehalten und ihr Benehmen 
beobadhten können und ihre Gewitterwar— 
nungen haben niemald getrogen, eine 
Mömen liefen vor Gewitter immer ängft: 
fih umher, ſuchten fortzufliegen, was fie 
der bejchnittenen Flügel wegen allerdings 
nicht fonnten und ftießen ein heijeres Ge— 
frächze aus. Oft neichah dies bei flarem 
Himmel und bei gutem Barometerftande; 
doch e8 dauerte nicht lange, fo zeigten fich 
am Horizont die hellen Köpfe aufiteigender 
Gewitterwolfen, oder aber man fonnte 
einige Tage jpäter in der Beitung lejen, 
daß in einer ziemlich entfernten Gegend 
ein Gewitter zum Ausbruch gefommen war. 


— Eine gewifle Unruße zeigten die Möwen 
auch bei Beginn der Flut. Befanntlidy 
fommt bei Eintritt der Flut die Atmoiphäre 
in eine gewiſſe Aufregung und da die meiften 
Gewitter mit dem Eintreffen der atmofphä: 
riihen Flut zum Ausbruch fommen, jo fann 
man wohl annehmen, daß zu diejer Beit 
die Luft am ftärfften mit Elektrizität ge- 
laden ift und daß die Mömen dadurd) zu 
ihren Benehmen veranlakt wurden. Be: 
ſonders unruhig waren fie, wenn bei Ein 
tritt der Flut ein Gemitter heraufzog. — 
Die eigentliche Unruhe zeigte fich aber 
meiftens nur vor dem Gemitter, während 
des Gewitters waren fie ruhig. Fingen fie 
jedoch beim Aufhören des Wetterd mieder 
an unruhig zu werden, jo war mıt Sicher- 
heit anzunehmen, daß noch ein Gewitter 
fommen würde. Die jchmeren Stürme im 
Herbit, die an der Nordjee fait immer von 
eleftrifchen Entladungen begleitet find und 
die zum Schrecken der Seefahrer oft meh- 
rere Tage anhalten, murden regelmäßig 
von den Mömen vorher verfündigt. Ebenſo 
ließ fih an dem Gebaren der Mömen die 
Abnahme oder das Ende des Wetters er- 
fennen: blieben fie unruhig, jo war das 
Wetter noch nicht vorüber, verhielten fie 


ı ih aber ſelbſt beim Eintritt der Flut 


rubig, fo konnte man auf baldige Abnahme 
des Ummetters rechnen. Aus Gejagtem 
geht hervor, daß die Möwen tatfächlich als 
Gemwitterpropheten angejehen werden fünnen, 
und meine Möwen maren aud) als Wetter- 
propheten in weitem Umkreis befannt ge- 
worden. Dod nicht alle Mömen find mit 
gleicher Fähigkeit ausgeftattet, vielmehr 
icheint dieje Gabe nicht allen Andividuen 
in gleihem Maße gegeben zu fein, wenig» 
ſtens ift bei einigen Möwen faum ein ver- 
änderte Betragen zu erfennen, während 
andere vor Unruhe fich nidt zu faffen 
wiſſen. So ıft alfo auch nicht jede Möwe 
ein zuperläjfiger Wetterprophet, und was 
fih bei gefangenen Tieren beobachten läßt, 
das entzieht fich den Augen bei den im 
Freien lebenden, Mir ift es nie vergönnt 
gewejen, bei wilden Möwen vor Gemitter 
eine Unruhe bemerkt zu haben, wenn ich 
gleich nicht zmweifle, daß fie wie gezähmte 
oder gefangen gehaltene die betreffende 
Fähigkeit wenigftens in demfelben Grade 
beligen. Wenn ſich aber die angegebene 


— 1377 — 


Fähigkeit der Möwe jchon den Bliden des 
Beobadhterd am Strande entzieht, jo wird 
fie für den Binnenländer erft recht wert- 
108 fein und Möwen gefangen zu halten, 
wird nicht jeder in der Lage fein, 

Aus meinen Ausführungen geht aljo 
hervor, daß einige Bögel imftande find, 
verjchiedene Witterungsericheinungen vorher 
zu erfennen und durch ihr eigenartiges Be- 
tragen jo das Wetter vorher verfündigen, 
mithin als Wetterpropheten gelten fünnen. 





Gewiß ift die Zahl jolher Bögel weit 
größer, als bier angegeben; ich habe nur 
die berüdjichtigt, die ich ſelbſt habe be» 
obachten fönnen. Doch, wenn auch die Zahl 
eine viel größere wäre, eine praftiiche Be: 
deutung würden die Wetterpropheten unter 
den Vögeln nie erlangen, nur für den Natur- 
freund und Naturbeobadter dürften fie 
größeres Intereſſe erlangen, und vielleicht 
tragen dieſe Zeilen etwas dazu bei, ein 
folches hervorzurufen. 





NAichard Löwenherz anf Trifels. 


1. Saß König Richard Lowenherz 
In Trifel®’ Turm gefangen; 
Sein Knappe war durchs beutfche Land 
Bu ſuchen ihn gegangen. 


2. Und wenn er vor ein Burgtor kam, 
Tät Hell fein Lied erklingen; 
Da warb ihm freubig aufgetan, 
Man ließ die Riegel fpringen. 


3. Einft fang er fih ein Abendlich 
Im Schatten einer Linde, 
Juſt, wie's der König felber fang 
Herzliebem Königskinde. 


4. Da hallte e8 durch tiefen Wald 
Bu ihm wie Echo nieder 
Und alle feine Strophen fang 
Bom Turm ein Undrer wieder. 


6. Hei! Blondel wußt' nun, wer das mar, 
War ledig aller Schmerzen 
Und fann, wie er befreien könnt' 
Mit Lift Herm Löwenherzen. 


6. Den Burgpfabd ftieg er flugs binan, 
Tät Obdad) fich getoinnen. 
Und um des Burgbogts Töchterlein 
Mit fühen Liedern nrinnen. 


7. Eh' früh vom Zurm der Wächter blies, 
Da konnt' der König fliehen; 
Sie hieß ihn aus dem Burgverließ 
In Blondels Kleidern ziehen, 


8. Doch den beßielt fie in Berbaft 
Bum eigenen Behagen, 
Schnell ſchwand ihm die Gefangenschaft 
In heiten Minnetagen. 


Eußerthal. 


1. Eußerthal, das alte Kloſter, 
Zwiſchen Bergen tief verſteckt, 
Iſt vom Boden längſt verſchwunden, 
Dichter Raſen hats bedeckt. 


2. Finſter ragen felne Trümmer 
In die Helle Nacht empor, 
Lautlos huſchen graue Eulen 
Durch die Schatten tief im Chor. 


3. Uls ber Feind es einſt bedrängte, 
Grub man, was das Kloſter barg, 
Bor ber Flucht die reihen Schäße, 
In des Tals verfchwieg'nen Sarg. 


4. Seine Orgel ruht im Grunde 
Schon vielbundert Jahre lang, 
Seine Sitbergloden ſchlafen 
Tief im Sumpfe ohne Klang. 


5. Doch wenn fieben Jahr' vergingen, 
Oſternachts zur Geljterftund”, 
Hört man leiß die Gloden ſchwingen 
In des Tales ftilem Grund, 


6. Und die zarten Orgelflänge 
Dringen durch die Nacht jo weich, 
Schwermutsvoll wie Aeolsharfen, 
Süßen Hirtenflöten gleich. 


T. „Ave regina coelorum“ 
Hebt ſich ber Töne Schmwall: 
„Domina angelorum“ 
Bittert'8 im Widerhall. 


8 Weiß e8 Reiner uns zu jagen 
Wo,die Orgel ruht im Grund. 
Öffnet fie mit Felerklängen 
Manchmal felbft den goldnen Mund: 


„Ave regina coelorum, — domina angelorum!" 


— 18 — 


Trunk ans dem Stiefel. 


1, Das mar ein Trunf gemefen, 
Die feiner noch getan, 
Hoch jegte Boos von Walded 
Den Reiterftiefel an 
Und trank ihn bis zur Brandſohl' leer, 
Als ob's ein Feiner Becher wär. 


2. Er ftrich fich durch den Echnurrbart 
Und fprach mit feuchten Blid: 
„Herr Rheingraf, ließ der Reiter 





„Roc einen Schub zurüd, 
„So reicht auch diefen ber geſchwind, 
„ch trink ihn leer für Weib und Kind.“ 


3. „Und gabt ihr Brief und Siegel, 
„Daß Hüffeläheim mir wär”, 
„Wenn ich mit einem Zuge 
„Den erften tränfe leer, 
„Zo füllt den zweiten mir mit Wein 
„Und gebt bei diefem Rorbeim drein!“ 


Dr. 8. Yuſch. 


Die Bewegungen des Grundwallers. 
Nach; Direktor Hädicke in Siegen. 


Die Bewegung des Grundwaſſers hängt 
innig zujammen mit der Entjtehung, die 
heute noch vielfach fäljchlicherweiie auf das 
Eindringen des Negenmwaflers in den Boden 
und Anfammlung über undurchflüſſigen 
Schichten zurücdgeführt wird. Der Bor: 
tragende fommt aufgrund vielfacher Experi— 
mente und langjähriger Beobachtungen zu 
dem Schluffe, daß das Grundwaſſer ſtets 
nad dem Hygrometer und jehr häufig 
vor dem Regen jteigt, jowie, daß oft 
ein Regen ftattfindet, ohne daß liberhaupt 
ein Gteigen eintritt. Die Yuftfeuchtigfeit 
führe immer nur dann zu Regen Nieder: 
ſchlägen, wenn die entjprecdyende Abkühlung 
wirft, und diefe ift im Grunde jtets, in 
der freien Luft durchaus nicht immer ge: 
geben. Es fommt fogar jehr häufig vor, 
daß die Luft erft nach dem Wegen feucht 
wird. In ſolchen Fällen freilich kann ſich 
feiht ein fpätere® Steigen des Grund: 
waflers zeigen, was dann zu dem TQTrug- 
ichluffe Beranlaflung gibt, das Steigen des 
Grundmwajjers ſei dem eingedrungenen Regen- 
waſſer zuzufchreiben. Als Nukanmendung 
bezeichnet der Bortragende zunädhjt , die 
num leicht fich ergebende Grflärung der 
Grundwaſſerbildung ohne Niederichläge, 
meld; legtere nur dann dazu beitragen 
fönnten, wenn fie durh Spalten bis zur 
nädften undurdläffigen Schicht gelangen 
fönnten. Dies ſei für die allermeisten 
Gegenden ausgeichlojfen. Auch die jchein- 
bare Wafjerdurchläffigfeit der Sperrmauern 
der Talſperren jei auf diefe Erſcheinung 
zurüdzuführen, denn wenn man leßtere zur 


Waflergewinnung ausnügen wolle, müffe 
man fühle, luftdurchläffige Mafjen ſchaffen 
und Ddiefe mit Wbzugsröhren durchſetzen. 
Hierzu find nun gerade unfere modernen 
Sperrmauern mit ihren Abzugsrohren mie 
geichaffen. 

Vor allem jeien alle Dauerquellen und 
fiher aud ein großer Teil des jonftigen 
Quellwaſſers ſowie viele der ‚gewaltigen 
unterirdifchen Wajjeranfammlungen ein» 
ichließlih wohl aud der warmen Quellen 
auf die Luftkondenſation im Erdinnern 
zurüdzuführen, ferner aber erjcheine nun 
auch die Wünjhelrute — das Wajler- 
juchen mit der Rute — erflärlih. Denn 
überall ift der Boden in der Tiefe feucht 
und überall da, wo eine durchläffigere Fläche 
in durch die Bumpe erreichbarer Tiefe vor- 
handen fei, müfje fih Waller finden, Ein 
wenig Drtsfenntnis, Geſchick und Glück 
reicht alſo aus. Aber dies Waſſer könne 
ſich naturgemäß nur da anſammeln und in 
einigermaßen größeren Mengen nur da er— 
pumpt werden, wo der undurdläffige Grund 
muldenförmig geftaltet oder jo wenig ge- 
neigt iſt, daß der ſich abwärts bewegende 
Grundwaſſerſtrom als Anſammlung auf 
träte. In ſehr vielen Fällen liegt der 
undurchläſſige Boden fo tief, daß das an» 
gefammelte Waſſer nicht erreichbar iſt. 
In jolden Füllen? ließe ſich durch einge» 
legte, geeignete Blatten aus dem Feuch— 
tigfeitögehalt der Luft und der Temperatur 
im runde ziemlich genau vorher beftimmen, 
wieviel Waller zu erwarten ſei. Diejes 
Berfahren wäre bejfonders für die Tropen 


— 139 — 


von Wert. Der Bortragende hat ein Ber- | iſt, Waller zu entnehmen. Im übrigen 
fahren erprobt, dem nur feuchten Sande, | will der VBortragende jeine Mitteilungen 
welcher jtets über den Anjammlungen und | nur als Anregungen für Grundmajler- 
oft in leicht erreichbarer Nähe zu finden beobachtungen angejehen wiſſen. 





Die menſchliche Wohnung. 


Einen höchſt anziehenden Vortrag über | namentlich) in indomalayifchen und pazifiichen 
Wie wohnt der Menid hielt Dr. DO. | Gebieten, häufig angetroffen werden. Die 
St. R. Lampert im Württembergiichen | fünftlich hergeftellten Wohnungen ließen ſich 
Anthropologijchen Verein. Wir wiffen zwar | auf vier Urtypen zurüdführen. Die 
nicht, ob die primitive Wohnung etwa dem | Erdwohnung in ihrer einfachſten Yorm, 
laden Nefte nahe fteht, das ſich beifpiels- | ein Erdloch, und bejonders häufig noch) bei 
weile der Orang-Utang ziemlich Funftlos | den Einwohnern des hohen Nordens und 
aus Äſten und Zweigen in den Kronen der | bei afrifaniihen Völkern, dürfte fih an 
Bäume herftellt, oder ob eine flahe Grube | die natürlichen Höhlenbehaufungen an- 
im warmen Sande den bejcheidenen Woh- | ichließen und ift der Typus, defjen weitere 
nungsanjprüchen des Urmenichen zu genügen | Entwidlung und Ausgeftaltung zu unjeren 
vermochte. Doch fünnen wir wohl mit | meift ja noch unterfellerten Steinbauten 
Sicherheit annehmen, daß es nicht ein in- | geführt hat. Einen zweiten Typus bilden 
ftinftiver Bautrieb, wie 3. B. bei vielen | die durch Zujammenneigen und »binden der 
Inſekten und Bögeln war, der den Men- | Spiten von bodenftändigen oder in Kreis 
ſchen zur Herftellung einer Behaufung ver- | form angeordneten gefteften Stämmchen 
anlaßte, daß es vielmehr lediglich das Be- | und Zweigen gewonnenen Rundhütten. 
dürfnis nah Schuß gegen Witterungs- | Mit diefem Typus nahe verwandt ift die 
unbilden und feindliche Angriffe vonfeiten | mweitverbreitete Kegelhütte, die fich von 
der Tierwelt gemwejen ift, was ihn dazu | der Mundhütte nur durch den Belig eines 
veranlaßte. Sn erfter Linie waren es wohl | Mittelpfahles unterſcheidet. Aus dieſen 
natürliche Höhlungen, Felsklüfte und Nifchen | beiden Typen hat fich die befannte Form 
fowie auch hohle Bäume, die als Unter: | des Nomadenzeltes entwidelt, die ihre raffı- 
ſchlupfe in Betradht famen; doc; dürfte | niertefte und fomfortabelite Ausgeftaltung 
auch der Aufenthalt in gejchloffenen Baum- | in den Jurten der Kirgiſen gefunden hat. 
fronen und in dichtem Buſchwerk die Grund- | Als vierter Typus gejellt ſich hiezu das 
lage zu Baum- und Bujhmwohnungen ge | Langhaus mit rechtwinkeligem Grundriß, 
bildet haben, wie man ſie jegt noch in | das jegt in allen Kulturländern die end- 
Südindien und Südafrika antrifft. Be: | gültige Form darftellt. Dft ſchon auf der 
jonders deutlich tritt der jchügende Charafter | niederften Kulturftufe findet fih ein aus- 
der Wohnung bei den im Wafjer errichteten | geprägted® Bedürfnis, das Heim durch 
Pfahlbauten hervor, die auch heute noch, Schmudf zu verjchönern. 





Zur Erhaltung alter Straßennamen 


wurden auf dem Tag für Denfmalpflege | um jo mehr, je eigenartiger und finnvoller 
zu Bamberg folgende Leitſätze einftimmig | fie ift. 2. Inſonderheit dürfen alte Namen 
angenommen: 1. Jede alte und als jolche | nicht zu Gunften von foldhen berühmter 
geichichtlich bedeurungsvolle Bezeichnung von | oder verdienter Männer des Baterlandes 
Straßen, aber auch von Plätzen, Brücden, | oder der engeren Heimat bejeitigt werden, 
Häufern und ganzen Stadtteilen, dann | 3. Bei Benennung neuer Straßen find in 
von Ader- und Waldſtücken, Flüffen, | eriter Linie die alten Flur- und Orts— 
Bächen, Teihen und Bergen iſt auf alle | bezeichnungen zu verwenden. 4. Da, wo 
Fälle zu jhügen und zu erhalten, und zwar | erft in neuerer Zeit der alte Name durch 





- 10 — 


einen modernen erjegt ift, joll der erfte, 
fomweit e8 irgend angeht, wieder zu Ehren 
gebracht werden. 5. Es muß freilih dem 
Taftgefühl der betreffenden Behörde über: 
laffen bleiben, a) inmiemweit auch folde 
alten Namen, die ſchon im Gedächtnis des 
Bolfes gejchwunden find, mwieder in Ger 
brauch zu ſetzen find; b) inwieweit aud 
ein neuerer Name bereits geichichtlichen 
Wert gewonnen und deshalb ebenjall® auf 
Schub Anfpruch zu erheben bat; c) inmie- 


weit alte, aber verderbte Namen ihre ur- 
ſprüngliche Form mieder erhalten fünnen. 
6. Zu allen Umnennungen alter Straßen 
und zur Benennung neuer follen ſtets die 
örtlichen Geſchichts- und Altertumsvereine, 
fowie auch einzelne geſchichts- und ſprach— 
fundige Perjonen, insbefondere die Leiter 
der Staatlichen und ftädtifchen Archive, Biblio» 
thefen und Mufeen ald Sadverftändige zu 
Hate gezogen werden. 





Bie Erfchöpfung der Wälder. 


Wenn von einer Erjchöpfung der Koh— 
lenlager der Erde in abjehbarer Beit ge 
ſprochen worden ijt, fo gilt dasjelbe für 
die Wälder. Gin großer Teil der Länder, 
die noch in nicht allzu ferner Bergangen- 
heit einen ungeheueren Waldreihtum auf- 
wiejen, ift gegenwärtig nicht mehr imjtande, 
feinen Bedarf an Holz aller Art zu deden. 
Deutihland führt nad) den Angaben von 
Gazal im „Bulletin de la Societe de Géo- 
graphie de l’Est* jährlich für 276 Mil- 
lionen Marf Holz ein, England für unge: 
führ 455 Millionen Mark, Frankreich für 
112,8 Millionen, Belgien für 81,6 Mil- 
lionen, Stalien für 24,8 Millionen, Spanien 
für 24 Millionen. Nur fünf europäifche 
Länder haben einen Überfhuß an Holz, 
und zwar find es Oeſterreich-Ungarn, das 


Moti 


20 Millionen Heftar Wald befigt und 
für 160 Millionen Marf Holz erportiert; 
Schweden mit ungefähr demfelben Wald- 
reihtum und einem Export von gleicher 
Höhe; Rußland, das danf feiner unge: 
beueren Wälder von 160 Millionen Heftar 
Ausdehnung troß jeines eigenen riefigen 
Bedarfes noch für 124,8 Millionen Mark 
Holz ausführen kann; dann Finnland, das 
für 72 Millionen ausführt, und Norwegen, 
deffen Holzerport ji im ganzen auf 60 
Millionen Markt beläuft. In Amerika 
führen die Bereinigten Staaten für 117,6 
Millionen Marf aus, der übrige Bedarf 
wird von Kanada gedeckt, dad mit feinen 
320 Millionen Hektar Wald einen größeren 
Holzreihtum aufweift als das gejamte Eu— 
ropa zujammen genommen. 


Im Anfchlu an unfere Artikel über arhäologifche Funde, die aud in der 


Tagesprejie een murbden, bringen wir auf Wunfch des Herm Prof. Dr. C. Mehlis bie 
Mitteilung zur Beröffentlihung, dat im Gegenfage zu den Borausfegungen einer gewiſſen Eritt: 
fierenden Befprechung die wertvollften Fundſtücke fih noch im Privarbefige bed Leiters der 
antbropologifchen Sektion der „Pollihia” befinden, der fie auf feine Koften ausgraben ließ. 











Gedenktage im Oktober und YHovember, 
Oktoßer. Geboren: 4. er. Gotthelf (1797). — 33. A. Stifter (1806). — 26. Moltke 


(1800). — 29. Diejterweg (1790). — Geftorben: 8. Rembrandt (1669). — 15. 8. 


Jahn (1862 ) 


— 22. Campe (1818). — 28. %. Tode (1704). — — 1813: 16.—18. Bölkerſchlacht bei Leipzig. — 
1831: 18. Kalſer Friedrich III. geb. — 1870: Kapitulation von Met. 

November. Geboren: 5. Hans Sachs (149). — 10. Luther (1483) und Schiller 
(1759). — 21. Schleiermacher :1768). — 24. Spinoza (1632). — Geſtorben: 13. Ubland (1862). 


— 14. 


Sean Paul (1825). — 15. J. Stepler (1630), Gluck 11787) und 9. U. Comenius (1670). — 


16. Guſtav Adolf (1632), — — 1870: 9. Rüdzug der Bayern von Orleans. 
Dnbalt: Zur pfälzifchen Kartenktunde. — Wetterpropheten unter ben Bögeln. — Die Be- 


wegungen des Grundwaſſers. — Richard Löwenher 


auf Trifeld. Eußerthal. Trunt aus dem 


Stiefel. Gedichte von Dr. E. Puſch. — Die menſchliche Wohnung. — Zur Erhaltung alter Straßen- 
namen. — Die Erihöpfung der Wälder. — Notiz. — Gedenktage. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


Die „Bfälziſche Heimatkunde” koſtet jährlich in 12 Heften De. 2.50. PBerellungen werden von allen Buchhandlungen unb 
Voltanftalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbandfendung) angenommen. 


II. Jahrgang. 


Nummer 12 


Dezember 1906. 


JPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


v 





L/ 


DI 


(Nachdruck verboten.) 


Bas kurpfälzifche ®beramt Lantern im Jahre 1601. 
Von D. Häberle, Kaiferl. Rechn.Rat in Heidelberg. 


Die erjtarfende und im Zeitalter des 
Abjolutismus immer mehr hervortretende 
Territorialherrichaft mag gegen Ende des 
16. Jahrhunderts bei den fomplizierten 
Beligverhältniffen in der Pfalz wohl die 
einzelnen Fürſten in erjter Yinie dazu ver« 
anlaßt haben, durch bejonders beauftragte 
Beamte ihre verjchredenen, oft nur auf 
mündlichen Abmachungen beruhenden Beſitz— 
titel nadhprüfen, etwaige Zweifel an Ort 
und Stelle durch Verhandlungen mit den 
Intereſſenten beheben und die Ergebniſſe, 
ergänzt durch die Aufnahıne der bisher oft 
nur mündlich überlieferten Gewohnheitsrechte 
in umfangreichen Amtsbeſchreibungen nieder- 
legen zu laffen, welche dann für die Folge 
bei Differenzen als Norm zur Schlichtung 
dienen fonnten. Die Berhältnijje lagen in 
der Pfalz noch verwicelter, ald nad Säfu- 
larijation der verjchiedenen Klöſter zwiſchen 
1550 bis 1580 die Yandesfüriten in Beſitz 
der ausgedehnten Stloftergliter umd der 
Nirdjengefälle gelangt waren, für deren 
ordnungsmäßige Verwaltung bei dem all- 
mählich angeitrebten Übergang von der 
Natural: zur Geldwirtjchaft bejondere Be- 
hörden eingefegt werden mußten. Für die 
Kurpfalz 4. B. wurde durch Friedrich II. 
(1559 — 1576) zu diefem BZwede die Ad— 
miniftration der geiftlihen Güter ins Leben 
gerufen, die ihren Sig zu Heidelberg hatte 


und in den einzelnen Yandesteilen die Ver- 
waltung durd Schaffner (Pfleger, Seller) 
bejorgen ließ. 

Die ältefte derartige Beichreibung wurde 
im Uuftrage des Herzogs Johann I. von 
Zweibrüden dur den Geometer Tilemann 
Stella von den beiden Ämtern Zweibrücken 
und Kirkel im Jahre 1564 verjaht. (Im 
Kreisarchiv zu Speyer.) Daran jchloß ſich 
1585 der zweibrüdijche Amtmann Hoffmann 
mit einer Schilderung des Amtes Lichten- 
berg. Auch die Kurpfalz blieb nicht zurück, 
indem Friedrich IV. den Forſtmeiſter Philipp 


‚ Velmann zu Germersheim im Jahre 1600 


beauftragte, für die kurpfälziſchen Gebiete 
linfs des Rheins Wald- und Grenzbeſchrei— 
bungen anzufertigen und die Rechte des 
Fürſten und der Untertanen zu präzilieren. 
Diejer Aufgabe hat ſich Velmann in der 
eingehenditen Weije entledigt und jeine klaren 
Berichte haben in der Folge, bejonders zu 
Anfang des vorigen Yahrhunderts nadı 
MWiedervereinigung der Pfalz mit dem rechts— 
rheiniſchen Bayern, zur Entſcheidung man: 
chen Nechtsitreites in Wald und Weide- 
angelegenheiten mit beigetragen und oft 
genug den Ausichlag gegeben.) Aus der- 
jelben Zeit ftammt auch eine andere, aber 


') Nähere Nachrichten über Belmann und 
die von ihm verfaßten Amtsbefchreibungen finden 
fih im Pfälz, Muſeum 1906 ©. 41-43, 





infofern wichtigere Amtöbejchreibung, als 
diefe ſich nicht allein mit Wald, Wild, 
Weide und Grenzen, jfondern auch mit den 
Bewohnern jelbit in eingehender Weiſe be- 
ihäftigt und uns einen Blik in die da- 
maligen Verhältniſſe mit ihrem zerjplitterten 
Beſitzſtand tum läßt; das ift die „Beichrei- 
bung des Oberamts Yautern Recht und 
Gerechtigkeit vom Jahre 1601”, melde 
jegt im Streisardiv zu Speyer als Nr. 50 
der Sal: und Yagerbücer verwahrt wird. 

Der Reicht zur Abfaſſung muß von 
Deidelberg aus im letten Dezennium des 
16. Jahrhunderts ergangen fein, da einige 
der von den verichiedenen Scultheiken- 
ämtern eingereichten Unterlagen zu dieſer 
aus dem Jahre 1598 datieren und der 
Kurpfälziiche Amtmann zu Yautern, Stefan 
Quad von Wickrad in feinem llberreichungs- 
berichte an Kurfürſt Friedrich IV. vom 21. 
März 1601 ſich wegen der Verſpätung 
damit entichuldigt, daß die Herbeifchaffung 
der Unterlagen viel Zeit erfordert base, 
nebenbei die laufender Amtsjachen erledigt 
werden mußten und er jelbit ein ganzes 
Jahr mit „Yerbesblödigfeit” behaftet geweſen 
ſei. Die Beichreibung ſelbſt ift von dem 
Landichreiber Jakob Schwab verfaßt und 
zerfällt in zwei Zeile, den eigentlichen Be- 
richt von der Hand Schwabs und die von 
den verichiedenen Unterbebörden als Material 


beigebrachten Anlagen. Das Ganze ift ge- | 


bunden und enthält 339 Blätter, wovon 
36 auf den eriten Teil, 333 Blätter auf 
die Unlagen entfallen, 
Yautern gehörten damals: 

l. Die Städte: Kaiſerslautern (mit 
Höfen und Mühlen) und Otterberg. 

2. Die Geridte: a) Ramftein mit 
Ramſtein, Weltersbach, Katzenbach, Spes- 
bach, Hütſchenhauſen, Elſchbacher-Hof (oder 
Capell), Nantzweiler diesſeits des Glans, 


Zum Oberamt richtsſtühle im Stumpfwald nach der krummen 


142 





Dbermiejau;')e)Waldfiihbac mit Wald» 
fiſchbach, Steinalben, Schopp, Scmalen- 
berg, Heltersberg, Geiſelberg und Tiefental. 

3. Das Büttelamt mit den Gerichten: 


a) Erlenbach mit Erlenbach, Morlautern, 


Gersmeiler,, Horter- und Meſſersbacher— 
Hof und der Galappmühle; b) Neukirchen 
mit Neufirchen, Baalborn, Daubenborner- 
und Fröhner Hof und Reichholzmühle; 
ce) Aljenborn ınit Aljenborn und Enfenbad). 

4. Das Schultheißenamt zu Aljen» 
brüf und Wartenberg. 

5. Das Stijt Lautern, die Pflege 
Dtterberg, die Probſtei Enfenbady, die 
Klauſe Fiſchbach (aus den jäfularifterten 
Klojtergütern gebildet) und die Kirch 
ſchaffnei Yautern. Diejelben unterjtanden 
der Dberauflicht des Eurpfälziichen Amt— 


mannes zu Yautern, rejjortierten aber von 





(jenjeits v. d. Venen), Niedermohr, Ober- | 


mohr und Schrollbach; b) Weilerbad mit 
Weilerbah, Schwedelbach, Pörrbad), Erzen- 
haufen, Eulenbis und Rodenbach; ce) Stein- 
wenden mit Steinwenden, Stottweiler, 
Mackenbach, Mieſenbach, Schwanden und 
Stegen; d) Kübelberg mit Rübelberg, 
Schmidmeiler, Dietweiler, Altenkirchen, 





der geiftlihen Güteradminiftvation zu Hei: 
delberg. 

Diefe Orte lagen fämtlich innerhalb des 
beim Zerfall des Reichs durch den tat- 
fräftigen Kaiſer Friedrich Barbarofja 1152 
für die Krone geretteten Neichslandes, deſſen 
Örenzen unter Gmvehnung des Königs— 
landes (Amt Wolfitein) nah dem Weistum 
der Yauterer Burgmannen von 1417 fol- 
gendermaßen verlief: Bom Wolfsbirnbaum 
auf der Höhe bei Krottelbach nad) der weißen 
Dohle (andere Yesert: Wiefental), dann 
hinter Wadenau?) den Sternberg?) hinab bis 


‚zur frummen Weide bei Yautereden, von 


da Hinter Falkenftein herum über die Ge— 


Birfe auf den Schorlenberg (bei Aljenborn), 
von da hinter Peilftein herum über den 
Bremenrein (Bremerhof) und die Staffeln 
nach der Bartenfurt (unterhalb der Mohrer 
Mühle bei Waldmohr), von hier über Ztridel- 
bad) zurücd zum Wolfsbirnbaum, Uriprüng-» 
lich waren die Örenzen wohl noch weiter 


vorgeſchoben, namentlich nad) Süden Hin, 


da die außerhalb dieſes Bezirkes gelegene 
Burg Wilenftein bei Trippftadt eine Reichs— 
fefte war und von den Yauterer Reichs— 
burgmannen bejett wurde. 


Y Das Amt Kübelberg wurde 1779 gegen 


Duchroth, Oberhaufen und andere Stücke an 


Frohnhofen, Ohmbach, diesjeits der Bad, 


(jenjeit3 Pfalz Zweibrücken), 


Brücken, 


Schönenberg, Sand, Elſchbach, Nieder- und | 


Bfalz- YSmweibrüden abgetreten. 

*, Eingegangene Tiefburg beim Frohn— 
bacher Hof. 

) Sternberg bei Niederalben. 


Bei der Einzelbeichreibung werden die 
Städte Yautern und Otterberg nur flüchtig 
berührt. Binfichtlich der erjteren wird auf 
die alten Rechte als ehemalige Neichsitadt 
innerhalb ihrer Ramſteine (eigenes Hals— 
gericht unter dem Vorſitz des Furfürftlichen 
Amtmannes, Freiheit von Leibeigenſchaft zc.), 
fowie auf die Ordnung des Bfalzgrafen 
Otto und die inzwifchen abgeſchloſſenen Ber» 
träge verwieſen. DOtterberg fommt nod) 
fürzer weg, da hier nur auf die 1579 mit 
den vertriebenen Reformierten aus Schönau 
und dem Stift Yüttih durch Kurfürft 
Johann Kafimir abgeichlojfene Kapitulation 
und die kurz vorher (1581) zugeftellte Stadt: 
ordnung Bezug genommen zu werden brauchte. 
Für die Geſchichte Otterbergs, die leider 
bis jegt noch feine zulammenhängende Be— 
arbeitung gefunden hat, kommt zunächft 
das Urkundenbuch des Nlofters Otterberg, 
herausgegeben von Frey und Nemling, und 
für die heutige Stadt Heft 7 der Gejchichts- 
blätter des Ddeutichen Bugenottenvereins 
neben den die ganze Pfalz umfaffenden 
Beichreibungen von Widder, Frey und Rem- 
ling in Betradt.') 

Im Gegenfag zu den Städten find die 
Gemeinden um jo eingehender behandelt. 
Für dieſe ift im einzelnen ein genaues 
Verzeichnis der auf ihnen ruhenden Rechte, 
jowohl von Aurpfalz wie von den im Amt 
begüterten oder angrenzenden fleinen und 
großen Herren an Zehnten, Gülten, Zinſen, 
Frohrden, Steuern, Hagen und Sagen, 
Yeibeigenen, Wildfängen, Baftardfällen, Frei: 
zügigfeit, Frevel und Bußen, furzum eine 
eingehende Schilderung der Rechtsverhält: 
niffe unter Beifügung von Abjchriften der 
BWeistlimer, Verzeichniſſen der Yeibeigenen 
ujw. gegeben. Dieje FFeititellungen waren 
bei der Zerſplitterung des Beſitzes für den 
damaligen Pandjchreiber feine leichte Auf: 
gabe, da in dem verhältnismäßig Fleinen 
Oberamt Yautern damals begütert bezw, 
berechtigt waren: 

1. Bialz-Zweibrüdfen und Pfalz-Lau— 
tereden. 

2. Der Markgraf von Baden. 

3. Die Grafen von Falkenſtein, Yeiningen: 
Hartenburg, und Leiningen Wejterburg, 
Hanau, Naffau Saarbriiden. 


H Neuerdings bat Pfarrer Stod mehrere 


Artikel zum Geſchichte Drtterbergs veröffentlicht. 


143 


4. Die Herren von Diemerftein, Eltz, 
Flersheim, Hoheneden, v. d. Leyen, Lich 
tenberg, Müngheim, Rodenſtein, Sickingen, 
Wallbronn und Wartenberg. 

5. Die Komthurei Einfiedel und Saar- 
brüden. 

6. Klaus Fiicher, Ratsherr von Yautern 
und Hans Philipp Schlör von Kreuznach. 

7. Die damals bereits jäfularifierten 
Klöfter Hornbach, Otterberg und Wadgaffen, 
das Stift Yautern, die Probjteı Enkenbach, 
und die Klauſe Fiſchbach bei Hochſpeyer. 
Dab während der nächſien beiden Jahr— 
hunderte feine wejentliche Anderung ın dem 
vorbezeichneten Befigitand eintrat, lehrt ein 
Blick auf die — Karte der Pfalz 
von Ran und Ritter aus dem Jahre 1792. 
Ganz anders aber war das Bıld wenige 
Jahre ſpäter, als infolge des Beichlufjes 
des Vollziehungsdireftoriums zu Paris vom 
4. November 1797 unterm 15. März 1798 
die durch die franzöfiiche Republik eroberten 
Länder der heutigen Pfalz dem Departement 
des Donnersberg zugeteilt wurden und mit 
einem Schlag zum Segen unieres engeren 
Vaterlandes der Vielherrſchaft ein Ende 
bereitet war. 

Was dıe Beichreibung für den Lokal— 
hiftorifer bejonders wichtig macht, ijt die 
Behandlung jeder Ortjchaft für fich unter 
namentlicher Aufführung der Yeibeigenen 
und Huber, jomwie die gelegentliche Erwäh— 
nung von Flurnamen ꝛc. in den Weis— 
tümern, wodurch fich ein ungefähres Bild 
der Gemeinweſen vor dem 30jährigen Krieg 
gewinnen läßt. Auf diejelbe wurde des- 
halb früher in gejchichtlichen und geo= 
graphiichen Werfen über die Pfalz vielfach 
zurücgegriffen, in neuerer Zeit von Pfarrer 
Bilfinger in der intereflanten Schilderung 
des Holzlandes und Yohannisfreuzes, und 
in der Etudie des Forſtaſſeſſors Keiper 
über den Reichswald. Auch der Verfaſſer 
der Gejdichte von Wartenberg, Wılenftein 
und Neuhemsbach im Spntelligenzblatt des 
Nheinkreifes für 1827 Ceite 167, 213 
jcheint aus derjelben geſchöpft zu haben. 
Auf die Wichtigkeit der Weistümer für das 
damalige bürgerliche und bejonders das 
bäuerliche Leben ift in Heft 16 der Mit 
teilungen des Hiſtoriſchen Vereins der Pfalz 
eingehend vermwiejen und nachſtehende Deft- 
nition gegeben: „Weistum ift das von 


— 14 — 


bäuerlichen Gerichten in regelmäßigen Friſten 
oder auf jpezielles Anſuchen um Rechts 
belehrung bin feitgeftellte bäuerliche Ge— 
wohnheitsrecht. Es meilt aus den Um— 
fang des Gemeindebanns, den Anteil an 
MWald und Weide und Wafler, es weiſt 
den Grund: und Gerichtäheren, es meijt 
die Abgaben und Frohnen, kurzum die 
Rechte und Laſten der Herren und Bauern 
in ihrem gegenjeitigen Berhältniffe.” Daran 
ihließt ſich ein Werzeichnis der für die 
Pfalz und die Nachbargebiete im Kreis— 
archiv verwahrten Weistiimer, in das Die 
dem Lagerbuch abjchriftlich beigefügten Auf- 
nahme gefunden haben. Ein Teil derfelben 
ift bei Grimm (Weistiimer) und Maurer 
(Dorfverfaffung) abgedruckt. Der Boll- 
ftändigfeit halber werden fie zur Grleichte 
rung des Nachſchlagens in der Reihenfolge 
des Driginals bier aufgeführt: 

Blatt 124. Kübelberger Gerichtöbe- 
Ichreibung. Das Stübelberger Gericht fam 
1779 durch Tauſch von Kurpfalz an Ziwei- 
brüden, 

Blatt 158. Weistum der drei Gerichte 
Weilerbach, Ramftein und Steinwenden, im 
Reich genannt, abgedrudt Grimm 5, 660. 

Blatt 174. Weistum der Comthurei 
Einfiedel zu Weilerbach. 

Blatt 191. Weistum der Hüber zu 
Alfenborn von 1588, 

Blatt 208 und 234. MWeistum der 
Gemeinden Alfenborn und Enkenbach von 
1560 und 1581. 

Blatt 217 und 313. Weistum der 
Gemeinde Morlautern und des Gerichts 
Morlautern, 

Blatt 233, 291 und 337. Weistum 
der Gemeinde Neufirhen im Obergericht 
des Probites zu Enfenbadh und im Nieder» 
gericht der Herren von Otterberg, beide 
doppelt, aber nicht ganz gleich lautend, 
Ferner ein erweitertes Weistum von 1543 
für das Obergeriht des Probſtes von 
Enkenbach. Ein in dem Lagerbuch nicht 
enthaltenes Weistum für das Gericht Neu- 
firhen aus kurpfälziſcher Beit ift bei Grinm 
d, 710 und Maurer 2, 443 abgedrudt. 
Dazu tritt außerdem das Weistum der in 
der Waldinarf berechtigten Gemeinden Neu: 
firchen, Mehlingen und Baalborn von 1579, 
abgedrudt in Heft 9 der Mitteilungen des 
Aiſtoriſchen Vereins der Pfalz Seite 235. 


Abts bon 
1507. 


Platt 241, 
Dtterberg zu 
Grimm 1, 789. 

Blatt 255. Weistum des Schultheiken- 
amts Wartenberg von 1560. Grimm 1, 
781. Die Dörfer Mehlingen und Gem: 
bach trugen die Kolbe von Wartenberg da» 
mals von Kurpfalz zu Lehen; trogdem 
find für einen Teil ihrer Einwohner nament- 
liche Liſten beigefügt. Ein genaues Ber- 
zeichnis des furpfälzer Lehens der Warten: 
berger vom 15, Yuli 1558 befindet fich im 
Kopialbuch der Stadt Lautern, Blatt 216 
(Kreisardiv zu Speher). 

Blatt 260. Der Karlsburger Vertrag 
zwiichen Blalzgraf Johann Kafimir und 
Herzog Johann vom 14. März 1587, 

Blatt 290. Weistum der Gemeinde 
Erlenbah, von dem nur das Titelblatt 
erhalten ift.!) Eventuell iſt das bei Maurer 2, 
450 und Grimm 5, 663 abgedrudte mit 
dem fehlenden identiih. Erlenbach mar 
ein altes Neichsdorf, deſſen Gefchichte mit 
der Burg in Yautern enge verbunden war 
und das infolge jeiner wachſenden Bevölfe: 
rung zum 1. April 1904 zu einer jelbjt« 
ftändigen Bürgermeifterei erhoben und 
daran erinnert wurde, daß es ſchon vor 
faft fünfhundert Jahren Sig eines Schöf- 
fengeriht3 war. Denn im Jahre 1467 
vereinigte der Abt Peter II. von Ötterberg 
mit Berilligung des Kurfürſten Friedrich 1. 
von der Pfalz des Schug- und Schirmberrn 
des Stlofters, die drei Hubgerichte in feinen 
Dörfern Erlenbach, Reichenbach und Gers— 
weiler (die beiden legteren heute nur noch 
Höfe) zu einem Schöffengericht in Erlenbach, 

Flatt 294, Weistum der Herren von 
DOtterberg zu Baalborn von 1567, Grimm 
5, 710. Weistum der Herren von Otter: 
berg zu Hühnerjcherre (Hirſchhorn) von 1566. 
Grimm 1, 797. Leider fann auf den In— 
halt der einzelnen Urkunden, jo interejfant 
er auch ift, Hier nicht näher eingegangen 
werden. 

Für das Stift Yautern (Blatt 307) die 
Probftei Enkenbach (319) und Klauſe Fiſch— 
bad) ber Hochſpeyer ift ein Verzeichnis der 
erblich und auf Zeit verliehenen Hofgüter, 
der Behnten und in eigener Verwaltung 

!, Das Weistum ift in der Abjchrift der 


Amtsbejchreibung, Salbuch Nr. BI des Kreis— 
archivs Speyer volljtändig verzeichnet. 


Weistum des 
Aljenbrüf von 


— 15 — 


befindlichen Wuldungen, Weiher ꝛc. beige 
fügt. Wegen der Kolleftur oder Kirchen: 


geblieben und beim Bujammerbrud der 
alten Ordnung während der vapoleonijchen 
ichaffnei Yautern und deren Gefälle, Ber | Zeit nicht wie jo viele andere Archivſchätze 
joldung der Pfarrer, Glödner und Scul- | mangels entiprechender Fürjorge verichleu- 
diener und des Slirchenjages (Jus patro- | dert worden find. In beiden findet der 
natus) im Oberamt Qautern wird auf die | Yofal-Hiftorifer eine reiche Quelle für die 
bei der Verwaltung zu Heidelberg befind- | Ortögeichichte und vielleicht tragen dieſe 
lihen Rechnungen und das Kompetenzbuch Zeilen dazu bei, den Sinn für die Heimat: 
verwiejen. Über den reichen Befit des | forschung zu fördern. Auch für die Ramilien- ' 
Klofters Otterberg (Blatt 281 ff.) im Ober- | geichichte bietet die Amtsbeſchreibung eine 
amt und aud außerhalb Kurpfalz gibt die | Fundgrube. Noch heute eriftieren in den 
eingehende Schilderung des damaligen | meiften Dörfern Träger der vor mehr als 
Pflegers Johann Paul Flemmingen ein | dreihundert Fahren aufgeführten Namen, 
Elares Bild und man muß geitehen, daß | aber nicht mehr als fait rechtloje Leibeigene, 
dieje Sloftergüter in Verbindung mit dem | jondern als freie Bürger und liefern den 
raſch aufblühenden und gewerbtätigen Städt- | Beweis, daß fie troß der mechielvollen 
chen Otterberg einen wertvollen Zuwachs | Zeiten und dev vielen Kriegsſtürme, welche 
für die Eurprälziichen Lande bedeutete, jeitdem über die Plalz dahingegangen find, 

Daß dieje der geiftlihen Güteradmini« | auf der heimarlihen Scholle ausgedauet 
ſtration unterjtellten Bejigungen bei der | haben.') 
Beichreibung mandmal etwas kurz megge: | — 
fommen, beruht darauf, daß der Yand» 
ichreiber in jeinem Bericht oft nur auf die 
von Forftmeilter VBelmann im Jahre zuvor | 
abgefahten Befordyungen (Grenz: Bejchrei- 
bungen) Bezug zu nehmen brauchte. 

Wir müflen eö mit Danf begrüßen, 
dab uns dieſe beiden Urkunden erhalten 





‘ı Dank der verjtändnisvollen Unterſtützung 
der Neihemwaldgemeinden und der Stadt Kaiſers— 
sautern werden die für diefe Gegend jpeziell in 
Betracht fommenden Teile aus der Belmann- 
ſchen Beforfhung ſowohl, wie aus der ber: 
amtöbefchreibung, ergänzt durch mehrere bisher 
teilmweife noch nicht benugte Urkunden demmnächit 
in Buchform im Berlag der Thiemefchen Druderei 
zu Kaiferslautern ericheinen. 





Göllheim.*) 
Hiltorifch-topographifches Bild von J. Yang. 


Der Marktflecken Göllheim, am nörd— | Wirundus, Abt von Hornbad), beflagte fich 
Iihen Abhange des Höhenzuges gelegen, | nämlich im Jahre 820 bei Kaiſer Ludwig 
der von der pfälziſchen Hauptwafjericheide | dem Frommen, daß feinem Kloſter ſchon 
fich zwijchen Eis und Pirimm nah Dften | zu Zeiten Starls des Großen gewille Güter 
erjtreft und gegen den Rhein abfällt, ger | zu Gylnheim im Wormsgau und zu Hab: 
börte nebſt den Dörfern Stauf, Ramjen, | firchen im Bliedgau ungerecdhterweije ent: ' 
Eijenberg, Kerzenheim, Sippersfeld, Breu- | rijfen worden jeien. —’ Der Kaiſer beauf: 
nigweiler, Rojenthal, Kerzweiler, Albus: | tragte den Eüniglihen Sendboten Donatus 
heim und Pirimmerhof zu der frühern | mit der Unterjuchung der Sache, welcher 
Herrihaft Stauf, weldhe vom Jahre 1393 | ihm den Bericht erftattete, daR im Worms: 
bis zu deren Auflöſung durch die fran- | gau in der Mark Gylnheim dem oben: 
zöſiſche Revolution 1793 mit der Herrfchaft | genannten Klofter einige Güter, die das— 
Kirchheim unter Nafjau-Saarbrüdf’icher und | jelbe in Gemeinjchaft mit Warinus und 
jpäter Naſſau Weilburger Herrichaft ver» | Wido bejaß, von dem vormaligen Grafen 
einigt war. Göllheim gehörte zum Worms- |; Hatto unrechtmäßigerweije entzogen worden 
gau und fommt unter dem Namen Gyln- | jeien. Auf diefen Bericht befahl der Kaiſer 
heim, Gelnheim, Gillenheim und Gellum | dem bejagten Kloſter die ihm entrifjenen 
jeit dem 9. Jahrhundert urkundlich vor. | Güter wieder zurückzugeben. 


) Nadı Köllner, Geſchichte ber Herrſchaft Kirchheimbolanden u. Stauf. 


In Gylnheim bejiegelte und unterjchrieb 
König Ludwig der Fromme im Jahre 828 
eine Urfunde, durch welche Wiligarte, eine 
Entelin des Grafen Werinher im Blies- 
gau, dem heiligen Pirminius, d. 5. dem 
Kloſter Hornbach, das Dorf Wiligarts- 
wiefen im Annmweiler Tal ſchenkte. Es 
war demnad in Göllheim jehr wahrjchein- 
lich ein fönigliches Hofhaus (Mansio regia), 
wo fich die Könige auf ihren Reifen auf- 
zuhalten pflegten. — Nach dem Berichte 
des Geichichtsiorichers Crolltus follen die 
olten Grafen des Worms: und Speyer- 
gaues dafelbit begütert geweſen ſein. 

Bon oben genanntem Beitpunfte ver- 
ſchwinden alle geihichtlichen Nachrichten von 
(Höllheim, bis wir den Ort im 13. Jahr— 
hundert als Beitandteil der Herrſchaft 
Stauf wiederfinden. 

Graf Eberhard II. von Eberjtein, Herr 
zu Stauf und jeine Gemahlin Adelheide 
von Gain gründeten im Jahre 1241 das 
in der Nähe von Göllheim gelegene Frauen: 
flofter Rojenthal und beichentten dasjelbe 
1247 reichlich nebft andern Gütern aud) 
mit dem Patronat der Kirche zu ®illen- 
beim (Göllheim), mit allen dazu gehörigen 
Ginfünften, die aus folgenden Gefällen, 
Renten und Gülten beftanden: 

„Ständiger Ader: und Wiejenzins 45 
Sulden, 10 Albus, 7 Big., 2 Heller. Bon 
den Hofleuten zu Gellheim, 33 Malter Storn. 
Rom großen Hof dajelbit 22 Malter Spel;. 
Vom Yorenz- und Niklas: Altar dafelbit 54 
Gulden, 13 Malter Korn und Hafer. Vom 
Mappes: und NRübenzehnten 10 Gulden 

Im Jahre 1263 fam Göllheim durch 
Erbichaft an das Zweibrück'ſche Haus und 
hatte jufzeifive die Grafen Heinrich IL, 
Eberhard I. und Wolram I. zu Oberherren. 
Die beiden legteren waren Brüder und 
Anhänger des Herzogs Albrecht von Djter- 
reih, welcher im Mai 
Heer aus dem Elſaß durd die ihnen als 
lothringiiches Yehen gehörige Grafichaft 
Bitih gegen Göllheim zog und dort dem 
Staifer Adolf von Naſſau am 2. Juli 1298 
eine Schlacht lieferte, in welcher legterer 
Krone und Yeben verlor. 

Die Stelle, auf welcher der König fiel, 
wurde bald nach jeinem Tode mwahricein- 
lih durd feinen Sohn Rupert, welcher 


1298 mit ieinem | 


146 











ſelbſt der Schlacht beimwohnte, oder durch 
deifen jüngeren Bruder Gerlach mit einem 
Denfmale bezeidynet, das noch zu Göllheim 
vorhanden und unter dem Namen Nönigs- 
kreuz befannt if. Das erite Denkmal 
bildete eine 11 Fuß lange, 9 Fuß hohe 
und 3 Fuß 9 Zoll dide Mauer, in melde 
eın einfaches Chriftusbild aus Stein ein- 
gefügt war. Ein zu den Füßen des Bildes 
eingehauener Naſſauer Löwe deutete das 
Gejchleht und eın über dem Haupt befind- 
liher einfüpfiger Reichsadler die Königs‘ 
würde des Gefallenen an. Eine Stein 
tafel, welche neben dem Ghriftmöbilde in 
die Mauer eingefügt war, trug folgende 
Inſchrift: Adolphus a Nassav Romanorum 
Rex interfieitur ad Gellinheim 
“ls im Verlaufe der Zeit das Denkmal 
durd Wind und Wetter gelitten hatte, ließ 
es ein Nachkomme Adolis, Graf Ludwig 
von Naſſau, 1611 mieder ausbejlern und 
auf emer Steinplatte folgende Inſchrift 
beifegen: Anno Milleno Trecentis Bis 
Minus Annis in Julio Mense Rex Adolphus 
Cadit Ense. — Renovatum Hoc Monu- 
mentum Sub Ludovico Comite Genero- 
sissimo a Nassau. Anno 1611. — Nach— 
dem das Denfmal faft wieder zwei Yahr- 
hunderte überdauert hatte, wurde dasjelbe 
in der franzöfiichen Revolution mit Gewalt 
zeritört und drohte mit völligem Einiturz. 
Allein den Bemühungen der Königl. Re— 
gierung und des Hiſtoriſchen Vereins von 
der Pfalz gelang es, durch jreimillige Bei- 
träge und Subjfriptionen auf die von Dom: 
fapitular Geifjel geichriebene Monographie 
„Die Shlaht am HDajenbühl”, die 
nötigen Geldmittel zu keichaften, um das 
Denkmal in feiner heutigen Geltalt aus- 
zuführen und durch Ankauf der darum: 
liegenden Grundſtücke dasjelbe für alle Zeit 
in mwürdiger Weile zu fchligen und zu er 
halten, 

Bon den Grafen von BZmeibrüden fam 
Göllheim an die Grafen von Sponheim 
und von legteren 1393 an Najjau. Die 
Herrihaft hatte die hohe Obrigfeit und 
Berichtsbarfeit nebſt anderen obrigfeitlichen 
Gerehtiamen daſelbſt. Aber das nahe 
gelegene Kloster Roſenthal beſaß den grök- 
ten Teil der Gefälle und Renten, jorwie den 


Zehnten und bedeutende Hofglter auf der 
‚ Göflheimer Gemarkung, welche jedoch zur 


Beit der Reformation von der Yandesherr- 
ihaft angezogen murden. 

Nach dem Berichte Andrä's bezog die 
Naſſauiſche Regierung ım Jahre 1631 fols 
gende Gefälle zu Göllheim: 

Bon der Beed*) 70 Gulden; Amts- 
geld 10 Gulden; Bannwein 11 Gulden; 
Frohngeld 84 Gulden; Soldatengeld 15 
Gulden, Sodann gewiſſe Einfünfte von 
der Bannbäderei, Güterzinien, Wächter: 
geld, Erbzinjen. Bon den Backhäuſern 13 
Sulden; TU Kappen (Sapaunen); 59 Fajt- 
nachtshühner; 58 Erntehühner; 5 Bıns- 
hühner; 100 Malter Beedhafer; 142 Malter 
Korn von ausgelichenen Gütern. Vom 
Behnten: 72 Malter Kom; 38 Malter 
Spelz; 14 Walter Gerfte; 26 Malter 
Erbien und Linien. Endlich den Kappes— 
und Rübenzehnten. 

Das Denombrement vom Jahre 1683 
fagt Über dieſen Ort: Der Varftfleden 
Göllheim ift in den legten Kriegen außer: 
ordentlich ruiniert worden. Die Unter« 
tanen entrichten dort Beed, Amisgeld, 
Bannmwein und Wächtergeld, Zins von Erb« 
pädıten, Bannofen-Gelder, Frohndienſte oder 
Frohngeld, Zinskorn, Beedhafer, Zinshafer, 
Kapaunen, Eier, Hühner, großen und Eleinen 
Behnten ulm. — der auf der Gemarfung 
von Söllheim gelegene Plunfershof, welcher 


Jahre 1485 mıt 160 Morgen fFeld, da- 
runter einen Ader „bei dem Creutz“ und 
einen Bujh am „Haſenbohel“ als freies 


Eigentum „um dreyzehn halb hundert gülden | 


147 








[1 


laufenden Hund als 
von dem Edelfneht Adam von Sötern im 


reiniher in golde landeswehrunge, den 
würdigen und GErjamen Frawen Eptijlin 
und Gonvent des Kloſters zu rojendale” 
verfauft murde, gehörte jet wieder der 
Herrſchaft, welche aud, wie Kremer be: 
richtet, 1780 den Grundheimer Hof da: 
ſelbſt beſaß. 

Die Pfarrkirche zu Göllheim hatte zwei 
dem heiligen Laurentius und Nikolaus ge— 
widmete Altäre, welche mit 54 Gulden, 
7 Malter Korn und 6 Malter Hafer jähr- 
liher Einfünfte begabt waren. Die Colla— 
tur des leßteren ftand 1518 dem Stlojter 
Diterberg zu. Das Patronat der Sircdhe 
zu Göllheim bejaß die Herrichaft; es ging 
von diejer an das Kloſter Rofenthal über 
und fiel nach Aufhebung desielben 1573 
wieder an erjtere zurück. — Göllheim wird 
in den Urfunden des WRojenthaler Stopial- 
buches, das fih im Speyerer Kreisarchiv 
befindet, noch im 16. Jahrhundert als 
Dorf „villa* bezeichnet; es muß aber jpäter 
zum Burg. oder Marktflefen erboben wor- 
den fein, denn es war bis zur franzöftichen 
Revolution mit Mauern, Gräben, Türmen 
und Toren befeitigt. Der gegen Norden 
jtehende feite Turm mar noch längere Beit 
ziemlich erhalten und an ihm zeigte man 
den fremden einen die Mauer hinauf: 
altes Wahrzeichen 
des Ortes. 


*) Bede (Betitio) eine Abgabe, die man 
anfänglich bittweiſe von den Untertanen erhob, 
die aber endlich unter diefem Namen cine ftändige 
Steuer wurde. 


Bie Goldwäſcherei am Aheine. 
Bon Ed. Mang, Speyer. 


In den 60er Jahren des letten Jahr 


bunderts jehen wir zwei ehemals blühende 
Zweige der Edelmetallgewinnung in unferer 


Pfalz verichwinden: den Quedjilberbergbau 
und die Nheingoldwäfchere. Obwohl che: 
dem die Ausbeute an Duedfilber in der 
Pfalz die Gejamtproduftion Deutichlands 
weit übertraf, trat nad) 4% Jahrhunderte 
langem Betriebe Erzmangel ein, der in 
Verbindung mit den ungünftigen Lagerungs— 
verhältniffen der noch vorhandenen Erze zur 
gänzlihen Einftellung des Quuedfilberberg- 
baues geführt hat. Gleiches Schickſal wider- 


fuhr der noch viel älteren Nheingoldwäicherei, 
d. 5. der Soldgewinnung aus den Sande 
des Rheines durch Waſchbetrieb. 

Eritmal& geichiehbt der Goldwäſcherei 
am Rheine Erwähnung durch Dttfried von 
Weißenburg, welder in dem Vorwort zu 
jeinem Govangelienbuch (um 870) bei der 
Yobpreifung jeiner Heimat vom Rheine jagt: 

„Joh lesent thar in lante 

Gold in iro sante.* 
Doch dürfte die Goldgewinnung aus dem 
Rheinjande viel meiter zurücgehen und 
zwar bis ins 3. Jahrhundert vor unierer 


Zeitrechnung, da man wohl annehmen darf, 
dak die Goldmünzen der feltiichen Volks— 
ftämme aın Rheine, wovon ung noch einige 
erhalten find, aus Rheingold hergeftellt 
waren, weil andere Goldfundorte bier nicht 
befannt find. Auch die ungeheuren Gold» 
mengen, die Cäſar nad) der Groberung 
Galliens nah Rom ſchickte, können nur 
aus dem heine und feinen Nebenflüflen 
ſowie aus einigen goldführenden franzöfiichen 
Flüffen ftammen. Urkundlich finden mir 
die Goldgründe erwähnt ın Schenkungen, 
Berleihungen, Verpachtungen 20. vom 7 
Jahrhundert an bis im die meuefte Zeit. 
Das Waſchrecht bejaken nämlid die am 
Rheine 
welche ed häufig wieder weiter verliehen 
oder die Goldgründe verpacdteten ine 
große Anzahl jolcher geichichtlichen Angaben 
finden wir in einer Arbeit von Broiejior 
Dr. Neumann, Darmitadt, betitelt „Die 
Goldwäſcherei am heine” und abgedrudt 
in der Zeitſchrift fiir das Berg, Hütten: 
und Salinenweien Jahrg. 1903. 

Woher kommt das Gold im Rheine? 
Der Oberlauf führt bi8 zum Bodenfee nur 
wenig, von hier bi8 Waldshut gar fein 
Gold. Somit kann nur die Yar der eigent- 
liche Goldlieferant fein. Tatſächlich iſt dieſer 
Fluß ſowie ſeine Nebenflüſſe, beſonders die 
Reuß und die beiden Emmen, ſtark gold— 
führend. Aus dieſen fommt es alio in den 
Rhein. Auch einge Schwarzwaldbäche führen 
dem Rheine Gold zu; der überaus größte 
Teil desielben ftammt aber aus den Alpen. 
Tas goldhaltige ‘Serölle wird im Wajler 
yertrümmert und zu Sand zerrieben. Die 
leichten Zeile werden vom Strome mit- 
genommen, die ſchweren Goldteilchen aber 
bleiben liegen oder gelangen nur allmählich 
vorwärts, Da von Waldshut bis Bajel 
die Strömung ſehr ftarf ift, fo finder fich 
bier wenig Gold, 
waren von jeher zwiichen Kehl und Philipps» 
burg. Unterhalb Mannheim war die Aus- 
beute gering und unterhalb Mainz findet 
jich fein Gold mehr vor. Aus dem gleichen 
Grunde erklärt es ſich aud, daß die Gold— 
flitterchen 3. B. bei Kehl viel größer find 
als bei Speyer. Die reichten Goldgrinde 
finden ich auf Stiesbänfen, die der Strom 
am Ufer abriß und an einer ruhigen Stelle 
anlegte, mas gewöhnlid) bei Hochwaſſer vor: 


anjäffigen Fürſten und Herren, 


148 








‚ erhöhten Leiſten verjehen, 
Die rentabelften Wäjchen | 





fommt und vor der Stromregulierung häu— 
figer geihah als jegt. Die ſchweren Sand. 
teile und die Goldkörnchen lagern fi am 
Kopfende oder der Stirn der Banf ab, 
wobei das Gold ziemlich oben auf zu liegen 
fommt. Der geübte Goldwäjcher erfennt 
ſolche waſchwürdige Goldgründe jomohl an 
der Lage wie an der Farbe des Sandes 
(dunfler Magneteijenjand). Trogdem nimmt 
er eine Unterfuchung auf die Goldhaltigkeit 
vor und bedient ich hiebei der jog. „Sichel“, 
einer kleinen Schwarzen Holzſchauſel. In 
diejer wird eine Sandprobe durch wieder: 
holtes Aufgießen von Wajler und durd) 
ruckweiſes Schütteln von dem weißen Sande 
befreit, welcher hinausgefchleudert wird. In 
dem ſchweren, dunkeln Rückſtande werden 
nun die Goldflitterchen, die ſich auf dem 
dunkeln Grunde deutlich abheben, gezählt. 
Soll der Sand waſchwürdig fein, fo müſſen 
bier in Speyer mindeſtens 40 -50 Flitter- 
chen auf der Schaufel gezählt werden können, 


| während meiter oben am Rheine, 3.8. bei 


Straßburg, wo die Goldpartifelchen viel 
größer find, deren 10—12 genügen. 

Die zur Goldmwäjcherei verwendeten 
Geräte habe ih im Belize einer alten 
Speyerer Wäjcherfamilie noch vollftändig 
vorgefunden, Sie befinden ſich jegt im 
Hiftoriichen Mujeum der Pfalz in Speyer, 
das aud einige Rheingoldmünzen befigt. 
Das Hauptgeräte iſt die Waſchbank, eine 
Holzplatte von 1,90 m Länge und 90 cm 
Breite, melde auf zwei gabelförmmgen 
Böen — 50 und 20 cm hoch — ruht, 
aljo geneigte Stellung hat. Der obere 
Teil der Platte iſt mit einem Stück Bar- 
chent, welches feitgenagelt ift, der untere 
Teil dagegen mit zwei rauhen, wollenen 
Tüchern belegt. Die Langjeiten und die 
obere Schmalſeite der Platte find mit wenig 
Ueber dem obern 
Ende des Waſchbrettes befindet ſich der 
Sturzforb aus Weidengeflecht, welcher un: 
gejähr den 4. Zeil der Tafellänge bededt 
und an der dem Wäſcher gegenüberliegenden 
Yangfeite um ein Scharnier beweglich ift. 
In diefen Sturzkorb kommen etwa drei 
Schaufeln des waſchwürdigen Sandes. 
Durd; Aufgießen von Waſſer mittels eines 
Waſſerſchöpfers wird der Sand durch den 
Korb und über die Tiicher des Wajchbrettes 
hinuntergejpült. Das gröbere Gejtern bleibt 


— 149 — 


im Slorbe zurück und wird durch Umftürzen 
des Korbes entfernt. Der fchwere, dunkle 
Sand und die Goldflitterchen bleiben auf 
den rauhen QTüchern hängen. 


abgenommen und in einem Waflerfübel aus 
gewajhen. Dadurd erhält man ange: 
reiherten Sand, dem aber immer nod) 
etwas meißer Sand beigemifcht iſt. Die 
Anreicherung wird deshalb noch fortgeſetzt, 
indem der leichte, weiße Sand in dem 
„Nierſch“ vollftändig entfernt wird, Der 
Nierſch iſt ein fahnförmiger Holztrog von 
I m Yänge und 20 cm Breite. Am 
hintern, geraden Ende, an welchem fich ein 
Handgriff befindet, ift er 10 cm tief, nad 
dem andern Ende verläuft der Boden des 
Troges flah nad oben. Der Nierich ift 
aljo eine große Iſchel, von welcher oben 
geiprochen wurde; auch erfährt der Sand 
in beiden Geräten die gleiche Behandlung. 
Durch Hin: und Herſchieben des Sicher: 
troges (Nierjches) und Anftoßen des geraden 
Endes an einen Stein wird der noch vor: 
handene leichte, weiße Sand hinaus: 
gejchleudert. Der nunmehr zurücgebliebene 
angereicherte Sand wird nachhaufe gebracht, 
wo alsdann das fogenannte Nusmachen des 
Goldes erfolgt. In einer irdenen Schüffel 
wird der Sand mit Quedjilber vermengt 
und jo lange gejchüttelt oder mit der Hand 
durchgearbeitet bis die Amalgamation voll: 
ftändig erfolgt ıft, was über 1 Stunde 
währen fann. Hierauf wird der Sand 
hinweggewajden und das Amalgam in 
einen leinenen Lappen gebradt. Das 
Quedjilber wird durch den Lappen ge 
trieben, während das Gold in demjelben 
zurüdbleibt. Da aber durch diefe Mani: 
pulation das Queckſilber nicht gänzlich ent 
fernt werden fann, fo bringt man das Gold 
im Lappen im einem Löffel übers Feuer, 
wodurch das noch anhaftende Queckſilber 
verflüchtigt und das pure Gold übrig bleibt 
Dieſes wird nun unter Zuſatz von Borar 
in einem Ziegel geichmolzen, um es „ge 
ihlacht” zu machen. Das Schmelzen be: 
forgten aber nicht die Wäſcher jelbit, ion 
dern ed waren hiezu beionders verpflichtete 
Gewerbsleute beitimmt. So wurde im 
Jahre 1832 angrordnet, daß alles an die 
bayerische Regierung abzulicfernde Walch: 
gold dem Uhrmacher Borth in Speyer zum 


Nach etwa | 
30 Füllungen des Korbes werden die Tiicher | 





Einfchmelzen zu übergeben ſei, der eine 
Scmelzgebühr von 9 fr. für die Krone 
(3'2 g) erhielt. Im Fahre 1847 wurde 
erlaubt, daß das Gold auch in Germers— 
heim und Kandel eingeichmolgen werden 
durfte. Die Auszahlungen an die Wälcher 
und die Ablieferung des Goldes an das. 
Hauptmünzamt bejorgte die Kreiskaſſe. 
Über die gewonnenen Goldmengen be» 
figen wir in der Pfalz genaue Angaben 
von 1825— 1862, während fie in Baden 
bis zun Jahre 1748 zurüdgehen Nach 
diefen Ausweiſen lieferte das Jahr 1748 
in Baden 870 & und ftieg die Produftion 
auf 12,9 kg im {Jahre 1831. Alsdann 
verringerte fie fich allmählich, fiel aber nad) 
1860 ganz vapid ab, ſodaß das Jahr 1814 
nur noch 89 g lieferte In der Pfalz 
weiſt das Jahr 1825 3,2 kg auf; das 
Jahr 1831 iſt auch bier das ergiebigite 
mit einer Anlieferung von nahezu 5 kg, 
während 1862 nur mehr 278 g gewaſchen 
wurden. Der Staat hatte fernerhin fein 
Intereſſe mehr an der Einlieferung ; ſolch 
fleiner Goldmengen. Einzelne Goldwäſcher 
trieben zwar das Gewerbe noch einige Zeit 
fort, fo ein hieſiger alter, Wäjcher bis furz 
vor feinem Tode im Jahre 189. Seine 
beiden Söhne nahmen unter Beihilfe eines 
dritten Arbeiter im Jahre 1900 den Iet- 
ten Wajchverfuh vor. Ihre Ddreitägige 
Wajcharbeit wurde durch 6'2 g Gold be- 
lohnt, wofür fie ausnahmsweije einen Lieb— 
haberprei3 von 3 ME. pro Gramm er: 
jielten. Wie boch ſich der Tagesverdienſt 
eines Wäſchers bezifferte, iſt leicht zu be— 
rechnen. Bedenft man nun, daß 1852 
ihon der durchichnittliche Tagesverdienit 
eines Goldwäſchers in der Pfalz 90 kr. 
betrug, daß alfo in diefem Gewerbe feine 
Steigerung des Verdienſtes eingetreten tft, 
während in allen übrigen Betrieben mit 
der Yebenshaltung auch die Yöhne ganz er- 
heblich geitiegen find, jo begreift man, daß 
die Leute dem unrertablen Gewerbe den 
Rücken kehrten und anderen, einträglicheren 
Beſchäftigungen nachgehen. Manchem Leſer 
dürfte ſich der Gedanke aufdrängen, ob 
wohl nicht die Berwendung von Maſchinen 
anſtelle des durch 5 Jahrhunderte unver— 
ändert gebliebenen Handbetriebes eine größere 
Rentabilität ermöglichte. Berſuche mit Ma: 
ſchinen wurden ſchon vor hundert Jahren 


gemadt und bis Witre des vorigen Jahr— 
bunderts fortgejiegt. Das badijche Finanz— 
miniſterium jegt 1822 einen Wreis von 
50 - 100 Dufaten aus für die Erfindung 
einer brauchbaren Waſchmaſchine; er wurde 
jedoch nie vergeben, Die meiſten Maſchinen 


150 


| waren zu fompliziert und wenig wider: 
‚ Standsfähig, aud verhinderten die eigen 
artige Yagerung der goldhaltigen Sand: 
jchicht und der beitündige Wechſel der Gold— 
gründe die mafchinelle Bearbeitung. 


1 


Das MWeidwerk zur Mammutzeit. 


Bon Hermann Berdrom (Berlin). 


Tief hinab in der Vergangenheit Schoß 
müſſen wir fteigen, um cine Epoche zu finden, 
in der der Menſch noch nicht zum Jäger 
geworden iſt. Nach allen, was die Ur: 
gefchichtsforichung bisher ermittelt 
näherte ſich allein die Tertiärzgeit dem deal, 


das der Dichter von dem eriten, dem goldenen | 


Beitalter entwirft: nur damals ftand unjer 
Wejchlecht der Natur ohne Gewalt und 
Waffen gegenüber. 

Jahrzehntelang angezweifelt und doc 
durch den verhältnismäßig hohen Kultur 
zuſtand des Menichen der älteren Steinzeit 
gebicterifch gefordert, iſt die Exiſtenz der 
Tertiärmenjdien nunmehr durch das Auf- 
finden zahlreicher eigenartiger Steinmerf: 
zeuge in den Tertiärichichten Europas zweifel— 
[08 ſichergeſtellt. Es beftehen dieſe Eolithen, 
die Beweisſtücke des Morgenrots der Menjch 
heit, aus Stüden und Splittern von euer: 
fteinfnollen, an deren natürliche Beichaffen: 
heit durch Abjchlagen unbequemer Stanten 


und Vorſprünge nur gerade ſoviel gemodelt | 


Den Ge: 
die 


ift, daß fie in die Fauſt pailen. 
brauch dieſer Fauſtſchlägel ererbten 


meinfamen Ahnen der jpäter in die Menſchen 
und die höheren Affen aeipaltenen Primaten 
reihe; wiſſen doch felbit niedriger ſtehende 


Affen ſich ſolcher Werkzeuge zum Aufflopfen | 


harter Fruchtkerne ſehr qut zu bedienen, 
wie das Prof. Schweinfurth im Jahre 1891 
in einer Talwaldung der Stolonie Gritrea 
an Pavianen jelbit beobachtet hat. Dem 
Tertiärmenſchen mögen feine Handſteine 
auch noch zum Ausgraben nahrhafter Wurzeln 
gedient haben. ‚Waffen dagegen beſaß er 
nicht ; denn er bedurfte ihrer augenscheinlich 
nicht. Gin geübter Baumijteiger, die 
eigentümliche Wölbung unjerer Fußſohle, 
das gebogene Rüdgrat, die mächtige Ent: 
wicelung der erſten Zehe und der Berluft 
ihrer Gegenüberftellbarfeit verdanfen ihren 


bat. , 


Machdruck verboten.) 


| Uriprung offenbar dem nad rt der 
| Auftralier geibten Baumerflinnmen — konnte 
er ſich nicht nur etwaigen Feinden, den 
' Löwen, Tigern und andern Raubtieren der 
Tertiärzeit leicht entzichen, fondern auch 
| faft feinen ganzen Nuhrungsbedarf den 
Zipfeln der riefigen Waldungen entnehmen, 
ı die ihm außer Früchten und Nüſſen nod) 
Gier, Neftjunge, Honig, jhmadhafte Raupen, 
Käferlarven und ähnlihe in den Tropen 
noch heute gejchägte Delifatejfen boten. 
Was hätte da wohl den Tertiärmenichen 
zur Jagd verloden jollen? Es mußte erit 
eine neue Zeit anbrechen, eine Zeit, die die 
Dajeinsbedingungen des friedlichen Frucht 
und Sterbrierellers gründlich ummälzte und 
ihm die Waffen des Kriegers und Jägers 
in die Hand drüdte. Und diefe Zeit fam. 
Yangiam und unabmwendbar wie das 
Schickſal ſelbſt rüdte von Norden ber eine 
riefige Eiswand, der Rand des gewaltigen 





nlandgletjchers, den die Höhen Finlands 
und Normegens jpeiften. Gifige Fluten 
trieben Scaren von Wild, das bisher 


! nördlichere Breiten bevölfert hatte, vor ſich 
Tertiärenropäer vielleicht Schon von den ger | 


ber. Der Boden gibt uns noch jetzt ganze 
; Yeichenfelder jener Tierwelt zurück, und 
wenn er's nicht täte, jo würden uns Die 
Schnitzwerke und Sravierungen, die Felſen— 
und Söhlenzeichnungen der altdıluvialen 
Jäger das lebendighte Bild der eiszeitlichen 
Fauna miderjpiegeln. Dem Urelefanten 
| und Rhinozeros der warmen Tertiärzeit 
ftellten Tich das langhaarige nordiſche 
Mammut und- eine entiprechende Nashorn: 
art an die Seite. Der grummige Höhlen: 
bär trat an die Stelle der großen Raub: 
faßen, die ihrer bisherigen Beute ſüdwärts 
folgten. Scharen von Rieſenhirſchen und 
Moſchusſchafen breiteten fi bis zum Fuße 
der Pyrenäen, Alpen und Starpaten aus, 
deren Gleiſcher ihnen ein Überſchreiten un— 
möglich machten. 


Bald genug jah ſich der Diluvialmenfd) 
gezwungen, von diejer Lberfülle von Wild 
ausgiebigen Gebrauch zu machen; denn mit 
der Tierwelt änderte ſich auch die Flora 
Mitteleuropas, An die Stelle der reichliche 


Nahrung bietenden jungterttären Yaub und | 


Nadelhölzer trat der ernite, Farge nordiiche 
Wald mit jeinen Eichen und Buchen, Fichten, 
Tannen und Kiefern, arın an Früchten, Beeren 
und Nüſſen. Eiſige Winter zwangen den 
naften WMenichen, ın lüften und Höhlen 
Unterichlupf zu juchen und deren bisherige 
Bewohner, den Höhlenbären und die Höhlen- 
hyäne, daraus zu vertreiben. Nicht nur 


das Fleisch der Mammut, Renntier- und | 
Pferdeherden veizte den hungernden Wilden; | 


nicht minder wertvoll erichien das wärmende 
Fell, die zu allen möglichen Geräten 
dienenden Knochen und Geweihe, Hörner 
und Zähne der nordilchen Ginmwanderer. 
Nun fam dem Diluvialmenichen auch der 
Funke des Prometheus zur Dilfe: er er 
mwärmte, jchuf Licht in der Finſternis der 
Höhlen, er half die Nahrung bereiten, er 
iheuchte das Raubzeug, er half jelbit beim 
Erbeuten des Wildes, 

Weit jchwieriger als die Frage nad 
der Jagdbeute ift die Frage nach den Jagd— 
weilen der Urzeit zu beantworten. Wie 
vermochte der fait waffenloſe Wilde fich mit 
feinen unvollfommenen Beilen, Haden, 
Speeren und Pfeilen aus Stein, Bein und 
Holz des riehigen Mammuts, des ftreitbaren 
Wiſents, der flinfen Dirfcharten und Wild: 
pferde zu bemächtigen? 

Darüber geben uns jeine Schnig und 
Bilderwerfe, die im übrigen eine jo beredte 
Sprache führen, faft nirgends Auskunft, 
Eine Schieferplatte aus Doylestown in 
Benniylvanien zeigt freilich eine vollitändige 
Jagdſzene: ein riefiges Mammut fieht Tich 
von einer Schar mwinziger Männlein mit 
Bieilen, 
grimmig jchreitet der Dirfhäuter zum An 
griff vor, indem jeine Borderfühe einen am 
Boden liegenden, anjcheinend von jeinem 
Rüſſel gefällten Angreifer zertrampeln; 
Pfeile und Speere ſtecken in feiner Daut. 
Eine Wammutjagd Fönnte ſich wohl jo zu 
getragen haben: willen wir doc, daß aud) 
die winzigen Pygmäen der Urwälder Afrikas 
den Elefanten kühn mit ıhren vergiiteten 
Waffen entgegentreten und das riefige Tier 


151 








überwinden. Und den Gebrauch des Giftes 
dürfte der Urmenjch wohl bald entlernt haben. 

Höchſt wahricheinlichaber zog der Paläoli— 
thiker, der ſich mit ſeinesgleichen nur familien: 
weile oder in kleinen Horden zuſammenſand, 
dem offenen Angriff meiſtens die Jagdliſt 
vor, nicht nur dem wehrhaften, ſondern 
auch dem flüchtigen Wilde gegenüber ;, denn 
es fehlte ihmmoch dev treueſte Sefährte des 
Weidmanns, der Hund, dev dem Jäger 
ohne Feuergewehr unentbehrlich it. Dem 
Mammut, dem wollhaarigen Rhindzeros 
und den großen Winderarten juchte er 
vielleiche mit Fallgruben beizufommen ; aud) 
die „Bedumen des Urwald”, die afri— 
kanifchen Zwerge, erlegen das meijte Wild 
mittel3 Fallen und Gruben, Auch mag 
der Steinzeitmenich, wie die Pygmäen es 
beim Elefanten tun, das ruhende Mammut 
und Rhinozeros beichlichen und ihnen mit 
Bieilen und Yanzen die Zub und Hand— 
wurzeln durchichnitten haben, Leicht wird 
ihnen das freilich nicht geworden jein, da 
er für dieſen Zweck nur über fägeblatt- 
artig eingeferbte Freuertteinlamellen verfügte, 
während die Urmaldpygmäen ſich von den 
benachbarten Negerſtämmen eiferne Spiten 
ſchmieden laſſen. 

Die Niederlaſſungen der älteren Stein— 
zeit finden ſich häufig in der Nachbarſchaft 
heutiger Moore, die früher offene Gewäſſer 
waren und der damaligen Tierwelt als 
Tränfen gedient haben; denn fie geben 
uns nicht nur Bruchitüde von Sinochen, 
jondern bisweilen ganze Sfelette vom 
Riejenhirich, Wilent und anderen Mitgliedern 
jener Fauna zurück. Bier vor allem wird 
der Jäger Seine Beute belauert haben; 
fauernd im Scilf und Geſtrüpp erwartete 
er die Scharen der rieſigen Wiederfäuer 


| und Diehäuter, der Wildpferde, Wijente 


Speer und Bogen angegriffen; | 


und Hirſche, um plöglich hervorbrechend die 
an der abendlichen Tränfe ſich [egenden 
Tiere mit Beichrei zu erſchrecken und hie und 
da cin veriprengtes Stüd zu füllen. Feuer: 
fteinipigen, die mehrfach, 3. B. im Schädel 
eines MWildpferdes in Schweden, eines 


' Höhlenbüren in Böhmen, gefunden find, 


zeigen, mit welcher Kraft und Gefchteflichkeit 
er jeine törlichen Stöße zu führen mußte, 

Neben diefen Einzeljagden gab es in 
dev älteren Steinzeit gerade wie heute 
Treibjagden im großen. An den teil: 


— 12 — 


hängen umfangreicher Plateaus, bejonders | Vorzugsweiſe ıft jedod das Wild dargeftellt, 
im mittleren und füdlichen Frankreich, hat | das Mammut, das Wijent, das Renntier, 
man große Knochenlager entdedt, die ſich die Antilopen- und Hirfcharten ſowie die 
jaft nur aus den Gebeinen einer einzigen | Wildpferde jener Epoche. Man fragt ſich 
Wildart zujammeniegen. Es iſt, al& ob | angelicht3 diejer zahllojen, meist jehr natur: 
ein paniſcher Schrefen hier ganze Scharen ; getreuen Xierporträts, die fih zum Teil 
getrieben hätte, Fich Föpflings in den Abgrund | tief verjteft im Hindergrunde dunkler 
zu ſtürzen. Ein franzöſiſcher Urgeichichte- | Höhlen auf den Kalkſteinwänden befinden, 
forjcher macht darauf aufmerfiam, daß die nach dem Zweck der urzeitlichen Stunftübung. 
ganze Beftaltung dev Täler, die der Menich | Wäre es das Wohlgefallen am Schönen, 
ın Südfranfreid; zu bewohnen pflegte, der | das offenbar aud vorhanden war, allein 
Diaffenjagd Sehr günftig war. Die Bla: | geweien, weshalb dann dieſes Berfteden 
teaus brechen am Rande an vielen Stellen | der Bilder an Orten, wo fchon ihre Her- 
jo jcharf ab, daß cs cin leichtes fein mußte, | ſtellung — bei Fadellidt — mit großer 
Tıerherden an den Überhängenden Wänden | Mühe verbunden jein mußte? 
zum Abſturz ins Tal zu bringen, wo die Franzöſiſche Foricher haben die fehr 
Tötung und jofortige Verarbeitung der | wahrfcheinliche Vermutung aufgeftellt, daß 
Opfer vollzogen wurde. Dieje primitive | die Kunſt nicht, was die Kunſt für zivili- 
Art zu jagen, vielleicht in der Dunkelheit | fierte Völker it, ein Yurus oder ein Spiel 
mit Hille von fFeuerbränden, mag im der | freier geiftiger Fähigkeiten war, fondern 
älteren Steinzeit eine allgemeine Rolle ge: | vielmehr der Ausdruf einer ſehr groben, 
fpielt haben. Der Menſch könnte fie von | aber jehr tiefiwurzelnden Religion, die aus 
den Raubtieren, beionders von den Hpänen | magischen Beremonien beftand und einzig 
und Scafalen, gelernt haben. Für den | und allein die Erwerbung der täglichen 
Fels von Solutre und die Entſtehung des | Nahrung bezweckte. Daß das primitive 
Magmas oder Breies von WPrerdefnochen | Gemüt des ſogenannten Wilden dem Bilde 
an jeinem Fuße nahm man jchon lange eine | ebenjo wie der Verſchwörung einen magischen 
ſolche Jagdweiſe an, und auch die Arhäufung | Eiuflug auf das abgebildere Wejen zu: 
von maſſenhaften Tierfnochen zufammen mut | jchreibt, läßt ſich an vielen Beijpielen aus 
Feuerfieinartefatten an anderen Orten läßt | der Gegenwart, bejonders bei den Anitra- 
faum eine andere Erklärung zu. lievn, beweiſen; bis vor wenigen Menichen- 
Wenn unfere heutigen Nimrode viclfah | altern herrichte diefev Glaube jogar noch 
in Bezug auf die Jagd mod) recht aber: | im gebildeten Mitteleuropa. Macht und 
gläubifch jiad, jo darf man es denen der Einfluß magiſcher Art über das Jagdwild 
Vorzeit nicht verübeln, daß fie Zauberei | zu gewinnen, e$ mittels jeines Bildes zu 
und Beiprechung anicheinend in ausgedehnten = lähmen oder zu töten, dieſe Borftellung 
| 





Maße zur Gewinnung ihrer Jagdbeute mag alſo immerhin ein großer Anftoß für 
anwandten. Auf den Sfulpturen, Gra- | die erite befannte Blüte der Kunſt im 
vierungen und Zeichnungen der älteren | Steinzeitalter gewejen jein, und jomit hätte 
Steinzeit möchte faum eines der damals | der Künſtler von heute alle Urſache, des 
lebenden Wirbeltiere nicht vertresen jein. Nimrods der Vorzeit dankbar zu gedenken. 


Notiz. Der Aufſatz im vorigen Hefte N — unter den Vögeln“ iſt der Zeit— 
ſchrift „Die Heimat” entnommen, Schriſtleiter Rektor Joach. Ekmann im Kiel. Dieſe „Monats: 
ſchrift des Bereins zur Pflege der Natur: und Landeskunde in Schleswig-PHolſtein, Hamburg, Lübeck 
und dem Fürſtentum Lübeck“ erſchrint in Kiel und koſtet 2,50 ME, tm Buchhandel 3,50 DE. 


Gedenktage im Derember, 








Geboren: 17. Beethoven (1770. — 18. K. M. v. Weber (1786. — 21. 2. vd. Rande 
(1795). — 36. E. M. Arndt (1796). — 27. Kepler (1571). — Geſtorben: 5. Mozart (1791) umd 
Blaten (1835). — 16. W. Grimm (1859). — 18. Herder (1803). 

DInbalt: Das kurpfälziiche Oberamt Lautern im Jahre 1601. — Göllheim. — Die Gold: 
mwäjcherei am Rheine. — Das Weidwerf zur Mammutzeit. — Notiz. — Gedenktage. 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, CLandſtuhl — Kermann Kayſer's Derlag, ARaiferslautern. 
Ahr Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortiid. 


Bfähifhe Deimarkunde 


Monadtsſchrift 
für Schule und Haus 


unter Berükfidtigung der Bedürfniffe der pfätzifgen Säulen. 


Shriftleiter: Sehrer Ph. Sauth, LSandfinff. 


I 


Dritter Jahrgang 


Aaifersfautern 
Drud und Berlag ber Hofbuchdruderei Hermann Kayſer. 





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Inhalts-Berzeichnis. 


Aus der Entftehungszeit des Dorfes 
Arzheim 


Yusgerottete und ausgeftorbene Tiere 


wann 


Seite | 


- 


Bayerns (in hiftorifcher Zeit) 37 
Aufbruch zur Kaiſerſchlacht 89 
An den Bayerngräbern zu Weißenburg 40 
Atmofphärifche Lichteffekte 54 
Arſenquelle in Bayern . 68 
Adolf von Naffau’s Tod : 89 
Achthundertjähriges Jubiläum des 

Kirſchbaumes 97 
Anleitung zu geologiſchen Betrachtungen 

in der Heimat ; 109 
Bevölkerung Arzheims zur Zeit bes 

BOjährigen Krieges . 67 
Burgen, Schlöffer und Rlöfter der Pfalz 69 
Beiträge und Proben zur Erklärung 

bedeutungsvoller Worte 78 
Blid in das Sinnesleben der Haut 85 
Barbarofja auf Trifels . . 108 
Beobachtungen über emberica ciklus 

(Baum: oder Hedenmaner) . 182 
Bevölterung Deutfchlands und belon» 

dere Berüdfichtigung ber Pfalz 149 
Darftellungen ausder bayerifchen — 

und Heeresgeſchichte 50 
Die zwölf Apoftel 1907. 61 
Deuticher Lehrerverein für Naturkunde 68 
Deutſche Geſchichte auf — 

Grundlage . 98 
Deutichland, eine Einführung. in die 

Heimatkunde 111, 126 
Dentmale der Heimat . 150 
Ende eines gräflichen Abenteurers 51 
Entwidelung der Rirfchblüte 65 
Enthällung bes ee zu 

Dggersheim . : 110 


nie· ·v ren 


Friedensglode zu Ejchingen 

Fremde Wald: und — für 
Europa ; . 

Feinde des Nehes . 

Flora von Weißenburg . 

Fliegen: und Müdenplage 

Funde . 

Fünfzigjähriges Amtsjubiläum des Aal. 
Oberforſtrates K. U. v. Ritter 


Geſchichte der Butter i 
Geſchlechts veränderung einer Weide 
Gewittergefahr im Walde 
Geſchichtliche Nachrichten über das ehe: 
malige Dorf Servelingen . 


-Beichichte der Stadt Mannheim 


Begenwärtiger Stand ber prägen 
Beichichtsforfchung . 


Haarkugeln 

Hildegard von Hohened 

Himmelsihaun . 

Heſſiſche Landes: und Voltstunde 

Hiftorifhe Runenfteine aus der Um⸗ 
gegend Schleswigs . . i 

Hagelſchläge in Bayern 1906 . 

Heimattundliches 


SJahresverfammlung der — 
Johannisbeerwein 


Karten ſämtlicher bayeriſcher —— 
rungsbegirte . 

Kälterüdfälle im Mai . 

Rampf gegen die Mücdenplage 

Areugottern in der m 

Aududseier 


Rinnefeter 
Randestundliche Riteratur 


Seite 

Marienbild zu Gräfinthal 90 
Mehr als 100 Jahre alt 111 
Monolith in Martinshöhe 118 
Mitteilungen i 128 
Notiz für Altertumsfreunde . 108 
Obſteſſen. 127 
Pfälzifhe Ortsnamen . . 4 14 
Polichia. . 5 . 1 
Pfalz: Sweibrüdener Borzelanmanufattur 150 
Dueichlanal .23, 36 
Rebftodanlage . 64 
Regentarte von Deutfehland 76 
Reichsland 9 
Ruine Sauerburg 111 
Schneefloh 38 
Steintreuze bei Raiferslautern . 42 
Gelbftreinigung der Flüſſe 49 
Schuß der Natur 62 
Schädliche Pflanzen und Pflanzenfchub 94 
Schloß und Garten in Schweßingen . 109 
Schmetterlingsinvafton . . 126 
Trinten im Sommer 77 
Totenhand zu Eifenberg &) 
Umfrage den Weinbau betreffend 52. 


— — — — — — — —— — — — 


Seite 
Urſache der grünen Färbung des natür—⸗ 


lihen Waſſers ; 68 
Urgeſchichtliche Forſchung in Bayern . 898 
Unfruchtbare Bäume : 127 
Umfrage über den Weinbau in ber 

Rheinpfalz . 186, 151 
Bortommen des Wolfes in der Pfalz; 21 
Balentin Fre Bush in Bab 

Dürkheim 48 
Velten Dftertag . 44 
Bollsmund ; 84 
Bortommen der Rauchſchwalbe und 

der Hausſchwalbe in der Pfalz 114 
Verein der Rheinpfälzer 128 
Wildkatze. 44 
Wann hält der Frühling — Einzug 68 
Weinberganlage . 64 
Wann hat der Sommer 1907 begonnen? 87 
Wie deutet der Pfälzer fremdartige 

Yusdrüde um .100, 128, 135 
Bur älteften Befchichte von Forſt und 

Umgebung . 25 
Zur Meſſung der Foriſchritte der Erofion 

und Denudation . 109 
Zu den angeblichen Söhtenfunden im 

Meftrich ; 129 
Zühtung der Rartoffel . 142 


III, Jahrgang. 


Nummer 1 


Januar 1907. 


IPALZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


v 





% 


Aus der Entſtehungszeit des Borfes Arzheim. 


Das Dorf Arzheim, eine halbe Stunde 
weſilich von Landau gelegen, ift eine früh— 
zeitige (fränfifhe?) Anfiedlung. Zwar wird 
es erjtmals im Jahre 1280 urfundlid) ge- 
nannt, allein jein älterer Name „Arbods- 
heim” (— Heim des Arbod) deutet auf ein 
hohes Alter, es gehört darum einer frühen 
Periode der Befiedlung an. Auffällig er 
fcheint es aber, wenn wir jeine heutige 
Lage betrachten, daß es an einer ziemlich 
hoch gelegenen Stelle gegründet wurde und 
als ganz bejonders merfwürdigen Umftand 
möchten wir vielleicht den hervorheben, daß 
es entgegen der alten Sitte nicht an einem 
fließenden Gewäſſer entftanden ift, Be 
Fanntlich wählten ja die früheiten Anfiedler 
vorzugsweiſe die Täler der Flüſſe und Bäche 
zur Gründung ihres Heims aus leicht be» 
greiflihen Gründen; Arzheim dagegen liegt 
heute abſeits don einem fließenden Ge— 
wäjler. Doch das iſt wohl heute der Fall, 
früher aber war es anders. Daß Arzheim 
nicht an einem Wajlerlaufe entitand, ift nur 
ſcheinbar, tatſächlich iſt das Gegenteil der 
Fall. Freilich ließ die mit den Zeit und 
Ortsverhältniſſen fortfchreitende Entwidlung 
des Volkstums ein ganz anderes Bild ent- 
ftehen. 

Früher hatte Arzheim einen beträdt- 
Lihen Wald, der ſich ın ſeiner weſtlichen 
Yängsrichtung von etwa ciner Stunde bis 
an den Fuß des Neufajtels eritredte. Erſt 


im 3. und 4. Jahrzehnt des verflojjenen | 


Jahrhunderts wurde dieſer Wald auöge- 





hauen und urbar gemadt. Seit einigen 
Yahrhunderten bis in die legte Zeit jeines 
Beitandes endigte er ungefähr 15 Minuten 
vor dem Dorfe bei dem Geisberg. Dem 
Geisberg liegt öſtlich der Steinberg 
gegenüber, welcher die nördliche Fortſetzung 
der kleinen Kalmit darſtellt. Zwiſchen 
Geisberg und Steinberg liegt eine Mulde 
bez. ein Seitentälchen des Ranſchbaches, 
durch welches der alte Weißenburger 
Weg zieht, deſſen im Jahre 1319 gedacht 
wird und deſſen Teile zwiſchen Ilbesheim 
und Godramftein heute noch als Fahr: 
wege benugt und jo benannt werden, In 
diefer Mulde hatte ſich durch einen Quell» 
zufluß des Ranjchbaches ein größeres 
jtehendes Waſſer gebildet, an welches noch 
heute der Flurname „Seie“ (Seye, Sewe, 
See), ihon im Jahre 1634, erinnert. 
Etwa jeit dem 13. oder 14, Jahrhundert 
bıldere der „Seye“ den Abjchluß des Waldes ; 
vordem war aber auch der Hang des Stein- 
berges mit Wald bewachſen, ſelbſt jeine 
Höhe bis halbwegs gegen das Dorf zu. 
Das jagt und der Name des Weges, der 
zum Steinberg führt, wo die Straße nad) 
Ilbesheim abzweigt, er heißt nämlich 
Holzweg d. h. der Weg, der zum Holz 
(— Gehölz, Wald) führt. Wir finden den 
Namen zum erften Mal in einer Urkunde 
des Jahres 1457. Der Steinberg hatte 
früher den Namen Steinert, welder dem 
17T, und 18. Jahrhundert unverftändlich 


' geworden war, weshalb man ihn als „Stein® 


erde” (1670 in der Steinärdten) erflärte, 
In Wirklichkeit hieß er urſprünglich „Stein: 
hart”, wie denn viele andere Wörter die 
gleihe Ummandlung zeigen. Es bedeutet 
fonah der Name Steinert joviel als Wald 
auf dem Steine, Steinwald, wobei unter 
Stein der Kalkſtein zu verftehen it. 
heutige Steinberg war demnad ebenfalls 
mit Wald bewachſen, ſodaß wir zu dem 
Ergebnis fommen: Urzheim lag bis zum 
13. oder 14. Jahrhundert ganz nahe am 
Walde. 

Auf der urfprünglichen Grenze des 
Waldes einige hundert Meter vom Dorfe 
entfernt, liegen einige Gras- und Pflanz- 
jtücfe, welche das ganze Jahr feucht, mit: 
unter jehr moaflerreich find. Am Bulfs 
munde heißen fie „Schlotterömweiler” und 
find der letzte Reit des ehemaligen 
Sclotersmweiher (1639), deſſen Name 
heute noch als Flurname gebräudlich it 
in der erjtgenannten form. Wie der Name 
jagt, war bier ehedem ein Weiher, gebildet 
durch das Waſſer einer dajelbit entipringenden 
Quelle. Es war ein natürliches Waſſer— 
beten, das jeinen Namen trug entweder 
von dem funnpfigen Boden (slöte) oder von 
dem dajelbjt wachſenden Scilfrohr (säte); 
beide Erklärungen find in unſerem Falle 
gleich gut und zutreffend, Neben dem 
„Sclotersweiher” liegt der Gänsacker, 
dejien Bedeutung ſonach Flar jein dürfte, 
Die Niederichläge auf der Höhe des Stein: 
harts (Steinberges) ſammelten fih und 
traten in der Quelle des Schlotersmweihers 
wieder zu Tage. Als die Gegend nod 
ſehr waldreich war, da jprudelte die Quelle 
ohne Unterlaß,; dem fonjtanten Waſſer— 


Der | 





Unjiedler von Arbodsheim»-Ar;heim 
ihre Heimftätte erridteten. 
Merfwürdig: mit dem Berjchwinden des 
Bades ıft aud fein Name in Bergejjen: 
beit geraten; feine Urkunde, feine jcrift- 
liche Aufzeichnung aus vergangenen Zeiten 
nennt ihn uns. Aber wir glauben troß- 
dem gang bejtimmte Anhaltspunfte für 
jeinen Namen zu haben. Un der hödjiten 
und ehemals meitlichfien Stelle des Dorfes 
fteht die Kirche, an deren Südſeite ſich noch 
im 17. Sahrhundert ein jet nahezu voll» 
ftändig verbautes Wiejengelände ausdchnte, 
wo die Arzheimer Winzer ihre Weiden 
fultivierten. Befanntlid) braucht man zum 
Bınden der Neben die Weidenruten, volfs: 
tümlich „Bann“ d. hd. Band (Rebenband) 
genannt. in derartiges „bandjtief” bei 
der Kirche wird uns in einem Staufafte 
vom Jahre 1637 genannt; es war gelegen 
in den „Bergelswiejen”, jo hieß dieſes 
Wiejengelände nämlid, Der Name er- 
Icheint auch in der Form „Berkelswieſen“ 
(1652) und ift entitellt aus Bürkels— 
wiejen, wie es ſchon in einer Eußer— 
thaler Urkunde vom Jahre 1336 heißt 
(ebenjo 1667 die Bürfelswiek). Die jegige 
„Heſſengaſſe“, die ihren Namen von einer 
dortjelbft lagernden Wbteilung heſſiſcher 
Soldaten während der Yandauer Belage- 


' rungsfriege (1702) erhalten hat, hieß vor: 


| 


zufluß mußte auf der anderen Seite ein 


ebeniolher Abfluß entipreden. Deſſen 
Lauf läßt fid auch Heute noch vom Schlo— 
tersmweiher an verfolgen bis zum Dorſe, 
er ift noch vorhanden in einem Graben, 
in welchem zurzeit ftarfer Niederjichläge 
wegen das Waller dem Dorfe zufließt, wo 
ed durch die Heſſengaſſe, Hauptitraße und 
Staubgaffe weitergeleitet wird. Die Quelle 
im Scloteröweiher ift zwar nicht mehr 
fichtbar, aber noch nicht verfiegt. Früher 
lieferte fie eine reichliche Waſſermenge, und 
ihr Waiferabfluß war ebenfalls ein fon: 
ftanter, alſo ein regelvrechter Bad. Diejer 
Bad ift es, an weldem die erjten 





her die Bürfelswiejengaife (1652). 
Die Bürkelswieſen zogen fich längs des 
Bichleins hinunter bis ans Ende des 
Dorfes. Diejes lag uriprünglih nur auf 
der rechten Seite des Baches, der weiter 
unterhalb der Stirche durch den „Staub- 
brunnen“ geſpeiſt wurde. Seinen Lauf 
nahm er längs der heutigen Straße nad) 
Yandau bis zur Stelle, wo die Straße von 
Landau nach Godramitein abzweigt. Dort 
lief er quer über die Wiejen der Queich zu. 

Offenbar haben die „Bürfelswiejen* 
ihren Namen von dem Büchlein erhalten, 
an deſſen Ufer fie lagen; daran ift zunädjit 
zu denken. Wir fünnen darum annehmen, 
dab der Name des Bades chemals Pür: 
kelsbach gelauter hat. Freilich iſt das 
nur eine Vermutung, die aber nad) dem 
Borausgehenden qut begründet ift und dar 
durh an Wahricheinlichfeit mehr geminnt. 
Wenn wir daher den Namen des Baches, 
nämlich Bürfelsbuch, einjtweilen beibehalten, 


fo fünnen wir das Refultat unferer Unter— 


juhungen zujammenfaflen in die Worte: | 


nach der allgemein beobachteten Sitte; denn 
Arzheim entftand aus einer Gied- 


Die Befiedlung Arzheims erfolgte genau | lung am Bürfelsbad. 3. Weber, 








Die Geſchichte der Butter. 
Der Urfprung der Butter ift zwar uns | fortgeerbt zu haben, in deren Sprache ſich 


befannt, ſcheint aber bis in jehr frühe 
Zeiten hinauf zu reichen. In der Bibel 
findet fich die erfte Erwähnung dieſes Nah— 
rungsmittel3 ſchon im 18. Stapitel der 
Geneſis, wo Abraham den drei Engeln, 
die ihm die Geburt des Sohnes verheiken, 
unter anderem Butter und Mild aufträgt. 
Später jagt der Prophet Jeſaias (Stap, 7) vom 
Sohne Davids, dab er Butter und Honig 
eſſen werde, und weiterhin: „und wird jo 
viel zu melfen haben, daß er Butter eſſen 
wird.” Aus folchen Angaben hat man den 
Schluß gezogen, daß jchon in alten Zeiten 
Milch, Butter und Sahne in Baläftina ein 
jehr gewöhnliches Nahrungsmittel geweſen 
jind. Die heiligen Bücher der Inder, die 
Beden, die etwa 1500 Jahre vor unjerer 
Zeitrechnung entjtanden find, ſprechen aud) 
bereit von der Berutung der Butter bei 
gewiſſen religiöjen Zeremonien. Es hat 
danach den Anichein, dat ſchon das Urvolf 
der Arier, von dem die meilten europäifjchen 
Bölfer, ebenfo wie die Inder, abſtammen, 
die midhtigiten Zubereitungen der Milch 
gefannt hat. Die Anwendung der Butter 
bei den Opfern jcheint jich aber nad) dem 
Weiten nicht verbreitet zu haben, denn 
Homer, Euripides, Theofrit und die anderen 
griechischen Dichter iprechen zwar oft vun 
Milh und Käſe, aber nie von Butter, und 
auch bei Ariftoteles, der in feiner Geichichte 
der Tiere noch verschiedene mit Milch und 
Käſe im BZulammenhang ftehende Dinge 
erwähnt, jagt Fein Wort über die Butter. 
Auch die Römer fcheinen die Butter erit 
von den Germanen fennen gelernt zu haben, 
Plinius jagt von ihr, daß fie eine der föft: 
lihiten Sperien bei den Barbaren jei. 
Merfwürdig genug diente die Butter bei den 
Nömern und Spaniern auch dann nicht 
als Nahrungsmittel, fondern als örtliches 
Heilmittel in der Wundbehandlung. Der 
Gebrauch der Butter, wie er von den alten 
Ariern eingeführt worden war, fcheint ſich 
bei den Germanen, Slaven und Selten 





auch Ausdrücde dafür finden, die mit demen 
des indifchen Sanskrit verwandt find. In 
den erjten Jahrhunderten der chriftlichen 
Kirche wurde, wie Klemens von Alerandria 
berichtet, Butter anjtelle von Del in den 
Altarlampen gebrannt, eine Sitte, die fi 
in Abejlinien noch lange erhalten hat. Die 
gründlichite AbhandInng über die Butter 
ichrieb ein holländiicher Gelehrter, Martin 
Schoofius, im Jahre 1641. Sein Werk 
beginnt mit einer jprachlichen Unterfugung, 
in der er alle griechiichen, lateinifchen und 
deutſchen Namen der Butter zufammenjtellt 
und ihre Entitehung ſorgſam erörtert. 
Dann erzählt er von den Skyten und der 
bei ihnen üblichen Art der Butterbereitung. 
Weiterhin bejchreibt er andere Arten der 
Heritellung, die zur Färbung der Butter 
angewandten Mittel uſw. Er bejtätigt den 
Gebrauch der Butter zur Heilung von 
Wunden und Geſchwüren in Spanien und 
empfiehlt fie außerdem als Zahnpugmittel, 
Er ſchließt mit der jonderbaren Behaup: 
tung, daß es ohne die Induſtrie der Hol- 
länder, die er als „Butterbauern” bezeich— 
net, jelbit in Indien feine Butter geben 
würde. Perjchiedentlich hat aud) die Butter 
in die Politik eingegriffen. 1491 verord- 
nete der Papſt Innocenz VII. in einem 
beionderen Erlaß, daß die Benugung der 
Butter in der Faſtenzeit innerhalb der 
Herrichaft der Sönigin Anna in der Bre: 
tugne geftattet fein follte, und dieſe Er- 
laubnis wurde bald auch auf andere Pro- 
binzen ausgedehnt, jedoch nur gegen Ent: 
rihtung von Spenden an die Sırcen. 


Letztere benußten dieſe Mittel im allge: 


meinen zu ihrer Verjchönerung und nantente 
lic) zum Bau von Türmen, und daher tragen 
viele Türme bedeutender Kathedralen in 
Franfreih und anderswo den Namen der 
Buttertürme. Längere Zeit beherrichte fran« 
zöfiiche Butter den Markt, ift aber jett von dem 
Erzeugnis anderer Yänder, vor allem von 
dänischer Butter verdrängt worden. (9. T.) 





4 


Pfälziſche Ortsnamen. 


Bon Theodor Zink in Kaiferdlautern. 


Drtönamen find Eigennamen, die zur 
Bezeihnung einer ganz beftimmten Ort: 
lichkeit dienen, um dieſe von andern ört- 
lihen Einzelwejen zu unterjcheiden. Sie 
fommen aljo in ihrer Gtellung und Be- 
deutung den Perfonennamen gleich. Ihre 
Entftehung beruht auch auf den gleichen 
pſychologiſchen Urſachen; denn der Menſch 
ſieht alles, was ihn umgibt, von ſeinem 
perjönlihen Standpunft aus an; daher 
unterjcheidet er mit Hilfe der Sprache nicht 
nur die andern Menſchen, jondern alle 
Lebeweſen und tote Dinge. Hervorſtechende, 
jozufagen in die Augen fallende Eigen: 
haften haben in der älteften Beit zur 
Namengebung der belebten und unbelebten 
Natur geführt. a, diefe Tätigkeit ift 
heute noch jo lebendig wie vor Yahrhun- 
derten und Jahrtauſenden, fie fommt uns 
nur nicht immer zum Bewußtſein. 

&o benennen wir einzelne Tiere oder 
gar Bäume, die in näherer Beziehung zu 
uns ftehen; aber niemand denft daran, die 
gleihhartigen Glieder einer erde einzeln 
zu benennen oder gar die QTaufende von 
Bäumen zu benamen. Haben aber Bäume 
eine ganz bejondere Bedeutung für uns, 
dann treten fie aus der Gejellichaft als 
Einzelwejen mit individueller Bezeichnung 
heraus. ch führe aus meiner Orts: und 
Flurnamenſammlung folgende an, die in 
der Pfalz heimiich find: Am Notenbaum, 
Gutenbacherhof in der Nordpfalz; an der 
hohen Bude, Dennweiler; an der Iron: 
buche auf dem Donnersberg;; bei den zwölf 
Apofteln, 12 Tannen auf dem Donners— 
berg; am Heidenbaum, Bledesbah; am 
Germansbaum bei Großkarlbach; Grübel— 
nußbaum, DOttersheim; am Bildbaum, 
Pforg; am Wörfchbaum, Homburg; an der 
Wettereih bei Niederſulzbach a. d. Yauter; 
am Wahtbaum, Morichheim; am Hutbaum 
bei Haardt und beim unholden Baum un: 
weit Neuhofen am Rhein. Ich fünnte dieje 
Reihe leicht um eine jtattlidhe Unzahl ver- 
mehren ; doch mögen die angeführten Bei- 
Ipiele genügen. 

Wir benennen nicht nur bewohnte Orte, 
jondern auch unbemohnte, ja Berge, Täler 
und Gewäſſer, und weil zwei Orte auf 


der Erde ſich nie gleich find, jo ift die 
Nanıengebung etwas ganz Natürliches. 
Selbft zwei ebene Landftüde gleichen ſich 
nie völlig, da ihre Umgebung fie ſtets anders 
erjcheinen läßt. Wie die Eigenjchaften jehr 
mannigfaltig find, fo find auch die Namen 
außerordentlich zahlreih. Dazu fommen 
noch hinzugedachte geichichtliche Eigenjchaften, 
die aus beionderen Ereigniffen oder Zu 
fränden hervorgingen. Ta, dieſe Namen 
find für den Sprachkenner die wichtigiten, 
da fie auf eine ältere, oft jogar die ältefte 
Beit der Gefchichte hinmeifen. Auch find 
unfere pfälzıichen wie die andern deutichen 
Ortsnamen ſprachlich verichieden; denn 
viele Volfsftämme haben fich auf unſerer 
heimatlihen Erde niedergelafjen. An die 
ehemalige feltiihe Bevölferung erinnern 
unfere Bad: und Flußnamen, wie Aljenz, 
Glan, Nahe, Rhein, und Städtenamen, 
wie Borbetomagus und Nemetum für 
Worms und Speyer; der keltiſchen Beſied— 
fung folgte die römijche, die nicht nur in 
zahllofen Denfmälern und Funden, jondern 
auch in vielen Orts: und Flurnamen ſich 
zu erfennen gibt. Den Römern folgten 
die Alemannen; Ddiefe wurden von den 
Franfen verdrängt, die heute noch die Pfalz 
bewohnen. Ihre Epuren finden fi in 
den Ortsnamen. Die Gründung der 
Klöſter, Städte und Burgen, die Sulti: 
vierung des Landes lafjen fi in dieſen 
ebenfalls erfennen Dit befteht der Gegen- 
ftand, der den Namen veranlaßte, nicht 
mehr; aber der Name jelbft haftet noch 
an der Örtlichfeit und erhält jahrhunderte- 
lang die Erinnerung an denjelben mad). 
Unjer Name wird zur Urkunde, 

Ein Beifpiel für viele: „Am fteiner- 
nen Mann“ heißen mehrere pfälziiche 
Drtsbezeichnungen, die auf das Beftehen 
eines Steinbildes hinweiſen, von dem jeßt 
freilih feine Spur mehr vorhanden ift. 
So liegt bei Oberberbah eine Waldabtei- 
lung „am fteinernen Mann“, die ıhren 
Namen von einem vieredfigen römischen 
Altere hat, der als Markſtein diente und 
auf defien einer Seite noch das Bild des 
Herkules zu ſehen war. Herkulesbilder 
bezw. »Altäre ftanden oft an römijchen 


Straßen, die in unferer Pfalz ſehr zahl« 
reih find. Ein Berg „Steinerner 
Mann“ liegt zwifchen Boſenbach und ER- 
weiler, ein anderer ſüdweſtlich von Ulmet, 
auf denen Römerwege nacmeisbar find, 
Am „Steinernen Mann” bei Quirnbad) 
jollen 1789 zwei Steine, einer mit dem 
Bilde des Merkur, ein anderer mit dem 
der Juno aufgefunden worden jein. Auch 
bei Rothjelberg und bei Franfweiler finden 
fih Flurnamen: „Am fteinigen Mann“. 
Wir erfehen, daß römiſche Herfules- oder 
Merkurbilder oder Altäre mit den Bildern 
mehrerer Gottheiten in älterer Beit den 
Namen veranlaßten. Sicher ftanden dieje 
Bilder noch lange im Mittelalter; aber 
ihre ehemalige Eriftenz ift dem Volke nicht 
mehr bewußt. Der Name wird „gedanken: 
108” gebraudt. 

Nicht immer jedoch ift ein Name fo 
leicht zu erfennen und zu deuten wie diejer 
oder wie die folgenden; Winterhalde, 
Sommerhbalde, ®interborn, Som 
merborn, Schneeberg, Schneewieje, 
Rundwieje, Mühlwieſe, Buhmwald, 
Schwarzwald, Braunbad, Stein 
gruben, Kieſel, Galgenberg, 
Schanze u. d. a, fondern wir müſſen 
die Sprachgeichichte zu Hilfe nehmen, um 
eine befriedigende Erklärung zu erhalten, 
die bejonders dann ſchwierig ijt, wenn die 
Beranlaffung zum Namen nicht jofort er- 
fannt wird, 

Das wejtpfälziihe Dorf Kindsbad, 
im Volksmunde Kinſchbach geiprocden, 
verdanft jeinen Namen jeiner Lage am 
Kinſchbach, d. i. Königsbad, und an 
der Kinſchau, d. i. Königsau Denn 
diefer Ort liegt nicht nur an der Königs 
ftraße, 1332 via regia et impera- 
toria genannt, fondern aud im Reichs— 
oder Königslande, an das heute noch die 
Reichswaldgenoſſenſchaft erinnert. Gleichen 
Urſprungs ift der Königsberg bei Wolf: 
ftein mit dem Königsbach, deren Aus: 
Iprache ebenfall8 der obigen gleicht. Die 
ältere vollere Form heißt nachweisbar 
künegesbach bezw. -berg, die durch 
Entrundung und Bufammenziehung in der 
nordweftpfälziichen Mundart zu kinsch- 
werden mußte. Das vorderpfälziiche Dorf 
Königsbah wird vom Volke Kingſch— 
bad genannt, Bir erjehen ſchon aus 


diefem Beifpiel, daß die Ältere Spradhform 
die vollere ift. 

Wollen wir aljo viele Namen in ihrer 
Bedeutung erkennen, fo müfjen wir die 
Geſchichte um Rat fragen, In alten Weis» 
tümern, Grenzbeichreibungen, Bermächt- 
niffen, Saal- und Yagerbüdern finden ſich 
ihon diefelben Namen, die heute noch an 
der betr. Ortlichkeit haften; aber die ältere 
Form ift voller und verftändlicher, fie hat 
noch nicht das abgegriffene Ausjehen der 
heutigen. Sie läßt uns daher einen Blic 
in die Geichichte einer Gegend tun; ja, 
viele Ortsnamen find die Gefchichte der 
Ortlichkeit auf dem fürzeften Ausdruck ge- 
bradt. Profeſſor Dr. Heeger in Landau 
bat feine vortreffliche Befiedelungsgeichichte 
der Vorderpfalz vielfach auf die Orts— 
namenforfhung aufgebaut —, und ijt in 
dem Beinamen Saijer zu Yautern als 
Kaiſerslautern nicht furz die Geſchichte 
der Stadt zufammengefaßt? 

Im allgemeinen ift die Namengebung 
eine unbemwußte, d. b. fie geſchieht ohne 
Abſicht; oft aber finden wir Namen, die 
mit Abſicht gewählt wurden, dahin gehören 
zahlreihe Namen von Burgen, Alöjtern, 
Häufern, die auch zu den Ortsnamen ge- 
rechnet werden müſſen. Wir erfennen fie 
an einem gewiljen jentimentalen Beige» 
ihmad oder an dem Humor, der fi in 
ihnen zu erfennen gibt. Aus dem Mittel- 
alter wären anzuführen: Treuenfels, 
Borburg zur Ultenbaumburg, Madenburg, 
d. i. Magdeburg b. Landau, Scharfened, 
Löwenſtein, Eberjtein, Ehrentraut; 
Schaudichnichtum! Kehrdichan— 
nichts! Murrmirnichtviell Aus 
franzöſiſcher Einwirkung nad dem dreißig— 
jährigen Kriege gingen Namen wie Mon— 
bijou, Eremitage, Sansſouei her— 
vor. An den vertriebenen Polenkönig 
Stanislaus Leszezynski erinnert Tſchiff— 
lid bei Zweibrücken. 

Biele Namen find nicht nur von ger 
fchichtliher Bedeutung, jondern auch bon 
geographifcher und naturgeſchichtlicher, weil, 
wie ſchon ausgeführt, im Drtsnamen oft 
eine charafteriftifche Eigenſchaft der Gegend 
zum Ausdrud kommt. Wenn wir daher 
die Bedeutung einer Ortsbezeichnung er: 
fannt haben, jo mundern wir uns viel- 
feiht, wie auch jchon vor Jahrhunderten 


gewiſſe Eigenjchaften auffielen. In dem 
feltiihen Wort Glan liegt wie in dem 
deutichen Yauter, älter Luter, hlutera, 
hluteraha, die Bedeutung: hell, Elar 
ım Gegenia zu Schwarzbach, Braun. 
bad. Wir finden in der Pfalz öfter den 
Namen „Schleecht” zur Bezeichnung einer 
Hocebene. Niemand im Bolfe aber fann 
fih den Namen als ſolchen erklären, weil 
er unferm Sprachbewußtſein entichwunden 
it. Wir kennen aber alle die Wendung: 
schlichtes Haar, d. h. glattes, und erfehen 
daraus, daß beide Wörter Schleecht und 
jhliht einige Verwandtſchaft in der Be» 
deutung haben. Denken wir aber an das 
Beitwort „ichlichten“, das uriprünglich 
„glatt machen“ bedeutete und in diejem 
Sinne von den bäuerlihen Leinewebern 
der Weit- und Nordpfalz als „ſchleechten“ 
angewendet wurde, jo iſt die „Schleecht“ 
al8 Ebene, bezw. Hochebene flar. Das 
Eigenihaftswort „ſchlecht“ fommt eben 
daher und das mittelalterliche sleht heißt: 
in gerader Fläche oder Yinie, Ebene; gerade, 
glatt, im Gegerjage zu frumm und raub. 
Mittelhochdeutich bedeutet slehtecheit (wört- 
ih: Scledtigfeit) ftets Glätte und Ebene. 

Die Gegend des Yandftuhler Ge: 
brühs hat eine ganze Weihe charafte- 
riftiiher Ortsnamen, die dem ferner 
Stehenden ganz leicht die geographiichen 
Verhältniffe erjchliegen können: Wald: 
mobhr, Gries, Sand, Miesau, 
Dber:, Kirch- und Niedermohr, 
Miejenbad, Schernau, Lichten— 
bruch, Bogelmwoog, Kinſau, Brud- 
mühlbach, Bogelbad, Brudhof, 
Sanddorf. Die Kriegsdell bei 
Ktübelberg ift jedenfall$ eine Griesdell, 
d. i. Sanddelle.e. Auch der Ortsname 
Kriegsfeld ftammt jedenfalls nicht von 
Krieg ber, fondern von Gries; noch heute 
fagt das Volk der Umgebung Gries 
feld; der Striegsfelder Bach wäre demnad 
ein Griesbach, d. i. Sandbach. Bergl. die 
Ortsnamen Samba, Sembad, die Sant- 
bach bezw. Sentbach hießen! Das 
Kriegswert bei Ludwigshafen (Inſel) 
fann nur Grieswert, d. i. jandige Inſel 
bedeuten. Grieß, mittelhochdeutih: griez, 
grüz, männlichen und ſächlichen Gefchlechts, 
althHochdeutih grioz ift Sand, Kies; ihm 
entſprechen altſächſiſch griot, angelſächſiſch 








gréot — Sand, altnordiſch grjöt — Ge— 
ſtein. Aber nicht alle Namen mit „Kriegs“ 
mögen auf Umdeutung des Wortes „Gries“ 
beruben, jondern wirklich auf Krieg zurüd- 
zuführen fein, 3. B. der Ortsname Kriegs: 
verhbau im Bienwald in der Nähe der 
Weißenburger Linie; aber die Kriegs: 
ädfer bei Ottersheim mögen der Boden: 
beichaffenheit ihren Namen verdanken, wenn 
nicht eine hiftoriiche Sage oder irgend eıne 
volfstümliche Überlieferung diefen Schluß 
verbietet. Wir erjehen hieraus, daß oft 
nur genauefte Ortsfenntnis Aufichluß zu 
geben vermag und wie wichtig jcheınbar 
unbedeutende Namen für die Heimatkunde 
werden fönnen. 

Wie dem Alpengebiet die Namen Nadel, 
Spige, Zinken, Zahn, Schrofien, 
Kogel, d. i. Kegel, Wand, Gabel, 
Klamm, Hölle u, v. a. eigen find, jo 
treffen wir im Gebiete unjeres VBogejen- 
jandfteines hauptjählih Kopf: Peters— 
£opf, Eihfopf u. a. m., fowie Platte, 
d. i. Ebene; denn die wagrechte Schichtung 
des Steines läßt feine jpigen Berge zu; 
die Haardt erjcheint vielmehr als eine nur 
vielfach durchichnittene Hochebene mit etwas 
meftlicher und nordweftlicher Neigung: diejer 
Eigenjchaft verdanfen wir die Namen: 
Blatte bei Hütichenhaujen, Kaijerslautern, 
Dbernheim, dafelbft auch Plattenwald, 
bei Aljenborn, Oberſulzbach, Schauerberg, 
Erlenbad, Enkenbach. Ein Blattberg 
ift bei Saaljtadt auf der Sidinger Höhe, 
ein Blattwald bei Albersbah. Auch 
das Kohlengebirge läßt, wie die Nordpfalz 
zeigt, die Hochebene zu, daher findet fich 
längs der Hochſtraße zwiſchen Alfenz 
und Appel mehrfad; der Gemwannennamen 
„Blatte”. 

Wie wir aus den Ortönamen aus der 
Landftuhler Gegend erjehen, fünnen das 
Tier, WBflanzen: und Steinreih einer 
Gegend vielfach erichloffen werden. Der 
Felfen „Balfenftein“ am Donners- 
berg wird jchon im 11. Jahrhundert ge- 
nannt. Sperberfopf, Geiershede, 
Krähenhübel, Rabenhorft, Habichts— 
horſt, Wolfsſels, Wolfsfaut, 
Katzenbach, Bärenloch, Vogelbach 
brauchen hier nicht näher erklärt zu werden. 
Dieſe Namen helfen uns aber leicht das 
Bild der Tierwelt der Pfalz in älterer 


Zeit vervollftändigen. Manche Namen find 
jchwieriger, wie 5. B. Kräelberg am 
Donnersberg und Krähel bei Ötterberg. 
Auch fie haben ihre Benennung von der 
Strähe, wurden aber mißdeuter, weil der 
Name Krähe aus der Volksſprache der 
Pfalz verihwunden iſt. So murde der 
Kräelberg zum Kreulberg, Kraul 
berg und Krallenberg. 

Namen wie Römwenftein, Fallen 
burg, Wolfsburg find gefchichtlich zu 
erklären, ebenjo die vielen Namen bei 
Mölſchbach ın der hintern Haardt, die mit 
der Pferdezucht zujammenhängen. Der 
heutige Stütterhof bei Mölfchbach hat 
jeinen Namen von dem dafelbit eingepfercht 
gewefjenen Pferden. Schon 1426 trat das 
Kloſter DOtterberg den Hof mit Gärten, 
Adern, Wald und Weidegang ſowie 80 
wilden Pferden um 1100 rheinische Gulden 
on den Bfalzgrafen Ludwig ab, der das 
Geftüt erweitern ließ. Auch in der Folge 
zeit verblieb dasjelbe im Belige der Pfalz: 
grafen und Namen wie Stütterberg, 
Stütterbah, Roßrück, Stall, 
Bferdsbrunn bei Johanniskreuz be» 
zeugen ed. Stütterfopfund Stütter- 
tal find auch am Dradenfels zwiſchen 
Weidenthal und Iſenach. Ein „Füllen: 
garten” mird auch im Mölichbacher 
Weistum von 1603 erwähnt. 

Bon allen Namen unjerer Städte, Dörfer 
und Fluren bieten die hiſtoriſchen das meifte 
Intereſſe. Ich erwähnte fchon, welche Völker 
Spuren ihres Dajeins in den Ortönamen 
Hinterlaffen haben. Schon vor den Felten 
jaß ein Volk nichtindogermanifcher Abftam- 
mung in unjerer Rheinebene und in unjern 
Tälern; zahlreihe Funde der Steinzeit, 
insbefondere die Ausgrabungen in der Rhein» 
ebene bezeugen jchon das Daſein diejes Volfes 
vor den Kelten. Vielleiht waren es kleine 
rundföpfige Leute von dunkler Farbe. Ob 
fie aber verichiedene Namen hinterlafjen 
haben, wiſſen wir nicht; aber es gibt in 
der Pfalz wie am Rheine manche, die weder 
als keltiſch, noch al8 römifch oder germaniſch 
erflärt werden fünnen, Bielleicht erfennen 
wir in manchen Bewohnern unferes Berg: 
landes die Züge jenes untergegangenen 
Volkes, das von den Selten, den eriten 
Indogermanen, verdrängt wurde. Die 
Kelten vermögen wir auch nicht mehr im 


Volke zu erfennen; denn da ſie körperlich 
den Germanen jehr nahe jtanden, ver- 
Ihmolzen fie mit diefen. Aber vielleicht iſt 
die Annahme nicht unberedhtigt, daß da, 
wo fich zahlreiche: keltiſche Namen finden, 
auch viele Kelten fidh unter den Germanen 
erhalten haben. Da diefe Namen in der 
Weſtpfalz ftärfer vertreten find, jo mag 
auch hier das feltiiche Element zur Beit 
der deutichen Befiedelung ftärker gemwejen 
fein. Die latinifierten Namen auf — acus, 
jacus find ficher £eltiih. Mons Brisiacus 
— Breiſach, Moguntiacum — Mainz, ebenio 
auf — magus: Noviomagus — Bad) Neu- 
magen und Ninnmwegen, Borbetomagus — 
Worms und Nemetomagus oder Novio- 
magus — Speyer, und auf dunum: Tara- 
dunum — Barten, Lupodunum — Laden 
burg. Unjere Eijenbäde und die Eis 
haben weder vom Eilen noch vom Eiſe 
ihren Namen. Letzteres gebe feine charaf- 
teriftiihe Eigenichaft für einen Bad ab. 
Wir haben vielmehr einen Namen, der von 
dem keltiſchen Flußnamenelement — is — 
abftammt, wie es in Iſar, Iſenach, 
Isere, Iſer, Nebenfluß der Elbe, er- 
iheint und das wir für unjere Gegend den 
Kelten verdanfen. Die Salzad, die jetzt 
einen flaren deutichen Namen führt, hieß 
Isontus oder Isontia. Isana ift der 
alte Name für Bäche, die zum Zeil heute 
Eifenbad, Eiſenach lauten. Stamm- 
wort aller diejer Namen, die ich nicht weiter 
vermehren mill, ift die indogermanijche 
Wurzel: eis, is, jansfritiich &sh, isch; da— 
zu vergleihe man das zendifche: ishara, 
d. i. reißend, ftarf, Gin Eiſenbach mwäre 
demnac ein reißender, raſch dahineilender 
Fluß oder Bad. Auch in dem Flußnamen 
Alfenz, der in latinifierter Form Ali- 
sentia lautete, enthält die zweite Silbe 
das Flußnamenelement is. 

Als noch die Kelten das Linfsrheinifche 
Land in zahlreihen Siedelungen bewohnten, 
drangen die Römer jeit 58 v. Ehr. ein und 
romanilierten das Land. Aber jchon hatten 
fich einige germaniſche Volksſtämme fuebiicher 
Herfunft über den, Rhein gewagt, denn 
zwifchen Rhein und Elbe ſaßen jchon längſt 
feine Selten mehr. Um die Mitte des 
1. Zahrhunderts v. Chr. zogen die Tribofer, 
Nemeter und Vangionen über den Fluß, 
eroberten das Rheintal, und die Stelten 


festen fich in dem wilderen Gebirge feit. | 


Aber bald nah der erften germanijchen 
Befiedelung auf dem linfen Rheinufer fam 
die große römische als Folge der Kriege 
Cäſars und feiner Nachfolger. Mehr als 
vierhundert Jahre lang dauerte die Römer- 
berrichaft, deren Zeugen uns noch allent- 
halben entgegentreten. Die Geſchichte dieſer 
römiſchen Beſiedelung, jo dankbar eine 
weitere Darſtellung wäre, können wir hier 
nicht weiter beachten, als ſie mit unſerm 
Thema zuſammenhängt. Die Orts- und 
Flurnamen geben un® ausreichende Beweiſe 
für dieſe jahrhundertelange römische Aultur 
an die Hand. Das feltiihe Nemeto- 
ınagus oder Noviomagus befam den 
Namen civitass Nemetum (Spexer). 
Rheinaufwärts treffen wir Vicus Julius, 
d,i. Germersheim, Tabernae rhenanae 
— Rheinzabern. Auch an die Aheinhäfen, 
die Saifer Valentinian im Jahre 369 in 
der regio Nemetensis anlegen ließ, 
erinnert da8 Dorf Pfortz, von portus- 
Hafen. Nördli von Speyer erhob fich 
auf der rehten Rheinſeite eine starke 
Befeftigung auf hohem Ufer, wie ja aud 
Speyer und Worms Hocufern ihre Be- 
deutung verdankten. Alta Ripa nannten 
ed die Römer und das Dorf Altrip ver- 
danft diejer FFefte feinen Namen. Der 
Name Ruphiana oder Rufiana fommt 
nach den Darlegungen des Forichers Karl 
Ehrift im Heidelberg ebenfalls unferm 
Ultrip zu, nad Dr. Mehlis jol es der 
lateinische Name für Eifenberg jein. — 
Un die römifche Zeit erinnern auch unfere 
Drtönamen = kaſtel oder Staffel. Bei 
Kapsweiher liegt ein Kaftelgraben, bei 
Linden ein „Kaſtel“ und ein Kajjel, 
eine Kaſtelwieſe bei Boſenbach, ein 
Kaftelweg bei Welchweiler, ein Kaſſel— 
berg in der Mittelhaingeraide, hiezu treten 
noch Burg Neukaſtel und Blieskaſtel. 
— Der Name Castellam ad Blesam 
für Blieskaftel ift nur gelehrte Stonftruftion, 
fann aber nicht urkundlich belegt werden. 
Die volkstümliche Namensform ift Kafchtel, 
d. i. Kaftel. — Am Gebirge liegt als 
römifher Ort Bergzabern, Tabernae 
montanae, am Glan Ulmet (Ulmetum, 
d. i. Ulmengebüfch?). — Die römische Be- 
fiedelung hat unferer Ortsnamengebung ein 
wichtiges Wort gegeben. Bon dem römiſchen 





villare ftammt unfer deutſches — mweiler, 
das fi Hauptfählih im Weſtrich und in 
der Nordpfalz findet, aber aud in einem 
gang beftimmten Gebiete der Borderpfalz 
vorfommt. Wehyher bei Edenkoben hieß 
77T Wilere, der Weierhof bei Kirch— 
beimbolanden 1135 Wiire Im Elſaß 
tollen heute noch die meilten Weiler 
Drte durh weier oder wir in der 
Volksſprache erjegt werden. Auch pfälzifchen 
Ortsnamen, die heute -weiler beißen, 
ging ein ältere® wir voraus, Kirr— 
weiler = flirrwir, Reinsmweiler = 
Lentzwir; Hergersweiler hieß nod- 
im 18. Jahrhundert Ergerswir. Dr. 
Heeger in Landau nimmt aufgrund diejer 
Tatjahen an, daß alle unſere heutigen 
-weiler im alten Volksmund meiher 

vivaria gewejen find, daß vivarium die 
volfsmäßige, villarium die gemwähltere 
feinere Bezeichnung war, an der nod die 
Grinnerung an den prunkvollen römiſchen 
Landfigen baftete. In den Namen Weiler- 
bad, richtiger Weiherbad ift das alte 


vivarium in der Bedeutung Teih im 
wilre — villarium umgewandelt 
worden. Römiſche Villen find ungemein 


häufig in der Pialz; auch dıe Weitpfalz 
fann mit der dichter beiiedelten Border: 
pfalz gut einen Vergleich aushalten. 
Unfere Geldäder, Geldlöder, 
Goldberge, -brunnen, +»felien, 
:gruben, «hübel, »ftüder, Gulden- 
äfer, Münzäder find oft Fundftätten 
von Römermünzen, wie die Geldäder 
bei Eifenberg. Zu den ficheriten römischen 
Orten gehören die meiften Zuſammen— 
jegungen mit „Heiden“, im Bolffmunde 
„Häde“ bezw. „Häre“ geichrieben und 
fäljchlid ald „Herren“ gedeutet. So heißt 
auf Blatt 103 des topographiichen Atlas’ 
für Bayern 1862 63 die befannte Heiden: 
burg bei Niederfiaufenbah Herrenburg, 
was fih nur aus dem mißverftandenen 
mundartlihen Häreburg erllären läßt. 
Spätrömifchen Urfprungs find aud die 
beiden andern Heidenburgen des Weſtrichs, 
die bei Kaulbach a. d. Yauter und bei 
Waldfiſchbach gegenüber dem Dorie 
laufen Tiegen. NRegierungspräfident von 
Stihaner ftellte in dem Sntelligenzblatt 
des Rheinfreifes von 1827 Nr. T, ©. 75 76; 
37 Ortsnamen auf Heiden zuſammen 


9 


und Rektor F. Ohlenichlager in München | 
war in der Lage in feinem Bud: „Die 
Flurnamen der Pialz und ihre gefchichtliche | 
Bedeutung” 170 Stellen zu nennen, Daß 
auch diefe Zahl noch nicht erichöpfend ift, 
wie der Verfaſſer zugibt, lehrt eine Notiz, 
die vor einigen Tagen durch die Zeitungen 
ging: Am Herrenweg, d. i. Hären 
weg oder Heidenmwege, einer ehemaligen 
Nömerftraße zwiſchen Iggelheim und Schiffer 
ftadt, wurde ein römiiches Hypofauftum 
(Raum zur Heizung der Wohnung mit Luft), 
wie es in den römijchen Häufern Gerinaniens, 
Salliens und LOberitaliend vorfam, auf 
gededt. — „Die Haide”, eine dorfähnliche 
Siedlung bei Hirchheimbolanden, führte vom 
Heideland ihren Namen wiedie Schlauder- 
hbaıd und Danteshaid bei Odernheim. 





Da römiſche und vorrömiſche Grabhiigel 
bei uns häufig vorfommen, wenn fie aud) 
im Kulturlande oft jchwer zu erfennen find, 


' fo find auch entiprechende Flurnamen nicht 


jelten. Im althochdeuticher Zeit heißt der 
Grabhügel hléo, Genetiv hlewes, 
Mehrzahl lewä, leä, mittelhochdeutſch 
noch l&; davon mögen die Namen: Leh— 
wiefen, Lehmann (Ortsnamen) fommen. 
Das Grabmal des Drujus in Mainz hieß 
im 9, Jahrhundert Trusiläh, d. ı. Grab— 
mal det Drufus; heute noch joll die Gegend 
an diejem Male, das allgemein Eigelftein 
beißt, Drufenloc genannt werden. Wir 
jehen, wie das mihverftandene lch in 
«loch umgedeutet wurde. 


(Schluß folgt.) 


Baarkugeln. 
Bon E. Kleeberger, Ludwigshafen a. Rh. 


Es find jept ſaſt 25 Jahre her, da 
zeigte mir der damalige praft. Arzt von | 
Trippftadt, Herr Dr. Bogel,') cine | 
ſchwarze Kugel in der Größe einer fleinen | 
Kartärfchenkugel, die aber gar nicht aus | 
Eifen war. Gie war im Magen eines | 
Nindes gefunden worden, das Herr Dep 





germeilter Faulhaber von Trippſtadt furz 
vorher geichlachtet hatte. 

So täuſchend die fchwarze Farbe und 
das glatte Ausjehen für das Auge waren, 
jo verriet doh das Gewicht zu deutlich, 
daß es feine metalliiche Kugel war. Herr 
Dr. Bogel jchnitt dann auch mit einem 
iharfen Mefler die Kugel entzwei und fie 
zeigte ſich durch und durd aus Filz. Ganz 
deutlich waren Haare und Faſern zu 
unterjcheiden, aber fie waren viel, viel 
fefter zufammengeballt als 3. B. in einem 
Bierfil;, wie man fie ehedem in Wirt 
ſchaften benütte.?) 

Solde Haarfugeln finden jich nicht 
gar jo jelten in dem Magen aller Wicder: 
fäuer, aud der Pferde und mander Affen. 
Und wer fchon beobachtet hat, wie 3. B. | 


’) Sept i in Hamm it. W. Sollten ihn dirfe | 
an u Geſicht kommen, fo mögen fie ihm 
rüße bringen aus der Bfalz. 
*, Bergleihe: Harz, die Bezoare (Saar: 
fugeln) des Pferdes und Rindes. Wien. 1876, 


Kühe mit ihrer rauhen Zunge fich jelbft 
belefen (man möchte jagen: fich bürften 
und ftrählen) oder in mütterlicher Sorg— 
falt ihr Junges, dem wird ed als nichts 
Unnatürliches erſcheinen, wenn dann hinunter- 
geichlufte Haare ſich mit Speichel und 
andern Nlebftoffen zu Ballen formen. 

Nicht jo unbefangen war man in früherer 
Beit und dieje Zeit liegt nicht gar meit 
hinter uns, So berichtet der 2. Band 
von den „Borlefungen der phyſ. ökonom. 
Gefellichaft”?) ©. 469: 

„Aus dem zwilchen Hirihhorn und 
Eberbach gelegenen, halb mainziſch, halb 
pfälzifchen Dörfchen Igelsbach fam am 
27. November 1785 ein Bauer zu Herrn 
Yang*)' und fragte ihn fchmermütig um 
Rat, was er wegen böjen Yeuten, melche 
ihm ein jchönes, fettes Rind behert, am: 
fangen jollte. Gr mollte vieles darauf 
verwenden, um den Zauberer ausfindig 
zu macen, welder dem Winde dicje 
Derenfugel zum Maule hineinge— 
Ihojien. Das Stück Bieh jei jo gelund 
als all jein übriges geweſen, als am Abend 
| ein Bube das Gerafiel der Ketten im 
Stalle hörte. Als der Bauer hierauf jo: 

J Aus den Jahren 1754 1790. 


Kurfürittich Dainziicher Leib Chirurg und 
Kammerdiener. 


gleich in den Stall fommt, finden fie das 
Rind am Erftiden und in dem Halje einen 
Knopf, den fie aber weder hinauf nod) 
hinunter bringen können, und daher dem 
Viehe den Hals abſchneiden und hernach 
eine gewöhnliche Haarfugel finden, welche 
unter dem gemeinen Namen der Heren- 
fugeln belegt wird. Eine ſolche Kugel 
macht daher aud ein ſolches Stück Vieh 
verdächtig, jo daß man das Fleiſch davon 
nicht zu genießen pflegt, mwiewohl der Herr 
Leib Chirurg Yang durch gründliche Be— 
griffe über die Entjtehung der Haarfugeln 
dies Vorurteil vertilgte und das Fleiſch 
von jenem Stüdf Vieh von den Bauern 
vernußt wurde.” 

Diefe Haarfugel, 1% Pariſer Zoll 
und 1!4 Barifer Boll im großen und 
Meinen Durchmefler, wurde der öffentlichen 
Naturalien- Sammlung der Staatswirt— 
ichafts Hohen Schule zu Heidelberg ein» 
verleibt. 

Über die Haarkugeln herrfchte früher 
auch viel wijjenfchajtlicher Aberglaube. 
Der berühmte ſchwediſche Naturforicher 
Ritter von Linné teilte fie unter dem 
willenichaftlihen Namen Aegogropilae dem 
Mineralreih zu, jowie er auch Nieren-, 
Blajen: und Gallenfteine dahin rechnete. 
Sein in vielfacher Beziehung willenichaft- 
liher Gegner Dr. Friedr. Caſ. Medicus?) 
wies jchon damals das Unhaltbare dieſer 
Syftematifierung nad). 

Die ältejten Bücher über die Natur, 
die von Aberglauben ftrogen, wiſſen jogar 
von Spezies der Haarkugeln zu be 
richten. Am befannteften war der deutſche 
Bezoar, der fih im Magen der Gemſe 
fand, Daher aud Gemsballen, Gem 
fugeln genannt, die al8 unfehlbare Bauber- 
mittel gegen alle möglichen Übel helfen 
follten. Sicher rühren daher aud die 
fabelhaften Gemseier, unter denen 
man figlirlich heute Jagdgeſchichtchen im 
gröbften Jägerlatein verfteht. 

Der Glaube an die vermeintliche arz— 
neilihe Wirfung der Haarkugeln ſcheint 

°, Batriotifche Männer hatten 1769 die 
phuſ. õöonom. Geſellſchaft zu Lautern gegründet; 
1770 wurde ſie beſtätigt, 1774 die Kameral hohe 
Schule zu Lautern errichtet; 1784 nach Heibdel- 
berg verlent. Dr. Medieus war der Borftand 


diefer Anſtalten, ſowie auch des Kurfürſtl. 
botaniſchen Gartens zu Mannheim. 


10 


aus dem Morgenland zu ſtammen. Dort 
fand man ſie im Magen der wilden oder 
Bezoar Ziege, der Antilopen ujw. Das 
war der orientaliſche Bezoar. Der 
Name jtammt aus dem Werfiichen, von: 
bäd-sahr-Gegengift®) 

Da die Nachfrage nad ſolchen Kugeln 
ſehr groß war, wurden fie aud künſtlich 
gemadt. Das waren die Bezoar de Goa”), 
vergoldete Stugeln aus einer mit Moſchus 
und Ambra°) vermifchten Erde, die jehr 
teuer bezahlt wurden. 


Vermutlich war es eine ſolche goldene 
Kugel, von welcher die Weltgeichichte er: 
zählt:°) 

Nah der Schladt bei Pavia (1524) 
trat ein ſpaniſcher Pandsfucht aus Kaiſer 
Karls Söldnerheer an. den gefangenen 
König Franz I. von Frankreich heran und 
überreichte ihm eine goldene Büchſen— 
fugel mit den Worten: „Da ich in der 
Schlacht feine Gelegenheit fand, mid ihrer 
gegen Didy zu bedienen, jo erlaube mir, 
fie Dir jetzt als Geſchenk anzubieten.” 
Der König nahm die Gabe, wenn auch 
nicht ohne Beiremden, fo doch mit Danf an. 


Und auf meld heterogenen Gebieten 
fih der Wunderglaube an die Wirkung 
dieſer Goldkugeln berührt, beweiſen 
Caſanovas Memoiren, wenn er ſeine ga— 
lanten Abenteuer in dem ſittenſtrengen eal— 
viniſtiſchen Genf erzählt. 


Warum nun der Aberglaube gerade 
über unjere Haustiere jomeit in die Neu— 
zeit bereinreiht?_ Yung: Stilling'") 
in jeiner Porlefung vom 10, November 
1784 jagt: So lange Schmiedemeifter, 
Viehhirten und Wajenmeifter die privile: 
gierten Tierärzte jind und folange der 





* Ein aus Sid Amerika ftammended Krant 
(Dorstenia contrayerva) wird Bezoar- Wurzel 
genannt, da es gegen Schlangengift gebraudt 
wird. 

) Portugieſiſche Stadt auf der gleichnamigen 
Inſel in Border-Indien. 

*, Gallenſtein des PVottfiſches, bat auch 
Moſchusgeruch. Gelber Ambra Bernſtein. 

*, Nah: Hans v. Trutzſchler, Bom Sol— 
datenaberglaube. (Für alle Welt ©. 668). 

, Dr. Johann Heinrich Yung, Brofeflor 
an der Kameral hoben Schule zu Kaiſerslautern, 
jpäter an der Univerfität Marburg. 


Bajen (Echindanger) an den Henker!!) ver: 
pachtet wird, darf man fich über die Dumm» 
heit und den Aberglauben nicht wundern; 
gegen fie iſt Paracelfi Archidoris himm— 
liiche Weisheit. 

Und zum Grempel dafür erzählt er:'?) 


Ein Bauer im Oberamt Lautern!?) 
hatte eine Kuh, welche vom Klee aufgebläht 
war. Ich fam von ungefähr dazu, ein 
Trupp Weiber und Nachbarn ftand um fie 
her. Da war nun des Natens fein Ende, 
die meilten Stimmen gingen dahin, man 
jolle den alten Biehhirten holen. Wäh- 
rend der Zeit holte der Bauer jelbft fein 
Wetzfaß (d. i. das hölzerne Gefäß, ın welchem 
der Wetzſtein in einer jauern Brühe auf: 
behalten mwird, womit man die Örasienjen 
wegt) voll von einer klaren Mijtpfüige und 
jhüttete fie dem franfen Tiere ein, In— 
dejien fam der alte blinde Kuhhirt. Er 
ließ fi) bei das Tier führer, nahm dann 
jeinen Hut ab und fing an zu liipeln, in: 


") Der Scharfrichter Hieronymus Menges 
von Landau entichuldigt in einem Berhör vom 
8 April 1777 fein Nichtericheinen zu einer 
früheren Borladung damit, daß er als Tierarzt 
zu franfen Pferden beiufen worden jei. 

ꝛ) Borlef. der phuf.:öfon. Geſ. Bd. 1,S.28. 

ie) War es vielleicht auf dem Weg nad dem 
Siegelbadher But, einem Berjuchsfeld der 
phyf.-ofon. Geiellfchaft, wohin Kung: Stilling 
de& Öftern kam? 





11 


dein er beftändig mit feiner rechten Hand 
über den Rüden des Tieres hinſtrich. So 
wie er fein Zeremoniell vollendet hatte, io 
befam auch das Tier ordentlich Öffnung 
und wurde beiler. Nun hätte man das 
Gejauchze und den Triumph der Bauern 
hören jollen! Indeſſen jchwieg der Befiger 
der Ruh ganz Still und lächelte. Das ge 
fiel mir. Ich nahm ihn allein und Lobte 
ihn, daß er nicht an ſolche Narrheiten 
glaube; denn die Miftpfüige fei wirklich 
ein gute® Mittel. „Ya,“ antwortete er 
mir, „die Miftpfüge tut's nicht allein, fie 
muß auch durchaus in einem gebrauchten 
Wetzfatz eingegeben werden.” 't) — O! 
dachte ich und ging fort. 

DO! müflen wir auch heute noch mand)- 
mal mit ihm ausrufen. Mber wir fünnen 
aud an unjerm Teil dazu beitragen, daß 
Unmwifjenheit und Mberglaube jchmwinden, 
indem wir den naturfundliden 
Unterridt in der Bolfs- und fort: 
bildungsihule recht anjdaulid 
geitalten und auf biologijden 
Grundlagen aufbauen. 


Ich beſinne mich als Knabe ciner ähn- 
lichen Szene beigewohnt zu haben. ch konnte 
damalf gar nicht begreifen, warum man fo eifrig 
nach dem „Sclorrefaß” juchte, wo doch andere 
Gefäße genug zur Hand waren. 


Hildegard von Hohenerk. 
Ron Dr. C. Puſch. 


Schön Hildegard ritt in den Wald hinein, 
Bon ferne fchien ihr cin Käuzlein zu fchrei'n. 
Ihr Hund jagte raſtlos im Walde. 

Sie pürjchte, bis dämmernd der Abend kam 
Und müde fie Raſt an dem Waldjaum nahm. 
Das Abrndgeläute verballte. 


Zur Seit’ entfprang ihr ein Silberquell, 
Der ſprudelte fröhlich, lebendig, hell. 
Ein Mütterhen fam aus dem Walde. 
Das griff mit der Hand in die fühle Flut; 
„Bib mir Lebenskraft, gib mir Lebensmut“ — 
So raunte die zitternde Alte. 


Und Hildegard kam's wie Hohn in's Herz: 
Halb ſpöttiſch mid lannig und halb im Scherz 
Begehrt fie ihr Schidjat zu wiſſen: 

„Laßt ruhen, o Herrin, ich ıat! Euch gut, 
„Was all noch im Schofe der Zukunft Euch rubt; 
„Ihr möchtet die Freude fon miſſen!“ 


Erſchoß tım Fi 


Und wiederum wollt’ fie mit frevelndem Mund 
Die Zukunft wiſſen aur felben Stund'. 
Draur die Alte: „So höre vom Morde! 
„Wiß, einer der Brehle im Köcher Dein 
„Wird Deines Geliebten Berderben fein!“ 
Hohnlachend vernahm fie die Worte, — 


Mit ſchwirrendem Pfeil auf den Lüften frei 
3 ſie den kreiſenden Weih', 
Er fiel in des Waldes Dickung. 
Und andern Tages, da fand man im Wald 
Den Nibling von Flörsheim eritarrt und kalt, 
So hatte erfüllt fih die Schidung. 


Es hatten im Wald fich geitellt zum Streit 
Die Ritter all’, die um's Fräulein gefreit; 
Hei! blitten die Schwerter da Funken! 

Mit zen Pfeil getroffen man fand 
Den Nibling meudlings durch Mörderhand, 
Tot war er zu Boden geſunken. 


12 


Gelchlechtsverändernng einer Weide. 


An der Halbmonatsjchrift „Aus der 
Natur” (Berlag von Erwin Nargele in 
Leipzig) berichtet Prof. %. Nömer (Kron— 
ftadt): Im Schulhofe der evangeliſchen 
Mädchenſchule in Kronſtadt (Siebenbürgen) 
ftehen neben dem Brunnen zwei große 
Hängemeiden. Die Beide ijt Feine Trauer: 
weide, jondern ein Baltard von Salix baby- 
loniea mit S. fragilis, der vom Botanifer 
Andrzejowsfy S. blanda benannt worden 
it. Als die zwei Weiden vor etwa dreikig 
Jahren gepflanzt wurden, waren fie männ- 
lid. Manche Zweige babe ich im Yaufe 
der Jahre abgejchnitten und präpariert und 
nie andere als ftaubblattblütige gefunden. 
Bor fieben Jahren fiel es mir auf, dat 
hie und da an der Spike des Kätzchens 
einzelne Stempelblüten ſich gebildet hatten. 
Diefer Vorgang wiederholte fi in den 
nächſten Jahren und zwar fo, daß immer 
mehr Stempelblüten, meiftens an der Spike 
des Kätzchens fich bildeten, Bald fand ich Kätz— 
chen, die ganz weiblid; waren. Sie bildeten 
auch Früchte und bald flogen zahlreiche Samen 
von den urfprünglidd männlichen Weiden | 
davon, »In den nächſten fahren maren | 


Ichon Fleine Zweige mit lauter Stempel: 
füschen bejegt und heuer fand ich einen 
großen Aft, der Schon ganz weiblich geworden 
war. Nachbaräſte waren zum Teile noch 
mit männlichen, zum Zeile aber auch jchon 
mit mweiblihen Kätzchen bejegt. So hat es 
denn den Anichein, als ob in furzer Zeit 
die zwei großen Werdenbüume das Ge— 
ichlecdyt der Blüten ganz ändern mollten, 
jo dat ſchließlich aus den, zwei Weiden 
mit Staubblattfäghen ſolche mıt Stempel: 
fägchen werden müſſen. Liber die Urſache 
dieſer Gerchlechtsveränderung läßt ſich wohl 
nicht einmal eine Bermutung ausſprechen. 
Die Verhältniſſe des Bodens, des Stand- 
ortes, des Alimas find die gleichen ge: 
blieben. Bon einem Rückſchlag fann wohl 
auch nicht geredet werden, am eheſten fünnte 
die Erichernung zu den Mutationen gerech— 
net werden. — Die Tatjahe an ſich aber 
ſteht feſt und iſt auch ein Fleiner Beitrag 
zur Menge derjenigen Erfahrungen, die uns 
zweideurig bezeugen, daß die Organismen 
plaſtiſch und nicht ftereotyp find, daß ihnen dem: 
nach eine gewiſſe Art von Flüſſigkeit und Ver: 
änderlichkeit nicht abgeiprochen werden fann. 


Bimmelsfchan. 


Im Monate Januar 1907 bietet der | 
Abend: und Morgenhimmel eine Reihe von 
Erfcheinungen dar, melde wert find, daß 
auch der Yaie den Blick zu ihnen erhebt, 
um einen Schimmer des hehren Glanzes 
zu erhaſchen, den der Berufsaftronom ge- 
vießen darf. Im Südweſten ift Saturn, 
der ringgeichmücdte und in feiner Eigenart 
noch immer nicht enträtielte Planet als 
hellfter Stern dieler Region zu ſehen. Im 
Dften jteigt der gewaltige und glänzende 
Jupiter im Sternbilde der Zwillinge 
hoch auf und ift die ganze Nadır ſichtbar. 
Im Süden fteht in den Abendjtunden das | 
Sternbild des Drion voll Glanz und 


Reihtum an merfwürdigiten Scauftüden 
des Firmamentes und nahe dabei zieht in 
breitem Bande der milde Schimmer der 
Milchſtraße quer Über den ganzen Himmel, 
— Intereſſant war die am 11. Sjanuar er: 
folgende Zufammenfunft des Mondes mit 
der Venus, mwober dieje Geftirne äußerſt 
nahe aneinander vorbegingen. — Merf- 
würdig für viele Leute ift auch die Tatr 
ſache, daß am 2, Januar die Erde die 
geringfte Entfernung von der Sonne erreicht ; 
die Winterfälte rührt darum offenfichtlich 
nur don der Neigung unjerer nördlichen 
Erdhälfte, bezw. von dem ftärferen Weg— 
gewendet jein von der Sonnenridtung her. 


ndbalt: Aus dev Entitehungszeit ded Dorfes Arzbeim. — Tie Gefchichte der Butter. — 
Pfälziſche Ortsnamen. — Haarfugein. — Hildegard vor Hoheneck. — Geſchlechtsveränderung einer 


Weide, — Himmelsſchau. 
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Laudftuhl 


- Hermann Kayſer's Derlag, Kaiferzlautern. 


Kür Form und Inhalt ber Beiträge find die Herren Rerfafler verantwortlich. 


Die „Blälziiche Heimattunde” Lofer jährlich in 12 Heften ME, 2.70, Weteflungen merben von allen Buchhandlungen und 
Boftanflalten ferner vom Berleger (Portefreie Streifbandiendung) angenommen. 


1. Jahrgang. 


Februar 1907. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


L/ 


v 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


FI MANENEmICH 





66. Iahresverfammlung der „Pollichia“, 
einesfnaturwiffenichaftlichen Vereins der Rheinpfalz. 


Sie tagte diesmal am Nachmittage des 
16. Dezember v. Is. im Stadthausjaale 
zu Bad Dürkheim und war aus Anlaß der 
hodhintereffanten Tagesordnung von fremden 
mie von einheimijchen Hörern zahlreich be: 
fuht. Nachdem der Borfigende, Rektor 
Roth, die Erjchienenen, insbefondere den 
Ehrenpräfidenten, Erzellenz von Neumaper, 
und den fgl. Regierungspräfidenten von 
Neuffer willlommen geheißen und die Ent- 
Ihuldigungen ausmwärtiger Kapazitäten mit- 
geteilt hatte, erftattete er in furzer Über— 
fiht den Jahres und Gejchäftsberiht. Das 
Bermögen des Vereins beziffert ſich ein- 
ichließlich des Überjchuffes von 1905,06 
auf rund 4060 ME.; die Mitgliederzahl iſt 
feit dem Vorjahre um 16 zurüdgegangen 
und beläuft fi auf 226 Mitglieder. 

Nunmehr nimmt der Chemiker, Privat: 
dozgent Dr. Erih Ebler- Heidelberg das 
Wort, um über den wichtigſten Gegenstand 
der heutigen Berhandlungen: Radio: 
Aktivität und Arſengehalt der 
Dürfheimer Mineralquellen einen 
fünfviertelftündigen Vortrag zu halten. 
Auf Anregung des Studenten Heinrich 
Bart hat Redner die „Margquelle“ des 
Bades Dürkheim unterfucht, jene Quelle, 
in der die Heidelberger Forſcher Bunjen 
und Kirchhoff, die Entdedfer der Speftral- 
analyfe, die beiden Glemente Rubidium 
und Gäfium fanden. Dieje Quelle iſt geo- 


Peih fehr intereffant und für Unter: | 





juhungen infolge ihres reihen Sediments 
(Niederihlag, Schlamm) ſehr günftig 
Redner ftellte einen hohen Grad der Radio- 
aftivität feit, der jedenfalls gleich den" 
Quellen von Baden-Baden, von Gaftein, 
von Nauheim eine beträdtlihe Heilkraft 
verbürge. Jnsbefonderel zähle das 
Dürthbeimer Quelljediment zu 
den ftärfften radioaktiven Quell: 
jedimenten. Ganz entgegengejeßt zu Baden» 
Baden, deffen Quellen jährlih nur ein 
Sediment von etwa 20 kg ergeben, bildet 
fih im Wafler der hiefigen Marquelle ein 
fo ftarfe8 Sediment, daß pro Jahr ein 
Schlamm:Niederjchlag von 180 Zentner 
nicht zu hoch gegriffen fein dürfte. Die 
Unterfuhung diefes hiefigen Quellfediments 
durd; den Bortragenden im Berein mit 
stud. chem. Bart hat da8 überrafhende 
Ergebnis zutage gefördert, daß die 
Marquelle nit weniger als 7,2 
Prozent arjeniger Säure aufmeift. 
In 1 Liter des Marbrunnens fände 


'fih 155 Milligramm Arfen vor. 


Keine andere Mineralquelle in 
Nord: und Mitteleuropa zeige einen 
jo hohen Urjengebalt. Im Hinblid 
auf die Heilkraft des Arjens müſſe darum 
den hiefigen Mineralquellen und damit dem 
Bade Dürkheim eine verheißungsvolle Zu— 
kunft bevorftehen. 

Die Zuhdrerſchaft fpendete lebhaften 
Beifall. Der Ehrenvorfigende Erzellenz 


bon Neumaher bringt dem Medner den 
wärmften Danf des Bereins und der Ber- 
fammelten zum Wusdrud. In der fi 
anjchließenden Diskuffion nehmen das 
Bort Hofrat Dr. Kaufman- Dürkheim, 
Dr. Schäfer-Neuftadt a. H. Dr. Biſchoff 
und Reallehrer Schaechtl. Hofrat 
Dr. Raufmann verbreitet fi in eingehender 
Weiſe über die Geſchichte und den Werde: 
gang des biefigen Badeslund feiner Quellen, 
und gibt aus dem reihen Schatze jeiner 
Erfahrung einen Beitrag zur Löſung des 
Widerfpruches zwiſchen der älteren und 
neueften Heidelberger Unalyje, welche let- 
tere einen jo hohen Arjengehalt des Waſſers 
ergab, während früher nicht die Spur von 
Arſen gefunden worden war. Die Anficht, 
daß diejer Gehalt ſich von jeher gleich ge: 
blieben ſei und die heidelberger Forſcher 
infolge des Übereiferd der ausführenden 
Stelle in Dürkheim feinerzeitYabgeftandenes 
oder gar filtriertes Waſſer (aljo möglichſt 
„lauber* im Sinne des Laien) erhalten 
und chemiſch unterſucht hätten, ergänzt 
Hofrat Kaufmann dur die Feitftellung, 
daß feine Batienten das Waſſer nicht direft 
von der Quelle benugen Eonnten, weil fie 
es nicht vertragen hätten. Die Begleit- 
erſcheinungen bewiejen jet Far, daß es 
fih um leichte Arjenvergiftungen gehandelt 
habe und jomit indıreft die Arjenhaltigfeit 
des Waflers in !jener Zeit erwieſen jei. 


14 


Er regt neuerdings an, wie er es vor 
einem Menjchenalter jchon getan hatte, 
das arjenhaltige Wafler der Marquelle mit 
demjenigen des „Wleichbrunnens” zu ver- 
diinnen; dann werde es ein vorzügliches 
Heilmittel fein für Hautfrankheiten, Lupus 
uſw. Mit einem Hinweis auf die glän— 
zenden Heilerfolge der Dürfheimer Klinder- 
heilftätte fchließt er jeine Ausführungen, 
für die Exzellenz von Neumaher den 
wärmſten Danf ausipridt. Dr. Schäfer: 
Neuftadt erklärt, das Dürkheimer Salz- 
wafler jei ein völlig reizloſes Waſſer zum 
Spülen der Quftivege, des Mittelohrs ujw.; 
Dr. Bifchoff weift auf die abfolut fidheren 
Unterfuhungen des Dozenten Dr. Ebler hin 
und Neallehrer Schaechtl verbreitet ſich ein- 
gehender Weife über eine Reihe von Krank: 
heiten, bei denen dad Arſen ein nicht zu 
unterfchägendes Meditament abgebe. 
Nach diejer erichöpfenden Debatte ſchließt 
Erzellen; Dr. von Neumayer die Verſamm— 
fung mit einer ernften Mahnung an die 
pfälziſchen Ärzte, nunmehr in Spitälern, 
Krankenhäuſern zc, zu prüfen und klarzu—⸗ 
ftellen, in welcher Weife die heutigen Reful- 
tate der chemiichen Forichung im Dienjte 
der leidenden Menjchheit heilungipendend 
zu bermerten feien. Den intereflanten, 
2’ ftündigen Verhandlungen folgte ein 
Elfen im Parkhotel, das durch verjchiedene 
Tifchreden gewürzt wurde. (Nach d. Pf. Pr.) 


Pfälziſche Ortsnamen. 
Bon Theodor Zink in Kaiferslautern. 


Schluß.) 


Manche pfälziſche Gewann verdankt 
einem Stein ihre Benennung, der alter 
Zeit entſtammt. Ob Grenz- oder Gerichts— 
und Malſteine vorhanden waren, kann 
nicht immer entſchieden werden. Sie heißen 
Hinkel-oder Hühnerſtein, d. i. 
Hünenſteine, Kunkelſteine, Golden— 
ſteine, auch lange oder hohe Steine, 
Bekannt iſt der Gollenſtein bei Blies— 
kaſtel, der auf Karten fälſchlich den 
Namen Gotenſtein führt; dieſe Ent: 
ftellung war ſogar die Veranlafjung zu 
einer Sage, dab die Goten hier vorbei- 
zogen und diejen Stein als Denkmal jeg- 
ten. Wie aber ein flaches Melief am 





Gollenfteine ausmeift, ift diefer ein römiſcher 
Grenz oder Straßenfteın, Nidt 
immer aber ftehen die Steine no, nur 
die Ortöbezeihnung nad ihnen hat fich 
erhalten. Ich fann aber Ohlenfchlager 
nicht beipflichten, der in feinem erwähnten 
Bude ©. 17 einen Lebenſtein nördlid 
von Kriegsfeld und eine Pickelſäule bei 
Diedeltopf erwähnt. Erfterer Name ift 
nur die Entſtellung des munbdartlichen 
Lewenftein ; denn das nordpfälziiche Ritter- 
geichleht der Löwenſteiner bejaß bei 
Kriegsfeld Güter. Pickelſäule ift Um 
deutung von Bileljeiel, älter »jiel oder 
fiegel, was nafle oder jumpfige Niederung 


im Aderlande bedeutet Auch unjere zahl: 


15 


reihen Shelmenäder,-bäce, »dellen, | 


»gärten, »beden, »gruben, »fanten, 
:föpfe, »jeugen, »teiche fünnen Orte 
bezeichnen, wo römijche oder ältere Gräber 
überhaupt zu treffen find. Am Schel— 
mengraben bei Hengſtbach wurden 1882 
römifche Gräber gefunden und im Schel— 
menmwalde am Rande des Otterbachs 
wurde auf Beranlaffung de um uniere 
Heimatgejchichte hochverdienten Fabrikanten 
Wilhelm Ludovici in Jockgrim ein größeres 
römiſches Bad aufgedeft. Schelme ift 
mittelbochdeutfh und bedeutet Leichnam, 
alfo find unſere Schelmenäder uſw. 
Plätze, wo Tote, oft auch gefallenes Bieh 
liegen. 

“ls um das Jahr 400 n. Chr. die 
römischen Heere vom Rhein abgerufen wur- 
den, um das Land Italien und Nom vor 
dem Eindringen der Hunnen und Germanen 
zu jchligen, fiedelten fi die Burgunder 
und nach deren baldigem Abzuge die Ale— 
mannen an, die dad ganze linfe Rhein: 
ufer bis zur Mojel fi unterwarfen. 
Aber um das Jahr 500 verdrängte der 
jugendliche Frankenkönig Chlodwig, der mit 
Lift und Gewalt alle Teilftämme der 
Franken unter feinem Machtgebote vereinigt 
hatte, die Alemannen aus den mittleren 
Nheingegenden und zwang fie auf ein Ge- 
biet, das fie heute noch als Schwaben und 
Alemannen bewohnen. Die Frankenſtämme 
befiedelten nun die Rheingegenden, anfangs 
wohl die fruchtbare Ebene und die Täler. 
Die Alemannen, die wohnen blieben, wur- 
den unterworfen, oder fie zogen fich in das 
Gebirge zurück. Alemamiſche Spradele- 
mente reihen in der Weſtpfalz weiter nad) 
Norden als in der Rheinebene, aud in 
den Bolfsbräuchen beiteht heute noch ein 
gewiſſer Gegenjag zwiſchen Borderpfalz 
und Weſtrich. 

Bir fünnen mit Dr. Heeger annehmen, 
daß die Hauptmaſſe der pfälziichen Dorf: 
namen mit «ingen älter jind als die mit 
heim oder bach uſw. Auf feinen 
Wanderungen war unjer Volk in diefelben 
Gaue, Hundertichaften, Zehntichaften und 
Sıppen geteilt wie in der verlaflenen Hei— 
mat. Die Niederlaffung in den eroberten 
Ländern geichah familien: oder fippenmeife. 
Die Angehörigen einer joldhen Sippe wurde 


als Gefamtheit mit „ingen” bezeichnet, 
wie wir in der Geichichte,ja auch noch von 
Meromwingern, Agilolfingern, Ka— 
rolingern reden. "Die Nachkommen eines 
gewiflen Siebolt waren die Siebol- 
tingen), der einzelne ‚ein Siebolting; 
von Otto oder Odo ftammen bie 
Öttingen, von Beizo)die Zeizingen. 

Yedenfalld wurden ſchon während der 
Wanderzeit die einzelnen Sippen derartig 
unterſchieden; dennzda?bei dem rubelojen 
Banderleben an eine Ortsbenennung nicht 
zu denfen war, mußte\die Berfonalbezeich- 
nung eintreten. Natürlich) mar es ferner, 
dat diefe Namen ber Anſiedelungen ge- 
braucht wurden und auf diefe übergingen. 
Alle Ortsnamen find Dativbildungen; 
daher haben wir /und Orte wie Win 
zingen, Gimmeldingen, Efjingen, 
Nüffingen, Benningen u a, als 
ze den Winzingen ujw, au erklären. 
Mit Recht fünnen wir daher unſere pfäl- 
ziihen Ortsnamen auf -„ingen” als bie 
nachmeisbar älteften germanifchen Siebe. 
lungen bezeichnen.' Wenn wir auch nicht 
die Spuren der Nemeter und Bangionen 
in ihnen direft nachweifen, fondern nur 
vermuten können, fo find wır doch bered)- 
tigt, fie mwenigftens als burgundifchen oder 
alemanrifhen Urfprungs aufzufaffen. 

Daß viele ingen-Niederlaſſungen in 
der Nheinebene von?Tden Franken be 
jeitigt wurden, weiſt Dr. Heeger fchlagend 
nah: Geinsheim bei Neuftadt hieß 774 
im Lorfcher Koder Gunzingen, Eden- 
£foben d. h. Ottinghoben wird 776 
Botingen, d. i. ze Öttingen, alfo 
bei den Öttingen genannt. So wird ın 
Weißenburger Urfunden von T74—91 
ein ‚Ort Zusinchoven (oder Hursin- 
chova?) ermähnt. Diefe Namen find, 
wie ich vermute, mit dem Hofe Zusen- 
koben oder Usenkoben identifch, der 
bei Luſtadt lag und jedenfalls mit einem 
der beiden }Dörfer dieſes Namens ver- 
ſchmolz, denn in einer Urkunde von 1350 
beißt e8: in terminis et in bannis sive 
distrieibus Lustat et Usenkoben 
und noch einmal: curia hubatica dieta 
Zusenkoben, propeLustat. Zusen- 
koben ze Usinghofen, älter 
Usingen. 

Die fränfifche Eroberung der mittel“ 


rheinifchen Lande hemmte die weitere Bil- 
dung bon ingen-Namen; denn dieje be 
zeugen die ältefte Zeit des gemeinjamen 
Grundeigentums, wo die Marfgenofjenichaft 
noch in voller Blüte ftand. Wenn aud 
diefe ingem-Orte nur vom 8. bis 11. Jahr⸗ 
hundert bezeugt find, fo find fie doch viel 
älter; frühere Aufzeichnungen find nicht 
vorhanden. Wir verdanken die Überliefe- 
rung hauptſächlich den Klöftern, die ihren 
Befig genau firierten. Noch heute find 
jolche ingen-Namen eine frieſiſche und nieder- 
jähfifhe Eigentümlichfeit. Dort waren die 
Ebbinge oder Hayenga Nadfommen 
eines Ebbo oder Hayo. Die Beamten 
und Paſtoren Weftfalens verwandelten im 
18. Jahrhundert die vielen ing-Namen in 
jolde auf -mann, aber das Volk nennt 
einen „Zimmermann“ heute noch 
‚„Zimmerint“. 

Nicht nur Orte, fondern auch Länder 
murden nad ſolchen Geſchlechternamen ge- 
nannt. So Ferlingen, das Land der 
Karuvlinger, Lotharingen, das Land, 
da8 den Nachkommen Kaiſer Lothars 
zukam. Förſtemann zählt in ſeinem alt— 
deutſchen Namenbuche über 1000 ingen— 
Orte auf; von dieſen hatte der rein ale— 
mannifche Schweizerfanton Zürich etwa 150 
auf -inga, »ingun, »ingen oder ink- 
hova (Bergleihe: Otinghova — Ebden- 
foben, inkhoven!), abgeſchwächt zu 
ikon oder iken. Bollifon entftand 
aus Bollinghoven, d. h. zu oder bei 
den Höfen der Nachkommen eınes Zollo. 

Merkwürdig ift uud, dab fich die pfäl: 
ziſchen umd andere ingen-Giedelungen in 
fruchtbarer Gegend befinden und die engen 
(Hebirgstäler oder Höhen meiden. Dieje 
murden erft befiedelt, ald die Namenbildung 
auf -»ingen ſchon längft erloſchen mar. 
Schon nah den Karolingern war bie 
Bezeichnung der Fürftengeichlehter auf 
«ingen außer Gebrauh. Da aber gerade 
Fürftenhäufer noch heute in der Namen- 
gebung Eonjervativer find, jo dürfen mir 
annehmen, daß im deutichen Volke diefe 
Art ſchon früher erloſch. 

Die Franken, die um 500 n. Chr. den 
Rhein erobern, bringen neue Namen, weil 
an Stelle der engen Sippengemeinſchaft 
jegt der einzelne mit jeinem Sondereigen: 
tum tritt. 


16 





Der erfte Anfiedler, der Er 


oberer, gibt dem Drte feinen Namen. 
Friejenheim ift das Heim oder Dorf 
eines Frieſo, Fries, Gommersheim 
das ein Guntmar, Medenheim 
eins Mado, Germersheim eines 
Bermar. Der Einzelne ift jegt Herr. 
Wenn wir bedenken, daß Chlodwig Stüde 
des eroberten Randes an jeine Krieger aus» 
teilte, die von dieſen bejegt und bebaut 
wurden, fo erflären fi die „Heim: Siede- 
fungen der Rheinebene ungeziwungen. Sie 
liegen bejonder8 von Rheinhefjen her- 
auf an den Römermwegen, die mit dem 
Strome laufen oder am Gebirge entlang 
heute noch verfolgt werden fünnen. Das» 
neben erideinen als ältefte Orte die mit 
»feld, »dorf, «haufen Der Raum 
diefer Abhandlung verbietet mir nur, Dieje 
Ortönamen näher zu betradhten. Das nord: 
pfäßziihe Rockenhauſen wird ſchon im 
9. Jahrhundert ald Rockinhusn, d. i. 
Haus eines Rodo erwähnt. Wir dürfen 
alfo nicht nach landläufiger Annahme an 
Roggen denken, wie aud; jchon ein Wappen 
aus dem 16. Jahrhundert annimmt; Rocken⸗ 
haufen hat drei tornähren heute noch im 
Wappen. Weitergehören Friedelhaujen, 
Godelhbaufen, Immetshauſen, 
Nyrthauſen, Bettenhaujen, Hert- 
lingshaufen, Walshauſen, Biederd 
haufen, Schnedenhaujen, Benn- 
bauien u.a, hierher. Bettenhauſen 
fann aus biftorischen und lautlihen Gründen 
nicht von Bethaus, aljo von beten, ab» 
geleitet werden, da eine ältere Form noch 
im 15. Jahrhundert Bottenhufen lautete. 
In diefem Botten liegt der ſchwache alt- 
hochdeutihe Genetiv eineds Bodo oder 
Boto mie auch jedenfalls in Botten« 
bad. Als „Feld“ und „dorf”;Ramen der 
fränkiſchen Beit ericheinen Schiersfeld 

= Skeringesfeld, Sippersfeld — 
Siparidesvelt, Lohnsfſeld, Bayer 
feld — Burvelt, die fi bis ins 9, 
Jahrhundert verfolgen laſſen. Als rhein- 
fränfifch gilt auch ſcheid oder ſchied, 
das ſich in einer ganz beitimmten Richtung 
von der Südgrenze des Frankenftammes 
im Neichslande bis zu den Niederlanden 
verfolgen läßt. Ich Führe aus meiner 
Sammlung nur an: Trippſchied, d. i. 
Trippftadt, Birſchied, d. i. das heu— 
tige Börrftadt, der untergegangene Hof 


Dlichied bei Obereiſenbach, Eidel 
- fheid bei Homburg und bei Winter 
born in der Nordpfalz, Wettſcheid, 
d.i. Witt- oder Waldſcheid bei Ober: 
haufen an der Appel, Hamſcheid bei 
Altenbaumburg, Biſterſchied am Stahl- 
berg. In feinem andern Namen fommt 
mehr als in diefem die Kigentümlichkeit 
der Franken, fih zu zeriplittern und ein 
geiondertes politiiches Leben zu führen, zum 
Ausdrudf. 

Wie in den Ortsnamen fih em gut 
Teil unierer Volksgeſchichte offenbart, jo 
drüct ſich auch älteſtes Heidentum in ihnen 
aus, Alſo auch in diejer Dinficht können 
fie fulturhifioriiche Denkmäler jein. Auf 
alten Götter- und Naturdienft lafien die | 
Namen Beuerberg, Ofterberg, 
Pfingſtwieſe, Plingftbrunnen, Jo 
bannisbrunnen, Kindelöbrunnen | 
schließen. DOfterberge fand id) bei Ober: 
wieien, bei Bell, bei Otterbach, Bezirk 
Sailerslautern, ein Diterfeld bei Alt 
heim, Brenſchelbach, eine Oſterwieſe bei 
Niedergailbah. An allen diefen Orten 
wurden um Oftern oder an den Feuer: | 
bergen um Johanni große Feuer anger 
zündet, die als Yohannisfeuer noch in vielen 
Drten der Pfalz bejtehen. 

Die Pfingſtbrunen ftanden einft im 
Mittelpunft der volfstümlichen uralten 
Pfingitumzüge, die im pfälziichen Holzlande 
und auf der Sidinger Höhe jomie bei 
Bliestaftel Heute noch leben und als Pfingit- | 
reiten oder Quadreiten große Anziehungs- | 
kraft beligen. 

Der Donnersberg mit feinem Ge: 
nofien, dem Eleinen Donnersberg bei 
Neuleiningen erinnert direkt an den Donner: 
gott, dem die Donnerfeile und die Donner: 
diftel, die fich in der Pfalz jo häufig finden, 
geweiht waren. Noch bis in unjere Beit 
dauert ihre Verehrung als ſchutzſpendende 
Dinge. Der Donnersberg hieß bereits 
im 8. Jahrhundert Thonaresberg. 
Sjedenfalld verdanft er den Franken, die 
um 500 n. Chr. bier eindrangen und troß 
Chlodwigs Belehrung noch vielfach heidniſch 
blieben, dieſen Namen. Schon zur Römer— 
zeit hieß er.Mons lovis, und dem Um— 
ftande, daß Jupiter audı der Donnerer ift, 
mag die deutiche Penennung bezw. Ueber: 
tragung zuzuschreiben fein. Ein Felfen auf 








17 


der Höhe des Perges trägt die Buchſtaben 


:J. ©. M. als Anfang einer Votivinſchrift 


auf Jupiter den beiten und größten; denn 
fie müflen als Jovi optimo maximo auf- 
gelöft werden 

Der Drensberg ift aber fein 
Odinsberg, wie Auguft Beer glaubte; 
auch der Name Odinstal iſt Entfiellung. 
Ein Ort mit Beziehung zum oberiten 
germanifchen Gotte müßte Gobenstal, 
Godesberg heißen, da ſich altes w in 
unferer Mundart gern in ® verwandelt, 
zum mindeftens müßte W erhalten fein. 


' Odin ift die altnordiihe Form des alt- 


hochdeutſchen Wuotan oder Wodan, da- 
ber konnte audh der Odenwald fein 
Odinswald fein, fondern er muß als 


Odonowalt, silva Ottonis, als Wald 
| eine8 Otto oder jeiner Nadhlommen ge- 


deutet werden. 

Mit Sage und Mythologie hängen die 
unzähligen Ortsnamen auf „Teufel“ zu: 
fammen, die noch häufiger auftreten als 
die auf „Heiden“ Es gibt Teufels 
brunnen, »berge, graben, löcher, felſen, 
wieſen, »bäche, »reche, d. i. Raine, uſw. 


Die verſchiedenen pfälziſchen Sagenſamm— 


lungen wiſſen mancherlei von dieſen Orten 
zu berichten. Der römiſche Grenzwall heißt 
Teufelsmauer und der Felsblock am 
Dürtkheimer Kingwall Teufelſtein. Nach 
Ohlenſchlager treibt der Teuſel im Teufels- 
berge und Teufelsfelſen ſein Unweſen 
und durch das Teufelsloch im Modenbacher 
Tal zieht brauſend im Sturm das wilde 
Heer. Sagenhaften Urſprungs find Namen 
wie Sclangenbrunnen, Schlangen 
bad, Schlangenidlag, Schlangen- 
halde, Höhle, -ſelſen, Wildfrauenlod, 
-berg und Ungeheuer. Die Erforſchung 
der örtlichen Flurnamen, die ſaſt nur den 
Lokalkundigen, alfo in erfter Linie dem 
Lehrer, möglich ift, könnte noch mandes 


| zutage fördern, das der Heimatkunde und 


Geſchichte nicht.nur, jondern auch dem Unter: 
richte zugute käme. 

Wenn wir die keltiſche und römische 
Seit unferer Heimat als erften Zeitraum 
der Namengebung, die fränkische Befiedelung 
vom 5. bis 8. Jahrhundert aber als zweiten 
aniehen, fo erjcheint die Zeit der Ktlofier- 
grüindungen vom 8, bis 12. Yahıhundert 
als dritter Zeitraum. MUeberall entjtehen 


Rodungen geiftlicher und weltlicher Herren. 
In einer Wildnis, die bisher nicht bewohnt 
war, erhob fid) 3. B. das Zifterzienjerflofter 
Dtterberg und legte jo den eriten Grund 
zu der ipäteren Stadt; die Brüder rodeten 
aflenthalben die Wälder, die ihnen von den 
Grundherren des Yandes gegeben wurden. 
Neue Gotteshäufer werden gegründet, Bur: 
gen entftehen auf der Höhe der Berge. 
Aus diefem Beitraume ftammen fait alle 
Namen auf burg, fappel, bagen, 
firden, reute oder rode und zell, 
Die Kirche ift die mächtigite Grund: 
berrin wie jchon einmal zurzeit Karl Mar— 
tele. Zur Bewirtichaftung ihrer Güter 
legt fie Bauernhöfe an oder erwirbt folche 
au durch Kauf. Unjere Mündmeiler 
und »böfe in der Pfalz beitätigen dies; 
denn fie find aus ehemaligen Slojterhöfen 
hervorgegangen. Unjere Biaffenberge, 
-wälder und »-äder uſw. entitammen 
derjelben Zeit. Für den Örtspfarrer, den 
Pleban wird im Yaufe der Jahrhunderte 
dad Pfarrgut oder Wittum ausge 
fdireden, das heute wenigitens dem Namen 
nach zu erfennen iſt. Auch Namen wie 
Achte und Brühl find hierher zu zählen. 
Gin in der Diarf angefeffener geiftlicher 
oder weltlicdyer Grundherr war, namentlich 
wenn er die Stellung eines Obermärkers 
inne hatte, am erjten in der Yage, ganze 
Nottländereten ın der Almende, 
alſo dem, was allen gemeinfam war, für 
fich zu erwerben. So entitanden die ſoge— 
nannten Beunden, Bunden oder 
Achten, auch berridaftlide Bifange 
genannt, welche nicht wie die Frohnlände— 
reien mit den eigenen Vrbeitöfräften des 
DHerrenhofes, fondern im Gelamtdienit der 
zur Fron verpflichteten Bauern beſtellt 
wurden, ber auch noch nach dem Ber: 
fall der gutsherrlichen Gigenwertichaft jeit 


dem 12, Jahrhundert erinnern die Namen ! 


nody an die alten Verhältniſſe. Frohn— 
bofen, Frohnbach, Frohnbuſch find 
gleichen Alters. In ihnen ftedt das alt- 
deutihe Wort für Herr: Frö, zu dem aud) 
Frau, d. i. Herrin: Frowa gehört. 


Die meilten Almenden, d. i. ge 


meinschaftliche Felder, Wiejen und Wal: | Standenbühl, d. 


18 





beftehen die Almenden noch. Daran er- 
innern Flur und Waldnamen mie: die - 
Alme bei Gonbah, Almenmoog bei 
Meehlingen, Almengajje in Sembad, 
Roſenalme, die heutige Rojenftraße in 
Kaijerslautern, daſelbſt auch eine Gaſſe: 
Ruhallmend, die Almen bei Weiters— 
weiler, uff dem Almrode bei Münch— 
weiler an der Aljenz, genannt im 15, 
Jahrhundert. 1202 Heißt der marfgenofien- 
ihaftliche Befig an Wald, Weide, Fiicherei 
beim Hofe Affolterloh am Rhein die 
Almede, 1821 wurden in Dudenhofen 
die „Almengüter“ in 91 Lofen ausge: 
boten. Auch die fogenannte Franken— 
waide im Gebiete ded oberen Speyer- 
baches ift nur eine große Almende, ein 
gemeinschaftliher Wald: Franfenmwaide, 
d. i. freier Wald, der feinen Namen jeden« 
falls ſchon der erften Befiedelung durd) die 
Franken verdauft. Es wäre alfo ein Wald, 
der aus dem großen föniglihen Forſte 
Vosegus, franzöfifch Vosges, daher Vogeien, 
ausgejchieden murde. 

Dieje Andeutungen werden wohl zeigen, 
daß fih an den Orts- und Flurnamen die 
Fulturgefchichtliche Entwickelung zeigen läht, 
die unjer Volk durchlebte.e. Es wäre ein 
leichtes, aus diefem Material die altger- 
manijche Bemwirtichaftung, insbejondere auch 
die Bedeutung des Hirtenlebens, das für 
das Werden unferes Volkes wichtig war, 
zu erfennen. Wielleicht ift hierzu fpäter 
Gelegenheit. : 

Wir dürfen aber nicht ſchließen, bevor 
auch der Namen gedadıt ift, die im Sprach— 
ſchatze des Volkes heute nicht mehr be- 
ftehen, aber nod an Drtlichfeiten haften. 
Die Ortsnamenfunde ift daher ein wich— 
tiger Zweig der Sprachgeichichte, denn fie 
bewahrt uns mandes Wort und vermag 
uns menigitens teilweiſe Auffchluß über 
ültere Sprachverhältniffe zu geben. Aus 
dem Munde des Volkes find Wörter wie 
Bühl, Hart (Daardt), Schaden, 
Hag, Lob, Mar u a. verfchmwunden; 
aber unjere Ortsnamen haben fie bewahrt; 
wir fennen in der Pfalz zwei Dörfer: 
Böhl, älter Buhel oder Bohel, und 
i. am fteineten 


dungen der Markgenofjen, find heute auf | Bühl oder Böhl, und zahlreiche Eleinere 


geteilt; vielfach geihah es im 18, Jahr— 
hundert, aber auch noch im 19. Zum Teil 


Erhebungen: Lindenbühl, Teufels 
bühl, Meifenbühl (1361: Meysen 


Buhel bei Landftuhl), Fahrenbußpl, 
Hohe Bühl, Schenfelbühl, Reis— 
böpl, Geisböhl u. v. a. 

Der Name Hart (oollſtändig entftellt 
in Haardt) findet ſich nicht nur als Ber 
zeihnung des großen Waldgebirges, das 
die Fortſetzung der Vogefen bildet, fondern 
auch anderer Wälder, oder er gibt nur an, 
wo ehemals Wälder beftanden: Harthübel 
bei Weılerbah, Bautenhart bei Pörr- 
bad, Schauenhbart ber Sriegsfeld, 
Darrerfopf bei Kaiſerslautern, eine 
Hart bei Schopp, bei Merzalben und die 
Dörfer nicht zu vergeifen, die ihrer Yage 
am Walde oder in demielben den Namen 
verdanken: Grevenhart, abgegangenes 
Dorf bei Speyer, Harthauſen, Schei— 
benhardt, Schindhardt, Kuhardt jomwie 
Hördt, älter: Herde und Birfenhördt. 

„Hardt“: Die Bezeichnung des mittel: 
pfälziihen Berglandes und Waldgebietes 
ald Dart oder Hartgebirge hat troß 
unferer Gemwöhntheitt an das Wort aud) 
für den Bfälzer einen eigentüimlichen Klang; 
auch die Schreibweije war jeit langen 
Beiten nichts weniger als feftftehend und 
bat fi vom einfachen Hart bis zum ortho- 
graphifchen Wort-Ungetüm Haardt in mehr- 
facber Form bis heute erhalten. Das 
prachtvoll gelegene Nachbardorf der „Perle 
der Walz”, Neuftadts, heißt heute noch 
Haardt; natürlich gilt diefelbe Ortho— 
graphie für das Haardter Shlößden. 
Heute bezeichnet man das mittlere Berg: 
land der Pfalz in einfacherer und hiſtoriſch 
befjer begründeter Form als Dart oder 
Dartgebirge, was eigentlich ein bißchen 
viel auf einmal ıf. Dart, genauer 
hartes, bedeutet ja jchon joviel als be- 
maldetes Gebirge, waldige Höhe, wie aud) 
in Dr. Autenrieths Pfälziſchem Idiotikon zu 
lejen if. So müllen wir in dem Namen 
des norddeutichen Gebirges Harz und im 
Spejjart, der ſoviel als Spedteshart, 
Spedtswald, den alten Stamm erkennen; 
ja der Harz hieß fogar bis ins 11. Jahr- 
hundert hinein hart und der heutige Name 
rührt von hartesburg her. Die weibliche 
Form die Hart, genauer hartin, harten, 
welch' letztere Lesart in Hartenburg 
wiederkehrt, leſen wir ſchon im frühen 
Mittelalter für den nördlichen Teil des 
mons Vosagus zwiſchen Neuſtadt und 


19 


Grünſtadt; Neuſtadt ſoll ſogar urkundlich 
als Neuß auf dem Woſichou (Waskengau) 
oder am Speierbach vorfommen. Erſt ſeit 
dem Ende des 16. Jahrhunderts entſtanden 
die Variationen hard, hardt, haardt, 
aber auch hert und hördt. Autenrieth 
nennt das Wort fränkiſch, bayeriſch und 
bſterreichiſch; nach ihm gibt es auch eine 
Anwendung der jählihen Form das hart. 
Als Beiname zur näheren Bezeichnung 
von Ortſchaften iſt e8 uns geläufig ge 
worden: Dürfheim a. 9, Wachenheim 
a. H., Neuftadt a. 9.; fonft ift der 
Name nicht gerade auffällig. Wer aber 
feine Pfalz genauer fennt, findet außer 
den oben genannten Namen noch einen 
Hardtmwald bei Weilerbad und erınnert 
fih an Burg und BWalddiftrift Lützel— 
hbardt, welder legtere noch bei Peters— 
bächel an die pfälziſche Südgrenze jtößt; 
er fiebt neben dem Dorfe Hardenburg 
die Runen der großen Hartenburg; die 
Gemwannennamen Hardt und Hardter 
Eck bei Gersheim an der Blies find nicht 
mißverftändlih Aber näher dem Wasgau 
fehrt das Wort mehrfad wieder; jo gibt 
es ein Forſthaus Haardt öftlih vom 
Geisberg bei Weißenburg und ein anderes 
Forſthaus Nonnenhardt, 5 Silometer 
nördlich von Wörth. m mittleren Was: 
genmwald finder fih der 477 m hohe 
Hohart weſtlich von Wafjelnheim und 
bei Mutzig ein Gehöfte namens Wangen 
bardt. Diefem füdlichſten Vorkommen 
— fomweit unjere Slenntnis reiht — ent— 
ſpricht ein mördlichftes in dem Mund— 
bardterhof bei Türfheim (Seebad). Es 
gibt auch ein Gehöfte Schafhardt bei 
Straßburg, jo daß wir in der Gbene alle 
drei Echreibmweijen angetroffen haben. 
Daß fih auch anderwärts die mittel: 
und althochdeutihe Bezeichnung für eine 
bewaldete Höhe erhalten hat, fehen wir 
im Hunsrück, welder Geſamtname feiner- 
jeits gleichfalls alt ift. Bei Neumagen, 
zwilchen dem Hochwalde und der Mojel 
beißt ein größerer Bezirf Stronzbuſcher 
Haardt, ein fleinerer meiter jüdlid 
Haardtwald. , Weitlid davon, jenjeits 
der Mojel bei Ehrang, gıbt es einen 
Hanrdter Tunnel. Ein Nordabhang 
füdöftlich bei Stürzelbronn heißt Hardt, 
eine Ortichaft zwifchen Bitſch und Philipps» 


burg Egelshardt; ebenjo gıbt es Gehr— 
hardt ſüdöſilich von Philippsburg. 
die Forſthäuſer Hungerhardt 8 km von 
Bird, Nonnenhardt bei Yangenjulz: 
bad und unmeit desjelben Ortes das Ge- 
höfte Hard mären hier zu nennen. — 
Im Norden finden wir bei Kreuznach eine 
Höhe Haardt und bei Wiesbaden einen 
Haardtwald. 

Auch rechts des Rheines finden wir den 
Ausdrudf wieder: im Odenmwalde bei Wald: 
michelbach ift ein Hardberg und im Be- 
zirfe Karlsruhe gibt es „Leute in der 
Haard” ; die nicht wenig anfteigende Höhe 
jüdöitlıch von Lahr im badiichen Oberlande 
heißt Yangenhard. Gehen wir noch weiter 
ms Schwabenland, jo treffen wir ein 
Murrhardt an dem Flüßchen Murr, 
und die Ortichaften Nothenhaar (Murr- 
hardt Ellwangen), Gründelhardt und 
Hohnhardt bei Crailsheim, ſowie einen 
Bezirf Hardt ber Ebingen in der Rauhen 
Alb. Die öſtliche Endigung diefes Jura— 
plateaus heißt an der bayrifhen Grenze 
bald Härtfeld, (Sohr Berghaus), bald 
Härdtfeld (Säbler), bald Hardtfeld 
(Sydow), oder Hartfeld (Andree). 

Weiter von uns weg lejen wir eine 
Hardt bei Düffeldorf, einen Haarſtrang 
und ein Rothaargebirge Daß das 
Wort auch „ölterreichiih“ iſt, ſehen wır 
in der Gegend von Wien, wo die aus- 
gebreiteten Höhen im Nordmeften der Stadt 
den Namen Manhardsberg oder Man 
hardtsberg tragen. D. Cd.) 

Schaͤhen, Hag Loh und Striet oder 
Strut, oft auch Streit, find Namen für 
Heine Waldteıle. Nach dem erften nennt fich 
der Schacherhof bei Rodenhaufen, nad) 
Loh: Lohnweiler, mundartlıh: Roh 
mwiller, nah Striet oder Strut die 
Strurmieje bei Gerbadh, der Streitwald 
bei Diarienthal, das Striet bei Rothſelberg. 

Das alte Wort mar für ftillftehendes 
Wafler ift jedem Beſucher der Eifel mohl- 
befannt; davon abgelertet ift unjer Meer 
und der merkwürdige lurnamen „im 
roten Meer* ber Hoddorf; im 14. 
Nahrhundert wird am Rhein bei Speper 
das Mar von UÜdenheim, wohl ein al 
rhein erwähnt. 

Schließlich gebe ich noch eıne — Zu⸗ 
ſammenſtellung der Grundwörter, die zu 


20 


Auch 


Ortsnamen im weiteſten Sinne, wozu alſo 
alle geographiſchen Namen gehören, geführt 
haben. Quellen beißen Spring oder 
Spreng, Bronn, Haupt, Sod oder 
Klinge, die Mündung: Mund, Gemünd, 
Ort oder Ed, Übergänge werden Surten 
genannt: Bartenfort bei Waldmohr, Ejels: 
fürtb, Breitfurt, Fürth, Bezirfsamt Kuſel; 
Inſeln: Wörth, Wert, Werder, Au. 
— Für Bodenerhebungen find häufig: 
Hauf oder Hauch: Winterhbaud, 
Pübel, Bud, Leh, Firft, Rück und 
Rick, Ort, Kopf, Kuppe, Naie, 
Stauf, Fels, Stein (Münjter a, Stein). 
Täler heißen: Mulde, Grund, Dell, 
Kehl, Hehl, Helle (Hälichlidh: Hölle), 
Saig oder Seiel. — Der Wald heißt: 
Holz, Wiede (Witt), Marf, Forſt, 
Horit, Dag, Lob, Schaden, Striet 
oder Strut. Auch nad jeinen Päumen 
kann der Wald benannt fein: Eichenlod, 
d. i. slohb, Bucdhenberg, Yındenau, 
Birfenhördt, Tannen Dannenfels, 
Dannjtadt, Fohren (Dorf bei St. 
Wendel im Negierungsbezirf Trier), Haß— 
loch — Hajelad, älter: vielleiht Hasal- 


ahi, d i. Dajelmald. — Übenes be— 
bautes Land wird Feld, Flur (deri, 
Ebnet, Boden, Land, GSpreite, 


Adler, Hufe, Morgen genannt, 3. B. 
Schmoalfeld, aufdem Flur, die Kappel— 
flur bei .einer ehemaligen Kapelle uſw. 
— Sitmpfe find zwar nicht mehr jo zahl« 
reich in der Pfalz wie ehedem; aber Stellen 
mit den Namen Brud, Moos, Mies, 
Buhl (Buhl), Sohl oder Suhl, 
Schlier, Hor und Leimen find ſichere 
Beiden, daß folche beftanden. Auch Horn= 
bach ift ein Horinbach oder Horenbadh, 
d. h. ein fumpfiger Pad. Ein Schlier— 
tal liegt bei Franfenjtein und im feuchten 
Pfälzer Walde liegen viele „Sohle“, 5. B. 
Waidſohl, Taubenfuhl, Trauterjohl 
und Schwarzfohl. 

Unjere Orts-Flurnamen find vielfadhen 
Mikdeutungen unterworfen, weil fie jehr 
oft altes Sprachqut in uniere Yeit gerettet 
haben, das im Wortſchatz des Volkes feine 
Stütze findet und daher fih an anderes 
anlehnt. Dieje Ericheinung bezeichnen mir 
nad) des Sprachforſchers Andreſen Vorgang 
mit Volksetymologie. Wichtiger wäre volks— 
mäßige Umdeutung. Hier nur einige Bei- 


fpiele: Die heutige Mabdbenburg hieß noch 
im 18. Jahrhundert Magdeburg und gab 
als ſolche dem fürſtbiſchöflich ſpeyeriſchen 
Amt Magdeburg den Namen. In mittel 
hochdeutijcher Zeit wurde fie Meideburg 
genannt mie die befannte Stadt an der 
Elbe. Beide führen von der Yungfrau 
(maget, meit) Maria den Namen. — 
Einſelthum entſpricht dem mittelhod- 
deutſchen Insultheim, fpäter Einselt- 
heim; um = heim. Man vergleidje 
hierzu: Oberkum = Obrigheim, 
Dertem = Dürkheim, BZeisfam = 
Zeizenkheim, dem ein nod älteres 
Beizingen möglicherweiſe vorausging. 
Grünftadt entipricht einem alten Grinde- 
statt, d. i. Ort oder Stätte an einem 
Hügel, Grind iſt alfo etymologifch mit 
den Hornißgrinden (nit gründen) und 
dem Grindelwald verwandt. Noch 
heute werden mehrere Erhebungen in der 
Pfalz; Grind genannt. Mefjersbad 
hat feinerlei Beziehung zu Meſſer, fondern 
hieß urfprünglid Maßholderbach und 


21 — 


der Wäſchbacherhof am Donnersberg 
war ein Wiesenbach, wie Rammels— 
bach ein Remigsbad, d. i. Remigius- 
bad. 

Bir erjehen aus dieſen furzen Aus» 
führungen, die überall nur andeuten fonn- 
ten, welch reichen Stoff die Ortsnamen- 
funde bietet. Da ſich aber in jeder Ge- 
markung zahlreihe Namen finden, die in 
geihichtlicher, geographiſcher und natur- 
geichichtlicher Beziehung einer näheren Be- 
tradhtung wert find, fo ergibt fih für die 
Heimatkunde Material, das befonders auf 
der Dberftufe unferer Volksſchulen ver« 
wendet werden fann. Wo ein Namen jo- 
zufagen die Gefchichte der Ortlichkeit oder 
der Gegend mwiderfpiegelt, wird der Lehrer 
gerne zugreifen und einige Augenblide ver« 
weilen. Schwierige Etymologien gehören 
jelbftverftändlih nicht in die Volksſchule; 
aber unjere Flurnamen bieten mit den 
eigentlichen Ortsnamen in ihrer Mannig- 
faltigfeit brauchbaren Stoff genug, dem der 
Lehrer Leben verleihen muß. 


Heber das Borkommen des Wolfes in der Pfalz. 
4, Die Anfiht, daß das Vorkommen | zweiten Wolf. Bei einer Frhr. v. Stumm- 


des Iſegrims in unſerer heimiſchen Pfalz 
in die fernfte Zeit zurlücdverlegt werden 
müffe und derielbe nur nod in Fabeln 
und Märchen bei uns befannt jei, ift irrig. 
Tatſachen beftätigen, daß ab und zu der 
gefürdhtete Räuber feine Streifzüge von 
den Ardennen nad) Lothringen in die Bor 
gefen und von da in unfere Forften und 
Fluren in fchneereichen, harten Wintern 
unternimmt und da freibeutert. Soviel 
ih mich erinnere, wurden in den fechziger 
und fiebziger Jahren des vergangenen 
Jahrhunderts in der Nähe von Landjtuhl 
4 Wölfe erlegt. 

Im Februar 1867 wurde bei einer 
Zreibjagd im Revier Hausberg bei Bann 
ein ftarfer Wolf zur Strede gebradt in 
einem Gewichte von 95 Pfund. Der glüd- 
lihe Schüße war der num ſchon längft ver- 
ftorbene Raufmann Martin aus Landſtuhl. 
Das ausgebalgte Tier ift noch im Beſitze 
des prakt. Arztes Herrn Dr. Martin. Im 
März desfelben Yahres erlegte der Förfter 
H. eber im Revier Kahlenberg einen 


ſchen Treibjagd im Jahre 1869 mußte ein 
dritter Wolf feinen Pelz dem glüdlichen 
Schützen H. Oberftleutnant Schmitt von 
Eichberg im Nevier Stahlenberg laffen. Der 
vierte und legte wurde anfangs der fieb- 
ziger Yahre bei Schnee im Schlage Did: 
bef in der Nähe des Steigerhofes bei 
Bann von einem Frh. v. Stumm’ichen 
Förſter morgens gejpürt und eingefreift. 
Sofort murde eine Wolfsjagd von dem 
Frh. v. Stumm'ſchen Oberförſter Herrn 
Schütz in Landſtuhl arrangiert. Hohe und 
niedere Herren, unter anderen der damalige 
kgl. Bezirlgamtmann zu Homburg, Siebert, 
nahmen: daran teil. Nachdem in aller 
Ruhe der Schlag Dickheck von den Jägern 
umjtellt war, ging das Treiben los. Wie 
mag da mandem Jäger du8 Herz ım 
Leibe geflopft haben vor Aufregung ob der 
Dinge die da kommen follten! Den An- 
lauf eines Wolfes zu haben, ift eine Sel: 
tenheit und babe ih mir auch jchon oft 
die Gelegenheit herbeigemwünicht, mit dem 
Rohr in der Hand Befanntichaft mit dem 


Raubgejellen machen zu dürfen. Wohl 
mag manden unerfahrenen Weidmann die 
Erfahrung, daß der Wolf bei jclechtem 
Schuß den Schügen annehme, auf jeinem 
Poſten in nicht geringe Angſt verjegt haben. 
Es dauerte auch nicht lange und Iſegrim 
ward flüchtig. Mit aufgeiperrtem Fange 
jaufte er im Holze die Schüßenlinie ent- 
lang. Schuß fradte auf Schuß, aber 
Danf der Hißigfeit der Schützen paifierte 
der Schlaue. Wohl mag er aud beim 
Austritt aus dem Holze die richtige Ent- 
fernung zwiſchen zwei Schützen gegriffen 
haben. Ein Nimrod hatte allerdings das 
Glück, aus der Nähe jein Rohr abzufeuern. 
Während die einen dem in fchnellftem Tempo 
davoneilenden Gejellen nachſchauten, hielt 
die anderen der Änblick des letzterwähnten 
Schützen gefeflelt, der freilid mit dem 
Schafte in der Hand einen traurigen, viel: 
leiht auch komiſchen Eindrud gemacht 
haben mag; infolge der übermäßig ftarfen 
Ladung war ihm nämlich beim Schuß der 
Lauf mit davongeflogen. Ob diejes jchlimmen 
Ausganges der Wolfshege bemächtigte fich 
jegt der Schützen eine große Nieder: 
geichlagenheit, bis jchließlich em eifriger 
Beobachter der Fährte im Schnee trium— 
phierend Fonjtatieren konnte, daß Iſegrim 
ichweiße, was dann die Stimmung allge: 
mein etwas hob. Das Glüd, Iſegrim an: 
gefragt zu haben, glaubte natürlich jeder 
für fih in Anſpruch nehmen zu dürfen, 
der überhaupt nad ihm gejchoflen hatte. 
Später fand man ihn am SHoheneder 
Weiher, über eine Stunde vom Anſchuß 
entfernt, tot auf. Die Palme bean: 
ſprucht heute noch energiſch der rohrlofe 
Jäger. Böje Zungen behaupten freilich, 
Iſegrim habe feinen ehrlichen Wolfstod 
fterben fünnen und jo habe er in feiner 
Verzweiflung in ſelbſtmörderiſcher Wbficht 
den Tod ım SHoheneder Weiher geſucht 
und gefunden. 

5. Mir jelbft begegnete in dem jchnee: 
reihen Winter 1889 in einer mondhellen 
Nadıt auf dem Wege von Obermohr nad) 
Steinwenden ein Wolf, der in ruhigem 
Trabe die Straße entlang den ausge 
tretenen Fußpfad mir entgegenfam. Leider 
war ich unbewaffnet und hatte bloß einen 
Spazierftof in der Hand. Der fühne 
Räuber ift befanntlih bei ſolch einjamen 





Begegnungen äußerft keck, was ich wirklich 
beitätigen fann. Schnurſtracks kam Sie 
grim auf mich zu. Als wir uns auf etwa 
3 Schritte genähert hatten, blieb ich ftehen, 
was ihn einen Moment ftußig machte. 
Den Stod emporhebend, verjuchte ich einen 
Hieb nah ihm zuführen. Doch im näch— 
ften Augenblif ftand der Wolf etwa 4 m 
feitlih von mir unter der ziemlich bedeu- 
tenden Böſchung. Den unbejchreiblich ele- 
ganten Sprung vergeffe ih nie. So 
firierten wir uns einige Sefunden. Doc 
wahrſcheinlich durch meine ftramme, ruhige 
Haltung bewogen, trabte er vielleicht 30 m 
weiter und blieb dann wieder ftehen. Die 
graugelbe Färbung, der biß zur (Erde 
herabhängende Schweif, die aufrecht ftehenden 
Ohren, furz die ganze Haltung und Figur 
ließ bei mir feinen Ymeifel, das Tier als 
einen Wolf anzujprehen. Ich ging ge 
meſſenen Schritte, mich dabei immer über 
die Schulter nad der Beftie umjehend, 
weiter. Ich ſah noch, daß er jeinen Kurs 
änderte und die Straße in meinem Rüden 
querend jeldein z0g. Am nächiten Morgen 
ging ich nochmals zur Stelle und verfolgte 
feine Fährte eine Bierteljtunde, bis zur 
Stelle, wo fie in den Wald einführte, wo: 
bei ich durchaus beftätigt fand, daß es ein 
Wolf war, indem derjelbe bei jeinem ge- 
wöhnlichen Trabe gerade jo jchnürt, wie 
jein liftiger Stiefbruder Reinefe, nur da& 
die Fährte bedeutend größer ift. 

6. Noch von einem Falle, daß Wölfe 
in der Pfalz beobachtet wurden, kann id) 
berihten. Ym Jahre 1873 brachten näm— 
ih zwei Wölfe über eine brave Lehrers- 
familie ein tragiiches Geſchick. Frau Lehrer 
Hofmann von Dmmersheim begegnete auf 
dem Heimmege vom Beſuche ihrer Eltern 
in Bliesbolden in den Nacdmittagftunden 
oberhalb Gräfental zwei Wölfen; fie ver- 
legten ihr den Weg, indem fich die beiden 
Beitien gerade vor diefelbe ſetzten. Bor 
Angft jchrie Frau Hofmann überlaut um 
Hilfe, was die Wölfe aber nicht außer 
Faſſung bradte. Ihre Überlegenheit der 
wehrlojen Frau gegenüber bewußt, blieben 
fie ruhig fiten. Etwa 5 Minuten befand 
ich die hilfloſe Frau voll Angft und ‚Ber: 
zweiflung in diejer gefährlichen Situation. 
Endlich wichen die Wegelagerer ohne an: 
zugreifen, indem fi der eine links, der 


andere rechts in langfamem Trabe ind Ge- 
büſch ſchlug. Nach Haufe zurücdgefehrt 
mußte ſich Frau Hofmann ſogleich zu Bette 
begeben und war infolge des ausgeſtandenen 
Schreckens innerhalb 8 Tagen eine Leiche. 
— Eine veranſtaltete Wolfsjagd brachte die 
Wölfe zwar zu Geſicht, jedoch leider nicht 
zur Strecke. 3. 6. 


7. In Frankreich beſteht noch faſt allent⸗ 
halben die alte Einrichtung der „Wolf— 
leutnants“, die die Wölfe zu vernichten 
haben. Man hört im allgemeinen ſelten 
etwas von ihnen, und ſo hatte ſich in 
Frankreich die Meinung herausgebildet, daß 
ſie allmählich nebſt den Wölfen ausgeſtorben 
wären. Demgegenüber ſtellen die „Annales 
forestieres* feſt, daß es nod heute in 
Frankreich faft 400 folder Wolfleutnants 
gibt, und zwar in den @ebirgsgegenden 
begreiflicherweije mehr, aber aud im De: 
partement Seine-nferieure noch deren 11. 
Allerdings find fie in 15 Departements als 
unnüg bereits ganz abgejchafft morden. 
Die Zahl der Wölfe in Frankreich jcheint 
noch immer beträchtlich zu fein, a. 


jegt lange nicht mehr fo viele jährlich ge- 
tötet werden, ala Wolfleutnants vorhanden 
find. Im Jahre 1901 wurden 155 Wölfe 
erlegt, 1905 immerhin noch 93. Diefe 
Bahlen bedeuten eine fehr ftarfe VBerminde- 
rung gegen früher. In der Zeit von 1818 
bis 1820 murden durch die Wolfswächter 
im ganzen 18709 Wölfe zur Strede ge 
bracht, was einen Jahresdurchſchnitt von 
1559 ergibt. 1865/66 follen nur noch 232 
erlegt worden jein, aber dieſe Angabe ift 
fiher ungenau, da nur der dritte Teil der 
beftallten Wolfsjäger überhaupt einen Be— 
richt eingefandt hatte. Im Departement 
der Bogejen murden von 1817 bis 1842 
im ganzen 1612 Wölfe, aljo 64 jährlich 
erlegt, in den Jahren 1901 bis 1905 nod) 
35 oder 7 aufs Jahr. Weit mehr Wölfe 
wurden in derjelben Zeit noch getötet in 
den Departements der oberen Bienne (100), 
der Dordogne (80), der Charente (66), 
der Maas (35). — Im Anſchluß an leß- 
teren Bezirk jei erwähnt, dab erft wieder 
am 28. Dezember 1906 bei Hillesheim 
in der Nähe von Birresborn ein Wolf ge- 
jehen morden ift — zum erften Male 
feit 1888, 


Ber Queichnanal. 


Im Jahre 1687 kam der franzdfiiche 
Marſchall Bauban im Auftrage feines 
Königs Ludwig XIV. nah Landau, um 
dafelbft Entwürfe für eine an der Queich 
anzulegende ftarfe Feſtung anzufertigen. 
Der Plan des Königs fam auch, mie be- 
fannt, in der Tat zur Ausführung und 
ihon im April des folgenden Jahres 1688 
wurde bon dem Striegdminifter Louvois 
jelbft der Grundftein zu den neuen FFeftungs: 
werfen gelegt. Das für jene Beit ge 
waltige Werf war in einigen wenigen jahren 
vollendet, nicht zulegt infolge der bequemen 
und billigen Transportmittel für das un— 
geheuere Material an Steinen. Hierzu 
diente ein eigener anal von dem Gebirge 
an bis zur Stadt: Der Queidfanal, 

Es mar ein Fluger Gedanfe des 
Feitungserbauerd® Bauban, die Wajler- 
fraft der Queich fi dienftbar zu machen, 
Der Bedarf an Baufteinen war ein unge: 
beuerer, ihre Herbeifchaffung mußte darum 
möglichit leicht und billig bewerfjtelligt 


werden, da man das Werk des Feſtungs 
baues raſch der Vollendung entgegenführen 
wollte. So fam es, daß wahrſcheinlich 
im Frübjahre 1688 ein Kanal gegraben 
wurde von Wlberöweiler ber, wo man die 
erforderlichen Mengen des ald Baumaterial 
vorzüglich geeigneten ®ranits in den Stein- 
brüchen leicht gewinnen fonnte, bis nahe 
an die Stadt heran. Auf diefem bequemen 
Waflerwege wurden die Steine faft bis 
zur Bauftelle befördert. Der 5's Kilo 
meter lange Kanal war ein großes, 
bewundernswertes Werk für ih allein 
Ihon, und doc; follte er nur ein Hilfe 
mittel fein; nach Vollendung des Feftungs- 
baues hatte er feinen Zwed erfüllt. Aber 
überflüjfig war er nicht geworden, und feine 
Bedeutung in den feither verfloffenen zwei 
Yahrhunderten in wirtichaftlicher Hinficht 
war entjchieden größer als die Rolle, die 
er zur Beit des Feſtungsbaues geipielt 
hatte. — Berfolgen wir jedoch zunächſt 
feine Ausführung, bevor wir auf feine 


jegige Bedeutung noch aufmerffjam maden 
wollen, 

Der Stanal beginnt am früheren weſt— 
lihen Ende des Dorfes Albersweiler in 
unmittelbarer Nähe der Granitſteinbrüche. 
Seine Anlage erforderte im großen und 
ganzen wenig Überwindung von Schmwierig- 
keiten, da jein Lauf ın einem günftigen 
Terrain ſich vollzieht, wo nur einige 
Brüden notwendig waren. In der Nähe 
des Dorfes Siebeldingen, beim ehemaligen 
Dörfhen Kolchenbach, konnte mit Leichtig- 
feit das wenige Waller des Kolchenbächleins 
den Waſſermaſſen des Sanals zugeführt 
werden. GErft in der Nähe Landaus, etwa 
25 Minuten oberhalb der Stadt, gab es 
ein größeres Hindernis zu bejeitigen, das 
tief eingejchnittene Bett und die Kreuzung 
des Ranſchbaches. Wenn man bei Frey, 
Beichreibung des Rheinkreifes I. Bd. S. 293 
lieft, der Kanal ziehe „von Ranſchbach ber 
das Ransbächlein“ an fih, jo merft ein 
der Gegend Kundiger fofort, daß Frey dieſe 
Ortlichkeit vorher nicht gefehen hat; denn 
der Kanal überjhreitet bier den 
Ranſchbach. Freilich war das erft mög- 
lid, nachdem leßterer, da er viel zu tief 
lag, auf eine Strede von etwa 20 m voll. 
ftändig überwölbt worden war, fodaß jet 
jein bischen Wafler, das jedodh nur im 
Frühjahre noch zu fehen ift, feinen Weg 
unter dem Kanal hindurd nimmt. Dabei 
ift aber das Gemölbe jo hoch, daß man 
in etwas gebüdter Stellung gut hindurch 
gehen fann. Es dürfte darum dieſer 
„Zunnel” der einzige feiner Art in unferer 
engen Heimat fein. Dort, wo heute Die 
Streuzmühle fteht, fällt das Gelände; daher 
war man genötigt, hier große Schleußen 
anzulegen, deren gewaltiges Mauerwerk vor 
einigen Jahren noch vollftändig zu jehen 
war, während jegt nur noch Trümmer vor« 
handen find, die allein bisher verichont 


24 — 


blieben dem Mammon zum Opfer zu 
fallen. Bermutlih war an diefer Stelle 
auch der Ausladeplag für die Steine, indes 
das Holz biß ans Ende des Kanals geflößt 
werden fonnte. Der Endpunkt des Stanals 
dürfte faum 25 m tiefer liegen als jein 
Ausgangspunft. 


Nachdem der Kanal feinem urjprünglichen 
Zwecke gedient hatte, ſuchte man alsbald 
feine Waſſermaſſe in anderer Weiſe auszu- 
nügen, vor allem in der Landauer Gegend. 
Das geihah jedenfalls zum erften Male 
dur den Bau der Kreuzmühle. In— 
folge jeiner hohen Zuge und ha uptjädlich 
infolge Mangel8 an genügendem fließendem 
Waſſer hatte Arzheim ſowohl wıe das ganze 
bifchöflich fpeieriihe Amt Madenburg feine 
Mühle. Zeit und Ort waren aber nun 
mehr günftig für die Erbauung einer 
ſolchen. So murde denn an den großen 
Scleußen bei Landau, auf dem Ende der 
Arzheimer Gemarkung und auf der rechten 
Seite des Kanals eine Mühle erbaut; 
oberhaupt der Schleußen wurde das Wafler 
des Kanals durch einen eigenen Zweigkanal 
abgeleitet und der Mühle zugeführt. Nach 
einem Kreuze, das bis vor einigen Jahrzehnten 
in nädjfter Nähe geitanden, erhielt dieſe 
den Namen „Kreuzmühle“ d. 5. die Mühle 
beim ſtreuze (molendina apud crucem). 
Das geihah ziemlich bald nad) der Anlage 
des Kanals. Bereit in der Belagerung 
des %. 1702 wurde die Sreugmühle zur 
Berteidigung eingerichtet ; aber jchon vorher 
beftand fie, nahmweislih im Jahre 1697, 
ja fie hatte damals jchon ihren heutigen 
Namen. — Eine zweite Mühle (Ölmühle) 
entjtand jpäter unterhalb der Kreuzmühle 
auf der linfen Seite, zwiſchen Kanal und 
Queich. ine dritte Mühle verdankt ihre 
Entftehung der 2. Hälfte des 19. Yahr- 
bunderts, die ſog. Kanalmühle bei 
Siebeldingen. (Schluß folgt.) 


Unfere verehrl. Herren Mitarbeiter bitten mir mwieberholt um Gebuld, ba bie Bei- 
träge —2 in der Folge ihres Einlaufes verwendet werden müſſen. D. Sch. 


Inbalt: 66. Jahresverſammiung der „Pollichia“. — Pfälziſche Ortsnamen. (Schluß.) — 
Das Vörkommen dei Wolfes in der Pfalz. — Der Queichkanal. — Notiz. 


Schriftleiter : 


Eehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


Die „Bfätzi Helmatkunde“ koftet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Beflellungen werben von allen Buchhandl a unb 
EEE — —B Kane Se Er (Bertofreie "Streifbenbfendung) angenommen. * 


III. Jahrgang. 


Nummer 3 


März 1907. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


v 


2 


MONATSSCHRIFT 


N 


FMINKHECH 


FÜR SCHULE UND HAUS. 


— 





Zur älteſten Geſchichte von Forſt und Umgebung. 


1. Urzeit. 


Das Vorland der Oſthaardt, der Haupt- 
träger des pfälziihen Wein- und Getreide: 
baues, war ſchon in entlegener vorgeſchicht— 
licher Zeit, von der uns noch fein Schrift- 
fteller Runde gibt über Land und Leute, 
fein ödes und unbevölkertes Rand. Der 
Reiz des Befites des zu jeglichem Anbau 
fähigen Landes, dieſes blühenden Gartens, 
voll von überftrömender Fruchtbarfeit, hat 
jhon in den früheften Zeiten zur Anfiede- 
lung geloft. Die Spuren der Menjcden 
reihen weit zurück in eine Zeit, die aus 
Stein und Stnochen ihre Geräte und Waffen 
zu verfertigen verftand und die man des: 
halb als die jogenannte Steinzeit be- 
zeichnet. 

Beugen diejer Zeit find die vielen Funde 
an Steinwaffen und Steingeräten, an denen 
gerade das mittlere Haardtgebirg von 
Deidesheim bis Weifenheim a. ©. auf 
fallend reich if. Die Eanımlungen des 
Altertumsvereind don Dürkheim, des Hifto- 
rifhen Mufeums in Speyer ufw. bergen 
zahlreihe Funde diejer Art. Aus Forit 
ftammen 2 Bruchſtücke von Hammerärten 
aus Glimmerjciefer, aus Deidesheim 
Gteingeräte aus Porphyr, Liasichiefer, 
Stiejelichiefer, aus Wachenheim Steinjachen 
aus ZTonjdiefer, aus Friedelsheim Stein 
geräte von bejonders jchönem Scliffe aus 
Liasichiefer, Syenit, Bajalt uw.) Bon 

) 8. Mitteilungen des Htitorifchen Bereins 
ber Pfalz, VI, 1877, ©. 45 fi. 


— — — — — — 


durchbohrten Steinwerkzeugen ſind zu nennen 
ein Steinhammer von Forſt und ein be— 
ſonders ſchöner Hammer aus Königsbadh.?) 


In den frübeften Zeiten ftanden ſchon 
die Bewohner der Rheinlande in Handels- 
verbindung mit weiter ferne. Geräte und 
Schmuckſachen aus Bronze, dem älteſten 
Metall, einer Miſchung aus Aupfer und 
Bınn, fowie Geräte aus Eijen haben fie 
im Taujchhandel von den Mittelmeerländern, 
bejonder8 aus Etrurien, bezogen. Es war 
ein lebhafter Tauſchhandel. Die Bölfer 
des Südens brachten die Erzeugnifje ihrer 
Induſtrie: bronzene Stannen, Eimer, Gür— 
telhafen, Helme, eiferne Schwerter, Wagen» 
räder und andere Dinge nad Deutichland 
und meiter nad) dem Norden. Dagegen 
taujchten fie die Naturerzeugnilfe der Völker 
de8 Nordens: Pelze, Felle, Salz, Bern- 
ftein ufw. ein. Das Eijen trat anfangs 
nur fpärlid auf und zwar zunächſt als 
Schmuck, verdrängte aber mit der Beit die 
Bronze. Die Übergangszeit von der 
Bronze: zur Eifenzeit teilt man in zmei 
Perioden: die Hallftätterzeit, jo benannt 
nad dem Städtchen Halljtaıt im Salz— 
fammergut und in die La Töne-Bertode, 
die ihren Namen von einem Orte am 
Neuenburger See in der Schweiz trägt. 
Erftere Periode, welche zur Bronze das 
Gijen in das Rheinland bradıte, reicht von 
ca. 800—400 v. Chr., lektere, in mwelder 

) ©. Katalog der hiſtor. Abteilung des 
MNujeums in Speyer, 1888, ©. 69. 


der Gebrauch des Eiſens vorherridt, von 
400 v. Chr. bis zum Beginn der Römer: 
berridaft am Rhein. 

Die Bronze- und Gijenwaren haben 
aber die Bewohner der Rheinlande nicht 
alle vom Taujchhandel bezogen. Gußformen 
für Bronzegegenftände, nämlich für Dolce, 
Pieiljpigen, Ringe uſw. die man jchon in 
unjerer Nähe bei Medenheim, Friedels- 
heim, am Feuerberg bei Dürfheim fand, 
beweijen, daß man in der Pfalz aud) ſolche 
Bronzeftüde ſelbſt anfertigte. 





Beugen diejer Zeiten jind bei ung viele 
zu Tage gefördert worden, jo in Friedels— 
heim, wo man Bronzejchwerter, in Nieder« 
firhen, wo man Finger und Ohrringe und 
andere Schmuckſachen nebjt einer eiſernen 
Lanze, in Wacenheim, wo man einen 
Haarpfeil mit Kreuzitäben am Kopfe fand. 
Bon der größten Seltenheit find aud 2 in 
einer Sandgrube bei Haßloch aufgefundene 
Bronzeräder von 75 cın Durchmefler. 
Weſtlich von Deidesheim entdeckte man im 
Erdboden 2 GEijenluppen oder Barren aus 
Schmiedeiſen, melde die Geftalt einer nad 
beiden Enden ſich verjüngenden Doppel» 
ppramide haben und etwa 3 kg ſchwer 
find. Bollbarren zu 6 kg und Halbbarren 
zu 3 kg jollen die Gallier als Zahlungs» 
mittel gebraudt haben.) Ein Glasarm- 
ring, blau und außen mit zwei Reihen von 
Knöpfen verjehen, der aus Forſt ftammt, 


98. Pfäfzifches Muſeum, 1888, ©, 76. 





rührt aus der Zeit der etrurifchen Handels- 
verbindung her.*) 

Ein glänzender Beweis, daß ich der 
Handel mit den Erzeugnifjen der etruskiſchen 
Kunft auch in unfere Gegend erftredte, ilt 
der fogenannte Dürfheimer Dreifuß, die 
Krone aller Funde des Aheinlandes, mie 
ihn Senner nennen. Diefer bronzene 
Dreifuß nebit dem dazu gehörigen Kohlen- 
befen und einem mit einem Dedel ver- 
jehenen, gehenfelten Krug gehört als Re- 
präjentant der Halljtatt-Bertode mit zu dem 


wertvollften Befig des Hiftoriishen Mufeums 
in Speyer.?) Derjelbe, ſowie ein Gold» 
ſchmuck aus verziertem Kopfreif, Armreif 
uſw. beftehend, wurde 1864 im jogenannten 
Heidenfeld bei Dürkheim aufgefunden. Als 
Prachtwerk etruskiſcher Kunſt ift er von 
der größten Bedeutung für die Kenntnis 
von den früheften Handelsverbindungen 
zwifchen unjerer Gegend mit den alten 
Kulturftaaten des Mittelmeeres. 


Refte uralter Wohnungen aus vorge» 
Ihichtliher Zeit find die jogenannten Ring« 
mälle auf den Höhen der Berge der Pfalz, 
wozu auch die fjogenannten Heidenlöcher 
auf dem Michelöberge bei Deidesheim ge- 
hören. Sie verdanfen ihren Namen der 
Gewohnheit, alles Nichtchriftliche, alive auch 
dad Vorchriſtliche, alles, was uralt oder 
unbefannten Urſprungs ift, kurzweg als 


9 Hiftor. Mitteilungen, VI, S. 76ff. 
) ©. Katalog a. a. O., ©. 67. 


heidnifch zu bezeichnen, Es find Löcher, 
Gruben, die als Grundbauten alter Woh— 
nungen erfcheinen und in der einfachſten 
Weije von einem ovalen Ringmwalle aus 
Steinen und Erde eingeichloffen find. Um 
fi} einen Begriff von der Größe des ein- 
geichloffenen Raumes zu machen, jei be 
merkt, daß deifen Flächeninhalt ca, 21000 
Quadratmeter beträgt. Die Heidenlöcher 
dienten den Bewohnern der Umgegend als 
Zufluchtsort in Kriegszeiten; bier fanden 
fie jihern Schuß, hier trieben fie ihr Vieh 
zujammen und bargen ihre fahrende Habe. 
Hier Scheint auch der Beratungsplag für 
öffentliche Angelegenheiten gemejen zu jein. 
Auch noch in jpäterer Zeit floh das um— 
mwohnende Volt in Striegszeiten hierher: 
Bauernburgen nennen daher Gelehrte folche 
Ringwälle. Eine Zeichnung der Anlage 
der Heidenlöcher findet fi in der Anlage 
zum Intelligenzblatt des Rheinkreiſes, 1827, 
Auguft-Nummer, 


2, Kelten» und Germanenzeit. 


Die erften gejchichtlih befannten Ein- 
mwohner unjeres Nheinufers waren Stelten, 
die über eın Jahrtauſend dasfelbe bewohn— 
ten. Es mar der feltiihe Stamm der 
Mediomatrifer, an den uns der heutige 
Name ihres Hanptortes Meg erinnert. 
Der Rhein verdanft den Kelten feine Be- 
nennung. In Speyer, Worms, Alzey, 
Mainz beftanden blühende Eeltiiche Nieder- 
laſſungen. In unvordenflichen Zeiten hatten 
die Kelten mit ihren arifchen Genoſſen, den 
Germanen, die alte Heimat in Afien ver: 
laſſen und waren als Nomaden donau— 
aufwärts nad) Weiten gezogen. Bleibend 
bejegten fie die fruchtbaren Flußniederungen 
am Nheine und im mittleren Franfreich, 
während die Germanen nordwärts wander: 
ten und die wald» und jumpfreichen Gegenden 
nördlich des Maines zwiſchen Elbe und 
Weichfel ın Belig nahmen. Infolge der 
feltiihen Niederlafjungen befam unjere 
Gegend cin verändertes Ausfehen. Se 
volfreicher die Siedelungen waren, defto 
mehr Wald mußte gelidhtet werden, um 
Boden für den Mderbau zu gewinnen, 
Der rege Handelsverfehr mit dem Süden 
hob die keltiſche Kultur. 

Unaufhaltjam drängten die Germanen 
nah Welten gegen den Rhein vor, ange: 


27 


lockt durch die Fruchtbarkeit des linken 
Ufers, durch die ftattlichen keltiſchen Siede- 
lungen, die fruchtbaren @etreidefelder und 
üppigen Weiden. Sie überfchritten den 
Rhein, drängten die Selten in das milde 
Sebirgsland und ließen ſich im linken 
Rheintale nieder. So fam es, daß die 
Pfalz feit Mitte des 1. Jahrhunderts von 
Deutichen bewohnt war. Es mar der 
deutihe Stamm der Nemeter, der nun 
zwiſchen Lauter und Iſenach ſaß. Die 
Germanen mijchten ſich mit den noch zurüd« 
gebliebenen Kelten. Sie nahmen die vor: 
gefundenen WUnfiedelungen in Befig und 
gemöhnten ſich allmählıd an das Zuſammen⸗ 
leben in größeren Gemeinſchaften. Speyer, 
da8 unter feltifcher Herrichaft den Namen 
Noviomagus führte, war bald die Haupt« 
ftadt des germanifhen Stammes der 
Nemeter, die ihm den Namen civitas 
Nemetum, Nemeterftadt, beilegten. 


3. Römiſche Herrſchaft und Aultur. 


Kaum hatten die Germanen auf dem 
linfen Rheinufer feſten Fuß gefaßt, als 
ein wmeltgejchichtlibes Ereignis von der 
größten Bedeutung eintrat. Gäjar, der 
größte aller römischen Staatdmänner und 
Heerführer, unterwarf im Jahre 52 vor 
Chriſti Geburt Gallien bis an den Rhein. 
Der Rhein wurde die Grenze des Römer— 
reiches, Bon hier aus unternahmen fie 
ihre Groberungszüge gegen die Germanen, 
Unjere Gegend ftand nun unter Roms 
Szepter. Das eroberte Land auf der 
BWeitjeite des Rheines wurde in 2 Bro- 
vinzen geteilt, weldye von den germanifchen 
Bölferichaften den Namen Ober und 
Untergermanien erhielten. Erſteres be- 
wohnten die Nemeter. Mainz murde der 
Mittelpunft der römiſch germaniichen Mili« 
tärgrenze am Oberrhein und SHauptitadt 
der römischen Provinz Obergermanien. 

Während der mehr als vier Jahrhun— 
derte dauernden Herrjchaft der Römer am 
Rheine änderten ſich dad Ausfchen unferer 
Gegend und die Sitten der, Bewohner. 
Ein meit verzweigtes, kunſwoll angelegtes 
Straßenneg wurde hergeitell. An den 
militärifh wichtigen Punkten entjtanden 
bejeftigte Standlager oder Kaſtelle. Aus 
den SKaftellen entwidelten ſich Städte, 
Wälder wurden gelichtet, Sümpfe getrodnet 


und immer größere Gebiete für den Ader- 
bau gewonnen. In den Gärten grünten 
bald Bäume mit köftlichen Früchten, wie 
Pflaumen, Pfirfihe, Mandeln ufm., um 
die Kaftelle grükten die erften Weinreben. 
Römiſche Villen erhoben fih neben der 
einfadhen, ftrohgededten germanijchen Holz: 
hütte. 

Von Straßburg bis Mainz zog eine 
römiſche Heerſtraße längs des Gebirges 
und zwar über Weißenburg, Edenkoben, 
an Neuſtadt vorbei. Von Mußbach lief 
fie direkt nach Ruppertsberg. Hier, auf 
der ſogenannten Hohenburg, hatten die 
Römer eine militäriiche Station, ein Kaſtell, 
wie zahlreiche Bodenfunde bemeilen. So 
entdedte man hıer in den Jahren 1820 21 
beim Roden von Wingerten in ziemlicher 
Tiefe, in alten Mauern und Gemölben, 
fieben größtenteil$ mohlerhaltene römiſche 
Denfmäler, nämlid 3 Altar und 4 Leichen— 
fteine mit Aufſchriften. Auch Steinfärge 
hob man dajelbft und in der angrenzenden 
Hohl aus dem Schoße der Erde und präg: 
tige, wohlerbaltene Gläſer, auch jolche mit 
Inſchrift, Becher und Krüge aus terra 
sigillata und gewöhnlichen Ton und römijche 
Münzen, die in der Beit Hadrians be- 
ginnen und in der Stonjtantiniichen Epoche 
enden. Biele diefer Funde ſind im Be: 
fige der Familie Baflermann: Jordan in 
Deidesheim.) 

In Deidesheim befand fich bereits vor 
Jahrhunderten ein dem Mars gewidmeter 
Dentjtein.”; Bon Deidesheim aus führte 
eine Abzweigung diefer Straße ber die 
Foriter Höhe nah Wachenheim, Dürkheim, 
Grünſtadt, Bıngen, 

Heute wird die Straße von Deidesheim 
an die Wormier Straße genannt. Auch 
in Wachenheim entdeckte man ſchon römische 


Grabſteine. In Forſt und in jämtlichen 
Drten der Umgebung wurden römiſche 
Münzen gefunden, in Dürfheim 2000 


Bronzemünzen fleinfter. Art, die aus der 
legten Zeit der Römerherrichaft am Rheine 
herrühren.“) 

In den Muſeen zu Dürkheim, Speyer 





) Hiſtoriſche Mitteilungen, 1900, XXIV, 
S. 280ff. und XX, 18%, ©. Mff. 

e } 5. Bavaria, Rheinpfalz, München, 1867, 
. 591 


” ©. Katalog a. a. O., ©. 40. 


28 





— U —ñ ——— — — —— — 


v. a. können wir zahlreiche römiſche Funde 
bewundern, Funde, Die ein beredtc& Zeug- 
nis von der großartigen Kulturtätigfeit des 
römijchen Volkes in unferer Bialz ablegen 
und bemweijen, daß unjere Pfalz, ipeziell 
die frudtbaren Gefilde der Ebene, ſich da» 
mals in einem blühenden Buftande befunden 
haben müſſe. Ja, diefe römiichen liber- 
refte enthalten, wie ein Kenner der Alter 
tümer fagt, die Anfänge unferer rheinischen 
Kultur und Bivilifation. 


4. Burgunderherridaft. 


Die erften 2 Yahrhunderte der römi- 
ſchen Herrihaft am Reine waren eine 
glüdflihe Zeit, ın der fi das Reid) der 
Bivilifation in unferer Pfalz ausbreitete. 
Am Antange des 3. Jahrhunderts begannen 
die Kämpfe der Germanen, melde die 
Schwäche und innere Zerrüttung des römi« 
jhen Reiches erfennend, das Neid der 
Nömer mit unausgejegten Hammerſchlägen 
in Trümmer fchlugen. Alemannen, Bur- 
gunder, Franken, Goten, Bandalen erichienen 
an der rheinischen Grenze des römiichen 
Reiches, fielen über deſſen Bejigungen ber 
und verheerten fie Es enibrannte ein 
heftiger Kampf un den Rhein, um das 
Elſaß und die Pfalz. Trotz aller An» 
ftrengungen dev Römer, den Rhein als 
Grenze des Reiches zu behaupten, über» 
jchritten die Germanen den Rhein und 
nahmen das Land in Beiig. Es war zu 
Anfang des 9. Jahrhunderts, in der Zeit 
der großen Bölfermanderung, als unjere 
Nheinprovinz den Römern entrilien ward. 
Zunächſt bejegten Burgunder die Vorder: 
pfalz und ſaßen dajelbft von 413—437, 
Ihr Gebiet wurde weſtlich durch den Huns— 
rüf, im Süden durch die Yauter begrenzt. 
Hier begründeten jie unter dem König 
Gunther ein eigenes Reid; mit der Haupt- 
ftadt Worms, Auch das Gebiet der 
Nemeter mit unjerer Gegend gehörte zu 
dieſem Reiche. Aber nur eine kurze Dauer 
war dieſem Reiche bejchieden, nur furz 
mwährte die NHerrlichfeit der Burgunder: 
fönige in Worms. Es erlag im Stampfe 
mit den wilden Scharen des Hunnenfünigs 
Attila, die ſchon damals ihre Raubzüge 
üser den Rhein ausdehnten. Einen Ab- 
glanz der Herrlichkeit des burgundiichen 
Neiches gerahren wir aber noch heute in 


dem Nibelungenlied, dem größten deutſchen 
Heldengedicht des Mittelalters, welches das 
grauſame Geſchick des burgundiichen Königs— 
geſchlechtes durch das Lied verherrlicht. 
Noch leben fort in unſerm Geiſte die ge— 
waltigen Recken des herrlichen Liedes: 
der ſtarke Siegfried, der grimme Hagen, 
der tapfere und unerſchrockene Volker von 
Alzey; noch ſtehen lebendig vor unſern 


Augen die ſchöne racheſinnende Chriemhilde, 


die Schweſter der Burgunderkönige und all 
die jtolzen Helden des burgundiſchen Könige: 
geichlechtes, um melde die Poejie einen 
undergänglichen Zauber gewoben, Werden 
dody gerade dieje ſagengeſchichtlichen Er: 
eignijje an Orte aus unjerer nädjiten Um: 
gebung gefnüpft: Dürkheim hat jeinen 
Drachpenfels, auf dem der hörnene Sieg: 
fried den Drachen tötete, der in der Drachen« 
fammer des Berges haufte; im düſteren 
Walde ftrömt der Siegfriedsbrunnen, allmo 
der finitere Hagen den herrlichiten aller 
germaniichen Helden, Siegfried, hinterliftig 
erihlug. Freilich wird von vielen Seiten 
beftritten, daß die Anfnüpfung der er: 
wähnten jagengeichichtlihen Perſonen und 
Geichehnifie an die Dürfheimer Gegend 
eine zuverläjjige Unterlage hat. Doc) laſſen 
wir uns durch dieſen Gelehrtenftreit die 
Erinnerung an das herrliche Nibelungen» 
lied, melde die genannten Ortsnamen in 
uns mwachrufen, nicht trüben!”) 


5. Alemannen=- und Franken— 


herrſchaft. 


Nach dem Abzuge der Burgunder kam 
die Pfalz in die Gewalt der Alemannen. 
Schwer litten unter ihnen die römiſchen 
Städte am Rhein, die noch an den römiſchen 
Sitten und am römiſchen Reiche feſthielten. 
Das flache Land war in den Händen der 
Alemannen. Bier wohnten ſie in Marf: 
genoſſenſchaften nebeneinander. In der 
Zeit der Alemannenherrſchaft überſchritt 
der Hunnenkönig Attila mit ſeinen wilden 
Scharen den Rhein. In Speyer ſoll Attila 
die Prieſter beim Gottesdienſt überfallen 


) &. Im Nibelungenfande, mythologiſche 


Wanderungen von Dr. Mehlis, Stuttgart 1877, 
©. 47f.; dagegen Dr. Steiper im „Pfälziſchen 
Muſeum“ 1888, Nr. 5, &. 39 und Dr. Ehriit: 
Der „Brunoldesſint“ im Pfälz Muſeum 1895, 
Nr. 3, ©. 1ff. 





und fie alle rings um den Hochaltar er- 
mordet haben, jo daß das Blut im ganzen 
Dome umberfloß.!) Die Ulemannen 
mußten Heeresfolge leilten. Auf den Kata— 
launijchen Feldern wurde 4öl die Macht 
der Hunnen vernichtet. Attila floh mit 
dem Überreſt feines Heeres über den 
Rhein zurück. Bon diefem Rüdzuge haben 
wir Zeugen ganz in unjerer Nähe. Es 
ift das die Heidenmauer oder Ringmauer 
bei Dürkheim. Die Sage erzählt, in diefem 
Ringwalle hätte Attila auf feinem Rück— 
zuge mit dem liberreite jeiner Horden ge- 
lagert und geraftet, daher man dieje Ring- 
mauer in alter Zeit das Bunnenlager 
nannte.!!) Die rohen, heidniſchen Ale: 
mannen blieben nicht ganz 100 Jahre Herr 
und Beliger des linfen Uſers am Ober- 
rhein, das fie von 437—506 bejegt hielten, 
Einen Todfeind hatten fie an den Franken, 
die fiegreih vom Niederrhein aus vor» 
drangen und die Alemannen zu unterwerfen 
tracdhteten. In den Jahren 496 und 506 
gelang es den Franken die Alemannen zu 
beiiegen und zu unterwerfen. Die Franken 
bejegten nun die Pfalz und jchlugen auch 
in unjerer Gegend ihre Wohnfite auf. 
Ein großer Teil der Alemannen wird 
ausgewandert jein, ein anderer Teil blieb 
unter fränfifcher Herrſchaft. Die zurück— 
gebliebenen Alemannen wurden zinspflichtige 
Untertanen (Leibeigene) oder Knechte der 
Franken. Der fremde Boden wurde mög: 
lichſt gleihmäßig unter die Freien ver: 
teilt. Nun murden fie aus Striegern 
Bauern; ein Eigentum, das vorher unbe» 
fannt war, bildete jih aus. Das ganze 
Land wurde in Gaue oder Grafichaften 
eingeteilt. Jeder Gau zerfiel wieder in 
fleinere Bezirke, in Hunderiſchaften. Unſere 
Gegend gehörte zum Speyergau, der im 
Norden bis zur Iſenach reichte und hier 
mit dem Wormögau zufammenftieß. Die 
Stadt Speyer, melde die Franken be: 
jegten, wurde zur Hauptitadt des Gaues 
erhoben ; hier eritand nun auch eine fränfıfche 
Königspfalz, die einzige dieſes Gaues, die 
unter url dem Großen urfundlıch ericheint. 
6. Kultur der Germanen. 
Die Franken wurden nun die lern- 


’) S. Geiffel, Der Kaiſerdom, ©. 2. 
) S. Bavaria, Rheinpfalz, S. 601. 


— 3 


begierigen Schüler der in den Städten 
zurücdgebliebenen Romanen und dieſe nah— 
men von den Franfen mande Gemohn- 
beiten an. Franken ließen ſich nun aud) 
in den Städten nieder. Die Einrichtungen 
der römischen Kaiferzeit: Münzen, Maß- 
und Gewichtsſyſtem, Ackerbau, Gemerbe 
und Kunſt wurden von den Nomanen den 
Franken übermittelt. An den Wroduften 
der römifhen Kunſt und der Gewerbe 
lernten fie ihre eigenen Erzeugnifje, Waffen, 
Schmuckſachen und Geräte, vervolllommnen. 
Ein Bild der Kultur alemanniſch-⸗fränkiſcher 
Beit liefern uns die zahlreichen Gräber- 
funde, Auch in unferer Gegend find mit 
Erfolg Ausgrabungen angeftellt worden, 
deren Reſultate uns don der Stleidung, 
Bewaffnung, Beichäftigung ufm. der Franken 
ein anſchauliches Bild geben und zugleich 
mit Gewißheit das Borhandenjein von 
fränfifchen Anfiedelungen befunden. Diefe 
fränfifch-alemanniichen Reihengräber, welche 
aus dem 5.— 8. Jahrhundert nad Ehriftus 
herrühren, haben ihren Namen davon, daß 
die Toten in ihnen in regelmäßigen Reihen 
im Erdboden begraben jind, aljo ähnlich, 
wie es auf unferen Friedhöfen von heute 
geichieht. An der alten Straße, die von 
Deidesheim Über Niederfirchen, Nödersheim 
in der Richtung nad) Speyer führt, fand 
man an 3 Stellen fräntiich-alemannifche 
Gräber, fogenannte Plattengräber oder 
Plattenfammern, da diefelben aus roh ge« 
arbeiteten Steinplatten ſargähnlich zuſam— 
mengeftellt und ebenfo mit Platten zuger 
dedt find, Die erfte Stelle ift zwiſchen 
Deidesheim und Niederfirchen, wo links der 
Weg nad Rambsheim und Worms abführt. 
Am Yahre 18653 ftieß man hier in 1 m 
Tiefe unter der Oberfläche auf ein Platten- 
grab von 2 m Länge und !s m Breite 
und Tiefe, in dem 2 Leichen lagen. Als 
Beigaben fand man aud eine goldene, 
freisförmige fogenannte Rundfibel, d. i. 
eine verzierte Broſche von der Gröke eines 
Taler aus dünnem Goldbleh mit der 
Daritellung eines Dracens auf der Ober- 
fläche. Südweſtlich von Rödersheim liegt 
die nächſte Fundftelle: Bon Diten fommend 
geht rechts der Weg nah Niederfirchen, 
lints nad Meckenheim. Im Oftober 1883 
ftieß man hier in der Niederfircher Feld: 


gewann „Lehmfaut” auf ein Plattengrab, | ©. 280 


dem man ein ftarf verroftetes Eiſenmeſſer, 
einen eilernen Gürtelhaken, Kleine, gelb- 
braune Tonperlen, eine blaue ®lasperle 
und ebenfalld eine goldene Bierplatte 
(Brojche) entnahm. In der Mitte diefer 
Brofche ift eine Art von Roſetten einge: 
ichlagen, die einem Wappen gleihen. Ein 
2. und 3, Plattengrab wurden ganz in 
der Nähe aufgededt.'?) 

Ein meites Gräberfeld wurde nördlid) 
von Miederfirhen zu beiden Seiten der 
fogenannten Wormfer Straße im Januar 
1886 gefunden. Dieſe Plattengräber be» 
ftanden aus Steinplatten von 2 m Breite 
und bis °4 m Länge. Die Sfelette 
lagen darin auf dem Erdboden ohne jede 
Unterlage. Die Beigaben beftanden meiftens 
in einfachen, farbigen Tonperlen, aud Bern» 
fteinperlen, in kurzen eifernen Mefjern und 
eijernen Qanzenipigen.!?) 

Am Ofthofe bei Wachenheim entdedte 
man Gtüde eines Lanzenſchwertes und 
Lanzenjpigen, die ebenfalls aus dieſer Zeit 
herrühren.) Was erzählen uns dieſe 
Funde von unjern Borfahren ? 

Die Luft am Kriege, melde dieſe 
germanifchen Stämme beherrfchte, zeigt fich 
in der äußern Musftattung der Gräber. 
Die Männer liegen mit ihren Waffen im 
Grabe, jederzeit bereit, auch im Grabe jedes 
Unrecht zu rächen. Sie hatten zwar ſchon 
längft gelernt, den Acker zu beftellen. Doch 
der Übergang vom Kriegertum zum Bauern- 
tum geht jehr langjam von ſtatten. Noch 
lange dauerten bei den alten Deutjchen die 
friegerifchen Neigungen fort. Die Panze 
war die verbreitetite Waffe. Daher fommt 
fie oft in den Gräbern vor. Nur der freie 
durfte fie tragen. Sie war Symbol der 
Vollfreiheit. Und weil dem Germanen die 
Waffen das liebfte waren, mochte er aud 
im Tode fih nicht von ihnen trennen, 
Perlen fommen in fFrauengräbern vor. 
Urmringe aus Perlen von Glas und Bern» 
ftein waren ein beliebter Schmud, ebenio 
Halsringe, aus aneinandergtreihten Perlen 
beftehend. Bon hervorragender Bedeutung 
find die Gemwandnadeln oder Fibeln, die 


) ©. Jahrbücher des Bereins für Alter- 
tumöfreunde im Rheinlande, Heft 77, S. 225 ff. 
) &. Pfälziſches Mufeum, 1886, ©. 14. 
) S. Hiftor, Mitteilungen, XXIIL, 1899, 


Fundftüfe aus Deidesheim und Röders— 
beim. Diefe Rundfibeln werden von Ge- 
lehrten als Erzeugniſſe fremder, d. 6. 
römifcher Induſtrie angejehen.'’) Die 
ganze Herftellungsweife dieſer Schmud- 
ftüde zeigt eine überaus hoch entwidelte 
Kenntnis der Metalltehnif. Mit der Zeit 
haben dieſe Rundfibeln den Zweck von 
Gemwandnadeln verloren und haben mehr 
zum Schmud als Broſche (Medaillon) ge- 
dient, Überaus mannigfadh find die 
Schmudjahen, die man Gräbern diejer 
Zeit entnommen hat. Wilde waren eben 
die Germanen nit mehr. Schon als fie 
in das Licht der Geſchichte traten, hatten 
fie die erften Stufen der Bivilifation er- 
ftiegen, fie waren empfänglich, geiftesrege, 
bildungsfähig. In dem vielhundertjährigen 
Berfehr hatten fie von den Römern vieles 
gelernt und auf allen Gebieten des Lebens 
die mirfjamfte Förderung empfangen. 

So mar die Beligergreifung unjeres 
Gebietes durd die Franken ein Ereignis 
bon meittragender Bedeutung für die 
Befiedelung, Kultur und Bivilifation der 
Pfalz. Sie machte den Kämpfen um den 
Befig des reihen Landes ein Ende. Ruhe 
und Frieden wurde unter fränfiiher Herr- 
ihaft hergeftellt und erhalten. Aus den 
Ruinen einer ſchweren Bergangenheit er- 
blühte neues Leben. Noch heute trägt die 
Bevölkerung der Pfalz als ein reich be- 
gabter Zweig des fränfiihen Stammes 
inbezug auf Sprache und Sitte echt frän- 
fiihen Charakter. 

Unter der römijhen Herrſchaft am 
Rheine erlangten die alten Deutjchen, wie 
wir gejehen, Schritt für Schritt eine 
höhere Kulturftufe. Bon allen Fortſchritten 
kann fich feiner an Bedeutung mit dem 
Übergang vom heidnifhen zum chriftlichen 
Glauben mefjen. Die in der Pfalz wohn: 
haften Deutfchen hingen einem Heidentum 
an, das ſich von dem germanischen über- 
haupt wohl nicht viel unterjchied und für 
deſſen Kenntnis wir in der Hauptjache auf 
Schlüſſe aus den Zuſtänden der andern 
deutihen Stämme, aus den Sitten und 
Sagen und aus den Perjonen: und Orts« 
namen uns angemwiejen ſehen. So weiſt 
uns der Name eines ganz in unjerer Nähe 


») 5, Vindenfchmitt, Handbuch der Alter— 
tumstunde, I. Teil, Braunfchweig 1880—89. 


31 





gelegenen Tales, des Ddinstales (Drenftall 
im Bolfsmunde), auf Gott Ddin (Odo, 
Dito??) hin, In den Sitten und Sagen 
des Bolfes lebt ſodann unzweifelhaft 
ein reicher Niederichlag des alten Götter- 
glaubens bis heute fort. In Forſt 
wird alljährlihd am Sommertag das Spiel 
„Hanfelfingerhut” aufgeführt, das im wejent- 
lihen den Sampf des Sommers mit dem 
Winter darftellt. Diefe Sommertagsfeier 
hat fiher einmal dem Sonnengotte, dem 
altgermanifchen Licht: und Sonnengotte 
Balder oder Phol gegolten. Die Schid- 
fale desjelben, jeine Wiedergeburt und fein 
vielbeweinter Tod jpiegeln ſich noch ab in 
dem angeführten Spiele. 

Daß Balder auch bei uns verehrt wurde, 
ift unbeftreitbar. Sa, feine 4 Hauptfefte 
haben fih im volfstümlichen Gedankenkreiſe 
erhalten, wenn auch dieſe Erinnerungen 
verworren und verblaßt find: Das 1. diefer 
Feſte ift der Sommertag, das 2. am 2, 
Mai; die Nacht, die diefem Tage voran-« 
geht, iſt befanntlich die Hexennacht; das 
3. ift die Sommerjonnenwende, Balders 
Todestag, der Yohannes- oder „G'hanstag“, 
an dem die G'hansfeuer abgebrannt wurden; 
der 4. Feſttag, Balders Wiedergeburt, war 
der Tag der Winterfonnenwende, der 21, 
Dezember. Die Nacht des 21. Dezembers, 
die lange Nacht, gilt heute noch als eine 
heilige, in der allerlei Gebräuche üblich 
waren.) Auch finden wir noch Aber: 
glaube im Volke, der in den heidnifch- 
religiöjen Anfchauungen wurzelt. Ciniges 
möge hier ftchen! Der Donnerstag ift 
ein Glüdstag. Unglück verfündend ift der 
Freitag, bejonders der Gharfreitag; man 
ſoll nichts anfangen, feine Arbeit, feine 
Neife, fein michtige8 Unternehmen ulm. 
Die Bedeutung des Ohrenklingens gehört 
aud) hierher. Klingt das rechte Ohr, dann 
wird Schlechtes, Flingt das linke Ohr, dann 
wird Gutes von der Perjon geſprochen. In 
Krankgeiten läßt man fih „brauchen“ uſw. 

Bur Beit der Römerherrihaft hat fich 
dann der ganze Götterhimmel der Römer 
in unferer Pfalz niedergelaffen, wie die 
vielen noch erhaltenen Gedenfiteine, die 
römiſchen Göttern geweiht waren, bemeijen. 
Hiernach jcheinen Jupiter, Juno, Merkur 


") S pfalziſches Muſeum, 1889. 


die außgebreitetite Berehrung am Rheine 
genofjen zu haben, 

Über die Ausbreitung des Chriftentums 
haben wir feine fichere Hunde, auch chrift« 
lihe Denfmäler aus der Römerzeit fehlen. 
Doch ſollen ſchon im 2. Jahrhundert 
Chriſtengemeinden am Rheine beſtanden 
haben.!) Die erſten Chriſten werden 
dahin aus Italien gekommen ſein. Fremde 
Kaufleute, Handwerker und Sklaven ſind 
wohl die erſten Chriſten am Rheine ge: 
weſen. Daß durch römiſche Soldaten das 
Chriſtentum an den Rhein gelangt ſei, 
wird von neueren Geſchichtsforſchern als 
Legende erklärt. In den Städten am 
Rheine entſtanden die erſten chriſtlichen 
Gemeinden, an deren Spitze ein Biſchof 
ſtand. Das Landvolk blieb noch lange 
heidniſch. Um das Jahr 346 wird ein 
Biſchof Jeſſe in Speyer genannt.!?) Bon 
den Burgundern iſt bekannt, daß ſie zum 
Chriſtentum übertraten. Da müſſen doch 
ſchon zu Anfang des 5. Jahrhunderts 
zahlreiche Chriſten am Rhein gelebt haben, 
denn ſchwerlich würden ſonſt die Burgunder 
zum Chriſtentum übergetreten ſein. Von 
der größten Bedeutung für die Ausbreitung 
und Beſeſtigung des chriſtlichen Glaubens 
am Rheine war die Annahme der cdhrift- 
Iıher Meligion durh den Franfenfönig 
Chlodwig und feine Franfen. Unſere 
Pfalz enthält wohl das ältefte Denkmal 
von dem Übertritt der Franken zum Chriſten 
tum: Kuſel, Altenglan, der Remigiusberg, 
welche Orte der König dem Bıfchof Nemigius, 
der ihn taufte, jchenfte, Das älteſte chrift 
fihe Denfmal in unferer Gegend ifi der 
Turm der Klirdje zu Niederfirdjen, der aus 
dem 10. Jahrhundert ftammen soll. Am 
günftigften wirfte für die Befeitigung der 
hriftlihen Kirche in der Pfalz die Stiftung 
des Bistums Speyer um das Jahr 610,'?) 

Verfolgen wir noch kurz die Anfänge 
der landesherrlihen Gewalt der Biſchöſe 
von Speyer, da Deidesheim und damit 
auch die Gemarfung von Forft vom Yahre 
1100 an unter dem Krummſtabe der Fürſt— 
biichöfe von Speyer ftand! 

nn ©. Boos, Geſchichte der rheinischen 
Stäbtefultur, S. 102. 

") ©. Remling, Geſchichte der Biichöfe, 1, 
58. 

, 5, Remling a. a. O., L, ©. 102f. 


32 


Die Anfänge der mweltlihen Herrſchaft 
der Biſchöfe fallen in die Merovingerzeit, 
in das 7. Jahrhundert. Die Meropinger- 
fönige verliehen den Bijchöfen wichtige 
Rechte und Vorteile, jo den Genuß des 
Behnten von allen Früdten (Wein, Vieh 
ufm.) rings um die Stadt Speyer; jodann 
die Freiheit des Kirchengutes von jeder 
föniglichen Auflage. Damit erhielten die 
Biihöfe „wahrhaft landesfürftliche Rechte” 
und ward damit der Grund zu dem Wohl- 
jtande des Bistums und zur fürfitlichen 
Gewalt der Biichöfe gelegt. Im 10. Jahr: 
hundert erlangten die Biſchöfe noch von 
Staifer Otto I. und Dtto IM. die Gerichts- 
barfeit über die Stadt Speyer und über 
den ganzen Sprengel und wurden fo melt- 
lihe Herrn der Stadt und des Bistums; 
fie waren nun Fürſtbiſchöfe. 


Bon der größten Bedeutung für die 
müterielle Wohlfahrt unferer Gegend war 
die Einführung des Weinbaues Seine 
Geſchichte enthält die Urſache des Gebeihens 
der Gegend, ihres Wohlitandes und des 
rafhen ortichreitens der Kultur. Daß 
der Weinbau der Pfalz von den Römern 
herrührt, ift unbeftritten. Er entmidelte 
fih auf römiſcher Grundlage und befolgte 
römisches Mufter. Der Kultureinfluß der 
Römer war aud auf diejem Gebiete ein 
überaus ftarfer. Saden und Wörter mıe 
Wein — vinum; Stufe = copa und daher 
Küfer; Logel loeulus; ealcatura = 
Kelter; Fatz — vas u, a. [ernten die Ger- 
manen von den Römern fennen. „Bater 
Bachus*, der Gott des Weines und der 
Freude, der das Gemüt von Sorgen ent» 
laftet, die Menſchen froh und glüdlich 
macht, wurde zur Zeit der Römerherrſchaft 
am Rheine auch in unjerer Pfalz hoch ge- 
ehrt. Darüber befigen wir bildliche Funde. 
Ein Gedentitern, der dem „Vater Bachus“ 
geweiht war, wurde jchon zutage gefördert. 
Bei Hagenbad fand man eine etwas über 
8 cm hohe, roh geformte Statuette eines 
Bacchus, der in der Linken eine Traube 
emporhebt.?) Die prächtigen, wohl er: 
baltenen Gläfer, die man bei Deidesheim 
dem Schoke der Erde entnommen, die 
zahlreichen Humpen mit Berzierungen, die 
aus Trauben und Zweigen bejtehen, die 


”), ©. Statalog a. a. O., ©. %. 


Pokale, Trinfbeher, Gläjer, die man in 
Speyer und Rheinzabern ausgegraben und 
die eine Bierde des Hiftorijchen Muſeums 
in Speyer bilden, bemeijen, daß man ſchon 
zur Römerzeit das Geſchenk des Gottes 
Bachus in unjerer Pfalz hoch zu ſchätzen 
mußte. 

Den Bein lernten die Germanen durd 
römische Kaufleute kennen, Weinbau und 
Weinbereitung wurden auch durch die 
Nömer in unferer Pfalz eingeführt. Aus 
Frankreich, von der Rhöne aus, gelangte 
der Weinbau bereits im 2. Yahrhundert 
nad Ghriftus in unfere Pal. Am 3. 
Jahrhundert breitete fih die Rebkultur 
meiter aus, indem Kaiſer Brobus (276 bis 
282) viele Koloniften anfiedelte und unter 
römiſchem Befehl Weinberge anlegen ließ. 
Bei feinem Vorwärtsdringen nad Norden 
folgte der Weinbau den römischen Straßen, 
von denen die Bergftraße durch unjere 
Gegend (über Neuftadt, Mußbach, Deides- 
heim, Dürkheim, Grünftadt uſw) 309. 
Vorzüglich in der Nähe der alten Römer: 
faftelle und Städte wurde Wein gepflanzt. 
Die erwähnten Funde, fowie die Trauben 
ferne, die jhon in römischen Gefäßen ge 
funden wurden, die Weinreben und Winzer- 
geräte — ein eijerned Rebmeſſer aus 
römifcher Beit, bei Speyer dem Boden ent- 
nommen, bejigt das Hiftorijche Mufeum —, 
welche mit den Inhalt römiiher Gräber 
bildeten, die römiſchen Landhäufer mit 
ihren Weinfellern, die man ſchon aufgededt 
bat, ftügen die Annahme, daß zur Zeit 
der Römer Weinbau in der Pfalz ge- 
trieben wurde. Der gewaltige Sturm der 
Völkerwanderung brachte die Rebkultur zum 
Stillftand. Erft unter der Herrichaft der 
Franken blühte der Weinbau wieder auf. 

Aus der Zeit der Merovinger haben wir 
die erfte Urkunde, die vom pfälziſchen Wein: 
bau berichtet. Es ift dies die Schenkungs— 
urfunde des Königs Siegbert III. von 653, 
worin diefer dem Bifchof von Speyer den 
Behnten an Wein im Speyergau fchenft. 
An diefen Zeiten wurde die Kirche für den 
Weinbau von der größten Bedeutung. Sie 
breitete denjelben weiter aus, da fie des 
Beines zum Gottesdienfte und zum privaten 
Gebrauche bedurfte, Auch Kaiſer Karl der 
Große gab dem deutjchen Weinbau Arleitung 
zu einem rationellen Bau der Rebe. Mit 


3 — 


Ruhm find in der Geſchichte des Weinbaues 
unjerer Gegend die Mlöfter Weißenburg, 
Lorſch an der Bergitraße und Fulda ge- 
ſchmückt. Sie erwarben jih auch bei uns 
Güter, darunter auch Weinberge, und viele 
Wingerte mögen damald von den Mönden 
diefer Klöfter auch bei uns angelegt worden 
fein. Aus den Urkunden des Klojters 
Lorſch über feinen Befigftand (Codex Lauris 
hamensis) ift erfichtlih, daß ſchon im 
8. Yahrhundert die Orte WBachenheim, 
Deidesheim, Friedelsheim, Medenheim uſw. 
Weinbau trieben und daß überhaupt der 
Weinbau in der Ebene bis zum Ufer des 
Rheines viel ausgedehnter war als heute, 


T. Unfiedelungen der Germanen 
ın unferer Gegend. 


In der germanifchen Zeit, die man in 
die vorfränfiihe (von Beginn unferer Zeit: 
rechnung bis ca. 500) und in die fränfifche 
(von 500 ab) enteilen fann, entftanden in 
unferer Gegend eine Reihe neuer Anſiede— 
lungen. Die neueite Ortsnamenforjhung ?') 
zählt nun die Orte, deren Namen auf 
„ingen“ endigen, den älteiten germaniſchen 
Siedelungen zu, die vor der Beſetzung der 
Borderptalz durch die Franken entitanden 
und daher alemanniichen Urjprungs find, 
da vor den Franfen die Alemannen die 
Pfalz befiedelten. 

Die vorderpfälziichen Orte auf „heim“ 
betrachtet fie als jlingere Giedelungen. In 
den Ortsnamen aufheim erfcheint eine einzige 
Berfon als Benenner und zugleih als 
Grundherr der Siedelungg. Das Wort 
Heim bedeutet das Haus, den Wohnfig, das 
liegende Gut, dad man nad dem Grund» 
herren benannte. Solche Siedelungen ent- 
ftanden in unjerer Pfalz in den von den 
Franfen eroberten Gebieten, in denen der 
König Chlodwig und feine Söhne Yand an 
feine Krieger austeilten. Dieje ließen die 
urfprünglihen Bewohner in ihren Dörfern. 
Der neue fränkiſche Eigentümer fchaltete nun 
als Grundherr über das Dorf, das er als 
jein Heim bezeichnete und da8 jeinen Namen 
trug. Forſt wird nun von einem Kranz 
von „heim“ Orten umgeben. Zum erjten- 
male werden viele diefer Orte ım Urkunden 


n, 5. Die germaniiche Beliedelung der 
Vorderpfalz von Dr. 8. Heeger-Fandau, Kauß- 
ter, 1900, 


des Kloſters Lorich, bei Bensheim an der 
Bergftraße gelegen, genannt. Das Kloſter 
wurde zur Beit Starls des Großen gegründet, 
war auch begütert und erwarb, wie ſchon 
erwähnt, aud) in unferer Gegend Ländereien. 
Deidesheim erjcheint in Urkunden des Kloſters 
Lorich von TTO—TT1 als Didinesheim, Di- 
dinisheim und bezeichnet der Name joviel als 
Heim des Didin — Diotin, Theotin. Bis 
zur Mitte des vierzehnten Yahrhunderts 
hieß es gewöhnlich Oberdeidesheim, um 
dasjelbe von Niederdeidesheim, dem jekigen 
Niederkirchen, mit welchem es eine Gemeinde 
bildete, au unterjcheiden. 1460 murde 
Niederdeidesheim von den Reiningern nieder: 
gebrannt. Allmählich erhob es fich wieder 
aus der Aſche und nahm den Namen 
Niederfirchen an. Rödersheim erjcheint zum 
erftenmal in Urfunden vom Jahre 946 und 
978. Der Ort hat feinen Namen von 
einem gemwiffen Radheri erhalten. Friedels— 
heim kommt in Urkunden von 770-775 
unter dem Namen Fridolfisheim vor und 
beißt demnach ſoviel ala Heim des Fridolf, 
Wachenheim, 766 und 788 genannt, foll 
jeinen Urjprung dem in unjerer Gegend 
begüterten Wacko oder Wacho verdanfen, 
deſſen Schenfungen an das Kloſter Lorſch 
a. 770 und 773 gedacht wird, 

Die Ortsnamen auf „ingen” bezeichnen 
urſprünglich nicht einen Ort, auch nicht 
eine Einzelperfon wie die Namen auf „heim, 
fondern eine Mehrheit von Perſonen, näm- 
li die germaniſche Sippe, d. i. verwandte 
Familien. Gewiß find diefe Benennungen 
ihon während der Wanderzeit der Ger— 
manen entjtanden, behielten bei der end» 
giltigen Wnfäffigmahung Geltung und 
wurden allmählid“ zum Namen der Drt« 
ihaft. An geeigneter Stätte fiedelte die 
Sippe fih an. Durd; gemeinfame Arbeit 
gewannen die Anfiedler die freie Flur, die 
Marf, Gemeinfam genoffen fie auch die 
Grträgniffe derjelben, fie waren Mark 
genofien und bildeten zufammen die Marf- 
genoflenichaft. Dieſe Ortsnamen auf ingen 
können als die eriten Marfgenofjenfchaften 
angejehen werden, die im neuermworbenen 
Lande gegründet wurden, 

Hiernach will z. B. Gimmeldingen, das 
1298 als Gumillingen genannt wird, jo 
viel beiagen, mie bei den Nachkommen des 
Gumildus. Das alte Winzingen wird in 


Urkunden von 774 Wincingas genannt. 


Der Name bezeichnet urjprünglich die Sippe 
eines gemiffen Winzo. Ein Angehöriger 
diefer Sippe war ein Winzing. Winzingen 
heißt demnach zu dem Perfonennamen Winzo 
oder bei den Nadjfommen des Winzo. 

Über den Anfängen des Dorfes Forit 
lagert Dunkel. Der Name jelbft bewahrt 
die Erinnerung an eine Beit auf, in der 
da, mo heute das Dorf fteht und Feld 
und Flur ſich ausbreiten, Wald ſich Hin« 
308. Auch der Name Haardtgebirg weift 
auf Wald Hin; denn hard bedeutet Wald. 
Das Wort „Forft” bezeichnet nun einen 
ron» oder Herrenwald im Gegenjaß zu 
einem alle gemeinjamen Wald (Gemeindes 
wald), an dem jeder jeinen Anteil hatte, 
jeder drin meiden, holzen und roden durfte, 
der einen eigenen Herd befaß. Den Forft 
durfte nicht ein jeder frei benügen, meil 
er Sondereigentum eine8 Herrn und der 
föniglichen Jagd vorbehalten war. Das 
Wort fommt nicht vor der Mitte des 6. 
Jahrhunderts vor. Es erjcheint zum eriten- 
mal in einer Urkunde aus dem Jahre 556, 
häufiger fommt es zur Beit der Karolinger 
vor, Ein Bild des Ortsnamens bietet und 
das alte Dorf: und Schöffengerichtsfiegel 
der Gemeinde, das von 1724—1816 in 
Gebraud) war. Der Schild des Wappens 
ift in 3 Felder geteilt. In dem Haupt- 
feld, dem obern Schildesteil, figt der für 
den Namen der Gemeinde fprechende „Forft”, 
eine Reihe Fichten. Das Wappen bes 
Hochſtifts Speyer, zu dem die Gegend etwa 
700 Jahre, von 1100—1801, gehörte, 
iteht im 2, Felde: ein filbernes Kreuz im 
blauen Feld; dıe Figur des Oſterlammes 
nimmt den legten Platz, das dritte Feld 
ein. Der Forftmann, mit Waldhorn und 
Hirſchfänger ausgeftattet, ift als wachſende 
Figur dem Helme als Schmuck und Zier 
beigefügt. 

Der Forſt ſcheint das Eigentum eines 
Adeligen geweſen zu ſein, der daſelbſt ein 
Gehöft begründete, das zu einem Herren: 
hofe heranwuchs. Hörige Bauern des 
Grundherrn fiedelten fich in der Nähe des 
Hofes, aber auf Deidesheimer Gemarkung 
an, wohl weil der Grundherr nicht Grund 
und Boden genug hatte, fie alle zu verjorgen. 
Die Marfgenofien von Deidesheim maren 
damit einverjtanden,; denn wer den Wald 


bebaute, forgte für den gemeinen Nußen, | 


da der Wald mit feinen milden Tieren 
Ihädlih für Viehzucht und Aderbau mar. 
So entjtand ein neuer Ort in dem ehemaligen 
„Forſte“, der Teil an der Allmende Deides- 


beims, d. i. an Wald, Wiefen und Ader- 


flur hatte und defjen Bewohner vollberechtigte 
Genofien der Mark Deidesheim 
melche die neue Anfiedelung umfchloß. Die 
Lage des Ortes gab demjelben den Namen 
Forst. Auch nad) der Überlieferung mar 
der urfprüngliche Kern des Ortes ein Forit- 
haus, d. h. ein Haus oder ein Hof im 





mußte von allen Marfgenofjen die gleiche 


' Frucht angebaut werden, die für das Jahr 


beftimmt war. Die angebaute Ylur wurde 
durch einen Zaun eingeſchloſſen, um fie vor 
der Beichädigung durch milde Tiere zu 
ihügen. Wald und Weide, BWaflerlauf, 


' Wege und Pfade, Sand: und Lehmgruben, 


waren, | 


Forſte, dejien Lage man zwiſchen Kirche | 


und Brunnenpfad dahin vermutet. 

Die Marf Deidesheim umfaßte ur 
jprünglich die Ortsfluren von Deidesheim, 
Niederfirchen, Forft und wahricheinlich auch 
die von Ruppertöberg und Königsbach, von 
denen Niederfirchen oder Niederdeidesheim, 
wie es anfänglich hieß, die ältefte Anfiedelung, 


das Mutterdorf, zu fein fcheint, das aud | 


die ältejte Kirche hat. Während Deides: 
heim urkundlich ſchon 699 genannt wird, 
erjcheint Forft in Urkunden erjt 1231. 
Mit der Zeit wurde der Wald immer 
mehr zurücgetrieben, jo daß rings um das 
Dorf die freie Aderflur immer größer wurde. 
Gegen Wachenheim hin gewann man für 
den Anbau mit Einwilligung der Deides: 
heimer die Gewannen Hinterer Yangenader, 
Pechſtein, Mühlweg, Zollftot, Yanzfammert, 
gegen Welten hin Maßweinkopf, Altenberg, 
Sperb, Neunmorgen, die legteren von der 
Gemeinde Rödersheim, wie die Überlieferung 
berichtet, für 1 Maß Wein und 1 Laib 
Brot: FFreilih dürfte damit nur eine 


‚ noch heute daran. 








jährliche Leiftung der Gemeinde Forst an | 


Rödersheim für die Nubnießung Ddiejes 
Feldbezirfes, eine Art Anerfennungsgebühr, 
zu verftehen fein. 
durch mühevolle Rodung dem Walde die 
Feldmark abgewinnen mußten, davon legen 


noch heute einzelne Gemwannennamen Zeugnis | 


ab, wie 3. B. Hellholz. 

Die Anfiedler zerlegten das Aderland 
in 2 Abteilungen oder Ringe, in das obere 
und das untere Feld oder in die Sommer: 
und Winterflur. In jedem Ringe machten 
fie foviele lange und jchmale Streifen, wie 
Gehöfte da waren. Dann lojten die An» 
fiedler, jo daß jede Familie in jeder Flur 
ein Stüf Land erhielt. In jeder Flur 


Wie dann die Anfiedler | 





Steinbrüce ujw. waren gemeinfames Be- 
fittum oder die Allmende. Die Nußungs- 
rechte der Markgenoſſen an der Allmende 
beitanden im Recht auf Brennholz, Nuß- 
und Bauholz, auf Viehweide ujm. Auf 
die Weide gingen ihre Pferde, Rinder, 
Schafe und Schweine zujammen in Herden, 
Der Gewannennamen Biehtrift erinnert ung 
Bollberedhtigter Genofle 
war nur, wer Haus und Hof, jelbjtändige 
Haushaltung, eigenen Rauch, bejaß. Nicht 
vollberechtigt waren die jogenannten Hinter» 
ſaſſen. Ausfaat und Ernte, Herbitanfang, 
Weidegang uſw. ordneten die Forfter nad) 
eigenem Ermefjen in gemeinfamer Beratung 
und hielten Gericht Über die, melde an 
der eigenen Flur gejrevelt hatten. Abtreiben 


des Waldes, Ziehung der Grenzen um die 


Markt, PVerteilung des übriggebliebenen 


Waldes, Grrihtung der Markfteine, Ber 


jtrafung an revlern, Maß und Gemidt, 
Weinausichanf uſw. waren gemeinjame An- 
gelegenheiten, die von der gejamten Marf« 
genofienjchaft auf gemeinfamem Gerichts: 
plate beraten wurden. 

Mit der Zeit ging die urjprünglich freie 
Dorfmarf an verjchiedene Grundherrn über, 
von denen der Fürftbiichof von Speyer als 
größter Befiger und Landesherr die größten 
Serechtiame beſaß. Der Bijchof ericheint 
als der Obereigentümer der Dorfmarf mit 
Wald, Wafjer und Weide und befigt die 
Vogtei und alle „Herrlichkeit und Ober— 
keit.” Die Biſchöfe gaben ihre Rechte als 
Grundherren wieder an andere Herren zu 


VLehen und fo fam es, daß in Forſt mehrere 


Adelsfamilien begütert waren. 

Die Dorfgenoffen, die Hubgüter des 
Bilchofes im Genuffe hatten und daher 
Hörige des Hubhofes waren, jtanden unter 
der Hubgerichtsbarkeit. Alljährlich auf 
Donnerstag nad; Martin wurde unter dem 
Vorſitze des Schultheißen das Hubgericht 
im Hubhofe gehalten. Zu diefem Gerichte 
mufiten die Hofhörigen ericheinen, um Redt 


| zu jprechen, das Urteil zu finden und Zinſen 


und Bülte (Wein und Hühner) der Grund« 
berrichaft zu reichen. Frevler in Wald und 
Feld hatten ſich vor dem Gerichte zu ver- 
antworten. Dre Beitrafung jchwerer Ber- 
gehen, verhauenes Gewand, blutige Wunden 
und trodfene Streiche, jtand dem Frft- 
biichofe zu. 

Zwei Freiltätten gab es im Dorfe: 
der Hubhof und die Dorfitraße zwiſchen 
den 2 Geleilen. Wer zwijchen den 2 Ge— 
leijen war, der jollte frei fein und feiner 
jollte ihn halten ob jeiner Schuld, Dem 
Gerichte verfiel er nur, wenn er mit Liebe 
oder mit Güte herauszubringen war. Die 
Geldbußen fielen zu 28 dem Flirftbiichofe, 
zu "3 den Hubgenofien zu. (Nach dem 
Hubgerichts: Weistum von Forſt vom Jahre 
1470). Neben diefem Hubgericht beftand 
das alte freie Dorigericht mit marfgenojjen- 


36 





ihaftlihen Beamten an der Spike (Dorf- 
meiftern uſw.) noch lange fort. 

Mit der Ausdehnung des Ortes und 
der Feldflur wuchs auch das Beftreben der 
Forfter, aus der Marfgenoffenichaft Deides- 
heim auszujcheiden und jelbitändig zumerden. 
Durch Jahrhunderte zieht ſich der Streit 
um die Selbitändigfeit. Erſt durch Vertrag 
vom 23. April 1818 wurde die ganze Ge- 
markung Deidesheim nad dem Verhältnis 
der Seelenzahl zwiſchen Deidesheim und 
Forit geteilt. Forſt hatte demgemäß An: 
ipruh auf "5 der gejamten Flur von 
Deidesheim, Niederfirhen und Forſt. 
Unterm 28, Januar 1825 erhielt der Ber: 
trag von 1818 die föniglihe Beftätigung 
und Forjt hiermit feine jelbitändige Ge- 
marfung in der Ausdehnung, wie fie heute 
noch) beiteht. Otto Stang. 


Ber Aneidhkanal. 
Schluß.) 


Für die Gemeinde Arzheim war die 
Erbauung der Kreuzmühle nicht der einzige 
Vorteil. Jenſeits des Kanals erftredt ſich 
hinüber bis zur Dueich die Almende des 
Dorfes, außerdem lagen dort viele Wiejen, 
welche Privateıgentum waren, Dieje jahen 
nur jelten einen Tropfen Waſſers, zumal 
der Ranſchbach nur eine verichmwindend Fleine 
Menge, meistens aber gar feines mit ſich 
führte. Stein Wunder, daß man das ganze 
Gebiet zur Linken des Kanals die „Bürre 
Almül” nannte. Diefem Mangel juchten 
die Arzheimer abzuhelfen, und wandten fidh 
darum im Jahre 1701 an den General 
und Direktor der FFortififationen, Franz 
Kormontaigne Mit ihm fanden ſich 
eines ſchönen Tages der Schultheis Paul 
Stern und einige Gemeinsleute „auff dem 
Ganal” ein und haben dort „den augenichein 
Eingenohmen, wie man dab waßer auf die 
gemein Allmiell bringen könne“, haben bei 
der Gelegenheit auch 1 Gulden 2 Batzen 
und 4 Bfennige verzehrt. Hatten es aud) 
redlich verdient. Dann der Erfolg der 
Einſichtnahme“ war der, dab fie einen 
ausgehöhlten Baumftamm durd den Weg 
bis an den Kanal hindurchziehen durf— 
ten, durch welchen nunmehr über 200 
Jahre der Kanal fein Wafjer entjendet, 


die „dürre Almül“ feucht und fruchtbar zu 
machen. 

Bald entftand aud) eine Holzflößerei 
auf dem Kanal, Bon dem ehemaligen 
Holzhofe zwiſchen Alberöweiler und Stebel- 
dingen ſteht noch das frühere Wohn- 
gebäude des einigen Holzhofaufſehers; 
zurzeit beherbergt es das kgl. Foritamt 
Albersweiler. Noch fteht in Siebeldingen 
die ehemalige Behaufung eines. Auflichts- 
beamten des Kanals, erbaut im Jahre 
1731 (Haus-Nr. 200), Ein Wappen am 
Torbogen zeigt eine Scleuße mit je einem 
Floße ober- und unterhalb derjelben. 

Die Ableitung des Kanalwaſſers, welche 
den Arzheimer Wiejen jehr zu ftatten fam, 
findet Sich ebenfalls, aber in weit aus: 
gedehnter Anlage, vor der Stadt Landau 
jelbft.. Die meiften, im Welten der Stadt 
gelegenen Gärtnereien, melde die Um— 
gebung Yandaus vor allen oder doch vor 
den meiften pfälziſchen Städten jo ſehr 
auszeichnen und ſie gleichham zu einem 
fleinen Baradieje umgefichaffen haben, ver: 
danfen ihre Entitehung der vorteilhaften 
Nähe des Queichlanals, der heute, in fried» 
lien Tagen der Stadt zum größeren 
Nugen dient als in franzöfiicher Zeit. 
Und wenn aud mit der Zeit jein Bert 


und feine 
ent: 


Denn 


fih immer mehr verengt bat, 
Waflermengen Fleiner geworden find, 
behren fann man ihn nicht mehr. 

gerade hier an jeinem Ende, 


37 





unmittelbar | 


vor der Stadt, hinterläßt er in uns den 
Eindrud, als ſei er nur dazu geichaffen, 


ı der Bevölferung Segen und Wohlftand zu 


Joh. Weber. 


bringen. 


Bayerns in hiflorifcher Beit ansgerottete und ausgeftorbene Tiere. 


Unter diefem Titel veröffentlicht Dr. Joſ. 
Reindl eine intereflante Abhandlung in 
den empfehlenswerten „Mitteilungen 
der Geographiidhen Geſellſchaft 
in Münden“ (Liter.-artiftiihe Anftalt 
Th. Niedel, Prannerftraße 13), der wir 
auszüglich einige Daten entnehmen: 

In Bayern war noch 1499 eine jolche 
Menge Wild vorhanden, daß in einer alten 
Urkunde verfichert wird, in Niederbayern 
habe der Wildichaden zur vpollfiändigen 
Berödung mander Güter geführte. Auch 
ein Jahrhundert ſpäter klagten die Bauern 
im Ansbadhiichen, daß die Felder durch 
das Wild jümmerlich vermwüftet würden; 
zwei Drittel der Ernte waren 1581 nur 
Strumpfen, die Ühren vom Wild abge- 
freien. Der dreißigjährige Glendsfrieg, 
der bald darauf folgte, brachte feine Beſſe— 
rung; nad der Chronik von Andechs nah- 
men die Wölfe 1642 fo überhand, daß das 
ſchutzloſe Wild faft ausgetilgt murde, 
Mehrere Gemeinden hielten gemeinjchaftlid) 
große Jagden ab, um das Naubzeug zu 
vermindern. Die letten Spuren des 
Wiſent laſſen fih noh Ende des 15, 
Jahrhunderts im Neuburgerwald in Nieder 
bayern verfolgen. Eben dort murde um 
diefelbe Zeit noch der Auerochs erwähnt, 
von dem ſich häufig foffile Überrefte in 
mehreren Torſmooren finden. Der Elch 
oder Elent, der große Ähnlichkeit mit einem 
Hirſch Hatte und bis 12 Zentner mog, 
ſcheint ım Algäu vorgefommen zu fein; 
der Elbſee führte dort früher den Namen 
Elchſee. Zu den lebenden Tieren — in 
Schleſien fam er nodh bis 1776 vor — 
rechnet ihn der Abt Rumpler noch Ende 
des 15. Jahrhunderts. 

Der Luchs verfdhmand aus der Nhön 
im 16. Jahrhundert; 1664 wird fein Vor: 
fommen in einer Rothenburger Chronif als 
Seltenheit aufgeführt. In Zmiejel wurde 
1815 der legte Luchs erlegt, in Wolfftein 
1823. Indeſſen fommt ein Luchs nod 


1846 im Baheriihen Wald vor. ®ei 
Tegernjee und Schlierſee gab es 1832 noch 
einzelne Luchſe; bei erfterem Orte müſſen 
fie häufig gemwejen fein, da 1710 bis 1757 
dort AT Lucie gefangen wurden, In der 
Riß wurden 1826 fünf Luchſe gefangen, 
ein lebender Luchs wurde 1824 nad Mün— 
chen gebradt, und dem König Mar I. ge: 
zeigt. Jäger Maier von Oberwinfel trug 
1829 einen gefnebelten Lude im Ruckſack 
nad) Tegernſee, 1838 oder 1840 murde 
der legte [chende Luchs ım Algäu erlegt, 
dody ſpürte man einen Luchs 1850 nod 
im Dinterjteiner Tal, Wildkatzen fommen 
wohl hie und da noch im Böhmerwald und 
im Fichtelgebirge vor, doc ſehr jelten. 
1667 wurden nah Münden 86 Wölfe 
und 6 Luchſe zum Berfauf einge 
liefert. Zur Beit des 30jährigen Srieges 
waren die Wölfe in Bayern, wie jchon er: - 
mwähnt, noch eine Yandplage. Bei Zwieſel 
wurde 1846 ein Wolf erlegt, 1853 im 
Forſtamt Vilseck. Der lettere hatte bei: 
jpielloje WVerheerungen in den Scafherden 
angerichtet, wurde dann erichojjen und bes 
findet ſich jekt in der Sammlung des 
Boologifch« mineralogifhen Vereins in 
Regensburg. Ein eingewanderter Wolf 
wurde 1853 im Fichtelgebirge geichoffen, 
der legte einheimische bereits 1811, im Al— 
gäu der legte bei Hindelang 1805, bei 
Kreuth aber 1837, In der Pfalz funnte 
man 1846 bis 1848 noch mehrere 
Wölfe erlegen, wobei aber nidt 


‚ausgeichlojjen erfheint, daß fie 


aus den franzöfifhen Ardennen 
hberüberliefen, (Wir vermweilen dies» 
bezüglich auf unfere 7 Artikel iiber das 
Borfommen des Wolfes in der Pfalz in 
den legten Heften diejer Zeitihrift. D. Sch.) 

Auf den braunen Bär murden im 
Iſarwinkel früher Jagden abgehalten. 
Bon 1700 bis 1800 wurden 40 Bären 
im Gebiete von Tegernſee geftredt. Der 
feste jcheint 1807 um Vermanskopf, nahe 


= 


der Beindlalpe, gefallen zu jein, bei Rub- | erde die Rohrmeihe und andere 
polding 1835. Sn den Wäldern von , mehr. Der Slolfrabe ift im Flachlande 
Zwieſel erlegten zwei Jäger, Gebrüder | ausgerottet, er fommt nur noch im Hod) 
Forjter, von 1760 bis 1800 an 60 Bären. | gebirge vor. Die Nachtigall ift als Beute: 
Seit 1833 verfhwanden fie aber auch aus | vogel jeit 20 Jahren eingegangen, bie und 
dem Bayeriſchen Walde. Das Bild da eriftiert fie noch in der Pfalz. Ebenſo 
ſchwein erhielt ſich als Standwild im ſind der graue Fiſchreiher und mehrere 
Steigerwald bis 1813. m Sebalder | Deijen- und Grasmüdenarten weggezogen. 
— wurden x er un * Pe . — wurde 1902 bei 
geſchoſſen, im Speſſart der letzte freie ammelburg angetroffen. 
Keiler erſt 1859, bei Wallerſtein in An Fiſchen ſind mehrere Arten ver— 
Schwaben die letzte Wildſau 1867. Ger ſchwunden, dagegen aber auch mehrere 
hegt wird das Wildſchwein befanntlih noch neue eingeführt worden. Flußperlmuſcheln 
im Speſſart und im ?oritenrieder Park. | gab es früher im Fichtelgebirge und im 
(Wildſchweine find in der Pfalz feine Sel- | Zöhmiſchen Wald; 1696 murden noch 
tenheit. D. Sch.) Der Dambirfh iſt mehrere hundert Stüd an den Hof abge- 
in Bee er: Fre eg liefert, aber in den Zeiten der napoleonifchen 
er — a — * umAriege wurden die meiſten ausgerottet, die 
Partenfirchener Alpenland; früher waren | meiften Perlbäche find jetzt verödet. m 
fie un - — bis zu 200 GStüd. | der Nähe von Regen ift jegt zur ratio- 
ud, der Biber ift ausgerottet. Im | mellen Züchtung ein Mufterbach eingerichtet 
Jahre 1688 hielt Mar Emanuel noch eine | worden, aus dem frühere Bäche wieder be: 
Jagd bei Benediftbeuern auf Biber und ſetzt werden ſollen. 
Dttern. Bei Straubing gab es 1796 
mehrere Biber. In den Sahren 1819 Von ben Schmetterlingen ift der 
bis 18553 murden einzelne bei Bafjau, „Totenkopf“ jo gut mie verſchwunden. 
Deggendorf, Lechsend und Höchſtädt ge- Die Urſache, daß er in Bayern auf den 
ichofjen, der lette 1853 bei Stepperg auf Ausfterbeetat gejegt wurde, ift die forg- 
der Donaufchlitt. Am Inn wurden die | Jame Bearbeitung des Startoffelfeldes (er 
lehten Biber um 1867 eine Beute der lebt meift von Sartoffelblättern) von Seite 
Wilddiebe. Im Stadtgraben von Augs— des Menden, wobei die meilten Raupen 
burg wurde 1685 der letzte Biber ge- ar hübſchen großen alters zerftört 
fangen, bei Gerfthofen 1847. In der | werden. 
Amper wurden von linterbruf bis Bolling Bei manden Tieren, fagt der Ber- 
bei Freiſing 1808 bis 1830 26 Biber ge: faſſer zum Schluß, hat allerdings zu ihrer 
ichoffen oder gefangen, 1853 nod 5 Stück. Ausrottung aud der Verkehr, ferner unjere 
Der lebte Biber des Nymphenburger nervöſe Zeit, weiter die bejjere Lebensweiſe 
Schloßparks iſt 185657 beſeitigt worden, | des Menſchen und endlich der Bau von 
1856, auch der letzte bei Stockach im Fabriken beigetragen. Neu eingewandert 
Aſchaffenburgiſchen. Der Biber kam früher ſind mehrere Tiere, zum Beiſpiel die Hau: 
— * Fr = ja jegt ja benlerche, —— — ag nn 
eutſchland verichwunden, ud) das | ratte, au orddeutichland in die jlid- 
Alpenmurmeltier ift in den bayrrifchen deutichen Seen der Zander und aus Amerika 
ug“ een ; : — * — 
on den geln find manche in forelle, der Bachſaibling und der Forellen— 
Bayern verſchwunden, jo der Kranich, der barſch dureh fünftliche Züdtung. (M. N. N.) 





Der Schneefloh. 


Mit dem Herannahen des Lenzes er- | lci Frühlingsboten, die mit der Bitte um 
hält die Raritätenfammlung der Redaftionen | nähere Beſchreibung der „Seltenheit von 
gewöhnlich veichlihen Zuwachs von aller | den Lejern der Zeitungen zugehen. Nicht 





u 


jedem Gremplar der Tier- oder Pflanzen: | Bauche des Tieres; wenn es dieſe raſch 
melt, das auf diefe Weile eine bejondere | ausftreft und gegen die Erde fchlägt, wird 
Würdigung erfährt, kann ein papierenes | fein Körper vorwärts gefchnellt. Die Tiere 
Denkmal gefegt werden, jonft müßten 3. B. | leben an feuchten Drten, entwideln ſich 
den ganzen Winter über die Maifäfer- | langſam, vermehren fi aber ganz enorm. 
notizen und GSchmetterlingsfonftatierungen | Gleticherflöhe, im Gegeniage zu ihren 
eine ftändige Rubrif bilden; aber etwas | Namensvettern ganz harmloſe Geſchöpfe, und 
befonderem oder einem Objekte, das ge- | Schneeflöhe find nahe Verwandte. Letztere 
möhnlich achtlos überjehen wird, kann ınan | werden gegen 2 Millimeter lang und find 
ſchon eine Kleine Betradhtung widmen. bald jchwarzblau, bald, wie andere jahen, 

Alljährlich iſt im Waldlande eine merk- | gelbbraun mit ſchwärzlichen Querbinden 
mwürdige Erjcheinung zu beobachten, jchrieb | und einem dunklen Fleck am Stopfe; ihre 
ein aufmerffamer Naturfreund. Die Wege- | Beine und Fühler find rot. Schneeflöhe 
pfüßen, Tümpel find mit einer dunfeln, | treten im Frühjahre, bejonders wenn nad) 
jchwarzbraunen, oft mehrere Bentimeter | großer Kälte plöglid Wärme, etwa bei 
dien Maſſe dicht bededt. Bei genauerem | Süd- und Südmeftwind eintritt, zahlreich 
Bufehen ergibt fi, daß diefe Maffe voller | in Waflerpfügen und auf der Oberfläche 
Leben ift und aus Myriaden von Kleinen | des Schnees auf. Ihrer Entwidelung nad) 
Inſekten befteht, die fich jehr meit fort- | bilden die Harmlofen Tierchen einen Über- 
jchnellen können. Es find Eremplare der | gang von niederen Tieren zu den Inſekten, 
Gattung Schneefloh (Deegeria nivalis L.), | gleihfam eine Zwiſchenſtufe. Sie heißen 
eıne Art Springſchwanz. Diefe fleinen, | mit ihrem Yamiliennamen Podurae aqua- 
Langgeitredten Tierchen befigen einen Apparat | ticae, heißen auch bezeichnend Frühlings- 
zum Fortichnellen, indem ihr SHinterleib | jchneefloh oder im Bolfsmunde „Schnee- 
durch eine gegabelte Doppelfpige verlängert | laus.“ Mit eintretender Wärme verſchwindet 
if. Beim Ruben liegt die Gabel am | die Erfcheinung wieder. 








Menue Karten Jämtlicher bayerifchen Regierungsbezirke 


find ſoeben auf jehs Blättern verteilt in W. Liebenowſche Startenwerf zugrunde liegt, 
der befannten geographiichen Verlagsanſtalt bis auf die jüngite Zeit vollftändig find, 
Ludwig Ravenftein, Franffurt a. M., Dieſe ſechs neuen Blätter enthalten: ſämt— 
fertiggeftellt worden. 68 find folgende lihe Orte bis zum Weiler herab mit Namen; 
Karten: Unter und Oberfranken; Mittel | Bahnen mit Stationen, Landftraßen, 
franfen und Oberpfalz; Schwaben; Nieder: | Straßen, Fahrwege, Flüffe in Schwarz; 
bayern; Oberbayern und Bayeriſche | Bebirge in grauen oder bräunlichen feinen 
Pfalz. Sämtlihe Karten find im ein: | Schraffen; politifche Abgrenzungen in Far: 
beitlihen Maßftabe 1:300000 gezeichnet | ben, deögleichen Bezirfsamts-, Amtögerichts« 
und ftellen bei dem überaus niederen Breije | und Burgfriedensgrenzen. Gin weiterer 
bon nur 1 Me. bis 1.20 ME. für die | Vorteil ift der, daß gleichwertige Karten 
Karte ein ganz vorzügliches und billiges | bereit8 von allen preußijchen Regierungss 
Kartenmaterial für Bayern dar. Zur Be: | bezirfen, Provinzen, von Baden, Württem- 
arbeitung hat das FH. Bayerifche topo- | berg, Sachſen uſw. erjchienen und wie die 
graphiihe Bureau das nötige Ma- | bayerijchen einzeln durch alle Buchhand- 
terial zur Verfügung geftellt, jo daß | lungen oder vom Verleger bezogen werden 
die Starten, denen das berühmte Brofeflor können. 


Der Aufbruch zur Aailerfchladt. 
Bifton zu Speyer. 


1. Rheinaufmwärts jtieß der Oftuberiturm | Aufrütteln zu heller Siegesfreude. 
. Und fuhr um ben Speyerer Glodenturm, Die Kaiferglode, feit Jahren ftumm, 
Als wollt’ er das alte Domgeläute ‚  Ermwadte vom Schlafe mit tiefem Gebrunm, 


— 40 — 


2. Um Mitternacht ſaß ein Schiffer am Rhein: | 4 Der Schiffer befah ſich den Färchenfold, 


„Fahr' über, doch muß e8 im Augenblid fein!” Da waren e8 Münzen von lauterem Gold; 

So ſprachen tiefſchwarze, vermummte Geitalten; Er wußte lange nicht, wie ihm geſchehen, 

Ste famen vom Dom zu des Rheines Halden Solch' Münzen batte er nie gelben, 

Und mollten noch, ehe der Hahn erwacht, Und all’ mit dem Bilde der Kalſer geprägt, 

Hinüber zur Leipziger Völkerſchlacht. Die einft man in Speyer zu Grabe gelegt. 
3.&o majeitätiich, fo fol ihr Tritt, 5. Und wie er noch dachte, da wurde ihm klar, 

So ehern ertlang er wie Feldherrnſchritt; Die Kaifer waren die ftumme Schar, 

Die Schwerter jo handlich im Gürtel figen, Die Kaifer, die einft fie im Dome begruben, 

Stahlpanzer unter den Mänteln bligen. — Und die vereint fih zum Kampfe erduben, 

Starr ſaß im Nachen die düjtere Schar, Daß in der Leipziger Kaiferfchlacht 

Bis drüben fie plößlich verfchwunden war. Dem Baterland Freiheit werde gebracht. 


An den Bayerngräbern zu Weißenburg. 


1. Schlaf fanft auf Deinem Ehrenjchild, 4. Manch’ Mutterauge bat geglüht 
Du tapire Bayernichar, Und war von Tränen naß, 
Die Wacht an Deinen Gräbern hält Manch' Wange, die gejund geblüht, 
Der deutſche Kaiſeraar. Die wurde welk und blaß. 

2, Wie heiß ſchlug Euer Bayernherz d. Dod find fie all damit verſöhnt: 
Für's deutiche Vaterland, Ihr bliebt als Heldenfchar; 
Bis früh im ſtillen Heldengrab Und hoch um Eure Hügel kreiſt 
Es ſeine Ruhe fand. Der deutſche Katjeraar. 

8. gu fur; nur für den Heldenmut 6. Bon Euren Ruhmestaten raufcht 

ar Eure Lebensbahn, Der deutfche Rhein noch lang’, 


Doch gabt Ahr Euer Beites Hin, Und traut berüber aus der Pfalz 
Gabt Euer Herzblut dran. | Erflingt der Heimat Lobgefang. 


Die Friedensgloce zu Eſchringen. 


Die Glocke liegt verſunken Die armen Seelen fommen 
m jtillen Wiefental, Bon Schmerz und Reu' erfüllt, 
ünt dann und wann im Jahre Erbitten Seelenfricden 
Nur mweltfern noch einmal. Bom hoben Gnadenbild. 
Lorenzinachts, da klingt fie Ste büßen und beten und meinen 
Bis morgens in der Früh’ Und ringen fi) wund die Hand, 
So mwunderfam-gemwaltig, Bon allen Seelen bis heute 
Selbſt Tote hören fie. Noch keine den Frieden fand. 
Dann fpielt tie einjt die Orgel Und tönt im nahen Dorfe 
Der Küſter, der ſchon tot; Der erite Habnenfchrei, 


Es affistiert dem Prieſter Dann iit die Glod’ verſchwunden, 
Ein Mehner ganz in Rot. | Dann ift der Spuf vorbei. 


So muß bie Blode liegen 
Unfindbar drauß’ im Feld, 
Bis alle Zwietracht ſchwindet 
Und Frieden Einkehr hält. 


Dr. Sarf PYufch. 


Inbalt: Zur älteften Gefchichte von Forft und Umgebung. — Der Queichkanal. (Schluß.) — 
Bayerns in biftorifcher Zeit audgejtorbene und auögerottete Tiere, — Der Schneeflob. — Neue 
Karten fämtlicher bayerijchen Regierungsbezirke. — Der Aufbruch zur Kaiferfchlaht. An den 
Bayerngräbern zu Weißenburg. Die Friedensglocke zu Eichringen. (Gedichte.) 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl Bermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 
Für Form und Ynbalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


Die „Ffalziſche Heimatkunde” Toflet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Befellungen werden von allen Buchhandlungen und 
Voftanftalten ferner vom Verleger (Portofreie Etreifbandfendung) angenommen. 


III. Jahrgang. 





Nummer 4 


April 1907. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT | 
FÜR SCHULE UND-HAUS. 


\\ 





L/ 


Steinkrenze bei Anilerslantern.”) 
Bon D. Häberle, Raijerl. Rechnungs-Rat, Heidelberg. 


Beim Wandern dur Wald und Flur 
ftößt ein aufmerkjamer Beobadhter nicht 
allein in rein fatholifchen Zändern, jondern 
auch in unſerer Gegend ab und zu auf alte 
Steinfreuze oder deren halbvermitterte Reſte 
und ergeht ſich, da viele von ihnen feine 
religiöje Bedeutung haben fünnen, megen 
der ihrer Errichtung zugrunde liegenden 
Beranlafjung in Vermutungen. Denn wir 
finden fie jomwohl auf Grenzen wie mitten 
im Felde, an öffentlichen Straßen mie tief 
im Walde verftedt, je nah dem zu er- 
füllenden Zweck. Ginmal dienen fie als 
Grenzzeihen, ein andermal entjpringen jie 
dem frommen Sinne unferer Vorfahren, 
jei ed zum Andenken an einen zufälligen 
Unglüdsfall, einen jähen, unvorhergejehenen 
Tod, eine abgebrochene Eonjefrierte katholiſche 
Kirche oder Kapelle, oder aud) zur Sühne 
für eine Mordtat, wobei das bei VBerübung 
des Berbrechens benüßte Inſtrument bild» 
lich durch Ginmeifelung dargeftellt werde. 

Da in den älteren Nachrichten über 
unjere Stadt oder deren Umgegend einige 
derartige Kreuze erwähnt werden, ijt ein 
Hinweis auf diejelben vielleicht von In— 
tereffe und regt Geſchichtsfreunde zur Be 
obachtung an. 

So durdlief kürzlich eine Notiz von 
Herrn %. Küchler die Prefje über die Auf: 
findung eines verftümmelten Kreuzes beim 
Friedensplag an der alten Straße nad 





der Ejelsfürth, ſowie iiber die daran haf- 
tende Sage von den ſich gegenjeitig tödlich 
verlegenden drei Bimmerleuten. Man geht 
wohl nicht fehl, wenn man in demijelben 
den Meft einer in der Stadtgeſchichte öfters 
erwähnten Gruppe bon drei Kreuzen auf 
der Wormjer Höhe fieht, zumal ſich die 
Ortlichfeit wie auch die Zahl der Kreuze 
mit dem Inhalte der Sage dedt. Schon 
der Waldumgang vom 6. Mai 1539 be» 
wegte ji von St. Georgs Bild an den 
drei Kreuzen auf der Wormjer Höhe vor- 
bei, dem Stalfofen zu und auch der vom 
14. Juni 1730 fand die Kreuze noch an 
ihrer alten Stelle, während St. Georgs 
Bild jhon 1600 umgeftürzt und 1730 an 
defien Stelle das Heiedjche Kreuz errichtet 
mwar.!) Dasjelbe ift jpurlos verjchwunden 
und ftand wohl am heutigen Stoffelspfad, 
den Belmann Enfenbadher Pfad nennt, und 
Heing irrtümlich als die weiter ſüdlich am 
neuen Kirchhof einmündende Römerftraße 
anfieht. Eine ähnliche Sage liegt auch dem 
Kreuz an der Telephonlinie zwiſchen Stauf 
und Rojenthal zu Grunde; hier jollen zwei 
Kejjelichmiede einander tödlich verlegt und 
fromme Seelen zur Sühne der Bluttat 
den Denfftein gejegt haben; eine Inſchrift 
ift nicht zu erkennen. Früher foll darauf 





") Zauterer Kopialbuch, Kreisarchiv. Hein: 


— 


Pfalz unter den Römern, S. 59. 


) Bergl. Bilfinger: Johanniskreuz, S. Hff. 


geitanden yaben: 
Keßler.“ 

Ferner wird in dem Erbbeſtandsbrief 
der Papiermühle für die Erben Bayer vom 
8. November 1656 bei Begrenzung der 
dazu gehörigen Yäudereien ein Ramſtel 
freuz gegen den Erbeöberg genannt, unter 
welchem vielleiht ein ſtädtiſcher Ramftein 
oder Kreuz zur Ausfteinung des MWeid): 
bilde an der Straße zur Yauteripring ver— 
ftanden mwerden kann ?) 

Das Hannidelfreuz im Stiftswald auf 
der Höhe des Diitrifts Lindenföpfe am 
Bärenkopf trägt die Inſchriſft: 

Johann Nikol. Asenmacher 
1769 d. iten Dezember 
ferner: erneuert 1852, Der Sage nad 
joll ein Wilderer einen anderen an diejer 
Stelle aus Unvorfichtigfeit erfchoflen haben.) 

Kreuzzeihen an Bäumen auf einer 
Blöße, ca. 40 m unter dem Plateau des 
Pfaffenberges am ZTrippftadter Pfad, be- 
rihten von einer noch ungejühnten Mord: 
tat. Bier wurde auf Lichtmek 1868 die 
19 Jahre alte Julie Schäfer von Tripp— 
ftadt das Opfer eines Überfalles, der auf 
ihrem Grabftein in Trippftadt bildlich dar: 
geftellt fein ſoll.) 

Über der Eichelsmühle an der Stumpf⸗ 
waldftraße fieht ein verftlimmeltes Kreuz 
mit der Inſchrift: „Diefen Stock Hat ger 
ftiftet Nic. Denrih Sommer, Derjelbe 
geftorben 1749.“ Hierbei handelt es ſich 
nicht, wie die Überlieferung will, um den 
Denfftein für einen umgefommenen Sol⸗ 
daten, ſondern um einen von dem Beſitzer 
der Mühle geſtifteten Bildſtock. Denn nach 
Prozeßakten im Kaiſerslauterer Archiv war 
bis 1748 ein Heinrich Sommer auf der 
Mühle wohnhait, deſſen Witwe 1749 Heinrich 
Krauß, den Stammvater einer weitver— 
zweigten Müllerfamilie, heiratete. 

In Neufirhen famjvor einigen Jahren 
beim Wegebau in der Nähe der alten 
KKönigsftrake ein unter Gehängefchutt ver- 
grabenes Kreuz zum Vorichein, das viel 
leicht in Beziehung auf die frühere Kirche 
ftand. Leider wurde es aus Berjehen zer— 
trümmert und beim Brüdenbau verwendet. 


’, Ulten ber u Pfälz. 


— 1904 Nr. 
rdl. —* von Hrn. Forſtmeiſter Erb. 
ı dgl. von Herrn Stabtförjter Kugelmann. 


42 


„Hier erichlugen fich zmei | 


Tas Kreuz in den Wiejen beim Bahn- 
hof Neuhemsbach ift wahrſcheinlich der ein« 
zige Überreſt des eingegangenen Dorfes 
Bundmweiler, dejjen Gemarfung in der von 
Sembad) aufgegangen ift.?) 

Das Torftenfonfreuzs an der Straße 
nah Hochſpeyer hat fchon vielfah Er— 
flärungen hervorgerufen, ohne daß bis jet 
eine ganz einwandfreie Deutung gegeben 
werden fonnte.®) 

Namentlih an den alten Straßenzügen 
nah dem DOften befanden ſich zahlreiche 
Bildftöde und Kreuze. So erwähnt Bel» 
mann 1604 an der Straße nad dem 
Schorlenberg (Römerftraße) ein Efmanns- 
bild, Waldmannsbild und Combekreuz auf 
der Paßhöhe von St. Nicolaus, welches 
allein auf uns gefommen ift und 1749 
ein zweites als Grinnerungszeihen für 
einen Unglüdsfall neben fi erhalten hat. 
Unmeit davon fteht im Fiſchbacher Wald 
ein großer, wohlerhaltener Stein, der 
eigentlich), wie nähere Unterſuchung lehrt, 
ein Kreuz ift, deſſen beide Arme abge» 
ichlagen find. 

An der Hochſtraße von Aljenborn über 
den Roßſteig wird im Göllbeimer Weistum 


‘ von 1607 ein Staffelftein und Lautenbild, 





an der nad Heiligenmojchel beim Hinkel— 
ftein ein „ungarifch Kreuz“ genannt, von 
dem die Hohe Kreuzftraße nah dem Münch— 
Ichmwanderjeld führte, wo über dem Tanzen» 
brunnertal das Fiſchkreuz ſtand. Blur 
bezeichnungen wie „am Kreuz“, „Kreuz 
berg” in Baalborn, Enfenbad und anderen 
Orten lafjen den Standort eingegangener 
Feldfreuge vermuten. Da diele oft an 
alten Straßen oder Straßenfreuzungen 
ftanden und fomit weithin fidhtbare dauernde 
Wegweiſer und Grenzzeichen bildeten, wie 
3. B. das Bernhardsfreug am Schnittpunft 
der alten Gulenbißer und Gafjenberger 
Strafe an der Ede des Reichs- und 
Königslandes bei MRothjelberg‘), das or 
hanniskreuz u. a., jo fünnen fie oft hiſto— 
riſche Bedeutung haben und mit vollem 
Recht das Anterefje der Geſchichtsfreunde 
in Anfpruch nehmen. 


) Prälz. . Mufeum 1903 ©. 164, 

* Bilfinger: —— ©. 85 — 

) Velmanns Beforſchung des Amis € Wolf 
jtein von 1600, 


43 


— 


Bie Balentin Oftertag-Htiftung in Bad. Bürkheim. 


Es mögen wohl andere Städte reicher 
fundierte Stiftungen aufzumeifen haben als 
obige; doch dürfte diefe ſowohl hinfichtlich 
der Verwaltung als aud) ihrer Beitimmung 
vielleicht einzig daftehen. Yeider find die 
Urkunden über den Stifter im Jahre 1794 
bei einem Überfalle der Franzoſen teilweiſe 
verloren gegangen, jodak fein vollftändiges 
Bild des edeln Mannes möglich iſt. Valentin 
Dftertag ift im Jahre 1450 zu Dürfheim 
geboren. Er war der Sohn armer Eltern 
und ſoll in jeiner Jugend die Gänje ge- 
hütet haben. Da er ein aufgemweıdter 
Anabe war, ließen ihn wohlhabende Bürger 
ftudieren. Er erwarb fich die Doftorwürde 
beider Rechte, wurde kaiſerlicher Reichs» 
Fisfalrat in Rottweiler, ipäter in Wien, 
mojelbjt er im Jahre 1506 ſtarb. In 
jeiner hohen Stellung hatte er fih wohl 
bei jeinen bejcheidenen Anſprüchen ein be: 
deutendes Vermögen erworben. Da jeine 
Ehe finderlog geblieben, jeßte er jeıne Ge— 
mahlin Margarete zur alleinigen Erbin 
ein mit dem Wuftrag, feiner Wuterftadt 
Dürfheim zu gedenken. Dieſe kam, mie: 
wohl jie fi) nocd zweimal verheiratete, 
den Wunfche im Jahre 1509 nad, indem 
fie der Stadt Dürkheim ein anjehnliches 
Kapital vermachte. Die Verwaltung dieſer 
Stiftung übertrug fie 6 ehrbaren Männern, 
weshalb diejelbe auch unter dem Namen 
„Sechſerfond“ befamnt ift. 

Zugleich ließ fie fih von dem Grafen 
Emih VII. von Leiningen eine Urkunde 
ausftellen, worin fich dieſer verpflichtete, 
in dieje Stiftung feine Eingriffe zu machen, 
vielmehr verſprach, fie nad Kräften zu 
ſchützen. 

Dieſe erſte Urkunde iſt nicht mehr vor— 
handen. Im Jahre 1511 hob ſie die erſte 
Stiftung auf und errichtete ein neues 
Teſtament, welches noch vorhanden iſt und 
in welchem ſie der Stadt Dürkheim 2000 
Goldgulden vermachte, für die damalige 
Zeit eine ganz bedeutende Summe. Es 
ſollte dieſes, wie es in der Urkunde heißt, 
hauptſächlich ein Almoſen zur Eheſteuer 
ſein. Bon den ZFinſen ſollten jährlich 4 
arme, aber ehelich geborene Kinder des 
Fleckens jedes mit 20 Gulden in die Ehe 
ausgeftattet werden. Sollten aber arme 





Verwandte des feligen Dftertag von Dürk- 
beim, Merſch oder Gdenfoben vorhanden 
fein und fi zur Ghefteuer melden, jo 
follten 2 von denjelben und 2 andere von 
Dürfheim ausgefteuert werden, fall aber 
feine Berwandten DOftertags vorhanden, 
dann jollte die Ausfteuer den Dürfheimer 
Kindern allein zufallen. Falls die BZinjen 
des Kapitals fih mit der Zeit vermehrten, 
jo follte der Überfhuß zur Hälfte als 
Unterftügung der Hausarmen und zur 
Hälfte als Stipendium für Dürfheimer 
Studierende verwendet werden. Dieje Ur- 
£unde erhielt jpäter durch die Gtifterin 
noch mancherlei Abänderungen, wodurch den 
6 Berwaltern nad) deren Gutdünken einige 
Abweichungen in der Teitamentsbeftimmung 
geftattet wurde, bejonders infagen der Ehe 
ausfteuerung. 

Da in der Urkunde ausdriüdlich be- 
ſtimmt ift, daß die Verteilung der Gaben 
jährlih auf den Valentinstag, als dem 
Namens und Gedäcdhtnistag des Stifters, 
ftattfinden ſoll, fo ift der 14. Februar für 
Dürtheim cin Feiertag, für jämtliche Lehr— 
anitalten ein jchulfreier Tag. In den 
beiden Stirchen findet Gottesdienft ftatt. 
Dabei erhält der Geiftliche, der die Feſt— 
predigt hält, einen ganzen und der Or— 
ganift einen halben Goldgulden. 

Die Volksſchüler verfammeln ſich bei- 
zeiten im ihren Lehrfälen, woſelbſt ihnen 
von ihren Yehrern die Bedeutung des Tages 
erklärt wird. Unter Abfingen des von 
Blarrer Häncen*) gedichteten Veltenliedes 
ziehen die 4 oberen Klaſſen nah dem 
Stadthaufe, woſelbſt fi unterdeffen die 
Sechſerkommiſſion und der amtierende Geijt« 
liche eingefunden haben. Nun geht es in 
ſtattlichem Auge nad der Kirche. Nach 
Beendigung des Gottesdienites begeben ſich 
die Schüler abermals in ihre Lehrfäle um 
die Veltenswede in Empfang zu nehmen. 


Diejenigen Brautpaare, welche zur Aus- 
fteuer bejtimmt find, nehmen während des 
Sottesdienftes vor dem Altare Aufftellung 
und werden unmittelbar nach der Predigt 
getraut. Hierauf findet die Verteilung der 


* Händen war in den Jahren 1860—1864 
eriter Stabtpfarrer in Dürkheim, fam dann nach 
Kandel, wo er 1879 geitorben tit. 


— U 


Gaben an die Ortsarmen im Stadthauje | zöfiiher Soldaten überfallen; die Stifte 
ftatt. Aber auch mährend des SYahres | wurde ihnen abgenommen und nad Wachen» 
werden reichlihe Gaben aus der Stiftung | heim gebradt. Dafelbft fanden die Sechſer 
an diejelben verteilt. in einem Gartenhaus ihre Sifte erbrocden 
Das Beifpiel des edeln Stifter hat | wieder; aber mande Urkunde fehlte und 
im Laufe der Zeit viele Nachfolger gefunden, | einen Pakt mit Obligationen mußten jie 
Größere und Fleinere Vermächtniſſe wohl | einem Hufaren um 6 Stronentaler abhandeln. 
tätiger hiefiger Bürger haben zur Ber: | Darauf ermwirkten fie fih von dem Kom— 
größerung der Dftertag-Stiftung beige- | mandanten eine Sicherheitsgarde und brady- 
tragen, jodaß diefelbe zurzeit über 136000 | ten unter deren Schuge die noch geretteten 
Mark beträgt und e8 darf wohl angenommen | Papiere wieder nah Dürkheim zurüd. — 
werden, daß ich das Kapital auch ferner: Möge die Stiftung in Zufunft vor 
bin durch edle Menfchenfreunde noch mehren | ähnlichen Gefahren bewahrt bleiben, damit 
wird. Alle Anerfennung aber verdient | diejelbe auch weiterhin ihren Segen ent- 
aud die gewiſſenhafte Berwaltung der | falten fann! Valentin Oftertag aber hat 
Stiftung durch die Sechierfommiffion, welche | durch diejelbe jeinen Namen in jegens- 
für ihre Mühewaltung feine Entihädigung | vollem Andenken bei den Armen erhalten. 
erhält als am Balentinstage je 6 große | jeder Dürfheimer erinnert ſich gewiß noch 
Beltenswede. in feinen jpäteren Jahren mit Bergnügen 
Als im Jahre 1794 der Stiftung, wie | des Wohlbehagens, mit welchem er uls 
ihon oben angedeutet, durch die Franzofen | Kind feinen Valentinsweck empfing und in 
Gefahr drohte, wollten die 6 Bermalter | kindlihem ®emüte den ſchon längft ver- 
am 11. April jämtliche Urfunden und Obli- | blidenen Stifter diefer Gabe im nadı« 
gationen, um fie vor dem Raubgeſindel zu | ftehenden Liederterte beim öffentlihen Um: 
ſichern, nach Mannheim bringen, wurden | zuge lobte und jegnete. 
aber unterwegs von einer Abteilung fran- Aöckel. 


Delten Oſtertag. 
Bon Pfarrer Händen. 


Zum Beltenzug beran, beran! „Was ijt mein Glück? Ein goldnes Hoch! 
Es gilt dem beiten Mann, Wär’ ih in Dürkheim noch! 

Des unf're Stadt fi rühmen kann. Am jchönjten war's in Dürkheim doch!” 
Ein Hoch dem Djftertag! &o rief der Oſtertag. 

Hoch Belten Oftertag! Hoch Belten Oſtertag! 

Der Gänſe hier gehütet hat, „Seh' ich nicht mehr mein Heimatland, 
War ſpäter Freund und Rat Soll doch mein Name dort 

Des Kaiſers in der Kaiſerſtadt: In Segen bleiben fort und fort!“ 

Das war der Oſtertag! So ſprach der Oſlertag. 

Hoch Belten Oſtertag! Hoch Belten Oſtertag! 

Doch ihn berauſchte nicht ſein Glück, Du haſt Dich, Belten, nicht geirrt; 

Oft warf er einen Blick Dein edler Name wird 

Auf ſeine Gänſehut zurück. n Segen bleiben, Gänſehirt! 

Das war der Djtertag! tn Hoc dem Diftertag! 

Hod Velten Dftertag! Hoch Belten Djtertag! 


Die Wildkabe. 


Zum Heile für unjere Yagd ift die | großer Zahl vorkommt. Indeſſen ift ihre 
Wildfage im deutichen Baterlande ziemlich | gänzliche Ausrottung, die gewiß jeder Jäger 
jelten geworden. Ausgenommen find jedoch wünſcht, da fie nicht den geringjten Nußen, 
einige maldreihe Teile, vorzüglich des | wohl aber überaus großen Schaden ftiftet, 
mittleren und weftlihen Deutjchlands, wo | darum fehr ſchwer, weil dieſes ebenjo 
fie noch häufiger, wenn aud niemals in | fcheue, wie vorfichtige Tier nicht leicht zu 


fangen ift, auch bei Treibjagden nur äußerft 
ſchwer aus der gewohnten Didung heraus» 
geht. Übrigens wird jo mandes Eremplar 
als echte Wildfage angeiproden und die 
Erlegung überall gemeldet, deren Wiege 
unterm Kamin, hinterm warmen Ofen oder 
in irgend einem Stalle oder einer Scheune 
ftand. Die fiherften Unterfcheidungsmerf- 
male zwifchen einer echten Wildfage und 
einer der wilden sehr ähnlich gefärbten, 
vermwilderten Hausfaße merde ich nachher 
befannt geben. — Raturgeihichtlich gehören 
die Wildfagen zur Drdnung der Raub- 
tiere, zur Gruppe der Sagen und zur 
Familie der Zehengänger; die vormiegende 
Farbe des Balges ift das dunkle grau. 
Die Färbung am Rüden, Hals und Kopf 
ift ein Gemiſch von gelblid- und rotgrau, 
griesaichgrau und bräunlid. Am Unter: 
bals und der Bruft fällt die Färbung am 
meisten ins Rötliche. Die Wildfagen haben 
einen ſchwärzlichen Rüdenftreifen und einige 
ebenjolche Querftreifen, die fih vom Rücken 
über die Rippen bi zum Bauche ziehen 
und häufig verwiſcht und unbejtimmt er- 
Icheinen. 

Das Haar ift fein und weich, im Winter 
lang umd dicht; die Kehle hat einen weiß— 
lichen, oft aud einen gelblichen Fleck, der 
Bauch ift mweißlichgrau und blaßgelb ge- 
miſcht. Die Lippen und Sohlen find 
Schwarz, ebenio hat die Rute mehrere 
glänzend ſchwarze, nahe zujammenftehende 
Ringe und ein ſchwarzes oder doch ſchwärz 
lich gefürbtes Ende. Schwarze Xippen, 
jchwarze Fußſohlen, der gelbliche oder 
weißliche Fleck der Kehle find harafteriftifche 
Abzeichen der Wildkatze. Die Läufe find 
dunfler gezeichnet als der Rücken, bejonders 
an der inneren Seite fait ſchwarz. 

Färbungsvarietäten fommen bei der 
echten Wildfage nur jelten vor und anders 
gefärbte Eremplare fünnen füglich nicht als 
milde angeiprochen werden, da fie in den 
meisten Fällen wohl nur Bajtarde von 
wirklich wilden und vermwilderten Skagen, 
bez. mit Baftarden, find. Befanntlich gıbt 
es viele verwilderte Hauskatzen oder Baftarde 
von wirflih milden und zahmen, da eritere 
und auch zahme Hausfagen mit edjten 
wilden bei zufälliger Begegnung im Freien 
nicht jelten rangen, die mit ihren milden 
Verwandten eine jo auffallende Ähnlichkeit 


in der Färbung haben, daß oft jelbft tüch— 
tige Jäger und Kenner im Zweifel find, 
ob diejelben als Wildfaßen oder nur als ver- 
wilderte angefproden werden ſollen. 

Außer den nachher noch zu nennenden 
fihern Unterſcheidungsmerkmalen finden 
auch einige Säger an den Ringen der 
Lunte — Rute — ein Unteriheidungs« 
zeihen. Dieje follen nämlih an der 
Lunte der echten Wildfage immer wirkliche 
Ringe, d. h. vollfommen geſchloſſen fein, 
während dies bei zahmen, vermilderten 
Katzen, reſp. Baftarden nicht der Fall ift, 
denn bier find diefe Ringe an der untern 
Nutenjeite offen, aljo nicht gejchloffen und 
ericheinen unbejtimmt und vermifcht. 

Im dritten Lebensjahre ftehende, alfo 
vollfommen ausgewachſene Wildfagen er- 
reihen eine Yänge von 50—70 cın, noch 
größere Gremplare mögen bier und da 
vorfommen, gehören jedoch zu den Selten- 
heiten; übrigens jind die Kater ſtets be- 
deutend größer und ftärker als die Weib- 
chen. Junge Wildfagen erreichen im erften 
Herbjte nad) der Geburt ungefähr die Stärfe 
einer Hausfage. Die Yunte ift etwa 30 cın 
und Darüber lang; die Körperhöhe be» 
trägt 30—36 cm. Das Gewicht iſt ſehr 
verjchieden und hängt vom Alter und der 
Nahrung ab, im allgemeinen wird eine 
ausgewachſene Wildkatze 6—9 kg ſchwer. 
— Die Zunge iſt ſcharf und feilenartig 
rauh. Der RNopf erſcheint plattgedrückt, 
bei dem Weibchen iſt er weniger ſtark als 
beim Kater. Die vordern fünfzehigen und 
hintern vierzehigen Branfen find in der 
Form genau jo mie bei der zahmen State, 
nur größer, jedoh haben die Sohlen der 
Hinterläufe nur unten einen ſchwarzen 
Fleck; die einziehbaren Waffen find länger 
und ſchärfer. Beim Wildfater ift Die 
Brunftrute nicht fichtbar. Die dichtbehaarte 
und glänzend geringelte Lunte ift im Ver: 
gleid; zum übrigen Körper kurz zu nennen 
und nicht — nie — wie bei der zahmen 
Katze — oder Bajtard — zugeipigt, fon» 
dern erſcheint wie kurz abgehackt. Wie 
ſchon bemerkt ift die Ähnlichkeit zwiſchen 
den echten Wildfagen und den Baitarden 
oft eine jehr große, ein faljches Anſprechen 
daher leicht möglich; ich will daher noch» 
mals die hauptſächlichſten Unterjcheidungs- 
zeichen bier furz zuſammenfaſſen. 


Die völlig ausgewachjene Wildfage ift 
viel jtärfer als die zahme; der Hals ift 
länger, der Kopf platter, gedrüdter und 
die Lauſcher find fteifer als bei der zah- 
men Katze; bei letterer ift auch die Be- 
baarung weniger fein und lang und dicht. 
Das Gejceide iſt bei der Wildkatze 
ungefähr ein Drittel fürzer als bei 


46 


der zahmen; die MWildfage hat eben den 


Darm der reinen Fleiſchfreſſer, während 
die zahme Sage den Darın eines Tieres 
bat, welches von gemiſchter Koſt lebt. Alle 
Wıldfagen haben einen furzen und alle 
Hausfagen einen gleihmäßig längern Darm. 

Die Frage, ob die Hausfake von der 
Wildkatze abjtammt, iſt noch nicht gelöft. — 
Wie das wilde Tier im gezähmten Zu 
ftande und unter dem Einfluſſe menſchlicher 
Behandlung an jeiner Eigenart verliert und 
eine gewiſſe Änderung mit Beibehaltung 
der charafteriftiichen Grundeigentümlichkeiten 
wahrnehmen läßt, jo erkennen wir aud) 
eine teilmeije Annäherung und Rückkehr 
zum urjprünglichen Wejen und Leben, wenn 
eines unjerer zahmen Tiere vermildert. 
Was eine unüberjehbare Periode der Ber: 
gangenheit bewirkt hat, das fann die ver- 
Ihwindend kurze Lebenszeit eines Tieres 
nicht verwijchen und es fann bier nur von 
Andeutungen die Rede fein, welche uns zu 
dem Schluſſe berechtigen, daß bei ver- 
wilderten Tieren unter der Vorausſetzung 
ununterbrochener Verwilderung die Nad): 
kommenſchaft einer fernen Zukunft fich von 
Generation zu Generation dem Urtypus 
mehr nähern werde. Am langjamften fcheint 
diefe Rückkehr zur Urjprünglichfeit in der 
äußeren form und Geftaltung, in den 
fihtbaren Unterjheidungsmerfmalen von 
ehedem und jet, am jchnelliten in der 
Lebensweiſe und der jenjuellen Begabung 
ftattzufinden. Man nimmt bei verwilderten 
Katzen einen unverfennbaren Unterjcied 
im Vergleiche zu den an Haus und Hof 
geieffelten zahmen Sagen wahr, teils in 
NRücdficht der Größe des Körpers, der Stärke 
und Ausbildung der Gliedmaßen, der Ges 
wandtheit in Ausführung von Unterneh- 
mungen, ſowie in der Zeichnung, die ſich 
derjenigen der Wildfage allmählih zu 
nähern jcheint, teil$ aber vorzugsmeije in 
der Wildheit der Natur und der Schärfung 
der Sinne wie in der Kühnheit der Raub: 


— — — — — — — — — — — — — — — — — 


taten. Mit ihrer Verwilderung betritt 
unſere Hauskatze ein anderes Gebiet des 
Wirkens und der Lebensweiſe, auf dem ſie 
zwar der Hauptſache nach bleibt, was ſie 
war, aber auf ſich ſelbſt nun angewieſen, 
Zögling ihrer Erfahrungen und der dar— 
gebotenen Gelegenheiten und Umſtände wird. 
Ihre Stellung zum Menſchen, ihr Ber- 
halten und ihre Leiftungen gegenüber feinen 
Forderungen, eingedent des guten Rufes 
der Hausfagen wegen ihres wejentlichen 
Eingriffs in das jchädliche Heer der be: 
läftigenden Nager, wird von neuem geprüft 
werden müſſen und zwar vorurteılslos. 
Habt hr, meine Leſer, Euch jchon die 
Frage geitellt, wie vermwildert die Haus— 
tage? Unſere Kage fühlt fi nur wohl 
draußen in Gärten, Wieſen und Feldern. 
— Sehen wir uns zunächſt einmal nad) 
ihrem Haufen in den Gärten um. 

Mit jcharfen Sinnen verfolgt jie den 
Wandel der Vögel. Erfahrung belehrt fie 
über die Eigentümlichfeiten derjelben; fie 
lernt ihre Schwähen und Stärfen, die 
Mittel und Wege zu ihrer Erhaltung, 
Sicherheit und Rettung fennen; fie zieht 
Schlüſſe aus ihren Tönen, ihrem Fluge, 
ihrem Weſen und Benehmen; fie jühlt aus 
allen dieſen Äußerungen den Seelenzuftand, 
in welchem ſich die Tierchen befinden, heraus, 
ihre Furcht, ihre Angſt, VBerlegenheit, Ver— 
zweiflung und Bejorgnis um Neft und Brut. 
Da darf eine Maus den Weg freuzen, die 
vogellüfterne Hape fieht ihr entweder im 
Kampfe mit vorübergehender Unichlüfligkeit 
in der Wahl nad, oder fie verfolgt nad) 
raſch volljogenem Fange ihren urjprüng- 
lihen höheren Zweck, die getötete Maus 
zur Seite legend. Was hilft nun die Lift 
der ihrem Naturtriebe folgenden Gras» 
müde, welche fi zur Rettung der Brut 
in der Abficht, den Feind abzulenfen, zur 
Erde niederfallen läßt und in täufchender 
Beritellung die mühjam Ddahinflatternde 
Flügellahme darftellt?! Die Hape hat das 
ihon öfters gejehen und ihre mißlungenen 
Sprünge nad) der trefflihen Schaufpielerin 
haben fie bereit8 von der Erfolglofigkfeit 
ihrer Bemühungen überzeugt. Eingedenk 
fo mancher glüdlihen Entdeckung, jpäht 
und laufcht fie umher. Zuweilen führt das 
Auskundſchaften in den nädhititehenden 
Büſchen und Stauden zum Ziele, fiherer 


aber das zurüchaltende Lauern. Denn 
entweder fehren die Eltern bald mit Futter 
zur Brut zurücd oder dieſe legtere verrät 
durh Locken den Stand des Neites und 
nun bat die Kae nur zu prüfen, wie fie 
zum Sig der auserfehenen Opfer gelangen 
fann, Hier erreicht fie durch Klettern Die 
auf Büſchen und Bäumen ftehenden Weiter; 
dort weiß fie durch einen Sprung Neft und 
Inhalt zu ſich hinabzureißen. Hier greift 
fie mit der Pfote möglichit tiet in den 
Starenfaften hinein; dort fängt fie auf 
der Lauer die Ernährer vor der Öffnung 
mweg, jo daß die Inſaſſen jämmerlich ver: 
bungern oder, wenn fie flügge genug find, 
futtergierig jchreiend hervorlugen und ſich 
von der Mörderin ergreifen laffen. — 
Gelungene Unternehmungen reizen und 
treiben zu neuen an und da die Vogel— 
beute für Sagengaumen eine wahre Leder: 
jpeife ift, jo mwırd der Sinn der alfo 
Lüftern gewordenen State mit aller Ent» 
ichiedenheit ganz vorzüglih auf ſolche 
Raubzüge hingelenkt. Die Folge ift em- 
pörend genug, denn die VBerheerungen find 
oft der Art, daß faft fein einziges Vogel» 
neft den Sommer bindurdh in den Gärten 
verjchont bleibt, die von Katzen bejchlichen 
und ausgejpürt werden, ausgenommen dies 
jenigen Nejter, welche auf äußerft ſchwan— 
fen Bweigen und in den unzugänglichen 
Stronen der Bäume angebracht find oder 
in engen und tiefen Höhlungen ſtehen. 
Den Erdneitern geht es in Feld und 
Wieſe nicht befjer, womöglich noch jchlimmer, 
denn die Hape nimmt zu wie an Alter jo 
an Schlauhert und erſprießlicher Ausnügung 
ihrer im Gedächtnis haftenden, die Neigung 
beftimimenden Grlebniffe und Erfahrungen. 
Hier erweitert fi der Kreis ihrer Raub» 
taten und Übung mit Erfolg führt fie vom 
Kleinen zum Großen, von der Lerche zum 
Nebhuhn, von der Maus zum Hajen. Da 
ift es nicht bloh die brütende Wadıtel, das 
brütende Rebhuhn, die fie über dem Nefte 
fängt, fondern ihr Verftand leiter fie zu 
weit bewundernswürdigeren Ausführungen, 
fein erfonnenen Taten, — Das allabend- 
the Loden der zeritreuten Hühnerketten 
weckt ihren Unternehmungsgeift. Sie bat 
das Aufftehen der jungen Hühner in der 
Dämmerung gejehen und das „Einfallen“ 
derjelben in der Nähe beglnftigte einen 


47 


Sprung nad einen derfelben. Nun fteht 
die Stenntnisreiche zur Dämmerzeit mit ge 
ipanntem Gehör und gejchärftem Geficht 
am Blätchen, wo die Hühner fich zuiammen- 
rufen oder einzufallen gewohnt find, Ge» 
legenheit macht Diebe — Übung macht 
den Meifter — Erfahrung bildet aus und 
um! Unſere verwilderte Katze fängt nun 
lieber Hühner, Wachteln, Verden und 
Wiefenichmäger, als Mäuſe. Nber nod 
nicht genug. Es fpredye das Räuberleben 
eines Katers, den ich perjönlich fannte — 
eı war meinen Eltern — und der weniger 
verwildert, als vielmehr periodiidy der Hei⸗ 
mat entiremdet war. Eines Morgens fehe 
ich ihn vor unferer Türe auf das Öffnen 
ivartend, mit einem jungen, fait halb» 
wüchligen Hajen Unverfehrt lieferte er 
die Beute ab und in dieſer einen Woche 
brachte er 5 Hafen, alle unverjehrt. 

Zur Erläuterung diejes Auftritts möge 
die genügend verbürgte und ficher feitge- 
ftelte Beobachtung dienen, daß Skaten, 
welche nicht gänzlich dem Hauje entfremdet 
find, den großen Raub nachhauſe fchleppen. 
Vermwilderte Haken dagegen, die fi von 
Haus und Hof ganz und gar entfernt haben 
und eigentlich nirgends daheim find, tun 
dies jelbitverftändlich nicht, ſondern ver» 
zehren auch den größeren Raub an ſicherem 
Drt. Übrigens find es vorzugsweiſe die 
ftarfen, alten Sater, melde ſich ſowohl 
durch Mannigfaltigfeit der Raubtaten, wie 
auch durch regelmäßiges Heimtragen der 
größeren Beute auszeihnen, — Nad) diejer 
fleinen Abjchweifung zur Haus- und ver- 
wilderten Kate fomme ich noch einmal zur 
Wildfage, diefem deutichen Panther. Im 
Juli vorigen Jahres ging id) auf die Birſche 
nad) einem Bock. Die drüdende Hite hatte 
nachgelaſſen; mie ausgeftorben war der 
Wald. Die Sänger des Waldes jchwiegen, 
bloß ließ hie und da die Amfel noch ihr 
Lıed erichallen. Immer mweiter dehnte ſich 
der Schatten aus, Wlöglich hörte ich den 
ftörenden Schrei des im Didicht aufge: 
ichredten Eichelhähers. In der Richtung 
von jener Stelle fommend zeigte ſich vor- 
fichtig jchreitend eine Katze. Am Rande 
des Waldes blieb fie ftehen, ficherte eine 
Weile und trat nun etwas vertrauter auf 
die Wieſe. Ich beobadıtete fie auf etwa 
250 m durds Glas. Sie ſchlich jehr 


borfihtig in der Liefer des Waldes mir den 
Rüden fehrend. Als fie um eine Ede bog, 
benußte ich die Deckung vorwärts zu kommen. 
Als ih in die Nähe von 80 ın fam, war 
fie gerade mit Verzehrung eines kleinen 
Raubes fertig und behielt die geringe Ent— 
fernung von 2 m vom Walde bei immer 
wieder mit größter Vorſicht weiterftreifend. 
Scharf an der Liefer des Waldes ftrebte 
id; näherzufommen und gelang mir aud 
bis auf 60 m. Bligfchnell warf fie den 
Kopf gegen mich um, ein Sprung gegen 
den Wald, ein Knall und fie war meinen 
Augen entſchwunden. Schnell [ud ich den 
rechten Yauf wieder, näherte mich vorfichtig 
der Einiprungftelle, als ich fie im Gehölze 
auf etwa 30 m pfauchen hörte. Sie rich: 
tete die großen, funfelnden Augen auf mid, 
ein zweiter Schuß und der gewaltige Räuber 
hatte außgelitten. So leicht gelingt es 
zwar nur jelten, daß man einer Wıldfage 
babhaft wird. Zum Aufenthalt wählen 
die Wildfagen die engiten Dickungen in 
großen zulammenhängenden Waldbezirken 
und liegen hier tagsüber jchlafend in Fels— 
ipalten, hohlen Bäumen oder in Dadıs- 
und Fuchsbauen, kehren fih aud nicht 
daran, ob legtere bewohnt find oder nidıt; 
übrigens meidet Meifter Reinede die nähere 
Berührung mit diefem ſtets unmwillfommenen 
Eindringling und geht ihm gefliffentlich aus 
dem Wege. An jchönen, fonnigen Tagen 
bringen die Wildfagen auch den Tag 
im Freien jchlafend zu. Am Sommer 
haufen fie zuweilen im hohen Getreide und 
befiegeln damit ohne Gnade das Scicjal 
aller dajelbit lebenden Nebhühner und Hafen. 
Der Freibeuter Reinede erſcheint der Wild: 
fate gegenüber faft als harmloſer Stümper, 
denn ihre überaus große Mordluft und 
Wildheit, ihre Stärfe, Gemandtheit, Aus- 
dauer und die Vorzüglichkeit ihrer Sinnes— 
organe jtempeln fie zum aflergefährlichiten 
beimifchen Raubmwilde und die einzig gute 
Seite, die fie bat, ift die, dat fie ſich in 
unjern heimatlihen Wäldern von Jahr zu 
Jahr jeltener macht. Ebenſo vorfichtig 
ichleichend mie jprunggemwandt, jo fühn mie 
blutdürftig, zerrüttet fie bald jedweden 
BWildjtand, denn was davon dem nimmer— 


48 











fatten Mordgejellen nit nah und nad 
zum Opfer fällt, mwechielt jehr bald von 
dem jo bedrohten, unheilvollen Standorte 
hinweg. An den aufgefundenen, immer 
nah ganz beftimmter Art geriffenen und 
angeichnittenen Stüden Wild wird der be: 
jagende Waidmann jehr bald gewahr, — 
auch ohne noch die darin würgende Beitie 
jelbft von Angeficht zu Angeſicht oder nur 
deren Gefährte erblidt zu haben — weſſen 
Geiftes Kind den Waldfrieden ftört. Bon 
den Dachs und Fuchsbauen aus, melde 
Schlupfwinfel die Mörderin zu ihrer feiten 
Heimftätte wählt, durchſtreift fie rajtlos 
Wald und Gebirge, dabei in ihrer heißen, 
nie zu ftillenden Blutgier Raub auf Raub 
bäufend. Zu ſolchem Zwecke lauert die 
geichmeidige Kanaille hinter Felsblöden und 
alten Baumftümpfen oder aud) aufgebäumt 
in dem unterften ftarfen Geäft großer 
Bäume liegend, ftundenlang in fteinerner 
Unbeweglichkeit und doch nie eingeichläferter 
Yufinerfiamfeit dem Wilde auf jeinem 
Wechfel auf. Und wehe dem Stüd, das 
an fo verhängnisvoller Stelle feiner Bahn 
wandelt, — bligichnell figt ihm das Erallige 
Teufelstier im Nacken. Wie eın vom 
Bogen abgeichnellter Pfeil fliegt das Wild 
mit jähem Sage body in die Luft. Feſt— 
gefrallt wanft und weicht die Kage nie von 
ihrem Site, unrettbar verloren iſt das be— 
dauernswerte Opfer! — 

Die das ganze Jahr als Einfiedler 
lebenden Stater gehen im jFebruar, in ſehr 
falten Wintern auch wohl im März; aus, 
eine Kätzin zu ſuchen, denn in diejer Beit 
beginnt die Ranzzeit; die Ranzperiode 
fällt faft mit der der Hausfage zuſammen 
und jegt geichieht audy die Kreuzung mit 
denjelben. Durch lautes und Flägliches 
Miauen locken die Geſchlechter einander 
an; meiftens finden ſich dann auch mehrere 
Freier um eine Schöne ein und es gibt 
eine Stagenbalgerei; der jchwächere, arg 
zugerichtet, muß weichen. Das erfte Heim 
der Nachkommenſchaft befindet fich meiſtens 
in Dachs- und Fuchsbauen. Nah 9 Wochen 
wirft die Kätzin 3—6 Jungen, die 3 Wochen 
blind find, 

3. Sayermann. 


49 


— 


Die Helbfireinigung der Flülfe.*) 
Bon R. H. France. 


Jedem, der mit offenen Augen in die Flüſſe leiten, unbedingt deren Wafler end- 
Natur blickt, wird es jchon aufgefallen jein, | giltig verpeften und die fürdhterlichiten 


daß die jo lebhafte und reingrüne Farbe 
des Frühlingslaubs im Laufe des Som— 
mers fih verwiſcht. Dunflere Töne, 
ſchmutziges Grün, Beimengungen von Gelb 
und Braun treten auf und ein in das 
Weſen der Natur eindringender Landſchafts— 
maler wird fih mohl hüten, in einem 
Spätjommerbild dieſe jatten, jeltjamen 
Nuancen der Bäume zu vergefjen. Gerade 
fie geben ja dem Bilde einen wejentlichen 
Zeil jeiner charafteriftiihen Stimmung. 
Fragt er bei einem Botanifer an, worauf 
diefer Farbenwechſel beruht, jo fann ihn 
diejer aufflären, es jeien die Zerſetzungs— 
produfte des Chlorophyll durd das inten- 
five Sonnenliht. In den Tropen geht 
dad noch viel meiter. Gelbliche Fär— 
bungen des Laubes jind ganz allgemein 
und bei gewifjen Bäumen (3. B. Pisonia 
alba) werden die in der Yugend reingrlünen 
Blätter infolge des Sonnenlichtes im Alter 
Ichneeweiß. Dieſe VBerfärbung hat aber 
mweder bei uns, no im Süden zu dem 
Bertrodnen und dem Laubfall Beziehung; 
fie ift nicht8 anderes als ein Symptom 
des Alterns, das bei jedem, grellem Sonnen: 
licht ausgefegten Chlorophyll ſich einftellt. 
Das Blattgrün erleidet den Lichttod — 
es wird ebenjo zerjtört wie Anilinfarben an 
der Sonne verbleihen und dadurd muß es 
aud feine phyſiologiſchen Funktionen ein- 
ftelen.. Dieje Tatjahe machte nun die 
Naturforihung darauf aufmerkſam, daß man 
vieleiht auch schädliche Pflanzen durch 
grelles Licht abtöten Fünne. Gin Natur- 
vorbild hierfür mar ohnedies in jener, 
unjeren Gebildeten jaft gar nicht befannten 
und wirtſchaftlich doch jo wichtigen Er- 
ſchemung gegeben, die man die Selbſt— 
reinigung der Flüffe nennt. Das ift ein 
Phänomen, das man für ein Wunder halten 
mußte, bevor man feine Grflärung mußte, 
Es befteht darin, daß der gejamte Unrat 
unferer Städte, den wir gewöhnlich in die 


Seuden nad) fich ziehen müßte, wenn nicht 
die Flüffe all ihre Berunreinigungen jelbft 
verzehren würden. Das anſchaulichſte Bild, 
um welch ernfte und wichtige Angelegenheit 
es fich hierbei handelt, gibt uns der Bericht, 
den eine vor Jahren in Paris eingejekte 
Kommiſſion erftattete, die den Grad der 
Verunreinigung der Seine durch die Parifer 
Kanäle unterfuchte. Der Bericht jagt u. a.: 
„Während oberhalb der Brüde von Asnières 
das Flußbett mit weißem Sande bededt, 
der Fluß dort von Fiſchen belebt ift und 
die Ufer mit reihlihem Pflanzenwuchs be- 
ftanden find, verjchwindet dies alles von 
der Stelle an, wo der große Sammelfanal 
von Clichy einmündet. Er bringt eine Flut 
Ihmwarzen, mit Fettungen, Bfropfen, Haaren, 
Tierleihen und anderem Unrat bededten 
Waſſers, das fi nur langjam mit dem 
Strome miſcht. Ein grauer Schlamm, mit 
organiihen Reſten vermijcht, Häuft ſich 
längs des rechten Ufjerd und erzeugt er- 
höhte Bänke, welche zeitweife übelriechende 
Inſeln bilden. Diefer Schlamm bededt 
weiter unten das ganze Flußbett. In ihm 
gärt es und die bei Berjegungen frei 
werdenden Gasblajen, welche auffteigen und 
an der Oberfläche plagen, haben in der 
beißen Jahreszeit oft I—1!s m Durd- 
mefjer und heben den ftinfenden Schlamm 
vom Boden des Fluffes. Sein lebendes 
Wejen, weder Fiſch noch Pflanze gedeiht 
hier.“ Aber wie merkwürdig, troß dieſer 
ungeheuerlihen Verunreinigung, die das 
Leben von 2! Millionen zujammenge- 
drängter Menſchen mit fidy bringt, ift die 
Seine 70 Kilometer abwärt® von Paris 
wieder ebenjo rein, freundlich und appetit- 
lid, wie vor der Stadt! Und dasjelbe 
Bild, wie die Seine in Paris, zeigt die 
Themje unterhalb Londons, die Spree 
binter Berlin, die Dder nad Breslau, die 
Donau unterhalb Wiens, kurz alle Flüſſe, 
die durch große Städte ftrömen. Ye nad) 


Wir entnehmen diejen intereflanten Abfchnitt der zweiten Lieferung von Frances großem 
Werke „Das Leben der Pflanze“, das Fürzlich im Verlag des „Kosmos“ in Gtuttgartizu:er- 
feinen begonnen Hat. Die 1. Abteilung: „Das Pflanzenleben Deutſchlands“ iſt auf 26 Liefe- 


rungen (& 1 Marf) berechnet. 


der Größe der Stadt bezw. der Berun- 
reinigung find fie nad 50 - 70 Stilometer 
wieder völlig gereinigt. Die Hygiene be- 
grüßte das freilich danfbarften Herzens, 
aber es madte ihr viel Kopfzerbrechen. 
Heute wiſſen wir, daß es eigentlich das 
Sonnenlicht iR, welches die Flüffe und 
alle Wäfler reinigt. Und zwar in folgender 
komplizierten Weife: Die organifchen Ab— 
fallftoffe ernähren Billionen von Waſſer- 
bafterien und Fadenpilzen. Dieſe jpalten 
die Subjtanzen in einfachere chemijche Ber- 
bindungen, erzeugen aber zugleich giftige 
Berjegungsprodufte, die keinerlei anderes 
Pflanzenleben auffommen laſſen. Aber 
wenn meiter flußabmwärts ſich die Abfall. 
jaude mehr zerlöſt und das Sonnenlicht 
tiefer in das Waſſer eindringen kann, be« 
ginnt die Selbftreinigung. Die Bafterien 
können dem hellen Sonnenlicht nidyt wider: 
ftehen. Sie erleiden den Lichttod. Die 
durch fie erzeugten organijchen Stoffe bleiben 
zwar, aber ihre Gifte werden durch die 
immer weitergehende Berdünnung unmirf- 
fam und die Sonne, welche die uns ſchäd— 
lihen, Organismen tötet, ruft die uns 
nüglihen ins Leben. Cine Unmenge 


50 


mifroffopifcher, grüner Pflänzchen fiedelt 
fih dann an und verzehrt eifrig alle Reſte 
der Jauche, melde dur die Bakterien 
merfwürdigermeije jujt jo weit chemiſch zer- 
legt wurde, daß fie in den Stoffwechſel 
der grünen Pflanzen einverleibt werden 
kann. Es ift derfelbe Prozeß, den wir bei 
der Humusbildung fennen lernten, nur 
ift er bier ins Wafjer übertragen und jpielt 
ſich ausfchließlih ın den Wegionen mikro— 
ſtopiſcher Kleinheit ab. Die grüne Pflanze 
ift eben überall die Erhalterin der Ge— 
jundheit; jo wie fie eine kahle Einöde zum 
Baradies verwandelt, jo kann fie den übel- 
riechenden Kanal aud wieder zum Flaren, 
durchlichtigen, poetiſchen Flüßchen machen, 
und dur den zarten, grünen Schimmer 
unferer Gewäſſer, von dem der Stundige 
weiß, daß er aus lauter mikroſkopiſchen 
Bflängchen beiteht, uns vor Geuden und 
den Giften der Bafterien bewahren, Des» 
halb fucht man jet dieje „biologiiche Klärung 
der Abwäſſer“, wie der techniſche Ausdruck 
für diefen Vorgang lautet, mit allen Mitteln 
zu erzielen und zu bejchleunigen. (Seidel- 
berger Tageblatt.) 





Barflellungen aus der bayerifhen Ariegs- und Heeresgeſchichte. 


Das 15. Heft der Darftellungen aus | 


der bayerifchen Kriegs und Heeresgeſchichte, 
herausgegeben vom f. b. Kriegsarchiv (J. 
Lindauerihe Buchhandlung, Echöpping) legt 
gleich jeinen Vorgängern rühmliches Zeug: 
nis ab von der erfolgreichen Tätigfeit, mit 
welcher unter der zielbemußten Leitung des 
derzeitigen Borftandes die Schätze unſeres 
ſtriegsarchivs für die Allgemeinheit nugbar 
gemacht werden. — Das diesmalige Heft 
enthält an Epezialartifeln: 

l. Die Neubildung der baye 
riſchen Heeresabteilung nad dem 
Nüdzug aus Rußland 1812 und die 
Greigniffe bis zur Rückkehr in die Heimat 
1813. Bon Heinrid Demmler, Ober 
leutnant im 1. Jäger-Bataıllon. 104 Seiten. 

2. Der Anteil des k. b. 6. Jäger: 
Bataillons am deutſch-franzöſiſchen 
Kriege 1870,71. Bon Eduard Hagen, 
Generalmajor 3. D. (Mit 4 Skizzenbei⸗ 
lagen.) 157 Seiten. 


| 





Ad. 1, Aus der gewifjenhaften ſorg · 
fältigen und auf eingehendes Quellenſtudium 
gegründeten Arbeit des Oberleutnants 
Demmler erjehen wir, meld; erhebliche An— 
ftrengungen Bayerns Sriegsverwaltung 
machte, um feiner mobilen Armee die 
dringend notwendigen Erjagtruppen zuzu— 
führen. Diefe wurden in 5 Stolonnen 
formiert, von welchen man die erften 3 
noch im Oktober, die legten 2 im Dezember 
abſchickte. Beſonders die eriten, von älteren 
Stabsoffizieren geführten Kolonnen waren 
infolge der überaus ſchlechten Straßen, der 
höchſt mangelhaften Etappeneinrichtungen 
und einer unmenſchlichen Kälte großen 
Strapazen unterworfen, jo daß viele ihrer 
Yeute bereit8 während der Märſche in 
Polen zu Grunde gingen, noch ehe fie zu 
ihren Truppenteilen gelangen fonnten. 
Weiterhin findet der Rüdzug vom Niemen 
bis zur Weichſel, die Neuformation des 
bayerischen Korps in Klozk, die Fortſetzung 


- Sl — 


des Rückmarſches von der Weichfel nad; | November 1861 bis 20. Dezember 1862 
Thüringen und die Rüdfehr nach Bayern als Unterleutnante in feinem Stande ver- 
ausführlihe Schilderung, in der bejonders | blieben. — Das Bataillon nahm am FFeld- 
auf die Darftellung des Gefechtes bei Kol- zuge 1866 rühmlichen Anteıl und kämpfte 
dig am 29. März gegen ruffiiche lavallerie | tapfer bei Roßdorf und Kiffingen. Nach 
und des Überfalles von Langenjalza am | dem Feldzuge ward ihm Forchheim und 
13. April durch preußifche Hufaren als all- | im März 1868 Erlangen ald Standort 
gemein intereffante und lehrreiche Epifoden | angewiejen. 
hingemwiejen werden darf. Die beigegebenen In Erlangen insbefondere hatte ſich das 
Ausweiſe über GStärfe und ABujammen- | Bataillon vorzüglich eingewöhnt und mit 
fegung der Grgänzungsfolonnen beim Ab: | der Bevölkerung fomohl als mit den An— 
marſch von Bayreuth, der Kriegsgliederung | gehörigen der Univerfität auf den beiten 
und Kopfftärfen des 6. Korps der großen | Fuß geftelt. Mächtig war daher die An- 
Armee nad) dem Stande des 1. Januars | teilnahme der von hoher patriotiicher Be— 
und der Divifion Rechberg nad) dem Stande | geifterung bejeelten Univerſitätsſtadt, als 
vom 17. März 1813 vermehren den Wert | ihre Jäger am 22. Juli 1870 mit den 
der Abhandlung ganz beträdtlich. anderen Truppenteilen der 7. Infanterie 
Ad. 2. Noch mehr intereffiert uns der | Brigade zum Grenzihug in die Rheinpfalz 
feinem Inhalt nach zeitlich mäherliegende | eilten. Wie nun das Bataillon am Gefecht 
zweite Auffag, weil jo manchem der Feld: | von Weißenburg, an der Schladt von 
zugsteilnehmer damit Selbfterlebtes wieder | Wörth, bei der Einnahme von Marjeille, 
in Erinnerung gebracht wırd: Der Unteil | bei der Einſchließung von Toul, der Schladt 
des k. b. 6. SYäger-Bataillons am deutfh- | von Sedan, beim Vormarſch auf Paris, 
franzöfiihen Kriege 1870,71. — Das 6, | bei den Gefechten von Petit Bicetre und 
Jäger: Bataillon wurde am 1. Januar 1851 | Ehatillon beteiligt und bei der nun fol- 
errichtet und ging am 1. Dftober 1878 | genden Belagerung von Paris bejonders in 
im f, 6. 17. Infanterie-Regiment „Orff“ dem ihm auf längere Zeit zugemiejenen 
wieder auf. So kurz diefes Dafein auch Abfchnitt von Bourg la Reine tätig war, 
war, jo intereffant geftaltete fich dasjelbe | fann hier nur angedeutet, möchte aber 
und mit voller Befriedigung und regem | jedem Offizier zu aufmerfiamem Studium 
Intereſſe wird der Leſer die friih und | beftens empfohlen werden. 
lebendig geichriebene Darftellung der Er- Gerade die Berwendung des Bataillons 
lebniffe des Bataillons verfolgen. Die An- | in der Stellung bei Bourg la Reine, 
gabe der benugten Quellen läßt deutlich | welche durch vier jehr gut ausgeführte 
erfennen, wie jorgfältig und gewiſſenhaft Skizzen eine vortreffliche Illuſtration er- 
der Berfaffer die eigenen und perjönlichen | hält, erjcheint für den jungen Offizier ganz 
Erfahrungen aus dieſen ergänzt und er- | befonders lehrreich. 


weitert hat und wie es ihm gelang, ein jo Die Feldzugsgefchichte des 6. Jäger⸗ 
farbenreiches Bild jenes Beitabjchnittes vor | Bataillons ift vielleicht nicht fo glänzend, 
unferen Augen zu entrollen. wie die vieler anderer vom Soldatenglüd 


Nach feiner Errichtung ftand dad Ba | begünftigteren Truppenteile — doch war 
tailon 11 Fahre in München, wodurch ihm | fein Anteil am Kriege 1870.71 in hohem 
die Auszeihnung zuteil werden konnte, daß | Maße ruhmvoll; auch die 6. Jäger haben 
Ihre E. Hobeiten die Brinzen Yudmwig | ihr redlich Teil beigetragen zum Ruhm des 
und Leopold ihre militärische Laufbahn | bayerifchen Namens und zur Wiederauf- 
in jeinen Reihen begannen und vom 28, | richtung des Deutichen Reiches, 





Bas Ende eines gräflidhen Abentenrers. 


Aus Frankfurt a. M. murde den „M. | in feiner Wohnung Graf Emich Friedrich 
N. N.” geichrieben: Im tiefften Elend | Thomas zu LReinigen-Wefterburg- 
ftarb am 6. Juli vorigen Jahres hier | Alt-Leiningen. Der Verftorbene hat 


ein beivegtes, abenteuerlides Leben geführt. | 


Im Yahre 1846 zu Mainz geboren, genoß 
er in Ungarn im Haufe feiner Tante, der 
Witwe des Grafen Karl zu Leiningen, feine 
Erziehung. Wit 16 Jahren wurde er 
Leutnant in der öfterreichiichen Armee, 
machte den Krieg von 1866 mit, wurde 
aber nad Friedensihluß wegen Feigheit 
vor dem Feinde verabſchiedet. Dann war 
Graf Emich kurze Zeit päpftliher Zuave. 
Gar bald ging es bergab mit ihm. Syn 
Monte Carlo, Homburg und Nauheim 
hatte er im Spiel noch Glüf. Nach Öfter- 
reich zurüdgefehrt, heiratete er ein Fräu— 
fein Fiſchl v. Gumpendorf, deren 
Millionen er bald fleingemadt hatte, jo 
daß der Vater der Gräfin Emich fi ge- 
nötigt ſah, die Scheidung herbeizuführen. 
Graf Emich geriet nun unter Hodjtapler 
und Buhälter in Wien, murde zum Dieb 
und mußte mehrere Jahre Kerker abfigen. 
Dann murde er des Landes verwieſen. 
Er wandte fih wieder nah Deutichland 
und madıte in Dresden nochmals Belannt- 
ſchaft mit dem Gefängnis wegen Betrugs. 
In Freiheit gejegt, machte er mit einer 
Wienerin namens Zeidelberger Deutſch— 


52 


land, Öfterreih, England und Amerika 
unſicher. Die Zeidelberger, die fi Gräfin 
Leiningen nannte, fam in Wien in Haft 
und ftarb dort. Der Graf mandte fid 
nun nad Frankfurt, wo er volljtändig 
mittellos anlangte. Er fand bier eine alte 
Bekannte, die Schneiderin Olga Bauern: 
feind, die ihm Geld jchenfte. Beide ent: 
führten 1895 die 15jährige Lifette Schweig- 
höfer nad London, Die Folge war eine 
zweijährige Gefängnisftrafe dortielbft. 1898 
war Graf Emich wieder in Frankfurt. Er 
war eine Zeitlang Häufermafler und lebte 
fonft von Spiel und Bump. Sm legten 
Jahre feines Lebens litt er an Zungen- 
frebs. Sechs Tage vor feinem Tode hei« 
ratete er zum zweiten Male und zwar ein 
Fräulein v. Horded aus Wiesbaden, die 
ihm, der mit Nahrungsforgen auf jeinem 
Kranfenlager zu kämpfen hatte, einige tau— 
jend Mark mitbradite. Einſam und mit 
jeinen vornehmen Verwandten gänzlich zer- 
fallen, erlag er der jchredlichen Krankheit. 
Auf feine agnatifchen Rechte hatte er bereits 
im Jahre 1882 für fih und jeine Nach— 
fommen (eine verheiratete Tochter aus eriter 
Ehe lebt in Ofterreich) verzichtet. 





Eine Umfrage, den Weinbau betreffend 


regen die „Pfälziſchen Gejchichtsblätter” 
(Monatsbeilage zur „Pfälziichen Preſſe“) 
in Ar. 11 von 1906 an und wir folgen 
gerne dem auch von uns geplant gewejenen 
Aufrufe, der hoffentlih wie unfere Er- 
fundigungen über die Ginführung des 
Startoffelbaues oder das Vorkommen des 
Wolfes in der Pfalz von Erfolg gefrönt 
fein wird. Es wäre an folgende Einzel» 
aufgaben zu denfen: 

1) Ale Weinflurnamen (Sirchenftüd, 
Kies, Hunger, ftet® mit Ortsbezeichnung). 

2) Alle Rebenforten, gleichviel ob noch 
angebaut oder bereit verſchwunden. 


3) Wo kommen die Namen Bunger, 
Heuniſch, Heinſch, Haniſch u. dgl. vor? 

4) Wo kennt man Überrefte des Keller— 
rechtes, eines Küferprozeſſes, wie z. B. in 
Franfen ? 

5) Namen der beim Weinbergbau ver- 
wendeten Geräte und volfstümliche Ausdrücke. 

6) Lieder, die im Herbfte beim Wein- 
lefen und eltern gejungen werden, 

7) Bo murde früher Wein gebaut, 
aber heute nicht mehr? 

8) Wo wird in der deutichen Literatur 
des Pfälzermweines gedacht? (Iffland, Die 
Jäger z. B.) 


Inbalt: Steinkreuze bei Kaiſerslautern. — Die Balentin Oſtertag-Stiftung in Bad 
Dürkhelm. — Die Wildkatze. — Die Selbſtreinigung der Flüſſe. — Darſtellungen aus der baye— 
riſchen Kriegs⸗ und Heeresgeſchichte. — Das Ende eines gräflichen Abenteurers. — Eine Umfrage, 


den Weinbau betreflend. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern. 
Für Form und Inhalt ber Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich. 


Die „Biälziihe Heimatkunde“ Toftet jährlich in 12 Heften DE. 2.50. Weflellungen werben von allen Buchhandlungen und 
VoRanflalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbandfendurg) angenommen. 


III. Jahrgang. 





U 


EAN EA 


Nummer 5 


Mai 1907. 





FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE | 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 





Atmoſphäriſche Lichteffekte. 


Sonne und Mond find nit mit Un 
recht im Sindesalter der Menjchheit gött— 
liher Ehren teilhaft geworden. it es 
doch neben der belebenden Wärme faft das 
Licht allein, welches organifches Leben ge: 
deihen läßt, welches jelbft in den tiefften 
Tiefen des Ozeans zu den Dajeind- 
bedingungen gehören muß, wenn die letzten 
Lebewejen, welche ihre einjame Zeit in 
jolhen Oden verbringen, noch mit Licht» 
apparaten ausgerüftet jind und dorthin 
einen matten Schein tragen, wohin jelbjt 
die grellen Strahlen unferes Tageögeitirns 
nit mehr zu dringen vermögen. Das 
Licht ift e8 auch, das die munderbaren 
Zöne in die fonnenbejchienene Landſchaft 
bringt und den Dingen Geitalt und Farbe, 
dem Himmel Bläue, den Entfernungen 
Tiefe gibt. In ſcharfem Sontrafte hebt 
fih das plaftifche Objekt von feinem düftern 
Scatten ab; aber jelbft wenn die Sonne 
unferem Blicke entzogen ift, läßt die milde 
Wirkung des zerftreuten Tageslichtes unjerem 
Auge no alle Nähen und Fernen offen- 
bar werden, oder feine erjten Worboten 
grüßen den werdenden Tag, indem fie den 
Dfthimmel blutrot färben, wie die lekten 
Strahlen die Nacht mit rojigem Schimmer 
verfünden. 

Auh hoch oben in der Atmojphäre 
gibt es reizvolle Lichteffekte, die den innen: 
den Blid feſſeln. Ein magiſcher Dunjtkreis 
um Sonne und Mond, eine breite Storona 
um dieſe Himmelskörper, die zumeilen 
zauberhaft überrajdyend auftreten, große 


Lichthöfe am leicht verjchleierten Himmel 
und die impojante Farbenpracht der Luftigen 
Brüde eines Regenbogens, fie find Kinder 
der Sonne und leben ihr kurzes Dafein 
auf den Flügeln des Lichtes. Schon die 
Bartheit der Grjcheinungen und die ger 
milderte Pracht ihrer Färbung verraten 
uns, daß fie auf Ummegen zu unjerer An- 
ihauung gelangen; fie find Phänomene, zu 
deren Entjtehung es eines Mitteld bedarf, 
das uns zugleih als Träger diejer Lichter 
ericheint: des Waſſers. Diejer wunderbare 
Stoff, deilen Eigenſchaften an fi jchon 
taufenderlei Folgen für unfere irdifche Welt 
bedingen, ift auch Urſache für das Auf- 
treten und die Geftaltung der atmojphärijchen 
Lichterjcheinungen, ob er nun in Form von 
Dunft oder von Waffertropfen oder von 
Eisnadeln auftritt. 

Blifen wir am nebeligen Abend die 
Straße hinauf, deren lange Lichterreihe 
allmählich in der Ferne verblaßt, jo ge- 
wahren wir um jede Flamme einen runden 
Lichtichein im dichten Dunftfreife. Die in 
der Luft ſchwebenden Nebelbläschen wirken 
in der Nähe der Lichtquelle nämlih nad 
Art von Prismen und leiten infolge der 
Brechung aud noch bis zu einer gewiſſen 


" Entfernung im Umkreiſe der Flamme Licht 


nad) unjerem Auge; indem dies nun ringsum 
geichieht, jo Hat die Korona aus einiger 
Entfernung gejehen, die Geftalt einer kreis— 
fürmigen, am Rande matter werdenden 
Fläche. Gewiſſe Waſſerteile in der näheren 
Umgebung vermögen jogar bejonders viel 


Licht zu uns zu brechen, ſodaß ein Wing 
von ftärferer Reuchtfraft als feine Umgebung 
nahe um die Laterne entfteht, die Aureole. 
Was jo an jedem Nebeltage in die Er- 
ſcheinung tritt und im Fleinen jogar an 
der dunftbeichlagenen Fenſterſcheibe bemerft 
wird, kann man in ausgeprägter Form 
etwas jeltener am Monde, aber auch ge- 
legentlih an der Sonne wahrnehmen. Die 
Urſachen find die gleichen und das ge- 
dämpfte Mondlicht ift beionders geeignet, 
das Phänomen in aller Zartheit darzuftellen. 
Manchmal erfennt das farbenempfindliche 
Auge leiht eine Tönung des Ringes, wo— 
bei der violette Rand die innere Begren- 
zung bildet. Gewöhnlich beträgt fein 
Durchmeſſer 2 Bogengrade oder 4 @ breiten, 
alfo foviel, daß man ihn durch einen mit 
ausgeftredtem Arme gehaltenen Taler gerade 
bedefen kann. Wenn aud der hoch— 
ſchwebende Nebel der Träger der Aureole 
ift, jo hat man doch in den Geſetzen der 
Bredung ein Mittel gefunden, die Größe 
oder vielmehr Kleinheit der Dunftbläschen 
zu bejtimmen, welde den feingefärbten 
Sreisring hervorzaubern; der Kuriofität 
wegen jei hiermit angemerft, daß die Bläs- 
chen wohl faum gröher als ein Taujendftel 
eines Millimeter find, dem Auge aljo 
böchftens bei Anwendung eines Mifrojfopes 
mit wenigftens hundertmaliger Vergrößerung 
fihtbar gemacht werden fünnten. So wirft 
das Sleine Großes — denn der Ring ſelbſt 
hat am Orte jeiner Entftehung ficherlich oft 
100 m Durdmefler. 

Ähnlich den Aureolen, aber noch ein- 
drudsvoller im Anblıfe find die Höfe, 
die ebenfall3 am leichteften beim Monde 
geiehen werden, weil dergleichen zarte Effefte 
bier nicht wie bei der Sonne durd den 
blendenden Glanz der erzeugenden Licht 
quelle überftrahlt werden. Die großen, 
leeren, von einem jcharf begrenzten Licht 
mwalle unizogenen „Höfe“ um den Mond 
treten in unjerem Grdftrich zu häufig auf, 
als daß fie nicht allgemein befannt fein 
ſollten. Es gibt aber 2 Arten; die einen 
haben einen Durchmeſſer von 22 Grad, 
die anderen find bis zum doppelten Maße 
ausgeipannt, umfaflen alfo ein volles Biertel 
der Himmelsfugel über uns! 

Meiſtens treten diefe Höfe, auch „Halo“ 
(Mehrzahl Halonen) genannt, nur auf, 


wenn das erzeugende Geftirn ziemlich hoch 
ſteht; es ift auch einleuchtend, daß der im- 
pojante Lichtkreis vollftändig nur gejehen 
wird, wenn fih Mond oder Sonne hoch 
genug über den Horizont erhoben haben, 
was 3. B. beim Bollmonde nur im Winter, 
bei der Sonne nur im Hodjommer dann 
der Fall jein wird, wenn zugleich beide 
nicht weit von der Südlinie, dem Meri- 
diane, entfernt ftehen; aljo wären die beiten 
Bedingungen nad) der Tageszeit ausgedrüdt 
etwa um Mittag oder um Mitternacht 
herum gegeben. Auch dieje jchmalen Licht: 
wälle laſſen häufig die feine Tönung des 
Negenbogens erfennen; den inneren Saum 
bildet da8 Rot, den äußeren PBiolett. 
Daraus folgt; daß Bredhung des Lichtes 
im Waſſerdunſt bezw. in den Eisnadeln der 
größeren Höhen allein die Urjage der 
zarten Erſcheinung fein kann, denn nur ge— 
brochenes & Licht wird da in feine Einzel- 
farben zerlegt. Wenn aber außer dem 
Ringe auch nod eine jäulenförmige Garbe 
gleihfam als Durchmeſſer des Halo ficht- 
bar wird, fo fommt das nicht von einer 
Brehung, was ſchon aus dem Fehlen far: 
biger Säume zu ſchließen ift, fondern 
diefer Schimmer ift eine Folge von Spie— 
gelung, welche wohl durchweg an den glatten 
Flächen regelmäßig gelagerter Eiskryſtällchen 
ftattfindet. Cine entfernt ähnliche Streifen- 
erjcheinung ift jedem Träger eines Augen 
glafes befannt: Wenn man nämlich mit 
fettigen Fingern über ein Brillenglas ftreicht, 
etwa der Längsachſe des Glafes parallel, 
jo fiehbt man beim Durdbliden alle Licht» 
punkte mit jenfredten Lichtfäulen durch— 
quert; hat man bie Glasfläche quer über- 
ftrihen, jo ftellen fi die hellen Bänder 
horizontal über die Lichtquellen. Man kanu 
aljo das Streichen mit einer Art Barallel- 
tigung der Fettichichte vergleichen; dadurch 
entftehen Willen oder vielmehr lauter 
Stäbchen, deren Seiten das Licht ins Auge 
ipiegeln. So ähnlich werfen die aus irgend 
einer Urjache (vielleiht Windrichtung) un» 


gefähr parallel gerichteten Eisfryftalle auch 


von ihrer Umfläche Licht in unfer Auge, 
weshalb die Richtung des Schimmers in 
einer geraden Linie liegen muß. Gleich— 
zeitig leuchtet auch ein, daß jeder Beobachter 
diefe Säule nebit dem Haloumfang an 
anderer Stelle jehen muß, weil die Reflerion 


jamt der Refraftion nur nad einem be- 
ftimmten Punfte zielt, zu dem eben für 
jede8 Auge an jedem Drte eine eigene 
Richtung führt. Würden aljo zwei Beo— 
badıter, die am Nande einer Stadt photos 
graphiihe Aufnahmen des Halo und der 
dunflen Silhuette der Stadt mit Türmen 
und hoben Häufern machten, ihre Bilder 
mit den durch die Turmſpitzen 2c. gegebenen 
Fixpunkten vergleichen, fo wäre jofort eine 
Berjchiebung der Halverjcheinung erfennbar, 
die aber nicht allein aus der großen Ent 
fernung der Quelle derfelben ſtammte, 
fondern auch davon, daß der Ort, mo 
der Ring und fein Anhängjel entitanden, 
mit dem Beobachter wandert! 

Unter den luftigen Sindern des eilenden 
Lichtftrahles, die in großen Höhen unjerer 
Atmojphäre ihre Heimat haben, gibt es 
noch ein merkwürdiges Wejen, das aud 
dadurd einzigartig ift, daß es liberhaupt 
nur in allerhöchhten Regionen jeinen Ur 
ſprung nimmt: der „Bistopifche Ring“. 
Wenige Menjchen werden dies Phänomen 
gejehen haben und da es von einem einzig 
großartigen Elementarereigniffe auf unferer 
Mutter Erde abhängig war, jo muß feine 
Sichtbarkeit bis zum völligen Verſchwinden 
erblajfen, mas vielleiht heute ſchon ge: 
ihehen ift. Der Krakatau Ausbruch im 
Maı 1883 fchleuderte joviel pulverifierte 
Aichenbeitandteile oder Rauchmaſſen in die 
höchſten Schichten der Erdatmoſphäre, daR 
diefe in den wohl meiltens gleichmäßig 
flutenden Regionen gleichſam lange Zeit 
ftationär blieben und dur Beugung des 
Sonnenlichtes beim Borbeiftreifen an den 
feinen, fejten Stoffteilhen einen 14° bis 
fogar 19° großen Ring um die Sonne 
verurfadhen fonnten. Es wäre nicht un: 
möglih, daß man einen gewilfen, als 
„Burpurlicht” bezeichneten und heute noch 
erkennbaren Schein als mit dem genannten 
Ninge verwandt finden wird. Die Staub: 
teilen ſollen, theoretisch berechnet, nur 
!soo mm groß jein. 

Räumlich, wie nadı der Häufigfeit des 
Auftretens viel näher liegend ſind jene 
wunderbar lieblichen Brüden, die wir unter 
dem Namen Regenbogen fennen. Treten 
die vorbejprochenen Ringe nur in weiteren 
Entfernungen von der Grdoberflähe auf, 
fo erfcheint der Regenbogen ſchon in feiner 


Figur als ein nahes Meteor; ift er doc 
nie mehr als höchſtens halb zu jehen, ja 
meiftens nur als flachgemölbte Brücke über 
nahe Landſchaften ausgeipannt! Und in 
der Tat fann man e3 der davoneilenden 
Gemitterwolfe anjehen, daß fie der naher 
befindliche Träger des zarten Lichtbildes 
ift — ja, der Sprühregen eined vor uns 
ftehenden Springbrunnens miſcht fich die 
Farben des intereffanten Bogenjegmentes 
vor unjeren Augen jederzeit ohne Gewitter 
und Gefahr, fobald nur die Sonne in die 
Zaufende der tanzenden Xröpfchen ihr 
ftarfes Licht jendet! War es bald Bred)- 
ung, bald Spiegelung, bald Bergung, die 
am hohen Himmelsdome die weſenloſen 
Kreife z0g, fo ift es im Falle des Regen« 
bogens allein die Brechung, melde das 
farbige Band webt. Allerdings wirft aud) 
hier die Spiegelung mit; fie hat aber. auf 
die Färbung des Bandes feinen und auf 
jeine Breite nur geringen Einfluß; dagegen 
bewirkt fie, was jedesmal mit einer Licht 
reflerion verfnüpft ift, nämlich eine Um— 
fehrung des Bildes, bezw. der Rarbenfolge, 
wie wir unten jehen werden, 

Die vom Winde gejagten Regenitreifen 
und «bänder einer von Ferne gejehenen 
eilenden Gemwitterwolfe find allgemein be» 
kannt. Denken wir uns dieſes die Auf- 
faffung erleichternde Bild jo betrachtet, daß 
wir die Sonne im Rüden, die fich ent- 
fernende Wolfenwand aus fallenden Trop— 
fen vor uns haben, jo erfennen wir, daß 
dieſe mittelft ihrer glatten, Eugeligen Trop— 
fen jowohl fpiegeln, ald das in dieſe ein- 
dringende Sonnenlicht brechen kann, In 
unjerem alle werden wir nur die ein- 
dringenden Strahlen betrachten, Diejelben 
werden durch Brechung nad) der abgefehrten, 
hinteren Wand jedes Waſſerbläschens ge- 
lenft und dort „total reflektiert” und ge— 
langen, ſowohl wegen des jeßt längeren 
Weges im Wafler, als wegen nochmaliger 
Brehung beim vorderen Wiederaustritt in 
die Luft, als ziemlich ſtark zerftreutes 
Farbenbündel zum Auge des nachblidenden 
Beobachters. Diefes Zerftreuen an ſich 
würde bei einem einzelnen XQropfen ‚nur 
den Effekt haben, daß irgend eine farbe 
fihtbar würde; da aber die Farben nad) 
oben und unten, bezw. im $freisbogen nad) 
aus: und einmärts zerftreut werden, jo ift 


ed verftändlich, daß in einer längeren Reihe 
von Tropfen, die in Richtung des Radius 
des Bogens liegen, von jedem Tropfen aus 
eine andere farbe zu einem bejtimmten 
Punkte (Auge) gelenkt wird. Bon gewiſſen 
Punkten der Reihe an wird aber weder im 
einen noch anderen Sinne farbiges Licht 
in das Auge gejandt werden, denn dieſes 
geht entweder darüber oder darunter vor- 
bei. Aus diefem Grunde ift eine Begrenzung 
der Farben ald Band ebenjo natürlich als 
das Erfordernis, daß die Tropfen, melde 
farbiges Licht zum Auge des Beobachters 
jenden, in gewiſſem, überall gleihem Ab- 
ftande von einem Mittelpunfte liegen 
müſſen; ein einfaches Nachdenken lehrt uns, 
daß dieſes Zentrum der Gegenort der 
Sonne an der Himmelsfugel ſein muß, 
aljo in einer Linie liegt, die von dieſer 
durch unferen Kopf geht. Würde aljo bei 
Sonnenauf» oder »untergang ein Regen: 
bogen gejehen werden, jo müßte dieſer 
genau ein Halbfreis fein; in jedem anderen 
Falle, aljo mit der Erhebung des Tages: 
geftirns über den Horizont, ift er fleiner; 
und wenn die Sonne um den Halbmeſſer 
des immer gleichen Bogens hoch geftiegen 
ift, fo gibt es für einen Beobachter in der 
Ebene überhaupt feinen Regenbogen mehr; 
nur wenn jein Standpunft etwa auf einem 
boden Turme oder fteil abjtürzenden Tal— 
abhange gedacht wird, ift auch dann noch 
eine Sichtbarkeit des Bogens tief unter 
dem Beichauer zur Möglichkeit geworden. 
Die innere Begrenzung des Regenbogens 
ift immer violett; an der Stelle des Rot, 
außen, ift der Durdjmefler des Bogens 
41 Grad groß, daher kann bei einer 
Sonnenhöhe von mehr als 41 Grad fein 
Bogen mehr gefehen werden. 

Nun bejteht aber die Möglichkeit, dat 
das Licht innerhalb der Wajlertröpichen, 
bejonders bei mittelhoher Sonne, erft deren 
unteren Teil durdjläuft, an der Hinterwand, 
weil an einem tiefen Punkte reflektiert, auf: 
wärts geht und dann nad vorn und oben 
wieder austritt. Da doppelte Spiegelung 
eintritt, muß das fo entftandene Bild die 
umgefehrte Farbenfolge haben; und in der 
Tat hat der Nebenbogen, der oftmals den 
glänzenden Hauptbogen in blafjerem Lichte 
außen umfpannt, innen rot und außen 
violett; legterer Farbenring hat einen Halb- 


56 





meffer von 54 Grad, jo dab bei großen 
Sonnenabftand vom Horizonte ein Neben: 
bogen immer noch ſichtbar fein kann, wenn 
der Hauptbogen auch längft für den Be— 
ichauer unmöglicd geworden ilt. 

Was die Sonne hier vermag, fann im 
aflgemeinen auch der Bollmond zuftande 
bringen ; doch find jo zarte Mondregenbogen 
aus leicht begreiflichen Gründen eine jehr 
jeltene Naturericheinung. 

So bekannt und häufig ın den Sommer: 
monaten die Negenbogen find, jo gibt es 
doch nur jeltener Gelegenheit, die Doppel: 
brücden zu erfennen, meil zu deren Ent- 
ftehung eben bejondere Umjtände zu den 
allgemeinen Borbedingungen (der Höhe und 
Richtung der Sonne, der Höhe und Dich: 
tigfeit der fortziehenden Regenwand, nach— 
folgenden Klarheit des Himmels) gehören. 
Aber auch noch mehr fomplizierte Segmente 
laſſen fich gelegentlich auffinden. So ge 
lang es dem Berfafler am 17. Mai 1899, 
jogar innerhalb des Hauptbogens noch mehr- 
fahe Wiederholungen violetter Ränder zu 
zählen, deren nad innen gut begrenzte 
Farbe in vierfaher Wiederholung vom 
Hauptbogen aus die Abftufung blau-violett, 
blau:violett ꝛc. erfennen ließ, wobei die 
immer ſchwächer werdenden farben, aud) 
an Breite abnahmen. Es ſchienen bier 
mehrere Regenbogen jchichtenförmig vor 
einander zu liegen, wobei die Verſchiebungen 
nad innen geringer waren, als die Breite 
des Tfarbigen Regenbogenbandes jelbft, jo 
dat die Bogen zwar konzentriſch blieben, 
aber durch Überlagerung nur immer die 
inneren Ränder markant genug abzeichneten. 
In Wirklichkeit aber rührt dieje innere 
Wiederholung der inneren Bogenzone gar 
nicht don Brechung in Waflertropfen ber, 
fondern fie ift eine höchft feltene und auf 
merkwürdige Weile durch das zufällige Zu- 
jammenmwirfen mehrerer Umſtände hervor— 
gebrachte Snterferenzerjcheinung, deren ge- 
naue erperimentelle Erflärung nicht gut mit 
einfachen Mitteln zu geben ift. Wie bier 
eine Vervielfältigung der einfachen Er: 
iheinung eintreten kann, jo fommen in 
ähnlich jummierender Wirfung auch bei den 
Sonnenhöfen Nebenbogen und fnotige Licht: 
verdichtungen vor, die dann ın etwas ftarfer 
Übertreibung des Eindrudes Nebenjonnen 
— und wenn dad Mondlicht die Quelle 


des Phänomens ift — Nebenmonde ge- 
nannt werden, ber eine meitere Licht— 
ericheinung in hohen Regionen — das 
Nordliht — darf der Berfafjer in dieſem 








Zufammenhange hinmeggehen, da diejelbe 
fait nur in den äußerſten Grenzgebieten 
der irdiichen Atmoſphäre ihren Sit hat. 


Die Bevölkerung Arzheims zur Beit des 30jährigen Krieges. 


Verſchiedentlich wurde jchon die Anficht 
ausgeiprochen, „daß die Berichte über die 
Entvölferung der Pfalz im 30 jährigen 
Kriege an ſtarken Übertreibungen leiden.“ 
Selbſt wenn wir unterſcheiden zwiſchen 
ſolchen Berichten, die ſich auf eine amtliche, 
offizielle Zählung ſtützen und ſolchen, die 
aus privaten Mitteilungen oder Aufzeich— 
nungen ſtammen, ſo leiden beide doch an 
dem leicht erkennbaren Mangel, daß ſie nur 
die an einem beſtimmten Termine in einem 
Orte anweſenden Einwohner angeben ohne 
zu berückſichtigen, daß viele nur geflohen 
waren oder ſich in die Wälder zurückgezogen 
hatten und daß ſie in friedlicheren Zeiten 
vielleicht noch im nämlichen Jahre oder 
Monate wieder zum heimatlichen Herde 
zurücgefehrt find. Dagegen läßt fich eine 
verläjfigere Berechnung der damaligen Be- 
völferung anftellen unter Berüdjichtigung 
der dor und nad) dem Striege auftretenden 
Familiennamen oder Gefchlechter. Freilich 
werden fie mit Sicherheit für jene Zeit 
wohl faum mehr in allen Ortichajten ge— 
nannt werden fünnen. Bielfacdh treten nad) 
dem Kriege ganz andere Namen auf, teils 
finden ſich aber auch die alten wieder vor; 
in größerem oder geringerem Umfange hat 
fi) danach auch die urjprüngliche Bevölfe- 
rung über die Zeit des Krieges hinaus 
erhalten. 

Da Arzheim, im Hodjitifte Speyer ge: 
legen und nur eine halbe Stunde von der 
Stadt Yandau entfernt, allen Drangjfalen 
und Nöten des langjährigen Krieges aus 
gejegt war, ergibt fich jofort aus den bei— 
den genannten Umjtänden. Es darf darum 
auch von vornherein erwartet werden, daß 
Arzheim nicht einmal den Schein für ſich 
hat, als fei es in diejem Striege glimpf- 
liher behandelt worden als feine Nachbar: 
orte. Die Quellen, die nachfolgender Be: 
rechnung zugrunde liegen, find drei Ber- 
zeichniffe: ein Verzeichnis der Haushaltungen 
jamt der ihnen zuftehenden Buſchrechte aus 


dem Jahre 1595; ein gleiches aus dem 
Yahre 1628; das dritte ift das Verzeich— 
nis der Haushaltungen und ihres zu lie- 
fernden Schughaberns aus dem Jahre 1652. 
Zwar eriftieren noch weitere Verzeichniſſe 
derjelben Arten, fo 3. B. von 1564, 1576, 
1585, von ca. 1610, welches unjerer Be- 
rechnung jceheinbar glünfliger wäre, weil es 
dem Ausbruche des Krieges näher liegt; 
allein mit Abficht ift das Jahr 1595 ge— 
wählt, weil Arzheim in diefem Jahre die 
größte Zahl von Haushaltungen aufmweift. 
Uebrigend braucht über die Verläſſigkeit 
diefer drei Verzeichnijje weiter fein Wort 
gelagt zu werden, da ja in allen jämtliche 
Haushaltungen ausnahmslos aufgezählt 
find. Aufgrund diejer drei Berzeichnifie 
ergibt fich eine mehrfache Berechnung; es 
genügt eben nicht etwa bloß die Zahl der 
Bewohner feftzuftellen, intereflant ift auch 
die weitere Frage: In welchem Bro- 
zentjaßge hat ſich die urjprünglide 
Bevölferung während des 30jäh— 
rigen Srieges erhalten? — Beginnen 
wir zunächſt mit folgender 

















Tabelle 1. 
Überfiht über die Zahl der Ge- 
ſchlechter. 
= — — 1505 
* 15 
1 | us arte 
— 22 
en | wor. 
rg I ; 6 
2 | | @3+3) 


Zum Beifpiel im Jahre 1652 gab es 
in Arzheim 32 Geſchlechter, davon find 28 
namentlich aufgeführt, 4 dagegen nicht na— 
mentlidh, obwohl fie vor und nad) dem 
Jahre 1652 erijtierten (vgl. Tab. 4); von 
diefen 32 Geſchlechtern finden fich im Jahre 
1628 nur 20 und im Sabre 1595 nur 
15 ujw. Daraus ergibt ſich: 


1) In dem Zeitraum von 1628 
bis 1652 haben jih 20 Geſchlechter 
erhalten. 

2) In dem Zeitraum von 1595 
bis 1652 haben jih 15 Geſchlechter 
erhalten. 

Die Antwort, wieviele Familien auf 
die in den Jahren 1652, 1628 und 1595 
vorfommenden Geſchlechter entfallen, zeigt 
in gleicher Weije die folgende Tabelle, 
wozu jedoch bemerft wird, daß für die in 
einem Jahre nicht namentlich aufgeführten 
Geſchlechter nur je eine Familie ange- 
nommen wird, wodurd unjere Berechnung 
umjo weniger an libertreibung leidet. 








Tabelle 2. 
Überjicht über die Zahl der 
Familien. 

1652 | 1 
a N a — — 
+ | (TH) 

| 46 33 
ee) | (4442) | (31+2) 
nn | 97 
— | (5443) 


Zum Beiipiel die im Jahre 1652 er- 
jcheinenden 32 Geſchlechter (nah Tab. 1 
find es 28+4) zählen in diefem Jahre zur 
jammen 38 (34+4) Familien; die im 
Jahre 1652 vorhandenen und bereits 1628 
genannten 20 Geſchlechter (nah Tab. 1) 
waren im Jahre 1652 in 26 Familien 
vertreten ujw. — Cine vergleichende Über: 
ficht bietet die folgende Tabelle, welche die 
beiden vorhergehenden vereinigt in der 
MWeife, daß die 1. oder fleinere Zahl die 
der Gejchledhter und die 2, oder größere 
jene der Familien darftellt, 


Tabelle 3. 


Überjidht über die Zahl der Ge— 
ſchlechter und Familien. 





1652 




















1628 1595 
* — 80 | 6 Er 5 | 3° 
22844) (3444) (24+2 (17 +4) 
E 3 46 22 33 
102 kasralar } JEZEIUEE, 
um | I83+3 (5443) 





Wenn oben bemerft wurde, daß ein- 
zelne Gejchlehter in einem Jahre nicht 


58 


genannt werden und doch vorhanden find, 
jo liefert biefür den Nachweis die 














Tabelle 4. 
Überjidt über die fehlenden Ge 
ſchlechter. 
1652 | 1625 | 1895 . 

Brauner | 1656 | — Sa u Ge 
Müller il -— 31 
Scherrer ' 1653 | — 3 | 3 
Wittmann , 1656 | — 2 | 2 
Erlenwein 1 — I! 1) 
u  Jıl-l|ei 
Diemer 21:4 — | 1550 
Dueichmer 2 1 | — 1550 
Stern 3 — 158 





Zum Beijpiel der Name Brauner wird 
genannt 1595 mit 4 Familien, 1628 mit 
1 Familie, 1652 nicht, dagegen wieder 
1656; oder: das Geſchlecht der Stern er- 
icheint im Jahre 1652 in 3 Familien, 
1628 in 1 Familie, 1595 überhaupt nicht, 
aber jchon im Jahre 1585 uſw. 

Bevor mir in unjerer Berechnung mweiter« 
gehen, ilt vor allem notwendig die An— 
gabe der Haushaltungen. Die Zahl der 
Haushaltungen vder Familien (l.) und 
dementiprechend die Zahl der Bewohner (II.) 
betrug in den fahren: 


J. ll. 
1564: 41 205 
1576: 41 205 
1585: 45 225 
1595: 57 285 
1610: 45 225. 


. Die Berechnung der Bevölferungsziffer 
für die Jahre 1628 und 1652 jedod läßt 
fih nicht in der gemöhnlihen Weiſe unter 
BZugrundelegung der Kopfzahl 5 anftellen. 
Einem Kenner der damaligen Berhältnijje 
muß es jofort Far jein, daß im langen 
und ſchweren Striegszeiten ſoviele Umſtände 
zuſammentreffen, daß die Zahl 5 als Kopf— 
zahl eine viel zu hohe Ziffer ergäbe. Neh— 
men wir dagegen die Zahl 3 als KKopfzahl 
einer Familie, jo haben wir den Vorteil, 
daß wir ein Minimum der Einwohnerzahl 
erreichen, das der Wirklichkeit ziemlich ge« 


nau gleichfommen dürfte; eine Überjchreitung 
nah unten iſt nicht leicht denkbar, eine 
Überfchreitung nach oben, d. h. wenn die 
Stopfzahl als zu Elein angenommen iſt, läßt 
dann die Bevölkerungsverhältniſſe um jo 
günftiger erſcheinen. Es hat demnach die 
Bevölkerung folgende Zahlen aufzumerien: 


1. ll. 
1628: 46 138 
1652: 38 114 


Wenn wir nun das gemonnene Rejultat 
in Verhältniszahlen zufammenfaflen und 
dabeı berüdfichtigen, daß Arzheim die größte 
Einwohnerzahl im Jahre 1595 aufmeiit, 
jo ergibt ſich: 


1. Familienzahl. Arzheim hatte 


im Jahre 1628 noch 80,7 Prozent feiner | 


Familienzahl von 1595, 1652 noch 


a) 


82,6 Broz. feiner Bamilienzahl von 1628; | 


b) nodı 66?3 Prozent feiner Familienzahl 
von 1595. 

2. Einwohnerzahl. Arzheim hatte 
im Sahre 1628 a) noch 61!3 Proz. feiner 
Einwohnerzahl vom Jahre 1610; b) nod) 
482, Proz. feiner Einwohnerzahl vom 
Jahre 1595; 1652 a) noch 82°; Proz. 
feiner Ginwohnerzahl vom Jahre 1628; 
b) nod 50°s Proz. feiner Einwohnerzahl 
vom Jahre 1610; ce) noch 40 Proz. feiner 
Ginmwohnerzahl vom Jahre 1599. 

Es war demnach die Einwohnerzahl des 
Dorfes Arzheim von 1995— 1652, alfo in 
einem Zeitraum von 97 Jahren auf ?5 


59 


t 
i 


, 1550 Diemer*) 





ihres höchſten Bejtandes zurücdfgegangen. | 


Frägt man nach dem Einfluſſe des 30jäh— 
rigen Krieges auf den Rüdgang der Be- 
völferungsziffer, jo ift das Jahr 1610 als 
Ausgangspunft zu nehmen, woraus ſich 
ergibt: 

An der Zeit von 1610-—1652, 
aljo in einem Zeitraum von 42 
Jahren, beginnend 8 Jahre vor 
und endend 4 Jahre nad dem 30: 
jährigen Striege ſinkt die Zahl 
der Bewohner Arzheims infolge 
des Krieges um rund 50 Prozent 
oder um die Hälfte. 

Troß unjerer genauen Berechnung, die 
uns auf die niedrigite Ziffer führen mußte, 
klingt unjer Rejultat etwas ungewohnt, aber 
nur dann, wenn wir und die weitere Frage 
ihenfen würden: In welhem faujalen 





(vderwandtihaftliden) Verhältnis 
ſteht die Bevölferung des Jahres 
1652 zu jener vom Jahre 1595? 
Die Beantwortung diejer Frage iſt umſo 
notwendiger, weil fie uns intereflante Auf: 
Ichlüffe gibt zur Befämpfung einer viel 
verbreiteten falichen Meinung. 

Wir haben oben feftgeftellt, dab zu 
Arzheim im Jahre 1652, alio nad dem 
Kriege, noch 15 Familiennamen oder Ge- 
ichlechter eriftierten, welche ſpäteſtens aus 
dem Jahre 1595 datieren: fie bilden gleich: 
fanı den Stern der Bevölkerung. Es find 
folgende: 1489 Heim (1), Merkel (2); 
1492 Brauner (3); 1543 Kerth (4); 
(5), Erlenwein (6), 
Queihner (7), Scherrer (8); 1554 
Hafjel 9); 1561 Müller (10); 1576 
Wittmann (ll); 1585 Stern (12); 
1595 Felir (13), Finfelberger (14) und 
Hermann (15). Diefe 15 Geſchlechter find 
vertreten: 1595 in 30, 1628 in 25 und 
1652 in 21 Ramilien. Vergleichen wir 
zunächſt die Zahl 15 mit der Gejamtzahl 
der Gejchlechter in den genannten Jahren, 
jo ergibt fich das Überrajchende Refultat, 
daß dieje 15 Geichlechter im Jahre 1595: 
41%3 Proz., 1628: 42*%5 Proz. und 1652: 
46*%5 Broz., aller Geichlechter oder Familien: 
namen bilden, Vergleicht man jedoch die 
Zahl der Familien, in welchen dieje 15 
Geichlechter vertreten find, mit der Geſamt— 
zahl der Familien, jo ergibt fich noch ein 
bedeutend höherer Prozentſatz: 1595: 52° 
Proz., 1628: 54’ Proz, 1652: 55! 
Proz, d. h. mit anderen Worten: Im 
Jahre 1652 find 55a Proz aller 
Familien eingejejiene Bevölfe 
rung jeit dem Jahre 1595. Der- 
jelbe Brozentjag ergibt ſich demnach aud 
für die Zahl der Bewohner, ohne Rückſicht 
darauf, ob wir die Zahl 2 oder die Zahl 3 
oder die Zahl 5 als Koptzahl für eine 
Familie annehmen. 

Es bat fich demnach bei unjerer Be— 
rechnung ein bisher wenig beachtetes Wo- 
ment ergeben, das nämlich, dab die Be— 
völferung nah dem Kriege mehr als zur 
Hälfte eingejeffene Bevölkerung aus der 
Zeit vor dem Striege, jpeziel aus dem 





*, Die durchichoffen gedbrudten Familien— 


namen fommen heute nod in Arzheim vor, 


Ende des 16. Jahrhunderts war. Diejes 
Ergebnis ift in mancher Beziehung inte 
refjanter und auch michtiger als die An— 
gabe der Einwohnerzahl. — Fallen mir 
nun am Scluffe das Rejultat unjerer Be- 
rechnung zujammen, fo ergeben fich folgende 
Tatiadhen: 

Infolge des 30jährigen Krieges 
geht die Bevölferung Arzheims 
indem Zeitraume von 1610—1652 


60 





um 49 Brozent oder rund umdie 
Hälfte zurüd. Bon den im Jahre 
1652, aljo 4 Jahre nad dem Ftriege, 
vorhandenen Bewohnern find Bd!“ 
Prozent Angehörige von 15 bereits 
in der Beit von 1489—159 vor 
fommenden Geſchlechtern, aljo 
über die Hälfte jeit dem Jahre 
1595 eingejejjene Bevölkerung. 
Ioh. Weber, 


Fremde Wald: nnd Yarkbäume für Europa. 
Bon Heinrich Mayr. 


In dem befannten botanischen Verlag 
von Paul Parey in Berlin ıft unter obigem 
Titel ein Buch erjchienen, das weit über 
die Kreiſe der Fachleute hinaus freudige 
Aufnahme und Zuftimmung zu finden aus: 
erjehen jein dürfte. Der rühmlichit be: 
kannte Verfaſſer, Brofejjor Heinrich Mayr, 
Vorſtand der K. Baheriſchen forſtlichen 
Verſuchsanſtalt in München, hat die wiſſen— 
ſchaftlichen und praktiſchen Ergebniſſe 
25 jährigen Pflanzverſuchs, dreier Welt— 
reifen und eines dreijährigen Aufenthaltes 
in Japan bier zu allgemeinem Nuß und 
Frommen niedergelegt. 

Es ift hier nicht der Ort für eine mir 
verjagte fachwiſſenſchaftliche Würdigung des 
Werkes; aber nad zwei Richtungen ſei e8 
geftattet, die allgemeine Aufmerffamteit auf 
dieje hocherfreuliche Ericheinung zu lenken. 

Der auf hoher Kanzel ftehende Verfaſſer, 
der jeinem ganzen geiftigen Werdegang nad 
wie fein zweiter zu jolcher Arbeit berufen 
Ihien, hat mit offenem Blid und jcharfem 
Auge die Wälder aller Erdteile und aller 
Zonen durchforfcht und es ift ihm die Gabe 
wahrhaft fünftleriicher Geftaltung jeines 
Stoffes nicht verjagt: er führt die Feder 
und den Zeichenftift mit gleicher Meifter: 
ſchaft. So ifis denn nicht zuviel gejagt, 
wenn wir behaupten, daß jeit Alerander 
Humboldts Schriften die einichlägige Yite- 
ratur fein auf gleicher künſtleriſcher Höhe 
der Naturjhilderung ftehendes Werk 
gezeitigt hat; am eheften Fünnte das Buch 
in diefer Richtung mit den Darftellungen 
von Alfred Brehm verglichen werden. Jeder, 
der fih noch Sinn und Genußfähigkeit an 
der Natur zu bewahren vermocht hat, wird 


dieje farbenglühenden Schilderungen mit 
von Abſchnitt zu Abſchnitt ſich fteigernder 
freude und mwachjender Begeijterung lejen 
und nur ungern aus der Hand legen. Das 
Buch erjcheint in diefer Richtung geradezu 
beftimmt, neben Brehms Tierleben der 
Bücherei jedes gebildeten Haujes einverleibt 
zu werden: denn Alt und Yung werden 
in gleicher Weiſe an der wahrhaft plaftijchen 
Anschaulichkeit und Lebendigfeit des Vor— 
trages ih zu erfreuen und zu belehren 
vermögen. 


Iſt hiernach der erite Abſchnitt des 
Buches, der mehr als ein Drittel des ganzen 
in Anſpruch nimmt, für die weitefte Allge— 
meinheit der Gebildeten von höchitem 
Intereſſe, und geeigenjchaftet, ihm größte 
Berbreitung zu fihern, jo bieten die folgenden 
Abjchnitte — immer abgejehen von der Be- 
deutung des Buches für den Fachmann im 
engeren Sinn, aljo zunächſt den Botaniker 
und Forſtmann — für alle Garten: und 
Barfbefiger eine unerfchöpflich ericheinende 
Fundgrube der Anregung und Belehrung. 


Jedem, der ein Stüdf oder auch nur 
ein Stückchen Yand fein Eigen nennt, das 
als Forst, Park oder Garten bewirtjchaftet 
wird, wird alljährlic) eine wahre Flut von 
BPreisliften über alle möglichen ımd unmög- 
lihen oft nur in der Phantafie beftehenden 
Bäume ins Haus gejchieft, geſpickt mit den 
überjchwenglichiten Anpreijungen neu ein» 
geführter fremdländiiher Bäume. Der 
Unglückliche jaß dieſen verlodenden Schilde: 
rungen nur zu oft rat- und hilflos gegen- 
über und gab häufig Mühe und Geld hin, 
ohne anderes als Ärger und Enttäufchungen 


an den hochtrabend getauften Neuerwerbungen 
zu erleben. 

Für Coniferen ftand uns ja mohl 
Beißners Nadelholzkunde zur Seite; aber 
fie ift — vor 15 Jahren eridienen — 
durh Amportierungen neueften Datums 
zum Teil überholt; für fremdländijche 
Yaubhölzer gebrad es aber völlig an 
jedem halbwegs verläſſigen Wegmeiler. 
Einen ſolchen bietet unfer Buch in hervor» 
ragender Weije, denn es enthält nur Selbit- 
geichautes und Selbfterprobtes: die Ergebniſſe 
der jeit 1894 vom Berfaſſer in den ftaat- 
lihen — übrigens höchſt jehenswerten — 


61 


Pflanzgärten Grafrath bei München ge: 
machten Verſuche und Beobachtungen. 

Die vielen Hundert, faſt alle vom 
Berfafler der Natur abgelaufchten techniſch 
trefflich mwiedergegebenen Abbildungen, wie 
dıe gelamte vornehme Austattung des Buches 
vervollftändigen den vorzüglihen Eindrud 
des ganzen, dem wir Verbreitung in den 
weiteften Kreiſen aller Gebildeten wünſchen. 

Bei einer notwendig werdenden weiteren 
Auflage wird ſich dann auch Gelegenheit 
geben, die nicht allzu ſeltenen Druckfehler 
zu vermeiden. 

(Dr. Fr. Dahn in den M. N. N.) 


Die zwölf Apoſtel 1907. 


Einem ſchönen alten Brauche entſprechend, heim, Amtsbezirk Donauwörth (Schwaben), 


fand heuer, wie alljährlich, am Gründonners— 
tuge (28. März) in der Refidenz die 





91 Jahre alt. 
Das Gefamtalter der zwölf Wpojtel 


Bermonie der Fußwaſchung ftatt. | betrug 1123 Fahre, im Vorjahre betrug 
Zwölf über 90 Jahre alte Männer aus | es 1099 Jahre. Der ältefte der Apoftel, 


verjchiedenen Teilen des Königreiches waren 
auserjehen, als Upoftel zu fungieren; 
es waren: 

1. Beter Huter, Privatmann ın Ens- 
beim, Amtsbezirk St. Ingbert (Bialz), 
102 Jahre alt; 2, Michael Samer, Aus: 
trägler in Saulorn, Amtsbezirt Wolfftein 
(Niederbayern), 95 Jahre alt; 3. Lorenz 
Kühnel, Austrägler in Unterwangenbadh, 


Amtsbezirt Mainburg (Niederbayern), 95 | 


Jahre alt; 4. Peter Endgruber, Aus 
trägler in Falkenberg, Amtsbezirk Gbers- 
berg (Oberbayern), 95 Jahre alt; 5. 
Joſeph Baptift Schindler, Taglöhner in 
Vohbühl, Amtsbezirt Wunfiedel (Ober: 
franfen), 93 Jahre alt; 6. Pius Eharts- 
berger, Pfründner in Leeder, Amtsbezirk 
Kaufbeuren (Schwaben), 92 Jahre alt; 
T. Baul Fiicher, Austrägler in Tegernau, 
Umtöbezirt Mühldorf (Oberbayern), 92 
Jahre alt; 8. Jakob Geißler, Pfrlindner 
in Germersheim (Pfalz), 92 Jahre alt; 
9. Georg Hofmeister, Schneider in Freifing, 
92 Jahre alt; 10. Franz Reiſchl, ehe: 
maliger Poſtbote in Sandbach, Amtsbezirk 
Paſſau, 92 Jahre alt; 11. Dom. Filcher, 
Pfründner in Babenhaufen, Amtsbezirk 
Slertiffen (Schwaben), 92 Yahre alt, und 
12. Frz. Schröttle, Austrägler in Auchies: 





der 102 Jahre alte Peter Huter, hatte 
bereit mehrere Male an der Fußwaſchung 
teilgenommen, jo zuerit im Jahre 1896, 
dann 1899, 1902 und als 100jähriger 
Greis im Jahre 1905; ebenfo maren 
Michael Samer und Lorenz Kühnel bereits 
ım Jahre 1904 und Endgruber im Jahre 
1903 zur Fußwaſchung zugelaffen. Bon 
den Apofteln famen je drei aus Oberbayern, 
Niederbayern und Schwaben, zwei aus 
der Rheinpfalz, darunter der 
ältefte, und einer aus Dberfranfen. 
Außer den zwölf alten Männern wurden 
am Gründonnerstag noch zwölf arme 
Mädhen, die jogenannten Sklaven: 
mädchen, auf allerhöchſten Befehl gefleidet 
und mit Geld bejchenft; diejelben hießen: 
Therefe Bruckmeier, Pflafterersmaile, 13 
Jahre alt; Therefe Frei, Maurerstochter, 
10 Jahre alt; Joſepha Maier, Schuh— 
macersmwaije, 11 Jahre alt; Aura Reichen: 
eder, Münzarbeitersmaije, 11 Jahre alt; 
Johanna Röfer, Taglöhnerstochter, 11 Fahre 
alt; Franzisfa Roſenwirth, Taglöhners— 
tochter, 10 Jahre alt; Marie Roſt, An- 
ftreiherstochter, 10 Jahre alt; Bertha 
Siebinger, Meßgehilfenstochter, 13 Jahre 
alt; Bertha Sturm, Straßenbahnihaffners- 
waife, 11 Jahre alt; Thereſe Ullerich, 


— 62 — 


Schloſſergehilſenswaiſe, 11 Jahre alt; | der zwölf Mädchen, die ſämtlich aus München 
Barbara Boithenberg, QTaglöhnerstochter, | gebürtig find, war die 81 Jahre alte Näherin 
12 Yahre alt, und Marie Wagner, Tag- | Yofephine Ott aus München beftimmt. 
löhnersmwaije, 11 Jahre alt. Als Führerin 


Aülterürkfälle im Mai. 

Der Frühling ift jegt zu einer Hälfte | Dieje Verteilung der Kälterüdfälle auf drei 
borüber und bat uns vorwiegend jchlechtes | nahezu um zehn Tage von einander ent- 
Wetter gebracht, diefes Mal wie in den | fernte Perioden des Maimonats hat es 
meiften früheren Jahren. Vom holden | mit fid) gebradt, daß auch im Gregoria- 
Lenz der Dichter weiß der Meteorologe | nifchen Stalender (der nad) dem 4. Dftober 
wenig zu berichten und die Frühlingslüfte | 1582 ſogleich zum 15. Dftober überging) 
begünftigen vorwiegend durdfchnittlih nur | die alten Eismänner ihr Recht behielten. 
die Berbreitung von Hulten und Schnupfen. | Gemäß den Bolfserfahrungen waren ftet® 
Wir haben noch den Wonnemonat Mai | der 1, Mai (Philippus, Jakobus), der 13. 
und wir fünnen hoffen, daß er uns für | Mai (Servatius) und der 25. Mai (Ur- 
jeine beiden rauhen Borgänger eine ge- | banus) wegen FFroitgefahr gefürchtet. In— 
nügende Entſchädigung bieten wird. Solche | folge der Stalenderreform änderte fich aber 
Hoffnung beftätigt fi in einzelnen Jahren — worauf Brofefjor Hellmann vor einigen 
wirklich, aber meiftend wird fie graujam | Jahren zuerft bHingewiefen bat — die 
enttäufcht. Der Mai unferer Gegenden | Stellung der Salenderheiligen, aljo auch 
und der Mai „in Dichters Rand” find jehr | der Eismänner, um zehn Tage. Für die 
verjchiedene Gejellen. Wer hätte nicht von | Wetterregeln des Yandmannes blieb dies 
den gejtrengen S)erren, von den Eismännern | ohne Einfluß. Anfangs Mai find Kälte: 
oder Eisheiligen des Mais gehört? Ma | rückfälle faft ebenjo häufig wie um den 13. 
mertus, Pankratius und Servatius find | Mai; aljo in betreff der früheren Zeiten 
beim Bolfe als Froftbringer wohl bekannt, | müſſen die Kälterücdfälle des 13. Mai dem 
nicht nur in Deutjchland, jondern auch in | alten Urban in Rechnung geftellt werden, 
Frankreich. Schon vor taujend Hahren | Wie die Beobachtungen in Köln ergaben, 
werden verderblide Maifröfte in den | kann man für jeden Tag des Mais auf 
Ehronifen erwähnt, ja, am 10. Mai 1439 | einen Kälterüdfall bis zu Froft gefaßt jein, 
fiel in Braunſchweig jo viel Schnee, daß | vor allem, wenn nordweſtliche bis nord: 
die Üfte der Bäume unter jeiner Laft | öftliche Winde durchgreifen. Es beftätigt 
bradyen. Die Bolfsmeinung, daß gerade ſich aljo nicht das Wort des Dichters vom 
in den Tagen der genannten Stalender- | „Wonnemonat“, jondern der Wetteriprud) 
heiligen vorzugsmeije Kälterüdfälle zu er- | in dem alten 1591 zu Wittenberg er- 
warten find, beftätigt fich; aber diefe Tage | jchienenen Stalender von Johann Golerus, 
find es nicht ausfchlieglih, an denen im | welder lautet: Der Meye ift felten fo gut, 
Mai Froft eintritt. Nacd den Zdjährigen | er ſetzt dem Baunpfahl einen Hut (nämlich 
Aufzeichnungen auf der Wetterwarte der | von Schnee). Hoffen wir, daß der dies» 
Kölnifshen Zeitung gibt e8 im Mai drei | malige Mai fich beffer erweife. Ob er es 
Berioden, die mit Kälterückfällen hervor | tun wird, davon wiſſen heute die Meteoro- 
treten. Die Hauptperiode ijt die Zeit vom | logen ebenjo viel Sicheres, wie der alte 
10. bis 14. Mai, aljo die Zeit der Eis- Schäfer Thomas oder der hundertjährige 
männer, dann die Tage vom 2, und 3., | Kalender, nämlich nichts. 
endlich die Tage des 26, bis 28, Mai. (Feierftunde d. Pfälz. Preſſe). 


Der — en 


heißt der Titel der Nr. 1 der „Beröffent | (Münden, Kgl. Hofbuchdruderei Kaftner 
lidungen des Landesausfhufjes für | und Gallway, 1906). Der Autor ift ein 
Naturpflege” von Prof. Mar Haushofer | warm fürjprechender Anwalt der guten 


— 65 — 


Sade, die es unternimmt den Gedanken | Bäume, die Generationen hindurch als 
allgemeiner werden zu lafjen, daß die Natur» | Wahrzeichen galten, verjchwinden. Auch die 
Ihönheiten des Schußes gegenüber dem | Tierwelt wird in ihren Eriftenzbedingungen 
Menſchen bedürfen. Auf 14 Seiten be- | eingefchränft (vgl. den Artikel im vorigen 
handelt er in ausgiebiger Form, wie der | Hefte), befonders die Bogelmelt dezimiert. 
Kampf des Ermwerbsbetriebes gegen | Wie fi Amerika feinen „Nationalparf” 
diejelben, die wahre Schäße darftellen, fi) | unverfehrt erhält, jo jollte bei uns durd) 
fteigert, je größer die Menfchenmafle wird. | Staatögefeg (mie bei der Yagd, in Forft 
Die nicht zu unterjchägenden Quellen der | und Fiſcherei) in beftimmter Weife Vorſorge 
Naturerfenntnis müſſen zumteil fchon | gegen wirtihaftlide und äſthetiſche 
aus Gränden weiterblidender Wirtfchafts | Frevel getroffen werden. Staatsforft- 
politif erhalten werden, fonft wird der | behörden und innere Bermwaltung, Bau» 
Spielraum edten Waturgenujjes | und Gemeindebehörden, die Lehrerjchaft 
noch mehr verengert. Einen ftarfen Schuß | im Vereine mit den Geiftlichen und Orts» 
bat die fteinerıne Erdrinde zwar in ſich vereinigungen jeder Art könnten berufen 
jelber ; aber der Menjch macht fi Trümmer- | fein, hier einmütig zur Erhaltung unver: 
gefteine, Erdmwälle, Ufergehänge, Gräben, | fäljchter Naturdenfmäler im meiteften Sinne 
Schluchten, Höhlungen, Felsbildungen jür | des Wortes beizutragen. Verzeichniſſe 
jeine Zwede nugbar, oft bis zur völligen | folder merden dur Darftellung ihres 
Beritörung. Gewäſſer werden getrübt | Gejamtwertes die Freude an ihrem Vor— 
und dur Anlagen zur Gewinnung von handenſein nähren und Abbildungen den 
Waſſerkraft verunftaltet. In den Alpen | Wunjch nadı Erhaltung rege erhalten. 
find gewiſſe Pflanzen faft ausgerottet; 





Die Urfadhe der grünen Färbung der natürlichen Waller. 


Im Gegenfag zu der von Aufſeß ver- | Lichtes zurüdzuführen. Diefe Teilchen 
tretenen Anficht wurde, wie W. Spring | fönnen durch einen ftarfen Lichtftrahl ficht- 
in der Ghemifer-Zeitung mitteilt, durch | bar gemadt merden. Im Wereine mit 
Verſuche nachgemwiejen, daß Kalkverbin- | den Eiſenverbindungen bewirken die Salt. 
dungen keine eigene Farbe zufommt und ſalze des Wafjers die Eliminierung der 
daß dieje daher niemals die Urfache der | Huminfubftanzen. Die Urſache, dab nicht 
grünen Färbung, die man öfters bei an- | alle kalkhaltigen Wafjer der Natur blau 
Icheinend klaren kalkhaltigen Waflern be» | erjcheinen, ift die, daß bei gewiſſen Waflern 
obachtet, fein fünnen. Die grüne Färbung | bezliglich der reinigenden Wirkung der Kalk— 
mancher Waſſer ift vielmehr auf eine dur , und Gifenverbindungen und der Humin» 
die im Waſſer enthaltenen unfichtbaren ſubſtanzen eine Art Gleichgemwichtszuftand 
Teilchen von organiſcher Subftanz hervor- | eintritt. 

gerufene Beugungserjheinung des (Frkf. Big.) 








Mann hält der Frühling feinen Einzug? 


Für den Aftronomen beginnt das Früh- | bringt. Für den gewöhnlichen Sterblichen 
jahr auf der nördlichen Halbfugel unferer | beginnt der Lenz mit dem Eintritt milder 
Erde mit dem Eintritt der Tag- und | Witterung und dem gleichzeitigen Grün— 
Nachtgleihe, nah dem diesjährigen Sa- | werden und Wufblühen der Bäume und 
fender aljo am 21. März. Der Meteoro» | Sträuder. An melden Tagen des Yahres 
loge dagegen rechnet jchon den ganzen | diejer ZToilettenwecjel in der Natur ge: 
März zu den Frühlingsmonaten, unbe: wöhnlich vor fich geht, ift für alle Gegen- 
fümmert um die fcharfe Kälte und die | den Mitteleuropas aus einer Starte zu er- 
Scneefälle, die er uns fajt regelmäßig | jehen, die Profeſſor Dr. €. Ihne (Darm- 


— 64 — 


ſtadt) entworfen hat. Nach den an vielen | in dem ganzen Gebiet ſein Erſcheinen ſich 
Drten und viele Jahre hindurch beobadj- | in ungefähr fünf Wochen vollzieht. In 
teten Aufblübzeiten von 13 wichtigen Baum | Deutichland haben wir den zeitigjten Früh- 
und Straudarten hat Profeſſor Dr. Yhne | lingseintritt (22. bis 28, April) in der 
eine Starte des Frühlingseinzugs in | oberrheinifchen Tiefebene, ferner im Mojel«, 
Mitteleuropa entworfen, von der die natur- | Nahe: und Nedartal. Der nächſtliegende 
wiflenihaftlihe Zeitſchrift „Kosmos“ im | Ort mit früherem Frühling ift Bozen 
vierten Heft des laufenden Jahrgangs einen | („Oſtermünchen“), deifen Frühlingsdatum 
bauptjächlich das deutfche Gebiet umfaſſen- auf den 11. Aprıl fällt. Münden und 
den Ausſchnitt veröffentliht. Die Karte | mit ihm die ganze ſchwäbiſch-bayeriſche 
lehrt, daß der Frühling in unferem Erd- | Hochebene mit Ausnahme eines den Alpen 
teil regelmäßig von Südweſten her ein» | angrenzenden Streifens liegen in der dritten 
zieht. Für in Deutichland gelegene Orte | Bone mit einem mittleren Frühlings 
ergibt fi, daß das mittlere Datum des | anfang vom 6. bis 12. Mai. Am 
Frühlingseinzugs ungefähr mit dem An» | jpäteften (20. bis 26. Mai) ftellt fi der 
fang der Apfelblüte zufammenfält. Die | Frühlıng in Nordichleswig und Oftpreußen 
Ihneſche Karte umfaßt fünf Zonen: in der | ein, außerdem natürlich in den höheren 
erften hält der Frühling durchſchnittlich Lagen der Gebirge. In diefem Jahre 
vom 22. bis 28. April feinen Einzug, | Scheint ſich der Frühling darauf zu fapri- 
innerhalb der fünften jedoch erit zwiſchen zieren, die legten Tage feines mittleren 
dem 20, und 26. Mai (und jpäter), jodaß | Erjcheinungstermins einzuhalten. 





Ein Kebſtock von 150 Jahren Alter. 


Diefe große Seltenheit im Weinbau | aber auch ohme weiteres glaubhaft, dent 
gebt eben in Lachen ihrem Ende ent | der Rebſtock bat die Dicke eines anfehn- 
gegen. Die Niefenrebe befindet fi im | lichen Baumftammes und ift vier Meter 
Hofe von Johannes Klamm dortjelbft und | hoch. In guten Weinjahren gab es an 
wurde jeit langen Jahren von jedem dort- | dem Stodf bis zu 300 Litern Moft, in 
hin kommenden Fremden mit berecdhtigtem | legter Zeit trug er immer weniger und 
Erftaunen betraditet. Das angegebene | nun ift er völlig verdorrt, der Stamm 
Alter ift verbürgt durch Überlieferung in | kann aber noch in Augenſchein genommen 
der Familie wie aud) durch Sachverſtändige, werden. (Pf. Pr.) 


MWeinberganlage. 

Forftmeifter Glöckle (Glädlein) ließ im | Caroli Theodorus den 1, Mai 1749 diefer 
Jahre 1749 den Berg unter der Burg | Weingarten vermog erhaltenen gnädigten 
Neidenfels zu eınem Weinberg anlegen und | Churf. v. Pfaltz Forftmeifter des Oberamtes 
zur Erbauung der Mauern die Steine der | Neuftadt, auch Salinen und Holkfaftor 
Burg abtragen und verwenden. Eine In- | Herrn Geörg Franz Glödhlin und defjen 
ſchrift zeigt die Gejchichte der Erbauung | Eheliebften Maria Catharina angefangen 
der Burg. Diefelbe lautet: und den 30. Mai 1750 zu Ende gebradt 

Unter der glormwürdigiten Wegierung | worden. 


Inbalt: Atmoſphäriſche Lichteffekte. — Die Bevölkerung Arzheims zur Zeit des 30 jähr 
Krieges. — Fremde Wald- und Barfbäume für Europa. — Die zmölf Apoftel 1907. — Kälte» 
rüdfälle im Mai. — Der Schug der Natur. — Die Urfahe der grünen Färbung der natürlichen 
Waſſer. — Wann hält der Frühling feinen Einzug? — Ein Rebſtock von 150 Jahren Alter. — 


Weinberganlage. 
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — Kermann Kayſer's Derlag, Kaiſerslautern. 


Für Form und Inhalt ber Beiträge find bie Herren Berfaffer verantwortlich. 


1II, Jahrgang. 


Nummer 6 


Juni 1907. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


W 


—,. 





9 


Die Entwicklung der Kirſchblüte.“) 
Bon R. H. France. 


Man hat in dem Heidelberger bota- 
nischen Garten das Blühen der Kirſchbäume 
auf das allergenauefte erforjcht und dabei 
gefunden, daß es fidh in ziemlicher Unab- 
bängigfeit von den Launen des Wetters 
abſpielt. Dieſe Tatjache ift jo bemerkenswert 
und allen Alltagserfahrungen fo wider: 
Iprehend, daß ich nicht umhin fann, fie 
ausführlicher zu ſchildern. 

Nach diefen Unterfuchungen, die neuer- 
dings von anderer Seite ihre Beftätigung 
fanden, zerfällt die Entwidlung der Blüten: 
fnojpen der Kirſche in zwei ftreng geichiedene 
BVerioden, zwijchen denen die Winterruhe 
liegt. Nur dauert diefe nicht jo lange wie 
die blattloje Zeit des Baumes, die man für 
gewöhnlich als die Ruhezeit der Vegetation 
anfieht. In Heidelberg währt die „ent- 
widlungslofe Zeit” nur von Ende Dftober 
bı8 Anfang Februar. Die erfte Wachstums: 
periode der Blüten beginne jchon lange, 
bevor wir Menſchen fie veranlafjen würden, 
wenn wir das Blühen der Bäume zu 
dirigieren hätten. Sein Hausvater iſt jo 
vorfichtig wie die Natur. Noch bevor fi 
die Blüten des Jahres 1906 entfalten, legt 
fie jchon jene des Jahres 1907 an! In 
aller Berborgenheit im heimlichften Winkel 
der Knoſpen reift da die Blüte als zarte 


vertraut machen fann, lernen wir am beiten aus 


Wulſt heran, mehrt Belle um Belle, ver: 
ihiebt und ordnet ihre Baufteine jo lange, 
bis fie etwa im Juli auch dem unbemwaffneten 
Auge als feines Kelchlein erkennbar wird, 
als ſtecknadelkopfgroßes Schüfjelhen, in 
defien Grund mieder Fleine Wülfte auf- 
ſprießen. Barte Köpfchen erheben fich, 
hauchdünne Blättlein breiten fich jchligend 
darüber, und im mwohlgeborgenen Zentrum 
wölbt fih langjam das „ſüße Geheimnis” 
der zukünftigen Blume, die Knoſpe, die 
ihon den zur Befruchtung Heranreifenden 
Samen in fi birgt. Dieje jachten Regungen 
und Entfaltungen dauern den ganzen Sommer 
über, bis ſpät in den Herbſt hinein. Noch 
lange, nachdem die Aquinoftialftürme das 
legte verdorrte Blatt vom Baume gerifjen 
haben und er wie tot dafteht, find in ihm 
taufend und abertaufend Knoſpen raftlos 
tätig, das Blütenfer des fommenden Früh: 
fings vorzubereiten. Die Natur denkt im 
Herbfte mwahrlidh nicht and Sterben, wie 
wir Kurzſichtigen fo lange glaubten; uner- 
ſchöpflich entquillt ihr Leben und Lebensluſt, 
und dort, wo wir Ruhe und Tod zu ſehen 
vermeinen, ift e8 nur die beflagensmwerte 
Beſchränktheit unjeres Blickes, melde uns 
irreführt. Nirgends fieft man dies jo 
deutlich wie an der angeblihen Winterruhe 


*) Wie man fi jpielend mit allen Borgängen im Leben der Pflanzen und mit diefen jelbit 
Frances an anderer Stelle empfoblenem Werte 


„Das Leben der Pflanze”, welches 3. Zt. im Berlag ded „Kosmos, Gefellfchaft der Naturfreunde”, 


Stuttgart, in Lieferungen a ME. 1 erjcheint. 


— 


der Knoſpen. Ende Oktober erftarren fie 
und erwachen erſt wieder durch die matten 
Küffe der Februarſonne. So fpiegelt es 
uns das Auge vor. Aber in Wirklichkeit 
hat die Knoſpe troß Schnee und Kälte nicht 
gerubt. Ungeheure Wandlungen haben fich 
an ihr vollzogen; es ift etwas vorgegangen, 
für das uns noch das richtige Berftändnis 
fehlt. Wir können es erft an den Folgen 
erfennen und nur als innere Wandlung 
bezeichnen. Wie wenn das Stnöjplein ein 
feelentiefer Menfch wäre, der durch innere 
Erlebnifje zu einem anderen Wejen wird. 
In einer Periode jcheinbarer Berhärtung 
und Untätigfeit formt es fih um, und nur 
dadurch wird es befähigt zu neuem Leben. 
Der nun verftorbene Heidelberger Botaniker 
Askenaſy, der die Kirſchblüte zuerſt unter- 
juchte, jagt, aus jeinen Verſuchen gehe 
„deutlich hervor, daß die Blütenknoſpen 
der Kirſche zwiſchen Ende Oktober und 
Ende Dezember eine Anderung in ihrer 
Beſchaffenheit erleiden, die fich nicht im 
einer Gewichts- und Größenzunahme der 
Teile, ſondern nur in dem verjchiedenen 
Verhalten zu höheren Zemperaturgraden 
zu erkennen gibt. Es liegt nahe, anzu: 
nehmen, daß diefe Anderung  demifcher 
Natur iſt.“ 

Was berechtigte ihn zu dieſer über- 
rajchenden Erklärung? Welche Tatſache 
verrät die angeblihe Wandlung? Wir 
hörten e8 jchon, eine Änderung in dem 
Einfluffe der Temperatur auf die Blüten: 
entwidlung. Sie zeigt fi darin, dab wir 
ruhende Zweige der Kirſche im November 
oder Anfangs Dezember vergeblich in das 
Warmhaus bringen. Sie fchlagen nicht 
aus, Wohl aber geichieht dies nad) Weih- 
nachten. Nach der hohen Zeit der geheimnis- 
vollen Zwölfernächte ift ein großer Zeil 
der heimifchen Pflanzenwelt wie verwandelt. 
Baldurs Geburt, die Winterfonnenmwende, 
brachte ihnen wirklich die Auferftehung. 
Bon da ab brauchen fie nur noch günftige 
Temperatur, damit Blüte und Blatt raſch, 
mit zauberhafter Schnelligkeit, fich entfaltet. 
Über vor Weihnadhten fünnte es noch jo 
warm fein, fie bleiben leblo8 und harren 
ruhig der inneren Wandlung, die ihnen 
nit von der Wärme, jondern bon der 
Beit fommt. 


66 





Bon den erften wärmeren Tagen bes 
Nahminters an beginnt dagegen für die 
Kirihhlüte eine Zeit der gemwaltigften Ent- 
wicklung. Die Blüten wachſen an Größe 
und Maſſe anfangs langfam, jpäter fchneller, 
zum Schluß mit erftaunlider Geſchwindig 
feit. In den legten 6 bis 10 Xagen vor 
ihrer Entfaltung verdoppeln fie ihr Gewicht; 
in den legen Tagen wird eine federleichte 
Kirſchblüte täglih um "sn Gramm ſchwerer. 
Das macht bei den 200000 Blüten, die 
ein nur mittelgroßer Kirſchbaum hat, eine 
folofjale Arbeitsleiftung aus. 

Alle diefe Tatjahen bringen uns aber 
dem Berftändnis des Lebens um einen ge 
maltigen Schritt näher; die Poeſie des 
Frühlings erhält durch den Gelehrten eine 
ſolche Folie des Wifjens, daß jeder Kirſch— 
baum für den Willenden ein ergreifend 
eınftes Erlebnis wird, weil er uns an die 
tiefften Tiefen des Seins mahnt. In dem 
lieblihen Zauber des Frühlingsblütenmeeres 
tritt und wuchtig und jchwer das Lebens: 
rätiel entgegen. Borläufig bat e3 die 
Geftalt, daß die Pflanzen innere Fähig- 
feiten befigen, welche fie teilweife in der 
Entwidlung unabhängig machen von den 
Einflüffen der Temperatur. 

Bir jehen deutlih, daß die Sommer- 
temperatur die Entwidlung der Kirſchblüte 
gar nicht beeinflußt. Aber auch während 
der Frühlingsentwiflung vermögen Schwan: 
fungen der Temperatur den Verlauf des 
Wadhstumstempos nicht zu ändern. Die 
Blüten entwideln ſich im März ſtets rajcher 
als im Februar, und es ıft dabei gleich 
gültig, ob der März wärmer ift als der 
Februar oder nicht. Nur auf den Gejamt- 
verlauf der Blütenbildung hat die Tempe» 
ratur Einfluß, und ein nafjes, dabei mwar- 
mes Frühjahr fieht die Gegenden früher 
im Blütenichmude prangen, als ein faltes 
und trodenes. Ganz bejonders aber gibt 
fich die teilweife Unabhängigkeit der Lebens» 
erjcheinungen von der Temperatur dadurd) 
zu erfennen, daß vom Dftober an bie 
Snofpenentfaltung ruht, mag nun ein herr- 
licher Spätherbft die Sommermärme wieder 
auf Wochen zurüdrufen, oder ein Früh: 
winter und um dieſes jpäte Glück der letz— 
ten Herbſttage bringen, 

(Heidel®. Tagbl.) 





Ber Rampf gegen die Mürkenplage. 
Der Leiter ded Breslauer Hygieniſchen waren und die beionders beliebten Brut- 


Anftituts, Geheimrat Flügge, erftattete 
im Gemeindeblatt einen eingehenden Bericht 
über die bisherigen Refultate der Maß— 
nahmen zur Müdenbefämpfung in 
Breslau (1905). Geheimrat Flügge glaubt, 
daß die Verſuche, die vom Februar j. %. 
an unternommen wurden, jchon gewille Er- 
folge gezeitigt hätten und ficherlich zur wei: 
teren Fortſetzung ermunterten, 

Zunächſt handelt es ih um die Ber- 
tilgung der namentlih in Keller 
räumen überwinternden Mücken, d. 5. 
von eiertragenden Weibchen. Bereinzelte 
Müden murden mittelft Lötlampe abge- 
brannt; in den Räumen, in denen fie in 
großer Zahl vorhanden mwarer, bediente 
man fich eines energiich wirfenden, übrigens 
nicht Foftipieligen Räuchermittels. Die 
Bahl der auf diefe Weile getöteten Mücken 
muß eine fehr erhebliche gemeien jeın. Zur 
Gewinnung einer ungefähren zahlenmäßigen 
Schäßung wurden des öfteren vor dem An« 
zünden des Näucherpulvers Wapierbögen 
längs der Wände auf dem Fußboden aus- 
gebreitet, auf melde dann die Mücken 
herabfieien, fodaß fie gefammelt und gezählt 
werden fonnten, Obſchon ihre Zahl natür- 
lid nur einen geringen Teil der überhaupt 
getöteten ausmachte, belief fie fih in ein« 
zelnen Stellen doch auf über 2000, 

Es wird fodann weiter über die Ber: 
nichtung der in Tümpeln zc. fih ent- 
widelnden Müdenlarven und Puppen be» 
richtet. Die Bernichtung der Larven geichah 
mittel eines von Gelli angegebenen, aus 
Ballol beftehenden, „Larvicid” genannten 
Pulvers, melcdes, mit wenig Waſſer zu 
einem Brei verrührt, in einer Menge von 
ca. 3 Gramm pro Stubifmeter Wafler in 
die Tümpel eingegoffeen wurde, Diejer 
Brei tötet die Mückenlarven binnen einer 
halben Stunde ſicher ab, ift auch für einzelne 
andere Inſekten bei längerer Einmirfung 
nicht unjchädlih, wohl aber für größere 
Tiere, Fröſche, Fiſche und dergleichen. Zur 
Bergiftung der Tümpel wurde täglich ein 
Feuerwehrmann ausgejandt, und zwar be— 
gingen diefelben Leute während des ganzen 
Sommers das gleihe ihnen zugemiejene 
Terrain, jo daß fie alsbald darauf heimiſch 


ftätten fehr mohl fannten. Die Zahl 
der borgefundenen Larven war mandmal 
eine enorme; die bon den Feuerwehr— 
leuten mitgebracten Proben ftellten zu— 
weilen einen dien Brei von Müdenlarven 
dar. Selbſt in ſolchen Tümpeln aber er- 
gaben nach einiger Beit entnommene Kontroll» 
proben die vollftändige Vernichtung der 
Larven. Weit fchwieriger als gegen die 
Larven ift ein erfolgreiches Vorgehen gegen 
die Puppen. Dieje find gegen das Larvicıd 
unempfindlid. Die Auffindung eines aud) 
gegen die Puppen praftifch brauchbaren und 
wirffamen Mittel8 wird eine der nächiten 
Aufgaben im fommenden Sommer jein. 


Neu ift an dem Breslauer Vorgehen 
die fonfequente Bertilgung der über. 
mwinternden Miüden, die eben nur in 
ftädtifhen Terrains möglich ift, bier 
aber bejondern Erfolg verſpricht. Schon 
einige vorläufige Notizen in den Tages— 
blättern haben in hohem Make das In— 
tereffe anderer, von der Mückenplage ftarf 
heimgefuchter Orte erregt; Anfragen über 
die Art des Vorgehens find von vielen 
Seiten nad) Breslau gerichtet (z. B. von 
Düſſeldorf, Karlsruhe i. B., Deffau, Dorn» 
birn (Vorarlberg), Wiedenbrück, Scheve- 
ningen, Kreuznach, Kiſſingen, Bad Münſter 
u. a). Breslau dürfte immerhin die 
erfte europäiiche Stadt fein, welche durch 
eine ſyſtematiſche Bekämpfung fich der über- 
mäßigen Anfammlung von Stehmüden er- 
wehrt, 


Geheimrat Flügge ſchließt feinen Be- 
riht mit Mitteilungen über die im vor: 
vergangenen Eommer beobachteten Erfolge, 
die noch fein abjchließendes Urteil ervmög- 
lichen, aber doch wohl als erfte günftige 
Resultate aufzufaffen find. Der Sommer 
1905 war der Mückenentwicklung keineswegs 
ungänftig, fondern im Gegenteil durch die 
häufige Aufeinanderfolge niederjchlagsreicher, 
tiimpelbildender und andererjeitd warmer 
Tage zweifellos ſehr förderlih. Gin Be 
weis hierfür ıft auch darin zu fuchen, daß 
in den Gebieten, auf melden feine Be- 
fümpfungsinaßregeln vorgenommen waren, 
vielfach über heftige Müdenplage geklagt 


wurde. Zum Schluß des Artikels wird 


geftellt, die im mejentlihen nur eine fort: 


eine Reihe von Thejen zur weiteren zmwed- | führung der bisherigen Maßnahmen be: 
mäßigen Befämpfung der Müdenplage auf: | deuten. 


Ber Beutfche Lehrerverein für Maturkunde 


blidt nun auf ein 20jähriges Beftehen 
zurüdf und hat aus diefem Anlaß eine kurze 
Geſchichte feiner Entwidlung veröffentlicht. 
Wir entnehmen derjelben, daß dieſer Ber- 
ein infolge feiner außerordentlihen Lei— 
ftungen bei geringem Jahresbeitrag (2,50 
Mark, bezw. wenn inindeftend 10 Mit: 
glieder die Vereinsjchriften gemeinjam be- 
ziehen, 2 ME.) aus Pleinen Anfängen die 
ftattlihe Zahl von 26000 Mitgliedern er- 
reiht hat. Der Hauptverein gliedert fich 
in 15 Landes: bezw. Brovinzialvereine, 
davon einer (Landesverband Böhmen) in 
OÖfterreih; die Gründung weiterer Yandes- 
und Provinzialvereine ift in die Wege ge- 
leitet. Die große Mitgliederzahl ermög- 
lihte die Heruusgabe der berühmten Flora 
von Deutjchland von J. Sturm, die dem- 
nächſt in 14 Bänden abgejchlofjen vorliegt, 
und den Mitgliedern neben der Vereins: 
ichrift „Aus der Heimat” (6 Hefte) gegen 
den Sahresbeitrag in jährlid 2 Bänden, 
bezw. gegen 1,05 ME. für jeden Band ge- 
liefert wurde. Im Jahre 1907 erhalten 
die neu eintretenden Mitglieder: 1. Bio: 
logie der Pflanzen von Dr. Mayer: 
hojer, einen Quartband mit vielen Ori— 
ginal-Aluftrationen; 2, Erfurfionsflora 
von Deutfhland von Dr. Emft 9. 8. 
Kraufe, Priv.:Dozent an der Univerfirät 
Straßburg, enthaltend die allgemein als 
vorzüglich anerkannten Beitimmungstabellen 
der Sturm'ſchen Flora, endlich die Roß⸗ 


mäßler-Feftfihrift des Bereind, Den 
bisherigen Mitgliedern, welche die Feſt— 
ſchrift fchen befigen, wird ftatt derielben 
das Generalregifter der Sturmjden 
Flora geliefert, ebenjo denjenigen neu ein- 
tretenden Mitgliedern, welche die Flora 
nachbezichen. 

Im Sabre 1908 wird der Verein mit 
der Herausgabe eines auf 4 Bände (Duart- 
format) berechneten Käferwerks, mit min- 
deftens 144 Tafeln in feinftem fFarben- 
drud, Tert von Edm. Reitter, Kaiſerl. Rat, 
Redakteur der Wiener Entomolog. Zeitung 
in Pasfau (Mähren), beginnen. Zurzeit 
fehlt ein die ganze deutiche Fauna um: 
fafjendes Käſerwerk; deshalb wird das eben 
angekündigte jedem KHäferfammler unent- 
behrlich fein. Sobald die erfte, vom Verein 
herausgegebene Auflage abgejegt ift, tritt 
eine bedeutende Preiserhöhung ein. 

Da fih der gegenwärtige Beitpunft 
für den Eintritt in diefen Verein fehr gut 
eignet, machen wir unjere Leſer auf den- 
jelben aufmerfjam. Anmeldungen nehmen 
in den Ländern und Provinzen, in denen 
Landes: oder Wrovinzialvereine beftehen, 
die Kaffiere diefer Vereine, fonft der Kaſſier 
des SHauptvereind, Lehrer Obermeyer, 
Stuttgart-®ablenberg, entgegen. 

Nähere Auskunft erteilt gerne der 
Schriftführer des Haupt-Vereins: J. Baß, 
Stuttgart, Silberburgftraße 79 1. 


Eine Arlengnelle in Bayern. 


Arjenquellen von Bedeutung gibt es 
nicht viele. Die befannteften find Roncegno 
und Levico in Südtirol mit etwa 6 Milli» 
gramm Arſenik im Liter, die Guberquelle 
in Bosnien mit etwa 6,1 Milligramm, La 
Bourboule in Frankreich mit 11,4 Milli- 
gramm Arjenif, An Deutfhland gab 
es bisher nur eine einzige ſchwache 
Arfenquelle, und zwar in Eudomwa in 


Sclefien mit 1,2 Milligramm Arſenik. Da 
ift e8 nun don größter Bedeutung, daß in 
Bayern, und zwar inder Marquelle 
im Bad Dürkheim in der Rhein- 
pfal;, ein ganz ungewöhnlich ftarfer 
AUrjengehalt entdedt wurde. Diefer Be- 
fund ift in verſchiedener Hinfiht von In— 
terefje. Die Quelle, 1857 erbohrt, trat 
Ihon bald in nahe Beziehungen zur Ent- 


wicklung der Chemie. Denn ihr Wafler 
war das, in dem Bunfen und Kirch— 
hoff dur die damals gerade entdedte 
Speftralanalyje gleich zwei neue Elemente, 
Rubidium und Cäſium, auffanden. Bon 
Arſen dagegen ift in den Analyjen nichts 
vermerft, und jo war das einzig Auffallende 
an diejem leicht Eohlenjäurehaltigen Kochjalz- 
waſſer, daß e8 zu Trinkzwecken nicht recht 
verwendbar war. Syn größerer Menge un- 
verdünnt genofjen, wurde es ſchlecht ver- 
tragen, ohne daß man mußte, weshalb, 
Dieje Beobachtungen erflären fich jett jehr 
einfah. Sn dem Waller hat ſich nämlıd) 
Arſenik in der großen Quantität von 
etwa 17 Milligramm im Liter nad: 
weiſen laſſen. Es ift damit eine fehr ge: 
baltreiche und überdies ganz neue Art von 





69 


natürlihem Arſenwaſſer erichlofjen. Denn 
die übrigen Arjenquellen find Eijenjäuer- 
linge. Die Marquelle dagegen ift ihrem 
chemiſchen GCharafter nah ein SKodjalz- 
jäuerling ohne Eifen. Für das Bad Dürf- 
heim dürfte diefe Entdeckung Eblers, über 
die er im naturhiſtoriſchen medizinijchen 
Berein zu Heidelberg referiert hat, von 
großer Bedeutung werden; es wird fich zu— 
nächſt darum handeln, die Wirfungsmeife 
der neu erjchlofjenen Arfenquelle zu ftudieren. 
Bu diefem Zweck werden an fi interej- 
fierende Aerzte Proben Eoftenfrei 
jeitend der Badeverwaltung abgegeben 
werden, und es fteht fiher zu ermarten, 
daß damit Bayern eine weitere wichtige 
Heilquelle für dauernd erhalten haben wird. 


Burgen, Schlöffer und Alöfter der Pfalz. 
Bon D. Häberle, Kaiferl. Rech-Rat, Heidelberg. 


Für uns Pfälzer ift es eigentlich eine 
beihämende Tatſache, daß wir bis jeßt 
noch fein überfichtliches Berzeichnis der 
urfundlih erwähnten Burgen, Sclöfjer 
und Slöfter unjerer Heimat, welche deren 
auf ihrem engbegrenzten Gebiet verhältnis- 
mäßig wohl die größte Anzahl in ganz 
Deutjchland befitt, aufzumeifen haben. 
Lehmann und Gärtner bzw. Nemling haben 
fih wohl mit der Geſchichte der wichtigeren 
beſchäftigt und auch Zuſammenſtellungen 
davon gegeben, aber auch manche, über 
welche die Nachrichten ſpärlicher floſſen 
oder deren Lage unbekannt war, kurzer 
Hand vernachläſſigt. Mit dieſen haben ſich 
nun in den letzten Jahrzehnten in dankens— 
werter Weiſe die Lokalhiſtoriker befaßt und 
Aufſchluß über manche vergeſſene Burg— 
anlage gegeben, nur ſind die betreffenden 
Publikationen in der pfälziſchen Literatur 
ziemlich zerſtreut und nicht jedem Intereſſenten 
zur Hand. 

Wir ſcheint daher der Verſuch, eine 
Überficht über die verſchiedenen Burgen zu 
geben, ganz zeitgemäß zumal in legter Zeit 
bereits Anjäge dazu gemacht worden find. 
So hat 3. B. Herr ingenieur Gngelhard 
im „Blälzer Wald” vom 15. Yuli 1906 
©. 167—168 die ihm befannten pfälzijchen 
oder auch dicht an der pfälzifchen Grenze 


gelegenen Burg. und Schloß- Ruinen zu« 
fammengeftellt und auch bauliche Überrefte 
mit einbezogen, die früher Klöfter, Kapellen, 
Forfthäufer, Römerftätten ꝛe. waren bzw. 
auf der Starte des deutſchen Reiches 
(1: 100000) mit einem Ruinenzeichen ein» 
getragen find. Hierbei fam er auf die 
Zahl 117, welche aber die heterogenften 
baulihen Reſte zc. in ſich ſchloß und auf 
Bollftändigkeit feinen Anfpruch machen fann, 
da es ja, wie Herr Engelhard ſelbſt hervor: 
hebt, in der Pfalz ca. 144 Ruinen geben 
jol: e8 blieb alfo noch eine ziemliche Lücke, 
zu deren Ausfüllung er fich mit der Bitte 
um weitere Angaben an den Lejerfreis 
wandte. 

Diefem Wunfche entiprah Herr Emil 
Heujer in Nr. 13. des Pfälzer Waldes 
vom 15. Auguft 1906 ©. 186—188, indem 
er einen umfangreichen Nachtrag unter dem 
Titel „Pfälziſche Ruinen” bradıte, dabei 
aber mit vollem Necht betonte, daß ſich 
ſolche FFefiftellungen ohne Zuhilfenahme der 
Literatur nicht ausführen ließen: habe doc) 
jhon Gärtner allein 134 pfälziſche 
Burg- und Scloßruinen angeführt. 

Daß auch diefe Angabe noch nicht er- 
ſchöpfend jein fonnte, bewies eine, anläßlich 
des für den 21. Yuni d. Is. in Ausficht 
genommenen Feſtes des Vereins zur Er- 


haltung deutſcher Burgen in der „Pfälz. 
Preſſe“ vom 19. März d. %8. erſchienene 
Notiz, nach welcher fi „in der Pfalz 195 
Burgen, 50 Klofterruinen und 5 alte Jagd— 
ichlöffer befinden“ ſollen. Ich zog nun zu» 
nächſt Gärtner zu Rate und fonftatierte, 
daß es fich bei dem in feinem zweiten Band 
am Schluß befindlihen alphabetijchen Re: 
gifter lediglihb um urfundlich erwähnte 
Schlöſſer und Burgen, nicht aber um Ruinen 
handelt; ebenjo ergab ein Bergleid; mit 
Remling, daß 50 Slofterruinen in der 
Pfalz nicht mehr vorhanden jein können: 
Es hatte alſo der Umstand, dak die Begriffe 
Burg (bzw. Klofter) und Ruine wechjelmeije 
gebraucht worden waren, zu abweichenden 
Reſultaten geführt. 

Da die Bezeihnung „Ruine“ für bau- 
liche Überrefte von Intereſſenten ſchon auf 
fpärliche Mauertrümmer angewendet werden 
fann, halte ıch e8 zur Herbeiführung einer 
reinlihen Scheidung für bejjer, zunächſt 
ein möglichit vollftändıges Verzeichnis der 
urkundlich erwähnten Burgen und Hlöfter 
der Pfalz aufzuftellen, als die Ruinen auf: 
zuzählen, welche an und für fich jchon ın 
der Reiſeführer- bzw. Fachliteratur ihrer 
Wichtigkeit entſprechend regiftriert find 
(3. ®. Heujers Pialzführer, Baudenkmale 
der Pfalz ꝛc.). 

Ich trat deshalb mit dem Berfaffer der 
Notiz, Herrn Buchhändler Chr. Böhm in 
Bad Dürkheim in Verbindung, welcher mir 
in liebenswürdiger Weile die, jenen Un- 
gaben in der „Pfälz. Preſſe“ zu Grunde 
liegenden, von Herrn Karl Fränger unter 
feiner Anleitung aus der Literatur gejam- 
melten Notizen zur Verfügung ftellte. Indem 
ich diefen nad Nedigierung noch meine Auf: 
zeihnungen Hinzufügte, konnte ich die Zahl 
der urfundlich erwähnten Burgen und Mlöfter 
unferer pfälzıschen Heimat noch bedeutend 
bermehren. 


I. Bezirfsamt Bergzabern. 
a. Kanton Bergzabern. 
l. Burgen. 


1. Bergzabern in Bergzabern 

2. Landeck bei Klingenmünjter 

3. Walahjtede bei Klingenmünſter 

4. Guttenberg bei Oberotterbach 

5. Kirchhof zu Dörr Hauptfefte d. Herr- 
renbad) ihaft Guttenberg 


70 


— — — — — — — — — — — — — — 


6. Rohrbach in Rohrbach 
7. Pleisweiler in Pleisweiler 
8. St. Remiq bei Großſteinfeld 
9. Billigheim in Billigheim 
10. St. Paul bei Schweigen. 
2. Alöſter. 

1. Klingenmünſter 

(Blidenfeld, Bene- 

diktiner) in Klingenmünſter 
2. Bergzabern (Kapu 

ziner) in Bergzabern 
3. Kloſter 3. hl. Geiſt 


auf dem Kolmer— 


berg bei Bergzabern. 
b. &anton Annmweiler. 
1. Burgen. 
1. Trifels bei Annweiler 
2. Anebos bei Annweiler 
3. Scharfenberg bei Annweiler 
4. Lindelbrunn bei Vorderweidenthal 
5.—6. Falkenburg 
(Neu- und Alt-) bei Wilgartöwiejen 
7. St. Yohann bei Alberömweiler 
8.- 9. Scharfened 
(Neu: und Alt-) bei Ramberg 
10, Meifterjel bei Ramberg 
Il, Ramberg bei Ramberg 
12. Modenbad bei Ramberg 
13. Rechberg bei Unumeiler bezw. 
Albersweiler 
14. Urnsburg? (auf 
dem Orensberg) bei Alberöweiler. 
2. Klöfter. 
1. Eußerthal (Ci— 
ſterzienſer) bei Albersweiler 
2. St. Johann 
(Reuerinen) bei Albersweiler. 
N. Bezirksamt Dürkheim. 
1. Burgen. 
1. Dürfheim bei Bad- Dürfheim 
2. Hartenburg bei Hartenburg 
3. Scloßed bei Hartenburg 
4. Schugburg für die 
Limburg bei Bad- Dürkheim 
5. Pfeffingen bei Ungjtein 
6. Geiers- oder Wach⸗ 
tenburg bei Wachenheim 


— — 
2õà OD = 


. Hollenburg 


. Kehrdichannichts 
. Murrmirnichtoiel 
. Schaudidhnidtum 


m ww 


. Sägertal 


. Deidesheim in Deidesheim 
Freinsheim in Freinsheim 
Friedelsheim in Friedelsheim 
. Herrbeim a. B. in Herxheim a. B. 


bei Wachenheim. 


2. Jagdſchlöſſer x. 

bei Bad- Dürkheim 
bei Bad- Dürkheim 
bei Bad- Dürkheim 
bei Bad- Dürkheim 
bei Hartenburg. 


3. Klöfter. 


Weilach 


. Limburg (Benedif- 


tiner) bei Bad- Dürfheim 


. Haufen (Benebdif- 


bei Bad- Dürkheim 
bei Bad» Dürkheim 


tinerinnen) 


. Seebad (Benedif- 


tinerinnen) 


. Schönfeld (Bene- 


diftinerinnen) bei Bad- Dürkheim 


II. Bezirksamt Frankenthal. 
a. Kanton Frankenthal, 
1. Burgen. 


1. Frankenthal in Franfenthal 
2. Eppftein in Eppjtein 

3. Heuchelheim in Heuchelheim 
4, Stlein-Niedesheim in Slein-Niedes- 

beim 
5. Lambsheim in Lambsheim. 
2. Klöfter. 

Frankenthal: 

1. Rapuziner 


2. Auguftinerhorherrn Groß Frankenthal 


3. 


. Ult-Leinigen 
. Battenberg 


. Laumersheim 
. Ritterftube 


nn DD a 


Auguftinerchorfrauen Klein Frankenthal 


b. Kanton Grünftadt. 


1. Burgen, 

bei Alt Leiningen 

bei Neu:Leiningen 
bei Battenberg 

in $tleinbodenheim 
in Laumersheim 


Neu-Leiningen 


Emichsburg 


des Wormſer Adels in Dirmſtein 


.Reſidenzſchloß der 


Wormſer Biſchöfe bei Dirmſtein 


. Kurpfälzifche Burg in Dirmſtein 


71 


9. Heidesheim in SHeidesheim 
10, Biffersheim in Bifjersheim 
11. Quirnheim in Quirnheim 
12, Mübhlenthal in Großfarlbad 
13. Unterer Hof in Grünftabdt 
14. Oberer Hof in Grünftadt 
15. Großbodenheim 

(fefter Turm) in Großboden- 

beim. 
2. Alöfter. 

1. Höningen (Uugu- 

ftinerchorherrn) in Höningen 
2, Hertlingshaujen (Au- 

guftinerchorfrauen) in Hertlingshaufen 
3. Heidesheim (Eifter- 

zienferinnen) in SHeidesheim 
4, Grünftadt (Kapu⸗ 

ziner) in Grlnftadt 
5. Gernsheim (Tempel- 


Rumww- 


berrn) bei Kirchheim a. €. 


IV, Bezirksamt Germersheim. 
a. Kanton Germersheim. 
1. Burgen. 


. Germerdheim in Germersheim 

. Reimersheim in Leimersheim 
Beisfam in Beisfam 

. Spiegelburg bei Hördt 

. Weingarten in Weingarten 

. Friedrichsbühl bei Bellbeim. 


2. Klöfter. 


1. Hördt (Auguftiner- 

Ehorherrn) in Hördt 
2. Heimbah (Johan⸗ 

niter) bei Luftadt 
3.—4. Germersheim: 

Franziskaner 

Serviten in Germersheim. 

b. Kanton Kandel. 
1. Burgen. 

1. Hagenbach in Hagenbad) 
2. Yodgrim in Jockgrim 
3. Minfeld in Minfeld 
4, Neuburg in Neuburg 
5, Neulauterburg in Neulauterburg 
6. Rheinzabern in Rheinzabern 
7, Rülzheim in Rülzheim 


Affalterloch 
Winden 


bei Wörth. 
in Winden. 


2. Klöfter. 
feine. 


V. Bezirksamt Homburg. 
a. Santon Homburg. 
1. Burgen. 
. Hohen: od. Homburg bei Homburg 
. Karlöberg bei Homburg 
. Bundenbad in Großbunden- 


bad) 
bei Kirrberg. 


2. Klöfter. 


Homburg (Franzis- 
faner) 


— = Ö+ 


. Merburg 


in Homburg. 


b. Kanton Landftupl. 
l. Burgen. 
1. Nanftein od. Nanftal bei Landſtuhl 


. Hauptftul bei Hauptſtuhl. 
2. Klöfter. 
Seine. 


c. Kanton Waldmohr. 
1. Burgen. 


bei Kirkel 
in Jägersburg 


. Kirfel 
Jägersburg 
. Scheidenberg 


2, Klöſter. 
Steine. 


an - 


VI. Bezirksamt St. Ingbert. 
a. Kanton St. Yngbert. 
1. Burgen, 
Stiefeler Schloß 


(Weinantiteın?) bei St. Yngbert. 


2. Klöfter. 
feine. 


b. Ranton Blieskaſtel I. 


1. Burgen. 
1. Bliesfaftel ın Bliesfajtel 
jpäter ward daraus 


2. das Layenſche Schloß in Blieskaftel 


bei Niedermiejau, 


12 


3. Mengen bei Bliesmengen 
4. Bhilippsburg bei Nieder » Würz- 
badı 
5. BWedlingen bei Ballweiler 
6, Luiſenthal bei Schwarzen- 
ader, 
2. Klöfter. 

1, Börfchweiler (Eifter- | 

zienjer bei Schwarzenader 
2. Gräfinthal (Wilhel- 

miter) bei Bliesmengen 
3. Bliesfaftel (Franzis- 

faner) in Blieskaſtel. 

v1. Bezirksamt Kaiſerslautern. 
a. Kanton Saijerslautern. 
1. Burgen. 

1. Dieburg bei Aljenborn 
2. Beiljtein ber Faijerslautern 
3. Diemerftein bei Frankenſtein 
4. Frankenſtein bei Franfenftein 
5. Hoheneden bei Hohenecken 
6. Lautern in Saijerslautern 
T. Perlenburg bei Kaiſerslautern 
8. Stelzenberg bei Stelzenberg 
9. Wilenftein bei Trippftadt 
10. Trippftadt (Schloß) in XTrippftadt 
11. Breidenborn bei Kaijerslautern. 


2. Klöfter. 


1.—2, Lautern 


— 


Otterberg (Ciſterzienſer) in 


Einſiedel 


Otterburg 
Schallodenbach 
. Sterrenberg 


a) Franziskaner 
b) Prämonftratenjer in Kaiferslautern 


. Entenbad 


(Brämonijtratenjer) 
(Deutich- 


in Enkenbach 
bei Kindsbach 


bei Hochſpeyer. 


herrn) 


Fiſchbach (Auguftiner- 


chorfrauen) 


b. Stanton Ötterberg. 
1. Burgen. 


bei 
bei 
bei 


Otterberg 
Schallodenbach 
Otterbach. 

2. Klöſter. 

Otterberg. 


VII, Bezirksamt Kirchheimbolanden. 


a. Kanton Sirhheimbolanden, 


l. Burgen. 

1, Albolfesheim bei Albisheim 
2, Dannenfels bei Dannenfels 
3. Gtauf bei Stauf 
4. Wildenftein bei Dannenfels 
5. Stetten in Gtetten 
6. Kirhheimbolanden in Kirchheimbol. 
T. Bolanden «m Bolanden 
8. Alt-Bolanden bei Polanden 
9. Warte auf dem 

Schillerhain bei Kirchheimbol. 
10. Niedeck bei Kriegsfeld 
11. Weiſſenſtein bei Mörsfeld. 


2. Klöſter. 


.Paradies (Ciſter⸗ 


zienſerinnen) 


bei Mauchenheim 


2. Syon oder Sehyl 
(Ciſterzienſerinnen) bei Mauchenheim 
3. Roſenthal (Ciſter⸗ 
zienſerinnen) bei Göllheim 
4. Münfter-Dreijen 
(Prämonſtratenſer) bei Dreiſen 
5. Ramſen (Ciſter⸗ 
zienſerinnen) bei Ramſen 
6. Rothenkirchen 
(Prämonſtratenſer) bei Kirchheimbol. 
T. Bell (Stift) in Bell 
8. Hagen (= Hane, 
Brämonftratenfe: 
rinnen) bei Bolanden 
9. Deimbach (Eifter- 
zienferinnen) bei Mörsfeld 
10. Donnersberg 
(Bauliner) auf dem Donners- 


berg. 


IX. Bezirksamt Kufel. 


a. 8anton Kuſel. 


l. Burgen. 
1. Michelsburg bei Theisbergftegen 
2. Quirnbach bei Quirnbach 
3. Wadenau bei Dennmweiler- 
Frohnbach 
4. Petersheim bei Herjchmweiler- 
Petersheim. 


2. Klöfter. 
Kujel und Remigius⸗ 
berg (Benediktiner) bei Theisberg- 
ftegen. 
b. Kanton Lauterecken. 
1. Burgen. 


1. Lauterecken in Lauterecken 
2. Odenbach in Odenbach 
3. Reipoltskirchen in Reipoltskirchen 
4. Neuenburg bei Ginsweiler 
5. Ingweiler bei Reipoltskirchen. 

2. Klöſter. 

Keine. 
c. Kanton Wolfſtein. 

1. Burgen. 
1, Alt-Wolfftein bei Wolfftein 
2, Neu Wolfſtein bei Wolfſtein 
3. Sprengelberg bei Eßweiler 
4. Herrenburg bei Oberftaufen- 

bad). 
2. Klöfter. 


Steine, 


X. Bezirksamt Landau. 
a. Kanton Landau. 


1. Burgen. 
1. Altheim bei Offenbach 
2. Eifingen in Eſſingen 
3. Heuchelheim in Heuchelheim 
4. Queichheim in Queichheim 
5, Mörlheim in Mörlheim 
6. Franfenburg bei Franfweiler 
T. Madenburg bei Eſchbach 
8. Neukaſtel bei Leinsweiler 
9. Herrheim in SHerrheim 
10, Beggalingen in Göcklingen 
11, Landau in Landau. 
12, Rodenburg zwiſchen Eſchbach 

und Leinsweiler 

13. Arzheim in Arzheim. 

2. Klöfter. 
Landau: 


1) Auguftiner, 
2) Rapuziner, 


3) Beguinen in Landau. 


14 


b. Kanton Edenkoben. . Hohe: oder Rup⸗ 


. Bars prechtöburg bei Ruppertöberg 
1. Altd { 8 " 16, Lichtenftein bei Neidenfels 
. Altdorf in Altdorf 17. Neidenfels bei Neidenfels 
2, Uljtermweiler in Alſterweiler 18. Marburg bei Hambach 
3. Bödingen in Böchingen 19. Königebadh (Turm- 
e —— bei ee ruine) in Königsbach 
. Edesheim in eöheim - 2 i 
6. Rietburg bei Rhodt 20. Grunenberg? bei Appenthal. 
T. Krobsburg bei St. Martin 2, Kloſt 
8. Gaisburg bei Burrmeiler 5 en 
9. Marienburg bei Kirrweiler 1—4, Neuftadt: 
10, Altenkirrweiler in Sirrmweiler a) Sefuiten 
11. Benningen bei Benningen b) Rapuziner 
12, Kredenburg bei Maifammer c) Beguinen 
d) Auguftiner: 
2. Klöfter. Ehorfrauen in Neuftadt 
Heilsbrud (Cifter- 5. St. Lambrecht 
ztenferinnen) bei Edenkoben. (Benebiftiner) in Lambredt. 
XI. Bezirksamt Ludwigshafen. XII. Bezirksamt Pirmafens. 
1. Bürgen. a. Kanton Pirmajens, 
1. deaveht bei Frieſenheim 1. Burgen. 
.Gronau bei Alsheim 
1. Lemburg bei Lemberg 
a a be — ri 2. Ruppertöftein bei Ruppertsmweiler 
3 Nuchheim in Nuchei . 3. Steinenſchloß bei Biebermübhle 
6 5 ; — 4. Pirmaſens in Pirmaſens 
Fußs nnheim > Bußgönnheim 5. Eppenbrunn in Eppenbrunn 
T. Ongeröheim in Oggeröheim. 6. Windsberg bei Windsberg. 
2. Klöfter. 
1, Altrip (zur Abtei 2. alöfer. 
Prüm gehörig) in Altrip Glasberg bei Pirmaſens. 


2. Oggersheim in Oggersheim. 


b. Kanton Dahn, 
XII. Bezirksamt Neuftadt. 


1, Burgen, 

1. Burgen. 1. Berwartftein bei Erlenbach 
1. Breitenftein bei Appenthal 2. Klein Frankreich bei Erlenbach 
2. Duttweiler bei Neuftadt 3. Dradenfels bei Bufenberg 
3. Lachen in Lachen 4.-6. Alt Dahn 
4, Lindenburg bei Lindenberg (3 Burgen) bei Dahn 
5, Medenheim in Medenheim T. Neu-Dahn bei Dahn 
6. Winzingen bei Winzingen 8. Wegelnburg bei Schönau 
T. Wolfsburg bei Neuftadt 9, Blumenftein bei Schönau 
8. Erfenſtein bei Franfened 10. Bigeunerfels(Ober- 
9. Spangenberg bei Frankeneck Bafigenftein) bei Schönau 
10. Elmftein bei Elmftein 1l, St. German bei Bobenthal 
11. Geiſpitzheim bei Mittelhpambah | 12. Kaldenfels (Kalten- 
12, Haßlod) in Haßloch bacher Schloß?) bei Dintermweiden- 
13. Hildebrandsed bei Lobloch thal 
14, Willibertsed bei Lobloch 13, Kulmenfels bei Nothweiler. 


2. Klöfter. 
feine. 


e. Ranton Waldfiſchbach. 


1, Burgen. 
1. Grevenftein bei Merzalben 


. Heidelöburg (Bunen-: 


ftein?) 


bei Burgalben. 


75 


2. Felsberg 

3. Imsweiler 

4. Hohenfels 

5. Randed 

6. Neuhemsbad 

T. Unjelburg 

8.—9. Wartenberg 
(Alt: und Neu-) 

10, ®innweiler 


bei Imsweiler 
bei Imsweiler 
bei Imsbach 

bei Neuhemsbach 
in Neuhemsbach 
bei Neuhemsbach 


bei Wartenberg 
in. Winnmweiler 


2. Klöfter. 
Steine. 


XIV. Bezirksamt Rodenhaufen. 
a. Kanton Rodenhaujen. 
1. Burgen. 


1. Gaugrehmeiler in Gaugrehmeiler 
2. Ruhenburg bei Rodenhaufen 
3. Ruppertsed bei Ruppertseden 
4. Stolzenberg bei Bayerfeld 
5. Martenberg-Schnee- 
berg bei Gerbach 
6. Frauenftein bei Ruppertseden 
7. Gutenbad) bei Gaugrehweiler. 
2. Klöfter. 
Marienthal (Prämon- am Donnersberg. 
ftratenferinnen) 
b Kanton Obermoſchel. 
1. Burgen. 
1. Ebernburg bei &bernburg 
2. Montfort bei Hallgarten 
3. Landsberg bei Obermojcel 
4. Römenftein bei Niedermojchel 
5. Randed bei Mannmweiler 
6. Altenbaumburg bei Altenbamberg 
T. Treuenfels bei Ultenbamberg 
8. Bernhardsſchloß? bei Altenbamberg 
9, Ddernheim in Odernh. a. Gl. 


2. Klöfter. 
1—2, Difibodenberg bei Odernheim 
a. Benediftiner 
b. Benediftinerinnen 
3. Trombad) (Beguinen) bei Feilbingert 
4. Balbrüden( „ ) bei Altenbamberg 
5, Münfterappel in Münfterappel. 


c. anton ®Binnmweiler. 


1. Burgen. 


1, Falkenftein bei Falkenſtein 


11, Gehrmweiler 
12, Gunderömeiler 


bei Gehrweiler 
bei Gundersweiler. 


2. Klöſter. 


Hainweiler 


bei Steinbach. 


XV. Bezirksamt Speyer. 


1. Burgen. 
l. Marientraut bei Hanhofen 
2, Scifferftadt in Scifferftadt 
3. Kaiferpfalz in Speyer 
4. Dudenhofen bei Speper. 

2. Klöfter. 
1. Germansberg (Bene- 

diftiner) bei Speyer 

2— 14. Speyer: 


a) Jeſuiten 
b) ®ilhelmiter 
c) Franziskaner 
d) Franziskanerinnen 
e) Kapuziner 
f) Auguftiner 
g) Auguftinerchorfrauen 
h) Garmeliter 
i) Dominikaner 
k) Dominifanerinnen 
I) Beguinen 
m) Brüder des heil. 
Grabes 
n) Deutſchherrn. 


XVI. Bezirksamt Zweibrüden. 
a. Kanton Zweibrüden. 


1. Burgen. 
1. Hornbad in Hornbach 
2. Kirchheimer Schloß bei Hornbach 
3. Medelsheim bei Medelsheim 
4, Schorrenburg bei Breitfurt 
5. Tſchifflick bei Zweibrücken 
6. Zweibrücken in Zweibrücken 
7. Riesweiler in Riesweiler. 


— 76 — 


2. Klöfier. 
bei Irheim 


bei Hornbad 


1. Irheim 

2. Hornbach (Benedil- 
tiner) 

3. Marienftein (Reue- 


rinnen) in Bmeibrüden. 


b. Kanton Bliesfaftel II. 


1. Burgen. 
feine. 


2. Klöfter, 
feine, 
Im Ganzen: 239 Burgen (einſchl. 5 Jagd⸗ 
ihlöffer) und 78 Mlöfter. 


Borftehende Zufammenftellung betrachte 
ih als eriten Verſuch; zur vollftändigen 
Löfung der Aufgabe bedarf ich freundlicher 
Unterftügung. Ich bitte daher Geſchichts— 
freunde, insbejondere Lokalhiſtoriker, das 
Verzeichnis auf feine Bollftändigfeit hin 
prüfen zu wollen. Jede Belehrung oder 
Berichtigung unter Angabe der Literatur 
wird ſelbſtverſtändlich mit Dank auf 
genommen werden. Bei Aufftellung eines 
endgültigen Verzeichniſſes beabfichtige ich 
bei jeder Burg ac. die darauf bezügliche 
Literatur kurz zu zitieren, um Intereſſenten 
fofort das Nachſchlagematerial an die Hand 
geben zu können. 


Hegenkarte von Deutſchland. 


Mit erläuternden Bemerkungen. In amtlichem Auftrage bearbeitet von Profefior Dr. ®. Hellmann, 


Abteilungsvorfteher im Kgl. Preußifhen Meteorologifchen Inſtitut. 


Preis im Umſchlag 3 Mt, 


in Rolle ungebrochen, 64 X 72 cm, 3 Mk. 10 Pfg. Berlin SW. Dietrich Reimer (Ernſt Vohſen). 


Profeſſor Hellmanns Regenkarte von 
Deutichland ift die e:fte genaue derartige 
Karte, die veröffentlicht werden konnte. Sie 
beruht auf den Beobachtungen, die an 3000 
deutichen Stationen im Jahrzehnt 1893 bis 
1902 über die Niederſchläge angeitellt 
worden find, nahdem durch die Bemühungen 
diejes Gelehrten Norddeutichland zu Anfang 
der neunziger Yahre ein dichtes Netz von 
Regenftationen erhalten Hatte und ſeitdem 
aud in Süddeutſchland zahlreiche ſolche 
Stationen eingerihtet wurden. Da die 
mittlere jährlihe Niederſchlagsmenge in 
Deutichland zwifchen 41 und 212 cm ſchwankt, 
wird ihre räumliche Verteilung mittels 12 
Farbenabftufungen auf der Karte veranjchau- 
lit. Dadurch, daß für die beiden niedrigften 
Stufen (40—50 und 50-60 cm) ein 
lihtes Braun, für alle höheren aber Blau 





gewählt wurde, treten die trodenen und 
feuchten Gebiete jcharf hervor und die 
ganze Karte madıt einen plajtijhen Ein- 
druf. Der begleitende Text hebt die 
wichtigften Gefichtspunfte hinſichtlich der 
Niederichlagsverteilung in Deutſchland her» 
vor und gibt die größten mie Fleiniten 
Yahresmengen eines jeden Landes bezw. 
jeder Provinz in Zahlen an. 

Die Starte, die viel Neues lehrt, wird 
nicht nur den Männern der Wiſſenſchaft, 
wie Geographen und Meteorologen, will- 
fommen jein, jondern vor allem aud) denen 
der Braris (Land- und Forftwirte, Gärtner, 
BWafjerbauer, Yngenieure, Techniker u. |. w.), 
die an der möglichſt zweckmäßigen Ver— 
wertung der atmojphärifchen Niederjchläge 
ein unmittelbares Intereſſe haben. 

(Münd. N. N.) 





Snbalt: Die Entwidlung der Kirihblüte. — Der Kampf gegen die Müdenplage. — Der 


Deutiche Yehrerverein für Naturkunde. — Arfenquelle in Bad-Dür 


heim. — Burgen, Schiöfier 


und löfter der Pfalz. — Regenfarte von Deutſchland. 





Schriftleiter: Eehrer Ph. Sauth, Eandfluhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 
Für Form und Ynbalt der Beiträge Rab bie derren Berfaſſer verantwortlich. 


Die „Pfülgiicge Helmattunde“ koſtet jahrlich in 12 Heften Mt. 2.50. Beflellungen werden von allen Buchhandlungen und 
Voflanftalten ferner vom Berleger (Bortofreie Gtreifdandfendung) angenommen. . 


it. Jahrgang. 


Nummer ?7 


Juli 190%. 


( 
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A. Q 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


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BUN 


L/ 


Hom Trinken im Sommer. 


Der Sommer hat jeinen Ginzug ge: 
halten und die Zeit ift jomit Herangefommen, 
mo manchem gelegentlid die Zunge troden 
am Gaumen Elebt, wo man fich jehnt nach 
einem fühlen Trunk. Da fann man nun 
oft die Behauptung hören, man ſolle nicht 
jo viel trinken, denn: „Je mehr du trinkt, 
defto mehr jchwigeft du!” Dieſe Behaup- 
tung ift jedoch nicht unbedingt richtig. Es 
ift jelbftverftändlih, da die Feuchtigkeit, 
die dem Körper durch Schwigen entzogen 
wird, wieder erjeßt werden muß. Aber 
ebenjo felbftverfiändlich und auch nötig ift 
es, daß man im Sommer mehr trinft als 
in der fühlen Jahreszeit. Die VBerdunftung 
der Feuchtigkeit im menjchlichen Körper 
durch Schwitzen ift jehr lebhaft. Man 
Ihäßt die Schweißabjonderung eines er- 
wachſenen Menihen an einem Tag auf 
durchſchnittlich 600—800 Gramm; bei 
großer Hitze, beim Marſchieren oder anderer 
Diuskelanftrengung kann die Schweißbildung 
fogar bis zu 1500 Gramm in der 
Stunde gejteigert werden. Da ift es 
aljo gar nicht zu verwundern, wenn man 
Leute fieht, die mehrere Glas Flüffigkeit 
zu fih nehmen. Und dies ift auch gerade 
nicht jchädlih. Gefundheitswidrig ift nur 
das Genießen zu Falter Getränfe. Viele 
fönnen das Bier, den Wein, das Waſſer 
uſw. im Sommer gar nicht falt genug be- 
kommen; bejonder8 groß find darin Die 
Amerifaner, die eisfalte Getränke in un— 





glaubliher Maſſe und Schnelligkeit ge 
nießen. Die verjchiedenen „American 
drinks*, „mixed drinks*, „Coctails*, 
„Cobbler* ufw. werden aber audh bei uns 
Mode und deshalb ift die Mahnung doppelt 
angebradt, beim Genufje eisfalter Sachen 
wenigſtens vorfichtig zu jein und in ganz 
Fleinen Schluden zu trinfen. Dann bewahrt 
man ſich vor Schaden. Aber gegen dieje 
jelbftverftändliche Regel wird in den heißen 
Sommertagen leider jehr oft gejlindigt. 
Überhaupt ift es ſchon mehr als leicht 
finnig, wie rückſichtslos manche Leute ihren 
Magen behandeln. Einem Ochſen, einem 
Pferd gibt fein Bauer eisfaltes Wafler im 
Sommer, ftets nur etwas „überſchlagenes“; 
aber in den menichlihen Magen werden 
Maſſen eifiger Getränfe gepumpt. Und 
dann wundert man fi) noch, wenn man 
mit 60 Jahren nicht mehr „schwere Sachen“ 
genießen fann. Wenn zugegeben werden 
darf, daß das Fühle, ja jelbft ein Faltes 
Getränf einem gejunden Magen nichts 
ſchadet, jo ift doch ebenſo leicht einzujehen, 
daß jede Übertreibung irgend eine, wenn 
vielleicht auch nur augenblidlide Unan- 
nehmlichfeit nach fich zieht. Es ift wohl 
ein Zeichen von guter Erziehung und von 
Berftändnis für vernünftige Lebensweiſe, 
wenn man fi) auch in der Richtung der 
Befriedigung des Trinkbedürfniſſes eine heil« 
jame Selbftzucht auferlegt. 


18 


Beiträge nnd Proben zur Erklärung bedentungsvoller Wörter. 


Nachdem bereits mehrere Artikel diejer 
Beitfchrift darauf Bezug genommen haben, 
wie moderne Wortbilder aus älteren For: 
men entftanden find und welche finnreiche 
Bedeutung gewöhnlich in Ddenjelben ver: 
borgen liegt, mögen hiermit noch weitere 
Beifpiele in einer Zujammenftellung ge: 
geben fein, welche ſich an die Einteilung 
eined neueren Werfes von Rem. Vollmann, 
Oberlehrer in Münden, anjchließt. Seine 
„Wortkunde in der Schule auf Grundlage 
des Schulunterrichtes“ ift ein dreibändiges 
Werk von 122, 198 und 208 Seiten und 
ift vor vier Jahren erjchienen. Der Stoff 
ift nach folgenden Oberbegriffen gefichtet: 
I. Heimatort, Bodenformen, Bewäſſerung, 
Witterungserjcheinungen, Bewohner, Staat 
und Gemeinde, Himmelsförper, Beographiiche 
Eigennamen, Ausdrüde der Seemanns- 
ſprache. II. Die alten BDeutjchen, Aus— 
breitung des Chriftentums, Kari der Große 
und das Franfenreich, Lehensherrichaft, 
Deutihe Kaiſer, Rittertum, Städteweſen 
und Bürgertum, Häusliches und gejelliges 
Leben im Mittelalter, Gewerbe und Handel 
im Mittelalter, Rechtspflege im Mittelalter, 
Söldner und Landsfnechte, Bauernfrieg, 
Familiennamen, Erfindungen und Gnt« 
defungen, Reformation und 30jähr. Krieg, 
Deutijhland nad) dem 30jährigen Stiege, 
Sranzöfiihe Revolution, Staatsverfaffung. 
II. Der Menſch, Tierreich, Pflanzenreich, 
Mineralreih. — Dazu folgt jedesmal ein 
reiches Wörterverzeichnis. 

Es ift unmöglich, für die Bwede hei— 
matfundlicher Klarſtellung alles pafjende 
Material an diefer Stelle auszuziehen und 
joll dagegen gejagt fein, daß die über: 
rafchende Fülle des Gebotenen jedermann 
befriedigen wird, der das Werf in ernit- 
fihe Benügung nimmt. Ob die Schule in 
einem Maße von diefen Schägen Gebraud 
machen fann und foll, wie es ſich der 
eifrige Berfaffer vorftellt, fei dabingeftellt. 
Uber in manden Fällen darf die allge: 
meine Volksſchule auch in dieſer Richtung 
das Nügliche mit dem Intereſſanten miſchen, 
vielleicht jogar mit der Wedung der Luft 
zur Deutung überbradhter Ausdrucdsformen 
ihr Biel erreicht jehen. Hier enticheidet 
ja fiher mehr die Neigung als das Pflicht: 





gefühl, wieviel Wiffen im Gedächtnis haf- 
ten bleibt. 

Wir greifen eine Reihe von Erklärungen 
gekürzt aus dem Werfe und machen mwörtliche 
Zitate durh Anführungszeichen kenntlich. 

Weiler, verwandt mit villa — Land- 
gut, althochdeutih wilari, inzelgehöft, 
Eleines Dorf. 

Dorf, thorp, dorp (Dörper für Dorf» 
bewohner und das Eigenjchaftswort dörper- 
lih) — Anfiedelung der Hörigen um den 
Herrenhof. 

Markt und Marftfleden von mercatus, 
althochdeutich markät. 

Burgfrieden — daS Gebiet, ſoweit 
da8 Gelände um die Burg umfriedigt, ein- 
gefriedigt ift. 

Weihbild, (vichbilde Stadt- 
gebiet; von wih — Stadt (vieus — Dorf) 
und bilida — Recht, Gerichtsbarkeit. 

Gegend, verw. mit gegen (contre), 
aljo örtliche Ausdehnung gegen einen 
Bunft hin (oder um einen foldyen her). 

Dften, (austa, aurora (ausosa) Mor- 
genröte) die Richtung des Aufleuchtens des 
Tages, daraus folgend aud Oeſterreich 
und Oftern 

Süd, sund (vgl. Sundgau, Südgau) 
mit sunna — Sonne verwandt. 

Weft von wisan verweilen oder 
wesan — fein, bleiben oder vesper — 
Abend; demnach Abendjeite, wo die Sonne 
zu verweilen ſcheint. 

Gebiet — das Gebieten, jomweit das 
Gebietsrecht (Gebot) reicht, vgl. Stadtgebiet, 
Flußgebiet. 

Fläche von flach, auch blach (Blachfeld) 
— Ebene (vgl. platt). 

Hügel verm. mit body, von houc 
niedriger Berg (Winterhaud). 

Bühl (Bühel) von bahil — Hügel. 

Leite — Leiter, (Hainleite), Abhang, 
wie Halde von hald — geneigt. 

Steil von fteigen (Stiege, Steig, Steg) 

= anfteigender Weg. 

Jäh, gäh von gach, gaehe — ſchnell, 
plötzlich. 

Paß von passus — Schritt. 

Tal verw. mit Dalle, Delle, Dulle — 
Mulde. 


Schlucht (Schluft) zu fchliefen, hinein— 
jchliefen (Höhle). 

Kluft von klieben — 
flaffen. 

Schrund von fdrinden, berften; vgl, 
Hautjchrunden — Riſſe. 

Klamm von klemmen. 

Urbar = ertragsfähig, von ur (er) 
und bern (tragen). 

Matte verw. mit Mahd, mat, mad 


ipalten, vgl. 


— dad Mühen. 

®rummet — grünmat, gruonmat 
— das grün Gemähte. 

Ohmet, Ohmd (amat), zweites 


Mähen, Nachgemähtes. 

Weide — Suden von Speije dur 
Menſch und Vieh; vgl, Weidmann, Weid- 
wert, mweidlich (jagdgemäß). 

Heide — unfruditbares Land; Heid» 
ihmude von snucken, d. i. ſchluchzen, etwa 


das Bloken bedeutend; vgl. auh der 
Heide. 
Ried — riet, Schilfrohr, mit Ried 


und Moos bewachſene Fläche; (aber das 
Donau-Ried von Gereute, Rodung!). 

Brunnen von brunno, brinnan 
— brennen, mwallen, fieden. Bronn und 
Born ift dasjelbe. 

Furt, feichte Übergangsftelle, von 
fahren. 

Lade von lacus — See, aljo zus 
jammengelaufenes Waſſer. 

Pfütze — Lade; pfuzza — Brunnen; 
(putens). 

Pfuhl von pfuol = Pfüge, Sumpf. 

Beiher — Fildteih, von wiwer, 
wiwari, (vivarium). 

Schleuße und Schließe (Schleufe) 
von sluis, sclusa, exclusa. 

Wert (Wörth), wohl von ver = Meer, 
alfo Land am Wafler. 

Aue (Au), ouwa verw. mit aqua, 
Flußniederung, bewäflerte Wiefe. 

@iland, eilant, einlant — einfam 
gelegenes Yand — Aue, Inſel. 

Haarraud, Heerraud, Höhenraud 
von haar — Höhe; (vgl. hardt, Harz) 
— Trodenrauh vom Moorbrennen, 

Wind — der Wehende. 

Sturm von storan, storren — ger 
waltiam in Trümmer legen. 

Föhn von favonius, eig. Weftwind 
und fonno = Regenwind. 


Jura von joria, juria = Bald. 

Hohenftaufen von stouf — Fels, 
Bergfegel; vgl. Stauf bei Gifenberg. 

DOrfan vom faraibifhen ouragan 
= Sturm (vgl. Hurrikan). 

Blitz, blikize, blieze, blie = Blid, 
plötzlicher Schein. 

Dampf von dimpfen — rauden. 

Hagel, hagal mit der Bedeutung des 
Stehenden, Schneidenden; vgl. hageldicht ; 
Janhagel — Pöbel, Schloſſen = jdloh- 
weiß. 

Erde, airtha, ertha, erda, hertha, 
herda = Pflugland, das zu bebauende 
Land; auch bewohntes Land. 

Belt, werlt, weralt von wer = Mann, 
Menih und alt (alan) Alter, Zeitalter; 
alfo Gejamtheit der Lebenden, auch ebenfo 
Zeitalter, wie Wohnplag der Menſchen 
oder alles Geſchaffene. 

Sonne, sunne — Licht, Glanz, aud 
Schein (schin); ebenfo Blid. Sonnen 
ftrabl ( - strale = Pfeil); Sonnen 
wende — sunnewende um die Tag: und 
Nachtgleichen. 

Mond, mane, mone, mon, monot 
— Mondumlaufsfrift. 

Tag, dah — brennen, aljo leuchten; 
Beit des Sonnenſcheins. 

Stunde von stantan — 
„zur Stunde”, „ZTodesftunde”. 

Minute von minutum, (das Ber- 
minderte), alſo ein Bruchteil, 

Sefunde = secunda (pars), alfo 
Teil zweiter Ordnung. 

Frühling, erft feit dem 15. Jahr⸗ 
hundert gebräuchlich, früher Lenz bon lenzo, 
lenzin, lengizin, Beit der Verlängerung 
der Tage. 

Herbft von herbist, herbest — Ein» 
ernten der Früchte; zu einem alten Stamm 
harb gehörig ; vgl. herba — Srautpflanze. 

Hormung (urjprünglid der Yanuar), 
vielleih mit dem „hornharten” Froſt zu 
deuten. 

Wonnemonat (wünne — Weideland), 
aljo Weidemonat. 

Brahdmonat (Juni) benannt nad 
brahha — Umbreden des Ackers (vgl. 
brach liegen). 

Alpen von albi montes, weiße Berge ; 
vgl. auch Rauhe Alb, wohl vom hellen 
Kalkftein her. Algäu — Alpgau. Hier 


ſtehen; vgl. 


ift auch  interefjant: Bintfhgau von 
vallis Venusta = Tal der Venosten. 

Bormjer Jod von Bormiv, wie 
Berner Klauſe von Berona, 

Arlberg nad den Arlen (Xegföhren) 
benannt. (Gehört au Arles, Arelate 
bierher ?) 

Hohenftaufen von stouf = Fels, 
Bergkegel; Donauftauf viel, auch mit 
Stufe verwandt. (Hohenftoffeln eben- 
falls ?) 

Hohenzollern von zoller = Zöllner; 
ebenjogut von tulgjan — befeftigen, als 
von tol, tul = Bergfefte abzuleiten ; vgl, 
bier Hohent wiel. 

Wasgenwald von Wosago (waso) 
— Waſen, Raſen alſo Waſengau. Vogeſus 
hieße alſo richtiger Voſagus; vgl. franz. 
Vosges. 

Haardt, hart — Wald. 
harz. 

Kniebis (pass) — Chnieboz — fnie- 
brecher; vgl. einen Kniepaß in den Alpen 
und einen Felsſteig bei Landſtuhl „Knie— 
brech“. 

Odenwald, Odanwald (odi — leer) 
dder Wald. Hierzu vergleiche die 
neulich in der Frankf. Ztg. enthaltenen Aus: 
laffungen: „Zum fünfundzwanzigjährigen 
Jubiläum des Ddenmwaldflubs wird im 
„Zourift”, der amtlichen Beitjchrift des 
Berbandes deutjher Touriftenvereine (Re: 
daftion und Geichäftsftelle: Frankfurt a.M.) 
ein Aufſatz veröffentlicht, der eine neue, 
beachtenswerte Löſung des Rätſels, woher 
der Ddenmwald feinen Namen hat, vorbringt 
und eingehend begründet. Der Aufjag er- 
innert zunächft an die Ausführungen, die 
Profeſſor Dr. Sütterlin aus Heidelberg 
vor einiger Zeit in der „Frankfurter Zeitung“ 
veröffentlicht hat, und er ftimmt mit ihm 
vollfommen darin überein, daß alle bis: 
berigen Erklärungen des Namens ungenügend 
find; er bringt für diefe Ablehnung der 
bisherigen Erklärungen neue Beweiſe bei 
und fnüpft dann an die Sütterlinjche Ver— 
mutung an, der Ddenmwald habe mohl ur- 
Iprünglih einen „Wald des Otto (Odo)“ 
bezeichnet, nur fenne man feine Perſönlich— 
feit von folcher Bedeutung, die hier ernitlich 
für die Namengebung in Betracht kommen 
könnte. Warum denn, jo fragt der Ber: 
fafjer des Aufſatzes, beim Maskulinum 


Vgl. haar, 


80 


itehen bleiben? Der Name Odenwald tritt 
zum erften Mal in dem umfangreichen 
Grundbefig auf, den das reiche Wormſer 
Stift am und im Odenwald hatte. Er 
umfaßte den jidlihen Zeil des Gebirges 
zwiſchen Nedar und Itter bis hinüber zum 
Malchen (Melibofus). E8 erhielt fi in 
der Heppenheimer Gemarkung bis 773 der 
Name Burgundhart, Wald der Burgunden; 
Worms aber ift in Geſchichte und Gage 
der Königsfig der Burgunden. Nun bes 
richtet die Ältefte und beſte Handjchrift des 
Nibelungenliedes (die Hohenems Laßbergſche) 
in Aventiure XIX, daß die „riche vürsten 
abtei ze Lörse* eine Stiftung von Frau 
Uote jei, die fie nah dem Tode ihres 
Gatten Danfrat gemacht habe. Auch Kriem- 
bild beſchenkt nad Siegfrieds Ermordung 
das Klofter reichlich. Zwei Strophen weiter 
heißt es: 

Dö was der vrouwen Uote ein sedelhof bereit 
ze Lorse bi ir Kloster mit grözer richeit; 
där zöch sich diu witewe von ir kinden sit, 


dä noch diu vrouwe h&hre begraben in einen 
sarke lit. 


Ulfo das berühmte Kloſter Lorſch, das in 
der Gegend lag, für die zuerft der Name 
Ddenwald auftritt, ift eine Stiftung der 
Burgunderkönigin Uote; in der Nähe hat 
fie einen Hof, wohin fie fi nad Siegfrieds 
Tode zurüdzieht; in Lorſch liegt fie auch 
begraben. Kriemhild, erzählt das Nibelungen« 
lied weiter, joll alsdann bei ihr wohnen 
(ze Lörse in mime hüse); deshalb wird 
Siegfrieds Leiche ausgegraben und in Lorſch 
neubejtattet. Das Sagen, bei dem der Held 
getötet wurde, fand ftatt in einem Walde, 
der rechtörheinifch den Burgunderfönigen 
gehörte und der Odenwald genannt wird, 
Demnach hätte der Burgundhart jeinen 
Namen nachträglich in Odenwald geändert. 
Die Mordftelle liegt bei Dtenheim: 

Von dem selben brunnen, dä Sivrit wart 


erslagen, 
sult ir diu rehten maere von mir hoeren 


sagen: 
vor dem Otenwalde ein dorf lit Otenhein; 
da vliuzet noch der brunne, des ist zwifel 
dehein. 
Der Dichter will feinen Zweifel dulden, 
daß der Brunnen bei Dtenhein fließe, das 
vor dem Odenwalde liegt. Heute vermögen 
wir über diefe Ortichaft, die dody im Be- 


ı ginn des 13, Jahrhunderts, als die Laß— 


bergiche Handſchrift niedergejchrieben wurde, 
eriftiert haben muß, nicht Gewiſſes mehr 
zu berichten. Sie muß infolge des Mordes 
einen üblen Klang gehabt haben; Simrock 
berichtet von dem ſprichwörtlichen Segens- 
wunſch: „Möchteft du nie nah Odenheim 
gelangen”, den die Gejchichtsfchreiber zwar 
auf eine Schlacht beziehen, die zwijchen 
dem Pfalzgrafen Ezzo und dem Herzog 
Dietrid von Lothringen bei Udenheim 
(BHilippsburg) ftattfand, die aber Simrod 
mit Recht in Beziehung zu Siegfrieds Er- 
mordung fegt. Alſo unmeit Lorſch, der 
Stiftung der Königin Uote, im Burgundhart 
in der Heppenheimer Gemarkung, lag Oden- 
beim, wo der Mord jtattfand. Wie nun, 
wenn jener „sedelhof* der Königin nad) 
ihr genannt wäre? Ob die Endfilbe „hein” 
oder „heim“ lautet, ift gleichgültig. Der 
Genitiv von Uote heißt Uoten; ſprachlich 
fteht nichts im Wege, daß aus Uote Dte 
und Dde fih bilden. Allerdings fchreibt 
die Handſchrift ſtets Uote und hat fomit 
die alte Form der Sage bewahrt, während 
fie anderjeit8 Otenwald, Dtenhein hat; 
das ließe ſich aber leicht dahin erklären, 
daß der Dichter die bereits feftftehenden 
geographiichen Namen jo benüßte, wie er 
fie zu feiner Zeit vorfand, ohne an die 
Abftammung derielben zu denken. Die 
Geſchichte weiß zwar nichts von einer Stiftung 
des Kloſters Lorſch durch die Königin Uote, 
jondern nennt als Stifter den Grafen Cancor 
und feine Mutter Wiliswinde. Uber nad) 
Dahls Beichreibung von Lorich lebte gleich: 
zeitig mit Wiliswinde eine Klofterfrau Uda, 
melde die zweite Stifterin des Kloſters 
ward. Hier reichen fich alſo Gejchichte und 
Sage die Hand. Das Ergebnis diefer Aus- 
führungen ift, daß das Volk jeine alten 
Sagengeftalten an die geſchichtliche Uda, 
an den Burgundhart, an das Dorf Dten- 
heim angefnüpft und von ihnen der Gegend 
und dem Walde den Namen gegeben hat. 
Der Berfaffer will fi nicht anmaßen, 
Abſchließendes geliefert zu haben; immerhin 
ihien ihm feine Unterjuchung wert zu jein, 
dem Ddenmwaldflub als Fleine Feftgabe ge- 
widmet zu werden. 

Der Ddenmwald und das Nibe 
lungenlied, Auf der Generalitabsfarte 
findet man zwei Stunden nördlich von 
Bergiih:-Gladbadh den Spezzard: 


81 


Bald in der Nähe von Odenthal bei 
Altenberg. Dort liegen auch die Grim- 
berge = Ddinsberge. Grimmner ift Odins 
Beiname. Nun beachte man, daß in der 
Edda nirgendwo Worms und der Odenwald 
erwähnt werden. Erft in driftlicher Zeit, 
als das heidnifche Fundament der Mythen 
verlaffen war, erweitert fih das urfprüng: 
lihe Sagengebiet, das zwiſchen der Gieg 
und Wupper lag. Die Sänger jchmeichelten 
den FFürften, indem fie das berühmtefte 
Heldengedicht bei ihnen möglichft lokaliſierten. 
Worms, Pöchlarn, Aquaquintum (Budapeft- 
Dfen), Xanten, der Broden, ja jelbft 
Schweden wurden mit dem Liede in Ber- 
bindung gebracht. So unglaublich es Elingt, 
daß Ehrimhild nad graufamer Rache von 
den Wellen des Rheins, in welchen fie den 
Tod fucht, ind Meer und von diefem durchs 
Sattegat nach Schweden getragen wird, jo 
wurde doch dergleichen fabuliert. Im Richard 
Wagner-Jahrbuch von Dr. Frankenſtein 
habe ich mit den Belegen der mythologiſchen 
Flurfarte von Asgart und Mittgart die 
Fahrten Siegfrieds genau nachgemiejen: 
uls Wölſung zieht er von den Wolsbergen 
der Sieg dur die heiligen Lande (durd) 
den Königs ˖ und Frankenforſt) zur Stätte, 
wo der Drade Faffnir bei Baffrat in 
Niltum-Neidſtätte hauft. (Nittum = Gnitar 
heide). Das Waldvöglein fingt ihm: „Du 
ſchauſt die Stätte, wo die Umwaberte ſchläft.“ 
In der Edda heißt es, Brunbilds Fels 
liege am Hinda- und Heidberg. Kine 
Stunde von Nittum liegt der Wibberzhof 
am Hirz; und Heidberg. Giudis Halle, 
König Gunthers Refidenz, dürfen wir bei 
Udendorf bei Troisdorf annehmen. Dort- 
hin zog Siegfried (nad) dem Geſang des 
Waldvögleins) durh die grünen Pfade 
Mittgartd. ES hindert jomit nichts, daß 
von dort die große Jagd in dem Spezzard 
unternommen wurde, freilich wird in der 
Edda Siegfried meudlings im Bett er- 
ichlagen. Spätere Lieder zogen wohl den 
Mord auf der Jagd vor. Dann lag es 
nahe, den Spezzard mit dem Spejjard 
zu vertaufchen und die Ddinberge in den 
Ddenmwald zu verlegen. Diejer war ſchon 
in fernfter Borzeit Ddin geweiht, denn er 
liegt öjtlid von der weiten Rheinebene. 
Im Often thronten auf den Berghöhen die 
Lichtgötter oder Aſen (derem vornchmiter 


Odin war), bei Bensheim 3. B. Freya 
= Bendis. — Fr. F. — Eine zweite Zu- 
Schrift wendet fi ebenfall$ gegen die 
Folgerungen der früheren Notiz, im ber 
jonderen gegen die Ableitung des Namens 
Ddenmwald aus „Uoten-Wald*. Sie jagt: 
Erftens: es find zwar die Namen der 
Könige Gunther und Gifelher Hiftorifch; 
Uote dagegen ift zwar ein Name, der 
biftorifch vorfommt, aber als Name einer 
burgundifchen Königin zur jelben Beit mit 
Gunther ift Uote nicht nachzuweiſen. Da: 
gegen fommt Uote in der deutjchen Helden- 
fage mehrmals als Name von Heldenmüttern 
vor, ift aljo nicht beweiſend. Zweitens: 
Uoto und Ddo, Uota und Dda find aller: 
dings dasfelbe; aber U. ift oberdeutid, DO. 
niederdeutfch; moher eine niederdeutiche 
Benennung des Ddenmwalds fommen follte, 
ift unerfindlih. Der Name des Ddenwalds 
fann aljo nicht von Uote herfommten. 
Drittene: Die Laßbergiihe Hand: 
Ihrift, in der allein der Bericht über 
die Stiftung des Kloſters Lorſch ſteht, 
ift zwar an fi) eine gute Handidrift; es 
zweifelt aber heute niemand mehr daran, 
daß fie den jpäteften Tert der Nibelungen 
enthält und alle nur in ihr ftehenden 
Strophen Zufäge find. Biertens: auch die 
Stelle über Dtenhein fteht nur in diejer 
Handſchrift, gehört aljo nicht dem alten 
Zert an. Gie braucht gar nicht zu be: 
weilen, daß ein Dorf Dienhein damals 
eriftiert habe. Wenn ein Dorf in den zahl: 
reihen Urkunden, die wir aus der Zeit 
um 1200 haben, und aud fpäter nicht 
vorfommt, jo ift die Wahrjcheinlichkeit 
immer ſchon groß, daß es damals nicht 
beftanden hat. Gewiß hat der Verfaſſer 
jener Bujaßftrophe den Namen erfunden, 
d. h. aus dem Namen Otenwalt gefolgert; 
er macht gerne derartige Zuſätze.“ — H. F. 


Kapenbudel von Ghatten — Heſſen 
abzuleiten. Hierher gehört auh Katzen— 
ellenbogen — Ghattimelibocus, Meli- 
bocus von mel = ſchwarz; nad Egli hieße 
der Berg richtiger Malchenberg (malsc 
ftolz), was zum Anblid von der Rheinebene 
ftimmt. 

Bogrlöberg vgl. mit Geiersberg, 
Spedtswald (Speſſart), Habichtswald. 

Rhön iſt unbeſtimmt, manche denken 


82 


an braun = Lavafeld oder rono = Baum⸗ 
ftumpf. 

Haßberge entweder Heſſenberge 
(Haßfurt) oder Berg des Hazzo. 

Der Pfahl (im bayer. Wald) = wohl 
nur eine verichärfte Ausiprade von val 
(vallum) = Wall, denn der Pfahl iſt ein 
wallartig hervorftehender Quarzgang von 
ca, 50 km Länge. 

Hunsrüd fann Hunderliden bedeuten 
(Hünenrüden ?) 

Tuunud bon dun, daun == Höhe; 
vgl. Schloß Dhaun bei Firm. 

Zurlei, Lorelei, von lur, lurlo — 
elfenartiges Wejen und leie — Felſen, vgl. 
Leie für Schiefertafel und Leiendeder 
— Schieferdeder. 

Sauerland — Süerland — Süder- 
oder Südland. 

Lauſitz und 
Moor» und Wieſengrund. 
Bewohner des Landes. 

Geſenke von Bejenife, jesenik=&jche, 
alſo Ejchengebirge. 

Sudeten von sud — Sau, alfo wegen 
des Reihtums an Wildſchweinen. 

Walchenſee von meld, 
Welſchländer. 

Königsjee von Chuno (= Chnonrat)h, 
der jo genannten Familie, in deren Befig 
der See einft war. 

Rhein = Nhenus, renos = Fluß. 

Bodenjee = Bodmanjee nah der 
Kaiferlichen Pfalz Bodoma am Überlinger 
See. 

Laufen im Fall von Lauf, Sprung. 

Wiefe (Fluß) von vis = Waſſer. 

Nedar (Nicar, Neccara) wohl ven 
nick = jpülen, waſchen. 

SI von eilen. 

Lauter (Quteraha), = lauterer, Flarer 
Fluß. 

Queich verw. mit quie, quec 
lebendig oder nach Heeger verw. mit queic, 
= weich, fumpfig. 

Main (Moenus) von mo geben, 
fließen. Mainz hat mir Main nichts zu tum, 

Rednig (Radantia) von rad = jchnell 
fein und inza = Fluß. 

Tauber (Dubra) von dubr = Waſſer. 

Nahe und Nab von Nava = Fluß. 

Mofel von Moos, alio Moos, 
Moorfluß; vgl. Maas! 


Lufiten — die 


See der 


Saar von sar = Fluß, Waſſer. 

Zahn und Laacher von lac = See, 
Gewäſſer. 

Deutſch von diutise; von diot, diet 
= Bolf. 

Limburg, Lintbure 
Dradenburg. 

Kafjel von Caſtellum oder Gas-sali 
(Chad-sali) Saal eines Chad, 

Homburg = Hohenburg. 

Pfalz von pfalanza(palantium murus) 
= Pfahlburg oder von palatium = Balaft, 
Kaiferburg. 

Baden von feinen Bädern benannt. 

Elſaß (Elisazzo, Alisatia) = Wohnfik 
der fremden; Land der Fremdſaſſen, d. i. 
der auf ehemald römishem Boden ange» 
fiedelten Alemannen, dieje von ali, eli 
fremd, verw. mit alius = anderer. 


Yothringen nad Lothar II. genannt. 

Heſſen = Band der Chatten, Hut: 
heute von hattuz = Hut. 

Mainz verfürzt aus Mogontiacum 
(nad einem Gallier Mogontios). 

Worms aus Borbelomagus = Hoch— 
ftadt; vgl. magen = Stadt, 3. B. Remagen, 


Mäujeturm= Mautturm, Bollftation, 

Gießen von giezzen; giezo = Fluß. 

Schaffhbanjen = Sciffhaufen. 

Habsburg = Habichtsburg. 

Holland = Holzland (Holtland); vgl. 
„im Haag”. 

Quremburg von luzzil = flein, aljo 
kleine Burg. 

Rußland von Ros, Rodsen = Ruderer, 
Seefahrer. 

Bärenhäuter = der auf der Bären- 
baut Liegende, Faulenzer. 

Kerl von charal, coerl = „Mann“, 
Ehemann, aud) Freier. 

Schalk von scale (scolan -söllen) = der 
Schuldige, auch Hörige. 

Germanen bon gairm = Geſchrei, 
aljo etwa Rufer im Kampfe — oder von 
gair. ger = Nadbar, vielleicht aud von 
germanus leiblich, echt, ſtammecht; jeden- 
falls ift die Deutung „Germänner“ unrichtig. 

Sigambrer (nit von „Sieg”) von 
gambar = munter, tapfer. 

Franfen = die Unabhängigen. Sal- 
franften = Galier = Anwohner der (Is)- 
sala = Jjssel, woran jet nod ein Saalland 


Linden: oder 


83 


liegt; die Unterfranfen (Ripuarier) 
am Mittelrhein, 

Schwaben von Sueben, 
Eigene, Verwandte, Freie, 

Pflaſter, Eftrich von astricus, 

Kterfer von carcer. 

Keller von cellarium (cella). _ 

Speicher von spicarium (spica= Ühre). 

Kreide von crela = Erde von Streta. 

Wein von vinum; Winzer = vinilor. 

Stelter von calcatura. 

Spund von puncta (punt) = eigentlich 
Stich, Loch. 

Semmel von simila = Weizenmehl, 
Brot. 

Brezel von bracellum = Armden. 

Eimer und Zuber = eimbar (einbar) 
und zwibar nadı der Zahl der Henkel 
(Dandhaben, „Tragen”). 

Kachel wohl von cacabus = irdener 
Topf. 

Pfühl von pulvinus, pfulwo, pfuliwin, 
pfülwe. 

Flaum von plerma (pfluma), daraus 
„Pflaumfeder“. 

Lid von Hit = Dedel; Augenlid, 

Scheel von schel(ch), scelah = quer, 
ichief, frumm, auch einäugig. 

Milch von miluh, zu melfen, melchan; 
vgl. Molke. 

Spanjferfel von spen (spünne) = 
Bruft, Muttermilh, alfo noch jaugendes 
Ferkel. 

Blecken verw. mit blicken, die Zähne 
zeigen. 

Rauchwerk (Rauhwerk) = Pelzware. 

Murmeltier = mus montis = Berg: 
maus, 

Hühnerauge iſt nicht 
Auge”, jondern Elſternauge. 

Eule, iule, uwila, huwflil)a, verwandt 
mit heulen. 

Kerbtier von kerfan, jchneiden, 

Matjeöherıng von Maatje = Lehrling, 
alſo unreifer Hering. 

Schmetterling von smetana = Milch— 
rahm und smieder dünner, magerer 
Gegenitand. 

Ameije von ameiza; Emse, Imse, 
daher „emſig“ = beharrlich, fleißig. 

Wanze = wantlus = Bandlaus, 

Spaß = Kojeform von sparo, sparwa 
(vgl. Sperber), spor = zappeln, 


Sweben; 


„bürnenes 


Knospe verw. mit Knoten, Knopf. 

Zwetſch(ghe, Quetiche von (prunum) 
damascenum = damaskin = dwaskin, 
alfo Pflaume von Damaskus, durch Kreuz 
fahrer gebracht. 

Flegel, Negil von flagellum; vergl. 
Flagellanten = Geißler. 

Heu, höu, houwe. von houwen 
hauen, jchneidend fchlagen. 

Efeu, ep-höu, ebehöu, Eppid. 


84 





Feldjpat von spat 
Geſtein. x. %. 


Es jei genug an diefer Auswahl von 
Beilpielen, die nur gekürzt der Sanımlung 
entlehnt find. 

Die ingefamt weit über 1000 betragenden 
Wortgruppen bietet eine. Gewähr, dab dic 
Erwartung auch anſpruchsvoller Benüger 
des Vollmannſchen Werfes nicht getäujcht 
wird. 


ze 
— 


ſpaltbares 


Volksmund. 


Den Beſitzern von Heinrich Wolgaſts 
Büchlein „Schöne alte Kinderreime“ wird 
die Mitteilung von Intereſſe fein, dab im 
Januar: und Junihefte der jchleswig-hol- 
fteinifchen Monatsichrift „Die Heimat” von 
G. F. Meyer in Stiel ähnliche Sammel: 
ergebniffe veröffentliht morden find. 
„Blattdeutfhe Wedensarten von 
firhliden und religiöjen Dingen“ 
fand er 191, von denen wır der Originali: 
tät und des Anklangs an heimifche Aus- 
drüde wegen einige abdruden. 


. Uns Herrgott fieft nich na'n Rod. 

. Wer Gott vertrut, de mangelt nid). 

. Wat de leev Gott natt maft, dat maft 
be of wöller drög. 

. He lött Gott eenen goden Manu fin. 

. He levt ad Gott in Franfrief. 

. Im Beenhus un in Gottes Rief 

fin wi eenanner alle glief. 

. Wenn Gott een Dör tomaft, maft he 
de anner mwör apen. 

. He jüht den Himmel för'n Dudelfad an. 

. Dat is jo gewiß a8 Gott in'n Himmel is. 

.Tröſt di mit Hiob und ſmer di mit 
‚Sirup! 

. Du fümmjt as Nilodemus in de Nadıt. 

. Se jdidt em von Pilatus na Herodes. 

. He hölt dat mit 'n fort Gebet un 
lange j Bratwurft. 

. Up 'n Danzjal un in’t Komedihus is 
de Platz fuapper as in de Kirch. 

. Ra, nu ſeh it 'n Dümel, jä de Yung, 
da harrn's em dat Og utflag'n. 

. Gliet um glief gefellt fit gern, ſä de 
Dümel un feem bi 'n Sahblnbrenner, 
(Schlechte Leute finden ſich.) 


Dumm wu 





17. To wenig un to vel iS den Düwe 
fin Spel, 

18. Wenn man von 'n Dümel jnadt, is 
be nich wiet. 

„Neckreime“ hat derjelbe Autor 64 
gefammelt, deren Humor, Urwüchfigfeit und 
Naivität aus den nachftehenden Proben her: 
vorgeht. 

l. Anna Maria Rehbod, 

Geboren in de Teepott, 

Geftorben in de Kaffeefann un 

Begraben in de Pannkok'npann. 


Schwanſen. 
GEliſabeth, 


De Klümp ſind fett, 
De Klümp ſind gar, 
Giff mi en paar. (Is all nid wahr.) 
(Fürſt. Lübeck.) 
.Fritz Franz Friederich, 
Jochen Korl Diederich! 
(Fürſt. Lübeck.) 
Fritz Franz Friederich, 
Wat büft du (doch) jo liederlich (niederich). 
. Hans, Hans, Piperjad, 
Gah to Schol und lehr dı wat, 
Lehr di ni fo vel, 
Sünft frigft wat mit de EI. 
. Hinnerf 
Mit de Binnerf, 
Mit de Bidbeernbeen, — 
Heit den Dübel danzen jehn? 
(Eichenburg in Holm.) 


Kiel, 


Kriſchan, 
Lat de Katt nich bi de Fiſch gahn. 
.Marik, Marak, Ma—-Rolltabak, 
Het fefuntmintig Klümp (Bund) in de 
Nad, Schwanſen. 


9, Peter mit 'n Geeter, 
In'n Sommer ward 't heeter, 
In'n Winter ward 't folt 
Un Peter ward olt. 
(Efchenburg in Holm.) 


10, Peter, jo heet 'r, 

In'n Sommer ward 't heeter, 

In'n Winter ward ’t föller, 

Un ®eter ward öller. 

(Sud in Oldesloe.) 

Il, Büft bös? 

Ga na de Gös. 

Büft gut? 


Ba na de Brut. Fürſt. Lübeck. 





12. Bock, Bock, ſtöt mi nich, 
Hawergrütt mag ik nich, 
Bofmweetngrütt hef if nich, 

Bol, Bord, ftöt mi nid. 
(Fürſt. Kübel.) 

13. Schofteenfeger fitt up 't Dad, 
Flickt fin Yad, 

Godn, godn Stummel-Tabaf. 

Fürſt. Lübeck. 

14. Schoſteenfeger, 

Trummelſläger, 

Sitt up 't Dad, 

Flickt ſin Jack, 

Het keen Nadel, het keen Tweern, 

Het of keen lütt ſöte Deern. Kiel. 





Ein Blick in das Sinnesleben der Haut. 


Die „Bettenfoferhbaus-Borträge” 
bedeuten eine außerordentliche Bereicherung 
unjeres Bortragslebend. Und das will viel 
beißen, wenn man bedenkt, was alles in 
diefer Beziehung geboten wird. Hoch— 
interefjante Vorträge, auserlejene Redner, 
ein vornehmes Publikum, das find die 
GCharafteriftifen, Es ift, als ob der edle 
Zweck der Borträge, ald ob die dee des 
Heimes für naturwiſſenſchaftliche volfstüm- 
lihe Bildung jchon einen Glanz voraus» 
jenden wollte. Gerade das Programm 
des Winters mar bejonder8 anziehend,. 
Auch der Bortrag, zu dem PBrofejjor 
v. Frey aus Würzburg zu uns gefommen 
war, bot ungewöhnlich viel SYntereffantes 
und Neues, Er wurde denn aud mit ge- 
jpannter Aufmerkſamkeit von den Anweſenden 
— an der Spike Brinzeffin Thereie — 
angehört umd mit reihem Danfe belohnt. 

Der Bortragende meinte launig: Es fei 
eine arge Mißachtung, die wir der Haut ent» 
gegenbringen, wenn wir fie ald „niederes“ 
Sinnesorgan zu erachten uns gewöhnt haben, 
Sie erichließt uns vielmehr ein weit reicheres 
Gebiet der Außenwelt ald wir ahnen. Ger 
wiß ſei es jchredlic, blind zu fein. Aber 
noch viel fchredlicher müßte es fein, wenn 
die ſämtlichen Hautempfindungen verloren 
gingen. Genügen diefe doch nicht nur beim | 
Berluft des Sehens, wie wir ftaunend an 
Blinden fehen, zu einer Erſchließung der 
Geifteswelt, find fie doch aud, wie wir an 


dem märdenhaften Fall von Helen Seller 
erjehen haben, wirffam genug, um ohne 
Auge, ohne Ohr zu einem hohen Bildungs» 
grad emporzufteigen. 

Den Reichtum der Haut an Empfindungen 
uns näher fennen gelehrt zu haben, ift mit 
ein bejonderes Berdienft des Vortragenden. 
Bon feinen mühjam errungenen Arbeits- 
refultaten hörten wir das allgemein Intereſ⸗ 
jante. 

Der Bortragende führte zunächſt aus, 
daß die menſchliche Haut nicht nur ein 
Gegenftand des Schmudes, fondern ein höchft 
lebenswichtige8 Organ ift, vor allem, weil 
fie das Werkzeug bildet, durch das die 
Temperatur des Körpers reguliert wird, 
Stleichzeitig ift fie ein Schuß für die inneren 
Organe und der Vermittler für deren 
Wirkungen nad) außen. Die enge funftio- 
nelle Verbindung zwiſchen der Haut und 
den inneren Organen gejchieht dur eine 
außerordentlih große Bahl von 
Nerven, die teild Erregungen zu den 
Blutgefäßen, Drüfen und Muskeln der Haut 
leiten, jogenannte motorijche oder zentri- 
fugale Nerven, teil umgekehrt Erregungen 
aus der Haut in die zentralen Teile des 
Nervenipftems bringen, jogenannte jenfible 
oder zentripetale Nerven. Letztere find 
bedeutend in der Ueberzahl. 

Unter gewöhnliden Umftänden jcheint 
die Fähigkeit der Haut und ihrer 
Nerven, die Eigenschaften der äußeren 


Dinge wahrzunehmen, oder was das: 
jelbe befagt, durch Drud, Kälte, Wärme ꝛc. 
„erregt“ zu werden, überallauf der Haut 
gegeben zu fein. Es ift daher verfiändlich, 
daß bis in die 80er Jahre des vorigen 
Jahrhunderts an der Auffaſſung feft 
gehalten wurde, daß jeder Hautnerv 
imftande fei, je nach Umftänden die eine 
oder andere Empfindung hervorzurufen 
(Drudgefühl, Wärmegefühl, Schmerz). 
Dieje Lehre mußte aufgegeben 
werden, ald Magnus Blir zeigte, daß 
man bei entiprechender Kleinheit des reizenden 
Mittels, alſo z. B. bei Verwendung einer 
dünnften Borfte, an der Haut Stellen finden 
fann, die auf diejen Reiz reagieren, andere, 
die ihn nicht empfinden. Wenn man mit 
einer ſolchen Borjte von 0,6 Millimeter 
Stärke z.B. am Arm eine Fläche abtupft, 
jo findet man, daß nur relativ wenig Bunfte 
ein Gefühl der . Berlihrung, des Drudes 
übermitteln. (In einem Beifpiel, das im 
Bild vorgeführt wurde, trafen auf 6 
Duadratzentimeter Haut 91, d. h. auf den 
Quadratzentimeter 15 ſolcher „Drud- 
punfte”.) ®enauere Unterfuchungen haben 
dann gezeigt, daß dieje „Druckpunkte“ über 
dem Eingang jeweils eines Haarbalges 
liegen. Danad) würde der Haarbalg, 
der ja auch durd jeine anatomijche Be- 
Ichaffenheit dazu geeignet jcheint — es um- 
jpinnt ihn ein Kranz feinfter Nerven — 
ald das „Druckorgan“ anzujehen fein. 
&o wie die brechenden durchfichtigen Medien 
des Auges die Lichtftrahlen fammeln und 
dem Nervenneß zuführen, jo würde diejer 
Nervenfranz den Drud aufnehmen und dieje 
Empfindung übermitteln. Und wie die Seh- 
nervenausbreitung auf jeden Weiz nur mit 
einer Sehempfindungs- Anregung antwortet, 
jo diefer mit einem Drudgefühl. Außer 
der Drudempfindung übermittelt aber die 
Haut noch Wärme, Kälte: und Schmerz- 
empfindung. Es ift num jehr interejlant, 
daß auch diefe nur an beftimmten Stellen 
zu erzeugen find. Man nahm ein mit 
Waſſer gefülltes Röhrchen, das in einer 
feinften Hohlnadel auölief, dur die ein 
dünnfter Faden (Nr. 18) durchging. Ließ 
man mittels dieſes ein feinftes Tröpfchen 
auf die Haut fallen, jo entftand nicht das 
Gefühl eined Tropſens, jondern Kälte: 
gefühl, allerdings nur an beftimmten 


86 


Stellen, den „Kältepunften”, deren fih auf 
einem Quadratenzentimeter nur etma 4 
finden. Nahm man eine heiße feinfte Nadel, 
jo fand man Stellen, wo Wärme gefühlt 
wurde. Diefe Stellen find nod) fpärlicher, 
nur etwa eıne auf einem Quatratzentimeter. 
Ganz mwiederfinnig mag es jcdeinen, daß 
Kälte empfunden wird, wenn man mit 
einer folhen warmer Nadel nicht auf einen 
Wärmepunft, jondern auf einen Kältepunft 
fommt. Das heißt eben, daß jede Erregung 
(3. B. auch eleftrijche), dieſer verfchiedenen 
Punkte immer nur das zugehörige Gefühl 
ausldft wie das Auge beim eleftriichen Strom 
oder einem Schlag Licht zeigt. Ganz un: 
möglich war es, für den Schmerz die einzelnen 
Punkte feftzuftellen.. Es war ſchon ſchwer, 
eine Methode zu finden. Man wandte 
ſchließlich eine Nachahmung der Brenneſſel- 
ſtachel an (Ameiſenſäure). Da zeigte ſich, 
daß die Schmerzpunkte äußerſt zahlreich find, 
ja die ganzen Zwiſchenräume zwiſchen den 
andern ausfüllen, vielleicht zu 200 auf einen 
QDuadratzentimeter treffen. Man darf aber 
doch - wit Sicherheit annehmen, daß aud 
die Schmerzpuntfte ifoliert find und der 
Auslöſung des Schmerzes mie der der. drei 
andern Hautempfindungen: Drud:,' Kälte— 
und Wärmeempfindung, ganz eigenartige 
Nervenapparate entiprechen. 

Die ärztlide Erfahrung lautet 
durhaus zu Gunſten diejer Folge: 
rungen, denn fie zeigt, daß einzelne der 
Empfindungsqualitäten über Fleinere oder 
größere Bezirfe der Haut geftört fein oder 
aud ganz fehlen fünnen, während an den 
gleihen Stellen der Haut die anderen 
Empfindungsqualitäten erhalten jein können. 
Es fann 3. B. die Empfindung der 
Wärme verloren gehen und der Fall 
eintreten, daß alle Temperaturen, cin 
ichließlich der hohen, als falt empfunden 
werden. Oder es fann eine Hautftelle die 
Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, einbüßen, 
für Wärme, Kälte, Truf aber no emp- 
findlich bleiben. Anderſeits fann aber auch 
die Echmerzempfindlichfeit allein zurück— 
bleiben und alle andere Empfindung er: 
lojchen fein. 

Sehr eigenartige Verhältnifje treten auf, 
wenn an einem Körperteil der Fall auftritt, 
daß die jämtlihen der Haut zufommenden 
Empfindungsarten ausgefallen find. Es 


fommt nämlich dann zu ganz auffälligen 
Bemwegungsftörungen, auch wenn die Musfeln 
ganz unverſehrt find und die Nerven, die 
wir bisher als die alleinigen Webermittler 
der zu ihren Bewegungen führenden Impulſe 
angejehen haben, in nichts von der Norm 
abweichen. 

Einige ſehr intereſſante Bilder erläuterten 
dieſe Störungen. Ein Mann hatte die 
Dautempfindungen am ganzen rechten Arm 
verloren. Die Bewegungsfähigkeit war da- 
gegen vollflommen erhalten, Wenn er nun 
die Hände bei geichloffenen Augen ftreden 
jollte, jo war die linke vollkommen ftramm 
ausgeſtreckt, die rechte aber machte eine un« 
beholfene Bewegung, die Finger hingen 
herab; und jelbft wenn er nun mit den 
Augen fontrollierte, fonnte er dieje einfache 
Stellung nicht ordentlich ausführen, Ähnlich 
mar es, menn er die Hände mie zum 
Schmören erhob u. ſ. w. Es wurden aud 
nod Bilder von einer Taube gezeigt, der 
in Chloroform die Empfindungsnerven der 
Flügel bezw. Beine durchſchnitten worden 
waren, Im erften Fall Eonnte ſie nicht 
mehr fliegen, fidy nit mehr vom Boden 
erheben, wenn man fie auf den Rüden 
legte; im zweiten machte das eıne Bein den 
reinften Stechjchritt beim Gehen, e8 hing 
beim Sitzen auf einer Stange herunter u. |. w., 
und all dies, obgleih die Bewegungen 
an ſich alle möglich waren. 


87 


Danad haben die Hautempfindungs- 
nerven einen jehr bedeutfamen Einfluß auch 
auf die Bewegungen des Körpers. Während 
man alio bisher annahm, daß es zur Aus— 
führung der millfürlihen Bewegungen ge: 
nüge, wenn die Bewegungsmerven in 
Ordnung wären, müſſen wir jegt annehmen, 
dat der Wille nur gleihjfam den allge 
meinen Befehl gibt, daß dagegen die Aus- 
führung im einzelnen und in jedem Moment 
des Ablaufs geregelt wird durch Erregungen, 
durch Nachrichten, die teild aus der Haut, 
teils aus den bewegten Musfeln und Sliedern 
nad dem NAusgangspunft des Willens« 
impuljes, dem Zentralnervenſyſtem gelangen. 

So mie hier die Haut als ein die 
Bewegung regelnder und fördernder 
Faktor erſcheint, jo unterſtützt anderjeits 
dag Muskelſyſtem die Haut in ihren 
Leiſtungen als eines unjerer Sinne in 
Form der Taftbewegung. Grit das 
aktive Taften, das Abtajten gibt unjerem 
Zaftgefühl die Vollendung. Dan lege eine 
Medaille zum Beijpiel auf die Finger und 
dann führe man diefe iiber den Begenftand 
und man wird die unendlich größere Reid: 
haltigkeit die ſer Zaftenpfindung an dem 
Unterfchied ſofort erfennen. Erſt diefe Aus» 
bildung des Taftfinnes ermöglichte das Leſen 
der Blinden, ermöglichte das Geiſteswunder 
der Helen Seller. 

(M. N. N., Nov. 1906.) 


Mann hat der Sommer 1907 begonnen? 


Die Frage erſcheint müßig; lernt doc) 
heute jedes Kind, daß der Sommer am 
21, uni feinen Anfang nimmt, Wenn 
man ein Übriges tun will, jo fügt man 


hinzu, das fei dad Datum, an weichem die | 


Sonne bei ihrem ſommerlichen Höchſtſtande 
angelangt jei, die Zeit der längiten Tage 
und fürzeften Nächte, der beftändigen 
Dämmerung, der Beginn des Niedergangs. 
Schlagen wir in unjerem Slalender nad, 
wie es gemillenhafte Leute getan haben, 
die dieje Erörterung zu veranlafjen mußten, 
jo finden wir zu unferer Überrafhung, daß 
der Sommer am 22. Yuni begann und 
zwar zudem erft Nachmittags 3 Uhr. 
Sehr gewifjenhaft beftiimmt! Aber die 
Frager wollen genauen Ausweis umd es 


fei ihnen und allen Intereſſenten darum 
im Voraus mitgeteilt, dab diefer Beitpunft 
fogar leicht bis auf Minute und Gefunde 
angebbar ift. Man denke ſich einen Kreis— 
bogen, den eine Gerade in einem einzigen 
Bunfte berührt. Wie die Lage dieſes 
„Punktes“ mit einem hohen Grade von 
Sicherheit gefunden werden fann, wenn 
nur die Schärfe der Linien eine ebenjolde 
Schärfe der Meſſung erlaubt, jo ift auch 
die Anjchmiegung der Bahnkurve der Sonne, 
wie fie uns am Himmel erjdeint, an einen 
gedachten himmlischen Parallelfreis genau 
zu verfolgen und zu erfennen, wann der 


| Moment der Berührung des Mittelpunftes 


der Sonnenſcheibe mit dem Kreiſe ftatt- 
findet, der 23” 27°’ nördlich vom Himmels: 


— 88 — 


äquator zu denken if. Noch einfacher: | wird deshalb auch nicht am „üblichen“ 23., 
Es ift leicht der Abftand der Sonne vom | fondern am 24, September beginnen und 
Frühlingspunft (Überquerung des Aquators) | der Winter am 23. Dezember nachts 1 Uhr. 
zu finden, der genau "Ja des Umfangs beträgt. | Wenn wir im Februar 1908 einen Er- 
Aber die Differenz gegen den allbe- | gänzungstag zuhilfe genommen haben, wie 
kannten „21,“ ! die Vorjchrift feit Einführung des re: 
Auch da ift Rat. Weder das Datum | gorianifchen Kalenders fordert, jo werden 
bleibt, noch die Stunde. 3. B. traf der | wir uns von der „Anomalie” der Datums» 
Beginn des Sommers 1896 auf den 20. | zählung für die Anfänge der Jahreszeiten 
Juni, nachts 11 Uhr. Die Forderung | immer mehr erholen, je weiter die Yahre 
eines Scalttage® nad je 4 Jahren weiſt ins neue Jahrhundert voranſchreiten. Daf 
uns darauf bin, daß wir. von Zeit zu Zeit | in der Nähe des vollen Hunderts die 
unjer Datum berichtigen müffen, wenn wir | Abweichung vom üblichen „21.” am fühl: 
nicht langfam gegenüber der Himmelsuhr | barften ift, leuchtet ein, denn dort liegt 
zurüdbleiben wollen. Das ſoll nun aber auch die Lücke in der Bemefjung der Jahres» 
nach Übereinfommen alle volle Jahrhunderte | dauer. Für 1908 lauten die Epochen der 
nicht eintreten, der Schalttag full unbe- | Yahreszeiten 21. März 1 Uhr 27 Minuten 
rüdfihtigt bleiben. Geſchah auch 1900; | nadts, 21. Yuni 9 Uhr 19 Min. abends, 
aber eben darum find wir feit 1896 auch | 23. September 1 Min. vor Mittag und 
um rund 2 Tage „voraus“, obwohl 1904 | 22. Dezember 6 Uhr 35 Min. früh. Für 
ein Schaltjahr war: wir find auch wieder | 1909 kommen die gleichen Tage inbetracht, 
3 Jahre jenfeitS der damaligen Korrektur | den Stunden nad) treten die Sornenftände 
angefommen. Unjer diesjähriger Herbit | je 5 Stunden 46 Min. jpäter ein. 








Arengottern 


gibt es entgegen der Meinung vieler Leute | aus ihrer Ruhe geftörten Dtter, die fich 
aud in der Pfalz, bejonders an fteinigen | anfangs dur Steinwürfe hatte vertreiben 
Halden und in der Nähe von Wafler. | laffen, gebiffen; da ärztliche Hilfe bald zur 
(Vgl. Hierzu unfere früher gebrachten Mit- | Stelle war, fonnten jchlimme Folgen ab- 
teilungen.) Es ift nicht unangebracht dar» | gewendet werden. Bei Saargemünd fing 
auf zu verweilen, daß die heiße Jahreszeit | Mitte Yuli 1906 ein junger Mann eine 
Begegnungen mit Sreuzottern hHerbeiführen | „Blindjchleiche”, die ſich leider nachträglich 
fann, fei e8 zufällig beim Spaziergange | als Otter erwies. Er murde von dem 
oder beim Beerenfuchen. Die Behauptung, | Tiere gebiffen und ftarb an Blutvergiftung. 
der Biß der Giftjchlange fei nicht eigentlih | In der 2. YJunihälfte ds. 8. fam ein 
gefährlich, wird menige Anhänger finden ſolches Neptil ſogar in die Stube einer 
und höchſtens geringere Beunruhigung er: | Winzerfamilie zu Ylbesheim bei Landau. 
weden; es dürfte unter allen Umftänden | Die anmefenden Kinder flohen auf die 
Vorſicht am Plage fein, wenn man einer | Straße und alarmierten die Nachbarſchaft, 
Schlange begegnet, die faft wie eine Blind- | worauf ein beherzter Mann das zum An» 
jchleiche ausfieht und nicht die Kennzeichen | griff geneigte Tier (?) erichlug. Die Otter 
und Färbung einer Kreuzotter deutlich zur | dürfte mit dem Streumwerf furze Zeit vor« 
Schau trägt. Erft vorigen Sommer wurde | her in die Behaufung gelangt jein. 

eın Mädchen bei DOberharmersbad) von einer 


Über —— im Walde. 


Ein furchtbares Unglück, das vor kurzem waldes waren mehrere Perſonen mit Kultur— 
in der fränkiſchen Schweiz bei Potten- | arbeiten (Pflanzenſetzen) beſchäftigt. In den 
ſtein ſich durch Blitzſchlag ereignete, macht Nachmittagsſtunden zog ein ſchweres Ge— 
in Jäger- und Forſtkreiſen viel von | witter herauf; die Leute legten ihre Werk— 
fich reden, In einer Abteilung des Stadt | zeuge weg und flüchteten ſämtlich unter eine 


große Buche. Ein in diefen Baum fahrender 
Bligftrahl tötete faft ſämtliche Perſonen, 
dreı Männer und zwei frauen; nur ein 
Mädchen fam mit jchweren Brandwunden 
und mit einer lang andauernden Betäubung 
davon. Die am Leben Gebliebene jchleppte 
fih mit Aufgebot aller Kräfte aus dem 
Walde und rief Hilfe herbei, die leider zu 
jpät fam. Aus diefer Hiobsbotichaft geht, 
jo jchreibt die „Deulſche Jägerzeitung“, 
hervor, daß auch die gegen Blitzſchlag an— 
geblich als immun geltende Bude nicht 
immer als fiherer Zufludhtsort zu betrachten 
ift. Die jeitherigen Beobadhtungen haben 
gelehrt, daß die Eichen am wenigſten gegen 
elektriſche Entladungen gefeit find; ihren 
fließen fih andere Laubbäume wie 
PBappel, Ahorn, Birke, Eide, 
Erle ufmw. an; hierauf fommen die Nadel- 
bäume, in die der Bli erfahrungsgemäß 
jeltener jchlägt, al8 in die Raubbäume; am 
geringfter. iſt der Prozentſatz aller feſt— 
geftellten Bligfchläge beı den Buchen, deren 
Immunität gegen den eleftriichen Strahl 
jprihmörtlich geworden ift. Die alte Jäger— 
regel lautet: „Bor Eichen jollft du 
weihen, vor den Fichten follft du 
flüdten, vor den Tannen mweid' 
von dannen, doch die Buchen jollfi 
du fuhen” Es murde ftatiftiih nad. 
gewiejen, dak der Blitz etwa 30 mal in 
Eihbäume, 12 bis 15 mal in die verfchiedenen 
anderen Yaubbäume (ausgenommen die 
Buche) und 5-8 mal in Nadelbäume ein- 
ichlägt, bis er fich einmal eine Buche als 
Biel ermählt. 

In der gemwitterreichen Zeit dürfte es 
angebracht fein, einige Yingerzeige zu geben, 
wie men fi vor der Blikgefahr in Feld 
und Wald einigermaßen ſchützen fann. 


89 


Wenn das Gewitter einen im Walde über- 
raſcht und zahlreiche eleftrijche Entladungen, 
ſowie direft in der Nähe niederfahrende 
Bligftrahlen eine unmittelbare Lebensgefahr 
befürchten lajjen, dann verlafje man das hohe 
Holz und begebe ſich in einen niederen 
Buchen- oder Nadelholzſchlag oder 
freie Feld. Um nicht als Anziehungs- 
punft für die atmoſphäriſche Clektrizität 
zu dienen, ift es jehr vorteilhaft, wenn man 
fih in einen mwafjerleeren Graben oder 
eine Erdfurde legt. Auf alle Fälle ift zu 
empfehlen, daß man mindeitens 5—6 Meter 
von den Üüberhängenden Zweigen des nächſten 
Baumes ſich entfernt hält. Auch in der 
Nähe von Sturzbähen und Wafjerfällen 
fih aufzuhalten, ift gefährlich, da der Blik 
gern in ſolche Waflerfäulen, die gute 
Eleftrizitätsleiter find, ſchlägt. Bor allen 
Dingen möchten wir dringend raten, me 
tallene Gegenftände weit von ſich abzu- 
legen, da ſolche Sachen den Blik anziehen. 
Ein ergrauter Forftmann war einft Beuge, 
wie der Blig in eine Bappel ſchlug, an die 
ein Weidgenoffe jeinen Vorderlader geftellt 
hatte. Das Gewehr war wie eine Spirale 
verbogen, und beide Schüſſe hatten fich, 
ohne Schaden anzurichten, entladen. Ein 
anderer Jäger beobachtete vor einigen Jahren, 
wie ein Bligjtrahl in eine Schafherde fuhr, 
deren Schäfer inmitten der Herde mit gen 
Himmel gerichteter Schaufel geftanden hatte, 
Bahlreihe Schafe waren tot, und der leicht« 
finnige Hirte erlitt außer einer ſchweren 
Betäubung und teilmeijen Lähmung zahl« 
reihe Brandwunden. Radfahrer jollten 
abfteigen und einige Schritte von ihrem 
NRade entfernt das Ende des Gemitters 
abwarten. 


Adolf von Hallaus Tod. 


(+ 2. 9. 1298.) 


Es war um die glühende Erntezeit, 

Ein tiefblauer Himmel fpannte fich meıt, 

Da ftanden bei Göllheim an Würde gleich 

Adolf und Albrecht im Kampfe um's 
Neid, 

Wie Sturmwind klang's in der ſchwülen 
Schlacht: 


Daß ſchnell ſie durch Zweikampf 
entſchieden ſei, 

Ritt König Adolf zu Albrecht herbei 

Und hielt im Kampfgetümmel ihn feſt: 

„Hie iſt, wo du Krone und Leben mir läßt.“ 

Doch hatte ſein Schickſal es anders 
gewollt — 


„Sanct Marie, Mutter Gottes und Magd!“ | König Albrecht die Krone nicht tragen ſollt', 


FE - 


Noch glühte das Haupt ihm vom Gonnen- 
brand; 

Da ftrich fie mit fchmaler bebender Hand 

Die Loden von feiner Stirne zurück — 

Hell jpielte der Mond im gebrochenen Blick. 

Sie neigte fi; nieder im Mondenftrahl 

Und füßte den Mund ihm in ſtummer Qual. 


Derweilen in Sorgen triib und bang 

Zu Roßenthal heiß im Gebete rang 

Imagine, feine Gattin alleın: 

Der Himmel möge ihn Sieg verleih'n. — 

Und als fie beim Pförtchen Hufichlag 
vernahm, 

Sein Roß mit dem Windfpiel ledig kam. 


Es ſtrich ein Duft über'm reifen Korn, 
Wildrofen glühten am Hedendorn, 

Da jchlih aus Rojenthals ftiller Klaus’ 
Imagine leis in die Nacht hinaus, 

Sie fand den Gemahl auf dem Scladt: 


Die Nonnen trugen im Sternenſchein 
Den Toten zur Klofterfapelle hinein. 
Imagine fniet an der Totenbahr' 

Die Füße bloß und gelöft das Haar, 
Und als fie ihr Haupt in die Hände 


felde tot, vergräbt, 
Bon Wunden entftellt und vom Blute jo rot. | Im Chor fih Geſang der Schweftern 
erhebt. — — 


Streiht traumhaft der Wind an den Mauern entlang, 
Dann ſummt es noch heute wie Totengejang: 
Divus vir factus, effuso sanguine nactus 
Tantam virtutem, quod nune conferre salutem 
Dieitur acgrotis. — Nostris, Deus, annue votis, 
Ut tua laus crescat, et Rex in pace quiescat.*) 
Dr. Earl Puſch. 


*) Aus den Denkverjen an der Wand der Klofterkirche zu Roſenthal. 





Bie Totenhand zu Eifenberg. 


Sieh’ Hin und hüt’ dich wohl mein Kind | Wer ftets nur Sclimmes führt im Sinn 
Und merk's und beff’re dich geſchwind. Und fährt in feinem Unrecht hin, 
Schau’ dir mit eignen Augen an Dem gibt, das merk’ dir wohl mein Sohn, 
Die Hand, die nie verweſen fann. Der Himmel fihtbar feinen Lohn, 


Einft war ein ungeraten Rind 

Und all fein Lebtag bös gefinnt, 

Das ſchlug noch jung die Eltern ſchon 
Nun ftarrt die Hand als Gotteslohn, 


Um einen Grenzitein war einft Streit, 
Da war zum Meineid er bereit. 
Er hob zu Gott empor die Hand 
Und ſchwur dem Andern ab jein Land. 


Die Hand wuchs ihm zum Grab heraus 
Bu andrer Sünder Schred und Graus. — 
Dies Liedchen Euch ein Bater fang, 

Dem um des Sohnes Zukunft bang. 


Dr. Carl Puſch. 


Bas Marienbild zn Gräfinthal. 


Die Muttergottes zu Gräfinthal 


' Kam juft vom Walde ein Träger in Eil', 
Am Kreuzweg unter der Linde ftand, 


‚ Berfonnen in teuflifhen Wlan; 


Ließ ſpielen der Augen holdieligen Strahl 
Wohl über das weite blühende Yand, 


Der ſpannte den Bogen und fchoß mit dem 
[Bfeil — 


Was hat ihm das Bild nur getan? 


Wollt! dreimal zielen auf's Gnadenbild, 
Dann jhöß’ er vom Heiland fich frei, 
Daß fünftig im Wald und im Feld kein 
Dem Schüten könne vorbei. [Wild 


Er hielt auf's Bild, wie traf er jo gut, 
Ein Blutftrahl drang aus der Wund'; 
Der Waidmann jah’s, da jank ihm fein Mut, 
Leid zudte der Heiligen Mund, 


Und weil ihm nur eıner der Schüſſe gelang 
Konnt' fürder der Böfe fein Helfer nicht fein. 
Die Erde erbebte, die Erde verichlang 

Ihn bis zur Brufi in den Boden hinein, 


Und als man Gharfreitags den Freoler fand 
Als feitgewurzelten Menjchenftumpf, 
Da ſchlug mun, wie er eben ftand, 
Sein wüſtes Haupt ihm ab vom Rumpf. 


Die Muttergottes zu Gräfinthal, 
Die trägt noch bis zur Stund' 
An ihrer Bruft des Pfeiles Stahl 
In tiefer Herzenswund'. 


Dr. Carl Puſch. 


Johannisbeerwein. 


Zur Bereitung des Johannisbeerweins 
kann man ſowohl rote als weiße Beeren, 
oder auch beide miteinander vermiſcht, be— 
nutzen; jedoch geben die roten, die viel 
Säure und Gärungsſtoff beſitzen, einen 
befonders haltbaren und ganz vorzüglichen 
Wein, der mit dem Alter an Stärfe und 
Wohlgeſchmack zunimmt. Klima und Stand» 
ort der Yohannisbeerfträucher haben ebenfo, 
wie bei dem Traubenwein, großen Einfluß 
auf die Güte des Johannisbeerweins. Die 
von niedrigen, dicht an der Erde hängenden 
Zweigen gepflüdten Johannisbeeren find nicht 
fo gut, als die auf hohen Sträuchern ge: 
wachſenen. Der Sohannisbeerwein wird 
auf folgende Weile gewonnen. Man nimmt 
gute, vollfommen reife Sohannisbeeren, 
jäubert fie ohne fie zu wachen, da alles 
Unreine durd die Gärung entfernt wird, 
von den Stielen und von einzelnen jchlechten 
oder unreifen Beeren und läßt fie einige 
Stunden an der Sonne ausgebreitet ftehen. 
Hierauf drüdt man fie, in Ermangelung 
einer Preſſe oder einer Stelter, durch einen 
Beutel grober Leinwand aus, jedoch mit 
Borfiht, damit die Kerne nicht mit zer: 
quetjcht werden, wodurch der Weinfaft einen 
bitterlihen Gejhmad annimmt. Dann wird 
der Saft gemeſſen und durd ein Haar-Sieb 
in ein großes Gefäß gegoflen, dann eben 
foviel weiches Brunnenwafjer, wozu man 
auch das zum Auspreflen der Hülſen ge- 
brauchte mit benugen fann, hinzugetan und 
mit der erforderlichen Zucdermenge verjeßt. 


Auf jede Kanne diejer halb aus Saft und trlibe zu merden. 


halb aus Waſſer beftehenden Flüffigfeit 
rechnet man, wenn der Wein ſüß und geift- 
reih werden foll, 1'. Pfund Meliszuder; 
ſoll er aber nur leicht fein und gleich weg- 
getrunfen werden, jo genügt auch 1 oder 
Ye Pfund BZuder. Hat fi der Zucker 
mit der Maſſe vereinigt, jo wird diejelbe 
in ein gut gereinigtes und mit einer Mus» 
fatnus ausgebranntes Fäßchen getan. Iſt 
das Fäßchen voll, fo bringt man es in den 
Keller und legt es bier mit offenem Spund- 
loche, auf ein Lager ruhig bin. Nach 
einiger Zeit fängt nun der Wein an zu 
gären. Während der Gärung füllt man 
von Zeit zu Beit jo viel von dem zurück— 
behaltenen Safte nad, als fih die Flüffig« 
feit im Faſſe durch das Ausſtoßen ver- 
mindert hat. Die GArung dauert jo lange, 
bis der Wein alles Fremdartige ausgeftoßen 
und Elar geworden ift. Hierauf wird das 
volle Faß, nachdem man das Spundlocd 
fauber abgemifcht, nur locfer mit dem Spunde 
bedeft und bisweilen mit gutem Johannis- 
beermweine aufgefüllt. Soll der Wein jpäter 
auf Flajchen gezogen werden, jo iſt e8 rat- 
jamer, ihn durch eine Federſpule abzuzapfen, 
al8 durch einen gewöhnlichen Hahn; dabei 
darf man aber aud das Faß nicht zu tief 
anbohren, damit nichts Trübes in die Flafchen 
fommt, weshalb man am beften tut, wenn 
man das Faß anfänglich in der Mitte an— 
bohrt und nachdem der Wein bis dahin 
abgelaufen, mit der Anbohrung von Zeit 
zu Zeit tiefer geht, bi8 der Wein anfängt 
Die Flafhen müſſen 


— 


aber jehr jauber jein. 
gezogen, jo darf man die Flajchen anfangs 
nicht feft zupfropfen, ſonſt zerfpringen fie; 
auch dürfen die Flaſchen nur bis an den 
Hals gefüllt fein. Will man den Johannis⸗ 
beerwein längere Beit in Flaſchen auf- 
bewahren, jo muß man ihn in einen trodnen 





2 — 


Sit der Wein ab» | Seller bringen und forgfältig vor Froſt 


bewahren. Hat man noch Borrat, wenn 
im fünftigen Jahre die Johannisbeerfträucher 
in Blüte ftehen, jo muß man die Flafchen 
etwas lüften, weil um diefe Zeit der Wein 
gewöhnlih unruhig wird. 





Bas Reichsland bei Aailerslantern. 


Quellen zur Förderung der 


eimat- und Familienlunde im Gebiete ded Bannforftes Lutra. Mit 


2 Wappenabbildungen Im Tert, 8 Starten und einem Plan der Stadt Kaiſerslautern. 
Bon D. Häberle, Kaiſersl. Rechn.-Hat. 


Es ift die neuefte und dankenswerte 
Gabe unjeres fleißigen Mitarbeiters und eif- 
rigen Förderers heimatfundlicher Forſchung. 
Sein Anlaß liegt in dejjen warmer Liebe 
zur heimatlihen Scholle, der das Werk ge- 
widmet ift, und fein Zweck ift der, die 
Philipp Vellmannſche „Beforhung des 
Reichsgewäldes“ aus dem Jahre 1600 und 
die Beichreibung des Dberamtes Lautern 
vom Sabre 1601 „weiteren Sreijen zu: 
gänglidy zu machen, zumal fie uns einen 
guten Einblid in die vor den Stürmen des 
30jährigen Krieges herrfchenden Verhältniſſe 
geitatten.” Einige zumteil noch unbefannte 
Urkunden und des Berfaffers wertvolle, auf 
Wanderungen angejtellte Lokalſtudien er: 
gänzen das hiftorifche Material weſentlich. 
Weitgehende Rüdfiht auf Mitteilung der 
überlieferten $amiliennamen wird zur Be« 
lebung des Familienfinnes beitragen und 
das ganze 37 Seiten umfafjende Verzeichnis 
von Kenn; und Stichwörtern wird die Be- 
nügung des Werfes erleichtern. Der Bell- 
mann’shen Urkunde über die Grenze des 
ganzen Waldes und feiner Bezirke, die 
Weiher, Fiſchbäche und Mühlen, das Forft- 
perfonal, die Teilnehmer an der Beſorchung 
und die Berehtigung im Reichswald — 
103 Seiten groß — find zwei Karten des 





Geometers Yof. Etienne vom Yahre 1785 
beigegesen, die öſtliche und mweftliche Hälfte 
des Reichswaldes darftellend und allein 
ihon des Studiums wert. — Die Be 
Ichreibung des Oberamtes Lautern wird 
dur den Stadtplan von Lautern unter- 
ftügt, der eine Überficht über das Wade» 
tum der Stadt gibt mit Ginträgen von 
Küchler und Häberle. — Auch der dritte 
Zeil: Urkunden und Urkundenauszüge zur 
Geſchichte des Reichslandes und Reichs— 
waldes beſitzt eine kartographiſche Erläute- 
rung „Begriff und Zirkel des Reichsrechtes 
um Kaiſerslautern nach dem Reichsſpruch 
von 1357“ vom Verfaſſer. Das Quellen- 
wert jei bejonders den Dörfern „an der 
Straße” empfohlen, für deren Familien- 
Borgeichichte und Flurnamen fi bemerfens- 
werte Materialien vorfinden, Das bereits 
vielerorts benügte Buch von Forftrat Keiper*) 
über den Reichswald wird durch obiges neue 
und bezüglich der Urkunden weitergreifende 
Werk in der beften Weife ergänzt. 


*) Forſtwirtſchaftliches Zentralblatt, 16. Jahr⸗ 
gang 1905. Die 73 Seiten große Arbeit (mit 
einer Karte 1: 100000) tft al8 Separatabdrud 
bei Paul Parey (Berlin SW,, Hedemannſtr. 10) 
erichtenen. 


Berichtigung: Seite 69, Zeile 4 von unten lied Rudolf Engelbad. 
Notiz: Die nähjte Nummer erfcheint als Doppelheft Mitte Auguſt. 





DInbaft: Bom Trinken im Sommer. — Beiträge und Proben zur Erklärung bedeutender 
Wörter. — Bolksmund. — Ein Bid in das Sinnesleben der Haut. — Bann bat der Sommer 
1907 begonnen? — Kreuzottern. — ®ewittergefabr im Walde. — Gedichte von Dr. C. Puſch. — 
Johannſsbeerwein. — Das Reichsland bei Kaiferdlautern. — 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Kayſer's Derlag, Kaiferslautern. 
Für Form und Inbalt der Beiträge find bie Herren Berfafler verautwortlich. 


Die „Pfatziſche Helmattunde* toflet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Pelelungen werden vom allen Buchhandlungen und 
Boftanflalten ferner vom Berleger (Bortofrete Streifbandfendung) angenommen. 


it. Jahrgang. 


Nummer 8 u. 9 


August-September 190%. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


U) 


L/ 





Feinde des Mehes. 
Eine im Anfang des Juli von der | fliegen, die Chephalomya, oder, wie fie in 


„Vf. Preſſe“ gebrachte Meldung, wonach 
im letzten Jahre in einem einzigen Bezirke 
Badens, in dem 4300 Hektar großen Forſt— 
amte Lörrah, 300 tote Rehe auf 
gefunden wurden, war geeignet, nicht nur 
das Herz des rechten Forſtmannes mit 
Trauer zu erfüllen, ſondern aud das Be- 
dauern ded Natur» und Tierfreundes zu 
erregen. Mit Bezug auf diefe Meldung 
wird weiter geichrieben: Das Reh und 
fein grimmigfter Feind. Wohl nur 
wenige, denen es vergönnt ift, das ſchmucke 
Reh in der Freiheit, im grünen, fühlen 
Forft bewundern zu fünnen, ahnen, welche 
Leiden dieſes zierliche Geſchöpf, welches jo 
viel zur Belebung unjerer Wälder beiträgt, 
auszuhalten hat, und es wäre mwohl mög- 
fih, daß in abjehbaren Jahren die Frage 
zu erwägen ift, ob der Beftand des Mot- 
reſp. Rehwildes überhaupt nicht der ſchwerſten 
Gefährdung, oder gar dem Ausfterben in 
unferen Gegenden ausgejeßt ift. Der ärgfte 
Feind unferes Rehwildes ift die Familie 
der Dafjelfliegen (Oestridae) und ihre 
Unterabteilungen. Die eine Urt diejer 
Fliegen, die Hypoderma Diana, legt ihre 
Eier auf die Haut der Xiere, die aus: 
fchlüpfenden Maden bohren fih in das 
Bellengewebe der Unterhaut und bilden dort 
quälende Beulen. Die Maden verlajjen 
nad) einiger Zeit das Wohntier, fallen auf 
die Erde, verpuppen fih und entmwideln ſich 
zu Fliegen. Die zweite Art der Daſſel— 


den Berichten der Zeitungen genannt wird, 
Oestrus Diana, legt ihre Gier an die 
Nafenlöcher des Rehes und es entmwidelt 
fih daraus ein brauner, faft nadter Sterf, 
welcher fih in die Naie, in den Rachen 
und bi8 zur Gtirne zieht. Dieſer Kerf 
hält ſich mit zwei Hornhafen an der Schleim- 
haut des Tieres feft und lebt dort ca. 8 
bis 9 Monate, worauf er zur Erde fällt 
und fi geradejo entwidelt, wie die erfte 
Abteilung. Übrigens leiden fehr viele Tier: 
arten an derartigen Schmarogern, melde 
nur in ihren Unterabteilungen verjchieden 
find. Die Oeftriden treten aud) beim Schaf, 
Edelwild, Elefant, Rhinozeros, Renntier und 
vielen anderen Säugetieren. Die Witterung 
mander Jahre trägt wohl das meifte dazu 
bei, daß fi) die Dajjelfliege ftärker oder 
ſchwächer vermehrt. In den legten Jahren 
iheint fie jedoch den Berichten nad) fo 
mafjenhaft aufgetreten zu fein, daß man 
den Rehbeſtand unjerer Wälder ernitlic) 
gefährdet betrachten kann. Vermutlich hängt 
die Seuche aud mit mehr oder meniger 
Baflermangel zufammen. Saum zu be 
ftreiten ift, daß die Wälder faft 
überall zu [ehr abgeholzt werden, 
wodurd ein Sinfen des Waſſer— 
ftandes der Quellen bedingt wird. 
Andireft könnte diejer Umftand 
wohl aud eine ſolche Seude be 
fördern, 


94 


Schädliche Pflanzen und Pflanzenſchuthhz.“ 


Bon Univ.»PBrofeffor Dr. Baul Giſevtius 
Direktor des Landtwirtichaftl. Inſtituts der Untverfität Gießen. 


Die Befämpfung von Pflanzenjhädlingen 
bereitet für ganz Deutichland die Kaiſerliche 
Biologische Reichsanftalt für Land- und 
Forftwirtichaft in Dahlem bei Berlin vor. 
Außerdem find für alle deutichen Länder 
Hauptjammelftellen eingerichtet, unter deren 
Anleitung „Sammler”, d. h. Männer ar: 
beiten, die überall Rat zur Bekämpfung 
von Schädlingen erteilen. 


1. Die Balterien. Große, uns von 
außen als feite Maſſe erjcheinende Fabrik: 
gebäude ermweifen ſich bei dem Eintreten als 
aus vielen Zimmern und Gängen beftehend. 
So zeigt ſich eine Pflanze bei ftarfer Ver: 
größerung unter dem Mikroſkope ala aus 
vielen Kammern oder „Bellen“ zuſammen— 
geiegt. Nun gibt es aber auch fleine Ge- 
bäude, die nur einen Innenraum haben 
(Wellblehbuden der Eijenbahnmeichenfteller, 
Scilderhäufer der Wadıtpoften und Nadıt 
wächter, Schlafbuden für Hirten und Obft 
wächter), und jo gibt e8 auch Pflanzen, die 
nur aus einer Zelle bejtehen und nur Selten 
mehrzellig find, die fogenannten Baf- 
terien, die allerding® nur mit ftarfen 
Mikrojfopen beobachter werden fünnen, An 
Länge fehr minzig (11000 oder 12000 
Millimeter) vermehren fie fih dur Zei: 
lung jo außerordentlich fchnell, daß fie in 
ungeheurer Anzahl vorfommen und dann 
ftärfere Wirkungen äußern fönnen. So 
werden fie als Siranfheitserreger (Cholera, 
Typhus, Dipheheritis, Quberfelfrankheit, 
Influenza u. a.) mit Recht gefürchtet. 
Andererjeits find fie uns auch als Stick 
ftofffammler im Boden, ale Milchſäure— 
bafterien bei dem Säuren von Milh und 
Rahm, als Käfebakterien mannigfach nüglid). 
Bei den Kartoffeln rufen fie die Ring- 
franfheit, d. h. das ringweije Faulen 


*) Diefen Beitrag entnehmen wir mit 
Erlaubnis des Berlegerd dem vortrefflichen 
Werke: Bifevius, Die landwirtſchaftliche 
Naturfunde Ein Leitfaden für Lehrer an 
ländlichen Fortbildungsfchulen, ſowie zum Selbft- 
unterriht. 11 Bogen, reich illujtriert. Preis 
3.40 Mark, geb. 3 Mark. Ein Schapfäitlein, 
mwelches nicht allein jeder Lehrer, fondern jeder 
ftrebende Landwirt befiken ſollte. Klar und 
faßlich, recht belcehrend und nugbringend, — 


der Stnollen und ein lückiges Auflaufen der 
Kartoffeln hervor, gegen das nur ein rüd- 
ſichtsloſes Beſeitigen des Saatgutes im 
Falle des bein Durchſchneiden zu erkennen 
den Auftretens dieſer Krankheit Hilft. 
Ferner rufen Bakterien die Naßfäule 
der Kartoffeln in Mieten und die gefähr— 
liche Schwarzbeinigkeit hervor, bei 
deren Auftreten die Beſchaffung geſunder 
Saatknollen, bei der Schwarzbeinigkeit jonft 
jorgfältiges Befeitigen der ganzen erfranften 
Stauden bei dem Abmwelfen dringend zu 
empfehlen ift. 

2. Bahlreich find die jhädlihen Pilze, 
welche fich durch einzellige, felten mehr: 
zellige Sporen fortpflanzen. Bei den 
Halmfrüchten jhädigen die Brandpilze, 
indem fie die Fruchtblätter, teilmeife auch 
die Halme mit ſchwärzlichem Pulver (Sporen) 
erfüllen. Sie gelangen an dem Gamen- 
forn figend mit diefem in den Boden und 
wacdjen mit der Getreidepflanze in ihr 
empor; auch fünnen fie u. a. als Sporen 
in die Blüten fliegen und in diefe eindringen. 
Am ſchlimmſten ift der Stinfbrand des 
Weizens, weil er den erdrofchenen Körnern 
und dem Mehle deu Gerud nach Herings- 
lafe gibt. Man tötet die Sporen an den 
Samen durd Beizen mit Blaufteinlöfung 
("sr Nilogramm Blauftein auf 100 Liter 
Wafjer) zwölf Stunden lang unter mehr: 
maligem Umrühren, oder durch „Bekruſten“, 
indem man die Körner in zweiprozentige 
Blaufteinlöfung eintaudt und dann trodnen 
läßt. Die Sporen der Roftpilze über: 
wintern auf Zwiſchenwirten (Berberige, 
mande Wildgräfer, behaarte Pflanzen) und 
werden von dort auf Getreide verweht, fich 
von der erften befallenen Pflanze aus weiter 
im Felde verbreitend. Aus jener Spore 
entwidelt fih eine Feine Roſtſtelle; viele 
Roititellen ſchaden den Pflanzen (Halm- 


früchten, auch Hülſenfrüchten) fehr. Die 
Bejeitigung der Bmwifchenwirte ift das 
einzige praftijche Befämpfungsmittel. Die 


Kartoffeltranfheit erzeugt auf den 
Blättern braune, weiß umrandete Fleden, 
worauf das Straut zu früh abftirbt und die 
unveifen Kleinen Stnollen leicht faulen. Wan 


befämpft fie durch Beiprigen mit Kupfer 
fodabrühe (2 Kilogramm Blauftein in 
50 Liter Wafler, 2 Kilogramm Soda in 
50 Liter Wafler, dann beides gemifcht und 
mit einer „Sartoffeljprige” ausgeftäubt), 
Roggenhalmbreder und Weizen— 
balmtöter zerftören die Halme unten am 
Grunde und merden durd fofortigen 
Stoppelumbrudy befämpft, der die Blätter 
befallende weißlihe Meltau durch Herbei- 
führung eines dünneren Standes der Frucht 
in den nächiten Yahren. Das bei Roggen 
und anderen Gräſern vorfommende Mutter: 
forn fann ber Tieren das Verwerfen, bei 
Menjchen die Sriebelfranfheit erzeugen; da 
aus dem Mutterkorn ſich Sporen entwideln, 
welde die Krankheit auf neue Pflanzen 
übertragen, muß man es bei der Saat- 
reinigung jorgfältig entfernen. Gegen die 
Schwarzbeinigfeit junger Runkel— 
pflänzchen muß man durch Beizen (50 
Kilogramm Samen in 3 Heftoliter Wafler 
und 1,5 Silogramm bundertprozentiger 
Karbolfäure) vorbeugend einfchreiten. Gegen 
die Herzfäule der Runfelrüben hilft nur 
Kräftigung der Pflanzen durch Chileſalpeter⸗ 
düngung und Hacken. 

3. Auf dem Ader finden wir von den 
Unfräutern weit verbreitet die dem 
Weizen verwandte Quecke vor, welche ſich 
ſtark durch Wurzelausläufer vermehrt. Wir 
befämpfen fie dur dichten Stand der 
Früchte, dur) den Anbau ftarf boden- 
beichattender Gewächſe (Raps, Rüben); wir 
fönnen fie aber auch mechanifch mit der 
Enge und dem Sultivator oder Grubber 
herausholen, jammeln und verbrennen (oder 
verfüttern).. Weit verbreitet ift auch der 
Hederidh. Gelingt es, ihn im Frühjahr 
rechtzeitig zur Keimung zu bringen und 
dann zu vertilgen, jo ıft man ihn für ein 
Jahr los; er fommt aber aus den wider- 
ftandsfähigen noch übrigen Samen im 
nädjten Jahre wieder hervor. Neuerdings 
befümpft man ihn dadurd, daß man die 
jungen Halmgetreidefelder zu der Zeit, in 
der der Hederich feine erften Blätter zeigt, 
mittel8 einer SHederichiprige mit einer 
löprozentigen Eifenvitriollöfung (15 Kilo— 
gramm Eifenvitriol in 100 Liter Waſſer) 
beſprengt. Dem Stlee fchadet die Klee— 
jeide indem ihre kleinen fleeforngroßen, 
aber mit ganz rauber Oberfläche verjehenen 


95 


Samen wurzelloſe Stengelchen bilden, welche 
in Die jungen Slleeftengel Saugmwurzeln 
treiben und fi von diefen auf often der 
Kleepflanzen ernähren laflen. An den röt- 
lihen windenden Stengeln der Aleeſeide 
bilden ſich ſpäter rofagefärbte Blüten, die 
wiederum Kleeſeideſamen erzeugen. Slee- 
faaten find darum jorgfältig auf Stleejeide 
zu unterfuchen und bei Bejaß zurückzuweiſen. 
Kommt Kleejeide trogdem im Stleefelde vor, 
jo find die befallenen Stellen fofort gut 
unterzugraben. Bei einem Abmähen und 
Forttragen fallen jonft Seideftengel auf 
gute Kleepflanzen und erzeugen neuen lee» 
jeidebefall. In ähnlicher Weife wie Klee— 
jeide wird die Flachsſeide befümpft. 
SKleeteufel (Kleewürger) und Hanf. 
wiürger ſchmarotzen auf den Wurzeln von 
Klee und von Hanf. Die feinen Sämden 
diejer ſchädlichen Pflanzen kann man durd) 
forgfältige Reinigung fehr wohl aus dem 
Saatgut des Klees und des Hanfes fern» 
halten. Kommen fie doch zum Borfcdein, 
jo muß man die befallenen Kleepflanzen 
oder Hanfpflanzen forgfältig mit der Wurzel 
ausftehen und bejeitigen, Ein jehr ge- 
fährliches, weil ſchwer zu vertreibendes 
Unkraut ift der Flughafer, den wir an 
den langen Grannen, der ſchwärzlichen 
Farbe und vor allem an der flaumigen 
Behaarung des Samenkornes leicht erfennen, 
Zur Bertilgung muß man vor allem den 
Hackfruchtbau benugen, da man ihn in den 
Hackfruchtſchlägen leicht finden und vor der 
Blüte beieitigen fann; mit Flughafer be- 
jeßte Suaten find von der Berwendung 
auszufchließen. Die Fleinfamigen wilden 
Wicken, mwelde durch SHerunterziehen 
reifender Halme fehr läftig werden, Lafjen 
fih durch forgfältige Vewendung eines 
Trieurs jehr wohl aus dem Saatgut ent: 
fernen, ebenjo die Kornrade, melde im 
Roggen eine unbequeme Zugabe bildet. 
Bei dem Weinftod tritt der Meltau- 
pilz (Aeſcherig) als weißer Ueberzug auf 
den Trieben und Blättern auf und jchädigt 
die Ausbildung der Beeren; man befämpft 
ihn durch rechtzeitiges Weberftäuben mit 
pulverifiertem Schwefel. Die Blattfall- 
krankheit (faliyer Meltau, Meltau- 
ihimmel, Peronofpora), welche als weißer 
Flaum die Blattunterfeite überzieht, auch 
auf Stiel und Trauben übergeht, jchädigt 


den Ertrag oft jehr ſtark. Ein rechtzeitig ein- 
jeßendes und wiederholtes Bejprigen mit 





90 — 


Kupferlöſungen hat einen ftarfen Erfolg bei 
der Befämpfung der Krankheit. (H. Tgbl.) 


Die Flora von Weißenburg. 


Man jchreibt der Frkf. Bing: Die 
Botanifh-mwiffenihaftlide Ber 
einigung von Baden, Eljaß und der Pfalz 
unternahm neulich eine Erfurfion in das 
pflanzengeographifch jehr intereffante Gebiet 
von Weißenburg im Elſaß zur genauen 
Durchforſchung der dortigen Sumpfflora. 
Neben dem großen Ererzierplaß zieht fich 
dort ein weites Sumpfgebiet bin, das fich 
bis in den durd feine reiche Flora und die 
jeltenen Schmetterlinge fih auszeichnenden 
BDienwald ausdehnt. Es ift ein alter 
Faffiiher Standort, der ſchon feit langer 
Beit von allen deutſchen Pflanzengeographen 
mit großer Vorliebe befucht wurde. Einige 
Pflanzen der mefteuropäiihen Flora haben 
bier ihren legten öſtlichen Standort 
erreiht.. Wir finden hier den Stern: 
fümmel (Carum vertieillatum Koch), der 
feit nodı nicht langer Zeit in die Flora 
Deutjchlands aufgenommen ift; er findet 
fi in Deutichland nur noch bei Heins: 
berg im Regierungsbezirt Aachen. Die 
Pflanze ift auf den erften Blick an ihren 
feinen, wirtelförmig ftehenden Fiederblättchen 
leiht zu erfennen und fann mit feiner 
anderen Art verwecjielt werden. Sie be- 
wohnt bei Weißenburg eine naffe Sumpf: 
wieje, und die ſchneeweißen Blütendolden 
glänzen ichon aus der Ferne. Hier fteht 
fie in vielen Hunderten von Exemplaren 
und wer fie zum erfien Male fieht, ift 
ganz verwundert iiber ihren feltiamen 
Habitus. Am Gipfel der Stengel ſitzen 
die meifi 12jtrahligen Dolden; dieje find 
ſehr zart, ungleich lang und werden durch 
furze, borftenartige Hüllblätter geftügt. 
Die fieinen Döldchen find 12blütig, haben 
Hüllen und Blümchen von dem Durd)- 
mefler eines Rapskorns. Die Blütenteile 
und die Früchte find kleiner als beim ge» 
meinen Kümmel. (Carum carvi.) Als 
zweite botaniiche Seltenheit der Weißen- 
burger Flora ift dann die zierliche, im 
geheimen vegetierende und blühende Wahlen- 
bergia hederacea Reichenbach zu er: 
mwähnen. Sie wächſt vollftändig in dem 


Moospoliter von Sphagnum, und wer fie 
nicht kennt, wird fie überhaupt nicht finden. 
Sie ijt Mein, fte£t tief unter den Begleit- 
pflanzen und wurzelt nicht in der Erde, 
fondern nur in dem feuchten Mooje des 
Sumpfes. Der fadenförmige, haardünne 
Stengel liegt wagerecht und friecht zwiſchen 
dem Torfmooje hin. Die zarten Blätter 
find einen Zentimeter lang und fehen 
unferen Gfeublättern ähnlich, find aber 
ein winzige Miniaturbild derjelben. Wenn 
die Sonne ihren höchſten Standpunft er: 
reiht hat, dann erjcheinen die Fleinen, 
blaßblauen Glöckchen, die aber nit abwärts 
gerichtet find, wie bei den Glockenblumen, 
fondern nach oben hervorfchimmern. Yinne 
bat fie zu den echten Campanulacee gerechnet. 
Neihenbah hat eine eigene Gattung 
daraus gemadt, weil die Samenfapieln 
an der Spige hochipaltig auffpringen, ftatt 
ih mit 3 bis 5 Löchern zu Öffnen. Sie 
ift eine jehr Seltene Pflanze unjerer Hoch 
moore und bewohnt nur den weſtlichen 
Teil von Deutichland; nur bei Walldorf 
unweit von Darmftadt findet fie fih rechts 
vom Rhein. Ihren Namen verdankt fie 
dem berühmten ſchwediſchen Naturforicher 
Wahlenberg, dem Reichenbach damit ein 
ichönes Denfmal gejegt hat. Das Pflänz: 
en ift bei Weißenburg reihlih vorhanden 
und wurde in der bayeriſchen Pfalz von 
Fridrid Zimmermann auch bei 
Edenfoben und ber Kaiferslautern 
in Glimpfen gefunden. Bon anderen 
Seltenheiten find noch die Sonnentau- 
arten (Drosera longifolia und Drosera 
rotundifolia) und die Mittelform (Drosera 
intermedia) zu erwähnen; ferner findet 
ih der Sumpfbärlapp (Lycopodium 
inundatum). Merfwürdig ift, daß ſich 
dieje vollftändig an die Torfmoofe gebundene 
Pflanze mit den Drojeraarten gänzlich auf 
dem ausgetrodnetftien Sandboden des 
Ererzierplaßes vorfindet. Das ift eine fo 
intereffante Anpaſſung an die gegebenen 
Berhältniffe, wie man fie felten finden 
wird, 


—— 


800jähriges Inbiläum des Kirſchbanmes. 


Obgleich ſchon Karl der Große 768 — 814 | dort aus verbreitete ſich ihr Anbau nad 
auf jeinen Gütern zahlreiche Obftarten eın- | Böhmen und nad) der Laufik. Bor jener 
führte, jo dauerte e8 doch 300 Jahre, | Zeit gab es tatjädhlih bei uns nur die 
bevor fi die Kultur der beſſeren Sorten | fogenannten Bogelfirihen. 69 v. Chr. 
im Often Deutichlands Bahn brad. Wie | foll Lucullus den Kirſchbaum aus Stlein- 
alte fächfiiche Urkunden berichten, wurden | afien nad Italien gebracht haben, Hundert 
3. B. die erften Süßfirfchen im Jahre 1106 | Jahre fpäter war die neue Frucht bereits 
bei Miltig unmweit Meiken gepflanzt. Bon | am Rhein befannt, 


„Geſchichtliche Machrichten itber das ehemalige Borf Hervelingen. 


Nach gedbrudten und ungebrudten Quellen 

bearbeitet von Joh. Weber, Kaplan in Ensbeim. Selbftverlag. Preis 60 Pig. 

Der Berfaffer der uns vorliegenden | entfernt „auf einer Ffleinen Anhöhe mit 
Studie ift unfern Leſern Schon des öſtern, wundervoller Rundficht über die ganze Ge— 
zum legtenmal in der diesjährigen Mai» | birgsfette und die Rheingegend“ und umgeben 
numaner der „Pfälz. Heimatkunde” begegnet, | von einem Kranze fchöner Objtgärten. Die 
wo derjelbe in einer äußerft interejfanten, ge- | Einwohnerzahl wird faum die Zahl 100 
vadezu typiichen, normgebenden Abhandlung | erreicht haben. Von 1086 bis zu feinem 
unterfucht, um wieviel "o die Bevölferung | Untergange gehörte Servelingen zum Hod- 
Arzheims zur Zeit des 30jährigen Arieges | ftift Speyer. Um die Mitte des 15. 
zurüdging, in welchem Prozentiage ſich Jahrhunderts begann der Untergang des 
während dieſer Beit die uriprüngliche Be: | Dorfes. Ein Teil der Bewohner erlag den 
völferung erhalten hat, und dabei zu liber- | öfters auftretenden peftartigen Krankheiten, 
raſchenden Refultaten fommt. während der Reit ſich in Landau oder in 

Ebenfo originell ift die uns vorliegende | den umliegenden Ortfchaften niederlieh. 
Schrift über Servelingen, worin Weber | Allmählich zerfielen die Häufer, deren 
zum erftenmale eine foitematifch geordnete, | Trümmer um die Mitte des 18. Yahr- 
topographiich: hiftorifhe und im gewillem | hunderts nod fichtbar waren, Länger er: 
Sinne fulturhiftorifhe Darfiellung der | hielt ſich naturgemäß die Kapelle: von ihr 
Bergangenheit eines verfhwnndenen Dortes | war 1836 noch cin gutes Stück der 
verfucht, durch welche unjere Stenntniffe von | Mauern zu fehen. Sept ift die ganze 
der Geihihte unferer engeren Heimat | Stelle ein Wingert, bei deffen Rodung 
eine wlinichenswerte Erweiterung erfahren | 1897 eine Menge menſchlicher Knochen, 
dürften. Sargrefte ufm. ausgegraben und Die 

Die Studie ift in 3 Abjchnitte gegliedert, | Fundamentmauern des Friedhofs und der 
melde die politifche Geſchichte, die firh | Stapelle bloßgelegt murden, Servelingen war 
lihen Berhältniffe Servelingens und die | feine Pfarrer, obwohl es eine eigene Seel- 
Servelinger Gemarkung zum Gegenftande | forgerftelle hatte, jonderu mar ftets Filiale 
haben. Daran fließt fich ein ſehr leſens und Saplanei zu Arzheim. Es hatte eine 
werter Anhang über „die Kreuzmühle“ ſehr ausgedehnte Gemarfung und mar 
und „Servelingens Mitberechtigung an der | bannftößig mit Mühlhaufen, Godramftein, 
oberen Haingeraide“. Weber erklärt | Giebeldingen, Birkweiler, Ranſchbach und 
Servelingen als „die Sippe oder die Familie Arzheim. Dieſes letztere Dorf darf ſich 
des Sarwilo, d. h. des Striegäbereiten, des | freuen durch den größeren Zeil der 
zum Kriege Gerüfteten“. Urkundlid wird | Servelinger Gemarfung etwa um ?5 feines 
das Dörſchen Servelingen zum erftenmale Beſitzſtandes vergrößert worden zu jein, 
im Jahre 1100 genannt, es ift aber um | zumal wenn es an die Umlagen denkt. 
ca. 500-600 Jahre älter. Es lag etwa | Lehrreih ift u. a. auch das Kapitel Über 
25 Minuten nordwefilih von Landau | die Flurnamen u. v. a. mehr, und wir 








wollen nur wünſchen, daß Die 
reihe Studie Webers viele Leer findet. 
Allen, in deren Gemüt eine Saite lieb: 


98 


lebr: | lich 


ertönt, wenn von SHeimatgeichichte 
die Mede ift, ſei Ddiefelbe warn em: 
pfohlen. — N. Ofterroth. 





Urgeſchichts-Forſchung in Bayern. 


Bei der am 15. und 16. Juli abge» 
haltenen Generalverfammlung des Gefamt- 
verbande8 bayeriiher Geſchichts- und Ur- | 
geichichtsvereine wurden eingehend Jahres— 
und Gefchäftsbericht, die Schaffung eines 
Bentralorgand, Anventarijation der Boden- 
altertiimer (Grabhügel, Hochäcker, Schanzen, 
Beieftigungen, Straßenzlige 2c.), Organi- 
fation des prähiftoriichen Landesdienftes 
und vor allem das Material für ein zu 
fünftiges Denkmalſchutz-Geſetz ein 
gehend beraten. Demzufolge ſoll die Pflege 
der im Bufammenhang mit der Wflege 
unferer heimiſchen Bodenaltertümer, 
mworunter nicht mur die präbiftoriichen, 
fondern aud) die römischen und frühmittel- 
alterlihen Altertümer zu verftehen find, 
im Bufammenhang mit der Pflege der 
übrigen Aunftdenfmäler einem General: 
fonjervator übertragen werden, dem 
drei ftaatliche Pilegerim Hauptamt 
unterftellt jein jollen, denen wieder eine 
Anzahi freiwilliger Pfleger zur Seite 
ftehen wird, 

Da der Staat jederzeit die Möglichkeit 
haben foll, von jedem einſchlägigen Funde 
auch deſſen milfenfchaftlihe Verwertung 
durchzuſetzen, und es auch höchſte Zeit ift, 
dem bayerifchen Lande feine für die Urge- 
ſchichtsſorſchung liberaus wichtigen Weber: 
reſte aus frühgefchichtlicher Zeit voll und 
ganz zu retten und zu wahren, erachtet 
e8 der Geſamtverband als eine jeiner vor: 
dringlichften Aufgaben, ein bayerifches 
Denkmalſchutzgeſetz in die Wege zu 
leiten. Die Verſammlung beſchloß daher, 
dem Staatöminifterium zum Schutze aller 
auf die Fulturelle Bergangenheit Bayerns 
in allen Beitperioden bezüglihen Denf- 
mäler beweglicher und unbemweglicher Art, 
die von Menichenhand geichaffen find, ſowie 
zum Schuge der Schönheit oder Eigenart 
der natürlihen Beſchaffenheit unferes Bater- 
landes (Naturpflege) einen Gejekentwurf 
zur Vorlage an den Yandtag zugehen zu 
lafien. Hiernach ftünde bei unbeweglichen 


Bodenaltertünern dem Staate zu a)die 
Pflicht des Schußes, b) das Recht 
der wiſſenſchaftlichen Unterſuchung, 
c) das Recht des Vorkaufes. Jedes 
Bezirksamt hat ein Verzeichnis der im 
Bezirke befindlichen Denkmäler zu führen. 

Schutzmaßregeln dürfen dem Be— 
figer feinen Schaden bringen; im Schaden- 
falle wäre der Beſitzer voll zu entfchädigen. 
Bewertung des Schadens, auch durch Unter- 
ſuchung, ebenfo die Bewertung im Falle 
des Anfaufs erfolgt dur den Dentmals- 
pfleger des betreffenden Kreiſes unter Be— 
rüdfihtigung aller Umftände, innerhalb 
vier Moden vom Tage der ftaatlichen 
Mafregeln an, bezw, vom Tage der An— 
zeige der Berfaufsabfiht. Der Befiger 
hat das Recht, das Gutachten eines von 
ihm zu bezeichnenden anerfannten Sad: 
verftändigen zu verlangen und eventuell 
binnen wenigen Wochen die Entſcheidung 
des Generalfonfervator® und der urge: 
ſchichtlichen Kommilfion herbeizuführen, wo» 
bei ihm feine Koften entitehen dürfen. 
Beabfichtigt der Befiger jelbft eine Ber 
änderung an einem Bodenaltertum vorzu— 
nehmen, fo ift dem zuftändigen Pfleger 
14 Tage vorher Anzeige zu machen. 

Ausgrabungen nah Gegenftänden 
fulturgeichichtlicher oder ſonſt gejchichtlicher 
Bedeutung dürfen nur nad vorberge: 
gangener Anzeige an das Bezirksamt oder 
an eine andere ſeitens des Minifteriums 
des Innern zu bezeichnende Behörde aus— 
führt werden. Zufällige Funde find 
umgehend dem Bürgermeifter oder Bezirks: 
amt des Fundortes anzuzeigen. 

Lang dauernde Verhandlungen fnüpften 
fih an das Kapitel Enteignungsredt 
im Intereſſe von Ausgrabungen 
und an die Strafbeftimmungen. 


Möchten nun Regierung und Landtag die 
von allen beteiligten Kreifen einftimmig als 
dringendjt notwendig befundene gefegliche 
Regelung des Schußes unjerer vor: und frühge⸗ 
fhichtlihen Denkmäler in Bälde herbeiführen! 


„Deutſche Geſchichte auf heimatlihder Grundlage“ 


von Th. Zink, 1907, I. Lieferung, das 


uns die nähere Beiprechung diejes erfreu- 


1. Jahrtauſend umfaſſend. Wir behalten | lichen Werkes im nächſten Hefte vor. 





Die Fliegen und Mücken find von jeher 
wenig beliebte Begleiter der Sommermonate 
gewejen. Neuere Forſchungen haben aber 
ergeben, daß es ſich daber nicht nur um 
unangenehme, jondern gelegentlih um jehr 
gefährliche Tiere handelt. Es hat fich ge: 
zeigt, daB das Wechjelfieber und das gelbe 
Fieber, dann aud die Schlaffranfheit und 
andere anfterfende Stranfheiten durch Mücken 
übertragen werden. Fliegen find wahr: 
ſcheinlich ſehr gefährliche Ueberträger von 
Typhus und der jommerlichen Brechdurch— 
fälle. Sie leben ja mit Vorliebe von 
tierifchen und menſchlichen Abfällen und 
übertragen die darın enthaltenen Keime 
auf die Speifen. Es wäre daher nicht nur 
eine Forderung der Neinlichkeit, jondern 
auch eine der Hygiene, daß man die Speifen 
in Näumen aufbewahre, die durd; möglichit 
feinmafchige FFliegengitter gegen das Ein— 
dringen der Tiere geſchützt find, daß man 
eventuell da, wo das nicht möglich ift, Über 
Speijen, die vor dem Genuß nicht nochmals 
gekocht werden, namentlich Fleiſch, Milch, 
ſüßes Brot, Mehlipeifen, Früchte, eine 
Drahthaube ftellte. Direkt gefordert müßte 
das werden in Wirtichaften und anderen 
Beichäftsbetrieben, wo Speifen verkauft 
werden. Gegen die Folgen des Stiches der 
Müden, Weipen ꝛc. ſich zu fchügen, it 
ichwieriger. Am beiten bewährt es fich noch, 
wenn man Ammoniaf fofort nad dem Stid) 
in die Wunde einzureiben ftrebt. Allerdings 
ein ausgiebiger Schuß gegen die in manchen 
Gegenden graffierende Mücenplage iſt damit 
nicht gegeben. Es muß hier eine allgemeine, 
hygienische Bekämpfung eingreifen. Wie 
viel dabei zu erreichen ift, dafür it, wie 
die „Blätter Für Volksgeſundheitspflege“ 
jchreiben, die Stadt Havanna auf Kuba ein 
ichlagender Beweis. Durch die ſyſtematiſche 
Vertilgung der Mücken, die während der 





amerikaniſchen Beſetzung durchgeführt wurde, 
ſind die Todesfälle am gelben Fieber von 
467 pro Jahr auf 5 herabgedrückt worden. 
Breslau, wo man unter den Mücken auch 
viel zu leiden hatte, hat auf Flügges Ver— 
anlaſſung den Kampf gegen dieſelben vor 
wenigen Jahren aufgenommen und ebenfalls 
vorzügliche Erfolge erzielt. Es geichieht, 
indem man der Mückenbrut zu Leibe rüdt. 
Dieje wird auf ftehende Gewäſſer abgelegt. 
Eine weibliche Müde legt ungefähr TOO 
bis 900 Eier, die in 14 Tagen voll aus- 
gebildete Müdfen werden. Dan foll daher 
einerjeitd dafür jorgen, daß Waſſertümpel, 
Plügen, Wafler in Töpfen, Giehfannen, 
Blumenunterfägen, Tonnen nit ftehen 
bleibt: Wo man das Waſſer nicht entbehren 
fann, genügt es, die Oberfläche mit einer 
dünnen Schicht ‘Petroleum oder Saprol zu‘ 
begießen. Soll das Waſſer benüßt werden 
wie in Regentonnen, jo fann man es mittels 
eincd am Boden eingelegten Hahnes aus: 
laufen laffen. In ähnlıdier Weife hat man 
auch verjucht, durch Berroleum in fiehenden 
Tümpeln das Ablagern der Mücdenbrut zu 
verhüten. Mit Necht wird bejonders ge- 
fordert, daß Bade , Luftfurorte und Sommer» 
friſchen ſich die Mühe nehmen follten, ihre 
Säfte, wie fie fie vor anderen Schädlid- 
keiten umd Unannehmlichkeiten zu ſchützen 
juchen, au vor den Mücken zu bewahren, 
indem fie die relativ einfache Methode zur Be— 
fümpfung ſyſtematiſch Durchführen laffen. Die 
Häuſer ſelbſt jollten durh Abbrennen von 
Inſektenpulver von den darin enthaltenen In— 
jeften, Fliegen und Mücken gejäubert werden. 
Bo durch Weleitigung der Waflertümpel 
nicht8 zu erreichen ift, müßte wenigftens durch 
Drahtnege das Eindringen in die Wohnräume 
verhindert werden, was jonft nur durd Ab» 
ſchluß der Feniter vor Beginn der Dämmerung 
und auch dann nur unvolljtändig zu erreichen ift, 








Ruckuckseier. 


Daß der Kuckuck ſeine Eier mit Vor— 
liebe in die Neſter kleinerer Vögel legt und 


von dieſen das unbequeme Brutgeſchäft be— 
ſorgen läßt, iſt eine bekannte Tatſache. 


Das Sonderbarfte aber dabei ijt, wie 
Bergmann in einem Auſſatz „Hausmirt 
und Mierer im Tierreih” in „Aus der 
Natur” (Heit 7, 1905) mitteilte, daß die 
Gier der Farbe des übrigen Geleges meift 
angepaßt find, jo daß aljo das Kuckucksei 
in einem Neft mit braunen Giern braun, 
in einem Neft mit blauen Eiern blau und 
in eınem mıt gejprenfelten Eiern gejprenfelt 
it, Diefe Anpaffung geht jo weit, daß 





100 


man das Audfudsei oft nur an dem Größen» 
unterjchied erfennen fann, bat aber ihren 
Grund mwohl darin, daß jedes Kuckucks— 
mweibchen immer nur die Nefter einer ganz 
beftimmten Singvogelart heumfucht. Stein 
Wunder, daß dann die Pflegemutter das 
eingeihmuggelte Ei für ihr eigenes nimmt, 
bis der ausgebrochene Kuckuck als gefräßiger 
Einmietling den Wahn gründlich zerftört. 





Mie deutet der Pfälzer fremdartige Ausdrücke nm? 
Bon Theodor Zink in Haiferslautern. 


Im 200. Märden erzählen uns die 
Brüder Grimm, wie ein armer Junge 
draußen im Walde den Schnee wegicharrte, 
um fi ein Feuer zu bereiten. Da fand 
er, wie er fo den Grdboden aufräumte, 
einen Fleinen goldenen Schlüfjel und glaubte, 
wo der Scjlüffel wäre, mühte auch das 
Schloß jein, grub in der Erde und fand 
ein eifernes Käſtchen. Nad vielem Suchen 
entdefte er auch das Schlüſſelloch dazu, 
aber fo Elein, daß man es faum jehen 
fonnte. Er probierte und der Schlüſſel 
paßte glüdlihd. Da drehte er herum und 
öffnete und fand wunderbare Sachen in 
dem Käſtchen, Perlen und Edelſteine. 

Die Brüder Grimm ſelbſt fanden 
ein ſolches Käſtchen und in ihm den 
wunderbaren Schatz der deutſchen Sprache; 
denn fie erſchloſſen den Schatzbehälter und 
zeigten im Sonnenlidjte all die funkelnden 
Edelfteine dem erjtaunten Volke, das bis 
dahin den Schatz nicht zu heben vermochte. 
Eine Berle aus diefem hat uns der Sprad: 
forjher Andreſen bejonders gefaßt: 
er jchenfte unjerem Volke jenes prächtige 
Bud: „Ueber die deutfhe Volks— 
etymologie“*), das jeder freund der 
Sprade kennt. Er bezeichnet diefe Sprach— 
erjheinung als die Kraft, durch welche 
zwei etymologifch in der Regel ganz unver- 
wandte Wörter miteinander verfnüpft werden. 


*, Genauer Titel: Ueber deutſche Polls: 
etymologie von Karl Andreſen. Sechſte, ver: 
beflerte und vermehrte Auflage. Beforgt von 
Dr. Hugo Andreſen, Profefior an der Akademie 
zu Münſter. Leipzig, Verlag von DO. R. Reis— 
land. 1899. Meine Urbeit enthält nur Volks— 
deutungen, die Andrefend Bud nich (nt) 

Zink. 


Den unſchönen Namen Bolfsrty- 
mologie verdanfen wir dem berühmten 
Spradforjher Förftemann, der damit 
eine Spracdeigentümlichfeit bezeichnet, die 
wohl uns allen geläufig ift, die aber den 
wenigiten zum Bemußtjein fommt. (Wir 
haben eine Erfcheinung vor uns, die, um 
e8 kurz zu fagen, auf Ajfimilation der 
Torftellungen beruht.) Unter ihr verftehen 
wir das Sjneinanderübergehen zweier Wörter 
entweder bdesjelben Schatzes oder ver- 
ichiedener. Im erften Falle, wenn es fich 
für uns um Berichmelzen zweier deutjcher 
Wörter handelt, reden wir gewöhnlid von 
Anlehnung, Umbildung, Zurechtlegung oder 
Umdeutung, welche Begriffe alle treffender 
die Sache fennzeihen als die merfwürdige 
Bildung: Volksetymologie. Der Allgemeine 
Deutihe Spradjiverein ſpricht von volfs- 
tümlicher Umdeutung oder Volksdeutung. 
Dod der Ausdrud ift in der Sprachwiſſen— 
ichaft gang und gäbe geworden und wohl 
nicht mehr auszurotten, 

Im zweiten Falle fprehen mir von 
einer Umdeutſchung aljo, wenn ein fremdes 
Wort irgend einer Sprache fi den 
deutihen Zautverhältniffen anpaßt 
und feinen urſprünglichen Sinn verliert. 
Wir haben uns in der Volfsetymologie 
mit dem Unverftandenen, fremden 
zu beichäftigen, das, weil e8 fremd ift, 
Beränderungen erleiden muß. 

Wollen wir aber alles das als Bolfs- 
etymologie aufnehmen, mas beim Auf- 
treten im Sprachbewußtſein nicht dem 
Etymon (der Wahrheit) entjprechende Be: 
deutung auslöft, jo müßte man ihr Gebiet 
weit ausdehnen; denn faft alle Wörter 


vermögen wenigſtens in der Borftellung 
eine volksetymologiſche Erklärung wachzu— 
rufen, die mit dem ſachlichen Sintergrunde 
des betreffenden Worted gar feine Be: 
rührung hat; jo denft man ficher bei 
„Heiland“ und weiland“ an „Land“, bei 
Lindwurm an Linde, bei Badbord in Mittelr 
und Oberdeutichland an baden, bei Dam: 
birihd an Damm, bei Dienstag an dienen, 
Daß nıcht zulegt die jogen. Rechtichreibung 
Ihuld an der Umdeutung ift, bemweift 
legteres Wort. 

Bei der häufigen lautlichen Aehnlichkeit 
von Wörtern mit andern, die oft mur 
Silben oder Teile berührt, kann es nicht 
wundernehmen, daß Uuseinanderliegendes 
zulammengerüdt wird, Dem jpraclid- 
logijch wenig geſchulten Wolfe, aljo denen, 
die mehr nadı dem Herkommen und dem 
Zufall denfen, genügt oft ein Buchitabe, 
der die richtige Beurteilung des Ganzen 
gefährdet. 

Die Bolfserymologte kann nur durch 
die Piychologie erklärt werden. Das 
Sprachbewußtſein wehrt ſich dagegen, daß 
der Name bloßer Schall je. Es wird 
hiebei aber feine große Denftätigfeit ent: 
faltet, ja diefelbe tritt gegen XYaune und 
Zufall oft ganz zurück; von logiichem 
Denken kann feine Rede fein, 

Es kommt bei volfsetymologiichen 
Bıldungen jehr auf Beit, Ort und Um— 
fände (Stimmungen) der einzelnen Berjonen 
wie ganzer Bölferr an. Was ſich der 
einzelne volksetymologiſch zurechtlegt, braucht 
noch nicht immer der Gejamtheit zu ge: 
fallen. Ich erinnere nur an ein Beifpiel 
aus der Pfalz aus den legten Jahren. 
Den Volkskreiſen war das Wort Influenza 
ganz unbefannt. Als es vor etwa fünf. 
zehn Jahren Modewort wurde, gebrauchten 
es auch die weniger gebildeten Kreiſe, 
freilich nad ihrer Weiſe; denn Influenza 
wurde zu Infulenzia und Ddiejes zu 
nfaulenzia. Das Wort mwäre in feiner 
legteren Form ficher in früheren Jahr— 
hunderten, wo das geichriebene Wort noch 
feinen folden übermächtigen Einfluß hatte, 
feft geworden, aber die Tagesliteratur, die 
das richtige Wortbild zu gewiſſen Zeiten 
Tag für Tag brachte, hat der Entſtellung 
vorgebeugt. 

Ein Kind wird anders vollsmäßig 


umdeuten als ein Erwachſener und die 
Gegenwart anders als die alte Beit, denn 
heute beherrſchen ganz andre Vorftellungs- 
reihen die Sprade ald vor etwa taufend 
Jahren; andere Lautverhältniſſe liefen auch 
andere Deutungen zu. So dachten, um 
nur ein Beiſpiel zu erwähnen, unſere Vor— 
fahren bei dem griechiſch-lateiniſchen marga- 
rita in der althochdeutſchen Zeit an 
meregriez. Mehrzahl: meregriezzön, gotiſch: 
märikreitus, d. i. fürniger Meerfand, ob: 
wohl dem mirfliden Sinne nad unter 
margarita Perle zu verftehen ift. 

Daß dieſe oberflächliche pſychologiſche 
Tätigkeit den Mundarten mehr eigentümlich 
ift als der Schriftſprache, iſt klar; denn 
es ift ficher, daß Wörter, die nie oder 
ſehr felten geichrieben werden, eher dieſe 
Veränderungen erdulden müſſen, als die 
häufigen Wörter der Schriftſprache. 

Wenn auch die Sprachwiſſenſchaft im 
19, Jahrhundert uns erft das Weſen der 
Volksetymologie erflärt hat, jo treibt dad) 
gerade die Wiſſenſchaft jelbft noch öfters 
Volksetymologie“. Wir fünnen fie nad) 
Andreien die „gelehrte” nennen. Ich 
denfe hierbei in erfter Linie an pfälziſche 
Verhältniſſe. 

Man tut ſich nämlich in der Erklärung 
zahlreicher Orts- und Flurnamen außer— 
ordentlich leicht und iſt mit der erſten 
beſten Deutung, die ſich gerade ergibt, zu— 
frieden. Ich will nur einige Beiſpiele an— 
führen: Jeden etwas fremd klingenden 
Namen fuht man gerne vom Yateinijchen 
berzuleiten oder man will ihm einen mytho- 
logiihen Sinn geben. Wurde mir doch 
vor furzer Beit allen Ernſtes entgegenge- 
halten der jüdpfälziihe Name Kuhard, in 
älterer Form einmal als Cohard erhalten, 
fomme vom lateiniichen Cohors und bes 
deute das Lager einer Cohorte, Ale 
älteren formen diejes Ortsnamens haben 
aber als zweiten Sompofitionsteil hard 
und diefer bedeutet Wald oder vielmehr, 
wenn wir den erften Teil des Wortes 
wirklich als „Kuh“ deuten wollen: Wald: 
mweide; denn auch in diefer Anmwendung 
fommt hard (richtiger härt) vor. In 
Albersweiler bei Landau gibt es den Flur— 
namen fälbert, der nad Dr. Bhil. Keiper, 
Weſtpfälziſche Geſchichtsblätter 1903, Nr. 3, 
früher Küälber-hart lautete, und die von 


Birlinger aufgeftellte Behauptung beglaubigt, 
daß härt als Waldweide aufgefaht werden 
fann. Kuhardt ift aber jedem Pfälzer als 
Dorf an dem weitbefannten Bienmwalde ge» 
läufig und es ift nicht auffallend, daß hier 
Ortsnamen mit härt häufig find. 


Ueber den Namen Grünftadt jchreibt 
ein hervorragender ſtenner der pfälzischen 
Geſchichte, daß er von Criniti statio fomme, 
Crinitus war ein Vorname des römiſchen 
Kaiſers Trajan und da Grünftadt nad 
weislich römifchen Urfprungs ift, jo ſchließt 
der Berfafler des Werkes: Grünftadt und 
Umgebung von Emil Müller, Grünitadt 
1903, ©. 29, daß jeine Deutung einer 
guten Grundlage mit entbehre. In 
Grünftadt haben wir fidher einen deutſchen 
Namen, wenn auch „Grün“ jelbit wieder 
volfämäßige Umdeutung eines alten Grind 
bezw. Grinde ift; noch heute fagt das 
Volk richtig Grinnstalt, Grennstadt, nur 
entfernter wohnende gebraudhen Grün: 
ftadt—=grinstatit. Grind (Urindestat bis 
ins 16. Kahrhundert) war einft in ber 
rheinfräntiichen Volksſprache Gattungsname 
fo gut wie bei den Wlemanen, 


Dies bezeugen Flurnamen aus unierer 
Pfalz: uffem Grind = d. i. auf dem 
Scheitel einer Erhöhung. So heißt es in 
einer Falkenfteinifhen Urkunde vom Jahre 
1551, wo von einem Grenzbegängnis bie 
Rede iſt: „Johannescreuz ftett, ann. bis 
den negften volgenden ftein vffm grindt, 
die richt und ſchlicht ſuchen“. Moch deut: 
Iıher wird eine Urkunde des alten Aur- 
pfälzer Oberamtsftädtchens Alzey im Algeyer 
Urfundendbub vom Wimmer, &. 271: 
Ill ingera vinearum sita in monte dieto 
„Grind“ apud Alceiam. Der Grind iſt 
heute noch im Volksmunde der Pfälzer der 
Sceitel des Kopfes: ich hau der ens 
iwer de Grind. Ich glaube, dieje Belege 
genligen, um Grünſtadt, d. i. die Grinde- 
statt, als Plag an oder auf einem Grinde, 
d. t. einer Erhöhung, zu erflären. at: 
ſächlich ſtimmt damit die Lage der Stadt. 
Als weiter möglich fann nur ein Perjonen- 
name Grindeo, Grimdeo oder Grindo in 
betradht fommen, da die meiften Zuſammen— 
ſetzungen mit — stadt bezw. statt auf ben 


Namen des erften Siedlers zuriidgehen, | 


3: ®. Dannstadt — Dandistadt oder Tanti- 


102 


statt, Mutterstadt = Muotheres- = statt 
u.a Mm. 

Der fehr klare Namen Kaiſerslautern 
mußte ſich bei den alten Chroniſten aller: 
band Deutungen gefallen laffen, die ich 
ber Merfwürdigfeit halber bier anflihren 
will: In der Lauterer Chronik als An— 
hang zu den Antiquitates imperii ad 
Rhenum erzählt ein alter Chronift allen 
Ernftes, daß zur Beit Diocletians in Trier 
eine edle Frau Lutrina aus aſſyriſchem 
Geſchlechte gelebt habe, die gezwungen 
wurde, mit ihrem Geſinde in die Wälder 
zu fliehen, meil fie Chriftin war, Als fie 
aber irr in den Wäldern umbergezogen 
und nirgends eine Ruheſtatt fanden, feien 
fie in einer maldigen Wildnis zur Stlaufe 
eines Einftedlers gefommen (Eınfiedlerhof 
bei Kaiferslautern) und hätten allda eine 
Wohnung erbaut und diefelbe fur; Lauteram 
Litoram genannt, woher denn der Name 
Yautern fomme,. Gerade fo märdenhaft 
klingt die folgende Behauptung derjelben 
Ehronif, die Fan demnad; nicht mit einer 
hiſtoriſchen Erflärung begnligt: Kaiſer Karl 
der Große jei auf einem Zuge nad) Sachen 
814 nach Lautern gefommen, habe den Ort 
ganz tauglich zu einer Stadt gefunden und 
deshalb angefangen, ihn mit Gräben, 
ftarfen Mauern und hohen Türmen 
zu umgeben, darauf babe er den Ort mit 
Stadtrecdhten begabt und Lutram Latoliam 
Pr Als aber in diejer Gegend die 
ranzbſiſche Spradye verdrängt worden fei, 
da Sei fie Naiferslautern genannt worden. — 

In Wirklichkeit kommt der Name Qautern 
vom durchfließenden Bache Yauter, der in 
althochdeutſcher Zeit Lutra heißt, abgefürgt 
aus der vollern Form lüteraha oder 
Lutaraha vom Adjektiv hlüter, d. i. flares 
Waſſer im Gegenfaß zu den Sümpfen der 
Gegend. Auch die Ableitung aus lutra, 
d. i. Fiſchotter, ift als gelehrte Umdentung 
zurüdzumeijen, da fle neben dem nahen 
Otterbach und Dtterburg, bezw. Otterberg 
auffallen muß. 

In gewiſſen Streifen befieht zum Zeil 
heute noch die Sucht, in unfern Berg- und 
Flußnamen irgend etwas Miüythologifches 
zu finden. So bdenft der befannte und 
bedeutende Schriftfteller Auguft Berker in 
dem Namen Orensberg an einen Odinsberg, 
indem er „re in Orens als ftimmbaftes 


— 18 — 


d, pfälgifch wie r geiprocen, auffaßt. Odin 
ift befanntlich die nordifche Form für das 
al thochdeutſche Wuotan, das im Schwäbiſchen 
ald Muetes in Muetesheer fortlebt. Ein 
Ddindberg iſt ſprachlich nicht möglich in 
der Pfalz. 

Den Modenbach bei Edenkoben furzer- 
hand als Wodenbach zu deuten, weil in 
der pfälzifhen Mundart w oft zu m wird 
(Schmalme — Schwalbe, meer — wir) ift 
folange gewagt, als fein urfundlicher Beleg 
vorhanden ift, der die Deutung erhärtet. 
Es klingt jehr kühn, in gewilfen Namen 
einen altheidnijchen Hintergrund zu finden, 
da er ja nie Ddireft nachgewieſen werden 
kann. Sowohl der Siegiriedsbrunnen in 
der Nähe des Dracdenfelfen in der untern 
Haardt ald auch der befannte Brummholz- 
ftubl bei Bad Dürkheim erinnern nit an 
unfere Heldenfage. Denn diefer Brumm: 
holzſtuhl iſt kein Brunhildisftuhl, jondern 
ein brünoldes stul. Im Burgfrieden von 
Dürkheim vom Yahre 1360 heißt es: vnd 
von dem stein der da stat an der furte. 
biez an den stein der da stat in dem 
wingarten. vnder brünoldes stul. vnd 
dan von brünoldez stul biez in den 
phat der die sumerwune herabegat. 
Siehe Ohlenſchlager, Mitteil. des Hiftorifchen 
Dereins der Pfalz, 1895, 

Die dieſe wenigen Beijpiele bemeifen, 
beruht die piychologiiche Tätigkeit, die mir 
Dolksetymologie zu nennen gewohnt find, 
vor allem auf dem ®leichklange zweier 
Wörter. a, der Gleichllang übt bei 
flüchtiger geiftiger Tätigkeit eine folche Ge» 
malt aus, daß Sinn: oder Gedanfenlojes 
leicht entſteht. Daher darf e8 uns auch 
nicht wundernehmen, wenn die Behauptung 
allgemein gilt, in volfsetymologifchen Dingen 
jei alles möglid. Dem ſprachlichen Gleich« 
flang folgen bei der Mpperzeption die 
mwiderjpredhendften Worte. So mird im 
Volksreim aus (Profeſſor — Brotfrefier, 
auf welchem Wortſpiel ſich eine Weſtricher 
Volkserzählung aufbaut) aus succesive — 
ſchluckzeſive (trinfen), aus fourage — Futter» 
afch unter Anlehnung an Futter. Das 
beliebte Bolfslied vom Prinzen Eugenius 
hat das auch in der Pfalz bekannte 
foutragieren ftatt fouragieren. 

Manches Sprachgebilde feuchtfröhlicher 
Laune fand bereitwillige Aufnahme im 


Spradihage. Was aber bemußt umgedentet 
wird, alfo abſichtlich in falfche Beziehungen 
kommt, hat lange nicht die Ausſicht, all» 
gemeine Gilltigkeit zu erlangen, wie die 
dem unbewußt ſchaffenden Spradigeift des 
Volkes entftammenden Änderungen. Letztere 
find Erfcheinungen, die fih naturgemäß 
nicht nur bei uns, fondern bei allen 
Völkern, befonders bei Naturvölfern finden. 
Wir können auch bdieje Spraderjcheinung, 
wie ich fchon erwähnte, bis hinauf in die 
ältefte Zeit verfolgen. Eines der älteften 
Beifpiele ift es mohl, wenn im Gotifchen 
anftelle von gardwaldands = Hausherr — 
gardawaldands ſteht. gards = Haus, 
garda — Stell. Wohl das jüngfte Bei- 
fpiel aus der Pfalz ift Mentor ftatt Motor. 

Der Schreiber der älteften Beit fteht 
gerade jo unter dem Eindrudf der geiprochenen 
Sprache wie ein großer Teil unjeres Volkes 
von heute; fie verlaffen fih nur auf das 
Ohr. Die zahlreihen Fehler in der 
Schreibung alter Ortsnamen in unſern 
Urkunden find imgrunde genommen nichts 
anderes ald augenblidliche volfsetymologifche 
Bildungen, die nur furze Lebensdauer 
hatten. 

Gerade für die Umdeutung unferer 
Drtönamen gelten Goethes Worte aus 
Dihtung und Wahrheit II, 12. Buch, 
&. 59 der Cottaſchen Ausgabe der Biblio: 
thek der Weltliteratur: „Reine Überlieferung 
wird ihrer Natur nach ganz rein gegeben, 
und wenn fie auch rein gegeben wilrde, in 
der Folge jederzeit vollkommen verftändlich 
fein, jene8 wegen Unjulänglichfeit der 
Organe, durch melde überliefert wird, 
diejes wegen des Unterſchieds der Beiten, 
der Drte, bejonders aber wegen der Ber- 
fchiedenheit menichliher Fähigkeiten und 
Denkweiſe“. 

Als Belege hiezu diene folgendes: 
Aus Berichten über die Göllheimer Kaiſer— 
fhladıt 1298 ftammen für den Namen 
Donneröberg : Tursperg, Tunsperg, Dorns- 
perg. Ein Fugger fchreibt: Thurnsberg, 
Thaunersberg, andere wieder Dohrsperg, 
quasi Tonnersperg, ut vulgo volunt, quasi 
Tonantis montem dicas. 

Ich will im folgenden zuerft eine größere 
Bahl pfälzifher Ortsnamen bringen, 
die ſich das Volt in feiner Weiſe zurecht 
gelegt hat. Wir treffen unter ihmen nicht 


nur veraltete deutiche Wörter, die im jpäteren 
Sprachſchatze des Volkes feinen verwandt- 
ſchaftlichen Anſchluß fanden, jondern auch 
fremdſprachliche Güter in reichſter Fülle, 
Neben dem Lateinifchen und Franzöfiichen 
verjchwinden zwar andere Sprachen; aber 
im entlegenen Weftrich finden wir einen 
Ortönamen, der der türfiihen Sprade 
entftammt und leicht umgedeutet werden 
konnte. Ich bringe ihn zuerft. 

Als König Karl XII. von Schweden in 
Bender von den Türfen gefangen gehalten 
wurde, wagte es der Polenkönig Stanislaus, 
ıhn dort aufzufudhen. Er wurde aber eben- 
falls gefangen gefegt und bewohnte ein 
Jahr lang ein in der Nähe von Bender 
gelegenes Landgut, ein Tſchiftlick nad 
türkischer Bezeichnung. Als der vertriebene 
Polenfönig jpäter im jtillen Biweibrüden 
Aufnahme fand, nannte er feinen Sommer: 
fig in der Nähe der Stadt: Tſchifflick; eine 
Eijenbahnftation mit zwei Bauernhöfen in 
dichter Nähe des jegt verödeten Fürftenfiges 
trägt heute noch den fremdflingenden Namen, 
den das Volk als Schifflick und Schubflid 
deutet. Es wußte früher in Anlehnung an 
diefe Entjtellung zu erzählen: Stanislaus 
jei jo arm gewejen, daß er jeine Schuhe 
in der Einjamfeit des ſchönen Waldtales 
jelber habe flicken müſſen. Aus Ddiejem 
Beiſpiele erjehen wir, daß die volfstüimliche 
Umdeutung auch Sagen, jogenannte Namen» 
lagen, verurjadhen kann. 

Die ſchöne Sage vom Jungſernſprung 
bei Dahn ift jedenfall auf dieſe Weije 
entftanden; denn im zweiten Worte „ſprung“ 
haben wir die ältere befonders im Fränfiichen 
häufige Form „ipring“ für Quelle. Yungfern- 
ſprung iſt demnad Jungfernſpring oder 
»fpreng und die geringe lautliche Aenderung 
hat hier eine weitverbreitete Sage hervor» 
gerufen. 

Die Ebernburg an der Nahe hat nad) 
Ausweis ihrer älteften Namensform Eburon- 
bere vom Perjonennamen Ebur ihre Be- 
nennung; das nordpfälziiche Volk Tegte ſich 
den Namen, wie folgt, zurecht: Als einſt 
die Burg belagert wurde und die Vorräte 
nah wochenlangem Widerftande der Be- 
wohner zur Neige gingen, ſah man mit 
Schreden, daß bei ausbrechender Hungers: 
not feine längere Verteidigung möglich jei. 
Nur noch einen mädjtigen Eber hatte der 


104 





Burgherr im Stalle. Wenn nun morgens 
der Tag graute, zerrten ihn die Sinappen 
in den Burghof, legten ihn wie zum 
Schladten bereit auf den Boden und der 
Burgherr figelte ihn da mit dem Schwerte, 
wo jonjt der Megger zum Schladten an- 
jegt. Natürlich erhob das geängftigte Tier 
ein mörderifches Gejchrei; da man aber jo- 
gleich einen Tränfeimer voll Futter bereit 
hielt, um das Tier wieder verftummen zu 
laffen, mußten die Belagerer meinen, in 
der Feſte werde geichladhtet und der Nauch 
fang hänge voll Schinken und Würſte. — 
So trieben es die Burgbewohner einige 
Wochen; der Feind aber verzichtete auf die 
fernere Belagerung, da er verzmeifelte, die 
Burg jemals bei ſolcher Ausrüftung erobern 
zu fönnen. Der Burgherr ſchlachtete jett 
aber dod feinen Eber und verzehrte ihn 
mit den Seinen an einem Tage; denn alle 
waren jehr hungrig. Zum Andenken gab 
er Seiner Burg den Namen Cbernburg. 
So die Sage. 

Der Name Hinfeljtein bei Staiferslautern, 
der nur Entjtellung aus älterem Hünenſtein 
ift, alſo einen vorgejchichtlihen Begräbnis 
plat bedeutet, hat zu folgendem Brauche, 
den uns Hollenſteiner in feiner Kleinen 
Geſchichte der Stadt erzählt, geführt: Wenn 
früher Buben zum ersten Male in den Stadt: 
wald gingen, um Holz zu leſen, wurden fie 
am erften Marffteine des Stadtmwaldes, der 
jegt Hinfelftein heißt, mit dem Kopfe un: 
ſanft aufgeftoßen und dabei gefragt: „Hörft 
du die Hinkelpfeifen?“. Alſo vollitändige 
Umdeutung. 

Treten wir eine furze Wanderung durch 
die Pfalz an und jehen wir uns nad) volfö- 
tiimlichen Umdeutungen in Ortönamen um, 
Beginnen wir mit der alten, erniten Kaiſer— 
ftadt Speyer. Der große Sprachforſcher 
Zeuß hält „das große Paradies" des Domes 
vor 1689 für latein. portieus; denn Simonis 
fagt in feiner „Beichreibung aller Biſchoffen 
uſw.“ „das Vorzeichen der Domkirchen, das 
große Paradeiß geheißen“. Schon in den 
Bolizeiverordnungen des 14. Jahrhunderts 
wird es verboten „vnder dem paradiz 
zum Dome* feil zu halten. Zeuß Un- 
nahme hat manches für fid). 

Der große Geſchichtsſchreiber Speyers 
Chriſtophorus Lehmann leitete feinen 
Retscherpalast von Retſchar (Räteſchar) 


— 15 — 


ab; andere dachten an den böhmifchen 
Radſchin (vom Slavifhen Hradezana — 
Burg) und jchrieben unbedenklich „Retschin*. 
Der Retſcher, der heute nur noch in dürf: 
tigen Ueberreften aus der Zeit des großen 
Brandes vorhanden ift, war der Hof des 
reihen Adelsgeſchlechtes Retzelin, Ret- 
schelin, Retscheln, Retzel, Retschel, deren 
Name nur Kurzform für Radolf, Radhart, 
Radewin if. ine ältere Form mußte 
nah Zeuß Ratzilin fein; vergleiche den 
Namen Ratzel! „el* erflärt fich leicht 
als Bertleinerungsfilbe der Kofeform. Schon 
in mbd. Beit find in Speyer Spradformen 
wie gärtel, gessel, burgel, für Gärtden, 
Gäßchen, Burglein jehr gebräudlid. Auch 
eine Speyerer Urkunde bei Lehmann, ©. 313 
beweift mit den Worten: In civitate Spi- 
rensi in curia Retzelini die Abftammung 
des Hausnamens von einem Perfonennamen. 

Die alte Dietbrüde in Speyer hat ſich 
die unſchöne Entftellung in Diebsbrüde 
ihon ſeit Yahrhunderten gefallen laſſen 
müflen. Ueber diefe Brücke führte die 
große Heerftraße, in alter Sprache Diet- 
strazze, d. i. Volksſtraße, nah Worms, 
Im Sabre 1214 wird die Kirche zum 
heiligen Grab: ecclesia sancti sepulcri 
apud Spiriam sita que Dietbruege nun- 
cupator genannt. Die Mönche des Klofters 
dajelbft hießen domini in dippruggen: 
1312 wird ein Binsvelt ultra Diebrugge 
erwähnt. Der Ausfall von t, der ın unjerer 
Mundart vor b, g und p, k jehr häufig 
ift, hat fih erhalten und wir finden nur 
noch Diepbrucken, in den Binsblihern des 
16. Yahrhunderts jogar Diebsbrücke, wie 
heute. Ob alle Namen auf Dieb dieſe 
Wandlung durdliefen, fann aus Mangel 
an urfundlichen Belegen nicht immer ent« 
fhieden werden. Wir finden Diebswege 
bei Stirrmweiler und Herrheim, Diebspfade 
bei Kaijerslautern und Marnheim. Einen 
Diebsbrunnen nennt die 3564. Regefte der 
Pfalzgrafen und ein Diebsgraben ijt bei 
Nanzdiezweiler. Sicher find unfere Diebs- 
wege und Diebspfade = Dietwege bezm. 
Dietpfade, d. i. allgemeine Wege und Pfade, 
mittelhochdeutich diet — Boll, Im Flur- 
plan von Speyer von 1715, herausgegeben 
von Harfter, in Nr. 13 der Mitteil. des 
Hiftorifchen Vereins für die Pfalz, ©. 95 
findet fich folgende Anmerkung zum Bud) 


ftaben G: „G Sind zwölff Loch = Gruben, 
die gleichfalß Speyer und Schifferſtadt 
fcheiden und mit denenfelben Anno 1574 
gemeinjfam eroffnet und ausgeworffen: Auch 
in folgenden Jahren verjchiedentlich wiederum 
von den beeden Theilen aufgehoben und 
renovieret worden.” 

Diefe Loch Gruben find Lachgruben; 
d. h. Gruben als Grenzzeihen. Das mittel. 
hodydeutich läche, lächene bedeutet Ein- 
ichnitt, Kerbe auf dem Grenzftein, Grenz 
ftein jelbft, oder überhaupt jedes Grenz« 
zeichen. Das lange a der mittelhochdeutichen 
Zeit geht bei uns regelmäßig in 6 liber, 
das in BZufammenfegungen verkürzt wird, 
Gine Ausnahme bildet der Flurname 
Lachenbösch, d. i. Buſch an der Grenze, 
der jich bei Ulmer findet und heute noch 
die Banngrenze teilweife bezeichnet. 

Deutlich ſchimmert die alte Bedeutung 
auch in dem zu Loch gewordenen Läche 
durch, wenn e3 in der Velmann'ſchen Be: 
ichreibung der Grenzen von Wolfftein 1602 
heißt, daß der Stadtwald „abgelocht* 
wurde. In der Urkunde liber den Grenz 
begang ſteht: 

„Das erfte geloch fteht vnden an der 
ftraßen vnd ift ein Buchbaum, von diejem 
geloch 30 geloch, deren noch vier findt, 
biß herab vff Bruderborn vnd ift daz 
vnderſte Geloch ein Eychbaum, findt alle 
mit Creutzen gezeichner.” 

Wenn ed in der erwähnten Speherer 
Flurkarte von 1715 heißt „drey davon 
(Steine) in einem Drey-Angel* zwiſchen 
der Haßlocher und Nehhütter Straße, fo 
haben wir eine ſchöne Umdeutung des 
lateinifchen triangulum = Dreief vor ung, 
die aber nicht mehr üblich ift, weil unfer 
deutijches Wort Dreief doch noch mehr 
Lebenskraft beſaß. Wo aber feine Um— 
deutung ftattfindet, meine ich, da ift das 
Iprachliche Leben erftarrt, da nimmt das 
Bolt als Geſamheit feinen Unteil mehr 
am geiftigen Berfehr mit der Fremde. 
Wir alle find heute logischer gefchult uls 
felbft die größten Männer unferer Vorzeit. 
Volkstümliche Veränderungen find uns da» 
ber nicht mehr fo geftattet, wie es ehemals 
der. Fall war. Pfalzgräfin Elifaberh Char- 
lotte und Frau Rat in Frankfurt durften 
fih ſolche Freiheiten geftatten; unſern 
Frauen von heute werden fie als fehler 


angefreidet. Der gelehrte, ehelgefinnte 
Biihof von Flersheim zu Speyer fonnte 
fih zur Beit des Sirchenftreits ftatt des 
Wortes Quthertum oder Qurherei ruhig der 
Horm Lautherei bedienen und in feinem 
prächtigen Buche „Die Flersheimer Chronik“ 
ichrieb er deutjche und fremde Ortsnamen 
nur nach dem Gehör, fo daß es für den 
Herausgeber nicht immer leicht war, die 
heute üblihe Form diefer Namen fejtzu- 
ftellen, weil fie nach dem deutfchen Sprad- 
gefühl des Verfaſſers umgedeuter find, 

Doch zurück zu unfern umgedeuteten 
vorderpfälzifhen Namen! Biele derjelben 
fönnen bis zur Sarolingerzeit verfolgt 
werden; manche haben ihre ältejfte Form 
treu bewahrt. Uber die meiften hat der 
mehrfach aufgetretene Lautwandel fo ent- 
ftellt, daß die urjprüngliche Bedeutung ver- 
loren gehen mußte. 

Wenn die Südpfälzer von der Ruine 
Bärwelftein reden, jo denfen fie an die 
weithin befannte Ruine Bermartjtein, mo 
der berühmte Kurpfälzer Amtmann Hans 
von Droth jaß. Der ſchöne altdeutſche 
Namen Berwart muß fich gefallen laſſen, 
in den echt pfälzischen Frauennamen Bärmwel 
überzugehen, der aber gar nicht rittermäßig 
Flingt. Der Lautübergang erfolgte aber 
auf gejegmäßige Weile. 

Billigheim hat zu „billig“ Feinerlei 
Beziehung, noch weniger zu bello campus, 
wie zopfige Gelehriamkeit des 17. und 
18. Jahrhunderts meinte. Wir haben viel- 
mehr einen rein deutichen Namen, der auf 
eiren Eigennamen Bullo zurückgeht; die 
älteren formen mie Bullinheim, Bullen- 
keim, Bullinkeim oder gar Bunninkeim 
mweifen darauf hin, daß dem fränfifchen 
Bullinkeim jedenfalls ein vorfränfifches, 
alemannifche8 Bullingen borausging. 

Für Burrweiler begegnet uns in der 
älteren Beit Bubenwilre von Bubo. (Eigen 
name.) 

Branchweiler, Hof und Hojpital bei 
Neuftadt a. d. H., hieß früher Brünechen-, 
Brunechenwilre, hängt mit dem ſturznamen 
Bruno zufammen, auf den aud das Nord 
pfälger Dorf Breunigweiler, die Cigen- 
namen Breunig und Braun zurückzu— 
führen find, 

Dannstadt ift jcheinbar eine Tannen— 
ftatt, ein Ort, wo Tannen wachſen, mhd. 


106 





Tannestat, wie auch Dahn mit den Neben: 
formen Dan, Than, Thane, Tan, Dunn, 
Tanne und Dannenfels, in älterer Beit 
Tannenfel® und Dennweiler. Die ältefte 
Form Dantistatt, ſpäter Tantestatt deutet 
auf einen Perjonennamen hin. Die Be- 
deutung Tanne wird bei Dahn nicht mehr 
herausgefühlt, jelbjt nicht in Dennmeiler, 
obwohl die Volksſprache jener Gegend hin 
und mieder noch die umgelautete Yorm 
Denn für Tanne hat. 

Dürkheim (mundartlid Derkem) fteht 
weder mit Türken, pfälziih Derfe, noch 
mit Thüringen in BZufammenhang; mir 
haben auch hier eine fränkische Siedelung 
auf „heim” vor uns, der eine ältere auf 
„ingen” vorausging und die ſich in ältern 
Belegen noch findet: ın Durenheim, Duren- 
keim, Dürenkeim, Durncheim, During- 
keim und Thuringeheim. So wenig Dürk— 
heim an die QTürfen erinnert, fo wenig 
Bayerfeld a. d. Alſenz an Bayern; denn 
die ältefte Form iſt Burvelt. Bur 
— Haus oder Eigennamen, vgl. Sippers- 
feld Sipparidesveld, Schiersfeld 
Skeringesfeld. 

So ift auch Gönnheim auf den Eigen: 
namen Gyn oder Gain und nicht auf 
„gönnen“ zurüdzuführen, da mittelhodh: 
deutfche Urkunden Gynheim, Gineuheim 
bewahrt haben. Die Ableitung von „gönnen“ 
fann auch nicht logiſch begründet werden, 

Hanhofen ging aus Heyenhoven, 
Hagenehoven, d. i. umhegter, umzäunter 
Hof am Walde hervor. Der Hanauerhof, 
Gemeinde Dielfirchen a. d. Aljenz, lag ehe» 
mals in einem Walde: Hag; daher iſt die 
Form Hagenouwe aus dem 12, Jahrhundert 
richtiger. 

Der merfmwürdige Name Einsellum 
heißt volfstümlich Anseldem, welches auf 
Einseltheim, mbd. Insultheim beruht. Hier 
finden wir beide Teile des Wortes entftellt. 
Die abgeihmwädhte Silbe heim wird im 
Nheinfränkiichen, aber noch mehr im Nieder: 
fränfifchen zu um (mit unbetontem u), jo 
noch in Pepenkum — Heim eines Pippin 
und Oberkum, d. i. Obrigheim, 1411 er 
iheint aud ein Tyrkum. Bekannt find 
Jockgrim ftatt Jochenheim oder Juchen- 
heim, d. i. Juckenheim. Der Südpfälzer 
jpricht daher noch lautgerecht: Jockerem. 

Zeiskam, mundartlid Zeiskem, hat 


als ältere Formen Ceisinken, Ceizenkeim 
und Dr. Heeger in Landau feßt bier ein 
Ceizingen voraus. Go menig Zeiskam 
mit Nammer, hat Maikammer, mundartlid 
Maikem, mit Stammer irgend eine Bezieh— 
ung; denn die 1437 auftretenden Meyn- 
keimmmere und Meynkeymer weijen auf 
« „beim“ hin, 

Das Dorf Lug bei Annmeiler hieß 
Luoch; nbd. luoc bedeutet Tagerhöhle des 
Wildes, Tauerhöhle und ift ſprachverwandt 
mit Loch und Luke, aber nicht mit lügen, 
nbd. liegen. Die Lage des Dorfes beftätigt 
diefe Deutung, 

So denkt jeder Pfälzer bei Mutter- 
stadt an Mutter; aber der Lorſcher Goder 
II. 2027 fi. 2257. 3679 bezeugt uns, 
daß ein fränfifher Edelmann Meginther 
zur Geelenrettung jeines Berwandten Muther 
dem KHlofter St. Nazarius bei Lorſch fünf 
Morgen Sand bei Mutherstath oder Muter- 
stat ſchenkte. 

Dod auch dem ftillern Weftrich wollen 
wir einen Beſuch abſtatten; es ift nicht nur 
jehr reich an geichichtlichen Erinnerungen, 
fondern es bietet auch dem freunde der 
unverfälfhten Bolfsart ein reiches Be- 
obadhtungsgebiet. Freilich der Borderpfälzer 
ipottet Über das Weftrich als Wüftreich oder 
Biehftrih und fein Donnermwetter! mird 
zu „Donner Weftrih”! weil er in das 
entlegene Gebiet jenfeit3 der Dart jelten 
fommt und daher oft nur dürftige Vor— 
ftellungen von ihm befigt. Auch die volks— 
mäßige Form der Weftrich erklärt fih nur 
ald Anlehnung an Gänserich u. a. ſowie 
an Strich. Weſtrich — Weſtreich — Neu- 
stria, als Gegenſatz zu Ostarrichi. Austria. 

Denn wir durch das Neuftadter Tal 
nah Weften wandern, jo begegnet uns bei 
LYambredt der merkwürdige Name die 
Kränk für ein enges kurzes Tal. Er er 
innert uns jofort an die Verwünſchung: 
Kri di Kränk, die allgemein bekannt iſt. 
Ich begehe aber jedenfalls feinen Fehler, 
wenn ich das im 10. Jahrh. bezeugte 
Krankendal mit dem ältern kranc, ®effen: 
fall kranges = Kreis, Umfreis verbinde, 
Der fachliche Hintergrund des Namens 
Kränk bietet mir Gewähr genug hiefür. 


An derſelben Bahnftrede liegt das 
freundliche Weftrichdorf Kindsbadh, am Bache 


107 


gleihen Namens, der durch die Kinſau 
fließt, Wer denft dabei nicht an Kind, wie 
der Wolffteiner, wenn er vom Kindſchberge 
und ebenfalld vom Kindſchbache jpricht? 
Auh der Donneröberger fennt einen 
Kinschbach. 

Ale diefe Namen ftammen von dem 
älteren künec, d. i. König; denn urkundlich 
nachweisbar heißt Kindsbach kunegesbach, 
der Königsberg bei Wolfftein kunegesberg. 
Der Borderpfälzer hat in feinem „Hönigs- 
bach“, geipr. Kingschbach, den geſchichtlichen 
Bujammenhang treuer bewahrt. 

Das alte Nanstein oder Nannenstein, 
auch Nanstall und Nannenstuhl genannt, 
muß dem verſtändlicheren Zandftuhl weichen, 
das als Burgname gar nicht übel Flingt 
und und an Landöburg und Landesfron 
erinnert. | 

Sin gleicher Weife lehnt fich der Name 
Eigelmutesheim als Elbisheimer Hof in 
der Gemarkung von Marnheim am Donners- 
berg an den Dorfnamen Albsheim oder 
auch Albisheim an. Der Donnersberger 
jagt nur Albsemerhof. 

Die zahlreihen Einödgüter treten in 
älteren Urkunden, beionders in denen des 
16. Sahrh. als Einheit oder Einhayde 
auf; aud ift Einöd die ältere Form für 
Eindllen bei Lauterecken; dieſe Umdeutung 
unter Anlehnung an Elle erklärt ſich aus 
dem aſpirierten weichen d, das r — ähnlich 
klingt und zu | übergehen kann. In der 
Nähe liegt Deinzenhaufen. Das ältere 
Hansemanneshüsen wurde zu Heinzen— 
haufen (mundartlidh hänsehause). Heisines- 
heim zu Hessheim, Hornesowe zu Hirsau, 
mdartl. hörscher körch. Unter deutlich 
bemerfbarer Anlehnung an das nahe Ein- 
öllen bildete fih aus dem Ortänamen 
Hohenhelde — Hohenöllen. 


In den Bezeichnungen Buchenloch (bei 
Kaiſersl.) und Lohnweiler (Dorf bei Zauter- 
een ijt der zweite Teil das Jalte loh — 
Wald, Lohnmeiler ſpricht der, Einheimijche 
beute noch Lohweiler aus. 

Zwei Dorfnamen mit der rheinfränfifchen 
Bildungsfilbe -scheid, die bei uns in der 
älteren Form schied vorhanden ift, aber 
auch als schült umgedeutet wurde, erfuhren 
im Bolfsmunde eine Umwandlung in 
-stadt. Trippstadt hieß nod im 16. 


Jahrh. (1563) Trippschitt = schied und 
das Dorf Börrstadt am Donnerdberg im 
14. Jahrh. Birrscheid. Diejen Übergang 
fönnen wir uns leicht durch die Abſchwächung 
des Wortes scheid erflären, alfo aus 
Trippschet und Birrschet, jo fagt der 
Weitricher ftatt Breitscheid — Brätschet 
u.a.ım, Auch der Burgname Frauenstein, 
der am nördlichen Donnersberg auftritt, 
mußte ſich infolge ftärferer Betonung des 
eriten Teiles in Fräster umwandeln laffen. 


108 


Ein „Fräſchter“ ift im Pfälziſchen aber 
ein Menſch, der bei allen Gelegenheiten 
übertreibt fräschlich, fräschterlich von 
mbd. freislich. 

Der in der Nähe liegende Russmühler- 
hof hieß einft Rulichswilre und Ruodliches- 
wilare, der Hof Massholderbach murde 
nach Abſchwächung von holder zu Messers- 
bach, während doch die alte Form einen 
Blit in die Natur der Gegend tun läßt. 

(Schluß folgt.) 


Barbaroffa auf Zrifels. 


Was leuchtet allnächtlih wie Fackelſchein 
Bom Trifeld droben in's Queichtal hinein? 
Es ift, ald zögen Mannen und Troß 
Dinauf nad) dem alten Saiferichloß. 


Und Ritter ftehen und Knappen bereit, 
Dem Rotbart zu bieten das Chrengeleit. 
Er war im Leben hier gerne als Gaft, 
Drum hält er au auf der Nachtfahrt Raſt. 


Er fitt mie einft auf den eichenen Truh'n, 
Darinnen des Reichs Kleinodien ruh'n; 
Den Kopf mit dem Bart in die Hände geftüßt, 
Sein Auge verhaltenes Feuer bligt. 


Doch funfelt der erfte Sonnenftrahl 

Bom Berg herüber in's Annweiler Tal, 
Dann ehrt vor der leuchtenden Morgenpracht 
Der Kaiſer zurück in die Todesnadt. 


Dr. Karl Puſch. 


Aotiz für Altertumsfreunde. 


Im Juniheft des „Heidelberger Bücher: 
freundes”, herausgegeben von dem Antiquariat 
Bangel u. Schmidt «Dtto Wetters) Iint- 
berfitätsbuchhandiung Heibelberg find eine 
Anzahl pfälzifcher zc. Anfihten und Städte: 
bilder zum Berfauf aufgeboten, auf die mir 
Intereſſenten aufmerkſam machen wollen, 


(Die Bildgrößen find in Zentimetern angegeben.) 


Kat.-Rr. Mt. 
521 Lambsheim. Anfiht um 1650 

Merian.) 7a: 1748 . 1.— 
522 Landau (Pfalz) Anſicht um 1710 

3 J. Senfftel fec. Kupferitich 

alt: 29%. Schöne Ka leider 

one Rand . . 2.-— 
627 Landſtuhl. dodichunt um "1630 

12/4: 17! 1,50 
529 Lautered. Anfiht um "1660 

(Mertanı. 10:17. . .. . 1 
556 Neuftadt an der Haardt. Anficht 

um 1710 aus Bodenehr 20" : 34 

Schönes Blatt. Leider etwas ftarf 

befchnitten 1.50 





KatNr. 

601 Speyer Anſicht um 1650. Anon. 
Kupferſtich 18:84. Prachtvolles 
Blatt mit reicher landſchaftlicher und 
figürlicher Staffage. Der Rheinſtrom 
tft don zahlreichen Schiffen belebt. 
Mit vollem Rande. (Papiergröße 
38:51.) Sehr jelten . ur 

602 — Stahlſtich um 1850 11:17. . 

649 Fleckenſtein. Anſicht der Burg 
Fl. im Unter-Elfai um 1650 
Merian.) 11: 5% 

753 Areuznad. Anſicht 
um 1850. Stabljih 9:12 . . . 

754 — Unfiht ber — 
Stahiftih 10:16 . . 

75 — Anſicht von —— bet 
Kreuznach. Stahlftih 10:16 . 
756 — Unficht von Rheingrafenftein bei 
Kreuznach. Stablitih 10:16 . 
769 Meifenheim. Unfiht um 1650 

aus Merlan. 8a: 17T . 


Mt. 


der Stadt 


— 109 — 


Anleitung zu geologifchen Beobarhtungen in der Heimat. 


Vorſchule der Geologte, eine gemeinver | gebenderem Stubium Haben. Darauf werben 
ftändliche Einführung und Anleitung zur Be- | beſprochen: 2. Die geologischen Auſſchlüſſe. 
obachtung in der Heimat von Prof. J. Walther | 3, Die Bertoltterung. 4. Die Folgen der Ber- 
in Halle. 2. Auflage mit 105 DOriginalgeich- | witterung. 5. Die Felsarten. 6. Die Gejteins- 
nungen, 132 Uebungsaufgaben und 8 Ueberſichts | Hüfte. 7. Das unterirdifhe Wafler und die 
karten. 230 Seiten. Jena 1906 Preis 2,60 Mf. | Quellen. 8. Die Ausfüllung von Spalten und 
Diejes 1905 zum erjten Mal erjchienene Buch | Hohlräumen. 9. Die fließenden Gewäfler. 
mußte bereit8 im folgenden Sabre eine ber | 10. Die ftehenden Gewäſſer. 11. Am Meeres- 
deutend erweiterte Auflage erfahren und kann | ufer. 12, Die Gebirge und Berge. 13. Schichten: 
als fchlagender Beweis bafür dienen, dab die | ftörungen und Erdbeben. 14. Plutonijche Er: 
Vorſchule in weiteren Kreifen Auklang gefunden | fcheinwngen. 15. Der Bulkanismus. 16. Die 
und in der beimatfundlichen Literatur eine vor | Schichtenfolge. 17. Das Rartenbiid. 18. Die 
bandene Lücke ausgefüllt hat. Beitenfolge. Daran fchließt fi ein Literatur. 
Bon den gewöhnlichſten Erfcheinungen aus- | verzeichnis für geologtihe Erkurfionen und eine 
gehend fucht der Verfafler den Anhänger mit | Erklärung der Fremdwörter; ein ausführliches 
ben Grundlagen der Geologie vertraut zu | Sachverzeichnis geftattet eine leichte Ortentierung 
machen und ihn zur felbitändigen Beobadtung | über den behandelten umfangreihen Stoff. 
in der Natur anzuregen. Der Stoff iſt in Dem Naturfreund, bem Lehrer auf Unter— 
18 Kapiteln kurz dargejtellt und durch eine An- | richtögängen, jpeziell aber dem Heimatforſcher 
zahl leicht zu beobachtender oder mit Hilfe der | bietet das gemeinverftändlich geichriebene Buch 
einfachſten Inftrumente auszuführender Lebungs- | nach jeder Richtung Hin reiche Anregung und 
aufgaben dem Berjtändnis näher gebradt. An | geftatter durch fein handliches Format ein be- 
bie das Wefen, den Zweck und den hoben | quemes Mitführen auf Spaztergängen ; bei dem 
Bildungswert der Geologie behundelnde Ein- | verhältnismäßig billigen Preis kann feine An— 
teitung ſchließt fi eine Literatur. Zufammen- ſchaffung nit warm genug empfohlen werben. 
ftelung für folche, die ben Wunfch zu ein- Dr. D. Häberle, Hatj. Rechn.Rat, Heidelberg, 


„Aur Mellung der Fortfritte der Erofon und Benudation‘ 
von Katferl.Rehn.»Rat cand. paläont. | eine ausführliche, mit Literaturbermerfung ber- 
D. Häberle iſt im Neuen Jahrbuch für ſehene Darlegung über ben auch im borigen 
Mineralogie, Geologie und Paläontologie ver: | Zahrgange unferer Pfälz. Heimatkunde (S, 78) 
öffentlicht (Jahrg. 1907, Bb. I.), wo nochmals | behandelten Gegenftand gegeben wird. 








Funde. 

Beim Abreißen alten Gemäuers am Dft- | von Antonins Auguftus Pius pater patriae, 
abbange des Mandeltales zwiſchen Bebeldbeim | eine andere Fauftina, die Gemahlin diefes Katfers 
und Habfirhen fand im Juli Adam Petri von | (2. Jahrhundert n. Ehr.), die dritte war ein 
Bebelsheim nebjt vielen Tonfcherben und Ziegeln | kleiner Denar mit dem Bilde Trajand, Unter 
auch drei Münzen. Der Fund wurde Dr. Hoppe | ben Scherben fand fich ein befonders fchönes 
in Hablirchen übergeben, der fejtftellte, daß e8 | Stüd terra sigillata mit den Anfangsbuchftaben 
fi um größere Brongemünzen aus der Römer— | de8 Töpfers 2. A. V. Die Funde ftammen bon 
zeit handelt. Eine zeigte Bild und LUinterfchrift | einer römiſch-galliſchen Niederlaffung. 


Schloß nnd Garten in Schwetzingen. 

Bon Rudolf Sillib. Heidelberg, Earl Winter. 86 ©. 

Zum erjten Male wird bier eine gründ- | boten. Die biöher vorhandene Literatur, bie - 
lie miffenfhaftlide Monographie ſich meiſt nurin Beſchrelbungen und Zlluftrationen 
über das kurpfälziſche Berfailles ge= | bewegte, ift mit Sorgfalt berüdfichtigt; aus den 








— 110 — 


Archiven Karlsruhes und Münchens ijt neues | Buches, iſt es Sillib in ausgezeichneter Weiſe 
Material gewonnen, da8 uns über die Ent» | gelungen, die Vergangenheit zur Gegenwart zu 
ſtehungsgeſchichte des Schloffes | machen, Indem er uns die ehemaligen Bewohner 
und Gartens, ſowie über die öfonomifchen | von der Mitte des vierzehnten Zahr— 
Berhältniffe ber Bauherren widtige | hunderts ab bis auf die Tage Mar 
Aufſchlüſſe gibt. Sehr anfchaulih tritt uns | Joſefs voun Bayern in ihrem Tun 
entgegen, wie fi bie ebemalige Waffer- | und Treiben in lebensvoller Anſchau— 
burg und Feite der Erligheimer zum pfalze | lichkeit vorführt Auch bier erhebt er 
gräflihen Jagdſchloß und fchliehlich zur kurfürft, | das Einzelne dadurch zu allgemeiner Bedeutung, 
lichen Sommerrefidenz entwickelte. Namentli | daß er ihm einen typiſchen Zeitcharakter zu ver: 
bie Projette Karl Theobors, der Hier von Pigage | leiden weiß. Beſonderes Lob verdient bie 
einen im Stil Louis XV, gedachten, pompöfen | Ausftattung des Wertes, das der Berfajler 
Neubau errichten wollte, erweden großes Inte- feiner Vaterſtadt Mannheim zu ihrem drei— 
reſſe. Die Pläne find im Anhang nad) den in | Kundertjährigen Jubiläum widmet. In ben 
Heidelberg und Mannheim aufbewahrten Ent- | alten Breitfopffchen Typen gedrudt, mit feinem 
twürfen wiedergegeben. Bortrefflih ijt die | illuſtrativen Schmud der Schloß- und Garten- 
Geneſis des Gartens behandelt. Die | anfidhten und der als Kopf: und Schlußvignetten 
detalllierte Erörterung der einzelnen Phaſen er» verwerteten Schwetzinger Motive, trägt e8 ein 
Hält dadurch) einen großen Zug, daß ber Verfafler | jo ftilehtes Gepräge, daß au 
die Ideen der Schöpfer diefer Anlagen jſewells [Kon das finnenfällige Aeufere 
mit dem Charakter und dem fünftlerifhen Zug | zum geiftigen Benuß einlädt. Der 
ihrer Zeit in Zuſammenhang bringt, und, ohne | Anhalt aber wird jelbftden reihlidbe- 
boftrinär au werden, in wenigen Maren Linien | friedigen, der, wie der Berfaffer 
die Gedanken und Ausdrudömittel de8 Barod | dieſer Anzeige, bem®egenftand mit 
und Rococo wiedergibt. Mit Eritaunen fehen | Heimatliden Gefühlen gegenüber- 
wir aud bier, welche Fülle von Geijt und | ftehbt und der Bubtilation mit 
Grazie bdiefen fo lange verfannten Stilarten | bohgefpannten Erwartungen ent- 
Innewoßnt. In den „Bulturgefhiht- | gegenjah. 

Ithen Bildern“ dem britten Teil bes (Frf. Ztg.) Dr. Ernft Trautmann. 





Eine Geſchichte der Htadt Mannheim. 

Zum Mannheimer Stadtjubi- | Metropofe intereffieren, freudig begrüßt wird. 
läum erfheint ein dbreibändigeß, | Die beiden eriten Bände find von Profeſſor 
mit zahlreichen Jllujtrationen ge- | Dr. Friedrich Walter auf Grund mehrjähriger 
ihmüdtes, vornebm ausgeftattetes Acrchtoforſchungen verfaßt; an der Schilderung 
Wert ‚Mannheim in Bergangendheit des modernen Mannheim find unter Leitung 
und Gegenwart”, das im Auftrag der | von Stadtbeirat Dr. Schott, Direktor des 
Stadtverwaltung verfaßt ift und al8 eine Gabe | Statijtifchen Amts, zahlreiche Fachleute beteiligt. 
von bleibendem Wert, die ben ſchnell vorüber: | Mannheim bietet in feiner früheren Gejchichte 
raufchenden Feſtesjubel überdauern wird, zweifel- wie in feinen nenzeitlichen Werfen jo vieles, 
[08 von allen denen, bie fich für die gefchichtliche | was allgemeinere Beachtung beanipruchen darf, 
Entwicklung der ehemaligen Eurpfälzifchen Refi» daß ficherlich auch viele Nicht- Mannheimer von 
denz und jegigen badiſchen Handels: und Induftrie- | diefem Werke Einfiht nehmen werden. 


Enthüllung des Hıhiller-Benkmals zu Oggersheim. | 


Unter Beteiligung einer ungebeuren Feſt— | und Ringen bei der allzufpäten Anerkennung 











berfanmlung von nah und fern wurde auf dem | von Fürft und Bolf der lautlos zubörenden 
Liederplag das Sciller-Dentmal entbünt. An | Menge vor Augen. Nach Uebergabe des Dent- 
zündender Rede feierte Profefior Zimmerer mals an die Stadt beivegte fich der Feitzug zum 
. bon Ludwigshafen Deutichlands Lieblingsdichter | Schillerbaus, wo Schiller nad) feiner Flucht aus 
und führte in bollstümlicher padender Weife | Mannheim in erwünſchter Verborgenheit längere 
Schillers Leiden in Oggeräbeim, fein Kämpfen | Beit lebte und den „Fiesco“ dichtete. 


— 11 — 


Linnefeier. 
Um 23. Mai waren es 200 Yahre, daf der | fellfchaft Hat diefen bedeutungspollen Tag nicht 
große Naturforfcher Linne geboren wurde. Die | unbeadhtet vorübergehen laffen und veranftalteteant 
Abteilung Pfalz der Bayertjch Botanifchen Ge- | 26. Mat auf dem Donnersberg eine Gedenkfeler. 





Die Ruine Sauerburg. 
die, in einem Seitental der Wisper gelegen, mit ! Lord; war das Letzte von allem reichen Befig, 
ihrem zugehörigen Hofgut Sauerburgerhof im | der dem legten, 1760 geborenen Grafen franz 
Mai zur zwangsweiſen Berfteigerung ausge | von Sidingen geblieben war. Dort ſchlug ber 
ſchrieben war, murde im 10. Jahrhundert erbaut | Ablömmling des Ritters bei dem Pächter feinen 
und war 1670 durch Erbichaft an die Sidinger | Sig auf. Wie ein Stein auf feinem ®rabe auf 
gefommen. 1689 wurde fie bon frangöfifchen | dem Kirchhof des Dorfes Sauerthal am Fuß 
Raubfcharen erobert und zeritört. Der Meine | des Berges, der die mächtige Ruine trägt, fagt, 
Bauernhof bei der Sauerburg in der — von — er im Elend“, und zwar im Jahre 1836. 


Wehr als 100 Jahre alt. 

Seinen 102. Geburtstag beging kürzlich der | Bayeın befannte Greis war körperlich und geiitig 
Oekonom Beter Huter in Enshelm, Bezirksamt noch rüftig. Der fturmvollen Zeit, in dic feine 
St. Ingbert. Der dur feine mehrfachen | Jugend fiel, wußte er ſich noch genau zu er- 
Neifen zur Fußwaſchung nah München in n ganz Innern. (Er ift neulich geftorben.) 








Heſſiſche Sandes- und Yolkskunde. 

Das ehemalige Kurhefien und das Hinter: | Karl Hehler. Band I: Heffifhe Landeskunde. 
land am Wusgange des 19. Jahrhunderts. Zweite Hälfte. Mit einer Karte und zahlreichen 
% 8. mit dem Verein für Erdkunde zu Caſſel Abbildungen. Marburg 1907, N. G. Elwertſche 
und zahlreichen Mitarbeitern herausgegeben von | Verlagsbuchhandlung. XI und 869 ©. 


„Bentlchland, eine Einführung in die Heimatkunde‘ 
bat Friedrich Nagel ein Buch genannt, dem er | ftattete Buch, dem auch zivel Starten beigegeben 
die Aufgabe ftellte, den Deutfhen darüber zu | find. Gerade in unſerer Zeit, die über dem 
belebren, was er an feinem Lande babe. Das | Streben, fremde Länder kennen zu lernen, oft 
wollte er erreichen, indem er zeigte, twle der | der Heimat allaufehr vergikt, ift einem folchen 
Boden und das Bolk zufammengebören. Unter | Buche weite Verbreitung zu wünſchen. So ift 
dieſem Geſichtspunkt behandelte er Deutfchlands | e8 zu begrüßen, daß das preiswerte Werf nun 
Lage und Raum; den deutfchen Boden; das | in zweiter, von Dr. R. Buſchick durchgefehener 
Meer und die Küften; Klima. Pflanzen: und | und ergänzter Auflage im Berlage von Fr. Wilh. 
Tierwelt. Bodenkultur; Bolt und Staat. Bier | Grunom (Leipzig) erfihienen iſt (VII und 332 ©.). 
Landfchaftöbilder ſchmücken das hübfch ei 








„Bie hiſtoriſchen Anuenfeine ans si Umgegend Schleswigs“ 
beißt der erfte Aufſatz in der Zeitfchrift Die | mann in Flensburg. 3 Abbildungen ber Steine; 
Heimat, Heft 7, 1907. Berfafler F. Konft- Urtezt und Ueberfegung ihrer Anfchriften. 


Bie Pollichia 
naturwiſſenſchaftlicher Verein ber Pfalz mit dem | Dr. W. Medieus in „Landes- und Volkskunde 
Stk In Bad Dürkheim, veröffentlicht diefe® Jahr | der Bayer. Rheinpfalz 1867” von W. Scufter; 
folgende Bereinsfähriften: 1. Mitteilungen | „Die Schwalben in ber Pfalz” von W. Schufter; 
ber Pollidhia Pr. 22; Zur Gefchichte des | 3. Nachtrag zur Flora von Zmeibrüden x. von 
Vereins; Jahresbericht; Repetitio et Correctio | Dr. &. Trußer; „Verzeichnis der in der Pfalz 
des zoologifchen Teiles: „Die Tierwelt” von vorfommenden Sieinfchmetterlinge”“ von 9, 








— 12 — 


Disqué; „Raturwiffenfchaftliher Beriht aus 
ber Weftpfalz" von W. DO. Hoffmann; Kaſſa⸗ 
beriht 104. — 2. Separatbeilagen: 
1) „Grundlagen einer Stabilitätstheorie für 


und für 
2) „Der 


pajfive Fylugapparate Gleitflleger, 
Dradenflieger” x. von 9. Zwick; 


| Arfengehalt der Marquelle in Bad Dürkheim” 
| x. von €. Ebler. 


‚Ber gegenwärtige Stand der pfälzer Geſchichtsforſchung“ 


Bortrag bei ber Jahreöverfammlung des Lite | 


Streben und eine Mare Weifung für die Rich— 


rarifhen Bereins ber Pfalz am 8. | tung, in welcher zunächſt dringliche Wünſche ſich 


Dez. 1906 in Neuſtadt von Dr. Albert Beder. 
Ein dankenswerter Leberblid über gegenmwärtiges 


an maßgebender Stelle bemerflih machen 


follten. 


Die Hagelſchläge in Bayern 1906. 


Nach der vom Statiftifhen Bureau bear- | mehr als der Durchſchnittsbetrag (8,299,412 ME.) 


beiteten Statiftif der Hagelfchläge in Bayern 
mwurben im Sabre 1906 im ganzen 1144 Ge— 
meinbden, das find 14,3 ° aller bayerifchen Ge» 
meinden überhaupt, von Hagelſchlag betroffen, 
und zwar 180 Gemeinden in Oberbayern, 128 
In Niederbayern, 21 in ber Pfalz, 230 in ber 
Oberpfalz, 163 in Oberfranfen, 126 in Mittel: 
franten, 177 in Unterfranfen und 119 in 
Schwaben. Der Umfang der verbhagelten land- 
wirtfchaftlihen Anbauflähe betrug 153,527 
Heltar oder 4,07 °% ber im Juni 1906 er- 
mittelten Anbaufläde, bie Zahl der Hagelge- 
ſchädigten landwirtfchaftliden Anweſen belief 
fih auf 41,328. Bon ber Hagelfläche entfallen 
32,218 Hektar = 21,0 °%% auf Unterfranken, 
27,715 (180 °%%) auf die Oberpfalz, 23,451 
(15,3 °) auf Oberbayern, 21,460 (14,0 °6) auf 
Dberfranten, 17,512 (11,4 °6) auf Niederbayern, 
14,999 (9,7 %,,) auf Schwaben, 13,303 (8,7 °%) 
auf Mittelfranten und 2869 (1,9 °%) auf bie 
Pfalz. Der durch Hagel verurſachte Gefamt- 
ſchaden berechnet fi) dem Geldwerte nad auf 
8,6383 468 Marl, db. i um 4,055,894 Marf 
weniger als im Borjahre und um 334,056 Mt. 





Dndalt: Feinde des Rehes. 


bes Beitraumes von 1879 bis 1905. Bon ber 
gefamten Schadenfumme treffen 19,6 *% auf 
Unterfranten, 18,6 % auf Oberbayern, 18,0 °o 
auf Schwaben, 17,3 % auf Oberfranten, 11,6 ° 
auf Niederbayern, 10,2 %% auf die Oberpfalz, 
43 %% auf Mittelfranfen und nur 0,4 °o auf 
die Pfalz. Letzterer Regierungsbezirk, welcher 
im Sabre 1905 am meiften durch Hagelichlag 
geihädigt war, blieb im Berichtsjahre aljo 
nahezu verjchont. Faft der gejante Schaden 
(über 99 °%) entfällt im Jahre 1906 auf das 
rechtörheintiche Bayern. Bon ben Mitgliedern 
der Baperifchen Landes - Hagelverfiherungsan- 
ftalt wurden im ganzen 20,770 mit rund 127,000 
Grundjtüden von Hagelſchlag betroffen mit 
einem Geſamthagelſchaden von 3,600,000 ME. ; 
da jebocd die Jahres - Einnahme auf 4,059,828 
Mark fi berechnete, konnte bie Anſtalt nad 
Dedung der Berwaltungsfoften und Einhebe— 
gebühren nicht nur biefen ganzen Jahresſchaden 
voll vergüten, fondern auch noch einen Ueber- 
ſchuß don 324,828 Markt dem nunmehr auf 
beinahe acht Millionen Mark angewachjenen 
Reſervefonds zuführen. 





— Schädliche Pflanzen und Pflanzenſchutz. — Die Flora 


bon —— en Jubiläum des Kirfhbaumes. — „Geſchichtliche Nachrichten über 
or 


da8 ehemalige 
auf beimatliher Grundlage.” — Die 


Servelingen. — Urgeihichts-Forfhung in Bayern. — „Deutiche Geſchichte 
Fliegen- und Müdenplage. — Kududseier. — Wie deutet 


der Pfälzer fremdartige Ausdrüde um? — Barbarofia auf Trifeld. — Notiz für Altertumsfreunde,. — 


Anleitung zu geologifchen — in der Heimat. — „Zur Meſſung der 
unde. — Schloß und Garten in Schwetzingen. — 


Erofion und Denudation.? — 


ortjchritte der 
ine Gejchichte 


der Stadt Mannheim. — Enthüllung des Sciller-Denftmald zu DOggershein. — Linnefeler. — 


Die Ruine Sauerburg. 


„Deutichland, eine Einführung in die Heimatkunde.” — 
— Die Bollidhia. — „Der gegenwärtige 


negend Schleswigs.“ 
Die Hagelichläge in Bayern 1906. 





Schriftleiter : 


— Mebr als 100 Jahre alt. — Heffiihe LYandes- und Boltstunde. — 


„Die hiſtoriſchen Runenfteine aus der Um— 
Stand der pfälger Geſchichtsforſchung.“ — 





Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern. 


Für Form und Inhalt ber Beiträge And bie Herren Berfafler verantwortlich. 


„Tie Pfalziſche Heimatkunde” Toflet jährlich in 12 Heften at. 2.50. Veflellungen werden von allen Buchhandlungen und 
®oftanftalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbandfendung) angenommen. 


U) 


HUMAN EICH 


Oktober 1907. 


FPÄLZISCHE HEIMATKUND J 


MONATSSCHRIFT 





Monolith bei Martinshöhe.”) 


H. Als erfte Sehenswürdigkeit des 
hoch über der Landftuhler Bruchniederung 
gelegenen Dorfes Martinshöhe gilt neben 
der ftattlihen neuen Pfarrfirhe und dem 
ruindjen alten Kirchlein ein großer Mono- 
lith (Hinfelftein). Früher ftand er etwas 
verftet in dem Hofraum von Peter Theiß 
und führte deshalb bei den Dorfinſaſſen 
den Namen „Theiße-Stein’. Als dann 
ein Neubau feine Entfernung notwendig 
machte, wurde ihm in den neunziger Jahren 
auf Beranlafjung des Bezirfsamts Homburg 
in unmittelbarer Nähe ein ſicherer Stand» 
ort an dem der Straße zugefehrten Giebel 
eined Stalles angewiefen. Hier erregt er 
nun wegen feiner anfehnlihen Größe das 
berechtigte Intereſſe der vorlibergehenden 
Fremden und gibt zu den verichiedenften 
Erflärungsverfuhen Beranlaffung. Ge: 
möhnlih werden derartige Monolithe als 
alte Grenzzeichen gedacht, doch find die 
Meinungen darüber noch geteilt (Bgl. 
„Pfälz. Muſeum“ 1904 ©. 103). Im 
vorliegenden al wird dieſe Annahme 
wohl doch zutreffen, da ein anderer, etwa 
4 km in der Quftlinie entfernter, großer 
Stein mit dem Monolith von Martinshöhe 
in Beziehung zu ftehen jcheint. Auf der 
Höhe zwifchen Bildſchacherhof und Mittel: 

*) Bergl. Baudenkmale in der Pfalz, Bd. I, 
©. 159. 


brunn, dort wo der topographifche Atlas 
von Bayern den Flurnamen „Langer Stein” 
verzeichnet, fteht nämlich mitten in einem 
Rartoffeladfer ein mächtiger, über 3 m hoher 
Monolith, der wegen Abbaus der Ackerkrume 
feinen Halt im Boden verloren bat und 
infolgedefjen ftarf überhängt. Er befindet 
fih auf dem gleihen Höhenzuge, wie der 
von Martinshöhe, zeigt ebenfalld Spuren 
nanz roher Bearbeitung und außerdem ver+ 
ſchiedene primitive Skulpturen von müßigen 
Händen. Als Material ift in beiden Fällen 
der liberaus harte Kryftallfandftein zur 
Verwendung gelangt, wie er etwas tiefer 
am Gehänge, z. B. am Fleiſchhackerloch 
anfteht und durch Auswitterung der unter- 
lagernden weicheren Schichten beim Abfturz 
die befannten Trümmerhalden des Steil- 
abfall8 der Sidinger Höhe hervorruft. Da 
der Stein faft ganz umliegt und ein wefent- 
liches Hindernis bei Beftellung der Ländereien 
bildet, ſcheinen mir feine Tage gezählt zu 
fein, wenn nicht eine forgende Hand fich 
bald feiner annimmt. Es wäre eine danf- 
bare Yufgabe für den Freund heimatlicher 
Geſchichte, die Ueberführung diejes ftummen 
Beugen längft vergangener Generationen 
von feinem gefährdeten Standort in der 
Mitte des Feldes an einen der benachbarten 
Wege zu veranlaffen und dadurch jeine 
dauernde Erhaltung zu fihern. (Pf. Pr.) 


— 114 — 


Bas Borkommen der Aauchſchwalbe und der Bausſchwalbe 
in der Pfalz. 


Bon Karl Bertram. 


Ein fauniftifcher Verſuch, Per über die 
Verbreitung einer beftimmten Vogelart in 
einem politifch begrenzten Gebiete abhundelt, 
fol auf möglidft reihem Beobachtungs- 
material fußen, das von vielen Orten vor» 
liegt. Nur dann fann — wozu bie nod 
jo reiche Erfahrung des Einzelnen nicht 
ausreichte — ein einigermaßen vollftändiges 
Bild gewonnen werden. Der Beihaffung 
des Materiald diente in diefem Falle ein 
Fragebogen, der den Böglingen der ver- 
ichiedenen eig Sarg der Pfalz 
zu SRaiferslautern, Speyer, Blieskaſtel, 
Edenkoben, Kirhheimbolanden und Kuſel 
während ber Weihnachtsferien 1906 zum 
Ausfüllen mitgegeben wurde in ihre Heimat. 
Den verehrten Herren Vorſtänden dieſer 
Anſtalten ſpreche ich meinen beſten Dank 
aus für ihr Entgegenkommen und ihre 
wertvolle Unterſtützung. Der ausgegebene 
Fragezettel hatte, ſoweit er ſich auf das 
Vorkommen der beiden Schwalbenarten be— 
zog, folgenden Wortlaut: 


Beobachtungsort: Beobachter; 


1. Vorkommen der Rauchſchwalbe (oben 
offenes Neft in Ställen, Hausfluren ꝛc.). 
Iſt fie jehr Häufig, häufig, ziemlich häufig, 
jelten, jehr fjelten? (Nicht Zutreffendes 
durchſtreichen!) 

Fehlt ſie als Brutvogel ganz? Aus 
welchem Grund? 

2. Vorkommen der Hausſchwalbe Meſt 
außen an den Häuſern mit ſeitlichem 
Einflugsloch). Iſt ſie ſehr häufig, häufig, 
ziemlich häufig, ſelten, ſehr ſelten? (Nicht 
Zutreffendes durchſtreichen!) 

Fehlt ſie als Brutvogel ganz? Aus 
welchem Grund? 

3. Können große Niftfolonien an ein- 
zelnen Häufern namhaft gemacht werden? 
(Die Zahl der Nefter angeben!) 

4. Welche der beiden vorjtehenden Arten 
ift die häufigere? 

5. Weiß man etwas darüber, daß im 
Sommer die Schwalben (Art?) an be- 
ftimmten Orten gemeinfam übernadten 
(Wald, Rohrjeld zc )? 


6. Nimmt die eine oder andere Art gegen 
früher ab? 

7. Welche Urfache für die Abnahme glaubt 
man zu erfennen? 

8. Iſt etwa noch die Meinung verbreitet, 
daß die Rauchſchwalben den Winter im 
Schlamm der Gewäſſer verbringen? 


Mit danfenswertem Eifer bat fidh eine 
große Anzahl von Schülern freiwillig in 
den Dienſt diefer Enquöte geftellt und in 
der Hauptjahe braudybare Angaben zu- 
fammengetragen. Bon 228 pfälziichen 
Orten liefen ca. 300 ausgefüllte Bogen 
ein, die nun einer fritiihen Durchficht 
unterzogen mwurden und neben den auf 
Erfurfionen gejammelten Erfahrungen des 
Bearbeiter und perfönlichen und brieflichen 
Mitteilungen ſachkundiger Leute die Grund: 
lage zu der Unterjuhung bildeten. Die 
unfere Pfalz betreffende ornithologiiche 
Literatur wurde, ſoweit fie mir zugänglid) 
ift und unferen Gegenstand betrifft, nach— 
gejehen und in weitgehendem Maße konnten 
die einfchlägigen Angaben in den „Materialien 
zur bayerischen Ornithologie” 1897 — 1906 
(herausgegeben von der Ornith. Gejellichaft 
in Bayern) herangezogen und berüdfichtigt 
werden, 

1. 


Unjere beiden Schwalbenarten find jeder- 
mann befannt und vertraut. Gie zählen zu 
den Lieblingen des Volkes. Die etwas grö- 
Bere Rauchſchwalbe [Hirundo rustica L.], 
auch „Dorf-, Land», Küchen-, Yeuer-, Schlot-, 
Stall-, Stadhel-, Babel- und Blutſchwalbe“, 
von unjeren Pfälzer Landsleuten wie aud) 
die andere Art meift ſchlechthin „Schwalb“ 
genannt, befit roftbraune Stirn und Kehle 
und eine weiße, an den Seiten ſchwach 
bräunlich überlaufene Unterjeite. Die ge- 
ſamte Oberjeite ift ſchön metalliich ſchwarz. 
Bon eben diefem Stahlglanz ift ein den 
Kehlfleck umrahmender Gürtel, weldjer den 
Vogel bejonders vornehm kleidet. Die 
äußerften Schwanzfedern find ftachelartig 
verlängert. Aeußerſt gewandt, weich und 
anmutig ift ihr Ylug. Das aus Lehm ge- 


- 115 — 


baute Neft, in welches allerlei Hälmchen ge: 
ſchickt hineingefnetet find, ift oben ftets offen 
und im Innern der Häufer, bei uns meift 
in Biehftällen angelegt. In der Regel 
werden in einem Sommer zwei Bruten 
aufgezogen, wozu ein und dasjelbe Neft, 
in vielen Fällen aud zwei Nefter benützt 
werden. Nicht allaujelten fommt es indes 
bei uns vor, daß drei Bruten auftommen. 
Ich entnehme über einen ſolchen Fall fol- 
gende aus Wolfftein ftammende Mitteilung 
den obengenannten „Materialien“. „1904: 
Erfte Brut, 5 Junge, im vorderen Nefte 
(in einer offenen Einfahrt) flog am 22. Mai 
aus; zweite Brut, 4 Junge, am 23. Juli 
im binteren Neft; dritte Brut, 4 Junge, 
am 12. September, ebenfalld im hinteren 
Neft.” Auch in anderen Jahren murden 
dritte Bruten in Wolfftein Eonftatiert, was 
ich bervorhebe, weil in den meiften Büchern 
nur immer zwei Bruten zugegeben find, 

Die kleinere HausſchwalbeſChelidonaria 
urbica L.], auch „Stadt-, Mehl«, Fenfter-, 
Giebel: und Dachſchwalbe, Speierling und 
Dredfteier" genannt, fällt jofort auf durch 
ihren weißen Unterrüden und die blendend 
weiße Unterfeite. Ihr halbkugelförmiges 
Neft Flebt fie außen an die Häufer unter 
den Dachvorſprung und in beiderjeitig offene 
Einfahrten. Es befigt eine Eleine jeitliche 
Deffnung, durch welche die Tierchen ein- 
und ausjchlüpfen können. Un manden 
Häufern Hängen oft mehrere derartige 
Nefter neben: und übereinander. Dritte 
Bruten fommen bei diefer Art wohl meit 
jeltener vor als bei der Rauchſchwalbe. 
Erafte Beobadjtungen darüber ftehen mir 
nicht zur Verfügung; jedoch wird es von 
einem guten Beobachter für höchſt wahr- 
icheinlid gehalten, daß derartige Fälle bei 
uns vorfommen. Man darf gerade bei den 
Hausſchwalben vielfach vorfommende Spät- 
bruten (Ende September, ja Anfang Oftober) 
nicht ſchlankweg als ſolche anfehen, da diefe 
Erjcheinungen faft immer ihren Grund 
haben in Brut-Berzögerungen und »Unter- 
bredungen infolge ungünftiger Witterung 
oder anderer Umftände. Mehr noch als 
die Rauchſchwalben lieben ihre Fleinen 
BVettern die Gejelligfeit, namentlih wenn 
die Beit des Abzuges naht. Ihre Ber- 
fammlungen im Spätjommer find jeder: 
mann befannt. 


Außer diefen beiden kurz bejchriebenen 
Arten, auf die e8 bier anfommt, haben 
wir in der Pfalz noch die Ufer-, Rhein- 
oder Sandſchwalbe, die in Erdlöchern brütet. 
Sie tritt ftellenweife am Rheine, nament- 
lih in der Speyerer Gegend häufig auf 
und kommt auch bei Blieskaftel und, wenn 
ich nicht irre, bei GContwig vor. Bon einem 
Borfommen fonftwo in unferem Kreiſe ift 
mir nichts befannt, Sie ift noch Eleiner 
als Chelidonaria und auf der Oberſeite 
mausgrau. 

Bu den Schwalbenvögeln werden gemöhn- 
lich auch Turmſchwalbe (Mauerfegler) und 
Nachtſchwalbe (Nachtſchatten, Nachtram, 
Ziegenmelker) gezogen. Die Turmſchwalbe 
iſt jetzt in allen größeren Städten gemein 
und auch in den kleineren Städten und 
vielen Landgemeinden mehr oder weniger 
ſtark vertreten. Mit ihrem lebhaften Ge— 
ſchrei und ftürmifchen Wefen bildet fie einen 
auffallenden Gegenfag zu dem ſympathiſch 
anmutenden Leben und Treiben der Eleinen 
Schmalben. Die Nachtſchwalbe fcheint eben- 
fal8 im ganzen Gebiet als Brutvogel vor» 
zutommen, ausgenommen vielleiht nur die 
Gegend um Yudwigshafen, mo e8 des Waldes 
völlig ermangelt. 


u. 


Nah den Grgebnifien der Umfrage 
fönnen beide Schwalbenarten als häufige 
Brutvögel der Pfalz gelten. &8 ift nicht 
ein einzige8 Dorf namhaft gemacht worden, 
in dem eine der beiden Arten völlig fehle. 
Auch bei vielen vereinzelt gelegenen Siede- 
lungen wie Forfthäufern, Gehöften, Mühlen 
ift meift wenigſtens eine der beiden Arten 
vertreten. Allerdings kommt es vor, daß an 
Orten, wo die eine oder andere Art ſehr 
felten auftritt, wie beiſpielsweiſe Hirundo in 
Ejelsfürth, Mölſchbach, Breitenbach, Alten: 
firhen, Bruchhof b. Homburg, Hintermweiden- 
thal, Aſchbacherhof, Fleckenſteiner Hof und 
vielen andern Höfen in einem Jahr einmal 
gar feine Brut aufgezogen wird. Aehnlich 
liegt e8 für Chelidonaria an andern Orten 
wie Böbingen, Trahmeiler und Aßweiler. 
Auf dem hochgelegenen Forſthaus Helden» 
ftein bei &denfoben kommt die Rauchſchwalbe 
nicht vor; in früheren Jahren nifteten dort 
Hausjchwalben, von denen aud heute noch 
Pärchen vorübergehend ſich da aufhalten; 


— 16 — 


in den legten 13 Jahren iſt e8 nur einmal 
vorgekommen, daß ein Paar ernſtlich Miene 
machte ein Neft zu bauen um nad) Stägigem 
Aufenthalt ſchließlich doch davon abzuftehen. 

Die Berbreitung ift feine gleichmäßige. 
In der Rheinebene jcheint die Rauchſchwalbe 
etwas häufiger zu fein: von 62 Orten dort- 
felbft wird in 33 Fällen die Rauchſchwalbe, 
in 25 Fällen die Hausjchwalbe als die 
häufigere bezeichnet; in 4 Fällen liegt gleiche 
Häufigkeit vor. Aehnlich ſcheint es fich in 
wiefenreihen Niederungen des Weſtens zu 
verhalten, fo in der Bmweibrüder Gegend. 
Dagegen überwiegt in dem größeren Zeil 
des librigen Gebietes, bejonderd in den 
Landftädten faft durchweg die Eleinere Haus- 
ſchwalbe. Auffallend tritt die Rauchſchwalbe 
zurück im Bereiche des zu Tage tretenden 
Buntjandfteind: aus allen Bfälzerwald: 
Orten liegt die Mitteilung vor von der 
Seltenheit der Rauchſchwalbe namentlich 
im Berglei mit der Hausſchwalbe, die ſich 
gerade in dieſem Gebiete in großer 
Häufigkeit findet (Hochſpeyer, Eſelsfürth, 
Franfenftein, Weidenthal, Lambrecht, Hert- 
Iıngshaufen, Höningen, Altleinigen, Danjen- 
berg, Aſchbacherhof, Stelzenberg, Mölſchbach, 
ZTrippftadt, Leimen, Merzalben, Glaujen, 
Ramberg, Dernbach, Birkenhördt, Vorder. 
weidenthal, Oberſchlettenbach, Erlenbach, 
Niederſchlettenbach, Bobenthal, Rumbach, 
Schindhart, Dahn, Hinterweidenthal, Wil- 
gartswieſen, Ludwigsthal, Eppenbrunn, Lud⸗ 
wigswinkel, Petersbächel, Schönau, Hirſch- 
thal, Nothweiler, Rinnthal und Annweiler). 
Wo man die Waldzone an irgend 
einer Stelle verläßt, wird das häufigere 
Auftreten der Rauchſchwalbe für den Be— 
obachter deutlich fühlbar. Orten mit Wald- 
lage jcheint mithin die Hausſchwalbe, Orten 
mit Wafjerlage — darauf iſt nochmals 
zurüdzutommen — die Rauchſchwalbe den 
Vorzug zu geben. Wo die Dörfer und 
Städte und Siedelungen dünner gejäet find, 
ift au das Vorkommen der Schwalben 
beichräntt; denn dieſe find nad ihrem der: 
zeitigen Anpafjungszuftand an die Woh- 
nungen der Menſchen gebunden. Bon einem 
Brutvorfommen an Felſen oder entlegenen 
Ruinen ift mir weder von der einen nod) 
von der anderen Urt irgend etwas zu 
Ohren gefommen. Die Wohnftätten der 
Menſchen bieten ihnen den nötigen Schuß; 


bier aud finden fie Nahrung genug. Der 
Anſchluß an den Menfchen ift ein unbedingter. 
Oder ift e8 nicht rührend zu-fehen, wie dıe 
Bögel ein Haus zu meiden - beginnen, ſowie 
deflen Inwohner es verlafien? Wie Sper- 
ling und Lerche dem Getreidebau, jo find 
unfere Schwalben den Biehbeftänden und 
Häujern gefolgt. Wo viel Wiejenland ift, 
gibt es volle Viehftälle, wo Ställe find, 
gedeihen als Schmaroger menjchlidher Kul- 
turen Millionen von Dipteren und anderen 
Inſekten und jchaffen die Lebensbedingungen 
für den Aufenthalt ihrer gefiederten Feinde. 
Durch Wegfangen der unbequemen und 
läftigen Müden und Fliegen nägen die 
Schwalben, dieje jchnellen Segler der Lüfte, 
Menſch und Tier. Freilich kann dabei nicht 
von einem großen mwirtidaftlidhen 
Nutzen die Rede jein (Altum, Forftzoologie 
Il: Band). 

Folgende Ueberfiht gibt dem Ber- 
breitungsbild der Schwalben den zahlen: 
mäßigen Ausdrud: 


Die Rauchſchwalbe fommt vor 


ſehr häufig in 21. Orten 
häufig in 102 Orten 
ziemlich häufig in 76 Orten 
jelten in 29 Orten 
fehr jelten in 8 Orten 


Die Hausſchwalbe fommt vor 


ſehr häufig in 63 Orten 
häufig in 96 Orten 
ziemlich häufig in 47 Orten 
jelten in 24 Orten 
jehr ſelten in 6 Orten 


Die Rauchſchwalbe überwiegt in 84 Orten 
Die Hausſchwalbe überwiegt in 137 Orten 
BleiheHäufigfeitgemeldetvon 15 Orten 


Diejes aus Mitteilung von 236 Orten 
der Pfalz gewonnene Bild dürfte hinreichen 
die Befiedelungsdichtigfeit von Hirundo und 
Chelidonaria im ganzen Gebiet zu veran- 
ihaulichen, indem durch Heranziehung aller 
Brutorte das Berhältnis der Bahlenwerte 
faum weſentliche Aenderungen erführe. 
Darnadh überwiegt im ganzen genommen 
die Hausfhmwalbe, zu deren Guniten 
ih das numeriihe Verhältnis beider 
Arten in den legten Jahrzehnten verjchoben 
haben mag. Biele Dörfer und Landftädte 


— 17 — 


haben weit über 100 bewohnte Nefter diefer 
Art aufzumweifen. Größere Niftkolonien ge 
hören durchaus nicht zu Seltenheiten. Bon 
einem Orte (Höheindd) wird mitgeteilt, 
dat fämtliche Nefter des Ortes (ca. 30 
bis 35 Stüd) ſich unter ein und demjelben 
Dache befinden. In folgendem fei eine 
Ueberficht über größere mir befannte oder 
nambaft gemachte Kolorien gegeben. 














15—20 20—25 
Neiter Reiter 


29 a | 2 


Kefer | Ran 
ss 1:21 17] 


Die Neftfolonien befinden fih ſowohl 
an Wohnhäuſern als aud an den Defonomie- 
gebäuden, in einzelnen Fällen an Kirchen, 
in einem Falle an einem alten Turm (Alt 
pörtel in Speyer mit 17 bewohnten Neftern). 





|% efter 








In BE 70 
in 





III. 


Ueber die Zugverhältniſſe der Rauch ; 
und Hausſchwalbe will ich in dieſem Zu— 
ſammenhang nur einiges Allgemeine be— 
merken. Der Frühjahrszug der Rauch— 
ſchwalbe erſtreckt ſich für unſer Gebiet von 
Ende März bis Ende April; feine Kul— 
mination fällt in das zweite Drittel des 
April, gewöhnlich in die dritte Aprilpentade. 
Der Frühjahrszug der Hausſchwalbe be» 
ginnt anfangs April und währt bis Mitte 
Mai; er kulminiert in der Regel im legten 
Drittel des April, Nicht jelten werden 
ihon zeitig im März einzelne Vorläufer 
der Zugsbewegung beobachtet, die ſich aber 
in vielen Fällen wieder verziehen, jo daß 
man nicht ficher ift, ob man in ihnen ein- 
heimifche Brutvögel zu erbliden hat. Der 
Herbſtzug beider Arten gewinnt bejon- 
deres Intereſſe durch die Vorbereitungen, 
welche zum Aufbruch getroffen werden, 
große Berfammlungen, Flugübungen und 
erregtes, lautes Treiben. Der Abzug ge 
fchieht in der Regel im September (zweites 
Drittel). Eines Tages find die Schwalben 
fort und die Stille, die nad ihrem Abzug 
in Dorf und Städtchen eintritt, löft ein 
wehmütiges Herbftgefühl bei und aus, 
Wieder ift ein Stüf Sommer dahm— 


gegangen. An folden Tieren, die infolge 
fpäter Bruten oder aus anderen Gründen 
noc) einige Zeit bleiben, fehlt es in feinem 
Yahre. Sie bleiben oft noch bis gegen 
Mitte Dftober, ausnahmsweiſe, wie im 
Spätjahr 1905, bis in den November. 

Diefen Vorgängen, die es fich jährlich 
wiederholen jah, hat auch bei uns das Volt 
feit alter8 feine Aufmerkſamkeit gejchentt. 
Die erfte Schwalbe, die nach dem von 
bemerfenswert genauer Naturbeobadhtung 
zeugenden Sprichwort nod feinen Sommer 
macht, wird mit Freuden begrüßt; für die 
Weggezogenen bat man ein wehmütiges 
Gedenken übrig. Iſt e8 doch ein merf- 
wirdiges Ding um jenen unfihtbaren Faden, 
welcher das Schmwälblein, das unter dem 
Dache oder im Stalle irgend eines pfäl- 
ziihen Bauernhaufes das Licht erblidte 
und jegt taufend Meilen weit irgendwo in 
einem verlorenen Erdenwinfel mweilt, mit 
feiner Heimat verknüpft und an dem es 
fih im Frühjahre mieder dahin zuräd. 
zufinden vermag. 

Bon den alten Märchen, daß die 
Schwalben, insbejondere die Rauchſchwalben 
im Schlamme der Gewäſſer eine Art von 
Binterfchlaf hielten und gleih den Am- 
phibien und Meptilien durch die Fräftiger 
wirfende Frühjahrsſonne hervorgelockt 
würden oder daß ſie (und hier iſt wohl 
an die Hausſchwalbe gedacht) in hohlen 
Bäumen dicht gedrängt die kalte Jahreszeit 
überdauerten, finden ſich bei uns nur noch 
wenige Spuren. Glauben wird in unſerer 
Zeit kaum jemand ernſtlich daran, wenn 
auch noch in manchen Köpfen Reſte dieſer 
Anſchauungen ſpuken aus einer Zeit, wo 
überlieferter Aberglaube mühelos das Feld 
behaupten konnte gegen die eindringliche 
Sprache der Tatſachen. Auch derartige 
irrige, volkstümliche Anſchauungen beruhen 
auf wahrer und getreuer, oft unbewußter 
Naturbeobadhtung und find nur verurjacht 
durch falfche Deutung und unzulängliches 
Denken; zu unterjuchen, wie dies fich im 
fpeziellen Falle verhält, märe jehr interej- 
fant, würde aber etwas weit abführen. 


IV. 


Ein bejonderes Gewicht legte ich der 
Frage bei, ob der Beftand der Schwalben 
gegen früher der gleiche geblieben ſei oder 


— 18 — 


fih verändert habe. Ach war nicht Über: 
raſcht von faft fberallher die Klage über 
den ftändigen Rüdgang der Bahl zu 
hören. Faft allenthalben, auch bei uns glaubt 
man dad Seltenerwerden der Schwalben 
fonftatieren zu müſſen. Ob mit Recht, 
jcheint einer eingehenden Unterfuchung wert. 
Zunächſt fafle ich die Antworten zufammen, 
die der Fragebogen lieferte. 


Darnad nimmt 


die Rauchſchwalbe ab in 59 Fällen, 
die Hausſchwalbe ab in 115 Fällen. 


Ein im ganzen fi gleich bleibender 


Beitand ift von 53 Orten gemeldet. 
Eine Zunahme wird Eonftatiert 


für die Rauchſchwalbe in 9 Fällen, 
für die Hausfhmwalbe 


Wollte man diefe Angaben fritiflos hin» 
nchmen, fo müßte man allerdings an eine 
beträdhtlihe Abnahme des Beltandes 
glauben. Die Abnahme gewifjer Arten in einer 
beftimmten Gegend und zu beftimmten Zeiten 
ift vielfach zu augenjcheinlih, als daß fie 
geleugnet werden könnte. Iſt diefe Abnahme 
eine dauernde, fo iſt das Ende, daß eine 
Art völlig verichwindet, wie wir es mit 
dem Uhu in der Pfalz erlebt haben und 
mit dem Solfraben eben erleben. Nicht 
immer aber ift ein noch fo eflatanter Rüd- 
gang ein dauernder; jo haben fit Schwarz- 
ſpecht, Wachtel und Heidelerhe nach einer 
Zeit längeren Rückgangs in den legten 
Jahren wieder erholt. Heute haben mir 
in unferen Wäldern ficher die doppelte Zahl 
von Schwarzipechten als vor 15 Yahren, 
dagegen in großen Teilen des Gebietes 
faum mehr die Hälfte an Singdroffeln. 
Wer bürgt aber dafür, daß wir die Sing- 
droffel in einem Menjchenalter wieder viel 
häufiger vorfinden, vielleicht gar in den 
Städten wie ihre Bafe, die Schwarzamjel! 
Auch ift nicht ausgefchloffen, daß fich die 
Kolkraben jchließlih als „Naturdenfmäler” 
an bejonders günftiger Stelle doch behaupten, 
Hier handelt es ſich um zumächft noch dunfele 
Bewegungen in dem Artbeftand, die mit 
der Anpaffung an dur die Kultur ge 
änderte Berhältniffe zufammenhängen. In 
Wirklichkeit ift e8 mit der Abnahme der 
Bögel, befonders der Singvögel, gar nicht 


in 10 Fällen, 


' fo ſchlimm und man hält nur größere und 


Fleinere Schwankungen, wie fie bei allen 
Arten vorfommen, für Symptome des Rüd- 
gangs. Welcher aufmerkffame Beobachter 
hätte nicht fchon gefunden, daß das Auf- 
treten einer Vogelart in zwei aufeinander 
folgenden Yahren die größten Unterichiede 
aufweit? Man kann in einem Jahre 
beiipielöweife den Baumpieper, die Wiefen- 
ſchmätzer, einen Qaubjänger, den Diftelfinfen 
jehr häufig antreffen, wo fie im Borjahre 
nur vereinzelt vorgefommen find. Die 
Schwanfungen find auch vielfadh örtlicher 
Natur. Hier kann z. B. der Kiebitz ab- 
nehmen, ein paar MWegjtunden entfernt er- 
freut er fich einer ftetigen Zunahme. Ganz 
abgejehen von Arten, melde wie Star und 
Turmſchwalbe durchweg Start an Zahl zu- 
nehmen, Nun reinen unfere beften Kenner 
die Schwalben auch zu jenen Arten, deren 
Beltand großen Schwankungen unterworfen 
ft. Dies gilt auch für die Pfalz; aller- 
dings dürfte auch ein ſchwacher Rückgang 
der Rauchſchwalben gegen früher ftatt- 
gefunden Haben; von der Hausſchwalbe 
mödte ich es faft beftreiten. SYedenfalls 
liegt bei weitem für beide Arten nicht die 
ftarfe Abnahme vor, von der man häufig 
reden hört. Ich habe Hier den ganzen 
Schmalbenbeftand unferes Gebietes im Auge 
und bezweifle nicht den. vorübergehenden 
oder dauernden Rüdgang in einem einzelnen 
Halle. Yedenfalls ift in den größeren Städten 
eine Abnahme zu verzeichnen. Immerhin 
haben wir hier in Kaiſerslautern einige 
Dugend in der Stadt zerftreute Nefter der 
Hausſchwalbe und aud die Rauchſchwalbe 
in den größeren Biehftällen. 

Auch iiber die Gründe des Rüdgangs 
follte der Fragebogen Aufihluß erteilen; 
ed wurden mehrere Gründe genannt, von 
denen namentlich zwei häufig wiederfehren: 
die Bogelmorde in den Mittelmeerländern, 
fpeziel talien und in Bezug auf die 
Hausſchwalbe das Herabftoßen der Nefter 
wegen der dadurch verurfachten Unreinlid- 
keit. Im folgenden feien die wirklichen 
und wahrſcheinlichen Gründe für die Ab- 
nahme, bezw. die großen Schwanfungen im 
Beitand zufammengeftelt und fei zulegt 
verjucht die Urſachen der übertriebenen An- 
fihten über die Abnahme aufzudeden. 

Wie alle Vögel, welche dem nordifchen 


— 19 — 


* 


Winter ausweichen und die mannigfachen 
Gefahren einer zmweimalıgen großen Reiſe 
im Jahre auf fich nehmen, jo werden aud 
unfere Schmwalben ein großes Kontingent 
zu der. ungeheueren Bahl jener armen Ge- 
ſchöpſe ftellen, die ihr Leben in den Netzen 
der Südländer, auf fturmbemegtem Meere, 
durd; Anprall an den Drähten und an den 
Scheiben der Leuchttürme beenden, infolge 
Ermattung fterben oder in dieſem BZuftand 
eine leichte Beute ihrer vielen Feinde werden. 
Gerade auch den faum erwachſenen Jungen 
verjpäteter Bruten mag es auf den großen 
Banderungen jchlecht ergehen, indem fie den 
Schwierigkeiten derjelben nicht mit der nötıgen 
BWiderftandsfraft und Ausdauer zu begegnen 
imftande find, 

Ein nafjes und kaltes Frühjahr, ein 
vorzeitig rinbrechender Winter fordern ihre 
Opfer namentlich unter jenen, welche ſchon 
zeitig in die Heimat zurldfehrten, bezm. 
länger bier vermweilten. „In ftrengen Nach 
wintern”, sagt der gründliche Andreas 
Johannes Jäckel, „oder bei lange an- 


haltendem nakfalten Wetter ergeht e8 ihnen | 


oftmals ſehr ſchlimm. Sie ſuchen dann die 
Scuafherden, fliegen viel fiber dem Wajjer- 
jpiegel der Weiher und Hochwaſſer, befon- 
ders bei ſtarkem Wind und Wellenjchlag, 
der manches Geniehbare, Käfer, Spinnen, 
Baflerinfeften ufw. an die Oberfläche bringt, 
ſuchen zeitweilig Schug an den Dämmen 
der Weiher und in anderen windſtillen 
Lagen, fjegen fih auf Steine im Wafler 
und auf den aus den Ställen geichafften 
frifchen Dünger und flüchten fich, wenn der 
Landmann die Fenſter fchon zu Öffnen wagt 
in die mit Überminterten liegen noch wohl 
verjehenen Viehſtälle.“ (Syſt Ueberſicht 
der Bögel Bayerns.) Ein ſolches Frühjahr 
mit Kälte und Näffe war 1903, wo die 
zahlreich zurüdgefehrten Rauchſchwalben um 
die Mitte des April fchlimme Tage hatten, 
fih beim Wafler jammelten und bier mıt 
den. wenigen. früh fliegenden Inſekten ıhr 
Dafein frifteten. Am 16. April 1903 be: 
obachteten gegen Abend die Seminariften 
Hook und Weitel über dem Neuhöfer Alt 
rhein „wohl drei Tauſend“ Rauchſchwalben, 
welche ganz niedrig Über dem Wafler jagten. 
Der ausgezeichnete Bogelforjcher und Elaj- 
fiiche Beobachter Karl Theodor Liebe fieht 
in. den ſchlimmen Frühjahren die ärgite 


Geißel für die Schwalben. Er fchreibt: 
„Der Beſtand der Rauchſchwalben unter: 
liegt fehr ftarfen Schwankungen, je nadı- 
dem jchlimme Frühjahre mit Nachmintern 
oder anhaltenden Spätfröften eintreten oder 
nit. Namentlich in den ſechziger Jahren 
rafften jonnige aber trodene und anhaltend 
kalte Apriltage eine Menge Schmwalben hin- 
weg. Damals holten fie die ausgeſogenen 
Fliegenleiber aus den vorjährigen Spinn: 
weben und lafen jogar flatternd die Blatt- 
läufe von Bimmerpflanzen ab, melde in 
die Mittagsionne vor das FFenfter geftellt 
worden waren. Die armen Tiere verfrocdhen 
fi) bei Gera und nordöftli im meiteren 
Umkreiſe 1859 und 1865 ſowie auch fpäter 
noch einmal infolge von Nahrungsmangel 
fterbend in das am Boden liegende Scilf 
der Teihe und Flußufer, in Maus- und 
Maulmurfslöcher und unter das dürre Laub 
an den Waldrändern, wo fich ihre Leichen 
jpäter vorfanden.” (Die Brutvögel Dit: 
thüringens und ihr Beſtand.) Ueber den 
Beitand der Hausichwalben teilt Yiebe an 
derfelben Stelle mit: „Die Schwanfungen 
in der Zahl der jährlich niftenden Mehl: 
ſchwalben find noc größer als bei den 
Rauchſchwalben; denn jene Zahl reduziert 
fidh von einem Jahr auf das andere bis» 
weiten auf ein Viertel und weniger, wächſt 
aber dann unter günftigen Umftänden aud) 
wieder fehr jchnell. Ich bin daher in diejem 
Falle nicht imftande zu enticheiden, ob im 
ganzen jeit 50 Jahren eine Zu- oder Ab— 
nahme ftattgefunden hat. Viele behaupten 
zwar, es gebe jet weniger Mehlichwalben 
als fonft; wenn man aber genauer nad) 
forfcht, jo zeigt fich, daß die Häujerzahl 
zwar gewachſen, die der geichlofjenen 
Schwalbennefter aber diefelbe geblieben 
iſt.“ Auch frühzeitig einbrechender Winter 
kann den fich beim Herbſtzug verfpätenden 
Schwalben verderblic werden. Wenn man 
die Älteren Jahrgänge der Fachzeitſchriften 
durchlieht, fann man manches darüber finden. 
Uns ift das Beifpiel aus dem Jahre 1905 
in lebhafter Erinnerung, wo Ende DOftober 
und Unfang November noch beide Arten 
nicht felten zu fehen waren und fie bei dem 
falten Wetter, das fie auch am Wegzug hin: 
derte, fiherlich nach Hunderten umfamen. Ob 
es fich bei diefen Nachzliglern um einheimifche 
Brutvögel handelte, erfcheint mir fraglich. 


— 19% — 


Bur Brutzeit ifteine naßfalte Witterung 
oft noch verderblicher. In dem naſſen Bor- 
jommer des Jahres 1894, mo e8 4 Wochen 
lang faft ununterbroden regnete, find in 
BWolfftein eine ganze Menge von Bruten 
in den Neftern verhungert. Auch ift bei 
ftändigem Regen die Gefahr groß, daß die 
Neftwände aufweichen und die Jungen das 
Neſt fprengen, berabfallen und umfommen. 
Bejonders jhlimm, wenigftens in Thüringen 
mar auch das Jahr 1881, von dem Liebe 
über die Hausſchwalben ausführt, nachdem 
er fur; vorher erzählt hat, wie jchlimm die 
Rauchſchwalben mitgenommen waren: „Noch 
weit trauriger geftaitete fi das Los der 
Mehlſchwalben. Schon am 9. und 10, Juni 
gaben fie das Brüten auf und ſah man 
ihrem Fluge Mattigkeit an. Am 11. jtarben 
ſchon viele und fielen von den Fenfterfimfen, 
wo fie momentan auszuruben pflegten, her⸗ 
unter auf den Boden um nicht wieder da- 
von zu fliegen. An diefem Tage jchon ver- 
ließen fie da8 engere Heim der Nififtätten 
und zogen fih an jenen Dertlichkeiten zu- 
fammen, an welchen fie fi im Spätfommer, 
teilweiſe zuſammen mit den Rauchſchwalben 
zu ſcharen pflegen um die Abreiſe vorzu— 
bereiten. Am 12. trat das Hauptſterben 
ein: an jenen Sammelplägen fielen die 
armen Tiere von den Dächern und Fenfter- 
fimfen herab in die Höfe und auf bie 
Straße um nicht wieder aufzuftehen;; indem 
fie über den Wafleripiegel hinflogen um 
noch ein Inſekt zu erbeuten, übermannte 
fie die Mattigkeit und fie fielen in das 
Waſſer und ertranfen. Der Anblid war 
berzbrehend. Ein Knabe hatte gerade 
100 Stüd tote Mehlihwalben in wenigen 
Minuten aufgelefen und mir jelbft wurden 
Mengen der Eleinen Leichen angeboten. Die 
Tiere waren außerordentlid; abgemagert, 
hatten eine entzündete Kropfhaut, zeigten 
aber feine Symptome, welche auf eine 
Epidemie hätten fchließen laffen. Die fo 
dem Hunger erlegenen waren vorzugsweiſe 
junge, refp. jüngere Tiere. Alte Tiere mit 
volllommen erwachſenen Epiphyſen und er- 
bärteten Bändern und Sehnen waren jehr 
jelten darunter und mögen die wenigen 
Ueberlebenden in recht alten Yndividuen 
bejtehen. Bon den Mehlichwalben ift nicht 
nur die ganze erfte Brut zu Grunde ge: 
gangen, fondern auch noch mindeftens 85 


Prozent von dem diesjährigen guten Früh 
jahrsbeſtande.“ 

Auch Wetterkataſtrophen können die 
Beſtände dezimieren, ſo wurde bei dem 
ſtärkſten Hagelichlag, den unſere blühende 
Provinz feit Menſchengedenken erlebt hat, 
am 10. Auguft 1905 in der Gegend von 
Landau, Edenkoben und Neuftadt taufende 
von Schwalben von den bis zu fauftdiden 
Eishroden zu Boden geichlagen und getötet. 
Die Lokalprefje hat über eine Reihe von 
Fällen berichtet. 

Allerhand Feinde bedrohen das Leben 
auch diefer leicht beſchwingten Geſchöpfe. 
Da find zunächſt jene Menſchen, meldhe 
aus Vorurteil, Mißgunit oder Ueberdruß 
den Schwalben die Neftanlage unter ihrem 
Dache nit erlauben; da find böfe Buben, 
die ſich mancherorts nicht fcheuen auch diefen 
Vögeln die Eier oder Jungen zu nehmen 
und zu verderben, wenn aud nicht an« 
nähernd ın dem Umfang, wie fie durd) 
diefe Roheit anderen Arten ſchaden. 

Hin und wieder gelingt es einer Rage 
eine Schwalbe zu erwiſchen oder zu einer 
faft flüggen Brut zu gelangen. 

Sperlinge ergreifen Befig von gerade 
fertigen Neftern; dann haben fich bie 
fleißigen Baumeijter umfonft gemüht und 
fönnen häufig nur eine Brut aufziehen. 

Bon den gefiederten Feinden kommt 
nur der Baum- oder Lerchenfalte in Frage, 
diejer kühne Beherrſcher der Lüfte, dem es 
zumeilen gelingt eine Schwalbe zu erhaſchen. 
Beſonders die Jungen find nicht ficher vor 
ihm. In Wolfftein konnte ih im Juli 
und Auguft oft dieſen eleganten Flieger 
unter den Schwalben erſcheinen ſehen. So- 
bald er allein jagt, wagen fie ihm in 
reſpektvoller Entfernung zu folgen; erjcheint 
er aber mit feinem Weibchen, eines oben 
das andere unten, jo flüchten die Schwalben 
bligichnell zu den jchügenden Häufern, mo- 
bin ihnen das Fälkchen nicht folgt. Oft 
genug müſſen die Falten ohne Erfolg wieder 
abftreichen. 

Ob die Turmſchwalben durd; ihr lautes 
und ungeftümes Benehmen und ihre befiere 
Ausrüftung im Kampf ums Dafeın dazu 
beitragen den Eleinen Schwalben den Auf- 
enthalt in den Städten zu verleiden, wie 
man ſchon gemeint bat, Elingt nicht un- 
wahrfcheinlich, ift aber ſchwer zu erweiſen. 


a an 


— 21 — 


Die bisher namhaft gemachten Gründe, 
von melden der letzte (Feinde) kaum jehr 
in das Gewicht fällt, beziehen fi mehr 
oder weniger auf beide Arten. Nun gibt 
es noch eine Anzahl Gründe, wirkliche und 
mögliche, durch welche nur immer eine 
Art betroffen ift. 

Der Rauchſchwalbe dürfte es heut- 
zutage vielfach an entiprechender Niftgelegen- 
beit fehlen, was zujammenhängt mit den 
Neuerungen im Bau der Ställe. Anſtelle 
der Balkendurchzüge mit ihren Borfprüngen, 
hölzernen GStüßpfeilern und dem Deden- 
fachwerk hat man jegt immer häufiger glatt 
gewölbte Ställe mit eifernen Tragbalken. 
Damit find in vielen Fällen die guten 
Niftgelegenbeiten gefchwunden und die Tiere 
müflen ſich mit weit weniger guten Stellen 
zum Neftbau begnügen, wenn fie überhaupt 
ein Neft anbringen können. 

Ein anderer Grund, auf melden von 
zwei weit auseinander gelegenen Orten 
(Bobenthal und Finkenbach) hingewieſen ift, 
cheint durchaus einleudhtend. Herr Forft- 
amtsafſeſſor Niederreuther berichtet aus 
Bobenthal (Materialien zur bayer. Ornith. 
IV), daß das feltenere Auftreten der Raud- 
fhwalbe in jener Gegend darauf berube, 
daß die Bauern wegen der auch im Hod- 
fommer jehr fühlen Nächte die Viehſtälle 
beinahe „hermetifch” verichließen. Mehr- 
fach ift zu beobachten, daß begonnene und 
balbfertige Nefter infolge der angeführten 
Umftände nicht fertig geftellt werden. Aehn⸗ 
liches berichtet Geminarift Börker aus 
Finkenbach, daß die Bauern im Frühiahre 
die Ställe wegen der falten Nächte lange 
verſchloſſen hielten umd damit den Tieren 
das Einfliegen wehrten. In den Städten 
verſchwinden mehr und mehr die Stallungen 
der Fleinen Leute, Durch ähnliche Neue- 
rungen baulicher Natur ift die Rauchſchwalbe 
in einer Zeit, die jet ſchon etwas zurüd- 
liegt, aus Kühe und Kamin vertrieben 
worden und fie trägt jebt ihre Namen 
„Raud, Küchen, Kamin, Schlotſchwalbe“ 
eigentlich mit Unrecht. Früher, ala es in 
den Dörfern nur die weiten, unten offenen 
Kamine gab, die jegt mehr und mehr ab- 
fommen, bat die Rauchſchwalbe bier mit 
Borliebe ihre Nefter angelegt. Jetzt kommt 
das nur noch felten vor (von zwei Fällen 
aus dem Bliesgau wurde berichtet). 


Auch daß mancher Waflertümpel, manche 
Bruchftelle und manches verfumpfte Wald. 
tal durch die moderne Landkultur befeitigt, 
bezw. entwäfjert find, mag diefer Urt, die 
jene Orte mit Borliebe aufjudt, die Eri- 
ftenzbedingungen geſchmälert haben, 

Ein Beobachter hat als Grund für die 
Abnahme der Rauchſchwalbe die Zunahme 
der Hausſchwalbe bezeichnet, was ich bier 
anführe ohne Stellung dazu zu nehmen, 

Der Hausſchwalbe wird es von 
vielen Hausbefigern verübelt, daß fie die 
Bände verunreinigt. Ihre Nefter werden 
abgeftoßen oder es mird der WWeiterbau 
eines angefangenen Neftes verhindert, In 
vielen Fällen geichieht dieſes Abftoßen der 
Nefter auch ohne böfen Willen aus Unvor- 
fihtigleit oder gedanfenlos durch die Tüncher. 
Wenn die Häufer alljährlih einmal gekalkt 
werden, mie dies namentlich in vielen Orten 
der Vorderpfalz üblich ift, fommt dieſes 
„Reinmadhen“ der Wände für den Beftand 
der Hausfchwalbe ſchon in Frage, zudem 
dasfelbe meifiens vor der Kerwe“, aljo 
noch in der Brutzeit ftattfindet. 

Aengftlihe Gemüter haben auch Furcht 
vor Läufen und Wanzen, die durch die 
Schwalben in die Häufer gejchleppt werden 
fünnten und dulden daher nicht, daß Nefter 
unter ihrem Dache angelegt werden. Daß 
die auf den Schwalben ſchmarotzenden Laus ˖ 
fliegen uſw. nichts gemein haben mit dem 
Ungeziefer, welches der Menſch Grund hat 
zu fürchten, ift längſt erwiejen. 

Auch der Hausfchwalbe ſchadet eine jegt 
auch auf den Dörfern Pla greifende Neue- 
rung, nämlich der Delfarbenanftridh der 
Häufer. Sole Häufer bieten dem Neſt 
feinen Halt und werden gemieden. 

In vielen Walddörfern fehlt an den 
Häufern und Hütten die Bretterverjchalung 
unter den Dächern oder diefe ift zu fteil, 
ala dak das Neft vorteilhaft angebradt 
werden könnte. Daß aud) ganz neue Häujer, 
die noch unbemohnt find, von der Haus- 
ſchwalbe angenommen werden, konnte ich diejen 
Sommer in Trippftadt wahrnehmen, mo 
an einem Neubau mit weit voripringendem 
Dad mehrere frische Nefter lebten. 

Einen eigenartigen und interefjanten 
Grund für die Seltenheit diefer Art in 
Städten führt Herr Oberftabsarzt Dr. 
Gengler in feiner hübſchen Arbeit über 


- 12 — 


die Vögel des Regnitztales und jeiner Neben: 
täler an. Er fagt dort jpeziell für Erlangen: 
„Nach meinen Beobachtungen hängt die An- 
fiedelung der Mehlichwalbe mit dem Bor- 


bandenjein guten Neftbaumaterials in nächſter 


Nähe der Niftftellen zufammen. Da die 
moderne gepflafterte, ajphaltıerte, fanalifierte 
Stadt, 


dahin zurüdziehen, wo es diefen Stoff noch 
in entiprechender Qualität gibt. Denn der 


von mweither geholte Neſtbaukot wird ſpröde 


und läßt fih nicht mehr an das ſchon 


fertige Neſtſtück anfleben,. er fällt: wieder, 


herab, und wenn er auch fleben bleibt, fo 
befommt das Neſt doch nicht - die nötige 
Feftigkeit und fällt bald auseinander, Der 


Speichel allein — von dem ich. Übrigens: 


trog mifroffopifher Unterfuhung an den 
zum Bau gebrauchten Rotſtückchen nichts 
finden Eonnte, weshalb ich diefe Theorie 
etwas ‚bezweifle — fann dem durd das 
weite Herbeitragen jpröde gewordenen Bau: 
fot die verlorene Feuchtigkeit nicht mehr 
beibringen.” 

Die falſche Meinung von 
rapiden Nüdgang der Zahl 
Schmwalben erflärt fi in erjter Linie fo, 
daß man oberfläcdhlicher Weije einen Ber: 
gleich zieht zmifchen dem Frühjahrsbeftand 
und dem vorjährigen. Herbftbeftand. Wo 


einem 


find die vielen Schwalben geblieben, welche: 
im Auguft und September nad Hunderten, 


zählten, fragen fi die Leute. Diefer 
Standpunft die Herbitzahlen mit den Früh— 
jahrszahlen zu vergleichen liegt bei unferen 
Vögeln, deren Abſchätzung bei ihrem vor 


aller Augen fih offen abjpielenden Leben. 


und Treiben feine Scmwierigfeiten bietet, 
ja nahe, führt aber zu irrigen Anfichten, 
die fi) noch fefter einwurzeln, wo man 
zu rechnen anfängt, daß, jedem Pärchen 


2 Bruten zu je 4 Jungen zugedacdht, die | 


Bahl der Schwalben mwährend einer Brut- 
periode ſich vervier- 
müßte; davon jolle 
irgendwie umfommen, jo läge doch noch 
eine Verdoppelung des alten Beitandes bor 
uſw. Weit gefehlt! An der Hand. fold 
einfacher Rechenerempel läßt fi die Natur 


deren Straßen mit Kehrmaſchinen 
gebürftet werden, ſolches Material nicht 
mehr liefern kann, jo muß der Vogel ſich 


unferer: 


und verfünffachen. 
einmal die. Hälfte 


nicht auf die Spur fommen. Bei derartigen 
Klügeleien pflegt man namentlich auch das 
Ulter der Vögel zu Überfchägen, indem 
man an eine durdjichnittliche Lebensdauer 
von 6 bis 8, ja 10 Jahren und darliber 
dent. Man wird wohl das Leben dieſer 
rafchlebigen, heißblütigen Schmwalben im. 
Durchſchnitt faum- über 3 Jahre. annehmen 
dürfen, Hinweiſe auf Käfigvögel, die. leicht 
das 3 - Öfache: Alter erreichen, vermögen 
diefe Erkenntnis in feiner me zu beein» 
trächtigen. - : 

Gine Tauſchung fei.. noch ‚erwähnt, 
Wird irgendwo. in einem Dorf ein Gebäude 
niedergerifjen, an welchem ſeit vielen Jahren 
Dugende von Neftern geklebt Hatten und 
fommt darnad) Jahre lang feine annähernd 
fo große Kolonie zuftande, jo tft man leicht 
geneigt zu jagen: früher waren mehr 
Schmwalben da. Es ift aber gar - nicht 
wahr; die Schwalben. niften zerftreut oder 
es bildet fi irgendwo langjam eine neue 
Kolonie. In Wolfftein gab es früher. drei 
größere Rolonien von ca. 15, 18 und 30 
Meftern. Die find infolge Umbaus ver: 
fhwunden. Heute zählt die größte Kolonie 
faum 10 Mefter und doch haben die 
Schmwalben ſeit 30 Jahren nicht ab- 
genommen. In manden Yahren, wie 
1901, 1903, 1904, 1905 fann man- im 
Auguft über 500 Stüc auf einem Draht 
oder Dad zählen, die alle im — 
ausgebrütet wurden. 


V. 


Wie iſt der lokalen Abnahme vorzu— 
beugen, bezw. zu begegnen? Man gönne 
den zutraulihen Tierchen den Pla - zur 
Niftgelegenheit in Stall, Einfahrt, 
Hausflur oder unter dem Dach, ſchaffe wo— 
möglih für die Rauchſchwalbe durch An; 
bringung eines Brettchens an einer ger 
eigneten Stelle ım Stalle eine gute. Neit- 
unterlage (ca. 12 cm unter der Dede) 
und ermögliche ihnen den freien: Aus- und 
Einflug, jo wird auc in zufünftigen Tagen 
das pfälzifche Dorf, die pfälziſche Stadt 
der . über ihren Dächern Freuzenden 
Schmälblein. nicht entbehren zum Nutzen 
des Landmannd und zur Freude des 
Naturfreundes, 


— 13 — 


Wie dentet der Pfälzer fremdartige Ausdrüche um? 
Bon Theodor Zink in Kaiferslautern. 


(Fortſetzung.) 


Ehe ich die umgedeuteten Ortsnamen 
verlaſſe, muß ich noch ſolche erwähnen, 
deren veränderte oder unrichtig aufgefaßte 
Namensform zu einem redenden Wappen 
geführt hat. Rockenhausen führt ſeit 
dem 16. Jahrh. drei Kornähren im Wappen, 
die ald finnvolle Zeichen noch heute mit 
dem Ortsnamen zujammengebradht werden. 
Rockenhauſen ift eine Bildung, wie Ernit- 
haufen, Friedelhauſen und gibt den erften 
Beliger oder Gründer einer Siedlung an. 
Rocken ift der ſchwache Weilenfall des 
Namens Rocko, der als Rock heute noch 
fortlebt. Die Gemeinde Würzmweiler führt 
einen Würzstein (Mörschel) im Wappen, 
obwohl an Wurze, d. i. Kraut zu denfen 
ift. Der Srieger im Wappen Kriegsfelds 
fam auf ähnliche Weiſe auf (Griesfeld.) 

Iſt Schon die Zahl der Ortsnamen 
fehr groß, die eine volfstümliche Umdeutung 
erfuhren, jo mußte das noch mehr mit dem 
übrigen Wortichage der Fall fein; das 
Bolt will fih unter allen Umftänden unter 
dem Lautgebilde etwas denken und in jedem 


Menſchen ftedt ein Etymolog. Der Vorder- | 


pfälzer bildet daher aus dem lateinijchen 
oblongus in Dürfheim ableng und bei 
Germersheim gar obleng: e ablanges 
Körbches.. Ebenſo lehnt der Wejtpfälzer 
obstinat an ab an, indem er absenat 


ſpricht. Der Advokat wird ein Affegat 
und die Apollonia eine Appel oder 
Applane, Der Brutale ift brädal. 


Der die Koften eines gerichtlichen Ber: 
fahrens tragen muß, zahlt die Keſchte, d. i. 
Kaftanien, woran um jo eher gedacht wird, 
als man im Spridwort von den Kaftanien 
redet, die man aus dem feuer holt, 


Der Mennonit wird zum Mannijchten, 
wie die neue Kartoffelſorte Magnum bonum 
in der Borderpfal; zu Mannemer Bohne 
(Mannheimer Bohnen) wird. Sn der 
Beit- und Nordpfalz hörte ih hauptfächlich 
Mangem bonem, bin und wieder aud) 
lange Bohne. An diefem Beifpiel aus 
der neueften Beit erjehen wir, daß es dem 
Volke genügt, wenn dur eine Qautver- 
bindung eine annähernd ähnliche, aber be- 
fannte hervorgerufen, wird. (Daher wird 


auch das lateinijhe papaver rhoea zu 
paffeblum und paff; die Aehnlichkeit mit 
der Sapuzinerfreffe, die im Volksmunde 
paffe-tutie heißt, mag auch das ihrige 
beigetragen haben.) 

Ebenfalls Umdeutung eines lateinifchen 
Wortes ift Presskammer für Saftiftei, 
auh BPreisfammer oder am Niederrhein 
Breifterfammer genannt, nad den preis 
würdigen Gemwändern und Sachen. In 
althochdeutfcher Zeit redete man von einer 
triso- und trösochamara, mittelhochdeutſch 
tröskamere. 

Allgemein befannt find die Ber- 
änderungen, die radikal erlitt, einmal 
wird es, mie gewöhnlich zu raltekahl, ob» 
wohl die Ratte doc nicht kahl ift, dann 
zu ratzekahl und ſchließlich noch zu rachse- 
kahl. Ja, der Nordpfälzer jagt ratt unn 
kahl oder rutz unn kahl, das wohl aus 
rutz unn butz, d. i. rutzebutz, entftanden 
if. (Berg. Sünd unn schad!) Der 
Geometer wird im Bliedgau zum Schöne» 
meder ; das Feſt des Kirchenpatrons zum 
Stremmes (unter Anlehnung an Stremmer), 
lateinifh: strena = Einweihung. 

Unfer weftpfälzifhe® Lander für 
Laterne ift wohl nicht auf das lat. laterna, 
fondern auf das näherliegende franzöfijche 
Lanterne zurüdzuführen,; aber Lutzer für 
das Licht fommt geradenmwegs von lucerna. 

Das Eindringen franzöfiiher Fremd» 
linge in unſere Sprache läßt fi zum erften 
Mal in der Blütezeit der mittelhochdeutichen 
Dichtung nachweiſen; mit dem franzöfiichen 
Nittertum und der franzöfifchen Dichtung 
gewannen gewiſſe Wörter Heimatrecht bei 
ung. Zuerſt drangen fie in die Sprade 
der Gebildeten ein und fiderten teilmeije 
in die Umgangsipradhe des Bolfes herab. 
Diefer Einfluß hat nie ganz aufgehört; 
im 16. Sahrhundert hat er wohl jeinen 
tiefften Stand, wird aber im 17. und 18, 
Jahrhundert jo mächtig, daß wir jet noch 
darunter leiden. Für die Pfalz kommt 
außerdem in Betracht, daß fich die Ein- 
flüffe des Bistums Metz und des Herzog- 
tums Lothringen in ſprachlichen Dingen 
geltend machen, Diejer ehemals deutſche 


— 1M — 


Beſitz ſteht bereits im frühen Mittelalter 
im Banne der franzöſiſchen Sprache. 
Außerdem herrſchten ſeit dem Jahre 1794 
tatſächlich die Franzoſen auf dem linken 
Rheinufer; in Landau beginnt der fran- 
fiihe Einfluß fogar fhon nah dem 
jährigen Kriege. Kann es uns da 
wundern, daß die Umgangsſprache des 
Rheinpfälzerd von franzöfiihen Brocken 
vollgeftopft ift! Es fam mit dem fremden 
Gute auch der fremde Ausdrud; aber der 
Pfälzer nahm ihn nicht immer unbejehen 
auf. Wir finden im Gegenteil, daß er 
überall anzugleihen beftrebt if. Die 
männliden Dingmwörter Hussier, Monsieur 
Greffier werden zu jädlichen Dingmwörtern, 
da die fremde Gndungsfilbe ala Ber- 
Eleinerung aufgefaßt wird; daher das 
Hussje (der G®ericht8vollzieher) das Musje; 
fo muß die Endung -on zu ung werden: 
prisson = Brissung; jelbft ımaterie = 
madöring. Golsong = frz. Colson. 

Der Hugenottenname Dantrimont wird 
au Dandermann, Mehrzahl: Dander- 
männer. Hubing von Hubin, Hussong 
oder Hussing aus frzſ. Housson. Eine 
merkwürdige Umdeutfchung erfuhr der Name 
eines Hofgutes bei Homburg, das nad) 
dem franzöfifchen General La Bretäche, 
der ihn von 1684— 1714 inne hatte, be» 
nannt iſt. Gemöhnlih heißt der Hof 
Lappertesche Hof, im Volksmunde ver: 
wandelt er fi aber in Lappentäscher 
oder Lappentascher Hof, Aus jener Beit 
mag aud der Landauer Ortsnamen die 
Flach ftammen, der einen ehemaligen 
Feſtungskeſſel, jegt einen Teich bezeichnet, 
franzöfiih Ja Flaque. Ein gewiſſer Zu— 
fammenhang zwiſchen der deutfchen und 
der franzöfiihen Bezeichnung ift nicht zu 
verfennen, da Flaque eine Lade oder 
Pfütze ift. 

Bon umgedeuteten franzöfiihen Namen 
. nenne ih noch Schönung für Chenon, 
Schording für Jourdin, Tussing für 
Toussaint, Klemang, Lorang, Weisang 
für Clement, Laurent, Vincent, Lesswing 
für Lesoin'). 

In Frankreich nennt man eine „Fleiſch⸗ 
Schlack Leberwurft” andouille; der Pfälzer 
bildet hieraus Anduudl, der Nordpfälzer 


') Larusch aus La Roche, Gatohr aus 
Catoir, 


hin und wieder Handıuudl. Der Landauer: 
der am längften franzöfifchem Einfluß aus, 
gefegt war, jagt für Schmetterling Bubeller, 
welches Wort von papillon, latein. papilio 
ftammt, während der Weftricher fein Flecker⸗ 
maus für Schmetterling bis heute treu 
bewahrt hat. Sicher dachten die, melde 
die Entſtellung zuerft anmendeten, an 
Puppe oder Bube. 

Wie bier das fremde a zu u oder o 
wird, jo am Donnersberg o zu a, ſonſt 
zu „u: Mantuur für Montur, d i. mon- 


ture, Paschtuur für positure, jonft 
Poschtuur oder Buschdür. 
Am Volksmunde wird von einem Ge— 


meindediener erzählt, der bei einer Be 
fanntmadung von Militärläus ftatt von 
Mitrailleusen ſprach; es ging ihm mit 
diefem jchwierigen Worte nicht bejier als 
unfern Sriegern, die getroft maulproper 
für malpropre jagen. Auch die passpoile 
des Dienftrofes wird zu basswoll, mo» 
durch fich für den Unfundigen ımmer noch 
ein Sinn ergibt. Die Wendung du jour 
wird zum deutichen „die Schur“. 

Die bamblocke, d. i. doppelte Ohr- 
ringe, der Landauer Gegend erinnern eher 
an unfer deutiches bambeln ald an das 
gallifhe Wort pendeloque und bei der 
basstränk d. i. dem Tanzlokal, denft man 
bei Speyer gewiß an Bass und tränk, d. i. 
trinken, liegt doch beides näher als das 
fremde la bastrinque, das nur Schenken: 
tanz bedeutet. 

Hier in der basstränk ruft der lebens- 
frohe Rheinpfälzger dem Nachbarn zu, in— 
dem er fein gefülltes Glas erhebt: „alle 
bott sante*. Freilich, wenn er alle bott, 
d. i. oft, jein Glas erhebt, wird er bald 
nicht mehr wiſſen, was er redet; denn jetzt 
ihon trinft er auf die Geſundheit des 
Angerufenen nad dem franzöfiihen Mufter 
à votre sante. 

Die kö'skri (conserits) der Franzojen 
werden in meiner Heimat zu Kunschtkri, 
der Stleiderftoff poil de chevre zu Wald: 
ihäfer oder Waldriſch. 

Außer der lateinischen und franzöfifchen 
Sprade hat in der Pfalz nur neh die 
bebrärfche einigen Einfluß auf den Wort- 
Ihag ausgeübt. In der Umgangsſprache 
finden fich wohl viele Ausdrüde, die dem 
DHandelöverfehr mit Jsraeliten entftammen; 


— 125 — 


ih nenne aber bier nur eine Umdeutung 
spones rasseles oder bones rasseles für 
Geld, daher wohl Bohnen für Geld, wie 
man ja auch von „chriftlichen Linsen” redet. 

Zum Schluffe muß ich noch der deutſchen 
Ausdrüde gedenken, die der Pfälzer um: 
deutet. Außer den Orts: und WBerjonen: 
namen find es beionder® Xier- und 
BPflanzgennamen. Unter eriteren ift be 
ſonders merfmwürdig unfer Mauerwolf oder 
-wulf. So nennt der Weſtricher den Maul 
mwurf; auch am PDonnersberg und bei Göll- 
beim tritt diefe Form auf. Der Süd- 
oftpfälger jagt Maulwölfer auch Maul- 
wölber, der Rheinbewohner bei Neupfot 
Maulälpser. Auch Maulwurm ift zu 
hören. Schon in mittelhochdeutfcher Zeit 
war unfer moltwörf in mülwörf, mülwelf 
und mürwerf untgedeutet, ja fchon im 
9. Jahrhundert fann muwerpf nachge- 
wiefen werden. Zu dem Nordpfälzer 
Moltruf, Molteruff, Moltrof paffen die 
befien » nafjauifhen molter, moltertier, 
molteroff, moltroff, molpert, molwert. 
Alle erinnern an molte, molta, d. i. weiche, 
lodere Erde, am Donneröberg gemulter 
für lodere Stoffe. Der Uder ift mill 
(bolländiid mul — lodere Erde), wenn 
er jehr „zart“ ift. „der iss so mill wie 
lauter escherig‘“ oder purer (Puder) oder 
mill wie e äschekaut. Der Grumbeere- 
miller (nit Müller) dient zum Lockern 
der Adererde. 


Bor. anderen Tiernamen mußten fid 
noch folgende eine Umdeutung gefallen 
laffen: Der Lapin, d. i. das Feldfaninchen, 
beißt entweder Laping oder gar Labbär, 
die Barsch wird zur Berſcht — Bürfte, 
mozu aud ihre Stadelfloffen Anlaß ge 
geben haben mögen, der Milchner (Hering) 
zum Minchner, d. i. „Münchener“. 

Bon Bogelnamen hat fi als alter am 
Donnerberg Margrub, Mehrzahl Mar- 
gruwe, erhalten. Es darf aber weder an 
Mär = Here no an Grube gedacht 
werden; denn die ältere Ausſprache, Die 
fih bei Kirchheimbolanden findet, iſt Mark- 
grof, d. i. Markgraf. Heißt doch auch im 
„Reinede Wuchs” der Träger dıejes 
Namens, der Häher: Markwart. Die 





fonderbare Veränderung erklärt ſich einfach 
aus den Lautverhältniſſen der Volksſprache, 
von denen f am Ende zu b erhärtet, im 
Inlaute aber in w übergeht. Aus gleichen 
Urfachen wurde der Ylurname Burggrafen- 
acker zu Borgrumenader. 

Unſere jhöne Tulpe (Tulipane) wird 
zu Dollebäm oder Dullebam, ala ob fie 
eine Baumart jei, die Balsamine zur 
Bazeline, indem das Bolt an Porzellan 
denft. Der alte Name Katzenzagel, d. i. 
Katzenſchwanz (Schwanz — zagel, zagil), 
für Schaftheu oder Schadtelhalm, der 
ſehr anfchaulich ift, wird zur Katzenzahl 
ihon im 16. Jahrhundert, wie auch 
Rübenzagel zu NRübenzahl und Zagelholz, 
d. i. Gipfelholz, zu Bahlen oder Behlen. 
Aus Huflattid, d. i. Lactuca, entjteht in 
der ganzen Pfalz Huflatte, kurz Latte und 
jelbft das befcheidene Maßliebchen wird 
nit nur in der Kinderſprache zu Ma- 
zinselche, Mazeminche, Märzisel und 
Mazisel. In Knoblich ftedt nicht die 
ſüdpfälziſche Verfleinerungsfilbe lich, jondern 
loch für Lauch, weſtpfälziſch: Jaach. Der 
Gemwürztraminer wird oft zum Dreimänner- 
mein; zwei halten, wenn der dritte trinkt 
und unfere guten Borsdorfer verwandeln 
fih am mittleren Glan zu Poſchtäffchen. 
Wer mag dad auch dem Glanbauern übel 
nehmen, da er nicht wiſſen kann, mas 
Borsdorf ift und wo es liegt! 


Der Sperberbaum erinnert uns mit 
feinen Früchten nicht an den Vogel Sperber, 
mbd. sperwaere, ahd. sparwäri, jondern an 
ber und sp£r, die beide Frucht bedeuten, 


Benn die befannte Malve im Volks— 
mund Säfepappel, ahd. papula, mhd. 
papele, in Sräuterbüchern des 16, Jahr⸗ 
bunderts aber Bappel heißt, fo lehnt. fi 
das Wort an Bappelbaum, mittellateinifch: 
papulus, latein. populus an, Unſer be 
iheidener Sauerampfer wird in meiner 
Heimat zu Sauerrumpel, fonft in der 
Pfalz zu Sauerhämberich oder -hamber 
oder -rambel; an ampfer, ahd. ampfaro, 
denft niemand mehr. Ya, der Wiejenbods- 
bart, tragopogon pratensis, muß fi) den 
Namen: Sühhamberir gefallen Laffen. 

(Schluß folgt.) 


ge 


— 16 — 


Deutſche Geſchichte auf heimatlicher Grundlage. 


So iſt der Titel eines in diefem Sommer 
dem Berlage von Hermann Kayſer in 
Raiferslautern zum Drude übergebenen 
Buches. Das Werk erjcheint in drei 
Lieferungen, wovon die erſte bereits er- 
bältlih ift. Berfaffer ift Lehrer Zink in 
Ktaiferslautern, der als Geſchichtsforſcher, 
auch in Fachkreiſen, rühmlich befannt iſt. 
Soweit ſich das in Frage ſtehende Werk 
aufgrund der erſten Lieferung beurteilen 
läßt, iſt es ein Beweis für die große Um— 
ſicht des Autors auf dieſem Gebiete. Be— 
ſonders trägt der Verfaſſer zwei langjährigen 
Forderungen gebührend Rechnung: 


Der Stoff iſt guten Quellen entnommen 
und daher wahr. 

Er iſt, mo nur möglich, auf heimat- 
liher Grundlage aufgebaut. 


Infolge diefer Betrachtungsweiſe zeigt 
fi der Glorienſchein mander geichichtlichen 
BVerfönlichkeit etwas getrübt. Doch ift ja 
das Buch, feiner ganzen Unlage nad, für 
urteilsfähige Erwachjene beftimmt. Es ift 
eine möglichſt vollkommene Stoffgabe für 
den Unterrichtenden. Der Lehrer, der beim 
Betriebe der Heimatkunde geichichtliche An- 
fnüpfungspunfte geben mill, wird folche 
bier reichlich finden. Insbeſondere ift in 
diefer Beziehung unfere Pfalz viel berüd- 
fichtigt. 

Aber auch das Kulturgeſchichtliche kommt 
entiprechend zur Geltung und einen be- 
fondern Reiz haben die zahlreihen Ab- 
bildungen pfälziicher Funde. Hauptſächlich 
diefer Umftand verleiht dem Bude all: 
gemeine® Intereſſe, macht es lejenswert 
für jeden Wltertümer- und Gejcichts- 
freund. 

Möge daher das Buch, dem Wunſche 


des Verfaſſers entiprechend, recht freundliche 
Aufnahme und viele Leſer finden! 
ud. Müller. 





Dem Berfafjer, einem gewiegten Kenner 
der pfälziſchen Gefchichte ift es in vortreff- 
liher Weife gelungen, feinen Landsleuten 
und allen Gejhichtöfreunden ein Werk zu 
bieten, das wie fein zweites mehr geeignet 
ift, fie hauptſächlich mit der Geſchichte der 
Pfalz von frühefter Zeit an befannt zu 
maden. Das, was Zinks Buch fo jehr vor- 
teilhaft von andern Geſchichtswerken abhebt, 
ift feine fterige Bezugnahme auf die Heimat, 
auf Pfälzer Orte, Pfälzer Gebiete, Pfälzer 
Funde zum Teil aus vorgefhichtlicher Zeit, 
Pfälzer Sagen und Redensarten und es 
mutet einen recht heimijh an, wenn man 
plöglich feinen Heimats- oder irgend einen 
andern pfälzifhen Ort mit einer gejchicht- 
lihen Tatſache vor taufend oder zweitauſend 
Yahren verknüpft findet. Der Wert. des 
Buches wird aber noch erhöht durch feine 
naturgetreue Wiedergabe zahlreicher alter 
Funde, die fih Heute zum Teil im Mufeum 
zu Speyer, zum Teil auch in Privatbefig 
befinden. So ift die 1. Hälfte des I. Bandes 
eine geradezu glänzende Pfälzer Kultur- 
geſchichte. Aber auch im 2, Xeile, der 
weiter ausgreift und ſich mit der Deutſchen 
Geſchichte bis 973 beichäftigt, bleibt der 
Berfaffer, jo viel ihm möglih ift, auf 
heimatliher, d. h. pfälziſcher Grundlage. 
Mein Urteil über den bereit8 erjchienenen 
Band kann ih dahin zufammenfaflen, daß 
Zink ein Werk gejchaffen bat, an dem die 
Schule nicht achtlos vorübergehen fann, 
das aber auch in andern Kreiſen der Be- 
vlöferung eine Heimftätte finden wird. 

K. Königftein. 


Eine Schmetterlingsinvahon 


hatte am Abende des 5. Auguft dieſes Jahres | 


Breslau zu überftehen. Wiefige Schwärme 
von Nachtjchmetterlingen, meiſt Nonnen, ber: 
miſcht mit Ringelipinnern, Weidenſchwärmern, 
Förleulen, Siefernfpannern und Kupfergloden 
fielen plöglich am Abend wie ein Schneegeitöber 
in die Hauptverfehrsftraßen ein und begannen 
ben Tanz um die eleftrifchen Yampen und Gas— 


laternen. Um jede Bogenlampe tanzten ſtunden⸗ 
lang viele Taufende der Tiere, deögleichen um 
die Lampen der Reitaurationen. Sie bededten 
dicht die beleuchteten Schaufenjter und Schilder 
und fielen in Maſſen ermattet zu Boden, mo fie 
tot getreten wurden. Am tolljten ging es, einem 
Beriht der „Schlefifchen Zeitung” zufolge, im 
Weitportal des Hauptbahnhofes zu. Dort konnte 


— 12717 — 


man kaum in ben Bahnhof Hinein; wer es ver⸗ die Gaslaternen. Biele von ihnen flogen in bie 
fuchte, gab es bald auf und fam mit Hunderten | Lampen binein und famen bort um. Bald war 
bon Schmetterlingen bebedt wieder zurüd. Die | faum nod ein Glübftrumpf Beil, fo. daß bie 
Tiere fegten fi überall bin, fie frochen in. die | Flammen trüber brannten, etwa wie früher bie 
Kleider, in die Haare, auf das Geſicht, wo fie | offenen Gasflammen. Bis in die Morgenftunden 
eben gerabe anflogen. Die Damen mit bellen | dauerte dad Treiben der ungebetenen Bäfte. Die 
Kteidern waren für die Nachtſchwärmer hervor | Schmetterlingsfchwärme ftanımen aus den fehle 
ragende Unziehungspunfte. Das Treiben der | fiichen Forſtrevieren, die in diefem Jahre von 
Schmetterlinge war vor dem Hauptbahnhof fo | den Nonnen ftark heimgeſucht wurden. Auch bie 
ftark, daß man die Borhallen ausräudern mußte. | Müdenplage iſt in Schleften jehr bedeutend 
Brennende Papterfadeln wurden im Kreife ge- | geweſen. Längs ber Ober beläftigen bie In— 
ſchwungen, aber e8 half nur wenig, denn immer | feften die Menfchen derart, daß ber Beſuch von 
wieder verjüngte fidh die Schar der mwirbelnden | Reftaurationen beeinträchtigt wird, Schuld 
Infelten. Beſonders ſtark war das Spiel, als | trägt das Hochwaſſer, weldes In zahl- 
um elf Uhr bie eleftriichen Straßeniampen aus: |; lofen TZümpeln frudtbare Herbe zur 
gingen, und bie Tiere nun noch wütender ald | Entwicklung der Mücken zurückgelaſſen 
borher gegen die Nernſtlampen des Bahnhofs bat. Der warme Sonnenfhein wedte 
flogen. Nach Erlöfchen der elektriichen Straßen- | während jener Tage die Tierden zu 
lampen bejtürmten die Nachtſchwärmer fchließlih | fröhllichem Leben auf. 








Unfruchtbare Bäume, 


Es ift befannt, daß einzelne Bäume nicht | einen vielleicht nur wenigen belfannten Rat. Er 
tragen wollen, obgleich fcheinbar alle Bedingungen | meinte nämlich, der Apfelbaum müßte daran ge— 
erfüllt find, die man borfehen kann, um ihnen | möhnt werben, Laſten zu tragen, dann würde 
das Fruchttragen zu ermöglichen. Ebenſo finden | er auch Aepfel tragen. Man folle bie Kronen— 
. wir in ben Gartenbüdhern Winke, wie biefem | äfte miteinander durch Drabt verbinden, fo daß 
Uebeilftande abzuhelfen jet, ehe man fich dazu | eine Art Net oder Korb entftehbt. Da Hineln 
entfchließen muß, einen jonft fhönen mund trag- | müßten größere Feldſtelne getan werben, die auf 
baren Baum als Brennholz zu beriverten. An | den Stamm brüden. Der Rat wurde befolgt, 
einem Bfarrgarten in der Uckermark ftand, | und bas Ergebnis war, daß ber Baum im nächſten 
tie der Praktiſche Ratgeber im Obft- und Garten« | Jahre Früchte trug. Es märe intereffant, zu 
bau mitteilt, fo ein faulfer Baum, der noch nie- +) erfahren, ob dies Hilfsmittel, unfruchtbare Bäume 
mals Luſt gezeigt hatte, etwas anderes als Holz | durch Belaftung mit Steinen in fruchtbare zu 
und Blätter zu erzeugen. Der Pfarrer erhielt | verwandeln, auch fonft befannt ift und erfolg- 
bon einem Gajte, der fich feinen Garten bejah, | reich angewendet wird. 


Bas richtige Obſteſſen. 


Wir lefen in ben „Blättern für Bolls- | bis ein Pfund frifches Obſt genteßen würde, 
gefundhettspflege” (Berlin W. 30, Deutjcher | fall nicht Störungen im Berbauungdtraftus 
Verlag für Bollswohlfahrt): Im allgemeinen | dagegen fprechen. Mit der Ungabe einer be+ 
wird das Fleiſch bei unferer Ernährung zu j ftimmten täglichen Obftmenge haben wir ſchon 
och eingefchägt. Wir eſſen Im Durchfchnitt zu | angedeutet, daß auch im Obftgenuß berftän« 
viel Fyleifch, was für die Geſundheit nicht ohne | diges Maß gehalten werben muß, da auch 
nadhteilige Folgen ift. In einem gewiſſen Gegen» | bier ein Zuviel Schaden bringen fann. Indeſſen 
fag zum Flelſch fteht das Obſt, welches eine die | noch von einer zweiten Gefährdung iſt das Objt 
Schäden zu reichlicher Fleifchnahrung in gerotfiem | nicht freigufprehen und das find die Krank— 
Sinne ausgleichende Wirkung bat. Der Herbit | beitsteime, die feiner Außenfläche an- 
mit feinen köſtlichen Objtgaben foll daher | haften Fönnen. Wir mwollen bier nur im alls 
reichlich benußt werben und ed wäre jeht | gemeinen darauf hinweiſen, daß bei ben vielen 
würifchendmwert, wenn jeder täglich in diefer Zeit , Händen, dur bie vor allem Mepfel, Birnen 


- 1238 — 


und Steinobft- gehen, reichlich Gelegenheit zu 


umäfthetifcher Beſchmutzung gegeben tft, und wir 


wollen im befonderen hervorheben, daß auf den 
Obſtſchalen die Eier bon Eingemeibe- 
würmern- fiten Binnen. Es empfiehlt fidh 
baber umter allen Umftänden, Obit bor bem 
Genuß genügend zu reintgen. Bei Wein 
trauben und Stetnobft ift diefe Reinigung durch 
Waſchen in lauwarmem Wafler ohne weiteres 
burchzuführen, und bei Aepfeln und Birnen wird 
das Abſchälen ja auch etwaige Unreinlichkeiten 
mit der Schale radikal entfernen. Nun bat man 
aber feftgeftellt, daß bei Aepfeln und Birnen 
gerade in ber Schale daß feine Aroma ber 
Frucht vorhanden ift, und man bat jerner darauf 
hingewleſen, daß ber Genuß der Schale gleichwie 
ber ber Kleie beim Korn bie Berdauung: 
tätigfett anregt: Esſſpricht daher mehreres 
bafür, bie Schale mitzugeniehen, und ba 
Waſchungen von Birnen und Wepfeln die Halt- | 


barleit des Obſtes herabſetzen und gleikfalls 
das Aroma verringern, fo ſcheint bie befte Rel⸗ 
nigungsart fräftiges Xbtrodnen mit einem 
baumtvollenen rauhen Tuch und unmittelbar 
vor dem Genuß leichtes Abſchaben der Ober- 
fläche mit einem Obftmefler. Diefes Berfahren 
bürfte in allen Fällen genügen, um bie Frucht 
fo zu fäubern, daß fie ohne Schaden genoflen 
werben kann und im ben Körper Feine ſchäblichen 
Keime trägt. Freilich wäre e8 auch zu wunſchen, 
daß bie Obftgühter und Obfthänbler bei 
der Behandlung dei Objtes don Anfang an ber 
größten Sauberfeit ſich befleißigen, und bei ber‘ 
heutigen billigen Herftellung von Papier könnte 
man wohl fordern, daß nicht nur bie ebeljten 
Obſtſorten, ſondern alle zum Eſſen beftimmte 
Kernobſt in Papter eingewickelt wird, ſobald es 
ber Produzent an den Händler oder direkt an 
ben Konfumenten meitergibt. Die Arbelt tft 
nicht groß, ihr Reinlichkeitseffekt recht bebeutenb. 





Ber Berein der Aheinpfäher 


zu Düffelborf Batte am 16. Oktober feine Mit- | 
giteder, Freunde und Gönner zu einem Familien⸗ 
abend im Hotel „Bweibrüder Hof” eingeladen. 
Dur das Vortragen von Pfälzer Dichtungen 
jeiten® einzelner Mitglieder und das Abfingen 
ber beliebten Pfälzer Lieder aus dem Archiv bes 
Bereind Hatte bald eine recht fibele Stimmung 


Platz gegriffen und der Abend verlief infolge- 
befien in fchönfter Harmonle. Für Anfang 
November iſt zur Erinnerung an ben Dürk- 
beimer Wurftimarft ein Wurfteffen vorgeſehen, 
mobet echte Pfälzer Würfte ſowie Pfälzer Wein 
verabreicht werben. 


Aleine Mitteilungen. 


Bin Mäuber. Ein junger Mann fand 
bei einem Habichtneſt am alten Schloß bei 
Wilgartöwiefen zmölf Metallringe mit ver- 
fhiebenen Nummern, teiter drei Gummiringe 
mit Nummern und eine Feder. Sämtliche 
Gegenjtände rühren von Brieftauben her. 

Eine weiße Schwalbe tft in Wolferk- 
beim als Abnormität beobachtet worden, bie vom 
dein Elternpaar fürforglich gefüttert wurde. 


Sturmfchabden. Der durch ben Sturm 


| bom 5. Zuli im Stadtgeblete von Aſchaffenburg 


angerichtete Schaden wurde im Wuftrage ber 
Negterung feitgeftellt. Demmad wurden ver- 
nichtet: an Privatelgentum 506 Objtbäume im 
Werte von 2550 Mark, mit denen der Stadt 
zufammen rund 20000 Marf. Berhagelt wurden 
853 Heltar. Der gefamte Schaden wurde auf 
300 000 Mark beziffert. 





lt: Monotith bei Martinshöhe. — Das Borkommen der Rauchſchwalbe und ber 


—* walbe in der Pfalz. 
on Th. Zink. (Fortf. ſiatt Schluß.) — 


Schmetterlingsinvafion. — Unfruchtbare Obftbäume. — 
äuber. Eine weiße 


Rheinpfälger. — Kleine Mitteilungen: Ein 





Zon 8. Bertram. — Wie deutet der Pfälzer frembartige Ausdrücke um? 
Deutſche Gefchichte auf heimatlicher Brundlage. — Eine 


Das ng Obſteſſen — Der Berein ber 
chwalbe. Sturmfchaben. 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 
Bär dera und Juhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


„Die vinuua · Geimattunden toßet, jühric In 18 Heften I. 240 Bee 


Voſtauſtalten ferner dom Berleger (9 


m werben von allen Bucdkandblungen und 
ng) angenommen. 


3% 


November 1907. 


JPÄLZISCHE HEIMATKUNDE) 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


DLILDIENZZE 





Bu den angeblichen Höhlenfunden im Mefrid. 


Mitte legten Monats durchliefen nicht | laufes aus dem unterirdijchen Reſervoir zu 


allein pfälzifhe, jondern auch auswärtige 
größere Beitungen fenjationelle, von ver- 
ſchiedenen Berichterftattern ftammende Nadı- 
richten über die Entdefung großer unter- 
irdiſcher Höblungen bezw. großer Tropf: 
fteinhöhlen in der Mufchelfaltregion Blies- 
faftel-Saargemünd, Bitich und Zmweibrüden, 
für deren Borbandenjein zahlreiche, nad 
ftarfen Gemwittern fich einftellende Einbrüche 
und Erdjenfungen jprechen follten. Bejon- 
ders für die Gegend bei Böckweiler wurde 
eine Tropffteinhähle mit Sicherheit anger 
nommen und für fie auf Grund von anr 
geblih angeftellten Schallverjuchen jogar 
eine Ausdehnung von mindeftens 1,5 Kilo: 
meter vermutet; fie jei deswegen wohl die 
größte Höhle Deutjchlands und verſpreche 
eine Sehenswürdigkeit erſten Ranges zu 
werden, In fie follten jhon vor Jahren 
neugierige Qandleute und geologiſche Foricher, 
als durch einen Einbruch der Zugang vor» 
übergehend geöffnet worden mar, einge: 
drungen und durch das Geſchaute zu den 
kühnſten Hoffnungen berechtigt worden jein, 
doch babe der Mangel an entiprechender 
Ausräftung und die durch Erdrutſchungen 
und Waſſer bedingte Lebensgefahr ein 
weiteres Bordringen in die nun leider wieder 
verſchüttete Höhle unmöglich gemacht. Einen 
weiteren Zugang zu dieſer Höhle hoffte 
man in 1500 Meter Entfernung von diejer 
Stelle auf den Wieſen bei Bödmweiler durch 
Erweiterung eines angeblihen Wafjeraus- 


gewinnen, nur war man nod nicht einig, 
ob die zur Erjchliegung notwendigen Schächte 
und Stollen im Walde an den oben er- 
mwähnten Einbrüchen oder auf den Wieſen 
bei Böckweiler an der Wustrittöftelle des 
Waſſers aus dem großen unterirdiichen Re 
jervoir angelegt werden müßten. Noch tage- 
lang follten nad ſtarkem Regen dieſe Höh- 
lungen ſchmutziges Waſſer ausjpeien, mäh- 
rend fonft nirgends mehr etwas von demielben 


zu fehen jei. 
Aus dieſen jenfationellen, von vielen 
Zagesblättern übernommenen Berichten 


konnte jedermann annehmen, daß tatſächlich 
große, die „jeltenften Sehenswürdigkeiten“ 
bergende Höhlen vorhanden fein müßten, 
von denen man merfmwürdigermweije bisher 
noch nicht8 gehört hatte. Weiter wurde das 
Intereſſe für die Gegend durch den Hinweis 
auf vulkaniſche Schlammausbrücdje von ver- 
ihiedenem geologiichen Alter gewedt, in 
welhe Saurier, Muſcheln und AUmmons- 
hörner auf der Höhe des Kahlenberges in 
einer eigentümlihen Urt eingebettet, die 
Saurier aber in Quarz verjteinert jein 
ſollten; durch die in allerneuefter Zeit be 
jtätigte Vermutung, dab die Gegend pvulr 
kaniſchen Gharafter beſitze, könnte der Reiz 
der Höhle noch um ein Bedeutendes ver- 
mehrt jein. 

Sanguinifhe Berichterftatter maßen 
diefen Angaben eine große Bedeutung für 
die Pfalz bei und erwarteten von der Er 


— 130 


fhliegung der Höhlen eine Bereicherung an 
Naturfchönheiten und einen wirtichaftlichen 
Aufſchwung der ganzen Gegend. Sollte 
do jchon ein vorbereitendes Komitee die 
wiſſenſchaftliche Erforfhung der Höhlen in 
die Hand genommen und fich die Mit- 
arbeiterfchaft verjchiedener, namentlich auf: 
geführter Gelehrter gefichert haben. 

Someit kurz die phantafievollen Zeitungs: 
berichte, die Überall das größte Auffehen 
erregten. Hervorgehoben verdient aber auch 
zu werden, daß ed nicht an Stimmen fehlte, 
die vor zu weitgehenden Hoffnungen warnten 
und Enttäufhungen in Ausſicht ftellten. 
Konnte fich doch jeder mit den einfachfien 
Elementen der Geologie vertraute Leſer von 
vornherein ſelbſt jagen, daß in diefen ver— 
ſchiedenen Notizen um ein wahrjcheinlich vor- 
handenes Körnchen Wahrheit viel Unmwahr- 
ſcheinliches gruppiert fein müſſe. 

Um mir nun ein eigenes Urteil in diejer 
Angelegenheit zu bilden, beiuchte ich unter 
ortöfundiger Führung an zwei Tagen die 
Höhlengegend zwiſchen Böckweiler und Mim— 
bach und benutzte hierbei neben anderem 
Kartenmaterial beſonders Blatt Zweibrücken 
der geognoſtiſchen Karte des Königreichs 
Bayern nad) den Aufnahmen von L. v. Am» 
mon, U. Leppla, %. Pfaff und O. Reis. 
Hiernach liegt Böckweiler ſelbſt und das 
nad der Biden:Albe abfallende Gehänge 
im Unteren Muſchelkalk (Muſchelſandſtein 
und dem darüber folgenden Oberen Wellen- 
falf), das Plateau von Böckweiler im Mitt- 
leren Mufchelfalt und die Hänge des ſich 
darüber aufbauenden großen Kahlenberges 
im oberen Muſchelkalk (Troditenfalt und 
und darüber Nodoſenkalk). 

Zunächſt wurde mir nordöftlid vom Dorf 
in einem kleinen Wieſengrund, der Schredel: 
bad), eine ganz ſchwache, etwa eindrittel 
Sefundenliter Waſſer liefernde Quelle als 
wahrſcheinlich mit der Höhle in Verbindung 
ftehend gezeigt; darüber befindet fi etwas 
im Bufchwerf verſteckt eine durch ein paar 
Sprengihüffe nur wenig ermeiterte luft 
im Geftein, die nach ftarfen Regengüjfen 
Waſſer und damit vermengt zuweilen aud) 
Laub ausfpeien fol, An diefer Stelle fei 
die große Höhle, deren Ausdehnung durd) 
den beim Sprengen hervorgerufenen Schall 
auf 1500 Meter Entfernung unter der an- 
ftoßenden Flur und dem Sceidwald hin— 


durch bis zum Grünbachwald beftimmt jei, 
durd) einen Stollen zu erſchließen; die zahl- 
reihen Erdjenfungen in jenen Bezirken er: 
möglichten dem Regenwaſſer den Eintritt in 
das unterirdifche Reſervoir. 

Tatſächlich treten auch in den genannten, 
faſt ebenen Walddiſtrikten zahlreiche Erd» 
ſenkungen von ſchüſſel;, keſſel oder wannen- 
förmiger Geſtalt auf; als früherer Zugang 
zur Höhle wurde mir im Grünbachwald dort, 
wo vom Ausläufer des Kahlenberges die 
alte Medelsheimer Hochſtraße nad Süd— 
often den genau nördlich führenden Wald- 
weg freuzt und der topographiiche Atlas 
die Cote 115 verzeichnet, ein etwa 6 Meter 
tiefer, wannenförmiger, früher verfchütteter 
Einbruch gezeigt, der furz vorher von in 
Böckweiler einquartierten Soldaten aus: 
geihaufelt worden war und auf eine 30 bis 
40 Bentimeter breite, teilmeife mit Wafjer 
ausgefüllte Spalte hinabführt. In der 
ihmalen Kluft Horizontal weiter vorzu- 
dringen war mir nicht möglih, Tropfftein- 
bildungen Eonnte ich Eeine beobachten. Einige 
Meter weiter ın nördlicher Richtung befindet 
ſich eine ähnliche, auch kürzlich ausgefchaufelte 
Erdjenfung, die ebenfalls auf einen gleichen, 
wahrjcheinlich ſogar denielben Spalt hinab- 
führt. Andere Bemerje für das Borhanden- 
fein einer Höhle bezw. den Zulammenhang 
der Erdjenfungen mit der Austrittitelle in 
der Schredelbah fonnten nicht erbradt 
werden ; die angeftellten Schallverjuche halte 
ich für belanglos, Hinfichtlich des aus der 
Austrittsöffnung hervorgefchwenmten Lau: 
bes möchte ich zunächft annehmen, daß diejes 
in den nach außen geöffneten lüften von 
oben abgelagert und durch das von Zeit zu 
Beit bervorquellende Waſſer herausgeſpült 
worden ift, bis bewieſen wird, daß es ſich 
um Laub von bejtimmten, in der Grünbach 
vorfommenden Waldbäumen handelt. 

Bei dem zweiten in Betracht fommenden 
Gebiet zwiſchen Mimbah und Bödweiler 
befinden ſich links und rechts der Straße, 
befonders auf dem Plateau, wo fie „am 
Triſch“ in den Seiterd.Wald eintritt, zahl« 
reiche Einbrüche, in die bei ſtarken Nieder- 
Ihlägen das Regenwaſſer, an einzelnen 
Stellen fogar mit donnerndem Geräuſch, 
verjchwinden ſoll. Mit diefen Einjenfungen 
nun jcheinen tatlächlich ein oder zwei räum- 
li getrennte, weite Austrittsöffnungen zu 


forreipondieren, melde bei Gewitterregen zc. 
fiher ftarfe Waflermafjen entftrömen laſſen. 
Eine davon befindet ſich direft neben der 
Mimbaher Straße am oberen Ende der 
Sitteröflamm, eine zweite im Trichter der 
Dupp- (Tuff) flamm. Aber aud hier fehlt 
der Beweis für die Eriftenz einer größeren 
Höhle. 

Daß tatfähli Hohlräume in unſerem 
Gebiete vorhanden jein müflen, geht aus 
den trichterförmigen Senkungen der joger 
nannten Erdfälle hervor. Sind doch ge: 
rade diejenigen Gegenden, melde im Waſſer 
leicht lösliche Gefteine, wie Halt, Gips ꝛc. 
führen, die eigentlihe Heimat von Höhlen 
und der Begleiterjcheinungen. Das in den 
Boden einfidernde Waſſer ſucht ſich im Erd- 
innern auf lüften feinen unterırdijchen 
Weg und ermweitert dieje vermöge feiner 
Fähigkeit, gewiſſe Beitandteile der Gefteine 
aufzuldien, zu zerjegen und auszulaugen, 
zu Kanälen. Bei fortjchreitender Auslan- 
gung nady allen Seiten bilden fi größer 
werdende, fejjelförmige, unterirdiihe Hohl: 
räume, bis die Dede nicht mehr imftande 
ift, die auf ihr ruhende Gefteinslajt zu tragen, 
und zuleßt einſtürzt. So entitcht ein Erd- 
fall, der ſich mit nadhgejunfenen Teilen der 
darüberliegenden Schichten erfüllt. Da nun 
gerade Gips fich jehr leicht löſt, werden 
wir Einbrüche bejonders dort zu erwarten 
haben, wo zahlreiche Gipsſtöcke vorkommen. 

Tatfählich treten nun auch im Mitt- 
leren Mujchelkalt in der Umgebung von 
Böckweiler zahlreiche Gipseinlagerungen auf, 
die früher einmal abgebaut wurden. Wahr: 
fcheinlich dürfen wir aljo in eriter Linie für 
jeden Erdfall einen vereinzelten, ausgelaugten 
unterirdijhen Gipsftod, in zweiter Yinie 
eine aufgelöjte Partie fohlenjauren Stalfes 
als Urjache des Einbruches annehmen, ohne 
eine zulammenhängende größere Höhle vor- 
ausfegen zu müſſen. Im Gegenteil läßt die 
geradlinige Anordnung der oben erwähnten 
Erdfälle im Grünbadhmalde vermuten, daß 
jpeziell diefe auf eine, auf größere Ent- 
fernung verfolgbare Spalte hinabführen, von 
welcher die Auswaſchung ausgegangen ift. 

Die entjtandenen Hohlräume und Rejer- 
voire, welche bei ftarfen Niederjchlägen fich 
füllen und bei geringem Querfchnitt der 
Ablaufsöffnung die auf den Alüften und in 
den Kanälen zirkulierenden Gewäſſer noch 


131 


——— —————— —— —— — —— — —— — — — 


längere Zeit ſpeiſen können. Endlich treten 
die unterirdiſchen Waſſerläufe beladen mit 
fremden Stoffen als ftändige oder auch nur 
periodifche Quellen zu Tage; hierbei jchei- 
den fi) die mitgeführten Subftanzen aus 
und lagern fich ab. 

Ein gutes Beiſpiel hierfür bietet die 
Kalkfinter abjegende Quelle in dem mitt: 
feren Teil der Dupp-Slamm, die davon 
auch ihren Namen hat (Tuff — landläufige 
Bezeichnung für Kalkſinter). In ihr ift das 
Bachbett mit Kalffinter wie zementiert, 
während die Ränder durch den oberen Bunt« 
fandftein gebildet werden und jchon durd) 
den Farbenfontraft auffallen. Hervorheben 
möchte ich noch, daß die oben erwähnten drei 
großen Austrittsöffnungen ungefähr in einem 
Niveau auf der Grenze zwiſchen Mufchel- 
jandftein und Oberem Wellenfalf liegen und 
eriterer ſomit als majlerleitende Schicht 
fungiert, während die Kalkſinter abjegende 
Quelle weit tiefer im Buntjandftein austritt. 

Was den angeblich am Kahlenberg auf: 
tretenden vulkaniſchen Schlammftrom mit 
eingelagerten Ammoniten betrifft, fo ift diejer 
nichts anderes als die befannte dünnplattige 
Nodojen Schicht des oberen Muſchelkalkes, 
welche gerade mwegen dem zahlreih darin 
auftretenden Ceratites nodosus ihren Namen 
erhalten hat. Der zweite, angeblich jüngere 
jurafiihe Schlammftrom am Binninger Berg 
bei der Warte auf dem Wege zwijchen Bödel- 
heim und Neu-Altheim ift nur eın tiefbraun 
verwitternder mittlerer Muſchelkalk. Die in 
ihm bier auftretenden eiförmigen Gebilde 
(verfteinerte Saurier Eier!) find ais Kon— 
fretionen aus Hornftein zu deuten. Syn 
Quarz verwandelte Saurier fonnten bei 
meiner Anweſenheit nicht gezeigt werden, 
wurden mir aber in Ausficht geftellt. Viel— 
leicht handelt es fich dabei um eigentümlich 
geformte Linſen aus Hornftein,'der im Zuge 
der Medelsheimer Hochftraße beim Aufftieg 
zum Turm von Norden her aud) in mehreren 
bi8 15 cm ftarfen, tieffhwarz gefärbten 
Bänfchen auftritt. Verſchwiegen fol jedoch 
nicht werden, daß nad) den Erläuterungen 
zu Blatt Zweibrücken beim benachbarten 
Breitfurth auffälliger Weile Saurierfnochen 
in dem darunter liegenden Wellenfalf vor- 
fommen, Ziehen wir nun aus den vor» 
ftehenden Ausführungen kurz das Fazit, jo 
ergibt fich, daß in unferem Gebiet 1) vul- 


— 12 — 


kaniſche Erjcheinungen fehlen, 2) wohl ver- 
einzelte Hohlräume an Stelle von ausge: 
laugtem Gefteindmarerial (in erjter Linie 
Gips), die unter fih und wohl aud mit 
der Außenwelt durch Spalten und Stanäle 
in Berbindung ftehen mögen, aber wahr- 
iheinlich Feine großen zufammenhängenden 
Höblen, wenigitens nicht von den angenom- 
menen Dimenfionen, vorhanden find. Yeden- 





fall wäre es nicht nur ein recht Eoftfpieliges, 
fondern daneben aud ein menig ausſichts- 
reiche8 Unternehmen, etwa vorhandene 
größere Hohlräume dur Schächte oder 
Stollen ohne fiheren Anhalt auffuchen und 
erſchließen zu wollen; der Nachweis für 
ihre eventuelle Exiſtenz bleibt beſſer einem 
glücklichen Zufall überlaffen. 
Dr. D. Häberle. 


Beobarhtungen über Emberiza cirlus. 
Bon Friedr. Zumſtein, Lehrer in Bad Dürkheim. 


Der Baun: oder Hedenammer (Em- 
beriza cirlus) hat im Sommer 1906 bei 
Bad Dürfgeim gebrütet. Damit ift dieſe 
Bogelart, die bisher ſehr vereinzelt in 
Deutfchland feftgeftellt wurde, in die Reihe 
der pfälzifchen Brutvögel eingetreten, Es 
ift daher wohl am Plate, weitere Kreiſe 
mit Ddiefem jüngften Bürger unferer ein- 
heimifchen Bogelmwelt befannt zu machen. 

Der Baunammer, ein naher Bermandter 
zu unjerm allbefannten Goldammer, hat 
eine Länge von etwa 15 cm. Kopf, Hals 
und Oberbruft find grünlichgrau Der 
Rüden ift roftbraun; die einzelnen Federn 
find mit ſchwärzlichen Längsfleden gezeichnet. 
Auf dem Unterrüfen und Bürzel ift die 
Färbung aud grünlichgrau, im Gegenſatz 
zu dem Roſtrot beim Goldammer. Die 
Unterteile find bei den beiden Geſchlechtern 
gelblihweiß. Charakteriſtiſch ift die hübſche 
Kopfzeichnung des Männdens. Durch das 
Auge läuft ein ſchwarzer, oben und unten 
gelb eingefaßter Streifen. Derfelbe biegt 
an der Ropfieite nad) abmärts und jchließt 
fih an einen ſchwarzen Kehlfleck an. Unter- 
halb dieſes Kehlfleckes befindet ſich eine 
gelbe, halbmondförmige Zeichnung. Die 
beiden Brujtjeiten zeigen hübjche, roftbraune 
Färbung. Das Weibchen ift weniger ſchön 
gezeichnet. Der Augitreifen ift undeutlicher, 
der ſchwarze Sehlflef mit der hübichen, 
gelben Zeichnung ſowie die roftbraunen 
Bruftflede jehlen, jo daß eine gewiſſe Aehn- 
lihfeit mit dem Goldammerweibchen nicht 
zu verfennen ift, 

ALS eigentliche Heimat des Zaunammers 
werden die jüdeuropäijchen Ränder bezeichnet. 
Auch in der Schweiz ſoll er nicht gerade 


felten fein. In Deutfhland wurden bisher 
die Bodenjeegegend und das Mofeltal als 
ftändige Wohngebiete genannt. Ym rechts- 
rheinifhen Bayern ſcheint diefe Ammerart 
ald Brutvogel zu fehlen. Yädel, einer 
der befannteften bayerifchen Drnithologen, 
kennt fie aus eigener Beobachtung nicht 
und bezmweifelt ihr Vorkommen als Stand» 
vogel. Auch in den Beröffentlihungen der 
„Drnithologiihen Geſellſchaft in Bayern” 
(Jahrg. 1899 — 1904) ift der Zaunammer 
für Bayern nicht vertreten. Umfomehr 
muß daher das relativ häufige Borfommen 
diefer Bogelart als Brutvogel in der Um— 
gegend von Bad Dürkheim auffallen, 

Am 15. November 1903*) jah ich zum 
erftenmale ein BZaunammermännden auf 
einem Dorngebüfch zwifhen Bad Dürkheim 
und Grethen. Doc hielt ich diefes Erem- 
plar für eine zufällige Erjcheinung. Erſt 
fpäter, nachdem ich durch einen glüdlichen 
Bufall mit dem Gefange des Vogels be- 
fannt wurde, konnte ih den Baunammer 
an verſchiedenen Dertlichfeiten feftftellen. 
Nach der Zahl der fingenden Männchen zu 
jchließen, brüten in der nähern und meitern 
Umgebung der Stadt mindeftens 10—12 
Paare. Im Frühling und Borfommer hatte 
ich fogar öfters Gelegenheit, auf dem kurzen 
Spaziergange von Bad Dürkheim zur Lim- 
burg ('2 Stunde) 4 —5 fingende Männchen 
fonftatieren zu können. 

Das Iſenachtal zwiichen Bad Dürkheim 
und Grethen und die Bergabhänge zu beiden 
Seiten des Tales und an der alten Slofter- 
ruine Limburg bilden hauptſächlich das 


* ©. kurze Mitteilung in „Materialien zur 
bayr. Omithologie“, Band IV, Seite 361. 


Wohngebiet des Zaunammers. In dem 
Tale, direkt hinter der Stadt, befinden ſich 
Gärten, mit vielen Obſtbäumen bepflanzt. 
Die Bergabhänge find ſehr ſteil. Durd 
Anlage von zahlreichen Mauerterraflen ent: 
ftehen anbaufähige Bodenfläden. Weinberge 
und Wderfelder, vielfah mit Obſtbäumen 
bewachſen, wechſeln miteinander ab. Da- 
zwiichen erblidt man Sandfteinbrüche, teil 
meile außer Betrieb gejegt, aufgeſchichtete 
Stein» und Schuttmajlen und Fleine Ded- 
ungen, mit Haidekraut, Bejenginfter und 
Dorngebüſch bededt. Nleine Feldgehölze, 
aus Gdelfaftanien, Birken und Afazien ge 
bildet, reichen ſtellenweiſe herab bis zur 
Taliohle. Höher hinauf an den Bergen 
beginnt dann der Kiefernwald. 
Gebiet ift der Zaunammer, wie ſchon früher 
erwähnt, verhältnismäßig am häufigiten an- 
zutreffen. Als weitere Wohnpläge find Die 
Bergabhänge vor Hardenburg, bei Seebad) 
und bei Wachenheim am Ausgange des 
Poppentales zu erwähnen, 

In feinem Wohngebiete führt der Zaun— 
ammer ein ziemlich verborgene Daſein. 
Gewöhnlich figt er auf einem Buſch oder 
in dem Wjtwerf eines Baumes Den 
Menichen jcheut er wenig. Dit konnte ich 
ganz nahe an den Vogel herankommen. 
Auch auf Bäunten unmittelbar neben menich: 
fihen Wohnungen jah ih ihn öfters. Um 
jeine Nahrung zu juchen, welche größten: 
teıl3 aus Sümereren befteht, fommt der 
BZaunammer auf den Boden herab. Ich 
traf ihn auf den Dedungen, zwiſchen Gras 
und Haidefrautbüihen. Im Nachſommer 
findet er fi) gern auf den abgemähten 
Korn- und Kleeädern der Bergabhänge ein, 
wo ıhm reichlich der Tiſch nededt ift. Dem 
Beobachter verrät er fih durch feinen Lod- 
ton und den charafterischen Geſang. 

Der Lodton ift ein lang gezogenes 
„ieh“, welches, von furzen Pauſen unter: 
broden, mehrmals wiederholt wird. Faſt 
ganz ähnlich klingt der Lockruf des BZipp- 
ammers (Emberiza cia), welder an den- 
jelben Dertlichkeiten vorfommt. Nach meinem 
Tafürhalten lodt der Baunammer etwas 
lauter. Doch ift die Aehnlichkeit jo groß, 
daß ich noch jegt troß längerer Beobachtung 
nicht imftande bin, beide Vogelarten nad) 
dem Lockruf fiher zu unterfcheiden. Da 
auch die unterjcheidenden Merfmale des 


In diefem | 


133 








Gefieders nicht befonders auffallend find 
und in furzer Entfernung jchon verfchwinden, 
fo iſt die Möglichkeit einer Verwechſelung 
beider Arten leicht gegeben. 

Kaum hat die Frühlingsionne die Berg- 
abhänge von der minterlihen Schneedecke 
befreit, läßt jchon der Zaunammer fein eigen 
artiges Lied hören. So fonnte id 1906 
am 6. März, 1907 am 28. Februar den 
eriten Frühlingsgeſang feititellen. Beim 
Singen ſitzt der Bogel gewöhnlich ganz frei 
auf der Ajtipige eines Baumes, ähnlich mie 
es Amſeln und Drofjeln zu tun pflegen. 
Manche Sänger haben geradezu Lieblings: 
bäume, auf denen man fie immer mieder 
antreffen fann. Der Gelang befteht aus 
einer furzen, einförmigen Strophe, melde 
etwa 3 Sekunden andauert. Man fann 
ihn mit den Silben zir, zir . . wieder: 
geben. Dabei denfe man fich diefelben jo 
raſch ausgeftoßen, daR eın ununterbrodenes, 
lautes Klirren entſteht, indem einzelne Töne 
nicht mehr unterjchieden merden können. 
Bei den einzelnen Eremplaren ift die Hlang- 
farbe des Gejanges verſchieden. Manchmal 
hört man Strophen, weldye rauher flingen 
und durch die Silben zär, zär.... . . dar- 
geftellt werden können. Um den Gejang 
des Baunammers zu veranfhaulichen, möchte 
ih aud an das Geflapper der Zaungras 
müde erinnern; doc ijt dieſes Geflapper 
reiner und wohlflingender. Das Lied ſcheint 
dem Vogel Anſtrengung zu verurſachen; 
denn der ganze Körper befindet ſich beim 
Singen in Erſchütterung. Der Zaunammer 
iſt ein eifriger Sänger; von Tagesanbruch 
bis in die Abenddämmerung hinein läßt 
er ſich hören. Auch kann man bei dieſer 
Vogelart einen ausgeſprochenen Herbſtgeſang 
feitftellen.. Nach einer Pauſe, welche etwa 
von Anfang Auguſt bis halben September 
dauert, beginnt die Il. Periode des Gejanges 
und endigt erit etwa Mitte November. Aus 
meinen Aufzeichnungen möchte ich folgende 
Daten anführen: 1906: 19. September, 
1907: 30, September eriter Herbitgejang; 
1905: 4. November, 1906: 18. November 
legter Herbitgelang. Un jchönen Herbittagen 
flingt das Lied jo häufig und lebhaft wie 
im Borjommer, 

Das Neit des Baunammers fand ih am 
1. Juli 1906. Die piependen ungen, von 
den Nlten gefüttert, wurden zu Verrätern. 


Das Neit befand fi) am Bergabhang auf 
der linken ienachfeite, ungefähr TO m über 
derZahljohle. Die Aefte eines verfrüppelten 
Stieferbäumchens am Rande eines lichten 
Gehölzes waren fo dicht ineinander ver: 
mwacjen, daß man nicht hindurchſehen fonnte, 
An diefem Aeſtegewirr ſtand das Neft, un- 
gefähr 1'/; m vom Boden entfernt. Es 
befaß eine ftarfe Unterlage aus dürren 
Halmen und Wurzelwerf;; die Nukenmände 
waren aus Halmen, Moos und einzelnen 
dürren Gichenblättern hergeftellt. Yın Innern 
war c8 mıt feinen Würzelchen und einzelnen 
Haaren ausgelegt. Das Neft enthielt zwei 
beinahe flügge Junge und ein unbefruchtetes 
Ei. Obwohl ich die Aefte vorfichtig in die 
Höhe hob, verließen die ungen das Neft, 


trogdem fie noch nicht gut fliegen Fonnten, | 


und verjtedten fi) im Haidekraut fo gut, 
daß feines mehr aufzufinden war. Das Ei, 
welches fich noch in meinem Befige befindet, 
hat eine Länge von 21 mm und einen 
Breitedurchmeiler von 16 mm. Die Grund 
farbe iſt weißarau, etwas ins Grünliche 
ſchimmernd. Davon heben ſich zahlreiche 
ſchwarzbraune Punkte und Fleckchen ab. 
An manche derſelben ſind kleine Kritzelchen 
angehängt, ſodaß Gebilde entitchen, die mit 
winzigen, erit dem Ei entichlüpften Kaul— 
guappen eine gewiſſe Mehnlichkeit haben. 


Zwiſchen den jchwarzbraunen befinden fich | 


dann auch noch hellere, verwaſchene Fleckchen. 
Jedoch muß bei diefem Etberückſichtigt werden, 
daß es infolge der Nichtbefruchtung mindeſtens 
4 Wochen im Neft gelegen iſt und die Friſche 
der Farben jedenfalls gelitten hat, Die Fund: 
zeit des Neſtes (1. Juli) läßt die Annahme 
einer II. Brut vechtfertigen 

Der Zaunammer iſt bei uns Zugvogel. 
Anhaltspunkte für den Frühjahrs und werbit- 
zug bilden die weiter oben erwähnten Daten 
über den eriten bezw. legten Sejang. Die 
erften Ankömmlinge treffen demnach anfangs 
März ein, Nach der Häufigfeit des Ge: 
junges zu urteilen, find bis Anfang April 
alle Gremplare angefommen, 
zug beginnt Mitte Oftober und dauert bis 
tief in den November binein. 


Im legten Fahre hat der Haunammer | 


jogar übermintert. Es iſt dies umſo be: 
merfenswerter, als der Winter 1906.07 für 
unjere Gegend der fältefte und jchneereichite 
jeit 10 Jahren war, Die erſie Beobad)- 


Der Weg | 


134 











tung, die auf eıne Ueberwinterung ſchließen 
ließ, datiert vom 4, Dezember 1906. Zu 
meinem Erjtaunen vernahm ich in der Nähe 
des Friedhofes Zaunammergefang und fonnte 
bald den Sänger auf der Spige einer Linde 
auffinden. Am nädjften Tage hörte idy an 
der gleichen Dertlichfeit ein Eremplar unter 
Finken lodfen. Kurz vor Weihnachten 
(24. Dezember) beobachtete ich ein Baar auf 
einem Zwetichgenbaum am Bergabhang hinter 
dem Friedhofe. Am 9, Januar 1907 jah 
ich 1 Männden und 2 Weibchen nebjt einem 
Bippammermännchen auf einem Slecader 
am Yımburgabhang. Die Sonne hatte ftellen: 
weiſe, namentlich am Rande des ftügenden 
Gemäuers den Erdboden vom Schnee frei: 
gemacht. Hier ſuchten die Vögel Gras: 
und Unkrautſamen. Aufgeicheucht flogen fie 
in ein nahes Dorngebüfch Am 13. Februar 
jaßen 1 Männchen und 2 Weibchen (viel: 
leicht die gleihen vom 9, Januar) im Ge: 
büſch am jogenannten Geißenmweg. Die 
Weibchen zeigten an den Schenfelieiten 
dunfle Längsfleckchen. Die Bögel flogen 


| bald ın einen nahen Wingert und fuchten 


dort eifrig den Samen des Hühnerdarmes, 
Um dieſe Zeit war die Kälte und Schnee: 
periode vorüber, ſodaß die Vögel ſicherlich 
den ſtrengen Winter fiberftanden. Den früher 
erwähnten, auffallend frühen Frühlings— 
pelang vom 28, Febr. 1907 möchte ich einem 
ſolchen überwinterten Exemplare zuichreiben. 

Zum Schluſſe muß ich noch einer Ferien— 
beobadytung Erwähnung tum. Am 16. Julı 
diefes Jahres konnte ich den Zaunammer 
ber dem Dorfe Tannenberg am Fuße der 
vohenfönigsburg feſtſtellen. Zwei Männ- 
chen ließen aus den Obitbäumen des Wielen- 
grundes unterhalb des Dorfes ihren Belang 
hören. Much bei dem franzöfiichen Bogelen- 
bade Gérademer vernahm ich am 18. Juli 
den charafteriftifchen Geſang diejer Ammer— 
art. Demnach ift der Raunammer auch 
Bemohner der Bogejen. Aa, aus diefen 
zufälligen SFeftitellungen ift anzunehmen, 
daß dieſe Vogelart häufiger vorfommt als 
bis jegt befannt war. Beſonders wünſchen 
möchte ich, daß der eine oder andere Leſer 
der „Pfälz. Heimatkunde” nach dem Baun- 
ammer Umschau halten würde. Ich bin der 
fihern Ueberzeugung, daß er noch an ver- 
Ichiedenen Stellen, namentlid am Rande 
der Haardt zu finden ift. 


135 


Mir deutet der Pfälzer fremdartige Ausdrücke um? 
Bon Theodor Zink in Katferslautern. 


(Schluß). 


Ehe ich umgedeutete Spridmwörter und 
Redensarten fur; anführe, möchte ich eınige 
beionders ſchöne Beiipiele aus dem Gebiete 
der Gattungsnamen anführen: 


Wer fih in der Nordpfalz durch Holz: 
frevel eine FForftitrafe zuzieht, der erhält 
eine Waldruh, der FFeldjrevler vom Feld— 
ihügen eine Feldruh. Auf den erjten Blick 
weiß niemand, der das Wort zum eriten 
Mal hört, was er fich unter dem zweiten 
Teile denfen ijoll; denn Ruhe darf er, wie 
das Volf es tut, nicht heranziehen, obwohl 
ruh in Waldruh und Ruhe lautlich gleich 
find. Daß das Volk diefe Beziehung her 
ftellte, ilt leicht zu erflären, da unjerm ruh 
fein meitered ftammvermwandtes Wort zur 
Seite ſteht. Es hängt mit ruge, d. i. Rüge, 


zujammen, das die Mundart nicht mehr | 
Daß e8 aber einſt häufig war, be= | 


fennt. 
zeugen BWaldruh und Feldruh und die 
iormelhafte Wendung in unjern Weistümern: 
die schöflen weisen und rügen. Sm 
amtliden Verkehr ſpricht man auch heute 
roh von Forſtrüge und Forftrügegericht. 
Im 16, Jahrhundert wird in Natjerslautern 
noch von Waldruge geſprochen.!) 
Umgefchrt wie ruge zu Ruhe wird, 
verwandelt fich altdeutiches ruowa in der 
Borderpjalz in rug, Eigenichaftswort: riwig 
(ruewig) — ruhig und in das Yeitwort ruge. 
Der befannte Eleine Handbohrer Näber 
aus Nabegör, älter nabi-" ger, wird im 
Weſtrich zu mälbörxe, das ſich auf die 
Umitellung nageber, negeber zurückführen 
lässt. 
obwohl der Begriff „teuer” bezeichnet wird, 
Der Bollerwie, ein großer Wagen mit 
jchweren Dielen, it fein „Polterwagen“?) 
troß ſeiner Schwerfälligfeit, jondern ein 
Bohlenwagen, auch Bordenwogen genannt. 


!, Der Nordpfälzer jagt im Sprichwort: 
„Hör uff je ruhe!” (Hör auf zu ruhen‘), wenn 
er im Geſpräche einem andern widerſpricht. Daß 
„ruhen“ feinen Zinn ergibt, liegt auf der Hand. 
Der Vorderpfälzer aber jagt bei Annmeiler und 
Bergzabern „hör uff se rüge!*. rugen — rügen, 
das, weil e8 in ber Volksſprache nicht mehr 
tebendig iſt, Hier nur noch formelbaft erjcheint 
oder umgedeutet wird. 

) Bollern = Böllern! 





macher. 


Koftſpielig iſt koſt billig (koöſcht bellia). | 





So wird das alte Borfird (empor) zur 
Bordekörch; der Trauring aber zum Drei- 
ring.°) 

An Kraftausdrüden deutet der Pfälzer 
gerade fo gerne um wie die andern Deutſchen. 
Das Ehrwürdige möchte er doch nicht fo 
ganz in den Staub ziehen und wählt daher 
lieber ähnlich Elingende Wendungen: Statt 
einem fräftigen: Donnerwetter! hört man 
überall! Dunnerschbere! Dunnerledder, 
Dunnerweſchtrich! 

Aus der Herrgottsſonnenwelt wird Herr: 
gotts hunnewelt; aus dem franzdf. Sacre 
nom de dieu!®): Saderdiss noch e mool! 
Sappermoicht! Sabberdibunnojh. Ein Herr- 
gottiaframent: Herrgott, ſags kä'm Menſch! 
oder Herrgott ſacker minſch! (Bliesgegend.) 
Allmächtiger Gott! lautet oft im Scherz: 
Allmeeſiger Kruck. Kreuz Stempel an der 
Bettlad — Kreuz: Standeböhl (Ort) oder 
„Speyer, Dum un Altpörtel!“ 

Wer übertreibt, macht e Aria aus ebbes 
(Aria für arg). Der Streikende „macht 
Stricke“. 

Wenn aber ein Kind verdroſſen iſt und 
„e Schibbche macht“, jagt man auch: „es 
läßt die Fläſch henke“. Fläſch ift wohl die 
Flaſche, tritt aber an Stelle von Flenich 
oder Flinſch, mbd. flinz für Lippe, 

Ein anderes Mal heißt e8: Do figt er 
un bakt uff wie e Hechelmaus, ftatt Hechel: 
Die Hechel iftein feines vielzähniges 
Werkzeug zum Meinigen des Hanfes oder 
Flachſes, das jorgfälttg behandelt fein will, 

Auf flüchtiger Umdeutung beruhen ferner: 
„Weis emool!" — „S'iß net weiß!“ — „ch 
gläb Ss net!” „Wann du’s net gläbft (flebft), 
dann babbe!” Er iß net vun Merkſem 
(Merrheim am Hunsrüd), weil er nicht 
viel behält. Amer er fann leſe, wo's did 
leit (liegt), do raffe meerd. ES geht aud) 
zur Bas Lehue (leihen). Endlich geht er 
noo Berhlehem (häm ins Bett). 

Wer eine Schwierige und ausjichtsloje 
Arbeit übernimmt, „treibt Schnee imer 
die Broch” (Brachacker). In Saiferslautern 
und in der Eifel treibt man iwer's Brut! 


a» Treuring ? 
*% Salernunbidjee. 


— 136 — 


denn dem Städter liegt die Bruchlandichaft | laffen, da ich glaube, auf diefem Gebiete 
näher al8 die Aderbrache, die er vielfach | den Reichtum unjerer Volksſprache erwieſen 
nicht mehr fennt. Die alte Redensart aut | zu haben. Es find, jtreng genommen, Irr— 
oder naut: etwas oder nichts, ahd, iowiht | tümer, die ich aufdecken mollte, aber jolde, 
und niowith, klingt Haut oder naut. — | auf die wir ftolz jein fünnen, da fie von 

Meinen Borrat an volfstümlichen Um- | der großen Sprachkraft des einfachen Volkes 
deutungen babe ich lange nicht erichöpft. | Zeugnis geben. Nur lebende Spraden 
Ich mill ed aber mit Beiſpielen genug fein | kennen die echte volfstüimliche Umdeutung. 








Bur Umfrage über den Meinban in der Rheinpfalz. 


Durh das fürzlib im Verlag von | und Odenbach a. Glan 893, Nocd gegen 

Heinrich Keller, Frankfurt a. M., erichienene | Ende des 15. Yahrhunderts beſaß das 
3bändige Werf von Dr. Friedrich Baſſer- Hlofter St. Marimin in Trier ca 10 Morgen 
mann Jordan: Gejchichte des Weinbaues | Weinberge in Münfterappel.?) 
unter bejonderer Berüdjichtigung der Baye— In Kirchheimbolanden befanden fich nad) 
riſchen Rheinpfalz iſt eine Lüde in der | Hopp vor dem 30jährigen Kriege Weinberge 
Literatur ausgefüllt worden, da es die erite | an dem jetzt mit Niederwald bewadjienen 
Veröffentlichung über diefen Zweig der | Yudenberg, wo noch heute Spuren davon 
pfälziſchen Kulturgeſchichte darftellt. Eine | vorhanden find,*) 
furze Ueberficht über den reichhaltigen Jn+ | Nefte alter Weinberg Terraflen fonnte 
halt gibt ungefähr der von dem Autor vor | auch ich in mehreren bochgelegenen Wald: 
zwer Sahren auf dem 22, Weinbaufongrek | parzellen ſowohl ım Glantal bei Odernheim 
gehaltene und auch in diejer Zeitichrift 1905 | und Rehborn, als bejonders an den Hängen 
9.97 ff. abgedrudte Vortrag und geftattet | der Haardt beobachten, wo unter den heu 
dadurc) die Erledigung einer Anzahl der | tigen Berhältniffen' die Bedingungen für 
geftellten Fragen; auch die Veröffentlichung | die Erzeugung eines die YUrbeit lohnenden 
von Otto Stang auf ©. 32—33 dieſes Qualitätöweines nicht mehr ausreichend 
Jahrganges bietet ſchon Material für die | fein dürften. 
Beantwortung der Umfrage. Naturgemäß | Daß die Klöfter infolge der ungünftigen 
find hierzu die Bewohner der heute noch | Verkehrsmittel durd Anlage von Reben— 
Weinbau treibenden Gegenden cher berufen | pflanzungen an nur einigermaßen geeigneten 
ald die des rauheren Weſtrichs, für die | Punkten ihrer Umgebung den eigenen Be: 
hauptiählich nach Frage 7 nur die Feſt- darf an Wein zu deden fuchten, ift eine 
ftellung derjenigen Lofalıtäten in Betracht | befannte Tatſache und wird 3. B. aud 
fommt, an denen urkundlich’) früher Wein: | durch den heute nod gebräuchlichen Flur— 
bau getrieben wurde; nur zu frage 1 möchte | namen „Wingertsberg” bei Otterberg be— 
ich ergänzend bemerfen, daß auch die &ewann- wieſen. 


bezeihnung „Hofſtück“ nah Ballermann: Ein anderer Wingertöberg wird gelegent» 
Jordan (1905 ©. 112) neben Kirchenftüd | lich der Beſchreibung der Wälder dieſes 
als alter Weinflurname anzuiehen ift. Klofters bei Sippersfeld erwähnt; an ihn 


In einer Ueberficht über den Weinbau | ftieß, durch die Örenze getrennt, der Laden 
im Alfenztal nennt Pfarrer Drefcher?) | berg.?) 
neben Kreuznach als alte Weinorte: Nor- Auch an der Yauter reichte der Wein 
heim 766, Hüffelsheim und Cangenlonsheim | bau früher weiter talaufmärts als heute. 
169, Monzingen 778, Münfterappel 860 Nah der Beichreibung des Königslandes 

(Amt Wolfftein) durch den Kurfürſtlichen 

— R Die in den Urkunden des Kloſters Sorfe Forftmeifter Bellmann befanden ſich 1600 
(Codex Lauris hamensis) aus dem 8. HYahr- | TI 2 
hundert aufgezählten Weinbau ara DR ) Ebendafelbft 1905 ©. 67. 
jeße ich als befannt voraus. *, Ebendaſelbſt 1906 ©. 1. 


) Norbpfälz. Geſch.Bl. 1906 ©. 22 fi. ®, Kreis⸗Archiv, Faſzikel 344 ©. 4. 





— 137 — 


zu Kaulbach am Kirchberg und zu Olsbrücken 
in der Dittenbad, in der Höl und am 
Nebiger Weinberge.) 

Auch in KRaiferslautern ſcheint man da» 
mit Berfuche gemacht zu haben. Um 1. 
Februar 1571 murde nämlich dem Rat 
durch den Bürgermeifter mitgeteilt, daß 
mehrere Bürger am Stahlenberg Wernberge 
anlegen wollten. Der Rat gab eine Zu: 
fiimmung „die Weinumpflanzungen fürzu- 
nehmen, welches do eö geratten möcht und 
der Tiebe Gott jeinen ſegen und gedeien 
dazu geben und verleihen möcht, gemeiner 
Natt und Bürgerfchaft nit allein zu lob, 
fundern auch zu gut gereichen möche.“ Bur 
Förderung diefes gemeinnügigen Beſtrebens 
wurden die Grundftüde auf 12 Yahre ohne 
Zins überlaffen.”) 

Bur Gewinnung möglichft großer Quan⸗ 
titäten ohne Rüdfiht auf die Qualität hat 
man vielfad auf Grundftüden, die ſich eher 
für alle anderen Aulturpflanzen als für 
Reben eigneten, Weinberge angelegt. Mit 
Recht wurde daher auch im Gartorius- 
Prozeß darauf hingewieſen, daß mancher 
Kartoffelader mit Neben bepflanzt und 
deren recht geringwertiger Ertrag durd 
ſtarkes Zuckern genießbar gemacht worden 
jei. Es ift vorauszufehen, dak wir mit 
der Beit zu einer Einichränfung des Reb- 
baues in den hierfür meniger geeigneten 
Lagen kommen werden: „Wo der Pflug 
anwendbar ift, wird Adferfeld, wo 
Obftbäume gedeihen, wird der 
DObftbau, wo beides verjagt, wird 
der Bald an die Stelle der Neben 
treten müſſen.“ 

Als in den Bereich der Umfrage fallend 
find bier wohl auch die jährlichen fogenannten 
Bau- oder Weinfahrten oder Fahrten ins 
Beingebirge?) zu erwähnen, welde den 
Pächtern der Klofterhöfe im Weſtrich auf- 
erlegt wurden, aus von den in der Border: 


pfalz gelegenen Weingütern die Kreszenz 


beimzuholen. Wie nun jpäter beim Ueber: 
gang von der Natural= zur Geldverpflegung 
der „Gompetenz-Wein“ nicht mehr einen 
Teil der Befoldung bildete, wurde für die 


®, reidarchiv, Saal- und Lagerbuch Nr. 124 
©. 240 ff. und 2382 ff. 
) Küchler, Chronik von Lautern ©. 46. 
*), Hüberle, Das Neihsland ©. 178, 


Fahrten?) gegen den Willen der geldarmen 

Pächter, die lieber die Fahrt geleiftet hätten, 

eine beftimmte Summe in bar eingezogen. 
Dr. D. Häberle. 


MWeinpreife ans alter Zeit 
verraten manchmal gewiſſe Inſchriftſteine. 
Was im Jahre 1576 der Wein koſtete, 
davon gibt nach der „Gegenwart“ ein am 
Haufe Göring jr. in Rhodt angebrachter 
Stein Zeugnid. Seine Inſchrift lautet: 
„Man zählet 1576, da der Bau angefangen 
bat, da koſtet der Wein 40 fl. und Neuer, 
und das Malter Korn war 4 Bapen bar”, 
— Ueber dem Torbogen der Burg Flecken 
ftein bei Schönau ift eine Anfhrtt auge: 
meijelt, worin in gotiſchen Minusteln be- 
kundet wird, daß Torwarte und Umfaflungs- 
mauer der Burg im Jahre 1429 erbaut 
wurden, da ein Seſter Korn 10 Schilling 
Denare, ein Ohm Wein 9 Schilling Denare 
und 10 Heller Eofteten (Heuſers neuer 
Pfalzführer). 


Wo iſt der älteſte Wein der Welt zu 
taufeu? 

Amerikaniſche Blätter antworten: In 
Amerika! In New-York find ſoeben 20000 
ME. für ein Faß Sherry aus dem Jahre 1767 
bezahlt worden. Die Leje wurde für Napo- 
leon I. aufbewahrt, und eine Feine Menge 
ging an den König von Spanien. Napoleon 
erflärte den Jahrgang für befonders gut; 
aber er war zu ſehr mit jeiner Sriegs- 
führung bejchäftigt, um ſich viel um feinen 
Weinteller zu kümmern. Das Faß murde 
in den Tuilerien niedergelegt, fam nach der 
Schlacht bei Waterloo zu Tage und wurde 
ſchließlich nach Amerika verkauft. 


Ein ſeltſamer Handel. 

Eine jüdweftdeutiche” Zeitung aus dem 
Yahre 1816 berichtet uns von einem merf- 
würdigen Handel. Im Herbite diejes Jahres 
ihloffen zwei Bürger aus Pfeddersheim bei 
Worms miteinander folgenden Bertrag: 
der eine überließ dem anderen im boraus 
die Kreszenz von D aut erhaltenen Morgen 
Weinberg gegen ein Maß Wein aus dem 
Jahre 1811. Das Blatt fügt hinzu, daß 

) Für eine folche Fahrt wurde & B. vom 
Daubenbornerhof bei Katjerslautern bis £ ben 
Stiftägütern im BZellertal um 1770 der Betrag 
von 5 fl. angeiet. 


— 18 — 


die Männer, die diefen Handel abſchloſſen, 
ernfte, vernünftige Qeute gewejen jeien und 
nicht etwa übermütige, junge Burfchen, die 
wohl im Wirtshaus gern einen folden 
Handel abfchließen, um hinterher von den 
beiderjeitigen Abmadhungen zurüdtreten, 
wenn der, der bei dem Gefhäfte zu Schaden 
gefommen wäre, der Tiichgejellichaft reichlich 
ſpendiert. Diefe Nachricht ift überhaupt 
jehr glaublih; denn die Jahre 1811 und 
1816 waren, was die Ereigniffe der Ernte 
anbetrifft, von Grund aus don einander ver: 
fchieden. 1811, dag „SKometenjahr” ge: 
nannt, weil im Frühjahr ein merfmürdiger 
Schmweifftern am Himmel ftand, war von 
jeltener Fruchtbarkeit. Der Kometenwein, 
der Elfer, war der vorzüglichite des ganzen 
19, Zahrhunderts. Die folgenden Jahre 
brachten nur mittelmäßige Ernten, und das 
Jahr 1816 führt heute noch im Munde der 
nadjlebenden Generation den Namen „das 
Hungerjahr”. Unhaltende Regengüſſe im 
Sommer ließen das Getreide nicht reif 
werden, das daraus gewonnene Brot war 
faum zu genießen. Das Futter faulte auf 
dem Felde, der Weinitof kam nicht oder 
vereinzelt zur Blüte. Infolgedeſſen war die 
Not in den Gegenden Deutichlands, die 
wie die Eifel und der Wefterwald ohnedies 
von der Natur ftiefmütterlich bedacht find, 
jehr groß. Im deutichen Südweſten, mo 
dur; die in der Franzoſenzeit gejeglich 
ſanktionierte Parzellenwirtſchaft jo ziemlich 
der ärmite Taglöhner jein Stüdchen Land 
hatte, da8 er mit Startoffeln beftellte, war 
der Mangel nicht in gleihem Make fühl- 
bar. Gute Geſchäfte fcheinen damals die 
Eifigfabrifanten und Branntweinbrenner 
gemacht zu haben, denn in Rheinheſſen legte 
man im Hungerjahre diejen beiden Gewerben 
eıne bejondere Steuer auf, deren Ertrag man 
an die Notleidenden verteilte. (H. Tgbl) 


Tierifhe Rebihadlinge und ihre Feinde. 


Während man gegen die in die Klaſſe der 
Ktryptogamen gehörigen pflanzlichen Rebichäd: 
linge in den legten Jahren ziemlich Eräftıge 
Abmwehrmittel gefunden hat, fonnte man den 
tieriichen Feinden des Weinftodes bis jetzt 
noch nicht recht beifommen, Nach neuer: 
lihen Beobachtungen wurden die Raupen 
des Traubenmwidlers (Gonchylis ambiquella 
Hübn.) und des Springwurmmidlers (Tor- 


trix pilleriana 3) in ziemlich ftarfe Säuren, 
fomweit fie den Reben jelbft nicht ſchädlich 
waren, geworfen. Die Kerfe blieben jedoch 
nah 30 Min, Aufenthalt in diefer Löſung 
nod am Leben, zeigen demnach eine unge» 
meine Zähigfeit des Lebens; dabei entwideln 
die Schädlingsraupen eine ſtaunenswerte 
Gewandheit, fich ihren Verfolgern durch die 
Flucht zu entziehen, indem fie ſich bei Be— 
rührung des Aufenthaltsblattes fofort zur 
Erde fallen laffen. Der Springwurm 
fchnellt fi) mit außerordentlihen Mustel- 
fräften fort, daher jein Name. Der Haupt- 
grund, warum ſich diefes Ungeziefer fo ſtark 
vermehrt, ift darin zu juchen, daß die fort- 
ichreitende Bodenkultur die als Niftorte für 
unfere nüglichen Smfektenvertilger in der 
Vogelwelt unentbehrlihen Heden und Ge— 
fträuche mehr und mehr ausgeroder hat. 
Die Folgen hiervon konnten nicht ausbleiben, 
Die nüglichite Vogelart bei Bertilgung der 
Ferien find die Meijen (Paridae), melde 
es verftehen, ein beitimmtes Gebiet auf das 
gründlichfte zu unterſuchen und die ver: 
borgenften Sterbtiere aufzufinden. Da ein 
einziger Bogel pro Tag wohl an 1000 
Kerfe zur Nahrung braucht, ift der Nugen 
befagter Bögel augenfcheinlid. Einen neuen 
Feind, der nad) jüngsten Beobachtungen jehr 
intenfiv zu arbeiten fcheint, befigen die Reb— 
ftöde in dem Ohrwurm (Forficula auri- 
eularia). Wir bemerften bei Unterjuhungen 
der Rebanlagen, daß aus fat jedem dürren 
Blatt, worin fi Raupen oder Puppen der 
Widler befanden, ein Ohrwurm jchlüpfte 
und fanden da die Larven oder Puppen 
des Traubenwidlerd und ded Springwurm- 
wicklers überall außgehölt und ausgefreflen. 
Es jcheint alfo der Ohrwurm bei Bertilgung 
des erwähnten Ungezieferd, welches die 
MWeinanlagen dezimiert, eine große Wolle 
zu Ipielen. Ob nun der Ohrwurm bei 
Beihädigung der reifen Trauben‘, jeinen 
Nugen ftarf verringert, bleibt wohl nod) zu 
unterfuhen. Da er an unreife Früchte 
nicht geht, die Zeit des völligen Reifſeins 
und der Süße der Trauben ſich jedoch auf 
eine nicht zu lange Zeit beichränft, iſt eine 
intenfive Schädlichkeit des Ohrwurms viel: 
leicht doch nicht anzunehmen. Im Intereſſe 
unjeres heimiihen Weinbaues ift eım fort: 
ichreitende® Studium der Weinjchädlinge 
jehr zu wünſchen. Pfälz. Preſſe. 


— 158 — 


Eine alte nnterfräntifhe Traubenfelter. 
In der dem Zentralblatt der Bauver- 
waltung beigegebenen Zeitjchrift „Die Denk» 
malpflege” jchreibt Prof. Delenheinz: In 
dem alten Pfarrdorf Unfinden bei Königs: 
berg in Franken hat fih ein altes ein- 
ftödiges, jet unbewohntes Haus aus dem 
Jahre 1568 erhalten. Der einftige Beliger 
hatte gewiß große Weinberge zu eigen, denn 
im binterften großen Raum fteht noch eıne 
mächtige hölzerne Kelter. Heute außer 
Gebrauch, vergeffen und verftaubt, ift fie 
doch ein Werk, das Beachtung verdient, fo 
recht geeignet, einen Platz im Deutjchen 
Mufeum für Meifterwerfe der Technik ein 
zunehmen. Die gewaltige hölzerne Maſchine 
ift nicht nur ein bloßer Gebrauchsgegenftand, 
fie ift au, man möchte jagen, eine archi— 
teftoniihe Leiſtung monumentaler Art. 
3,52 m meffen die ftarfen eichenen Pfojten, 
welche die Führungshölzer einer Schraube 
von 30 em Stärke tragen. Der Aufbau 
zeigt fchlicht und Elar die Beftimmung der 
Maſchine zur Ausübung eines ftarfen Druds 
nah) unten. Die menigen Öliederungen, 
meift Faſen, mwirfen im Verein mit den 
teilen und Scheren ganz reizvoll. Alles 
ift aus Eichenholz, und das erhöht noch 
den gediegenen Eindrud. Wir werden nicht 
fehlgehen, wenn wir das Alter dieſes jeltenen 
Bauwerks in die Zeit vor dem dreißig. 
jährigen Krieg, vielleicht bis 1568, in die 
Erbauung des Haufes zurüdverlegen. Denn 
nad dem großen Kriege war die ganze 
Gegend lange verarmt durch unendliche 
Blünderungen und Rriegslaften. In einem 
anderen alten Hauje des Ortes jteht eine 
ähnliche Kelter, doch nicht von jo jchöner 
Durdführung wie die bejchriebene. 


Rebe und Rofe. 

Um der Not der Weinbauern im Süden 
Frankreichs abzuhelfen, wird von gärtneriſcher 
Seite ein eigenartiger Vorſchlag gemacht: 
einen Zeil der Weingärten in Rojengärten 
umzuwandeln. Der Boden, auf dem die 
Rebe gedeiht, jo wird verfichert, iſt auch 
für den Roſenſtock günſtig. Es würde fich 
um Unlage von Rojenfeldern zur Gewinnung 
von Rofenöl handeln, in der Art, wie die 
Roſenkultur im Orient, beifpieldweife auch 
in Bulgarien, gehandhabt wird. Das Rojen: 
öl, der Roſenextrakt, ift für die Parfümerie 


von großer Bedeutung, und der Induſtrie⸗ 
zweig der Parfümerie fteht ja gerade in 
Frankreich in hoher Blüte. Man hat aus- 
gerechnet, daß ein Hektar 8000 Roſenſtöcke, 
mit je 1 Meter Abftand, tragen könnte. 
Nach drei Jahren könnte jeder Stock 200 
Roſen hervorbringen. Wiegt die Mofe 
4 Gramm, jo würde man auf einem Hektar 
6400 Kilogramm Rojenblätter erzielen. Ein 
Kilogramm Roſenblätter liefert allerdings 
nur 8 Dezigramm GErtraft; ein SHeftar 
brächte aljo nur etwas mehr als 5 Kilo» 
gramm Ertraft; aber das Stilogramm Roſen⸗ 
ertraft wird von der Induftrie mit mindeitens 
1000 Fres. bezahlt. Der Ertrag eines 
jolhen Rojenfeldes betrüge demnach min- 
deitens 5120 Fres. Dabei ift zu bemerken, 
daß der Preis des Rofendls fi, je nad) 
der Qualität, bis zu 3000 res. für das 
Kilogramm fteigert. Womit ermwiejen wäre, 
daß die Winzer ein einträgliches Geſchäft 
machen Eönnten!... Bei diefer Berechnung 
wird vielleicht daß eine außer acht gelafjen: 
daß eine große Produktion von Rojenöl im 
Inlande notwendigerweije bald zu einer 
Berbilligung der Ware führen müßte. Ein 
gejunder Gedanfe ift e8 jedenfalls, den 
Winzern eine andere Bepflanzung ihres 
Bodens zu empfehlen. Man braudte da 
jedoch nicht einmal an Roſen oder ähnliches 
Bernliegende zu denfen. Bis um Mitte 
des 19. Jahrhunderts hat man in den jeßt 
notleidenden Gebieten nur den minder- 
mertigen Boden mit Reben bepflanzt, den 
fetteren Boden allenthalden mit Weizen. 
Erft jeit 185354 eine Getreidefrankheit 
ausbrach, änderte man allmählich das Syſtem, 
und als dann eine Haufe der Weinpreife 
eintrat, ftürzte fich faft die gefamte Land» 
bevölferung auf den Weinbau, Es märe 
zu erwägen, ob man nicht wieder zum 
Getreidebau zurüdfehren ſollte. Auch die 
Anpflanzung von Dlivenbäumen fäme in 
Betradt. Vorläufig bat das aber einen 
Hafen: die Winzer leugnen hartnädig, daß 
die Ueberproduftion an ihrem Elend ſchuld 
jei. Sie laffen fich nicht davon abbringen, 
daß der Grund lediglich in der Weinfälfchung 
zu fuchen ſei. Sie wollen nidhts anderes 
bauen als Wein, und ihr Verhältnis zu 
den Behörden ift zur Zeit nicht derart, daß 
fie fih irgenhwelden Anregungen und Rat- 
ſchlägen von oben zugänglich zeigen würden. 


Seit wann gibt es bei uns Wein- 
utſchereieu? 


Ein Präludbtum zum neuen Weinparlament. 
Bon Theo Seelmann. 

Graf Poſadowsky wird ein neues Wein» 
parlament von 50 Sadverftändigen ein 
berufen, um mit ihnen über Mittel und 
Wege zur Einſchränkung und Unterdrüdung 
der Weinpantjchereien zu beraten. Den 
artige Weinparlamente find nichts Neues 
in. Deutjchland. Bereit® 1487 trat zu 
Rothenburg an der Tauber ein Wein 
parlament am Reichsdeputationstag zu- 
fammen, aus deſſen Beratungen eine auf 
ärztlihe Gutachten geftügte Weinordnung 
hervorging, deren jtrengfte Ausführung die 
Kaiſerliche Majeftät des Heiligen Römifchen 
Reiches deuticher Nation allen Reichsftänden 
aufs nahdrüdlichfte anbefahl. Geholfen hat 
fie wenig, denn die Weinpantſcher waren 
Ihon damals ebenjo hartgejottene Sünder 
jeelen wie geriffene @ejegdurchichlüpfer. Wie 
bier durch die Reichsgeſetzgebung, jo juchte 
man ſchon 100 Jahre vorher durch ſtädtiſche 
Bolizeiverordnungen das Uebel zu bannen, 
das durch feine abfcheuliche Berderbtheit allen 
arglojen Zechern den guten Tropfen verdarb, 

Das Wäſſern des Weines nannte man 
im Mittelalter Schrenten und verfälichte 
Beine gemachte Weine. Im Laufe des 
15. Jahrhunderts dringt dann mehr und 
mehr der SKunftausdruf Schmieren für 
Mantichereien und Bantfchereien durch. Eine 
der älteften Verordnungen, die ſich gegen 
das Weinpantjchen kehren, ift diejenige der 
freien. Stadt Frankfurt vom Jahre 1391, 
Sie wird im Eingang durch die biedere 
Erklärung begründet, daß es veligionswidrig 
fei, den Wein anders zu machen, als Gott 
der Herr ihn babe wachſen lafjien. Weine 
indefjen, die umzuſchlagen drohten, oder 
denen man eine größere Haltbarkeit ver- 
ichaffen wollte, durfte man durch unſchäd⸗ 


10 — 


galt diefe Ausnahmebeftimmung aber nur 
für Weine, die als Haustrunk verwendet 
werden follten. Für Berfaufsweine, bie 
einer unfchuldigen Aufbefferung bedurften, 
war eine jedesmalige Einholung der obrig- 
keitlihen Erlaubnis vorgejchrieben. Wurde 
fie gewährt, jo durfte die Aufbeſſerung nicht 
von dem Gigentümer des Weines und feinen 
Leuten vorgenommen werden, ſondern nur 
von berufsmäßigen Küfern, die an die Be- 
achtung der fehr genauen Borjchriften des 
Bunftbuches eidlich gebunden waren, Als 
Aufbefjerungsmittel waren allein geftattet 
Erde und Mild. Und wie bier in der 
Großſtadt, jo jah man ſich um diejelbe Zeit 
aud in den Stleinftädten gezwungen, gegen 
dad Weinmahen einzufchreiten. Sn den 
bifhöflihen Sagungen der Stadt Zeig aus 
dem 14, Jahrhundert heißt es: „Wer Wein 
ſchenken will, er jei Wirt oder fremder, 
es jei welſcher Wein, Elſaſſer, Ofterwein 
(Oefterreiher), Würzburger oder Landwein, 
guter oder jchlichter, jo joll er, wenn ihm 
der Wein verfteuert wird, ſchwören, daß er 
den Wein nicht fälſcht.“ Ganz ebenfo 
mußte man in Zürih zum Schmwur feine 
Bufludt nehmen, um gegen die Weinfäljcher 
eine Schugwehr zu gewinnen. Im Jahre 
1397 mußten jämtlide neun Weinwirte mit 
Weib und Kind ſchwören, den Elſaſſer Wein 
rein zu halten. Aber die Obrigfeit Zürichs 
ſcheint über die Heilighaltung von Schwüren 
ihrer Weinwirte ſehr befremdlihe Erfah. 
rungen gejammelt zu haben, denn zwei 
Jahre jpäter nahm fie den Verfauf fremder 
Weine in eigene Verwaltung, indem fie am 
11. Auguft 1399 die Bekanntmachung ver- 
öffentlichte: „Wir, der Bürgermeifter, die 
Näte, die Zunftmeifter und der große Rat 
von 200 Zürichern, tun männiglich zu wiffen, 
daß wir einhellig find übereingefommen, daß 
die Stadtgemeinde Zürich dieſes Jahr allen 
fremden Bein fol jchenten und niemand 
anders,“ (Schluß: folgt.) 


lihe Mittel aufbeſſern. In erjter Linie | 





Inhalt: Zu den angeblichen Höhlenfunden Im Weftrih. Bon Dr. D. Häberle. — Beobadh- 
tungen über Emberiza cirlus. Bon Friedr. Zumſtein, Lehrer in Bad-Dürfgeim. — Wie deutet 
der Biälzer frembdartige Ausdrüde um? Bon Th. Zink. (Schluß). — Zur Umfrage über den Wein- 
bau in der Rheinpfalz. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 
Für Form umdb Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 


"Die Pfälzt attumde” toflet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Ver werden von eil » 
NEON TE Glenn Kar 2 nn Wortofreie Etreifi Endung) 22 SE 


II. Jahrgang. Nummer 12. Dezember 1907. 


IPALZISCHE HEIMATKUNDE 


N 7 
MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


EMANNN ERICH 


ERSE Zum 50. Iahrestage EIS 


des Eintritt3 in den K. B. Staatäforftverwaltungsdienft brachte der Hauptvorftand 
des Pfälzerwalovereins feinem 1. Vorfigenden, Herrn K. Oberforftrat 


Karl Aldredt von Ziffer 


in Speyer 





eine finnige Huldigung dar, indem er die Nr. 16 des diesjährigen Yahrganges 
„Der Pfälzerwald“ zur Feſtnummer geftaltete. Das vorzüglih gelungene 
Bild des Yubilars jhmüdt, umrahmt von der Widmung, die erjte Seite. Poeſie 
und Proſa geben — fiher im Sinne des Gefeierten, wie ihn Dr. Albert Beder 
mit markanten Strichen in einem feflelnden Lebensbilde durchbliden läßt — der 
in jeder Hinficht glänzend ausgeltatteten FFeitichrift ein jo wertvolles Gepräge, 
wie es der allverehrte und aus dem gegenwärtigen Anlaß zum Ehrenmitgliede 
des „Pfälziihen Verſchönerungs-Vereins“ ernannte Yubilar mit Rüdficht auf fein 
eminent fegensreiches Wirken inbezug auf ein rationelles forstliches Wirtſchaftsſyſtem 
und auf jeine nicht minder wichtige und danfenswerte Förderung der Intereſſen 
pfälzifher und nahbarliher „Waldläufer“ durch Teilnahme an allen Unternehmungen 
der Verichönerungsvereine reichlich verdient hat. Auch die „Pfälziſche Heimat- 
kunde” will es ſich nicht nehmen laffen ein Blatt zum Ehrentranze zu ftiften und 
ein beicheidenes Mal zu jegen dem Manne, welcher einen großen Teil feiner Kraft 
feiner pfälziihen Heimat gewidmet hat aus Liebe zur heimatlihen Scholle. 





—— 


Die Züchtung der Kartoffel. 
Bon B. Renner, Landwirtſchaftslehrer zu Frankenthal. 


Nach den ftatiftiichen Ermittelungen über 
die landmwirtichaftliche Bodenbenugung im 
Königreich Bayern vom Yahre 1893 hat die 
Pfalz nicht nur inbezug auf die abjolute Größe 
der mit Startoffeln bebauten Fläche, jondern 
auch inbezug auf den prozentualen Anteil diefer 
an der Gejamtflädhe einen gewaltigen Bor- 
ſprung vor den andern Regierungsbezirfen 
Bayerns, wie aus der folgenden Weberficht 
hervorgeht. 








Bon 100 ha 
Bon 100 ha! user. und 









Regpterungs: ar YO Gartenland 
R Kartoffeln find mit 

bezirk: En Ra: teffein 

ER J ha ha 

Pfalz 60 560 10,33 23,37 
Unterfranten‘ | 48 254 5,74 12,28 
Oberpfalz 46 332 4,71 | 11,% 
Oberfranfen 43 478 6,21 14,49 
Mittelfranken 36 285 4,19 10,41 
Niederbayern | 31770 2,% 6,60 
Oberbayern 28 339 1,69 5,13 
Schwaben 21 340 2,17 6,34 





Darnach ift Yıo der Gejamtflähe und 
nahezu "4 des Ader- und Gartenlandes der 
Pfalz mit Kartoffeln bebaut. 

Bur Orientierung über die Berteilung 
des mit Startoffeln bebauten Areals in der 
Pfalz diene die folgende der genannten 
Statiftif entnommene Zujammenftellung. 











J (em 100 ha Bon 100 ha 














Briefen | FÜamtThe| Gerntand 
a Be eh· 
ha ha ha 
Bergzabern 1: 3736 80 270 
Frankenthal 5126 179 23,7 
Germersheim 4700 | 10,0 23,7 
Homburg 8258 15,1 34,5 
Statferslautern 4943 73 29,0 
Kirchheim: * 
bolanden | 5599 94 | 165 
Kuſel 4424 10,2 17,3 
Landau 3313 94 20,6 
Ludwigs hafen 2536 14,2 19,9 
Neuftabt 
(mit Dürkheim); 3483 | 65 | 68 
Pirmaſens Ge | 86 33,3 
Speyer 1861 | 114 295 
Bweibrüden 6052 | 11,7 21,1 





Angefichts der großen Bedeutung, die 
dem Sartoffelbau in faft allen Teilen der 
Pfalz zukommt, darf das Intereſſe der Lejer 
für die folgenden Ausführungen über die 
Züchtung der Kartoffel vorausgefegt werden. 

Der Volksmund pflegt die Begriffe 
„Pflanzenzüchtung“ und, Pflanzenbau” nicht 
auseinander zu halten. Während aber die 
Aufgaben der Pflanzenzüdhtung in der 
Verbeſſerung vorhandener oder in der 
Schaffung neuer Sorten beftehen, handelt es 
fih beim Pflanzenbau lediglih um Erzeu« 
gung großer Mengen pflanzlicher Subftanz. 
Wer fi mit Pflanzenzüchtung beichäftigen 
will, muß im Befige gewiſſer, nicht häufig 
anzutreffender Fähigkeiten fein. Daher 
lafjen fih die Namen der Pflanzenzücdhter 
Deutjchlands leicht auf einen Bogen Bapier 
ichreiben, während jeder Landwirt Pflanzen- 
bauer it. 

Die Zahl der vorhandenen Sartoffel- 
forten ift jehr groß. Hamm fhägt fie in 
feinem Lehrbuch der Landwirtihaft vom 
Jahre 1853 bereit? auf 1000. Auf der 
internationalen Sartoffel- Ausftellung zu 
Altenburg im Jahre 1875 maren 2264 
benannte Sorten vertreten. Yahr für Jahr 
lieft man auf den Saatgutliften der Züchter 
die Namen zahlreicher neuer und man greift 
gewiß nicht zu hoch, wenn man die Zahl 
der bis jeßt entftandenen benanntenSorten 
auf 5000 ſchätzt. 

Man jollte daher glauben, daß jeder 
Landwirt in der Lage jei, aus der riefigen 
Bahl der vorhandenen Sorten einige feinen 
Anſprüchen genügende ausfindig zu machen, 
und man muß fich fragen, ob denn aud 
fernerhin die Notwendigkeit der Kartoffel: 
züchtung vorliegt. 

Nach einer bis in die neuefte Zeit fat 
allgemein und auch gegenwärtig noch weit 
verbreiteten Anficht joll jede Startoffeljorte 
einmal „alt* werden und alddann der Ber: 
jüngung durch Züchtung aus dem Samen 
oder des Erſatzes durd eine neue Sorte 
bedürfen. Für diefes „Altern? madıt man 
die Tatſache der vegetativen Vermehrung 
verantwortlid, indem man jede Kartoffel: 
forte, da fie aus einem einzigen Samen 
hervorgegangen ift, als ein einziges Indi— 


viduum auffaßt. Alle Knollen einer Sorte, 
jagt man, mögen fie zeitlich und räumlich 
aud noch fo weit von der Sämlingspflanze 
entfernt jein, ftehen zu dieſer in demielben 
Berhältnis mie die jungen Sproſſe eines 
Baumes zu diefem; denn die Knollen find 
nichts anderes ald ſtark angeichwollene 
unterirdiiche Sproffe. Wie jedes Yndividuum 
ſei daher auch die Kartoffelſorte der Ver— 
gänglichkeit unterworfen; nach Entwickelung 
aus dem Samen erreiche ſie in einigen 
Jahren ihre volle Leiſtungsfähigkeit, be— 
haupte dieſe kürzere oder längere Zeit und 
verfalle endlich dem Niedergang, der lang 
fam,aber unaufhaltiam zur „Altersſchwäche“ 
führe, als deren Symptome geringe Er: 
träge, Empfänglichfeit für Krankheiten, Ber- 
luft der feruellen Befähigung ꝛc. zu be: 
tradhten feien. 

Es ift aber nicht einzufehen, warum die 
vegetative Vermehrung zum „Altern“ der 
Sorte führen müfje, da die Vegetation 
fegel der Stnolle ebenjogut mit „embryonaler 
Subftanz” begabt find wie der Steimling 
des Samens. Auch zeigen Unterfuchungen 
über dıe Fortpflanzung vieler Gewächſe, daß 
die vegetative Bermehrung die geichlechtliche 
Fortpflanzung fo vollftändig erjegen fann, 
daß diefe ohne Gefahr für die Erhaltung der 
Art dauernd verloren gehen fann. Als 
eines von vielen Beiipielen führe ich den 
im öÖftlichen Afien einheimischen Rohrkolben 
(Acorus calamus) an, welcher bei uns nie 
mals zur Fruchtbildung gelangen fann und 
gleichwohl feine Anzeichen von Altersſchwäche 
erfennen läßt.') 

Aber nicht nur theoretiiche Heberlegungen 
und Analogieſchlüſſe erjchüttern den Glauben 
an das „Altern“ der Startoffeliorten, ſon— 
dern auch direft hierauf gerichtete Unter: 
ſuchungen. So läßt 3. ®. das ſtatiſtiſche 
Bemweismaterial, welches Ehrenberg?) zu- 
jammengetragen hat, jelbjt bei jo alten Sor- 
ten mie der „Daber“ feinen Niedergang 
erkennen. Dagegen ift ein „Abbau“ von 
Kartoffeljorten infolge der Einmwirfung un 


) Weitere Beifpiele fiebe bei ig vd. Mari⸗ 
laun, Pflanzenleben 1898, Bd. II, ©. 406 u. f., 
ferner bei Noll in Stradburgers Lehrbuch der 
Botanil 1902, ©. 236. 

») Dr. $. 
toffeln ; Landwirtſchaftl. Jahrbücher 1904, ©. 859. 
Bergl. au: TZudermann, Mitteilungen der Landiv. 
Inſtitute der Univ. Breslau, II, Heft 1, 1904. 


Ehrenberg, ber Abbau der Kar- 


143 


| 





günftiger äußerer Umftände, mie des 
Klimas, der Bodenbeichaffenheit,L der Saat- 
gutbehandlung, von Krankheiten uſw. fon- 
ftatiert. Allein diefe Tatfachegigebietet noch 
nicht die Züchtung, da man ja, jo oft es 
nötig erjcheint, das „abgebaute”, Material 
durch Saatgut aus Gegenden bezw. Wirt- 
ichaften erjegen kann, deren Boden, Klima ıc. 
befanntermaßen geeignet find, die betreffende 
Sorte auf der vollen Höhe ihrer Leiftungs- 
fähigfeit zu erhalten. 

Die Norwendigkeit der Züchtung, ergibt 
fih aber aus der Nadjfrage nach dank— 
baren, d. 5. ſolchen Sorten, die auf die 
intenfiver werdende Bodenkultur mit ent- 
jprechenden Erträgen zu reagieren vermögen 
und zugleid den Anforderungen, die der 
Markt an fie Stellt, genügen. 

Die Kartoffelzüchtung erftrebt entweder 
die Berbeflerung (Veredelung) vorhandener 
oder die Bildung neuer leiftungsfähiger 
Sorten. 

Die Möglichteit der VBerbefjerung 
eıner Sorte beruht auf der ſtets vorbhan- 
denen Barıabilität derjelben. Mögen die 
einzelnen Individuen einer Sorte inbezug 
auf ihre morphologifchen Merkmale auch 
vollftommen übereinftimmen, fo lafjen fie 
doch ſteis Verſchiedenheiten in phyſiologiſcher 
Beziehung, Unterſchied in der Leiſtungs— 
fähigkeit, im Ertrag, in der Qualität (Stärke— 
gehalt, Geſchmack) uſw. erfennen. Man fann 
dieſe Verjchiedenheiten kurz charafterifieren 
als Abweichungen vom Sortenmittel nad) 
der Plus: oder Minusfeite. 

Darnach befteht die erfte Aufgabe des 
Büchters, der die Verbeſſerung einer Sorte 
anftrebt, in der Ausleje (Selektion) ſolcher 
Pflanzen, welche jeinem deal entſprechen 
oder doch nahe fommen. Die Auslefe fann 
Maſſen- oder Yndividualausleje jein. Wenn 
ein Landwirt vor, bezw. während der Kar— 
toffelernte ertragreiche, gefunde Kartoffel- 
ftauden aufjucht und deren Erträgnis als 
Saatgut für das nächfte Jahr beftimmt, 
jo ift diefe Mafjenauslefe bereitö als züch— 
teriſche Maßnahme anzusprechen. "Auf diefem 
Wege wird freilich die höchfte Leiftung nicht 
zu erreichen fein, da ſehr viele, vielleicht 
die meiften der ausgewählten Pflanzen die 
Eigenschaft, wegen der fie ausgewählt wer- 
den, nicht vererben. Der „Hochzüchter“ 
wird daher zunächſt an die auszumählenden 


- 144 


Pflanzen erhöhte Anforderungen jtellen, | Jahren angeitellt. 


Nachrichten über joldye 


weiterhin aber behandelt er jede einzelne | Verſuche aus früherer Zeit liegen z. B. vor 


ausgewählte Pflanze ſozuſagen als eine 
Sorte für fid. Er bewahrt den Ertrag 
jeder diejer Pflanzen ſorgfältig vor fremden 
Beimifhungen und baut ıhm geiondert an. 
Die Nachkommen jeder Stammpflanze läßt 
er nun einige Jahre hindurd unter mög- 
lihft gleihen Bahstumsbedingungen fon- 
furrieren. In einem „Buchtregifter” bucht 
er jeine Beobadhtungen und Feititellungen 
über Wachsſtumsdauer, Widerſtandsfähigkeit 
gegen Krankheiten und extreme Witterungs 
einflüſſe, Ertrag, Stärkegehalt, Geſchmack 
uſw. So wird er nach einigen Jahren 
imſtande ſein, den leiſtungsfähigſten Stamm 
zu erkennen. Dieſer ſtellt alsdann die 
„verbeſſerte Sorte“ dar, während die andern 
Stämme dem Untergange geweiht werden. 
Damit ift aber die Arbeit des Züchters 
nicht zu Ende. Sobald nämlich Hocdzuchten 
irgend welcher Art der züchteriihen Selek— 
tion entbehren, degenerieren fie. Daher 
muß der Züchter von Jahr zu Jahr fort- 
fahren, innerhalb des beiten Stammes das 
Beite nad) den einmal ald richtig erfannten 
Prinzipien auszuwählen, und jo den Yung: 
brunnen zu erhalten, aus dem der Yand- 
wirt ſchöpfen kann, jobald die Wahrnehmung 
einer bedenklich verminderten Xeiftung des 
„Nachbaues”?) dazu auffordert. 

Die Möglichkeit neue Kartoffel 
jorten zu zlidhten, gründet fih auf das 
Mutieren der Pflanzen, d. 5. auf das plötz— 
(ide, unvermittelte Auftreten neuer mor: 
phologifher Merkmale, neuer Sorten: 
merfmale und auf die faft ftets vorhandene 
Vererbung derjelben. Eine oft riefige An- 
zahl folder Neubildungen tritt unter den 
aus Samen ermwadjenen Pflanzen auf. 
Groß ift die Zahl neuer Formen in der 
Regel, wenn die Samen dad Produft der 
Kreuzung verfchiedener Sorten find, klein 
hingegen, wenn die Samen einer dur) 
Selbjtbeftäubung entitandenen Beere ent: 
ftammen. Am geringiten ift die Ausficht 
auf Mutationen bei vegetativer Vermehrung. 

Verſuche, Kartoffeln aus Samen 
au ziehen, wurden fchon vor mehr als 100 


2) „Nachbau“ bildet den Gegenſatz zu „Dri- 
ginalfaat”; unter legterer verſteht man da& direkt 
bom Züchter bezogene Saatgut, unter „Nachbau“ 
die auf die „Originalfaat“ folgenden Generationen. 





vom Baron v. Montöton auf Priort aus 
den Jahren 17944), 1795°) umd 18009), 
von dem Prediger Richter zu Anhalt 
aus dem Jabre 1800), von dem Faktor 
Wurm in Botsdam®) u. a. m.”) 

Alle diefe Berichterftatter verfuhren in 
der Hauptjahe ım folgender Weiſe. Sie 
zerquetichten die reıfen und weich gewordenen 
„Samenäpfel“, gewannen die Samen daraus 
durch Auswaſchen, trodneten fie und jäeten 
fie im Anfange des Frühjahrs möglıchit 
flach in freie Land, Nachdem die Pflänzchen 
einige Zoll hoch geworden waren, verjegten 
fie diefelben. Im Herbfte erhielten fie von 
diefen Bilanzen meift hajelnußgroße Knollen. 
Montöton 3. B. erhielt neben ſolchen im 
erften Jahre nur wenige, die bezw. 6',«, 
bt, 5%, 4° Rot wogen. Heute gelingt 
es jedoch, bereits im erften Jahre einzelne 
Anollen im Gewichte von 200 g und dar- 
über zu erzielen, und Liebſcher!“) glaubt 
daher, „die in älteren Schriften über Far: 
toffelbau zu findenden Angaben, daß man 
von den Sämlingspflanzen im erften Jahre 
hafelnußgroße, im zweiten walnußgroße und 
im dritten Jahre normale Knollen erhielte, 
heute einfah in das Gebiet der Ammen- 
märchen verweiſen“ zu müſſen. Das heu- 
tige Verfahren zur Anzudt von Sämlingen 
ift folgendes: Die reifen, weich gewordenen 
Beeren werden liber einem engmajchigen 
Siebe oder Tuch zerquetiht, die Samen 
dur Auswaſchen mit Wafler vom Frucht- 
fleifch befreit und getrodnet. Im zeitigen 
Frühjahr werden die Samen in Schalen 


*, Annalen ber Märtifchen Detonomifchen 
Gefellichaft zu Potsdam, IL Bb., Heft 1, ©. 174. 
Dajelbit erwähnt v. Monteton eine einjchlänige 
Anleitung des Superintendenten Rüber zu Tanne: 
berg in deſſen Briefen über den Küchengarten, 
fowie eine Abhandlung über benfelben Gegen: 
itand im Berliner Or des a res 
1784. Nr. 94. 

eft 3, ©. 69. 


) A. a. 

um S. d. I, —* 4, ©. 52. 

) Annalen ber Mär, efon. Geſ. zu Pots- 
dam, Bb. III, Heft 4, S 

®) Annalen der ee Qeton, Bef. zu Pots- 
dam, Bd. II, Heft 5, 

%) Andere einfchlägi e Berfude älteren Da- 
tums find erwähnt bei ge * er Ss 
der landıw. Kulturpflanzen, Bd. Il, 1906, ©. 30, 


Jahrbuch der ri Sandiwirtichafts- 
Gefellfgaft 1894, IV, ©. 3 








— 145 


geſäet und dieſe in ein Frühbeet geftellt. 
Aus den Schalen werden die Pflänzchen 
in ein Mijtbeet, aus diefem in ein Garten» 
beet veriegt. Nah Fruwirth!!) fördert 
dreimaliges Verſetzen die Entmwidelung der 
Pflänzchen jehr. Das erfimalige Verfegen 
(aus den Samenſchalen in ein Miftbeer 
oder in Töpfe, die man in ein Glashaus 
ftellt) erfolgt, wenn die Pflänzchen 3-4 
Blättchen gebildet haben, das zmweitmalige 
(aus dem Miftbeet oder den Töpfen ın das 
Gartenbeet) mit 4—5 Blätthen und das 
legtmalige mit T—8 Blättern. Der Stand» 


", Fruwirth, die Züchtung der laubwirt- 
ichaftlichen Aulturpflangen, Bd. III 1906, ©. 34. 


raum, der beim legten Berfeßen den 
Pflanzen zu gewähren ift, fann im allge 
meinen der in der Braris des Kartoffel« 
baues übliche fein. Behufs einwandfreier 
Entſcheidung einiger rein wiſſenſchaftlicher 
ragen, 3. B. der frage, ob ein Sämling 
Stnollen verſchiedener Art erzeugen fünne, 
genügt aber ſelbſt ein Standraum von 
60 cm noch nicht, wie fi meiter unten 
jeigen wird. 

Soweit ftellt die Zucht von Sartoffeln 
aus Samen feine befonderen Anforderungen 
an den Züchter. Die eigentliche züchteriſche 
Arbeit beginnt aber jetzt erft. Die Ausjaat 
der Samen zielt nur daraufhin, neue Formen 
erjtehen zu jehen. 


ur Beranſchaulichung der Tatfache, dak aus den Samen einer Beere viele Sorten hervorgehen 


Önnen, führe ich bier einen kurzen Auszug aus den WUufzeichnungen über ei 


ene Züchtungs— 


Berfuche mit der „Roren Niere“ an, wobei ich der Kürze halber nur die Beihaffen eit ber 
Knollen berüdfichtige. 





| Rnollenform 


lang, piatt, 
nierenförmig 


Stammforte („Rote Niere”) 









Nr. 





Scale | Fleiſch | Augen 


rot, glatt | gelb wenig, flach 












Sämling Wie bei der Stammſorte 

r 13 Wie bei der gelb, glatt Wie bei ber Stammſorte 
Stammijorte 

r 24 fang, oval, platt blaßrofa Wie bei der Stammſorte 

„ 2 lang, walzen- | Aunfelrot, rauh gelb binter den Augen 

förmig, feulig | ftarfe Hügel 

2 26 wie Ar. 25 weißgelb, rauh weiß wie Nr. 25 

4 r 8 birnförmig dunkelgelb tief gelb flach 

— — 4 etrund braunrofa weißlich ſehr flach 

— ö 6 rundlidh, braumrot gelb tief 
etwaß platt 

” „ 12 Langsdurch“ braungelb gelb flach 


meffer fürzer 
al& der eine 
Querdurch— 
mejfer, auf der 
Krone eine 
tiefe Mulde 





| 


Jetzt handelt es ich darum, aus dem | der nicht fchon bei der Ernte wegen irgend 


Hunderten von neuen Formen die brauch— 
baren ausfindig zu machen. Für die Be: 
handlung der Sämlinge während der Ernte 
bat man ſich daher vorzuhalten, daß jede 
einem Samen entjprofiene Bilanze 
einer neuen Sorte entjpreden fann. 
Daher muß man den Ertrag jedes Sämlings, 


eines bedenflichen Fehlers auszumerzen ift, 
gefondert aufbewahren (in einem Säckchen, 
einem Blumentopf 2c.) und natürlich im 
Frühjahr gejondert auspflanzen. Selbft 
Sümlinge, die dem Augenjchein nach mit 
einander übereinftimmen, müſſen voneinander 
getrennt gehalten werden, da eine genauere 


Prüfung dem Auge verborgene Unterſchiede 
(3.B. inbezug auf Stärfegehalt, Geſchmack etc.) 
aufdefen fann und muß. Im eriten Jahre 
mag freilid eine Prüfung der Sämlinge 
nah dem Augenjchein genügen, aber bereits 
im zweiten follen fich zu diefer erafte Gr- 
mittelungen über die quantitativen und 
qualitativen Yeiftungen der neuen Sorten 
gejellen. Die Prüfung joll fich im einzelnen 
auf folgende Punkte erftrefen: Befchaffen: 
heit des Krautes, Blüte- und Neifezeit, 
Ertrag an Knollen, Anordnung derielben 
im Horſi (ob zerftreut oder nahe bei ein: 
ander), Form und Farbe der Knollen, Be- 
ichaffenheit des Fleiſches, Zahl und Lage 
der Augen, Stärfegehalt und Gejchmad der 
Knollen, Krankheiten. Das Prüfungsrefultat 
entjcheidet darüber, ob die einzelne Sorte 
dem Untergange geweiht oder weiter geprüft 
werden joll. Es ift jelbftverftändlich, daß 
nur auf Grund des gewöhnlichen feld- 
mäßigen Anbaues der einzelnen Sorten 
nebeneinander ein endgiltiges Urteil über 
deren Stulturwert gefällt werden fann. So 
verbleiben dem Züchter noch aus den Hun- 
derten von einer oder don einigen Beeren 
entitammenden neuen Sorten einige, viel: 
leicht aber auch gar feine, denen er Exiſtenz— 
beredhtigung zuerfennen darf. 

In der Pegel verwenden die Büchter 
nicht die freiwillig entitandenen, jondern die 
aus Fünftliher Kreuzung bervorge- 
gangenen Beeren. Der Züchter, der ſich 
fein beftimmtes Biel geſetzt hat, der etwa 
nur irgend eine brauchbare Sorte zu züchten 
beabfichtigt, mag ruhig die ohne jein Zutun 
entitandenen Beeren verwenden ; irgend eine 
eriftenzberechtigte form wird ſich unter den 
Sümlingen fchon finden lalfen. Anders muß 


146 


aber der Züchter verfahren, deſſen Beſtre- 


bungen ein Scharf umjchriebenes deal vor 
fchwebt, der eine’ brauchbare Sorte mit ganz 
beitimmten Eigenſchaften zu züchten wünſcht. 
Wollte er fozufagen der Natur auflauern, 
bis fie unter den Sämlingen die gewünjchte 
Form auftauchen läßt, jo könnte er unter 
Umftänden jein Yeben lang vergeblich harren. 
Nun findet er aber einen Teil der ge: 
wünjchten Dierfmale bei der ihm befannten 
Sorte A, den andern Teil bei der Sorte B. 
Kreuzt er beide, fo darf er hoffen unter 
den Freuzungsproduften Formen zu finden, 
die alle gewünſchten Merkmale in fich ver- 





einigen oder doch eines derielben mehr als 
die Ausgangsform bejigen. Im legten Falle 
wird er das erhaltene Kreuzungsproduft ziel« 
bewußt weiter freuzen und jo weiter fahren, 
bis er endlich jein deal verwirklicht fieht. 
Zur Erläuterung diejer Ausführungen möge 
ein von dem Startoffelzüchter Bauljen in 
Nafiengrund herrührendes Beifpiel dienen: 
Paulſen fchreibt:'?) 

„Es follte eine Erportfartoffel für England 
gezogen werden, diejelbe follte große, runde 
Rnollen mit flahen Augen, roter Schale und 
weißem Fleiſch haben, fehr ftärfereich fein und 
rich auch große, fichere Ertragsfäbigfeit ber 
itzen. 

Die Daber war auf dem engliſchen Markt 
beliebt, aber deren Knollen find tiefäugig und 
nicht groß genug und der Ertrag diefer Sorte 
tft viel zu umnficher, weit fie von der Krankheit 
zu fehr leidet. Es ift mir auch nicht gelungen, 
aus der Daber die beichriebene Sorte zu er: 
halten. Die Ablömmlinge davon hatten Fehler, 
welche die Daber felbft nicht befigt, die aber 
wahrjcheintich deren Eltern oder Großeltern ge- 
habt haben. Da babe id eine andere rote 
Sorte mit einem weißen Sämling befruchtet, 
welcher widerjtandsfähig war md die geforderten 
Eigenichaften befaß, mit der Ausnahme, dat 
die Rmollen nicht aroß genug waren und der 
Ertrag zu klein war, ch erhielt davon rinige 
Sorten mit den gewünſchten Eigenjchaften, nur 
nicht ertragreich genug. Mit dieſen babe ich 
andere ertragreiche Sorten befruchtet, Die er- 
haltenen umd nach ihren Eigenjchaften aufge: 
mählten Zümlinge wurden wieder unter fich 
befruchtet und fee ich Died meiter fort. Jetzt 
befige ich eine Anzahl fchöner ertragsfähiger 
Erporttartoffeln — nachdem der Erport nad 
England aufgehört hat — und prüfe nur noch, 
weiche von diejen Sorten die beite iſt“. 


Die Durchführung der Kreuzung bietet 
feinerfei techniiche Schwierigfeiten. 

Bekanntlich bilden die 5 Staubgefäße 
der Nartoffelblüte, indem fie mit ihren 
Spigen zujammenneigen, einen Segel, aus 
dem der Griffel mit der fnoflenförmigen 
Narbe weit hervorragt. Bei ihrer Weife 
öffnen fich die Staubbeutel an der Spike 
und entlaſſen hier etwas Pollen. In der 
Negel geichieht das am 2, Blühetag. Zu 
ungefähr derielben Zeit wird aud die 
Narbe geichledhtsreif, was an dem Aus: 
ſchwitzen eines flebrigen Saftes zu erfennen 
it. Die Uebertragung des Pollens auf 
die Narbe anderer Blüten erfolgt in der 
Hauptfahe durch Inſekten. Selbftbe- 


2 Rabrbuch der deutfchen Landwirtſchafts⸗ 
nefellichaft 1894, IV, ©. 310. 


ftäubung fann eintreten, jfobald die Blüte 
oder der Griffel fi jo neigt, daß der 
herabfallende Pollen die Narbe treffen muß. 

Wer nun freuzen, d. h. die Sorte B 
auf die Narbe der Sorte A übertragen 
will, hat zunächſt Vorkehrungen zu treffen, 
die jede Beftäubung der betreffenden Narbe 
mit anderem ald dem gemwünjchten Pollen 
ausichließt. Erzeugen die Staubgefäße der 
Mutterpflanze (A) keimfähigen Bollen, dann 
hat man zunädft die zu befiäubenden 
Blüten zu fafırieren; mit einer kleinen 
Sceere, einer Pincette oder auch einem 
Meſſer jchneidet oder bridt man Die 
Staubgefäße heraus, wobei man nur da— 
rauf zu adten braucht, daß der Griffel 
nicht verlegt wird. Natürlid muß das 
geichehen, bevor die Staubbeutel ſich ge: 
öffnet haben, Um ficher zu gehen, nimmt 
man daher die Saftration dann vor, wenn 
die Blütenfnofpen kurz vor dem Aufbrechen 
ftehen. Solche Knoſpen find an ihrer 
ftarfen Färbung zu erfennen und laſſen 
fih durch einen leifen jeitlihen Drud 
zwijchen den Fingern leicht Öffnen. Die 
Staftration kann jelbfiverftändlich bei all 
den Sorten unterbleiben, weldye feinen 
oder feinen feimjähigen Pollen erzeugen 
3. B. bei „Prof. Wohltmann”, der „Weiken 
Stönigin” etc. Um fremden ®ollen von 
der zu freuzenden Blüte fernzuhalten, 
bindet man fie nach der Kaſtration in ein 
engmaſchiges Gazebeutelcen. 

Die fünftliche Uebertragung des Pollens 
fann auf verjchiedene Weije erfolgen. Ich 
habe im Jahre 1906 und 1907 mit beftem 
Erfolge den einen Pollen mit einem „Feder: 
mejjer” aus den Staubbeuteln genommen 
und den auf dem Mejjer liegenden Bollen 
fofort auf die Narbe geftrichen. Selbſt— 
verftändlich ift die Fünftliche Beftäubung 
nur dann don Erfolg begleitet, wenn die 
Narbe empfängnisjähig (Elebrig und glänzend) 
geworden ift, was in der Negel am 2. Blüh— 
tag eintrifft. Um ſicher zu geben, fann 
man die Beltäubung an drei aufeinander 
folgenden Tagen, und zwar am 1., 2. 
und 3. Blühetage vornehmen, wobei man 
niemals verjäumt, nad) der Betäubung 
die Blüte wieder zu iſolieren. Sobald 
die Narbe vertrodnet, der Fruchtknoten 
fhwillt und die Blumenfrone welkt, ift die 
Iſolierung überflüffig geworden. — 


147 


Bis in die neuere Beit glaubte man 
dad Auftreten neuer Merfmale, alio die 
Entftehung neuer Sorten bei Startoffeln 
an geichlechtlihe Borgänge gebunden, 
während die aus einer einzelnen Säm— 
lingspflanze durh vegetative Ber: 
mehrung hervorgegangene Sorte konitant 
fein follte.°) Nun ift es v. Lochow in 
Petfus!*) gelungen, aus der Sorte „Prof. 
Wohltmann“ durh Selektion einzelner 
Pflanzen mehrere von einander verjchiedene 
Familien zu ifolieren. Er glaubt feftge- 
ftellt zu haben, „daß ſich Verſchiedenheiten 
und Abweichungen in der Farbe und Form 
der Stnollen und Blätter und aud in der 
Neifezeit bei diefer Startoffel entwidelt 
haben“. Wenn aber derartige Verſuche 
für die Mutabilität vegetativ vermehrter 
Kartoffeln beweiſend jein follen, jo muß 
der Nachweis geliefert werden fünnen, 
daß dad Uusgangsmaterial tat 
jählih einer einheitlihden Sorte 
entſprach, daß es aus einem einzigen 
Sämling hervorgegangen und von 
zufälligen Beimengungen fremder 
Sorten bewahrt geblieben ift. Nun 
ift aber fehr leicht möglich, daß fih in 
den erjten Lebensjahren der Wohltmann— 
Eartoffel, ohne daft der Züchter (O. Cimbal 
in Frömsdorf) es bemerft hat, Fremdlinge 


unter diefe Sorte geichlichen haben. Viele 
Pflanzen der Wohltmannkartoffel bilden 
nämlid lange Ausläufer. In dieſem 


Jahre fand ich häufig folche von 50 — 60 cm 
Yänge; einer beſaß fogar die anjehnliche 
Länge von 80 cm und trug T5 cm vom 
Stof entfernt eine Sinolle Defters konnte 
ih beobachten, dat die Stolonen in das 
Gebiet des Nachbarſtockes vorgedrungen 
waren und hier Stnollen gebildet hatten. 
So fand ich 3. B. in einer Reihe von 
25 Bflanzen der „Gelbfleiichigen Speife: 
fartoffel” drei Pflanzen, die von der benad)- 
barten Wohltmannkartoffel mit „Kuckucks— 
eiern” bejchenft worden waren. Solches 
fann aud dem Sämling „Wohltmann“ 
von feinen Nadhbarpflanzen angetan worden 


) Bergl. Hugo de Bries, die Mutations- 
theorie; 1901, ©. 61: „Bei begetativer Ber- 
mehrung erhalten ſich aber die einmal erreichten 
Eigenichaften ganz oder nahezu unverändert“. 

4, Kabrbuch der Deutjchen Landwirtſchafts⸗ 
Gefellichaft 1906, ©. 311. 


— 18 — 


fein, und wer weiß, ob nicht au die Mu- 
tanten, die Graf Arnim » Schlagenthin'?) 
unter feinen BZüdtungen auf vegetativen 
Wege bat auftreten jehen, nichts meiter 
als ſolche Kuckuckseier“ muren? 

Die Möglichkeit der Mutation bei vege: 
tativer Vermehrung der Startoffel kann 
nicht geleugnet werden.’®%) Solange aber 
Nachrichten Über ſolche Mutationen feine 
Ungaben enthalten über Maßnahmen zur 
Vermeidung von Yrrtiimern oder liber 
Umftände, melde ſolche Irrtümer aus: 
Ichließen, tut man gut, fie mit einer ge- 
willen Reſerve aufzunehmen. 

Auf Grumd der vorftehenden Ans: 
führungen wird man nun verftehen, warum 
e8 jo wenige Kartoffelzüchter, wie Bflanzen- 
züchter fiberhaupt, gibt. Erfolgreiche zlichte- 
rifche Tärigfeit jeßt eben neben einer aus- 
reihenden Beobachtungsgabe und genligender 
Sadıfenntnis ein hohes Maß von Fleiß 
und Ausdauer voraus. Auch ift es nicht 
jedermanns Geſchmack, eine fo intenfive 
Tätigkeit 5—6 Jahre lang ohne den ge: 
ringften fiingenden Erfolg, ja unter nicht 
unbedeutenden Opfern an Arbeit und Geld 
zu entfalten, wie e8 der angehende Züchter 
tun muß, Denn 
dauert e8 5—6 Sahre, bis der Züchter 
bon einer neuen Sorte geringe Mengen 
(einzelne Kilogramm bis einzelne Bentner) 
in den Handel bringen fann. 


Inder Pfalz werden Kartoffeln gegen- 
märtig nur an 2 Stellen gezüdjtet. Herr 
Defonomierat Wüft (Rohrbach bei Yandau), 
feit längerer Beit damit befchäftigt, hat 
einer liebensmwirdigen Privatmitteilung zu— 
folge in den Jahren 1898— 1903 auf dem 
Wege der Fünftlihen Kreuzung in Verbin» 
dung mit Individualausleſe viele neue, 
darunter 10 Sorten gezlichtet, die fih nad 
den Ergebniffen feiner Anbauverfuche „den 
beiten Züchtungen anſchließen fünnen und 
diefe in ſehr vielen Fällen übertreffen.“ 


) Jahrbuch der Deutfchen Landwirtſchafts- 
Geſellſchaft 1906 ©. 309 und V, ©. 227 
und 228. 
) Vergl. Labergerie, Le Solanum 
—— et ses Variations. Paris 1905, 
„14. 


im glnftigften Falle ; 


Gine Reihe neuer von ihm gezüchteten 
Sorten wird in den nächſten Jahren zu 
erwarten jein.'?) 

Ferner bat die Feldverjuhsftation 
zu Frankenthal, die ſich feit dem Jahre 
1902 mit Gerfter und Weizenzüchtung be» 
faßt, ſeit 4 Jahren auch die Startoffel- 
zühtung in ihr Arbeitöprogramm auf« 
genommen. 

Wenn oben gejagt worden ift, daß die 
Züchter ihre neuen Sorten einer mehr 
jährigen jcharfen Prüfung unterwerfen, die 
mindermertigen ausmerzen und nur die 
beften behalten, fo folgt hieraus noch nicht, 
dab die neuen in den Handel gelangenden 
Sorten ohne Weiteres dem Landwirte em- 
pfohlen werden fünnen. Denn der vom 
Züchter ermittelte Anbaumert gilt zunächſt 
nur für feine eigene Wirtfchaft, weiterhin 
höchſtens für folche Gegenden, bezw. Ber 
triebe, die fich ähnlicher Flimatifcher, ähn- 
fiher Bodenverhältniffe, unter Umftänden 
felbft ähnlicher Bewirtichaftungsverhältnifle 
wie die Geburtsftätte der neuen Sorte 
erfreuen. Um nım dem Landwirte die 
Auswahl zu erleichtern, ift eine Reihe von 
Anftalten bemüht, durch Anbauverfuche den 
Kulturwert neuer Sorten unter den ver 
Ichiedenften Berbältniffen feftzuftellen. Solche 
Berjuche werden 3. B. durchgeführt von 
der Deutichen Kartoffelftulturftation 
zu Berlin mit zahlreichen in den ver 
Ihiedenften Gegenden Deutichlands’beitehen- 
den Unterftationen'®), von der Kgl. Baye- 
rifhen Agrikulturbotaniſchen Anm 
ftalt zu Münden unter Mitwirkung 
vieler Landmwirtichaftliher Schulen (au in 
der Pfalz), von mehreren Feldverſuchs— 
ftationen!?) u.a. m. 


) Herr Öfonomierat Wüft hat ſich auch 
erfolgreich auf dem Gebiete der Runfelrüben- 
üdhtung, ſowie der Weiden-, Rofen- und 
terpflangenzüdtung betätigt. Bekannt iſt 
ferner die don ihm gezüchtete weißblühende 
Bicia villoſa (Zottelmide). 

e) In der Pfalz beiteht eine ſoiche auf 
dem Hofgute Scharrau Im Bezirke Frankenthal 
unter ber Leitung des Vorſtandes der Landwirt · 
ſchaftlichen Schule zu Frankenthal. 

) In der Pfalz von der Kreisfeldverſuchs⸗ 
ftation zu Statferdlautern und der Feldverſuchs- 
ftatton zu Frankenthal, 





149 


Die Bevölkerung Beutfchlands unter befonderer Berückſichtigung 
der Pfalz. 


Das Saiferliche ftatiftifche Amt hat die 
endgiltigen Ergebnijje der Volkszählung 
am 1. Dezember 1905 für das 
Deutiche Reich herausgegeben. Dar: 
nad wurden ortsanmwejende Perſonen im 
ganzen Reiche gezählt: Männlich 29 884 681, 
weiblich 30 756597 zufammen 60 641278, 
Nach den Altersftufen zerfallen die Gezählten 
in 8696 204 Berfonen männlichen Geſchlechts 
unter 12 Jahren (8640966 weiblich), 
1258345 männl, von 12 bis unter 14 
Jahren (meiblih 2361 322), 17561 8302 
männl, von 18 und mehr Jahren (meiblich 
18503452). Aktive Militärperfonen wurden 
668853 gezählt, davon 2791 unter 18 Yahren. 
In den obigen Zahlen find 599320 männ- 
lihe und 429240 weibliche, zuiammen 
1028560 „Reichsausländer” einbegriffen, 
fodaß die Zahl der deutſchen Staats- 
angehörıgen 59610 462 beträgt und zwar 
29 283 826 männliche, 30 326 636 meibliche, 
einfchließlih der Deutichen in den Schuß- 
gebieten, wenn man 2256 ®erfonen, deren 
Staatdangehörigfeit nicht zu ermitteln ge- 
weſen, ebenfall& zu den Nichtdeutfchen rechnet. 
Am 1. Dezember 1891 gab es in Deutſch— 
land 206 756 Nichtdeutfche, d. i. 5,04 auf 
1000 Reichödeutfche, am 1. Dezember 1905 
waren es nach allmählihem Steigen der 
Biffer, die einen Eleinen Rüdgang nur von 
1875— 1880 zeigte, 1028560, d. i. 16,96 
auf 1000 Reichsdeutſche; ſeit 1871 hat fich 
die Verhältmiszahl alfo um faft das 3'2: 
fache vermehrt. Die Religionsbefenntnifie 
verteilen fi auf die Bevölkerung wie folgt: 
Evangeliiche (alle) 37646852, NRömiid- 
Kath. 22094 492, Ruſſiſch Orthodore 1991, 
Griechiſch- u. Orientaliſch⸗Katholiſche 13 161. 


Bir laffen nun die Ziffern folgen, die 
die Pfalz betreffen. Und zwar fteht uns 
bier eine Tabelle zur Verfügung, in 
welder die Bevölkerung des Reiches 
nah Wltersftufen und Oberlandes- 
gerihtsbezirfen aufgeführt ift. Dar- 
nad wurden im Oberlandesgerichtäbezirke 
Bweibrüden (d. i. Reg. Bezirk Pfalz) ge 
zählt: Perſonen unter zwölf Jahren männ- 
lih 139955, weiblich 137777, zufammen 
287732; von 12 bis unter 14 Jahren 
männl. 19128, weibl, 18669, zufammen 


37797; von 14 bis unter 18 Jahren männl, 
34168, weibl. 33927, zuiammen 68095; 
von 18 und mehr Jahren männl, 245290, 
weibl. 256 919, zufammen 502 209. In der 
Pfalz am 1. Dezember 1905 ortsanmwe- 
jend iiberhaupt waren männt. 438 541 weibl, 
447 292, zuf. 905 833, darunter (aftive Mili» 
tärperjonen 8505, davon 8 unter 18 Jahren). 


Nah NReihstagsmwahlfreijen und 
NReligionsbefenntnis ergibt fi für die 
Pfalz folgendes Bild: 1. Wahlkreis, umfaſſend 
die Bezirksämter Speyer, Ludwigshafen, 
Frankenthal, Bevölkerung überhaupt (nad) 
der Reihe der angeführten Bezirksämter): 
40 713,103641,64 491, zuſammen 208845; 
darunter@vangelifche 11 140,55049, 38147, 
zufammen 104336; Römiſch Katholische 
28894, 46668, 24900, zujammen 100 462; 
Sonftige 649, 1924, 1444, zufammen 
4047. - 2. Wahlkreis, Landau, Neuftadt, 
Bad Dürkheim: Bevölferung: 71681, 
52235, 28893, zufammen 152809; da» 
runter Evangelifche 32 015, 30837, 18638, 
zujammen 81490; Römiſch Katholifche 
38108, 20668, 9735, zufammen 68511; 
Sonftige 1558, 730, 520, zufammen 2808, 
— 3, Bahlfreis, Germersheim, Bergzabern: 
Bevölferung 55183, 39257, zufammen 
94 440; darunter Evangeliihe 19822, 
20441, zujammen 40263; Römijc-Sarho- 
liihe 34724, 18179, zujammen 52903; 
zufammen 52903; Sonftige 637, 637, zu» 
jammen 1274.— 4. Wahlfreis, Zweibrüden, 
St. Ingbert, Birmajens: Bevölkerung 45079, 
40081, 78217, zuf. 163377, darunter 
Evangeliihe 29701, 5855, 39719, zuf. 
15275; Römiſch-Katholiſche 14751, 34019, 
37203, zuſ. 85973; Sonftige 627, 207, 
1295, zuf. 2129. — 5. Wahlfreis Homburg, 
Kuſel: Bevölterung 67384, 45835, zul. 
113219, darunter Gvangeliiche 32180, 
40470, zuj. 72650; Römiſch⸗Katholiſche 
34704, 5103, zuj. 39807; Sonftige 500, 
262, zuſ. 762. — 6. Wahlkreis Kailers- 
lautern, Kirchheimbolanden, Rodenhaujen: 
Bevölkerung 87633, 26 742, 38 768, zui. 
153143; darunter Evangeliihde 56391, 
19479, 29813, zuſ. 105883; Römiſch— 
Katholiiche 29737, 6521, 8043, zuj.44 301; 
Sonjtige 1505, 742, 912, zuj. 3159, 


er DE 


Beimatkundlides. 


„Die Pfalz: Zweibrüder Borzellanmaun- 
faktur, ein Beitrag zur Geſchichte der Por: 
zellanfabrifation und zur Stulturgejchichte 
eines deutjchen Stleinftaares im 18, Jahrh.“ 
von Emil Heujer, dem verdienten Heimat- 
foricher, Sefretär des Hiftor. Vereins der 
Pfalz, ericheint joeben im Berlag von 
Ludw. Witter in Neuftadt a. 9. — Die 
Darftellung, welde dur Abbildungen auf 
6 Tafeln unterftügt wird, umfaßt 31 Bogen 
Quart und ftammt aus Alten des Kreis» 
archivs, mo fie zwiſchen Prozekaften des 
zweibrüdifchen Bergmwejens gefunden wurden. 
Manerfährt da ganz überraſchende Tatſachen 
über die Betriebe im Schlößchen Gutenbrunn, 
in Bweibrücden, in der Fayencefabrik Irheim, 
die Fabriken des Engliſchen Rorzellans in 
Bubenhaufen und auf dem Firichbacherhof, 
die zwiſchen 1777 und 1786 beitanden 
haben. Außer Abbildungen von Porzellan: 
erzeugniffen find das Bild Chriftians IV., 
Karten und Pläne beigegeben, ferner Ab- 
bildungen von Gutenbrunn, Jägersburg, 
Bireibrüden und Karlsberg. Die Auflage 
ift nur auf 260 Eremplare feitgelegt (53 
Erempl. auf Sunftdrudpapier zu 12 4 
und 207 Erpl. auf nachgeahmtem Bütten- 
papier zu 10.4 und dieje find nummeriert 
Anterefienten werden alfo gut tun, fich eins 
diefer Kabinettftüfe zu fichern, denn an 
eine Ergänzung oder Neuauflage ift faum 
zu denfen. 


Deufmale der Heimat. Mit einem 
neuen, fehr zu begrüßenden Unternehmen 
tritt der unermüdliche Herausgeber der 
„Deatihen Gaue”, Kurat Frank in Kauf: 
beuern, an die zahlreihen Heimatfreunde 
heran, den „Dentmalen der Heimat”. Sie 
find als eine Ergänzungsichriit zu den in- 
baltsreichen „Deutjchen Gauen“ gedacht und 
dazu beftimmt, eine Fundchronik zu bilden 
und Berichte über Kultur- und Narurdenf- 
male zu jammeln, um die in Zeitungen 
zerftreuten, nicht nur lofalgejhichtlichen, fon: 
dern oft auch wifjenjchaftlich wichtigen Nach— 
richten für den Forſcher zu regiftrieren und 
vor dem Bergefjenwerden zu retten. Da: 
neben bringen die Denfmale Original» 
notizen über Yunde, ſorgen für die Er- 
haltung gefährdeter Kultur, Kunft- und 


Naturdentmale und halten ihre Leſer über 
die neueften Forſchungen zur Geſchichte der 
Kultur auf dem Laufenden. Sie erjcheinen 
ſowohl als einfeitig bedrudte Fahnenabzüge, 
um fie zerjchneiden und nah Stichworten 
in Ercerptenmappen unterbringen zu fönnen, 
wie auch als bejondere Hefte. Der Preis 
wird nad, Verfiherung des Herausgebers 
jehr mäßig fein und für das Jahr über 
eınige Mark nit fommen. Zahlreiche 
Mitarbeiter, auh aus der Pfalz, tragen 
zur Förderung diejes Unternehmens bei; 
jo betreffen 3. B. von den bis jegt ber- 
öffentlichten 160 Notizen nicht weniger als 
13 unfere engere Heimat. Ein Probe: 
Abonnement ſowohl auf die Deutichen Gaue 
(jährlih 2,40 A) wie auf die „Denfmale 
der Heimat” fann daher jedem Pfälzer 
warm empfohlen mwerden. 

Kurat Frank hat mit den „Dentmalen* 
einen z2Gedanken verwirklicht, dem ich ſchon 
im April 1905 in diefer Zeitſchrift S. 48 
ausgeſprochen habe, ohne bis jegt die rich- 
tige Unterftügung au finden. Um aber das 
Sammelmwerf für den beabfichtigten Zweck 
noch geeigneter zu machen, dürfte es fich 
empfehlen, einmal die vielfady irritierenden 
Ueberſchriſten ganz megfallen zu laſſen, 
daflirzaber in jeder Notizfden Ortsnamen 
und den behandelten Gegenſtand durch 
Drud deutlich hervorzuheben und dann 
jedem Heft ein ſowohl nah Stichworten 
wie nad Zandesteilen geordnetes Regiſter 
unter Unführung der Ordnungsnummern 
den einzelnen Notizen beizugeben ; hierdurch 
würde dem Intereſſenten nad) jeder Richtung 
bin fofort ein Ueberblid über den Inhalt 
ermöglicht werden. Häberle. 


Laudeskundliche Yireratur, Manchem 
unſerer Leſer dürfte es nicht bekannt ſein, 
daß wir aus der Feder von Herrn Ph. 
E. Stucky (Freinsheim) für mehrere pfäl— 
ziſche und der pfälziſchen Grenze zunächſt 
liegende außerpfälziſche Städte nebſt Um— 
gebung eine Zuſammenſtellung der darauf 
bezüglichen Karten, Stadtpläne, Führer, 
Reiſebücher und ſonſtigen Druckſchriften 


hiſtoriſchen 2:. Inhaltes beſitzen, die, alpha» 


betiſch geordnet, im Pfälzerwald, IIl. Jahr: 
gang, 1902 veröffentlicht worden iſt. Es 


— 11 — 


find behandelt: Alzey, Annmeiler, Bad | Daran fließt fich ferner eine Leber« 
Dürkheim, Bergzabern, Edenkoben, Franken | ficht fiber die pfälzifche mundartliche Literatur 
tbal, SKaiferslautern, Kirchheimbolanden, | in derjelben Beitichrift IV. SYahrgang, 1903 
Kufel, ſtreuznach, Landau, Landftuhl, | Nr. 10 u. 14. Beide Zufammenftellungen 
Ludwigshafen, Mannheim, Neuftadt, Bir: | find als wertvolle Vorarbeiten für die an- 
majens, Saarbrüden, Speyer, Weißenburg, | zuftrebende landesfundliche Bibliographie 
Worms und Bweibrüden. der Rheinpfalz zu begrüßen. Häberle. 


Zur Umfrage über den Weinbau in der Aheinpfals. 


; * belegte, trotzdem man entehrende Strafen 

Seit waun gibt es — Wein über fie verhängte, es blieb beim alten. 
pantibereien Im Zahre 1435 mußten zu Köln ein Wein: 

Ein Präludium zum neuen Weinparlament. ichenfer ſamt jeiner Frau gebunden auf 
Bon Theo Seelmann. einem Faß unter dem Pranger fißen, weil 
Schluß) ſie dem Wein geſottene Beeren zugefügt 


hatten. Die aufgereihten Beeren waren 
Der ehrbare Rat der Stadt Feankfurt ihnen wie Paternofter um den Hals gelegt. 
ernannte von Zeit zu Beit aus feinen Mit | Nach der Strafe wurden fie aus der Stadt 
gliedern einen Ausihuß, dem die Aufgabe | verwiefen. Im Jahre 1427 wurden in 
zufiel, durch protofollariihe Vernehmung | Köln zwei Kaufleute gefangengefegt, die 
der Küfer und Weinmwirte die Fälſchertricks Nahewein gefüßt und gefärbt hatten. Man 
feitzuftellen. Nach dem Protokoll von 1402 | jchenkte ihnen das Leben, brannte fie aber 
ergab die Enquete dieſes ſtädtiſchen Wein- | durch beide Baden und in den Naden und 
parlaments, daß als Wufbeflerungsmittel | peitjchte fie mıt Ruten aus der Stadt. 
üblih waren: Erde, Eiweiß, Kupferrauch, Das war zu Weihnachten geſchehen. Im 
Beinftein, Senf, Salz, gebranntes Salz, | März wurde diefelbe Betrügerei von neuem 
füge Wild, Branntwein, Mandelmild, | verfucht. 
Weizenmehl, Weidafche, Lehm, Teit, Gliet, Zahlreich find die Nürnberger Bolizeis 
Ingwer, Reis, warmes Brot, Wacholder | verordnungen, die gegen die Weinfälichungen 
holz und Kieſelſteine. In jpäteren Proto- | erlaffen wurden. Im 14. Jahrhundert wird 
tollen werden als Sunftmittel angeführt: | heftimmt: „Es fol niemand feinen Wein 
Aland, Alaun, Kalt, Galizienftein, Zieger, | maden mit Alaun noch mit Glas. Wer 
Schlehen und Peifuß. Dabei ging es in | das bricht, ift er ein fremder, jo muß er 
Frankfurt noch nicht einmal am jhlimmften | ewiglich der Stadt fern bleiben, ift er aber 
her. Denn in anderen Städten verwandte | ein Bürger, jo foll er ein Jahr die Stadt 
man jogar Bleiweiß und Bitriol! So | verlaffen.” In einer anderen Bolizeiordnung 
betrieb die Weinfäljhung das brave, hoch-· des 14. Jahrhunderts wird gefagt: Es foll 
kirchliche Mittelalter. niemand feinen Wein maden mit Alaun, 
Diefen behördlichen Unterfucyungen jegten | Glas, Kalk, Branntwein, Flugfinter, noch 
die Fälfcher die größtmögliche Verfchlagen: | mit feinerlei Sachen, wodurd jemand an 
heit entgegen. Im Jahre 1402 erjchien auf | dem Leibe geichädigt wird.“ Im 15. Jahr— 
der Frankfurter Mefle ein Straßburger | hundert wird der Stampf gegen die Wein- 
Beinhändler, der, um feine gemachten Weine | panfcher eifrig fortgejeßt. Jetzt gebietet 
durchzupaſchen, Fäffer mit mehreren Böden | man: „Wein, der mit gefährlichen oder 
mit fich führte. Die eine Wbteilung eines | jchädlichen Sachen, als mit Branntwein, 
jeden Faſſes war mit reinem Wein zur | Weidafche, Senf, Senfförnern, Sped oder 
Entnahme einer Probe, die andere mit | dergleichen bereitet, gemacht oder zugerichtet 
Runftwein gefüllt. Trogdem man die Fäller ift, oder auch mit Milch, Waller und anderen 
der Panſcher auslaufen ließ, troßdem man | Dingen verdünnt, gemengt, gemifcht oder 
die Frebler mit empfindlichen Geldbußen | verfchnitten ift, ſoll in diefe Stadt nicht 


— 12 — 


geführt, gebracht, feilgehalten, verfauft noch | Breisgauer, desgleichen weder Waſſer noch 


in die Steller gelegt werden.” Am Ausgang 
des Kahrhunderts ergeht: Ein Geſetz von 
den böien und ſchädlichen Weingemädten, 
insbefondere vom Schwefeln der Weine. 
Die Einleitung dieſes Geſetzes lautet: 
„Nachdem, wie offenbar und Fundig ift, viel 
und mancherlei jchädliche und gefährliche 
Gemädte und befonders Schwefel in ver- 
gangenen Beiten gebraudt morden find, 
wodurd; nad) glaublichen Anzeigen und 
Unterrichtung hochgelehrter Doktoren der 
Arznei vielen Menjchen, und namentlich 
bom weiblichen Gejchlechte, die ſolchen Wein 
genießen, Verkürzung des Lebens und viel 
andere jchwere Krankheit davon entitanden 
und erwadjen find, jo hat ein ehrbarer 
Rat, jolches abzuitellen, folgende Gejege und 
Ordnungen erlaffen, daß fie von männiglich 
alfo geftrenglich gehalten werden.” 

In den Nürnberger Bolizeiverordnungen 
lieft man zwiſchen den Beilen, wie heiß man 
fih bemüht, jede nur denfbare Lüde zu 
vermeiden, die den Weinfäljchern einen 
Durchſchlupf ermöglichen konnte. Dasjelbe 
Beitreben herrichte auch in anderen Städten, 
Man hatte es nicht umfonft mit Leuten zu 
tun, die fo klug und fchlau waren, daß fie 
es verftanden, aus Wafjer Wein zu machen. 
In Aargau in der Schweiz mußten die 
Weinwirte aljährlih fchmören, ſich aller 
unlauteren Machenſchaften zu enthalten. 
Die Eidesformel, die für dieſe unficheren 
Rantoniften aufgeftellt wurde, faßt alle nur 
irgendwie vorftellbaren Möglichkeiten ins 
Auge: „Des erjten werdet ihr ſchwören, 
Elſaſſer für Elfaffer, Breisgauer für Breis- 
gauer, Landwein für Landwein zu jchenfen. 
Und foll feiner zweierlei Eljafjer, er wäre 
gefäuert oder getrebert, oder jchlechten 
zweierlei Breisgauer oder Landwein in 
einem Seller jchenfen, es wäre denn alter 
oder neuer oder weißer und roter. Auch 
folt ihr feinen Landwein in -Eljafler oder 


Fülmwein in den Wein tun, nachdem die 
Fäffer in den Seller gefommen find, noch 
es euer Gefinde oder ſonſt jemand tun 
lafjen. Ihr follt auch fein ſchädlich Ding 
in den Wein tun, wie Weidajche und anderes, 
was ſchädlich ift, und die8 auch nicht von 
eurem Geinde oder jemand anders be- 
forgen laſſen.“ 

Wie bemerkt, fuchte man auch durd) die 
Neichsgefepgebung die Weinpanſchereien zu 
unterbinden. Zehn Jahre jpäter, nachdem 
der MNeichsdeputationstag in Rothenburg 
feine Paragraphen zu Papier gebradht hatte, 
wurde zu Freiburg im Breisgau Römiſcher 
Königlicher Majeftät Ordnung und Satung 
über die Weine, Anno 1497, ın fieben 
Artikeln aufgerichtet. Beſonders war diejer 
Erlaß gegen das Schwefeln gerichtet. Schon 
1500 war man, der fieben ſchönen Artifel 
ungeachtet, wieder auf dem Reichstag von 
Augsburg genötigt, den Weinmwirten das 
Gewiſſen zu fchärfen, und 1548 drohte 
Karl V,, abermals auf einem Reichstag zu 
Augsburg, den Übeltätern mit ſchwerer Buße 
und Pön. Alle Strafandrohungen waren 
in den Wind geredet. Man fälfchte im 
16., man fäljhte im 117. Yahrhundert 
furdtlos weiter, und im 18. Jahrhundert 
erfand man fogar noch ein neues, treffliches 
BWeinaufbefferungsmittel in dem... Arfenif. 

Die moderne Chemie, der wir jo gern 
die Weinpanfchereien der Gegenwart in die 
Schuhe jchieben, ift aljo feineswegs die 
Stammutter diefer Berfehlungen. Die Ge: 
fchichte, aus der jonft jo menig gelernt 
wırd, lehrt hier ummiderleglich, daß die 
BWeinfälfhungen ſchon eine unverwüſtliche 
Lebenskraft beſaßen, als die Chemie noch 
nicht geboren mar, und daß darum die 
vormaligen Geſchlechter weit mehr noch als 
wir jelbft die Wichtigkeit des blendenden 
Wortes bezweifeln durften: Im Wein ift 
„Wahrheit“. 





DInbalt: Zum 50. Jahrestage. — Die Züchtung der Kartoffel. Bon B. Renner, Landwirt- 
ſchaftslehrer zu Frankenthal. — Die Bevölkerung Deütſchlands unter befonderer Berückſichtigung 
der Pfalz. — Heimatkundliches. — Zur Umfrage über den Weinbau in der Rheinpfalz. 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern. 
Für Form und Ymbalt der Beiträge find bie Herren Berfaffer verantwortlich. 


*Die Pfälgiihe Heimatkunde“ Toftet jährlich im 12 Heften ME. 2.50. Behtellungen werden von allen Buchhandlungen und 
Voſtanſtalten ferner vom Verleger (Portofreie Streifbandfendung) angenommen. 


Pfäßilche Heimatkunde 
MonntsfArift 


für Schule und Kaus 


unter Berückhfihtigung der Bedürfnille der pfälziſchen Schulen. 
Schriftleiter: Lehrer Ah. Fanth, Landfnhl. 


— — Bierter Jahrgang. ———— 
1908. 


* 


Kaiſerslautern 
Drud und Verlag der Hof-Buchdruckerei Hermann Kayſer. 


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Inhalts-Verzeichnis. 


— —— 
Seite Seite 
Ausgang des füdpfälzischen Bergbaues 13 | Gefolgſchaft des Menicen . 23, 38 
Ameiſen und Pflanzen . 62 | Geologie und Heimatkunde 26 
Ausmwanderer, Pfälziſche 67 | Gewitter Niederſchlagsbeobachtungen 78 
YAusgrabung der gallifchen ae Grab, einſames. ur 80 
bei Deidesheim . Ey: 79 | Gruppenwaſſerverſorgung des — 90 
Alt Heidelberg, dab Schlvß — jenule Brüfte dev Kloſterruine Limburg 104 
Schickſale 128 | Goldfund . 116 
Allerlei vom Taval . 129 | ®emeindeardjwalten . 142 
Altertümer 136 | 
Seimatfchuß . 5 
Brauntoblen bei Klingenmüniter . . . 7 | Helmat im Schulunterricht . 6 
Biologiiche Abwaſſerreinigung cn u | Helmatfundlihe® . . . . . ....8,80 
Beiträge zur Gefchichte des Heimatſchutzes | Hadmefjerjeite — Bucher Yändıe 15 
in Bayern . . 25 | Himmelsihau — zum 10, Febr. 1908 — 0 
Beheizung unjerer — 28 | Hagelichiehen 36 
Blaumeife i 68 ; Hundeitjahrgebdenticier der — — 
Bitumen — VBortommen bei —— 117 | vermeflung F 60 
. ! Hafe fhlätt mit offenen — 689 
Dünen in der Weitpfalz 2, 91 | Sungerbrunnen im Stiftswald bei Kaiſers— 
Deutſche Eigennamen 58 
lautern . 102 
Deutſche in Louiſiana x | 
Diluviale Funde in ber Rbeinpfatz u und | Iinventarifierung von Naturdenfmälern 
deren wiſſenſchaftliche Ausbeute 97 | in Baden 88 
Ernte Bayerns im Jahre 1906 . . . . - ER der verjchiedenen Belcuchtungsarten 17 
Eiche, die bei Rehborn 91 Kalſer Heinrich IV. Beftattung 2 
Entſtehung des Pfälzer Liedes 92 | on IREIBBEN: TREE m 
Edeitaſtanien 142 | g von Dürkheim, ein aupfaigiſcher 
Pfingſtgebrauch . 89 
Feſtlegen des Oſterfeſtes 36 | 
Franzöfifche Kolonien in der Pfalz 41) iterarifches . . 24, 139 
Flachs und Hanf . 442 Leben des Baumes 49 
Flur und Waldkapellen im Bfälgerwald . 48 | Landesvermeſſung Bayerns 60 
| Lebensgewohnbeiten der Ameiſen zc. 64 
Gruß an die Pfal . -» » » » 2... 3 | Landitubler Gebrüh - - » » 1109 
Glodenmwunder zu Speyer... 21 | Luftſchiffahrt in der Pfalz . 119 
Gefiederte Wintergäjte in den Bfalgmäfdern 22 | Lembergturm 128 


Mein Biälzerland . 

Mordwirtin von Odernheim 

Milbenhäuschen ur 

Mönd, der. von St. Medard 

Mineralquellen, zwei neue . 

Mitteilungen aus der — 
Stand und Entwickelung, baveriſchen 


Niflungen Hort, der 

Neuen Bergwerksanlagen 
Nahrung der Bögel — Neuen ————— 
Naturpflege . 


Ernithotogifche Geſellſchaft; Bayer. 

Oftertag Balentin 

Ditertag- Denfmal 

Ortöpruppe Ludwigshafen des ” gfälger 
Waldvereind 


Projektierter Babnıbau . } 
Poeſte und Proſa in der —— 
Pfinaften, die Spargelzeit 
Pflanzencharafter der Umgebg. Landſtubis x. 
Bapiergeld, berüchtigtes, franzöfiiches . 
Petroleumborkommen, angevliches bri 
Beteräbächel j j 
Pollichia — 68. EEE NENNE ; 


— 
— 
— 
———, 


5 
72 
73 
116 


2 m 00 
© De 8 


| Raichi-Rapelle in Worms . 
| bein, Schiffahrt — Fiſcherei 


@ootiquellen- Salzgewinnungi B. Dürkheim 
Schaffer Niitpläge für unſere Vögel 
Storh — ift er nützlich oder fhädlih — 
Städteverfafiungsgejeß . 

Sunnmwend oder Johannisfeuer 
Sammlung bayerifch-pfälzifcher Münzen . 


Zurmruine in Odenbach, ein gefährdeter 
Baudenkmal 


Unſere Urahnen aus der Steinzeit . 

Urbheimat der Germanen 

Ueber das Alter des Landftubler Brudies 
und über Ürtefeftenfunde in Torf: 
mooren 

Ueber Blitzgefahr 


Verſchie denes 
Bögel, giftfeſte 
Verein „Badiiche Heimat“ 


Wild: und Jagdbeobachtungen pfälgifche 


| Wachtel und Wachtelfchlag 


124 ! 
125 ı 


44, 93, 108, 


12 
56 


102 


143 
71 
101 


37 
69 


-(JOJR qum yradıg) S qum p "ı26 
„aqunzzompack "Pıpjsk“ an! aßonag 


"„allaagk "Hıoisk“ 
229 „waagngnag” uaq Sulz 


uabunliugg 
m alpaıyg aoq 
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IV, Jahrgang. Nummer 1. Januar 1908. 


IPÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


N Y 
MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 





— — Gruß an die Prag, me > 
Gegrüßt mir, du fruchtbares fonniges Die Felder fo reich und fo üppig erblüht, 
Land 


and, Die öftlichite Traube am Berghange 
Umglänzt von des Rheines grünfilbernem glüht — 

Band! Und mag mir die Heimat auch näher wohl 
Ich jchrieb deinen Namen in's Herz mir ſein, 

hinein, Von Herzen doch lieb' ich die Pfalz am 
Um fürder mein ewiges Heimweh zu ſein. Rhein. 


Die waldigen Berge von Burgen gekrönt, Und wander' ich ferne vom pfälziſchen Land, 

Die prangenden Fluren durch Täler Da faßt mid die Sehnſucht wohl ſacht bei 
verfhönt — der Hand; 

Wo immer ich auch im Leben mag fein, Ich jchlage vor Wehmut die Hände dann ein 

Gegrüßt mir, du wonnige Pfalz am Rhein, | Und bete: Gott ſchütze die Pfalz am Rhein! 


Dann fumm’ ich ein Lied, dem jo gern id) 
gelaufcht, 

Wenn leife zur Seite der Rhein mir’s 
geraufht — 

Bon Deutfchlands Yumel und köftlichftem 
Stein, 

Dann fing’ id mein Lied von der Pfalz 


am Rhein! Dr. Earl Bufd. 








Bie Holquellen nnd Halzgewinnung in Bad Bürkheim. 


Am öftlichen Fuße des Hardtgebirges, | nad allen Richtungen aus, gegenfNorden 
da mo die Iſenach zwiſchen fteilen Höhen | und Süden von rebenbefränzten Hügeln 
in die Ebene tritt, liegt das weit über die eingeſchloſſen. Herrliche Parkanlagen und 
Grenzen der Pfalz durch feinen ausgedehn- ſchattige Ulleen umgeben die Stadt. Der 
ten und vorziglihen Weinbau und jeinen | reizenden Lage und Umgebung und nit 
Burftmarft berühmte Bad Dürkheim. | minder feines edlen Weines wegen bildet 
Polypenarmig ſtrecken fich feine Häuferreihen | Dürkheim von jeher das Biel vieler Befucher 


von nah und fern. Aber auch für Franke 
und Erholungsbedürftige bietet Bad Dürk— 
heim mandherlei Vorzüge. Seine Heil: 
quellen haben jchon vielen Stranfen die er: 
hoffte Genefung gebradit. 

Die Dürfheimer Solquellen*) find ſchon 
feit dem Jahre 1136 befannt, wurden aber 
erft von 1595 an zur Salzgewinnung ver- 
wendet. Befanntlich überließ Kaifer Konrad. 
im Jahre 1030**) das den Saliern ge 
börende Schloß Limburg den Benediftinern 
als Kloſter. Um diefem ein reiches Ein- 
fommen zu fihern, fchenfte er demſelben 
4 Orte auf dem linfen Rheinufer (Grethen 
am Fuße der Limburg, Dürkheim, Wachen: 
beim und Schifferftadt) und 4 auf dem 
rechten Ufer. (Eichen, Feuerbach, Sund- 
lingen und Sulzbach.) Im Jahre 1387 
belehnte der Abt von der Limburg die 
Grafen von Leiningen, denen Kaiſer Philipp 
von Schweden 1206 den Schuß des Klofters 
übertragen hatte, mit den Salzbrunnen 
von Dürfheim, behielt aber den auf dem 
„Brühel”, der damals für den ergiebigften 
gehalten murde, für die Abtei. Wahr- 
ſcheinlich ſchöpfte man zu diejer Zeit nad) 
Bedarf die Sole und fochte fie. 1594 ver- 
pachtete Kurfürft Friedrich IV. das ehe: 
malige Klofter Schönfeld (an Stelle der 
heutigen Saline) an Georg von Menkingen 
unter der Bedingung, daß er daſelbſt ein 
Salzwerk anlege. Durd) den bald darauf 
ausbrechenden 30jährigen Krieg aber wurde 
diefes Vorhaben unterbroden und es trat 
wieder ein längerer Stillftand in der aus- 
giebigen Verwertung der Solquelle ein. 

*), Die Real-Encyklopädie der gefanıten 
Pharmacie Fennzeichnet die Sachlage wie folgt: 

Dürtheim in der Pfalz, Bayern, befitt 
8 Mineralquellen, von denen 7 ftarfe Stochfalz- 
wäfler und eine ein Eifenfäuerling tft. Diefer 
enthält in 1000 Th. Na C1 0.196, Na, SO, 0.156, 
CaH, (CO,), 0.362, FeH, (CO,), 0.047. Die 
reichite der anderen Quellen iſt die Soolquelle, 
mit Na Cl 12.699, Ca Cl, 3.018 und Na Br 0.019 
in 1000 Th. Diefer ichließt fih an der Birgilius- 
brunnen mit NaCl 10.275, CaCl, 1.799 in 
1000 Th., der Bleihbrunnen mit 9.245 und 1.98, 
der Engelbrunnen mit 8.625 und 1.366, der Ult- 
brunnen, Fisfcher und Wiefenbrunnen mit etwas 
geringeren Mengen. Alle Quellen enthalten 
au Mg Cl, ferner Na J und NaBr., die Sool- 
quelle audh etwas Li Cl (0.039). 

5 So iſt auch auf der Tafel am Weftportale 





ber Yimburg zu lefen. Nach neuerer Forſchung 
dürfte die Bründung des Kloſters in das X 
1025 fallen. D. Sch. 


Erft im Jahre 1699 wurde das Unter: 
nehmen wieder in Angriff genommen und 
das Salzwerk einem gewiſſen Rousseau 
de Lescu aus Lothringen verpachtet um 
die Pachtſumme von 5000 Gulden und 
gegen Lieferung von 100 Ztr. Salz an 
den kurfürſtlichen Hosf. Obwohl der Pächter 
Brunnen anlegen ließ und ſich alle Mühe 
gab, die Salzgewinnung vorteilhaft zu ge— 
ſtalten, geriet er bald ſo in Schulden, daß 
er flüchten mußte. Einem Elſäſſer namens 
Duppert, der 1716 einen zwanzigjährigen 
Pacht einging, gelang es endlich die Salz: 
gewinnung mit Borteil zu betreiben. Er 
war ed aud, der das erſte Gradiermert 
anlegte. Nach Beendigung der Pacht z0g 
der Hurfürft Karl Philipp das Salzwerk 
an fi und zahlte an den bisherigen Pächter 
für gemachte Verbefjerungen eine Ent: 
ihädigung von 18000 'Bulden. Hierauf 
ließ der Kurfürſt eine beffere Einrichtung 
der Gradierwerfe ſowie der Siedehäuier 
und der Solbrunnen vornehmen. Um ein 
entiprechendes Gefälle zum Betriebe der 
Pumpmerfe zu befommen, mußte der Lauf 
des Iſenachbaches verlegt werden, wodurch 
die Fronmühle, die Cleophas« und 
Pfeffingermühle eingingen. Das Salz 
werk hieß von jegt ab die „Philippshalle“. 
Nachdem verjchiedene Verbefjerungen in der 
Einrihtung vorgenommen worden, ver 
mochte das Salzwerk jährlich, nahezu 10 000 
metr. Bentner Salz zu liefern. 

Eine abermalige Störung im Betriebe 
erfolgte durch die franzöfiiche Revolution; 
während einer mweiteren Verpachtung, deren 
Ertrag zur Dotation einer franzöfiichen 
Prinzeffin diente, wurden die Gebäude und 
Einrihtungen außerordentlich vernachläjfigt. 
Erſt nachdem die Pfalz wieder bayeriſch 
geworden war, murde der Philippähalle 
wieder die gebührende Aufmerkſamkeit Fzu- 
gewendet, Dürkheim wurde nun der Sik 
eines Hauptzollamtes. Bier fönigl. Beamte 
mit 25— 30 Urbeitern mwidmeten fich der 
Salzgewinnung, jo daß jährlid 4 — 5000 
metr. Btr. Salz gewonnen wurden. Syn 
diejer Veriode wurde 1847 auch der jetzige 
über 300 m lange, auf 162 Sandftein- 
pfeilern ruhende Gradierbauferrihtet. Im 
Jahre 1867 ging die Saline in den Beſitz 
der Stadt über, welche die Salzgewinnung 
Ipäter dem Bad: und Salinenverein über- 


— u 


Pan über die Sage der Pürkheimer Soolbrunnen. 
Maßftab 1: 10000, 





Norizentats. \; 
4 steriauf. 





Erklärung: Ziffer 1 — Allubium n. unbelannt.; 2 = Dilubium; 3 — Half und Thon (tertiärer) ; 
4 — melßl. Bunt: und Sandſtein; 5 —= thonig. Mittel- und Dedftein; 6 — roter 
Boged-Sanbdftein (Todtliegenbdes); 7 — älterer Schiefer; IM — Bohrlöcder und Soolquellen. 


trug. — Bon den nad und nad) erbohrten 
Solquellen jollen Hier nur 8 angeführt 
werden, welche teilmeife wieder außer Betrich 
gelegt wurden. 

Eine der älteften Quellen ift wohl der 
Wiejenbrunnen oder der Pimbur: 
giſche Brunnen (Siehe I des Planes) 
jo genannt, weil ihn, wie oben bemerft, 
der Abt des Nlofters Limburg für fich be- 
hielt. Er befindet fih an der Stelle, wo 
jegt das Licht- und Luftbad errichtet iſt 
Da ſich jein Salzgehalt mit der Zeit immer 
mehr verringerte, mwird er jeit vielen Jahren 
zur Öradierung nicht mehr verwendet. 

Der Altbrunnen (ll.) auf den eigent— 
lihen Wurſtmarktswieſen, deſſen Salzgehalt 
anfangs 1—2°%% betrug, dann auf 0,8" 
berabging, ift ſeit 1866 außer Gebraud 
gejeßt, im vergangenen Jahre aber nad 
der Kinderheilftätte geleitet zur Verwendung 
von Solbädern. 

Der Klammer: oder Oberbrum: 
nen (V.) neben der Buchdruckerei Rhein: 
berger, wurde 1737 gegraben, jeit dem 
Jahre 1866 des geringen Gehaltes wegen 
aufgegebenTund) übermölbt, 

Der Nagelbrunnen, zwiſchen dem 
Klammer: und Engelsbrunnen, 1738 ge 
graben, lieferte anfangs eine reichhaltige 
Sole; diejelbe nahm aber raſch ab, jo daß 
er bald aufgegeben wurde und heute feine 
Lage nicht mehr mit Beftimmtheit bezeichnet 
werden fann, 

Der Bleich- oder Kurbrunnen 
auf den Bleichwiejen ift 1773 angelegt 
worden. Sein Waſſer dient hauptſächlich 
zum Trinken und befigt einen Salzgehalt 
von 1a'o bei einer Temperatur von 
15!a° C. 

Der Engelsbrunnen (VI.) an der 
Ede des Nitterichen Parkes, ift 1739 ge- 
graben worden, lieferte anfangs cine 1— 
1a ige Sole, im Jahre 1850 nur nod 
0,4°0' und fam daher 1864 außer Benützung. 

Der Bigiliusbrunnen (X1.), welder 
fich in der Nähe des Schlachthaufes befindet, 
wurde 1830 erbohrt und hat einen Salz: 
gehalt von I—1'/5 "jo bei einer Temperatur 
von 16,25° C. 

Die bedeutendfte und in letter Zeit 
mwegen ihres hohen Arſengehaltes vielfach 
genannte Quelle ift der Marbrunnen 
(XIL), an der Hinterbergitraße gelegen. 





Da die bisherigen Quellen infolge der 
Zuflüſſe weniger ſalzhaltiger Gewäſſer, die 
in den zerklüfteten Sandfteinlagen nicht 
genügend abaedämmt werden fonnten, nad 
und nad an Gehalt abnahmen, unternahm 
die Salınenverwaltung in den Jahren 
1857 — 59 einen neuen Bohrverfud bis zu 
eıner Tiefe von 294,34 m. Die oberfie 
durchbohrte Schihte bis 6,86 ın beftand 
aus Alluvıalgebilde, von da ab fam Sand: 
ftein mit etwas Ton vermiſcht. Bis 56,65 m 
Tiefe zeigten fi nur ſüße Gewäſſer mit 
einer Temperatur von 12,5" C. Bon da 
an fam auch falzhaltiges Wafler von etwa 
ao Salzgehalt. Bei fortichreitender 
Tiefe nahm die Sole an Gehalt, Quantität 
und Temperatur ſiets zu, jo daß in einer 
Tiefe von 203,23 m die legten und reicheren 
Quellen erbohrt wurden mit einem Gehalt 
von 2! und einem Quantum von 801 
in der Minute bei 18,15° CG, welcher 
Stand fich bald minderte, bald mehrte. Zur 
Beit dürfte das Verhältnis folgendes fein: 
Der Salzgehalt 2,07—2,1°, das Quantum 
701 in der Minute, die Temperatur 19,5 °C. 
— Unterhalb 203,23 m Tiefe murden 
durh 91 m feine Solquellen mehr an: 
getroffen. 

Es darf wohl mit Sicherheit angenom- 
men werden, daß die in Bad Dürfheim 
vorfommenden Quellen ihren Salzgehalt 
der Auslaugung von Maflen verdanten, 
welche einftens von Meerwaſſer durchtränkt 
worden find. 

Gegenwärtig werden zur Salzgewinnung 
nur die Solen des Marbrunnens, des 
Bigilien- und des Kurbrunnens ver: 
wendet. Da aber bei dem geringen Salz: 
gehalt ein fofortiges Sieden ih kaum 
lohnen würde, indem zu viel Brennmaterial 
erforderlih wäre, wird das Salzwaſſer 
durch ein Pumpwerk, das von der Iſenach 
getrieben wird, auf den Gradierbau ge 
leitet, wo ed über die Weißdornwände 
herabtröpfelt und fich in mehreren hölzernen 
Behältern unter denjelben fammelt. Dabei 
verdunftet ein großer Zeil des zerftieben- 
den Waflers und die Sole wird um jo 
jalzhaltiger, je öfter fie diefen Weg macht. 
Wie oft man diejes geichehen läßt, hängt 
von der jeweiligen Witterung ab; gemöhn: 
lich muß fie den dornenvollen Weg 12 —2Omal 
machen. Hat die Sole einen Salzgalthe 





= 5.5 


von 27% erreicht, jo wird fie dur Ma- | Mutterlauge genannt und findet bei 
ſchinen auf die nahe Saline geleitet, wo | Bereitung von Solbädern Bermendung. 
fie in großen Sudpfannen fo lange gejotten | Das Sieden beginnt gewöhnlich im Dftober. 
wird, bis das Wafler zum größten Teile | Die hiefige Saline liefert durchichnittlich 
verdampft ift und das Salz fi in Sriftall- | im Jahre c. 5000 Zentner Salz, nämlid) 
form ausjcheidet. Hat fich die ganze Ober: | rund 2000 Btr. Kochſalz, 1500 Bir. Vieh- 
flähe mit Kriſtallen bededt, jo gleicht die | jalz und 1500 Ztr. Badeſalz. 

Sudpfanne eınem kleinen zugefrorenen Teiche. Große VBerdienfte um die geologiſchen 
Das erftmalige Sieden liefert das Koch: | Unterfuchungen der nächſten Umgebung 
falz, daß zweite da8 Viehfalz und das | Dürkheims haben fi die beiden Salinen- 
dritte dad Badefjalz. Das gewonnene | Snfpeftoren Ph. Ruſt und H. Laubmann 
Salz wird mit Schaufeln aus der Pfanne | erworben. Deren Refultate find in den 
in unten fpig zulaufende Körbe gefüllt und | Berichten der Pollihia vom Jahre 1861 
in den Trockenraum gebracht, um fpäter | und 1868 veröffentliht. Der dort bei- 
zum Verſand in Säcke gefüllt zu werden. | gefügte Blan über die Qage der Dürfheimer 
Die in der Sudpfanne zurücfgebliebene, | Solbrunnen ift dem Jahresbericht von 
gelblich:braune, nicht mehr kriftallifierende, | 1861 angehängt. — 

meil allzu ſtark gejättigte Röfung wird 


2 — -— no, 


Heimatſchutz. 

Das kgl. Staatsminiſterium des Innern geführt werden, und daß namentlich die 
veröffentlicht eine längere, an die kgl. Re- Bauten für öffentliche Zwecke den An— 
gierungen, die DiftriftSverwaltungsbehörden | forderungen der Zweckmäßigkeit und Schön- 
und die fgl. Landbauämter gerichtete, außer- | heit entſprechen. Denn gute neue Bauten 
ordentlih beachtenswerte Entſchließung find neben den guten alten die beften und 
über den Heimatſchutz, der wir folgendes | lebendigften Lehrmittel für die Baumeifter 
entnehmen: und für das Publikum. 


Der Bayerifhe Verein für Volkskunſt Die bahyeriſche Architektenſchaft und 
und Volkskunde in Münden hat Richt- | insbefondere der Baperifhe Verein für 
punfte für die Pflege der heimiſchen Bau- Volkskunſt und Bolksfunde in Münden 
weife in den kleineren Städten, in den | (Gruftftraße 1) ift bereit, den Diftriktsver« 
Märkten und auf dem Lande ausgear- | waltungsbehörden und Gemeinden bei Be- 
beitet und den Diftriftsverwaltungsbehörden | fanntgabe der erforderlihen techniſchen 
mit der Bitte Üüberjendet, den biefür in | Grundlagen und des Bauprogramms ge- 
Frage kommenden Baumeiftern die Drud: | eignete Skizzen und Pläne zu bejchaffen. 
chrift auszuhändigen. Zugleich wurde von | Bei einigen Bezirkfsämtern befteht Die 
diefem Berein angeregt, die eigenartigen | Uebung, die Pläne für wichtigere Bauten 
Bauformen der einzelnen Bezirke in Be- | vor. der baupolizeilihen Beicheidung an 
Ihreibung und Plänen im Benehmen mit | das k. Landbauamt mit dem Erfuchen um 
dem fgl. Landbauamte feftzuftellen und | Würdigung in fchönheitliher Beziehung 
die dort wirkenden Baumeifter hierauf auf | nnd allenfallfige Fertigung von Tekturen 
merfjam zu machen. zu fenden. Gine ſolche Mitarbeit der 

Unſere Dijtriftsverwaltungs « Behörden | Bauämter auf dem Gebiete der Baupolizei 
werden angemwiejen, dieſe danfenswerten | ift ſehr zu begrüßen. ferner ift auf die 
Beftrebungen zu unterftügen. Auch die | Bauftelle des bayerifchen Landwirtichafts- 
Amtstechnifer find naddrüdlichft anzu: | rates als Beratungsftelle für landwirt— 
halten, fich mit diefen wichtigen Aufgaben | fchaftlides Baumejen aufmerffam zu 
vertraut zu maden und tunlichft ın diefem | machen. 

Sinn zu wirken. Um eine ausgiebige und erfolgreiche 

Bon bejonderer Wichtigkeit ift e8, daß | Mitarbeit diefer Sacjverftändigenfreife zu 
möglichft viele muftergültige Bauten aus | ermöglichen, müfjen freilich die Baupolizei, 


behörden auf rechtzeitige Vorlage der Pläne 
für Neu- umd Umbauten dringen und aud) 
dahin wirken, daß die Vorſchläge der 
fachverftändigen Berater wirklich zur Aus» 
führung gelangen. Nicht minder ift die 
Baulinienziehung für die Frage des Heimat- 
Ihuges von großer Bedeutung. 

Beſondere Aufmerkſamkeit joll ferner 
den Friedhöfen, namentlich den alten Fried⸗ 
bofanlagen mit ihren fchmiedeeijernen 
Grabfreuzgen und jonftigen alten Den. 
mälern, zugewendet werden. Auch der 
Brücdenbau fol fih der Landſchaft an- 
fhmiegen, die Ufer harmoniſch verbinden 
und nicht die Landſchaft zerreiken. 

Der Belebung des Intereſſes an den 
Beftrebungen des Heimatſchutzes wird es 
dienen, wenn die Allgemeinheit zur Mit- 
arbeit Herangezogen wird. Hiezu find 


namentlih auch die bereits beftehenden 
örtlichen Vereine verwandter Richtung mit 
dem Erſuchen einzuladen, allenfallfige 
Wahrnehmungen über den Berfall oder 
die Gefährdung geſchichtlich oder ardji- 
teftonifch intereffjanter Baumerfe, über die 
drohende Beeinträchtigung ſchöner Orts», 
Straßen: und Landſchaftsbilder u, dgl. 
umgehend zu berichten. 

Auch wird zu erwägen jein, inwieweit 
zum gleihen Zwecke die Beſtellung geeig- 
neter Berfonen ald Obmänner für beftimmte 
Bezirfe veranlaßt ift. 

Die behördliche Berätigung des Heimat» 
ſchutzes muß jedoch frei bleiben von Zu- 
dringlichfeit und polizeilicher Bevormundung, 
fie fordert ein verftändnisvolle8 Eingehen 
auf die Gigenart des Volkes und taft- 
volle Erwägen. 





Die Heimat im Schulunterricht. 


Die Gejellihaft für Verbreitung von 
BVolfsbildung hat auf ihrer diesjährigen 
Hauptverfammlung in Hannover über 
„Heimat und Volksbildung“ verhandelt. 
In den Vorträgen und Debatten murde, 
der praftiichen Wirfjamkeit der Gejellichaft 
entiprechend, in erfter Linie die Verwendung 
heimatliher Stoffe in den öffentlichen 
Borträgen und auf den Bolfsunterhaltungs: 
abenden und die Einſtellung von Heimat: 
büchern in die Volksbibliotheken beſprochen. 
Geſtreift wurde indeſſen auch mehrfach die 
Berückſichtigung der Heimat im Jugend— 
unterricht. Jeder Unterricht ſollte in 
ſeinen Anfängen nichts weiter als Heimat— 
unterricht ſein. Die Heimat, ihre Geſchichte 
und ihr Naturleben dem Kinde zu er— 
ſchließen, iſt eine der weſentlichſten Auf- 
gaben der Schule. An dem Gewerbefleiß 
der Heimat ſoll ſich auch die kindliche 
Schaffensluſt entzünden. Aber damit nicht 
genug. Die lebendige Erfaſſung der 
Heimat bildet die Brücke zu allem außer— 
halb des Anſchauungskreiſes der Kinder 
liegenden Wiſſen. Je meniger das Kind 
Belegenheit hat, Über den engen Kreis der 
Heimat hinaus zu fommen, um jo größer 
ift die Gefahr, daß fein Schulwiſſen der 
anichaulichen Grundlage entbehrt. Jedes 


biftorifche Denkmal in der Heimat, das 
an eine, wenn auch noch jo unbedeutende 
Epifode in der Geſchichte des Vaterlandes 
erinnert, jede mirtichaftlihe Berbindung 
der Heimat mit der fremde, jeder Gegen- 
ftand in der Heimat, der die Berhältnifje 
der Fremde veranichaulidt, belebt die 
Phantafie des Kindes, vermindert die Ge— 
fahr des toten, wertlofen Budmiffens und 
regt die Lernluft des Kindes in der wirk— 
famften Form an. Die neuere Schul- 
meıhodif hat das auch immer mehr erfannt 
und jelbft da, wo e8 nad einem Ausipruch 
auf der BVolfsbildungsverjammlung „feine 
Heimat mehr gibt”, wo „die Heimatlojen 
wohnen“, in der Grofftadt, der Heimat- 
funde einen breiteren Raum im eriten 
Schulunterrichte zugemwiefen. Namentlich 
haben die lebensvollen Schilderungen der 
Bremer Lehrer Gansberg und Scarrel: 
mann viel dazu beigetragen, daß auch bier 
das das Sind umgebende Leben in Die 
Schulftube gebracht wird. Wber bei allen 
unterrichtlihen Bemühungen follte man 
eins nicht vergeffen: die rechte Heimat— 
funde und Heimatgeſchichte lehrt man 
draußen, unter freiem Himmel, in Bald 
und Feld, im Hof und Biehftall des 
Bauern, in der Werfftatt, nit in der 


dumpfen Schulftube. Gin derartiger Unter: 
richt in der Heimatkunde und Keimatge- 
fhichte erzielt nicht nur eine genaue Stennt- 





nis der Heimat, jondern als wertuolleres 
Ergebnis auch eine echte, an den Dingen 
der Heimat haftende Heimatliebe, 


— 


Braunkohle bei Alingenmünfer. 


Bor einigen Monaten ging eine Notiz 
durch die Zeitungen, daß man in Klingen⸗ 
münfter beim Sraben eines Brunnens in 
fieben Meter Tiefe auf Braunfohle ge 
ftoßen ſei; diefe komme als obere Schicht 
unferer pfälzifhen Steinfohlenlager vor. 
Unbefangene Lefer mußten annehmen, daß 
beim Weitergraben vorausfichtlich bald auch 
Steinkohle erfchloffen werden würde, Leider 
hat diefe in der ARheinebene an verſchiedenen 
Stellen vorfommende Braunfohle mit den 
pfälziſchen Steinfohlenlagern nichts zu tun, 
da fie fi in einer ganz anderen, weit 
jüngeren Erdperiode (Tertiär bzw. Dilu- 
vium) gebildet bat. Wahrfcheinlich fteht 
diefer Fund bei Sklingenmünfter mit 


anderen aus der Gegend (Hördt, Yodgrim) 
befannten ſchwachen Moos» Braunfohlen- 
Flögen der Diluvialzeit im Bufammen- 
bang, die leider nicht den Abbau lohnen, 
wie die etwas älteren Brauntohlenlager 
bon Erpolzheim bei Dürkheim. Auch 
weiterhin wird man beim Grafen in be 
ftimmten Tiefen vorausfitlih auf Braun- 
kohle ftoßen, die fonft gemwöhnlid von 
jüngeren MWblagerungen bededt ift, bei 
Schaidt aber in einer Grube nahe. beim 
Bahnhof mit Cyrenenmergel (Dligocän) 
offen zu Tage tritt.*) Häberle. 


*) Bgl. bierüber Gümbel, Geologie bon 
Bayern, Bd. II, ©. 1083 f. 





Die Ernte Bayerns im Jahre 1906. 


Ueber die Ernte-Ergebnilfe des Jahres 
1906 enthält die Beitichrift des k. Stati- 
ftiichen Bureaus in dem foeben erjchienenen 
Doppelheit Nr. 1 und 2 ihres 39. Yahr- 
ganges (1907) folgende allgemeine Daten: 

Die Anbauflächen betrugen im ganzen 
Königreih Bayern im Jahre 1906 bei 
Winterweizen 264,817 Hektar, bei Sommer- 
meizen 22,793 Hektar, bei Winterjpelz 
70,722 Heftar, bei Winterroggen 526,372 
Heftar, bei Sommerroggen 40,424 Heftar, 
bei Haber 495,126 Heftar, bei Winterreps 
1142 Heftar, ferner bei Kartoffeln 352,312 
Hektar, bei Klee und Quzerne 267,205 
Hektar und bezw. 42,340 Hektar und bei 
Wiejen 1,284,273 Hektar. Gegenüber den 
Anbauflähen des Sahres 1905 ift bei 
Sommerroggen, Sommergerfte, Kartoffeln 
und Luzerne eine Mehrung, bei den übrigen 
Fruchtarten aber eine Minderung zu ver— 
zeichnen; der Abftand gegen die Berhält- 
nifje des Jahres 1905 ift jedoch faft überall 
nur ein geringer, nur der Anbau von 
MWinterreps ift verhältnismäßig in etwas 


ftärferem Maße zurüdgegangen (im ganzen 
Königreih um 5,2% und bezw. 9,2 %0). 

Der Gejamtertrag an Körnern belief 
fih auf 4,719,517 Doppelzentner bei 
Weizen, auf 1,227,357 Dz. bei Winter: 
ſpelz, 8,246,745 Dz. bei Roggen, 5,935,942 
D;. bei Sommergerite und 8,462,934 D;. 
bei Haber (gegen 4,767,107 und bezw. 
1,264,934, 9,351,333, 5,507,487 und 
5,985,415 D;. im Jahre 1905). 

An Stroh, deffen Qualität im allge» 
meinen als gut bezeichnet werden fann, 


ergab Weizen 31, Winterfpelz 36, Roggen 


31, Sommergerfte 24 und Haber 27 Dz. 
vom Hektar, gegenüber den Durchſchnitts— 
ziffern der gefamten Erhebungsperiode 
1871:1905 (26, 26, 28, 19 und 21 D;.), 
ein ziemlich günftiger Ertrag. 

Kartoffeln wurden durchſchnittlich 108 
Dz. vom Hektar geerntet gegenüber 138 D;. 
im Jahre 1905 und 104 als Durchſchnitts- 
ertrag in den Jahren 1871—1905. Der 
Gejamtertrag des Berichtsjahres fteht mit 
einer Ernte von 37,874,852 D;. erheblich 


jenem des Borjahres (48,137,362 D;.) 
nad, übertrifft aber immerhin den aus 1871 
bis 1905 berechneten Durchichnittsertrag 
noh um 6,2 Mill. Di. Erkranft waren 
im Jahre 1906 5,5% der geernteten 
Kartoffeln, im Jahre 1905 dagegen nur 
45%, im Durchſchnitt der Erntejahre 
1871 - 1905 jedoh 8,9%. 

Was den fünftlichen Futterbau betrifft, 
fo zählt das Yahr 1906 in Bezug auf die 
Menge des Ürtrages zu den glinftigften 
Jahren jeit der erften Erhebung im Fahre 
1871. Der Gefamtertrag bezifferte ſich 
nämlich bei Klee auf 15,388,136 und bei 
Quzerne auf 3,062,883 Doppelzentner gegen- 
über einem durchfchnittlihen Ertrag von 
13,1 Millionen und 2,1 Millionen Dz. in 
der ganzen Erhebungsperiode 1871/1905. 
Die Qualität war bei Klee fomohl wie bei 
Quzerne eine fehr gute. An Heu und 
Grummet wurden im ganzen 69,369,260 D;. 
geerntet gegen 62,004,587 Dz. im Bor- 
jahre, 61,6 Millionen Dz. nad) dem Durd- 
fchnitt der Jahre 1871/1905. Bon dieſem 
gefamten Heuertrag entfallen 9,406,985 
Doppelzentner auf „Bewäſſerungswieſen“, 
deren Gejamtfläcdhe im Berichtsjahr 180,600 
Hektar umfaßte. Bei Winterreps, defjen 
Anbauflähe gegen das Vorjahr um 116 
Heltar zurüdgegangen ift, berechnet fich die 
Ernte im ganzen auf 16,096 Dz. gegen- 
über 18,173 Dz. des Jahres 1905; der 
Ertrag bleibt hiemit erbeblih hinter dem 
Durdjichnitt der Erhebungsjahre 1871/1905 
(32,045 D;.) zurüd. 


Hinfihtlih der Ergebniffe der Bein- 
mofternte, bei deren Feſtſtellung im Jahre 
1906 zum erften Dale Weißwein und Rot- 
wein auseinandergehalten wurden, ift fol- 
gende hervorzuheben: Die ertragende 
Rebenfläche der Gemeinden mit mindeftens 
5 Hektar Rebland (Weinbaugemeinden) in 
den Regierungsbezirfen Pfalz, Mittelfranken, 
Unterfranfen und Schmaben, auf melde 
allein die amtlihe Ermittelung der Bein- 
mofternte fich erftredt, betrug im ganzen 
22,217 Hektar, wovon 20,015 Hektar dem 
Anbau von Weißwein und 2202 Yeltar 
dem Anbau von Rotwein dienten. Der 
Gefamtertrag an Weißwein belief ſich in 
den (466) Weinbaugemeinden des Erhebungs- 
gebietes auf 177,552 Hektoliter, der Ertrag 
an Rotwein auf im ganzen 28,171 Hefto 
liter, die gejamte Ernte johin auf 205,723 
Hektoliter. Ber einem Durdichnittspreis 
von 36,1 Mt, für ein Heftoliter Weißwein 
und 31,5 Mt, für ein Heftoliter Rotwein 
ergibt fi als Gefamtwert der Weißwein 
ernte jener Gemeinden der Betrag von 
6,403,415 Mk., ald Gejamtmwert der Rot- 
mweinernte ein folder von 888,769 Mt. 
(zufammen 7,292,184 ME.) Auf Grund 
der Angaben für die Weinbaugemeinden 
läßt fih unter Einbeziehung der ®emeinden 
mit ertragenden Rebenflächen von meniger 
als fünf Hektar ſchätzungsweiſe für das 
ganze Königreich Bayern ein Gejamtertrag 
von 208,460 Heftolitern beredinen (gegem 
815,454 Heftoliter im Jahre 1905). 


Beimatkundlices. 


Eolgenfteiner Turm. Cine Bierde des 
ganzen dortigen Eistales ift der neuerbaute 
Turm der Kirche geworden. Diefer Turm 
wurde genau nach dem Modell des aus 
dem 12. Jahrhundert ftammenden Bor- 
gängers, welcher, dem Ginjturz nahe, ab- 
gebrochen werden mußte, vollendet. Wie 
der Augenschein zeigt, ift auf die genaue 
Wiedergabe des alten Modells große Mühe 
beriwendet worden. Die Rekonſtruktion, bei 
welcher teilmeije aud die alten Steine 
nummeriert zur Berwendung kamen, ift 
aufs prächtigfte ausgefallen. Der meiße 
Zurm mit feinem Fleinen Biegeljatteldach 


wirkt hauptſächlich durch jeine edle Ein 
fachheit der Bauart mie fie die Epoche 
des 12. Jahrhunderts zeigt, und ift eine 
biftoriihe Merkwürdigfeit erften Ranges. 
Bon Intereſſe dürfte es fein, daß ähnliche 
majfive Türme aus diefer Zeit, natürlich 
nicht genau fo erhalten, wie der Turm zu 
Golgenftein, in Reinheim, Heßheim, 
AUlbisheim, Rodenbad, Groß— 
bundenbah, Ajhbadh und Freinsheim 
zu finden find. 

Aus alter Filhbaher Zeit. In dem 
idpllifch gelegenen, waldumſponnenen Fiſch⸗ 
bach bei Hodjpeyer — heute ein Dorf 


von 541 Einwohnern — ftand jchon zu 
Barbarofjas Zeiten die jogenannte Marien- 
fapelle, die ein vielbejudhter Wallfahrtsort 
war. Sie wurde im Sahre 1471 in ein 
Kloſter verwandelt und den WUuguftiner- 
Ehorjrauen übergeben, unter welchen ſich 
verfchiedene aus adeligem Geſchlechte be 
fanden. 1546 jchon löfte es der Hurfürft 
Friedrich III. von der Pfalz auf und über- 
ließ es feinem Verfalle. Der Nordwind 
pfiff bald durch die offenen Hallen und 
peitichte den Regen und das falbe Laub 
des Herbſtes in die öden Räume. Die 
Eidechſe hufchte über die zerbrochenen Treppen: 
ftufen, und die goldene Sonne warf ihre 
Strahlen in das verlafjene Gebäude. Das: 
jelbe wurde nad und nach abgebrochen und 
lieferte die Steine zu Privathäufern, die 
fih allmählih anfiedelten. Der nagende 
Bahn der Zeit tat noch jeine Schuldigfeit 
am Werfe der Berftörung, und fo blieb 
vom ganzen herrlichen Klofter nichts mehr 
übrig als ſpärliches Mauerwerf und einige 
altbemooste Strebepfeiler der Kirche, Zeugen 
von verjchwundener Pracht, die der finnige, 
gefühlvolle Wanderer mit friller Wehmut 
betrachtet. Die Benennungen lofterfeld 
— eine fruchtbare Aderflur unferer Ge— 
marfung — Nonnenbrunnen, der unjere 
neue Wafjerleitung ſpeiſt, Nonnentopf, 
Nonnenwiefe, Nonnenmweiher, Nonnenberg 
u.a. haben ſich jedocd erhalten bis auf den 
heutigen Tag. Bom Rloſter jelbft aber 
erzählt uns die Sage folgendes: Bu den 
Koftbarkeiten des Kloſters gehörte auch eine 
filberne Glode, deren mwunderjamer Klang 
in der ftillen Waldeinſamkeit auf den gefühl» 
vollen Wanderer einen bezaubernden Ein» 
druf gemacht haben mag. Zur Beit eines 
großen Krieges verjenften die Nonnen die 
Glocke in den nahen, tiefen Weiher, damit 
fie den Blünderern nicht in die Hände fallen 
ſollte. Dieſe famen aud in diejes ftille, 
meltabgejchiedene Waldtal und ließen das 
herrliche Kloftergebäude alsbald in hellen 
Blammen aufgehen. „Die Dächer waren 
gefallen und der Wind ſtrich durch die 
Hallen; Wolfen zogen drüber hin.” — Die 
frommen Nonnen gingen tränenden Auges 
bon dannen; die filberne Glocke aber, die 
fie jo oft zur heiligen Andacht rief, hat 
auch bis heute noch niemand gefunden, 
2% Müphlberger. 


Der Typhus in der Pfalz. Der oberfte 
Medizinalbeamte der Pfalz, Dr. Demuth, 
bat auf Grund feiner reihen amtlichen 
Unterlagen für die Pfalz einen Rückgang 
des Typhus feitgeftell. Zu Anfang der 
10er Yahre ftarben in der Pfalz jährlich 
.. 447 Perſonen an Typhus, 

d. h. 72 von 100000. 1872,75 waren 
es 61,8. Diefe Zahl verminderte ſich 
ftetig, 1891/95 auf 44,9, 1901/05 auf 6,4; 
für das Fahr 1906 ergab ſich die Zahl 3,4. 
Erreiht wurde dieſes überrajchende Er: 
gebnis durch die zielbewußte Durchführung 
weitverzweigter medizinalpolizeiliher Mak-« 
nahmen unter der Führung Demuths. 
Die Lehre Robert Hochs, daß es der kranke 
Menſch ift, der als Typhusträger die An— 
ftefung vermittelt, hat auch in der Pfalz 
eine glänzende Bejtätigung erlangt. Die 
gänzliche Ausrottung des Typhus liegt im 
Bereih der Möglichkeit, wenn es gelingt, 
tpphusverdächtige Perfonen fo früh mie 
möglih zu ermitteln und zu ifolieren 
(Kafienpraris!), um ihre Abgänge unjdäd- 
lid zu maden. 


Die Waflerverforgung „der Felsalb— 
gruppe” geht ihrer Bollendung entgegen. 
Die Anlage umfaßt 26 Gemeinden des 
Landbezirt3 Pirmajens mit 62 Stilometer 
Hauptrohrleitung und ift bis jeßt eine 
der größten Wafjerverforgungen in Bayern, 
Das Bumpwerf liegt im fogenannten 
Scelertal. Die Leitung wurde mit Unter: 
bredung in zirfa 2's Jahren mit einem 
Koftenaufwand von rund 700000 Marf 
ausgeführt bei einem Staatszuſchuß von 
10 reſp. 12 Prozent. Die örtlide Baus 
leitung lag in den Händen des Ingenieurs 
Senger-Tohr a. M., der bis jekt 36 Ge- 
meinden unferes Bezirk mit Waffer ver- 
jorgt Hat und dem infolgedefjen mit 
nächſtem die dauernde Inſpektion jämtlicher 
BWafjerverjorgungsanlagen im Landbezirf 
Pirmafens übertragen wird. 


Ergiebigkeit der Haardtquellen *) Was 
die Wafjerverhältniffe betrifft, jcheint die an 
den Ausläufern der Haardt liegende Gegend 
von Wachenheim, Forſt und Dürfheim, jo- 

9) Bergl. hierzu: Leppla, Über das Bor- 
fommen natürlicher Quellen in den pfälzifchen 
Nordvogeien eg Be f. ur 
tiiche Geologie. 18983. S. 10-11 


10 


weit die Wafferleitungen in Frage kommen, ; 


vorzügliche Ergebniffe zu Haben. Während 
in Frankreich, Oberitalien, Südtirol und 
Spanien jehr häufig Überſchwemmungen ge- 
meldet werden, mweijen die meiften Gegen- 
den Deutihlands in diefem Jahr enormen 
Waſſermangel auf und find in mandıen 
Bezirken die Quellen faft ganz verfiegt, 
was in dieſer Jahreszeit eine Seltenheit 
genannt werden muß. Des Bergleiches 
und allgemeinen Intereſſes wegen fann man 
folgende Drte anführen: Brade bei Bremen 
fein Waſſer; Ofterburg großer Waſſermangel 
(da8 Vieh kann kaum getränft werden); 
Mühlhauſen i. Th. im ganzen Eichsfeld 
großer Waflermangel, einzelnen Gemeinden 
wird dad Waller zugemefjen; Fulda, alle 
Quellen find verfiegt; die Brunnen der 
BWafjerleitung Minden”; ipeifen solche nicht 
mehr; Freifing, Hagen, Regensburg fein 
Bafler; St. Blafien Wafferleitung teils 
geiperrt; Württemberg (Stuttgart) jchwere 
Waſſerkalamität. Ebenſo kommen trübe 
Nachrichten über Waflerverhältniffe aus den 
Begenden von ſchwäb. Gemünd, aus der 
ſchwäb. Alp, hauptſächlich aus dem Uradı. 
Große Waſſernot herrſcht jeit einigen Tagen 
in Bopfingen, wobei die Leitung tagsliber 
abgeftellt werden muß. Erfreulich ift dem: 
gegenüber, daß die waldreichen Gebirge der 
Haardt ihre Wafjerleitungen bis jetzt jehr 
gut fpeifen. So hat das, Waſſerwerk Bad 
Dürkheim einen Überfluß von zirka 100000 
Liter, das Wafjerwerf für Wachenheim und 
Forft fogar einen Überlauf von ca. 350 000 
Liter pro Tag aufzumeifen. (Pf. Preſſe.) 


Die Arfenquelle in Bad Dürkheim, 
Wie mir bereits im legten Jahrgang 
S. 68—69 ‚berichtet” haben, ift im vorigen 
Jahr durch den Privatdozenten an der 
Univerfität;;Heidelberg, Dr. E. Ebler in dem 
Waſſer der Marquelle ein bedeutender 
Gehalt an Arjenik entdedt worden*). Seitens 
der Badevermwaltung wurde daraufhin durd) 
£oftenfreie Abgabe von Proben verjucht, die 
Ärzte für Ddiefe wichtige Entdefung zu 
interejfieren. Dieje Bemühungen hatten nad 
einer Notiz in der Bf. Preſſe vom 2. Dezbr. 


9 gl. da darüber: Der Arjen-Gehalt der Mar- 
quelle in Bad Dürkheim a/Hardt. Berband- 
lungen des naturbiftorifch-mediziniichen Bereins 


DE DIESER Nene Folge. Bd. VIII. 3/4 Heft. | 
©. 435455. 


auch den erfreulichen Erfolg, daß an bie 
Borftandichaft des Bad: und Salinen: Vereins 
Bad Dürkheim vom Reichs-Kolonialamt der 
Auftrag erging, Sofort einige Stiften des 
Arſenwaſſers der hiefigen Marquelle nad 
Dar-e8:Salaam (Deutid-Oftafrifa) abzu- 
jenden. Dr. ©. 9. 
Steinzeitliher Bohuplag bei der Eyers⸗ 
heimer Mühle. Bei den anfangs November 
1907 beendeten Ausgrabungen im Gebiete 
der Eyersheimer Mühle wurde eine bis 
jeßt in Süddeutſchland fehlende neolithijche 
Kulturftätte entdeft. Der erwähnte Hof 
„Eyersheim” ift der Reſt des längſt ein- 
gegangenen Dorfes Agirsheim oder Agrides» 
heim. Hier wurden bereits im Jahre 1899 
in einem Weinberg nahe am Walde die 
Reſte einer urgeſchichtlichen Anfiedelung ge- 
funden. Bei der Fürzli vorgenommenen 
dreitägigen Grabung gelang es dem erjten 
Konſervator des hiftoriichen Vereins der 
Pfalz Prof. Hildenbrand und dem Archä— 
ologen Dr. Sprater, außer Hinweijen auf 
verſchiedene andere Beitperioden bejagte 
bisher in Süddeutjchland vergebens gejuchte 
neolithifche Beitepoche zu bejtimmen, weldje 
die Bezeichnung „Eyersheimer Typus” er- 
hielt. Die Grabungen bezwedten vor allem, 
für diefe neu gefundene Kulturperiode um« 
fafjendes Material für dag Muſeum in 
Speyer zu beichaffen. Es fanden fich gute, 
mit charafteriftiihen Ornamenten dieſer 
Stufe verjehene Scherben, ald hervor- 
ragender Ginzelfund eine völlig erhaltene 
Bafe mit Henkel, außerdem ſchöne Frag- 
mente von Feuerfteinmeflern, Knochen: 
pfriemen und bearbeitete inochen. Bei den 
aufgedecten fünf Brandgruben lieferte die 
eine große Wengen von Tierknochen, Die 
behufs Beltimmung der Haustiere jener 
Beiten von befonderem Intereſſe fein dürften. 
Erfannt wurden die Knochen vom Rind, 
Schwein und Widder. Daß die Jagd in 
diefen Gründen jehr ergiebig geweſen jein 
muß, bemeifen die vielen Knochen, Schädel 
und Gemeihfragmente vom Hirſch. Yeden- 
falls wurde in dieſen waſſerreichen Niede- 
rungen auch ftarter Fiſchfang betrieben. 
Beweis die vorgefundenen gebrannten, flachen 
ZTonfugeln, die zum Beichweren der Netze 
dienten. (Frkf. Big.) 

Niedriger Bafferkand des Rheiues. 
Der BWafjerftand des Rheines und feiner 


Nebenflüffe war in den letzten Monaten 
zurücdgegangen, wie jchon lange nicht mehr. 
Einen fo tiefen Stand wie vor Jahren hatte 
der Rhein freilich nicht aufzumeifen. Ein 
Bericht über den Stand des Fluffes im 
Winter 1857— 58 jagt: „Der Fluß ift jo 
feiht, daß das Ausjehen des Rheines ganz 
verändert ift und die älteiten Rheinſchiffer, 
die fozufagen ihr ganzes Leben auf ihm 
zugebracht haben, ſich nicht ausfennen und 
fih nicht erinnern, einen jo niedrigen 
Bafferftand gefehen zu haben”. Bei Kehl 
bot das Strombett ein eigenartige® Schau- 
ipiel dar. Wohin das Auge blidte, jah es 
nur Sandbänfe, während der eigentliche 
Wafjerlauf nur dem eines Baches glich. 
Stellenweife ragten aus dem Bett 4 des 
Fluſſes Felfen hervor, von deren Vor— 
bandenfein man feine Ahnung hatte. Bei 
Koblenz ließ die Regierung bis ſpät in den 
Binter hinein mächtige Felſen aus dem 
Talweg entfernen, die der Schiffahrt oft 
binderlich waren. Oberhalb Bafel kam bei 
dem badiſchen Dorfe Kleinlaufenburg auch 
ein Felſen wieder zum Vorſchein, der nur 
bei jehr niedrigem Waflerftande hervorragt 
und an welchem fi eine Eijenplatte be» 
findet, in welche jeit drei Jahrhunderten 
der Rheinftand eingetragen wird. Auf der 
Platte waren damals die yahreszahlen 1672, 
1692, 1714, 1750, 1797, 1823 und 1848 
eingetragen, zu denen dann die Zahl 1857 
fam. Auch die Nebenflüffe des Rheines 
führten wenig Waſſer. Sn der Aar famen 
Fellen zum Vorſchein, die niemand vorher 
gejehen hatte. Einer diejer Felſen zeigte 
die Jahreszahl 1305, wohl zur Erinnerung 
an einen ähnlichen tiefen Waſſerſtand in 
jenem Jahre. Der Lehrer von Olten führte 
feine Schüler auf die Felsplatte und ver- 
anftaltete darauf einen Fleinen Schmaus, 
in der Annahme, daß es wohl feinem der 
Schüler mehr vergönnt jein werde, Ddiejen 
Felſen in feinem Leben noch einmal zu 
ſe hen. (Bf. Preſſe.) 

Orts: und Laudesmuſeeun. Der Stadt: 
rat von Raijerslautern hat in jeiner Sitzung 
vom 31. Oftober v. Is. den nacdahmens» 
werten Beichluß gefaßt, ein ftädtiiches 
Altertumsmujeum zu errichten und dieſes 


neben dem hiſtoriſchen Mufeum im Gebäude | 


der Realſchule unterzubringen. Sn dem 
Mujeum follen alle für die Stadt wichtigen 


11 


oder intereffanten Altertümer gefammelt und 
aufbewahrt werden. Hoffentlich mehrt ſich 
der bereits ) vorhandene Grundſtock bald 
durch zahlreiche Geſchenke aus der Bürger: 
ſchaft. Anderen pfälzifchen Gemeinmejen 
aber ſei diejer zeitgemäße Beichluß des Stadt- 
rates von Kaiſerslautern aufs wärmſte zur 
Nahahmung empfohlen. Dr. ©. 9. 


Als Leiter der Stadtgeſchichtlichen 
Sammlung in Qudmwigshafen murde 
vom Stadtrat Gymnajiallehrer Dr. Albert 
Beder aufgeftell. Die Stadtverwaltung 
hat zur Anſchaffung all defien, was in den 
Rahmen eines joldhen Muſeums paßt, einen 
nennenswerten Betrag zur Verfügung geftellt. 
Den Grundjtod der Sammlung bildet das 
Material an arten, Plänen, Bildern, 
Büchern, die beim fünfzigjährigen Stadt- 
jubiläum 1903 zufammengebradht worden 
waren und die nun zu einem Ganzen ver» 
eint als „Stadtgeicichtlide Sammlung” 
in mehreren Räumen der neuen ftädtifchen 
höheren Mädchenjchulen Aufftellung gefun- 
den haben. 


infolge einer Verfügung des Großh. 
Minifteriums des Innern wird in Heflen 
en „Qandes-Schulmufeum“ gegründet. 
Diefes Mufeum foll alles das in ſich ver- 
einigen, was in Heflen vor dem Jahre 1830 
an Schulbüchern, Lehrmitteln und fonftigen 
für die Schulgejchichte bedeutfamen Gegen: 
ftänden in Gebraud war. Das „Landes» 
ihulmufeum” wird feinen Sik in Darm: 
ftadt haben und jedem zugänglich fein. — 


Phosphor - Streihhölzer verjhwinden. 
Bon der Bildfläche vollends verſchwinden 
werden vom 1. Januar 1908 ab die alt- 
ehrwürdigen Phosphor-Streihhölzer. Die 
Verwendung von meißem und gelbem 
Phosphor zur Herſtellung von Zünd— 
hölzern und anderen Bündwaren war jchon 
vom 1. Sanuar 1907 ab verboten ; ebenjo 
durften Zündwaren der bezeichneten Art 
zum Bmede gewerblicher Verwendung nicht 
mehr nad) Deutichland eingeführt werden. 


Bom 1. Januar des neuen Jahres 
ab dürfen aber Zündwaren, die unter 
Verwendung von meißem und gelbem 


Phosphor hergeitellt find, auch nicht mehr 





gewerbsmäßig feilgehalten, verfauft oder 
ſonſt in Verkehr gebracht werden. Zu— 
widerhandlungen werden mit Geldjtrafen 


— 12 — 


bis zu 2000 Mark beftraft neben Ein- | in Weſtpreußen, Brandenburg (Plage⸗Fenn 
ziehung der verbotswidrig hergeftellten, ein- | mit See- und BWaldbeitand), Pommern, 
geführten oder in Verkehr gebrachten  Sclefien, Sadjen, Schleswig: Holftein 
Gegenftände. (Gegend von Düppel), Hannover (Geſchütztes 


Beiträge zur Naturdenfmalpflege heißt Zwergbirfenmoor bei Bodenteic), Weſt. 
der Obertitel neuer Beröffentlichungen der rei ar er Re — 
Staatlichen Stelle und anderer Abhand- | MIT er bie Brundjüge Tür bie 


, Wirkſamkeit der Staatl. N., über 
Beten gi won ai - = : einichlägige Minifterialerlaffe und j über 


: 21 Fälle von bereits gelichertem Schutz 
a i > ——— es vorhandener natürlicher Bildungen berichtet. 
der „Beiträge ete.”, Brof. Dr. H. Conmeng | Man fann ſich des Cindrudes nit er- 
enthält. Die Bermwaltung (Einrichtung, wehren, daß, in Diefem neuen Üweige 
Neifen, Vorträge, Veröffentlichungen, heimatlicher Fürſorge aufs lebhafteſte ge 
Bücherei und Gefchäftsverfehr) orientiert . rd > * ** re ſich 
im allgemeinen; Anfragen in beſonderen uue Slise Tätigeit zu emiialten — 
Fällen erledigt der Herausgeber (Danzig, immerhin eın [höneß und beherzigenötvertes 
Langemarft 24) und der Verlag, wenn Beiden von Idealismus zwiſchen vordring- 
Geichäftliches betreffend (Gebr. Borntraeger, lien realen Sorgen. = den Kampf 
Berlin S W 11, Großbeerenftraße 9). Die | Um die bayer. Bafjerfraftquellen der oberen 
Fortfchritte auf dem betretenen Wege ylar verfolgt hat, finder in den neueren 
bafieren auf generellen Maßnahmen äfthetiich"praftijchen Gegenvorjglägen ben 
mit Fühlungnahme mit den Minifterien gleichen gefunden. Sinn wieder. Hoffen 
und Bereinen und auf örtlichen Maß— m, daß das Gute, meldes in ber Raat- 
nahmen. Bezüglich lehterer verbreirer | lich Überwachen N. jtedt, nicht durch 


ſich der Bericht Über erfreuliche Tätigkeit Uebereifer Schaden nehme! 


Ber Niflungen Bort. 
Tief war die Nacht, leis wallte der Strom, | Es fahen die fchmweigfamen Sterne ber 


Aufragte im Nebel zu Worms der Dom. Nacht 
Was bligt in die Wellen mit güldenem | Im Strome verfinfen die gleißende Pracht; 
Schein? Und glättend verzogen die Wellen ſich leis, 


Die ſpielenden Waſſer, die wiſſen's allein. Daß keiner den Schatz mehr zu finden weiß. 


Der Tronjer verſenkte an ſicherem Ort Doch funkeln die Spangen noch bis zur Stund’ 
Der Niflungen männertötenden Hort, Glührot tiefunten im Wellengrund; 

Daß mit verderblicher Goldringe Glut So ift in den Rhein für die Emigfeit 
Frei jchalte Hinfort des Rheinſtroms Flut, | Gebannt mit dem Hort alles Glüd und Leid. 


Dr. Carl Build. 


Indalt: Bruß an die Pfalz. — Die Solquellen und Salzgewinnung in Bad Dürkheim. 
— Helmatihug. — Die Helmat im Schulunterridt. — Braunfodle bei Klingenmünfter, — Die 
Ernte Bayerns im Jahre 1906. — Heimatkundliches. — Der Niflungen Hort. 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern. 
Sfr Form umb Inhalt der Beiträge find bie Herren Berfaffer verantwortlich. 


„Die Bfälgtihe Deimattunde” toftet ährlich in 12 Heften DI. 2.50. Weiten den db Hi bi 
Voftanftalten A vom Berleger (Vortofreie Streifbanjendung) ee — —— 


(Bo6T = 6 Aqunzwund alplıPınlak) 


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IV. Jahrgang. 


\FÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


Nummer 2. 


Februar 1908. 


—9 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 





FAN EMSCH 








Pia, 
— —— — 


Bum Ausgang des ſüdpfälziſchen Bergbanes'). 
Bon Redin.-Rat Dr. Häberle, Heidelberg. 


Bekanntlich wurde früher in der Berg- 
zaberner Gegend ein lebhafter Bergbau be- 
trieben ; an der Petronell?), bei Erlenbach, 


Niederjchlettenbah und Nothmweiler gewann 


man Brauneijenerz, 
Neftern, meift aber auf Klüften in Gängen 
auftrat und als Abjak von eijenhaltigen, 
aus der Tiefe aufgeftiegenen Gemällern 
anzufeben if. Bei Schönau eröffnete 
Herzog Johann I. von Pmeibrüden im 
Yahre 1580 Eifengruben;; eine herzogliche 
Pulvermühle verwendete ſchon 1567 den 
bei Bergzabern gefundenen Salifalpeter. 
Bleierz wurde am Breitenberg bei Erlen: 
bad) und auf der Silbergrube bei Boben- 
thal gegraben und in benadbarten Blei- 
bütten verarbeitet. Dieje waren von Graf 
Loupopia aus Paris auf Grund von Gut. 





) Bal. Bierzu: Gümbel, Geologie von 
Bayern, Bd. II ©. 1013—1014; Erläuterung 
zur — Karte von Bayern, Blatt Speyer 
S. 37; Frey, Beichreibung des Rheinkreiſes, 
Bb. IV ©. 241, 358; Eid, der Hof: und Staat#- 


dient im ehemaligen Herzogtum Bmeibrüden 


1444— 1604. Mitteilungen des biitoriichen 
Bereins der Pfalz 1897, Heft XXI, ©. 139 ff. 


*) Diefer eigentümliche Bergname bat ſchon 
zu ben verjchiedeniten Deutungen Beranlaffung 
egeben. Bgl. Hierzu 3. B. Georg Weber: 
Kuinenbeindrüde und Grlebniffe 1887 5. 314, 


dad ab und zu in | 








ferner Pfälz. Muſeum 1902 ©. 136 und Weit- 


Zeizuch Geſchichtsblätter 102 S 1 und 1903 
S. 9. Einen Ort Petronell gibt es auch bei 
Hainburg in Nieder-Dejtreih. (Frdl. Mitteilung 
von Herrn Pfarrer Neubauer in Hornbad).) 


achten franzdfiiher Geologen und Che— 
mifer (Gavillier und PBauquelin 1799) 
angelegt worden und beftanden nach Frey 
aus einem Pochwerke bei Bobenthal, einem 
Schlemmmerfe bei Lauterfhwan, 2 Wafd- 
berden, dem Schmelz und dem Sunftge- 
bäude an der Portzbach. Da die Gruben 
jedoch auf die Dauer nicht ergiebig genug 
waren, wurde der Betrieb im erften Viertel 
des 19. Jahrhunderts wieder eingejftellt. 


Die Gifenerzgruben dagegen blieben 
länger ertragsd- und Fonfurrenzfähig und 
verjorgten die Eiſenſchmelze in Schönau, 
mweldhe 1592 durch eine elſäſſiſche @ejell- 
ſchaft unter der Führung von Philipp 
Scheyd aus Hagenau errichtet worden 
war, ausreichend mit Nohmaterial. Ein 
anderer im Jahr 1587 angelegter Schmelz- 
ofen mit zugehöriger Kohlenjcheuer ver- 
arbeitete das im Querenberg bei Berg- 
zabern gewonnene Eijenerz. Als Schaffner 
des herzoglichen Eifen- unnd &tahlmwerfes 
bei der Stadt Bergzabern in der Beternell 
wird 1598 Hoft Görze genannt. Berg- 
verwalter war um dieje Zeit Adam Jäger. 


Wie Frey berichtet, lieferte das zu 
Anfang de& vorigen Jahrhunderts in ftaat- 
lihem Befig befindlihe Scönauer Wert, 
beftehend aus zwei Hochöfen, 2 großen 
und einem Eleinen Hammer, jährlich (1837) 
über 6000 Bentner Eijen von vorzüglicher 
Güte, das viel nah Franfreih eingeführt 


wurde. Späterhin gelangte die Hütte in 
den Beiig Brivater, die fie durd Neu: 
bauten zwar bedeutend erweitern ließen, 
aber unter den veränderten Beitverhält- 
niffen nicht auf die Dauer fonturrenz- 
fähig erhalten fonnten. Zulegt wurde fie 
ganz aufgelafien und der ganze ftattliche 
Sebäudelompler veräußert. 


14 


Kürzlich rief eine in der Pfälz. Preſſe 


vom 16. November v. rs. 
Notiz, welche wir im Wortlaut folgen 
lafien, die Erinnerung an die frübere 
induftriele Bedeutung von Schönau in 
unſer Gedächtnis zurüd. 

„Bürgermeiſter Miſchler, der gegen— 
wärtige Beſitzer des ehemals Gienanth— 
ſchen Hüttenwerks, läßt zurzeit die 
Unterbauten der früheren Eiſenhämmer 


enthaltene 


ausgraben. Bereits iſt der Unterbau 
des großen Hammers freigelegt und meiften- 
teil herausgeſchafft. Dabei erwies fid 
diefe Unterlage als ein ganz hervor: 
ragendes Stüd; denn zwiſchen diem, feit- 
gefügtem WMauerwerf lagerten mächtige 
Eichenſtämme und Alöge, alle von einer 


Menge maffiver Eifenftangen und Balken 


zufammengehalten. Etwas leichteren Unter 
bau haben die beiden kleineren Hämmer. 


‘ Unter dem bis jegt herausgeichafiten Holze 


befinden ſich Eichenſtämme, melde einen 


; Wert von 2—-300 Marf repräfentieren.“ 


Hoffentlih verihminder damit auch die 


Rurnen, melde dem rühmlichſt befannten 


vLuſtkurort nicht 


gerade zur Zierde ge— 


reichten. Häberle. 








Meuere Bergwerksanlagen. 


Zum pfälziſchen Kupferbergbau. Schon 
ſeit etwa fünf Monaten werden im nahe— 
gelegenen Niedermohr Ddurh Herrn 
Abrefh aus Neuftadt Bohrungen nad 
Kupfer vorgenommen, die bis jegt ein 
recht glinftiges Refultat ergeben haben jollen. 
Die Anlage einer NAupfererzgrube jcheint 
fiher zu fein, da das Geftein 14 Prozent 
Kupfer und außerdem auch Eiſen enthalten 
jol. In letzter Beit find über 20 Dann 
mit Erzgraben beichäftigt, auch find jchon 
einige Eifenbahnmwaggons dieſes Erzes nad) 
dem am Donneröberg gelegenen Imsbach 
abgegangen, wo ein Betrieb zur Auslaugung 
des Kupfers fich befindet. Stellt ſich die 
Ausbeute für die Folge ald rentabel heraus, 
fo wird ſicher eine jolche Unlage zur Aus- 
laugung des Erzes in Niedermohr einge: 
richtet werden. 

Weniger Glüd jcheint man in Watten- 
heim gehabt zu haben, wo das mit großen 
Hoffnungen in Arbeit genommene Kupfer: 


bergmwert der Firma v. FFriedländer Feld 


in Berlin im Verein mit Eugen Abreſch 
in Neuftadt vor zırfa drei Wochen ftill- 
gelegt worden ift. Den Arbeitern wurde 
gekündigt und auch der Betriebsleiter, ein 
Steiger aus dem Harze, wird nad) Erledigung 
der berggeleßlich vorgeichriebenen Sicherheits- 
maßregeln und Veräußerung des Betriebs- 
material8 den Ort verlaflen, jo daß bie 


' Hoffnungen, welde man auf die Wieder: 
‚ belebung des jchon von dem Grafen von 
‚ Zeiningen betriebenen Kupferbergbaues jeßte, 








mohl begraben find. (Nach der Bf. Preſſe 
vom 9. bzw. 12, Dez. 1907.) 
Yubetriebfeguug alter Bergwerke. Der 
früher an verjchiedenen Punkten der Pfalz 
betriebene Quedfilberbergbau jcheint 
jegt auch wieder jeine Auferfiehung feiern 
zu follen. So wird ſeit einigen Wochen 
durch Bergbeamte und Arbeiter eine Frei- 
legung und Aufräumung des Queckſilber— 
Bergmwerfes „Erbitollen” bei Mühl bach 
a. Sl. vorgenommen. Es bejteht die Ab- 
ficht, wenn fi noch genügend Erz auf: 
chließen jollte, da8 Werf wieder in Stand 
zu jegen. (Nach d. Pf. Preſſe v 8. Dez. 07.) 
Bohrungen bei Wolfſtein. Wie man 
hört, follen die von der Norddeutichen 
Tiefbohr » Aftiengefelichaft - Nordhaufen im 
Auftrage unternommenen Bohrungen 
nad Steinfohlen in nächſter Beit er: 
heblihe (Grmweiterungen erfahren, indem 
außer dem feit einigen Wochen in Betrieb 
befindlichen Bohrturm am Nordabhange des 
Königsberges noch vier weitere Bohrturm:- 
anlagen auf den nördlichen Ausläufern des 
Königsberges eingerichtet werden jollen. 
Ye einer der Türme joll in der Nähe des 
Böcdweiler Hofes und des an der Grenze 
der nördlichen Königsbergausläufer liegenden 


— — 


Dorfes Aſchbach zu ſtehen kommen, während verſtändigem Urteile!) bis zum Königsberge 
die beiden anderen ſo plaziert werden dürſten, herreichenden Saarkohlenflözes er— 
daß ein ſicheres Erforſchen des nad fach | möglicht wird. (Pfälz. Preſſe.) 


') Bgl. hiezu: „Über die un neuer Koblenfunde.“ Erlänterungen zu Blatt Zweibrücken 
der geogn. Karte v Bayern ©. 106. 








Mon der Hackmeſſerſeite nnd dem Bitfcher Ländle. 


Hackmeſſerſeite — eine fonderbare Be: | Strede hinan; man hat immer das be- 
zeihnung, mit der ſich die GEtymologen | ängitigende Gefühl, es möchte plößlich der 
merfmwürdigermeile bis jegt noch nicht be- | ftampfenden und ächzenden Machine die 
ihäftigt haben. Das mag vielleicht daher | Pufte ausgehen, jodaß man für das Pano— 
fommen, daß fich in feinem geographiichen , rama, das die Gegend bietet, faſt feine 
Werke, feinem Nonverjationslerifon dieſe Augen bat. Und doch — dieſes Banorama 
Benamfung eines Ddeutichen Landftriches | ift gar prädtig. Man glaubt fich im den 
findet. Bon Pirmajens erzählt man dem | Schmarzmald, in die hohen Bogejen verjept, 
Kinde Ichon in der Elementarſchule. Der | jo wildromantifch fteigen an den fteilen Ab- 
Name Pirminius prägt fi dem mwadıs | hängen die Wälder auf, um von ihrer 
weichen Gedächtnis ein mie der des Boni- | luftigen Höhe herab das in ſattem Grün 
fazius, Difibodus und der anderen Germanen» | prangende Wiefental zu grüßen. Und der- 
apoftel, die einft Thonar, den PVonnerer, | artige Partien finden ſich auf der Hadmeller- 
und jeine Kollegen entthront haben und | feite in Hülle und Fülle. Wo man aud 
dem Deildhrift in den deutichen Sauen den | wandern mag, allüberall ſchwelgt die Lunge 
Weg bahnten. Noch mehr vielleicht, wie | im „Srdduft”, dem Ddem, den eine ur 
durch diefe und andere hiſtoriſche Erinne- | wlchlige, noch nicht in die Feſſeln verichönern 
rungen ıft Bırmajens in aller Welt befannt | follender Schablone gezwängte Natur aus— 
geworden dur feine Schuhinduftrie, feine |, ftrablt. Den Weittelpunft diefer Gegend 
„Schluppen”. Bon der Gegend, ın der die | bildet Pirmalens Die Höhen, an die 
Horebfradt liege, kennt das größere Bublifum | es ſich anfchmiegt, grüßen hinüber nad 
aber nur jehr wenig; ihm find die prächtigen | Lothringen, mo auf fteilem Gebirgskegel die 
Wälder, die fruchtbaren Niederungen, die | Feite Bitich thront. 1870, als Bitch 
lauſchigen Täler, deren friftallhelle Bäche von , von den Deutichen belagert wurde, vernahm 
der jcheuen Forellebelebt werden, die roman: | man auf der Hackmeſſerſeite jeden einzelnen 
tiichen Schluchten umd die vzonreiche Luft | Kanonenihlag und auf den Berggipfeln 
böhmiiche Dörfer ; nach der „Hackmeſſerſeite“ ftanden wir Kinder, um aus ficherer Ferne 
hat ſich der Zouriftenftrom noch nicht ergoffen. | dem Sriegsipiel zuzuſehen. Viel ſahen wir 
Und darunter leider auch das direft an: | allerdings nicht, aber der Rauch, der fo 
ftoßende Biticher Ländle, obwohl es auf jeine | oft die Feſtung umhüllte, ſagte und genug 
natürlichen Schönheiten ftolz jein fann. ı von dem Handwerk deö grimmen Wire, 

Hackmeſſerſeite — ın Pirmafens erflärt | Damais noch ftand der Pfälzer mit dem 
man fich die Bezeichnung jo: Unjere Gegend Lothringer im Verhältnis des Hundes und 
ift durch Berge, die oft fteil auffteigen und | der age. Die Gegenjäge beitehen äußerlich 
ſchroff abfallen, jo zerflüftet, daf fie aus- | noch zum Teil, im übrigen aber ift das 
fieht, als jei fie in der Urzeit mit einem | gegenfeitige Nerhältnis jo geworden, mie 
riefigen „Hackmeſſer“ bearbeitet morden. es ſich für gute Nachbarn geziemt. 

Ob dieſe Erklärung richtig iſt, ſei dahin— Außerlich, ſagte ich, beſtehen die Gegen- 
geſtellt; annehmbar ift fie jedenfal® auch  jäße noch. Der Weg von Pirmajend nad) 
und bejonders für den, der zum erjtenmal | Bitſch führt auch durch das legte Dorf auf 
in dad Pirmafenier Land fommt. Schon | bayrifher Seite, Kröppen. Bon ba 
die Fahrt von Biebermühle nad) der Stadt | hat man nod eine Fleine halbe Stunde bı8 
des hi. Birmin läßt auf die Wirkung des nah Walſchbronn zu gehen, dem erjten 
„Hackmeſſers“ ſchließen. Keuchend jchleppt , Dorf in Lothringen. Der Wltdeutiche 
die Lofomotive den Wagenzug, die fteile | glaubt bier tatjächlıch in ein anderes Yand 





gefommen zu fein. In Kröppen meit- 
pfälziſcher Dialekt, piälziihe Tracht, in 
Walſchbronn ein unſeren Ohren hart 
klingendes, vielfach mit verunſtalteten fran« 
zöfiſchen Brocken durchmengtes Idiom; dazu 
tragen die Frauen das charafteriftiiche loth— 
ringiihe Häubchen, die Männer die Bluſe, 
das bequemfte Stleidungsftüc der Welt. Hit 
in Kröppen Kirchweih, jo trompetetS und 
fiedelt8 überall und der Burſch ſchwingt 
fein Mädel in ausgelaflenem Tanz. In 
Walſchbronn geht diejes Volksfeſt ſang— 
und klanglos vorüber. So war es wenigſtens, 
als ich in den achtziger Jahren in Walſch- 
bronn den alten Sprung, den Dorfmirt, 
kennen lernte, Ya, der alte Sprung! Er 
war das Urbild eines lorh:ingıfchen Yand- 
bewohners Bierjchrötig, kurz und beftimmt 
in feinen Reden, allen Nomplımenten abhold 
— ed mar einer, der gerade herausjagte, 
was er dachte. Die „Breußen” mochte er 
nicht leiden und nur miderwillig beugte er 
fi) ihrem „Joche“, aber von den Franzoſen 
wollte er auch nichts mehr willen. „Die 
Franzoſe“, fagte er mir, „finn Chaibe“, 
um dann von jeinen Erlebniſſen 1870/71 
zu erzählen. Da mar er in Bitih einmal 
Beuge, mie ein franzöfiiches Bataillon aus- 
geladen wurde. in blutjunger Leutnant 
hüpfte grazids wie eıne Saharet aus dem 
Zuge und apoftrophierte die Zufchauer mit 
den geringichäßig betonten Worten: „Oü 
sont les prussiens?* Das ärgerte den 
alten Sprung und er entgegnete mürriſch: 
„Vous les verrez bientöt!* Der Leutnant: 
„Vous n’ötes pas Frangais?* Sprung: 
„Mieux que vous!* Er hatte Recht, der 
Leutnant hat wohl bald darauf die Preußen 
geliehen, denn fie hatten jchon der Heimat 
des alten Sprung einen furzen Beſuch 
abgeftattet. „Wie die Diables finn je de | 
Berg erunner fumme”, erzählte Sprung. | 
Es war eine Ravalleriepatrouille, die durch | 
Walihbronn gefprengt war ohne fih auf: 
zubalten, aber fofort wieder Kehrt gemacht 
hatte. Je länger der Krieg dauerte, um 
jo unheimlidher wurde es den Lothringern. 
Dan follte es micht für möglich halten, 
aber e8 war jo: Ddireft an der deutichen 
Grenze wußten die Leute nicht* Beitimmtes 
über die Vorgänge auf dem Kriegsihauplag. | 
Wan glaubte den deutichen Siegesnad: 
rihten nicht, zumal ja Bitſch noch nicht 


16 


aefollen war, und wenn man ihnen von 
den franzöſiſchen Niederlagen erzählte, ſo 
war die ftereotype Antwort: „Des glaame 
mer net.” 

In einer romantischen Gegend gibt es 
immer auc Leute, die mehr oder meniger 
romamtiihen Berufen zuneigen. Freilich 
find diefe nicht immer moraliſch und gejeß- 
mäßig. Das gilt aud von der Wilddieberei, 
die in der Pirmajenjer Gegend, trog aller 
Wachfamfeit der Behörden, immer nod 
ſehr im Flor jteht. Die Birmajenjer haben 
einen ausgeiprodenen Sinn für die Natur. 
Wenn der Sonntag foınmt, jo ftrömen die 
Arbeiter, faſt durchweg Schuhmacher, hinaus 
in Wald und Feld, mahen Tagestouren, 
um jpät abends müde, aber an Leib und 
Seele erquidt, heimzufehren. Daß ſich 
darunter auch Yeute befinden, die mit einem 
ausgedehnten Spaziergang auch einen Neben: 
zweck verbinden, verfteht ſich von felbit. Die 
Forelle im Klaren Bach reizt den Appetit. 
Der Liebhaber find viele und in die Pfanne 
muß fie. Da wird aber nicht jportsmäßig 
geangelt — das geht viel zu langſam — 
eine Kalfflafche oder gar eine Dynamit- 
patrone beforgt alles viel gründliher. Daß 
mit diefer Art von FFilcherei der Beitand 
ganzer Bäche vernichtet wird, jchert die 
Leutchen nicht. Und ebenjomenig maden 
fie fih etwas daraus, während der Schon- 
zeit eine trächtige Häfin oder eine Rehgeiß 
zu Schießen, für fie ift die Jagd ftets offen! 
Man geniert fih nit einmal viel. Dit 
werden regelrechte Xreibjagden veranjtaltet 
und äußerft jelten fommt etwas jo heraus, 
dak der Staatsanwalt eingreifen könnte. 
Die „Braconniers* haben in Dorf und 
Stadt ihre Hehler und namentlih auf den 
Dörfern Kameraden genug. Wer durd 
ein Dorf auf der Hackmeſſerſeite geht, dem 
fallen die vielen Köter auf, die ihn ankläffen. 
Einen Stammbaum hat feiner von ihnen, 


ı und eine Nafjebeftimmung ift unmöglid. 
' Ruppig, ftruppig, die Produfte aller mög» 
; lichen und unmöglichen Kreuzungen, find 


fie alle „icharf”, finden fie ſich alle zurecht, 
wenn e3 gilt, unauffällig ein Häslein dorthin 
zu treiben, wo feiner ein warmer Empfang 
durch die zerlegbare Flinte wartet. Und 
fommt unverjehens der Förſter hinzu, fe 
fommt es auf eine blaue Bohne für ihn 
auch nicht, an, wenn man fid anders nicht 


mehr helfen kann. Ich ſaß mit dem alten 


17 


Förfter C. — jeßt deckt ihn ſchon Tängft | 


der Rajen — einmal in einer Wirtfchaft 
zu Bottenbab, 10 Minuten von der 
lothringiihen Grenze, zufammen, als ver- 
fchtedene Burjchen aus einem Nachbardorfe 
bereinfamen. Die fingen fofort an, über 
den Förſter zu fticheln, und ſchließlich trat 
man vor ihn und redete ihn alio an: 
„Groobärtel (Graubärtden), unter der 
difen Bude am ®...r Hof liegt meine 
Flinte. Wenn Du Nuraſch haft, hol fie!* 
Der Förfter bewahrt eine unerjchütterliche 
Ruhe. Uls die Burichen fih entfernt 
hatten, flärte er mich, der ganz erftaunt 
war, auf: „Sie wundern fi, daß ich dem 
Kerl nicht herausgegeben habe. Zuhauſe 
warten meiner eine rau und vier under. 
forgte Kinder. Es ift nicht das erjtemal, 
daß mir die blauen Bohnen um den Stopf 
geflogen find, und wenn id dieſe Jungens 
behandelt hätte, wie fie es verdienen, fünnten 
Sie mid vielleicht morgen ſchon als toten 
Mann unter der „diden Buche“ finden!” 
Der eine der Burfjchen hat denn auch einige 
Jahre jpäter jein Gemiffen mit einem 
Mord beladen. Er milderte auf offenem 
Felde und bei hellihtem Tage, hart an 
der Sandftraße, bei Winzeln. Ein Gendarm, 
der feine Braut heimbegleitete, entdedte ihn 
und ging auf ihn zu. Als er auf fünf 
Schritt Entfernung herangefommen mar, 
ſchoß ihn der Wılderer einfach nieder. Das 
Schwurgeridt zu Zweibrücken verurteilte 
den Mörder zum Tode; in einer ftärmiichen 
Novembernacht brach er aber aus dem Ge— 
fängni® aus und ift jeitdem verſchwunden. 
Er foll in dem Bölfermeer Amerifas unter- 


| 





getaucht jein. Es mag fein, daß die frühere 
unmittelbare Nähe der Landesgrenze das 
Wildern befördert hat. Wer aber Land 
und Bolf fennt, wird mir zugeftehen, daß 
den Leuten auf der Hackmeſſerſeite die 
Fagdleidenichaft vielfah im Blut Tiegt; 
und „was da drin begrift ift, ift auch drin 
begragt”, würde Onkel Bräfig jagen. 

Daß die Hadmeflerfeite dem Yremden- 
verkehr jo wenig erichloffen ift, liegt an 
dem Mangel eines Schienenmweges, 
einer Pirmaſens und Bitſch verbindenden 
Bahn. Seit Jahren wird hierfür eine 
eifrige Agitation entfaltet; die Sache ſcheint 
jegt in Fluß zu fommen und die Zeit 
dürfte nicht mehr fern fein, wo in den 
Tälern der Gegend die Lokomotive pfeift. 
Dann wird fomohl PBirmafens als Bitſch 
ſich ungleich fräftiger vorwärts entmwideln 
können als jegt; die Pirmajenfer brauden 
fih, um zur Quelle des billigen lothringifchen 
Rotweins zu gelangen, nicht mehr die Füße 
mund zu laufen und die Rorhringer Bauern 
werden ihre Produkte bequemer, rascher 
und billiger auf den Marft der Schub: 
metropole bringen fönnen. Ja, die Schub: 
induftrie! Sie nährt nicht bloß Pirmafens 
jelbft, fondern teilmeife auch noch das Land 
bis nach Lothringen hinein. Hat der Bauer 
mehrere Söhne, jo ift mindeftens einer 
darunter, der Schuhe madt. Sonntags 
wird abgeliefert, das Geld in Empfang 
genommen umd neues Nohmaterial heim- 
geihafft. Gerade die dörflichen Heimarbeiter 
würden von einer Bahn viel profitieren. 
Möge fie ihnen und der ganzen Gegend 
bald werden! (Str. Boft). 

F. W. Mohr. 


Die Koſten der verſchiedenen Belenchtungsarten. 


Als vornehmſtes Beleuchtungsmittel 
gilt nach der Entſtehung ſo vieler und 
wirkſamer Beleuchtungsarten gerade die 
altmodiſche Kerze, aber ſie iſt auch das 
teuerſte Licht, und aus dieſem Grunde 
ſowie aus dem andern, daß die Wärme 
Entwicklung dabei außerordentlich groß iſt, 
wird dieſe Beleuchtungsart wohl immer 
mehr verſchwinden. Nach einer Zujammen- 
ftellung die von der Zeitſchrift Gaslicht 
gegeben wird, gehören zur Erzeugung einer 
normalen Kerze 83 Gramm Stearin, was 


| Beleudtungsart 


einer Ausgabe von rund 12 Biennigen 
entſpricht. Das nächltteuerfte Licht wäre 
eine Dellampe mit Rundbrenner, die 34 
Gramm auf die Normalferze braucht und 
3,55 Pfennige foftet. Zunächſt fteht diejer 
an Softipieligfeit eine 
offene Gasflamme im gemöhnlichen 
Spaltbrenner zum Breije von 2,55 Big. 
pro Normalkerze. Nicht viel meniger 
lururiös, dafür freilid auch meit ange- 
nehmer und wirfjamer ift das Licht einer 
eleftriihen Glühlampe mit Sohlen- 


faden, die etwa 2,2 Pfennige foftet. Dann 
folgen eine offene Gasflamme im Rund» 
brenner und die gewöhnliche Betroleum- 
lampe, der das Spiritusglühlict 
nabefteht, indem für jene 1,41 und für 
diefe 1,35 Pf. pro Normalkerze angegeben 
merden. Die weitere Reihenfolge würde 
dann jo ausfallen, daß etwas billiger als 
das Spiritusglühlicht eine eleftriiche Glüh— 
lampe mit Metallfaden ift, wieder 
etwas billiger als diefe eine Betroleum- 


| 
1 Folge: die eleftriihe Bogen: 


8 — 


Stiftbrenner und das 
Acetylenlicht, die aber alle noh mehr 
als 1 Bf. pro Normalferze foften. Unter 


diefem Betrag bleiben zurück in nad: 


lampe mit 


lampe mit gewöhnliden Kohleuftiften, die 
Benzinlampe, die eleftriiche Bogenlampe 
mit imprägnierten Stoblenftilten, Die 
Quedfilberdampflampe und endlich 
als billigfte Beleuchtungsart das Gas» 
glühlicht. 





Biologiſche Abwaſſerreinigung. 


In der zweiten Verſammlung des 
naturwiſſenſchaftlichen Vereine 1908 zu 
Kaiſerslautern beſprach der erſte Vorſtand 
Dr. Niggl das ebenſo intereſſante als 
wichtige Kapitel der „biologiichen Abmwafjer: 
reinigung“. Dieſe Reinigungsmethode ift 
deshalb von jo großer Bedeutung, meil 
nur mittelö Diejer die gelöften organiichen 
Stoffe aus dem verunreinigten Wafler 
entfernt merden fünnen, (Eine gewiſſe 
Ausnahme bietet die Reinigung mittels 
PBraunfohlenihlamm, die aber nicht in 
diejes Gebiet gehört.) Die organijchen 
gelöften Stoffe, namentlich der Kanalwäſſer 
find es, melde hauptſächlich die Flußver— 
unrernigung hervorrufen. Nimmt man den 
Wäflern diefe Stoffe, jo verlieren fie die 
Fäulnisfähigkeit. Das ift heutzutage das 
Biel der Reinigung. Letztere gilt als ge: 
nügend, wenn die Fäulnisunfähigkeit er- 
reicht ift. Biologiſche Methoden nennt 
man ſolche, denen, wie ſchon der Mame 
andeutet, Xebensvorgänge pflanzlicher und 
tierifcher Organismen zugrunde liegen. 
Damit aber iſt das Wejen der Methode 
noch nicht genügend erjhöpft. Es gehören 
dazu noch Kräfte, welche dieje Stoffe aus 
dem Waller abforbieren, Abjorptionsfräfte, 
ferner reichlihe Zufuhr von Sauerftoff, 
mit deffen Hilfe die von den Mifroorganis: 
men gelpaltenen und zerjegten organiſchen 
Stoffe orydiert, d. h. mineralifiert werden. 
Bei der biologischen NReinigungsmethode 
find aljo drei Faktoren tätig, Abjorption, 


Mikroorganismentätigfeit und Oxydation. 


(Dunbar.) Unter Mifroorganismen jind | 
nicht bloß Bakterien zn verjtehen, es be— 
teiligen fih an der 


' Selbftreinigung der Flüſſe. 








Reinigungsarbeit auch noch die verjchieden- 
artigften andermweitigen Mikroorganismen, 
auch höher organilierte Lebeweſen jpielen 
eine Rolle. Betrachtet man die Reinigung 
von diefem Standpunfte aus, jo finder 
man, daß die erwähnten Faktoren beı 
ſchon befannten Neinigungsverfahren maß— 
gebend find. Es find dies das Niefelver- 
fahren die Bodenfiltration und die 
Man fann 
diefe Verfahren demnach ald natür- 
lihe biologiihe Verfahren bezeichnen 
im Gegenfag zum fünftlichen, bei dem der 
Menſch die von der Natur gegebenen Be- 
dingungen herjtellt und beachtet. Man 
nennt legteres ſchlechthin das biologiiche 
Berfahren. Redner beſprach nun kurz 
die drei natürlichen biologiſchen Berfahren. 
Was die Bodenfiltration anlangt, ſo konnte 
dies Verfahren ſo lange zu keinem guten 
Erfolge führen, als man darin nur einen 
mechaniſchen Vorgang ſah. Erſt als man 
die Tätigkeit der Bodenbakterien erkannte 
und noch mehr, als man beobachtete, daß 
gewijfe Unterbredhungen im Aufgießen von 
Abwaſſer auf das Land erforderlih ſeien, 
entitand daraus eine brauchbare Reinigungs- 
methode. Dan nennt jie nah den Unter: 
brechungen Die ıntermittierende (unter: 
brochene) Bodenfiltration. Sıe hat eine 
befondere Ausbildung und große Ber- 
breitung namentlich in Maſſachuſetts (Nord: 
amerika) gefunden. Man kann fie gerade: 
zu das Modell der fünftlihen biologischen 
Methode nennen. Denn man fann die 
Borgänge, die ſich ım Boden abjpielen, 
fünftlid nachmachen, mweın man Boden: 


Berjegungs- und | arten von beftimmter Korngröße in Holz— 


fäften bringt und unter ähnlichen Be- 
dingungen mit ungereinigtem Wajjer über— 
gießt. Aus ſolchen Verſuchen heraus ent: 
ftand in England das biologische Reinigungs- 
verfahren. Es bejteht im weſentlichen 
darin, daß man Baſſins mit Stüden von 
Koks, Schlade, poröjem Kies, von be- 
ftimmter Größe (3 bis 25 Millimeter) 
fült. Man läßt nun ungereimigte Ab» 
waſſer zulaufen, bis das Baifin voll ift, 
das Waller drinnen etwa zwei Stunden 
ftehen nnd dann jchnell ablaufen. Zwiſchen 
dem Ablauf und dem nädjten Zulauf 
muß eine Bauje von mindeftens 9 Stunden 
ftattfinden. Wiederholt man dieje Proze- 
dur ungefähr 2 Wochen lang, jo findet 
man, daß die Abflüffe rein und geruchlos 
und fäulnisunfähig find. Man jagt dann 
das Filter ſei gereift. Unterſucht man die 
einzelnen Körner des Füllmaterials, jo 
findet man, daß fie fich mit einer jchleimigen 
Hülle umgeben haben, welche mit der Zeit 
immer ftärfer wird. In dieſer Hülle 
haben ſich die Mikroorganismen feſtgeſetzt. 
Dort merden die gelölten organijchen 
Stoffe abforbiert und unter Beihilfe des 
Sauerftoffs geipalten, orydiert und mınerali- 
fiert. In der technijhen Sprade nennt 
man ein jolches Filter einen biologifchen 
Körper und das Berfahren, in welchem 
der ganze biologiiche Körper auf einmal 
angefüllt wird, das Füllverfahren Bei 
diefem Berfahren müſſen die Körper in 
Mauerwerk oder Bajlins eingebaut werden. 
Man kann das Abwaſſer auch regenförmig 


verteilt über den biologijhen Körper 
bringen. Dies nennt man das Tropf: 
verfahren. Bei demjelben werden die 


Tropfförper frei aufgebaut und höchſtens 
mit leihtem Mauerwerk umgeben, fie 
brauden aljo nicht in Baſſins eingebaut 
zu werden. Man kann hier das Material 
von gröberem Korn nehmen (80 bis 120 
Millimeter und darüber). Im allgemeinen 
ift der Betrieb der Tropfförper einfacher, 
fiherer und leiftungsfähiger. In England 
ging man jofort an die praftiiche Aus— 
führung ſolcher Anlagen in großartigem 
Maßſtabe; Manchefter baute eine ſolche 
für die Abwäſſer von 564000 Einwohnern. 
Um die wiſſenſchaftliche Seite kümmerten 
fih die Engländer wenig, die wurde im 
Deutſchland beforgt. Bier ift in erfter 


19 





Linie Prof. Dunbar, Direktor des hygie— 
nifchen Inſtituts in Hamburg, zu nennen, 
durch den das biologiſche Berfahren die 
denfbar eingehendfte Prüfung und milfen- 
ſchaftliche Durhbildung erfuhr. Er wurde 
der Vorfämpfer der biologijhen Reinigung 
in Deutichland und verbeflerte das Ber: 
fahren dur die Stonftruftion des foge- 
nannten Hamburger Tropfverfahrens. In 
England gewann das biologiiche Verfahren 
jchnell eine große Ausdehnung, jo daß zur Zeit 
bereitö über 300 große und mittlere bio» 
logiiche Anlagen im Betriebe find. Um 
den Stand diejer Reinigungsmethode in 
England fennen zu lernen und Erfahrungen 
zu fammeln, die für Deutichland vielleicht 
verwendbar waren, jchicte die fgl. preußische 
Berjuchs- und Brüfungsanftalt für Wafjer- 
verjorgung und Abmwajlerflärung eine Kom— 
miffion nad England. Nach deren Urteil 
hat fi) das biologische Verfahren als voll» 
wertige WReinigungsmethode bewährt. Es 
ift aber dem Rieſelverfahren nur eben» 
bürtig, wenn die Abflüffe der biologifchen 
Anlage noch der intermittierenden Boden» 
filtration unterworfen werden; denn fie 
find noch ziemlich bakterienhaltig. Was 
die Gejamtherftellungsfoften einer joldhen 
Anlage betrifft, fo ftellen fie fi in Eng: 
land durchſchnittlich auf 20 ME. pro Kopf 
der Bevölkerung. Die Betriebsfoften inkl 
Verzinjung etc. betragen pro 1 Kubikmeter 


Abwaſſer 2,9 Pig. bei größeren Anlagen 





und 3,3 Big. bei fleineren Anlagen. Da 
man in England auf den Kopf der Be- 
völferung pro Tag 150 Liter Abwaſſer 
rechnet, jo ergeben fich Betriebsfoften pro 
Berjon und Jahr von 1,57 Mk., demnad 
für eine Stadt von 50000 Einwohnern 
eine Yahresausgabe von rund 78000 ME. 
In Deutfchland würde fie 62000 ME. be: 
tragen, da man bier 120 Liter Abwaſſer 
pro Kopf und Tag rechnet. (Hierbei muß 
bemerft werden, daß es fih um Sanali- 
fationen handelt, bei welchen die jümtlichen 
häuslichen Wäſſer meift nebft den Regen— 
wäfjern getrennt find von den öffentlichen 
Flußläufen) Das Riefelverfahren ift auch 
bezüglich der Koften dem biologijchen Ber: 
fahren überlegen, außer wenn es fih um 
ganz abnorm hohe Bodenpreije handelt. 
Auch in Deutichland hat das biologijche Ber- 
fahren Eingang gefunden, und es befinden 


fich bei uns meit über 100 allerdings 
meift Fleinere Anlagen. Es find hierbei 
zahlreiche Miberfolge zu verzeichnen. Die 
Erfahrungen, welche man mit dem bio- 
logifhen Berfahren in Deutfhland gemacht 
hat, find ebenfalld von der genannten fgl. 
Prüfungsanftalt gejammelt morden und 
beziehen fih auf die Ergebniffe des Be- 
juhes von 37 deutfchen biologiihen An— 
lagen und von 60 Anlagen überhaupt. 
In Deutichland baut man im allgemeinen 
billigere Anlagen. Bei Städten zmwijchen 
10000 bis 50000 Einwohnern betragen 
die Anlagen pro Kopf der Bevölkerung 
4 bis 10 Mark, die Betriebsfoften infl. 
Verzinfung etc. 0,50 bis 1,10 ME. jähr- 
li auf 1 Einwohner. Das Reſume diejer 
Kommiffion über den derzeitigen Stand 
des Verfahrens in Deutichland lautet: „Das 
biologiihe Berfahren ift nicht das Ber: 
fahren, welches man jo lange geſucht hat. 
Es ift vom mirtjchaftlihen Standpunfte 
aus nur in ganz beftimmten Fällen geeignet. 
Es jcheidet von vornherein aus, wenn für 
die Borflut ein mechaniſches Berfahren 
genügt oder wenn die Borflut zwar eine 
weitgehende Reinigung des Abwaſſers ver- 
langt, aber Riejelfelder oder unterbrochene 





Filtration möglich und billiger find.” Trotz 
dieſes menig günftigen Standes ift der 
BVortragende der Anficht, daß man des— 
megen nod nicht den Stab über das ganze 
Berfahren bredien dürfe. Das biologiiche 
Verfahren ift auf fo gejunder richtiger 
Grundlage aufgebaut und wiſſenſchaftlich 
aufs gründlichfte jo durchforſcht, daß es 
bei richtiger Handhabung zu einem guten 
Ergebnis führen muß. Es wird aber fein 
Univerjalmittel für alle Gebredhen der 
Flußverunreinigung fein. Die Geredtig- 
feit erfordert, daß man erft die meiteren 
Ergebnifje diejes in Deutſchland mitten in 
der Entwidelung ftehenden Verfahrens ab- 
warte, Abwarten ift die Parole. Wenn 
irgendwo jo ift in diefer Frage vorfichtiges 
Abwägen und Borgehen am Plage. Zur 
anfchaulihen Erläuterung des Bortrages 
waren viele Pläne und Abbildungen von 
Modellen ausgeftellt. Reichiter Beifall lohnte 
die hochintereffanten Ausführungen des Vor— 
tragenden jeitens des fehr zahlreichen Audi— 
toriums, in welchem aud) die Vorftände und 
Bertreter der Berwaltungs: und tedhnijchen 
Behörden, ſowie des PRürgermeifteramtes 
und mehrere Stadträte zu bemerfen waren. 


(Bf. Pr.) 


Bimmelsfhan zum 10. Februar 1908. 


Wer in der legten Zeit den Blif in | alten Chronos am 10. Februar und eilt 
den abendlıhen Dämmerungsftunden zum | dem weiter öſtlich in rotem Lichte ftrahlenden 
Wefthimmel erhob, dem fiel der blendende | Mars entgegen, den er aber erft am 4. 
Glanz de Abendfterns, des Blaneten | April erreicht. Benus zieht oberhalb Saturn 


Venus, Sofort ind Auge. Obwohl die 
Helligkeit des intereffanten Geſtirns noch 
bi8 zum 29. Mai zunehmen wird, fällt es 
doch fchon feit Neujahr auf und beherricht 
die Situation nad) Sonnenuntergang. Nun 
befinden ſich aber noch zwei weitere Planeten 
zur gleihen Zeit ım Südweſten und bilden 
mit Benus eine jeltene, für den Planeten: 
beobachter arbeitsreiche Konftellation. Der 
blaffe Stern, welcher am 10. Februar ein 
wenig unterhalb Venus zu finden ift, heißt 
Saturn und ift der Riejenplanet, deſſen 
Ringicheibe gerade wieder ein wenig in 
unſere Gefichtslinie gerückt erjcheint, jo daß 
wir den Ring im aftronomijchen Fernrohre 
als breiten Strid durd den Planeten jehen 
fönnen, Der Nbendftern überholt den 


| und Mars vorbei. 


Der Mond, melcder 
faum das erite Viertel überjchritten hat, 
folgt am 10, Februar links von der ge 
nannten Planetengruppe. Man fieht ihn 
während einiger Stunden oberhalb des 
Hauptjternes im „Stier” deutlih nach links 
fortrüden ; rechts oben jteht die Sterngruppe 
der „Plejaden“ (Glucke) und darunter ftrablt 
in hehrem Glanze das andere „Sieben: 
geftirn“, Orion, im Südoften vom „Großen 
Hund“ gefolgt, deſſen Hauptfiern Sirius der 
hellfte Firftern des ganzen Himmels ift. 
Wer ein Freund himmliſcher Schaufpiele ift, 
verfäume nicht den Genuß einiger erhebender 
Minuten und muftere den diesjährigen 
winterlihen Schmuck unjere® geftirnten 
Himmels! 


21 


Bas Glochenwunder zu Speier. 


Als Heinrich den vierten zu Grab man 
getragen, 


Und weithin über die deutſchen Lande 
Sie ihren dumpfen Wehruf ſandie. 


Begann die Kaiſerglocke zu klagen | 


Als Heinrich der fünfte in Siechtum ge- 
ſchieden, 

Klang Glockenläuten zum Todesfrieden; 

Doch ſchrillte hell in die Leichenfeier 


Die Armefünderglode zu Speier. 


Raifer Heinrichs IV. Zeſtattung. 


Ragte Hoch der Dom zu Speier; 
Heimlich klang mit feifem Schauer 
Dur die Pappeln Web und Trauer. 


In den ſchwanken Weidenzweigen 
Hing's wie tiefed Todesſchweigen, 
Und rheinauf durch grüne Wogen 
Kam ein Katferfchiff gezogen. 


Durd) die grauen Nebelfchleier | 


Lautlos ohne Sang und Klagen 
Wurde til zu Grab getragen 
Heinerich des Bierten Leiche, 

Weil geächtet er vom Reiche. 


Seit des Papſtes Sprud ihn bannte 
Und die Reichsacht ihn entmannte, 
War er ledig aller Rechte 
Gleich dem Knecht und Aberknechte. 


Wo als Kaiſer er geſchlichtet, 
Lag er ſelber nun gerichtet; 
Und ſtatt heißem Kindeslieben 
War ihm Kindeshaß geblieben. 


Stieß der Sohn ihn doch vom Throne, 
Raubte ſelber ihm die Krone, 
Als auf Böckelheim, der Beite, 
Tronentfagung er erpreßte. — 


Nach der Kirhe St. Marien 
Sab den Trauerhor man ziehen, 
Lautlos ohne Orgelklänge, 

Ohne fromme Betgeſänge. 


m 


Durft’ ihn Glockenklang nicht grüßen, 
Mußt’ der Dom die Tür ihm ſchließen; 
Nur in ungemweihten Mauern 
Konnt' man um den Kailſer trauern. 


Daß der Fluch erfüllet werde 
Stand auf fegenlofer Erbe 
Fünf der bangen fchiveren Jahre 
Einfam fo die Kaiſerbahre. 


Bolkeslieb' als bejte Habe 
Blieb ihm treu noch über'm Grabe, 
Ihm zu Häupten Kerzen glübten, 
Blumen ihm zu Füßen blübten. 


Und ein Pater ihm zur Selte 
War bes Toten letzt' @eleite. 
Auf den Kaiferfarg, den bebren, 
Tropften feine berben Zähren. 


Als der Jahre fünf verflogen, 
Ward ber Bann zurüdgezogen, 
Und man bradt’ in eich'ner Truhe 
Unterm Domdor ihn zur Ruhe. 


Als ob ſchwere Himmeläflüche 
Heinerich fein Sohn ertrüge, 
Mußt' zur Gruft er erblos fliehen, 
Dort zur Seit' des Baters liegen. 


Ruhte in den Kaifergrüften, 
Bis es qualmte in den Lüften, 
Und man plündernd aus dem Schreine 
Nik die modernden Gebeine, 


Dr. Carl Build. 


Bie dicke Eiche bei Mehborn. 


ift eine der impofanteften Wlteichen der 
Pfalz ſowohl der Stammiftärfe nah — 
auf Bruftöhe bei 1,85 Meter Durchmefler 
ein Umfang von 5,70 Meter — als aud 
was Mächtigkeit und Schönheit der Krone 
betrifft. Sie fteht auf dem Höhenrüden 





zwifhen Rehborn und Meifenheim nahe 


am Baumald auf Grund und Boden der 
Gemeinde und ift weithin fihtbar Mit 
Ausnahme einiger ſchadhafter Stellen auf 
der Südjeite des Stammes ift fie vollflommen 
geſund. Die Eiche dürfte 250 bis 300 
Jahre alt jein. Wir geben ein Bild der 
Eiche als Beiblatt zu Heft 2. 


22 


Gehrederte Wintergäfe in den Yfalzwäldern. 


B. Flur und Wald find in einen dichten 
Schneemantel gehült und die andauernde 
ftrenge Kälte hat diefen mwinterliden Schuß 
der Erde ziemlich gefeſtigt. Das ift die 
Beit, melde den Tieren des Waldes, be- 
fonder8 den Böneln, bitteren Nahrungs: 
mangel bringt, denn die Kterfe und Inſekten 
haben fi tief in die Erde und in die 
Bäume zurüdgezogen, und für die Körner 
freffer bietet fih außer den zu Ende ge- 
henden vertrodneten Beeren fajt gar nichts 
mehr. So ziehen fih denn alle Körner: 
frefier, welche überwintern, nad) den menſch 
lihen Wohnftätten, wo fie ihr Färgliches 
Brot finden. Trauriger aber geht es den 
echten Icheuen Waldvögeln, welche ausichließ 
ih auf Inſektennahrung angemiejen find 
und melde die Nähe des Menichen durchaus 
meiden. Es find dies bejonders die Spedt- 
arten, von denen jegt wohl eine ziemliche 
Unzahl den Tod infolge Nahrungsmangel 
findet. Es ift gewiß, daß in furzer Beit 
bei uns die Grau: und Grünſpechte, Die 
fleineren Bunt: und Schwarzipedjte jo 
fiher ausfterben, wie die Indianer infolge 
der Kultur. Manche diejer Vögel find bei 
uns zu Lande faft Raritäten geworden, fo 
der Schwarzipeht. Diefer Müärchenvogel, 


welcher die Springwurzel beichaffen foll, 


mit der man verborgene Schäße hebt, kommt 
in den Pfalzwäldern nur noch vereinzelt 
vor. Wir hatten am 4. Dezember Gelegen— 
beit, den Bogel, welcher ſich durd einen 
flagenden Ruf ‚Kliä“ bemerfbar macht, im 
Revier „Drei Eichen” zu beobachten. Auch 
auf dem Ebertsberge zeigt er fich im ca. 
drei Gremplaren. Auch der Grünipedt 
tritt in Gefelfhaft auf. Bogelfundige be- 
haupten, daß das geiellichaftlihe Auftreten 
diefer jonft fcheuen Vögel einen ſtrengen 
Winter bedeute, und Brehm ſah im ftrengen 
Winter vom Jahre 1860 - 61 eine Unzahl 
Spedte in einem Eichenwald veriammelt. 
Am Iſenachweiher wurde der fchöne, metall- 
Ihimmernde Eisvogel gejehen, weldyer bei 
firenger Kälte vereinzelt wandert. Am 
Limburgabhang zeigten fi zwei Eremplare 
des Bergfinf, der aud unter dem Namen 
„Böhämmer“ in der Pfalz befannt ift und 
in manden falten ®intern jcharenweife am 
Abtskopf, bei Bergzabern und im ganzen 
Wasgau gejehen wird. ES ift zu erwarten, 
daß auch in diefem Yahre bald jein Auf 
treten in genannten Gegenden bemerft wird. 
Bei anhaltender Kälte wird fih wohl noch 
mancder jeltene nordiiche Vogel einfinden. 


(Plälz. PBreile.) 


Brojektierter Bahnban. 


Im Verfolg der Beftrebungen zum Bau 
einer durchgehenden Eiſenbahn 
Würzburg » Wertheim » Miltenberg : Amor- 
bad) Worms Eifenberg : Kaiferdlautern fand 
anfangs Dezember v. %. in Amorbad 
(Unterfranfen) eine ftarf bejuchte Tinte: 
refjentenverfammlung ſtatt zwecks Be: 
iprehung der Maßnahmen zur Wermirf- 
lihung des Projektes der in Ausficht ge: 
nommenen bayerijch: heſſiſchen Teilſtrecke 
Amorbach- Kirchzell Watterbah (Unter: 


franfen) : Erbach: Michelftadt (Heſſen) Nach 
längerer Beratung wurde eine Einigung 
dahin erzielt, daß die heififchen und bay- | 


riihen Stomitees, nachdem fie über die 
ZTracen Frage vollfommen einig find, un- 
abhängıg von einander, fei es für Boll-, 
ſei ed für Lokalbahnbau, wirken follen. 
Um dem heiliichen Stomitee entgegenzu- 
fommen, wurde einmütig beichloffen, daß 


die abzufaffende Eingabe an die bayerijche 
Staatöregierung folgende Gedanfen zum 
Ausdruck bringen joll: „Bon der heifiichen 
Bevölkerung werde mit allen Mitteln der 
Ausbau einer Vollbahn erftrebt, auch auf 
bayeriicher Seite ſtehe dieſer Wunfch im 
Vordergunde,; falls aber die bayerifche 
Staatöregierung aus irgendwelchen Gründen 
nicht in der Lage fein jollte, eine Boll— 
bahn zu gewähren, jo begnüge man, fi 
jeitend der bayeriihen Benölferung mit 
einer Lokalbahn. Ga, man ſei jolchen 
Falles jogar bereit, die Projeftierungs- und 
Srundermwerbungskoften auf die beteiligten 
Gemeinden und Privat: Intereffenten zu 
übernehmen. Schließlid wurde der Wer: 
fammlung die erfreuliche Mitteilung ge 


| madt, daß bon verichiedenen Seiten bereits 


| 


namhafte Berräge zu den Brojeftierungs 
fojten gezeichnet worden find, 


23 


Die Gefolgichaft des Menſchen. 


Bon Hermann Löons, Hannober. 


Es ift ein Heidmoor, eins der vielen 
in Norddeutjchland, unberührt, urmüchfig, 
wild und weit. Heidekraut, Torimoos, 
Wollblumen und Riedgras bilden den Unter: 
grund der Pflanzenwelt ; einzelne Birken, 
Kiefern und Wachholder überfchneiden die 
braune Fläche. Ganz fern bollwerft der 
Wald wie ein ſchwarzer Strich. 

So ſah es vor hundert Jahren bier 
aus, und vor taufend und vor zehntaujend. 
Alle dreißig Jahre änderte hier und da 
der Torfftich ein wenig das Bild, bis das 
alles gleich madende Torfmoos und nad 
ihm Ried, Wollblume und Heide die Spuren 
menſchlicher Arbeit hier verwiſchten Selbjt 
die großen Moorbrände änderten menig 
an dem alten Bilde. 

Auch die Tierwelt blieb, wie fie war, 
nahdem Mammut und Rieſenhirſch, 
Mofchustier und Renntier, und noch viel 
jpäter Wiejent und Elch, und wieder einige 
Beit nachher Bär und Luchs, und nod 
fpäter Biber und Wolf verjchmunden waren. 
Dat Rotwild und die Sauen medjieln 
nach wie vor über das Moor, wenig Rebe, 


nod weniger Hajen leben in ihm, und 
Fuchs und Otter, Dachs und Iltis. 
Heute noch, mie zu Urzeiten jagen 


dort Schwarzftorh und Schreiadler die 
Kreuzotter, trompetet der Kranich bei 
Sonnenaufgang, Elagt die Mooreule in der 
. Dämmerung, ruft der NRegenpfeifer, jpinnt 
die Nachtſchwalbe, medert die Heerjchnepfe. 
Saufenden Fluges ftreicht der ſchwarzweiß 
rote Birfhahn dahin, über den Sinfen 
ſchwebt die Wiejenmweihe, aus den Wolfen 
dudelt die Heidlerche, Wieper und Rohr: 
ammer trillern und zwitichern. 


Ein Menſchenpaar zieht in das Moor, 
ein Knecht und eine Magd. Sie haben 
lange genug gedient; nun wollen fie frei 
fein auf eigener Scholle im weiten Moore. 
Ein Haus entfieht, ein Gärtchen wächſt, 
eine Wieje grünt auf, Aderland drängt die 
Heide fort, Zaunwerk ragt auf, Obftbäume 
fämpfen ſich hoch, Staumerfe und Stege 
bringen neue Farben in die Wildnis, 
— — Ein Jahr geht hin. Es iſt ein 
Sommerjonntag, warm und ftill. Dann 
und Frau fiten auf der Knüppelbank vor 
der Türe und jehen in das Abendrot. 
Aus dem Haufe ichallt das frohe Ge: 
frähe des Grben, den die Großmutter 
hütet. Da zickzackt ein jchwarzes Ding 
um den halbfranfen PBflaumenbaum. Der 
Dann zeigt mit der Pfeifenipige danach: 
„Eine Fledermaus!” jagt er und lächelt. 

Herbit wird ed. Die Ernte ift ge- 
borgen. Sie fiel mager aus, aber es langt 
für die drei Menjhen. Der Bauer pflügt 
die Stoppel um, Da fommt zwitichernd 
ein Flug fleiner Vögel heran und fällt 
auf der Stoppel ein. Der Mann lächelt 
wieder. Die eriten Spaken find es, die 
ib hier jehen laſſen. Vorläufig find es 
die Feldſpatzen. 

Der Wınd ftöht den Schnee gegen die 
Scheiben. Bei der Tranlampe flidt die 
rau des Mannes Zeug; er flicht Bienen- 
körbe. Im Ofen glühen Heidfchollen und 
verbreiten einen ftrengen Geruch. Hinter 
dem Scranfe raſchelt es. Mann und 
Frau ftehen auf. Es piept, ein ſchwarzes 
Ding huſcht jcheu durch die Stube. „Wahr- 
baftig, eine Maus! Wo fommt die mohl 
ber?“ (Schluß folgt.) 


— — 


Dünen in de 


Daß wir in unſerer engeren Heimat 
neben der Siegelbadher Straße feine Berüd- 


troß ıhrer binnenländijchen Yage eine ganze 
Anzahl typischer Dünen bejigen iſt eine be: 
fannte Tatjahe. Bereits 1905 wurde in 
der „Biälziichen Heimatkunde” (Seite 106) 
ein Erflärungsverjud für deren Entitehung, 
ſowie eine Zufammenftellung der befannteften 
pfälziſchen Dünenlandſchaften ge 
geben. Leider fand dabei das ausgedehnte 





r Weſtpfalz. 


Dünenfeld im Tränkwalde bei Rodenbach 


ſichtigung, obwohl es nicht allein wegen 
ſeiner charakteriſtiſchen Ausbildung als 
Produkt anhaltender N-W-Winde, ſondern 
auch wegen einer ganz beſonderen Eigentüm— 
lichkeit unſer Intereſſe verdient. In dem 
genannten Dünengelände iſt nämlich gleich 
hinter Rodendach beim Eintritt der Straße 


ihon längft gegen die Begradigung der 
Straßen eiferte, und fonft eine reihe Fülle 
von Heimatjhug-deen in feinen Schriften 
niederlegte, famen nach feinem Tode mehr 
zum Durchbruch, und uns, feinen Schülern, 
waren fie von Anfang an Richtlinien zwifchen 
dem zu viel und zu wenig; den alten bäuer- 
lihen Hausrat fanden wir auf dem Dadı- 
boden, von wo er ins Feuer oder in die 
Hände eines Antiquard wandern jollte. 
Riehls Gedanken riefen die „Deutjchen 
Gaue“ ins Leben, die an der Spike des 
erften Heftes (Mai 1899) feine Worte 
trugen: „Seder rehte Dann hält jeine 
Heimat für die jhönfte und ſpricht von ihr 
gern und meint, ed müßten auch andere 
gern von ihr jprechen hören.” Die Baſis 
des Heimatichuges ift die Heimatfunde und 
die Heimatliebe im Bolfe. Die Denfmale 
der Heimat müſſen dem Berjtändnis und 
dem Gemlite des Bolfes näher gebracht 
werden; das zu erreichen, muß bereits in 
der Schule die Heimatkunde Ausgang und 
Mittelpunft des geographiichen Unterrichtes 
fein (mie die Stulturgefchichte die Yührerin 
fein fol für den Gejdichtsunterridt). 
Können wir das Volk nicht zum Ber- 
ftändnis feiner Heimat heranziehen, dann 
belien alle Klagen, Forderungen und Maß- 
nahmen, die den Heimatjchug betreffen, nichts. 
Aus Ddiefen Gedanken ift der Berein 
„Heimat“, gegründet zu Füſſen 1900, 
hervorgegangen, der ſich allmählich über 
Bayern verbreitete und als er die freudige 
Buftimmung jo vieler vernahm, die Worte 
Audorffs als feine Devife wählte: Wir 
wollen jein „eine Zuſammenſcharung aller 
Sleichgefinnten, denen e8 darum zu tun ift, 
deutſches Volkstum ungeſchwächt und un: 
verdorben zu erhalten, und was davon 
unzertrennlich iſt, die deutſche Heimat mit 


Geologie und 


Unter allen Naturwiſſenſchaften ſteht 


wohl feine jo wenig im Anſehen, ift wohl 


feine in Laienfreifen jo unbefannt wie die 
Geologie, die Lehre von der Erde. Schon 
lange flagen die Geologen hierüber, jchon 
oft haben fie gebeten, ihrem Wiſſenszweige 
die verdiente Geltung zu verichaffen. Diefe 
Geltung befiten jeit ihrer Einführung in 





ihren Denfmälern und der Boefie ihrer 
Natur vor meiterer Berunglimpfung zu 
fügen.” Deutjhe Gaue III 145 (24. 
Februar 1902). 


Am Sommer 1902 war darauf der 
Berein für Volkskunſt und Volkskunde in 
Münden gegründet worden, für mehr jpezielle 
Aufgaben; nämlid „auf dem Lande Bor- 
handenes und Überliefertes in Bau und 
Einrichtung des Hauſes, ſowie in Sitten, 
Gebräuden und Sagen zu jammeln.“ 

Er verfolgt dabei den Zweck, das Ber- 
ftändnis für das Llberfommen wieder zu 
erweden, die alten Sunftformen wieder 
praftifch zu verwerten und die Handmerfer 
zur Berügung der alten Vorbilder aufzu- 
muntern.“ 


Dabei mag erwähnt werden, daß auf 
nichtbayeriihem Gebiete 1904 der Bund 
„Deimatihug” und 1905 der Berein 
„Deutihe Heimat” in Wien gegründet 
wurde. 1905 £onftituierte fi für Bayern 
ein Landesausihuß für Naturpflege; die 
gegenwärtige Mitgliederzahl der durch den 
Landesausihuß für Naturpflege vertretenen 
Vereinigung entzieht fich unferer Stenntnis, 
der Berein für Volkskunſt und Volkskunde 
hat wohl rund 3500 Mitglieder; der Verein 
„Heimat“ zählte am 4. November 1907 
4133 Mitglieder. Wir erjehen jchon aus 
diefen unvollftändigen Bahlenangaben, dar 
in Bayern weite Kreiſe für die Idee des 
Heimatjchußes gewonnen find, bejonders 
wenn wir die Mitgliederziffern aller oben 
angedeuteten Bereinigungen dazu in Betracht 
ziehen, deren Aufgaben ganz oder teilmeije 
bier einjchlagen; wir jehen aber auch eine 
reiche Fülle von Arbeit erftehen, an der 
jeder Heimatfreund teilnehmen kann. 


Kurat Franf:Haufbeueren. 


Heimatkunde. 


die Schule Botanik, Zoologie, Anthropologie, 
Geographie, Aftronomie, Chemie, Bhnfit 
und bis zu einem gewiſſen Grade auch die 
der Geologie naheverwandte Mineralogie. 
Uber die Geologie ift oder war bis vor 
furzem in den Schulen gänzlih vernad- 
läſſigt. ch jelber erinnere mich nicht, 
während meiner Schulzeit von ihr gehört 


zu haben — mas id) noch jeßt bedauere, 
Denn ih weiß feinen Wiſſenszweig zu 
nennen, der jo jehr die Forſchungsergebniſſe 
aller anderen Naturmifjenichaften verwertet, 
ja zum eigenen Betriebe jo nötig hat wie 
die Geologie. Stein Geologe vermag das 
Werden und Bergehen der Gejteine, der 
Oberflähenformen, des Erdbodens zu er- 
flären, ohne mehr oder weniger die Geſetz— 
mäßigfeiten zu Rate zu ziehen, die die 
übrigen Naturmifjenfhaften kennen lehren 
— und dieje drei Forſchungsgebiete machen 
den Anhalt der Lehre von der Erde aus. 

Die bei diejer Stellung zu den Schweiter- 
wifjenichaften die Geologie in die Schule 
einzuführen wäre, entzieht fich meiner öffent: 
lien Beurteilung als der eines Nichtfadh- 
manned. ber wir haben nidht nur die 
Schulen als Bermittler von wiſſenſchaft— 
lihen Erfenntniffen und Anregungen und 
Anſchauungen. Neben fie treten jegt in 
jreigendem Maße die naturmwifjenihaftlichen 
Mufeen, die wohl bald feiner noch fo £leinen 
Stadt mehr fehlen werden. Der biöherige 
Typus ift allerdings kaum geeignet, etwas 
anderes zu jein als eine Unterftügung der 
Schule im naturwiffenichaftliden Anſchau— 
ungsdunterricht. Die Ergänzung der Schule, 
dad Weiterführen über die Schule hinaus, 
vermag er nicht zu bieten. Die Anordnung 
der Ausftellungsobjefte ift die nad dem 
wiffenichaftliben Syitem, für den Fachmann 
wertvoll, für den Yaien aber „zum Davon» 
laufen“. Ich habe ſchon manches Mufeum 
geiehen, durch das die Beſucher, die mit 
den beiten Abfichten kamen, jchlieklid hin: 
durcheilten, es jejfelte fie nichts. Dies 
Feffeln aber ift der Zweck der Mufeen; 
fie find nicht nur dazu da, einige wadere 
Sammler im Bejtimmen ıhrer Sammel- 
gegenftände zu unterftügen, fie jollen be- 
lehren, anregen, erwärmen. Die Wiſſenſchaft 
ift ja nicht lediglich Sache des fühlen Ber- 
ftandes, jie jchließt auch eine Liebe ein und 
führt zu veligiöjer Erhebung — mobei man 
unter „Religion” nicht gleich „einen Beweis 
für das Dafeın Gottes” im dogmatifchen 
Sinne verftehen möchte. 

Sollen die Mufeen etwas für das 
„Gemüt“ bieten, jo muß man mit dem 
beginnen, was jedem Menjchen am nädjiten 
liegt, mit dem Alltäglichen, aber mit dem 
Zeile des Alltäglichen, der zu unferem 


27 


Herzen am reinften |pricht, mit der Heimat. 
In den Mittelpunkt der Mufeen fol die 
Heimatfunde treten. Dieje wieder kann 
nicht anders als mit der Geologie beginnen, 
mit der Lehre des Bodens, von dem wir 
fommen und zu dem wir gehen werden, 

Ich denfe mir, den Mittelpunft des 
Mujeumsjaales einnehmend, die geologijche 
Starte des natürliden Geländeabfchnittes, 
in dem der betreffende Ort liegt. Alſo 
etwa für Berlin das oftelbiiche Flachland, 
für Franffurt a. M. das Mainzer Beden, 
für Düffeldorf die niederrheinifche Bucht ufm. 
Dann wird der Streiß enger gezogen auf 
den Ort und jeine nädfte Nachbarſchaft 
beichränft. 

Die geologiiche Karte wird man von 
drei Geſichtspunkten aus betradjten: fie ift 
eine ſtratigraphiſche und gıbt als ſolche die 
Geſchichte des Bodens; fie iſt eine agro- 
nomijche und zeigt, was auf ihm mächft, 
gewachſen iſt und wachſen fann als Pflanze, 
Tier und Menſch; fie ift eine bergmännifche 
und zeigt, was in ihm liegt. Daß dabei 
mit bildliher und jchriftlicher Erläuterung 
nicht gefargt werden darf, iſt jelbftverftänd- 
(ih. Die Reliefdarjtellung ift daneben von 
größter Bedeutung. 

Hiermit habe ich die Richtlinie für den 
Mujeumstyp gegeben, der meinen eigenen 
Anforderungen an eine Scaujammlung 
entipricht. Diejer Typus gibt dem Orts- 
anfälfigen den natürlichen Ausgangspunft 
für feine naturwiſſenſchaftlichen Intereſſen, 
gibt dem interejlierten Fremden die Mög: 
lichkeit zur fchnellen Orientierung, hilft dem 
BZugezogenen die neue Heimat finden. Diejer 
Typus unterftügt die Beftrebungen für 
Heimatſchutz und Naturdenfmalpflege, geht 
der Unmifjenheit des Städterd Über den 
Zandbau zuleibe, läßt den Landmann in 
der Stadt die Belehrung leichter finden — 
ift für die wirtichaftlichen Intereſſen be- 
deutungsvoll, 

Schwierig ift allerdings die Verwirk— 
lichung dieſes Typus. In den zahlreichen 
Mujeen, die ich bisher ſah, finder fi faum 
eine Spur davon, Nur eine Arbeit von 
vielen Jahren fann uns dahin bringen, 
daß wir das Normalmujeum haben. Ihrer 
Borbildung nach find am geeignetjten zu 
defien Einrichtung die Geologen. Die 
Hauptſache aber ift: der Leiter muß aus 


vielen leblojen Dingen einen lebendigen 
Organismus jchaffen können. 

Die bisherigen nad dem Syſtem aus- 
geitellten Sammlungen verlieren durd die 


28 





— 


Angliederung der heimatkundlichen Abteilung 
natürlih nicht von ihrer Bedeutung, fie 
gewinnen im Gegenteil erheblich. 

Dr. 9. Stremme. 


Über die Beheizung unferer Wohnungen. 
Bon Dr. Karl Brabbec. 


Wenn man jeßt, da die Macht des 
Winters endlich gebrochen Icheint, zum Leſer 
über die Beheizung unjerer Wohnungen 
ſprechen will, jo hat das genügend Bered- 
tigung in der großen Bedeutung, die diefe 
Frage für die Förderung und Erhaltung 
unjerer Gefundheit befigt. Noch ift der 
beurige jchwere Winter in aller Erinnerung ; 
jo mande Grfälturg, die wir uns in den 
legten Monaten zugezogen haben, mag auf 
ungenügende Beheizung unferer Wohnungen 
zurüdzuführen gemejen fein, jo manches 
Bimmer ift trog aller Mühe und Sorgfalt 
falt geblieben, der jonft jo gemütliche Erfer 
war faft während vier Monaten nicht zu 
benügen, und die Hausfrauen denken gewiß 
recht ungern an die vielen Kohlen und 
Brifette zurüd, die die Kachelöfen ver- 
Ichlungen haben, ohne genügende Wärme 
zu ſpenden. 

Doch der brave alte Kachelofen hat 
ftets eine gute Ausrede zur Hand und leife 
murmelt er in feiner ftillen Ede das jatt- 
fam befannte Märchen von den Zimmern, 
die eben „infolge ihrer ungünftigen Tage 
fo gar nicht zu erheizen find.“ In der 
Tat, au der beſte Kacdelofen fann oft 
auch bei forgfältigfter Wartung nicht die 
nötige Wärmemenge ſchaffen, wenn plößlich 
ftarter Windanfall eintritt oder zufällig 
der Mieter unter und oder neben und aus: 
zieht und die Wohnung nun wochenlang 
leer fteht. Und alle, die in ıhren Räumen 
die Dfenheizung haben, haben wehmütig 
und ftillfchrweigend auf die Benütung der 
ichönen Erfer mwährend der Wintermonate 
verzichtet. So hat denn auch der gute 
alte Kachelofen den Höhepunft jeiner Herr- 
ſchaft überjhritten. Wir wiſſen heute, daß 
die Erzielung einer gleihmäßigen und ganz 
beftimmten Qemperatur in unjeren Wohn- 
räumen zur Erhaltung unferer Gejundheit 
unbedingt nötig ericheint, und wir müſſen 
uns daher als zielbewußte Menjchen von | 


jenen Einrichtungen abwenden, die diejer 
berechtigten Forderung nicht genügen, und 
müjjen unjere Aufmerfjamfeit auf jene Ein- 
rihtungen lenken, die eben diejer Forderung 
entiprehen. So find denn wiſſenſchaftliche 
Tehnit und praftiiche Induſtrie in fteter 
Entwiflung und bemußtem Fortichritt von 
der alten Lokal- oder Dfenheizung zu der 
modernen Zentralheizung gelangt. 

Danf der theoretiihen Forſchung und 
der ftetigen und mächtigen Entwidlung der 
neueren Heizungstechnik ift es heute möglich, 
Zentralheizungsſyſteme auszuführen, 
die alle Forderungen, die wir an eıne gute 
Heizungsanlage jtellen fünnen und müſſen, 
voll befriedigen. Wenn ich nun die zentrale 
Beheizung unferer Wohnungen kritiſch be- 
jprehen und insbejondere ihre Borteile 
gegenüber der Dfenheizung ins Licht ſtellen 
will, fo leitet mich dabeı der Gedanfe, dat 
vielleiht mancher, der in dem heurigen 
ihweren Winter die Unzulänglichfeit jeiner 
Heizungsanlagen bitter fennen lernte, ent: 
fchlofjen ift, in feiner Behaujung eine neue 
Heizungsanlage ausführen zu lalfen oder 
aber jeıne alte Wohnung gegen eine meue 
vertaujchen mill, die mıt bejjeren Ein— 
richtungen verjehen ift. ferner führt mic 
die Erfahrung, daß gerade jegt die Bau 
herren vor der fchwierigen Frage ftehen, 
mit welchem SHeizungsiyftem fie die neuer- 
bauten und mit dem kommenden Herbft zu 
beziehenden Wohnhäujer einrichten jollen. 
Soll uns aber der nächſte Winter gerüftet 
finden, fo ift e8 hohe Zeit, endgültig Be- 
ichlüffe zu faflen. 

Bon all den vielen Bentralbeizungs- 
igftemen, die für die Erwärmung von Wohn- 
häufern in Frage fommen, verdienen zur 
Beit nur Niederdrud-Dampf- um 
Niederdrud-Warmmwaljerheizung 
eingehende Beiprechung, denn die Beheizung 
unjerer Wohnung mit Gas oder Elektrizität 
fann wegen der hohen Koſten nur für 


jpezielle Zwecke und nur in ganz bejonderen 
Fällen in Frage kommen, während wieder 
andere Gründe die früher viel bemühte 
Luftheizung mweit in den Hintergrund drängen. 

Bei der Niederdrud-Dampf- und Nieder 
druck Warmmaflerbeizung werden umiere 
Wohnräume dur Körper, die jogenannten 
Seizförper, erwärmt, die nah außen 
vollftommen dicht verſchloſſen find 
und in deren Inneres heißer Dampf oder 
warmes Waſſer jtrömt. Durch dieje furze 
Darlegung der Sadlage wird jofort ein 
Einwand hinfällig, den man gegen die 
Zentralgeizung vollitändig ungeredhtfertigt 
erhebt, ındem man von ſolchen Unlagen 
behauptet, daß fie „rauchen“. Aber voll 
ſtändig verjchlojfene Körper fünnen unmög- 
ih ſolche häßlihen igenfchaften haben, 
Diele ſchwere Anflage ift vielleicht dadurd) 
entftanden, daß lichte Wände, an denen 
derartige Deizförper fteben, über und hinter 
diefen ſchwarz werden. Genau Ddiejelbe 
Erſcheinung fünnen wir bei Kachel- oder 
eijernen Dejen beobachten, und diefes „An- 
rauchen“ rührt einfach davon her, daß die 
an dein fen erwärmte Quft, die immer 
ftaubig ift und womöglich den auf dem 
Dfen lagernden Staub noch mitreikt, auf- 
wärts ſteigt und den Staub dann an den 
Wänden abjegt. Gerade dagegen fann man 
ſich bei den kleinen Heizförpern der Zentral: 
heizungen ihügen, indem man zunächjt dieje 
Heizkörper peinlichit und jeden Tag von 
Staub reinigt, jerner die Yuft durch ge: 
eignete Borrichtungen von den Wänden 
wegzuftrömen zwingt, oder jchließlich die 
Heizkörper vor Flächen jegt, die von dem 
angeichleuderten Staub leicht zu reinigen 
find, 3. B. enter und Spiegel. 

Viel beachtenswerter erjcheint mir aber 
die ziemlich allgemein verbreitete Anficht, 
daß Zentralherzungen die Luft aus 
trofnen. Um diejen Vorwurf zu ent- 
fräften, muß ich ein bißchen weiter ausholen. 
Wir alle, und bejonders die Hausfrauen, 
wifjen, daß zum Trodnen von Wäſche im 
Freien nit nur warmer Sonnenschein ge: 
hört, jondern daß ein Iuftiger, fröhlicher 
Wind fait noch michtiger ift, dab ſonach 
zum NAustrodnen der Wäſche nicht nur 
Wärme, jondern auch Yuftbewegung not- 
wendig ijt. 
daß Wohnungen, die durch Zentralheizungs: 


anlagen dauernd und gleihmäßig erwärmt 
werden, ohne unjer Zutun reichliche Mengen 
von friicher Luft durd die Wände hindurch 
erhalten; die hierdurch entitehende Quft- 
bewegung, die unferem Wohlbefinden ebenſo 
zuträglich ift wie die durd die Bentralhei- 
zung erzielte gleichmäßige Wärme, trodnet 
nun im Bunde mit diefer Gegenftände und 


' insbeiondere Pflanzen aus. Die Luft felbft 








Nun ift längft nachgemwiejen, 


aber ıft hiebei ebenjomwenig troden wie der 
Wind, der uns die Wäſche trodnet, und 
zahlreiche, Direkte Unterfuchungen haben 
nachgemwiejen, daß die Luft, über deren 
Trodenheit geklagt wurde, in neunundneun: 
jig von hundert Fällen mehr als genug 
Feuchtigkeit enthalten hat. Sclieklich dür- 
fen wir nicht vergeflen, daß gerade Pflan- 
zen zu ihrer gedeihlichen Entwidlung weit 
mehr Feuchtigkeit benötigen als die Men- 
ihen und daß für unjere Gejundheit eher 
zu feuchte als zu trodene Yuft nachteilig 
fein kann. Dft genug babe ich in Räumen 
mit Zentralheizung Klagen über zu trodene 
Luft vernommen. Dann bin ich ftetö zu 
den Heizkörpern getreten, habe die oftmals 
nur jehr fchwierig zu löjenden Verkleidungen 
entfernt und babe allen Anweſenden die 
difen Staubjchichten gezeigt, die auf den 
Heizförpern lagerten. Der Staub aber hat 
die unangenehme Cigenjchaft, ſich bei den 
hohen Temperaturen, die die Heizförper auf: 
weijen, zu verändern, und erhigter Staub 
reizt die Schleimhäute der Naje, des Mun- 
des und der Atmungsorgane im allgemeinen 
genau fo wie zu trodene Luft. in allen 
dıefer Fällen war die Urjache der Klage 
leicht und einfach nachgewieſen. 

Doch nun zu den Vorzügen der Ben: 
trzlheizungsanlagen! Bei richtiger 
Bahl und Aufftellung der Heizkörper er: 
möglicht eine ſolche Anlage die gleihmä- 
Bige Erwärmung unjerer Wohnräume, fie 
gewährleijtet diejelben Temperaturen am 
Fenfter wie an den Rüdmänden des Rau- 
mes, und fie verhindert, daß der Fuhboden 
gegenüber den anderen Flächen des Raumes 
ſich mejentlih abfühlt, ein Umſtand, der 
bei Dfenheizung faum zu vermeiden ift und 
das läftige „Kaltwerden” der Füße nad 
fih zieht. Die gleihmäßige Erwärmung 
eines Raumes ift die Grundbedingung für 
unfer Wohlbefinden. Wir ftellen aljo die 
Heizförper dorthin, wo im Raume die größte 


Abfühlung erfolgt: das ift in die Fenfter- 
niihen. Auf diefe Weile läßt fich die jo 
wichtige gleihmäkige Erwärmung um 
jerer Wohnungen durch Zentralheizung ein« 
wandfrei uud vollfommen ficher erzwingen. 

Bentralbeizungen jener Spfteme, die ich 
eben beſpreche, können audy ununterbro- 
hen betrieben werden, ohne daß für den 
Nachtdienſt bei den einzelnen Apparaten 
und Keſſeln irgend eine Bedienung erfor 
derlih wäre. Hierin liegt ebenfalld ein 
großer Vorteil diefer Syſteme, der ſich na- 
mentlih für Arbeits: und Bohnräume und 
beionders bei ftrenger Kälte außerordentlich 
wichtig ermeift. 

Ein weiterer Vorteil der Zentralheizung 
ift die vereinfachte Bedienung. Jeder Koh: 
fen- und Wichentransport in den Räumen 
fällt meg, dıe Feuerung für die ganze An- 
lage ift an eine einzige Stelle, meiftens in 
den Steller, verichoben, die Regelung der 
Temperatur in den Räumen kann durd 
einen einzinen Handgriff bemerfftelligt oder 
auch dieje Regelung bei der Warmwaſſer— 
heizung aus den Häumen entfernt und die 
gejamte Regulierung z. B. vom Heller aus 
vorgenommen werden. 

Endlich ift die Zentralheizung nicht nur 
viel beiler als die Dfenheizung, jondern in 
den meiften Fällen auch im Betriebe billiger, 
nicht zu gedenfen, afl der anderen damit 
verbunden Annehmlichkeiten, z. B. der zen: 
tralen Warmmaflerverjorgung. 

Noch einige Worte über dad Anwen: 
dungsgebiet der beiden genannten Syſteme. 
Die Niederdrufwarmmaiferheizung 
hat den großen Vorteil, daß das hiebei ver- 
wendete Waſſer nicht höher als etwa 80 
Grad Gelfius erwärmt wir), eine Tempe- 
ratur, bei der fich der Staub noch faum ver- 
ändert, weshalb bei Räumen mit Warm- 
waſſerheizung weit meniger über trodene 
Luft geklagt wird als bei Räumen mit 
Dampfheizung. Die Regelung der Tempe: 
ratur fann, wie ſchon erwähnt, von einer 
einzigen Stelle aus zentral vorgenommen 
werden, jodaß jede Bedienung der Heizkörper 
in den Räumen entfällt. Dem Bedenken 
gegenüber, die Warmmaflerheizungsanlage 
fünne eventuell einfrieren, kann ich feftftel- 
len, daß von hundert folden Anlagen 
höchſtens eine einfriert und daß auch diefer 
eine Fall ſicher auf nadhläflige Wartung und 


; jorgloje Bedienung zurüdzuführen ift. 





Alle 
diefe Ermwägurigen fichern der Niederdrudf: 
warmtwaflerheizung den erften Rang ; über- 
dies ift die Lebensdauer einer derartigen, 
gut ausgeführten Anlage fait umbegren;t. 
Nur in einem Falle ift ihre Anwendung 
nicht am Plage. Wenn Räume zu heizen 
find, die einmal mehr und eınmal weniger 
Wärme benötigen oder in denen fi zeit: 
weilig viele Menichen aufhalten, 3. ®. 
Hotels, Schulen, dann fann fih die Warm- 
mwaflerheizung nicht leicht dem wechſelnden 
Wärmeerfordernis anpaflen, wie denn auch 
Räume, die mit diefem Syſtem verjehen find, 
längere Beit brauchen, bis fie fih auf Die 
vorgejchriebene Temperatur erwärmen it 
daher für Räume feine gleihbleibende 
Wärmeerzeugung ermünſcht, follen fie fich 
innerhalb furzer Zeit auf verichiedene Tem: 
peraturen bringen laſſen oder ſchwankt die 
Befegung der Räume ftarf, dann wird die 
Niederdrud-Warmmafjerheizung zweckmäßig 
durch eine Niederdrud: Dampfheizung erjegt. 
Diefe arbeitet mit höheren Temperaturen, 
die Heizkörper werden auf rund 100 Grad 
Gelfius erwärmt und die Gefahr der Ber: 
änderung des Staubes liegt wieder näher. 
Auch ift, wie bereit® erwähnt, eine Regelung 
der Heizkörper in den Räumen jelbit erfor- 
derlih; dadurd tritt unter jonft gleichen 
Berhältnifien die billigere Niederdrud: 
Dampfherzung gegen die teuere Nicderdrud 
Warmwaſſerheizung zurüd, 

Es gibt auch Konftruftionen von Dampf: 
heizförpern, die eine Erniedrigung der 
Deizförpertemperaturen von unter 100 Grad 
Gelfius ermöglichen. Eine Beiprehung die- 
jer Einrichtungen, die fih noch nicht allge: 
mein Geltung verichaffen konnten, ift bier 
nicht nötig. 

Am Grundgedanken find Niederdrud- 
Dampf und Wiederdrud: Barmmaflerheizung 
vollftändig glei, nur daß einmal Dampf, 
dad andermal warmes Wafler durch die 
Anlage ſtrömt. Wenn ıd) daher zum Schlufie 
ein fleines Bild einer Bentralher 
zungsanlage entwerfe, jo fann diefes ſo— 
wahl auf Dampf wie auf Warmwaſſer be: 
zogen werden. Gewöhnlich werden im Keller 
eines Haufes oder eines ganzen Häuſer— 
fompleres Fleine Keſſel aufgeftellt, die den 
Dampf oder das warme Wafjer zu erzeugen 
haben. Dieje Keffel wurden früher meiftens 


aus Schmiedeeijen hergeſtellt. Bor etwa 
15 Jahren find darn aus Amerika Keſſel 
aus Gußeifen zu uns berübergefommen, die 
heute für Wohnungs-Bentralheizungen fait 
ausnahmslos verwendet werden. Die hei- 
mijche Induſtrie hat ſich in der Herfiellung 
diefer Gußfefjel, die vollftändig zufammen- 
gebaut geliefert werden und feiner Ein- 
mauerung bedürfen, fo weit vervollfommnet, 
daß ihre Anwendung aufs wärmfte empfoh: 
len werden fann. Seder jolche Keſſel bildet 
ein in ſich vollftändig geichloffenes Ganzes, 
das ohne befonderes WPerfonal für den 
Nachtdienſt ununterbrochen im Betriebe ge— 
halten werden fann, ein Umjftand, der für 
den angenehmen und ökonomischen Betrieb 
einer folchen Anlage von großer Wichtigkeit 
ift. Dieſe Keſſel werden mit allen jenen 
Vorrichtungen veriehen, die für eine gute 
Betriebsführung erwünſcht und für den voll» 
ftändig gefahrlofen Betrieb der Anlage er: 
forderlih find. Bon den Keffeln zweigen 
Rohrleitungen ab, die den Dampf oder das 
Waſſer zu den Heizkörpern in die einzelnen 
Räume leiten, von wo wieder Rohrleitungen 
zu den Keſſeln zurücdführen. Als Heizkörper 
jollten heute für Wohnungen ausnahmslos 
Radiatoren, das find gußeijerne, aus Ame— 
rifa zu uns gefommene Heizkörper ganz be» 
ftimmter Form verwendet werden, die all 
den Anſprüchen entjprechen, die Nützlichkeit 
und Hhgiene an fie ftellen fönnen. Beſon— 
ders jei hier vor den ſogenannten Rippen- 
heiztörpern gewarnt, die in Wohnungen als 
gejundheitsjchädlich bezeichnet werden müſſen. 
Heizkörper jollen jo wenig ald möglich ver- 
fleidet werden, und bringt man Berflei- 
dungen überhaupt an, jo müſſen fie eine 


leichte und jchnelle Reinigung der Heizflächen 
jowie eine gute Quftführung an den Heiz: 
fürpern ermögliden. In neuerer Zeit 
werden Wohnungs « Warmmwafferheizungen 
auch fo eingerichtet, daß jedes Stodwerf 
für fih oder auch jede einzelne Wohnung 
bon einem in der Wohnung jelbft liegenden 
Raum (Stüche) zentral beheizt werden fann. 
Diejfe Anlagen, die natürlich teurer find 
ald eine einzige, alle Räume umfafjende 
Bentralheizungsanlage, haben den Vorteil 
der Unabhängigkeit jedes einzelnen Mieters 
und find im Prinzip genau fo wie die oben 
jkigzierte Anordnung ausgeführt. 

So einfach derartige Zentralheizungs— 
anlagen nad dieſem kleinen Ueberblick er: 
jcheinen mögen, jo erfordert doch ihre Her- 
ftellung genaue Berechnung, peinlichfte Aus 
führung und eim ausgezeichnet gejchultes 
Montierungeperfonal, und es fann nicht 
oft genug darauf verwieſen werden, daß 
nur erfttlaffige Firmen zu der Herftellung 
jolher Heizungsanlagen herangezogen werden 
ſollten. Wie leicht ift man geneigt, bei 
einer mangelhaft wirkenden Unlage das 
Syſtem jelbft zu verurteilen, ohne dabei zu 
bedenfen, daß auch das beſte Syftem bei 
ſchlechter Durchführung verjagen muß. 

Alle jene aber, die die Wohltat genießen, 
Räume mit guten Bentralheizungsanlagen 
bewohnen zu fönnen, jeien auch bei diejer 
Gelegenheit wieder aufmerfjam gemadıt, daß 
die peinlichfte Reinhaltung aller zur Hei- 
zungsanlage gehörigen Einrichtungen und 
bejonders der Heizkörper für unjer Wohl: 
befinden, für die förderung und Erhaltung 
der Gejundheit von größter Wichtigkeit ift. 
(M. N. N.) 





Die Ornithologiſche Gelellfhaft in Bayern 


hat unlängft den Band VII ihrer Ber: 
handlungen für 1906 erfcheinen lafjen, ein 
ftattliches Werf von 28U Seiten, bei Guft. 
Filder in Jena um 7 Mark erhältlich, 
das pfälzijhe Material feparat um 
2 Marf, Neben geichäftlichen Mitteilungen 
lefen wir fünf Referate über verichiedene 
Seiten des Vogellebens, zwei Diskuffionen 
über Wetterlage und Bogelzug und über 
Bogelnahrung. Den Hauptinhalt bilden 


größere Abhandlungen, unter denen uns 
befonders der „Allgemeine Bericht“ über 
die Mheinpfalzs und der „Phänologiſche 
Bericht” von Karl Bertram intereifieren. 
Um einen Einblif in den ungemein reich 
baltigen Anhalt des mit Ausdauer und 
Fleiß zufammengeftellten Werkes zu bieten, 
jei ein Auszug aus dem legten größeren 
Beriht nachfolgend zum Abdruf gebracht. 


32 


Über neuere Unterfuhungen und Beiträge zur Kenntnis der Nahrung der Vögel. 


Bon Dr. ®. 


Auf dem Gebiete des modernen Bogel- 
ſchutzes jpielt, abgejehen von den ethiſchen 
und äfthetijchen Geſichtspunkten und gewiſſen 
Rüdfihten auf die Erhaltung der Fauna 
oder wenigſtens einzelner jeltener Arten, 
die Frage nad) dem Nugen und Schaden 
vieler Vogelarten eine große Rolle. 


Bas nun die Begriffe von „Nuten“ 
und „Schaden“ der Vögel anlangt, jo hat 
man fich im allgemeinen in legter Zeit 
daran gewöhnt, die Verwertung der Vögel 
ald Nahrungsmittel, oder für Schutzzwecke 
ꝛc. nicht mit in Rechnung zu feßen und in 
dieſem BZufammenhange nur von der Ein: 
wirkung zu Sprechen, welche die Vögel 
während ihres Lebens direft oder indireft 
auf die vom Menſchen gepflegten land- und 
forftwirtichaftlichen Betriebe ausüben. Dieje 
Einwirfung fann je nad Vogelart und 
Betriebsform jehr verfdiedener Art fein, 
zu einem großen Teil befteht fie in der 
Nahrung, melde der Bogel aufnimmt. 
Hierbei ift als „Schaden” aufzufaffen der 
all, wenn die vom Menſchen gepflegten 
Pflanzen oder Xiere direft den Bögeln 
irgendwie zur Nahrung dienen, ebenjo auch 
wenn die jogenannten „nüßlichen” Tiere 
irgend einer Klaſſe vertilgt werden. Umd 
von „Nugen” pflegt man dann zu reden, 
wenn die Vögel jogenannte „ichädliche” 
Tiere oder Pflanzen verzehren. 

Es gibt nun verjhiedene Methoden, 
um in erafter Weile Aufichluß über die 
Nahrung der Bögel zu erhalten: 

Die eine find die direkten Beobach— 
tungen lebender Bögel in Feld und 
Wald, Beobadtungen, die ſowohl die Art 
der Nahrung als die Häufigkeit der Auf- 
nahme betreffen fünnen. 

Der zweite Weg find die Fütterungs- 
verfuhe an Bögeln in Gefangenſchaft. 
Hierdurch fann felbftverftändlih für die 
Art dev Nahrung nur wenig erforjcht, 
jedoh für die Größe des Bedarfs 
bezw. der Leiftung allein ein eraftes 
Nejultat erbracht werden. 

Die dritte Methode jchließlich find die 
Unterjuhungen am toten Bogel nad 
den nody im Traktus jeiner Berdauungss 
organe vorhandenen Reiten, aljo des Stropfr, 


Leiſewttz. 


Magen- uud Darminhaltes, ſowie der von 
gewifjen Arten auögeworfenen Gemölle. 
Dieje Methode ift ſchon feit langem von 
Forfhern angewendet worden, um erafte 
Reſultate über die Art der Nahrung bei 
den Bögeln zu erhalten. 

Mit jeder Einzelunterfuhung nimmt 
man nur eine Stichprobe aus dem ganzen 
Leben des Bogels, nämlih man fann nur 
darüber etwas erfahren, was der Vogel 
in einem gewifjen, wahrſcheinlich nicht zu 
langem Zeitraum (einen oder wenige Tage) 
vor der GErlegung aufgenommen hat, und 
mas ſich davon in mehr oder weniger ver: 
dautem Buftande, ſowie in unverdaulidhen 
Reiten in den unteriudten Teilen des Ber 
dauungstraftus erhalten hat. 

Um nun eine Anſchauung von dem zu 
geben, was mit joldhen Unterjuhungen er- 
zielt worden ift, feien im Nadfolgenden 
als Beilpiele die Rejultate von einigen 
Unterfuchungen angegeben, die auf verhältnis- 
mäßig großes Material begründet find. 


I 


Für den Mäujebuifard (Buteo 
buteo [L.]) laffen fih den Arbeiten von 
Rörig, der wohl die weitaus größte Zahl 
bon Mägen diefer Vogelart unterjucht Hat, 
folgende Ergebniffe entnehmen: 

1122 Bufjarde hatten im Magen die 
Nefte von 

1. Jagdwild und Haustieren: 

4 Reben, 

22 Hajen, 

10 Junghaſen, 
15 Staninden, 
18 Rebhühnern, 
11 Fafanen, 

3 Haushühnern, 
5 Tauben. 


2. Sonftigen Tieren: 
108 Maulmürfe, 
94 Spitmäufe, 
9 BWiefel (großes und fleines), 
1711 Mäuſe (hauptſächlich Feld- 
mäufe), 
10 Mollmäufe (Arvicola amphi- 
bius), 
3 Ratten, 


46 Hamfter, 

2 Eichhörnden, 

18 mittelgroße Vögel, 
22 Stleinvögel. 

3. ferner murden gefunden (angegeben 
nad) der Häufigkeit des Vorfommens, nicht 
nad) der Bahl der Beutetiere): 

bmal Refte von Fijchen, 


I, u» Brölcen, 
5, u» Unfen und Aröten, 
39, Eidedhien, 
24 „ u» Blindfchleichen, 
6, „u NRingelnattern, 
20 „ u» Infelten, 
Il,  #  „ Regenwürmern., 


NRöriyg berichtet dann in jeinen Arbeiten 
noch ausführlich und eingehend über einzelne 
wichtigere Fälle und über das Gejamt 
refultat. Bir entnehmen diejen Bemerfungen 
folgendes zur Erläuterung der oben ange- 
führten BZahlenüberfichten : 

Die Weite von Reh (4mal), nämlich 
Ballen von Haaren und einmal etwas 
Wildpret, laſſen megen der Jahreszeit 
(Dezember, Yanuar Zmal und Februar) 
mit großer Wahrjcheinlichfeit den Schluß 
zu, daß es ſich hierbei um Fallwild ge: 
handelt habe, an dem die Buffarde gefröpft 
hatten, da diejer Bogel wegen feiner ſchwachen 
Fänge überhaupt nicht ımftande iſt, drei: 
vierteljährige Kitze oder Schmalrche zu 
Ichlagen. 

Tie Reſte von alten Hafen (22) und 
von Fajanen (11) wurden fajt nur in 
den Mägen jolcyer Bufjarde gefunden, die 
in den Monaten September bi8 März cr: 
legt worden waren. Infolgedeſſen fann 
man wohl ebenfalld annehmen, daß es fid) 
hier meift um franfe, angejchojjene oder 
verendete Tiere gehandelt habe, 

Ähnlich Liegt die Sache bei den Reb— 
hühnern (18), die ebenfalls in der größten 
Mehrzahl in der Jagd- und Winterzeit 
aufgenommen wurden. 

Die Zahl der Junghaſen (10) iſt 
im Bergleihh zur Bahl der unterjudten 
Bufjarde und zu der Menge der anderen 
Beutetiere ähnlicher Größe (3.8. 46 Hamfter) 
jo gering, daß man wohl annehmen darf, 
die jungen Häschen jeien durch ihre Färbung 
und ihr Verhalten vorzüglich vor den Raub: 
vögeln gejchligt und das Borhandenjein von 


Bufjarden belanglos für den Hafenbeftand 
eined Revieres. 

Bejonders zu betonen wäre wohl nod 
die Zahl der vom Buflard erbeuteten 
Hamiter (46 Stüd), melde als jehr hoch 
angejehen werden muß in Anbetracht der 
verhältnismäßig geringen Verbreitung des 
Hamſters in Deutjchland und des meiteren 
Umftandes, daß der Hamfter einen großen 
Teil des Jahres im Winterlager ſich be- 
findet, aljo fiir Raubvögel nicht erreichbar ift. 

Bezüglih des Mäufefanges von 
jeiten des Bufjardes ergeben ſich verjchiedene 
interejlante Tatſachen: 


1) Die Buffarde obliegen das ganze 
Yahr über glei eifrig dem Mäufefang, 
troßdem es ihnen im Sommer durd die 
höhere Pflanzendecke viel mehr erſchwert 
jein dürfte als zu den Zeiten, wo die 
Felder kahl find. 

2) Daß die Buffarde fih in mäufe- 
reihen Jahren ganz überwiegend von 
Mäufen ernähren; in merfwürdiger Be- 
ziehung dazu fteht der Umftand, daß Rörig 
gerade in dieſen Jahren auch die meiften 
Bufjarde erhielt. 

In ſolchen Beiten aber, in denen die 
Bufjarde nur wenig Mäuje finden, nehmen 
fie mit anderen Eleinen Tieren vorlieb (In— 
ſekten, Amphibien u, a.), die Übrigens aud) 
jonft bei vormiegender Mäufenahrung eine 
mehr oder weniger regelmäßige Beigabe 
bilden. Jagdwild findet man in mäuje- 
armen Jahren nicht häufiger im Magen 
der Bufjarde als in mäufereihen Jahren. 

Bezüglich der Aufnahme von Inſekten, 
die am wenigſten allgemein befannt jein 
dürfte, jeien bier noch einzelne Beijpiele 
nadgetragen, da in der obigen Bufammen- 
ftellung nur die Zahl der Fälle, in denen 
Inſekten überhaupt im Mageninhalt vor: 
gelundeu wurden, angegeben ift. Es wurden 
vom Bufjard Inſekten der manigfachiten 
Arten und Größen und verfchiedener Ent- 
widlungsfiufen aufgenommen, fo 3.8. Lauf: 
fäfer, Maifäfer (häufig), Julikäfer, Dtift- 
fäfer (häufig), Plattfäfer, ugelfäfer, Trauer- 
fäfer, Aaskäfer, Schnellläfer, Bockkäfer, 
Drahtwürmer und andere Säferlarven, 
Schmwärmerraupen, Eulenraupen (häufig), 
Scmetterlingseier, Ohrwürmer, Gras: 
hüpfer und Heufchreden (häufig), Feld 


grillen (häufig), Maulmwurfsgriflen (häufig), 
Vibellen, Banzen, Blattwespenlarven. 

Dabei fcheint der Buſſard manchmal 
eine ziemlich große Anzahl von einer Art 
Inſekten aufzuleien, jo fand Rörig einmal 
7 Maulmwurfsgrilien, ein andermal 12 
Worzenbeißer (Decticus verrueivorus), ein 
andermal 28 Haupen vom Piejernihwärmer 
(Sphinx pinastri) und einmal fogar 64 
Erdraupen (Agrolis sp.). 


Il. 

Für den Rauhfußbuſſard (Archi- 
buteo lagopus [Brünn)), der bei uns in 
der Regel nur im Winter ſich aufhält, 
ftammt die größte Scrie von Unterfuhungen 
ebenfalld ven Rörig. 

Er fand in den Mügen von 362 Raub- 
furbuflarden die Reſte von: 

Il. Jagdwild: 

2 Junghaſen, 
3 Stanindıen, 
6 Rebhühnern, 
I Faſanen. 
2. Sonitigen Tieren: 
18 Maulwürfen, 
14 Spitzmäuſen, 
1280 Mäuſen, 
3 Hamſtern, 
6 Wieſeln (großes und kleines), 
3 mittelgroßen Bögeln, 
I kleinen Vogel, 
Inſekten 2 mal, 

Für den Rauhfußbuſſard treffen in 
mancher Beziehung aud die beim Mäuſe— 
buffard gegebenen Erläuterungen zu. 


Ebenio har Rörig vom Turmfalfen 
(Tinnunenlas tinnuneutns L) die meiften 
Mägen unterſucht. Seine Rejultate find: 

Die Mägen von 481 Turmfalfen ent: 
hielten die Reſte von 

I Junghaſen, 

3 Spitmäufen, 

597 Mäuien, 
19 Stleinvögeln, 
I mittelgroßen Vogel, 
Reite von Gidechien, 
Imal Reſte von Blindichleiche, 

119mal Reſte von Inſekten (Raupen, 

Srıllen, Maulmurfsgrillen, Heu- 

ſchrecken, Miſtkäfer, Maifäfer ujw.), 

Imul Hefte von Spinnen. 


ferner Imal 


Bon 481 Turmfalten batten fi 414, 
alfo 86", an der Mäufejagd beteiligt. 

Gemölle des Turmfalfen baben 
W. Baer und DO. Uttendörfer in größerer 
Zahl unterfucht und dabei folgende Rejul- 
tate erhalten: 

202 Gewölle des Turmialten (fttammend 
aus den Monaten Januar—April) ent» 
hielten die Reſte von: 

180 Feld- und Wühlmäufen, 

4 echten Mäujen, 
I jpigichnäbeligen Vogel, 
I Maulwurfsgrile, 
1 Feldgrille. 
wenigen Näfern und Engerling (?) 


IV. 

Bom Hpühnerhabicht (Aslur palum- 
barius [L.)) madıt Rörig folgende Aus« 
gaben: 

164 Hühnerhabichte 
Stoffe im Magen: 

1. Jagdwild und Haustiere: 

21 Haſen, 

3 Kaninden, 

40 Rebhühner, 

T Faſanen, 
6 Haushühner, 

10 Tauben. 

2. Sonftige Tiere: 

31 Diäufe, 

2 Hamſter, 

19 Eichhörnden, 
1 Katze, 

2 Wieſel, 

21 mittelgroße Vögel (Eichel— 
heher, Krähen, Bläßhühner, 
Spechte uſw.), 

ZU Kleinvögel (Stare, Drofjeln, 
Sperlinge ufw.). 


V. 


Gleichfalls liefert Rörig für den 
Sperber (Accipiter nisus [L.]) die größte 
Unterfuchungsreibe: 

Bei 393 Sperbern wurden nachgewieſen; 

4 junge Rebhühner, 
I Taube, 

I Fledermaus, 

2 Spitzmäuſe, 

1 Wiejel, 
170 Mäuſe, 


hatten folgende 


4 mittelgroße Bögel, 
378 Kleinvögel. 
außerdem fanden fi 
4mal Inſektenreſte vor. 


VI. 


Über die Nahrung der Eulen (Stri- 
gidae) bringt Geyr von Schweppen 
burg eine Zufammenitellung der Rejultate 
verjchiedener Unterfuher (Altum, Baer, 
Geyr, Jaeckel, Rörig, Uttendörfer 
u. a.), die hier wiedergegeben ſein möge. 


6025 Gewölle der Waldohreule 
(Asio otus ILP enthielten die Reſte von: 


40 Maulwürfen, 
57 Spitzmäuſen, 
1442 echten Mäuſen, 
107 Rötelmäuſen (Arvicola glareolus) 
8307 Wühlmäuſen (die übrigen Arvicola- 
Arten), 
171 Bögeln, 
47T Fröfchen, 
8 anderen Beutetieren (Siebenjchläfer, 
Hamfter, junge Haſen und 
Kaninchen). 


13100 Gewölle der Schleiereule 
(Strix flammea [L.]) enthielten: 


74 Maulmwürfe, 
12926 Spigmäuje, 
67 Fledermäuſe, 
65 Ratten, 
9494 echte Mäufe, 
328 Rötelmäuje, 
18936 Wühlmäufe, 
650 Bögel, 
161 Froͤſche, 
9 verschiedene andere Beutetiere (Wie- 
jel, Hafelmäufe und einige Vögel). 


vb. Geyr gibt [, c. auch für andere 
Eulenarten (Steinfauz, Waldkauz, Sumpf- 
obreule) Reſultate folder Gemöllunter- 
ſuchungen, doch iſt das Material nicht jo 
groß, als bei den eben erwähnten Arten 
und ed möge daher die ſpezielle Anführung 
bier unterbleiben und nur furz bemerft fein, 
daß aud bei diefen Eulenarten die Wühl: 
mäufe einen hohen Brozentiag (58— 88"), 





35 — 


die kleinen Nager zuſammen genommen, 
70—90 6 der Nahrung ausmachen. 

Bur weiteren Ergänzung jeien ın folgen- 
dem die Reſultate einiger Magenunter: 
fuhungen gegeben, welche mit den Er: 
gebnijjen aus den Gemöllen gut liberein- 
ftimmen. 


Rörig unterjudhte 212 Mägen des 
Waldkauzes (Syroium alnco [L.]) und 
fand die Reſte von: 


5 Maulmwürfen. 
25 Spigmäufen, 
120 Wiühlmäufen, 
20 echten Mäujen, 
2 Junghaſen, 
1 Wieſel, 
5 mittelgroßen Vögeln (Eichelheber, 
Rebhuhn, Taube), 
42 Aleinvögeln, 


2 mal die Neite von Eidechſen, 
32 „ Fröſchen, 
über 0 u u u u „ Dnjeften 
(Makäſer, Miſtkäfer, Maul- 
wurfsgrillen, Heuſchrecken, 
Raupen uſw.). 


Desgleichen unterſuchte Rörig die 
Mägen von 309 Waldohreulen (aAsio 
otus [L.]) und fand darin die Reſte von: 

19 Spigmäujen, 
2 Fledermäujen, 
587 Mäuien (Wühlmäuje und echte 
zujammen), 
1 Wiejel, 
23 Kleinvögeln, 
Imal Reſte von Eijchalen, 


einem Froſch, 
Inſekten. 


ferner 


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I 2 " ” u 


Es jei abfichtlich vermieden, an dieſe 
Beijpiele noch weitere Betrachtungen über 
Nutzen oder Schaden der einzelnen Arten 
zu fnüpfen. 

Mögen aber doc; die mitgeteilten Zahlen 
und Tatjahen zum Nachdenken anregen 
und diejes zur Folge haben, daß manche 
unjerer Raubvogelarten in höherem Maße 
als bisher vor der Stugel oder den Qualen 
des Pfahleiſens bewahrt bleibe, 


Bas Hagelſchießen. 


S.WK Das Befämpfien des Ha— 
geld buch Schießen mit Böllern ift ein 
Ion jeit langer Zeit verbreitet geweiener 
Braud, der Hauptjählih in Gegenden mit 
Anbau von Üdelgewädhien großen ...ıgen 
veriprad. Die allgemeine Aufmerkjamfert 
wurde jedoch erft im Jahre 1896 auf dıes 
Berfahren gelenft, das bie Landwirtſchaft 
von einem ihrer ſchrecklichſten Feinde be- 
freien wollte. 
Dürgermeifter Albert Stiger in Bindiid- 


Damald unternahm der : 


Freiftrig (Steiermark) den Verſuch, jeine : 


Beingärten durch das Hagelſchießen zu 
fügen. Er ging dabei von der Anficht aus, 
dab, wenn bie jedem Hagelwetter voran- 
gehende Ruhe der Atmoiphäre geftört wird, 


dann auch die Bildung des Hagels nicht 


mehr ſtattfinden fünne ; und um die Schall⸗ 
mwirfung, der der Bollöglaube die Haupt- 
rolle bei dem Borgange zuichrieb, zu ver 
ftärfen, bradjte er auf den Rat des Oberſten 
Mundy über dem Böller einen trichterför- 
migen Auffag aus Eıifenbleh an. Der Er- 
folg biefer Anordnung war überrafchend, 


die Stunde, daß es fiber den Stigelichen 


Beingärten nıht mehr hagle, erwedte überall 
den größten Jubel; ed wurden (Stalien) 
Konjortien gebildet zum Zwecke eines plan: 
mäßigen Vorgehens, man jchuf ein Signal 
ſyſtem ufm. Die Zahl der Stationen wuchs 
rapide und betrug ſchon im Jahre 1900 
allein in Stalien gegen 1300. Man war 


zwar immer nod Über den Mechanismus | 
| Beriiherung beſſer und mit weniger 


der Wirfung des Hagelſchießens im Unge 
miflen, doc was bedeuteten die Zmeifel der 
Gelehrten und ihre auf theoretiihen Er: 
mägungen gegrlindete Bedenfen gegenüber 
den glinftigen Erfahrungen der Praktiker, 
die täglidy von neuen Erfolgen zu berichten 
mußten. Nur der energijche Proteſt des 
Direftors der Öfterreichifchen meteorologijchen 
Bentralanftalt, Prof. Bernter, verhinderte 





ed, dab ein Antrag auf dem ;meiten ınter- 
nctıonalen Werierichieh- Rorgreß, der im 
ihre 1900 zu Badza abgejalten wurde: 
„Lie Birkiamkeit des BWetterihießens je 
nicht nur praktiſch feitgeitellt, jondern habe 
auch wiſſenſchaftlich als erwie ſen zu gelten“, 
zum Beihluß erhoben wurde. Tod dieſer 
Kongreß ſtellt leider den Höhepunkt der 
Begeifterung für das Wetterſchießen dar. 
Echon die für den Sommer 1902 nad 
Prag einberufene Experten Konferenz. fam 
nad eingehender Würdigung des vorliegen- 
den Material zu dem Ergebnis, dab die 
Birfjamfeit des Wetterſchießens nıdt nur 
als zweifelhaft, jondern als unwahricheinlich 

zu betradten je. Rod vernichtender iſt 
die Kritif des Profeſſors Prohaska, eines 
der hervorragenditen Gemitterforicher über 
die Ergebnifje des öſterreichiſchen Wetter 
ihießens im hagelreihen Jahre 1904, wo 
gerade die durch Kanonen beichügten Ge— 
biete beionders heimgejuht wurden. Auch 
die in Frankreich angefiellten Beriuche mit 
in der Höhe erplodierenden Rafeten haben 
bei genauer Nachprüfung nur zu negativen 
Refultaten geführt. Eine große Yllufion 
ift damıt zu Grabe getragen. „Die Land: 
wirte - jo jchliekt Prof. Dr. B. Deifau 
eine Betrahtung über „Das Ende des 
Hagelichiekens” in Nr. 29 der „Umichau“ 
(herausgegeben von Dr. %. 9. Bechthold, 
Frankfurt a. M.) — müſſen zufehen, ob fie 
nicht auf dem Wege einer allgemeinen 


Koiten als dur einen ausfidhtslojen Kampi 
die Schäden des Hagels lindern fünnen, 
Der Pſychologe aber mag nachdenkliche Be- 
tradtungen anftellen über die Rolle der 
Suggeition im Leben der Maſſen — eine 
Rolle, die in der Geichichte des Hagelſchie 
Bend mieder einmal eigenartig zutage ge: 
treten ift.“ 





Feſtlegung des Oſterfeſtes. 


Mit dieſer Frage befaäßte ſich nad 


beſchlußmäßig an das Reichsamt des Innern 


Zeitungsmeldungen der Ausſchuß des zu richtenden Eingabe entnehmen wir 
Deutſchen Handwerks: und Gewerbekammer- | folgendes: 
tages, der am 14. und 15. Februar Die Feier des Dfterfeftes findet all: 


n Münden eine Sitzung abhıelt. Der 


| 


jährlid” an jedem Sonntag ftatt, der zu: 


nächft auf den Frühlingsvollmond fällt; | erit in der zweiten Hälfte des Monats 
als jolcher wird derjenige angefehen, der | April jtatt, jo wird, weil auch Pfingiten 
am Tage der Frühjahrs- Sonnenmwende, | fi nach dem Ofterfeft richtet, vielen Ge— 
dem Stalendertag der Tag: und Nachtgleiche | jchäften die Sommer: und Herbitjailon ver 
im Monat März oder nach diefem eintritt. | kürzt und das Geſchäft nachteilig beeinflußt. 
Dies hat zur Folge, daß das DOiterfeft in | Aus diefen und anderen Gründen Hat ſchon 
die Zeit zwifchen dem 21. März und 26, | in früheren Jahren eine Bewegung du: 
April fallen kann. Es befteht jomit ein für eingefegt, den Diterfeft-Termin 
Unterfhied von 35 Tagen, zwilchen | Feitzulegen oder wenigftens jeine 
denen das Diterfeft hin- und herfchwanft. | Beweglichkeit einzujhränfen. m 
Diefe weitgehenden Schmwanfungen haben | beionderen Maße beteiligte ſich hieran der 
Mißſtände mannigfaher Art gezeitigt, | Direktor der Berliner Sternwarte und 
ganz befonderö aber machen ſich dieje fühl- | Mitherausgeber des preußiichen Normal: 
bar für die Schule und das Geſchäfts- falenders Geheimrat Profeſſor Förſter, 
leben. In vielen Teilen des Deutichen | nach deſſen Borfchlag die Schwanfung auf 
Reiches richtet jich die Entlafjung der Volks- die Zeit vom 4. bis I1. April eingeichränft 
ichüler wie auch der Semefterihluß an | werden follte, was ficher eine danfenswerte 
höheren Schulen nad dem beweglichen | Berbefferung bedeuten mwirde, Aus der 
Oſterfeſt. nfolgedefien werden die aus | von Profeſſor Förfter verfahten Schrift 
der Schule auötretenden Scitler ın einem | „Das Ofterfeit und die Einheitlichfeit des 
Jahr Schon Ende März, im anderen Jahr | Kalenders“ ift zu entnehmen, daß Bedenfen 
erit Ende April entlaffen. Nach der Zeit | kirchlich dDogmatiicher Art nicht vorhanden 
der Schulentlaffung richtet fich auch der | find. Weiterhin bat ſich aud der berühmte 
Eintritt in den zu ergreifenden Beruf der | Nationalötonom Wilhelm Roſcher ın Lerpzig 
jungen Leute. Der ungleiche Eintritt in | in jeinem Buche „Seiftliche Gedanfen eines 
die und der Austritt aus der Lehre bringt | Nationalöfonomen“ für die Feſtlegung des 
aber für den Gejchäftöbetrieb oft uman- | Dfterfeftes auf einen beftimmten Sonntag 
genehme und manchmal erhebliche Störungen | ausgeiprocdhen, Die Bemühungen des Ge: 
mit fih. Auch kann es vorfommen, dab | heimrats Brofejlor Förſter bei den maß— 
ein Schüler, der nad) Semefterichluß jofort | gebenden firhlihen und weltlichen 
als Freiwilliger in da8 Heer eintreten will, | Inftanzen der ganzen Fulturmwelt 
nicht mehr die Möglichkeit hiezu befigt, da | ergaben im Jahre 1895 das überrajchende 
der Schluß der Schule erit nach dem 1. | Rejultat, daß alle, auch der rämifche Stuhl, 
April ftattfindet, weil Oſtern erſt auf | einer Reform der Öfterrehnung 
diefen Termin fällt. ı grundfäglid zuftimmten. ine Yus- 

nahme madjte nur Rußland, Neuerdings 

| 

) 


Noch empfindlicher aber treten die \ 
Schäden der Beweglichkeit des Oſterfeſtes hat num Profeſſor Förfter die Reform der 


in vielen Zweigen des hochentmwidelten Ge— 

Ihäftslebens unierer Kulturſtaaten in 

die Erjcheinung. Fälle Oftern früh, dann | 
ift zumeift das Wetter noch jehr raub und 
kalt, und diejenigen Gewerbe, die auf den | nahme finden, da inzwiichen die mahgebenden 
Saifonverfauf des Frühjahrs angemiejen | Verfonen gewechjelt haben. Mit diejer Frage 
find (insbefondere Befleidungögemwerbe), ere | wird fich aud der nächſte internationale 


Ofterrehnung in Wetersburg wieder an— 
geregt. 

Es iſt die Möglichkeit nicht ausgeſchloſſen, 
daR Vorichläge nunmehr eine andere Auf- 





Brälzifche Mild- und Jagd-Beobachtungen. 


Mit Anfang diefes Monats it die | fih eine Zeitlang ungeftört ıhres Lebens 
Jagd abgebiafen worden; die Scunzeit | freuen. Es dürfte nun nicht unintereffant 
des Wildes beginnt und Has, Reh, Neb | jein, einige Streiflichter auf die Jagd— 
huhn und viele andere Wildtiere fünnen | ergebmfje in den einzelnen Gebieten der 


Pfalz zu merfen und einen kurzen Rückblick 
auf Erlegung bemerkenswerten Wildes im 
vergangenen Jahr zu geben. Unter mancher- 
lei Erfolgen und Mißerfolgen der pfälzifchen 
Hubertusjünger tritt hervor, daß in den 
Rheinanlagen bei Speyer von 14 Schüßen 
die rejpeftable Bahl von 350 Haien zur 
Strede fam. Auch eine Treibjagd bei 
Mußbach zeigte auf 24 Schügen 230 Mit- 
glieder deren von Yampe, mährend bei 
einer größeren Treibjagd auf dem Donnerö- 
berg von 20 Schügen nur 2 Hafen geftredt 
merden fonnten. Hieraus aber auf die 
Geſchicklichkeit allein, oder nur auf den 
Bildjtand genaue Schlüffe ziehen zu wollen, 
dürfte doch nicht angängig fein. Während 
echte Jünger des Weidmerfes alles uuf- 
bieten, um zum Schufje zu fommen, find 
oft Gelegenheitsjäger von der launiſchen 
Göttin Diana auffallend begünjtigt. So 
gebt die Sage, daß Kaminkehrer und Wirte 
jehr oft Jägerglück haben, auch die Schul: 
lehrer und Bädagogen überhaupt follen 
einen beionders trefflihen Unlauf haben 
und von ıhmen gilt der Spruch „Quisquis 
amat cervam, cervam putat esse Miner- 
vam.* Won bemerfenswertem, in der Pfalz 
voriges Jahr zur Erlegung gefommenem 
Wild fünnen wir regiftrieren: Am 20. 
Februar eine Xafelente bei Lambsheim. 
Am 12. Auguſt ein Eremplar des großen 
Brachvogels (Mumenius arquatus) bei 
Erpelsheim. Diefer Bogel foll früher nad 
Medicus „Bavaria, Rheinpfalz” häufiger 
bei uns vorgefommen jein. Die erite 
Scnepfe meldeten die Zeitungen am 15. 
April bei Diedesfeld. Werdmannsglüd auf 
Auerhähne fam am 18, April aus dem 
Bezirt Schwarzjohl, am 25. und 26. April 
von Johanniskreuz, mo 4 Eremplare er: 
(egt wurden, zur Stenntnis, Am 13. April 





wurde eine Auerbenne in einem Garten zu 
Bad Dürfheim lebendig erbeuter, was ficher 
bei dem jo jcheuen Wilde ſelten vorfommen 
dürfte. Füchſe in größerer Anzahl wurden 
am 6, Mai im Waldgebiet von Waden- 
heim ausgegraben, ebenjo 5 Kohlfüchſe im 
Abteil Hülfel bei Wolfftein, wo zur ſelben 
Zeit auh 3 Edelmarder zur Erlegung 
famen. Bon Pirmaſens aus wurde am 
4. November gemelder, dat in der Nähe 
der Bapiermühle Windsberg eine mächtige 
Wildkatze von einem Meter Länge und 40 
Zentimeter Höhe geichoffen wurde. Es 
ftebt Seit, daß die Wildfage in der Pfalz 
häufiger ift als im übrigen Bayern. Das 
naturbiftoriihe Mujeum in Raijerslautern 
ſoll vier Eremplare beſitzen. Die Babhl 
der in der Pfalz mildlebenden Säugetiere 
gibt Medicus auf 57 an. Unter dieſer 
Babl befinden fih 14 Handflügler, 7 In— 
jeftenfrefier, 12 Raubtiere, 15 Nagetiere, 
1 Didhäuter, 6 Wiederfäuer und 2 Ein- 
bufer. Diefe Aufftellung ift einem Jahres 
bericht der Bollichia entnommen. Dieſelbe 
Beitichrift gibt die Zahl der pfälziſchen 
Bögel auf 252 an, nämlich 97 Singvögel, 
6 Schreivögel, 9 Nlettervögel, 30 Raub- 
vögel, 4 Tauben, 8 Hühner, 50 Sumpf- 
vögel und 48 Schmwimmvögel. Die Zahl 
der Fiſcharten beträgt 37, darunter 2, 
welche ın Südbayern fehlen. Aus Ge— 
ichildertem dürfte zur Genüge die Reich 
haltigfeit der pfälziichen Tierwelt dargetan 
fein. Stein abzumeifender Gedanke möchte 
der fein, darauf hinzuwirfen, daß die ver- 
jchiedenen Arten, jomweit fie feinen nennens- 
werten Schaden verurjacdhen, erhalten bleiben, 
rejp. gefchont werden. Luft und Liebe zur 
beimifchen Tierwelt ift mit ein Grundzug 
zur Stärfung und Erhaltung der Bater- 
landsliebe. 


Die Gefolgſchaft des Menſchen. 
Bon Hermann Fön, Hannover. 
Schluß.) 


Die Jahre gehen, die Bäume halten | 
ihon ihre Zweige über das Haus, die 
Stadelbeerbüjche hängen über den grauen | 
Baun. Im Garten blühen bunte Blumen. | 
Rund um die Anbauftelle mußte jedes 


Jahr ein Stüf Heide vor Wieſe und Ader | 


zurücdgehen. Und jedes Jahr brachte neue 
Bäfte. Zuerſt brütete ein Paar Feldipagen 
unter dem Dache. Dann fiedelte fich die 
weiße Bachftelze an. Als jehs Kühe auf 
der Weide waren, fam die gelbe Bachjtelze 
hinzu, und nad) ihr ein Paar Elftern. Der 


Maulwurf war jchon lange da, die Wühl- | 
ratte auch. Auch die WBanderratte ftellte 
fi) ein, wurde aber vertilg. Den Haus- 
mäufen folgte das Fleine Wiejel. Zwiſchen 
den Heidlerchen fingen Feldlerhen. Haus: 
ipagen fommen vom fernen Dorf zu Bejud; 
ichließlih baut ein Baur. In einem alten 
Kaften, den der Bauer an den Stall hängt, 
brütet der Star. Die Hajen werden 
häufiger; um die jungen Kohlpflanzen müſſen 
ihon Scheuchen geitellt werden. Auf ein: 
mal iſt aub ein Rebhuhnpaar da und 
bringt die Brut hoch; der Hahn lockt 
jeden Abend und alle Morgen. Am Bad: 
hauje hat der Fliegenichnäpper fein Neft, 
im Stall wohnt die Rauchſchwalbe. 

Weiter oben im Moore jteht noch eın 
Haus, ein neues; es trägt ein Ziegeldach. 
Bon deſſen Firft ſingt der Hausrotſchwanz. 
Im Schafftalle brütet das Steinkäuzchen. 
Hollunder und Flieder blühen dort; in 
ihnen Elettert fingend der Gartenjpottvogel 
umber. Jeder der ſechs Starfäften iſt be- 
jegt. Das Rad auf dem Dache itand drei 
Jahre leer; jet flappert der Storch darauf. 
Eine neue, dem Moore fremde Tierwelt 
ergriff Belig von den beiden Flecken Bau- 
landes, zu dem die Anjiedler das Urland 
ummandelten. Sin der Fährte des Menſchen 
rüdte feine Gefolgihaft an. 

Dieier Vorgang, der fih heute überall 
wiederholt, wo der Menſch das Urland zur 
Kulturſchicht macht, ift jo alt, wie alle 
menjichlihe Kultur, Schon der Wander: 
birt griff in die Zufammenjegung der Tier- 
mwelt eın. Der Jäger und Fiſcher der 
Urzeit tat das noch nicht. Er ſtand nicht 
über der Tiermwelt, er lebte in ihr; er war 
nicht ihr Herr, er war nur der ver» 


39 





ſchlagendſte, gefährlichfte Räuber. Mit jeiner 


und Seuchen zurücgehaltenen Vermehrung 
brachte er es zu feinem feſten Gejcäfts- 
gefüge, jo daß jein Einfluß auf die Tier 
welt gering war. 

Er hatte feinen feſten Wohnfig; eine 
Horden zogen den Beutetieren nach, man- 
derten ihnen entgegen. Er wehrte die Raub: 
tiere ab, jo gut er ed fonnte, und tötete 
von den Nugtieren jo viele, als er friid) 
aufbrauden oder durch Eis, Rauch und 
Sonne aufbewahren fonnte. Er jagte nie 
zum Vergnügen, immer nur zum Bedarf, 





und fo vertrieb er fein Tier, rottete er 
feine Art aus und lodte auch Peine fremden 
Arten an, 

Das wurde anders, ald der Wander: 
birte auftrat. Der mußte fein Bieh gegen 
die Raubtiere jchügen; er war auch ge- 
zwungen, die Wildpferde und Wildrinder 
ju vertreiben oder auszjurotten, denn zur 
Brunftzeit näherten fie fi feinen Herden, 
brachten wildes Blut in das zahme, lodten 
brünftige Stüde in die Wildnis, kämpften 
jeine Hengfte und Bullen zu Schanden. 
Darum befehdete der Menfch fie jo gut wie 
er fonnte, jchredte fie mit Slappern und 
Feuern fort, holzte ihre Berfiede ab, brannte 
ihre Schlupfwinfel aus, rottete manche Art 
ganz aus, rieb andere bis auf fleine Be- 
fände, die in unmirtliden Gegenden übrig 
blieben, auf. Aber jo wie er mit Art und 
Feuersrand das Land kahl machte, ſchuf er 
ſolchen Tieren, die die Steppe lieben, Da- 
jeinsbedingungen, und mande Art, die vor 
jener Zeit jelten gemwejen fein mag, mie 
Neb, Haſe, Feldhuhn und Wachtel, wird an 
Bahl zugenommen haben. 


Andere Tiere dagegen, die in dem Lande 
bisher wenig Nahrung und Brutgelegenheit 
fanden, wie die Schwalben, merkten, daß 
ih ihre Nefter an feiner NRindenhütte, an 
jeiner Fellkibittke ebenſo gut bauen ließen, 
wie an den Klippen des Mittelmeeres, und 
da die Fliegenſchwärme, die fein Vieh ums» 
jummten, ihnen reichlide Nahrung boten, 
jo fiedelten fie fich bei ihm an, wie fie heute 
noch bei den Wanderhirten Nordafiens leben. 


Als der Menſch aus dem Wanderhirten 
BWeidebauer wurde, fi ein feftes Haus 
baute, ih umzäunte VBiehweiden ſchuf, auch 


ein wenig Ader- und Wildwiejenbau trieb, 
geringen, durd) ewige Stammeskriege, Hunger 


da bot er wieder einer ganzen Anzahl von 
Tieren füdlicher und öftlicher Herkunft be» 
queme Dajeinsbedingungen. Südliche Fle— 
dermäuje, die im Norden bisher feine warme 
Schlafräume fanden, ftellten fi in feinen 
Gebäuden ein; die Hausmaus folgte dem 
Setreidebau, das kleine Wiefel und der 
Steinmarder der Hausmaus, und eine Bo: 
gelart nad) der anderen rlidte vom Süden 
nad Dften vor und nahm von dem Lande 
Beiig. Damals werden fih der Stord 
und der Stiebig, die weiße und die gelbe 
Bachſtelze, die Elfter und die Dohle, bie 


vier Kürger arten, ber KRedebobi, die Man⸗ 
del? rãhe und das Stemfä:ihen bei un: 
nıebergelafien haben, cUes Fögel, die freies, 
tteppenährlidies Gelände, Zırien oder dıe 
Hähe von Reidenich brauden, sm bei uns 
beauem leben zu fönnen. 

Je meäsr der Menich zum Aderbau 
überging, je mehr fremde Getrerdearten er 
anbaute, je enger ſich die Weiler zu dori— 
lichen Berbärden einınder drängten, ſich 
mit Stragen verbanden, je mehr Urland zu 
Beide, Ader und Birte umgewandelt wur de, 
um jo mehr nahm dort die uriprünglide 
Zierwelt ab, um jo ftärfer war die Ein: 
mwanderung und Bermehrung fremder Arten. 

Immer mehr breitere ſich die Kultur 
aus, immer mehr ichrumpite das Urland 
juiammen. Aus Dörfern wurden Flecken, 
aus Fleden Städte. Um jede Niederlafiung 
bildete ſich ein neues Stüf der Kultur 
ihicht, das dur Wege und Straßen mit 
den älteren Aulturflächen verbunden mar; 
immer mchr wurde die alte Tierwelt zu 
rüdgedrängt, immer mchr breiteren fich die 
neuen Formen aus und fie erhielten neuen 
BZuaug. 

Die großen Ummälzungen, die die Böl: 
fermanderungen und die Feldzüge der Römer 
in politiicher Beziehung brachten, hatten auch 
in botanischer und zoologiſcher Hinſicht be: 


40 


deutenden Einfluß. Die wandernden Volks- 
mafien fdhleppten neue Fruchtarten mit, ' 


denen neue Schädlinge folgten, wie die alte 
Dausdratte, die dann am Ausgange des 
Diittelalters wieder von der Wandirı itie 
verdrängt wurde. 

Aud die Eroberung Nordweſtdeurſch 
lands durch die Franken wird neben vielen 
Nutz- und Zierpflangen mande wilde Tier- 
art des Südens zu uns gebradt haben, 
und da die Streuzfahrer eıne ganze Anzahl 
jüdlider Nug- und Ziergewächſe, jo auch 
die Springe, einführten, jo iſt anzunehmen, 
daß um dieje Zeit die ſpaniſche Fliege, die 
an Springen frißt, und einer unjerer beiten 
&ingvögel, der Gartenlaubvogel, bei uns 
eingemwandert find, denn er findet fich faſt 
nur in folden Gärten und Anlagen in 
denen viele Springen stehen. 


— 


mebr jein Stratzen- und Schienenneg € 
mir dem Süden und Tien verbindet, um 
‚0 mehr drängt die Tierwelt des Südens 
und THens nad uns Yin. 

Tözel, nad ibrer gınzen Lebensweiſe, 
nah Fardung und Stimme ausgeiprodgene 
Stepseutiere, wie Haubenlerche und Grau- 
ammer, )isd erit jeit verhältnismäßig kurzer 
Zeit be: uns heimih. Der Sausrot- 
ſchwanz, urtprünglih ein Rlippenpogel der 
Diiıtelmeerlärder, tinder, daB es fih auf 
unleren fünhlihen Alivpen, den Dächern, 
ebenio gut leben läht, wie im Süßen, und 
jo bürgerte er fib vor hundert Jahren bei 
uns ein; der Girlitz, ein bübicher Fleiner 
Fink Züdeurspas, Borderahens und Nord: 
afrıfas, ı'r jeit ungefähr fünfzig Jahren bei 
uns heimiſch geworden umd nımmt mit der 
Zunahme des Tbitbaues ftändig zu, und es 
ift nicht unmwahrjcheinlich, daS fich auch die 
Zwergtrappe, ja vielleiht jogar das Step: 
penhuhn, auf die Dauer bei uns jeßhaft 
maden. 

Bei vielen Tieren, von denen man an: 
nehmen fann, dat fie zu der eingewanderten 
Tierwelt Deutichlands gehören, läßt ſich der 
Nachweis nicht führen, daß fie einft zugereift 
iind, Bern aber ein Bogel, wie unjere 
TZurmichwalbe, jegt einer unferer gemeinſten 
Stadinögel. ſeine ganze nächte VBermandt- 
ihaft im Züden hat, außerdem nah Füh 
rung und Stimme uns jehr fremd anmutet, 
jo fann man rubig annehmen, daß er aus 
dem Süden ftammt und erft bei uns ein- 
wanderte, als höhere Steinbauten, zuerit 
mwahricheinlich die Kirchen und Burgen, ihm 
das boten, was er bei uns früher nidt 
überall fand, die Klippen. Wenn andrer: 
jeitö ein Vogel, wie der Ortolan, in Nord- 
deutichland verhältnismäßig jelten ift und 
nur an Yanditraßen auf bebautem Sand- 
lande vorkommt, während er ım Süden 
häufiger und richt jo wähleriih in feinem 
Aufenthalte ift, oder wenn die hübſche 
Brandmaus auf Sandboden und Urland 
nientalg bei uns vorfommt, jondern nur auf 
ihwerem, bebautem Boden lebt, fo ıft auch 
von dirjen anzunehmen, daß es Einwan— 


| derer jind, wenn aud) ihre Einwanderung 


Diefe Zumanderung jüdliher und öjt- | 


licher Formen findet fortwährend Start. Je 
mehr Deutichland durch die Zunahme der 
Bebauung zur einer Kulturſteppe wird, je 


ſchon jehr lange zurücdliegt. 

Die Fledermäuſe, die nur in Ortichaf- 
ten bei uns leben, wie die Heine Hufeifen- 
naje, die langohrige, die Mops-, die raub- 


bäutige, die Zwerg», die fpätfliegende und ; dabei mit. Der jüngften geologiſchen Schicht, 
die gemeine Fledermaus, die Spitmäufe, | dem Quartär, zwang er eine noch jüngere 
die wie die Haus- und die FFeldipigmaus, | auf, das Quintär; er jchuf ihr ein eigenes 
nur in und bei Gebäuden, in Gärten und | Pflanzenbild, die Kultur- und Advenaflora, 
dicht bei den Ortſchaften liegenden Feldern | und eine eigene Tierwelt, die Duintärfauna, 
bei uns vorfommen, Wiejel und Steinmar» | zu der jomohl die weite Ferne wie die Nähe 
der, die immer in der Nähe der Menjchen | beifteuern mußte; er drüdte der Natur fei- 
leben, ein Bogel, deſſen Stimme, wie die | nen Stempel auf, jchuf fie um. 
der Nachtigall, gar nicht im die deutſche Der echten Quintärfauna, feiner alten 
Landſchaft hineinpaßt, oder die, wie Haus | Gefolgichaft, jchuf der Menih von Tag zu 
und eldiperling, Feldlerche, weiße und | Tag beijere Lebensbedingungen; je mehr 
gelbe Bachſtelze, Elfter, Storh und Kiebitz Häufer, je mehr Gärten, Felder und Wieſen 
ohne die Nähe menſchlicher Gebäude oder | es gibt, um jo beffer geht es Maus und 
von Aderland und Wieſe nicht zu denken | Natte, Spatz und Lerche. Die übrige Tier- 
find, können mit gutem Gemiffen ald Ein- | welt ftellt er aber fortwährend vor eine 
manderer betrachtet werden, denen der | neue Form des Stampfes um das Dafein. 
Menſch erit Vorarbeiten leiften mußte, che | Jahrhunderte lang behielt die Kulturſchicht 
fie fih hier heimiſch machen fonnten. Deutichlands im großen und ganzen die 
So haben wir zwei getrennte Fyaunen, | alte Form: da änderte der Menſch fie völlig 
eine urfprüngliche, an urwüchſiges Land, | durch die VBerfoppelung, die die Einzelbäume 
und eine hinzugefommene, an die jüngite | und Wäldchen, Hecken und Feldbüſche be- 
Erdſchicht, nämlich an die Stulturichicht ger | feitigte. Nun hieß es für viele Tierarten: 
bundene; der urjprüngliche Wald, die Heide, | „Biegen oder brechen; puß di an oder 
das Moor, das unbemohnte Gebirge, ie | ftirb !” 
haben eine ganz andere Tierwelt, als die Und jo wie bei uns, ift e8 auch in an- 
auf ihnen zerjtreuten menichlihen Sied- | deren Ländern, anderen Erdteilen; hinter 
lungen mit ihren fünftlihen Steppen, den | dem Rulturmenjchen ber zog von alteröher 
Aeckern, Wieſen und Weiden, ihren fünft- | eine Gefolgichait von Säugetieren, Vögeln, 
lihen Gebüfchen und Wäldchen, den Gärten, | Inſekten und Schneden, gar nicht zu ge— 
Friedhöfen und Anlagen, mit ihren fünft» | denken der Schmaroger an Menich und Vieh, 
lihen Felsflippen, den Häujern, ihren fünft- | und mo heute die neue, europäiihe Kultur 
lihen Dolomiten, den Dörfern, ihren fünft- | mit ihrer Technik die alten Kulturen um— 
lichen Gebirgszügen, den Städten. Jedes | formt oder ausbaut, da bringt fie, ſoweit 
Stüf Bauland ım Urland ift ein abgejon- | es das Klima zuläßt, der alten Gefolgſchaft 
dertes zoogeographijches Gebiet, defjen Tier- | der Menjchen eine neue, führt aus unüber- 
welt größere Berjchiedenheiten aufmeift | legter Sentimentalität den Spaß in Amerifa 
als die von Ebene und Bergland, Wald | ein, fchleppt die Wanderratte über alle Erd: 
und Heide. teile, die Stellerjchnede durch alle Breiten 
Erdfräfte ſchufen früher allein an dem | und international, wie er felber, wird auch 
Aufbau der Tierwelt; dann half der Menich | die Gefolgichaft des Menſchen. 


Franzöſiſche (evangelifche) Kolonien in der Yfalz 
von Dr D. Häberle, Kalſerl. Rechn.Rat, Heidelberg. 


In der von Baul Langhans Heraus: Paſtor Lic. Dr. Henri Tollin in Magde- 
gegebenen Zeitſchrift „Deutihe Erde“ *) | burg eine zujammenfailende Überficht über 
(Jahrgang 1902 ©. 4—T mit Karte) gibt | die franzöfiihen Kolonien in Deutſchland 
— nad ihrer geſchichtlichen Entwidlung und 


*) Deutjche Erde, Beiträge zur Kenntnis ; cl 
beutfchen Bolfstums allerorten und allerzetten. | —— — on vhaſen der 
Herausgegeben von Profeſſor Paul Langhaus. rundung bezw. Einwanderung: 
Gotha: Juſtus Perthes. 6 Hefte jährlich 8 ME. l. BWaldenfer aus dem WRhonethal, 


Aderbauer und BıeLiädter, feit dem 12, 2. Biligheim, 1626, Ballenen, 
Jahrhundert, vor päritliher Berfolzung 1705 Franzoien, 
Aıchenb. ; 3. Emitweiler, 1573, Franzoſen, 

2. Ballonem aus den jübmweirlihen 4. Eidingen (Eichern,, 1574, Franzoien, 
Niederlanden, (Jnduftrielle und Ländler) 5. Frantenthal. 1561, Ballonen 


feit 1554, von Raiier Karl V., Bhilipp IL ; (Komente 1572— 1606), 
und beionders von Derzoz Alba hart be- 1132 Franzojen, 
brängt, etwa 6000 6. Yambredt, 1574, Ballonen, 
7. Neuhãuſel (Reubauien), 1579, Fyran- 


PR Aranzoien (Gandwerfer ufw.) jeit 3ofen 
] Bluthochzeit, Hauptiächlich aber unter u - 
Ludwig XIV. nad Widerruf des Toleranz- — 
a 9. Stterberg, 1579, Ballonen, 
edıftes von Nantes 1685, etwa 30000. 1720 Franzoien 
4. Ballonen aus der Pfalz, jeit 10. Speyer, 1579, Wallonen, 
1669 nad der Berwüitung ihrer dortigen 11. Stein, 1579, Franzoſen, 
Zufluchtsſtätten durch Ludwig XIV. nad 12. Zweibrüdfen, 1629, Ballonen. 
Norddeutſchland fliehend. Die Schickſale einzelner dieier Kolonien 
f (Annweiler, Billigheim, Yambredt, Otter⸗ 
D. Dugenotten (Baldeufer) auf | berg, Zweibrüden ufw.) find in den Ge- 
Piemont, feit 1699, von ihrem eigenen | 
' fchichtsblättern des Deutſchen Hugenotten: 
Landesherrn, dem Herzog von Savoyen, : nn. . 
; | Bereins bereits eingehend geichildert worden, 
vertrieben, etwa 3000, 
— andere harren noch der Bearbeitung. Be— 
In dem beigefügten Verzeichnis von richtigend ſei bemerkt, daß unter dem von 
211 Kolonien werden in der Bfalz nah Tollin als franzöſiſche Kolonie erwähnten 
ber Beit ihrer Gründung folgende auf- | „Schönau (Bfalz) 1574 Franzofen” nicht 
geführt: das pfälzifche Dorf, jondern der gleichnamige 
Il, Annweiler, 1595, nn Ort bei Heidelberg zu verſtehen iſt. 


Balentin Ofertag. 


Am 14. Februar war wiederum der | der Berfügung, daß nad ihrem Ableben 
Ehrentag Balenıin Oftertags in Bad Dürf- ein Teil jeiner Vaterftadt Dürkheim zu: 
heim. Balentin Dftertag, geboren 1450, | fallen ſolle. Diejer Auflage fam diejelbe 
war armer Yeute Kind. Hervorragend be- | nad, indem fie durch Teftament vom 20, 
gabt, lenkte er die Aufmerffamkeit edler | Mai 1519 eine Stiftung von 2000 Gold: 
Menfchenfreunde auf fich, welche ihn ftudieren | gulden begründete, mit der Beitimmung, 
ließen. Mit Eifer und Fleiß oblag er | daß die Binjen hieraus zur Verleihung 
dem Studium, erwarb fih die Doftor- | von Stipendien an Theologie-Studierende, 
Würde beider Rechte und ward fpäter | zur Gewährung von SHeiratsfteuern und 
faiferliher Neichsfisfalrat in Wien, wo | zur Unterftügung von Armen hiefiger Stadt 
er im Jahre 1506 verftarb, Das anfehn- | ohne Unterjchied der Konfejfion alljägrlich 
liche Vermögen, welches er fich bei feinem | verwendet werden jollen. Durch zahlreiche 
hohen Einfommen und feiner befcheidenen | Bumendungen hat die Stiftung die Höhe 
Lebensweiſe erworben hatte, vermadte er | von 138000 Mark erreicht. 
feiner Frau Margarete, geb. Dei mit | 


— — 


Flachs und Hanf. 


Die Verwendung des Flachſes zu Ge- Flachs die Nede; es wird berichtet, der 
weben reicht in das hohe Altertum hinauf. | Hagel habe in Ägypten den Flachs und die 
Schon im zweiten Buche Mofis ift vom | Gerfte vernichtet. Die Mumien Ägyptens 


u A. 


find in Linnen eingehüllt. Des Landes es auf ein geſticktes Tiſchtuch von Flachs- 
Priefter fleideten fich in reines Linnen. In | garn. Man ficht aljo daraus, mie alt 
Griechenland und Rom, in Gallien und | die Kunſt der Linnenmweberei ift, da fie 
Hiſpanien finden wir in ältefter Beit das | fogar bis in die Götterjage zurüdreicht. -— 
Gewebe des Flachſes; in Rom wurden in | Der Hanf murde ebenfalls ſchon fehr 
den älteften Zeiten wollene Stoffe getragen, | frühe gebaut. So erzählt Herodot, daß 
jpäter linnene, Plinius erzählt ausdrüdlid, | man in Thrazien ihn fultiviere und zu 
daß die Germanen und die Bataver linnene | Kleidern verarbeite; in Griechenland, Rom 
Kleider trügen. In Skandinavien bildeten | und Gallien fertigte man Säcke, Segel: 
zuerft Felle und grobe wollene Gemwänder | tücher ꝛc. aus Hanf; Blinius gedenft bereits 
die Befleidungsftoffe; ım neunten Jahr: | einer galliihen Stadt, die durd) ihren Hanf- 
hundert trugen Fürften und freie Bauern | bau berühmt war. In Afrifa wird er wie 
Linnen, doch nicht die Sklaven. Nach der | Tabaf geraucht und im Morgenlande aud 
alten Dichtung bejucht der nordijche Gott | zu einem berauichenden Getränk benukt 
(Afe) Rig das Haus des Jarls, und findet | (Dafchiih). Das berühmte Nepenthe der 
Dann und Frau eifrig befchäftigt; der | Alten, ein Getränk, nad deifen Genuß 
Mann dreht Saiten zu einer Bogenjehne, | man alles Unangenehme vergeflen haben 
die Frau glättet Linnen; fpäter trägt die | umd heiter geitimmt worden jein joll, wurde 
Frau dem Gaſte ein Mahl auf und jet | ebenfalls aus Hanfblättern bereitet. 





Die Mordwirtin von Odernheim. 
Anlehnend an darüber vorhandene Bolkslieder. 


Mit Gold und Silber und Beute beladen Hielt andern Morgens um: halber viere 
Heimkehrten vom Krieg einjt zwei Soldaten. Sein Kamerad ſchon vor der Türe: 
Als beide zu einem Wirtshaus famen, „rau Wirtin, mo ift der and’re Reiter ?* 
Ste dort über Naht ihr Obdach nahmen. Sie ſprach: „„Der And’re tft längſt weiter!““ 


Man bracht' ihnen Fiſch und Wein und Braten, „Bein Rößlein feh’ in Stall ich ftchen, 
Ste zahltens der Wirtin mit güld’nen Dufaten. | „Und märe dein Reiter ein Leids gejcheben, 
Die Wirtin dacht‘, eh’ Mitternacht worden, „Ihr hättet's Leben dem Sohne genommen, 
Den einen der Reiter im Schlaf zu ermorden. | „Der jet aus dem Kriege erft heimgekommen.“ — 


Ein Mord der bleibt nicht lang berfchwiegen. Man fand den Wirt in den Erlen bangen, 
Drum fprach der Wirt: „Bleib lieber liegen!’ — | Die Wirtin war in den Teich gegangen: 
Ste würgten zu Tod ihn mit linnenem Bande, | Und alfo Hat ſich's zugetragen 
Berjcharrten im Keller ihn meuchlings im Sande. | Zu Odernheim in alten Tagen. 

Dr. Gar! Puſch. 


Flur: und Waldkapellen im Yfälzerland. 

Droben itebet die Kapelle 
Schauer jtil ind Tal hinab. . . 
An des großen ſchwäbiſchen Dichters | und die Zeit ihre Mauern zermürbt, jo 
herrliche Berje wird der Wanderer wohl | find fie uns doch als Zeugen der Bolfs- 
gar oft erinnert, wenn er auf der Fahrt | geichichte einer oft fernen Zeit in ihrer jo 
durchs Schöne Pfälzerland aus dem dunklen | beredten Stummheit von bejfonderem In— 
Grün der Höhen ein einjames Sirdhlein | tereffe. Man dürfte in der Pfalz ca. 30 
oder die Ruinen desjelben traulih in die | derartige abgejonderte Flur- und Wald. 
Ebene herabgrüßen fieht. Wenn aud in | fapellen zählen, von denen viele inbezug 
den meiften diejer einen Gotteshäufer eine | auf ihre Erbauungszeit jehr weit ind Mittel: 
öffentliche Andacht nicht mehr ausgeitbt wird | alter zurüdbliden. In kurzen Umrifjen 


feien bier einige Kapellen aufgeführt. Bei 
Herrheim am Rlingbah liegt nordweſtlich 
auf der Höhe im Ackergefild die „Flur 
fapelle”. In der Nähe von Burrmeiler 
an der oberen Haardt fteht auf einem Bor- 
ſprung des Teuſelsfelſens die St. Annen: 
fapelle, deren Urfprung tief ins Altertum 
bineinreichen foll. Nach ihrem Berfall wurde 
fie 1765 wieder erbaut, leider nicht ın ihrer 
urfprüngliden Schönheit. Die St. Jergen: 
fapelle, ein hübfches Flurfirchlein, befindet 
ich zwiſchen Völkerweiler und Goflersweiler, 
Ber Ulmer, auf dem Flursberg liegt die 
uralte Flurfapelle eines verſchwundenen 
Dorfes. Bei Winnmweiler fteht eine freund» 
lie Sapelle.. Das Streu; dabei joll ein 
Ritter, welcher durch Stehenbleiben jeines 
Pferdes an Ddiefer Stelle vor einem ge 
fährliden Sturz bewahrt geblieben, errichtet 
haben. In der Nähe von Rülzheim befand 
jih die uralte „Dieterich8fapelle* ein Wald- 
kirchlein auf einem fleinen Hügel. Die 
Nuinen von diejer Sapelle follen fpäter 
Bigeunern und Keſſelflickern als Schlupf: 
mwinfel gedient haben und murden jpäter 
niedergerifjen.. An der unteren Haardt 


44 


beim Dorfe Lindenberg ſchaut von einer 
waldigen Suppe die BWallfahrtöfapelle „St. 
Cyriack, herab. Die Legende erzählt, dat 
die Kapelle im Jahre 1550 ım Zal hätte 
erbaut werden follen, jedoch fand man jeden 
Morgen Balfen und Steine auf der Höhe, 
fodaß man fich entichloß, das Kirchlein dort 
zu errichten, womit dei Heilige einverftanden 
geweſen. Im Uebrigen finden wir aud 
auf der Limburg bei Dürkheim Anflänge 
an diefen Heiligen, e8 war ihm dort ein 
Altar geweiht und noch vor einigen fahren 
ſahen wir in der verfallenen Krypta diejer 
Ruine einen roten Sanditein, welcher die 
Aufſchrift „St. Cyrikas“ trug. Bon br 
jonderem Intereſſe iſt auh die „St. 
Michaelöfapelle bei Deidesheim, welche 
mehrmals zerftört und miedererrichtet, im 
Jahre 1792 zum legten Male in Trümmer 
gelegt wurde. Dieje Flur und Wald 
fapellen in der Pfalz repräjentieren ein 
Stüf Kulturgeſchichte Wir möchten durd 
diefe kurze Skizze Anregung geben, die 
einzelnen Napellen zu ftudieren, Die Ber: 
öffentlihung evtl. Ergebniſſe wird gewiß 
jehr intereifieren. 





Merlchiedenes. 


Aali⸗ und Salzlager in der Rbeinm- 
pfalz ? In Nr. 104 des „Badiſchen Muſeums“ 
von 1907 erörtert der babdijche Landesgeologe 
Dr. Hans Thürach im Anſchluß an die im Ober: 
Elſaß gemachten Yunde von Salz- und Rali- 
lagern die Möglichkeit von deren Uebergreifen 
auf badifches Gebiet und fommt zu dem Ergeb: 
nis, daß diefe aus dem Unteroligocän (Tertiär- 
formation) ftammenden nußbaren Ablagerungen 
vielleicht auch in der Gegend von Freiburg i. Br. 
fübmweitlih vom Tuntberg dur Bohrungen er- 
ſchloſſen werden fünnten. Da man ferner im 
Unterelfaß und im fübmeltlihen Teit der Rhein- 
pfalz (Bienmwald) bei Bohrungen nach Erdöt fehr 
häufig Salzwaſſer, defien Saljgebalt weder dem 
oberelfäffiihen Salzlager, noch etwa den in ber 
Tiefe im Muſchelkalk oder im Keuper einge- 
ſchloſſenen Salzlagerı entjtammen fünne, ange 
troffen hat, bejteht nach Thürach die Möglichkeit, 
da man bei Berſuchſsborungen fomohl auf ba— 
difchem Gebiet zwiſchen Yangenbrüden, Bhilipps- 
burg und Karlsruhe, wie auch in der Mheitt« 
pfalz, in der Gegend zwiſchen Berg, Hagenbach, 


Wörth, Jockgrim und dem Rhein vielleicht auf 
Salzlager ftoßen wird; meiter nah Norden bin 
bürften Bohrungen wegen allmählichen Ausken 
tens der Sala führenden unteroligoränen Schid)- 
ten feinen Srfolg verfprehen. Die Salz 
quellen don Dürfheim und Kreuznad 
entjtammen älteren Salzlagern. 
(Pfälz. Brefie.) Häbertle. 


Quedfilber und Aupferbergbau. In 
einem Referat über „Der QDuedfilberberg- 
bau in der Pfalz” (Prometbeus Jahrg. 1905 
Nr. 850 ©. 2845285) wird „die Meinung aus 
geſprochen, daß diefer Bergbau nicht an Wer- 
armung nad der Teufe, fondern ausſchließlich 
an der Unmöglichkeit, die zufegenden Wafler zu 
mältigen, zugrunde gegangen tft”, v. K. Geolog 
Gentralblatt Bb. X, 1908 &. 621—622. H. 

Das mit großen Hoffnungen bei Wattenbeim 
In Arbeit genommene AupferBergmwerk der 
Firma v. Friedländer-Feld in Berlin im Werein 
mit &. Abreſch in Neuftadt iſt im Novembet 
borigen Jahres ftillgeiegt worden. 


— 4 


Die Weinmoflernte Wanerns 1907. 
Die Statiftit ber Weinmofternte erjtredt fich auf 
die Regierungsbezirke Pfalz, Mittelfranken, Unter- 
franfen und Schwaben und zwar auf Gemeinden 
mit einer Rebenjlähe von mindeitens 5 Hektar 
(„Beintaugemeinden”). 

Im Dahre 1907 wurden folde Weinbaus 
gemeinden 460 gezäblt (im Borjahre 466). Die 
im Ertrag jtehende Geſamtfläche dieſer Wein- 
baugemeinden* betrug im Sabre 


1907 1906 
für Weißmeln 19791 Heftar 20014 Heltar 
„ Rotwein 216 „ 2202 „ 


im ganzen 21987 Hektar 22217 Heftar 
Der Moitertrag beziffert fich 





bei Weißwein anf 527435 HI. 177552 Hl. 
„Rotwein „ 112880 „ 28171 „ 
zujammen auf 640305 Hl. 205723 Hl. 


Der gefhägte Wert beläuft fich 


für Weißwein auf 24912456 M. 6403415 M. 
„ Rotwein „ 4171164 „ 888769 „ 
im ganzen auf 29103620 M. 7292184 M. 


Der Durchſchnittsertrag dom Hektar 


berechnet ſich 
bei Weißwein auf 26,6 Hl. 89 Hl. 
„ Rotwein „ 314 „ 128 „ 
im Mittel 29,1 Hl. 108 91. 
Der Qualität nad) ergibt fich 
für Weißwein die Note ILO 113 
„ Romwen u u 1,6 111,2 
im Mittel bie Note 19 UL 


Der größte Anteil an dem bayeriichen Wein: 
bau trifft auf die „Weinbaugemeinden” der Pfalz; 
es berechnen ſich als 


Erntelläde Ertrag Wert in 
ha hl Miltonen 
in den Jahren 
1907 1906 1900 1906 197 1906 
für die Pfalz 
15598 15572 615069 195502 27,86 6,92 
Dann folgen: Unterfranken 
5901 6135 19905 5001 1,01 0,19 
Mittelfranken 
394 414 1671 600 0,09 0,02 
Schmaben 
24 96 3660 4620 0,14 0,16 


Während das Jahr 1906 für die „Weinbaus 
gemeinden“ und im allgemeinen einen großen 
Fehlherbſt zu verzeichnen hatte, war die Moft- 
ernte 1907 in den „Weinbaugemeinden”, deren 
Ernteergebnts für das Geſamtergebnis des König⸗ 





reichs maßgebend ijt, der Dualität fowie ber 
Güte nach eine gute und dem Werte nad) eine 
fehr gute. Berüdfichtigt man noch die Reben- 
flächen der Gemeinden mit weniger al& 5 Heltar 
im Ertrag itebenden Reblandes, jo erhält man 
für das gefamte Bayern 

im Jahre 1907 1906 
eine Ernteflähe von 22474 Ha. 22718 Ha. 
einen Gejamtertr. von 648184 Hl. 208460 Hi. 
einen Gefamtw. von 29455202 M. 7380504 M, 


Brinkwafferverforgung, Bon den 
etwa 1900 Städten, ®emeinden und Weilern 
Württemberg find in den Jahren 1864 bis 
1896 durch jelbitändige zentrale Anlagen mit 
Hauswafferleitungen rund 800 verjorgt worden: 
550 mit natürlichen Quellzuleitungen und 220 
mit fünftlicher Waflerförderung. Die Baukoſten 
biefür betrugen fiber 32 Millionen Mt. Neuer- 
dingd find ganz beſondere Erfolge mit ben 
Sruppenmwafferverforgungen auf der Alb, 
dem Härbdtöfeld, dem Heuberg, dem Schwarziva!d 
und auf den Fildern erzielt worden. Solche 
Waflerverforgungsgruppen gibt ed in Württem 
berg bis heute 27, die 378 Gemeinden das Wafler 
liefern. Die Baufoften für diefe Gruppen haben 
etwa 15800000 ME. in Anſpruch genommen. — 
Auch die Stadt Sturtgart fteht dor einem 
NRieien: Wafferprojeft. Die Quellen des 
Enztales wurden aufgefauft, fie jollen zuſam— 
mengefaßt und mit einem Aufwand von 13 Mili. 
Mark der Hauptitadt zugeleitet werben. Neuer- 
dings haben ſich aber erhebliche Schwierigkeiten 
durch den Protejt der Enztalbewohner ergeben, 
die der Stadt Stuttgart die denkbar größte Ber- 
legenbeit bereiten Die Stadivermaltung wird 
fi) in allernädhiter Zeit mit zwei weiteren großen 
Projekten, aus dem Jllertat und vom Boden- 
jee, zu beichäftigen haben. 

Der ältefte Pfälzer. In Nußbad) feierte 
am 3. März „Der alte Wenz“ feinen 104. Ge— 
burtstag. Antäßlich der Ichten Reichstags— 
wahl, bei der Herr Wenz nod) von feinem Stimm- 
recht Gebrauch machte, war ihm vom Reichs— 
fanzler ein Schreiben zugegangen. 


Bergfinken auf der Wanderung. 
Bon der oberen Donau, 8. Februar wird 
gefhrieben: In ungewöhnlich großen Scharen 
hielten fich die legten Wintermonate die Berg 
finten (Fringilla montifringilla), welche überall 
im Worden der alten Welt heimiſch find, im 
Herbit in großen Zügen durch Deutichland Font: 
men und nach dem Süden wandern, in den aus— 


gedehnten Buchenwaldungen des oberen Donau- 
tates, hauptſächlich im der Gegend zmifchen Sig- 
maringen und Tuttlingen auf Die 
Buchedern waren im vorigen Jahre in Menge 
geraten, und dies iſt neben cinem nicht allzu 
ftrengen Winter mit der Grund, warum biefe 
Tiere beuer fo lange verweilten. Es mar ein 
eigenes Bild, zu jchauen, wie die viele Taufende 
zäblenden Vögel geichlofien, einer dbunflen Wolfe 
gleich, über den Bergwald dabinjagten und dann 
ucplöglich in deffen Inneren verfhtwanden. Die 
Horjtleute jollen dic vielen Vögel nicht gerne 
ſehen; indeſſen ift der Schaden, den biefe durch 
das Auflefen der ausgefallenen Buchenſamen 
anrichten, wohl unbedeutend. Im Beuroner Tal 
ſah man die Bergfinten heuer bis Ende Januar; 
die eriien hohen Schneefälle trieben fie weiter 
füdlih. Sole in Maſſe wandernden Finken 
wurden in den legten Tagen aud am Rhein 
mahrgenoinmen. Aus Schaffhaufen mird 
berichtet: Ein Bogelzug von feltener Gröke ift 
Sonntag Morgen um 8 Uhr in Schaffhaufen 
beobachtet worden. Es müflen Zaufende von 
Bogeln geweſen fein; fie bildeten eine förmliche 
Wolke und flogen über den Kohlfirſt nach Süden. 
Waren es Wandervögel, die zu früh aus dem 
Süden gefommen maren und wieder borthin 
jtrebten, oder waren eö Vögel aus bem Norden, 
die einem erſt jet bereinbrechenden ſtrengen 
Winter eutjlohen find? 

Schuß der Stechpalmel! In den Wäl— 
dern des Schwarzwaldes ſteht zur Zeit die ſonſt 
ſehr felten vorfommende Stehpalme (llex 
aquifolium) in ihrem ſchönſten Schmude da, 
weil fie cben die herrlichen roten Früchte trägt. 
Aljäsriih fommen um dieſe Zeit Gärtner und 
fremde Händler in jene Gegend, bie die Stech— 
palmen jchneiden — und zwar in ganz rückſichts— 
lofer Weiſe — und dann bie gefammelten Zmeige 
für teures Geld verlaufen, Es iſt num durch 
eine Berordnung des zuftändigen großberzogl. 
Bezirksamtes fämtlichen fremden Händlern und 
Bärtnern verboten, Stedpalmen zu ſchneiden. 
Zumiderhandelnde werden beftraft. Die Wald: 
und Feldhüter find zur ftrengen Aufficht ver- 
pflichtet. Obige Berfügung fit fehr zu begrüßen, 
ba fonjt, mie die betreffende Bekanntmachung 
auch binzufügt, diefer fchönfte Schmud unjerer 
Wälder bald ganz ausgerottet wäre, da die Leute 
fhonungslos vorgehen. 

Die Aunfldenkmäler des Großßer: 
zogtums Baden. Der im Auftrage des 
Großh. Miniftertums der Juſtiz, des Kultus und 


— —— — — — — — — — — 





— — 


Unterrichts durch Direttorialaſſtſtent Profeſſor 
Dr. Wingenroth in Karlsruhe bearbeitete 
Band VII des Werkes „Die Kunſtdenkmäler 
bes Großherzogtums Baden“, enthaltend: 
die Kunſidenkmäler der Amtsbezirfe Steht, Laht, 
Oberlirh, Offenburg und Wolfach, ift erfchienen. 
Die ftaatlichen und kirchlichen Behörden, fomie 
die Gemeinden können bdiefe Bublifation zu dem 
ermäßigten Preife von 12 Mark durch Bermitt- 
lung des Großh. Mintfteriums der Juſtiz dei 
Kultus und Unterrichts beziehen und find Be 
ftellungen an die Erpeditur genannten WMint- 
ſteriums zu richten. 

Warum Bat der Hebruar den 
Schalttag? Die alten Römer pflegten vor 
Einführung des julianischen Kalenders das Yabr 
mit dem Monat März au beginnen, dem Monate, 
ber zu Ehren ihres olympifhen Ahnherrn — 
bed vornehmen Kriegsgottes Mard — benannt 
war. Der Februar war demnadh ihr leiter 
Monat. Diefem Benjamin unter den zwölfen, 
ber ed niemal® zur Bollmertigfeit und Eben— 
bürtigfeit bringen konnte, wurde darımı bie Ehre 
zuteil, den Füll- oder Scalttag zu erhalten. 
Doch iſt dieſes keineswegs der letzte Tag im 
Februar, wie man meinen möchte, jondern er 
folgt auf den 23. 24., auf die fogen „Xermi 
nalien*, ein Feit, das Iın alten Rom dem Gotte 
Terminus, d. i. der Gott der Grenzen und 
Markiteine, zu Ehren gefeiert wurde. Die 
römisch-katholifche Kirche, jo berichtet F. J. 
Bronner in feinem ſchönen volfäfundlichen 
Werte „Bon deutfcher Sitt' und Art“ (Mar 
Ktellerers Verlag, München, 1898) bebielt dieſe 
Ordnung fpäter und bejtimmte, dab das Feit 
jenes Heiligen, beflien Tag in eittem gemöhn- 
lichen Jahr auf den 24. Februar fällt, in einem 
Schaltjahr auf den 25. Februar zu verlegen ſei. 

Glochen als Barometer. In ber 
Monthiy Weather Review wird mitgeteilt. 
ba in Belgien in der Nähe von Lebekee 
einige kleinere Kirchengloden befannt find 
ald Regenghocken. Wenn fie auf eine weitere 
Entfernung deutlich zu bören find, fanın man 
fiher fein, daß es bald regnet. Zu diefer Zat- 
ſache werden nun folgende Erklärungen gegedeu. 
Der Schall einer Glocke hängt in erjter Limie 
von ihrem Material und Bau, ferner von dem 
Turm ab, tn dem fie fich befinde. Nur zum 
geringen Zeil kommt die Feuchtigkeit und 
Dichtigkeit der Luft für die Art des Tones in 
Betracht. Anders aber ift es mit der Stärte 
des Schalles. Wenn die Yuft gleichförmig if 


— 4 


und der Winb ihr eine horizontale Strömung 
verleiht, Hört man den Schall auf fehr meite 
Entfernungen. Uber die Richtung bed Windes 
im Berbältnis zum Standpunft des Hörers iſt 
das Ausfchlaggebende. Es kann fein, daß der 
Wind den Schall nad aufwärts über die Köpfe 
hinweg entführt, er kann aber auch umgelehrt 
den Schall aus der Höhe nad) der Tiefe tragen 
und ungewöhnlich deutlich wahrnehmbar machen. 
Gewöhnlich ift aber die Luft nicht gleichförmig, 
fondern fie feßt fih aus verjchiebenartigen 
Schichten zufammen, fie iſt ein Gemiſch von 


wärmeren unb Ffälteren, trodenen und feuchten 
Strömungen. Während bes heißen Sonnen 
ſcheins mird die Luft gewöhnlich ziemlich un- 
durdhläffig, der Schall wird vielfach gebrochen 
und refleftiert und verliert jo feine Sraft. 
Bei mwolligem Himmel und feuchter Luft 
wird der Schall kräftiger. Dies dürfte aber 
nit am Zeuchtigkeitsgehalt der Luft liegen, 
fondern an ihrer größeren Gleichförmigkeit und 
an ber für den Schall günftigen Bewölkung, 
ſowie an dem mit diefer Witterung verbundenen 
Winde. 


Citerariſches. 


Bemerkenswerte Bäume im Groß- 
Berzogtum Baden (Foritbotantfches Merk- 
buch). Bon Dr. Ludwig Rlein, Direktor des 
Botantihen Inſtituts der Techniſchen Hochſchule 
Karlsruhe. Mit 214 Abbildungen nad photo» 
grapgifchen Naturaufnahmen. Carl Winter's 
Univerfitätsbuchhandlung in Heidelberg. Breit: 
eleg. geb. Dif. 4.— Das vorliegende Buch, die 
Frucht zwolfjähriger Arbeit des Berfaffers, fchil- 
dert nad) Holzarten geordnet, die durch Alter, 
Größe und Schönheit hervorragenden Bertreter 
unferer Waldbäume im Walde und im Freiftand, 
ferner alle auffallenden Spielarten und Wuchs— 
formen, ſowie die mejentlihen WUbnormitäten 
derjelben, aljo in der Hauptfache das, was man 
neuerdings als botanifhe Naturdbenfmäler 
im weitejten Sinne des Wortes bezeichnet. Es 
wendet fich, als ein Teil der Heimatkunde, naturs 
gemäß In erfter Linie an die Bewohner des 
ſchönen Badener Landes und will vor allem den 
Intereſſen bed SHelmatihußes dienen. Erſte 
Borausjegung bierfür ift, daß man die zu ſchü— 
genden Dinge auch wirklich fennt, daß man ge 
nau weiß, was bei uns an bemerfens und er- 
haltenswerten Bäumen vorfommt und daß man 
ferner weiß, was an foldhen Bäumen bemerfens- 
wert ift. Darum wird das Buch in Umkehrung 
des befannten Sated: „Er fieht dor lauter 
Bäumen den Wald nicht“ den Naturfreund leh— 
ren, wie man die Bäume überbaupt betrachten 
foll und was man alles an ihnen ſehen fann. 
Die in dem Buche geichilderten Baumformen 
fommen auch im übrigen Deutjchland vor und 
die aus ganz Deutichland befannten Spielarten 
und Wuchöformen unferer Waldbäume find zum 
meitaus größten Teil auch in Baben gefunden 
worden und bier zum eriten Mat in einer Boll- 
ſtändigkeit und Reichhaltigkeit, alles wichtigere 


durch mehrere Vertreter charakteriſiert, abgebildet, 
wie das bisher nirgends verfucht worden ifı. 
In diefer Hinficht jtellt dad Buch ein Unikum in 
feiner Urt dar, dad nicht nur für bie Badener 
wichtig iſt, nit nur für Forftleute und Bota- 
nifer im meitejten Sinne des Wortes, nicht nur 
für jeden Lehrer der Pflanzentunde und für 
twißbegierige Schüler 2c., fondern für jeden ge- 
bildeten Naturfreund überhaupt. Das Kleimn'ſche 
Buch will zeigen, welche Wunder und Schäße 
unfere Wälder bergen, die der Mehrzahl ber 
Menſchen unbekannt und doc jo leicht zu finden 
und zu heben find, Schäße, die bei jedem 
Spaziergange im Walde neuen und ungeahnten 
Naturgenuß bieten, wenn das Auge erft einmal 
geöffnet, ber Blick erft einmal gefchärft iſt. Aus- 
ftattung und Preis des Buches find geeignet, 
ihm den Weg zu bahnen zum Biel, das ber Ber- 
fajler geitellt Hat, neben den wiflenjchaftlichen 
Kreifen auch die große Schar der Naturfreunde 
zu erreichen. (Heibeld. Tabl.) 
Sine neue Beitfehrift für Heimat: 
kunft. Man jchreibt uns: Die Bereinigung 
zur Körderung der Künfte in Heffen und 
im Rhein: Maingebiet gibt durch Dr. Daniel 
reiner eine Zeitfchrift heraus, welche die Kunſt 
biefer Gegenden pflegen will „durch Zufammen: 
ſchluß aller fünitlerifchen Kräfte Heflens und des 
Rhein-Maingebiete8 auf dem Gebiete ber Lite» 
ratur, ber bildenden und angewandten Fünfte, 
ber Runitindbuftrie und des Kunſthandwerks und 
der Muſik einerfeits, ſowie der Kunſtfreunde an- 
dererfeitd.? Das Biel iſt löblich. Rhein⸗ und 


Matingau, Odenwald, Taunus und Bogeläberg 


erfreuen fi von Alters ber einer fo reichen und 
jtetigen Gefittung, ftädtifcher und bäuerlicher, daß 
es an Ausbeute aus vergangenen Tagen und 
an lebendigem Zufluß nicht fehlen kann. Die 


zeitfchriftlihe allgemeine Kunftpflege quillt 
eben in einer Fülle, dab das Bedürfnis, fie zu 
bermebren, nicht dringend ift; aber die bejon- 
dere mit ber Landſchaft zufammenbängende 
Runft und Kultur zu fördern, das tft wohl er- 
jtrebenswert. Die Zeitjchrift wird alfo um fo 
wertvoller werden, je mehr fie fih wirklich die 
ganze künſtletiſche Kultur ihres Meinen Landſtrichs 
angelegen fein läßt, ber Gattung nach weite, dem 
Urjprungsgebiet nad enge Grenzen einhält, das 
Land: und Bollstümliche vor das Schrift: und 
Runfttümliche jekt. Dann wird fie trog und 
neben den „Rheinfanden*, die ſich ja eine um» 
fänglichere Aufgabe geitellt Haben, ihren Freun— 
beöfreis finden. Das laffen die vier erften Hefte 
erhoffen. Wir begegnen dem vielfeitigen Heraus- 
geber ald Dichter, Zeichner und Bildner und 
mandem guten Namen in Wort und Bild. Die 
Richtung, die ich der neuen Beitjchrift wünfche, 
drüden am bejtimmteften aus: Ubbelobde, 
3. Lippmann, Como („Oberheffiiche Töpfe- 
reien”), Dolzamer, Alfred Bod („Der Napo— 
leon*), Henfelmann („Das Odenwälder 
Bauernhaus”) K. E. Anodt. Wenn der Weiter- 
wald, der ja ebenjogut Heimatrecht in der Zeit— 
ſchrift Haben muß wie der Bogelöberg, mit herein» 
bezogen wird, barf auch Frig Philippi nicht 
fehlen. Und im übrigen Glück aufden Weg. F.R. 

Pfälzer Yrüßlingsfeiern von Dr. Al⸗ 
bert Beder, Beiträge zur Heimatkunde 
der Pfalz Il. 8%. 49 ©. Preis br. 1 Marl. 
Die dem Pfälzerwaldverein gewidmete 
Schrift hat zum Motto Lifelottens ſchöne 
Worte: „Mic deücht, wir Pfaltzer haben baf, 
wir lieben daß vatterlandt biß in todt undt gebt 
unß nichts drüber.” In unferer Zeit der Heie- 
matbewegung muß doppelt intereffieren, mas 
der Berfafler, geſtützt auf umfaffende Samm- 
(ungen, in der vorliegenden Arbeit bietet. 

Sie iſt berborgegangen aus einem Vortrag, 
den der Berfafier bei der Hauptberfammlung des 





48 — 


Gejamtvereind der deutſchen Geſchichts- umd 
Altertumövereine (5. Abteilung) am 17. Sep- 
tember 1907 zu Mannheim hielt. Vielfach er- 
mweitert und mit zahlreichen Literaturnachmweijen 
verfeben, ericheint er in ſchmucken Bändchen ale 
Monographie über unſere Pfälzer Yrüblıngd« 
bräuche, ein räumlich und fachlich begrenztes und 
doch volfsfurdlih ungentein reiches Gebiet. 
Schon die Faſtnachtsbräuche, bie fih an 
einigen Orten am Sonntag Invocabit, dem 
„Funkenſonntag“, erhalten haben, find da- 
bin zu rechnen: fo das Ubfingen von Früh— 
lingöliedern, das Feuerrad, dad man im 
Lautertal vom Berg berabrollen lieh, das Len— 
herausrufen (Lehenausrufen) im Gaartal, 
dad Winterverbrennen im Wejtrich und das 
Stabaudverbrennen in der Nordoſtpfalz 
Zahlreicher find die am Sountag Lätare nod 
an vielen Orten üblihen Frühlingsfeiern, 
Am befanntejten ijt die Sommertagsfeier, 
die in jüngjter Zeit in Mannheim wie in Lud— 
wigähafen und Heidelberg zu neuer Blüte er- 
wacht it. Trotz einzelner Verſchiedenheiten ijt 
der Kern dieſes Feſtes die Freude über die Wie- 
derfehr ded Frühlings und der Kampf zwifchen 
Winter und Sommer, in bem der legtere Sieger 
bleibt. Eingehende Schilderung findet dann das 
in Forjt bis auf den heutigen Tag erhaltene, 
hochintereſſante Rätarejpiel und meiterhin 
eine Reihe Pfälzer Bfingitbräucde, die ebenio 
wie die anderen erwähnten Bräudhe durch Heran- 
ziehung zahlreiher WUnalogien aus alter und 
neuer Zeit erläutert und erklärt werden; im An- 
bang find über ein halbes Hundert den Bräuchen 
entjprechende Lieder mitgeteilt. In der glück 
lihen Mifhung fränfifcher und alemannifcher 
Elemente in ber pfälzifhen Bevölkerung fiebt 
ber Berfafler die Gewähr für die Erhaltung um- 
ferer Pfälzer Bräuche, deren Pflege bejonderer 
Aufmerkſamkeit wert tit. 





— Geologie und 


Literariſches. — 


nBalt: Mein Bfälzerland (Gedicht) — Beiträge zur Gejchichte des Heimatfhuges in 
- Seimatkunde. — Ueber bie Beheizung unferer Wohnungen. 


— Die 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 
(Unverlongte Manuftripte werben nicht zurädgeiandt.) 


„Die Pfalziſche Heimatkunde” koſtet jährlich in 12 Heften ME. 2.50. Behellungen werden von allen Buchhandlungen umd 
Poftanflalten ferner vom Verleger (Bortofreie Streifbandiendung) angenommen. 


IV. Jahrgang. Nummer 5 und 6. Mai, Juni 1908. 


L/ 


\PALZISCHE HEIMATKUNDE | 


MONATSSCHRIFT 


ns) FÜR SCHULE UNDHAUS. (m 7 


MANN EA 





Bas Seben des Baumes.*) 
Von R. H. France. 


Die Lebensform des Baumes bedeutet | der Naturgejege mehr zum Bemußtjein, als 
die größtmögliche Entfaltung der Pflanzen: | jo ein unbegreiflih in die Jahrhunderte 
lebenskraft. Der Baum ift der höchſte ; hinein grünender Baum, neben dem Menjchen 
Bauftil, zu dem ed das Gewächs bringen | aufblühten und vermwelften, jo oft wie ein 
fann, er iſt auch das dauerhafteite Gebäude, | Menfchenleben die Rojenblüte erlebt, an 





das weit alle anderen Produfte lebendigen | dem Städte und Staaten verjanfen, unter 
Schaffens überragt. Zugleich das gemaltigfte,. | dem eine Kultur und Religion aufging und 
Eufalyptusbäume Auftraliens reichen bia zu | wieder abdorrte und eine neue gegründet 
152 Meter, die Mammutbäume Nord: | wurde, die dem furzlebigen Menjchenauge 
amerifas bis zu 142 Meter. Diefe Ger | auch jchon wieder altersmüde und fichelreif 
mächje find gotifhen Domen ebenbürtig. | erjcheint, ein Baum, der es erlebte, wie 
Neben ihnen erjcheinen allerdings unjere | Römer, pfeilbewehrte Mongolen, fellum- 
Tannen und Fichten, die nur jelten bis | gürtete Neden und eifengepanzerte Mitter, 
zu 75 bezw. 60 Meter Höhe erreichen, | Batrizier, Landsknechte, Herenprozejjionen 
beicheiden, aber dafür bringt das europäifche | und Eifenbahnen an ihm vorbeizogen, unter 
Klima Baumriejen hervor, die wie die be» | dem Millionen Seufzer von Leiden, die 
rühmte GEdelfaftanie am Aetna 20 Meter | glaubten, unjtillbar zu jein, Küſſe und 
Stammdurchmefjer, oder wie die griechiichen | Liebesijhmwüre, die alle Gmigfeiten vom 
und türfiihen Platanen bis zu 15 Meter | Himmel holen wollten, Träume und ehr- 
Durchmeſſer erreichen. geizige Gedanken, die nach Unjterblichkeit 

Kein lebendes Geſchöpf kann fich dem | lechzten, wejenlos dahinftarben und in nichts 
an die Seite jtellen, feines umjpannt auch | verwehten, während ihr Zeuge inmitten 
in feinem Leben die Jahrtauſende jo wie | diejes Masfenzuges in wahrer Unjterblid- 
Eiben oder Kaſtanien und Eichen. feit gleichjam jpottet über den Größenmwahn 

Schon das genügt, um fie mir dem | diejer jo raid) verbrennenden Eintagsfliegen, 
romantijhen Sauber altehrwürdiger Ge- | indem er gelaijen bei jeder Sonnenmwende 
Ihichte in unvergleichlichiter Weile zu um- | einen neuen lebendigen Ring zu den alten 
fleiden, denn nichts führt uns die Majeftät | und toten fügt. Gegenüber diejer in fid) 





*) Wie ein Abfchnitt aus Stifters herrlicher Novelle lieſt fich die reizvolle Schilderung, die 
France in feinem”bon poetifhem Schwung getragenen „Leben der Bllanzer bon nen 
deutfhen Wald entwirft. Das große, prächtig illuftrierte Werk, aus dem mir Beute eine Kleine 
Probe entnehmen, ſei Hiermit angelegentlich empfohlen; es erfcheint in Lieferungen à 1 ME. im 
Berlag des „Kosmos, Geſellſchaft der Naturfreunde”, Stuttgart. 


rubenden Größe ilt die Weltgeichichte wie 
ein Wortgeiedht. . . . 

Das Stünftleriiche in uns aber ſchwelgt 
darin, daß jeder alte Baum die Gejdichte 
diefer halben Ewigkeit auch erzählt, ıhre 
Spuren an feiner Gewandung trägt. Willen: 
ſchaftlich erfaffen freilich die wenigſten diefe 
Phyſiognomik des Baumes, umſo 
deutlicher aber in dem Empfinden, dab ein 
alter, von Sturm zerfeßter, von Regen 
gebleidhter, von Blitzſchlag zeriplitterter 
Baum bejonders jhön und eine® Malers 
würdig ſei. 

Der Baum bietet etwas, was die meijten 
Tiere nicht haben, etwas, das ihn mit dem 
Menſchen verfnüpft: er hat Individualität. 
Die Steinabler oder Fröſche jehen fih alle 
gleich, bei den Schmetterlingen vermag auch 
das jchärffte Auge nicht, Unterfchiede zwiſchen 
den Individuen gleicher Art zu entdeden, 
bei Hund und Pferd errät nur der liebe 
volle Blick des Beligers die leijen Nuancen, 
die das Wiedererfennen erlauben, wenn 
fonft die Raffe und Abftammung gleich ift 
— die Bäume aber find alle verjchieden. 
Ye älter fie werden, deſto mehr prägt ſich 
in ihrem Untlitze ihre Geidhichte, fo wie 
in dem unieren. Das madıt fie liebwert 
und intereſſant. Darum gibt es Lieblings» 
bäume und ein ftarfes perjönliches Ber- 
hältnis zu ihnen. ber das Myfterium 
der Sache ift bald entichleiert. Die Pflanze 
ıft dezentraliliert;; fie, das vorfichtigfte aller 
Weſen, hat alle Organe in großer Zahl 
angelegt und fann daher leichten Herzens 
Einbußen erleiden, ohne dahinzuſiechen. 
Daher erträgt der Baum, daß ihn der Blig 
jpaltet, daß der Herbititurm ihn der ſchönſten 
Weite beraubt, daß ihn unnatürlicher Garten» 
geihmad nach Belieben zurechtſtutzen darf. 
Aber dieſe Charafterföpfe finden fih nur 
dort, wo der Baum in freiem Lichte die 
ganze Nachbarvegetation beherrichen fonnte. 
Unter Drud und in dumpfer Enge wird 
auch aus ihm ein charakterfchwaches Herden: 
geihöpf, deflen Züge nicht von Adel und 
Eigenart, jondern von Lebensmühe und 
Not und ausgeitandenen Kämpfen erzählen. 
Gerade dieje find mie alle Herdenmejen 
nüglih. Sie find wahre „Hauspflanzen“, 
das Entzücken des Förſters. Und Diele 
Runftnatur umgibt uns heute in Deutich- 


50 





| 





(and allenthalben. Wo ſchießt noch der 
Wald aus „Gottes Gnaden“ auf? Faſt 
überall werden ſorglich die Baumjchulzög- 
linge in Reihen gepflanzt, abfichtli jo 
dicht, daß fie in beflemmender Enge ſich 
am Lebensraum hindern. Das madıt die 
Bäume langihäftig, jagt ſchmunzelnd dazu 
der Holzhändler. Man benüßt da eine merk: 
würdige Erfcheinung des Bflanzenlebens, die 
ih Lebensangit nennen würde, wäre das 
nicht an eine bemwußte Seele gefnüpft. Dicht 
ftehende Bäume veranitalten nämlih ein 
BWettrennen. Sie wachſen raſcher als 
„Solitäre“. Warum? Wer vermag eine 
andere Antwort zu geben als die: meil 
jeder Baum aus Lebenserhaltungstrieb 
traten muß, den anderen zu überwachſen? 
Mit gelafjener Grauſamkeit hat e8 die Natur 
fo eingerichtet, daß die Zurüdbleibenden 
verhungern. Sie fterben am Lichthunger. 
Und die übrigbleibenden werden — wozu 
e8 beihönigen? — Baumtrüppel, 

Sterben durd; den immer dichteren Zu— 
ſammenſchluß auch ſchon bei dem Einzel— 
baume die inneren Äfte im Laufe der Zeit 
ab, fo ift die Verfümmerung vieler Nite im 
geichlofjenen Berbande die Regel, Bei allen 
Borfibäumen ift die Strone relativ Flein, 
der Stamm mwalzenrund, jchlanf, namentlich 
im unteren Drittel faft ftets afılos. Die 
Sunftiprache der Waldleute nennt das voll: 
holzig und armfronig. Und wie fonderbar: 
die Natur ift jo volllommen, daß fie aus 
der Not einer neuen Schönheit das Leben 
zu geben verſteht Der Hochwald, denn 
jo heißt ja diefer Wettrennplag, verwandelt 
ſich dadurd in einen gigantifchen Dom, den 
berrlichften, der je erjonnen wurde, ge: 
tragen von tauiend fchlanfen, lichten Säulen, 
die das Tragen der Dede in einer jeder 
Baumeifterfunft fpottenden Weile Iöjen. 
Der Buchenhochwald joll ja auch das Bor- 
bild des gotiihden Domes gewejen fein, 
was id) ſchon deshalb glaube, weil ich ge 
funden habe, daß man die von jo viel 
Geheimniffen umranfte Symbolit der go: 
tiihen Ornamente in wunderbar einfacher 
Weife veritehen lernt, wenn man die alte 
deutſche Religion eınfadh in Stein überjegt. 
Der Deutſche kann Gottesdienft eben nur 
im Walde feiern. 


51 


Milbenhäuscen. 
Bon R. 9. France. 


Die mädtige Dorflinde, die jchon un- 
gezählten Generationen Schatten und Er- 
quickung geipendet, diefer harmonifch fchöne 
Baum, für den wir Deutichen aus einer 
noch unerflärlihen Urſache ſeit altersher 
jo viel Vorliebe gehabt haben, daß er eben⸗ 
jogut Nationalbaum fein könnte wie die 
Eiche, ift der Schauplaß des Fleinen Nacht- 
idylls, das ich hier jchildern will. 

Um jpäten Sommerabend, wenn nur 
noch Dämmerlicht verglimmt und alles ruhig 
und ruhiger wird, beginnt auf unferm 
Lindenbaum ein jeltiam Leben und Treiben. 
Nur muß man genau binjchauen, denn es 
find Zwerge, die da ihr Unweſen beginnen, 
Die herzförmigen Blätter find ihr Tummel« 
plag. An deren Unterjeite gibt es in den 
Winkeln, die die Blattnerven mit dem 
Hauptnerv bilden, merfwürdige kleine Haar- 
ichöpfe, kleine Flödchen, die wohl ſchon 
jeder einmal gejehen, die aber feiner von 
jelbft beachtet hat! Aus ihmen ftrömt des 
Nachts eine Schar flinfer, kleiner Weſen. 
Wie die Arbeiter aus einer Fabrik, fommen 
fie ſcharenweiſe in Reihen zu zweien und 
dreien. Hurtig laufen fie nun die Nerven 
entlang, dann wagen fie fich auf die freien 
Zwiſchenräume; hier bleibt eines ftehen, 
dort da® andere und jcheint emfig zu fnab- 
bern. So geht es die ganze Nacht hindurch; 
mit beginnendem Frührot gehen fie langſam 
zur Ruhe, eines nad dem andern fchlüpft 
in das Häuschen, und morgens ift der 
Spud vorbei. Iſt das ein Traum? Nein, 
es ift Wirklichkeit, und wenn wir am 
nädjten Tag bewaffnet mit dem Handwerks» 
zeug eined Naturforſchers nachſehen, jo 
finden wir leicht die zierlihen Haarjchöpfe, 
wie ein unfäglich zartes, mwolliges Neftlein, 
das gegen die Blattjpige zu feine Öffnung 
bat. Scneiden wir ein Stüdchen ab, da- 
mit wir ins Innere jehen können, fo figen 
richtig winzige Blattmilben darin, anein- 
andergedrängt wie Schafe im Stall, beun- 
rubigt wegen des ungewohnten Lichts. 

Das ift ein Acarodomatium — 
dieſes kleine Wortungeheuer bedeutet in der 
Gelehrtenſprache ein Häuschen, das der 
Lindenbaum freiwillig und aus eigenem 
Antrieb den Milben erbaut, weil er mit 


— — — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — — — — — — — — 


ihnen in gemeinſchaftlichem Haushalt lebt. 
— Ein ſolches Domatium befteht baupt- 
ſächlich aus Haaren, die aus den Blatt« 
nerven hervorjprießen, ſich libereinander- 
beugen und fo ein mohlgebautes, für ein 
milbengroßes Weſen wohl jehr behagliches 
Belt bilden. Dieje Zelte — und bier be- 
ginnt das Aufregende an der Sade — 
entftehen jedoch jchon, bevor die Milben 
da find: es ift dies ebenfo, wie wenn ein 
ordentlicher Hausvater zuerft die Einrichtung 
fertigftellen läßt, bevor er einzieht. Gie 
entftehen gleich, nachdem die jungen Linden» 
blättlein aus der Knoſpe gefrochen find, 
und barren ihrer Bewohner. Dieje rüden 
auch alsbald an. Aus ihren engen und 
dumpfen Winterquartieren kommen die 
Milben herausgezogen und bejegen die 
Sommermwohnungen. Die beſorglichen Mil 
benmamas legen nad etwas übereiliger, 
aber allgemeiner Inſekten und Spinnenfitte 
als erftes gleich ihre Eier ind neue Quar- 
tier, Aus diefen fchlüpft dann die junge 
Herde aus, die des Nachts oder an wolfen- 
verhüllten Tagen fo luftige Tänze aufführt. 
Es kommt ihnen dabei darauf an, allen 
Staub, Unrat, Bilzteime, was nur auf das 
Blatt gelangt ift, abzufrefien. Das ift ihre 
Nahrung, denn fie gehören zu der unter 
den Gliedertieren weit verbreiteten Gilde 
der Gefundheits- und Reinlichkeitspoliziften, 
dazu berufen, die Abfallftoffe zu vertilgen, 
d. h. fie wieder dem Kreislauf des Lebens 
zurüdzugeben. 


Das geht jo den ganzen Sommer über. 
Im Herbft, bevor die Blätter abfallen, 
wird das Zelt unbraudbar, denn die Schuß» 
haare biegen fih zurüd. Das ilt das 
Signal zum Aufbrud. Die Milben ver- 
lofjen ihre Domatien und gehen auf die 
Suche nad) einem geeigneten Winteraufent- 
halt. Früchte, Zweige mit Borfenrifjen, 
die warm hüllenden Schuppen der fürs 
nächſte Frühjahr fi ſchon ſachte vorberei- 
tenden Knoſpen, fie geben gute Schlupf: 
winfel ab, und wenn der heulende Herbft- 
wind die legten Blätter entführt, dann ift 
auch die Schar ihrer Sommergäfte zerftoben. 


An diefer anmutigen Geſchichte ericheint 
mandes unmahrjcheinlihd. Beſonders die 


Behauptung, daß der Baum freiwillig die 
DHaarneftlein bereitftele.e Man vermutet, 
daß den Beobadtern ein Irrtum unter- 
laufen jei und daß es fidy eigentlich um 
Pflanzengallen handle. Doc aud) die jorg- 
fältige Stontrolle beftätigt jene Behauptung. 
Nur in einem Punkte taucht allmählich eine 
andere Meinung auf. Der Hauptnugen 
diefer Symbioje jcheint für die Pflanze 
nicht fo jehr darin zu beftehen, daß fie be- 
ftändig von den Milben gereinigt wird, als 
vielmehr darin, daß fie von dieſen aud) 
beihmugt wird. Denn diefer „Schmuß“ 
ift eine fticjtoffhaltige Nahrung und fommt 
einer Pflanze ſtets zuftatten. ... 
Diejelben Milben — es handelt ſich 
dabei. hauptjählih um die Gattungen Ga— 
mafus und Tydeus — finden auch nod) 
bei mandhem andern Straudh und Baum 
Gaftfreundichaft. Befonders Linden, Krapp— 
gewächſe, Ol- und Lorbeerbäume, fomwie 
Becherfrüchtler find es, die Milbenhäuschen 
bauen, aud dann — menn fid) feine Mil» 
ben einfinden. Qundftröm machte darüber 
Berjuche, die feinen Zweifel beftehen laſſen. 
Er ſäte wohlgereinigten Samen von Linden, 
Lorbeerbäumen, Saffeebäumen und andern 
milbenliebenden Pflanzen in  fterilifierte 
Erde und erhielt doch wieder, auch wenn 
er ein Hinzukommen von Milben nod jo 
jehr verhinderte, ftets Pflanzen mit Domatien. 
Man kann fi dies gar nicht anders er- 
klären, als daß dieje Eigenjchaft einftmals 
durch Milbenbefall entftand, der die Blätter 
zu dieien haarartigen Wucderungen reizte, 
und die jpäter erblich wurde. Dieje Ber- 
mutung findet eine gewiſſe Beftätigung in 
der Zatjache, daß bei andern Pflanzen ſich 
die Milbenhäuschen erjt dann einitellen, | 


52 


wenn die Milben ein Blatt beſucht haben, 
mandmal aber auch mieder verjchmwinden, 
wenn ihre Bewohner ausgeftorben find. 

Auch find es nicht immer Haargeipinite, 
was die Pflanze ihnen zuliebe vorbereitet, 
obgleich dieje gerade bei unjeren Au» und 
Baldbäumen vorzugsmweije auftreten. Die 
Bude und die Bogelfirfhe machen es fo, 
au die Bergulme, der Spigahorn und 
die Erlen; aber ſchon beim Haſelſtrauch 
verwenden die Baumeifter anderes Material, 
indem bier die Ränder der Haupt» und 
Nebennerven zum Zeltdache beitragen. 
Unjere Steineihe bat die Sache wieder 
anders angeordnet. Jedes Blatt trägt nur 
zwei Häuslein, die dadurd) erbaut wurden, 
dab die Blattränder fih zurüdkrümmen; 
bei andern (namentlich erotijchen) Gewächſen 
find es flache Schalen, bei der Alpenlonizera 
wieder fleine QTäjchhen, ebenjo bei dem 
Ulpenribes, während bei der Yohannis- und 
Stachelbeere die Milben faft immer unter 
dem vertrodneten Kelch, an der Frucht, 
ohne beiondere Wohnung figen. Es fehlt 
aljo nicht an Mannigfaltigfeit. 

Dagegen ift diefe Erjcheinung bei jehr 
vielen Pflanzen völlig unbekannt, jo 3. 2. 
bei den Weidenarten, bei allen nur ein 
Steimblatt führenden Gewächſen und ebenio 
bei allen Nadelhölzern und Kräutern. 





*) Wir entnehmen diefe anziehende Schilde- 
rung Frances großangelegtem „Leben der 
Pflanze”, das zur Zeit in Lieferungen a 1 Mt. 
im Verlag des „Kosmos, Geſellſchaft ber Natur- 
freunde“ in Stuttgart (Geſchäftsſtelle Franckhſche 
Verlagsbuhhandlung) ericheint. Jeder Natur: 
freund mird durch bdiefes ausgezeichnete und 

länzend auögejtattete Werl viele genufreice 
tunden haben. 








Schaffet Aiftpläte für unſere Vögel! 
Bon Rudolf Bergner. 


Un uns ift e8, den Slampf gegen die 
Feinde unjerer Vögel zu führen, zugleich 
aber auch alles aufzubieten, um das zu er- 
halten, was uns am Bogelbeftand bisher 
geblieben if. Ganz töricht würde es fein, 
wollten mir jagen: „Weshalb jollen denn | 
wir die Vögel hegen und pflegen, da fie 
doh von anderen zu Millionen vernichtet 





werden?“ Bei jolcher Logik würden wir | 


jenen Barbaren gleih zu achten fein, umd 
die Folge wäre, daß es wirklich bald feine 
Bögel mehr gäbe. Nein, laßt uns retten, 
was’noch zu retten ift, einerjeits durch den 
Kampf, den wir mit Entrüftung gegen 
Gewinnſucht und mit Eifer gegen Unkennt— 
nis führen, andererſeits dadurch, daß mir 


‚ unjere lieben Fleinen Vögel durch Winter: 


fütterung unterftügen. Mit der Winter 


fütterung allein ift es natürlıch nicht ab» 
getan, es muß fi unſer Augenmerk aud 
darauf richten, daß wir den Bögeln das 
Dajein im Sommer erleichtern. 

Weil nun in der jchönen, anmutigen 
Jahreszeit Mutter Natur den Tiſch reich: 
lich dedt, indem fie Myriaden von Fliegen, 
Käfern, Raupen, Würmern, Früchten und 
Sämereien erzeugt, haben wir nicht not« 
mendig, in der warmen SYahreszeit die 
Vögel zu füttern, wir würden fie dadurch 
ihrer Beftimmung entfremden und uns jelbft 
ſchädigen; Dagegen jollen wir mit aller 
Sorgfalt auf das Darbieten von Wohnungen 
bedacht fein. Es ift nun einmal leider im 
Intereſſe der Vögelchen zu beflagen, daß 
man in unſeren nordiihen Yändern mehr 
und mehr ordnungsliebend und geminn- 
füchtig wird. 

Ein Borwurf full niemanden daraus 
erhoben werden; es handelt fich bier viel- 
mehr um Tatſachen, wie fie die fort- 
ichreitende Aultur im Gefolge hat. Der 
Forftmann entfernt in den feiner Obhut 
anvertrauten Wäldern jorgfam die hohlen 
und franfen Bäume; der Parkwächter und 
der Gärtner befleißigen ſich, das gleiche zu 
tun und jeden fränfelnden Baum fo bald 
al8 möglich durch einen gejunden zu er: 
jegen; auf den Wieſen und auf den Feldern 
fallen die Gebüjche, auf Daß der Wiejen- 
fultur und dem Wderlande mehr Boden 
gewonnen werde; und im großen und ganzen 
muß man mit eineı bemerkenswerten Ber: 
ringerung der Laubbäume und Büjche über- 
haupt rechnen. Das ift nun jehr ſchlimm 
für unfere Vögel. Sie fommen aus dem 
Süden, überwinden die Gefahren, die ihnen 
die Mordgier des Italieners und die Putz— 
juht der Modedame bereitet, und finden 
ihre Wohnungen nicht mehr. Das eine 
Pärchen ift ein Höbhlenbrüter, fein hohler 
Baum wurde gefällt, zerhadft und verbrannt ; 
das andere nijtet im Gebüſch, das Gebüſch 
wurde ausgerodet und das Land in eıne 
Wieſe verwandelt. Da iſt denn guter Rat 
teuer. Man fieht fid) nach neuen Wohnungen 
um; mas braudbar wäre, ift jchon be- 
jegt; man zieht in eine andere Gegend, 
um fi anzufiedeln und der Schaden ift 
da. Ein Starpärden vertilgt jährlich mit 
jeinen Jungen za. 150000 größere Schäd- 
linge, ein Meijenpärchen deren Millionen, 


53 


— — — — —— — — — — — — — 


Welche Nachkommenſchaft aber Hätten dieſe 
Schädlinge erzeugt! Hat man doch die 
Nachkommenſchaft mancher Fliege in einem 
Jahre auf za. 5000000 geſchätzt! Lohnt 
es ſich da nicht der Mühe, der Frage näher 
zu treten, wie fann man Nijtpläge jchaffen 
und Niftkäftchen aufhängen? 

Wer den Bögeln Freude bereiten will 
und ihnen und fich jelbft zu helfen wünjcht, 
der trachte danach, dab nicht jeder hohle 
Baum fajliert wird; er rede den An 
pflanzungen von dichtem Gebüſch das Wort; 
er richte die Aufmerkjamfeit der Gemeinde- 
vertretungen und der Anpflanzungs- und 
Berjchönerungsvereine auf den jo wichtigen 
Vogelſchutz; er jorge dafür, daß durch orte» 
polizeiliche VBorjchriften das Bejchneiden der 
Heden nur im Herbſte oder im zeitlichen 
Frühjahre geichieht, weil fonft manche Brut 
gehindert oder zeritört wird; und wo ſich 
ein Bogelpärden einen ungewöhnlichen Wohn: 
ort ausgefucht hat, wie bei Denfmälern, in 
Häufern, in Yufthäufern, da dulde man es 
und halte jede Störung fern. Außerdem 
empfehle man die Anlage dichter lebender 
Heden. Den Slindern aber jage man nn- 
unterbrochen, daß jedes Vogelneft in feiner 
funftvollen Ausführung, mit feiner ent- 
züdenden Auskleidung durch dürres Laub, 
Gras, Moos, Haare, Federn, Reijer, Erde 
und Lehm von den Wundern der Schöpfung 
predigt, wie e8 in rührender Weiſe für un- 
nachahmliche, aufopferungsvolle Elternliebe 
zeugt, und man lehre die Slinder das Bogel- 
nejt al& ein Heiligtum betradhten. Wie 
da8 Schwalbenneſt und die Schwalbenbrut 
dem Landmanne heilig ift, jo möge fortan 
auch jedes Vogelneſt jedermann heilig fein. 
Iſt die Wohnung bezogen, jei es das Neit 
im Gebüjch, die Baumbhöhlung oder das 
Niftkäftchen am Baume, jo jorge man für 
das Fernhalten ftörender Einflüffe, ins- 
beiondere für das der Vogelfänger und der 
Hagen. Zum Schug gegen taten befeftige 
man in Meterhöhe um den Baumjtamm 
einen Dornenfranz oder ein Drahtgefledt. 
Außerdem verfheuhe man fie dur Be» 
Iprengen mit faltem Waſſer. 

Yeder Park. und Gartenbeliger jollte 
auf die Anlage eines Vogelheims bedadjt 
fein. Er fchaffte in einer Ede feines Befig- 
tums ein dichtes, jchattiges Gebüſch. Ferner 
aber follten der einzelne, die Vereine und 


die Behörden darauf achten, daß Eijenbahn- 
einfchnitte, Eifenbahndämme und Ufer- 
böſchungen entiprechend bepflanzt werden, 
Und endlidi möge man Feldgehölze oder 
Nemifen jchaffen. Auf mertlofen oder 
wenig wertvollen Grundparzellen foll man 
fie anlegen. Der Boden wird rigolt oder 
doch ftarf gelodert, und was bisher als 
unfruchtbare Berghalde oder unbeachteter 
Weidefleck galt, trägt nach furzer Zeit eine 
Buſch- und Baumgruppe, in der fich Vögel 
wohlfühlen. Solche Feldgehölze feien hier: 
mit allen Bogelfreunden nahdrüdlichit emp- 
fohlen. Ganz befonders eignen fich zum 
natürlichen Bogelheim megen dichter Be- 
laubung Hainbuche, Rotbuche, Salbei, Yas- 
min. Wegen ihrer den Bögeln als Nah. 
rung dienenden Früchte empfehlen wir 
BVogelfiriche, Bogelbeere, Faulbaum, Holun- 
der, Schneebeere, Yohannisbeere und wegen 
ihrer auffälligen Befiedlung durch Ungeziefer 
Bappel, Weide und Ginſter. Weißdorn, 
Schmwarzdorn und milde Roſen ftehen bei 
den Bögeln in großer Gunft. Das Ideal 
eines ſolchen natürlichen Vogelheims bleibt 
allezeit ein auf allen Seiten vom Wafjer 
umzogenes Stückchen Land, welches, wie 
die weit und breit befannte Vogelinjel des 
botanifhen Gartens zu Gießen, die Idylle 
gegen mutivillige Knaben und Katzen ab- 
jchließt. Sie ift und muß ſelbſt im Fleinften 
Maßftabe unferen Bögeln als Paradies 
erjcheinen, und man hat vorgeichlagen, an» 
ftatt hervorragenden Drnithologen koſt— 
ipielige Denkmäler aus Stein zu widmen, 
zu ihrem Gedenfen folhe Bogelinfeln zu 
Ihaffen und diefe nad) jenen großen Vogel: 
freunden zu benennen. 

Wir Haben vorftehend einige Winke 
über die Erridhtung von Niftplägen erteilt 
und fommen nunmehr zur Beiprechung der 
Niftkäften. Solche find für unfere Höhlen- 
brüter eine große Wohltat, nur müffen fie 
genau nad Bedürfnis der einzelnen Vogel- 
arten angefertigt und richtig aufgehängt 
werden. Sollte dennoch die Befiedelung 
nicht fofort erfolgen, jo möge man nicht 
mit dem Geſchick und den Fleinen Sängern 
hadern, dieje find begreiflicherweife miß- 
trauifh und nehmen die Käſtchen nicht 
immer jchnell an. Die Befeftigungshöhe 
über dem Grdboden beträgt für Stare, 
Bachftelzen, Wendehälfe T—8 Meter, für 


Meifen 4—5 Meter nit an großen Bäumen, 
für Rotſchwänzchen 3—4!, Meter an mitt: 
Ieren und großen Bäumen, für Fliegen 
fchnäpper 3 — 4'/s Meter an großen Bäumen. 

Die Niftkäftchen werden am beften aus 
Baumftämmen hergeftellt. Bor dem Flug: 
loch fann fih ein Zmweiglein oder auch ein 
Holzſtock zum Sißen befinden; nur fei er 
klein, damit er nicht Raubvögeln zum An: 
flug diene. 

Die Erfahrung hat nun die folgenden 
Geſetze gelehrt: Für Stare fann man hohe 
Bäume auswählen, aud mehrere Käſten 
an einem Baum anbringen, da der Star 
mit jeinesgleihen gut ausfommi. Meijen- 
fäften find da zu befeftigen, wo mehrere 
Bäume beieinander ftehen und in der Näbe 
womöglich kleine Tannen und Fichten find; 
das Flugloch ſoll ichräg nach dem Boden 
zu Stehen, ıhre Käften find gleich denen für 
Rotihwänze und Fliegenſchnäpper mit 
Dornen zu ſchützen. Die Niftkäftchen für 
die beiden legtgenannten Vogelarten bringe 
man an Gartenhäujern und Wandgefimjen 
an, auch der Starfaften kann am Dad 
giebel befeftigt werden. Die Befeftigung 
an Bäumen geicieht am bejten mit Draht; 
das infchlagen von Nägeln würde den 
Baum beihädigen. Der gewählte Baum 
darf nicht allzu frei ftehen und muß fid 
frühzeitig belauben. Alle Käſten jollen feft 
hängen, damit fi) der Bogel nicht jchredt; 
alle jollen mit dem Flugloche gegen Sonnen— 
aufgang gerichtet fein und alle müſſen im 
Frühjahr gründlich gereinigt werden, damit 
der alte Unrat entfernt wird und die Vögel 
nicht durch die jo läftigen Vogelmilben zur 
Verzweiflung getrieben werden. 

Wer nad) einem billigen illuftrierten 
Leitfaden ſowohl für die Winterfütterumg, 
wie für die Niltfäften jucht, ſei hingewieſen 
auf die vorzüglihen im Berlage von B. ©. 
Teubner, Leipzig, Poftftraße 3, erfchienenen 
Schriftchen: „Wutterpläge für Bögel im 
Winter”, von Hofrat Profefior Dr. K. Tb. 
Liebe. Bollftändig neu bearbeitet von Dtto 
Kleinſchmidt. 1 Stüd 20 Pfg., 100 Stüdf 
5 Marf, — „Niftpläge und Niftfäften“ 
Jubiläumsſchrift von Dtto Kleinſchmidt 
1 Stüd 20 Pfg., 100 Stüf 5 Mark. 

Beide Schriftchen find auch beim Ber 
liner Tierſchutz-Verein zu beziehen. 

(Anwalt d. Tiere.) 


55 


Poeſie und Brofa in der Haturwiflenidaft. 


Was in dem Bettenkoferhaus-Bortrags: 
zyklus in Münden Brof. Lipps jeinen 
Zuhörern neulich bot, war ein feiner geiftiger 
Genuß. Man befam wieder einmal ein 
flares Bild von der Scheidung, die im In— 
terejle der Naturwifjenichaft wie der Philo- 
jophie nötig ift. 

„Naturmwiffenichaft und Poeſie“ — dieſe 
Wortverbindung fcheint ein Widerſpruch in 
fich ſelbſt. Wiſſenſchaft und gar erit Natur 
wiſſenſchaft ift nüchterne Broja. Aber in 
diefe Proſa fann Voeſie hineingetragen 
werden und auf dem Wege etwas entitchen, 
was als Naturmiflenichaft gilt. 

Einft Überflutete die Philojophie ihre 
Grenzen und flutete hinein in das Gebiet 
der Naturwiſſenſchaften Das Ergebnis 
war ein Dillettantismus jchlimmer Art: die 
Naturphiloiophie. In gewiſſer Weije haben 
wir jetzt das Gegenteil: die Naturwifjen- 
ſchaft flutet hinein in das Gebiet der Bhilo 
fophie und die Folge ift ein bedenflicher 
philofophiicher Dilettantismus gewiſſer Na- 
turwiſſenſchaftler. 

Die Naturwiſſenſchaft, heißt es, „erkennt 
den Zuſammenhang der Dinge“, die 
Beziehungen zwiſchen den Dingen, die 
geſetzmäßigen Kräfte, die in den Dingen 
fi offenbaren, die Energie, die in ihnen 
verborgen iſt. Sie erfennt nun in Wirk. 
lichkeit nur, daß ein Stein fällt, wenn wir 
ihn nicht ftüßen, daß ein Magnet das Eiſen 
anzieht. Aber wir begnügen uns nicht mit 
diejen Sonftatierungen von Beziehungen der 
Dinge untereinander. Wir jagen, nicht nur 
das Eijen bewegt fich auf den Magnet hin, 
wir jagen, e8 muß dies tun Wir unter: 
icheiden das Müſſen vom einfachen Ge- 
jchehen, weil wir das Eijen anthropo- 
morphijieren, es uns als lebendes 
Weſen denfen. Ebenjo wenn wir von 
einer Anziehungskraft des Magneten jprechen, 
jo vermenfchlichen wır auch hier wieder das 
Lebloje und ſchmücken das Dajeın und Ge: 
ichehen in der Welt der Dinge mit un 
jeren Eigenjchaften, nur müſſen wir uns 
klar fein, daß wir nicht mehr auf dem Boden 
der naturwifjenfchaftlichen Erkenntnis ftehen, 
wenn wir von einer Naturfraft, von 





von Naturnotmwendigfeit ulm. jprecen. 
Die Raturwiffenihaft kann nicht um ſolche 
Formen in ihrer Ausdrucksweiſe herum: 
fommen, denn fie muß ihre Worte der 
menjchlihen Sprache entnehmen, Aber fie 
muß fich bewußt jein, wo das Bild aufhört 
und die Sache anfängt. Wır dürfen in den 
Naturfräften nicht mehr jehen als poetifche 
Schöpfungen unjerer Sprade. Und e8 
gibt Solche Naturforicher, die den leeren 
abjtraften Begriff der Energie, 3. B. diefes 
fünftlich bergerichtete Schubfach, durd) das 
es gelingt, beliebige Naturgeſchehniſſe von 
einer beftiimmten Seite ber zu fallen und 
vergleichbar zu machen, zum allumfafjenden 
Träger des Weltgeſchehens machen, für eine 
Subftanz ein Ding halten, das man mit 
Sceffeln meffen fann. Schon in der älteften 
Geſchichte der Philoſophie war einmal eine 
folche Naturpoefie den Philoſophen über die 
Köpfe gewachſen. Das war zur Zeit der 
Pythagoräer. Da jah man die Zahlen als 
die mweltbewegende Macht an, Geiftesver- 
wandt namit ift der fcholaftiiche „Realismus 
der Univerjalien.” 

Die Aufgabe der Naturwiſſenſchaft 
ift es, die Erfcheinung zu erforjchen und in 
ein Syſtem einzuordnen, in dem alles mit 
allem nad) allgemeinen Gejegen zuſammen— 
hängt. Die Philojophie beichäftigt fich 
damit, die Geſetzmäßigkeit der Erjcheinungen 
in Begriffe zu faflen, wozu in legter In— 
ftanz die einzige Möglichkeit durch unjer 
Bemwußtjein gegeben ift. Durch diejes Be- 
mwußtjein führt der Weg zu dem, wonach 
die Naturmwifjenichaft fir immer und emig 
vergeblich forichen wird, zu dem Wejen der 
Dinge, zu dem „Was“ der Welt. Freilich 
ift die Philofophie auch in diefem Punfte 
Stücmwerf. Wäre es dem menſchlichen Geift 
bergönnt, die Gejchmäßigfeiten, welche die 
Naturwiffenihaft erfennt, aus der Sprade 
der Erjcheinungen in die Sprade des Wirf- 
lihen zu übertragen, aus der Sprache des 
Scattenipiels die Geſetze des Wirflichen 
berauszulejen, dann hätten wir volle Er- 
fenntnis. Aber es jcheint und nur erlaubt, 
jo jchloß der Bortragende, den Verlauf des 
Gejchehens auf der Bühne der Wirklichkeit 


Trägheit der Maijen, von Anziehung, | im Schattenfpiel zu fehen. 


— 56 


Unfere Urahnen aus der Hteinzeit. 


Im Laufe der legten Jahrzehnte ift un- 
fere Kenntnis von den Geräten und damit 
auh vom Leben des Menfchen in der vor- 
geſchichtlichen Steinzeit um vieles gewachſen, 
und man fann fich jegt in manchen Dingen 
ein ganz gutes Bild davon madjen, was 
diefe unfere Borfahren vor vielen Yahr- 
taufenden trieben. Im allgemeinen ift bis- 
her der Standpunft vertreten worden, daß 
man von einer nennenswerten Kultur jener 
meitentlegenen Beit noch nicht reden könne. 
Nah der Anfiht von Dr. Eduard Hahr, 
die in jeinem vielfeitigen Werk „Das Alter 
der wirtichaftlihen Kultur der Menichheit” 
(Heidelberg, Karl Winterd Univ.-Bud 
handlung) auseinandergejegt wird, hat man 
die Steinzeitmenjchen bisher etwas unter- 
Ihägt. Einmal iſt die Anfchauung zu be» 
richtigen, derzufolge die Menſchen damals 
nur Steingeräte beſeſſen haben ſollen. Na- 
mentlich die großartigen Funde bei Schaff- 
haufen am fogenannten „Schweizerbild“ 
haben bewiejen, daß der Steinzeitmenſch 
auch aus Knochen vielerlei Nüpliches her- 
zufiellen mußte. Auch leifteten die Leute 
damals jchon recht Anerfennenswertes in 
Beichnungen und Schnigereien, ſogar Befjeres, 
menigftens an Originalität, als man e& bei 
vielen jpäteren Bölfern finde. Hervor— 
ragende Forſcher haben die Menichen der 
Steinzeit in ihren mirtjchaftlichen Verbält- 


niffen mit den Esfimos verglichen, aber die | 


Berjchiedenheit muR doch eine ziemlich er: 
heblihe geweſen fein; jedenfall® äußert 
Hahn von der geiftigen Entwidlung der 
Esfimos eine recht hohe Meinung, wie fie 
von den Steinzeitmenfchen doch nicht voraus: 
gejegt werden fann. Bon einzelnen Kul— 
turerrungenichaften der legteren ift nament- 
lid das Feuer zu nennen, über das fid 
der Menjch damals bereits eine fichere Ber: 
fügung verjchafft hatte. Daraus folgt, daß 
man in der Steinzeit bereit8 baden, braten 
und röften Eonnte. Zum Kochen gehörten 





Hahn nad, dak darum die Töpferei noch 
nicht erfunden zu fein brauchte. Das Kochen 
war auch in Steinlödhern möglich, und die 
Benennung folder Tücher als „Riejentöpfe” 
führt der Forfcher auf eine uralte jagen- 
hafte Erinnerung an dies Verfahren zurüd. 
In ſolchen Steinlöhern konnte das Kochen 
begreiflicherweife nur auf einem Ummeg 
geichehen, indem nicht die Speije jelbit über 
Feuer erwärmt oder das Waller im Loch 
durch glühende Steine zum Kochen gebracht 
wurde. Noch wunderbarer berührt uns die 
Mitteilung, dag jene Urmenjchen aud) ſchon 
gewiſſe berauſchende Getränke herzuſtellen 
vermochten. Hahn erinnert daran, daß die 
Naturvölfer Auftraliens, die angeblich ziem- 
(ih) am Anfang einer Kultur ftehen, nod) 
heute aus dem Honig von Holzbienen in 
Felslöchern oder in gebogenen Rindenjtüden 
durch Gärung ein alfoholhaltiges Genuß: 
mittel bereiten. Aber auch das Bier jelbit, 
fo weit man darunter einen gegorenen Ab- 
jud von Getreidekörnern verfteht, war den 
Steinzeitmenfhen vermutlid ſchon befannt. 
Allerdings hatten fie, da der Aderbau noch 
nicht erfunden war, auch fein eigentlihes 
Getreide zur Verfügung, behalfen ſich aber 
mit dem Samen von wilden Gräjern, die 
in die nämliche Pflanzengruppe gehören. 
Eine derartige Bierbereitung ift noch jeßt 
bei amerifanifchen Sndianerftämmen zu 
finden. Der Zuſatz von Hopfen ift erft 
jehr viel jpäter hinzugefommen, vermutlich 
erst jeit etwa einem Jahrtauſend. Was 
die Kleidung des Steinzeitmenfchen betrifft, 
fo beftand fie in der Regel wahrſcheinlich 
aus Fellen, die aber ſchon mit oft recht 
zierlichen Nadeln und PBfriemen aus Knochen 
zufammengebeftet wurden. Auch Spinnen 
und Weben reicht in feinen Uranfängen 
vermutlich jehr hoch in die vorgeichichtliche 
Beit zurüd. Daß ein gewifjes Kunftbedürfns 
in der Steinzeit vorhanden war, hat ſich aus 


' Wandmalereien in Höhlen und durch bunte 


nun allerdings auch Geſchirre, jedoch weiſt 


Verzierungen von Kiejeln ergeben. K. 








Die Urheimat der Germanen. 
Die fulturgefhichtlid überaus wichtige | Entdefungen ein jehr verändertes Ausſehen 


Frage, wo die Urheimat der Germanen zu | gewonnen. 


Die frühere, vornehmlich auf 


fuchen fei, bat durch eine Reihe neuerer ſprachlichen Beweiſen beruhende Borjtellung 


bon einer weltunfpannenden Maflenwande- 
rung der indo ariichen Urftämme im Jugend» 
alter der Menfchheit Scheint, wie Dr. Erif 
Boigt aus Stodholm im jüngften Hefte 
der „Deutſchen Rundjchau fir Geographie 
und Statiftif” hervorhebt, mehr und mehr 
der Muffaffung weichen zu müflen, daß die 
Abzweigung der germanischen Urrajjen der 
alleräfteften Kulturphafe angehört, und daß 
fie innerhalb eines vergleichsweiſe beichränt- 
ton Naumes auf der ffandinavifchen Halb- 
infel vonftatten gegangen if. Nad den 
Darlegungen des befannten Borzeitfennerd 
Brofeflor Axel v. Koch find in erfter Reihe 
die Küſtenſtrecke des jüdlichen Schwedens 
(Schonen) und dann das ganze Gebiet 
zwijchen Göta Elf, der Inſel Gotland, See- 
land, fowie gewiſſe Teile des nördlichen 
Deutichlands zwiſchen Dder und Elbe als 
der eigentliche Urjig der germanischen Raſſe 
anzufehen, Bun da aus erfolgte die große 
Wanderung in jüddftliher Richtung, um 
erit am Schwarzen Meere ihren vorläufigen 
Abſchluß zu finden. Zahlreiche Befunde 


ſprachlicher und volfsfundlicher Art legen | 


Zeugnis davon ab, mit welcher Planmäßig: 
feit die alten Gotenſtämme bei der Aus: 
wahl ihrer neuen Wohnfite zu Werfe gingen. 
Noch im Sommer 1905 hat E. v. Stern 
auf der Inſel Berezanij im Schwarzen 


57 








Meere eine altnordiſche Steinfchrift 
zutage gefördert, die einen unmittelbaren 
Beweis dafür liefert, daR die alte gotijche 
Heerſtraße zwifchen Oftjee, Weichiel, Dnjepr 
und Schwarzen Meere bi8 „Miflagard” 
(d. i. große Stadt, Byzanz) bis in gefchicht- 
liche Zeiten hinein ein bevorzugtes Binde: 
glied zwiichen dem Norden und Gliden 
Europas darftellte. Rußland ift das Land 
der Ros oder Ruotſi — das find die alt- 
nordiihen Wäringer Solonifien. Das 
klaſſiſchſte Zeugnis aber bildet wohl der 
berühmte Marmorlömwe von Piräus, 
jeit 1687 in Venedig, ein Werf griechifcher 
Bildhauerkunſt, das aber an den Lenden- 
jeiten zwei lange, exit ſpät entdeckte Runen- 
jchleifen aufmweilt, deren Inhalt von ruhm- 
reichen Fahrten der Goten nad) dem Wittel- 
meere und Byzanz Kunde gibt. Übrigens 
wird aud in dem veichen Sagenjhage aus 
jpäteren Perioden der Gotenwanderung 
immer wieder Sfanza oder Sfondia (Schonen) 
als Bezeichnung der Urheimat aller ger: 
maniichen Stämme angetroffen; und es 
wird als ſicher anzujehen fein, daß die 
dort beheimateten Stämme bereits auf eine 
mehrtaufendjährige Entwidlung zurückblicken 
funnten, als fie fich zu ihren Wanderungen 
in Bewegung fegten. K. F. 
(MN. R.) 


Die Raſchi-Kapelle in Worms. 


Die unter Denkmalſchutz ftchende Najchir | 


Stapelle bei der Synagoge ins Worms joll 
ausgebejlert werden. Nach einer Verfügung 
des dortigen Streisamts darf die Schrift 
an Rajdyi- Stuhl nur gereinigt werden und 
es jofl eine Überjegung derfelben angefertigt 
werden, Cine daraufhin vorgenommene ge: 
naue Befichtigung des Raſchi Stuhles hatte 
nım das Ergebnis, daß ſich nicht nur eine 
Schrift an der Außenfeite des Stuhles 
vorfand, jondern aud an den drei innen: 
jeiten Ynfchriiten aufgedeft wurden. Man 
hofft, dieſe nach gründlicher Reinigung ent: 
ziffern und mit Hilſe diejer Inſchriften 
vielleicht einen wiſſenſchaftlichen Streit ber 
treffend die Erbauungszeit der Rafdi- 
Kapelle enticheiden zu fünnen. Durd 
Urkunden läßt ſich nämlich feftftellen, daß 





| 





die jetzige Kapelle im Sahre 1624 von 
Tavid, Sohn vor Joſua Joſeph Oppen: 
heim, erbaut wurde. Der frühere dortige 
Prediger Dr. Levyſohn (Stodholm) be- 
hauptete nun, daß Oppenheim die Raſchi— 
Kopelle an der Stelle eines früher ſchon 
beitehenden Baues wieder aufbauen 
lich, indem er das hebräifhe Wort „bonoh* 
mit „wiedererbauen” überjegt. Dagegen 
vertritt der Altertumsforicher U. Eppftein 
(Wien) die Anficht, daß das Wort „bonoh* 
mit „bauen“ zu überjegen fei, und daß 
Oppenheim die Stapelle neu erbaut habe, 
ohne daß fie mit Raſchi in irgend einem 
Bufammenhang ftehe; das. Raſchi Lehrhaus 
habe ſich vielmehr in dem heutigen israe 
litifchen Hoſpital befunden. 


Br. 8.) 


58 


Deulſche Eigennamen. 


Im Gegenfag zu dem heute üblichen 
Sprachgebraud, eine Berfon außer mit dem 
Vornamen (Eigennamen) auch noch mit dem 
Familiennamen zu bezeichnen, benannten fich 
unfere Vorfahren, die Germanen, feit alters 
her bis ins Mittelalter hinein jeweils nur 
mit einem Namen, dem Eigennamen. 
Solche Namen, die durchgehends Bezeich— 
nungen aufmeifen, die auf den friegerijchen 
Beruf, auf Waffen, Kampf, Ruhm und 
Herrſchaft hindeuten, waren: Danfıvart, 
Dierleib, Gunther, Hildebrand, Notger, Ort« 
lied, Sigenot, Theoderich; aber auch die 
rauen hatten ihren Anteil daran: Brun— 
bild, Gerlind, Gudrun, Hildeburg, Bilde- 
aund, Kriempild, Sigelind. 

Seit der Einführung des Chriſtentums, 
aljo jeit dem 9./10. Jahrhundert, erhielt 
der neu in die Kirche Aufgenommene einen 
biblifchen oder Heiligennamen (David, Jo— 
hanncs), doc) wurden diefe fremden Namen 
nur im kirchlichen Leben geführt, dev gute 
deutihe Name blieb meiterbejtchen. 

Am 14, Jahrhundert traten alsdann 
mit dem Verfall des Wittertums, nachdem 
ih die höfiſchen Romane eines Wolfram 
von Eſchenbach vder eines Gottfried von 
Straßburg zu Voltsbüchern umgewandelt 
hatten und ſomit weithin befannt waren, 
die daraus entnommenen, zum Teil breto: 
niſchen oder feltifhen Namen wie Parzival, 
Gawan, Herzeloide, Triſtan, Iſolde, ins 
Volk über. 

Inzwiſchen hatte ſich die Sitte heraus 
gebildet, eine Berjon außer mit dem Eigen: 
namen auch noch durch ihre Zugehörigkeit 
zur Familie, aljo dem Familiennamen 
zu Sezeicdinen, wozu wohl vor allem der 
Umstand beitrug ein Individuum möglichft 
von den anderen mit gleidyen Eigennamen 
ſchon aus jozialen und rechtlichen Gründen 
zu umterfcheiden. WUnfäge zu diejer Zwei— 
namigfeit treten feit dem 12./13. Jahr 
hundert auf; die Literatur diefes Zeitraums 
tweilt bereits einen: Heinrich den Glicheſäre 
(Gleißner- Zöllner), einen Wernher den Gar—⸗ 
tenäre und andere auf. Zumeiſt geben dieje 
Namen Stand und Gewerbe des Trägers 
an: Müller, Kaufmann, Bittel, Hoch, Berk, 
Hafner, Mebger, Schmied, Scloffer, Bud): 
ftab (Vehrer), Schneider, Ziegler, oder die 


' die Seele diefer Bewegung. 
| Patein, dem zuliebe fih mande wie die alten 


Herkunft: Bayer, Württemberger, Elſäſſer, 
Bürder, Defterreiher, Schweizer, Sadje 
oder irgend welche charakteriſtiſche Merk: 
male: Schwarz (von der Haarfarbe), Bart, 
Böß, Echlimm, Ehrlicher, Groß, Klein, 
Lang, Mohr, Hübfch. Freilich hatten dieje 
Benennungen zu Anfang noch nicht wie jet 
mit dem Familiennamen eine organiſche 
Berbindung eingegangen, wie der noch hie 
und da beigefegte Artikel beweiſt, jondern 
fie dienten hauptfächlicd zum Unterzeichnen 
von Urkunden oder fonftigen Schriftfiüiden, 
waren alfo gewifjermaßen zuerft nur Schreib- 
namen, um den Betreffenden noch näher 
bezeichnen zu können. Die äftefte Urkunde, 
in dev uns eime ſolche zwiefache Benennung 
zum erften Male entgegeniritt, ſtammt aus 
Bafel um 1250, in der fid ein Ditericus 
dietus (genannt) Beck unterzeichnete, aljo 
ein Bäder feines Zeichens. Mit Anfang 
des 14. Yahrhunderts bürgerte ſich Diele 
Art der Benennung immer mehr ein, bis 
fie im Verlaufe diefer Zeit völıg durchdrang. 

Die lateinifshe Spracde, die neben dem 
mehr dulgären Deutſch die eigentliche, offi 
zielle Sprache des Staates, der Kirche und 
der gelehrten Kreiſe war, zeitigte eine neue 
Tendenz, nämlich die Familiennamen ins 
Lateiniſche zu übertragen oder zur lati- 


nifieren. So eutjtanden Namen wie Biftor 
(Bäder), Agricola (Land: oder Baumarın), 


Molitor (Müller), Sutor (Schuiter), Faber 
(Schmied), Textor (Weber) oder Mullérus, 
S:ultetus (Schulze) und viele andere. Dies 
Beltreben kam bereit3 vor dem Eindringen 
des Humanismus (Wiederaufleben der an- 


‚ tifen Nunft und Wiffenjchaft) in Deutidı: 


land auf, wie Urkunden aus den Matrifeln 
der Heidelberger Univerfität aus dem Jahre 
1450 beweijen. Auch diefe Wortüberfegungen 
und Latinifierungen wurden zuerft nur zur 
Namensunterfchrift gebraucht und murden 
dann erit in den allgemeinen Ddeutjchen 
Spracbereih eingeführt. 

Selbjiverftändlich wurde dieje Gepflogen- 
heit durch den Humanismus etwa mit dem 
Jahre 1490 erſt recht gefördert und vor 
allem war Reudlın, der gründliche Kenner 
ı der griechiſchen und hebräiichen Spradye, 
Außer dem 


Römer den Geſchlechtsnamen noch einen | 


dritten Namen beilegten, wirfte auch die 
griechiihe Sprache ein, jo daß Namensbil- 


dungen entjtanden wie Gapnio (Reudlin), | 


Melanchthon (Schwarzert) Grachus Pierius 
(Grachenberger); beionders günftig aber 
waren die Träger von unſchönen, deutjchen 
Namen daran, die fie in mohlklingende 
lateinifche oder griediiche Benennungen um 
bildeten; jo wird Hajenfuß zu Dafypodius, 
Hausjcheın zu Decolampadius, Hofanderlc 
zu Dfiander und andere mehr. 


Dieje Sitte oder vielmehr Unfitte machte 


ſich anfangs nur in der gefchriebenen Sprache 
geltend, vor allem wurde fie in der gelehrten 
Korreſpondenz gepflegt. Zu wirflichen Fa— 
miliennamen aber wurden dieje lateinijch- 
grichiichen Namensbildungen erſt im IT. 
Jahrhundert, einer Zeit in der diefe Mode 
bejonders bei den Proteftanten, aber aud 
bei den Katholiken ſich großer Beliebtheit 
erfreute; denn es war ja die Zeit, wo in 
Deutidland die Nahäffung fremdländifchen 
Weſens und ausländijcher Eigenart als Be: 
weis für bejonders feine Bildung galt. 
Segen diefe Modetorheit wendete fich 
vor allem der bedeutendfte Satirifer des 
16. Hahrhunderts Fiſchart und goß die 
Iharfe Lauge jeines Spottes über Ddiejes 
Unmejen aus. Gleichwohl dauerte dieſe 
Bewegung bis zur Flaffifchen Literatur: 
periode eines Goethe und Sciller, bis ihr 
die Romantif, die fi) mit Vorliebe in die 


59 — 
Betrachtung des Mittelalters verjenfte und 
der wir die Schöpfung der ganzen deutichen 
Altertumsfunde zu verdanken haben, end- 
gültig Einhalt gebot. Auch die Eigen— 
namen, die natürlich jeit dem Emporfommen 
der Familiennamen die Stelle des Vor— 
namens erhalten, erlitten eine Veränderung. 
Seit dem 14. und 15. Jahrhundert ge- 
langten nämlih im Bürgertum und im 
Bolfe, durch die Kirche beeinflußt, im Gegen: 
fage zu den altgermanijchen Namen, biblıjche 
' und Heiligennamen aus dem Lateinijchen 
und Hebräifchen zur Geltung, während ſich 
der Ndel dagegen noch ablehnend verhielt. 
Gegen diefe Neuerung erhob ſich alsbald 
in den reformatorischen Kreifen Oppofition. 
Noch zu Luthers Lebzeiten erjchien in Witten- 
berg ein lateinijches, anonymes Büchlein, 
welches eine Anzahl altehrwürdiger, deutjcher 
Namen enthielt. Dagegen eiferte der fatho- 
liſche Gelehrte Wizelius und befürmortete 
die biblifchen und SHeiligennamen, deren 
Sinn er erflärte, während er anriet, die 
altgermanifchen Namen wie Wolf, Ebert, 
Us, Eung zu meiden. 
infolge der Reformation fam es jedoch 
ichließlih zu einer bis auf den heutigen 
Tag fortdauernden ſprachlichen Spaltung, 
indem der proteftantiihe Norden an den 
überfommenen, deutfchen Eigennamen felt: 
hält, der fatholifhe Süden dagegen mehr 
den lateinifchen und hebräiſchen Vornamen 
zuneigt. Dr. &d). 





Ofertag: Denkmal. 


Bum Andenken des mweiland farferlichen 
Nates Dr. Valentin DOftertag, deſſen 
Name durch eine im Jahre 1519 gegründete 
MWohltätigfeitsftiftung in Bad Dürkheim in 
hohem Anfehen fteht, foll im Kurpark dort- 
jelbft ein Denkmal errichtet werden. Bur 


Erlangung von Entwürfen fir dieſes Denf: - 


mal wird ein Wettbewerb unter den in 
Bayern lebenden Stünftlern eröffnet. Das 
Denfmul muß den Zweck der Erinnerung 
an Dr. Valentin Oftertan erkennen laflen, 
doch darf dieſer Zweck nicht durch ein 
Standbild oder cine Büſte zum Ausdrud 
gebracht werden. Für die Heritellung des 
ganzen Denkmals ſteht mit -Einrechnung 


eines aus dem ftaatlihen Kunſtfond 
gewährten Zuſchuſſes die Sunme von 
27500 Mark zur Verfügung. Bon der 
Staatsregierung find als Preisrichter er— 
nannt die Herren: Profeſſor A. v. Hilden» 
brand, Afademieprofeilor B. Schmitt, dıe 
Alademieprofefforen R. v. Seit und Franz 
v. Stud, jämtlih in Münden, Aus dem 
Stadtrat zu Bad Dürkheim find fiir das 
Breisrichterfollegium beſtimmt die Herren 
Bürgermeilter Rudolf Bart, Adjunft Heußer, 
Dr. 9. Biſchoff, Gutsbefiger J. ©. Zumftein. 
Für Geldpreife jteht ein Betrag von 200 
| Marf zur Berfügung. 





60 


Aundertjahr-Gedenkfeier der bayerifhen Landesvermellung. 


An dem mit den Porträten und Werfen 
der Männer aus den Unfangszeiten der 
bayeriichen Landesvermeffung, mit Appa— 
raten, Inſtrumenten und Gerätjchaften 
ftiimmungsvoll ausgeftatteten, mit Lorbeer 
reich deforierten Mufeumsfaal des Statafter- 
bureaus in Münden fand unlängft eine 
fleine Gedenkfeier ftatt, zu der fidh Die 
Beamten des Bureaus vollzählig eingefunden 
hatten, Der Borfiand, Regierungsdireftor 
Wilhelm v. Camerer, begrüßte zumädhft 
den als Vertreter des Finanzminifters er- 
ſchienenen Regierungsrat Biegler, zollte 
dem Steueraſſeſſor Aman für das anläß- 
(ih der Humdertjahrfeier verfaßte Werk 
mwärmjten Dank und Anerkennung und gab 
dann eine umfaffende Darftellung der Ent- 
wicklung der bayerifchen Landesvermeſſung 
im erjten Jahrhundert ihres Beftehens und 
ehrte darin zugleich das Gedächtnis der um 
die Yandesvermeflung verdienten Männer; 
er danfte den Beamten des Bureaus und 








bat fie, in ihrer ferneren Mitarbeit nicht 
zu erlahınen, damit der gute Ruf der 
bayeriihen Landesvermeffung auch im 
zweiten Jahrhundert in Ehren bejtchen 
möge. Negierungsrat Biegler bradıte 
des Finanzminifters volle Zufriedenheit mit 
der Tätigfeit des Kataſterbureaus zum Aus: 
druck; er würdigte die hohe Bedeutung 
dieſes Anftitutes für das allgemeine Staats: 
wohl, für die Landwirtſchaft, Induſtrie und 
den Ymmobilienverfehr und ſprach die Hoff: 
nung aus, daß das zweite Jahrhundert für 
das bayerische Vermeſſungsweſen ein weiteres 
Nuhmesblatt werden müge. Negierungs: 
direftor v. Camerer bradte hierauf ein 
herzliches Glückwunſchſchreiben vom Topo— 
graphiichen Burcau ſowie Telegramme der 
Streisverbands -Morftände der baheriſchen 
Meffungsbehörden wie der Bezirfsgeometer 
zur Berlefung. Damit fand die Feier 
ihren Abſchluß. 


Bayerns Sandesvermellung, 
die Grundlage der amtlichen Anrtenwerke. 
(„Deutſche Gaue“) 
Die folgenden Ausführungen ſcheinen 


zwar wenig unterhaltend, ſind aber einmal 
notwendig; Bayerns Hauptdreieckspunkte 
ſowie die 3 Grundlinien find faſt nur Fach— 
leuten bekannt, da unſeres Wiſſens keine 


Zeitſchrift eine ſolche Zuſammenſtellung bis 


jetzt brachte. Auch werden die Winke für 
Verſtändnis und Benützung der Kataſter⸗ 
blätter und Generalſtabskarten nicht unmill- 
kommen ſein. 


Meſſung ganzer Länder. 


Zweck einer Landesvermeſſung iſt ent 
weder die Herſtellung von Plänen, aus 
denen ſich die Grenzen und Flächen der 
Grundſtücke mit hinreichender Genauigkeit 
entnehmen laſſen, oder Anfertigung von 
Starten, welche die Lage oder Größe der 
natürlichen und künſtlichen Bildungen der 
Bodenflähe angeben. Der erfiere Zweck 
wird bei den Statafterplänen, der leßtere 
bei den geographiihen und topographiichen 
Karten verfolgt. 





Die atafterpläne dienen zu verfchiedenen 
ſtaalswirtſchaftlichen und technifchen Zwecken, 
3. B. Entwürfen von Straßen- und Eifen- 
bahnanlagen, Ent- und Bewäſſerungen, Flur: 
bereinigungen und anderen technifchen Unter: 
nehmungen. 

Die topographifchen Karten eignen ſich 
hauptjächlich fiir militärifhe und geogra- 
phiſche Zwecke. 

Die erſte Grundlage einer Landesver⸗ 
mellung wird durch die Pandestriangulation 
geichaffen. Darunter verfteht man die Der: 
ftellung eines Neges von Dreieden, welches 
über das ganze Land geipannt wird; man 
erhält dadurch eine große Anzahl genau 
beftimmter Punkte, deren gegenjeitige Lage 
die Aufnahme aller Terrainpunfte ermöglicht. 

Wenn bei einem Dreied eine Seite und 
zwei Winfel befannt find, jo iſt das ganze 
Dreiek der Lage nah beſtimmt. Wenn 
alfo die Grundlinie des Dreiedd und die 
beiden Baſiswinkel gemeffen merden, ſo 
läßt fich die Page der Dreicdipige und die 


Länge der Dreiedjeiten berechnen. Mit 
den Dreiedjeiten hat man jedoch ſchon 
wieder die Bafis eines neuen Dreiedes, 
dad man an das erfte anhängt und mie 
dieſes berechnet. So fortgefeßt erhält man 
ein ganzes Netz von Dreieden, welches der 
Lage nach genau beftimmt ift. 

Bur Bermeffung Bayerns hätte es dem 
nad) genügt, nur cine Grundlinie, etwa 
jene zwiſchen Münden und Aufkirchen 
(Erding), die altbayriſche Grundlinie ge: 
nannt, zu meffen und man hätte lediglich 
durch Winfelmefiungen das gunze Rand mit 
einem Dreiednege überziehen und jo ver- 
mejlen können. 


Die drei bayrifhen Grundlinien. 


1. Die altbayrijde Örundlinie 
zwiſchen München (nördlicher Frauenturm) 
und Auffirhen (Kirchturm). Da felbftver- 
Htändlih bis am die beiden Türme nicht 
direft mit dem Maßſtab gemefjen merden 
fonnte, fo wurde auf diefer Strede eine 
Eleinere gerade Linie gewählt, deren beide 
Endpunfte, nordöjtlih von Oberföhring und 
jüdmweftlih von Aufkirchen, fpäter durd 
Steinpyramiden gefennzeichnet wurden. Die 
gerade, genaueft gemellene Linie zwiſchen 
diefen Pyramiden mißt auf die Meeres: 
flähe reduziert 21653,96 m*) — 1419,262 
bayrifche Ruten. Die Grundlinie München: 
Aufkirchen — 28497,11 m. 

Es werden folgende Eurze Angaben in: 
terejlieren: Auf der ganzen Linie ftard 
fein Haus; die in der Linie ftehenden 
Bäume wurden entfernt, die Bäche reguliert. 
Die einzelne Mebitange war c. 5 m lang, 
aus trodenhem Tannenholz angefertigt und 
mit dreimaligem Olanſtrich überzogen. Es 
wurde immer mit 5 ſolchen Meßſtangen, 
die auf ſtatifähnlichen, dreibeinigen Geſtellen 
lagen und genaueſt aneinandergeſtoßen 
wurden, gemeſſen (alſo je 25 m), unter 
Anwendung der genauelten Inſtrumente: 
Feuchtigkeit , Wärmemefjer, Senkel, durd) 
Blechröhren vor Luftzug geſchützt . . Die 
Leitung hatte Ingenieur-Geograph und 
Oberſt Bonne, der Vorſtand des damals 
in Bayern beftehenden, franzöjıjden 

) Nach Beiträge zur Yandısfunde Bayerns 
München 1884 9. 218 die längfte unter 
allen bisher unmittelbar gemejjenen 
Bajislinien. 


61 





! 


topographiichen Bureaus. 
außer Offizieren .. . 2 Zimmerleute und 
18—20 Soldaten zur Verfügung. Für 
diefe Truppe waren Zelte, für die Jnſtru— 
mente war cine verichließbare Holzhütte 
zum Schuß gegen Negenwetter, . , errichtet. 
Die Mefjung der alıbayriiben Grundlinie 
von Oberföhring bis Anffirchen dauerte 
vom 25. Auguft bis 2. November 1801; 
bie und da wurden Wuhetage eingelegt, 
auch die Arbeiten durch Sturm und Regen 
unterbrochen; an einem befonders günftigen 
Tage konnten 1000 m gemehjen werden, 
jonft jedoch nur die Hälfte im Durchſchnitt. 
Wie die jpätere Stontrolle ergab, wurde 
eine Meßſtange, aljo 5 m, bei der Ber- 
meſſung aus Berfehen nicht notiert; es 
mußten am betreff. Tage wegen drohenden 
Regens die Anftrumente vafch geborgen 
werden; der Fehler wurde verbejlert. Die 
Endpunfte der altbayerijchen Baſis bezeich- 
nen die beiden Pyramiden, von denen eine 
bei Oberföhring und die andere bei Auf- 
firchen fteht. Ihr Grund wurde mit Ziegeln 
aufgemauert und darauf der Grundjtein, 
in Mörtel gebettet, gelegt. In dem Grund: 
ftein ift ein fleiner Mefftingeylinder mit 
Blei eingegofjen, der genaueſt den betr. 
Endpunkt anzeigt. Das ganze wurde 1802 
mit einer Marmorplatte überdeckt und auf 
diefer die Pyramiden gebaut. Letztere 
tragen die Inſchrift: „Anfang der zwijchen 
Münden und Auffirden im SYahre 1301 
gemeflenen Grundlinie”, 

2. Die fränfifhe Grundlinie. 
Nach ichwierigen VBerjuchen fand man die 
pafiende Strede vom Qurme der Gottes— 
aderfirdhe zu St. Yohannis-Nürnberg bis 
zum Kirchturm im Markte Brud. Aller— 
dings ging diefe Linie durch Bordorf. Die 
Meflungen dauerten vom 21, September 
bis 29, Dftober 1807. Die Linie beträgt, 
reduziert auf die Meeresfläche, 13796,5654 
Meter. An den Endpunften bei den beiden 
Türmen wurde je ein drei Fuß hohes Sand- 
jteinprisma verfenft, auf welches cine Meifing 
platte gejchraubt wurde, deren Mittelpunkt 
genau den Endpunft bezeichnet. Die Mejling- 
platte beim Gndpunft St. Johannes fand 
ſich 1812 durch unmijjende, bushafte oder 
habgierige Yeute abgefprengl,. Auf die 
Meilingplatten wurde die Inſchrift gravdiert 
(verdentfcht): „Südlicher (rejp. nördlicher) 


Ihm ftanden 


Endpunft der Bafis zwiſchen dem Fohannis« 
turn in Nürnberg und dem Turm im Orte 
Bruf, mit eifernen Maßſtäben beftimmt 


62 


auf Befehl des bayer. Königs Marimilian - 


Joſeph von Ulrich Schiegg und Thaddäus 
Yänımle im Sept. und Oftober 1807*. 


hat die Richtung vom nördlihen Domturm 


licher) Endpunkt der Bafıs, welche zwiſchen 
dem nördlihen Domturme zu Speyer und 
dem jüdlihen Turme an der Xorettofirche 
zu Oggersheim auf allerhöciten Befehl 
Sr. Majeftät des Königs von Bapern 


' Marimiliaon Joſef zum Behufe der Lataſter— 
3. Die pfälzifhe Grundlinie | 


su Speyer zum jüdlichen Turm der Loretto: | 


fire zu Oggersheim. Gine Merfwürdig: 


feit in diefer fruchtbaren Gegend war: Nur ' 
ein einziger Baun ftand fiörend in der | 


Linie und wurde gefällt. Drei Sandhügel 
wurden durchgraben, über den Rehbach eine 
Brücke geſchlagen. Selbjtverftändfich fonnte 
man aud) auf diefer Linie nicht bis zu den 
Türmen jelbft mit dem Maßſtab meilen; 
die ‚eigentlihen Endpunfte waren deshalb: 
der weitliche beim Bartturm oder Chauſſee— 
Häuschen rechts an der Straße Speyer- 
Worms, und der öſtliche in eirem Acker 
am Pienniggartenmweg bei Oggersheim. Die 
Länge der Bafıs ıft 19794,974 m reduziert 
auf die Meeresfläche. Die Meſſungen fanden 
ftatt im September und Dftober 1819, 
Die Signalfteine an den Enden find in 
die Erde verjenfte Säulen mit Meifing: 
platten, auf denen der Endpunft und folgende 
Inſchrift eingraviert ift: „Südlicher (nörd- 


vermefjung des Rheinfreifes in den Monaten 
September und DOftober 1819 dur den 
f. b. Steuerrat und Bermeſſungskommiſſär 
Thadäus Lämmle mit eijernen Stangen 
gemeſſen worden iſt“. 

Auch unſere Herausgeber von Orts 
chronifen.. . . müſſen jih mit dem vor- 
handenen Karten Material vertraut machen. 
Man vermißt bei den meiften einen bear- 
beiteten Orts und Flurplan, aus dem fich 
doch ſehr vicl Herauslejen ließe; für einen 
jofhen wären die Satafterpläne etwa in 
drei: bis fünffacher Berkleinerung dienlid) ; 
dann fehlt meiit ein Überſichtskärtchen über 
die behandelte Gegend; dazu diente etwa 
ein Ausſchnitt aus der 250000 teiligen 
Überfichtefarte oder aus der Reichskarte. 
Selbitveritändlich ift dazu die Genehmigung 
der einschlägigen Behörden erforderlich, Die 
dem Verein Heimat für die von ihm herauszu- 
gebeuden Publikationen, auch Ortschronifen, 
in danfenswerter Weije gegeben wurde. 


Bon den Ameilen. 


Ameifen und Pflanzen. 
Das Ende eines naturwijfenfhaftliden Idylls. 
Bon Dr. Ernft Teihmann (Frankfurt). 


Der Forftmann fieht die großen Solo» 
nien der Waldameije nicht ungern in jeinem 
Nevier. Weiß er doch, daß die gejchäftigen 
Tierchen aufs fleißigfte bei der Wertilgung 
allerhand ſchädlicher 
helfen. Auguſt Forel, der Schweizerische 
Myrmekologe, hat ausgerechnet, 
einem einzigen Tage liber Qunderttaujend 
Inſekten von den Bewohnern eines Neftes 
der Waldameife zum Opfer fallen. Freilich 
gibt es in den Tropen aud) unter den 
Ameifen ſelbſt hinwiederum folche, die zu 
den grinimigften Feinden der Pflanzenwelt 
gehören. Das find jene merkwürdigen 


dah an | 








„Blattichneider” oder „Schlepper“ genannten, | 


dev Gattung Atta angehörigen Tiere, deren 


aus zahllojen Yudividuen beitehende Züge 
in fürzefter Zeit Bäume und Sträucder 
entlauben. Mit ihren fcharfen Kiefern 
ichneiden fie aus den Blättern grofchengroße 


Pilanzenfeinde mit: | Stücke heraus und fchleppen fie zu ihrem 


Neft, um fie dort, nachdem fie zerkleinert 
und zu einem Brei zermalmt worden find, 
als Düng: und Nährmaterial für kleine 
Pilze zu verwenden, die fie höchſt Eumit- 
gerecht zlichten und nicht ander& verwenden 
wie der Menſch den Kohl, den er baut. 
Unter den Bäumen, die in diefer Weile 
heimgefucht werden, Stehen die Akazıen und 
Gecropien Südamerifad bei den Blatt: 
jchneidern in bejonderer Schäßung. Trotz 
dem bleiben deren viele von ihnen völlig 


unbehelligt: aus irgend einem runde 
werden fie von den Ameifen verſchont. Was 
mochte wohl die Urjache dafür fein? 

Zwei Forfcher, Frig Müller und 9. 
3.8. Schimper, glaubten das Geheim: 
nis entdedt zu haben. 
daß die genannten Bäume häufig von andern 
Ameijen bewohnt wurden, die der Gattung 
Azteca angehören und denen fie einen be: 
jonders kriegeriſchen Sinn beilegten. Die 
Azteca betradhte dann den bewohnten 
Baum als ihren Machtbereich, den fie gegen 
jeden Eindringling aufs nachdrücklichſte ver- 
teidige. So kommt es, argumentierten die 
beiden Gelehrten weiter, daß die Blatt: 
Ichneider hier vergeblich ihr verderbliches 
Handwerk auszuüben verjuchen: fie werden 
mit Schimpf und Schande von den tapferen 
Aztecen heimgeſchickt. Und der Baum, von 
dem jo ſchweres Unheil abgewendet wurde, 
erweift ſich feiner £leinen Freundin dankbar. 
Wit nur gewährt er ihr im den Hohl: 
räumen feiner Zweige bequemen Unterjchlupf, 
fondern er erleichtert ihr den Eintritt nod) 
befonders, indem er die jonjt ringsum gleich- 
mäßig die Winde feiner Äfte an einer 
Stelle nur dünnwandig anlegt und fie roch 
iiberdie8 durch eine grübcjenartige Ein: 
jenfung kenntlich macht. Dort erbohrt ſich 
die Ameiſe nun leicht die Tür, durch die 
fie in ihr Haus einzieht. Und — faſt 
wunderbar Flingt das Lied von der dank— 
baren Pflanze — aud; dafür jorgt fie, dab 
es ihrem Gaft nicht an fräftiger Speije 
gebricht: kleine eimeißhaltige Körperchen, 
die fie an den Blättern oder den Stielen 
bervortreibt, bieten fi) der Ameiſe als will: 
kommene Nahrung dar. So hat ſich denn, 
nach Müller und Schimper, ein Freund» 
Schaftsverhältnis zwiſchen Pflanze und Ameiie 
ausgebildet, bei dem jeder Teil feine Red): 
nung findet; jo innig gar ift es geworden, 
daß weder Pflanze noch Ameiſe ohne das 
andere mehr fein fann. 

Faft dauern muß es einen, daß dies 
naturwiſſenſchaftliche Jdyl von rauher Hand 
zerftört werden ſoll. Und doch wird es 
den Angriffen, denen es feit einer Reihe 
von Jahren ausgejegt ift, faum länger 
Stand zu halten vermögen. H.v. Yhering 
und andere haben es fich zur Aufgabe ge 
macht, die Beziehungen genau zu prüfen, 
die zwiſchen Pflanzen und ihren Schutz— 


Sie fanden nämlid, | 





ameiſen beitchen folen. Die Refultate zu 
denen fie gelangten, find für die eben 
ſtizzierte Theorie pflanzlicher Myrmekophili 
höchſt ungünſtig. Ihering hat nämlid) be: 
obachtet, daß die Cecropie ohne Ameiſe 
ebenfogut fortfommt wie mit ihnen, Gr 
pflanzte im Garten des Mujeums von Sao 
Paulo einen jungen Baum ein, der ftattlich 
heranwuchs. Aber obgzleich er von Ameijen 
ganz frei blieb, wurde er dod; niemals von 
den Blattjchneidern heimgefucht, die ganz 
in feiner Nähe ein riefiges Neft befaßen. 
Überhaupt trifft es nach diefem Forſcher 
durchaus nicht zu, daß die Pegetation 
durch) das Verfahren der Blattichneider 
vernichtet werde. Wohl entblättern fie bie 
und da eine Gecropie; aber der Baum er- 
holt fich Leicht, jelbit wenn er die Prozedur 
des Wlattjchneidens mehrere Male binter- 
eınander zu erdulden hat. Die „Schuß- 
ameiſen“ aber laſſen es unter Umſtänden 
ruhig geſchehen, daß die Blätter ihres 
Wirtsbaumes von Inſekten zerfreſſen werden— 
ſie geben durch nichts zu erkennen, daß ſie 
mutiger und kampfluſtiger ſind als andere 
Ameiſenarten, die ihr Neſt zu verteidigen— 
haben. Und auch die eimeißhaltigen: 
Nörperchen, die die Cecropie an der Bafis 
der Blatifticle hervorbringt, werden ihrer 
Bedeutung für die Ameiſen entkleidet. 
Ihering verpflanzte einen zwei Meter hohen 
von Ameijen beivohnten Baun aus dem. 
Walde in den Mufeumsparf, Das hatte 
zur Folge, daß all feine Blätter abwelkten. 
Tropdem nun die Ameiſen auf dieje Weije 
cin und einen halben Monat lang jene 
Körperchen nicht zu freilen befamen, blieben 
fie doch am Leben und wurden in der Auf- 
zucht ihrer Brut nicht im mindeften geftört. 
Stirbt freilidd der Baum völlig ab, fo ift 
das Schickſal der ihn bewohnenden Azteca- 
Kolonie bejiegelt, fie geht im furzem zu 
Grunde. Nach diejen Beobachtungen jcheint 
es, ald 05 zwar der Baum für die Ameije 
unentbehrlich fei, daß aber die Umkehrung 
des Satzes nicht gilt. Nicht jene mechfel- 
jeitige Freundſchaft hätte ftatt, die die 
Wiſſenſchaft Symbioſe nennt, fondern das 
Verhältnis der Azteca zu ihrer Wirtspflanze 
wäre als ein Fall von ganz gemeinem 
Paraſitismus zu betrachten: „Die Cecropien 
bedürfen”, fo drückt fi v. Ihering etwas 
draftifch aus, „zu ihrem Gedeihen der 


Azteca-Ameife jo wenig wie der Hund 
der Flöhe*.') 

Und noch in einem anderen Punkte 
dürfte die Theorie der „Ameijenpflanzen“ 
einer kritiſchen Revifion zu unterzichen fein, 
Es gibt in den Tropen zahlreiche Gewächſe, 
die außer den Zuder ausfcheidenden Organen 
innerhalb der Blüte aud) fogenannte extra— 
florale Neftarien hervorbringen; fie ſitzen 
an Laubblättern, Hochblättern, auf dem 
Kelche, am Blütenſtiel und anderen Stellen. 
Nach einer von Delpino und Welt aufge 
ftellten Theorie dienen fie dazu, Ameiſen 
anzulodfen, die dann die Pflanzen gegen 
allerhand Feinde zu ſchützen hätten. Aud) 
in Ddiefen Bildungen hätten wir mithin 
Anpaffungen der Pflanzen an die Bedirf- 
nifje der Ameiſen zu erbliden, die gewiſſer— 
maßen als Belohnung für die guten Dienfte 
dargeboten würden, die die Ameijen den 
Pflanzen erweiſen. Auch dieſe Theorie hat 
ſich bei genauer Nachprüſung als unrichtig 
erwieſen. Frau Dr, M. Nieuwenhnis v. 
Uerfüll:- Syldenbrandt hat im bota 
nischen Garten zu Buitenzorg auf Java 
diefe Verhältniſſe eingehend ftudiert; fie ift 
dabei zu Ergebniffen gelangt, die fidy mit 
den Belt-Delpinojden Anfchauungen nicht 
in @inflang bringen laffen,?) Schon die 
Stellen, wo die ertrafloralen Nektarien 
angebracht find, erfcheinen, wenn diefe den 
Zweck haben follen, Ameifen zum Schutz 
der Pflanzen anzuloden, als dazu wenig 
geeignet. Denn bei weitaus den meiſten 
der unterfuchten Gewächſe fiten die Nektarien 
auf der Unterfeite der Blätter und lenken 
jo die Pflanzenbeſchützer geradezu von der 
beſonders von den Feinden bedrohten Blüten: 
region ab; auch mwären die an der Linter- 
ieite der Blätter beichäftigten Ameifen dem 
Blick der Blütenfeinde entzogen und könnten 
nicht einmal abichrefend auf fie wirfen. 


64 





Ganz ſchlecht paßt es ferner zu der Schuß- 
theorie, daß Nektarien am oberen Rand 
der Blumenkronröhre vorfommen. Würden 
nämlich Ameiſen bierhergelodt, jo müßten 
fie ja die befiäubenden Inſekten verfcheuchen 
und Dadurch auf die Befruchtung jehr nach— 
teilig einwirfen. Dabei ift vorausgejegt, 
daß dieſe Ameijen in der Tat jene fricge: 
riſchen Eigenſchaften befigen, die ihnen die 
Theorie zuſchreibt. Num zeigt fich aber, 
daß gerade die Ameiſen, don denen die 
Zuckerdrüſen befigenden Gewächfe regel 
mäßig befucht werden, durchaus harmlos 
ind. Sie benehmen fid) gar nicht feindlich 
gegen Pflanzenichädlinge wie NRaupen, 
Banzen und Käfer; ja in manchen Fällen 
laffen ſie ſich ſogar von ihnen vertreiben, 
So bringen die Ameijen den Pflanzen mit 
ertraflorıten Buderausfcheidungen feinerlei 
Borteil. Im Gegenteil, fie können diredt 
ihädlıd) Für fie werden, indem fie ſich auf 
ihre Koſten ernähren, ausgedehnte Läufe» 
zuchten auf ihnen anlegen, nit dem Buder 
die Neftarien ſelbſt herausfreflen und bis: 
weilen auch die Blätter angreifen. 

Wenn diefe Beobachtungen von Frau 
Nieuwenhuis v. Uerküll-Gyldenbrandt richtig 
find — und es liegt fein Grund vor, fie 
anzu;weifeln — fo dürfte aud) die Theorie, 
die in den ertrafloralen Neftarien cine An— 
paſſung der Pflanzen an den Ameiſenſchutz 
erblidt, aufzugeben fein Weldyes aber die 
wirflihe Bedeutung dieſer Gebilde ſei, 
bleibt vorläufig ungeflärt. 





9 Tl. P. v. Jhering „Die Ceeropien 
und ihre Schutzamciſen“ in Englets gt 
Jahrbüchein für Syſtematik 1907 Bd. S. 
666 bis 714. 

) Bal. M. Nie nwenhuis- vd. Uerfült- 
Byldenbrandt „Ertraflorale Buderausfchel- 
dungen und Ameiſenſchutz“ in Annales du 
jardin botanique de Buitenzorg 1907 Scrie 


J 
2 Vol. VI p. 195-327. 





Don den — der Ameiſen. 


In einem intereſſanten Buche, das die die Lebensweiſe der Ameiſe. 


vielfach betriebenen Studien der Ameiſen— 
funde jorgfältig verarbeitet und reichlich 
mit eigenen Forichungen durdjjcti*) fchildert 
der Straßburger Privatdozent K. Eſcherich 
u *) Die Amelie. Schilderung ihrer Lebens— 


weiſe. Mit 68 Abbildungen. (Brammichmeig, 
Friedrich Bieweg & oh.) 


Er tritt den 
Forschern, die den Ameiſen ein menjchen: 
ähnliches Schlußvermögen, eine fast menſch— 
liche Moral und menſchliche Intelligenz 
zufchreiben, ebenjo fonfequent entgegen wie 
den Gelchrten, die in ıhmen nur reine 
Neflerautomaten ſehen, die aller Empfindung 


ı bar blindlings auf äugere Neize reagieren, 


Für ihn ift vielmehr die Ameiſe ein mit 
Empfindungen reichlich ausgeltattetes Wejen, 
das ein gutes ſinnliches Gedächtnis 
befigt, Afjociationen von Sinne: 
bildern, Wahrnehmungen und indi- 
viduelle Griahrungen hat und auf 
einer hoben Stufe des inftinftiven 
Handelns fteht. 

Man muß fidı jedoch davor hüten, durch 
allzugroße Analogien mit menſchlichen Ber: 
bältnıffen die Ameiſen zu Miniaturmenjchen 
zu ftempeln und die fomplizierten Vorgänge 
ihrer alltäglichen Yebensäußerungen bei der 
Brutpflege, beim Neftbau und beim Nahrungs» 
fuchen auf eine gewiſſe Intelligenz und auf 





eine bewußte Begründung einer fozialen 


Kultur zurüdzuführen. 
Beifpiel als unzweideutige Beweije für den 
großen Verftand der Umeifen die „Brüden 
bauten” angeführt, die die Ameijen über 


im Wege liegende, Hinderliche Gegenftände | 


ichlagen, indem fie fie mit Sand bededen 
und dadurch fich den Übergang ermöglichen. 
Diefe Handlung wird aber nich: durd) eine 
bewußte Abficht der Tiere in Angriff ge 
nommen, jondern fie wird ihnen durch ihren 
Reinlichkeitstrieb nahegelegt. Die 
Ameifen haben nämlih die Gewohnheit, 
Fremdkörper, die nicht aus dem Meft ge: 
ſchafft werden fünnen, einfach mit Erde zu 
bedefen, und jie dehnen das bei ihren 
Banderungen auf jeden fich ihnen in den 
Weg ftellenden Körper aus. Diejer Rein: 
lichkeitöfinn ift in ihrem fozialen eben 
aufs tieffte begründet, dern ohne die pein- 
lihite Sauberfeit würden fie fich ſonſt 
gegenfeitig nicht erfennen noch irgend etwas 
mitteilen fünnen, da der Bujammenhang 
des einzelnen Individuums mit den Genojjen 
nur durch den Geruchsſinn hergeftellt wird. 
Würden fie mit Staub bededt jeın, jo würde 
dadurd die Möglichkeit des Erfennens durch 
den Geruch außerordentlih vermindert 
werden, Beſonders müſſen die Fühler ftets 
fauber jein, denn nur durd fie fteht das 
Tier mit dem ganzen Stamm in engiter 
Verbindung. Sie pugen daher fortwährend 
an dieien Fühlern, aber auch den Körper 
beleden fie fih fortwährend und nehmen 
häufig die fomijchiten Stellungen ein, um 
mit ihrem Munde an jede Stelle des Störpers 
zu gelangen. Uber mögen fie fich noch fo 
verfrümmen und verdrehen, gewiſſe Stellen 


So hat man zum | 





| 


' und die Brut zu treffen. 


des Rückens bleiben ihnen doch immer un- 
erreichbar und dann bitten fie einen Kame— 
raden um Hilſe Der beleft fie dann vom 
Kopf bis zum Fuß und macht fie ganz 
jauber. 

Durch dieſen Reinlichkeitstrieb läßt ſich 
auch eine Gewohnheit der Ameiſen erklären, 
über die die abenteuerlichſten Dinge erzählt 
werden. Es find die „Begräbniſſe“, die 
die Ameiſen auf beſtimmten Friedhöfen 
vornehmen ſollen und bei denen ſie die 
Leichen in ſchönſter Ordnung reihenweiſe 
hinlegen. Aber die Tiere haben dabei nicht 
etwa die Abſicht, ihren Toten eine letzte 
Ruheſtätte zu bereiten, ſondern ſie folgen 
nur ihrem Reinlichkeitstriebe, der ſie alle 
Abfälle aus dem Neſte entfernen und nach 
einem beſtimmten Ort ſchaffen läßt. Ebenſo 
haben die Ameiſen einen ſtarken Ver— 
teidigungstrieb, der ſie im Verein 
mit ihren Erſahrungen dazu führt, beſon— 
dere Sicherheitsmaßregeln für die Weibchen 
Sie laſſen die 
Ein: und Ausgänge der Neſter von einer 
Anzahl Arbeiter jorgfältig bewachen, die 
beftimmte Alarmiignale von ſich geben, 
wenn der Feind herannaht oder auch durch 
aufgeregte Wühlerjchläge den Stameraden 
die Gefahr mitteilen. Bei der perfönlichen 
Berteidigung beſteht eine große Berfchieden- 
heit zwiichen den einzelnen Ameiien. Wird 
das Neſt irgendwie angegriffen, jo ftürzen 
fih die einen wütend auf den Friedens» 
ftörer, andere ſuchen die gefährdete Brut 
zu ſchützen; wieder andere aber haben gar 
feine Luft, das Baterland zu fchligen und 
zu verteidigen, fie flüchten ſich, verfteden 
fi, ja bleiben jogar manchmal bewegungslos 
liegen, um durch dieſe inftinktive Lift des 
„Scheintodes” jeden Vorwurf von ſich 
abzuwehren. 

Auch bei den gelegentlihen Wande— 
rungen, die die Ameijen unternehmen, 
herricht durchaus nicht Einmütigfeit unter 
ihnen. Bielmehr jcheinen einige tempera- 
mentvolle Ameijen von der Luft zum „Um- 
zuge“ erfaßt zu werden, während andere 
wieder lieber im alten Nefte bleiben wollen. 
Die Umzugsluftigen treten dann ganz nahe 
un die andern heran, Liebfojen fie mit 
ihren Fühlern, ziehen fie an fi und laden 
fie fchließlih auf ihren Nüden, um fie in 
das neue Neſt zu tragen. Das Beijpiel 


dieſer refoluten Ameijen jtedt dann andere 
an, auch fie paden ſich ihre Gefährten auf 
und jo wandert immerfort ein langer Zug 
idiwer beladener Zräger nad) dem neuen 
Nefte, bis endli alles herübergeſchafft ift. 
Jedoch tiagen die Ameifen ihre Genoſſen 
nit etwa aus „Mitleid“: denn die Ge— 
tragenen find keineswegs ſchwache oder 
franfe Individuen, fondern fie find häufig 
viel größer und viel ftärfer als ihre Träger 
und werden einfadh von den Ameijen, die | 
gerade von dem Trieb zum Umzug erfaßt ; 
find, forttransportiert, die auf dieje Weile 
am einfahiten und jdnellften zu ihrem 
Biele gelangen. her ift es fchon ein. 
BWohltätigkeitsaft, wenn die Ameijen eine | 
ihrer Sameradinnen, die fi verirrt hat 
und fib nicht mehr orientieren fann, in 
das Neſt zurüdtragen. 

Am nächiten aber ftehen den Hußerungen 
des menichlihen Mitleids die Handlungen, 
welche die Ameifen mitunter an ihren 
franfen Gefährtinnen vollziehen. Sie | 
üben dann eine dırefte Krankenpflege 
aus, indzm fie die leidenden Tiere forg- | 
fältig belefen, dann ummenden, wieder 
belefen und mit den Fühlern unterjuchen. 
Der Erfolg diefer Kur ift gewöhnlich voll» 
ftändig und das Tier, das ohne dieje Be: 








Spinnende 

Die Welt der Ameije ift ſeit Menſchen- 
gedenfen eines der interefjanteften und lehr— 
reichften Gebiete der Naturforſchung und 
der Landwirtſchaft, denn vielfah muß auch 
der Landwirt mit dem Volke der Ameijen 
wie mit dem Bienenvolfe rechnen. Trotz 
der intenfiven Beobadhtungen vieler Forjcher, 
die weder Zeit noch Mühe icheuten, die 
Ameiſen ber ihrer Arbeit zu belaufchen, 
werden immer mehr weitere ftaunenerregende 
Eigenſchaften von einzelnen Umeifenarten 
befannt. So ift im Orient eine Ameiſe 
weit verbreitet, die zu der Gattung der 
Blattbemohner „Defophylla” gehört umd 
nach ihrer Färbung den Beinamen „Sma: 
ragdina” führt. Dieſe Ameifen haben eine 
höchſt merkwürdige Fähigkeit, ihre Blatt» 

häuſer zu bauen oder nötigenfalls zu repa— | 
rieren, wovon Dr. Doflein im „Biologiichen 

Bentralblatt” eine anziehende Schilderung | 

entwirft. Wenn die Ränder des Blattes | 

“iteinander zu verbinden find, oder wenn in | 


handlung fiher fterben würde, wird wieder 
bergeftellt.. Freilich find die Fälle noch 
häufiger, in denen fi die Ameijen um 
Kranke und Berwundete nicht im geringften 
fümmern und fie einfach verfommen laſſen. 
Auh Spiele fann man in dem Ameijen- 
ftaat beobaditen. Zum mindeften unter: 
nehmen fie jehr oft Umzüge, die feinen 
eigentlihen Zweck haben und nur dem Be 
dürfnis zu dienen fcheinen, fih von der 
überjhüjfigen WMusfelenergie zu befreien. 
Häufig vollführen die Tiere auh Schein— 
fämpfe, ringen miteinander, paden fich, 
jerren ſich, überjchlagen ſich mehrmals, 
lafjen dann vom Kampfe ab und beginnen 
ihn nad furzer Zeit von neuem. Manch— 
mal balgen fi fjogar zwei Ameifen zum 
Beiipiel um einen fleinen Strohhalm wie 
junge Kätzchen um einen Ball. Selbit 
VBerjammlungen finden bei den Ameijen 
ftatt: jo treten plöglih an einem hellen 
Tage alle Tiere zujammen, wenden die 
Köpfe einander zu und bleiben gan; ruhig 
ftunden-, ja tagelang bei einander, wobei 
fie nur die Fühler langjam und gemächlich 
bin und herbewegen. Was fie freilich da 
verhandeln, das bat noch fein menschlicher 
Berftand herausbringen fünnen. C.K. 


Ameifen 

dem Blattneft ein Riß eingetreten ift, wird 
zunächſt eine kleine Schar von Arbeitern 
fommandiert, die fi in einer Reihe quer 
über den Spalt ftell. Dann halten fie den 
einen Rand mit den Kiefern und den anderen 
mit den Beinen feſt, welch' letere zu diefem 
Zweck möglichft weit ausgeftredt werden. Nun 
wird mit gemeinfchaftlichen Kräften ein Zug 
ausgeübt, bis die beiden Ränder einander 
berühren. Darauf erjcheint eine zweite Bartei 
auf dem Schauplaß und jorgt dafür, daß die 
Ränder fo aneinander fommen, daß fie genau 
zufammenpaffen. Nachdem auch dies geſchehen 
ift, kommt endlich eine dritte Gruppe von 
Ameiſen, deren jede eine Larve in den Kiefern 
trägt. Die Larven diefer Ameifenart befigen die 
Fähigkeit zu ſpinnen und üben fie in jenem Falle 
aus, jobald fie auf die betreffende Stelle nie: 
dergelegt werden. Dadurch werden die beiden 
Blattränder feit miteinander vereinigt, und 
das grüne Lufthaus der Ameifenjchar ift dann 
wieder für einige Beit in Ordnung gebradıt. 


67 


Samariterdienft bei der Waldameifr. 


Sn der „Umſchau“ (Frankfurt a M., 9. 
Bechholds erlag) berichtet Hans Siegert: 
Am Sommer 1907 fite ih auf einer Bank in 
der Nähe von Hertenſtein am Biermwaldftätter 
See. Zufällig blicke ich auf die Erde unter mir 
und mache num die betrübende Entdedung, daß 
ich mit meinen ungefügen Bergſchuhen zahlreiche 
Ameiſen in den lehmigen Boden getreten habe. 
Die Nachricht von dem „Blutbab*, das ich an- 
gerichtet, muß ſich fehr fchnell verbreitet Haben, 
denn ſchon mwimmelt dad Schredensfeld von ben 
Meinen, flinfen Tierchen, ®ejchäftig laufen fie 
bin und ber, und bald babe ich Gelegenheit, bie 
Ameijen von einer mir neuen, bewundernswerten 
Eeite kennen zu lernen: Es Handelt fich bei 
diefer auffallenden Geſchäftigkeit nämlih um 
nichts Geringeres, al8 die Rettung und Bergung 
der Berunglüdten. BZunädit erjtredt fich ber 
Samariterdienft auf die Berlegten, die noch mit 
einem Teil ihres Körpers in der Erde fteden. 
Sobald die Suchenden eine jolche Unglüdsameije 
entdedt haben, faſſen fie zu und ziehen die Ärmſte 
mit vereinten Kräften and ZTagesliht. Bon 
einer einzelnen Ameife wird fie dbapongetragen. 
Eine der ZTrägerinnen verfolge ich zwei Meter 
weit. Ste überwindet alle Hinderniſſe, benüßt 
bie und da ein Hälmchen als Yaufbrett, macht 
zeitweilig einen Ummeg um einen Stein, verliert 
dabei aber nie die Richtung aus dem Auge. 
An einer Stelle ſehe ich drei Ameifen beifammen 
ftehen, untätig wie in Beratung. Bon Zeit zu 
Beit fenfen fie die Köpfe, als wenn fie in der 
Erde graben mollten. Aber der feuchte Lehm 
ift für die Kiefer der Ameifen wohl zu zäbe. 
Sollten hier etwa Berunglüdte begraben liegen ? 
Ich grabe mit meinem Meifer nach und finde 
num etwa einen halben Zentimeter tief eine 
Ameife, ſchwer verwundet, au einem Klümpchen 


zufammengeballt. Nachdem ich die Unglüdliche 
bon der Erde befreit habe, übergebe ich fie ben 
Samariterinnen, die fie auch fofort in Empfang 
nehmen und ferttcagen. Eine weitere Außgrabung 
bat dasjelbe Ergebnis. Ein ſeltenes Beiſpiel 
von Opfermut gibt eine Ameiſe, die ich eben 
aus dem Lehm gejhält babe. Obwohl jelbit 
ſchwer verlegt, daß fie nur mit Mühe ſich fort- 
beivegen kann, beteiligt fie fich doch lebhaft an 
ber Rettung einer verunglüdten Nachbarin, bie 
noch zur Hälfte in der Erde jtedt. Auch bier 
greife ich helfend ein. ine andere Ameiſe, die 
ftatt des Hinterleibes nur einen kurzen Stumpf 
trägt — eine frühere fchmere Verlegung feheint 
demnach gut verheilt zu fein — zeigt befonderen 
Eifer beim allgemeinen Rettungswerk. Ich 
ſelbſt betätige mih mit allen Sträften im 
Samariterbdienit, um wenigſtens einigermaßen 
meine Schuld wieder gut zu madjen. Nach einer 
Stunde ijt bie legte der Begrabenen zutage ge- 
fördert, und num gehen die Ameifen daran, auch 
die freiliegenden verlegten Schtweitern zu bergen. 
Bald iſt dad Unglüdsfeld von Verwundeten 
rein. Doch nicht ganz. Eine einzige Ameiſe 
noch zappelt und krümmt fi und fann nicht 
fort. Und merfwürdig! Viele der Santarite- 
rinnen fommen zu ihr, befühlen fie und gehen 
weiter. Endlich aber jcheint eine Helferin zu 
nahen. ine fräftige Arbeiterin kommt, umfaßt 
die Kranke und trägt fie etwa zwei Zentimeter 
weit fort — dann läßt fie die Unglüdliche liegen 
und eilt weiter. Ich kann mir feinen Grund 
für diefe Unbarmherzigkeit denken. Leider 
babe ich bei der Beobachtung der übrigen die 
eine aus dem Auge verloren. Wie aber mögen 
| bie Umeifen ihre vermundeten Sameradinnen 
a 1 gepflegt haben ? 





Bfälzifhe Auswanderer. 


Wie Heute, fo waren e8 auch in früheren 
Beiten politifche und wirtfhaftlide Ur- 
ſachen, melde die „Landeskinder“ diefes oder 
jenes Staates in die Fremde trieben, befonders 
nad der „neuen Welt“, nad Amerika. Diefe 
Maffenansmwanderungen ließen natürlich auf 
politifche und wirtſchaftliche Mißſtände aller Art 
fehließen und ftellten der Staatsfunft der jewei— 
ligen Machthaber ein ſehr übles Beugnis aus. 
So iſt ed auch noch heute; denn ein Boll, das 


fi im allgemeinen in der Heimat wohl fühlt 
und db rivärt® fommt, denkt nicht daran, bie 
Scholle dauernd zu berlaffen. Am jtärkjten mar 
die Auswanderung aus Deutichland nah Ame— 
rifa im 18. Jahrhundert und nad den Jahren 
1848 49. Die traurigen poltttichen und wirt⸗ 
fchaftlichen Folgen des 30jährigen Krieges machten 
fi bis meit in das 18. Jahrhundert hinein 
geltend und der Abfolutismus in Reinkultur 
ſtand damals in der üppigften Blüte. Daß 


biefer tiefe Rulturzuftand für nicht ganz fataliftifch 
gewordene und geiſtig lebhaftere Bolksftämme 
feinen Reiz zum Bleiben bot, tft begreiflih. So 
hatte umter dem Drud ber elenden Zuftände im 
18, Jahrhundert die Auswanderung aus der 
Pfalz nah Amerika, Polen, Rußland und 
Ungarn kolofjale Dimenfionen angenommen und 
dem platten Sande drohte die Entvölferung. 
Das fiel felbjt der befanntlih immer meifen 
Staatöverwaltung fchließlih auf ımdb es kam 
ihr eine Ahnung, daß bdiefes ewige Auswandern 
ber „Lanbeöfinder” für die damals churfürjtliche 
Pfalz zu einem fehr jchlechten Ende führen müßte. 
Man entſchloß fich alfo, „etwas zu tun”, und 
die Bureaufratie raffte fih auf, die lieben 
„Landeskinder“ in väterlicher Weife zu mahnen, 
und das geichah zumellen auf recht wunderliche 
Ar. In den Pfälzlſchen Gefchichtäblättern 
(Kaiferdlautern) wird darüber das Folgende er- 
zählt: „Als 1784 viele Pfälzer nah Polen 
auswanbderten, riet ein pfälziſcher Nechtögelehrter 
in einer gedruckten „Freundſchaftlichen Erinnerung 


68 


eines Pfälzerd an feine nach Polen ausziehenden 
Mitbürger”, ſich über die fie bebrüdenden Be- 
amten bei beren Borgefeßten zu »beſchweren. 
„Willen aber eure Beamte diefe zu täufchen, jo 
leidet weitere Bebrüdungen, fo er: 
traget fie, meine Brüder, mit Geduld; 
nehmt euer ſtreuz aufeudh und folget eurem 
Erlöfer nad. Er bat euch ein Beijplel ge- 
geben, daß ihr auch tum follet wie er getan Bat. 
Evang. Johann. XII. 15.% Aber die Pfälzer 
taten nicht wie ber Erldfer, fondern fchnürten 
entfchlofjen dad Bündel und fuchten fich in ber 
weiten Welt eine andere Heimat, wo fie mit 
ihrem Fleiße, ihrer Energie und Regſamkeit es 
jedenfall3 weiter brachten. In Amerika, Bolen, 
Rußland, Ungarn (Banät) ujm. gibt es infolge 
ber ſtarken Ausmwanderungen mehr Pfälzer als 
in der Pfalz felbit, wenn aud) das lebende Ge— 
fhledt in der neuen Heimat fich vielleicht nicht 
überall mehr bewußt tft, wo „feine Wiege” ſtand, 
nämlih am Rhein, Nedar und an der Nabe. 








Mon der Blanmeile 


plaudert ein Mitarbeiter der illuitrierten Jagd— 
zeitung „Wild und Hund” (Berlin, Paul Barey): 
Wie ihre Verwandten, fo ift auch fie ein aller- 
liebjter Bogel, der ſowohl durch feine behenden 
Bewegungen mie auch durch fein hübſches Ge— 
fieder das Auge ergößt. Sehr harmlos fieht er 
aus, der Fleine Gefelle, aber er ift fähig, Schand- 
taten zu begeben, die man ihm wirklich nicht 
zutrauen follte. Ohne Zweifel find die Meifen 
nügliche Vögel, ſelbſt unter Berüdfichtigung der 
Untugenden, die fie wie jedes andere Geſchöpf 
an fi Baben. ch bin in der Lage, eine von 
ganz einmandfreier Seite gemachte Beobachtung 
mitzuteilen, die geeignet fit, die allerdings als 
zantfüchtig bekannte Meifengefellihaft in einem 
etwas eigentümlichen Lichte erfcheinen zu laſſen. 
Mein Gewährsmann fand im vergangenen 
Winter anı Feniter feiner freigelegenen Wohnung 
und fah einen Spatzen mit einem irgendivo 
ergatterten Stüd Brot auf die dad Grunditüd 
begrenzende Mauer jliegen, um die Beute bier 
ungeftört zu berzedren. Er follte nicht lange 
unbebelligt bleiben, denn plötlich ſauſte ein 
fleiner Bogel beran, der zwei- bis dreimal auf 


den Kopf des Sperlingd loshadte und den | Berfolgung oder 


armen Kerl zum Umfallen brachte; er war tot 
und mudite nicht mehr, Damit war die Sache 





aber noch nicht erledigt, denn der Attentäter, 
der fi) al8 eine Blaumelfe entpuppte, hatte mit 
feinem Angriff einen ganz; anderen Zweck ver: 
folgt, als ſich dos karge Brot des Spatzen an- 
zueignen. Ein Schnabelhleb nach dem andern 
fiel aut den Schädel des Opfers nieder, das 
nach einer geraumen Zeit im Stich gelafien 
wurde. Nachdem die Biaumelje fich verzogen 
hatte, unterfuchte der beobadhtende Lehrer bie 
fleine Spagenleiche, und fiebe da — die Blau- 
meije hatte den Schädel vollftändig zertrümmert 
und da8 Gehirn berausgepidt. Auf®rund 
diefer Beobachtung fann man als ficher an« 
nehmen, daß der Fall nicht fo ganz bereinzelt 
dajtehen wird, und dab bei derartigen Mord- 
gelüften, die wohl faum als eine Eigenart des 
Individuums, fondern jedenfall der Urt anzu— 
jeben find, Neitjungen und Bogeleier 
häufiger demſelben Schidfal verfallen. Wenn 
dies auch nicht binmeggeleugnet werden kann, 
fo darf man die Tatjache doch nicht zu tragiic 
nehmen, und namentlih in ben fo häufig ge 
machten Fehler verfallen, die Tatfache des Ein- 
griffes in fjchädlihem Sinne ald Anlaß zur 
gar zur Bernichtung ber 
Schaden anrichtenden Bogelart zu nehmen, denn 
eö kommt darauf an, ob die wirtichaftliche Be 


— 60 — 


deutung bie eintretenden Nachteile übermiegt, | verfolgung zu inſzenieren, denn ihr praktiſcher 
was bie Verminderung, aber noch nicht die VBer- | Nuten überwiegt ohne Zweifel den Nachteil. 
nichtung rechtfertigt. Wer eine Meife bei einem | Das Vorkommnis ift aber geeignet, die Auf- 
Bogelmord betrifft, der fann natürlich mit voller | merkſamkeit auf die Metfenfamilie zu lenken, 
Berechtigung diejen einzelnen Bogel töten, aber | namentlich wenn ber Dohnenſtteg in Betrieb 
nicht8 wäre verfehlter, als wegen dieſes ge= | gejeßt wird. 

fegentlihen Schadens eine allgemeine Metien- 


Scläft der Sale mit offenen Augen? 


In einer Erörterung diefer Frage in dev | Damenhand ftreiheln. Wie im Wohlbebagen 
Nalurwiſſenſchaftlichen Wochenfchriitt (Berlag ſchloß er dann die Seher bi auf einen geringen 
Guſtav Fiſcher in Jena) zieht Dr. H. Reeker | Spalt, fo dab man faum die Hornhaut durch» 
(Münjter) eine Beobadtung von Dr. E. Schäff, | fchimmern fehen fonnte. Es ift dies ein Beweis, 
Direftor des Boologijchen Gartens in Hannover, | wenn auch nur an einem Eremplar, daß ber 
heran. Diefer äußert fich bierüber folgender- | Hafe die Seher jchliefen kann, wenn er will; 
maßen: „Bor einigen Fällen, in denen ich im | warum follte er fie nicht fchließen wenn er 
Freien fi drüdende und fehr feit liegende | fchläft? Daß aber fchon irgend jemand, außer 
Hafen mit offenen Sehern ſah, aber ohne da | im der Sefangenfchaft vielleicht, einen fchlafenden 
die Hafen fchltefen, moill ich abjehen. Dagegen | Hafen geſehen bat, das glaube ich nicht. Bei 
babe ih an Hafen, die ich in dem von mir ge- | unferem Lepus timidus iſt eben das Gehör 
feiteten Boologifhen Garten pflegte, des | fo unendlich fein ausgebildet, dak ihm auch im 
öfteren fejtitellen können, daß fie gerade fo gut | Schlafe nicht das leiſeſte Geränfch entgeht; mie 
ihre Seher fhließen, d. b. die Mugenlider | follte fi ihm wohl ein Wenich nähern können, 
über den Augapfel ziehen fönnen, tie andere | ohne daß er rechtzeitig erwaht? Daß er dann 
Tiere. Wenn Lampe im Herbft oder Winter doch nicht aufſteht, ja fih im Lager fait 
zur Zeit, wo wenige oder gar feine Befucher im | treten läßt, wenn auch der Menjch, fein Feind, 
Garten waren, bebaglich in der warmen Mittags: ſchon auf Schrittnäbe herangekommen ift, rührt 
fonne faß, fo konnte ich, nachdem ich eine Zeit | aus ganz anderen Bründen ber. Der Haſe bofft, 
lang ruhig dor dem Käfiggitter geitanden, Häufig | in feinem Lager nicht geſehen zu werden, er 
bemerken, wie fih bie Augenlider des Hafen | drüdt fih immer mehr aufammen, und meit 
langiam fdhloffen, gerade mie bei einem nach | öffnen fi die Scher in jtarrer Angſt. Sieht 
Tiſch fchläfrig werdenden, in bequemer Sofaede | er dann aber feine Rettung mehr, jo fährt er 
fipenden Menfchen. Schließlich blieben die an | mie ein „gediter Blitz“ im einer ganz beftimmten, 
fänglich bier und da halb wieder geöffneten Liber | ich möchte jagen vorber überlegten Richtung 
geichloflen, Lampe ichltef. Dod war ber Schlaf | Heraus.” Hierzu fchreibt Dr. Reeker: „Ich 
fehr leicht, und jedes mäßige Seräufch genügte, | fenne noch mehr ähnliche Äußerungen. Doch 
um den Schläfer zu weden.” Dr. Reeker zitiert | fcheinen mir die borjtehenden zu genügen, um 
dann noch zwei weitere intereflante Berichte aus | den Schluß zu ziehen: auch freilebende Hafen 
ber Deutfchen Päger-Beitung. Der eine ftellt | ſchließen beim Schlafen die Mugen, erwachen 
feit, dab ein in @efangenfchaft gebaltener FFeld- | aber beim geringiten ®eräufche; wenn fie dann 
baje regelmäßig mit gefchloflenen Augen ges | vielfach nicht jofort vor dem Feinde die Flucht 
ichlafen babe; der andere erzählt von einem | ergreifen, fo liegt das daran, daß fie zu jenen 
Hafen folgendes: „Sein Lieblingsplag war auf | Tieren gehören, bie fich in der Befahr gern bis 
dem Schoße feiner Herrin. Hier fauerte er fih | zum leiten Augenblicke zu duden oder zu drüden 
zufammen und ließ fich gern von ber meiden | fuchen.“ 


Etwas von Wachtel nnd Wachtelſchlag. 


Aus der Schweiz wird der F. 3. gefchrieben: | dem frühen Morgen» und fpäten Abendwanderer 
Während noch vor dreikig Jahren der Wachtel | vertraulich in das Ohr fang, iſt er in den legten 
flag in den oberen Gegenden der Oſtſchweiz Jahrzehnten in einzelnen Landftrihen geradezu 


zur Seltenheit geworben, Nachfragen bei ber 
Schuljugenb ergeben dies ganz deutlich; mur 
ein ganz kleiner Prozentfag der Schüler hat 
den Wachtelſchlag fhon vernommen. Der ehe: 
mals fo vollstümliche Vogel ift ihnen nur aus 
Gedichten und Liedern des Leſebuchs befannt. 
Um Verſchwinden der Wachtel mag mohl die 
Tatſache ſchuld fein, daß der @etreibebau zu 
Gunften des Wieswachſes immer mehr einge- 
fHränkt wird. Auch finder bie Heuernte jetzt 
bedeutend früher ftatt, al® früher. Beides ent- 
zieht der Wachtel die notwendigen Bedingungen, 
ihre Brut ungefährdet heranzuziehen und treibt 
fie in Gegenden, wo bie Lebendbebingungen 
günftiger find. Die Wadıel galt beim Landvolk 
als eine Art gebeiligten Tieres, deshalb ihr 
warnender Ruf, wenn die Schnitter and Ähren⸗ 
feld fommen: „Tritte mi nit!” Ihr Dableiben 
deutete man auf Jahresfruchtbarkeit; des— 
Halb überfegte man den Wachtelſchlag mit dem 
Bimeizetler: „Sim-mer Brot; 's bet fei Not.“ 
Die Anzahl der Wachtelſchläge am Pfingittag 
vor Sonnenaufgang beitimmte dem Bauern ben 
fünftigen Brotpreis; fo viel Schläge, fo hieß es, 
wird der Malter Korn often. Uhland und 
Mörike, in deren ſchwäbiſchem Vaterlande das 
Getreide in weiten, goldenen Auen wächſt, mußten 
die Eigenart bed Wachtelſchlages zu ſchätzen: 
„Nur die Wachtel, dte fonjt immer 


Ber Sud im 


Schon in der Schule wird gelehrt, daß ber 
Nudud kein eigenes Neſt baut, fondern feine 
Gier in die Nefter von Singpvögeln legt und 
diefen ruhig das Ausbrüten überläßt. Kommt 
dann ber junge Kudud ans Licht der Welt, dann 
it er ein Autokrat jchlimmiter Art, ber nicht 
nur feine anderen jungen Bögel neben ſich im 
Nefte buldet, fondern auch durch feine ungeheure 
Gefräßigkeit feinen Pflegeeltern die arößte Mühe 
macht. Bisher aber war man doch nicht ganz 
genau darüber unterrichtet, wie es ber junge 
Kuckuck treibt, weil man fi nur auf mehr oder 
tveniger ungenaue Beobachtungen verlaflen mußte. 
Jetzt aber hat, wie bie Wiener Arbeiterzeitung 
mitteilt, John Craig, ein engliiher Amateur» 
photograph, in einer englifchen Fachſchrift einen 
Artikel veröffentlicht, in dem er mit Hilfe zahl⸗ 
reiher Momentaufnabmen in einmandfreier 
Weife darftellt, welche Schlecdhtigfeiten der junge 
Kudud begeht. Craig fand nad) langem Suchen 
ein Neft, in dem ſich neben anderen Eiern auch 

” eines Kududs befand. Er nahm nun feinen 


70 


Frühe ſchmälend wedt ben Tag, 

Schlägt dem überwadten Schimmer 

Jetzt noch einen Weckeſchlag“, 
ſagt Uhland in dem Gedichte „Sonnenwende“. 
Mörike erwähnt des Wachtelſchlages in dem 
dramatiſchen Fragment „Spillner“ mit ben 
Worten: „Um biefe Zeit fängt plöglih in ber 
Nachbarſchaft eine Wachtel an zu fchlagen. Nichts 
bat mir in meinem Leben fo im Innerjten wohl ge: 
tan, mein Herz Hüpfte mir tm Leibe, und hinweg⸗ 
geitoben waren alle unheimlichen Gedanken bor 
dem einfachen Raturlaut biefes Bogeld. Die 
Wachtel afzentuierte wieder ihr Helles „Dal 
wa mal“; ich fah fie in Gedanken aus einem 
bellgrünen Aderfeld beraus mit ihrer Stimme 
die Wölbung des Himmeld treffen und dem 
Morgen entgegenfhlagen, ber den Inſtinkt 
biefeß Tieres beſonders begeiftert.” Bezeichnend 
tft, daß der Dichter Hfer den erfien Entwurf zu 
feinem übermältigenden „Geſang zu zweien in 
der Nacht” eingereiht Hat. Kulturhiſtoriſch inte 
refiant ift die von Döllinger in „Heidentum 
und Yudentum” (Seite 707) mitgeteilte Stelle, 
wonach Augujtus feinen Verwalter Ero8 am 
Maſtbaum feines Schiffes Freuzigen ließ, weil 
biefer eine zum Tierkampf abgerichtete Wachtel, 
die mehrmals gefiegt, gebraten und ver— 
ehrt Hatte! — A.K. 


im fremden Aefe. 


Begleiter Beat Millar zu Hilfe, damit diejer 
die verjchiebenen Stadien ber Borgänge photo: 
grapbtere, jobalb ber junge Kudud dem Ei ent- 
ſchlüpft ſel. Nach öfterem Nachſehen fanden fie 
eines Tages den jungen Rudud im Neſte vor- 
Unter dem leßteren aber lagen bie unausge- 
brüteten Eier und ble ſchon ausgebrüteten 
Jungen feiner Pflegeeltern. Nun wurde aus 
einem benachbarten Neft, forgfältig gegen Wärme⸗ 
verluft gefhüßt, ein anderes Ei geholt, das ber 
nod blinde Kudud in faum einer halben Minute 
aus dem Neft warf. Er arbeitete folange herum, 
bis er e8 auf dem Rücken Hatte, und ſchob es 
dann mit einem Ruck über ben Reftrand. Alle 
biefe Borgänge zeigen die Millarfhen Aufnahmen 
ſehr deutlih. Die beiden englifchen Beobachter 


konnten auch feitjtellen, baß der KRudud, ſobald 


er am neunten Tage zu fehen anfängt, im 
Neft Ruhe gibt und dort vorhandene Vögel 
nicht mehr Hinausdrängt. In den erjten adht 
Tagen aber bduldet er feine Geſchwiſter 
neben fi. 


u — 


IR der Storch nützlich oder ſchädlich? 


Diefe Frage wird fchon lange zrolichen | die Furchen nad) Ungeziefer abfuchen möchten, 
Naturforfhern und Naturfreunden befprochen, | dann würde man bald nicht mehr an ber über- 
ohne daß es bis jetzt zu einer beftimmten DMei- | mwiegenden Nüglichkeit der Stelzfüße zweifeln. 
nung gekommen ift. &8 fällt gewiß jedem ſchwer, Sicher ift aber auch anderfeits, daß da, mo 
biefem beliebten und geſchätzten Dachgaſte etwas | fi große Scharen unbeweibter Störde — ſo— 
am Zeuge zu fliden, aber Freund Adebar ift | genannte „Oi ter“ — anfammeln, ber Schaben, 
allerdings nicht immer jo KarmloR, als man | den diefe Bönel anrichten, überwiegend ift, denn 
meint. Seine Anlläger begründen ihr Urteil | viele gegnerifhe Stimmen find darin einig, baf 
damit, daß der Storch auf feinen Streifereien | der Storch allen Bögeln, welche ihre Nefter 
durch die Fluren junge Vögel töte und verzehre, | auf die Erbe bauen, ſiark nachftellt: Lerchen, 
er raube die Nefter auß, er verſchone auch die | Schnepfen, Strandläufer, Wieſenſchnarrer, Stie- 
jungen Hafen und Rebhühner nicht. bige, Rebhühner vertilgt er in großer Menge. 

Diefes Hin: und Herftreiten über die Nüg- | Ein Herr Horm in Weitpreußen ſchoß einen 
tichkeit oder Schädlichkeit des Storches veranlaßte | Storch Herunter, als dieſer das zmölfte junge 
feinerzeit den Direftor Michelfen, eine große | Rebhuhn ins Neft trug; auch beim Fiſchen wurde 
Zahl jahverftändiger Männer zur Abgabe ihreß | er ertappt, aber obwohl man im Kropfe eines 
Urteil® über den Storch aufzufordern. Es gingen | erlegten Storcheß zwölf fingerlange Karpfen fanb, 
viele Urteile mit einer Menge intereflanter Be: | wird doc angenommen, bat er ben Fiſchſang 
obachtungen ein. Alle Stimmen, melde den | nur aus Not betreibt, Blelfach bezeugt ift aber, 
Standpunkt der Landwirte vertraten, erflärten | daß der Storch ein eifriger Bienenjäger It; 
ben Storch für Überwiegend müßlich, benn tm | wenn er durch die Sleefelder ſtelzt, dann fucht 
Frühlinge verzehre er Fröſche, Kröten und | er alle Blüten ab und verſchlingt die Bienen 
Schlangen und fpäter Gewürm, namentlich | welche bort Honig jammeln: in bem Stropfe eine# 
Engerlinge, mit denen er feine Jungen füttere, | Storches fand man über 300 Bienen. 
ſolange diefe noch klein jeien; dann aber Mäufe So lauten die Urteile über die Nüglichkeit 
und dergleichen. Einzelne Beobachter betonten, | und Scäblichkeit ded Storches und man barf 
daß der Storch enorme Maſſen diefer ſchädlichen daraus den Schluß ziehen, daß diefer Bogel in 
Tiere vertilge, dies befonder8 in fogenannten | manchen Gegenden und manchen Jahren ſchäd⸗ 
Mäufejahren. Ein Beobachter mwünfchte, dab | li und an anderen Orten und Beiten wieder 
hinter jedem pflügenden Sandmann einige Störche | nüßlich wirtfchaftet. C. T. 


Giftfeſte Vögel. 

Aus dem ſoeben im Verlage der Stuttgarter | zehren Ferner wurde beobachtet, daß Grün— 
„Koſsmos“-Geſellſchaft erſchienenen Jahrbuch finken Stechapfelſamen, Buchfinken gemennigte 
der Bogellunde“ entnehmen wir die intereſſante Fichtenſamen, Amſeln Bitternußbeeren, Sper- 
Tatſache, daß viele Bögel bis zu einem gewiſſen linge Tabakſamen und Rebhühner Nachtſchatten— 
Grade giftfeſt erſcheinen und jedenfalls große | beeren in großer Menge und mit augenſchein⸗ 
Mengen von Giftitofien aufnehmen können, ohne | lichem Wohlbehagen fraßen. Geier follen ver» 
da fte ihnen irgendwie ſchaden. So fah man | Hältnismäßig große Mengen Strychnin vertragen 
Turteltauben maflenbaft Wolfsmilchſamen und | können und Schleiereulen fich ebenfo dem Zyanfalt 
Amfeln fogar die Beeren der Tolllirſche ver: | gegenüber verhalten. 


Pfälziſches Städteverfaſſungsgeſetz. 

Dem Landtag iſt der Entwurf eines pfäl- unmtttelbarkelt verliehen werben. Der 
ziſchen Stäbteverfafjungsgeieges zuge | Untrag bedarf ber Bujtimmung bon zweil Drit- 
gangen. Nach dem Entwurf fann den pfälgifchen | teilen der abftimmenden Gemeindebürger. Die 
Städten auf Antrag der Gemeindevermwaltung | Abjtimmung erfolgt nad; öffentlicher Belanntgabe 
dur Kgl. Entſchließung die Berfajfung der des Antrags fchriftlich zu protofoll. Das Ab- 
ftädbtifden Gemeinden redts bes | ftimmungsprotofoll ift innerhalb einer ausfchlie- 
Rheins ſowie, neben dieſer, die Kreis⸗ ßenden Frift zur Aufnahme ber Unterſchriften 


=. — 


im Gemeindehaus aufzulegen. Die Verleihung | gen. Für diefen Fall gelten befondere Borjchrif- 
der reisunmittelbarfeit erfolgt nach Einvernahme | ten. Der Art. 23 Abſ. 6 des Geſetzes über 
bes Yandrats. Für die pfälzifchen Städte, denen | Heimat, Berehelihung und Aufenthalt 
die jrädtifche Berfaffung oder die Kreisunmittel- | (Gejeg- und Verordnungsblatt 189 ©. 470) 
barkeit verliehen wird, gelten diefelben gefeglichen | tritt für die pfätztjchen Gemeinden mit ſtädtiſcher 
Vorſchriften wie für die Städte rechts des Rheins Verfaflung außer Kraft. Bei Berleibung der 
mit gleicher Verfaſſung. Die Einrichtungen der | jtädtifchen Verfaſſung an eine pfälziihe Stadt 
Gemeinde:Einnehmereien hat für die pfälziichen | treten für diefe die VBorfchriften über die Wahl 
Gemeinden mit ftädtifcher VBerfaflung fortzube- | der Gcmeindebevollmädtigten und bes 
ftehen. Im Bereiche von gefeglichen Borfchriften, | Magiftrat$ drei Monate vor dem Zeitpunkte 
die nur für die Pfalz gelten, tritt in den pfäl- | in Sraft, in dem die Verleihung wirkſam mird. 
zifchen Gemeinden mit ftädtifcher Berfaffung an | Die erjten Erneuerungswahlen finden gleich: 
Stelle der Zuftändigleit de8 Gemeinderats und | zeitig mit den nädhiten regelmäßigen Gemeinde- 
der Gemeindeverfammiung die Zuftändigkeit des | wahlen ftatt. Befoldete Mitglieder des Gemeinde: 
Magiftrats und der Gemeindebevollmädhtigten. ; rats treten mit ihren vertragsmäßigen Rechten 
Die Berleifung der Kreisunmittelbarkeit an | in den Magijtrat über. Unterliegen fie noch 
pfälztfche Städte kann auch unter Aufrecht- | eıner Wiederwahl, jo erfolgt diefe durch die Ge— 
erbaltung des Dijtriftsperbandes erfol- | meindebevollmächtigten. 


Pfingſten — die Spargelzeit. 

Zu den älteften Lederbiffen der Kulturge- | gel wild auch an der engliichen Küjte und im 
ſchichte wird man den Spargel rechnen können; | Rußland, und in den ruffifhen Steppen tit er 
es iſt wahrjcheinlich, daß die Zubereitungsmweije | fo häufig, dat ihn das Vieh abgraft. Bielleicht 
des Spargels wenigſtens feit reichlich 2000 Zah» | ijt der Spargel auch in Deutihland heimiſch. 





ren fih in der Hauptſache gleich geblieben tft. | Wilder Spargel iſt ja auch bei und weit ver— 
Was das Alter des Spargels angeht, fo treffen | breitet, und der erwähnte Plinius erzählt, daß 
wir den angenehmen Anblid eines Spargelbün- | im oberen Deutichland auf Feldern eine Menge 
dels bereit8 auf einem ägyptifchen Grabgemälde, | Spargel wachſe, über den der Kaijer Tiberius 
das in die Zeit der 5. Dynaſtie, d. 5. in die | einen „Witz“ zu madjen geruhte. Er jagte näm- 
Jahre 3566 bis 3333 v. Chr. zu fegen ift. Ebenfo | lich: er erinnere ſtark an den richtigen Spargel. 
fannten Griechen und Römer ben Spargel, und | Zit dies richtig, fo dürften wir den Spargel wohl 
befonders bei den Römern wurde er nach Gebühr | zu den einheimifchen Pflanzen rechnen. In der 
geihägt. Aus einer Bemerkung des älteren | edleren Form wird er aber erjt, fo weit befannt, 
Plinius geht hervor, dab die Spargelfultur in | in dem Sträuterbuche des Hieronymus Bock vom 
ben Tagen des großen Veſuvausbruches Schon | Jahre 1539 erwähnt. Dort heißt es von ihm: 
ungefähr fo hoch entmwidelt gemejen fein muß, | „ein gemeiner Salat bei den Walen und Hispa- 
wie fie es heute it. Riefenfpargel gab e8 ſchon niern, iſt nunmehr auch, wie andere Leckerbißlein, 
damals, und in Ravenna mwogen drei Stüd ein | ins Teutfchland fommen.” Bod bezeichnet ben 
Pfund. Neben dem Aulturfpargel wurde der | Spargel fernerhin als „ein lieblich' Speif für 
milde Spargel nicht verachtet, deſſen dünne | die Ledermäuler.” Darin bat er recht, und es 
Stangen ſelbſt mander Feinſchmecker al8 im | Hat fi in diefem Punkte feit den Tagen des 
Geichmade feiner eradhtete, wie den in Beeten | Ehren-Hieronymus noch nichts berändert. 
gezogenen Spargel. Noch heute wächjt der Spar- | 


Dnndalt: Das Leben des Baumes. — Milbenhäushen. — Scaffet Nijtpläge für unjere 
Vögel! — Poeſie und Profa in der Naturmwiffenfchaft. — Unſere Urahnen aus ber Steinzeit. — 
Die Urheimat der Germanen. — Die Rafdhi-Kapelle in Worms. — Deutjche Eigennamen. — 
Ditertag-Dentmal. — Hundertjahr Gedenkfeier der bayerifchen ggf “Bing — Bayerns Landes- 
vermefiung. — Bon ben Ameijen. — Pfälztfhe Auswanderer. — Bon der Blaumeife. — Schläft 


1 





der Hafe mit offenen Augen? — Der Kudud im fremden Neſte. — it der Storch nüßlich oder 
ſchädlich? — Giftfeſte Vögel. — Pfälzifches Städteverfafiungsgejeg. — Pfingiten — Die Spargelzeit. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Kayſer's Derlag, Haiferslautern. 


Ffir Form und Ynbalt der Beiträge find bie Herren Berfafler verantwortlich. 
(Unverlangte Manuftripte werben nicht zurüdgefanbt.) 


Die Pfalziſche Heimattunde“ Toftet jährlich in 12 Heften ME. 2.50. Peflellungen werben von allen Budbandiungen und 
Boftanflalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbandfendung) angenommen- 


1V Jahrgang. 


Nummer 7 und 8. 


Juli, August 1908. 


IPALZISCHE HEIMATKUNDE 


U) 


L/ 


MONATSSCHRIFT 


— 


EIMANNH EICH: 


FÜR SCHULE UND HAUS. 





Der Mönd von Hit. Medard. 


Im Slofterwalde im Schatten der Linde 
Saß Bruder Martin im Abendwinde. 
Boll Zweifel ſann er den Worten nad): 
„Vor'm Herrn find taujend Jahr' wie ein 
Taq.” 


Und während er Emigfeiten durdhträumte, 
Er drüber die Veſperglocke verjäumte. 

Wie oft ihn das Glödlein zur Hora auch rief, 
Der Bruder den Schlaf des Gerechten jchlief. 


Und als er erwachte, da pocht' er am Thore, 
Es fiel ein Lichtichein hinaus aus dem Chore, 


| Die Brüder umstanden ihn alle mit Schauern, 


„Was ftörft Du den Frieden der Stlojter: 

mauern ? 
„Es find nun dreihundert Fahre ſchon bald, 
„Seitdem Du verjchwunden im Klojterwald. 


„So steht in der Stlofterchronif gejchrieben. — 
„Verſchwunden biſt Du bis Heute geblieben, 
„Willft heute Du wieder ins Kloſter herein, 
„So fann’s Dein unjeliger Geilt nur fein.” 


Der Bruder erblaßte, graumallten die Haare, 
Er hatte verichlafen dreihundert Jahre. 


Der Pförtner befrug ihn nad) jeinem Begehr, | Und ſterbend ſprach gläubig die Worte ernad): 


Im Mlofter kannte ihn niemand mehr. 


\ „Bor'm Herren findtaujend Jahr’ wie ein Tag. 


Dr. Karl Bujd. 





Ber Pflanzencharakter der Umgebung Landfiuhls und feine 
Beziehung zur Bodenbelchaffenheit. 
Bon Hermann Weyland, Neujtadt-Orla. 


Vegetation und Bodenbeichaffenheit ſte— 
hen befanntlich in gewiljer Wechjelbeziehung. 
Es gibt Pflanzen, wie Salicornia herbacea 
L., welche auf jalzhaltigem Boden wachſen 
oder wie die meilten Orchideen, welche einen 
falfreihen Nährboden bevorzugen. Erjtere 
wird man daher nur an der Meeresfüfte oder 
im Binnenlande nur an ſalzreichen Orten 
antreffen, legtere dagegen find an die Falk: 
reichen Formationen gebunden, etwa an 
tertiäre Salfablagerungen oder an den 


triadiihen Muſchelkalk. Man wird daher 
allgemein behaupten fünnen, daß derjenige 
einen feineren Sinn im Auffinden von 
Pflanzen haben wird, dem auch die Geo» 
logie fein ganz fremdes Gebiet ift, als 
ein anderer, der fich mit der anorganijchen 
Welt noc gar nicht befaßt hat. 

So joll denn den Aufzeichnungen über 
den Pflanzendarafter der Umgebung Yand- 
ftuhls auch eine kurze Darlegung der geo- 
logiſchen Verhältnifje der Gegend voraus» 


gehen, wobei ich mich an Yeppla halte, der 
die Bodenbeichaffenheit feiner engeren Heimat 
einer eingehenden Betrachtung unterworfen 
bat*). 

Obwohl für das Borliegende mehr 
die eigentliche Talung in Frage kommt, 
jo müffen auch die die Talung begrenzenden 
Schichten fur; betrachtet werden. Die 


triadiijhen Schichten im Süden laſſen ich | 


dem Wlter nach einteilen ın den mittleren 
Buntjandftein, den oberen Buntjandftein 
und den Voltzien- und Mufcheljanditein. 
Der mittlere Buntiandjtein bildet den ge- 
famten Nordrand der Sidinger Höhe. 
Harte Schichtenbänke treten auch innerhalb 
der Bruchniederung als kleine Erhebungen 
auf, jo bei Hauptftuhl und bei der Moor- 
dammühle. 
der Niederung gegen Norden. Der mitt: 
lere Buntjandftein und der aus ihm durch 
Bermwitterung entitandene Boden ift für den 
Botaniker ein unergiebiges Feld und für 
den Bauern ein Schlechter Aderboden. 
Südlich jchließt ſich an den mittleren Bunt» 
jandftein der obere Buntfanditein, der in- 
defjen vom erfteren nicht immer jcharf ge- 
trennt iſt. Ihn zeichnen teil& der lodere 
Zuſammenhang der einzelnen Sandförner, 
teil Bänfe mit ftarf tonigem Bindemittel 
aus, Den fruchtbaren Ackerboden der 
Sidinger Höhe jedoch bedingt der Mujchel: 
jandftein, der auch als unterer Mujchelfalt 
bezeichnet wird, im verein mit dem Bolt- 
zienjandftein.. Der Mufceljanditein bildet 
auf dem Rüden der Sidinger Höhe eine 
Dede, welche durch die Abmwajchung auf 
20 m Dicke herabgedrüft wurde, Die 
Beitandteile diefer Schichten, insbejondere 
ihr SKalfgehalt, find wohl aud einigen 
ftärferen Einjchnitten in das Gebirge durch 
das von der Höhe herabrieielnde Waller 
zuteil geworden, hauptjächlicd; dem Fleiich- 
aderloh. Es ließe fih ſonſt faum der 
gegen das übrige Webirge abjtechende Reich: 
tum an Pflanzen erklären. — Im Norden 
folgen auf den begrenzenden mittleren 
Buntſandſtein eine Reihe von Stonglomeraten 
zwijchen Elihbah — Obermohr — Schwanden 
und Schwedelbach, die als „Urerbildung im 
Buntjandjteinmeer” aufgefaßt werden. 


9 Sitzungsberichte der mathem. phyſ. Klaſſe 
der r Bay. Akademie der Wiſſenſchaft 1886, 
Heft U. 


74 


Er bildet auch die Grenzen | 


Die Bruchniederung ſelbſt ift, wie aus 
den geologischen Aufnahmen folgt, eine alte 
Talung, die bejonders in ihrem oberen 
Teil mit Ablagerungen von Sand und 
Geröll bedeckt ift, welch letzteres teilweiſe 
"aus dem Stohlengebirg und Rotliegenden, 
teilweile aus dem Buntjandjiein ftammt. 
An einigen Stellen des alten Flußbettes, 
befonders im unteren Teil, finden fi auch 
„einere Schlemmprodufte des lieh 
wajjers”, der Yehm, der dort die flachen 
Hügel bedeckt und die Fruchtbarkeit der 
Striche bedingt. 

Ueber die erfte Epoche der Waller: 
fäufe, welche die Anfänge der Talerofion 
hervorriefen, weiß man nichts Genaueres. 
Die zmeite Gpoche murde durh den 
Waſſerlauf bezeichnet, der durch den Blies— 
durchbruch bei Neunfirhen und Welles— 
weiler aus dem Stohlengebirg trat und in 
einer Breite von mehreren Kilometern et- 
wa die Richtung der heutigen Moor— 
niederung einhielt. Die Abflüſſe des 
Stromes dürften einerſeits nach dem Glan 
tal, andererſeits nad dem Yautertal ge 
richtet gemweien ſein. 





| Die Üntftebung dieſer gemaltigen 
Waſſermaſſen erklärt Peppla damit, daß er 
| annımmt, „daß in denjenigen Mittel 


gebirgen, melde zur älteren und mittleren 
Diluvialzeit einer Wergletiherung nicht 
unterworfen waren, an Stelle der legteren 
jahreszeitlihh machjende, bedeutende atmo- 
iphäriiche Niederjchläge in Form von Schnee 
und Regen fich einftellten.“ 


Durch die fortichreitende Erofion wurde 
das Flußbett tiefer, der Waſſerſpiegel ſank 
wohl auch durch die Berminderung der 
Niederichläge. Höhere Orte und ganze 
Hüpgelfetten wurden troden gelegt und es 
entitand nach und nad eine Art See von 
geringer Tieſe, der nur noch von Fleinen 
Rinnjalen geipeift wurde, Die Vegetation 
drang vom Rande aus in das Innere vor 
und dad Ündergebnis war ein reich 
bewadjjener Sumpf, wie er am Nordrand 
der Sickinger Höhe bis ın hiſtoriſche Zeit 
beitand und ſich annähernd noch in der 
Gegend des Vogelmoogs erhalten hat. So 
war die Gelegenheit zu ausgedehnter Torf: 
bıidung gegeben, wie wır fie von Homburg 
bis nahe an Haijerslautern beobadıten. 





Was hat nun der Botanifer von diefer 
Gegend zu erwarten? 

Scharfe Unterſchiede ın der Begetation 
ließen ſich meiner Anjiht nad ın der 
Weile machen, daß mir unterjcheiden zwi— 
ſchen der eigentlihen Bruchebene, dem 
Buntjandjteingebier und dem Muſchelkalk 
im Süden und den Stonglomeraten im 
Norden. 


75 





Beginnen wir mit dem Muſchelkalk der 
Sickinger Höhe, dem in botaniſcher Hinſicht 


auch der obere Buntſandſtein nicht unähn: | 


Lich it, obwohl ihn der Mangel an Kalt 
unterfcheidet, fo wird der Sammler recht 
enttäufcht fein, wenn er nidt etwa die 
Flora der geologiid; gleichen Zweibrücker 
Umgebung zu jehen befommt. Aber bei 
der geringen Ausdehnung des Muſchelkalkes 
in unjerer Gegend einerjeit® und bei dem 
ausgedehnten Aderbau andererjeits, durch 
den mit Samen fremde, meift Unkraut: 
pflanzen eingeführt und die einheimiſchen 
verdrängt werden, ift e& nicht anders zu 
eıwarten, Es gibt in diefer Gegend nur 
jehr wenige, räumlich eng begrenzte Brad) 
ftellen, meiſt fleine Hänge, die jedoch zu 
flein find, als daß auf ihnen die zur ort: 
pflanzung nötigen Bedingungen gegeben 
mären, 3. B. bei jelteneren Arten das 
Vorhandenſein von zahlreihen Exemplaren, 
jodaß eine recht wechſelſeitige Beiruchtung 
ftattfinden fünnte. Früher mag das an- 
ders geweſen fein, jo erwähnt Schul das 
übrigens jchon damals jeltene Borfommen 
von Örchis ustulata L. bei 
Wenn die ehemalige Bedefung der Höhe 
nit Mujchelfalf für die heutige Vegetation 
noch von Bedeutung ift, abgeiehen natlirlich 
davon, daß fie die Urfache der Fruchtbar— 
feit der Sickinger Höhe ift, jo möchte ich 
fie, wie gejagt, darin erbliden, daR Ge: 
jteinstrümmer diejer Formation von den 
fleiren Rinnjalen in die jchluchtenförmigen 
Einſchnitte des Gebirges hinabgeführt mur- 
den und dort die reiche Flora haben auf: 
fommen lafjen, die mir bejonders ım 
Fleiſchackerloch antreffen. Much das Bären» 
loch iſt hier vielleicht zu nennen, obmwohl 
jene Flora ganz den Gharafter der Bruch— 
flora trägt. Im Fleiſchackerloch finden 
wir im Frühling Mercurialis perennis L., 
Convallaria multiflora L., Corydalis 
cava Schwg. u. K. und Paris quadri- 





Roſenkopf. 





folias L. Herr Dr. Groß-Landftuhl traf 
an der gleiden Stelle Anemone ranun- 
euloides L. an, für unjere Gegend ein 
jehr bemerfenswerter Standort. ferner 
fand ich Lunaria rediviva L, für die bis 
jest, joweit mir befannt ift, in der Pfalz 
fein Fundort angegeben murde, alles 
Pflanzen, die wir auf dem eigentlichen 
Gebiet des Buntjandfteins nicht antreffen. 

Das Bärenloch charafterifieren ſeine 
mit Acorus Calamus L., Menyanthes 
trifoiiata L. und Lysimachia thyrsiflora 
bewachjenen Weiher und feine mit zahl: 
reihen Formen, beionders Blechnum bore- 
ale Swartz, bejtandenen Hänge. 

Weniger noch ift über die Flora des 
Buntjandfteins zu jagen. In den dunfeln 
Kiefernmwäldern gedeiht die Heidelbeere, im 
Namfteiner Wald auch die Preißelbeere, 
wenige SHieracien ein paar Pyrolaceen, 
einige Vertreter der Gattung Luzula, dar 
zu im Spätjommer Monotropa Hypo- 
pitys L. Lycopodiumarten und Farne fin» 
den fih in mäßiger Bahl; von den 
jelteneren farnen jei Botrychium Lunaria 
Swantz genannt, das von Herrn Dr. Wey- 
land-Pandjtuhl an der Landſtraße nad 
Bann gefunden wurde, Etwas reichhaltiger 
find die kahlen, jonnigen Brachſtellen. Hier 
finden wir Dianthus deltoides L. und 
Lychnis Visearia L., Moenchia erecta 
Fl. Wett. und Trifolium alpestre L., 
Helichrysum arenarium DC. und Arno- 
seris pusilla Gaertn., ferner Centaurea 
nigra L. und Galeopsis ochrolenca Lmk., 
welches dem mejtliyen Deutichland vorbe- 
halten ift. Auf Brachitellen über den gro» 
Ben Yandituhler Steinbrüchen fand ich einen 
neuen Standort von Orobanche coerulea 
Vill. Zuweilen trifft man wohl aud 
Anthericum Liliago L. an, mweldes häu— 
figer auf Sandfteinhügeln im Moor, fo 
beim Ginfiedlerhof, zu ſehen iſt. Bon 
Bäumen find vielleicht Sorbus Aria Crantz 
und Sorbus ancuparia L. zu nennen, die 
an Waldrändern bin uud wieder vorfont- 
men. Bilanzen, deren Erijtenz etwas mehr 
an das Vorhandenſein von Waſſer gebun- 
den ift, fünnen auf den Buntjandfteinbergen 
unjerer Gegend faum feiten Fuß faflen. 

Ueber die Flora der Stonglomerate im 
Norden der Bruchniederung ift ungefähr 
das Gleiche zu jagen wie über die des 


Mujchelfalfes der Sidinger Höhe. Die 
falfreicheren Stonglomerate find teilmeije 
mit diluvialem Flußlehm überdedt und lie- 


feru vermittert neben diejem einen vorzüg: 


lihen Aderboden. Cine jelbjtändige, ab» 
gegrenzte Flora dürfen wir alſo auch hier 
nicht erwarten. Was und auffällt, das 
find meiftens gelegentlihe Eindringlinge 
aus dem nördlich gelegenen Rotliegenden 
oder dem Eruptivgeftein, welche wiederum 
viel botaniſch Antereflantes bieten. Doc 


liegt da8 außerhalb des Rahmens diejer | 


Ausführungen. 
Nun zu dir Flora der Moorebene. 


76 





Die eigentlihe Moorflora ift gegen die der 


Ränder ſcharf abgegrenzt. Man fünnte 


vielleicht auc fie wiederum einteilen und | 


unterjcheiden zwijchen der Flora der Wald-, 


Heide: und Sumpfitredfen, doch find natür- 


lih alle Uebergänge zu beobachten. Bon 


dem urfprünglichen „Bruch” ift nicht mehr 
viel vorhanden, wenige Stellen bei Bruch- 


mühlbach und Hauptjtuhl, bei der Moor: 


dammühle bei Landftuhl, beim VBogelmoog 


bei Kaiferslautern. Teilweiſe find Tannen: 
forften angelegt worden, deren fünjtliche 
Anlage jhon aus Richtung und Abitand 


der Bäume hervorgeht; teilweije hat man, | 


wo die Torfichicht dünn mar, durch Ab- 
heben und Auffahren befjeren Grundes an 
Stelle der „jaueren” Wiejen, 
Carex-Arten vorwiegend gebildet werden, 
nußbare Wieſen angelegt, während Die 
diferen Schichten allmählih als Brenn— 
material abgeftoßen werden. Neue, nicht 
hier einheimische Pflanzen find jchon durch 
die mweither bezogenen Grasjämereien ein» 
geführt worden, wie wir jpäter jehen mer: 
den, und mehr noch werden folgen. Wie- 
der andere find durch die Eiſenbahn ver: 
ichleppt worden und machen fich zu beiden 
Seiten des Bahnförpers breit. Bon den 
menſchlichen Wohnungen dringen Die be- 
fannten Schutt» und Unfrautpflanzen mit 
Dünger und Nbfällen in das Moor vor. 

Dem allem gegenüber geht die alte 
haraftervolle Moorflora langjam aber jtetig 





die von | 





zurück. Bergegenmärtigen wir ung einmal | 


einen Gang durchs Moor, 
einer meterdiden ZTorfihicht. In großen 
Abjtänden wachſen verfrüppelte Kiefern, ein 
paar Bappeln, Birken und Weiden. Der 
Boden ift mit Moojen, Flechten und Seggen 


Wir ftehen auf | 


überzogen, id; nenne von den jelteneren 
(nad) älteren Angaben) Carex paneiflora 
Lehtf.. C. paniculata L., C. limosa L. 
und C. filiformis L. In Mengen finden 
ih oft Galium saxalile L. und Polygala 
amara L. Hier und da erhebt fich, meiit 
einen ftarfen, halbfugeligen Strauch bil 
dend, Vaceinium uliginosum L. m 
Sommer erfreut uns die große, gelbe Blüte 


der Arnica montana L, im Herbſt die 


blaue, grün getüpfelte der Gentiana 
Pneumonanthe L. Im Weitergehen ge- 
langen wir an einen Sumpf. Der ihn 
umgebende Boden ift ein weiches Sphag- 
numpolfter. Hier treffen wir Vaceinium 
Oxycoccos L. und Andromeda polifolia 
L. an. Drosera rotundifolia L. fahnder 
bier auf die zahlreichen Inſekten, die der 
Moraft ausbrütet, während ihre Schweiter 
Drosera intermedia Hayne fi mitten im 
Waſſer wohlfühlt. Auch Drosera Congi- 
folia L. wird von Schultz noch angegeben, 
doch ift e8 mir nicht gelungen, fie zu fin- 
den, Mn zwei Stellen bat fih auch 
Wahlenbergia hederacea Rchb. noch er- ' 
halten inmitten von Polygala serpyllacea 
Whe. und der eigentümlichen Umbellifere 
Hydrocotyle vulgaris L. Dieje jcheint 
ıhren runden Blättern und wenigen Blüten 
nad mit ihren anderen Familienmitgliedern 
Pencedanum palustre Moench und Seli- 
num Carvifolia L., die ebenfalls ın der 
Nähe wachen, nichts gemein zu haben. 
Un feuchten Stellen fteht Viola palustris 


' L. und zumeilen Parnassia palustris L., 


eine Verwandte der Drojeraceen. Lotus 
uligioosus Schkuhr und Comarunı palu- 
stre L., das dunfelpurpurrote Blutauge, 
vervollfiändigen das Bild. Auf den grö- 
Beren ftehenden Gewäljern, jo dem Vogel 
woog und dem Blehhammer, wiegt ſich 
die weiße Teichroje, während an den Teid- 
rändern und auf den nahen najjen Wieien 
Pedicularis palustris L. und silvatica L., 
Veronica scutellata L., CGrepis paludosa 
Moench und Cirsium oleraceum Scop. 
oft in Menge zu finden find. Aus Tüm- 
peln und Gräben ftreft Utricularia vul- 
garis L., jelten au U. minor L. ihre 
gelben Blüten der Sonne entgegen. 

Welch reiche Begetation mögen wohl 
frühere Zeiten an diejen Stellen gejehen 
haben! Schultz gibt noh in den 40er 


Jahren des vorigen Jahrhunderts unter 
manden anderen Seltenheiten Calla palu- 
stris L. an, die nun wohl längit vollftän- 
dig bei uns verjchwunden ift, und er nennt 
bei Kaijerslautern Toriheiden als Fundort 
für Daphne Cneorum L. 


Werfen wir nody einen kurzen Blid auf 
die Monofotylen der Moorniederung. Mit 
Piliaceen und Orchideen ift e8 recht Schlecht 
beftellt und auch nicht anders zu erwarten 
bei dem gänzlicd Fehlen des Kalkes. Bon 
Orchideen haben wir faum andere als Or- 
chis maculata L., OÖ. Morio O. und O. 
incarnata L., an einigen Stellen aud 
Listera ovata R. Br. und Platanthera 
hbifolia Rehb. Reicher vertreten find 
natürlich die eigentlihen Waſſerpflanzen. 
Abgeſehen von den allgemein verbreiteten 
merden nambaft gemacht Scheuchzeria 


und 
L. und Sparganium natans Auet. Junica- 
ccen und Gramineen finden fich in reichiter 
Auswahl aut trofenen fo gut wie auf 
feuchten Plätzen; es jeien erwähnt Iuncus 
capitatus Weig., J. supinus Moench 
und J. squarrosus L., Rhynchospora alba 
Vahl und fusea R. u. Sch, jehr deforativ 
wirfende Wollgräier, Eriophorum vagina- 
tun L. und gracile Koch. ; von Gramineen 
der leicht an den gelben Antheren fennt 
Ihe Alopecurus fulvus Schmitt und 
Calamagrostis epigeios Roth. 


Einer genaueren Betradhtung, da fie 
jtetig an Bedeutung zu gewinnen jcheinen, 
jeien diejenigen Pflanzen der Woorniederung 
unterworfen, die böchftmahricheinlich als 
Eindringlinge bezeichnet werden müſſen. 
Ich möchte vielleicht aud bier eine Unter— 
Icheidung machen zwiſchen jolchen Pflanzen, 
die aus der näheren Umgebung des Movres 
eindringen, und dazu gehören auch alle 
jene Schutt und Unfrautpflangen, und jolchen, 
die durch die Eiſenbahnlinten verbreitet 
häufig amerikaniſchen Urjprungs find. Bei 
der erjten Abteilung kommen hauptſächlich 
Pflanzen der nördlichen Gebi te, des Glan— 
und Nahetales, ın Betracht, die zum Teil 
durch die Verwendung der Gefteıne jener 


Formationen in der Niederung ſich in ber | 


ichrärftem Maße ausdehnen fonnten, 


77 





fularia eanina L. auf dem Damm an der 
Ramjteiner Bahn bei Landſtuhl. 


Weit mehr Beachtung noch verdient die 
zweite MWbteilung, das Borfommen von 
Hieracium aurantiacum L., Aquilegia 
atrata Koch, Nareissus poöticus L. und 
Verbascum phoeniceum L. Es jeien im 
Folgenden die Fundorte aufgezählt: 

Hieracium aurantiacum L., in Schultz’ 
Flora, wie auch alle anderen, nicht ge— 
nannt, wurde zuerft von Herrn Dr. J. 
Weyland-Landjtuhl weſtlich der Ramfteiner 
Bahn auf Moormiefen gefunden, dann aud) 
von mir Öftlih der Bahn bei der Moor- 
dammühle, bei Schernau und zwiſchen Ein» 
fiedel und Kindsbah. Bei Echernau hatte 
die Pflanze gänzlich Befig ergriffen von 
den Fundamenten eines niedergelegten 


 Haufes, ſodaß es fchien, als begünſtige die 
palustris L., Potamogeton oblongus Viv. ' 


rufescens Schrd., Typha latifolia | 








36 


Anmejenbeit von Kalk jehr ihre Entwidlung. 


Aquilegia atrata Koch, in Wuchs und 
Ausjehen ganz mie die alpine Pflanze, 
wurde einmal von Herrn Dr. Weyland 
und einmal von mir in der Umgebung von 
Schernau gefunden. 


Nareissus poöticus L. fand ich ver: 
einzelt in fräftigen Stöfen von der Moor- 


dammühle bei Landftuhl bis ins obere 
Slantal bei Steinwenden auf feuchten 
Wiejen. 


Verbascum phoeniceum L fand id 
in einem einzigen Exemplare auf einer 
Wieſe mweitli der Namfteiner Bahn, 


Wie bereitö gelagt, jcheint ed mir am 
mwahrjcheinlichiten zu jein, daß dieje Pflan- 
zen mit Grasjamen, der zur Rultivierung 
des Moores häufig bezogen murde, aus 
anderen Gegenden hier eingejchleppt worden 
find. Ich glaube, daß man gute Erfolge 
erzielen würde, wenn man 3. B. Pflanzen 
der Münchener Hochmoore wie Primnla 
Auricula L. oder Gentiana acaulıs L. bei 
uns an geeigneten Stellen ausjegen würde. 


‚ Vielleicht finder der Vorſchlag Beachtung. 
Die dritte Abteilung der eingemwanderten 


Pflanzen umfaßt diejenigen, für deren Ber- 
breitung die Bahn Sorge trägt. Es find 
3. ®. Erigeron canadensis L. und Oeno- 
thera biennis L., welde jegt fait auf 
jedem jandigen Plate zu finden find, ferner 


erwähne bier das Borfommen von Scro- | Stenactis annua Nees und Solidago cana- 


densis L., die zwiſchen Cinfiedel und 
Kindsbach im Bordringen begriffen find. 
Die angegebenen Namen und Stand— 


18 


orte mögen nun zur GCharafterifierung des | 
bier, wie bei allen irdiihen Dingen gilt 


Pflanzenlebens der Umgebung Yandjtuhls 
genügen. 


Man wird mit Bedauern den 


Rückgang der heimischen Flora betracten | 


und follte fie jo gut mie möglich zu jchügen 


juhen; aber man mird aucd die Ber- 
änderungen, den Wechſel in der Flora 


nıcht ohne Intereile anſehen dürfen. Auch 


der Sag des alten Heraklit: zävea fat, 
alles Flickt, beitändig ift nur der Wechſel. 


Gewitter: und Miederlchlagsbeobantungen, 


I 


Das Sl. Hydrographiſche Bureau in | 


München verfendet in weitere Kreiſe Bayerns 
ein Birfular zur Belebung der diesbezüglidyen 
Beobachtungen. 

Für die Berechnung der an einer be- 
ftimmten Stelle eınes Fluſſes oder Bades 
zu erwartenden größten Hochwafjermenge ift 
unter anderem die Stenntnis der räumlichen 
Ausdehnung der Gemitterregen und der 
dabei gefallenen Regenmenge von großer Be 
deutung. Dieje Kenntnis fann nur durch 
ein möglichſt dichtmaichiges Netz von Be- 
obachtungen erreicht werden, 

Die dermalen in Bayern eingerichteten 
370 Regenftationen reichen hiezu bei Weiten 
nicht aus, weshalb das K. Hydrotechniſche 
Bureau beabfichtigt, im beurigen und nächſten 
Jahre eine möglichit große Anzahl von über 
ganz Bayern verteilten Meßſtellen jür Ge 
mwitterregen einzurichten, deren Tätigkeit 
möglichft einfach ausgeftaltet werden joll. 

jeder Beobachter erhält eine fleine An: 
weilung und eine Unzahl von vorgedrudten 
Meidefarten, in melde das Ergebnis der 
Meſſung einzutragen tft und die dann um— 
gehend dem K. Oydrotechniſchen Bureau 
eingejendet werden jollen. Als Beobadıter 
find in erfter Linie in Ausficht genommen 
Staatd-, Diftrifts- und ſtädtiſche Straßen 
mwärter, jtändige Vorarbeiter ujmw.; die Be- 
teiligung auch anderer Perſonen, B. 
Landwirte würde ſehr gerne geſehen. 

Das K. Hydrotechniſche Bureau ſtellt 
nun das Erſuchen, möglichſt viele Perſonen 
ſamt deren Wohnort zu benennen, welche 
ſich zu dieſen Beobachtungen eignen, und 
daber insbeſondere im Auge zu behalten, 
daß jeder Beobachter eine Stellvertretung 
hat, wozu ſehr zweckmäßig weibliche Haus— 
genoflen verwendet werden fünnen. 

Es jei noch bejonders hervorgehoben, 


’ 


5 





daß mit Übernahme des PBeobachtungs- 
geichäites durchaus nicht die Verpflichtung 
verbunden fein joll, an der Beobachtungs— 
jtelle bei etwa eintrerendem Gewitter per 
fünlıdı anwejend zu jein; Niemand joll be: 
leinen fonitigen Geicdhäften eine Behinderung 
erfahren. 
1. 

„Anleitung zur Beobaditung und Meſſung 
von Gemitterregen in den Jahren 
1908 und 1909.” 

Zweck der Meſſung der Gewitterregen. 

Durch dıefe Mejlungen will man haupt: 
jächlich die Antwort auf zwer Fragen ent- 
halten: 1. Welche Regenmenge fällt beı 
einem Gewitterregen? 2, Weldye räumliche 
Ausdehnung haben die Gemwitterregen ? 

Daraus follen dann Schlüſſe gezogen 
werden auf die Durch Gemitterrenen hervor: 
gebrachten Hochwäſſer und deren Berlaut. 

Die zur Meffung nötigen Geräte. 

Ein rundes (nicht ovales) von ober bis 
unten möglichit gleichweites Waflerihaff von 
Holz mit etma 40 cm Durchmeſſer oder 
beffer, da dieſe leicht lecf werden, eın oben 
und unten gleich weiter Hafen von Bled 
mit erwa 20—3U cm Durdmeljer und ein 
geeichtes von oben bi unten möglichft gleidı 
weites Halbliterglas. Das Waſſerſchaff bezw. 
der Hafen dient zum Auffangen des Megens, 
dns Halbliterglas zum Abmeſſen des auf: 
gefangenen Regenmaflers. 


Berfahren beim Mefjen des gefallenen 


Regens. 
Beim Herannahen eines Gewitters wird 
das Schafft — bezw. der Hafen — im 


‚freien To aufgeftellt, daß der Negen von 


' allen Seiten freien Zutritt zu diefem Auf: 


fanggefäß hat; zu vermeiden ift eine Auf- 
jtellung in zu großer Nähe von Bäumen, 


Gebäuden, Mauern, Zäunen u. del. Das 
Auffanggeſäß fann auf den Erdboden zu 
itehen fommen, befler ift jedoch eine Auf— 
jtellung etwa 1 m über dem Erdboden. 


- 


Es ift darauf zu fehen, daß jein Boden 


annähernd mwagredt ſteht. 

Beginn und Ende des Gemitterregens 
iſt nad der Uhr zu notieren. Bei allen 
Gewittern folgt auf einen etwas jchmächeren 


Rorregen ein ftärferer Gußregen und dann | 


wieder ein ſchwächerer Nachregen; Beginn 
und Ende des Gußregens ift ebenfalls nad) 
der Uhr zu notieren. Gemitterregen bei 
Nacht zu beobachten, wird nicht verlangt. 


Die Zeitbeſtimmung hat nah Stunden | 


uud Minuten zu erfolgen, 3. B. Beginn 
des Gemitterregens 920 Bm., Ende 12'* Am. 
Damit das aufgefangene Waller nicht 


verdunitet, muß ſofort nad Auihören des | 


9 


Gewitterregens das im Auffanggefäß be— 
findliche Waſſer mit dem Halbliterglas ab: 
gemeljen werden. Dabei mwird man am 
beiten mit einem Eleinen Trinkglas das 
Bafler aus dem Auffanggefäß ausfchöpfen 
und in das Meßglas (Halbliter) üiberichütten, 
das Meßglas jedesmal bis zur Eiche an: 
füllen und in der Meldefarte fir jedes volle 
Glas einen Stridy verzeichnen. Wird das 
Halbliterglas nicht bis zur Eiche voll, fo 
ift der Inhalt nah Biertel-, Halb: und 
Dreiviertel Släfern einzuichägen und dies 
in der Meldefarte zu verzeichnen. 

Die im Auffanggefär etwa vorhandenen 
Dagelfürner werden zulekt in das leere 
Meßglas geichüittet und das aus ihnen nach 
dem Auftauen entftandene Waſſer wie Regen 
waller gemeljen und das Maß in der Melde: 
farte verzeichnet. 


Ansgrabung der gallilhen Uranfiedelung bei Beidesheim. 
| der Mauer auf der Weftieite fonnte man 


Etwas nordweitlih, drei Kılometer von 
Deidesheim, liegen die ſchon mehrfach be: 
iprochenen „Heidenlöcher“, eine, wie die 
in dieſem Jahre beendeten Ausgrabungen 


bemwiejen haben, galliiche Uranfiedelung, die | 


mit Sicherheit dem damals an der Border- 
hardt anjäjlig geweienen Volke der „Medio- 
matrifer” zugeichrieben werden fann. Die 
Ausgrabungsarbeiten, die auf Beranlajlung 
des Hiſtoriſchen Vereins der Pfalz unter 
Yeıtung des Archäologen Dr. Sprater fiatt- 


das ehemalige Vorhandenjein von horizon- 
talen Pfoſtenlöchern nachweijen, Wir haben 
darin einen Beweis gefunden, dab die 
Mauern eine Holzveriteifung hatten, genau 
in der Art, wie fie Cäſar ın jenem Werk 
‚De bello gallico* in der Anlage von 
Bibracte beichreibt. Bor dem Wall ift auf 


der Weſtſeite auch ein wohlerhaftener Graben 


fanden, geben ein überfichtliches Bild über | 


den Wohnungs- und Befejtigungsbau dieſer 
felto galiihen Bevölferung. Die Beltchti 
gung der Anlage geihieht am beiten vom 
Düdtore aus. Südweſtlich von dieſem 
Tore liegt ein aus mächtigen Steimblöden 
gebauter Borwall. Diejer läuft in 8 bis 
OÖ Meter Entfernung vom Bauptwall 
parallel mit diefem und ıft meiltens nur 
“3 Meter hoch, nur auf der Südweſtſeite 
vom Südtor ift er bejonders jtarf und 
bier aus großen Felsblöden errichtet. Der 


zu beachten. Der größte weitöftliche Durch: 
mejjer der YUnlage beträgt 150 Meter, der 
nordjüdliche Durchmefler 110 Meter. Zwei 
Tore, eines auf der Nordjeite und eines 


auf der Südjeite, führen in das Innere 


des Walles, 


Dauptwall, der den Gipfel des Berges in 
einer Yänge von 450 Meter umzieht, iſt 


auf der Auhenjeite aus mächtigen Find» 
lingen gebaut. Die Innenſeite beiteht aus 
ihwächeren Mauerwerk. Die Höhe diejes 
Hauptwalles beträgt heute noch an einzelnen 
Stellen zwei Meter. Bei der Freilegung 


Auf der Nordjeite divergieren 
die Mauern, auf der Südjeite ijt das Tor 
eine einfache Durchbrechung der Mauer. 
Auf der Wejtfeite führt ein gemauerter 
Aufgang von 3 Meter Breite und 1,80 
Meter Höhe auf den Wall. Die Mauerung 
dieſes Aufganges iſt vorzüglich erhalten, 
Der Wall umſchließt die Anſiedelung, in 
der ſich noch die Reſte von BU Wohnhäuſern 
nachweiſen laſſen, von denen 22 ganz und 
21 teilweiſe freigelegt find. Die Häufer: 
reite laſſen deutlih Stein: und Blockhaus— 
bau erkennen. Während der Wall haupt: 
jählih aus Findlingen erbaut ijt, find die 
Häujer aus Bruchjteinen hergeitelli. Es 
findet fich feine Spur von Bearbeitung mit 


— 80 — 


dem Meißel. Oeſtlich vom Südtor liegen | würdige Anlage liegt auf der Weſtfeite. 
drei Häufer neben einander am Wall. Bei | &3 zeigt ſich, daß fich hier ein Steinbrud 
dem mittleren it der FFeuerherd als Stein | befand, der fpäter ausgebaut werden jollte. 
faften noch wohl erhalten. Cine merf: 


Ein einſames Grab. 


Die Schlacht bei Kaijerslautern (28. | tender Goldichrift zu lejen: „Hier ruhet 
30. November), in der die Franzen von Fried. Graf v. Einjiedel, Churfürft. 
den Preußen bejiegt wurden, war vorüber | Sächſ. Kammerjunfer und ©. Lieut. im 
und hatte auf beiden Seiten ſchwere Opfer | Chevaurleger-Regiment Herz. Carl v. Cur— 
gefordert. Der jog. Blutader, unmeit der | land, geb. 29. Febr. 1772 zu Wolfenburg 
Stadt, trägt nicht umfonft feinen Namen, | in Sacdien, geft. 30. November 1793 zu 
und aud; noch andere Zeugen erinnern | Raijerslautern an jeinen tags vorher in der 
und an jene fturmbemwegte Zeit und an | Schlacht bei Morlautern für Fürft und 
den heißen Kampf, der hier ausgejochten | Vaterland empfangenen tödlichen Wunden.“ 
murde, — An der Schladht nahm aud das | Die Rückſeite zeigt die Inſchrift: „Dem 
Chevaurleger-Regiment Herzog Karl von | edlen Toten ift diejer Grabftein gewidmet 
Gurland mit großer Bravour teil; freilich | von den noch lebenden und ihn betrauern- 
ſank mancher feiner fchmuden Reiter vom | den vier Brüdern und zwei Schweitern im 
Pferd „ım Feld des Morgens früh.” | Jahre 1821.* Die linfe Seite trägt die 
Unter den Schwervermundeten befand ſich Inſchrift: „Er demütiget auf dem Wege 
aud) ein junges Soldatenblut, ein Offizier | meine Kraft, er verfürzet meine Tage. 
aus gräflihem Geſchlechte. Das Regiment | Wi. 102 B. 24.” Auf der rechten Seite 
zog ab durd SKaiferdlautern nach Hoch- lieft man: „Und die richtig vor fich ge 
ipeyer das Neuftadter Tal entlang und be- | wandelt haben, fommen zum Frieden und 
zog in Frankenſtein Quartier, mofelbft der | ruhen in ihren Kammern. Jeſai 57 8. 2.“ 
inzwijchen verftorbene jugendliche Held auf | — Viele gehen an dem einjamen Grabe 
dem Eleinen Dorffirchhofe feine legte Ruhe | vorüber, ohne es auch nur eines Blickes zu 
fand. „Ullzufrüh und fern der Heimat | würdigen. Wer follte ſich auch um den 
mußten fie ihn bier begraben, mährend | fremden Schläfer fümmern, den man vor 
nod) die Jugendlocken jeine Schultern blond | mehr als 100 Jahren hierher gebettet bat? 
umgaben.” — Ein einfacher Stein bezeih- | Er ift aber wert, daß man jeinen Namen 
net dem Wanderer die Stätte, wo der | nicht ganz der Vergeſſenheit anheim gibt, 
* Schläfer einem fröhlichen Aufer- und das iſt auch der Zweck dieſer Zeilen. 
tehungsmorgen entgegenſchlummert. Auf ü 
der Vorſeite des Grabmals fteht in leuch— TENANERELREN, 


irgend —— — — 





Heimatliches. 


Das Beitalter des Abſolutismus mar | in hervorragender Weiſe der Fall, mo die 
auch die Epoche fürftlichen Mägenatentums, künſtleriſche und kulturelle Entwidlung ihren 
Das Vorbild, das der Roi Soleil gab, | Höhepunkt unter Karl Theodor fand, bis 
verlied dem Wejen der Zeit, jomeit die ; fie durch die franzöftiche Revolution und 
berrichenden Streife in Betracht kamen, voll» | die Folgen einer neuen Beitanihauung jäh 
endeten Ausdruck und drängte auch ander: | abgejchnitten und in andere Bahnen gelenft 
wärts zu fünftlerijchen Taten, die umjo bes | wurde. Mannheim und Schwegingen find 
deutender waren, je mehr ſich bei ihren | Seredte und fortwirfende Zeugen von der 
Schöpjern der Zug ind PBrunthafte mit | Größe der damaligen Ideen, die durch cm 
echter innerer Größe verband. Dies war | fiheres Stilgefühl zu grandios geformten 
bei den Herrichern aus den Pfälzer Linien | Leifiungen gelangten. 





— 


Joſ. Aug. Beringer hat es unter— 
nommen, in feinem Buch: „Surpfälziiche 


Kunſt und Kultur im 18. Jahrhundert” 


dem bunten und vielbemegten Leben jener | 


Beit ein Denkmal zu ſetzen. Das Werk 
ericheint als eriter und vielveriprechender 
Band einer Serie von Monographien über 
„Baden, jeine Kunſt und Kultur“, melde 
von der Bereinigung für heimatliche Kunſt— 
pflege herausgegeben wird, 
fih durch frühere eingehende Studien, 
z. B. über den Bildhauer Berichaffelt, 
als Kenner auf dem von ihm behandelten 
Gebiet eingeführt, und es gelingt ihm auch 
diesmal vortrefflich, uns den Geiſt jener 


verflungenen Tage wieder lebendig zu machen. 


Beringer hat | 


| 


| 





Bon der Gründung Mannheims führt er 


und bis zur Vollendung der Schwetzinger 


Anlagen, in denen fich wie in einem beion: 


ders liebevoll gearbeiteten Prunkſtück alles 
vereint, was damald an Tüchtigem in der 
Pfalz zufammengehalten war. Bon Bild: 
hauern finden wir bier ®rupello vertreten, 
deſſen Standbild auf dem Paradeplaß in 
Mannheim als eines der charafterijtiichen 
Barockwerke befarnt ift. Seine Schöpfungen 
waren von Düſſeldorf her, wo fein Reiter— 


denkmal des Kurfürſten Johann Wilhelm | 


noch heute bewundert wird, an den Hof 
nah Mannheim und zum Teil auch nad 
Schmwegingen gefommen ; dort im Park fteht 
jeine Galatea, das ſchönſte Marmorbild ım 
reih geihmüdten Garten. Die andern 
bildhauerifchen Werfe von Bedeutung find 


81 





fabrif, die Gründung einer Akudemie der 
Wiffenihaften, die Pflege der Malerei: 
alles fälle in jene glanzvolle Epoche, die 
und das Beringerfche Buh in ihrer Biel- 
feitigfeit lebendig vor Augen ſtellt. Frei— 
lih, e3 war eine Serrenfultur. Das 
Bürgertum ftand all diefen Beltrebungen 
fremd gegenüber; die Fortſetzung der ge: 


' gebenen Anregungen, die Pflege des ererb- 


ten Gutes macht es ſich erft in unjeren 
Tagen zu eigen. Die vorigjährige Kunit« 
und Gartenbau Ausftellung in Mannheim 
war das erſte, aber auch glänzendfte Doku: 
ment für die Wiederaufnahme einer großen 
Tradition, und das Theater beredhtigt unter 
jeinem neuen Intendanten zu froben Hoff: 
nungen auf eine neuzeitlihe Bühnenkunſt, 
die jih vom alten Schlendrian eines ver: 
brunchten Komödiantentums befreit, jo wie 
einft die redvolutionierenden Sciller’ichen 
Dramen den franzöfiihen Ungeichmad de» 
finitiv in die Flucht jchlugen. 


* 


Ein Zweig der kunſtgewerblichen Be: 
tätigung aus jenen Tagen hat ſich heute zu 


‚ einer neuen, felbftfihern Höhe entwidelt: 


die Keramik. Wir haben an der Hand 


von Beringers Ausführungen das köſtliche 





größtenteils von Verſchaffelt, der durch feine 
Mannheimer Werke an der Jeſuitenkirche 


und im Palais Brefenheim nicht minder 
berühmt ift al8 durd die Gründung einer 
Kunſtakademie und des Antiken-Kabinetts, 
in dem Schiller, Goethe, Leſſing und Her— 
der bedeutjame Unregungen empfangen 
haben, Mit Schweßingen verknüpfen fich 
dann wiederum die Namen von Voltaire 
und Mozart und lenken auf die bod)- 
entwidelte Mufifpflege und die Gründung 
des Theaters hinüber; dieſes erlebte be- 
fannılich unter Dalberg eine Glanzzeit, als 
Schiller und Iffland feinen Ruhm ftügten 
In Schwegingen geitalteten Pigage als 
Arciteft und Scell als Gartenfünftler jene 
ftimmungsvollen Anlagen, deren Bauber 
auch jegt noch underaltet zu uns ſpricht. 
Die Blüte der Franfenthaler Porzellan: 


Franfenthaler Porzellan erwähnt. In 
Mosbach beftand damals eine weitere Fa- 
brif, die den Bedarf an tägliden Ge- 
brauchsgegenftänden in Fayenee-Ware dedte. 
Das zweite Werk aus der neuen Mono» 
graphienfolge ift ganz diefem Spezialgebiet 
gewidmet. Brofefjor Widmer orientiert hier 
ausführlich, mit vielen Detailfenntnifjen 
und feinem Geſchmack über die Entwidlung 
der Keramik von jenen Mosbadher Tagen 
an bis auf die gegenwärtigen Erfolge der 
Töpferfunft. Neben der Mosbacher bejtand 
auf badifchem Gebiet bis gegen 1840 die 
Durlader Borzellanfabri. Der heutige 
Stand wird am deutlichften und rühmlich 
durch die Namen Länger, Kornhas, Schmidt- 
Beht und Süs cdharafterifiert, denen ſich 
in der Groß. Majolifa- Manufaktur außer 
dem legterwähnten noch Thoma, Würten: 
berger, Lunz, Taucher und andere an: 
Ichließen. Widmer gibt ausführlih Be— 
icheid über die Technifen und Stilarten der 
einzelnen NRepräfentanten unferer hoch ent- 


wickelten badiichen Keramik, deren Erzeug— 


nifje von einfachen Kacheln und Gejdirren 
bis zu Funftwollen Reliefs und Plaſtiken 
gehen; er mweift dabei auf die Wirkung hin, 
melde die Schwarzwälder Bauerntöpferei, 
die Kenntnis feramiicher Kunſtwerke, aus 
Franfreich, England und Japan, die An: 
fnüpfung an alte Traditionen oder das 
Vorbild der Renaiffance Künſtler Donatello 
und Robbia auslöiten. 

Nicht genügend eingegangen fcheint mir 
auf die Bedeutung des Stonftanzer Kera— 


mifers Geidler, der jeine Schöpfungen nicht | 
nur entwirft, jondern auch jelber brennt, | 


der aljo in jeiner Perſon die Verſchmelzung 
von Sünftler und Handwerker einheitlich 
vollzieht, mas zur Folge bat, daß er nur 
Originale ſchafft; jeine Produktionsweiſe 
läßt freilih aus Ddiefem Grunde feine 
marftbeherrichende 





Belehrung und Anregung find, jeben wir 
den folgenden voll Erwartung entgegen. 
Wir können nur wünſchen, daß das Wer, 
das unſere heutigen Beltrebungen teils 
durch Verdeutlichung der Vergangenheit an- 
ſchaulich machen wird, in meiteften Streifen 
die gebührende Unterftägung finde. Der 
Preis von 3 bezw. 2 ME. für den 
brojchierten Band ift bei der gediegenen 
Ausftattung, der fih ein veichhaltiger und 
wertvoller Bilderſchmuck einfügt, jehr ge 
rind. Es Sind allenthalben im Land 
Schäte verſtreut, die für uns nugbar ge: 


macht werden können; und ein flares Ins— 


Maflenfabrikation zu, | 


wogegen jeine Erzeugniſſe fich dur eine | 


hohe Bollendung der Form und vor allem 


FIR: UBEELENDE Pan we BD. ERISCHRNGE TOR. der wir felber unflar und drangvoll das 


einzig daftehende Glaſur auszeichnen. 


* * 


Nach den Proben, die wir in den zwei 
erſten Bändchen der geplanten Sammlung 
erhalten haben, die reich an weitgehender 


augefaſſen der Ziele, die vor uns und 
durch uns erreicht wurden, wird unſern 
Leiſtungen auf allen Gebieten zum Vorteil 
gereichen, indem er uns die Bedingungen 
aufzeigt, unter denen unſere eigene Exiſtenz 
ſich auswirkt. Die Fäden, die ſich von der 
Vergangenheit her ſpinnen, lauſen in uns 
zuſammen und in die Zukunft hinein, zu 


Gewebe wirfen. Die uns helfen, das Ge— 
webe entwirren, tun uns einen guten Dienit 
und maden uns die Heimat heimlicher, jo 
daß wir gern rüdwärts und vorwärts jchauen. 
Dr. Defteringim U.Bl. der „Bad. Br.“ 


Maturpflege. 


Es ift ein erfreufiches Beiden, daß 
man fich jegt auch bei uns in der Pfalz 
mit erhöhten Eifer der Pflege der 
Naturjhönheiten zumende. Die 


Aufgaben, die es da zu beobaditen gilt, 


find gar mannigfaltiger Art und fie liegen 
auf einem jo weitverzmweigten Gebiet, daß 
nur eine lückenloſe Organijation aller auf 
die Naturpflege abzielenden Beftrebungen 
wirkliche Erfolge erhoffen läßt. Dieje zu: 
nächſt liegende wichtige Aufgabe hat der 
pfälziſche reisausidhuß für Natur- 
pflege in beiter Weije gelöft, indem er über 
die ganze Pfalz ein Neg von Obmännern 
ausbreitete und ihnen bejtimmte Richtpunfte 
für ihr Tun und Handeln ſtellte. Im 
wejentlichen find ihnen folgende Aufgaben 
geftellt: 1. fih über alle Naturdenfmäler 
ihres Bezirfes genau zu unterrichten, deren 
Beitand fortlaufend zu überwahen und fich 
von allen die Naturpflege berührenden Vor— 


gängen wöglichfte Kenntnis zu verichaffen; 
2. im Falle drohenden Schadens underzüg- 
lih die erſten Schritte zu feiner Abwehr 
einzuleiten und ftets namentlich aber dann, 
wenn es nicht ihnen jchon gelingt, Die 
Gefahr abzumenden, mit aller Beichleuni- 
gung an den StreiSausihuß für Naturpflege 
Bericht zu erjtatten und Antrag zu ftellen; 
3. bei der Berzeihnung der Naturdent⸗ 


‚ mäler (nventarifierung) nah Anweiſung 





des Kreisausſchuſſes mitzuwirken; 4. aud 
fonjtige ihnen zugewieſene laufende oder 
befondere Arbeiten der Naturpflege vorzu- 
nehmen; 5. endlih Aufflärung und Be- 
lebrung im Sinne der Sade jo weit und 
und jo gründlich al8 möglich zu verbreiten. 
Die der Kgl. Negierung unterftellten Be 
hörden werden angemwiejen, die Obmänner 
bei der Erfüllung ihrer Obliegenheiten tun: 
lichſt zu unterftügen und die von ihnen 
etwa gejtellten, der Erhaltung von Natur: 


denfmälern bezielenden Anträge, unbejchadet 
gebührender Rückſichtnahme auf etw ent- 
gegenftehende anderweitige Intereſſen mohl- 
mwollend zu würdigen. (Pfr. Breife.) 
Baumidus! fordert F. Avenarius im 
„Kunſtwart“ (Berlag Georg D. W. Callwey, 
Münden) und erzählt dazu folgendes: Bor 
einem ‘Jahr wurde im Waldparf zu Dre&den 
Blajewig einer der allerjchönften Bäume 
gefällt, eine alte Kiefer. Warum? Sie 
begann wipfeldürr zu werden. Alſo: was 
uns aus den Bildern etwa Ruisdaels als 
bejondere elegiiche Naturfchönheit anjpricht, 
das muß aus den Gartenanlagen weg: die 
Altersichönheit . . . Heute zwei neue Bei 
jpiele anderswoher. An den Rheinniede- 
rungen weſtlich von Karlsruhe bringen 
ichlanfe wiegende Bappeln malerische Bılder 
ın die Ebene. Bor einem Dorfe am Fluſſe 
ftanden ihrer ungefähr zwanzig formreic 
beifammen. Bor einigen Wochen wurden 
fie abgehauen. Die weiterhin die Ebene 
für den Beichauer ordnende und gliedernde 
lebende Gruppe fchlt nun: es iſt als fei 
dieſes Stückchen Welt plöglidy in Nüchtern 
heit gefunfen. Einer befchwerte fich darüber 
in einer Tageszeitung. Antwort: ob diejer 
Bappelfreund denn nicht wiſſe, daß die 
Pappeln jedenfalls von Napoleon |. ge 
pflanzt jeien, weil der joldhe Bäume wegen 
ihreé „militärischen Ausſehens“ aeliebt habe. 
BVerjtändnisvoll, nicht wahr? ber das 
war immerhin nur ein Unfug im fleinen. 
Im großen will man ihn, ſoweit man in 
Reuß j. P. von großem ſprechen kann, dort 
betreiben. Napoleon hat die Bappeln nicht 
wegen ihres „militäriichen Ausſehens“ ge- 
pflanzt, jondern meıl fie, ſchnell aufwachſend, 
jehr bald den Lauf einer Landftraße meit- 
bin fennzeichneten — eben diejelben Eigen: 
ichaften geben ihren Reihen im LYandjchafts- 
bilde auch einen befonderen äjtheriichen 
Wert mehr: fie teilen vortrefflich die Fläche. 
Nun wollen die Reußer die Chauſſecpappeln 
abihaffen. Aber nicht nur die: auch) die 
herrlichen alten Eichen: und Lindenalleen. 
Unjereinem wird's jchmer, gegenüber der 
Gejinnung, die fich in ſolchen Wüften aus 
Gewinnſucht verrät, einen anderen Aus— 
druf zu finden, als ein herzliches „Pfui 
Teufel”, Das Baumfällen fcheint in 
Deutihland Manie zu werden. Deshalb 
rufen wir auch diefes Jahr mieder ins 


83 


— 


Land: ſchützt die Bäume! Die Gemeinden 
und, wenn ſie ihre Pflicht nicht tun, die 
Freunde des Schönen fonft im Lande müſſen 
ihöne Bäume bewadhen. Sie nadı dem 
Holzmwerte zu ſchätzen, iſt ſo dumm, mie 
‚einen Freund nach dem Gewicht zu tarieren. 
Aber wir müllen auch jehen lehren, wie 
ein Baum eine Landſchaft ſchmückt, nicht 
nur ſchmückt: auch gliedert und geftaltet. 


Zum Schuß des Landfhaftsbildes. Die 
rechtöfräftig gewordene von der Stadt 
‚ verwaltung Heidelberg erlaffene ortspolizei» 
lihe Borichrift über die Erhaltung der 
landmwirtichaftlihben Schönheit des 
Nedartals Hat folgende Fallung er: 
halten: Bauliche Herftellungen, welche 
im Hinblick auf die beabfichtigte Art ihrer 
Ausführung die Annahme rechtfertigen, daß 
durch ihre äußere Erjcheinung im Zuſammen— 
hang mit ihrer Lage das landſchaftliche 
Bild des Nedartales beeinträchtigt wird, 
fünnen von der Raupolizeibehörde nach An- 
börung des Stadtrat unterjagt Merden. 
Auf bejtehende Bauten findet diefe Vor— 
Ihrift bei Bauderänderungen oder Bau- 
ausbejjerungen finngemäße Anwendung. 
Zur Nahahmung empfohlen! 


Boagdiſcher Kandesverein für Naturkunde. 
| Durch Verfchmelzung des jeit 25 Jahren 
beftehenden „Badiihen Botaniidhen 
Vereins“ mit dem vor 10 Jahren be- 
gründeten „Badiihen Zoologiſchen 
| Berein” hat fich vor furgem auf erweiterter 
Grundlage ein das ganze Großherzogtum 
Baden umfalfender Yandesverein für 
Naturkunde gebildet, deſſen Sig fih in 
Freiburg befindet. Der Verein bezwedt 
eine möglichit vollftändige Erforichung der 
reihen Naturfhäge des Yandes mit dem 
hohen Biel einer umſaſſenden Yandesfunde, 
Auch der Erhaltung und Rettung gefährdeter 
Naturdenfmäler, will er jeine Aufmerkſam— 
feit widmen und murde dafür der Unter- 
ftüßung durch die Behörden verlichert, Wenn 
aud; der neue Verein von feinen Eltern- 
| vereinen die runde Zahl von 300 Mitgliedern 
übernommen bat, jo entipricht dieſe bei 
weitem nicht dem im badiichen Lande fo 
hochentwickelten Natur» und Heimatfinn, fie 
entjpricht auch nicht der Beteiligung, deren 
ſich ähnliche Vereine in den Nachbarländern 
ı erfreuen dürfen. Sicherlich liegt dies nicht 








am Mangel an guten Willen, jondern nur 
am Fehlen der Gelegenheit, Cine jolde 
wird jet geboten. Jeder Freund der Natur, 
meger nun Pflanzen jammeln oder Schmetter- 
linge, Käfer, Steine ujw., mag er fi für 
Aufbau und Gliederung jeines Heimatlandes 
intereffieren oder für deſſen Bevölferung 
und Urgeichichte, jeder wird auf feine Nechnung 
fommen, jeder fann aber auch jein Scherflein 
beitragen, die gemeinnügigen Zwecke des 
Vereins zu fördern, wenn auch nur durd 
Yeiftung des beicheidenen Yahresbeitrages 
von 2 ME. Dafür erhält er die Vereins 
ihriften unentgeltlich neliefert, hat er das 
Recht zur Benupung der Bibliothet und 
der Sammlungen. Anmeldungen nımmt 
der Schriftführer des Bereins, Herr Dr. 


84 


Sclatterer, Freiburg, Sternwalditr. 19, . 


entgegen; er iſt auch gern bereit, Anfragen 
über Einzelheiten zu beantworten. 


Die Kilinnsrebe. Bezüglich der Kilians: 
rebe hat dasst. Staatäminifterium des Innern 
mit Entſchließung vom 30. April 1908 er: 
öffnet: Die Gutachten der einvernommenen 
Sadverftändigen gehen übereinftimmend da: 
hin, daß die jogenannte Kiliansrebe nidt 
eıne der einheimijhen Arten der 
Bitis vinifera ift, jondern zu den in 
Umerifa heimiſchen, alio den jo: 
genannten „reblausjeften“ Weben im 
Sinne des $ 2 Abſ. 4 des R.-Gefekes vom 
6. Juli 1904, betr. die Befämpfung der 
Reblaus, gehört. In Ausführung der 


mit Befanntmachung des Reichsfanzlers vom | 
10. März 1905 veröffentlichten Grundfäge | 


für die Ausführung der SS 1 bis 3 des 


erwähnten Gejeges wurde in Biffer 3 der 


Minıfterial Bekanntmachung vom 27, Mai 


1906 jeder Anbau (Anpflanzung und Ber- | 


mehrung) aller in Amerifa heimiichen Reben 


oder von reuzungserzeugnifjen jolcher Reben | 


unter einander oder mit anderen Nebarten, 
abgejehen von den nadı $ 2 Abi. 4 des 
Reblausgeſetzes zugelaffenen Verſuchen, in 
allen Weinbaubezirfen unterjagt. Es kann 
daher die Bitte der Gemeindeverwaltungen 





Harthauſen, Dudenhofen und Han: | 


hofen um Geftattung des weiteren 
“nbaues der jogenannten Silians: 
rebe feine Folge gegeben werden, 
Dagegen wird mit Rüdjiht auf den 
Umftand, daß die erwähnte Stiliansrebe be- 


Nebenäſte 


| und die 


reits ſeit längerer Zeit in der Balz angebaut 
warde und die Beliger der Hebenpflanzumgen 
fih wohl des amerifanijchen Uriprunges 
diejer Hebiorte nicht bewußt geweſen fein 
mögen, ausnahmsmeije geftattet, da 
die bis zum Grlaß der Entſchließung der 
K. Regierung der Pfalz, K. d. J., vom 
1. März; 1908 Nr. 6526 O, (betr. Ber- 
bot des Aubaues amerifaniicher Heben), 
gepflanzten Niltansreben in den Beın- 
bergen belnijen werden. Dagegen find 
dıe Heben der bezeichneten Art, welche erſt 
nadı Belanntgabe dieſer Regierungsent- 
ſchließung angepflanzt oder welche in Reb— 
ihulen zu einer bevorftehenden Anpflanzung 
herangezogen worden find, vernichten zu 
laſſen. Jede weitere Anpflanzung 
der Kiliansrebe oder einer fonftigen zu 
den jogenannten reblausfeften Reben ge- 
hörenden Rebenart ift zu unterjagen., 
Bon einer Strafverjolgung derjenigen 
Berjonen, welde die Niliansrebe bis zum 
jegigen Beitpunft angepflanzt haben, iſt ab: 
zuſehen. 

Zwei neue Pilanzen in der Flora der 
Pfalz. Es ift für einen Botaniker immer 
ein jreudiges und intereflantes Greignis, 
wenn in jeinem Florengebiet eine neue 
Pflanze aufgefunden wird. Diesmal können 
wir gleih von zwei neu entdedten Ge: 
wächſen fprechen. Herr Oberlehrer Lieb- 
rich von Franfenthal fand im fogenannten 
Hammelstal bei Wachenheim in einem jungen 
Föhrenwalde eine ganz jtattlihe Kolonie 
von Ulex europaeus L. auf. Es ift ein 
äftiger mit vielen Dornen und jpigigen 
Blättern bejegter Straud aus der Gattung 
der Ginfter, der an vielen Orten auch 
Hedjame, Stechginfter oder Heideginfter ge: 
nannt wird, An günftigen Standorten 
wird die Pflanze wohl bis 2 Meter hoch 
und ihre Zweige endigen mit langen, jehr 
jpigigen und ftechenden Dornen. Alle Aeſte 
ind wieder mit abftehenden, abwärts ge- 
frümmten grünen Nebenäſten dicht bejegt 
ganze Pflanze fällt durch die 
grüne Färbung aller Holzteile ſchon aus 
der Ferne in die Augen. Die Blätter find 
flein und unfcheinbar und bei einer ober: 
flächlichen Betrachtung fünnte man den 
Straud für blattlos halten. Die jungen 
Triebe fommen aus den Adjeln der 
hervor und find mit Dichten, 


85 


weißen und abjichenden Haaren befteider. | wird, Fann eine abgeichloflene Flora von 
Die ſchönen gelben Blüten ericheinen nur | Deutschland gejchrieben werden; bis dahin 
an den älteren Aeſten und entipringen aus | 
' Franfreih und die Schweiz in diefer Be: 


einem WBlattwinfel. Sie erreichen eine 


Länge von einem Bentimeter und haben | 


furze dünne Stielchen. 
zwei ovale, ſtumpfe Deckblättchen. Der 
ockergelbe Kelch iſt dicht mit jeidenglänzen- 
den Haaren bedeckt und erreicht faſt die 
Länge der Blumenkrone. Bei der ſchmetter— 


lingsblütigen Blumenfrone ift die Fahne 
am ftärfften entwidelt; die beiden Flügel | 


find größer als das Schiffchen, das von 


den anderen Blütenteilen eingeſchloſſen 
wird, Die Frucht it eine feinhaarige 


Hülje, die mehrere ecktige Samen einichliegt. 
Bon Linné wurde die Pflanze zu den 
eigentlichen Ginfterarten geredinet und 
führte den Namen Genista spinosa, d. h. 
Dornenginfter, der große Naturforfcher 
nannte den Strauch; Ulex, welcher Name 


Jede Blüte hat 





jhon von Plinius einem dem Rosmarin | 


ähnlichen Gewächſe gegeben wurde. — Die 


zweite, von Profellor Groß in Neuftadt | 


a. 9. neu aufgefundene Pflauze ift Scirpus 
holoschoenus L. Syn. Isolepis holoschoenus 
R. S. Holoschoenus vulgaris Link. 
Wegen der zujammengedrängten Blüten 
föpichen heißt die Pflanze auch Kopfbinie. 
Da fie ſelbſt von den eifrigiten Forichern 
der Pfalz bisher nicht beobachtet wurde, 
jo muß fie wohl erft in neuerer Zeit bei 
bei und eingewandert fein. Es iſt ein 
meterhohes ftattliches Gewächs, das ſchon 
aus diefem Grunde und dann megen des 
merkwürdigen Blütenftandes nicht leicht zu 
überjehen ift. 
einer nafjen Wieje, gelangt aber jelten zur 
völligen Entwidlung, da fie mit dem Heu 
graje abgemäht wird und die ſpäteren 
Triebe weit ſchwächer und niedriger bleiben. 
Es iſt wohl eine der interellanteften Arten 
aus der großen Familie unjerer Sauer: 
gräjer und jie hat eine jchr große Ber: 
breitung durch ganz Europa und in einem 
Zeile Nordamerifas, wie neuere Botaniker 
feftgeftellt haben. Dieje zwei neuen Funde 
zeigen recht deutlih, daß die Flora der 


ſchutzes.“ 


Sie ſteht bei Neuſtadt auf | 





Pfalz immer noch nicht gründlich genug | 
| loren gegangeren Beltand an Baumgruppen 


durchſorſcht iſt und bei eifriger Unterjuchung 
an abgelegenen Orten immer nod neue 
Pflanzenarten nacdhgewiejen werden könnten. 
Erft wenn die Beteiligung größer fein 


hat e8 aber nocd lange Zeit, mährend 


ziehung uns weit voraus find, 
F. Z. (Mannheim). Fri. 3. Nr. 143. 


Bog-libng. Die Bedeutung der Vogel« 
welt im Kampfe gegen die mannigfachen 
Schädlinge unferer Yand- und Forſtwirtſchaft 
und namentlich auch des Weinbaues mwird 
leider noch nicht jo recht gewürdigt. Und 
doch bilden anerfanntermaßen die injeften- 
freffenden PVogelarten ein außerordertlich 


' wichtiges Hilfsmittel zur Vertilgung unferer 
Pflanzenſchädlinge 


Von dieſem Geſichts— 
punkte aus erging dieſer Tage von dem 
Leiter der zoologiſchen Abteilung der Wein- 
bauverjuchsftation Neuftadt a. H., Deren 
Dr. Schwangart, ein Rundjchreiben an ver: 
ichiedene Intereſſenten und an folche, die 
vermöge ihres Amtes für. den Bogelichug 
direft oder indireft wirken fünnen, mebit 
einer „Anleitung zur Ausübung des Bogel- 
(Eremplare der leßteren ſind pro 
Stüf um 10 Big. im Berlage Kahſer, 
Kaijerslautern erhältlich.) Die Beftrebungen 
der Weinbaujchule Neuftadt gehen dahin, ins» 
bejondere die Weinbautreibende Bevölkerung 
unferer Balz für die Maßregeln der jo 
wichtigen Aufgabe des Bogelichuges zu 
interejfieren und zu gewinnen. Als Haupt- 
maßregel gibt obige „Anleitung“ folgende 
an: 1. Es find die nüglichen Vogelarten 
gegen ıhre gefährlichiten Feinde — Eperling 
und Stage — zu ſchützen. Wo dieſe beiden 
Tierarten freien Lauf haben, ift die Ein- 
bürgerung nüglicher injeftenfrejjender Vögel 
undenfbar, Als weitere Feinde der legteren 
werden Würger, Krähen, Eljtern, Häher 
und Dohlen genannt, ferner Eichhörnchen, 
Mäuje und Ratten. — 2. Die Fütterung der 
nüglihen Vögel im Winter und Nachwinter. 
Die Fütterung iſt bejonderö notwendig, weil 
gerade die für den Weinbau nützlichſten 
Bogelarten, die fleinen Höhlenbrüter, die 
falte Jahreszeit bei uns zubringen. — 3. Es 
müſſen fünftliche Niſtgelegenheiten gejchaffen 
werden. — 4.Es muß verfucht werden, den ver: 


u. einzelnen Hochſtämmen nach Tunlichkeit zu 
erfegen. Sogenannte „Vogelſchutzgehölze“ 
hat man an vielen Orten mit großem Er- 


folge augelcgt, da fie ausichlieglih der An« 
fiedelung von Vögeln dienen. Mit Hilfe 
folder Gehölze habe ſich die Zahl der nütz— 
lihen Vögel verzehnfachen laflen. Wo der 


Raum für regelrechte Bogelichußgehölze fehle, 


empfehle fich die Anlage von Fichtenſchönungen 
und die Anpflanzung von einzelnen Hoc 
fämmen auf fahlen Flächen. In die Wein: 
berge jelbft feien allerdings feine Bäume 
zu pflanzen An Straßen, Fußwegen und 
Bächen jeien Obftbäume oder Büſche (Hecken) 
Akazien und Fichtenheden zu pflanzen. Die 
„Anleitung® empfiehlt am Scluffe die An: 
ihaffung von ausführlichen Bogelihugvor: 
Ichriften, 5. ®. „Der gelamte Bogelihut“ 
von 9. vd. Berlepih. (Preis 1,50 Mf.), 
die Hieſemann'ſchen Vogelſchutzſchriften 
(Berlag: Franz Wagner Lerpzig) „Vogel— 
Ichugfalender” ꝛc. Die „Anleitung“ appel» 
liert zum Schluſſe an die Schulen, die 
bierin Großes leilten fünnten, indem fie 
forgen helfen, daß die Schüler direften 
Einblick in das Leben der Bögel gewinnen 
und fo Intereſſe an der lieben Vogelwelt be- 
fommen,. Mögen voranftehende Zeilen nicht 
unbefolgt bleiben zu Nu und Frommen 
der geſamten pfälziichen Bevölferung, 


Die Antunftstermine vieler heimischen 
Zugvögel verichoben fih im April im 
diefem Jahre bedeutend; man fann hierin 
einen Bemweid dafür erblicden, daß die An: 
funft der Vögel von dem Fortſchreiten oder 
Zurüdbleiben der Begetation abhängig tt. 
Nadıdem einige jonnige, warme Tage im 
Anfang und gegen Ende des März zwei 


Ankunftswellen der heimischen Wandervögel | 


gebracht hatten, zeigte ſich in den Falten 


86 


\ Wochen des April ein auffallender Ztill- 











ftand im Zuge mander Arten. Die Sing: 
droffel belebte am 4. März bereits Die 
Wälder, auch die Bauınlerde ließ am 6. 
Mär; ihre flötendes Trillern jogar bei 
Strichregen hören. Am 16. April trafen 
am Iſenachufer bei bedeftem Himmel und 
fühlem Wetter größere Züge der weißen 
und gelben Bachſtelze ein. Das muntere 
Rotſchwänzchen machte fih am 23. März be- 


merfbar.. Es fam voriges Fahr mur 
einen Tag früher. Bei hellem Better 
bemerften mir jdon am 23. März 


eine Rauchichmwalbe, welche allerdings jehr 
bob flog. Der mittlere Anfunftstermin 
der Schwalben in der Pfalz ift der 13 April. 
Es famen aud in diefen Tagen größere 
Züge an. Der Auckuck, deſſen mittlerer 
Anfunftstermin in dev Pfalz auf den 
15. April gefegt wird, hatte fich bisher nur 
fehr vereinzelt hören laffen ; im Jahre 1906 
war er bereit3 am 9. April da. Nur der 
Stord hat feinen Anfunftstag, den 6. März, 
auc diesmal eingehalten. Bei mwindigem, 
regnerijcen Wetter fpazierte er in den 
Gründen bei Speyerdorf. Eimge Züge 
von Wandervögeln bradıte der Öfterjonn- 
tig. Die Tierchen waren jedoch durch den 
jäh einjegenden Schneefturm, wie wir am 
Berersfopf zu beobachten Gelegenheit 
hatten, jo erichredt, daß ſich einige mut 
den Händen fangen ließen. Bei der an: 
haltend fühlen regneriihen Witterung dürf» 
ten fih die Ankunftsdaten mancher em 
pfindlicher Arten von Singvögeln noch be- 
deutend meiter verjchieben. 


(Böhm in der Pfz. Pr.) 


Beldhreibung 3weyer Mineral-Anellen, 


weiche im königl. 
eine Biertelftunde von Büchelberg liegen, 


bayer. Rbeinkreife, im Laud Commiffariate Germersheim, im Kanton Candei, 
und unter dem Namen: 


Guten Brunnen und 


Heilbrunmen, in der ımnilicgenden Gegend befannt jind. 
Bon J. Wend, Apotheker in Kandel, 1819. 


Der Guten Brunnen. 


Dieje Quelle liegt eine Bierteljtunde 
von Büchelberg an defjen Wejtjeite im | 
Bienwald, wohin ein angenchmer 
Ntirichenbäumen bejegter Weg, troß dem 
mit SKalffteinen angefüllten Erdreiche, an 
reigenden Fruchtfeldern vorüberführt. Auf | 
dem halben Wege dahin erblidt man zur ' 


rechten Seite, 


ungefähr Hundert Schritte 


' vom Weg, einen großen, hohen auf der 


mit | 


Oberfläche auögebreiteten Hügel, 
Ausjagen des Herrn Pfarrers und des 
Herrn Bürgermeijterd von Büchelberg, 
ı welche mich dahin begleiteten, vor etlichen 
Hundert Jahren ein Tempel, den Tempel: 
herrn gehörig, geftanden haben joll. — 


wo nadı 


Die oberflächliche Größe diejer Quelle 
bat 3", Schuh im Quadrat, und ift mit 
6 Zoll dien, zufammengeftämmten eichenen 
Pfoſten auf ihrer oberen Erdfläche gefaßt, 
wo das Wafjer durch den einen, der 2 Boll 
breit und ebenjo tief, ausgehauen ift, in voller 
Ausfüllung diejesAbleiters, in einem ungefähr 
12 Schuhe davon entfernten fleinen Bach aus: 
fließt, welcher den Namen Heilbad führt. 

Die Tiefe diefer Quelle beträgt 4 Schuh, 
wo das Waller aus einer lofern mit blauen 
Ktalffteinen gemifchten fetten Sanderde, 
trog der bey naſſer Witterung etwas 
fumpfigten Umgebungen, dennoch Eryftallhell 
hervorquillt. 

Durd die Bemühungen des zur Ber: 
bejlerung in feinem Forſtbezirk unermüdeten 
Herrn Forſtmeiſters Binger, wurde dieje 
Quelle im Sommer 1819, vollkommen ge: 
reinigt, mit fteinernen Scaalen in der 
Runde gefaßt; der Platz um dielelbe mit 
Sand überführt und geebnet, auch die Quelle 


87 


felbften mit einem Dah auf Eichitämmen | 


ruhend, vor Regen und jonftigen Unreinig: 
feiten geichüßt, und diente diefen Sommer 
über, zu mehreren ländlichen Bergnügungen. 

Das Waſſer diefer Quelle ift völlig 
Far und ungefärbt, auch jo falt, daß mir 
dad Thermometer bey einer äufleren er 
böhten Temperatur von 26 Grad Neaumur, 
auf 10 Grad darinnen, in den heiſeſten 
Tagen des Junius fiel. — Der Barometer: 
ftand zeigte dazumal einen Grad über 
ſchönem Wetter an. Seine Ipecifiiche Schwere 
mar augenblidlid; an der Quelle 2 Grad 
leichter, vermöge feines flüchtigen Gaſes 
als unfer gewöhnliches Brunnenwaſſer ift. 

Dieſes Waſſer ift mit Schmweieltheilen 
jo ftarf angejchwängert, daß das geſchwefelte 
Bailerftoffgas, (Gas Hydrogenium sulphu- 
ratum) beym Schöpfen und Trinken, ſehr 
bemerkbar ift; jein Gejchmad ift dem der 
faulen Eyer etwas Ähnlih. Es wird von 
den Bewohnern Bichelbergs und in mehreren 
nahliegenden Ortſchaften zur Frühjahrskur 
und bey chroniihen Hautübeln, häufig ge: 
trunfen, wo es die Schärfe auf die äufferen 
Theile treibt und die Leute nad) einem 
fortgejegten Gebraud jehr munter macht. 
Ich unterwarf diejes Waſſer einer demifchen 
Unterfuhung nad) den Erfahrungen Gött- 
lings, Hambftädts und Trommsdorffs, wo 





in Qufigeftalt, theils in feſten oder trockenen 
Beitandteilen, dur die Evaporation und 
Kryftallifation zeigte. 

Die Beftandterle des Waflers der erften 
Duelle oder des guten Brunnens, in 1'% 
Maas oder 96 Unzen Waſſer find folgende: 
I. Hauptjächlicd in Gasgeftalt, 

a) Kohlenfäure und 3 bi8 Amal foviel 
b} Gejchwejeltes Waſſerſtoffgas. 
ll. In trodnen oder feſten Beftandtheilen. 


a) Rohlenjaures Mineralaltali 10 Gran. 
b) Schwefelſaures Mineralaltali 6 — 
c) Salzjaures Mineralalfali 4 — 
d) Kohlenſaure Stalferde 6 — 


Bufammen 26 Gran. 


Der Heilbrunnen. 

Dieje Quelle liegt ungefähr 300 Schritte 
von erftgenannter entfernt, in einem von 
bejahrten Eichen rund herum eingefaßten 
Biefenthal im Bienwald. Ihre oberflächliche 
Größe bat 3 Schuhe im Quadrat, ihre 
Tiefe beträgt 6 Schuhe — auch ift diejelbe 
anf die nämliche Art wie erftere gefaßt, und 
für den Abflug durchſchnitten. Der Zufluß 
diefer Quelle icheint nicht jo ftarf wie bey 
erjterer zu jein, indem das Waſſer viel lang: 
jamer aus feiner durchgeichnittenen Öffnung in 
die an diejer Stelle ungefähr 50 Schritte da- 
von entfernte Heilbad), oberhalb der eriten 
Quelle abläuft. Nad) der Sage alter Männer 
von Büchelberg jollen vor 40— 60 Jahrennod) 
Duadratfteine und mehrere flache Brunnen: 
ichaalen, welche legtere vermuthlid als 
Deicheln dienten, und movon noch eine vornen 
am Ablauf des Brunnens liegt, aus einer 
größeren Umfaffung des Brunnens aus: 
gegraben worden fein, woraus fich ichließen 
läßt, daß jeine Größe ın früheren Zeiten 
viel bedeutender als jeßo war und er 
ordentlich gefaßt, geweien fein möchte. — 

Auch graben die Bewohner Blichelbergs, 
welche dorten begütert find, noch öfters an 
dem an der Südfeite daranjtoßenden erhöhten 
cerfelde, bedeutende Yundamente und zer: 


| brochene Gefälle von Samifcher Erde aus. 


fich mir fein Gehalt folgendermaßen, theils | 


Das Waſſer diejer Quelle ift, ungeachtet 
ich diejelbe bey einer Unterfuchung jehr mit 
Schlamm und Froſchleich (Sperma Ranarum) 
überzogen fand, ganz Kryſtallhell und un: 
gefärbt, der Geruch ıft etwas julphurisch, 
wie das an erfterer Quelle, auch ift der 


Geſchmack Ddejjelben viel einſacher, jedoch 
glaubte ich etwas Saliniſches darinnen zu 
bemerfen. 


‚88 


Diefes ift eigentlich die Quelle, welcher | 


die Bewohner Wüchelbergs die Heilfräfte 
zufchreiben. So wird daher noch heut zu 
Tag der Heilbrunnen, genannt; — Und es 
ift ganz gewiß, daß der Bach der nahe 
daran vorbeifließt und gar feine Spur von 
Scmwefelteilen ꝛc. befigt in früheren Beiten 


feinen Namen von diefer Quelle erhalten hat, ! 


Obgleich das Waller der erften Quelle | 


mehr von den Bewohnern Büchelbergs als | 


gewöhnliches Getränfe genofien wird, jo 
joll fich doch dieſes in Hinficht feiner Heil 
fräfte ſowohl äufferlich als innerlich weit 
würfjamer bemweijen, wie mir mehrere glaub» 
würdige Beilpiele von dem dortigen Herrn 
Pfarrer und einigen alten Münnern des 
Drts, erzählt wurden. Borzüglic bey 
Bädern foll ich diejes Wafler äufferft würk 





jamer beweijen wie eine jehr alte Geſchichte 
und Beichreibung dieſer Quelle bezeuget, 
welche aber ohngeacdhtet aller meiner Nach 
juchungen in der Gegend nicht mehr zu 
finden war. 
Reftandtheile des Waſſers in 1!» Maas, 
oder 96 Unzen Waffer find: 
I. In Gas Geſtalt, 
a) Kohlenjäure, ein Theil und 
b) Gejchwejeltes Waſſerſtoffgas, 
Theile 
Il. In trodnen vder feiten Beitandtheilen: 
a) Kohlenjaures Minerafaltali 10 Gran 
b) Schwefeljaures Mineralalfali 2 
e) Salzjaures Mineralalfali 6 
d) Kohlenjaure Kalkerde 8 
ec) Stiefelerde mit jehr wenigem 
Eiſen 


zwei 


Zuſammen 28 Gran 


Inventarikierung von Matnrdenkmälern in Baden. 
Gebilde der Erdoberfläche oder des Erd" 


Die fortichreitende Ananfpruchnahme 


der Naturfräfte, die Nugbarmacung der | 


Naturihäge für gewerbliche, Handels und 
Verkehrszwecke haben in weiten Gebieten 
Deutichlands eine Strömung hervorgerufen, 


' gruppen, 


Bäume und Fellen, Fels’ 
Blöcke, Moränen, 


wie 
erratiſche 


innern, 


Duünen, Bergſtürze, Gewäſſer (Waſſerfälle, 
Teiche), Grotten, Schluchten, Höhlen, ferner 


die auf den Schuß und die Erhaltung ger | 


fährdeter Naturdenfmäler, jchöner Yand- 
ſchaftsbilder, jeltener Bilanzen und Tier: 
arten gerichtet ift und in Bildung von 
Bereinen, Herausgabe forftbotaniicher Merk— 
bücher und anderer literariicher Beröffent: 
lihungen Ausdrud gefunden hat. Wührend 
in Baden die Erhaltung von Kunſidenk— 
mälern und Altertümern ſchon im Jahre 
1853 Gegenitand ftaatliher Fürſorge war 
und fogar zur Errichtung eines befonderen 
Amtes geführt hat, ift für den Schuß von 
Naturdenfmälern bisher nur verhältnis: 
mäßig wenig gejchehen. Umjomehr verdient 
ein Erlaß Beadtung und weitgehende 
Nahahmung, den neuerdings der Direktor 


der Großh. Forſt- und Domänendireftion, | 
Herr Reinhard, an jämtliche Forſte und | 


Domänenämter des Yandes gerichtet hat, 
worin fie beauftragt werden, alle Natur: 
denfmäler Badens zu inventarilieren und 
dad Ergebnis der Erhebungen der Forſt— 
direftion vorzulegen. Zu den Naturdenf« 
mälern find zu rechnen: Gharafteriftiiche 


- Schließen. 


ı weitere Entichließungen vor. 


jeltene, in ihrem Beftand gefährdete 
Pflanzen und Tierarten, deren Erhaltung 
aus naturgeichichtlihen oder -üfthetiichen 
Gründen, aus Nüdfichten auf die Volks: 
age und »Geſchichte von Intereſſe tft; ſo— 
dann unter Ddenjelben Borausiegungen: 
Teile einer Landſchaft, die durch die Ur— 
jprünglichfeit des Yandichafts- und Lebens: 
zuitandes charafteriitiih find, wie Weite 
von Urmwaldungen, Moore, Altrheine um. 
Dazu gehören ferner aber auch Waldbe- 
fände, die im Intereſſe der Erhaltung 
ſchöner Yandichaftsbilder oder vermöge ihrer 
Lage in der Nähe von Städten, Kurorten, 
von Ausfichtspunften und dergleichen in der 
Bemirtichaftung beiondere Behandlung ver- 
langen, oder die durh Seltenheit der 
Holzarten, Form und Alter der Stämme 
ih auszeichnen oder Naturdenfmäler um— 
Ueber dıe fünftige Fürforge für 
die Erhaltung dieier Naturdenfmäler behält 
ih die Forſt und Domänendireftion 


(8. 8.) 


— 


89 


Die Sunnwend- oder Johannisfener. 
Das Hohannisfeft, auch Mitſommer-⸗ 


oder Sonnmwendjeft genannt, 
einem heidnifchen Bolksfefte. Der Johannis: 
tag bedeutet mit Beziehung auf Weihnachten 
die Hälfte des Jahres, denn mährend zu 
Weihnachten die Sonne am tiefften ftcht, 
steht fie an Johanni am höchſten. 
dieje Wendung knüpft das alte Heidentum 
das Hauptfeit, welches der Sonne in ihrer 
Kraft und dem Feuer galt. 
all und jegt noch in manchen Gegenden 
werden am Sohannis-Borabend große 
Feuer angezünde. Man tanzte darum, 
ſprang darüber, warf gemilfe Blumen und 
Kräuter Hinein und jang Lieder. Am 
Fohunnistag fand ein Feitihmaus ftatt, 
das jog. Yohannisefjen, das in vielen Ge» 
meinden noch als Erinnerung lebt. Wunder- 
gläubige pflegten am Johannismorgen ver: 
ichiedene Kräuter zu jammeln, denen man 
dann gewiſſe Kräfte beilegte. Aug. Beder, 
unfer pfälzifcher Hiftorifer und Romanzier, 
gibt uns vortrefflihen Aufſchluß bierüber 
in feinem mahezu verichollenen 


„Das Johannisweib.“ Pielleiht auf 


Früher über: | 


Roman | 


entitammt | 


An | 





Menichenopfer deutet die Sage. daß am | 


Fohannistag jährlich drei Menichen ver- 
unglüdfen müßten. In einigen Gegenden 
feiert man am ohannistag noch ein 


Blumen: und Roſenfeſt, das wohl aud ein 
Ueberbleibjel des älteren Feitgebrauches ift. 
Intereſſante Forichungen auf dem Gebiete 
des Johannisfeuers find die feltenen Werke 
von Joh. Reiskius, die heydnischen Nordfyr 
und Johannisfeuer 1696 und % €. 
Beumer, Difjertatio de Igne Johanne 1699 
Was die Pfalz betrifft, ſcheint fich der 
Braud bier lange erhalten zu haben. 
Schon um 1564 verfügt eine Bolizeiord 
nung des Rates der Stadt Landau hier 
über: „Zum fünfften ſollen alle Johannes 
feuer, dieweil es ein haideniſch Werk, auch 
das Nachzerren, ſobey denſelbigen Feueren 
bi hieher angeſtelt worden, hiemit abgetan 
ſein.“ Im Jahre 1579 verbietet eine Biſi— 
tationsordnung des Pfalzgrafen Johannes 
von Zweibrücken alle Feuer und Halfeuer 
am Rhein und dergleichen Gaudelwerf. 
Trogdent wurden die Johannisfeuer in ein- 
zelnen Gegenden der Pfalz, wenn aud oft 
im Geheimen, bis zum Sabre 1830 an: 
gezünder In neuerer Zeit hat fi) der 
Prälzerwaldvercin dıejes Braudes wieder an: 
genommen und es leuchten jegt wieder all: 
jährlih von vielen Bergesgipfeln und 
Kuppen des Prälzermwaldes die feuer weit 
hinaus über die Yande, 


Böhm i. d. Br. Br. 





Ber Räskönig von Bürkheim, ein altpfälziſcher Pfingſtgebranch. 


Bor Zeiten beitanden in einzelnen Orten 
der Pfalz mancherlei jeltiame Gebräuche zu 
Pfingſten. Wenige haben ſich noch erhalten, 
wie das Feſt des Lambrechter Gaisbockes 
zu Deidesheim, andere find völlig von der 
Bildflähe verfchmwunden, fo das Felt des 
„KRäsfönigs von Dürkheim”. Der 
Vorgang diejes jonderbaren Braudes war 
folgender: Auf dem Bruchbuckel bei Dürk 
heim, welcher vom Eyersheimer Hof in einer 
Weite von 1!» Stunden fich eritredt, hatten 
vor Alters einige benachbarten Gemeinden 
das Weidrecht. Dieſes Recht ſoll mit 
König Dagoberts Schenkung des Limburger 
Waldes in Verbindung ſtehen. Daran fnüpft 
ſich die erwähnte Feierlichkeit des „Käs— 
königs von Dürkheim“. Am 2. Pfingſttag 
verſammelten ſich die Burſchen von Dürk— 





heim auf dem Markt. Sie waren zu Pferd 
und in phantaſtiſcher Kleidung. Sn der 
Frühe des Pfingitmontages hielt der aus 
den Dürfheimer Bürgersfühnen gewählte 
König mit jeinem Marjchall und zwei Achtern 
nebit großem Gefolge jeınen Umritt in den 
zum Bruchweidgang berechtigten Dörfern 
und Höfen zur Empfangnahme des Weid- 
zinfes, welcher in lauter großen Käſen ge- 
zahlt wurde. Nachmittags hielt der König 
jeinen Einzug in die Stadt, auf dem Haupte 
eine Sirone von Nornblumen, in der Hund 
als Szepter rinen Stab mit einem darauf 
geſteckten Käſe. Auf dem oberen Marfte 
harrte jeiner die Königin. Alsbald ſchloß 
die Bürgerwache einen Kreis um das Paar, 
welches einen Ehrentanz aufführte, nadı 
welchem die gaffende Menge ın %as König- 


er — 


reich ſtrömte. Das war ein Wirishaus, nahm auch dem Käskönig Macht, Krone 
welches eigens dazu beſtimmt, drei Tage und Würde für immer, und nur die Weid⸗ 
fang von allen Abgaben befreit war. In | buben äfften, wie um 1858 Auguft Bechker 
Tanz und Schmauß endete das grotesfe | erzählt, in drolliger Weije im Bruch die 
Felt. Spüterhin zog man auch nadı dem | Sitte nah. Ihren Urjprung wollte man 
Eyeröheimer Hof und feierte den Brauch bis auf den König Dagobert zurüdzuführen. 
dort. Bis zur franzöſiſchen Revolution Böhm i. d. Pi. Vreſſe. 

wurde das Felt aufrecht erhalten. Dieie 





Dir Deutſchen in Lonihana. 


Aus der Gejchichte der Deutihen in ' Franzojen. Die Tragif, die darın liegt, 
Houifiana,, die Univerfitätsprofeflor Hanno | wird nur wenig durch die Komik gemildert, 
Deiler in New: Orleans erforicht hat, teilt die durch die unglaubliche franzöſiſche oder 
Henry F. Urban im 12, Heft der Oftav» ſpaniſche Berhunzung der uriprünglicen 
Ausgabe von „Ueber Land und Meer | deutichen Namen entitand. Aus dem braven 
(Stuttgart, Deutiche Ne lags-Anitaft) eine | deutichen Kindermann wurde dev Franzoſe 
Reihe interefianter Ginzelheiten mit. Der | Qnindreman, aus Bürdel wurde Pircle, 
erſte Deutihe am Miffifippi, den man bis Berele oder Percle. Schr ſpaßhaft m 
jegt kennt, ericheint um 1684: ein deutfcher | eire Heiratsurfunde, in der eıne Nadı 
tanonier, der nur unter dem Namen Hans | fommin dieſes PBürdel als Martanrc 
uder in franzöfischer Berftimmelung „Hiens“ Perele einen edlen Spanier Don Eantınzo 
befannt war. Nah ihm ift cın Fluß | Pillenol heiratete, deſſen wahrer Name 
„Riviere Hiens“ benannt, In den Jahren , Jakob Wilhelm Nolte war. Der gut 
1719 und 1720 erſchienen die erjien deut: | Echmidt verwandelte ſich ın Chemitt, 
ihen Ginmwanderer in größerer Anzahl, | Schenf in Ehing, Edelmaier tn Heldewaire. 
Bauernfamilien aus der Pfalz und aus  Yidelmer, Eldemere und Delmatre um 
Elſaß Lorhringen, die fi nad) anfänglichen | Gin Deuticher namens Jakob Helfer bier 
Mißgeſchicken in der Nähe von New Orleans | allgemein bei feinen Landsleuten der Jock! 
anfiedelten. Die neue deutsche Anfiedelung ; Als feine Tochter heiratete, trug ſie Der 
lag zu beiden Scıten des Miſſiſippr und , franzöfiiche Ignorant in das Trauregtiter 
erhielt den Namen „Aux Allemands”, ' kurzerhand als Mademoijelle Joele ein. 
Dieje deutichen Anfiedler und die zahlreichen | Ein Deuticher namens Achtziger wurde zu 
anderen, die feitdem einwanderten, fanıen | Monfieur Hadfiger, Ortiger und zuiegt zu 
wirtichaftlicd vorwärts und mehrten fih in | Monfieur Quatrevingt. Die Familie Zweiz 
eritaunlicher Weile, aber ihre Nationalität verwandelte fi) in Yabrandjie. Die Deut: 
vermochten fie, wie der Deutjche leider im | jchen, die heute im Louiſiana ſitzen, ver 
Auslande zumeiſt, nicht zu bewahren. Auch | wandeln ſich nicht in Franzoſen, ſondern 
hier war der Deutſche völlig zufrieden, in Amerikaner von vielfach deutſchem Em 
Völkerdünger für andere zu ſein. So ver- pfinden — dank dem etwas ſtärkeren deut 
wandelte er ſich in Youifiana fchleunigft ın ! ſchen Raſſebewußtſetn unter zahlreichen 
einen Spanier, häufiger aber in einen | deutichen Nıswauderern von heute. 








Gruppen-Walerverlorgung des Lantertales. 


In derfchiedenen Lautertals-®emeinden des | fich zur Einrichtung einer jolchen zufammentim. 
Amtsbezirkes Naiferslautern beitebt ſchon feit | Hat das kgl. Waflerverforgungsburean in München 
mebreren Bahren eine lebhafte Bewegung zu | für die Gemeinden Siegelbad, Rodenbach 
Gunſten einer Waflerleitung. Am Hinblid auf | Weiterboh und Schmwedelbah ein Proje: 
den alten Erfahrungsiog, dab zum mindejten | über Erbauung einer gemeinfamen Hoch 
der Aufwand an Zeit und Selb für den Betrieb | drudanlage eritellt und bierbei den Auſchluß 
einen folchen geringer wird, je mehr ®emeinden | der Gemeinden Stodborn, Olsbrücken 


- 9 


Sambad, Katzweiler, Hirihborn und | 


Unterfulzbad ins Auge gefaßt. Das Waſſer 
foll durch Bohrung dem im „Bruchbachtal” (@e- 
marfung Rodenbach) ausſtreichenden ftarfen 
Grundmwaflerittom entnommen werden. Die 
Brunnenanlage fol! durch eime Saugleitung mit 
der Bumpitation verbunden werden, in welcher 





ein Diejel- oder Sauggas-Motor eine Pumpe | 


zur Beförderung von ca, 45 Kubikmeter Wafler 


ftündlich treibt. Das Förderwafſer gelangt daun | 


durch eine Druckleitung einerfeit® in den zum | 


Mefervoir auf dem Rodenbacher Berg führenden 


Rohrſtrang, anderjeits im den zu den 4 Orten ' 


führenden Hauptverteilungsitrang. Um für 
Schwedelbach noch günitige Druckverhältniſſe zu 
erzieten, foll oberhalb diefer Ortichaft auf deven 
alleinige Koſten ein klemes Gegenreſervoir bon 
a. 80 Kbm. Anhalt errichtet merden. Alle Orts: 
teile erhalten Hudranten. 

Die reinen Baufoiten diefer vier Orte 
umfaflenden Waſſerleitung find auf insgefamt 
193000 Mt. berechnet; Die Jahresausgaben jegen 
fich im einzelnen zufammen aus: 9650 ME. Ber- 
zinfung und Tilgung des Baukapitals, 1100 ME. 
Berbrauch von Brennmaterial, 1200 ME. für 
ben Mafchiniiten, der außerdem freie Wohnung, 
freie Beheizung und Belcuchtung bat, 450 Me 
Unterhaltung zc., was insgefamt 12400 ME. be 
ziffert. 
vier Orte mit ihren 4205 Einwohnern pro Tag 
und Kopf 90 Yiter Wafler verbrauchen, jährlich 
138700 ebm. Wafler gefördert, was an Selbit- 
fojten, pro Abm. rund 9 Pfennig bedeutet. 2 Pig. 
entfallen auf die Betriebs- und Unterhaltungs 
foiten, ca. 7 Big. auf den Schuidendienit. Ver— 
teilt man die Baukoſten auf die vier Gemeinden 
im Berbäfttnis der Einwohnerzahl und überweift 


man der Gemeinde Schmedelbach die Koſten des 


eigenen Reſervoirs, jo entfallen auf 


Siegelbah 48900 M. d. i. pro Einmw. 44,03 M. 
Rodendah 46700 „ un m „ 4,03 „ 
Weilerbach 64600 „ un m „ 403 „ 
Scmedelbah 32800 „ vn m m 518 „ 


was jchr günftig iſt im Vergleich mit ähnlichen 
Anlagen. Unter Berüdfichtigung diefer Anteile 
treffen von der Jahresabgabe mit 12400 ME 
auf die Orte 





Für dieſen Betrag werden, wenn bie 


Siegelb. pro 3.3170 M. od pro Wohndh. rd. EM 


Rodenb. AH 6 Pe ee} ” 2) 15 » 
MWeilerb. Pe 4 4 ” " 16 Bi 
Schwed. "nu — * " 21 * 


“ 

Schr leicht könnte die Gemeinde Stodborn 
vom Endhydranten in Ziegelbach aus angejchlofien 
werden. Für fie find die Koſten unter Teilnahme 
au dem Aufwand der Anlage, ſoweit fie gemeinſam 
tt, auf 16300 ME. berechnet. Techniſch betrachtet 
fann auch Olsbrücken ohne Schwierigkeit ein- 
bezogen werben. Schlöſſen jich die Orte Sam— 
bad, Kagmeiler, Hirſchhoörn und Unter- 
fulsbad gleichzeitig mit an, dann wäre bie 
Berjorgungsanlage auch finanziell für Ols— 
brüden und die anderen Orte günftig. Ein 


ſchileßlich der Koiten für das in Dirfchhorn oder 


Olsbrücken erforderliche Gegenrejvrpoir und die 
Bergrößerung de Hauptreſervoirs bei Rodenbach 
würde diefe von Ziegelbach über Katzweiler nad 
Hirihhorn: Disbrüden zu führende Berteilungs- 
leitung auf 147000 ME. und mit der Teilmahnıe 
an dem Aufwand für die gemeinfame Anlagen 
teile anf 173000 Dee. zu ftehen kommen. Bro 
Einmohner träfen alddann in Siegeibach, Noden 
bad) und Weitlerbach je 37,84 ME, in Schtwebel: 
bach 52 ME. und in den übrigen Orten je 65 DE. 

Im eigenen Intereſſe der Gemeinden wird 
ed Liegen, an diefem für fie bochbedeutianen 
Brojefte einer Gruppen- Wafjerverjorgung, 
womit man in neuerer Zeit überall vorgebt und 
jters die günſtigſten Erfahrungen macht, nicht 
achtlos vorüber zu gehen. Ed wird ihnen dazıı, 
wie wir vernchmen, Gelegenheit geboten werden. 


da allen inbetracht fommenden Gemeinden je ein 
Abdruck des Brojefted zur Stellungnabme zu— 


geben wird. Das fal. Bezirfsamt würde fich 
ein unvergänglichet Berdienſt erwerben, wenn 
es ihm gelänge, das großzügige Brojeft im 
bugientichen und wirtſchaftlichen Intereſſe der 
finanziell zum einen Teil nicht beſonders günſtig 
geitellten zum anderen Teil überlafteten Ge— 
meinden des Lautertales zur Durchführung zu 
bringen. In der Hauptfache liegt der Erfolg 
der Bejtrebungen bei den Gemeinden felbit; 
möchten fie den ihnen fich bier bietenden Vorteil 
in jeinem ganzen Werte erfennen und bald zu 
der wünſchenswerten Einigung gelangen. 


Pfälziſche Dünen. 


Daß mir in unferer engeren Heimat trog | Tatjache. 


Bereits 1905 wurde in der „Biälz. 


ihrer binnenländtichen Lage eine ganze Anzahl | Heimatkunde“ (Seite 106) ein Erflärungäverjucd 


tupifcher Landdünen befigen, iſt eine befannte | 


für deren Entitehung, ſowie eine Zuſammen— 


ftellung der befannteiten pfälzifhen Dünen 


landſchaften gegeben. Xeiber fand babei das 


ausgedehnte Dünenfeid im Tränkwalde bei 
Rodenbach neben ber Siegelbadher Straße Teine 
Berädfihtigung, obwohl es nicht allein wegen 
feiner harafteriitiichen Ausbildung als Produkt 
anhaltender N-W-®inbe, fondern auch megen 
einer ganz; befonderen Eigentümlichkeit unfer 
Intereſſe verdient. In dem genannten Dünen- 
gelände ift nämlich gleich Hinter Rodenbach beim 
Eintritt der Straße in den Wald links neuer- 
dings eine große Sandgrube angelegt worden, 
welche den beutlich geichichteten hell- fleifchfarbenen 
Dünenfand gut aufſchließt. Dabei zeigt ſich 
eine auffallende Erfheinung An der Küdwand 
der Grube tritt nämlich eine etwa 80—100 Etm. 
mächtige gelbe Schicht, die ſich gegen den über- 
und umterlagernden roten, leichter abgleitenden 
Dünenfand fimsartig abhebt, deutlich Hervor. 
Aeußerlich erinnert dieſe gelbe, Tehmähnliche 
Schicht zwar an fandigen Löß, wie er den Weit- 
abfall des Schwarz- und Odenwaldes begleitet, 
doch brauft das fie zuſammenſetzende Material 
beim Betupfen mit verbünnter Salzſäure nicht 
auf; fie ift alfo falffrei. Dieſe Zwiſchenſchicht 
beweiſt durch ihre auch dem Laien auffallende 


Beſchaffenheit, daß während der Aufſchüttung 
der 3—4 Meter hohen Dünenwälle eine größere 
Bauie in der Ablagerung ber roten Düncnjande 
bezw ein vorübergebender Wechiel der Bor- 
bedingungen bierfür eingetreten fein mut. Was 
diefe Schicht für und noch interefianter macht, 
it der Umjtand, daß darin Scherben von ganz 
primitiven Gefäßen, gebrannte Tonitüde, Kohlen⸗ 
tete, Fyeuterjteiniplitter zc., als Zeugen früherer 
Befiedlung vorfommen. Cine deutliche, bunfel- 
gefärbte Kulturſchicht, wie fie 3. B. im Löß von 
Nieder- Schopfheim bei Lahr oder in den vom 
Flugiand verfchätteten präbijtorifchen Wohnitätten 
ber Sedenheimer Dünen bei Mannheim aus- 
gebilder iſt, fehlt Hier vollſtändig; die Fragmente 
treten in der geiben Bank nur ganz bereinzeit 
auf; berausgemittcrte und berabgerollte Stüdt 
find auch auf dem Boden der Grube zeritreut. 
Es ſoll verfucht werden, das ungefähre Alter 
diefer jpärlichen Reſte menihlicher Kultur zu 
beitimmen, um bieraus ev. die Ablagerungszeit 
der Dünen folgern zu können. Jedenfalls find 
fie ebenfo wie die den N.-W.- Abfall der Sidinger 
Höhe begleitenden Sandmwälle cher entitanden, 
als das Landitubler Bruch dur jtagnierende 
Gewäſſer gebildet wurde. Bi. Pr. 1907/2955. 


Bur Entflehung des Pfälzer Liedes. 


Untäklich des Streited um das Joſtdenk— 
mal wird auch neuerdings wieder viel über die 
Entitebung des Pfälzer Liedes geiprocden 
und gefchrieben. Die ‚Bf. Pr.’ bradte im 
Herbite dazu einen Fieinen Beitrag, nad weichem 
die vierte Strophe des Liedes erit nach 1900 
entitanben fein fol. Das ftimmt indeſſen nid, 
denn bereit in Nr. 35 ihrer „Beitbilder* vom 
12. September 1897 tft das ganze Pfälzer Lied, 
aud die vierte Etrorbe, abgedrudt und 
es fcheint überhaupt, dat das Lieb in einem 
Guß entitanden tit und zwar im Jahre 1869. 


lleber bie Entſtehung des Pfälzer Liedes Ipricht 


fih Joſt in der genannten Nummer der „Zeit: 
bilder” felber aus. Er fchreiht dort: 


„Es mar in den eriten WUuguittagen des | 


Jahres 1869 Ach lebte damald in dem 
fonnigen Dürfheim an der rebengeihmüdten 
Haardt ald Redakteur des dortigen „Anzeigers”. 
Eines ſchönen Sonntags ging es wieder einmal 
zur Abtei-Ruine Limburg. Was ih bis dahin 
nie getan, unternahm ich diesmal, obgleich es 


Wageſtück belohnt. 





des Gotteshauſes Feuer wütete. 


ein halsbrecheriſches Unternehmen war. Ich 
ſtieg nämlich im Innern des gothiſchen Turmes 
der Ruine auf jchlechten Leitern bis zur oberiten 
Dachlucke. Reichlich wurde dort das Fleine 
Ih lieh meine trunfenen 
Blicke über die weite, ſonnige Rheinebene 
ſchweifen. über diefen Garten Gottes mit feinen 
zahlreichen Städten, Dörfern, Weilern, Burgen 
und Billen. 


Da unten links fhimmerten die Türme des 
Doms zu Wormö, dort rechts der majeftätiiche 
Kaiferdom von Spever, in deilen Fyenitern die 
Nachmittagsſonne biitte, ald wenn im Innern 
Dort drüben 
ſchimmern die Höhen ber babiichen Bergitrafe, 
bort fchlängelt fich der alte Rhenus Bin und 
weiter drüben fchimmern in blaugrauem Dufte 
die Ruinen des Heidelberger Schloſſes. O mie 
jhön, wie umvergleichlich Liegt dies Fleckchen 


Erbe, dad Pfälzerland, vor mir. Plötzlich faßte 


mich die Begeifterung und ich ſchrieb in mein 


Taſchenbuch nachſtehende Verſe: 





— 3— 





„Am deutſchen Strom, am grünen Rheine | damals noch mit einem ſtarken Feſtungsgürtel 
Biebjt du dich Hin, o Pfälzerland! umgebenen Stadt Landau, deren reiche Geſchichte 
Wie lächelit du im Frühlingsſchmucke, mich mächtig anzog. Da traf an einem Herbit 
Wie winkt des Stromes Silberband ! tage des Jahres 1877 der Harmonium-Birtuofe 
Da ſteh' ich auf des Berges Gipfel J Sauplet in Begleitung der ſchwediſchen 
Und ſchau auf dich in füRer Hub, Sängerin Spendfon in Landau ein umd ver— 
Und jubelnd ruft's in meinem Herzen: anjtaltete im Hotel zum „Schwan“ ein Konzert, 
D Pfälzerland, wie jchön iſt du! dem ich beiwohnte. Sauplet fpielte reigend anf 


ber „orgue jerapbine*, und die ſchwediſche Sängerin 
trug mit einer glodenbellen Stimme deutſche 
und jchmwediiche Lieder binreigend vor. Das 
dicht gefcharte Publikum jpendete denn auch riefigen 


Es nidt von deinen janiten Hügeln 
Die Rebe mir im Sonnenitrahl, 
Es lodt das Grün mich deiner Wälder, 


Der Fluren Pracht in jeden Tal. ' Beifall. Dad Programm mar erjchöpft und 
Bon deinen Kirchen und Kapellen ' Saudler machte DMiene, fein Anitrument zu 
Tönt mir die Sonntagsalode zu, ſchließen; ftürmifch aber verlangte das Publikum 
Und Andacht und Begeiſt'rung flüjtern: noch eine Zugabe. Sauvler gab der Sängerin 
O Pälzerland, wie ſchön biſt du! Svendſon einen Wink, diefe trat wieder auf das 
| Podium, ein Klingelzeichen ertönte und Sauvblet 
Und deiner Burgen graue Trümmer annoncierte: „Auf mehrfachen Wunih: Ein 
Und deines Domes ftolzer Bau, Prälzerlied!” Im nächſten Augenblid ſaß der 
Wic grüßen fie im Sonnengolde Künit!er wieder an dem Imitrument und lieh 
Bom Berge mic und aus der Au! ein freundliches Ritornell in Es-dur Hören und 
Es zieht mich hin zu ihren Näumen, in einfacher, Herageminnender Melodie — jene 
Es treibt mich ihren Hallen zu, Bere, die ich vor mehr als 8 Jahren auf dem 
Und wie ich wand're, tönt es freudig: Turme der Abtei-Ruine Limburg niedergefchrieben 
O Pfälzerland wie ſchön bijt du! und im „Kurier“ veröffentlicht hatte! 
Ih ſaß da, wie von einem feligen Traume 
Fa, ſchön bift du, o Fleckchen Erde umfangen. Als der Beifalleiturm über dieſe 
Am deutfchen Strom, am grünen Rhein, Zugabe fich geiegt hatte, trat ich zu Sauvlet und 
Du Land voll Biederfeit und Treue, fragte ihn über die Herkunft diejes Liedes. Er 
Du Land im Frühlingsionnenjchein! fagte mir, dag er vor zehn Tagen in Speyer 
Und find’ ich einit in deinem Scoße, fonzertterte und jich einige Stunden vor Beginn 
O Brälzerland, die fel’ge Ruh‘, des Konzertes eine paar weiße Glacchandſchuhe 
Dann ruf’ ich mit dem legten Hauche: für den Abend gelauft habe. „Diefe Handſchuhe“, 
D Plälzerland, wie fchön bijt du!“ fagte der Künſtler, „wurden mir in dieje alte 


Beitung eingewickelt.“ Bei diefen Worten 309 
Diefe Berje fandte ich an die Redaktion deö | er aus der Brufttajche jene Nummer des „Kurier“, 
„Plälziihen Kurier? in Ludwigshafen, in deſſen in welcher meine Berfe abgedrudt waren. „Sehen 
Feuilleton fie wenige Tage jpäter erjhienen. | Sie”, fuhr er dann fort, „das Gedicht hat mir 
Ste wurden gelefen, gelobt und — vergelien, | fo gefallen, daß ich e8 fomponierte und im zweiten 
mie fo vicle® im Strome der Tagesliteratur. Konzert von Frl. Spendion fingen ließ. Es 
Acht Jahre waren vergangen. Es war mir | murde beitällig aufgenommen; cbenfo in Neujtadt, 
inzwijchen die Redaktion des „Eilboten“ in Landau | Kutferdlautern, Zweibrüden, und Pirmaſens.“ 











angetragen worden, die id auch annahm. Ich Durch diefe Darlegung dürfte der Streit um 
fand ein behagliches Heim in den Mauern der | das Pfälzer Lied erledigt jeln. (Bf. Pr.) 
Verſchiedenes. 


Die Wallervögel am Abein. Man | Menjchengedenfen nicht michr der Fall ma 
fchreibt und aus Mainz: In legter Zeit iſt Bor allem find in diefer Beziehung die Möven 
am Rhein das verjchiedene Wafjergeflügel | zu nennen. Geit einer Neihe von Jahren ver- 
in jolher Zahl vorhanden, wie dies ſeit | tert fi nicht nur die bekanute Stummelmöve 


während des Winters an den mit Eis gehenden 
Rhein, fondern es Hat fich meuerlich die 
Ihmwarzföpfige oder Lachmöve bei ums 
völlig eingeniftet. Beſonders bei Ginsheim und 
Niederwalluf finden ſich zahlreiche Wohnungen 
dieſes Bogels, und unſchwer hat man Gelegen: 
beit, die ſehr gefräßigen Stoktaucher bei ihrer 
Jagd auf Regenwörmer und Inſektenlarven zu 
beobachten. Auch das Waſſerhuhn GBläß—- 
huhn) erblickt man faſt beſiändig ſchwimmend an 
den ſchilfreichen Ufern, ebenſo das Teichhuhn; 
kahle Uferſtellen zieht der ebenfalls zahlreich 
vorhandene Waſſerläufer (Heiner Rot— 
ſchenkel) vor. Auch Störche, Fiſchreiher, 
Rohrdommeln find vielgeſehene Bögel, von 
denen letztere abends oft einen weithin hörbaren 
brüllenden Ton bören faffen. Als gefürditeter 
Feind des Hals ift der Kormoran ſchwarze 
Scharbe) bekannt. Dieſer niſtet auf den 
Weidenbäumen und iſt heuer, da er ſehr zahl— 
reich auftritt, der Fiſcherei ſehr gefährlich. Mehr 
auf die ſtehenden Gewäſſer in der Nähe des 
Rheins als auf den Fluß ſelbſt baut der 
Haubentaucher ſem ſchwimmendes Neſt. 
Wegen ihres ſchmackhaften Fleiſches Hauptgegen⸗ 
ſtand der „Waſſerjagd“ ſind von jeher in unſerer 
Gegend die Sumpfſchnepfen (Betaffinen‘, 
die Wildenten und die Wildgänfe, von 
denen bei und fehr zahlreiche Varietäten an und 
auf dem Waller leben. 

Ferdenjagd in Lothringen. Die 
Straßburger Poſt veröffentlicht folgende öffent- 
liche Rüge: „Etwas ſpezifiſch Lothringiſches 
it die Jagd auf die Meine harmlofe Lerche, 
die jo manchen Wanderer fröhlich ftimmt und 
als erjter heimischer Singvogel das Naben des 
Frühlings und das Scheiden des Winters 
kündet. Jetzt ift für die Lerchen die böfe, ge 
fahrbringende Zeit angebrochen, das Blei des 
Jägers trifft unfere graugefiederten Sänger im 
ſchönſten Jubilieren und holt fie erbarmungslos 
aus den Lüften. Auf Fablen Stoppelfeldern 
fit der lauernde Jäger umd zieht feinen 
Spiegel, burd defien Blinfen in der Sonne 
die armen Bögelchen angelodt werden. Wer 
ſchon einmal einer derartigen „Jagd“ beigemohnt 
und gejeben bat, wie die angefchoflenen Tierchen 
fih in der Nähe des Spiegels auf dem Boden 
berummälzen, der verſteht den hartherzigen 
Jäger nicht, der, um die übrigen angelodten 
Lerchen nicht zu verfcheuchen, rubig auf feinem 
100 Meter entfernten Blage fiten bleibt, nur 
ab und zu fein verderbenbringendes Rohr bebt 





und weitere Opfer aus der Luft holt. Es find 
tatfächlih mur Opfer, denn im gerupften Bu: 
itande ift die Lerche kaum größer als ein Spag 
und fo ift es erflärlich, da der Jäger entiveder 
mehrere Dugend Lerchen ſchießt oder einige 
wenige feiner Rage als frugales Mahl beim- 
bringt. Am Elfa wird das Lerchenſchießen 
weniger beobachtet als in Vorbringen, im übrigen 
Neiche gebört die Lerche nicht zum „jagbaren 
Federwild“. Die Hagdbarerktärung it dem 
franzdfiihen Rechte entnommen; dic Auf- 
hebung bdiefer Beitimmung würde ficher auf 
feinen großen Widerſtand jtoßen.“ 

Wuine Sriedridsbüßl bei Well- 
Beim. Etwa eine Biertelftunde von Bellheim 
entfernt liegt das fogenannte „Neuhaus“ 
die Überreſte eines don Kurfürjt Friedrich IL. 
(1544— 1556) erbauten Jagdſchloſſes — mitten 
im Walde. Das noch vorhanden geweſene Stein- 
material wurde 1870— 71 beim Kirchenbau ver: 
wendet, die Schloßanlage und der Heute noch 
mit Waſſer gefüllte Burggraben find noch deutlich 
erfennbar. In den eriten Maitagen murden 
beit der Umrodung und Nevanpflanzung des 
über dem Graben gelegenen Waldes einige ganz 
interefjante Funde gemadt. Es waren 
zumeift gut glafierte Zongefäße. Eines ber 
beiten Stüde mit Buchjtaben und Ziffern wurde 
feider aus Unkenntnis durch die Waldarbeiter 
zerſchlagen. Die gefammelten Saden wurden 
borerit auf dem Forſtamt Sondernheim in Ber: 
mahrung genommen. (Btälzg. PBreiie.) 

Drei Biftorifche Denkmäler an einem 
Tag — dem 3. Juni — erworben und zwar 
durch Gefchenfgebung bat das Kreismufeum der 
Pfalz: 1) Eine frühromanifche Tumba, gefunden 
zu Bergzabern an der Straßenfreuzung rad 
Pleisweiler. Der Dentitein tft vierfeitig, 1,7 m 
lang und breit, 0,80 m hoch und aus einem 
Block funftvoll gehauen. Berziert ift er auf den 
4 Außenfeiten in 15 cm hohen Welief® mit 
Lifenen und je drei Säulen mit Würfelfapitälen. 
dte durch Nundbögen verbunden find. Zwiſchen 
den Bögen find Blumen: Lilien und Weinlaub, 
welch beide dhriftianifche Bedeutung haben, eim- 
gehauen. Diefe zwiſchen 1000 und 1050 angu- 
fegende Tumba diente wahricheinlich urſprünglich 
als Altar einer zeritörten Kapelle (St. Georg ?ı. 
Man vergleiche den Altar der Ullerbeiligenfapelle 
zu Regensburg. 2) Ein romanijcher Kopf im 
Baßrelief von 2 cm Höbe auf einem Fladhitein 
dargeltellt Der männliche Kopf (18:16 cmı 
ift mit zierlich geordnnetem Haupthaar und barılog 


95 


dargeitellt. Er gehört gleichfall® der romaniſchen 


Bauperiode an. Gefunden im Schutt der Burg» 
ruime Sande oberhalb Alingenmüniter. 3) Bon 
Klingenmünſter felbit rührt eine Säule mit 
Kapitälchen, die nach Herrn Bürgermeifter Keyſers 
Mitteilung in der alten kurpfälzifchen Amtmanns- 
wohnung mit zwet anderen, verloren gegangenen 
Säutchen ſich vorgefunden hat. Zeitſtellung der 
teßteren Skulpturen ift noch unbejtimmt. 
Mückenplage in der Vorderpfalz. 


Bon der untern Hardt meldet Herr Buchhändler | 
Böhm in Dürkheim: „Am 17. Mai gingen in | 


der ganzen Borderpfalz förmliche Wolfen eines 
Eleinen fliegenartigen Inſekts nieder. In Bad 
Dürkheim wimmelte e8 in den Straßen und An— 
lagen von ben kleinen Quälgeijtern, welche haufen: 
weiſe in die Wohnräume drangen. Der Volks— 
mund bezeichnete dieſe Inſekten als geflünelte 
Ameiſen, oder auch Eintagsfliegen. Es handelt 
ſich hier jedoch durchaus nicht um dieſe beiden 
Inſektenarten, fondern das in Frage kommende 
Tierchen iſt eine Haarmückenart und zwar 
zur Familie der Bibtoniden gehörig. Die Fliege 
ſelbſt iſt nicht imitande, Schaden anzurichten, 
isre Larve jedodh fann, wenn fie maſſenhaft auf- 





write, den Pflanzen gefährlich werden, indem fie | 


die feinen Würzelchen abfrißt. Wir fanden Nadh- 


weise, daß die Larven der Haarmüde im Jahre | 
den bayertfhen Wajferitraßen im Jahre 


1875 jung angelegte Sparge:beete vollftändig 
vernichteten, indem fie die Pflanzenmurzel zer- 
jtörten. Es darf deshalb nicht von der Hand 
gewiefen werden, daß das diesmalige maflenhafte 
Auftreten der Bibtoniden in der Borderpfalz 
jpäter Schaden bewirken kann. Die Fliege tft 
ſehr harakteristifch durch ihr träges Umberfricchen 
ımd ihren ichmwerfälligen Flug. Man bat zwei 
Hauptarten: die März-Haarmücke (Biblio Marci) 
und die Gartenbaarmüde 
Dabei eine große Menge Abarten. Glücklicher— 
weile räumen die infektenfrefienden Bögel tüchtig 
mit diefem Injekt auf; es dürkte in einigen Tagen 
verichwunden fein.” — Ühntiches wurde inmitte 
August 1907 von Liefer an der Moſel berichtet. 
Damals berrichte dort in ben Abendftunden reges 
Leben. Un den Uiern der Mojel wurden bei 
Eintritt der Dunkelheit zahireiche Feuer an: 
gezündet, um die in großer Anzahl auftretenden 


unter der Bezeihnung „Weißwurm“ ein vor- 
zügliches Bogelfuiter.) 

Auch von Heidelberg aus wurde mitte Auguft 
vorigen Jahres über dic gleiche Plage berichtet 
wie folgt: „Sn der legten Zeit konnte man 
wiederholt an den Nedarufern, befonders auf 
der Neuenheimer Seite, abends zwifchen 8 und 10 
Uhr große Schwärme von Eintagsfliegen 
bemcrfen. Sie waren zritweife jo dicht, da man 
fih in ein Schneegeftöber verfeßt glaubte, Es 
waren zum Xeil die Ephemera vulgata, bie 
ſchlechthin Eintagsfliegen oder Haften genannt 
werden, in ber Mehrzahl aber Palingenia horaria, 
das gemeine Uferaas. Beide Gruppen gehören 
zu den Ortihoptera oder Geradflüglern. Ste 
befigen zwei große vordere und kleine Hintere 
Flügel, die negartig geäbdert find. Die Mund- 
teile find bet ihnen verfünmert, da fie währen) 
ihres nur Aſtündigen Lebens Eeinerlet Nahrung 
aufnehmen, Nach der zweiten Häutung beginnen 
fie ihren Hochzeitsflug. Vielſach, aud bier, 
werden die Reichen der Tiere, die im Boltsmund 
„Augſt“ genannt werden, gefammelt und getrodnet 
und dienen als Bogelfutter oder ald Köder beim 
Flichfang. (Pf. Preffe.) 

Wfälzifcher Frachtverfießr auf dem 
Mbein. Das gl. bayer. jtatiitifche Burean 
bat nunmehr die Ergebniffe des Berfehrs auf 


1907 zufammengeitellt. Hiernach weiſt dieſes 


Jahr gegenüber dem Jahre 1906 im großen 
ganzen günſtigere Zahlen auf. Wir greifen bier 
' die Bablen für dad bayeriihe Rheinitrom: 
gebiet längs der Pfalz heraus. Berüdfichtigt 


find dabei die Aufzeichnungen, welche in Speyer, 


Ludwigshafen a. Rb., Frankenthal gemacht worden 


Bibio Hortutanus). | 


find. Den Hauptverkehr auf dem Rhein bat -- 
fowelt bayeriſche Berhältniffe in Berracdht 
fommen — das induiftriereihe Qudmwigshafen 


zu verzeichnen. Der Verkehr war bier folgender; 


Eintagsfliegen anzuloden und einzufangen. | 


Der Fang war jehr lohnend und bildete für viele 
Bewohner einen ſchönen Nebenerwerb. Wurden 
doch viele Zentner diejes Inſektes eingefangen 
und pro Zentner (getrodnet) mit BO--100 ME, 
bezahlt. (Die getrodneten Eintagsfliegen bilden 


Angelommen find: beladene Segelſchiffe 
zu Berg 389%, zu Tal 657; die Ladung betrug 
bei den eriteren 1603556 Tonnen, bei ben letzteren 
23448 Tonnen; auf Dampfichiffen beförderte 
Ladung zu Berg 444256 Tonnen, zu Tat 89 
Tonnen. Abgegangen find: beladene Segel- 
ſchiffe zu Berg 269, au Tal 1654: die Ladung 
betrug für eritere 10078 Tonnen, für leßtere 
467864 Tonnen. Die auf Dampfidiffen be- 
förderte Yadung betrug zu Berg 611 Tonnen, 
zu Tal 37999 Tonnen. (Pf. Preſſe.) 
Verſchwinden der Htroßdäder. Am 
21. Mat brannte in Körborn das Haus des 





Jakob Kraug nieder. Das Haus hatte noch ein 
Strohdach, das letzte, das noch in der Kuſeler 
Gegend ertitierte. „Die Brandurfache tit un— 
befannt * (Bi. Preſſe. 


Dicke Eiche. Im Elmſteiner Wald beim 
Brennföppel jtebt eine dide Eiche mit 5,30 m 
Umfang am Boden und 4,50 m Umfang in einem 
Meter Höhe. Diejelbe fann nur mit Führer ges 
funden werden. %. €. Goßler. 


Ein Anmefen auf drei Sandes: 
gebieten iſt nicht eben häufig. Ein ſolches 
Anmejen tft die Ulrichsmühle bei Bliesbolden. 
Das Wohngebäude jteht auf preußiichem Gebiet; 
die Mühle gehört zu Lorhringen; Scheune und 
Stallungen find pfälzifch. Bor einigen Jahr— 
zehnten jtand der Grenzſtein mitten in der Küche. 
Er wurde auf Anjuchen des Müntenbefigers 
verſetzt. Jetzt fteht er neben der Mühfe auf 
einer Wicje. 


Zerlenfifcherei in Gebirgsbäden. 
Der Bayer. Landes Fiichereiverein hat neuerdings 
mehrere, im Bezirksamte Regen gelegene Berlen- 
bäche des Bayer. Waldes in Baht genommen, 
um durch in denfelben anzuftellende Berjuche 
die miffenjchaftlihen Grundlagen zu geminnen 
für cine wirklich rationelle Perlmuſchelzucht. Es 
ſoll ſowohl die Biologie der Berimujchel in ihren 
verjchiedenen Altersjtadien, welche noch manchen 
dunflen Punft aufweiſt, geflärt, namentlich auch 
in die Frage der Perlenbildung, welche bis auf 
den heutigen Tag noch ungelöjt ijt, obwohl ſich 
jeit langem nambafte Naturforicher damit befaßt 
haben, Licht gebracht werden. Den gleichen 
Zweden dient ein im Marfte Regen angelvcgter 
Beriuhsweiber. Die Unterfuhungen mwurden 
von der f. b. biologischen Berfuchsitation für 


96 


| ftandes, Profefior Dr. Hofer durdigeführt. Die 
pefumiären Mittel Hinzu gewährt die Staate- 
regierung, welche an der Sache nicht nur ein 
allgemeines, jondern auch ſpezielles Intereſſe 
bat, da die Berlenfiicherei in den Bächen des 
Bayerischen Waldes heute noch Regel iſt. — 


Da die Perlmuſchel auch in verichiedenen 
Bächen des Odenwaldes (z. B. Steinach vor 
fommt, könnte auch an deren Einführung in 
unjere Waflerläufe 3. B. des Prälzer MWaides, 
wo die gleichen Lebensbedingungen vorbanden 
‚ find, gedacht werden. H. 


Eine Reven-Veredeſungs · Station 
größeren Stus beabſichtigt die Regierung auch 
für die Nahe zu errichten. Der Zweck dieſer 
Station ſoll ſein, amerikaniſche Reben, die gegen 
die Reblaus immun find, mit den in dem einzelien 
Weinbaugebieten angebauten heimiſchen Reb- 
forten zu veredein, um im Falle dringender 
Reblausgefahr dem Winzer Gelegenheit zu 
geben, reblausfeit? Neben anzubauen und dei 
Weinbau vor ſchwerem Schaden zu bewahren. 


Nbeinfifdfang. Gegenwärtig wird der 
Fiſchbeſtand des Rheins durch einen 
Schmarotzer heimgeſucht und es fallen dem- 
ſelben hauptſächlich Forellen, Aeſchen, und 
Barben, aber auch Hechte und Weißfiſche zum 
Opfer. Die Fiſche ſind an den Floſſen, im 
Manl und an den Kiemen von kaum d.e 
Zentimeter langen Blutegeln Fiſchegeln) beſetzt 
und ſtehen einzeln und haufenweiſe am Ufer 
ermattet, bis ſie vor Entkräftung abiterben. 
Sehr viele tote Fiſche treiben auf den Fluten 
des Rheins ſtromabwärts. Welche Dimenſionen 
dieſe Fiſchkrankheit annimmt, iſt momentan nicht 
abzuſehen, tatſächlich gehen viele Zentner Fiſche 











Fiſcherei in München unter Leitung ihres Vor— | zu Grumde. 








Inbalt: Der Mönd von St. Medard (Gedicht). — Der Pflanzendarafter der Ilmgrbung 


Landſtuhls und feine Beziehung zur Bodenbeichaffenheit. 


Gemitter- und Nicderichlags:- 


beobachtungen. — Ausgrabung der galliihen Uranfiedelung bei Deidesheim. — Ein einfames 
Grab. — Heimatliches. — Naturpflege. — Befchreibung zweyer Mineralquellen. — Snventarifierumg 
von Naturdeitmälern in Baden. — Die Sunnwend oder Fohannisfeuer. — Der Käsfönig bon 
Dürkheim, ein altpfälziiher Pfingſtgebrauch. — Die Deutfhen in Loniſiana. — Gruppen- Wafler- 
verforgung des Yautertaled. — Wälziihe Dünen. — Zın Entitehung des Pfälzer Licdes. — 
Verſchiedenes. 








Schriftlerter : Lehrer Ph. Sauth, Candſtuhl — Bermann Kayſer's Verlag, Kaiſerslautern 


— — 


IV, Jahrgang. 


September 1908. 


IPALZISCHE HEIMATKUNDE 


U) 


L/ 


MONATSSCHRIFT 


N 


EMMA: 


FÜR SCHULE UND HAUS. 





— 


— — bi. 


Bilnviale Funde in der Aheinpfalz und deren willenfdaftliche 
Aunsbente. 


Die Geologie, die Wiſſenſchaſt, welche 
fi) mit dem Aufbau der Erdrinde und der 
Entmwidlung der heutigen Geſtaltung der 
Erdoberflähe beichäftigt, unterjcheidet in 
der Erdgeſchichte meyrere gewaltige Beit- 
perioden, die insbejondere durch die in 
ihren Ablagerungen eingeichlojfenen Ber: 
fteinerungen dharafterifiert werden. 

Auf eine ältefte (archäiiche) Gruppe, 
die feinerlei Reſte von Lebeweſen binter: 
lafien bat, folgt die paläozoiſche, das Alter: 
tum der Tierwelt darbietende Gruppe. In 
deren älteren Ablagerungen fehlen noch alle 
Klafjen der Wirbeltiere vollftändig, während 
wir aus jpäteren Abjchnitten bereits Fiſche, 
Amphibien und die erfien Spuren von 
Reptilien, allerdings in hochaltertümlichen 
Formen, kennen. In der darauffolgenden 
mejozoifchen Gruppe (Mittelalter der Tier: 
welt) iſt befonders die Entwidlung der 
Amphibien und Reptilien von Bedeutung. 
Wir fehen hier Riefenformen von 25 m 
Länge und mehr. Die Säugetiere erfahren 
erſt in der folgenden Periode, im fänozoifchen 
Beitalter (Neuzeit der Tierwelt) eine reiche 
Entwicklung. Was uns aber diejes Zeit: 
alter, das jlingfte der vier Grdperioden, 
ganz beſonders wichtig macht, ift das Er- 
ſcheinen des Menſchen. 

Innerhalb des känozoiſchen Zeit 
alters unterſcheidet der Geologe drei Ab— 
ſchnitte: a) das Tertiär, b) das Dilu— 


vium und c) das Alluvium (die geo- 
logijche Jetztzeit). 

Im Tertiär berrichte hierzulande ein 
tropiiches Klima, von dem uns nicht nur 
die Ueberreſte von Didhäutern (dem ele- 
fantenähnlichen Maftodon, Rhinocerosarten, 
Flußpferd ufw.), ſondern aud die Pflanzen- 
welt (3. B. Balmen, Feigen, Magnolien) 
Zeugnis ablegen, Nicht unerwähnt möchte 
ich laffen, daß wir auch in der Pfalz mäd- 
tige Ablagerungen aus dieſer Erdperiode 
bejigen, in denen der Berfafler zuerit das 
Borfommen von Gäugetierjfeletten nad) 
mweıjen fonnte. 

In ſchroffem Gegenjaße zum Tertiär 
fteht die folgende Periode, das Diluvium. 
Schon gegen Ende der Tertiärzeit har fich 
eine Abfühlung bemerfbar gemadıt, die ſich 
im Diluvium in jo hohem Grade fteigerte, 
daß die durchichnittlihe Jahrestemperatur 
bi8 um 3— 4 Grad niedriger war als die 
hzutige. Dieſe Temperaturerniedrigung ge» 
nügte, um ein gewaltige Anwachſen der 
Gletſcher Skandinaviens und der Alpen zu 
veranlafien. Zur Zeit der größten Aus: 
dehnung derfelben waren gewaltige Streden 
Landes, die heute fruchtbares Aderland find, 
jo die ganze bayerijche Hochebene und die 
norddeutjche Tiefebene, von Eis und Schnee 
bedeft. Durch den deutichen Geologen 
Penk wurden im Diluvium vier große Eis- 
zeiten nachgewieſen, die durch märmere 


— 


Zwiſcheneis zeiten unterbrochen ſind und auf 
die noch verſchie dene Schwanfungen folgten. 
In dieſer Periode erfolgte auch die Ab— 


98 


| 


lagerung des Löß, dem 4. B. die Rhein. | 


ebene ihre außerordentlihe Fruchtbarkeit | 


verdanft. In der Tierwelt des Diluviums 


fönnen wir zwei deutlidy getrennte Gruppen | 


unterjheiden, eine ältere wärmeliebende 
Fauna und eine jüngere fälteliebende Yauna 
In dem älteren Arichnitt find von befon- 
derer Bedeutung verſchiedene Didhäuter 
wie Elephas antiquus, Rhinoceros Merkii. 
Die Dikhäuter fehlen zwar ın der zweiten 
Gruppe nicht, fie haben ſich aber durch ein 
dichtes Bollfleid den veränderten Lebens 
verhältnifjien angepaßt (Elephas primi- 
genius oder Mammut und Rhinoceros 
tichorhinus). Immer mehr treten jeßt 
auch unter den Säugetieren formen auf, 
die zum Teil aud heute noch leben, die 
fi) aber größtenteils in nördlichere Breiten 
zurüdgezogen haben, erwähnt jei nur Renn- 
tier, Moſchusochſe, Eisfuchs, Lemming. Die 
Pfalz befigt ein recht gutes Material an 
diluvialen Zierfnodhen. Leider aber hat 
man ed ın früheren Zeiten "häufig ver 
fäumt, den genauen Fundort derjelben zu 
vermerfen. Bon märmeliebender Yauna 
find befannt geworden: Elephas antiquus, 
Rhinoceros leptorhinus, Rhinoceros 
etruscus, an fälteliebenden Tieren: Ele- 
phas primigenius (Mammut), Rhinoceros 
tichorhinus, Renntier, Höhlenbär, Riejen- 
hirſch, Urochs. 

Reſte ſämtlicher hier aufgezählten Tiere 
finden ſich in der naturwiſſenſchaftlichen 
Abteilung des Speyerer Muſeums, wo vor 
allem die gewaltigen Elefantenknochen und 
»zähne dad Staunen der Beſucher hervor— 
rufen, Auch die Sammlungen der Pollichia 
(Bad Dürkheim) enthalten einige ftattliche 
Mammutknochen, während von der übrigen 
Fauna nur noch das Renntier (?) ver: 
treten ift. 

Was dem Diluvium eine ganz bejondere 
Bedeutung verleiht, ifi der Umſtand, daß 
wir in diefer Periode zum erften Male 
auf Spuren des Menſchen ftoßen. Un 
zahlreichen Stellen hat man zujammen mit 
diluvialen Tierfnochen in unzweifelhaft un- 
geftörten diluvialen Schichten menjchliche 
Artefalte aus Stein und Knochen gefunden. 
"uch menschliche Sfelettrefte kennen mir 


 ftellen benannt hat: 


aus diejer Frühzeit bereits im einer grö- 
Beren Anzahl. Bejonders reih an dilu- 
vialen Funden it Franfreid. Aufgrund 
der verichiedenen Werkzeugtypen bat bier 
Mortillet innerhalb der älteften Steinzeit, 
wie dieje Periode von den Bräbiitorifern 
meiſt genannt wird, fünf Abjchnitte unter- 
ſchieden, dıe er nad veridhiedenen Fund—⸗ 
Adeuleen, Ghelleen, 
Moufterien, Solutreen und Magdalenien. 
Eine alljeitig befriedigende Einreibung diejes 
auf rein ardäologijher Baſis aufgebauten 
Syſtems in die verichiedenen geologiſch 
nachweisbaren Nbichnitte des Diluviums ift 
bi heute nıcht gelungen. Aufgrund der 
bis jegt vorliegenden menſchlichen Skelett: 
refte lafien fich zwei verjchiedene Raſſen 
unterjcheiden, eine ältere Neanderthalrafie 
und eine jüngere Ero Magnon Rafje. Die 
Neanderthalrafje unterfcheidet fi vom heu- 
tigen Menſchen vor allem durd eine auf: 
fallend niedrige Stirne, durch mächtige 
Augenbrauenmwülfte, wie dur das Fehlen 
einer Kınnbildung am Unterkiefer. Das 
Behirnvolumen entjpriht hingegen dem 
Mittelmaß der heutigen Menſchenraſſen. 
Nur die auftraliihe Raffe hat noch An: 
Fänge an die Neanderthalraffe bemahrt. 
Die Ero-Magnon-Rafje unterjcheider fi 
hingegen in feinem wejentlihen Punkte vom 
heute lebenden Menſchen. 

Während mir tierijche Ueberrefte aus 
der Pfalz recht reichlich befigen, fehlt bis 
jest jede Spur des gleichzeitigen Menſchen, 
ſowohl Sfelettrefte wie Werkzeuge. Ach 
möchte aber ganz bejonders darauf hin 
meijen, daß die Verhältniffe hierfür im der 
Pfalz jehr günftig gelagert find, und daß 
ed bei einem Bufammenarbeiten aller 
Freunde der prähiſtoriſchen Forſchung ficher 
gelingen wird, den diluvialen Menſchen aud 
für die Pfalz nadjzumeifen. Bor allem 
wird es nötig fein, das Augenmerk auf die 
Lehm: und Löhgruben zu richten. Man 
fann bisweilen in Lößwänden braune hori- 
zontgle Ränder beobachten. Diele können 
alte Bermitterungsichichten (ehemalige 
Bodenoberflähe) oder aber menſchliche 
Kulturfhichten fein. In legterem alle 
wird es jedenfalls möglich fein, verajchte 
Erde oder Holzkohlen, vielleicht ſogar einige 
bearbeitete Steine zu finden. 


Diele diluvialen Kulturſchichten find 


ehr leichte von jüngeren vorgeſchichtlichen 
BWohnftellen zu unterſcheiden. Bon lepteren 
finden wir fejlelförmige Gruben, die immer 
bis an die Bodenoberfläcdhe reichen. 

Bei einem geeigneten Zufammenarbeiten 
aller derer, die fih für die Vorgeſchlchte 


unferer engeren Heimat interejfieren, wird 
es gewiß möglich fein, auch dieſe Lüde, 
die empfindlidfte in dem prü 
biftorifhen Material der Rhein 
pfalz, zum Scmwinden zu bringen. 
Sprater, Pf. Br. 





— — — 


Ueber das Alter des Candſtuhler Bruches) und über Artefakten- 
Funde in Torfmooren. 
Bon Dr. Häberle, Kaif. Red.-Rat Heidelberg. 


In der Februar-Nummer diejer Zeit. 
ſchrift (S. 24) hatte ih auf das Bor- 
fommen von Gefäh-Scherben, gebrannten 
Tenftüden, Sohlenreften und Feuerſtein— 
jplittern in den Dünenwällen des Tränf: 
waldes bei Rodenbad) hingewiejen und von 
dem vergeblidhen Verſuch berichtet, mittels 
diefer ſpärlichen Reſte alter menſchllcher 
Kultur die Ablagerungszeit der Dünen zu 
beſtimmen. Mehr vom Glück begünſtigt 
war Prof. Baumann, der die Entſtehung 
der Friedrichsfelder Dünen bei Mannheim 
auf Grund verfcdiedener Funde in die Zeit 
des Ucberganges von der jüngeren Steihzeit 
in die Broncezeit, alſo etwa um das Jahr 
2000 v. Chr. verlegen fonnte?). Als ziem- 
lich fiher aber hob ich hervor, daß die 
Rodenbacher Dünen ebenjo -wie die den 
N. W. Abfall der Gidinger Höhe be» 
gleitenden Sandmwälle eher entitanden jein 
müßten, als das Pandftuhler Bruch durch 
ftagnierende Gewäſſer gebildet morden jei. 
Dieje Annahme findet nun durd einen, dent 
Rodenbacher ungefähr gleihaltrigen Fund 
auf den mid Herr Dr. Sprater?) freund» 
lichft auſmerkſam machte, ihre Beftätigung. 
In der Sammlung des Altertumävereins 
zu Mainz befinden fich nämlich nad jeiner 
verdienfivollen Zufammenftellung 2 Stein» 
beile, die 1822 im „Reihsmwaldtorf: 
moor” gefunden und durch Wevierförfter 

) Die Hydrographiichen und geologijchen 
Berbältnifje der meitpfälziichen Moornicderung 
haben Leppha und Heiß eingehend erörtert, 
eriterer ın: Sigungs:Ber. der bayr. Acad. d. 
Wiſſ. Münden, mathem. phyſik. SF. 1886, 
legterer in: Geognoſt. Jahreshefte 12. Jahrg. 
1900. Wegen weiterer Literatur vgl. Häberle, 
Pfälz. Bibliographie I ©. 136 unter „Landſtuhl“. 


— Geſch. Bl. 1901 Sp. 262 u. 1908 
p. 26. 
) Bol: auch Pfälz. Muſeum 1906 S. 56. 


Grimmeiſen in Ramftein 1855 dem Mujeum 
geichenft worden find; uriprünglich waren 
es vier, von denen fich jedoch zwei nicht 
mehr indentifizieren lafjen. Das eine be- 
fteht aus Grünftein, das zweite ift durch: 
bohrt; abgebildet find fie bei Linden- 
ihmit: „Wltertümer unjerer beidnifchen 
Vorzeit, Bd. I Heft I Taf. 1 Nr. 13 bezw. 
Heit I Taf. I Nr 6. 

Die Fundumftände find nun für die 
Altersbeftiimmung der KXorfablagerungen 
fo interejlant, daß idy fie nach Sprater im 
Wortlaut folgen laffe: „Sämtliche Steine 
wurden in dem Reichswald-Torfgebrüch 
zwiſchen Landſtuhl und Ramitein unter 
einem 1U—12 bayriihe Fuß tiefen Torf— 
lager und zwar in einer mit Sand und 
Ton vermiichten Erdſchicht aufgefunden. 
Ueber diejer Erdſchicht beginnt die Torf» 
bildung, aus den gemöhnlihden Sumpf- 
gewächſen beftchend, dann Erlen: und 
Birfengehölz, jodann erfcheint in der mitt: 
leren Torfſchicht Kıefernholz übereinander 
liegend, endlich fommt in der oberen Schicht 
Ihmwaches Kiefernholz bedeckt mit leichtem 
Torf vor“. 

Nach vorftehendem Bericht waren die 
Beile, für die nad Sprater ein jungneo» 
lithiiches Alter in Anspruch zu nehmen ift, 
ebenjo in Sand eingebettet, wie die Aul« 
turreite ın den Rodenbacher Dünen und 
wurden zu einer Beit benußt, in der noch 
ein troceneres Klima als heute herrichte 
und Scharfe Nordmweftwinde im Gebiet der 
heutigen Bruchlandſchaft den lojen Sand 
vor fich herfegten und zu Wällen auftürm- 
ten*). Der neolithiiche Menſch hatte aljo 


*, Daß die den Torf unterlagernden Sande, 
weiche jegt an einzelnen Stellen in Gruben 
ausgebeutet werden, bielfah vom Winde und 
nicht vom Wafler angebäuft worden find, ergibt 


md aleın in dem Lößgegenden der 
Vorderpfalz, jondern auch bei uns ım Weite 
rich noch vor der vollen Herricait des 
gegenwärtigen Waldflimas jeinen Einzug 
gehalten und die Dünenlandidait befiedelt. 
BZeumwerie famen wohl die Dünen zur Ruhe 
und bedeften fi, wie bei Rodenbach, mit 
einer Kulturſchicht. bis erneute Sandver- 
wehungen auch dieje wieder veridütteten. 

Für die geologische Kenntnis unjcres 
Gebietes find dieſe prähiftoriihen Funde 
infofern von Widhtigfeit, als fie uns einen 
Anhalt für die Beitimmung des ungefähren 
Alters der mweftpfälziihen Moorniederung 
bieten. Nah Venck ıft nämlich die Dauer 
der jüngeren Steinzeit etwa auf 5 7000 
Jahre zu ſchätzen; da die ihr folgende 
Broncezeit bis ungefähr 1500 v. Chr. 
hınaufragt, jo fann die Torjbildung ınfolge 
KHimamedjield und der dadurch bedingten 
Entftehung ftagnirender Gewäſſer vielleicht 
9000 Jahre vor unjerer Zeitrechnung be: 
gonnen haben. 

Wie mir Herr Dr. Sprater ferner nod 
mitteilte, werden auch aus dem Billig: 
heimer Bruch Steinmeſſer und Steinbeile 
von aniceinend früh neolithiihem Alter 
erwähnt und in den Sammlungen der 
Pollichia zu Dürkheim 4—5 Steinbeile 
aus dem Dürfheimer Bruch aufbewahrt; 
ferner habe das Muſeum in Speyer neuer- 
dıngs aus dem Medhtersheimer Brud Tier: 
knochen (meiſt Hirſch) erhalten, die auch 
früh neolithiſchen Alters ſein dürften. 
Leider ſind die Fundumſtände nicht näher 
bekannt, ſodaß alle dieſe Stücke zur Alters— 
beſtimmung jener Torfablagerungen nicht 
herangezogen werden können. Für das Billig: 
beimer- und Bruchmühlbacher Bruch werden 
auch Pfahlbauten?) angegeben, doch find die 
Spuren davon zu unficher ; möglicherweije 
rühren fie nur von Torfhürten ber. Bei 
fegterem, von einem Dünengürtel begrenzten 
Ort wären Pfahlbauten erft dann nötıg 
gewefen, wenn die infolge vermehrter Nie— 
dericdjläge ın der Dünenlandſchaft zu Tage 
tretenden Gewäſſer fich geitaut gehabt hätten, 
Weit jlingeren Datums jind die römtjchen 


fih aus dem Vorkommen don typiichen „Drei 
fanten”, auf die ich bei anderer Gelegenheit 
zurüdtommen werde. 

®) —— —— Ver. d. Pfalz 1884 
Heft XII. 





100 


Tiefe gefunden wurden. 


Altertümer, die 18557 ım Mainz“, beim 
Brunnengraben in der Zorjablagerung eines 
verfumpften Rheinarmes in 29-30 Fuß 
Da die bei- 
gegebenen Münzen in ihrem Alter nid 
über das Jahr 137 n. Chr. hinausgehen, 
muß die Ginbettung vor diefem Beitpunft 
erfolgt jein. 

Auch ın Saijerslautern Wurden 
fürzlıh nach irdl. Miteilung von Herrn 
Küchler bei Faſſung der Yugerquelle (gegen- 
über dem Barbarofia Schulhaus) 2 wohl: 
erhaitene ZTerrafigilata Scherben römiſcher 
Derfunft etwa 3’ m unter der heutigen 
Oberfläche gefunden, dıe von Yand , Moor-, 
wieder Land-, Letten- und endlich wieder 
Moorſchichten überlagert waren, worauf 
dann die Raſendecke den Abjchluß machte, 

In dem jetzt ausgetrodfneten Buſſenſee 
bei Litzelſtetten unweit der Juſel Mainau 
fand man unter dem Torf in einer Tieſe 
von 5 m verſchiedene aus der Stein- und 
Broncezeit ftammende Geräte ujw., ſowie 
einen gut erhaltenen Schädel, deflen Alter 
auf 3000 Jahre geſchätzt wird’). 

Zu erwähnen find bier aud die Unter 
ſuchungen über das Alter der Bohlwege 
und Snüppeldämme?) in den nordmeit: 
deutijchen Mooren, von denen einzelne, 3. 
B. der Bohlweg im Lohner Moor bei 
Behta nur 06 1 m über dem Sand: 
untergrunde des Moores zieht und jelbit 
wieder in 1 km Entfernung vom Rande 
mit 5,5 m Torf überlagert iift. Da für 
den jüngeren Moostorf unjerer nordweit- 
deutichen Hochmoore etwa ein Alter von 
1500 - 1900, höchſtens aber von 2000 
Jahren angenommen mwird®), mühten dieſe 
Nöggerath. Eine Torfablagerung 
mit römtfchen Ueberreiten bei Mainz. Berbandi. 
d. naturbiit. Ber. d. Rheinlande 1859, Bd. 16, 
Sig. Ber. S 114—116. 

W. Wolff und J. Stoller: Ueber 
einen vorgeſchichtlichen Bohlweg im Wittmoor 
Golſteimn) und ſeine Altersbeziehungen zum 
Moorprofil. Mit zahlreichen Literaturangaben. 
Jahrb. d. eig preuB- zuß- geolon. Landesanftalt u. 
Bergafademie f. 323—335. Beitich. 
D. arol. Gef. 19085 x; 28, 

) C. A. Weber, Aufbau, Entſtehun 
Pflanzendecke der Moore. Mitt. d. Ber rd. 
d. Moorfultur im Deutjchen Reich. XI. 
Jahrg. Nr. 8 Berlin 1904. 

) 9.0. Ed, Verzeichnis der mineralogiichen 
ꝛc. Viteratur von Baden ©. 7167 ıfür das 
Jahr 1884). 


Q, 


und 


— 101 


Wege ungefähr um die chriftliche Zeitmende 
angelegt worden ſein. 

Reſte eines Knüppeldamms haben fid) 
auch im Torfmoor bei Alſenborn gefunden, 
doch fehlt leider jeder Anhalt für deſſen 
Altersbeſtimmung!““). Die das Landſtuhler 
Bruch durchkreuzenden „Spicke“ (Bergl. 
Keiper, der Reichswald S. 69) ſind 
jüngeren Datums. 


Aus dieſer kurzen Zuſammenſtellung 


dürfte hervorgehen, wie außerordentlich 
wichtig es iſt, bei derartigen Funden 


genau auf die Umſtände zu achten und 
die Aufeinanderfolge und Stärke der 
überlagernden Schichten aufzuzeichnen. Nur 
dann wird es möglich ſein, eben ſolche 
Schlüſſe zu ziehen, wie es auf Grund der 
muſtergiltigen Notizen von Grimmeiſen im 
Vorſtehenden geſchehen konnte. 


) Pfälz. Muſenm 1906 S. 129. 





Verein „Badiſche Heimat“. 


Schon wieder ein neuer Verein? wird 
mancher entſetzt ausrufen. Ja, und doch 
nein! Zwar ein neuer Verein, aber doch 
ein Verein weniger. Der badiſche Berein 
für Volkskunde und der Verein fir 
ländlide Wohlfahrtspflege in 
Baden planen, fich zu einem neuen ®er: 
cin zu verjchmelzen, der den oben ſtehenden 
Namen tragen jol. Wach dem uns zu: 
gegangenen Satungsentwurf iſt der Zweck 
des neuen Vereins! Erhaltung, Pflege und 


wiſſenſchaftliche Erforichung des heimiichen | 


Volkstums, Förderung der ländlichen Wohl- 
fahrt auf materiellem und geiltigem Gebiete, 
Schuß der heimiſchen Landſchaft, ihrer 
Kultur- und Naturdenfmäler, ihrer Tier: 
und Pflanzenwelt und dadurch Weckung und 
Vertiefung der Heimatliebe. In manden 
Punkten hatten fich beide Vereine jchon be- 
rührt, jo 3. B. in der Beranftaltung von 
Vortrags: und Unterhaltungsabenden auf 
dem Lande oder in Städten, im denen liber 
Volkslied, Märchen und Sagen gejprochen 
murde, Volkslieder gejungen, heimiſche 
Dialeftdichtungen vorgetragen wurden, 
heimischer Hausbau und heimische Tracht 
ım Bilde gezeigt wurde. Der eine Verein 
tat ed aus rein wiljenjchaftlichem Intereſſe, 
der andere, um dem Bolf eine edle Unter— 
haltung zu bieten und damit in fozialem 
Sinne zu wirken. Natürlich taten ſich 
beide Bereine in gewiſſer Weije Abbrud). 
Das joll durch die Berichmelzung nunmehr 
ander® werden. Aber noch einen anderen 
Vorzug wird dieje haben. Es werden da 
durch größere Geldmittel flüſſig und an 
eine Stelle geleitet werden, was für ein 
planmäßiges Arbeiten von großer Wichtig 





feit jein dürfte. in Bedenfen bleibt ja 
nun allerdings, daß erma die cine Richtung 
der bisher in befonteren Bereinen gepflegten 
Arbeit in dem neuen Verein durd die 
andere in den Dintergrund gedrängt und 
dadurch Schaden leiden möchte, daß alio 
etwa der ſozialen Arbeit gegenüber die rein 
wiffenichaftliche der Voltsfunde benachteiligt 
würde oder umgekehrt. Natürlich wäre eın 
ſolches Ergebnis zu bedauern, und es wäre 
al$dann befjer, wenn die Berichmelzung 
unterblrebe. Zoch ſteht ſolches wohl faum 
zu befürdten. Es ſollen nämlidy zur Ber 
folgung der einzelnen Zwecke des Vereins 
Arbeitsausichiiife für Volkskunde, ländliche 
Wohlfahrtspflege, Heimatichuß und nötigen 
falls andere Gebiete gebildet werden. Deren 
Aufgabe wırd es dann jein, dafür zu forgen, 
dat ıhrem Arbeitsgebiet die nötige Berück— 
fichtigumg zuteil wird. Der Heimatsſchutz, 
alfo der Schuß der heimischen Landichaft 
uim,, wie er oben umjchrieben it, hatte 
bisher in Baden noch nicht genügende Pflege 
gefunden, Daß es daher dringend nötig 
ift, jein Augenmerf darauf zu lenken, wird 
jedem Einjichtigen Elar fein. Hier gilt es, 
einen fräftigen Mittelpunkt zu jchaffen, der 
mit Naddrud ſich zum Schüger gefährdeter 
Ktultur- und Naturdenfmäler aufmirft. Es 
ſteht zu hoffen, daß dieje Seite der Arbeits: 
tätigfeit des neugegründeten Bereins ihm 
viele Freunde zuführen wird, die vielleicht 
den anderen Seiten weniger interefliert 
gegenüber ftehen. Um dem Verein möglichſt 
meite Kreije zuzuführen, ift der Beitrag jo 
niedrig mie möglich vorgefehen: 1 ME. oder 
2 ME. für einzelne Mitglieder, für An— 
italten oder Körperſchaften mindejtens 3 ME. 


Biffenichaftlie Zeitichrift des Vereins wird 
die von Prof. Biaff in Freiburg geleitete | 
„Alemannia“ fein, der fi das häufiger 
erfcheinende, mehr volfstümlih gehaltene 


102 


Blatt „Badiſche Heimat” anſchließen fol. 
' Wer mindeftens 2 ME. zahlt, erhält beide, 
| wer nur 1 Mk. entrichtet, nur das zweite, 


(Hbg. Zgbl.) 





Ueber die 


In der Pfalz famen im Monate Juni 
471 Brandfälle vor, 24 davon waren durd 
Bligihlag entftanden. Die „Beitung 
für Feuerlöſchweſen“ berigtet, daß in der 
Zeit vom 13. bis 30. Juni in Bayern 
allein 117 Brandfälle durch Bligidhlag ver- 
urfadyt worden find. In Spraitbach (Würt:- 
temberg) hat der Blig im Mai und uni 
6 mal eingeihlagen. Am 19. Juni traf 
er dort eine Zelephonitange neben der 
proteftantiichen Sirhe. Nicht den hod- 
ragenden Bligableiter der Kirche juchte der 
Blig, ſondern die Telephonftange, deren 
Spige nod) tiefer fteht als das Fundament 
des Turmes und von dieſem in wagrechter 
Linie faum 3 Meter abiteht. - Was jagen 
dazu jene Xheoretifer, welche behaupten, 


daß durch überragende Blitableiter auf | 


Türmen und hohen Giebeln die niedrigeren 
Gegenſtände im Radiusbereich geſchützt ſeien? 
Dieſe Theorie iſt nicht immer zutreffend. 
Vor zwei Jahren ſchlug der Blitz in dem— 
ſelben Orte neben der hoben katholiſchen 
Kirche in die niedere Voltzeidienersmohnung. 
— Aud in Sailerslautern trai vor etwa 
15 Jahren der Blig in der Glockenſtraße 
ein 1ftödiges Bohnhaus, das zwiſchen 
2ftödigen höheren Gebäuden ftand, Das 
feine Wohnhaus ift nun mit einem Blitz— 
ableiter verjehen. Im Frühling des vorigen 
Jahres hielt ingenieur und Brofejjor Sig- 


Blibgefahr. 


| wart Ruppel im Phyſikſaale der neuen 
Induſtrieſchnule zu Kailerslautern einen aus: 
| Führlichen Vortrag über Bligableiter. Profeſ 
for Ruppel (jegt in Frankfurt a. M. 
mwohnend) wies darauf hin, wie ſalſch es 
' fei, durch wenige hohe (Auffange-)Stangen 
| ein Haus fhügen zu wollen. Gr zeigte 
fih alö Gegner der theorethiihen Annahme 
vom Schutzkreis ım Radiusbereich hoher 
Türme u. dgl. Er hat namentlich in ſeinem 
(von Sintereffenten aus der ganzen Pfalz 
zahlreich beſuchten) Bortrage darauf hin: 
gewielen, daß ed mit geringen Mitteln 
möglich ift, ein Gebäude zu jchüßen, wenn 
die bereits am Gebäude vorhandenen Metall- 
teile (Firfiblehe, Dachrinnen, Regenabfall: 
rohre) oder einfahe Materialien, 3. B. 
Bandeıjen, verwendet werden. Wir mollen 
darum darauf aufmerfjam machen, wit 
wichtig es ift, bejonders die auf dem Yande 
befindlichen Gebäude, die ja 50 Dial mehr 
der Blipgefahr ausgejegt find als ſtädtiſche 
Gebäude, mit Bligableitern zu verjehen. 
Nach den Angaben von Profeflor Ruppel 
ift dies bei einfahen Anlagen mit etwa 
20 Mark Stoften zu bemerfftelligen, befonders 
wenn die Blipableiter gemeindewerie ber: 
geftellt werden. Darım ihr Yandleute, 
Ihügt euch und euer Gut rechtzeitig vor 
Blitzgeſahr! (Pf. Br.) 





Der Hungerbrunnen im Stiftswald bei Kaiſerslautern. 
Bon Dr. Häberte, Kaiſ. Rec. Rat Heidelberg. 


Obwohl wir in der Pfalz verichiedene 
„Hungerbrunnen“ zu verzeichnen haben, iſt 
doch meines Willens feiner jo befannt ge- 
worden, als der Hungerbrunnen im Stifts- 
wald öftlih von Saiferslautern, um den 


die Volfsphantafie einen ganzen Sagenfreis | 


germoben hat. Schon Forſtmeiſter Bel. 
mann führt ibn 1600 in feiner Beſchrei— 


bung des Stiftswaldes als „Hungerborn“ 
am Ausläufer des Dammberges auf, deſſen 
Ablauf durch das Hunger: bzw. Dilsberger 
tal gegen die Lauteripring floß und den 
Fudjs: und Stofmwoog ſpeiſte. „Wenn aber 
dürre Jahre einfallen, find feine Weyer mehr, 
ſintemahl der Born ausbleibt.* Auch am 
Beren- {nit Bären:) Kopf und Steins- 


berg wird gleichzeitig je ein Hungerborn 
erwähnt. 

Bu verfehlen ift der auh auf Blatt 
Kaijerdlautern des topographiſchen Wtlas 
von Bayern eingetragene Hungerbrunnen 
ſo leicht nicht, da er etwa eine halbe Stunde 
jüdlih von der Qauterfpring an der Wb- 
zweigung eines Öftlichen Seitentälchens 
direft neben der Waldftraße liegt und auch 
in trodnen Jahren durch mehrere am Fuß 
einer fteilen, tannenbejchatteten Böſchung 
fib öffnende Löcher, die periodiich als Aus— 
laufitellen dienen, jein Dajein befundet, 
Ehe ich mich jedoch der Schilderung feiner 
Tätigfeit zumende, will ich zur Orientierung 
einige Worte vorausſenden. 

Unter Hungerbrunnen (Quellen) ver- 
fteht man zunächft jolche periodijche Quellen, 
die je nach der Jahreszeit oder den Nieder- 
ichlägen bald ftärfer, bald ſchwächer fließen 
bzw. in trodnen Jahren ganz verfiegen, 
Sie bilden ſich gemöhnlid über einer in 
geringer Tiefe befindlichen waſſerundurch— 
läſſigen Schicht und vermögen ſich nicht 
fange zu halten, wenn die Niederichläge 
über ihrem Sammelbezirf ausbleiben; ſie 
ſtehen alſo in deutlich erfennbarer Abhängig: 
feit von jenen, find aljo tatlählih nur 
Zeitquellen, die nur ab und zu in 
Tätigkeit treten. Hierdurch dürfte auch der 
Name feine einfachfte Erklärung finden. 
Am befannteften aus diefer Kategorie find 
die Frühjahrs- oder Märzquellen, die 
namentlid) während und nad) der Schnee- 
ſchmelze vorübergehend oft ganz anjehnliche 
Waſſermengen entftrömen lafjen. Eine folche 
iſt mir 5.3. aus dem Sauertal beim Dauben- 
bornerbof befannt, die ihr Waſſer manchmal 
bis zu 'z m Höhe emporjprudelt. 

Als Hungerbrunnen werden aber auch 
intermittierende falte Quellen bezeichnet, 
die unabhängig von der Jahreswitte— 
rung bald reichlid, bald ſchwach fließen, 
dann aber auch plöglich verfiegen, um erft 
nach längerer oder fürzerer Zeit eben jo 
plöglic mit oft geradezu erplofionsartigen 
Ausbrüchen wieder zu erfcheinen, ohne daß 
äußere Umjtände, wie ftarfer Schnee- oder 
Negenfall vorausgegangen find, Daß diejes 
geheimnisvolle Erfcheinen und Verſchwinden 
die Volksphantaſie mächtig beichäftigen 
mußte, iſt leicht erflärlih. Früher brachte 


man ihr Auftreten mit fetten umd mageren | 


103 


Yahren in Berbindung, prophezeihte aus 
ihrem Fließen Mißwachs (vrelleiht auch 
daher der Name) und verglich ſogar ihre 
Ergiebigkeit mit den Kornpreiſen der be— 
treffenden Jahre, heute dagegen wiſſen wir, 
daß ſich ihre Tätigkeit aller Wahrſcheinlich— 
feit nach auf beftimmte phyſikaliſche Gejege 
zurüdführen läßt. 

Dan leitet ihr Auftreten von Fleineren 
oder größeren, in den unterirdiichen Lauf 
des Waſſers erngeichalteten Hohlräumen 
und lüften ab, in denen fich jenes von 
oben jammeln und dann ſeitwärts durd) 
einen heberartig gebogenen Kanal wieder 
abfließen kann, fobald der Wajlerftand des 
Sammelbedens die Höhe der Kniebiegung 
des Hebers überfchreitet. Iſt jedoch das 
untere Ende des fürzeren Schenfels aus 
dem Wafjer bervorgetaudt, jo wird die 
Duelle jo lange verfiegen, bis der Waſſer⸗ 
ftand die Höhe des Heberfnied wieder er- 
reiht hat!). Die Dauer des FFließens ift 
aljo abhängig von dem Umfang des 
Sammelbedens, von deſſen Wafjerzufuhr 
und endlich von dem Durchmefier des Ab: 
Hußfanals, der felbitverftändlich ftärfer fein 
muß als der Zuflußfanal. Daß der Heber 
zeitweife durch herabfallende Erde verfiopft 
werden fann und erft nad) und nadı durch 
bindurchfiderndes Waller wieder geöffnet 
merden muß, ſei nebenbei noch bemerft, da 
diefer Umstand den Auslauf beeinfluffen 
wird. Längere Trofenheit bezw. Näſſe 
haben auf das MWerfiegen oder Fließen 
folder Quellen wohl Einfluß, doch läßt 
fi diefer mit Sicherheit nicht nachweiſen. 
Es ſoll auch nicht verfchwiegen werden, daß 
andere Autoren, 3. B. Antolif?) diefe Hy— 
potheje ablehnen und die vorübergehende 
Tätigfeit folder Quellen auf freimerdende 
Soblenfäure oder auch auf Luftdruckver— 
änderungen zurückführen. Eine voll— 
ſtändige Klärung hat dieſe Frage bis jetzt 
noch nicht gefunden. 

Kehren wir nun nach dieſen allgemeinen 
Betrachtungen wieder zu unſerem Hunger— 


') Fr. Steiner, Ergiebigkeitsmeſſung tn» 
termittierender Quellen. Sitzungsberichte des 
Bereins „Lotos“ in Prag. Reue Folge. Bd. 20 
für 1900 ©. 202—209 mit 2 Figuren im Tert. 

», 8 Antolik, Ueber intermittirende 
Quellen. Verhandl. d. Ber. }. Natur: u, Heil- 
kunde zu — XX ©. 97—98. Preßburg 
1900. ef. geol. Centralbl. 1901 S. 653 - 654. 


brimnen im Stiftswald zurüd. Ueber feine 
Tätigkeit in den letzten Jahrzehnten find 
wir dan? der jorgrältigen Aufzeichnungen 
von Herrn Forftmeiiter Erb auf Forfthaus 
Stiftswald gur unterrichtet. 

Nah den mir freundlidit zur Ber: 
fügung gejtellten Notizen „tritt der Hunger: 
brunnen ſtets mur in längeren Baufen von 
je einigen Jahren zu Tege, dann aber ın 
den eriten Tagen jo ftarf, daß er, wie die 
Leute fih ausdrüden, gleich einc Fleine 
Mühle treiben fünnte. So bleibt es 2, 
3-6 Monate, plöglich ift er wieder ver- 
ſchwunden. Mit Beginn des Frühjahrs 
ericheint er dann und endet in der heißeren 
Jahreszeit. So verhielt es ſich zu Anfang 
der 80er Jahre, dann in den Jahren 1889 
und 1902, wo er vom 14. Februar bis 
1. Juli lief. Nach Ausfage der Leute ift 
er früher in kürzeren Intervallen zu Tage 
getreren; warum dies in den oben zitierten 
jahren nicht mehr fo oft gejchieht, iſt mir 
nicht erflärlih“. Nach einem andern Be- 
richt im „Pfälzer Wald” (1902 Nr. 14) 
„Ipendete er in dem regen und jchneearmen 
Jahr 1887 geradezu enorme Waſſermengen, 
verjiegte aber nad einiger Zeit wieder und 
lag troß der naffen Jahre im legten Teil 
des vorigen Jahrhunderts troden. Erſt 
diejes Frühjahr (1902) hieß es: Der 
Bungerbrunnen läuft! Die Forftbehörde 
mußte die zugewachlenen und verfandeten 
Sräben aufräumen laſſen, damit durd) den 
jtarfen Wafferabfluß nıcht Wege und Wiejen 
beihädigt wurden. Ebenſo plößlich, wie 
die Quelle erichienn war, jeßte fie auch 
mieder aus, um nadı cinigen Wochen, wenn 


104 


auch weniger ftarf wieder zu Tage zu 
fommen und abermald zu verſchwinden“. 
Als bejonderd merfwürdig wird im An: 
ichluß hierar hervorgehoben, daß „die etwa 
1 km unterhalb auslaufende Pauteriprıng, 
melde das Waller zur Stailerslaurterer 
Wajjerleitung liefert, ſtets gleihmäkig ihr 
Naß jpendet und jelbft ın trodnen Jahren 
nicht merklich nacläßt”. Diejer Umſtanß 
bietet nun gerade nichts auffälliges. da das 
Austreten der Qauterijpring auf ganz 
anderen Urſachen beruht. Nach Yeppla?) 
handelt es ſich bei ihr ebenjo wie bei dem 
befannten Altleininger Brunnen um eine 
wenig Beränderungen unterliegende 
„Spaltquelle“, die ihre Exiſtenz wahrſchein 
lih einer den SHauptbuntjardftein durch— 
jegenden, von Echallodendady über Otter: 
berg zum Gersmeilerhof zichenden Ber— 
merfung verdanfen vermag. 

Mögen Ddiefe Zeilen beitragen, der 
Tätigfeit unferer pfälziichen Hungerbrunnen 
etwas Aufmerkſamkeit zu widmen und ihr 
Eriheinen und Verjchwinden regelmäßig 
aufzuzeichnen, um nah Jahr und Tag 
die Ergebniſſe in vergleichende Betrad 
tung ziehen zu fönnen, 


®) U. Teppla, Ueber das Borfommen 
natürlicher Quellen in den pfälziichen Nord» 
bogeien (Hartgebirge). Zeitſchr. f. praft. Geo- 
logie 1895 ©. 100— 112. 

Literatur: 9. Haas, Duellenfunde. Lehre 
von der Bildung und vom Borfommen der 
Duelle und vom Grundmwailer. Leipzig 1895. 
S. 31 u. 81—84 über intermittierende Quellen.) 
— Heim, Die Quellen. Baſel 18855. — H. 
Bourguin, Naturw. Wochenſchrift 1906, Bb 
V S. 813. — Pfälzerwald 1W2 Nr. 14. 


Menes über die Grüfte der Kloſterrnine Limburg. 


Sehr wenig ift der Allgemeinheit über 
die Geſchichte diejer berühmten Abtei zu- 
gänglih und diejes Wenige zeigt jo große 
Lücken, daß es oft jchon zur Sage zu 
werden beginnt. Vorhandene ſchriftliche 
Hinweiſe find fpärlid in Klöftern, in der 
Bibliorthef des Batıfans umd einzelnen 
Ummwerfitäten vorhanden. Nur zufällige 
Ergebnijfe können eine Ergänzung des 
Zimburgmateriald bringen. Eine derartige 
Gelegenheit bot fih am 28. und 29, Juni 
38. %8., als man infolge Ausſchachtungs- 


arbeiten behufs Anlegung eines Kellers auf 
der Mordfeite des Querhauſes bei der 
Safriftei auf einen Teil der früberen 
Grüfte ftieß. Bei den Aufräumungs- 
arbeiten an der Stelle bei der früheren 
Safriftei, mo jegt das Büfett des Reſtau— 
rants fich befindet, fam man vorerjt in der 
geringen Ziefe von 25 cm auf eine Grab: 
platte, die 1,80 m lang und 76 cın breit 
war, und in die mit der Spighade cın 
rohes Kreuz eingehauen war. In einer 
Tiefe von ca. 40 cm wurden Sfelertreite 


— 16 — 


eines Mannes vorgefunden. Bleid an der 
Treppe famen viele blau und grün glafierte 
Ofenkacheln mit verfchiedenen Muſtern von 
Tieren und Ornamenten und eine Anzahl 
recht gut erhaltener Bodenbelagplättdhen, 
ebenfalls hübjch verziert, zum Vorſchein. 
Auf der einen Dfenfachel zeigt fich gut er» 
halten die Figur eines Eichhorneds. An 
allen Kacheln find deutlich die Spuren des 
Rußes erfichtlich, fo daß fein Zweifel be» 
a daß hier Reſte eines Ofens vorhanden 
ind, 
war 2 m lang und 1,25 m breit und 
völlig mit Schutt und Mörtel gefüllt. Wir 
find geneigt, fie als Eingang in die unter: 
irdifchen Begräbnisftellen anzufprechen. In 
einer Tiefe von ca. 1,50 m fand man mit 
dem Kopf nad Welten liegend ein männ: 
lies, nit gut erhaltenes Sfelett, an 
deflen Cage man bemerfte, daß es in roher 
Weiſe beijeite gemorfen und jedenfalls aus 
feiner urfprünglichen Begräbnisftelle gerifien 
worden war. Neben diefem Eingang ſtieß 
man in Tiefe von 1 m auf einen Stein- 
farg. Er lag von der nördlichen Haupt. 
mauer 1,58 m, von der Ofimauer 1,11 m 
entfernt. Letztere Ziffer dürfte von Wich— 
tigkeit jein, da fie wahrſcheinlich die Lage— 


Naturſchutz. Durh das Geſetz vom 
6, 58. Mts., Aenderungen der Gemeinde- 
ordnungen und des Polizeiſtrafgeſetzbuches betr., 
ift die Grundlage zur Erlafjung betr. bdijtriftö- 
und ortöpoltzeilicher Borfchriften, einerjeitö zum 
Schuß einheimiſcher Tier- und Pflanzen- 
arten gegen Ausrottung, anbererieits zum 
Schu von Orts- und Landſchaftsbildern 
gegen verumftaltende Reklame geſchaffen worden. 
Das Staatöminiftertum des Innern bat fofort 
nad; Erlafiung bdiejes Geſetzes die Regierungen 
bon Oberbayern und Schwaben beauftragt, die 
Erlaſſung oberpolizeiliher Borfchriften zum 
Schutze der Alpenpflanzen ins Auge zu faflen. 
Ergibt ſich Hierbei, daß für beide Regierungs- 
bezirfe im tmefentlichen die gleichen Beftimmungen 
erforderlich find, jo wird das Königl. Stants- 
minijtertum des Innern felbjt einheitliche Vor. 
fchriften erlaflen. Was ſodann den Schuß ſon— 
ftiger Pflanzen forte Tierarten betrifft, ſo bat 
da8 Staatömintiterium des Innern ben jämt- 


Die nunmehr ausgeworfene Grube 


Berfchiedenes. 





' entfernung der übrigen nad; Süden ziehen- 


den Grüfte von dem Hochaltar aus angeben 
fönnte. Die Länge des Steinjarges beträgt: 
2,15 m, die Breite 82 cm, im Lichten 
2 m lang und 53 cm breit. Die Be 
arbeitung war eine rohe mit der Spitzhacke. 
Nach Abheben des Dedels fanden fich einige 
Skelettrefte, einige Fragmente der Beklei— 
dung, ähnlich grüner Eride und braun 
gewordenes Leinen, Außerdem Reſte von 
direft mollartigem Stoff (Kutte), eine 
Anzahl Eifennägel und cın Stück Bleiplatte 
mit eigenartigem, großföpfigen Nagel. 
Augenfcheinlich war diefer Sarg beraubt. 
Man wird nicht fehlgehen, wenn man dieje 
Beraubung in das Beritörungsjahr der 
Limburg 1504 verlegt. Das vorermwähnte 
Skelett dürfte in den betreffenden Stein- 
jarg gehört haben. Die Vermutung liegt 
nahe, daß man es hier mit einem Abts- 
oder Konventualgrab zu tun hat. Jeden— 
falls fann man aus Anlaß diefer Gründe 
zur Vermutung fommen, daß fich die Nebte- 
gräber auf der nordöftlichen Seite des 
Duerhaufes in der Nähe der Safrıftei und 
vor der linfen Apfide befinden, 


Böhm id. Pf. Pr. 


lichen Regierungen die Erlaffung oberpolizeilicher 
Vorſchriften im Benehmen mit den Ausſchüſſen 
für Naturpflege anbeimgegeben mit dem Ber 
nierfen, daß daneben, ſoweit die beſonderen Be- 
dürfnife eines Bezirks oder ciner Gemeinde es 
ertordern, diſtrikts- und ortöpolizeiliche Bor— 
ſchriften im Benehmen mit den Obmännern für 
Naturpflege zu erlaſſen ſein werden. Ein be— 
ſonders vordringliches Bedürfnis beſteht für viele 
Gegenden himſichtlich einzelner beſonders be— 
drohten Pflanzengattungen, dad Ausreißen und 
Ausgraben mit ber Wurzel, forte das Feilhalten 
und Berfaufen bemurzelter Pflanzen zu verbieten 
und dat Sammeln zu gewerblichen Zweden von 
befonderer Erlaubnis abhängig zu machen. Da— 
bei können befondere Bewilligungen zu wiſſen- 
Ichaftlihen Zwecken und Annahmen für bie 
nachweislich im Wege des Gartenbaues gezogenen 
Pflanzen vorgejehen werden. Hinſichtlich des 
Schugßes der DOrtd- und Landjchafts- 
bilder gegen verunſtaltende Reflame bat das 


— 16 — 


Staatöminifterium des Innern anempfohlen, 
zunächft mit Rüdficht auf die Berfchiedenheit ber 
Berbältniffe mit diſtrilts- und ortöpolizeilichen 
Vorſchriften vorzugehen. Dur folche mird 
beiſpielsweiſe nicht bloß für die zu Reflame- 
zweden erfolgende Anbringung von Schildern, 
Tafeln, Auffchriften, Abbildungen und fonjtigen 
Gegenſtänden im Bereiche beitimniter Orts» und 
Landſchaftsbilder polizeiliche Genehinigung zu 
verlangen, fondern auch zu bejtimmen fein, daß 
Gegenſtände, bie ſchon vor dem Inkrafttreten 
der Vorſchriſten angebracht worden find, bom 
Befiger binnen der von ber ‘Bolizeibehörde ge- 
fegten Friſt befeitigt werden müflen, wenn es 
die Polizeibehörde mit der Begründung verlangt, 
dab dur ihre Anbringung das Dits- oder 
Landſchaftsbild verunjtalter wird. Unter „Orts 
bild“ ijı nach der Begründung des Geſetzes die 
Unficht eines Ortes von außen oder von innen 
(Straßen, Plaß:, Faſſadenbild) zu veritehen. 
Die Kgl. Regierungen find angewieſen worden, 
fih die Förderung des Heimatſchutzes in den 
bezeichneten Richtungen befonders angelegen fein 
zu laſſen. Ergibt fi, daß fich einzelne dijtrifts- 
oder ortöpolizetliche Borfchriften zur allgemeinen 
Einführung eignen würde, fo follen bie Regie 
rungen entweder felbit die Erlaſſung ortöpoligei- 
tier Borjchriften in Erwägung ziehen oder 
biermegen dem Staatsminiſterium des Innern 
berichten. 

Fifcherei. Das Kreisamtsblatt der Pfalz 
veröffentlicht das vom Landtag bejchlofiene 
Landesfifcherei:-Gefeg. Das Gefeß tritt am 
1. April 1909 in Kraft. Bon diefom Tage an 
bört die freie Angelfiicherei auf. (PH. Brefle.) 

Wettbewerb. Bei dem vom Bayer. 
Berein für Bolkskunſtund Voltstunde 
ausgeichriebenen Wettbewerb zur Erlangung 
von Entwürfen zu Stand- und Wanduhren find 
93 Arbeiten eingelaufen. Bon dem Preisrichter- 
follegium wurden zuerkannt: der erſte Preis 
Johann Schmuderer, Münden; je ein 
zweiter Preis Franz Heuberer in Heuſenſtamm 
bei Offenbach a.M. und Dtto Leitolf in 
Freifing; je ein dritter Brei Anton Dengler 
und Franz Baumann, Münden; je ein bier 
ter Breis Chriſtian Metzger und U. Müller, 
Regensburg, Hans Ebert, Münden und Otto 
Fuder, Frankfurt a. M. 

Bergbetriedb. Der Bohrturm, welcher 
im vorigen Jahre auf ber Nordſeite des Königs: 
bergeö zwecks Koblenbobrungen von ber 
Deutfchen Tiefbohrgefellfchaft errichtet wurde, ift 


nunmehr wieber abgebroden worben und wird 
nah Sorau in Oberjchlefien verbradt, woſelbſt 
die Sefellichaft im Auftrage weitere Bohrverſuche 
nad; Steinfohlen vormimmt. Die Bohrungen 
im Konigsberg, bie eifrig in Tag- und Nadht- 
ſchicht betrieben wurden, find, wie berlautet, auf 
über 500 Meter gediehen, haben außerordentlich 
barte Geſteinsmaſſen durchſchlagen müffın und 
waren infolgebefien für die Gelellſchaft mit Ber- 
luften verfnüpft — man fpricht von 24000 ME. —, 
weshalb fie nur unter der Bedingung eine Wei- 
terboßrung übernommen hätte, daß ihr Auftrag- 
geber Kommerzienrat Kannengießer aus Mühl⸗ 
beim a. d. Ruhr eine vertragdmäßige Erhößung 
ber Bohrkojten Hätte eintreten laffeu. Wie ganz 
bejtimmt verlautet, follen die Bohrungen nad 
Steinkoßlen in Königsberg nicht aufgegeben, 
fondern nach kurzer Friſt an einer andern Stelle 
von der gleichen oder einer andern Tiefbohrfirma 
wieder aufgenommen merben. 
WBaffermangel. Der ungemein raſche 
Uebergang von bem jchneereichen Nachwinter zu 
einem beißen Sommer machte ſich erit im Zuli 
in einer höchſt unlichfamen Weile bemerfbar. 
Die Schneefchmelze im Schwarzwald ging zu 
raſch vor fi und das Wafler, das bei almäh- 
lihem Abtauen in größerem Maße vom Boden 
aufgenommen und nad und nach mieber abge- 
geben wird, ſchoß zu rafch zu Tal. Die Folge 
davon war, baß bie Gebirgsbäche und Flüſſe 
im Juli bedeutend weniger Waffer führten, 
als zur gleichen Zett in anderen Jahren. Biete 
von ihnen waren beim Austritt in die Rhein- 
ebene völlig verfiegt, nachdem man ihnen oben im 
Tal das zum Betrieb der gemerblihen Antagen 
und zur Wiefenmwäflerung nötige Waller abge» 
nommen hatte. Bei dem allmählichen Berfidern 
der Flußläufe ftellten fich zahlreiche Möven und 
andere Fiſchräuber ein, die in deu außtrodnenden 
Tumpeln reichlihe Nahrung an Fiſchen fanden. 
HSimmelsſchau. Die Frübauffteher 
fönnen jet einen jelten glänzenden Unblid des 
aeftirnten Himmels genießen. Die planetenarme 
und auch fonft wenig ausgezeichnete Beit der 
legten Monate weicht allmählich nieder größerer 
Abwechslung. In der Morgendämmerung ftrabit 
in munderbarem Goldglanze Benus am Oſt 
bimmel; ihr zur Seite ift Sirius unter dem 
reichen Sternbilde ded Orion bereits hoch berauf- 
geitiegen. JZupiter ſchickt fi an, aus dem Ber 
reihe der Sonnenftrablen zu treten und ‚ber 
ringgefhmüdte Saturn tit im Südmwejten immer 
noch gut au fehen; die glänzende Wega fteigt 





u: MR 


in Rordmweften zum Horizonte herab und hoch 
über unferm Haupt windet fi die Milchſtraße 
zeoifchen Stier und Perſeus hindurch. 

D. Reiper, Kurpfälziſche Forıt- und 
Jagdverwaltung im 18. Jahrhundert. 
Mit einer Länderfarte von Rurpfalz und Pfalz- 
Sweibrüden. Bmeibrüden 1908, Verlag bes 
Pfälzer-Wald-Bereind. — Der dur feine 
Forſchungen auf dem Gebiet der Foritgeidhichte 
räbmtich befannte Speyerer Forftrat erfreut ung 
mit einer neuen Frucht feiner Stubien, bie ſich 
feinen Arbeiten über die „Surpfalzbayerifche 
Forftverwaltung* (Berlin 1905) und „Die Kgl. 
Bayer. Forftvermaltung und ihre neichichtliche 
Entwicklung im 19. Jahrhundert (Berlin 1908) 
würdig anreibt. Bejonderen Wert auch für ben 
modernen Pfälzer Forfiverwaltungsbeamten ver- 
leiht unſerer vorliegenden Schrift die ihr bei- 
gegebene, vom Berfafler entworfene und bon 
Regierungsforftfefretär 3. Lämmel in Speyer 
gezeichnete Karte bed Länderbeſitzes ber Wittels- 
bacher Pfalsgrafen bei Rhein in der 2. Hälfte 
des 18. Hahrhundertd. Die Arbeit iſt im 
„Pfälzerwald“ 1968 Nr. 11 erfchienen; einen 
geihmadvoll ausgeftatteten Sonderdbrud aus 
feinem " Bereindorgan wird der BPfälzer-Wald- 
Berein fämtlichen kgl. Forftämtern der Pfalz 
zum Gefchen? machen. Dr. U. Beder. 

„Mafurpflege in Bayern“ bon 
Regierungsrat G. Eigner beißt die foeben er- 
fchtenene 3. Veröffentlichung des Bayer. Landes» 
ausfhufles für Naturpflege, ein nah Inhalt 
ebenfo erfhöpfender Bericht als ein ber Aus+ 
ftattung nad vornehmes Werl. Es will eine 
Aufzelchnung ſchützenswerter Naturgebilde ſein 
und hält trotz feines beſcheldenen Umfangs bon 
127 Seiten DOftad fehr viel von feinem Ber: 
ſprechen. Natürlich wird jeder Heimatliebhaber 
aus eigener Erfahrung eine Anzahl Belfpiele 
mebr aufzählen können, fo daß fpätere Inven— 
tarifierung noch viel Gelegenheit zu fruchtbarer 
Betätigung verbleiben wird. Da e8 fi um den 
Naturfhug In weitem Sinne banbelt, kann das 
Werfchen. auch nur eine lebhafte Anregung fen, 
dem Sinn und der Fürſorge für Naturfchön- 
heiten und Seltenheiten neue Anregungen zu 
geben. Es werben in Wort und Bild Beljpiele 
angeführt, die von Barbarismus jeder Art, ob 
er aus Bösrilligfeit oder aus Untenntnis oder 
aus Bteichgiitigkeit entiprang, ein unrühmliches 
Zeugnis ablegen; andere fälle reizen geradezu, 
fih auf Ähnliches zu befinnen, was in ber 
eigenen Umgebung in ähnlicher Welle nad Er- 


Haltung oder Erſchließung ruf. Wie Ber. 
dorbenes unerfeglicher Berluft für eine Gegend 
fein fann, wird an Beifpielen gezeigt; mas Ge— 
winnſucht aus mandem Gelände gemacht bat, 
fpricht fein rühmliches Wort für die Rüdficht- 
nabme Einzelner auf das allgemeine Recht auf 
Erfrifhung von Herz und Sinn an urwüchfiger 
Beitaltung der fchaffenden Naturkräfte.. Wir 
finden Berlufte der Tier- und Pflanzenwelt auf- 
gezählt, fogar die tote Natur einer drohenden 
Ausbeutung ausgeſetzt (vgl. Remigiustapellc!!). 
So veritehen wir den Kampf zumäcdhit mit 
geiftigen Waffen für Naturſchönheit, in welchem 
juriftifche und Gerfömmliche Einwürfe ihres Ge— 
wichtes verluftig geben. Gerade in Bayern find 
Reſpekt und Fürſorge vor dem natürlich Schönen 
und Originellen altgeübte Xugenden, deren 
Pflege nur weitergeübt werben fol. Der „Yan- 
desausſchuß für Naturpflege” iſt heute die be- 
rufene Zentralſtelle diefer Bejtrebungen und das 
vorliegende Werf die 3, größere Äußerung feiner 
Wirkſamkeit. Außer 71 fehr ſchönen Bildern 
find ein dankenswertes Literaturberzeihnis und 
ein jehr ausführliches Namen: und Sachregliter 
rühmend hervorzuheben. 

Stwas über Rofenzüdtung. Es iſt 
noch faum außer in ber gärtnerifchen Fachpreſſe 
bermerft worden, baß wirin ber Pfalz einen 
Roſenzüchter befigen, her durch eine größere 
Unzabt gezüchteter in den Streifen ber Rojen- 
freunde hochbeachteter Neuheiten fi Weltruf er- 
mworben bat. Es ift died Dr. Müller in Wein— 
gartem bei Zeisfam. Sein Gebiet erftredt ſich 
in ber Hauptſache auf Kreuzungen mit winter: 
barten Capuziner- und Rugofaarten. Bon 
ber ſchönſten dieſer Züchtungen, die zinnoberrote 
„Gottfried Seller”, bie er jedenfalld dem Andenken 
ſeines Lieblingsdichters gewidmet Hat, erregte 
insbeſondere in England großes Aufſehen. Von 
älteren Züchtungen iſt die 1899 ausgegebene 
„Conrad Ferd. Meyer“ (gleichfalls einem Lieb- 
lingsdichter gewidmet, zu nennen. Zwei weitere 
neuere prächtige Züchtungen Dr. Müllers find 
„Johanna Sebus“ und „Gruß an Sangerhauſen“. 
Den Neuheitenrekord ſchlug in dieſem Jahre die 
weltbekannte Firma J. C. Schmidt in Erfurt 
mit der 3000. Markroſe „Otto von Bismark“, 
einer Kreuzung zwiſchen Caroline Teſtout und 
La France, die nach mehrmaligen Gutachten den 
Preis des praltiſchen Ratgebers für die beſte 
Roſenneuzüchtung erhielt. Dieſe Rofe kommt 
erſt im Spätjahr in den Handel. Prächtige Neu— 
beiten dieſer Firma vom laufenden Jahr find 


„Kronprinzeffin Gecilie” und „Friedrichsruhe“, 
erjtere von der deutſchen Kronprinzeffin felbit 
unter einer größeren Zahl Neuheiten ausgewählt 
und bejtimmt, ihren Namen zu tragen. Nicht 
unerwähnt feien bier die wertvollen Schmidt’jchen 
Züchtungen: die „Lachskönigin“, die Thechybribde 
„Blumenſchmidt“, und die neue fcharlachrote 
Volyantdarofe „Aennchen Müller“. Die Stärke 
der Firma J. E. Schmidt in Erfurt in Bezug 
auf Rofenzüchtung erwies fich insbefondere auch 
auf dem Gebiete der Schlingrofenzühtung, 


108 


Hier verbanfen wir ihr in der Hauptfache das | 


Schönjte, was mir befißen: „Aglaria“ 1896, 
gerner „Euphrofine” 1897 und fpäter die prächtigen 
Neuheiten „Himmelsauge*, „Taujendichön” und 
„Leuchtſtern“. Die Zahl der Im Schmidt’jchen 
Roſenkatalog aufgeführten Rofen tit eine überaus 
große, und wir möchten nicht unerwähnt laſſen, daß 


auch die herrlichen Neuzüch tungen unferes pfälger | 


Landmannes Dr. Müller darin enthalten find. 
Die wildernde Katze. Bon allem Naub- 
geſindel außer etwa zweibcinigen, welches nament⸗ 








lich die Niederjagb fchädigt, iſt Hinz, der Kater 
oder feine liebegirrende Gattin vielleiht das ge- 
fährlichite — wenn fie verwildern. Die Wildlage 
ſelbſt lommt in Deutfchland nur noch in wald— 
reichen Gebirgen vor, häufiger findet fie fich nur 
noch) in den Bogefen. Daß Hagen auf dem platten 
Lande Häufig vermwildern, ift weniger Schuld 
der Tiere, als der Menfchen, welche fih um die 
Hausgerofien nicht fümmern, fie bermahrlofen 
laſſen und fie dor allen Dingen nicht füttern. 
Fragt man jemand danadj, fo erhält man die 
verwunderte Untwort, daß man Katzen nicht 
zu füttern brauche, fie wären dazu da, um Mäufe 


zu fangen und ſich ihren Unterhalt auf dieje | 


Weife gewiſſermaßen felbit zu verdienen. Das 
Hört ſich zunächſt vielleicht recht plaufibel an, 
bei näherem BZufehen gewinnt die Sache jedoch 
ein ganz anderes Geſicht. Zunächſt gibt es nicht 
einmal überall Mäufe, dann tit e8 auch eine 
Erfahrungstatfache, dat viele Kagen Mäuſe nur 
im Notfalle als Nahrung annehmen, dat fie die 


feinen Nager vielfach nur aus Spielerei fangen, | baberei der Katzenfreunde. 


um der ihnen angeborenen Mordluft zu frößnen. 
Eine Kake, die fi zunächſt unbeauffichtigt um- 
bertreibt, wird ihre Spaziergänge und Forſchungs- 
reifen immer weiter ausdehnen, fie wird ſchließlich 
nur zu geriffen Beiten nachhauſe zurüdfehren" 
Nur wenigen Menfchen fällt es auf, daß Hinz, 
der Kater oder Miet, die Kate, trogdem ihr fo 
gut wie nichts gereicht wird, dabei jehr gut in 
„Form“ bleiben, daß fie an Leibesfülle zunehmen, 
und man glaubt vielleicht gar, daß dtefes Fürper- 


liche Wohlbehagen einzig und allein vom Mäufe: 


frefien herſtamme. Die Katzen bleiben oft 
wochen⸗, ja monatelang weg, fie erfcheinen immer 
feltener und vermwildern dann ganz und gar. 
Selbſt während des Winters bleiben fie draußen, 
fie ſuchen einfam ftehende Scheunen oder Ge— 
treidefchober als Tagquartiere auf, während fie 
nachts aus Raub ausziehen. Bei ihrer Kraft 
und enormen Gewandtheit ift ihnen dann nichts 
heilig, fte werben Hühnern und Haſen gleich ge— 
führlich, und es gelingt fehr felten, eines folchen 
berfommenen Räuber8 babhaft zu werden. Nur 
wenn fie dem mäufelnden Fuchs begegnen, wird 
die Sache für fie unangenehm, Reineke würgt 
aud den ſtärkſten Kater im Nu ab und namentlich 
im Winter ift er ihm ein lederer Biflen, den er 
allerdings auch im Sommer nicht verſchmäht. 
Für den Jäger gibt e8 diefen Tieren gegenüber 
nur einen Grundfag: rückſichtsloſe Vernichtung 
zum Schuß des Nutmwildes. Eine Kate, die ſich 
über zweihundert Meter von bewohnten Gebäuden 
im Felde Herumtreibt, tft immer in hohem Grade 
berbächtig, und es hängt natürlich von den be- 
fonderen Umständen ab, ob e8 der Jagbberechtigte 
für geboten Hält, den weiteren Entdeckungszügen 
des „Mäufejägers” durch einen moblgezielten 
Schub ein Ende zu machen. Im freien Felde 
ift aber fein Pardon zu gewähren, denn an einem 
ſolchen Bieh ift doch Hopfen und Malz verloren, 
und wenn ber Befiker oder die Befigerin noch 
fo entrüjtet die Hände ringen, jo fommt doch 
erst die Rüdficht auf wertvollere Güter und dann 
allenfalls auf die manchmal fragwürbdige Lieb- 
R. C. 


Dnbar”t: Diluviale Funde in der Rhempfalz und deren wiſſenſchaftliche Ausbeute. — Ueber 
das Alter des Landjtubler Bruches und über Artefakten- Funde in Torfmooren. — Berein Badijche 
Heimat. — Ueber die Blitzgefahr. — Der Hungerbrunnen im Stiftswald bei Kaiſerslautern. — Neues 
fiber die Grüfte der Kloſterruine Limburg. — Berfchiedenes: Naturſchutz; Fiicherei; Wettbewerb ; 
Bergbetrieb; Waflermangel; Himmelsſchan; Kurpfälz. Forit: und Yagdvermwaltung im 18. Jahrhund.; 
Kulturpflege in Bavern; Etwas über Roſenzüchtung; Die mildernde Klage. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 


Für Form und Ynbalt der Beiträge find bie Herren Berfaffer verantwortlich. 
(Unverlongte Manuſtripte werben nicht zurüdgelandt.) 


Tie „Bfälztiche Heimatkunde“ koſtet jährlich in 12 Heften mt. 2.50. Wefellungen werden von allen Buchhandlungen und 
Voſtanſtalten ferner vom Verleger (Bortofreie Streifbandiendung) angenommen. 


IV. Jahrgang. 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


m 


Nummer 10. 





Oktober 1908. 


l 


Mitteilungen aus dem Sandiinhler Gebrüch. 
Bon kgl. Forjtmeifter Bohlig-Landftuhl. 


Das Landftuhler Gebrüch erftredt ſich 
in einer Länge von 30 Silometer von 
Vogelweh bei Staijerslautern bis Homburg; 
die größte Breite beträgt 2,25 Kilometer. 
Im Süden treten die Steilabfälle der 
Haardt hart bis an den Gebrüdsrand, im 


Norden fieigt das Gelände nur jehr alle 


mählich zum weſtricher Dinterlande an, 
Bei einer Meereshöhe von durcdhichnitt- 
lih 240 Meter find die diluvialen und 
alluvialen Bildungen an der Gebrüchs— 
Niederung dem oberen und mittleren Haupt: 


buntjandftein aufgelagert. Das Yandftuhler 


Gebrücd im engeren Sinne, das uns bier 
vorwiegend interejliert, etwa die Niederung 
zwijchen Einfiedlerhof und Hauptftuhl, bildet 
eine jehr flache Mulde mit ftarf welligem 
Untergrund, in der teil® Sandftein, teils 
Schotter und Sandrüden die Moorfläche 
überragten. Auf der Buntfandftein-Unter- 
lage find vielerorts Schotter und Flieje aus: 
gebreitet, durchgehend ein jehr feinförniger 
Sand, der wieder mit einer 15-30 cm 
hoben, graugefärbten, von Pflanzenüber— 
reften ftarf durchſetzten Lettenfchicht über: 
dedt iſt. Auf der Lertenunterlage liegt der 
Torf, An einzelnen Stellen, bejonders im 
mweitlihen Zeile, find Ton- und Xetten- 
ſchichten von beträchtlicher Mächtigkeit ab» 
gelagert. Schotter und Sand find, ſoweit 
fie von humusjäurehaltigem Waſſer durd): 
tränft wurden, vollftändig ausgewaſchen 


' mineralifchen Nährſtoffen. 





ſumpfige Stellen bildet. 
‚ von Quellen im Gebrüch fteht mit dieſem 
Grundwaſſerſtrom im engjten Zuſammen« 
‚ hang. 


und ausgebleicht, daher äußert arm an 
Der Torf, von 
ehr wechielnder, 3 Meter äußerft felten 


‚ überfchreitender Tiefe, befteht in der Haupt- 


ſache aus Ueberreiten von Scilf und Ried- 
gräjern, in welche vielerorts die Reſte der 
Wurzelftöde und Stammteile von Kiefern, 


| Birfen und Erlen, jelten von Eichen, ein- 


gebetret liegen. Die Pflanzen, die zur 
Torfbildung das Material lieferten, würden 
die Bezeichnung des Moores als Flachmoor 
rechtfertigen, während der außerordentlich 
geringe Gehalt an mineraliihen Pflanzen- 
nährjtoffen, nämlich 0,42 pCt. Kalt, 0,06 
pGt. Kali, 0,13 pCt. Bhosphorjäure, größere 
Uebereinftimmung mit jenem der Hodymoore 
zeigt. Für derartige Moore hat man die 
Bezeichnung „Uebergangsmoore* gewählt. 
Die Wafferzufuhr beforgt in der Haupt- 
jahe ein Grundwaſſerſtrom, der fih im 
Sande unter dem Letten bewegt, an manchen 
Stellen den Letten durchbricht und ſtark 
Das Borfommen 


Es darf aber auch nicht verfannt werden, 


‚ daß die Niederfchläge mit durchſchnittlich 


700 mm Höhe, die auf dem Moorboden 
weder raſch verlidern noch abfließen fünnen, 
für die Feuchtigfeitsverhältniffe des Gebrüchs 
von großer Bedeutung find. 


Aus der Menge größerer und Fleinerer 
Rinnjale, meift fünftlichen Anlagen, ſammeln 
fih die Maſſen der abfließenden Gewäſſer 
in zwei Bächen, dem Moorbah und dem 
Schwarzbach, die in den Glan münden. 

Die erfte größere Entwäfjerung wurde 
in den Jahren 1745—48 durch Anlage 
des jog. Floßgrabens ausgeführt, der zu- 
gleih als Triftgraben für die Ausbringung 
der Hölzer des Reichswaldes beftimmt war. 

Durch die Trodenlegung der ausgedehn: 
ten Weiher von der Unterjchernauer Mühle 
Ende der fiebziger Jahre wurde eine Tiefer: 
legung des Waflerftandes in dem ganzen 
öftlich der Schernauer Mühle liegenden Teile 
des Gebrüches bewirkt. 

Die durchſchnittliche Temperatur im 
Gebrüc dürfte von jener feiner Umgebung 
mit ca. 8” C. faum abweichen, dagegen 
weilen die Temperatur-Extreme bedeutend 
größere Ausſchläge auf. Sehr empfindlich 
treffen jede Begetation in Wiefe und Wald 
die Fröfte, die fait in jedem Monat des 
Jahres fich einftellen.. Auf der flach ein- 
gejenften, mit Waſſer ftarf durchtränften 
Gebrücsoberflähe beträgt die nächtliche 
Abfühlung oft 4—5° mehr als in der 
nächſten Umgebung. 

Eine Nugung im Gebrüd war r.atürlich 
erft möglich, nadıdem es durch Senkung 
des Waſſerſpiegels zugänglich gemacht worden 
war. Die höchjtgelegenen, nur mit ſchwacher 
Torfſchicht bedeften Teile waren natürlich 
zuerft zugänglid. Der Nugung des Torfes, 
mit der erit im legten Drittel des acht— 
zehnten Jahrhunderts begonnen wurde, 
folgte die Gewinnung don Sauergräfern 
und Heide zu Futter- und Streuzwecken, 
die heute noch auf vielen Flächen die einzige 
Nutzung bilde. Zur Verbeſſerung der 
ſandigen Böden findet die fiarf zerſetzte, 
nicht mehr zu Deizzweden geeignete obere 
Humuserde-E. dichte Verwendung. So nup- 
bringend dieſe Verwendung für die Sand: 
böden ift, bejonders in Verbindung mit 
einer entiprechenden Stompoftierung der 
Humuserde, jo jchadenbringend iſt die gänz- 
lihe Entfernung der Humusichichte für die 
ipätere Nutzbarmachung der Moorflächen zu 
landwirtichaftlihen Zweden. Gine min- 
deftens 30 cm ftarfe Humusſchichte foll 
immer über dem Sand belaffen merden. 
Neuere Forichungen über Leben und Wirken 


110 


der Bakterien im Boden haben die hohe 
Bedeutung des Humus für die Pflanzen:, 
ſpeziell Stidjtoff-Ernährung, dargetan und 
dem eine zeitlang zur Seite gejchobenen 
Humus wieder zum alten Anfehen verholfen. 
Die Mißachtung der Humuserde fann bei 
einer Bevölkerung nicht Wunder nehmen, 
für die Sumpf und Humuserde jahrhunderte- 
lang ein Begriff war und der eine Art der 
Kultivierung des Moorbodens, bei der ein 
barer Gewinn fofort zu erzielen war, be- 
jonders einleuchtere. Der gänzlidhen Ent 
fernung des Humus jollte mit allen mög: 
lihen Mitteln entgegengetreten werden, 
denn was auf dem vollftändig ausgemaide: 
nen, ausgebleichten Sande wächſt, das zeigen 
große Flächen im Gebrüche, auf denen der 
Raubbau bereit3 gemiitet hat. 

Ich bitte mir diefen Vorgriff zu ver 
zeihen. Was nun die Befigverhältnifje auf 
der großen Moorfläche, die vom Glan bis 
zum Ginfiedlerhof reicht, betrifft, jo gehört 
etwa die eine Hälfte Privaten, die ander 
dem Staate und der Reichswaldgenofien: 
ſchaft. Das Gelände im Privatbeſitz ift 
mit geringen Ausnahmen in Kultur ge: 
nommen jetzt jchon ift der Belig ein außer: 
ordentlich zerfplitterter. Vorwiegend ift 
felbftverftändlih die Wiefenkultur. Teils 
find die Wiejen, bei. im meftlihen Teile, 
im Beſitz tüchtiger, ftrebfamer Landwirte, 
teıld in jenem von SHeinbauern, Hütten: 
arbeitern und Taglöhnern, die die Land— 
wirtichaft als Nebengewerbe betreiben; jo 
finden fih Wiefen jeder Behandlungsart 
und Güte. Gemeinjam ift allen Wieſen, 
daß don einer regelrechten Ent- und Be 
mwäfjerung noch feine Rede ift; bier fände 
fih für den Aulturingenteur ein weites 
Feld der Tätigkeit, vorausgejekt, dag ſich 
die Gebrüchswieſenbeſitzer von der Nützlich— 
feit derartiger Hultur- Unternehmungen über: 
zeugen laſſen und durch genofjenjchaftlichen 

Zuſammenſchluß die Vorbedingung für die 
| Grundlage rationeller Ent: und Bemäfle 
rungsanlagen erfüllen. 

Die im ungeteilten Beſitze des Staates 
und der Reichswaldgenoſſenſchaft befindliche 
Gebrüchsflädhe, deren Bemwirtichaftung dem 
Forftärar unterfteht, umfaßt 1310 ha. Sie 
jett fih zufammen aus: 

Torflagen mit 190 ha 

Bruchwieſen und Torferdelagen 170 „ 





— 11 — 


Bald } 785 ha 
Kulturwieſen. ee 
Unproduftive Slühe . . . 55 


4 

Die Torfgewinnung geht jeder Aulti- 
vierung voran; die jährliche Nutzung beträgt 
jegt 10 Millionen Torffäje gleich ca, 42000 
Kubifmeter ungetrodnete Torfmaſſe. 

Der Roh: Erlös wird auf 65000 Mt. 
veranschlagt, die Arbeitskosten für Gewinnung 
(Stehen und Trodnen) diefer Torfmafje 
betragen etwa 24000 ME. 

Bruchmwiejen heißen die mit Habergras, 
Sauergras, Binjen und Heide bewadjienen 
Flähen auf noch nicht abgebauten Torf: 
lagern oder auf nicht mehr abbaumürdigen 
durch früheren Raubbau für die Torf— 
gewinnung unbrauchbar gewordenen Hunus» 
erdejhichten, die als Torferdelager für die 
Landwirtichaft befondere Bedeutung befigen. 

Die Bruchwieſen werden jährlıh um 
einen recht bejcheidenen Betrag an die ge- 
ringere Landwirtſchaft treibende Bevölkerung 
verpachtet. Das Futter, das fie liefern, 
ift jelbftverftändlih von jehr fragwürdiger 
Güte, die Gewinnung desjelben erfordert 
viel Mühe; nur der Umftand, daß ein Teil 
des auf den Bruchwiejen gewonnenen Ma: 
terials als Streu Berwendung finder, recht: 
fertigt die Nutzung. Die große Bedeutung 
der Torferde hauptſächlich im fompoftierten 
Buftand für die Bodenverbefjerung murde 
ihon erwähnt. Sie findet in ganz be: 
deutender Menge zur Verbeſſerung der 
Weinberge Bermendung, nicht viel weniger 
zu gärtnerijchen Zwecken der verjchiedeniten 
Art. Durch die freigende Nachfrage ift die 
Fläche der Torferdelager jchon jehr zurüd- 
gegangen, auch macht ſich bereit8 die er: 
höhte Wertihäßung in einem recht erheb- 
lihen Preisauſſchlag bemerkbar, deſſen 
weitere Erhöhung raſch fortichreiten wird, 
Es iſt diefer durch die Torferdegewinnung 
erzielte bedeutende Erlös zwar für manchen 
Beſitzer von Gebrüchsgelände ein Anreiz, 
durch Berwertung der Torferde bis auf die 
legte Faſer aus feinem Gelände Gewinn 
zu ziehen, aber es liegt auch die Betrach 
tung recht nahe, daß das, mas anderen 
Böden gut tut, auch auf den eigenen von 
Nugen fein wird und daß es töricht ıft, 
die Henne zu jchladhten, die die goldenen 
Eier legt. 

Im Yahre 1889 begann man mit der 


Bermwirklihung des Planes, die bisherigen 
Bruchwieſen dur planmäßige Ent und 
Bemwäflerung, Bodenbearbeitung, Blanierung 
der Oberfläche und Zuführung der nötigen 
mıneraliihen Näbhritoffe nad Futtergüte 
und :menge in einen weſentlich höheren 
Ertragszuftand zu bringen. 

Hier ift wohl aud) der Blaß, der Männer 
zu gedenken, die mit weitichauendem Blid, 
nie verjagender Energie und unermüdlicher, 
Jahrzehnte langer Arbeit die Kunſtwieſen— 
anlage in ihrer gegenwärtigen Geſtalt ge- 
ichaffen und damit die Grundlage für jeden 
Weiterbau gelegt haben. Es waren der 
verjtorbene £, Forftmeifter Köhl in Landſtuhl 
und der k. Kreis Kultur- Ingenieur Dfonomie- 
rat Merl in Speyer, die in gemeinjamer 
ih ergängender Tätigkeit für den wirt- 
ſchaftlichen Wohlſtand der Bevölferung und 
für die Hebung der Schäge des Gebrüchs 
fih ein hohes dauerndes Verdienſt erworben 
haben und deren Namen wohl immer ge 
nannt werden, jo lange die Wiejen wieder 
grünen. 

Die Anlage der Entwäfjerungsgräben 
ftügt fich jelbjtverftändlich auf ein ausführ- 
liches Nivellement des Gebrüchsgeländes. 
Nah Schaffung der nötigen Worflut, die 
beı den zahlreichen Abflüffen und dem ver- 
hältnismäßig ſtarken Gefäll wenig Schwierig: 
feiten machte, wurden die Hauptgräben 
meilt in der Richtung des ſtärkſten Gefälles 
angelegt, an die fich die möglichſt horizontal 
liegenden Seitengräben anicließen, deren 
Entfernung zugleich die Breite der einzelnen 
Felder mıt 25—30 m beitimmt. Die 
Seitengräben find? 50-60 em tief und 
ſchneiden womöglih den Sand an. 

Wenn im ganzen die Entwäflerung eine 
genügende iſt, jo fommen doch Stellen vor, 
wo der Drud des Grundwaſſers nad) oben 
ein jo ftarfer iit, daß diejes bis nahe an 
die Oberfläche ſteigt und troß löjähriger 
Entwäfjerung die Wiejenflora für Vieh un- 
zugänglih madt. Doc ift aud hier eine 
entiprechende Senkung des Grundwaſſer— 
ſpiegels unschwer zu erreichen. 

Bei dem mellenjörmigen Bau der 
Sebrüchsniederung ift es leicht möglich, daß 
an den höher gelegenen Rändern fich der 
Grundmwafleripiegel erheblih tiefer jenfen 
mußte, als im eigentlichen Bedfen der Mulde, 
jo daß dort der Wiefenbau mit Schwierig- 


keiten zu fämpfen bat und der Übergang 
zu einer anderen Bewirtichaftungsmeife rat- 
ſam ericheint. 

Die Bewäſſerung der Wiejen fann nur 
auf einer 4,3 ha großen Fläche durch Über- 
riejelung geichehen. Auf der Übrigen Fläche 
muß fie durch Einftau erfolgen. Die Vor— 
teile der oberirdifchen Wafferzuführung find 
auf Gebrühsmieien ganz beionders große, 
wenn man die Zufuhr von Pflanzennähr- 
ftoffen zunächft ganz außer Berüdfichtigung 
läßt, weil nur ſüßes, fauerftoffreiches Waller 
den Pflanzen zugeführt wird und der 
Wechſel zwiihen der Durdlüftung und 
Durdtränfung des Bodens ein viel rafcherer 
ıft, als beim Einftau. Bei diefem muß 
das am jeitlichen Abflug in die Gräben 
gehinderte Grundwaſſer die tiefer liegenden 
unzerjegten, mit Humusfäure durchtränften 
Schihten bei jeinem Weg von unten nad) 
oben durchdringen und bringt jo von neuem 
Humusjäure in die oberen Schichten, wirft 
alſo einer allmähligen Ausjüßung entgegen, 

Die planmäßige Herrichtung der Wiejen- 
flächen erfolgte ausnahmslos durch Hand» 
arbeit. Stöde und gröbere Holzteile wurden 
aus der Oberfläche entfernt, Unebenheiten 
ausgeglichen und eine mindejtens 30 cm 
hohe Mullichichte als oberfte Dede belafien; 
zu größeren Erdmaffebemegungen fteht eine 
Rollbahn von 1,5 Kilometer Geleislänge 
mit 15 Kippwagen zur Verfügung. Selbit- 
verftändlich wurde die obere Mullfchicht um: 
geipatet und jo für Durdhlüftung und Zer— 
jeßung der Humusjchichte geforgt. Wo das 
Umjpaten der Mullihicht verfäumt wurde, 
da tritt baldiger Rüdfall in die Gebrüchs— 
flora ein, Heide- und Habergras oder Binjen 
haben in kürzeſter Zeit die fühen Gräfer 
verdrängt und die Fläche bietet das Bild 
der Bruchwieſen. Bekanntlich ift eine land: 
wirtfchaftliche Bewirtſchaftung des Moor- 
bodens ganz von der fünftlichen Beiſchaffung 
der Pflanzennährftoffe abhängig. So wird 
denn auch bei der Anlage einer Wieje auf 
Grund der befannten Wagnerſchen For: 
Ihung&: Ergebnifje eine Vorratsdiüngung von 
125 kg WPhosphorfäure ın Thomasmehl, 
200 kg Kali in 40 Proz. Stalifalz gegeben. 
Die jährlihe Erhaltungs Düngung mit | 
60 - 65 kg Vhosphorjäure in Thomasmehl | 
und 120 kg Kali in Kainit oder 40 Proz. 
Ralifaiz bringt im wejentlichen den Entgang | 


112 


an diefen Nährftoffen wieder zurüd. Die 
nur furze Beit geprobte ftarfe Kalkdüngung 
in Form von Sceideihlamm bat man als 
mehr jchädlich denn nüßlich nach furzer Zeit 
wieder aufgegeben. 

Einige Düngungsverfuhe mit Stiditefi 
führten zur Überzeugung, daß eine künſt- 
liche Zufuhr von Stieftoffdünger für Wiejen 
nicht nötrg ift. Damit foll aber die Frage, 
ob durch gelegentliche Zufuhr von Jauche 
nicht eine weientliche Erhöhung der Boden- 
tätigfeit fich ergeben würde, nidjt berührt 
werden, Zum Ausftreuen des tunftdüngers 
wird eine Düngerſtreumaſchine Marke Welt: 
falia in neuefter Zeit benügt, die außer- 
ordentlich gleichmäßig arbeitet und das 
Ausftreuen faft bei jedem Wetter geftattet. 
Die Koften find etwas geringer als beim 
Streuen aus der Hand. 

Die Bufammenftelung der Mifchung 
von Grad und Sleearten, die für Die 
erftmalige Anjaat der Wiejen verwendet 
wird, geichieht nad einer Anweiſung der 
K. B. Moorfulturanftalt; auf den Hektar 
wird ein Bentner Gras. und Kleeſamen 
gejäet. 

Ergänzend muß noch beigefügt werden, 
dab ſich die ganze Einteilung der Wieien 
in Parzellen an ein Straßenneg anjchliekt, 
das in einer Anzahl rechtwinklig aufeinander: 
ftoßenden Linien von zufammen 12 Kilo 
meter Länge die Abfuhr der Ernte mie 
Düngerbeifuhr in außerordentliher Weile 
erleichtert. ß 

Die Verwertung des Wiejenertrages 
geichieht in der Weile, daß der Heu- umd 
Ohmetgras-Ertrag zufammen in Loſen von 
0,2—0,4 ha, die durch Gräben eingegrenzt 
find, öffentlich meiftbietend verpadhtet wird. 

Auf dieje Werfe wird der Futterbedarf 
einer Menge fleinerer landmwirtichaftlicher 
Betriebe in weitem reife rings um das 
Gebrüch gededt. 

Daß durch Angebot einer jehr bedeuten- 
den Futtermenge in kleinen Loſen jährlich 
einer großen Anzahl Landwirtichaftlicher 
Kleinbetriebe die Möglichkeit gewährt wird, 
den unbedingt nötigen Viehftand zu erhalten, 
darf als das glinftigfte Ergebnis in volks— 
wirtichaftliher Beziehung betrachtet werden. 

Jede Bergrößerung der Wiefenanlage 
ift notwendiger Weije von einer Erweiterung 
des Abnehmerfreiies abhängig. Die Ergeb: 


niſſe der Wiefenverpachtungen ın den legten 
Jahren legen die Annahme nahe, daß der 
Abnehmerkfreis, auf den die bisherige Ber: 
wertungsweije zugeichnitten ınar, an der 
Grenze der Aufnahmsfähigkeit angelangt 
ift. Sollte, was ja mit Sicherheit in Aus- 
ficht fteht, eine erhebliche Ermeiterung der 
Biejenanlagen ftattfinden, dann merden 
intelligente Landwirte fich die Gelegenheit 
nicht entgehen laſſen, das günftige Angebot 
guten Futters zur Ausdehnung ihres Wirt- 
ichaftsbetriebed zu verwerten, 

Die Erfahrung, die bisher bei allen 
Moorfulturen gemacht wurde, nämlich, daß 
die Erträge der erften Jahre durchaus 
feinen Schluß für fpätere Jahre geftatten, 
blieb auch hier nicht eripart. 

Bo der Grundwaſſerſtand nicht genügend 
hoch oder die Mull zu ftarf abgenommen 
mar, zeigte fich oft ſchon im dritten Jahre 
ein bedenflicher Rüdgang der Grasbeſtockung. 
Das Mittel wieder aufzuhelfen, war Nadır 
faat, d. h. es wurde die Oberfläche mit der 
Glieder: Wiejen-Egge, in neuerer Zeit mit 
der Auraser Egge jcharf geeggt, mit Gras— 
und Kleeſamen — etwa ein Drittel der 
zur Weujaat verwendeten Menge — an 
gejät und der Samen eingeſchleift und ge» 
walzt. Auf stark rüdgängigen Flächen 
fonnte nur vollftändigr Umbrud mit 
folgender Neufaat helfen, ein Mittel, das 
bei geringem Ertrag in kurzen Zwiſchen— 
räumen wiederfehrend, jeden finanziellen 
Erfolg unmöglih macht. In neuerer Zeit 
beginnt man die nicht zur Wieſenkultur 
geeigneten Yändereien abzuftoßen und unter 
Benützung längerer Bachtperioden geringerem 
fandwirtichaftlihen Betriebe zuzuführen. 

Auh auf Wiefen mit hohem Grund: 
waſſerſtand macht fich ein langjames Zurück— 
gehen bemerkbar; die Gründe find noch 
nicht aufgeklärt. Mag dur das empor: 
fteigende Grundwaller, das in den tieferen 
Schichten Humusjäure aufnimmt, eine ftarfe 
Anreiherung der oberiten Schichten an 
Humusjäure erfolgen, mag das Auffrieren 
der oberjtien Schichte ein Zerreißen der 
Graswurzeln und ein Yustrodnen der voll: 
ftändig vom Untergrund losgelöften Scichte 
während des Sommers zur Folge haben, 
es bleibt immer noch ein ungelöjter Reit. 
Den Folgen des Aufirierens, das fich be- 
fonders im Winter 1906/07 beobadıten 


113 


— ee — — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — — — 


ließ, ſucht man durch Niederdrücken der auf 
geirorenen Schicht im Frühjahr mittelft 
einer jehr jchweren Walze zu begegnen. 

Um für die often des Wiejen-Umbriiches 
wieder eine entiprechende Einnahme zu er» 
zielen und dem Moorboden die Wohltat 
einer mehrere Jahre fortgejegten Boden- 
bearbeitung angedeihen zu lajlen, hat man 
feit dem Jahre 1901 den Zmwiichenbau von 
Hafer eingeſchaltet. Die bis jept erzielten 
Erträge müflen als normale, teilweije als: 
jehr gute bezeichnet werden. Es murden 
bis jetzt Anbauverfuhe mit Schlanftedter, 
Befeler 11, Beftehorns Überfluß, Swaldfs 
Ligomohafer und einheimiſchem Hafer ge— 
madıt, um die für den Gebrücdhsboden am 
beiten geeignete Sorte feitzuftellen, Berjuche, 
die ſicher für alle Yandmirte, die auf 
Gebrüchsboden mwirtichaften, von Intereſſe 
find, 

Ein Abſchluß der Verſuche über die 
Wirkung des Haferzwiichenbaues und über 
geeignete Sortenauswahl liegt noch nicht vor. 

Eine Urſache für den Wiejenrüdgang 
muß noch erwähnt werden, das ift die Un: 
frautplage. Auf dem Moorboden macht 
fich eine ganz erftaunliche Menge von Un» 
fräutern breit, die den normalen Wiejen: 
pflanzen das Leben jauer maden, 

Es ift faum glaublich, mıt welcher Hart- 
nädigfeit die Unfräuter ſich ausbreiten. 
Hier hilft als Radifalmittel auch nur Um: 
bruch und mehrjährige gründliche Boden- 
bearbeitung, zu mweldem Zweck die Flügel» 
egge durch Zerſchneiden und Berkleinern 
der Schollen und mit diefen der Unkraut—⸗ 
wurzeln ganz vorzüglide Dienſte leiftet. 

Wenn aud die finanziellen Erfolge der 
eriten Jahre zu den kühnſten Erwartungen 
verleiteten, jo fann doch jegt auf Grund 
einer jehr eingehenden, jämtlihe Ausgaben 
und Einnahmen für jede Gewanne gejondert 
bringenden Buchführung gejagt werden, daß 
die Berzinjung des Anlagefapitals, das jet 
auf 80000 Markt angewachſen ift, zwar 
eine jährlich wechſelnde, im Durchſchnitt 
aber eine zufriedenſtellende iſt. 

Wenn auch der Nutzen der Moorkulturen 
in erſter Linie auf volkswirtſchaftlicher Seite 
geſucht werden ſoll, ſo iſt doch mit Freuden 
zu begrüßen, wenn auch ein finanzieller 
Erfolg jolche Unternehmungen begünitigt. 

(„Die Scholle”, 1907). 


114 


— 


Sammlung bayerildy:pfälzifcher und anderer Münzen 
und Medaillen. 


Eine ungewöhnlich reihhaltige Samm: 
fung von vorwiegend bayerifchen und pfäl- 
zilhen und daran angeſchloſſenen ander- 
mweitigen Münzen und Medaillen brachte die 
Münzhandlung von Dr. Merzbacher Nachſ. 
in Münden im Oftober ds. Is. zur Ver— 
fteigerung.. An der Hand des dazu er- 
ſchienenen Rataloges (1270 Stüd, mit 11 
Lichtdrudtafeln) heben wir zur Gharafteri: 
fierung der Sammlung einiges bejonders 
Bemerfenswertes hervor: 

Unter den Geprägen des Hauſes Habs- 
burg und des Kaiſers Marimilian '. ragt 
hervor, abgefehen von dem häufigeren Ber: 
mählungstaler des jugendlihen Herrichers 
mit Daria von Burgund 1479 von ıtalieni- 
fcher Fabrik, ein noch mit fpätmittelalter:- 
lihem Aſtwerk und Wappenformen gezierter 
Scautaler mit beiderjeits tellerförmigem 
Rande v. J. 1517, der bisher nur einmal 
in einer Auktion Slebelsberg 1869 auf- 
taudte. Gin dreifacher Stärntner Taler 
Erzherzogs Ferdinand II. 1600 feiert dejlen 
Bermählung mit Maria Anna, Brinzeifin 
bon Bayern. 

Eine Serie der von den berichiedenen 
wittelsbachiſchen Regentenlinien anfangs aus 
reinerem Silber, ſpäter geringhaltig ge 
münzten Bfennige (darunter der jeltene 
Straubinger Pfennig mit Pflug, gemeinfam 
bon Herzog Johann IV. mit Sigmund |, 
um 1460) zeigt die beharrliche Einförmig- 
feit des bayerischen Münzweſens vor Ein- 
führung eigener goldener und größerer 
Silbermünzen 1506. Seltenheiten find 
die vorliegenden Straubinger Goldgulden 
1508/09; deögleichen von Wilhelm IV. und 
Ludwig X. und der zugehörige Bierteltaler 
diefer Herzoge von 1534; Die drei be- 
kannten Varianten des eriten für den 
Geldumlauf Seftimmten Talers der bayer. 
Herzoge zu 72 Kreuzer 1557; eine filberne 
Medaille des Nurfürften Mar mit Dar- 
ftellung von Altmünchen, noch im Schmud 
feiner Binnentürme von 9. Stadler in 
Augsburg 1624; eine Halbtalerklippe des 
Kurfürften Mar von 1624 (Unikum); fein 
Heidelberger Doppeltaler 1626 und, eben- 
falls in Heidelberg geprägt, die einzig be: 
fannten doppelten und einfadhen Taler mit 


dem Bruftbild desfelben Herrichers von 1627; 
ferner deſſen in der Oberpfalz und andermeitig 
auögegangenen geringhaltigen Stippermünzen. 

Dann aus den Beiten nad dem großen 
Kriege der Bifariatstaler von Kurfürft 
Ferdinand. Maria mit Modonna und 
Wappen 1657 und die zugehörigen Teil- 
ftüde herunter bis zum os Xaler; von 
Mar Emanuel die filberne Medaille auf 
die Befreiung von Wien mit der Anſicht 
diefer Stadt, wovor die vor dem dabin: 
reitenden Sturfürften fliehenden Türken, 
feine ın den Niederlanden (Namur) ge 
ſchlagenen Münzen; aus der jpäteren Weu- 
zeit die Dufaten aus Iſar-⸗, Inn-⸗, Donau- 
und Rheingold; der erfte bayerijche Königs— 
tufat von 1806; die Würzburger Hul- 
dıqungsdufaten. Unter den Münzen und 
miünzförmigen Grzeugniffen der Stifter, 
Städte und Eleineren Herren zeichnen ſich 
aus die Gepräge der Stifter Pallau und 
Regensburg, diejenigen der Landgrafen von 
Leuchtenberg , wir erwähnen den Reitertaler 
der oberbayerifhen Grafen von Haag 
(1549), die Amberger und Weidener Schieß— 
flippen (1596 und 1604), Auch aus 
gezeichnete Bamberger Stüde, jo ein Taler: 
goldabichlag des Biſchofs Markward 
Sebaſtian von Staufenberg 1687, Scau- 
münzen mit Bildnis des Biſchofs Melchior 
Otto Boit von Salzburg von Braun und 
Nohleder mit Bamberger Stadtanſicht, 
deögl. vom Bilhof Johann Philipp von 
Gebſattel (1599 — 1609) ; vom Bifchof von 
Speyer, Johann Hugo von Orsbed, ein 
Gedenkftüf auf die Verwültung der Pfalz 
durch die Franzofen 1689 mit Anficht der 
brennenden Städte Speyer, Worms, Heidel- 
berg u. a., gefchnitten von dem namhaften 
Medailleur Bhil. Hrch. Müller in Augsburg. 

Die pfälziichen mittelalterliden und 
neuzeitlihen Serien enthalten 53. B. vom 
„Winterfönig” Friedrich ein böhmiſches 
10-Dufatenftüd (1620) und einen wohl 
bisher unveröffentlibten Dufaten auf jeine 
Krönung; auch die Frranfenthaler Belage: 
rungsflippen von 1623 („®ott unfer Eck— 
ftein”), zwei der geludten Heidelberger 
Taßmedaillen, deren eine mit „Halt 200 
Fuder, 3 Ohm, 4 Biertel“ den Inhalit 


diejes berühmten Monftrums angibt, den 
Pfälzer fog. Yotterie-Dufaten von Kurfürft 
Karl Theodor (zwifchen 1740 1750) u.a. 

Unter den verfchiedenen an die bayerifch- 
pfälzifche Stolleftion angejchloffenen Objekten 
begegnen wir einer Spezialfammlung über 
Napoleon I., die gegen 300 Stück Schau— 
münzen umfaßt, einer goldenen Borträt- 
medaille des Mainzer Erzbiſchofs Wolfgang 
von Dalberg (1582 — 1601), einer filbernen 
Schauminze auf Guſtav Adolfs Yandung 
in Deutjchland und Einnahme von Stettin 
von dem pfälziihen Münzmeilter ©. T. 
Baur in Kallmünz. 

Eine badijche Serie von TO Stüdf mit 
einem rätſelhaften, ſpätmittelalterlichen 
Rechenpfennig mit badiſchem Schild und 
einem Vierteltaler von 1519 anhebend 
bringt u. a. einen wohl bisher unbekannten 
badiſchen Carolin von 1734, auch eine 
merkwürdige Kupferprobe zu einem nicht 
erſchienenen Dukaten auf die Geburt eines 
gleich wieder verſtorbenen Prinzen 1784, 
eine Reihe der badiſchen Aheinjand: und 
Rheingold Dufaten von 1807 bis 1854, 
eine Meſſingmünze auf die erhoffte, aber 
nicht eingetretene Wiedervereinigung Frei— 
burgs im Breisgau mit Ofterreich (1815). 

Wenn dieje und mande andere der ın 
Merzbachers Katalog enthaltenen Selten. 
heiten Werte von mehritelligen Zahlen ver- 
treten mögen, jo braucht fich deshalb doc 
der minderbemittelte Sammler nicht von 
der Pflege jeiner Intereſſen abjchreden zu 
laſſen. Der Boden der Mutter Erde 
liefert alljährlich von der Antike herab bis 
zur Neuzeit derart viele und umfangreiche 
Münzfunde, daß 3. B. jelbit einem 
jammelnden Schüler mit geringen Mitteln 
möglich ift, eıne Serie von originalen Ge- 
prägen berzuftellen, die die Entwidlung der 
Geſchichte etwa der römijchen Republik und 
der Kaiſerzeit darſtellt. Ebenjo iſt ein 
guter Zeil der phantaftifchen oder wappen- 
reihen Gepräge der vielen mittelalterlichen 
Territorien und Städte im Handel noch 
für billiges Geld zu haben. Unſere Gym- 
najien, die ja im den legten Jahrzehnten 
das veraltete Formelweſen der grammatijchen 
Finneſſen zu Gunften der Lektüre und der 
archäologifhen Anihauung in fteigendem 
Maße zurücdgedrängt haben, fünnen alte 
Geſchichte und das Leſen der Schriftfteller 


115 











— 


ſchwerlich mehr greifbar anſchaulich er— 
läutern als z. B. durch gelegentliche Vor- 
führung eines römiſchen Republikdenares 
etwa mit dem Kopfe des Seipio Nfricanus 
Major, oder eines folden des „Sulla 
Conſul“ mit dem Herrenjeffel (sella curulis) 
und Augurenftab, oder des Cäſar mit der 
Galliertrophäe, des M. Brutus mit der 
von Lictoren begleiteten Konſul, des Nero 
mit dem Sfanustempel, der für menige 
Plennige im Handel erhältlichen konſtan— 
tiniſchen Bronzemünzen mit dem Feldzeichen 
des Labarums oder gar mit deutlichem 
Ehriftogramm um. Wo Driginale nicht 
da find, können die vom vberitorbenen 
Konjervator des Münchener Kabinetts 
Prof. Riggauer für Lehrzwecke zufammen: 
geltellten Galvanonadbildungen, morunter 
3. B. ein Aes grave (römiſches Schwer- 
fupfer ufw. aushelfen. In Gngland, 
Frankreich und Oſterreich ift das Sammeln 
antifer Münzen gewiffermaßen als geiftiger 
Erholungsiport viel weiter verbreitet als 
bei uns. Es gibt viele Öfterreichiiche Klö— 
fter und faum ein Gymnaſium im Saijer- 
ftaat, das nicht jeine oft recht bedeutende 
numismatiihe Sammlung hätte. 

Vom Standpunfte der Freude an 
heimatlicher Geſchichte oder Kleinkunſt fann 
man ganze Reihen von den in der 
Renaiflance- wie in der Barod: und Ro- 
fofozeıt oft ganz vortrefflich und gejchmad- 
voll gearbeiteten Kleinmünzen der ober» 
deutjchen Neichsitädte und großen und 
kleinen Gebiete, wie Salzburg, Tirol, 
Montfort, Löwenſtein Wertheim, Branden- 
burg in Franken, Deutfhorden in Mer: 
gentheim uſw. noch in großen Mengen 
haben, und wer zu juden weiß, erhält 
derartige vaterländiiche Stleindenkmäler gar 
zum Schmelzwert oder mit geringem Auf: 
ſchlag darüber. In diejen kleinen Objekten 
liegen eben auch, ähnlich wie ın den vielen 
Kupferſtichen und Wadierungen der zahl- 
reihen oberdeutihen Kleinmeiſter, große 
fünftlerische und kulturgejchichtliche Bildungs» 
momente, und Wenn man etwa einen 
heutigen Reichsnidel neben einen Stadt- 
Nürnberger-Kreuzer mit der Stadtanficht 
von 1773 legt, jo ſieht man anſchaulich 
flav, mie weit wir in der fünftlerichen 
Ausftattung diefer Objekte des täglichen 
Berfehrs zurückgegangen find. (M. N. N.) 


116 


Goldfund. 


Der Landwirt Peter Grafinus in Ims— 
weiler bei Rodfenhaujen ließ im Frühling 
in feinem Hofe einen Prunnen graben, 
wobei am 15. Juni etwa 80 cm unter 
der Erde ein kleines Tonkrüglein zum Bor- 
ſchein kam, das 39 Golditüde entbielt. 
nah Feftftellung durd den Sekretär des 
Hiftorischen Vereins, Bahnvermalter Heujer, 
find es zumeift Goldgulden der vier 
Rheinischen Kurſtaaten, und zwar 8 von 
Köln, 6 von Trier, 14 von Mainz; und 
drei von der Pfalz. Die übrigen 8 Stüd 
waren ftädtiiche Brägungen, nämlich 5 von 
Frankfurt a. M. und 3 von Bafel. Stein 
einziges der 39 Goldſtücke trägt eine Jahres» 
zahl; gemäß der Regierungszeit der Münz- 
herren oder der auf den frädtijchen Münzen 
angegebenen Saijer fällt die Prägezeit der 
Golditüde in die Jahre von 1390 bis 1463. 
Die Kölner Soldqulden haben zum Münz— 
berrn Erzbiſchof Dietrih von Mörs (1414 
bis 1463) und find gejchlagen in Riel, 
Bonn und Rhenſe. Als Nurmainzer Münz- 
herren meilen die Inſchriften der Münzen 
den Grzbiihof Johann 1. von Nafjau 
(1397 — 1419) und Konrad Ill. von Dhaun 
(1419— 1434) auf, als Prägeorte Hödjit 
und Bingen. Der Hurftaat Trier ift durd 


Erzbiihof Werner von Falkenſtein ver- | nicht reines Gold, jondern legiert, 


find unter fi gleich, fie tragen auf der 
Hauptjeite das Bildnis des ftehenden Kur— 
fürften Ludwig III. (1410-1436) und 
wurden in Bacharadı geichlagen. Nur von 
den Frankfurter Goldgulden find unter dem 
deutichen König Sigismund geprägt (1410 
bis 1433), einer unter König Friedrich IN. 
(1440— 1451); beide Herrſcher ericheinen 
noch mit dem Titel Rex auf den Frank. 
furter Münzen. (Als gefrönter Kaiſer 
regierte Sigismund erft von 1433 — 1437 
und Friedrich Ill. von 1451- 1493). Die 
Bajeler Goldgulden fallen in die Regierungs- 
zeit Sigismunds und zwar einer in Die 
Königszeit (Titel Rer), die zwei anderen 
in die Kailerzeit (Titel Imperator). Nur 
eine fleine Anzahl diejer 39 Goldftüde hat 
einen numismatiihen Wert, und auch bei 
diejen ift er jehr mäßig; denn gerade aus 
der fraglichen Zeit murden jhon ungemein 
viele Golditüde aus der Erde gegraben, 
vor etwa 15 Jahren in Köln allein auf 
einmal mehrere Tauſend Stüf, Die meijten 
der in Imsweiler gefundenen Goldmünzen 
haben nur den Schmelzwert. Das Gewicht 
einer der Fundmünzen beträgt durchichnitt- 
ih 35 Gramm, während ein 10 Marfftüd 
4 Gramm wiegt. Die Goldgulden find 
und 


treten (1388 — 1418) und zwar mit Gold: | lange nicht jo feinhaltig als die ipäteren 
gulden, die er in Koblenz und Obermeiel | Dufatenprägungen. 


Ichlagen ließ. Die pfälziſchen Goldgulden 








Bas berüchtigte franzöſiſche Yapiergeld 


aus den Zeiten der Nevolution von 1792 | porteur Guyon*. 


bis 1793 fommt auch hierzulande ab und 
zu aus Berfteden zum Borjdein. Vor 
furzem fand ein Yandmwirt ın eınem Dorfe 
des Eistales wiederum eine Anzahl ſolcher 


Bapierjcheine bei der Wenovierung eines | 


Haufe vor. Es find Scheine aus der 


erften Periode der Ausstellung, melde die | 


Überfchrift „Domaines nationaux* tragen 
und zwar find es Wertangaben von zehn 
Livred und zehn Sous, erjtere aus dem 
Jahre 1792 vom 24. Dftober, legtere vom 
23. Mai 1793 gezeichnet „payable au 





Belanntlih wurden 
dieje Aſſignate jeinerzeit von der National- 
verjammlung zur Tilgung der National: 
Ichuld defrediert. Die Gemährleiitung war 
aber fo unficher, daß der Kurs der Bapiere 
ein jehr niedriger war und nach Robespieres 
Tod auf Null ſank. Eine Schapanmeijung 
auf zehn Sous, wie ein Teil der oben er: 


wähnten NWifignate zeigt, fennzeichnet wohl 


genügend den tiefen Verfall des franzöfifchen 
Nationalwohlitandes der damaligen Zeit. 


(Böhm, Bi. Br.) 


— 


117 


— 


Bu dem Bitumen-Borkommen bei Petersbächel. 
Bon Dr. Häberle, Kl. Rech.-Rat, Heidelberg. 


An der Mittagsausgabe der Pfälz. Prefie 
vom 6. Auguft Nr.217 war berichtet worden, 
daß in Petersbächel eine jonderbar geformte, 
fotsähnliche Steinmafje gefunden worden jei, 
die intenfiv nah Teer und Schwefel rieche 
und ausgezeichnet brenne ; die badijche Anilin- 
und Sodafabrif habe fie nach den einge» 
fandten Proben für bituminöfen Sandftein 
mit etwa 15 Proz. Bitumengehalt erklärt. 

Die Vermutung lag nun nahe, das es 
fih im vorliegenden Falle vielleiht um 
Asphalt (Erdpech) handeln fünne, der die bei 
Petersbächel auftretenden untern Schichten 
des Mittleren (Haupt:) Buntjandfteins im: 
prägniert hätte. Diejes Borfommen wäre 
infofern einer gewifjen Beachtung wert ge 
mejen, als bis jegt Asphalt im Buntjand- 
ftein in unferer Gegend meines Wifjens 
nur don Nöggerath 1824 von Außen bei 
Saarlouis und kürzlich von Bütſchli in 
einer Sitzung des Naturbhiftorifchen Vereins 
zu Heidelberg von Malſch bei Raſtatt er- 
mwähnt worden ift. Berbreiteter ift er auf 
Erzgängen bezw. auf Klüften und in Drujen- 
räumen des Melaphyrs bezw. Porphyrs. 
Nach Teppla tritt er „an zahlreichen Stellen 
im Kohlengebirge und Rotliegenden an der 
Saar und Nahe und im Weſtrich jomohl 
in den Schichtgefteinen, z. B. in den Stalf- 
bänfen der unteren Aujeler Schichten bei 
Rammelsbach ald aud in Eruptivgefteinen, 
in Klumpen und Zropfen auf und fann 
möglicherweife als ein verdichtetes gruben- 
gasähnliches Produkt angejehen werden, 
welches aus Berjegung der tiefer liegenden 
Kohlenvorräte herrührt.“!) 

Um mir nun ein eigenes Urteil über 
diejen Fund zu bilden, ſchloß ich Peters 
bächel in das Programm meiner diesjährigen 
Herbftwanderung ein, bejuchte jedoch vorher 
nod zu meiner information über derartige 
Borfommniffe zuerst die Gasquelle bei 
Büchelberg im Bienwald, wo ich jedoch öft- 
Lich von der nach dem Ragebudel führenden 
Waldſtraße gleich hinter dem Wıldgatter 
dicht am Wege auf einer von Unfraut 
überwucherten fleinen Lichtung nur nod 

') Wegen ber Literatur vgl. Häberle, Pfälz. 


Bibliographie I, S. 146 u. 147, unter „As— 
pbalt” und „Erbpech”. 


einen Schladenhaufen als Zeugen ehe— 
maliger, mit Maſchinenkraft bewerfftelligter 
Bohrtätigfeit, entdeden fonnte. Mit diejem 
Erfolg wenig zufrieden, wanderte id dann 
zu den Asphaltgruben bei Lobſann und in 
das Olgebiet von Pechelbronn, wo ich mid) 
überall gründlihd umjah. So gewappnet, 
richtete ich auf Ummegen meine Schritte 
nach Betersbächel und ftelte auf dem Wege 
dahın feft, daß es fich bei dem mir von 
Nieder- Steinbad berichteten bugenweijen 
Auftreten von „Asphalt“ im Buntjandftein 
lediglih um den befannten, von Mangan 
Sceinfriftallen durdjegten „Pſeudomor— 
phojenjandftein” handelte. 

In Petersbächel angelangt, ſtieß ich 
gleich am ſüdlichen Dorfende auf die be— 
treffende Stelle. Zwiſchen dem Walddiſtrikt 
Wolfsſchachen, einem Ausläufer des ſagen— 
berühmten Maimont, und dem fürzlich ab- 
gebrannten Anmwejen von Ehriftian Homiller 
dehnen ſich auf den geröllführenden Schichten 
zwijchen dem mittleren und unteren Bunt- 
jandftein die „Üder ober dem Dorfe“ aus, 
Hier ftößt man überall auf dunfel gefärbte 
Leſeſtücke, die teils aus jchiefrigen, von 
Bitumen durchſetzten Sandfteinen, teild aus 
vielen Eleinen, durch dasjelbe Material feft 
zufammengebadenen Geröllftüden bejtehen. 
Durch zahlreihe Schürfungen wurde nun 
von mir feitgeftellt, daß etwa ein Fuß 
unter der kärglichen Aderfrume fidh eine 
zwifchen 5—10 cm ftarfe Dedfe aus dem 
beichriebenen zähen Material ausbreitet, 
aus der die Leſeſtücke durch den Feldbau 
an die Oberfläche befördert worden waren. 
Stärfer waren die Ablagerungen im Hofe 
von Homiller, wo fie bei den Abräumungs- 
arbeiten nad dem Brande zutage getreten 
waren und bei den von mir vorgenommenen 
Nachgrabungen eine mehr fiodförmige An- 
bäufung erkennen ließen. Beim Losbrechen 
und Berjchlagen entftrömte den conglomerat- 
artigen jchwarzen, vielfach zelligen Stüden, 
die Schon äußerlich mit dem mir von Yobjann 
ın jeinen verjchiedenen Scattierungen be- 
fannten Asphalt feine Ähnlichkeit beſaßen 
und aud) im fochenden Waſſer und Betroleum 
feine Veränderung erfuhren, ein intenfiver 
Gerud. Diejer erinnerte lebhaft an Wagen 


— 18 — 


ſchmiere, wie fie früher im befonderen Harz» 
ofen aus fienhaltigem Holz hergeftellt wurde, 
Dies brachte mich auf den Gedanken, 
daß es fich vielleicht um die Spuren eines 
großen Betriebes zur Gewinnung von Harz 
aus Fichtenholz gehandelt haben könnte, 
doch machte mich die Ausdehnung der Ab- 
lagerung — etwa 120: 50 Meter — ftußig. 
Außerdem ſoll früher nad) Angabe des 
älteften Mannes im Dorje in deſſen Um: 
gebung nur Laubwald beftanden haben; 
jomit hätte die Quelle zum Bezug des 
Berriebömaterials gefehlt. Wie ich aber 
durch weitere Ilmfragen feftjtellen konnte, 
joll trogdem früher in Petersbächel ein 
Harzofen beftanden haben. Erneutes Ab» 
fuhen des Feldes ließ mich endlich ge- 
brannte Tonftüde finden, wie fie nur aus 
der Ausfleidung eines Harzofens herrühren 
fonnten; außerdem ftieß ich bei meiterem 
Nachgraben im Hofe von Homiller direft 
unter den Ablagerungen auf gebrannten 
Ton und endlih in der zähen, jchwarzen 
Maſſe ſelbſt auf Holzſtückchen umd einen 
Biegelbroden, Hierdurch wurde ed mir zur 
Gemwißheit, daß es fich bei diefer unter der Ader- 
krume verborgenen und weitausgedehnten bitu- 
minöſen Ablagerung lediglich nur um die Ab- 
gänge eines großen Betriebes zur Gewinnung 
von Harz aus Fichtenholz handeln kann. 
Diefe von mir in der Pfälz. Brefle 
vom 18, Auguſt 1908 Nr. 229 Mittags- 
ausgabe niedergelegte Auffaffung murde 
jpäter durch eine in derielben Zeitung unterm 
16. Sept. 1908 Nr. 258 Morgenausgabe 
erichienene Notiz vollkommen beftätigt. 
„In Übereinftimmung mit den Aus- 
führungen unjeres pfälzifchen Yandsmannes 
Dr. Häberle hat fih laut „U. 9.” nun aud) 
die geognoſtiſche Abteilung des Kgl. Ober- 
bergamte® in Wünchen, der Proben der 
gefundenen Mafle von Intereſſenten zuge- 
jandt worden waren, mie folgt gutachtlich 
geäußert: „Die überjandte, von pehähnlichem 
Stoffe durchſetzte Brobe eines loderen, jan- 
digen Konglomerats verrät jchon durch ıhren 
Geruch, der an die Pflanzenharze ım ge- 
wöhnlichen Schuhmaderpedh erinnert, daß 
bier feın dem Wetroleum vermandtes oder 
davon abitammendes Produkt vorliegt. Dies 
beftätigt auch das fonftige phyſikaliſche und 
chemiſche Berhalten: die leichte Löslichkeit 
der Subftanz im abjoluten Alkohol, die 


rafhe und ftarfe Färbung, die fih nad 
dem Zuſatz von fonzentrierter Schwefel: 
fäure ergibt, find Eigenſchaften, die den 
Mineralharzen fremd find. Die einge- 
ſchickten Proben ermeilen fih ſonach als 
bon vegetabiliihen Harzbeitandteilen 
fünftlih durdjegte Erdmafien. 
Aus der geologiichen Karte ift zu entnehmen, 
daß am jüdlichen Ende von Petersbächel 
ein Aluvialftreifen hinzieht. Es ift dadurd 
wahrſcheinlich, daß aud) das konglomeratiſche 
Stüd, worauf ſchon deffen Ausjehen deutet, 
gar nicht dem fog. gerwachjenen Boden, jondern 
einer Aufihüttungsmafle entſtammt.“ 
Ähnliche Reſte werden noch vielfach in 
unferen Wäldern unter der Humusdede be: 
graben liegen. So fchreibt 3. B. Herr Brof. 
Dr. Mehlis in der Pf. Br. vom 20. Aug. 1908 
Nr. 231, Mittagsausgabe, folgendermaßen: 
„Die Unficht des Kl. Rehnungsrates 
Dr. Häberle von der Provenienz der 
Petersbächeler „Steinmaſſe“ fann 
ih durch einen Barallelfund fichern. 
Am September 1906 fand ich in Gegen: 
wart von Direftor Baumerfer jüdlich vom 
Bauweſen des Eiheljheidter Hofes 
und zwar direft neben einer präbiftorijchen 
Grabhügelgruppe einen vunden Bau aui. 
Sein Äußeres beftand in einem Ddiden 
Tonmantel, fein Inneres neben Holzkohlen, 
Aſche, Lehm in bitumindjfen Mafjen, die 
ftart nah Teer rohen, zweifellos die 
Rudera eines Harzofens „Sarzofen“, 
„Harzoſendelle“ ericheint öfters als Orts 
name im Gebiet des Pfälzerwaldes und 
des Schwarzmwaldes." Cine ähnliche bitu- 
minöſe Mafje wurde kürzlich auch auf dem 
Daubenbornerhof bei Rodungsarbeiten in 
der Nähe eines alten Harzofens ausgegraben. 
Von einem mit ſolchen Borkommmiſſen 
in Beziehung ftehenden Fund wird audı 
von Stauf berichtet. Hier legten nach frdi. 
Mitteilung von Herm gl. Förfter 
Siebeder in einer mweftlih von jenem Dori 
gelegenen Waldabteilung vor einigen Jahren 
mit Steinbredhen beichäftigte Urbeiter eine 
geichwärzte, von zahlreichen, Eünftlich ber: 
geftellten Rinnen bededte Steinplatte frei, 
die nach eigener Anſchauung nur als Um 
terlage für einen zur Gewinnung von 
Teer beftimmten Betrieb gedient haben kann 
ob jenesmal auch Bitumenrefte zum Vorſchein 
famen, entzieht fi) meiner Kenntnis. 


— 


Bon brennbaren „Steinen“ wurde mir 
übrigend auch von einer Stelle zwiſchen 
Neisler-ForftHaus und der Saarbachquelle, 
jomie von der Langmühle bei Lemberg be- 
richtet, wo beim Ausjhadhten der Fun: 
damente, für die dort befindliche Wirtichaft 
im alten Weiherboden ein brennbares 
Material zu Tage gefördert worden jei. 
Im erfteren Falle handelt es ſich, mie ich 
mich jelbft an Ort und Stelle überzeugte, 


119 





fritteten) Sandftein aus einem alten indu- 
itriellen Betriebe (Stohlenmeiler, Glas» 
hütte?); auf der Langmühle konnte mir 
leider bei meiner Nachfrage eine Probe 
nit zur Verfügung geftellt werden; ich 
vermag mir aljo über diejes Vorkommen 
fein Urteil zu erlauben. 

Für eine techniiche Verwertung fommen 
übrigens die oben bejchriebenen, von Harzbe» 
ftandteilen durdhjegten Erdmafjen wegen ihrer 
meift geringen Mächtigfeit faum in Betradt. 





Zur Geſchichte der Luftſchiffahrt in der Pfalz. 
Bon Dr. U. Becker (Ludwigshafen a. Rh.). 


In diefen Tagen, mo das Gefühl des | Eonnte, der den Mut hatte, einen ſolchen 


Stolzes über Zeppelins Erfolge jedes 
Deutfhen Bruft jchwellt, mag an eine 
längft hinter uns liegende Zeit erinnert 
werden, die dem damals neuen Problem der 


| 


| 
| 


Luftihiffahrt mit gleichem Intereſſe begegnete. | 


Als im Jahre 1783 die 
Montgolfier ähnliche Triumphe feierten 


wie heute Graf Zeppelin, machte die neue | 


Erfindung auf die ganze gebildete ‚Welt 
tiefen Eindruck. Zwei klaſſiſche Zeugen 
jener Ereigniſſe, Goethe und Wieland, 
braten 3 DB. den Montgolfieren und 
Charlieren, leidenfchaftliche Teilnahme ent- 
gegen und Wieland bejonders pries die 
Erfindung in verjchiedenen Arbeiten als 
das Höchſte, was Menſchenwitz und Men- 
Ichenkunft jeit Erfindung der Waſſerſchiff— 
fahrt hervorgebracht habe: „Eine Art Quft- 
fahrzeug, deſſen bloße Möglichkeit behaupten 
zu hören nur ſechs Monate zuvor jeden 
großen und Fleinen Naturforfcher lächeln 
gemadt hätte, mit 
einer vom Winde getriebenen Wolfe hoc) 
in den Lüften daher fchwimmen zu jehen 
ein jo großes, jo munderbares, jo 
fchauerliches, jo einziges Schaufpiel muß in 
feiner erjten Neuheit, da es alle Spring- 
federn der Einbildungsfraft und des Her- 
zens zugleich jpielen macht und alle Arten 
von Leidenjchaft, die das Gefühl des Er- 
habenen entzünden fann, in eine einzige, 
nie zuvor gefannte Empfindung zujammen- 
Ichmilzt, bei jedem, der etwas mehr Seele 
als eine Aufter hat, einen Grad von Ent» 
züden bervorbringen, der nur dur das 
Wonnegefühl desjenigen übertroffen werden 


der Geichmwindigfeit | 


Brüder | 





' Berfude 


Verſuch ſelbſt zu machen, nadhdem er die 
Talente und Senntniffe gehabt hatte, die 
Mittel dazu zu erfinden.” Man wiegte fidh 
in dem Gedanfen nun bald die Luft im 
lenfbaren Schiff durdhqueren zu fünnen 
und geradezu prophetiſch Flingen Wielands 
Worte in feinen ‚Aronauten:“ „Ob die mit 
jo vielem Geräufch angefündigte Landung 
in Großbritannien und Irland einer Luft- 
flotte gelingen dürfte, wird die Zeit lehren. 
Gewiß ift, daß der ausfchließliche Beſitz 
einer jolchen Yuftmarine die frangöfiiche 
Republif dem ganzen Erdboden jo gefähr- 
lic) machen würde, daß dieſer einzige Grund 
die jämtlihen übrigen Mächte in die un» 
umgängliche Notwendigkeit jegen müßte, alle 
ihre Kräfte zu gänzlicher Beritörung der- 
jelben zu vereinigen.” 

Wenn nächſtens Zeppelins Luftſchiff über 
unſerer Gegend ſchwebt, ſo mag man ſich 
daran erinnern, daß Montgolfiers Erfindung 
wie überall ſo hier in der Pfalz 1784 
großes Aufſehen erregte und die Veran— 
laſſung gab, daß man hier am Rhein ſelbſt 
mit Luftſchiffen anſtellte. 
Freilich waren es nur Ballons aus Papier, 
von der ſprachreinigenden Deutſchen Geſell⸗ 
ſchaft in Mannheim „Luftballen“ genannt, 
die mit einer „Leuchtpfanne“ verſehen und 
unbemannt in die Lüfte ſtiegen. Um dieſe 
Verſuche machte ſich beſonders der Pfälzer 


Meteorologe und Phyſiker Johann Jakob 


Hemmer (1733—1790) aus Horbach bei 
Bergzabern verdient, derjelbe, der auch die 
Bligableiter in unjerer Gegend einführte. 
Neben Hemmer ift dann der Adminijtrationg- 


rat Joh. Andreas dv. Traitteur zu nennen. 
Es ift von mir zuerft darauf hingewieſen 
worden (Schiller und die Pfalz S. 41), daß 
auch Schiller Zeuge der Hemmer'ſchen Ber- 
ſuche mit Quftballons war und daß eine 
früher nicht erklärte Briefitelle ſich hierauf 
bezieht. Am 14. April 1784 fchrieb Schiller 
von Mannheim aus an Knigge, den Ber- 
fafjer des befannten Buches über den Um— 
gang mit Meniden: „.. . Sollten Sie 
vielleiht auch ein Zeuge des unglüdlichen 
Brandes gewejen jeyn, der die Erwartung 
des Herrn Hemmers in die Quft genommen, 
jo bedauerte ih mich, Sie verfehlt zu ha— 
ben..." Auf diefe Stelle fällt Licht, 
wenn man folgende Notiz aus der alten 
Mannheimer Zeitung daneben hält. 
Diefe berichtet am 14. April 1784, aljo 
am gleihen Tage: „Heute Mittag um 12 
Uhr nahm Herr Brofeffor Hemmer die 
neulih angekündigten Berjuhe mit dem 
Luftballen in dem Schloßhofe wirklich vor. 
Der fleinere von 18 Bollen im Durch— 
mefjer, der mit brennender Luft gefüllt 
war, entſprach der Erwartung der Zujchauer 
vollftommen. Er erhob fich anfänglich lang: 
jam, hernach jehr jchnell und ftieg zu ſolcher 
Höhe empor, dak ihn endlich auch das 
ihärfte Auge verlor. Der größere war 
von Papier und hatte 20 Schuhe im 
Durchmeſſer. Als man ihn nach angehäng: 
tem Ofen füllen wollte, erhob fidh ein hef— 
tiger Wind, der ihn gewaltig auf die Seite 
trieb. Wie wohl nun die Flamme jchon 
fehr hoch aus dem Dfen ftieg, jo murde 
der Ballen doch durch gute Handanlegung 
vor aller Verlegung des Feuers völlig ver- 
mwahrt, aber der anhaltenden Gewalt des 
Windes konnte er endlih nicht mehr wider: 
ftehen, und diefer zerriß ihn in 2 Stüde.” Wir 
mwifjen von meiteren Verſuchen in Seidel» 
berg, Schweßingen, Germersheim, Burr- 
mweiler bei Landau und anderen Orten. 
Daß aud) Herr v. Traitteur, der haupt» 
fähhlich in Heidelberg, aber auch bei Yandau 
operierte, mit feinen Verſuchen nicht immer 


120 





Glück hatte, bemeift folgender in Heidelberg 
£olportierte Spottvers, deſſen Kenntnis wir 
den Mannheimer Geichichtsblättern (1906 
Sp. 201) verdanken: 
en Tretter, Herr Tretter 
er Luftballon ſchlagt wedder, 


ätt’ er unne mehr eneigebloje, 
är’ er owe net ang'ſtoße! 


Bejonders interefjant erjcheint die in der 
Mannheimer Zeitung vom 21. Nov, 1784 ent: 


haltene Nachricht über einen Verſuch nahe bei 


der alten Rheinſchanze. Da heißt es: 

„Geſtern Nachmittag ließ Herr Haupt- 
mann Glosmann einen Luftballen von 
66 Schuh Höhe auf den Mundenheimer 
Wiejen dem kurfürftlichen Schlofje gegenüber 
fteigen.. Ihre 8. Durchlaucht nebſt der 
anmejenden Herzogl. Durdlaudt (von Zwei: 
brüden) jahen diejem Schaujpiele mit vielem 
Vergnügen und höchſtem Beifalle aus dem 
Sclofje zu. Diejer außerordentlich große 
mit vielem Fleiße verfertigte Ballen, der 
an Größe wohl alle Yuftballen in Deutid- 
land übertroffen haben mag, itieg anfänglich 
aufwärts öftlich gegen das Schloß hinüber 
und ftellte fich dadurdh den Durdl. Herr 
ſchaften näher vor Augen, endlich aber nahm 
er gleihjam wieder rückwärts in unermeh- 
liher Höhe feinen Gang gegen Süd, zum 
Bemweile wie in den verjhiedenen Höhen die 
Luftſtröme verjchieden find. Er war, ehe man 
jein Sinken bewerfte, bei einer Biertelftunde 
faum in der Größe des vollen Mondes fichtbar 
und mag in diejer kurzen Beit einen Raum 


von mehr ald 8 Stunden durdlaufen haben. 





Es war eine Gondel mit einer au 
geftopften Figur zum Anhängen in Be 
reitfchaft, da aber verjchiedene Umſtände 
und bejonders die durch vorheriges Schnee- 
geitöber verurjachte Näffe einige Vorſicht 
anrieten, jo wurde das Schiff weggelafjen.“ 

Welch ein gewaltiger Schritt von jenen 
beijcheidenen Anfängen zu dem weltbemwegen- 
den Rekord des Grafen Beppelin, den zu 
erleben jchon den Urenfeln jener Beugen 
der Hemmerichen Verſuche vergönnt ıfti 


Dndalt: Mitteilungen aus dem Landſtuhler Gebrüh. — Sammlung baheriſch pfälziſcher 


und anderer Münzen und 


ebaillen. — Goldfund. 


— Das berüdtigte franzöfifche Papiergeld. — 


Bu dem Bitumenvorfommen bei Vetersbächel. — Zur Geſchichte der Luftſchiffahrt in der Balz. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 
Für Form und Ymbalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich. 
(Unverlongte Manuftripte werben nicht zurüdgelandt.) 


Die Wfalziſche Heimatkunde” Toftet jährlich in 12 Heften ME. 2.50. VBeellungen werden von allen Buchhandlungen amd 
Boftanftalten ferner vom Berleger (Bortofrete Streifbandiendung) angenommen. 


IV. Jahrgang. 


Nummer 11 u. 12. 


November-Dezember 1908. 


IPALZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 


U 


FÜR SCHULE UND HAUS. 





EMANEHEMICH: 





— 


— 





X 





Stand und Entwickelung der bayeriſchen Montaninduſtrie. 


Unter dieſem Titel veröffentlicht ſo— 
eben das kgl. bayr. Statiſtiſche Bureau 
in Heft 70 der Beiträge zur Statiſtik 
des Königreichs Bayern eine Arbeit, in 
welcher an Hand der Statiftif die baye- 
riihe Montaninduftrie eingehend tertlich 
und tabellariih ſowie durch eine arte 
dargeftellt wird. 

Gegenftand der Unterjuhung find die 
vier Hauptzweige der Montaninduitrie: 
Bergbau (Mineralfohlen und Bitumen, 
Erze, Steinjalz, Steine und (Erden), 
Salzgewinnung (Siedeialz, Glauberjalz, 
ſchwefelſaure Tonerde x.), Hüttenweſen 
(Roheifen, Schmwefeljäure, Vitriol und 
Potee) und Berarbeitung des Roheiſens 
(Buß, Schmweiß- und Flußeiſen). Die 
genannten Dlontaninduftriezmweige werden 
in vorliegender Arbeit nechildert nad) 
der geographiichen Verbreitung in Bayern, 
nad der Größe der einichlägigen Betriebe 
unter Berüdfihtigung der Belegichaft ſo— 
wie indbejondere nad; dem Umfang der 
Produktion. Soweit tunlid, find die 
entiprechenden Zahlen bis zum Jahre 
1870 zurüd wiedergegeben. Auf dieje 
Weile iſt nicht bloß der Stand, fondern 
zugleich die während der legten Yahr- 
zehnte erfolgte Entwidlung der baye- 
riſchen Montaninduftrie veranihaulidt. 

In einem zweiten Abichnitt wird die 
Belegihaft der vier Hauptzweige der 
Montaninduftrie noch bejonders behandelt, 
wobei auf die Arbeitöverhältniffe in den 


Bergwerken ſowie auf das Knappicafts- 
wejen weiter eingegangen wird. 

Am ganzen fommen für die bayerische 
Montaninduftrie 1778 Werke mit einer 
Belegihaft von über 40000 Arbeitern 
in Retradt. Die Produktion der baye- 
riihen Montaninduftrie bezifferte fih im 
an 1907 auf rund 6,7 Millionen 

onnen mit einem Wert von 109 Mil- 
lionen Mark. An dieſen Bahlen find 
von den 4 Hauptgruppen der Montan« 
induftrie am meilten die Eiſenhütten— 
induftrie (WBerarbeitung des Roheiſens) 
und der Bergbau beteiligt: 


— en 
Beleg: enge ert 
Werke nat Bir ME. 


Bergbau . . 1651 26898 6022606 36921719 
bievon Steine 
und Erben . 1597 16801 4148129 16806319 


Salzgewinn⸗ 

ung aus wäſ⸗ 

ferig. Löfung 9 592 80543 4810867 
ütten. - » 9 879 241918 13230161 
erarbeitung 


379679 54880729 


109 343 467 


d. Roheiſens 109 11983 
Summa 1778 40352 6694746 


biev. Staatd- 
betrieb . . 21 4147 643835 12278571 


Privatbetriebe 1757 36205 6050911 97064896 

Was die geographiiche Verbreitung 
der Montaninduftrie in Bayern betrifft, 
jo fteht unter den Regierungsbezirfen an 
eriter Stelle die Pfalz mit einer Pro- 
duktion von 44,3 Millionen Mark oder 
zweifünftel (40,5 Prozent) der gejamten 


— 


Montanproduktion Bayerns; es folgen 
dann der Reihe nach: 


Produltionswert 

1000 Mk. Proz. 
Oberpfalz 23156 21,2 
Oberbayern . 14478 132 
Mittelfranfen . 10 291 94 
Unterfranfen 5 367 4,9 
Schwaben . 4682 45 
Oberfranfen 4277 39 
Niederbayern . 2800 26 


Für den bayeriihen Kohlenberg— 
bau kommen 20 Werke in Frage mit 
einer Belegihaft von fait 9000 Mann, 
einer Produktion von 1,8 Millionen 
Tonnen oder von 18,6 Millionen Mart. 
Bon diejen Zahlen treffen 

Produktion 


Beleg⸗ Menge Wert 
auf Werte ſchaft Tonnen Mt. 
Stein- u. Pech⸗ 
fohlenbergb. 14 8184 1485895 17768085 
Braunfoblen- 
bergbau. „. 6 683 28626 852260 


Die hauptiählichiten Stein: und Bed- 
£oblenbergwerte liegen in Oberbayern und 
in der Pfalz: 





. * ——— 
eleg- enge er 
Werte cart Tonnen Mt. 
Oberbayern. 7 4082 780739 8757946 
Bra... 5 3881 681967 8674508 
Oberpfalz”). 1 4 _ — 
Oberfranfen 1 2733190 335631 
Königreich . 14 8154 1495 896 17 768 085 
biev. Staat$- 

betrieb. . 3 2661 499189 6292 1%0 


Privatbetrieb 11 5523 996 707 11475965 

Die Braunfohlenproduftion, 
die immer noch — troß des raihen Auf- 
ſchwungs in den legten 4 Jahren — 
von geringer Bedeutung tft, verteilt fich 
im wejentlihen auf Unterfranten (66 
Prozent der Menge nad) und die Ober: 
pfalz (33 Prozent); auf Oberbayern ent- 
fällt 1 Prozent. 

Rechnet man von der Gejamtproduf: 
tion den SHaldenverluft und Selbſtver— 
brauch der Werke ab, fo ergibt fich für 
die Steinkohlenbergwerke eıne abjagfähige 
Produktion von 1327405 Tonnen und 
für die Braunfohlenbergwerfe eine ſolche 
von 256755 Tonnen, im ganzen alio 
eine abjagfähige Kohlenproduftion von 
1584 160 Tonnen. 


*) Der Betrieb der Oberpfalz wurde bereits 
anfangs 1907 wieder eingeitellt. 


122 





Am Gegeniag zu der Braunfohlen- 
produktion bat die Steinkohlen 


produftion Bayernd eine erheblide 


Steigerung erfahren: 
Steinfohlenbergbau jeit 1848: 
Abfagfähige Produktion 


Beleg: Menge Wert 

Jahr Werke nat Tonnen Mt. 
184859 — 195 110596 826 002 
185960 — 2142 205 648 183157* 
1870 53 29755 361 254 3321519 
1880 24 3351 529079 4639 863 
1890 23 4338 740 753 7 9700% 
1900 14 6757 1078837 12 609 215 
1907 14 8184 1327405 16 877 281 


Allerdings reicht die Kohlenproduktion 
des Landes bei weitem nicht hin, um den 
geiamten heimiichen Kohlenbedarf — 
von Gewerbe, Induſtrie, Eiſenbahnen, 
Privathaushaltungen 2c. — felbit zu be: 
friedigen. Es iſt hierfür no eine jehr 
beträchtlihe Zufuhr erforderlich; vier 
Fünftel des Steinfohlenbedarfs und nicht 
weniger als '?j2. des Braunfohlenbedarft 
muß von auswärts bezogen werden. 

Durch dieſe Kohlenarmut befindet ſich 
Bayern in feiner volkswirtſchaftlichen 
Entwidlung jehr im Nachteil gegenüber 
anderen Gebieten des Reiches, deren 
Kohlenproduftion zum Zeil das Sfache 
(Sadjen) und das 100fache (Preußen) 
der bayeriichen beträgt. 

Bedeutender ald Bayerns Kohlen: 
produktion ift jeine Eifenhüttenim- 
duftrie. Freilich ift auch fie im Ver— 
gleich zur übrigen deutichen Eifenhütten- 
produktion nur geringfügig; fie machte 
im Jahre 1907 2,5% der Produktion 
des deutſchen Reiches aus. Am Jahre 
1907 gehörten der bayeriſchen Eiſen— 
hütteninduftrie 109 Werte an, mit 
einer Belegihaft von i2000 Arbeitern; 
fie produzierten aus Roheiſen run) 
350000 Tonnen Gußeilen zmeıter 
Schmelzung, Schweiß: und Flutzeiſen im 
Werte von 54,9 Millionen Mark. Den 
bedeutenditen Anteil an dieſen Summen 
bat die Rheinpfalz, wo die für die 
Eijeninduftrie jo wichtige Vorbedingung 
der billigen Kohle (Produktion im eigenen 
Lande und im nahegelegenen Saarrevier 
ſowie billiger Transport per Schiff aus 
den Ruhrrevier) gegeben ift. Auf die 


— 13 — 


8 Regierungsbezirke verteilt fi die Pro- 
duktion der Eifenhütteninduftrie wie folgt: 


Produktionswert 
Mt. Proz. 
Blal . » .» . 22662816 41,3 
Oberpfalz 12176788 22,2 
Mittelfranten . 7696626 14,0 
Schwaben 4151232 7,6 
Oberbayern. . 3505980 6,4 
Oberfranfen 2432563 4A 
Unterfranten 2092044 3,8 
Niederbayern 162672 05 


Die Fortichritte, welche die bayeriiche 
Hütteninduftrie in den legten Sahr- 
zehnten gemacht hat, find an ſich erfreu- 
(ih. Es betrug die einfchlägige Produf- 
tion Bayerns 


im Jahre Tonnen im Werte von Mei. 
1870 69717 15 026 806 
1880 100 224 17 045 687 
1890 178 663 28 020 715 
1900 276501 44 895 231 
1907 349 679 54 830 720 


In Ergänzung geben wir nachjtehend 
nod eine Weberfiht über die Montan- 
induftrie der Pfalz. 

In der Pfalz ftanden im Jahre 1907 
im ganzen 561 zur Montaninduftrie ge: 
hörige Werke in Betrieb; fie hatten eine 
durchſchnittliche täglihe Belegſchaft von 
14421 Arbeitern und produzierten 
2159880 RTonnen im Werte von 
44,4 Millionen ME. An diejen Bahlen 
partizipieren im einzelnen: 


an —— 
Beleg⸗ enge ert 
Werke ſchaft Tonnen ME. 
Bergbau 624 8920 1836596 13016981 
bievon Steine 

und Erden 518 4994 1198218 4654663 
Salzgewinn- 

ung ausmäj- 

ferig. Löfung 3 348 34888 2256 751 
er .. 3 314 138691 6356140 

erarbeitung 

d. Roheiſens 21 4839 151485 22662816 

Summa 561 14421 2159880 44292688 


Für den Bergbau im engeren Sinn 
fommen 6 Werke, 5 Steinktohlen- 
bergwerfe und ein Kupfererzbergwerk 
in — Die 5 Steinkohlenbergwerke 
förderten bei einer Belegſchaft von 
3881 Mann 681967 Tonnen im Werte 
von 8674508 ME. (d. i. 46 Proz. der 
Menge und 49 Proz. dem Werte nad 
von der Produktion de3 gefamten König- 
reihe). Rechnet man den Haldenverluft 


und Gelbftverbrauh der Werke ab, fo 
ergibt fih eine abjagfähige Jahres— 
produktion von 633378 Tonnen im 
Werte von 8317318 ME Kür das 
erite Halbjahr 1908 beziffert ſich Die 
pfälziihe Steinkohlen » Produktion auf 
323956 Tonnen gegen 333770 Tonnen 
im gleichen Zeitraum des Jahres 1907. 
Seit dem Jahre 1870 hat der pfälziiche 
Steintohlenbergbau jehr namhafte * 
ſchritte gemacht: 


Produktion 
Jahr Menge Tonnen Wert Mt. 
1870 170 699 1605 791 
1880 176 753 1483 098 
1890 243 896 3074273 
1900 461689 5915943 
1907 633 878 8317318 


An Steinen und Erden, auf 
welche fi die oben genannte Arbeit — 
im Gegenjag zur Montanftatiitit des 
Deutihen Reiches — eritredt, kommen 
für die Pfalz folgende Arten in Betradt: 


PBroduftion i. %. 1907 
Menge Tonnen Wert Mt. 


Dder und Fyarberde . 250 5.000 
—— Tonerde . . 232225 1390 320 
Khmweripat . . . . .» 3500 17500 
Kalkſtein und Dolomit . 167271 148415 
Sandjftein ... 286752 1436 610 
Bajalt 26050 39 500 
Gtunlt . 2 2 2020. .62659 126 530 
Melaphyr, Porphyr, 
Diabas,Hornblendegeftein 
Serpentin . .» .» . 425058 1360 084 
Duarzfand . 44453 130 704 
Summa 1198218 4654 663 


Die ziemlich beträchtliche Summe von 
23 Millionen ME, welde für Die 
Salzgemwinnung aus wäfleriger Lö— 
fung nadgemwiejen ift, kommt in der 
Hauptjahe der Produktion von ſchwe— 
felfaurer Tonerde zu. Die in der 
Pfalz gewonnene ſchwefelſaure Tonerde 
madt allein mehr als die Hälfte (57,9 
Proz. i. %. 1907) der Produktion des 
Deutihen Reiches aus, 

Für das pfälziihe Hüttenweſen 
kommt nur die Shmweljäurefabrifation 
in Ludwigshafen in Frage. Die Pro- 
duktion der drei daran beteiligten Werke 
bezifferte fih i. %. 1907 auf 136911 
Tonnen im Werte von 6356140 ME. 
Die pfälziſche Schwefelfäureproduktion 
maht rund 96 Proz. der in ganz 
Bayern hergeitellten aus. 


Der wichtigſte Montaninduftriezweig 
unferer Pfalz ift die Verarbeitung 
von Robeifen (zu Gußeiſen zweiter 
Schmelzung, Schweiß- und Slußeifen.) 
Am Jahre 1907 waren an der hier ein- 
ihlägigen Eifenhütteninduftrie im ganzen 
31 Werke beteiligt; fie produzierten bei 
einer Belegihaft von 4839 Arbeitern 
151485 Tonnen im Werte von 
22662816 ME., d. i. 41,3 Proz, von 
der Produktion des gefanıten Königreichs. 

Seit dem Jahre 1870 Hat fich die 
pfälziiche Eileninduftrie ganz gemaltig 
gehoben. 

Roheifenverarbeitung in der Pfalz 
feit 1870: 


Brobuftion 
Jahr Menge Tonnen Wert ME. 
1870 24 173 4562172 
1880 36 276 5811051 
18% 61 487 9428 154 
1900 129 066 19 102485 
1907 151485 


22662810 


124° — 


Diefe bedeutende Eifenindujtrie der 
Pfalz beruht im wejentlihen auf der 
billigen Beihaffung von Kohle — einer» 
feitö durch Produktion im eignen Lande 
bezw. im nahen Saarrevier, andererjeitö 
durch billigen Waflertransport aus dem 
Ruhrrevier. 


In dieſem Umſtand iſt der Grund 
zu füchen, weshalb die Eiſeninduſtrie der 
Pfalz gegenüber den anderen bayeriichen 
Negierungsbezirken, die hinſichtlich der 
Beihaffung von billigerev Kohle viel 
ungünftiger daran find, einen jo bedeu- 
tenden Boriprung Hat. Doch ftcht ım 
abjehbarer Zeit für das rechtsrheiniiche 
Bayern zu erhoffen, daß ed durch die 
Mobilifierung feiner Waſſerkräfte und 
fomit durch die Erſchließung feiner 
reihen Schäge an weißer Kohle, zu 
einer ähnlichen indujtriellen Bedeutung 
gelangt. (Pf. Br.) 


Bu dem angeblichen Betroleumvorkommen bei Petersbächel. 
Bon Dr. Häberle, Kl. Rech.Rat, Heidelberg. 


Nachdem aufgrund des Gutachtens der 
geognoftiichen Abteilung des Oberberg- 
amtes zu Münden in Uebereinftimmung 
mit der von mir bereitö früher gegebenen 
Erklärung das Bitumenvorfommen 
bei Petersbächel unzweifelhaft auf 
einen dort betriebenen Harzofen zurüd- 
zuführen ift, find auch die von Lokal. 
patrioten daran gefnüpften Hoffnungen 
für das Auftreten von Betroleum 
binfällig geworden. Die erſte Nachricht 
darüber, welche die Kunde durch fait alle 
pfälziihen Blätter machte, brachte das 
„Birmafenfer Tageblatt” vom 14. Aug. 
in einer Korreipondenz von Petersbächel 
mit folgenden Worten: „Hier ift Petro- 
leum in der Erde Eonitattert worden, 
fodaß auf eine Ausbeute zu hoffen fein 
dürfte.” Die Eröffnung einer Raffinerie 
als Konkurrenz-Unternehmen gegen das 
unmeit im Glhah gelegene Pechelbronn 
ihien nur eine Frage der Zeit zu fein. 
Da aber Petersbähel im Buntfandftein- 
** liegt und infolgedeſſen die geo— 
ogiſchen Verhältniſſe durchaus nicht für 
das Vorkommen von Petroleum ſprechen, 


mußte dieſe Nachricht doch bei manchem 
Leſer berechtigte Zweifel hervorrufen. 
Durch meine Unterſuchungen an Ort 
und Stelle wurden dieſe dann auch be— 
ſtätigt. Unterhalb des Dorfes befindet 
ſich nämlich eine etwas ſumpfige, von 
Gräben durchzogene Wieſe, auf der ſich 
elegentlich auch Irrlichter zeigen ſollen. 
An diefen Gräben ftagniert num Waſſer, 
in dem Algen und Bakterien einen 
oderigen Schlamm, durdhiegt von 
Pflanzenteilen, ausjcheiden. An einzelnen 
Stellen ift dieje roftfarbene Mafle, aus 
der fih da8 Sumpferz entwidelt, von 
einer in Negenbogenfarben jhimmernden 
Schicht überzogen, einer Eriheinung, die 
fi) vielfad in den jogenannten „Faul⸗ 
gräben” fumpfiger Wiefen beobadten 
läßt. Es iſt dies die jogenannte „Fett— 
ſchicht“, die fih auch auf Aquarien 
vielfach zeigt, aber mit Fett durchaus 
nichts zu tun bat, ſondern hauptſächlich 
Bakterien ihre Entitehung verdankt. Ein 
phantafievoller Berichterjtatter Hatte 
nun diefen leichten Elleberzug ala Be 
troleum gedeutet, ohne fi durdh Graben 


davon zu Überzeugen, daß der Unter— 
grund durhaus feine bitumindje Bei- 
miſchung aufweift, und die fette Ente 
von dem Petroleumfund in die Welt ge- 
ſetzt. Anicheinend waren die Gerüdte 
von dem Petroleumfund (Gasquelle) im 
Bienwald noch nicht vergefjen, wo bei 
Bücelberg in den Hahren 1900/01 
Bohrungen ftattgefunden hatten!), Auch 
an andern Stellen wurden damals Bohr: 
verſuche gemadt. So ſchloß im Mai 
1903 die Gewerkſchaft „Hardt” zu 
Straßburg in den bei Landau gelegenen 
Orten Franfweiler, Siebeldingen und 
Birfweiler mit dem größten Teile der 
dortigen Grundbefiger Verträge ab, wo— 


. ) Wegen näberer Nachrichten darüber vgl. 
Häberle, Bibliographie I, S. 146—147 unter 
„Erdöl? und „Gasquelle“. 


125 


nad diejer Gewerkihaft auf 30 Jahre 
da8 Recht zuftehen folte, auf deren 
Eigentum nach Petroleum zu bohren und 
etwa gemwonnene® auf faufmännijche 
Weije zu vertreiben. Außerdem wurde 
noch vereinbart: Bleibt die Bohrung er: 
folglos, jo erhält der betreffende Eigen⸗ 
tämer einen jährlihen Pachtzins von 
4 Mt. pro Dezimal des dabei benütten 
Grundftüdes; findet ſich jedoh Del vor, 
jo werden 5_Prozent des jährlich ge- 
wonnenen Duantumd entweder in 
natura oder in bar vergütet. Zunächſt 
wurden in Frankweiler Bohrungen vor- 
genommen, wovon einige erfolgreich aus— 
gefallen jein jollen. Da man jpäter je 
doch nichts mehr davon gehört hat, ſcheint 
jih die Gewinnung doch nicht verlohnt 
| zu — 





68. Jahresverſammlung der „Pollichia“. 


Die Verſammlung, zahlreih aus allen 
Teilen der Pfalz bejucht, fand unter Bor- 
fig des Ehrenpräfidenten ©. Erz. Geh. Rat 
Dr. von Neumapyer ftatt. — Herr Kgl. 
Nektor Roth erftattete ald Bereinsvorftand 
den Jahres- und Gejchäftäbericht. 
gliederzahl 222, Der Kaffenbericht ſchließt 
ab mit einem Plus in Cinnahme von 
200 Mt. Somohl den Spendern von Geld 
als auch von fonftigen Geſchenken wurde 
Dank ausgefprocdhen, ſowie die Arbeit 
Dr. Häberles, betreffend Zuſammenſtellung 
der geologischen Literatur in ihrer Bedeu- 
tung für die Pfalz, bejonders ehrend her- 
vorgehoben. Ebenjo wurde der erjimaligen 
Berleihung des Neumayer-Stipendiums zur 
Förderung der Lütgens-Erpedition gedacht, 
welche mit bejonders trefflichen Inſtrumenten 
ausgerüftet wurde. 

Her Hofrat Dr. V. Kaufmann 
hielt zunächſt Vortrag über: „Erfolge mit 
der Dürfheimer Mar-Quelle in der Pfälz. 
Kinderheilftätte”. Unterſuchungen dieſer 
Duelle ergaben einen Gehalt von 17,4 
Milligramm arjeniger Säure in einem 
Liter Waffer, jo daß die hiefige Marquelle 
zu den ftärfften arjenhaltigen Quellen ge- 
hört. Die Anwendung ihres Waflers zu 
Trinkkuren, gemijcht mit anderem Wafler, 


Mit- | 


Körpergewichts zum Ausdrudf kam. 








ihweren Sfrophulojefällen und bei ſchwäch— 
lihen blutarmen Kindern günftigfte Wir- 
fung, was in auffälliger Zunahme des 
Ein 
zwölfjähriges Mädchen (aus Frankenthal) 
wies in diefem Jahre nad) einem Auf- 
enthalte von 58 Tagen in der Heilftätte 
eine Zunahme von 13 Pfund auf; 112 
Gramm pro Tag bei gleichen Ernährungs 
verhältniffen wie in früheren Jahrgängen. 
Auch bei Erwadjienen ftellte ſich nach mehr- 
wöcentlihem Arjenwafjergenufje eine Kör— 
pergewichtözunahme von 4—6 Pfund ein. 
Um Schlufje der Kur zeigten viele Kinder 
auffallend frijche Gefichtstarbe infolge einer 
Blutregeneration. Neuere Unterjuchungen 
in Sranfenhäufern uſw. gelangten zu dem 
Reſultate, daß durch die Darreichung arjen- 
baltiger Wäſſer weſentlich der Stickſtoff, 
d. h. der Eiweißumſatz, gefördert wird, 
während eine Fettmaſt im Hintergrunde 
ſteht, alſo der Fleiſchanſatz bedeutend ge— 
fördert wird. 

Auch bei Rachitis wurden günſtige Er- 
folge erzielt. Ebenſo bei Blutarmut nach 
ſchwerem Malaria⸗Fieber wurden im 
Krankenhauſe zu DaresSalaam (Deutſch— 
Oſtafrika) günftige Erfolge mit der Max— 
Duelle neben der Chinin Kur erzielt. Wir 


in Verbindung mit Solbädern, hatte bei | befigen zweifellos in der Dürkheimer Mar- 


126 


Duelle ein ausgezeichnetes Heilmittel zum ' 


Bohle der leidenden Menſchheit 

Im Anſchluſſe daran machte noch Herr 
Dr. Sally Raufmann als mit 
behandelnder Arzt an der Pfälz. Kinder: 


Heilftätte Mitteilungen, mwelder die Aus 


führungen des Herrn Borredners noch des 
meiteren ergänzten. Durch Gebrauch der 
Mar-Quelle erfolgte bei den lindern 
Muskel Anjag und Auffrifhung des Blutes, 
wodurch fie fräftiger und munterer wurden, 
fowie größere Yeiftungs- und Widerftands: 
fähigkeit erlangen, glei wie Erwachſene, 
befonders bei Nervofität auf anämiſcher 
Bafis. Im Lazarett zu Kiel hat Herr 
Marine-Oberjtabsarzt Dr. Nenninger das 
Mar-Quellen Baffer in Anwendung ge: 
bradt und bei Neurafthenifern wohl ſub— 
jeftive als objektive Befjerung konftatieren 
fönnen. 

Se. Erzellen; Herr von Neumapyer 
machte Hierauf die Mitteilung, daß der 
Sejamtvorftand der „Bollihia” einftimmig 
beichlofien habe, Herrn Hofrat Dr. B. Kauf- 
mann (Bad Dürkheim) wegen deſſen Ber- 
dienfte um dieſelbe und die wifjenichaftliche 
Forſchung zum Ehrenmitgliede zu ernennen. 
Der Geehrte gehört bereits ſeit 1852 der 
„Bollihia” an, 

Herr Direftor Dr. Zſchokke von der 
Kol. Wein und Obftbaufchule Neuftadt a. 9. 
beiprady nunmehr die „Beronojpora 
der Weinreben”, vom wiſſenſchaftlichen 
Standpunfte aus. Seine Ausführungen 
wurden auch illuftrativ veranſchaulicht. 
Bereits 1834 habe der Botanifer Schweinik 
in Nordamerifa die Peronojpora an mild- 
wachſenden Reben gefunden ; ſchon feit 1865 
beichäftigte fih die Literatur in Amerifa 
eingehender mit diefem Pilze. Die erften 
genauen Unterjuchungen über den Bilz 
machte 1863 Brofeflor Dr. Bary- Straßburg; 
er nannte denjelben Peronoſpora viticola, 
Die Berfchleppung Ddiejes verheerenden 
Mebenfeindes aus Amerika wurde bereits 
lange vorausgefagt. 1878 murden in 
Frankreich die erften an Peronojpora er: 
franften Reben gefunden ; in fürzefter Beit 
verbreitete fich der Pilz Über ganz Europa. 

In der Pfalz trat der bereits früher 
bei uns gefundene Pilz zum erften Male 
verheerender im Jahre 1888 auf und hat 
jeit dieſer Beit die Pfalz- Weinberge fort- 





gefegt mehr oder minder ſchwer betroffen. 
Ausdrüflich trat der Herr Bortragende der 
irrtümligen Anſicht entgegen, dab die 
Beronofpora durh die fünftlichen Dünge— 
mittel eingeführt worden wäre. Neben der 
Einichleppung dur Amerikaner Reben jei 
es auch möglih, daß der Pilz durch den 
Wind nah Europa gebradt wurde, wenn 
dies auch meniger mahriceinlider iſt. 
Redner jchilderte die Entwicklung des Pilzes 
auf dem Reblaub und den Trauben (Leder: 
beeren-Stranfheit), die Folgen der Krankheit 
auf Rebenblätter und Rebitof überhaupt, 
fowie deren Befämpfung, wobei fleißigſte 
Beiprikung mit Kupferfalfbrühe unerläßlich 
ſei. Alle anderen Mittel haben bisher 
diefe Mifhung in ihrer Wirkung noch nicht 
übertroffen. Der Beronojpora-Bilz redt- 
fertige das größte wiſſenſchaftliche Intereſſe. 
— Auf eine Anfrage teilte Herr Direktor 
Dr. Zſchokke noch mit, daß eine Jmmuniı- 
tät der Rebe gegen Beronojpora 
nit zu erzielen ift, weil wir die 


Nebe nit aus Samen ziehen; 
andernfall8 müßten wir andere Reben 
£ultivieren. 


Seine Erzellen; Herr Dr. von Neu 
maher betonte, daß in diejer jo ſchwierigen 
und wichtigen Frage Wiffenfchaft und Praxis 
Hand in Hand gehen müpten im Intereſſe 
unferer Weinfultur. 


Hear Dr. Schwangart, Leiter der 
zoologiichen Abteilung der Kgl. Wein: und 
Obſtbauſchule Neuftadt, ſprach über den 
„Deu: und Sauerwurm und jeine 
Betämpfung“, gleichfalls mit injtruftivem 
Hluftrationsmaterial Die außerordentliche 
BWiderftandsfähigfeit de8 Sauerwurms jei 
die Urſache, daß man bis jegt noch fein 
Mittel dagegen gefunden habe. Der Herr 
Redner beſprach Heu- und Sauerwurm und 
deren verjchiedene Mottenarten (einbindige 
und befreuzte, welch' legtere erft ſeit An- 
fang der 9er Jahre befannt ift.) 

Er beleuchtete die mechanischen, chemischen 
und biologifhen Bekämpfungsmethoden ; 
bejonders letztere dur Fünftlihe Ber- 
mehrung bezw. Zucht von tierifhen Feinden 
und Barafiten (Schmarogern) diefer Schäd- 
linge, dabei den Bogelihug bervorhebend. 
Bei dem Fortichreiten der BWillenjchaft 
bleibe zu hoffen, daß dieſe au in der Be. 


— 27 — 


fümpfung des Sauerwurms 
Reſultate erzielen werde. 


Der Vereinsvorſtand wurde durch die 


Herren Direktor Dr. Zſchokke und Dr. 


Schwangart erweitert. — Herr Profeſſor 


erfolgreiche 


Hildebrand (Speyer) brachte Anträge ein 
hinſichtlich Vereinsorganiſation und An— 
nahme der „Pfälziſchen Heimatkunde“ als 
Organ der Pollichia für laufenden Meinungs: 
austausch. (Pfälz. Rundichau.) 








Die Turmruine in Odenbadh, ein gefährdetes Bandenkmal. 


Jeder Reijende, der Odenbach am Glan 
und wenn audı nur flüchtig mit der Eiſen— 
bahn berührt, wird die für den Ort 
harafteriftiihe Turmruine in der Tal 
niederung nicht überjehen fünnen. Es ift 
dies der fpärliche Reſt einer alten Tief. 
burg, deren Umfang fih in dem flachen, 
vom Qurme aus nad allen Seiten etwas 
abfallenden Gelände noch ganz gut be: 
fiimmen läßt. Sie war von eınem Wajler- 
graben umgeben, der durch einen vor 
mehreren jahren freigelegten Kanal mittelft 
einer Schleuje vom Odenbach her gefüllt 
werden fonnte, und wahrſcheinlich zur 
Deckung des Talübergangs beftimmt. Bon 
dem Qurme find nur noch zwei etwa 15 
Meter hohe, mit mächtigen Budelquadern 
aus grauem, geröllführendem Sanditein 
bekleidete Seitenwände erhalten geblieben. 

Nah den „Baudenfmalen der Pfalz“ 
(Bd. III S. 44—45) war er, wie aus 
einem älteren Holzichnitt erſichtlich iſt, 
früher durch einen fteilen, von vier Ed: 
türmdhen flanfierten Helm abgeſchloſſen; 
auh auf alten Landkarten tritt er uns in 
diefer Form entgegen. Die Ueberreite 
eines Gemölbes, welches urſprünglich das 
Erdgeichoß überdedte, find 1850 herab: 


geftürzt. 
Die Bauart läßt das 13. Yahr- 
bundert als Entſtehungszeit für den 


Zurm vermuten, doch wird eine Burg zu 
Odenbach — auch Groß:-Ddenbah — erſt 





1482 erwähnt, als Herzog Alerander von 
Bmweibrüden dem Blick von Lichtenberg einen 
Anteil an dem veldenz’shen Burglehen zu 
Ddenbah verlieh. Das Dorf Odenbach 
dagegen iſt ichon jehr alt, da es bereits 
870 als Zubehör der Abtei Prum erjcheint. 
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts überliek 
Herzog Ludwig Friedrih von Zmweibrüden 
Burg und Dorf den Freiherrn von 
Fürftenwärther, die einer morgana: 
tiſchen Ehe mit Elifabethba Hepp, einer 
Kammerfrau jeiner verftorbenen Gemahlin, 
entftammten. Wann die Burg ihren Unter: 
gang gefunden hat, konnte ich nicht in Er- 
fahrung bringen. . 

Jetzt geht dieſes alte Wahrzeichen von 
Odenbach, wenn fich nicht bald eine jorgende 
Hand der Ruine annimmt, ihrem rajchen 
Berfall entgegen. Auf der Wetterfeite 
arbeitet die Bermitterung an den Budel: 
quadern, die ftarfen Mauern find geborften 
und der Spaltfroft treibt die Riffe immer 
mehr auseinander; troßdem würde fich 
ohne allzugroßen Koſtenaufwand durch ge- 
eignete Maßnahmen der Berfall wohl nod 
lange hintanhalten laſſen. Da die Ge- 
meinde Odenbach Befigerin der Ruine und 
des jet als Garten verwendeten Burg- 
geländes ift, werden wohl die Mittel auf- 
zubringen jein, die Beitrebungen für Denf- 
malihuß hier au einmal in die Tat 
umzuſetzen. Dr. Daniel Häberle. 





Die Ortsgruppe des PBfälzer-Mald-Bereins in Ludwigshafen 


nahm in 
verjammlung den Yahresbericht des 
1. Borfigenden Herrn Direktor Kederer 
entgegen. Das Intereſſe für Wanderungen 
im Pfälzer Wald in den beiden Städten 
Ludwigshafen und Mannheim bat fid 
weiter gehoben. Die Pfälziſchen Eifen- 


ihrer ordentlichen Mitglieder- | bahnen förderten den Verkehr durch weitere 


günftige Zugverbindungen. Auch das In— 
terefie an den gemeinjchaftliden Sonntags» 
manderungen ift unvermindert geblieben, 
Ebenio bat man mit den Scülerwander- 


ungen der 7. und 8. Klaſſe der hiefigen 


Bolksichulen die günftigften Erfahrungen 


gelammelt. Daß der Haupt-Borftand in- 
bezug auf Schaffung von Ausfichts: 
türmen, wichtigen Wegkreuzungen, Schuß. 
hätten, Faſſung von Quellen fid 
alle Mühe gibt, beweiſen die ausgedehnten 
Unternehmungen des Vereins, jo der Bau des 
Quitpoldturmes auf dem Weißen 
Berge. Die Einweihung des Turmes 
wird ſpäteſtens im Monat Yuli erfolgen 
fönnen. Die Herausgabe des großen 
Kohl'ſchen Kartenwerkes, mit dem man eine 
Markierungsfarte erhalten habe, wie fie 
zuverläjfiger und genauer für fein anderes 
Wandergebiet eriftier. Man hat daß fefte 
Vertrauen, daß e8 dem Wirtichafts-Aus- 
Ihuffe im Laufe der Zeit gelingen wird, 


128 


auch für das Pfälzer Waldgebiet Wirtichafts- 
verhältniffe zu jchaffen, die demen anderer 
Wandergebiete nicht nachſtehen. Das große 
Unternehmen der Ortögruppe Ludwigshafen 
war die Errihtung der Kalmithütte 
mit einem Softenaufmand von 4700 ME. 
ohne die Stiftungen. — Der Voranſchlag 
für 1909 fieht unter anderem folgende 
Poſitionen vor: Hauptlaffenbeitrag 1800 ME., 
Verwaltung 1000 Mt., Shülerwander: 
ungen 300 ME, PBranfenthaler 
Hütte 50 ME, Bibliothef 150 ME, 
Schuldentilgung 400 Mk., Propagandazwecke 
200 ME, Aufwendungen für Steben 
berg und Kalmit 300 Mt. 








Lemberg-Turm. 


Wiederholt war ſchon in der Preſſe der 
Gedanke angeregt worden, auf dem Lem 
berg einen fieinemen Ausjihtsturm 
zu errichten, doch war man in den be 
teiligten Streifen über Borbefprechungen faum 
binausgefommen. Nun ift die Turmfrage 
infofern in ein anderes Stadium getreten, 
als das Kgl. Katafterbureau in München 
auf einen eingehend begründeten Antrag 


hin unterm 23. Oktober einen Zufchuß zu | 





den Baufoften in Ausficht geitellt hat unter 
der VBorausfeßung, daß der Turm eine zur 
Vornahme von trigonometriihen Beobad- 
tungen geeignete KRonjtruftion erhält. Es 
wird nun Sade der Intereſſenten jein, 
zunädft dur Einleitung von Geldjamm- 


lungen und entiprechende Agitation dem 


nun als gefichert geltenden Projeft aud 
eine finanzielle Grundlage zu geben. 


Alt-Geidelberg, das Schloß und feine Schickſale in 
drei Jahrhunderten 


bildete das Thema eines recht unterhaltenden 
Vortrags, den am 8. Dezember Herr 
Dr. ®. Baldihmidt aus BWirsbaden 
im Saufmännifchen Verein in Qudmwigshafen 
bielt. Der Herr Bortragende fnüpfte an 
die revolutionäre Volks- und Bauernbe- 
mwegung zu Anfang des 16, Yahrhunderts 
an, erwähnte, daß Luther im Frühjahr 1518 
auf dem Heidelberger Schloß weilte und 
erwähnte die MNiederwerfung des auf 
rührerifchen Treibens durd den Kurfürſten 
Ludwig V. von der Pfalz. Mit dem Ein: 
zug diefes Hurfürften in Heidelberg begann 
eine glanzvolle Zeit für das Schloß, das 
als Burg fefte Ummallungen und Mauern 
erhielt, um den Wirkungen der damals in 
Aufnahme gefommenen Feuerwaffen zu be- 
gegnen. Es entitand der Stüdgarten zur 


Bwingburg, 
mußte, 
Friedrich II., vervollftändigte die Befeftigung 
noch nad verfchiedenen Seiten, 


gang verſchafft. 


gemweien, begünftigte die letztere. 


Aufftellung der Geichüge, der 30 Meter 
weite Wall und der Turm mit den 7 Meter 


difen Mauern, der unter der Bezeichnung 
der „dicke Turm“ befannt ift, deifen maffives 
Mauerwerk man heute noch beftaunen fann. 
Das kurfürftlihe Schloß wurde fo zur 
die uneinnehmbar erjcheinen 
Der Nachfolger Ludwigs, Kurfürſt 


Unter 
jeiner Regierung verbreitete fic) die Re— 


formation, mit dem alten wurde aufgeräumt 


und der neuen Richtung immer mehr Ein: 
Auch Otto Heinrich, der 
ebenfalls ein Freund der neuen Richtung 
Sn der 
Baufunft wurde die Gotik zurüdgedrängt, 
die Renaiffance begann ihren Zug durch 


— 19 — 


die Lande. Im DOtto-Heinrichs-Bau hat | gezeigte verdankt man nebft der Einführung 
ihr diefer Fürſt ein Denkmal gefegt. | des Zwerges „Perkeo“ einem ſpäteren 
Friedrich IV, reihte den Friedrichs Bau im | Kurfürften. Der Ausbrud; des 30jährigen 
gleihen Stile an, der aber architektonisch | Krieges brachte auch trübe Zeiten für das 
etwas maffiger und in dem Nahmen der | Heidelberger Schloß. In den prachtoollen 
Burg wirfungsvoller wurde. Der Englifche | Sälen hauften abwechſelnd die Sölbner 
Bau entftand unter Friedrich V., errichtet | Tyllis und Guſtav Adolfs, ſpüter belagerten 
zu Ehren der Gemahlin Friedrichs, Elifaberb | und erftlirmten die Ftanzoſen unter Melae 
Stuart von England. Diefer prunfliebende | das Schloß und mas beim erfien Sturm 
Fürſt ichuf auf dem Scloffe ein Berfailles | 1689 dibrig blieb, das fiel 1693 den 
im Meinen. Friedrich V., bekannt im der | franzöflihen Horden ganz zum Opfer. Gin 
Geſchichte als Winterlönig — er hatte die durch Bligichlag entftandenes Feuer machte 
böhmiſche Königskrone angenommen — ent: | dat Schloß vollends zur Ruine. Als folches 
Fleidete das Schloß mieder zum Teil der | ift es dem deutichen Wolfe teuer geworden. 
Befeftigungen, um Xuftgärten, Theater ujm, | Seine Dichter, wie Goethe, Matthiien, 
anzulegen. Das Schloß war der pompöfefte | Brentane, Yenau, Schwab, Hölderlin, Viktor 
Fürftenfig geworden. Ritter und Sinappen | v. Scheffel uſw. begeifterten fi an der 
belebten die Räume, vornehme Edelfrauen | Romantik des Zerfalls und fangen wunder: 
grüßten von den Erfern und Balkonen, die | volle Geſchichten von dem Schloſſe und 
Verſchwendungsſucht hatte den höchſten feiner Bergangenheit. Ob ein Wiederaufs 
Bunft erreidt. Füllten jchon bei den Bor- | bau zu befürworten fei? Dieſe Frage be 
fahren Friedrichs Gaftereien und Schlem- | antwortet der VBortragende in verneinendem 
mereien, ZTourniere, Tanzbeluftigungen und | Sinne; das noch Vorhandene follte aber 
die Jagd die Tätigken der Fürften und | pietätvoll erhalten werden. In einer Am 
ihrer Hofftaaten aus, jo trat bei Fried | zahl gelungener Lichtbilder zeigte Herr 
rih V. noch der Prunk und der Bomp bin- | Dr. Waldſchmidt, von dem bei Dietrich in 
zu, mit denen er die Peftlichkeiten aus- | Jena auch in diefen Tagen ein Buch über 
ftattete und zu den glänzendften machte. | Heidelberg ericheinen wird, das Schloß mie 
Bezeichnend für die Buftände jener Beit ift | es einft geweſen und den ABuftand von 
die Entſtehung des Heidelberger Faſſes. heute. Auch von den Perſonen der Ge: 
Das erfte wurde unter dem Surfürften ſchichte lieh er verſchiedene im Bilde auf: 
Johann Kaſimir geichaffen, das heute nocd | treten. (Bf. Roſch.) 


Allerlei vom Tabak. 


Der Siegeszug bes Tabals. Altertum gab es Völker, die ſich dur 
Gern verfenft man fi in die an Mert. | den Dampf verichiedener Kräuter oder durch 
würdigfeiten reiche Geſchichte, die die Ent- | das Einjaugen des Rauches durd Rohre 
defung und Verbreitung, die Gewinnung | betäubende Berzüdungen verſchafften; jo 
und Verarbeitung fo allbefannter Pflanzen | ließen ſich die alten Gallier umd Germanen 
wie des Staffees oder Tees, der Baumwolle | dur den Dampf von verbranntem Hanf 
oder des Tabats ſchildern. Dazu bietet | erregen, und es iſt nicht unmöglich, daß 
ein foeben im Verlag vom R. Voigtländer | die alten Babylonier, von denen es 
in Leipzig erichiemenes illnftriertes Wert | Herodot berichtet, auch ſchon den Tabaf 
„Kulturpflanzen der Weltwirtſchaft“ @e- | gekannt haben. Lange Zeit hat man jedem 
legenheit. fall behauptet, daß der Tabak feim ameri» 

Der dem Tabak gerwidmete, von C. | faniides, jondern ein urſprünglich aſiatiſches 
J. K. Kokke verfahte Aufjag bringt im | Gemwächs jei, doc läßt ſich nicht nachweiſen, 
tereflantes neues Material über den Ur | dab in China, wo das Rauchen eine uralte 
fprung umd die Verbreitung dieſes Krautes. Gewohnheit ift, der Tabak ſchon vor der 
Bann „das Rauchen erfunden“ worden Entdefung Amerikas befannt war. 
iſt läßt fich ſchwer feftftellen. Schon im | An den Geſichtskreis der ſtulturvölker 


— 108 — 


trat das beraufchende Kraut jedenfalls erft, 
ald Kolumbus die neue Welt betrat und 
jein treuer Matroje Sancho der erſte dhrift- 
lihe Zabafrauder wurde. Die Ein 


geborenen hüllten fih in ganze Wolfen des | 


getrodneten Strautes, das, in ein Reisblatt 
gewidelt, an einem Ende angezündet und 
am anderen in den Mund genommen wurde, 
aljo ganz unferer Zigarre entſprach. Doc 
baben die Cingeborenen von Kuba den 
Rauch auch durch lange gabelförmige Röhren 
direft in ihre Nafenlöder geleitet, um 
ih an dem Geruh zu erquiden. Das 
Rauchen war ihnen eine heilige Beichäftig- 
ung, denn das Kraut war ihnen von dem 
großen Gift aus der Sonne als ein Ge 
ſchenk gebracht worden. 

Im Anfang des 17. Jahrhunderts kam 
das Rauchen in Frankreich in Mode 
und griff unter Ludwig XIV. fo um ſich, 
daß ein wilder Federkrieg zwiſchen Tabak— 
freunden und Zabafgegnern entbrannte, 
Moliére die Schale jeines Spottes über 
die „Dampffreffer” ausgoß und fi Boileau 
mit Entjegen von den „Stüffen voll von 
Tabak“ abmandte. Ludwig XIV. ließ Tabak 
unter das Striegsvolf verteilen und jeden 
Soldaten mit Rauchgeräten verſehen; aud) 
die Damen, vornehme und geringe, koſteten 
in reihen Mengen von dem neuen Gift. 
Bettfämpfe wurden veranfialtet, und Sieger 
war der, der die jchönfte Pfeife beſaß und 
täglid am meiften daraus rauchte. Die 
hohe Steuer, die auf dieſes fogenannte 
Königinnenfraut gelegt wurde, tat der 
Staatsfafje wohl, jo daß ein Beitgenofie 
ſchriebt „Man fann das Kraut eher Königs— 
als Königinnenfraut nennen, weil es in die 
Seldkiften des Königs mehr Gold und 
Silber bringt als die reichjten Bergwerke“. 

Den höchſten Taumel aber entfeflelte 
die Tabafleidenfchaft, die im 17. Jahr— 
hundert alle Länder überflutete, in Hol: 
land. Hier raudıten 1590 die Studenten 
aus irdenen Pfeifen trog der ernfthaften 
Warnung der medizinischen Fakultät, daß 
ihre Gehirne davon ſchwarz werden würden. 
Die merkwürdigen Kräfte und großen 
Tugenden des Strauttabafes murden in 
Wort und Schrift angepriefen. Bald 
wurden zahllofe „Tabakhäuſer“ eröffnet, 
die das höchſte Mergernis der Gutgelinnten 
erregten, und in denen doch hoch und nied- 





rig „als fauler Stinfer inmitten des 
ftinfenden Qualms“ voll Behagen jeine 
Beit verbradte. Biele Rauder „tranfen“ 


täglich zwanzig Pfeifen ; ſchon Kinder von 


ſechs und fieben Jahren ſaßen bei Tiſch 
mit Pfeifen im Munde. „Taglöhner ließen 
Frauen und Kinder verarmen, während fie 
jelbft ji mit Rauch jättigten”. So Elagı 
ein Sıttenprediger jener Tage. Entſtand 
do ſogar 1699 in Haarlem des Rauchens 
wegen ein Aufruhr, und manden Zwietracht 
brachte die Pfeife in die Häufer, wenn fich 
Mann und Frau darum ftritten. 

Nächſt Holland wurde Deutihland 
am ftärfften von der Rauchbegier ergriffen. 
Ein guter Beobachter der Zuftände meldet 
davon: „Bon dem Yugenblide, wo fie den 
Tabak fennen lernten, breitete ſich die Ge— 
wohnbeit des Rauchens dermaßen aus, dak 
man bald feine Bauernwohnung mehr traf, 
wo nicht die Pfeife zu finden war. Teils 
rauchen, teilö eſſen, teils jchnupfen fie den 
Tabaf auf, und man muß fi wundern, 
daß noch niemand auf den Gedanken ge- 
fommen ift, ihm fi in die Obren zu 
ftopfen.” Der erfte preußiiche König war 
ein leidenichaftliher Raudyer, und Friedrich 
der Große, der jo gern jchnupfte, förderte 
den Tabafbau ın Preußen mit allen Kräf-— 
ten, trat mit den berühmteiten XQabaf- 
fennern und Chemifern in Briefmechiel, und 
betraute 1765 den Kaufmann Francois 
Yazare Rauband mit der alleinigen 
Fabrifation und dem alleinigen Verkauf 
des in Preußen gebauten QTabafs, wobei 
der Schnupf- und der Rauchtabaf ſowie der 
Stanafter nicht über 24 Grojchen und die 
geringeren Sorten nit über 5 bis 10 
Groſchen das Pfund koſten duriten. 

Sehr ipät fam der Tabaf nah Schme- 
den; er war nod unter der Stönigin 
Ehriftina bei den Bauern jo wenig befannt, 
daß fie die Tabafrollen, die bei der Stran- 
dung eines bolländiijhen Schiffes an Land 
trieben, für Stride anſahen und mit ihnen 
dad Vieh Efoppelten. Schwere Berbote 
gegen den Genuß des Tabafs erfolgten in 
der Türkei und in Rußland. Sultan 
Amurath IV. beftimmte, daß jeder, der 
beim Tabafrauden getroffen werde, getötet 
werden jolle, und ließ jogleih einem 
Käufer und Berfäufer von Tabaf Hände 
und Füße abhauen und dann beide jo ver: 


— 131 — 


ftümmelt aufhängen und verbluten. Im 
jelben Johre wurde der Tabaf in Peters. 
burg feierlich verflucht, für unrein erflärt 
und das Rauchen als Todfünde hingeftellt. 
Als das feinen Erfolg hatte, wurde 1634 
jedem, der rauchte, der Berluft der Naſe 
angedrobt. 1641 wurde das Verbot dahin 
umgeändert, daß der, der zum erften Dale 
mit einer Pfeife im Munde ertappt mürde, 
gefnutet werden folle; das zweite Mal 
murde ihm die Naje aufgejchligt und er 
dann nad Sibirien verbannt. Mber alle 
Verftümmelungen und Todesftrafen nüßten 
nicht, und jo gab denn Peter der Große 
den Engländern für 15000 Pfund Sterling 
die Erlaubnis, Tabak in Rußland ein: 
zuführen. M. M. N. 


Urſprung des Tabal⸗Schuupfeus 

Das Schnupfen iſt die Erfindung einer 
Dame, und zwar keiner geringeren, als der 
Königin Katharina von Frankreich. Ihr 
Sohn, der nachmalige König Franz II., litt 
in feiner Jugend ſtark an Stopfichmerzen: 
alle Kunſt der Ärzte vermochte nıcht das 
Übel gründlich zu bejeitigen. Da fam die 
fluge Frau auf den Gedanken, ihren Sohn 
den damals befannt werdenden Tabak in 
Bulverform in die Naje ziehen zu laſſen; 
der Berjuh hatte den gemünfchten Heil: 
erfolg. Selbftverftändlih wurde nun an 
dem nahahmungsfüchtigen Hofe der Tabak 
jofort beliebtes Heilmittel; bald fing man 
indeß auch an, ihn in die Naſe zu ziehen, 
wenn man feine Kopfichmerzen hatte. Auch 
im ®Bolfe ward jodann das Schnupfen 
Modejahe und endlich zur Gewohnheit. 


Tabaksrauch als Desinfeltiousmittel, 


In der engliihen medizinischen Beit- 
ſchrift „Lancet” wird über neue Unter- 
juhungen berichtet, welche zur FFeititellung 
der desınfizierenden Eigenichaften des Tabafs- 
rauches angeftellt wurden. Die Unter- 
ſuchungen beftätigen die Beobachtung, daß 
einer der Hauptbeſtandteile des Tabaks— 
rauches, welche wegen ihrer keimtötenden 
Eigenſchaften in Betracht kommen, das ſehr 
wirkſame Antiſeptikum Formaldehyd iſt. 
Von dem Formaldehyd ſind mehr als 
Spuren vorhanden, denn wenn Waſſer, 
durch welches man nur wenige Mundvoll 
Tabaksrauch geblaſen hat, auf ſeinen Gehalt 


an Formaldehyd geprüft wird, ſo zeigt ſich 
immer, daß dieſes Antiſeptikum ziemlich 
reichlich vorhanden iſt. Der Formaldehyt— 
gehalt im Tabaksrauch hängt zwar von der 
Qualität und der Behandlung des Tabaks 
ab, doch kann man im allgemeinen ſagen, 
daß eine Zigarre mehr Formaldehyd liefert 
als eine Bieife Tabak, und eine Pfeife 
Tabaf mehr als eine Zigarette. Es ift 
mehr als einmal feftgeftellt worden, daß 
Raucher gegen gewiſſe Krankheiten immun 
find und das häufige Vorhandenſein eines 
wirkſamen Antijeptitums im Munde, in der 
Naſe und mandhmal in der Yunge — lebteres 
bei „Lungenrauchern” — erflärt dieje Tat- 
jache in gewiffem Grade. Formaldehyd ift 
eine der michtigften Desinfeftionsmittel, 
welches wir fennen: 1 Teil in 10,000 
Teilen Waſſer zerftört alle Mifroben, 
mwährend jolch eine verdünnte Löſung feine 
Giftwirfung auf den menichlihen Organis- 
mus ausübt Selbitverftändlich wäre es 
durchaus nicht wünſchenswert, wenn die 
berühmten Tatfahen zum Mißbrauch des 
Tabafs verleiten mürden, denn Nifotin- 
vergiftungen fommen viel häufiger vor, als 
man dentft. 


Das eigentlihe Gift des Tabakranches. 


68 ift in den legten Jahren viel darüber 
bin und her disfutiert worden, was denn 
das eigentlihe Giftige im Tabak— 
raub ſei? Daß im Tabakblatt das 
mwejentlich giftige Prinzip das Nikotin it, 
darüber find die Anſichten faum mehr ge 
teilt. Höchftens wird vielleiht das Nifo- 
tein noch als ſolches betradtet. Nach 
Profeſſor Lehmann (Würzburg), der in der 
„Münchner Mediziniihen Wochenschrift” 
wieder jehr interefjante Studien über das 
Tabafrauden veröffentlicht, iſt diejes aber 
höchftens in jo geringen Mengen im Tabak 
enthalten, daß als einzig praktiſch in Frage 
fommendes, jchon vorhandenes Gift nur 
das Nikotin in Betradht fommt. Biel 
ſchwieriger liegt die Frage nad) der giftigen 
Subftanz des Tabafraudhesd Es waren 
nur grobe Unterjucdhungsiehler, die bei den 
erften Unterfuchungen ein Übergehen von 
Nikotin in den Tabakrauch auch ausgeichlofien 
ericheinen ließen. Neben dem Nikotin ent- 
hält aber der Tabakrauch noh Pyridin— 
bajen. Ferner find für die Giftigfeit 


— 12 — 


des Tabakrauches verantwortlic gemacht 
worden dad Rohlenoryd, von dem auf 
1 Gramm Bigarettentabaft etma 15 bis 
235 ccm auf I Gramm Bigarrentabaf 
14 bis 85 cem und auf I Gramm Pfeifen: 
tabat 74,5 bis 77,8 cem gebildet werden. 
Der Raub, wie er in die Mundhöhle ge- 
faugt wird, enthält 1 bi 6°. Koblenoryd. 
An Meinen Mengen fommen meiterd noch 
Blaujäure und Schweielmwajjerftoif 
im Raude vor. Was madht nun die 
Giftigkeit aus? Dieje Frage lieh fich da: 
durch enticheiden, daß man zwiſchen die 
brennende Bigarre und den Mund des 
Rauchers ein Röhrchen mit trodener Watte 
und ein zweites mit in verdünnter Schmefel: 
fäure getunfter Watte einſchaltete. Dabei 
dringt in den Mund des Rauchers ein voll: 
fommen farblojes Gas, frei von Nifotin, 
Pyridin und Teer. Es enthält aber diejes 
Gas alle Blaufäure, Kohlenoxyd und 
Schwefelwaſſerſtoff. Hiemit fann nun der 
ſchwächſte Raucher ohne Schaden die ftärfften 
Bigarren in großen Mengen rauchen. Es 
fommen dieje Gaje alſo nah Profeſſor 
Lehmann nit in Betracht. Dagegen gehen 
von dem ım Kabaf enthaltenen Nikotin 
ftet3 etwa 90 "o in den Rauch über. Aber 
nur ein Drittel des Nikotins ge 
langt aus dem Raud in den Mund, 
Diefe Mengen werden aber auch nicht in 
den Körper aufgenommen, denn der Raud) 
wird ja auch wieder ausgeblajen. Um nun 
die wirklich aufgenommenen Mengen zu 
befiimmen, hat Lehmann eine geiftreiche 
Methode angewendet. Die Differenz zwi: 
chen den beide Male in der Quft bezw. in 
einem Auffanggefäß zurüicdbleibenden Mengen 
Nikotin zeigte, daß von einer Zigarre pro 
Gramm etwa 1.7 bis 2,5 Milligramm und 
bei einer Zigarette etwa 0,8 bis 1,5 Milli- 
gramm Nikotin aufgenommen werden. 
Pyridin dagegen nur in Mengen von 0.3 
bis 0,8, bezw. 0.4 bis 0,5 Milligramm, 
Das Byridin kann alſo ebenjo wie das 
Ammoniak außeracht gelaflen merden. 
Legteres mag zur „Schärfe“ des Eindruds, 
zu den Reizſymptomen an Stimmbändern, 
im Rachen, an den Zungen ıc. beitragen, 
nicht aber zur Giftwirtung. Das Giftige 
ift vielmehr das Nikotin. Trotzdem jeien 
damit die Schwierigkeiten der Raudgiftig- 
keit noch nicht gelöit. Einerſeits fommt es 


vor, daß Stinder beim Rauden von anderen 
Pflanzenſtoffen (Kaftanienblättern z. 8.) 
ähnliche Ericheinungen zeigen: Erbrechen, 
Blaßwerden, kalten Schweiß x. Das ilt 
vielleiht auf eın von Lehmann aus dem 
Rauch gemonnenes, ‘noch unbeltimmbares 
Alkaloid zurüdzuführen. Für Erwachſene 
ſcheint diejes faum giftig zu fein. Aber 
ganz unverftändlic ift es zumeilen nod, 
daß unter den Zigarren mit gleidem 
mittleren Nikotingehalt die einen 
„art und die anderen „ſchwach“ wirken. 
Eine Möglichkeit wäre die, dab das Nikfotın 
doch nicht der einfache Körper ift, als 
der es gilt, daß es fi vielmehr als eine 
nicht immer gleihe Miſchung verichiedener 
Körper herausftellen wird, wie dies bei 
den Hhofchyaminpräparaten (vom Stechapiel) 
der Fall war. 


Die Entgiftung des Tabakrauches. 


Die widhtigften jhädlihen Brodufte des 
Tabafrauches find das Nikotin, welches bis 
zu 75" in den Raud; übergeht, und das 
Kohlenoryd, von dem ein Raucher gin 
30 Minuten ein halbes Liter produgiert. 
Außerdem finden ih u. a. im Rauche nod 
Pyridinbajen und Blaufäure. Legtere joll 
im ®Bfeifenrauch fehlen, in den Bigarren 
beträgt fie durchichnittlih 0,001°ı. Um 
num die Schädlichkeiten des Tabakrauches 
aufzuheben, hat man verjucht, dad Nikotin 
aus dem Tabaf zu entfernen (jog. nifotin- 
freie alias Strohzigarren). Es zeigte ſich 
jedoh, daß mit Ertraftion des Nifotins 
auch dem Tabaf die das Aroma bedingenden 
Subftanzen entzogen wurden und womit 
die eigentliche Genukwirkung megfällt. Es 
gelang jedoch, wenn auch nicht alle fchäd- 
lichen Stoffe des Xabafraudes, abzır 
icheiden, jo doc durd ein Jmprägnierungs: 
mittel wenigftens einen großen Teil zu ab 
forbieren, und zwar ohne dadurdı dem 
Genuß zu beeinträchtigen. Dieſes Impräg- 
nierungsmittel, Watte mit Eiſenchlorid⸗ 
läfung getränkt, wird zwiſchen der Zigarre 
und der Zigarrenſpitze eingeſchoben und 
dient jo als Filter, durch das der Tabak— 
rauch zieht und das den größten Zeil 
der giftigen Gaje in fih aufnimmt. Cs 
wurde beobachtet (Prof. Thoms), daß durch 
Eifendhloridwatte von den Gejamtmengen 


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der Bafen des Tabafraudes 70,8". Nikotin 
gebunden werden, meiter abjorbierte die 
Watte das unangenehm riechende ätherijche 
Brenzöl und Schwefelmafjeritoff und etwa 
die Hälfte der Blaufäure.. Es wird aljo 
durch diejes Berfahren die Giftwirfung des 
Tabakrauches ganz bedeutend abgeſchwächt, 
daher ift der Gebrauch der in fleinen Päd 
hen in den Handel kommenden {npräg- 
nierungswatte jehr zu empfehlen. 


Rauchhaſſer. 


Köonig Jakob J. von 
England war einer 
der heftigſten Geg⸗ 
ner des Tabakrau— 
chens und ſchrieb im 
Jahre 1619 ſogar 
eine Schmähſchrift 
gegen dasſelbe. Die 
Schrift nannte er 
Misocapnus“, d. i. 
Rauchhaſſer. Er 
nennt in derſelben 
das Tabakrauchen 
einen Gebrauch, der 
„häßlich für das 
Auge, unangenehm 
der Naſe, dem Gehirn 

verderblich, den 
Lungen ſchädlich iſt 
und der in den 

dicken ſchwarzen 
Nauchwolken ein 
Bild vom rauchen⸗ 
den Höllenpfuble 
gibt.” — Sein Nad- 
folger, Karl 1., ließ 
dad „revolutionäre 
Straut” von der 
Stirche verfluchen. — 
Bapft Urban VII. 
erfommunizierte diejenigen, welche dem 
Rauchen jih ergaben. — Guftan Adolf 
von Schweden erließ ein äußerst ftrenges 
Gebot gegen diesj&enußmittel, das jedoch 
nad) jeinem Tode ſogleich wieder aufgehoben 
murde. In Deutſchland eiferte der 
fromme Seriver dagegen und nannte das 
Rauchen eın Opfer, das dem Teufel dar- 
gebracht werde. Ein gewifjer Dr. Trapp, 
der um diefelbe Zeit lebte, hielt den Tabaf 
für „einen Gehilfen des Teufels, der jeg- 


133 





Wildwahjende Weinreben 
im Germersheimer Stadtwald, 


Bildprobe aus G. Eigner, Naturpflege in Bayern 
(vgl. ©. 107 dieſes Jahrganges). 


liches Volt zu Bier und Wein verführe”. 
— Das hohmwürdige Konfiftorium der Mark- 
grafichaft Baden verlangte um die Mitte 
des 17. Jahrhunderts von allen ‚Pfarrern 
genaue Angaben aller Tabafrauder, um fie 
davon durh Ermahnung abzuhalten 
In Bern beitand von 1661 bis in die 
Mitte des vorigen Jahrhunderts ein 
Tabafögericht, welches mit „Geldftrafen, 
Pranger und Gefängnis belegte. — Bar 
Michael Feodoro⸗ 
witjch £drohte 4 den 
Raudern mit Najen- 
abjchneiden und Ber- 
bannung nah Gi» 
birien. — Der 
graufame Sultan 
Amuratb IV. ließ 
einft einem beim- 
lichen Raucher die 
Pfeife durch die 
Naſe bohren‘i und 
ihn fo in den Stra- 
Ben von Stonftan- 
tinopelumberführen. 


Die Einwirkung 
ber Genußmittel 
auf den menſchlichen 
Organismus, 
ſpeziell auf die Ber: 
dauungsorgaue, 


ift das Gebiet, das 
Hofrat Dr. Friedrich 
Grämer in dem 
1907 erſchienenen 
3. Heft feiner Bor: 
lefungen über Ma: 
gen- und Darm: 
frankheiten (9. F. 
Lehmanns Verlag, 
München) behandelt. 


&. Eigner phot. 


| Der erfte Teil bejchäftigt fi mit der Ein— 


| 


wirkung des Tabaks, des Kaffees und des 
Tees nicht allein auf den Berdauungstraftus, 
jfondern auf den Organismus überhaupt. 
Es erflärt fich dies aus der Abficht Grämers, 
urjprünglih eine Monographie über die 
allgemeine Wirkung diefer Genußmittel zu 
ſchreiben. Der zweite Teil behandelt den 
Einfluß des Alkohols auf die Berdauung. 
Jener Teil enthält neben einer gründlichen 


Bujammenftellung des bisher Grforjchten 


zahlreiche eigene Verſuche über den Einfluß | 
namentlich auch des Tabafs auf die fünft« 
lihe Verdauung, die ebenjo wie die im 
zweiten Teil behandelten des Alkohols in 
feinen verichiedenen Formen (reiner Alkohol, 
Bein, Bier 20.) fehr auffallende, bisher un- 
befannte Refultate ergaben. Grämer er- | 
achtet die drei genannten Genußmittel als | 
jehr häufige Urfahen von Magen: er. 
Darmitörungen. Den Alkohol will er eben: | 
falls nur in gang mäßigen Mengen geitatten, 
erblift aber in dem Tabaf einen faft noch 
ichwereren Schädling der Volksgeſundheit 
als im Alkohol — eine Anficht, die man 
für das Individuum gelten lafjen wird, 


134 


mwährend man in Bezug auf die fozialen 
Wirkungen den Alkohol als den jhlimmeren 
Schädling bezeichnen muß. Grämer jchließt 
fich ferner der Anficht an, daß der Kaffee, 
wenn er bei der ärmeren Bevölferung in 
großen Mengen über den ganzen Tag ver: 
teilt, wenn auch nur dünn getrunfen wird, 
dazu beitrage, eine lUlnterernährung Des 
Organismus herbeizuführen. Magenkranke 
insbejondere dürften ja nicht den Saffee 
und Tee als unfchädliche Getränfe anjehen. 


Da jeinerzeit ſchon die michtigiten Ergeb 
niſſe der Crämerſchen Verſuche a. a. O. 


mitgeteilt wurden, ſei hier nochmals auf die 


intereſſante Arbeit verwieſen. 








Rhein, Schiffahrt, Fiſcherei. 


Früher als ſonſt iſt in dieſem Jahr 
der Waſſerſtand des Rheins auf einem 
Tiefſtand angelangt, deſſen ſich die älteſten 
Leute zu dieſer Jahreszeit nicht erinnern 
können. Die Schiffsbrücken ſtehen zum 
Teil auf dem Trockenen und das Strom: 
bett weift große Siesbänfe auf. In Breiſach 
ift durch den niederen Waflerftand das 
alte aus der Zeit des franzöſiſchen Krieges 
Ludwigs XIV. ſiammende Rheintor der Be: 
fihtigung trodenen Fußes zugänglich ge- 
worden, während dieſes hiſtoriſch hoch— 
intereſſante Bauwerk infolge jeiner Yage an | 
einem Altwaſſer des Rheins bei normalem | 
Wafferftand nur mit Hilfe eines Kahns 
befichtigt' werden fann und infolgedefjen 
den meiften Beſuchern dieſes an geſchicht— 
lihen Erinnerungen jo reihen Städtchens 
unbefannt bleibt. 

Zwiſchen Bonn und Andernach ver- 
fehren gegenwärtig zahlreiche holländifche 
Fiſcherboote, deren Befiger mit rheinifchen 
Fiſchereipächtern Verträge abgeſchloſſen 
haben, wonach ſie als deren Vertreter nach 
Aalen fiſchen und ihren Fang den Pächtern 
pfundweiſe zahlen. Da die holländiſchen 
Fiſcher jedoch mit großen Netzen von etwa 
50 Merer Länge, die durch erjenbejchwerte 
Holzbalfen im Wafler ſenkrecht ſchwimmend 
ausgebreitet werden, ihren Fiſchfang be- 
treiben, jo gehen ihnen auch viele andere | 
Fiſche ins Netz. Die Holländer haben | 
hierbei immer reiche Beute, und ihr Bor- | 
gehen geſtaltet fih zu einem Maflenfang, | 





der den Fiſchbeſtand des Rheines ernſtlich 
gefährdet. Diejer ift derart zurüdgegangen, 
daß die Breife für Süßwaſſerfiſche fort: 
geießt in die Höhe gehen. 

Bur Hebung der Fiſcherei im Rhein 
bezw. eines einheitlihen Vorgehens von 
Baden und der Pfalz ın diefer Beziehung 
fand vor einigen Wochen in Germersheim 
eine Beiprehung zwiſchen den Bertretern 
der Rhein: und Teichfiicherei-Gefellichaft 
Karlsruhe Mannheim und einem Vertreter 
der pfälziichen Intereflenten ftatt. Die 
ftetig zunehmende Berjandung der Altwaſſer 
bildet neben dem ftärfer werdenden Dampf: 
ichifföverfehr ein Haupthindernig. Da der 
durch Trodenlegung der Altwaffer gewonnene 
Boden ein ziemlich wertloſes Gelände ift, 
das viel befler in feiner früheren Geftalt 
im Intereſſe der Hebung der Filchzucht 
ausgenügt werden könnte, jollen deshalb 
von den Intereſſenten auf beiden Seiten 
des Rheins geeignete Schritte unternommen 
werden, um die Regierungen zu veranlafien, 
einer weiteren Eindämmung der Altwafler 
entgegenzumirfen. Des meiteren einigte 
man fi über Maßnahmen zur Erzielung 
einer einheitliden Sconzeit in der Pfalz 
und Basen. 

Vereinigung zur Förderung der 


Schiffbarmachung des Rheines bis 


zum Bodenjee. Eine aus allen jüni 
Uferftaaten gut bejuchte Sigung genehmigte 
einen Statutenentwurf und legte ein vor: 
läufiges Arbeitöprogramm feſt. Man be 


135 


ſchloß, eine Eingabe an das großh. badiſche (A 1000 Kilogramm) Tragfähigkeit, jowie 


Minifterium des Innern zu richten, in 

welcher beantragt wird: 

1. Befeitigung der fünftlihen Sciff- 
fahrtshinderniffe im Rhein zwiſchen 
Straßburg und Bajel. 

. Einbau von Grokihiffahrtsichleujen 
bei den am Rhein zu erjtellenden 
Straftwerfen. 

3. Prüfung des Rheinregulierungs— 

projefts bezw. Ausarbeitung eines 


folhden. Studium der Frage der 
Regulierung des Bodenjeemwafler- 
ftandes, 


Die Hahresverfammlung des Vereins 
fand ım September 1908 ftatt 


Die nad) Art. 31 der revidierten Rhein— 
ihiffahrtsafte von Zeit zu Zeit durch Wajler: 
baubeamten jämtliher Rheinuferftaaten vor- 
zunehmende Befahrung des Rheins, welche 
durchſchnittlich alle 10 Jahre jtattfinder 
und letztmals im Jahre 1897 ſtattgefunden 
hat, hat am 10. Auguſt in Arnheim ihren 
Anfang genommen. Zweck diejer Strom: 
befahrung ift die Unterfuchung und Feſt⸗ 
fiellung der Beichaffenheit des Stromes, 
der Wirkung der zu deſſen Berbeflerung 
getroffenen Maßregeln und der etwa ein 
getretenen neuen Hinderniſſe einer regel: 
mäßigen Schiffahrt. Zeil nahmen daran 
für Bayern Oberbaurat Ruttmann, für 
Baden Oberbaurat Roßhirt, für Elſaß— 
Lothringen Regierungs- und Baurat Neu 
meyer, für Heſſen Geh. Oberbaurat Imroth, 
für Niederland Hoof, Ingenieur Directeur 
van den Waterftaat Solles, für Preußen 
Dber: und Geheimer Baurat Müller, der 
zugleich den VBorfig führte. Die Kommilfion 
ift am 29. Auguft von Niederland her in 
Mannheim eingetroffen und hielt ſich dajelbft 
bis zum 1. September auf, um jodann den 
Oberrhein bis Baiel zu befahren. Ihren 
Abſchluß hatte die Befahrung am 10. Sep: 
tember in Mannheim genommen. 


Anteil Bayerns an der Binnenfchiff: 
fahrt. Bor furzem erfolgte eine Reichs 


erhebung über den Beftand der Binnen: | 
Sıe | 


fhiffe am 31. Dezember 1907. 
erftredte fih auf alle zu gemwerbömäßiger 


Fradhtbeförderung dienenden Schiffe ohne | 


eigene XTriebfraft (Segel-, Ruderſchiffe, 
Scleppfähne) von mindeftens 10 Tonnen 





auf alle Schiffe mit eigener Triebkraft; 
außer Betracht blieben die Regierungs-, Zoll» 
verwaltungs- und Vergnügungszweden dies 
nenden Fahrzeuge. Für Bayern hat das 
Sol. Statiftifche Bureau folgendes Zählungs- 
ergebnis feitgeftellt: Im ganzen wurden 
518 Schiffe ermittelt, die in einem baye- 
riſchen Orte beheimatet find. Nicht gezählt 
find die bayerische Flüffe befahrenden Schiffe 
außerbayeriſcher Gejellihaften uiw. (3. B. 
die der Defterreichifch: Ungarijchen Donau- 
Dampfichiffahrtsgejelichaft, wenn fie nıcht 
in Bayern beheimatet find.) Unter den 
518 Schiffen befinden fich 49 mit eigener 
Triebtraft (27 Berjonen:, 7 Güter-, 15 
Schleppdampfſchiffe). Die Gefamttragfähig- 
feit der 518 Schiffe betrug 154303 Tonnen, 
hiervon 4219 Tonnen bei den Schiffen mit 
eigener Triebfraft. Unter 50 Tonnen ift 
die Tragfähigkeit bei 30 Schiffen mit eigener 
und bei 141 Schiffen ohne eigene Trieb» 
fraft. Ueber 200 Zonnen Tragiähigkeit 
haben 9 Schiffe mit und 176 Schiffe ohne 
eigene Triebkraft. Die größte Anzahl 
Schiffe befigt die Süddeutjche Donau: Dampf- 
ſchiffahrtsgeſellſchaft in München (Heimatort 
der Schiffe Regensburg), nämlich 93, da— 
runter 10 Dampfidiffe. An zweiter Stelle 
jteht das Staatsärar mit 10 Fahrzeugen, 
darunter 5 Dampfidiffen, auf dem Ammerjee 
und der Amper und 13 Fahrzeugen, hiebei 
6 Dampfichiffen auf dem Bodenjee. Was 
die einzelnen Stromgebiete anlangt, jo 
treffen zwar auf den Main verhältnismäßig 
die meilten Schiffe, aber der Tonnengehalt 
der Schiffe ift weitaus am bedeutenditen 
bei Donau und Rheın. 


Gefamttragfäbig- 

Schiffe * in une 
Donau mit Zuflüffen 119 60737 
Main 228 29408 
Rhein 126 60493 
Ludmwigsfanal 15 1720 
Dberbayerifche Seen 17 420 
Bodenjee 13 1525 

(Bf. Preſſe) 


Rom Rhein. Der Rhein ift nicht nur 
der Ichönfte deutiche Strom, jondern auch 
die wichtigite deutiche Waflerftrake. Diejer 
Bedeutung entſpricht das Schiffsmaterial, 
das jeine Wellen tragen und das nach den 


— 136 — 


Angaben des neueſten Rheinſchiffsregiſters Regenbogenforellen gehalten, in manchen 


aus 9759 Segelſchiffen und 1318 Dampfern 
beſteht. Seit 1906 hat ſich dieje Flotte 
um 497 Segelihiffe und 46 Dampfer ver: 
mehrt. Bon den Segelſchiffen find 3122 
Holzihiffe mir einer Gefamttragfähigfeit 
von 517081 Tonnen und einer Bejagung 
von 6871 Köpfen, 6637 eijerne Schiffs— 
fürper mit 344298 Tonnen Tragfähigfeii 
und 17355 Mann Bejagung. Die Ge: 
famtzahl der Raddampfer beträgt 172 mit 
112338 indizierten Wferdefräften und 1895 
Mann Bejagung. Die Zahl der Schrauben- 
dampfer ift 1146 mit 183511 Bierdefräften 
und 5389 Mannſchaften. Unter diefen 
Dampfern find 632 deutſche, 153 belgiſche, 
2 britifche, 1 franzöfifcher, 525 nieder- 
ländifche und fünf anderer Nationalitäten. 
Es beftehen 37 größere Dampfidiff: 
Reedereien. 

Die Fortellenzucht im Pfälzer Wald 
befindet fich leider in der Abnahme. Dem: 
nächſt werden die Forellenmweiher in Hinter: 
weidenthal · Kaltenbach, jowie mehrere ſolcher 
bei Lambrecht abgefiſcht werden. In den 
Weihern werden teils Edelforellen, teils 





auch beide Arten gemeinſchaftlich. Beide 
Arten ſind ſehr ſchmackhaft und gehören 
zu den edelſten und wertvollſten Fiſchen. 
In einem der Forellenweiher werden zu— 
ſammen mit den Forellen auch junge ſtarpfen 
gehalten, merkwürdigerweiſe ohne daß ?ıefe 
von den Forellen aufgefreflen werden. Be 
kanntlich gehört die Forelle zu den gierigiten 
Raubfiichen, die bejonders der Fiſchbrut 
jehr gefährlich wird. Die Forellen-Seglinge 
für die Weiher werden von bejonders dazu 
eingerichteten Forellenzuchtanſtalten geliefert, 
deren es aud) in der Rheinpfalz ſchon einige 
gibt. In früherer Zeit, d. h. vor Erfindung 
der Dampfmaſchine und der dadurch ent- 
wickelten Induſtrie, famen die Forellen im 
Spenerbadh bis Winzingen herunter. Damit 
ift e8 aber längft vorbei. Das Speher— 
badhmwafjer ift durch induftrielle Abwäſſer 
fo verjeucht, daß nicht einmal mehr weniger 
empfindliche Fiſche darin erıfiieren können, 
geichweige denn Forellen. Im Speyerbad 
gibt es unterhalb Lambrecht mit Ausnahme 
ded | Mündungsgebieted überhaupt keine 
Fiſche mehr. (Pf. T.Btg.) 


Altertümer. 


Berihleppung von Altertümern. 

Daß troß vieler Bemühungen maß- 
gebender Stellen und Berjönlichkeiten immer 
wieder Händler von auswärts Altertümer 
aus der Bfalz zu verjchleppen jucen, 
beweifen uns die hin umd wieder in ge 
wiſſen Zwijchenräumen auftauchenden Inſe— 


rate folder Auffäufer, welche gewöhnlich in 


Rofalblättern zur Veröffentlihung fommen. 
Neuerdings bemerken wir wieder ein jolches 


Kaufgefuch, welches von Mainz aus aufge- | 
geben ift. Unter dem Stichwort „Wappen- | 


fteine* werden billigft alte Wappenjteine 
jeder Größe, Grab-, Grenz und Scluß- 
fteine, indbefondere mıt Wappen ehemahliger 
pfälzifcher Herrichaften geſucht. Es ift 
eine dringende Notwendigfeit darauf hin 
zumeifen, daß vor allem eine minifterielle 
Berfügung befteht, nach welcher der Berfauf 
fünftleriicher und hiſtoriſch wichtiger Yandes- 
altertümer unterjagt ift. Leider ereignet es 
fich immer wieder, daß trog aller Warnungen 





wertvolle Altertümer, Wappenfteine, Waffen, 
Bilder ꝛc. durch Auffauf fremder Händler 
außer Landes fommen. Dft werden folde 
Sachen auf Plägen gefunden oder wegge— 
nommen, melde dem finder gar nicht ge- 
hören, ſodaß eine Veräußerung ſchon an ſich 
ftrafbar if. Eine Ehrenfahe muß es für 
jeden Pfälzer fein, fortgejegt ein wachſames 
Auge auf folhe Händler und Fortichlepper 
feiner heimatlichen, oft wertvollen und ehr- 
mürdigen Monumente zu haben. Jeder, der 
jeine Heimat liebt, muß darauf jehen, daß 
dieje ftummen und doch jo beredten Zeugen 
der Bergangenheit feines Vaterlandes im 
Lande bleiben. Nicht vergebens ift im der 
Pfalz der herrliche neue Mufeumsbau zu 
Speyer errichtet worden, worin alle wichtigen 
Altertümer zur Aufftellung und Bewahrung 
fommen. Dort ıft der geeignete Plag für 


Wappenſteine ehemaliger pfälziicher Herr- 


haften, nicht in den Händen berufsmäßiger 


| Händler, melde jolche Kleinode pfälgifcher 


Gefchichte nad auswärts verfchachern. Wende 
man fi) in allen derartigen Fragen an dad 
biftoriihe Mujeum der Pfalz in Speyer, 
oder an Mitglieder und Bertrauensleute 
diejes Vereins, welche fich faft überall be- 
finden. Es wird hier jedenfalls die befte 
Ausfunft gegeben, oft erwirbt der hijtorijche 
Berein ſolche Sachen jelbft. Dieje Alter- 
tümer bleiben dann in der Heimat. Für 


jeden Pfälzer, der etwas auf feine Heimat | 
bält, fei die Deviſe: Unſere pfälziichen Alter | 


tümer bleiben bei uns in der Pfalz. 


Bon einem im Baulande mwohnenden 
Pfleger der badiſchen hiftorijchen Kommiſſion 
ergeht folgende Mitteilung: Die Erfahrung 
hat gelehrt, dab im Verlauf des legten 
Jahrzehnts aljährlih eine große Anzahl 
jogenannter Altertumsliebhaber die einzelnen 
Drte des Bezirks auffuchen, und alle nur 
erdenflihen wertvollen Gegenftände mand): 
mal um einen Spottpreiß erwerben. So 
find in den legten Jahren alte Münzen, 
Waffen, Hausgeräte aller Art in Zinn, 
Porzellan und Eifen, alte wertvolle Bücher 
und Bilder in Mengen zu wahren Schleuder- 
preiien zufammengefauft und aus den Orten 
des Bezirtö meggeichleppt worden. Im 
Intereſſe unjerer Gegend und ihrer ereignis- 
vollen Vergangenheit ift dies jehr zu be: 
dauern, und in Zukunft jollte es Pflicht 
jedes Einzelnen jein, derartige Borgänge 
zu verhindern. Um dem entgegenzuarbeiten, 
ergeht an alle Stadt: und Bezirksbewohner, 
die irgend melde altertümliche Gegenftände 
bezeichneter Art befiken, die Bitte, ſolche 
vorerft nicht zu verkaufen, fondern an orts— 
anſäſſige Altertumsfammlungen ab: 
zuliefern, die gewiß diejelben, wenn nicht 
noch höhere Preiſe zahlen werden, Außer: 
dem bleiben dann die gejchichtlich und fultur- 
geſchichtlich wertvollen Gegenftände in der 
Heimat ſelbſt. Recht meite Verbreitung 
diefer Mitteilung wäre im Intereſſe der 
Sade ſehr erwünſcht. 


Aus Württemberg kommt wiederum die 
Kunde von dem Verkauf eines Wappen- 
ſteines an einen Antiquitätenhändler. Es 
iſt die Tafel vom Gaſthof zum Ritter in 
Hall, der alten SYohanniter » Kommende, 
auf welcher der Kommentur Friedrih von 
Enzberg 1502 als Bauherr genannt ift. 
Ein Münchener Händler hat den Befiger 


137 








des Gaſthofes zum Verkauf überredet. Es 
wird hohe Zeit, daß auch ın Württemberg 
der Bund Heimatihug ſich organıfiert und 
und dur Aufklärung Über den Wert der 
heimiſchen Schäge und durch Wachſamkeit 
ſolche Verkommniſſe für die Zukunft un- 
möglich macht. 


Der neunte Tag für Deukmalspflege. 


Auf dem am 24. und 25. September 
in Lübeck abgehaltenen neunten Tag 
für Denkmalpflege erftattete Hofrat Prof. 
Dr, v. Dedelhaeufer (Karlsruhe) den 
Yahresbericht. Außerdem murden folgende 
Borträge gehalten: „Die neuerlichen Ber- 
waltungsmaßnahmen auf dem Gebiete der 
Dentmalpflege in Bayern” (Minifterialrat 
ſt. Kahr, Münden); „Freilegung und 
Umbauung alter Kirchen” (Geheimer Hofrat 
Brofeflor Dr. C. Gurlitt, Dresden); 
„Schuß der Grabdenfmäler und Friedhöfe“ 
(Brofefjor Dr. B. Clemen, Bonn); „Die 
Erhaltung von Goldſchmiedearbeiten“ (Di- 
reftor Dr. v. Bezold, Münden); „Bei: 
ipiele praftijcher Denkmalpflege aus neuefter 
Beit“ (Baurat Bräbner, Dresden); „Ber: 
ſuche zur Erhaltung des Lübecker Stadt: 
bildes" (Baudireftor Baltzer, übel); 
„Weber Ortsftatute” (AUmtsrichterDr. Bredt, 
Barmen. Im Anſchluß hieran Berichte über 
die Ortsftatute in Preußen, Bayern, Helfen 


uſw.); „Städtische Kunſtkommiſſionen“ (Prof. 


Dr. B. Weber, Jena); „Wismar und feine 
Bauten” (Baudireftor Haman, Schwerin), 
— Un der Tagung fonnte jedermann gegen 
einen Beitrag von 5 Marf teilnehmen, 


Kunftgewerblihes aus früherer Zeit. 


Bei einer Tour durch die Vogeſen ent- 
deckte Bergamtsjunftionär Emil Woll in 
einem elſäſſiſchen Städten ein Spinett, 
welches folgendes Fabrikationsſchild trug: 
Henrih Henrian, Inſtrumentenmacher bey 
Saarbrüfen zu Sanct Ingbert 1783 Nr. 
121. Demnad hätten wir aljo zu einer 
Beit, al8 St. Ingbert ein Ort mit faum 
1000 Einwohnern war, eine Ynftrumenten: 
fabrit mit für damalige Beit bedeutendem 
Abfag (Nr. 121) hier beſeſſen. Bielleicht 
erwirbt das pfälziihe Mufeum das für 
unfere engere Heimat wertvolle Dokument 
tunftgewerblichen Fleißes. 


4 
iu 


Abgüffe für Muſeen. 


Anfangs Dftober 1908 murden in 


- Rüffingen durd Bildhauer Gelbert aus 
“ Ludwigshafen am Portal der prot. Kirche für 
- eine Reihe von Muſeen (Hiltoriiches Muſeum 


zu Speyer, Baulusmujeum zu Worms, 
Römijcd;germanifhes Mufeum zu Mainz, 
Bayer. Nationalmufeum zu Münden u. a.) 
Gipsabdrüfe des unlängſt aufgededten 
Türſturzes abgenommen. SYahrhunderte 
lang rubte dieſes vorromaniihe Relief 
unter Mörtel und Delfarbenanftrid, ſodaß 
feine Linien nur leife und lüdfenhaft bervor- 
traten, biö es auf Beranlafjung von Pfarrer 
Schäfer von allem Belag jorgfältig gereinigt 
wurde. inmitten der ein Rechte bildenden 
Sandfteinplatte, melde 2,05 Meter lang 
und 0,45 Meter hoc ift, tritt ein Kreuz 
hervor, und zwar in der ältefien Form, 
bei welcher die Yängs- und die Seitenarme 
gleiche Yänge haben. Bon rechts und linfs 
dringen zwei langgeitredte Tiergeftalten 
anscheinend im Kampf begriffen auf dasjelbe 
ein. Bur Yınfen ein Löwe. Für das hohe 
Ulter des Reliefs ſpricht insbefondere die 
Form diejer Yömwenfigur. Der Störper ift 
nämlih im Profil dargeftellt;; der Kopf 
dagegen ſieht en face mit zwei mwuchtigen 
Augen den Beihauer an, ganz fo mie 
Kinder bei ihren erften Beichenverfuchen 
Tiergeftalten Ddarzuftellen pflegen. Auf 
gleicher Yinie mie der Löwe dringt von der 
rechten Seite eine fauchende, geflügelte 
Dradengeftalt gegen das Kreuz an, viel 
lebendiger als die Löwenfigur, melde das 
Gepräge ruhiger Entichloffenheit und Stärfe 
trägt. Das Kreuz in der Mitte, welches 
die chriftliche Kırche verfinnbiidlicht, ift nicht 
ungefchügt. Zu beiden Seiten oberhalb 
feiner Seitenarme ift es flanfiert von je 
einer Taube, dem altfirhliden Symbol 
des heiligen Geiftes. Am Fuße des Kreuzes 
ift zu jeder Seite ein Pelikan vorgelagert. 
Der Pelikan ift das altchriftlihe Symbol 
des Unſterblichkeits und Auferftehungs- 
glaubens. Daß die in diefen Bogelbildern 
verfinnbildlihte Macht des Chriftentums 
fi nicht vergeblich erweiſt, zeigt die Figur 
eines Striegers, der, die Keule noch mit 
ausgeftredtem Arm gegen das Kreuz ge 
richtet, erichlagen auf feinem Schilde am 
Boden liegt. Weil in der nächſten Um- 
gebung von Rüjfingen, in Albisheim a. Pfr., 


138 


fih ein PBalatium (Kaiferpfalz) Karls des 
Großen befand, in welcher der große Kaiſer 
und feine Nachfolger ebenjo wie auf dem 
Königsftuhl des Donnersberges öfters 
weilten, glaubt Pfarrer Schäfer in dem 


' Relief den Sieg des farolingiihen Ehriften- 


tums über das heidniihe Sadfentum ver- 
berrlicht zu jehen. Der pfälziiche Archäologe 
Dr. &prater, der zuerit weitere Gelehrten- 
freife auf den Rüſſinger Stein und jeine 
hohe kunftgeichichtliche Bedeutung aufmerf: 
fam machte, verlegt feine Entſtehungszeit 
an das Ende der farolingiichen und den An- 
fang der DÖttonenzeit. — Zur Erhaltung 
des Nelief3 in feiner jegigen Form und 


' zum Schuge vor Bermitterung find geeignete 





Schritte eingeleitet. 


Funde. 

Bei der Legung der Robrleitung für 
das Gaswerf in Rülzheim ftieß man 
auf die Ueberrefte mehrerer menfchlicher 
Stelette der in den Gefechten vom 3. Aug. 
1792 zwifchen öfterreihiichen Stabsoffizieren 
und franzöfiihen Sägern und am 3. April 
1793, fowie am 3. und 19. Juli zwiſchen 
den Raiferlichen und Franzoſen hier Ge— 
fallenen, 


Rheinzabern. Nachdem in der ver- 
gangenen Woche bei den durch Kommerzien: 
rat Ludowiei veranlaßten Ausgrabungen 5 
Römergräber aufgededt worden find, von 


‚ denen eins einen jehr gut erhaltenen Sarg 
mit ebenfolcgem Skelett enthielt, fonnte man 





Steigerung erfahren. 


geftern auf dem Schott'hen Grundftüf am 
Ausgange des Ortes gegen Neupfog zu einen 
gut erhaltenen römijchen Brunnen und in 
defien nächſter Nähe einen Herd aufbdeden. 
Die Arbeiten werden fortgejegt. 


Prof, Dr. E. Meplis, Diluviale Funde 
von Neuftadt a. H. Archiv für Anthro- 
pologie (N. 5.) 1908, T. Band, 1. Heft, 
3 ©. mit 3 Nbbildungen im Tert. Das 
durch die erfolgreichen Ausgrabungen von 
Dr. Sprater wieder mehr geweckte Intereſſe 
für die Borgefchichte unjerer Heimat bat 
durch einige, jegt erft genauer befannt ge- 
wordene prähiftorifhe Funde eine weitere 
Es handelt fih um 
eine Anzahl diluvialer Tierknochen (Elephas 
und Ren) die vom Berfafjer näher beſchrieben 
werden; einzelne Stüde bejigen fünftliche 


Einfchnitte, die Dr. Mehlis auf die Ein« 
wirkung des diluvialen Menſchen zurüdführt, 
die 1901 in Neuftadt a. 9. bei Anlage 
eines Kellers, vergejellfchaftet mit einem ge- 
Ihwärzten Rollftein aus verlehmten älterem, 


fonft ganz geröllfreiem Löß audgegraben 


139 


worden find. Daran fjchließt fich ein orien- 
tierender Ueberblick über die übrigen dilu— 
vialen Yunde in der Borderpfali. Die 
Stüde find in den Sammlungen der Pollichia 
zu Dürfheim untergebradit. 


Citerariſches. 


1. Dr. Daniel Häberle: Die neo: 
logiſche Literatur der Rheinpfalz vor 1820 


! 


und nach 1880 bis zum Jahre 1907 ein- | 


ſchließlich. Sonderabdruf aus Nr. 23, 
64. Jahrgang 1907 der „Mitteilungen der 
Bolihia*. Heidelberg, 1908. — Eine 
Hortjegung und Ergänzung vom in derjelben 
periodischen Beitichrift von Prof. Dr. Yeppla 
(Rheinpfälzer) verfaßten Literaturverzeichnis 
der geologiihen Publikationen über Die 
Rheinpfalz. 
gabe mit großer Sorgfalt gelöft. Nice 
meniger ald 1136 Xiteraturangaben ent- 
hält die vorliegende Bibliographie. Die 
ältefte ftammt a. d. %. 1514 und enthält 
die „Bergordnung des Herzogtums Zwei— 
brücken“. Wenn jceinbar aud nicht geo- 
logijhe Produkte angeführt find, fo z. B. 
Nr. 3, 4, 5, 16 ujm., fo enthalten dieſe 
Schriften doch Hinweiſe auf einzelne geo- 


logiſche und mineralogijche Berhältniffe des | 
Unter Nr. 15a, | 


behandelten Gebietes. 
bezw. 33a, 37a wird ein Reifebericht von 
Megalifjus erwähnt, der i. %. 1729 eine 
vulkaniſche Tätigkeit — Rauchwolken! — 
ded Donnersberges erwähnt. Eine Be» 
fprehung diejer merfwürdigen Stelle, die 
vielleiht mit dem „®ebrannten Berg”, 


Der Berfafjer hat jeıne Auf- 








einer Abteilung des Bergmaſſivs zufammen- | | 
| ihnen verfaßten Arbeiten zujenden zu wollen, 


hängt, erinnere ich mich, vor ca. 20 Yahren 
in einer pfälziichen Zeitſchrift (Pfälziſches 
Mujeum?) gelefen zu haben. Vielleicht 
findet ein Leſer die betreffende Stelle 
wieder? Die gejamte landesfundliche 
Bibliographie der Rheinpfalz will Herr 
Dr. Häberle ſpäter herausgeben. 

2. Daniel Häberle: Paläontolo- 
giſche Unterfuhung triadifher Gaftropoden 
aus dem Gebiet von Predazzo. Sonder: 
abdrud aus: „Berh. des naturf, » mediz. 
Bereins zu Heidelberg, N. %. 9. B. 2 3. 
Heft. — Heidelberg 1908, Winters Uni- 
verfitätsbuchhandlung. — Mit vorliegender 





Spezialarbeit, welche ſich mit der Unter- 
ſuchung von Foifilien des Latemar Oftgipfels 
und des PViezenagipfels in den Dolomiten: 
Alpen beichäftigt, bat fih u. W. unjer 
Landsmann den Doftorhut zu Heidelberg 
geholt. Dem waderen Foricher wünjchen 
wir hiezu und zu dieſem testimonium 
eruditionis von Herzen Glück! — Speziell 
pfälziihe und zwar Weftricher geologiſche 
Berhältniffe werden ©. 556 und 566 er- 
wähnt, wo von den Trochiten- und Tere— 
brarelbänfen, jowie Qumadellen — Weiß: 
Erläuterung zu Blatt Zweibrücken — die 
Nede ift. Die Durcharbeitung des mühjam 
von Häberle und Philipp an Ort und Stelle 
geiammelten Materiales erfolgte im ftrati« 
graphiich-paläontologifchen AInftitut — Bor: 
ftand: Prof. Dr. Salomon — zu Heidelberg, 
deſſen Bolontär-Affiftent Herr Dr. Häberle 
jeit dem legten Jahre geworden it. 


Neuftadt a. d. H., Dr. 6. Mehlis. 


Mit dem Abjchluß einer „Pfälzer Bib- 
liograpbie” beichäftigt, die nah Möglichkeit 
alles erhalten fol, was über die alte 
rheinifche Pfalz im Drud erſchienen ift, 
rihte ih an die Herrn Berfaffer von 
jelbftändigen Werfen und Fleineren Auflägen 
die Bitte, mir ein Verzeichnis uller von 


famt Angabe, wo und wann fie erjchienen 
find, um auf dieje Weije das mir zugehende 
Material mit dem bereit gejammelten ver: 
gleihen zu können. Auch erbitte ich Nady- 
weile von Aufjägen, die in Tagesblättern 
erjchienen find, doch find rein belletriftifche 
Arbeiten oder poetiihe Darftellungen der 
Anlage des Buches entjprechend ausge: 
ichloffen. Für alle mir zufommenden Mit- 
teilungen jpreche ich jchon im voraus meinen 
verbindlihiten Danf aus, 
Münden Thierihplag 3/0. 
Dr. Karl Haud. 


F. M. von Franken, Eruftes und 
Heiteres aus ber Pfalz, Verlag A. Gerle, 
Raiferslautern, — Herr Dr. Heeger jchreibt: 
„Ber aufregende Lektüre, gefünftelte Sprade 
und Probleme fucht, wird in dieſem Buche 
feine Rechnung nicht finden. Über mer 
eine behagliche Stimmung liebt, wie 
fie bier ein. fein empfindender Menid 
durch Schlichte Darftellung einfacher Geſcheh 
niffe und Charaktere in uns ermwedt, wer 
fein PBerftändnis für pfälzifches 
Volkstum und jeine Liebe zur pfäl- 
ziſchen Heimat mit ihren mannig- 
fahen Reizen erwärmen und ver: 
tiefen will, der greife recht oft zu diefem 
liebenswürdigen Bud. Ich bin 
fiher, daß es fih recht bald zapl- 
reihe $reunde im Pfälzerland er- 
werben wird.“ 

Dur Inhalt und Ausftattung ift der 
ftattliche Band, deſſen Borderjeite mit der 
flotten Zeichnung einer Pfälzer Landichaft 
geziert it, ale Geſchenk für Pfälzer 
jeden Alters und Geſchlechts bejonders 
geeignet und dürfte in vielen Fällen Die 
Wahl einer jinnigen Gabe erleichtern. 


Fir. Bernd. Störzner. Wie ift in 
den Gemeinden der Sinn für die Ge: 
(bite der Heimat zu weden umd zu 
pflegen? 27 ©. mit 21 Abbildungen. 
2. Aufl. Leipzig. Verl. v. Armed Strauch. 
20 Big. Durd das kleine Schriftchen ſucht 
der Verfafjer die verjchiedenen Zweige der 
Heimatfunde zu fördern und gibt an der 
Hand von Abbildungen Anleitung zu Be- 
obachtnngen auf dieſem Gebiet. H. 


„Bollslieder aus der Rheinpfalz. Mit 
Singweifen aus dem Bolfömunde gefammelt. 


140 


| 





Im Auftrage des Bereins für bayerifche 
Volkskunde herausgegeben von Dr, Georg | 


Seeger und Wilhelm Wüſt. Band I. Hof: 
buchdrudferei Hermann Kayſer, Kaiſers 
lautern 1909, Preis fein gebunden 3.80 4. 

Hundert Jahre find gerade verfloflen, 
feit ein Werf feinen Abſchluß fand, das 
eine heute noch lebensfräftige Wirkung auf 
die deutfche Literatur ausübte, die Volks: 
liederſammlung des Knaben Bunder 
born von Adım dv. Arnim und Clemens 
Brentano Syn allen Gauen unjeres janges- 
freudigen Baterlandes entftanden bald oder 
jpäter ähnlihe Sammlungen von mehr oder 


weniger großer Bedeutung; aber in der 
rheinifchen Pfalz, die noh vom fanges- 
froheften Völkchen deuticher Zunge bewohnt 
wird, regte fich fait ein Jahrhundert lang 
niemand. Wohl wurde bin und wieder auf 
den Reichtum der Pfalz un Bolfsliedern 
bingewiejen: aber jelbit die Randesfunde 
Bavaria, die in Band IV, 2 die Bolksfunde 
der Pfalz ausführlich berüdfichtigte, gedenft 
ihrer nur vorübergehend. Nun ift dieſe 
Lüde ausgefült; die Pfalz hat in dieſen 
Tagen den I. Band ıhrer Volkslieder er- 
halten, ein Werf, das wohl als das finnigite 
Weihnachtsgeſchenk der Herausgeber an ihre 
Heimat betrachtet werden muß. Schon jeit 
Yahren hatte der „Berein für bayeriiche 
Volkskunde“ den Entichluß gefaßt, die reichen 
Volfsliederichäge der Pfalz endlih einmal 
zu heben; aber wer getraute fih an dieie 
Riejenaufgabe, die niemand doch unternehmen 
fonnte als ein Pfälzer, der mit dem Denten 
und Fühlen fo innig, wie nur möglich ver- 
wachſen ift? Diejer Bearbeiter fand fich in 
Herrn Konreftor Dr. Heeger, der fid 
der Volkslieder in faſt Ljähriger ununter- 
brochener Arbeit mit großem unermüdlichen 
Fleiße und tiefftem Verſtändniſſe widmete. 
War doch von allen Pfälzern, die fich mit 
Volkskunde beichäftigen, feiner mehr dazu 
berufen, als gerade er, der fih die Er 
forfchung der heimifchen Gigenart zur 
Lebensaufgabe geftellt hatte und jchon im 
zahlreihen Studien und Auflägen jeine 
Befähigung dazu befundete, 

Wenn auch die Pfalz jekt erit mit 
ıhrer Volksliederſammlung fommt, fo ift es 
doch noch lange fein Zuſpätkommen; denn 
wer den jtattlichen I, Band von 310 Seiten 
nur flüchtig durchblättert, der gewinnt fo- 
fort die Überzeugung, daß dies Buch die 
mehr als 100jährige liebevolle Erforfchung 


‚ der deutichen Volkslieder, die in unzähligen 








Schriften niedergelegt ift, allenthalben ver: 
wertet hat. Welch' ein Abftand zwiſchen 
dem Wunderhorn und den „Pfälzifchen 
Bolfsliedern”! Hier ein gewifjenhaftes 
Sammeln und Prüfen, ein Zurüdgehen auf 
die entlegenfien Quellen, ein genaues 
Studium der Volksſeele, ein peinlich genaues 
Vermerken jeder Abmweihung, dort, im 
Bunderhorn eine zwar liebevolle Bejchäfti- 
gung mit dem damals noch wenig neachteten 
Reichtum, der dafür fein auswählendes und 


— 141 — 


ausjcheidendes Urteil, nur nichtsſagende 
Quellenangaben und fogar Bearbeitungen, 
die dem Weſen des Volfsliedes nicht ent- 
fprechen. 

Die meiften deutihen Sammlungen 
laffen den wichtigſten Teil des Volksliedes, 
dıe Melodie, vermiflen; wo fände ſich 
auch immer eine Kraſt, die alle Melodien 
aufzuzeichnen vermöchte! Dieje Kraft ge 
wann Dr. Heeger in dem trefflihen Kenner 
des pfälzifchen Volksliedes und feines 
Melodienfhages in Herrn Strafanitalts: 
lehrer Wilhelm Wüſt in Kaiſers 
lautern, der jchon feit Jahren mit der 
Mufit des Bolksliedes vertraut ift, mie 
außer ihm niemand in der Pal. Man 
fhaue nur auf den reihen Echak, der in 
diefjem 1. Bande enthalten ift und dem 
eifrigen Sammler und Stenner ein glänzendes 
Beugnis ausftellt. Wir Pfälzer dürfen 
getroft fagen: unjere Bolfsliederfammlung 
fteht in literarifcher und mufifalifcher Be- 
ziehung an der Spige der landidaftlichen 
deutihen Sammlungen und der Berein für 
bayerifche Volkskunde fann mit Stolz alle 
andere Gaue feines weiten Gebietes auf 
diejes Werf als Mufter hinmeijen. 


Ein erhebendes Gefühl wird jeden be- 
fchleihen, der zu diefem Werke greift. Wenn 
ſolche Reichtümer in der Seele des Volkes 
ſchlummern, ift e8 nicht fchlecht beftellt um 
und Zwar überfluten jahraus, jahrein 
die Bazarmaren der Bafjenhauer ſchlimmſter 
Sorte unjer Yand; aber das Bolf, das fie 
raſch aufnimmt, vergikt fie eben fo raſch 
wieder. Die Bolfslieder aber, die hier 
gelammelt find, haben vielfach Jahrhunderte 
überdauert. Daneben ftehen ſolche aus 
den legten Jahrzehnten, die von der Dichte» 
rifhen Kraft der Einfachften im Volke das 
befte Zeugnis geben. Es iſt auch nicht 
wahr, was man jeit Jahren ımmer wieder 
redet, daß unjer Volk die Luſt zum Singen 
verloren habe. Selbft der Induftrialismus 
bat die Sangesfreude nicht zu töten ver: 
mocht; es find vielmehr die Gebildeten, 
die das Volkslied nicht mehr kennen und 
nicht verftehen, weil fie fih erhaben 
dünfen über die einfachen jchlichten und 
darum lebenswahren und lebensvollen Er- 
zeugnifje der Volksſeele. Wenn aljo diejes 


Bud, das bald in feinem Pfälzer Dorf 
mehr fehlen wird, außer der in ihm liegen- 
den Aufgaben noch eine andere erfüllen 
wird, fo ift es die der ſozialen Verſöhnung; 
denn in ihm liegt etwas, das uns allen 
gemeinjam ift oder fein fol, da8 Gemlüts- 
leben eines Volkes. 

Was wurde feit Goethe nicht alles zum 
Hausbuch des Ddeutichen Volkes gemadıt. 
Das Wunderhorn follte e8 werden; es hat 
freilich feine Wirkung getan; es lag nicht, 
wie der Alte von Weimar münjchte, „am 
Fenſter, unterm Spiegel, oder wo jonft 
Gefang- und Kochbücher zu liegen pflegen“. 
Die deutichen Poeten aber haben aus diejem 
Jungborn ein Jahrhundert lang ihre Kraft 
geihöpft. Die „pfälziihen Volkslieder” 
werden bald Gemeingut aller Pfälzer fein; 
denn diefes heimatfrohe Volk, das ſich in 
diejem Spiegel wiedererfennt, wird gerne 
zugreifen, 

Grzählende Lieder: Mythiſche Bolts- 
lieder, Balladen, Romanzen eröffnen den 
Reigen (Nr. 1- TI), Liebeslieder (Nr. 72 
bis 158) maden den 2. Teil aus. In 
den zahlreichen Abweichungen in Wort und 
Weile ift auch dem Nichtfacdhmanne ein 
Beweis von der Lebenskraft diejer Lieder 
gegeben; gleichzeitig beftätigen fie, wie aus 
allen Teilen der Pfalz in Stadt und Land 
an dem jchönen Werke mitgearbeitet wurde; 
das reichhaltige Sammlerverzeihnris am 
Eingang gibt ein deutliches Zeugnis und 
wir können getroft jagen, die Pfalz jelbit 
bat hier mitgemwirft. 

„So ziehet denn hin, ihr Liedlein ſchlicht 
und innig, ın denen die Klänge aus der 
Jugendzeit wieder an mein Ohr jchlugen, 
die ihr mir den Mut froh und das Herz 
jung gemadt habt! Biehet hinaus und 
erflinget hell und frisch im jchönen Pfälzer- 
land!" jo wünſchen aud wir mit dem 
Herausgeber Dr. Heeger. 

Der Freude hat an heimischer Volks» 
art, wer in der Fremde die heimijche 
Scholle noch nicht vergeffen hat, wer ſein 
Bolt im Spiegel des Liedes ſchauen mill, 
der greife zu! 

Die Ausftattung des ftattlichen Bandes 
ift geichmadvoll und bezeugt, daß der Ber- 
leger fein beftes tat. Th. Bint. 





142 


Edelkafanien. 


In der Zeit, wo der neue Wein ge« 
feltert wird, reift auch in manchen Gegenden 
der Pfalz die Frucht eines Edelbaumes, 
deſſen Heimat eigentlich weit im Süden iſt, 
dort, wo die Bıtronen blühn, im dunklen 
Laub die Goldorungen glühn. Es ift die 
Edelfaftanie, melde, begünftigt durch 
dad milde Klima unferes Landes ih in 
vielen Gemarfungen verbreitet hat und auch 
jehr oft wildwachſend, ja jogar in ganzen 
Waldungen angetroffen wird. Dieje Süd— 
frucht mit ihren herrlichen, malerischen und 
ichattigen Bäumen zeigt ih) am Donnersberg 
in ihrer jchönften Ausbildung. Gemaltige 


Dannenfels, welches an 
Morgenhalde gelegen ift. Auch das Berg- 
gelände bei Alingenmünfter weiſt jchöne 
Kaftanienanlagen auf, welche teilmeile als 
Büſche und Haine auf bebauten Boden, 
mehrenteil8 aber mild, mie der große 
Kaftanienwald am Scloßberg, vorfommen, 
Die Früchte der wildwachſenden Bäume 


einer jonnigen 





klettern. 


Unterhaardt iſt der Kaſtanienberg bei Bad 
Dürkheim zu nennen. Die geſchützt ge— 
legene Mulde nad der Ebene zu und teil- 
weile die Ringmauergegend, welche gegen 
Dften fieht, zeichnet ſich durch viele mild» 
wachſende präditige Saftanienbäume aus, 
welche dort gleichfall8 ganze Haine bilden. 
Bei Neuftadt a. d. H. jehen wir ebenjalls 
viele Raftanienanlagen, jo am Nollen, mo 
dıefe Bäume faft bis zum Gipfel empor- 
Dichte, üppige Kaftanienmwälder 


' finden wir in der oberen Haardt auf dem 


find zwar etwas Fleiner, als auf dem be- 
bauten Lande, deshalb aber nicht minder | 
wohlſchmeckend. Beionders wegen des Laub: | 


ftreuwerfs und Holzes, welches fich für 
BWingertöftiefel und Balken vortrefflich eignet, 
werden die Raftanien wild gezogen und an 
Rainen und Plätzen, wo feine Reben und 
Fruchtfelder find, angepflanzt. Un der 





' Berggipfel der Marburg, auch Käftenburg 
‚ genannt. 
Kaftanienbäume jhmüdfen das jchöne Dorf 


Die SHaftanien werden, wie er: 
mwähnt, mit den Trauben reif und bilden 
eine angenehme BZufpeife zum Süßen umd 
Federweißen, wobei man fie gebraten ißt. 
Auf den Wiejen, wo die Hirtenbuben das 
Vieh meiden, brät fi) das Fleine Volk die 
„Käſchte“ im Feuer. Friſch gefocht, ge 
braten oder gedörrt wird die Frucht aud 
als beliebtes Gemüje zu Dürrfleiich und 
zum Gänfebraten genommen. Für viele 
Bögel im Walde ift die Saftanie eine 
Delikateffe. So legen fi bejonders die 
Nußhäher, wie man an der Ringmauer bei 
Dürkheim beobachten fann, ganze Vorrats- 
fammern in faſt unauffindbaren Verſtecken 
an. Im Yahre 1908 war die Kajtanien- 
ernte recht gut, während im Jahre 1907 
nicht viel zu jehen war. (Böhm.) 


Gemeindearcivalien. 


Im Jahre 1906 war den Gemeinden 
das Recht zugeltanden worden, ihre Archi— 
balien den Kreisarchiven zur Ber- 
wahrung zu libergeben, und es war ferner 
beftimmt worden, daß Gemeinden, die ihre 
Ardivbeftände in eigener Verwahrung be- 
halten wollen, fie aber noch nicht gehörig 
geordnet haben, zu ihrer Ordnung die Mit- 
wirfung des Kreisarchivs in Anſpruch 
nehmen fönnen. ine Entſchließung des 
ſt. Staatsminifteriumsd des Innern meift 
nunmehr darauf bin, daß vom 1. Sept. 
1908 ab beim allgemeinen Reihsardiv 
in München zwei eigene Beamte aufgeftellt 
find, die fi mit und neben den Streis- 
arhiven der Förderung " der Gemeinde- 





archive zu widmen haben. Die Entichließung 
gibt den Gemeinden die näheren Wege be: 
fannt, wie diefe Mitwirkung erfolgen kann, 
und führt im einzelnen aus, daß die Be 
ftimmungen im weſentlichen für fleinere 
Gemeinden getroffen worden find, daß aber 
auch größere Gemeinden, welche ihre Archive 
als wichtigen Beitandteil ihres Gemeingutes 
und als Quellen ihrer Geſchichte auf eigene 
Koſten verwalten lafjen, für gewifje Zwecke 
die Mitwirkung der Ardivbehörden erlangen 
fönnen. 

Nah einer den protefi. Pfarrämtern 
der Pfalz mitgeteilten Entſchließung der 
K. Regierung hat es fich gezeigt, daß in 


‚ den Bfarrgebäuden vielfah Gemälde, 


143 


Schränke ꝛc. vorhanden find, die ficherlich | dem Vorhandenfein derartiger Gegenftände, 


zu den betr. Gebäuden gehören, die aber 
mehrfach als herrenlofes Gut oder als 
Eigentum der Nutnießer betrachtet und 
auch veräußert werden. Es wird daher 
mit Rückſicht auf die Erhaltung der meift 
fünftlerifch oder hiftorifch wertvollen Gegen- 
ftände angeordnet, daß diefe inventari- 
fiert werden. Hinfichtlid der in den 
fatholiichen Pfründegebäuden befindlichen 
Gegenstände bat das bijchöflihe Ordinariat 
in Speyer die Pfarrvorftände angemiefen, 
ein Berzeihnis anzufertigen und ihm vor: 
zulegen. Die Bezirfsämter find beauftragt 
mworden, fich bei gegebener Gelegenheit von 


ihrer ungejchmälerten und unverjehrten 
Erhaltung und der Führung der Ber- 
zeichniffe zu Überzeugen und gegebenen Falls 
Bericht zu erftatten. Hinſichtlich der in 
proteftantifhen Pfründegebäuden etwa 
vorhandenen, nicht im Eigentum der Kirchen: 
ftiftung stehenden und als ſolche bereits 
in den Wmtsinventarien eingetragenen, 
fondern den Pfründeſtiftungen gehörigen 
Gegenftände wird im Benehmen mit dem 
K. Konfiftorium angeordnet, daß diejelben 
in den Inventaärien, jedody unter einer be- 
jonderen Rubrif als „Eigentum der Pfründe: 
ftiftungen” vorgetragen werden. 








Verſchiedenes. 


Für eine lebensvollere Geſtaltung 
des naturgeſchichtlichen Anterrichts in 
den Volksſchulen Hat die Berliner Stäbdtifche 
Scduldeputation Fürzlich eine dankenswerte Ans» 
regung gegeben, indem fie den Schulen die An- 
ihaffung eines Aquariums aus dem ihnen aus 
gejegten Lebrmittelfond empfiehlt. Es iſt ganz 
zweifellos, daß die Schüler durch die Beobad)- 
tungen, die jie an einem folchen mit Leben 
erfüllten Anſchauungsobjekt machen können, ganz 
bejonders, wenn fie auch bei der Pflege miıhelfen 
dürfen, erheblich ftärfer interejfiert und daß ihre 
Naturerfenntnis wie ihr Naturgefühl dadurch 
weſentlich bereichert werben. Es märe jehr zu 
wünjchen, daß der Gedanke nicht nur in Berlin, 
fondern überall, vor allem in ben bon der Natur 
durch eine große Atuft getrennten Gropftadt- 
fhulen in die Tat umgefegt würde. 


Andererjeitö bat das Großh. beififche Mini- 
ſterium kürzlich angeordnet, daß in allen ländlichen 
Fortbildungsſchulen die landiw. Naturkunde 
(Bodenkunde, Düngerlebre zc.) als obligatorifches 
Unterrichtsfach eingeführt mird. Bu dieſem 
Zwecke follen im Laufe der Monate September 
und Dftober in allen Streifen Heflens Bortrags— 
furje für Lehrer an Fortbildungsichulen abs 
gehalten werden. 


Das WVogelfchußgefeß in der neuen 
Faffung vom 30. Mai 1908 trat am 1. Sept. 
1. 38. in Sraft. Aus diefem Anlaſſe fei be- 
fonders auf die Beftimmungen ber $$ 3 und 1 
dieſes Geſetzes bingemiefen, die nunmehr im 
ihrem wmefentlihen Teile lauten: „In ber Beit 


— — —— — — — — — — — — — 





vom 1. März bis zum 1. Oktober iſt daß Fangen 
und die Erlegung von Vögeln ſowie der Un— 
kauf, der Verkauf und das Feilbieten, die 
Bermittelung eines hiernach verbotenen Ver— 
und Ankaufs, die Ein-⸗, Aus- und Durchfuhr 
von lebenden, ſowie toten Bögeln der in Europa 
einheimischen Arten überhaupt, ebenje der Trans: 
port folcher Bögel zu Handelszwecken unterfagt. 
Dieſes Berbor erjtredt fih für Meifen, Kleider 
und Baumläufer auf da8 ganze Jahr.“ Das 
Beritören und Ausheben von Nejtern oder Brut- 
ftätten der Vögel, das Zerjtören und Ausnehmen 
von Eiern, da8 Ausnehmen und Töten von 
ungen ift verboten. Desgleichen ift der An- 
fauf, der Berfauf, die Un und Berlauföver- 
mittelung, das Fyeilbieten, die Ein, Aus» und 
Durchfuhr und der Transport der Nefter, Eier 
und Brut der in Europa einheimischen Bogel- 
arten unterfagt. Zugleich ſei auch noch auf das 
Reichögejeg dom 29. Juni 1908 hingewieſen, 
wonach der Handel mit lebenden Bögeln zu 
unterfagen ift, wenn Tatfachen vorliegen, welche 
die Unzuverläſſigkeit des  Gemerbetreibenden 
dartun. 


Der Böhämmerjagd, dieſem von Aug. 
Beder in feiner „Hedwig“ fo anſchaulich geichil- 
derten Jagdvergnügen, wobei ald Waffe das 
Blasrohr und ald Geſchoß eine Kleine Lehmkugel 
biente, bat das demnächſt in Kraft tretende neue 
Bogelfchußgejeg ein Ende bereitet. (Pf. Tgztg.) 


Sernziele der Bugvögel. Die Feit- 
ftellung, daß die Zugdögel ungeheure Wande- 
rungen machen,” ift der Vogelwarte in 


— 14 — 


Empfang zu nebmen und unentgeltlich zur Poft 
zu bringen hatten. Gin mefentlihes Mittel, 
die Einfammlung der Korrefpondenzen zu er- 
leichtern und die Pojtboten-Anftalt der Land—⸗ 
bevölferung nutzbar zu machen, bildete die Ein- 
führung ber Brieffäften. Diefelben wurben 
zeichnet worden war, am &t Bahira in Tunis | auf often der Gemeinden angejchafft und unter» 
erlegt worden. Ein Storch tit fogar in Rhode- : halten und blieben deren Eigentum. Nach ber 


Roffitten in Oftpreußen jet zum erjten | 
fla wieder erfannt worden. Er war am 5. Juli Belanntmahung dom Kgl. bayer. Oberpojtamt 
| 


Mate gelungen. Ste batte im borigen Jahre 
eine Anzahl Zugbögel mit Zußringen bezeichnet. 
Die eriten der fo gezeichneten Bögel find jegt 
aus Afrika gemeldet worden. So ijt eine 
Roffitter Lachmöwe, die am 26. Yult 1907 ge- 


borigen Jahres in Köslin i. P. gezeichnet worden | für die Pfalz gez. Seiler, vom 16. September 
und trat am 25. oder 26. Auguft die Reife nad) | 1858 follten die Brieffäften den Vorteil gewäbren, 
bem Süden an. Der Storh wurde bei Fort daß die Ortsbemohner ben Poſtboten nicht ab- 
Jameſon geſchoſſen. zuwarten brauchen, ſondern jederzeit ihre Briefe 
N in ben verfchloffenen Brieflaiten legen können. 
Foftjubiläum. Die Pfalz fonnte am Durd) einen in dem Kajten angebrachten Stempel, 
1. Oftober 1908 ein Jublläum eigener Art be- defien Abdrud der Poſtbote an die Bofterpedition 
gehen, nämlid; das 50jähr. Bejtehen der zurüdbringen mußte, war zugleich die Garantie 
Landpojtboten. Bon diefem Tage an murde für die richtige Leerung bes Bricflaftens gegeben 
das durch die Verordnung vom 31. Yuli 1818 Die Einrichtung bewährte ſich fehr gut und im 
eingeführte Inſtitut der Landboten aufgehoben Jahre 1860 fand fie für alle Kreife Bayerns 
und deren ſamtliche Obllegentzelien den Poft- Einführung. Der 1. Dftober war aljo in Wirt: 
boten übertragen. Die DiitriftSgemeinden hatten uͤchten ein Poftjubtläum für die Pfalz. 
daher bie biöher an bie Landboten bezahlten 
ftändigen Gehalte von jetzt ab an bie F. Poft- Daß es fih bei der Fflege des BBbft: 
laſſe abauliefern, wogegen die Boftverwaltung | Baues um eime wirtfchaftlih wichtige Frage 
bie Berbindlichkeit übernahm, die Storrefpondenzen, | handelt, zeigt eine von der Gemeinde Weifjen- 
Alten und Geldfendungen der Kgl. Landkommiſ- | Heim a. ©. zurzeit bei der Landesobſtausſtellung 
fartate an alle foordinierten und fubordinierten | in Nürnberg ausgeitellte Tabelle. Nach biefer 
Behörden bes betreffenden Bezirkes, dann um- | wurden in Weiſenheim im legten Jahre geerntet 
gekehrt die Sorrefpondenzen biefer Behörden ; 10000 Bir. Kirſchen, 10800 Zt. Weintrauben, 
mit dem betreffenden Landfommifjariate und | 8000 Ber. Bmwetichgen, 7000 Ztr. Pfirfiche, 5000 
unter fich, fomeit biefelben Gegenjtände der | Ztr. Stachel- und Johannisbeeren, 4000 Bir. 
Polizei oder allgemeinen Bermwaltung betrafen, | Apritofen, 3000 Bir. Uepfel, 1700 Btr. Birnen, 
durch die Poſtboten und eventuell durch Ber- | 1200 Ztr. Pflaumen, Mirabellen und Reine 
mittlung ber 8. Boftanjtalten im Umfange jeden | klandes, 1000 Ztr. Erdbeeren 300 Ztr. Mandeln 
Landfommiffariatöbezirfes gebührenfrei beforgen | und Nüſſe, alfo im ganzen 52000 Btr. Daß 
und abliefern zu laffen. Die für das Kublitum auch der Obftbau an den Straßen lohnend if, 
wichtigſte Beftimmung des neuen Snjtituts war beweiſt eine graphiiche Darftellung aus dem 
bie, daß die Pofiboten alle Privatbriefe ohne | Diftrift Homburg. Während im Jahre 1901 
Ausnahme gebührenfrei an die Wöreffaten in | der Erlös aus dem an den Diftriltsitraßen an- 
den Gemeinden ihres Botenganges zu beforgen | gebauten Objt nur 2573 M. war, jtieg er 1908 
und ebenfo die dort aufgegebenen Briefe in | auf 7865 Marf. 











Inbalt: Stand und Entwidlung ber bayeriihen Montaninduftrie. — Zu dem angeblichen 
Betroleumvorfommen bei Beteröbächel. — Jahresverſammlung der „Bollichta”. — Die Turmruine 
in Odenbach, ein gefährbetes Baudentmal. — Die Ortögruppe des Pfälger-Wald-Bereins in Lupd- 
wigäbafen. — Lemberg- Turm. — Alt Heidelberg, das Schloß und feine Scidfale in drei Yabr: 
hunderten. — Wllerlei vom Tabak. — Rhein, Schiffahrt, Fifcherei. — Altertümer. — Literartiches. 
— Gbeltaftanien. — Gemeindeardivalien. — Berjchlebenes. 








Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern. 
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 
(Unverlangte Manujtripte werben nicht zurüdgefanbt.) 


Die „Prätzi tkunde* t {ich in 12 Heften ME. 2.50. Benell werden dom allen Buchtandi > 
— a hass —9 Berleger (Bortofreie ——— base) angenommen. — — 


Bfätilche Deimarkumde 


Honats[deift 
für Schule und Sbauıs. 


Mit 2 Bollbildern und 3 Abbildungen im Text. 





nn — Fünfter Jahrgang. 
1909. 


® 


Raiferslautern. , 
Drud und Verlag der Hofr-Buchdruderei Hermann Kayjfer. 


Nach den Namen der Verfafler alphabetiich geordnet. 


Inhaltsuerzeichnis. 


I. Auffäte. 


Für das vorliegende Inhalts: 


verzeichnis habe ich eine von der bisherigen Form abweichende, dafür aber nach meinen 
Erfahrungen dem praftifchen Bedürfnis beffer entiprechende Anordnung gewählt. 


Dr. Häberle. 


Anonymus, Abbe Richards Tätigkeit in der Pfalz als — — — — 


Wünſchelrute 


Böhm, Chr, Kardinal⸗Erzbiſchof Sohannes von Geiſel 


Böhm, J., 


Pfälziſche Wild- und Jagdbeobachtungen. 

Fränkiſche Gräber und vorgeſchichtliche Wohngruben in der Rheins 
Ueber die Mammuthe des Reinthals s 

Pfälziſche Berfammlungsorte in alter und neuer get 

Fränkiſche Gräberfelder am Mittelrhein 

Pflanzenihuß in der Pfalz . 

Ueber pfälziichen Vogelichuß . 


Brünger, 2, Unjere Dorflirchen 


Chrift, C * 


Die Fiſche des unteren Nedars 


Gauth, Ph., Unfer letzter Winter 


Gewitter und Hagelfälle in Sibentfehland 
Neues am Oktoberhimmel 
Mangs Univerjalfeldftecher 


Habermehl, K. Dr. Friedrich von Haufen, ein Landemann aus jernen großen 


Tagen (Auszug) . 


Häberle, D., Dr., Ueber die Erdjentung bei Brüden 


Die Naturverödung im Landjtuhler Bruch ’ 
Ueber das Vorkommen von Windlö ern („Fumarolen“) auf Spalten 


und Klüften im Hartgebirge. Mit einer Zeichnung . . (8), 37 
Dürre Hexen: oder Elfenringe auf den Wiejen bei Petersbächel 67, 88, 


Der „Mainzer Brunnen“ auf den tertiären B—— am —— 
berg bet Göllheim ; 


Ueber die Spuren alter Quedfilberbergwerte bei Münfterappel . 
Alte Eifengruben bei Waldmohr u. a. D. 


— er Nachrichten in — Die Walz gweibricker Borzellan. 
manufaftur 

Die Vorzüge der Ortslage von Altenglan. Eine Schilderung aus dem 
Jahre 1585 

Schneckenzucht in der Pfalz 


Die weftpfälziiche Moorniederung in ihrer Beziehung sur Kumpffläche 
(Beneplain) der Mittelpfalz. Mit 2 Abbildungen . 


Diineralguellen im Glantale . - 
Der Gutenbrunnerhof, ein vergeflener Badeort bei Trippftabt 


G 
2* 
— 
— 
* 


Häberle, D., Dr., Pfälziſches Baumaterial am Reichstaggebäude in Berlin 
— Ueber die angebliche vullaniſche Tätigkeit des ER im = 1729 
— Eine vergeſſene Felſenburg bei Bufenberg . 

Rampfmann, 2, Wanderungen pfälzifcher Ortichaften . 

Mehlis, E., Dr., Studien aus dem Pfälzer Wald E j 

a > m — — : Schneehöhen 

_ z ri 2 Die Heine Kalmit 

- Der Simburg-Dürtheimer MWaldprozeh 


Schiller, a Ortichaften in der u ia Pfalz Abrud aus dem 
älz. Memorabile 1873) 


Schmwangart, Dr, nn die Ziele der Ornithologiihen Geſellſchaft in Bayern 


se ESgerEbE 


IH. Zandeskundlidye Notizen. 


Verſuchsweiſe wird hier über die zerftreuten Notizen eine ' Toftematifche Ueberſicht 
gegeben. 


A. Allgemeines: Seite | Bevölterung. ©. 53, 125, 
Kartographie nn. zu | Polfskunde, 6. 142, 
Hiftor. Topographie » 1WVB | Wirtichaftlihe Kultur: 
Achivbenägtung » > 0. MR | Statiftil. ©. 27, 53, 144, 159. 


B6, 
118, 136, 139, 140, 1 160. 
Dbft: und Weinbau. ©. 4, MA. 
Fiſcherei. ©. 12, 36, 59, 104, 135, 158, 154. 
Forſt⸗ u. Denen: ©. 10, 59, 84, 87, 
%, B, %, 135, 142, 148, 155, 


B. Zandesnatur: 


Geologie. ©. 35, SL 88, 118, 148 
Hydrographie. ©. 32, 35, 60, 62, 68, 64, 65, 


| Landwirtihaft. ©. 8, 3, 
110, 141, 154, 155. 
| 
| 


Waflerverjorgung. ©. ®, 104, Bergbau, Hütten u.Salinenwefen. ©. 12, 
Klimatologie und Meteorologie. ©. 9, 21, | 28, 34, 52, BL 8, 131 148. 
34, 59, 62, 71, 87, 110, 120. | Gewerbe u. Induftrie. ©. 73, 76, 88, 88, 
Pflanzenwelt. ©. 12, 36, 47, 72, 84, 87, 97, 104, 108, 144, 
88, 119, 120, 129, 135. Handel und Verkehr. ©. 27, 34, 55, 56, 
Tierwelt. S. 9,11, 19, St, 29, 49, 76, 84. 85, | 64, 81, 127, 189, 145, 160, 
86, 91, 92, 3, 9, Yo, 36, 98, 104, | Beiftige Rultur: 
117, 131, 185, 136, 148, 1h4. Kirchen: u.Schulwejen. ©.24,34, 136,148. 
Aulturgeichichtliches. ©. 10, 36, 55, 60, 
C. Bewohner: | 73, 76, 78, 98, 194, 136, 182, 
Urgeſchichte. ©. 55, 1. | Bauweſen. ©. 0 14. 
Drtstunde. ©. 16, 24, 36, 60, 83, 87, 88, 135, Medizinalwefen u. Hygiene. ©. 98,99, 100, 
136, 140, 142. 143, 160, Militärwejen. ©. 78, 88, 108, 104, 186. 





Befiedelung. ©. 50, 52, &8. Touriftil. ©. 133. 


II. Berfchiedenes. 


Seite 
Fundchronik 34 88, 136, 142, 
Natur: und Dentmalfchuß . 5, 6, 7, 36, 49, &, 86, 87, 117, 120, 129, 134, 141, 149. 
Bereine und Mufeen . 25, 34, 60, 65, 71, 72, 81, 84, 87, 138, 136, 143, 154, 156, 158. 
Heimatlundliche Poeſie: 
Hoffmann, R. D., Heimatlieder . ; i ; Ä ‚ 145, 157. » 


Ruf, E., Dr., Gedichte . 18, 37, 8, 102, 108. 


Biographiſche Notizen: 


Seite | 
Auguſt Beder . .:. 29 | Ph. Peter Lingenfelder 
Erzbifchof Bettinger . .  . 70 Georg v. Neumayer . 
Louis Blenler . .  .0..108 Aug. v. Parfeval 
Friedrich v. Haufen . .  . 180 E. v. Reichmann 
Willi Koelſch 108 Karl Steinhofer 
Heinrich Leher. . 18 | j 


IV. Beitfchriften und Bücherfchau. 


Attenfperger, best , Seogenphiite Studien über die ———— — 
von Dr. 


Becker, U, Dr. K. J. — der Pfälzer Freund von 8. Mayer u. Juſtinus Kerner 
Chelius, E, Dr., Ueber die praftifche Anwendung und Verwertung der Geologie . 
Grujius, E., Ratalog der pfälziichen Heimatliteratur 


Führer - —— — vom Veniehes·Ausſchuß des Biälgermalde 
ereins 


Häberle we D., Dr., Pfälzifche  Biöiographie l: Die beolooiſche Siteratur der Balz | 


fprochen von A. R 
Häberle, D., Dr., Die Mark von Sippersfeld im Sabre 1019 


Häberle, D., Dr., Geologie und — der Mittel⸗ und Nordhart und ihres 
Vorlandes . 


Häberle, D. Dr., Auswanderung und Roloniegründungen der Pfälzer im 18. Jahr: 
hundert. Beiprochen von Th. Zink 


Heeger, & art u. war W., Boltslieder aus der Rbeinpfalz Beiproden von 


Heujer, E., Münzfunde in der Pfalz 1907/8 
Heymann, D., Dr., Die Entwidlung des Pfälzer Tabathandels feit den 70 Jahren 


Rarte des Pfälzerwaldes. 8 Blätter 1:50000. 7*5* vom zo aphiſchen — 
* erte Wege nach Aufnahme von H. K * * ⸗ 


Leuchs großes Landesadreßbuch für das Königreich — 
Pfälzer Bitzler. Gedichte in Pfälzer Mundart 


——— A., Dr., Die Organiſation des Rommunaltredits unter Tpegiele Be 
rüdfichti gung der Berhältniffe in der Rheinpfalz 


Stoltz, R., — — Bilder aus dem ———— Heſen. Veſprochen von 
äberle 


Echte — Aus der geitff „Deutfä Gaue⸗ 
Was liefert die Rheinpfalz? . ; 


LU) 


Nummer 1. 


Januar 1909. 


TPÄLZISCHE HEIMATKUNDE | 


MONATSSCHRIFT 


— 


FAA. 


FÜR SCHULE UND HAUS. 





— 


Ueber die Erdſenkung bei Brücken. 
Bon Dr. Häberle, Kl. Rech.Rat Heidelberg. 


In der Morgenausgabe der „Prälz. 
Preſſe“ vom 8. Aug. vor. Is. Nr. 219 
war von einer mellenförmigen Erd— 
ſenkung bei Brüden berichtet und im 
Anſchluß daran um eine Erklärung diejer 
Ericheinung eriuht worden. Daraufhin 
erihien in der Morgenausgabe vom 
12, Auguft vor. Is. Nr. 223 eine Notiz, 
daß es fich bei diefer Senkung vermutlich 
um einen Erdfall handele, der auf den 
Einfturz eines durch die auflöjende 
Tätigkeit des Waſſers entitandenen 
unterirdiihen Hohlraumesineinem kohlen« 
oder fchmwefelfauren Kalk, wenn nidt 
Salz haltenden Boden zurüdzuführen 
jei; mit Recht aber wurde dabei bemerkt, 
daß die richtige Beurteilung diejer Er- 
ſcheinung eine genaue Kenntnis des geo- 
logiſchen Aufbaues des betreffenden Ge— 
biete vorausjege. Um mir diefe nun 
an der Hand der geologiihen Starte 
(Blatt Zweibrüden) zu verichaffen und 
die Urfadye der Bodenienfung womöglich 
zu ermitteln, berührte ih auf einer geo- 
logiihen Erkurfion turd die Pfalz am 
19. Anguft 1908 auch Brüden. Hier 
fonnte ich unter der orts- und fach 
kundigen Führung von Herrn Lehrer 
Deubel und Herrn pen). Bergmann 
Braun I. folgendes feitjtellen: 

Unmittelbar am Dorfe erhebt fih in 
nordweitliher Richtung der Dieterberg, 


defjen Hänge fteil gegen die nah Ohm: | 


' deutlich in Ericheinung. 


bah Führende Straße abfallen. Der 
mittlere, im Weften durch den neuen 
Friedhof begrenzte Teil trägt zur Er— 
feihterung der 8 elderbeftellung mehrere 
Terraffen und führt den Namen 
Pfaffenböih, da er ald Zubehör zu 
einer benachbarten Kapelle noch bis zu 
Anfang des legten Jahrhunderts bewaldet 
war. y feinem unteren Zeil geht er in 
flachen Wielengrund, „hinter Pfaffen“ ge- 
nannt, über, in dem eine dag ganze Jahr 
fliegende Quelle entipringt. Der 
Böihungsmwinktel mag im Durchſchnitt 
30—40 Grad betragen, wird aber im 
oberen Teile des Abhanges allmählich 
geringer. Hier ziehen nun mehrere, teils 
der Gemeinde (Schule), teild Privaten 
aehörende Aeder entlang, in denen fid 
deutlid zwei verſchiedene Boden- 
bewegungen erkennen lafjen, trogdem 
durch die Bebauung das uriprüngliche 
Bild ſchon etwas verwiſcht ift. Die eine 
ift ein wannenförmiger, alljeitig deutlich 
begrenzter Einbrucd von 30 m Länge 
und 14 m Breite, der namentlich auf 
einer Seite in drei gut ausgeprägten 
Staffeln von 100, 30 und 60 cm gegen 
die Mitte abfällt. Meben diejer Ein: 
bruchſtelle tritt eine zweite Bodenbewegung 
In einer Breite 
von etwa 40 m laffen fi am Gehänge 
bis zu TO m abwärts verjchiedene als 
Staudungsericeinungen zu erklärende 


Aufmwölbungen des Bodens bis zu 80 cm 
Höhe, an anderen Stellen Ausbuchtungen 
der Terraſſen nadı abwärts erfennen, 
die nur auf ein allmähliches Abgleiten 
des Erdbodens zurüdgeführt werden 
können. Merkwürdigerweiſe ſind aber 
einige hier ſtehende Bäume nicht nach 
vorn übergeneigt, ein Beweis dafür, daß 
ſich die Bewegung bis auf das unter— 
lagernde Geſtein fortſetzt. Durch dieſes 
Abgleiten haben die Grenzen einzelner 
Grundſtücke bedeutende, ja mehr als 
meterbreite Verſchiebungen erfahren, deren 
allſeitig befriedigende Regelung ſicher mit 
Schwierigkeiten verknüpft ſein wird. 

Die Ackerkrume beſteht aus ſchwerem 
lehmig-mergeligem Boden, welcher aus 
der Berwitterung der grauen Schiefer 
der unteren Kuſeler (Börsborner) 
Schichten hervorgeht; dietieferen Echichten 
befigen, wie ich an friich aufgeworfenen 
Gräbern auf dem benachbarten Friedhofe 
feftitelen konnte, einen bedeutend 
ftärteren Mergelgehalt.e. Die Schiefer 
jelbft treten in dem am Friedhof vorbei— 
führenden Wege zutage und lafjen das 
ſtarke Einfallen der Schichten deut— 
lich erkennen. In ihnen treten ver— 
einzelte SKonglomerat: und Kalkbänke 
auf; eritere find in einem benachbarten, 
ſüdöſtlich gelegenen Steinbruh auf 
geichloffen, legtere (etwa 60 70 cm 
mächtig) wurden früher in ca. 1 km 
Entfernung am „Boſchert“ oberirdiich 
abgebaut. 

Dicht neben dem Einbruch wechſelt 
plöglich die Bodenbeichaffenheit: ftatt des 
Lehmes ftellt fi ein grobkörniger Sand— 
boden ein. Hieraus ergibt fich mit 
Sicherheit, daß die an diefer Stelle auf 
der geologiichen Karte verzeichnete Ver— 
— in der Richtung Nordweſt— 
Südoſt verläuft; parallel zu ihr bezw. 
von ihr ausſtrahlend ſind nun die meiſten 
Spalten und Riſſe angeordnet, die das 
vorftehend beichriebene Gelände durchſetzen. 

Wie mir Herr Lehrer Deubel mit— 
teilte, begann der Einbruch im Mat 1907 
und trat fchon damals durch Schief: 
neiqung der Kornhalme deutlih in Er- 
ſcheinung, aber erit im Februar 1908 
nahm die Bodenjenfung innerhab weniger 
Tage ihre jegige Form an; die Ab— 


gleitung und Aufwölbung begann jedoch 
erft im Februar 1908 und jegte mit 
dem Auftreten von Riſſen ein, ıft alſo 
nad der Bodenſenkung entitanden. 

Unzweifelhaft haben wir es bei 
legterer mit einem fogenannten Erd- 
fall, d. h. einer lofal beſchränkten, aus 
der Senfung der Erdoberflähe hervor- 
gegangenen Bertiefung zu tun, welche 
auf den Aulammenbruh eıned Bobl- 
raumes im Erdinnern zurüdzuführen ift. 
Solhde Erſcheinungen können ver 
ihiedene Urjadhen haben. Am 
häufigſten treten fie in Kalkjtein, Gips 
oder Steinjalz führenden Gegenden auf, 
da die unterirdiſch zirkulierenden Ge: 
wäfler jene Geſteine aufldöien und da- 
durch nah und nad immer größere 
Hohlräume ſchaffen, die, wenn ſie der 
Dberflähe nahe genug liegen, endlich 
einmal durch Nachgeben der Dede ein- 
ftürgen und infolgedeffen als Boden— 
jenfungen fich bemerkbar machen können. 
Solche Erdiälle befinden fih z. B. bei 
Böckweiler und haben im legten Jahre 
als angebliche Anzeichen weitausgedehnter 
Höhlen viel von fidh reden gemacht. 

Am vorliegenden Falle halte ich dieje 
Möglichkeit für wenig wahriceinlich, da 
die au an der gegenüberliegenden Tal— 
jeite auftretenden und bei Böräborn 
unterivdiih abgebauten Kalkbänke im 
Süßwaſſer zum Abſatz gelangten, nur 
eine ganz geringe Mächtigkeit (60— 70 em) 
befigen und außerdem die am Fuße des 
Abhanges austretende Quelle keine Epur 
von Kalkiinter ertennen läßt; ich mill 
jedoh nicht bejtreiten, daß auch durch 
Auslaugung von weniger mächtigen 
Kalkbänken ſchon Bodenfenfungen hervor: 
gerufen werden können. 

Eine weitere Möglichkeit wäre die, 
daß der Erdfall ald Binge (Tagebrud) 
d. h. als eine durch den Bujammenfturz 
eined alten ®rubenbaues entitandene 
Vertiefung wie fie in Gegenden mit 
altem Bergbau aufzutreten pflegen, zu 
eıklären fein würde. Da aber nirgends 
in dev ganzen Ungebung Halden vor: 
handen end, halte ich aud) diefe Deutung 
für hier nicht angebracht. Am richtigiten 
dürfte e8 wohl fein, die Erdienfung, wie 
auch ſchon an anderen Punkten nad 


gemwiefen, mit der oben beichriebenen 
Brud: bezw. Berwerfungsipalte in 
Beziehung zu bringen, da in dem ohne: 
bin ichon ſtark zerflüfteten Geftein das 
auflöfend wirkende Spaltenwafler nament- 
li beim Paſſieren von Kalkſchichten an 
folhen Stellen leichtered Spiel gehabt 
und die urfprünglihen Spalten zu Hohl: 
räumen erweitert haben wird. Nach 
Einiturz des Hohlraumes verloren dıe 
die Vertiefung begrenzenden mergeligen 
Erdmaffen ihren Zulammenhang mit 
dem höher am Hange mehr horizontal 
abgelagerten Material und kamen, ge: 
jättigt von der Wetterfeuchtigfeit auf 
den ftark geneigten Schichtflächen ins 
Bleiten; auch fernerhin werden fie in 
naſſen Sahrgängen ihre Bewegung nad 
abwärts unaufhaltfam fortiegen. 

Die ganze Erfcheinung nur als 
Rutſchung aufzufaffen, dürfte, ganz ab: 
geiehen von der charakteriſtiſchen Form 
des Eıinbruches, Thon deshalb nicht an- 
gebracht ericheinen, da dieſer ſich fait ein 
Jahr früher gezeigt hat, ald das Nb- 
gleiten begann. 

Derartige Eriheinungen find übrigens 
im Gebiet des Rotliegenden der Nord» 
weſtpfalz in Folge jeiner vielfach fteil 
einfallenden Schichten nicht ſelten. So 
laſſen ſich z. B. in der Gemarkung von 
Odernheim a. Glan an 2 Stellen ganz 
umfangreiche Rutichungen beobachten; im 





Waldbezirk „Klaus“, deffen teile Hänge 
von zahlreichen Riſſen durdifegt und an 
einzelnen Stellen ſchon mit verftürzten 
Erdmaſſen verdedt find, und in der Ge: 
wann „Borweiler“, wo jeit vielen Jahr: 
zehnten ein mächtiger Scuttfegel im 
langſamen Abgleiten begriffen tft und 
dadurch die nach Duchroth führende 
Straße deutlich ausgebuchtet hat. Seit—⸗ 
dem nun der Schuttkegel an ſeinem 
unteren Ende durch den Bahnbau an— 
geſchnitten iſt, ſind die mergeligen, mit 
verſtürzten Blöcken untermiſchten Maſſen 
bei ſtarken Niederſchlagen an der ſteilen 
Böſchung im ſtändigen Abrutſchen be— 
griffen gegen das alle von den Technikern 
angewandten Mittel verſagen nd ver— 
jagen müffen: ein folher Schuttkegel 
läßt fi ınfolge des Nachſchubs von oben 
auf den, in einem benachbarten Stein: 
bruch gut aufgeichloffen, itarf abfallenden 
Schichten einfach nicht aufhalten. 


Auch aus dem Bann von Kerzenheim 
wird von Ähnlichen Erdbewequngen be- 
richtet, wo fie zu dem Gewann-Namen „im 
Erdfloß“ Veranlaffung gegeben haben!). 

1) MW, Küftner, Material für eine Orts— 
chronik von Kerzenheim. Leininger Greichichts- 
Biätter 1908 2.62, Fußnote 48. — Herr Brof. 
Dr. Braun don der Univerfität Greifämwald ins» 
tereffiert ſich zwecks wifienichaftlicher Verwertung 
ſehr für ſolche Erdbewegungen und iſt für jede 
darauf bezügliche Mitellung dankbar. 





Die Waſſerdampfexhalation am Königsberg bei Menftadt a. H. 


Während der legten Jahre wurde 
in den Beitungen wiederholt über die 
BWafjerdanıpferhalation („Fumarole“) anı 
Königäberg bei Neujtadt beriditet und 
audh wir haben ſ. Zt. (Jahrgang 1905 
©. 22-23) davon gebührend Motiz ae: 
nommen. Als im Nov. 1908 dieje Er: 
ſcheinung erneut auftrat, beſchäftigten fich 
die Zeitungen von neuem damit und befon- 
ders der Neuit. Gen.-Anz. brachte darüber 
eine ganze Reihe von Artikeln (4. B. am 3. 
Nov ‚12. Dez. und befonders am24 Dez.). 

Den Anlaß zu dem legtgenannten, 
in weldhem die „Phänomene des Königs: 
berg3” eingehend im Zuſammenhang ge: 
ſchildert werden, hatte ein Aufiag von 


| 


Red. Rat Dr. Häbrrle von Heidelberg 
in der „Pfälziſchen Preſſe“ vom 22, De- 
zember gegeben, der unter Würdigung 
der örtlichen Verhältniſſe die Waſſer— 
dampferhalation für ein jogen. „Win ds 
loc“ erklärte. Eine andere Auffaffung 
vertritt Prof. Dr. Lepſtus von Darm: 
jtadt, wonach eventuell durch Spalten im 
Buntlanditein von unten ber wärmeres 
Grundwaſſer beraufdampien könnte, Be— 
vor wir uausführlicheres Über diefe Er- 
ſcheinung und ihre mutmaßlichen Urſachen 
bringen, wollen wir den zur Klärung dieier 
Frage für fommendes Frübjahr in Ausſicht 
geftellten Beſuch der betr. Stelle durch 


| die beiden genannten Herren abwarten. 


4 


Unlere Borfkircden. 
DBK. ®ir haben in deutichen Landen | 


Kleinodien der Baufunjt, die viele von 


und nidt fennen, und haben fie doc | 


jahraus, jahrein vor Mugen. Ich meine 
unjere lieben, alten, köſtlichen Dorftirchen. 
— Wie, die alten, einfachen Kirchen ohne 
Schmud, ohne einen geihichtlihen Stil, 
die nicht gotiſch, nicht romaniſch find, 
jollen Sleinodien fein? Ya, umd gerade 
weil fie jo einfach find, ohne Schmuck 
und Bier, meil fie weder gotiih noch 
romaniich fein wollen, darum find fie jo 
köitlich für den, der Auge und Herz der 
ſchlichten Schönheit öffnet. 

Ich will nicht den geichichtlichen Stil: 
arten ihre Schönheit abipredhen. O nein! 
Alle romaniihen und gotiichen Kirchen, 
die in der Zeit erbaut wurden, als dieje 
Rauftile entftanden und fih auswuchſen, 
reden eine gewaltige, Herz und Gemüt 
ergreifende Sprache zu und Aber ver 
achtet un der gewaltiaen Dome willen 
niht unjere lieben Dorffirhen! Sie 
haben ihre eigene Schönheit. Welcher 
ehte Mufitiveund würde die köftlichen, 
einfältigen Volkslieder gering ſchätzen, 
weil es Oratorien gibt? So iſt's aud 
nit den Kirchen. Solch eine fchlichte 
Dorfkirche ift wie ein inniges Volkslied, 
ungefünftelt und einfältig. Die aroßen 
romaniihen und gotiihen Dome aber 
find den kunſtvollen Oratorien gleich. 


Laßt uns aber auch von den alten 
Dorftirhen lernen! Die früheren Bau- 
meifter bauten einfah und beiceiden, 
wollten nichts anderes bauen als ein 
Gotteshaus im Dorfe. Wir aber, wir 
mwoDen etwas vorftellen, was wir gar 
nicht machen können. Wir progen aud) 
mit unjeren Gotteshäujern. Es ift er- 
ſchrecklich! Pfeiler banen wir aus Bad: 
fteinen und bemalen fie, ald wären es 
Sandfteinquadern. Gotiſch follen unſere 
Kirchen fein, ald ob wir modernen Men- 
ſchen noch den Geiſt der Alten hätten. 
Denn aus dem Geifte der damaligen 
Zeit find Bauftile entitanden. Wir find 
andere Menihen, wir find nüchterner, 
laſſen den Berftand mehr walten als 
das Gefühl. Deshalb muß aud natur: 
gemäß alles, was wir machen, nüchterrer, 


fachlicher fein, als die Werke früherer 
Zeiten. Wollen wir aber in der Weile 
der Alten bauen, fo wirten unfere Bau- 
werke tot und kalt. Die Fornen bilden 
wir nad, ängſtlich genau, aber es fehlt 
dad uriprünglihe Leben. Die Alten 
haben fih auch nidt ſklaviſch an ein 
Mufter gehalten, jondern fie haben frei 
geichaltet mit den in ihrer Zeit gebräuch— 
lihen Bauformen, die ein Ausflug ihres 
inneren Lebens und Empfinden® waren. 

Wurde aber in irgend einem Dörflein 
eine Kirche gebaut, fo fchufen die ein- 
heimifchen Bauleute aus der landes- 
üblihen Baumweife heraus das Gottes: 
haus und holten ihre Borbilder nicht 
aus einer längitvergangenen Zeit oder 
aus einer fremden Gegend. So find die 
mwunderlieblichen Kirchlein entitanden, ein 
Schmud der Landichaft, weil fie in die 
Landſchaft paflen. 

Ich wollte, ich könnte den Leſern all 
die lieben Kirchlein in Bildern vorführen. 
Aber wer ein Gefühl für ſchlichte Schön- 
heit hat, wird ſchon von ſelbſt auf fie 
achten und fih an ihnen freuen. Wer 
fein Verftändnis dafür bat und aud 
keins gewinnen will, dem ift auch durch 
Bilder nicht zu helfen. Dem geht aber 
eine Fülle edelfter und feinfter Genüfje 
verloren. Solch ein Menih wird aud 
ferner ruhig zujehen, wenn die jchlichte 
Schönheit unierer Kirchen erbarmungs- 
los zeritört wird, wie es leider jo vft 
geſchieht. Da fieht man 3.8. Fachwerk— 
firdhen, die inwendig ausgemalt find, als 
wären fie aus mächtigen Ganditein: 
quadern erbaut, und als wären die 
Wände unten herum bis zu ein Meter 
Höhe mit Teppichen behangen. Ya, daä 
„nad etwas ausſehen ſollen“, die lüg— 
neriihe Progerei, das ift der Fluch 
unferer Aultur. 

Die Lüge ſcheut fich jelbft nicht vor 
dem Altare, oder find Fünitlihe Blumen 
aus Bapier, Bleh und Draht keine 
Lügen? Ich Tage, es find zu Körpern 
gewordene Lügen! Aber wıe oft findet 
man fie noch auf den Altären, wo wir 
do nur in die volle, blühende, grünende, 
duftende Natur hineinzugreifen braudyen. 


— — 


Jeden Sonntag ein friiher Strauß auf | aud nicht im Gotteshauſe, aber Wahr- 
dem Altar, im Winter ein grüner | heit ift nötig, vor allem im Gotteshaufe, 
Tannen- oder Gtechpalinetzweig, tie | Können wir die großen Fehler an unjeren 
lieblıh und fchön! Wem das aber zu Kirchen nicht ändern, jo laßt uns die 
mühlam ift, der laffe allen Blumen: | Meinen werigftens bejeitigen. 

ſchmuck weg Schmuck ift nicht nötig, 2. Brünger (in der Pf. Roſch.) 





Matur- und Altertumsſchuth. 


m Anichluß an unfere Mitteilungen ſoll derjelbe in legter Zeit ins Innere 

im Doppelhefte des vorigen Jahrganges | geihafft worden fein. Sollte es nicht 
möchten folgende zwei Grörterungen | möglich jein, daß man fich an fonıpetenter 
aus der „Pf. Pr.” von Intereſſe fein. | Stelle einmal hierfür intereffiert und 
Gerade im Weſtrich haben mir zmei | vielleiht auch einmal verſucht, die Sool- 
Beilpiele, die vielleicht in Frage kommen | quelle, die momentan anjdeinend durch 
könnten, wenn es fid darum handelt, | Hınzutritt von Tagwaſſer und Bernad: 
inwieweit die Verwaltungsbebörden ein | lälfigung wertlos ift, wieder aufzufinden? 
Recht der Einmiihung geltend maden | Der Echmefel- ꝛc. Gehalt joll ja früger 
dürften. Vor allem iftes der Remigius- | aanz bedeutend gemweien ſein. Mit der 
berg, nad dem einft die ganze Gegend | Gejellihaft wäre ficher zu verhandeln. 
den Namen „die Hemigiuslande“ erhalten | Ein mwarnendes Beiipiel haben wır an 
bat und an den ſich jene bekannte Sage | der benadhbarten Lichtenburg. Wäre das 
— oder auch Tatſache — betreffs Ber- dankenswerte Eingreifen von Seiten der 
ſchenkung dieſes Landes an den Bilhof | Behörden vor 40-50 Jahren ſchon er- 
Remigius durch den Frankenkönig Ehlod- | folgt, jo wäre jedenfalld die Erhaltung 
wig knüpft. Zum Berdruffe jedes Wan- | leichter und die Ausgabe hierfür be- 
dererd und Einheimifchen, der eimger: | deutend geringer. Berfügungen jollten 
mapen Sinn für die Denkmäler früherer | nicht nur erlaffen, jondern auch gehand- 
=” bat, iſt zwiſchen der Ruine habt werden. — Die Genteindeverwal- 

ihelöburg und der Kirche ein Stein» | tungen des Alienztales 3. B. wurden vom 
bruch angelegt worden, ſodaß die Ber- | Bezirksamt Rodenhauien in einem Rund» 
bindung diejer beiden Bauwerke voll- | fchreiben erfucht, darauf zu achten, daß 
ftändig zeritört it. Mit Bedauern ficht | die Außenwände der Gebäude, nament- 
man bier, wie wenig ale Aufforderungen lich in den Ortichaften längs der Allenz- 
und Berfügungen helfen. Sollte es | bahn, nicht mit aufdringlihen Plakaten 
nicht möglich gemweien jein, hier behörd- | beflebt werden, da dadurch das ſchöne 
licherſeits zu verhüten, daß dieie beiden | Landichaftsbild ſehr beeinträchtigt werde. 
alten harakteriftiihen Baudenfmäler und | Bor allem wendet ſich das Rundſchreiben 
deren Umgebung der Nachwelt jo er- | an die Gemeindevorftände und weiſt fie 
halten bleiben, wie fie einft geweien find? | an, mit allen Mitteln darauf zu dringen, 
— Ein anderes Berfpiel iſt das Bad | daß derlei Plakate nicht mehr an Stellen 
Diedelkopf bei Kuiel, das der „Bade- | angebracht werden, wo fie ftörend wırfen. 
geſellſchaft Diedelkopf” uehört. Dieied | Ebenio wird angeordnet, auf die Ent- 
Bad wurde vor Kahrhunderten durch | fernung der vorhandenen Blafate bedacht 
Ein Grafen (Ehriitoph von Beldenz?) | zu fern. 
gegründet und Liegt gegenwärtig dem 
Verfalle anbeimgegeben. Ein ſehr —— Alpeugarten. 
janter Stein mit vielen Wappen und Die wiſſenſchaftliche Geſellſchaft in 
der Inſchrift Über die Auffindung der | St. Gallen hat dem „Geogr. Anzeiger” 
Soolquelle und Errichtung des Bades | zufolge den Plan gefaßt, im Säntis- 
ftand lange Jahre im freien der Ber- | gebiet einen großen ſchweizeriſchen 
witterung preisgegeben. Wie man hört, | Alpengarten anzuleaen. Auserſehen it 


dazu ein jüdlih vom Hohen Kaften mit 
herrlihem Ausblick nad dem Rheintal, 
1700 Meter hoch gelegenes, mit prächtigen 
Legföhren und Wlpenerlen beitandenes 
Feleplateau. Diefer Alpengarten joll 
nad jeiner Bollendung ein Bild des ge- 
famten Pflanzenlebens der Schweiz dar: 


Bie „Aaturverödung“ 


Shut des Landihaftsbildes und der 
Naturdenkmäler ift jegt die Lojung, und 
eigene Behörden lafjen ſich deren Pflege 
angelegen jein; bald ift e3 ein ehrwürdiger 
Baum, bald eine Felsgruppe, bald eine 
feltene Tier- oder Pflanzengattung, die 
zu ihrer Erhaltung einer rasen Hand 
bedarf. Scheinen doc vielfach menid 
fiher Unveritand, Mangel an Bildung 
und nicht zulegt da® Streben nad Ge— 
winn fich geradezu vereinigt zu haben, 
um die urſprüngliche, natürlıhe Land— 
ſchaft nicht allein zu verändern, fondern 
jogar zu vernichten. Durch den Eingriff 
der Behörden wird jegt aber doch ge: 
Bindert, daß nicht alles, was an Die 
Bergangenheit erinnert, der nıvellieren: 
den Tätigkeit des Menſchen (Ausnügung 
der Wafjerkräfte, Anduftrielle Anlagen, 
Kultivierungsarbeiten, Wajjerlaufforref- 
tionen ufiw.) zum Opfer fällt.') 

Auch in der Pfalz jind dieje Beilre- 
bungen auf fruchtbaren Boden gefallen 
und haben befonders den Wunſch geiwedt, 
einzelne Refervate zu ichaffen, wo die 
urjprüngliche, durch eine immer ıintenjiver 
betriebene Land- und Foritwirtichaft in 
ihrem Fortbeſtand bedrohte Tier- und 
Pflanzenwelt jih für die kommenden 
Geichlechter zu behaupten vermag. Schon 
1904 hatte Brof. Dr. Yauterborn in 
den Mitr. der Bollıhia (Nr. 19, 5. 46 
bis 48) angeregt, in unierer Heimat eine 
Anzahl charakteriftiiher Lokalitäten als 
derartige Aiyle zu ichügen und hierfür 
in Vorſchlag gebradt: Eine der zahl: 


) ®. Eigner, Naturpflege in Bauern (Ber: 
öffentlihungen bes Bayertichen Landesausſchuſſes 
für Naturpflege Nr. 3) Münden, 7. Lindauer 
:Schöpping: 1908. 127 8.8. 1 Mt. Ebenſo 
unfere diesbezügliche Beiprehung in den beiden 
legten Heften bes vorigen Jahrgangs. 


ftelen. Bon ihm aus foll jpäterhin die 
Bergwelt mit den im Ausſterben be- 
griffenen Wipenpflanzen neu  befiedelt 
werden. Auch jollen in diefem alpinen 
Garten Hocgebirgspflanzen aus anderen 
Gebirgen und Erdteilen heimiſch gemadht 
werden. 


im Sandfiuhler Brad. 


reihen Rheininjeln mit Aumwald und an- 
grenzendem Altwafler, ein Stüd Wieſen— 
gelände in dem alten Rheinlauf zwiichen 
Schıfferitadt und Dannjtadt, die wenigen 
noch übrig gebliebenen Felſen von Terttär- 
kalk zwiſchen Dürkheim und Grünitadt 
ald vereinzelte Standorte kalkliebender 
Pflanzen, feuchte, quellenreihe Schluchten 
im Brälzer Wald, ein Strich Torfmoor 
und endlich eın Stück Berowald am 
Donnersberg. Drei Jahre ipäter kam 
Reg.-Rat Eigner auf denjelben Ge— 
danken zurück (HRitter-Nummer Des 
„Brälzer Waldes’ vom Dftober 1907) 
und machte eine Anzahl baheriſcher 
Pflanzenhorte namhaft, die ausdrüdlich 
al» Naturdentmäler bejtummt, den von 
der furtichreitenden Kultur bedrängten 
jeltenen Pflanzen eine ungejtörte Heimat- 
jtätte zu bieten vermögen. Zum Schluß 
berichtete er von dem Projekt, auch auf 
dem Donnersberg ein Naturichußggebier 
zu bilden. Ob dieſer Plan ınzwiichen 
zur Ausführung gelangt tft, entzieht ſich 
meiner Kenntnis, vordringlicher ſcheint 
mir jedoch der Schug eines Gebietes im 
Lanpjtuhler Bruch zu jein. Kaum eines 
Menichenalters wird ed noch bedürfen, 
um dort dad charafteriitiiche Landſchafts— 
bild dur die planınäßig fortichreitende 
Kultivierung zu vernidten. Die ur: 
iprünglıd über das Gebrüh ald Stand 
ort von Bäumen inſelartig zeritreuten 
Maulwurfs Haufen ähnlichen Felsrüden 
(Schaden: Wal’parzelle) werden einge 
ebnet, die langgezogenen Dünenmwälle 
zur Auffülung abgefahren, und in ab- 
jehbarer Zeit die legten Torfitrihe aus— 
gebeutet; damit muß aud die dem Ge: 
brüh eigentümliche Pflanzenwelt ver 
ihwinden. Unter dielen Umjtänden iſt 
es die höchſte Zeit, eın, wenn aud nur 


wenige Hektar großes, jedoch charak— 
teriſtiſches Gebiet als Naturdenkmal zu 
beftiinmen und jo für die Nachwelt zu 
retten. Prof. Lauterborn hat bereits 
als Rejervat für die Pflanzenwelt einen 
Strih in der Richtung gegen Homburg 
vorgeihlagen; auch in der Nähe der 
Moordammühle dürfte fich ein geeignetes 
Gelände finden laffen. Namentlich er 
ſcheint mir der ijolierte, hHiftorifch merk: 
mwürdige Felsrücken bei der genannten 
Mühle, welcher aller Wahricheinlickeit 


nad) bereit8 1359 von Kurfürft Ruprecht 
al8 Standort für die mit Genehmigung 
Kaiier Karls IV. anzulegende Burg 
„Kaiferdgrund“ auserfehen war, ſowie 
der Dünenrüden beim Borfignal der 
Station Einfiedel der Erhaltung wert. 
Hoffentlich neichieht bald etwas, ehe die 
von allen Seiten heranrüdenden Sul: 
tivierungsarbeiten den legten Meit dieies 
eigenartigen Landſchaftsbildes zum Ber: 
ſchwinden gebradıt haben. 
Dr. Daniel Häberle. 


Gegen die gemnflerten Bementziegeldächer. 


Seit einigen Jahren hat eine Neue 
rung in der Dachbedeckung Eingang ges 
funden, die wohl mander tief bedauert, 
Es find die Zementziegeldächer mit Buch— 
itaben, Fahreszaglen und Muſtern in 
Ichreiend bunten und häßlichen Farben: 
— — Ein einziges ſolches 

ach genügt, um das Bild einer an— 
mutigen Ortſchaft zu ſchänden. An vielen 
Orten bemühten ſich die Pfarrer und 
Lehrer und andere einſichtige Menſchen, 
die Hausbeſitzer von einer derartigen 
Verunſtaltung ihres Hauſes zurückzu— 
halten, aber meiſt vergeblich. Nun jteuern 
in einer Reihe deuticher Staaten erfreu- 
Licherweife die Behörden durch den Zwang 
des Gejeges ſolchem Unfug. Den An- 
fang damit hat Preußen gemacht. Nach— 
dem zuerjt die Kreiſe Schmalkalden, 
Münfterbera und Süderdithmarſchen 
velbitändig Maßnahmen gegen die bunten 
Däder auf Grund des Berunitaltungs- 
geieged von 1907 ergriffen hatten, gab 
das preußiihde Minifterium der 
öffentlihen Arbeiten im Auguſt 1908 
einen Erlaß heraus, in dem darauf hin— 
gewiejen wurde, daß $ 1 des Berunital- 


Sinniges 


Nah LZeitungsberihten joll dem 
weiland Kardinal-Erzbiihof Jo— 
bannes von Geißel in jeinem Heimat» 
orte Mußbach-Gimmeldingen eine 
Gedächtniskirche erbaut merden. 
lleber die Lebensgeichichte diejed um die 


tungsgeieges gegen die bunten Dächer 
anwendbar fe. Im September folgte 
Sachſen-Weimar mit einem Erlaß 
ähnlichen Inhalts, defjen bemerkenswerter 
Schlußſatz folgendermaßen lautet: „Den 
anderwärtd gemachten Erfahrungen nad) 
zu ichließen, würde es übrigens aud den 
beteiligten Fabrifanten nur erwünſcht 
jein, die zeitraubende und wenig lohnende 
Fabrikation der bunten Dadjiteine bei 
zurüdgehender Nachfrage einichränfen zu 
können, jo daß alſo mindeitens in diejem 
Falle ein Widerftreit äjthetiicher und in- 
duftrieller Intereſſen nicht befteht.” In 
Württemberg waren inzmwildhen die 
Dberämter Sulz und Oberndorf dem 
Uebel durch bejondere Verfügungen ent- 
aegengetreten. Und nun bat aud 
Sahjen: Meiningen in gleiher Sade 
einen Erlaß herausgegeben. Ueberall 
wird ed mit Freude und Dank begrüßt, 
daß die Behörden beftrebt find, die All: 
gemeinheit gegen dieje Beleidigungen des 
Geihmads in Schug zu nehmen. Cs 
ift zu wünjchen, daß die Übrigen deutichen 
Staaten den angeführten Beiipielen bald 
folgen. (K. in M. N. N.) 


Denkmal. 


Pfalz verdienten Mannes ift zu berichten: 
Als Sohn einfaher Winzersleute er- 
blıdte Johann Jakob Geikel in dem am 
Fuße des mächtigen Königsberges ge 
legenen Dorfe Gimmeldingen am 5. Febr. 
1796 das Licht der Welt. Er war nad 


beendeten Studien PBrogymnafiallehrer 
wa. auch an dem vom Pfarrer Jakob 
Mayer in Edesheim errichteten Lehr- 
Amftitut. Später Domherr, dann Biſchof 
von Speyer, wurde Geißel im Jahre 
1841 vom König Ludwig von Bayern 
den König Friedrich Wilhelm IV. von 
Breußen empfohlen. Er wurde fodann 
Coadjutor des Erzbiſchofs Drofte-Biiche- 
ring von Köln und im ahre 1845 nad 
defien Tode jein Nadfolger. Als Führer 
der Würzburger Verſammlung 1850 er: 
warb er fih ſolche Berdienite um die 
Selbitändigkeit feiner Kirche, daß er im 
jelben Jahre zum Kardinal ernannt 
wurde. Aucd Später ftand er mit der 
preußiichen Regierung ſtets in gutem 
Einvernehmen. Er ftarb am 18. Sep- 
teınber 1864. Bei jeinen Landsleuten 
erfreute er fi einer großen Popularität. 
Auguft Beder ichreibt Über ihn: „Johannes 
Geißel war ein Mann vom Schlage der 
alten gbibelliniichen Biſchöfe, eine hohe 
imponierende Geitalt, in der ein reicher 
Geiſt und ein von Patriotismus be- 
jeelter Sinn wohnte.“ Kardinal von 
Geißel war aud ein hervorragender 


Hiſtoriker und Schrüffteller. Das zeigen 


befonders jeine trefflihen Monographien 
über pfälziihe Geichichte. „Der Kaiſer— 
dom zu Speyer” und die durd die 
vielen urfundliden Anmerkungen wert: 
volle „Schlacht am Hajenbühl, oder 
das Königskreuz bei Göllheim.“ 
Letztere beiden Abhandlungen ſind ohne 

weifel in die erſte Reihe pfälziſcher 

chriften zu ſtellen. Durch die Abhand- 
lung über die Königsſchlacht bei Göll heim 
dokumentiert v. Geißel feine hohe Bater- 
landsliebe. Diele Schrift, welde jenen 
merkwürdigen Sronerfampf nad den 
Duellen erzählt, wurde um 18 Kreuzer 
verkauft und der Meinertrag dazu ver: 
wendet, den Ankauf ded Grunditüdes 
beim Königskteuz zu bewirken, das da- 
mals der Bernihtung anheim fallen 
follte. Als Subitribenten meldeten ſich 
jeinerzeit ca. 2800 Berfonen aus dem 
Rheinkreife und 3300 aus dem Herzog- 
tum Naſſau. Durch die Energie Geißels 
und den Opfermut der Buchabnehmer 
konnte das altehrmürdige Denkmal deut- 
iher Geidhidte, „Das Königskreuz 
bei Göllheim“, erhalten werden. 


(Böhm, ind. Bf. Pr.) 





Einfchränkung des Wein-, Hopfen: und Hanfbaues. 


Die vielen Mißjahre und der dies. 
jährige, faft völlige Ausfall der Wein- 
ernte haben in verichiedenen Orten der 
Taubergegend die Winzer veranlaßt, 
feine weiteren Rebanlagen berzuitellen 
und ältere Weinberge auszubauen. 
Das betreffende Gelände joll dann zu 
Baumanlagen und zum Anbau von 
Kartoffeln und —E— Verwendung 
finden, wobei ziemlich ſichere Ernten und 
reichere Erträge erzielt werden können. 
— Dieſe Abkehr wird auch manchen 
unſerer Pfälzer Weinbauern zu empfehlen 
jein, beſonders wenn fie „Lagen“ betrifft, 
die fi ohnmedies wenig zum Weinbau 
eignen. 

Die andauernd ſchlechten Hopfenpreiie 
veranlaßten im Schlettitadter Kreiſe in 
Baldenheim, Ohnenheim uſw. die 
Dopfenanlagen zu beſeitigen. 
Sue Zeil will man zu einem intenfiveren 


Obſtbau übergehen, der viel geminn- 
bringender zu werden veripricht und nicht 
jo großen Schwankungen unterworfen 
ift, wie der Hopfen. 

Auh das Shidfal des Hanf— 
bauesin Elſaß-Lothringen ſcheint 
endgültig beſiegelt zu fein; er ſcheint 
völlig auf dem Wusiterbeetat zu ſtehen 
und es ift überraichend, in wie kurzer 
Zeit ſich dieier Prozeß vollzog. 1878 
wurden im Rande noch 4081 Hektar mit 
Hanf beftelt. Auf dem Lande fehlte 
nod in feinem Haufe das Spinnrad, 
und die jungen Mädchen der reichiten 
Familien waren ftolz auf ihre Fertigkeit 
im Cpinnen und hielten darauf, mög- 
lichſt viel jelbftgeiponnenes Zeug in ihren 
Käften zu verwahren. 15 Jahre jpäter 
waren es nur noh 944 Hektar, die 
hierfür in Kultur genommen wurden, 
und 15 Sahre ipäter, 1908, war aud 


Zn Er ie 


diefe Zahl noch weiter gelunfen, auf | Hanf, der dem ruffiihen überlegen ift, 
98 Hektar, eine jehr geringe Fläche für | eine große Nachfrage vorhanden iſt. 
ein Land von der Größe Eliak- | Der Rüdgang im Anbau tft im ganzen 
Cothringens, und das ift um fo be- | Rande ziemlich gleihmäßig erfolgt. 1878 
merfendmwerter, da jeit dem Niüdgange | waren im Unterelſaß 2622 Hektar ge- 
der ruſſiſchen Hanfkultur die Preije für | baut, 1908 67 Hektar. Für das Ober- 
dieſes Produkt jtändıg in die Höhe gingen | eljaß find die Zahlen 552 Hektar und 
und vor allen bei der Vorliebe der | 18 Hektar, für Lothringen 97 Hektar 
Marineverwaltung für den hiefigen | und 13 Hektar. 





Aaubwild. 


In legter Zeit mehren fih die Mel- | fort bi8 Herr Ludwig Bindewald von 
dungen aus der Kirhheimbolandener Biſchheim durch einen wohlgezielten Schuß 
Gegend, wonah hie und da Wild. | denjelben zu Boden ftredtee Bon allen 
ihmweine auftaudhen. Auc das Raub- | Seiten eriholl ein Hurrah, und das Ab- 
zeug kommt aus jeinen Schlupfmwinfeln | feuern der Gewehre verkündete dem 
hervor. In kurzem Zwiſchenraum konnten | Wilde den Tod feines jyeindes. Der 
fürzlih in unjerer nädjiten Umgebung | erlegte Wolf wog 70 Pfund und hatte 
zwei flattlihe Wildfagen geihoffen | einichließlih der Rute eine Länge von 
werden. Auch aus verjchiedenen anderen | 1 Meter 42 Eentimeter. Das Fell diejes 
Orten der Pfalz wird derartiges gemeldet. | legten Räubers in Kirchheims Jagd— 
Da ift es gewiß von Intereſſe zu er- | gründen eriftiert nod und zwar befindet 
fahren, daß früher auh Wölfe in | fih die Jagdtrophäe in noch gut er— 
unferen Waldungen hauften, von denen | haltenem Zuſtande im Befige des Herrn 
der legte im Jahre 1874 erlegt wurde. | Wilh. Rıtterspad) in Kirchheimbolanden.“ 
Ueber den Berlauf diejfer aufregenden | Am 13. Oktober fand in der Biſch— 
Wolfsjagd gibt das „Nordpf. Wochen: | heimer Gemarkung eine ſeltſame Jagd 
blatt’’ (die enge „Pfälziſche Preffe”) | auf Schwarzwild ftartt. In der Richtung 
in feiner Nr. 19 vom Februar 1874 | von Stbeöheim her fam ein Wild 
eine amüjante Schilderung, aus der wir | ſchwein angerannt, verfolgt von einer 
folgendes abdruden: Schar Kartoffelausmader, die mit Karſt 

„Kirhheimbolanden, 11. Febr. | oder Sellſcheit bewaffnet war. Durch 
Geſtern entledigte fich die hiefige Jagd- „hurrah, hufja, eine Sau!“ madten die 
Gejellihaft eines der ungebetenen GBäfte, | Ermüdeten die näditen Leute darauf 
die ſchon jeit geraumer Zeit Schaf | aufmerfiam und fo gelangte das Xier 
herden und Wildftand beunruhigten | in den Bad, etwa eine Aderlänge unter: 
und in bedenkliher Weiſe reduzierten. | halb der Kupfermühle. Dajelbit ver: 
Um 1 Uhr des Nachmittags traf die | fäumte es fi ein wenig und man konnte 
Nachricht ein, daß ein Wolf nahe der | näher kommen. Nachdem das Schwein 
Ochſenwieſe eingefreist ſei. Sofort | den Bad zweimal bejudt und verlaffen 
machten fi die Schügen zu Wagen und hatte, wurde ed außer demjelben er: 
zu Fuß auf den Weg nad dem Plage, | ichlagen. Es war ein Seiler von ca, 
wo fi das Tier lagerte. Als ſämtliche 100 Pfund Schwere. Daß es bei dieler 
Shügen und Treiber ihre Plätze im | außergewöhnlichen Jagd nicht an komi— 
größtmöglicherRuhe eingenommen, gingen | chen Szenen fehlte, läßt fid leicht denken. 
die Treiber vorwärtd. In demtelben | So kam jchließlich, ald das Tier ſchon 
Momente wurde auch ſchon der Wolf | jein Ende gefunden, Einer mit einer 
vege und trabte vorfichtig durch das | roftigen Flinte atemlos herbeigeiprungen, 
Treiben. Durd einen Schuß von Herrn brachte aber ftatt des PBulverhorns — 
Bürgermeifter Ritterepah fichtlih ge: | die Schnapsflaiche mit. (Si non e vero, 
troffen, jegte der Wolf jeinen Lauf noch | e bene trovato.) 





10 


Pfälzer Bolz! 


Bon den pfälziihen ftaatlihen und 
auch von vielen ftädtiihen und privaten 
Baubeamten und Arcditeften wird bei 
Neubauten die Berwendung von 
pfälzer Kiefernholz unterjagt, 
obwohl das pfälzer Kiefernholz dem 
Tannen: und Fichtenholz aus dem 
Schwarzwald nicht nur gleichfommt, ſon— 
dern ed an Qualität übertrifft. Es ift 
faft unglaublih, aber wahr, daß jelbit 
an neuerbauten pfälziihen Forſt— 
häuſern (Silz, Hofitetten, Dernbad 
ulm.), welche inmitten des Pfälzer Waldes 
mit den jchönften Holzbeftänden ftehen, 
Iihwarzmwälder Holz verwendet wer- 
den mußte. An der Volkeéheilſtätte bei 
Ramberg mußte auch ſchwarzwälder 
Holz verwendet werden, obwohl damals 
in Bergzaberner Waldungen Hunderte 
der ihönften Tannenftänme, durch Wind- 
bruc angefallen, recht billig verkauft 
werden mußten, da die eventuellen Lieb- 
haber feine richtige Verwendung dafür 
fanden. IAn der Volköheilftätte hätte ein 
großer Zeil derjelben vorzügliche Ver— 
wendung finden können, wenn nidt 
ſchwarzwälder Holz vorgeichrieben worden 
wäre. — An das Bellengefängnis in 
Zweibrüden durfte nur oberbaye 
riihes Bauholz verwendet werden, ob- 
wohl pfälzer Bauholz billiger angeboten 


| holzaufträge und ſomit 


war; fogar für ein Quantum Fichten- 
Iparren, die von Oberbayern nicht ſcharf— 
fantig genug geliefert waren, wurde der 
Erjag aus pfälzer Fichten abgelehnt, ob- 
wohl ver Lieferant damald nus dem 
Forſtamte Johanniskreuz im Befige von 
großen Duantitäten Fichtenjtangenbölzer 
war, die den oberbayeriihen an Qualität 
fiher nicht nadjftanden. Wie weit in 
diejer Beziehung die Bureau 
fratie getrieben wird, bemweilt, daß 
an eben dieſem Bau für die Gefimie 
und Dadgauben, alio für Stellen, wo 
das Holz den Witterungseinflüffen viel 
mehr ausgeiegt ift, ald das zugededte 
Bauholz, prälzer Kiefernholz verwendet 
werden durfte. Ferner wird, wenn bei 
Fußböden größere Anſprüche geitellt 
werden, Kiefernholz vorgezogen, auch die 
Eirenbahndirektionen geben bei Brüden- 
und Waggonhölzern Kiefernholz vor den 
Tannen den Borzug. Obmohl dıe Bau- 
tätigfeit im Laufe des Jahres 1908 nicht 
ehr groß war, jo hätten dod die mit 
Bauholzichneiden beichäftigten pfälziichen 
Sägewerke ıhr Rundholz ziemlich unter: 
gebradt und könnten jegt wieder ala 
Käufer auftreten, wenn nicht die Bau- 
pfälziſches 
Geld in den Schwarzwald wan— 
dern würden. 


Aus vergangenen Tagen. 


1.$nder Kirche zu Münchweiler 


wurde, wie wir hören, ein bisher von der 


Kanzel verdecktes und durch mehrfachen 
Kalkanftrih faſt unfenntlih gemadtes 
Denfmal freigelegt. Es ıft im 
Renaifjanceftil gehalten und befigt nad 
dem Urteile von Sadjverftändigen einen 
hohen Aunftwert und realen Wert, obmohl 
ed einige Bejchädigungen erlitten hat. Das 
ihön fomponierte Kunftwerf zeigt einige 
Öruppenbilder, eine Reihe von Einzel- 
figuren und 10 Wappen. Cs handelt ſich 
vermutlih um ‚ein Denfmal des gräflichen 
Haufes von Flörsheim. Das Denkmal ſoll 
demnächſt an geeigneterer Stätte aufgeftellt 
werden. 





2. Auf der Gewanne Galgenberg bei 
Aljenz ift die Stelle, an der ſich früher 
der Galgen befand, aufgefunden 
worden. Der eingerammte untere Teil des 
Galgenftänders ift noch vorhanden und gut 
erhalten, 

3. Wie aus Breitenbach gejchrieben 
wird, find diefer Tage unweit des benad- 
barten preußifhen Dorfes Lautenbad 
beim Kiedgraben mehrere, zumteil noch gut 
erhaltene altertümliche Töpfe 2c. gefunden 
worden. Am Donnerdtag wurden nun 
unter Leitung des hiezu eingetroffenen 
Direktors des Trierer hiſtoriſchen Mujeums 
weitere Ausgrabungen vorgenommen umd 
dabei bı8 jegt 4 Römergräber auf 


gededt. Man fand außer Töpfen und 
Umen eine Lanzenipige, Streitart, ver- 
ſchiedene Agraffen ꝛc. Nach Anficht der 
die Ausgrabungen leitenden ftammen dieje 
Funde aus der Zeit des Kaiſers Auguftus. 
Schon frühere Funde wieſen auf die Mög- 
lichkeit bin, daß in unferer Gegend vor 
2000 Jahren römiſche Anfiedlungen be- 


ftanden hatten; dieſe Annahme erjcheint 
nun endgültig beftätigt. 
4. Unter einer großen Steinplatte 


wurde in Diedesfeld kurz vor Weih— 





Ornitbologifhe Notizen: Der Kranich in 
Deutfhland. Wenn e8 noch eines Bemeljeö 
dafür bebürfte, daß der Bufammenhang des 
modernen Menfchen und insbefondere des 
Städterd mit der Natur in bebauerlich hohem 
Grade zurüdgegangen ift, jo könnte man ein 
vereinzelte, aber fchlagendes Beijpiel aus einem 
Aurfag berleiten, den WUlerander von Padberg 
im neuejten Heft ber Monatsjchrift „Natur und 
Offenbarung” über den Kranich veröffentlicht 
dat. Eine Umfrage würde zmeifelloß ergeben, 
daß bie meiſten Leute, fogar unter den „Ge: 
bildeten”, dat Borfommen des Kranichs in 
Deutfchland überhaupt nicht kennen oder für 
eine außerordentliche Seltenheit halten. Jeden⸗ 
fall& werden die Perfonen unfchwer zu zählen 
fein, die fi erinnern, einen Kranich außerhalb 
eines zoologifchen Gartens gefehen zu haben. 
Trotzdem Hat diefer Bogel nad ben legten Feſt⸗ 
ftelungen in Deutſchland 411 Brutpläße, bon 
denen ber weitaus größte Teil auf die nörd« 
lien und djtlihen Provinzen Breußens ent— 
fällt. Auch in Medlenburg iſt ber Bogel noch 
als gleich häufig zu bezeichnen. Wllerdings find 
nur no 330 Brutitellen Beute noch bewohnt, 
aber die Bahl der in Deutfchland baufenden 
Franichpaare wird Immer noch auf 1300 bis 
1400 gejhägt. Diefer Umjtand tft für ben Natur— 
freund erfreulich ald eine Tatſache, daß bie 
Kultur der Mutter Natur doch noch nicht bie 
in alle Winfel mobelnd und zerftörend gefolgt 
tft; denn ber Kranich niſtet nur an Stellen, 
wo er bor dem Menſchen einigermaßen ſicher ift. 
Solche Pläge Hält er mit Zähigkeit feit, ſodaß 
die geograpbifche Bertellung der Kranichneſter 
jegt mwabrfcheintich ein immerbin noch ähnliches 
Bild zeigt wie früher. Uchrigen® gehört ber 
Kranich zu den flügften Bögeln und wird im 
allgemeinen auch zu ben nüßlichiten Xieren ge: 


11 


nadten im Drötjchgarten beim Umgraben 
des Wingerts von Mitbürgermeifter Gies 
das mohlerhaltene Skelett eines aus- 
gewachjenen Menſchen von beträchtlicher 
Stärfe und Größe aefunden. Für diejen 
Winter ift e8 mit dem Skelett der dritte 
Grabfund, dazu kommen die Grabfunde 
von früher an diejer Stelle, jo daß mir 
es hier mit einer förmlichen Begräbnisftätte 
zu tun haben, die Sacdfundige in die 
fränkiſche Zeit verlegen. 


—— — — — — — —ñ — — — e —— — — — — — — — —— na 


rechnet, weil feine angebliche Liebhaberel für 
junge Saat durch feine Feindichaft gegen Enger- 
linge, andere Inſekten und allerhand Ungeziefer 
reichlich aufgervogen wird. Die Berühmtheit, die 
ber Stimme des Kranichs durch die Schillerfche 
Ballade vom Ibykus zuteil geworden iſt, Hat 
volle Berechtigung, denn fein Ruf tft Höchit 
Harafterlitiich und kräftig, und wer einen Kranich 
zu ſehen befommt, wird wohl am eheſten durch 
fein Ohr auf ihn aufmerkſam gemacht werben. 
— Im Dezember wurde in Hornbad ein 
intereffantes Naturfhaufpiel beobaditet. 
Allabendlich beim Eintritt der Dämmerung famen 
Taufende von Raben und Krähen aus allen 
Windrichtungen berbeigeflogen und ließen ſich 
in den Waldungen an ben Abbängen bes Trualb- 
tale8 ober auf ben hoben Bäumen beöfelben 
nieder, um ber Nachtruhe zu pflegen. In ber 
Morgendämmerung erhoben fie ſich wieder, 
machten unter großem Geſchrei einige Flug— 
übungen, jplelten gern und jagten fich im Kreis 
fliegend, um bald darauf nad ihren heimatlichen 
Benaten zurückzukehren. — Die falte Winter- 
toitterung bradite an die Wäfjerchen bes Lauter- 
tales im Januar einen zahlreichen Zuzug bon 
Wildenten, fo daß die Waidmänner reiche 
Ernte halten konnten. — Bogelfhug. Mit 
großem Intereſſe verfolgt man an der Mittel- 
haardt tatfräftige Verſuche des Deidesheimer 
Buͤrgermeiſteramts zur Beſiedelung des Weln- 
berg« und Gartengeländes mit Meiſen nad dem 
Syitem von Berlepfh. Nachdem die Spaten: 
plage beträchtlich eingefchränft war, mar bie 
Mehrzahl der in biefiger Gemarkung hängenden 
ca. 500 Niſthöhlen M bereit im Frühjahr und 
Sommer 1908 von brütenden Meiſenpärchen 
bezogen, und eben zeigen ſich die erſten greifs 
baren Erfolge. So wurden am 29, Dezember 
1908 ein Schwarm bon 70—90 meiſt Blau, 


12 — 


meniger Kohlmeiſen, in der Weinbergslage Tal | Erſchließung ift der neue Schadt „Pelfen“ be- 


ca. 900 Meter öftlih vom Oſtrande des Haardt- 
gebirges beobaditet, die ſtundenlang Stod für 
Stod bie fchmachverichneiten Weinberge nad 
Inſekten abſuchten Die Unmaſſen der vor- 
bandenen Sauerwurmpuppen fcheinen jegt ihre 
Anziebungsfraft auf die Meiſen nicht mehr zu 
verfehlen. Genau bie gleiche Beobachtung wurde 
in den Weinbergslagen Kieſelberg und Haflert 
gemadit. Die Meiſen benützten ſtets bereinzelte 
Obſt- und Mandelbaume als Stüßpunfte. Um 
noch größere derartige Meifenfchwärme ſtets in 
Bereitichaft zu haben, müßten bie ganzen öſt— 
lihen Teile des Haardtgebirge8 nad und nad 
mit den Nijihöhlen U behängt und überall mehr 
Bäume gepflanzt werden. Un Spagen wurden 
in 1907 bier 1058 a 2 ®Pig., in 1908 1225 a 3 
Pfg. abgeliefert. Ab 1. Januar 1909 werden pro 
Stüd 4 Pig. vergütet. Die drei metjtabliefernden 
Berfonen erbielten noch befondere Brämien. 

S6 zucht. In der Fiſchzuchtanſtalt Loher— 
mühle bei Kreuznach trafen im Dezember 
20000 einjährige Zander ein, die im der 
nädjften Zeit in der Nahe auögefegt werden 
follen. &benjo wird bald eine große Zahl ein- 
jähriger Schleien und Karpfen ausgefegt werben. 
— Um den Fiſchbeſtand im Rhein und 
feinen Nebenwäflern zu beben, und um dem 
Publikum den Genuß einer billigen und ba“ei 
ſehr nabrhaften Fleiſchnahrung zu verichafien, 
ſah fi die Großh. badiihe Domänendireftion 
veranlaßt, in genennte Sewäfler auf der Strede 
von Mannheim bis warlöruße 100000 junge 
Karpfen und Zander einzufegen. 

Ansgedentele Grude Am 1. Dezember 1908 
bat eine der älteiten ®ruben bed Suarreviers, 
die Grube Geiklautern, ihren Betrieb 
eingefteilt, da ihre Koblenlageritätten voll- 
ftändig erjhöpft find. Schon im 16. Jahrhundert 
find Kohlen dort gefunden worden, boch wurde 
ein regelrechter Betrieb erſt 1771 eröffnet. Seit 
einigen Jahren war die Bergmerfädireftion be- 
mübt, Erfag für das abgebaute Feld zu ger 
winnen und hatte damit vollen Erfolg. 


Zur | 


Dnbalt: Ueber die Erdienfung bei Brüden. 
tumsſchutz. — Die „Naturverödung” im Landjtuhler Bruch. — Gegen bie 
ziegeldächer. — Sinniges Denkmal, — Wein:, Hopfen- und Hanfbau. — 


ftimmt, der auf dem rechten Ufer ber Roflel, unmeit 
des Dorfes Ludweiler liegt Durch diefen Schacht 
twird die jog. Roſſeler Fettkohlenpartie erichloffen. 

E. Pie Mofe obne Pornen. Bon 
einem Gartenbautechnifer wird ber Fr. Bing. 
geichrieben: In Nr. 451 Ihres Blattes bringen 
Sie eine Notiz, nad) welcher eine Schülerin bei 
„Katiforniichen Blumenzauberers*, Luther Bur- 
bank, das Blumenreich um eine neue Barietät 
bereichert Habe: um die Rofe ohne Dornen. 
Hiezu möchte id; bemerken: Das Berdienit, die 
Rofe ohne Dornen zuerſt gezüchtet zu baben, 
gebührt einem Deutſchen. Bor etwa 5 Zaren 
gelang es dem Rofenzühter Mar Deegen in 
feiner Baumſchule zu Köitrig in Thüringen durch 
Kreuzung eine Roje zu gewinnen, deren Zmeige 
auffallend wenig Stadheln aufzumeifen hatten. 
Ich fage Stadeln, denn entgegen dem be- 
fannten Sprichwort befigt die Rofe kein: 
Dornen (umgebildete Zmeige oder Blätter), 
fondern Stacheln (Auswüchſe der Oberhaut). 
Bei diejer Roſenſorte jteigerte fih die Abnahmt 
der Stacheln von Generation zu Generation, bis 
fie Schließlich diefe natürlichen Schutzorgane vol: 
ftändig einbüßte. Die ſtachelloſe Roje ſoll ibre 
bewaffnete Schweiter an guten Eigenfchaiten 
übertreffen; wegen ihres fräftigen Wuchfes imd 
ihrer Widerftandsfähigkelt gegen Roſtkrankheiten 
wird fie dem Gärtner bei der Beredlung aus- 
gezeichnete Dienjte ermetjen. 


An unfere verehriidien Mitarbeiter. 
Un medrfachen Anfragen gerecht zu merden, 
teilen wir mit, daß wir erft mit Beginn des 
neuen Jahrganges wieder in die Qage veriegt 
find, unferen geehrten Mitarbeitern baldigen 
Abdrudibrer Beiträge zuzuſichern. De 
Raumerfparni® wegen mußten am Schtuffe det 
borigen Yahrganges vier prächtige Bilder joger 
auf eigenen Blättern beigegeben werden. Wr 
bitten unfere Gönner und Mitarbeiter um freund: 
liche fernere Unterftügung durch Einfendung von 
Originalbeiträgen. D. Scr. 
— Uinfere Dorfkirchen. — Ratur- und Wlter- 


emujlerten Zemen 
aubmwild. — Wiälse 





Holz. — Aus vergangenen Tagen. — Ornithologifche Notizen. — Fiſchzucht — Ausgebeuten 


Gruben. — Die Roſe ohne Dornen. 
Schrifileiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl 


— Bermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Verfaffer verantwortlich. 
(Unverlongte Manuftripte werben nicht zurüdgefandt.) 


Die „BRäIKUIde Heimatkunde“ Toftet jährlich in 12 Heften MT. 2.50. Werellungen werden von allen Buchhandlungen = 
Boftanftalten ferner vom Berlener (Bortofreie Streifbandiendung) angenommen. * 





V. Jahrgang. Nummer 2 u. 3. Februar u. März 1909. 


L/ 


\PFÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 














— ot Sarlstal. > — 


Bon Dr. C. Bufd. 


Gegrüßt, du herrlich Stückchen Pfälzer Erde, 
Romantiſch Waldtal, liebli-ftil, verträumt, 
Wo murmelnd über grünbemoofte Felſen 
Die Moosalb ihre muntern Wellen ſchäumt! 


So weltfern ziehen deine Schattengänge, 
Am Elaren Bach entlang, um Bergeshöh'n, 
Schlank ragen Buchen aus der Felſenenge, 
Ihr Dämm’rungsfrieden jo unfagbar ſchön. — 


Fernab vom Weg, drauf laut die Menge haftet, 
Sucht' einft ich deinen fühlen Schattenhain 
Auf ftillen andachtsvollen Wanderpfaden — 
Durd; maiengrünes Laub glitt Sonnenfcein. 


Umrankt von traulid-alten Minneſagen 
Sah zeitenftolz in's Tal der Wildenftein 
Und jeine dunkelsernften Trümmer lagen 
Umglüht vom legten Abendſonnenſchein. 


Wenn aud die Burg in Trümmer längft zerfallen, 
Verheert von Streit, vom Zahn der Zeit zernagt, 
Noch klingt wie Wehlaut durch die Buchenhallen, 
Was man vom hohen Schloß all fingt und jagt. 


Bald küßte Abendfriede die Gefilde, 
Des „Eifenhammers” Glödlein fang durch's Tal 
Und durd die ſchwanken Zweige, weich und milde 
Stahl zitternd fid) de8 Mondes Silberftrahl. 

















14 


Wanderungen pfälziſcher Ortſchaften. 
Bon 8. Kampfmann, Waldfiſchbach. 


Im Pfälzer Lande zählen eines Ortes 
Lage, Name und Bannſcheide zu jenen 
Dingen ım wechſelreichen Daſein der 
Geſchichte, die keiner Wandelbarkeit unter: 
worfen find. Für den hügeligen Weit 


rich aber trifft diefe Iandläufige Anichau- | 


ung nicht zu. Hier haben fih nicht nur 


| 
ı 


Dentmünzen in der Geitalt von Flur— 
nanıen geben davon heute noch Zeugnis; 
fie heiten im Tal bei Altichmirshauien“ 
und „oben an Altſchmitshauſen“. Wäh— 
rend fih bei Schmitshaulen der Orts— 
wechſel zu Beginn des 16. Säfulums 
vollzog, war jener des Dorfes Bieders- 


die Ortsmarken im Zeitenlauf durd das | hauſen ihon vollendete Tatjache, denn 


Eingehen vieler Dorf Weiler und Hof: 
fiedlungen geftredt, hier änderten nicht 
nur vtele Wohnitätten ihren Namen, 
fondern vielen derielben widerfuhr das 
Geſchick, daß ihrer Eritlage im Tal eine 

mweitfiedlung auf der Höhe folgte. 

ieje Musnahmeericheinung dev Wande- 
rungen ganzer Orticaften von Tal zu 
Berg läßt fich namentlich im Bereidy der 
Sidinger Höhe und bei einigen Dörfern 
im Gebiet des Buntianditeins nachweiſen. 

Am eriterwähnten Bezirk, der im 
Mittelalter den Namen „numwe Land“ 
führte, erfuhren die Orte Biedershaujen, 
Gerhartöbrunn, Knopp, Krähenberg, 
Deartinshöh und Schmitshauſen eine Um— 
geitaltung ın der Weile, daß aus Tal— 
dörfern und Muldenweilern dur Um: 
fiedlungen volfreihe Höhorte entitanden. 
Dieje Behauptung läßt ſich teild aus ge- 
ſchichtlichen Überlieferungen, teils aus der 
bewußt vollzogenen Anderung einzelner 
Ortsnamen erhärten. 

So beridtet T. Stella, der erite 
Geometer des Zweibrücker Landes, auf 
Seite 256 ſeiner im Jahr 1564 gefertig— 
ten Oberamtsbeſchreibung,“) daß „alten 
Schmitshauſen unter Schmidshauien 
an der Walalben gelegen und nod bei 
Menſchen Gedenken mwüft worden jei, 
dieweil man der Dungfeld halben namen 
Schmidshauſen darüber auf den Berg 
gebauet hat“. Zu Anfang des 16. Yahr- 
hunderts alfo wars, als die Schmitshauſer 
Gemeinsleute den engen, unmirtlichen 
Talgrund der Wallalbe verließen, um 
auf der nahen Höhenzunge gefunder und 
bequemer gelegene Wohnitätten zu 
ihaffen. Die Erinnerung an die Erit- 
fiedlung ift noch nicht erloichen. wei 


*) Kal. Rreisarhiv Speyer: eibrüder 
Domonialalten Rr. 1. * 


T. Stella erwähnt gelegentlich in ſeinem 
Oberamtsbuche, daß der Imgarten im 


alten Bidershauſen liege. Da dieſer 
Gewann:Name ſich heute noch unter 
dem Namen „Bienengarten“ vorfindet 


und als ſolcher jene quellenführende 
Mulde bezeichnet, die fih gegen das 
„Tiefental“ öffnet, fo darf wohl dieſes 
Ortes Urfiedlung bier angenommen 
werden. Die Zweitſiedlung aber war, 
wohl wegen Wafjermangel, nur zu einer 
Hangfiedlung gediehen, eine Stedelart, 
welche für Menih und Bugtier glei 
läftig iit. Darum verließen zu Mitte 
und Yusgang veritrihenen Jahrhunderts 
viele vermögende Ortseinwohner ihre 
Behöfte am Bergeshang und ſchufen, nah 
den Bergrüden, neue Wirtichaftsgebäude. 
Hiedurch gliederte fih an die alte umd 
dermalen einzige, von Süd nad Mord 
ziehende Straßenzeile eine neuzeitliche, 
von Weit nah Dit ji ftredende Orts— 
ftraße an. Diefer Ort ift in feinem 
Streben, die Höhe gemach zu erflimmen, 
biß heute noch nicht zur Ruhe gekommen 
und defjen Hangmwohner bejeelt nur der 
Wunſch, jo wohlhabend zu werden, daß 
fie ihre läftig gelegenen Häuſer verlaſſen 
und fi auf der Höhe anfiedeln könnten. 
— NAud der von einem Obitbaumkranze 
umbegte Höhenort Gerhartäbrunn 
ift eine Neufiedlung, entitanden zu Aus- 
gang des 16. Jahrhunderts, Er iſt her— 
vorgegangen aus dem Taldörflein Sums- 
bad. Weil im Jahr 1601 legtmals der 
„Beretsborner- oder „Sumsbader 
Gemarkung““*) urkundlich gedacht wird, ſo 
ſchließe ich, daß der Mutterort Sumsbach 
in genarnter Zeit ſchon verlaſſen, das 
Tochterdorf Gerhartsbrunn aber bereits 


(* Bergl. L. Kampfmann, die Wüſtungen ber 
Sübmefipfalz, Bweibrüden 1908, S. 14. 


gegründet war. In Gerhartöbrunn ift das 
Gedenken an dieje Anfiedlung noch nicht 
erloihen und man erzählt fi dort: Ein 
Jäger namens Gerhart wäre der Erſte 
gewejen, der die Talenge des Sumsbaches 
verlaffen und fih an der Höhenquelle 
im heutigen Ort dauernd anfällig ge 
macht habe. Nach und nad) jeien die 
andern Hübner feinem Beilpiele gefolgt. 
Eingedent diefer Erlöjertat habe man die 
Neufiedlung nad jenem Weidmann be- 
nannt. — Martinshöh wird in mittel. 
alterlihen Briefen jtet8 Mertenicher oder 
Mertensher genannt; erjt mit Anbruch 
der Neuzeit taucht es in jeiner derzeitigen 
Schreibweiſe auf. Ach vermute daher, 
daß auch diefem Dorf eine Ortsänderung 
beichieden war. Dieje Annahme wird 
durch bedeutungsvolle Flurnamen diejer 
Marke, wie „Gadem“ und Hüttenmwäld- 
chen unterjtügt. 

Auch der Höhenort Krähenberg 
teilt das Geſchick der Borgenannten. 
1589 nad) Krähenborn benannt,*) erhielt 
er bei jeiner zuende des 17. Jahrhunderts 
erfolgten Neubefiedlung jeinen derzeitigen 
Namen. Nocd Heutzutage wiſſen defjen 
Drtsinfaffen ihres Dorfes Urfig im 
Muldengrund „am Krähenborn“ anzu— 
geben. Weil der auf einem Bergvorfprung 
gelegene Dit Knopp niemals in mittel» 
alterliden Urkunden genannt wird, jon- 
dern erit um 1700 in die Geſchichte ein» 
tritt, jo ſchließe ich, daß damals viele 
Hübner des Dorfed Labady den jeicht- 
gründigen, fteilabfallenden Talgrund 
der Laubah verließen, um auf dem 
Knopf des nahen Höhenrüdens, der aus 
frudtbarem „Budboden“ bejteht, ſich 
dauernd niederzulafjen. 

Daß aud den beiden Bundenbad, 
fowie den Orten Mörsbach, Gers— 
bad, Fehrbach, Bottenbah und 
Seelbad eine Umfiedlung widerfuhr, 
läßt fit aus der Unftimmigkeit zwiſchen 
Ortslage und ———* erhärten. 
Ein des Landes Unkundiger wird vor— 
bezeichnete Höhſiedlungen im Tal zu 
finden hoffen. 

Während bei ſämtlichen vorgenannten 
Drtichaften der Urfiedlung im Tale eine 
Zweitfiedlung auf Höhen fi anreihte, 

*, Bol. 8. Kampfmann a. a. ©. ©. 7. 


laſſen fih an der alten @eleitöftraße 
Metz — St. Ingbert — Kaiſerslautern — 
Frankfurt zwei Dörfer nennen, die 
innerhalb ihrer Gemarkung die Wohn 
pläge wedjelten. Es find dies die 
Dörfer Kirkel und Limbad. Ums 
Jahr 1500 nämlich verließen die Ein- 
wohner des uralten KHirchdörfchens 
Bolkersfirhen diefen Ort und zogen 
unter die Feſte Kirkel, ind Tal. Dies 
bezeugt T. Stella auf der 259. Geite 
feiner Amtsbeſchreibung mit den Worten: 
„Volkerskirchen, weldes etwa vor Zeiten 
ein Dorf gewejen, ift abgangen, dieweil 
jeine Inwohner alle unter Kirkel in den 
Tal gezogen find.” 


Das urjprünglide Limbach lag 
einftend? am linken Bliesufer, dort wo 
fih zurzeit das Dorf Altftadt befindet. 
Aber ihon um 1400 fiedelten ſich diejes 
Dorfes Einwohner am redhten Bliesftaden 
an. Dieje merfwürdige Tatfache bezeugt 
eine aus dem Jahr 1434 ftammende 
Urkunde,*) worin der beiden Limpad 
„in der alten und neuen Stat” gedadıt 
wird. Bekräftigt wird vorerwähnte Auf- 
zeichnung durd das Zeugnis T. Stellas, 
der auf Seite 357 feines Oberamtsbuches 
berichtet, daß ein Flurteil, die alte Statt 
genannt, Limpach gegenüber gelegen und 
wohl daher feinen Namen gewonnen 
habe, weil vor Zeiten eine alte Stadt 
da gelegen hat, wie ſolches wohl zu 
glauben ift, dann es dafelbft umher zu 
beiden Seiten der Bad eine feine und 
luftige Gelegenheit hat.” 


Es liegt nahe nad den Gründen zu 
forihen, die diefe Ortöwanderungen be» 
dingten. Ihrer find mehrere Im 
Siedeleifer zur Staufenzeit waren mande 
Orte dadurd faljch gelagert worden, daß 
fie in wohl wiejenreiche, aber aderarme, 
enge Seitentäler zu liegen kamen. Als 
dann ſpäter diefe Wetlerfiedlungen zu 
Dörfern ſich dehnen wollten, gebrad) es 
neben den erforderlichen Nahrungsquellen 
auh am nötigen Raum. Ferxner er- 
fannten dieje Talwohner beim Übergang 
der Wirtihaftsordnung von der nahezu 


"a. tz, Die Urkunden bed ehemaligen 
—— loſters Wörfchweiler bei Zwei⸗ 
brücken Nr. 421. 


reinen Viehzucht in den intenfiven Ader- 
bau die Ungunft ihrer Siedellage und 
fie verlegten ihre Wohnungen auf die 
nabgelegenen, tiefgründigen Kalkbänke 
der Höhe. Dadurd Hatten fie neben der 
bequemeren ie ihrer Ackerflächen 
den weiteren Borteil erlangt, daß die 


Neufiedlung nun inmitten der Ortsmarke 


fih befand. Kirkel mag wohl deshalb 
entftanden jein, meil die Volkerskircher 





Schirm unter der Felte gleihen Namens 
erhofften. 

An jenen Zeiten ging der Ortswechſel 
ganzer Gemeinden auch deshalb leichter 
Sen harten. weil die Hübnerhäufer meijt 
rohgezimmerte, einftödige Fachbauten 
waren, die, wenn noch braudbar, leicht 
ab- und mieder aufgeichlagen werden 
fonnten. Bei dem ausgeprägten Ge— 
noffenichaftsfinn jener Tage half die 


Neufiedlung in jenen unrubvollen Zeiten | Geſamtgemeinde ohne Entgeld am Werf. 





Fiſchbach in alter Beit. 


Auf den Überreften des Kloſters Fiſch— 
bach, weldes zulegt Kurfürft Karl von 
der Pfalz im Jahre 1682 der ihm ver: 
wandten Herzogswitwe Maria von Sim: 
mern als Wohnfig anmies, erhielt fich 
fpäter das Jagdſchloß der Grafen von 
Wartenberg, bei dem fich ein von hohen 
Baliffaden umgarterter Tiergarten befand, 
in dem man eifrig dem edlen Weidwerfe 
oblag, beſonders jeitens der Gräfin Karo— 
lina. Sie war die Gemahlin des Brafen 
—— von Wartenberg, eine geborene 

einingerin. Von dieſem Grafen Fried— 
rich und ſeinem Bruder Ludwig, welch 
letzterer dauernden Wohnſitz hier genom— 
men hatte, befinden ſich heute noch eigen- 
bändig von ihnen unterjchriebene Ur- 
funden in Händen einzelner Ortsbürger. 
Graf Ludwig wurde wıe jo viele jeınes- 
gleihen 1793 von den Franzoſen ver: 
trieben und das Schloß 1806 zu Mainz 
auf den Abriß verfteigert. Ein Hoch— 
fpeyerer Bürger namens Theubald Ritter 
eritand es um einen Spottpreis und baute 
dasjelbe in feiner Heimatögemeinde als 








| Ichlichtes Landhaus mit ſchöner Freitreppe 


auf — das heutige Ottmann'ſche An- 
weſen. 

Der gräfliche Tiergarten iſt verſchwun ; 
den und hat einer fruchtbaren Ackerflur 
Play gemacht, wo der Pflug feine Furche 
dicht und goldene® Getreide reift im 


| — Die Namen Tiergarten, 
Tiergarter Bru 


nnen, klein Türchen ꝛc., 


allwo der Jägerburſche in harter Winters: 


eit das hungernde Wild fütterte, haben 
ich erhalten bid auf den heutigen Tag. 
Nur noch ein bedeutfaner, in einen Schup- 
pen eingemauerter Stein vom ehemaligen 
Grafenihloß iſt hierorts vorhanden und 
trägt die Inſchrift: LVDOVICVS 
COMES* REGENS AWARTEN- 
BERG RESTAVRAVIT Q.D.B.V.**, 
1777. Die arabiihe Zahl 1777 wurde 
erit in neuerer Zeit angebradt und er- 


; gibt fi aus der Inſchrift jelbft, wenn 
man die betreffenden Buchſtaben 
Zahlen lieft und richtig zuſammenzählt. 


als 


*), Comes = ®raf. 
*) Q.D.B. V. = Was Gott menden möge. 








Unfer letter Winter. 
Der Berlauf des Winters bis Neu- | auf eine ungewöhnliche Höhe und bradite 


jahr 1908. Im Gange der Temperatur 
während des eriten Teiles des meteorolo⸗ 
iſchen Winters, laſſen ſich deutlich drei 

ärmeperioden und drei Fälteperioden 
unterjcheiden, die miteinander abgewechſelt 
haben. Die fommerlide Wärme des 
Dftober ftieg gegen Ende des Monats 


in Mitteldeutihland am 29. und 30. 


Temperaturen von 10 Grad und 21 Grad 


Gelfius, fiel darauf aber fchnell ab. Mit 
dem 2, November jegte in den meiiten 
Gegenden Deutihlands die erfte Kälte- 
periode ein, die bi * 16. November 
andauerte und vom 9, November an in 


Oſt-, Süd- und Mitteldeutichland ſtarken 
Froſt zeitigte, wobei e8 am 9., 11. und 
15. zu einer Kälte von — 14 Grad, am 
14. fogar zu einer folden von — 18 ®rad 
fam. Es folgte dann wieder eine 
mwärınere Periode vom 17. November bis 
zum 3. Dezember, in der zwar vielfach, 
befjonderd in den Gebieten mit mehr 
tontinentalem Klima, Nactfröfte ein- 
traten, in der aber andererjeit3 Wärme: 
Marima von 10 Grad und darüber, am 
29. jogar von 14 Grad vorfamen. Einer 
kurzen Kälteperiode vom 4. bis 7. Dez. 
mit einem Minimum von — 9 Grad 
ſchloß ſich abermald eine Wärmeperiode 
vom 8.—18. Dezeniber an. Auch in ihr 
blieben zwar in fontinentalen Klimaten 
Nachtfröſte nicht aus, die Wärmemarıma 
betrugen am 15., 16. und 17. aber nod 
13 Grad, 14 Grad und 13 Grad Gel- 
fius. Mit dem 19. Dezember nahm die 
intenfive Kälteperiode ihren Anfang, die 
bis zum Hahresihluffe ununterbrochen 
fortdauerte und vom 26. Dezember an 
ungewöhnlich ſcharfe Kälte brachte. Nach 
den Wetterkarten der Deutſchen Seewarte 
wurden im Oſten am 26., 27. und 
28. Dezember Minıma von 18 Grad, 
24 Grad und 12 Grad regiftriert, und 
in dem überwiegend größten Zeile anderer 
Gegenden lag die Temperatur im 
Minimum unter — 10 Grad, erhob ic 
auch tagsüber nur wenig. Die Schnee 
perioden gingen mit den Kälteperioden 
im allgemeinen parallel. 

Im allgemeinen dauerte das Schwanken 
der Temperatur auch im neuen Jahre 
fort und es fehlte ebenfowenig an em» 
pfindlih falten Nähten und Tagen als 
an frühlingsmäßigen Wärmemellen. Es 
ift intereflant, was darauf bezüglich 
Merkwürdiges in den Tageszeitungen 
alles zu lejen war. In Stalien, Spa- 
nien und Südfrankreich traten ungemwöhn- 
lihe und reichliche Schneefälle ein, die 
nicht bloß für den Verkehr als eine Un- 
annehmlichfeit empfunden wurden, fon« 
dern die überraſchten Bewohner jener 
Gegenden, die „etwas Beſſeres gewohnt” 
find, auch durch andauernde Temperatur: 
erniedrigung peinigten. Man lieft dies 
alles wie einfache FFeititellungen und 
über die Bemerkung, daß ſolche abnorme 


17 


Wetterlage jo und fo lange nicht mehr 
erlebt worden ſei, kommt felten ein der- 
au > Beriht hinaus, 

olange der Menih im innigen 
Abhängigkeitsverhältnis zur Natur und 
insbefondere zur Pflanzenwelt fteht, deren 
Gedeihen ihm Nahrung und Material 
zur Sleidung gewährt, wird er dem 
„Wetter“ und bejonders feiner von der 
Erwartung abweidhenden Entwidlung ein 
reges Intereſſe entgegenbringen. Da ift 
ed um fo weniger angenehm, daß man 
zwar allüberall regiftriert, wie das Wetter 
war, aber felten vorausgejehen hat, daß 
eö jo kommen werde; unjere Wetter- 
vorherjage ift in diefer Beziehung noch 
jehr der Ausbildung fähig und bedürftig 
und die Entwirrung der dad Wetter be- 
ftimmenden Faktoren iſt noch nicht in 
dem münichenswerten Maße gelungen. 
Einen Zeil der Schuld trägt vielleicht 
die folierung der meteorologiſchen 
Wiſſenſchaft von verwandten Zweigen 
der Naturwiffenihaft. In abjehbarer 
Zeit dürfte hierin eine ftarke Änderung 
eintreten. Dieje Zeilen greifen in ge 
mwifjem Sinne der angedeuteten &- 
weiterung des Arbeitöfreijes der Meteoro- 
logie vor; aber es iſt gewiß nicht 
überflüfng jegt ſchon in die Richtung 
hinauszumeiien, woher zukünftig der 
Erkenntnis der Wettergeitaltung neue 
Nahrung zufließen wird. 

Schon im 1. Jahrgange diejer Zeit- 
ſchrift (S. 89) Haben wir einen NAusblid 
eröffnet und die folgenden Belegenheiten 
find damit übereinftimmend geblieben. 
Was dort berührt worden ift, hatten wir 
von Monat zu Monat mit neuen Beı- 
ipielen belegen und begründen können, 
denn jeit Jahren bilden die damals an- 
gezogenen Urſachen und ihre Wirkungen 
*, unſere Wetterlage eine faſt lückenloſe 
Kette von Ereigniffen, über deren kau— 
jalen Zufammenhang kein Zweifel mehr 
beftehen kann. Es wäre vage und billige 
Weisheit zu jagen, unfere Sonne jei die 
Duelle der von uns im Quftmeer der 
Erde beobachteten Erſcheinungen; das ift 
ja jeit langer Beit als jelbftverftändlich 
erfannt worden. Man muß fichon be- 
ftimmter werden, um das Intereſſe an 
diefer Frage aufzuftaheln. Darum ſei 


bei diejer Gelegenheit eine kleine aftro- 
er anne da Abihweifung er- 
aubt. 

Man weiß ſchon Yahrzehnte lang, 
da die zeihneriihe Darftellung der Ab- 
mweihung der magnetiiben Elemente 
(„Deklination” und „Inklination“ der 
freiihwebenden Magnetnadel) vun ihrer 
durchſchnittlichen Stellung eine Periode 
befolgt, alſo durh eine wellige Linie 
darzuitellen iſt. Es iſt ferner längjt er- 
fannt worden, daß dieje Surve eine 
überraihende Ahnlichkeit mit derjenigen 
bat, welde die im Laufe der Sabre 
wechjelnde Zeh! der „Sonnenfleden” ver- 
finnlidt. 
daß beide Kurven zeitlih von jeher 
zufammengefallen find und fo 
durch eine rein äußerlihe Kennzeichnung 
(Gleidhzeitigfeit) ihren inneren, tieferen, 
verborgenen, geheimnisvollen — oder 
wie wir jagen wollen — Zuſammenhang, 
ihre gegenjeitige Abhängigkeit verraten 
haben. Natürltc werden es die Flecken— 
bezirfe auf der Sonne jeın, welche die 
„Variation der erdmagnetiichen Elemente“ 


beeinfluffen, und jegt hat es jchon einen | 


tieferen Sinn, wenn wir die Gonne 


irdiiche Berhältniffe regieren laffen. Man | 


bat ununterbrohen Gelegenheit, in den 
Beiten ſtarker Durchlöcherung der Sonnen: 


18 





ad MWichtigite ift aber dabei, 


oberflähe die Unruhe der Magnetnadel 


h beftätigen und kann fo zahlreiche 
roben aufs Exempel maden; ja man 
weiß, daß nadı dem VBorübergang einer 


Fleckengruppe vor der Sonnenmitte je 


nad Umftänden nur 15-25 oder mehr 
Stunden verfließen, bis die Reaktion auf 
der Erde erfolgt. Ein Zweifel it heute 
ausgeſchloſſen. 


Aber nicht nur die geheimnisvolle 


Kraftäußerung des Erdmagnetismus er— 
leidet eine kosmiſche Beeinfluſſung, die 
ihre Quelle 


in dem Sonnenball bat, | 





fondern es laffen fich auch viel gröbere | 


Beihen von unzweifelhafter, wenn aud) 
noc nicht erklärter Fernwirkung nanıhaft 
machen. Bor allem find es die Er: 
iheinungen und Borgänge im irdiichen 
Luftmeere, die einen mehr oder weniger 
ausnahmelojen Parallelismus mit den 
Sonnenvorgängen aufmweilen: Wolfen: 








Daneben erwähnen wir die bei uns 
felteneren, in der Breite der füdlichen 
Oſtſee aber Häufig beobachteten Nord: 
oder Bolarlidter. Wer in Die 
Sache tiefer eindringt, findet in der eim- 
ihlägigen Literatur gewichtige Gründe 
dafür, daß ſogar die aus den Nieder: 
ihlägen und damit zulammenhängenden 
Temperaturihwantungen folgenden Grade 
des Pflanzenwahstums und der FFrudht- 
barkeit direft oder auf Ummwegen, 3. 2. 
aus den Marktpreijen für die erzeugten 
Produkte, mit den ſolaren Borgängen 
parallel verlaufen. Das will viel beißen 
und hat jeine völlige Richtigkeit, wenn 
ed auch noch jo merkwürdig klingt. Wir 
haben auch ſchon im 1. Zahrgange (S. 2) 
auf die hochintereſſanten Zuſammenhänge 
zwiichen den Sonnenzuftänden und den 
„guten Weinjahren” der Pfalz hinge— 


ı wiejen; bier liegt es freilih nahe, der 


Sache Vertrauen entgegenzubringen, denn 
Sonnenbrand und Weinreife faßt ſchon 
die oberflächlichfte Überlegung zuſammen. 

Nun ift ed wohl feine Seltenheit 
mehr, daß aud in der willenichaftlichen 
Literatur diefe äußeren Relationen betont 
werden, wenn auch jelten Anla& gegeben 
ericheint, auf die inneren Gründe dafür 
einzugehen, denn dieje liegen auf einem 
Gebiete, das heute als ein recht heißer 
Boden gilt, nämlich auf deu Gebiete der 
£osmologiihen Spekulation. Hier pflegen 
heute die phantafievollen Auslafjungen 
aus Raienfreijen häufig mit den jicheren 
Ergebniffen wifjenihaftliher Detailfor: 
ihung im Wideriprud zu jtehen, jo das 
man nidt ohne Grund den nicht eraften, 
ipefulativen Bemühungen um die Er- 
fenntni8 der wahren Urfahen und des 
Berlaufes im Weltgeihehen — und da: 
u gehört auch zweifellos der größte 
Keil deffen, was wir mit dem Begriff 
Witterung umfaffen — mit Mißtrauen 
begegnet. Es ift da angenehm, wenn 
auch bezüglich des Wetters Tatſachen 
mitiprehen. Seit 1905 iſt es leicht ge 
mwejen, aus dem Sonnenzuftande auf un- 
liebfame Überrafhungen zu ſchließen, die 
tagelang, ja, gegebenen Falles wochenlang 
vorherzujehen waren. Natürlich wırd 
niemandem einfallen, aufgrund der Wahr: 


bildung, Gewitter, Hagelſchlag. nehmung einer großen Sonnenfleden 


gruppe für unfere Pfalz oder für 
Kamerun oder für Turkeitan eine meteoro- 
logiſche Rataftrophe zu prophezeihen ; das 
wäre eine Eharlatanerie, die jolort durch 
das Nichteintreffen Lügen geitraft würde. 
Heute fann man nur die Rataftrophen- 
gefahr wittern und muß abwarten, wo 
und in welder Stärfe und Dauer 
ein derartiges Naturereignis fpäter ein- 
tritt. Daß diejes außergemöhnliche Ge: 
ihehen „am Himmel“, ın der Atmo- 
ſphäre und ım Innern der Erde vor ſich 
gehen kann, beweiien allerlei Erfahrungen 
bezüglich ſonderbarer oder intenfiver 
Nord: und Südlichter, einer vorwiegenden 
Neigung zur Eirrusbedekung des Him- 
mels, häufiger Gemitter- und Hagel— 
kataſtrophen und zahlreiher Erdbeben, 
vulfaniihen Eruptionen und Gruben: 
erplofionen. Damıt ift nicht behauptet, 
daß die legteren drei Vorgänge unter 
allen Umftänden denjelben Anlaß bejähen 
wie die vorausgenannten; man müßte 
bier einen viel breiteren Raum zur Ber: 
fügung haben, wollte man dieje Unter— 
Icheidung geophyfitaliih und kosmologiſch 
begründen. 


Das Studium der — | 


zwiihen Sonne und Satajtrophen au 
Erden hat die Borausiegung unmittel— 
barer Einflußnahme der Sonnenfleden 
zu einer Überzeugung verdichtet und 
diefer zahlreiche Beitätigungen aus der 
Beobachtung geliefert. Wie Martinique, 
San Franeisko, Valparaiſo, Japan, 
Veſuv, Stromboli, Meſſina (28. Dez. 
letzthin), Smyrna, Turkeſtan und jetzt 
wieder kürzlich Paläſtina auf gefahr: 
drohende Sonnenfignale hin ihr Miß— 
geici erlebt Haben, fo iſt auch der 


19 





Überfluß an Märzenichnee und gleich 
geitiger Kälte an den Borübergang zweier 

iejenfledengruppen geknüpft, die vom 
28. Februar bid 3. März die Gonnen- 
mitte überfchritten. Dieje Quellenangabe 
muß vorläufig genügen. Die miljen- 
Ichaftlihe Erörterung der näheren Um— 
ftände und des oft verfchlungenen Weges, 
auf welchem wir Reaktionen des Sonnen 
inneren veripüren, bleibt anderer Ge: 
(egenheit vorbehalten. 

Etwas darfaber hier vorweggenonmen 
werden. Unſere Hilfsmittel zur Er: 
gründung der unmittelbar bevorstehenden 
Wetterlage find vornehmlich das Baro— 
meter und die Apparate zur Kennzeich— 
nung der Wınd- und Wolfenbewegung. 
Der Luftdrud it vielleiht die ſinn— 
fälligite, populärfte und fruchtbarfte Aus— 
gangserſcheinung für alle Prognoſe; aber 
fie iſt unvolllommen, wenn jie, die doch 
felber bloß Endreſultat mehrerer Wir- 
tungen fein kann, ald blindes Werkzeug 
benügt wird. Darum mird die Zeit 
fommen, da man ebenjo wie das Baro- 
meter an der Wand auc den Sonnen 
zuftand im Fernrohr zurate zieht umd 
neben der Quftdrudverteilung und dem 
Zuge der „Depreifionen“, alio neben den 
hinter uns liegenden Erfahrungstat: 
| fahen, auch die drohenden, zufünf- 
| tigen Einflüffe bei der Borausbeitimmung 
der wahricheinlihen Wettergeftaltung in 
Rechnung ſetzt. Dieje Seit ift nahe; 
aber das Publikum darf jegt ſchon willen, 
daß die Sonnenbeobadhtungen eine mes 
jentlihe Unteritügung ficherer Wetter- 
prognoſen bedeuten, bejonder® zu fleden- 
reihen Seiten, wie 3. B. in den legten 
vier Jahren. 











Tiere als Borboten nnleres Winters, 


Aus Jägerkreiſen wurde der „Neuen 
Freien Preiſe“ gejchrieben: Allgemein befannt 
iſt der Inſtinkt mancher Tiere, das Wetter 
voraus zu ahnen. Heuer beobachtete man 
zum Beijpiel ein frübzeitiges Sichſammeln 
und Südmwärtsziehen der Hausſchwalbe. 
Kaum waren die legten Vögel fort, trat 
ſchon ein länger andauernder Froſt ein, 


Audh der frammetspogel wird als ein 
Wetterprophet angejehen ; in vielen Revieren 
kellte er fihb im Jahre 1908 ebenfalls 
früher als fonft ein, woraus man ſchon 
im Spätherbfte auf einen ftrengen Winter 
ſchließen konnte. Waldfchnepfen und Wild» 
tauben haben ihren Zug ziemlich norma 
angetreten, obwohl auch fie gute Wetter 


— 20 — 


propheten find und dem Gebirgsjãger regel- | logda jollen fie aus einem Dorfe in kurzer 
mäßig den definitiven Ginzug des Früh. | Zeit über 50 Kühe und Pferde gerifien 
jahres fünden helfen. Die Wachtel, ein | und das in tiefer Waldeinjamfeit gelegene 
ſehr jenfitiver Zugvogel, ift nad den Be- Dorf förmlich belugert haben. In ben 
obachtungen vieler Jäger v. Is. ebenfalld | Wald magte vor. den Dorfbewohnern nie- 
ihon frühzeitig gegen Süden gezogen, wo | mand einzudringen, da man fürdhtete, 
die Felder bei uns noch mit Getreidereften | die Beitien könnten auch Menſchen ohne: 
verfjehen waren und daher von einem | weitereö angehen, und da die meiften Yäger 
„Rahrungsmangel®” — einem Hauptmotiv | nur notdürftig mit alten Flinten bewaffnet 
deö beginnenden Herbftzuges — wohl nicht | waren. Wie Privatnadrichten aus dem Gou- 
die Rede jein konnte. Aber die Jäger haben | vernement Archangelst jagten, zeigten fid 
nod) ein weitereö Beichen auf einen ftrengen | dort ebenfalls auffallend viele Bären; aber 
Binter jchließen zu fünnen. Aus einigen | aud Elche zogen füdliher, und dabei mur- 
Gegenden Rußlands meldete man nämlid | den viele erlegt. Aus dem Gouvernement 
ein ftärferes Uuftreten der Bären, die | Tambow meldete man deögleihen das Auf- 
weſtwärts zogen. Im Gouvernement ®Wo- | treten vieler Bären. 





Studien ans dem Pfälzer Walde. 
L 


neuen Jahres haben in den Waldungen | prozei an der Südipige der 674 Meter 
der Weſtpfalz durch Kombination von | hohen Kalmit, ebenjo auf der 620 Meter 
Windbruch mit Schneebruh immenfen | anfteigenden Hohe Loog beobadhten. 
Schaden angerihtet. Eine Begehung der | Diefe Zwergart wächſt auf fümmerlichem 
Baldungen nördlihFund füdlih von Neu- | Boden und jehr langiam, murzelt feit in 
ftadt, melde der Berfafler diefer Beilen | den Felsrigen, beugt fi) den Orfanen gleich 
zwijchen 8. und 14. Febr. vollzog, bewies für | dem beften Byzantiner, und leidet deshalb 
die am Dftrande des vorderen Haardtgebirges | nicht unter Schnee no Sturm. Diefem 
gelegenen Bergmwälder glüdlicherweile das | Anpafjungsvermögen der pfälziichen Forle 
Gegenteil. Nur bie und da, jo an der | oder Kuhne an die „Reize“ des milieu ver- 
Königsmühle und am Nordabhange des | danfen wir im Pfälzerwald die Erhaltung 
Beinbietes, hat der Orkan dieje faulwurz- | unferes Bergwaldes. Ebenfo aber auch den 
lige Stiefer oder jene vorgebeugte Fichte um: | Bemühungen unferer Yoritbehörde, melde 
geworfen. Im großen und ganzen find | ftetine Sorge trägt für Geſchloſſenheit und 
unfere Baldungen trog der rafanten Luft- | Sicherung der Beftände auf den höheren 
bewegung völlig intaft geblieben. Die Ur: | Gebirgslagen. — Kaum find die Fällungen 
fache dieſer Erjcheinung ruht zum Zeil in der | im Laufe des Winters, jo 3. B. am Steiger: 
Beitotung unferer Bordergebirgsferten mir | kopf jüdmweftlich der Edenfobener Steige in 
Pinus silvestris, der gemeinen Siefer oder | ca. 60U Meter Seehöhe, vollzogen, jo wird 
Föhre, deren Wurzeln mittels dichten Ge- | die häufig fteinige und felfige Fläche mit 
flechtes gleihmäßig im Boden haften, wäh. | großer Mühe geitrieft, d. h. mit Furchen 
rend die Fichte mit ihrer Vfahlwurzel und | durchzogen. In diefe tiefen Furchen werden 
ihrem ſchweren und auögebreiteten Aftwert | dann die dem Xerrain angepaßten Wald— 
dem Sturm viel mehr Angriffspunfte bietet. | pflanzen eingejegt und mwenn nötig jogar 
Budem ift unfere Stiefer bejonders auf den | gedüngt, jo im Kgl. Forſtamt Ramfen, an 
höher gelegenen und fchlechte Nahrung bieten- | dem der ſog. „Ortftein“ häufig auf den 
den, über 500 Meter anfteigenden Gipfeln | Plateaus auftritt. --- Der Natur und der 
und fetten vielfah zur Pinus pumilio, | Yorftverwaltung verdanken die Border: 
der Zwergkiefer degradiert, die fjonft nur | waldungen ihr immergrünes Gewand. — 
im Hochgebirge und am Rande von Hoch | Im Übrigen haben wır auh im Border 
mooren im Scmwarzwalde zu finden ift. | walde der Pfalz Wind und Schner- 


Die Stürme der erften Wochen des | Sehr gut fann man diejen Anpaffungs- 


— — —— — — — — 


21 


brüche zu verzeichnen. So den großen 
Windbruc, der im Jahre 1865 den Buchen 
hochwald am Oſtgehänge des Dradenfels 
in ca. 500 bis 570 Meter Seehöhe zerftört 
hat. Ein dichter Jungwald von Buchen und 
Tannen ift an feine Stelle getreten. Aber 
folhe Fälle find jelten in der Sturmperiode 
des Febr. 1909 auch „ohne Vermerk“ ge- 
blieben. Am gefährlichiten find Fichten⸗ 
und Tannenpflanzungen, da); fie Schnee und 
Wind mit ihren langen Zweigen auffangen. 
Doc gerade dieje find auflden Höhen der 
Pfalz nicht vertreten, jondern in Mittel 
lagen und in Talmulden (vergl. die 
Umgebung von Bergzabern, wo fich die 
Tanne jeit ca. 150 Yahren eingebürgert 
bat), anzutreffen, wo fie dem Anſturm, der 
Ihädlihen Atmojphärilien weniger aus 
gejegt find. — Die Kiefernbeftände 
find in der Pfalz nicht einheimiſch, ſondern 
die Kiefer ift erft im Laufe der legten fünf 
Jahrhunderte bei uns allgemach eingewan- 
dert und jpäter künſtlich angepflanzt worden 
(vergl. Hausrath: Der deutſche Wald, bei. 
©. 30—34; vergl. auch Oberforftrat Dr. | 
Öraner: Der geologiihe Bau und die Be- 
waldung des deutſchen Xandes in den 
Wärttemb. Yahresheften, 1900, S. 312). 
Beionders im Gebiete der Kaingeraiden, 
d. 5. des Teils der VBorderwaldungen, der 
zwiſchen Queih und Speyerbad gelegen 


ift, wurde erft zum Beginn der bayerijchen 
Herrichaft die Schäden der Waldgenoflen- 
ihaften und der franzöfiihen Kahlhieb— 
BWirtichaft durch Anpflanzung der genüg- 
famen Kiefer zu heilen der Verſuch ge: 
madt. Hieß doch damals die Kalmit, 
der höchſte Gipfel dieſes Gebietes, mit 
Recht die „KRahlmitt” (vergl. Teilungsakt 
der 5. Haingeraide vom 11. Auguft 1823). 
Nah den gejammelten Mitteilungen des 
Herrn Kgl. Forftmeifterse Gambichler — 
jegt zu Haßloch, Borftand des Kgl. Forft« 
amtes, früher zu Edenkoben — war nad) 
den Zeiten Napoleons das ganze vordere 
Haardtgebirge „blott und blos”. Mit vieler 
Mühe gelang es der Kgl. Forfiverwaltung, 
die mwaldberaubten Hänge Fünftlid mit 
der bodenzufriedenen, an Sand und Heide 
im Oſten Deutſchlands gewöhnten Kiefer 
zu bepflanzen und dieſe dadurch der moder- 
nen Waldfultur, der Streumerf- und Holz- 
produktion wiederzugewinnen. Früher ftand 
auch hier Laubholz und zwar vorherrſchend 
Eiche und Buche. Gerade jenen im Kampf 
ums Dafein widerftandsfähig gewordenen, 
frummen und windſchiefen Gejellen, den 
Kiefernbäumen, ift es aber zu verdanken, 
wenn Stürme und Schneefälle feine Opfer 
erhalten im vorderen Bfälzermalde. 


Dr. Mehlis. 


Cuftige Geſtalten. 


Ein Naturſchauſpiel, wie es in 
unſeren Breitegraden nur höchft ſelten zu 
ſchauen vergönnt iſt, wurde unlängſt auf 
der Straße DörzbachObergünsbach 
(Amt Mosbach in Baden) beobakhtet. 
Es war vormittagd 10 Uhr, als fih am 
mwoltenlojen Himmel in nordöftlicher Ridh- 
tung, etwa 25 bis 30 Grad liber dem 
Horizont, ein rojafarbiger, ziemlich breiter 
Lichtſtreifen bildete, der an Helligkeit zu: 
nahm, und fich mehr und mehr in eine von der 
Sonne beſchienene, hellerleuchtete Landſchaft 
verwandelte, worin Felder und Miejen, 
Bäume und Wälder und auf einer Anhöhe 
fogar ein Dorf mit Kirchturm ganz deutlich 
zu unterjheiden waren. Plötzlich murde 
es auf diefem in die Luft gezauberten Bilde 


auch lebendig, denn verſchiedene Abteilungen 
Soldaten bewegten fih in gefechtsmäßiger 
Drdnung gegeneinander. Auf einmal machten 
die Abteilungen Halt und man fonnte jogar 
ein gegenſeitiges Gewehrfeuer deutlich 
beobachten, bis fih mit einem Male zum 
Leidweien der erjtaunten Beobachter mie 
durch einen Zauberichlag das mundervolle 
Bild verfhob und verihwand, Nur ein 
fahler Lichtftreifen, der raſch verblaßte, 
zeigte die Stelle an, mo fi das wunder— 
volle Phänomen abgeipielt hatte. Die 


Beobachter waren zumädjft ganz jtarr vor 


Staunen und Üntzüden; mande aber 
meinten, dies ſei ein untrügliches Zeichen 
des Himmels und bedeute einen nahen 
blutigen Weltkrieg. Einige aufgeflärte 


Köpfe fanden jedoch bald die natürliche 
Deutung. Die Rihtung gegen Nordojten 


wies auf die etwa 18 Stilometer von dort | 


entfernte Garnifon Mergentheim und bei 
näherer Erfundigung erfuhr man bald, daß 
an diefem Tage und zur jelbigen Zeit das 


| 
! 





Mergentheimer Bataillon auf der Höhe bei 


Löffelſtelzen eine Gefechtsübung abgehalten 
hatte. Wir haben es aljo hier mit einer 
durch Brechung der Lichtitrahlen erzeugten 


Quftjpiegelung zu tun, wie ſolche bei 


uns äußerft jelten, in der Wüſte Sahara jedoch 
jehr häufig beobachtet werden fünnen. Befannt 
ift vom Harz das Brodengeipenft, 
eine Quftipiegelung, dieunter gleichen meteoro: 
logiihen Bedingungen regelmäßig erſcheint. 
— Im Mittelrheinlande wurde u. 
W. dieje Erſcheinung nur jelten beobadıtet. 
Bir wollen darum einige Berichte aus der 
„Frankf. Ztg.” hierüber folgen laſſen. 
„Quftipiegelungen entftehen, wenn 
ih zwei Luftihichten mit verjchiedenem 
Bärme- und Waſſergehalt übereinander be- 
rühren. 
den Luftſchichten muß ziemlich bedeutend 


Der Wärmeunterjchied zwiſchen 


| 





Für wenige Minuten zeigte fih im Bellen 
Sonnenjdein ungefähr haushoch über dem 
Bafjerjpiegel das Bild eines fi bewegenden 
Maindampierd Da ih damals nod 


‚ der Meinung war, daß joldhe Erfcheinungen 


eine jpezifiiche Eigentümlichkeit der Tropen 
ſeien, war ich darüber jehr eritaumt umd 
als ih mi nad einem Mitbeobadhter um: 
ſehen wollte, war das Bild verſchwunden 
Später traf ich bei meinen Erkfundigungen 
nur einen Herrn, der dasjelbe beobachtet 
hatte. M. S. — Aus Straßburg jchreibt 
ein Leier zu dem gleihen Thema: Im 
Sommer 1900 ſah ih von einem der 
Kösliner Stranddörferr aus acht Tage 
bindurd eine Quftipiegelung, die dir 
über der ganz flach eindringenden Bucht 
fihtbare Strandgegend von Kolberg 
zeigte (zugleich aufreht und gefpiegelt). 
Die Schiffer jagten mir, das fei bei Nord- 
oftwind eine ganz gewöhnliche Ericheinung. 
Am günftigften Tage ſah ih einem der 
Strandjeen (nad) Oſten hin), der dem Blid 
durh Dünen verdedt war, — W. V. — 


Eine Leferin in Grünftadt (Pfalz) er- 


fein, und die waflerhaltige Luftichicht muß 


ſich ſtets oben befinden. Die Erjcheinung 
fommt ſowohl in jehr heißen wie in jehr 
falten Gegenden vor und ift jtets von 
einer unheimlichen, bleigrauen, leichenfahlen 
Beleuchtung begleitet, bei der jelbitverftänd- 
(ih alle bunten Farben wegfallen. Dieſe 
Spiegelungen treten in heißen Gegenden 
meift nachmittags, in falten meift morgens 
auf und die im Süden lafjen die Spiegel- 
bilder verfehrt und verzerrt erjcheinen, da- 
gegen geben die im Norden ihre Bilder 
richtig werden. Ausgeichlofjen ift jedenfalls, 


' zehn Jahren. 
Erwadhjene und finder, bei herrlichem, 





zählt folgendes Erlebnis: Es war an 
einem Sonntag Nahmittag vor ungefähr 
Wir unternahmen, mehrere 


klarem Herbjtwetter einen Spaziergang auf 
der Landitraße von Kaſtel nach Biebrid. 
Kurz vor Biebrih jah ich plöglich zur 
rechten Seite der Straße in einiger Ent- 
fernung einen Schleppfabn in voller 
Fahrt. Auf meine Frage: ift denn dort 
auch ein Waffer? wurde die übrige Ge 
ſellſchaft aufmerkſam, alle beobachteten mit 


mir das Schiff, das nach etwa 3 Minuten 


daß man z. B. Rüdesheim, das dicht 


binter dem Niedermwalde liegt in Köln, nad 
nördliher Richtung bin, miedergeipiegelt 
ſehen kann. Überhaupt ift es nicht gut 
denfbar, daß in unjeren Gegenden der ge- 
nügende Unterſchied zwijchen den Quftichichten 
binfichtlich der Temperatur und des Wajjer- 
gehaltes eintreten fann, um eine Quft- 
fpiegelung hervorzubringen. - E. P. — m. 
— Im Gegenjag zu diefen Ausführungen 
teilt eine Frankfurter Lejerin folgende 
Beobachtung mit: Im Herbft des Jahres 1898 
beobachtete id von der alten Mainbrücke 
aus eine Yuftjpiegelung über dem 
Main in der Gegend der Gerbermübhle. 


unjeren Augen entihwunden war. Bir 
waren. aufs äußerfte überrafcht; zur linken 
Seite hatten wir den Rhein und auf der 
anderen Seite fahen wir ein Schiff fahren, 


an einer Stelle, an der wir uns gar fein 





' zierungsfahrt nach dieſem Terrain, 


Waſſer denken konnten. Um ganz ficher zu 
fein, madte am anderen Tag ein Herr, 
der mit bei der Partie war, eine Rekognos- 
Da 
er nichts fand, ihm aud niemand von 
einem Wafjer in diefer Gegend etwas 
jagen fonnte, nahmen wir alle an, eine Quft 
jpiegelung geſehen zu haben. — F. St.“ 

Ein Mond-Regenbogen, Um 


Abend des 14, Mai 1908, fo teilt ein Reier 


— BB — 


aus Zwingenburg (Heilen) mit, war | Wolfe gegen Nord-Oft in einen regelrechten 
bier eine recht eindrudsvolle Naturericheinung | Regenbogen mit überrafchend intenfiven 
zu beobachten, von der ich dom anderer | Farben überging. Diefer Regenbogen 
Seite nie erwas gehört und auch in der | Ereuzte die Wolkenichichte von Süd nad 
naturmwifjenichaftlichen Literatur nie etwas | Mord in leichtem Bogen; dem Monde zu« 
gelefen Habe. Es mar kurz nad 9 Uhr, nächſt lagen die roten, gegen Diten die 
als id) von einem Spaziergange in die | violetten Töne. Der helle, bunte Farben: 
Ebene mweftlih von der Bergitraße zurüd- | ftrich, der mit der Grenze der fleinen und 
fam; im Süden ftand die faft volle Mond: | weithin ifolierten Wolfe gegen Süd und 
heibe am klaren Himmel. Langjam | Nord wie abgejchnitten war, fam im Ber- 
näherte fi von Süd-Weſt eine leichte | eine mit dem fcharfen Konturen der dunfel 
Wolkenſchichte von elliptiicher Form | bewaldeten Bergftraße bei gerade einge 
und einer Qängenausdehnung bon etwa | tretener Nacht zu eigenartiger Wirkung. 
30 Mondicheiben ; die zarte Dunftfhichte | Mit dem Wegzuge der fleinen Wolfe hatte 
z0g am Monde vorüber, ohme deflen Glanz | das FFarbenfpiel ein Ende und war aud 
mejentlich zu trüben. Da zeigte fich plöß- | bei nachfommenden Wolfen faum oder nicht 
lich am öftlichen Rande der bereits vorüber | mehr zu beobadten. — Dr. &. (Die 
gezogenen Wolfe in etwa 10 Mondbreiten | „Frankf-Ztg.“ hat vor etwa 10 SYahren 
Entfernung vom Monde ſelbſt ein auf- | Über eine ganz ähnliche Erfcheinung aus 
falendes Farbenſpiel, das in menigen | dem Karſt (ungarifch-Froatifches KHüften- 
Sefunden mit weiterem Vorüberziehen der | gebiet) berichtet. 


— ——— 


Pfälziſche Wild- und Jagdbeobachtungen. 


Halali klingts durch die winterlichen | auch bei den Hafen verheerend auf. Da 
Wälder, Sanft Hubertus pfeift die Hunde | in Bayern und der Pfalz feine Rebgaifen 
zurüf und Dianens Gefolgichaft verläßt | gefchoffen werden dürfen, ftellt fih nad 
die ftill gewordenen Foriten und Gründe. | Beobachtungen von Jägern das Verhältnis 
Wieder ift die fröhliche Nagdzeit fiir die | zwifchen Bo und Gais wie 1:10, Der 
Herren von der grünen Farbe vorüber, Nachwuchs ſoll daher ſchwächlich und wenig 
„Hahn in Ruh” und „Büchlenranzen an | mwiderftandsfähig fein. Bon bemerfens- 
den Nagel” heißt nunmehr die Parole. |, wertem in der Pfalz erlegten Wild können 
Gott fei Dank, murrt Schelm Reinede, der | wir regiftrieren: Auffälligermeife zeigte fich 
glüclich mit drei und einhalb Beinen davon: | heuer ziemlich Schwarzwild. Erlegt wurden 
gefommen, in feinem Waldihloß Male | Wildfauen bei Sirchheimbolanden im 
partus, und Meifter Lampe ftredt fich ber | Dezember 1 Stüd von 240 Pfund, bei 
haglih in feinem laubgepolfterten Lager | Scaidt 1 Keiler von 150 Bfund, ferner 
mit dem befriedigenden Bewußtſein, daß | wurden Wildſchweine bei Wattenheim be- 
auh er nur den Berluft eines halben obachtet. Wildkatzen zeigten fich ebenfalls 
Löffels zu beflagen hatte. Eine Träne der | jehr Häufig. Es murde ein 16 Pfund 
Erinnerung weiht man nod den vielen | jchweres Eremplar am oberen Tierwaſen 
Freunden und Belannten, die in der Jagd» | gefangen, ferner 1 Stüd am Eyberg bei 
jaifon hinübergewechſelt find in jene Reviere, | Dahn im Gewicht von 12 Pfund, 1 Erem: 
wo erfreulichermweife ewige Schonzgeit herrſcht. plar bei Waldfifchbach und 1 auf dem Trap- 

Wohl las man in dreier Jagdſaiſon, penberg bei Mauchenheim. Füchſe wur« 
daß die Treibjagd ziemlich befriedigende Er- | den in befonders großer Zahl als erlegt 
gebniffe lieferte, aber die Stimmung in | und gegraben gemeldet aus Enkenbach, 
Fägerfreifen ift in Bezug auf die Ergeb- | Siegelbah, Pirmaſens und Neukirchen. 
niffe doch nicht rofig. Der Nehbeftand | Ueber Ürlegung von Mardern umd 
hat, wie mehrfadhe Berichte aufweifen, im | Iltiſſen kommen fehr wenig Mitteilungen. 
Jahre 1908 durch die befannte Rachenſeuche Eine einzige Mitteilung über einen ge: 
ftarf gelitten; dieſe Rranfheit trat teilmeife | fangenen Marder erhielten wir aus Rhodt, 


wo bie Knaben den getöteten Hühnerdieb | 
an einer Stange im Dorf herumtrugen und 

fih von den} Geflügelbefigern nach altem 

Herfommen eine Belohnung erkaten. Sel- | 
tenes Federwild kam gleichfalls wenig zur 
Erbeutung. Schneegänje murden bei | 
Hagenbühl, Speyerdorf und Gerolsheim ge: | 


24 


ihoflen, Faſanen bei Scifferftadt, mo 
bei einer Treibjagd die Zahl von 270 diefer 
geihäßgten Bögels"angegeben wird. Gin 
eigened Kapitel |fönnte man den Wild 
ihügen und Wildfijhern widmen. 


(Böhm ii. d. Pf. Pr.) 


Iubilänm. 


Es rüftet fih die alte Herzogsſtadt 
Bweibrüden in der Rheinpfalz, Mitte Juli 
diejes Jahres die Erinnerung an die vor 
350 Jahren erfolgte Gründung ihres 
bumaniftiihden Gymnaſiums feſtlich 
zu begehen. Der weiſe und tatkräftigte 
Herzog Wolfgang von Zweibrücken, der 
Stammvater des bayeriſchen Königshauſes, 
war es, der die ſchola illuſtris ins Leben 
gerufen, mit den Einkünften eingezogener 
Klöſter ausgeſtattet und dem Schutz und 
der Fürſorge ſeiner Nachfolger befohlen 
bat. Am 1. Januar 1559 wurde fie in 
dem nahegelegenen Hornbach mit 33 Stipen» 
diaten eröffnet, mit dem gelehrten Emanuel 
Tremmellius, einem zur proteftantijchen 
Kirche übergegangenen italienifhen Juden 
als Rektor an der Spige. Mannigfach 
und wechſelnd waren die Scidjale diejer 
Schule; Seuden und Kriege haben ihre 
Eriftenz oft gefährdet, die Verlegung ihres 
Sitzes gefordert. So mußte fie ſchon 
5 Jahre nach ihrer Gründung wegen der 
Belt auf ein halbes Jahr die Räume des 
Benediktinerflofters Hornbach mit denen der 
nit meit entfernten Gifterzienierabtei 
Wörjchweiler vertaufchen, Das Reftitutions: 
edift trieb fie 1631 nach Zweibrüden, die 
Bermüftung von BZweibrüden 1640 — 1652 
nad) Meijenheim, das damals ein Ober— 


amtsftädtchen des Herzogtums mar; die | 
; gebildet hat zur Vorbereitung der Jubiläums: 


Reunionskriege 1676 wieder nach Meijen- 
beim und erft 1706 murde fie endgiltig 
nad Bmweibrüden zurüdverlegt und ift bier 
geblieben bis auf den heutigen Tag, freilich 
im 18. Jahrhundert noch bei den zerrütteten 
Finanzen des Herzogstums vielfach leidend 
unter mehrmaligem Wohnungswechiel und 


haben. 
nehmen, daß fich bereits unter dem Borfige 





au Eonfeflionelem Hader. Aber alle 
inneren und äußeren Stürme bat fie über- 
ftanden und bejonder8 dur die weiſe 
Fürſorge Ehriftians IV., dieſes hochherzigen 
Beförderers der Wiſſenſchaft und Kunſt 
aus dem Witteldbaher Haus, Zeiten des 
Slanzes und Ruhmes erlebt, wie wohl 
wenige Gymnaſien Deutſchlands. Es wirk— 
ten damals an dieſer Schule ein Georg 
Chriſtian Crollius, ein, Erter, Faber, 
Embſer, die im Verein mit anderen ver: 
dienftvollen Gelehrten von 1779 ab bie 
alten lateinifhen und griehiihen Klaſſiker 
in meifterhafter Weiſe berausgaben und 
durch Diele editioned® Bipontinae von 
58 Autoren in 115 Bänden dem Gym: 
nafium und der Stadt Bweibrüden einen 
Weltruf verfchafft haben. Ein Wieland hat 
dem Unternehmen feinen Beifall geipendet; 
ein Benjamin Franklin befand fi unter 
den Subffribenten, Auch das 19, Jahr— 
hundert bat das Gymnafium Bweibrüden 
jeiner hohen Aufgabe allezeit gewachſen 
gefunden. Es gibt wohl feine Fakultät, 
feinen Beruf (den Stünftlerberuf einge» 
ſchloſſen), in dem nicht Abjolventen des 
humaniftiihen Gymnafiums Bweibrüden es 
zu Hohen Ehren und Würden gebracht 
Mit Freuden werden fie alle ver- 


des Kirchenrates Jung ein Feſtausſchuß 


feier, und im Juli herbeieilen zu der Stätte, 
wo fie die jchönften Jahre ihres Lebens 
verbracht haben, und werden mit alten, 
lieben Studiengenofjen in froher Erinnerung 
an dieje Zeit jchwelgen. 








un 


Lingenfelder F. 


Am 6. Februar ftarb in Seebach der | unftreitig der befte Pilzforſcher in der Pfalz 
penfionierte Lehrer Philipp Peter Lingen- | und ein Freund des berühmten Botanikers 
felder in dem hohen Alter von 94 Jahren. | Dr. C. H. Schulg-Bipontinus. Bon den 
Ber die Jahresberichte des naturwiſſenſchaft | Arbeiten Lingenfelders find u. a. zu nennen 
lihen Vereins der Pfalz „Pollichia“ ftudiert, | „Verzeichnis der Agarici”, Blätterpilze, die 
dem wird jein jehr oft mit Ehren genannter | in der Umgegend von Dürkheim gefunden 
Name auffallen und unter der WRubrif | wurden; Lingenfelder nennt 115 Arten. 
„Botanik“ finden wir manche wichtige und | Dann die Arbeit Über die Kirfchfliege nebſt 
Ihöne Arbeit des bejcheidenen Lehrers aus | einem Nachtrag hierzu, 
dem Dörflein GSeebah bei Dürkheim. 

Über 50 Jahre wirkte er dort. Er war migm La Wi. We) 


Ber Bfälzer auswärts. 


Bereinder Rheinpfälger Krauffurta.M. | feier eine nette Anzahl von fidelen Pfälzern 
Bor einigen Wochen mwurde in der alten | vereinigte, wurde auch für Sonntag, den 
Kaiferftadt Frankfurt a. M. ein Verein der | 14. März d. %. eine größere Feier zur 
Rheinpfälzer gegründet. Der Zufammen- | Begehung des Geburtstages unjeres Prinz- 
ihluß hat den Zweck die Intereſſen unferer | regenten in Ausfiht genommen, Der be- 
ihönen Rheinpfalz in Frankfurt a. M. und | kannte und beliebte Dialeftdihter Richard 
Umgebung zu vertreten und die Pfalz dem | Müller aus Obermojchel, der feine Mit- 
reifenden Publikum befannter zu machen; | wirfung für diefen Abend zugefagt, ſowie ein 
und den in Frankfurt mohnenden Bfälzern | noch fonft reichhaltiges Programm, forgten 
bietet der Verein jchönen gejelligen Anjchluß | für recht gemütliche Stunden. 

im reife luftiger Landsleute durch Vereins: Rheinpfälzerverein Regensburg. Am 
abende, die jeden Samstag Abend im | 9. Januar hielt der Rheinpfälzerverein 
„ungen Krokodil” Kaiferitr. 55 ftattfinden, | Regensburg im feftlich deforierten Ober: 
— BPfälzern, die nur vorübergehend hier | münfterfaal jein erftes Konzert mit darauf» 
meilen, bietet er dur jein erftllaffiges | folgendem Tanze ab. Dasfelbe war bis 
Bereinslofal neben guter Berköftigung auch | auf den legten Plag bejegt. Die Mufit 
einen guten Tropfen Pfälzer Wein. Beı | ftellte eine Wbteilung der Regensburger 
vorheriger Anmeldung Stehen jederzeit foften- | Militärfapelle und die Teilnehmer blieben 
los und gerne einige Führer zur Beſich- bis in die frühe Morgenftunde beiſammen. 
tigung der Stadt auh für Pfälzer | Somit ift dieje erjte VBeranftaltung, womit 
Bereine und Geſellſchaften zur Ber- | der jeit einem Jahre beftehende 
fügung. Im Bereinslofal jelbft dienen dem | Berein in die Öffentlichkeit trat, als 
Bejucher heimatliche Zeitungen zur Unter | woblgelungen zu bezeichnen und es ift zu 
haltung. Die Gründung einer Ortsgruppe | hoffen, daB diejenigen NRheinpfälzer in 
des „Pfälzer BWaldvereins” Hier | Megensburg, welche dem Verein noch fern- 
fteht bevor. — Nachdem bereit8 am | ftehen, durch Beitritt denjelben in feinen Be- 
9. Januar eine jchön verlaufene Weihnachts: | ftrebungen unterftügen. (Pfälz. Rundſchau.) 


Ergebnilfe der landw. Betriebszählung 1907 für Bayern. 


Den im Auguft vor. Is. veröffentlichten | geben zahlenmäßigen Aufihluß über Stand 
Ergebnifjen der Berufszählung vom 12, Juni | und Gntwidelung der bayerifchen Land» 
1907 Läßt das Kgl. Bayer. Statiftifche | wirtjchaft, insbefondere über die wichtigen 
Bureau nunmehr diejenigen der landwirt- | Fragen: In weldem Maße ift in 
ſchaftlichen Betriebszählung folgen. Sie | der bayerifhden Landwirtſchaft 


Klein-, Mittel- und Großbetrieb 
vertreten? Welche Ausdehnung zeigt 
Eigen» und Badhtwirtfhaft? Wie 
nugen Klein», Mittel- und Groß- 
betriebe ihre DBetriebsfläden? 
Welche Änderungen find nad all’ 
diefen Ridhtungen ſeit 1895 eim 
getreten? 

Im ganzen wurden am 12. Juni 1907 
669911 Tandwirtfchaftliche Betriebe er- 
mittelt; diejelben umfaßten eine landmwirt- 
ſchaftlich benügte Fläche von 249926 
Hektar. Nach der Größe ihrer landmirt- 
ſchaftlich benügten Fläche gliedern fich diefe 
Betriebe in Barzellenbetriebe (bis 2 Hektar), 
Hein» (2— 5 Heltar), mittel: (5—20 Hektar), 
großbäuerliche (20--100 Hektar) und Groß- 
betriebe (über 100 Hektar). 

Es treffen 63,8 Prozent aller Betriebe, 
nicht weniger als 93,7 Prozent der land» 
wirtſchaftlichen und 91,6 Prozent der ge- 
jamten Flähe auf die Bauerngüter 
(2—100 Hektar). Die ftarfe Vertretung 
des Bauerngutes, durch die fich die bayeriſche 
Landwirtichaft ftets ausgezeichnet hat, ift 
jonad) geblieben. Insbeſondere ift es der 
mittelbäuerlihe Betrieb, der als 


das Rüdgratderbapyerifhenland 


mwirtjchaft bezeichnet werden fann; er 
umfaßt 33,5 Prozent ſämtlicher Landwirt: 
Ichaftsbetriebe, 52 Prozent der landwirt- 
ſchaftlich benützten Fläche und 50 Prozent 
der Gejamtflähe. Seit dem Jahre 1895 
hat er feine überragende Bedeutung nicht 
nur behauptet, fondern fie jogar noch er- 
beblich verftärft: es hat nämlich die Zahl 
der mittelbäuerlichen Betriebe um 7640 9. 
— 3,5.-Prozent, ihre landwirtichaftlich be 
nützte Fläche um 61 083 Heftar — 2,8 Bros. 


und ihre Gejamtflähe um 71098 Hektar 


— 2,5 Prozent zugenommen. Neben den 
mittelbäuerlichen Betrieben haben jeit dem 
Jahre 1895 nur noch die Barzellenbetriebe 
(bis) 2 Hektar), die die zweitftärffte Ver— 
tretung aufmweilen, eine Mehrung erfahren 
und zwar um 5066 — 2,2 Prozent. Die 
übrigen Betriebsgrößen zeigen Verminde- 
rungen und zwar die kleinbäuerlichen Be— 
triebe (2—5 Heftar) um 2977 — 1,8 Broz., 
die großbäuerlichen Betriebe (20 bis 100 
Heltar) um]3519 — 8 Prozent, die Groß- 
betriebe (100 Hektar und mehr) um 84 — 
13,5 Prozent. 





26 





J 





Die Abnahme der kleinbäuerlichen 
Betriebe iſt wohl dadurch verurſacht, daß 


ein Zeil derſelben ſeit 1895 durch Flächen⸗ 


mehrung in die Klaſſe der mittelbäuerlichen 
Betriebe aufgerückt ſind, während die 
Haupturſache für den Rückgang der groß— 
bäuerlichen und der Großbetriebe in der 
Güterzertrümmerung zu ſuchen ſein dürfte 

In der Pfalz iſt ſowohl nach 
der Zahl der Betriebe wie nach der 
Fläche der Kleinbetrieb am ſtärk— 
ſten vertreten. 

Die Verteilung von Klein-, Mittel- 
und Großbetrieb in der Pfalz iſt fol— 
gende: Betriebe unter 2 Hektar 63,2 Proz. 
(14,7 Brozent),*) Betriebe von 2—5 Heftar 
21,3 Brogent (25,8 Brozent), 5—20 Heftar 
14,7 Brozent (48 Prozent), 20— 100 Heftar 
0,8 Prozent (3,2 Prozent), über 100 Deftar 
0,03 Prozent (2,3 Prozent). 

Wie die ftarfe Vertretung des Bauern 
gutes, fo ift für die bayerijche Landwirt: 
haft die große Ausdehnung der Eigen 
wirtichaft harakteriftiih. Nicht blos 
der Bauer ſchlechthin, ſondern 
der Bauer auf dereigenen Scholle 
ift der typifde Bertreter der 
bayerijden Landmwirtihaft. Auf 
66,4 Prozent aller Betriebe erfolgt aus- 
ichließlich Eigenwirtichaft; von der Gefamt:- 
flähe der landwirtſchaftlichen Betriebe 
find 95,1 Prozent Eigenland. Weine 
Pachtbetriebe, alfo Betriebe mit ausjchliek- 
(ih Pachtland find es nur 3 Prozent der 
Geſamtzahl; im ganzen beträgt die Pacht— 
fläche 4,1 Prozent der Befamtflähe. Speziell 
in den Größenklaſſen der mittel- und groß 
bäuerlichen Betriebe find die genannten 
Berhältniffe noch erheblich günftiger, mie 
aus nachftehenden Daten hervorgeht: 

Gegenüber dem Jahre 1895 ift die 
Bahl der reinen Badhtbetriebe von 
16014 auf 20250 (alfjo um 4236 — 
26,4 Prozent) geftiegen und hat die Padı- 
flähe von 195595 Heftar auf 239209 
(alfo um 43614 Hektar 22,3 Prozent) 
zugenommen, Bermutlich ift dieſe Mehrung, 
an der jämtliche Betriebsgrößenklafien be 
teiligt find, nicht ganz eine tatjächliche, 
jondern zum Zeil durh formalftatiftiice 
Momente bedingt. 


*) Die in Klammern beigefügte Zahl gibt den 
Prozentſatz ber landwirt. bemugten Fläche an. 








— 121 


Die wirtſchaftlich und agrarpolitifch 
ebenfall$ wichtigen Ergebnifje der Betriebs: 
zählung über die Bodenbenüßung und 
insbefondere über die erftmals erhobene 








Bebauung des Aderlandes bei den Stlein«, 
Mittel- und Großgütern werden demnächſt 
veröffentlicht werden. (Biälz. Br.) 


Interellante Finanz⸗Statiſtik. 


1890 1907 
Die Gewerbeft. betr. in Mill. 6,456 12,099 
„ Hausfteuer betrug 4,984 9,697 
„ Eintommenft. betrug 2,085 4,257 
„ Kapitalrentenft. betrug 3,972 7,126 
eine Ermäßigung erfuhr ledig: 
lih die Grundft. von 11,512 auf 10,384 
Im ganzen find die ÖStaatsfteuern 
innerhalb 30 Jahren (von rund 20 Mill, 
auf 40 Millionen, d. i. um 100 Prozent 
geftiegen, während die Staatsichuld gleich. 
zeitig auf 1,649 Milliarden wuchs. Parallel 
damit ging eine Steigerung der ftreis- 
umlagen von 5,239 Mill. auf 16,662 Mill., 
das ift um 218 Prozent, der Diftrikts- 
umlagen um ca. 80 Prozent und endlich 
der Gemeindeumlagen von 14, 66 Mill. 
auf 50,298 Mil.,d, i. um 255 Prozent. Wie 
fi bejonders die Gemeindefinanzen in den 
legten Jahren verjchledhtert haben, geht 
aus der demnähft vom Statiftiichen Amte 
zu veröffentlichenden Arbeit über die bayer. 
Gemeindefinanzen hervor. 


Es zahlten an Umlagen 
1902 1906 
Prozent Gemeind. Ortſch. Gemeind. Ortſch. 


— 0 588 — 514 — 

1— 50 1229 250 670 248 
51-100 3004 151 2693 150 
101—150 1727 54 2072 62 
151— 200 789 15 1197 25 
201-250 318 7 415 8 
251 - 500 329 9 405 11 
über 500 11 — 26 — 

Gleichzeitig ſtiegen (alſo binnen 4 


Jahren!) die Schulden der Gemeinden von 
514,4 Mill. auf 650 Mill., der Zinsauf— 
wand hiefür von 18,8 Mill, auf 23,1 Mill. 
Die Zahlen wirken noch anfchaulicher, wenn 
wir fie vergleichen mit ſolchen aus früheren 
Yahrzehnten. So zahlten 1878-79 nod) 
2550 Gemeinden weniger als 50 Prozent 
Umlagen, die Diftrittsumlagen betrugen 
damals 28,65 Prozent, der Schuldenitand 
jämtliher Gemeinden war 1879: 116,227 


Mil, Trogdem fah ſich damals ſchon der 
Minifter Feiligih veranlaßt, gegen bie 
Überbürdung der Gemeinden Stellung zu 
nehmen und Vorſchläge zu befjerer Laften- 
verteilung zu machen. 
Bou der Eifenbahn. Preußen-Heffen 
verfügt über eine Bahnlänge von 31 764 km, 
Bayern über eine folde von 5777 km. 
Diefem räumlichen Mibverhältnis fteht das 
finanzielle zur Seite: Bei dem fleinen 
bayerischen Net abiorbierten die Betriebs« 
ausgaben im Durchichnitt der legten drei 
Yahre 72,21 Prozent ber Einnahmen, in 
Preußen nur 60,27 Prozent; wir erzielten 
auf 1 km Bahnlänge im legten Jahr 
(1902) einen Überfhuß von 8100 Marf, 
Breußen einen folhen von 17046 Marf. 
Für die bayerifchen Staatsbahnen berechnet 
fih die Verzinfung des Bauaufwandes im 
Jahre 1903 auf 2,69 Prozent, für bie 
preußifch-heiftichen Bahnen auf 7,3 Broz.! 
Dazu fommt noch, daß in Preußen bauliche 
Ergänzungen bis zu 100000 Marf aus 
dem Betriebe beitritten werden, während 
wir für Derartige Ausgaben bejondere 
Kredite zu beanfpruchen gewohnt find. Seit 
der Berftaatlichung der Bahnen in Preußen 
fonnten über 2 Milliarden Markt Eifen- 
bahnſchuld getilgt werden, während in 
Bayern die Eifenbahnihuld von 1880 bis 
1903 um 416,8 Millionen anwuchs und 
jegt rund 1,35 Milliarden beträgt. Aus 
den Überfchüffen unjerer Bahnen find in 
dem Beitraum von 1880 bis 1903 aller- 
dings rund 43 Millionen der Staatskaſſe 
für allgemeine Zwecke zur Verfügung ge 
ftellt worden ; allein in der gleicgen Periode 
mußte der Staat rund 100 Millionen für 
Eifenbahnbauten und Beihaffung von Fahr: 
material aus allgemeinen Mitteln den 
Bahnen zumenden. (Aeltere Statiftif.) 
Bayeriihe Schulden. Nah den Zu⸗ 
jammenftellungen des Kgl. Statiftifchen 
Bureaus beziffern fich die Schulden der 36 
bayeriihen Städte über. 10000 Ein- 


— BB — 


wohner auf zujammen 604 Mill. ME | wigshafen, Bamberg, Regensburg, Bay. 
Davon entfällt nahezu die Hälfte mit 301 | reuth, Birmajens, Hof, Aldhaffenburg, 
Mil, ME. auf die Stadt München; weitere | Yngolftadt, Rofenheim, Freiſing, Lechhauſen, 
100 Mill. ME. hat die Stadt Nürnberg, | Landshut, Baflau, Straubing, Franken— 
während die Übrigen 34 größeren Städte | thal, St. Ingbert, Yandau, Neuftadt 
zufammen 202 Mill. Mt. Schulden auf: | a, Hdt., Speyer, Zweibrüden, Am: 
weifen, München und Nürnberg haben aljo | berg, Weiden, ſtulmbach, Ansbach, Erlangen, 
zufammen nahezu nochmal ſoviel Schulden | Schwaben, Schweinfurt, Kempten, Mem- 
als die nächftgrößten Städte. Es find dies: | mingen und Neu-Ulm, 

Augsburg, Kaiferslautern, Fürth, Qubd- 








Brannkohlen 


find bei Haßloch gefunden worden, Die ſoll, dürfte hier bald regeres Leben entjteben. 
von einem Beamten des Bergamtd Zwei: Es werden zur Beit Verſuche gemacht, 
brüden vorgenommene Befihtigung der in | die Braunfohlen zu entölen, um das Erb- 
jener Gemarkung entdedten Braunfohlen- | wachs zu gewinnen. Dadurch, daß bie 
lager zeigte, daß Kohlen in weit größerer | Braunfohlen noch jung und nicht feit bei- 
Ausdehnung vorhanden find, ald bisher | jammen find, wird das Bermahlen gejpart, 
angenommen worden ift. Diefe Gejamt: | und die SHerftellungskoften der Brifetts 
länge der Braunkohlenſchicht foll fih etwa | werden dadurd; verringert. In nächſter Zeit 
3 Rilometer weit erftrefen. Man ift bei | wird eine Baggermajchine bierher fommen, 
den Bohrverſuchen ſchon in 2 Meter Tiefe | um die Braunfohlen zutage zu fördern. 
auf eine 2'/s Meter dide Kohlenſchicht ge- Die alljährlich zu verausgabenden Urbeits- 
ftoßen. Da mit der Förderung der Kohlen | Löhne werden auf nahezu 1 Million ME. 
ſchon in allernäcdhfter Beit begonnen werden | geichägt. 





Archivbenũtzung. 


Wie amtlich bekannt gegeben wird, find | Monaten von 8 Uhr vormittags bis nad- 
nunmehr jomohl das allgemeine Reichs- | mittags 4 Uhr bezw. bis zum Gintritt der 
arhiv in Münden, wie aud die act | Dunkelheit der Benügung geöffnet. Nur 
Kreisarhive ın Amberg, Bamberg, | an den Samstag-Nachmittagen find fie der 
Landshut, Münden, Neuburg a. D., Nürn- | Reinigung halber gefhloffen. Es ift zu 
berg, Speyer und Würzburg an den | ermarten, daß aud) von diefer Erleichterung 
Wochentagen in den Monaten November | der WUrhivbenügung reger Gebrauch ge- 
mit Februar von 8’. Uhr, in den übrigen | macht wird, 








Citerariſches. 


Auswanderung und Kolonie- | Dristany (1777) iſt dieſe Schrift heraus: 
gründungen der Pfälzer im 18. gegeben. Allein ſie iſt keine gewöhnliche 
Jahrhundert von Dr. phil. nat. Jubelſchrift, ſondern bietet zum erſten 
Daniel Häberle, Verlag der Kol. Male in wohlgegliederter Form den 
Bahyer. Hofbuchdruderei H. Kayſer, Kaiferd- | reichen geihichtlihen Stoff, der in zahl- 
lautern, 1909. Breis 6 ME, reihen ®erfen und Zeitichriften, in Archiven 

Zur 200jährigen Erinnerung an die | und Familienpapieren diesjeits und jenfeits 
Mafjfenauswanderung der Pfälzer 1709 | des Ozeans zeritreut liegt. Es bedurfte 
und an den pfälziihen Bauerngeneral | des Riefenfleißes von Dr. Häberle um diejes 
Nikolaus Herhheimer, den Helden von | gediegene, reichhaltige Buch zu ſchaffen, das 





und von den erften Ausmwanderungen aus 
der Pfalz, ſoweit fih Spuren finden ließen, 


29 


Schilderer der landihaftliden Schön- 
heiten bes Pfälzerlandes, feines Volkes 


dann aber von den großen Wafjenaus | Braud und Sitte, als Hüter feiner alten 
mwanderungen des 17. und 18. Jahrhunderts Volkslieder und Sagen kennen und ſchätzen 


berichtet. Wir lernen bier eine für unfere 
Heimat verderbliche Folge der entieglichen 
Sriege des 17. Jahrhunderts und der 
religidfen Bedrängung ım 18. Jahrhundert 
in ihrem ganzen Verlaufe fennen. Gin- 
gehende Nachrichten erhalten wir über pfäl- 
ziüche Kolonien in Amerifa. Der Berfafler 
führt uns an den Hudion, den Schoharia, 
Mohamwt, nad Benniylvanien, New Jerſey, 
Virginien, Earolina, Georgien, Louifiana, 
Gayenne, aber auch in Europa meift er 
überall in den Rheinlanden, in Branden- 
burg-Bommern, in Dänemark, Rußland, 
Spanien, in fterreid-lingarn, in 
Galizen und der Bulowina, nicht zuleßt 
in Bayern den pfälziihen Ginfchlag in 
der Bevölkerung nad. Er meint zunächſt 
nur eine Überficht gegeben zu haben und 
gewiß läßt fid) das Material im Einzelnen 
noch vermehren; aber da8 Bud ift tat- 
ſächlich die Geſchichte der Aus 
wanderung des 18. Jahrhunderts, die 
zu eifrigem Spezialforfchen ſicher anregt, 
weil fie auf Quellen hinweift, die bi® heute 
vielfach unbefannt waren, nur aber durd 
den unermüdlichen Forſcher an Tag kommen. 


Eine ftattlihe Zahl mohlgelungener 
Bilder und Kartenſkizzen dienen dem reich- 
baltıgen Werke nicht nur zur Erklärung, 
fondern auch als ichöner Schmuck. Was 
Hüberle vom amerikaniſchen Freiheitskrieg 
und dem Bauerngeneral Nifolaus Herch- 
beimer zu berichten wei, hat fiher für 
weitere Kreiſe großes Intereſſe. Der 
Gebrauch des Buches wird durh ein 
vorzügliches, vollftändiges Megifier fehr 
erleichtert. Th. Bint. 


Unier pfälzifher Dichter Aug. 
Beder bat befanntlih zu Lebzeiten bei 
feinen Landsleuten die verdiente Aner⸗ 
fennung nicht gefunden. Anders die Nach— 
mwelt, die in feinen prächtigen Romanen 
„Hedwig“ und „Nonnenjufel”, jenem lieben 
Geſchichtenbuche „Ein Weihnachtsbuch“, 
ſeinem kulturgeſchichtlichen Werke „Pfalz 
und Pfälzer“, und vielen anderen Büchern, 
die ja meiſt auf pfälziſchem Boden ſpielen, 
den Dichter in feinem wahren Werte als 


| gelernt Hat. 


Auh bat ihm die danfbare 
Nahmelt im Jahre 1907 in feiner Heimat- 
gemeinde Alingenmünfter ein Denkmal er- 
richtet. Bon feinen Büchern, welche die 
ftattlihe Zahl von 44 Bänden umfaffen, 
find leider viele vergriffen und nicht einmal 
antiquarifch mehr zu haben. Hierüber ift 
man vielleiht im Unflaren. Es darf daher 
freudig begrüßt werden, daß die Hofbuch- 
handlung von Eugen Cruſius in Raijers- 
lautern ein Verzeichnis jämtliher Schriften 
Auguft Becker's herausgegeben bat, aus 
weldhem zu erfehen ift, welche Werte noch 
im regulären Buchhandel zu haben und 
welche vergriffen und vielleiht noch anti- 
quarifh erhältlih find. Der heutigen 
Generation dürfte weniger befannt fein, 
wie der Liedercyflus: „Sungfriedel der 
Spielmann”, der im Jahre 1854 ir dem 
berühmten Cotta'ſchen Berlag in Stuttgart 
erihien, einen wahren Wetteifer unter 
den damaligen Stomponiften hervorgerufen 
hat, dieje herrlichen Lieder in Muſik zu 
ſetzen. Die bekannten Liederfomponiften 
Franz Abt, Ferdinand Gumbert, Holſtein, 
Hornftein, Liebe, Scharwenfa, Taubert und 
viele andere, deren Aufzählung bier zu 
meit führen würde, haben eine große An- 
zahl in Muſik gejegt, teils für eine Sing- 
ſtimme mit Stlavierbegleitung, teil für vier» 
ftimmigen Männerdor, fo das ſchöne Lied 
„Neues Leben”, deſſen erjte Strophe heißt: 
Mein Herz, tu’ Dich auf, daß die Sonne brein ſcheint! 
Du haſt J genug jetzt geklagt und gemeint! 
Bob wiederum Mut, 
u jungfriſches But! 

Mein Herz, tu’ dich auf, denn die 
Sonne meint’ gut! und das Brautlied: 
„Sonnenlidht, Sonnenſchein, fält mir in’s 
Herz hinein”, find fait ein Dutzend Mal 
in Muſik gefegt. Dem Berzeichnis jeiner 
Bücher ift au eine Zufammenftellung der 
Lieder mit Angabe der verjchiedenen Kom» 
poniften, welde fie vertont haben, bei- 
gegeben. Freilich ift die Anzahl der Lieder 
eine jo große, dab dies Verzeichnis feinen 
Anſpruch auf Vollftändigkeit machen kann; 
immerhin ift aber daraus zu erjehen, wel · 
her Wertihägung fih der junge Dichter, 


der erit 26 Yahre zählte, erfreuen durfte, 
Beide Berzeichniffe werden den Verehrern 
unjeres heimifchen Dichters von genannter 
Buchhandlung gerne gratis und portofrei 
überjendet. 

Tabafhandel. Als 5. Heft des 
X. Bandes der von den Brofefforen Karl 
Kohannes Fuchs, Eberhard Sothein 
und Gerhard von Schulze Gaevernig 
herausgegebenen „Bolfswirtichaftlihen Ab— 
bandlungen der badiſchen Hocjchulen” ift 
im Berlage der. G. Braun'ſchen Hofbuch— 
druckerei zu Karlsruhe eine Schrift „Die 
Entmwidlung des Pfälzer Tabatf: 
hbandels jeit den Toer Jahren“ von 
Dr. Otto Heymann erjdienen. Im 
Pfälzer Tabafhandel hat fich in den legten 
Jahren eine außerordentlid) intereflante, 
bis jegt allerdings noch völlig unbeachtete 
Entwiflung vollzogen; im Zeitraum von 
nur 10 Jahren hat fih in Mannheim, dem 
Hauptſitz dieſes Handelszweiges, die Zahl 
der Tabakhandlungen um die Hälfte ver— 
mindert. Die Gründe dieſer Entwicklung 
werden vom Verfaſſer unterſucht. Er zeigt, 
wie bier ein weitaus typisches Beijpiel für 
die durch die Stonzentration in der faufenden 
Induſtrie ermöglichte Ausichaltung des 
Großhandels vorliegt, welhen Einfluß die 
Entitehung des landmwirtichaftlihen Ge— 
nofienichaftsmwejens auf den Handel ausübt, 
Daneben fommen nocd bejondere der 
Tabafbrande eigene Gründe in Betracht, 
wie die Entwidlung des Tabakbaues, der 
Induſtrie, der Erportverhältniffe, die dem 


30 





Berfafjer Gelegenheit gegeben haben, zahl- | 


reiche hier beitehende Streitfragen durd 
neues Material weſentlich zu flären. Die 
Urbeit jollte beſonders einen praftijchen 
Wert haben und fo erörtert der Berfajler 
auf Grund der Urjachen, denen der außer: 
ordentlihe Rüdgang im Tabafhundel zu- 
zufchreiben ift, die Möglichkeiten einer 
Beflerung, vor allem auch die Frage eines 
zu erhöhenden Schutzzolls, die von ihm 
verneint wird. Im Anſchluß hieran wird 
die Tabaffteuergejeßgebung Überhaupt und 
befonders der jegige Entwurf kritiſch ber 
handelt. Der Berfafjer lehnt eine zu hohe 
Beiteuerung ab, glaubt aber, daß eine 
Höbherbefteuerung des Tabafs ſchwerlich aus» 
bleiben wird, und jchlägt deshalb vor, 
diefe Erhöhung durch eine ftufenmeife, auf 





mehrere Jahre verteilte Erhöhung der 
Steuerfäge durchzuführen, um fo jeden 
Konfumrücdgang zu vermeiden. Dem Werk 
ift ein umfaffendes Bahlenmaterial bei— 
gegeben. (Heidelb. TagebI.) 
Neue Touriftenfarten. Uber das 
mit bedeutenden Koften vom Pfälzerwald⸗ 
verein herausgegebene große pſfälziſche 
Kartenwerk fchreibt ein militärifcher 
Fachmann in den „Münd. N. Nadır.“ 
u. a. folgendes: „Karte des Pfälzer— 
waldes“. (8 Blätter in 1:50000; Preis 
12 Mt.) Nach dem Borbilde der Wander- 
karten großer Verbände hat der Pfälzer 
mwaldverein mit einfacheren Mitteln im 
fleineren Rahmen die Herausgabe von adıt 
dreilarbigen Wanderfarten der Baper. 
Rheinpfalz aufs glüclichite betätigt. Um 
den Verlauf aller Fußwege, insbejondere 
im Waldgebirge jo wiederzugeben, daß der 
Wanderer feine Wege jozujagen von Schritt 
zu Schritt verfolgen fann, war es geboten, 
das Material des Bayer. Tooograph iſchen 
Atlas 1:50000 als Grundlage zu mählen. 
Den umiangreihen und langwierigen 
Arbeiten der farbigen Eintragungen unter- 
zog fich mit feltener Aufopferung ein Bor: 
ftandsmitglied des Vereins, ein Pfälzer 
Kind, Heinrih Kohl, Prokuriſt der 
Pfälzifchen Bank, welcher infolge außer 
gewöhnlicher Ortsfenntniffe jogar mander- 
lei fleine SKartenberichtigungen liefern 
fonnte, Es erhielten die Gemwäller einen 
Aufdruf blauer Linien, und alle Zieien- 
linien oder Senfungen ohne Waijerläufe 
blaue Bunftreihen. Die Fußwege wurden 
mıt roter farbe aufgedrudt ; mit den roten 
Bahlen in diefen Linien fann auf der jedem 
Blatt beigefügten Überfiht Farbe umd 


Beihen der im Gelände angemwendeıen 
Wegmarfierung ſofort ficher feſtgeſtellt 
werden. Auch unmarfıerte wichtigere Fuß 


wege find durch rote Punftierung, Aus- 
fihtspunfte durch befondere rote Beichen 
hervorgehoben. Zum Hchuge gegen Bit 
terungseinflüffe erhielt das kräftige Papier 
eine feine, durchſichtige Yadierung, die 
außerdem geftatter, mittels Olftift Einträge 
auf die Blätter zu madhen und mit dem 
gefeuchteten Finger wieder megzumijchen 
Die Drudarbeiten wurden in mufterhaiter 
Weile vom Topographiſchen Bureau des 
bayerischen Generalftabs in Münden aus: 


— — — —— — — —— — — — — 


geführt.” — Der Berein hat fi mit ber 
Herausgabe diejes Werkes ein großes Ber- 
dienft um die Erichließung unferer fchönen 
Pfalz erworben und im Intereſſe der 
Heimatkunde wäre es jehr erwünſcht, wenn 
die Starte eine große Verbreitung finden 


würde. Kür einen Wäldler ein jchönes 
Feſtgeſchenk. 

Geologie und Geographie der 
Mirtel- und Nordbart und ihres 


Borlandes von Dr. D. Häberle er 
ſcheint als Sonderabdrudf aus Jul. Schmitt, 
„Der Wonnegau der Pfalz und fein an» 
grenzendes Waldgebiet” bei %. Aheinberger. 
— Auf 17 Seiten Oktav gibt der ſach, 
landichafts- und wirtichaftsfundige Verfaſſer 
einen bei aller Knappheit jehr präzifen und 
hodhintereffanten Ueberblif über Entſteh— 
ung, Geologifhen Nufbau der Hart, 
und ihres Borlandes und der Nheinebene, 
Dberflähenform beider Gebiete, wie 
fte fich dem Auge darbietet, Bodenfultur 
auf Grund des geologiich-mineralogifchen Zu- 
ftandes und Bodenſchätze, die weder an 
Zahl, nody an Wert gering find. Es ift 
Wiſſenwertes für jeden, der feine Heimat 
lieben und jchägen mag, weil er fie fennt, 
und ergänzt und vertieft nach mander Seite 
das, was jonft die „Führer“ jagen. 


Münzfunde in der Pfalz 190708 
veröffentliht E. Heuſer in Speyer (aud 
als Sonderabdruf aus den Mitteilungen 
der Bayer. Numismatiſchen Gejellichaft, 
XXVI. Jahrgang 1908). Er berichtet, daß 
306 Silbermünzen, die bei Böbingen in 
einem Topfe gefunden wurden, zu Beginn 
des ſpaniſchen Erbfolgefrieges (1702 viel- 
leicht) vergraben worden fein dürften. In 
Speyer wurden gegen 40 Scheidemüngen 
aus der 2, Hälfte des 17. Yahrhunderts 
und bei Freckenfeld 167 Silbermünzen aus 
gleicher Zeit für das Hiſtoriſche Mujeum 
der Pfalz gewonnen. Bei Niederauerbach 
wurde ein Feiner Goldmünzenfund gemacht, 
bei Imsweiler gar ein Strüglein mit 39 
Goldſtücken nur 80 cm unter der Erde 
gefunden. 


Rektor Dr. Ulbert Attensperger, 
Geographiſche Studienüber dieBor- 
derpfalz. Beilage zum Sfahresbericht der 
Kgl. Realſchule Kronah für das Schuljahr 
1907,08. Auch Differtation der Technifchen 


31 


nam I — — 


Hochſchule Münden 1908. 51 S. — Nach 
einer furzen Schilderung der Hart behandelt 
der Berfafler die Entftehung und Heraus: 
bildung der Rheinebene bis zur Quartärzeit 
und geht dann auf die geologiichen Streit- 
fragen über deren Umbildung in der Dilu- 
vialzeit näher ein. Hierbei werden bejon- 
ders in den reis der Betrachtung gezogen: 
Die Frage der Bergleticherung der Hart 
in der Eiszeit, die Entftehung des Löſſes 
und die Bildung des Rheinlaufes, Den 
Schluß nimmt eine Erörterung über die 
Umbildung der Rheinebene in der Quartär- 
zeit und über deren allmähliche Ausgeſtal— 
tung in der Alluvtalzeit ein. — Die Arbeit 
ift injofern recht verdienftvoll, al® der Ber- 
faſſer referierend über die verichiedenen 
geologiichen Streitiragen berichtet und die 
einichlägige Literatur erichöpfend anzieht. 
Mit der Urbeit von Bapyberger über das 
nordweitlihe Yautertal gehört fie zu den 
wenigen bis jegt über unjere engere Heimat 
erjchienenen wirklich geographiiden 
Schriften und bildet jo eine wertvolle Be— 
reicherung der pfälziichen heimatfundlichen 


Literatur. Dr. D. Häberle. 


Dr. Alfred Rojenbujd, „Die Or 
ganijation des Kommunalfredits 
unter jpezieller Berücdfichtigung der Ber: 
hältniffe in der Rheinpfalz. Die Schrift 
ift auf Grund eingehender Unterfuchungen 
des vom Pfälziſchen Städteverband über- 
laffenen amtlichen Materials und ergänzen- 
der perjönlicher Rückſprachen mit den ein- 
zelnen Gemeinde-Bürgermeijterämtern ver- 
faßt. Dargeftellt ift zunächit die Entwick— 
lung von 1800 — 1800, dem Jahre, in dem 
zum erften Male eine pfälziiche Stadt Obli- 
gationen ausgab, In der Folge werden die 
Berhältniffe von 1800 bis zum heutigen 
Tage behandelt. Intereſſant ift die Auf: 
nahme von Obligationenanleihen nach ihrer 
techniichen Seite hin unter Beiprechung der 
Bor- und Nachteile bei Fixierung der ein- 
zelnen Punkte vom Beginn der Verhand— 
lungen bis zum WBörfenhandel der aufge: 
nommenen Anleihen. Zum Bmede der 
Konftatierung typifcher Erfcheinungen find 
die Gemeinden nach ihrer Größe in vier 
Gruppen eingeteilt. Im Schlußkapitel find 
die Gründe für die — mie überall, jo auch 
bei den pfälziſchen Gemeinden zu bemerfenden 


— ziemlich unbefriedigenden Grfolge bei 
Aufnahme der Anleihen Flargelegt und Bor- 
ſchläge zu einer geiunden Organifation des 
Kommunalkredits gemacht morden. Das 
115 Seiten ftarte Buch ift wegen dieſes 
interejfierenden Inhalts ſowohl, als aud 
ob der flotten, keineswegs trockenen Schreib⸗ 
weiſe und des deutlichen, ſauberen Drucks 
ſehr zu empfehlen. 

Pfälziſche Heimatliteratur. Hier- 
über hat die Hofbuchhandlung Eugen 
Cruſius in Kaiſerslautern ein Verzeichnis 
aufgeſtellt und uns in dankenswertem Ent ⸗ 
gegenkommen zur Verfügung geſtellt. Wie 





Bayeriſches 


Am 1. Januar ds. Is. iſt in Bayern 
ein neues Waſſergeſetz in Kraft getreten, 
das in unſerer engeren Heimat vielleicht 
nicht die Beachtung gefunden hat, die ſeine 
Wichtigkeit verlangt. Daß es geeignet iſt, 
unſere Waſſerrechtsverhältniſſe erheblich zu 
verſchlimmern, lehren zur Genilge die 
folgenden Artikel aus dem neuen Gejege: 

„die Öffentlihen Gewäſſer, die bisher 
zur allgemeinen Benügung beftimmt waren, 
geben in das Eigentum des Fisfus über 
und werden nad fisfaliihen Grundjägen 
bewirtichaftet werden. (Art. 1.) 

Auch Privarflüffe fönnen in Staatsflüffe 
umgewandelt werden. (Art. 4.) 

Die Uferlinie wird von der Bermal: 
tungsbehörde feftgeiegt. (Art. 6.) 

Die Entihädigung für Mbleitung von 
Waſſer jet die Verwaltungsbehörde unter 
Ausschluß des Nechtsmweges feſt. (Art. 19.) 

Neue Anlagen und Veränderungen be- 
ftehender werden nur mwiderruflid; genehmigt. 
(Art. 42.) 

Hiefür werden Gebühren erhoben. 
(Art. TI. Die Höhe ift natürlich der 
Bermwaltungsbehörde überlafjen.) 

Befiger von Wafjerbenügungsanlagen 
find verpflichtet, eine zeitweife Einftellung 
des Betriebes ohne Entjchädigung zu dulden. 
(Art. 82.) 

Der Eigentümer des gegenüberliegenden 
Ufers kann die Mitbenügung einer Stau« 
anlage verlangen. (Art. 158.) 

Der Bollzug des Geſetzes obliegt den 
Bermwaltungsbehörden. (Urt. 164. Das 


32 


| 


reihhaltig die Lifte ausgefallen ift, bemweiii 
die Ordnungsnummer 245, obwohl älter: 
Schriften, die vergriffen find (mit Ausnahme 
weniger, im Antiquariatshandel bie und da 
— mitunter zu hohen Breifen — ned 
aufzutreibender), ſowie Gedichtfammlungen 
in Pfälzer Mundart nicht in das Ber 
zeichnis aufgenommen worden find. Eämt- 
lide Nummern fann die Hofbuchhandlun 
liefern und wir find felbftverftändlich br 
reit, Interefjenten Auskunft auf Grund der 
Lifte zu erteilen oder dieje jelbft zur Ein 
ſichtnahme zu überlaflen. — 


Waſſergeſetz. 


ſind Juriſten, denen wirklich ſachverſtändige 
Berater nicht zur Verfügung ſtehen.) 

Die Auswahl und die Beeidigung der 
Beugen und Sadiverftändigen erfolgt mad 
freiem Ermeſſen der Behörde. (Art. 172.) 

Die Behörden können Anordnungen 
treffen und vollftrefen laffen. (Art. 172.) 

Feitftelung von Entihädigungen erfolg: 
durh Scägung der Berwaltungsbehörde. 
(Art. 193.)” 

Aus Vorftehendem geht ſchon flar ber: 
vor, dab das Gejek nur Verpflichtungen 
für den Waflerfraftbefiger kennt und ibn 
in vielfaher Beziehung der bisherigen 
Nechtsficherheit beraubt. Schon macht id 
die Wirfung des Geſetzes allenthalben un 
angenehm fühlbar und aud in der Pal; 
bat es ſchon unerfreuliche Verhältniſſe ar 
zeitigt. 

Die Gemeinde Aljenborn beabfichtig! 
den Bau einer Waflerleitungg. Da di 
Berjuche wohl nıdht von gewünjchtem Erfols 
waren, wurde der urjprünglide Plan eine 
Hochdrudleitung fallen gelafien. Es murk 
nun furzer Hand beſchloſſen, eine Pump 
ftation zu errichten und das Waller dem 
Duellengebiet des Wljenzbahes zu em: 


nehmen. Alfenborn ift eine Gemeinde obm 
Umlagen. Sobald eine Wafferleitung vor 
handen ift, werden fih Fabriken der 


etablieren, und es jollen zu diefem ABmedı 


ihon jetzt Ländereien angefauft morde 
fein. Ueberhaupt wird die Seelen 
des Dorfes durch Zuzug von aufm 


erheblich fteigen und in wenigen abe 





Der Magiftrat von Münden beichäftigte 


wird der Waflerverbrauh ein recht be» | alle Erwerbszweige, befonders auf die Yand- 
deutender fein, der übrigens auch jegt | wirtjchaft, eingewirft hat und noch einmirft. 
ihon nicht fo minimal jein dürfte, wie er | So dürfte der Kampf um ihre Erhaltung 
behördlicherfeits angegeben wird. Dem | allein jchon ein gutes Werk für dad Ge— 
Beifpiel diefer Gemeinde fcheinen andere | meinmwohl darftellen. 
folgen zu wollen. Enkenbach plant eine Schlimmer als der Ruin eines einzelnen 
BWaflerverforgungsanlage und e3 ift ziemlich | Ynduftriezweigs ift der Entzug des Waſſers 
fiher, daß e8 mie Alfenborn die Mutter | im allgemeinen und damit der billigften 
quelle der Aljenz anbohren wird. Anderer | aller Sräfte der Erde, der Waflerfraft, für 
ſeits wollen Neufirchen-Mehlingen und der | ein ganzes Tal. Es mwürde bier zu meit 
Mündihwanderhof ihren Waflerbedarf den | führen, all die tiefgreifenden Wirkungen 
Quellen von Zuflüfjen der Alfenz und ihres | eines ſolchen Vorgehens, deren Zahl unab» 
Nebenmwaflers, des Lohnbachs, entnehmen. | jehbar ift, nur angudeuten. Erinnert jei 
So ift man überall am Werke, an den | nur an die Gefahr, welche für größere Ge— 
Quellen zu ſchöpfen, die feit Jahrtaufenden | meinden, z. B. Alſenz, entftehen könnte. 
einen Waflerlauf jpeifen, der ein Tal dur | Es ift befannt, daß in trodenen Sommern 
eilt, dejlen Bewohner des Segens desjelben | — es jei nur an 1893 erinnert das 
bemußt find, feine geringen Kräfte dankbar Bachbett der Alſenz oft faft vollftändig aus- 
ausnügten und jeit Jahren jchon ängftlich | trodnet. Wen dann auch der legte Reit 
das Ubnehmen ihres Baches beobachteten. | des Waſſers noch genommen werden jollte, 
Was die Natur wieder hätte gut machen | würde bei Ausbruch einer Feuersbrunſt 
können, will nun Menſchenhand mit einem | vffen-fließendes Waſſer, das dann unendlich 
Diale verjchlimmern. wertvoll ift, nicht mehr verhanden oder doch 
Nach dem Geſetz ift eine Wafferentnahme | bald erſchöpft fein. Die Folgen find un- 
erlaubt, wenn die Menge nicht erheblich ift | abjehbar. 
und das Gemeindemwohl nicht darunter leidet ; Es jeien deshalb dieje Zeilen ein Auf- 
aber eine zehn Dal unerhebliche Entnahme | ruf an die öffentlichen Aemter, die Ge— 
gibt ein ganz erhebliches Quantum, Diefe | meinden, die gewerblichen und landwirt- 
Tatſache erfennend, haben die Mühlen und | fchaftlichen Korporationen und nicht zulegt 
Triebwerköbrfiger der Alfenz und des Lohn- | an jeden einzelnen Bewohner des Aljenz- 


baches zu dem Borgehen der Gemeinde | tales! Es ift die höchſte Zeit, Front zu 
Alſenborn Stellung genommen. Es ift zur | maden gegen diejes Vorgehen und eine 


Genüge befannt und wird in unferer Zeit | Yanze einzulegen für die Erhaltung eines 
der Großmühlen immer wieder betont, wie | jegensreihen Wafferlaufes. 


' fegensreih die Kleinmühleninduftrie auf (RR. i. d. Pf. Pr.) 





Kleine Mitteilungen. 


Borfhriften zur Berhütung von Rand, | wonach der Rauch gewöhnlich nur in durd) 
Ruß, Gas: und Staub-Beläftigungen, | fihtiger Form dem Kamin entweichen darf 
und wonad die Entwicklung von andauern- 
dem undurcfichtigem Rauch verboten ift. 
Diefe Borjchrift joll au Anwendung finden 





fih vor einiger Zeit mit einer Revifion 
der ortöpolizeilihen Vorſchriften zur Ber- 


: Hütung von Beläftigungen und Gejundheitsr | auf Straßen Dampfmwagen, Lofomobilen, 


gefährdungen durch Rauch, Ruß ꝛc. vom | Dampfwalzen, Wsphaltdarren, Asphalt: 


11, September 1891 auf Grund von Gut- | jchmelzkeffel u. dgl. Weiter find neue Be- 
achten des Gejumdheitärate8 und eines | ftimmungen zur Berhütung von Beläftigungen 
don einer ftädtiichen Kummulativtommiffion | durd; Gasmotoren und Fiesquetichanlagen 


: vorgelegten Entwurfer, der 15 Paragraphen | getroffen, ebenjo hinfichtlih des Aus—⸗ 


: umfaßt. klopfens und AWusftaubens von 


Der Entwurf bringt eine mefentlihe | Teppihen, Matten, Läufern, Pol 
Neuerung vor allem im Paragraphen 2, | ftermöbeln, Deden, Bettftüden ıc, 


für das eine beftimmte Beit, an 
Werktagen von 8 bis 11 Uhr vor 
mittags, an Samstagen außerdem 
von 3 bis 8 Uhr nadhmittags, feft- 
gelegt if. 

In einer längeren Diskuffion murden 
von verichiedenen Seiten Bedenfen gegen 
die neuen Vorſchriften geltend gemacht, doch 
wurden fie jchließlich genehmigt. 

Aus der Borderpfalz. Die Pfalz hat 
diesmal eiren Winter, mie feit etwa 15 
Jahren nicht. Fünfmal ift ausgiebiger 
Schneefall eingetreten und der Rodelbetrieb 
hat im Januar einen Umfang angenommen, 
wie nie zuvor. Jetzt ift milderes Wetter 
eingetreten, und mit dem Schnee dürfte es 
für diefen Winter fo ziemlich vorbei fein, 
obwohl nod genug davon in den Berg: 
wäldern anzutreffen ift. An einigen Stellen 
wurden ſchon die erften Schneeglödchen ge: 
funden. Die Mandel. und Pfirſich— 
blüte wird dies Jahr ſehr früh erwartet, 
im Gegeniag zum Vorjahre. Mandel-, 
Pfirfihd- und Aprifofenbäume haben gut 
übermintert und zeigen durchweg gutes 
Hol; und auch ſchon viele Knoſpen. Als 
Spezialität diefes Winters ift auch hervor 
zubeben, daß heuer in der ganzen Pfalz 
auffallend viel Wildfagen gefchofien 
werden. Auch das Wildjchmwein tritt wieder 
in größerem Umfange als biöher als 
Standmwild auf. 


Der neugegründete „Berein pfälz. 
Künftler“ in Neuftadt hat u. a, dıe Wieder: 
einführung der pfälziichen Bolkstrachten 
auf jein Arbeitsprogramm geftellt. Geplant 
ift die vorläufige Einführung der Trachten in 
Billigheim, Bergzabern, Bad Gleisweiler, 
Neuſtadt a. H. Bad Dürfheim und 
Leiningen. Es follen hiſtoriſche Volks— 
trachtenkarten in Farbendruck herausgegeben 
werden, die vor allem die Winzertrachten 
berückſichtigen. Auch» iſt die Herausgabe 
eines pfälz. Trachtenbuches in Farbendruck 
beabfichtigt. 


Die Mäuſe haben aud in den Speyerer 
Gemarkungen in gewaltiger Zahl zu 
genommen und üben ihr Zerſtörungswerk 
im hohen Grade aus, Befonders haben 
fie es auf die mit Winterfrucht und Klee be- 
ftellten Meder abgejehen, jo dab viele Ueder 
neu beftellt werden müſſen. 


Der Rohlenverbraud der Welt. Im 
Jahre 1907 find 900 Millionen Tonnen 
Kohlen auf der ganzen Erde gefördert 
worden. Wie ungeheuer der Bedarf der 
Menſchheit an Kohlen unabläffig fteigt, er 
gibt die Tatfache, daß 100 Sabre früher 
1807, der Sohlenverbraudh der Welt nur 
13 Millionen Tonnen Setrug. In 100 
Jahren ift der Bedarf aljo um das Sieb: 
zigfache geitiegen! 

Aus der Bogelwelt. In dem Wein- 
baugebiet die Unterhaardt, deſſen WRittel- 
punft Deidesheim ift, hat man einen jebr 
wichtigen Erfolg erzielt. In diefem Winter 
werden in den Weinberglagen Shwärme 
von Meijen gelehen, wie fie früher in 
dıiefer Stärke nıe beobachtet wurden. Sie 
ſuchen Stod für Stof nah den Buppen des 
Sauerwurms ab, der in den legten Jahren 
in den Wingerten geradezu verheerend auf: 
trat. Schmwärme von TO bis 90 Blau- 
meifen und Kohlmeiſen wurden zum Bei— 
jpiel am 29. Dezember in der Weinbergs- 
anlage im Tal bei Deidesheim und ebenio 
in Stiefelberg und Haffert lange beobachtet. 
Es beftätiat fih hier der Sa des befannten 
Fachmanns v. Berlepih: Ye nach der Ab- 
nahme der Spagen fteigt die Zunahme 
aller anderen Vögel. Vom 1. April bis 
31. Dezember 1907 wurden beim Würger- 
meifteramt in Deidesheim 1058 GSpagen 
(A 2 Pfennig), vom 1. Januar bi8 31. Des. 
1908 1225 Spagen (a 3 Pfennig) abge 
liefert. Bom 1. Januar 1909 ab werden 
4 Biennig für das Stüd bezahlt. Es werden 
Prämien von 10, 8 und 5 Mt. für die 
erfolgreichften Spagenjäger ausgejegt. 

Jubiläum der deutihen Briefmarke. 
Es find jegt gerade 60 Jahre ber, daß in 
Deutſchland Briefmarken eingeführt wurden. 
Bayern war der erfte deutſche Staat, der 
fie 1849 ausgab. Preußen folgte erſt ein 
Jahr jpäter, Dann famen Sadjen, Ham 
nover und Defterreich, und zulegt natür 
licherweiſe — die beiden Medlenburg umd 
merfwürdigerweile die Hanfaftädte. (In 
England, dem Baterlande der Briefmarke, 
waren die erften Briefmarfen am 13. Mei 
1840 im Verkehr erjchienen.) 

Die pfälziſchen Unterrihtsanftalten 
weifen im Schuljahr 1908 bis 1909 fol: 
genden Beſuch auf: Gymnaſien: Kaifers- 
lautern 281 (in der 1. Klaſſe 20, in der 


| 
| 
| 








9. Klafje IT), Landau 400 (59 — 26), Lud⸗ 
wigshafen a, Rh. 289 (32 — 21), Neuftadt 
296 (24—24), Speyer 382 (25 —30), 
Zweibrüden 275 (16—30). Die Gejamt- 
frequenz der Gymnaſien ſtellt ſich alſo auf 
1923 gegen 1585 im Schuljahr 1898 — 99. 
VBrogymnafien: Bad Dürkheim 96, 
Edenkoben 94, Frankenthal 131, Germers- 
beim 72, Grünftadt TI, Homburg 143, 
St. Ingbert 145, SKirchheimbolanden 39, 
Kuſel TI, Birmajens 86. Lateinſchulen: 
Bergzabern 43, Bliesfaftel 34, Kandel 62, 
Landituhl 54, Winnmweiler 63, biichöfliches 
Stnabenjeminar in Speyer 107, bithöfliches 
Stlerifaljeminar in Speyer 11. Ober 
realjchulen: Kreisoberrealſchule Ludwigs— 
hafen a. Rh. 733, Kreisoberrealſchule 
Kaiſerslautern 575. Realſchulen: Lan— 
dau 288, Neuſtadt a. Hdt. 275, Pirmaſens 
266, Speyer 251, Bmeıbrüden 323, 
Bräparandenidhulen: Blieskaſtel 63, 
Edenkoben 76, Kaijerslautern 144, Kirch— 
beimbolanden 52, Kuſel 98, Speyer 92. 
Seminare: Lehrerbildungsanftalt Kaiſers— 
lautern 152, Lehrerbildungsanitalt Speyer 
89, frädtiihe höhere weibliche Bildungs 
anftalt Sailerslautern 222, Landwirt: 
ſchaftsſchulen: Alfenz 54, Bellheim 60, 
Frankenthal 49, Homburg 22, Kirchheim— 
bolanden 36, Landau 70, Wolfftein 27, 
Bweibrücden 38, Streisaderbaufchule Kaiſers— 
lautern 34, Wein: und Obftbaufchule Neu- 
jtadt a. Hdt. 12. Sonftige Schulen: 
Kreisbaugemwerfihule Kaiſerslautern 164, 
mechanische Werkſtätte (Mebenanitalt der 
Stgl. Kreisoberrealjchule) Kaijerslautern 117, 
ſtädtiſche Webjchule in Lambrecht 89. An 
der Kgl. Techniſchen Hochſchule in München 
find? im Winterfemeiter 1908-09 174 
Pfälzer eingejchrieben. 

Fund. In der Kirche von Kirrberg 
bei Homburg murde dieſer Tage ein 
überrafhender Fund gemadt. In der 
Safriftei befand fi noch der Opferftod 
der alten Kirche; als diefer nun von jeiner 
hölzernen Umfleidung befreit wurde, fand 
man dahinter eine ziemliche Unzahl aus dem 
18. und 19, Jahrhundert ftammende Münzen 
der verjchiedenften Prägungen, Dreir, 
Sechs und Bmwölffreuzerftüde, Heller ꝛc. 
Es waren darunter kurpfälziſche, fur- 
fölnische Münzen, Saalfelder und Bayreuther 
Heller, badijche, heifiiche, württembergifche ꝛc. 


35 


Streuzer vertreten. 
dürfte vielleicht 
Stüd dabei fein. 

Bom Oberrhein. Der gegenwärtige 
Waſſerſtand des Rheins ift wohl der 
niedrigite, der in den legten fünfzehn 
Yahren beobachtet wurde. Bei Laufenburg 
fommt oberhalb der Brüde eine große 
Heljeninfel zum Borichein, ſodaß ſich dort 
der Strom in einer Breite von faum fünf 
Metern zwiſchen mächtigen Felſenblöcken 
und Klippen hindurchzwängt. Dieſe gün- 
ſtige Gelegenheit wird nunmehr benutzt, 
durch Sprengung größerer Felsmaſſen das 
Flußbett zu erweitern. 

Die Rheiuregulierungsarbeiten find 
nunmehr von Sondernheim bi8 Marau be- 
endet und zur allgemeinen Zufriedenheit 
ausgefallen. Der mit der Ausführung be- 
traute Damm-Meifter Bug hat laut „Bad. 
Preſſe“ feinen Standort von Leopoldshafen 
nach Neuburgmeier verlegt, um von dort aus 
die Arbeiten bis Straßburg weiter zu leiten. 

Das Erdbeben in SüdeFralien und 
Sizilien hat jogar einem juriftifchen Organe, 
der Deutſchen uriften- Zeitung, Beran- 
laffung gegeben, die Frage in den Streis 
der Erörterung zu ziehen. Juſtizrat 
Dr. Stranz mirft dort die Frage auf, ob 
bei ſolchen verheerenden Unglüdsfällen es 
künftig wirklich der moraliihen Pflicht der 
Staaten allein überlaffen bleiben dürfe, 
fi gegenjeitig Hilfe zu leiften. In diefem 
alle jei zwar von allen Aulturftaaten in 
einmütiger Hilfsbereuichaft eine weitgehende 
Unterftügung gewährt worden. Dr. Stranz 
verlangt, daß in folchen außergewöhnlichen 
Fällen die einzelnen Staaten verpflichtet 
jein müßten, ſich gegenjeitig zu unterftüßen, 
Der Gedanke verdiene weiter verfolgt zu 
werden, denn was heute dem einen Staate 
pajfiert, fann morgen fi aud in einem 
anderen ereignen. Gin Band, das über 
die flammenden Augenblidsmwallungen hinaus 
die Taten der Brübderlichfeit gegen die 
Wechſelfälle der Zukunft fibert, wünſcht 
Dr. Stranz. Es wäre eıne jehr verdienft+ 
volle Aufgabe für die nächſte Haager 
Friedenstonferenz, die auf diefem Gebiete 
mehr Erfolg zeitigen fünnte, wie auf dem 
der fogenannten Friedensfrage jelbft. Eine 
Ordnung der Ränder nad) ihrer Erdbeben- 
frequeng müßte natürlich vorausgehen. 


Für Münzjammler 
noch mand wertvolles 


36 


Eine gewaltige Bappel, die unſer hift. | Einrihtung einer Auskunft und Be 


Intereſſe beanfpruchen darf, liegt gegen: 
wärtig auf der Scneidmühle Berner in 
Bliesdalheim. Sie ift 18 m lang und 
mißt 8cbm. Der Stamm allein befigt eine 
Länge von 8 m einen Durchmefler von 95 em 
und mißt 5 chbm. Diefer Rieſenbaum 
ftand an der Kaiſerſtraße TC aargemünd- 
Saarbrüden. Im Jahre 1870 drohte 
ibm das gleihe Scidjal mie jeinen 
Kameraden. Die Franzoſen fällten nämlich, 
um die Straße zu ſperren, die daſelbſt 
ftehenden Bappeln. Sie hatten aud, mie 
heute noch erfichrlich ift, Schon diefen Baum 
angehauen, fonnten jedoch ihre Abficht nicht 
ausführen, weil ihnen die vorrüdenden 
deutfchen Truppen auf den Ferſen waren. 
&o blieb diefem ehrwürdigen Riejen eine 
längere Lebensfrift beſchieden. Doch jekt 
mußte auch er den Streichen der rt er: 
liegen und wird bald feine legte Reife nad) 
Kaijerslautern antreten. Die Möbelfabrif 
Friedrih Graf ın Kaiferslautern hat näm: 
lih das prachtvolle Eremplar angefauft. 

Württemberg. Es ift von Intereſſe, 
daß der Aultetat, einer Anregung der 
Zweiten Sammer folgend, zum erjtenmal 
eine Forderung für die Gründung eines 
Schulmufeums enthält, das in Stuttgart 
untergebradht werden joll und zunächſt be« 
fonders die Bedürfnifje des Unterrichts in 
Heimat und Naturkunde berüdfichtigen joll. 
Zur Pflege ähnlicher Intereſſen hat ſich im 
Jahre 1908 auf Veranlaffung des Stultis- 
minifteriums ein „Landesausſchuß für 
Natur: und Heimatſchutz“ gebildet, 
der gegenüber den wachſenden Gefährdungen 
für die Erhaltung der heimiſchen Land— 
ſchafts und Ortsbilder, ſowie für die 
Schonung der heimijhen Natur mit ihrer 
Pflanzen und Tierwelt und ihren eigen» 
artigen Formationen eintreten will. Zur 








ratungsftelle wird ihm vom Staat in jedem 
Yahre die Summe von 2500 ME. über: 
wiejen. Die Ermeiterung der Pflege der 
Kunft-» und Altertumsdentmäler wird er- 
möglicht durch die Einrichtung einer zweiten 
Konfervatorfielle bei dem „Koniervatorium‘*. 

Bom Bodenfee. Die Königl. Bayer. 
Biologifhe Verſuchsſtation für Fiſcherei in 
Münden ließ Ende Dftober 44 GStäd 
Silber: oder Schwebforellen im 
Bodenjee marfieren. Es wurde an den 
Fiihen unterhalb der Rückenfloſſe eine 
filberne Slammernadel befeftigt,” am ber 
ein fleines Aluminiumblätthen mit Dem 
Beiden B 1 bis B 44 angebradt ıft. Die 
Silberforelle wird nämlich als unfruchtbar 
bis jegt bezeichnet. Ob fie nun dies zeit- 
lebens bleibt oder nur in der Jugend, oder 
bloß periodisch fich vermehrt, joll die Unter: 
juhung folder marfierter wiedergefangener 
Schmebforellen ergeben. Bereits in der 
3. Dezemberwohe hat Fiihereiauffeher 
Bilgeni in Lindau zmwei ſolche Schweb— 
forellen, welche die Beiden B 12 und B 18 
trugen, gefangen. Der Löjung der ange 
führten Fragen fieht man in Intereſſenten 
freifen mit Spannung entgegen. 

Aus der Südypfalz. Maſſenhaft werden 
auch leider in dieſem Jahr wieder bie 
Nußbäume gefällt, die unjerer Gegend 
ein jo charafteriftiiches Gepräge geben. 
Die Gemehrichaftfabriten bezahlen ſehr 
gute Preiſe, jo daß oft bis zu 200 Me. für 
einen Baum bezahlt werden. Die Scaft- 
fabrif Ritter & Co. ın Franfenthal kaufte 
fürzlih in der Ramberger Gegend einen 
Baum um 350 Mt, der eine Höhe von 22 m 
und einen Umfang von 3,70 m hatte. 

Kirdheimbolanden. Heuer verfloflen 
50 Fahre feit Gründung des dem Andenten 
Schillers gewidmeten Schillerhaines. 


Inhalt: Karlstal (Bediht). — Wanderungen pfälziicher Ortichaften. — Fiſchbach in alter 
eit. — Unfer leßter Winter. — Tiere ald Borboten unferes Winter. — Studlen auß dem 
fälzer Walde. — Quftige Geftalten. — Pfälziſche Wild- und Jagdbeobadhtungen. — Jubiläum. — 

Linoenfelder +. — Der Pfälzer auswärts. — Ergebniſſe der land. Betriebszählung 1907 für 


Bayern. — 
Bayeriſches 





ntereſſante Fyinanz-Statiftil. — Braunkohlen. — Arhivbenügung. — Literariſches. — 
ſſergeſetz. — Kleine Mitteilungen. 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl. — ſermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern. 


} und Inhalt der Beiträge find die Herren 
al ug (Unverlangte Manuftripte werben wicht gurädgefandt.) 


e I} ttunbe“ koſtet lich in 12 Heften Mt. 2.50, Ber 
Du EHER — —— An 2. En — Streifb h 


Berfafier verantwortlich. 





"(Joyg qun lady) 5 qun p 226 
„aqunzzompac "Pınysk“ an! afopag 


allagk Finish“ 
239 „WAGNER“ ug Sing 


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V. Jahrgang. 


Nummer 4 u. 5. 


April u. Mai 1909. 


IPALZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


—2 


FAN EIER: 





— 


Volker und Sagen vor Worms. 


Ein Nadtbild. 


Im Meidendididt auf Walmung gellügt, 
Bor Worms der finflere Sagen fig, 
Mm ganz zu erfüllen den arimmen Sluch, 
Den als DBerbängnis er mit fih trug. 


Sr hält am Mbein in graufer Macht 
Dem Miblungenhort die Totenwacht, 

Daf ewig er drunten verlenkt möcht' fein, 
Weſtrahlt nidt von Sonne und Mondenfdein. 


Die riefelten im Mebeltau wunderhold 

Auf Mbeinlands Meben das Miblungengofd, 
Daß fürder fo gülden erglänzt Kein Mein, 
Wie lauteres Wachstum vom grünen CMbein. 





Dur Seite ihm Dolker von Algen land, 
Der freu fih zu Schug und Erus ibm verband, 
Der kürze auf einfamer Totenwacht 

Mit Saitenfpiel ihm die lange Mad. 


Wie Hu vom Odenwald Sturmwind braust, 
ie Alagton faht es im Lieharas faust 
nd zwiſchendurch wieder mild und verföhnt 
Anmutige Meifen ein Saitenfpiel tönt. 


Was heiter in Molkers Haitenfpiel Klang, 
Als Heldenlied klingt's nod) den CM hein entlang, 
Doch heimlich fingt's durch's Tronecktal 
on Bagens düſterer Seelenqual! 

Dr. Earl! Pufd. 


Heber das Borkommen von Windlöchern („Fumarolen‘“) auf 
Spalten und Alüften im Bartgebirge. 
Von Dr. phil. nat. Daniel Häberle, Kaijerl. Rech-Rat, Heidelberg. 
(Mit einer Zeichnung.) 


Wiederholt war während der letzten obachtungen ihres Entdeders. deö Herrn 


Jahre in pfälziihen und auömärtigen 
Zeitungen und Beitjchriften von einer 
am Sönigäbera bei Neuftadbt an der 
Haardt (419 m) bei niedriger Temperatur 
aus einer Felſenkluft auffteigenden Dampf- 
jäule berichtet worden, die nad) den Be— 


Tabrifanten Ludwig Hed im Schönthal 
aewöhnlid 4 bis 5 m, bei nebligem 
Metter jogar 8 bis 10 m Höhe erreichen 
und infolge ihrer aleichbleibenden Tem— 
peratur von 9—10° Gelfius einen fidht- 
lien Einfluß auf die niedere Pflanzen: 


— 


welt innerhalb der Austrittsöffnung aus— 
üben jollte.'‘) 

Für diefe eigentümliche, in unferer 
engeren Heimat noch nicht beobachtete 
bezw. bejchriebene Erſcheinung wurden 
nun die verjchiedenften Erklärungsverſuche 
gegeben: Die einen vermuteten in einer 
Tiefe von 340 m ein mit warmem Wafjer 
gefülltes Beden. dem Rinnen und Fels— 
fpalten oberirdiiche Luft und Waſſer zu— 
führen, andere Kanäle dagegen jene 
Dampffäule entziehen jollten; andere da- 
gegen, zu denen auch ich auf Grund der in 
den Zeitungen gegebenen örtlichen Be: 
jchreibuna zählte, dachten an eine mit 
dem Rheintal» Ginbrude in Beziehung 
ftehende Werwerfungsjpalte und hielten 
die auffteigenden Dämpfe für vultanifche 
Nachwirkungen, wofür aud) der allerdings 
jehr aeringe, auf I—1,5 pro Mille feft- 
geftellte Kohlenſäure-Gehalt fprechen 
konnte?) Noch im November 1908 durch- 


38 


lief eine Notiz die Blätter, daß aus zwei | 
fogenannten Fumarolen in der legten | 


Zeit wieder heiße Waflerdämpfe empor- 


) Prof. Dr. E. Mehlis, Die Fumarole am 
Königsberg bei Neuftadt a. H. Pfälzer Wald 
1905 3. 102— 103. — Derfelbe : Die „Fumarolen“ 
am Königsberg bei Neujtadt a. H Mit Zeich— 
nung. Der Touriit vom 15. April 1909 Nr. 8 
E. 152-153. — Ph. Fauth, Waflerdbampf- 
Sruption bei Neuſtadt. Pfälz. Heimatkunde 1905 


S 
General-Anzeiger v 3. Nov., 12. Dez, 24. Dez. 
1908 — Pfälzifche Preſſe dv. 22. Dez. 1908, 25. 
März, 6. April 1909. — Piälz. Tageszeitung v. 
10. April 1909. — Frankfurter Zeitung vom 
2. Aprit 1909 Nr. 92. — Straßburger Poſt, 
Dezember 1908 — Ueber die geſchichtliche 
Bedeutung des mir einem Ringmwal! gefrönten 
Königäberges berichtete Dr. Mehlis in der 
Feſtſchrift zum 60jährigen Stiftungäfejt der 
Bollihia 1900 2. 61. — Derſelbe Das Grab- 
hügelfeld am Königsberg. Pfälz Muicum 1899 
3. 118—120 und Studien zur älteiten Geſchichte 
der Aheinlande, XIV Abteilung, 9. 7. — Der- 
felbe Der Königäberg bei Neuftadt 
Kartenſtizze und Textfigur. Pfälz. Wald 1905 
5. 144— 145. — Pfälz. Muſenm 1907, 2. 174. — 
Pfälzerwald 1907, 2. 30—32. — Auch Heuier hat 
in feinem Bialzführer (3. Auf. 9. 45 —46) über das 
Heidenlod u. die Fumarole einige Notizen gebradit. 


22—23 u. 32 und 1909 5. 3. — Neuitadter | 


Mit | 


) Möglicherweife fit die aus der Tiefe auf: | 


jteigende, durch ihren Arſengehalt und ihre Nadio- 
aftivität ausgezeichnete Marquelle in Bad Dürk— 
heim geradezu als eine „flüſſige Fumarole“ zu deu— 
ten. Bale hierüber die Unterſuchungen v. E. Ebler, 
Berbandi. des Naturhiſt. mediz Ber. z Deidelberg 
Bd. VII S. 335 —354 und Bd. IX S. 87— 115. 





ftiegen und dieje regere Tätigkeit vielleicht 
mit dem Vulkanismus der ARheintaljpalte 
in Verbindung zu bringen fei; nur 
Dr Sprater wies im Neuftadbter „Gen: 
Anz.” vom 12. Dez. daraufhin, daß man 
es nicht mit einer fyumarole, ſondern wahr- 
jcheinlich mit einem Windloch zu tun Habe 

Durh die Meldung von der ver- 
mehrten Tätigkeit der yumarole war nun 
mein bejondered Jnterefje erregt worden, 
und da ich ohnehin für den 13. Dezember 
mit Herren Heinrich Kohl einen Ausflug 
nad der Kalmit zweds Vorſtudien zu 
deren Wafjerverforgung?) verabredet hatte, 
beihloß ich, bei diefer Gelegenheit den 
nur mwenia abjeit3 von meinem Wege 
liegenden Königäbera zu bejuben. Ein 
Blick auf die geologische Karte (Blatt 
Speyer) belehrte mich, daß fih der Berg 
aus den Schichten des unteren und mitt: 
leren Buntjandjteins (Trifels- und Reb- 
beraihichten), aufbaut, und daß die 
MWafjerdampferhalation ungefähr auf der 
Grenze zwiſchen den beiden zuleßt ae 
nannten Schichtkomplexen etwas über der 
halben Höhe am Gehänge zu fuchen ie. 

Dom jchönften Wetter begünftigt zogen 
wir aljo am 13. Dezember v. Ye. zu 
bieren es hatten fi noch Hert 
Dr Sprater und Herr Geiger zu uns 


| gejellt, nady dem Schöntal und erreichten 


bald auf einem Serpentinenpfad das 
Bruderhäuschen, eine natürlide Höhlung 
unter einem überhängenden, jet aber 
allmählih abgleitenren yelien. Hier 
hatte früher — nad) einer halbverwitterten 
Jahreszahl um 1556 — ein Einfiedler 
ein beichauliches Leben geführt und durd 
Aufführung einiger den Hohlraum mad 
außen abjchließenden Mauern, Errichtung 
einer Feuerſtelle und eines Wafler: 
yammlers fi einen einigermaßen bebag- 
lihen Unterjchlupf zu ſchaffen gejucht.*) 

Bon hier ging es zu dem etwas dft- 
lid davon, aber ungefähr 13 m bHöber 


’, Bat. bierüber „Prälzer Wald“, Jahrg 
1909 5.7 fi. 

+) Wie mir Herr Dr. Sprater frdl. mitteilte, 
fol fit in dem roten Buch ded Neuftadter 
Archives noch eine Notiz über den Ginfiedier 
finden, und eine® ber zablreihen Steinmeg- 
zeichen fich an den Wänden des Bruderbäuschens 
auh am Casimirianum wiederholen. (Bali. 
Baudenfmale der Pfalz, Bd. II ©. 60.) 





qelegenen Heidenloch“) in daB ih zu 
meiner Information über feine Entſtehung 
eine Strede weit hinabftiea. Der Zugang 
ift durch verftürzte Felsblöcke ziemlich er- 
jhwert. Etwa 4-5 m durch die enge 
Deffnung mühjam Hinabkletternd, gelangt 
man zunädft in einen etwa 1,5 m 
breiten, 4 m hoben un) 16 m gangartig 
nad Südweſten verlaufenden Raum mit 
alatten Wänden und ſchuttbedecktem 
Boden, der fih in der bisher inne: 
aehaltenen Richtung nad oben und unten 
teilt. Die eine Abzweigung ſetzt ſich 
unter der Dede vermittelft eines Schlupf- 
loches Weiter nah Südweſten fort, die 
andere führt abwärt3 in die Tiefe Da 
ed und an geeigneter Ausrüftung gebrach, 
verzichtete ih auf ein weiteres Wor- 
dringen, zumal ih mir auf Grund des 
Gejehenen über Art und Entftehung der 
Höhle bereit3 klar aeworden war. Es 
handelt fich beim Heidenloch, wie auch 
bereitö Herr Dr. Sprater betont hat, nicht 
um „die größte Erbhöhle der Pfalz“ oder 
um einen durch zirkulierende Gewäſſer 
erweiterten Schlund, jondern ledialih um 
eine duch Zerklüftung des Buntſand— 
fteines entftandene, ausnahmsweiſe breite, 
überdedte Spalte Derartige Spalten 
fönnen wir, wenn auch nur in ſchwächerer 
Ausbildung, in jedem Steinbrud beobad)- 
ten, wo fie in meijt vertifaler Richtung 
die Schichtflächen fchneiden und den Stein- 
bredern durch Zerftüdelung und Ab— 
jonderung der Gefteinsmafjen weſentlich 
ıhre Arbeit erleichtern. Ihre Entftehung 
wird teils auf Austrodnung der Gefteine, 
teild auf mechaniſche Vorgänge im Erd— 
innern (Zug und Drud), vielfach infolge 
von Berwerfungsjpalten und Erdbeben, 
zurüdgeführt, die an Stellen der größten 
Spannung den Zujammenhana der Ge- 
fteine löjfen und oft Weitareifende und 
beträchtliche Störungen in dem Schichten 
bau bewirken können. Eme durch der- 
artig wirkende Kräfte hervorgerufene luft 
ıft nun auch unſer Heidenloch, defjen ur- 
jprünglid nad oben Hlaffender Spalt 


2) Huf ungefähr 300 m Meereshöhe. Die 
Höhenmeflungen wurden von Herrn Kohl mittels 
eines ausgezeichneten, der Ortögruppe Ludwigs⸗ 
bafen des Pfälzer Wald-Bereins gehörigen Ane— 
rotdbarometerd vorgenommen. 





39 — 


durch verſtürzte Felsblöcke zwar abgedeckt 
und verſchüttet, aber nicht, wie es auch 
vorkommen kann, ausgefüllt worden iſt. 
Aus dieſer Entſtehungsart dürfen wir 
auch mit großer Wahrſcheinlichkeit folgern, 
daß ſich das Heidenloch, wenn auch nur 
in geringer Breite, noch recht weit und 
zwar der Klüftung entſprechend, wohl 
ſenkrecht in die Tieſe fortſetzen wird. 
Eine andere Form der Höhlen iſt in 
unſerem Buntſandſtein auch kaum zu er— 
warten, da er der auflöſenden Tätigkeit 
des Waſſers einen ganz anderen Wider— 
ftınd entgegenzufeßen vermag, ald der 
leichter lösliche Kalt. Ich bin auf dieje 
Verhältniffe bier abfichtlid) etwas näher 
eingegangen, da deren Kenntnis zur Be— 
urteilung der im Folgenden bejchriebenen 
Erſcheinung notwendig ift. 
lleber den Berlauf der Kluft orientiert 
die umftehende mir von Dr. Sprater 
zur Verfügung geftellte Skizze. An der 
gekreuzt jchraffierten Stelle bei e hatte 
er im März 1902 zufammen mit mehreren 
Mitihülern Ausgrabungen gemacht und 
folgende Genenftände gefunden: 1 Silber- 
münze. Faßdauben, Stüde eines gefloch— 
tenen Korbes, Scherben aus Ton und 
Glas und endlihd Tierknochen (Fuchs, 
Reh, Schwein, Hafe). Dr. Sprater ver- 
mutet, daß diefe Funde wohl alle aus 
dem 16. Yahrhundert ftammen und von 
dem Ginfiedler, der das Bruderhäuschen 
bewohnte, herrühren dürften. °) 
Ungefähr 16 m direkt über dem 
ge wurde mir dann die Austrittö- 
elle des Wafjerdampfes gezeigt, doch war 
äußerlich bei der gelegentlich unſeres Be— 
ſuches hHerrjchenden Temperatur, etwa 
6—8 Grad Celfius, feine Spur davon 
zu entdeden. Uebrigens belehrte mich 
ein Blick auf die Dertlichkeit. daß meine 
bisherige Vermutung über jeine Herkunft 
von einer falſchen Vorausſetzung ausge— 
gangen war. Der Dampf kann nämlich 
gar nicht aus einer „Felſenkluft, in die 
ein fi bis auf 80 cm Breite verengern— 
der Spalt hineinführt“, entjtrömen, 
da dort aller Wahrſcheinlichkeit nad 
fein gewachjener Fels anjteht, jondern 
*, Bol. hierzu die Beichreibung des Heiden- 


loches und der darin gemachten Funde von 
Dr. Mehlis, Pfälz. Mufeum 1902 ©. 155—156. 





40 


tommt unter einem verftürzten Bloc her- 
vor, ber ſich von feinen vielen anderen 
überall am Gehänge verftreuten Genofjen | 
nur durch die Auffchrift Dampf-Loch“ 
unterjheidet. Unter diejem Felſen be: 
age fih nun eine badofenartige Niſche, 
ie an ihrer Deffnung etwa 2,80 m breit 
und 60 m hoch ift und nad hinten in 
horizontaler Richtung bis auf etwa 80 cm 
Breite fich verengernd, ca. 2 m vom Ein: 
gang entfernt nur no 30 cm in der 
Höhe mißt; ihre weitere flach xöhren- 
fürmige, etwas gewundene Fortſetzung 
verliert ſich im Dunkeln. 

ana gie dem Dampfloh und dem | 
Rinawall auf der Höhe des Berges fand 
Prof. Dr. Mehlis noch vier weitere Kleinere 
„Humarolen“, über die er im „Zourift” 
folgendermaßen berichtet: „Sie liegen 
dicht aneinander an dem jog. „Felſenweg“, 
der ziemlich fteil zur legten Höhe binauf- 
führt und weiter oberhalb das zum Teil 
von Felsblöcken bebedte Plateau erreicht. 
Diefe vier kleineren Fumarolen ent» 
jpringen, wie die untere, aus Felsklüften. 
die 's bi I m Breite und unbefannte 
Tiefe haben. Die Temperatur bes 
Dampfes ift die gleiche wıe bei der un— 
teren Fumarole; der Waflerdampfgehalt 
jedoch ſcheint qeringer zu jein, da ich im 
Winter 1907,08 einen Reifbelag der aller- 
dings etwas entfernten Buchenzweige 
nicht feftftellen konnte * ”) 

Auf dem Bauche liegend, Erod) ich num | 
joweit ala möglich unter den fyeljen und 
empfand deutlich einen mir aus dem 
dunklen Hintergrund entgegenmwehenden 
ſchwachen, feuchtwarmen Luftzug, der die | 
Flamme des Streichholzes nah außen 
lenkte. Die feuchte Wärme des Luftſtroms 
trat auch äußerlich infofern in Ericheinung, 
ald er einmal auf dem mit Sand be- 
deckten Boden der Nifche in der Richtung 
feines Zuges einen feuchten etwa 80 cm 
breiten Streifen ala Spur zurüdließ und 
dann auch an der Unterſeite des Felſens 
id fondenfierte. Da die Temperatur der 

uft etwa 6—8 Grab Gelfius betrug, 
mag die don mir empfundene höhere 
Temperatur den bisher gemadten An— 

) Das Vorkommen diefer Spalten war 


mir beim Befuche des Dampflocdhes leider nicht 
befannt. 











lich die große Berwerfungsfpalte 
‚ äußeren Gebirgärand entlang zieht, die 


| Finfterbrunnental trifft. 


gaben (10 Grad E.) tatſächlich entfprecdhen. 
do war der Unterjchied zu gering, um 
eine Dampfentwidlung bervorzurufen ; 


' einen direkten Einfluß auf die Vegetation 
' tonnte ich nicht beobachten. 


Es frägt fih nun: Wo fommt biefer 
feuhtiwarme, nur bei niedriger Tempe- 
ratur bemerkbare Luftſtrom her? Die 


auch von mir früher ohne Kenntnis der 
' Dertlichleit gehegte Bermutung, daß es 


fi vielleiht um eine vulkaniſche Nach— 
wirkung handeln könnte, glaube id jept 
nicht mehr aufrecht erhalten zu können, 
da der Luftftrom ja richt aus einer Kluft 
im anftehenden Geftein. jondern aus einer 


gewundenen Röhre austritt, da Kohlen: 


jäure in viel arößerer Menge, als ge 
wöhnlih der Luft beigemiiht zu fein 
pflegt, nicht nachgewieſen ift, und da end- 
am 


zweite ihr parallele, von Lambrecht fom- 
mend, nad) der geologifchen Karte weſtlich 
vom Köniqdberg verläuft und erft in 
einiger Entfernung, das in der Nähe des 
„Dampf-Loches” hinziehende, langgeftredte 
Daß die Ent- 
ftehung der oben bejchriebenen Klufthöhle 
des Heidenlochs mit den beiden Verwer— 
fungen troß ihrer darauf faft ſenkrechten 
Stellung in urſächlichem Zuſammenhang 
ftehen kann, gebe ich gerne zu. 

Wenn nun nad Borftehendem eine 
vulkaniſche Nachwirkung faum anzunehmen 
ift, wird auch da3 im Erdinnern ver- 


mutete Becken mit warmem Waſſer in 
Abrede zu ftellen und eine andere Er: 


Härung zu ſuchen fein. Hierfür bietet 
nun die Beobachtung, nur bei 
niedriger Temperatur ein 10 Grad Gel- 
fius warmer Luftftrom bemerkbar wird, 
einen Anhalt; wie die Verhältniſſe im 
Sommer liegen, ift leider bis jetzt noch 
nicht berichtet worden. Unſere mittlere 
Jahrestemperatur beträgt nämlich un- 
gefähr 9-10 Grad Gelfius; ihr entipricht 
in einer beftimmten Tiefe (etwa 30 Fuß), 
über melde hinaus fich die jährlichen 
Zemperaturunterfchiede nicht mehr be- 
merkbar machen können, auch eine gleiche 
tonftante Bodentemperatur. Daß auf 
diefe jedoch die Höhenlage und die im 
Winter erwärmend wirkende Wald- 


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bedeckung einen merklichen Einfluß aus- 
üben fönnen, ſei bier nur nebenbei 
bemerft. 

Wie wir bereit oben gefehen haben, 
ift der aus Buntfandftein aufgebaute 
Königdberg von lüften und Spalten 
burchjeßt und feine Gehänge mit verftürz- 
ten Felsblöcken bededt. Letztere find 
vielfah im nachſtürzenden Gehängefchutt 
vergraben, oben mit einer Pflangendede 
überzogen, aber unter fi an ihren Auf- 
lagerungsfläcdhen zweifellos bier und ba 
durh Hohlräume, die fi zu allerlei 
Kanälen zujammenjchließen können, ge— 
ſchieden. Nimmt man nun an, daß dieje 
aller Wahrjcheinlichkeit nach nur engen 
Kanäle oben und unten, überhaupt auf 
verichiedenen Stellen am Beraabhang ſich 


öffnen, fi weit genug im Boden ver: 


zweinen und mit den den Berg durd)- 
jegenden und an den Hängen dur da3 
Terrain angeichnittenen Hluftiyftemen in 
Verbindung ftehen, jo wird ficher die 
duch die engen Kanäle lanafam durch— 
fireichende Luft allmählich die Temperatur 
der umgebenden Wände (10 Grad) an- 
nehmen und mit der hier austretenden 
Bergfeudhtigkeit gejättigt werden. Eine 
Berührung mit dem unter der Talfohle 
fließenden Grundwaſſerſtrom ift alfo nicht 
unbedingt notwendig. „Diele Luft“, 
ichreibt Fugger bei Beſchreibung des 
Nixenlochs am Untersberg bei Salzbura,?) 
wo die Berhältniffe ähnlich gelagert find, 
„it daher im Winter wärmer als die 
äußere Luft. Da märmere Luft aber 
leichter ift als kalte, jo wird fie warm 
in dem Kanal emporfteigen und durch 
die obere Mündung ins freie entweichen; 
es entjtehbt im Kanal ein Luftzug und 
durch die untere Deffnung muß die äußere 
kalte Luft eintreten. Dieje wird auf 
ihrem Wen durch den Kanal auf die 
fonftante Temperatur des Bodens er- 
wärmt und dringt durch die obere 


s E. Fugger, Der Unteräberg (bei Berdhtes: 
aden). 

tudien. Beitfchr. d. D. u. Det. Alpenvereins 
1880 Bd. XI ©. 117—197: VI Das Nirlodh 
S. 166176. — “ Kraus, Höhlenktunde. Wege 
und Zweck der Erforjchung unterirdifcher Räume, 
mit Berüdfihti.ung der geographiſchen, geolo- 
gifchen, phyſikaliſchen anthropologifchen und tech» 
niſchen Berbältnifie, Wien, E. Gerold's Sohn. 


Willenihaftlihe Beobahtungen und | 


42 








Mündung wieder ins Freie. Jm Sommer 
findet natürlich das Umgekehrte ftatt und 
die im Erdinnern abaefühlte Luft tritt 
an der unteren Mündung als kalter 
Zuftfirom aus. Wenn die äußere Luft- 
temperatur der Temperatur ded Bodens 
aleih ift, alfo vorzüglich zur Zeit ber 
Tag: und Nachtaleihe, muß im anal 
Sleihgewicht oder Ruhe heriihen. Die 
Stärke des Luftftroms ift abhängig von 
der Temperaturdifferenz der äußeren und 
inneren Luft; fie wird am ftärkiten jein, 
wenn die Differenz ihr Maximum erreicht, 
aljo an den heißeften und fälteften 
Tagen *°) 

Da diefe Schilderung auch auf die 
Erſcheinung am Königsberg ganz aut paßt 
und mir von Dr. Sprater oberhalb des 
Bruderhäuschens eine der wahrjcheinlid 
zahlreich vorhandenen Eintrittsöffnungen 
für den einwärts gerichteten Luftftrom. 
durch den die Flamme des Streichholzes 


nach innen gelenkt wurde, gezeigt werden 


fonnte, möchte ich mit diefem annehmen, 
daß es fich lediglih um eine auch von 
anderen Orten bejchriebene Windröhre 
bezw um ein Windloh handelt. Das 
Borhandenfein einer größeren geichlofjenen 
Höhle, die bei wechſelndem Stand bes 
äußeren Quftdrudes bald durch Ein: 
ftrömung, bald durch (im Winter warıne) 
Ausſtrömung das Gleihgewiht im der 
Höhlenluft durch die enge Röhre Herzu- 
ftellen ſucht, halte ich nicht für gut an- 
gängia.') Eine über das ganze Jabt 
fortgejegte Beobachtung. namentlich im 
Sommer, wo nad) obioem der Luftftrom 
am „Dampf: oh“ nad innen gerichtet 
fein muß, wird beftätigen, daß es ſich 
bei der urfprünglih als Fumarole ge 
deuteten Erſcheinung wahrjcheinlidd nur 
um ein Windlod handelt. 





9%, Unter diefen Umftänden dürfte auch die 
„regere Tätigkeit der Fuımarolen” im November 
legten Jahres durch den plöglichen Temperarur- 
ſtürz zu Anfang jenes Monats zu erflären jein. 

) Nah Zeitungsnachrichten wurde Ende 
Januar d8. Is. in der Nähe des Bißmardturmes 
bei Barmen im fog. „Hordbuſch“ eine große Tropf- 
jteinböhle entdedt, die aus zabireichen größeren 
und Eleineren Räumen mit wunderbaren Tropf- 
fteinbildungen beiteht. Die Entdeckung erfolgte, 
als man aus einer Erbjpalte Dämpfe auffteigen 
ſah. Nachgrabungen legten einen Eingang frei. 





Bei meinem zweiten Beſuch des 
Dampflohes am 29. März ds Is hat 
fi diefe Vermutung ols vollftändig zu— 
treffend eriwiefen, da der Luitftiom im 
Dampfloch tatfächlich nach Innen gefichtet 
war 63 war ein ausnahmsweiſe warmer 
Frühlinastag und an den von der Morcen- 
fonne bejchienenen Hänuen des Köniasbergs 
maa eine Luftteınperatur von etwa 15 Grad 
Gelfius geheıriht haben. 

Gin in der Deffnung angezündetes 
Teuer von Laub entwidelte ftarfen Rauch, 
der wie in einem Kamin direkt nach dem 
Annern z0g. Leider reichte die zur Ver: 
fügung ftehende Zeit nicht aus, um das 
Feuer ftundenlang au unterhalten und 
dadurch unter Umftänden die Austrittä- 
ftele de3 Rauches, und jomit auch für 
den fommenden Winter die Gintrittaftelle 
des im Erdinnern fi) erwärmenden und 
dann bei kaltem Wetter ald Dampffäule 
äußerlih in Eıfcheinuna tretenden Luft: 
ftromes zu ermitteln. Es ift wohl anzu— 
nehmen, daß derartige mit ftarf raudhen- 
dem Bıennmaterial (Strob, Laub ac) an 
der Deffnung des „Dampfloches“ ange— 
ſtellte und über mehrere Stunden ſich er— 
ſtreckende Verſuche zu einem befriedigen— 
den Reſultat führen können. In lleber— 
einftimmuna mit diejer Feſtſtellung zeigte 
auch das jchon länger bekannte, 20 Win. 
weiter jüdweftlich an der Abzweigung des 
‚infterbrunnentale vom Kaltenbrunner: 


tale gelegene und unmittelbar darauf ve: | 


iuhte „Windloch“ auf der Talſohle 
neben dem Wege einen ſtarken, nad außen 
gerichteten Luftftrom, der ein angezündetes 
Streihholz jofort zum Erlöſchen brachte '') 
Wir haben alſo an diejer Stelle die untere 
Oeffnuna, beim Dampilody am Königs: 
berg die obere Oeffnung zweier verjchiede- 
ner Windröhren vor uus, deren durch 
Berwerfungsipalten und -Klüfte korre— 
"), Hier Öffnet fi bei dem Fiſchweiher am 
Fuß des Sternenberges dicht neben einem mit 
einer etfernen Tür verſchloſſenen Raum unter 
einem Stein eine nach innen führende Röbre, 
deren forrefpondierende Deffnung oben am Ge 
hänge gejucht werden und auch im Winter durch 
Dampfentwidiung fi; bemerkbar machen muß 
Die Stelle tit dur eine Tafel mit der In— 
ſchrift „Windloch” Eenntlich gemacht. Die betr. 
Waldabteilung führt auf der Karte den Namen 
„am Windloch“. 


43 


nt 


ipondierenden Eintrittö- bezw Austritts— 
Öffnungen vorläufig noch nicht bekannt 
find; an einen räumlidhen Zuſammen— 
bang Eınn ſchon wegen der Entfernung 
und wegen der Niveaudifferen; nicht ne 
dacht werden. 


Ueber eine ähnliche Naturerfcheinung 
bei Edenkoben brachte der „Neuſtadter 
Generalanzeiger” vom 4. März d8. 8. 
Ne 53 nachſtehende, aus der „Gegen: 
wart” übernommene Notiz: „Seit eintaen 
Tagen fieht man zahlreiche Perſonen die 
Dentmalftraße binaufgehen, um die bei 
dem Bi:mardftein entdedte „Höhle“ zu 
befichtiaen. Ter Einfender war aud dort 
und bat nichts weiter gejehen als eine 
mehrere cm breite, mehrere m lange und 
etwa 2 m tiefe Spalte im Sandjteinfels. 
Dem Spalte entftrömt eine etwas warme 
Luft, die, wenn es außen kalt ift, glei) 
unjerm Atem wie ein weißer Rauch oder 
Dampf ericheint. Das Ganze ift wohl 
nur eine folge von den in unvordenl: 
licher Zeit vor fi gegangenen Ber 
jchiebungen der Gefteine, wie fie in Stein- 
brüchen öfters bemerkt werden. Aengſt— 
lie Gemüter denken wohl an ein Erd— 
beben oder an die alte Sage vom See, 
der im Hochberg lie.en ſoll und der, wenn 
er einmal ausbridht, das ganze Land 
überſchwemmen wird.“ Hieran war von 


der Redaktion des „Seneral-Anzei.erd“ 








roh die Bemerkuna aefnüpit, daß nun 
aud Edenkoben ebenjo wie Neuftadt an 
feinem Möniasbera eine joa. Fumarole 
(richtiger Windloch) aufzumeifen Habe '?) 

Um mir nun ein eigenes Urteil über 
die erſt neue din 3 entdeckte Waſſerdampf— 
erhalation zu tilden, benußt: ih am 
10. März auf einer Reife in die Pfalz 
von Neuftadt aus die Gelegenheit zu 
einem Mbftecher nad Edenkoben Vom 
Bahnhof aus ging ich zunädft auf der 


Denkmalſtraße bis an den Wald und 


folgte dann, rechts abliegend. dem 
Pionierweg an der Lehne des Werder— 
beracd mach der Generalftabstarte „Kie— 
fernberg“ 349 m) aufwärts bis zum 


'*, Wegen der an den Hochberg fi an- 
fnüpfenden Sagen vergl.: Dr. Schmitt, „Der 
ochberg bei Edenfoben”. Eine mutbologifche 
—— Muſeum 1884, 1. Jahrg. 
S. 73—76. 


Dismardftein Hier hielt ich nun nad 
der Höhle, welche nad} der mir gewordenen 
Auskunft dit am Wege Liegen follte, 
Umſchau. Erſt nach langem Suchen fand 
ih in dem fiefernwald einen friſch ge— 
tretenen Pfad, der mich nach etwa 20— 
30 m Steigen zu meinem Ziel führte.'®) 
Hier etwa auf halber Höhe zwiſchen 
den Dentfteinen und dem Gipfel = 
Werderberges zeigt das Terrain zahlreiche 
Unebenpeiten, welche auf die Arbeit von 
Steinbrechern zurückzuführen ſind; ihrer 
Tätigfeit haben wir es auch zu danten, 
daß die Austrittäftelle des Dampfes neben 
einer ſchräg liegenden aroßen Felsplatte 
aufgeſchloſſen worden iſt An ihrer ſüd— 
weſtlichen Kante öffnet fich nämlich jetzt 
eine etwa 10 cm breite Kluft die in der 
Richtung SW. - NO ‚alfo ziemlich parallel 
dem Gebirgsrand gegen die Rheinebene 
verläuft und mit den Blicken ungefähr 
etwa auf 5 m ſeitlich in die Tiefe ver— 
folat werden kann; ſoweit ift fie von 
unten herauf mit Gehängeſchutt aus— 
gefüllt. Auf fie ſtößt von Nordweften 
fommend im fpigen Winkel eine andere, 
«lei breite Spalte. Aus diefem Kluft 
ſyſtem kam mir nun ein ſchon einen Schritt 
vor der Oeffnung deutlich wahrnehmbarer 
Luftſtrom entgegen, der ſich kälter erwies 
als die äußere Temperatur (etiva 12 Grad) 
und ein an ezundetes Streichholz jofort 
auslöjdhte Ich batte aljo ein richtiges 
Windloch vor mir, das, wie ich bei Er— 
Härung des Phänomens am Königsberg 
bei Neuftadt näher ausgerührt habe, bei 
einer Lufttemperatur unter 10 Grad 
Gelfius eine deutlihd  wahrnehmbare 
Waſſerdampfſäule entjenden wird. 
Auf die Frage nach der Gntftehung 
diejes Windloches gibt uns die aeologijche 
Karte (Blatt Speyer) nähere Auskunft. 
Aus ihr entnehmen mir, daß der 
MWerderbera von dem ihn überragenden 
Schraußenberg (582 m) durch eine 





| 


Berwerfung getrennt ift und feine aus | 


auögebleihtem Buntjandftein (Haardt- | 


se) 


Um anderen das Auffinden zu erleichtern, 
ſel bemerft, daß man die Austrittsftelle des 
Waflerdampfes ſchon von der Straße aus er 
bliden kann, wenn man zwiſchen Bismarditein 
und Molftejtein, mit dem Nüden gegen Eden» 
toben gekehrt, am Gehänge in die Höhe blidt. 


I 





fandftein) beftehenden Schichten in einem 
tieferen Niveau liegen, als die ungefähr 
gleihalterigen Schichten, die an dem 
Aufbau des Schraußenberges teilnehmen. 
Der Werderberg ift aljo beim Einbrud 
de Rheintales am Schraußenberg ein 
Stüd abgeſunken und bildet lediglich eine 
an deſſen DOftabfall angelehnte Scholle. 
Die urfprünalide Höhenlage der abae- 
ftürzten Schichten läßt fi zwar megen 
ihrer petrographijchen Aehnlichleit nicht 
genau beftimmen, doch mag die Differenz 
in der Yerrüdung der Schichten (Sprung: 
höhe) etwa 150 m betragen; um ſoviel 
wenigftens dürften nach meiner Shägung 
die diefbankigen, ein qute® Baumaterial 
liefernden Schichten des unteren Haupt- 
buntjandfteins (Zrifelaftufe), auß denen 
der obere Zeil des Werderberges bejteht. 
am Schraußenbera höher liegen. 

Bei diefem Abfturz wurden die ur- 
Iprünglich horizontal abgelaaerten Schich— 
ten gegen die Rheinebene in eine fteil ge— 
neigte Stellung verjeßt und infolge von 
Zug und Drud durch längd und quer 
verlaufende Spalten und Klüfte zerſtückelt 
Ueber ihre jegige Beſchaffenheit belehrt 
uns ein Blid in einen Steinbcudy, der 
fi in einem anderen, nördlid vom Wer: 
derberg gelegenen Vorberg des Schraußen- 
berges befindet. Hier find die urfprüng- 
li roten, jet aber durch aus der Tiefe 
emporgeftiegene, fto'lenjäurehaltise Ge: 
wäfjer aelblicy weiß entfärbten, zerſtückel— 
ten Gefteinsmaffen aut aufgeſchloſſen 
Ebenjo müſſen wir und aud die Zer— 
Hüftung des Werderberacd denken; ob 
jedod jeine vom Hauptgebirgsftod abge- 
riffenen Schichten infolge ihres Abfturzes 
gegen die Rheinebene tatjähli jo ftart 
nad Dften geneiat find, wie die zum Zeil 
freigelegte Telsplatte neben dem Windloch 
vermuten läßt, wage ich nicht zu ent- 
fcheiden, da einmal die Windloh- Spalte 
die Sch Hifläche nit wie man vermuten 
jollte, jenkrecht jchneidet, und dann auch 
zweifelhaft bleibt, ob die Platte nicht 
etwa an dem fteilen Gehänge aus ihrer 
Schicht verftürzt worden if. Da nun 
die oben bejchriebene, wie überhaupt 
die meilten Spalten erfahrungsgemäß 
dem Gebirgsrand ungefähr parullel laufen, 
müfjen fie durch die zwifchen den Wor- 


bergen außdtretenden Täler gefchnitten 
werden. Wenn die Schnittftellen am Ge- 
hänge auch vielfach unter einer Schutt- 
und Humußdede verboraen bleiben müjjen, 
beftehen ficher doc Deffnungen, melde 
Luft einftrömen, diefe ın den Spalten 
zirtulieren und an anderen, höher ge 
legenen Stellen wie)er austreten lafjen 
werden. Liegen nun Eintritt und Aus- 
trittöftelle weit genug von einander ent⸗ 
fernt, daß der Luftftrom die der mittleren 
Sahrestemperatur (9 - 10 Grad Gelfius) 
entiprechende konſtante Bodentemperatur 
annehmen und ſich mit der an den Kluft 
wänden austretenden Bergfeuchtigkeit jät- 
tigen kann, jo wird bei einer Lu’ttempe- 
ratur von unter 10 Grad die aus: 
ftrömende wärmere Luft ald Dampfjäule 
ſich bemerkbar machen. 

So ift auch unfere Erſcheinung am Wer- 
derberg zu erklären. Die Eintrittäftelle 
des Luftftromes wird, der Kluftrichtung 
entfprechend, wohl in dem, den Oftabjall 
des MWerderberges begrenzenden Tälchen 
zu juchen fein, ob man fie jedoch tat- 
jählih auch einmal finden kann, muß 
einem glüdlichen Zufall überlafjen bleiben 
Empfehlen wird es ſich aber, dad Wind» 
loh als interefjantes Naturphänomen 
ducch einen mit geringen Koften vom Bis« 
mardftein aus anzulegenden Pfad zu« 
gänglid zu machen und durch eine Tafel 
die Naturfreunde und Zouriften darauf 
zu verweiſen. 

Die don mir ausgeſprochene Ber: 
mutung, daß noch andere Windlöcher 
entlang des von zahlreichen Verwerfungs— 
ipalten und Klüften durchjegten Hart: 
gebirasrandes vorkommen und durch einen 
glücklichen Zufall entdedit werden Fönnen, 
bat inzwijchen ihre Beftätiqung gefunden. 
Wie die Zeitungen unterm 14. April 
meldeten wurde „unweit des Hambacher 
Schloſſes ganz in der Nähe des nach dem 
Hambader Bergftein führenden Tourijten- 
wege3 ein weiteres Windloch entdedt, das 


kalte Luft mit ziemlicher Heftigkeit aus— 
ftößt. Dämpfe fteigen nicht auf, doch 
bat die Luft einen ftarken Feuchtigkeits— 
halt. Wie man hört, joll bei dem Winb- 
loch eine erflärende Tafel angebradt 
werden”. — 

Auf eine ähnliche Urſache wird viel- 
leicht auch das unterm 15. Febr ds 8. 
von Wildbad gemelvete Außtreten von 
warmer Luft'*) bei der oberen Berabahn- 
ftation zurückzuführen jein. Die Zeitungen 
berichteten vwierüber folgendes: „Schon 
während des Bergbahnbaues Lehnupteten 
einige Arbeiter, daß an der oberen 
Berabahnftation Felsſpolten ſeien, denen 
warme Luft entftröme. Die Behauptung 
fand aber wenia Glauben. Bei einer 
nunmehr von Stadtſchultheiß Baetzner 
mittel8 Thermometer vorgenommenen 
Unterfuhuna ergab ſich aber, daß tat— 
jächlich aus einer in der Höhe von 710 m 
über dem Meere gelegenen Felsſpalte ein 
warmer Luftftrom fommt. Nah 5 
Minuten langem Hineinhalten ftieg das 
Thermometer um etwa 10 Grad Wenn 
man bedenkt, daß die Thermen, bei 
420 m Meereshöhe der Taljohle, Lagen 
von etwa 390 m entipringen, und daß 
der warme Luftſtrom alfo etwa 320 m 
höher und 800 m von den Bädern ent- 
fernt zutage tritt, jo gibt der Befund 
doh zu denken. Wenn man aud noch 
nicht zu boffen wagt, daß weitere warme 
Quellen, die bisher unbenüßt irgendwohin 
abfließen, vorhanden find, jo beweift der 
Fund jedenfall auf neue bie ftarfe 
Zerklüftung unſeres Gebirges“. 

Leider fehlt auch hier bis jetzt eine 
Angabe über Temperatur und Richtung 
des Luftſtroms im Sommer, um einen 
ſicheren Schluß auf die Entſtehungsurſache 
ziehen zu können 

) Vergl. hierzu: J. Krejei, Ueber die Er- 
balationen warmer Luft auf dem @ipfel des 


Kablenberges bei Lobofig. Sitzungsberichte der 
böhm. Gef. d. Will. Prag. Jahrg. 1881 ©. 59—61. 


46 


Ber Hopfenban in Bayern. 


Der bayeriiche Hopfenbau befindet fich 
infolge der niedrigen Preiſe der legten 
Jahre in äußerft ungünſtigen Verhältniſſen. 
Die Preiſe haben in 1908 einen Tiefſtand 
erreicht, der im allgemeinen die Selbſtkoſten 
des Hopfenbauers nicht mehr deckt. Große 
Mengen Hopfen lagern unverkäuflich, und 
zwar auch in durch die Güte ihres Erzeug- 
niffes befannten Gebieten. Cine weſentliche 
Beflerung ift vorerst ſchwerlich zu erwarten. 
Denn der Hopfen findet feine einzige Ber: 
wendung im großen bei der Bıerbrauerei. 
Die Biererzeugung hält erfahrungsgemäß 
mit der Benölferungszunahme faum Schritt. 
Dagegen hat der Hopfenbau in den legten 
Jahren in einzelnen Ländern, namentlich 
in den Bereinigten Staaten von Amerifa 
und in Rußland, einen erheblichen Auf: 
ſchwung genommen. Die in den legten 
vier Jahren erzielten großen Welternten 
haben die fichtbaren Vorräte in ungemöhn- 
lihem Maße vermehrt. Dieje Berhältnifie 
haben bereit einen fühlbaren Rüdgang der 
Anbauflähen in Bayern zur Folge gehabt, 
und zwar vom Jahre 1905 mit 25386 
Hektar bis 22952 Heftar im Jahre 1908, 
das iſt 9,5 Proz. weniger ald 1905. Un 
diefer Entwicklung find die einzelnen Re- 
gierungsbezirfe nicht gleichmäßig beteiligt; 
jo weift Mittelfranken jeit 1905 eine Min» 
derung von 1386 Hektar oder 12,7 Proz, 
Dberbayern nur eine ſolche von 81 Hektar 
oder 1,8 Proz. auf. 

Für das Gebiet des Deutſchen Reiches 
berechnet fi der NRüdgang von 39511 
Heftar im Jahre 1905 auf 35865 Heftar 
im Jahre 1908 oder 9,2 Proz. Gleich: 
wohl find die Erntemengen verhältnismäßig 
hoch geblieben. Das Yahr 1908 hat fid 
mit 142000 D;. (zu 100 Silo) über dem 
10jährigen Durdjcnitt von 120000 D;. 
gehalten und ift nur vom Jahre 1905 mit 


154000 Dz. abfolut übertroffen worden, 
während die Ernte von 1908 mit einem 
Durdfdnittsertrag von 6,2 Dz. auf die 
Heltar, die Ernte von 1905 mit einem 
Durchſchnittsertrag von 6,1 Dz. auf die 
Hektar noch) hinter ſich läßt. Das Statiſtiſche 
Landesamt ſchätzt den durchſchnittlichen 
Yahresverbrauh von Hopfen im rechts 
rheiniihen Bayern bei einer Braunbier: 
erzeugung von 16,3 Deillionen Heftoliter 
im zehnjährigen Durdichnitt auf etwa 
65000 Dz. Berüdfihtigt man nod bie 
Tatjahe, daß das bayerische Braugemerbe 
ziemliche Mengen ausländijchen, in&befondere 
böhmiſchen Hopfens verwendet, jo zeigen 
jene Ziffern, daß Bayern auf die Ausfuhr 
von Hopfen unbedingt angemwiejen ift. Unter 
diejen Umftänden eröffnen ſich keineswegs 
eünftige Ausfichten für den baheriſchen 
Hopfenbau im allgemeinen. Durd wirt: 
ichaftliche Berbefferungen, forgfältige Sorten- 
wahl und ſachgemäße Behandlung des 
Hopfens, endlich durch ftrenge Handhabung 
der Siegelrechte mögen in einzelnen Gegen 
den, zumal wenn der Preisdrudf durd ge 
ringe WVelternten nadhlaffen jollte, günftigere 
Erfolge zu erzielen fein; im allgemeinen 
jedoch follten die Landwirte den mit erheb- 
lihen Opfern an Geld und Arbeit ver 
bundenen Hopfenbau durch andere, einen 
regelmäßigeren Ertrag fichernde Betriebt- 
zweige ınsbefondere überall dort zu erjegen 
juchen, wo er auf hiezu nicht befonders ge 
eigneten Bodenlagen betrieben wird. Auf 
jeden Fall follte aber von der Neuanlagt 
von Hopfengärten auf bisher anderen Kul 
turen dienenden Flächen abgejehen werden. 

Mir Rückſicht auf diefe Verhältniſſe find 
die Diftriftsvermaltungsbehörden und land 
wirtſchaftlichen Wanderlehrer angewieſen 
worden, im obigen Sinne die Landwirte 
zu beeinfluſſen. 


— I ꝛñ r 





Wert der Ernte Bayerns 1908. 


Will man die Getreide-, Slartoffel- und 
Futterwerie vom Jahre 1908, deren Gr: 
trägnifje das Kgl. Statiftifche Landesamt 
bereits im Dezember v. Is. veröffentlichte, 
auf ihren Geldwert abjhägen, jo er 


durchichnittlichen Novemberfruchtmarktpreiſe 
der bayerifchen Schrannen, für Stroh, Kar- 
toffeln und Heu (Grummet) die Viktualien 
preije ded Monats November aus den 

Marktorten zugrunde zu legen. Alsdann 


jcheint es zweckmäßig, für das Getreide die | ergiebt fi) für die Getreideförnerernte eın 





47 


Wert von 532 Millionen Mark (1907: 
596 Mill.), für Stroh 220 Millionen 
(1907: 225 Mill.), ferner für Kartoffel 
ernte 226 Millionen (1907: 246 Mil.), 
für Futter 360 Millionen (1907: 375 Mil). 

Im ganzen repräfentiert alfo der Ertrag 
der Öetreidefelder, Kartoffelfelder und Wieſen 
einen Bruttowert von 1338 Mil. Marf 
im Jahre 1908 gegen 1442 Mill. Mart 
im Jahre 1907. 

Für die einzelnen Getreidefrüchte ftellt 
fih der Geldbruttoertrag wie folgt: 
im — auf die Hektar 


1908 1908 1907 
Millionen Mark Mark 

für Weizen 100,83 112,44 352 392 

„ Spelz 23,86 23,55 362 352 

„ Roggen 159,65 186,99 283 329 

„ @erite 119,95 126,59 332 360 

„ Dafer 128,09 146,57 2 296 
zufammen 532,39 586,14 300 3 | 
Tabak 


In Kapsweyer ift eine Tabafbau- 
genoſſenſchaft neu gegründet morden 
und zählt bereitd über 40 Mitglieder. 

Aud in den bayerijch:elfäjfiichen Grenz— 
orten wendet man fich in vermehrtem Maße 





An diefem, für das Sönigreich abge: 
ihäßten Wert der Getreideförnerernte find 
die 8 Megierungsbezirfe in nachftehender 
Weiſe beteiligt 


Oberbayern 96,90 106,66 
Niederbayern . 96,33 95,22 
Ball . . 46,89 55,15 
Oberpfalz . 63,68 75,61 
Oberfranfen . 50,14 55,19 
Mittelfranfen. 57,27 65,46 
Unterfranfen . 64,01 74,21 
Schwaben . 63,96 68,64 


Die Getreideernte im Sjahre 1908 wird alfo 
für die Pfalz mit rund 47 Millionen 
Marf gewertet, gegen 55 Millionen Mark 
ım Sabre 1907. Die Pialz fteht mit 
diefem Betrag an legter Stelle unter den 
baye iſchen Regierungsbezirfen. 


bau. 


dem Tabafbau zu. Es ſcheint, daß viel 
fach Tabaf und AZuderrüben anitelle von 
Hopfen treten, deffen Anbau nad der Sta: 
tiftit ©. 46 mehr und mehr zurückgeht. 


Pilgverwertung. 


Aus dem Pfälzerwald jchrieb man | 
am 5. März: Noch jind mir im Winter 
drin. Aber es ift vielleicht gut, ſehr früh 
zeitig auf etwas aufmerffam zu machen, 
mas im Prälzerwald anders fein fünnte, 
In faft allen Zeilen des Pfälzerwaldes 
bezw. des Haardtgebirges wachſen jo zient 
li in jedem einigermaßen feuchten Sommer 
große Mengen eßbarer Pilze. Leider 
madt der Touriſt immer mieder die 
Bemerkung, daß nur fehr wenige davon 
eingefammelt und verbraucht werden. Un 
gezählte Zehntaufende präctiger Pilze ver: 
faulen unbeachtet und gefährden dadurch 
auch noch das Pilzwachstum der nächiten 
Yahre. Der Pfälzer ift im allgemeinen 
feın Bilzefier, fait nur der Weftrid 
konſumiert Pilze. Auf den vorderpfälziichen 
Märkten find jelbft zur Hochſaiſon nur 
wenig Pilze zu fehen, die noch dazu mıt 


Mühe verkauft werden, meift an Weftricher 
oder Altbayern. So gehen auch Taujende 
von Marf verloren. Wenn man näher 
zulieht, fo findet man, daR es auch an Er- 
portmitteln nad pilzeffenden Gegenden 
faft vollftändig fehlt. Eine große Menge 
von Pilzen könnte mit Leichtigkeit auf die 
Märkte von Saarbrüden, Ludwigs 
bafen ulm. gebracht werden. In anderen 
deutihen Waldgebieten, z. B. im Böhmer 
wald und im bayerischen Wald, im Fichtel: 
gebirge, in der märkiſchen und nieder: 
ichlefiichen Heide verdienen die Bewohner 
der Walddörfer durch das Pilzſammeln 
viel Geld. Warum ift ed in der Pfalz 
nicht auch jo? Es fehlt nur an der nötigen 
Anregung der Torfbewohner und an Ein- 
fäufern, die ihnen die gejammelten Pilze 
abnehmen und fie dann in größere Städte 
und Induſtrieorte erportieren. Im Pfälzer: 


wald wächſt auch der befte Dauerpil;, der 


Steinpilz;, in großen Mengen, ebenio 
der Habnenfamm, der Biegenbart, 
der Champignon uſw. Es fünnte daher 
auch der Grridtung von Eleinen Bil; 
fonjervenfabrifen näher getreten 
werden. Solche beftehen in den obenge: 
nannten Waldgebieten ſchon in größerer 
Zahl. Sie rentıieren ſich jehr gut und alle 
Jahre entftehen neue Fabriken. Bielleicht 
geſchieht im diejem Jahre rechtzeitig etwas 
zur befjeren Ausnugung des Pilzreichtums 
der pfälzifchen Waldungen. (Bf. Preſſe.) 


Mandelblüte. 


Bon der dftlihen Haardt wurde unterm 
24. März berichtet: Die Mandelblüte 
an den Hängen der Haardt beginnt in 


diefem Jahre wieder verhältnismäßig fpät. 


Wohl find ſchon Knoſpen zu jehen, aber 
zur Blüte wırd e8 — mildes Wetter vors 
ausgejeßt niht dor nädfter Woche 
fommen. Im vorigen Jahre begann die 
Mandelblüte ebenfalls ſehr jpät, am 28, 
März. Gemöhnlich pflegt fie Ende Februar, 


48 


Ergänzend zu vorftehenden Ausführungen 
jei bemerft, daß jchon anfangs der ftebziger 
Jahre eine Ausftellung ebbarer Bilze der 
Bfalz in Kaiferslautern ftattfand, worüber 
Profeffor Medicus in dem 23. Pahres- 
bericht der Bollihia für 1875 ©. 1—21 

nähere Mitteilungen gemadt bat; über den 

 Nahrungswert der Pilze gab Brofeflor 
Nipeiller im gleiben Jahresbericht näbere 
Aufihlüffe. Leider haben die damals ge- 
gebenen Anregungen feinen bleibenden Er— 
folg erzielt. Dr. Häberle. 


| Anfang März zu beginnen, in jehr milden 
Wintern ausnahmöweije jogar jhon Ende 
| Januar, Bei dem außergewöhnlih hart: 
nädigen ®inter, den wir hinter uns haben, 
darf man fih nicht wundern, daß die 
Mandelblüte 3—4 Wochen zurüdgeblieben 
ift. Bekanntlich find die Mittel und die 
Unterhaardt die einzigen Gegenden Deutid- 
' lands, in der Mandelbäume in größerer 
Zahl blühen und Früchte tragen. 


Großer Aebſtock — Edelkafanie. 


Herr Gaſtwirt Schäfer in Rhodt hat 
beim Umroden eines Xraminermwingerts 
eınen Rebſtock ausgegraben, der eine Wurzel 
länge von 6,80 m hatte und ſehr kräftig 
war, 
baujchule Neuftadt a. Hdt. übergeben. 

Die Edelfaftanien haben infolge 
des diesjährigen ftrengen Froſtes bei Dürf- 


Storch-Manderungen. 


Herr Sch. bat denielben der Wein- | 


* heim fchwer gelitten. Durch die Einwirkung 
der Kälte ift die Rinde bejonders an den 
mittelgroßen Bäumen vielfach geborften, 
fo daß dieje wohl durch Anfaulen eingeben 
werden. Die Rieſen der Saftanienmwälder, 
deren Rinde widerftandsfähiger ift, haben 
die Kälte leichter überwunden, 





Von der Vogelwarte Roffitten | dem die Worte „Bogelmarte Roffitten 
wird und mitgeteilt: Im Cape Daily | Germania 769* eingraviert waren. Der 


ZTelegraph (Port Elizabeth) vom 21. Nov 
1908 und in anderen jüdafrifanijchen 
Beitungen, die an die Vogelwarte Roſſitten 
gelangten, wird folgendes berichtet: Im 
März ds. Is. wurde an der Nordoftgrenze 
der Stalahari-Wüfte einem Kaufmann von 
Gingeborenen eines fleinen Dorfes unmeit 
der Wüjte ein Aluminiumring gebracht, auf 


Eingeborene gab an, diefen Ring von einem 
Buſchmann erhalten zu haben, der ihn 
wieder von anderen Buſchmännern (die 
ziemlih weit in der Wüjte wohnen) er: 
halten habe und zwar mit folgender Er: 
zählung: Eines Tages, während einige 
Buſchmänner ausgezogen waren, um Wur— 
zen und Wild zu fuchen, jahen fie eine 





Anzahl großer, weißer Bögel an einer aus: 
getrodneten Waflerftelle. Die Buſchmänner 
gingen dicht heran, um die Vögel mit ihren 
Stöden zu erjchlagen. Die Vögel ergriffen 
die Flucht, aber einer wurde erbeutet. Die 
Bufchmänner fingen an, den Vogel zu rupfen, 
um fi daraus eine Mahlzeit zu bereiten, 
als fie ihn plöglich mit dem Aufe: „Es ift 
ein Gott!“ fortwarfen. Sie hatten näm- 
lid an dem einen Bein den Ring entdedt. 
Boller Furcht vor Strafe des vermeintlichen 
Gottes rannten fie in ihr Heimatdorf zurück 
und erzählten ihre Erlebniſſe den anderen. 
Ein beherzter Buschmann, der meniger 


49 


— 


erlegten Bogel führen und nahm den Ring 
an fih. Später fam der Ring in den Be- 
fig des Kaufmanns, der darüber an die 
Beitung Wide World in London berichtete 
und auch den Ring dort einfchidte. — Die 
Bogelwarte Roffitten bemerkt dazu, daß 
der Storh Nr. 769 am 7. Zuli 1907 in 
einem Nefte in Dombrowsken, Kreis Lyck 
(Oftpreußen), marfiert worden iſt. Der 
Fall ift für die Vogelzugsforſchung von 
großer Bedeutung. Beigt er doch, daß 
in Norddeutfhland ausgebrütete 


angitvollen Gemütes war, ließ fih zu dem | Winterquartiere zu beziehen. 


Bugvögel im Bfälzerwald. 


Günftiger Wind und leichter Strichregen | 
am 19. März begünftigte die Anfunft der 
Bugvögel. So konnten wir bereits am 10. 
März bei heller, warmer Witterung auf den 
Feldern im „Bruch“ zahlloje Flüge der Feld: 
lerche bemerken, die unaufhaltfam nord 
wärts eilten. Das Hausrotſchwänzchen 
wurde ebenfalls ſchon am 10. März auf 
der Limburg beobadtet. Die weiße und 
gelbe Bachitelze ift in zahlreichen Flügen 
Ende voriger Woche eingewandert. Am 
19. März wurden in Bad Dürkheim die 
erften zwei Schwalben gefictet. Der 
durchichnittliche Ankunftstermin der Haus 
ihmwalbe in der Pfalz ift der 13. April, 
Bemerkenswert ift, daß die Stare bereits 
in der Mitte des Februar ihre „Revidenten“ 
oder Kundſchafter geſandt hatten, die fi 
ftreichend in den Niederungen an der VBorder- 
haardt umbertrieben, jedoch bei eiliger 
Witterung und abjolutem Nahrungsmangel 





| 


Störhe biß nah der Südſpitze 
Ufrifas vordringen, um dort 
ichnell wieder verſchwanden. Die Baum: 


lerche wurde dor einigen Tagen gejehen 
und dürfte inzwiſchen allenthalben angelangt 
fein, Bis zur Ankunft der ferneren Sänger 
und eigentlichen Frühjahrsboten haben mir 
allerdings nocd vierzehn Tage Zeit. Dann 
aber, wenn der Kuckuck, deſſen mittlere An- 
funftszeit in der Pfalz auf den 15, April 
fällt, aus den fnofpenden Wäldern ruft und 
die Brasmüde und das Schwarzblättchen 
aus den grünenden Heden loden, dann ift 
der Lenz wirklich da. (Böhm i. d. Pf. Pr.) 


Der Stord traf am 10, Februar in 
Freinsheim ein, wo er fein altes Neft auf 
der Kirche bezog. — Am 24. Januar las 
man aus dem Wasgau, daß die Böhämmer 
ſich bis dahin nur vereinzelt haben fehen 
laflen; größere Schwärme wurden gar nicht 
erwartet, da die Buceln im legten Jahre 
jehr jchlecht geraten find, 


—— 


Bas nene Vogelſchutzgeſetz. 


Das neue ee vom 
30, März 1908 bejagt in $ 3: „Sn der 
Beit vom 1. März bis zum 1. Oktober ift 
das Fangen und die Erlegung von Vögeln, 
fomwie der Anfauf, der Verkauf und das FFeil: 
bieten, die Vermittlung eınes hiernach ver- 
botenen An: und Berfaufs, die Ein, Aus: 


überhaupt, ebenjo der Transport jolder Vögel 
zu Handelszwecken unterjagt.” Wenngleich 
im $5 u. a. und unter genauer Motivierung 
geſagt ift, daß die zuftändigen Behörden ein« 
zelne Ausnahmen bemilligen fönnen, fo er- 
icheint es nach Obigem doch geraten, ohne 
bejondere Erlaubnis die Finger von dem Be- 


zug des Vogels zu laffen, wenngleich man ihn 
von Brivathand evtl. „geſchenkt“ befommt. 


und Durchfuhr von lebenden, ſowie toten 
Bögeln der in Europa einheimifchen Arten 


| 


50 — 


Eingegangene Orte in der dermaligen Pfalz. 
(Nach den Intelligenzblättern des Rheinkrelſes, Frey, Beder ıc ) 


Affalterloch, zwiſchen Waldfee, Neuhofen 
und Altripp. 

Alsbeim, eme zum WRuralfapitel Neu- 
leiningen gehörige Pfarrei. 

Altenforft, zwiſchen Weyher und Burr: 
weiler. 

a zwiſchen Offenbah und Dtters- 
eim. 

Algbeim, in der Marfe von Herxheim. 

Annenfeld, im Banne von Kirchheim 
gegen Orbis zu. 

Anfildeim, in der Nachbarſchaft von 
Böchingen. 

Anzweiler, eines von den Dörfern der 
Uemter Reihenbah und Deinberg. 

Appenkirchen, im Bliesgau. 

Arhenweiler, im Ddermaligen Banne 
von Öteinmeiler. 

Aſchbach, ein Pfarrdorf in der Nähe von 
Trippftabdt, 

Babenheim, zwiſchen Rodenbach, Eberts: 
heim und Kerzenheim. 

Baldolfisfelde, im Wormsgau. 

Bärenbronn, Dorf bei Bujenberg. 

Beingen, bei Gfceringen im Kanton 
Blieskaftel. 

Bernesbach, hatte feinen Namen von 
dem Bade, der zwiſchen Queichham⸗ 
bach und Annweiler in die Queich 
mündet. 

Bijinesheim, Pfarrdorf im Landfapitel 
Bodenheim, das heutige Biedesheim 
bei Göllheim. 

Blatmaresheim, im Öpepergau, 
Boppenheim, wahrſcheinlich das heutige 
Pepefum, ım Kanton Hornbach. 
Brambah, ein der Burg Wolfftein 

dienjtbares} Dorf. 

Brunnenheim, Izwiſchen Dammheim und 
Landau. 

Budenkeim, beifBilligheim. 

Buchsweiler, der jetzige Hof Boßweiler 
bei Quirnheim. 

Cogrisheim, wahrſcheinlich in der Nähe 
von Oggersheim. 

Crothinchheim, im Speyergau, mög— 
licher Weiſe das heutige Rhodt. 
Dagine, Pfarrort im Landkapitel Sir: 

heim. 

Daffenheim, im Speyergau. 


Darmweiler, mit zwei Kaplaneien, welche 
die Grafen von Falkenftein zu bejegen 
hatten, 

Ebernthal, im 14. Jahrhundert erwähnt. 

Eisberg, bei Birmafens. 

Elmutesheim, der heutige Hof Elbis- 
beim bei Marnheim. 

Euflingen, zwiſchen Queichheim und 
Landau, wo nod Ende des 15. Jahr⸗ 
hunderts eine Pfarrei, Frühmeſſerei 
und Staplanei ſich fand. 

Gygersheim, in der damaligen Ge— 
markung von Weilenheim a. ©. 

Felshalben, im Kanton Hornbad. 

Forloch, im Goffersmweiler Tal . bei 
Völkersweiler. 

Gamundias, der am Zuſammenfluß der 
Schwalbe und Trualbe gelegene Teil 
von Hornbach. 

Geilweiler, jetzt ein Hofgut der Gemeinde 
Siebeldingen. 

Gerlen, bei Ensheim im Kanton Bliesfaftel. 

Germann, ehemals rin Dorf im Banne 
von Bobenthal, 

Gernheim, nädit Kirchheim an der Ed. 

Gerftmeiler, bei Ötterberg. 

Soffenberg, jegt nur noch ein Hof zur 
Gemeinde Kollweiler. 

Goſſenheim, ein Pfarrdorf bei Slein- 
bodfenheim. 

Guntersheim, wahrſcheinlich der jegige 
Hof Guntheim im Banne von Göllheim. 

Gutenberg, in den Fehden des Stur- 
fürjten Friedrich |. untergegangen. 

Daarmwerden, in der Gemarfung von 
Dberotterbad. 

Hagenheim, das heutige Hanhofen bei 
Speyer. 

Hanmeiler, früher eın Pfarrdorf, jest 
ein Hof im Banne von Börritadt. 

Hajelbadh, ein Pfarrort, von dem die 
Kirchen ın Großkarlbach und Laumers 
heim Filialkirchen waren. 

Haſenecken, woſelbſt das Kloſter Eußers- 
tal drei Morgen Weinberge beſaß. 

Haſſelbach, bei Schweigen. 

Heifanheim, dab heutige Höfen bei 
Kandel. 

Demingesheim, der heutige Hemshof 
bei Frieſenheim. 


Hemmendail, wahrſcheinlich in der Nähe 
von Breunigmeiler. 

Hemfpith, eine Kaplanei von Otterbach. 

Sernboldesberg, bei Wilgartömiefen, 


Hertingsmweiler, vielleiht jegt der 
Erkelshäufer Hof im Banne von 
Kridenbad. 


Hillensheim, bei Mutteritadt. 

Hilsberg, bei Trippftadt. 

Hodftätten, ein im dreißigjährigen Krieg 
eingegangenes Biarrdorf zwiſchen Ann⸗ 
weiler und Elmſtein. 

Holzlingen, ein pfälziſches Leben der 
Grafen von Falfenftein. 

Hadenftein, dem Nlofter Otterberg 
gehörig. 

Hügelingen, bei Ormesheim. 

Kaltenbach, ift nur noh als Hof im 
Banne von Mündweiler vorhanden. 

Raltenbronn, bei Leinsweiler, mit einer 
Kapelle zu 2 Raplaneien, 

Kannskirchen, bei Albersmeiler. 

Ober-Kirrmweiler, war eine Staplanei 
der Pfarrei Stirrweiler. 

Roldenbadh, zwiſchen Birfmweiler 
Siebeldingen. 

Kritbah, der Burg Wolfftein dienftbar. 

Langgquit, an der Straße von Neuftadt 
nah Speyer, in der Mitte zwiſchen 
Iggelheim und den drei Brücken. 

Leihelbingen, früher ein Dorf, jet 
ein Hof bei Dietridingen. 

Lindesheim, zwiſchen Obrigheim und 
DOffftein. 

Zindmweiler, bei Ommersheim. 

Quffelftadt, ein PBfarrdorf im Rural- 
fapıtel Freinsheim 

Marisco, vielleicht Möric. 

Marrenheim, zwiſchen Berghaufen, 
Heiligenftein und Mechtersheim. 

Maßholderbach, früher ein Dorf, der- 
malen der Hof Meſſersbach. 

Mehlsbach, früher ein Dorf, jegt ein 
Hof im Banne von Wattweiler. 

Meiſenbach, Filialort von Eißweiler 
(Thaleifchweiler). 

Mengweiler, eine Staplanei des Land— 
fapıteld Münfterappel. 

Metersheim, welches Dorf eingıng und 
erſt im Jahre 1791 wieder hergeftellt 
wurde, 

Metenbeim,an deflen Stelle heute das Dorf 
Neuhofen im Kanton Mutterftadt liegt. 


bi 


Mettenbad, dermalen nur noch ein Hof 
im Banne von Grevenhaufen. 

Modenbad, früher ein Dorf, jet ein 
Hof im Banne von Ramberg. 

Mölkheim, fol ein Dorf zwifchen Rachen 
und Geinsheim geweſen jein. 

Morihbadh, war ein Dorf bei Namien. 

Mühlhauſen, lag zwifhen Landau und 
Godramftein. 

Mundegen, bei Wachenheim (Mund- 
bardterhof). 

Mundorf, bei Rechtenbach. 

Nauerth, im Ottenbacher Tal. 

Nentersweiler, dermalen ein Hof bei 
Raiferslautern. 

Obermweiler, dermalen 
Standenbühl. 

Drmsheim, der dermalige Siebenbauern- 
Hof bei Lambsheim. 

Dfterna, mahrfcheinlid das heutige 
Niederlirhen im Kanton Kuſel. 
Oſthofen, jegt eın Hof bei Wachenheim, wo 

vor der Reformation eine Staplunei war. 
Othenheim, vielleiht Odernheim. 
Pfeffingen, Hauptort der gleichnamigen 
Grafſchaft. 
Pillungesbach, ſoll das heutige Spirkel⸗ 
bach ſein. 
Ponsheim, im Kanton Blieskafiel. 
Reichenbach, bei Erlenbach. 
Riegelborn, dermalen ein Hof bei 
Mündmeiler. 
Rinfenberg, ehemals eın Dorf, jegt ein 
dem Hofpital Speyer zuftehender Hof. 
Rotenbach, jegt ein Hof bei &reven- 


ein Sof bei 


haufen, 

Roth, zwiſchen Gaugrebweiler und 
Kriegsfeld. 

Nüdweiler, dermalen ein Hof bei 
Wolfſtein. 


Rudersheim, Pfarrort im Landkapitel 
ſtirchheim. 

Rulichsweiler, zum Kloſter St. Johann 
in Alzei gehörig. 

Rundenheim, Filialklirche der Pfarrei 
Kleinbockenheim. 

Ruppach, ein Pfarrdorf im Ruralkapitel 
Landſtuhl. 

Sarlesheim, im Landkapitel Münſterappel 

Schembach, in der Oberhaingeraide be— 
rechtigt. 

Schreinghauſen, zwiſchen 
und Meckenheim. 


Mußbach 


— BE — 


Sedenhauſen, auf dem Matzenberg. Waſenbach, dermalen ein Hof in der 


Servelingen, deſſen, Gemarkung jetzt Gemarkung von Kriegsfeld. 
Arzheim gehört. Watzenhofen, dermalen mit Edenkoben 
Sethesbach, bei Ramberg. zuſammengeſchmolzen. 
Steegen, am Einfluß der Rodalb in die Weiler, bei Bolanden, mag der heutige 
Schwarzbach. Weyerhof ſein. 
Steinbach, den Grafen von Leiningen Weiler, bei Otterberg. 
gehörig. Wernersbrunnen, vor der Burg 
Steinbad, ein Ort der Oberhaingeraide. Stauf gelegen. 
Steinweiler, ein Pfarrort im Rural- | Wersmweiler, bei Striegöfeld. 
fapitel Landftuhl. Befthofen, bei Erfweiler im Santon 
Stransmweiler, pfälziihes Lehen der Blieskaftel. 
Grafen zu Franfenftein. Weyher, zwifchen Oberhofen und Nieder- 
Stratfeld, im Speyergau. horbadı. 
Sulczen, mit Kaplanei und zwei Altars | Wichfe, in den Xorjcher Urkunden mit 
pfründen. Freinsheim genannt. 
Tiefenthal, bei Geiſelberg. Widergiſa, vermutlich Erlenbach im 
Tribunisheim, wahrſcheinlich Dreiſen. Kanton Diterberg. 
Turnusheim, im Speyergau. Bineswiler, bei Maifammer, icon i im 
Ubftatt, im Speyergau. Jabr 957° genannt. 
Ungenbad, bei Otterberg. BWinterbah, in der Nähe von Speper. 
Ußbrud, der Burg Wolfftein dienjtbar. | Wiggarda, wo das Kloſter Vorſch 
Volkerskirchen, bei Neuhäuiel. Güter beſaß. 
Vorbach, im Amte Hagenbad. Wirnsbach, der Burg Wolfftein dienftbar. 
Bandesheim, zwiſchen Rheinzabern und | Wifen, im Speyergau. 
Neupfog. Wiſenbach, dem Klofter Otterberg gehörig. 





— ⸗, 





Huneburg, Kollenbach und Vrondan. 
Topographiſche Nachrichten.) 


Nach verſchiedenen urkundlichen Nach- zu ermitteln, das mit der ſchon längſt ge— 
richten mußte im oberen Lautertale früher ſuchten Huneburg wohl identiſch ift. 
eine dem Reiche gehörige Feſte, die Hune- Einen ausführlichen Bericht über dieſen 
burg, geſtanden haben, mit welcher die Fund ſowohl, wie über das in der Nähe 
Ritter von Hohenecken noch 1404 von Kaiſer gelegene, ſchon längſt eingegangene Dorf 
Ruprecht belehnt worden waren; über ihre | Kollenbah und Über Brondau (— Breitenau 
Lage war nichts betannt. Nun ift es | bei Hoheneden) enthalten die Brälz. Geid. 
neuerdingd gelungen, auf dem Stäbels- | Bl. für Mär, 1909, ©. 18—22, 
föpfchen zwiichen Yampertsmühle und Erfen- 
bah die Spuren eines alten Baumerfes u ie di 





Aus dem Jahresbericht der Bayerifchen Bergbehörden. 


Aus dem Jahresbericht der Bayeriichen | 2729020 t im Geldwerte von rund 
Bergbehörden für das Jahr 1908, der nun | 26064210 Mt. gegen 2281358 t im 
im Drude vorliegt, ift folgendes bejonders Werte von rund 23350607 Mt. im Bor 
hervorzuheben: | jabre. Un dieſer Mebrförderung von 

Die Gejamtproduftion der Bergwerke 447662 t'find die Stein-"und Braunfohlen- 
und der unterirdifchen Steinbrühe und | jomie die Eiſenerzgruben mit einem Mehr 
Gräbereien im Betriebsjahr 1908 betrug | von 431895 t beteiligt. Es wurden im 


— 63 — 


Jahre 1908 an Steinkohlen gefördert | marftes ihren rund bat. Un fonftigen 
1576 026 t gegen 1487665 im Jahre 1907, | Erzen wurden ım Sabre 1908 20000 t 
d. 1. um 98961 t mehr, von welcher Mehr- Nupfererze ſowie 3767 Schweiel- und Mag- 
förderung 88020 t auf die oberbayeriſchen netkiefe jowie 270 t Vitriolerge gemonnen. 
Gruben und 11809 t auf die Steinkohlen- Im Jahre 1908 ftanden im Betrieb: 
grube zu Stodheim treffen, während die | 13 Steinfohlengruben, auf melden 8795 
Pfälzer Steinfohlengruben eınen | Berfonen bejchäftigt waren, 7 Brauntohlen- 
Ausfall von 10868 t zumeiſt im: | gruben mit 640 Perfonen, 34 Erzgruben 
folge eines Schadhtneubaues der | mit 1137 Berjonen, 1 Steinjalzbergbau 
Grube Franfenholz hatten, mit 110 Berfonen, zujammen 55 Berg- 

Die Braunfohlengruben weijen im Jahre | werfe mit 10673 Berjonen, ferner 304 
1908 wieder eine MWehrförderung gegen | unterirdiiche Steinbrüdhe und Gräbereien 
1907 und zwar von 340678 t auf. .E8 | (einichliehlich Bohrungen und Schurfbetriebe) 
betrug die Produftion der im Jahre 1908 | mit 1566 Berjonen, demnach im ganzen 
in Betrieb geltandenen fieben Braunfohlen- | 359 Werfe mıt 12239 bejhäftigten Berfonen 
gruben 548421 ı gegen 207743 t im Bor- | gegen 336 Werfe mit 11845 bejchäftigten 
jahre und 140290 Tonnen im Jahre 1906. | Berjonen im Borjahre. 

Die Broduftion an Eifenerzen erftredte | Bon den befchäftigten 12239 Perfonen 
fih außer auf eine Grube in Oberbayern | waren 11580 ermachjene männliche Arbeiter, 
und einige Fleinere Betriebe in Oberfranfen | 293 erwadjjene Arbeiterinnen, 337 Jungen 
ausichließlih auf die Oberpfalz; e8 waren | von 14—16 Jahren, 2 Zungen von 13 u, 
dajelbft und im Oberfranfen 24 Gruben | 14 Jahren, 25 Mädchen von 14 bis 16 
im Jahre 1908 in Betrieb, welche 276939 t | Zahren, 2 Mädchen von 13 bis 14 Jahren. 
Eifenerz ſörderten. Die Gejamtproduftion Bon den vorhandenen, der Aufſicht 
an joldhen betrug 280231 t im Geldwerte | unterfiellten Betrieben murden von der 
von 2338400 Mk. gegen 276975 t ım | Berginipeftion Minden 98,99%, Bay- 
Geldwerte von 2343080 ME, im Borjahre, | reuth 99,37%. und Bweibrüden 100 ®o 
jo daß fich bier zwar eine Produktions | revidiert. Bierunter befinden ſich jämtliche 
fteigerung von 3256 t, jedoch eine Minde:- | Steinfohlenbergwerfe, von welchen die 
rung des Geldwertes um 4680 Mf ergibt, | größeren oft befahren wurden. 
melche in der unglinftigen Lage des Gijen- 





Bevölkerungshewegung im Jahre 1907. 


In dem Vierteljahrsheite zur Statiftit | ftorben find 1178349 (1906: 1174464). 
des Deutichen Reichs 1909, I, werden die | Im Verhältnis zur Gefamtbevälferung ift 
hauptſächlichſten Ergebniffe über die Be | gegenüber dem VBorjahre die Eheichließungs- 
mwegung der Bevölkerung veröffentlicht. Die | ziffer von 8,16 auf 8,12 v. T., die Ge- 
ausführlihere Mitteilung erfolgt in nächiter | burtenziffer von 34,08 auf 33,20, Die 
Zeit im Bande 223 zur GStatiftit des | Sterbeziffer von 19,20 auf 18,98 v. T. 
Deutihen Reihe. Im Jahre 1907 wurden | gefallen. Der Geburtenüberihuß des Bor- 
im ganzen 503964 Ehen geidlofjen (1906: | jahres mit 910275 oder 14,88 v. T. ift 
498990), die Zahl der Beborenen betrug | danad) auf 882624 oder 14,22 v. T. ge- 
2060973 (1906: 2084739), darunter ſunken. 

61040 Totgeborene (1906: 62262), ge 


Bigeunerbewegung in Bayern, 


Nah den FFeititellungen der bei der | unmelens find im Yahre 1908 in Bayern, 
Volizeidireftion Münden eingerichteten | das wiederholte Auftauchen ein und der- 
Bentralftelle zur Befämpfung des Zigeuner: | felben Bande bezw. Familie zc. an ver» 


ſchie denen Orten und zu verfchiedenen Zeiten 
eingerechnet, beobachtet worden: 200 größere 
bereit befannte Banden, 24 größere 
bisher unbefannte BZigeunerfamilien, 30 be 
reits befannte und 18 bisher unbefannte 
Einzelzigeuner, Die Zahl der ftebrieflichen 
Berfolgungen von Bigeunern war, die Nadı- 
barländer mit einbegriffen, 312; hiervon 
haben fi, größtenteil& wegen Ergreifung 
oder Ausmittelung, 183 erledigt. In Bayern 
wurden im Jahre 1908: 112 Bigeuner 
gerichtlich beftraft, 18 aus Bayern (12 aus: 
ländifhe) aus dem deutichen Reiche aus: 
gewiefen und 10 in Arbeitshäufer einge: 
ſchafft. An ſchweren Straitaten, die in 
Bayern im vergangenen Jahre von Bigeunern 
verübt wurden, find nur folche zu verzeichnen, 
die fie unter fich begangen haben. Um 
19. Mai nachts erſtach in Attenhaufen bei 
Krumbach in Schmaben ein 15 jährıger 
Zigeuner einen 44 jährigen und erhielt der: 
jelbe ein Yahr Gefängnis, Am 29, Juni 
erihoß in der Nähe von Gundhöhring bei 
Straubing ein 42jähriger württembergiicher 
Zigeuner einen 23jährigen heimatlofen 
Zigeuner. Er wurde deshalb zu 3 Jahren 
Gefängnis verurteilt, In der Nähe der 


54 


| bayerifhen Grenze, auf preußiichem Gebiete, 





in einem Walde bei Rommerz, zwiſchen 
Schlichten und Fulda erichok am 25. Aug. 
ein 23jähriger heifiiher Bigruner den 
Gendarmeriewachtmeifter Schenf aus Neu- 
hof bei Fulda, während derjelbe eine arre 
tierte Bigeunerbande transportierte. Das 
jhwurgerichtlihe Urteil lautete auf Todes 
ftrafe. Kleinere Diebereien und PBetrüge- 
reien durch Zigeuner famen aud im Jahre 
1908 ın Bayern mehrfad vor, doch hat ım 
ganfe der legten Jahre in Bayern 
die früher fehr läftige Bıgeuner: 
plage unverfennbar und merflid 
nachgelaſſen. Faſt ausnahmslos find es 
deutjche oder auf deutichen: Boden geborene 
beimatloje Zigeuner, meift ſog Halb— 
jigeuner, die fih durch einen mit Bettel, 
Diebereien und Betrügereien verbundenen 
Semerbetrieb im Umberziehen bemerfbar 
madhen. Ausländiſche Bigeuner tau 
hen zwar dann und wann noch auf, 
aber immer jeltener. Weſentlich bat 
die Sdentifizierung von Bigeunern und die 
Feſtſtellung ihres PBerfonenftandes durch die 
Münchener BZigeurerzentrale oder durch 
deren Vermittlung zugenommen, 





Fränkifche Gräber und vorgeſchichtliche Mohngruben 
in der ARheinpfalz 


In Harrheim-Zell an der Pirimm | brachten neue einmwandernde Stämme die 
famen bei der Anlegung eines Neubaues 


drei fränkische Gräber zur Aufdefung. Die 
vorgefundenen, gut erhaltenen Sfelette 
waren jämtlih männlid. Zwei von ihnen 
waren, wie jchon gemeldet, mit vielen 
Baffenbeigaben, wie Langen, Schwertern 
und Meflern beftattet. Die Ausgrabungen 
wurden durch den Hiſtoriſchen Verein der 
Balz beauffichtiet. Zu diefer Bejtattunge- 
art iſt zu bemerfen, daß die germanifchen 
Stämme am Mittelrhein, die jpäter unter 
dem Namen „Franken“ auftreten, bereits 
in vorgeichichtlicher Zeit den Brauch der 
Zotenbeftattung ın Keihengräbern fannten 
und übten. Später verbrannten die 
romanifierten Rheinländer ihre Toten und 
begruben Ajche und Urnen, oder brachten 
dieſe Gefäße in großen Steinkiſten unter, 
Im 4, und 5. Jahrhundert nach Chrifius 


alte Beitattungsart in Reihengräbern wieder 
mit; e8 wurde diefer Brauch allgemein am 
Mittelrhein geübt. Meihengräber wurden 
in der Rheinpfalz bis jet gefunden ber 
Dürkheim am Michelsberg, bei Freinsheim, 
Gersheim, Grlünftadt, Haßloch, Kirchheim 
a. Ed, Mundenheim, Mußbach, Mutter— 
ftadt, Neuhofen und Speyer. In der Nähe 
von Deidesheim, im Gemwann Meilenbrunn 
wurden bei Weinbergsrodungen auf sehr 
beichränftem Raume 46 Wohngruben aus 
dem Ende der Latène-KHeit aufgededt, die 
zahlreihe Funde von Gefäßreſten, Mahl: 
fteinen, Yanzenjpigen und Tierknochen 
(Bierde, Schwein und Hirich) enthielten. 
Diehrere diefer Gruben haben eine fid 
nad; unten trichterförmig ermeiternde Ge: 
ftalt und find bei etwa 1,5 m Durchmeſſer 
ungefähr 3 m tief.” Um die Erhaltung der 








Funde, die dem Hiftorifhen Muſeum in 
Speyer übermiefen wurden, machte ſich 
Görg: Deidesheim, der die Wrbeiten be- 
auffichtigte, verdient. Bemerkenswert ift, 
daß bereits früher in derjelben Gegend ein 
vorgeſchichtliches 








55 








intereſſantes Gefäß ger | 


funden wurde, das im Altertumsverein zu 
Bad Dürkheim aufgeftellt ift. Aus den 
foeben aufgefundenen Reſten der Gefäße 
hofft man einige ganze Stüde zufammen- 
ftellen zu fünnen, 


(Böhm ı d. Pfälz. Br.) 


Bie , Heidenlöcher“ bei Warhenheim. 


In den legten Tagen ging durd die 
pfälzifchen Blätter eine Notiz, wonach am 
Rindskehlerfopf bei Wachenheim vor— 
geichichtliche Wohnftätten ın der Art der 
Deidesheimer Heidenlöcher gefunden worden 
fein follen. Eine Befichtigung ergab nun, 
daß es fich zweifellos um alte Steinbrüche 
handelt. Wir haben hier auf dem Rüden 
des „Berges größere und fleinere Löcher 
von unregelmäßiger Form, an deren 
Rändern der gewachſene Fels vielfach an- 
fteht. An diejen Felswänden fann man 
an verichiedenen Stellen an der oberen 
Rante in regelmäßigen Abftänden dreiedige 
Einferbungen beobachten, die zum Einjegen 
der Sprengfeile dienten. Außerdem finden 
wir Steinhaufen zumteil aus Schutt, zum 
teil aus fertigen Baufteinen beftehend, an 
deren Rändern die Steine teilmweile auf- 
geichichtet find, um ein Nachrurichen der 
Steine zu verhindern. Dieſe „Iroden: 
mauerung“ bat wohl aud in erjter Linie 





zu der irrtümlihen Annahme geführt, daß 
hier keltische Wohnftätten vorliegen. Aehn— 
lihe Anlagen finden wir nicht allzu jelten 
auf unferen Bergen «nd fchon mehrfad) 
waren diefe fleinen Steinbrücde als prä 
bifiorifhe Häufer erflärt worden. Um 
diefe Annahme zu miderlegen hat der 
Hiftoriiche Verein der Pfalz im vergangenen 
Jahre auf Veranlaffung des Bürgermeiiters 
Baſſermann-Jordan auf dem Wallberg bei 
Deidesheim zwei Derartige Löcher aus: 
räumen lafjen, wobei fich gleichfalls mit 
Beftimmtheit ergab, daß hier Steine ge- 
brochen wurden. Auch auf dem Orensfels 
bei Annmweiler und zwar innerhalb des 
Ringmwalld liegen jolche Steinbrudjläcder, 
die als galliihe Plattenwohnungen ver: 
Öffentlicht wurden. Yeßterer Irrtum wurde 
bereits in den Mitteilungen des Hiſtoriſchen 
Vereins der Pials XXV, 1901, 523,24 
berichtigt. 8. 


Bas Jubiläum der Kaiſerſtraße. 


Hundert Jahre find verfloſſen, daß 
Napoleon, um einem Teil ſeiner gewaltigen 
Truppenmaſſen aus Frankreich zu einer 
der Hauptzentren feiner Operationen, der 
Feftung Mainz, einen direkten und feiten 
Verkehrsweg zu fchaffen, die von Südweſt 
nach Nordoit ſowohl die ganze bayerifche 
Pfalz, als auch in faft gleicher Richtung 
die Provinz Rheinheffen Ddurchquerende 
Landſtraße anlegen ließ. Die in auffälliger 
Breite angelegte Straße führt noch heute 
als einziged Denkmal des Erbauers, der 
damit ein ungemein wichtiges ſtulturwerk 
Ihuf, den ftolzen Namen Kaijerftraße, oder 


| 
| 
| 


dod allgemein in den Grundbüchern der | 


Gemarfen der von ihr durcdhichnittenen 


Gegend die Bezeihnung Pariſer Straße.*) 
Wohl den größten Nugen bradte fie wenige 
Jahre nach ihrer Fertigftellung dem faijer- 
lihen Erbauer jelbit, al er, vor Mosfau 
bei Naht und Nebel unter ftrömendem 
Regen auf diefer Straße nach lebensgefähr: 
licher Ueberfahrt über den hochgeichwollenen 
Rhein Hals Über Kopf in jein Land flüchtete. 
Und dann eine weitere Jronie des Schickſals: 
es mußte gerade die Kaiſerſtraße dazu dienen, 
im Sahre 1870 dem Neffen Napoleons, des 


*) Die Kailſerſtraße wurde 1811 vollendet 
und zwar murden bie Streden von Lohnsfeld 
bis zur Eſelsfürth und von Bruchmühlbach bis 
ur Grenze des Saarbepartements zulegt fertig 
geitellt. H. 


— — 


Erbauers, ganz gewaltige Truppenmaſſennoch längere Zeit die zahlreichen, den Mainzer 
entgegenzuführen. Dit der Eröffnung der | Markt verſorgenden „Hodenfuhren“ aus 
Mainz-Alzeyer Bahnftrede im Jahre 1871 | den rheinheffifhen Orten, Heute bat due 
ward der bisher jo befonders ftarf benutten | in ganz auffallender Beite angelegte Straße 
Kaiferftraße mit einem Schlage der meifte | noch weniger Berfehrsbedeutung, fie ift zu 
Berfehr genommen. Aus Franfreicd wurden | einem — megen ihrer Breite — koſt— 
ichon weitaus die meiften Truppen mit der | fpieligen Unterhaltungsproduft für die betr. 
Bahn heim befördert ; dieſe beforgte die Boft, | Kreiſe geworden. (Kirchheimb. Anz.) 

und Hauptbenuger der Straße blieben dann 


Ber dentiche Htantsbahnwagenverband. 


Die württembergifche Regierung hat der | behrlich werden. Insgeſamt find im Jahre 
Abgeordnetenfammer eine Denkfchrift zum | 1907 unter den deutihen Staatsbahnen 
deutihen Staatswagenverband übergeben. | Wagenmieten im Betrage von 18'/s Mil. 
Darin wird mitgeteilt, daß der neue Ber- | abgerechnet worden, die fih aus lauter 
band über 500000 Güterwagen verfügt, | fleinen Mietöpoften von wenigen Mark zu: 
von denen jeder etwa 34000 Achſenkilometer jammenfegen. In Bufunftwirdein Be: 
zurüdlegen wird Die Leiſtung de& Ber- | amter die ganze Jahresrechnung in 
band&mwagenparfes wird aljo 17000000 | wenigen Zagenfertigftellen fönnen. 
Achſenkilometer pro Jahr betragen, Bor allem darf eg, abgejehen von dem wirt: 

Es ift damit zu rechnen, daß die neue | fchaftlihen Gewinn, aud vom nationalen 
Ordnung des Wagenverfehrs allen beteiligten : Standpunft freudig begrüßt werden, daf 
Staatsbahnen Vorteile bringen wird, Die | die fämtlichen deutidhen Staatsbahnen auf 
Eifenbahnen werden den Vorteil huben, daß | einem wichtigen Gebiete des Verfehrsmeiens 
Ausfondern der deutjchen Staatsbahnmagen | zu einer bejonders bedeutjamen Ginigung 
nad ihrer Heimatbezeichnung fortfällt; der | gelangt find. 

Berrieb wird dadurch ſowohl bei der Bil- Württemberg rechnet au dem Staats: 
dung der Züge als auch bei der Bedienung | wagenverband eine Gejamterjparnis von 
der Lade: und Nufchlußgeleife vereinfacht ; rund 400000 ME. pro Jahr, ungerechnet 
werden. Auf Bahnhöfen, auf denen zahl- | die Erjparniffe, die fi) aus der verminder: 
reihe fremde Wagen zu behandeln find, | ten Beanfprudhung der Geleiicanlage als 
werden bemerfensmwerte Erjparnıfje | Folge des Wegfalles von Leerläufen er: 
zu erzielen fein. Der erbeblichfte Gewinn | geben. Die Denfihrift hebt hervor, es 
ergibt fi aber aus der Verminderung der | fönne feinem Zweifel unterliegen, daß aud 
Yeerläufe; ihre Zahl ift für alle deutichen | die miirttembergiihe Eifenbahnvermaltung 
Bahnen auf mindeitens 200 Millionen | durch den Anſchluß an den deutichen Staats- 
Adjenfilometer jährlich geſchätzt worden. magenverband neben dem gewiß nicht zu 

Auch die Eriparung der Ürbeitsfräfte | unterihägenden ideellen Gewinn eine Ber 
wird ins Gewicht fallen, die durd die Ber- | einfachung des Betriebes, jomwie eine Förde. 
einfahung der Abrechnung und durch den | rung der Berfehrsinterejien erreihen wird, 
Wegfall der zahllojen Aufichreibungen ent- 














Studien aus dem Pfälzermalde. 
N. Schneehöhen. 


Die Schneedede ift von Bedeutung nicht | jomwie für fanitäre und touriſtiſche 
nur für die Laändſchaft und deren Bild, Verhältniſſe. 
fondern beionders für die Speifung des Die Literatur der Pfalz ift jehr arm 
Bodens mit Feudtigfeit, für den Unter | an einfchlägigen Meffungen und Beobad- 
halt der Quellen, Bäche und Weiher, | tungen, Die Bavaria IV, 2, enthält nichts 


— En — 


darüber. ©. 68 ift zwar das „Meteoriiche 
Waſſer“ in Tabellenform angegeben, doch 
nur für Karlsruhe, Heidelberg, Kreuz— 
nad, Mannheim ; aber für feinen Ort 
der Pfalz. 


Allein und lediglich die „Mitterlungen 
der Bollihia” enthalten darüber und zwar 
Ipeziell für Bad- Dürkheim einiges Material; 
aufgezeichnet und veröffentlicht von der 
dortigen metereologijhen Station. Wir 
geben daraus einige Zahlen wieder: 


Für das Jahr 1893: „Schnee fiel nur 
in ganz geringen Quantitäten“, Mittei: 
lungen, Nr. 8, 1894, Tabelle. Für das 
Jahr 1897: „Schneefall im Monat De 
zember 29 cm;* Mitteilungen, Nr. 12, 
1898, Tabelle. Für das Jahr 1899: 
Scneehöhe „im Januar 8 cm, im Dezem- 
ber 12 cm, Gefamthöhe 20 em;“ Mit: 
teilungen, Nr. 13, 1900, Zabelle. Für 
das Yahr 1900: Scneehöhe „im Januar 
12 cm, im Februar 6 cm, im März 4 cm, 
Summa 22 cm;” Mitteilungen Nr. 14, 
1901, Tabelle. Für das Jahr 1902: 
„Schneehöhe im Februar 10 cm; Mit: 
teilungen, Nr. 19, 1904, S. 140. Für 
das Yahr 1907: Im Dezember 28,5 cm 
Schnee; Mitteilungen, Nr. 23, 1908, 
S. 106. — 

Darnach fällt dad Minimum in das 
Jahr 1893, das Marimum in den De 
zember 1897 mit 29 cm. — 

Bur Erweiterung und Ergänzung diejer 
danfensmwerten Beobachtungen nahm d B. 
nad dem ftarfen Schneefalle vom 4. März 
und der darauf folgenden Nacht des 4. 5. 
März eine große Anzahl (ca. 50) von Ber- 
meflungen der Neufchneedede vor, unter 
der nur an einigen Stellen Altſchnee 
gelegen mar, vor und zwar 


1. um das Meinbietr-Maifiv, 
2. in der Stalmit Gruppe. 


Jene erfolgte am 5. März, Nachmittags 
zwiihen 3—6 Uhr, diefe am 6. März, 
Nahmittags zwiſchen 's3—!27 Uhr. 

Die Meflungen erfolgten mit einem 
feftftehenden Metermaß, deffen Ende mit 
Meifingbeifchläg verfehen ift, fodaß der 
Beobadter am Widerftande fofort den 
Altichnee konftatieren konnte. Als Orte 
der Meſſung wählte er freigelegene Stellen 


57 


und topographifh wichtige und befannte 
Punkte, jo Höhenrüden, Sättel, Ruppen. 
Die Meifungsergebniffe murden jo» 
fort eingetragen. Ich teile dieſe im 
Folgenden mit: 


I. Schneehöhe am BWeinbiet-Maffiv, 
vermeſſen am 5. Mär; 1909, 


I) Wolfsberg = 2, 5, 9,5, 4,3 cm. 
2) SW« Fuß der Kuppe = 11 cm. 


3) Turm: N = 65 cm 
W=7 m 
S -45 cm 
O : 4,5 em. 


4) NÖ der Suppe = 6 cm. 


5) Um Roofebrunnen — 5 u. 6 cm. 
6) NO: Weißer Strich -—- 3, 4,6,6cm 
OÖ: 5 „=3cm 
So: ” a u 2,2, 3, 32, 
2 cm (Brandmeg). 


T) Meifental — 3 cm. 

8) Qudmwigsplag = 1 cm. 

9) Bromenademweg — 0-1 cm. 

10) Kübelmweg und Dr. Welſchs Ter- 
raſſe = 0—1 cm. 

Die ftärffte Dede, mit ca. 1 cm Alt— 
jchnee, fand fih am Siüdfuß der Kuppe in 
ca. 500 m Seehöhe. Da die Windrichtung 
am 4. und 4.5. März die weſtliche 
war, jo erflärt fih die Anhäufung des 
Schnee's an diejer Stelle und an ähnlid) 
erponierten Punkten. 

Sharatteriftiih hiefür find aud die anı 
Zum (= 5527 m nah Then’jcher 
Meflung) nah Norden — 6,5 cm und 
Weiten — 7 cm gelegenen Bunfte, Die 
von Süden und Dften um 2—2,5 cm 
differieren. — Verdunftung war noch nicht 
eingetreten. — 

In der Kalmit-Gruppe dagegen 
war am 6. März bei Südoftwind und- 
Sonnenjdhein bereits der Einfluß von Wind 
und Sonne eingetreten Ich nahm Bedacht, 
Schattenftellen zu vermeſſen und für 
eine Aufzeichnung mehrere Maße, deren 
Durchſchnitt ih nahm, zugrunde zu 
legen. Die Ergebnifje folgen: 


II. Schneehöhe in der Kalmitgruppe, 
vermeflen am 6. Mär; 1909, 


1) Artwurfanlagen = 0—3 cm. 
2) Römermweg = 1 cm. 


3) Hirihbadtal 6 em. 
Siriäbachtalfehre — 10 em. 

4) Hambader Kühjunge in ca. 500 m 
Seehöhe - 9-10 em. 

5, Hühnerfels, Sattel zwiſchen Hoße 
Loog und Zwerchberg, ca. 570 m 
Seehöhe 11 em. 

6) Bwerdberg-Höße — 10 em. 

7, Hahnenſchritt“, Sattel zwiſchen 


58 


meinen aub die Schner-Höbe am, mir 
aus unieren Meflungen bervorgebt. — 
Beionders ftarfe Entwidlung ber 


Schneedecke zeigen überall die dem damals 


nah NW 


Bwerdberg und Stalmit; 565 m, 


Seehöhe 4 und 8 cm. 
8, Ofthbang der Ralmit ın ca. 640 m 


Söbe - T cm. 
9) almit-Turm in 6741 m Höhe 
(nah Then): N T em 
W = 10 em 
Ss - dem 
0 — 5em 
10) Am Nalmit Fahrweg, Nordgehänge 
= 8 und 10 cm. 


11) Zwerdberg: Südmweitgebänge - 6cım 
Nordweftgehänge -- Tem 
Kalten: Brunnertal: 
500 m 


12) Oberes 
Sternbergauelle, ca. 
10 cm, 
Mittleres Kalten-Brunnertal 
:= 7 und 10 cm. 


13) Oberes Schöntal, 275,8 m=Ödem. 


14) Hermannsfels, 252,9 m -- 5, 6, 
8 cm. 

15) Königsmähle, 199 m - 45— 
D cm. 

16) Bromenadeweg — blaumeißrot 
marfiert — ca. 210 m -- 0—2 cm. 


Die ftärffte Schneedede zeigte auf: 
Das nad Nordweſt (vgl. oben) geöffnete 
Hirſchbachtal, die Ebene des „KRüh: 
junge” (alter Weideplag mit Quelle), die 
Sättel am Hühnerfels und Hahnenſchritt, der 
Zwerchberg, die Weftjeite des Kalmit- 
turmes, die Nordfeite des Kalmit⸗Kegels, 
das obere, Star-förmig geftaltete und nad) 
Nordweiten ale Schneefang geöffnete 
Kaltenbrunnertal, der Hermanns 
fels, mo das von Süd nad) Nord erftredende 
„Große Tiefental” das in das Haupt: 
tal” des Schöntal Baches (früher Oden- 
bäclein) einmündet. 

Trotz Berdunftung und Inſolation zeigte 
ih die Schneedede am Kalmit-Turm 
(Summa — 26 cm) nod höher als am 
Weinbiet:- Turm (Summa — 22,5 cm) — 
Mit der Meeres- Höhe fteigt im Allge 


berrichenden Binde entgegen gerichteten, 
offenen Täler und Mulden 
(--= are) auf, während auf den nad U. 
SO und S gerichteten Gebängen und ır 
den in derielben Richtung laufenden Mulden 
und Ginfchritten (vgl. Beinbiet- Meflungen) 


: die Schneedede um 3—4 cm geringen 


Höhen aufweilt. — 
Teilweile und völlig „aper* ermieien 
fih am 5. und 6. März folgende Stellen: 


l. Beinbiet-Maiiio: 
Promenademeg zur Wolfsburg: ſchneefrei, 
ebenfo die Gewannen: Bogelgeiang, Wogen 

berg, Sulzwieje, An der Schanze, 
Klaujenberg. 


I. Kalmitgruppe: 
Artwurfanlagen 3. T. aper, Oftgehäng 
des Nollen 3. T. aper. 


Der Abihmelzungsprozeh da 
im Biälzerwalde lagernden Schneemaiien 
ging zwar langiam, aber jtetig vorwärts. 
Als Faktoren mwırfen hierbei Sonne un) 
Wind. Am BWeinbiet-Turm (552,7 m nad 
K. Oberleutnants Then Vermeſſungen) br 
trug die Schneehöße am d. März 4,5 — 7 cm, 
am 10, März, d. i. nah 5 Tagen nur 
nohb 0-7 cm. Das Marimum ift nur 
nad Norden und Dften bin vorhanden und 
zivar in einzelnen Schneefleden. Nach Süden 
zu ift die Umgebung ded Turmes völlig, 
nah Weiten zu nahezu „aper*. Selbit 
auf dem nad Norden gerichteten Gehänge 
des Weinbiet-Maffives iſt die Schneededt 
im Ganzen verſchwunden, nur an den Nord: 
weithängen find einzelne Reſte, aber in 
weichſtem Zuſtande, verblieben. 

Scharfen Gegenſatz zum Weinbiet bilde: 
die 121,4 m höhere Kalmit (674,1 m nach 
Then). Bier lag der Schnee noch am 
16. März hoch und dicht, und die Schnee: 
felder glänzten im Strahle der Abendjonne. 
Weinbiet und Kalmit verhielten fich damals 
wie Frühling und Winter. Hier Sonne 
und Licht, dort Schnee und Schatten. — 

Erft die bis 14° C. im Schatten am 
fteigende Wärme der 2. März: Dekade brachte 


die Reſte des Schnees zur völligen Auf: 
jaugung. ber noh am 29. März be- 
obadtete Rat Dr. Häberle und der Ref., 
und am 31. März legterer allein, im Finſter⸗ 


Neuftadt a.d. 9., 1. April 1909, 


59 








tale und zwar an der Einmündungsſtelle 
des Stellertales jo richtig; Hellertal falſche 
Schreibung!) die legten Reſte von Schnee 
und Eis. 


Dr. &. Mehlis. 


Bleine Mitteilungen. 


Meteorologifhe Praris, Der Stadt. 
rat von Bergzabern überließ das jtädtijche 
Bläschen an der Bismarditrake dem Ber: 
jchönerungsverein pachtweife zur Aufftellung 
eines meteorologiijhen Wetterhäus— 
chens und leijter hiefür einen Zuihuß von 
50 Mt. 

Wie verlautet, werden in diefem Jahre 
von der Kalmit aus Berfuhe mitdrahtlojer 
Telegraphie unternommen. Da aud 
die Errichtung einer meteorologijden 
Station auf der Kalmit geplant ift, die 
Dradhenaufftiege veranftalten wird, jo 
wird das Intereſſe an diefem höchſten Berge 
ded Haardtrandes immer größer werden, 
Befanntlih ift auch die Grrichtung eines 
maffiven Kalmithauſes geplant. 

Yagd und Fiſcherei. Am 1. April 
88. Is. trat das neue Fijichereigejeg in 
Kraft, wonach jämtliche ihr Filcherrecht aus» 
übenden Berjonen analog der Jahreskarte 
noch eine Berjonal Legitimation 
farte führen müflen. Das neue Gejeg 
beitimmt: „Wer Fiſche oder Strebie fängt, 
muß im Befige einer auf jeine Perſon 
ausgeſtellten Filcherfarte fein, die er mit 
zu führen und auf Berlangen der Polizei 
und dem Auffichtsperfonal vorzumeifen hat. 
Die Karten gelten im ganzen Stönigreid) 
und fojten pro Yahr 5 Me. Sie können 
jederzeit bei Berfehlungen eingezogen 
werden.” 

Der Forellenzudt in den Ge: 
wäflern der Haardt wird jeit einigen Jahren 
bejondere Aufmerfiamfeit zugemwendet. Bor 
der Entwidlung der Induſtrie waren dieje 
weit fiichreicher als jegt, mo viele Bergbäche 
durch industrielle Abwäſſer verjeucht werden, 
ſodaß ſie fait ohne Fılde find. Es fann 
3 B. im unteren Speherbach bei den 
jegigen Berhältniffen fein Fiſch eriftieren, 
da jchon in Lambrecht große Mengen In 
duſtriewäſſer zufließen. Früher gab es im 


Speyerbah bis zu deſſen Mündung 
Forellen. Die Forellenzucht wendet fich 
daher fait ausjchlieklih den oberen Ge— 
birgämeihern zu. Die Wiederbelebung der 
Forellenzudht geht von Hinterweiden 
thal-Kaltenbach aus, wo die Forelle 
von jeher gebegt wurde. Der pfälziiche 
Kreisfiſchereiverein, der dort tagt, ift um die 
Hebung der Zucht beionders verdient. Auch 
der Krebszucht jcheint eine neue Blüte. 
zeit bevorzuftehen, da es in der Rheinpfalz 
trog der Streböpeit, die dor einigen Jahr: 
zehnten gan; Deutidyland verjeuchte, noch 
zahlreiche Gewäſſer gibt, in denen der Krebs 
nicht ausgeitorben ift. 

Betrefis Erfranfung des Bil. 
des (vgl. Pfälz. Heimatkunde 1907, ©. 93) 
wird mitgeteilt, daß auch im vorigen fahre 
in Jägerkreiſen fiber maflenhafte Erfranfung 
des Rehwildes geflagt wurde. Cine 
Rachenmade ſetzte fich in großen Mengen 
im Rachen der Tiere feſt und fchmarogte 
dort. Das davon befallene Wild magerte 
raſch ab, gab gurgelnde Töne von fi) und 
ging ein, nachdem es fıh mühſam herum- 
geichleppt hatte. Dieje Krankheit wurde 
in den legten Wochen ebenfalld beobachtet, 
allerdings in fleinerem Umfang als im 
Vorjahre. 

In der gleichen Angelegenheit wird jetzt 
geſchrieben: Da im Wildſtande der Pfalz 
momentan über große Berluſte, beſonders 
beim Rehwilde, geklagt wird, ſahen fi 
einige Jagdpächter veranlaßt, die Sache zu 
unterfuchen, Es hat fich herausgeftellt, daR 
ed fih mwohl um eine Lungenwurmſeuche 
handelt. Weil nun in früheren fahren 
dieje Krankheit unter den Schafherden öfters 
auftrat, glaubten die Jagdpächter mit ziem: 
liher Gewißheit annehmen zu dürfen, daß, 
durh die Schafe die genannte Srankheit 
eingejchleppt und auf die Rehe Übertragen 
wurde. Da nun aber in den legten fahren, 


60 


beionder& aber im vergangenen und ım ' 
neuen Jahre überhaupt obige Kraukheit 
unter den Schafen midt auftrat, und da ' 
sub aus idafarmen Gegenden, in denen 
auch im Binter feine Schafweiden ver- 
prechtet werden, Nachrichten von Krankheiten 
der Rehe einlaufen, ift es wohl unbegründet, 
dıe lebetragung der Yungenwurmieude, 
wenn es fig) überhaupt um dieie Handelt, den 
Schafen zuzuiſcheben. Das Berenden der 
Rebe wird wohl in der Regel aut den 
firengen Bınter zurädzuführen jem, 
und damit ıumter Umitänden auf unge: 
nügende Rahruı ı. 

Der uwiedrige Rheinwallerftand. Auf ı 
einem Felſen bei Sädingen im Rheine wurde 
im Jahre 1891 bei außergemöt;nlidh nie: . 
drigem Baflerftande zur dauernden Erinne- 
rung an dieſe Tatfahe die Zahl 1891 
eingegraben. Der jegige Balleritand des 
Rheins ıft aber noch miedriger als da 
mals, Auch dies wurde auf dem Felſen 
durch die Anbringung der Jahreszahl 1909 
verzeichnet. 

Die anhaltend ftrenge Kälte hat rinen 
folden Rückgang des Waſſerſtandes vom 
Rhein zur Folge, daß im Zurbinenhaus 
der Straftübrrtragungswerfe in Badiſch— 
Rheinfelden mehrere Qurbinen abgeitellt 
werden mußten, ſodaß infolge des Kraft 
verluftes verjciedene größere Fabriken ihren 
Betrieb zum Teil einftellen mußten, mo- 
durdy eine große Anzahl Arbeiter entlafjen 
wurden. 

Der Rhein hatte bei Speyer den 
niederſten Waſſerſtand ſeit 100 Jahren. 
Der Begelitand war 1,70 m, während vor 
100 Jahren der Pegelitand 1,74 m betrug. 





Aus der Bergangenbeit. Aut Beran- 
Ioffiung bes Berkehrsdereins bildete Aid 
in Neufiadt ein Nomte zur Errid 
tung eıned Alterrumämuieums 
daſelbit Borligender dei Romiters iit 
Stadtpfarrer Dr. Glaſet. Die Sammlung 


_ eritredt fh nur auf Gegenttände, Die bie 


Stadt Reuftadt direft intereiieren, Damıt 
dem Piälziihen Muſeum ın Speyer feınerle: 
Konfurrenz gemacht wird. 

Die Borarbeiten für die Ranalıjarior 
verlangen, dak das Bachbett des Speyer 


bachs in Speyer um 1"s m tiefer gelegt wırd, 
‘ wobei audy größere Aenderungen der Sal; 


turmbrüde vorgenommen werden müflen. 
Bei dieſen Arbeiten wurde bisber eine 
Reihe von Altertümern gefunden, da- 
runter Helme, Säbel, eine Steitart, 
meifingene Sclöfler und jonftige Gegen- 
jtände von hiftoriihem Werte. Auch eine 
Unmaffe von Schädelfnohen wurde zutage 
gefördert unb abgefahren. Die Arbeiten. 
welche die Stadtverwaltung als Rotftar.ds: 
arbeiten vornimmt, werden von Profeſſor 
Dr. Sprater, Konjervator des Hiſtoriſchen 
Muſeums hier überwadt, welchem die 
Funde zugewieſen werden. 

Aus Heſſen In Worms war bis zur 
Berftörung der Stadt durch die Franzoſen 
die Dftfuppel des Domes mit Blei bededt, 
das bei dem Brande flüſſig wurde und die 
Straße hinunter bis zum Marfte flo. 
Ber dem jegigen Abbruch der Oſtkuppel 
wurden in den Rigen des WMauermertes 
zuſammen 15 enter Blei gefunden. 
Diejes Blei bildete noch den alleinigen 
Halt, denn der Mörtel war volljtändig 
zerrieben und vermittert. 





DInbalt: Bolfer und Hagen vor Worms (Ein Nahtbild) — Leber das Vorkommen ven 


BWindiöhern („Aumarolen”) au 


Spalten und lüften im Sartgebirge. — Der Hopfenbau in 





Bayern. — Wert der Ernte Bayerns 1908. — Tabakbau. — Wilzverwertung — Mandelblüte — 
Großer Rebſtock. — Ebdelkaitanie. — Storh- Wanderungen. — Zugvögel im Pfälgerwald. — Das 
neue Bogelſchutzgeſetz. — Eingegangene Orte in ber dermaltgen Pfalz. — Huneburg, Rollenbad 
und Brondau. — Aus dem Jahresbericht der Bayeriichen Bergbehörden. — Bevölferungsbervegung 
im Jahre 1907. — Bigeunerbeivegung in Bayern. — Fränkiſche Gräber und borgefchichtlice 
Wohngruben in der Rheinpfalz. — Die „Heidentöcher” bei Wachenheim. — Das Yubiläum der 
Ratieritraße. — Der deutſche Staatsbahnmagenverband. — Studien aus dem Pfälgerwald. — 
Keine Mitterlungen. 





Echriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — hermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 


und ber Beiträge find die Herren Berfafler verantwortit 
De Bo — ee Su a Arm he * 
Die falzcae Heimatkunde“ Toflet In 12 Heften Mt. 2.50. Benell werben von allen Buchhandiungen und 
. ’ _ Voltanftalten rn. 38 (Bortofreie Etreifband dung) — * 


V. Jahrgang. 


\ÄLZISCHE HEIMATKUNDE 


Nummer 6. 


Juni 1909. 


9 


MONATSSCHRIFT 


FÜR SCHULE UND HAUS. 


ÄNAN UN ERICA: 


— 





Geheimrat v. Aeumayer *. 


Ein Telegramm meldete am 26. Mai 
aus Neuſtadt a. H., daß nachts 3 Uhr 
Exzellenz Wirkl. Geh. Admiralitäts-Rat 
Profeſſor Dr. Georg v. Neumayer ge 
ftorben if. Die Wiflenichaft verliert in 
ibm einen Mann von großem Anfehen, 
einen Gelehrten von meitreichender Be» 
deutung. Die Hhdrographie und Geophyſik 
verdanfen es zum großen Teil feinen Ver: 
dıeniten, daß fie Tich zu ihrer heutigen Höhe 
entwideln fonnten. Und namentlidh ift 
auch die zu bemerfenswerten Refultaten 
gelangte Polarforihung den Arbeiten 
Neumanpers zu großem Dank verpflichtet. — 

Von der größten Bedeutung murden 
feine Vorarbeiten für eine deutfhe See 
warte. Nah jeinen Entwürfen murde 
diefes wertvolle Inftitut 1875 in Hamburg 
ins Geben gerufen. Neumayer befam die 
Direftorftelle übertragen, die er bis zum 
Jahre 1903 inne hatte. Was Neumayer 
in dieſen Jahren geleiſtet hatte, hat 
dauernden Bert. Mn der ruhmreiden 
Entwicklung Deutihlands zur See hat er 
einen hervorragenden, ehrenvollen Anteil. 

Reiche Anerkennung und hohe Aus» 
zeihnungen blieben Neumayer nicht verjagt. 
Nicht nur Bayern und Preußen, auch das 





Ausland verlieh ihm ehrende Titel und 
Orden. So iſt Neumayer al8 ein Mann 
geftorben, dem es vergünnt war, die Früchte 
jeines Wirfens zu ernten. 

Was Neumayer an literarischen Werfen 
hinterließ, hat Anſpruch auf bleibendes 
Unfehen. Es feien nur genannt jeine 
„Results of the magnetic survey of the 
Colony of Victoria executed during the 
yars 1858—1869*, 4 Bände, jomwie jeine 
Schriften, die fih mit der Polarforichung 
beſchäftigen. Sie verteilen fih auf die 
Jahre 1872—1M01. „Auf zum Südpol! 
45 Jahre Wirkens zur Förderung der Gr. 
forfhung der Südpolar Region” ift jein 
legtes zujummenfaffendes Bud. 

Die irdifhen Reſte unjeres großen 
Mitbürgers, der bis in die legten Monate 
feines reichen und gejegneten Lebensganges 
mit Intereffe und unermüdlicher Tatkraft 
am wiflenichaftlichen Leben der Gegenwart 
und befonderd in feiner engeren Heimat 
teilgenommen hat, wurden unter Beteiligung 
iluftrer Berfönlichkeiten in einem Ehrengrabe 
auf dem Friedhofe zu Neuftadt beigejegt. 
Unferer Pfalz werden die Spuren jeines 


| Wirfens unvergeklicd bleiben. 


Begel- und Regenmeh-Htationen in der Pfalz. 


Das Kgl. Hydrotechniſche Bureau 
in München bemühte ſich jchon ſeit Jahren 
eifrig um die Einrichtung neuer Meitellen 
in gang Bayern. Die bei denjelben vor- 
genommenen Beobachtungen beziehen ſich 
zunächſt auf Niederichläge,; ferner fommen 
in Betracht Negenbogenbeobadhtungen, Be: 
obachtungen über die Schneedede, die Eis 
bildung und Frofttiefen, die Meſſung von 
Waflerteniperaturen, Waſſerſtands- und 
BWaflermengenbeobadhtungen, Hochwaſſer⸗ 
nachrichtendienſt ꝛe. Die Bahl der Hegen: 
meßftationen in ganz Bayern beträgt 
eiwa 400 Im Gebiete der Rheinpfalz 
befinden ſich derartige Stationen an fol— 
genden Orten: Hinterweidenthal, Oberotter- 
bad Landau, Johanniskreuz (Schwarzen: 
bad), Taubenſuhl, Hochſpeyer, Speyer, 
Ludwigshafen, Ungftein, Kirchheimbolanden, 
Waldmohr, Yandftuhl, Sonfen, Kaiſers— 
lautern, Zautereden, Dudroth, Yangmeil, 
Rockenhauſen, Alfenz, Ruppertsedfen, Zwei— 
brücen, Birmafens und Hornbach. Neu 
eingerichtet find in legter Zeit die Negen- 
ftationen in Gicheljcheiderhof, Bellheim, 
Hochdorf, St. Ingbert und ZTrippftadt. 
Die Bermwaltung der Station erfolgt zu- 
meift dur Kgl. Straßenwärter, zu den 
prälziihen Beobachtern gehören aber auch 
Yandmirtichaftslehrer, Foritbeamte, Damm- 
meifter, Lehrer, Gutsbeſitzer ꝛc. Im 
Interefje der weiteren Beobachtungen, die 
in Münden verarbeitet werden und ſehr 
wichtige Nefultate für Landmwirtichaft, 
Weinbau 2c. haben, ift aud für die Rhein— 
pfalz die Errichtung von weiteren Negenmeh: 
ftationen an geeigneten Orten fehr erwünſcht. 

Begelftationen für Hochwaſſernach— 
richtendienft befinden fih auf pfälziichem 
Gebiet bezw. in unmittelbarer Nachbarſchaft 
bisher an folgenden Stellen: für den Rhein 
in Neuburg (1882 eingerichtet), Mari: 
miliansau (1850), Leimersheim (1823), 
Sondernheim (1823), Medtersheim (1858), 
Speyer (1824), Altripp (1836), Ludwigs⸗ 
bafen (1813), Frankenthal (1823) und 
Roxheim (1822); für die Wieslauter in 
Bobenthal (1904) und Hinterweidenthal 
(1906); für die Queich in Landau (1904); 
für den Speyerbach in Neuftadt a. H. (1904) 
und Hanhoſen (1904); für die Glan in 


Gumbsmweiler (1904) und Odenbad (190 11}; 
für die Nahe in Staudernheim 1904) umd 
und Münfter a. St. (1904); für die Alien; 
in Rodenhaufen (1903) und Gbernburg 
(1904); für den Schwarzbah in Contwig 
(1904); für die Blies in Schmwarzenader 
(1904) ; für den Hornbach in Bubenhaufen 
(1905) und für den Rohrbach in St. Ing— 
bert (1904). Die pfälziichen Pegelbeobach 
tungen werden in den meilten Fällen durch 
Wajjerbaubeamte (Wailerbauvorarbeiter, 
Kol. Dammeifter, Schleufenwarte zc ), ba 
den Fleineren Flüffen aud durd Straßen: 
und Bahnmwärter vorgenommen. 
Intereſſante Aufihlülle über Die 
Negenverhältnijie in der Pfalz und 
Umgebung gibt die jetzt fertiggeitellte 
Statiſtik des Kgl. Bayer. Hndrotechntichen 
Bureaus über die Ueberregnung der Fluß 
gebiete Bayerns im Jahre 1907. Die 
Vorderpfalz (3125 qkm) hatte 1714 


Millionen chm Geſamtniederſchläge bei 
einer Riederichlagshöhe von 548 mın. Sıe 
hatte 102 Regentage über 1 mm; Die 


mittlere Niederjchlagshöhe pro Regentag be- 
trug 5,4 mm. Die Grenzwerte der Negen: 
höhen betrugen im Dinimum 423 mın und 
im Marimum 480 mm, der Yahresipiel- 
raum der Negenhöhen betrug 57 mm. Bon 
der Hinterpfalz hatte das Nahegebier 
(1470 qkm) 822 Millionen cbm Gejamt: 
niederichläge bei einer Niederichlagshöbe 
von 559 mm. Es hatte 108 Regentage 
über 1 mm; die mittlere Niederichlag&böbe 
pro Regentag betrug 9,2 mm. Die Grenz 
werte der Regenhöhen betrugen im Mini: 
mum 411 mm und im Marimum 753 mm, 
der Jahresſpielraum der Regenhöhen 342 
mm. Das Gaargebiet (1270 qkm) hatte 
908 Millionen chbm Gejamtniederichläge 
bei einer Niederjchlagshöhe von TiD mm. 
Es hatte 116 Regentage über 1 mm; die 
mittlere Niederichlag&höhe pro WRegentag 
betrug 6,2mm. Die Örenzwerte der Regen: 
höhen betrugen im Minimum 574 mm und 
im Marimum 801 mm; der Jahresſpiel⸗ 
raum der Megenhöhen 227. Das Saar: 
gebiet hat demnach die größte Be 
regnung, was aud in der Periode 
1899/1906 der Fall war, 








63 - 


Ueber die Mammnte des Aheintals. 
Das Dunfel, das die Urgefchichte des ! eins „Pollichia“ in Bad Dürkheim aufzus 


in vielen Beziehungen intereffanten Rhein— 
tal8 Ddedt, erfährt in meuerer Beit er 
freulicherweife durch häufige Funde und 
Beobachtungen einige Aufhellung. Be: 
ſonders tritt da8 Quartär mit feinen 
namhaften Tiergattungen, wie Mammut, 
Riefenhirih und Höhlenbär in den Border- 
grund. Hauptjächlich find es die Lößſchichten 
der Ebenen und die Stieslagen in der Nähe 
des Rheins, die derartige Ueberreſte bergen, 
und der Forſcher, der beim Suchen einiger: 
maßen vom Glück begünftigt iſt, kann ab 
und zu Funde von Knochenfragmenten diejer 
längſt auögeftorbenen Tiere madhen. Go 
fam vor einigen Tagen in der Gemarkung 
Oppau in einem großen vierefigen Waſſer— 
been nahe am Rhein eine Anzahl mächtiger 
Knochen bei Baggerarbeiten zu Tage, die 
fih nah Unterfuhung als Ueberrefte des 
Mammut (Elephas primigenius) ausmiejen. 
Im ganzen wurden acht Knochen gefunden, 
deren größter, ein Schenfelfnochen, bei 60 
Pfund Gewicht und 60 em Umfang eine 
Länge von 1 m hat, Gin abgebrochener 
Bahn in einer Zänge von 5 cm iſt voll: 
ftändig verfteinert, Hätte das ganze Ge- 
biet frei vom Waſſer ausgejchachtet werden 
fönnen, jv wären wohl ſämtliche Knochen— 
teile zu Tage gefördert worden. Da das 
fragliche Gebiet zweifellos vom Rhein an- 
geſchwemmter Boden ift, haben die Frag: 
mente des Riejentieres jicherlich ihren Weg 
mit den Fluten an ihren jeßigen Fundort 
gemadt, und es ift jehr unwahrſcheinlich, 
daß das ganze Skelett zufammenhängend 
war. Sehr jchöne, gut erhaltene und nod) 
mächtigere Anochen des Mammut hat die 
Sammlung des naturmifjenfchaftlichen Ver— 


werfen. Dort find etwa 13 Städ folder 
Nefte des Urmeltriefen aufgeftellt. Darunter 
befindet fih ein Schulterblatt von über 
1 m Länge, das im Jahre 1847 durd 
einen Fiſcher mit dem Nep bei Germers- 
heim aus dem Rhein gefilcht wurde, 
Dr. Hepp, der befannte Freifcharenführer 
und erite FFeitredner beim Hambacher Feit, 
jchenfte den wertvollen Fund der „Bollidia”. 
Ferner find unter diefer Sammlung eine 
Knieſcheibe, mehrere große Schenkelknochen, 
deren größter 1,20 m Länge hat, und ein 
im Jahre 1899 bei Mundenheim gefundener 
38 cm langer Bahn des Elephas primi- 
genius. Im vorigen fahre wurden in 
Neuftadt ebenfalls einige mertvolle Funde 
diefer Art gemacht, indem bei einer Steller- 
ausſchachtung einige faft  verfteinerte 
Meolaren zu Tag famen, von denen jedoch 
noch keine genauere Beitimmung vorhanden 
iit, ob fie vom Elephas antiquus oder 
primigenius herſtammen. Auch im Mufeum 
zu Speyer befinden fi) mehrere Stnochen- 
junde vom Mammut. Ein ganzes Sfelett 
wurde Berichten nad früher in den Salt. 
jteinbrüchen am Donneröberg ausgegraben. 
Bweifellos war das Mammut in der 
Nheinebene früher ziemlich häufig, auch 
Rieſenhirſch und Höhlenbär find den 
Funden nad nicht gerade jelten gemweien, 
und es werden ficherlich im Laufe der Zeit 
noch manche derartige Ueberrejte von Ur: 
welt- Tieren bier zu Tage treten. Leider 
find die meiften diefer Funde durch vieler- 
lei Einwirkungen fo zermürbt und porös, 
daß fie nur durch befondere Behandlung 
gerettet werden können. 
(Chr. Böhm i. d. Pf. Br.) 








Gegen die Berunreinigung des Hpeyerbadjs. 


An der Berjammlung im Stadthaufe | 


zu Meuftadt zwecks Beratung Über die 
Säuberung des Speyerbahmaflers nahnı 
auch der ftaatlihe Kommiſſär für die 
Unterfuhung der pfälzifchen Gewäſſer, 
Univerfitäts-Brofeffor Dr. Yauterborm- 
Ludwigshafen teil. Anweſend waren etwa 
50 Intereffen und Fachleute, NRegierungs: 





Aſſeſſor Stützel hob bejonders hervor, 
daß fich die Megierung in Güte mit den 
in Betracht fommenden Anduftriellen aus— 
einanderjegen molle, daß es aber Beit fei, 
der Verunreinigung des Bades entgegen: 
zutreten. Das alte Waſſerbenützungsgeſetz 
habe feine genligenden Handhaben zum 
gejeglichen injchreiten geboten, während 


jolhe im neuen Wafjergejeg und zwar in 
den Artifeln 3T—40 gegeben find. Pro— 
feffor Dr. Hofer-Münden, der Borfigende 
der dortigen Kgl. biologiichen Werjuchs- 
fiation, teilte u. a. mit, daß nad) dem Er: 
gebnis feiner Unterfuhung im Speyerbad)- 
waſſer viel Celluloſe und Wollfafern 
enthalten find, (im Liter Waſſer etwa 
100 mgr Gellulojefajern). Dieje Stoffe 
dürfen in Zukunft nicht mehr in den Badı 
gelangen, wenigitens aber müjje verlangt 
werden, daß nicht mehr als 15 mer im 
Liter Wafjer enthalten find. Dazu ift die 
Anlage von Klärbaſſins in den einzelnen 
Fabrifen nötig, in denen die Abwäſſer etwa 
6 Stunden verbleiben müſſen, ehe fie in den 
Speyerbady bezw. deifen Zuflüffe gelangen. 

Seitens der Induſtrie gehören der ge 
bildeten Kommiſſion Bertreter von fieben 


64 


Firmen an. Früher war der Bad vom 
Rhein bis weit hinauf in den Brälzermal) 
ſehr fiſchreich, jetzt kann fein Fiſch ım 
Speyerbachwaſſer leben, wenigſtens auf der 
| Strede von Franfened bi8 zur Mündung: 
das gleiche trifft auf den Hochſpeyerbas 
von Meidenfeld bis Yambrecht zu. Dat 

wieder Fiſche in dieſem Gebirgswaſſer 
* können, wird durch die geplanten 
| Maßnahmen freilich nicht erreicht, das 
\ führt das Waffer zu viel Farbftofie mr 
ih. Bor einigen Wochen ift der Speyer 
bady von Profeſſor Dr. Hofer und Profeſſet 
ı Dr. Yauterborn gemeinjhaftlich inſpizien 
worden. Dabei wurde oberhalb Frankene? 
noch reichliches Tierleben im Speyerbad 
waſſer angetroffen, unterhalb diejes Ortes 
war das Tierleben faſt völlig verfchwunden. 

(Pfälz. Brefie.) 

















Aydrographie 

Bayerifhe Binneuſchiffahrts⸗Statiſtik. 

Nach den Ermittlungen des gl. Statiftiichen 

Landesamts bietet der Verkehr auf den 

bayerischen Waſſerſtraßen im Jahre 1908 
folgendes Bild: 


Der Gefamtgüterverfehr in Balfau 


und Regensburg ging gegenüber dem 
Vorjahre infolge der Minderung des An- 
funftöverfehrs erheblich zurück. 

Auch der Berfehr auf dem bayerifchen 
Zeile des Maind nahm während des legten 
Jahres ab. 

Der Durdgangsverfehr an Schiffe: 
gütern hat fich etwas gehoben, dagegen ver: 
ringerte fi der Floßverkehr infolge der 
beichränften Nachfrage nad Bauholz. 

Der Berfehr in Lindau bewegte fi 
aufwärts. 

Bei den Rheinhäfen minderte fich der 
Verkehr in Speyer gegen das Borjahr 
in erheblihem Maße (1907: 141912 t, 
1908: 104922 t), während Ludwigs— 


hafen troß eines kleinen Rüdganges im | 
eine günftige Entwicklung zeigt. | 
Der Sefamtverfehr betrug 1907:2 180444, | 


ganzen 


1908: 2176056t ; hievon trafen auf 
1907 1908 

Abgang 516522 t 616699 t 

Ankunft 633892 ı 1559357 ı 


und Schiffahrt. 

Ludwigshafen ift überwiegend Zufuhr 
hafen, namentlih für Steinfohlen (1908: 
155368 t). 

Der Ludwigs Kanal vermittelt nur einen 
geringen Nahverfehr. 


Uferverfhiebungen. Die bemertens: 
werten Uferverjchiebungsarbeiten bei Rheinan 
und bei Altrip nähern fih ıhrem Ende. 
Auf eine Strefe von etwa 4 Kilometern 
wurde das bayeriiche Ufer bei Altrip zu 
rückverlegt und gleichzeitig auf der badiſchen 
Seite ein über 33 Hektar großer, bisher 
nicht ausgenügter Rheinaulandftreifen vor 
den drei Haſenbecken des Rheinaubaiens 
aufgefüllt. Die ichwierigen und nicht un: 
gefährlichen Arbeiten wurden im Muftrag 
der neuen Rheinau-Aftiengejellichaft von 
der Firma Ph. Holzmann & Co. in FFrant- 
furt a. M. ım Frühjahr 1908 begonnen 
| Bmei Jahre waren ald Bauzeit vereinbart, 
doc) ift es der Unternehmung, die zeitweiſt 
ca. 500 Arbeiter und Angeſtellte beichäf- 
| tigte, gelungen, die Arbeiten in bedeuten? 
fürzerer Bet zu bemwältigen. Die Bol. 
lendung des großen und Foftipieligen Unter 
nehmens ift jehr bedeutungsvoll für die 
Entwidlung des Rheinauhafens. 


Eine Kommijlion höherer technifcher 
Beamter der an der Rheinregulierung 








| 
| 
| 
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— 6b — 


beteiligten Uferftaaten Bayern, Baden und | lihen Maßnahmen in der eritrebten Weife 
Elſaß Lothringen hat Fürzlih die in Be: | ausbilden wird. — — 

tradht kommenden Bauftreden am Rhein Der heifiiche Brovinzialausfhuß befaßte 
zwilhen Marau und Sondernheim ber | fich mit der Regulierung des unteren 
fohren. Dabei wurde feitgeftellt, daß an | Teils der Nahe von PBlanig bis nad 
den Grundſchwellen und Buhnen Beihädi: | Büdesheim. Es wurde mitgeteilt, daß ver- 
gungen durch Hochwaſſer nicht vorgefommen | jchiedene Gemeinden nunmehr bereit feien, 
waren. Hinfihtlid der Wirfung der Re ſich an den gemeinfamen Koften für jämt- 
qulierungsmwerfe auf das Fahrwaſſer konnte | fiche 8 Gemeinden in Höhe von rund 
feftgeftelit werden, daß in den fon im | 64000 ME. zu *eteiligen. Grundfäglich 
Jahre 1907 in Angriff genommenen Teil- | vertraten aber die Gemeinden den Stand: 
jtrefen von Fort Louis bis Dalhunden punft, daß fie Feine Beifteuer zu den Regu— 
und von Sondernheim bis Yeopoldshafen | (ierungskoften zu leiften hätten, da das 
die entwurfsgemäße Lage und Tiefe des heffiiche WBachgeieg bei einem Grenzfluß, 
Fahrwaſſers eingetreten ift. Die plan | wie dies die Nabe fei, keine Anwendung 
mäßige Breite ift noch nicht überall vor | finden fünne. Das Minifterium der Finanzen 
handen. In den 1908 verbauten Teil ließ aber dieſe Anficht als irrig erflären. 
| 








fireten von Dalyunden bis Offendorf und | Die Gejamtfoften der Naheregulierung 
von Peopoldshafen bi8 Maxau ift die ent- | herragen rund 110000 Me., wovon die 
wurfsmäßige Yage des Fahrwaſſers teil | Gemeinden ein Drittel aufzubringen hätten. 
weiſe eingetreten. Dagegen fehlt an diefen | Auch die Regierung hat fich verpflichtet, 
Stellen nod die erforderliche Tiefe und | einen Teil der Unterhaltungsfoften der 
Breite, Es darf indefjen erwartet werden, | Aegulierungsftrede zu übernehmen. Das 


dab im dem legtgenannten Teilftreten das | Urteil über die Koftenverteilung erfolgt in 
Fahrwaſſer ih unter der Einwirkung | nächfter Sigung 
höherer Wajlerftände und der weiteren bau- 


Ueber zwei für den Mein: und Obſtbau wichtige Bereinigungen. 


Am T. Februar d3. 8. ift in Landau ! meiler, Formen aufmweift, die an feinem der 
ein „Pfälz. Entomologen Verein“ | andern Flimatifh bevorzugten Orte Süd- 
gegründet worden, die zoologifche Abteilung | deutichlands, ja nicht einmal in Meran 
der Weinbanverſuchsſtation ift ihm bei der | Frei fiberwintern, — Daß die Erforfchung 
Gründung beigetreten. Zweck des Vereins | der heimijchen Inſekten von Seiten des 
iſt Austaufch von Sammel-Ergebniffen und | jungen Vereines gründlich angefaßt wird, 
Gedanken und eine gemeinjame plannräßige | dafür bürgen die Namen der Mitglieder, 
Erforſchung der einheimiichen Inſektenwelt. unter denen fich rühmlich befannte Spezialiften 
Der Wiſſenſchaft wird fo zweifellos ein | auf dem Gebiete befinden. 





großer Dienit ermwiejen werden, denn die Der Zweck diejer Zeilen ift der Hin— 
Inſektenwelt umfaßt den größten Teil der | weis auf die Bedeutung der Beftrebungen 
einheimischen Tierformen, darunter die aller- | des genannten Vereins für die Landwirt: 
interefjanteften. Dazu fommt, daß die ſchaftliche Praris, in unferem Gebiete 
Tierwelt der Pfalz in ihrer durch die be | fpeziell für den von Schädlingen fo jehr 
jonderen Elimatifchen Berhältniffe bedingten | beimgejuchten Obſt- und Weinbau. Die 
Eigenart bis jegt ſtark vernachläfligt ift im | große Wichtigfeit der genauen Erforjchung 
Vergleich mit derjenigen anderer deutfcher | der an unjeren ulturpflanzen lebenden 
Gebietöteile; hat fih doch bei den von dem | Inſekten für jede Art von Schädlings- 
Botanifer Prof. Dr. v. Tubeuf-Müncen | befämpfung witd jeßt allgemein anerfannt, 
angeftellten Unterfuchungen*) herausgeftellt, | Die Würdigung diefer Arbeiten von Seiten 
daß die Gartenflora der Pfalz (Gleis: | der Staatsbehörden hat u, a. zur Er 

*, Naturroiffenfchaftliche Zeitſchrift für orft- | Tibtung unferer zoologifchen Abteilung ge- 
und Landiirtichaft 1908. ‚ führe. Jeder Wein: oder Obitbautreibende 


hat großes Intereſſe an jolhen Beitrebingen welche Beobadhtungen für die Geſellicheit 
und follte fi die Förderung des Bereins | anftellen, fie bieret in ihrer Kürze allen Yic® 
angelegen jein lafjen, insbejondere ſollten habern wichtige Riditpanfte. Der Umter 
die im Gebiete anfäffigen Sammler und ! zeichuete jelbit nimmt Beobachtunge 
Beobadıter der Inſekten dem Berein bei | daten, die auf der Bajis dieſer 
| 
| 


treten und ihre Tätigfeit in den Dienſt Borichriften gewonnen find, jeder: 
diejed Unternehmens jtellen, daß der Ge: | entgegen und erjucht hiemit darum, ıbe 
famtheit ebenſo müglih iſt, wie dem | jolde zujuftellen. Die Inftruftion Lauter: 
Einzelnen. „Da bei jedem Unternehmen, das ber 

Natürlich finden auch nterefjenten Auf | Mitwirkung vieler bedarf, ein gemeinjame: 
nahme, die nicht in der Pfalz wohnhaft | Vorgehen nad) einheitlihen Plane jelbt 
find; es ift fogar ausdrüdlih als im Sjn- | von BWidhtigfeit ift, möchten wir ım fol: 
terefje der Beftrebungen und als erwünjcht | genden alle diejenigen, weldhe in dankens 
bezeichnet worden, wenn ſich in anderen | werter Weile geionnen find, fih an der 
Gegenden Wnjäffige anſchließen mollten. | Erforihung der heimiſchen Wogelmelt zu 
Auch im nterefje des Wein: und Obit- | beteiligen, in Kürze auf die Bunfte him 
baues wäre dies zu begrüßen, wir würden | mweifen, melde biebei ganz bejonders zu 
dann ergänzende Mitteilungen aus den be: | berüdfichtigen wären, 


nachbarten ſüddeutſchen Gebieten erhalten, Allgemeines. 
in denen die Anbauverhältniffe den unjrigen Bor allem werden die Herren Br 
gleichen. obachter erſucht, fih bei Notierung der 


Bufdriften find an den Borftand des 
Bereind, Herrn Oberzollinfpeftor Endres 
in Speyer zu richten. Der jährlide 
Beitrag beträgt 6 Darf. Den Mitgliedern 
ftehen gute Fachzeitichriften zur Verfügung. 

Die ornithologijche Gejellichaft 
in Bayern, über die ſchon im vorigen 
Jahrgang berichtet worden ift, hat an ihre 
Mitglieder eine „Inſtruktion für die Be- 
obachter der heimischen Vogelwelt“ verſchickt, 
mit dem Erſuchen dazu beizutragen, daß 
das Nek von Beobadjtungspunften, welches 


Daten der größten Gewiffenhaftigfeit zu 
befleißigen und, wenn fie über eine Vogel: 
art im unflaren find, dies bei der Ein 
tragung ausdrüdlich zu bemerfen, oder die 
betreffende Beobachtung gar nicht zu notieren. 
Es jollen die Beobachtungen befjer nur auf 
wenige Vogelarten beſchränkt, dieje aber 
genau und zuverläjfig verfolgt werden. 
Undererjeits jei bier auch betont, daß die 
anjcheinend geringlte Beobadıtung von Bert 
fein kann und im Kahresbericht Verwendung 





fih über das ganze rechtörheinische Bayern — 

und einen Teil der übrigen ſüddeutſchen A. Zugsbeobachtungen. 
Gebiete, darunter auch die Pfalz, erſtreckt, Bezüglich der Zugvögel werden nament 
nach Möglichkeit erweitert und ergänzt | lich folgende Punkte zu berückſichtigen ſein 
werde. Im Üntereffe der praftiichen 1. Im Frühjahr. 


Wiſſenſchaft jchlieken wir uns Ddiejem . 
Wunſche an und richten an die in unferem | 1- Das erfte ——— der am Beobad 
Gebiete anfäjfigen Kenner der Vogelwelt tungöorte brütenden Arten (Motierung 
die Aufforderung, ſich der Gefellfchaft zur der allereriten Wahrnehmung, dann 
Berfügung zu ftellen, Die Bedeutung von der darauffolgenden swetiten). 
Beobachtungen Über Borfommen und Lebens: | 2 Die ne ws Eintreffen. 
weiſe der Bögel, insbejondere aud über | 7 Die J unft der Mafie. ; 

den Bogelzug für unſere Wogelichug- — urchzug von nördlichen Ban 
beftrebungen braucht wohl nicht erſt aus: | _ ei ; i 
einander gejegt zu werden. Wiffenidaftlich | d. Das tatlädliche — am alu⸗ 
würden auch dieſe Beiträge zur Kenntnis Neſte un zufammenfallend mit der 
der MNaturgefchichte unferes Landes durd) erſten Beobachtung). 

die klimatiſchen Verhältniſſe erhöhte Be— 2. Im Herbſi. 

deutung gewinnen. Die „Inſtruktion“ ift | 1. Beginn des Abzugs der Brutvögel. 
‚Übrigens nicht nur für die von ntereffe, | 2. Der Durchzug der Vögel aus dem Norden. 


u b 


— 


3. Die legte Beobachtung der einzelnen 
Arten. 


4. Das Eintreffen von Wintergäften und | 
die Dauer ihres Verweilens. 


3. Bezüglich beider Zugszeiten 
(Frühjahr und Herbft). 

. Wenn möglid, die Bugricdhtung der 

beobachteten Vögel. 

Der BWitterungscharafter und die Wind: 

rihtung am Beobadjtungstage und am 

Tage vorher (Thermometerangaben nur 

nah Gelfius = C). 


B. Beobadtungen über das Bor: 
fommen und die Lebensweiſe 
im allgemeinen. 


. Ob ein Vogel Brutvogel, 
oder Wintergaft ift. 


. Angaben über das Brutgejchäft (Beginn 
des Neſtbaues, der Eiablage, Bahl der 
Eier, Dauer der Bebrütung 2c.), die 
Nahrung und alle fonftigen Lebens: 
gewohnheiten. 

. Mitteilungen über das Gricheinen jel- 
tener Bogelarten. 


Es wird aljo jede, auch nur teilmeije 
Beantwortung der geitellten Fragen und 
nur lüdenhafte Ausfülung der immer 
am Schluß des Kalender-Jahres 
franfiert einzufendenden Beobad)- 
tungsliften freudigft begrüßt werden und 
ein weit höherer Wert auf deren abjolute 
Zuverläffigfeit gelegt ald auf deren Menge. 


In zweifelhaften Fällen oder bri Er« 
fegung von als Seltenheit erfannten Ob- 
jeften wäre deren Ginjendung an Die 
Wbteilung jehr wünſchenswert und würden 
alle Bortoauslagen erfegt, wie au Ertra- 
vergütungen an Stelle der Raubzeugprämien, 
Entihädigungen für Nutzwild zc. auf Wunſch 
gerne gewährt werden. Weiter wäre es 
nob von großem Borteile, mit jolchen 
Herren, die zu eingehenderen Beobachtungen 
an ihrem Wohnorte bereit find, in Korre 


Durzügler 


67 





jpondenz treten zu fönnen, um denjelben 


eventuell noch bejondere, für die Erforſchung 
der betreffenden Gegend fpeziell wünjchens: 
werte Fingerzeige zu geben, 

Zur Eintragung der Bug 
beobadtung dienen eigene Zettel 
— für jede Bogelart einer —, welde 
an die Berichterftatter in einer ge 
mwijfen Anzahl verteilt werden, im 
übrigen aber von dieſen jelbft leicht 
nad dem gegebenen Muſter ergänzt 
werden fünnen. 


Die weiteren Beobadtungen liber 
das Vorkommen, die Zur und Abnahme, 
über Neueinbürgerung oder gänzliches Ver— 
ſchwinden einer Art, ferner über die ſonſtige 
Lebensweiſe (Nahrung 2c.) mögen, fofern 
der betr. Bogel nicht jchon einen eigenen 
Bettel für die Zugsnotierungen (auf deſſen 
Rückſeite Pla für meitere Bemerkungen 
ift) erhalten hat, auf einem jelbft an- 
gelegten Bogen fortlaufend eim 
getragen werden. (Papier einjeitig 


beichrieben !)” 
Daraus ergibt fih ſchon, daß nur 
gründlide und mit Erſcheinungen der 


Vogelwelt einigermaßen vertraute Perſonen 
an den offiziellen Beobachtungen teilnehmen 
fünnen. Anerbietungen, Beobachtungen 
anzuftellen und fonftige Zufchriften find zu 
richten an die „Ornithologiſche Geſellſchaft 
in Bayern, Mbteilung für Beobachtungs- 
ftationen, Münden, Therefienftr. 72/111. 

Es ift jehr zu wünfchen, daß die Ge- 
jellihaft au in der Pfalz eine höhere 
Mitgliederzagl erreichen möchte, ſowie das 
in anderen Gebietsteilen der Fall’ ift. 
Jeder Naturfreund wird von dem Beitritt 
Vorteil haben. — Der Beitrag beträgt 
jährlih 6 Mark. Die Berichte enthalten 
fters wiſſenſchaftlich und praftifch wichtige 
Beiträge von Autoritäten. Die Geſellſchaft 
verfügt über eine reichhaltige Vibliothef und 
ſteht im Schriftentaufch mit den bedeutenditen 
Fachvereinen und Beitichriften aller Länder, 


Dr. Schwangart, 
i. d. Pf. Wein: u. Obftbauztg. 





Dürre Gexen- oder Elfenringe auf den Wieſen bei Vetersbächel. 


In der jegigen Wanderzeit ift dem 
Beſucher der Südpfalz die Gelegenheit ge: 
boten, bei Betersbäcdel eine in unjerer 


| 
| 
| 
1 


Heimat font jeltene Erſcheinung zu be» 
obadıten. 


Auf den Wieſen füdli vom 
Dorfe hebt ſich nämlich in der Nähe einiger 


Sırihertisme auf der Berisherie eines 
Salbfre:ies von erwa 16 m Zurdhmeiier 
em unrorfähr SD em breiter, vom Gras: 
wuchs coliftärtig entklößter, ganz auffälliger 
Strefen ob. Er it vor ungefähr 12 bis 
15 Jahren ertftarden urd hat fi ſeitdem 


immer mehr nad außen vorgeihoben, wo- ' 


bei jedoch ber Graswuchs in entipredhender 
- Entiermung ſich aud wieder eingeftellt hat. 
Schon im vorigen Jahre hatten die pfäl- 
ziſchen Beiturgen über dieſe Erſcheinung 
zuſammen mit dem dortigen Bitumen— 
vorfommen kurz berichtet. Es handelt ſich 
nach näherer Unterſuchung um einen der 
ſogenannten Zauber-⸗, Heren- oder 
Elfenringe, wie fie auch manchmal in 
Wäldern vorfonımen, Früher spielten fie 
im Bolfdsaberglauben als Zummelpläge 
der Seren und Tanzorte der Elfen eine 
große Holle und waren aud von Ecap- 
gräbern und Geiſterbeſchwörern ganz; be- 
fonders geſuchte Punkte zur Ausübung 
ihrer dunflen Künſte. Lange konnte mun, 
troß der veridjiedenften Erflärungsverfucdhe,*) 
der Sache nicht auf den Grund kommen, 
und erft 1874 fanden, wie „Die Natur” 
(1901 &. 81) berichtet, „die Agrifultur: 
chemifer von Rothamfted in England das 
Richtige. Schon 25 Jahre vorher war 
ihnen das abmedjjelnde Wuftreten von 
Pilzen und lippigem Graswuchs in ſolchen 
Glfenringen als eine Art natürlicher Frucht: 
folge aufgefallen, ohne daß fie den richtigen 
Schluß daraus gerogen hatten, bis die 
Unterfuhungen vom Jahre 1874 in dieje 
Angelegenheit Yicht brachten. Die chemische 
Analyje des Bodens der Glfenringe und 
ihrer Umgebung ergab nämlich Folgendes: 
Die Erde innerhalb des Wınges enthielt 


*, Bgl. 3. B. dv. Geyffer, Erklärung der 
jvoen. ı — oder Hexenringe auf, Wieſen und 
eldeplägen und Schloßbergen, Über die Be- 
slebung der Pilzbüdung au den fogen. Heren: 
ringen Jahresheft d. Ber. 5 baterländifche 
Naturkunde In Württemberg. 2. Jahrg. 1847, 
S. 160-165 und 239—243, — veren. oder 
ea „Die Natın“, 50. Jahrgang, 1901, 
. BI 8%, 


am wen’atten, die aukerbalb erwas mei 
und de Erde im Rırzge Vet am mete: 
Enfkof. Der Rıng wer mirt:n Ir 
die im Sabre vorher gewetienen #.:: 
gedüngt worden urd legtere Exrtem =: 
indireft den üpr:ıgen Graswuchs bercr 
gerufen. Ta nun das fraiteoll de: 
Elienringes wieder den Eır:fhoit de 
Bodens verbrauht und da aus birier 
Grunde der Boden imnertalb desſelbe 
ftifitoffärmer ift, als außerbalb, je Hr! 
die Pilze gezwungen, an der äußere: 
Peripherie des Ringes weiter :i. 
wadien, was dann jeinerjeit# wieder r- 
Borichreiten und eine Vergrößerung de— 
Elfenringes zur Folge bat.“ 

Die ald Erzeuger der Elfenringe — 
Rothamſted beobachteten Pilze find: Agarin: 
prunutus Pers. und Marasmius Orcadur. 
Pers. Außerdem find noch als folk 
Spathularia flavida Pers. und Psallio‘a 
campestris /rres. beobadıtet. 

Diefe für Nothamfted gegebene Ed! 
derung trifft im allgemeinen auch auf der 
Herenring bei Petersbädel zu, doch Handel: 
es fih bier um feinen grünen, jondern ur 
einen der jelteneren dDürren SPerenringe. 
bei dem graumweiße, fnotenförmigen Bılı 
wie man fich beim Ausftehen eines Stüde 
Nafen leicht überzeugen fann, etwa 4 cm 
unter der ihrer Grasnarbe beraubten Ober 
flähe an der Pheripherie weiter wuchern.* 
An einzelnen Stellen, wo der Rafen in den 
legten Jahren zufällig ausgeftochen worden 
ift, bat fih der Graswuchs den jonft 
regelmäßig verlaufenden fahlen Streifen 
unterbrechend, wieder eingeftellt; eın plar- 
mäßiger Abhub der befallenen Randpartien 
würde den Herenring wahrfjcheinlich nad 
und nach ganz zum Berichwinden bringen. 


x Dr. Häberle. 


"Nah v. Seyffer handelt es fich bei den 
bürren Herenringen meiſt um Agaricus orcades; 
ob bdiefer Pilz auch bier dad Wbjterben dei 
er berurfacht, entztebt fich meiner 

enntnis. 








Untergegangene Börfer in der Pfalz. 


Hochintereſſant ift die Flur der ein- 
gegangenen Dörfer in der Nähe von Yandau, 
Segen Godramftein, hinter dem „Fort“ 


lag das Dorf Mühldaufen, mit eigenem 
Wochenmarft und einer Pfarrei, welde 


| no am Ende des 15. Jahrhunderts vor- 


fommt. 
ift jede Spur verfchwunden. Am andern 
Ufer der Queid, da wo die SHeeritraße 
iiber den Sanal tritt, nach Godramftein 
einbiegt und der Weg von Arzheim herab: 
fommt, ftand das Dorf Servelingen, deffen 
Namen fih nod in den Flurgewannen er- 
halten hat. Der verftümmelte Grabftein eine® 
Ritters von Bogeliang aus dem Jahre 1363 
erinnert noch an die Stätte, wo fich Fried: 
hof und Kirche des Ortes befanden (vgl. 
II. Jahrg. S. IT). Das Dorf Eugingen 
lag vor dem franzöfiichen Tore hinter den 
Cornichons am Bierbach, der Eußinger 
Brunnen bezeichnet allein noch jenen Ort, 
Bor dem deutichen Tore, rechts von der 
großen Heerſtraße auf dem Horft, lag das 
Dorf Oberbornheim, deſſen Plap im 
„Suftin“, wo die Kapelle St. Juftus war, 
man noch erfennen fann. Auch im Speyer- 
gau wird eine große Zahl folcher unter: 
gegangener Drte genannt, wie Blatmares: 
heim, Crothinchheim, Daſſenheim, Stratfeld, 
Ubitatt u. a, Marürlich find unter diefen 
als eingegangen bezeichneten Orten mand)e 
noh als Höfe vorhanden, einige werden 
aud noch als neue Dörfer beitehen. Nicht 
jelten iit eines Dorfes Untergang nad 
dem Bolfsglauben durcd eigene Ber- 
gehen verjchuldet, doch haben ſich hierüber 


69 


Bon der Kirche und dem Dorfe | vielfach ipielt aud die VBinetafage hierher. 


Es gibt in der Pfalz fleine Seen und 
Flüffe, aus deren Tiefen zu beftimmten 
Beiten die Gloden verjunfener Dörfer 
läuten. Hierbei jei Altrip genannt, das 
Alta ripa der Römer. Diefes einftige 
Gaftel ftand auf dem rechten Rheinufer 
und liegt jegt in der Tiefe des Fluſſes. 
Im Jahre 1380 war das Mauerwerk noch 
völlig ſichtbar und 1750 die Baurefte bei 
niedrigem Waflerftand jo deutlich, daß der 
Rektor Litzel aus Speyer diejelben genau 
beobadjten und beichreiben fonnte, Der 
König Dagobert gründete ſpäter hier ein 
Kloſter, das gleichfall® unterging. In den 
romantiſchen Dichtungen von Sarl dem 
Großen und feinen Paladinen fommt Alta 
ripa ebenfalls vor und die alten Sagen 
melden von friftallnen Sclöffern und feen: 
haften Gärten im Grund des Rheins. Es 
ift erjtaunlich, wie fchnell das Volk die Art 
des Verſchwindens mander Dörfer und 
Orte vergißt. Bon im 3Ojährigen Krieg 
zerftörten, verfallenen und dann ab» 
getragenen Orten wird erzählt, daß fie mit 
Kirchen und Gloden tief unter den Boden 
gejunfen jeien und daß die Glocken an be: 
ftımmten Tagen oder Felten herausfklingen 
aus der Erde. So mebt die Nomantif 
und die Poeſie ihren Kranz um mande 


eigene MUeberlieferungen nicht erhalten, | öde Stätte, wo Steine und Tifteln ſtehen. 








Ein neuer Führer durch die Aheinpfalz 


In mehr als einer Dinficht ift e8 er: 
freulich, daß ſich nunmehr auch die fchöne 
Pfalz kräftig rührt, einen Zeil des Jahr 
um Jahr ins In und Ausland fih er 
gießenden Fremden. und ZTouriftenftromes 
in ihre blühenden Gefilde zu leiten. Die 
Anläufe, welche jeit einigen Jahren in diefer 
Nihtung gemadıt worden find, find mim 
neuerdings um einen beſonders glüdfichen 
und vielveriprechenden vermehrt morden, 
der vom Haupt Berkehrs-Ausſchuß 
des Pfälzerwald Bereins, dem vor 
allem dazu berufenen Organe, ausgeht und 
hoffentlich die erwarteten Früchte zeitigen 
wird. Zum erftenmal tritt die Pjalz mit 
einem lediglich zu Bropagandazweden her- 
geitellten Führer durh die Rhein 
pfalz an die Deffentlichkeit. Auf 88 Seiten 
Tert bringt er in Elarer präziſer Sprache 


eine Bejchreibung der ganzen Pfalz und 
wird Dabei in durdhaus ſachlicher Dar- 
jtellung der Schönheit aller ihrer Gegenden 
gerecht. Was bejonders begrüßenswert ift, 
ift der Umftand, daß überall auch der 
reichen geichichtlichen Vergangenheit des jo 
eminent hiftoriichen Bodens unſerer Heimat 
gedacht ift. Bei den größeren Orten gibt 
der Berfajler außer einer Beichreibung und 
einem geihichtlihen Rückblick aud in ſorg— 
fältiger Aufzählung die Sehenswürdigkeiten, 
jowie die näheren Spaziergänge und 
weiteren Touren und Ausflugspunfte an. 
Bon der praftifchen Einteilung des Führers 
wird man am deutlichften einen Begriff 
befommen aus der nachitchenden Aufführung 
der hauptſächlichſten Kapitel: Am Rhein; 
Lurmwigshafen Neuftadt; die untere Haardt; 
von Neuftadt bis Weißenburg; in den 


pfälzischen Bogejen ; in der Haardt; Kaiſers— 
lautern ; Johannisfreuz ; Bahnlinie Kaifers- 
lautern Odernheim; das mittlere Glantal; 
vom Rhein durchs Aljenztal; der Donners: 
berg; Mainz» Alzey Kaijerslautern - Meß; 
Staijerslautern » Saarbrüden; durch das 
Queichtal in die pfälzifche Schweiz: Bir 
majens, Zweibrücken; im Bliestal. Wertvoll 
ift, daß auch die wichtigften Marfierungen 
im Bfälzerwald forgfältig und zuverläjlig 
aufgeführt find und eine Ueberſicht der 
pfälziſchen SHauptmurfierungs-Linien bei— 
gegeben iſt. Als wertvolle Ergänzung dazu 
iſt dem Führer eine Karte beigegeben, in 

der die Haupttouriſten-Linien der Bialz | 
mit roten Linien eingetragen find und die | 
eine liberfichtlihe und leichte Orientierung | 
ermöglicht. Weiter hat der Berfaller aud) | 
den Plan einer ganzen l6tägigen Ferien: 
Wanderung ausgearbeitet und beigegeben, 
der nah Zeit und Neigung leicht ab- 
geändert werden fan und dem fremden 





in befter Weiſe behilflich ift, in bequemer, 
wohl unvergekliher Wanderung die ganie 
Ihöne Pfalz zu durchqueren. Ein genaues 
Sadıregifter jchließlidy ermöglicht eine leichte 
Orientierung. Auf die Ausftattung ıl, 
wıe es fi für derartige Schriften aud 
geziemt, ein ganz bejonderer Wert geleg 
worden. In ihmudem Einbande, auf der 
ın hellen Farben die Limburg fich vom 
jatten Grün und von dem leuchtenden Ru: 
des Abendhimmels abhebt, präfentiert Mid 
der Führer ebenfo vornehm wie gejchmad: 
voll. Reicher fünftleriiher Buchſchmuck unt 
eine groke Anzahl aufs feinfte ausgeführter 
Bilder, künſtleriſch ſchöner Aufnahmen von 
bemerkenswerten Bunften aus allen Gegenden 
der Pfalz, verleihen dem Buche einen 
ganz bejonderen Reiz. Hier haben ſich die 
Thieme'ſchen Drudereien in Kaijerslautern, 
denen ſowohl der Entwurf wie die Aus: 
führung des ganzen Führers übertragen 
war, ein bleibendes PBerdienft erworben, 





Ber neue Erzbifchof von Münden. 


Seine Königliche Hoheit der Prinz. 
regent haben den Domdecdant Franz 
Bettinger in Speyer zum Erzbiſchof 
von Münden fFreifing ernannt. 

Domdekan Franz Bettinger wurde jchon 
jeit Jahren in Pfälzer Streifen als ein Mann 
beurteilt, dejjen Fähigkeiten ihn im voraus 
beftimmten, zu den höchiten Stufen fird)- 
liher Wiirde emporzufteigen. Es war dies 
eine Meinung, die nicht nur im firdhlichen 
und ihm naheftehenden Streifen herrichte, 
fondern die auch da fich bildete, wo man 
politiih oder religiös auf einem anderen 
Standpunfte jtand. Ganz bejonders günftig 
geftaltete fih die Beurteilung Franz 
Bettingers während feiner löjährigen Tätig 
feit ald Domfapitular und Dompfarrer in der 
pfälz. Sreishauptftadt von 1895 bis 1909. 

Ein echter Sohn der Pfalz — der neu 
ernannte Erzbijchof ift 1850 in Landſtuhl als 
Sohn eines Handwerksmeiſters geboren —, 
hatte er als Staplan in Staijerslautern und 
insbefondere al8 Pfarrer in Yambsheim und 
NRorheim ſich als ein im wahren Sinne 
des Wortes volfstümlicher und beliebter 
Geiftliher bewährt. Speyer mit jeiner 
fonfeifionell ſehr gemiſchten Bevölkerung 
wurde dann das Feld, auf dem Pfarrer 








franz Bettinger alle Borzüge eines ruhigen, 
maßvollen Weſens in einer vernünftigen 
Duldjamfeit offenbaren fonnte. Die Äußere 
Laufbahn des neuen Erzbifchofes hat id 
in fehr einfachen Bahnen bewegt, er bat 
aber überall, wo er miıkte, ſich als eminent 
tatkräftig bewährt. Seine Studien hatte 
Franz Bettinger in Innsbrud, Würzburg 
nnd Speyer gemacht; daß er in Würzburg 
ih nicht den Doftorhut geholt bat, hat 
damals viele verwundert. Der Brieiter: 
mangel aber, der in den 7er Jahren in 
der Diözefe Speyer herrichte, ließ die 
jofortige Berwendung aller Neugeweihten 
in der praftiichen Seelſorge notwendig er: 
Icheinen, und jpäter, im aufreibenden Leben 
eines vielbejchäftigten Pfarrers und Diftrifts- 
ichulinfpeftors, fand Franz Bettinger nicht 
mehr die Zeit, an die jchönen Erfolge an- 
zufnüpfen, die feinem wiſſenſchaftlichen 
Streben in Würzburg bejchieden gemejen 
waren. Deftomehr betätigte er fich als 
Dann der Praxis, leitete Sirchen- und 
Spitalbauten in die Wege, war überall 
zugegen, wo es zu raten und zu belien 
und zu dirigieren gab, und zeigte fich ftets 
auch den Andersgläubigen als freundlicher 
Helfer. 


1 


Aleine willenfhaftliche Hotizen. 


In diefem Yahre beginnen die Höhen- 


chichten Aufnahmen in der Balz 
urh das Topographiſche Bureau des 
ayeriſchen Generalitabs. Der Anfang 


vird im Südoften mit dem unmittelbar an 
ie Reichslande grenzenden Amtsbezirk 
Bergzabern gemadt. Die VBorarbeiten 
ſierzu, das geometrijche Nivellement, haben 
chon vor zwei Jahren begonnen. Die 
Aufnahmen und Meflungen finden von An- 
ang Mai bi8 Ende September ftatt. 

Die Kalmit wurde am 27. April von 
inigen Meteorologen beitiegen; ed handelt 
ich um Borbereitungen zu einer Errichtung 
'iner Dradenflieger- Station, die für 
yen meteorologifchen Dienft rn bei 


I 


Bei der Kgl. Wein: und Obitbaufchule 
in Neuftadt a, d. 9. wird eine meteoro: 
logiihe Station eingerichtet, die haupt. 
ſächlich den Zweck hat, dem vorderpfälziichen 
Weinbau nüglih zu fein. Die Station 
ift jedoch zurzeit noch nicht fomplett. Bis- 
ber find vielmehr erſt Aegiftrier-Apparate 
vorhanden, Die Anftalt wird aber dem- 
nädft eine Eingabe an das Stel. Staats 
minifterium einreihen und um Bewilligung 
der in Ausficht geitellten Mittel nachſuchen, 
damıt die neue meteorologiihe Station mit 
den fehlenden genaueren Inſtrumenten und 
den Apparaten zur Meſſung des Luſtdrucks 
und der Feuchtigkeit verjehen werden fann, 





Biftorifches Muſenm der Pfalz. 


Das Hiftorifde Mufeum der 
Pfalz veröffentlicht einen Aufruf an alle 
Freunde des Pfälzer Weines, aus dem wir 
olgendes hervorheben: Im neuerbauten 
piftorifhen Mufeum der Pfalz zu Speyer 
ol aud ein Pfälziſches Weinmufeum er- 


tehen, wofür im Bauplan des Meifters | 


Sabriel von Seidl geeignete, eigens dafür 
rdadıte Räume vorgejehen wurden. Gin 
Yerartigeds Weinmufeum mird eine in 
Deutichland noch nicht beftehende Sammlung 
Yarftellen. Um das Mufeum des pfälzijchen 
BWeinbaues würdig zu geftalten, muß die 
»ereits beftehende „Weinfammlung” erheb- 
ich vergrößert werden. Es mendet ſich 
Yaher das Hiftoriihe Muſeum der Balz 
ın alle Pfälzer mit der Bitte, geeignete 
Segenftände für das Weinmuſeum zu ftiften, 
jegebenen Falles auch unter Gigentums« 
sorbehalt zu hinterlegen, insbejondere alte 
Fäſſer mit Schnitzwerk, alte Keltern, be 
ſonders ſolche mit Jahreszahlen, gejchnitte 
Faßboden und Faßriegel, alte Küfer umd 
ſtellergeräte, Weingefäße jeder Art, Bein 
maße, Weinurfunden, wie alte Preisliften, 
Urkunden und Lieder, weldhe den Wein er- 
vähnen oder betreffen, alte Weinfarten, 
Bilder, Etiketten, Skulpturen, Bappen, 
Werkzeuge, Gläjer, Krüge, Humpen, furz 
les altertümliche, was irgendwie mit dem 


Weinbau zulammenhängt, Der Name eines 
jeden Stifters joll deutlih am überlaſſenen 
Gegenitande angebracht werden. Auch find 
Geldfpenden willlommen zum Anfauf ſolcher 
Gegenftände von bedürftigen Beligern. 

Das neue hiſtoriſche Muſeum 
der Pfalz, das demnähft in Speyer 
eröffnet wird, ſoll eine befondere Abteilung 
für alte Bfälzer Trachten und Koftüme 
erhalten. Ferner jollen aud die alten 
Gaftwirtihaften im Weinbaugelände, ſowie 
die Winzergenoſſenſchafts Wirtjchaften für 
die Wiedereinführung der Bfälzer 
Tradter dadurch intereifiert werden, daß 
das Perjonal in Zukunft Trachten anlegt, 
mie ed 3.8. im Spreemwalde, an der Ditjee- 
füfte ulm, geſchieht. 

Der Konjervator des Pfälz. Mujeums 
in Speyer Dr. Sprater veröffentlicht 
joeben in der Monatjchrift des Hiftoriichen 
Vereins einen jehr intereffanten Bericht 
über eine vorgeichichtlihe Höhenſiedelung 
bei Bad Dürkheim. Unter Beleuchtung 
mancher früheren Forſchungen erfahren mwir 
bier von einem Fachmann viel neues über 
die Urgeichichte des Lımburgberges, der mit 
feinen zahlreichen Ueberreften einer früheren 
Beit heute nod eines der interejjantejten 
Nätjel des Pfälzerlandes ijt. 


— IE — 


Ber Berein „Bfälzifher Aünfler und Aunffrennde“ in Hrufadt 


plant u. a. die Errichtung einer pfälziichen | Arbeiten erfolg. Auch die vielen vor: 
Malerihule unter Zuziehung pfälziiher | Handenen Weinſagen follen gefammel: 
und ausmwärtiger Künſtler. Auch mwird die | werden. ferner wird eine Sammlung ur) 
Gründung einer pfälziihen Malerfolonie an- | fünftlerijche Auswahl der pfälzifchen Bolt— 
geitrebt. ferner joll ein pfälzifches Künftler- | Lieder erfolgen, wobei ebenfalls ein Preis 
heim gegründet werden, das als Mittelpunft | ausjchreiben für Maler und Mufifer vor 
des pfälziihen Sunftlebens gedacht ift. geiehen iſt. Bejondere Aufmerkſamken 
Unter den Aufgaben, die fich der junge | wird dabei den „Herbitliedern“ des Weir 
Berein gejegt Hat, befindet ſich aud die | baugebietes geſchenkt. Parallel mit dieſer 
Verbreitung der pfälziihen Sagen, 3. | Sammlung geht die der pfälziicder 
B. der hiftorifch bedeutenden Sagen von | Heimatlieder von Sceffel, Aug. Beder, 
Rihard Löwenherz (Burg Trifels), von Baumbach, Julius Wolf, Uhland, Greif u.a 
Lindenjhmidt, Dagobert, Franz von Sif- | befannten Dichtern, ebenjo der dıe Pfalz be 
fingen, der Nibelungenjage ulm. Die Ber- | treffenden Lieder von Loewe, Herm. Butter, 
breitung jfoll durd Malerei, Boefie, Muſik, Liebe, Küken und andere mehr. Dabri wir 
Bildhauerei und Nunfigewerbe erfolgen. ſich die Tätigkeit des Vereins auch daran! 
Es follen Breisausfchreiben veranftaltet | erftrefen, daß gute VBertonungen de 
werden, bei denen die Auswahl der beiten | jchönften Heimatlieder angeregt werden. 





Sonnentan, 


Un einer Stelle des Waldiaumes der | von deren FFanghaaren feftgebalten. De 
Haardt in der Nähe unferes Ortes wurde | Haare fondern jofort einen Flebrigen Saft 
vor einiger Beit eine fleijchirefiende | aus, der das Inſekt feitleim. Dann rollt 
Pflanze entdedt, die anſcheinend dort | fi das Blatt zujammen und das Tierden 
ichon jeit längerer Beit angefiedelt ift. Die | wird von dem Blatte regelrecht ausgejogen. 
Pflanze wächſt an einer Stelle, die von | Der Saft des Tieres wird durch die Poren 
einer Quelle beriejelt wird. Es handelt fi) | von der Pflanze aufgenommen, das Tierchen 
um Sonnentau (Drosera rotundifolia), | wird durch diefen Prozeß getötet. Iſt dieier 
ein zierliches Pflänzchen, das auf dem an | Vorgang zu Ende, jo rollt fi) das Blatt 
dieſer Stelle ſehr üppigen Moos ſchmarotzt. wieder auf und der Yang beginnt aufs neur. 
Betrachtet man die fleinen, runden, ſtark Im Frühjahr und Sommer fann man auf 
behaarten Blättchen genau, jo findet man | den Pflanzen, die eine Sıedelung von viel- 
auf ihnen die anſcheinend ausgerrodneten | leicht fünf Quadratmeter Fläche bededen, 
Leiber kleiner Inſekten. In Wirklichkeit | Dugende von Fleinen Fliegenleichen jeher, 
find es die Sfelette der Opfer dieſes die nod an den Blätthen hängen. Die 
Pflänzchens. Sobald nämlih ein Inſekt mörderiſche Pflanze ift mit der merifanijchen 
iiber eines der Blätter läuft, wird es | VBenusfliegenfalle nahe verwandt, 








nBalt: Geheimrat v. Neumayer. — Begel- und Regenmeß-Stationen in der Pfalz. — 
Ueber die Mammute des Rheintals — Gegen die Verunreinigung des Speyerbachs. — Hydro 
graphie und Schiffahrt. — Ueber zwei für den Wein- und Objibau michtige Bereinigungen. — 
Dürre Heren- oder Eifenringe auf den Wiefen bei Petersbächel — Untergegangene Dörfer in der 
Pfalz. — Ein neuer Führer durch die Rheinpfalz. — Der neue Erzbifhof von München. — Stleine 
wiſſenſchaftliche Notizen — Hiftorifhes Mufeum der Pfalz — Der Berein „Pfälztfcher Künitler 
und Kunſtfreunde“ in Neuftadt. — Sonnentau. — 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landituhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern. 
Für Form und Inbalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 
(Unverlongte Manuftrıpte werben nicht aurüdgelandt.) 


Die „Bfälziiche Heimatkunde” koſtet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Behellungen werden von allen Bu 
Toflanflalten ferner vom Berleger (Vortofreie Streifbandiendung) angenommen. Abhandlungen as} 





— 
* 


1 


Beilage zur „Bfälz. Heimatkunde” Nr. 6, 1909. 


V. Jahrgang. 


Nummer 7. 


Juli 1909. 


TPALZISCHE HEIMATKUNDE | 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


EMANNE EU 


—2 





Eine Ausſtellung bayeriſchen Borzellans 


betreffend erläßt das Bayeriſche National» 
mufeum an die Intereſſenten eine Ein- 
fadung zur Beteiligung. Es beabfichtigt 
— in Verbindung mit dem Bayer. Verein 
der Kunftfreunde (Mujeumsverein) — in 
der Beit von Ende Yuli bis Mitte 
September ds Is eine Ausftellung 
bayerifhen Borzellansdes 18. Jahr— 
hunderts zu veranitalten. 

In Betracht fommen aljo in eriter 
Linie die Manufafturen Nymphenburg, 
Frankenthal, Zweibrücken, jomie Ans» 
bad. Wenn auch im mejentlichen nur Er- 
zeugniffe des 18. Jahrhunderts zur Aus- 
ſtellung gelangen follen, jo fann bei 
Nymphenburg die Grenze weiter — etwa 
bis 1830 — geſteckt werden. Dabei joll 
die figürliche Plaſtik befonders bevor- 
zugt werden. 

Die Direftion des Bayeriſchen National» 
mujeums richtet deshalb an alle Borzellan- 
befiger das Erſuchen die Ausftellung durch 
Ueberlafjung der für genannte Bmede ge- 
eigneten Stüfe aus ihren Sammlungen 
fördern zu wollen. Der Sönigl. Hof in 
Münden, verjchiedene namhafte Mufeen 
außerhalb Bayerns und zahlreiche Privat- 
jammler haben bereit8 ihre Unterftüßung 
zugejagt. 

"Das Mujeum trägt jämtlihe Fradıt- 
und Berficherungstoften. Für die Sicher— 
heit der Objekte in den dem Mujeum an: 
gegliederten Wusftellungsräumen gegen 


PBeihädigung, dann gegen Diebs und 
Feuersgefahr ift im meiteftgehendeın Um— 
fange — glei wie für die Sammlungs- 
objefte des Bayeriihen Nationalmujeums — 
Fürforge getroffen durch intenfive Beauf: 
fihtigung durch Mufeumsdiener mwährend 
der Bejuchszeit, ſowie durch öfteres Be 
gehen der Räume nad Schluß der Befuds- 
zeit und mährend der Nacht durd die 
ftändige ftaatliche Feuerwehr des Bayer. 
Nationalmufeums. Infolgedeſſen erjcheint 
jede Gefährdung ausgeichlofjen. 

Jeder Ausfteller erhält eine Freikarte 
für ftändigen Beſuch der Ausitellung, fo- 
wie ein Eremplar des illuftrierten Stataloges 
gratis. Selbftverftändlich werden die Be— 
figer bezw. Ausfteller der einzelnen Objefte 
im Katalog jedesmal ausdrüdlich genannt. 


Die für die Ausftellung beitimmten 
Stüde follten bis ſpäteſtens Mitte Juli 
an das Bayeriſche Nationalmujeum 
abgeſchickt werden. 

Um den Umfang der geplanten Aus— 
ftellung rechtzeitig überjehen zu fönnen, 
wäre baldgefällige Benachrichtigung durd) 
Poſtkarte erwünſcht. Auch werden Adreſſen 
von Sammlern, die für Zwecke geeignete 
Stücke befigen und fih an der Ausftellung 
beteiligen würden, mit Danf entgegen» 
genommen. Die betr. Sammler oder Be» 
figer mollen fi, ſoweit fie nicht ſchon Ein» 
ladung erhalten haben, direft als Teil: 
nehmer anmelden ! 


74 


Abbe Richards Tätigkeit in der Yfalz als Auellen-Gucder, 
aber ohne Wünfdelrnte. 


Die Verſuche, welche ingenieur Bott: 
mann und Dr. Migner gegenwärtig in 
Münden madhen, um mittel® einer 
BWünfhelrute unterirdiide Wajjer- 
aderm aufzufinden, rufen die Erinnerung 
an einen Mann wieder wach, der in den 
Wer Jahren des vorigen Yahrhunderts 
durch feine Geſchicklichkeit im Entdeden von 
Quellen eine gewiſſe Berühmtheit im 
Deutihland erlangte und der es verdient, 
daß fein Name der Bergeffenheit entriffen 
wird. Es ift dies der Ehrenkanonikus 
Abbe Rihard, der bis zum Jahre 1863 
als Profeſſor am Seminar zu Montlieu 
im Departement Charente Inferieure tätig 
war, dann aber von feinem Beruf als 
„Hydrogeologe“ fo ſehr in Anſpruch ge 
nommen wurde, daß er ſein Amt nieder 
legte und nur mehr feiner Wifjenichaft lebte, 
die ihm außer Ehren und Auszeichnungen 
aud ein ganz anfehnliches Einfommen ver- 
ſchaffte. Die eriten Berfuche, welche er in 
den Jahren 1861 und 1862 in dem aller- 
dings unglinftigen Gelände der Eifel unter: 
nahm, jcheinen von feinem großen Erfolg 
gekrönt geweſen zu jein, doch mwurde jein 
Name befannt und überall murde jeine 
Hilfe begehrt. Wir finden ihn während der 
folgenden vier Yahre bald in der Nhein- 
provinz, bald in Naſſau, in Helen, in 
Sciefien, in Mähren und in Böhmen 
tätig und faft überall wurden die Ermwar: 
tungen jeiner Wuftraggeber in reichſtem 
Make gerechtfertigt. Allgemein wurde er 
als ein Beglüder der Menjchheit gefeiert; 
aus gleichzeitigen Nachrichten erfahren wir, 
daß ihm auf einer Reife, die er im Auguft 
1863 von Aachen nach Lennep und Hückes— 
wegen an der Wipper machte, liberal, 
namentlih aber in Elberfeld Huldigungen 
dargebradht murden. Im Herbſte des 
gleichen Jahres fam er auch in die Pfalz. 
Nachdem er auf dem Yangenjelder Hofe 
bei St. Wendel für Gutsbefiger Getto und 
auf dem Forbacher Hof des Herrn Starcher 
bei Neunfirhen Quellen geſucht und ge 
funden hatte, begab er fih am 1. November 
auf den Offweiler Hof bei Zweibrücken, 
wohin ihn der jeßige Königl. Landes: 
Oekonomierat Freudenberg eingeladen hatte. 


Durd den reichen Erjolg, den jeine Kunſt 
bier errang, wurde jein Ruf aud im Der 
Bfalz verbreitet und eine Reihe pfälzifcher 
Gemeinden, wie Neuftadt a, H., Edenkoben 
und Maitammer nahmen in den nädhiten 
Jahren jeine Dienfte in Anſpruch. Herr 
Freudenberg als vollendeter Beherricher 
der franzöliiben Sprade mußte hierbei 
öfters die Molle des Dolmerichers fpielen, 
da Abbe Richard trog jeiner ausgedehnten 
Tätigkeit in Deutſchland fein Wort deutſch 
verftand. Auch in Schmittähaufen, dieſem 
mwafjerarmen Orte auf der Sidinger Höhe 
follte Richard feine Kunft verfuchen, doch 
zerichlugen fich die Verhandlungen mit ihm. 
Er war nämlich jo ftart in Änſpruch ge 
nommen, daß er nicht allen an ihn geitellten 


Geſuchen Folge leiften fonnte und mıt der 


Ausdehnung jeiner Tätigkeit wuchſen auch 
ſeine Forderungen. Für die Her und 
Hinreiſe verlangte er 100 Fr., ebenſoviel 
für Wohnung und Verpflegung und für jede 
nachgewieſene Quelle waren ebenfalls wenig: 
ftens 100 Sr. zu zahlen. Wenn er aber 
für eıne Gemeinde eine befonder8 ausgiebige 
Waſſerader angeſchlagen hatte, jo erhöhte 
fi diefer Betrag je nah der Bedeutung 
derjelben auf 100—150 Fr. Später ver- 
langte er für Gelegenheitöbejudhe in Ge 
meinden durchweg 250 fl. und freies Fuhr 
werf, gleichviel ob er eine Quelle nad 
zumeifen vermochte oder nidt. Das Ge: 
ihäftsgebahren Rıchards war reell und von 
allem Schmindelhaften weit entfernt, er 
jelbft wird als ein Mann von einfachen 
und beſcheidenem Auftreten gefchildert ; aber 
die franzöfiiche Eitelkeit fam auch bei ihm 
oft zum Vorſchein Der preußiihe Kronen: 
orden und der Franz Joſefs ⸗Orden ſchmück 
ten bei jeder Gelegenheit feine Soutane umd 
gerne hätte er fih auch im Befig einer 
bayeriihen Ordens Auszeihnung gejehen. 
Allein ed kam nicht dazu, da er feit Ende 
des Jahres 1865, ald man an höheren 
Stellen gerade auf ihn aufmerfjam ge- 
worden war, feine Gelegenheit mehr hatte, 
in Bayern tätig zu werden, Kurze Beit 
nach dem Striege von 1870—T1 fol er in 
Frankreich geftorben fein. Richard arbeitete 
nicht mit der Wünjchelrute, er beging ledig. 


— 5 — 


ih die ganze Umgebung des Ortes, für | diefes Mannes mit befonderen Eigenſchaften 
melden Waller gefunden merden ſollte, | ausgeftattet, die ihn das metertief im Boden 
ftudierte die nächſt gelegenen Steinbrlche, | verborgene Waſſer ahnen und empfinden 
beiah fich die nächſten Quellen umd Wafler: | ließen? Oder waren feine Angaben wirklich 
läufe und bezeichnete dann bei feinen Be- | nur die Folge von Berechnungen und nur 
gängen Diejenigen Stellen, an melden | auf eine genaue Kenntnis der Geologie ge: 
Walter vorhanden fei, mobei er auch — | gründet, wie er felbft e8 manchmal durch 
und zwar meiftens vollftändig genau — an: | bliden ließ? Denn allen Erörterungen über 
gab, wie tief man graben müfje, um auf | die Art und Weiſe feiner Kunſt ging er aus 
das Wafler zu ftoßen.*) War der Slörper | dem Wege mit der furzen Bemerkung: 
— #) Werau nach demielden Rerfahren wirt noch heute von | „Ü'est mon systeme — a moi*. — 


dem berufsmäßinen Geologen das Borhandenfein von Waſſer 
feflgefteltt 


Der ‚Mainzer Brunnen‘ auf den tertiären Ablagerungen 
am Badsberg bei Göllheim. 


In der WMorgenausgabe der „Pfälz. eines fräftigen Bindfadens, Eine ftärfere 
Preſſe“ vom 20. Nov. v. DB. Nr. 323 | fonftante Quelle ift an diefer Stelle auch 
war eine berechtigted Nufjehen ertegende | faum zu erwarten, da das Niederſchlags 
Notiz aus Dreifen zu lefen, welche damals | gebiet des Dachsbergs hierfür viel zu be 
ihre Runde durh faft alle pfälziſchen jchränft ift. Beſtimmt wird ihr Auftreten 
Blätter machte und folgenden Wortlaut | durch eine vom Gehänge angefchnittene un 
hatte: „ALS geologifches Uniftum muß die | durchläffige tonige Schicht, welche als Duell» 
bloßgelegte Quelle, beinahe am höchſten | horizont die durch die kalkigen Schichten 
Bunfte des Dadjsberges bei Göllheim gelten. | raſch in die Erde eindringenden Nieder 
In dem neu errichteten Stalfwerte des Land | fchläge nicht weiter in die Tiefe finfen 
tagsabgeordneten Eugen Abrefch-Neuftadt | läßt, fondern fie auf ſich fammelt und ihrer 
deckten die Arbeiter den dortigen früher be- | Neigung entiprechend nad außen leitet. 
fannten Mainzerbrunnen auf, der in weiter | Dieje Schicht ift jet durch mehrere Schurf: 
Ausdehnung Quellen aufmweift, die auch das | ſchächte und Stollen aufgefchloffen und 
größte Etabliffement mıt Wafjerfräften ver- | liefert einen graublauen, zähen Ton, der 
forgen würden. Haft unglaublih ift es, | ſ. Zt. in Bradwafler abgelagert morden 
fo meinen nordpfälzifche Blätter, daß die | ift und nad einer in ihm zahlreich vor« 
Duelle, die nahezu 15 Kubikmeter Waffer | kommenden foffilen Muſchel den Namen 
liefert, nicht ſchon längſt gewerblih aus- | Cyrenenmergel führt; er tritt auch bei 
genligt wurde. Das Waſſer hat einen fehr | Nierftein, Niederolm, Sprendlingen und 
guten Geſchmack und ift vollftändig rein.” | Wöllftein auf und mird befonders zur 
Da diefe Ausführungen leicht faliche Vor | Fabrikation von Ziegeln und Badfteinen 
ftelungen ermeden fünnen, erjcheint ed an- | verwendet. Die dur die Schurigräben 
gezeigt, den wahren Sachverhalt Flarzulegen: | aufgefhlofjenen Kalke dürften nah ben 
Der Dachsberg ift der in der Göllheimer | darin auftretenden verfteinerten WWafler- 
Gegend am weiteiten nach NW. vorgeichobene | fchneden zu den im Mainzer Beden meit 
Ausläufer des Mainzer Beckens und haupt» | verbreiteten Eheritienfalfen und zwar 
fächlich aus tertiären, eine fruchtbare Ader- | zu denen tiefften Niveaus zu rechnen fein, 
krume liefernden Kalten aufgebaut. Die er- | wofür auch zahlreiche, die urjprünglichen 
wähnte Quelle wurde jedod nicht „beinahe | Hohlräume ausfüllenden Kalkſinterabſätze 
am höchften Punkte“, fondern ungefähr | zu fprechen fcheinen. Sie find aljo un- 
auf der oberen Grenze des unteren Drittels | gefähr gleichaltrig mit jenen Kalken, die in 
feines Gehänges freigelegt und entitrömte | Weijenauer Steinbrücen bei Mainz für die 
bei meinem Bejuh Mitte —— obwohl Zementfabrikation abgebaut werden. 
die Erde noch mit Winterfeuchtigkeit ge— 
ſättigt war, ihrem Rohr nur in der Stärke erte dee 


16 


Herrſchaft Bitſch. 


In der letzten Sitzung des weft ! Grafen von Zweibrücken, Herren von Bitſch. 


-pfälzifhen GeſchichtsVereins hielt 
Bezirksamtmann Pohlmann von Zwei— 
brücken auf Grund zerſtreuter gedruckter 
Literatur und urkundlicher Quellen einen 
Vortrag über die ehemalige Herrſchaft 
Bitſch. Im Gegenteil zu anderen deut: 
ſchen Gebieten fehlte im Blies- und Saar- 
gau eine herzogliche Gewalt, da die drei 
großen Familien, die Walramiden, mweldye 
fih in die Grafen von Limburg, Qurem- 
burg, Saarbrüden — lehtere wieder in die 
Landgrafen von Werd im Eljak, Herren 
von Ochſenſtein, Grafen von Leiningen, 
Grafen von Bmeibrüden fpalteten, 
Grafen von Luneville-Me& und Grafen von 
Elfaß, durd viele Zeilungen ihre Madıt 
Ihwädten und da die drei benachbarten 
Herzogtümer, Franken, Schwaben mit Elfaß, 
Lothringen, den Schwerpunkt ihres In— 
tereſſes an der dem Bliesgau entgegen: 
gejegten Seite hatten. Unten den Herzogen 
von Lothringen nahm die Herrichaft Bitſch 
eine eigenartige Stellung ein; fie wurde 
al8 Muttergut verwendet, um zmweitgeborene 
Söhne auszuftatten. Ueber den Umfang 
der Herrichaft Bitſch, in der zweiten Hälfte 
des 12, Yahrhunderts, die fein mit Loth: 
ringen zujammenbhängende® Xerritorium 
war, geben vier Urfunden Aufſchluß. 
Gegen Ende des Jahrhunderts drang die 
Graffhaft Zweibrüden in die Herrſchaft 
Bitſch, melde fih um den gleichnamigen 
Ort gruppierte, vor, bis legtere 1297, 
bezw. 1302 als lothringifches Lehen auf 
dem Wege des Tauſches ganz an die 
Grafen von Zweibrücken fam. Infolge— 
deffen war bei abermalıgen Trennungen 
der Titel der Landesherren von Bitſch: 


— ⸗ 


Kurfürſtliche 


Kturfürſt Karl Theodor, ein Freund 
des Landbaues, unterjtüßte alle Beftrebungen, 
welche eine Berbefjerung der Lage jeiner 
Untertanen herbeiführen konnten. Er fuchte 
den Dbftbau zu fördern, gab Anregung 
zu einem rationellen Stleebau und. begründete 
(1769) in Käfertal eine NRhabarber- 
Plantage. Im Jahre 1770 führte der 
Kurfürft planmäßig die Seidenzudt ein. 


| 


Nah dem Ausfterben der Grafen von 
Bweibrüden 1570 entftanden langmierige 
Erbihafts-Streitigkeiten: Die Anſprüche 
zweier Gräfinnen, der älteren und jüngeren 
Scmeiter des lekten Grafen von Zwei— 
brüden, waren nichtig ; der eine Prätendent, 
Gemahl der Erbtohter Amalie, Graf 
Philipp von Hanau:Lichtenberg, nahm zwar 
die Herrichaft in Befig, wurde aber, als 
er die proteftantijche Lehre einführen wollte, 
von Lothringen vertrieben. Den äußeren 
Anlaß gab die Weigerung, eine lothringifche 
Landfteuer zu zahlen, da Bitih reichs 
unmittelbar und nicht der lothringifchen 
Landeshoheit unterworfen jei. Ein Mannen: 
gericht jprach die Entfegung Philipps, der 
mit Ddemjelben Ginwand jein religiöfes 
Borgehen dedte, aus. Durch Geldablöfung ' 
(135000 Gulden) gegenüber den anderen 
Erben gelangte Lothringen in alleinigen 
Beſitz von Bitſch, doch traten in der Folge 
wiederholte Berpfändungen ein. 1605 jegte 
Lothringen noch heute erhaltene Grenziteine. 
Nah kurzer Beſetzung durch Frankreich 
infolge eines ungerechten Spruches des 
Metzer Reunionparlaments (1680) wurde 
Bitſch 1697 bezw. 1718 endgültig mit 
Lothringen vereinigt und kam mit Loth— 
ringen 1766 an Frankreich. Nach dem 
Unfall an dieſes Land wurde 1783 die 
Grenze der Herrſchaft Birfch infolge eines 
Sebietdaustaufhes mit den Grafen von 
der Leyen abermals verändert. Auf dieſe 
Teftfegungen griffen die Beftimmungen des 
zweiten Barifer Friedens 1815 zurüd, mit 
kleinen Aenderungen von 1826 blieben fie 
bis 1871 in Sraft. (Bf. Br.) 


Seidenzucht. 


Eine Familie Rigal erhielt zur „Fun— 
dation“ des Unternehmens ein Kapital von 
2400 Gulden aus der kurfürſtlichen 
Kabinettskaſſe, in der Abſicht, das Kapital, 
„wunn dad Werk einen glücklichen Fort- 
gang gehabt hätte, uns rückbezahlen zu 
laſſen“. Nachdem die Seidenzudt an eine 
Geſellſchaft übergegangen wur, verzichtete 
Karl Theodor „zur Unterhaltung und Förde 


rung des Werkes” auf Rüdzahlung des 
Geldes und erflärte. die auf das Rigalſche 
Bermögen beftellte „Special: Hypotheque 
gnädigft als erlojhen und aufgehoben“, 
Gleichzeitig erhielt die Unternehmerin neue 
Brivilegien, welche in einer umfangreichen 
Verordnung des Surfürften vom 25. Dez. 
ITTT niedergelegt find. Die Seidenzuct- 
Anstalt jollte durh Obmänner und Auf 
jeher des Oberamis Heidelberg unterftügt 
werden, melde „die Untertanen in der 
Bflanzung und Pflege der Maulbeerbäume” 
zu untermweijen hätte. Die jungen Bäume 
- wurden aus dem großen Derrengarten in 
Heidelberg geliefert, „dagegen wird er- 
wartet, daß die Baumlöcder, vor dem 
Winter gegraben werden, damit wenn die 
Bäume anlangen, ſogleich gejegt werden 
fünnen”. Der Dandel mit Maulbeerbäumen 
wird bei jchmwerer Strafe verboten. Ber» 
fonen, die fih mit Seidenzudt beichäftigen, 
müflen ihre „Gocons der Gocietät” ab» 
liefern, das Pfund zu 30 Str. Wer feinen 
Unterhalt mit der Seidenzudt verdient, 
joll mit der „jonft gewöhnlichen Nahrungs- 
Ihägung nicht belegt, jondern von herr- 
Ihaftlihen und fonjtigen Berjonal Laſten 
befreit fein“. Diebſtahl an Maulbeer— 
blättern jollte mir Zuchthausftrafe geahndet 
werden, ebenjo jede erhebliche Beſchädigung 
der Bäume, Für jedes Oberamt und jed 





77 


Ortſchaft wurde die Zahl der Seidenbäume 
genau feftgefegt. Käfertal, damals zum 
Amt Schriesheim eingeteilt, hatte 73 Bäume 
zu unterhalten, Schriesheim 84, Weinheim 
158 ufm. Ein „Gereral-Status, der an 
die folgende kurpfälziiche Oberämter und 
Hauptftädten alljährlich abzugebenden 
Seidenbäumen” regelte für: Oberamt Alzey 
6000 Bäume, Oberamt Bacharach 790, 
Dberamt Borberg 840, Oberamt Bretten 
1690, Oberamt Germersheim 4000, Ober: 
amt Heidelberg 5000, Oberamt Kreuznach 
3305, Oberamt Lindenfels 800, Oberamt 


Wosbach 4000, Oberamt Neuftadt 5000, 





Dberamt Oppenheim 3020, Oberamt Oß-« 
berg 650, Dberamt Strömberg 1500, 
Stadt Mannheim 200, Stadt Heidelberg 
400, Stadt Frankenthal 200, im ganzen 
37395 Stüd. Mit welchem Ernſt der 
Kurfürſt das Unternehmen beſchützte, gebt 
aus dem Schlufje der Verordnung hervor, 
wo allen Ober: und Unterbeamten „nad 
drudfamft und bei Vermeidung Unſerer 
höchften Ungnade” zur Pflicht gemacht wird, 
„Liefer gnädigften Konzeſſion zu folgen, 
alles mit beizutragen, was zur Beförde« 
rung diefes, Uns beſonders mwohlgefälligen, 
Unferen Untertanen aber fo heilſamen Bor- 
habens immer gedeihlich und beförderlich 
ericheinen mag“. (N. M. Volksblatt.) 


Pfälziſche Bolksverlammliungsorte in alter und neuer. Beit. 


Nahdem im Juli vor. Is. auf dem 
alten Mons Jovis, dem Donnersberg, 
welcher jchöne Bergrieje die lange Kette der 
Vogeſen abjchließt, ein überaus ftarf be- 
fuchtes Bundesfeft der Landwirte ftatt- 
gefunden, wird am 18. Nuguft auf dem 
erhabenen Gipfel des Betersfopfes, dort 
wo das Denfmal des eilernen Sanzlers, 
„Der Bismarkturm”, weit in die Lande 
ragt, ein zweites Bundesfeft der 
pfälziihen Bauernfhaft abgehalten 
werden. Dieje Berfammlungen des Land: 
volfes auf genannten Höhen find ein Hin- 
weis auf die Sitten uralter Zeiten, mo die 
Bölfer ebenfalld mit großer Vorliebe ihre 
Bufammenfünfte und Gerichtöbarfeiten unter 
freiem Himmel, ın Hainen und auf Berg: 
gipfeln hielten und ſolche Orte waren ge: 


weiht. So war der Donnersberg ein 
heiliger Berg, fchon den alten Selten ver- 
ehrungswürdig und jpäter die gemeihte 
Sammelftätte der germaniſchen Bangionen, 
dem rotbärtigen, gewaltigen Donnergotte 
Donar oder Thor zugeeignet, deflen Namen 
er trägt. Als die Römer famen, nannten 
fie den Donnerdberg „Mons Jovis“ und 
Tacitus jpricht bereits von ihm. Der 
Peterskopf, welcher vor Beiten mit Getreide 
angepflanzt geweſen fein ſoll, war ficherlich 
früher ebenfalls ein heiliger Berg. Auf 
jeinem fahlen, rauhen Gipfel bemerft man 
jegt noch die Spuren primitiver Fels: 
wohnungen und die Sage erzählt, daß bier 
eine GEremitenwohnung gemwejen fein fol. 
Aud; Cooper, der berühmte amerifanifche 
Romantifer, berichtet uns in jeinem Roman 


„Die Heidenmauer”, dab hier der Einfiedler 
„Bu den Tannen“ gehauft habe. Vielleicht 
ftehen auch diefe Rudera in Berwandeichaft 
mit der nahen SHeidenmauer und dem 
Zeufelsftein, wo ficherlich die heiligen Haine 
der Urbewohner diefer Gegenden maren, 
wo in den verborgenen Wäldern die 
Druiden ihre Site hatten. Dunfle Rätiel, 
deren Löſung mohl ſchwerlich gelingen 
dürfte. Dies find die Gipfel, um melde 
von jeher die Sage ihren grünen franz 
webt. Was die alten Berjammlungsorte 
oder Maljtätte in der Pfalz betrifft, fo 
befand fich z. B. der fogen. Stahlbühl bei 
Flomersheim, weiter bei Tiefental auf dem 
Fliegenjtein war der Malplag für die 
9 Gemeinden, welche im tiefen Stumpf- 
walde berechtigt waren und deren Schultheije 
ihre Forftgerichte hier abgehalten haben. Im 
Kreife ftanden 9 Steine. Ein berühmter 
Malplag war der alte Stahlbühl im 
Qutramsforft bei Frankweiler, der Ding- 
ftuhl der Grafen des Speyergaues. Früher 
war dieler Hügel mit herrlichen alten 
Kaftanien angepflanzt, jegt find Ackerland 
und Weinberge dort. Bis ins 14. Jahr— 
hundert wurde bier Recht geiprocdhen und 


noch 1819 hielt man in Frankweiler einen | 





großen Bauerntag ab, obgleih die fran- 
zöfiichen Geſetze es verboten. Auch an der 
Landftraße nad Landau, eine halbe Stunde 
nördlih gegen Grlenbadh bei der Brüde 
war eine alte Malftatt („der Wählerplag“) 
durh 4 Steine auf einem Hügel bezeichnet. 
Bei Aljenborn deuten einzelne große Steine 
auf die alte Maljtatt „die Gtole, oder 
Stampe” hin. Bon Schweinichied mweftlich 
liegt „Sien” auf der „Königshaihe”, wo 
einft die Freiihöffen des „Haingerichts“ 
auf der Winterhauc ihre öffentlihde Mal- 
tage hielten. Bei Oberftein liegt im 
dunklen Walde der Winterhbauh „der 
Malberg*. Der lange Stein bei Bär 
weiler, der von meitem einen Mann mit 
einem großen Hut täufchend ähnlich ſieht, 
bildet die Grenze des Heidengerihts. Nur 
noh wie ein leifer Haud weht die Er: 
innerung zu uns aus einer fernen Zeit 
herüber. Die BZufammenfünfte und Feit- 
lichkeiten der Bauernbevölferung der Pfalz 
auf mächtigen Höhen der Heimat find im 
ftande, das Gedenken an die alten Ber- 
fammlungsorte und Malſtätte unjerer 
freien Altvorderen wieder zu ermweden. 


(Chr. Böhm i. d. Pf. Pr.) 


Die Freifhärler-Fahne von 1849, 


Aus der Pfalz berichtet die „Fr. 3*.: | 


Am 16. Juni 1849 wurden im Schloß 
garten Kirhheimbolandens 18 Männer 
erjchoflen, weil fie die deutfche Einheit ge- 
liebt und für fie gefämpft hatten. Bur 
Erinnerung an diefen Tag wurden im Rat- 
bauje zu Kirchheimbolanden am 16. Juni 
1907 die Fahnen der Freifchar und der 
Bürgermwehr zur allgemeinen Befichtigung 
ausgeftellt. Auf der Flucht vor den Preußen 
wurde die Fahne von den Freifcharen mit: 
genommen. Nach jahrzehntelangen Irr— 
fahrten fam fie ın den Belig eines Kirch- 
heimbolander Bürgers ramens Leieck in 
Kanada, der fie im vorigen Jahre dem 
Bürgermeifteramte feiner Vaterſtadt zur 
Berfügung ftellte., Beide Fahnen find aus 
Seide, in den Freiheitöfarben Schwarz: 
Rot-Gold gehalten und tragen auf der 
Rückſeite im golddurchwirkten Mittelftücd je 
einen ın jdwarzer Seide 


Doppeladler. Während die Fahne der 
Freiihar auf der Vorderfeite in gleichfalls 
durchwirkter Seide die Inihrift „Donners 
berger Freiſchar“ trägt, zeigt die Fahne 
der Bürgerwehr in derjelben Ausführung 
die Worte „Kirhheimer Bürgermwehr 
1848“. Dieje Fahne ift noch gut er- 
halten; jene hat durch ihre lange Wande— 
rung ſehr gelitten. Beide Fahnen wurden 
jeinerzeit von Frauen und Mädchen geitiftet. 

Ueber die vielleicht auch weitere Kreiſe 
interejfierende Frage, ob in dem Gefecht 
von Rirhheimbolanden 14 Juni 
1848 preußiihe Soldaten gefallen 
feien, ift dem „Sirchh. Anz.“ folgende 
authentiihe Auskunft zugegangen: Die 
mobile 4. Divifion des zufammengeftellten 
preußijchen 1. Armeekorps, das gegen die 
Pfalz operierte, war am 13. Juni 1849 
von Kreuznach nach Alzey marjchiert, wo 


ausgeführten | fih der Prinz von Preußen bei ihr ein 


fand. Ihre Avantgarde, beftehend aus dem 
Garde Landwehr-Bat. Berlin, dem Fül.- 
Bat. des Inf. Reg. Nr. 24, 2 Kanonen der 
Gpfündigen Fuß.-Bat. Nr. 37 und 2 Es— 
fadronen des 7. Ulanen-Reg. hatten fich bei 
Morihheim zum Vormarſch auf Kirchheim- 
bolanden Fonzentriert. Nur die Avant- 
garde fam ins Gefecht und weiter noch die 
ſpäter vom Gros noch herbeigeholten 
Haubigen der Batterie Nr. 37. Die 
preußischen Verlufte betrugen: 3 Füfi- 
liere vom Reg. 24 verwunder, | Ulan ver- 
wunder und 3 vermwundete Pierde von dem 
obenerwähnten Kanonenzug. Tote hatten 
die Preußen nıdt. Die Behauptung, 
daß bei Marnheim eine Anzahl Toter, die 
in den Ambulanzwagen mitgenommen 
worden jeien, begraben mworden wäre, ilt 
falih. Sie iſt auf ein längft mwiderlegtes 
Buch des Freiicharenführers Oberſt Becker, 
der jpäter in Baden fämpite, zurüczuführen. 
Beder hat fid; mit jeinen Angaben ledig: 











ih auf Ausfagen von Kirchheimbolander 
Bürgern geftügt. Die bei „Fleiſchmann“ 
ebenfalld midergegebene NAufftellung von 
den preußiſchen Toten, die in die Ambulanz- 
magen gebradt worden jeien, hat mohl 
ihren Grund darin, daß man die 4 Ber: 
mwundeten in den Ambulanzmagen gejehen 
bat. Die zwei Kanonen ftanden zuerſt 
öſtlich der Ehauffee nah Morichheim und 
beichojlen von dort zuerft eine von feind- 
lihen Schützen befegte Baumgruppe (mohl 
das obere Eingangstor des Schloßgartens ?\. 
Später nahmen fie noch weiter öftlich eine 
Pofition und beichoffen den Schloßgarten 
jelbft. Die jpäter vom Gros nocd vor: 
genommenen Haubigen (2 oder 4 Stüd) 
wurden weſtlich der Morfchheimer Chauſſee 
aufgeitellt und bemwarfen von dort das 
Innere des Scloßgartend. Bei den Hau— 
bigen (meftlich der Morichheimer Chauffee) 
nahmen auch ſpäter (al# dritte Poſition) 
die beiden Kanonen Aufftellung. 


Ueber die Spuren alter Queckfilberwirke bei Münfterappel.*) 
Von Rech.Rat Dr. Häberle, Helbelberg. 


Unterm 7. März brachte die Bi. Preſſe 
in Wr. 66 einen ausführlichen Bericht über 
die Entdefung einer Höhle ın der Gemanne 
„Schwarzer Hübel“ bei Münfterappel 
und über die ji) daran fnüpfenden Ber: 
mutungen. Sie wurde nah Flurnamen 
in der Nachbarſchaft mit einem Nonnen: 
flofter in Verbindung gebradıt bezw. als 
Sclupfwinfel des berüchtigten Räuber: 
hauptmanns Schinderhannes angejehen, da: 
bei aber doch auch auf die Möglichkeit hin 
gewiejen, daß es fi um einen von Berg- 
leuten angelegten Stollen handeln könne. 
In der Morgenausgabe vom 9. März 
Nr. 68 wurde dann dieſe Notiz ergänzt 
bezw. berichtigt und mit Recht dabeı her- 


*, Nähere Angaben über die für den Berg- 
bau in jener Gegend in Betracht kommenden 
Schriften befinden fih in meiner pfälzifchen 
Bibliographie I, die geologiiche Literatur der 
Pfalz. Mit den fon 1471 in Miünjterappel 
erwähnten Queckſilberbergwerken beichäftigt fich 
fpeziell ein Auffag von Pfarrer Drejcher in den 
Nordpfälzer Gejch.:Blättern 1908, ©. 87—88 
und 1904 ©. 8. Ueber die Dorfgeſchichte orten 
tieren die Aufſätze desſelben Autors cbenda 
1904 9. 61—64, 71-72, 77—78; 1905 ©. 23 


bis 31, 65—67; 1906 ©. 67—68; 1907 ©. 79. | (Palaeoniscus) 


vorgehoben, daß es ſich nad der eingehen: 
den Schilderung weder um eine Höhle, 
noh um einen bejonderen und, jondern 
lediglih um einen von Menſchenhand an- 
gelegten, jpäter verjchütteten und nun dur) 
Bufall bloßgelegten unterirdiihen Gang 
oder Stollen zwecks Gewinnung von Boden. 
ſchätzen handeln könne. 

Dieſe Erklärung hat ſich durch die Ört- 
liche Unterſuchung als vollftändig zutreffend 
erwieien. Wir haben es hier tatjächlich 
mit einem Verſuchsſtollen auf Qued- 
ſil ber zu tun, der anjdheinend gegen Ende 
des 18, Yahrhunderts, als noch der pfäl- 
ziihe Duedfilberbergbau in voller Blüte 
ftand, angelegt worden ift. Mörsfeld, 
Moſchellandsberg, Stahlberg, Königsberg 
und Pogberg waren damals auf dem Welt: 
marfte befannt. Namentlih Mänfterappel 
wurde vielfach genannt ; einmal wegen jeiner 
Quedjilbergruben am Forſtberg, dann 
wegen jeiner den Lebacher Schichten an- 
gehörenden bitumindjen Schiefer, aus denen 
früher Erdöl gewonnen wurde, und endlid) 
als Fundort von verjteinerten Fiſchen 
und fleinen &auriern 


80 


(Apataeon), die in diefen dünngeſchichteten | aufgefchüttet find. Anſcheinend wurde. der 


Schiefern gleih öſtlich vom Dorfe am 
Wege nad) Striegsfeld und am FForftberg 
vorfommen. Der jegige Zugang zu unferem 
Stollen wurde zufällig beim Fällen einer 
Stiefer freigelegt; fein urfprüngliches, nun 
verſchüttetes Mundloch lag etwas tieier, 
da die es fichernde hölzerne Zimmerung 
ihon längſt verfault und eingeftürzt ift. 
Aus diefem Grunde muß man jegt aud 
etwa 4 m durd ein enges Schlupfloch von 
oben in den Stollen hinabjteigen der etwa 
in Manneshöhe auf ca. 75- 80 m mit 
einer ſchwachen Srümmung nad) Südmweften 
annähernd wagrecht in den Berg getrieben 
ift. Zunächſt durchfährt er Gehängeſchutt 
und zermürbtes Geftein; auf dieſer Strecke 
find an den Wänden die Spuren der Hiebe 
mit der Keilhaue noch deutlich zu ſehen; 
nah etwa 5-6 m tritt er dann in ftarf 
zerflüfteten Melaphyr ein, der nad den 
noh ſichtbaren Bohrlöchern ſ. Zt. mit 
Sprengſtoffen bewältigt worden iſt. Im 
hinteren Teile des Stollens lagern noch 
gelöfte, aber nicht mehr herausbeförderte 
Gefteinsmaffen, ähnlih wie fie auf der 
Halde vor dem ehemaligen Stollenmundlod 


Berjuchsftollen als zu wenig ausfichtsreich 
und zu ſchwierig borzutreiben bald wieder 
aufgegeben ; waren doch die Duedfilbererze 
am benachbarten Tyorftberg, wo fie in eine 
1--1,25 m mädtige Zandfteinfhidt ein 
geiprengt find, viel leichter zu gewinnen. 
Nur vereinzelt zeigen fich in unjerem Stollen 
auf den lüften des Melapbyrs ſchwache 
Spuren von dıiefem damals jo gejuchten 
Erz, das hier mit Schwefel verbunden in 
der Form von Zinnober auftritt. 

Der Beſuch des Stollens felbit ift ganz 
ungefährlich, bietet jedoch nichts bejonderes, 
nur jegt man fi der Gefahr aus, durch 
einen Einſturz der loſen Erdmaflen über 
der Einihlupföffnung von der Außenwelt 
abgejchnitten zu werden. Unter diejen Um- 
Händen dürfte es ſich empfehlen, den Zugang 
zu fihern oder ganz zu jperren, da ein be- 
fonderes Intereſſe für den Stollen und die 
darin gemachten Funde (Gipspfeifenftummel 
und irdener Topf) faum beitehen dürfte. 
Werden im Laufe der Zeit doch ficher noch 
mehrere derartige Funde in der durch ihren 
Bergbau früher berühmten Gegend gemacht 
werden. 


Geologiſches. 


(beologiihe Bilder aus dem Groß: 
berzogtum Helfen. Zweiter Teil: Rhein- 
heſſen von Brof. Dr. Karl Stolg, Groß: 
berzogl. Oberlehrer, 40 S. Mit 1 Starte, 
2 Brofilen und 2 Tafeln. Beilage zum 
Jahresbericht des Großherzogl. Yudmig- 
Georgs-Gymnafiums und der Vorſchule der 
beiden Gymnaſien zu Darmftadt. Dftern 
1909. — Aehnlich wie vor Kurzem Rektor 
Dr. Yttenfperger für die Vorderpfalz (vgl. 
die Beiprehung S. 31 diefer Beitichrift) 
hat nun Profeſſor Dr. Stolt in dem vor- 
liegenden Scriftchen für das benachbarte 
Rheinheflen eine Ueberſicht über die geo: 
logiichen Verhältniffe gegeben. Zunächſt 
wird die Entftehbung der Oberrheinifchen 
Tiefebene, hierauf der Untergrund von 
von Rheinheffen (Rotliegendes mit Mela- 
phyr ind Porphyr), dann das Tertiär mit 
feinen verfchiedenen Ablagerungen und end- 
lih das Diluvium und Alluvium eingehend 


ften Berfteinerungen aus dem Gebiete ab- 
gebildet. Alle diefe Fragen müffen auch 
uns Pfälzer intereifieren, da einmal die 
Borderpfal;s in das Gebiet der Ober— 
rheinifhen Tiefebene füllt und dann die 
ftratigraphifchen Verhältniſſe Rheinheſſens 
ih auch in der Nord- und ODſtpfalz 
wiederholen. Das Studium diejer mwert- 
vollen Arbeit fann aud; dem Laien warın 
empfohlen werden. 


Dr. Daniel Häberle. 


Ueber die praftiiche Auwendung und 
Verwertung der Geologie in den ver 
ichiedenften Gebieten, in der Induſtrie, 
der Land» und Forftwirtichaft und im Ge- 
werbe befindet fich ein fehr lejenswerter 
Auffag von dem verftorbenen Oberbergrat 
Brof. Dr. Chelius in der Beitichrift „Aus 
der Natur”, IV. Jahrgang 1908, Heft 2 
©. 56-61, der jedem Naturfreund ange 


behandelt; auf zwei Tafeln find die wichtig- | legentlih zur Lektüre empfohlen werden 


8l 


Tarın, da nicht weniger ald 15 Willens: | naues Verzeichnis der Beröffentlichkeiten 


zweige aufgeführt werden, für welche die 
Heologie mit Nußen fich verwerten läßt. 
Unter dieſen wırd auch die Sau, 
Heimat: und Volfsfunde bejonders hervor: 
gehoben; knüpft dieſe doch, wie Chelius 
hervorhebt, ebenjo an den Boden an, mıe 
die Tier- und Pflanzenwelt, die gleichſam 
mit dem Boden geworden find und des 
Bodens Stempel tragen. 


Die 42. Berfammlung des Über: 
rheinifhen geologiihen Vereins in Heidel- 
berg fand am 13.—1T. April dis. 8. 
ftatt, und führte 140 Teilnehmer de3 über 
300 Mitglieder ftarfen Vereins nach der 
Mufenftadtt am Nedar. Als Ort der 
Tagung für das nächſte Jahr wurde Dürf: 
beim a. 9. beftimmt. Maßgebend für 
dieſe Wahl war in erfter Linie die günftige 
geographiiche Lage diejfer Stadt, da die 
Oſterwoche, in welcher dıe Verſammlung 
regelmäßig ftattfindet, nächſtes Jahr ſchon 
in den März fällt. — Auf der Verſamm 
fung zu Heidelberg berichtete Privatdozent 
Dr. Freudenberg über ein Steinwerf 
zeug, das er in den diluvialen Schichten 
von Altdorf bei Edenkoben legten Sommer 
entdeckt hatte (vgl. auch unſere Notız im 
Yahrg. 1905 der Pfälz. Heimatf., ©. 96). 


Der Naturhiſtoriſch-Mediziniſche Berein 
zu Heidelberg hat in den legten Jahren 
einen erfreulihen Mitglieder Zuwachs zu 
verzeichnen. In der legten Sigung des 
jegt beendeten Winterſemeſters murde das 
200. Mitglied angemeldet. Männer wie 
Bunjen, Helmholg, Kirchhoff, Kußmaul u, 
a. haben ıhm Beiträge geliefert. Auf An. 
regung des Borftandes hat ſich der als 
pfälziiher Schriftiteller gejchägte und 
unjeren Leſern wohlbefannte Dr. Häberle 
der mühſamen Aufgabe unterzogen, zu den 
bisher erichienenen 6 Bänden der alten und 
den 9 Bänden der neuen folge ein ge- 


Berkehrsmelen 


Dur die Verftaatlihung der Pialz- 
bahnen ift die Frage der Erbauung neuer 
Bahnlinien in der Pfalz in Fluß getommen. 
Beſonders der weſtliche Teil der Pfalz wird 
in den nächſten Jahren durch neue Schienen- 


mit Yutoren-, Orts und Materienregiiter 
anzufertigen. Da die im Taufh dafür 
eingehenden mehrere Hundert Zeitjchriften 
von dem Berein der Univerfitäts-Bibliothet 
abgetreten werden, und jo der Allgemeinheit 
zur Verfügung ftehen, jo find in dem Häberle 
ichen Berzeihnis aud die Signaturen, die 
die betreffenden Zeitjchriften in der Uni 
verfitätsbibliothef haben, genau angegeben 


Erzlager bei Grumbah? Cine Ent- 
defung, die für die Zukunft des Dorfes 
Yangmweiler bei Grumbad wie der ganzen 
Umgegend vielleicht von weittragender Be- 
deutung ift, wurde laut „Nordweitpf. Ztg.“ 
bier gemadt. Ein Herr aus Saarbrüden 
ftieß nämlich in einem Ader auf hiefiger Ge- 
marfung bei Nachgrabungen auf Erzlager. 
Bei dem gefundenen Mineral wurde bereits 
in einem angeftellten Yäuterungsprozeß feit: 
geftellt, daß es fich wirklich um Erz handelt. 


In Sulzbad find auf der Bahnftrede 
Sulzbadj-Friedribsthal wieder erhebliche 
Bodenjenfungen durd) den unterirdijchen 
Grubenbetrieb wahrzunehmen. Der Bahn: 
förper muß wieder um 20—30 cm erhöht 
werden, trogdem erjt vor einigen Monaten 
eine Geftängeregulierung ftattgefunden hat. 
Auch im Weftende unjeres Ortes machen 
fih in leßter Zeit wieder Grubenichäden 
bemerkbar. An dem brennenden 
Berg bei Dudweiler ſind in letzter 
Zeit wieder neue Klüfte mit aufſteigenden 
Waſſerdämpfen wahrzunehmen. Der Berg 
ift jeßt auf feinem Scheitel infolge des jeit 
150 Jahren beftehenden Flözbrandes auf 
eine Gritrefung von faft 200 m jchludht- 
ähnlich eingefunfen. Das Gebirge über 
der Schlucht ift vollftändig ausgebrannt 
und gerötet. Unaufhörlich fteigt heißer 
BWaflerdampf an 15—16 Stellen durd 
Gebirgsfpalten auf. Die Spalten haben 
eine Gejamtlänge von etwa 40 m. 


in der Pfalz. 


wege erichloffen werden. Dabei ſcheint es 
angebracht, den Blick einmal auf jene Zeit 


| zurüdzulenfen, in der die Pfalz noch feine 


| Bahnlinien hatte, auf die Zeit des Boft: 
wagens in der Pfalz. Damals waren 


Speyer, Landau und Bmweibrüden die 
Dauptverfehröfnotenpunfte. Bon Speyer 
liefen die Poften über den Mhein nad 
Mannheim, Heidelberg, Schmwegingen, 
Wiesloch Heilbronn, Waghäufel und Graben- 
Karlsruhe, den Rhein hinunter nach Oggers- 
heim: Wormsd-Mainz, den Rhein hinauf nad 
Rheinzabern-Lauterburg-Straßburg. Ferner 
liefen Poſten nah Yandau, Neuftadt, Ger- 
mersheim und Dürfbeim, im ganzen nicht 
mweniger als 12 Poſtkurſe. So war 
Speyer eine der größten Pofthaltereien in 
ganz Süddeuiſchland, was e8 zum erheb- 
lien Zeile der alten Schifisbrüdfe ver 
dankt. Yandau hatte Woftlinen nad 
Neuftadt a. Hdt., Pirmaſens-Zweibrücken, 
Germersheim, Weißenburg - Straßburg, 
Kandel Lauterburg Straßburg und Speyer, 
Neuftadt a. H. hatte Linien nad Mann- 
heim, Franfenftein- Raiferslautern, Bad 
Dürfhe.m, Worms, Landau und Germers— 
heim:Sraben-Brucdjal. In Zweibrüden 
trafen fich die Linien von Mainz⸗Kirchheim— 
bolanden Kaiſerslautern Bruchmühlbach, von 
Bingen + Sireuznad) - Rufel » Homburg, von 
Saarbrücken Rohrbach, von Bliesfaftel, von 
Landau Bırmajens und von Hagenau i, E.- 
Bitſch Erweiler. Die wichtigſten Poſtkurſe 
in und nach der Pfalz waren Straßburg: 
Landau Mannheim, Etraßburg Lauterburg: 
Speyer Mannheim (beide alſo faft unjeren 
heutigen Schnellzugslinien ent» 
fprechend), Meß Saarbrüden Bweibrüden- 
Landau Speyer, Stuttgart-Brucdfal-Speyer, 
Mainz» Zweibrüden, Bingen - reuznad)- 
Bmeibrüden, Landau » Nevftadt - Wormö- 
Mainz und Speyer-Neuftadt-Staiferslautern. 
Im ganzen haben fid) aljo bei der Ein: 
führung der Eifenbahnen die Verkehrsknoten— 
punfte nicht jehr verjchoben, wenn aud) er 
heblihe Wenderungen eintraten, Nur 
Bweibrüden verlor jeinen Charafter ala 
BVerfehrsfnotenpunft, während Neuftadt ihn 
im verftärften Maße behielt. Ganz neu 
entftanden die Knotenpunkte Scifferftadt, 
Binden, Kaiſerslautern (das zur Poſtzeit 
kein großer Knotenpunkt war) und Langmeil. 

Im Mai ds. Is beſuchten die Ver— 
treter eines norddeutſchen Unternehmens die 
Haardt, um die Gipfel an der oberrheini— 
ſchen Tiefebene daraufhin zu prüfen, ob 
die Anlage von elektriſchen Bergbahnen 
möglich und rentabel iſt. Der Gedanke an 


82 


fih ift nicht neu. Bereits in den 80er 
Jahren entitand® ein Salmitbahn- 
Projekt, das jedoch bereitd in den An- 
fängen erftidte, .da das Intereſſe der Tal: 
orte gering war und aucd die Elektrizität 
nod nicht zur Verfügung ftand. Dies hat 
fih indeflen jehr geändert. Gerade die 
Kalmit weift nach der Eröffnung der „Lud— 
wigshafener Hütte” heute bereits eine hohe 
Frequenzziffer auf, die fich noch heben wird, 
wenn das projeftierte fteinere Kalmithotel 
mit ftändigem Wirtfchafts- und Hotelbetrieb 
erbaut jein wird. Es fommen längs der 
Haardt ferner no in Betradht der Orens 
fels bei Landau, die Marburg bei Ham- 
bad, der Nollenfopf und das Weinbiet 
bei Neuftadt, der Effopf bei Deidesheim, 
die Limburg und der Große Peters. 
kopf bei Bad Dürkheim. Die Befid- 
tigung der genannten Berge durd die In— 
genieure hat die Möglichkeit der Errichtung 
von Bergbahnen außer Zweifel geſtellt; 
megen der Finanzierung werden nod im 
Laufe des zeitigen Sommerd Vorſchläge 
gemacht werden. Es leuchtet ohne weiteres 
ein, daß die Anlage von Bergbahnen die 
Touriſtik und damit die wirtſchaftlichen 
Verhältniſſe an der Haardt weſentlich heben 
würde. Bejonders Landau, Neuftadt, Eden: 
foben und Bad Dürkheim haben das größte 
Intereſſe an dem Wrojeft. Die betreffen- 
den Firmen werden demnächft einige genaue 
Projekte ausarbeiten und dann damit an 
die Deffentlichkeit treten, Auch die fort 
dauernde Grjchließung des Pfälgermaldes 
durch neue Eifenbahnlinien legt Zeugnis 
davon ab, daß das pfälziiche Gebirge wohl 
einer neuen Zeit entgegenfieht; jo wird 
der Verkehr der Südpfalz durch die neue 
Line Kaltenbach-Bundenthal bedeu- 
tend zunehmen, deögleichen der in der Bor 
derpfal; durch die eleftriihe Sırakenbahn 
Neuftadt-Yandau. Die Belichtigungen 
find audh in der folgenden Wode fort 
gejegt worden, da von vornherein in jedem 
Falle die verfchiedenen Möglichkeiten in 
Betracht gezogen werden. Die Bahn auf 
den großen Peterskopf bei Bad Dürk— 
heim würde eine der drei ſchönſten deutichen 
Bergbahnen werden, da fie auf eine lange 
Strefe durch herrlichen Bergmald führt. 
Die Kalmitbahn würde verhältnismäßig 
fur; werden, 


83 


Elektrifche Anlagen. 


Ueber „Eleftrifhefraft-undtidt- 
erzeugung” im allgemeinen und über ihre 
Bedeutung im haus · und landwirticaftlichen 
und Gemerbebetriebe jprah in Sindenheim 
Herr ingenieur Hanftein von Eßlingen 
Der VBortragende wog in aller Objektivität 
die Peiftungen und Koſten anderer Licht 
und Straftanlagen gegenüber denen der 
eleftriichen Anlagen ab und überzeugte die 
ziemlich zahlreich erſchienenen Intereſſenten, 
daß man, wenn man doc einmal an eıne 
Neuanlage herantrete, unbedingt zur Elek— 
trizität greifen müffe. Nachdem dann der 
Redner noch Über mandes Einzelne der 
hier geplanten Anlage Aufihluß gegeben, 
fam man zu dem vorläufigen Reſultate, 
die Erridhtung einer Elefrrizität®- 
zentrale für die drei Ortſchaften 
‚Großbodenheim, Sleinbodenheim 
und Sindenheim ins Auge zu fallen. 
Einige Bodenheimer Herren fonnten be: 
richten, daß aud in den beiden Bodenheim 
eine größere Anzahl Intereſſenten die 
Förderung des Projektes erftreben. Ganz 





befonderd wünſchenswert jei die baldige 
Einrihtung des Wertes im Hinblid auf 
das fommende Pumpwerk, das beide Ge 
meinden mit Wafler verjorgen Soll, -- 
Nachdem anfangs Mai die beiden Ge- 
meinden Ejiingen und Bellheim mit 
der „Rheiniihen Schudert Gefellichaft für 
elektriſche Induſtrie“ in Edenfoben dahin: 
gehende Verträge abgeſchloſſen Haben, ge: 
langten auch die Verhandlungen genannter 
Geſellſchaft mit dem Gemeinderate von 
Niederhodhitadt zum Abſchluß und zur 
Unterzeichnung des Bertrags. Die Gemeinde 
erteilt der genannten Gejellihaft auf 40 
Yahre die Konzeilion, die nötigen Leit- 
vorrichtungen durch ihre Gemarkung zu ' 
führen und die Vorrichtungen für ihre 
Straßenbeleudtung zu errichten und ver- 
pflichtet fi dagegen, den eleftriichen Strom 
zur Straßenbeleuhtung auf genannte Zeit 
von der Geſellſchaft Schudert zu beziehen 
und dafür eine jährlihde Pauſchal Ent 
ihädigung von 462 Mark zu leiften. 





Die oberbayerildhe Aohle — eine Braunkohle. 


Wie bereits mitgeteilt, hat der Ber- 
waltungsgerichtshof, veranlaßt durd die 
von einem Intereſſenten eingelegte Be: 
jchwerde, eine Enticheidung erlaffen, die für 
Mutungen auf oberbayerifche Kohle von 
prinzipieller Bedeutung ift. Danadı ift die 
oberbayeriihe Kohle nunmehr einzig und 
allein al3 Braunkohle anzufprechen, aber 
nicht mehr als Steinkohle oder Mineral: 
kohle. Es ijt dies bejonders bedeutungs- 
voll für die in der Gegend von Miesbach 
vorgefundene Kohle, die häufig auch als 
Pechkohle bezeihnet wurde Da Diele 
Stohle zweifellos viel wertvoller ift, als 
andere Sorten von Braunfohlen, hat das 
Oberbergamt feit 1873 (Anfrafttreten des 
neuen Berggejeßes von 1869) bei Mutungen 
die Bezeihnung Mineralfohle geduldet. 
Die Gutachten der Sacverftändigen haben 
ebenfalls darauf hingemwiefen, daß die ober- 
bayeriiche Pechkohle im Miesbacher Bezirk 
fich in verfchiedenen Eigenſchaften der Stein- 
fohle nähere, doch ließ das Gutachten des 
Oberbergrates Profeſſor Dr. v. Ammon 


ichließlich feinen BZmeifel darüber, daß die 
oberbayerifhe Bechfohle zu den Braun: 
foblen gehört. 

Wie jchon erwähnt, hat nun die Ent. 
ſcheidung des Bermaltungs-Gerichtöhofes 
jedem Zweifel ein Ende gemacht, danach 
gibt es keine oberbayeriſche Steinkohle oder 
Mineraltohle — dieſe Bezeichnungen 
dürfen nicht mehr gebraucht werden, 
die letztere war überhaupt ein ganz un- 
beftimmter Begriff — Sondern nur eine 
oberbayeriihde Braunkohle Das 
Oberbergamt kann aljo in Zukunft nur 
mehr Mutungen auf Braunfohlen in 
Dberbayern ausftellen. 

Diefer Enticheid hat auch nad einer 
anderen Richtung eine ſehr weitgehende 
Bedeutung. Die Braunkohle ift keineswegs 
gleichartig, fie befigt jehr verichiedene Nuß- 
abftufungen; dies trifft auch für Oberbayern 
zu. So findet fich hier eıne ganz minder 
wertige Braunfohle, die jogenannte Lignit- 
kohle, die, weil fie noch fait Holz ift, eine 
jehr geringe Heizktaft befigt, jo daß ihr die 


fogenannte Pechkohle weit überlegen ift. 
Findet nun aber jemand bei der von jekt 
ab üblichen Verleihung der Mutung auf 
Braunkohlen 3. B. unter ſolchen Xignit- 


kohlen die mwertvollere Pechkohle, jo gehört 


ihm auch diefe zu auf Grund feiner Mutung. 
Er hebt unvermutet einen Schag, von defjen 
Vorhandenſein er feine Ahnung hatte und 
der ihn nad den früheren Gepflogenheiten 
nicht zugefallen wäre. 








Badiſche Heimat. 


Die beiden alten Vereine für Volks— 
funde und ländlide Wobhlfahrts: 
pflege haben ſich befanntlih in einen 
Berein zufammengeichloffen, dem fie den 
Namen „Badijhe Heimat“ gegeben 
haben, um zu zeigen, daß er es für jeine 
vornehmfte Aufgabe betraditet, das Heimats: 
gefühl zu pflegen. Schon feit längerer Zeit 
. find innerhalb beider älteren Vereine, 
zwifchen denen ein gemiljer Wettbewerb 
vorhanden war, Stimmen für die Ber- 
Ihmelzung laut geworden. Als nun nod 
im legten Yandtag von einzelnen Rednern, 
ſowie von dem Vertreter des Minifteriums 
der Juſtiz, des Kultus und Unterrichts die 
Berjchmelzung angeregt wurde, traten die 
Vorftände der beiden Vereine an den Ber- 
ſuch heran, der auch fchnell gelang. —— 





konnte es aber nicht ermöglicht werden, 
auch den Verein für Erhaltung von Volks 
tradhten, der im Jahre 1894 gegründet 
wurde, zum Anfchluß zu bewegen. Gleich: 
wohl tritt der neue Verein an Anzahl der 
Mitglieder wie an Geſchloſſenheit feines 
Gebiets und feiner Zwecke adhtenswert in 
die Oeffentlichkeit. Als feine Zwecke fün- 
digt er an: Erhaltung, Pflege und wiſſen— 
fchaftliche Förderung auf materiellem und 
geiftigem Gebiete, Schuß der heimiſchen Zand- 
fchaft, ihrer Kultur- und Naturdentmäler, 
ihrer Tier- und Pflanzenwelt, und dadurd 
Weckung und Vertiefung der Heimatliebe. 
Der Berein gibt für feine Mitglieder die beiden 
Schriften der alten Bereine weiterhin heraus, 
die wifjenfchaftliche Zeitfchrift „Alemannia 
und d die volkstümliche „Dorf und Hof*; 





Beeren - Bflanzungen. 


Die Seit zirfa’10 Jahren im hinteren 
Odenwald vom Staatsweſen unter: 
nommenen Verſuche zur Unpflanzung von 
PBreißelbeeren find leider von feinem 
Erfolg gemejen, da die klimatiſchen Voden- 
verhältniffe unferes Gebirges für die Kul- 
tur dieſes Beerengewächles nicht geeignet 
find. Dagegen macht man jegt glinftigere 
Erfahrungen mit der Anpflanzung der 
weißen SHeidelbeere, die 


mejentlich 


Die Hängetiere des 


Bon Dr. 8. Floerike. Reich illuftriert. 
In Farbendruck⸗ Umſchlag gebeitet 1 Mk., 
geb 2 Me. Berlag des Kosmos, Gejell- 
ihait der Naturfreunde (Gejchäftsftelle: 
Franckh'ſche Verlagshandlung) Stuttgart. 
(Die Mitglieder erhalten dieſen Band foften- 
108.) Der als feflelnder Scilderer befannte 
Verfafler des „Deutichen Vogelbuches“ und 
der „Bögel des Ddeutichen Waldes“ 


be: | 


1 





handelt in Ddiefem Bändchen ebenjo an: | 


wertvoller ift ala ihre Genoſſin in blauem 
Gewande. Weiße Heidelbeeren trifft man 
jhon an in den Waldungen der Tromm, 
fowie bei Wffolterbah, Hammelbah und 
Gras: Ellenbad). 

Auch in unjern pfälziihen Wäldern 
fommen ganz vereinzelt weiße Heidelbeeren 
vor, doch find fie bier meift ein Gegen: 
ftand des Uberglaubens. j 


dentſchen Waldes. 


ziehend die Bierfühler unferer Heimat. 
Der Berfafler weiß den Stoff in lebendiger 
Darftelungsweije zu meiftern und dem 
Leer das jo menigen befannte eben 
unferer freilebenden Säuger anſchaulich vor 
zuführen. Nicht vom Standpunft des 
Jägers, jondern mit den Augen des finnigen 
Naturbeobachters find die Bilder geichaut, 
die namentlich auch für die reifere Jugend 
als bildende Lektüre geeignet find, 


BE 


Zu Adolf von Maflaus Tod (2. Inli 1298). 


Bor Göllheims Thor am Haſenbühl 
Da tobte heiß das Kampfgewühl. 
Es gellte Schlachtruf durd die Lifte 
Und Feldgeichrei in Flur und Haid’ — 
Das Schwert flog von der breiten Hüfte: 
Zwo Saifer jtanden kampfbereit! 


Getroft ritt Adolf fort zur Schlacht 
Und ftürmte in die Todesnadt. 
Er jollt’ verlieren Kron' und Leben 
Und mas ihm lieb im Heimatland — 
Durch's Schickſal war Hinfort gegeben 
Des Reiches Wohl in Albrechts Hand. 


Im Kampf um’s Reich mit — Mut 
Verſpritzte Adolf all ſein Blut, 
Bon Naflau ſchien das Glück gewiden 
| Und droben boh vom Himmelszelt 
Ergoß fein Glüdsftern, jäh erblichen, 
Fahl Licht nur in das Todenfeld. 


Doch neu erblüßt und neu belaubt, 
Hob Naſſau wieder ftolz jein Haupt. — 
Blieb auch die Krone ihm verloren, 

Wo feiner Kindheit Wiege ftand, 
So minfte, edel, hochgeboren, 
Ihm doch der Thron von Niederland, 


Dr, Earl Puſch. 


Bwei KRönigswitwen. 


Wer nahte fih in ſchwarzem Seide 
Mit wallend langem Witwenfchleier, _ 
Bar aller prunfenden Gejchmeide 
Dem Brabgewölb im Dom zu Speyer? 


Bwei Frauen nad) dem Domdor wallen ; 
„Zwo Königswitwen!“ geht's Geflüfter 
Sie ſchreiten langſam durch die Hallen 
Zur Gruft hinunter modrig düſter. 


Sie hatten reichlich Leids zu tragen, 
Dod waren längit von all den Schmerzen 
Berfiegt der Jammer, ftumm die Klagen 
Und. all ihr Weh erftarrt im Herzen. 





Wie mit dem Beten fie zu Ende, 
Die Tränen fich getrodnet hatten, 
Da reichten Beide ihre Hände 
Verſöhnt fi über'm Sarg der Gatten. 


„Im Tod hat Adolf Ruhm erworben !” 
So ſprach Elijabeth voll Rührung: 
„Imagina, durch Gortes Führung | 
Iſt er den Heldentod geftorben.” 


„Doch ſchlimmer Troft war mir beſchieden, 
Denn Albredt ftarb durch Mörderhände 
Und aljo fand ftatt Ruhm hienieden 
Mein Gatte nur ein ruhmlos Ende!“ 


Dr. Earl Buid 


Ornithelsgifdhes. 


Naturbeobahtung. Aus dem Oden— 
wald wird uns gejichrieben: Aufmerkſame 
Naturbeobachter wollen die Wahrnehmung 
gemadt haben, daß diejes Jahr alle Bogel- 
arten 8-10 Zage früher angefommen 
find als gewöhnlich. Aud trifft man be: 
reitd Bogelbruten an, Amfeln, Lerchen, 
Meifen und dergl. Hieraus wollte man 
ichließen, dab mir anhaltendes marmes 
Wetter behalten, Der Uebergang von 
Winter auf Frühjahr ſoll große Aehnlichkeit 
mit dem Sabre 1865 haben, aus welchem 
Jahre bekanntlich eine jehr gute Ernte zu 
verzeichnen ift. Beſonders war der 1865er 
Bein ein Qualitätöwein, wie er in dem 
ganzen Jahrhundert nur noch 1811 ge: 
wachſen ift. 





Die Schnelligkeit der Schwalben. Ein 
Antwerpener Bürger hat kürzlich ein inte⸗ 
reffantes Erperiment gemacht, durch das 
die ganz außerordentliche Schnelligkeit der 
Schwalben erwiejen murde. Es gelang 
ihm, eine Schwalbe zu fangen, die ihr Neft 
unter dem Dad feines Haufes hatte; er 
machte fie durch einen roten Farbenfled 
fenntlih und fandte fie dann mit einem 
Schnellzug nad Compiögne, der 250 Brief. 
tauben mitnahbm. Am nädften Morgen 
wurde die Schwalbe um 7’ Uhr zugleid 
mit den Tauben aufgelafjen und jchnell wie 
der Blig nahm fie die Richtung nach Norden, 
während die Tauben erft längere Zeit frei- 
fend die Richtung nad ihrer Heimſtätte 
ſuchten. Um 8*? Uhr erreichte der Früh— 


lingsbote wieder fein Neft in Antwerpen. 
Die erften Tauben famen drei Stunden 
fpäter an. Die Schwalbe hatte 235 Hilo- 
meter in 1 Stunde 7 Minuten, alio 207 
Kilometer in der Stunde zurüdfgelegt, 
während die Tauben es faum auf 57 Kilo- 
meter in der Stunde brachten. 


Der Berband deutſcher Brieftanben- 
Liebhaber: Vereine hatte, wie j. Zt. mit 
geteilt, für das Abſchießen und Fangen von 
Naubvögeln für das Jahr 1908 eine 
Prämie vom 3500 ME., ausgejegt. Es 
fommen dabei Banderfalfen, Hühnerhabichte 
und Sperbermweibchen in Betracht. Darauf- 
bin fandten 298 Bewerber gegen 352 im 
Yahre 1907 NRaubvogelfänge ein. Im 
ganzen wurden 4239 Baar Fänge ein- 


geihidt gegen 4548 im Jahre 1907. 
Vrämiiert wurden 2951 Baar Fänge 


«1907:3407) und zwar 71 von Wander: 
falten, 1182 von Hühnerhabichten und 
1693 von Sperbern. Die meiften Fänge 
famen aus Oftpreußen (464), Schlefien 
(413), Hannover Mordfeegebiet (257). 
Aus dem Königreih Bayern kamen 155 
Fänge (1907: 141); davon entfallen auf 
die Rheinpfalz 31 (1907: 35). Dieie 
ftammen meift aus dem Weſtrich, ſpeziell 
aus der Gegend von Saiferslautern und 
Zweibrücken. Die vorderpfälziichen Fänge 
famen meift aus den Wandgebirgen der 
Haardt, von Landau und Bad Dürkheim. 


Der Stord ein jagdbarer Bogel. Ob 
der Storh ein jagdbarer Bogel ift, dieſe 
bisher Ätrittige Frage wurde vom Ober— 
Landesgericht in Stiel endgültig in verneinen 
dem Sinne entichieden. Es fehlte bisher 
eine landesgejegliche Beitimmung oder eine 
Polizeiverordnung in Schleswig Holftein, 
die das Abſchießen des Stores als jtraf- 
bar erflärte. Die Entſcheidung wird dazu 
beitragen, daB der jo gern geiehene Bogel, 
der in manden Gegenden immer jeltener 
wurde, Überall eine Freiſtatt findet. — 


Vom Öftlihen Rande der Salahari« 
Wiüfte, aus dem Khama Diftrift erhielt das 
Wide World: Magazine ein intereffantes 
Schreiben des Anfiedlerd C. E. Bialls, in 
dem von dem Funde berichtet wird, der die 
Eingeborenen eine zeitlang mit abergläu- 
biger Scheu erfüllte: „Ein Eingeborener 
aus einem der zahlreichen Krals der Um- 


gebung brachte mir eines Tages einen Alu- 
miniumring. @r hatte ibn von einem 
Bufchmanne befommen, der ihn wiederum 
von anderen Buſchleuten erhalten hatte. 
In dem abgelegenften Zeil der Wülte 
näherten fih jagende Buſchleute einem 
großen Salzfelde, auf dem fie eine Anzahl 
großer weißer Vögel bemerft haben wollten. 
uls fie näher famen, flogen die Bögel da- 
von, mit Ausnahme eines einzigen, der 
verzweifelte Anftrengungen mudhte, fih zu 
erheben. Es gelang den Schwarzen, den 
Vogel zu fangen, der völlig erſchöpft war 
und unmittelbar darauf ſtarb. Die Ein- 
geborenen nahmen das Tier als mıll- 
fommene Jagdtrophäe mit fi. Plötzlich 
feffelte ein Gegenftand am Beine des 
Tieres die Aufmerffamteit. Unter Schmutz 
und Staub jdien es, ald ob ein Ring fid 
um das Bogelbein lege. Einer der Leute 
bieb das Bein ab; fie erfannten in der 
Tat, dab es ein Ring war; mit dem Rufe: 
„Modimo, modimo” (da8 Gott bedeutet), 
fchleuderte er den Bogel entjegt von ſich 
und eilte mit den Genoffen haftig zum 
Lagerplag zurüd. Ein meniger Abergläu- 
biger ſchlich fich jpäter zurüd, um den Ring 
von dem Beine abzuldſen. Es war ein 
kleiner Aluminiumreif, und er trug die In 
ſchrift: „Vogelwarte Rofitten, 769 Ger- 
mania”, Die Beitichrift, die den Wing 
von dem Farmer befam, unterrichtete dic 
Bogelwarte don dem Funde Es ftellte 
ſich heraus, daß der Ring 769 an dem 
Beine eines jungen Storches befeftigt wor: 
den war, den man an den Ufern der Oſt 
fee aufgegriffen und dann wieder fliegen 
gelafjen hatte. Er muß aljo eine Ent- 
fernung von rund 9000 Kilometern 
zurüdgelegt haben, um in der Salahari 
wüſte unter den Bujchleuten zu fterben. 


Die Ehädlihkeit der Sperlinge. So 
fehr die Singvögel Schuß verdienen, je 
wenig gebührt er den Spagen. Denn 
diefe vertreiben die infeftenfrefienden Sing- 
bögel und ftiften überdies in den Gärten 
großen Schaden. Wegen des Ueberhand 
nehmens der Spagen hat gegenwärtig der 


"Nupprechtsau» Straßburger Geflügelzudt- 


verein jogar Bertilgungsprämien aus 
geichrieben. Während des letzten Jahret 
ftellte der Straßburger Tierjhup 


verein wieder feit, daß der Sperling zu 
den jchlimmiten Feinden der nüß- 
lien Bögel gehört, daß er bejonders 
da, wo Nifthöhlen aufgehängt werden, dieje 
mit der größten Frechheit belegt, ja daB 
er felbit andere Vögel, die ſolche Höhlen 
berwohnen, rückſichtslos daraus vertreibt, 
wie er fie im Winter von den Futterplägen 
vertrieben hat. Die Sperlinge find aber 
nit nur durd Vertreibung der anderen 
Vögel jchädlih, fie verurfahen auch in 
Hausgärten durh das Wegfreilen der 
Sämereien, der jungen Salatpflanzen und 
namentlih der jungen Erbſen oft großen 
Schaden, ferner durch mutmilliges Abbeiken 
der Blüten und friſch angefegten Früchte. 
Welch großen Schaden die Spaßen an den 
Beintrauben und an den Kirſchen anrichten, 
it allgemein befannt. Sehr gering ift der 
Nugen, den fie ftiften beim Bertilgen einer 
geringen Anzahl von Maifäfern und durch 


87 


das Aufnehmen von Raupen, die fie aber 
nur während die Agung der Jungen ſuchen. 
Er Steht in gar feinem Berhältnis zu den 
Schädigungen... Auch ım Geflügelhof ift 
der Spaß fein gern gejehener Gaft. Er 
paßt dort die Zeit der Fütterung genau ab 
und ftiehlt dem Hauf-Geflügel beträchtliche 
Mengen Butter. Selbft in die Volieren 
dringt der verjchlagene Gejelle ein, wo ſich 
fein anderer -Bogel hinwagt. Dabei liegt 
die Gefahr der Verſchleppung von allerlei 
ſeuchenartigen Geflügelfranfheiten vor, jelbft 
Viehſeuchen können von Gchöft zu Gehäft 
durch den Unhold verjchleppt werden. Die 
Bermehrung der Spatzen läßt fi durd 
Abſchießen und im Winter durch Darreihung 
von Strychninweizen einjchränfen, mobei 
jedoch jorgfältig Acht zu geben ift, daß feine 
nüglıhen Singvögel zu Schaden kommen. 
In der gegenwärtigen Brutzeit fann man 
auch die Nefter und die Gelege zerftören. 


Aleine Mitteilungen. 


Der Pfäülzerklub „Palatia“ Köln a. Rh. 
hat beichlofjen, fünftighin außer dem üblichen 
Winterfeft alljährlich nod) je einen Herren. 
Abend im Frühjahre und Herbſt einzu: 
jchalten, wobei der erfte Teil aus Bor- 
trägen Über: Auswanderung und Solonie- 
gründungen der Biälzer im 18. Jahrhundert 
und der zweite Teil aus „pfälziichen Dialefı- 
Vorträgen und Gefangd und humoriftijchen 
Darbietungen” bewährter Kräfte befteht. 


Schlimmes Frühlingswerter 
ginn des Mai wurde nad plöglichem QTempe- 
raturfturg durch beitigen Schneefall das 
ganze obere Gebirg mehrere Zentimeter 
hoch mit Schnee bededt. Die Touriften 
fahen grüne und blühende Bäume uuf 
weißen Fluren ftehen. Am Abend des 
1. Mai ging ein Gewitter bei 3° 6, 
zwiſchen Maifammer und Weyher nieder. — 
Im ganzen untern Nahetal hatte man 
gewaltigen Froſtſchaden bezüglich der Obft- 
ernte; aud die Weinberge hatten gelitten, — 
In der Nacht auf den 2. Mai find in der 
weiteren Umgegend von Speyer die Nuß- 
bäume erfroren und haben die Neben fiarf 
gelitten. — Tags darauf waren ähnliche 
erheblihe Schäden in den Gemarfungen 
von Gönnheim, Friedelsheim und Nöders- 


Mit Ber’ 


beim zu beflagen, wo Obſt und Wein 
dezimiert wurden. — Der Yuli läßt ſich mit 
Kälte, Hochwafler und Schnee (am Ober: 
rhein) auch nicht Übel an! 


Pflauzeuſchutz. Zum Schuß der ein 
heimischen Pflanzenwelt, um jeltene Pflan⸗ 
jenarten des Shwarzmwaldes vor der 
drohenden Ausrottung zu bewahren, haben 
ſämtliche Waldbefiger des Amtsbezirks 
Engen durch das Großh. Bezirksamt ein 
Berbot erlaffen, wonad das Sammeln von 
Pflanzen in den Waldungen unterfagt ift, 
namentlih wenn dies durch Gärtner, 
Sträußchenverfäufer oder andere Perſonen 
zum Zwecke des Gelderwerbs geſchieht und 
insbejondere, wenn es mit einer Entnahme 
von Wurzeln verbunden ift. Bumider- 
bandelnde werden nah 8 29 des Forft- 
geieges beftraft. Dieſes Vorgehen dürfte 
bald Nachahmung in anderen Bezirken finden. 


Die Waflerheil-Auftalt Bad Gleis: 
weiler blickt in dieſem Jahre auf ihr 
6öjähriges Beftehen zurüd. Sie ift die 
ältefte derartige Anftalt der Pfalz. 


„Obrenringe für Rehe“ ift nicht etwa 
Yägerlatein; jondern auf Anordnung aus 
Berlin ift an jämtliche deutſchen Forſtämter 


Unmeifung ergangen, jeder jungen Rehfig, 
die die Foritbeamten fangen fünnen, Obren- 
ringe, d. 5. Patentfnöpfe, auf die ver: 
ihiedene Buchſtaben und Zahlen gedrudt 
find, ın die Lauſcher (Ohren) zu drücken. 
E83 joll auf die Art und Weife eine Sons 
trolle ermöglicht werden, wie meit Rebe 
von ihrem Geburtsort wechſeln, mas ſich 
beim Abſchluß ja herausitellt. 


Korbinduftrie. Schon feit langem iſt die 
Korbinduftrie einer der Haupterwerbözweige 
des 1800 Einm. zählenden Ortes Eteinfeld, 
Bornehmlih werden Rohrförbe angefertigt. 
Es find dies in der Hauptſache ſtarke Körbe 
aus Meerrohr für Eijenbahn,, Induſtrie— 
und militärifche Zwede. So erfolgen zum 
Beilpiel regelmäßig größere Lieferungen an 
die Spandauer Artilleriewerfftätte. Dort: 
hin werden Körbe zum PBerpadfen von 
Artilleriegeichoffen gejandt. Die Weiden- 
fultur bat in neuerer Zeit fräftig ein— 
gefeßt und fich als lohnend erwiefen. Das 
zur Verarbeitung fommende Meerrohr 
fommt von Indien und China nach den 
europäischen Hafenplätzen. Es mird in 
Hamburg, Bremen, Brüffel zc., mo fid 
größere Nohrfabrifen befinden, gereinigt 
und zum Teil geipalten. Yn hunderten 
von Sorten geht es dann an die Storb: 
und Rohrmöbelfabrifen weiter. Fabrifation 
und Rohrgroßhandel liegen faft ausſchließ 
lid ın den Händen größerer Gefellfchaften. 

Ohne Sarg und Stlang ift am 1. Mai 
nachmittags die „Garnifon Raiferslantern“ 
unter ftrömendem Wegen, als mollte 
Lutrina ihr eine Träne nachweinen, abge- 
zogen. Die Inſaſſen des Zuchthauſes waren 
zum größten Teile jchon von hier fortgebradht. 


In dem alten Gemäuer, das die Mar 
burg umgibt, wurden Gnde April zwei 


Ziunbeter aufgefunden, welche die Gravie 
rung „22. Mai 1832” zeigten. Ein eben- 
folder Becher murde aud im vorigen 
Fahre gefunden, E83 handelt fih um jehr 
intereflante Erinnerungsſtücke an die be 
fannte politiihe Bolksverfammlung, das 
„Hambacher Felt”. 


Ein großer Wallermangel macht ſich 
in dem jo wajjerreihen Freinsheim ſeit 
einiger Zeit an verſchiedenen Stellen be 


merfbar. Der „Bachbrunnen“, der früher 
ftündlich mehr als 20 Fuder Wafler 
lieferte, läuft fo spärlich, daß man 


längere Zeit warten muß, um einen Eimer 
voll Waſſer zu erhalten. Das Waller, das 
aus den vier Röhren früher äußerit ſtark 
lief, fommt jegt nur nod aus 2 Röhren. 
Woher diefer Waflermangel fommt, iſt 
vorerst ein Rätſel. Auch an anderen 
laufenden Brunnen madt fi) der gleiche 
Mangel bemerkbar. Hoffentlich  mwır“ 
er dur die Errichtung einer Wajjer- 
leitung bald bejeitigt. 


Nochmals die Herenriuge don Peters: 
bächel. Auf S. 67 babe ich über diefe 
bei uns jelten beobachtete und nod nicht 
einwandfreie erklärte Ericheinung berichtet. 
Wer fi für die Frage ihrer Entftehung ac. 
näher interejliert, findet darüber weitere 
Literaturnachrichten an folgenden Stellen: 
Kosmos, Handweiſer für Naturfreunde, 
Stuttgart, Frandh: 1906, Bd. III, Heft 12 
©. 384; 1907, Bd. IV, Heft 1 ©. 24; 
1909, Bd. VI, Heft 7 ©. 223 - 224, uls 
weitere Literatur mird dort angegeben: 
Dr. € Budde, Naturmwilfenjchaftliche 
Blaudereien, 7. Aufl., Berlin, ©. Reimer 
und Wurm, Waldgeheimniffe. 

Dr. Häberle. 





Indalt: Eine Ausftellung bayertfchen Porzellans. — Abbe Richards Tätigkeit in der Pfalz 
al8 Duellenfucher, aber ohne Wünfchelrute. — Der „Mainzer Brunnen” auf dem tertlären Ab— 
lagerungen am Dachsberg bei Göllheim. — Kurfürſtliche Seldenzudt. — Pfälziſche Bolls— 


berfammlungsorte in alter umb neuer 


as — Die Freifhärler-Fahne von 1849. — Ueber bie 


Spuren alter DQuedfilberwerfe bei Münjterappel. — Geologifches. — Berkehrsweſen in der Pfalz. 


— Elektriſche Anlagen. -— Die oberbayeriiche Kohle — eine Braunkohle — 
Beeren-Pflanzungen. — Die Säugetiere des deutſchen Waldes. -- 


Badifhe Heimat. — 
Bu Adolf von Naſſaus Tod. 


Zwel Königswitwen (Gedichte). — Ornitbologifches. — Kleine Mitteilungen. 





Schriftleiter: Lehrer Ph- Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich. 
(Unverlangte Manuftripte werden nicht gurüdgefandt.) 


te „Blälziiche Heimatkunde“ koflet jährlich in 12 Heften ME. 2.50. Behellungen werben von allen Buchhandlungen und 
Boftanflalten ferner vom Berlener (Bortofreie Streifbandiendurg) angenommen. 


V. Jahrgang. 


August 1909. 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 





Alte Eifengruben bei Waldmohr u. a. ©. 


An den Prähiſtoriſchen Blättern hat 
Herr Dr. ©. Mehlis über die Aufdeckung 
von primitiven Schmelzöfen!) beim Eichel: 
jcheiderhof berichtet und als Gemwinnungs* 
ort des Rohmateriald die Brauneifenftein 
lager im benachbarten Spiegelwald und am 
Stellmeg vermutet. Auch auf ähnliche 
Borfommnifje im oberen Kuhwald und in 
Muh! zwifchen Waldmohr und ac | 
machte er aufmerkſam. Tatſächlich a | 
fih in diefer Gegend nach urfundlichen Be- 
richten?) jogar noh im 16. Jahrhundert 
eine Eifengrube. Sie lag unmeit der Stelle, 
wo die Gemarfungen von Sleinottweiler, 
Jãgersburg und Waldmohr zuſammenſtoßen 
und in der Nähe des von Kleinottweiler 
nach Waldmohr führenden Weges, aber noch 
im Bann der letzteren Gemeinde. Für 
einen Ortskundigen wird es nach dieſer 
Beſchreibung leicht möglich ſein die be— 
treffende Stelle wiederzufinden. Überall 
ſind hier in den bis Kübelberg und zum 
Fuchsberg oberhalb Waldmohr über das 
Oberkarbon transgredierenden Schichten des 


) Eiſenſchmelzen der Vorzeit. Mit einer 
Abbildung Präaͤhiſtoxiſche Blätter 18. Jahrg. 
1906, Münden ©. 87—88. 

) Smeibrüden Oberamte Bannbuh dom 
Sabre 1547, — ———— v. L. Kampfmann. 
Heft IV d Mitt. d. hiſt. Ver. d. Mediomatrifer 
1908 ©. 41 u. 62. 








| 


Buntjandfteins zahlreiche Eiſenſchwarten 
eingelagert. Auch an anderen Stellen 
durchziehen braune oder rote Eandeilen- 
fteine und riefen früher an verichiedenen 
Drten der Pfalz eine blühende Eiſen— 
induftrie ins Leben. ch erinnere hier an 
die längft verlaffenen Eiſengruben bei den 
Erzhütten bei SKaiferslautern, bei Alt 
leiningen, Wattenheim, Eijenberg, und im 
Stumpfmwald, an welche fich ebenfalls eine 
uralte Induſtrie knüpft,“) ferner an die 
bei Niederauerbah und Großfteinhaufen. 
Auh am Eifenftein bei Ktirchheimbolanden 
und im Langental bei Imsbach wurde früher 
Eifen gegraben. Über den an der Peternell, 
beı Erlenbach, Niederſchlettenbach und Not» 
mweiler betriebenen Bergbau auf Brauneifen« 
erz, das dort meift auf lüften und Gängen 
des WBuntjandfteind vorkommt, haben wir 
bereitö 1909 ©. 13—14 berichtet. 

Es dürfte ſich tatjächlich verlohnen, 
einmal den Spuren des früher jo ausger 
dehnten pfälziſchen Bergbaues nachzugehen. 
Schon Pfarrer Lehmann jcheint fih nad) 
jeinen Vorarbeiten mit dem Gedanfen ge- 
tragen zu haben, ohne ihn jedoch zur Aus- 
führung zu bringen. Dr. Häberte. 


2) Wal. — Lein. Geſch. Bl. 1906 ©. 34 
u. 1907 ©. 90; Nordpf. Geſch. Bi. 1906 ©. 2; 


— — — — — —— —s« —— — 0 


— —— 


Heimiſche Banweiſe. 


Ein Leſer ſchreibt in den M. N. N.: Feldkreuze zerbröckeln und einſinken in den 
An die trefflichen Ausſührungen über dieſes mitleidigen Boden. Auch Gutsbeſitzer können 
Thema, die in der Kunſtchronik des Bor: durch gutes Beiſpiel wirken, wenn fie vor 
abendblattes vom 9. Januar enthalten find, | allem den eigenen Herrenfig, wenn er aus 
wird jeder Freund des Heimatichuges den | früheren Jahrhunderten ftammt, in dieſem 
Wunſch fnüpfen, daß fie au in Bayern, | Charafter erhalten, Aufbauten und Erfer 
bejonders in den an Sadjen grenzen» | in Fachwerk im gleichen Material erneuern 
den Gebieten, Beachtung finden. m | anftatt es verfchwinden oder durch verpußte 
den benachbarten ſächſiſchen Herzogtümern, Badjteinbauten erfegen zu laffen. Wenn 
befonders in Sachſen Meiningen, findet man | man aber am Rande eines fränfifchen Dorfes 
in zahlreihen Orten die Beugniffe von der | eine moderne Billa im Dresdner Kommerzien- 
Pflege der heimatlihen Baumeije. Das | ratftil binfegt, ftatt eines Herrenhauſes 
Sntereffe, daß der funftfinnige Herzog Georg | mit Giebel oder Fachwerkaufſatz, dann wird 
diefem Gegenſtande zumendet, erfennt man | freilich jeder Bauer glauben, er müſſe auch 
an den ftilgerechten Bauten der herzoglichen | fein altes Fachwerk baldigit verichwinden 
Domänenhöfe und Yöritereien, an Sirchen- | laffen und verpugen. Was die Auf: 
und Schulbauten. In einem großen Staate | munterung der ländlihen Bevölkerung 
fann natürlich von einer derartigen Ein- zur heimiſchen Bauweije anlangt, jo wäre 
flußnahme feine Rede fein, und es it Sade | fie natürlid am wirffamiten, wenn man 
der Sreisregierungen und einfchlägiger Ber- | zu jeder ftilgerechten Neuerung oder Reno 
einigungen, dem gleichen Ziele zuzuftreben. | vierung eine Beilteuer in Geld leiſten 
Die breiten Maſſen der Yandbevölferung | würde. Da dies aber ganz bedeutende 
zu gewinnen, wird wohl am ficheriten er- | Mittel fordern würde, die gar nicht zu be: 
reiht werden durh Beispiel und Auf: ſchaffen find, ift es ausgejchloffen. Aber man 
munterung. Das erite müfjen die Be- | fünnte doc) wenigftens Brämien ausjegen, 
hörden und die Großgrundbefiger geben, | ähnlich, wie es durc die Vereine zur Er— 
die legte wäre Sache der einichlägigen Ber- | haltung der Bolfstrachten geſchieht. Es 
eine (für Heimatfchug, Heimatkunde ufw.). | würden da jchon verhältnismäßig geringe 
Umtsgebäude, Schulen, Dijtrifts- | Beträge genügen. Sicher wäre es ein An- 
franfenhäujer müßten vorbildlih in | fporn für viele Bauluftige, denen es bald 
traditionell ortsübliher Bauart ausgeführt | nicht nur um die Prämie zu tun wäre, jondern 
werden. Zur Zeit werden in Franken 3. B. | um den Stolz, ein mufterhaftes Haus zu 
in Ortichaften, wo fich erfreulichermweije der | bejigen. Sobald nur in jedem Bezirfsamt 
heimische TFachwerfbau nod gut erhalten | einige folder Bauten entjtänden, würden 
hat, Schulgebäude errichtet im nüchternften | fie nahgeahmt und der Erfolg nicht aus- 
Borortitil mit Arelierfenftern, deren Scheiben | bleiben. Auch müßten die Baubehörden bei 
6 ME. koſten, fo daß bei einem Hagelmetter | eingereichten Plänen nücterner Neubauten 
der Bürgermeifter fih mehr um die Schul» es verjuchen, die Bauluftigungen zur Ab— 
fenster ſorgt, als um feine Ernte. Die |; änderung im Heimatsſtil zu bereden und 
Behörden jehen ruhig zu, wie alte Kirchen- diefe Planänderungen (natürlih nur der 
mauern aus Bruchfteinen unter einem Ber: | Faffaden) dann gratis anbieten. B. B. 
putz verichwinden, wie „Marterln“ und 








Die Auerhahnbalz im Bfälzerwald, 


(Köln. Zeitung aus der Pfalz.) An | jauchzende ?Flötenlieder aus dem jungen 
der Haardt ift emdlih der Frühling ein: | Fichtenſchlag. Das Leben ift erwacht in 
gezogen. Ihn fünden die purpurroten | den dunflen Waldtälern und mit ihm ent: 
Blüten der Mandelhaine, die gelben Brimel | züdend dus taufendfältige Liebesleben der 
an den fonnigen Hängen und der Drofjel | Tierwelt, Wohl ift auch aus dem Bfälzer- 


wald die hohe Jagd mit Hirich, Wolf und 
Wildeber verſchwunden, zu Sagen geworden 
find die Erzählungen, dab einſtmals mäd)- 
tige Kaiſer hier glänzende Jagden gehalten, 
und wie ein Märchen klingt es von Bar- 
barofjas Jägerhaus in dieſen Mevieren, 
Aber noch kommt das fcheue Reh auf die 
einfamen Bufchmwiefen, Reinede, der gelbe 
Räuber, fchleiht durchs Didiht, und der 
gewaltige „Tetraon”, der Urhahn, bat auf 
den Kuppen der Haardt jein Standquartier. 
Wenn man durh das Tal der Iſenach 
wandert und von der breiten Heerftraße, 
melde ins Elſaß führt, abbiegt in Die 
Schluchten. die nach den Hohbergen, nad) 
dem ſagenhaften Dracenfels, dem kelto— 
gälifchen Drumdenhain leiten, dann umfängt 
den Wanderer ein wilder herrlicher Forit. 
Es ift das ureigenfte Gebiet des „Jägers 
aus Kurpfalz”. Dort liegen die Trümmer 
des Jagdhauſes „Schaudichnichtum“, in der 
Nähe auf einer Hochwieſe das romantiſche 
Sommerſchlößchen „Kehrdichannichts“ und 
unweit davon der alte Trutzturm „Murr— 
mirnichtviel“. Sie find geblieben, die alten 
Namen aus der Banffehde des Leiningiſchen 
und Eurpfälziihen Jägervölkchens, und in 
diefen Revieren um die verfallenen Säger- 
bäufer treibt heute noch der König dieſer 
Wälder, der Auerhahn, fein Wejen. Nun 
ift die Beit, wo die Hähne ſchon verhört 
find, wo der ftolze jcheue Vogel im Taumel 
der Liebesluft dem tötlihen Blei zum Opfer 
fällt. Gleich nach Mitternacht brechen die 


Jäger von Haufe auf. Stundenlang führt | 


der Weg durch die Waldtäler und über 
fteile Höhen, über die fich das tiefe Schweigen 


9 


der Nacht breitet. Nichts regt fich, nur in 
den fernen Jägerhäuſern bellt ab und zu 
ein wachſamer Dadel verloren in die Finfter- 
nis hinaus, und das Käuzchen bollert durch 
den Wald. Grotesfe Schatten wirft das 
ihmwanfende Laternenliht auf die Pfade, 
die ſich durchs Heidefraut ins Dickicht ver- 
lieren. Nah ftundenlanger Wanderung 
endlich auf der Höhe Drüben im Dften 
heben fi über die Rheinebene purpurrote 
Lichtitreifen, und ein leifer Hauch der 
Morgendämmerung zieht über die Wälder. 
Eine Schnepfe ftreicht balzend vorüber, und 
in den Wipfeln der Stiefern ftimmt die 
Drofjel träumerifche Strophen ihres Morgen» 
lieded an. Die ſchußfertige Büchfe im Arm, 
barren die Jäger des eriten Balzlautes des 
Hahns zum Anfprung. Da, in furzer Ent- 
fernung, ein fchnalzender, fnappender, 
ichleifender Ton. Drüben auf einer hoben, 
balbdürren Fichte hebt fih ein dunfler 
Segenitand, der fich fchwanfend hin und 
her bewegt, gegen den Morgenhimmel ab. 
Kein Zweifel, er ift es, der Gebieter diejer 
Wälder, der königliche Vogel des Gebirges. 
Ein Ruf, das Gewehr fliegt an die Baden, 
ein Knall, der fi donnernd in taujend- 
fahem Widerhall in den Bergen bricht, 
und jchwer fällt der Vogel aus der Höhe 
herab. Ein Knacken und Sniftern der nadı- 
gebenden Zweige, und alles ift ftill, Drüben 
über der Rheinebene hebt fi der Sonnen- ' 
ball blutrot über den Horizont. Der 


; Morgen erwacht, aber der König diejes 


Neviers ift tot, fein legter Gruß flog der 
Sonne entgegen. 





Ber Kuckucksruf 


ift im verichiedenen Gegenden verichieden. 
Der gemwöhnlihe Kududsruf, jo leſen wir 
im Türmer (Herausgeber Freiherr von 
Grotthuß), geht in der Fleinen Terz. So 
rufen auch die meiften Kuckucke in unſerem 
mitteldeutjchen Land, ebenjo auch am ganzen 
Nheinlauf hin, Daneben ruft aber eine 
große Anzahl in der großen Terz. Es ift 
dies charafteriftiich, auffallend, aber jeden- 
falls pofitiv ſicher feitgeftellt. Die Terzen 
jelbft, ob groß oder Eleın, find vollkommen 
eraft. Es gibt aljo Dur- und Mollkuckucke. 





Die große Terz, übrigens auch der Ton- 
ſchritt des Komponiſtenkuckucks, klingt 
melancholiſcher, als die friſche, fröhliche 
Kleinterz. Etwa ein Viertel aller Vögel 
läßt ſie erſchallen. Es gibt aber auch 
ſolche Kuckucke, die ihren Ruf in noch an- 
deren Tonſchritten erklingen laſſen, nämlich 
in der Quart und großen Sekunde. Im 
Mainzer Becken iſt es faſt regelmäßig das 
eingeſtrichene e, auf das der Vogel mit 
bewunderungswürdiger Sicherheit einfegt; 
deögleihen im Schwarzwald in der Gegend 


um Baden-Baden, in den Forſten des 
Teutoburger Waldes; es gibt aber aud 
Gegenden, wo der Nadbarton es als eriter 
Ton nicht jelten angetroffen wird, fo in 
einem beitimmten Odenwaldtälchen von 
etlihen Bögeln. Im Mainzer Beden er: 
ichallt die normale Kleinterz, fie jegt prompt 
mit e (dem eingeftrichenen) ein und ift von 
abfoluter Tonreinheit. 

Die Kuckucksrufe im Land an der mitt» 
leren Elbe, aljo etwa in der Gegend 
Magdeburg Halle, haben eine andere Ton- 
lage — mwenigftens hatten fie das vor 100 
Hahren, zur Zeit Naumanns, und haben 
es wohl auch heute noch. Der größte und 
bedeutendfte Drnitholog nicht nur Deutfch- 
lands, jondern der ganzen Welt, der ganz 
unbedingt fihere Naumann, gibt für die 
bezeichnete Gegend, jeine Heimat, als erften 
Ton Fis an und er jagt: Auf der gemwöhn: 
fihen Flöte, womit man ihn täuschend nad): 
ahmen kann, find es die Töne fis und d 
in der mittleren (eingeitrichenen) Dftave 
und fie tönen jo laut, daß man bei ftillem 
Wetter den Kuckuck mohl eine halbe Stunde 
weit rufen hört. Man könnte nun vielleicht 
meinen, daß die e—c-Bögel und e— cis: 
Bögel auch mit es anfangen könnten. Es 
wäre ja denkbar, daR z.B. Ermüdung zum 


Detonieren veranlaßt. Aber dies ift tat- 
jächli nicht der Fall. Die tiefere Stim- 
mung in es wird jchon am frühen Morgen 
gehört und fonftant bei denjelben Vögeln. 
Alzu häufiges Rufen macht den Bogel 
ichließlich heifer, ändert aber nicht die Ton: 


‚ höhe ab. (Seit Jahren fällt in der nächſten 


Umgebung von Landſtuhl das Intervall 


: es—e auf, welches jo jehr die Regel ift, 


dab neulih eine Kududsantwort mit 
gis—e (!) lebhafte Aufmerkſamkeit erregte. 
D. Schr.) 

Es fcheint zweifellos, daß jede Kuckucks 
mutter ihre Rufart auf ihre Jungen fort- 
erbt. Und daß gerade in der Rhein Main— 
gegend e: und es⸗, Dur- und Moll-, Sefund» 
und Quartfudfudfe zujammenftoßen, erklärt 
ih wohl daraus, daß die veridhiedenften 
Terrainarten, die laubwaldbededten Berg: 
rüdfen des Taunus, die nadelwaldbededten 
des Speljarts, die jtillen Waldtäler des 
Odenwalds, das ebene Gartengelände der 
Wetterau, die Wiejen und Aderlandichaften 
Starfenburgs, das mellige Rebhügelland 
Kheinheflend am Rhein-Main zujammen- 
ftoßen und damit eben auch verichieden ge: 
artete Wald- und Feldkuckucke mit jpezifiich 
verschiedenem Ruf. 


Glühwürmchen. 


Wir leben jetzt in der Jahreszeit, wo | fäfer, den Telephoriden, und bei der Gruppe 
die Glühwürmchen ihre höchſte Pracht ent- | der Schmiede, die wegen ihrer Gejchicklich 


falten. Der Techniker fieht mit Neid auf 
diefe Fleinen Xiere, denn ihnen ift von 
Mutter Natur gegeben, was dem menjcd- 
lihen Erfindungsgeiſt in langer Arbeit und 
fogar mit Hilfe der modernen techniichen 
Hilfsmittel nicht gelungen ift, nämlicd die 
Erzeugung eines Ydeallichtes, dad nur 
leudtet und nicht wärmt, ſodaß 
feine Kraft verichwendet wird. Die Leudt- 
fäfer gehören zu drei verjchiedenen Gruppen. 
Um befannteften ift unter ihnen die der 
Lamppriden, zu der das große und Fleine 
Johanniswürmchen (Lampyris) gehört. 
Diefe Familie hat gleichzeitig auch die 
zahlreichiten Gattungen, die mit Leucht— 
vermögen begabt find und wohl über ein 
Dugend zählen. Seltener ift diefe Eıgen- 
fchaft bei einer anderen Familie der Weich— 





keit, fi) aus der Rüdenlage emporzufchnellen 
und jo wieder auf die Beine zu kommen, 
eine große Beliebtheit erlangt haben und 
aus diefem Grunde auch als Scnellfäfer 
bezeichnet werden. Die Naturforihung bat 
gezeigt, daß die Leuchtorgane bei dieſen 
verjchiedenen Käfern nicht immer dieſelbe 
Ausgeftaltung befigen; bei den Scnell- 
fäfern, zu denen einer der berühmteften 
Leuchtfäfer der Erde, der namentlich ſchon 
von Humboldt beobadtete Kocuju, mit 
wilfenfchaftlihem Namen Pyrophorus nocti- 
lucus, in Südamerifa gehört, liegt der Leucht- 
apparat auf der Oberjeite der Bruftenge 
und beſteht gleihjam aus drei Herden, von 
denen zwei vundlich ovale, jeitliche und nad 
dem Tode des Tieres als zwei gelbliche 
Flecken ericheinen, während der dritte in 


der Mitte erglänzt. Bei den Lampyriden 
und Telephoriden, aljo unjern Glühwürmchen 
und Weichkäfern, ift das phosphoreszierende 
Drgan dagegen an der Unterſeite des Unter: 
leib8 gelegen, und erftrect ſich dort in der 
Geſtalt von Punkten oder Duerbändern 
über die zwei oder drei vorlegten Abjchnitte. 
Acloque erinnert im ſosmos daran, daß 
übrigens fchon alte Naturforjcher das Leuchten 
bei einzelnen Inſekten beobachtet haben, jo 
namentlih aud an einem Mitglied der 
durh das alte Aegypten fo body berühmt 
gewordenen Käfergattung Scarabäus. In 
der Neuzeit hat dann eine Reihe der an- 
gefehenften Naturforjcher die Erforichung 
der Leuchtfäfer weiter fortgeführt. Man 
weiß jeßt, daß beim Glühwürmchen die 
Drüfen, aus denen der Zeuchtitoff abgejondert 
wird, aus zwei verfcicdenen Bellichichten 
beftehen, die ihre befonderen Aufgaben haben. 
Trotzdem aber auch die Chemie herangezogen 
worden ift und auch einige Aufflärung über 
die Beichaffenheit der von den Drüfen ge: 
lieferten Ausſcheidungen herbeigeführt hat, 
ift man doc nocd weit davon entiernt, 
jagen zu wollen, daß fich das Nätjel diejes 
fonderbaren Naturlihts dem menjclichen 


93 


1 
ı 


Scharffinn völlig enthüllt habe. Die Be- 
obachtungen haben auch gezeigt, daB die 
Leuchtkraft in gewiſſem Grade unter der 
Willkür der Käfer fteht, die fie verſtärken, 
abſchwächen oder fogar nad) Belieben ganz 
unterdrücden können, Gibt das Inſekt ſich 
kräftigen Anftrengungen hin, jo wird das 
Licht gemöhnlid; glänzender. Gejchieht dies 
Leuchten audy ohne Wärmeentwidelung, jo 
ift doch für fein Zuftandefommen eine ge 
wiſſe Wärme nötig. Eine Temperatur bis 
zu 50 Grad fcheint dem Käfer für feine 
Lichtentwidelung am zuträglihften zu fein, 
während diefe bei jtarfer Abkühlung immer 
weiter abnimmt und bei — 12 Grad ganz 
aufhört. Befonders merkwürdig ift der 
Nachweis, daß man nad; dem Tode des 
Stäfers die Leuchtdrüfen nochmals ins Glühen 
verfegen fann, wenn das tote Inſekt in eine 
Miihung von warmem Wafler, Del und 
Alkohol gebraht wird. Die eigentliche 
Entitehung des Leuchtens joll nad den 
neueften Forfchungen von Dubois zwei be 
jonderen chemiſchen Stoffen zuzufchreiben 
fein, die als Luciferin und Yuciferaje be» 
zeichnet worden find. 


Meiße, gelbe, rote"und ſchwarze Anoblandykröten. 


Die Knoblauch oder Wafjerfröte (Pelo- 
bates fuscus), ein in gan; Bentraleuropa 
verbreitete Tier, trägt ein recht unjchein 
bares Kleid; fie ift oben ihmußiggrau mit 
brauren oder jchwärzlichen Flecken; Fleinere, 
verihwommen rötliche Flecken find über die 
Seiten verteilt; der Bauch ift unrein weiß 
bis leichenfarbig. Es ift intereffant, daß 
diefe natürlichen Farben (ähnlich wie die 
pflanzlider Gewächſe) auf erperimentellem 
Wege vollitändig verändert werden fünnen. 
Wie Buftad Tornier (Berlin) in dem jo- 
eben erjchienenen 9.10. Heft des „Zoo— 
logiſchen Anzeigers“ mitteilt, ift es ihm 
gelungen, eine Methode auszubilden, durch 
die es möglich wird, je nah Belieben 
weiße, gelbe, rote, graue und nahezu ſchwarze 
Senoblauchkröten zu züchten, fo daß man 
alfo faft alle Farbenvarietäten erhält, die 
überhaupt denkbar find. Die gemünfchten 
Umfärbungen erreiht Tornier durch ver: 
jchiedene Fütterung der eben ausgefrochenen 





Krötenlarven. Bei rein pflanzlider Nah— 
rung iſt es nicht möglich, die jungen im 
der freien Natur an gemijchtes Futter 
(Algen und tieriſche Stoffe) gewöhnten 
Tiere am Leben zu erhalten; mwerden aber 
die eben aus dem Ei gefommenen Larven 
mit Fadenalgen und Fleiſch jo lange ger 
füttert, bis die Hinterbeine entwickelt find, 
und von nun an nur noch mit jo viel 
Fleiſchkoſt aufgezogen, al im Minimum 
zu ihrer Ummandlung in Bollfröiche nötig 
ift, jo befommen fie bald eine rein glafige, 
blaß-zitronengelbe Haut und behalten diefe 
albinotiſche Hautfärbung auch nach ihrer 
Ummandlung in Bollfröfche bei. Bei mittel» 
ftarfer Fleijchfütterung in Algentöpfen bins 
gegen nimmt die Haut die intenfiv gelbe 
Farbe von Apfelfinenfchalen an; aus folchen 
Larven gehen Volltiere mit einer Oberjeiten- 
färbung in ſtark leuchtendem Binnoberrot 
hervor; noch reichlichere Fleiſchnahrung end» 
lich ergab faft rein graue und reine Fleifch- 


sasırıq saltız suitsurmen Amar Brdeen- Verses, de file eeer Airischrung 
keıs Braten mem cm Parsericeeet de rei iszeriäumerz getirte waren, durdg Ber- 
Grsiierigsmrie high, is tr fe m rtelong ge temer Blseeecheeng innerhalb 
Perser Zerr va bar maurm Mabrurg vcyern oft ieh eier Ice = grangeide Tiere zu 
une grchere Caztirtkees en. &: geisn verwazdeiz, Ir igäter rem grame Belltiere 
es be; eimeie, trewerl erwotime ersıten. 


„Die bayerilhe Schildkröte.“ 


Zus Dieken wird ber „Art. Zeg.“ „Eimys europea*, bie eurortiide Zeid- 
griärseben: „in der Agl. Allerbögiten ichtlofröte eberiower:g berwiidh wie etwa 
Bersrbn ira vom 19. Mär; 1909, welde die die „Boa Constrietor* o®er der „Megaloba- 
erſten Aut’ührungsbeltimmungen über den trachos maximus*. der vielleicht einmal 
Kollsug 54 neuen bayerischen Fücheren in eırem modernen jaraniſchen Fiſcherei 
gelegen a enthalt, lautet $ 1, Gegenhände geieg mit Recht erwähnt werden fann. 
bes Fiſchererrechia. Auher dem Fiſchen und? Warum, frägt man Ah, ſteht aber die 
Sirebien ſind Gegenſtand bes Fiſchereirechts Schildfröte, übrigens ein ummügliches, eber 
bie Shilbfröten — Daß der erite ſchädliches Reptil, dennoh im Bauweriſchen 
Paragraph einer Bollzugsverordnung mit Geſetz, und Berordnungsblatt, und jogar 
„außer“ beginnt, foll nicht Eritifiert werden. unter & 1, der die Fiſche und Krebſe nur 
Das fogenannte YJuriftendeutih ift ja be nebenſächlich als Gegenitände des Fiſcherei 
kannt und geſchätzt. Es handelt ſich auch rechts erwähnt? Ich babe mich bei vielen 
weniger um bie Inliftiiche Form al& um Juriſten erfundigt. Leider vergeblid. Bom 
ben „Inhalt, in welchem die Scildfröten | jüngften Redtspraftifanten bi$ zum älteften 
als ZGubjelt einigermaßen befremdend wirken. | Oberregierungsrat zuckt jeder die Achfeln 
Denn eine Schllökröte kommt nad Brehm | und verweigert hartnädig die Auskunft. 
und anderen naturmiffenichaftlihen Kapa: | Ih habe mich zuerit darüber geärgert. 
jitäten innerhalb der weiß blauen Grenz: | Auch anderen guten Staatsbürgern mag 
plähle nidyt vor; mwenigftens nicht „mild“, es fo ergangen fein. Schließlich aber findet 
dafür vielleiht in manden Aquarien und | man fih mit der Tatſache ab, daß dieſes 
Terrarien, die aber im Kigl. Baperifchen | Tier nun mwenigftens im Geſetz vorfommt, 
Fiſchereigeſetz ſelbſt nicht einmal unter den | daß unjere Fauna menigitens um eın 
Begriffen von „Ainftlih angelegten Fiſche ſchwarz auf weiß gedrudtes Fabeltier be- 
teichen und Fiſchbehültern“ erwähnt werden, | reichert wurde. — W.“ 

mi einem Worte: in Bayern ift Die 


Mon der Biene. 


Der Orteſtun der Bienen. Gafton | ihrem Stock zurück; überdies ift das Bienen— 
Vonnier, einer der befannteiten frangöfiichen | auge nicht zu bejonderen Sehleiftungen be: 
Naturloricher, hat jlngft Unterfuchungen | fähigt. 

Über den Ortsſinn der Bienen angeltellt, Innerhalb eines Kreiſes von zwei bis 
deren Orgebniffe er in den „Annales“ ver- | drei Stilometer Radius findet eine Biene 
Öffentliht, Dan batte bisher viellah an» | mit unfebhlbarer Sicherheit ihren Stod 
genommen, daf die aufanmmmengejegten Augen | wieder, auch wenn man fie in einen ver- 
der Bienen bei ihrer rätielhaften Fähigkeit, | fchloffenen Kaften befördert hat. Das Selt 
aus großen Entfernungen ihren Stod wieder | ſame bei dem DOrtsfinne der Bienen ift 
sufinden, eine weientlihe Rolle fpielten; | nun, daß die Biene nicht etwa ihren Stod, 
dies dit beſtimmt micht der Fall, denn auch | fondern nur den Ort, wo diejer geſtanden 
gehlendere Bienen fliegen aus großer | hat, wiederfindet; entfernt man den Bienen: 
Entfernung in fchnurgerader Richtung nach | korb auch nur um wenige Meter, fo jammeln 








Er — 


ih die Bienen an dem alten Ort an. | bilden, find daran unbeteiligt, wie Bonnier 
Bonnier hat feftgeftellt, daß die Bienen | angibt, denn fühlerlofe Bienen haben 
auch bei der Nahrungsjuche ähnlich ver- | diejelbe Fähigkeit, ihren Stod wiederzufinden, 
fahren. Etwa 200 Meter von einem | wıe normale. Bonnier vermutet, der Drts« 
Bienenftof brachte er einen Reifigbaufen | finn habe jeinen Sitz in den Ganglıenfnoten 
an, der mit Sirup beitrichen murde; | des Stopfes, die dem Gehirn höherer Tiere 
Ihwärmende Bienen entdedten ihn bald | entiprecdhen. 
und zwiichen dem Stock und dem Reifig: Bienenzudt in Oftafrifa. In unjerer 
haufen entmwidelte fih ein lebhaftes Hin | ojtafrifanifhen Kolonie ift die Bienenzudt 
und Her der Bienen, die den Sırup ihrem | im allgemeinen ſehr gewinnbringend. Die 
Stof zutrugen. Bonnier bezeichnete alle | Eingeborenen höhlen Abjchnitte von diden 
Bienen, die fih auf dem Reifighaufen | Stämmen aus und hängen fie in Bäume. 
niederließen, mit einem Farbftoff, um fie | Bald find dieje Stlogbauten "von Bienen: 
wiederzuerfennen. Am nächiten Tag fanden | jhwärmen bewohnt, die, weil e& in jenen 
fich die bezeichneten Bienen wieder an dem | Gegenden feinen Winter, wohl aber reiche 
Reifighaufen ein. Ein anderer, ebenfalls Tracht gibt, durchichnittlich alle drei Monate 
mit Sirup behandelter Reifighaufe, der nur | eın anjehnliches Quantum Honig und Wachs 
wenige Meter davon angebracht war, blieb | liefern. Die Ernte gejchieht in der Weile, 
von ihnen ganz unbeadtet, wurde aber | daß die Immen durch Rauch betäubt und 
bald von anderen Bienen aus demjelben | ihrer Produfte jchnell beraubt werden. Die 
Ktorbe ausfindig gemacht, die nun zwijchen | weißen Anfiedler haben fich meiftens. die- 
ihm und dem Stod verkehrten, Bonnier | jelbe Betriebsweile angeeignet. Die Zudt 
bezeichnete dieje mit einem anderen Farb | im Haken mit mobiler Einrichtung ift noch 
ftoffe, und nun ertwidelte fich das feltfame | wenig verbreitet, aber nach dem Gejagten 
Schauipiel, daß die beiden verichieden be- | überaus lohnend, Die afrikaniſche Biene 
zeichneten Bieneniharen von ihrem Stod | ift kleiner als die deutjche. Der von ihr 
aus zwei Wege nad) den beiden Neifig | aufgeipeicherte Honig zeigt eine ziemlich 
haufen einjchlugen, die unter einem ganz | dunkle Färbung, ift jehr ſüß, doch minder 
jpigen Winfel aufeinandertrafen, ohne daß | aromatıldy als der europäiſche. Nur wenig 
jemals eine Biene, die erft von dem eriten | davon wird exportiert. Das afrifanijche 
Reifighaufen Nahrung geholt hatte, dem | Wachs jchmilzt erft bei höheren Hitzegraden 
zweiten zuflog oder umgekehrt. als das unjerige und eignet ſich megen 
Der Ortsfinn der Biene arbeitet, hie» | feiner Feſtigkeit vorzüglich zur Herftellung 
nach zu jchließen, mit faft mathematischer ! von fünftlihen Waben. Aus vorftehender 
Genauigkeit. Wo er feinen Sig hat, ift | Schilderung ergibt fih, daß die rationelle 
zur Beit noch unbefannt Die Fühler, die Bienenzucht in unjeren oftafrifaniichen Be— 
den Sig des Taft- und Geruchvermögens | figungen vielleicht eine große Zukunft hat. 








Die Abſtammung und Heimat unferes Barkels 


ift eine Frage, die erft durch die Unter- | rörlichgelber Farbe, abftammt. Bon diefem 
ſuchungen C. Kellers und anderer Forjcher | ägyptiichen Windhund ftammen eine große 
einigermaßen geklärt worden tft. Der ; Anzahl Rafjen ab, die jämtlich ſchlank und 
lange, ichlanfe Leib, der feine, Kluge Kopf | hochbeinig find und fi Über die ganze 
mit den Hängeohren und dem fräftigen | Erde verbreitet haben. Der Tedel nun ift 
Gebiß, ſowie das glatte, ftraffe Haar fenn | allem Anjchein nad das Züchtungsproduft 
zeichnen unjern Waldmann als einen Ber- | einer altägyptijchen Modetorheit. Geradefo 
wandten des Windhundes, der jeinerjeit$ | wie vor etwa 40 Jahren eine Bwergform 
nicht auf dem einheimifchen europäischen | der großen Doggenarten, der Mopshund, 
Boden entftanden, fondern ein Kind des | in Mode kam, liebten die Aegypter eine 
jonnigen Südens ift und vom abejlinifchen | Zeitlang gewiſſe Windhunde, deren Glieder 
Wolf, einem mittelgroßen NRaubtier von | rhaditiiche VBerfümmerungen zeigten. Ya, 





diefe Verfümmerung, eine anfangs mohl 
rein pathologijche Ericheinung, wurde wahr» 
ſcheinlich auch fünftlich hervorgerufen, und 
zwar dadurd, daß den heranwachſenden 
jungen Tieren jeder Kalk in der Nahrung 
vorenthalten wurde; eine Folge davon war, 
daß die Knochen und die Gelenke weich 
blieben und fih unter dem Drud des 
wadjenden Körpers verbogen. In den 
Grabfammern von Benihaſſan findet fich 
eine Beichnung, die nachweift, da damals 
Ihon, aljo mehr als zwei Kahrtaufende 
vor der neuen Beitrechnung, ſolche Tedel 
in Aegypten gezüchtet wurden; allerdings 


96 


| 
| 
| 


fcheint damals die Raſſe noch verhältnis 
mäßig jung gewejen zu fein, denn die Ohren 
find wie bei ihren Stammeltern, den Wind. 
bunden, noch aufrecht. Obgleich unſer 
Dackel alſo urſprünglich von einer Eranf- 
haften Krüppelform abſtammt, die merk— 
würdigerweiſe beſtändig wurde und auf das 
ehrwürdige Alter von mehr als vier Jahr 
tauſenden zurückblickt, iſt er doch heute eine 
der feſteſten und beſtändigſten Hundearten; 
dank ſeiner liebenswürdigen Eigenſchaften 
hat der Dackel ganz beſonders das Herz 
des Menſchen zu finden verjtanden. 





Der — im Reichslande. 


Im Sundgau iſt eine große Treibjagd 
auf Wölfe abgehalten worden. Der Be— 
ſtand an Rehen und Haſen war im Juli 
1908 ſchon mehr als dezimiert, was er— 
fahrene Forſtmänner unverhohlen zugeſtehen, 
und die Bauern klagten wahrlich nicht über 
Hajenfraß an den Qurlipsädern, mie in 
anderen Jahren um dieje Zeit. Aus Ueber: 
ftraß und Largigen liefen newe Klagen ein, 
Der derer S. aus Merzen mollte Klee 
aufladen; da fam der Wolf, der es feinem 
Hündlein antun wollte. Der „Bello“ jprang 
raſch auf den Brückenwagen; in demjelben 
Augenblit jagte ein Haſe vorbei, einige 
gewaltige Sprünge und ©. ſah das Häs— 
lein ım Rachen des Wolfes. Der Ackerer 
St. aus riefen mähte früh Gras. Auf: 
fallend ängstlich fchlich fein Hiindlein an 
ihn heran, zwiſchen feine Füße; St. ſchrie 
aus Yeibesfräften, den Holzichuh als Sprach 
rohr benugend, dar man es im nahen Hind 
Lingen hören konnte: „der Wolf, der Wolf!”, 
der einige Schritte von ihm auf das Hünd— 
lein gelauert hatte. Der Uderer 9. von 
Dindlingen begegnete faum 10 Minuten 
öftlih vom Dorfe, beim Eipengraben, eben: 
falls einem jungen, faum einhalb Schuh 
hohen Wolfe, den er mit der Senje ver: 
folgte. Der Aderer ©. von Hindlingen 
ab, als er zum Mittageffen heimfehrte, 
den Wolf (deffen Fußipuren nicht jo groß 
waren, wie die eines anderen Wolfes) auf 
dem Hohlenwege liegen. Raſch ließ er den 
Förſter bemadır.chtigen, dem fich einige 


Männer und Burfchen mit Senſen und 
Gabeln anihloffen. Der Förfter gab einen 
Schuß ab, der Wolf machte einen Sprung 
in die Höhe, vermutlich an einem Dinter- 
beine geftreift umd eilte dem Walde zu. 
Aehnliche Beiipiele fünnten noch mehrere 
angegeben werden. In Bindlingen, mo 
man je ein Wolfspaar nebft Yungen im 
Oberfeld und im Niederfeld vermutet, ge 
traute fich feine Frau oder Rind auf die 
Wieſe oder den Ader. Der Hauptherd der 
Wölfe war ungmeifelhaft in den Wäldern 
öftlih von Hindlingen, wo bei Merzen, 
Füllern, gegen Carſpach, Hirtzbach und 
Largigen zu mehrere „Strache“, d. h. tıefe, 
dichtbewachſene Schluchten vorfommen, wo 
fie unzmeifelhaft ihr Hauptlager hatten. 
Auch in Ueberſtraß (Kreis Altfirh) war 
der Wolf gefehen worden und zwar mehr: 


‚ mals längs des Waldes und im Walde ar 


der franzöfiichen Grenze. Der Gaftwirt 
P. Eckenſchwiller, der 20 Minuten meftlich 


vom Dorfe neben der Wallfahrtskirche 
„Srünenmwald“ wohnt, verfolgte abends 
T'’e Uhr die Beftie, eine hochträchtige 


Wölfin, mit feinen zwei Söhnen mit Heu— 
gabeln. Der Förfter Balkinger aus Nieder: 
jept gab zwei Schüſſe auf das Tier ab, die 
fehlgingen wegen der zu großen Entfernung. 
Die Furdit unter den Einwohnern war jo 
groß, dab die Leute die unzähligen Erd— 
beeren und Himbeeren im Walde unbenügt 
verfaulen ließen. 


97 


Giftgefahr! 


Giftpflanzgen. In den kommenden Tagen 
wiederholen ſich, wie alljährlich, die Fälle 
ſtets von neuem, daß Kinder mit giftigen 
Pflanzen jpielen, Teile davon zerfalıen und 
verichluden. Da ein fchnelles Eingreifen 
jederzeit geboten iſt, jo feien für die ein- 
zelnen beimifchen Giftpflanzen die am 
leichteften zu erreichenden Gegenmittel mit: 
geteilt Da es am beiten ift, daß der 
Giftſtoff möglichit chnell aus dem Körper 
entfernt wird, jo empfiehlt es fich immer, 
einen Brechaft hervorzurufen, Man bewirkt 
ihn fehr einfah dadurd, daß man den 
Kindern den Finger weit in den Mund 
ftedt. Als Gegenmittel gegen die zurück— 
bleibenden BPflanzengiftitoffe gelten für 
Bilfenfraut Effig und Zitronenfäure mit 
Waſſer verdünnt; für Tollkirſche jchwarzer 
Kaffee oder Seifenmwafjer, wobei außerdem 
falte Umschläge auf den Kopf zu legen 
find; für Stechapfel Eſſig und Zitronen: 
fäure;; für Nachtichatten fohlenfaures Natron; 
für blauen Eijenhut Kaffee, Wein und Eſſig; 
für Schwarze Nießwurz außer fchwarzem 
Kaffee fette Dele. Ein Gegenmittel gegen 
den roten Fingerhut bilden Staffee, Eſſig, 
Bein und Werther. Dazu können alte 
Uebergießungen des Kopfes zur Anregung 
. borgenommen werden, Diefelben Mittel 
find bei Vergiftungen durch den gefledten 
Schierling anzuwenden. Das große, gelb- 
blühende Scöllfraut erfordert Kampher, 
während bei Wolfsmilh laue Milch oder 
auch Eſſig gute Dienfte leiftet. Bei Gift- 
lattig find Staffee und Pflanzenſäuren an« 
gebracht, und bei der Herbitzeitloje ift neben 
Eifig aud Honig zmweddienlih. Natürlich 
ift bei irgendwie bedrohlichen Erjcheinungen 
jofort zum Arzt zu fchiden, da es ih 
bei allen den empfohlenen Mitteln nur um 
eine einftweilige Entgegenwirkung gegen die 
einzelnen Giftjtoffe handeln fann. 


Erlennung gniftiger Pilze. Es dürfte 
angebracht fein, nachftehend ein einfaches 
Mittel zur Erkennung giftiger Pilze mit- 
zuteilen. Man kocht eine ganze Zwiebel 
mit den Pilzen; befindet fih auch nur ein 
giftiger Pilz darunter, jo wird die Zwiebel 
jo Schwarz, als wenn diejelbe in Tinte ge- 
gelegen hätte. Andernfalls, wenn fich alfo 


fein Giftpilz darunter befindet, erhält die 
Bmwiebel genau die Farbe der Pilze, 


Einer der aiftigiten Pilze ift der 
fsliegeupilz, welcher an feinem hochroten, 
mit weißen Punkten überjäten Hut leicht 
fenntlich ift. Er fühlt fich Elebrig an und 
das Innere des Stieles ift mit ipinnweb- 
artigem Mark erfüllt. in in Buden- 
wäldern häufig vorfommender Giftpilz ift 
der Pantherſchwamm, welcher dem Fyliegen- 
pilz sehr ähnlich fieht, nur ift Die Färbung 
des Huted ein wenig dunfler als bei lek- 
terem. Unter Birfen mwädft häufig der 
Birfenreizfer, welcher nicht mit dem eßbaren 
Eierſchwamm zu verwechſeln ift, doch kann 
man ihn durch jeinen behaarten Rand leicht 
erfennen. Gin der genießbaren Spigmordel 
ähnlicher Giftpilz ift die Gift- und Stink 
morchel, welche fih im Anfangsftadium in 
einer ſchmutzig gelben Hülle befindet und 
durch ihren widerlichen Geruch leicht kennt— 
lih ift. Der Saupilz oder Hexenſchwamm, 
welcher dem Steinpilz ähnlich fieht, ift 
daran zu erfennen, daß er beim Durd- 
ichneiden blau anläuft. Der Speiteufel 
mit feinem roten, gelben oder auch glänzend 
weißen Hute ijt mit einem ablösbaren, 
ichleimigen Häutchen überzogen und ſchwer 
erkennbar. Gin außerordentlich giftiger 
Schwamm ift ferner der Stnollenblätter- 
ihwamm, welcher an giftiger Birfung dem 
Fliegenpilze gleichkommt. Derjelbe ift des: 
halb jehr gefährlich, weil man ihn in jungem 
Buttande leicht mit einem Champignon ver: 
wechſeln fann. Seine Stennzeichen find jein 
oben hohler und unten dider Stiel. Der 
Scmefelfopf, ein namentlih an Baum» 
ftämmen in Büfcheln machfender Giftpil;, 
ift durch feine jchmefelgelbe Farbe kenntlich. 
Endlich ift noch der Satanspilz mit einem 
dien roten Schaft zu erwähnen, welcher 
namentlih an Baumftämmen in Büfcheln 
wächſt. Derjelbe fühlt fich Flebrig an und 
fein ſchmutzig gelber Hut ift politerförmig 
gewölbt. Ueberhaupt zeichnen ſich die Gift: 
pilze bauptfächli durch ihre Tebhaften 
Farben vor den eßbaren aus. — Bei Ber: 
giftungsfällen durch Giftpilze find fchleunigft 
Brechmittel anzumenden. 





98 


Bon der Aartoffel. 


Bom Rerisfieiüchen Jede Hausfrau 
weiß, daB eine gute Kartoffel via 
ill beim Sieden. Barım tut nun 
mande Kartoffel das nicht? Der Grund 
Mn, wie Abel in „Chemie in Käche 
und Haus” (Aus Natur und Geifteswelt, 
B. ©. Teubner, Leipzig, auseinanderjegt, 
daß das Eiweitßz, das im Sartoffeliaft ent- 
halten ift und die Räume zwiſchen den 
Bellen oustüllt, in der Siedezeit gerinnt. 
Benn nun dieſes Gimeiß relatıv viel vom 
(Gehalt der Kartoffel ausmacht, dann wird 
fie ipedig. Es gibt Sartoffeliorten, bei 
benen dies durch alle Hochtunft micht zu 
verhüten if. In anderen fällen fann aber 
aud eine gute Startoffel dadurch zu einem 
harten, klatſchigen Rnollen werden, daß die 
Startoffeln gleih ins heiße BWafier 
fommen, wodurch die äußeren Gimeiß- 
dichten gerinnen und die Ausdehnung der 


Stärfmeblförner, auf der das Aufipringen 
berußt, verbinden. Man muß deshalb zu- 
ertt dem falten Wafler Zeit laſſen, ins 
Innere der Rartoffel einzudringen, damit 
die Stärfeförner die zum Aufquellen nötige 
Menge Waſſer erbalten, ebe die Siedehige 
die Gerinnung bemirft. 

Die Rarroffelbläre im Brautlktauz. — 
Johannes Matthäus, Profeſſor der Arznei 
kunde in Derborn bis 1621, pflanzte die 
erite Kartoffel, die er aus England erhielt, 
in einen großen Blumentopf und ftellte 
dieien zur Schau vor das enter. Sein 
Nachfolger Zahariad Roſenbach erzählt, 
daß ein angeiehener Bürger in Herborn 
bei Berebelihung jeiner Tochter fich die 
Blume diejer Pflanze in den Brautkranz 
ausgebeten, und daß wirflid die Braut die 
Startoffelblüäte bei der Trauung vor dem 
Altare getragen babe. 


Arieg den Mücken! 


Ueber ein neues Müden-Abmwehrmittel | einem dichten Rafen überzieht, unter dem 


wurde fürzlih in der „Allgemeinen Medi 
zinal Zentral Zeitung” berichtet. Nach den 
von einem Hamburger ‘Mitarbeiter der 
Yeip. N. N. eingezogenen Erfundigungen 
handelt es ſich bei diefem Abmwehrmittel, 
das zur Beit im Inſtitut für Tropenfranf: 
heiten ausprobiert wird, um eine zu den 
Wallerfarnen gehörende Pflanze „Azolla”, 
die in mehreren Varietäten vorfommt. Die 
Pflanze ift im allgemeinen eine Tropen» 
pflanze, gedeiht aber aud im Sommer in 
Deutichland und foll auch milde Winter 
feimungsfähig Überjtehen, Ihre Wirkung 
ſoll darin beſtehen, daß fie bei geeigneten 
Temperaturen fi jo ftarf vermehrt, daß 
fie in kurzer Beit eıne Waflerfläche mit 


die Müdenbrut wegen Luftmangels erſtickt 
und der das Ablegen von Müdeneiern in 
das Waller unmöglich macht. Fiiche werden 
durch die Pflanze nıcht neihädigt. Vorſicht 
ift megen der zu ftarfen Wucherung geboten. 
Bum Beiipiel können Biehtränken in kurzer 
Beit fo überwuchert werden, daß fie nid 
mehr benugt werden können. Ganze Wiefen 
fönnen in furzer Beit von diejer Pflanze 
überwudert werden, Die Verſuche im In— 
ftirut für Qropenfrankheiten zu Hamburg 
find noch nicht abgefchloffen. Nähere Mit: 
teilungen über dieje pflanzlide Müden 
feindin können Intereſſenten durch Fiſcherei— 
direftor a. D. Barthmann in Wiesbaden 
erhalten, 





Aydropathilches. 


Ueber den Brunnenranfh. Auf der 
29. VBerfammlung der Balneologıichen Ge: 
fellichaft, die kürzlich in Breslau ftattfand, 
bielt Herr Löwenthal (Braunſchweig) einen 
Vortrag Über den Brunnenraufh. Es 
handelt fich dabei, wie die Deutſche Medi— 


ziniishe Wochenschrift berichtet, um eine 
Störung des Nerveniyftems in den eriten 
Tagen bei Bädern wie Trinfkuren, die ſich 
in Kopfichmerz, Schwindel und Aufgeregtiein 
äußert, In höheren Stadien verlieren die 
Kranfen das Orientierungsvermögen. Bon 


diefem Rauch abzutrennen ift das Brunnen: 
fieber oder die Krifis, *ie gegen Mitte oder 
Ende der Kur mit Magendarmftörungen, 
Fieber, Widerwillen gegen den Brunnen 
verbunden ift und bei wiederholten Kuren 
immer früher aufzutreten pflegt. Als Ur: 
fahe für den Brunnenraufh ifi nur ein 
Gas anzunehmen, und es fann fi nad 
Ausſchluß der übrigen Gaſe nurum Kohlen: 
fäure handeln. In der Tat handelt es 
fih bei der SKohlenjäure Intoxikation um 
gleichartige Raufchericheinungen, bei denen 
felbft in den hohen Graden ebenfalld mo: 
toriihe Hemmungen fehlen. Da die größte 
Wirkung für die eingeatmete Kohlenjäure 
anzunehmen ift, wären die Trink und Bade- 
räume der Kurorte auf den Gehalt an COs 
zu unterjuchen, 


Radium als Urſache des Fropfes. Die 
bisher noch ungelöfte Frage Über die Ent: 
ftehung des Kropfes jcheint eine unerwartete 
Löfung finden zu follen. Es ftand bisher 
feft, daß der Kropf durch den Genuß einiger 
beitimmten Quellen hervorgerufen oder 
wenigſtens begünftigt wird. Gibt es doc 
ganze Gebirgsdörfer, in denen nicht ein ein- 
ziger Bewohner ohne Kropf eriltiert. Eigen- 
tümlicberweife verlieren aber viele Wajjer- 
läufe, die an ıhrer Urjprungsjtelle ganz 
unverfennbar eine fropfbildende Fähigkeit 
befigen, dieje Gigenjchaft in kurzer Ent: 
fernung von der Quelle. Nun hat Repin 
der franzöfiichen Akademie der Wiſſenſchaften 
die Überrafchende Mitteilung gemacht, daR 
all’ die Quellen, die anerfanntermaßen zur 
Kropfbildung beitragen, ſtark radium- 
haltig find. Bei drei Gebirgsdörfern, mo 
der Kropf außerordentlich häufig ift, konnte 
Nepin Sehr ſtark radiumhaltıge Quellen 


nachweiſen. Seltiamermweije find aber auch 
viele als gejundheitsfördernd befannte 
Mineralwafjer radiumhaltig. Nun erhebt 


fi die intereffante Frage: Sollte hier die 
Wirkung des Radiumsgehalts durch den 
Einfluß eines anderen Beitandteils auf 
gehoben werden, und welches find die Voraus— 
ſetzungen dafür, daß der Genuß von Radium 
zur Kropfbildung führt? 


BWaflerverforgung uud Kropf. Die 
Münchener Medizinische Wocenichrift ent 
nimmt der rumänifjchen Revistra stüntelor 


99 


Medicale folgende Mitteilung: Die Ber- 
mwaltung der Stadt Yaffy hatte beſchloſſen, 
das notwendige Trinfwaffer von dem 
etwa 100 Kilometer entfernten Gebirgs- 
dorfe Timischeichti einzuleiten. Die Vor- 
arbeiten mwaren beendet, ul8 die militär- 
ärztlihe Affentierungsfommiffion darauf 
aufmerffam madjte, daß ein großer Prozent: 
jaß der aus jener Gegend ftammenden jungen 
Leute an Struma (Kropf) oder Kretinis— 
mus leide. Eine an Ort und Stelle ent: 
fendete wiſſenſchaftliche Kommilfion hatte 
nun darüber zu entjicheiden, ob die be- 
treffenden Gndemien auf das Trinfwafler 
zurüczuführen wären und ob aljo die Ein» 
leitung Ddesjelben in die Stadt eine Ge— 
fahr für die Bevölkerung in ſich Schließe. 
Der nun vorliegende Bericht befchreibt in 
Kürze die gemachten Unterfuhungen. Haupt 
ſächlich zeigte es fich, daß in den betreffenden 
Gebirgsgegenden jene Dörfer, welche Brunnen 
von geringer Tiefe (etwa 1', Meter) be» 
figen, viel zahlreichere Fälle von Struma 
und Sretinismus aufweiſen, ald jene mit 
Brunnen von 5 bis 9 Meter Tiefe, woraus 
zu jchließen wäre, daß die oberflächlich ge- 
legenen Waſſerſchichten Verunreinigungen, 
möglicherweije bafterieller Natur, enthalten 
und bierdurd zur Entwicklung der in Rede 
ftehenden endemijchen Krankheiten Beran 
lafjung geben können. Die bafteriologijchen 
Unterfuhungen haben die Anweſenheit von 
zwei jchleimbildenden Mikroorganismen ge 
zeigt und es ift nicht unmöglich, daß dieje 
zu akuten oder chronıschen Vergiftungen Ber» 
anlaffung geben fönnen, Vergiftungen, deren 
Hauptiymptome in Erjcheinungen von thyreo⸗ 
idealer Inſuffizienz beftehen. Wie dem aud) 
jei, der heutige Stand der Wiſſenſchaft er- 
laubt einen ſicheren Schluß in diefer Be 
ziehung noch nicht, aud kann nicht mit 
Sicherheit gejagt werden, ob das betreffende 
Trinkwaſſer ihädlih im bejagten Sinne 
fein wird, da die zu faflenden Waſſer— 
ſchichen in einer viel größeren Tiefe 
liegen, als der Wafferipiegel der unter- 
fuhten Dorfbrunnen. Jedenfalls müljen 
zur Löſung dieſer Frage noch mannig- 
fache Unterſuchungen vorgenommen werden, 
wodurch aber die Waſſerverſorgung der 
Stadt Jaſſy wieder in eine ungewiſſe 
Ferne gerückt wird. 


— 100 — 


Zur Bekämpfung der Stanbplage. 


Der Belämpfung der Staubplage widmet | noch eine ganze Anzahl folder praftiichen 
man jeßt von verichiedenen Seiten Intereſſe, | Löfungen, die dem Rechte des Straßengängers 
wie z. B. eine Mitteilung erweiien mag, | wie des Automobiliften Genüge tun würden. 
dab dıe bayeriihe Staats: Bauverwaltung | Wir möchten deshalb anregen, daß ſowohl 
Beriuhe macht zur Befeitigung der dur | die Behörden ald auch die Automobiliiten, 
den Automobilismus verurſachten Staubplage | infonderheit der Bayeriihe Aatomobilklub, 
auf den Yanditrafen. Zum Schuße der | der fich erfreulichermeife auch für Bejeirigung 

| 





Bolkögefundheit gibt es auf diefem Gebiete | der Staubplage einjegt, die Straßenfarten 
fofort anwendbare Möglichfeiten. Das bat | daraufhin nadjehen, welche Nebenftraßen 
heute die Münchener Bolizeidireftion gezeigt, | in äußeren Stadt: und in Ausflugsgebieten 
indem fie auf der Harladjinerftraße, dem | ausichließlich dem Fußgänger: bezw. Pferde- 
Ihönften Höhenpromenademeg Münchens, den | fuhrmwerköverfehr zugemwiejen werden fönnten. 
Straftwagenverfehr verbot und die Auto- | Die Allgemeinheit würde ein jolhes Ent 
mobile auf die unfern von der Harladinger- | gegenfommen einfichtiger Automobiliftenfreiie 
firaße laufende Parallel Ehaujfee, auf die | gewiß mit Danf begrüßen, zumal es um- 
Grünwalderftraße, verwies. Auf diefe Weife | zweifelhaft ift, daß e8 für die Fußgänger 
ift der Fußgänger am Iſarhang von den | und Radler noch viel Staub zu jhluden gibt, 
Unannehmlihfeiten des Automobilverfehrs | bis Mittel gefunden find gegen die Staubplage, 
geihligt und dem Automobiliften dennodh | die uns das Automobil brachte, das in jeinem 
genligend Verkehrsmöglichkeit gefihert auf | Siegeszug durch die Welt den Berhältniffen 
der eigentlichen Hauptſtraße. Es gäbe im | unjerer Zeit und der landläufigen Straßen: 
Mündner Stadtbezirk und im Vorortverfehr | bautechnif fo weitvorausgeeilt ift. (M.N.R.) 











Neu entderkte Windlöcher am Rönigsberg bei Menfadt. 


Die von mir ©, 45 ausgefprocdene | Öffnungen und FFelsjpalten) befinden ſich 
Vermutung, dak am Rande des von zahl- | oberhalb der befannten großen, vom Fabrik: 
reihen Bermwerfungsipalten und Slüften | befiger Louis Heck gefundenen „Fumarole“ 
durchfegten Hartgebirges im Laufe der Zeit | und oberhalb der Heidenlodhhöhle.” 
vorauslichtlich noch mehr Windlöder ent- Auch bei der an gleicher Stelle von 
deckt werden würden, hat fich nad ciner | Wildbad erwähnten Erjcheinung handelt es 
BZeitungsnotiz aus Neuftadt vom 23, Jum | fi, wie mir Herr Stadtichultheiß Baetzner 
d. Is beſtätigt: bei der Empfangsbeftätigung meines Auf— 

Am oberen Gipfel des Königsberges ſatzes mitteilte, ohne Zweifel um ein Wind— 
wurden in den legten Wochen noch einige | loch, alſo nicht um eine mit den dortigen 
bisher unbefannte ſogen. „Fumarolen“ | Thermalquellen in Werbindung ftebenden 
oder Windlöher entdeckt, die auch Wajler- Felsſpalte. Dr. Häberle. 
dampf ausſtoßen. Die Löcher (bezw. Geröfl« | 











Citerariſches. 


Einen trefflichen Beitrag zur mittel— 
alterlichen Topograpbie der Pfalz bat ſo— 
eben unſer Landsmann, der tätige Geologe 
Dr. D. Häberle in ſeiner „Mark von 
Sippersfeld im Jahre 1019* herausgegeben. 
Der Verfaſſer bietet uns bier mit ſeinen 
fleißigen Studien wertvolle Aufichlüffe über 
einen Teil unferer pfälzifchen Heimat. ine 
beigegebene deutliche Karte zeigt uns die 


mutmaßliche Banngrenze des alten, unter- 
gegangenen Dorfes Albusheim und von 
Sippersfeld im Jahre 1019 und die heutige 
Gemarkung. Dieje frühere Grenze ging 
im Norden von Falkenſtein bis zur Doc 
ſtraße im Süden, von Schnepfenberg weſtlich 
bis Börrftadt öftlih. Häberle folgert aus 
verichiedenen früheren Hinweiſen, daß das 
verjhmwundene Dorf Albushbeim oder 


Alvesheim in der Nähe der heutigen 
Burgruine Hohenfeld am Südabfall des 
Donnersberges zu ſuchen ift. Leider hat 
diefe Annahme troß aller nach verjchiedenen 
Seiten hin angeftellten Ermittelungen bis 
jegt noch feine Beftätigung durch Funde 
von Mauerrejten uſw. gefunden. Bon 
Intereſſe ift ferner die Abhandlung über 
„Hohenreina”, von dem man nicht weiß, 
ob es ein Ort war, da die Deutungen 
hierüber weit auseinander gehen. Ferner 
jehen wir eine gute Abbildung des ſoge— 
nannten „Langen Steine” bei Sippersfeld 
mit feinem eigenartigen Wappen (Sonnen: 
fugel mit Kreuz, ähnlih wie dad Wappen 
Kallitadt). Ueber die beiden Bäche Unnes— 
bahe und Wandbahe erhalten wir gleichfalls 
Aufſchluß. Häberle indentifiziert diefe Bäche 
mit dem Binsbadh und Wehnbach. Auch 
die Benennungen „Rereunna”, „Ramme: 
ftein” und „ad Ballem Hemmendail” finden 
genauere Erflärung. Dr. Häberle hat uns 
in dieſer neuen Arbeit wiederum etwas 
recht Intereſſantes Über unſere Heimat ge- 
fchenft, bei der Seltenheit von beachtens- 
werten Aufichlüffen aus jener alten Beit 
ift das Werfchen jehr willkommen. 


Pfälziſche Bibliographie. Dr. Daniel 
Häberle: Pfälz. Bibliographie 1. Die geo- 
logiſche Literatur der Rheinpfalz vor 1820 
und nach 1880 bis zum Jahre 1907 ein: 
Schließlich. Sonderabdruf aus: Mitteilungen 
der Pollichia, eines naturmilfenjchaftlichen 
Vereins der Rheinpfalz.“ Nr. 23, 64, 
Jahrgang 1907. 161 Seiten. Auch bei 
GE. Carlebach. Heidelberg 1908. 

Unter obigem Titel ift in diefen Tagen 
ein Buch erichienen, da8 der Beachtung 
aller geologiſch interejfierten Streife Slid- 
mweftdeutichlands jehr wohl wert ift. Der 
Berfaffer — in feiner pfälziſchen Heimat 
und darüber hinaus wohl befannt durch 
forgfältige Arbeiten auf hiſtoriſchem und 
geologifchem Gebiete, die hauptſächlich den 
Zweck verfolgen, der Erforſchung der pfäl« 
ziihen Landeskunde zu dienen — gibt in 
feinem Bormworte als Grund zu der Her- 
ftellung dieſer Bibliographie das immer 
regere Intereſſe an, daß ſich in der Pfalz 
auch auf naturmwifjenichaftlidem Gebiete 
geltend macht. Wer die Vorteile fennt, die 
ein folches Literaturverzeichnis bietet, wird 


101 


nn ——— ⸗ — 


es gewiß mit Freuden begrüßen, daß ein 
ſolches jetzt auch für die Rheinpfalz vor- 
liegt. Die Arbeit iſt als Ergänzung und Fort: 
ſetzung zu dem Berzeichniffe von Leppla zu 
denken, der ein chronologifches Register für 
die Jahre 1820 — 1880 aufgeftellt hat.*) 
Troß der aus dem Titel hervorgehenden 
Beihränfung auf die Literatur der Bralz 
find doch ın glücflicher Auswahl auch Arbeiten 
über die Gebiete hinzugezogen, die mit dem 
in engeren Sinne behandelten Gebiete in 
genetischem Zuſammenhange jtehen. Wir 
finden daher einen Auszug der Literatur 
über das Mainzer Tertiär-Beden, den Bunt- 
jandjtein des Odenwaldes und der Bogejen, 
den Muſchelkalk Badens und Lothringens, 
endlid auch über das Permofarbongebiet 
der Saar Nahegegend, jomeit darin Be: 
ziehungen zur Pfalz enthalten "find. Es 
ift jomit weiter auch jelbitverftändlich, daß 
die mwichtigeren Arbeiten darin verzeichnet 
find, die Bezug auf den Aufbuu des ganzen 
oberrheinifchen Gebirgsſyſtems haben. 


Das ganze ijt fo angeordnet, daß den 
Hauptteil‘ das chronologiiche Verzeichnis 
bildet, innerhalb dejjen der einzelne Jahr- 
gang alphabetiich geordnet iſt. Die durd) 
laufende Numerierung ermöglicht ein raſches 
Auffinden des gefuchten Gegenftandes, wobei 
bejonders lobenswert ift, daß bei zahlreichen 
Nummern noch auf Arbeiten ähnlichen In— 
halts bingewiejen ift. 


An den Hauptteil ſchließt fich ein alpha» 
betijch geordnetes YAutoren-, Orts- und Sach— 
regifter an. In dieſe drei Abjchnitte iſt auch 
dag ganze von Leppla verfaßte Literatur: 
verzeichnis verarbeitet, jodaß dadurch die 
Benutzung dieſer Arbeit vereinfacht wird. 
Das Sadregifter ift jo angeordnet, daß 
e8 die einzelnen Zweige der geologijchen 
Wiſſenſchaft getrennt enthält und daher die 
Orientierung auf einem einzelnen Gebiete 
erleichtert. Es ift dabei auf die Geologie 
im weiteften Sinne Rüdfiht genommen, 
Als Beijpiel führe ich als eine Unterab- 
teilung der „Allgemeinen Geologie” Die 
Siedelungsfunde an, melde jedoh nur 
injofern Aufnahme gefunden bat, als in 
den betreffenden Arbeiten geologiiche Be: 
ziehungen enthalten find. 


*), Jahresbericht der Pollichia 41 pro 1882. 


Um ſich raſch über größere Arbeiten, 
die fih mit einzelnen Landesteilen be- 
ichäftigen, und die in Betracht kommenden 
Karten orientieren zu fönnen, ift noch unter 
Nr. 9 eine Zufammenftellung gegeben, die 
nur einen Huszug aus dem Sachregiſter gibt. 

Es ſoll nicht unerwähnt bleiben, daß 
die Firma Rheinberger in Dürfheum durch 
ſchönen Drud und geichmadfvolle Ausstattung 
der Arbeit ein gefälliges Aeußeres gegeben hat. 

Der Dank wieder wird dem Autor für 
jeine fo forgfältige und wahrlich aud recht 
mübevolle Arbeit ficher ſein. Der Titel: 
Pfälziſche Bibliographie 1 läßt vermuten, daß 
ähnliche Arbeiten auf anderen ®ebieten in 
Angriff genommen merden jollen. Tat 
ſächlich beabfichtigt der Autor des vorliegenden 
Buches aud, eine genaue Zujammenitellung 
der gefamten geographijchen Literatur der 
Rheinpfalz in Bälde folgen zu laffen. Gewiß 
wird er dann großen Anflang auch damit 
finden. Albert Ratzel. 


%. Schnler, der Pfälzer Freund 
R. — uud Juſtinus Keruers erſchien 
ſoeben als Nummer 3 der von Dr. Albert 
Becker herausgegebenen „Beiträge zur 
Deimatfunde der Pfalz”. Mit un- 
gedrudten Briefen J. Kerners, 8. Mayers 
und K. Geibs ſowie neun Ybbildungen, 
Kaiſerslautern, 9. Kayſer, 1909. 32 ©. 
broich. 80 Pfg. 

Die dem Gymnafium Zweibrücken 
zum 350 jährigen Beftehen gewidmete Schrift 
dedt intereffante Beziehungen zwiſchen dem 
Bmweibrüder Dichter Karl Joſeph Schuler 








102 





(1810 — 1889) und den ſchwäbiſchen Dichtern 
Auftinus Kerner, Karl Mayer und 2. Uhland 
auf und bringt fo die Pfalz in einen bis- 
ber nicht näher befannten Titeraturgejchicht: 
lihen Zufammenhang mit Schwaben. Uhland 
und Karl Mayer beſuchten auch, wic bier 
zum erftenmale eingehend dargelegt mird, 
wiederholt unfere Pfalz und den Pfälzer: 
wald und fnüpften periönlich Beziehungen 
mit dem vielen unferer pfälziichen Leſer 
befannten Dichter, dem Bater des Yuftiz- 
rate8 Schuler in Zweibrüden, an. Pro— 
ben aus dem Dr. Beder vorliegenden in- 
haltsreihen Briefwechſel zwilchen Schuler, 
Mayer, Kerner und dem Pfälzer Literaten 
K. Geib erhöhen den Wert der gejchmad: 
voll auögeftatteten Schrift, die zugleich mit 
einer Reihe von Borträten und Bildern 
pfälziiher Landſchaften geihmüdt it. 

Wir benügen die Gelegenheit, um auf 
die beiden früheren Nummern der Beiträge 
zur Heimatkunde der Bfalz von Dr. Albert 
Beder hinzuweifen. Über „Schiller und 
die Balz“ liegen Urteile eriter Autoritäten, 
wie Prof. Robert Petſch, Dr. Julius Peterſen 
und Sarl Berger vor. Letzterer, der Ber» 
fafjer der bekannten Scillerbiograpbie, des 
Gegenſtücks zu Bilſchowskys Goethe, ſchreibt 
u. a. im Literariſchen Echo: Ein ſchmucker 
Einband, gute Ausftattung und treffliche 
Abbildungen geben dem aud Titerariich 
wertvollen Büchlein in feiner bejcheidenen 
Art etwas Mufterhaftes. — Die „Pfälzer 
Srühlingsfeiern“ bezeichnet Profeſſor 
Brenner in Würzburg als WBorbild für 
— Unterſuchungen. 


Donnersberg. 


Der Donnersberg trägt grün Gewand, 
Umweht von blauer Morgenluft. 

Weit träumt er in das deutſche Land, 
Ummwallt von Abendfilberduft. 


Er grüßt zum Rhein: und Nedarjtrand, 
Den Taunus und den Odenwald; 

Es ſchweift jein Blick durch's vhein’sche Yand 
Und madıt erft bei der Eifel halt. 


Und hüllt er fih in Purpur-Glut, 

Wenn hell entflamımt das Morgenrot, 
Der Sterne Diadem dann ruht 

Um’s Haupt ihm, wenn der Tag verloht. 


Es bligen ihm durch tiefen Hain, 
Demant'ne Quellen als Geſchmeid, 
Bergnelfen dort an Hang und Raın, 
Rubinen ſind's im grünen Kleid. 


Nod zieht die Bergeshöh' entlang 
Ein Ringwall um den Götterhain, 
Dort raufcht und raunt wie alter Sang 
Der Wind durch ftolze Eichenreih’n. 


Wenn Donar je dem Volk gegrollt, 
Hat's grell im Widerhall gefracht ; 
Im Glutgezuf der Donner rollt 
Durch rabenſchwarze Wetternacht. 


— 18 — 


Doch ruht fein Zorn und ſchweigt er mild 
Und fächelt lauer Wind durch's Tal, 
Dann glänzt auf breitem Fruchtgefild 
Berföhnt ein gold'ner Sonnenjtrahl! 


Die Luthernlme bei Worms. 


Es zog gen Worms zum Reichstag her | So flangs in trauter Abendſtund' 
Der Menjchen ungezähltes Heer. Bor Worms aus des Prälaten Mund, 


Um mit zu rechten, mit zu raten Daß höh're Wahrheit fund ihm merde, 
Ging aud zur Stadt ein Paar Prälaten, | Stieß jeinen Stab er in die Erde. 

Der eine jchien geneigt der Lehr”, Als er vom Reichstag heim wollt’ geh'n, 
Der and’re ging noch zweifelsſchwer. Den Stab fah er in Blättern fteh'n. — 


„Wenn wahr jein Wort, joll Wurzel fchlagen | Noch heut’ hält man den Baum in Ehre, 
„Mein Stab und Blüt und Blätter tragen”! Es wuchs mit ihm ja Luthers Lehre. 
Dr. Earl Puſch. 


EU mn mn LU — I 


Aleine Mitteilungen, 


Wie fürzlich befanntgegeben, beabfichtigt | der Hauptſchöpfer der Wafferfünfte auf Schloß 
der Berein Hiftorifhes Mujeum der Pfalz | Wilhelmspöhe. Unter all denen, die fidh 
in jeinem neu eritehenden Heim eine eigene | durch ihre Kunſt auf Wilhelmshöhe ver- 
Abteilung für die Geſchichte des pfälzijchen | emwigten, war er der populärfte Stünftler. 
Weinbaus einzurichten. Es ift Dies Die Erinnerung au Blenfer. Eine inter: 
erfte derartige Schöpfung in ganz Deutſch- efjante Figur aus dem Sturmjahr 
land. Wie jehr die dee auf fruchtbaren 1848 ift Ende Mai 1908 in Neuyork in 
Boden gefallen ift, beweiſen die zahlreithen | der Frau Eliſe Blenker dahingejhieden, 
Zugänge, die jegt jhon für das Weinmufeum | Sie war die Witwe von General Louis 
eingelaufen find. Leider haben einige Alter- Blenker, der fich im Jahre 1848, nachdem 
‚tumshändler begonnen, auf den Weinbau | er in der bayeriichen Armee als Leutnant 
bezüglide Gegenftände, die vom Handel | gedient hatte, in feiner Heimat in der Pfalz 
bisher nicht beachtet wurden, zu erwerben, | am Aufſtand beteiligte, Ludwigshafen er: 
anſcheinend ın der Hoffnung, fie fpäter mit | oberte und Worms bejeßte, und der dann 
gutem Nugen an das Weinmujeum verkaufen | fchlieflich mit den verjprengten Reften feiner 
zu können, Wir dürfen aber nicht verhehlen, Kämpfer in die Schweiz fliehen mußte, 
daß unjere Pfälzer zum größten Teil jo Blenkers Gattin, die Tochter des Stadt: 
viel Heimatliebe befigen, daß fie derartige | pfarrers Aue in Köthen, folgte ihm ins 
Anerbieten zurüdweiien. Zudem zahlt das | Feld und machte das Freiheitsringen als 
Pfälziſche Mujeum jedem, der für das Trommlerin mit, für welchen Zweck fie fich 
Mufeum geeignete Gegenftände zu veräußern | gehörig in Uniform eingefleidet hatte. 
wünjcht, mindeitens die gleihen Preife wie | Zlenker kam fpäter nach den Vereinigten 
irgend ein Händler, « | Staaten und wurde im Bürgerkrieg General, 

Bom Berein für heſſiſche Geſchichte und Itarb aber bald nach jeiner Beförderung 
Landeskunde wurde einem verftorbenen pfäl- | Seine Witwe ift 84 Jahre alt geworden. 
jilhen Landsmanne, Karl Stein Der jüngfte Soldat im Kriege 1870/71 
bofer aus Zweibrüden, auf dem Fried- | ift ein Pfälzer Willi Koelſch, der am 
hofe zu Mulung (bei Kaflel) ein Gedenfitein | 23. Auguft 1854 geboren wurde. Er ab 
errichtet. Steinhofer, geboren am 5. April | folvierte im Jahre 1869 die Lateinfchule 
1747 zu Bweibrüden und geftorben am | zu Pirmafens, und nadhdem ihm Die 
19. Februar 1829 in Kaſſel, war einer | Einftellung bei dem damals in Zwei. 





— 104 — 


brücken liegenden 5. bayeriſchen Jäger— vorausſagen, daß in der Diamantinduſtrie 
bataillon wegen Schwächlichken abgeſchlagen | ein großer Umſchwung eintreten wird. Die 
worden war, begab er fih zu Fuß nad) hier geichliffenen deutichen Diamanten wurden 
Fandau, wo er beim 8, bayerifchen | von der Arbeiterihaft die „Dernburger“ 


Anfanterieregiment, zur Beit in Meg, am getauft. 


1. Dezember 1869 angenommen wurde. Pfalzaraf Stephan. In diejem Jahre 


Nachdem er im Oktober 1870 mit dem ſi Fr 
e ind 450 Jahre verflojfen, jeitdem Bialz- 
2. Bataillon des Regiments nach Orleans | graf Stephan geftorben ıft, der Sohn 


geididt worden WAR, machte er darauf die des deutichen Könige und Slurfürjten von 
Belagerung von Paris mit umd marjchıerte der Bialz, Ruprecht 3, der Gründer der 


mit dem Regiment im März 1871 nad) a heit — 
Beendigung des Krieges in Meg ein, wo ——— Biwelbrhder ——— 

ſchlechts. Sein Sohn, Pfalzgraf und Herzog 
er ſpäter Beamter der Stadt Meg, dann | Gudwige1J Nmeibrii 

; * g I. von Zweibrücken, iſt der eigent 
Beſiher des „Münchener Blirgerbrau“ war | (ie Gründer der Zweibrücker Linie. 
und zur Zeit ald Rentner lebt. 1877—1885 
war Stoelich Feldwebel der 2. Stomp. des Rarität? Einen feltenen Yang machte 
bayer. 8. Inf. Reg. heute ein Arbeiter der —— * Herrn 
PETER Maas in Beeden. Er entdedte näm ıch eine 
BE ee ek er EL Ber 
tärischen Nushebungsfommiilion vorzuftellen. und einem Gewicht von zirka I Pfund. 
Gr befand fih unter den Weftellungspflich: Im Rhein bei Bhilippsburg, be 
tigen des Dorfes Edigheim. Der dort | jonders auf der Strede Germersheim bis 
geborene kleine Mufterungspflichtige, der | Speyer, wurden im Mai große Mengen 
jeit einigen Jahren im der Franfenthaler | toter Fiſche bemerft; der Grund dieſes 
Korkfabrik befchäftigt ift und defjen Brüder | außerordentlich ſtarken Fiſchſterbens fonnte 
u. auf ihre förperfiche Entwidlung | nod nicht feitgeftellt werden. 
nichts zu wünſchen übrig laſſen, ift bei einem 
Alter von 21 Jahren fnapp 99 cm groß | sin a ln Be 
und noch nicht einmal 60 Pfund ſchwer. auf, daß diefelbe kaum zu verıilgen ift und 

In den beiden Brüdener Diamant: | mithin wenig Ausfiht auf Apfel ſowie 
ihleifereien wurden im Laufe der 3. Januar: Zwetſchgen jein wird. — In Hilft madıt 
Woche die erften Diamanten aus Deutfch macht ſich die Waſſernot immer mehr jühl- 
Südweftafrita geidliffen. Diejelben | bar. Die meilten Brunnen find ausge: 
ftehen den engliichen Kapdiamanten jowohl | trodnet, wenn hie und da noch einer til, 
in Güte ald in Glanz und Farbe gleich | der noch ein bißchen Waller hat, jo wird 
und werden fomit erjteren eine große Kon: | er ausgeſchöpft bis zur Meige. Als Zrinf- 
kurrenz bieten, Es läßt ſich jegt ſchon waſſer iſt es nicht mehr zu bezeichnen. 





— — — — — — — — — 


Inbalt: Alte Eifengruben bei Waldmohr u. a. O. — Helmiiche Bauweiſe. — Die Auer 
hahnbalz im Pfälgerwald. — Der Bududsruf, — Glühwürmchen. — Weihe, gelbe, rote und ſchwarze 
Kuoblauchtröten. — Die bayerifche Schitdfröte. — Bon der Biene. — Die Abjtammung umd 
Heimat unfered Dadeld. — Der Wolf im Reichstande. — Giftgefahr. — Bon der Startoffel. — 
Krieg den Mücken. — Hydropathiſches. — Zur Bekämpfung der Staubplage. — Neu entbedte 
Windlocher am Königsberg bei Neujtadt. — giterarifches. — Donnersberg. — Die Lutherulme bei 
Wornd — Kleine Mitteilungen. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern. 


Kür Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich. 
(Unverlongte Manuffripte werben nicht zurüdgeiandt.) 


Die „Blälziiche Heimatkunde“ koſtet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Pefellungen werben von allen Buchhandlungen und 
oftanftalten ferner vom Berlener (Bortofreie Streifbandiendbung) angenommen. 


V. Jahrgang. Nummer 9. September 1909, 


> 





7 


\PALZISCHE HEIMATKUNDE 


MONATSSCHRIFT 
en FÜR SCHULE UND HAUS. 


EMANNE EIN KCA: - Pd. 





Die Fiſche des unteren Merkars. 
Ton Rarl Chriſt, Biegelbaufen, 


ALS danfenswerte Beilage zum Jahres- | geben wie fie ım Volksmunde lauten, jondern 
bericht des badischen Unterländer Fılcherei: | auswärtige oder fchriftdeutihe Ausdrücke 
Vereins für 1908 erjchien eine fleine, von | an deren Stelle gejegt, ohne dieje immer 
dem jlingft verftorbenen Heidelberger Be | dur Einflammerung als ſolche zu fenn- 
rufsfifcher Friedrih Nohrmann verfaßte | zeichnen. Bei der folgenden alphabetiichen 
und von einem wifjenichaftlihen Kahmann, | Aufzählung der hauptſächlichen bodenftän- 
Herrn Vrofeſſor Robert Lauterborn | digen Filche des unteren Nedars babe id) 
in Heidelberg, Herausgeber des interefjanten | daher die volfstüimliche hieſige Namens: 
alten Fiichbuches von Leonhard Baldner, | form vorausgeftellt und mit eigenen ſprach— 
mit einer Einleitung verjehene Schrift über | lichen, gejchichtlihen und fachlichen Be- 
die Nedarfifche bei Heidelberg ın der Hof: | merfungen verjehen, die ſich ſonſt gewöhnlich 
buchdrudferei von Auguſt Lauterborn in | nicht finden: 

Ludwigshafen. Dies begrüße ich umſomehr, Aal, der, geſprochen Ool. „Del, Hecht, 
als ich felbit bei Bearbeitung der mittel- | Karpfen, Barken, Albeln, Bleden und ge- 
alterlihen Ficherei-Drdnungen des Nedars | meine Filch”, als bei Hirfhhorn vortommend, 
und Rheins (erjchienen teils in einer Schrift | werden anno 1560 genannt (Grimm, Weis: 
über da8 Dorf Mannheim ©. 18, teils im | tümer I. 444). 

neuen Archiv für die Geichichte von Heidel- Aalrupp, die, hochdeutſch Aalraupe, 
berg, Bd. II. und im der Frankenthaler mit dem Aal verglichen, weil jchlüpfrig und 
Monatsichrift des Gejchichtsvereins) mich ohne Gräten. 

unter anderm auc des ſachkundigen Rates Ulbel, vergl. Schneider, 

von Rohrmann zu erfreuen hatte. Diejer Barben, der, hochdeutich die Barbe, 
hat auch das Verdienſt, funjtvolle Modelle | von lateiniſch barba, Bart, wegen der vier 
der ehemaligen Fiſchwehre des Nedars | vom Finn lang herabhängenden Bartfäden. 


bergeitellt zu haben, deren fich eines auf Bärſch, früher aus Bärßing, Beriching, 
der Mannheimer Ausjtellung befand. In | der, hochdeutſch Barid). 
feiner Schrift hat Rohrmann ſämtliche Bartgrundel, die, (cobitis barba- 


biefige Nedarfiiche zufammengeftellt, aud | tula), am Grund von FFlüffen und Bäcen 
folhe, die nur verirrte Fremdlinge find, | unter Steinen lebend. 

und fie zoologijch angeordnet. Dabei hat Blede, vergl. Mackel, Schneider, 
er aber öfter die einheimischen Namen nicht | Strungel. 

in der ſprachlich allein richtigen Form ge» Bräſem oder Brefen, der, anderwärts, 





aber nicht hier, ohne Umlaut Brachſen oder 
Braflen genannt (abramis brama). 

Dickkopf, vergl, Rotzkarpfen. 

Elfe, die, vergl. Maifiſch. 

Forel, die, hochdeutſch mit falfcher 
Betonung Forelle. 

Gangfiſch (squalius leuciscus oder 
l. vulgaris), anderwärts Hafel, Häsling 
und Springer genannt, 

Selling, der, junges Fiſchlein von 
gelt — unfrudtbar, noch nicht laichend, 

Örundel, vergl. Bartgrundel, 
Futterfiich dienend. 

Halbbrejen, vergl. Madel. In einer 
Mannheimer Filchtare von 1680 heißt es: 
Geringere Meine Bräßen, io Diaden ge 
nannt. 

Hecht, der, befannter Raubfiih, hauſt 
zwar auch im Nedar, mehr aber in lehmigen 
und trägen WBaflerläufen oder Werhern. 

Karpfen, der, auch jeltener im Nedar 
al3 in Altrheinen mit Scilfgrund. 

Knilps, der, aud Knülps geichrieben, 
mohl mit den Worten Knirps und Knorpel 
verwandt (squalius cephalus). In jener 
Mannheimer Fiſchtaxe von 1680 heißt es: 
Münemen oder Knülps (Mannheimer Ge» 
ihichtsblätter 1901, S. 93 und 116). 

Kreſſen, der, nicht mie hochdeutich 
„die” Kreſſe (gobio fluviatilis), franzöſiſch 
gouchon, engliſch gudgeon. 

Lachs, der, bezeichnet eigentlih nur 
den laichenden oder ausgelaihten Salmen, 
twie auch ſem Name von dieſem Gejchäft 
abzuleiten ift, während der im Oberrhein 
und Nedfar bis zu den Quellen auffteigende 
gewöhnlich Salmen heißt, lateiniſch salmo, 
mit der Bedeutung Springer, da er jogar 
Waſſerſälle überfpringt. 

Hakenlachſe find alte Männchen, die 


als 


100 











oft während und nach der Xaichzeit hafen- ı 


fürmig nad oben gefrümmte Oberliefer 
befommen. Ueberhaupt zeigt diejer Edel- 
fiich bedeutende Abänderungen je nad Ge 


ichlecht, Jahreszeit, Nahrung und fonftigen | 


Einflüffen. Im Mai, beim Antritt feiner 
Wanderung aufwärits im Rhein, ijt er fett 
und bat rötliches feites Fleiſch. Der nad 
dem Laichen im Herbft, wo es auf flachen 
Kiesgründen geichieht, wieder zurück ins 


Meer wandernde, aljo der eigentliche Yadıs, | 


ift abgemagert, matt und hat meißliches 
ungefundes Fleiſch. Lachſe werden ſchon 


| 
| 
| 
| 


| 
| 


1560 bei Hirſchhorn, wo aud die Lachs— 
bad; mündet, erwähnt in Grimms Weis 
tümern |, 144. Der Strich oder Aufitieg 
der Salmen wird jet teilmeife durch den 
Maflenfang in Holland gehindert, teils 
dur die zunehmende Verſchmutzung des 
Rheins durd Einleitung der Fäkalien, da 
er nur in reinem, hellem Waſſer beſtehen 
fann. 

Madel, früher Made, oder die Halb: 
breje, daher benannt, weil fie, an ſich biei: 
farbig, am Schwanz ſchwarze Madeln, 
d. h. Frledfen oder Punkte hat. Anderwärts 
heißt diefer bi8 30 cm lange, Ichmadhafte 
Fiſch der Blick (d. 5. Glanz), auch die 
Blife und Blefe. So merden 1560 im 
Nedar bei Hirſchhorn u. a. Blecken ge 
nannt. Uebrigens könnte Madel auch für 
Model ſtehen, dies, fleifchiges Geichöpf. 

Marufiſch, der große und fleine, daher 
genannt, weil früher im Mai ſcharenweiſe 
im Nedar zum Laichen auffteigend. hr 
Hauptlaihplag war bei der Bergheimer 
Mühle unterhalb Heidelbergs, wohin, mie 
ih mich auch erinnere, nod um 1860 die 
Bevölferung zog, um den QTumult bei der 
Ankunft. der Maifiſche anzufehen. Der 
ältere Namen der großen war Elje, von 
lateıniih alosa, die fleinen hießen im 
Mittelalter Undelinge. 

Meerlinje, die, kleiner Bagatellfiich 
(phoxinus laevis), benannt von der Aehn— 
lichkeit mit einer wirklichen Meerlinie (Meer 
im alten Sinn von Sumpf, wie nocd in 
vielen Flurnamen), der grünen linjen 
fürmigen Wailerpflanze, während der hoch 
deutihe Name ÜEllrige beim Fiſchervolk 
nicht gebräuchlich ift. 

Minnemwe, Müneme (am Rhein Milbe) 
gleich Knilps (anderwärts Döbel). 

Nafe, vergl. Weißfiſch. 

Rotauge, das, nad) pfälziicher Aus: 
ſprache Routaagg. 

Rotzbärſch, anderwärts Kaulbarſch 
benannt, von feiner nackten rotzigen, d. b. 
ſchleimigen Haut. 

Rotzkarpfen oder Dickkopf (cottus 
gobio), ein Bagatellfiſch. 

Salmen, vergl. Lade, Sämling 
gleich junger Salmen. 

Schleihe, die, wie der Karfen eigent: 
ih ein Sumpffiih, mehr im Obernedar 
heimiſch. 


Schneider (alburnus lucidus), der 
bauptfählichfte Futterfiih, wohl benannt 
von der einem Gchneiderfaden ähnlichen 
Legröhre des Weibchens. Der junge, nod) 
nicht geichlechtöreife Schneider, auch der 
junge Gangfifh, heißt Gelling, früher 
Selting, vergl. oben. Am ſchwäbiſchen 
DObernedar heißt der Schneider Strohbleden, 
Langbled und Silberblef auch Laube, Lauge, 
Laugel; im flavifchen Dftdeutichland Uflei. 

Schneiderfärpel, farpfenartiger 
Bagatellfiih (rhodeus amarus). 

Strunzel, die, (alburnus bipuncta- 
tus). Vom dialeftifchen ſtrunzen, umber: 
ſchweifen, herumfireihen. Am Obernedar 
Breitbleck. 

Sumen, Samenfiſche, d. h. eben aus» 
geichlüpfte Fiſchlein jeder Art. 

Undeling, in alten Filchereiordnungen 
mit Eljen zujammengenannt, war wahr— 
Icheinlich der Eleinere der beiden Maifiſche, 
von altdeutfß undon, ünden Wellen 
ichlagen, fluten franzöfifh onduler,ondoyer. 
Dagegen verjteht Profeſſor Lauterborn 


107 


— — — — — — 


darunter Flundern, die ſich wellenförmig 
fortbewegen, aber doch nur ſelten ſo weit 
flußaufwärts kamen. 

Weißfiſch, früher meiſt Naſe genannt 
(chondrostoma nasus), laicht auf ſoge— 
nannten Rieden, d. h. flachen Siesgründen, 
woher das Männden Rieder heißt. 

Selten oder fünftlicd eingeführte Fiſche 
haben wir bei diefer Aufzählung übergangen. 
Bemerkt fei noch, daß das Wort Fiſch beim 
pfälziichen Volt auch zu Frankfurt, fo nur 
in der Mehrzahl lautet, in der Einzahl 
dagegen Fuſch. — 

Wenn wir nun diefe Zufammenftellung 
veröffentlichen, jo gejchieht e8 mit der Ab- 
ficht, auch Undere zu veranlafjen, die be- 
treffenden Fiſchnamen ihrer Gegenden zu 
fammeln und in derjelben Weije und an 
gleiher Stelle mitzuteilen, da in den 
neueften Wörterbüchern und wiſſenſchaft« 
lihen Werken weder dieje noch überhaupt 
die volfstümlihen deutſchen Xier-r und 
Pflangennamen berüdfichtigt werden. (Aus 
der „Neuen Badiſchen Yandesztg.”) 


Landeskundlihe Aachrichten in Beufer, Bie Pfalz: Bweibrürker 
Borzellanmannfaktur. 


Bereits im Jahrgang 1907 ift auf | 


Seite 150 von anderer Seite eine furze 
Ueberficht über den Inhalt diejes ſchönen, 
auf eingehenden Quellenftudien beruhenden 
Werkes gegeben worden. Da defien Titel 
jedoch nicht vermuten läßt, melde Fülle an 
landesfundlihen Nachrichten darin nieder: 
gelegt ift, joll in Nachftehendem kurz darauf 
hingewieſen werden. 

Bunädft erfahren wir Ausrührliches 
über die Ton: und Staolinlager bei 


dem ehemals pfalz-zweibrüden’ichen Dorfe | 


Mohjelden an der Nahe, deren Material 


ſchon im 18. Jahrhundert zur Herftellung | 


von geringerem Porzellan (daher der Name 
„Borzellanerde”) benüßt worden ift, jeßt 
aber hauptiählih für die Fabrikation der 
befannten Mettladher Plättchen und von 
Terrafotten Verwendung findet. Auch 
Sande von Wörſchweiler und Letten 
und Erden von Alzey, Dürkheim, Eiſen— 
berg, Albersweiler, Barbelroth, Meijen- 


heim, Erbach und Altftadt werden erwähnt. 
Eingeflohten find Nachrichten über die 
Glashütte zu Hoof, die Eifenmwerfe zu 
Schönau und Kontwig und die herzoglichen 
Manufafturen in Homburg und Zwei— 
brüden (Spinnerei, Weberei, Färberei). 
Ausführliher ift die Geſchichte des ſchon 
den Römern befannten Bades Guten- 
brunnen bei Wörſchweiler behandelt. 
Weitere Nachrichten finden ſich Über die 
Bergmwerfe auf Silber, Quedfilber und 
Steinkohle und über die Gewinnung von 


 Bitriol und Alaun im ehemaligen Oberamt 





Meijenheim, ſoweit diefe Unternehmungen 
in Beziehung zu Geheimrat Dr. Stahl, 
dem Begründer der Zweibrüder Porzellan- 
manufaftur ſtehen. 

Im einzelnen werden genannt die 
Silbergruben von Hotten:, Selb, und 
Stahlberg; die QDuedjilbergruben am 
Königsberg bei Wolfftein, am Moſchel— 
landsberg und Stahlberg; endlih Die 


Steinfoblengruben zu Breitenbad, 
Dudroth, Halfreuz, Hoof, Reitzergraben 
und Ulmet. 


Mit diefen Nachrichten bildet die vor- 
liegende, dur ein ausführliches Regiſter 
audgezeichnete Arbeit eine millfommene 
Ergänzung zu dem trefflihen Buche von 
Seminardireftor 8, Eid „Wittelsbach auf 


108 


| 


| vermuten läßt. 








Landsburg” *), deffen Titel leider auch nicht 
den wertvollen ([andesfundlihen Anhalt 
Dr. Häberle. 


"2. Eid, Wittelsbach auf Landsburg 
[Mofchellandsberg bei Obermoſchel). Ein Stüd 
pfälzifcher Geſchichte. Mit Bildern, Plan und 
Stammtafel. Kaijerdlautern, Cruſius 1905. Auf 
der Rüdjeite der beigegebenen Merian’jchen Starte 
befindet fih ein Berzeichnis meiterer Landes— 
kundlichen Arbeiten des Berfaflers. 


Bayeriſche Borzellan-Ausfellung,. 


I. Der offizielle Katalog der Ausftellung 
alten Bayeriichen Porzellans ift erjchienen. 
Einem kurzen Bormwort des Direktors 
Dr. Hans Stegmann folgt zunächſt ein 
Verzeihnis der Ausfteller, diefem dann 
ein geichichtlicher Abrik der von den Wittels- 
bacher Fürften ins Leben gerufenen Fabriken 
Nymphenburg, Frankenthal und 
Bweibrüden, ſowie der im heutigen 
KKönigreihe Bayern gelegenen kleineren 
Manufafturen Unsbah: Brudberg, 
Würzburg und Regensburg. 

Als Ausfteller find u. a. genannt und 
interejlieren den Pfälzer zunädit: Die 
Großherzöge von Baden und Helfen, Steuer- 
einnehmer Ph. Mandler (Albisheim), Arzt 
Dr. Beder (Baden-Baden), WBorzellan- 
Mufeum Darmftadt, Dir. Dr. v. Dfter- 
mann (Darmftadt), Familie Bafjermann- 
Jordan (Deidesheim), Kommerzienrat Fr. 
Edel (Deidesheim), Freifrau EL. v. Gienanth 
(Eifenberg), von Frankenthal 3 Ausfteller: 
Altertumsverein, Kaufmann Joh. Kraus 
und Staufmann Louis Perron, Bürgermeifter 
%of. Bordollo (Grünftadt), Priv. Georg 
Hartmann und Bergrat Fr. Sachs (Heidel- 
berg), Kunſtgewerbe Muſeum und Bähringer 
Mufeum (Karlsruhe), Chemifer Dr. W. 
Haß (Ludwigshafen), Mannheim 7 Aus: 
fteller: Großfaufmann Karl Baer, Bank— 
direftor Emil Feibelmann, nftallateur 
Hd. Leonhard, Kaufmann Bictor Xoeb, 
Großfaufmann Fr. Oefterlin, Priv. F. 


Teubner und Priv. Jean Wurz, zulekt | 


Kaufmann HH. Morig fen. (Speyer). 
Hier ift aud das Marfenmweien der 
einzelnen Fabriken und ihrer Künftler be: 
handelt. Gin weiteres Verzeichnis führt 
die bis jegt erjchienene Yiteratur auf. 
Hienach ift die Beichreibung der ausgeftellten 





Gegenftände angeordnet. Sie umfaßt 2151 
Nummern, ift sehr eingehend und über- 
fihtlih. Bei jedem Stüd find Fabrif. 
marfen und Merfzeihen angegeben 
durd; Hinweis auf eine der beiden Tafeln, 
welche in 41 Abbildungen alle in der Aus: 
ftellung vertretenen Marken und Merf- 
zeichen bringen. Auf 24 Tafeln (Kunft- 
drudpapier) kommen die bejonders hervor- 
tretenden Typen der Yabrifation der ver- 
jchiedenen Manufafturen in vorzüglichen 
ganzjeitigen Abbildungen zur Anjchauung. 

Durch jeine gediegene Darftellung und 
vortrefflihen Abbildungen geht der Katalog 
ın feiner Bedeutung über die ſonſt üblichen 
Ausftellungsfataloge hinaus und wird jedem 
Freunde und Sammler auch noch in Bu: 
funft ein ſchätzbares Nachſchlagewerk bilden. 
Sein Berfafjer, Kgl. Konjervator Dr. Fr. 
9. Hofmann, verdient hiefür volle Aner- 
fennung. Der Preis des Katalogs — 
262 Geiten und 24 Tafeln — beträgt 
I ME. 50 Pig. Daß es ermöglicht murde, 
den Statalog zu dieſem wirklich niedrigen 
Preiſe abzugeben, hiefür verdienen die 
Beranftalter der Ausftellung bejonderen 
Dank. 

II. In der Pfalz blühte die Manufaktur 
Frankenthal. Noch nie ward eine ſo 
glänzende Kollektion Frankenthaler Stücke 
zuſammengeſtellt, wie dies hier der Fall iſt. 
1755 war dem Fayence- und Porzellan- 
fabrifanten Paul Anton Hannong bie 
Konzeſſion erteilt worden; vier Jahre 
jpäter übergab er die Leitung des Betriebes 
feinem Sohne Joſeph Adam. Unter ihm 
war vor allem Karl Gottlieb Lück als 
Modelleur tätig, der Hauptmeiſter der 
Frühzeit, deſſen Werf feitzulegen bisher 
noch nicht völlig gelungen if. Auch in 


— — 


dieſer Frage wird die Ausſtellung wohl 
klärend wirken; vermutlich aber darf man 
mit dem Namen Lück wohl eine Reihe von 
Gruppen in Berbindung ſetzen, die, wie 
das wundervolle Stüd „Toilette der Venus” 
aus dem Würzburger Schloß, ein Reichtum 
des Aufbaues bei rhythmiſcher Gefchloffen« 
beit der Kompoſition zu den Glanzſtücken 
deuticher Porzellanfunft gehören. Hervor— 
ragende frühe Stüde find auch eine aus 
elf Nummern fih zufammenfegende Jagd— 
gruppe und die Göttergeftalten im gleichen 
Kaften. Recht beachtenswert find eine An- 
zahl Frankenthaler Frühwerke in Hinficht 
auf ıhre Berwandtihaft mit der älteren 
Fayence Induſtrie und deren Einfluß auf 
das Porzellan. Teilweiſe find zu jolchen 
Figuren, meift Jägertypen, Savalieren, 
wie fie mehrere Schränfe im erften Saale 
rechts des Eingangsraumes vereinen, jogar 
die gleichen Modelle benüßt, die ſchon in 
Straßburg, von woher die Hannongs famen, 
in Gebraud; ftanden. 1762 kaufte Kurfürſt 
Karl Theodor die Fabrik an, uns unter 
feinem Broteftorate waren der Reihe nad) 
Meiſter wie Konrad Link, Johann Freybolt, 
Bauer, Simon Feylner und der ſchon bei 
Nymphenburg genannte Johann P. Meldior 
tätig. Der bedeutendfte davon, Konrad 
Lint, ift auf der Ausftellung vorzüglich 
vertreten; der große Mittelſchrank im 
Frankenthaler Saal ift gefüllt mit Werten 
von ihm. Gin Meijterwerf in Form und 
Farbe ift ein heil. Borromäus, originell 
erdacht und fein modelliert find die Figuren 
des Tierfreifes ſowie verjchiedene Porträts. 


Mehrere Niefengruppen mit Allegorien 
und Berberrlihungen Karls Theodors im 
Frankenthaler und im Gingangsraum ge- 
hören gleichfalls Link zu. Fißgürliche 
Rabinettftüde aus allen Epochen Franken: 
thals find dann noh in einem Rund: 
Ihränfhen im Cingangsraum aufgeftellt; 
hochſeltene Stüde find ferner zwei Spiegel» 
rahmen, eine Standuhr auf Rhinozeros 
und ein mächtiger Weinfühler von erlefenem 
Schmuck. Auch in der Gefdhirrfabrifation 
hat Frankenthal Erquifites geleiſtet. Im 
legten Saal beiſpielsweiſe find in ber 
oberen Reihe eines Wandfaftens umfang- 
reihe Proben ganzer Speifefervice gegeben, 
beginnend mit einem in zartem Garmoifin 
und Gold gezierten aus der Frühzeit, dem 
ein föftliches, reich mit Bogel- und Orna- 
mentmufter gejchmücdtes aus der mittleren 
Epoche ſowie ein jhliht in Blau und Gold 
gerändertes aus der Spätzeit folgt. ALS 
Maler waren in Franfenıhal Bernhard 
Magnus und %. Oſterſpeh vorzüglich tätig. 
Bon Zweibrüden, Würzburg und 
Regensburg gelang es nur vereinzelte 
Stüde zujammenzubringen, immerhin aber 
find die ausgeftellten Objekte von ftarfem 
Intereſſe, da die Eriftenz erfterer Fabrik 
erst jeit wenigen Jahren wieder befannt 
gemacht wurde, Würzburg und Regensburg 
aber als Orte der Borzellanfabrifation erft 
neuerdings durch Fr. Hofmann nachgewieſen 
find. Würzburger Stüde befonders find 
von der äußerſten Seltenheit; die Fabrik 
währte im ganzen nur fünf Jahre. 


Bie Borzüge der Ortslage von Altenglan. 
Eine Schilderung aus dem Jahre 1585.*) 
(Mitgetellt von Dr. Häberle, Kalſerl. Rech.Rat, Heidelberg). 


Es gehet eine alte Sage, daß das Dorf 
Altenglan ein gar alter Ort ift, der mit 
Trier und andern alten Städten mehr von 
den Heiden (Römern) zu bauen angefangen 
morden jei, von welcher die Heiden eine 
jehr große Stadt haben machen und den 
Glan mit der Ring und Stadtmauer zu 
beiden Seiten einichließen wollen, daß alfo 


der gemelte Glan mitten durd die Stadt 
bat fließen follen, Wie es aber verhindert 
ſei worden, daß ſolch Fürnehmen nicht ift 
in Werk gelegt, wiſſen fie feinen Beridt. 
Eglihe aber menden dies und jenes für, 
die Berhindernis belangend, es lautet aber 
etwas läcdherlih und ſeltſam. Aber eins 
muß ich gleichwohl fagen, daß ih auf dem 


) JZohann Hoffmann, Gründtliche und ——— Beſchrelbung des Ampts Lichtenberg. 


Manuffrtpt im Ktreisarchiv zu Speier ©. 467—47 


ganzen Glan feine berrlidere und 
beifere Gelegenheit gefunden habe 
als zu Altenglan. Denn mie fie jelbft 
fagen und ich gehört, haben fie des Orts 
alles, was ihr Herz wünſchet und begehrer. 
Und mas fie nicht haben, das fünnen fie 
auch gar mohl entbehren. Nämlich fie 
haben einen föftlihen Feldbau, alldieweil 
die Berge dajelbit nicht fo gehe find als 
jonften am Glan; Spelz, Weizen und Gerft 
neben Korn und Hafer wächſt dafelbft dıe 
Menge. So haben fie au einen föftlichen 
Wein (Wies )) wachs. ES ift der Wiejen: 
grund des Ortes fo föftlih und haben die 
Bielheit dergeftalt, daß mander fein Heu 
und Grummet nicht wohl legen fann, 
welcher Wiejengrund ſehr gedünget und 


110 


feift wird von dem Waflerjhleim. Denn 
dajelbit fallen die Kufelbah und Reichen: 
bad oben und unten an gemeltem Dorfe 
in den Glan, welche Bäche ım Frühling 
von dem großen Gewäſſer fi aljo ergieken, 
daß fie aus dem Geftade ausbreden urd 
über die Wiejen herlaufen. Darum bleibt 
gemeinlichb ein feifter Schleim oder Dung 
auf dem Boden, von mweldem dad Gras 
trefflich ſehr wächſt, wenn ſich das Waſſer 
wieder verlauft. So haben ſie auch die 
Holzung nahe an der Hand. Derhalben 
iſt es wohl glaublich, daß den Alten ſolcher 
Ort nicht übel gefallen und wohl daſelbſt 
etwas nambhaftiges anzuftellen und zu bauen 
gemeint geweſen.“ 


Pfälziſche Hydrographie. 


Vom K. Hydrotechniſchen Bureau in 
München geht uns ein Auszug aus dem 
10. Jahrbuch des H. B. zu, welchen wir 
zur Vervollſtändigung der auf S: 62 des 
laufenden Jahrganges gemachten Angaben 
bier abdruden, 


Wir find zugleich durd | 


freundliches Entgegentommen der Münchener 
Bentralftelle in die angenehme Lage verjegt 
ein umfangreiches Startenmaterial in der 
Pfälz. Heimatkunde für die Intereſſen der 
Lejer gelegentlich zu veröffentlichen. 


Station Ungftein. 


Beobachter Herr Okonom Emil Schufter in Ungftein. 








| Sefamtregen des Monars 


Negenfälle 5 mm Niederjchlag 





Dichte | | 





















Srößter Niederichlag 

















































| Dichte | wma 8 ens 
Monat | Höhe | Dauer pro | < ' Höhe Dauer | pro — — 
Stunde | ag | | Stunde | Höhe Dauer En * 
Stde. | mm | ‘mm | Stöe. | Min.| mm | mm | Min. | 
| | | | \ 

| | 6./7.1148 | 16 | 4 | 09 06 |» 0,06 

- 18.9 66 | 6 | 50 1,0 1,1 | 10 0,11 

10 | 5.85 os | 40 - 30 2 1,00 

— | 2. 80 | 9 | 10 093 | 03 10 0,03 

| 44 5. lsıs | 6 | —-| 52 Iı2 6 1,87 

ie 10. | 142 ı 1830|! 95 | 44 6 0,73 

⸗ — || 20. 383 5 | 75 2,7 2 1,35 
Jult | 742 | 16 #8 m - | m — 1,7 1 1,70 
R -— | - 112 167 - I 8 — | 62 5 1,24 
7 | — — — 19. u — — — | 2,4 2 1,20 
# = _ — 1%. | 80 ıIl| -| so | 24 5 0,48 
ei — — — 28. 80 5 10 15 12 5 0,24 
Aug. | 104,2 | 62 17 | 67. | 174 6 2 | 239 1,1 ı | 110 
[77 | — — rap 7. 95 7 20 1,83 0,7 10 0,07 
r - = — 13. 66 4 48 14 | 10 5 0,20 
z = — — 21. 83 ıl— | 83 | 50 5 1,00 
pi — zu — 23.24. 12,5 7 40 ısc | 22 5 0,44 
Sept. — = — | 10. | 55 1 | 10 | 47 I ı7 6 | 0,28 
Ri | en — — PJ A. 128 | ı|50| 29 | 15| mw 0,15 


— 111 — 


Station Raijerslautern, 
Beobachter K. Landwirtichaftsfchule Kaiferslautern. 





|Gefamtregen de Monats 


Regenfälle 5 mm Niederichlag 


















































I Ren a 
| er Größter Niederfchlag 
N _ Dihte | Dichte während des Regens 
onat | Höhe | Dauer | pro | Tag Höhe Dauer | pro — Dichte 
I. 20; 2 
| 1, jotade | ® Stunde ei Dauer pro Mt. 
mm | &tde. mm ; mm | Stöe. Win, mm | mm | Min. mm 
| Ä 
Mai | - I - | - 1924| 219| 86 | 10 | 086 | 15 30 0,05 
Pa — — — 24.25. 176 | 19 | 15 | 09 | 12 | 30 | 004 
: | - | —- za 25, 7,0 8 — 0,9 15 3 0,50 
‚| - — — 190.|ı2! 2! — | 66 | 85 4 0,88 
In I — — — "5 92 2 25 3,8 5,4 6 0,90 
‚I - | - — 1. 60 1 10 | 5,1 — — 
J — — — 20. -|I|- — _ — — — 
„N - | —- - : 1.| — | —- — — - | — _ 
Quti | 42| 17 2,6 9. 108 — | — 88 20 0,44 
I -—- _ - en 2 3 || 15 2,8 8 0,35 
I - — — 19. | 54 2 380 22 2,4 6 0,40 
Aug. | 1924 | 72 1,7 | 90 2 20 339 25 5 0,50 
— — _ 6. | 79 7 — | 1 18 | 0 0,09 
z wa — 6.7. mol SI 10! 238 18 | 10 018 
J - | - — 7.1168 | 14 30 12 1,0 3 0,33 
:-1-+- | - _ u. 9202| 6| -—| 15 | 7! 8| 02 
Er — — — 17.1 68| 3 — 22— 3,2 8 0,40 
a _ — 1 582| 2 _ 2,6 1,8 5 0,36 
x | 0 163 17 oil 5 | 074 
ee — 18/9 77) 6 10 | 15 15 3 0,50 
en — so. | 69 ı ı 50 | 38 18 | 5 | 0,36 
Sept. | 67 | 25 | 19 123.724 2005| 13 | — | 16 2383| 1 0,16 
| | | u | 


Niederihlag und Abfluß im Jahre 1908, 
Gebiet der Rheinpfalz, verglihen mit der Periode 1899;1903. 





j — | Mittlere | 
Aeder 7 gegen: | Nieder Grenzwerte der Spiele 
ſchlags⸗ ſchlags⸗ * 
tage oe Regenhöhen | _ der 

böbe , np | 

h et) pro Regen: 
1 mm || Regentag | | NA hohen 
mm 


Geſamt⸗ 


Haupt» 
flußgebiete 


Gebietögröße 
Niederichläge 








1899| __ 1899| 
"119091; 1503 | 9008| 1903 
Min. Mar. ‚| Dein. Mar. 


1908 | 1899/1903 1899 
1908 7005 











| | | | 
1. Borbderpfalz 3125 | 2 681 | 633) 113 1131| 6 5,6 | * 1012 a 746 | 


2. Nahegebiet | 1470| 946 643 | 


3. Saargebiet 996) 729 | 710 116| 12363 | 39 | 581 ni es 780 190 


641 108 | 6,0 | 5,7 j 508 930 | 560 | 838 424 














| 
Befamtgebiet r 
der RHeinpfalz | ‚586 | 


| 


7 
4001 | 682 5,7 |, 506 | 1012 


| | 506 | 341 
| 











| ’ 
‚111 116) 6,1 




















ı 

































£ 
= E 
| 3 3 B2l% | 5 ölsielz|3 si8|i:|e 
4 € x 8 — = Fit 9 E 2 pr u fe 21 58 
i 4 — 7 31337433333335135457 
Ver | m |. #ıidıs|& |8 E “5 5A ini > 
h 7 I) 10 | 11 | 12 | 18 | 14 | 15 | 16 | 17 20 2 | 3 








Monats: und IJahresfnmmen 


























| nun Aal ara ah, 4654| 310 17a) B,2| 29,6| 29,6 175) 28,3 562 35 275 
1 bon ö 11a 880 ano a1 | B1,8| 494 Ä 429| 384 955 a 670 
11 an anti men) Tal al bb, 24,7) 10,8 | 2u2| 42, 41,1) 32,6 | 66,9| 47,5! 50,3 
IV ol a, Bol Bu 1,o| 84,2 50,8 | 65,8 | 14,2! 62,0 57,5| 69,6 70,4| 61,01 63,0 
V Mn u, oa 110,8 114,7: 79,9] 87,9 | 85,3|118,6 105,9| 87,1) 82,3 
VI Bra il rt | 79,4 1008| 51,2 81,3] 75,4 9A] 66,3| 51,3) 70,7 
vi BR | nah TEA] RLE| TOR 04,7) 60,8) van 90,7 | 66,0 6 479 34,7| 31,8 1| 495] 53,31 31,6 37,6 
vi Pas lan oz ltandı 184,2 128,6) 04,7 108,1 1100,0 |180,} 1130,1104,7 127,8 172,9 126,4 117,2]120,7128,3 1175 
* al anal) 464 RO! | 406 26,0 47,5) 32,7) 46,61 32,1 3,0 49,7) 34,4| 39,3 
wu dal 20 58 1a TU 88) 97) 87] 39 ı 821 19 18, 5, 43 301 30 

N | el 440 a a 20,7 | 1088| 1682| 28,4 32,9] 26,2 202 2 24,7 47,0 34,7| 195 
xu | A REN DLR) 20) 28,4 30,6] Al, 29,5| 24,7) 27,4, 233,5 28,9 15,4 29,5] 35,5) 28,4, 33,0 
pi (DER LO And RD TOLLE 710,3 881,6 |600,7 614,9 094,1 930,5 671,5 141, 1,609,7 553,2 6450 572,2 666,0 506,01 — [770,7,580,7 611,2 





* 4 —— * — 


Größter taäglicher Nederſchlag 


































v9 BIN WE 635 328 312 78.212 AR — 
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VOL VL VL Pitt. VI VII. VOL. 


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Anjahl der Niederihlanstane 


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— MT 01% 1 UT 18 17 90 18 — 
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2? 22 SD 2 4.0 — 
* 8 4 4 






113 


Gewitter und Bagılfälle in Süddentſchland. 


Hierüber veröffentlihen die M. N. %. 
vom 27. Auguft eine vorläufige Mitteilung 
und wir geben aus dem danferöwerten, jehr 
überfichtlihen Auflage von Dr. Eugen Alt 
folgenden, das Wejentlihe erichöpfenden 
Auszug: Die eingehende Forſchung der Ge— 
witter- und Hagelverhältniffe eines Landes 
bietet nicht nur rein mifjenjchaftlihes In 
terefje, fie wird auch eine wünſchenswerte 
Grundlage zur Beantwortung wichtiger 
Fragen des praftiichen Lebens. In erfter 
Linie ift es der Landwirt, der mit bejorgter 
Miene das drohende Gewölk aufziehen fieht 
und oft in wenigen Minuten um den Rohn 
monatelanger Arbeit gebradt ıft. Wenn 
durch Wohlfahrtseinrichtungen auch für den 
einzelnen die Wirkungen verheerender Blig- 
ichläge und Hagelſchauer weniger folgen: 
jchwer erjcheinen, jo wird die Schädigung 
doch nicht hintangehalten, und ausgedehnte 
Ylurvernichtungen bedeuten eine erhebliche 
Verminderung des Nationalvermögens, 
Demnach wächſt eine verläflige Erforſchung 
der Gewitter: und Hagelverhältniſſe eines 
Landes bis zu der Bedeutung einer jozialen 
Maknahme an, auf Grund deren eine Ber: 
minderung und gerehte Berteilung des 
Schadens möglich wird. In Bayern befteht 
bereits feit dem Jahre 1879, in Württem- 
berg feit 1880 und in Baden jeit 1885 ein 
mwohlorganifiertes Ne von Gemitter 
ftationen. Die Örundlage der Bearbei- 
tung bildet das Beobadhtungsmaterial von 
180 über ganz Süddeutſchland möglichft 
gleihmäßig verteilten Stationen während 
ded Zeitraumes 1893 bis 1907, 

Die tägliche Periode der Gemitterhäufig- 
feit, das heißt die durchfichnittliche Vertei— 
lung der Gewitter auf die einzelnen 
Tagesftunden, geftaltet fi an den ein- 
zelnen Orten Süddeutjchlands jehr verſchie— 
den. Das Minimum der Gemittertätigfeit 
fällt auf die Frühftunden zwiſchen 6 und 
8 Uhr, das Marimum auf die Nahmittags- 
ftunden zmwijchen 2 und 5 Uhr. 39 Pro» 
zent aller Stationen weiſen das Marimum 
zwifchen 3 und 4 Uhr, 25 Prozent zmwifchen 
4 und 5 Uhr, 23 Prozent zwifchen 2 und 
3 Uhr Nachmittags auf, während die Tages» 
ftunden 5 bis 6 und 12 bis 2 Uhr Nach— 
mittags nur von 9 beziehungsmweife 4 Pro- 








zent aller Beobadtungsorte als Marimal- 
zeiten der Gemwitterhäufigfeiten im fünfzehn- 
jährigen Durchſchnitte belegt werden. 

Unvergleichlich deutlicher ließen fich be» 
ftimmte Typen der Jahresperiode der Ge- 
witterhäufigfeit ald abgegrenzten Ge 
genden eigentümlich erfennen. Die Ahein- 
pfalz, das badiſche Unterland zwiſchen Nedar, 
Enz und Rhein, ferner das untere und 
mittlere Maingebiet und daran anjchließend 
das Regnik- und Rednitztal verzeichnen im 
Durdichnitte das Yahresmarimum der Ge- 
mwitterhäufigfeit im Juni, Auch auf dem 
ſchwäbiſchen Jura, im Quellgebiete der Do- 
nau, fowie in Südjchwaben finden fi noch 
Bezirke, in denen der Jahrestypus mit 
einem Junimarımum vorherrſchend ift. Für 
den Nordoften Bayerns, alſo für Franken— 
mald, Fichtelgebirge, oberes und mittleres 
Naabgebiet ift im jährlichen Berlaufe der 
Gemitterhäufigfeit ein Doppelmarimum mit 
Erhebungen im Mai und Yuli eigentümlich. 
Der überwiegende Zeil Süddeutjchlands 
jedoch weiſt das Marimum der Gemitter- 
häufigkeit im Monat Juli auf. 


Das praktiſch mwichtigfte Refultat der 
Unterfuchung erbliden wir in der Feftlegung 
der geographiſchen Berteilung der Ge— 
witterhäufigfeit über Süddeutichland ſowohl 
im Jahresdurchſchnitt, wie für die Haupt« 
fommermonate Mai bis Auguſt. Schon 
v. Bezold ift u. a. zu dem Reſultat gefom- 
men, daß es neben gemwitterarmen Gebieten 
Gegenden gibt, melde die Entftehung von 
Gewittern bejonders begünftigen und die 
deshalb als eigentlihe Gemwitterherde 
bezeichnet werden können. Nach den neu- 
eren Forjhungen tritt als intenfivfter Ge- 
witterherd die Rauhe Alb und das württem- 
bergifche Oberſchwaben hervor. Daran 
ſchließen fich der nördliche Schwarzwald, ein- 
zelne Gegenden des Mheintales, ferner der 
nördliche Teil der Frankenhöhe und insbe- 
fondere das Gebiet der Loiſach, der oberen 
ar und des Tegernjeeds. Bon hier zieht 
ſich eine breite Gemitterbahn ins Münchener 
Beden, in welches aud die Gewitter ein- 
münden, die aus einem weiteren Gemwitter- 
berde in der Gegend des Hohenpeiflenberg 
fommen. Das Marimalgebiet, das fi vom 
Münchener Beden in nordöftlicher Richtung 


— 14 — 


bis ins obere Rottal erftredt, ıft eine Folge | 


eben dieſes Zuſammenfluſſes zweier bevor: 
zugter Gewitterftraßen. Als jefundäre Ge 
mitterzentren treten ferner da8 Donaumoos, 


dad Donautal von der Einmündung des ' 


Lech bis Über Yngolftadt hinaus, die Um- 
gebung von Nürnberg und Bamberg, die 
Lömenfteiner Berge und die Wafjerjcheide 
von Nedar und Main hervor. 


Gewitterarme Gebiete finden fi | 


in der fjüdlıchen Bfalz, im mittleren Main- | 
tale, daran anſchließend im Steigerwald und | 
in der Gegend zwiſchen Frankenhöhe und | 


Pegnitz; außerdem find noch die nordöftlichen 
und öftlihen Grenzgebirge mit Ausnahme 
des Bayerischen Waldes zu nennen. 


Wenn wir nun auf die Ergebniffe der 
Hagelforihung übergehen, jo fünnen 


wir glüdlicherweije die beruhigende Tatſache 
funftatieren, daß im großen und ganzen 


Dagelfälle doch nur eine feltene Begleit- 


erfheinung der Gemitterzüge find, Wie 
Ihon erwähnt, lieferte die Beobachtungs— 
periode 1893 bis 1907 neben 80666 Ge— 
mwittermeldungen nur 3847 Nachrichten über 
Hagelfall, fo daß aljo im Durchſchnitt noch 
nicht ganz 5"jo aller Gemitter von Hagel— 
Ichlag begleitet find. Dabei ift noch zu be: 
denfen, daß unter den 3847 Hagelmeldungen 
ein beträdhtliher Prozentſatz leichter Hagel: 
fälle mit eingejchloffen ift, die feinen nennens— 
werten Schaden verurjadht haben. 

Don einer Tagesperiode einer jo 
ſporadiſch auftretenden Erſcheinung fann 
faum geſprochen werden. Hagelfälle zur 
Nachtzeit und in den Morgenstunden find 
eine ſehr jeltene Ericheinung und gelangen 
jelbft in einem 16jährigen Beobachtungs— 
intervall nur ganz vereinzelt zur Aufzeich— 
nung. Hauptſächlich find es die Stunden 
zwijchen 12 Uhr Mittags und 6 Uhr Ubends, 
während welchen Hagelfall zu beobachten ift 
und im allgemeinen darf ein Gleichlauf der 
Semitter- und Hagelhäufigfeit hinſichtlich 
der täglichen Periode angenommen werden. 

Hingegen ift in Bezug auf den jähr— 
lihen Berlauf der Hagelhäufig- 
feit ein bemerfenswerter Unterjchied; gegen» 
über der Gemitterhäufigfeit, die ihre höchſten 
Beträge im größten Teile Süddeutſchlands 
im Juli und in einem verhältnismäßig nur 
engbegrenzten Gebiete im Juni aufmeift, 


fällt das Maximum der Hagelichlagshäufig: 
feit in nahezu gleicher Stärke auf die beiden 
Monate Mai und Yuni. Es dürfte von 
Intereſſe fein, die 15 jährigen Monats: und 
Jahresſummen der Gemwitter- und Hagel: 
häufigfeit nah den Meldungen der 180 
Stationen einander gegenüberzuitellen. 


1. Gemwitterhäufigfeit: 


Yan. Fer. März Mr Mal Pumi Juri 
224 197 1110 415 193,350 19,223 21,133 
Augut September Dftober WRovember Dezember 
14,570 5098 1120 ı22 104 

2. Hagelhäufigfeit: 
! Yan Fehr. Mär April Mai Yuni Juli 

23 43 122 314 #7 877 787 

Auguft September Oftober November Dezember 
467 203 108 sı 9 











Wir entnehmen diefen Zahlen ohne wei— 
teres, daß die Wahricheinlichkeit, daß ein 
Gewitter von Hagelſchlag begleitet ift, in 
den Winter- und Uebergangsmonaten viel 
größer ift, alö in den eigentlihen Sommer- 
monaten. Im Februar trifft durchſchnittlich 
ichon auf 5, im Mai erft auf 15, im Auguft 
fogar erft auf 31 Gemitter ein Hagelfall. 


Das größte Interefje nimmt wiederum 
die Feftlegung der geographbijden Ber- 
teilung der Hagelhäufigfeit in An- 
ſpruch. Im allgemeinen zeigt fi, daß Ge— 
biete größter Gemitterfrequenz auch als 
Gebiete marimaler Hagelhäufigfeit auftreten. 
Deutlih erhalten finden wir den Gemitter- 
berd im nördfihen Schwarzwald, auf der 
Rauhen Alb und im wlrttembergijchen 
Oberichwaben, fowie die Gemitterbahn von 
der Gegend des Hohenpeiljenberg über das 
Münchner Becken gegen das obere Rottal 
auch als Marimalgebiete der Hagelhäufig- 
feit wieder. Bringt man die geographiice 
Verteilung der Hagelhäufigfeit auch für die 
Haupt: Sommer: und Anbaumonate Mai 
mit Auguft zur Darftellung, jo bleiben im 
großen und ganzen die Marimalbezirke, 
wenn auch mit recht veränderten Umgren- 
zungen, erhalten Mai und Juni weijen 
die größte Verbreitung der Hagelfälle, wie 
auch die höchften zahlenmäßigen Beträge der 
Häufigkeit auf. Der Juli meift bereits 
einen merflichen Rüdgang der Hagelgefahr 
auf, der dann im Auguft bis zu einer rela- 


— 15 — 


tiven Seltenheit des Auftretens von Hagel: 
fällen führt. 

Bir haben den Schwarzmald, und daran 
anjchließend den Jura, ferner wieder die 
dem Alpenrande vorgelagerte Moränenland- 
ſchaft, ſowie die Mittelgebirge an der Oſt— 





und Nordgrenze Baherns als Gebiete zu 
bezeichnen, in denen die Gewitter weit häu 
figer von Hagelſchlag begleitet find, als dies - 
in oft ganz benachbarten tieferen Lagen der 


Fall ift. 


Schneckenzucht in der Pfalz.*) 


Wie kürzlich die Zeitungen aus 
Klingenmünfter und Bergzabern berid- 
teten, beabfichtigt dort ein ausländijcher 
Unternehmer eine Shnedenzudt zu be 
treiben und läßt zu diefem Zwecke am Ger 
birgsrand Schneden, die mit 25 Pfennig 
für das Hundert bezahlt werden, in grö- 
Beren Mengen auffammeln. Es handelt fich 
hierbei um einen in der Pfalz noch neuen 
Induſtriezweig, der, wenn rationell betrie- 
ben, bei wenig Mühe und geringen Koſten 
ganz anjehnliche Erträge abwerfen kann, 
Einige orientierende Bemerkungen über die 
Schneckenzucht oder richtiger gelagt Schne: 
fdenmäftung dürften daher ganz ange: 
zeigt fein, 

Schon von alters her bildet die einen 
falfhaltigen Boden bevorzugende große 
Weinbergichnefe (Helix pomatia), deren 
bauchige, gelblihbraunen Sehäufe man bei 
uns allenthalben finden fann, in vielen 
Gegenden eine beliebte und ın den verjchie- 
denften Zubereitungen genofjene Faſtenſpeiſe; 
jehr geſucht find auch die nur ganz jelten 
vorkommenden linksgewundenen Gehäuſe, die 
fogenannten „Schnedenfönige”, für deren 
Anfauf von Gonchylienfammlern ganz enorme 
Preiſe aufgewendet werden. Die ftarfe 
Nadjfrage, namentlih aus Frankreich, hat 
nun in den legten Jahren dazu geführt, daß 
an der oberen Donau die Züdjtung und 
Mäftung von Schneden einen großen Auf- 
ſchwung genommen und fich eine richtige 
„Schnedeninduftrie” herausgebildet hat. 
Ihren Hauptfig bat fie in Butenftein bei 
Sigmaringen, wo im legten Jahre mehrere 


*) Bgl. hierüber: C. Schentling, Schneden 
als Nahrungsmittel. Yluftrierte Unterhaltungs» 
beilage zum Tag Nr. 79 dom 11. Dezember 1902. — 
Die Shnedeninduftrie an der oberen Donau. 

ranffurter Zeitung vom 1. November 1908 
tr. 304, 6. Morgenblatt. — Streid, Die 
Schnedenzudt. Hetlbronn 1903. 





Millionen Weinbergichneden gezüchtet wor— 
den find; auch noch andere Orte am Süd 
rande der falfreichen fchwäbiichen Alb wid— 
men jich diefem Ermwerbözmweig. Sobald die 
Tiere im Frühlommer ihr FFortpflanzungs: 
gejchäft beendet haben, werden fie dort allent- 
halben in Feld und Wald von Männern, 
frauen und Kindern in Süden gefammelt 
und an die Beliger von Schnedengärten ab: 
gegeben. Es find dies mit einer ntedrigen 
Mauer umfriedigte, etwa 200 Om. große 
Flächen kalkigen und feuchten Bodens durch 
welche Fußfteige ziehen. Anftatt mit einer 
Mauer kann man die Grunditüdfe auch mit 
einem mit Wafler gefüllten Graben oder 
mit glattgehobelten und geteerten Brettern 
umgeben und dann längs des Bretterzaunes 
Sägmehl ausjtreuen oder Dornen legen, 
damit die Tiere nicht entfliehen fünnen. 
Hierzu zeigen fie befonders bei Regen große 
Neigung und juchen immer neue Schleich 
wege zum Entwijchen. Gerade während die- 
jer Beit bedürfen fie beionderer Beauffic- 
tigung durch eigene „Dirten”. Aber aud) 
im Hochſommer fünnen die Tiere nicht ſich 
jelbft überlaſſen bleiben, da fie bei unrich— 
tiger Behandlung, namentlich bei Überfüllung 
des Gartens, leicht abiterben. Während der 
Gefangenſchaft füttert man fie mit Gemüſe— 
abfällen und Kleien und, um fie recht ſchmack⸗ 
haft zu machen, aud mit aromatijchen 
Kräutern. Gegen Ende des Herbites werden 
im Garten fleine Häufhen von Moos und 
trodenen Blättern ausgelegt, in denen ſich 
die Tiere verfriehen und dann ihre Ge— 
bäujeöffnung für die Winterrufe mit einem 
Kalkdeckel verſchließen. In diefem BZuftande 
ſind ſie transportfähig. Man verpackt ſie 
zu je 500 und verſendet fie in Fäſſern bis 
zu 10000 Stüd. Die meilten gehen nad 
Frankreich, wo Paris der ftärffte Abnehmer 
ift. Dort beichäftigen fih in den Marft- 
hallen während des Winterd nicht weniger 


— 116 — 


als 500 Händler mit dem Schnedenverkauf. 
Im oberen Donautal wurden im leßten 
Jahre 6 Millionen Schneden gemäftet, die 
in Bartien zu je 1000 Stüd in den Handel 
gebracht, Preiſe bis zu 17 Marf erzielten. 
Bon einem Schnedengarten von 200 Om. 
fann man nad Scenfling eine Yahresrente 
von 1 Million Stück erhalten. Wenn das 


Zaufend nur mit 8 Mark bezahlt wird, fo 
ergibt fih immerhin die hübſche Einnahme 
von 8000 ME. jährlich, die einer Berzinjung 
von etwa 400 Prozent gleichzujhägen wäre. 
Jedenfalls verdient biefer neue Erwerbs 
zweig im Intereſſe unjerer Volkswirtſchaft 
eine ganz beſondere Beachtung. 
Dr. Häberle. 


Fräünkiſche Gräberfelder am Mittelrhein. 


Während die Römerzeit mit ihrer Kultur 
uns zahlreiche und genaue Ueberlieferungen 
durch ihre Bodenüberreſte am Mittelrhein 
hinterlaſſen hat, liegt über der Epoche der 
erſten fränkiſchen Zeit noch ungewiſſes 
Dunkel. Die Geſchichte ſchien in dieſer Pe— 
riode zu verlöſchen, Menſchen und Ereigniſſe 
ſchlichen in dieſer Zeit wie Geſpenſter über 
den Rhein, kaum einen kurzen Schatten 
werfend, der ebenſo ſchnell verſchwand, als 
er bemerkt worden. Der an Ueberreſten 
der verſchiedenſten Zeitabſchnitte reiche Bo— 
den zwiſchen der Haardt und dem Mittel— 
rhein hat beſonders in neuerer Zeit doch 
intereſſante Beiträge für die Geſchichte der 
alemanniſch-fränkiſchen Periode geliefert. 
Namentlich ſind es die Täler der kleinen 
Flüſſe, die von Weſten aus dem Waldgebirg 
kommend dem Rhein zuſtreben, die hierbei 
in Frage kommen. Bekanntlich mündeten 
in die von Straßburg über Speyer und 
Worms nad) Mainz führende Hauptſtraße 
eine Anzahl Eleinerer Querftraßken, von 
denen man wohl annehmen fann, daß fie 
meiftens jenen Flußtälern, der Iſenach, dem 
Eisbach, Eckbach und anderen folgten. 
Zweifellos befanden fich zu jener Beit an 
diejen Straßen zahlreiche Siedelungen, welche 
in ihrer Nähe ausgebreitete Gräberfelder 
beiaßen. Der Pflug des Landmannes und 
die Schaufel des Sandgräbers find es, die 
bäufig die erfte Entdedung bei Bodenfunden 
machen und dem Forſcher die Wege weiſen. 
Bei diefen Grabungen nun treten unter 
mancherlei Ueberbleibieln aus ferner Beit, 
wie erwähnt, auch Reſte der alemannijch- 
fräntifhen Periode zu Tag. In der Nähe 
des Dorfes Eppftein, dem fränfiichen Eben- 
ftein, unfern von Flomersheim, wo einft- 
mals das „Wallum Publicum* der Stahl- 
bohl des Wormsgaues geitanden haben foll, 


wurde vor kurzem anläßlih der Anlage von 
Sandgruben ein ſolches fränkiſches Grä— 
berfeld von bedeutender Ausdehnung an: 
geichnitten, das bis jet folgendes Ergebnis 
lieferte: In einer Tiefe von etwa 2 Meter 
ftießen die Arbeiter auf mehrere Sfelett- 
gräber. Die Leihen waren ganz einfach, 
mwahrjcheinlid mit Unterjchiebung eines 
Prettes auf den Sand gebettet. Zu Tag 
gefördert murden 3 männliche Sfelette, 
deren ausgeſprochene Langſchädel jämtlic 
alte Hiebverlegungen aufmwiejen. &8 gelang, 
noch einige Öliederteile zu meflen und hat- 
ten die Oberjchenfeltnochen eine Länge von 
ca. 45 cm, die Unterarmfnodhen eine ſolche 
von etwa 28 cm. An Beigaben hatte das 
eine Grab 1 Sframafar (einichneidiges 
Kurzichwert) von ca. 31 cm Länge und 4 cm 
Breite, 1 eiferne Gürtelfchnalle eine Fleine 
Scheibe aus Weißbronze mit einem grünen 
perlenartigen Gebilde, die wahrjcheinlich als 
&ürtelverzierung gedient hatte. Zwiſchen 
den Unterſchenkeln des Skeletts ftand ein 
dinnmandiges Tongefäß nebit einigen zer: 
drüdten Fleineren Schalen, auch lag ein 
kurzes Gifenmejfler dort. Die beiden anderen 
Skelette waren gleichfalls mit Waffenbeiga- 
ben beitattet. Es fanden ſich bier ebenfalls 
zwifchen den Unterſchenkeln Tongefähe, Eı 
ſenmeſſer, Eifenringe, Gürtelfchnallen und 
fonftige Eijenteile, ein Stück Rotftein und 
eine mächtige, gut erhaltene Lanzenſpitze von 
60 cm Länge aus Eifen, deren Tülle noch 
Spuren des Holzichaftes aufwies. In 
nächfter Nähe diefer Gräber fam noch ein 
Kindergrab zur Aufdeckung. Es fanden 
fih hier als Beigaben ein länglicher durdy- 
fichtiger Rheinkieſel, ein rundlides Stein: 
ftüf und ein Zerrafigillataplättchen, ein 
durchbohrtes verjchobenes Rechteck darſtel⸗ 
lend, welches vermutlich ald Anhänger ge- 


— 117 — 


dient hatte. Ferner befanden ſich in diefem | geben, daß man es mit einem ausgedehnten 
Kindergrab als wichtigfter Fund drei römische | fränkischen Gräberfeld zu tun hat, deflen 
Bronzemünzen (Konftantine),. Bemerkens- | gänzliche Freilegung in Kürze erfolgen dürfte. 
wert ift no, daß jämtliche Sfelertte mit | Sämtliche bisherige Fundgegenftände ge» 
dem Kopf nad Weiten, mit den Füßen nah | langten in den Beſitz des Muſeums zu 
Dften lagen, fjodaß der Blid des Toten | Speyer, mwojelbit fie zujammen mit früher 
nach der aufgehenden Sonne gerichtet war ſchon erhobenen ähnlichen Objekten im erften 
Nach fahmännifher Schäßung deuten die | Saale des jüdlichen Flügels bei den ale- 
Funde auf das 6. Yahrhundert n. Chr. | mannijch: fränfiihen Fundſtücken zur Auf: 
Nähere Unterfuhung des Platzes hat er- | ftellung fommen. J. Böhm in der Pi. Pr. 








Einige Winke zur richtigen Behandlung von Blumenftränßen 


dürften aud) jet noch am Plage fein. Bor | Jeden Morgen nehme man den Blumen- 
allem jorge man dafür, daß der Behälter, in | ftrauß aus dem Behälter, entferne die welt 
den man die Blumen ftellen will, fi) auch | gewordenen Blätter und Blüten und jchneire 
wirklich praftifch dazu eignet. Man nehme | von den Stielen zirfa einen Zentimeter ab, 
zur Aufnahme der Blumen eine Vaſe oder | damit hierdurch den Blumen die Aufnahme 
ein Glas, das oben am Halſe nicht zu eng | neuer Nahrung erleichtert wird. Auch der 
ift, und entferne die unten am Stil figenden | Behälter ift unten zu reinigen und ftetö mit 
Blätter, die, wenn fie im Waller ftehen, | friihem Waſſer zu füllen. Eine Abbraufung 
diejes sehr Schnell durch Fäulnis trüben, | der Blumen ift alle Morgen vorzunehmen, 
Ferner Stelle man die Blumen nicht direft | Pflegt man auf diefe Weije die zarten Fin 
in die Sonne, fondern an einem fchattigen | der der Natur, jo wird man auch längere 
Plag im Zimmer auf. Un heißen Tagen | Beıt feine Freude an ihnen haben. 

gebe man ihnen mehrmals friihes Waſſer. 








Meber pfälzifchen Vogelſchutz 


wird der Pfälz. Preſſe geichrieben: Wenn in | 

einem Artikel in Nr. 199 der „ri. Ztg.“, der 

fi auf das 2. Jahrbuch der VBogelfunde von 

Dr. 8. Floerike fügt, ſchwere Anklagen 

in Sachen des Vogelſchutzes gegen die Pfalz 

erhoben werden, jo erjcheint es als Ehren- 

ſache, mandes den gegenwärtigen Berbält: 

niffen entjprechend feftzuftellen und nament« | liebt einen mächtigen Happen und macht 
lich die Bogeljchugbeftrebungen nebjt den bis | fich feinem Gharafter nach gar nichts aus 
jegt hierin erzielten Hortichritten ind rechte | einem jo winzigen Bilfen, wie ihn ein Bogel 





weniger zu beobadten. Ya, Amjeln find 
überall in Dörfern und Städten jo häufig 
und jo zutraulich, daß fie faft zum Haus— 
tier geworden jcheinen ; dies läßt doch ficher 
nit auf ihren Fang jchließen. Mit der 
Erlegung zu Küchenzwecken ift es gleichfalls 
ſehr ſchwach beftell. Der Eräftige Pfälzer 


Licht zu ftellen. BZehnjährige Beobachtungen | bietet. Es ift an der ganzen Haardt nicht 
der Bogelwelt im Piälzerwald, namentlich | befannt, daß Bögel zum Efjen gefangen oder 
in dem waldreichen Gebiete der Berge an | erlegt werden. Unders verhält es fich mit 
der unteren Haardt, haben gezeigt, daß das | der Erlegung von Vögeln, die das Anterejje 
Ausnehmen von Bogelneftern, das Tangen | der Weinbauern jchwer jchädigen. Hier 
mit Sarnen und Sprenfeln bei weitem nicht | kann man nıdht vom Hörenfagen jprechen, 
jo ausgedehnt betrieben wird, wie in an« | fondern nur aufgrund eigener langjähriger 
deren Streifen Bayerns. Während in Unter: | Erfahrungen. Die Stare fallen 53. B. im 
franfen 3. B. Rotkehlchen, Finken, Stieg- | Herbit, wenn die Trauben reifen, in Wol« 
fige und Drofjeln jehr häufig in Käfigen | fen in die Weinberge ein. Man zählt hier 
gehalten werden, ift dies in der Pfalz viel | nicht nach Hunderten im Schwarm, jondern 


225 Iszieeter ers Bienisieder. 8 
Fa eme iolche Erstengcll: = te Berame 
reeberiitt, 1: geriet. Tert win es ba 
Ga armen beirärzieen Wırier verdertern, 
wien er Ih wehrt ars fräirs mt Schroi « 
&izel m der Eiwarm Emergiefrm? Ar 
ten Bogelfreurd ih dab keicuerl:s, Für 
ven Bızier in es cher ion gates Ned. 
Grssigel und Bofertiare Krb ın der Piel; 
richt io häufig, alt bab von eirer Gridie- 
Burg zu Tauientden geiproden werden 
finrte; Notfebihen und Horidmärsden 
werben gehegi und gepflegt, he bevölfern zu 
Zaufenbden die Bart ber Städte und Heden- 
anlagen der Törfer. Die GErlegung durd 
Amfer gehört zur Selterbeit. Zer Punft, 
bag bie Böhämmerjagb noch luftig mweiter- 
betrieben wird, iſt freilich nicht direlt zu 
widerlegen, Der ſogenannte Böhämmer ift 
ein Bergfink, wandert in manchen Jahren 
maſſenhaft aus Norden in die Wasgau— 
wälder, wo er ſich von Bucheckern nährt. 
Einen ausgeſprochenen Nutzen bringt er 
nicht. In den letzten Jahren waren aber 
die Wanderungen ſo ſpärlich, daß man von 
einem Maſſenmord dieſes Fremdlings gar 
nicht reden kann. Die Sache iſt mehr zur 
Erzählung geworden. Aufgrund perſönlicher 
Erfahrungen ſcheint das 2, Jahrbuch der 
BVogelkunde, ſoweit es die Pfalz betrifft, 
nicht zu ſprechen, denn es ruft zwar ben 
Staat und den rlihrigen Verein für Vogel 
hu in Bayern zu Hilfe, vergißt aber 


11* 


Pialz. 


2223. wos dre Eirl; m den legres Jabren 
rar den Begel —3 ger. Tas ⁊ gemih 
für tie errgm Eoseiiüger der Pic; 
seriik urd dem zꝛgle:ch Ein Zeuge, 
ch ;e der Pelz dem Grkiste Des 
Eiselitzges hrs er? vr Yebe gearbeiter 
wırd, bürite amerielio® der arte Boael- 
iger Arber. v. Berlepib fein. uf jei- 
nem @ute bei Darnozer bet in dirfem Früb: 
jebre die Ficl; den ertien Bogelwart 
in ganı Eäübddeutidhlend ausbilden 
lofien, Taujende und Atertouienbe von Rift- 
böblen wurden bezogen, nicht zu gedenfen 
der großen Ausgaben für Shut: und Fut- 
terartıfel. Und was bat die fol. Bein und 
Obſtbauſchule in Reuftadt geleiftet? Tas 
Bürgermeitteramt Deidesheim hat durch jei- 
nen trefflichen Bürgermeifter Dr. Baiier: 
mann-Yordan das möglıdite hierin ge- 
tan und bemwirft, daß der Bogelihug in 
jenen Gegenden auf emer idealen Stufe 
ftebt. Die Pfalz fann getroft die ſchweren 
Vorwürfe, die ıhr auf dem Gebiete des 
Bogeliduges gemacht werden, zurückweiſen. 
Nirgends find Mikftände hierbei ganz aus— 
jurotten, aber daß die Rheinpfalz ein ehr- 
lies fruchtbringendes Pefireben auf dem 
Gebiete des Bogelihußes gerade in den 
legten Jahren befundet, das fann ihr fein 
Stenner der Verhäliniſſe abipreden. Ein 
Beichen dafür ift die ungemeine Vermehrung 
nüglicher Vögel in faft allen Gebieten der 
% Böhm. 


- 
— 
— 


Bodenknlturunternehmungen im Jahre 1908 in Bayern. 


Nach einer Bufammenftelung des Kl. 
Stariftiichen Yandesamtes ergeben fi für 
dıe im Jahre 1908 in Bayern ausgeführten 
Stulturunternehmungen folgende Zahlen: 

Durh die amtlichen Aulturingenieure 
wurden im ganzen 1245 Unlagen mit einer 
Geſamtfläche von 5267,5 ha (darunter 
4587,53 ha Wiefen) ausgeführt, Nach der 
Art der Unternehmungen beftand die Boden: 
verbefferung bei 3328,1 ha ın Graben: 
entwäflerungen, bei 1372,0 ha in Drai- 
nagen, bei 169,0 ha in Bewäſſerungen, bei 
25,6 ha in Ent und Bemwällerungen und 
bei 142,9 ha in anderen Qnlagen, wie 
Kultur und Dedländereren, Planierungen, 


Eduß gegen Ueberſchwemmungen ufm. 
Der Gejamtfoftenaufmand für dieje Kultur 
unternehmungen betrug über 1 Million ME. ; 
biervon murden 277908 ME. durch Dar- 
leben aus der Yandeskulturrentenanftalt 
gedeft, während 21100 ME. durch Zu- 
ſchüſſe aus Öffentlichen Fonds aufgebracht 
worden find. Die Wertserhöhung des 
fultivierten Landes berechnet ſich auf 
3,8 Millionen, überftieg alſo die auf: 
gewendeten Koften um mehr als das Drei: 
fahe. Bon der fultivierten Fläche entfielen 
1694,9 ha (31,6 Brozent) auf private: 
2998,4 ha (56,9 Prozent) auf genoffen- 
ı Ihaftlihe und 604,2 ha (11,5 Prozent) 





— 119 


auf Unternehmungen von Gemeinden und 
Stiftungen. 
Auf die TR REIN verteilen ſich 
die Kulturunternehmungen wie folgt: 
Kultivterte Fläche 


Regierungsbezirle von 100 ha ber 
in&gef. land. benützt. Koſten Wertserböb. 


Fläche 
ha ha Mt. Mt. 
Oberbayern 21206 0,20 240432 991253 
Niederbayern 129,9 002 36497 80200 
Pfalz 1633 0,05 39501 245972 
Oberpfalz 3485 0,06 115540 151955 
Oberfranten 438,3 1,10 198610 542970 
Mittelfranten 390,1 0,08 109276 659330 
Unterfranfen 51,2 0,01 38835 70 100 
Schwaben 15356 021 298188 1006915 


Königreich 5267,6 0,11 1071879 3755695 
Außer diefen fertig geftellten Anlagen 
waren am Ende des Jahres 1908: 196 


von den amtlichen Aulturingenieuren projef- 
tierte Unternehmungen mit einer Fläche 
von 8,123,6 ha in Ausführung begriffen. 
Die hiefür veranjchlagten Koften belaufen 
fh auf 1,3 Millionen Mk., wovon 
512346 ME, der Landeskulturrentenanftalt 
entnommen werden. Weitere 466 Anlagen 
mit 17,332,8 ha Fläche und 3,7 Millionen 
ME. Koftenaufwand find bereits fertig projef- 
tiert und harren der Ausführung. 

Ohne Beihilfe der amtlichen Kultur: 
ingenieure wurden im Jahre 1908: 1368 
Bodenverbefjerungen mit einem Stoften« 
aufwand von 421800 ME. ausgeführt. 
Sie erftreden fih auf eine Fläche von 
2176,1 ha, deren Wert um mehr als eine 
halbe Million geftiegen ift. 


Menn die Heide blüht. 


Stimmungdbilb aus der Qüneburger Heide. 


Bald, ganz bald beginnen die Feſttage 
der Heide. An einigen günftigen und warm 
gelegenen Stellen bat fie ſchon in diefen 
Tagen zu blühen begonnen, und bald wird 
die ganze weite Fläche aufzuglühen be- 
ginnen, rojarot und rofaviolett und in den 
Tagen des Auguſt und September gibt es 
dann feine Landihaft in Norddeutichland, 
die fi mit der Schönheit der Lüneburger 
Heide mefjen fann. Sechs Wochen lang 
feiert die Tieblihe Erika ihre Hochzeit. 
Lange Hochzeiten find oder waren ja in 
Niederfahien Mode. Ihr Hochzeitskleid 
glänzt weit und breit, und dort am Waldes» 
rand bat fie ihren Myrtenfranz niedergelegt. 
Die Heidelbeere (Vaceinium Myrtillis) 
nämlich wird der „Myrtenfirauch der Heide” 
genannt”, und ihr Grün paht reigend zur 
lieblihen Farbe der Heidebraut. Einen 
roten Unterrof babe die Braut an, jagt 
man, und die unter den Blättern hervor- 
leuchtenden Sronsbeeren jeien der Rand 
desjelben. Und die Hochzeitsgäſte find die 
Bienen, melde die Braut in ihren Ehren: 
tagen täglich viele Male auffuchen, ſich von 
ihr bewirten laffen und dafür fummen und 
fingen. Der Neftar der Erifa, der Honig, 
der feiner noch jo ſchönen Blume fo duftig 
und füß verliehen ift, fcheint beraufchend 





| Nattern; 





auf das zarte Inſekt Biene zu mirfen. 
Wie toll ſchießt fie hierhin und dahin, 
nippt und faugt vom föftlihen Naß, ſchwingt 
fih auf und trifft fummend unjere Baden, 
aber fie jticht nicht, dazu hat fie heute 
feine Zeit, fie muß genießen und trinfen, 
trinfen. Raſtlos wirbelt die fleikige Schar 
von Held zu Kelch. Schwer mit Blüten: 
ftaub und Honig beladen beginnen einige 
Bienen zu fliegen, fallen aber erft einige 
Male zur Erde. Dann aber erheben fie 
fih mit feſtem Entihluß, und pfeiljchnell 
faufen die Duftberaufchten dem Bienen: 
Eorbe zu. Auch andere fröhliche Gäfte hat 
die Heide geladen, hübſche und andere. 
Bläulinge und FFeuerfalter flattern über 
den Feftplag, Heuſchrecken furren und 
fchnellen daher, Eidechſen raſcheln und 
ihnen allen und vielen anderen 
fingen und geigen Grille und Heimchen den 
ganzen Tag. Aber au ernithafte Geftalten 
find auf dem FFeitplage zu jehen, die Wadh- 
holder. Wie Pyramiden in der Wüſte 
ftehen dieſe dunklen Pflanzenweſen da. 
Wie Paſtoren im Hochzeitshaus nehmen fie 
nidit am Tanz und Gelage teil, jondern 
icheinen nur auf das Summen und Singen, 
auf die Freude und den Genuß der Fleinen 
Tiere, die fi unter ihnen in der Heide 


u. — 


tummeln und auf die von der Braut be: | bier auf dem einſamen Erdenwinkel ſchmückt 
ftellte Grillen- und Heimchenmuſik zu | und welche Feittage fie hier für ihre Kinder 
laufjhen. Wer da Augen und Ohren hat, | ihafft, der fomme hinaus auf die Seide, 
zu jehen und zu hören, wie die Natur fi | wenn fie blüht. — H. D. 


Bagelwetier. 


In der Naht vom 25. Juli ds. Is. 28. Juli ds. 8. wurden aud in den 
zog liber die bayerische Rheinpfalz, von den rechtsrheiniſchen Megierungsbezirfen mit 
Rentamtsbezirken Bweibrüfen und Pir- Ausnahme von Mittelfranfen, bejonders 
majens beginnend, über die Bezirke Land: | im Algäu, zahlreiche Gemeinden vom Hagel 
ſtuhl, SKaiferslautern, Neuftadt a. Hdt., ſchwer betroffen. Für die bisherigen Ge- 
Dürkheim, Grünftadt, Kirchheimbolanden, | witter diejes Jahres ilt im Gegenjag zu der 
Frankenthal und Yudmwigshafen ein jchweres | vielfach aufgeftellten und geglaubten Theorie, 
Dagelwetter, welches auf einer großen Zahl | daß es nachts nicht hagele, die Tatjache 
von Gemeindefluren die Aderfrüchte, Tabak | feitzuftellen, daß die diesjommerlichen, mit 
und Wein großenteils ergeblich beichädigte. | ſchweren Hageljchlägen verbundenen Gemitter 
Am gleichen Tage, dann auch am 26. und | abends zwijchen 9 und 12 Uhr ftattfanden. 











Schub der einheimilhen Yflanzenwelt. 


Aus dem Oberlande wird gejchrieben: | der völligen Ausrottung entgegengeführt 
Dem fürzlich gemeldeten Vorgehen des Be- | würden. Um diefen vom botanijchen, wie 
zirksamts Engen, welches das Ausgraben vom Standpunkt des Naturfreundes aus 
und Sammeln jeltener Pflanzen verbietet, | gleich bedauerlihen Schädigungen wirkſam 
um diefe von der gänzlichen Ausrottung zu | zu begegnen, werden die Feld und Wald 
ſchützen, find einige andere zuftändige Stellen | hüter, jowie die OrtSpolizeidiener angemwiejen, 
gefolgt. Die Gemeinde Zaftler (Amt Frei» | darauf zu achten, daß die Schulkinder die 
burg) hat einige diesbezügliche ortSpolizeiliche | ihnen in der Schule gewordenen Belehrungen 
Vorſchrift erlaffen und das Bezirfsamt Etten- | befolgen und auch ſonſt mwahrgenommenen 
heim weiſt in einer Belanntmadung darauf | unverftändigen und mutwilligen Schädigungen 
bin, daß e8 eine bedauerliche und vielfach | der Pflanzenwelt entgegentreten. Die ganz 
beflagte Tatſache fei, daß die einheimische | bejonders gefährdeten und zu ſchützenden 
wildwachfende Pflanzenwelt durh Schul: | Pflanzen find? im Großherzogtum 
finder, Sammler, Sommerfrifchler ufw. jo- | Baden: alle Orchideen, der gelbe Enzian, 
wie zum Bmede des Handels in immer | der Türfenbund, die Küchenjchelle oder Kuh— 
zunehmendem Maße gefchädigt würde und | jchelle (auch Dfterglode genannt). 
einzelne jeltenere Pflanzenarten geradezu 








nBalt. Die Fiſche des unteren Nedard. Bon Karl Chrift, Ziegelhaufen. — Landes» 
kundliche Nachrichten in Heufer, Die Pfalz-Zweibrüder Porzellanmanufaktur. — Bayerifche Bor: 
zellan-Ausftellung. — Die Vorzüge der Ortölage von Altenglan. — Pfälzifche Hydrographie. — 
Gewitter und Hagelfälle in Sütdeutjchland. — Schnedenzudt in der Pfalz. — Fränkiſche Gräber: 
felder am Mittelrhein. — Einige Winke zur richtigen Behandlung von Blumenfträußen. — Ueber 
pfälziſchen Bogelihuß. -— Bodenkulturunternebmungen im Jahre 1908 in Bayern. — Wenn die 
Heide blüht. — Hagelmwetter. — Schub der einheimiſchen Pflanzenwelt. 


Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern. 


V. Jahrgang. Nummer 10. Oktober 1909. 






“ns 
N — J 
MONATSSCHRIFT 
— FÜR SCHULE UND HAUS. ge 
Pi z 


EMANNMENSCH« 





% 











Die wehpfälzifche Moorniedernng 
in ihrer Beziehung zur Aumpffläche (Beneplain) der Mittelpfalz, 
Bon Redn.-Rat Dr. Häberle, Heidelberg. 


Am Zahrgang 1908 diejer Zeitjchrift | find durch die fegende und jchleifende Tätig- 
S. 99 hatte ich bei Beiprechung des Alters | feit des mit Sand beladeren Windes mie 
des Landſtuhler Bruces als Beweis für durch ein Sandgebläje abgeichliffen und be- 
die äoliſche Entftehung der dort auftreten» | figen eine ganz charafteriitiiche matte, firnis- 








den Sand— glänzende 
anhäufungen - Bolitur, 
das Borfom- mwährend die 
men von fo: | vom Waſſer 
genannten geichliffenen 
„Dreifan» Rollfteine 
tern” er: ohne einen 
mwähnt. Dan derartigen 
veriteht hier: Glanz find, 
unter Ge: Solche wind- 
ſteinsſtücke geglätteten 
aus härterem Gefteins- 
Material 3. ftüde fünnen 
B. Quarzit, aljo nur da 
Garneol, vorfommen, 
verfiejeltem wo der 
Sanditein Boden nicht 
2c,, deren ” durch eine 
Oberfläche Fig. 1. Windfanter (Ouarzit) mit Schußrinde aus einer Vegetationd- 
mit 2-6 dünnen Sandlage unter dem Torf. decke geſchützt 
ebenen iſt und der 


Flächen bedeckt ift, die ſtumpfwinklig in Wind ungehindert größere Sandmaſſen um— 
geradlinigen Kanten, nämlich in den Schnitt | zulagern vermag. In Wüften und Dünen» 
finien, aneinander ftoßen. Die Flächen jelbft | gebieten find fie eine befannte Erſcheinung, 


Anmerkung: Die beiden Abbildungen find aus dem 42. Bericht des Oberrheiniichen 
Geologiichen Bereins über die Berfammlung in Heidelberg 1909 entnommen und mit freundlicher 
Genchmigumg de Vorſtandes Hier miedergegeben. 





und führen dort in Anſpielung auf ıhre 
äußere Form oder ihre Entjtehungsart die 
verjchiedenften Benennungen wie Santen- 
geſchiebe, Facettengeſchiebe, Flächengefteine, 
Kantengerölle, Wüſtenkanter, Facetten- 
gerölle, Pyramidalgeſchiebe, 
Windflächner, Sandgebläſeſteine ujmw., von 
denen der neuerdings von Vorwerg aufge— 
ftellte Name Windfanter, der die äutzere 
Form und Entitehungsart am beiten fenn- 
zeichnet, wohl der geeignetfte fein dürfte.') 

Derartige Windfanter treten nun an 
zahlreihen Stellen im Brudye auf, entweder 
ın dünnen Sandlagen unter dem Torf, wo 
fie meift eine fettglängende Rinde haben 
(Fig. 1), oder ın den über die Niederung zer- 
ftreuten Maulmwurfshaufen-ähnlihen Sanpd- 
bügeln (Fig. 2), oder auch auf einzelnen Ter- 
rallen am Fuße der Sidinger Höhe, aber nie 
in den Diünenmwällen am füdlichen Bruchrand. 

Es muß aljo einmal eıne Zeit gegeben 
haben, wo die heutige Bruchniederung noch 
nicht verjumpft war, fondern ftarfe Nord: 
weitwinde über ihren vegetationslojen 
Boden hinfegten und mit aufgewirbelten 
Sandmaffen die herumliegenden Gelteins- 
trümmer zu Windfantern umgeitalteten. 
In diefer Zeit beſaß die in den Bunt: 
jandftein eingejenfte Talung, melde ſich 
über Saijerslautern hinaus bis auf das 
Plateau von Enfenbadh verfolgen läßt, fchon 
ihre heutige charafteriftiihe Muldenform. 

Ueber ihre Entitehung find bereits 
verjchiedene Hypotheſen aufgeftellt worden, 
auf die ıch kürzlich?) näher eingegangen 


') Bal. hierüber N. Jahrb. f. Min. ꝛc. 1906, 
Il, ©. T1—80 und Bentralblatt für Mineralogie 
1907, ©. 105—110, 330—341 und 547—549, 

Ganz ausführlich unter Angabe der älteren 
Literatur iſt ſpeziell für England die Windkanter 
(Wind—Worn Pebbles) Fass behandelt von 
Dr. F. A. Bather in ben Proceedings of the 
Geologists’Association, London 1900 S. 396 
bis 420 und im Geological Magazine, 1905 
9. 358 -359. 

‚) Häberle, Windlanter aus der weſt— 
pfälziſchen Moornicdernng (dem Landſtuhler 
Gebrüdh). Mir 2 Tertfiguren. Berichte des 
Oberrhein. Geolog. Vereins über die 42. Ver: 
fammlung zu Heidelberg 1909, ©. 104—109. 
Dort iſt auch die weitere, bier einjchlägige Lite: 
ratur (Qeppla, Reis, Bayberger) angegeben. 
Diefe Berichte fünnen auch von Nichtmitgliedern 
zum Preife von 1 bezw. 2 ME. bezogen werden. 
Mitglieder erhalten fie gegen einen Jahresbeitrag 
bon 2 ME. koſtenlos. 


Windfanter, | 


122 





bin; dabei habe ich auch das Vorkommen 
der Windfanter beiprochen. Ich führte aus, 
daß ich die heutige Bruchniederung im 
ihren erjten Anfängen gewiſſermaßen 
als Saumtai eines Tafellaudes zwiſchen 
den harten Felszonen des oberen Hauptbunt: 
fandfteins und dem permofarbonijchen Pfälzer 
Sattel auffaflen läßt, das, entiprecdhend der 


| Neigung der Schichten, die Abdachungsflüſſe 





' und 


des heutigen Hartgebirges bis zum Ein— 
bruch der Mheinebene in ſich ſammelte 
In einer Periode trucdneren Hlımas wurde 
der uriprünglich flache Rand diejer Talung 
unter den Wirkungen der Erofion und 
und Denudation allmählich zurüdverlcgt 
in einen Gteilrand verwandelt.* 
Dieler entftand hauptſächlich dadurch, daß 
die oberen, am Rande der Sickinger Höhe 
faft horizontal ausſtreichenden Bänfe der 
Trippftadt: und Starlötaljtufe gegen Die 
gejteinszerftörenden Sträfte bedeutend wider 
ftandsfähiger find, als die fie unter 
lagernden Rehberg Schidhten und des 
halb gefimsartig Aber diefer rajcher ver 
witternden Unterlage vorjpringen. Wir 
baben bier alſo ähnlidh wie bei der 
Schmwäbijhen Alb* eine durd den 
Denudationsprozeß im Laufe der 
Erdgejhihte entitandene Nauditufe 
und nidt wie beim Dftabfall der 
Hart gegen die Rheinebene eine 
durch teftonifche Borgänge bewirkte 
Brudftufe vor uns. 

Im Zuſammenhang mit diejer deutlich 
ausgeprägten Zandftufe fteht unzmeifelhatt 
eine andere auffällige morphologiihe Er 
iheinung, nämlich die Herausbildung der 
jet ftrichweife mit LöR und Rehm bededten, 
ausgedehnten Hochfläche zwiſchen Aljen- 
born, Sembach, Dtterberg und Moorlautern. 
Sie wird nur durch einige wohl auf Ber: 
werfungen zurüdzuführende Unebenheiten 
bei der Eſelsſürth (Dueidersberg, Eichel: 
berg) unterbrochen und ftößt bei Kaijers- 
lautern direft an die Ausläufer der Niede: 
rung. Erwägt man nun, daß ſich dıe 
Mulde aus dem Weſtrich bi8 nad Alſen— 


», Bgl. hierzu DO. M. Reis, Das Rot- 
(tegende und die Trias ber nordweſtlichen Rhein- 
pfalz in: Erläuterungen zu Blatt Zmeibrüden 
der geogn. Karte von Bayern ©. 157. 

W. Branco, Schmwabens 125 Bulfan- 
Embryonen S. % ff. Stuttgart 189. 


born - Enfenbady verfolgen läßt, wobei die 
fie jüdlich begleitende Landftufe nad Oſten 
zu immer niedriger wırd, jo fommt man 
unmwillfürlich zu der VBorftellung, daß die 
ganze mit janftem Gefälle in vorherrjchend 


123 


weftliher Richtung ziehende Talung in eine | 


alte Rumpffläde eingefenft ift; ihre 
Nefte treten uns in der oben erwähnten 
Hochfläche noch deutlich entgegen. Diejelben 
geiteinszerftörenden Sräfte, melde im 
Laufe der geologifchen Zeiträume dieje Faſt— 
ebeue („Peneplain“)?) ichufen, werden auch 
dazu beigetragen haben, den Steilrand 
(die Landſtuſe) der Sidinget Höhe durch 





mwaldes°) und Speſſarts in Beziehung zu 
bringen ift, läßt fich von dem hochgelegenen 
Fröhnerhof (325 m) gut überfehen. Wir 
ftehen bier faft in der Mitte der oben be: 
jchriebenen Hochebene, an der jegt von allen 
Seiten her die Erofion nagt. Wenden wir 
uns jedod nad) Süden, jo jehen wir die lang: 
geſtreckten Rüden des Pfälzer Waldes bis 
zum Oftabfall der Hart fo regelmäßig hinter- 
einander auffteigen, daß fich die alte Bunt: 
fandfteinplatte trog ihrer Zerſtückelung in 
janfter Neigung von Süden ber bis zu unferem 
Standpunfte mit Leichtigkeit refonftruieren 
läßt. Gegen Südweften madt fi nur der 


beträchtliche dur eine 
Rückver Verwer⸗ 
legung des fung’) em- 
Südufers porgehobene, 
des alten SO—NW 
Saumtales verlaufende 
herauszubil⸗ Höhenzug 
den. Der des Quei- 
ZTafelrand dersberges 
rüdte ımmer und Eidel: 
weiter zurüd berges als 
und überließ ftörendes 
der ſich durch Moment gel: 
diefen Pro— tend, Es 
zeß mehr und ſcheint ſogar 
mehr ver⸗ nicht aus 
breiternden geſchloſſen, 
Mulde das daß die brei— 
Feld. In ihr ten Rücken 
ſammelten im Rot—⸗ 
ſich dann in liegenden der 
der folgenden Fig 2. Windkanter (Buntfanditein) aus einem Sandhügel. Nord- und 
Beitftärferer Nordweit- 


Niederſchläge fiagnierende Gewäſſer, 
ſchließlich zur Verſumpfung führten. 

Daß wir hier mitten in der Pfalz noch 
Reſte einer alten Rumpffläche vor uns 
haben, die vielleicht mit der des Oden— 


) Dieſe Bun murde 1889 oon dem 
amertlanifchen Geograpben W. M. Davis auf- 
eftelt. Man ver hebt darunter ausgedehnte 
— die Im Laufe der Erdgeſchichte, un— 
abhängig von der Ar ie Bodengeftaltung, 
unter der Wirkung der Erofion und der flächen« 
baft wirkenden Denudation „fait in Ebenen”, 
in Wirflichleit meift in rg Hügelland- 
ſchaften umgewandelt worden find. 

Daß fih die abtragende Tätigfeit diefer 
Seräfte für beſtimmte Beitabfchnitte fogar zahlen» 
mäßig nachweifen läßt, babe ich bereits früher in 
diefer Zeitichrift (1906 ©. 78—85) bargetan. 


die 


pfalz, melde 3. B. aus der Donnersberger 
Gegend, von Heiligenmojchel und vom Eulen 
fopf nach dem Nahe- und Slantal ziehen und 
fih auch nod darüber hinweg gegen den 
Hunsrüf verfolgen laſſen und vielleicht 


| auch die ‚Höhen der Bmeibrüder-Birmafenjer 


Bol. ı SYahrb. d 


auch meinen Aufſatz: Zur Meſſung der Fort: 
fchritte der Erofion und Denudation. N. Jahrb. 
f. Mineralogie 1907, ®.1®.7 12. 

) F. Jäger. Ueber Oberflädhengejtaltung 
im Odenwald. Forſchungen 3. beutichen Landes⸗ 
und Bollskunde. Stuttgart 1904. 

) Bergl. U. Leppla, Die tr 
Moorniederung, ——— der math.-p 6 
Ki. d. Alademie d. Wiſſ. München, 1886, ©. 
Aubnote und: Ueber ben Bau ber pfälzifchen 

—— und des triabifchen —— 
. preuß. geol. Landesanſtalt 1892 ©. 33 


— 124 — 


Gegend mit diejer Rumpffläche ın Berbin- | einflugt: Verwitterung, Erofion und Denu 


dung zu bringen find. Daß jpeziell die 
erfteren der fubaöriihen Denudation ihre 
Ausebnung zu verdanfen haben, fann mohl 
als fiher angenommen merden, zumal ihre 
vielfach fteil ftehenden Schichten oben jchräg 
abgeſchnitten find. Manche diefer Plateaus 
laffen ſich noch jegt als Teile einer jrüher 
zujammenbängenden Hochebene erfennen, 
über welche die aus widerftandsfähigerem 
Material beftehenden Gejteinsfomplere, 
namentlich die vulfanifchen Urſprungs 3. B. 
der Donnersberg, der Stönigäberg u. a., 
jegt als Denudationsrelifte emporragen. 
Fragen wir jchließlich nach der Zeit, 
in welcher ſich diefe Denudationsprozeſſe in 
unjerer Mittelpfal;z und im Brud ab: 
geipielt haben merden, jo müflen mir 
für ihren Beginn jchon mit dem vor 
dem Einbruch der Rheinebene liegenden 
Frühtertiär bezw. mit der diefem voraus- 
gehenden Streideperiode rechnen. Damals 
war unfere Gegend nicht von Waller 
bededt und ihr landichaftliches Relief aud) 
noch nicht wie jegt durch jenen Borgang be» 


dation waren damals wie in unterer Beit 
vereinigt, die Niveauumterichiede auf der 
Erdoberflähe auszugleichen. 

Freilich wird fi der Fachmann nicht 
damit begnügen fünnen, die beichriebenen 
Abtragungsvorgänge als ein einziged zu: 
fammenhängendes Greignis aufzufaflen. 
Er wird fi vielmehr jagen, daß der im 
Dligocän erfolgte Einbruch der Rheinebene 
eine neue „Erofionsbafis“ ſchuf und jo den 
Denudationsprogeß in zwei getrennte 
Cyklen im Sinne von Davis zerlegte.*) 
Wir haben daher in unjerer Gegend fireng- 
genommen zwei Beneplains zu unter 
iheiden, ein fretazeifch - früh terriäres 
und ein oligocän +» poftoligocänes. Das 
Peneplain de8 Buntjandftein-Odenwaldes 
und Spefjarts gehört nach den Berbältnifien 
am Katzenbuckel fiher zu dem zweiten. 


*, Inwieweit die alten ZTalterrafien im 
unteren Glan-, Lauter, Odenbach, Wifenz-, 
Speyerbah-, Erbach- und Blicdtal hiermit im 
Berbindung zu bringen find, bedarf noch der 
Unterfudung. 





Studien aus dem Pfälzerwald. 
Bon Prof. Dr. C. Mehlis. 
In. 


Die „Sleine Halmit“ bei Neuftadt a. d. Hart. 


Die „grande route*, melde der un— 
ermüdliche B.-B. Weuftadbt mit Mühe und 
Koften hergeftellt hat von Neuſtadt zur 
höchften Suppe des Hartgebirges, führt der 
roten Scheibe nach durch das Faltenbrunner- 
tal, über den Hahnenſchritt und meiter die 
Nordoftflante des eigentlichen Maſſivs hin» 
auf. Als Höhenköte gibt die neuefte Aus: 
gabe der Reichstarte 678,4 m, die der Kgl. 
Bayer. Generalftabsfarte 673,1 m an, fo 
daß eine Differenz von 5,3 m befteht. 
Bom ca. 12 m hoben Turm bietet ih eine 
umfafjende Rundficht deren Firpunfte |. 8. 
Brof. Dr. Nachreiner beftimmt bat. Etwa 
400 m lang läuft der etwas gebogene Berg- 
rüden weiter nach Nordmeiten. um in eine 
nad) Nord und Nordweiten fteil abfallenden 
Spige zu enden, deren Cötierung um einige 
Meter geringer als die des Haupiberges 
anzufegen iſt. Dies ift die „Kleine Kalmit“. 
Bom Touriftenweg führt ein 120 Schritte 
— MW m langer Seitenmweg hinauf zur Höhe 


der jogenannten „Sleinen Kalmit“, deren 
Plateau mächtige Felstrümmer bededen, 
deren Blödfe die jogenannte „Matragen- 
Form“ aufzeigen (nah 9. Dr. Häberle 
zu Heidelberg). Diefe Form der Grofion 
findet fih bier oben fehr deutlich entwickelt: 
2-6 m lange, flache Blöde find im der 
Rihtung NWN zu SOS mie mit einem 
Mefler durchſpalten. Diefelben Formen 
der Erofion und Mblation finden wir am 
fogenannten „Felſenmeer“, dem Zwerchberg, 
dem Nollen, dem Königsberg. Am legteren 
hielt man fie früher für Dolmen!! — — 

Früher bot hieroben eine Bank des B 
B. N. dem Wanderer Ruhe, jegt ging fie 
den Weg aller Ruhebänke. — Die Aus: 
ficht ift eigenartig. Zwar fein vollftändiges 
Panorama, wie an dem nahen Turm, auf 
Nord, Oft, Weit und Süd. Allein das 
Gebotene, das in einem umfaflenden Blid 
auf das Gebiet des Pſälzerwaldes beſteht, 
entjchädigt, wenn es auch pars pro toto iſt. 


— 125 


Am Norden dad Maſſiv des Donners- 
berged. Bon bier der ganze Hauptzug des 
Burtfandgebietes von der „Platte“ an über 
den Stütterberg, Johanniskreuz, den Eſch— 
fopf- Turm, die Horterföpfe, den Weißenberg 
mit dem Quitpold-Zurm, den Katzenkopf, 
den Großen Giberg und endlih im Blauen 
und am Ende die Weglenburg-Stette, hinter 
der noch die Niederbronner Berge fichtbar 
werden, Im Mittelgrunde ragt im Nord- 
meiten der breite Rüden des Dradeniels 
auf, im Weiten der Doppelberg des Blos 
fülb hinter Elmſtein und im Süden 
wird bei hellem Wetter der majlige 
Turm des Trifels und der jchlanfe Auffag 
ded Rehberg ſichtbar. Im Bordergrunde 
liegen Königsberg, Zwerchberg, Oberſcheid, 


Rothſohlerberg und Schafkopſ. Iſt es hell, 


erkennt man das Forſthaus am Schwarz- 
ſohl. 
geraidenwaldungen die grünen Schlangen: 
limen der Ziefungen des Finſtertalbaches, 
des Wolſel und des Hüttenbaches; die 
beiden legtern geleiten nad St. Martin und 
jeinem trefflih befannten „Winzerheim“, 
Im Nordoften fperrt den Blick der Haupt« 
berg mit dem Obſervationsturm, im Sliden 
das gewaltige „Felſenmeer“, über deſſen 
Klippen der mächtige Hochberg (632 m), 
der Nachbar des Morjchenberges jichtbar 
wird, über deſſen „Platte“ (595 m) der 
„weiße Strich“ einfam und ficher zum 
„Schänzel” und zum Doppelforfihaus 
Deldenftein den Wanderer bringt. 

Ein Anblid der ftumm und doch bereden 
Berghäupter, der Spigen und „Behörden“ 
des Pfälzer Waldes, d. h. der Ausſichts« 
Türme, die über den Bergen und Tälern 
wachen und fchirmen, der fich dem tief ins 





Und umgeben von den dunflen Hain: : 





Herze hinein jchreibt, der Augen hat zum 
Sehen der Schönheiten des engern Bater- 
landes. — Waldheil! — 

"Und der Abftieg von der „Kleinen 
Kalmit“, dem 3 »hödjften Berggipfel der 
Pfalz? (Ungefähr gleich hoch ift der Kefiel: 
berg bei Edenkoben, Reichskarte (neue 
Auflage) = 662 ın). Das einfadjite ift die 
120 Schritte rückwärts ın den nach Süden 
vorwärts zu den Propyläen des FFelfen- 
meered zum Pavillon und durchs Wolfel 
(= Vallieula? romantifcher Ueberreft) nad 
St. Martin, oder über den Turm mit 
blauem Strid durd die Hamm nad Alfter: 
weiler und Maifammer auf gutem Wege! 


Wollen wir originell abfahren, dann 
folge mir, lieber Bandersmann! Nach Nord- 
weften zu führt eine fchmale, verwachiene 
Schneiße über blühende Heide, über Fels- 
treppen und PBaumftümpfe hinab — hinab 
jtets den herrlichen Pfälzerwald vor Augen. 


Nach zehn Minuten Abfahrt nimmt uns 
ein Fußpfad auf. Dem laßt uns folgen! 
Nah meitern zehn Minuten horizontaler 
Wanderung find wir wieder am fogenannten 
„Hahnenſchritt“ (565 m) angelangt. 
Und von bier aus weiter längs des weißen 
Striches, Über den Zwerchberg, den Hohe» 
loog- Sattel, quer über den Hambacher „Küb- 
jungen“ (Hühunter?), mo vordem die Breit- 
gehörnten Hambachs zur Weide gingen, 
hinein in die Wurzel des grünen Hirſch— 
bachtälchens mit reizendem Blick auf die 


| Wolfsburg und entlang dem Weftgehänge 


des MNollen bis zum NRömerweg Am 
blühenden „Axtwurf“ ſchimmert das Gold 
diadem Neujtadts herauf zur mondbeftrahlten 
Höhe! — Glück auf! 


Bie Auswanderung aus der Rheinpfalz. 


Die Rheinpfalz war von jeher ein Ge- 
biet, aus dem eine bejonders lebhafte Ab- 
wanderung ftattfand. Typiſch dafür ift, 
daß auf dem pfälziichen Kreislandmwirticafte- 
feft zu Landau im Jahre 1853 in der 
Feithalle unter den Wderbaugerätichaften 
auch eine Ausmwandererfijte aufgeftellt war, 
mit der Inſchrift: „Bleib' im Lande und 
nähre dich redlih”“. Die Mafjfenausmande- 
rung in der Pfalz war jogar eine Zeitlang 


| 1849 bis 1857 von 615005 auf 587 334 





jprihwörtlih. Sie war jo ftarf, daß die 
pfälziſche Einmohnerziffer in den Jahren 


herabjanf. Sein Ddeutfcher Volksteil hat 
wohl joviel Familienbeziehungen zu Amerika 
wie die Pfälzer, die dort ein größeres 
Beitungsorgan befigen. Es gibt wohl feinen 
pfälziſchen Ort, deſſen Einwohner nicht Be- 
ziehungen zur neuen Welr hätten, Die 
Urjaden der itarfen Auswanderung lagen 


früher auı meihten in politiſchen und wirt 
ihaftlihen Berbältnifien, jegt wohl mur 
no in legteren. Heute richtet der phälgiiche 
Auswanderer jeine Route meift nach Amerıfa 
und Afrika, früher famen aber auch Bolen, 
Aupland und Ungarn (Banat) imbetradt. 
So gingen z. B. von den 273 Auswanderern 
des ‘Jahres 1908 251 nad den Berrinigten 
Staaten von Nordamerika, 21 nad den 
afrifaniigen Kolonien und 1 nad Kanada. 
Davon ſchifften ſich 143 in Bremen, 122 in 
Antwerpen und 8 in Hamburg ein. Am 
ſtärkften war bie pfälziſche Auswanderung 
in den Jahren 1848.49. Dann zeigten ſich 
große Schwankungen, die mit geringen Aus- 
nahmen bis in die neueite Beit binein an: 
dauerten und die bier für die Zeit von 
1871 bis 1908 aufgrund einer amtlichen 
Statiftif genauer beobachtet werden foll. 
1870 betrug die Auswandererziffer 2120. 
Dffenbar übte die Kriegszeit I8T0 71 einen 


126 


erheblihen Einfluß auf die Auswanderung | 


aus, denn 1871 wanderten 2869 Bfälzer aus. 


Nah Beendigung des deutſch franzöſiſchen 
Krieges fam der ſchnelle Aufihwung der 


wirtichaftlihen Berhältniffe und als Folge 
davon ein Rüdgang der Auswanderung, 
der bis 1877 anhielt. Die Ausmwanderer- 
ziffer ſank von Jahr zu Jahr; fie betrug 
1873; 1741, 1874, 791, 1875: 468, 
1876: 343 und 1877 gar nur 291. Sie 
erreihte damıt einen Tiefftand, wie Yahr- 
zehnte zuvor nicht und wie fpäter erft wieder 
nach langer Beit. 1877 beginnt ein ra- 
pides Steigen der Auswandererziffer, 
das feinen Grund fiherlih nicht in ſpeziell 
pfälzifhen Berhältniſſen, ſondern ın der 
Allgemeinlage des neuen Reiches und in 
der enormen Ausdehnung der großen Aus 


forwie zumteil in dem wirtichaftlihen Auf- 
ſchwung Amerikas. Diejes Auffteigen der 
Auswandererziffer hielt bis 1881 an, alfo 
etwa 4 Jahre. Wie gemaltig e8 war, zeigen 
die folgenden Auswandererziffern: 1877: 
291, 1878: 334, 1879: 502, 1880: 1768, 
und 1881: 3235. Damıt erreichte die 
pfälziihe Auswanderung 1881 den größten 
Umfang jeit 1571. Bon diefem Jahre an 
datiert eine Rückwärtsbewegung, die zuerft 
zögernd einjepte, dann fogar noch einmal 
ins Gegenteil umfchlug, ſchließlich aber ftetig 
und mit geringen Schwankungen auf den 


heutigen Stand der Anäwandererzifter zu 
röftührte. Die Zıffer fanf vom 1881 au 
1882 von 3235 auf 2695, ftirg aber 1883 
nohmals auf 2968, um dann allmäälig 
bı5 1886 auf 1492 zu fallen. 1887 geht 
fie nochmals hinauf auf 2483 Dieſe kurze 
Gegenkurve ift ohne weiteres ſchwer erflärlich. 
Bon 1888 gebt es langiem zurüf, nur 
1895, 1849 bis 1904 und 1906 zeigen 
Tendenz; zum BSreigen Im allgemeinen 
aber ift die jinferde Tendenz der Aus— 
wandererziffer jeit 1888 io ftarf, das 
fie durd die vorübergebenden, noch dazu 
ganz; geringen Gegenkurven nidt geftört 
werden fann. Die marfanteiten Jahres 
ziffern aus der Reihe unjerer Betrachtungen 
find alſo 1871: 2120, 1872: 2869, 1877: 
291, 1881: 3235, 1908: 273. Daraus 
ergibt fih, daß die Auswanderung zurzeit 
gering ift. Es ift hierbei aber zu berüd- 
fichtigen, daß es ſich bei dieſen Ziffern nur 
um die Auswanderung über deutſche und 
fremde Häfen handelt, alio um Auswanderer, 
dıe dem Deutihen Reiche ziffernmäßtg ver- 
loren geben. Dieie Auswanderung betrug 
von 1871 bit 1908: 47938 Berionen. 
Nicht gerechnet iſt hierbei die Auswanderung 
nah den deutihen Dfjtmarfen, die ın 
neuerer Zeit recht beträchtlich ıft. Die ge 
jamte pfälziiche Auswanderung betrifft fait 
nur das flache Land, wenig und gar nicht 
die Städte, was einen deutlichen Fingerzeig 
auf die Urjadhen der Auswanderung br 
deutet. Biele pfälziiche Landwirte, die tu 
der Heimat ınfolge der bereits maßlos ge- 
mwordenen Bodenzerjplitterung feine 
eigene Scholle von dem Umfang erwerben 
fönnen, daß fie ihre Kräfte ausreichend 


‚ darauf betätigen fünnen, gehen eben in die 
wanbderer Dampficiffahrtsgefellihaften hatte | 





fremde, wo ihnen diefe Möglichfeit noch 
geboten wırd. Bemerft fei noch, daß von 
den 47938 Auswanderern 28099 Männer 
und 19839 Frauen find, Er erklärt fich 
das daraus, daß hauptjählich die heirats— 
fähigen Unverbeirateten über See aus: 
wandern, die fih in der neuen Heimat 
jelbftändıig machen wollen, Unter den 273 


| Auswanderern des Jahres 1908 waren 


153 männlichen und 120 weiblichen Ge— 
ichledits. 1872 waren von den Auswan: 
derern 1570 männlid und 1299 weiblich, 
1877: 177 männlid und 121 weiblich, 
1881 ; 1942 männli und 1293 meiblich. 


— 


127 


— ⸗ 


Güterverkehr der Aheinhäfen Speyer und Ludwigshafen, 


Die zahlenmäßigen Unterlagen bietet 
eine Arbeit, die in der Zeitichrift des Sta- 
tiftiihen Landesamts 1909, Heft 2 abge: 
drudt iſt. 

Ergebniffe der wichtigiten bayerischen 
Hafenpläße in überfichtlicher Weiſe für das 
Jahr 1908 (und zum Vergleich auch daneben 
für 1907): 




















I 5 = - rn 
| 2E.|.® 25 58 
a5 —— #3 | 82 

Ri: 25145 
— — — 

Tonnen J - 1000 Kg) 
—— 28 10) — 54,962 57,003 
Nürnberg | 30,678 2,907) 33,585, 34,778 
Regens: 

burg | 199,500] 79,645 199,335] 261,737 
Paflau- | 
Halenplag 64,768) 24.437) 89,200. 211,862 
Yindau 66,179 237,145) 30:3,324| 245,977 
Speyer X3,516) 21,406. 104922] 141,912 
Ludwigs 





ie 1,559, 357) 616,6 


Faſt bei allen —— Hafenplätzen 
iſt 1908 ein mehr oder minder erheblicher 
Rückgang des Güterverkehrs gegen das Vor— 
jahr zu verzeichnen, am ſtärkſten bei den 
Donauhäfen Paſſau und Regensburg. 

Der Geſamtverkehr Speyers belief 
ſich 1908 auf 105000 Tonnen; dieſe Zahl 
bedeutet gegen 1907 (höchſte Tonnenzahl) 
eine Abnahme von rund 40000 Tonnen 
oder 26 Prozent Diefer jtarfe Nüdgang 
ıft einerfeits in den ungünftigen Waſſer— 
jtandöverhältnifien des Rheines mährend 
des Jahres 1908 und anderſeits nament- 
lich ın der allgemeinen wirtfchaftlichen De- 
preilion begründet. Während der lebten 
Jahre entwickelte ſich der Gejamtverfehr 
des Speyerer Hafens folgendermaßen: 


5 gegen — gegen 

—1 
— a Borjabr * pas Vorjahr 
1901 135,4 1905 114,0 — 4,2. 
1902 1283 — 5,1% 1906 977 —143%% 
1903 114,4 —10,8% 1907 141,9 +45,4° 
1904 119,0 + 4,0/° 1908 1049 —%,17 


Speyer ift überwiegend Zufuhrhafen. 
Im Sabre 1908 betrug die Zufuhr 80 


(83516 Tonnen;, die Abfuhr 20 Prozent | 


21406) Tonnen) des Geſamtverkehrs. 








Unter den bejörderten Gütern find im 
Ankunftsverfehr die wichtigften Erde (einſchl. 
Lehm, Sand, Kreide, Kies), nächftdem weiche 
(Holz) Schnittwaren,; im Abgangsverfehr 
jpielen die weichen Schnittwaren die Haupt- 


rolle. Ueber meitere Ginzelbeiten gibt 
folgende Zuſammenſtellung Aufihluß (für 
das Jahr 1908): 
= © 
2 Ss 
= Ey 
* ES 
Tonnen 
Erde x. . . 36,654 363 
Weiche Shnittmaren. 21,275 9,985 
Robtabaf — 75 
Fette und Oeile — 193 
Petroleum 1,3% — 
Steine und Steinwaren Ä — 1,750 
Kohlen . . . . 19,745 3,982 
Dachziegel, Batiteine” ; 3569 5,068 
Alte fonftigen Gegenjtände . 877 — 


Weit umfangreicher als der Schiffs 
Güterverkehr Speyers iſt der Ludwigs— 
hafens. Er erreichte ſeine größte Höhe 
im Jahre 1907 mit 2180000 Tonnen. 
1908 blieb der Geſamtverkehr, trotz der 
oben erwähnten ſehr ſchlechten Wailerftands- 
verhältniffe und troß der allgemeinen wirt: 
ichaftlichen Depreifion nur ganz unweſentlich 
(um 4000 Tonnen) binter dem des Bor- 
jahres zurüd. Uberhaupt iſt der Güter— 
verfehr Ludwigshafen in einem erfreulichen 
Aufihmwung begriffen. Dies veranfchaulichen 
folgende Daten, denen des Vergleichs halber 
die Ziffer jür das benachbarte Mannheim 
gegenübergeftellt find : 


Geſamtverkehr 

1000 Tonnen Zu u. Abnahme gegen 

= —— Mannbeim) das Borjahr im Proz. 

& tobne Rheinaut Yurmwigsbafen D annherm 

(ohne Rheinau) 

1894 754 3,363 
1805 769 3,280 +19 +10,4 
1896 1,094 4,182 +42,3 +275 
1897 1,219 4,202 +11, +05 
1898 1,324 1,508 +8,7 +73 
1899 1,447 4,714 +93 +4, 
190 1,777 >,328 +22,8 +13, 0 
1901 1,763 5,109 — 0,8 —41 
1902 1,624 4,823 79 —56 
1903 1,916 5,769 -+18,0 +19,6 
1904 1,844 5,127 —3,7 —ili 
1905 1,821 5,295 —12 +33 
1906 1,777 5,506 —2,4 +40 
1907 2,180 5,852 +22,7 +6,3 
1908 2,176 5,650 -02 35 


Ludwigshafen wird hiernadh von Mann- 
beim zwar meit überflügelt, doch betrug 
fein Geſamtverkehr immerhin im Durchſchnitt 
der fahre 1901 05 34,3 Brozent, im Jahre 
1906: 32,3 1908 37,2, 1903 38,5 Brozent 
des Mannheimer Sefamtverfehre. Die be- 
deutende Berkehrözunahme im Laufe der 
legten Jahre ift in der Hauptſache auf den 
ullgemeinen wirtſchaftlichen Aufſchwung zus 
rückzuführen, der ſich wohl in feinem baye- 
riſchen Gebietöteile intenfiver geltend ge 
madıt hat als gerade in der Rheinpfalz, 
dann aber aud auf dem fortichreitenden 
“Ausbau der Hafenanlagen 


Wie Speyer, jo ift aud Ludwigshafen 
vorwiegend Zufuhrhafen. . Es verforgt 
die Pfalz, das Elſaß und die Schweiz mit 
rheiniſcher Steinkohle, die ſüddeutſche In— 
duſtrie mit Rohſtoffen, namentlich die 
Metallinduſtrie der Pfalz, Württembergs 
uſw. mit Roheiſen und die Mühleninduſtrie 
mit Getreide. Auf der anderen Seite werden 
von Ludwigshafen aus die Induſtrieerzeug— 
niſſe der Pfalz und ihrer Hinterländer 
(Saargebiet, Lothringen) auf dem Rheine 
ſtromabwärts befördert. 


Von der geſamten Gütermenge des 
Jahres 1908 treffen rund 28 Prozent 
(617000 Tonnen) auf die Ausjuhr, 72 
Prozent (1559000 Tonnen) dagegen auf 
die Zufuhr. Unter den angefommenen Gütern 
nehmen weitaus den erjien Rang die Stein: 
kohlen ein mit 765000 Tonnen. Dann 
folgen in weitem Abftand Weizen und Spelz 
(242 000 Tonnen), Erze (102000 Tonnen), 
Roheiſen und Brucheiſen (66U00 Tonnen). 
Unter den abgegangenen Gütern ragen der 
Tonnenzahl nad) bejonder& hervor: ver: 
arbeitetes Eifen aller Art (181 000 Tonnen), 
Erde, Roheiſen, Erze. 

Über die Ludwigshafener Güter: Ein: 
und Ausfuhr per Schiff während des Jahres 
1908 unterrichtet im einzelnen nachfolgende 
Ueberſicht: 


= [- -) 
= = 
= [-1 
= 3 
= * 
Tonnen 
Düngermittel aller Art . 4,867 17,708 
—— ren 757 14,230 
Galpeter-, Sala, Zchmefel- 
fäure . . FR 13,835 


128 


FT —,—i — — 4 


= = 
E S 
- & 
= = 
Tonnen 
Roheifen und Brucheifen 65510 732 
Berarbeitetes Eiſen aller Art 9662 181,272 
Erbe, Lehm, Sand, Kies, 

Kreide . 22648 78910 
Erze (andere "als Gifenerge) 101816 66,783 
Weizen und Er — 241,749 5,254 
Hafer . . . 23,086 1,34-i 
Gerite . 31,723 1,37 
Wi are. 2,184 7,139 
Mebi- und en 5,720 27,336 
—— Melaſſe, Syrup.. . 35,939 105 

etroleum und andere Mine: 

ralöle z . 233805 79 
Steine und Sieinwaren 5582 35,274 
Steinfoblen . 765,023 7,167 
Brauntoblen . 38,664 — 

Baditeine, daciegel⸗ Ton: 
rödren . 20,439 — 
Gegenüber dem — ſind 1908 


ſowohl im Ankunfts-wie im Abgangsverkehr 
bei manchen Güterarten namhafte Verände— 
rungen eingetreten. Die Zufuhr von Weizen 
ıfı gegen 1907 um rund 40000 oder 13; 
Prozent zurücdgegangen, was wohl in der 
vorhergegangenen günjtigen Ynlandsernte, 
dann aber aud in den Preisichwanfungen 
diefer Ware und der dadurch bedingten 
Vorſicht bei der Spekulation begründet iüft. 
Die Zufuhr von (anderen als Eiien ) Erzen 
hat um 23000 Tonnen (18,6 Prozent), 
diejenige von Roheifen um 18000 Tonnen 
(14,6 Prozent) nadıgelaflen. Andererſeits 
ift zu bemerfen, dat die Zufuhr von Stein: 
kohlen trog der Ungunft der allgemeinen 
Wirtichaftslage 15000 Tonnen (2 Prozent) 
geftiegen ift; dies hängt wohl damit zu 
jammen, daß das Syndifatslager in Lud— 
wigshafen durd Vergrößerung feiner Aus 
ladevorrichtungen an Leiftungsfähigfeit be- 
deutend gewonnen hat. 


Bezüglid des WUbgangsverfehrs iſt 
namentlich hervorzuheben, das 1908 115000 
Tonnen Eijen mehr verjandt wurden als 
im Vorjahr. Dies ift auf den verftärften 
Erport an Stahlfnüppeln, Walzendraht, 
Schienen, Stabeifen ꝛc zurüdzuführen, zu 
den fich die lothringiſchen Werke angelichts 
der Verſchlechterung des Inlandsmarktes 
gezwungen jahen. 


Man hat im allgemeinen wohl faum 


Grund, mit dem Bild unferes pfälzifchen 
Binnenfhiffahrts- Verkehrs unzufrieden zu 
ein. Möge er ſich neben und mit dem 


129 





Eifenbahnverfehr auch weiterhin kräftig ent: 
wideln, zum Segen unferes Landes! 
(Nah der Pfälz. Preſſe Nr. 250.) 


Pflanzenſchutz in der Pfalz. 


Große Anjtrengungen find in den legten 
Jahren aud in unjerer Pfalz gemacht 
worden, um die vorhandenen Naturdenf: 
male und Ueberreite der Geſchichte und 
Vorgeſchichte zu erhalten. Mit Freuden 
ift es zu begrüßen, daß dieſe Beitrebungen 
bereitd von (Erfolg begleitet waren. Sr 
freulicherweiſe machen fih aber auch in 
neuerer Beit verjtärfte Anregungen bemerk— 
bar, die darauf hinzielen, die pfälzifche 
Pilanzenmelt, die dur ihre Eigenart 
weiteſtgehendes Intereſſe erweckt, in Schug 
zu nehmen und das Auseſterben vieler 
Bilanzenfeltenheiten auf diefem Gebiete, das 
durch die fortichreitende Kultur bedingt iſt, 
zu verhindern oder aufzuhalten. Die Pfalz 
beherbergt eine große Zahl von Pflanzen: 
jeltenheiten, die von großer Wichtigkeit und 
der Erhaltung wert find. Die Kalkhügel 
am Fuße der Haardt, die Bajaltbrüche der 
Borderhaardt bei Wachenheim und Forſt, die 
jalzhaltigen Wiejen in der Nähe der Saline 
bei Bad Dürkheim und weiter die feuchten, 
quellenreihen Waldſchluchten des Pfälzer 
waldes nebft deſſen Moorem zeigen in gar 
vieler Hinſicht wichtige botanifche Eigen— 
tümlichkeiten. Dazu fommen die alpinen 
Elemente, die dem Rhein bis zu ung ge— 
folgt jind, oft wie Fındlinge plöglich auf- 
tauchen und uns machzudenfen geben. So 
findet man in der Nähe von Kallſtadt 
die rainfarnblättrige Schafgarbe an Stellen, 
die Verwilderung völlig ausichließen; auch 
die echte Gemswurz, deren Heimat meiter 


im Süden zu fuchen ıft, zeigt fih auf dem | 


Dradenfels, mitten ım Pfälzerwald. Ebenfo 
wurde das Wlpen-Leinblatt (Thesium 
alpinum) auf dem Bechiteinfopf bei Wachen- 
beim und dem Sclammberg bei Bad 
Dürkheim gefunden. Bemerkenswert ift 
auch die von ihrer Umgebung völlig ver- 
ſchiedene Pflanzenwelt in der Nähe der Dürk— 
heimer Saline. (Bol. Jahrg. 1905, ©. T.) 
Der beftimmende Faktor für die Zufammen- 
egung diejer Flora ift wohl in dem Salzgehalt 





des Bodens zu ſuchen. Maſſenhaft über- 
zieht dıe Gräben dieſer Saline wildwachſend 
der Gartenfellerie. Feuchte, waſſerreiche 
Schludten in den Wäldern find der Stand- 
ort unſeres ſchönſten und ftattlichiten Farnes 
„Osmunda regalis*. Eine Hirſchzungenart 
von Ffolojjaler Größe und Gigenart wurde 
vor Jahren aus dem uralten 80 Meter 
tiefen Brunnen der Abteiruine Limburg 
herausgeholt. Die jehr jeltene Wahlenbergia 
hederacen, efeublätterige Wahlenbergia, die 
vom Juni bis Auguſt mit hellblauen 
Blumentronen blüht und uur an menigen 
Orten in Deutjchland gefunden wird, wächſt 
ın der Nähe von Kaiferslautern ober: 
halb des Jagdhäusler Weiherd, wo auch 
die gleichfalls jeltene Andromeda polifolia 
noch ziemlich häufig vorfommt. Auf dem 
Wiejengelände, das fih von Schifferftadt 
gegen Dannftadt hinzieht (das Bett des 
uralten Reinlaufes) und da8 vom pflanzen: 
geographiichen Standpunft aus eines der 
interejjanteften Gebiete der Rheinpfalz iſt, 
fommen ebenfalls jehr zahlreich außerordent- 
lihe Pilanzenfeltenheiten vor, bejonders 
mehrere prächtige Ophrysarten. In der 
Mitte Ddiefes Wiejengeländes erheben fich 
mehrere vorgeichichtlihe Grabhügel, deren 
reihe Flora völlig verſchieden von der des 
umliegenden Wiejengeländes ijt. Leider find 
auch hier viele der ſchönſten Arten dadurd, 
dag die Beliger der Wieſen die beim Mähen 
binderlihen Srabhügel einebnen und deren 
Erde auf dad Gelände ausftreuen, ent- 
weder ganz verichwunden oder dem Aus- 
fterben nahe. Schon der berühmte Botaniker 


| Schultz hat 1855 darauf hingewieſen, daß 


damals bereits die herrliche und jeltene 
Flora dieſer Gegend frändig zurüdging. 
Brof. Lauterborn-Heidelberg hat nod um 
das Jahr 1893 dieſe Grabhügel weithin 
im Schmude der herrlichen, goldgelben 
Blüten von Adonis vernalis förmlich 
leuten jehen, jchon 1903 jedoch betrug 
die Zahl der Stöde diejer Pflanze kaum 


— 180 — 


einige Dutzend. Erfreulicherweiſe murde | brettartig gefleckten Varietät auftritt. Die 
vor furzem in der Nähe von Wachenheim | Pflanze hat in der Pfalz nur diejen ein 
von intereffierter Seite eine Wiefe zur Er- | zigen Standort umd dürfte nunmehr der 
haltung dort wachſender feltener Pflanzen | jehr zurüdgegangene Beltand erhalten 
angefauft. &8 handelt ſich hier um die | werden. Aus dieſen einzelnen Hinweiſen 
Fritillaria meleagris (der Raiferfrone oder | ift erfichtlich, da& der Pfalz auf dem Ge 
Schachblume), die hier ſowohl in einer | biete des Pflarzenichuges noch viele Arbeit 
weißen, als auch in einer prachtvoll ſchach⸗ zu tun bleibt. (J. Böhm i. d. Pf. Pr.) 


Friedrich von Banfen, 
ein Sandsmann aus fernen großen Bagen. 
Nach; Divlomingenieur Dr. 8. Habermehl. (Auszug.) 


Ziemlich algemein herrſcht in Literatur | ftammung und Heimat des Winnefängers 
freien die Anficht, daß Friedrich von Haufen | Friedrich von Haufen“. 
ein Pfälzer war, fo lehren die meiften Die Familie von Haufen, (de Domo) 
Profefforen in ihren Borlefungen fiber beſaß Güter längs des Rheins zwiſchen 
mittelhochdeutſche Dichtung. Beigen | Worms und Oppenheim in den Orten 
doch die Lieder des Dichters rheinfränkiſche Dolgesheim, Dienheim, Ibersheim und 
Spracfärbung und zweifellos war Haufen | Rohrheim bei Gernsheim. Ihr Stammfig 
ein Landsmann vom Mittelrheine. In | (ag an der Weſchnitz, einem Nebenfluffe des 
manchem jeiner Lieder ehrt der ung jo traute | Rheins, auf dem rechten Ufer, nicht meit 
Name des jchönften deutichen Stromes wieder, | von Lorch, wo jet nod die Orte Groß- 
und öfters Spricht Haufen vom Rheine ald | und Kleinhauſen find. Die älteften Glieder, 
von feiner Heimat. So wenn er jene ger | die urkundlich befannt, find Rutger und 
mahnt, die am Kreuzzuge nicht teilnehmen | Heinrih um 1090, „Liberi milites“, d. b. 
wollen: „Sollte jemand geblieben jein, um zum del gerechnet. Gin Walther von 
Liebe und nad der Minne Rat, ſo wär’ | Haujen ericeint in einer Urkunde um 1124 
ich nod all um den Rhein.” Und in einem | Es ift der Großvater ded Dichters, und 
feiner ſchönſten Lieder, das er voll Heimmeh | derjelbe, welcher mit Wernhart von Stein: 
aus fernem Süden über die Berge jandte, | berg, Heinrih von Gibichenftein, Heinrich 
leſen wir: „O, wär’ id irgend wo am | yon Staufen und der Familie der Dettinger 
Rhein.“ ald Gönner und Beihüger der Dichter in 

1879 erjhien eine Abhandlung „Zur | den Lıedern des jog. älteren Spervogel von 
Frage der Abjtammung ded Minnejängers 1140 gepriejen werden. Ein zweiter Walther 
Friedrich von Haufen”, herausgegeben von | yon Haufen ift urfundlich nachgemiejen erma 
einem Mitgliede einer heute noch in Deutih- | yon 1140 an und dann ununterbrochen 
land und als Bweiglinie in Frankreich be- His 1173. Im Jahre 1174 oder 1175 ift 
ftehenden Familie „von Hauſen“. Dieſe | er geitorben. Deſſen Sohn nun war der 
Familie war vor der großen Revolution Dinnefänger Friedrich von Haufen, der in 
in Lothringen anfäflig. Der Verfaffer nimmt | den Urkunden 1171 auftritt, zuerft neben 
nad den in jeiner Familie lebenden Tradi- feinem Vater, dann allein. Er ift bald 
tionen Haufen für fein Geſchlecht in An- nach 1150 geboren und war anfangs Be 
ſpruch und jucht dies auf heraldiihem Wege | amter des Erzbiſchofs Chriftian von Mainz, 
zu bemeijen. | jpäter im Gefolge König Heinrichs IV. und 

Bezugnehmend auf dieie Abhandlung | Kaifer Barbaroifas. (Pi. Pr. 227.) 
erfchien 1880 eine Arbeit: „Über die Ab— | 


— 131 — 


Mineralguellen im Olantale, 


Im legten Jahre wurde bei Vertiefung | jegt vorhandener Salzquellen befannt find 
eine? Brunnens in Medard zufällig eine | 3. B. von Eiſenbach, St. Julian, Haus 
falzbaltige Duelle erbohrt, deren Gehalt | meiler, Grumbach, Odernheim, Niederhaufen 
nad) der Analyje von Dr. Ajchoff in Streuz: | und Ebernburg, abgeiehen non den berühm- 
nad) zwifchen dem der Solquellen von Sreuz: | ten Solquellen zu Münfter a. St., Theo- 
nad und Münfter fteht und die audı eine | dorshall und Kreuznach. In Meiſenheim 
gewiſſe Radioaktivität befigt.*) und Rehborn befanden ſich Mineralquellen, 

Diefer Fund erinnert daran, daß aus | die zu Trinkkuren benugt wurden. Es wäre 
dem Glantal bezw. deſſen näherer Um- | interefjant zu ermitteln, inwieweit an den 
nebung eine ganze Anzahl früher bezw. noch | einzelnen Orten noch eine Erinnerung an 
— — dieſe Mineralquellen beſteht; in Odernheim 

* & ; Pi r 
ater die Radioaftioität von Oueden find zu | & Öl. Iceint der „lurname Sauerbrunn“ 
iammengeftellt von ®rof. Dr. %. Henri: | am Langenberg auf eine früher dort vor 
Neuere Forſchungen auf dem Gebiete der Radto- | handene Mineralquelle hinzudeuten. 


Dr Häberle. 





| 
1909, Heft 9, ©. 385— 391. Leipzig. Spamer. | 


Bie Haline zu Odernheim am Glan. 


Aus einem Artikel Dr. Häberles in den | Aber ihm fehlte Kapitul. Zwei Frankfurter 
Pfälziſchen Geſchichtsblättern vom 9, Sept. | Beldleute ließen nach der Analyſe von Sol: 
1909 geht aftenmäßig hervor, daß 1758 | proben nicht® mehr hören; auch Verband 
der Salzgehalt einer Quelle zu DOdernheim | lungen des Salineninjpeftors Joſef Müßig 
al8 „im Schadt hochgradig“ befunden | von Mosbach zerfchlugen fih, wohl wegen 
worden ift. Es jollte nad dem Beiipiel | des inzwiſchen ermwachten Intereſſes der 
ver furfürftlihen Saline Theodorshall bei | Regierung jelbft (1759), Ein Gutadten 
Kreuznach auch in Odernheim ein Salzwerf | des Bergratsfollegiumd zu Meijenhein, 
angelegt werden. Man zog zwar nidjt, aber | 30. Dez 1767 läßt endlich erfennen, dat 
Private verhandelten mit Bergrat Kroeber | aus dem auf herrichaftliche Koften betriebenen 
zu Meijenheim. Landmefler Frang aus | Unternehmen nichts herausgefommen jein 
Offenheim plante 3. B. neben dem Salinens | dürfte, wohl weil der Salzgehalt der Quelle 
betrieb ein Glanwehr wegen Gewinnung | zu gering war. Es ftellt ſich nad dieſem 
von Wafjerfraft und hätte gerne den da: | Dokumente auch heraus, daß man beı 
mals ftill liegenden Gruben von Adenbach, Medard Solquellen kannte; kürzlich ift eine 
Odenbach, Reiffelbad und „in der Holler- | folche ja mieder dur Bohrung feitgeitellt 
bad” das Brennmaterial entnommen, | worden, (Vgl. oben!) 








Ueber das Borkommen von Hıildkröten in der Pfalz. 


Hierüber wird der „Straßb. Poſt“ ge- | hat, hat es von jeher Scildfröten gegeben, 
ſchrieben: Eine vor kurzem verbreitete Notiz | und fie fommen auch jet noch, wenn auch 
erhebt gegen den im bayrischen Fijcherei- | nicht häufig, vor. Bor einigen Tagen wurde 
gejeß neuerdings vorgeschriebenen Schuß der | in der Nähe von Deidesheim eine Fleine, 
Schildkröten in Bayern Bedenken mıt dem | etwa 15 cm große Schildfröte von einem 
Hinweis, daß diefes Reptil im Lande über | Winzer in einem Wafjergraben gefangen; 
haupt nicht vorfomme. Nach verjchiedenen | ebenfo ſah der Schreiber dieſes in der 
Beobachtungen und Studien muß diefer An- | Nähe von Saijerslautern mehrere 
nahme jedoch mwideriprochen werden. Sn der | Eremplare der kleinen Sumpfſchildkröte 
Rheinpfalz, die teilweiſe eın jüdliches Slima | (Emys europaea). Früher jcheint das Ver: 


breitungsgebret biefer Tierchen ausgedehnter 
gemweien zu fein. Konrad Gehner {1516 bis 
1565) berichtet von ihrem Borfommen in 
ber Schweiz unb zwar im See von Andel- 
fingen im Kanton Zürich. Nah Yatıo fam 
fie auch noch im 37. Jahrhundert in den 
feinen Seen von Beiden (Aanton Züri) 
und Loclat (Kanton Neuenburg) vor. 


Bmweitellos lebte im 17. Jahrhundert die ' 


Sumpfichildfröte aud an einzelnen Stellen 
der Hheinebene. Im Ausgabebud des Rur- 
fürften Karl Ludwig findet ſich eine Notiz, 
monad; „bes Seeknechts unge, welcher 
Sturpfals 3 Schildfröten präfentierte”, drei 
Gulden erhalten babe. Dieſer Seefnedt 
mohnte in dem Geehaus, das zwiſchen 
Schwetzingen und Hodenheim in dem weiten 
BWielengelände liegt. Beit und Umftände 
ipreden dafür, dab die Schildkröten uud 
wirklich an Ort und Stelle gefangen wurden 
Auch noch an einer anderen, allerdings 
faum zu vermutenden Stelle geichieht der 
Scıldfröten vom Karl Ludwigſee Ermüih- 
nung, nämlih ın einem jener köſtlichen 
Briefe, die Karl Ludwigs Tochter, Elifaberh 
Charlotte, die Gemahlin des Herzogs 
Philipp von Orleans, aus Frankreich 
an die Verwandten und Belfannten in der 


132 


Heimat ſchrieb. So heißt es in einem 


“ Briefe Liſelottens an die Raugräfin Luiſe 


v. Deggenfeld vom 1. Februar 1721: 
„Ich glaub’, ich werd’ endlih ganz aus 
trofnen wie die Schildfrotten von der Lud 
migiee, jo id im Heidelberg ın meiner 
Sammer hatt.“ Möglich, daß dies diefelben 
Scildfröten waren, die der Kurfürft vom 
„Seefnedtö-Jungen“ erworben und jener 
Tochter als Spielzeug mitgebradt hatte. 
Wenn man auch Meldungen von dem Bor 
fommen der „Emys europaea” in Bayern 
und Pfalz*) mit etwas VBorfiht aufnehmen 
muß, eın rundes Berneinen ihres Bor 
handenjeins ın diefen Gebieten dürfte doc 
gewagt fein. Es ift nicht zu zweifeln, dab 
fih dieſes Reptil, wenn aud jelten, ın 
waſſerreichen Strihen der Pfalz aufhält 
und wenn das neue FFilchereigeieg vom 
Schuge der „Scildfröten in Bayern“ 
ſpricht, möchten wir ihm nicht ganz Un- 
recht geben. (Bergl. Seite 9 und 104 
diejes Yahrganges.) 


*) Im Torfgebrühe bei Maudach wurde 
ebenfalld ein Schildfrötenpanzer gefunden. Bgl. 
darüber Jahresber. db. Mannheim. Ber. f. Natur 
funde 1834 5. I0 und Mitt. d. Pollichia Nr. 19 
für 1903 ©. 74— 176. 





Srhonet dir Felder! 
Obwohl häufig daraur hingemwiejen wird, | zu gelangen. Das ijt Frevel! Mögen gleich 


daß es eine grobe Unfitte ift, beim Pflücken 
von Slornblumen, Mohn, Slornraden und 
Nderwinden den Fuß ins Getreide zu fegen, 
fann doch mit jedem Jahre aufs neue be- 
obachtet werden, daß mandes Kornfeld durch 
stinder arg beichädigt wird. Nun iſt es 
allerdings auch oft das Wild, das die Ge— 
treidefelder mit häßlichen Lücken verfieht, 
und befonders find es die Mehe, Die fich 
nern zwilchen den Aehren aufhalten. Sehr 
viele Vermwüftungen rühren aber doch von 
mutmilligen Kindern ber, denen noch nicht 
beigebracht worden tft, daß es dem Land— 
wirt viel Mühe macht, ein Feld zu bebauen, 
und daß es einem Bergeben gegen fremdes 
Eigentumsrecht gleihfommt, wenn ınan zehn 
Dalme oder noch mehr niedertritt, um zu 
einer Blume — die vielleicht dann mit den 
anderen Blumen noch weggeworfen wird — 


die Blumen im Getreidefeld ala ſchädliches 
Unfraut betrachtet werden, io ıjt doch der 
Schaden, der mit dem Entfernen dieſes 
Unfrauts leichtfinnig verübt wird, oft noch 
viel größer. Es muß jedem Stinde genügen, 
die Blumen zu pflüden, die bis zur Armes 
länge zmwilden den Halmen ſtehen. Gan; 
unverantwortlich ift e8 aber, wenn felbfi 
Erwadjene „da8 Brot mit Füßen treten“, was 
leider auch vorfommt. Beduuerlicherweije ift 
der Landwirt derartigen Schädigungen meift 
wehrlos preidgegeben, da er gerade zur 
Zeit der Kornblumenblüte mıt Arbeit über 
laden iſt und weil Blumenpflüder erit dann 
zwiichen die Halme treten, wenn im weiten 
Geſichtskreiſe kein Menſch zu erbliden ift. 
Schone fremdes Gigentum, aud das des 
Landmannes! Diejer Sag jollte den Kindern 
ihon frühzeitig eingeprägt werden. 


133 


Ber £uitpoldturm. 


Aus dem Pfälzerwald grüßt jeit Ende 
September ein neuer Ausfihtsturm, der 
Quitpoldturm auf dem Weißenberg 
von dem aus der Blick Über das ganze 
Waldgebiet der Pfalz bis zur Trifelögruppe 
und zum Rheine, bis zum Odenwald und 
Donneröberg und zum Wasgau reicht. 
Schon 1896 hatte „Frig Claus” öffentlich 
dafür geworben, nachdem er auf ſchwanken— 
der Leiter und im Geäft der großen Giche 
fih von der entzüdenden Rundſicht über: 
zeugt hatte. Mit 10 ME, begann die 
Sammlung für einen Turm; durd die 
Finanzkraft des Vfälgermald-Bereins fonnte 
etwas VBollfommenes gejchaffen werden unter 
Aufwand von I6000 Mk., nachdem 1907 
einmal der Bau beichlofien war. Am 


19. Juni 1908 wurde mit dem Fundament 
begonnen und jeit einigen Wochen fteht ein 
Turm da in Höhe von 35 Metern, jelbit 
auf einem ®ipfel von 610 Metern. In 
dem aus rotem Sandftein gebauten Riefen 
unter den pfälziichen Ausjichtstürmen — der 
auf dem Eichfopf (610 m) bat nur 20 m 
Höhe — führen 149 Stufen zur Binne 
und man foll gegen 300 Berggipfel zählen 
können, Recht angenehm wird es bei zweifel 
battem Wetter empfunden werden, daß am 
Fuße der Warte eine Schughütte befteht. 
Die näcdften Stationen find für diefe neue 
Marke am pfälzishen Horizonte Rinnthal 
und Wilgartsmielen, von wo aus der Turm 
in 3’ bezw. 2,4 Stunden zu erreichen ijt 





Henes am Oktoberhimmel 


Um der gegenwärtig vom Abendhimmel 
ftrahlenden Neuigkeiten zu gedenken und zu- 
gleih einer Reihe von geftellten Tragen 
gerecht zu werden, fei auf das Blanetenpaar 
bingemwiefen, welches in den frühen Abend: 
ftunden im Südoften glänzt. Es ift Mars, 
der vielberedete, den man folort an feinem 
jtarfen, nach Drunge fpielenden Lichte er- 
fennt — er ift immer noch der hellfte Stern 
des Himmels —, und links davon in etwa 
gleiher Höhe der zwar beicheiden leuchtende, 
aber in Wirflichfeit gewaltige Saturn mit 
jeinem einzig wunderbaren Ringe. Beide 
Planeten „regieren? die Nacht jegt und 
nod) lange Wochen und geben im Fernrohre 
ihre „planetariihen” Geheimniffe für 
längere Zeit am beften preis, Mars nimmt 
natürlich) das Hauptintereſſe in Anſpruch, 
denn nicht bloß die Teilnahme des großen 
Publikums ift durch lange Beitungsartifel 
rege gemadt worden inbezug auf die „erden- 
ähnliche“ und „vielleicht von Menichen be: 
wohnte” Nachbarwelt, jondern gerade der 
Planetenforſcher hat noch genug zu fuchen, 
bis er hinter die gröbften Geheimniſſe diefer 
fonderbaren Welt kommt; die „vermutliche 
Bemwohnbarfeit” fpielt dabei eine gar fleine 
Rolle. Das Laienauge wäre bitter ent- 


täufht, wenn es den mirflihen Mars 
— nit den im Feuilleton — betrachten 
fönnte, Ungleich lieblicher und befriedigender 
ift dagegen eine Betrachtung des Saturn, 
der überhaupt eın Kabinettſtück darftellt, 
und neben dem Monde dem gelegentlichen 
Bejucher einer Sternwarte den tiefjten Ein 
druck hinterläßt. — Hinter Mars und 
Saturn fteht über dem Orion, noch im 
Stier, der neülih (am 28. Auguft ſchon 
photographiich wiedergefundene, aber des 
chlechten Wetter wegen erft am 11. und 
12. September ficher erfannte) wieder ent- 
deckte Komet Halley (ipr. hällö), der alle 
15-76 Jahre einmal feinen Beſuch in 
Sonnennähe macht und dabei von der Erde 
aus gut geliehen werden fann. Als ihn 
Hofrat M. Wolf auf dem Königsſtuhle zu 
erft erfannte, war er wie ein ÖSternden 
16. Größe, d. b. man konnte höchſtens mit 
Dilfe der zwei größten amerifaniihen Tele 
jfope eine Spur davon zu ſehen hoffen. 
Gegenwärtig mögen ihn die größten 
deutſchen Sternmwarten, die befanntlih nur 
über wenige Fernrohre von jehr großen Ab- 
mejjungen verfügen, fchon erkennen. Sm 
November dürfte er au auf dem Ob 
fervatorium zu Landſtuhl fichtbar werden 


# 


% 


134 — 


— und wer fein derartige außergemöhn- | zeitig auf den Ort jeines Erſcheinens 


liches Hilfsmittel befigt, wird fih mod) 
gedulden müſſen; wir werden aber edit 


für das unbemwaffnete Auge aufmerfiam 
machen. 


Mangs Univerfalfeldllecer. 


(Neueite Nummer aus dem berühmten 
Mang' ſchen Geographic : aftronomiichen 
Berlag) ift ein verblüffend vieljeitig ver: 
mwendbares Unterrichts”, Forſchungs- und 
Demonftrationsmittel, Hinter dem Sfach 
vergrößernden Felditecher vermutet niemand, 
daß er durch einige einfache Beigaben (Stativ 
zum vielfeitigen Verſtellen, Spiegelchen, 
jog. Tafchenmifrojfop, Rundipiegel, Prisma 
und Bappicheiben) zu einem wirflic uni» 
verjellen Snftrumente wird, wie es der 
naturfundliche Unterricht nicht vieljeitiger 
und leiltungsiähiger mehr befommen fann, 
uls Feldſtecher beim Unterrichtögang, als 
Fernrohr für den Abendhimmel (wachſen 
der Mond, Yupitertrabanten, Doppelfterne, 
Sternhaufen!) oder ohne Okulare als 
ſchwache Yupe mit großem Felde haben 
ihon viele das wunderbare Ding benügt. 
Mang lehrt es aber au als Fernbioſkop 
anwenden, um das Leben der fleinen Tier— 
welt im Freien zu belaufchen. Als Nah: 
biojfop wirft es wie ein ſchwaches Mikro: 
jfop; als eine Art Pantoſkop erjegt es die 
große PBanoramalinfe, und aus den beiden 
Objektiven läßt fih mit wenigen Handgriffen 
eine Lupe ftärferen Grades herftellen. Mit 
ſonſt gar feinen Zutaten als einem kleinen 
Spiegeldhen entwirft man ein 15—20 cm 
große8 Sonnenrbild an der Zimmerdede, 
auf welchem deutlich und groß die oftge- 
nannten Sonnenfleden erſcheinen. Bietet 


das Taſchenmikroſkop von ca. õOfacher Ver— 
größerung ſchon eine vierte Möglichfeit ge 
jteigerten Eindringens in die Kleinwelt, jo 
ergibt feine geniale Verbindung mit dem 
Feldfieher und dem Spiegelchen ein gan; 
überrajhend mirffames Sonnenmifro 
jfop, welches Präparate in Rieſengröße an 
die Dede des Schulzimmers entwerjen läßt. 
Das Spektrum, der Sonnen: und 
fogar der Mondregenbogen lajjen ſich 
mit dem bejcheidenen Inſtrumentarium dar— 
ftellen — und fo ſcheut man fih fait, 
neber dem Herrlichen und Lehrreichen zu 
erwähnen, daß im phyſikaliſchen Unterricht 
natürlih aud die Wirfung des Brenn 
glajes und Hohlglaſes gezeigt werden 
fann. Man muß die 32 Seiten umfafjende 
Broihüre Mangs lejen,. um einen Begriff 
zu befonmen von den vielen Möglichkeiten 
in die Lebenserfheinungen der umgebenden 
Welt mit finnigem Auge einzudringen. Bier 
feiert daS vulgäre „Opernglas“ Triumphe. 
Die Benügung wird aber in ſolchem Um: 
fange erft möglich durch das zweckmäßige 
Stativ, weldhes Bequemlichkeit des Hantierens 
und Ruhe der Beobachtung bis zu jenem 
Grade gemwährleiftet, welcher erforderlich iſt, 
um aus lehrreichen Unterjuchungen eine reiz- 
volle geiitige Unterhaltung — einen wahren 
Genuß zu machen. Mangs raftloje Fürſorge 
für naturgemäßen Unterridt hat diesmal 


| wieder einen großen Wurf getan. F. 


Berfchlendert keine Altertümer! 


Das Bezirksamt Speyer erläßt an die | 


Bürgermeifterämter jeine® Amtsbezirks ein 
Rundfchreiben folgenden Inhalts: Einer 
Anregung des Kgl. Generalfonjervatoriums 
der Runftdenfmale und Wltertümer ent- 
jprechend, wird zur tunlichen Verbreitung in 
den Gemeinden und zur jorgfältigen Beach— 
tung befanntgegeben: „Ich erachte es als 
Pflicht der Bürgermeifterämter und vertraue 
zu der Heimatliebe der Bevölkerung, daß bei 


der Abgabe von Altertümern mit größter 
Borficht und Zurüdhaltung vorgegangen und 
daß, wenn die Berhältnifje dazu zwingen 
jollten, in jedem Falle zuvor mit dem pfäl 
ziihen Mujeum in Speyer ind Benehmen 
getreten wird. Es ift eine alltägliche Er- 
icheinung, daß Händler, Agenten und Privat- 
jammler das Land bereifen, um Altertümer 
aufzufaufen. Stein Dorf, feine Einöde ift 
jo abgelegen, daß nicht Kaufliebhaber ſich 


135 


dort einfinden und den Leuten Altertümer Denfmäler, wie Steinfreuze, Marterjäulen, 


abſchwätzen. Meiſtens wird nur geringen. | 
Entgelt bezahlt und oft werden dann die | 
(Hegenftände vom eriten Mäufer an einen 
größeren Händler in der Stadt mit Gewinn 
meiterverfauft. Der größere Händler aber 
gibt fie wieder an reihe Sammler und 
geldfräftige Mufeen mit mehr oder minder 
Beben Nugen. Bor allem gejucht 
find gegenwärtig mittelalterliche Holzfiguren. 
Aber au andere Schnißereien, Wand und 
Dedenvertäfelungen, Bilder, Möbel, Gitter, 
Wirtshausichilder, Zinngeräte, Geſchirr aus 
Ton und Porzellan, Gläfer 2c. werden auf 
gekauft. Urkunden, Handſchriſten und alte 
Bücher finden Abnehmer. Tür- und Seniter- 
verzierungen und fonftigen Schmuck entfernt 
man von den Häufern. Nicht einmal Bu 


Figuren in Feldkapellen find ficher vor der 
Gemwinnfiht. Wir vertrauen zu der Be- 
vöfferung, daß ſie zu ſtolz ift, um folde 
Erinnerungen aus Großvaters und Ahnen: 
zeiten ohne Not megzugeben. Und mir 
hoffen, daß es nur diejer Warnung bedarj 
um vor etmaigen übereilten Entichlüffen ab— 
zubalten. Man wende fich lieber an eines 
der vielen Mufeen in Bayern, wenn man 
zum Verkauf genötigt oder zum foftenlofen 
Ueberlaffen geneigt ift, Altertümer aber, 
die mit einem Baue verbunden find, jollten 
überhaupt nicht aus ihrem Zujammenhange 
neriffen werden. Der einzelne Befiger wie 
die ganze Bevölkerung jollte eine Ehre darein 
legen, folhe alte Wahrzeichen der engeren 
Heimat an Ort und Stelle zu erhalten.“ 








Kleine Mitteilungen. 


Am 7. September waren es 560 Jahre, 
daß Obermoſchel durd Kaiſer Karl IV. 
zur Stadt erhoben wurde. Anlählich dieies 


Gedenktages brachte die Pfälz. Breije in | 
vom 


239 die Berleihungsurfunde 
September 1349 wörtlib zum WUbdrud 
* ergänzte die Mitteilung in Nr. 243 
durch eine Urkunde aus dem Jahre 1489, 
durch melde die Pfalzgrafen Kaſpar und 
Ilerander aus der Veldenzer Linie der 
Stadt ihre Freiheiten bejtätigten. 

Fiſchreiher. In der Gemarkung 
Schlangenmweiher (Hardenburg) wurden im 
September mehrfach Fiſchreiher gelichtet. 
Diefer Vogel, der früher in der Pfalz jehr 
häufig war, jedoch infolge der fortichreitenden 
Kultur ſtark zurüdging, wird in neuerer 
Beit häufig aus verfchiedenen Gegenden 
der Pfalz gemeldet. Es ſcheint demnad) 
wieder eine Bermehrung der Art oder eine 
zahlreihe Einwanderung ftattgefunden zu 
haben, 

Die Pilzernte ſchien bis Oftober 
ſehr jpärlıh auszufallen. Pilzkenner 
führen dies nicht ſowohl auf den trockenen 
Sommer, als vielmehr auf die ſtarke Kälte 
des vergangenen Winters zurück, wodurch 
die Sporen, das ſteimpulver und die Samen 
erfroren ſeien. Tatſache iſt, daß an Plätzen, 
wo ſonſt förmliche Pilzernten gehalten 
werden konnten, dieſes Jahr faſt nichts zu 


* 





finden iſt. Der echte Pfifferling, auch Gelb- 
oder Eierſchwamm, den man fonjt in großer 
Menge findet, ift ſelten, ſodaß ſich fein 
Sammeln gar nicht lohnt. Dagegen jteht 
der Champignon an Waldrainen und Wiefen 
etwas häufiger; jegt ift die richtige Zeit 
für fein Wachstum. Der Steinpilz, jonft 
einer der häufigiten und beften eßbaren 
Schwämme in den Pfalzwäldern, will heuer 
gar nicht zum Borjchein fommen. Er ift 
gegen Kälte jehr empfindlih. Als in neuerer 
Beit beadhtenswert findet man auf den 


' Waldhöhen an den ditlichen Ausläufern der 


Haardt den jeltenen und foftbaren Kaiſer— 
ling (Amanita caesarea Seop). Dies ift 
ein ſchöner großer Pilz. Der Hut goldgelb, 
glänzend und mit weißen Warzen bejegt. 
Vom giftigen Fliegenpilz läßt er fich durch 
die gelben Blätter und den glatten Stamm 
unterjcheiden. Bei uns fommt er nur ver- 
einzelt in Süddeutfchland, dagegen häufiger 
in Stalien und Franfreih vor, Bei den 
alten Römern wurde er jehr geichägt und 
bildete eine Delifatefje auf den Tafeln der 
römifhen Gäjaren, daher Kaiſerpilz. — 


In Ergänzung der Notizen über Heren- 
ringe ©. 67 und 88 fei bemerft, daß fich in 


| der Beitichrift Gartenflora, Jahrgang 1904, 





eine bon Henning gegebene Zuſammen 
ftelung der Bilzarten, melde Herenringe 
bilden, befindet. Dr. Häberle. 


Mänfeplane. Große Klagen herrichten 
im Auguft unter den Yandleuten der Border: 
pfalz Über die Mäufeplage. In geradezu 
erichrefender Zahl treten dieje gefürchteten 
(Häfte auf den Hefern auf. Großen Schaden 
haben fie am Getreide angeridhtet. Dann 
begannen fie ihr vernichtendes Werf an den 
Kartoffeln. 82284 Mäufe und 58 Hamiter 
und Ratten find in der Zeit vom 26. Juli 
bis einſchl 4, Auguft in Harthaufen gefangen 
und an die Gemeinde abgeliefert worden. 

„Was liefert die Rheiüpfalz?“ Unter 
diefem Titel erichien im Verlag von Julius 
Kranzbühler & Gie., ©. m. b. 9. in Speyer, 
ein mit Abbildungen reich ausgejtattetes 
Heft mit der Beftimmung fomohl die Pfälzer 
jelbft, als namentlich die fauffräftigen Kreiſe 
außerhalb der pfälzifchen Grenzen auf das 
aufmerffam zu machen, was die Pfalz zu 
liefern und zu bieten imftande it. In 
volfstümlich gehaltenen Abhandlungen werden 
darin vorgeführt: Bergbau, Stein und 
Holzgeminnung, Induſtrie, Yandwirtichaft, 
Weinbau, Jagd u.a. Es find Sciiderungen 
geboten der Städte und Padeorte, der Land— 
ſchaft ufm. Der Preis ftellt ih auf 50 Pig. 


Eine Gedenkfeier für den Grafen 
Zeppelin hielten Surgäfte und Kirchweih— 
befjucher in Nothweiler am Dorfbrunnen 
ab, An diefem Brunnen hat Graf Zeppelin 
auf der Nüdfehr von feinem berühmten 
Erfundigungsritt Raſt gehalten, was durd) 
eine bei diejer Feier am Brunnen angebrachte 
Gedenktaſel der Nachwelt überliefert 
werden joll, 


Ein Schulmufenm. Durch eine Ber: 
fügung des Großherzoglichen Scul- 
minifteriums ift ein „Heſſiſches Landes- 
Schulmufeum” mit dem Sige in Darm» 
jtadt errichtet worden. Das Mufeum, 








136 — 


das fortwährend ergänzt und vermehrt wird, 
foll alle das enthalten, was vor 1830 
in Heffen auf dem Gebiete der Schule on 
Lern: und Lehrmitteln im Gebrauche maı 
Die Jnventare der heffiihen Schulgemeindeu 
werden daraufhin auf ihren Beftand gepräf: 
Die Mbreilung „Schulbücher“ ift bereits 
recht zahlreih. Das Mujeum fteht unter 
der Bermwaltung des Geſchichtsforſchers 
Dr. Diehl (Darmitade). Es ift jedermann 
zugänglich und wird nad jener Bollendung 
ein recht anjchauliches Bild bezüglich de: 
heſſiſchen Schulgefchichte geben. 

Bei den Erdarbeiten am Marienheim in 
Speyer fand man einige römische Gräber mır 
Urnen. Ein Teilder Urnen und jonftige Fun? 
ftüce wurden dem Pfälz. Mufeum übermieien 


Ensheim. Bei den Ermeiterung: 


| arbeiten an der fath. Kirche fand man ın 


der vergangenen Woche beim Ausheben des 
alten Chores eine ſchön ausgemauerte Gruft, 
ın der fih ein ſehr gut erhaltener Giden- 
jarg befand, Er enthielt die Ueberreite 
des im Jahre 1782 verfiorbenen Baters 
Thill, der bier von 1764 an als Seeljorger 
tätig war. Die Reſte der Nleidung maren 
noch gut erfennbar. Wie verlautet, jollen ſich 


noch mehrere Grüfte im alten Chor befinden. 


Bei einer Ausbefferung in der Mühle 
von Gebr. Torjch (früher Lerch) in Landau 
entdedfte man zwei Mauerfteine mit folgen: 
den Inſchriften: Hank Glödner, difer Zeit 
Baumeifter, 1587 — R 1787. Demnach 
dürfte die Mühle eines der älteften Baı 
werfe Yandaus fein. 

Auf einem Wingert unterhalb der Stropi 
burg bei St. Martin wurden einen halben 
Meter unter der Erde franzöfifche Silber 
münzen aus den Jahren 1792 bis 1813 
gefunden. 





Anbalt: Dre weitpfälziiche Moorniederung In ihrer Beziehung zur Humpffläche (Peneplain 
der Mitteipfalz. — Studien aus dem Pfälzerwald. — Die Auswanderung aus ber Rbeinpfalz. — 
Guterverkehr der Rheinhäfen Speyer und Yubdmwigsbaien. — Bilanzenihug in der Pfalz — 
— von Haufen, ein Landsmann aus fernen großen Tagen. — Mineralquellen im Glantale — 

ie Saline zu Odernheim am Glan. — Ueber dad Borfommen von Schildfröten in der Pfalz. — 


Sconet die Felder. — Der Quitpoldturm. — Neues am Oftoberbimmel 
feldjtecher — Altertümer. — Kleine Mitterlungen. 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sautb, Candſtuhl 


Für form umd Inhalt der Beiträge find bie Herren Be 


— Mangs Univerjal 





- Sermann Kanfer’s Derlag, Aaifersiautern. 


rfafler verantwortlich. 


(Unverlangte Manuflrıpte werden nicht zurüdgelandt.) 


— — 


De „ I} attunde” tofter jährlich im 12 Heften Mt. 2.50. Berellungen werben von allen Budbandlungen na? 
—— Fohanftaltın ferner vom Berlener (Bortofreie Streifdandiendung) augenemmen 


V. Jahrgang. 


MONATSSCHRIFT 
FÜR SCHULE UND HAUS. 


N 


BANNER: 


Nummer 11. 





November 1909, 


l 


Ber Gutenbrunnerhof, ein vergeflener Badeort bei Trippſtadt. 
j Bon Red.-Rat Dr. Häberle, Heidelberg. 


Etwa % Stunden füd öſtlich von Tripp- 
ftaot liegt im oberen, muldenartig ver- 
breiterten Moosalbtale der Gutenbrunnerhof, 
defien Benennung ebenſo wie die der gleich» 
namigen Niederlafjung') bei Bmeibrüden 
auf eine dort aus dem Buntjanditein zu 
Tage treiende Mineralquelle zurücdzuführen 
ift. Wir befinden uns hier im mittleren 
oder Hauptbuntjandftein, und zwar in der 
Trippftadt: oder Karlstalftufe, deren charafte- 
riſtiſche, mächtige Felsbänke gleich Hinter 
dem Hofe an dem nach Trippftadt führenden 
Bußpfade, noch deutlicher aber in dem 
mweiter abwärts fich Öffnenden und tief in 
diefe Schichten eingefchnittenen Karlstale 
ſich beobachten lafjen?, Da Mineralquellen 
im Buntjandftein verhältnismäßig jelten 
find und der Gutenbrunnerhof früher als 
Badeort eine gewiſſe, wenn aud nur lofale 
Bedeutung bejefjen hat, machte ich ım legten 
Herbit auf einer geologiihen Wanderung 
durch den Pfälzer Wald dorthin einen Ab— 
fteher. Was ih auf dem Hofe und in 
Trippftadt durch Umfrage, bezw. durch Lite: 








) Un biefen Butenbrunnerbof, ſowle an den 
Gutenbrunnen bei Edenfoben und Rockenhauſen 
fnüpft fich eine reiche Literatur, vgl. Darüber meine 
Pfälzifhe Bibliographie I u. II. 

*) Die unterlagernden, weniger widerſtands⸗ 
fähigen und deshalb raſcher vermitternden 
Schichten, welche die Felsbänke des Karlstales 
zum Abſtürzen brachten, laſſen ſich an deſſen 
unterem Eingange am Pfade nach Trippſtadt gut 
beobachten. 


raturftudien über das Bad in Erfahrung 
bringen fonnte, babe ih im Nadjitehenden 
zufammengeftellt®). 

Der Name Gutenbrunnerbof ift ver: 
hältnismäßig jungen Datums. Bilfinger 
vermutet, daß er ebenjo wie der benachbarte 
Antonienhof erft von dem 1780 in der 
Herrſchaft Trippftadt zur Regierung gelangten 
Freiheren Karl Theodor von Hade (7 1792) 
feinen Namen erhalten bat, da auf Starten 
aus den Jahren 1761, 1767 und 1773 an 
feiner Stelle für 5 Anmwejen nur der Name 
„Hütten“ eingezeichnet ift. Dies ſcheint 
die jenesmal übliche Benennung gemwejen zu 
fein, da nad Bilfinger noch heute die Be: 
zeihnung „Hüttental” für dieſen Zeil des 
Moosalbtaled gebraudt mwird.*) Während 


) Literatur J. Keiper, Das Trippitadter 
Schloß und die Freiherrn von Hacke. Mann- 
beimer Gefch.-Blätter 1904 Sp. 101—110 u. 
141—142. Wbdrud: Pfälz. Muſeum 1905 ©. 
145 156. — Derfelbe, Das Trippftadter Schloß. 
Bi. Wald 1904 Nr. 12 fi. — U. Beder, Zur 
Geſchichte Trippſtadts und der Freiherrn v. Hade 
Bi. Muſeum 1904 ©. 1389 - 193 — E. Bilfinger, 

ohannistreuz, eine Pfälzer Waldgeſchichte, ©. 
3—65. Salferdlautern, Thieme 1904. — 
%. Claus, Im Pfälzer Wald Xrippftabt. 
„Blälzer Wald” 1905 ©. 161 fi. — Für freund- 
üchſt erteilte Auskunft bezw. für zur Durchſicht 
überlaffene Alten babe ich dem Bürgermeliter- 
amt und dem Herrn Pfarrer Jakobi zu 
Trippftadt, fowie Herrn Landwirt Zumbad 
auf dem Gutenbrunnerhofe zu danfen. 

) Dagegen führte das jegt mit Recht jo 
gerühmte Karlstal noch 1767 den Namen „Wüſte— 


alfo der Name Antonienhof auf eine Neu: 
gründung Karl Theodors dv. Hade zu Ehren 
feiner zmeiten Gemahlin, Antonia von 
Sickingen, zurüdguführen ift, handelt es fich 
beim Gutenbrunnerhof lediglih um eine 
Umtaufe der alten „Hütten“, um durch dieſe 
Neubenennung ſchon äußerlich auf die dort 
austretende Heilquelle hinzumeifen. Frei— 
herr Karl Theodor von Hade jomohl mie 
fein Vater und Vorgänger in der Regierung, 
Franz Karl von Hade (1752 — 1780), der 
Erbauer des Trippftadter Schlofjes, waren 
eifrig bemüht, ihre faum eine Quadratmeile 
umfafjende Herrichaft durch planmäßige Ein 
führung neuer Holzarten, durch umfangreiche 
Anpflanzung von weißen Maulbeerbäumen 
zur Förderung der Seidenzucht, durch inten- 
fiven Betrieb der Gijenjchmelze ufm.” mit 
mehr oder weniger Erfolg kulturell zu heben, 
Wir dürfen ung daher nicht wundern, wenn 
fie auch der bei den Hütten entipringenden 
und durch ıhre abführende Wirfung ſchon 
damals befannten Quelle ihre Aufmerffam- 
feit zumendeten. Sie mußten fogar den 
Heidelberger Profeſſor der Medizin, Fr. ©. 
Schönmetzel dafür zu intereffieren und zur Abe 
fafjung eines empfehlenden Gutachtens, das 
ſpäter im Drud erfhien, zu veranlafien?). 
Die Quelle wurde gefaßt und durd eine 
ungefähr 40 m lange Robrleitung an einer 
etwas tiefer gelegenen Stelle zum Auslauf 
gebracht; dareben erhob fih zur Bequem» 
lichkeit für die erwarteten Nurgäfte ein Bade— 


that”, da anfcheinend die damalige Bevölkerung 
noch fein Berftändnis für Naturſchönheit beſaß. 
Ebenfo war es früher mit dem Steinalbtal. 
Bol. darüber meinen Auffag im „Bfälger Wald” 
1905 ©. 160 und U. Hoffmann, Der Sinn 
für Naturfchönbeiten in alter und neuer Zeit. 
Sammlung gemeinverftändi.cher Vorträge, Heft 
69, Hamburg 1889. 
’), Fr. G. Schönmegel Beichreibung 
des Gefundbrunnens in dem Freuberrlih von 
adifhen Orte Trippftadt. Ermähnt in Wundt's 
fälzifchen Bibliographie Bd. 1, ©. 75 u Bb. III, 
©. 47. Leider war es mir nicht möglich feit- 
zujtellen, wo diefe Schrift erfchtenen iſt; anfcheinend 
jtedt fie in irgend einem Sammelmwerf. Schön: 
meßel ſtarb 1785. Da ber 1780 aus dem Leben 
gefchiedene Freiherr Franz Karl d. Hade nicht 
allein furpfätzifcher Obriit Jägermeiſter fondern 
auh Oberanmtmann zu Heidelberg war, bat 
vielleicht fchon er und micht erſt fein Sohn Karl 
Theodor, auf den die Benennung „Butenbrunner- 
hof“ gewöhnlich zurüdgeführt wird, den Heidel— 
berger Gelehrten für die Heilquelle zu intereffieren 
gewußt. 


138 


| 


+ 


haus. Dank der Bemühungen und Fürforge 
der Hade’ihen Familie fam der ins Leben 
gerufene neue Badeort auh in Aufnahme 
und murde fomwohl zu Trinffuren wie zu 
Bädern benügt. Leider machte die bald 
darnach einjegende franzöfiihe Revolution 
der Herrichaft der Freiherrn von Hade in 
Trippftadt ein jähe® Ende; die Familie 
verſchwand aus der Gegend und ihr PBrivat- 
eigentum, beitehend in Liegenſchaften, Ge— 
bäuden uſw. ging 1803 durd Berfauf in 
andere Hände über. Damit war es auf 
einmal mit der Reklame und der Broteftion 
für das Bad vorbei; mit den hohen Gäften 
blieben auch die anderen Beſucher aus: es 
geriet in Vergeſſenheit. 

Nur wenige Spuren deuten noch darauf 
bin, daß dort auf dem einjamen, jegt von 
vier Familien bewohnten Hofe einmal ein 
regered Reben geherriht hat. Die Quelle 
ift zwar heute noch vorhanden, doch murde 
über ihr im Jahre 1901 durch die Gemeinde 
Trippfiadt ein Pumpenſtock aufgeitellt, um 
damit die ftändigen Reparaturfoften für die 
hölzernen und eifernen Rohre, durch melde 
das Waller nad Eingang des Bades zwed- 
[08 etwa 40 m weiter geleitet wurde, endlich 
aus der Welt zu jchaffen. Der Pumpbrunnen 
ſteht an der nordöftlihen Ede des Hofes 
dicht neben dem nach Trippftadt führenden 
Pfade. Hier fommt der aus den Wäldern 
auftauchende Wanderer, ohne eine Ahnung 
von der abführenden Wirfung des Waflers 
zu haben, unmillfürlih in die Verſuchung, 
jeinen Durft zu löſchen. Auch mir ging 
es jo. Mit gutem Gemiffen fann id aus 
eigener Erfahrung die eigentümliche Eigen- 
ichaft der Quelle beftätigen. Cine bejondere 
Heilfraft befigt fie nach Mitteilung der Ber 
juchsftation Speyer, die vor einigen Jahren 
auf Beranlaffung des inzwiſchen in Tripp 
jtadt verftorbenen praktiſchen Arztes Dr. Woli 
eine Analyſe vornahm, zwar nicht, doc 
falle ihr hoher Eifengehalt auf.*) Diefer 

) Freundliche Mittetlung von He 
gate In — deider — ger: 


möglich, eine Abjchrift der Analyfe von der Ber: 
ſuchsſtation in Speyer zu erhalten. 

Der hohe Eifengehalt der bier im Erb- 
innern zirtulterenden Gewäſſer fteht im Bufammen- 
bang mit den allentbalben in ber Gegend zu 
Tage tretenden Eifenjteintagen, auf welche wohl 
die eriten Anfänge der alten Trippſtadter Eiſen- 
Induftrie zurüdzuführen fein werben. 


— 139 — 


tritt auch, ſobald man das Waller ganz | 


kurze Zeit in einem Glafe ftehen läßt, 
jofort in Erſcheinung. 

Die öffnende Wirkung des Waffers zeigt 
fi gewöhnlich nur bei fyremden ; aus diefem 
Grunde vermeiden auch die auf dem Hofe 
vorübergehend beichäftigten Handwerfer es 
zu trinken, da das Wafler außer der eben 
beichriebenen Wirkung auch noch Leibſchmerzen 
hervorrufen fol. Die Bewohner des Buten- 
brunnerhofes dagegen und die des benad): 
barten Lauberhofes, welche ebenfalls zur 
Deckung des Waflerbedarfes an dieſem 
Brunnen beredtigt find, trinken e8 zwar 
ohne Schaden, haben aber doc) durch Grabung 
weiterer Brunnen fo 3. B. beim Zumbady’ichen 
Neubau in ca. 50 m Entfernung von der 
Quelle mit Erfolg anderes Wafler ohne 
dieje ausgeprägten Eigenichaften erſchloſſen 
Neuerdings erftreben die Hofberwohner durch 
Erbauung einer Bafjerleitung von der Moos: 
albe ber überhaupt eine beijere Wajler: 
berforgung. 

Das alte Badhaus ift jetzt noch erhalten, 
nur dient e8, durch eine Scheidewand der 
Quere nah halbiert, ald Wohnhaus für 
zwei Familien. Gegenliber befindet ſich ein 
alter Seller mit Schuppen und ein niedriger 
Stall, die nad ihrer Bauart ebenjo wie 
das Haus felbft ungefähr aus der zweiten 
Hälfte des 18, Jahrhunderts ftammen mögen. 
Schon äußerlich fticht das etwa 22 m lange 
und 10 m breite einjtödige Haus, defien 
urſprünglich aus Lehm und hölzernem 
Riegelwerk beftehenden Wände jegt durch 
fteinerne Mauern erjegt find, mit feinem 
hohen, oben abgeflachten und mit zierlichen 
Holzſchindeln befleideten, fenfterreichen Giebel 
gegen die anderen Gebäude auf dem Hofe ab. 


Die innere Einrichtung läßt fih in dem 
zu Wohnräumen eingerichteten Dachgeſchoß 
no gut erfennen. Ein mit der Treppe 
in Verbindung ftehender, etwa 1,10 m 
breiter Gang durchzog es in feiner ganzen 
Fänge und vermittelte den Zugang zu 14 
kleinen Gelaſſen — anders fann man die 
unter dem jchrägen Dad befindlihen 3 m 
langen und 21 m breiten Räume nicht 
bezeichnen —, die auf beiden Seiten ver- 
teilt, einen Menjchen netdürftig beherbergen 
fonnten. 

Anscheinend waren dies die Schlafräume 
für die Badegäfte, während die größeren 
Räume zu ebener Erde zum Aufenthalt 
bezw. zu Badezweden beitimmt waren. 
Dicht vor der Tür befand fi in den Wiejen 
auch der oben erwähnte aber jegt zuge 
fchüttete Auslauf der Quelle. 

Wie mir Herr Zumbach freundlichit 
mitteilte, wurde das Badehaus von feinen 
Borfahren und der Familie Scheid zu An- 
fang des legten Jahrhunderts von dem Vater 
des früheren Forſtmeiſters Weilenauer auf 
Johanniskreuz gefauft, durd) eine Querwand 
in zwei Hälften geteilt und durch Fleinere 
bauliche Veränderungen zu zwei Familien: 
wohnungen eingerichtet. „ Später fam der 
Anteil Scheid an die Familie Schwab, der 
Anteil Zumbach durch meinen Gewährsinann 
an feinen Tochtermann Schäfer. 

Wenn erft einmal durch Weiterent: 
widlung des pfälzifchen Eiſenbahnnetzes die 
entlegene Waldniederlaffung dem Verkehr 
näher gebracht fein wird, findet fich vielleicht 
auch noch ein unternehmender Kopf, welcher 
die der Quelle eigentümliche Eigenſchaft 
und die Höhenlage des von Wald umgebenen 
Hofes zu Hurzmweden auszubeuten ſucht. 





Bie Bentren des Biehhandels. 
Die pfälz. Viehzucht nahm fchon von | diefem Jahre infolge des befannten Boykotts, 


jeher eine adhtunggebietende Stelle ein, be- 
ſonders was die Qualität des Biehs an 
belangt. In den legten Jahren zeigt fich 
ein unverfennbarer Aufſchwung, der zum 
Zeil den erfolgreihen Beftrebungen der 
Budtvereine ꝛc. zu danken iſt. Entiprechend 
dem Biehftande gibt es in der Pfalz aud 
bedeutendere Biehmärkte, deren Beichidung 
m allgemeinen fehr lebhaft ift und nur in 


Lüden aufzumweifen hatte. Nachdem die 
Zahlen für 1908 jegt vorliegen, läßt fich 
ein Bild über die Lage der einzelnen pfäl: 
ziichen Viehmärkte gewinnen. Auf pfälziichen 
Märkten wurden in diefem Jahre 33964 
(gegen 35308 im Borjahre) Schweine, 21 331 
(gegen 22138) Rinder, 3155 (gegen 1679) 
Kälber und Schafe und 1243 (gegen 1133) 
Pferde aufgeftellt Stehen die Zahlen von 


1908 bei Rindern und Schweinen auch gegen 
die von 1907 zurüd, jo darf man indejjen 
daraus feine ungünftigen Schlüffe ziehen, 
da dus Vich im allgemeinen gut bezahlt 
wurde. Wenn mir die Schweinemärfte 
einer bejonderen Betrachtung unterziehen 
(bezüglich 1908), jo ſteht Kandel mit einem 
Yahresauftrieb von 9271 oben an. Es 
folgen der Neihe nadı Landau 6865, Zwei. 
brüden 5350, Billigheim 4228, Yautereden 
3529, Bergzabern 1369, Kufel 606, Quirn- 
bach 570, Wolfitein 486. Glanmünchweiler 
428, Nlfenz 400, Ulmer 347, Neuftadt 
194, Niederkirhen 133 und Selchenbach 18. 
Die Rindviehmärfte haben 1908 folgenden 
Jahresauftrieb gehabt: Meuitadt 8432, 
Landau 6215, Zweibrücken 3800, Quirn: 
bach 1112, Kuſel 639, Miefenbady 350, 
Lauterefen 269, Seldhenbad 246, Alfenz 
144, Langmeil 89 und Wolfftein 45. Beim 
Kälber und Schafenmarft wuiden 1908 
folgende Ziffern fejtgeftellt: Neuftadt 1629, 
Yandau 1057, Quirnbach 160, Hundheim 
140, Auſel 73, Selchenbach 67, Alſenz 20 
und Lauterecken 9, Die Pfalz befigt nur 
vier Pferdemärkte. Der Hauptmarkt ift 
Kaiferslautern mit 635, dann folgen Quirn- 
badı mit 260, Bmweibrüden mit 220 und 
Rohrbach b. B. ınit 128 Stück Auftrieb 1908, 
Danad) find die Hauptmärkte für Schweine 
Kandel, für Rinder, Kälber und Schafe Neu- 
ftadt und für Pferde Kaiferslautern Be: 
rechnet man den Gefamtauftrieb, d. h. die 
Zahl der verfchiedenen Tierarten, für jeden 


140 


— 


Ort, fo find die größten pfälzifhen Bieh- 
märfte der Reihe nach Landau mit 14137, 
Neuftadt mit 10255, Zweibrücken mit 9370, 
Kandel mit 9271, Billigheim mit 4228, 
Lauterecken mit 3807, Quirnbach mit 2102 
und Bergzabern mit 1369 Stüd Yahres- 
Auftrieb. Der fleinfte Markt ift Yangmeil 
mit 79 Stück Yahresauftrieb. 

Der Bichbeitand Bayerns auf rund 
der Biebzählung vom 2. Dezember 1907. 
Wie groß ift der Viehſtand Bayerns und 
wie hat ſich derjelbe zahlenmäßig entwidelt? 
Wie verteilen ſich dıe einzelnen Biehgattungen 
auf Stadt und Land, fowie in den Regierungs- 
und Berwaltungsbezirfen ? Wie jet fich der 
Bıehftapel nah Alter, Geſchlecht und Ber: 
wendungsart der Tiere zufammen und welche 
Beränderungen find hierbei vor fi) gegangen? 
Iſt die bayerifche Viehzucht imftande, dem 
inländiichen Bedarf an Fleiſch und tieriichen 
Erzeugniffen zu decken? Bei welchen Bieh- 
gattungen hat Bayern Ueberproduftien, bei 
melden ift es Darauf angemiejen, bie 
heimische Viehzucht duch Einfuhr zu er 
gänzen? Wie hat fi die Aus- und Ein- 
fuhr von Vieh in Bayern mährend der 
legten Jahrzehnte entwidelt ? 

Bahlenmäßige Auffchlüffe über dieſe 
volfswirtichaftlih und fozialpolitiich gleich 
wichtigen fragen gibt das foeben vom K. 
Statiftifhen Landesamt ausgegebene Heft T2 
der Beiträge zur Statiftif des Königreichs 
Bayern (Berlag %. Lindauerihe Buchhand- 
lung, Preis 4 Mt). 


Seimatkundliches. 


Bom Ban des Bergzaberner Schloffes. | Fürſtl. Reſidenz ·Schloß nicht auß Pracht, 
Das fürzlih durch den Brand vernichtete | ondern aus hoher Not unter göttlichen 


Schloß in Bergzabern hat beinahe ein Alter 
von 200 Yahren erreiht. Ueber feinen 
Bau gibt folgendes interellante Dokument 
Aufſchluß: 

„Von Gottes Gnaden Wir Guſtav Sa— 
muel Leopold, Pfaltzgraf bei Rheyn in 
Bayern, zu Julch, Cleve und Berg Hertzog, 
Fürſt zu Mörß, Graf zu Veldentz, Spon« 
heim der Marf Ravensburg und Riringen, 
Herr zu Nauenftein zc. Liebe Getreuen! 
Euch ift Allbereits bewußt, waßmaßen Wir 
Unfer allhiefiges Aurh den vormaligen 
Frranzöfiihen Brandt gänglich ruinierte 


Beyſtandt wieder aufzubauen entſchloßen, 
inmaßen ®ir dann aud in Gottes Namen 
damit wirfli einen Anfang gemacht und 
mit Unferen frohndbaren Unterthanen der 
Dberämter Neucaftell, Weyſenheim und 
Lichtenberg dahin gnädigft accordiren laſſen, 
daß fie die dermalen darzu erfordernde Bei- 
fuhren, weilen fie folde nicht wohl in 
natura tun fönnen, mit ®eld bezahlen, ob 
Uns nun wohl gnrädigft bewuht, daß bie 


Stätte und Flecken frafft der ihnen gnädigft 





ertheilten privilegien ordinarie feine $ronden 
anders zu thun, als was zu ihren Stätt 


und Flecken gehört, bauen wir auch Weg, 
Steg und fonften nötig fein möchte oder 
bei vormaliger Erteilung fothaner Befreiung 
referbiret und bisher üblich gemejen, wir 
auch keineswegs gemeint, ſelbige Darmieder 
zu beſchweren. Dieweilen aber dieſes ein 
gantz extraordinaire Sache, woran dem 
ganzen Land gelegen und Wir nicht Bmeifeln 
wollen, e8 werde Unſern ſämtlichen Tieben 
Getreuen Untertanen in Städten und 
Flecken ſowohl als auf dem Land an diefem 
Unferen zu des gangen Lands Ehr und 
Bortheil gereihenden Bornehmen eine Freude 
haben und e8 zur funderbaren conjolation 
nehmen, daß da diejes Herzogtum nun ſchon 
joviele Jahre lang ihre Landesherrſchaft 
nit gegenwärtig gehabt Wir dieſe uralte 
Fürftliche refidenz nicht fonder große Be 
ſchwerde wieder aufzurichten refolpiret und 
dann *arzu ein weitmehreres als die jeßige 
bloße Beyfuhren, forderlich zur Beyführung 
des vom Rhein und anderen entlegenen 
Orten zu holenhabenden Bauholzes und 
übriger materialien, fo denen armen Unter: 
thanen auf dem Land allein beizuſchaffen 
allzufchwer fallen möchte ; erfordet wird und 
wir das gnüdigfte Vertrauen zu Unjeren 
Stätten und Flecken haben, daß, ob fie 
ſchon nicht wie Unfere übrigen Unterihanen 
an Hand gehen und anftatt deſſen einen 
freywilligen Beitrag thun werden. Als iſt 
an Euch Unfer gnädigſtes Geſinnen, Une 
eure Erklärung darüber unterthänigſt und 
förderſambſt zu berichten, um uns in einem 
und anderen darnach richten zu können mit 
der nochmaligen gnädigſten Verſicherung, 
daß ſolches an Euren diesfalls habenden 
privilegien ganz ohnnachteilig ſayen ſolle. 
Indeſſen Euch mit allen Fürſtlichen Hulden 
und Gnaden wohl gewogen verbleibend. 
Zweibrücken, den 29. April 1720. Ahn 
die Statt Bergzabern. Guſtavus, Pfalk- 
raff.“ — Ter Bau murde dur den 
falzgrafen Guſtav Samuel Leopold be: 
fanntlid; au im Jahr 1725 vollendet. 
(Bilz. Rundſch.) 
An ber Meldung von der Waſſerſchau 
am Epeyer- und Hochſpeyerbach ift noch 
folgendes Hinzuzufügen. Nah dem neuen 
bayerifchen Waflergejeg findet dies Jahr in 
ganz Bayern zum erfienmale eine Wafler- 
hau ftatt. In der Rheinpfalz erfolgt die- 
„de dur die beiden am l. Sanuar 1909 


141 


neuerrichteten Fulturbauänter in Neuftadt 
a. 9. und Homburg, melde anftelle der 
früheren drei Aulturingenieurbezirfe bezw. 
des KHreisfulturamtes Epryer traten Das 
Kulturbauamt Neuftadt umfaßte, wie ın der 
Deffentlichfeit bisher noch jo qut mie um: 
befannt ift, die Vorderpſalz mit dem Alſenz 
tal ; jein Gebiet reicht über Kirchheimbolanden 
hinaus bi8 nadı Bad Münfter a. St. Tas 
Kulturbauamt Homburg umfaßt die Weft- 
pfalz. Jedes der beiden Aemter beginnt 
jegt die Waſſerſchau feiner ihm zugewieſenen 
Wafjerläufe, die ſich namentlih darauf er- 
ftredt, ob die Stauanlagen ıc. der Fabrik: 
etabliffemen:s in Ordnung find. Es betrifft 
diefe Befichtigung daher haupiſächlich Befiger 
von WRafjerbenügungsgerofienichaften ꝛc. 
Dieje find nad dem Waflergeieg verpflichtet, 
den mit der Waſſerſchau Beauftragten die 
Befichtigung ihrer Anlagen und Grundftlide 
zu geftatten und die erforderlichen Auskünfte 
zu erteilen. Im Neuftadter Bezirk macht, 
wie jchon gemeldet, der Speyerbach den 
Anfang. Wenigftens teilweile, denn Unter: 
lauf und Oberlauf fünnen diefes Jahr nicht 
mehr befichtigt werden. Da die Kultur: 
bauämter jehr wenig Perſonal haben, fo 
wird es 3. B. im Neuftadter Aulturbezirf 
etwa 10 Jahre dauern, ehe die Waſſerſchau 
aller zugewieſenen Gewäſſer frattgefunden 
hat. Der Rhein gehört nicht zum Neu: 
ftadter Bezirf. Er ift als „öffentlicher“ 
Fluß der Obhut des Flußbauamtes zu 
gewiejen. Bu der Befichtigung des Epeper- 
und Hochſpeyerbaches wurde audı die am 
2. Juni d. %. zu Neuftadt gewählte Kom— 
miffion geladen, weldie Maßnahmen gegen 
die überhandnehmende Verunreinigung diefer 
Gewäſſer dur ındufirielle Abmwäfler vor: 
bereiten fol. In den nächſten Jahren 
fommen im Neufradter Bezirk zunüchft 
Iſenach und Alſenz an die Reihe. 

lleber den Schutz der Alleen bat das 
Staatsminifterium des Innern folgende 
Bekanntmachung erlafjen: Es ift zu beklagen, 
daß im Innern und in der Umgebung der 
Ortſchaften, an Diftrift8- und Gemeindemegen 
mande alte Baumallee verfhmwinder, teils 
weil aus dem Verfaufe des Holzes Nugen 
gezogen werden fol, teil& weil die rund» 
befiger glauben, daß fie durch den Schatten 
und das Wurzelwerf der Bäume an der 
Erzielung eines befjeren GErträgnifies vor 


Grund und Boden gehindert ferien. Durch 
die Bejeitigung der Alleen wird das Naturs 
bild gejchädigt, und es bedarf eines langen 
Beitraumes, um durch Neupflanzung von 
Bäumen dies wieder gut zu machen. Die 
mit der Niederlegung von Alleen verbun- 
denen Borteile werden meiltens überſchätzt 
und durch den Nachteil, den die für Be 
fümpfung ſchädlicher Inſekten ſo nützliche 
Vogelwelt erleidet, weit überwogen. Wenn 
man in neuerer Zeit da und dort zum 
Zwecke des Bogelſchutzes Gehölze und Hecken 
anlegt, ſo erſcheint die Beſeitigung ganzer 
Baumalleen, die oft auf weite Strecken die 
einzige höhere Vegetation und ſo für viele 
Vogelarten die einzige Niſtgelegenheit und 
den einzigen Unterſchlupf bilden, unbegreif- 
lit. Bu den Aufgaben der für die Natur: 
pflege beftellten Obmänner gehört es, id 
von allen Vorgängen, die den Beftand der 
Naturgebilde berühren, Stenntnis zu ver- 
ihaffen und im Kalle drohenden Schadens 
dem zuftändigen Landesausſchuſſe zu beriditen, 
auch jelbit unverzüglich die erften Schritte 
zur Abwehr einzuleiten. Auf dem bezeichneten 
Bebiete wird nun vielfah Anlaß zur Be 
tätigung gegeben jein. Sollte die Ent- 
fernung von Bäumen, die die Felder in 
bejonderem Mate jchädigen, fih nit um- 
gehen lafjen, jo wird ın vielen Fällen jchon 
durch einen Wechſel in der Baumart fich 
Abhilfe Schaffen laffen, ohne daß eine Be- 
jeitigung der Nllee Platz zu greifen hätte, 
Den Behörden der inneren Bermaltung 
obliegt die forderliche Unterftügung der Ob- 
männer durch entiprechende Einwirkung auf 
Bemeinden und Private. Someit Baum- 
pflanzungen als notwendige Beftandteile der 
Wege ericheinen, 4. B. zur Sıderung des 
Verkehrs erforderlich find, iſt es nicht aus 
geichlojien, daß ım Einzelfalle auflichlich 
auf die Anlage oder Erhaltung der Baum: 
pflanzungen bingewirft werden fann. 
Denkmäler der Haingraiden im Pfälzer: 
wald. Unter dieſen, die von Vrofeſſor 
Mehlis jüngft feftaeftellt find, ift das be- 
deutendfte eine zwiichen Kalmit (671 Meter) 
und Gohe-Loog (622 Dieter) am oberen 
Stlaufental in etwa 550 Meter Seehöhe 
gelegene Felsplatte. Sie bildet die Süd— 
wand einer fleinen Erojionshöhle und hat 
3 Meter Länge auf 2 Meter Breite. Dieie 


ganze Fläche ift mit Hunderten von Yahres- 


142 





zahlen, Signaculis der benadpbarten Hain— 
geraiden und Figuren bedeft Die Jahres: 
zahlen reihen von 1601 bis 1653. Auf 
mehrfaches Erſuchen hat Profeſſor Meblis 
mühevoll dieſe Felsbilder abgezeichnet und 
ſie der Wormſer Fachmännerverſammlung 
am 10. September vorgelegt. 

Es geht zurzeit in der Pfalz ein lebhafter 
Bug nadı Wiederbelebung der pfälziſchen 
Wolfätradien. Zu deſſen Beitrebungen 
gehört die GErforihung und Erbaltung 
diefer Trachten. Es wird ihre vorläufige 
Einführung geplant etwa in Billigheim, 
Bergzabern, Bad Gleismweiler, Neuſtadt und 
Bad Dürkheim. Ber den diesjährigen 
„Kerwen” in der VBorderpfalz ſoll die Tracht 
in weıtem Umfange neuerjtehen, u. a. auch 
auf dem Dürfheimer Wurſtmarkt. Auch im 
Weſtrich joll die Tracht neubelebt werden, 
BZweibrüdfen und Raijerslautern haben in 
diefem Gebiete der Pfalz mit gutem Ber 
fpiel voranzugehen. Der Berein pfälzifcher 
Künſiler und Aunftfreunde plant zur Unter- 
hügung diejer Beftrebungen die Herausgabe 
hiſtoriſcher Volkstrachtenkarten und eines 
pfälz. Trachtenbuches in Farbendruck. 


Zur Feſtſtellung der beſonderen heimat 
lichen Grundlagen für.einen erſprießlichen 
auſchaulichen Unterricht in den Sad: und 
Sprachfächern ift, laut Negierungsverfügung 
vom 17. d. Mis. die entfprechende Durd: 
forſchung der eugereu Heimat (des Schul: 
ortes, der Gemarfung und ihrer nächſten 
Umgebung) durch den Lehrer in erdfundlicher, 
naturfundlicher, geichichtliher und ethno- 
graphiicher Dinficht erforderlih. Ym Inte 
reſſe der nicht nur für die Schule, ſondern 
aud für die Allgemeinheit wichtigen An- 
gelegenheit liegt e$, wenn diefen Nach— 
forfhungen nötigenfalld die Unterftügung 
der gemeindlichen und ftaatliden Behörden 
jowie der Vfarrgeiftlichkeit zugeteilt wird, 


Bereit8 vor einiger Zeit wurde im 
jog. Wallböhl eine neolithifhe Anficdelung 
aufgefunden, die etwa 5 '« Kilometer öftlich 
von Neuftadt und nördlich von Speyerdori 
liegt. Bor furzem gelang ed nun, etwa 
500 Meter öftlih (gegen Haßloch) eine 
zweite derartige Siedelung aufzudecken. An 
deren Stätte wurden rohe Steinmwerfzeuge, 
viele Gefäßreſte, Pfeilſpitzen und Hütten» 
bewurf blosgelegt. 


Schreinermeilter Kiſt in Landau jchenfte 
dem Weinmujeum in Speyer die hölzerne 
Spindel der Zehnten-Kelter des ehemaligen 
Kloſters Hornbach, die auf dem Meierhofe 
in Godramftein ftand, Die aus Nußbaum- 
holz gearbeitere Kelter ift nachweisbar falt 
500 Zahre alt. 


Die ald Wallfahrtskirche weithin befannte 
Gräfiutaler Kapelle bei Bliesmengen feiert 
in diejem Jahre das 100jährige Jubiläum 
ihrer Wiederheritellung. Die Kapelle birgt 
in einer Nifche das Grabdenkmal der Gräfin 
Elijaberh v Kaſtel (geft. 1270) ; ein Marmor- 
jarfophag rechts enthält die Gebeine der 
älteften Tochter Anna des vertriebenen 
Polenfönigs Stanislaus Leszinsky (geſt. 
1717), dem u. a. auch die heutige Faſanerie 
bei Zweibrüden gehörte. 

Dr. Theodor Welſch, früher Pfarrer 
in Hardt, ift am 18, Juni feinem Leiden 
erlegen. Durch teftamentariihe Verfügung 
bat der VBerftorbene der Stadt Neuftadt die 
nad) ihm benannte Welſch'ſche Terrafle ge- 
ſchenkt. 

Das kgl. Bezirksamt Landau erläßt eine 
diſtriktspolizeiliche Vorſchrift, wonach alle 
baulichen Aenderungen an den Baudenk— 
mälern Madenburg, Neufaftel, St. Anna» 
fapelle, fgl. Villa Ludwigshöhe, Steges- 
denfmal bei Edenfoben und Kropsburg 
beionderer bezirfsamtliher Genehmigung 
vom Standpunkt des Heimatichuges bedürfen. 

Aus Heflen. Der Dentmalsrat des 
Großherzogtums hat bezliglich der Erhaltung 
von Bildwerfen (Muttergottes- und Heiligen- 


143 


ftandbildern) an Häujern angeordnet, daß 
die Bejeitigung derjelben nur nad vor- 
gängiger behördlicher Genehmigung ftatt- 
finden darf, weil derartige Standbilder in 
der Regel als Baudenfmäler im Sinne des 
Geſetzes anzufehen find. Zweck der Ber: 
ordnung ift, die der Kunſt und den Stand 
bildern drohenden Berlufte in Fällen der Ber- 
äußerung und Berichleppung nad auswärts 
zu vermeiden 

In Stuttgart hat fi in einer gut be 
fuchten Berjammlung von Männern der 
verjchiedenften Berufsfreife ein Württem 
bergifher Buud für Heimarfhng konſtituiert. 
Nah den Sapungen zieht der neue Bund 
in den Kreis jeiner Tätigfeit den Schuß 
der Natur, Schuß der Eigenart des Land— 
ihaftsbildes, Schug der heimiichen Xier- 
und Pflungenwelt, Schuß der aus früheren 
Beiten überfommenen Werke, der über- 
lieferten heimatlichen Beimeije, der ländlichen 
Baumeije, der ländlichen Sitten und Tradıten 
uſw. Die Sagungen wurden, nachdem nod 
die Frage der Aufſtellung von Vertrauens» 
männern in bejahendem Sinne erörtert 
worden, im ganzen angenommen. In den 
engeren geichäftsführenden Borjtand wurden 
u. a. gewählt als 1. Borfigender Prof. Baul 
Schmohl-Stuttgart, als ftellvertr, Borfigende 
die Uninerfitätsprofefloren Dr. v. Lange 
und Dr. Fuchs. Außer dem engeren ge: 
jhäftsführenden Ausihuß wurde ein aus 
etwa 100 Mitgliedern aus dem ganzen 
Land beftehender erweiterter Borftand durch 
Buruf gemählt. 


Indufrie und Berkehr. 


Pfälzifhes Baumaterial am Reichstags: 
ebäude iu Berlin. Kürzlich war in den 
eitungen darauf bingemwiejen worden, daß 

am 9. Juni 25 Jahre jeit der Grundftein- 
legung des Reichstagsgebäudes, deffen Bau: 
foften mıt rund 24 Millionen Markt aus 
der franzöfifchen Sriegsentihädigung be: 
ftritten wurden, verfloffen find. Uuch für 
die Pfalz befigt diefes Jubiläum ein ge 
wifles Syntereffe, da zu dem aus den ver- 
ihiedenften deutſchen Gauen bezogenen 
Baumaterial unſere „Iteinreihe” Heimat 
ebenfalls ihren Anteil beigefteuert hat. 


Im Innern des Baues, wohlgemerkt nicht 
an den Fronten, ift nämlich für die Süd- 
und Nordvorhalle der grünlic-graue Sand: 
ftein aus dem Wotliegenden von Bayerfeld 
im Alſenztal zur Verwendung gelangt. 
Diefer Umftand mag wohl dazu beigetragen 
haben, daß der Bayerfelder Sandftein audı 
an dem Aufbau der „Geologiihen Wand” 
im Humboldthain in Berlin, welche weiteren 
Streifen einen ungefähren Weberblif über 
die geologifchen Berhältniffe Deutjchlands 
und insbefondere eine ideale VBorftellung von 
der Aufeinanderfolge der Schichten im Erd- 


144 


— 


innern geben foll, mit einem eigens zu diefem | 5057 Wrbeiter, in 7 Stonfervenfabrifen 331 


Zwecke zugerichteten Stüf Berückſichtigung 
gefunden hat.') Dr. Häberle. 
Die pfälziſche Juduſtrie beichäftigte 
im Sabre 1908 in den Fabriken, Hütten: 
werfen, Zimmerplägen, Baupläßen, Werften 
nnd Biegeleien, Brüchen und Gruben 80625 
Arbeiter und zwar 64305 männliche und 
16 320 meiblide. Mit diefer Zahl ſieht 
die Pal; an der Spike der jämtlichen 
bayerijchen Regierungsbezirke, ihr zunächſt 
fommt Mittelfranken mit 78 747 Arbeitern. 
Die Zahl der Betriebsanlagen beträgt in 
der Pfalz 2819. Gegen das Vorjahr if 
in der Bahl der Arbeiter ein Minus von 
faft 900 eingetreten, während die Bahl der 
Anlagen fih um 56 gehoben hat Ber» 
gleiht man mit der nunmehrigen Zahl den 
Stand vor 10 Jahren, fo ergibt fi im 
Jahre 1898 eine Arbeiterzahl von 77773 
in 2284 Betriebsanlagen tätig — man fann 
alſo getroft behaupten, daß die pfälzijche 
Induſtrie tüchtig in ihrer Entwicklung fort 
geſchritten iſt. Bieht man die einzelnen 
Induſtriezweige in Betracht, jo waren be— 
ihäftigt in 1 Saline 5 Arbeiter, in 7 
Balz: und Hammerwerfen 1664 Arbeiter, 
in 58 Betrieben der Induſtrie der Steine 
und Erden 2101, in 183 Steinbrücden 
und Steinhauereien 4935 Arbeiter, in 157 
Biegeleien 3902 Arbeiter, in 6 Glashütten 
853 Arbeiter, in der Induſtrie der Maſchinen, 
Inftrumente und Apparate in 92 Betrieben 
11353 Mrbeiter; in 32 Betrieben der 
chemiſchen Induſtrie waren 8855 Wrbeiter 
tätig, in 2 Bündholzfabrifen 181 Arbeiter, 
in 2 Farbfabriken 109 Arbeiter, in 2 
Thomasmehlbetrieben 19 Wrbeiter. Die 
Induftrie der Seifen, Fette und Dele be 
Ihäftigte in 39 Berrieben 378 Arbeiter, 
die Tertilinduftrie ın 43 Betrieben 7181 
Arbeiter, die Bapierinduftrie ın 25 Betrieben 
1061 Wrbeiter. Die 88 Betriebe der Holz. 
und Schnigftoffinduftrie hatten 4079 Arbeiter 
nötıg, 14 Bürften- und Bınjelmadhereren 387, 
In 128 Betrieben der Induſtrie der 
Nahrungs: und Genußmittel waren 2482 
Arbeiter tätig, in 3 Nohzuderfabrifen und 
Zuderraffinieren 1683 Arbeiter, ın 114 
Anlagen zur Unfertigung von Bigarren 
. Bgl. bierüber die Anregung, auch im 


———— Muſeum zu Speyer eine derartige 
nd aufzuitellen. 3. Wald 1909 ©. %. 





Arbeiter, in 17 ®etreidemühlen 52.1 Arbeiter 
in 1 Bichorienfabrit 22 Arbeiter. Den 
923 Vertrieben der Belleidungs und 
Reinigungsgewerbe dienten 1153. Arbeiter, 
6 Fabrifen der Nleider und Wäſchekonfektion 
63 Arbeiter. Auf 47 Bimmerplägen und 
anderen Bauhöfen waren 1244 Mrbeiter 
tätig, in 31 Buchdrudereien und Schrift: 
gießereien 853. Die 34 jonftigen Induſtrie 
zmeige beichäftigten 671 Arbeiter. Außerdem 
beftanden in der Pfalz noch 9905 Hand 
werföbetriebe mit insgefamt 23812 Arbeitern, 
4559 Arbeiter waren ferner ın Gruben 
und unterirdiihen Gräbereien beſchäftigt, 
jo dak ih für die Pfalz eine Gefamt 
arbeiterzahl von 108996 Mann ergibt. 
Die yfälziihe Sıeiubrudinduitrie bzw 
Erdgerminnung weiſt folgende Zahlen auf: 
Don 1890 ſank die Bahl der Oder: und 
Rarberdewerfe von 18 auf 1, die Werfe 
zur Gewinnung feuerfefter Tonerde von 
87 auf 76. Bei legterer hatte ji in den 
Bwifchenjahren eine Aufmwärtsbemwrgung bie 
auf 124 geltend gemadt. Das einzige 
3. Zt. beftiehende Schwerſpatwerk wurde 
1905 vröffne. Die Zahl der Kaltfitein-, 
Marmor: und Dolomitwerfe flieg von 35 
auf 63, die der Sandfteinwerfte von 256 
auf 266, der Bajaltbrühe von 2 auf 4. 
Die Zahl der Granitbrüde beträgt 2, der 
Melaphyr- und Porphyrbrüche 46, der 
Quarzfandmwerfe 1. Im Jahre 1908 wurden 
befchäftigt in den Deder- ꝛc.Werken 7 
Arbeiter (fowie 20 Frauen und finder, 
in den Tonerdwerfen 421 Yrbeiter (jomie 
987), in den Schweripatwerfen 55 (180), 
in den Stalfftein- und Dolomitwerfen 238 
(607), in den Sandfteinwerfen 1819 Arbeiter 
(und 5848 Frauen und finder), in den 
Bafaltwerfen 26 (Öl), in den Granıtwerfen 
12 (180), in den Melapbyr. und Vorphur- 
werfen 1727 (4594) und in den Quarz- 
fandwerfen 42, (und 47) zuſammen aljo 
in den Werfen für nicht vorbehaltene Mine 
raljubftanzen 4394 Arbeiter, jomie 12514 
Frauen und Hinder ın 465 Werfen, wobei 
aber nur die Privatwerfe gerechnet find. 
In diefen Werfen betrug die abjagjäbige 
Produktion 1908: 1) Oder und Farberde 
250 Tonnen im Werte von 5000 Mt, 
2) feuerfeite Tonerde 196836 Tonnen 
1155980 ME. 3) Schweriput: 8200 Tonnen 


— 145 — 


49200 Mk., 4) Kalkſtein und Dolomit 
130047 Tonnen 220 655 Mt., 5) Sandſtein 
262929 Tonnen 1508017 Mk., 6) Bajalt 
24870 Tonnen 39855 Mt., 7) Granit 
67840 Tonnen 142334 Mt., 8) Melaphyr 
und Borphyr 399 667 Tonnen 1141456 Mt. 
und 9) Quarzſand 25475 Tonnen 99472 
Mt. Wert, zufammen in 465 Werten 
1116114 Zonnen im Werke von 4371960 
Me. Die pfälzifche Steininduftrie ift, wie 
diefe Zahlen zeigen, ſehr ausgedehnt, doc 
ift die allgemeine Tage infolge auswärtiger 
Konkurrenz, Zollverhältniffe ſowie des Aus— 
ſchluſſes pfälzifcher Steine von öffentlichen 
Gebäuden in Baden, Heffen und Württem- 
berg ꝛc. nicht überall günftig. 

Ein Tunnels-Doppelihraubenbost hat 
die Firma Gebr. Pagel in Mannheim er- 
baut, das unlängft feine erfte Probefahrt 
von Mannheim nah Speyer unternahm, 
die glänzend verlief. Das Schiff hat eine 
Länge von 50 Meter, ift 8 Meter breit 
und hat 900 Pferdekräfte. Gs ift aus: 
geftattet mit den modernften Schiffsmaſchinen 
der Majhinenbau-Aft.-Bej.-Mannbeim. 

Der Berlehr auf dem Rhein. Cine 
erfchöpfende Ueberfiht über die Schiffahrt 
und Flößerei auf dem Rheine gibt der jo- 
eben erichienene Jahresbericht 1908 der 
Bentralfommiffion für die Rheinſchiffahrt. 


Darnach beträgt der Gefamtverkehr auf dem 
Rhein von Straßburg bis Amfterdam 658 
Millionen Tonnen d. i. gegen 1907 1,3 
Millionen oder 1,9 Prozent mehr. Im 
Borjahre betrug die Zunahme 4,5 Millionen 
oder 7,4 Prozent. Der wirtichaftliche 
Nüdgang findet demnach aud hier präg- 
nanten Ausdruck; dieſes umſomehr, als die 
Boafferftandsverhältniffe im ganzen mefent- 
(ih glnftiger waren, als im Borjabr. 
Konnte doch die Großſchiffahrt faft volle 
8 Monate betrieben merden gegen faum 
6 Monate im Vorjahr. Der Rheinverfehr 
wurde bemerfftelligt durch 11,077 Rhein- 
fchiffe mit 31,610 Mann Bemannung. 
Bon diefen Schiffen find 1318 Dampfidiffe 
mit 295849 Pferdeſtärken und 9759 Segel- 
ſchiffe und Schleppfähne mit rund 4 Mılli- 
onen Tonnen Tragfähigfeit.e. Bon den 
Dampfichiffen ift die größte Zahl deutich 
(632), von den Segelidiffen ift die größte 
Zahl niederländiijh (4832), jedoh haben 
die deutihen Segelſchiffe (2800) eine rund 
500000 Tonnen größere Tragfähigkeit. 
Bon den 1318 Dampfiiffen find 172 
Räder- und 1146 Schraubenboote. 99 
Dampfer dienen der Beförderung von 
Berfonen und Gütern, 192 nur der Güter- 
beförderung, 914 dem Schleppdienft und 45 
verfchiedenen Zwecken. 


Beimatlieder 
von 8. D. Hoffmann (Bmeibrüden.) 


Aus der Wefipfalz. 
1. Im Erbufd. 


Am dunflen Teich, tief in? bes Waldes Mitte, 
Wie lieb’ ich's, dba im weichen Moos zu liegen, 
u laufen auf des Waldes zage Tritte 

nd auf ber Turteltaube ſcheües Fliegen! 


S' iſt wie ein Märchen. Im Gerößre leiſe 

Ein Luftchen flüſtert und die Halme ſinken; 

908 oben zieht ber Turmfalt feine Kreiſe, 
gſam nad) Süden ſchwindend meinen Bliden. 


U. Abend im Heimattal. 


Dämmerung fenft ihren Schleier 
Sadt auf mein jtille® Tal, 
Schon btintt im tiefen Weiber 
Des erjten Sternes Strahl. 


Nun mit des Windes Flüftern 
Der legte Ton verweht 

Unb ringsum durch das Düftern 
Des Abends Schweigen gebt. 


Da fhlafen alle Müben 

Nah Tages Luft und Dual — 
Und auch zu mir fommt Frieden 
In meinem jtillen Tal. 


IL Alter Weg. 


ch geb’ die alte Straße, 

te ich fo oft getan, 
Und mit bertrauten Mugen. 
Sieht rings mich alles an. 
Wie ehemals eg bie Welten 

m Tal ihr heimlich Lied 

nd über den tau Wieſen 
Der graue Nebel zieh 

ch fomme am — ss 

o Liebchen einit gewohnt, 
Mit feinem fühen Sceine 
Beleuchtets der goldne Mond. 
Hoch jtehn’ die Sterne am Himmel 
Und Balten ftille Wacht — 
Und Mufit, — 
Tönt fernher durch die Nacht. 


— WW — 


Aus dem Gebirg. 
Morgen. 


Biel Sternlein noch am Himmel blühen, 
Da ſchon ber junge Tag erwacht 
Und rings. die Berge all’ erglühen 
In purpurgoldner Morgenpradit. 


Die dunklen Tannen jteb'n und träumen, 
Leis flüfternd in des Frühwinds Hauch 
Uud über fernen Waldesfäumen 

Schwebt fräufelnd, blau des Winter Rauch. 


Berhallend tönt ein Schuß. Mit Rauchen 
Segt durch's Gejtrüpp ein Bod vorbei. 
Hell lacht ein Specht. Dann heimlich Rauchen 
Und Hoc in Lüften Freift der Weih— 





Literatur. 


Boltslieder aus der Rheinpfalz. Mit 
Singweiſen aus dem Volksmunde gefammelt. 
Im Auftrage des Vereins für bayerifche Volks 
funde herausgegeben von Dr. Georg Heeger 
und Wilhelm Wüft. Band Il. Hofbud- 
druderei Hermann Kayſer, Kailerslautern, 
1909, Preis fein gebunden 3.80 4. 

Vor acht Monaten erſchien der jehnlichft 
erwartetel. Banddiejer Volksliederfammlung, 
die fich feitdem die Herzen der Pfälzer nicht 
nur erobert hat, fondern auch wegen ihres 
Inhaltes und der wiſſenſchaftlich peinlich 
genauen Bearbeitung als das Muiter einer 
Volksliederfammlung anzujehen ift, bringt 
die Fortiegung der Liebeslieder als Nr. 
158b bis 294, dann Abjchieds- und 
Banderlieder, Heimatlieder Nr. 245 - 
385 und Nachklänge alter Tage und Wächter: 
lieder, Fenſtergang und Ständcenlieder 
No. 359 bis 378. Schon dies kurze Ber- 
zeihnis mag beweiſen, wie reichhaltig auch 
diefer Band if. Er ftellt vor allem den 
Herausgebern Heeger und Wüft das 
glänzendfte Zeugnis aus und bemeift, welch 
glüdlihen Griff der bayerifche Verein für 
Volkskunde tat, als er beide Kenner mit 
der Sichtung, Ergänzung und Herausgabe 
der gefammelten Schäge betraute. 


Dr. Heeger hat in der Behandlung 
de8 Tertes nicht nur gezeigt, daß er die 
einschlägigen Schriftwerke gewiſſenhaft heran 
zog und jo jedes Lied an feinen gebührenden 
Platz jegte, jondern er hat es vor allem 
verftanden den Kreis feiner Mitarbeiter 
immer mehr zu erweitern. Das Mitarbeiter- 
verzeichnis des I. Bandes ift ja ſchon ein 
erfreulicher Beweis dafür, aber Heeger hat 
immer neue heranzuziehen gewußt und wenn 
man fo den ftattlihen Band von 310 Seiten 
durchblättert, ftreift man im Geiſte durch 
alle Gegenden der Pfalz und freut fi, daß 
ed gar nicht wahr ift, was man immer 


wieder behauptet, daß die Luft am Singen 
der alten Lieder ſchwinde. Man jehe doch 
nur, wieviel ſchöne Beiträge gerade unjere 
Städte Ludwigshafen, Kaijerslautern umd 
Pirmafens geliefert haben. Ya, e8 hat den 
Anſchein, ala ob hier das Lied mehr blühe 
als in unfern Landftädtchen, die fonft das 
Alte treuer bewahren. Unter vielen Liedern 
ftehen mehr als 40 DOrtichaften verzeichnet, 
die das Lied fennen. Nah der Melodie, 
die mit der erften Strophe dem Texte voran- 
gelegt ift, fommen alle Abweichungen, die 
zu erreichen waren, nicht nur in bezug auf 
den Tert fondern auch auf die Weile, und 
fo fünnen wir bier einen Blif tun in das 
Leben des Bolfsliedes, das der Beränderung 
unterworfen wird, bis e8 dem Untergange 
anheim fällt. In diejer peinlich. genauen 
Bearbeitung des/überreichen Stoffes Liegt 
der hohe mwiljenfchaftlihe Wert der ganzen 
Sammlung, auf die ftolz zu fein die Pfalz 
alle Urjache hat. 

Als wahre Fundgruben erwiejen ſich in 
der Rheinebene außer Qudwigshafen die Orte: 
Waldjee, Freisbach, Harthaujen, Weingarten, 
Weſtheim, in der Südpfalz befonders Dahn, 
Dinterweidenthal und Lemberg, im Weiten 


Niefchweiler, Nünſchweiler, Heltersberg, 
Eihenau, Adenbach, Ginzweiler und am 
Donneröberg' Würzmeiler.  Gefchriebene 


Terte konnten fogar and dem 18. Yahr- 
hundert beigebracht werden: das Lied 170: 
„Dein falfhes Herz“ ift daher z. B. in 
jeiner Entwidlung bis auf die neuefte Zeit 
herauf vorgeführt. So bringt Heeger noch 
oft ältere und mertvollere Belege als die 
Sammlungen benadhbarter Ränder. 

Wie die Liebeslieder oft von ergreifender 
Bartheit find und dem Xejer, Hörer umd 
Sänger fagen, daß hier nichts gemadhtes 
im Gefühlsausdrudf ift, jo malen die zahl- 
reihen Wanderlieder das Leben auf der 


Walze oder die Heimkehr und ſelbſt die 
munteren Fuhrmannsweiſen find noch nicht 
verflungen, obwohl die Fyuhrleute ſchon 
längft der neuen Beit gewichen find. 

&o erinnern die Lieder‘ 359 a bis 378c 
an die einst jo beliebten Tage- und Wächter: 
lieder des Mittelalters, die felbft in geift- 
liher Form in unfere Geſangsbücher ge- 
drungen find und zum mertvollften Beftande 
unferer Liederbücher gehören. 

Eine Bolksliederfammlung "ohne Weijen 
ift nur ein totes Buch; aber uniere Samm- 
lung bat den großen Borzug in ihren Weijen 
auch vollftändig und vollkommen zu jein. 
Dies verdanft fie Herrn WB. Wüft, der 
jeit Jahren unermüdlich beftrebt war überall 
auf Wegen und Stegen, in Dorf und Stadt 
den Tönen des Bolfsliedes zu laufchen und 
fie in Noten feftzuhalten. Eine reiche Fülle 
von ſchönen Weijen liegt in beiden Bänden 
bor und, Wie vermag doch das Volkslied 
gerade durch feine Töne den Feinheiten des 
Gefühlsausdrudfes gerecht zu werden und 
wie offenbart fi oft genug in den bon 
Wüſt fo fiher aufgezeichneten Weifen jelbft 
der Volkscharakter des Pfälzers! 

Der Verein für Volkskunde, der mit 
diefen Beröffentlichungen feine Schäße wieder 
denen bieten will, die fie ihm gereicht haben, 
bat mit der Herausgabe jeine hohe Aufgabe 
erfüllt, er hat unjerm Volke gezeigt, daß 
in feiner Tiefe reihe Schäße verborgen find, 
die nur des Hebens harren. Dr. Heeger 
und Wüſt find ſolche Schaggräber. Möchten 
fie recht bald uns mir ähnlichem über- 
rafchen. Th. Bin. 

„Echte Volkslieder“ führt die von 
Material und Anregungen zur Seimat- 
kunde ftrogende Zeitſchrift „Deutsche Gaue“ 
(Herausgeber Kurat Frank in Kaufbeuren, 
jährl. 20 Hefte 5 ME.) in Wort und Melodie 
vor; Texte enthielt Band IX S. 14—32 
und den größten Teil der Melodien, 19 im 
ganzen bringt Bd. X, Heft 195/196, €. 
259— 266. Man fieht, auch* „drüben“ be- 
fteht gleiches Intereſſe altes Gold nicht ver: 
loren gehen zu laſſen. Wer ſich in der Sache 
näher unterrichten will, fann von uns das 
Doppelheft leihweife beziehen. (D. Schr.) 

„Bälzer Bigler“. Im Verlag von 


147 


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Herrn Wild. Marnet in Neuftadt a. Hdt. 
Dıe weitaus meiften der Gedidhte find von 
vornherein zum Bortrag an Herrenabenden 
geichrieben, wo befanntlih nah Pfälzerart 
beim Wein die Worte nit auf die Gold- 
wage gelegt werden.. Einige Titel aus dem 
Anhaltsverzeichniffe: „Fraa Knerzel in de 
Abedeek“, „Die Mordtat mit de Struzel- 
bichs“, „Die Jagobsfeier in Knowlochdahl“, 
„De Sauhertjockel vun Otterbach“, „Die 
Mainacht“, „Die Dunnersberger Baure- 
maad“, „En Pälzer Wäldler als Hand— 
werksborſcht“, „Herr Schutzmann Wubbdich“, 
„De Biddel auf de Metzelſupp“, „Pälzer 
Winzerſprich“ (Inſchriften der Ernſtſchen Ge⸗ 
mälde in der Dürkheimer Winzervereins⸗ 
halle), „Winzerlos”, „Die Biwel“, „Pfälzer- 
maldgedichte” x. Für eine gejchmadvolle 
Ausführung des Buches bürgt der Name 
Marnet. 

Leuchs großes Yandesabrehbud für das 
Königreih Bayern. 1. und 2. Teil (16. 
Auflage). Preis für ein gebundenes Erem- 
plar 40 Mt. Berlag von C. Leuchs & Co., 
Nürnberg (Anh. Kommerzienrat W. Leuchs 
und Georg Leuchs). Leuchs Adreßbuch von 
Bayern ift nicht allein Hinfichtlich der An- 
zahl der Drte (14900), fondern auch der 
Adreffen wohl das vollftändigfte und zu- 
verläffigfte einzige Spezialadreßbuch Bayerns, 
68 enthält die Adreflen fämtliher Kauf: 
leute, Fabrifanten, Gemwerbetreibenden aller 
Art, Handwerker, Gutsbefiger, Apotheker, 
Rechtsanwälte, Notare, Aerzte, Gaftwirte, 
Kur, Heil- und Badeanftalten, Konfulate, 
Staats ˖ und ftädtifchen Behörden, Berufs» 
genoffenfchaften, Innungen und Bereine für 
Induſtrie, Handel und Gewerbe aller Städte 
und der Eleinften Gemeinden nach Regierungs: 
bezirfen, Orten und Branchen geordnet mit 
Angabe der Gerichtöbezirke, Bolt, Tele 
graphen: und Eifenbahnftationen, Drts-, 
Branden und Bezugsquellenregifter in zwei 
ftarfen Bänden. Gin großer Vorteil des 
Leuchs'ſchen Landesadreßbuches ift auch feine 
große Ueberſichtlichkeit und feine Handlich⸗ 
keit, ferner der Umſtand, daß die Benutzung 
amtlicher Quellen beim Sammeln des 
Adreſſenmaterials eine abſolute Zuverläjfig- 
keit verbürgt. J— 


— WE — 


Aleine Mitteilungen. 


Die Heidenlod-Höhle am Königsberge, 

x er. Höhle der Mheinpfalz, wurde 

September von Touriften abermals 
gründlich durchſucht, wobei Pechfackeln, 
Grubenlichter und Seile verwendet wurden. 
Unter Zuhilfenahme von großen Ötein- 
bämmern murde das Geröll in dem nad) 
unten führenden Felsſpalt fo zerichlagen, 
daß ein Teil in die Tiefe ſank und dadurd 
ein um etiwa zwei Meter tieferes Eindringen 
der Höhlenbefucher ermöglich wurde. Es 
wurde feftgeftellt, daß der Spalt bei etwa 
vier Meter Tiefe eine Biegung macht, liber 
die hinaus fein weiterer Verlauf bisher nicht 
verfolgt werden fonnte, das Maujchen des 
Waſſers? in der Tiefe war beim Anlegen 
des Ohres an das Geftein wieder deutlich 
hörbar. Es kann Touriſten, die bisher noch 
nicht in den Feldgängen waren, nicht ge 
raten werden, ohne genügende Borjichts- 
maßregeln in die Höhle einzudringen. Bor 
allem jeien einzelne Touriſten daver ge- 
warnt. Da die Gefahr einer Geröllver- 
ſchüttung nicht als ausgefchloffen gelten darf, 
fo empfiehlt ſich die Aufftellung einer Sicher: 
heitswache am äußeren Schlupfloch. Es 
wird übrigens darauf hingewieſen, daß auch 
* Nollen ſich Anzeichen von Höhlen finden, 
z. B. an dem vom Zigeunerfelſen zum 
Schöntal hinabführenden Felsgrat, der mit 
großem Steingerdll überjchüttet ift. 

Im legten Jahre find wiederholt Wild: 
ſchweine geſehen worden. Zum letzten Male 
wurde 1908 ein ſolches Borſtentier erlegt, 
und zwar in der Donnersberger Gegend, 
wo ein 240 pfündiges Wildſchwein zur Strecke 
gebracht wurde. Es dürfte nicht allgemein 
befannt fein, daß das Wildjhwein in der 
Pfalz heute fat gar nicht mehr anzutreffen 
ift, troß des großen Pfälzerwaldes, der zu 
den größten deutichen Waldgebieten gehört. 
Als Standmwild fommt das Tier feit. einer 
Anzahl von Jahren nur no in dem an 


der eljäffer Grenze gelegenen Bienmwald vor. 
Die Schweine, die ab und zu im Innern 
des Pfälzerwaldes geichoffen werden, wechſeln 
vom Bienmwald herüber. Erſt jeit dem 
Kriege von 1870 71 finder fih das Wild- 
ſchwein in der Pfalz wieder ald Standwild. 
Damals wurde diejes Wild durch die Kämpfe 
in den Ardennen, wo es jehr häufig ift, 
aufgefheudt und Hunderte von Schweinen 
gingen über die Mojellinie, in die Pfalz 
und deren Nacbargebiete. Infolge der 
eifrigen Jagden auf Wildſchweine, die in 
den beiden erften Yahrzehnten nad dem 
deutfch-franzöfifhen Kriege ftattfanden, 
wurden dann die Wildichweine mieder 
jeltener. 

Die Einführung einer Kagenftener 
wünſcht der Vorftand des Bogeljhugvereins 
für das Großherzogtum Heſſen; denn 
mindeftend ein Drittel aller vernichteten 
Bögel feien den Kagen zur Laft zu ſchreiben. 
Die Kagenfteuer fei derart zu geftalten, daB 
das Halten einer Katze nur eine mäßige 
Steuer treffe, jede weitere Rage aber ſei 
als überflüffig mit einer höheren Steuer 
zu belegen. Die verjteuerten Katzen wären 
durch ein Halsband zu fennzeichnen. Die 
nicht gekennzeichneten Katzen hätten als 
berrenlos zu gelten und dürften befeitigt 
werden. 

Am 18. Juli vormittags gingen an 
mehreren Punkten der unteren Haardt ganze 
Wolfen eined winzig Meinen geflügelten 
Inſekis nieder. Die Tierchen, die fih als 
eine kleine Blattlausart auswiejen, bededten 
die Kleider von Spaziergängern und er- 
ſchwerten teilmeife das Atmen. 


Auf Antrag des Bad: und Salinen- 
vereind Dürkheim, A.“G., wurde die arjen- 
haltige Solquelle „Marbrunnen” als 
Öffentlich benügte Heilquele im Sinne des 
Artikels 20 des Waſſergeſetzes vom 23. 
März 1907 erklärt. 


nBalt: Der Butenbrunnerbof, ein vergefiener Badeort bei Trippitadt, von Dr. D. Häberle, 


gebe, — Die Bentren bes pfälzifhen Viehhandels. 


— Heimatkundliches. — Induſtrie und 


erkehr. — Heimatlieder. — Literatur. — Kleine Mitteilungen. 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — Hermann —— Verlag. 


Kaiferslautern. 


Für Form und Inhalt der Beiträge find bie Herren Berfafler verantwortlich. 


(Unverlongte Manuftripte werde 


— ñ — 


jährlich in 12 Heften ME. 2.50. Beflelungen 


Die „Bälgtite Helmattunde” Toftet 


n nicht gurfdgefandt.) 
werben bon allen Budibandblungen und 


Softanftalten ferner vom Berleger (Bortofrtie Streifbandfendung) angenommen. 





LU 


Dezember 1909. 


DEE 
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE} 


MONATSSCHRIFT 


N 


FMNANMRENCA: 


FÜR SCHULE UND HAUS. 





— 


— 


Ueber die angebliche vnlkaniſche Tätigkeit des Donnersberges 


im Jahre 1729. 
Bon Rech-Rat Dr. Häberle, Heidelberg. 


Herr Prof. Dr. Mehlis hatte bei Be- 
ſprechung meiner Pfälziſchen Bibliographie l. 
im legten Jahrgang der „Heimatkunde“ 
©. 139 darauf hingewieſen, daß die von mir 
gebrachten Literaturangaben Nr, 15a, 33a 
und 37a über die angebliche vulfanifche 
Tätigkeit des Donnersberges im Jahre 1729 
vor etwa zwanzig Jahren jchon einmal in 
einer pfälziichen Zeitſchrift (Pfälziſches 
Mujeum?) Gegenftand einer Beſprechung 
gewejen jeien und daran den Wunſch ge— 
fnüpft, daß Jemand die betr. Stelle wieder 
finden möge. 

Bei meinen Literatur Studien zwecks 
Fortführung der Pfälzifchen Bibliographie 
(I: Landeskunde und II: Ortskunde) bin 
ih nun im „Pfälziſchen Mufeum“, Nahrgang 
1885 ©. 19 - 20 wirklich auf den betreffenden 
Auffag geitoßen. Er ftammt von Archiv: 
rat Dr. A. Kaufmann in Wertheim a. M. 
und gibt die von mir erwähnte Erzählung 
de8 unter dem Pſeudonym Megaliffus 
ſchreibenden Jenenſer Brofejlors Georg Litzel 
wörtlich wieder. Dieſer Reiſende berichtet 
nämlich in ſeinem 1731 zu Jena gedruckten 
Werkchen „Der undeutſche Katholik“ als 
große Neuigkeit, „daß auch wir in Deutſch— 
land einen feuerjpeyenden Berg wie den 
Veſuv haben, von dem er fonft noch nichts 
gehört hätte? und gibt hiervon folgende 
Schilderung: Am 1. Mai 1729 kamen wir 


auf der Reife dur die Pfalz nad Helen 
abends nad) Rheintürfheim, wo wir rafteten. 
„Wir jahen von ferne ein großes Lichte und 
Funken in die Höhe fteigen, die bald ab- 
bald wiederum zunahmen. Wir fonnten, 
weil wir etlihe Stunden davon entfernet 
waren, nicht abnehmen, was joldyes eigent- 
lich fein mödte. Es jchiene uns ein Dorf 
zu fein, weldjes im Teuer aufgebet. 

Und wir waren in diejen Gedanken, 
bis der Wirt, bey dem wir einfehrten, uns 
ein anderes lehrete. Er fagte: es wäre 
der Donneräberg, welcher das ganze Yahr 
dergleichen Feuer auswerfe, doch zu gemiljen 
Beiten mehr als jetzo. Er fügte verjchiedene 
Graählungen bey von allerhand jeltfamen 
Begebenheiten, die aber alle auf Fabeln 
binausliefen. Zum Grempel meldete er, 
daß ein fehr reiher Schag an Gold und 
Silber dafelbft verborgen liege;!) ein ge» 
wiffer Fürft habe vor Zeiten denjelben 
wollen aufſuchen laſſen. Die Leute, jo er 
dahin abgeſchicket, haben in der Höhle des 
Berges einen Tiſch angetroffen, an welchem 
vornehme Herren in jehr koſtbaren Kleidern 
geiellen und Geld gezähle. Weilen aber 
einer von den abgeordneten Männern ge- 
redet, waren die Herren verſchwunden und 

') Diefe Erzählung hat aud in Schöppners 


Sagenbuch der bayerifhen Lande, 3 Teile, 
Münden 1852/55 Aufnahme gefunden, 


= 10 — 


ſey der Tifch fammt dem Gelde tief in die | 


Erde verjunfen. Bon jelbiger Zeit an habe 
der Berg zu rauchen und euer auszumerfen 
angefangen. jedermann wird dieje Er- 
zählung für fabelhaft anjehen, indefjen ift 
dod; an der Wahrheit des feuerjpeyenden 
Berges nicht zu zweifeln... . Bey an- 
brehendem Tage reifeten mir meiter fort 
und mußten unfern Weg an dem Berge 
vorbey nehmen, wohin wir auch gegen neun 
Uhr kamen und einen heftigen Dampf und 
Rauch, wie dife Wolfen, auffteigen jahen, 
weilen die Sonnenftrahlen verhinderten. baß 
wir die auffliegenden Funfen nicht jehen 
fonnten. Es ift aber diefer Donnersberg, 
welcher nicht weit von Darmjtadt gegen den 
Rhein liegt, mehr ein Gebirge als eın Berg 
zu nennen, weil viele hohe und breite Berge 
aneinanderftoßen und zulammenhängen.” 
Diefen merkwürdigen Bericht hat nun 
ihon im Jahre 1783 M. E. Collini?) fritifch 
beleuchtet und nachgewieſen, daß die topo- 
graphiihen Angaben und die Beichreibung 
des Reiſeweges mit den tatjächlichen Ber- 
bältnifjen direft im Widerſpruch ftänden. 
Zur Entſchuldigung der Reiſenden nimmt 
er an, daß vielleicht der Gaftwirt zum Scherz 
„einige Haufen Holz, aus denen man auf 
dem Berge Stohlen brannte, für einen Bulfan 
ausgegeben hat“. Auf der andern Seite 
hält Collini e8 aber auch nicht für un- 
möglich, da „diejes Feuer von irgend einem 
Berge herrühren fönnte, welcher Steinfohlen 
enthielt, die ſich nach der Beichaffenheit der 
äußeren Quft von Zeit zu Zeit entzündeten. 
Es ift jedoch die Urt, wie das Feuer in 
diejen Bergen brennt, den Wirfungen eines 
wahren Bulfans im geringiten nicht ähnlich 
und man würde ſehr unrecht gehandelt haben, 
wenn man diejen vorgeblichen deutſchen Vul⸗ 
fan mit dem Bejuv hätte vergleichen wollen“. 


) M. C. Collini. geb. 1727 zu Florenz geit. 
1806 in Mannheim, Freund und Gefretär 
Boltaires, feit 1759 Direftor des naturmiflen- 
ichaftlichen Gabinets In Mannheim und Mitglied 
der dortigen Ufademie, befannt als Berfarfer zabl« 
reicher geologifch-tehnologischer Schriften: Be: 
trachtungen über die bulfanifchen Berge. Bor: 

elejen in der hurfürjtlihen Mannheimſſchen Ge— 
Peufchaft ber Wiſſenſchaften den 5. November 
1781. Aus dem Franzöſiſchen überfegt. Dresden 
173 S. 91— 101: Fünftes Kapitel: Bon 
einem Bulfane welcher vor fünfzig Jahren um 
bie Ufer des Rheins in der Nähe von Worms, 
Darmijtadt und Rheindürkheim gebrannt haben foll. 


Anjtatt aber der Sache direft auf den 
Grund zu gehen und an Ort und Stelle 
nachzuforſchen jchreibt Collini zum Schluß: 
„Rimmt man nun aud endlih an, daß 
diejed ein wahrer Bulfan gemefen jei, jo 
will ich anderen die Mühe überlaffen, den 
Berg nad) den in dem fleinen Werfchen an: 
gegebenen Umſtänden aufzuſuchen“. 

Es jragt ſich nun: Was mag der Stern 
diejer merkwürdigen Erzählung fein? Daß 
damals der Donnersberg feine vulkaniſche 
Tätigkeit entfaltet hat, bedarf wohl feiner 
bejonderen Begründung; ſchon Eollini Hätte 
ih dies fagen müjlen, wenn er fi der 
Mühe unterzogen hätte, den Berg zu be: 
gehen: in unjerem Klima Fönnen nad 25 
Jahren die Spuren eines ſolchen Natur: 
ereignifies nicht vollfiändig verſchwinden. 
Ueberhaupt iſt es fraglid, ob noch in 
biftorifcher Zeit im Nheingebiet ein vul— 
kaniſcher Ausbruch ftattgefunden hat. Zim— 
mermann ift zwar geneigt, auf Grund einer 
viel umjftrittenen Stelle des Tacitus (Ann. 
LXIII, cap. 57) für das Jahr 59 n. Ehr. 
einen ſolchen in der Eifel oder in der Nähe 
des Laacher Sees anzunehmen, doc jcheint 
es ſich damals um einen Moor- oder Haide- 
brand gehandelt zu haben.?) 


Eine ähnliche natürliche Erflärung müſſen 
wir wohl auch für die vom Donneröberg 
bejchriebene Erſcheinung ſuchen; fie ganz als 
„Wirthausbären” aufzufaffen, wie Oberberg- 
direftor dv. Gümbel an der von mir citirten 
Stelle des „Pfälz. Muſeums“ meint, halte 
ih ſchon deshalb nicht für angezeigt, da 
Prof. Litzel als zuverläſſiger Gewährsmann 
die Erjcheinung an zwei aufeinanderfolgenden 
Tagen beobadtet hat. Wenn Raud und 


s) Hieran fnüpft fi eine umfangreiche Lite 
ratur. Bgl. 3. B.: . Nöggerath, Tacitus 
und bie rheinischen eriofcenen ulcanc. „Aus: 
land“ 1868 ©. T54— 760. - 8.9. Zimmermann, 
Nochmalige Erörterung der Frage: Gibt Tacitus 
einen biftoriichen Beweis von vnleaniſchen Erup: 
tionen am Niederrhein ? N. Jahrbuch Für 
Mineralogie, 1853 S. 557—553 und die Er- 
widerung hierauf don 13: 3 ———— im „Aus⸗ 
land“ 1869 S. 263 H., Die faino: 
Be Buitane gr und unſere 

ultantbeorien, Naturw. Wochenſchrift, R. Kolge 
VII. 1908 Nr. 49 S 769— 777. — Bericht über 
die geolog. Erfurfionen der deutjchen Geologiſchen 
Geſellſchaft nach dem Rodderberg bei Rodandseck 
und nad * Laacher See, Tagung im Auguſt 


1 — 33 — 
“ - — 


— 151 — 


Feuer damals nad; Angabe des Wirtes das 
ganze Jahr zu fehen waren, müßte man 
mit Gollini an den Betrieb von SKohlen- 
Meilern denken; Dr. Kaufmann hielt eine 
durch einen Waldbrand veranlakte Myſti— 
fication der Reiſenden nicht für audge- 


ſchloſſen. 








Letztere Erklärung dürfte wohl 


am meiſten für ſich haben. Möglicherweiſe 
beftätigt, wie bereits Dr. Mehlis in der Be- 
ſprechung hervorgehoben hat, der Name 
„Gebrannter Berg“ für einen Ausläufer 
des Donnersberges in gewiſſem Sinne dieſe 
Annahme. 


Ber Limburg⸗-Aürkheimer Waldprozeß 
Bon Dr. C. Mehlis. 


Einer der älteſten Prozeſſe Deutſchlands 
dreht ſich um Beſitz und Nutznießung des 
an der mittleren und oberen Iſenach in 
der Rheinpfalz gelegenen Limburg-Dürk: 
beimer Waldes. | 

Urfprünglich umfaßte diefer das ganze 
Waldgebiet vom Dfthange der Haardt im 
Diten bis zur Wafferfcheide zwiſchen Speyer- 
bad, Leinbach und Lauter im Weſten, von 
der das Iſenachtal im Süden umjchließenden 
Firft bis hinüber zum Leininger Tal (j. 
Ganerbenwald) u. enthielt ca. 30000 
Morgen. Allmählich riß fi nach einge: 
tretenen Begünftigungen von Seiten der 

bte von Limburg eine Reihe von Wald: 
itreden von deſſen Dberhoheit los, To das 
Gebiet an Hartenburg, von Frankenſtein 
als Limburger Lehen, die große und die 
fleine Ganerbe zwijchen mittlerer Iſenach 
und oberer Eckbach als kleinere Mark: 
waldungen von Drtichaften, die am Dft- 
bange der Haardt liegen, ebenjo z. T. das 
Heidenfeld, gelegen zwiſchen oberer Iſenach 
und Glasbad) (vgl. J. G. Lehmann: Das 
Dürfheimer Thal F. 5i—52, ©. 151, 
ren: Beichreibung des Rheinkreifes, 2. Teil, 
&, 4117—478). 

Was ſpäter und jetzt als Limburg-Dürf- 
heimer Stiftswald bezeichnet wird, liegt im 
Ganzen ſüdlich und weſtlich der Iſenach mit 
Einſchluß des Heidenfeld d. h. geographiſch 
rechts der Iſenach. Nördlich d. h. links 
der Iſenach liegen nur die Walddiſtrikte 
Ringmauer und Teufels Stein, welche an 
den Rallftadter Gemeindewald, ſowie weiter 
nad Weiten zu an den Hartenburger Staats» 
wald angrenzen. Seinen Höhepunft bildet 
im Südweſten des gejchlojfenen Waldgebietes 
der 570,2 Meter hohe Drachenfels, der 
deshalb vom Volksmunde „Hohberg“ genannt 
wird. Im Norden war urjprünglid der 


Rahnfels mit 515 Meter der höchfte Punft- 
jegt ift e8 Strummes Eck 447 Meter, gelegen 
1 Silometer füdweftlih vom Wattenfteiner 
Häuschen, auf dem Kamme zwifchen Scheidt, 
thal, der Nordweftgrenze des Limburg: 
Dürfheimer Waldes, und Cafparthal (vgl. 
Rau und Ritter: Hift. Karte der Rhein: 
pfalz und Sarte des Pfälzerwald Vereins 
von H. Kohl BI. 4). 

Beftanden find dieſe Hocflähen und 
BWaldteile jegt am DOftrande mit Kiefern, 
im Verein mit Buchenhochwald, an einzelnen 
Stellen mit Eichen und Fichten. — Noch 
im 18 Jahrhundert bot die Vegetation im 
Gebiete der fogen. „Hohberge* (= Draden- 
fels, Stütter Kopf, Stütter-Berg ; nordieft- 
(ih von legterem lag bis in die 30er Jahre 
des vorigen Jahrhunderts der aus einem 
halben Dugend Wohnhäufern beftehende 
Stütterberger Hof; vgl. Mehlis: Der 
Dradenfels 1. Abteilung ©. 8 Anmerk. 7 
und „Plan de la Föret indivife de Lim⸗ 
bourg Dürkheim“ 1799 im Mufeum zu 
Bad Dürfheim) das Bild eines Urwaldes 
dem Beſucher dar, mie der Erbprinz von 
Leiningen vom Jahre 1793 berichtet (vgl. 
Lauterborn: Ein Begetationsbıld des Pfälzer- 
waldes aus dem 18. Jahrhundert, ©. 15 
bis 21). Eichen, Kiefern, Ahorne, Hain» 
buchen, Rotbuchen und Aſpen bildeten bier 
Hodhmaldungen, die von Jungholz durch: 
zogen waren. 

Bon Welt nah Oft mißt der jegige 
Limburg. Dürfheimer Wald 15 Kilometer, 
von Rord nah Süd (Iſenach Uriprung bis 
zum „Schud”) 10 Stilometer. 

Nah 2. von Maurer bildete dies Ge— 
biet urfprünglich eine eigene Mark bezw. 
eine chattifchfräntiihe Markgenoſſen— 
haft an welcher „Edle, Briefter und die 
ganze Gemeinde” Anteil hatten, (vgl. Ge» 


— 12 — 


ſchichte der Marfenverfaffung in Deutſchlund, 
S. 296 —-304 und Urkunden von 1480 und 
1515 ©. 303 Anm. 95). Dieſe war ein 


Teil der „Silva Bojagus“, die zur Mero: 


vinger- und Sarolingerzeit als Königsforſt 
galt (vgl. Gregor von Tours 10. 8. 10 K.), 
bon den fpäteren Rönigen aber größenteils 
verſchenkt und verlehnt wurde. 

Nah Gründung der Benediftinerabtei 
Limburg durch König Konrad II. i. J. 1030 
(10257), gingen die Waldrechte der Salier 
auf den Abt diejes Stiftes über, welcher 
fi) Befig und Nugung mit der Gemeinde 
Dürkheim teilte, die al8 Thuringeheim im 
Jahre 946 zum erften Male urfundlid er 
ſcheint und mohl als eine Niederlaffung 
angefiedelter Thüringer zu betrachten ift. 
(Bgl. %. ©. Lehmann: Das Dürfheimer 
Thal ©. 3, Frey: Beichreibung des Ahein- 
freifes, 2. Teil, S. 388— 389; ferner die 
neuefte Schrift des VBerfaflers: Beiträge 
zur Gejchichte der Marfgenofjenichaften und 
der SHaingeraiden im Mittelrheingebiete, 
1, Abteilung a. m. ©t.) 

Sahrhunderte lang beftanden zwiſchen 
den drei Beftandteilen der Märker: Edlen, 
d. h. den Bögten Über Dürkheim, dem 
Grafen von Zeiningen, ferner den Aebten 
von Limburg, und endlid der Ge 
meinde Dürfhbeim, wozu ſpäter die 
Siedelungen St. Grethen und Seebad) ge 
hörten, Streitigkeiten über „Wald, Wafjer 
und Waydt“ 

Endlih, Mitte des 15. Jahrhunderts 
twurde,, der Rat der Acht”, der jog. „Achter“ 
(auch „Aechter“ genannt) eingeſetzt, welche für 
Wald, Waller und Waide „Ainungen“ feft: 
jegten. In eigenen „Aechterblichern” wurden 
ihre Beichlüffe niedergelegt. (Archiv zu 
Bad Dürkheim). Im Jahre 1482 murde 
von dieſen eine eigene Waldordnung feit- 
gefegt (vgl. Maurer a. DO. ©. 300 und 
305). Im Sabre 1574 wurde die Nbtei 
Limburg von Kurfürft Friedrich III. fäfulari- 
fiert, und jämtliche Rechte der Abtei gingen 
an Kurpfalz Über, welche diefe in be: 
drüdender Weife ausübte (vgl. %. ©. Leh— 
mann a. O. ©. 54—55). Zwiſchen dem 
Kurverweſer Herzog Kohann Kafimir und 
der Gemeinde Dürkheim wurde hierauf nad 
Klagen der legteren im Jahre 1580 eine 
neue „Einung“ feitgejegt, die nebſt der 


Limburgiichen Wald-Rottel die Grundlage ! 


der Behandlung des Limburg-Dürfheimer 
Gewäldes gebildet hat (vgl. %. &. Lehmann 
a.D. S. 55-57). Im Jahre 1733 wurde 
für den gemeinfamen Wald zwilchen den 
Aechtern und dem fkurfürftlicden Stifts- 
ichaffner eine neue Waldordnung vereinbart, 
melche feither zur Richtichnur bis zur fran- 
zöſiſchen Revolution diente (vgl. %. ©. Veh: 
mann a. D. 73.) Letztere brachte im Jahre 
1795 die Berteilung der Fürſten von 
Leiningen und jpäter die Ginverleibung 
Dürfheims an das franzöſiſche Departement 
du Mont Tonnere, Unter diejer Regierung 
wurde ım Sabre 1799 eine Teilung des 
bisher gemeinfamen Waldes geplant, nad) 
der das Los A 2955,09 Heftare, das Los 
B 2848,28 in Summa 5803,34 SHeftare 
umfaffen follte. Diefer „Plan“ liegt. im 
Muſeum zu Bad-Dürfheim, Als Dies 
Departement im Jahre 1816 aufgelöft 
wurde, und Dürkheim an das Königreich 
Bayern fam, verlangte das bayeriiche Aerar 
ale Nechtönachfolger der Kurpfalz Die 
Hälfte von Grund und Boden bes Lim— 
burg: Dürfheimer Waldes für fih, Zwiſchen 
Staat und Stadt entitand dann ein 
langwieriger Prozeß, der erft im Jahre 
1865 entichieden wurde. Dürkheim wurde 
am Inſtanzenwege vom Fiskus damals ge 
hindert. Demnach find Staat und Stadt 
zu gleichen Teilen Befiger von Grund umd 
Boden und teilen fich gleihmäßig in die 
Erträgniffe und die Koften. 

Gegen die beiden Beliger ftrengten die 
Gemeinden St. Grethen und Seebad, 
welche im Limburg: Dürfheimer Walde be: 
rechtint waren und zwar als Hörige der 
Klöſter Limburg und Seebad; (vgl. Frey 
a. D. 2. T. ©. 450 - 451, 494 und 496; 
%. ©. Lehmann a. D. ©. 163, 157- 158), . 
einen Entjhädigungsprozeh für das 
vorenthaltene Bau- und Nutzholz an. Dieje 
Anfprüce wurden im November 1909 ver: 
beichieden. Die „Pfälziihe Volkszeitung“ 
meldete darüber Folgendes: 

„Branfenthal, 4. Nov. Heute wurde 
in dem bei der Zivilfammer des hiefigen 
Landgerichts anhängigen, wohl älteften 
Prozeß Deutſchlands, dem jogen. Pim- 
burge Dürkheimer Waldprozeh, die 
Entſcheidung verfünde. Die Gemeinden 
Grethen und Seebad) klagen gegen die Stadt: 
gemeinde Dürkheim und das gl. Bayerische 


— 13 — 


Herar, nahdem eine Klage auf Schaden: | 2140 Morgen an der oberen Iſenach nicht 


erfaganfprüche für die Zeit von 1819 bis 
1849 durch alle Inftanzen abgewiejen worden 
ift, für die Zeit von 1849 bis 1887 auf 
Scadenerjaganfprüdhe in der Höhe von 
über 500000 Markt. Heute wurden nun 
die Beklagten, nämlich die Stadtgemeinde 
Bad. Dürfheim und das Kgl. baberijche 
Aerar, unter teilmweijer Abweifung der Stlage, 
verurteilt, ald Gejamtichuldner zu zahlen: 
17117,51 Mark ſamt Binjen aus verjchie 
denen Beträgen und für verjchiedene Beiten 
an die Gemeinde Grethen und 5705,84 
Mark jamt Binjen aus verjchiedenen Be- 
trägen und für verfchiedene Zeiten an die 
Gemeinde Seebad. Bon den ermachjenen 
Koften Haben zu tragen: Die Gemeinde 
Grethen neun Sechözehntel, die Gemeinde 
Seebad drei Sechszehntel und die Beklagten 
vier Secjszehntel. Aus der Koftenent- 
Iheidung ift zu entnehmen, daß die flagen- 
den Gemeinden mit ihren Anſprüchen zu 
drei Bierteilen unterlegen find. 

Mit diefer Enticheidung, die der Stadt- 
rat zu Bad Dürfheim angenommen hat, 
find die mindeftens fünf Jahrhunderte lang 
andauernden Streitigkeiten um Befig und 
Nugung des Limburg: Dürfheimer Mark— 
mwaldes endlih zum Abſchluß gekommen, 
wenn nidt aud andere Gemeinden, fo 
BWeidenthal und Franfenftein die Streitart 
ausgraben werden. Der nahezu 15000 
Morgen enthaltende Limburg-Dürfheimer 
Wald, mobei das fogen. Herdenfeld mit 


eingerechnet ift (vgl. J. ©. Lehmann a. D. 
S. 151 und 51—52, Frey a. DO. 2. Teil, 
S. ATT— 478), unterfteht in feiner Ber» 
waltung den zwei Kgl. Bayer. Forſtämtern 
zu Hartenburg und ranfenftein, ſowie der 
Baldfommiffion der Stadt Bad- Dürkheim, 
Berechtigt zu Bezügen von Bau, Nuß-, 
Raff und Lefeholz, jowie von Streumerf, 
find die Gemeinden St. Grethen und See 
bad. Am „Heidenfeld” find außer Dürk— 
heim 13 benachbarte Gemeinden beteiligt. — 
Das ift da8 Ende der uralten früheren 
Limburg: Dürkheimer Mark und Marfge- 
noſſenſchaft! 

Durchläuft der Prozeß der Gemeinden 
St. Grethen und Seebach contra Staat 
und Stadt vorausſichtlich auch noch zwei 
Inſtanzen, fo werden dieje an dem erft- 
richterlichen Urteile faum etwas ändern, da 
die Urfunden- und Aftenprüfung bei legterer 
Berhandlung ſchon ftattgefunden hat. Aus 
diefen Streitigkeiten um „Wald, Waller und 
Waid“, die ein halbes Yahrtaufend ange» 
dauert haben, erfieht man die Wichtigkeit 
aller Grenz» und Befigaltertiimer, wie 
Grenzfteine, Kreuze, Inſchriften, 
Sapellen u. fonftiger Denkmäler uſw. 
Leider werden folhe „Altertüm er“ mehr- 
fach bei uns verfauft, verfchändet und zer- 
ftört; fo 3. B. viele alte Grenzmarfen. 
Diefe im Stand zu erhalten, ift nicht nur 
Aufgabe der Landeskunde, fondern 
Pflicht der Waldeigentümer. 





Mom pfälzifchen Gewäller. 


Untere Lanter, (Juli), Eine Freude 
ift e8 zu beobadten, wie aus dem Glan 
des Öftern in größeren Bügen die Fiſche 
in die Lauter einjtreichen, um diejfen Bad 
zu bevölfern. Doh muß es den freund 
des Fiſchereiſportes mit Unmut erfüllen, 
wenn er die Wahrnehmung machen muß, 
wie dieje Umzüge von Fiſchen gehemmt, 
ja die vorhandenen Fiſche in großer Zahl 
durch Einfließen von Säuren in den Bad, 
wie diejes vor einiger Zeit in erheblichem 
Maße feitgeftellt werden fonnte, getötet 
werden. Zu Hunderten fonnte man die 
Fiſchleichen Fleinerer Ziere auf dem Waſſer 


find in Menge zugrunde gegangen. Ganz 
abgejehen davon, daß dem Fiſchereiberech— 
tigten durch die auf dieje Weile getöteten 
Fiſche ein beträchtlicher Schaden erwächſt, 
ſo wird durch das maſſenhafte Abſterben 
der Vermehrung der Fiſche jede Möglichkeit 
entzogen und die Lauter, welche durch ihr 
ohnehin wenig reines Waſſer das Eingehen 
mancher Fiſcharten zu verzeichnen hat, als 
fiſcharmes Gewäſſer wenig Verlockung zum 
Fiſchſporte bieten. 

Eine Großfirma in Frankfurt a. M. be» 
abjichtigt, im öſtlichen Teil des Pfälzer: 
waldes die Forellenzuht in großem Um- 


ihwimmen jehen; aber auch größere Fiiche | fange zu betreiben. Sie ſetzt ſich 3. Zt. 


— 14 — 


mit den zuftändigen Forftbehörden in Ber: 
bindung. 

Bir erfennt man das Alter der File? 
Es ift der Wiſſenſchaft nunmehr gelungen, 
jo wird in der „Revue Maritime“ berichtet, 
ein ficheres Hilfsmittel zu gewinnen, das 
genaue Alter der Fiſche feitzuftellen. So» 
wohl für die Fiſcherei wie auch Für die 
Naturwiſſenſchaft ift dies von großer Wichtig: 
feit, da fih damit genau das Wachstum 
der Fiſche feftftellen läßt und zugleich der 
Einfluß, den die Fiſcherei auf den Fiſch— 
reichtum gewiſſer Meeresftriche ausübt; all’ 
das konnte bisher nur durch vergleichende 
Methoden abgefhägt werden. Das Alter 
der Filche läßt fih an den Dtolithen bes 
ftimmen, jenen fleinen, knochigen Bildungen, 
die im Gehörorgan beftehen. Die Otolithen 
wachſen jedes Jahr; die neuen Teile find 
dann heller und dunfeln erft mit der Beit 
nad). Jährlich bilden fich zwei Wachstums: 
ringe um die Otolithen; der eine ift heller, 
der andere, der im Herbft und Winter ent- 
fteht, dunkler. Sie laffen ſich genau unter: 
icheiden, jo daß man nadı der Zahl der 
Ningpaare das Alter der Fiiche ficher an: 
geben fann, 

In den vier letzten fahren mwurden in 
Bayern 716 Fiſchteiche meu angelegt; von 
1905 bis 1908 wurden 157 Wufterteiche 
eingerichtet, wovon allerdings nur 3 auf 
die Pfalz treffen gegen 39 in der Ober: 
pfalz und je 27 in Oberfranfen und Mittel 
franfen. 

Ein bekannter Heidelberger Gelehrter 
ıft zurzeit mit der Wusarbeitung eines 
Planes zur Vermehrung der pfälziſchen 
Gebirgsweiher beichäftigt.. Man erwartet, 
daß jhon in den nädften SYahren 
mit der Neuanlage von Weihern in der 
Pfalz in jchnellerem Tempo als bisher fort« 
gefahren wird, 

Der Verein Aquarium Speyer hielt 
fürzlich feine Hauptverfammlung ab. Nach 
dem Jahresberichte befipt der Verein ein 
Süßwaſſeraquarium mit 34 Glasbehältern, 
drei Terrarien und einem Käfig für Fleine 
Säugetiere. Die Sammlung erftredt ſich 
auf die mittelrheiniihe Fiichfauna, be» 
ſonders auf die Fifche des Rheines und 
feiner Zuflüffe in der Pfalz. — Gemäß 
der am Schlufje der Berfammlung erfolgten 
Wahl gehören der Borjtandichaft für das 


neue Bereinsjahr an Buchdrudereibefiger 
Dieckert (Schriftführer), Kaufmann Hd. 
Disque, Dekonomierat Hauter (ftellv. Vor⸗ 
figender), Gymnafialprofejlor Hildenbrand 
(Borfigender), Kommerzienrat Karl Scalf, 
Poſthalter Franz Sid (Rechner) und Ober- 
leutnant a. D. Franz Belten. 

Die Opfer des Rheins. Auf dem 
deutichen Rhein ereigneten fih im Jahre 
1908 im ganzen 213 Unfälle, gegen 233 
im Borjahre. Schwere Unfälle famen 65 
vor, wobei 36 Schiffe janfen (im Borjahre 
20). In 4 Fällen verloren 7 Menſchen 
ihr Leben und 1 WMatroje wurde ſchwer 
verlegt (gegen 17 Tote im Jahre 1907). 
Nach den Uferftaaten verteilt, entfallen auf 
Elſaß Lothringen 32 (17), mit 2 gejunfenen 
Schiffen, Bayern 8 (15) mit 1 gejunfenen 
Schiff, Helfen 32 (24) mit 5 gejunfenen 
Schiffen, 6 Toten und 1 Schwerverlegten. 
Die ſchwerſten Unfälle famen in der 
preußiichen Strede vor. 

Das Jahrbuch des fgl. bayer. Hydro 
techniſchen Bureaus, Abteilung der Oberften 
Baubehörde im fgl. Staatdminifterium des 
Innern, für das Jahr 1908 enthält über 
das Gebiet der Rheinpfalz aud folgende 
Angaben: Das Bureau gab u. a. Am 
gaben ab über die Kanalifationsan- 
lagen fRaijerslautern und Zwei— 
brüden. Für beftimmte Bwede wurden 
in fleineren Gebieten Grundwaſſerbe— 
obadhtungen ausgeführt, u. a. bei Rohrbach 
in der Pfalz. Die Waſſerbücher find für 
ganz Bayern fertiggeftellt, nur für die Ge» 


‚biete Rheinpfalz und Unterfranfen find fie 


noch in Arbeit. Aus den Beobachtungen 
über Niederihlag und Abfluß im Jahre 
1908 find folgende charakteriſtiſche Aufzeich- 
nungen für die Rheinpfalz bemerfenswert: 
Die Rheinpfalz war neben Rhein 
und Maintal daß einzige baye 
rifhe Gebiet, das im Februar an 
weniger als zehn Tagen Schnee 
batte, während die anderen Gebiete min- 
deftensd 15 Schneetage hatten. Im April 
hatte die Pfalz, ebenfo wie die vorgenannten 
anderen Gebiete und die Donauniederungen, 
an feinem Tage ded Monats eine zujammen- 
bängende Schneedede. Die Pfalz gehört 
in dieſer Hinfiht zu den begünſtigtſten 
Gegenden Deutihlandse. Im Yuli waren 
die Megenhöhen in der Weſtpfalz geringer 


als der Normal ⸗Durchſchnitt. Im Nuguft 
wurden die größten Niederſchlagshöhen in 
der Pfalz am 7. gemeſſen. 

Im nächſten Jahre werden von pfäl« 
ziſchen Botanikern eingehende Unterſuchungen 
des Gebietes ſtattfinden, auf dem der Rhein 
ehemals gefloſſen iſt. Dieſer alte Rhein— 
lauf führt an Schifferſtadt vorbei, worauf 
ſchon der Name hindeutet. 

Triftbetrieh in der Pfalz. Anfang 
November wurde im Grundſchlamme des 
Speyerbaches unterhalb der Schneide— 
mühle (zwiſchen Neuſtadt und Lambrecht) 
ein etwa 2 Meter langes Stück Buchen: 
ſtamm aufgefiiht. Wie ermittelt wurde, 
handelt es fih um ein ſog. Trift— 
holz. Das erinnert an den Xriftbetrieb, 
der früher auf diefem Gewäſſer ſtattfand. 
Schon vor langer Zeit, bis Ende der 60er 
Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde auf 
dem Speherbach Holz geflögt, das zumeift 
in ein Meter lange Stüde gejchnitten war 
und aus den Staatöwaldungen der Forft- 
ämter Elmftein und Iggelbach ftammte. 
Die Hölzer, die im Bade zutal geflögt 
waren, wurden an bejonders hergerichteten 
Tagerplägen herausgefiicht und aufgejchichtet, 
Diefe Pläge wurden Holzhöfe genannt. 
Das Holz wurde dann durch die zuftändigen 
Rentämter verfauft. Der Preis des Holzes 
betrug je nah der Qualität pro Slajter 
6- 8 Gulden. In Neuftadt beitanden zwei 
Lagerpläge. Der eine hieß „Unter den 
Linden” und nahm das Terrain der heutigen 
Lindenstraße ein, daX damals noch dem 
Staate gehörte, der andere hieß Kohlplag, 
welchen Namen er heute als öffentlicher 
Play noch fühlt. Der Name Kohlplak 
fommt daher, daß hier früher auch Holz 
fohlen verkauft wurden. Weiter abwärts 
beitanden Holzhöfe in Haßloch, Schiffer— 
ftadt, Speyer und Franfenthal Dieſe 
lagen an den veridiedenen Berzweigungen 
und der Zriftfanal-Abzweigung des Speyer⸗ 
bachs, die unterhalb Neuftadt ftattfinden. 
Die Holzhöſe wurden durch penfionierte 
Militärs oder alte Forftaufjeher verwaltet, 
die den Titel Holzhofverwalter führten, 
Der ganze Triftbetrieb jtand unter Aufficht 
von fgl. Zriftmeiftern Die Trift der 
Hölzer fand lediglich durch das Fließen des 
Waſſers ftatt, nur wo fi Hölzer anitauten 
bezw. quer legten, madten Triftaufſeher 


155 





den Waflerlauf wieder frei. Ausgangs der 
60er Jahre wurde der Triftbetrieb ein« 
geftelt und ed begannen die Holzver⸗ 
fteigerungen im Walde, wie fie noch heute 
üblich find. Bor dieſer Wenderung fand 
eine gründliche Erneuerung der Holzabfuhr- 
wege in den Wäldern ftatt, 

Waſſerſchau in der Pfalz, Vom 2.—15. 
Dftober fand eine Waſſerſchau am 
Speyer- und Hochſpeyerbache ftatt, 
die fi von Neuftadt aufwärts bis Fran 
fenftein erſtreckte. Die Waſſerſchau hat er: 
geben, daß eine Anzahl Aenderungen an 
den Stauvorrichtungen nötig merden, be» 
dingt durch das neue Waſſergeſetz vom 
23. März 1907. Die Waſſerſchau wurde 
durh das f. Hulturbauamt Neuftadt vor: 
genommen, das jet Bericht über das Er- 
gebnis an die k. Megierung jendet, die 
daraufhin die nötigen Aenderungen veran« 
laßt. Die Einwendungen beziehen fich zum 
Teil auch auf unzuläſſige Berengungen bezw. 
Beränderungen des Bachbettes. Im Herbft 
d. 5%. foll auch noch eine Waſſerſchau des 
Nehbadhes, eines Mündungsarmes des 
Speyerbades, vorgenoinmen werden, der 
oberhalb Qudwigshafen (bei Rheingönnheim) 
in den Rhein mündet, Ebenſo von dem 
Trifttanal, der bei Schifferjtadt vom 
Rehbach abzweigt und nad Yambsheim- 
Frankenthal zur Iſenach führt. Das 
Mündungsneg des Speyerbaces ijt außer- 
ordentlich kompliziert, da es Verzweigungen 
zu andern Gewäſſern abjendet, die meift 
Altrheinwaſſer benügen. Das gilt ins 
beijondere vom Triftfanal Scifferftadt: 
Frankenthal, der vollftändig im frühern 
Flußbette des-Rheines verläuft. Die Aus: 
führung des Wafjergeieges in dem unteren 
Speyerbachgebiet ift daher außerordentlich 
ſchwierig. Bemerkt ſei noch, daß mit der 
amtlihen Waſſerſchau gerade am Speyer. 
bad der Anfang gemacht wird, weil an 
diefem Gewäſſer die meiften induftriellen 
Niederlaffungen vorhanden find. Bei der 
Waſſerſchau wurde auch die Verunreinigung 
des Waflers durh Fabrikabwaſſer nad 
dem Augenſchein und den Angaben der betr. 
Induſtriellen amtlich feitgeftellt und darüber 
an die Regierung Bericht erftatter. Die 
Kommiſſion, die zur Vorbereitung von Maß- 
nahmen zur Syernhaltung von unreinen 
Fabrifabwällern aus dem Speyerbah am 


— 16 — 


2. Yuni d. J. gebildet wurde, arbeitet | oft eine ganz bedeutende, fo ftellt fich für Qu d- 
parallel, hat aber rein privaten Gharafter. | wigshafen-Mannheim der Berfjonen- 
Sie arbeitet nur an der Reinhaltung der | verkehr im Jahre 1908 auf 595483 Perſonen 
Blußftrede Neidenfels-Haßloch und entftand | (1907: 569054), Gepädverfehr 3141400kg 
aus dem eigenften Bedürfnis der am Bache (2622690 kg), Viehwagen 6165 (5634), 
angefiedelten Induſtrie, die einerfeits reines | Güter 835 041310 kg (931236 720 kg), 
Flußwaſſer zu Waſchzwecken uſw. braudt, | Kohlen 168470000 kg (163222000 kp). 
andererjeit8 Abwaſſer in den Bad läßt, | In Marimiliansau paffierten die Brüde 
was bisher den Buftand jchuf, daß faft | 185272 Berfonen (162333) und 473601440 
jedes Werk über das Nachbarwerf oberhalb | kg Güter und Kohlen, in Speyer 68437 
zu Magen hatte. Zur amtliden Wafler- | Berfonen (66153 Berfonen) unb 45 352650 
ſchau ſei noch bemerft, daß das fgl. Hydro» | kg Güter und Kohlen, in Germersheim 
techniiche Bureau in München gehört werden | 127634 Berfonen (111242 Perfonen) und 
muß, wenn durd die Bermaltungdbehörde | 1308437400 kg Güter und Kohlen. Der 
Maßnahmen im Sinne des Art. 40 des | Gejamiverfehr der 4 Brüden betrug aljo 
Waſſergeſetzes getroffen werden. 976826 Berjonen und 2830903800 kg 

Der Rhein ift feine Grenze, das zeigen | Güter und Kohlen. Der Geſamtaufwand 
am beften die Ergebnifle des Verkehrs über | für die Häfen diefer Orte betrug in Yud- 
die vier Brücken, welche die Pfalz mit dem | mwigshafen 522 728Mf., Speyer 12504 Mt., 
gegenüberliegen’en Baden verbinden. Die | Marimiliansau 471 Mk., Germersheim 
Steigerung in dem legten Jahre allein ift | TTO ME, 


Die Jahresverſammlung der Bollichia 


war eine der größten und bedeutungsvollften, | Heimat befchloffen hatte! Stellte jhon der 
welche diejer Verein jeit feinem Beitehen | Berfammlungsjaal durch die mohlgelungene, 
zu verzeichnen hat, und bildet einen Mark» | markante Büfte Neumayerd (von wBrof. 
ftein, einen Ehren: und Freudentag derjelben. | Stolz.Haijerslautern), umgeben von frijchen 
Das hat auch der jegıge langjährige nnd | Lorbeer- und PBalmbäumen, Yucca und 
hochverdiente Borftand, Studienrat und | Dracänen, den Mittelpunft der Feier äußer- 
Rektor Roth, in feinen Begrükungsworten, | lich lebendig vor Augen, jo erhöhte diejen 
worin er der drei im Jahre 1909 aus dem | Eindrudf noch ganz befonders die nad Form 
Leben gejchiedenen langjährigen Mitglieder, | und inhalt treffliche, aus warmem Freundes» 
des Ehrenpräfidenten Georg vd. Neumayer | herzen geflofjene Feſtrede des Profeſſors 
Erzellenz, Gutsbeſitzers W. Schellhorn Wall- | Dr. Günther, indem er in einftündiger 
billich und Lehrers U. Lingenfelder, gedachte, | Rede die geiftige Geftalt und Lebens. 
zu erkennen gegeben. Schon die Mitglieder» | arbeit Neumayers vor dem Auge der 
verfammlung war fo zahlreich bejucht, wie | Berfammelten vorüberziehen ließ. Georg 
feit langer Zeit nicht; aber noch zahlreicher | Neumayer, 1826 in Kirchheimbolanden ge- 
war die allgemeine Berfammlung, zu welcher | boren, bejuchte die heimatliche Lateinichule 
fi) Damen und Herren aus nah und fern, | und darauf das Gymnaſium in Speyer, 
unter ihnen auch Juſtizrat Neumaher aus | wo er, außer einer guten bumaniftijchen 
Karferslautern einfanden. Sie zeigte, daß | Grundlage, als für ihn wichtigſte Aus- 
die Erichienenen eine hervorragende Perſön- ftattung für jeine fpätere Tätigfeit durch 
lichkeit ehren wollten! alt doc dieje zweite | den mweitbefannten, fenntnisreichen Brofeflor 
Beriammlung dem langjährigen Ehren- | Dr. Magnus Schwert gründliche Kenntniſſe 
präfidenten der Pollichia, Sr. Erzellenz | in der Mathematit und Phyſik erwarb. 
Georg dv. Neumaher, welcher am 23. Maı | Diefe vermehrte er jodann noch auf der 
diefes Jahres ım Alter von 83 HYahren | polytechniſchen Hochſchule in Münden. Wie- 
ſeine arbeitsreiche, ehrenvolle Lebensfahrt wohl er in Bayern alsbald eine Stelle als 
zu Waſſer und zu Land, im In- und Aus» | Lehrer der Mathematik hätte bekommen 
land, zulegt in feiner geliebten pfälziichen | Fünnen, zog es ihn doch hinaus in. die Ferne 





— 157 — 


und auf das Meer, um die weite Welt | Admiralitätsrates ernannt murde. Das 
fennen zu lernen, um fi eine jeinen | war nun ein fchöner Lohn und eine hohe 
Wünſchen entiprechende Stelle zu erobern. | Anerkennung feiner Tüchtigfeit, wie ſie noch 
Er fing an ald Matrofe auf einem Handels: | fein deuticher Forſcher vor ihm erlangt hatte. 
ſchiffe, wurde rajch Steuermann und Kapitän, Es kann jetzt nicht die Aufgabe diefer Zeilen 
der alle Meere unferer Erde durchſchiffte fein, im einzelnen nadzumeifen, wie er 
und ihre Völker und Länder fennen lernte, | Australien erforjchte, zuerft den höchſten, 
Nachdem er fih reiche praftifche Erfahrung |; jchwerzugänglicden Berg Kosciusko (2400 
und einige Geldmittel erworben hatte, ließ | Meter body) erjtieg und die Spuren und 
er fih in NAuftralien — Melbourne in | Ueberrefte des verunglüdten deutſchen 
Biftoria — "nieder, wo er eine Reihe von | Reifenden Dr. Leichhardt (1849) gefunden, 
Jahren gleichſam feine zweite Heimat fand. | wie er die beften Seekarten anfertigte und 
Mit feinen befcheidenen Mitteln baute er | viele andere für das Seeweſen nüßliche 
fi hier eine Seewarte, die ihm durch ihre | Entdeckungen und Vorrichtungen veröffent- 
für das Seewejen wichtigen Erfolge ſolches lichte! Sein Name wurde durch diejelben 
Unfehen verichaffte, daß feine Seewarie als | bei allen jeefahrenden Nationen befannt und 
ftaatlihe Anftalt von dem Staat Viktoria | geehrt! Dabei ift hervorzuheben, daß er 
erworben und er ald Direktor derfelben be: | fein deutſches Baterland und auch jeine 
ftellt wurde. Nun fonnte er ſich ganz feiner | pfälziihe Heimat bei feiner vielfeitigen 
Lieblingswiflenihaft, der Erforfhung der | Tätigkeit nie vergaß und insbejondere aud) 
Erde und der Meeres, widmen und mußte der Pollichia gedachte, indem er ihre Samm- 
zugleih als rühriger Agitetor Gelehrte, | lungen bereicherte, feine vielen Schriften 
Vereine, Behörden, Kaufe und Seeleute | ihr fandte an ihren Yahresverfammlungen 
für feine Sadhe zu gewinnen. Scıne Be: | teilnahm, joviel er nur fonnte, Sein Name 
jeidenheit und Anfpruchlofigkeit und die | bleibt in die Gejchichte der Erd. und See— 
aus jeinem ganzen Streben hervorleuchtende | forſchung unauslöſchlich eingegraben und 
Tüchtigkeit bewirften es, daß ihm die Mittel | wer ihn perjönlich fennen lernte, wird die 
für feine vier großen Aufgaben, die Er, | Liebensmwürdigfeit und Ginfachheit feines 
forjhung von Auftralien zu Waſſer und zu | Weſens und Charafıers in bleibendem Ge- 
Land, des Erdmagnetismus, der verfchiedenen | dächtnis bewahren. Wenn das Leben köſt— 
Eriheinungen des Meeres und der Er. | Lich geweſen ift, jo ift es Mühe und Arbeit 
forſchung des Nord- und Südpols, reichlich | gemejen, fo findet das auf unferen Neu- 
zufloffen. Selbft König Marimilian 2, | mayer gewiß aud) feine vollfte Anwendung. 
unterftügte ihn mohlmollend. Ueberhaupt | Mit diefem Gedanken ſchloß die treffliche 
wurde in unjerem deutichen Baterlande nun | Mede, durch welche der Feſtredner dem ge- 
jeine verdienftvolle Tätigkeit für das See- | fchiedenen Freund und Landsmann ein 
weſen erfannt und es erging an ıhm der | wohlverdientes Denfmal gejept hat, wie 
Nuf, die Leitung der damals nod) privaten | aud der Vorſtand der Pollihia freudig 
Seewarte des Dr. Peters in Hamburg zu | bewegt anerfannte, Unſere Bollihia aber 
übernehmen. Und auch bier bewährte er | möge nun für alle Beiten drei Namen hoch 
ih jo tüchtig, daß bald die Seewarte in | und in Ehren halten: „Joh. Adam Pollich, 
Hamburg als ftaatliche Anftalt erklärt und | & Schulg und Erzellen; Gg. v. Neur 
er zu ihrem Direftor mit dem Rang eines | mayer! M. 








Beimatlieder 
bon 8. O. Hoffmann (Bmweibrüden.) 


Aus der Weſipfalz. 
l. Im Erbuſch. 
Am dunklen Teich, tief in des Waldes Mitte, S' iſt wie ein Märchen. Im Geröhre leiſe 
Wie lieb ich's, da im weichen Moos zu liegen, Ein Lüftchen flüſtert und die Halme nicken; 
gu laufen auf des Wildes zage Tritte och oben zicht der Turmfalf feine Kreiſe, 
nd auf der Turteltaube ſcheues Fliegen! Langſam nad; Süden ſchwindend meinen Bliden. 


158 


1. Abend im Heimattal. 


Dämmerung fenft ihren Schleier 
Sadıt auf mein ftille8 Tal, 
Schon blinkt im tiefen Weiher 
Des erften Sternes Strahl. 


Waldnachtigal am Hage 
Singt leid ihr ſüßes Lied, 
Das wie ber Liebe Frage 
Durh Flur und Auen zieht. 


Nun mit des Windes Flüftern 
Der legte Ton verweht 

Und ringsum durd) das Düjtern 
Des Abends Schweigen gebt. 


Da ichlafen alle Müben 

Nach) Tages Luft und Dual — 
Und aud) zu mir fommt Frieden 
In meinem ftillen Tal. 


Aus dem Gebirg. 


Biel Sternlein noch am Himmel blühen, 
Da ſchon der junge Tag erwacht 

Und rings die Berge all’ erglühen. 

In purpurgolbner Morgenpradit. 


Morgen. 


Die dunflen Tannen ſteh'n und träumen, 
Leis jlüfternd in des Frühwinds Hauch 
Und über fernen Waldesjäumen 

Schwebt fräufelnd, blau des Meilers Raud. 


Berballend tönt ein Schub. Mit Raufchen 
Sept durch's Geftrüpp cin Bod vorbei 

Hell lacht ein Specht. Dann heimlich Laufchen 
Und hoch in Lüften freift der Weib. 





Pfälzer und Pfalz. 


Rat Heinrih Leber ift am 27. Auguft 
an einem Gehirnſchlag verſchieden. Auf 
hiſtoriſchem Gebiete war Leher überaus 
tätig. Das veranlaßte ihn auch, vor zwan⸗ 
zig Jahren eine Lieblingsidee zu verwirf- 
lihen und ein der Gejchichtsfunde gemid- 
metes Blatt, „Das Bayerland“, heraus- 
zugeben, Das Blatt trug viel zur Pflege 
der Heimatliebe, zur Kenntnis der Geſchichte 
unferes Baterlandes, feiner kulturellen Ver« 
gangenheit und Gegenwart, feiner £ulturellen 
Bergangenpeit und Gegenwart, feiner Natur- 
Ihönheiten und Kunſtſchätze bei, 


Major z. D. Auguſt v. Parſeval wurde 
am 5. Februar 1861 zu Frankenthal 
in der Pfalz geboren als der Sohn eines 
Kämmerer und Regierungsrates. Nach 
dem Beſuch der Pagerie in Münden fam 
er im Auguſt 1878 als Fähnrih in das 
3. Inf. Megt. in Augsburg; in diefem ver: 
blieb er, bis ihn feine Erfindung veranlaßte 
dem Militärdienfte zu entfagen. Am 13. 
November 1880 wurde er Leutnant, Oktober 
1890 Oberleutnant, Mai 1895 Hauptmann 
und Stompagniechef und April 1904 Major 
und Bataillonsfommandeur. Schon früh: 
zeitig hatte er mathematifche und natur- 
wiſſenſchaftliche Studien getrieben ; im Jahre 
1902 wurde ihm ein längerer Urlaub be- 
willig, um fih feinen Studien mehr 


widmen zu können. Im Dezember 1906 
trat er dann unter Stellung zur Dis: 
pofition in Benfion. Er wurde zweiter Ge» 
ihäftsführer der Motorluftichiffftudiengeiell- 
ihaft in Berlin, melde Geſellſchaft im 
Jahre 1907 den von ihm fonftruierten Luft · 
motor erwarb. 

In Berlin ift ein Rheinpfälgerverein 
in der Bildung begriffen. Bisher beitehen 
folhe Vereine, auf deren Tätigfeit und 
Beranftaltungen wir gelegentlidy hingewiejen 
haben, in Köln, Augsburg, Würzburg, 
Münden, Düffeldorf und Frankfurt a. M. — 
Der Berein der Rheinpfälger in Köln wird 
an Pfingften 1910 eine: Pfalzſahrt unter: 
nehmen und dabei die Städte Neuftadt und 
Landau beſuchen. — Die „Rheiupfälzer 
Boltsliederfänger“ (Winzer u. Winzerinnen), 
die meilt aus Dürfheim und Umgebung 
ftammen und das pfälziiche Volkslied pflegen 
wollen, haben fürzlich in Homburg debutiert. 
Nah Weihnachten wollen Sie eine größere 
Konzertreife unternehmen. 


Der Pfülzerwaldverein bat in dieſem 
Jahre einen Zuwachs von 3000 Mitgliedern 
erhalten; er tritt in das Jahr 1910 mit 
einem Gefamtbeftand von über 11000 
Mitgliedern über. Die Bahl der Orts: 
gruppen ift von 52 auf 80 geftiegen. Die 
größte diefer Gruppen ift Ludwigshafen 


— 19 — 


mit etwa 2400 Mitgliedern. Es folgen 
von größeren Ortsgruppen Kaiſerslautern 
mit 800, Landau mit 600, Neuſtadt mit 
550 Mitgliedern. Auswärtige Ortsgruppen 
beſtehen bis jetzt in Saarbrücken, Karlsruhe, 
Meiſenheim, Frankfurt a. M., Neunkirchen 
(Bez. Trier) und Elversberg (Ber. Trier). 
Neue auswärtige Ortögruppen find in VBor- 
bereitung in Würzburg, Nürnberg, Berlin 
und Straßburg i. Eli. 

Notiz Über den 1893 zu Germers heim 
verſtorbenen penſionierten Hauptmann Ed 
mund von Reichmaun, welcher im Gefecht 
bei Helmftädt 1866 den ſchwer vermundeten 


Prinzen Ludwig von Bayern mit Hilfe 
einiger Leute feines Kommandos aus der 
Feuerlinie an einen fiheren Ort bradıe: 
Ritter Reichmann von Starfenburg, wie 
eigentlich jein Name gelautet hat, ift wohl 
der legte männliche Sproß eines Adels— 
geſchlechtes das jeinen Si auf dem 
Schloſſe Starfenburg bei Heppenheim a. d. 
Bergitraße — Ruine ift nod) vorhanden — 
hatte und nad welchem die ſüdlich des 
Mains und rechts des Rheins gelegene 


Kine vergeffene Felfenburg bei Bufenberg. 


Im „Biälzer Wald“, Yahrgang 1902 
Nr. 14 befindet fich ziemlich verſteckt eine 
aus der „Straßburger Poſt“ übernommene 
Kotiz, die wegen ihres heimatfundlichen In 
haltes verdient, bier regiftriert werden: 
„Eine Feljenburg liegt etwa ein km füdlid 
des Dracdenfels bei Bujenberg im Dahner 
Telfengebiet. Nach der Unterfuhung von 
Dr. Mugler ift der weſtliche Ausläufer des 
Deidenberges von einer Höhle von ungefähr 
10 m und von ausgehöhlten Kammern 
durchjett, die nad) außen Lichtichlige be 
ſitzen. Ihre Anlage erinnert jehr an dıe 
Yage und Konftruftion der — 


heſſiſche Provinz den Namen „Starken« 
burg“ trägt. 
Heidenlöcher bei Ueberlingen. Einen Zu— 


gang von außen hat dieſe Höhlenburg nicht ; 
man muß mit Striden und Leitern in ihr 
Inneres dringen. Ob diejes Heidenjchloß 
eine Borburg des nahen Drachenfels gebildet 
bat oder in die Römerzeit binaufreicht, 
worauf der Name Heidenberg hinzudeuten 
iheint, — auch Bigeunerlager fünnen in 
Betracht fommen — Dies muß einer weiteren 
Unterſuchung vorbehalten bleiben.“ 
Hoffentlich gelingt es der fortichreitenden 
Erforſchung der heimatlichen Geſchichte, auch 
über dieſen vergeſſenen Wohnplatz etwas 
Näheres zu ermitteln. Dr. Häberle. 


Kleine Mitteilungen. 


Das neue Statiſtiſche Jahrbuch 
Bayerus. Das ſoeben vom Baheriſchen 
Statiſtiſchen Landesamt herausgegebene 


Statiſtiſche Jahrbuch für das König— 
reich Bayern (Berlag J. Lindauerſche 
Buchhandlung, München) gibt Rechenſchaft 
über die neueſten Reſultate der bayerischen 
Sejamtlandesftatiftiift und erteilt hierdurch 
Aufihluß über Stand und Entwidlung 
der wirtjhaftliden, fozialen und 
jonftigen £ulturellen Berhältnijie 
Bayerns, ſoweit fie zahlenmäßig erfaßt 
find. Gegenüber den früheren Jahrgängen 
ift das Buch infolge der in den legten zwei 
Jahren durchgeführten Reform der bayerischen 
Statiftif, die zugleich eine Erweiterung und 
Vertiefung der Arbeiten des Statiſtiſchen 


Landesamtes brachte, erheblich reichhaltiger 
und vicljeitiger ausgeftaltet. &8 darf daher 
als ein im großen Ganzen neues Wert 
gelten. Die einzelnen Kapitel behandeln: 
Staatögebiet und Staatövermaltung, Ber 
völferung, Landwirtſchaft, Viehzucht, Forft- 
wirtichaft, Jagd und Fiſcherei, Waſſerwirt— 
ichaft, Gewerbe, Induſtrie, Handel und 
Verkehr, Arbeiterverhältniffe, Konſum und 
Preije, Geld- und Streditwefen, Genojjen- 
ſchaften, Verſicherungsweſen, foziale Für— 
ſorge, Geſundheitspflege, kirchliche Verhält- 
niſſe, Unterricht und Bildung, öffentliche 
Finanzen, Militärweſen, Rechtspflege, 
Wahlen und Witterungsverhältniſſe. Den 
Schluß bildet ein Verzeichnis ſämtlicher Ver— 
öffentlichungen des Statiſtiſchen Landesamtes, 


mwodurd; mähere Studien über baheriſche 
Verhältniſſe weſentlich erleichtert werden, 
ſowie graphiiche Beilagen, welche die Be: 
rufsgliederung, die landwirtichaftlichen Groß- 
und Slleinbetriebe und die Säuglingsiterb: 
lichkeit in den einzelnen Teilen des Königreichs 
veranfhaulihen. Allen, die fih mit 
volfswirtihaftlihen Berhältniſſen praftiich, 
politifch oder wiſſenſchaftlich befaffen, wird 
die neue Veröffentlichung des Statiftifchen 
Landesamtes als Nachſchlagewerk jehr will- 
fommen jein. Der Breis des 400 Seiten 
ftarfen Jahrbuchs beträgt 1,50 Mt. 

Die Stadt Ludwigshafen Hatte nach 
Mitteilung des Meldeamtes zu Beginn des 
Jahres 81301 Einwohner. Am Scluffe 
des Jahres befanden fich in der Stadt jelbit 
59921 Einwohner. Die Zunahme war 
namentlih in den Stadtteilen Frieſenheim 
und Mundenheim fehr gering (45 bezm, 
64). Geboren murden mährend des 
Yahres im ganzen 3345 Stinder (im Bor- 
jahre 3374). Geftorben find 1427 Ber: 
onen gegen 1460 im Vorjahre. Es treffen 
bei einer mittleren Bevölferungsziffer von 
82000 Seelen nur 17,43 Todesfälle auf 
je 1000 Einwohner, im Borjahre waren 
e8 18,48 und 19,5 im Jahre 1906. Dieſe 
immer mehr abnehmende Sterblichteitsziffer, 
die zu den geringfien in allen größeren 
deutichen Städten zählt, ift ein Beweis der 
günftigen gefundheitlihen Verhältniſſe der 
Stadt. Nod erheblich günftiger wird dieſe 
Biffer nad) Abzug der Todesfälle der Säug 
linge; es bleiben dann für alle übrigen 
Altersklaffen zufammen nur mehr 749 
Todesfälle (im Vorjahre 823), d. h. 9,3 
auf tauſend Ginwohner, Beſonders be- 
merfenswert ift die ftetige Abnahme der 
Todesfälle an Tuberfuloje. Am Jahre 
1905 ftarben 247 — 3,44 auf ZTaufend 
der damaligen Bevölferung, im Jahre 1906 
waren c8 241 — 3,17 pro Mille; 1907: 
228 — 2,8 auf 1000; im Jahre 1908: 
192 = 2,34 auf 1000. 


160 — 


Ym November ıft in der Unterhaardt 
das Projekt einer Fahritrafe anf deu Br. 
Peterslopf auftaucht. Weranlaffung gab 
ein außergerichtlicher Vergleich zwiichen der 
Gemeinde Kallftadt und dem fol. Forftärar 
über die Eigentumsredte der jog. Stallftadter 
Biehtriit, mo Kallſtadt früher die Wald— 
weidewirtichajt betrieb. Das Aerar hat ſich 
nerpflichtet. entlang der Nordgrenze 
dieſer Trift eine gute, 5 Meter 
breite Solzabfuhritraße berzuftel- 
fen, jodaß eine Fahrverbindung von Kall- 
jtadt bis zu beträchtlicher Höhe des Gr. 
Peterskopfes gefchaffen wird. Es wird an- 
geregt, dab die Gemeinden FFreinsheim, 
Weilenheim a. &., Leiftadt und Herxheim 
a. B. megen der bequemeren Abfuhr ıhrer 
Forftprodufte fih an dem weiteren Ausbau 
diefer Straße finanziell beteiligen, ſodaß 
der Trage der Fortführung bis zum 
496 Meter hoben Gipfel, auf dem 
jıh der 30 Meter hohe Bismard- 
turm erhebt, aftuell wird. 

Aufhören des Flachsbans. AufS.8—9 
d. Jahrganges (1909) Hatten wir von dem 
überraſchenden Rückgange des Hanfbaues 
in Elfaß Lothringen berichtet. Ähnlich ift 
es auch bei ung mit dem Anbau des Flachjes. 
Um ihn wieder etwas zu beleben, hatte die 
fgl. Regierung der Pfalz fürzlich die Bitte 
veröffentlicht, bei Vergebung von Lieferungen 
durch Behörden möglichſt ſolche Fabrikanten 
zu bevorzugen, die nachweisbar bayriidıen 
Flachs verarbeiten. Wie dazu aus land- 
wirtichaftlichen Kreiſen mitgeteilt wird, hat 
der Anbau von Flachs in der Rheinpialz 
aufgehört. Der Nüdgang ging Hand 
in Hand mit dem Rückgang der Hausſpinnerei. 
Am längften hat ſich nad) den vorhandenen 
Aufzeichnungen der Flachsbau im Gebiet 
des Glan erhalten. 

Notiz. Die zu unferem früheren Artikel 
ber die Hydrographie der Balz gehörenden 
Kärtchen geben wir den Heften des neuen 
Yahrganges bei. 


"Inhalt: Ueber die angeblich vulfanifche Tätigkeit be8 Donne.sberges im Fahre 1729. — 
Bom pflälziſchen Gewäſſer. — Die Yahresverfammlung der Polichia. — Heimatiteder. — Pfätzer 
und Pfalz. — Eine vergefiene Felfenburg bei Bufenberg. — Kleine Mitteilungen. — Notiz. 





Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — Kermann Aanfer’s 


Derlag, Aaiferslautern. 


! Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich. 


nen 


(Unverlongte Manuſtripte werben nicht zurüdgelanbt.) 
— 


Die „Brälgiihe — doſtet jährlich In 12 Heften Dt, 2.50. Weflellungen werden von allen Bucbandlungen umb 
VoRanfalten ferner vom Berleger (Bortofteie Streifbandiendung) angenommen. 
hen 


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Digitized by Goo 


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