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De: Breith, Notar
Monnts[ceift
für Shule und Haus
unter Berückfihtigung der Bedürfnilfe der Yfälzifchen Schulen.
—- 2.24 92 ——
Schriftleiter: Sehrer Ph. Fanth, Landſtuhl.
Erfier Jahrgang
1905.
Mit 3 Bafeln und 10 Abbildungen im Bext.
R
KRaiferslantern.
Druck und Derlag der ſofbuchdruckerei von Kermann Kanjer.
HARVARD
UNIVERSITY
LIB
Inhalts-Verzeichnis.
An die Leſer
Aus der, Geidichte von Biedesheim
Auguft Drumm F —
Ankündigung einer volkskundlichen Sammluug
Aus Urgroßvaters Zeit
Alter Turm in Eiſenberg
Beſetzung des Biſchofsſtuhles in Speyer
Bender Franz T r
Bremerhof und das frühere Stiftsgut
Bayeriſcher Flußgebiets⸗Atlas
Drakedenkmal in Offenburg
Dürkheimer Wurſtmarkt
Dünen in der Pfalz
Einbürgerung der Kartoffelpflanze
Einteilung der ehemaligen Grafichaft Eidingen
Entſtehungsgeſchichte des’ Speyerbacdes
Erforihung der neolithiihen Berhältniffe in der Borderpfalz
Zlora von Dürkheim ; s ; : F
Fauniſtiſche und biologiiche Notizen
Gruß an die Prälzer Heimat
Gold im Bliestale
Großſchiffahrt auf dem Oberrheine
Seneralverfammlung des Bereins Hıftoriiches Mufeum der Bat
Beichichte des Weinbaues in der ——
Großes Faß zu Heidelberg .
Aydographiiches von Speyerbache
Dimmelsericheinungen
Hagelwetter im Bezirke Landau
Hahresveriammlung der Pollichia
AJudenfriedhof zu Worms
Zohanniskreuz . ;
Breuzotter, betr. Umfrage .
Kreuzotter, Notiz darüber
Kartoffel, Notiz darüber
Klofter Limburg
Königskreuz, das
Seite.
. 8, 16, 24, 48
12
21
39
Lambrechter Geisbod, der
Mleteoritenfall bei Krähenberg (Pfalz)
Mitteleuropäiſche Zeit in der —
Maifröſte
Meteor vom 3. Auguſt
Neue neolithiſche (neuſteinzeitalterliche) Station
Ockergewinnung in der et en
Ornithologiiches
Drtölage und Entwidelung von Raiferslautern”
Wiälziiche Gemwerbe- und ei
Pfalzführer, neuer
AQuedjilberbergmwerfe tm Königöberge bei Wolfflein
Mömiiche Funde
Sieges- und Friedensdenkmal bei Edenkoben
Sickinger Würfel zu Landſtuhl
Strohdächer
Schillerdenkmal in Oghertheim
Sonne, von unſerer
Schutz der Naturdenkmäler
Schutz den Wäldern
Sickinger Bademoor und Moorertrakte
Sinnesleben der Pflanzen
Stahlberg
Sturm am 10, Auguft
Urkunden, dauerhafte ehrwürdige
Uhr als Orientierungsmittel
Von der Meifezeit der Trauben
Berwendung der Steinkohle
as wir wollen
Weiße Diamanten im Obmbarhtale
Wafjerdampferuption bei Neuftadt
Waſſerdampf-Exhalation bei Neuftadt
Wanderbud für den Pfälzerwald
Wiffenichaftlicher Verein in Bad Dürkheim
Wo ift es in Deutihland am wärmſten?
Weltenbummler, ein ;
Weihnachtsbuch
Waſſerverbrauch, der
Bugvögel, Anregung betr.
Seite.
103
Plälziſche Deimarkunde
Monatsſchrift
für heimatliche Archäologie, Anthropologie, Geographie, Geologie
und Botanik ſowie verwandte Wiſſenſchaften.
Schriflleiter: Lehrer Ph. Sauth, Candftuhl. — fermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Die „Pfalziſche —— toftet jährlich in 12 Heften ME. 240. Vellellungen werden von allen Buchhandlungen und
Poftanflalten ferner vom Berleger (Bortofrete Streifbandfendung) angenommen.
1. Probenummer. _ Aaiferslautern. . Oftober 1904.
IAnbalt: Was wir wollen — Gruß an die Pfälzer Heimat, Gedicht von 3. Boshenz. — Bon
der Reifezeit der Trauben, vom Schriftleiter. — Die weißen Diamanten im Ohmbadıtale,
von 9. Deubel. — Die sIdergewinnung in der Gemarkung Battenberg, von 8. Wagner.
— Aus der Flora von Dürkheim, von Ibckel. — Einbürgerung der Kartoffelpflanze,
— — An die — —
Ras wir wollen.
SI: n pfälziicher Literatur für Geimatliche Schilderungen ift gerade fein Mangel.
R y A: Führer durd die Pfalz, Einzelbefchreibungen, Zeitichriften Hiftoriicher
= oder touriftiicher Richtung gibt es in umfänglich wie inhaltlich genügender
Zahl. ES hieße diefen Unternehmungen eine unnötige Konkurrenz bereiten,
wollten wir die dort begangenen Wege auch wandeln. Darum fol es Ziel und
Zweck unjerer neuen Monatsjchrift fein, in zwedfmäßiger und wünſchenswerter
Ergänzung der beitehenden Schriften dasjenige aus unjerer an bemerkenswerten
Eigenihaften und Befigtümern jo reichen Heimatprovinz für fpätere Zeit und zum
gegenwärtigen Gebrauhe aufzuzeichnen, was den idealen Intereſſen und den
praktiichen Bedürfniffen dient. An Stoff aus den naturgeichichtlihen und ver-
wandten Gebieten ift jowenig ein Mangel, daß nur eines die Sorge des Leiters
fein wird: wie die Fülle bringen, ohne ſich ins vein ftatiftiiche Fahrwaſſer zu ver:
lieven! In einer ralchlebigen Zeit, wie die unjere ift, muß man ernfte Dinge und
ſelbſt ſolche, die fi eines augenblidlihen Intereſſes erfreuen, ſchon jchwarz auf
weiß bewahren, um jie baldiger Bergefjenheit zu emtreißen. Die angenehme
Möglichkeit einer Rückkehr zu ftiller Betrachtung heimatlicher Verhältniſſe in der
Arbeitspauje und ein direkter Nubken der Sammlung pfälziiher Charakterijtifen
für unfere pfälziihen Schulen, allen voran die Volksſchulen, mögen als weitere
Ziele unfer Unternehmen rechtfertigen. Gerade auf diefem Felde ijt ed nötig und
möglich, im Zuſammenwirken Gutes zu jhaffen. Wir appellieren an den bewährten
Sinn der Bevölkerung für heimatliche Angelegenheiten, uns mit Beiträgen aus
dem Rahmen der im Titel der neuen Monatsihrift erfichtlichen Wiffensgebiete zu
unterjtügen. Ob wir auf dem Wege find, den Erwartungen zu entipredhen, wollen
unfere Gönner aus der Brobenummer erjehen.
Der DBerleger. Der Schriflleiler.
. — 2 —
Gruß an die Pfälzer Heimat.
Sei mir gegrüßt im Morgenſonnenglanz, Die Traube reift auf deinen Kebenhöh'n,
Bu Deimatland in ewig junger Schöne! | Im Uehrengold erfirablen deine Sluren;
Du ladji mich an; ein Reigen füßer Töne | Durch deiner Wälder Nacht auf grauen Spuren
Scmellt mir die Seele zu Gefang und Tanz, | Seh' ich die Geifter der Gefchichte geb'n.
Und jauchzend mit den Vögeln ſtimm' ich ein: Und in der Wipfel Raufchen fiimm ic ein:
„Ich grüße dich, du [höne Pfalz am Rhein!“ | „Ich grüße dich, du ſchöne Pfalz am Rhein!“
O berrlih Land am ſchönen deutfchen Strom,
Praus Städt und Dörfer winken, bell wie Sterne,
Mit deinen waldumraufhten Burgen in der Ferne,
Mit deinem bebren, dunfeltürm'gen Dom,
Land, drin die Liebe Blübt, Gefang und Wein:
„sh grüße dich, du Schöne Pfalz am Kbein!“
J. Böshenz.
Von der Reifezeit der Trauben.
Solange Erkenntniſſe aus Beobachtungen geſchöpft werden, find dieſe nicht
zahlreich genug zu jammeln. Die Folgerungen für das praftiiche Reben, welches
eine auf Borteil und Bequeinlichkeit gerichtete Abficht der Befjergeitaltung verrät,
find oft ebenfo überraichende als die rüdmwärts deutenden Auftlärungen über
das Gewordenfein jegiger Zuſtände. Dieſe wiederum können uns Wegweiſer zur
Abwehr Ihädliher und zur Anbahnung nüglicher Einflüffe werden. Aus jolden
Erwägungen heraus ericheint es denn auch gerechtfertigt, über den ſcheinbar zu:
fälligen Wechſel des Geichehend um uns herum Betrachtungen anzuftellen; da mir
durch Freundliche Vermittlung das in Tagebuchforn gefaßte diesbezügliche Material
einer ehrbaren Winzerfamilie über allerlei meteorologiihe und den Weinbau be—
treffende Wahrnehmungen innerhalb der Jahre 1846 — 1886 in die Hände kam, jo
jei ein unmittelbarer Gebrauch davon gemacht, indem ich auszüglich die Umftände
andeute, unter welchen an der unteren Hart die Meife der Trauben eintrat.
Es wäre natürlich hochintereffant, ähnliche Aufzeichnungen auch aus dem
Gebiete von Grünstadt, Neuftadt und Landau, aus dem Aljenz: und Glantale zu
bekommen, deren Mitteilung dann aus prafttiihen Gründen leicht und überſichtlich
in graphifcher Form geichehen könnte. Noc dringender wäre aber eine Fortiegung
der Notizen bis heute wünjchenswert, ja unbedingt notwendig, wenn die periodiiche
Wiederkehr bejonderer Neifezeiten von einem höheren Geſichtspunkte aus ge:
funden werden will. Dieje zu ſuchen ift heutigen Tages nicht mehr abjurd, nach—
dem eine ganze Reihe von phyfikaliichen, allgemein terrejtriihen und auf das
Wahstum bezüglihen Ericheinungen fi) von der Sonnenftrahlung, bezw. Sonnen:
flefentätigfeit direkt abhängig erwielen hat. Mindeſtens wäre es ohne weiteres
logisch, gerade das Gedeihen der Weinrebe in denjenigen Gegenden, die der nörd-
lien Verbreitungsgrenze des Weinjtodes am nächſten liegen, von der periodijchen
Sonnentätigfeit abhängig zu erachten.
—
Entwickle ich nun aus den Datumangaben des vorliegenden Tagebuches für
die erſten Blüteerſcheinungen, das Verblühen, das Erſtauftauchen „heller“ Trauben
und den offiziellen Herbſtbeginn in den meiner Bearbeitung zugänglichen vierzig
Yahren wacenheimer Erfahrung Ausmittelungskfurven, um die aus abnormem
frühjahrswetter und äquinoftialen Wetterftörungen hervorgehenden Ausnahmefälle
gemildert einwirken zu lafjen, jo entitehen zunächſt fcheinbar zufällige Wellenlinien.
Gleichwohl überjieht man leicht, da die Kurve der eriten Blüten, dem unbeitändigen
Frühlingswetter zunächft liegend, am meiften ſchwankt, die des Verblühtſeins fait
ebenjo, die der eriten hellen Trauben weniger und die des SHerbitbeginnes ganz
wenig. Das alles ift zwar ohne Bedeutung für die zu findende große Periode,
d. h. für ihren Charakter und die Deutung, welde man den Wellenbergen und
Wellentälern inbezug auf die Epochen des Marimums oder Minimuns der Sonnen
flefen geben muß; aber dieje Periode kann mit einer gewiſſen Sicherheit gefunden
werden, wenn von mehreren Weinorten und aus längerer Zeit biß heute zuverläſſige
Angaben nad Art meines oben angezugenen Manuffriptes zur Verfügung geitellt
werden. .
Bis jegt läßt fich aus dem begrenzten Stoffe ſoviel erjehen, daß 3. B. die
Zeitdauer zwiichen den Jahren ganz befonders früher Blüte 32 Fahre, alfo nahe
drei Sonnenfledenperioden umfaßt, jelbit wieder mit 9, 13 und 10 Jahren Einzel:
perioden daritellend, wie fie genauer auch von der ſolaren Fyledentätigkeit ſelbſt
nicht eingehalten werden. Das Jahr 1865 macht allein eıne Ausnahme, war aber
aud in vielen anderen Beziehungen ein Ausnahmejahr.
Ebenjo liegen die Zeiten befonders jpäter Eritlingsblüte faft genau zwei Sonnen-
perioden voneinander entfernt. Die Zeiten des Berblühens fügen fich womöglich nod)
beſſer in die Periode, natürlich auc die Zeiten der intenfiviten Blütenentwidelung.
Betradten wir die Kurve, welche fi aus den Daten der Entwidelung der
eriten hellen Trauben ergibt, jo jehen wir zwei Jahrgänge jehr jpäter Entwidelung
um genau zwei Sonnenperioden auseinander liegen mit einem mittleren Ausjchlage
näher der eriten Epoche. Die Kurve des offiziellen Herbftbeginnes geht aus nahe»
liegenden Gründen faft parallel mit der vorgenannten.
Ach weiß ſehr wohl, wo die Schwachen Stellen einer ſolchen Unterfuhung
liegen; es ift aber ebenfo offenbar, daß den Mängeln einer bisher nur ganz ober-
fdächlich möglichen Vorarbeit abaeholfen werden kann, indem das bis jegt verborgen
liegende ftatiftiiche Material aufgededt wird. Es wird eine Aufgabe diejer Beit-
ihrift fein, das für weite Kreiſe hochinterefjante, vielleicht jogar irgendwie praftiich
verwertbare Unternehmen einer Prognoitizierung der Trauben
erträge auf kosmiſcher Grundlage zu fördern und zu einem befriedigenden
Ende zu führen. Für diesmal foll nur gezeigt fein, daß den alten Hausbücern
nad) diefer Seite hin ein hoher Wert innewohnt, der zu nügen alle Beteiligten
mitintereffiert jein müſſen. $.
Die weißen Diamanten im Ohmbachtale.
Das Ohmbachtal, welches jeinen Namen nad einem Eleinen Bächlein, dem
Ohmbach, erhalten hat, ift ein gejegnetes Stüdchen Land der Weftpfalz. Ju feiner
ganzen Länge wird es von niedrigen, meift dichtbewaldeten Hügeln umjäumt, welche
im Nordojten vom PBogberge und im Südweſten vom Höherberge überragt werden,
während ſaftige Wiejen und fruchtbare Felder die Ufer des Baches begrenzen.
Die ftumpf Eegelförmigen Hügel bergen im Innern mineraliſche Schäße mannig—
faher Art. Außer dem in ungeheurer Mächtigkeit gelagerten und den verjchiedenften
Farbenichattierungen vorkommenden Sandfteine finden fi ftarfe Melaphyrlager,
wer
Kalkiteine und fogar abbaumwürdige Steinkohlenflöge vor. Die Gewinnung diejer
von heimtüdiihen Bergkobolden bewachten jchwarzen Diamanten ift ein ſchweres
Stüd Arbeit, aber immerhin lohnend.
Daß aber im Ohmbadhtale neben diefen jchwarzen auch weiße Diamanten,
jene Eoftbaren Edeljteine, welche — von der geidhidten Menichenhand Eunftvoll ge
ihliffen — in der Morgenjonne bligenden Tautropfen gleihen, zu finden find,
dürfte wohl den mwenigiten Leſern befannt fein. Dennoch ift es jo. Selbige find
jedody nicht in die hierorts geſchichteten Gejteinsarten eingeiprengt, Tondern fie
ruhen wohlverwahrt in dem feuerfejten und diebesfihern Schranke der Treifuß'ſchen
Diamantichleiferei. Dieſes Etablifjement ift eine anjehnliche Fabrik aus mehreren
Gebäuden beitehend. Es fteht auf dem rechten Ufer des Ohmbaches vor dem
Eingange des Dorfes Brüden, am Fuße des Neumühlerberges, wovon das
Anmwejen den Namen Neumühle führt. Zum Betriebe der Schleiferei fteht
Dampf: und Wafjerkraft zur Verfügung. Dieje Werkitätte ift die einzige ihrer
Art im Königreiche Bayern. Jedenfalls iſt es für die Leſer interefjant zu erfahren,
dak in dem mehr ald 1300 Seelen zählenden Dorfe Brüden die zwei Formen des
Kohlenjtoffes Gegenſtand induftrieller Unternehmung find. Der Schönheit und
Kojtbarkeit wegen lafjen wir dem weißen Diamanten, dem Fürften der Edeliteine
den Vorrang der Erjtbeiprehung. — Dieſer Eojtbare, jhon im grauen Altertume
befannte Edelftein wurde in der geheimnisvollen Werkitätte der Natur durch plutonijche
Kräfte aus reinem Kohlenftoff in Kryſtallform hergeftellt. Alle Kryitalle haben die
Form des Dftaöders, d. i. der vierjeitigen Doppelpyramide, und zeigen den joge-
nannten Diamantglanz. In abjolut reinem Zuſtande ift der Diamant farblos.
Zumeilen zeigen die Steine aber gelbliche, grünlihe und bräunliche Färbung, welche
ihre Urfache in der Beimengung organijcher Körper hat. Intenſiv gelbe oder grüne
Steine gelten ald Naritäten und überiteigen im Preiſe die farblojen Steine in
hohem Maße. Die Eryitalliniihen Aggregate, welche trübe Färbung befigen,
bezeichnet man mit dem Namen „Bort”; fie werden als Scleifmaterial benützt
oder finden bei Schneid- und Bohrwerkzeugen in manchen Induſtriezweigen Ber:
wendung.
Die reichjten Fundorte der Neuzeit find im Saplande und hier jpeziell auf
den Diamantfeldern bei Kimberley. Dortielbft werden die weißen Diamanten auf
gleiche Weife wie die Schwarzen, nämlich durch Schadhtanlage bergmännisch gewonnen.
Die Ausbeute ift enorm. Damit der Preis der Diamanten nicht finkt, wandern
alle Kapdiamanten an das Syndikat nach London. Auf dem Weltmarkte der
Juwelen werden nicht mehr Steine umgejegt als es die Nachfrage erfordert.
Um die Bearbeitung diejes weitgereiiten Gejellen, des Kapdiamanten, mit
eignen Augen fchauen zu können, itatten wir der Zreifuß'ihen Diamantſchleiferei
dabier einen Beluch ab. Die Diamantinduftrie des Ohmbachtales ruht in den
Händen dreier Brüder. Zwei davon haben ihren ftändigen Wohnfig in London.
Von dort aus gelangt das Rohmaterial in Wertpadeten an die hiefige Schleiferei.
Wir ſprechen zuerit bei dem Chef des Geichäftes, Herrn J. Treifuß, vor. Derſelbe
geleitet uns in jehr freundlicher Weile auf jein Kontor. Unſer Wunjd, einmal
Diamanten jehen zu dürfen, wird in bereitwilligiter Weije erfüllt. Er entnimmt
dem Eiienjchranfe ein Briefpadet und jchüttet den Inhalt desjelben, mehr als
100 Steine zählend, auf den Schreibtiih. Hier liegen num dieje Fremdlinge als
NRohproduft von Nadelkopf: bis Erbiengröße ſchön Eryftallifiert und in verichiedenen
Farbenfchattierungen erglänzend vor unjern Auyen. Das Gewicht diejer Steine
ihwanft zwiichen Yss und 10 Karat. Das Karat ift ein holländiſches Gewicht
und ift nur in der Diamantbrande gebräuhlid. Es ift gleih "sg. Größere
Steine find Seltenheiten. Sie gelten als Raritäten und bilden Juwelenſchätze.
Bon dem Werkmeiſter geleitet, betreten wir nun den Arbeiterjaal. Dajelbft
nd in 3 Längsreihen mehr als 30 Schleifſtühle aufgeftellt.. Am obern rechten
Ende jtehen die Tiſche der Reiber. Es find dies ſtarke Eichentifche mit einer tiefen
Einbuchtung an der Borderjeite der Tiichplatte. In der Einbuchtung ift ein Kleines
Käſtchen angebradht, auf deifen mit Metall bejchlagenem- obern Rande die beiden
Kittftöde während der Arbeit aufgelegt werden, und zwar dienen denjelben wiederum
zwei auf dem Metallrtande angebrachte Stahlitifte al8 Halt. Wir jehen den
Ürbeitern zu. Mit Eräftigem Drude werden die in beide Kittſtöcke eingefitteten
Diamanten jolange aneinander gerieben, bis die Rundung vollendet und die Stelle
der Tafelfläche gekennzeichnet ift. Die Arbeit befteht ja darin, dem Diamanten
die Grundform zum Brillanten zu geben. Es ift dies eine mühſame, fiir das
Gelingen de3 Schliffes jehr wichtige Arbeit. Die bei der Reibung erzeugten Staub:
teilhen werden in einem feinen Siebihen des Käſtchens aufgefangen. Die Steine,
welche nad diejer Arbeit volljitändig ihres Glanzes verluftig find, und viel von
ihrem Gewichte verloren haben, wandern alsdann padetchenweije in die Hand des
Scleiferd. —
An einen Scleifftuhl herangetreten erjehen wir, daß auf einen malfiv ge
bauten Geftelle eine am Rande erhöhte Platte ruht. In der Mitte derjelben
freift mit ungeheurer Geihwindigfeit in horizontaler Richtung eine aus feinkörnigem
Bußitahl bergeitellte Schleificheibe. Dieje Umdrehungen — 3000 in der Minute —
find jo raſch und gleichmäßig, daß die Scheibe ruhig zu ftehen jcheint. Jede einzelne
Scheibe wird mitteld Riemenwert von der an der Dede der Werkitätte liegenden
Maihinenwelle zur Rotation gebradt. Ehe die Scheibe zum Scleifen gebraucht
wird, wird fie mit einer Miſchung von Diamantftaub und Dlivendl beftrichen.
Der zu jchleifende Stein wird mitteljt eines Lotmetalles, d.i. eine Miſchung von
Zinn und Blei, in der halbkugelförmigen Höhlung eines Kupfergriffel® befeſtigt,
welcher in eine Art Zange jo eingeipannt wird, daß man ihm verjchiedene Stellungen .
zu geben imſtande iſt. Durd ein belajtendes Gewicht wird alsdann der gefaßte
Stein unter gleihmäßigem Drude auf die rotierende Scheibe gejegt. Iſt num in
der betreffenden Richtung eine FFagette von erforderliher Größe angeichliffen, jo
wird da3 Lot an einer Eleinen Spiritusflamme erwärmt, der Stein mitteld einer
Pinzette umgejegt und fofort eine andere Facette in Angriff genommen. Dieje
Arbeit wird folange fortgejegt, bis der Schliff auf allen Seiten vollendet ift. Ein
ſehr geichidter Arbeiter vermag etwa 12—15 Steine zu gleicher Zeit in Arbeit zu
nehmen. Dazu gehört vor allem eine geihidte Hand und ein ficheres Auge. Flint
bewegen jich die fleigigen Hände der meilt nod jugendlichen Arbeiter, die immer
(uftig und froh bei der Arbeit find. Nachdem wir noc eine zeitlang dem einen
oder dem andern Arbeiter zugeichaut haber, verlaffen wir den Saal und jpreden
nochmals bei dem Herrn Fabrikbefiger vor. Derjelbe zeigt und jegt eine Partie
fertiger Ware. Direkt unter einer elektriihen Lampe breitet er diefe im wunder»
barjten Lichte erftrahlenden Steine aus, welche alle, auch der allerkleinfte, in
Brillantforın geichliffen find. Was den Diamanten zum Fürjten unter den Edel:
fteinen erhebt, das ift das wunderbare Farbenipiel, welches durh das ihm im
höchſten Make eigne Brehungsvermögen erzeugt wird und in der Brillantforn
zur höchſten Wirkung kommt. In diejer Form gruppieren fih um eine achtjeitige
Zafelflähe 56 teils vier- teild dreiedige Flächen, Facetten genannt. An Stelle
der Spige tritt die 5Bfte Fläche. Jeder Strahl weißen Lichtes, welcher gebrochen
aus irgend einer Façette austritt, wird in die Farben des Regenbogens zerlegt.
Diefe Farben verlaffen aber die Flächen unter jo vielen und jo verjchiedenen
— — daß fie getrennt ins Auge und daher zu ſolch lebhafter Farbenwirkung
gelangen.
Alle hier geichliffenen Diamanten wandern wieder zurüd auf den Juwelen—
markt nad) London. Dortjelbit werden größere Steine einzeln, die Eleineren dagegen
partienweije abgejegt. Als Schmud treffen wir jie dann im Fingerreif, ja ſelbſt
bis zur Fürſtenkrone auffteigend. Wollen wir ung einen Diamanten als Andenken
— 6 —
an den Beſuch in der Diamantſchleiferei im Ohmbadhtale mitnehmen, jo iſt der
Befiger jo freundlich, folhe im Gewichte von Yıs Karat zu 30 Mark bis 5 Karat
zu 3000 Mark anzubieten. 5. Deubel.
Die Ockergeminnung in der Gemarkung
Buttenberg.
Wie luſtig fingt unfere Schuljugend das Liedhen: „Ach lieb’ das jchöne
Dörfhen ꝛc. ꝛe.“ Dies gilt hauptſächlich unſerem Eleinen Dorte Battenbera. Frei
auf der Höhe, 320 m Über NM. N. und 220 m über dem Wafleripiegel des Rheins,
ltegt da8 Dorf auf der Unterhart. Die Gemarkung bildet eine Eleine Hochebene,
nad) drei Seiten abſchüſſig und nur auf der Weſtſeite mit dem Bergrüden zuſammen—
bängend. Battenberg ift alten Uriprungs. Zur Zeit Karls des Großen ftand
bier oben eine Kapelle und neben diefer eine Wohnung der damaligen Glaubens:
boten. Der Ortsname hatte in verfchiedenen Zeiten eine ganz verichiedene Schreib:
weile. Go finden wir Battenberg und Bettenberg, Badenberg und Batenberg,
Bittberg und Betberg (heute Battenberg). Hieß doch batten') jo viel als beten
oder bitten und jo mag Battenberg auf Bitt- oder Betberg zurüdzuführen fein?).
In früherer Zeit wurde hierher gewallfahrtet, die Toten der Umgegend wurden
mit Vorliebe hier begraben. Battenderg war in Wirklichkeit ein Betbere Gar
reihhaltig ift die Mineralogie auf unferem Berge vertreten; der Mineraloge findet
Ddererde, Faſerbaryt, Brauneifenftein, bunten und gelben Sanditein, Oxrydröhren,
33% Eifenerz, Manganerz, veriteinerte Mufcheln, Opal, Schweripat. Gewiß lauter
Dinge, die in anderen Gemarfungen wenig oder gar nicht vorfommen.
Im Hinblid auf unfere Überjchrift wollen wir heute etwas über die Oder
gewinnung berichten.
Bor einigen Jahrhunderten war auf der nördlichen Seite ded Dorfes eine
Silberfhlemmerei. Durch Ausbeuten des Silberd fam man an die Dder-
ſchlemmerei. Im DOderfand finden fich Eleine Silberteilhen. Der Oder findet fich
‚in den Ablagerungen der Tertiärzeit. Er verbreitet fid) in einer Länge von etiva
1 km. Streifen von 10 cm bis zu I m Mächtigfeit durchziehen den Lehm: und
Sandboden in einer Tiefe von 10—20 m. Mandmal endet die Echicdhte und ſetzt
fih dann nad Unterbrehung von einigen m weiter fort. &o findet man der,
die in einigen Jahren ausgebeutet find, während ein anderer Ader, etwa 200 m
abliegend, noch eine langjährige Musbeute zuläßt. Die Gemarkung birgt zwei
Arten der jeltenen Erde, den dunfeln oder Brennoder und den hellgelben oder
Ballenoder. Eriterer wird z. 8. nicht mehr geſchlemmt, jondern als Rohoder zur
Farbenfabrif im Nacbardorfe gefahren und dafelbft zu vielerlei Anſtrichfarben
verarbeitet. Die Tonne Rohoder bringt dem Beliger etwa 10 ME, ein. Der
gelbe Oder wird geſchlemmt und macht die Reife als Ballenoder (Tüncherocker
gelbe Kreide) durch Deutichland, Schweiz, Ofterreih und Rußland.
Früher, vor der Leit der GEifenbahnen, waren etwa dreißig bis vierzig
Schlemmereien (Kleinbetriebe) vorhanden. Heute find diejelben verichwunden bis
auf vier Für den Landwirt ift die DOderproduftion heute ein Nebenerwerb,
während diejelbe vor dreißig Fahren Haupterwerb war. Dies hat feinen Grund
darin, daß ehemals pro Zentner 5 ME, bezablt wurden, jegt nur mehr 1,50 ME.
bi8 2 ME. Trogdem werden pro Jahr nocd bis 100 Tonnen geichlemmt. Der
Nohoder wird nicht bergmänniich gewonnen. Die Fundgruben find Taglöcher bis
zu einer Tiefe von 15 m. Das Ausgraben ift für den Schlemmer eine Winter:
) Heute nochleriitiert „batten” in der mundartlihen Form: „'s batt nix“. D. Sch.
9 Bgl.: „Bettenhaufen”“ beit Glanmünchweiler (Betbaus beit Slanmöndmeilen. D. Sc.
— U
arbeit. Im Januar und Februar, bei Froft und Schnee, kann derjelbe in der
Deergrube arbeiten. Zuerſt werden Humus und Geftein abgehoben; alsdann wird
die Ockerſchichte ausgeſtoßen. Sit die Grube tief, dann wird der Rohoder in Körbe
gefüllt und durch Aufftieg auf einer Leiter auf den Acker aufgejchüttet. Bon hier
aus wird er zur Sclemmerei oder direkt zur Fabrik befördert. Die warme
Frühlingsſonne bringt den Schlemmer an jeine Arbeitsftätte. Cine Tonne von
etwa 5 hl Inhalt wird mit Waſſer und Nohoder, unter dem fih Sand und Ge-
jtein befindet, gefüllt. Dann dreht der Schlemmer jeine Schippe jolange in der
Miihung under, bi8 Sand und Geftein am Boden der Tonne lagern. Die Oder-
erde hat ſich mit Waffer verbunden und bleibt oben, ähnlich wie DL auf Waſſer.
Der Zapfen der Tonne wird gezogen und die reine Ockerbrühe fließt in einen
Kalten ab. Hit derjelbe gefüllt, dann kommt die breiige Ockermaſſe auf den eriten
Trodenraum — die Bente. Nad) einigen trodenen Tagen ift das Wafjer ver-
dunftet und die reine Ockermaſſe wird in Ballen geformt. Lettere kommen auf
den Trofenraum, Britiche, und bleiben dajelbit etwa 2 Monate liegen und werden
dann zum Verkauf gebradt. Ein gewandter Schlemmer kann pro Tag bis 3 Bir.
ichlemmen und hat dann einen Tagesverdienit von 2,20 ME. — Daß die Arbeiter,
bejonders in den Gruben, jehr vorfichtig find, beweilt die Tatſache, daß bis jett
nur ein Unfall hier befannt it. Sm Jahre 1861 nämlich fand ein Farbwäſcher
Nasdol in einer Ockergrube durch herabfallenden Schutt feinen Tod.
Der 27. Pfarrer, Philipp Daniel Kremer, 1823— 1848 hier, geiturben in Ylbes*
heim am 30. März 1870, hat fi) um die hieſige Gemeinde jehr verdient gemacht.
Er Eonftruierte hier den erjten Brennofen, wodurch e8 möglich wurde, den gelben
Deer in glänzendes Engliichrot zu verwandeln. Dies gab die Anregung zur An—
lage der Farbwerke im Karlbadı Tal. A. Wagner.
Aus der Zlora von Dürkheint.
Für den Botaniker bietet die nächte Umgebung Dürkheims ein dankbares
Feld. Infolge der Salzquellen und Kalkhügel it die Flora eine ganz eigenartige
und mannigfaltige. Es jollen hier nur ſolche Pflanzen namhaft gemacht werden,
welche in andern Zeilen unjerer Pfalz entweder gar nicht oder doc nur jelten
vorkommen. In unmittelbarer Nähe der Gradierwerfe auf den Bleichwiejen finden
wir jolche, die zu ihrem Gederhen jalzhaltigen Boden verlangen. Glaux maritima L.,
Mieerstrands: Dreizad, Lepidium latifolium L., Breitblätteriges Pfefferfraut, Sper-
gularia salina Presl., Salz. Schuppenntiere, Samolus Valerandi L., Salzbunge, hinter
der Saline und längs der Iſenach bis nach Frankenthal Hin,') Apium graveolens L.,
gemeiner Sellerie. Auf den Kalkhügeln bei Kallftadt und Leiftadt findet man nod)
Hutchinsia petraea R. Br., die Felſenkreſſe, desgleichen Globularia vulgaris L., die
Kugelblume und Trinia glauca Dumort., die meergrüne Trinie, Inula hirta L, der
rauhhaarige Alant. Doc, dürften die drei eritgenanuten Arten in abjehbarer Zeit
aus unjerer Gegend verjchwinden da jedes Fledchen auf den Kalkhügeln zur Anlage
von Weinbergen umgerodet wird, wie auch viele Drcdideenarten, die früher daielbit
vorfamen, verihwunden find. Dafür erzeugen dieje Kalkhügel jet ein anderes
Blümden, das aud von Nichtbotanikern nicht minder gelucht und geichägt wird.
) Bgl. die Verbreitung gewiſſer Alpenpflanzen, z. B. des Enzlan, über die bayerifche Hoch—
ebene und längs des Oberrheins. Intereſſant ijt, daß die falzbedürftige Pflanze mur längs des
Baches, nicht breit über die Felder Hin zerjtrent, vorfommt, weil fie offenbar feine fortpflanzungs-
fähigen Samen erzeugt und mangel$ der notwendigen Bedingungen nad kurzer Entwidelung
untergebt. Die Pilanzenindividuen fcheinen dur ihre Samen unmittelbar durch das Waller
angefrebelt worden zu fein.
— —
Zwiſchen Grethen und Seebach wächſt häufig eine Grasnelke, Statice elongata
Hoffm., welche ſich auch ſonſt nirgends in der Pfalz finden dürfte. Am ſogenannten
Geißenwege treffen wir Isatis tinctoria L., Färberwaid, melde Pflanze aud in
großer Anzahl auf dem Schutt des Pedjjteinkopfes bei Forſt vorkommt, mojelbft
Schreiber diejes vor zwei Jahren aud einige Eremplare von Salvia verticillata L.,
wirtelförniger Salbei, angetroffen hat.
Als einziger Standort in der Pfalz für Tritillaria Meleagris L, Schahblume,
dürften die Wieſen hinter dem Wachenheimer Bahnhofe fein, woſelbſt fie recht
häufig teils in weißer teil8 in brauner Färbung zu finden ift. Iörkel,
Ginbiürgerung der Bartoffelpflanzge. Es beitcht der Wunſch,
über die Einführung des Kartoffelbaues in unjerer Pfalz einiges Nähere zu erfahren.
y Übereinftimmung mit unferen Bielen erbitten wir daher von den verehrten
ejern Notizen hierüber, die ſich vielleicht aus den Traditionen älterer Bauersleute
oder in Familienchroniken alteingejefjener Geichlechter gewinnen laſſen. Auch die
Bemeindearchive können Anhaltspunkte bieten, wann und unter weldhen Umſtänden
das heute unentbehrlich gewordene Bolksnahrungsmittel bei und Eingang fand.
Soviel jcheint gewiß zu fein, daß dies erit in den legten Jahrzehnten des 18. Jahr:
hundert3 der Fall war. Im Intereſſe einer befriedigenden Klärung diejer Frage
erlauben wir uns die Rundfrage in diejer Zeitjichrift und bitten, etwa gefundene
Angaben an die Schriftleitung einzujenden.
An die Lefer,
Die „Pfälziihe Heimatkunde” Hat fich eine jehr umfaffende Aufgabe geftellt.
Wie alle derartigen Unternehmungen, welde ihre Eriftenz zum großen Teile der
Opferwilligkeit Weniger verdanken und der Offentlichkeit in ſelbſtloſer Weije dienen,
kann die neue LBeitichrift nur gedeihen, wenn eine Reihe von Mitarbeitern eben
dasjenige Material zujanmenträgt, welches zu wiſſen jedem heimatliebenden Menjchen
eine Freude und Berriedigung, jedem Lehrer eine angenehme berufliche Unterjtügung
fein wird. Der Berleger und der Scriftleiter werden es an nichts fehlen laſſen,
was zu erfüllen in ihren Kräften jteht; aber die Hauptarbeit wird aus den Händen
einfichtiger Mitarbeiter kommen müſſen, um aus allen Zeilen unjerer engeren
Heimat Kunde zu bringen, was jeden als Bejonderes und Eigentümliches ziert,
was die Natur beut; was Menichenhand erzeugt, wie jie fi Kräfte nugbar macht,
wie fie fih behelfen muß; wie die Bewohner der Gaue arbeiten, ſich nähren, ſich
vergnügen; wie es ehedem war und wie e3 jet ijt; welche Hoffnungen und melde
Enttäujhungen man erlebte u. dgl. m. Gin wahrer Schag heimatliher Eigenart
ihlummert im Gedächtniſſe Einzelner und bleibt in engen Lebensverhältniffen ver-
borgen. Diefen zu heben und an das Tageslicht der DOffentlichkeit zu fördern,
(lebendig wirfend zu madhen zu Nug und Frommen der Schule und des heimat-
freundlihen Haufes fei die Loſung unjerer Gönner. Der Verleger wird im Intereſſe
des Beitandes feiner zeitgemäßen Unterachmung umfangreidere Beiträge und folde,
deren Mitteilung mit bejonderer Mühe verbunden war, honorieren. Wir laden
die geehrten Mitarbeiter ein, Ihre Beiträge direft an den Schrift
leiter einzujenden.
Verantwortlich für die Schriftleitung: Lehrer Pb. Fautb in Landftuhl
Sür Sorm und Inhalt der Berträge find die Kerren Derfaifer verantwortlich
Druck und Derlag von Rermann Kayſer, AR. B. hof» Buchdiucherei in Aauferslautern.
2. Probenummer.
an
Dezember 1904.
JPALZISCHE HEIMATKUNDE |
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
EMANNHEMIR
Berwendung der Steinkohle.
Es iſt Elar, daß in den Gegenden
ausgedehnter Steinkohlenproduftion ſchon
recht frühe die Verwertung der Fohle
als Brenn- und Heizmaterial üblich war,
wenn auch zugeitanden werden muß, dar
in früheren Seiten, al& der Waldreichtum
des deutichen Landes noch ein enormer
war und nicht zur Sparjamfeit mit dem
heutzutage Eojtbar gewordenen Holze
mahnte, der Verbraud an Steinkohlen
ſicher ein bejchränfter, vielleicht wegen
der unangenehmen Begleitericheinungen
des SKohleverbrennens jogar verpönter
war. Daß aber die Brennbarkeit und
die große Heizkraft des jeltenen Minerals
auch fernen Zeiten befannt geiwejen fein
muß, geht jhon aus dem Borkommen
fogenannter Tagkohlen hervor, die ſich
dem Auge und der Unterfuhung von
jelbit darboten, wenn auch vielleicht erit
der Zufall die Brennbarkeit derjelben
gelehrt haben mag.
In der Saargegend ſcheint man den
Charakter der Steinkohle jhon jehr frühe
erkannt zu haben. Im reife Merzig,
ın der Nähe des heutigen Bedingen, hat
man die Reſte einer römiihen Billa auf:
gefunden. Bei den Ausgrabungen der
Trümmer derjelben ergab ſich als jeltenes
und hochintereſſantes Fundſtück ein mehrere
Fauft dies Stüd Steinkohle, das halb
verbrannt war. Eine ungezwungene Er»
klärung findet ſich auch zu diefem Funde,
denn etwa dreiviertel Stunden von dort
entfernt treten bei Düppenmweiler Aus—
läufer der Saarkohlenflöge zutage. An
ſolchen Stellen wurden die Rodlen offenbar
von den Römern, die ja viele Wohnorte
in diefem Bezirke hatten, entdedt, abge—
baut und zum Brennen benugt. Es mag
fogar jein, daß eine ehemalige römiſche
Zöpferei, die fi) in Düppenmeiler be-
funden haben joll, an dem Verbraud; des
intenjiveren SHeizitoffes beteiligt war.
Die ältefte noch vorhandene urkund-
liche Nachricht über die Kohlengewinnung
im Saargebiete iſt ein Richtungsbrief
aus dem fahre 1430. Friedrich Greiffen-
Eau von Vollrats überträgt darin der
Gräfin Wittwe Elifabeth von Saarbrüden
jeine „Iſſenſchmitten und Kohlengruben
im Sinder Dal und darumb“, das ift
bei Sciffmeiler im heutigen reife Dtt-
weiler. Die Kohlengewinnung bei Dud—
weiler und Sulzbach weſtlich von St. Ing—
bert wird in Urkunden von 1549 und
1586 erwähnt. In legerem Schriftftüde
beißt es, daß ſchon damals die Kohlen:
gräberei an den genannten Orten ein
„Bebraud von Altersher“ gemejen jeı.
Die Belgier konnten im Kahre 1897
aber das 700jährige Jubiläum der bel-
giihen Kohle feiern, nachdem feititeht,
daß ein Schmied aus Lüttih im Jahre
1197 diejelbe entdedt und zum Heizen
verwendet habe. Nah authentiichen
Dokumenten jollen denn aud in unjerem
Nachbarlande bereit8 im Jahre 1288
Steinkohlenminen in vollem Betriebe ge-
weſen fein. Dieje Umftände find doppelt
interefjant gegenüber der Verwendung der
Saarkohlen, als aud die erften Kohlen
blöde von Neweaſtle früheitens im Jahre
1316 nad) London gebracht worden fein
Aydrographilches
Wen hätte nicht jchon die Sonder:
barkeit fiußig gemacht, welche uns im
Speyerbache entgegentritt und welde das
Bild der Wafjerläufe der vorderen Pfalz
harakteriftiich beeinflußt? Aus zwei
iemlich gleich ftarfen Duellbähen jet
ni eın Gewäſſer zufammen, das nad
einem faum 10 km langen Laufe wieder
in zwei Mündungsarme von weiter
Deltafpannung auseinander jtrebt. Wo:
her die jeltene Erjcheinung einer „Bifur-
kation“? Biehen wir die ältere General:
ſtabskarte zurate, jo finden wir einmal
die Namen Rehbad und „Triftkanal nad
Frankenthal” für die nördliche Abzwei-
ung, die ihren Weg über Iggelheim,
hifferftadt, Rehhütte und Neuhofen
nimmt und 1,5 km öſtlich von Rhein—
zu. unter jpigem Winfel in den
heinbogen mündet, unterwegs ziemlich
gleihmäßiges Gefälle von im Ganzen
42 m einhaltend — und zum andern
Speyerbadh oder „Triftkanal nach Speyer”
oder „Floß- oder Speyerbach“ für die
jüdlich den Nonnenwald umfliegende Ab—
zweigung über Speyerdorf und ſüdlich
an Hanhofen und Dudenhofen vorbei
direft nad) Speyer, wo die Mündung
3 m höher liegt als die des Rehbaches.
Haben jchon die Namen und Zweck—
benennungen einem Zweifel an der na-
türliden Entſtehung der Wajjerader
gegen Speyer hin Raum gegeben, jo
wird dieſer unterftügt, wenn wir die
merkwürdigen Gefälleitufen derielben be:
trachten. Bi8 1 km vor Speyerdorf
eilt das Wafjer mit 2,755 m Gefälle
pro Kilometer abwärt!, um dann auf
4 km bis zur „Frohnmühle“ nur 0,725 m
pro km abwärts zu gelangen; bis zur
Kreuzung mit der Diftriktsitraße nad)
Hanhofen (4,25 km) ſenkt ſich der Spiegel
1,365 m pro km, auf weitere 3,5 km
10
|
|
follen, wo fie den Schniieden und Brauern
infolge ihrer intenfiveren Heizkraft will-
kommen waren. Im Saargebiet jcheint
man aljo am früheiten den Nugen unferer
„ſchwarzen Diamanten“ erfannt und ge
würdigt zu haben. ;
vom Speyerbache.
— — — — — — — —— — — — — — —
(ſüdöſtlich von Hanhofen) bloß 0,829 m
pro km; dann kommt die intereſſanteſte
Strecke, auf welcher der „Speyerbach“
während 6 km nur 0,483 m Gefälle pro
km bat; vom Rande der Stadt Speyer
an bi8 zum Rheine ift das Gefälle 6,9 m
pro km, während unter Borausjegung
einer gleichmäßigen Senkung des Bettes
das Gefälle 1,625 m pro km wäre; bei
dem Rehbache beträgt derjelbe Wert, der
aber, auf dem ganzen Laufe ziemlich
genau eingehalten bleibt, 1,50 m pro km.
Berraten ſich jchon in dieſen Zahlen
ungewöhnliche Umftände, — o fließt fein
Bath! — jo wird ein weiterer Beweis
für die Anomalie dur die „Zuflüſſe“
von Süden her erbradt. Da kommt
von der Kalmit her der Kropfsbach, aus
dem Edenkobener Tal der Triefenbad,
die fih vor Geinsheim vereinigen und
als Altbach oder Diſſenbach in das Bett
des Speyerbaches ergießen ; hochinterejjant
ift nun, daß 25 m unterhalb diejer Stelle
dieſes Wafjer feinem natürlichen Zuge
nah ONO folgt und jo gleihjam dent
Speyerbach durchquert. Haben ſchon
Eis, Eckbach, Fuchsbach und Iſenach ihre
Bogen immer mehr der Rheinrichtung
angeichmiegt und der Rehbach die Tendenz
gewiffermaßen am hartnädigften bezeugt,
jo jtrebt auch das Gewäſſer bei Eden-
koben in demjelben Sinne zu Rheine,
weıl eben der allgemeine Zug des Fließen—
den mit der Verengerung des Raumes,
der vom ehemald mächtigeren Strömen
des heutigen Aheines beherricht war, um
jo deutlicher nadzN abbiegt. So kommt
denn der fräftigere Modenbad zu völligen:
Barallelismus mit dem Rehbache und der
ainbadgraben übertrifft ihn noch im
treben nad) NO. Die Natur hat auch
dem Modenbad) j. 3. den Weg über das
untere Stüd des Hainbaches gezeigt, mo
11
[egterer heute noh am O-Ende von | vor der Stadt wieder raſch zu fallen.
Dudenhofen vorüber fi) zum Woogbade |
wendet; diejer iſt die natürliche Fort—
ſetzung des Diffenbahes und ſomit —
abgejehen vom Speyerbache — die von
der Natur geichaffene Ader, welche ſämt—
liches Gewäjjer von Lachen her und aus
den Tälern von St. Martin, Edenkoben,
Edesheim, Roihbad und Waldheim, alio
aus einer 10 km breiten Bone, nad)
Speyer führte. Hätte man nod einen
leifen Zweifel, ob der „Zriftfanal” oder
Floßbach“ nah Speyer künſtlich quer
durch das natürliche Net von Waller:
läufen gezogen it, jo gäbe der unſchein—
bare „Ranſchgraben“ einen weiteren Be-
weis ab. Diejer nimmt jeinen Weg
unterhalb der „Frohnmühle“, kaum 200 m
vom heutigen „Speyerbach“ entfernt, im
jelber Wiejengrunde, läuft eine Zeit lang
parallel mit dieſem umd geht in ganz
gleihmäßigen Gefälle im schön ge
Ihwungenen Bogen nad) Norden, um fich
kurz vor Rehhütte mit dem Rehbache zu
vereinigen. Wäre der heutige Speyer:
bad) eine natürliche Wafjerader, jo müßte
jein Wafjer dem Laufe des Ranichgra-
dens folgen oder von jeher gefolgt jein.
Übrigens hätte derfelbe nicht weit unter:
halb der Annäherung an die DQuellitrede
des Manichgrabens eine zweite Gelegen-
heit zur Wendung gegen NO, wiederum
zu diefem Graben hin.
Um mehrere natürlide Wajjerläufe
zu freuzen, muß man deren trennendes
Zwiſchengelände von etwas höherem
Niveau überfteigen. Dasſelbe tut aud
der jogenannte Speyerbadh. Den Difjen-
bad von Geinsheim her hat er nod) in
der Höhe des Wafleripiegeld gekreuzt
und der ihm links wieder entwijchende
Woogbach ift tatſächlich an der Gabelungs—
ſtelle um ein Drittel breiter als er jelbit;
hier finden fich zudem Ausmauerungen
der Ufer als Zeugen des Eingriffes der
Menichenhand vor. Erſt der Modenbad
bringt 1 km abwärts die Wafjermenge
unjeres Floßkanals auf die des MWoog-
baches. Nun fteigt aber das Terrain
gegen Speyer ziemlich ftarf an, um kurz
Diefe Stufe muß der anal nehmen
und jo fein Gefälle reduzieren; da ihm
aber der Hainbad) hinderlich in die Quere
kommt, to läßt er diefen ſamt jeinem
Tälhen einfach — unter fi Hinmweg-
ziehen! Wir treffen die Abionderlichkeit,
dak das Kanalbett auf eine Strede von
1! bi8 2 km Länge auf einem
Danıme liegt, beiderjeit3 von Dämmen
eingefaßt. Südweſtlich von Dudenhofen,
wo der Hainbach — auf der Duden»
hofener Seite Krebsbach genannt — ihn
kreuzt, muß folgerichtig die höchſte Stelle
des Dammkanals liegen; fie erreicht dort
tatſächlich 1e bi8 2 m. Da nun der
unjcheinbare Graben (Hainbad): Krebs»
bach) in einer Dohle unter dem Kanals»
damme hindurch geführt ift, jo ift das
icheinbare Hydrographiihe Rätſel des
„Speyerbaches“ gelölt. a, um den
Krebsbahh — jein Name mag von der
ehemaligen fürftbiichöflichen Krebszüchterei
heritammen — in heißer Jahreszeit jei-
nem Namen würdig zu erhalten, hat man
den Kanal zur Ader gelafjen und ein
Nohr von der Weite eines Dfenrohres
(„Zwölfmannsdohl”) aus den Stanalbette,
wo ed mit einem Geiher geihügt iſt,
Enieförmig gebogen durch den Damm und
in den Krebsbach geleitet. So geht denn
eine fonitante Menge Wafjer aus dem
Kanal dur den Krebsbah zum Woog—
bache. Erſterer ift alfo eine künſtliche
Anlage, über deren Herkunft wir noch
beionders berichten wollen.
Sp neu und interefjant mandem
Lejer diejes Faktum fein wird, jo ficyer
wird er einiehen, daß es nicht ganz richtig
ift, wenn aus Gründen der überfchtlic“
keit 3. B. auf der Schulmandfarte und
der Handkarte von Gäbler (Süddeutid:
land) und auf der ſchönen Handkarte
von Geiftbet- Lange nur der „Speyer:
bach“ angegeben ijt; aus oben dargeleg-
ten Gründen, und um das topographiiche
Bild der Borderpfalz nicht gefälicht er-
ſcheinen zu laffen, müßte der Rehbach
angegeben, aber der Floßkanal weg—
gelaffen jein. S.
2 —
Aus der Geſchichte von Biedesheim.
(Berfuch einer Ortöchronif.)
(Die Abbildungen verdanken wir ber Güte des Herrn Jean Eymann in Biebdesheim.)
Wenn ed wahr ift, daß die Geichichte |
des weiteren Vaterlandes in den Zeit:
geſchicken der engeren Heimat ſich jpiegelt,
daß das kulturelle und politifche Geichehen |
der Bergangenheit Leben und konkrete
Geſtalt gewinnt an lofalen Trägern, dab |
Baterlandsliebe und Treue ihre Wurzeln
zutiefft in den Wutterboden der Anhäng- |
lichkeit an die Heimat ſenken müſſen,
dann hat der Zug der Gegenwart nad) |
Erforihung der Lokalgeihichte feine Er: |
klärung, dann hat auch der nachitehende |
Verſuch jeine Rechtfertigung gefunden.
In das fruchtbare, getreidereiche Bor:
land des Donnersberg3, den alten Worms:
gau, führt uns die Betrachtung der Ge—
ihide unferes Heimatortes und jeiner
Umgebung. Uralt Hiftorijher Boden!
Nicht von ferne nur und fanft zerrinnend
haben die Wogen der Zeit u.ıd des
Schickſals an die Ränder dieſer Hügel
angeipüft, nein, mit voller breiter Wucht |
wälzten fie durd unſre ſchönen Täler
hin und der donnernde Schwall ihrer
Brandung hat über die Höhenſäume
getobt.
Wo Menihen und menicliche Zeug:
niffe Schweigen, müſſen die Steine reden,
und je fpärlicher die ſchriftlichen Quellen
fließen, deſto redjeliger gibt die Erde ihre
lang begrabenen, wieder aufgededten Ge—
heimnifje preis. ZSteigen wir in unjere
Kalkſteinbrüche Binab! Da lagern tief
unten im harten Geftein, nun jelbjt Stein
geworden,fganze Schichten von Muſcheln,
Scneden und Ammonshörnern. — Wie |
könnte überzeugender dargetan werden, |
daß unfre jchöne Heimat einft unter |
Meereswogen begraben lag! Bahr
taujende lang mögen des Nordens Sterne
ſich in den dunklen Wafjern gejpiegelt |
haben, bis jie den Abzug durd das
waldige Gebirge ſich erzwangen und aus
ihrer verlaffenen Tiefe das neugeborene
Land ſich emporhob.
Und wieder Jahrtaujende mögen ver:
gangen jein, bi8 jene Kelten und Germanen
dasjelbe bevölkerten, deren allerdings
ſchwache Spuren im Aderboden unjerer |
Dorfgemarkung (Gräber, Gefährefte, |
£upferne Speerſpitze) ſchon
wurden.
Es folgte die große römiſche Invaſion.
Auf dem Höhenrücken, der, das Eis- und
Pfrimmtal jcheidend, fi aus der Wormier
Gegend von Monsheim bis gegen Kaiſers—
lautern hin erjtredt, dehnte fich die große
Hoch- und Heerftraße aus, melde die
einzelnen Niederlaffungen’unter einander
verband und die zumteil heute noch er:
halten ift. Der hödfte Punkt unjerer
Drtögemarkung, die jogenannte „Warte“,
gefunden
| mag wohl als Halte- und Ausfichtäjtelle
feine geringe ftrategiiche Bedeutung ge:
habt haben, nicht minder zwei weitere
günitig gelegenen Höhenpunkte, die mod)
heute die Gerwannennamen „am Wacht—
baum” und „auf dem Schild“ tragen.
Es dürfte jauch nicht ſchlankweg in das
Reich der Phantajie zu verweilen jein,
wollte man den Urjprung der ſchon zur
Karolıngerzeit in den Lorjcher Urkunden
genannten Burg (Bufinsheim-Butens:
heim» Büdesheim) in römiſchen Befe—
ftigungen ſuchen, wenigitens jcheinen et—
lihe im Bereihe der Burg gefundenen
römijchen Gefäßreite, darunter die Scher:
ben eines römiſchen Weinkrugs, eine der«
artige Deutung zuzulajjen. Römergräber
wurden vereinzelt vor Jahren ſchon in
der - Umgebung gefunden, ihr Inhalt
leider aber achtlos vernidtet.
Wenige Jahrhunderte, da brad) unter
dem Anjturm germaniſcher Volkskraft
das morjche römische Weltreich zulammen.
Auf den „Warten“ der von den Römern
verlafjenen Heerſtraße hielten viefige
Burgunden ſcharfe Wacht und ihre Volks:
genofjen wurden raſch heimisch im Worms—
gau. Nah den heute noch befannten
Ortsnamen Zzu ſchließen, Iſcheinen bur-
gundiſche Anſiedelungen in Menge ſich
gebildet zu haben. Auch das ſchon frühe,
vielleicht im Bauernkriege untergegangene
Dorf Gundheim (Guntenheim) — etwa
I km von Biedesheim entfernt geweſen —
‚ dürfte wohl Uriprung und Namen der
Zeit der Burgundenherrihaft zu ver-
danfen gehabt haben.
Sie. war nur von kurzer Dauer.
Der Sturm der Bölferwanderung fegte
jie wie Spreu hinweg. Im dritten oder
vierten Jahrzehnt des V. Jahrhunderts
3 —
|
|
|
1
joll da8 Burgundenreich dem Anprall der |
Hunnen erlegen jein. Auf unjerer Hoc
jtraße, durch unfere Täler wälzten ſich die |
wilden aſiatiſchen Horden dem fränkischen |
Weiten zu. Die Niederlaflungen rings
umher gingen in Flammen auf und wel
ches Scidjal ihrer geängiteten, flüchten:
den Bewoh—
ner barrte,
Elingt nod)
aus dunklen
Flurbenen⸗
nungen wie;
der, wie „to⸗
ter Mann“,
„Mordfam-
mer“ (bei
Göllheim).
Noch einmal
jtrömte die
wilde Flut
zurüd, nad):
dem auf der
fatalauni-
ihen Ebene
an dem Block
der vereinig:
ten Germa—
nen ihre
Wucht? ge:
brochen war, dann wards ftill im Worms:
gau über Trümmern und Leichen.
Bon Norden und Weiten her wanderten
die gelbhaarigen Franken ein und nahmen
von dem verlafjenen und verwüſteten
Gebiete Befig. Bald blühten neue An-
fiedelungen eınpor. Königsſitze entjtanden
in Göllheim und Albisheim, und aud
unjer Heimatsort Biedesheim (Bufins:
heim-Butensheim, vielleiht Yon bü gen.
büwes-Aderbau) hat, wie die fränkiſche
Endung „heim“ anzeigt, damals jeinen
Urfprung genommen. Es muß jogar zu
ziemlicher Bedeutung emporgeblüht ſein,
wie aus der Aufdeckung eines großen
fränfiichen Grabfeldes am füdöſtlichen
Dorfende geichloffen werden fann. Als
ziemlich jicher darf auch angenommen
werden, daß zur nämlichen Zeit die Burg
— auf vielleiht römiſchen Grundlagen,
Burgrefte und Dorf Biebesheim.
wie oben erwähnt — erfitand. Eine
Menge im Burgrayon aufgefundener
fränkiſcher Scherbenrejte weist darauf hin.
Non beftimmendem Einfluſſe jcheint
bei diefer Ummandlung, bei der ein Bol
von Ichweifenden Kriegern in die für es
mehr oder minder jtarre Form des ſeß—
haften Bauernlebens gezwungen wurde,
die fieghafte Macht des jungen Ehriften-
tums gewejen zu fein. Zwar weiß die
Sage jchon
von Majjen:
befehrungen
unter den
Burgunden
zu berichten,
und es iſt
gewiß, daß
chriftliche
Lehre und
chriſtliches
Leben ſchon
blühende
Heimſtätten
gefunden
hatten im
Burgunden—
reiche. Aber
die Sturm—
flut der
Völkerwan—
derung
ſchwemmte
ſie hinweg. Der den Franken günſtige
Ausgang der Schlacht bei Zülpich und
die Bekehrung Chlodwigs öffneten nun
der Heilslehre Jeſu aufs neue weit
die Pforten. Miſſionare durchzogen die
Gaue, auch die neu entſtandenen Klöſter
entfalteten eine fruchtbare Tätigkeit; ſo
dürfte es gekommen jein, daß unjere
Gegend noch während der Merovinger:
Beit völlig dmiftlichen Charakter annahın.
BiedesheimZerhielt damals aller Wahr:
icheinlichfeit nad) jeine erfte Kirche, die
bei der Burg gelegene Kapelle, an welde
heute noch der Haupt: Quellbrunnen des
Ortes, der jogenannte „KRapellbrunnen”
erinnert und welche jedenfalls 1470 mit
der Burg ihren Untergang fand.
Über den äußeren Berlauf der Ge:
ſchicke des Dorfes Biedesheim liegen bis
jegt nur jehr ſpärliche urkundlich ver-
Ehemaliger Burghof
Ede des Burabofs
— 14 —
bürgte Nachrichten vor, jo daß natur—
gemäß das geſchichtliche Bild derſelben
nur ein ſehr undeutliches und lückenhaftes
ſein kann.
Am früheſten taucht der Name unſeres |
ige in den Urkunden des in der
eihicdhte der Karolinger jo viel ge
nannten Klofters Lorih auf. Allem An—
Icheine nad) faın Biedesheim ala Geſchenk
eines Bliedes jener berühmten Herricher:
familie, vielleicht Ludwigs des Deutichen,
in Lorſcher Befig. Ungefähr ein Jahr:
hundert jpäter find die geiftlihen Herren
von Hornbad Eigentümer des Ortes.
Abt Ernit von Hornbah aber übergab
denjelben im Jahre 1100 an die Bropftei
Zell. Die Kirche mit ihren Einkünften
verblieb aud in legterem Abhängigkeits—
verhältnis bis fie zur Reformationszeit
ſich felbjt davon befreite. Dorf und Burg
dagegen erſcheinen um die Mitte des
13. Jahrhunderts ald Domäne des Grafen
Emicho IV. von Leiningen. Als Lehens-
mann desjelben tritt in den Urkunden
des Haner Kloſters (Bolander Kloſter)
1250 und 1252 ein Udo v. Büdesheim
auf. Bon nun an blieb der Ort leiningiich
bis die franzöfiiche Revolution die Eleinen
Staaten und Stätchen der Pfalz hinweg-
fegte.
Bei der im Jahre 1315 erfolgten
Teilung der gräflihen Familie in die
Friedrich'ſche Linie, Leiningen-Dachsburg,
und die Jofried'ſche Linie, Leiningen—
Hartenburg, fiel Biedesheim an die
Familie L.-Hartenburg. Der Name
Biedesheim findet fih von nun ab im
Laufe der Hahrhunderte ſtets mit den
Freuden und Nöten der Leininger Grafen
verknüpft, bald verpfändet, bald auf's
neue wieder erworben, gelegentlid jogar
heiß umftritten. So erfaufte Graf
Emiho V. im Jahre 1363 von der
Abtiffin Jutta von Leiningen zu Hert:
lingshaufen eine jährliche Gilte von 50
Malter Kom zu Biedesheim, Kinden—
heim und Göfjesheim (untergegangenes
Dorf zwiſchen Kindenhbeim und Biedes>
heim). Emicho VI. dagegen verpfändete
die genannten Dörfer nebſt Bodenheim
im er 1384 um 1600 ®ulden an
die Nitter Bechtolf von Flörsheim und
Im Jahre 1423 entftanden wegen der fur»
pfälziihen Lehen Streitigfeiten zwijchen
dem Kurfürften von der Pfalz, Ludwig
dem Bärtigen, und Graf Emicho VI.
Auch die Burg Büdesheim und eine Gilte
von 60 Malter Korn zählten zu den
Streitobjeften, die übrigens im leiningi—
ichen Bejige verblieben. Denn bei dem
um das Jahr 1448 erfolgten Tode
Emicho VI, teilten deſſen Söhne Emich VIL.,
Schafried und Bernhart das väterliche
Erbe, wobei Dorf und Burg Büdesheim
Bernhart zufielen.
Als im Jahre 1467 mit dem Tode
des Landgrafen Heſſo die Linie Leiningen—
Dachsburg erloich, entftanden der Erb»
ſchaft wegen große Zwiftigkeiten zwiſchen
Heſſos Schweiter, Margareta von Weiter-
burg und Emicho VII. von Hartenburg.
Kurfürft Friedrih der Giegreihe von
der Pfalz, der alte Feind der Leininger,
jtellte jich jofort auf die Seite der Weiter:
burger Gräfin, während Emicho VII. jeden-
fall3 bei jeinen Brüdern Unterftügung
fand. Schlimme Zeiten famen da für
unjer Dorf. Es widerhallte von Srieg
und Kriegsgeſchrei. Nach vergeblicher
Abwehr dur die Leininger wurde die
Burg 1470 von den Pfälzern genonunen
und ging jamt der alten Kapelle in
Flammen auf. Sie wurden nicht wieder
aufgebaut.
Trogdem blieb Biedesheim lekningi—
iher Beſitz. Im Jahre 1498 wurde
eine neue, dem hi. Andreas geweihte
Kirche erbaut, deren Batronatöherr der
jeweilige Propjt von Zell war. Es iſt
das heute noch jtehende und dem Eirch-
lihen Gebraude dienende Gotteshaus
der protejtantiichen Gemeinde. Die Kirche
wurde — jedenfalld von der gräflichen
Herrihaft — mit einem Frühaltargut
von 80 Morgen und außerdem noch mit
einem bejonderen Sirchengut von 140
Morgen ausgeitattet. Nad Einführung
der Reformation jcheinen die Kirchengüter
von den Herren ded Ortes angezogen
worden zu fein und bi8 zum Jahr 1793
oblag die Unterhaltung der Kirche, die
Bejoldung von Pfarrer und Lehrer dem
jeweils vegierenden Grafen.
Frühe ſchon fand die Reformation
Druſchel von Wachenheim (a. d. Pfr.) | hier Eingang, denn bereit von 1578 bis
15
1581 amtierte Martin Müller als evan- | aufs neue Brand und Lerftörung in
geliich- [utheriicher Pfarrer. Später finden
wir in demfelben Amt Ulrich Koch, der
von 1618 bis 1638 als Prediger bier |
wirkte, aljo den ganzen Jammer des
ihredensvollen 3Ojährigen Krieges nicht
durchlebte. Diefer muß auch hier furchtbar
gewütet haben, wie jich wenigitens aus
dem Schickſal der Nachbargemeinden,
davon eine (Göſſesheim) gänzlich zerſtört
wurde, jchließen läßt. Hunger und Peit |
dezimierten hier und in Göllheim die
Bevölkerung; Gemannennanen wie
„Wolfskehle“ „Wolfskeul* deuten
welcher Art neue Schreden die entvölferte
Gegend heimjudhten. Mord, Raub und
Diebftahl jcheinen auch hier an der Tages—
ordnung gemwejen zu jein, und der Galgen
mußte feine traurige Hilfe leihen, um
Dorf und Gegend auch von den menſch⸗
lichen Beſtien zu befreien. So klingt
es wenigſtens aus der Volksſage dunkel
wieder, die heute noch ſich an die Flur—
namen „Balgen”, „Blutacker“ und „Diebs—
pfad“ heftet.') f
‚Das Mad der Leiden hatte fich für
unjeren Heimatsort aber damit noch nicht
gefüllt. Nach kurzer Ruhezeit trug die
Ruchloſigkeit franzöſiſcher Mordbrenner
) Ein kleiner Beitrag zu der Frage: Was
fojtete Deutjhland der 30jährige
Krieg? jei bier angefügt: Vielleicht ift es
befier, wenn man c$ gar nicht weiß; denn man
fühlt fich fait verbittert, wenn man im die ent-
jeglichen Berheerungen eindringt, die dieſer
ſchändliche Krieg, angeblich der Keligion wegen
geführt, im Gefolge hatte. Was er dem dama—
ligen Herzogtum Württemberg Eojtete, er-
fahren wir au& dem 1. und 2. Hefte VIII der
Württembergijchen BVierteljahröhefte für Landes—
aeichichte, wo Geh. Arhiviat v Stälin nach—
meiit, daß 1654 der dem Lande von 1628— 1650
erwachſene Schaden ſich auf 3,562,285,920 ME.
nad) heutigem Geldwert belief. Hiermit iſt aber
nod) bei weitem nit aller Schaden gedcdt,
wenn man 3. B. erwägt, daß von den 1623
vorhandenen 425,288 Einmohrern nad) 1650
nicht weniger als 375,186 (alſo 85%) fehlten
und fich doch in der Zeit ſchon viele wieder neu
— hatten. Erſt nach 100 Jahren
hatte — die Einwohnerzahl von 1623
wieder erreicht. nd welcher Schaden erwuchs
nicht daraus, daß 1650 noch der größte Teil des
Landes wüſt, ruiniert und unbebaut dalag, weil
e8 feine Menſchen gab, die die Meder u. |. w.
Bebauen fonnten! Auch lagen 1650 nod 53
Städte und Dörfer gänzlich niedergebrannt am
Boden, zahlreihe Kirchen und viele Taufende
von bürgerlien Häufern. (D. Sc.)
\
I
an, |
'
die pfälziihen Gaue. Die Soldaleska
des allerchriftlichiten Königs jcheint be-
ſonders der evangelichen Bevölkerung
unjeres Ortes ſchwer zugejegt zu haben.
Der damalige Pfarrer von Biedesheim,
Leo, mußte im Jahre 1691 über den
Rhein flüchten, und die Gemeinde blieb
bis 1697 ohne Geijtlihen. Uber den
Berlauf der nächſten hundert Jahre bis
zur franzöfiihen Revolution find wir
faft gänzlih ohne Zeugniſſe. Soviel
aber jteht feit, daß während des öſter—
reichiichen und bayerischen Erbfolgekrieges
jowie des fiebenjährigen Krieges die Um-
egend und wohl auch Biedesheim unter
—* und Einquartierungen
mancherlei zu leiden hatten. Wir en
unfer Dorf um dieje Zeit im Befige der
Familie Leiningen-Guntersblum. Nicht
lange mehr!
Bereits ballten ih im Weiten die
ichmweren Wetterwolfen zufammen, deren
niederzudende Blige aud) das alters-
morſche Gefüge des römiſch-deutſchen
Staatskörpers zuſammenſchmetterten.
Schon den erſten Streichen erlag in
den Jahren 1793/95 die Herrſchaft der
£leinen pfälziihen Botentaten, auch der
Leininger. Die Franzoſen waren tat:
ſächlich ſeit 1796 die Herren im Land.
Was unſre Dorfbevölferung von nun
an die langen Kriegsjahre hindurd an
Laſten und Abgaben, Einquartierungen
und Erefutionen zu tragen hatte, liegt
in ganzen Stößen von Kriegsrechnungen,
Kriegsichuldenverzeichniffen, Briefen und
anderen Schriftitüder im Gemeindeardiv
vergraben. Die Cemeinderechnung von
1796 weiit den enorm hohen Bolten von
8164 fres. ald „an die Franken geliefert“
auf. Nur einige wenige Einzelfälle aus
einer Unmaſſe ähnlicher oder gleicher
jeien bier vermerkt:
„galt an Henrih Man vor ein
pferd und geichirr, fo ihm auf der Kriegs»
frohud bei den Franken ijt verloren
' gangen oder von denjelben genommen
worden — 195,15 frs.“
„ſodann zahlt an Karl Winkler vor
ein pferd jo ihm von einem fränkiſchen
officier ijt genommen worden, welcher
ihm zwar ein anderes pferd ſtehen ge-
we. AB: =
laffen, jo aber die helfte nicht jo viel Das Jahr 1816 ftellte unjer Dorf
werth geweßen als das feine. Dahero | unter bayeriihe Herrihaft. Ein dent:
wurde Ihm der Schaden vergütet von | würdiges und freudiges Ereignis! Aber
der Gemeinde . . . „ 100,15 frs.“ | jo groß war die Schuldenlaſt der Ge-
„galt an philipp Sezer vor einen | meinde geworden, daß man der neuen,
Hammel jo ihm auf den Feld von den | glückverheißenden Zeit nit redt froh
fränkiſchen Hußaren iſt — wurde und ſich zuletzt dazu entſchließen
worden . . h 15 fr.” | mußte, am 1. Juli 1819 die „wenigen
„galt an die Franken, — führer | noch vorhandenen Gemeindegüter“ um
von hier bis auf das zwei ftund von | 2884 Gulden zu veräußern. Der „Blut:
hier im wald gelegene häufen mit | ader”, die „Dirtenwiefe”, die „Bakkes—
genommen, um diejelben wieder los zu wieſe“ (jegt „Bockswieſe“), der „Rams—
bringen . . . 22 fr3,” | bühl“, der „Dardtader”, der „Galgen-
Zu Dußenden ließen fid) diefe Bei- | ader” famen damals unter den Hammer.
ipiele vermehren. Eigentümlich berühren Zrogden hatte die Gemeinde noch bis
und Notizen aus den Jahren 1806,07 | ins dritte und vierte “Jahrzehnt des
wie „zalt für ein pfundt Pulver für die | vorigen Jahrhunderts mit der Tilgung
gardiften bei den Tranßport der Preißi- | der Kriegsſchuld zu kämpfen.
ihren Gefangenen . . 1frs. 50 etm.“ Aber der Genius des deutichen Volfes,
Aus den Jahren 1813/14 verlauten | der damals in trauernder Knechtsgeſtalt
Klagen über jchwere Laften und Ber | an unfren heimatlihen Hütten vorüber-
drüdungen ſeitens der Ruſſen. ine | ging, er raujchte einige Jahrzehnte jpäter
Anfzeihnung mieldet „ein Bote nachge- mit ftolzen Flügelihlage nad) Weſten.
Ihidt an die franzöjiihe Gränze um | Wir jahen ihn, wir jpürten jeiner Flügel
auszukundichaften, wo die Fuhrleute ge: | Wehen; aud die Söhne unferer —
blieben, ſo die Ruſſen mitgenommen.“ folgten ſeinem unwiderſtehlichen Sieges—
Auch von ſonſtigen Hriegsnöten blieb | fluge, und fie ſetzten Gut und Blut ein
Biedesheim nicht verichont. Nicht genug | für das neue große Vaterland, dag nun
damit, daß unjre Bauern die jchweriten | auch unjer Eleines Dörfchen im Worms—
materiellen Opfer, die fie oft genug dem m umfängt mit feinem mächtigen Schuß.
Ruin nahe bradıten, willig leiften mußten, e unjrer jchönen Heimat nimmer
ihre Söhne wurden in Tranzöfıiche Me: | die era Pie des Friedens untergehen und
gimenter geitedt, um auf fremden Schlacht: | Segen und Gedeihen walten über ihren
feldern zu bluten. Srankheiten und | blühenden Fluren! Die Gejdichte iſt
Mißwachs vergrößerten den allgemeinen | eine gute, jie ift die beite Yehrmeiiterin.
Jammer. Die Kirche wurde von den | Möge fie uns lehren, die Heimat zu
Franzoſen einmal ein ganzes Fahr als | lieben! Denn wir halten es mit Fon—
Yazarett verwendet, fo daß die Gottes- taned Überzeugung, der feinen „König
dienfte im alten Rathaus (Schule) ab- ; Jakob” zu „Douglas“ iprechen läßt:
gehalten werden mußten. Tief hat fich „Der iſt in tieffter Seele treu,
die Erinnerung an jene Zeiten im VBolfs- | Der die Heimat liebt, wie Du.“
gemüt eingeprägt. | 3. Böshen;.
An unfere Lefer.
Die heutige 2. Probenummer erjcheint in ihrem endgiltigen Gemwande, nachdem
wir den Titel und Typenjak vereinfacht haben, um unjere Abjicht £Elarer erfennen
und den Tert leihter benügen zu lafjjen. Auch dem Bilde joll in Zukunft
ein bejcheidener Raum gewidmet jein; ebenjo wollen wir die hauptjächlichen meteor o—
logijhen Erjdheinungen bringen und hoffen mit alledem den Beifall unierer Leſer
zu finden. Die frdl. Gönner und Jutereſſeuten weilen wir auf den beiliegenden Be—
itellfarte Hin und erlauben uns uohmals die Bitte, uns mit Beiträgen aus dem Rahmen
unferes Programms unterftügen zu wollen. Der Schriftleiter. — Der DBerleger.
Schriftleiter: Ph. Sauth, Eandjtuhl — Bermann Kayſer's Verlag, Kaiferslautern.
orm und Inhalt der Beiträge find die Herren Verfaſſer verantwortlich.
Die „Pfälziiche Geimattune" Tape jährlich in 12 Heften DIE. 2.50. Weflellungen werden vom allen Buchhandlungen und
Galanftalten ferner vom Berleger (Bartafreie Etretibandienhung! anaeunmmen.
I Jahrgang.
Nummer 3.
Januar 1905.
IPALZISCHE HEIMATKUNDE
_ MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
v
ENANNRSMINh
—
Der Meteoritenfall bei Krähenberg (Pfalz).
Als Meteore bezeichnet man bekannt—
lich alles, was von oben herab der Erde
zufällt oder zuzufallen ſcheint, ohne daß
man das Hinaufkommen geſehen hat oder
vorausſetzen darf; demnach nennt man
ſowohl Regen, Schnee und Hagel, als
auch Sternichnuppen und Feuerkugeln
meteorijhe Erſcheinungen und bezeichnet
die erjteren genauer als meteorologiiche,
die andern als altronomiiche Meteore und
von legteren die Feuerkugeln jpeziell als
„Meteorite”.
Die Meteoriten find „von Himmel
gefallene” Mafjen erdiger oder metalliicher
Natur, im legteren Falle hauptſächlich
eiſenhaltig. Ihre ftofflihe Zuſammen—
ſetzung und kosmiſche Herkunft als dem
Sonnenreiche fremd geweſene Körper
kennt man heute genau, während es im
Jahre 1790 noch vorkommen konnte, daß
die Pariſer Akademie den Bericht über
einen von 300 Augenzeugen beglaubigten
Meteoritenfall als „unterhaltenden Blöd:
ſinn“ energiſch ablehnte.
Solche Zuſammenſtöße fremder Körper
mit der Erde auf ihrer Bahn durch den
Weltraum kommen keineswegs ſelten vor;
nur iſt es im aegebenen Falle Schwer, die
durchichnittlich Eleinen Maſſen niederger
ftürzter Meteoriten aufzufinden, befonders
wenn fie in wenig bevölferten Gegenden
oder zu ungeeigneten Stunden nieder:
gegangen jind. Nachdem
A achd wir zudem
wiſſen, Daß zwei Dritteile dev Erde mit |
Waſſer bededt und die Bolargebiete über:
haupt der Forſchung kaum unterworfen
find, jo darf man angejichtd der ziem-
lihen Zufälligkeit Eonftatierter Meteor:
fälle getrojt annehmen, daß die Zahl der
wirklich von der Erde „unterwegs“ auf:
gefammielten Meteoriten ein Vielfaches
von der Zahl der wirklih da und dort
gejehenen tft. Dabei ift allerdings nicht
zu vergeffen, daß manche der gemeldeten
Ericheinungen nur hellere Sternichnuppen
geweien jein mögen. —
Um eine diejer jelteneren Himmels—
ericheinungen zu erleben, braucht man
nur eine jtete Aufmerfiamkeit auf den
Elaren Himmel zu haben. Auch über
unjever Pfalz iſt ſchon des öfteren ein
derartiger himmliſcher Segen niederge-
gangen. Am 21. Juni 1846 abends war
in der Vorderpfalz „eine Ericheinung
gleich einer Feuerkugel“ geſehen worden,
am 17. Oktober des gleichen Jahres
wiederum und am 11. Mai 1852 noch—
mals „wie im Fahre 1846*. Am 4. Juni
1901 erichien in den Abendftunden in der
mittleren Pfalz (auch bei Monsheim ge-
jehen) ein vecht helles Meteor; und ſeit—
ber jind ficher nod) zwei andere mit be—
jonderer Glanzentwidelung begabte Er:
ſcheinungen £onjtatiert worden, wie denn
auch zwiichen 1852 und 1901 jo und jo
viele Phänomene unbeachtet geblieben oder
vergefjen worden fein mögen. Was nun
die Sichtbarkeit derjelben innerhalb be:
ſtimmter Bezirke anlangt, fo fei hier ein:
geichaltet, daß dieje eigentlich nur von
der Höhe und Lage der Bahnlinie des
kleinen Himmelskörpers inbezug auf die
Erdoberflähe, jowie von seiner Licht:
entwidelung abhängt. So konnte einmal
ein und dasjelbe Meteor vom Breisgau |
bis Über den Rheingau hinaus neiehen
werden, natürlich auch in der Pfalz.
Wenn wir die unten angegebene Höhe
einer leuchtenden Bahnitrede von etwa |
dem zwanzigfacen der relativen Höhe
des weithin fichtbaren Donnersberges |
ins Auge faſſen, jo ift es nichts weniger
al8 verwunderlich, wenn die betr. Er—
18
körper — um 6 Uhr 32 Minuten Orts:
zeit in 25,8 öjtlicher Länge von Ferro
und 49° 197,7 nördlicher Breite bei dem
Dorfe Krähenberg, 8,5 kın djtlid von
Homburg nieder. Die Feuerkugel ergab
nur einen Stein, der aber dafür feine
31,5 Pfund wiegt; fie wurde, wie das
gewöhnlich der Fall ift, an mehreren
Drten gejehen, aber nur zwei Beobachter
konnten ich von ihrer Wahrnehmung fo
genane und objektive Rechenſchaft geben,
daß nad ihren Mitteilungen Me Bahn
des Mörpers im Weltraume, d. h. zu
nächſt die fichtbar gewordene Bahnftvede
innerhalb unjerer Atmojphäre und damit
ſcheinung — auch die
in Land» a
ſchaften einer
beobach⸗ Herkunft
tet wird, errechen—
die ein bar wur—
Viel: de. Nach
faches der Angabe
Größe des Hrn.
unſerer Neuer in
Pfalz ber | Kuiel, 23
denten: km nord:
sah: lich von
vend nun ı der Fall—
Die oben ſtelle,
augezo— wurde
genen — — — — die Kugel
Meteore er — zuerſt ĩm
ſo mangelhaft beobachtet wurden, daß die
Ableitung einer befriedigenden oder über—
haupt einer Bahn aus den verſchiedenen
Berichten unmöglich war, — offenbar
war den überrajchten glüdlichen Beobach—
tern vor lauter Be: und Verwunderung
nicht zum Bewußtiein gekommen, daß
hier geiftesgegemmwärtige Fixierung der
Orts⸗, Nihtungs- und Zeitmomente wert:
voll wäre! — konnten aus dem ſoge—
nannten Krähenberger Meteoritenfalle
infolge eines günftigen Zuſammenwirkens
mehrerer Umftände die Grundlagen zu
einer erfolgreichen Rechnung gewonnen
werden. Wir find in der angenehmen
Lage, durch das Entgegenkommen ‚des
Verlags der „Bartenlaube” eine Abbil-
dung des Meteoriten zu bringen. Am
5. Mai 1869 ging dieſes Stück Maſſe
— ein ehemals jelbftitändiger Himmels—
Oſten nach Weiten.
Südoſten beobachtet; ſie zog dann von
Eine Meſſung am
Standorte des Beobachters ergab, der
Situation und der Erinnerung angepaßt,
eine Neigung dev Flugbahn gegen den
Horizont zu 32’ und beim Verſchwinden
war die Höhe des Körpers nod 20°
(wahricheinlich in einer Wolkenſchichte
oder hinter den Höhen jüdlich von Kuſel).
Man konnte die Bahngeichwindigkeit bei
der Dauer von 2-3 Sekunden nod) raſch
nennen. Eine nachträglich angefertigte
Zeichnung enthält eine Darftellung der
Bahn mit einer Neigung von nur 23°,
ein Beweis, daß Täufchungen von weient-
liher Größe bei ſolchen flüchtigen Wahr-
nehmungen ungeübter Leute vorkommen;
es war ein Glüd, daß das Eude der
Bahın bekannt war und fo über den vela-
tiven Wert beider Schägungen ein Urteil
gewonnen werden konnte. Die zweite
Beobachtungsſtelle mit brauchbarer Ans
gabe lag 67 kın entfernt. Herr Forite |
19
|
|
gehilte Kaſtl ah die Feuerkugel mit ge: |
ringer nördlichen Abweichung von der |
jenfrechten Linie über jeinem Kopfe nad) |
Weſten zu vaich abwärts fallen und hinter
einer Wolfe verichwinden.
Znuächſt ergab fi aus dem befannten
Orte des Niederganges (Krähenberg) und
der eriten Beobadhtung, daß die Höhe,
wo der Meteorit infolge der Neibung in
der Atmoiphäre zu leuchten anfing —
Hemmungshöhe —, 8,2 km betragen
haben mochte. Die Bahn jelbit hat Herr
Dr. Neumayer*) nach der zweiten Angabe
als „aus 295° Azimut gerichtet” und nad)
der eriten zu 32° geneigt angenommen;
der rüdwärts verlängert nedachte Bahn
ajt wies demnach zur betreffenden Stunde
und Minute auf den Stern „Delta“ in
der Jungfrau. Das wäre alſo die einiger
maßen befriedigend beftimmte Richtung
der Herkunft des Meteoriten. Ein mehr
als gewöhnliches Intereſſe liegt nun in
dent Umſtande, daR ebenda ein „Nuss
trahlungsort” von Meteoriten bekannt
iſt, welcher für meteoriiche Ericheinungen
in der Zeit vom 2, April bis 4. Mai
jedes „Jahres ald gut beftimmt, bezw.
erkannt angelehen wird. Es dürfte alfo
‚wahrfcheinlich fein, daß der am 5. Mai
1869 niedergegangene Meteorit, ald er
noch feinen kosmiſchen Lauf verfolgte,
jenen Scwarme angehörte, der eben
Ihon oft aus der Gegend von Delta in
der Jungfrau ber ſich bemerklich ge:
macht hat.
Glückliche Umftände haben ſomit eine
ajtronomiiche Rechnung ermöglicht: die
nicht allzuſchwer zu firtevende Bahnlage
von Kuſel aus, der nahe ſenkrechte Fall
aus dem Zentt des anderen Punktes und
die relativ bedeutende Entfernung beider
Beobadhtungsorte von der befannten Fall:
itelle. Sollte wieder ein derartiges glän—
zendes Ereignis bemerkt werden, jo wird
ed eine lohnende Mühe für die glüd-
lihen Augenzeugen jein, unter ftrenger
Selbitkritif die näheren Umftände zu no:
tieren, Orte mitbezug auf Horizontpunkte
oder, wenn es dunkel war, nach bejtimmten
Sternen anzumerken und außer guter
Zeitangabe brauchbare Größen zu firteren,
aber nicht nach „Metern“ oder gar „Arm:
längen“, die im leeren Raume feinen
Sinn haben, jondern vergleichsweife etwa
mit Monddurdhmefjern oder dem Abjtande
gewiffer Sterne in befannten Stern:
gruppen.
*) Erz. Wirkt. Geheimrat Prof. Dr. dv. Neumaper.
®rnitholegifches.
Die „Ornithologiihe Gejellihaft in | in erfter Linie die Lehrer zur Mitarbeit
Bayern? erläßt einen Aufruf zur Ein:
jendung von Beobadtungen des Früh—
jahrszuges der Rauchſchwalbe (Hirundo
rustica). Man will durch Mafjenniel-
dungen zunmächit dem „Wie?’, der „äuße—
ven Ericheinung diejes ebenjo anziehenden
ale dunkeln Naturphänomens, das wir
den Wanderzug dev Vögel nennen”, auf
die Epur fommen. Auch für unfere
engere Heimat hat diejer Plan Intereſſe,
und die Unterzeichner des Aufrufs: Dr.
Parrot (München), Seminarhilfslehrer
Bertram (Kailerslautern), Major a. D.
Frhr. v. Beſſerer (Augsburg), Direktor
Sallenfamp (München) und Stabsarzt
"Dr. Gengler (Erlangen) haben einen
erfolgfihernden Weg betreten, wenn fie |
bitten. Was 4000 ungarijche Volksſchul—
lehrer ım Jahre 1898 mit rühmlicher
Einmütigfeit betr. der Rauchſchwalbe ge⸗
leiſtet haben — ähnlich wie die Baftoren
beider Medlenburg bez. des Stores —,
das jollte auch den pfälziichen Lehrern,
Pfarren, Forſtleuten und Naturfreunden
ein Anſporn fein, gleiches Fundament
im Königreich Bayern zu legen für Er:
fenntniffe, die nun einmal nicht ohne
jelbjtlofe Mitwirkung weiter, berufener
Kreife zu gewinnen find. Zudem ijt die
Aufgabe, das Eintreffen der Rauch—
(Stall:, Dorf-, Stadel:) - Schwalbe zu
konſtatieren, die denkbar einfachite, zumal
auf dem Lande, wo fie mit Menjch und
Tier unter einem Dade hauft. Die
Sadje mag unwichtig und harmlos jchei-
nen; man wolle aber nicht vergeflen, dat
die Lüftung des Scleierd aud über
Keinen Geheimnifjen von großer Trag-
weite werden fann für Aufklärung ähn—
liher Phänomene, und daß alle natur:
wifjenichaftlihen Errungenichaften aus
jolher Kleinarbeit zahlreicher Spezialiſten
erwacjen jind. Helfen wir eimmütig,
eine gute Sache zu Fördern und damit
auch unſere engere Heimat mit neuer
Erkenntnis zu bereichern! Herr Bertram
wird Anmeldungen zur Mithilfe ent:
gegennehmen und bereits frankierte
Beobachtungskarten nebſt Ynftruftionen
an die freiwilligen Beobachter beſorgen.
Daß von den Ergebniſſen der Beobach—
tungen, deren Mitteilung mit dem Jahre
1906 erwartet werden darf, jedem Mit:
arbeiter Kenntnis gegeben wird, iſt eine
ichr liebenswürdige und bei ihrer finanziell
ungünfttgen Lage doppelt anzurechnende
Noblefje der „Ornithologiſchen Gejell-
— $.
Jahresverſammlung der „Pollichia“
Am 20. November letzthin fand in
Bad Dürkheim die 64. Jahresverſamm—
lung der „Pollichia“, naturwifjenichaft-
licher Berein der Pfalz, ftatt. Den Borjik
führte dev Ehrenpräfident, ©. Erz. Herr
Wirkt. Geheimrat Prof. Dr. v. Neumayer,
welder mahnte, das in der wiſſenſchaft—
lihen Welt beitens anerkannte Leben der
„Pollichia“ im Intereſſe der Forſchung
friſch zu erhalten und den Verein aus—
zudehnen. Herr Kgl. Rektor Roth er:
ſtattete Jahres- und Geſchäftsbericht; die
Zahl der Mitglieder iſt 260, der Ehren:
mitglieder 19. Schenkungen und Kauf
ergänzten die Sammlungen; ein großes
Pfalzrelief kommt bald zur Aufſtellung.
Tauſchverkehr beſteht mit 160 gelehrten
Geſellſchaften.
Prof. Dr. Rudolf in Straßburg refe-—
rierte über „Die Organijation des Erd
beben-Beobadhtungsdienftes in der Pfalz“,
für welche als Stationen Speyer, Kaiſers—
lautern und Zweibrüden in Ausſicht ge
nommen find und außerdem freiwillige
Mithilfe erwartet wird. — Erz. v. Neu:
mayer hielt Vortrag Über * 3. —
lage erſcheinendes Werk „Anleitung zu
wiſſenſchaftl. Beobachtungen auf Reiſen“
(3 Bände), das natürlich auf die Zwecke
der Koloniſation und das eminente mo—
derne Hilfsmittel der Photographie ge—
bührend Rückſicht nimmt. — Herr Dr.
Zſchokke, Direktor der Wein: und Obſt—
baufchule in Neuftadt, ſprach über Sonnen»
Ichein-Autographen, da eine Station zur
Beitimmung der Dauer des Sonnenſcheins
inmitten der pfälziichen Weinkultur, in
Neuftadt, errichtet wird. Brof. Dr.
Chr. Mehlis referierte über „Steinzeitliche
Niederlaffungen” zwiſchen Neuftadt umd
Speyer (bei Neuſtadt, Haßloch Wald—
höhl), Lachen-Speyerdorf, ꝛe) — Von
anderem möge ferner erwähnt ſein die
kartographiſche Darſtellung von Herrn
Dr. 9. Schäfer in Neuftadt „Verbreitung
des Rehwildes in der Pfalz mit Berüd-
Jihtigung der au einzelnen Standorten
beobadıteten Geweihſtärke. Auch die Er-
richtung eines naturhiſtoriſchen Muſeums
in Dürkheim — ein kleiner Anfang iſt
ja vorhanden — wurde befürwortet.
Mom Indenfriedhof zu Worms.*)
Man jchreibt ver Frankfurter Zeitung | zu Worms“ herausgegeben. In neuerer
aus Worms: Im Jahre 1855 hatte Dr.
Lewyſohn, Prediger der hiejigen israe—
litifchen Gemeinde, „60 Epitaphien von
Grabjteinen des israelitiihen Friedhofes
Zeit hat der Vorſtand der Gemeinde den
Beſchluß gefaßt, die Arbeit Lewyſohus
fortjegen zu lafjen. Seit ungefähr fieben
Jahren werden alljährlid die Inſchriften
*, 68 it jelbjtverjtändfich, daß die „Pfälziſche Heimatkunde” nicht engherzig auf Materialien,
die *
bedenkli
ınnerbalb der blauweißen Grenzpfähle liegen, angewieſen ſein will;
dem Artikel über Verhältniſſe der alten Reichs- und Nachbarſtadt Worms Raum.
wir geben daber un—
von 130 Grabfteinen entziffert. Man iſt
jegt bei No. 1043 angekommen und die
Arbeit wird wahrfcheinlich in zwei Jahren |
Soviel läht ſich
jegt ſchon überbliden, daß einem jeden |
Forſcher, der die Geichichte der Wornier |
zu Ende geführt jein.
jüdiichen Gemeinde — einer der älteften
jüdischen Gemeinden Deutichlands — er:
gründen will, neben den Dokumenten des
Archivs auch dieje Aufzeichnungen als
wertvolle und jchägenswerte Hilfsmittel
dev Forſchung ſich darbieten werden.
No. I von Lewyſohns Epitaphien ent:
hält die Grabjchrift einer „Frau Segirah,
Tochter des Rabbi Sammel, der wegen
feines Glaubens ermordet wurde”. Als
Jahreszahl las Lewyſohn 900. Er gibt '
in einer Bemerkung allerdings zu, daß
er in dem hieſigen Memorialbudh den
Namen Segirah nicht gefunden habe.
Der Stein wurde des Öftern, aber ver:
geblich gejuht. Bon einem Straud)e
verdedt, wurde ev emdlid vor einigen
Wochen gefunden. Da er feinerzeit veno-
viert wurde, fonnte man auch die Jahres—
zahl 900 deutlih leſen. Ginige Tage
Ipäter wurde die Inſchrift eines andern
Steins, nicht weit von dem exjten ent»
fernt, entziffert, die deutlich die Jahres:
zahl 1145 trug und welde einer „Frau |
21
| Peruza, Tochter des Rabbi Sautuel, der
wegen feines Glaubens ermordet wurde”,
gewidmet war. Da auf beiden Leichen-
fteinen der gleiche Bater genannt wurde,
und zwiichen dem Tode der einen Tochter
und dem deranderen ein Zeitraum von 245
Jahren liegt, jo war es geboten, da die
Jahreszahl des zweiten Steins deutlich
zu lejen war, nochmals die Inſchrift des
erjten Steind genau zu unterſuchen. In
der Tat stellte fich heraus, daß Lewyſohn
an einem Buchftaben das Häkchen über:
ſehen hat das fi) mit dem Finger genau
fühlen läßt, wodurd der Buchſtabe eine
andere Geftalt und einen anderen Zahlen:
wert erhält, ſodaß das Alter des Steins
um 200 Jahre weitergerüdt werden muß.
Rabbi Samuel it alio wahriceinlid)
1096 ermordet worden und feine beiden
Töchter find 1100 und 1145 geſtorben.
Der Irrtum Lewyſohns wird noch da-
durch ılluftriert, daß bei der großen Zahl
entzifferter Inſchriften auch nicht eine
einzige aus dem 10., wohl aber viele
aus dem 11. Jahrhundert gefunden wur:
den. Es ſcheint aljo der Friedhof wahr:
ſcheinlich 1034 angelegt worden zu jein,
alfo zu derjelben Zeit, in welcher die
Synagoge erbaut worden tft.
3. Rolhſchild.
Bildhauer Anguf Brumm 7.
Am 23. Dftober 1904 trug man in |
Solln bei München die vergänglichen
Hefte eines Mannes zugrabe, welcher es
verdient, in der Erinnerung feiner pfäl-
ziichen Landsleute fortzuleben jeiner Hei—
mat zur Ehre. Er war zwar in der
Lage, indem er für andere Zwecke hehre
Denkmäler ſchuf, fich jelber Malſteine zu
ſetzen, die hoffentlich Generationen er-
freuen und überdauern; aber auch an
diefer Stelle jei jeiner rühmend gedacht.
Im Jahre 1862, den 26. Mai, in
Ulmet am lan geboren, bejuchte er die
Boltsichule dort, verfuhte e8 an der
Lateinſchule und Realſchule je ein Jahr,
im Kaufmannsjtande einige Fahre und
mußte durch eine jelbftfumponierte und
ausgeführte Qaubjägearbeit — ein Schwei-
zerhaus — für jeinen wahren Beruf ent
det werden! Im 19, Jahre endlich
ließ man ihn zur Kunſtſchule nah München
ziehen, welche Gunft er nach zwei Jahren
mit einem ehrenden Auftrage jeines Pro»
feſſors quittierte, der ihm 8 Kinder:
geitalten für Neuſchwanſtein zu fertigen
gab. Während jeines A'sjährigen Auf:
enthalte® an der Akademie erwarb er
1 bronzene, 2 fleine und 2 große filberne
Medaillen für ausgeitellte Arbeiten. Se.
Kal. Hoheit, der Prinzregent Luitpold
unterftügte den Schnell aufitredenden
Künftler mehrmals freiwillig; auch erhielt
er das große Reileftipendinm für Italien.
Arbeiten dieſer Periode waren Figuren
nach Koburg, aud ein Grabdenkmal dahin
und das Friegerdenkmal in Ingolſtadt,
für das er als eriter unter 22 Bewerbern
den 1. Preis befam. Ähnlich verhält es
fih beim Edenkobener Friedensdenkmal,
welches er zudem ſeinem Entwurfe getreu
durchführte und licber nicht auf die Koften
kam, als daß er fein erfted größere Werk
nadträglih aus Sparſamkeitsgründen
beeinträchtigte. 1896 verfertigte er für
feine verftorbenen Eltern in Ulmet ein
Monument, 1900 ein folches für Deides- |
heim (Familie Buhl), welches ihm in
München (internationale Ausitellung) die
goldene Medaille einbrachte; es war die |
Beranlaffung zu einem neuen münchener
Auftrage. Auch die „Balatia” auf der
neuen Luitpoldbrüde in München ift fein
Wert. Außer Konkurrenz fertigte er 2
22
|
Figuren zum Rathaus in München und
auf Wallots Beranlaffung den Bild» |
ſchmuck am bayerifhen Südportal des
Neichdtagsgebäudes. Sein leytes großes
Werk, der für Aweibrüden beftinmite
Luitpoldbrunnen, der ihm wieder einen
1. Preis bradte, it im Modell fertig
und wird von der Freundeshand des
Profeffors Floßmann ausgeführt, die ihm
dem Bernehmen nach aud Fein eigenes
Grabdenkmal in Solln Schaffen wird,
— wir erinnern nur an Liebig. Seine
phänomenale Entwidelung als Künitler,
jein genialed und äußerſt fruchtbares
Schaffen iſt uns ein Troit gegenüber
jeiner mehr oder weniger verfebiten
Leitung in jeiner Jugendzeit. Wir finden
e8 ganz in der Ordnung und fühlen eine
Art Erleihterung in dem Bewußtſein,
daß unſer geliebter Prinzregent gut
machen half, was ein ungenügendes mo—
dernes Grziehungsiyiten zu verderben
auf dem beiten Wege war. Dem Legten
feiner Sculklaffen verlieh Se. KHönigl.
' Hoheit ohne äußere Veranlaſſung den
Titel eines Kol. Profeſſors der Aka—
demie und bejucdhte ihn noch auf dem
Seranfenlager. Halten wir das Andenken
eines pfälziichen Künftlers und Genies
hoc, eines Menschen, der ſich als jelbit:
gemachter Mann durchgerungen hat, bis
ihn die Öffentlihe Anerkennung in die
Reihen der Eriten ftelen mußte. Auf
‚ der Höhe des Lebens und des Schaffens
Drumm war ein Schüler, der zu |
nichts taugte; es gitt und gab noch ſolche
hat ihn ein grauiamer und doch freund«
licher Tod jäh abgerufen und die Mit
lebenden um fo empfindlicher fühlen laſſen,
was fie an ihm hatten und noch bätten
erwarten dürfen.
Mallerdampf-Eruption bei Menfadt.
In meuefter Zeit wurde aus der
Gegend von Neuſtadt a. H. eine inter
eſſante Wahrnehmung berichtet. Zwei
Kilometer weitlich der Stadt beginnt das
befannte „Schöntal“ mit ſeinen auziehen—
den Anlagen. Seine nördliche Begrenzung |
ift der 419 m hohe Königsberg, auf dem |
die Generalitabsfarte eine „Römerſchanze“,
nämlich einen Wall verzeichnet. Die Höhe, |
welche als Ausfichtspunft beſucht wird, |
ift von der „Königsmühle* aus in Ser—
pentinen zu erreichen. Auf diefer Süd—
oftflanfe des Berges liegt nun das ſo—
genannte „Heidenloch“, eine natürliche
Felſenhöhle von IO m Tiefe 36 m Länge.
Etwa 25 m oberhalb befindet fich eine
Felſenkluft im Buntjanditeine, zwar nur
60 cm hoch, aber am Eingange 2,30 m
breit und allmählıh auf 80 cın ſich ver:
engernd. Die Kluft führt 5 m meit
horizontal in den Felien.
Wenn nun die Außentemperatur unter
ven Gefrierpunft finkt, jo entweicht der
Höhle eine Dampfjäule, die oft 4—5 m
body wird, aber bei nebeligen Wetter,
wenn alio dev Dampf in der mit Feuchtig—
keit gelättigten Luft langiamer aufge:
nommen wird, auch die dreifache Höhe
erreichen joll, wie Herr Fabrikant L. Heck
mitteilt. Man kann alſo das Entweichen
eines ſtark durcchfeuchteten Luftſtromes
aus den Spalten des Gebirges ald Tat:
ſache hinnehmen; das Merfwürdige aber
ift die hohe Temperatur der Dampriäule,
die rund 10° Gelfius betragen Joll und
es den Grälern und Kryptogamen, die
um inneren der Borhöhle gedeihen, er—
möglicht, immer grün zu bleiben. Natür—
lich hat auch die Tierwelt bier einen ans
genehmen Schlupfwinkel gefunden und
die Eilen haben ſich da wohnlich ein-
‚ gerichtet.
Ganz Süddeutichland ſoll keine der- |
artige Erhalation aufweilen; diefe Be: |
hauptung muß aber angeficht8 der höhlen- |
reichen Juragegenden und der leicht er-
Härbaren Zirkulation verichieden warmer
Luftmaſſen innerhalb kommunizierender |
Räume etwas vorfichtig aufgenommen |
Dagegen mag die Entweichung |
eines relativ warmen und zugleich feuchten |
werden.
Luftftromes einzigartig fein. Es könnte
mit der einstweiligen Bermutung feine
Richtigkeit haben, daß tief in der Erd—
rinde — vermmtlih ein Drittel eines
Kilometers — cine Waſſeranſammlung
ſich vorfindet, deren nadı Maßgabe der
Tiefentemperatur ziemlich ſtarke Ber: |
| dunjtung fi bis an die Oberfläche be
| merkbar macht, weil Epalten und Riffe
| das Emporjteigen der Dänpfe ermög-
| lichen. Dazu muß man weiterhin vor-
| ausjegen, daß andere Röhren die Außen:
| Luft vermöge ihrer Schwere an die Wärme:
und Dunjtquelle hinuntergelangen lafjen.
Eine genauere Kenntnis der Umſtände
| läßt fich nur gewinnen, wenn wenigitens
| während eines Jahres ununterbrodene
| Beobachtungen des Feuchtigkeitsgehaltes,
| der Temperatur umd der Ausſtrömungs—
| geichwindigfeit des Luftſtromes angeftellt
amd mit Nüdjicht auf den jeweiligen
Luftdrud und die Außentemperaturen
bearbeitet jein werden. Ä
Himmelserfcheinungen.
2 Die nächften Wochen bringen auch am
Himmel einiges Intereſſante, das wert
it, zu geeigneter Stunde angejchen zu
werden. Wir bringen dieje Mitteilungen
in der Nbficht, bei den Lejern eine ge—
wife Scheu vor ter Reichäftigung mit
Vorgängen, die ſich am Himmel abipielen,
zu befiegen.
über Studieren. Wer fich nur im Befige
des „Yahrer hinfenden Boten” oder „Ein:
ſiedler Kalenders“ mit ihren in Sym-
bolen ausgedrüdten ausführlidhen
Angaben der himmliſchen Ereigniſſe be-
findet, und mer nur wenigitens cin
Opernglas, cinen FFelditecher oder ein
terreftriiches Fernröhrchen von geringer
Größe benügen kann, wird jehr überraicht |
und hocherfreut fein, wie viele und eigen-
artige geiftige Genüſſe er fich durch einige
Minuten aufmerfiamen Suchens am
abendlichen Himmel bereiten kann. Um
den 22. Januar herum 3. B. iſt eine
Gelegenheit, den jo ſchwer fichtbaren
Planeten Merkur vor Sonnenaufgang |
im Südosten zu finden. Am 27. Januar
fteht der Mund als legtes Viertel dicht
bei einem vötlich blinkenden Sterne,
Gold im
Eine neue Entdeckung wurde in letzter
Zeit wieder im Bliestale gemacht; wie
bereit3 früher berichtet, wurde gelegentlid)
Probieren gebt auch bier |
| welcher der in den legten Jahren
| jo vielbeiprodene Mars it; in einem
Fernrohre fieht er wie ein Blutstropfen
| aus. Eine glänzende Konitellation tritt
am 9. Februar ein, wenn die ſchmale
' Sichel des Mondes, deſſen unbeleuchteter
Teil matt im Scheine des Erdenlichtes
glimmt, zwiichen dem hellſtrahlenden
Abendjterue, der Benus, und den gleich-
' falls ſehr hellen Blaneten Jupiter jteht.
' Meben legterem Eanı man mit ganz
fleinen Fernrohren ſchon Jeine vier,
gewöhnlich in einer geraden Linie ftehenden
Begleiter oder Monde jehen. Die Venus
wird von Tag zu Tag heller und kann
in zwei Monaten jogar unter Umftänden
am hellen Tage — nachmittags —
auf dem blauen Himmelsgrunde gefunden
werden. Am 14. Februar tft die jchein-
bare Entfernung der Venus von der
Sonne am größten geworden. Wir weijen
schon jegt auf die am 19, Februar abends
von 7 bis N Uhr fihtbare teilweife Mond-
finfternıs Hin, deren Demonjtration
| auch den Schilern ein willkommener
Genuß fein wird.
Bliestale.
der Suche nah Kohlen in dem Gebiete
| der Blies Gold gefunden, worauf man
an verſchiedenen Stellen Bohrungen vor-
—
nahm. Es ſtellte ſich nach der „gZweibr. Chemiker und Profeſſoren aus Straß—
Ztg.“ dabei heraus, daß im ganzen Blies- burg und London wurde feſtgeſtellt, daß
gebiete, von Reinheim bis nad) Saar | etwa 10 Zentner Erde 8 bis 10 Gramm
gemünd, ſich Goldablagerungen im Ge | Gold enthalten, und es erichien daher
ftein und im Sande befinden; bejonders | die Ausbeutung ziemlich gewinnbringend,
günftig erichien das Ergebis auf dem | zumal man mit den heutigen Mittel im—
preußiichen Ufer zwiichen Auersmacher | ftande iſt, alles Gold aus dem umgebenden
und Bliesransbah. In dem Gelände | Geitein und Sande zu ziehen. Im Sommer
zwilchen Auersmacher und SHanweiler | vorigen Jahres wurde jedoch durd einige
wurde allerdings, wie geichichtlich Feit- | Bergbaubeamte von Bonn feitgeitellt, daß
geitellt ift, vor einigen Jahrhunderten | fich eine Ausbeute wegen der allzu großen
Gold gegraben, woraus in der Haupt | Unkoſten, wie Bahnverbindung nah Han
ftadt Lothringens, Meg, Geld geprägt | weıler ujiw., nicht lohnt, und man ftellte
wurde. Warum das Berfahren feiner | daher das Verfahren als ausfichtslos ein.
zeit dort eingeftellt wurde, darüber it | Ein Herr aus Saargentind, welder der
man ſich bis jet noch) im unklaren, doch Sache Aufmerkſamkeit entgegenbringt und
nimmt man allgemein an, daß durch die | jchon viel Geld dafür ausgegeben hat,
damaligen langen Kriege und infolge | bejigt einige Materialien dieſer Gegend,
Mangels an Arbeitskräften das Ber- | in denen man das Gold deutlich erkennen
fahren eingeſtellt und Später nicht wieder | kann. In neueſter Beit wurden jedoch
aufgenommen, ſomit vergefjen worden it | wieder Unterſuchungen vorgenommen,
— befanntlih war ja nad) dem dreißig: | woher man fand, daß eine Erdſchicht
jährigen Kriege das männliche Gejchlecht | unter den Goldablagerungen die
beinahe vollftändig ausgerottet, und man | Feinften Karbitoffe ceuthält; nad)
fonnte in mehreren Dörfern juchen, um | Ausjage eines Chemikers jei die Ans:
einen jungen Mann zu finden, nur Greiie | beutung diefer Erde lohnend.
und Kinder waren zu jehen. Durch einige
Umfrane.
2. Unjerer Erfahrung gemäß bejteht richtes bitten wir, auf die Kreuzotter
über das Auftreten der Krenzotter | bezüglice Angaben über Fundorte,
in der Pralz eine große Meinungsver- | Häufigkeit, jahreszeitliche Beobachtungen,
ſchiedeuheit. Auch bier können wir die , Terrainbeichaffenbeit, Traditionen in der
Dritteilung politiven Materials in Aus- Gegend, Unglüdsfälle u. dgl. an uns
ſicht ſtellen. Im Intereſſe einer gewiffen | gelangen zu lajjen. D. Sch.
Rollftändigkeit des diesbezüglichen Be:
An unfere Leſer.
Wir machen darauf aufmerkſam, daß der 1. Jahrgang der „Pfälziſchen
Heimatkunde”, welche nad Ausweis des bisherigen Inhaltes ganz entichieden
praftiihen Zweden neben den unterhaltenden dienen will, mit den bereits
vor Neujahr herausgegebenen beiden Probeberten 14 Hefte umfajlen wird und
hoffen auch aus dieſem Grunde auf zahlreiche Unteritügung unjeres Unternehmens
duch Abonnement und literariiche Beiträge.
Der Verleger. Der Schriftleiter.
DIndalt: Der Metcoritenfall bei Krähenberg (Pfalz). — Ornithologiſches. — Jahresver—
fammlung der „Bollichia”. — Nom udenfriedhof zu Worms — Bildhauer Auguit Drumm 7. —
Waflerdampf-Eruption bei Nenitadt. Dimmelserfcheinumgen. — Gold im Bliestale — Umfrage.
— An unfere Leſer. —
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sautb, Landjtuhl — Hermann Kayſer's Verlag, Raiferzlautern.
Alter Form und Anbalt der Beiträge find die Serien Berfaffer verantwortlich.
Die „Pfalziſche Heimatkunde” Lofter jährlich in 1% Heften ME. 2.50. WBeflelungen twerden von allen Buchhandlungen und
Voftanftalten ferner vom Berleger (Portofrete Strelfbandiendurg) angenommen.
=
a
— WERE OL ERDE _ bio
Inneres des Sieges- und Friedensdenkmals bei Edenkoben.
(Beilage zur „Heimatkunde“ Nr, 4 1995
I. Jahrgang.
. Nummer 4.
Februar 1905.
FPALZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
U}
EMINHUETR
Als im Sommer des Jahres 1870
die Schreden eines unabwendbaren Frie:
ges nach dem Plane des „böjen Nad)-
barn im Weften“ ihre traurigen Spuren
auf deutſcher Erde zeichnen jollten,
da war es die Pfalz, die oft verwültete,
die auch diesmal das Kampffeld abzu-
geben ſchien. Kühne Borausficht und
weile Einrichtungen aber bewirften, daß
wohlgerüftete deutiche Deere in über:
raihender Schlagfertigkert und glühender
Begeiiterung für die Verteidigung ihrer
bedrohten Güter die Wacht amı Rhein
bezogen. Da war der drüdende Alp
von den Pfälzern gewichen. Mit wär-
merem Danke wird kein deutiches Land
den Siegedzug der unermüdlichen Trup—
pen verfolgt haben als die Pfalz; ihr
gebührte es auch, den Gefühlen ihrer
Bewohner, die lange genug eine bange
Grenznachbarlichkeit erlebt hatten, leben:
digen, ſichtbaren Ausdrudf zu verleihen
in einem hehren Denkmale. Wo konnte
dafür ein befjerer Bla gefunden werden,
als an der Höhe, an deren Fuß ſich die
von Fruchtbarkeit jtrogende Ebene breitet,
deren Hänge mit Nebenlaub befränzt
find und wo der Blid ungehemmt über
die Fläche der heute noch pfälziichen
Gefilde hinüberichweift in Eurpfälziiches
Land, ja bi8 an die alte Reſidenz Hei—
delberg! Grund und Boden des Den:
Das Sieges- und Friedensdenkmal bei Edenkoben.*)
L/
Pf.Gi
mals hatte ſchon hiſtoriſch anmutenden
Klang: es ift der zu Ehren ded Generals
v. Werder, der im Jahre 1871 den
drohenden Einbruch der fFranzöfiichen
Urmee unter General Bourbafi in die
Flanke unjeres Heeres mit heldenmütiger
Kühnheit zurüdgemwieien hat, Werder.
berg genannte Ausläufer der Höhen
weſtlich von Edenkoben, am nördlichen
Ufer des Gemwäljers, das vom Schänzel
herab das anmutige Edenkobener Zal
durchfließt. Vor uns der „reiche Gottes»
garten“ der Ebene; in duftiger Ferne
die breite und turmgezierte Gilhuette
des ehrmürdigen Kaijerdomes zu Speyer,
der mit Heidelbergs erniten Ruinen an
alte deutiche Herrlichkeiten, aber auch an
Beiten gräßlicher Barbarei und tiefer
Schmad erinnert; zu Füßen ein blühen-
der Kranz mohlhabender Ortſchaften
und Städte; links hinauf die mittel«
alterlicdhen Nefte der Kropsburg, dahinter
auf fteiler Höhe das römische Kaftell der
Marburg; rechts hinab ein Lieblings-
aufenthalt Ludwigs I. von Bayern, die
f. Billa Qudwigshöhe und hod) darüber die
Nuinen der Rietburg: das ift der wür—
dige Rahmen, weldyer das Sieged- und
Friedensdenkmal umſchließt.
Schon von ferne madt die tempel—
artige Anlage des Denkmals einen großen
Eindrud auf den Beſchauer; die edle
*) Die Abbildung des Denkmals verdanken wir der Güte de8 Bürgermeijteramts Edenkoben.
Form ift im Ganzen einfach und würdig,
26
im Einzelnen aber prädtig und kraſt—
jtrogend. Hinter einer weit im Bogen
angelegten Terraſſe erhebt ſich ein maſ—
fiver Unterbau, von zwei Treppenauf:
gängen an den Seiten durdjiegt. Bier
ftrebt auf vier mächtigen Säulen der
auf 3 Seiten offene Tempel breit und
doch leicht empor, die gemwölbte Derte
ihon in den ſchwungvollen Bogen ver:
ratend, welde die Säulen verbinden.
An der hinteren Wand jehen wir 2 wohl
charakteriſierte Frauengeſtaiten, welche
ſich die Hand zum Bunde reichen und
die Einigung des Nordens und Südens
ſymboliſch darſtellen. Darüber werden
Volkes
die großen Männer einer großen Zeit
und mit ihnen die ganze deutiche Armee |
eehrt, welche im Siegeszuge dem deut:
Fe Namen Ehre und Ruhm, dem
deutichen Volke die lang erſehnte natio—
nale Einigkeit, das Fundament feiner
Wohlfahrt, errungen hat: Sailer Wıl-
beim I., der Stegreiche, König Rudıwig IT,
Prinzregent Luitpold, Reichskanzler Fürst
Bismard, Generalfeldmarichal! Moltke
und die Generäle v. d. Tann und Hart:
mann. Weber ihren Häuptern find Die
Wappen der zum Reiche zuſammenge—
ichmweißten Einzeljtanten in einem Bande
zufammengefaßt; wie Zweige entipriehen |
fie einem Stamme und ıhre Wappen
umranfen das gemeinfame Symbol, den
Neichsadler, In der Höhe der Kuppel-
wölbung aber ſtrahlt in meiſterhafter
Moſaik das Sinnbild der Einigung, die
deutiche Kailerfrone, als wolle fie das
gelungene Werk und die Größen, die
es jchufen, mit ıhrem Glanze übergieken.
Wie die Schönheit Über dem ſteiner—
nen Zeugnis unſerer Dankbarkeit an die
Vergangenheit ausgebreitet ericheint, To
reden auh Widmung und Ausiprüce
eine ernſte Sprache und weden gewich—
tige Erinnerungen. Da lieft man die |
Widmung: „Zur Erinnerung an die
glorreihen Stege von 187071, zum
Preiſe des ſiegreichen Bundesfeldherrn
und unſerer hochherzigen Landes- und
Bundesfürſten, zur Ehrung der großen
Heerführer und unſeres erſten Staats—
mannes wie zum Ruhm unſerer tapferen
Armee, zum Dank für die Rettung des
Landes, für ſeine Erhaltung bei Deutſch—
land und für die Einigung des deutſchen
im Reiche, errichtet von der
dankbaren Pfalz 1895—1899.“ Auf einer
anderen Tafel ſind geſchichtliche Merk—
ſteine bezeichnet, beginnend mit der
Kriegserklärung vom 18. Juli 1870 und
endigend mit dem Friedensſchluß vom
10. Mai 1871 und den Worten: „Gott
war mit uns, ihm ſei die Ehre!” Eine
dritte Platte verewigt denkwürdige Aus:
jprüche Kaiſer Wilhelms J. König Lud—
wigs I, Bismarcks und des Reichs—
tages; darunter der von König Ludwig M.:
„Mit Begeiiterung werden meine Trup—
pen für deutiches Recht und deutſche
Ehre den Kampf aufnehmen. Möge er
zum Wohle Deutjichlands und zum Heile
Bayerns werden” (20. Juli 1870). So—
dann die Raiierproflamation: „Uns und
Unjeren Nacfolgern in der Kaiſerkrone
wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer
des Reiches zu ſein, nicht in Eriegerifchen
Eroberungen, jondern in den Werfen
des Friedens, auf dem Gebiete nativ:
naler Wohlfahrt, Freiheit und Gefittung
(18. Januar 1871). Ferner Bismards
Worte: „Wir Denutichen fürchten Gott
und ſonſt nichts in der Melt! Gott
wird mit uns fein!” (6. Februar 1887).
Bor dem Tempel hält unter freiem
Himmel ein Germane body zu Roh, eine
padende Idealfigur voll männlicher,
jugendlidh kraftvoller Schönheit, eine
Friedensgeſtalt, Die dem Volke zuvuft:
„Es iſt wieder Friede worden unter den
Völkern, freut Euch deilen, frohlocket!
Setd aber eingedenf deilen, was Sud
den Steg und den Frieden gebracht;
jeid einig und wach und Ahr werdet
itark fein und Frieden haben! Danadı
tuet allezeit!”
Das Denkmal, eine Perle unter den
in der Pfalz nicht allzu zahlreichen künſt—
leriſchen Schöpfungen, iſt ein Werf des
jüngft verstorbenen Pfälzers Auguſt
Drumm nad Entwurf und Ausführung.
Hoc oben am Geftimfe lieft man in be-
icheidener Andentung „A. D.“ Der
Baumeilter Chr. Hode von Kreuznach
it der Erbauer des Tempels, deffen Zur-
ftaudefommen einem rührigen Kreiſe
patriotiſcher und opferwilliger Männer,
an ihrer Spitze
Ruby ın Edenkoben, In eiſter Linie zu
danken ift. Die Mittel flojfen aus Bei-
trägen von Pfälzern in und außer der
engeren Heimat, de8 Denkmalvereins,
der Stadt Edenkoben, von bayerischen
Freunden des Unternehmens, von Ber:
einen, des Landrates der Pfalz, insbe-
jondere auch von Se.
Brinzregenten Quitpold und jämtlichen
bayerischen Prinzen und aus Mitteln
der Staates zur Förderung der Kunſt.
Das Baumaterial für den Tempel,
die Eeitenflügel, den Aufgang zur Platt-
form, die Terraffe und ihre Treppen:
anlagen entitanmt den Steinbrüden
bet Edenkoben; die Ehrengruppe ir in der
k. Hoheit, dem |
27
Dberlandesgerichtärat | Apſis iſt Donaudolomit; die Bronze des
ı Heros zu Pferde ift aus Kanonenmetall,
welches das bayeriiche Kriegsminiſterium
geipendet hat; der Buß des Heros er—
folgte in der v. Millerihen Erzgießerei
in München, wo jeinerzeit aud die Ba—
varia vor der Ruhmeshalle in Münden
qegojfen wurde Auf der Plattform des
Tempels, zu welcher man auf einer an
der Hinterjeite angelegten Qireppe ge
langt, befindet fi eine Orientierungs—
tafel von Bräparandenlehrer Lenert,
welche die entzücdende Ausficht erläutert.
Die Einweihung des Denkmals geihah
am Gedanstage 1899 unter Anweſen—
heit der pfälziichen Kriegervereine.
e „Mittelenropäilche Beit“ in der Pfalz.
Der tteigende Eiſenbahnverkehr, be-
ſonders aber die in den legten Jahr—
zehnten beftändig geiteigerte Geſchwindig—
keit der Perjonenzüge, die poftalischen
und mit den ZXelegraphendienfte zu:
ſammenhängenden Bedürfniſſe haben be»
fanntlich ein Übereinkommen gezeitigt,
nah welchem ın gewiſſen Ländern und
Sonenitreifen der Erde eine für die
Allgemeinheit giltige Zeitrechnung Gel:
reih-Ungarn vom 1. Dftober 1891,
Bayern, Württemberg, Baden und Elſaß—
‚ Lothringen vom 1, April 1902 ab diete
tung haben fjoll. Im Sabre 1883 hatte |
ihon die Europäiſche Gradmefjungs:
fommtifion in ihrer Sigung zu Nom
den Borichlag gemacht, e3 möge der
Meridian von Greenwich den Anfangs:
meridian für eine rein wifjenichaftlichen
Zweden dienende Weltzeit bilden.
Anwendung
von Stundenzonen:
zeiten gemadt, deren Mittellinien die |
Meridiane 75°, 90', 105” und 120°
weſtlich von Greenmich bilden. Seit 1879
hat übrigens Schweden ſchon den 15.
ö. v. Grw. ald Nom für jeine
einheitliche Eiienbahnzeit benügt. Der
Beneralvertammmlung des Deutſchen Eiſen—
bahnvereins in Dresden (1890) tag nun
ein Antrag der Ungar. Staatsbahnen
vor, nach welchen im Sommer 1891 im
Bereinsgebiete diefer 15. Längengrad
in der Berechnung einheitlicher Uhrzeit
gelten jolle.
Wirklich nahmen Deiter |
en. | Randesgrenzen erhöht worden it.
Daraufbin hat Nordamerika jchon 1884 |
Zeit an und das übrige Deutichland
tolgte hierin ein Jahr ſpäter. Auch
Luremburg, Bosnien und Serbien ſchloſſen
ih an, wogegen Länder mit ziemlicd
oder ganz abgeſchloſſenem Verkehr, wie
Norwegen, Dänemark, Stalien, auch die
Schweiz, eine Landeszeit einführten.
Es muß ohne weiteres zugegeben werden,
daß die Aufitellung der immer Eompli«
zierteren Fahrpläne der europäifchen
Länder dadurch ebenio erleichtert, wie
die Betriebsficherheit und Zuverläffigkeit
der Anſchlüſſe beim Ueberichreiten von
Bor
wenigen Jahrzehnten hätte man wohl eine
ſolche Nüdficht auf das reiſende Publi—
kum als zu weitgehend eradıtet ; heute
aber gehört ziemlich jedermann zu dieſem
Publikum und genießt, wenn auch in
den meilten Fällen für feine Eleinen
Reiſen ohne Not, fiherlicd ohne Bewußt—
jein davon, die Annehmlichkeiten, welche
der Weltverfehr aus der Bereinfahung
dev Beitablefung geihöpft hat. Der
kleine FFehlbetrag oder Weberichuß, den
die wahren Uhrangaben haben erleiden
müſſen, um für die Ortszeit die „M. EZ.
einzutauschen, dient allen zum Nugen.
Woher die Unterſchiede zwiſchen wahrer
Drts- oder Sonnenzeit und der jet
geltenden M. E. Z. rühren, ſei fur; an:
gegeben. Die Dauer einer Erdum-
drehung hat man in 24 Abteilungen oder
Stunden (zu 60 Min., diefe zu 60 Sef.)
geteilt; der Erdumfang wird dabei be-
fanntlich in 360° zerlegt. Daraus folgt,
daß in jeder Stunde 15° in Längen:
rihtung (Oſt-Weſt) an der Sonnenziel-
linie vorbeipaflieren und jeder Grad
braudt demmad; 4 Minuten dazu. Am
quator, wo 1° 111 km, rüdt aus
diejem Grunde um die Zeit der Früh:
lingd- oder ker der Ort
ſenkrechter Beitrahlung pro Sekunde
463 m gegen Weiten; in höheren jüd-
liden und nördlihen Breiten, wo die
Längengradlinien näher zuiammenrüden,
ift diefer Weg kürzer und beträgt in
der Pfalz nur gerade 300 m. Man fieht
daraus, daß genau nach wahrer (oder
auch mittlerer, d. h. gleihmäßig ge
dachter) Sonnenzeit gehende Uhren jchon
auf ziemlich geringe Entfernungen im
Richtung Oſt-Weſt merklich abweichende
Angaben liefern müſſen. Alle öftlich
von uns gelegenen Länder haben die
Sonne vor und; auch ihre Uhren müfjen
alle Angaben früher aufweiſen als die
unfrigen und gehen daher vor lekteren.
Andererjeit3 befommen weitliche Gegen-
den die Sonne und fomit die Tages:
zeiten jpäter als wir, weshalb ihre
Uhren jemweild unjere Zeitangaben noch
nit erreiht haben, alio nachgehen.
Diefe Berjchiedenheit abjoluter Zeitan—
gaben ift durchaus nicht nebenjächlich
oder für das Verkehrsleben bedeutungs:
(08. Wir wollen zur Erklärung, in
welhem Umfange der ununterbrochene
Buß der Zeit um die Erde herum ins
ewicht fällt, zwei Beiſpiele wählen.
Das Dorf Hütichenhaufen ift von Oſten
bis Weiten 1800 m lang; da in unferer
Breite Schon eine Strede von 300 m
Länge eine Zeitjefunde Unterjchied be-
deuten, jo hat das erite und legte Haus
dieje8 Dorfes ganze 6 Sekunden Diffe-
renz, d. h. das Ditende hat um b Gef.
Früßer Mittag ald das Weſtende, was
ja praftijch nichts heißen will. Sehen
wir aber die Strede vom Rheinufer bei
Altrip bis zur Wejtipige der pfälziichen
28
Landesqrenze (Sulzbadher Glashütte) an,
jo macht die Entfernung ſchon 346 Sef.
oder 5 Minuten und 46 Sefunden aus,
was jchon für jedermann eine unleid:
lihe und als recht jtörend empfundene
Differenz ift, zumal, wenn auf den Bahn:
verkehr Rüdjicht genommen wird. Wenn
ſchon in einem Eleinen Landesteile zwiichen
den öftlichen und weftlihen Grenzen jo
ftörende Zeitunterſchiede vorkommen,
dann ift ohne meiteres rerjtändlidh, dat
in Rändern, wie Bayern oder gar Preußen,
die Einhaltung der Sonnenzeit geradezu
ein Hindernis für den fteigenden Berkehr
werden mußte. Anfangs half man ſich
mit einheitlihen Seiten für begrenzte
Gebiete; die ungeahnte Entwidelung
unſeres Eiſenbahnweſens überwand dieje
Zwiſchenſtufe der Abhilfen und brachte
uns endlich vor vierzehn Jahren die
Einheitszeit des 15. Läugengrades (Gör—
litz Stargard), die um eine volle Stunde
von der Greenwicher Zeit (für wiſſen—
ſchaftliche Zwecke angenommen) abweicht.
Wir find nun gehalten, von unſerer
wahren Zeit etwas abzulafjen, um die
M. E. Z. zu benügen, weil wır von dem
15. Grad eine berrädhtlide Strecke ent-
fernt find. Man jagt, die Abweichung
betrage eine halbe Stunde. Wır haben
aber geliehen, daß dies nur für eine ge
wife Linie der Fall jein kann. Dieje
wird in dev Pfalz durd folgende Drt-
lichkeiten bezeichnet: Eſchenau amı Glan
(Ditrand), Friedelhaufen am Potzberg
(Wefthälfte), Föckelberg am Potzberg
(Oftrand), Mitte zwiſchen Fockenberg
und Neunfirhen, Mitte zwiihen Spes-
badı und Hütichenhauien, Ede der Staats—
ftraße öftlid von Hauptftuhl, Yangmwieden
(Weitende), Mitte zwiihen Knopp und
Biedershaufen und Weftrand von Botten:
bad). Der durch dieje Punkte ziehende
Meridian weicht aenau 1800 Sekunden
von der M. E. Z. ab, alle Orte gegen
Diten weniger, die gegen Weiten mehr.
Seitdem ſich auch die bürgerliche Tages-
ordnung nad der amtlihen M. E. Z.
richtet, bat wohl faum jemand das
Empfinden eınervom Sonnenlaufe weient-
lich abweichenden Beitzählung — außer
denen, welde durch ihren Beruf die
wahre Ordnung der Ereigniffe von dem
Uebereinfommen trennen müffen. Gleich—
wohl ift e& auch für den Prälzer inter:
efjant, für feinen Wohnort zu willen,
um wieviel er dev wahren Zeit mit
feiner Uhrangabe voraus ift. Es mögen
hier für einige Orte die Differenzen
gegen 15 Grad Länge folgen. Brüde
zwiſchen Saarbrüden und St. Johann
(32,00 Min.), Angbert (31,51),
Blicäfajtel (30,94), Homburg (30,61),
Zweibrücken- Zunbach (30,50), Glan:
münchweiler (30,21), Altenglan (30,13),
Sternwarte Landftuhl (29,73), Lauter:
eden (29,61), Wolfitein, Kindsbach, Bann,
Weielberg, Zeſelberg (Straßenmitte),
Höheindd, Pirmaiend (Mitte) (29,55),
Meißenheim am Glan (29,29), Kaiſers—
lautern Otterberg (28,90), Dahn (28,85),
Alſenz (28,71), Kreuznac:Winnweiler
(28,57), Hochſpeyer (28,39), Annweiler
(28,12), Bergzabern 7. v9), Kirchheim;
bolanden (27,94), Göllheim —— 1), Alzey:
Landau (27,52), Neuftadt (27,41), Grün:
jtadt (27,32), Dürkheim (27,30), Lauter:
burg (27,20), Frankenthal (26,58),
Worms (26,55), Germersheim (26,51),
Mannheim (Alte Sternwarte) (26,16),
Speyer (Rheinbrüde) (26,13) und Oſtende
der Pfalz bei Altrip (25,90).
Alle vorftehenden Minutenwerte jagen
und, um wieviel unjere Uhren nad)
Uebereinkommen vorgehen, aliv mehr an:
geben, al3 die Sonnenuhren. Wenn wir
aljo „Mittag“ halten, it es in Wahr:
beit erſt 11 Uhr 30 Minuten in runder
Zahl. Diefe M. E. Z. hat auch ge
legentlid einen anderen Vorteil als den
der WBereinheitlihung; wenn nämlich
irgend eine aftronomiiche Angabe unge:
rechnet werden muß, hat man bei uns
nit den Längenunterjcied zwiſchen
Pfalz und Greenwih in Rechnung zu
ziehen, jondern, da wir ja nicht pfälziiche,
Jondern Görliger Zeit haben, eine volle
Stunde zuzuzählen. Berichwinvet 3. B.
ein heller Stern am Mondrande nad
dem aſtronomiſchen Kalender (Grw. Zt.)
um 9 Uhr 3 Min. 26 Sek., io ichen
wir das Ereignis in ganz Mittel—
europa eintreten um 10 Uhr 3 Dem.
26 Sek. — ſonach iſt die Rechnung jehr
einfach geworden.
Es gibt heute nicht mehr jehr viele
29
— ——— — —— — — — nr —— —— — — —— —
Leute, welche ſo wenig Rückſicht auf
Verkehr und Zeit nehmen, daß ihnen
die eigenen Uhrangaben blindlings ver—
trauenerweckend erſcheinen. Nach Aus—
ſage von Fachleuten ſind auch die An—
ſprüche des großen Publikums an die
Zuverläſſigkeit einer Taſchenuhr erheblich
deſtiegen. Man darf alſo annehmen,
daß ſich im Laufe der Jahre ein Be—
dürfnis nach geringerer Unſicher—
heit der Zeitangaben herausgebildet hat
Dieſes rechtfertigt die Unterhaltung da—
rüber, wie man eigeutlich in den Beſitz
einer ganz und gar einwandfreien Uhr—
zeit gelangt. In richtiger Erkenntnis
des Wertes dieſes Elementes im ſozialen
Leben erteilt der Staat täglich genaueſte
Auskunft, was die Uhr geichlagen hat.
Nachmittags um Fünf Minuten vor drei
Uhr M E. Z. joll die Beförderung von
Telegranmmen in ganz Bayern ruhen;
zwei Minuten vor drei Uhr beginnen
die Apparate zu ſpielen und tiden etwa
zwanzigmal oder öfter MEZ. MEZ, MEZ;
zwanzig Sekunden vor drei Uhr bleibt
der Taſter niedergehalten, ſo daß bei
eingeſchaltetem Uhrwerk des Apparates
ein langer Strich auf dem Papierſtreifen
entfteht, welcher plötzlich durch das Zurück
ſchnellen des Taſters einen Abſchluß
findet. Dieſes Ende iſt das wahre Zeit:
moment „3 Uhr M. E. Z* Die unjict:
bare Urſache aller diejer Signale, welche
jäntliche Telegraphenämter des König:
reiches gleichzeitig erhalten, tit die Hand
eines Beamten der Münchener Stern-
warte (Bogenhauien‘, welcher ſich nad
einer unter fortwährender ajtro-
nomiſchen Kontrolle ftehenden koſt—
baren „Normaluhr” richtet, ſodaß der
Hörer des Signals in Hof, Würzburg
oder der Pfalz ſicher jein kann, das
Zeitmoment „3 Uhr“ bis auf Bruchteile
der Sekunde genau zu empfangen. Auf
kleineren Stationen fann jedermann das
Beichen abhören ; die dörflichen Stationen
erhalten dasielbe auf telephontichem Wege.
Nun haben aber die (mancherlei mecha—
niichen und thermiſchen Einflüffen aus:
gelegten) Taſchenuhren keineswegs einen
zuverläffigen Gang; man faun jagen,
dak jede einigermaßen in qutem Stande
gehaltene Pendeluhr Giegulator) em
befjerer und auf längere Dauer zuver—
läſſiger Zeitmeſſer iſt, als jelbit eine
„gute und teure” Taſchenuhr. Darum
ergibt fich die Forderung, die auf der
Poit enipfangene Zeit auf eine Pendel:
uhr bie und da einmal zu über:
tragen, wenn man innerhalb enger Gren—
zen feiner Tageszeiten ficher fein möchte.
Wer jih aus beionderen Gründen mit
„ebenio guter“ Eifenbahnzeit verjchen
will, darf aber nicht meinen, die „Bahn
uhr“ fei der paflende Vermittler, denn
dieje hat, wie man leicht Feititellen kann,
ihre Eigenheiten; auch bier muß dad
Ohr das telegraphiih anfunmende Sig:
nal abbören. Es bieibt nad dem Ger
jagten nur noch übrig, zu bemerken, daß
man fi) der einmal gewonnenen Zeit
am beften dadurch verfichert, daß man
jene Uhren immer um dieſelbe
Stunde aufziebt, 3. B. beim Abend-
fen, eine länger gehende Pendeluhr aber
jeden Sonntag ulm. Ein Unfug aber
it es angeficdhts des immer allgemeiner
werdenden Beitrebens nah einheitlicher
Meſſung der Tagesabſchnitte, wenn die
der ganzen Dffentlichfeit dienenden
Kirchennhren auf beiondere Weifung hin
„rünf Minuten“ vorgeben. Abgeſehen
davon, daß diefe Zugabe eine dritte
Zählung daritellt, welche zudem die un—
vermeidliche Abweichung von der wahren
Zeit verſchärft, ut der erhoffte Ge:
winn ein völlıq eingebildeter. Wenn
der Schlendrian ſanmſeliger Menschen
durch das gewohnheitsmäßige Zugeben
einer Galgenfrift von 5 Minuten etwa
vor dem Berfehlen des Zuges geſchützt
werden ſoll, jo vergißt man Eurzfichtiaer:
weile, daß der Gewarnte doch auch weiß,
daß philütröfe Füriorge ihm 5 Minuten
ertra zugemeffen hat: er ſündigt auch
auf dieſe umd die ganze Einrichtung
bleibt verfehlt. Eine Uhr ſoll die übliche
und der Öffentlichkeit nügliche Zeit
angeben, Keine beliebig und willkürlich
gefälſchte.
Wir haben eingangs des Umſtandes
gedacht, daß dem Zuviel der Uhran—
gabe bei uns ein Zuwenig in öſtlich
vom 15. Rängengrad gelegenen Län—
dern entipriht. Da unfere Differenz
rund eine halbe Stunde beträgt, 10
30
merken wir die Ungleichheit der um den
jegigen „Mittag“ liegenden Tageshälften
jehr deutlih. Am Winter 3. B. wird
ed bei uns erſt gegen halb neun Uhr
heil und erit gegen halb fünf Uhr Nacht:
der Morgen tt -alfo um eine volle
Stunde fürzer als der Nachmittag. Aber
ein anderer Einfluß it noch ſehr be-
merfenswert. Zwei Spridwörter weiien
uns darauf hin: „Der Schlaf vor Mitter-
nacht ift der beite“ und „Morgenitund’
har Gold in Mund.” Bei den Gewohn:
heiten in unserem jozialen und gelelligen
Leben läßt es ſich nicht qut vermeiden,
daß die Tagesereigniffe erit in ſpäter
Stunde einen Abichlug finden, jo daß
die Iprihwörtlich am zwedinäßigiten wir:
fende Ruhezeit entichieden zu Eurz kommt.
Bezüglich des anderen Sprichwortes iſt
zu beflagen, daß es noch viele Menichen
geben joll, denen Sunnenaufgänge ſo
aut wie unbefannte Genüfje find. Nun
iteflen wir zweterlet Betrachtungen au.
Die erſte lautet: Da unſere nad) mittel—
europälicher Zeit gehenden lihren immer
(für die Pfalz) eine halbe Stunde zu-
viel fagen, fo find wir in allem, was
wir unternehmen, nah Sonnen: oder
Weltzeit — die doch unjere Lebensver—
hältniffe regelt —, um ene halbe Stunde
zurüf. Gehen wir „um 10 Uhr” zu
Berte, fo beginnen wir in Wahrheit
die Mubezeit un 2210 Uhr; itehen wir
um 27 Uhr vom Lager auf, fo iſt es
erit 6 Uhr. Wir nähern uns alſo ohne
Abficht durch das Rechnen nad der Zeit
des 15. Längengrades jenen Berhält-
niffen, welche iprichwörtlich als der Ge—
fundheit förderlich bezeichnet find. Wohl
kann man Tagen, daß diele halbe Stunde
fo qut wie ohne Bedeutung ſei; dabei
vergigt man aber, daß es ſich oh um
zwei halbe Stunden handelt: um eine,
die man früher zur Ruhe geht und um
eine, die man früber aufiteht, als es
unter anderen Umſtänden ge:
ihehen wäre; man vergißt ferner,
dar Diele Eleine, ja ganz Eleine Wer:
befferung unierer Lebensgewohnheiten fich
im einem Jahre 365 mal wiederholt.
Jetzt ſieht die Sache ſchon aus, als ob
man mit einer gewiſſen Berechtigung
ſagen könnte, die Einführung der Ein—
heitäzeit habe uns Brälzern und allen
ähnlich weit weitlih Wohnenden ein ge-
jundheitlich nicht unwichtiges Moment
als Zugabe gebradht. Wer — abgejchen
von dem Grade des Vorteils unierer
Stundenveridiebung, deu wir durchaus
nicht mit Werten einichägen wollen — |
diefer Ueberlegung zweifelnd oder ab:
lehnend gegenübertteht, den möchten wir
fragen, ob er es etwa angenehmer finden
würde, in allen Dingen formell der Zeit
nachzuhinken, aber tatiählıh voran zu
fein, wie der änßerſte Oſten Deutich-
lands und Ungarns. Stier verkehrt ſich
die Sache ind Gegenteil, denn wer um
Mitternaht das Lager aufſucht, muß
mit der wahren Zeit al Uhr vechnen,
31
l
’
Fi
1
und wer um e7 Ahr aufſteht, bat es
tatfächlich erſt um 7 Uhr getan. Das
macht gegenüber der Geitaltung weſt—
deuticher Berhältniffe je eine volle Stunde
Unterichied zu ungunſten des Ditens
in geiundbeitlicher Beziehung. Auch dort
multiplizieren jich die zur Gewohnheit
gewordenen Einflüffe der verichobenen
Tagesordnung, aber mir dem Rejultate
erhöhten Nachteiled. Immerhin kann
der Pfälzer das Bewußtſein haben, daß
der Tauſch der früheren ohnedies
nie richtigen — Ortszeiten gegen Die
jtaatlich vermittelte Einheitszeit in jeder
Beziehung nüglih und angenehm war.
F.
Notizen über die Arenzotter und die Kartoffel.
I. Obwohl es wünschenswert wäre,
Material über die Verbreitung der
Kreuzotter in der ganzen Pfalz zu
jammeln, ſei ein Anfang gemacht und
als unumſtößliche Tatſache fejtgeitellt,
daß wiederholt im Geläunde nördlich von
Steinwenden am Mohrbach diele Gift:
ihlange gefunden wurde Herr Lehrer
Bayermann hat vor etwa 20 und vor
15 Sahren und 1904 je ein Gremplar
lebend gefunden, die beiden erften jogar
in Spiritus zu Dentonitrationszweden
aufbewahrt. Sie hielten fih im Ge—
meindewalde von St, auf, anı jogenann-
ten Erdbeerenberg und wurden zufällig
alle drei im Auguſt entdedt, als fie ſich
auf der Sonnenijeite des Wald:
randes auf dem Wege fonnten. Ihre
Färbung war nicht gleich, was ja auch
bei $reuzottern nicht der Fall zu fein
braucht; aber die zutreffende Rücken—
zeichnung war vorhanden. Keines dieier
Ziere war über 60 cm lang. Da audı
die Ringelmatter häufig vorkommt, welche
unter Umjtänden dreimal jo lang und
did wird, aber einen walzenfürmigen
Körper hat, jo waren die Ottern gar
nicht zu verwechſeln. Ihr Körper ver:
vereinzelt vorfommen; wirklich häufig
joll fie bei Meg zwiichen da und Grave:
lotte fein und schen behördliche War-
nungen vor ihr veranlaßt haben. Die
vorjtehende Mitteilung möge den Anlaß
abgeben, daß der „Pr. H.“ aud aus
anderen Zeilen der Pfalz noch Nach—
richten zugehen,
2, 83 ſcheint vorläufig nicht ganz
genau naczumeiien zu fein. wann der
Anbau der Kartoffel in den ein
zelnen Gegenden der Pralz begonnen
wurde. Um auch in dieſem Punkte den
Intereſſenten einen Anhalt zu bieten,
um welche Zeit herum alte Urkunden
davon berichten Eönnen, jet aus einem
Bortrage des Herrn Lehn in Jägers—
burg die Stelle erwähnt, nad) welcher
am Ende des 30jährigen Krieges
die Kartoffel noch unbekannt ge
weien, weil erit 1700 eingeführt
worden Sei. Bon Oberarnbad
(Sidinger Höhe) erfahre id, daß vor
etwa 80 Jahren dort bereitd zwei
Sorten angebaut und fchon damals,
wie heute noch, zu Brennzweden benüßt
worden ſeien. „Aderbau der Pfälzer“
von J. N. Schwerz, (Berlin 1816) be-
dünnt ſich gegen den Kopf zu allmählich; | richtet über eine Mufterwirtichaft bei
diefer ift breit und ftumpf. Der Schwanz
Haßloch auf fandigem und lehmigen
jegt mit auffälliger Verdünnung ein. — | (ja reinem Letten-) Boden, wobei wir
Immerhin mag diefe Giftichlange nur |
außer der üblichen und einer theoretischen
Fruchtfolge, in welcher
32
Kartoffeln
vorkommen, leſen: „Bet Speyer baute
man vorher nidts als 1. Spelz,
2. Kartoffeln oder 1. Tabatf, 2. Spelz,
3. Kartoffeln Dieſer Sandboden
nahm alſo der Wirtichait weit mehr
Dünger weg, ald er imitande war,
wiederzugeben, ftatt, daß ev heute (1816)
der ganzen Übrigen Wirtichaft zur Stüge
dient.” Die Kartoffeln wurden damals
auch gebrannt.
Ebenjo wurde ein Anhaltspunkt aus
einer Berpachtung vom September 1821
in Dudenhofen gewonnen, wo frühere
„Almengüter“ als „Acker im Grund-
birnfeld” in 91 Loſen, alſo in
jolhem Umfange ausgeboten wurden,
dat der Anbau der , Grundbirne“ nichts
Seltenes mehr geweſen fein kann. Herr
Landwirt Ludwig Zimmer in Ober:
arnbac weiß folgendes zu berichten:
Nach Lonſers Geſchichte der Landwirt—
ſchaft wurden die Kartoffeln 1716 im |
dev Bralz eingerührt. Durch auswan-
dernde Pfälzer famen diejelben 1720 in
De Mark Brandenburg. Nah tradito:
neller Überlieferung kamen fie erit in
der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts auf
die Sicktnger Höhe, wo fie nach den
Dungerjahren von 1771 und 72 als
menschliches Nahrungsmittel große Dienite
leiſteten. Gegen Ende des 18. Jahr—
hunderts, zur Zeit der franzöftichen
Staatsummälzung waren jchon Brenne-
veren vorhanden, In Gerhards-
brumm wurde die erite Brennerei 1813
errichtet. In alten, jegt noch ftehenden
Wohnbhäufern, welche im 18. Jahrhundert
erbaut wurden, befanden ji) no vor
20 Fahren im Fußboden der Wohn:
zimmer Offnungen, durch welche die
Kartoffeln wach der Ernte in die Keller
befördert wurden. Es iſt dies ein Be—
weis, daß die Startoffeln in der bereits
erwähnten Zeit in Oberarnbadh ange-
baut wurden.
Walırdampfexhalation bei Neuſtadt.
Unfere in Heft 3 ausgeiprocdene Ber:
mutung bezüglih der Herkunft des mitt
Feuchtigkeit gelättigten Luftſtromes aus |
der Spalte am Königsberg bei Neujtadt
findet auch anderwärtige Unterſtützung,
ebenfo unfere Forderung einer fortge—
jeßten Beobachtungsreihe. Die „Str.
Poſt“ berichtet weiter:
‚Die Dampfjäule im Hardtgebirge
am Königsberg wurde nad ihren chemi—
hen Eigenſchaften von Chemiker Dr.
Möslinger aus Neuitadt unterjucht. In
Säure noch Schwefelwaſſerſtoff. Auch
Dr. Möslinger hat die Erklärung des
Phänomens, daß es auf dem Prinzip
dev kommunizierenden Röhre beruhe,
angenommen, ebenio Profeſſor Dr. Con-
weng. Die Temperatur der Wärme-
quele des Phänomens bewegt fi zwiſchen
+83 bis +10 Brad Celſius. Es müſſen
Sommer: und Winterbeobachtungen zahl:
reicher Art vorausgehen, bis die Frage,
ob der Grund in thermalartigen Waffer-
beten oder in bloßen Drudluftunter:
dem aufgefangenen Dampf fand er | jchied oder in einer Verbindung mit der
Wafferdampf und einige gastörmige | Aheinipalte zu ſuchen iſt, entſchieden
Kohlenjäure, dagegen weder ſchwefliche werden kann.’
Inbalt: Das Sieges- und Friedensdenkmal bei Edenkoben. — Die „„Mitteleuropätjche
Zeit“ in der Pfalz. — Die Hreuzotter und die Kartoffel. — Wallerdampferhalation bei Neuftadt
Schriftleiter: Eehrer Ph. Sauth, Lanöftuhl — ſermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich.
Die „Bfälziiche Heimatkunde“ toftet jährlich In Ir Heften DIE. 2.50. We’rliurgen werden von allen Wucdbandlungen und
Boftanflaltın ferner vom Verleger (Bortofrere Etreifbandiendur g) angenommen.
I Jahrgang.
Nummer 5.
März 1905.
\IPALZISCHE HEIMATKUNDE |
MONATSSCHRIFT
De FÜR SCHULE UND HAUS.
———— — — —— — e———
FMANNE ER
6
Von den ehemaligen vereinigten Queckſilberbergwerken
im Aönigsberge bei Molffein.
Einer freundlichen Anregung des
Schriftleiters diejer Blätter nachkommend
erlaube ich mir, an diejer Stelle einige
Mitteilungen über die ehemaligen Queck—
jilberbergwerfe im Königsberge zu
machen, die auf das Intereſſe manches
Leſers rechnen dürften. Dur das Ent:
gegenkommen des Altbürgermeiſters von
Wolfſtein, Herrn F. E. Braun und des
nunmebrigen Gemeindevorjtandes, Herrn
C. Diehl, kam ich in den Bejig zweier
jehr wertvollen Quellen, die es allein
ermöglichen, wahrheitsgetreue Mittei—
lungen zu geben; denn was uns auf
dem Wege mündlicher Ueberlieferung
überfommen ift, wurde im Laufe der
Jahre entitellt und ift auch teilweiſe jo
nebenjächlicher Art, daß eine zujammen«
faffende Daritellung desjelben fich kaum
lohnte.
Das eine der genannten Quellen—
jtüde it ein Plan der ganzen Berg:
werfsanlage in Grund» und Aufriß und
ift Eigentum des Stadtarhivs Wolfiten,
das andere iſt eine von dem Betriebs:
beamten F. W. Günther im Jahre 1838
zu Dreifönigszug gefertigte Abhandlung
über die Wolffteiner Quedjilbergruben.
Anf Dreikönigszug, dem bedeutenditen
Quectjilberbergmwerf des Poßberges und
der ganzen Rheinpfalz, jcheint den Ber:
fofjer auch unjer Landsmann Auguſt
Beder beſucht zu haben, welcher ſich ſehr
interejliert und anerfennend über die
Eoftbare Mineralieniammlung, die treff-
lihe mineralogiiche Pfalzkarte, jowie das
Bogberger Laboratorium „dieſes Kory—
phäen im Bergfache“ ausipridt.
Die Quedjilberbergwerke des Königs:
berges jcheinen aber denen des Pop:
berges nicht viel nachgeltanden zu haben.
Denn wenn aud von dem Hauptwerke
des Potzberges berichtet wird, daß es
jährlich 20000 Pfund Quedjilber lieferte,
jo betrug doc auch die Ausbeute eines
einzigen Werkes im Königsberge — es
gab hierielbft drei größere Werke — in
den Jahren 1771— 1794 134000 Pfund
Queckſilber, aus welchen 194000 Gulden
erlöjt wurden. Und insder Beichreibung
des bayer. Nheinfreiies von den kath.
Pfarrer und Bezirksihulinipeftor Mid.
Frey können wir lejen, daß immerhin
etwa 45 Bergleute zum Betriebe der '
Duedfilbergruben bei Wolfjtein not:
wendig waren.
Was nun zumäcit die geognoftiichen
BVerhältniffe des Königsberges betrifft,
jo jei in Kürze folgendes angegeben.
Der Königsberg erhebt fich Über einer
eigentümlihen Schichtung von Kohle und
Kalk zu einer Höhe bis 54) Meter über
den Meeresipiegel. Sein Gipfel Liegt
etwa 550;Meter über der Talſohle im
Dften, gegen weldye er in einem großen
felfigen Abhang abfällt; ähnlich ift fein
Abfall nach Welten. Dagegen ſchließt
er fih nad) Norden und Süden an den
allgemeinen Kohlengebirgsrüden mit
ſtarken Kaltflögen an und erhebt ſich
nicht bedeutend über diefen. „Tief ein-
geichnittene, von Oſt nadı Weit ziehende
Schluchten mit jähen pralligten Abhängen
geben ihm ein wildes Anſehen.“ Er
beiteht fait ganz aus gewöhnlichen Feld:
ſtein Porphyr, ver Glinmer, Quarz und
Feldſpat als Einlagerungen enthält.
Die in ihm im der legten Hälfte des
18, Jahrhunderts angelegten Zechen und
Werke führten ſämtlich- auf Binnober-
puren; außerdem ſtieß man Häufig
auf Schweripat, Rot: und Braunetien-
jtein und Schwefelkies.
Die einzelnen Werke erhielten viel
verheigende Namen; aber die Mehrzahl
entiprad) nicht den in fie geſetzten Hoff-
nungen. Bei einigen Werfen mußte
jehr bald die Arbeit wegen der In—
rentabilität eingeftellt werden. Die wid
tigjten Bauc waren: Theodors Erzluit,
Ehriftians Glüd, Pfälzer Mut umd
Herrenipig. Das größte Werft war
Theodors Erzluft, das ſich ſüdöſtlich von
Wolfitein im Laufbaufer Tale befand.
Dieje Zeche wurde, wie Günther mit:
teilt, Schon 1725 eröffnet; dann fteflte
man den Betrieb ein, um ihn 1748
wieder aufzunehmen. Theodors Erzluft
war die reichite aller Wolffteiner Gruben,
lieferte von 1771— 1787 126764 Pfund
Duedfilber und beichäftigte allein 20
Arbeiter. In den etwa 1—2 Meter
mächtigen Gängen dieſes Werkes fand
man zwiſchen Schweripat, Schwefelkies,
Rot- und Braumeiienitein den Binnober
und als Eeltenheit ſogar gediegenes
QDuedfilber. Die Grube war aufges
ichloffen durch einen Stollen und durch
einen Tageſchacht in der Nähe des Lauf:
haufer Weihers, der fih im ziemlicher
Höhe am Königsberge befindet, dann
durd) den Weiherftollen, etwa 300 Meter
öftlih des Laufhaufer Weiherd und
drittens durch den großen Eliasftollen,
der 700 Meter lang war. Er reichte
von dem Laufhauſer Zal bis zum Feten:
teiher Tal, das im Volksmund kurz
„Zal” genannt wird. Der Eliasſtollen
war ganz in Porphyr getrieben und die |
34
— war dermaßen ſtark, daß auf
Zimmerung und Mauerung dev Grube
verzichtet werden fonnte. Vor Eurzer
Zeit nody war diejer Stollen ganz und
gar pajlterbar, jo daß man, im Keſten—
teiher Tale ins — der Erde ge—
langt, nach einer Wanderung von 700
Metern im Laufhauſer Tal wieder ans
Tageslicht kam. — Die anderen Werke,
die oben genannt jind, waren nicht jo
reich wie Theodors Erzluft. Das
Ehriitians Glück Werk befaud jich cben-
fals im Laufhaufer Tal, weitlih von
Theodors Erzluft. Die Gangmafje der
Stollen diefer Zeche zeigte weniger
Duedfilbererze, als vielmehr Braun—
und Schwarzeiienitein, Schwefelkies und
Schwerſpat. Legteren fand man aber
am häufigften uud jchönften in einem
Stollen des Pfälzer Mut:Werfes, der
wegen feines Spatgehaltes den Namen
„Spataang” führte. „Pfälzer Mut“
lag nördli von „Theodors Erzluſt“
und von „Chriſtians Glück“, tm öfters
' genannten Seftenteiher Tal.
Weiter oben wurde ſchon betont, daß
gediegened Queckſilber jehr ſparſam in
der Natur verteilt it. Am häufigſten
tritt e8 in der chemiſchen Verbindung
nit Schwefel auf und diefes Sulfid
führt dann den Namen Binnober (Hg. S)
Der Name Zinnober joll aus der indischen
Sprache herrühren und Toll joviel als
Dradenblut bedeuten. Ter Binnober
verdanft mithin dev dunfelroten Farbe
feinen Namen. Bald zeigt er fih in
Eryftalliniichen Partien, bald in erdigen
Mafjen. Die Alten verwandten diejen
zur Malerei und zum Schreiben auf
Pergament; auch rieben nicht jelten die
Sieger in den Sampfipielen ihren Kör—
per mit Binnober ein. Später diente
Binnober zum Malen, zur Bereitung
des Siegellads und zur Herftellung der
roten Buchdruderfarbe.
Die Daritellung des Duedfilbers
aus Zinnober ift nicht gerade ſchwierig,
indem ſowohl der Sauewttoff der Atmo-
Iphäre als auch Metalle [Kaleium, Eijen]
dem Zinnober den Schwefel bei ſtarker
Erbigung abnehmen. Das in Dampf-
forın entweihende Quedfilber nimmt in
den jogenannten Verdichtungskammern
jeine flüfjfige Geitalt wieder an. Der
Hüttenarbeiter, der ‚bei der Deftillierung
tätig tft, leidet jehr unter dem giftigen
DQuedjilberdampfe; es ftellen ſich früh—
zeitig bei ihm Geſchwüre im Munde,
Speichelfluß, Lähmungen und Darm—
krankheiten ein.
Die Trennung des Metalls aus
jeiner Verbindung geihah an Ort und
Stelle und noch erinnern ſich die älteften
Leute Wolfſteins der Art der Verſchickung.
Dabei mußte die größte Vorficht ob»
walten. Man verwandte bejonders zu-
bereitete Schaffelle, in welde das Metall
eingenäht wurde; dann wurde ed im
Kiften und Fäſſern ſorgfältig verpadt.
Das meilte Quedjilber des Königs—
berged wanderte nach England, da die
Wolfſteiner Gruben, wie überhaupt die
meilten Pfälzer Queckſilber-Werke in
den Händen reiher Engländer waren.
Dieje gingen weniger darauf aus, eine
erafte Ausbeute der Grube vorzunehmen,
als vielmehr ihre Gewinnſucht zu be-
friedigen, indem fie nur mwegnahmen,
was leicht und mühelos zu erreichen
war. Dann wurden die noch Qiuedfilber
genug enthaltenden Werke und die ein-
gearbeiteten Bergleute einfach
35
ihrem |
Schidjale überlafen. Es drängt fid
angeficht3 dieſer Tatiahe und in Er
innerung nur wenig zurüdliegender Er:
eignifje qus dem deutichen Weiten ein
Wort ded Geheimrats und Univerfitäts-
profefjors von Leonhard auf, der jagte:
„sch bin weit entfernt davon, im allge:
meinen und unbedingt den Grundiag zu
verwerfen, daß Regierungen ſich losſagen
vom Betrieb der Bergwerke und dieſe
Brivaten überlaffen; aber wie den nad)
teiligen FFolgen vorbeugen, welde da-
durch entftehen können und müſſen,
wenn die Gewinnung ſolcher metalliſchen
Subſtanzen, die, zu nicht geringen Zeilen
wenigitens, für Befriedigung wejentlicher
Bedürfniffe notwendig find, in Hände
von Unternehmern fallen, von denen zu
erwarten ift, daß fie nur ihren Vorteil,
nur das Streben nad Geld-Gemwinn im
Auge haben?“ — —
Außer dem Queckſilberbergwerk bei
Wolfftein gab es früher noch jolche im
Pogberg bei Kuſel, im Stahlberg bei
| Nodenhaufen, im Landsberg bei Ober—
| mojchel und im Lemberg bei Feilbingert.
| Vielleicht hören wir einmal Näheres von
| jenen, jegt überall ruhenden Betrieben.
2. Bertram,
Die Sirkinger Würfel zu Candſtuhl.
Auf dem Marktplage der Stadt
Landftuhl liegen vier mächtige Sand—
jteinquader aufeinander geichichtet, und
die Stadtverwaltung hat diejelben mit
ihügendem Eifenzaun umgeben lafjen.
Das jind die „Sidinger Würfel“. Da
jeder diejer vier Würfel faft 1 ın lang,
75 cın breit und Hoch ift, fo iſt aud
der ſtärkſte Mann nicht imjtande, nur
einen derjelben aufzuheben oder davon
zu tragen. Trotzdem berichtet die Sage,
daß der jtarfe Ritter Franz von Sik—
fingen, der auf der feiten Burg Land»
ftuhl wohnte und bei deren Belagerung
am 7. Mai 1523 gefallen iſt, ehedem
mit diefen Quadern Würfel geipielt
habe. Die braven Landjtuhler glauben
zwar jelbjt dieie Sage nit mehr, doc)
weil fie ihren Ritter Franz von Sidingen
heute noch verehren, und weil dieje
Steine einmal „Sidinger
Würfel |
heißen, jo erbt fi diefe Sage fort
von Geſchlecht zu Geſchlecht, und das iſt
recht ſo.
Allein die Geſchichte iſt ſtrenger als
die Sage. Die Geſchichte will keine Un—
wahrheit dulden. Sie führt uns vor
die Denkmäler des Ritters Franz von
Sidingen, deren eined vor jeinem
Sclofje Ebernburg an der Allenzmün:
dung jteht, das andere, viel ältere in
der Kirche zu Landftuhl, und hält uns
die alten Urkunden unter die Augen,
damit wir jehen, daß aud Franz von
Sidingen nur ein ſterblicher Mann, aber
fein Nieje war, daß er aljo unmöglid
mit diefen ſchweren Stein-Würfeln zu
ipielen vermochte, Weberdies haben auch
gelehrte Männer ſchon lange nachgeforicht,
wo dieje 4 großen Steinwürfel ehedem
' gefunden wurden und was fie zu be
deuten haben.
Bis zum Jahre 1864 lagen dieje !
vier Steine draußen im Felde öftlich
von Landſtuhl, an der alten römischen
Straße „in der Ringgaffe”. Dann bat
man fie aus den Aeckern herausgeid;afft
an den Rand der Faiferftraße, welche
von Katjer Napoleon I. erbaut und nad)
ihm benannt ift. Dort lagen fie wieder
40 Jahre, und nun mögen fie noch recht
lange auf dem Marktplage zu Landſtuhl
in Frieden liegen bleiben.
Der Blag, an dem diefe vier alten
Steine zuerit lagen, ift aber ein römiſcher
riedhof geweſen, der bald nad
hrijti Geburt angelegt wurde, zu
einer Zeit, in der die Römer ihre Toten
zumeift auf dem Gceiterhaufen ver:
brannten. Die Aſche der Toten und
ihre Fnoceniplitter haben fie dann in
Braburnen gejanımelt und auf ihrem
Frriedhofe neben der Straße beigejegt.
Ueber den Gräbern errichteten jie oft
fteinerıne Denfmäler mit Anichriften und
Neliefbildern. Solche Brandgräber wur:
den auch „in der Ringgaffe* vor Land»
jtuhl gefunden, wo die Sidinger Würfel
zuerit lagen, und dieſe Würfel find
darum zuverläſſig nichts anderes als
Teile von einem römiſchen Grabdenk—
male, oder vielleicht auch von zweien.
Warum hat man das lange Zeit
nicht gewußt, obwohl der eine dieſer
Würfel eine große jechszetlige Inſchrift
enthält? Eben deswegen, meil lange
niemand dieſe Inſchrift zu entziffern
verſtand, und weil man die Reliefbilder
der drei anderen Würfel nicht genau
betrachtet hat. Zur Zeit des Ritters
Franz von Sickingen haben die Leute
ih audy;ichon mit dieſen Steinen und
ihrer Inſchrift beſchäftigt und eines Tages
kam ein Steinmetz, der hat mit Meißel und
Hammer all die Buchſtaben, jo wie er fie
verftand, nachgemreißelt und fo vermeißelt,
daß fie jetzt kaum einen Sinn mehr geben.
Die jegigen Buchltaben heißen nämlich:
Beile J. *V. = in jest — nicht mehr
u. HERE |
3. EXANIVYHDLID
..VAVMISLX
H
„4.
„6. QAV NHL L.
36
— ——— ers —— — —— —— —s, Te
5. IVIAMOUGN > |
Nun haben findige Leute in der fünf:
ten Zeile MOUGN > umgeſtellt und haben
Mogunz geleien und behauptet, das
Banze ſei eine Weihe-Anichrift eines
römijchen Soldaten der IV. Legion, weldye
eive zeitlang in Moguntiacum — Mainz
lag. Wäre das richtig, dann könnten
wir auch genau das Alter diejer In—
Ichrift angeben, da die IV. Legion zur
Zeit des Kaiſers Claudius, 43 nad)
Ehriftus, an den Rhein verjegt und von
Kaiſer Bespafian, 117 nadı Ehr., auf-
gelöft wurde, Allein man darf vielleicht
beim Leſen Leine Buchſtaben umftellen
und deswegen darf, ganz abgejehen von
anderem, aud nicht Mogunz geleten
werden. Der legte Buchſtabe der 5.
Zeile ift zudem fein Z, jondern ein altes
römishes > — C, die Kürzung für
Centurio — Hauptmann. Der miittel«
alterliche Landftuhler Steinmeg hat diejes
Zeichen nicht verjtanden, und weil es
ganz hinten an der Zeile jtand, hat er
ed wohl unverändert ftehen gelafjen.
Nur fo wifjen wir, dak dieſe Inſchrift
jih auf einen römiſchen Genturto bezieht.
Betrachten wir nun die Reliefbilder
der drei anderen Sidinger Würfel, fo
finden wir zuerft außen links einen
mittelalterlihen Stechhelm und vechts
zwei Wappenichilde flach eingemeißelt.
Auf einem dieſer Schilde jehen wir noch
fünf runde Erhöhungen, die 5 Schnee»
ballen des Sidinger Wappens. Das
hat der Landjtuhler Steinmeß des 16.
Jahrhunderts gemadıt.
Auf der Borderjeite dagegen jehen
wir zwei Männer in Kampfitellung mit
vorgejegtem Beine und hoch erhobenen
Armen. Solde Kampf-Szenen begegnen
uns öfter auf römischen Grabdenkmälern.
Sie find aud hier ein Beweis für das
Alter der Steinwürfel.
Am meisten jagt uns noch der unterfte
Stein, der allein zu Füßen der drei
anderen liegt, und den die Landſtuhler
eigentlich gar nicht mitzählen, wenn fie
immer nur von den „drei Steinen” und
den drei „Sickinger Würfeln“ ſprechen.
Diefer Stein ift oben etwas ausgehöhlt,
wie es die römischen Aſchenkiſten im den
Brandgräbern zu jein pflegen. Vorn
| aber fieht man die geichweiften Füße
von zwei dreibeinigen Prunftiichchen und
neben dielen Tifhfüßen die Unterkörper
von 2 Dienern, bis zun Nabel erhalten.
Was darüber lag, ift abgeichlagen, doc)
wiſſen wir aus anderen ähnlichen Dar:
jtellungen, daß‘, darüber der Herr, diejer
Diener beim Mahle jaß oder lag, beim
Totenmahle, das die Sklaven ihrem ver:
itorbenen Herrn auf ſolchen Prunktiſch—
chen vorzuſetzen pflegten. Dieſe Sitte,
die Verſtorbenen aufjihren Grabſteinen
bei ſeligem Gaſtmahle darzuſtellen, war
faſt nur in der flaviſchen Kaiſer—
zeit, 69 bis 110 nach Chriſtue üblich.
Die „Sickinger Würfel“ ſind alſo ein
römiſches Grabdenkmal aus dieſer Zeit.
Dr. Grünewald.
Zuſaß der Schriſtleitung: Bei der
zweifelloien Umficherheit, welde in der
Deutung mander Funde und Inſchriften
aus jehr alter Zeit beiteht, bejonders
aber mit Rückſicht auf die intereffante
Art und Weile, wie der Gelehrte auf
Ummegen zu Erfenntniffen von einiger
Wahricheinlichkeit gelangt, teilen wir ım
Anhange zu den vorjtehenden ſchätzens—
werten Ausführungen die Anficht eines
anderen Erklärers mit, deffen Namen
feitzuitellen uns leider nicht glüdte.
„Indem ich die Entzifferung der In—
ihrift diefes an der Heerſtraße aller
Zeiten gelegenen Denkmals verjuche,
füge ich eine Nachbildung einer in dem
Yntelligenzblatte der Pfalz vom Sahre
1821 enthaltenen lithographierten Ab-
bildung desjelben bei:
.. 7. 8.“
E*NI V)l. IDUC
IV*yMLS L*
IV*N MOUCNZ.
QAV NH* LL
* W auf dem Stein,
Riſt ein Unterfceidungszeichen gleich wie y
Aus der Silbe FOR jdliekt man,
37
tuna ehren jell, ohne zu erwägen, daß
die bei allen frommen Stiftungen der
Nömer ganz unerläßliche Formel V. S.,
d. i.: votum solvit, zu deutſch: „bat
fein Gelöbnis erfüllt“ mangelt. Es wird
dagegen nicht ichwer fallen, zu ermweijen,
daß wir vor einem römischen Grabmale
jtehen (und zwar vor dem Grabmale
eines Kriegers, wofür aud die Embleme
zeugen, nämlich: 2 nadte, ſchlanke, kräf—
tige Ringer auf der Vorderjeite der zwei
unteriten nebeneinander liegenden Würfel
und zwei ovale Heine Kriegsichilde in
einem bejonderen Felde auf der äußeren
Seite des rechts befindliden Wiürfels).
Erfte Zeile. Der Borname des Hono:
rierten beginnt mit I, der mit V am:
fangende Familienname ift im übrigen
verwilcht.
Zweite Zeile. H FOR, zu lejen
honesto forti, dem Angejehenen, Tapferen.
Dritte Beile. E: equiti, N I: nobili;
V: viro, )| it Unterjcheidungszeichen ;
[!| DUC, das ift: ductori, militärifcher
Grad des Gefeierten, welcher einer der
Genturionen oder ordinum ductoris der
Legion, das ift Hauptmann, war.
(Zur dritten und vierten Zeile eine
andere Lefeart anftatt IV- W- folglid:
IDUC, priew duei velitum: Dem erften
Anführer der Beliten, d. i.: der leichten
Truppen, gewöhnlich 120 Mann bei der
Legion.)
Vierte Zeile. Beginnend mit der
Zahl IV, weldhe im Zuſammenhang mit
DUC darauf deutet, daß der Verlebte
ductor quarti pili der Triarier war, das
ift Anführer der vierten Kompagnie.
Das Zeichen y iſt ein Unterſcheidungs—
zeihen. Mit MLS L beginnt die Be-
zeichnung der Stifter des Denkmals, zu
lefen milites legionis.
Die fünfte Zeile enthält mit der
Zahl IV die Fortfegung zu legionis,
nämlich quartae; N: nomine, MOUCNZ,
was, obwohl das U vor dem G jteht,
mocunziacae zu lejen ift, zu deutſch:
Soldaten der vierten fogenannten main»
ziichen Legion.
Die vierte und achtzehnte Legion
waren unter Kaiſer Nero (54— 68) aus
dem Orient nach Obergermanien gezogen
daß diejes Monument die Göttin For | und nad) Mainz gelegt worden; nad
dejfen Tod begannen die Kaiſerein—
ſetzungen durd die Legionen.
Die jechfte Zeile beſteht nur aus
mehreren bei der Lapidarichrift üblichen
Yormelu: QAV: qui annos vixit; NH:
nostra hibernia; LL: libens lubens; zu
deutich: der jeine Jahre verlebte, in
unjerem ®Winterlager, mit willigem Herzen.
Ich leſe die Inſchrift wie folgt:
„Tito V.....forli... Duei quarli
(pili), milites legionis quartae, nomine
moecunziacae, qui annos vixit, nostra
hiberna, libens lubens.
Zu deutih: Dem Titus ®
dem tapferen Hauptmann der vierten
Kompannie, widmen dieſes Denkmal die |
Soldaten der vierten jogenannten main:
ziichen Legion vach feinem Ableben in
dem Winterlager mit willigem Herzen.
Sinnftörend ift, daß die Zahl der
Lebensjahre 3. B. XXX und die Zahl
der Stipendia 3. B. X fehlt, was bei
Der Pfälzer ift nicht mehr gewohnt,
dad Stroh al! Mittel zur Dachbe-
Kleidung angewendet zu ſehen. Neben
nicht zu feugnenden Vorteilen, darunter
eine außergewöhnlihe Dauerhaftigfeit,
tällt aber in dichtbebautem Terrain die
Feuersgefahr jo jehr ins Gericht, daß
Strohdächer heute zu den unerlaubten
Dingen gehören, jie müßten denn gerade
zur Bedeckung von Eisfellern dienen.
Strohdächer.
Das öffentliche Intereſſe hat chen ziem- |
lich lange einen! Kampf gegen ſolche
Bedachung geführt; die Behörden haben
diejelbe grumdiäglich Für ungeeignet er-
Elärt, aber in der Duldung beitehender
und neu angelegtev Dächer aus dem
feuergefährlihenyMateriale jind jie jehr
nachſichtig geweſen.
Schon ein Geſetz vom 27. September
1791 hat ein Verbot gegen die Stroh—
bedachung erlaſſenzund ein Beſchluß des
Präfekten des „Donnersberg-Departe—
ments“ vom 4. September 1807 hat
dieſes Verbot erneuert. Gleichwohl
ſcheint man ſich daran nicht viel ge—
jtoßen zu haben, denn das „Intelligenz—
blatt“ bringt unter dem 14. Februar 1821
dergleichen Inſchriften negen die Hegel ift.
Was die Zeit der Entitehung diejes
Grabmales, mit welchen übrigens aud)
ein Opferaltar in Verbindung gewejen
fein mag, anbelangt, jo habe ich ge
funden, daß ums Jahr 69 nach. Chriſtus,
zur Beit der Erhebung des Feldherrn
Galba zur römiſchen Kaiſerwürde, die
Beiagung von Mainz aus der vierten
und actzehnten Legion beitand, wovon
folglih eine Mbteilung der vierten in
unferer Gegend lag. Auch erzählt die
Geſchichte von dieſen Leyionen, daß fie
unter die Zahl derjenigen gehören, die
ji in der Provinz Obergermanien, das
iſt gerade in der linksrheiniſchen römiſchen
Beligung am Ahein, gegen Galba empört
hatten und ſogar den Ausſchlag gaben,
Galbas Bild zertrümmerten, Vitellius
zum Kaiſer ausriefen und nad Stalien
zogen (Fuchs, Geſchichte der Stadt Mainz;
Taeitus, Annalen.).“
ſeitens der pfälziſchen Regierung ein
„neuerliches Verbot“ der Strohdächer für
Städte und Flecken. In Land—
gemeinden ſollten die Ortsvor—
ſtände durch „geeignete Vor—
ſtellungen dieſe, die öffentliche
Sicherheit ſo ſehr gefährdende
Bauart für die Zukunft zu be—
ſeitigen“ ſtreben. Wie dieſe dem
Belieben ſchwerfälliger Kreiſe der Be—
wohner überlaffene Anregung — denn
anders iſt doch der zweite Teil des Er:
laffes nicht zu nennen — gewirkt oder
vielmehr nıcht gewirkt hat, eriehen
wir daraus, daß jelbit in unſere Zeit
der Feuerverſicherung hinein da und
dort ein einjam vagendes, wahrhaftiges
Strohdach feine Erifteng gerettet hat.
So berichtet Herr Lehrer Volkert 3. B,
zur Sade:
„In Dietichweiler, in der Mitte des
Dorfes, ſteht tatiächlich heute noch ein
ı Gebäude (Wohnhaus, Stall und Scheune),
das ein Strohdad) hat.
Lange hat dieſes bemooſte Kuriofum
den Bahn der Beit, den Sturm, jelbft
dem roten Hahne, der vor ungefähr 20
Jahren in unmittelbarer Nähe fein Wejen
trieb, und dem Unmute der Nachbarn,
denen die antiquierten Neigungen de&
Befigers nicht unerheblichen Schaden durch
erhöhte Mobiliarverficderungsprämien zu-
fügen, getrogt.
Für die Biegelbedahung waren die
Befiger, obwohlZ die Nachbarn für die
Koften desjelben teilweife aufgefommen |
Standhaft |
wären, nicht zu gewinnen.
hielten jie, wie Naboth an jeinem Wein:
berge, an dem Strohdach, das „im
Sommer jo kühl und im Winter jo
warn” macht, feit. Mit eigener Hand
„flickten“ fie immer wieder die jchadhaft |
Mittelft Weiden
gewordenen Stellen.
39
wurden die Strohbüſchel an die eichenen
oder buchenen Stangen, welde die Stelle
der Ratten vertreten, gebunden und als—
dann frifiert und geitugt.
Gegenwärtig macht das Strohdad)
gebäude einen mitleiderwedenden Ein-
druck. Die hintere Giebelfeite neigt bes
ängftigend ihr Haupt. Am Laufe des
Sommers wird, da es in andere Hände
übergegangen iſt, fein Scidjal bejiegelt
werden.
Bor 20 Fahren jtanden in Dietich-
weiler, in Nanzweiler und in Börsborn
noch mehrere Häujer mit Strohdäcern.
In Nanzweiler verſchwand das legte
vor ungefähr 10 Jahren.“
Ankündigung einer volkskundlihen Sammlung.
Der Berein für bahyeriſche
Volkskunde und Mundarten-
forihung, der bereits durch feine
1. Beröffentlihung „Volkskundliches
|
aus Fiihbadı in der Pfalz“ von |
Herrn Lehrer C. Kleeberger in Lud-
wigshafen a. Rh. jein bejonderes Inte—
rejle an unjerer engeren Heimat befundet
bat, beabjichtigt in einer weiteren Publi—
fation unjere pfälziihen Volks—
lieder herauszugeben.
An 900 Lieder aus allen Teilen der
Pfalz liegen bereit3 gejammelt vor und
harren ihrer weiteren Verwertung. Wir
fönnen jedoch mit unjerer Sammlung,
deren Redaktion Herrn Dr. Albert
Beder in Yudwigshafen a. Rh.
übertragen worden ift, nicht eher an die
Öffentlichkeit treten, als bis alle Lieder
nochmals von ſachkundiger Seite auf
ihre Urjprünglichkeit und volkstümliche
Form geprüft wurden. Dieje Nadı-
prüfung denken wir leicht in der Weite
ausführen zu fönnen, daß die einge:
jandten Lieder nad) möglichſt abge-
ſchloſſenen Landichaftsgebieten gejondert
und dann den zur Mitarbeit bereiten
Damen und Herren, die in jenen
Gegenden heimiſch find, zur gefälligen
Durchſicht überlaffen werden. So wird
die ganze Pfalz fich in eine Reihe von
Eleineren Teilen zerlegen lafjen, inner:
halb deren ortskundigen Mitarbeitern
die geplante Durdficht nicht mehr viel
Mühe veruriachen kann. Fehlende Lieder
— und deren find ed wohl mande —
werden dabei leicht nachzutragen jein.
Nun iſt aber „die Seele und das
Weien des Liedes der Gejang”; eine
zeitgemäße VBeröffentlihung von Volks—
liedern ohne Beigabe der Singweiſe
fönnte man fih darum kaum denken.
So Sollen denn neben unferen Texten
auch die Melvdien der Volkslieder jchlicht
und einfach wiedergegeben werden. Die
Nedaktion diejes muſikaliſchen Teiles
wird Herr Gymnaſialmuſiklehrer Arthur
Berg in Ludwigshafen a Rh.
übernehmen, der jede Mitteilung, die
das Mufikalifche betrifft, dankbar be-
grüßen wird.
So richten wir aljo an die geſamte
pfälziiche Lehrerichaft die herzliche Bitte,
dem vaterländiichen Unternehmen ihre
tatfräftige Unterftüßung nicht zu ver-
jagen und nad Kräften eine Aufgabe
zu fördern, deren Erfüllung für jeden
bayerifchen Pfälzer eine Ehrenſache jein
jollte. der zuverfichtlichen Erwar—
tung, daß unfer Auf in den zunächſt
beteiligten und begeiiterten Sreifen der
pfälziichen Lehrer lebhaften Widerhall
finde, bitten wir die geehrten Damen und
Herren, die zur Mitarbeit bereit find, mit
Herrn Dr. Albert Beder in Lud—
wigshafen a. Rh. ſich zu benehmen
40 —
Anregung beir, Zugvögel.
Indem wir an unſere Anregung in
Heft 3 (Drnithologiiches) erinnern,
bitten wir nochmals, die Notierungen
über das Eintreffen der Nauchichwalbe
nicht zu verſäumen und gehörigen Ortes
zugänglich zu machen. Bielleidt läßt
ſich damit eine nicht minder wichtige und
in ihrer Erfcheinung noch leichter auf-
zufaffende Beobachtung verbinden, näm—
ı Hilfe
lich das Eintieffen des Stordyes, wie es
bereits für einzelne, wenn auch eng be
grenzte Gegenden feitgeftellt it. Alle
Freunde der Natur und ihrer Lebens:
äußerungen wollen hier werftätige Bei—
leiftten und wenigſtens mittelit
Poſtkarte ihre Wahrnehmungen weiter:
befördern.
D. Sch.
„Fauniſtiſche und biologiſche Hotizen‘
heißt der Titel des 2. Teiles wertvoller
Beiträge zur Fauna und Flora des
Dberrheine® von Univerjitätsprofeffor
Dr. Robert Lauterborn aus Ludwigs:
bafen. Die Arbeit ijt ein Sonderabdrud
aus Mitteilungen der Pollichia 1904.
Die inhaltsreihe Schrift muß auch an
diefev Stelle Erwähnung finden, denn
ſie bringt dem Hiſtoriker mande inte
veffante Notiz, jo über die „milden
Aus Urgroßvaters Beit.
Belanntlich fit e8 in Altbayern, Schwaben
und im Schwarzwalde nicht felten, dab Silber:
münzen al8 Zeichen befonderer Wohlhabenheit
als Knöpfe an Rod und Weite getragen werden.
In der Pfalz ijt diefe Sitte, bezw. Unfitte und
Geihmadsverirrung verſchwunden. Es lieſt ſich
daher ſpaßhaft, was das Intelligenzblatt vom
28. März 1821 hlerauf bezüglich amtlich befannt
Pierde” von Kaiſerslautern, das Er-
iheinen eines Walfiiches (Schwertwales)
in Jahre 1688 im Rheine, die noch zu
Lifelottend Zeit im Karl Ludwigsiee
bei Ketih vorkommende Sumpfidıld-
fröte, die Erklärung der im Mittel:
alter in unſeren MRheingegenden viel—
gefangenen Fiſchart „Undelinge* (Flun—
dern?) u. a. m.
macht: Nachgemadte Münzen als Anöpfe find
verboten; aber es gebt an, daß „angeöhrte
und zu Snöpfen verwendete ädte
Münzen Hierdurch nicht aufhören,
Münzen zu bleiben und daß hlernach
bie für den Schalt der Silberwaren
beitchenden Berordnungen auf die—
felben nidt paſſen.“
Beridtigung. Seite 32 des borigen Heftes find leider ftörende Drudfehler ſtehen ge-
blieben. Beile 3 von oben rechts Heiße e8 traditionell; letzte Zeile liinks fchtweflige; rechts mu
e8 auch heilen Röhren und bloßem.
Inbalt: Bon den ehemaligen vereinigten Queckſilberbergwerken im Stönigsberge bei
Wolfitein. — Die Stdinger Würfel zu Landſtuhl.
tundlihen Sammlung — Anregung betr. Zugvögel.
— Aus Urgroßvaters Beit.
— Strohdächer. — Ankündigung einer volls-
— „Fauniſtiſche und Biologifche Notizen.”
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — ſermann Kayſer's Verlag, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich.
Die „Pfälgtiche Heimatkunde” Tofter jährlich im 12 Heften ME. 2.50, Wefellumgen werden von allen Puchbanbiungen urd
Vollanfaltcn ferner vom Berleger (Bortofrere Streifbandiendu 9) augnommen.
I. Jahrgang.
\PALZISCHE HEIMATKUNDE
Nummer 6.
April 1905.
—
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
ENBINKHHEMICA
PIL.GM
Die Ortslage und Entwicklung von Anilerslantern.
Bon D. Häberle, Kalſerl. Rechnungsrat, Heidelberg.
Läßt man vom Gipfel des Pogberges,
dem ob jeiner weitumfaljenden Fernſicht
gerühmten König des Weſtrichs, die Blide
nadı Süden jchweifen, jo tritt und dor
dem dörferreihen Plateau der Sidinger
Höhe und den langgeitredten Buntſand—
fteinrüden des Pfälzer Waldes ein eigen-
tümliches Gebilde entgegen, das iſt der
Landftuhler Brud. Als eine breite Mulde
mit jteilen ſüdlichen und ſanft auf-
fteigenden nördlichen Rändern zieht ſich
diefe Moorniederung aus der Gegend
von Kaiſerslautern bis nad Blieskaſtel
hin, und bedeutendere Waſſermengen, als
die heutigen Flußläufe führen, werden
an der Ausgeſtaltung tätig geweſen ſein,
ſei es, daß das tertiäre Meer von Mainz
am Donnersberg vorbei über Standen—
bühl, Göllheim, Börritadt, Langmeil,
Sembadh und die Hocfläde von Neu-
firhen einen Arm nac Weiten entjandte,
oder ein wafjerreiher Fluß von den Höhen
der Haardt in diejer Richtung zog, ehe
ihm der Speyerbady und andere Bädhe,
von der Rheinebene her jich einichneidend,
jein Quellgebiet immer mehr abzapften.
Heute wird diejed Gebiet durch Blies,
Glan und Lauter, melde rüdmwärts
erodieren) das nördliche Ufer als tren—
nende Schranke durdinagt Haben, ent-
mwällert, und nur durch Sinken des
Waſſerſpiegels entitandene Sümpfe und
Moore deuten die Ausdehnung der ehe—
|
maligen Wafjerflähe an. Den öftlichen
Teil der Niederung bildet die Lauterer
Senke, die nur durch einen ſchmalen
Nüden bein Lothringerhof vom Land:
ſtuhler Bruch geichteden wird und deren
Ausläufer nad) Oſten in der angegebenen
Richtung über den jogenannten „Sreis“
verfolgt werden Fönnen. Die Aus
geitaltung des landichaftlihen Reliefs
öftlih von Kailerslautern mit den infel-
artig hervorragenden Buntjandfteinrüden
des Rummel-, SKahlen-,, QDueiders-,
Langen- und Kolbenberges würde unter
einer ſolchen Borausiegung die ent:
ſprechende Erklärung finden. Die Geo-
logen vermuten, daß diejer jeßt jo viel-
fach zeritüdelte, von Nordweſt nad
Südoſt verlaufende Höhenzug durch Em:
porhebung der unteren Schichten des
mittleren Buntiandfteins längs einer
Berwerfung entftanden ift, welde aus
den Rotliegenden der Nordpfalz kommend
von Schallodenbach über Otterberg nad)
der Eſelsfürth verläuft.
In diefem Gebiete entitand nun
unjere Stadt und es ſoll unterſucht
werden, welche Momente für deren erfte
Unfänge maßgebend geweſen fein mögen.
Jede Anfiedelung ift von der Natur-
umgebung abhängig und deren Anlage
durch phyfikaliich geographiiche Verhält—
niffe bedingt, während ihre Bedeutung
in den verjchiedenen Berioden der Ge-
ſchichte aus dem Gang hiftoriiher Er-
eigniffe abgeleitet werden ınuß. Wir
haben uns die von einem Hügelkranz
umrahmte Ebene von Kailerslautern
noch in hiftorischer Zeit als einen großen
Sumpf vorzuiftellen, durch den fich die
Lauter in vielen Armen träge dahin:
wand und erjt nad ihrer Vereinigung
mit dem Gerberbad und dem im Tier—
garten entipringenden Ziegelbach von
der heutigen Kammpgarnipinnerei an ein
rajcheres Gefälle annahın. Aus der Nie:
derung ragten einzelne maulmwurfshügel-
artige Bodenanichwellungen, wie heute
noch der Peterskopf am Harzofen, als
für die Eroſion widerjtandsfähigere
Schichtenbänke hervor, deren bedeutendite
bei der Stiftskirche und am Altenhof zu
juchen find. Am Sentralgefängnis und
Nitterdberg fiel das Gehänge als Steil-
ufer zur Miederung ab, die jich weit
nah Süden und Weſten halbEreisförmig
ausdehnte. Bei der Kloſterkirche jprang
das hohe öftliche Ufer halbinfelartig vor
und die oben erwähnten Hügel bildeten
ald Reit eines von den Wafjerläufen
durchbrochenen Felſenriffs die direkte
Verbindung nah der aus Weiten vom
Rothringerhof ſich entgegenitredenden
Landzunge. Died war die Dertlichkeit,
auf der fih Kailerslautern entwideln
ſollte; noch heute treten bei einer Wan-
derung dur die Stadt trog Erhöhung
des Straßenniveaus durch Schuttablage:
rungen, die urfprünglichen Bodenformen
hervor, welche auf die erfte Anlage von
großem Einfluß geweſen fein müſſen.
Drei Gründe laffen ſich ins Feld
führen, welde nad) topographiihen und
verfehrd-geographifchen ee die
uriprüngliche Niederlaffung hervorgerufen
haben können:
1) Der fruchtbare Boden des Rothen—
berg3.
2) Das vom Sumpf geihügt halb:
inje'förmig vorjpringende hohe
Ufer.
3) Der durch die Inſeln erleichterte
Uebergang über die Niederung.
Neo Siedelung ſetzt Wege voraus,
die fie ınit den Nachbarfiedelungen ver-
bindet. Da nun der jumpfige Süden
ür natürlihe Straßen feinen Raum
42
ließ, Eonnte nur das hochgelegene Nord»
ufer in Betracht kommen. Es find da-
ber die Mannheimer, Gau-, SKlofter-
und Ritteritraße als Glieder des älteften
natürlihen Verkehrsweges anzufehen,
welcher die Rheinebene über den Scor-
lenberg und weiter über die Morlauterer
öhe mit dem Nordweſten verband,
ie von ihm berührten janft abfallenden,
nah Süden offenen und gegen Norden
geihügten Hänge des Nothenbergs konn-
ten von der mit ihren Rodungen in die
Wälder vordringenden Urbevölterung
nicht überjehen werden, da defjen Löß—
dede in Vermengung mit dem Ber:
ſetzungsprodukt des Buntjandfteins einen
für die Bebauung günftigen Boden ver-
ſprach. Die hohe, fidhere, an den Sumpf
ſich anlehnende Uferſtelle beſtimmte die
Gründung und Entwicklung der erſten
Anſiedlung, welche mit der Annehmlich—
keit der Waſſernähe und eines feſten
Bau- und Weggrundes die Zugänglichkeit
und leichte Erreichbarkeit der auf dem
Nothenbera ſich hinziehenden Aderflur
verband. Noch heute läßt fih in der
ſtädtiſchen Flurkarte dieſe Ericheinung
verfolgen, da dieſelbe im Süden nur
die Ränder der Niederung einſchließt,
während die daran ſtoßenden Höhen,
den 1303 abgetrennten Spitzrain mit
einbegriffen, in das Gebiet des Reichs—
waldes fallen. Die ſumpfige Niederung
konnte nicht umgangen, ſondern mußte
an einer dazu geeigneten Stelle gekreuzt
werden; nur auf großen Umwegen, über
den Entersweilerhof, ließ fich dieſes Ver—
kehrshindernis vermeiden und es ſprechen
Anzeichen dafür, daß das alte Nenters—
weiler mit ſeinem bequemen Paß durch
das Scheidtal nach Südweſten früher
einmal für den Verkehr von Bedeutung
war, ehe derſelbe 1332 auf Anordnung
Ludwigs des Bayern ganz über Lautern
geleitet wurde.
Für den Uebergang nach Weſten
kamen nur die hohen, trockenen, von
beiden Seiten voripringenden Ufer des
Diluvialplateaus in Berbindung mit den
aus der Niederung als Ruhepunften an
der Stiftöfirhe und am Altenhof ſich
erhebenden Hügeln in Betracht. Gerade
diefe mußten bejonders zur Befiedelung
loden, da ihr Felskern fiheren Baus
grund, die ijolierte Qage in der jump»
figen Niederung aber Schuß gegen äußere
Feinde bot. Dazwifchen liegende Furthe
oder Sinüppeldämme, von denen gelegent-
[ih der SKanalifation Spuren zu Tage
gefördert wurden, erleichterten die ÜÜber-
Ihreitung und wieſen dem Verkehr im
Zuge der Markt:, Kerit- und Fackel—
jtraße feine urjprüngliche Richtung. Die
Alurbezeihnung „am Diebspfad” (diet
— Volk) weſtlich vom Wittelöbacherplag,
läßt den weiteren Verlauf diejer, fchon
1523 als Königitraße erwähnten erften
Wegeführung vermuten. Cine weitere
Verbindung mag nad Süden zum hohen
Sand mit feinen zahlreichen natürlichen
Wegeteilungen beitanden haben. Für
die Anlage von Mühlen und die Aus-
übungvon allerlei Hantierung und®emwerbe
waren die in das Selfenriff einge:
Ichnittenen Wafjerläufe der Lauter, des
Gerber: und JLiegelbaches, gerade wie
geſchaffen.
Von den älteſten Anſiedlern berichten
Funde von Steinwerkzeugen aus neo—
lithiſcher Zeit, dagegen fehlen fichere
Merkurale für eine ftändige Niederlaffung
der Römer, obwohl in der geichriebenen
unzuverläffigen Lautrer Chronik dem
Eroberer Gallien, Yulius Cäfar, bezw.
der aus Trier geflohenen dhriftlichen
Afiyrerin Lutrina die Gründung der
Stadt zugeichrieben wird. Wenn aud)
fihere Hemeile für die Eriftenz eines
römischen Kaftelld, wie Hein vermutet,
nicht erbradıt werden können, jo läßt
die geichüßte Lage und der an den Tal-
Öffnungen für den Berkehr günftig ge
legene Snoten- und Webergangspunft
nach den Funden in der weiteren Um:
gebung eine frühe Bejiedelung durch die
für ſolche Vorzüge beſonders ſcharf—
ſichtigen fremden Eroberer vermuten.
Der urſprüngliche Namen Lutern iſt
wohl dem königlichen Bannforſt Lutra
entlehnt, welcher ſich als Ausläufer des
Pfälzer Waldes vom Donnersberg bis
zum Glan erſtreckte und ſeine Benennung
der ihn durchfließenden Lauter — Lutheraha
zu danken hat.
Als Lutra erſcheint es zum erſten
Mal in einer Urkunde Karls des Dicken,
43
der dem Bartholomäus-Flofter in Frank.
furt a. Main 882 Einkünfte von jeinem
föniglihen Hofe dajelbft verlieh; aus
einer gleihen Schenkung mag der Befik
des altberühmten Kloſters Lorih zu
Luthra datieren, welder in 62 Morgen
Aeder, 24 Morgen Dedung, Wieſen und
7 Huben (ca. 200 Morgen). beitand.
So tritt und Lautern, ebenjo wie
Albisheim, Kreuznach, Ingelheim u. a.
in verjchiedenen Frühmittelalterlichen Ur—
£unden als urjprünglich rheinfränkiſcher
Befig entgegen, der, wenn auch im Laufe
der Zeit durch Schenkungen an geiftliche
und weltliche Herren geichmälert, immer
noch bedeutend geweien jein muß, um
für den Eöniglichen Hof bei zeitweiligem
Aufenthalt die nötigen Bedüirniffe liefern
zu können. Die Fürften waren nämlid
mangels einer feiten Reſidenz damals
gezwungen, die Erträgniffe der weit zer-
jtreuten Domänen an Ort und Stelle
zu verzehren und, begleitet von zahlreichen
Dienern, Beamten und Sagdtroß im
Lande herumzuziehen. Unterkunft ge:
währte die Pfalz, welche mit zugehörigen
Wirtichaftshof große Gebäudekumplere
umfaßte, Mühlen, Wohn: und Arbeits:
häufer, Gärten und Fiſchweiher in fid
Ihloß und nah außen mit Befeftigungen
gefihert war. In diejer Weile mag fi
das alte Luthra, angelehnt an die frucht-
baren Hänge des Rothenbergs, auf dem
nördlichen Ufer oder den ficheren Juſeln
ausgedehnt und den fränkiſchen Königen,
ſei es zur Jagd, ſei es zur Erholung vor.
übergehend eine Unterkunft gewährt
haben. Anders wurde es unter den
Hohenſtaufen, welche durch FErbſchaft
Nachfolger der rheinfränkiſchen Herzöge
geworden waren. Der tatkräftige, auch
in der Lautrer Sage verherrlichte Fried—
rich Barbaroſſa erbaute 1152 zur Siche—
rung der Reichslande eine ſtattliche Burg
aus roten Quaderſteinen, welche durch
eine ſtarke Schildmauerzgegen die Land—
ſeite geſichert wurde. Auf der Südſeite
gewährte ein großer Woog, deſſen Stau-
damm das Wafler der Lauter bis über
den Schillerplag geichwellt haben mag,
ausreihenden Schuß gegen Angriffe.
Neben der Burg entjtanden, auf dem
Nittersberg die Wohnungen der mit
Neichslehen ausgeftatteten Burgmannen
und reiche Arbeitögelegenheit lodte Fremde
zur Niederlaffung im Schuß der mwohl-
verwahrten Neichsfefte. An ihrem Fuß
wurde von der Lauter die Burg. und
ijpätere Scloßmühle getrieben. Eine
Deutung für den BZufammenhang des
ihon ſehr frühe genannten, bei der
Kammgarnipinnerei ausmündenden Burg:
graben? mit der Kaijerpfalz konnte nicht
gefunden werden; auf der arte von
1742 wird er ald Mühlweg eingezeichnet.
Einen weiteren Anſtoß zur Entwid»
lung gab die Gründung des Marien:
hoſpitals und jpäteren Prämonſtratenſer—
Klofterd durch Barbarojja im Jahre
1174. Der kirchliche Mittelpuntt — die
heutige Stiftskirche aus dem dreizehnten
Jahrhundert — wurde neben der Kaiſer—
burg auf der Inſel im Anſchluß an die
bier wohl ſchon beftehende Niederlaffung
errichtet und fcharte ihre nächiten Ange:
hörigen um fich herum. Die rechtlich in
ſich abgeichlofjene Gemeinschaft war durd)
eine Umfafjungsmauer abgegrenzt, ſoweit
nicht die infelartige Lage ausreichenden
Schuß gewährte; fie hatte eine vom
Biegelbad getriebene Mühle, die jpätere
Stifts- oder Delmühle, während die
Spitalmühle an der Lauter das Wafjer
aus dem Abflug des dem Barfüßer—
Elofter gehörigen Mühl- und Schnepfen-
woogs erhielt. Auffallend ift die 1372
erfolgte Stiftung eines ewigen, Tag und
Naht brennenden Lichtes in dem Fenſter
oder in der Mauerblende neben dem
Hochaltar der Stiftsfirde durch Die
Bürgerin Elje Sprunfart, welches an-
icheinend den von Norden fommenden
Bürgern die Richtung über die Furth
andeuten jollte. Auf derjelben Boden:
ſchwelle beſaß auch das Ciſterzienſer—
Kloſter Otterberg ſchon 1195 einen Hof;
aus ſeiner Benennung als „ſteinern
Haus“ (1306) wird uns ein Rückſchluß
auf die früher übliche Bauart aus leich—
terem Material geſtattet. War doch erſt
kurz vorher (1288) ein großer Teil der
aus Holz errichteten und mit Schindeln
oder Stroh gedeckten Häuſer einem ver—
heerenden Brande zum Opfer gefallen!
Auch der im 13. Jahrhundert ge—
ründeten Deutſchoördenskomthurei Ein—
44
ſiedel gehörte um dieſe Zeit auf dem
Altenhoöf der „Comthureihof“, welcher
nach Hollenſteiner an der Ecke von Fackel—
und Kerſtſtraße ſtand. Ob derſelbe jedoch,
wie in der Stadtbeſchreibung von 1510
erwähnt wird, das erſte Haus in der
Stadt war, erſcheint nach Vorſtehendem
zweifelhaft oder bedarf einer anderen
Auslegung.
Dieſe drei geiſtlichen Niederlaſſungen
ſind als Kryſtalliſationspunkte des mittel—
alterlichen Lauterns anzuſehen, welches
im Gegenſatz zur Kaiſerpfalz zunächſt
„burgum“ genannt wurde, aber gegen
die Anſiedlung auf dem Hochufer bald
den Vorrang gewann, obwohl auch hier
von Kaiſer Friedrich II. auf deſſen ſüd—
lichem Ausläufer ein Barfüßerkloſter ge—
gründet worden war. Dasſelbe konnte
keine dauernde Bedeutung gewinnen und
läßt nur durch die katholiſche Kirche
ſeinen Standort vermuten.
Weiter nördlich neben dem Ritters—
berg dehnte ſich der Ziegelhof aus, halb
dem Kloſter Otterberg, halb den Herren
von Hohenecken gehörig, welche ihn 1369
nad einer unglücklichen Fehde an den
Erzbifhof von Mainz al8 Lehen auf
tragen mußten. Andere größere Kom—
plere bildeten der 1334 von den Rittern
von St. Alban zur Aufnahme unglüd-
(iher Frauen gegründete Bequinenfon:
vent und das 1349 in der Peitzeit von
der Stadt erbaute Feldfiehenhaus, die
Höfe der Klöſter Wadgaſſen und Wörſch—
weiler und der in der Umgegend ange—
jefjenen Adeligen.
Ausschlaggebend für die Entwidlung
war die Verleihung des Stadtrechts
durch König Rudolf im Jahre 1276.
Die auf den Inſeln und dem Hochgeitade
ſich ausdehnende Niederlaffung wurde
zu einem Gemeinwejen zufammengefaßt,
die Grenzen des Stadtgebietes durch
Namiteine bezeichnet und die neue Reichs—
ftadt durch Mauern, Gräben und Tore
befeftigt.. Mittel hierzu gemährte das
von 1323 mit Genehmigung König
Ludwigs erhobene Ungelt (Oktroi); bereits
1336 war die neue Ringmauer bis zum
Prämonftratenjer-Slofter ausgebaut und
von da mit einem Bogen über die Lauter
weitergeführt. Gräben wurden nur auf
der Nordjeite gezogen, da rundum das
Gebrühe und in jpäterer Zeit Wooge
die Berteidigungsfähigkeit verjtärften und
deren Anlage entbehrlich machten. Die
Kaiſerburg war von der Stadt durch
Wall, und Graben getrennt. Ruprecht
der Ältere verwendete auf ihren Ausbau
bedeutende Mittel und unter feinen Nach—
folgern erhielt fie zwei neue Flügel.
Bon — Caſimir wurde ſie durch
Ankauf benachbarter Grundſtücke er—
weitert und als Herrſcherſitz eingerichtet.
Nach Wiedervereinigung des Fürſtentums
Lautern mit Kurpfalz nahm der Amt—
mann darin Wohnung.
So tritt uns die Stadt mit der
Failerburg nach dem bekannten Stich
von Merian aus dem Anfang des 17.
Jahrhunderts recht ſtattlich entgegen.
Das Hauptſtück der Befeſtigung bildet
die ſtarke, durch Erdanſchüttungen ver—
ſtärkte Ringmauer, bewehrt mit Zinnen
und achtzehn runden oder viereckigen
Türmen, von denen vier über den Toren
errichtet waren. Die beiden nach Weſten
vorgelagerten Vorſtädte waren von der
Ringmauer mit eingeſchloſſen, hatten
aber durch das Fadel- und Kerſttor ihre
eigenen Pforten und ftanden durch das
Mitteltor mit der Marktitraße in Ver—
bindung, welde auf beiden Seiten unter
den Borbauten der Häufer hinführende
Laubengänge beſaß. Das ftark befeftigte
Schloß, die Stiftö- und Barfüßer-Kirche
heben ſich gegen die fie umgebenden Ge-
bäude jtattlih ab; von den 1510 ge-
nannten 33 Straßennamen find heute
noch eine ganze Anzahl gebräuchlich.
Unfer Stadtplan kann als eine ge
ihichtlihe Urkunde gelten, welde von
dem eigentümlihen Zuſammenwirken
politiicher, kirchlicher und wirtichaftlicher
Entwidelung zeug. Er läßt ın der
Altitadt — an der Kloſter-, Marft-
und Rummelftrage — troß der vielen
das Stadtbild verändernden Durchbrüche
und Nivellierungen mehrere Zentren er-
fennen, von denen eine Anzahl Erummer
Straßen angeht. Die Stiftskirche, be-
drüdt durch anitoßende oder früher gar
zwilhen die Strebepfeiler angeklebte
Profanbauten, ftößt an einen polygonalen
Kaum, den die bald vordringenden, bald
45
zurüdweichenden Häuferblöde freigelafjen
zu haben jcheinen, den heutigen Stifts-
plag. SHervorgegangen aus dem alten
Klofterbezirk, ipeziell dem Kloftergarten,
wurde er durch den Stadtwoog — wegen
des darin jtehenden Taubenhaujes aud
Taubhauswoog genannt — begrenzt und
vom Münd (= Mönd) oder Scefer-
bach durcfloffen. Das 1808 durch Auf-
ihüttung hergeitellte Fackelrondell, Grüner
Graben, Allee, Theater, Kanal-, Baur,
Mannheimer, Ludwigs: und Marftraße,
teilweiſe auf eingeebneten Wällen ange
legt, bildeten bis ins 19. Jahrhundert
die äußere Stadtgrenze und manches
anſehnliche Stüd der alten Ringmauer
und der Türme ijt der heutigen Generation
noch in Erinnerung. —* Beſſerung
der ſanitären Verhältniſſe wurde 1729
der Stadtwoog ſowie das dabei befind—
liche Gebrüche in Wieſen umgewandelt
und dadurch neuer Baugrund gewonnen.
Daran ſchloß ſich die Trockenlegung der
anderen Weiher und Einebnung der
Feſtungswerke. Eine anziehende Schilde—
rung des alten Lauterns an der Hand
eines Plans aus dem Jahre 1742 gibt
uns Dekan Hollenſteiner in ſeinem
Schriftchen über Kaiſerslautern, indem er
als Augenzeuge das Andenken an manches,
in den letzten fünfzig Jahren verſchwun—
dene Stück der Altſtadt für die Nach—
welt retten fonnte. Jahrhunderte lang
ftand die zu einem Eurpfälziihen Ober—
amtsjtädtchen herabgeiunfene alte Reichs—
ftadt in der Entwidlung ftill; das durch
Zuzug gewerbfleißiger Wallonen auf-
blühende Dtterberg ſchien es zu über-
holen. So tiefe Wunden hatte der greuel-
volle dreikigjährige Krieg der verödeten
Stadt geichlagen, in welder nur der
Pfad zum Sichelbrunnen allein nod)
gangbar geweſen jein jol. Noch im 18,
Jahrhundert mußte der Stiftsichaffner
in Lautern berichten, daß ſich fein Bürger
dajelbit ohne Aderbau ernähren könne,
obwohl Kurfürft Karl Theodor der
Stadt zu ihrer Hebung große Ber-
günftigungen durch Privileg vom 1.
Dtober 1779 bemilligt hatte. Beſſer
wurde es unter franzöfiicher Herrichaft,
als die Anlage der Kaiſerſtraße neues
Leben und die Gründung einiger. ge—
— 46 —
werblichen Niederlaſſungen brachte, aber völkerung, verſtärkt durch den Zuzug
auch den Reſt der ſtolzen Kaiſerburg — von außen, raſcher heran, neue Erwerbs»
damals Wohnung des Landſchreibers — | quellen eröffneten ſich. Der uriprüng-
bejeitigte, foweit fie der Sprengung im | liche, die legten Hahrhunderte genügende
— ——— Erbfolgekrieg entgangen war. | Stadtbezirk wurde binnen weniger Jahre
en SHauptanftoß zur heutigen Blüte | zu enge, Straßendämme durdkreuzten
der Stadt gab die 1848 eröffnete Lud- den alten Weihergrund, neue Stadtteile
wigsbahn, welche zwar die Landftraßen | legten fih an der Peripherie gleihjam
veröden ließ, aber Induſtrie und Ber- | in Wahstumsringen an, teilweife dem
kehr in ungeahnter Weile belebte. Wurde | fumpfigen Untergrund abgerungen. Kai—
doch die Eijenbahn beim Naclaffen des | jerslautern war aus einer ftillen Anıts-
Landverkehrs von Furzfichtigen Bemwoh: | ftadt eine aufblühende Induſtrieſtadt
nern als ein unvermewdlicher, aber von | geworden; an ihr haben Handel, Ber:
der Stadt unverichuldeter Uebelftand ans | fehr und Gewerbe in wenigen Fahr:
gejehen ! — unter dem Einfluß moderner
Mit der Bahn kam der Aufihwung | Transportmittel ihre ftädtebildende Kraft
von Handel und Gewerbe; durch den | gezeigt.
Einfluß der Anduftrie wuchs die Be-
Die Einteilung der ehemaligen Graffıhaft Hirkingen.*)
Ein großer Teil der „Sidinger Höhe“, | von Norden nad Süden falt ganz genau
ded Hoclandes jüdlich und jüdweftlih | 3 km, von Oſten nad) Weiten gut 5,5 km.
von Landjtuhl, welches fih im Mittel Da kartographiihe Darftellungen
gegen 460 m (220 m über dem ches dieſes ſickingiſchen Gebietes Faft nicht zu-
maligen „Bruch“) über die Meeresflähe | gänglich find, jo möge hier für dıe In—
erhebt, war länger al drei Jahrhunderte | terefjenten der Verlauf der Grenze der
der ehemaligen ſickingiſchen Grafihaft | ganzen Grafihaft, der gemeinfamen
Landftuhl zugehörig, Das Gebiet zer- | Grenze beider Gerichte und des Kondo-
fiel in ein fogenanntes Großgericht | miniums mitgeteilt fein. Sie lief von
und ein Kleingericht, jedes zehn Oxt- | Mühlbah an, welches von Bruhmühl-
ſchaften umfaſſend, dazu noch Landſtuhl bach durch den Frohnbach geſchieden iſt,
ſelbſt zu zählen it. Das Großgericht diefem Gewäſſer entlang aufwärts bis
exſtrekte ſich von Kindsbach bis nad | zur Quelle, jodann über das „Eichelchen“,
Waldfiſchbach längs des Dueidersbahes | wo fie 500 m weftlich des Trigoneter-
al3 ein Streifen von 6 km Breite und | fignals die Straße nach Lamsborn kreuzte,
15 km Länge. Das Kleingeriht lag | Tal und Höhe im gleichen Abftand weit-
genau weſtlich davon und reichte bis zu | (ich der Straße nad Roſenkopf über:
dem Dorfe Roſenkopf. Die Nordgrenze ſchritt, 0,5 km vor diefem Dorf die
der Herricaft fällt auf der ganzen 16 km dortige Höhe, den Talichluß, den Almers-
langen Strede ein wenig nördlich von | berg 0,5 km nördlich der Cote 392 m,
der Bahnlinie, mit welcher fie durch- das folgende Tal, den Sesberg ſüdlich
Ihnittlih in einem halben Kilometer | der Cote 403 m in öftlihem Laufe
Abſtand parallel läuft. querte und dann gegen Südoſten ver-
Landftuhl bildete nebit Gemarkung | lief, immer über Tal und Höhe, dabei
ein Kondominium, d. h. ed war gemein: | die Coten 392 m und 398 m berührend;
james Gebiet; jeine Ausdehnung betrug | von legterer an fällt fie mit der heutigen
*) Die zu hohen Koſten lafien uns davon abjehen, eine Karte des chemaligen Befigitandes
beizugeben; da aber drei Dutzend Ortſchaften in und nahe bei der Grafichaft heimatkundlich
an diejer, im übrigen ja trodenen Materie intereffiert find, fo geben wir die —— genau
an, daß jedermann aufgrund guter Karten imſtande tft, fie einzutragen. Eine weitere Mitteilung
über Erbverhältniffe in den fidingijchen Ortfchaften wird folgen.
Bezirksamtsgrenze 1,5km lang zufammen
und folgt von der Höhe des „Anöpper
Hübel” an dem Laufe des Morbadyes
bi8 zu feiner Bereinigung mit dem
Stuhlbadhe, (welcher von Mittelbrunn
herfommt.) Zwiſchen diefem und dem
Arnbade eritredt fih ein langer Rüden
von 120 m Erhebung, auf defjen Grat
ein Feldweg zieht; dieſer war die
Grenze bis zum „Engelbujch” bei Obern-
heim, wo jie ins Tal berabitieg, dem
Arnbade bis zur Neumühle, dann dem
Graben im „Slingelstal” folgte, den
Bremenberg überichritt, um dem Waſſer—
laufe im Schauertale (am Fuße von
Scauerberg) zu folgen; dann bog fie
um den Wahlentopf — immer noch dem
Wafjer entlang, bog über den anderen
Schauerberg auf die „Große Höhe”
(Eote 406 m), direft herunter ins
Stlappertal (Cote 310 m), wo fie dem
Wuffer bis Waldfiihbad folgte. Bon
da an war die Moosalb und vom Bled):
walzwect (am Eingange in das Karlstal)
an das Weitufer des Großen Weihers
(auch des jegt verjumpften nördlichen
Endes weſtlich der Straße) die Grenze;
fie verlief am Fuß der Höhen (Wald:
und Wielenrand) zum Gelterswoog, an
deffen Südufer Hin, durch das Langen:
tal an jener Weftieite und von Cote
3U0 m an der heutigen geraden Echneuße
nad über den Orozen Berg, das Ein:
fiedfer Tal, den Glasberg zur Kaijer-
ftraße, dieje oftwärts, den Ginfiedlerhof
umjchließend, der heutigen Bahn entlang
nochmals oftwärts und die Ziegelei um—
faffend. Nördlich der Bahn ift der Ge—
47
markungsgrenzweg zugleid. die Grenze
des fidingtichen Befites.
Sroß- und Kleingericht ſchied folgende
Linie: Bon Neumühle an das Rothen-
borntal aufwärts bis Cote 440 m, links
der Höhenjtraße entlang den alten Weg
einhaltend, über den Kreuzberg bis zur
Vereinigung mit der Arnbaher Straße,
immer 0,5 km Abſtand gegen Weiten
behaltend. Hier ftieß fie auf das Kon—
dominium.
Die Grenze des Gebietes von Land—
ſtuhl war im Weſten der Waſſerlauf im
Lochweiher bis zu 2,5 km Entfernung
von der Raiterkkraße, dann aufwärts
zur Cote 439 m (Langenftein), nordöft-
lich zutal, wieder aufwärts über den
„Hochwald“, den alten Fahrweg vom
„Stuhl” aus auf den Kuhſchwanz“,
quer über die Höhe (höchſte Erhebung
der Sickinger Höhe mit 462 m) und
herab zum oberjten Eingang in das
Bärental, fodann ein Stück nordwärts
der heutigen Straße nad, zuletzt geraden
Weges ditlih am Forfthaufe Kahlenberg
vorüber zur Kaijerjtraße, am weftlichen
Fuße des „Galgenbühl“ her über die
Bahnlinie.
Zum Eroßgeriht gehörten alfo:
Bann, Dueiderdbah, Linden, Krüden-
bad, Horbach, Hermersberg, Harſchbach,
Wejelberg, Zeielberg, Kindsbach; zum
Kleingeriht: Hauptſtuhl, Mühlbadı,
Langwieden, Martinshöhe, Gerhards-
brunn, Knopp, DOberarnbad, Mittel:
brunn, Schauerberg, Kirchenarnbach und
wohl auch Obernheim; zu beiden:
Landftuhl.
Manderbudh für den Yfälzerwald
heißt ein neued Werkchen, von Dr. C.
Mehlis herausgegeben und von der unit:
anftalt Lautz und Balzar in Darmitadt
hergeitellt. Seine jehr dankensmwerten
Beigaben find 49 Landichaftsbilder in
fauberen Autotypien, darunter ſolche,
die man fonft kaum finden wird (Krops—
burg, Landeck, Linvdelbronn, Gräfenftein,
Elmftein, u. a. m.), jowie eine ſehr
jauber ſich präfentierende und große
Pfalzkarte von Lehrer Hilſchmann
(1 : 150000). Lettere enthält außer
Bahnlinien und Hauptitraßen die Mar:
fierung der Ausflugswege in farben
und die Waldflächen in grünem Tone,
jo daß allen touriftiihen Bedürfniffen
Rechnung getragen fein dürfte Der
Wunſch, den erit in den legten Jahren
jo recht für den Wanderluftigen auf:
geichlofjenen Pfälzerwald auh dem
Kreile Fremder Ausflügler leichter zu-
gänglih zu machen, war Anlaß zur
— —
Abfaſſung des Werkchens, deſſen Text | nung von Standquartieren, alle Bahn-
bei aller Kürze doc überrajchend reich- | und Boftlinien und ein ausführlicher
baltig und vollftändig ausgefallen ift. | Fahrplan erhöhen die praftiihe Brauch—
Das „Pfälzer Lied“ leitet ein; eine geo- | barkeit des Biüchleins bedeutend. Die 250
logiſche Erfurfion durch das Gejamtgebiet | beichriebenen Touren jind auf 16 Seiten
und eine hiftorische in Anlehnung andievie- | zujammen gedrängt; auf 42 Seiten wird
uns näherer Auf-
ihluß über die
Ausgangsorte und
Standquartiere bei
Ausflügen in den
Pfälzerwald. Eine
Zuſammeunſtellung
der Markierungs—
routen und ein
8ſeitiges Inhalts—
verzeichnis dienen
der praktiſchen
Ueberſicht. Das
Büchlein ſei allen,
die ihre Heimat
aus eigener An—
ſchauung kennen ler:
nen wollen, als
Burg Wasgenſtein überall hilfsbereiter
(en Denkmäler unſerer Heimat bereitet den | Führer und Ratgeber empfohlen!
Touriften auf die, interefjanten Erfah- Durd das freundliche Entgegentommen
rungen vor, die jeiner warten. Auch über | des Berlags ift es ung möglich geworden,
Bevölkerung und Gaitlichkeit, ferner über |; in den Anſichten des Wasgenfteins und
die Art und den Verlauf der Markierung der Limburg Proben der trefflihen Illu—
leſen wir Nütliches, letzteres durch die | jtrierung zu geben. — Das Bild der
Karte wirkſam unterftügt. Die Kennzeich- Limburg bringen wirin dem nächſten Hefte.
An unjere Jeſer.
Der pflege der pfälziichen Urgeſchichte (Ar- Gebiet der Bergefienbeit anheim gefallen wäre.
chäologie und Anthropologie;haben wir in unjerm | Wir bitten daber unfere Leſer und Mitarbeiter
Programm ebenfalls eine Stelle angemwiefen. Wir | dringend, uns durch Meberfendung bon Zeitungs:
glauben dem Intereſſe weiterer Kreifezu | ausfchnitten oder kurze Mitteilung mitteljt Poſt—
entiprechen, wenn wir unter einer bejfonderen | farte zu einer möglichht volljtändigen, wenn mög»
Rubrik von allen Funden auf diefem Gebiete | lih monatliden „Fundchronik“ verbel-
fur, Notiz nehmen, um in fpäteren gen dem | fen zu wollen. Eine ſolche Notiz würde ——
Helmatforſcher gewiſſermaßen ein Nachſchlage- | zu lauten haben: Landwirt A fand bein Pflügen
werk auf diefem Gebiet bieten zu fönnen. So | jeines Aders in der Gewann B am 15. de. Mıs.
intereflant fich die Notizen in den Tageszeitungen | einen bronzenen Armring. Derjelbe wurde bon
lefen, fo jchnell werden fie auch wieder vergejjen | Herrn C unterfucht und ins Mufeum nad) D ver-
und die gemachten Funde verfchtwinden in Privat | verbracht, bezw. befindet fich im Brivatbefig bon
fammlungen oder Öffentlichen Mufeen. Es jet | Herm E. Die Früchte einer derartigen Sanımel-
bier auf die wertvollen Berichte in dem Antelli- | tätigkeit werden fich jchon nach wenigen Jahren
genzblatt des Rheinkreiſes bon 1818—1830 ver- | bemerkbar machen.
— ohne die manche Entdeckung auf diefem | D.
DInbalt: Die Ortslage und Entwidlung von Kaiferslautern. — Die Einteilung der ehe—
maligen Grafſchaft Sickingen. — Wanderbud für den Pfälzer Wald. — Un unfere Lejer.
u Schriftleiter ; Eehrer ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Verlag, Kaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
De „Pfälztiche Heimatkunde” toftet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Wellellungen werden von allen Buchhandlungen, und
Voftanflalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbaubiendung) angenommen.
I. Jahrgang.
Nummer 7
Mai 1905.
JPALZISCHE HEIMATKUNDE |
MONATSSCHRIFT
N
FMAxÊ.
FÜR SCHULE UND HAUS.
Ein Hchillerdenkmal in Oggersheim.
So weit die deutihe Zunge Elingt,
rüftet man ſich in edlem Wettitreite, den
100. Zudestag von Deutichlands aroßem
Dichter zu feiern, und aud die Pfalz
will nicht zurüditehen. Aber nurein
einziger Ort derjelben — es iſt
überhaupt der einzige in ganz
Bayern — kann ſich rühmen,
Schiller beherbergt zu haben
undein Schillerhaus zu beſitzen,
das mit andern um die Palme ringen
kann und zu erzählen weiß von den
Leiden, Entbehrungen, bitteren Eut—
täuſchungen, aber auch von Schaffens—
freudigkeit und unſterblichen Dichtergaben
des flüchtigen Karlsſchülers, ſowie von
treuen Seelen, rührender Anhänglichkeit
und gegenſeitiger Zuneigung. Oggers—
heim bot in jenen trüben November—
tagen 1782 Schiller als „Dr. Schmidt”
und feinem treuen und jelbitlojen Freunde
Andr. Streicher als „Dr. Wolf” nad) ihrer
Flucht aus Stuttgart ein Miyl, „der
Dihtkunft in erwünſchter Verborgenheit
lebend“. Hier vollendete der Dichter
keinen Fiesko und „arbeitete fleißig an |
Wuife Millerin*. Beide find gleichjam
Dagersheimer Werke. So ift der an
htoriihen Reminiizenzen jo reiche Ort,
‚en regierende Pfalzgrafen
eeitügt und gehoben haben“ und welcher
ie Sommerrefidenz des Kurfüriten Karl
beodor war, auch klaſſiſch geweiht.
daß man deshalb hier die Wiederkehr |
beichügt, |
des Todestaged würdig begeht, ift nur
jelbftverftändlih. Eine Straße hier trägt
den Namen de3 Dichterd und die 1859
gepflanzte Scillerlinde ift zu einem
ftattlihen Baume gedichen. Aber es ift
eine Ehrenichuld nicht bloß für Oggers—
heim, fondern für die Pfalz und Bayern,
ein bleibendes würdiges Andenken zu
ftiften an der Stätte, wo Schiller ın
freiwilliger Verbannung unvergängliche
Werke geichaffen.
Es ift deshalb beſchloſſene Sadır,
hier ein würdiges Denkmal für Deutſch—
lands großen Dichter zu errichten, das
um fo mehr der Allgemeinheit entipricht,
je Ichöner und würdiger es fich daritellt.
In opfermilliger Weile hat der hiefige
Stadtrat bereit$ zu diefeu Zweck einen
namhaften Betrag bewilligt Diejer
reicht jedoch bei weitem nicht aus und
es find daher noch weitere Opfer er-
forderlid. Darum ergeht ſeitens des
Denkmalkomitees an alle Werehrer des
volkstümlichſten deutichen Dichters nad
in» und auswärts, an Wereine, Geſell—
icharten, an alle deutjch gefinnten Männer
und Frauen die ebenfo freundliche wie
dringende Bitte, beifteuern und uns
mit Gaben unteritügen zu wollen. Möge
der Geiſt Schillers auch in Rehrerkreiien
jene Begeilterung und Opferwilligkeit
erweden, die eines ſolch' edlen Zweckes
würdig iſt!
L. Schmidt, Lehrer.
50
Über das Kloſter Limburg*)
ift eine Schrift vorhanden, die außer
Fachleuten nur wenigen befannt jein
dürfte. Sie ift betitelt:
„Klofter Limburg an der Haardt.
Eine baumwiffenichaftliche und geichichtliche
Abhandlung von W. Mandot, Architekt.
Herausgegeben vom Mannheimer Alter:
tumsverein. Mit 54 Tertilluftrationen
und 7 Tafeln, wovon 6 Doppelte.
Mannheim 1892, Kommilfionsverlag
von Ernft Wasmuth, Architekturbuch—
handlung, Berlin, Markgrafenftraße 35.“
Lehrer nur das erwähnt, daß der Be:
weggrund zur Stiftung der Kirche, wie
er in den Leſebuche der Mittelflafjen
dargeftellt ıft, in nichts verbürgt ſei
und daß die Annahme des Gründungs:
jahres 1030 auf einem Irrtum berube;
1025 jei als ſolches anzunehmen.
Am 2. und 3. Teil, wo ſich der Ber:
faffer auf jeinem Fachgebiet bewegt, ift
fein Wert außerordentlih anziehend.
| Er zieht jeine Schlüfje und führt feine
Beweife erit auf Grund vielfaher Be:
|
zur 1
Diefe Schrift ift nad Anhalt, Form
und äußerer Ausftattung gleich gediegen
und vornehm.
(GFormat 25%X34 cm). Freunde der
„Heimatkunde“ ſeien hiemit auf diejes
Werk aufmerfjam gemaht! ein In—
halt gliedert fih in ein Vorwort mit
T Seiten und in 3 Zeile, nämlich Ge:
ihichte des Klofters, baufünftleriiche Ur—
beberijchaft der Limburger Kirche und
Stellung der legteren in der Geſchichte
der Baukunft, endlih Baubejchreibung
des Ktloſters nebſt Einleitung und Nach—
trägen, im ganzen 90 Seiten.
Was den Anhalt betrifft, jo jei für
*, Unſere Abbildung verdanken wir dem
u. Balzar in Darmftadt; fie ift dem Buche von Dr. E. Mehlis, „Wanderbuch durch
wald“, entnonmen.
obahtungen und genauer Mefjungen,
nad umfafjender Vergleihung und unter
Herbeiziehung von Urteilen bedeutender
Kunftaltertumsforicher, Geſchichtsſchreiber
und Spradfundiger. Mehrmals ift dem
Berfaffer der Nachweis von Irrtümern
in der einjchlägigen Literatur gelungen.
Sp hat der Berfaffer des „Klojter
Limburg? ein Werk geichaffen, das dem
behandelten Gegenitand ähnlih ift an
ichlihter Hoheit, Einheit und „Wohllaut
jeiner Verhältniſſe“. Durch feine tüch-
tige Methode hat der Berfafler dem
Leier die Grundlage gegeben, auf welcher
er fih den monumentalen Klojterbau in
freundlichen Entaegentonmen der Firma Yang
en PBfälzer-
jeiner Borftellung wiederheritellen kann, | Befuhe dieſes Kleinods romaniſcher
um jo leichter, ald der Berfaffer den
Bau zeichnerifch ſchön rekonftruiert hat.
Ein Leſer obigen Werkes wird beim
Kirchenbauten mit Berftändnis zu fchauen
vermögen und ſich an diefer Offenbarung
deutichen Gemüts erfreuen und begeiftern.
Dachfteiner.
Maifröfte.
Kinder Floras, die Blumen der Wiefen
und die Blüten der Fruchtbäume ge:
worben hat, dann tritt nicht jelten der
harte Fuß eines kurzen, tüdiichen Nach—
winter® nieder, was ſich zu fröhlichen
Leben entfalten wollte. Die Menichen
find daran gewöhnt, mit Ueberraſchungen
aus dem Gebiete der Witterung zu rechnen
und finden aud in außergewöhnlichen
Umjclägen des Wetters nur eine Be-
jtätigung der alten Erfahrung, daß hier
in dev Regel die Borausficht zu Schanden
wird. Wenn aber der Wonnemonat
herannaht, jo jchlägt doc das Herz des
Landwirtes oder gar des Winzerd oder
Obſtzüchters höher, je mehr ſich fein
Auge an einer früh erjtandenen Früh—
jahrspradıt erfreut hat. Er weiß, daß
ihm die zweite Maiwoche empfindlichen
Schaden bringen kann, und gerade die
unheimliche Sicherheit, mit welcher die
Tage des 11, bis 14. Mai nur allzu
oft Schon empfindliche Temperaturftürze
gebradıt haben, allem jungen Treiben
zum Schoden, erhöht das peinliche Ge—
fühl banger Erwartung eines Unheils.
Wir find zwar — dank der Rührigkeit
der Wetterwarten und des telegraphiich
unterftügten Witterungsdienftes — ge
wöhnlich über die kommende Wetterlage
des folgenden Tages befriedigend unter:
richtet; aber was müßt es bier, um
einige Stunden voraus zu wiflen, daß
eine kalte Nacht unjere Obſt- und Wein:
ernte zum größeren Teile vernichten
wird? Es gibt ja nur in jehr be:
Ihränftem Umfange Mittel, den Ein-
flüffen der gefürchteten Maifröfte zu
begegnen.
Was wird der diesjährige Mai
bringen? ift auch jett wieder die er»
mwartungsvolle Frage der zunädit Be-
drohten. Profeſſor Habenicht jpricht fich
von dem Nordatlantiihen Dzean und
Europa” u. a. dahin aus: „In Mittel:
enropa verlief der März günſtig, erit in
der zweiten Hälfte der erjten Aprilwoche
ftellte fihb der erwartete intenfive
Kälterüdichlag ein. Die Gefahreiner
Wiederholung ift aber nod
feineswegsd ausgeſchloſſen und
wird bejonderd gegen Ende der
eritten Maiwodhe groß fein, da
die Alpen und die deutſchen
Mittelgebirge jüngft viel Neu-
Ihnee erhalten Haben und im
ganzen Norden unjeres Fon: .
tinentes nod viel Ei3 lagert.
Auf dem Mälarſee z. B. ijt die
Eisdede (Mitte April) immer
noch 45 Bentimeter did.“
Um jolhe wenig tröftlihe Vorgänge
zu verftehen, muß man auf die Luft—
drudveränderungen in unjerer Atmo—
iphäre zurüdgehen. Das Luftmeer, an
defjen Grunde wir leben, ſchwankt an
feiner „Oberfläche, wie man fidy nicht
unzutreffend ausdrüden kann, bedeutender
ald das jchwerere Wafler der Ozeane;
auch bringt das Durceinanderftrömen
verjchteden warmer oder feuchter Quft-
mafjfen und das Aufmwärtäftreben der
warmen neben dem Niederſinken der
falten Schichten ziemlich bedeutende
Trudunterihiede hervor, die fih be:
kanntlich an der felbittätigen Wage,
Barometer genannt, in der unterjchied-
lichen Länge der Duedfilberfäule oder
in bedeutenden Ausſchlägen eines Metall
eigers miderjpiegeln. Der Luftozean
* alſo auch eine Art Wellenberge und
täler; die letzteren, Depreſſionen genaunt,
bewegen ſich nun nicht bloß”, wie, die
„Marina” (Megionen hohen Diudes)
über die Erdoberfläche fort wie Wirbel-
trichter eined Bades über dejjen Grund,
jondern fie find in ganz hervorıagender
Weile an der Geftaltung unſeres mittel-
europäiihen Wetter beteiligt.*) Die
aus Gründen der geonraphiihen Wer:
teilung von Land und Waffer und der
verjchiedenartigen Erwärmung derjelben
bet uns bevorzugte Zugitraße dev atlan-
tiihen „Minima” geht über Nordfranf:
reich und ferner entweder über Alpen
und Lombardei, öftlich wieder bald nadı
Ungarn, bald nah der Balkanhalbinſel
idjwenfend, oder fie geht gegen die Ditiee
und Finnland, Andere Minima zichen
über Schottland oftwärtsd. Dabei ftrömt
Luft von allen Seiten in die Depreifion
hinein, wobei der Wirbel dem Uhrzeiger
entgegen gerichtet iit. Wenn alſo 3. 8.
eine Depreifion über den „Kanal“ heran
kommt, jo haben wir Pfälzer Wind aus
Süden; zieht fie über die Schweiz, ſo
fühlen wir am Nordrande derjelbrn Oſt—
wind, welcher ſich in NO Wind ver:
wandelt, wenn das Minimum feine
Reife fortjegt. Wäre es über der Pralz
binmwegngegangen, fo hätten wir Wind
aus Süden, darauf Winpdftille und zum
Schluß Nordwind haben können.
Am Frühlinge treten num neben
atlantiihen auch im O und NO Minima
auf, die dann naturgemäß Wegen der
nah Mitteleuropa geführten falten
öitliben und nördlihen Winde Nacht—
tröfte von verderblider Wirkung er-
zeugen. Der Herkunft diefer Minima
entiprechend find die Füften der Ditice
am 11. Mai diejen Unbilden zuerit aus:
geiegt; das mittlere Norddeutſchland
wind gewöhnlich um den 12. heimgejucht,
Sadien und Sclejien leiden am 13.,
die Aheingegend am 14. Mai darunter.
Frankreich kennt zwar auch „les Saints
de glace”, „die Eisheiligen“ (nämlich
Mamertus, PBankratius, Servatius und
Bonifatius), aber die Ericheinung zieht
jih gerne bis zum 16. Mat hin und
verflaht naturgemäß aud in ihrer ver:
derblihen Wirfung. Übrigens find diefe
Folgen feineswegs auf den mittleren
52
—
Mai beſchränkt; vielmehr verurſachen
die Depreſſionen, welche ſich im Juni
von Schottland oſtwärts bewegen, in
Deutichland vielfah unangenehme Son:
merregen und gelegentlich Nachtfröfte,
bei denen nicht jelten jogar das’ Kar:
toffelfraut erfriert und ſchwarzbraun
wird, Natürlich werden bei der räume
lid} begrenzten Ausdehnung der baro-
metriihen Minima auch nur gewiſſe
Bezirke durch Froſt heimgefuct. Darum
meldet die traurige Liſte jolcher Kälte:
rüdjälle den Scaden bald aus Frank—
reich, bald aus der Balz, aus Branden:
burg oder Schleſien — aber wehe der
Gegend, die eben betroffen wird!
Muß nun irgend cine Gegend
Deutidlands den berüdjtigten Maifröſten
Tribut zahlen? Zum Glüde können
wir Diele. Frage verneinen. Da das
Auftreten falter Quftitröme von dem
Borhandenjein von Depreifionen abhängt
und wiederum von deren YZugrichtung,
und da diejelben an ſich auch nicht gerade
über Schottland auftauchen und uns
zum Schaden dftlid wandern müſſen,
jondern beweglich im bemeglihen Ele—
mente irgendwie ziehen können, jo kann
es faſt ebenjo aut geichehen, daß wir
mit dem bloßen Schreden davonfommen;
aber Schaden kann es nichts, wenn in
Eleineren Berbältniffen in der £ritiichen
Zeit durch Beralühenlaffen von Torf:
broden oder Ähnlichem eine Gegend
unter eine jchügende — wenn auch übel-
richende — Rauchſchichte gebracht wird,
deren Einfluß auf die Verzögerung der
Wärmeausitrahlung des Bodens ficher
nicht zu unterihägen it.
Nebenbei find aud im dieſem Falle
die „Deprejiionen“ als Störenfriede
für unser Werter erkannt; und da fie
in der Regel von Weiten kommen, To
it es auch im allgemeinen zutreffend,
wenn man „das Schlechte Wetter” als
aus Weiten kommend anspricht.
) Stünde die Erde ruhig. fo zögen wohl alle Marima und Minima gegen Norden oder
Süden; da fie fi aber in 24 ftündigem Umſchwunge dreht, jo werden die äquäatorſeits ftärferen
Bewegungen der Luftmaſſen in jchrägem Yaufe abgelentt,
— U
Bon unferer Sonne.
Mir dem Frortichritte des Frühlings | abnimmt. Die unfaßbar große und in
machen ſich aud die Wirkungen der er: | unbegreifliher Erhitzung befindliche
höhten Kraft dev Sonnenjtrahlung immer | Sonnenkugel von (außen wenigitens)
deutlicher bemerkbar. Außer der Pflan- | gasförmigem Zuftande findet keine Ruhe
enwelt, die den Beginn eines neuen | und erlebt ununterbrohen Ausbrüche
Bebensabfanittes icon im Anlegen eines | und Explofionen von Wafleritoffans:
neuen Kleides und neuer Organe zur | mafjen, die ſich bald geradenmwegs, bald
Nahrungsaufnahme oder Samenbildung | mehr oder weniger ſchräg aus dem
verrät; außer dev Tierwelt, deren Glie- | inneren ergießen und als „Flecken“
der zumtel erjt wieder aus einem | oder — wenn jie mweißleuchtend auf dem
Schlafe der Erftarrung oder aus jhügen- | Gcwoge der etwas weniger hellen Glut
der Buppen- der allge:
unhüllung meinen
erwachen ; Sonnen:
außer der oberfläche
Menſchen— ſichtbar wer⸗
welt, welche den — als
körperlich „Fackeln“
die „angrei— (krumme,
fenden“ von einem
Einflüſſe der Herde be-
mwärmeren ſonders
Lenzesluft ſtarker Tä⸗
und in ihrem tigkeit aus
Gemüts⸗ gehende
leben nicht Adern) zu
minder eine ſehen ſind.
aus den Statt aller
Stimmen Beſchrei⸗
der gefieder— bung ſei auf
ten Sänger das beige—
wieder⸗ gebene, als
klingende Beiſpiel
Frühlings: ausgezeich⸗
luft empfin- j net paſſende
det, veripüren auch andere Berhältniffe | Bild der Sonne verwiejen, defjen Ab:
eine wachſende Beeinfluffung durch die | drud wir dem freundlichen Entgegen:
Sonnenwärnte, vornehmlid; die mit der | kommen des Herrn Großh. Reallehrers
Geftaltung des Wetterd zuiammen: | Ad. Mang*) verdanten. Es iſt die
hängenden Eriheinungen. Die Betrady | Wiedergabe einer photographiihen Auf-
tung über die Frühreife der Weintrauben | nahme der Sonne am 22. September
in Heft 1 hat uns fogar in der Ber- | 1870 durch den englifchen Aftronomen
mutung beftärkt, daß der Sonneneinfluß | Rutherfurd. Auch die Größe dieſer
innerhalb gewijjer Zeiträume, | „Fleden“, die man fit als eine Art
melde nad) jahren zählen und von den ! von Wirbelfturm innerhalb der Gashülle
Lebensäußerungen der Kräfte in dem | zu denken hat, deren Licht großenteils
Sonnenballe abhängen, merklich zu: oder | in den Trichtern aufgefaugt wird —
*) Das Sonnenbild iſt entnommen dem Scrifthen: „Duadrantenfernrohbr zum
Meflen und Beobachten der Geſtirne; nad) method. Grundfägen bearbeitet von Abd. Mang, nebſt
einem Anbang: Wegmeifer am Himmel für Anfänger der elementaren Aftronomie von Ph.
Fauth“, Heidelberg, Selbitverlag; 60 Seiten, 12 Abbildungen und Mondfärtchen, 1904.
daher die geringere Leuchtkraft! — grenzt
and Tabelhafte. Die Erde z. B. wäre
im Bergleihe zu dieſer Sonnenphoto-
graphie nur etwa fo groß als das
rundlidhe, dem Mittelpunfte am
nädjten liegende Fleckchen — alio
etwa °4 Millimeter! Darnad mag
man abihägen, welhe Fläche die
großen Flecke bededen und welde
Räume gar ihre wirbelnden Trichter
einnehmen ; die Größe der hier wirkenden
Kräfte nur abzuihägen überfteint das
menſchliche Faſſungsvermögen. Tatſäch—
lich können ſich die explodierenden Gaſe
in ſpringbrunnenähnlichen Strahlen bis
zu Y% und °4 Sonnendurhmefjern über
die Kugel erheben, alio auf dem Bilde
Feuergarben von 4-6 cm Länge dar:
ftellen.
Nun wird im Laufe diefes und des
näditen Yahres mehrfach von „magne:
tiichen Störungen“ und Nordlidter:
iheinungen in den Beitungen zu leſen
fein, welche mit Recht mit außergewöhn:
lihen Gaseruptionen an der Sonnen:
oberfläce in Verbindung gebracht werden,
weil plötzliche ſtarke Schwankungen der
wagredt ſchwebenden Magnetnadel unter
Umjtänden innerhalb weniger Minuten
auf jene Ausbrüche folgen; die Häufig:
feit des Zuſammentreffens jolher Er-
iheinungen beweift Elar die Abhängigkeit
der irdiichen von den tolaren Vorgängen,
Wenn nun die Zeitungen von dem Zu—
ftande und der Tätigkeit der Sonne be-
richten, möchte wohl mander Leſer, den
unjer typiiches Bild vom Jahre 1870
allein nicht befriedigt, ſich einmal den
intereffanteren Anblif der gegenwär-
tigen Sonne gönnen, glaubt aber
wohl nicht im Bejige der optiichen Mittel
hierzu zu jein. Gerade jekt bereitet
fie mit großer Schnelligkeit ein fogen.
„Fleckenmaximum“ vor, nachdem vor
einer Reihe von Monaten auch Eleine
Flecken eine rechte Seltenheit waren.
Wir geben den wiljensdurftigen Lejern
einen Weg an, die Flecken jederzeit in
wenigen Sekunden zu finden. Souſt
fieht man mit einem angerußten Glaſe,
etwa bei Finfterniffen, in die Sonne
und riskiert dennocd unangenehme Blen:
dungen. Bei unjerer Methode tft weder
Dämpfung des Shädlichen Glanzes nötig,
noch irgend eine Gefahr vorhanden.
Man ftelle die beweglichen Auszüge eines
(oder eines beliebigen
ernrohres) jo ein, daß weit entfernte
Dinge gut gefehen werden. Sodann
laffe man einfach die Sonne der Länge
nad dur das Fernrohr jcheinen, jo daß
das Licht am Augenende austritt. Zu:
nächſt wird auf einem vorgehaltenen
Papiere ein weißglänzender, runder Fleck
eriheinen. Sieht man dann unter
ruhigem Feſthalten das Anftrument
noch etwas länger auseinander,
jo wird an einem gewiffen Punkte aus
dem verſchwommenen Lichtflede ein
prächtiges, ſcharf begrenztes Sonnen-
bild, das fogar an feinem Umfange
etwas gelblid im Zone abfällt und
ihwärzliche Fleckchen, eben die gefuchten
Sonnenfleden, und gelegentlih auf dem
Rande jogar die ſchwerer zu jehenden
weißen Adern oder Fackeln aufmweiit.
Während das ummittelbare Himein:
jehen in die Sonne mit jofortiger
Erblindung geftraft würde, bereitet
da8 (Entwerfen eines glanzlojen und
überfichtlihden Sonnenbildes, das mit
weißem Papiere jozujagen in beliebigem
Abftande vom Inſtrumente aufgefangen
wird, weder dem Auge, noch aud dem
Fernrohre den geringiten Schaden,
nicht einmal bei langer ununterbrochenen
Benügung.
Die jegt immer günftiger fich ge-
ftaltenden Berhältniffe zur Beobachtung
der Sonne im Zuſtande des Aufruhrs,
die nur etiva alle elf bis zwölf Jahre
wiederfehren, werden nad vorftehender
Anleitung manchen Lejer reizen, einmal
mit eigenen Augen zu ſehen, was fein
Bild darftellen kann, nämlich die feinen
und durchſichtigen Lichtabftufungen und
zarten Farbentöne. Der uniceinbare
Feldſtecher verjegt uns jogar in die Lage,
eine ftändige Sonnenmwarte zu unter»
halten, die täglich Bericht erjtattet über
die jolare Tätigkeit und die das raſche
Fortrücken der Flecken über die Sonnen:
Icheibe dartut, denn der Sonnenball dreht
fi) in weniger als vier Wochen einmal
un, jo daß große Flecken, wie fie neu»
lich fogar mit bloßem Muge (und
——
Dämpfglas) erblidt wurden, 14 Tage
hhtbar find, ebenjo lange verichwinden
und dann am linfen Sounenrande wieder:
holt auftauchen. Wer jeinen Apparat |
gar am einen Ende eines innen ge
Ihwärzten Kaſtens anbringt und das
Projektionsbild etwa in einem Meter
Abſtand am anderen Ende auf Olpapier
oder einer matten Glasicheibe anfängt,
tut dasjelbe wie der Photograph, ja
er faun ſogar feine Sonne wirklich
photugrapbieren. Wer aber Geld an
die Sache wenden will, hat in dem
Mang’ihen „Quadrautenfernrohr“ ein
Brobachtungs-, Meß- und Projektions—
inſtrument gleichzeitig.
Beſehung des Biſchofsſtuhles in Speyer.
Die Ernennung des bisherigen beſetzt und von da an datiert ſeine
Speyerer Domdechanten Konrad Bud) | vegelmäßige Belegung. Die legten
zum Nachfolger des im März verihie- Biſchöfe hieken: ze. ll. v. Geißel
denen Biſchofs v. Ehrler hat in unferer | 1836—1842 (geftorben als Erzbiſchof
engeren Heimat bejondere Befriedigung | und Kardinal in Köln 1864); Nikolaus II.
erwedt, denn einem lange gehegten | v. Weis 1842— 1869; Konrad Vi. Reither
Wunde gemäß befteigt mit Buſch ein 1870-1871; Daniel Bonifacius v. Hane-
geborener Pfälzer den Biſchofsſtuhl. Herg 1872—1876 und Joſeph Georg
Der neue Biſchof ift 57 Jahre alt, war | v. Ehrler 18761805.
1882 —1889 Gtadtpfarrer in Landau Dem U iſt das Bi
und wurde 1899 zum Domkapitular er- em Umfange nad) ift das Bistum
nannt. Gr wird alei „| Speyer die Eleinfte von allen bayerischen
. gleich jeinem Vor Dibaefen, d r Gt 48 Quad
gänger als hervorragender Kanzelredner | Diözelen, denn e8 umfaßt nur ne
; ratmeilen mit 372000 katholiſchen
Eger ie ——— (393000 andersgläubigen) Einwohnern.
ara? . . { deden ſich politiich mit
päpſtliche Ehrenkreuz pro Ecclesia et Seine Grenzen de
Pontifiee. Nah den Beftimmmungen des denen der rer RR der ganzen
Konkordates erhält der Biichof von Speyer | Dibzeſe jind ſechs Ordeusprieſter vor-
j f handen (Minoriten), die im SHlofter
EN el nn Dogersheim Sottesdienft und Seelforge
Das Bistum ift eines der älteften | der Wallfahrer verſehen, die weiblichen
in Deutichland. Schon im Jahre 346 | Yrden find durd Dominikanerinnen,
wird ein Bifhof von Speyer namens | Arme Schulſchweſtern, Engliihe Fräu—
Jeſſe erwähnt; dann kennt die Geſchichte lein, Franziskanerinnen, Schweſtern
wieder einen Hulderih im Jahre 614, | vom armen Sinde Jeſu m Töchter
Im Zahre 650 war der Bılhofsftuhl des allerheiligiten Hetlands faus Ober—
mit einen Wanne namens Arhanafinz | Proun) vertreten.
Bon der Arenzotter
fönnen wir ferner berichten, daß Herr | fiher zu fein. — In der Giüdpfalz
Lehrer Bold in Landftuhl im ſogen. (Gegend von Fiſchbach) erinnert fich
„Bärenloh“ vor einigen Jahren ein | Herr Steuereinnehmer Schellhaaß eben-
Exemplar an feuchter Halde mit ſchie- falls vor Jahren eine Kreuzotter ge
ferigem Sandbodten — zwiällig aud | jehen zu haben.
Sonnenfeite — fing; vor einer Reihe Iſt der Biß der Sreuzotter
von Fahren entwiichte ihm eine andere | tödLich? Darüber referiert Köhler im
Otter im „Lochweiher“ ın das Geröll. | 1. Hefte „Aus der Heimat” (Berlag
Die erftgenannte wurde in Spiritus | von 8. ©. Lug, Stuttgart) aufgrumd
aufbewahrt, aber auch im legtgenannten | von Prüfungen während eines längeren
Falle glaubt der Beobachter feiner Sahe | Zeitraumes ausführlid. Daß er kom—
petent ijt, befräftigt er mit dem Beweis—
grund, daß wohl in feiner Gegend feines
engeren Baterlandes die Otter häufiger
vorfomme als im Uuellgebiete der
Zwönig ſüdlich von Chemnig. Bor
mehreren Jahren wurden an einem Nach—
nittage auf einer Waldwieſe 35 Stück
gefangen. „Selbitveritändlich find in
folhen Lagen Fälle von Kreuzotterbik
nicht felten, doc ift bisher an den zahl-
reihen Fällen der vom Referenten fon:
trollierten legten 50 Jahre feiner
mittödlihem Ausgangebefannt.
Meift ohne beiondere ärztliche Hilfe
waren alle gebijfenen Individuen am
dritten Tage wieder in normalem Zu:
ftande.” -— „Der Kreuzotterbiß an ſich
it nicht tödlich. Die örtliche Geſchwulſt
mag größer jein ald beim Bienen- oder
Weipenftich, die Gefahr ift eher geringer,
da die Otter, die fi nur handhoch über
den Boden erheben kann, feine edlen
Teile des Menichen verwundet, der
eluen Faällen den Tod herbeigeführt
bat. Die Tödlichkeit des GBiftichlangen-
biffes jcheint überhaupt noch nicht Ti.
zuftehen. Cooper läßt feine gebiſſenen
Indianer mit einem einzigen Schrei tot
u Boden ftürzen; bei Gerftäder haben
ie nod Zeit, den Todesgejang ihres
Stammes; zu fingen, heute wilfen wir
genau, daß die auf ihren Rejervationen
lebenden Indianer Nordamerika ganz
fiher wirkende einfache Mittel gegen den
Biß der Slapperichlange anwenden. Auf
alle Fälle hat das Senjationsbedirfnis
und die Phantajiefreudigkeit des Schrift:
jtellertums einen hervorragenden Anteil
an der Naturgeichichte der Gıftichlangen
auf Kojten der nüchternen Forichung.“
Es wäre erfreulich, wenn dieſer Sad
verhalt feine volle Richtigkeit hätte, was
ja wohl gelegentlich andere Kenner bejtä=
tigen werden. Im gleichen Hefte bringt W.
Schuſter Belegedafür,daßder Häherund
unjere Rabenvögel überhaupt als
Bienenftih am Kopfe aber ſchon in ein- | Feinde der Kreuzotter zu gelten haben.
Dauerhafte und ehrwürdige Urkunden.
Im Rathauſe zu Eſſingen befand |
jih ein Stein mit Inſchrift, welche nad)
dem Sntelligenzblatte von 1821 lautete:
„Als man zalt
Tausend funf hundert
Jar neunzig auch
Die Jarzal war
Dieses Rathaus sein
Anfang nam. 5. Fuder
Wein hundert Gilden
kam. Als Wolf fun
Dahlburg uns regiert
S Churfürstentum
Zu Meinz auch firt.“ 1590.
An Dahn war ebenda neben dem
damald neuen Schulhaufe ein Stein, der
bejagte:
„MD und XXXX
Anmerkung zu $. 87 in
Calt s Fuder Wein
Gulden XX. Korn 4 Gulden 4 Batzen,
Also straft Gott die Welt. 540." (1540).
Am Sahre 1725 wurde ein zweiter
Stem mit den Notizen beigefügt:
„Renoviert anno 172
Da galt das Malter Korn 7
Batzen das Fuder
Wein 50 Gulden.
Also straft Gott die Welt.“
An einen Haus in der Nähe der
Elmſteiner Boft lieft man:
„Das Hausz gebaut 1617
Da hat das malter Korn
gekost 40 fl. sim Krom
biren ı fl. XXIII kr. G. F. M.
K. L. M.*
ulden ein
eft 5.: Als Berfaffer bed zweiten Artikels über bie
F ss
„Sidinger Würfel? fann nachträglich der in Landſtuhl verftorbene k. Notar Röbel genannt werden.
Snbalt: Ein Scillerdentmal in Oggersheim. — lleber das Klofter Limburg. — Maifröite-
— Bon unferer Sonne. — Beſetzung des Bifchofsjtuhles in Speyer. — Bon der Kreugotter. —
Dauerhafte und ehrwürdige Urkunden. — Anmerkung zu Heft 5, ©. 37.
Schriflleiter : Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — Kermann Aanfer’s Verlag, Kaiferslautern. |
Für Form und Inhalt ber Reiträge find die Herren Verfafler verantwortlich.
Die „Pfälztiche Heimatkunde” Kofler jährlich in 12 Heften Me. 2.50.
Br tellungen werden von allen Buchhandlungen kubd
Toftanftalten ferner vom Verleger (Vortofreie Streifbaudfendurg) angenommen.
Nummer 8
Juni 1905.
IPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
\)
BMANNE EM
9
Großſchiffahrt auf dem GEberrheine.
I.
Im vorigen Jahre, während der Dauer
der Berhandlungen über das Syſtem
des ſtaatlichen Kanalbaues in Preußen
hatte am Ahein unerwartet ein privater
Berein ſich gebildet, der nicht weniger
bezwedt, als die alte rheiniſche Waſſer—
gaſſe in ihrer ganzen Länge von ver
Schweiz bis nadı Holland zu einer für
Großſchiffe ununterbrochen und voll:
kommen fahrbaren Straße zu machen.
Die Idee trat damals jo unvermittelt
in der Breffe auf, daß man es mit
einer Senfation zu tun zu haben ver-
meinte. Man bat ja in wifjenichaftlichen
Kreiſen die Fahrbarkeit des Oberrheines,
insbejondere von Straßburg bis Baiel, |
ſtets vernemt, und es gab jeit 1870
viele Autoritäten, welche die Unausführ:
barkeit der an fic gewiß recht patriotiich
Elingenden Frage als Feititehende Tat—
jahe ausgaben. Noch in diefen Tagen
trateır in Stuttgart namhafte Gelehrte
für die Ausſichtsloſigkeit aller jolder
auf die Schiffbarmachung des Oberrheins
zielenden Unternehmen in die Scyranfen.
Nichtsdeitoweniger traten einige Männer
zuſammen, welde dem alten Borurteil
zum Zrog auf eigene Fauft und mit
eigenen Mitteln die Stromverhält:
niffe des Rheines untersuchten, um der
ſtark angezweifelten Eadye auf den Grund
zu kommen. Und ſiehe da, das Er:
gebnis der Forſchung hat die Er:
wartung nicht getäujdt, die Mög-
lichkeit einer rationellen Schiff
barmadhung des Oberrheins hat
jih bewahrheitet. Die Praris hat
über dıe Theorie der Gegner gefiegt.
Eine alte Rheinjage berichtet, daß
eine Schar fühner Jünglinge von Bajel
zu einer Feitlichleit in Straßburg in
einem Kahn die Fahrt den Rhein herab
unternommen und einen Topf Reisbrei
warm als Gruß aus der Heimat deu
Straßburger Ratsherren überbradt habe.
Zwiſchen jener mittelalterlihen Reiſe
und der Bereinigung tapferer Männer
in unferen Tagen liegt eine lange, trau:
rige Geſchichte varerländiichen Elends.
Als Eljak im franzöfiihen Befig war,
wurde der Rhein als Grenze angeichen.
Alles geſchah aus politiihen Gründen,
um feinen Charakter als Wafjerftraße
zu verwiihen. Seine Ufer bildeten weite
Sümpfe, feine Fahrrinne veriandete.
Nod in den fiebziger Jahren jah man
im Sommer die Ediffbrüde bei Kehl
halb auf dem Trodenen liegen, einzelne
Joche türmten fich über Kiesbänke, die
mit dem veränderlihen Strombett ihre
Lage wedielten. Bon Kehlaufwärts
warder Rhein jo unbefannt, wie
die Quellen des Nils.
Im Monat Juni vorigen Jahres
hat die Ruhrorter Neederei Knipſcheer
den erſten Verſuch gemacht und glücklich
durchgeführt, einen Schleppzug Kohlen
nah Bajel zu bringen. Das alte
Märchen von der Unſchiffbarkeit
des Nheins oberhalb Straßburg
tft zerjtört. Das ift ein Ereignis
in der Geſchichte der Rheinſchiff—
fahrt, ein Wendepunft in ihrer
Eutwidlung, der Anfang einer
neuen Epoche, deren ganze Bedeu-
tung ſich nod nit überjehen läßt.
Ueber den modernen Argonautenzug
iſt mances Intereſſante zu jagen. Es
war eine Forſchungsreiſe im Her—
zen von Deutſchland. Die erſte Fahrt
beanſpruchte für die Strede Straßburg:
Bajel drei Tage, während man jegt jchon
mit zweien ausfommt. Man jteuerte
damals zum erjten Mal in völlig unbe:
kanntem Fahrwaſſer. Die Schiffbrüden
von Ottenheim und Rheinau verzögerten
die Fahrt um 4 Stunden. Während
eine3 heftigen Sturmes und Gewitters
mußte Anker geworfen werden. Es
kamen einjame Gegenden, viele Stunden
war weder Menid noch Haus zu jehen.
Anımer näher jchloffen fih Schwarzwald
und Bogejen aneinander und umrahmten
in weitem Bogen die den mächtigen
Strom begleitenden Weiden und Bappeln.
Die ſchwierigſte Arbeit war die Ueber:
mwindung des Gefälliturzes bei der Neuen-
burger Eiienbahnbrüde Dann glid die
Weiterreile einer beichaulichen Spazier:
fahrt. Der durchichnittlihe Fortichritt
betrug 3,3 Milometer in der Stunde,
eine anjehnliche Reiftung für einen Dop-
pelichranbendampfer von 350 Pferde—
Eräften mit einem Anhangkahn von der
immerhin nicht geringen Ladung von
300 Tonnen (6000 Zentner).
Nicht zum geringiten aufgrund diefer
glüdlichiten Schiffahrt bildete ſich ſofort
ein Berein ichweizerijcher Intereſſenten
unter dem Präfidium des Nationalrates
Paul Speiier, Profefjor an der Bajeler
Univerfität, der fich die Aufgabe ftellte,
in Theorie und Praxis für die Aus-
dehnung der Nhein-Großihiffahrt über
Straßburg hinaus bis nah Baſel und
darüber hinaus bis Zürih und in
das Bodenjeebeden hinein zumirfen.
Bald bildete fich ein zweiter Berein zum
gleichen Zwecke der Rheingroßſchiffahrt
über Straßburg hinaus. Wir bemerken,
58
daß auch diefer Verein durchaus privater
Natur ift. An feiner Spige ftehen die
Dberbürgermeijter Bat von Straßburg
und Schnegler von Karlsruhe, Kom—
merzienrat Stöfjer-Lahr und Handels—
fammerpräfident Schaller - Straßburg.
Im verflofjenen Winter haben fich weitere
private Vereine Eonitıtuiert, welche die
Aufgabe der erjten Bereine weiter aus:
bilden und zu beionderen Unterneh-
mungen ausnugen. Bon jet ab werden
aljo regelmäßige Fahrten die oberrheiniiche
Strede, welche bis dahin eine terra in-
cognita gewejen iſt, in fteter Folge neu
beleben, jo daß wir und von den Lei—
jtungen dieſer Bereine viel mehr ver-
ſprechen dürfen, als von allen bureau-
£ratiich geleiteten ftaatlihen Unternehmen,
welche nie fertig werden, wie insbeſondere
die aus den Rheinuferſtaaten gebildete
Kommilfion zur Rhein-Korrektur oder zur
Kanalifierung des Rheins, die faft 25
Jahre gebraucht hat, um ein Stüdwerf zu
ihaffen, über dem fich noch heute wegen
der Beitragskoften Baden, Elia und
Bayern in den Haaren liegen.
(„Brälzifche Preſſe“)
II.
Die Frage der Großidiffahrt auf
dem Oberrhein zwiſchen Straßburg und
Bafel geht nun raſch ihrer Löſung ent-
gegen; die erite Verjuchsfahrt in diejeu
Jahre ift kürzlich glüdlih von ftatten
gegangen. Unter dem Hurrahrufen und
dem Tücherfchwenfen der nadı Taufenden
zählenden Zujchauermenge, die Kopf au
Kopf gedrängt Kais und Rheinbrüden
bejegt hielt, lief am 19. April ds. 8.
mittags halb 1 Uhr der Doppelichrauben-
id „0. Rnipicheer IX” aus Ruhr:
ort von Straßburg kommend in Bajel
ein und ging bei der Xotentanzfähre
vor Anker. An Bord befanden ſich u. a.
Direktor Bomann der Reedereifirma
vormals Knipſcheer & Cie. in Ruhrort
und Ingenieur Gelpfe aus Bajel, der
unermüdliche Förderer der Rheinjdiff-
fahrt auf dem Oberrhein.
Ueber die Fahrt jelbit, die im jeder
Hinficht befriedigend verlief, abgejehen
von einer unliebjamen Berzögerung, die
die Straßburger Behörde verurjachte,
machte ein Teilnehmer folgende Mit:
59
teilungen: Samstag (15. April) nad | Schwierigkeiten, und es wurde Eonjtatiert,
mittags fuhr „Joh. Mnipicheer IX“ von
daß die Stromverhältniffe zwiſchen
Straßburg ab und traf am Sonntag | Rheinau und Baſel Sogar beſſer find,
Morgen vor der Dttenheimer Schiff:
brüde ein. Man fand zu allgemeiner
Überrafhung die Brücke geichloffen ; das
Waflerbauamt in Straßburg hatte die
Weiſung erteilt, den Durchpaß nicht zu
geftatten! Die Berufung auf die inter:
nationalen Rheinſchiffahrtsakte half nichts
und der Dampfer mußte zwei Tage vor
der Brüde liegen bleiben. Erſt am
Montag Abend traf aus Straßburg ein
Telegramm ein, das die Erlaubnis zur
Turdfahrt erteilte. Als der Weg frei-
gegeben war, jegte das Schiff unverzüg-
lich die Fahrt fort. Abends halb 8 Uhr
wurden bei Rheinau (10 Kilometer) die
Anker ausgeworfen. Schon früh mor—
gens wurde am Dienstag die Fahrt
fortgefegt und bi® zum Abend legte
„Joh. Knipſcheer“ den 66 Silometer
langen Weg bis Neuenburg zurüd.
Geitern Morgen halb 8 Uhr wurde die
Fahrt auf der legten Teilſtrecke ange
treten und um halb 1 Uhr mittags traf
der Danıpfer mohlbehalten an feinem
Beitimmungsort Bajel ein.
Die neuefte Verſuchsfahrt hat be
wiejen, daß die Schiffbrücken — es gibt
deren fieben von Straßburg bis Baſel
— ein läftiges Hemmmis für den regel-
mäßigen Schıffahrtäbetrieb bilden, da—
gegen erwiejen jich die natürlichen Strom-
verbältniffe als vorzüglich, faſt möchte
man jagen ideal. Der Oberrhein ift
eine Waflerjtraße eriter Güte, die vor»
läufig feine Regulierung und feine Aus-
baggerung erfordert. Hemmend wirken
heute einzig die künſtlichen Hinderniſſe,
wie Ediffbrüden und dergleihen. Wie
noch erinnerlich fein dürfte, wurden im
vorigen Fahre zwei und im vorlegten
Jahre eine VBerjuchsfahrt zwiſchen Straß:
burg und Bajel ausgeführt. Seither
bat ſich die Beichaffenheit des Flußbettes
nur wenig verändert, jo ijt 3. B. die
Fahrrinne von Breiſach bis Bajel un-
gefähr die gleide wie letztes Jahr.
Zrogden der Waſſerſtand bei der neueften
Verſuchsfahrt einen Meter niedriger war
als bei den Fahrten im legten Sommer,
ergaben fi) aud nicht die geringiten
ald unterhalb Straßburg. Daß es
möglich fein wird, auf dem Oberrhein
zwiichen Straßburg und Bajel die
Schiffahrt während der gleihen Zahl
von Tagen wie auf dem Mittelrhein
aufrecht zu erhalten, ift heute erwieſen
und darf nicht mehr als eine bloße
Hypotheſe angejehen werden. 6 bis 7
Monate Schiffsverkehr find außer Zweifel.
Der Doppelihraubendampfer „oh.
Knipſcheer IX” befigt eine Länge von
35 Metern, eine Breite von 7 Metern
und einen Tiefgang von 1,80 Meter.
Er verfügt über 350 Pferdefräfte. Was
die Geihmwindigkeit bei der Bergfahrt
anbelangt, fo hat der Danıpfer auf der
Sirede Neuenburg. Bajel durchichnittlich
8 Kilometer pro Stunde zurücdgelegt.
Die Stromjchnelle war relativ mäßig,
es konnte die meiſte Zeit niit Halbdampf
gefahren werden.
Am Laufe diejes Sommers werden
nun nach einem zwiſchen dem Verein
ſchweizeriſcher Rheinichiffahrtsinterefien-
ten und der Reedereifirma vormals oh.
Kuipicheer in Ruhrort abgeichloffenen
Bertrag noch weitere Berfuchsfahrten
mit ganzen Schiffszügen (Schleppdampfer
und Laſtkähne) ausgeführt werden, und
nächite8 Jahr wird man jodann zum
regelmäßigen Schiffsverkehr übergeben.
Wenn einmal die fünftlihen Hinderniffe,
die heute noch den Schiffsverkehr henmmen,
befeitigt find, jo follen nur noch Rad—
dampfer, die eine vierfache Mehrleiftung
aufweiien, Verwendung finden. In Roß—
lau a. d. Elbe baut die Needereifirma
vormals Knipſcheer zur Zeit einen be:
ſonders ftarfen Raddamprer von 1200
Bferdeftärfen, der ausichließlich den Dienft
zwischen Bajel und Straßburg verjehen
wird. Der Dampfer, der eine Länge
von 72 Metern, eine Breite von 19 Metern
und einen Tiefgang von 1,20 Meter er-
hält, wird Reftaurationsräume, Büfetts,
Schlafkabinen befigen, kurz, mit allem
Komfort der Neuzeit ausgejtattet jein.
Mit dieſem Dampfer werden auf ber
Bergfahrt Straßburg-Bajel 1200— 1500
Tonnen auf einmal von Straßburg nad
- 0% —
Bafel in zwei Tagen geführt werden | Kilometer verkürzt haben, dem beliebten Titel
io @alfahrt mi * run, | eines „ichönen, freien Stromes“ eingebüht habe;
fönnen. Die Talfahrt wird en. Stun der jetzige, mit Rückſicht auf die landwirtſchaſt-
den (für einen einzelnen Dampfer 4 Stun liche Landesmelioriation geſchaffene „Strom—
den) in Anipruch nehmen. ſchianch“ fei nur ein „profaifcher Entwäſſerungs-
Für die Schweiz und Baſel find die | kaual“ mit mafenber — dem man
ser; einen zweiten an die Seite legen müſſe, der „wie
Vorteile eined jolden Schiffsverkehrs der frühere freie Strom für die Schiffahrt
auf dem Oberrhein jehr groß, aber auch | pientich fei.”
Deutichland wird dadurch nur gewinnen. Wir fehen nicht fo ſchwarz, denn auch die
Wie es jeinerzeit den Bau des Gott- — * 50 km * J —— ge
? n : nei jirf Strecke Lanterburg Mannheim iſt, wie ja die
— —— Hat, jo or neuen Berjuchsfabrten beweiſen, ſehr wohl fchiff-
e auch er Schiffahrt auf dem Uber | par; freilich müſſen auch die Fahrten bei Nieder—
rhein alles Intereſſe entgegenbringen, | waſſer zur Beurteilung berangeiogen werden.
da dieſe Deutichland neucd Abſatzgebiet a —— gg an beb a ———
‚12 rüden und fonjtigen Einrichtungen für
——— Bar en von F * eine regelmäßige Schiffahrt nicht geeignet ſind.
wgung Der Fra pejen. un IM | Auch gibt es auf der in Betracht kommenden
militäriſcher Hinſicht kommt der Ober: | Rheinitrete noch keine patentierten Stenerleute,
rhein als Verkehrsſtraße in Betracht. | denn Rheinfchifferpatente konnten bis jet nicht
Sind zu Kriegszeiten die dem Ufer ent- no... ig ao eine Großſchiffahrt daſelbſt
- h . > Ä
lang führenden Eifenbahnen überlaitet, Bi — — *
eh Hochintereſſant und aud dem Yaien ein
jo kann die Wafjerftraße des Mheins | Icuchtend find ferner die Ausführungen des
zur Proviantzufuhr und zum Kranken- Ingenieurs R. Gelpfe von Bafel, am 6. Mai
transport benüßt werden. beit der Verſammlung der Binnenfciffahrtö-
(„Münd. N. Nadır.”) Intereffenten in Karlsruhe geſprochen. Er fieht
gi ze — „die Berhältniſſe hinſichtlich der Talverfaſſung
‚I. Lange nicht fo — * —— ——
Die Cliches unſerer Beilage zu Heft VIII: | bat“; auf der Strecke Iſtein -Zelſaſſiſch Rheinau
„Der Rheinlauf bei Sreuftett ine Jahre 1838 | — von 83 km Länge bilde ſich raſch ein Be
und 1872* (ein Stromftüid von 10 km Länge | harrungszuftand im Kies und Strombette aus.
bon der Ill mündung an abwärts) find einer Die Beränderlichfeit der Talwegsformation nehme
Brofchüre im Verlage der „Straßburger Druderei | Nah Süden raſch ab, jo daß eigentlich nur dic
——— Schult — —— „Beiträge Strede Germersheim—elſäſſiſch Rheinau einer
zu der Frage Kanal oder Aheinregulierung? | Kigentlihen Regulierung bedürfe. Den gewich—
von 2. Ungemad), Straßburg 1905* ; fie wurden tigſten Faltor bei derſelben ſieht ex aber in
uns von der „Studiengejellfchaft für den Ausbau | «iner Stauvorrihtung am Bodenſee und ähn:
elfaß-lothringtiher Wafleritrahen, ®. m. b. 9.” lichen Einrihtungen an den Schtweizerjcen.
in entgegenfommender Weife zur Verfügung ge. | „Mit Hilfe einer zwiſchen Dießenhofen und
ftellt. Die Brofchüre felbſt befpricht die Güt. Stein am Ausflufe des Rheins aus dem
achten über die Möglichkeit einer Stromregu- | Bodenjee zu erftellenden beweglichen Schuß:
lierung zur Erzielung eines ber Großſchiffahrt wehranlage mit Oeffnungen von 20-25 m
günjtigen Babrivaftere und läßt überall deutlich | ſollen die jährlichen normalen An» und Ab—
erkennen, dat die Techniker dem Oberrheine ſchwellungen des Sees derart reguliert werden,
gegenüber, der ihnen gana eigenartige umd in | daR der zwiſchen den Pegelitandögrengen + 5,0 m
ihrer Gefamtheit neue Probleme Bet ohne und + 2,70 m in Stein liegende Stauraum?)
Erfahrung find und ihre Gutachten unter Be, | don eiwa 1200 Millionen Meter**) für Regu:
rufung auf eine Reihe von Borausfekungen lierungszwecke Berwendung findet.“
abgeben. Ein Anhang, dem die beiden Cliches *, (von 9 km Länge D. Ed.)
gewidmet find, will Mar machen, daß der Rhein | *, 1(Diefe Zahl iſt unverſländlich,“ da
gerade durch die umfangreichen Regulierungs- ſchätzungsweiſe 10 Millionen Fuder Waſſer in
arbeiten, welche die Stromlänge von Bajel bis diefem Stromftüde liegen dürften; die Höhe
Lauterburg um 14 Prozent (von 218 auf 186,3 | der fer über Waſſer ift uns unbefannt D. Sc.)
— — — —
— — — — — — —
Schutz der Naturdenkmäler.
Kürzlich hielt der Pfälzerwald-Verein über die Pflege der Naturdenkmäler
in Ludwigshafen eine Berfammlung ab | reden zu hören. Man braucht nicht exit
und Hatte dabei Gelegenheit, Herrn | abzuwarten, bis etwa übereifrige Für—
Dr. Conweng, Direktor des Weit: | forge eine Heidelberger Schloßruine in
preußijchen Provinzialmuſeums in Danzig ı faliher und jehr übel angebracter
Digitized by Google
fi „SEC Membrechthofen
Figur I.
Der Rhein bei Freystett im Jahre 1838
vor der Korrektion.
—— —
Figur Il.
Der Rhein bei Freystett im Jahre 1872
nach der Korrektion.
Digitized by Google
hetät modernilieren und damıt den Beijt
der natürlichen Anmut und des tiefen
Ernftes, der aus den großartigen Trüm—
mern Spricht, gründlich austreiben will;
man kann auch in den Eleineren Ber:
bältnifjen der Pfalz ſündigen. Die Tat:
ſache, daß gutgemeinte, aber leider auf
nicht einwandfreien: Urteile aufgewacjiene
Erhaltungsiuht auch in der Pfalz an
manden „romantiihen” Stellen das
Auge und den hiltoriihen Sinn be-
leidigte — etwa durch allzu ausgiebige
Benügung der Zementtechnik, oder durch
geometriich tadelloje Anlagen, oder durd)
fein ſäuberliche Faſſung einer düjteren
MWaldquelle mit dem „dauerhaften“
Bementrohr, und was dergleihen Sün—
den der Kultur mehr find — dieje Tat:
jahe muß auch den Pfälzer überzeugen,
daß Vorſicht not tut. Wenn die Forſt—
pflege ed mit ſich bringt, daß bald nicht
einmal mehr die ungezwungene Regel
lofigteit eines Hochwaldes das Auge er:
freut, Sondern jelbjt der Wald feine
Refruten in Reihe und Glied zwingt,
jo iſt der Anblid einer abgelegenen
Stelle mit unberührten natürlichen Ber:
hältniffen eine wahre Augenweide. Man
joflte Reipekt haben vor einem ehrmwür-
digen Baumriejen und ihn mindejtend
nicht mit farbiger Wegemarfe verkleren;
man jollte eine Felsſzenerie nicht ohne
zwingende Not mit bequemer Treppe
zugänglich machen und gar mit einem
Gitter für Unvorfichtige verjehen; man
jollte panoramaähnlide Durch- und
Ausblide, wie fie leider nicht mehr
zu häufig find, ſoweit als möglich er-
halten und nicht durch profitablere Ab—
bolzung zerftören; eine Schughütte
und dgl. braucht auch nicht gerade da
zu ftehen, wo die Natur ohne fie viel
ihöner wäre. Wir finden es ganz jelbit-
verftändlich, daß fonftige Denkmäler
im engeren Sinne des Wortes einen
öffentlihen Schuß genießen; diejer be:
fteht aber nicht in der Anbringung einer
Zafel,welde den „Zuwiderhandelnden“
mit Polizeiftrafen bedroht, jondern zu«
nächſt darin, daß man Mittel und Wege
findet, auch außerhalb der Berichöne-
rungs- und Touriftenvereine das Inte—
refje für Naturichönheit und den Wert
61
altertümlicher oder wertvoller vder jeltener
Erzeugniffe des Kunſtfleißes zu weden.
Dann wird die Erhaltung derielben
weniger Mühe und Sorge bereiten.
Nah den Ausführungen des Herrn
Dr. Conwentz ficht man in der In—
ventarilierung der „Naturdenf:
mäler“, ihr Siherungim Gelände
und Befanntmacung pafjende Mittel
zur GErreihung des jchönen Zweckes.
Freiwillige Mitwirkung von
Brivaten und Bereinen, Maß—
nahmen der Bermwaltung und
endlih die Gejeggebung jollen
dazu beitragen, daß Orte und Erinne—
rungszeihen an vergangene Zeiten in
wiürdiger Weife erhalten bleiben. Das
nnd gewiß beherzigenswerte Winke;
allein faffen wir den Begriff der Natur-
dentmäler weit, jo daß aud topo—
graphiſche Eigentümlidkfeiten
und Aehnliches darunter verftanden
werden können, jo jehen wir, daß es
ihon nocd einer anderen Hilfe bedarf,
ſonſt hätten alle die vorgeicdlagenen
Mittel nicht gerade bei den jhönjten
Gelegenheiten jämmerlih veriagen
können. Man made mur eine Fahrt
durch den fchöniten Zeil des Rhein:
durhbruds, wo Reklameplafate von
vielen Quadratmetern Größe inmitten
der poefievollen Bergeshänge und Heben:
gelände den Eindruck verdarben , oder
wohl noch verderben; oder man verfolge
die Projekte zur ausgiebigen Kraft:
gewinnung aus dem Rheinfalle bei
Laufen! Das Mittel, welches über
alle verftedten und offenfundigen Polizei:
maßregeln hinauswirkt, it die Erziehung
des Volkes zum Berftändnis der
Naturihönheit und zur Wert:
ihäßung der Naturdenfmäler;
darum ift gerade die allgemeine Volks—
ſchule hier vor eine jchöne und ſchwierige,
weil vielleicht nicht jehr ermutigende Auf:
gabe geſtellt. Käme einmal diez Zeit,
daß Feine Obſtbäume mehr mutwillig
ruiniert oder Tiere herzlos und unnötig
gequält würden, dann wäre aud die
Zeit da, in welcher das Leritören von
Borfehrungen zum Öffentlihen Nugen,
das breiten von Wegmeijern oder das
Verſtümmeln von Denkmälern zu den
— —
Unmöglichkeiten gehörte. Heute wird
man froh ſein, wenn z. B. die Anlage
des Grundbuches wieder einen höheren
Reſpekt vor dem unſcheinbaren Grenz—
ſteine erzeugt; es beſteht die Ausſicht,
daß damit auch zunächſt den Trigome—
wird eine gute Ueberleitung ſein, über—
haupt ſteinerne Zeugniſſe zu ehren und
allem Beſonderen oder Seltenen dieſer
Art ein erhaltendes Intereſſe zuzu—
wenden. Bis zur GErreihung des er-
jtrebenswerten Zuſtandes aber werden
terfigalen und altehrwürdigen Grenz: | die von Herrn Dr. Conwentz aufge:
und ſonſtigen Maliteinen wieder mit | führten Maßregeln ihre Schuldigkeit zu
größerem Reſpekt begegnet wird. Das | tun haben.
Schub den Mäldern!
Nachdem nun längit das jproffende | als bald verwelfte Trophäen euch jelbft
Grün der Wälder den endgiltigen Sieg | zur Laſt und anderen verloren. Schone
des Frühlings verkündet, tft die frohe ; junge Anpflanzungen, denn was dein
Reit der Wanderungen in Gottes freie | und deiner Nacfolger Fuß zertreten
Natur gekommen. Tauſenden von aus- | hat, kann eine Lüde geben, die noch nad)
dauernden Fußgängern oder lufthung- | Dienjchenaltern fichtbar ift. Kürze nicht
rigen Erholungsbedürftigen, welche ichon | ohne Not Wege ab, denn dein Pfad
vor dem erjten Hahnenjchrei das heimat- | leitet auch andere ab, läßt fie einen un—
lihe Dad zu verlaffen pflegen, bietet | beabjichtigten rohen Pfad treten, den der
der Wald eine Stätte willtommenen | Wafjeriturz aus einem Gemitterregen
Aufenthaltes, wohltuender Erfriichung | zerreißen kann; Wege und Fünftliche
und heiteren Naturgenuſſes. Im Ans | Piade kommen dadurd in Gefahr. Früh:
terejie feines Schußes richtete neu» | ftüdspapiere und zerichlagene Flaſchen
lih die badiihe Foritverwaltung ein | find Zeugniſſe einer unfeinen, wenn
mahnende® Wort an alle Ausflügler, | nicht gar rohen gejellichaftlihen Art;
das die Waldbejucher dankbar beherzigen | balle das Bapier klein zujammen und
jollten und das aud) unjerer Jugend nicht | lege e3 ins Didicht, die Flaſchen lege
vorenthalten bleiben joll. beifeite! Feuer und Bigarren behüte
Jeder Waldbeſucher joll bedenken, | jorgfältig, um jo mehr, je heißer die
daß viele Mitmenschen gleichzeitig mit | Jahreszeit ift! Scone die Tiere des
ihm die Freuden des Waldes teilen und | Waldes, deren Anbli jedes empfängliche
mit ihm gleiche Ansprüche machen wollen. | Gemüt erfreut! Hüte deinen Hund,
Wenn der Einzelne aus Webermut | wenn er Jaägdgelüſte zeigt!
oder in überjprudelnder Laune eine un— Nur wenn die Waldfreunde fich jelbit
überlegte Handlung begeht, jo kann ſie | auf einen beichränfenden, höheren ſitt—
zwar harmlos jcheinen; wollten Alle | lihen Standpuntt ftellen, kann der Wald
fi) dasjelbe erlauben, jo käme der Wald | audy bei dem Beſuche von Tauſenden
oder das Öffentliche berechtigte Intereſſe jedermann wirklichen Naturgenuß, die
zu Schaden. Darum vor allem den | im ihm gejuchten Freuden und die geiftige
eigenen Gelüften und — joweit der per: | Ablenkung vom täglichen Getriebe bieten.
fönlihe Einfluß reicht — denen anderer | Dann jehen auch Forftverwaltung und
Menihen Zügel angelegt! Laßt vor | Privatbefiger mehr und mehr in den
allem den Waldgewäclien ihre Zweige, | wandernden Scharen einen wohltätigen
Blätter und Blüten! Sie erfreuen | Schuß und brauchen nicht mit Warnungen
andere wie euch, aber abgeriffen find jie | und Strafen zu drohen.
Iohanniskrem.
„Johanniskreuz, eine Prälzerwald: | heimatkundlichen Literatur. Ein Blid
geſchichte“, betitelt fich eines der neueften | in das Inhaltsverzeichnis klärt den
Werke auf dem Gebiete der pfälziſchen Toppelfinn des Titels genügend auf.
63
ZTerritoriale, kultur- und politiich-hifto- | daß das ältefte Krenz (das jegt ftehende,
riſche Berhältniffe, in reiher Mannig—
faltigkeit erfahren eine überraichend Elare
umd gründliche Beleuchtung. Im Brenn:
punfte des Intereſſes iteht das in tiefer
Waldeinjankeit „mitten im grünen Her:
zen der Pfalz” emiporragende „Johannis—
freuz“, in alten Urkunden auch „jant
—— Greug” und „Herr Johanns
reutz“ genannt.
Don der Menge geichichtlicher Be:
ziehungen, die das Bud, hierzu bietet,
jeien hier nur hervorgehoben die zentrale
Lage des Drtes inmitten der alten Hoc)
und Heerjtraßen, ſowie das in unmittel—
barer Nähe — kaum 300 m entfernt —
erfolgende Zufammentreffen der alten
Gaugrenzen, des Blies-, Worms: und
Speyergaues.
Verweilen wir indes etwas länger
bei den SKernpunfte der Parftellung,
dem „Urſprung und der Bedeutung des
Hohannisfreuzes’. Hier hat nun der
Verfaſſer der Legende, die jeither in
allen Fremdenbüchern eine Rolle jpielte
und mwonad das „Johanniskreuz“ das
Grabmal eines im 30 jährigen Kriege
gefallenen Offiziers jein jollte, ein gründ—
lihes Ende bereitet durch den Nachweis,
1831 errichtete, ift ſchon das dritte)
bereit3 1533 jtand. Ebenſo wird über:
zeugend dargetan, daß es fich nicht um
ein „Gerichtskreuz“ oder um ein „Mar-
terl”,nod) um einen gewöhn' ichen „Grenz—
jtein” handeln kann,
Das „Johanniskreuz“ iſt als „Hoheits-
zeichen“ errichtet worden, in einer Zeit,
da die kleinen Machthaber der Gegend
wirkliche oder vermeintliche Rechte auf—
recht zu erhalten bejtrebt waren. Der
0 — — —
Verfaſſer begründet dieſe Theſe in ein:
leuchtender Weiſe, wie hier in Kürze
folgt:
Die einzigen Anhaltspunkte für die
Errichtung des älteſten „Johannis—
kreuzes“, das nebſt dem zweiten glück—
licherweiſe aufgefunden wurde, ſind die
auf demſelben angebrachten Wappen.
In der Kreuzvierung hat man ziemlich
ſicher das Wappen der Ritter von
Hohenecken zu erkennen, während die
Schilde auf dem Kopfe und den beiden
Kreuzarmen wahrſcheinlich dem Geſchlechte
derer von Wilenſtein angehörten.
In ſcharfſinniger Weiſe ſpürt nun der
Verſaſſer dem politiſchen undpſycho—
logiihen Momente nad, in dem zwei
Beichlechter auf demfelben Steine durch
Anbringung ihrer Wappen ihre Hoheits—
rechte befundeten.
Schon zu Anfang des 13. Jahr—
hunderts Taken die Grafen von Hohe:
neden als Reichsſchultheißen oder Burg-
grafen im Kailerslautern, und es jtand
Ihnen im ganzen Gebiete der Reichsſtadt
da8 Boll» und Geleitörecht zu.
Ein Reinhart v. Hoheneden amtierte
als folcher um das Jahr 1269, wo der
zum Ddeutichen König erkforene Richard
von Gornwallis mit der Gräfin Beatrice
v. Falkenstein glänzende Hochzeit hielt.
Dieje Ehre Eoftete aber die Neichsitadt,
welche die ganze Hofhaltung zu tragen
hatte, jhmwere Summen, die aufzubringen
fie mit ihren gewöhnlichen Einkünften
nicht imftande war. Was war natür-
licher, ald daß der Burggraf einjprang?
König Richard zeigte fich ihm im der
Weije erkenntlich, daß er ih das Pfand:
recht über Rautern verlieh. Auch über:
gab er ihm die Reichskleinodien, die er
doh nicht mit nah England nehmen
konnte, zur Aufbewahrung. Reinhart
v. Hoheneden, nunmehr Inhaber des
Zoll, Geleits- und Pfandrechtes, ftand
jegt auf dem Höhepunkte feiner Macht,
die durch äußere Zeichen Eumdzutun er
keine Urſache hatte, folange Richard lebte.
Am 2. April 1272 aber itarb König
Richard; am 29. September 1273 erit
wurde Rudolf von Habsburg ge
wählt.
die Unſicherheit im Weide wurde, deſto
mehr mußte fich naturgemäß ein Ritter
wie Reinhart um die Aufrechterhal-
tung feiner Madıt jorgen. So jah er
ſich jedenfall veranlaßt, durd äußere
Zeichen für die Anerkennung wenigitens
jeiner alten Zoll- und Geleitsrechte ein-
zutreten, wenn er auch, wie er fich wohl
bewußt war, das Pfandrecht bald wieder
aufgeben mußte.
Er ließ daher jedenfalls im I. Halb-
jahr 1273 das noch vorhandene älteite
Kreuz mit in erhabener Arbeit ausge—
Inbalt: Großſchiffahrt auf dem Oberrheine.
den Wäldern! — Johanniskreuz.
64
Je größer in der Zwiſchenzeit
meißelten Wappen in der Kreuzvierung
an der Grenze feines Gebietes aufitellen.
Sleichzeitig aber jaß auf der Burg
Wilenftein ein emergiiher Mann, der
Ritter Johannes von Wilenftein.
Diejem konnte es jedenfalld nicht gleich.
giltig fein, wenn der Reihsichultheiß an
der Wılenfteiner Grenze fein Hoheits—
zeichen aufrichtete. Er Eonnte hieran
nichts ändern, aber auch ihn konnte
Niemand hindern durch Anbringung jeines
Wappens auch feine Rechte zu wahren.
Co ließ er am Kopfe ımd den Kreuz:
arınen jeine Wappen einmeißeln, für
deren nachträgliche Anbringung der Um—
ftand Ipricht, daß fie vertieft in den
Stein eingehauen find, während das
Hoheneder Wappen fih erhaben aus
gemeißelt zeigt.
Daß das Kreuz nunnah Johannes
und nicht nadı jeinem Erridter Rein—
hart genannt wurde, ift nun allerdings
nicht genügend geklärt. Ob bei den
Rivalenfämpfen der beiden Grenznad):
barn, wie die dreifahe Anbringung
jeines Wappens anzudenten jcheint, die
trogige Energie des Wilenfteiners dem
Volksgemüte tiefer und fieghafter ſich ein-
prägte und nun erjt vecht aus dem von
Reinhart aufgerichteten Machtzeichen ein
„Herrn Johanns Creutz“ erſtehen ließ?
Wahrſcheinlicher erſcheint mir dieſer
Schluß als die Meinung des Herrn Ver—
faſſers, die annimmt, es ſei der Name in
Gebrauch gekommen, weil mehrere Wilen—
ſteinerund auch einer der Hohenecker
Herren auf „Johannes“ getauft waren.
Im übrıgen fcheinen die vor itehend wieder:
gegebenen Folgerungen Herrn Bilfingers
das Richtige getroffen zu haben.
Der Reichtum feines Buches an
wiffenswertem und wiſſenſchaftlichem In—
balt namentlic; in Eulturgefchichtlicher Hin—
ficht dürfte es zu einem der gediegenften
und lefenswertejten der pfälziſch-geſchicht—
lihen Literatur mahen. J. Wöshenz.
(Die Abbildung verdanken wir der Güte
des Berlags Thieme.)
— Schutz der Naturdenkmäler. — Schutz
Schriftleiter : Eehier Ph. Sauth, Landftuhl — Bermann Kayſer's Verlag, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
te „Pfalziſche Heimatkunde“ Loftet jährlich in 12 Heften ME. 2.50. Peflellungen werden von allen Buchhandlungen Lub
Toltanftalten ferner vom Werlener (Bortofreie Streifbandiendung) angenommen.
I. Jahrgang.
Nummer 9
Juli 1905.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
LU)
ENANNN EICH
—
Das Königskrenz.
(Die Schlacht am Kafenbühl bei Göllheim am 2. Juli 1298.)
Aus Sranz Weiß: Die malerifche und romantifche Pfalz. Neuftadt a. &, A. ſo. Goltſchick, 1840.
Dort bei Göllheim aui dem Selde,
Schon feit langer Jah’e Raum,
Don dem Blitze halb zerichlagen,
Steht ein alteı Rüfterbaum.
Trauernd ruht in feinem Schatten
Eines Kreuzes fleinern Bild,
Drauf die Sweige. wie zum Schuße,
Sich hernicederbeugen mıld.
Wohl bedeutfam ifl die Stätte,
Die ein foldhes Seichen ichnnick‘,
Das nur felten, wo die Sreude
Sich gebettet, wird erblickt.
Ward ein Mord einft hier begangen,
Oder birget wen das Grab,
Dem des Sreundes Band ein Seichen
Seiner treuen Liebe gab?
Hlüh’nde Strahlen wirft die Sonne
Nieder in des Tales Schoß,
Mo, sur Ernte reif, die Saaten
Barren rüfl’ger Schnilter bloß.
Aber an den- Blgelhängen
Rat der Kerricher Machtgebot
And’re Saalen aufgepflanzet,
Deren Schnitter ift der Tod.
In dem beraumkränzten Tale,
hei, wie brauft die laute Schlacht !
freute gilt es Aron’ und Eeben,
Neffen will fih Macht mit Madıt.
Mörd' riſch treffen ſich die Heere.,
Und in heißer Kampfesglut
Achten fie nicht ihrer Wunden
Kargen nicht mit ıhrem Blut.
Lange ſchwankt des Sieges Wage,
Immer milder tobt der Streit,
Jeder ift zum Meldentode
Wie zum Sıege gleich bereit.
Ob auch ganze Scharen finken,
Aingemäht vom fcharfen Schwert,
Dennoch furchtlos ſteh'n die Aämpfer
Alle höchſten Ruhmes wert.
Und der Aaıfer, kampfbegierig.
Sprenget vor auf hohem Roß,
Defitueihs falfhen Merzog ſuchend
In der Streiter dichtem Troß.
„Keute wirft du nicht entrinnen,
Wie du Seiger oft getan,
Reich und Leben follft du lafjen
Bier zur Stund!* ruft er ihn an.
Und mit hochgeſchwung'nem Stahle
Dringt der Aaifer auf ihn ein;
Jener fleht in kalter Ruhe,
Unbekümmert um dies Dräu’n;
Rebt das Schwert zum Todesflreiche,
Das vernichtend niederfährt,
Und den todesmunden Kaiſer
Miederfchleudert von dem Pferd.
Miltag mwar’s, im nahen Alofter‘
Schlug die Glocke zwölfmal an,
Als der hochgefinnte Kaifer
Endete die Keldenbahn.
Unter Roffeshufen liegend,
Und mit Staub und Blut bedeckt,
Ward die haiferliche Leiche
Mad der Mordſchlacht fpät entdeckt.
Dort bei Höllheim auf dem Selde;
Wo gefloſſen Aaiferblut,
Steht ein ſteinern Kreuz in eines
Alten Rüflerbaumes Aut.
66
Schaltend neigen fi die Sweige
Auf des Kelden Todenmal,
Leife fchauernd, wenn des Srühlings
Lüfte wehen durch das Tal. —
Über Hirkinger Bademoor und Moorrztrakte,
Pfalz ift relativ arm an natürlichen
Heilquellen.. Außer den Salzquellen
von Dürkheim bietet unjere engere Heimat
infolge ihrer geologiihen Beichaffenheit
feine eigentlichen Heilquellen.
Um jo beredtigter war bei Errid-
tung der Kur und Wafjerheilanitalt
Sidingen zu Landftuhl im Fahre 1896
der naheliegende Gedanke, diejenigen
Heilfaftoren, die unjerem Plage eigen-
tümlich find, die ihn charakterifieren, als
willtommene Geſchenke der Mutter Natur
dankbar anzunehmen und als vollwertige
en zur Anwendung zu bringen.
iefe Gaben wurden und geboten zu:
nächſt in unferen präctigen Wäldern
und idylliich Schönen Bergen; dann aber
birgt die vor und ausgebreitete Ebene
ein reiches Moorlager in einer Aus—
dehnung von 14 Kilometer Länge, 2
Kilometer Breite und 0,5-35 Meter
Tiefe, dad, wie man annehmen darf, ın
underten von Sahren nod nicht er-
höpft fein wird. Schon im Jahre 1898
wurde der Wert und die Verwendbar—
keit des Landftuhler Moorbodend zu
Heilzweden in unferem damaligen Sahres-
berichte ausführlich dargelegt.
Diejes Moorfeld fpendet das Material
zu den Moorbädern, die unjere Anjtalt
als erjte und einzige in der Pfalz jeit
nunmehr acht Jahren bei vielen Krank:
heitsformen mit ausgeiproden gutem
Erfolge in einer jolden Ausdehnung
und in ftet3 wacjendem Umfange an-
wendet, daß diefe Moorbäder derjelben
geradezu das Gepräge geben, und das
„Moorbad Sickingen“ zu Landftuhl bei
Verzten und Patienten ein ftetig wach—
ſendes Anjehen erlangt.
Die Moorbäder finden ihre Heil
anzeige überall da, wo es gilt, Auf—
faugung von Grgüffen und Aus:
zu heben, die Blurbildung zu fördern,
und eine allgemeine Kräftigung des
Organismus anzubahnen. In diejem
Sinne jind die befannten Wirkungen
des Moorbades auf Blutumlauf, Atmung,
Stoffwechſel, Lymphbewegung, Wärme—
bildung und Wärmeableitung, ſowie
Drüfenjecretion und Harnabſonderung
aufzufaffen.
Im ſpeziellen jeien vorab die frauen:
leiden hervorgehoben, bei welchen die
Moorbadekur teils Borbrreitung, teils
Unterftügung und Nachkur der eigent:
lichen Behandlung bildet.
Während wir für gewifje Krankheits:
formen aud das Moorjalz zu Bade-
zweden verwenden, wählt man zur Be:
bantlung anderer Fälle lieber die
Moorlauge, wegen ihres hohen Grhaltes
an Ehlornatrium, da ja nach alter Er-
fahrung die Salz und Soolbäder hiefür
wertvoll find. Oft erweift fih auch eine
meditamentöje Behandlung unter dem
Bebrauche der Moor: und Moorertraft-
bäder viel wirkſamer als ohne diejelbe.
Auch bei manchen Formen der Neu:
rafthenie haben jid) die Moorbäder gut
bewährt.
Seit Alters her werden ferner die
Moorbäder angewandt bei Gicht, chro-
niihen Gelenkleiden der verjchiedenften
Art. Alle dieſe Leiden ftellen ein großes
Krankheitsgebiet vor, auf weldem die
Moorbadekur in Verbindung mit anderen
zweckmäßigen phyſikaliſchen Heilmitteln
oft ganz Hervorragendes zu leiſten vermag.
Die Gegenanzeihen für die Moor—
bäder find die gleichen, wie für alle
hautreizenden, twarınen Bäder: alle akut
auftretenden Affeftionen des Herzens, der
Lunge und Blutgefäße verbieten die
Movrbäder, ebenjo inkfompenfierte Herz:
fehler, Arterioſeleroſe und
Qungenleiden.
Die Anzeigen für Moorbäderbehband-
lung find nad obigen Andeutungen To
vieljeitige und ausgedehnte daß es
zweifellos ein berechtigte Beſtreben, ja
eine Pflicht für uns war, unfere Moor:
bäder jo vollwertig zu gejtalten und auf
jolhe Höhe zu bringen, daß fie aflen
Anforderungen, die man an ein gutes
Bademoor mit Fug und Recht ftellen
darf, zu genügen vermögen. Tatſächlich
hat unjere Anftalt auf dieſem Gebiete
gewiſſe
67
anderen Moorboden übertroffen wird.
Es können demnach bei ausſchließlicher
Verwendung unſerer Moorerde neben
dem thermiſchen und mechaniſchen
Hautreiz des Moorbreies faſt nur die
vegetabiliſchen Säuren, beſonders die
freie Humusſäure einen chemiſchen
Reiz ausüben, während dagegen der
mächtige Hautreiz, der bei ſtark mineral—
haltigen Mooren durch die gelöſten
Mineralſalze nachweisbar erzielt wird,
bei unſerem von Natur aus mineral»
armen Moor nur in geringem Maße
Das Moorbad Sickingen in Landftuhl.
dieſes Biel erreicht, wie wir im folgen-
den näher erläutern werden.
Das und zur Berfügung ftehende
Moor, defien Analyje von Profeſſor
Dr. Tade, Borftand der Berjuchsitation
ın Bremen, im Yan 1897 auf unfere
Beranlaffung hin feftgeftellt wurde, ift,
wenn es auch jchwefeliaures Eifen in
geringen Mengen enthält, in der Haupt:
jahe nah Art der „Hochmoore“ ein
vegetabiliihes Moor, in dem vorwiegend
organiihe Säuren enthalten find. Dieie
find allerdings in jo reichlichem Mae
vorhanden, daß unfer Moor nad diejer
Hinfiht unferes Wiſſens nur von einem
| gut Geltung kommen kann.
e
Um das—
(be nun mac dieſer Hinſicht gehalt.
voller und dadurch wirkungsvoller zu
machen, haben wir anfänglich unſerm
Material Moorextrakte zugeſetzt, wodurch
es tatſächlich gelang, unſere Moorbäder
wirkſamer zu geſtalten.
Doch ergaben ſich hierbei mancherlei
Störungen und Übelſtände (Preis der
Surrogate, die weite Entfernung der
Bezugsquelle und der lange Transport),
die auch von den Surgälten, welche die
Moorbäder benugten und zuhauſe ihre
Kur fortjegen wollten, unangenehm
enipfunden wurden. Da ergab ſich für
und die Notwendigkeit allmählich von
jelbft, anzuftreben, daß unjer Moorbad
völlig jelbitändig und unabhängig in
feinem Betriebe werde, indem wir ver-
fuchten, uns jelbft ein brauchbares, allen
Anforderungen, die man an ein ſolches
Präparat ftellen kann, genügendes
Moorertraft zu bereiten. Es mußte
möglichſt gehaltvoll werden, um wirkjam
zu jein und durfte nicht zu teuer zu
ftehen kommen.
Nach längeren praftiihen Verſuchen
ift e8 mix durch ſyſtematiſche Bearbeitung
unferer Moorerde gelungen, diefe Forde—
rungen zu erfüllen und ein ebenjoldes
Moorertraft darzuftellen durch Anreiche—
rung unferes Moorbodens mit Chloriden
und Eiſenſalzen. Durch diefe Präpa-
ration wurde zugleich erreicht, daß unfer
Material immer gleihmäßig in feinen
Prozentiag an wirkjamen Beitandteilen
ift, 5 daß wir es wie ein Medikament
genau dofieren und in einer der Indi—
vidualität entjprechenden Quantität und
Stärke verabreichen können.
Enthalten find in dem Bademoor,
berechnet nad) Analogie anderer fräftiger
Eifenmoore, in 1000 Teilen getrodneter
Moorerde:
erg ei (gebunden) 313,2
reie Humusfäure 210,7
Begetabilifche Nefte . 443,6
Eifenorydb uud Tonerde . . . 58,0
Schmetelfaures —— are ER
Phosphborfäure . — 1,2
Schmefeljaurer Kalt . . 1237
Kieſelerde 64,8
Ehlorkalium 13,0
Eblornatrium . re
Ghlormagnefium . 0,9
Stüchtige Säuren (Eitef., Ameifenf ) 08
umin . 12,2
Mit dieſem — Gehalt an —
Humusſäure, ſchwefelſauren Eiſenſalzen
und Kochſalz kann ſich unſer Bademoor
anderen bekannten Moorarten ebenbürtig
ur Seite ſtellen. Einen beſonderen
eichtum beſitzt unſer Bademoor, wie
aus der Analyje erſichtlich, an freier
che he Don dieler jagt Prof.
rt. Tacke in feinem Gutachten: „Be
fonder8 möchte ich auf das Borhanden-
fein der freien Humusjäuren hinweiſen.
Kommt es neben anderem darauf an,
durch das Moorbad energiiche Hautreize |
8 —
hervorzurufen, fo find diefe Subjtanzen
hiefür in hohem Grade geeignet.”
Durch praktiſche Verſuche, die wir
in unſerer Anſtalt anſtellten, ergab ſich,
daß ca. 50 Kilo unſeres Bademoores
genügen zu einem guten und £räftigen
Moorbade In einen foldhen kommen
nah unjerer Analyie berechnet über
2 Kilo freie Humusfäuren, nahezu 1 Kilo
lösliche Schwefeleifenverbindungen, ca,
1 Kilo Chlornatrium, ungerecdhnet der
übrigen mineralischen und organischen
flüchtigen Säuren, zur Wirkſamkeit.
Zugleich gewannen wir bei der Dar:
ftellung unfjeres Bademoors eine Moor»
(auge, der wir jede gewünſchte Konzen:
tration geben können. Die zur Unter—
ſuchung eingefandte Moorlauge hat ein
ſpez. Gewicht von 1,105 bei 17,5" G.,
zeigt ſauere Reaktion und enthält:
in 100 gr
Feſte Stoffe . 12,47
Unverbrennliche Stoffe 10,78
Stiditof . i
In Säuren Untöstiches r ... 0,007
Schwefelf. Eifenorydul . . .. 454
Eifenoryd | in organifchen 0,40
Tonerbde ———— 2.004
Schwefelſ. Kalk . ea,
Kodfal . . . 5,68
Ehlorfalium . 0,89
Ehlormagnefium . 0,14
Flüchtige Säuren ( (als "Eifigfäuren
berechnet . 0,004
(Humusfäuren in geringen Mengen.)
Praktiſche Verſuche ergaben, daß dies
Moorlaugebad als milder wirkender
Eriag in allen Fällen ſich empfiehlt, in
denen aus beftimmten Gründen ein
Moorbad nicht gegeben werden kann,
und im übrigen doch eine Moorbadekur
angezeigt ericheint.
Unjer präpariertes Bademoor zeigt
ſich bei der gleichen Hummusmenge nod
einmal jo ſchwer, wie die natürliche un:
bearbeitete Moorerde. Dieſes Mehr an
Gewicht verdankt das Sidinger Bade:
moor ganz wejentlih jeinem durch
igitematiihe Bearbeitung des Roh—
material® erreichten hohen Gehalt an
wirkſamen Beitandteilen.
Wir können mit dieſem gehaltvollen
Material in beliebig fompendidier Weile
eine Einzeldofis für ein Moorbad dar:
ftellen, 10 daß die Patienten zuhauſe
und zu jeder Jahreszeit unter Leitung
und Überwachung ihres Arztes mit diejen
Einzeldojen ohne weitere Bearbeitung
oder Zujäge eine Moorbadefur durch
führen können. Tenn nicht jeder Patient
ift in der Rage, Zeit und Mittel auf:
menden zu können, um in der größten
Behaglichkeit fi in einem Kurort einer
mehrwöchentlihen Kur zu unterziehen.
Un für das größere Publikum eine
wirkliche Moorbadefur auch zu Haufe
zu ermöglichen, hat Herr Finger, der
Beliger der Kuranſtalt Sidingen, ſich
entichloffen, nicht bloß das für die Moor:
bäder in der Anſtalt nötige Bademoor
nad) meinem Berfahren bereiten zu laffen,
jondern dasjelbe jowie die Moorertrafte
auh zum Berjand nach auswärts in
größeren Mapitabe herzuftellen. Die
Darftellungsweife iſt Herrn Bh. Finger
patentiert worden. (D. R. P. No. 139585)
Die erforderlihen Räume und Einrich—
tungen find bereits im Betriebe.
Im Moorbade jelbft jowie im Haus:
gebrauche hat fi) unfer Bademoor be:
fonders in feiner Anmwendungsweiie als
Moorkataplasma vorzüglid bewährt
Die hiezu nötige Weichheit, Unzerſetzlich—
feit umd Gleihmäßigkeit der Mafje ver:
69
dankt unſer Bademoor hauptſächlich der.
Verbindung mit dem mineralreichen vul-
In der Serie von Bänden, die der
„Kosmos“ (Gejellichaft der Naturfreunde,
Stuttgart) im laufenden Sabre feinen
Mitgliedern als „Ordentliche Veröffent—
lihungen” überweift, befindet fit) „Das
Sinnesleben der Bflanze* von
R. H. France In höchſt anziehender
Weile läßt und der Verfaſſer darin
einen Einblid gewinnen in das neue
Leben, das jest aud in der Botanik
erwacht ift, jeitdem man fich nicht mehr
mit trodenen, geiftlofen Blatt- und
Blütenbeihreibungen begnügt, jondern
tiefer einzudringen ſtrebt in das rätiel:
bafte Walten der Kräfte in Baum und
Blume Das init zahlreihen, den Tert
erläuternden Abbildungen nad) Original:
faniihen Schlamme, dem Fango di Ba-
taglia, deſſen alleiniges direktes Bezugs—
recht das Moorbad Sidingen für jehr
lange Beit in der Pfalz und Saargegend
befigt. Die nlüdliche Verbindung diejer
zwei natürlichen Heilfaftoren — Moor
und Fango — führte ſchließlich dazu,
dab das Sickinger Bademoor mit jeden,
aud den berühmteiten Moorbade in
Konkurrenz treten kann uud daß wir
unfer Bademoor mit Fug und Recht
ald Fangomoor bezeichnen dürfen.
Fehlt fomit unferen Bade, wie ein—
gangs hervorgehoben, aud bislang eine
eigentlihe Heilquelle, jo haben wir ın
unjeren Moorbädern immerhin einen
wichtigen Heilfaktor erichloffen, der gar
mande Heilquelle reichlich aujwiegt, Tv
daß wir vollauf berechtigt ſind zu
jagen:
„Die Heilquelle des Moor:
bades Sidingen entipringt jei-
nem Moorboden.“
Wir dürfen darum aud) nad der
bisherigen Entwidlung des Moorbudes
Sickingen die zuverfihtlihe Hoffnung
hegen, daß es uns gelungen ift, dieſe
Duelle fo zu erichliegen und zu faſſen,
daß fie ihre Heilkraft fortan für die
Allgemeinheit immer mehr ſegensreich
entfalten wird.
| zeichnungen des Autors geihmücdte Bud)
will dem Maturfreunde eine Überſicht
bieten über die Ergebniffe diejer mo—
dernen Forschung, die ihn erkennen lafjen,
wie das Leben der Pflanze vigentlich
beichaffen tft, und zugleid, warum es
für uns Wichtigkeit hat, davon zu willen.
Um unjern Lejern eine Probe von der
lebensvollen Daritellungsweile Frances
zu geben, laſſen wir nachitehend einige
jeiner Ausführungen folgen, die fih auf
das in der Ueberichrift genannte Thema
beziehen.
Es hat Zeit gekojtet, bis man ſich
davon überzeugte, aber jegt weiß man
es fiher: Bewegung gebt feiner
Pflanze ab. Ste bewegt ihren ganzen
Körper jo frei und leicht und grazids
wie das geichidtefte Tier — nur viel
laugſamer. Die Wurzeln wühlen fuchend
in Erdreich, die Knoſpen und Sprofje
vollführen gemeffene Kreiſe, die Blätter
und Blüten niden und jchauern bei Ver:
änderungen, die Ranken Ereifen fuchend
und langen mit gejpenftigenm Arm nad)
der Umgebung — aber der oberflächliche
Menſch geht vorbei und hält die Pflanze
für ftarr und leblos, weil er ſich nicht
die Zeit nimmt, eine Stunde lang bei
ihr zu weilen. Die Pflanze aber hat
Zeit, darum eilt fie nicht; denn die
iejen in Floras Neid, leben durd die
Jahrtauſende und fehen zu ihren Füßen
ungezählte Generationen von Menſchen
aufleben und vergehen. Das ganze
Wachstum ift nichts wie eine Kette Kleiner
Nude, und fo lang ein Pflanzenteil am
Leben, ift er ftet3 zu Krümmungen oder
Zudungen befähigt. Freilich ift dieſe
Bewegung nicht jo Schnell, wie die unſerer
Drgane, fie entfteht ja aud) nicht durch
Zufammenziehung von Muskeln oder
durch Elaftizität, ſondern eigent—
lich durch etwas, das man noch nicht
genau kennt. Wir dürfen es uns näm—
lich nicht verhehlen, im Sinnesleben der
Pflanzen ſind wir noch recht am Anfang
aller Kenntniſſe. Da iſt noch genug un:
bebautes Land, und jeder Naturfreund
kann bier noch Entdedungen machen und
jelbit Dinge beobadıten, die ihm die
Wiſſenſchaft mit Dank lohnen wird.
Die Phyfiologen jagen, diefe Pflan-
zenbewegungen — Nutationen nennt
man fie — formen dadurch zuftande,
daß der Druck des Waſſers in den faft-
reihen Organen fich verjchieden verteilt,
daß er auf einer Seite bald zunimmt,
bald abnimmt. Demgemäß krümmen
fih diefe Teile. Dder auch dadurd,
daß bald die eine Seite ftärker wächſt,
bald die andere. Wenn man fid) das
aber ein wenig überlegt, jo wird ınan
finden, dies fei eine Ähnlihe Antwort
wie die, daß eine Lokomotive deshalb
fahre, weil man den Sperrhahn geöffnet
hat. Schließlich ift ja die Frage nad
der Urjache des Fahrens damit beant-
wortet, aber über die Urſache der Be
wegung wifjen wir doch nichts. Erklären
70
wir da lieber ehrlich: daß wir vorläufig
nur die Tatſachen jener geheimen Be—
wegungen kennen, aber noch nicht ihre
wahre Urſache. Es geben ung übrigens
ſchon die erfteren zu ſchaffen genug, jo
mannigfaltig find fie.
Eines der lebendigften Organe des
Pflanzenkörpers iſt die Wurzel, oder
richtiger gejagt, find jene feinen, wurm—
artigen Wurzelenden, deren Spige Dar—
win nicht umfonft mit einem Gehirn
vergliden hat. Es iſt kaum zu glauben,
was dieſes weiße Fädchen alles leitet.
Bor allem dreht es jeine Spitze nr
fam, doch ftändig im Kreiſe und jchraubt
fi jo förmlich in den Erdboden ein.
Jeder, der dies noch beobadıtet hat,
vergleiht e3 mit einem Suden nad
Nahrung. Die Wurzeln tajten dadurch
jedes Erdkrümchen ihrer Umgebung ab.
Und wie jeltfam; von dort, wo das
Erdreih troden ift, wendet fich die
Wurzel ab zu feuchteren Stellen. Stets
wäh fie dorthin, wo mehr Treuchtig-
feit ift.
Aber die Wurzel wendet fih auch
nah abwärts. Sie bat aud) Schwer:
fraftempfindung (Geotropismus). Wie
mit winzigen Seilen wird dadurch jedes
Gewächs tiefer in die Erde hinabgezogen.
Man unterfuche mehrjährigen Wirjenklee
oder eine Möhre, ber der man es be-
fonders gut fieht, und man wird finden,
daß fie jedes Jahr um etwa 5 cm tiefer
hinabgerät von dem Punkte, wo fie ur«
fprünglich keimte. Sie vermag Ddiejes
eig in die Tiefe nur durch ftetes
ahstum des unterirdiihen Stengels
auszugleichen, aber gerade das ſichert
ihr den feiten Stand. Die lebenden
Weſen wiſſen alles zu ihrem Nuten
zu drehen. Das ift eine Art Natur:
gejeg und die tiefite Wurzel des menſch—
lihen Egoismus.
Aber diejer Drang nad) Erdtiefe und
Waffer ift nicht die einzige treibende
Kraft der Wurzeln. Sie entwideln
ſolche Energie, daß fie ein Blatt Papier
durchbohren können — für ein ſchwaches
Wurzelipigchen gewiß eine Riejenleiftung!
Dabei welche Zwedmäßigkeit der Ber
wegung! Wo Hinderniffe find, wird
ausgewichen; verlegt ſich die Wurzel:
ipige dennoch, jo wächſt fie raſch von
der gefahrdrohenden Umgebung weg.
Und fo ıft unter dem Waldboden ſtets
eine unterirdische Schar ſolch geheimnis—
voll lebender und ſich regender „vege—
tabiler Würmcen“ raftlos tätig, un das
Leben von Hain und Flur zu fihern
und zu fördern.
21
Die gleiche Regſamkeit, wie die Wur--
zeln im Finſtern, befigen jedoch im Tages—
licht die Ranken, jene jo graziös ver:
ichlungenen und mannigfach gevoflten
Ausläufer, welcde gleihwie mit grünen
Seilen den wilden Wein, die Kürbiffe,
Melvuen, die Zaunrübe und nod viele
andere raukende Pflanzen ländlicher
Bärten feſt an ihre Unterlage binden.
Ein Weingarten oder eine Gartenlaube
bietet da Gelegenheit zu einem feſſelnden
Erperimentalvortrag der Natur. Blidt
man einen fid an dem Spalier empor»
ziehenden Weinftod näher an, jo ift es
unmöglich, died zu überjehen. Wie ein
Polyp mit taufend Fangarmen, jo ftredt
er Ranfe um Ranke toftend in die Quft.
Und hat man gut acht, verweilt man
einen Vormittag dabei, jo bemerkt man,
wie fie wirklich juchen und tajten, indem
ihre Spite ſachte Kreiſe beichreibt, je
einen in 67 Minuten. Die Ranke ſteigt
dabei langjam in die Höhe; andere
folgen ihr, und jo jtehen an warmen
Sonnentagen (denn nur dann fieht man
es gut) vor der lauſchigen Weinlaube
hundert Polypenarme, zitternd ° und
dauernd, wie vor Gier, aber nicht nad)
einem Opfer langend, fondern nad) einer
neuen Stütze fit den jchweren Stod.
Finden jie Feine, jo ſenken fie fich
herab -- gibt es auch unten fein Aejtchen,
feine Mauer, kein Gitter zum An—
Elammern, fo fteigen fie wieder in die
öhe, aber immer bleiben fie an der
berflähe, an den günftigen Punkten,
um neue Stügen zu finden. Haben fie
eine erreicht, dann kommt erjt richtiges
Leben in die Ranke. Sofort — man
ftellte eine Frift von 20 Gefunden feit
— umſchlingt ihr ohmedies meift ſchon
gebogenes Ende ringförmig den Gegen-
ftand, und binnen einer Stunde hat fie
fih unauflösbar darum gemwunden, daß
fie jelbjt mit Gewalt nur ſchwer entfernt
werden kann. Dann zieht fie fich
ihraubenförmig zujammen und zieht
durch diefe Verkürzung den Gtanım
empor. Und jo Elettert der Wein, fo
klimmt die Zaunrübe langſam aber ficher
an Bäumen und Wänden hinauf.
Aber nicht nur die Ranken jchwingen
im Sonnenlicht — jeder Sproß, jeder
wadiende Stamm bejchreibt dieje zittern:
den Kreiſe. Am ſchönſten fieht man es
an mindenden Stänmmen, fo an den
Hopfen, mag er nun wild den Wald-
rand .überipinnen, oder an jeinen hohen
Stangen emporfriehend, mit feinem
feinen Dufte das Herz des Züchters
im vorhınein erfreuen. Man jehe fich
die herrlichen Guirlanden, die er bildet,
nur näher an. Smmer zieht fich der
Gipfeliproß in weiten Windungen um
den überfallenen Aft, den er ſchließlich
erftiden wird, und bei etwas Geduld
ſehen wir auch auf einem Stüdchen da-
hinter geftellten Karton, auf dem der
Gipfelpunft markiert ift, fein zartgrünes
Köpfchen wandern und in ſachtem Kreijen
nad neuer Stütze ſuchen.
Jede Blume nimmt teil an diefer
Beweglichkeit, jedes WBlättchen verrät
dadurch fein Leben. Am jchönften fieht
man ed, wenn man im legten Abendlicht
oder vor Sonnenaufgang über die Wiejen
und Felder geht. Tyreilich kommen wir
Städter fo jelten dazu, aber Berg-
wanderer werden es ſchon oft bemerkt
haben, daß dann auf der Berghalde fait
alle Blumen fehlen. Tags zuvor war
fie noch überjät mit den weißen Sternen
der Vogelmiere und der Gänſeblümchen,
geftit mit prangendem Blau und Rot
der Enziane und Lichtnelken, leuchtend
im brennenden Gelb des FFingerfrautes
— und jegt ift alles verihwunden im
eintönigen falten Blaugrün des Früh.
morgend. Sind die Blumen unter die
Erde gejunten? Nein, aber fie „ichlafen“
noch. Der alte Linne mußte das
ihon, aber trogdem hielt er die Pflan-
zen nicht für empfindende Wejen. Frei—
lid) in Wirklichkeit „Ichlafen” die Wiejen-
blumen niht — und deshalb ift es
befjer, diejen Zuftand ala Nadhtwenden
(Nyetitropismus) zu bezeichnen, wie es
die neuere Botanik tut. Die meijten
Brüten ſchließen des Nachts ihre Biumen- , freundlich blanen Auglein anlugt, hat es
behälter, ja mande, jo 3. B. die Glocken- jo weit gebradt, daß er bei bewölktem
binmen, die Stiefmütterden oder die : Wetter, wie es in ſolchen Höhen die
Möhren, lafjen das Blütenköpfchen ſo- Regel, alle paar Minuten, auf jeden
gar wie verwelft herabhängen. Deshalb flüchtigen Sounenblid ſein azurmes
ift die Blumenpracht des Nachts ver- Kelchlein öffnet und bei jeder vorüber:
ſchwunden, und erit die Morgenienne ziehenden Wolke wieder ſchließt.
erwedt jie von neuem. Aber nicht alle Bon den jogen. mechaniſchen Sinucs-
Pflanzen jchliegen und öffnen ihre Blüten - organen der Pflanze ausgehend, führt
zu gleicher Zeit, jo daß man aus diejem | uns France weiter zu immer größeren
Wedel eine Blumenubr zuiammen: botaniſchen Wundern, zu immer über:
ftellen konnte, die dem Kundigen durch vaichenderen Wahrnehmungen in dicier
ihre Regelmäßigkeit die Zeit verrät. ! Härielwelt voll ftiller und doch gemal-
Auh als Wetterprophet bewähren fie : tiger Kräfte. Das Endergebnis aber ift
fi, denn auch bei berannahendem Regen - dic Erkeuntnis, daß das Leben der
verändert ſich die Wieſe und idhließt vor: , Pflanze im tiefiten Grunde eins iſt mit
jorglih ihre taufend Blumenkelche. Und jenem der Tiere, mit dem von uns
fteigt man in das_Hochgebirge, dort, wo | jelbit. Das Bud beichrt mit mur,
in Geröll an der Schneegrenze die leg: : jondern es bietet auch durch die weiten
ten Blüten winken — da gibt es dann , Ausblide in den geiamten Kreislauf der
Virtuoſen der Empfindlichkeit. Der Natur, die es erichließt, eine Fülle
kleine Aipenenzian, der und dort mit ' edeliten, geiltigen Genufles.
Franz Bender 7.
Am 15. April wurde auf dem FFricd- ' und Für geichmadvolle Alzidenzdrud:
hofe zu Heidelberg der früh verstorbene erzeugniite, vorzügliche Arbeiten auf dem
Leipziger Künſtler und SKunftgewerbler Gebiete der Plakatkunſt waren die Brobe
Franz Bender beerdigt. An Germerd ſeiner ſchöpferiſchen Arbeit. Sein Haupt:
heim geboren, genoß Bender feine künſt- intereſſe wandte er aber, wie &. Wuft-
teriiche Ausbildung in Karlsruhe. Ende mann in einem Nekrolog hervorbebt, dem
der neunziger Jahre jiedelte er nah künſtleriſchen Fenſterbild zu, den er jeine
Leipzig über umd legte bald darauf in beite Kraft widmete. Auf allen Aus:
einer Ausitellung gelegentlid feines Ein jtellungen, an denen der junge Künitler
trittes in den Leipziger Künftlerverein fi im den legten Jahren beteiligt hat,
fein Programm und feine große Be: haben ſchöne Arbeiten diefer Art von
gabung für dekorative Flächenkunſt klar der geſchmackvollen Kompofitionsweije
an den Tag. TQTapetenentwürfe. in denen Benders und einem heivorragend feinen
ein ausgeſucht femer Geihmad und jein © Farbenſinn Seugnis abgelegt. Der
Farbenſinn zum Ausdrud kamen, Ent ' reihen künſtleriſchen Tätigkeit des Ver—
würfe für moderne Kunſtverglaſungen ſtorbenen bat der Tod ein viel zu frühes
in einfacher, klarer Flächenwirkung, Ar Wnde bereitet.
beiten für künſtleriſche Buchausſtattung
SDunbalt: Tas Königskreuz. Die Schlacht am Hatembin bei Geuheim am 2. Juli 12981,
— liber Zidinger Bademoor und Moorertrakte. Peitacteitt von Tr. Weiner, Badearzt in Yand-
ſtudl. Mit 1 Abbildung. — Das Zinnesichen der Pilanzen. — Franz Bender +.
Schriftleiter: Eehrer Ph. Sautb, Landitubl — Kermann Aanier’s Verlag, Kaiferslautern.
Aür Form wad Jabalt der Beiträge find Me Serren Berfafler berantmertliä.
The „Blitsiige Delmottunde” toftet jährlich Im 12 Keften Bit 250 Peteiunarn werden von aUen Autbanblungen ud
Fehesnfalten ferwer vom Verleger (Vertefrere Eirerikantirnzarg: engrarmarn.
1 Jahrgang.
*
Nummer 10
August 1905.
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
EMMA
IV. Bfälzifhe Gewerbe: und Indufrie-Ausfellung.
”i -
Kaijerslautern als der natürliche aus den eriprießlichen ftillen Einflüſſen
Mittelpunft unjerer engeren Heimat,
hat zum viertenmale Gelegenheit, ſich
in der Geftaltung und Durdführung
einer pfälziihen Ausſtellung leiſtungs—
fähig zu erweilen, diesmal aus Anlaß
des für die Pfalz wichtigen Umftandes,
dag e3 am 22. Auguft 1905 fünfund—
zwanzig Fahre find, feit das Zentral—
inftitut für Kunſt und Kunſtgewerbe, das
Prälziihde Gewerbemujeun, feier:
lic) eingeweiht wurde. In den Fahren
1843, 1860 und 1872 hatten bereits
„Prälziiche $nduftrie-Ausftellungen“ ſtatt—
gefunden; waren damals ſchon von Fall
zu Fall bemerkenswerte Fortichritte in
den Leiftungen zu verzeichnen gewejen,
jo ließ jchon die diesmal jehr lange Ent:
widelungspaufe von 33 Jahren auf
Uberrafhungen hoffen. Die am 1. Juni
eröffnete jüngite Gelegenheit, unjere
heimischen Kräfte der öffentlihen Ber
wertung dargeftellt zu jehen, hat denn
auch nicht getäuſcht. Während der
andertbhalbjährigen Aüftzeit ift eine un:
überjehbate Summe von Intelligenz,
Kunstfertigkeit und Kraft aufgewendet
worden, den Beweis zu liefern, daß die
Heimat des Pfälzers nicht bloß in ihren
natürlichen edlen und müglichen Pro:
duften den bekannten Ruhm in die weiten
Lande verbreitet, fondern daß auch der
Fleiß und Geſchmack ihrer Bewohner
imjtande find, denjelben zu mehren.
Dean ann jagen, der Segen, welder
unſeres Gemwerbemujeums erblüht tft,
macht fi überal im hochanerkennens—
werten Arrangement, beionderd aber an
den geſchmackvoll, teilweiſe hochkünſtleriſch
ausgeführten Einzelleiſtungen bemerkbar.
Natürlich fallen zuerſt die hochelegant,
zumteil vaffiniert zujammengejtellten
Zimmereinrichtungen auf; aber aud,
was dekorative Kunft, Photographie,
Malerei, Bildhauerei geleiftet haben,
wird eine Freude für jeden inferejfierten
Beſucher fein; man überjicht gerne, daß
das Allzumoderne manchmal über eine
weiſe einzuhaltende Grenze geraten ift.
Mafjenprodufte intereilieren durch monu«
mentalen Aufbau; auch die nüchternen
Erzeugniffe des Maſchinenbaues, zumteil
im Betriebe, ringen uns in vielen
Stüden Bewunderung ab; wir erhalten
Elare Einblide in unjer öffentliches Baus
wejen jamt Brüden- und Straßenbau
und Fabrifanlagen. Wo joviele Beweije
von Kunſt und Geihmad vorliegen,
durfte mandes Werk geringeren Jaute—
reſſes zurückgewieſen bleiben! Die in
der Pfalz jo ausgedehnte Tonwaren—
induftrie fcheint allein unvertreten. —
158 Ausiteller werden gezählt. Am 20,
Augujt wird die Preisverteilung ſtatt—
finden, anı 1. September die 4. Aus
ftellung geichloffen werden. Bis jegt
ſollen 150000 Beſucher gezählt worden fein;
den übrigen Pfälzern kann der lehrreiche
Bejuh nur dringend empfohlen werden,
14
Motizen zur Einführung der Aartoffelpflanze,
1. Herr Kaplan Weber:
Baum, Chronik von Hinter:
weidenthal: ©. 52: Im Jahre 1723
wurde dajelbft die proteltantiihe Brarr-
jtelle erridtet und mit diejer zugleich
aud die Lehrerftelle verbunden. Der
Gehalt de3 Pfarrers wurde dement:
iprechend durch die bisherige Beſoldung
des Lehrers erhöht. Der Berfaffer der
Chronik bemeift dann weiter ©. 52:
„Dazu nod die früher dem Lehrer von
der Kirche in Genuß gegebenen Güter:
„2 Kleine Stüder für Grundbirnen
und Hanf zu bauen und einigen Wied:
wachs“ (2 kleine Wicjen).”
©. 99 ift für das Jahr 1740 die
Nede von „2 Scyemel für Grundbiren.”
S. 102f. wird eine von dem Lehrer
Steinmann im Fahre 1771 aufgeitellte
Schulbeſoldung mitgeteilt, welche als
ihäßenswerten Beitrag für die Be:
deutung der Kartoffel in diefen Hunger:
jahren (vgl. Prälz. Heimatkunde ©. 32).
Folgende Bemerkung enthält S. 103:
„Auch iſt bei hiefigem Schulgut nicht
Ein Stüd, wo ein zeitliher Schulmeiſter
die jo nötigen Grundbirnen vor
feine Haushaltung anbauen Könnte,
weldhe man dod allerdings haben
muß.“
Notiz aus dem Jahre 1740
aus dem Kreisarıhiv Speyer, Abt. Hochſt.
Speyer, Fasz. 320: In einem Briefe
vom 11. November 1740 beklagte
fih der Pfarrer Friedel von Arzheim
beit dem Dr. Schuhmader in Brudjfal,
daß „die fatalilät der Wütterung die in
dem dahiefigen Kleinen Zehndten ein-
gehendte Früchten als obs, rüben, grund:
beer und waß dergleihen . . . Früch—
ten der erdten mehr jeynt, ſchon ziem—
lid) beihädigt” hat.
Bezüglich der Stelle aus dem Bor:
trage des Herrn Lehn in Jägersburg
(Pf. H. 31) möchte ich darauf hinmweilen,
daß fie wahrichernlich entnommen ift dem
Büchlein von Heing, „Das Herzogtum
Bweibrüden während des dreikigjährigen
Krieges.” (Ich benüge die 1. Ausgabe
vom %. 1810). Dort finde ich S. 152
eine Bemerkung im Terte über die Not:
ftände in Bezug auf die Nahrungsmittel
im 3Ojährigen Kriege: „Bon dem Aus—
lande war feine Zufuhr zu erwarten,
und von dem jegt (d. h. 1810!) jo
wichtigen, und fajt in jeder Kriegs—
zeit dem Hunger trogenden Gewächſe —
den Grundbirren wußte man
noch nichts.” Und weiterhin: „Es find
jegt ohngefähr 100 Fahre, ſeit dem
die eriten Grumdbieren in unjerer (wohl
der Zweibrüder) Gegend find gepflanzet
worden.” „Hundert Jahre vor 1810,”
aliv etiva 1710! Es iſt dabei das Wort
„ohngefähr” zu betonen, weshalb man
nicht gerade defintiv das Jahr 1700
nennen kann; hiezu fehlen die notwen—
digen geſchichtlichen Belege.
2. Herr & Rechnungsrat Häberle:
Nah der von Forſtamtsaſſeſſor
Müller Wahenheim im „Brälzer Wald”
Nr. 7 vom 15. Mai 1905 veröffentlichten
Studie über die Geichichte der Geraide—
waldungen hatten die Einwohner von
Rhodt gegen den Wideriprucd des Biſchofs
von Speyer einen Teil der Haingeraide,
die jog. „Röder“ ausgeftodt und chen
1757 mit Grundbirnen bepflanzt.
Die Gewinnung don Branntwein
aus Kartoffeln muß gegen Ende des
18. Jahrhunderts ſchon einen größeren
Umfang angenommen gehabt haben, da
das Oberamt Rautern am 24. Dezember
1770 das Verbot erließ, aus „Grund—
birnen” Brauntwein zu brennen. Ent:
weder ſollte hierdurch der Trunkjucht
vorgebeugt oder eine Verteuerung der
fih einbürgernden Kulturpflanze ver:
mieden werden. Ein ähnliches Verbot
war Schon 1739 wegen des hohen Preiſes
der Feldfrüchte für die Herftellung von
Kornbranntwein erlaffen worden. Um
deffen fteifte Durchführung zu gewähr-
leiiten, wurde den Brennern einfach der
Hut von den Keſſeln weggenommen.
3. Herr Pfarrer Stod:
Am Jahre 1773 berichtete Pjarrer
Jakob Karl Herzogenratl; in den „Be:
merfungen der phylifaliich-öfonomischen
Gejellihaft in Lautern” über die Ber:
hältniffe in Dtterberg. Den Auszug,
den wir Herr Lehrer Th Zink in
Kaijerslautern freundlichit zur Verfügung
geftellt, ſei das auf den Sartoffelbau
Bezüglihe entnommen. „War das Me:
dumsland, d. i. folches, das durch Hoden
der Wälder gewonnen war, mit Jar:
toffeln, Flachs, Hanf, Rüben und dergl.
bewachſen, jo war fein Demsgeld, ſon—
dern nur der Zehnten zu leiſten.“
„Durdjichnittlich trug der Morgen 60 80
Garben Frucht, vorwiegend Roggen und
Spelz, welche mit Kartoffeln abwedhjelten.
Gegen den übermäßigen Sartoffelbau,
der ſich eingebürgert hatte, zog Ber:
zogenrath im Intereſſe des Kleebaues zu
Felde, der gute Fortſchritte machte.“
Daraus geht Elar hervor, daß der Kar—
toffelbau um jene Seit in Otterberg
nicht bloß befannt, jondern ſchon hei»
mifh war. Stammt die Nachricht
darüber auch erit aus dem Ende des
18. Jahrhunderts, jo darf dod ange
nommen werden, daß die Kartoffel ſchon
bedeutend früher gepflanzt wurde, In—
folge ihres Gewerbebetriebes Tuchmacherei,
Gerberei, Wollenweberei und :Spinnerei,
Glasmacherei kamen die Einwohner viel
in der Welt umber und hatten jo Ge:
legenheit die Frucht fennen zu lernen,
die auf ihrem nicht gerade jehr ergie-
bigen Boden immerhin nocd einen guten
Ertrag in Ausficht ftellte.e Daß die
Semwerbetreibenden ſich auch für der:
gleichen intereifiert haben mögen, geht
daraus hervor, daß die 14 Bauern in
Dtterberg auh die Felder der
„Profeſſioniſten“ das ſind
eben die Gewerbetreibenden —
beſtellten.
4. Herr Fabrikant Goßler:
Was das Simri Kartoffeln im
Hungerjahre 1817 gefoftet hat, ift an
einem Haufe in Elmitein eingehauen.
Das Simri (ungefähr 36 Pfund, ſpäter
!; Bentner) Eojtete 1 Gulden und 24
Kreuzer.
5. Herr £, Rechnungsrat Häberle:
Zu den Notizen in Nr. 4 über die
Einführung des SKartoffelbaues in der
Pfalz jei ergänzend bemerkt, daß deffen
' wurden Die
a” —
Anfänge bereit3 ind 17. Jahrhundert
zurüdreihen. Nah Gümbel: „Die
Fremdenkolonie in Billigheim”, Seite 10,
wanderten 1665 Waldenier aus Pie—
mont im Amt Germersheim ein umd
brachten die Kartoffel mit, welche von
Genua aus in den piemontefiichen Tälern
ſchönſeit 530 Fahren befannt war. Auf
dent Daubornerhof bei Kailerslautern
erften Anbauveriuche im
Jahre 1760 gemacht; in den eriten
Jahren waren fie ein jo jeltener Artikel,
daß fie, wie heute die Apfel, forgfältig
auf beionders hHergeridhteten Gejtellen
überwintert wurden. Da die Boden:
verhältniffe für die neue Kulturpflanze
außerordentlih günftig waren, lohnte
reichlicher Ertrag die Verſuche und ſchon
1787 wurde dem „Beiltlihen Admini—
ſtrations-Erbbeſtünder“ Johannes Häberle
daſelbſt durch die kurfürſtliche Hofkammer
die Erlaubnis erteilt, gegen Entrichtung
von 1 Gulden 30 Kreuzer jährlicher
Rekognition und drei Gulden herrſchaft—
licher Taxe daraus Branntwein zu
brennen. Für die damalige weitere
Verbreitung im Oberamt Lautern ſpricht
auch der Umstand, daß auf der vom
Dberamtörenovator (Landmeffer) Joſeph
Etienne 1786 entworfenen Karte des
Stftswalds (Kreisarchiv) bereitö ein
Grundbirnengarten verzeichnet wird.
Auffallenderweije ift bei Aufzählung der
Nuppflanzen in den Borlefungen der
£urpfälziichen phyſikaliſchen ökonomischen
Geſellſchaft in Heidelberg 1785 der Kar:
toffel nicht bejonders gedacht, während
der gleichzeitig eingeführte Kleebau ein»
gehend behandelt wird.
Heute hat die plebeiiche Kartoffel
eine univerfale Verbreitung und fpielt,
wenn ihr auch die unbeichräntte Trans-
portfähigfeit des Getreide abgeht, für
die Bolf3ernährung bejonders in rauherem
Klima mit geringwertigerem Boden eine
wichtige Rolle. So fommt es, daß ein-
zelne Teile der Pfalz unter den Kar—
toffel produzierenden Gegenden die erfte
Stelle einnehmen.
(Die voritehend abgedrudten Mitteilungen
haben die Frage genügend geklärt und wir wollen
demnächſt auch eine moderne Aufgabe des
Kartoffelbaues anfchneiden. D. Sc.)
—
16
Das Brake-Benkmal in Offenburg.
Wir ſchließen mit den oben abge
drudten Mitteilungen vorläufig unfere
Unterfuhung über die Einführung der
Kartoffelpflanze am Rheine. Aber wir
wären unvollitändig geblieben, wollten
wir übergehen, was anfangs der 50er
Jahre zum Andenken und zur berech—
tigten Ehrung des engliihen Seefahrers
Francis Drake geihah. Das freundliche
Entgegentonimen der Verwaltung der
Stadtgemennde Offenburg ließ uns Ein»
blit in eine Brojhüre von 30 Dftav-
feiten gewinnen, deren Titel heißt: „Zur
Erinnerung an die den 17. Juli 1853
zu Offenburg ftattgehabte feierliche
Schlußfteinlegung und Enthüllung des
Drake-Denkmals.“ Hier wird uns aus
führlic eine Feſtlichkeit geichildert, wie
fie heutigen Tages etwa nur aus An-
laß eines ganz außergewöhnliden vater:
ländiishen Ereigniſſes denkbar it umd
ein ſchönes Zeugnis für die Werts
ihäßung des Drafrihen Geſchenkes ab-
legt. Bildhauer Andreas Friedric hatte
aus Begeifterung für feinen Helden ein
Denkmal des Wohltäterd der alten Welt
geihaffen: Drake im Rittergewande (vor
der Königin Eliſabeth gedacht, die ihm
neben jeinem Schiffe, deſſen Hinterteil
angedeutet ift, zum Ritter jchlug), hält
die Karte von Amerika und ein Bündel
Kartoffeln mit Stengeln, Blättern,
Blüten und Beeren; Globus, Anker und
Kompak zieren zu feinen Füßen den
Sodel des Denkmals. Er jchenkte es
der Stadt Offenburg; der badiſche Kon—
ful Hummel ın Straßburg bejorgte den
Transport, die Stadt ließ den Sockel
heritellen.. Das Standbild allein ift
2.75 m hoch, das ganze Denkmal über
7 m; das Material tft fein- und grob-
körniger rötliher Sanditein. Die Grund:
jteinlegung am 17. Juli 1853 von 1 Uhr
ab vollzog ſich ber ſchönſtem Wetter
unter einer riefigen Beteiligung auch
der Umgegend der Stadt und war durd
Reden, Muſik,
zeichnet. Die Feſtordner trugen ſinniger
Weiſe Kartoffelblüten und ſieben Ge—
meinden hatten je ſechs Jünglinge und
Kanonenſchüſſe ausge
ſechs Jungfrauen in ihren heimiſchen
Trachten abgeordnet, um den Feſtakt zu
verſchönen; auch Straßburg und Karls—
ruhe fehlten nicht; fie hatten hervor:
vagende Vertreter gejandt. In den
Schlußftein de3 Denkmals wurden in
bleierner, mit SHolzverichalung ver:
iehenen Kiſte eine Anzahl Erinnerungs:
zeihen verſenkt: Bildniffe des Groß—
herzogs Leopold und des Regenten;
Abbildungen der Stadt und der alten
und der damald neu gebauten Sinzig:
brüde; Landesmünzen ; verjchiedene Ge:
treidejorten; zwei Flaſchen vom beiten
roten und weißen Wein der Gegend von
1846 ; zwei Nummern des „Ortenauer
Boten“ mıt der Biographie Drakes;
Nehenichaft&bericht der Stadt von 1852;
endlich ein umfangreiches Dokument über
das Feſt ſelbſt. Ter Bildhauer übergab
darauf das Denkmal und die Schenfungs:
urkunde dem Bürgermeilter und der
Feſtredner beiprad; Leben und Berdienit
Drakes, wobei er auch hervorhob, wie
die Kartoffellultur zur Bermeidung der
Kriebeltrankheit und des Mutterforn«
brandes beigetragen habe. Sechzehn
weißgekleidete Mädchen enthüllten mitteljt
Zugihnüren das Riefendentmal, worauf
dem Künjtler zum Danf eine Urkunde,
die ihn zum Ehrenbürger Offenburgs
ernannte, und ein ſchwer vergoldeter
Pokal überreicht wurden; die 16 Mäd—
chen dankten ihm mit Blumenfträughen
und die liebe Schuljugend befanı Bregeln.
Das übliche Feſteſſen mit 200 Gededen
beihloß die Feier mit einer Reihe von
Reden und mit einem Feuerwerk. „Ein:
fach und prunklos — — — wurde dieſe
für die Stadt Offenburg bedeutungs-
volle und denkwürdige Feier begangen,”
meint die Broſchüre treuberzig; aber
wir haben Reſpekt vor der Begeiiterung,
mit welcher man in richtiger Erkenntnis
des hohen Wertes der Sartoffelpflanze
dem erjten Überbringer, Sir Franeis
Drake, feine Huldigung darbrachte. Aus
der FFeitrede heben wir noch einige Punkte
hervor. Drafe ift 1545 von armen
Eltern in der englischen Landſchaft Devon:
ihire geboren als ältefter von 12 Söh—
nen. Früh anf Kiüftenfahrten geübt,
wurde er im 18. Jahre ſchon Scdiffe:
führer und kam aud bald nad) Meriko.
Um üblen Gerüchten über den Erwerb
der mitgebradgten Schätze zu begegnen,
erhob ihn die Königin Eliſabeth 1581
in den Ritteritand; aus Holz von feinem
Schiffe wurde ein Seſſel gemadt, den
die Univerfittät Drford erhielt. Er
zeichnete fich im Kriege gegen Spanien
aus und wurde Bizeadmiral gegen die
„Armada“.
Mittelamerika verſtarb er am Fieber den
30. Dezember 1596. — Das Vaterland
der Kurtoffelu iſt Beru und Chili, von
wo jie zuerſt nah Spanien kamen.
Spanier brachten die Pflanze aud nad
Belgien und von hier aus erhielt der
Botaniker Elufius in Wien 1588 die
eriten Anollen und Früchte von Bhil.
de Sivry. Ihr wirklicher Anbau geichah
zuerft in Irland und England, nad)
welch legterem Lande fie Drake wahr:
ſcheinlich ım Jahre 1586 aus Wejtindien |
77
Nach einer Erpedition nach |
Pfalz, in Elſaß und Schwaben „fällt
zwiichen die Jahre 1714 und 1724 ; doch
blieben die Kartoffeln im Ganzen immer
noh eine Seltenheit und ihr Anbau
gewann jelbit nad dem fiebenjährigen
Kriege nur langlam an Ausdehnung, jo
daß fie um 1760 herum in der Öffen-
burger Gegend nur erit in Gärten ge
pflanzt wurden. Nah der großen
Hungersnot von 1770 und 1771 aber
wurden fie jchneller und aflgemeiner im
Großen angebaut, indem ed durch das
Beifpiel einzelner Dörfer, die im Befige
von SKartoffelvorräten größerer Be:
drängnis entgangen waren, jedermann
anichaulich wurde, wie leicht durd den
Betrieb des Kartoffelbaues der Mißwachs
des Getreides ausgeglichen werden Eonnte.
Der Feitredner zeigte auch, wie 1 Heftar
Land, welcdes etwa 2800 Pfund Korn
oder 3400 Pfund Weizen hervorbringe,
an Kartoffeln 35000 Pfund zu liefern
vermöge, alfo in dieler Pflanze 6840
Pfund Stärfemehl gegen 1196 Pfund
bein Korn und 1590 Pfund beim
Weizen.
Die Uhr als Qrientiernngsmittel.
mitbrachte. Die Berbreitung in der
In der gegenwärtigen Zeit der
Ferien und der häufigeren Ausflüge
wird es nicht unzweckmäßig jein, auf ein
bequemes Hilfsmittel der Orientierung
aufmerfiam zu machen, das gelegentlich
qute Dienfte leitet. Wer in eine ihm
wenig oder gar nicht bekannte Gegend
reift, wird fich bereit vor Antritt feines
Ausfluges mit denjenigen Karten ver:
fehen haben, welcde ihm das Studium
der betreffenden Landichaft ermöglichen;
er wird auch Starten mit fich nehmen,
um jederzeit Über einzuichlagende Rich—
tungen, über Entfernungen und die Ge:
ftaltung des Terrains die wiünichens:
werten Angaben entnehinen zu können.
Nun iſt fein Zweifel, dab unjere Stabs-
karten eine ſozuſagen abjolute Treue des
Geländes verbürgen; aber im Falle der
praftiihen Benügung derielben in un:
überfichtliher Gegend geſchieht e3 nicht |
felten, daß auch den an ihre Ablejung
Gewöhnten ein Gefühl der Unſicherheit
beichleicht, daS meiftens feinen Grund
darin haben mag, daß die geiltige Ver—
arbeitung des gezeichneten Terrains
unter dem Geſichtspunkte des Maßſtabes
doch in manchen Fällen ihre Schwierig-
feiten bat. Die Unannehmlichkeit diejer
Lage wird noch wejentlich verichärft,
wenn dem Wanderer aus Gründen einer
zeitweiligen Achtlojigfeit oder des fehr
verwidelten Talzuges oder längerer Ab-
mweienheit einer freien Ausficht die
Drientierung verloren gegangen tft, d. h.
die Möglichkeit, die Kartenränder nad
den wahren Himmelsgegenden zu richten.
Wer je lange und gleichförmige Tonren
im waldigen Gebiete zurüdgelegt bat,
fennt das Gefühl plöglichen Unver—
mögen® der Orientierung. Nun wäre
ja dem leicht mit einem Kompaß abzu—
helfen; auch iſt ein ſolches nützliche In—
ſtrument jo billig zu haben,*, daß man
glauben follte, die meiften Ausflügler
jeien wenigftens für Unternehmungen,
welche ſich mehrere Tage hinziehen, mit
demſelben ausgerüftet. In Wirklichkeit
ift die Sache freilich anders. Wie wenige
Menihen, ſelbſt unter denen, die es
nötig hätten, find imftande, eine Stabs—
arte mit aflieitigem Borteile zu leſen,
geſchweige auf weiteren Ausflügen aus:
zunügen! Eine gewiffe Scheu, diefes
„wiffenichaftliche” Hilfsmittel zu ges
brauchen, läßt viele auf jeine Mitnahme
ganz verzichten; man verläßt fich lieber
auf die „Markierungslinien”, die ja auch
den bequemjten Zonriften mühelos ans
Biel dringen. Ähnlich verhält es ſich
mit der Anwendung des Kompaſſes, der
wohl vielfach als Zierftüf an der Uhr:
fette baumeln mag, aber im ent:
icheidenden Augenblid entweder vergejjen
oder ungeichidt um Nat gefragt wird.
Es gibt nun in Ermangelung des
magnetiichen cin anderes Orientierungs—
mittel, das jeder Ausflügler ohne Aus—
nahme bei fich tränt, die Taſchenuhr.
Über ihren diesbezüglichen Gebrauch jei
in folgenden Zeilen berichtet. Die erite
Überlegung lautet: Die Sonne madıt
anı Tageshimmel (allgemein geſprochen)
einen Halbbogen, während der Stun—
denzeiger der Uhr in derjelben Zeit
einen Voll kreis durchläuft, alfo inbezug
auf Winkelgeſchwindigkeit doppelt foviel
al3 die Sonne. Alſo wird von O (12)
an gerechnet die Entfernung des kleinen
Stundenzeigerd von 12 immer doppelt
fo groß * als der Sonnenbogen von
Mittag an. Soferne nun die Sonne
überhaupt ſcheint — wenn auch nur
matt —, kann man ihre Richtung durch
den Schatten eines Fadens, den ein
vorſichtiger Wandersmanu immer bei
ſich haben ſollte, in Ermangelung eines
*, Kompaſſe bekommt man: Durchmeſſer
13 mm zu 040 .4; Dm. 30 mm und Nadel—
feftftelung zu 1,50 4; Dm. 45 mm, verfilberte
Kreisteilung, Achatlager, Nadelfeititelung zu
3,4 1 Man fehe darauf, einen foldhen in
Uhrenform mit Bügel und befferer Ausjtattung
u erbalten, bei dem die Nadel gejchont und ihre
Empfindlichteit erhalten wird; die Abweichung
der Nordrichtung fol angemerkt jein (etwa 10").
18
ſolchen aber aud durd den Schatten
eines dünnen Grashalmes erhalten.
In jedem Falle beichwert man das
untere Ende des Fadens oder Halmes,
inden man etwa einen Schlüſſel, ein
Steindien, ein Stüd Holz oder das
Taſchenmeſſer daran befeftigt, und trägt
Sorge, daß die Mitte dev wageredt ge
legten Uhr, alfo der Drehungspunkt
der Zeiger, von dem Schatten gejchnitten
wird. Aus dem Eonnenftande im all
gemeinen und der Uhrzeit im befonderen
weiß man ungefähr, wo Süden iſt;
man legt daher die Uhr ſchon anfangs
jo, daß die Zahlen 6—12 die genäherte
Richtung Süd-Nord angeben, wobei 12
nad) Norden gerichtet wird. Läßt man
jegt die Schattenlinie über dem Zentrum
des Hifferblattes fpielen, jo bat man
nur noch Eorge zu tragen, daß dieles
fo gedreht iſt, daß der Schatten den
Bogen zwiihen 12 und dem Stunden:
zeiger halbiert. Folgendes Beilpiel möge
das Elar machen. Um 10 Uhr vor:
mittags lege ich die Uhr jo, daß 6 redjts
von der Sonnenrichtung einigermaßen
gegen Süden gerichtet it. Der Bogen
zwiſchen 10, wo der Stundenzeiger fteht,
und 12, dem Nullpunkt des Bifferblattes,
muß nun durch den darüber erzeugten
Schatten des Fadens halbiert werden,
fo daß die Schattenlinie über die Zahl 11
und die Mitte des Bifferblattes, ebenſo
über die Zahl 5 geht; um dieje Halbie-
rung zumwege zu bringen, muß ich die
Uhr ſanft drehen, bis eben die Halbie-
rung ftattfindet. Jetzt ift die Linie
12-6 gleih Nord-Süd und damit 9— 3
gleich Weſt-Oſt. Hätte das Erperiment
früh um 6 Uhr ftattgefunden, jo hätte
der Schatten über 3, Mitte, 9 fallen
müfjen, abends um 6 Uhr über 9,
Mitte, 3; um 4 Uhr 24 Min, wenn
aljo der Stundenzeiger am 22, Minuten:
ftrihe von 12 ab gerechnet fteht, muß
der Schatten von der Mitte aus den
11. Minntenftrich (neben Ziffer 2) treffen;
morgens um 5 Uhr 12 Min, wenn der
Kleine Zeiner am 26. Minutenftridh jteht,
muß der Schatten über den 13, und 43.
Minutenſtrich ziehen, ufw. Immer alio
müſſen die beiden Bogen zwiſchen dem
Etundenzeiger umd der Zahl 12 (Null:
punkt der Teilung) von der Scatten-
linie halbiert werden. Faſſen wir nod)
einmal die nötigen Handlungen
ſammen, fo it folgendes zu tum:
ihägt man nach der Uhrzeit, die ja ge—
geben ift, die mwahrjceinliche Mittags—
richtung der Sonne ab, die vormittags
rechts, nachmittags natürlich links von
der jeweilig Stattfindenden Richtung licat;
in diefe genäherte Sid-Nord-Richtung
(legt man die ihr, 12 gegen Norden
weilend. Zweitens halbiert man den
Beigerabftand von dev Zahl 12, um zu
wiſſen, wohin der Schatten von
Mitte aus ziehen muß (um 8 Uhr früh
3. B. über den 20. und 50. Minuten:
ftrih). Drittens projizient man dieſe
Schattenlinie über das LBifferblatt und
dreht die Ahr jo lange, bis der Schatten
richtig zieht. Die Dimmelsrichtungen
find fodann mit einer Genauigkeit ge—
geben. wie fie dem Touriſten genügt.
Aus der Betrachtung Über die Mittel:
europäiiche Zeit im 4. Hefte (S. 28 u. 29)
wiſſen wir nun wohl, daß unſere Uhren
nicht mit der Sonne gehen, fondern
rund eine halbe Stunde zuviel angeben.
Wenn wir diejen Unterjchied der wahren
und angenommenen Zeit auch noch bes
rüdfihtigen und uns merken, daß nicht
zu: |
Erftens |
der |
19
die Ziffer 12 unjerer Uhren dem Hoch—
ftande der Sonne im wahren Mittage
entipricht, jondern die Mitte zwijchen
dem 2. und 3. Minutenftriche, wo alio
der Eleine Zeiger um halb 1 Uhr steht,
fo fünnen wir die vorjtehend geichilderte
Beftimmung der Hinmelsgegenden nadı-
träglich berichtigen, inden wir die Uhr
um einen Eleinen Betrag „linksherum“
drehen, jo daß Nord Eid, ſtatt über
12 —6, über die Minutenteile 2,5 —325
geht. Die ganze Beltimmmung bleibt alfo
genau gleich wie eingangs geichildert,
nur muß am Schluſſe eine Drehung
„um 2,5 Minuten” und zwar „gegen
den Uhrzeiger“ erfolgen.
Die Sade fieht Eompliziert aus;
wer ſich aber die geringe Mühe geben
will, jie zu erproben, wird erfahren,
daß ſie jehr leicht auszuführen iſt. Gegen:
wärtige Anleitung will auch keineswegs
anftelle der unmittelbar zweddienlichen
Ablefung des Kompafjes eine umitänd-
liyere Methode der Orientierung an:
preijen; aber es fünnen Fälle eintreten,
3. B. bei Verluſt des geihägten Kom:
pafjes, in denen die Uhr diefen mit
Nugen erjegt und jedenfall® ſichere und
zuverläfligere Angaben liefert al etwa
die zweifelbafte Deutung der Bemooſung
der Baumftänme,
Nener PBfalzführer.
Bon E. Heuſer.
Ein Reifehandbuch für die bayerische Pfalz und angrenzende Gebiete.
Mit 14
Starten, darunter eine topographijche Karte der Pfalz in 6 Blättean und 5 Karten der Wegezeichen
im Maßſtab 1: 50000.
Diefer mit großer Sorgfalt aus:
gearbeitete Führer dur die Pfalz liegt
nun in 3. Auflage und völliger Neugeital-
tung vor. Der Tert jowohl, als auch die
Kartenbeigaben bieten Neues und geben
ein deutliches Bild, wie jehr ſich in den
legten Fahren das Touriſtenweſen und
was dazu gehört, au in der Pfalz ent:
faltet hat, wo das Intereſſe für der:
gleichen lange geihlummert. Dev Pfalz:
führer tritt diesmal in ganz eigenartiger,
jehr handlichen Geitalt auf, nämlich in
drei getrennten, je für ſich zuſammen—
nn Teilen, wovon der erite die
Preis 3.4. Berlag: Ludwig Witter, Neuftadt a. Hdt.
Stuff und die Beichreibung dev Burgen
ufw. bringt, während der dritte Teil die
Karten enthält, und zwar in der Weile,
daß jede Karte einzeln heraus:
nehmbar ift — eine mwejentlühe Er»
leichterung, da man nur die Karten für
das zu bereilende Gebiet zu entnehmen
hat. Die drei einzelnen Zeile umfaßt
eine gemeinfame Hülle. Wichtig ift die
Zugabe von 5 neuen Sarten mit farbig
eingezeichneten Wegezeihen der Haupt:
touriſtengebiete der Pfalz, ausgeführt in
dein großen, unbeſchränkte Dentlichkeit
gewährenden Maßitab 1: 50000. Hier:
ouriftif, der zweite den geichichtlichen | durch hat der meue Pfalzführer, ohne
daß der bisherige Preis erhöht wurde,
eine wejentliche Bereicherung erfahren.
Und diefe Wegezeihen oder Markierungs:-
linien find nicht etwa auf's Geratewohl
in die Karten eingezogen, jondern durch
ein kundiges Vorſtandsmitglied des Präl-
zerwald Vereins in der Natur jorgfältia
aufgenommen und erſt dann eingetragen
worden, was nurdurch den großen Maßſtab
der Karten ermöglicht wurde. Zudem ent—
halten dieſe fünf Wegmarkierungskarten
auch die geſamte Lokalmarkierung der
dargeitellien Gebiete in klar hervor—
tretender Zeichnung. Auch die 30 Schön:
ſten Nad- und Motorfahrten durch die
Pfalz wurden im entiprechender, durch
den Neubau von Straßen und durch
ſonſtige Umſtände bedingter Abänderung
wieder in dad Bud) aufgenommen, außer:
dem zum eriten Male ein Berzeichnis
der Bäder und Sommerfriſchen der
Pfalz mit Angabe der Ilnterkunftsge-
legenheiten, jowie — ebenfalld neu —
eine vorläufige Überficht über die in der
Pfalz anzutreffenden Naturdenktmäler.
So ftellt der Neue Pralzführer von
E. Heujer ein vortichflihes Handbuch
über die Pfalz dar, aus dem jeder
Pfälzer gründlide Kenntnis feiner hei—
matlihen Provinz ſchöpfen wird und
das als Führer dem Fremden, der die
Pfalz bejucht, durch kein anderes Bud)
auch nur annähernd erjegt werden fünnte.
Neben dem in Schöner Spracde geſchrie—
benen Tert bilden die trefflichen Karten
einen wertvollen Zeil diejes inhalts-
reihen und billigen Buches. Schon
das Eiienbahnkärtchen zeichnet ſich durch
Klarheit und Neichhaltigkeit aus, auch
reicht es vorteilhafter Weſſe von Lauters
burg bis Wiesbaden und von Saar:
brüden bi8 Eberbah am Nedar. Auch
die Beigabe, welde die den Touriſten—
fahrkarten der Pfälziſchen Bahnen an-
gepaßten Wanderwege überjihtlic dar:
jtellt, ift eine jehr praftiihe Neuerung.
Hohes Lob verdienen die ſechs Aus-
80
ſchnitte der prächtigen und Elaren Raven—
ſtein'ſchen Höhenſchichtenkarte in mehr:
farbigen Drud. Sie erjegen mit gutem
Grunde den Mangel der Terraindar:
ftellung in den fünf großen Blättern. Bei
einem Neudrude muß auf dem Aus—
ichnitt Donneröberg der Dorfname
Nansweiler am Stahlberg nahgetragen
werden. Ebenſo möchten Wünſche be-
züglid; der Markierungsfarten bei einer
Neuauflage am Plage jein. Die präd)-
tigen Blätter jind zu menig wider:
ftandsfähig gegen den Gebraudh im
Gelände, wo fie doch erſt ihren Zweck
recht erfüllen. Vielleicht kann man fie
mit größerer Garantie für ihre Halt-
barkeit in Zukunft auf Pauſeleinen
druden. Ferner wäre auf den Blatte
Kaiferslautern die volle Ausführung der
Detaild bis nad Landſtuhl am Linken
Nande zwedinäßig, zur Fortführung der
bei Krüdenbah endigenden Route bis
nad) dem Hausberg und Bärenloch, bezw.
der Burg Landftuhl und weil die ſüd—
(id der Bahnlinie bei Kindsbah auf
tretenden, geologiſch hochintereſſanten
Dünenzüge der Touriſtenwelt beſſer zu—
gänglich würden. Endlich ſei dem Wunſche
Ausdruck gegeben, daß das Wegenetz
bei Schönau auch jenſeits der Pfalz—
grenze vollſtändig verzeichnet werden
möge; es gibt auch Leute, die das Wan—
dern lieben in Gegenden, die noch von
Markierungszeichen unberührt find.
Ceite 64 ım I. Teile müſſen in der
eriten Zeile die Worte „vom Feldberg”
geitrihen werden; auf der Karte der
Wanderwege zu den Tounrijtenfahrfarten
muß es heißen (fiehe Seite VII) ſtatt
„S. 15"; und der Name des Gehöftes
bei Dreifen (Karte Donnersberg) heißt
Miüniterhof, früher zum Kloſter Roſenthal
gehörig.) Wir machen unjere vorjtehenden
Abänderungsvorichläge in der Abjicht, dem
höchſt zeitgemähen Werke des rührigen Ber:
fafjers auf die Höhe zu verhelfen, welche
eine Kritik in Zukunft ausjchliegen wird.
DInbalt: IV. Pfälziihe Gewerbe: und Anduftrie- Austellung. — Notizen zur Einführung
der Ntartoffelpflanze.
- Neuer Pfalzführer.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sautb, Eandftuhl _ Hermann Kayſers Verlag, Aaiferslautern.
- Das Drafe-Denfmal in Offenburg. —
Die Uhr als Drientierungsmittel.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich.
Die Pfalziſche Heimatkunde“ toftet jährlich im 12 Heften Mt. 2.50. Weflellungen werben vom allen Buchhandlungen ıu
Poftanflalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbandfendung) angenommen.
1. Jahrgang.
Nummer 11
September 1905.
(PALZISCHE HIEIMATKUNDE |
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UNDHAUS. (m —7
Bur Entflehungsgeldichte des Speyerbaches.“)
—ñ— —ñ —
So ziemlich alle unſere heimatlichen
Geſchichtsforſcher ſtimmen darin überein,
daß unſere Kreishauptſtadt Speyer ihren
Namen erhalten hat von dem Flüßchen,
an deffen Mündung fie liegt. Deſſen
Namen lautet urſprünglich Spira oder
Spiraha, in jpäteren Urkunden Spirbad).
Zur Erklärung diejes Namens find ver-
Ichiedene Deutungen gegeben worden,
die beiderjeitd? Zuſtimmung gefunden
haben. Während die Einen dad Wort
Spira oder Spiraha von den Gpeier-
baum (spirbaum), „deijen Frucht unter
dem Namen Speierling befannt iſt,“
herleiten, bezeichnen andere Spiraha als
„die fprudelnde” „mit Bezug auf das
emporjprudelnde Quellwaſſer des Speier-
brunnens.” Ebenſo erhielten auch die
Orte Hocdipeyer, Speyerbrunn, Speyer-
dorf und Altipeyer von diefem Bade
ihren Namen.
Dieje Namengebung ift für uns zus
gleich ein Anhaltspunkt zur Bielbeftim-
mung für den Bau des heutigen Speyer:
baches vder Floßfanald. Denn in
deınfelben Moment, wo die Namen der
angeführten Orte Speyer und Speyer:
dorf auftreten, muß auch Schon der Floß—
kanal eriftiert haben. Bis vor einigen
Jahrzehnten ließ ſich das erſtmalige Bor-
fommen des Ortes Speyerdorf erſt für
das Jahr 966 (mad dem Loricher Ur—
kundenbuch) konſtatieren. Nah den
Weißenburger Urkunden jedod erjcheint
der Ort jhon im Jahre 774. Es muß
alfo der Floßkanal oder Speyerbad in
feinem unteren Qaufe gegen Speyer zu
im genannten Jahre vorhanden gemwejen
jein. Der badiſche Geſchichtsſchreiber
Mone bemerkt über den Speyerbad
folgendes (Bad. Arc. I. 41): „Der Ab:
fluß der Speyerbah von Neuftadt an
der Haardt nad) Speyer ift dur eine
Eünftliche Qeitung bewirkt, wie man an
der Belchaffenheit der Ufer noch jeßt
merken kann, abgeſehen von der Rich—
tung diejes Armes, der gegen den Lauf
der übrigen Bäche ganz regelwidrig ift.
Nur bei Speyer, wo fie das Hochufer
etwas ausgefteffen und durd die Mühlen
gefpannt wird, heißt fie deshalb Wog-
bach.*) Die Leitung wurde von den
Franken in der zweitenTHälfte des (8.)
9. Jahrhunderts ausgeführt, und daher
verlor die Stadt den Namen Nemeta
und wurde Spira genannt." Docnahl,
der in feiner Chronik von Neuftadt a. 9.
S. 15f. diefe Stelle in das Jahr TT5
einmweift, jtimmt Mone in der Anjicht
über die Mbleitung des Speyerbaches
durch die Franken bei, wenn er (©. 14)
*, Der Berfafler will Hier nicht ein end—
giltiges Nefultat über die Forſchungen zur Ent-
ſtehung des Speyerbaches geben, — —— nur
einige Geſichtspunkte zu deren Beurteilung.
) über „Wog“ demnächſt mehr. (D. Sc.)
ihreibt: „Das größte Werk der Franken
ift aber unjtreitig die Ableitung oder
Heritellung des Speyerbadyes von hier
nah Speyer.” Das Jahr 775 ift aber
82
nad dem Vorkommen Speyerdorfs im
Jahre 774 als ein zu jpäter Termin
angejegt. Übrigens ift Mone der gleichen
Anficht, daß Speyer feinen Namen von
dent Bade erhielt.
Wenn dem aber jo ift nad) aflge-
meiner Übereinftimmung, jo liegt die
Entiheidung für die ZBeitbeftimmung,
wann der Epeyerbad abgeleitet wurde,
zum guten Zeile in der FFeititellung des
eritmaligen Erſcheinens des Namens
Spira in der Geſchichte als Namen der
leihnanigen Stadt. In diefer Din:
ht gibt uns Zeuß (Die freie Reichs:
ftadt Speier vor ihrer Zeritörung ©. 3)
einen Fingerzeig. Er erklärt Dielen
Namen Spira, indem ex einleitend be:
merkt: „Das erite Vorkommen der dritten
diefer Benennungen (Noviomagus, Ne-
metes, Spira), der noch geltenden deut:
ichen, fällt wohl nod) in das ſechſte Jahr—
hundert. Der jogenannte ravennifche
Beograph, der unter Karl dem Großen
aus älteren Schriften ein geographiiches
Handbuch zuſammentrug, entnimmt einem
gothiſchen Schriftſteller, Athanarid, fol—
gende Namen rheiniſcher Städte von
ainz aufwärts: „Gormetia, Al tripe,
Sphira, Porza, Stratisburgo, Brezecha,
Bazela‘, wo man in den etwas ent:
ftellten Namen leiht „Spira, Brisacha,
Basila* erfennen wird.” Es darf
alfo angenommen werden, daß das
Wort Spira zum erften Male im
6. Jahrhundert*) vorfommt, alio
zur Beit der Franken. Der Speyerbad)
wäre darnad) mindeftens Das Werk der
Franken des 6. Jahrhunderts.
Wenn wir die Vorgeſchichte und Ur:
geichichte der heutigen Stadt Speyer
betrachten, jo finden wir, daß Speyer
eine größere Bedeutung in der römiſchen
eit beſaß als in der Anfangszeit der
en im 5. oder 6. Jahr—
hundert. Dadurch gewinnt aud die An«
* Das 6. Zahrhundert ift beſtimmt nicht
nach dem Geographen von Ravenna, der übri-
gend im 7. Jahrhundert lebte, fondern nad)
feiner Quelle, dem Werke des Gothen Athanarid.
fiht mehr an Wabhricheinlichkeit, daß
nicht etwa die Franken, ſondern jchon
die Römer den Speyerbad) abgeleitet
haben. Dieſe Anfiht vertritt ſchon
Lehmann in jeiner Chronica der freien
Neichsitadt Speyer (wir benügen die
Auflage vom Fahre 1711). Dort zeigt
der Berfafjer, day Speyer eine römiſche
Anjiedlung fei, und gibt S. 1112. Spalte)
ald 5. Beweispunkt folgenden: „Zum
fünfften ift diß faft ein ungmweifentlicher
Beweiß der Römer Stiftung und Dis-
pofition der Stadt / dak die Bad) ! Speyr
genenet / durch die Stadt und darhinter
eng dabey in Rhein getragen wird.
ann die Teutichen ſich mit joldher Be:
mühung zu beladen / und über ſechs Meil
Weges ein Waller zu juchen / Gräben
auszuführen / und mit groffer Arbeit
ſolche Wafjerleitung anzuftellen für eine
Unehre / und ihrer Frreyheit verfleiner-
lich ermeſſen hätten / wie fie dann vom
Aderbau undalerhand Arbeitein Scheuens
gehabt” ꝛc. und ©. 12 bemerkt er weiter:
„Die Römer aber haben zu jol-
hen nüglihen Wajierleitungen
jondere Luft und Neigung ge:
babt / und der Bad auffın Ge—
birge einen Graben und Gang
auff und durd die Stadt ge:
führet / deren Arbeit man ſich nod)
heutiges Tages wegen der fürtrefflicyen
guten Nugbarkeit zu erfreuen ı umd
jolches für ein köſtlich Kleinod zu halten
bat . . Alſo iſt aud die Stadt
Speyer / da fie noch in ihrem alten
Weſen und Teutichen weitläufftigen Revier
beftanden ‘ als die Römer ! um höchiter der
Stadt Nothdurfft willen die Bad) dahin
geleitet / der Badı Nahmen nad) Speyr
genennt.“ — Diejer Anficht pflichtet auch
Weiß (Geidh. d. St. Sp. ©. 11) bei:
— . . wenn- man den Lauf des
Speierbadies von Neuftadt bi8 Speier
betrachtet, wie er Duerthäler durch—
Ichneidet, und wie bei Dudenhofen ver-
mittelft der jogenannten Zwölfsmanns—
dohle der Modenbah*) unter feinem
Bette durchläuft, jo gewinnt die Mei—
nung an Wahrjcheinlichfeit, daß derjelbe,
wohl durch die Nömer, künſtlich
*, Modenbach jtcht Hier irrtümlich jtatt
Heimbach.
bieher geleitet wurde, und daß der Reh:
badı*) das eigentliche Bett des Speier-
badyes iſt.“
Werfen wir nunmehr noch einen
Blid auf die Bedeutung der Stadt
Speyer zur ARömerzeit, um obige Anficht
näher und eingehender zu begründen.
Schon unter dem römischen Kaiſer Au-
quftu8 wurde Speyer als befeftigter
Srenzort angelegt, der bejonders den
Rheinübergang dügen jollte.e Bon
Speyer, das an der großen Rheinftraße
von Bajel nah Mainz lag, gingen drei
große Heerftraßen aus über den Rhein
nah Often; auf der linken Rheinſeite
wurde die Verbindung mit der Nömer-
ftraße längs des Gebirges bewerfitelligt
dur die Straßen über Schwegenheim
nah Godramitein, über Freisbah nad
Edesheim, über Hanhofen nad) Neuftadt,
über Fogelheim und Medenheim nad
Dürkheim. Für einen derartigen Grenz-
ort war es eine ganz weientliche Folge,
dak er zu einem befeitigten Plage und
weiterhin in kurzer Zeit zu einem Han»
delöplage ſich entwickelte. Was liegt
aber in diefem Falle näher als das Bor:
handenjein eines größeren floßbaren
Gewäſſers, das verjchiedenen Zwecken,
vor allem aber dem billigen Waſſer—
verfehr mit dem Innenlande dienlich
jein Eonnte! Eben diejem Bedürfniffe
abzuhelfen, ſuchte man eine fFünftliche
Waſſerſtraße vom Gebirge her zu bauen,
eben unſeren Speyerbad).
Für eine Feſtung ift eine jtarfe Um—
wallung mit Wafjergräben eine „Lebens:
bedingung.” In Speyer aber konnte
man das Wafler nicht aus dem Rheine
ringsum in die Gräben leiten aus leicht
erfichtlihden Gründen, ebenjowenig aus
dem Altbache, der eine tiefe Ableitung
nötig gemadt hätte. Tatſächlich it ja
auc das Waffer in den Gräben auf der
Südſeite der Stadt aus dem Floßkanal
abgeleitet. Allein die Bewällerung der
Gräben war nicht der einzige, vielleicht
nicht einmal der Hauptgrund zum Baue
des Floßkanals. Fiir eine aufjtrebende,
fi jtet3 erweiternde Stadt, was Speyer
zu Seiten der Römer auch war, mußte
*, Auf diefen jelbjt kommen wir noch zurüd.
83
das notwendige Material zum Häufer-
bau, vorzüglich die Steine, jchnell und
billig beichafft werden, was ſich am leich—
teften auf dem Waſſerwege bewerfitelligen
ließ. Auf dem Rheine war das in
unjerer Gegend jo gut wie ausgeſchloſſen.
Denn er fließt weithin durch eine Ebene,
die feine natürlichen Steinlager aufweilt.
Die Steine aber ließen fit) aus der
Neuftadter Gegend auf einem Fünftlichen
Waflerwege, als dem nädjten, jehr leicht,
bequem und billig herbeiichaffen.
Ein weiterer Grund dürfte auch in
hygieniſcher Hinficht zu Eonftatieren jein,
indem ein durch die Stadt fließendes
Gewäſſer unendlich viel beiträgt zur
Reinlichkeit und damit zu den gelund-
heitlihen Berhältniffen ihrer Bewohner.
Nicht zuletzt ift auch die Bedeutung eines
fließenden Wafjers in einer Stadt beines-
wegs zu unterihägen in Kriegszeiten.
Manche Belagerung ift Hart und lang»
wierig, zieht ſich Wochen und Monde
lang hinaus. Da muß natürlich für
ausreichenden Proviant gejorgt jein und
wenn die Mehlinagazine fih allmählich
„erihöpfen und leeren,” dürfen die
Mühlräder erſt recht nicht ftille ftehen.
Die Gejchichte der Stadt Speyer kann
das uns erzählen.
Es bleibt uns endlich noch eine Frage
zu beantworten übrig: Wie verfuhr man
bei der Anlage, um dem Floßkanal einen
ziemlich vegelvehten Lauf und eine ge
nügende Wafjermenge geben zu können?
Der Floßkanal mußte alle Gewäſſer
auf feinem Laufe jammeln, die ihm in
die Quere kamen. Das gelang denn
auch To ziemlich bis Dudenhofen, Bei
Hanhofen hat er zwar alles Wafjer ger
fanımelt, gibt aber einen Teil davon
wieder ab in einem nördlichen Arme
(Wogbach, Altbach, Altipeyerbad), der
durch Hanhofen fließt und bei Speyer
das ehemalige Dorf Altipeyer von der
eigentlichen Stadt Speyer trennt. Diejer
Arın war der urjprüngliche und natür-
lihe Lauf der Wafjermafjen; ihn durfte
man jedoch nicht aufgeben, weil er auf
der nördlichen Seite von Speyer einen
natürlichen Befeftigungsgraben bildet.
Dafür wurde der Floßfanal in Eurzer
Entfernung weiter unten durch den
Modenbach entihädigt, deffen Lauf auf
eine furze Strede abgeleitet merden
mußte, um ihn dem Floßkanal dienftbar
zu madhen. An der jog. „fteinernen
Brüde“, beginnt die Grenze der Bänne
von ——— und Hanhofen, die dem
ſog. Grenzgraben“) folgt, welcher in der
Rıdtung von Südweſten nach Nordoften
in den jog. „Allmendgraben”**) mündet.
Deffen Waffer läuft vermittelt einer
kleinen Dohle unter dem Speyerbade
hiedurch, durhzicht dann das Wiefen-
tälhen und vereinigt fih kurz oberhalb
Dudenhofen mit dem ſog. Altbade.
Dem Laufe des Grenz- und All—
mendgrabens folgte urjprüng-
lid der Modenbad. Dielen konnte
man jedoch nicht an der heutigen Kreu—
zungsftelle von Speyerbad) und Allmend-
*, auf der Generalftabslarte nicht ber:
zeichnet. (D. Sch.)
**) ebenda unvolljtändig gezeichnet. (D. Sch.)
graben dem Speyerbache zuführen. Unter
dieſem Eonnte man ihn nicht durchführen,
weil der Speyerbad nicht die hiezu not-
mwendige Höhe hatte. Man mollte es
auc nicht, weil dann die Waſſermaſſen
des früher viel wafjerreicheren Moden-
baches für den Floßkanal verloren ge:
gangen wären. Nur eine Möglichkeit
bot fi dar, wenn man den Modenbad)
höher legte. Das ließ fih am leid}
teften bewerfftelligen dadurd, daß man
jein Bett an die ſüdliche Grenze des
Wiejentaled verlegte, wo das Gelände
etwas anifteigt, und jo gewann man
die für den Modenbach genügende Höhe
zum ebenmäßigen Einfluß in den Floß—
kanal. — Die Kreuzung des Heimbaches
dagegen ließ fih nur Heritellen durch
eine Unterführung des legteren. (Bgl.
dazu den Artikel S. 10 und 11 diejer
itſchrift.
ee I. Weber.
Ber Bremerhof und das frühere Stiftsgut.
Bon D. Häberle, Kaiferlier Nechnungsrat, Heidelberg.
Bei der großen Beliebtheit, welcher
fih der von hochſtämmigen Wäldern ums
jäumte und tdylliich gelegene Bremerhof
bei den Einwohnern von Kaiferslautern
fowohl wie bei fremden als Ausflugs-
und Luftkurort erfreut, wird es vielleicht
manden Beſucher intereifieren, etwas
über deſſen Vergangenheit zu erfahren.
Mit dem jegigen Bremer StiftSwald zu-
fammen bildete er früher in der Form
eines gleichichenkligen Dreied3 ein ge
ſchloſſenes Ganze innerhalb natürlicher
Grenzen, wobei der Kamm des Legberges
als Baſis angeſehen werden kann.
Bereits 1215 wird dieſer Bezirk in der
Beſtätigungsurkunde Kaiſer Friedrichs II.
für das Prämonſtratenſer-Kloſter Lautern
als deſſen Eigentum erwähnt und ſeine
Grenzen folgendermaßen aufgeführt:
„Der Hof im Bremenreyn zwifchen zwei
Wegen, deren einer nad Asbach, der
andere nad dem Legberg bi8 zum Sol
(Wafferftelle) führt.” Diejelbe Beichrei-
bung findet fih 1222 in der Schutz—
urkunde Kailer Heinrichs VI. für das
Klofter und iſt auch heute, nach faft 700
Fahren, noch vollftändig zutreffend. Da
diefer Waldfompler bis zur Schenkung
des Spikraind an die Stadt Lautern
durch Kaiſer Albrecht J., im Fahre 1303,
vom Reichswald umgeben war, iſt es
zweifellos, daß zwiſchen 1176 und 1215
der Bremenrain entiweder durch Friedrich
Barbarofja oder jeinen Sohn Heinrich VI.
dem neugegründeten Marien-Hoipital
und jpäteren Prämonſtratenſer-Kloſter
Lautern zu feiner Dotierung überlafjen
wurde. Die Elugen Mönde mußten
diefes Fönigliche Geſchenk wohl auszu—
nüßen, indem fie auf der Terraſſe des
Legbergs die fruchtbare Lößinſel mitten
im Buntjandfteingebiet zur Anlage eines
Meierhofes unter den Pflug nahmen,
um mit dem Ertrag ihre Küche zu be—
reichern. Daneben genoß der Hof, nad
dem Willen des edlen Stifters, Freiheit
von Frohnden, Steuern, Forſt- und
Futterhafer, ebenfo wie die anderen
Klojtergüter.
Der Name Bremenrain bezog ſich
urſprünglich, nad) der Grenzbeichreibung
wohl auf den ganzen Bezirk; die erite
Silbe ift aus dem althochdeutſchen Brame
(Brombeere) leicht zu erklären, während
Rain eine mehrfahe Deutung zuläßt,
jowohl ald Grenze, Grenzitreifen, ab—
hängiger Rand eines Waldes, wie aud
als Bern überhaupt. Bremenrain wird
daher ald Brombeeren-Berg oder Ab—
hang auszulegen fein, defjen jegige Be-
nennung als Pfaffenberg an den ehe:
maligen geiftlihen Befig erinnert.
Die nächſte Erwähnung fällt in das
Fahr 1303 gelegentlih der Schenkung
des Spigrains, dejjen weſtliche Grenze
der Bremenrain und die nah Asbach
führende Straße ausmachte. Letztere,
zwiihen Erbſen- und Bepenberg heute
als Fabrikſtraße ausmiündend, wird in
den alten Grenzbeichreibungen oft genannt
und bildete Über den Par fzwilchen dem
großen und Eleinen Humberg (— hoher
Berg) einen wichtigen Verkehrsweg nad)
dem Süden.
Über ein Saeculum jpäter wird der
Bremenrain 1417 im MWeistum der
Burgmannen von Lautern al3 einer
der Grenzpunkte des Reichslandes, welches
damals ſchon beträchtlih zuſammen—
geihmolzen war, erwähnt. Und wieder
vergehen über 100 Jahre, biß er 1535
in einer Abmadung des inzwifchen in
ein weltliches Stift verwandelten Kloſters
mit dem Rat von Rautern wegen des
Mahlens in der Stiftsmühle ericheint.
Mit Einziehung des Stifts durd Kur:
fürft Friedrich den Fronmen fam das
Hofgut 1565 in den Befig von Kurpfalz,
die ed, nad) dem Gefällregifter (Kreis—
arhiv Speyer), an Zohann Klein als
Pächter überließ. Ta fich hierbei an-
fcheinend Schwierigkeiten ergaben, wur:
den die bebauten Ländereien ansgefondert,
gegen den umgebenden Wuld mit zehn
Steinen abgegrenzt und unter Herzog
Johann Caſimir (1583-1592) an
Konrad Schüller auf Eigentum ver
äußert.
Über diejen Verkauf und die da-
maligen Berhältniffe „überhaupt geben
uns die genauen Grenzbeforihungen der
Eurpfälziichen Forſtmeiſter Philipp Bel-
mann und Friedrich Carll von Germers:
heim aus dem Jahre 1600 bezw. 1609
intereffante Aufihlüffe.*) Die Nieder:
laffung hie damals ſchon Breinerhof**)
und beftand aus einem Wohnhaus und
Drfonomiegebäuden, nebſt zugehörigen,
gegen den Wald ausgefteinten Adern,
Willerung (= Dedung und Gejtrüpp),
einer Eleinen Wieje und etwas Garten.
Auf dem Hofe war ein tiefer Brunnen,
aus dem dad Wafjer mit einem Mad
gewonnen wurde, außerdem eine Waller:
galle (Tümpel auf undurchläſſiger Sicht),
die in feuchten Jahren als Viehtränke
benugt werden konnte, in trodenen Zeiten
jedoch verfiegte. Gegen das Wıld und
die hHerumichweifenden Pferde (vergl.
Pfälz. Rundfhau vom 13. September
1902) waren die Felder durd einen
Zaun geihügt, der aber, laut Kaufver—
trag, nicht höher wie fünf Fuß fein
burfte. Dagegen hatte Conrad Schüller
Anſpruch auf unentgeltlihen Bezug von
Bau, Geihirr- und Brennholz nad) An-
weilung der Forſtknechte, ſowie die Er-
laubnis zum Weidetrieb mit Schweinen
und Rindvieh, nicht allein im Bremer-,
fondern aud im ganzen Stiftswald, „io
Bott das Gemäld jegnet und mit Edern
begabet.” Biegen und Schafe zu halten
war ihm wegen der von diejen Tieren
verurfahten Schädigung der jüngeren
Waldbeftände unterjagt. Außer dem
Hofbefiger war niemand im Bremer
Stiftswald berechtigt, auch nicht die
Lauterer Bürger, welde im Stiftshnupt-
wald größere Nutnießungen Hatten.
Falls ein Unbefugter mit einer Säge
*) Diefe beiden Grenzbefchreibungen der
Ländereien und Waldungen des früheren Stifts
Lautern haben anfcheinend nur in einer einzigen
——— welche jetzt auf dem Daubenborner-
of verwahrt wird, die Stürme der letzten drei
Jahrhunderte überbauert und find infofern wichtig,
al® auf Grund derfelben nicht allein die Hof:
befiter zu Anfang des vorigen Jahrhunderts ihre
Ansprüche auf Nutungen im Stadtwald geltend
machen und die Eintragung im Grundbuch als
deſſen einzige dauernde Betaftung bewirfen konn⸗
ten, fondern die Stadt Kalſerslautern felbit in
ihrem langtvierigen Prozeß gegen den bayeriichen
Staat wegen der Rechte im Stiftshauptwald ſich
auch diefer Urkunden als Bemeisjtüde bediente
und ein obfiegendes Urteil gewann. ;
**, Huch Bremerbof geichrieben; ber Pfrim—
merbof bei Breunigweiler führte mehrere Jahr—
hunderte, bis die — Schreibart wieder
in Aufnahme kam, benfalls dieſen Namen.
im Bremer Wald ertappt wurde, hatte
er den Fahgulden zu entrichten und fich
vor dem Stiftsſchaffner im Beifein des
Oberamtmannes zu verantworten.
Mit der Grenzbegehung wurde am
16. Mat 1600 unter Zuziehung nament:
(ih aufgeführter f£urpfälziiher und
ftädtiicher Beamten bei den Stein am
Lepberg. oben am Pfaffenborn, neben
dem Aſchbacher Brad begonnen und die:
jelbe bergabwärts am Reichswald entlang
durch das Fleine und große Lämmleins—
tal (Dunkeltälchen) bis zum Bınfelitein,
einem Biermarfer an der Walditraße
nad dem Humberg, fortgeiegt. Bon
bier aus ging es danı wieder ſüdlich
talauhvärts, den Begenberg, Jungwald
und das Premierlod; (Bremerlod) links
laffend an einer bereit3 damals auf
gegebenen Ziegelhütte vorbei, die Hohl
hinaus zum Dreimarfer zwiſchen Hum-
berg und Letzberg und über deffen Kamm:
höhe wieder zum Pfaffenbovn; hierbei
wurden die einzelnen Grenziteine genau
beſchrieben und die fehlenden eriegt. Der
Wald beitand auf der Höhe aus Buchen
und Hainbuchen, am Abhang außer den
genannten Holzarten und Eichen und
Aipen, hauptſächlich aus Kiefern und
barg Rot: und Schwarzwild, ferner einen
Wildhag und zwer Sohle. Kurpfalz hatte
als Rechtsnachfolger des aufgelöften Stifts
und umbejtrittener Beſitzer in ihm die
Eihelnugung, Hagen und Jagen, konnte
aber wegen der niedrigen Holzpreiſe
wenig Vorteil daraus ziehen. (Bergl.
Pfälzer Muſeum 1904 ©. 87.)
Heute wird diefer, 130,655 Hektar
umfaffende und ganz tjolierte Staats—
wald vom Forſtamt Kaiſerslautern-Weſt
“ (Reichöwald) mit verwaltet, da jeine An—
gliederung an das Forſtamt Stiftsrwald
wegen der räumlichen Entfernung mit
Schwierigkeiten verfnüpft it.
Außerdem gehörte damald dem Stift
der vordere Teil des zu feiner Zeit noch
mit Wald bededten Begenberges. welder
vom Hinkelitein, den großen Lämmches—
tal (anı Waldſchlößchen), Kohlbruch, einem
an den Stadtmwiejen entlang führenden
Pfad zum Kniebrech, dem Asbacher Weg
zwiichen Erbisberg Erbſenberg) und
Betzenberg, und der über des letzteren
höchſte Erhebung hinab zum Hinkelſtein
führenden Stadtwaldgrenze gegen die An«
ftößer geichieden wurde. Er war mit
Kiefern beitanden und an den Hängen
mit Geſtrüpp befleidet, in dem ſich gerne
Hafen und Füchſe aufhielten; die legten
Nefte diefes Waldes bildeten bis in die
Mitte des vorigen Jahrhunderts eine
Gruppe von 3 Kiefern, die jogenannten
„Jungfernkiefern“. Da dieſes Gelände
ih jegt in Privatbejig befindet, muß
die Veräußerung durch Kurpfalz ſeit dem
Jahre 1609 ftattgefunden haben. Durd
die großen Steinbrudanlagen und den
Bau der Eifenbahn hat diefer Teil des
Betzenberges ein ganz anderes Ausjehen
gewonnen, der Bremer Stift3wald aber
fpendet noch heute dem Erholungsbedürf-
tigen und Ausflügler feinen erquidenden
Duft und Schatten.
Ein alter Turm in Eifenberg.
Wie die meiiten Ortichaften der Hardt» |
täler an den Ausgangspforten zur Rhein-⸗
ebene noch Überreſte von mittelalterlichen
Befeftigungen aufweifen, jo finden ſich
beionders nody Spuren und Überbleibiel
von Ummallungen, Mauern und einigen
wenigen Türmen in den Orten, die am
Ausgang des von einer Schon zur Nömer:
zeit und beionders im Mittelalter jehr |
belebten Straße durchzogenen Cistales
tegen. So hat das induftrielle Eiſen—
berg zwar, von außen betrachtet, heute
durch feine zahlveihen Neubauten faft
das Anſehen einer Neugründung; durch—
wandert man aber den Flecken, fo findet
man doc über dem Boden noch manden
Überreft aus längit vergangenen Zeiten.
Freili mußte der frühere Kirchenbau
mit feinem altehrwürdigen Turme im
Jahre 1898 einem Neubau Plag macen ;
allein noch ein Turm der früheren Be»
feftigung vagt aus dem Häuferhaufen
hervor. Es iſt dies der jogen. Storchen- | deifen Abbau man im vorigen Jahre
turm, auf welchem Dorfgenofje Udebar | auf drei Seiten (DOften, Süden, Weiten)
jeine Sommerwohnung wohl Fahrhuns | dem Mauerwerk auf 1,5 bi8 2 Meter
derte hindurch aufgeichlagen hatte. Mag | nahe gekommen ift, während die Nord»
der bejagte Turm nun zur Ortöbefeiti- | jeite des uriprünglidyen Bodens, ein von
gung gehört haben oder eine Warte bezw. | Bäumen umgrenztes Gartenland, noch
Signalturm geweien jein, er bietet des | erhalten iſt. Ein ſolch denkwürdiger
Interefjanten genug, um durd eine flüch- | Turm ſollte erhalten bleiben, weil er
tige Beſchreibung desjelben jeiner Er- | der einzige bedeutende Überreſt aus der
haltung das Wort zu veden. Der fog. | Vergangenheit Eifenbergs ift und zudem
Stordienturn zu Eifenberg — in dem | außerhalb des Verkehrsweges fteht, weil
Eijfenberger „Met: und Bemwandnis: | er alle harakterijtiihen Merkmale mittel:
Protokoll von Fahre 1743” der „gemeine | alterlicher Türme aufweift; weil er im
Zurm” genannt — iſt rund. Sein | Gelamtbilde des Fleckens eine bedeut-
Mauerwerk hat eine Höhe von 12 Meter, ſame Stelle einnimmt und weil hier ſpäter
jein fegelförmiges, mit Rinnziegeln ver- | eine Eleine Anlage mit ſchönem Ausblid in
jehenes Dad) eine joldhe von 5 Meter; das äußere Eistalmit feinen ſchmucken Dör-
der äußere Turchmeſſer beträgt 5,45 und | fern wie in die Aheinebene bis zur Berg-
der innere 3,5 Meter. Das Innere iſt ſtraße geichaffen werden fann. Zum
in drei Gejchofje geteilt, von denen das | Schuge des zwar nicht baufälligen, aber
unterfte ein Gewölbe aus Brucdhjiteinen | einer gründlichen Reparatur bedürftigen
dedt. Das Mauerwerk it von zweier: | Turmes ift es nötig, die bedrohten drei
lei Scießiharten, nämlich von ſog. Seiten durch Mauerwerk zu jchügen, die
Schlüfjeliharten (für fFeuergewehre) und | Riffe im Mauerwerk auszufüllen und
von freuzförmigen, den franzöfiichen | zu verpugen, die Bedahung gehörig aus:
Armbruftiharten ähnlichen Scieköff: | zubeffern und das nod) a Brad Stüd
nungen durhbrohen. Zum Erdgeſchoſſe, Gartenland auf der Nordjeite anzu—
führt eine Türe; unter der Bedahung | kaufen (das heißt, den jegigen Beſitzer
befinden ſich große, rechtedige Tichtungen. | entiprehend zu entichädigen) und das
Die Eingangstüre wird durch ein vom | Ganze fo gut als möglich in feiner Ur-
dritten Geſchoſſe aus bedienbares Guß- | iprünglichkeit zu erhalten. Die Eilen-
loch, eine jog. Pechnaſe, geihügt. WBon | berger, welche ja auch wie alle Bewohner
diefem aus Fonnte man entweder mit | unjeres ſchönen Pfälzer Waldgebietes
den Einlaß begehrenden Perſonen ver- | auf regen Touriftenverfehr rechnen, jihern
ehren oder auf Angreifer Steine werfen | fih durh Erhaltung des Platzes mit
oder Pech, heißes Waſſer und dergleichen | feinem geichichtlihen Denkmale den Dank
gießen. Der Zurm wurde aljo mit | der Fremden; fie befunden dadurch an«
allenı ausgejtattet, waS zur Verteidigung | erfennenswerten Sinn für die geichicht-
eines jolden Bauwerfes im Mittelalter | lihe Vergangenheit ihres Wohnortes
erdadt war. Er fteht etwa 12 Meter | und eriparen fich auch den Borwurf ihrer
über der Talſohle am nördlichen Ab: | Nachkommen, ein charakteriftiiches Merk:
bange des Tales auf einer ca. 6 Meter | mal ihrer Heimjtätte in gleichgiltiger Weife
diden Schichte von KHlebjandftein, mit | bejeitigt zu haben.
Ber CFambrechter Geisbock.
Der Fortbeſtand mancher noch heute | des Lambrechter Bockes. Die Bürger
gangbaren Gerechtſame ift gewöhnlich | diejes betriebfamen Fabrikortes genieken
bedingt durd einen Tribut, defjen Ab- | in den Deidesheimer Waldungen das
leiftung aljährlih um die Pfingitzeit zu | Weideredht, wofür fie den Deidesheimern
geichehen Hat. So ift es auc im Falle | jährlid auf den Pfingitdienstag einen
u Te;
Hammelbock abliefern müfjen. Der muß | unter Abfingen eines zu diefem Zwecke
jung und ſtark und gut beichlagen fein | eigens verfakten „Geisbockliedes“ in das
und zugleid, was ein Haupterfordernis | Gaithaus „zur Krone”, feinem Abjteige-
des Uebereinkommens ift, vom jüngjten | quaxtier, geleitete. Bor einer entfandten
der Lambrechter Bürger eigenhändig ge | Kommiſſion auf feine Tauglichkeit ge:
führt jein und Schlag vier Uhr morgens | prürt, wurde er den verlangten Eigen:
auf dem Marktplaße zu Deidesheim ſtehen. ſchaften entſprechend gefunden, ange:
Der Stadtrat umd natürlich zahlveihe | nommen und dem Führer das hiſto—
Zuſchauerſchaft empfängt die Ankömm— riſche Käſebrot und eine Flaſche
linge und das Tier wird unter lebhaftem Deidesheimer verabreicht. Nachmit—
Intereſſe der Anweſenden ſpäter ver- | tags punkt 246 Uhr hörte man Glocken—
ſteigert. Der Fußweg beträgt etwa drei | geläute, das Zeichen des Beginnes
Stunden; die geringfte Berjpätung jollte | des BVBerfteigerungsaktes. Lange
die Lambrechter ihres alten Rechtes ver» | vorher fchon hatten fich die Straßen und
luftig gehen laſſen. Nun gab es freilih | Pläge um das Stadthaus mit Menfchen
mehrmals Beripätungen und es Fam | angefüllt. Auf dem Stadthauje fanden
jogar zum Prozeß, jo daß diejelben eins ſich Stadträte ein, pflihtgemäß Zeuge
mal ſieben Böde mit ficben Führen | des Borganges zu fein. Nah Ver—
nad) dem Nachbarſtädtchen abihiden | (ejen der Urkunde wurde zur ab»
mußten. mwechjelungsreihen Auktion geichritten,
Wie alljährlich am Pfingitdienstag, | die beim Verftummen Glode, Schlag 6 Uhr,
entledigte jich auch heuer wieder die Stadt | beendet war, woher dem Legtbietenden zu
Lambrecht ihrer Pfliht. Bor Sonnen: | 40 Mark zugeichlagen wurde. Nach—
aufgang war der Bock vor Deidesheim | dem zog fi das Publikum in die ver-
erſchienen, mojelbft feiner eine große | jchiedenen Wirtichaften zurüd, um den
Anzahl Neugieriger harrte und den reich: | Neft des Tages bei Bodbier und Bod-
befränzten, diesmal in reichem SKoftüm | würften zu verbringen.
erichienenen neuen Deidesheimer Bürger
Bimmelserfcheinungen.
Sonnenfleden fieht man jegt unter | über unjere Pfalz niedergegangene Un—
Anwendung der im 7. Hefte beichriebenen | wetter hat Tauſende von Winzer am
Mapregeln eine große Zahl, darunter |; Rande des Gebirges aufs Schwerte be-
jolhe von größerer Ausdehnung als der | troffen und außer der Ernte auch die
auffälligite Doppelfled unfere® Bildes | Weinreben zerichlagen. Eisftüde bis
Seite 53 (lint8 am Rande). Die riefig | T cm Größe und darüber haben auch
angewachſene Tätigkeit auf der Sonne | die eingefleiichteften Anhänger der meteoro-
mag an der abnornen Hige der legten | logischen Hageltheorie überzeugen müſſen,
Wochen unmittelbar mit Schuld tragen. | daß jolde Kataftrophen kosmiſche Ereig-
Hagelihläge erichredenden Um: | niffe find und nicht Meteore aus unferer
fangs haben in der legten Zeit im weit: | eigenen Atmojphäre.
lichen Mitteleuropa übel gehauft. Das
DInbdalt: Zur Entjtehungsgefchichte ded Speyerbaches. — Der Bremerbof und das frühere
Stiftsgnt. — Ein alter Turm in Eiſenberg. — Der Lambrechter Geisbock. — Himmels—
erſcheinuugen.
Schriflleiter: Lehrer ph. Sauth, Landituhl — Hermann Kayfer's Verlag, Kaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafjer verantwortlich.
Die „Pfälztiihe Helmattunde* koſtet jährlich in 12 Heften mt. 2.50, — werden von allen Buchhandlungen ıub
Pofanflalten ferner vom Berleger (Bortefreie Etreifbandiendurg) angenommen.
I. Jahrgang.
ws :®:
(JPALZISCHE FIEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
EMWANNHEICH-
Nummer 12
Oktober 1905.
7
Betradytungen über das Hagelmetter im Bezirke Landan.
Am 10. Auguft legthin wurde ein
frudtbarer Teil der gejegneten Vorder:
pfalz in tiefe Trauer und in begründete
Sorge um die Zukunft vieler Eleinen
Eriftenzen verjegt, ald3 ein Hagelwetter
von ungewöhnlicher Stärke und Dauer
Ernte und Weinreben vernichtete. Solde
nicht vorherzufehenden und überhaupt un:
abwendbaren SKataftrophen haben das
einzige Gute, daß fie ſtrichweiſe auftreten
und, wenn fie jih überhaupt weithin
eritreden, einen ziemlich ſchmalen Weg
nehmen. Hagelfälle an ſich find nichts
Seltenes; aber ſolche von ſchlimmeren
Wirkungen bleiben wohl regiitriert, und
fo meldet uns das Tagebuch einer Wachen»
heimer Winzerfamilie vom 29. Mai 1849
ein „ſchweres Gewitter mit Scloßen
und berſchwemmung“, nachdem auch
der April 1847 ſich über eine Woche
lang mit Sturm und Hagel ausgezeichnet
hatte. Am 4. Oktober 1849 fand gleich—
falls jo jchwerer Hagelichlag ftatt, „daß
in Mußbach und Gimmeldingen jchnell
geherbitet werden mußte.” Am 2. Sep-
tember 1857 ging „ein ſchweres Gewitter
mit Schloßen“ über Forit und Deides-
heim nieder, fo daß die herunter-
geichlagenen Trauben aufgelefen und
ſchnell geherbitet werden mußten; das
Wetter braudite einige Tage zur Wieder:
heritellung des Gleichgewichtes in den
atmosphäriihen Borgängen. Wir fügen
aus unten erhellenden Gründen hinzu,
daß Ende November 1858 ein unge
wöhnliher Eisbruch zahlreihe Bäume
vernichtete. Am 10. uni 1859 fonden
ihwere Gemitter ftatt über Ddinstal,
Forſt und Deidesheim, „daß es geflößt
bat.” Was unter legterem Ausdrucke
zu verfteben fei, ift an Hausmarken in
Forſt, betreffend die Höhe der Hoch—
waſſer, zu entnehmen! Der 2. Auguft
1861 bradte wiederum „ichweres Ge:
witter mit Wafjersnot vor der Burg“,
d. i. aus dem „Wachenheimer Tal”
heraus. Am 21. Auli 1865 war „ein
merfwürdiger Sturm, der Bäume umriß,
Frucht fortjagte (d. h. Kornhaufen ver:
wehte), und das Obſt von den Bäumen
ichüttelte.” Der 28. Juli 1868 brachte
„ein Gewitter mit Überſchwemmung, daß
bei Deidesheim eine Mühle und ein
Wappenhammer (— Gerätichaftenichmiede)
zerftört wurden und zwei Menichen er:
tranfen.” Die Kataftrophe beim Wappen-
hammer eriftiert noch in lithographiicher
Daritellung. Am 26. Dftober 1870,
zur Zeit des vielbeiprodhenen Eriegeriichen
Aufruhrs in der Atmojphäre, hatte die
Begend einen Orkan, „der Bäume aus:
riß“ und in jeltfamer Laune die maifive,
mehrere Zentner wiegende Kreuzblume
vom gothiichen Turme der Schloßkirche
zu Dürkheim herab durch Kirchendach,
Gewölbe und Orgel hindurch fchleuderte.
Da diefer Steinflog mit Ddider und
langer Eijenftange eingejegt war, muß
ihn der Sturm im Wirbel ſenkrecht
herausgehoben haben, was um fo mehr
zu verwundern ift, ald der Stein wenig
Angriffsflähe bot. Anfangs Juni 1872
und vom 4, bis 11. Juli 1875 und vom
13. Juni 1877 werden „ichwere Gewitter
mit Überfchwemmungen“ notiert; am
4. Juli 1877 zugleich: „eine Windhoje
hat in den Gemarkungen Bönnheim und
Ellerftadt Bäume und Reben mit Stie-
feln (d. i. Wingertspfählen) und Balten
(d. i. Holzleiften zur Befeftigung der
Neben) ausgeriffen.” Im Auguſt des
Jahres 1885, das mit der für die Rhein—
orte um Ludwigshafen jo ſchlimmen
Neujahrsnaht -— Dammbruch und Über:
ſchwemmungen — begonnen hatte, gab
ed „ringsum ſchwere Gewitter mit
Schloßen und Wafjersnot.* Hier ſchließt
das eingangs erwähnte Tagebuch; wir
legen an das Ende der Lüde bis heute
ein ungewöhnliches Hagelwetter am 11.
Auguft 1904, das hauptiädlich einige
Drte des „Landftuhler Bruches“ böſe
mitnahm, und endlich die SKataftrophe
vom legten 10. Auguſt. —
Aus der trodenen Aufzählung von
bedauerlihen SKalamitäten wollen wir
etwas lernen, damit die Sache einen
auftlärenden Anhalt gewinnt. Zunächſt
ift es längjt erkannt, daß Hagelfälle am
häufigſten zu nn erhöhten Auf:
ruhrs auf der Sonnenoberflähe vor-
kommen. Sodann wollen wir und über-
zeugt halten, daß die oben angeführten
Fälle nicht bloß in die Monate hödjiten
Sonnenftandes, ſondern auch im die
Jahre größter jolarer Tätigkeit fallen;
denn dieje waren 1847,49, 185761, wo:
bei da8 Jahr 1865 dicht Hinter ein
nohmaliges® Auffladern der Son-
nenfledenbildung fällt, 186972, wobei
1872 ein zweites Marimum dev
Flecken ftattfand. 1875— 77 zwar trifft
auf das gänzliche Abflauen dieſer Tätig:
keit, was aber „Nachzügler“ von be-
fonderer Wirkung nicht ausſchließt.
1883 und jegt wieder 1904,05 bedeuten
neuerdings genau Marina der Sonnen
fleden. Es follte uns nicht wundern,
wenn andere Notierungen aud für die
Jahre 1891 — 95 ungewöhnliche Wetter:
ftürze und Sataftrophen in den betr.
Sommern verzeichnet hätten.
Nun fallen auch die Zeiten vorzüg-
lihen Weinertrags gerne in die Nähe
der Marina der Connentätigfeit, was
die Statiftit Schon längſt herausgebradt
bat; aber es jceint, als müfje „ein
gutes Weinjahr” immer im Zeichen der
Furcht vor Hagelihäden ftehen. Um
über dieje und gerade die letzte Kata—
ftrophe etwas Elarere Boritellungen zu
befommen, wollen wir uns erinnern,
was die Meteorologie zu jagen weiß;
ed wurde meulih von berufener Seite
dahin zujammengefaßt: „Über die Ent-
ftehung des Hagels find die Anſichten
zwar noch nidt völlig geklärt,
aber ed wird jett allgemein ange-
nommen, daß die Hagelbildung mit
dem Borhandenjein überkalteter, d. h.
unter 0° abgefühlter, aber noch flüffiger
Nebeltröpfchen in 3000 bis 6000 m Höhe
zulammenhängt. Fallen aus einer höheren
Cirruswolke Schnee: oder Eiskryſtalle
durch eine derart überfaltete Wolke Hin-
durch, Jo werden fie ſich während des
Fallens zu je nad) der Dide der Wol-
fenichichte mehr oder weniger großen
und mitunter unregelmäßig geformten
Hagelkörnern vergrößern. Die über:
Ealteten Wolfen verdanken ihr Bor-
handenjein zweifellos dem bei jedem
Gewitter zu beobachtenden lebhaften Auf:
triebe der unteren, mit Feuchtigkeit be-
ladenen Luftmaſſen.“ (Naturw. Wochen:
Ihrift 36.) Zweifellos ift bier nur das
Eine, daß die Wiffenjchaft hier mit An-
nahmen ausfommen muß. Scon die
allererite Überlegung, wie Cirruseisnadeln
und »wolfen in Höhen von 10, 20 —
ja jogar 82 km hinauffonmen jollten,
(denn die jog. „leuchtenden, filberglän-
zenden Nachtwolken“ am Mitternacts:
borizonte der Hochſommernächte find
nichtS anderes als irren), macht die
myſtiſche Erklärung des Hagels nicht
Elarer und glaubwürdiger. Cine ganze
Reihe meteorologiiher Ertremfälle, zu
denen nicht bloß Hagelfataftrophen mit
fauftdiden Eisbroden, jondern aud) 3. B.
die Zaifune, Orkane, Hurrikane und
' eine gewiſſe Klaſſe tropiiher Wollen:
brüche von weitefter Ausdehnung ge
hören, weifen darauf hin, daß bier kein
terreftriiher Borgang, der in umnferer
Atmorphäre entiteht und verläuft, erlebt
wird, jondern daß ein kosmiſcher Eis-
zufluß von beſtimmter Form den Anjtoß
zu jenen Revolutionen gegeben hat, die
wir unten an der Erde, am Grunde
des Quftozeans, mit allerlei jchreden-
bergenden Namen belegen. Man jollte
den geehrten Fachleuten nicht zutranen,
daß fie io geiftreihe Annahmen, wie
oben mitgeteilt, nur Für möglid halten;
jeder einigermaßen vorgejchrittene Mittel:
ſchüler dürfte nachrechnen können, daR
die Dagelitüde, die — umseretwegen in
8000 m entitehen jollen, noch Feine
Minute allzeit brauchen, um unten
anzufommen. Die „Cirren“ genannten
Eisnadelwolken aber ſchweben majeftätiich
langſam nieder, können alſo die plößlich
aus überkaltetem Wafler entitandenen
Hagelförner gar nicht durd) ihr Material
vergrößern, weil dieje der Region der
Eisnadeln pfeilſchnell enteilen; zudem
fpricht die verhältnismäßig geringe End-
geichwindtgfeit felbit der gröberen Eis:
ftüde gegen die Eniſtehung in großen
Höhen, und fo ift und bleibt es ein
Rätſel, wie trogdem fauitdide Eisbroden
herunterfallen können — ein Rätſel,
jolange man der bisherigen „Annahme“
zuftimmmt. Wir haben eine Reihe von
Ericheinungen für unjere Anſchauung
ipreen laffen, duß in allen Fällen,
welche dem Unglüde vom 10, Auguft
ähneln, der kosmiſche Einbruc von Eis
in unſere Atmoſphäre vorliegt, über
deffen Herkunft, Verlauf und Bertodizität
uns auszulaffen einer anderen Gelegen«
heit vorbehalten bleiben mu. Wenn
der Metevrologe zugeiteht, daß in etwa
9
3000 m Höhe der Dampfgehalt unferer
Luft in Eis übergeht, jo kann er uns
auf der anderen Seite nicht zumuten,
zu alauben, daß der Eisftaub der Eirrus:
wolfen auf dem Wege des Auftriebes
bi8 in ungemefjene Höhen der Eonita-
tierten Girrenfchleier gehoben wurde:
das ift Material von außen, aus dem
Weltraum. Kommt es in der zarten
Form des Eisftaubes, jo iſt die Folge
Abkühlung, bededter Himmel, Deprej-
fionen, Regen; fommt das Eis einmal
— und aus guten Gründen — grob,
jo fett e8 Hagel in allen Abſtufungen,
bis zu Dimenfionen, die wir „leider zu
erfennen Gelegenheit hatten. Niemals
hat ein Meteorologe das Auffteigen von
Eisſtaubſchichten verfolgt, nurda8 Herab-
ihweben; fie jtehen beim heiteriten
Wetter plöglih am ganzen Himmel
und einen oder zwei Tage darauf gibt
ed Abkühlung. Auch die Eirrenhäufig-
keit geht den gleihen Gang wie die
Sonnenfleden; darum treten fie wohl
heuer fo ſtark und mit jo unheimlicher
»Begleiterfcheinung auf, Man wird jomit
auch den in den November 1858 — alſo
mitten ins Sonnenflefenmarimum —
fallenden Eisnadelüberihuß und Schnee-
bruch, den wir eingang3 miterwähnt
haben, nicht ungewöhnlich oder gar un—
erklärlich finden. Gegen den Tod iſt
fein Kraut gemahlen; aud gegen Hagel-
kataſtrophen gibt es fein Abmehrmittel.
Sie kommen unangesneldet, wenn aud
ihre größere Häufigfeit vorauszu-
ſehen iſt. Es ift Pflicht der Nichtbe—
troffenen den Heimgeſuchten beizuſpringen,
denn mit größerem Rechte als vom Blig-
ſtrahl kann man von einem Hagelſchlage
jagen, er treffe ein „ohne Wahl”.
Stahlberg.
Bon der Station Dielfirchen im | an dem idplliich gelenenen Neubauferhof)
Alfenztal gelangt man links der Alienz
auf ſanft anfteigender, gut gehaltener,
aroßenteild durh Wald führender Land—
itraße, von welder aus auf halber Höhe
dem Wanderer fih die ſchönſte Ausficht
ins Alfenztal hinab bis nad) Münfter a. ©t.
bietet, nad fajt einftündiger Wanderung
vorbei in das mitten im Walde hoch
auf dem Berge gleihen Namens liegende
Stahlberg (305 Einwohner). In
dieſem jegt stillen Dörfchen herrichte
einjt infolge der auf dem Stahlberge
betriebenen Silberbergwerfe veges
Leben. Über dieje Silberbergwerke ſoll
im Nacjfolgenden etwas ausführlicher
geiprochen werden.
Stahlberg, früher zur Pfarrei Rans—
weiler, jett zur Pfarrei Dielkuchen ge:
hörend, iſt Schon 1360 in einem Etreit
Heinrichs NM. von Sponheim mit Graf
Wilhelm von Katzenellenbogen erwähnt,
wobei unter andern auch ein Werner
Kerbils von Stalberg Schiedsrichter
war. Weiter iſt Stahlberg genannt in
einer Urkunde von 1448, nach welcher
der Ertrag des dortigen großartig be—
triebenen Queckſilberbergwerks auf dem
Stahlbergerwalde in 2 gleiche Teile ge
teilt wird; ein Zeil erhält der Herzog
von Zweibrücken, in den Reit aber
teilten fih Rauhgraf Otto und Junker
Wyrih von Dun-Oberftein. Das pfalz:
zweibrüdiihe Haus beſaß nämlich aus
dem veldenzer Erbe ein Drittel an der
raubgräflichen Veſte und Herrichaft Stol-
zenburg an der Alſenz, während die
beiden anderen Drittel noh an Bhilipp
von Dun, Herr zu Oberftein und
Falkenftein, jowie an Wygeln von Elee:
burg „ielig” verpfändet waren. Rechts
der Alfenz, eine Biertelftunde von Bayer:
feld, ift hoch auf dem Berge eine Erd:
erhöhung, um die fih Gräben zieben.
Hier ftand die Stolgenburg, deren An
fänge ins 12. Jahrhundert reichen; fie
war in älteiter Beit ein Neirslehen,
zur Rauhgrafſchaft gehörend. Schon
Naubgraf Georg I. von Altenbaumburg
“befaß die von Trier lehensabhängige
Feite Stolzenburg und nennt fich auch
„Braf von Stolzenburg und Stolzen-
berch“ 1253— 1309 (zwiichen Cöln und |
Stedweiler, mit Dietentirchen, Burfeld,
Steingruben 2c.). 1358 verjegte Rauh—
graf Wilhelm den Grafen von Leiningen
einen Zeil des zu Stolzenberg gehörigen
Waldes „Steigelberg* (Stahlberg) und
feiner Schweſter Söhne und Erben
Philipp und Conrad von Bolanden ver:
pfändeten 1364 dem Grafen Walranı
von Sponheim ein Drittel von Stolzen:
berg für 2000 fl. und 1367 verkauften
fie dem Grafen Heinrich von Veldenz
(wurde auch 1368 von Kaifer Karl IV.
förmlich damit belehnt) mut Vorwiſſen
der obengedachten Grafen von Yeiningen
ihren Anteil anı genannten Walde zu
92
Stahlberg um 900 „florenzer” Gulden
auf Wiedereinlöjung; 1356 erwarb dann
Heinrich von Veldenz wieder ein Drittel
von Stolzenberg, welche Zeile nie ein:
gelöft wurden; ſonach kamen dieie Teile
durch die Erbtochter Anna von Beldenz
an Etephan von Zmweibrüden.
1514 faufte Herzog Alerander von
Aweibrüden die Stolzenburg von dem
Haubarafen Hubert und Engelbrecht
von Selm un 500 rheiniihe Gulden
und Zweibrücken erhielt jo wieder einen
weiteren Teil der Herrichaft, der on den
von Gleeburg verjegt war, bejonders
Bayerfeld, Stedweiler und Stahlberg
allein; die übrigen Dörfer blieben mit
alkenftein geteilt, Zweibrücken zwei
Drittel, Falkenitein ein Drittel z. B. Diel:
firhen, Cöln und Steingruben.
Tie Burg zu Stolzenberg wurde
1471 von Ehmfürft Friedrich I. erſtürnit
und liegt feitdem in Trümmern (jet
Etolzenbergerhof mit Holzberechtigung
auf dem Gtahlberg), Was nun Haupt:
ſächlich den Stahlberg betrifft, jo erteilte
Herzog Wlerander von Bweibrüden zu
Anfang 1514 im Berein mit jhon oben»
genanntem Philipp von Dun, Herr zu
Dberitein und Falkenſtein, einer beſon—
' deren Gejellichaft eine förmliche Berg:
ordnung „um die in diefev Herricait
befindlichen ergiebigen Werfe auf dem
Stabhlberge und Selberge zum Beiten
de8 Landes und der Ilntertanen, zur
ı Förderung des Wohlftandes und der
Anduftrie fräftiger und zweckmäßiger
betreiben zu können.” Auf dem Selberg
und bejonders auf dem Stahlberg wurde
bis 1514 hartes, gediegenes Silber ge-
baut, ſpäter nur Quedfilber, „mweilen
man nicht die rechten bergveritändigen
Leute gehabt Habe.” Später blieben
dieje Werfe ganz liegen, bis der Herzog
ein „neues Privileg, Gnad und Freiheit
zum Betrieb des Bergwerkes gegeben
und erterlet“ und alddann die Gewerke
wieder die Arbeiten in Angriff nahnıen.
Weil nun aber die rauhgräfliche Familie
feither in derjenigen der Grafen von
Selm aufgegangen war und dieje von
der alten Raubgrafihaft ſonſt feine
Beiigungen bier herum hatten, jo ver:
äußerten (cf. oben) die Rauhgrafen
93
Engelbredt und Hubert, Gebrüder und | in Meifenheim anzulegenden Münzjtätte
Grafen zu Selm, an den Herzog von
Zweibrüden und jeine Erben und Nach—
fonmen 1514 das an den von Eleeburg
verjegte Dritteil von Stolzenburg mit
allen Zubehörden und für erb und eigen
un 500 ſchlechte Gulden zu 24 Albus
und un 100 Gulden unter den jonft
gebräuchlichen Berfaufsbedingungen. Mit
den Grafen von Dun und Falkenſtein
aber hatten die Herzöge von Zweibrücken
wegen der Bergwerköverhältniffe lange
Zeit großen „Hader und Späne, Zwei:
ungen und Miſſel“, bis durch VBermitt-
lung von Churfürſt Ludwig VI. von der
Pfalz 1521 ein Vergleich zuftande kam
zu beiderjeitiner AYZufriedenheit: den
Grafen jollte der vierte Teil aller Erze
aus dem Bergwerk zuftehen und ihnen
beim Verkauf des Zehuten jedesmal ver-
abfolgt werden, jowie fie auch ein Viertel
aller Frevel, die dajelbit — jedoch außer:
halb der Bergordnung — jährlich fallen
würden, zu genießen haben follten;
handle aber jemand gegen die Bergord:
nung und werde deöwegen dur den
Herzog beftraft, jo müſſe jenem ebenfalls
der vierte Teil diefer Strafgelder werden,
während der Pfalzgraf die übrigen
Frevelgelder allein zu beziehen habe;
überdem ftünde denen ron FFalkenftein
jonft durchaus feine Obrigkeit oder Recht
an jene® Bergwerk zu. (Datum Heidel:
berg uff Dienstag nad) Barthalemmi
anno Domini Millesimo quingentesimo
vicesimo primo (1521), 27. Auguft).
1560 bejtätigte Herzog Wolfgang von
Zweibrücken die früheren Ordnungen,
Rechte und Freiheiten für die „guten
Silberbergwerte am Stahlberg und
Selberg.” Wolfgang begünitigte dieſe
Werke jehr und der Bau im Stahlberg
war äußerft reich und ergiebig an Silber,
jo daß der Herzog dadurd bewogen ward,
Geld daraus prägen zu laffen, zu weldyem
Behufe er den Nicolaus Am ge und
den Hieronymus Dberriedt zu Baſel er-
fuchte, ihm Stempel zu ganzen und
halben Zalern und Reichsqulden (lettere
zu 60 und 30 Sreuzer), ſowie auch zu
12: und 10-freuzerjtüden jchneiden zu
lafjen und fie zugleich aufforderte, ihm
über die „wednähigfte Einrichtung der
nn — nn — — — — — — — — — ——— —
genauen Bericht zu erſtatten, ſowie auch
darüber, woher „die von Zürich“ die
vortrefflich geſchnittenen Stempel zu ihren
ihönen Münzen hätten. Er ſchreibt
wörtlih, Datum 6. Septemberi$ anno
1563: „Wir wollen auch hineben aud)
anedig nit verhalten, das wir ein hart
filber Berkwerk In viefem unjerm Für—
itenthum, der Stalberg genannt, haben,
welches fi) von den qnaden Gottes wol
erzeigt, dann das Waſſer jm Schadt
aljo beweltigt ijt, das man uff dem erzt,
jo man zuvor waſſers halben hat ver-
lafjen müffen, widerumb arbeiten kann
und aljo fein Mangel an erzt jein
wird.” —
Jene beiden basler Bürger waren
auch zum Vollzuge diejer Aufträge bereit,
beforgten die gewünjchten Stempel und
berichteten darüber genau reip. über die
ganze Angelegenheit, worauf dann Die
Münzitätte zu Meifenheim angeordnet
und 1564 mit dem Prägen begonnen
ward. 1565 - 1568 wurden dort 1368
Mark (Gewicht) ftahlberger Silber zu
Talern vermünzt, welche — 8 Xaler
auf 1 Markt Silber gerechnet — 10944
Stüd ausmahten, woraus man einen
fiheren Schluß ziehen darf auf die Er—
giebigkeit und Rentabilität der ftahl:
berger Silbergruben.
Wie bedeutend der Bergwerksbetrieb
auf dem Stahlberg früher war, davon
zeugen heute noch die vorhandenen vielen
Halden, Stollen, Schadhte, wo maſſen—
weile die ausgeglühten, erjtorbenen
Schlafen und Steine (caput mortuum)
lagern, welche heute öfters als wert—
volles Straßendedmaterial verwendet
werden, auf welchen Halden bi 1884
noh viele Baulichkeiten, Laboratorien
mit zerbrochenen Keſſeln und Retorten
zu jchauen waren, aber jo ruinös ge-
worden in Mauern und Dachwerk, daß
fie nicht mehr bewohn- und benügbar
waren und als zu gefährlich für den
Beſucher abgebrochen werden mußten.
Einzelne Schachte hatten bis dahin —
1884 — teils ſchlecht, teild auch gar
nicht umzäunt und offenjtehend — der
lieben Jugend viel Gaudium verurjacht,
inden man oft Steine und Felsjtüde in
den gähnenden Abgrund warf und mit
angehaltenem Atem dem mehrere Sekun—
den dauernden Anprall und Abprall,
den Aufklatſchen der Steine in den
94
Waſſern des Tartarus lauihte und die |
| 1763 Johann Andreas Schi zu Nans-
Berggeifter aus ihrer Ruhe aufitörte.
Auch die Namen der Schachte haben
ſich bis heute erhalten und werden die
Walddiſtrikte noch jegt darnadı benannt
3- B. hohe Halde, friiher Muth, St. Beter,
Kaiſerſtuhl, St. Katharinenichacdht, Erz:
engel Michael, blaue Halde, Schadht K,
Schwefelgrube, St. Jakob ꝛc.
Oberſteiger Andreas Becker III. auf
dem Stahlberg, geitorben 1887, gab nad)
einem von jeinem Vater und Großvater,
Bergleuten zu Stahlberg, ererbten Notiz:
buch folgende Aufſchlüſſe:
1. Erzengel Michael hat einen 100 m
langen Stollen, mündete an der Bett:
ftube und am Zechhaus. Zu der Grube
gingen noch 2 andere Stollen, einer von
Bayerfeld aus, welches der tiefite, joge-
nannte Erbitollen war, der andere ging
über die jogenannte Schmelzhütte. Zu
diefer Grube führte der Schacht St. Yakob.
2. Friiher Muth hat 2 Stollen; der
Karlitollen mündet zwiſchen Steingruben
und Dieltirhen, 700 Lachter lang; der
andere am fogenannten Stollerhäuschen.
3. Prinz Friedrich, zwiichen Erzengel
und friiher Mut. Vom friihden Mut
öftlich it die Grube „Gottesgabe“.
4. St. Peter, auch ein Stollen, 40 m
vom friihen Mut entfernt.
5. Schwefelgrube mit 2 Stollen; da:
jelbft waren 3 Weiher angelegt zum
Erzwaſchen.
6. Selbach-Roßwald war ein Stollen,
136 mı lang mit einem ſeitlichen Quer—
ſchlag von 10 m.
Laboratorien waren an der Bett:
ftube, am friihen Mut, am Erzengel
und Selbah. Biel gereinigtes Erz wurde
nah Mainz verkauft, das Pfund zu
2 fl. 42 Er.
Sogar aud zu Waldgrehmeiler wur-
den Bergbauverfuche gemacht in der
Grube „Gotthilftgroß” und Zechſteiger,
Bergknappen und Schichtmeifter kamen
aus aller Herren Länder und wohnten |
auf den Neubau, Stahlberg, zu Hans»
weiler, Schönborn, Waldgrehweiler und
|
Bilterihied 2c.; jo 1740 Bedhiteiger
Rupert Stolz aus dem Wefterwald zu
Nanzweiler und Berquffiziant Kreber
1759 auf Stahlberg, id. 1752 Zechſteiger
Gaipar Ludwig Brand, Georg Bart,
weiler, die Bergieute Beder, Früban,
Lenz auf Stahlberg und eine Menge
„Bergpuriche”, unſer Bergverwalter
Johann Burcard Jacobi auf Neubau
1747, Auch heute noc find vorjtehende
Namen auf Stablberg und Umgegend
zumteil zu finden.
Auf Stahlberg iſt jegt noch ein Haus,
genannt die Bettitube, wo die Ober:
fteiger mit ihrer Mannſchaft vor dem
Beginne der Schicht ihre Andachten ab-
hielten.
Es müſſen Hunderte von Arbeitern
aewejen fein nah den Taufbüchern der
Pfarrei zu Schließen, eine fluftuievende
Mafje, die ihren Abgang durch immer
neuen Zuzug von überallher erjegte.
Tempora mutantur! -- Mit dem Auf:
Ihluß der jo großen und reihen Berg—
werke zu Idria und durch die Möglich:
feit viel wohlfeilerer Förderung der Erze
dortjelbit, Eonnten die Gruben auf dem
Stahlberg bei höherer Löhnung und viel
ichwierigerer Förderung nicht mehr fon-
furrieren; die Werke und ihr Berrieb
ließen immer mehr nad und gingen zu—
legt ganz ein. Das Werk kam durch
die franzöſiſche Nevolution in Privat:
hände, die jährlihd nur einige Tag—
ichichten vornehmen ließen, damit ihr
Recht nicht verjähre; auch eine rheiniſch—
weitfäliihe Bergbaugejellihaft muchte
1884 nochmals Verſuche, die aber nicht
hinreichende Mejultate lieferten, zur Er-
neuerung des früheren Betriebes und
jo liegt jegt leider alles jtill, die früheren
Schadte jind jegt endlich der Gefährlich—
feit wegen von der kgl. Foritbehörde
überdedt und die alten Berggeifter in
die Tiefen gebannt worden und dürften
auch Kaum geſtört werden durch die
Sonmnerfriichler, welche durch die neueften
Berbefferungen und Verihönerungen an
verichiedenen Bergpunften und Wegen
(durch die Forſtbehörde und den;pfälziichen
und Stahlberger Verſchönerungsverein)
angelodt, die herrliche Waldluft genießen
95
—
und die Lungen weitend ſich laben an | der früheren Bergleute, nicht mehr mie
der gar prächtigen Ausficht talabwärts
bis Müniter am Stein, an der Fernſicht
ringsum, deren Glanzpunft die Ger:
mania auf dem Niederwalde bildet.
Vielleiht wird noch einmal der Stahl:
berg mit Neubau zum Quftkurort, jo
daß die Stahlberger, meift Abkömmlinge
jegt al8 Tagner und Steinhauer oder
ald Waldarbeiter und Handwerker figu-
tieren — nur wenige Bauern find droben
vorhanden oder für fih und die
Ihrigen ihr Brod ſuchen als Brunnen»
macher und Bergarbeiter.
Alunzinger.
Die Generalverfammlung des Yereins Hiſtoriſches Mufeum der Pfalz
tagte heuer am 30. April im Stadthaus:
faale in Speyer und war von etwa 130
Herren aus der ganzen Pfalz bejudht.
Der erite Borfigende, Erz. v. Neuffer,
begrüßte die Erichienenen und gedachte der
im legten Jahre verftorbenen Mitglieder,
unter denen leider gewichtige Namen fiqu-
rieren. Das alljeitige Intereſſe habe die
Sadje des Bereind um einen bedeutenden
Schritt vorwärts gebracht, einen Entwurf
zum Wujeumsbau habe der Erbauer
des Nationalnujeums in Münden, Brof.
Dr. Gabriel v. Seidl, ausgearbeitet und
derjelbe babe einjtimmige Billigung ge
funden. Nach dem Berichte des Herrn
Regierungsrates Berthold wurden die
Sammlungen im legten Jahre quanti-
tativ umd qualitativ bedeutend bereichert ;
man habe wertvolle Ermwerbungen ge
macht. 3. B. von prähiftoriichen und
römischen Funden. Der Berein habe
mit Schluß dieſes Jahres ein Kapital
von über 400000 Mark zur Verfügung.
Herr Einnehmer Rumpf teilt mit, daß
dad Bermögen des Bereind im Jahre
1904 um 33253 ME. gewachſen ſei,
ebenjo die Mitgliederzahl um 80, fo daß
fie bei 1883 angelangt jei. Darunter
befinden fi 450 Gemeinden; 300 Ge:
menden jtehen dem Verein noch ferne.
Prof. Dr. v. Seidl erklärte hierauf die
Pläne des Mujeumsneubaues, deſſen
Erläuterung nebjt Abbildungen Kerr
Gymnaſialprofeſſgr Hildenbrand im
„Pfälz. Mujeun“ in dantenswerter Aus-
führlichkeit gebradjt hat. Der Beſchluß,
die Pläne auf der ftattgehabten Pfälz.
Gewerbe: und Anduftrie-Ausftellung der
DOffentlichkeit mitzuteilen, ift ausgeführt
worden, wie die Beſucher diejfer Aus-
itellung wiſſen. Kleinere Mitteilungen
und die Neuwahl der Borftandichaft
ihlofjen die Generalverfammlung.
Miſſenſchaftlicher Berein in Bad Bürkheim.
Erfreuliherweile war der PBortrag
des Herrn Univerfitätsprofefjor Dr. Bfaff-
Breisgau am 29. Auguſt d. 5%. jehr qut
beſucht. Bor Beginn des Vortrages
widmete der Vorfigende, Herr Inſtituts—
lehrer Strauß, den beiden fürzlich ver-
ftorbenen Männern Onken-Gießen und
Bulthaupt-Bremen einen warmen Nach—
ruf und jtattete Herrn Profeſſor Pfaff
für fein liebenswürdiges Anerbieten, im
Wifjenichaftlihen Verein einen Vortrag
u halten, jeinen Dank ab. Der Pro—
—** Pfaff begann hierauf mit ſeinem
Vortrage: „Aus der deutſchen Sit—
tengeſchichte“. Wir heben aus dem in—
ſtruktiven, gediegenen Referate folgendes
Volkskunde müßte auch in der Pfalz ein
ähnlicher Berein mit ähnlichen Zwecken
eritehen, ein Berein aljo, der fih mit
der Bulammenftellung und Grklärung
der Orts- und Flurnamen, der Familien-
und Zaufnamen, der Bolkötradten,
Bolkslieder, Sprihwörter, Inſchriften,
Märchen, Sagen, Sitten und Gebräuce
innerhalb unferer pfälziichen Provinz zu
befaffen hätte. Auch ein Wörterbud
der pfälziihen Mundarten wäre zu er-
treben. Der geehrte Redner zeigte,
wie Sagen entitehen und wandern und
weld ein tiefer Sinn gar oft aus ihnen
Ipricht. Zu diefem Zweck behandelte er
eingehend die Sage vom wilden Jäger
hervor: Gleich dem badiichen Berein für | und wilden Herrn, die Holda-Gagen,
— —
die Zähringer Sage, die Sage von der | feines Vortrages eine liebevolle Pflege
Jörell und dem SKandelfelfen (Baden) | der Heimatkunde. Die Beihäftigung mit
und Schlieglih die Tannhäuſer-Sage. | derjelben jei ebenjo anzichend als frucht—
Dem Borgange der Gebrüder Grimm | bringend.
folgend fordert der Redner am Schlufje ı (N. B. 3.)
Wo if es in Bentfchland am wärmſten?
Der „Globus“ veröffentlicht folgende | gejuht werden. Diefe Station mies
Ausführungen von Wilhelm Krebs: „Die | jedenfall3 tm Jahre 1903 das hödhite
Klimatologie des wärmften Teiles von | der berichteten Temperaturmaxima in
Deutichland kann in den Elimatifch vecht | Deutichland auf. Am 29. Juni 1903
intereffanten Anfangsjahren des 20. | verzeichnete Worms 33,5 Grad Eeljius,
Sahrhunderts mit wünſchenswerter Ge: | während als nächitfolgeirde Orte Frank:
nauigfeit ftudiert werden. Bom „Deut: | furt a. Main am gleihen Tage, Magde—
ihen meteorologiihen Jahrbuch“ Liegen | burg und Berlin am 3. Auli nur 33
die yabrgänge 1901, 1902 und 1903 | Grad erreichten. Rom, das für Juni
der Beobadtungen im Großherzogtum | ebenfalld am 29. die Höcjittemperatur,
Hefjen vor, bearbeitet von G. Greim | aber nur mit 30 Grad, verzeichnete, er-
und herausgegeben vom Großherzog: | reichte im ganzen Jahre 1903 nur 30
lihen Hydographiihen Bureau. Der | Grad (am 4. September), Nizza (am
jüdweftlihe Teil des Großherzogtums, | 3. September), Elermont (am 1. Sep:
Rheinheifen, gehört zu dem mittleren | tember) jogar aud) nur 34 Grad. jene
Rheintal oberhalb Mainz, nah Hann | Funihige im Mheinheifiihen ift umſo
dem „Sig der größten Mittelwärme”, | bemerkenswerter, als fie nur 6 oder T Tage
milder Winter- und hoher Sommer: | nad einem Kälterüdichlag einjegte, der im
temperatur. Das Zentrum diejer be» | Großherzogtum Reifbildung, in tieferen
vorzugten Gegend darf wohl bei Worms | Lagen jonar Froftichaden veranlaßt hatte.
Ein Meltenbumnler.
Bor nahezu Jahresfriſt, am 21. März | Württemberg; er Ereuzte Württemberg,
1904, tauchte am abendlihen Himmel | Baden, die Pfalz und das jüdliche
im Oſten ein Meteor auf, dad durh | Luxemburg, ftieg bis zu einer Höhe von
jeinen blendenden Glanz und die ftetige | 65 km herab und vollendete den 400 km
Ruhe, mit der es jeine Bahn zog, vieler | langen Weg in nicht ganz 10 Sek. Als
Augen auf fich lenkte, biß es ſchließlich kosmiſche Bahn ergibt fid) eine allerdings
unter einer großartigen Lichtentwidlung | nicht ganz fichere jog. Hyperbel ; dad Meteor
zeritiebte. Die damals gelammelten Be- | entpuppt ſich aliv im wahrjten Sinne des
obachtungen haben nun ergeben, daß der | Wortes als „Weltenbunmler*, als ein
Ort, Über den es zeriprang, unweit | Bote aus der Unendlichkeit, und eigen:
Sedan liegt. Der Himmelskörper, der | tümlich berührt der Gedanke, daß mit
in jo greifbarer Nähe dahinzufchweben | ihm vielleicht ein einiamer Zeuge einer
ichien, befand fich in der reipeftablen Höhe | gewaltigen Kataftronhe, die in unfaß-
von TO km. Als er zu leuchten begann | baren Entfernungen ſich abipielte, zu
ſtand er 100 km hoch über Ellwangen in | Grunde ging. (Frkf. Ztg.)
= Dnbatt: Betrachtungen über das Hagelwetter im Bezirke Landau. — Stahiberg. — Gene-
ralverfammlung des Vereins Hiftorifches Muſenm der Pfalz. — Wiffenfchaftlicher Berein in Bad
Dürkheim. (Portrag). — Wo ift es in Deutichland am wärmjten? — Weltenbummiler.
Schrifileiter : Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Verlag, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
Die „Pfätzii he Heimatkunde“ Toftet jährlich in 12 Heften Mr. 2.50. Wefellungen werben vom allen Buchhandlungen zub
®oftanftalten ferner vom Berleger (Portofreie Etreifbandfendurg) angenommen.
I. Jahrgang.
MONATSSCHRIFT
Nummer 13
November 1905.
1
FÜR SCHULE UND HAUS.
ENANKMEMWC A
Pf.
Bur Geſchichte des Weinbanes in der Aheinpfals.
Bortrag, beim 22, Weinbaufongreh gehalten von Dr. jur. Friedrich Baffermann-Jordan.
Noch heute herrſcht in den Köpfen
von mindeitens °ıo aller Gebildeten die
Anſchauung, daß der Weinſtock aus Afien
über Südeuropa in unfere Gegend ge:
kommen ſei. Diefe Wanderungstheorie,
die für die Kartoffel und ihre Wande-
rung aus Amerika zutreffen mag, wurde
für den Weinftod eigentlich jchon in dem
Momente hinfällig, als man in Amerika
Neben fand; denn wie hätten diefe aus
Aſien dahin gewandert fein follen!
Und gänzlich erledigt war die Wan- |
derungätheorie in dem Moment, ald man
Reſte fojfiler Reben in prähiftoriichen
Schichten meift der Tertiärperiode fand,
wie ſolche niht nur in Deutichland, ſon—
dern 3. B. auch in Japan, jogar in 8:
land, zu Tage gekommen find.
Die Abfallhaufen der Pfahlbauten
mit ihren Traubenfernen bradıten weiter
den Beweis, daß der vorgeichichtliche
Menih die Trauben, die er im Walde |
wildwachlend vorfand, gegeſſen hat, wenn
er auch von der Weinbereitung nichts
ahnte.
Und dieje Urreben find bis auf unjere
Zeit gekommen, fie jpinnen ſich nod) ver:
einzelt an hohen Bäumen in Waldungen
der Flußtäler in verichiedenen europätichen
Ländern empor, wenn fie freilich leider
auch mehr und mebr der ordnenden
Hand der Foritbehörden zum Opfer
fallen, denen ihre Erhaltung hier beſonders
empfohlen jein joll. Die Flußtäler find
überall die Heimat der Urreben, wie es
auch bei Moſes heißt: „Und fie kamen
an den Bach Eskol und jchnitten dajelbit
eine Nebe ab und ließen fie zween auf
einem Steden tragen.” ’)
In Deutichland Haben fi Urreben
nur im Rheintal auf der Strede von
| Baſel bis Mannheim nachweiſen lafjen,
und man konnte vor 50 Jahren deren
| nod 36 Arten gärtneriih in Kultur
nehmen. In neuejter Leit find nod)
jolhe an Standorten des Elſaß, Badens
und der Rheinpfalz bei Speyer und auch
nahe bei Neuftadt, im Speyerdorfer
Wald, gefunden worden.
Man hat dieje Urreben oft für ver-
wildert gehalten; jeder Winzer weiß
aber, daß es unmöglich wäre, eine Kul—
turrebe im geichloffenen Walde auf einen
Eihbaum hinaufzuziehen oder im Wald
zu erhalten, kommt fie ja doch jelbit
unter einem Mandelbaum nur mühlam
fort; charakteriftiich ift auch, daß in den
ichon Seit jo vielen Hunderten von Fahren
Weinbau treibenden Flußtälern des
Mains, des Nedars und auch des Rheins
unterhalb Mannheim nie eine lebende
Urrebe hat nachgewiejen werden können;
| es jcheint die Natur alio das Elſaß, Baden
und die Aheinpfalz in beionderer Weije für
den Weinbau prädeitiniert zu haben.
') Mofes IV. 13. 24.
Nicht für die Weinrebe, aber für die
Weinfultur mag die Theorie von der
Wanderung aus Afien Berechtigung be:
halten, doch trügt dabei leicht die Tat:
jache, daß die Weltgeihichte jenen Weg
von Dften nad) Weiten genommen hat,
und daß die geichichtlihen Nacrichten
auf dem Weg von Ajien nad) Griechen:
land, Ron und Deuticland immer jünger
werden.
Die Erfindung der Weinbereitung
wird wohl eher eine zufällige Ent—
dedung gemwejen jein, am wahridein:
lichiten erfolgte fie in einem Lande mit
reihem Beitand an Urreben in gün-
ftigem Klima. Die Entdeckung könnte
aber ebenjo gut an mehreren Orten,
ebenjo gut in Griechenland vder Italien
u. a. Ländern als nur in Afien gemacht
worden jein.
Wir haben feine geichichtlihen Nach—
rihten vom Weinſtock ohne Rebkultur.
Daß griechische Koloniften nach Stalien,
das ıhnen jo viel verdankt, auch die Reb—
kultur gebradt haben, ift ſehr wahr:
ſcheinlich; daß griechiſche Anfiedler aus
Phokäa die Weinkultur nah Maſſalia
(Marjeılle) in Südgallien bradıten,?) wird
Ihon von antiken Autoren verfichert.
Der galliihe und galliſch-römiſche Wein:
bau aber ift eigentlich als Vater des
biefigen Weinbaues zu betradjten, wie
nod heute in manden Dingen, in guten
und böjen, der franzöjiihe Weinbau
Öfterd dem deutichen voraus zu fein
pflegt.
Die Ausbreitung der Rebkultur aus
der Umgegend von Maffalia, wo die
Phokäer möglicherweile ſchon Weinbau
vorfanden, erfolgte langiam. Bon wejent:
lichſtem Einfluß war jedenfalls die Unter:
werfung Galliens durch Cäjar?); denn
damit wurde Gallien und dev galliiche
Weinbau tatiählih römiih und zahl:
reihe römiihe Anfiedler führten die
Kultur nad römischen Grundfägen weiter.
Plinius kennt bereit3 den Weinbau
der Allobroger, ungefähr im heutigen
Burgund; von da hat die Nebkultur
ihren Weg immer weiter nördlich ge
2) Im 600 vor Chriſtus.
2) 63861 vor Chriſtus.
98
|
|
— ee —eem — — — — —— — — uk nn nn — —
nommen und wird ſpäteſtens gegen Ende
des erſten Jahrhunderts | Chriſtus
zu den nördlich der Allobroger bis ins
obere Elſaß ſitzenden Sequanern auf
denn Weg des Rhein-Rhone-Kanals und
der trouée de Belfort vorgedrungen jein.
Späteſtens unter der ruhigen Regie-
rung der großen Kaiſer Hadrian, Ans
toninus Pius und Marc Aurel im zweiten
Jahrhundert ift der Weinbau hierher in
die Pfalz und am linken Rheinufer weiter
abwärts, gleichzeitig auch von Gallien
aus ind Mojeltal gelangt.
Die Verbreitung von einem Wolfe:
ftamm zum anderen, wie von den Allo-
brogern zu den Sequanern ac., iſt weniger
wejentlih als die Mole, die in jener
Zeit die römiſchen Kolonijten geſpielt
haben, die, von Hauſe aus an Wein ge:
wöhnt, denjelben überall für den eigenen
Gebrauch anzubauen fuchten, ähnlich wie
dies Später die chriftliche Kirche zum
Bwede des Gottesdienftes getan hat.
Der Weinbau braudt, um Fuß zu
faffen, ruhige, jichere Zeiten ; ſchon darum
wird man feine Anfänge am linken Rhein—
ufer nicht jpäter als in die Regierungs—
zeit der erwähnten großen Sailer an—
jegen dürfen, denn damals herrichten
glüdliche, friedliche Zeiten, und das Land
war gegen die Einfälle der Germanen,
die nad Tacitus feinen Weinbau kannten,
durch den jeit Trajan angelegten Limes
geſchützt.
Auf Grund fpätlateiniiher Autoren
hat man jeit der Nezeption der römischen
Schriftjteller in der Renaiffance- Zeit
immer wieder den Sailer Probus, der
von 276 bis 282 regierte, ald Begründer
der Weinkultur in Deutichland hingeftellt;
dieje Auffaſſung ift im allgemeinen heute
noch faſt ebenſo vorherrichend, wie die
unhaltbare Theorie von der Wanderung
des Rebſtockes aus Aſien.
Die fraglichen römischen Stellen be-
haupten, daß Probus den Bewohnern
von PBannonien, Spanien, Britannien
und fämtlicher Gallien*) den Weinbau
*) Die heutige Pfalz gehörte nach der urfprüng:
lien Einteilung zur Gallia belgica; für den
römishen Sprachgebrauch änderte daran die
amtliche Mbtrennung der Germania superior
nichts.
erlaubt habe und bei Neuanlage von
Weinbergen ſelbſt tätig geweſen fei.
Man hat vermutet, dab Probus ein Ge-
legenheitögejeg des Domitian, der ebenfo
wie Später 3. B. Karl IX. von Frankreich
in einem an Wein überreihen und an
Brotfruht armen Jahr die Ausrottung
zahlreicher Weinberge, beſonders in den
PVrovinzen, anordnete, aufgehoben habe,
doch iſt jenes domitianiiche Geſetz, wie
ſchon Suetonius bezeugt, nicht zur Aus—
führung gekommen. Bielleicht hat Brobus
ein älteres, republifaniiches Geleg, das
auf Koiten der Provinzen den Weinbau
und Weinhandel für Italien zu mono:
polifieren ftrebte, und das ſich bei Cicero
erwähnt findet, aufgehoben, doc wäre
eine ſolche Aufhebung eine reine Fyor:
malität geweſen, denn aus rönnjchen
Autoren erfährt man, daß Pannonien,
Spanien und Ballien bereits vor Probus
Weinbau trieben; aus römiſchen Pane—
gyrifern ergibt fich die Blüte des Wein-
baues im nördlichen Gallien gerade in
der Zeit vor Probus; alio auch eine
Wiederheriteltung etwa zerftörten Wein—
baues ift Probus nicht zuzuſchreiben.
Dagegen hat er, beionders durch An—
fiedelung von Koloniften und auch durd
Anlage von Weinbergen unter ınili«
täriſchem Befehl zur Ausbreitung des
Weinbaues auch in unjerer Gegend jehr
erheblich beigetragen und darf deshalb
nit Mecht gefeiert werden; bejonders
das Aufkommen der zahlreihen Wein:
gefäße mit Trinkerinichriften, wie „bibas
multos annos* und dergleichen, in unſerer
Gegend aus einheimiichen Fabriken gerade
gegen Ende des dritten Jahrhunderts,
legt von feiner önologiſchen Tätigkeit
Zeugnis ab.
Für die Begründung des Weinbaues
wären Seine 6 Regterungsjahre, von
denen nur die legte kurze Bert Frie—
denswerken gewidmet werden konnte,
auch feinesmegs ausreichend gewejen; er
war nicht der Begründer, aber der
Dauptbeförderer des Weinbaues in
Deutichland und trog feiner furzen Me
gierungszeit einer der größten Monarchen
aller Zeiten, ftarf genug, um in jener
verrotteten Zeit nod an allen Grenzen
des Römerreichd die Feinde zu vernichten,
99
groß genug, um nad erfochtenen Siegen
mit gleiher Hingabe fid; den Werfen des
Friedens zu widmen und den Gedanken
zu faffen, er wolle bald jo weit fein,
feiner Soldaten mehr zu bedürfen, dabei
Idealiſt genug, um diclen Gedanken aus—
zuſprechen und dadurch die Soldaten
zum Mord zu reizen, ſodaß fie ihn er:
ihlugend); ev war ein Mann von einer
erhabenen Größe, vor der auch unier
kanonenſtarrendes Jahrhundert fih in
Ehrfurdt beugen muß — aber der Be:
gründer unſeres Weinbaued® mar er
nicht.
Es ift Öfterd die Vermutung ausge
ſprochen worden, Kaiſer Probus habe
den Weinbau aus dem Diten an den
Rhein verpflanzt, es ift auch die Theorie
aufgeftellt nd mit guten Gründen unter»
jtügt worden, daß der Weinbau unab-
hängig von den Römern zu feltiicher
Zeit von der griechiſchen Kolonie Majfalia
ausgehend über Nordgallien an die Mojel
und erit von der Mofelmündung rhein«
aufwärts und rheinabwärts an den Rhein
gelangt ſei. Mbgeiehen von anderen
Gründen tritt ein ganz neues Gebiet
der Wiffenichaft auf, das dieſe Ber:
mutungen widerlegt, nämlich die Numis-
matif mit ihrer neuerdings erlangten
Kenntnis der römiſchen Miünzzeichen,
die feit dem dritten Jahrhundert auf
den römischen Münzen vorfommen. Diefe
Miünzzeichen geben bei Münzfunden an,
aus melden Prägeftätten die Münzen
an die Fundſtelle gelangt find, fie geben
alſo die beſtimmteſten Hinweiſe über die
Richtung des römischen Verkehrs. Ich
babe vor zwei Jahren von den zahlreichen
bei Ruppertöberg und Deidesheim ge:
fundenen Münzen die in Betracht kom—
menden von einer der vorzüglichiten
Autoritäten auf dielem Gebiete unter:
juchen laffen; das Ergebnis war, daß
alle Münzen aus den Prügeltätten Nom,
Taracco (jet Tarragona in Spanien)
und Rugdunum (jegt Lyon) ſtammten;
man fieht alio, daß der Verkehr aus
dem Süden in das Mhonetal und als:
dann Taoneaufwärts und rheinabwärts
9, Probus wurde im Oftober 282 bei Sirmium
in Bannonien inmitten jeiner landiwirtjchaft-
lichen Tätigkeit ermorber.
hierher gelangt iſt, wie das auch für die
Ausbreitung des Weinbaues aus anderen
Gründen anzunehmen if. Die zahl-
reichen Brägeitätten der ditlichen römiſchen
Reichshälfte, ebenjo Trier, fehlten voll-
ftändig.
Man hat auch verſucht, jeden römischen
Weinbau für das linke Rheinufer zu
beftreiten, einen jolchen vielmehr nur
für die Mojel anzunehmen, für die er
durch die Mojella des Antonius um 365
ermwiejen iſt. Abgeiehen davon, daß der
galliſchrömiſche Weinbau fich mindefteng
ebenjo leiht von der Rhone an den
Rhein, ald ins Mojeltal verbreiten
konnte, fehlt es für die Gegend von
Straßburg bis Mainz keineswegs an
klaſſiſchen Zeugniſſen für den vönnjchen
Weinbau daielbit. ch erinnere, abge:
jehen von den zahlreichen, auch in ganz
ärmlichen Gräbern gefundenen Wein:
gefäßen, an die Traubenferne, die in
römiichen Gefäßen gefunden wurden, an
Weinreben und Winzergeräte, die in
römischen Gräbern zu Tage kamen, an
die römischen Landhäufer mit ihren Wein-
kellern, wie ein ſolches erft im ver-
gangenen Jahre wieder an der pfälzer
Grenze bei Wacenheim ausgegraben
wurde, endlid an die hHiejigen Heben:
erziehungsarten, den Rahmenbau und
Kammertbau, die nad den 1ömiichen
Zeugniffen dem Gebraud; der Römer
mehr entiprechen als irgend eine andere
Kulturart, und Schließlich an die zahl:
reihen, dem Lateinischen entlehnten öno—
logiihen Ausdrüde, von denen ich als
für die Pfalz beſonders charakteriitiich
nur 3. B. Seder, römiſch sectum, Schentel,
römiſch scammellum, und Winzer, römiid)
vinitor, erwähnen will.
Daß die Römer die beiten Weinbergs-
lagen der Pfalz betreten haben, ergibt
id für Neuftadt, Ruppertéberg, Deides-
heim, Dürkheim u. a. durd Funde von
Münzen oder Gefäßen innerhalb der be-
treffenden Weinberge.
GSteinjfulpturen, es jei denn, daß es
Inſchriften wären, möchte ich zum Beweis
nicht heranziehen, obwohl unjere Mujeen
deren vielerlei enthalten, denn ſolche
Skulpturen auch mit den ichönften Dar:
jtellungen von Trauben, Neben, Wein:
100
fäffern und dgl. ſind Feineswegs für
römischen Weinbau beweilend, jondern
entjtammen regelmäßig Altären oder
Srabmälern römischer Weinhändler. Die
\hönjten Steinrelief3 mit der Dar:
ftellung des Transports von Helzfäfjern
find 3. B. nit nur in Neumagen bei
Trier, jondern auch in Augsburg, wo
gewig niemals Weinbau gemwejen iſt, ge:
funden worden.
Der Weg, den hierzulande der Wein
bau bei jeinem Vorwärtsſchreiten nach
Norden genommen hat, mußte fih aus
den römiichen Straßen ergeben ; an dieſen
fanden die römiſchen Anfiedelungen ftatt,
und die Anfiedler ſuchten fich ihren Wein,
an den fie gewöhnt waren, überall jelbit
zu pflanzen.
Die eine Römerſtraße, die Rheinſtraße,
lief von Lauterburg über Rheinzabern,
Speyer, Worms nad) Mainz, die andere,
die Bergitraße, etwa von Weikenburg
über Bergzabern nad) Neuftadt (Brand:
weiler Hof), von da über Mußbach—
Deidesheim » Dürkheim : Grünftadt » Alzey
nach Bingen; es beftanden natürlich
zahlreiche Verbindungswege zwiichen bei—
den Straßen.
Dieje Straßenzüge bewirkten, daß der
Weinbau in der heutigen Pfalz cbenjo
früh am Rheinufer als am Gebirge ent:
ftand; 3. B. dem Narrenberger bei Speyer
gebührt dasjelbe römische Alter wie den
Weinen dom Abhang des Gebirges.
Dagegen wird das Weinbaugebiet des
Aljenztals, des Glantald und Lauter:
tal8 von Nahetal, da8 des Blicstala
von Lothringen abhängig ſein.
Die Wölferwanderung bradıte dem
hiefigen Weinbau feine Bernichtung,
nur Stillitand ; die germanischen Stämme
juchten Wohnfige und Land zum Anbau,
planmäßige Berwüftung betrieben nur
die Hunnen und aud die Banpdalen.
Die Alemannen, die für die hiefige
Gegend von bejonderer Bedeutung find,
hatten nach Probus' Tod das römiſche
Dekumatenland in Befig genommen umd
waren demnach jchon ſeit mehr ala 100
Jahren an römijche Kultur und wohl
auch Weinbau gewöhnt.
(Fortſetzung folgt.)
101
Ber Bürkheimer Wurfimarkt.
Unter den drei großen Tüddeutichen
Volksfeſten, dem Münchener Oktoberfeſte,
dem Kannftatter Volksfeſte und dem Dürk—
heimer Wurftmarfte, gebührt legterem
binfichtlich des Alters die erite Stelle.
Das Münchener Dftoberfeft verdanft be:
kanntlich feine Entitehung der Vermäh—
(ung des bayerijhen Kronprinzen Ludwig,
des nachmaligen Königs Ludwig I., mit
der Prinzeifin Therefia von Hildburg-
haufen am 12, Oktober 1810, während
der Dürkheimer Wurjtmarft ein Alter
von nahezu 500 Fahren aufzuweiſen hat.
Im Norden bes Bade: und Trauben:
furortes Dürkheim erhebt fich eine lang-
gejtredte Hügelreihe, deren eriter Kopf
den Namen Michaelsberg führt und
wohl in vordriftliher Zeit als Begräb-
nisjtätte gedient hat; denn vor einigen
Jahren ftieß man gelegentlidh einer
Rodung am öſtlichen Abhange auf etwa
50 fogenannte Plattengräber, die nad)
der Anſicht Sadyveritändiger nur von
den Mheinfranfen herrühren fönnen.
Es ift diefe Annahme um fo mehr be-
rechtigt, ald man in der eriten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts bei Anlegung
der Straße von Dürkheim nach Ungftein
ganz in dev Nähe bei Pfeffingen mehrere
* ſteinerne Särge ausgrub, in welchen
ſich viele Koſtbarkeiten von Gold, Silber
und edeln Steinen, ſowie auch eine ſilberne,
vergoldete und mit koſtbaren Steinen
beſetzte Strahlenfione vorfanden, die
alle wahrſcheinlich von fränkiſchen Her—
zögen herrühren. Auf genanntem Hügel
ſtand eine dem hl. Michael geweihte
Kapelle, welde der pfälziihe Amtınann
von Neuftadt in Fahre 1601 abbreden
ließ. Den Wallfahrten dahin, welche
bejonder8 auf den Namenstag des Hei-
ligen vorgenommen wurden, verdankt
der Wurjtmarft, auh Michaels:
marft genannt, jeine Entjtehung. Zu
der anfänglichen Bewirtung der ange
fommenen Wallfahrer gejellten jich, wie
ed gewöhnlich zu geichehen pflegt, nad
und nad Kaufbuden, Sehenswiürdigkeiten,
Künftler, ꝛc. Während der vordere
Br. zur Abhaltung der eigentlichen
Meſſe diente, waren die beiden nördlichen |
den Bühnenvorftellungen, den Scau-
jtellungen, den Turnieren, den Ringel:
ftehen und andern Künſten gewidmet,
weshalb fie auch heute noch den Namen
„Spielberge” führen.
Don welcher Bedeutung jchon Frühe
der Michaeldömarktt war, dürfte aus einer
Urkunde vom Jahre 1442 hervorgehen,
in welcher die Kaufmannſchaft von Speyer,
welche in dieſer Zeit mit dem Ritter und
und Bogt von Hunoldjtein in Fehde
lebte, den Grafen Emich VI. von Reinıngen
um freies Geleite erfuchte, damit fie den
Jahrmarkt auf den Michelsberg beſuchen
könne. Von allen, was auf der Meſſe
verkauft wurde, mußte den Abte von
der Limburg eine feſtgeſetzte Abgabe
entrichtet werden.
Dem Bruder Simon, welder der
Kapelle vorftand und den Buttesdienft
zu bejorgen hatte, wurde im Jahre 1486
von der Stadt das Weiderecht für I Pferd
auf der Brühlwieſe“*) zugeftanden;
auch erhielt derjelbe im Jahre 1493 zehn
Stück Bauholz „um Gottes willen“ zur
Ausbefferung der Turmſpitze über der
Kapelle. Später teilten fih die Hoch—
ichule von Heidelberg und der Graf von
Leiningen in den Befig der Kapelle, bis
diefe, wie oben angedeutet, 1601 nieder:
gerifjen wurde.
Bei der allmählihen Ausdehnung des
Marktes erwiejen fi die Hügel als zu
Elein und e8 wurde alsdann der Wunrft:
marft auf die Brühlwieje verlegt. Die
drei Kalkhügel dienen heute cinem anderen
Zwecke, fie find mit Neben bepflanzt und
liefern den weithin bekannten und jeines
edeln Gehaltes wegen hochgeichägten und
beliebten „Michaeldberger” und „Spiel
berger”, die nicht wenig zum ſtarken
Befuche des Wurftmarktes beitragen.
Gewiß dürfte fih in der Pfalz fein
geeigneterer Plaß zur Abhaltung eines
ſolchen Volksfeſtes finden, wie ihn Dürk—
heim jett befigt. Während die beiden
\ großen ſchattigen Alleen, davon eine mit
vier Reihen Bäumen, zur Aufjtellung
| der verichtedenen Kaufmannsſtände dienen,
*) im Boltsmunde „Brügelmiefe”.
bietet die eigentliche Brühlwiele genügend
Raum für die großen Weinhallen, in
welchen während des ganzen Marktes
Militärkapellen konzertieren, fiir die Zelte
fahrender Künftler und für andere
Sehensmwürdigkeiten.
Nachdem vor 15 Jahren die legten
noch in Brivatbefiß befindlichen Brühl:
wieſen von der Stadt angefauft waren,
wurde der ganze FFeitplag fanalifiert und
breite Kieswege angelegt, jo daß heute
die Beſucher auch bei ungünftiger Witte-
rung nicht befürdten müſſen, im auf-
geweicdhten Boden fteden zu bleiben.
Ein Wiejenquadrat ift rejerviert für
die Kleinen Winzer, welche dajelbit in
primitiven Selten meiſtens ihren ſelbſt—
gezogenen Wein zum Ausſchank bringen
und, weil fie denjelben gewöhnlich auf
einem Scieb: oder Schubfarren herbei:
bringen, kurzweg „Schubkärchler“ genannt
werden. Wohlwenig Wurſtmarktsbeſucher
verſäumen es, auch bei den „Schub—
kärchlern“ Einkehr zu halten und fie
wiffen wohl, warum.
Auf dem Zurnplag find die Kübler:
waren aufgeitapelt und es finden im
guten Weinjahren Zuber, „LRotten”
( Fäffer) ꝛe. aller Größe reichen Abſatz.
Einen beionderen Anziehungspunft
für die Hausfrauen bietet der Geſchirr—
markt. In großer Auswahl find hier
die irdenen und Emailwaren vertreten.
Nicht Tarf vergeffen werden der
Zwiebelmarkt, zu dem die Bewohner von
Beisfam, Flomersheim, Eppftein 2c. ihre
Produkte liefen. Hier wird jo ziemlich
der Bedarf fürs ganze Rahr gededt.
Der Beſuch des Wurftmarktes ninmit
mit jedem Jahre zu. 1904 bradıten dic
vegelmäßigen und eigens eingelegten
Eıjenbahnzüge aus allen Zeilen der
Pfalz und den angrenzenden Ländern
an den zwei erſten Feittagen 52.000,
am 3. Tage 8000 und am Nachmarkte
(darauffolgenden Sonntag) 6000 Bäite.
Die Frequenz wilrdezeine noch bedeu:
tendere geweſen fein, wenn nicht in dieſen
Tagen am ganzen Gebirge die Weinleie
begonnen hätte. ‚
Bei dem Andrange einer solchen
Menihenmenge ift es jelbftverftändlicdh,
102
daß zur Aufrechthaltung der Ordnung
die Bolizeiorgane verftärkt werden müſſen.
Das Polizeibureau wird während der
Feittage in cine beionderd errichtete
Bretterbude auf dem Feitplage verlegt.
n unmittelbarer Nähe ſchlägt feit einigen
ahren auch die Sanitätäkolonne ihr
elt auf, um etwa Berunglüdten nötigen
falls die erfte Hilfe zu bringen.
Antereffant für den Beſucher ift der
Aufzug am Sonntag. Nad Beendigung
des Gottesdienstes in den beiden Kirchen
verjammeln ſich die Militärkapellen auf
den Schloßplage vor dem Stadthauie.
Nachdem jede Kapelle einige Stüde vor:
getragen, ordnen ſich die Sicherheits:
organe und Sanitäter zum Bug und
nun geht's unter dem lange fröhlicher
Weiſen zur Feſtwieſe.
Daß Metzger, Bäcker und Wirte an
dieſen Tagen ſich rühren müſſen, um
die Feſtgäſte zu befriedigen, braucht kaum
erwähnt zu werden. Nach genauer Zu—
ſainmenſtellung wurden von den hieſigen
Metzgern am Wurſtmarkte 1904 in der
Zeit vom 26. September bis 8. Oktober
geſchlachtet: 261 Schweine, 66 Kälber,
20 Rinder, 7 Stiere, 5 Kühe, 4 Faſſel
und 2 Ochſen; daß dabei auch ein ent—
ſprechendes Quantum Wein Verwendung
fand, braucht wohl nicht beſonders be—
merkt zu werden.
Alle Anſtrengungen anderer Orte,
ihre Kirchweihe zu ähnlichen Volksfeſten
umzugeſtalten und dadurch mit dem
Wurſtmarkt in Konkurrenz zu treten,
find bis jegt erfolglos geblieben,
Der „Wurſtmarkt“ ift auch poetiich
verberrliht in Woll's Elaffiicher Dia-
feftdihtung und er hat feine Originalität
und Bugkraft bewährt — trug übler
Folgen, die mancher Beſucher davon:
getragen haben mag.
Wie Sehr der „Derkemer Woridt-
mark” volkstümlich bekannt geworden
ift, mag daraus eriehen werden, daß der
Berein der Aheinpfälzer, gegründet
1899, am 1. Dtober in Köln im Bör—
jenfaal des Gürzenih zur Erinnerung
an das prälziiche Volksfeſt eine Feſtlich—
feit abhielt, zu der auch Abordnungen
de8 Bereins der Rheinpfälzer in
Düjjeldorf, Duisburg und Krefeld
erihienen waren. Bejonders große Freude
machte an diefem Abend auch die Mit:
teilung, daß von einem Gönner aus der
Heimat eine namhafte Summe für die
Unterftügungsfaffe des Vereins über:
wiejen wurde. Mebit einer Anzahl von
Telegrammen, u. a. der Brudervereine
in Würzburg, Münden und Zürich,
103
waren auch poetiihe Grüße von den
heimischen Dichtern Paul Gelbert, Rid).
Müller, Emil Weber, Frig Claus, Ernft
Kiefer, Daniel Kühn, Auguft Seiler,
Emil Haas, &. U. Ney eingelaufen —
gewiß ebenſo Zeichen, daß die Heimat
auch in der Ferne geichägt wird, als
für die Bopularıtät des „Wurſtmarktes“.
A. vöckel.
Eine nene „neolithifche‘ (nenfeinzeitalterliche) Station
und Fabrikationgftelle wurde in der Nähe
von Neuftadt, und zwar nad Diten zu
zwiſchen der alten Haßlocher Landſtraße
und dem Harthauſer Weg im ſogenannten
„Böhl“ feſtgeſtellt. Bis zur Station
Wallböhl iſt eine Entfernung von 3,5 km.
Zahlreiche unbehauene Silerfnollen und
bearbeitete Werkzeuge beweijen auf diejer
altdiluvialen Schotterterraffe die Arbeit
des neolithiihen Menichen, der hier
zweifello8 da8 Material der Schotter:
mafjen zu feinen Sweden verwertet und
wahricheinlich aud da gewohnt hat, wo
die Nähe des Rehbaches und ein jonniger
Platz einlud. Nahe diejer Stelle, im
Römifche
Wie die Ausgrabungen des Fabri—
Eanten Wilhelm Ludowiei zu Jockgrim,
wo jüngit im Scelmenmwald am Rande
des Otterbachs ein größeres römiſches
Bad aufgededt wurde, neuerdings auf:
genommen wurden, jo ließ neulich der
Hiſtoriſche Verein der Pfalz an ver:
ſchiedenen vorgeihichtlichen und römischen
wie fränkiſchen Wohnftätten Grabungen
vornehmen, die vom beiten Erfolg be:
gleitet waren. In der Gemarkung
Iggelheim 3. B. im Flurbezirt Eich
ihwalbe auf dem Felde des Landwirtes
Koob murde diht an der ehemaligen
Nömerftraße, dort Herrenweg, aud
Schifferftadter Weg genannt, ein römisches
Hypofauftum, wie e3 in den römischen
Häuiern in Germanien, Gallien und
Dberitalien häufig vorkommt, aufgededt.
Garten des Gutsbefigerd Schaaf, war
vor einigen Jahren eine Anzahl Nep-
jenfer aus Ton ausgegraben worden,
wie fie auch anderwärt3 als der neo»
lithiichen Periode des Menjchen ange
hörig gefunden worden find. Beide
Stationen können mit einander verbun—
den gedadht werden. — In zwei Jahren
ıjt in diefer Gegend ein ganzes Spitenn
ſolcher Wohnftelen bekannt geworden,
die zumteil dem FFlomborn- (Hoderära-)
Typus, zumteil dem BPfahlbau Typus
angehören und uns verraten, daß vor
beiläufig viertaujend Jahren die Gegend
befiedelt war. (Nah „Pf. Kur.”).
Funde.
nungen, alfo eine Urt Quftheizung aus
jo früher Zeit. Erhalten find das Pro-
pnigeum, d. i. die Mündung des Ofens,
Zeile der Umfäffungsmauern, ſowie
ſämtliche Badjteinläulhen auf Liegel-
mörtelbeton.. Dabei fanden ſich aud
Brucdftüde der Röhren (tubi), farbige
Verpugftüde, ein Glöckchen um. Bei
diejer Gelegenheit werden die Bewohner
der Pfalz, welche wünſchen, daß die
Pfälzer Altertümer den Kreismujeum
zu Speyer zugewendet werden jollen,
gebeten, dem „Ausihuß des Hiitoriichen
Vereins zu Speyer” bezw. über vor»
geichichtlihe, römiſche und fränkiſche
Funde dem Konſervator Profefjor Hilden-
brand in Speyer, liber Gegenftände aus
Ipäterer Zeit dem Konſervator Regie:
rungsrat Berthold in Speyer gefälligit
Es iſt dies ein unter dem Boden be- | Mitteilung zu machen.
findlicher Raum zur Heizung der Woh-
|
104
4
Das Meteor vom 3. Anguſt,
das aud bei und in Münden und ander:
wärts in Bayern beobachtet werden
Eonnte, iſt bezüglich feiner Flugbahn
von der Heidelberger Sternwarte
auf Grund von mehr als 250 Berichten,
die dem Objervatorium brieflich oder in
Beitungsausichnitten zugingen, wiſſen—
ſchaftlich unterſucht worden. Dr. Moſchick
von der Sternwarte auf dem Königs—
ſtuhl bei Heidelberg berichtet nun ſelbſt
darüber. Das Meteor erſchien am 3.
Auguſt abends 8 Uhr 55,8 Minuten
mitteleuropäiſcher Zeit. Es wurde in
der ganzen Schweiz, in Bayern, Württem—
berg, Baden, in der Pfalz, in Heſſen,
dem Rheinland und Thüringen beobachtet.
Es liegen weiter Berichte aus Münden,
Prag, Leipzig und Berlin vor, ja jelbjt
in Moskau fonnte es geliehen werden.
Als es in die Nähe der Erde kam und
deren Lufthülle durchſchnitt, erhigte es
fich infolge der Reibung mehr und mehr,
bis zur höchſten Weißglut, wodurd es
für uns ſichtbar wurde. Dieſes Ereignis
trat etwa über den Seckauer Alpen
(Steiermark) und in einer Höhe von
183 Kilometern ein. Das Meteor flog
nad Weit-Nordweit, Ereuzte die deutiche
Grenze in der Nähe von Braunau, flog
weiter jüdlich von Regensburg, Nürn-
berg, Würzburg. Als es fih ungefähr
10 Kilometer nordöſtlich von Aichaffen-
burg befand, teilte es fich, das Eleinere
Stüd fiel 1 Kilometer gegen die Erde
zu, um dann zu erlöichen, während der
Hauptkörper jeinen Weg nod) bis Hanau
fortiegte und an dem Ort mit der Ränge
8 Brad 55 Minuten 5 Sekunden ö. Br.
und der Breite 50 Grad 7 Minuten
6 Sekunden in 58,9 Kilometer Höhe
rafetenartig zerſtiebend verſchwand. Ueber
die Größe vermögen wir uns keine be—
ſtimmten Vorſtellungen zu machen. Denn
wegen der Mangelhaftigkeit im Bau des
menschlichen Auges ericheint ung ein ſtark
leuchtender Punkt nicht als folcher, ſon—
dern als leuchtende Fläche. Dadurd)
wird der fcheinbare Durchmeſſer ftarf
vergrößert. Eine weitere Urjache zur
Vergrößerung des jcheinbaren Durch—
meflers dürfte darin zu ſuchen jein, daß
ſich um den dahineilenden Körper gleich—
Jam eine Hülle mitgeriſſener Luft bildet,
die ebenfalld mit den in ihr ſchwebenden
feiten Teilchen ind Glühen kommt.
Der Sturm am 10. Auguf.
Die großherzoglide Generaldirektion
der Staatdeifenbahnen hat eine Nach—
rehnung der Wirkungen des
Sturme3, der am 10. August de. Is.
fo verheerend über die badischen Gefilde
gebrauft ift, auf Grund der Abmefjungen
und der Widerjtandsfejtigkeit dev umge-
ftürzten Hallen vornehmen und daraus
die Stärke des Sturmes ermitteln laflen.
Es kann danach mit Sicherheit ange:
nommen werden, daß der Sturm einen
Luftdrud von mindejtens 230 Kilogramm
auf den Quadratmeter ausgeübt hat,
was einer Quftgeichwindigfeit von 43
Metern in der Sekunde entipridt. Die
größten bisher in Deutichland beobad)-
teten Stürme haben laut „Karlsr. Ztg.“
eine Stärfe von 180 Kilogramm für
den Quadratmeter oder eine Luft—
geihwindigkeit von 38 Meter in der
Sekunde bejefjen. Der Sturm vom 10.
Auguft übertrifft alfo die bekannten
ftärkiten Stürme in Deutichland an Ge—
walt um fait ein Zrittel.
Inbatt: ur Geſchichte des Weinbaues in der Rheinpfalz. Bortrag, beim 22. Weinbau:
fongreß gehalten von Dr. jur. F
Eine nene „neolithiſche“ (iteinzeitalterliche) Station. -
zriedrich Baſſermann-Jordan. —
Der Dürkheimer Wurſtmarkt. —
Nömifhe Funde. — Der Metor vom 3.
Auguft. — Der Sturm vom 10. Auguft.
Schrififeiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — ſermann Kayſet's Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
Die „Pfälzifche Heimatkunde” koftet jährlich in 12 Heften Mf. 2.50. Peitellungen werden von allen Buchhandlungen ud
Toftanftalten ferner vom Verleger (Bortofreie Etreifbandjendurg) angenommen.
1. Jahrgang.
Nummer 14
Dezember 1905.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
v
%
| Bayerilcher Flußgebiets-Atlas.
He mehr mit der Entwidlung der In- und das Flußgebiet des Mains umfaffend,
duftrie und der dadurch gejteigerten Nach—
frage nad; Wajlerfräften einerjeit$ und
dem Fortichritt der Landeskultur anderjeits
auch die Eleineren Waflerläufe an volfs-
wirtichaftliber Bedeutung gewinnen, deſto
weniger fann die für das Nönigreich Bayern
im Sahre 1881 von der Oberſten Baus«
behörde herausgegebene „Hydrographiicde
Überſichtskarte“ (1 : 750,000), melde
nur die Hauptflußgebiete und deren be-
deutendere Unterabteilungen enthält den an
fie geftellten Anjprüchen genügen. Das
im Jahre 1898 errichtete Hydrotechniſche
Bureau hat es deshalb jofort nad) jeinem
Entjtehen als eine feiner vordringlichiten
Aufgaben erachtet, ein ermeitertes und
möglichft detaillierte® Tert- und Starten-
werk über die Bach- und FFlußgebiete im
Königreich Herzuftellen, das für alle ein-
ichlägigen Verhältniſſe ausreichend fein ſoll.
Das Werk befteht aus zwei Teilen:
einem Verzeichnis der Flächeninhalte der
Bad: und Fylußgebiete und einem Fluß—
gebiets-Atlafje im Maßſtab von 1: 200,000,
Bayern partizipiert an vier Gtrom-
gebieten: Donau, Rhein, Elbe und Weſer.
Vom Flächenverzeichnis find bis jekt er»
ihienen da8 Stromgebiet der Donau (I.
bis V. Heft) jowie die Stromgebiete der
Elbe und Wejer (VII. Heft). Die Hefte
VI und VII, das Stromgebiet des Rheins
=
find teil$ noch in Bearbeitung, teils jchon
unter der Preſſe. Vom Flußgebiets-Atlas
find jehs Blätter gleichfalls erjchienen,
vier Blätter find noch in Arbeit. Das
Bejamtwerf wird vorausſichtlich ım Laufe
des Jahres 1906 vollendet werden, Da
das Hhdrotechniihe Bureau zum Zwecke
der möglichſten Evidentftellung des Gewäſſer—
neges unferes engeren Baterlandes an die
einschlägigen Diftriftsverwaltungsbehörden,
Forfiämter, Straßen: und Flukbauämter,
fulturtechniichen Bureaus, Magiſtrate, jowie
an eine Reihe von Gutsverwaltungen und
Private Kartenabzüge zur Durchſicht und
Einjendung von Berichtigungen hinausgibt
und außerdem vielfach bei den Geme' Ye»
verwaltungen über ortsübliche Waflerlaufs-
benennungen anfrägt, jo darf das Werk
wohl Anſpruch auf Vollftändigkeit machen
und die feit langem wünſchenswerte Teit-
ftellung der Nomenklatur der bayerifchen
Gewäſſer fich zum bejonderen Verdienſt an-
rechnen.
Seine Publikation wird allen Inte—
reflenten, vor allem dem Wajjerbau- und
Kulturingenieur, nicht zum menigjten aber
aud) den Berwaltungsbeamten für die
meiften in der Praxis ſich ergebenden
Fragen Hydrotechniicher Natur einen be»
grüßenswerten Behelf bieten.
— —
—
106
Dünen in der Pfals.
Von D. Häberle, Raiferl. Rechnungsrat, Heidelberg.
Wohl jedem, der einmal unjere nord»
deutichen Küften oder Seebäder bejudht hat,
bleiben die hochaufgeſchütteten Sanddünen
in fteter Erinnerung, weldje in langgezogenen,
wallartigen Hügelreihen bis zu 100 m
Höhe den flachen Strand oft parallel hinter-
einander begleiten und ihm einen wertvollen
natürlichen Schuß gegen den Anfturm der
Meereswogen verleihen. Anm einzelnen
Küfterftrichen dagegen, 3. B. an der furijchen
Nehrung bildeten fie, in beftändigem Bor:
rüden landeinwärts begriffen, früher eine
große Gefahr, da fie fruchtbares Land und
ganze Dörfer unter fi begraben haben,
Erſt der neueren Beit blieb es vorbehalten,
durch planmäßige Anpflanzung von Dünen-
bafer und Aufforftung dem meiteren Bor-
rücken eine Schranfe zu jegen, fie zu ver-
feftigen und nutzbar zu machen.
Als Produkte des Windes knüpfen ſich
derartige Flugjandbildungen nicht allein an
die Küſten, wir finden fie aud in Troden-
gebieten der Binnenländer. Bon ihnen er-
zählen uns die Wüftenreifenden und auch
in den Berichten unferer Kämpfer in Süd—
weftafrila werden Sandwüſten und Dünen
in Verbindung mit Wafjermangel leider
nur zu oft genannt
Zur Entftehung don Dünen find die
Vedingungen überall da gegeben, wo der
Wind auf nacktem Boden ohne Bilanzen»
wuchs ungehindert fein Spiel treiben fann
und wo das Material der Bıldung feinen
Sandes günftig ift. Am Meeresftrand jett
der Wird den bei Ebbe freigelegten See-
fand aufmwirbelnd in Bewegung, im Binnen-
land dagegen übt er außerdem am an«
ftehenden Geftein feine forradierende (ab—
tragende) ZTätigfeit (Deflation) aus; das
losgelöfte feine Material wirft wie ein
Sandgebläfe mit zerftörender Kraft weiter.
Da aber einzelne Teile der Geſteine wider.
ftandsfähiger find als die andern, jo ent-
ftehen eigenartige ifolierte Felsgebilde, mie
wir fie auch bei uns in der Dahner Gegend
als pittoresfe Überbleibfel der ehemaligen
Buntjandfteindede bewundern fünnen. Da:
neben lodern Bermwitterung und Froſt den
Boden auf, der Wind treibt den Sand
fich her, wirbelt ihn in die Höhe, bis
bei nadjlajjender Gejchmwindigfeit die Sand-
förner, befreit von dem verfittenden Ton-
ftaub, durch ihr eigenes Gewicht finfen und
ih an den von der Natur gegebenen
Hinderniffen im natürlihen Böſchungs-
winkel abjegen. Diefer wird durd die
Größe der Sandförner, ihre Geftalt, die
Form des fi in den Weg ftellenden Hin-
derniffes und die vorherrichende Wind:
richtung beftimmt. Rechtwinklig zu legterer
legen fi die Dünen an; auf der Wind-
(Yuv)feite find fie flach geböjcht, fallen aber
auf der hinter dem Hamm im Windichatten
gelegenen Eeite (Leejeite) fteil ab. Dabei
laffen die aufgehäuften Sandmaſſen eine
deutlihe Schichtung erkennen; die mehr
horizontale Ablagerung entſpricht der An-
wehung des Sandes auf der Yupjeite, die
ichräge Schichtung dem Abfall auf der
Pecjeite. Entſprechend der jchwanfenden
und veränderlichen Natur der hier wirtenden
Kraft entitehen regellofe Hügelreihen, die
auf vorhandene Unebenheiten des Bodens
auch ausgleichend und nivellierend wirfen
fünnen.
Nahdem nun die für die Entitehnng
von Dünen im Allgemeinen giltigen Bor
bedingungen vorausgeſchickt find, wollen wir
uns in umjerer engeren Deimat nad) diejen
merkwürdigen Naturgebilden umſehen. Wir
finden fie an den verfchiedenften Punkten
der Pfalz, in der Nheinebene, in der weft:
pfälziſchen Woorniederung (Bruch), auf
dem Hodjplateau von Enkenbadj- Neukirchen
u. a. O. in gleicher gejegmäßiger Aus-
bildung. Alle zıchen vorwiegend in nord«
öftliher Nichtung und haben den Steilab-
fall nadı Süden; e8 waren aljo haupt»
jächlich nordweftliche Winde, die zu ihrer
Anhäufung beigetragen haben, Heute find
fie meift mit Geſtrüpp oder Wald be-
ftanden und dadurd; der Ginwirfung des
Windes entzogen. Sandgruben oder Durch—
ftihe bei Eijenbahn: und Straßenbauten
verraten ihre Eriftenz unter der ſchützenden
Naiendede.
Da fid) aber jegt bei uns feine neuen
Dünen bilden und die vorhandenen nicht
weiter wandern, müjjen andere Elimatijche
Bedingungen, als fie jegt berrfchen, zu
- 107 —
ıhrer Entſtehung PVeranlaffung gegeben | hier fam die abtragende Straft der von
haben.
Wie vorausgeſchickt, gehört zur Dünen-
bildung eine vorherrjchende Windrichtung
und ein nadter, fteriler Boden ohne Vege |
tation. Diefen finden wir nur in Troden-
gebieten, in Polargegenden oder im Hoch⸗
gebirge. Da num die beiden letten Faktoren
in der Pfalz außer Betracht bleiben, müſſen
wir für unfere Heimat einmal eine Periode
mit trocknerem Klima und geringeren Nieder-
Ichlägen als heute vorausſetzen. Es wird
jest jajt allgemein angenommen, daß wäh-
rend und nad) der von Stürmen begleiteten
Eiszeit (Diluvium) im mittleren Europa
eine Art Steppenklima, ähnlich wie jegt in
Bentralafien, mit entiprechender Yauna und
Flora herrſchte, während dem die früher
weit außgedehntere, aber damals vegetations-
loſe Buntjandfteindede durd) die Einwirkung
des Windes vielfach zerftört, das losgelöſte
Material forttransportiert und zu Dünen
aufgehäuft wurde. Ihre Entftehung in
der Rheinebene iſt leicht erflärlih. Wir
müſſen uns die ganze oberrheinijche XTief-
ebene im Diluvium als ein, von zahlreichen
verfandeten Rheinarmen durchfurchtes Über-
ihwemmungsgebiet vorftellen, in dem das
feinere Material, joweit e8 nicht durd
eine perennierende, von der Flußfeuchtig-
feit lebende Pflanzendede feftgehalten wurde,
in fteter Wanderung begriffen war und fich
an geeigneten Stellen zu Dünenzügen auf-
türmte. Wir finden dieje, heute meift be»
waldeten unregelmäßigen Hügelreihen hinter
Germersheim (an der Holzmühle), im
Bienwald, im Streitwald bei Speyer u. a. O.,
in noch höherem Maße aber jenfeits des
Mheins bei Sandhauſen, Dftersheim,
Schwegingen, bis gegen Darmftadt hin,
Beionders an der Bahnjtrefe Mannheim:
Heidelberg treten bei Durcjfreuzung des
Waldes die Dünenmwälle bei Friedrichsfeld
ganz deutlich hervor. Ya, in der Gegend
von Schwetzingen beiteht, falls die Ab»
holzung des Waldes ſich nicht in beftimm-
ten Grenzen hält, die Möglichkeit, daß die
Dünen ınfolge der durch einen intenfiven
Spargelbau bedingten ftändigen Bloßlegung
de Bodens mieder einmal ins Wandern
fommen können.
Andere Bedingungen finden wir auf
der Hochfläche von Neufirchen- Enfenbad) ;
Nordmweiten mehenden Winde ungehindert
zur Entwidlung. Die Sandmaffen wurden
über den Galgenberg binabgefegt, ſtießen
fih in der Niedermehlinger Mulde und
lagerten fich dahinter auf der Bodenſchwelle
des Beltenbergs ab. Gegenüber dem Nieder:
mehlinger Hof entwicelten fich drei typiſche
Diinenzüge mit fteil abfallenden Südrändern
in geringen Abftänden hintereinander, die ge:
rade jeßt infolge der Abholzung des Wald:
diftrifts gut beobachtet werden können. Der
vordere Kamm ıft etwa 2 m, der nächſte I m,
der legte O,5 in hoch. Daran jchließen ſich
weiter weſtlich höhere, aber regellos an-
geordnete Münen, die ſeit langer Zeit als
Sandgruben benußt werden. Der Mangel
an jeglihem Geröll ſtellt den geoliichen Ur-
Iprung ganz außer Zweifel und madıt den
fleifchfarbenen Sand zu einem gejuchten Bau-
material; von der früher beliebten Verwen—
dung als Bimmerftreufand ift man unter den
fortgejchrittenen Lebensverhältniffen ab:
gefommen. In diefen Aufichlüffen ift etwa
1 m unter der jegigen Oberfläche und etiwa
2 m über dem urjprünglichen, an jeiner
Ihmwarzen Färbung fenntlidyen Untergrund
eine 15 cm ftarfedunfle Humusichicht zwischen
die Sandmajjen eingelagert. Es hat alfo
eine Unterbrechung in der Aufjchiittung und
währendderjelbeneineBegetationsentmwiclung
ftattgefunden, die auf einen vorübergehenden
Klimawechſel hindeuten.
Auch) in derangrengenden Gemarfung von
Enfenbah finden wir ähnliche Verhältnifie,
bejondersander Gewann „Eeil”. Zum Ader-
bau find derartige fandige Gelände wenig ge«
eignet und große Teile der Feldmark von
Entenbad daher in Aufforitung begriffen, da
ſich deren Bewirtichaftung unter den heutigen
fortgefchrittenen Verhältniſſen nicht mehr
lohnt. Hierdurd wird auc der Verjandung
des Enfenbacher Tales etwas gefteuert. An
der im 13. Jahrhundert in Angriff ge-
nommenen und damals über der Taljohle ge-
legenen Klofterfirche hatte der Sand ſich im
Laufe der Zeit jo gehäuft, daß die Kirchen—
bejucher bis zur Erhöhung und Auffüllung
des Fußbodens im Jahre 1819 ca. 12-15
Treppen hinab fteigen mußten.
Wieder anders liegen die Verhältniſſe
in der wejtpfälziihen Woorniederung.
Hauptiädlih den Sidrand des Bruches
— 108 —
begleiten vom Wurzelmoog über den Einfied«
lerbruch bis nach Kindsbach und vom Pfaifen-
tal bei Vogelbach bis hinter Homburg lange
dammartig aufgeworfene Dünenzüge aus hell
roten Sand. Teilmeife find fie durch die
fortichreitende Wielenfultur zur Auffüllung
verwendet, oder, ſoweit ihr Eifengehalt durch
Humusjäure entfärbt ift, als Glasfand zu in«
duftriellen Zwecken abgefahren werden,
Am beften laſſen fich die, ſchon von
der Eifenbahn aus fichtbaren Dünenmwälle
zwifchen Ginfiedlerhof und Kindsbach be-
obadjten, wo fie mit fümmerlihem Raſen
oder verfrüppelten Siefern bededft die
rejpeftable Höhe von 6 m erreichen; beim
Vorſignal der Haltejtelle Einfiedlerhof find
fie teilweife in zwei parallelen Zügen mit
deutlicher Schichtung entwickelt. Über die
Beit und Art ihrer Entftehung gehen die
Anſichten noch auseinander. Wahrjcheinlich
wurden fie durch den Wind noch vor
Bildung des Torfbruhs aufgehäuft und
trugen zur Anftauung des Waſſers und
Entwidlung des Torf mit bei. Auch die
Ausgeftaltung des füdlichen Steilrandes
der Niederung wird auf die Tätigkeit des
Windes zurüdgeführt. Tatſächlich befteht
auch eine gewiffe Ühnlichkeit des Nord-
abfalls der Sickinger Höhe mit den Bergformen
der Wüſte, die ich auf meinen Reifen durch
eigene Anfchauung fennen gelernt habe.
Über das Alter der Dünen geben uns,
wenigftens für die in der Rheinebene ge:
legenen, prähiftoriihe Funde Aufichluß.
Bei Friedrichsfeld wurden im Jahre 1901
und neuerdings bei Sedenheim in den
Dünenſand eingelagerte Kulturjchichten als
Spuren menschlicher Tätigfeit 4 m unter
der heutigen Oberfläche entdeckt. Ihre
Logerung ließ ein janftes NAbfallen nad)
Nordoften erkennen, jodaß die Anfiedlung
durch die weſtlich und füdlich vorgelagerten
Diinenfämme gegen den Wind geichligt
war Auf Grund der Funde an Werk:
zeugen u, dgl. wurde ihr Alter in die Zeit
des llbergangs von der jüngeren Steinzeit
in die Bronzezeit, alfo etwa um das Jahr
2000 v. Chr. verlegt. Damals waren die
Dünen vielleiht vorübergehend zur Ruhe
gefommen und hatten ſich mit einer ultur«
ichicht bedekft, dann aber trat abermals
eine Periode von Sandiwehungen ein, welche
die hinter dem Wind liegende Anſiedlung
mit einer bis zu 4 m hohen Schicht von
Flugſand überjchüittete.
Diefe über die flache Umgebung fid)
erhebenden, Umjchau und natürlihen Schuß
zugleich gewährenden Hügelrüden waren
von der Urbevölkerung anjcheinend bevor»
zugte Wohnpläge. Denn aud in unjeren
pfälziihen Dünen begegnen wir ihnen, jo
bei Speyerdorf (Pfälz. Mufeum 1905,
©. 132), bei Niedermehlingen (König,
Römiſche Denkmäler S. 149) u. a. O., wenn
auch die Möglichkeit zu einer Altersbeitim-
mung der Sandanhäufungen bei ihnen fehlt.
Es find aljo mindeftens 4000 Yahre
jeit diefen Dünenbildungen bingegangen.
Die Steppenzeit erreichte ihr Ende, reichere
Niederichläge ftellten fih ein, mit der
Wiederbewaldung der Höhen hielt die
BWaflerhaltung gleichen Schritt, und die
alten Duellen traten wieder in Xätigfeit.
Das Landichaftsbild näherte fich allmählich
dem heutigen und aus dem Oſten und
Süden einwandernde Tiere und Pflanzen
verdrängten die ausfterbende Fauna und
Flora der Steppe, nur der Menjch verftand
es, vermöge feiner höheren ntelligenz, den
veränderten Verhältniſſen fich anzupajfen.
Ein Umftand aber joll als hierher gehörig
noc) erwähnt werden. Es gewinnt, jomwohl
nad eigener Beobachtung als auch nach Wahr-
nehmung anderer den Anſchein, als ob in den
legten Jahren die Niederichläge, namentlich
im Winter, abnehmen würden. Sn Folge
deſſen finkt der Grundwaſſerſpiegel mehr und
mehr, Quellen und Brunnen laflen nad
oder bleiben ganz aus, überall ertönt
der Auf nad Wafferleitungen. Soll die
intenfivere Land» und Forftwirtichaft und
die fteigende Bevölkferungsziffer den Wajler-
mangel allein bewirfen oder follen Ddieje
Erjcheinungen vielleicht Worboten für eine
neue Steppenzeit jein? Für den Meteoro»
logen wäre es eine danfbare Aufgabe,
diejer Frage einmal auf den Grund zu gehen!
Intereſſenten feien auf einen in der Natur-
wiffenschaftlihen Wochenschrift für November
1905 erjchienenen Artifelvon Arthur Stenzel
| (Hamburg) über das „Austrodnen der Stonti-
nente” aufmerkſam gemadt. Der Berfajler
legt ausführlich dar, wie wir gegenwärtig in
einer Periode der Austrochnung leben, was er
am Ijad-See, Salz See u. a. Beiipielen
erläutert.
—
109
Zur Geſchichte des Weinbanes in der ARheinpfals.
Bortrag, beim 22. Weinbaukongreß gehalten von Dr. jur. fyriedrih Baffermann-Fordan.
Schluß.)
Und was die Franken betrifft, die nach
Chlodwig's Sieg 496 die Alemannen aus
der Pfalz faſt gänzlich verdrängten, ſo er—
gibt ſich nicht nur aus der lex Salica,
ſondern auch aus dem Volksrecht der für
die hieſige Gegend ſpeziell maßgebenden
ripuariſchen Franken, daß ihnen der Wein—
bau vollkommen geläufig war.
Man ſieht, die Kette von der römiſchen
Stultur zur deutſchen ſchließt ſich ohne
Lücke, auch ohne die Funde von Wein»
gefäßen und dgl. aus der Merovingerzeit
in der Pfalz.
Und aus der Merovingerzeit ftammt
aud) die für die Pfalz ültefte Urkunde im
engften Sinn, welche den Weinbau er-
mwähnt: Im Sahre 653*) jchenft König
Siegbert von Auftrafien dem Bifchof Prin-
cipius von Speyer den Weinzehnten im
Speyergau, eine Schenkung, die ſchon ein.
gebürgerten Weinbau vorausjeßt.
Seit der Merovingerzeit ift die chrift«
lihe Kirche in Deutſchland in mächtiger
Ausdehnung begriffen und bejonders zahl-
reiche Klöſter blühen in jener Zeit empor;
die für unjere Heimat jo wichtigen Klöſter
Weißenburg, Yorih und Fulda entftanden
im 7.—8. Jahrhundert. Für den Wein»
bau ift die Kirche von der allergrößten
Bedeutung geworden. Wie einft der römijche
Kolonift das ihm unentbehrliche Getränf
überall jelbit zu produzieren fuchte, fo be:
deefte die Slirche das Land mit Weingärten,
da fie den Wein zum Gottesdienit brauchte,
und da die kirchlichen Niederlaffungen feiner
nit nur auch zum eigenen Gebraud), fon»
dern in großem Umfang als Almojen an
Fremde und zur Berjendung an verbrüderte
oder befreundete Klöſter ın ummirtlichem
Yande bedurften,
Das Evangelium und der Weinbau
ind gemeinfam ausgebreitet worden, und
die Kirche hat als die eigentliche Mutter
des deutichen Weinbaues zu gelten. Auch
die Verdienſte großer Monarchen müſſen
ihr gegenüber in den Hintergrund treten,
*) Zwiſchen 650 und 656. SKtönig Siegbert
ftardb 656. Biſchof Principius fam 650 zur
Regierung.
—
deren größtes Verdienſt um den Weinbau
eben doch nur darin beſteht, daß ſie die
Kirche unterſtützten. Es gilt dies auch für
Karl den Großen.
Wohl hat er Muſterwirtſchaften auf
ſeinen Gütern angelegt und daſelbſt Vor—
ſchriften ſür Sorgfalt im Weinbau erlaſſen,
ſodaß dieſen Mufteranftalten eine nützliche
Wirkung auf den ganzen Weinbau —micht
abzufprechen jein wird, aber wir dürfen
— ein Bunft, über den ähnlid die mo—
dernen Wernbaufchulen wieder zu lagen
haben — die Einwirkung auch des größten
Monarchen auf das fonjervative, den Neue-
rungen ſchwer zugängliche, wenn, auch da-
muls unfreie Volk der Winzer nicht über»
ichäßen gegenüber der ungebeueren Be—
förderung, die dem Weinbau von jeiten der
Kirche zu Teil geworden iſt.
Für die rechtörheiniichen Gebiete ergibt
ih aus dem Bertrag von Berdun 843,
daß der dortige Weinbau für die Bedürf—
niffe jener Beit damals noch nicht aus-«
reichte, weshalb König Yudwig der Deutiche
linfsrheinijcd das Gebiet von Mainz, der
Nahe, Worms und Speyer, aljo auch die
heutige Pfalz, zu jeinem rechtörheinifchen
Reichsanteil dazu erhielt, doch hatte ſchon
damald die Kirche dem Weinbau jenen
Siegeszug borbereitet, der ihn von einem
Kloster zum anderen im 10, Jahrhundert
nah Sachſen, im 11, nad Thüringen und
Hannover, im 12, nad) Brandenburg und
Pommern, im 13.— 14. fogar nad) Schlefien,
Lübeck, Schleswig Holitein, Mecklenburg,
Weit- und Oftpreußen führte.**)
Nahdem der produzierte Wein dem
Bedarf der kirchlichen Niederlaffungen zu
genügen begann, wandte man mehr der
Uunalität feine Aufmerffamfeit zu; befonders
geeignete Yagen wurden erfundet und in
Kultur genommen, mie der berühmte
Kohannisberg und Steinberg im Rheingau
**) Als 1363 Herzog. Rudolf von Bayern
in der Marienburg in Preußen mit Wein bon
den Thorner Bergen beiwirtet murde, erklärte er
den Trank für „echtes Del, davon einem bie
Schnautze anklebt“ und leerte jeinen Humpen
auf das Andenken Saijer Ludwigs des Bayern‘
im 11, bis 12, Jahrhundert; in den all:
mählid zu Bedeutung gelangten Städten
wurden Seller der Geiftlichfeit angelegt,
die dem Weinhandel einen mächtigen Im—
puls geben.
In der heutigen Pfalz aber hatte der
Weinbau ſchon zu Farolingijcher Zeit un—
gefähr das Marimum feiner Ausdehnung
erreicht. E83 ergibt fi) das aus den zahl-
reichen, aus jener Zeit überlieferten Klofter- |
urfunden. Man findet den Weinbau im
8.—9. Jahrhundert nicht nur am Gebirge, |
3. B. in Godramftein, Flemlingen, Edes-
heim, Edenkoben, Winzingen, Deidesheim
Wachenheim, Ungitein, Karlbach, Yauters-
beim, Gbertsheim, Quirnheim, Harxheim
im Bellerthal; auch mehr in der Ebene in
Fiſchlingen, Luſtadt, Hochdorf, Herrheim
bei Landau, Lachen, Haßloch, Böhl, Meden-
heim, Hochdorf, Friedelsheim, Gönnheim,
Erpolzheim, Lambsheim, Weiſenheim, Lau—
mersheim, Frankenthal; und auch noch
näher am Rheinufer, zu Bellheim, Mun—
denheim, Frieſenheim, Hemshof, Oppau,
Edigheim, jedenfalls im Zuſammenhang
mit der römiſchen Rheinſtraße.
Für die heutige Rheinpfalz war die
Zeis nah dem Ausgang der Karolinger
zunächſt mehr eine Periode der inneren
‘ Konjolidierung des Weinbaues als der
räumlichen Ausbreitung, während damals
im Norden und Dften Deutichlands die
Weinkultur immer neue Strecken eroberte
und Bierländer in Weinländer ummandelte,
wie 3. B. Niederbayern bis ins 16. Jahr—
hundert ein Weinland gemejen ift.!)
Die fogenannte Nationalneigung der
Deutjchen zum Trunk fam dem Weinbau
treffli zu ftatten; wir bewundern die
Trinfgefüße vergangener Zeiten, während
wir jelbjt mit bejcheideneren Gemäßen den
alten Trinffomment weiterführen.
Um die Zeit des 15. Jahrhunderts
war die Periode der größten Ausdehnung
des deutichen Weinbaues; Rieſenfäſſer und
Niefenyumpen jymbolifierten den Wein
reichtum und die Trinfluft; davon hatte
'; Nod 1580 konnte ein Chroniſt ſchreiben:
„Das bayerifch Volk iſt geiftlich, ſchlecht und
gerecht ... bat aud viel Kirchfahrt, legt ſich
mehr auf den Aderbau und das Vieh, dann
auf den Krieg . . bleibt gern daheim . . trinkt
ſehr .. . der gemeine Mann fit Tag umd Nacht
bei dem Wein ER
110
| die Pfalz ſeit dem ausgehenden Mittel-
alter bejonders berühmte Exemplare; id
erinnere nur an die Fäſſer zu Seftenburg
und Heidelberg, auch an den Domnapf zu
Speper ıc.
Der Weinhandel, der jchon zur Römer:
zeit hochbedeutend war und der nad er-
haltenen Berichten ſchon im 9. Jahrhundert
oberrheiniihe Weine verjandte, war zumal
mit den Städten mächtig emporgefommen ;
für die hiefige Gegend waren befonders
Landau und Speyer bedeutende Stapel«
pläge und legterer Ort der wichtigſte Aus-
‘ fuhrplag; auch von Ulm, Frankfurt u. a.
Orten famen zahlreiche Fuhren und nahmen
Wein als Rückfracht, oder pfälzer Fuhren
beförderten Wein und bradten andere
Baren, wie Salz, Stoffe u. a. zurüd;
und den Rhein hinab, nad Holland und
England, ift jeit uralten Zeiten hiefiger
Wein in großen Mengen verjandt worden.
Der Wein, deſſen Ruhm das Mittel-
alter und die Zeit bis gegen Ende des
17. Jahrhunderts beherricht, der Bacharacher,
war ein pfälzer Wein, denn Badarad)
war jeit uralten Zeiten kurpfälziſch.
„gu Badharad am Rhein,
Bu Alingendberg am Muin,
Zu Würzburg am Stein . .“
lautete der alte Bers vom beiten Wein,
dem man fpäter andere Namen untergelegt
hat, König Wenzel entband die Nürnberger
gegen 4 Fuder Bacharacher aller Ver—
pflihtungen gegen ihn, und Bapft Pius 2,?)
ließ ih jährlid 1 Fuder Bacharacher
nad) Rom bringen. Die Auslegung fam
auf, daß die Stadt Bacharach von Bachus
jelbft den Namen habe.?)
Ebenſo wie Bacharach waren Eurpfälziich
andere mweinberühmte Orte, ich nenne mur
Caub, Nierjtein, Oppenheim*) am Rhein,
Brauneberg und Trarbach an der Moſel,
Kreuznach und Monzingen an der Nahe
und viele andere; die Pfalz mar der
Weinkeller des alten Deutſchen Reiches.
In Bacharach, als einem Hauptver—
ſandplatz, wurden die Weine von hier ſo—
wohl wie aus kurmainziſchen und kur—
») 1458— 1464.
®) ‚Bacchi ara“.
* Auf feiner Burg Landskron zu Oppen:
beim jtarb am 18. Mai 1410 König Nuppredt
bon der Pfalz.
trierifchem Gebiete und den anderen alten
Weinbauländern zufummengeftapelt und
gingen jo aus der Pfalz in die Welt
hinaus; das pfälzifche Bacharach hat zum
BWeltruf der deutichen Weine den Grund
gelegt.
Den Rüdgang der Weinproduftion, der
jeit dem 16. Jahrhundert beginnt, haben
nicht Natur-Ereigniffe, wie Klimawechſel,
Schädlinge und dgl, verjchuldet, ſondern
die Menichen jelbft.
Mit dem Emporfommen der Yandes«
hoheiten murde der Berfand des Weines
durch Bollpladereien maßlos erfchwert, die
Abgaben, die ſowohl die Produftion als
den Handel, wie aud den Ausſchank be-
drücten, wuchſen in's Ungemefjene; der
Rhein wurde durch Rheinzölle, an denen
Surpfalz bejonderz zu Germersheim, Oppen-
heim und Gaub teilnahm, faſt unfahrbar
gemadt. Zahlloſe Fehden der Landes«
herren und größere Kriegszüge bedrängten
die Winzer und verwiülteten das Yand.
Am fpäteren Mittelalter fam der Alkohol
auf, moch jpäter andere Genußmittel, die
alle dem Weinfonfum Abbrud taten. Seit
dem 14. Jahrhundert machte fich auch die
Beinfälfchung, zunächſt in Holland und in
deutjchen Städten, geitend, ſodaß noch im
14. Jahrhundert die alte Reichsgeſetzgebung,
wenn auch ganz vergeblich, dagegen zu
Felde z0g; ſpäter hat fie dies Gebiet den
Landesherrichaften überlaſſen.
Der große, morddeutiche Handel, den
zumal die Hanſa zur Blüte brachte, war
dem deutlichen Weinbau beionders im Norden
nachteilig; er bewirkte, da& man auf billiger
Waſſerſtraße ein befleres Produft bezog,
zu borteilhafterem Preis, ala man das
geringere Produft im Yande produzierte;
jo begann der nordiihe Weinbau
zurückzugehen, aber die großen Weinlager
der Hanfa zu Köln, Brügge, Antwerpen ıc. |
füllten fi nicht nur mit Weinen aus dem
Rhein und Mofeltal u. a. deutichen Wein:
baugebieten, fondern vorzugsmweife mit fran»
zöſiſchen und ſpaniſchen Weinen, die in
vielen Gegenden das deutſche Produft be:
nachteiligten.
Einen mächtigen Impuls gaben be-
ſonders in qualitativer Sinficht noch ein |
mal für den deutichen Weinbau die Römer, |
als fie durch die Rezeption der Agrar-
111
bald |
ichriftfteller in der Renaiſſance-Zeit noch
aus dem Grabe ihre Stimme erhoben:
Damals erſt haben die Deutſchen die
Weisheit eines Cato, Varro, Plinius,
Columella und Palladius kennen gelernt,
die ſchon den größten Teil deſſen in ihren
Schriften gelehrt haben, was die praktiſche
Bildung eine8 modernen Weinbaufchülers
ausmadht. Wenn man die alten Slupfer-
ftihe des 16. Yahrhunderts betrachtet, die
den Sämann mit dem Buche in der Hand
ſäend, den Winzer mit feinem römiſchen
Autor neben ſich ſchneidend und dgl. dar»
ftellen, dann unterjchägt man diefe Fern:
wirfung römijchen Geiftes, Diele zweite
Gründung des deutfchen Weinbaues durd)
die Römer nicht, obwohl aud damals
hartföpfige Winzer allen Berbeflerungen
Widerftand entgegengejegt haben werden.
Aber nicht lange genok Deutichland in
Ruhe die Errungenschaften der Renaifjance.
Die Reformation bradte dem Weinbau
durch Aufhebung vieler Klöſter ſchweren
Schaden; der große, 30jährige Neligions-
frieg aber bat dem deutſchen Weinbau einen
Schlag verjegt, von dem er ich nie wieder
erholt bat. Viele Weinbaugebiete haben
diefen Namen damals für immer eingebüßt.
Unfere fruchtbare Gegend erholte ſich jehr
raſch, bald aber folgte der orleanijche Krieg,
und als das „brulez le Palatinat* zur
Tatfache geworden war, überzogen Sich
viele Weinbergslagen mit Buſchwerk, und
die pfälzischen Wolfsjagden erlangten jport-
liches Renommee im Reiche.
Erſt in den erften Jahrzehnten des 18.
Jahrhunderts konnte ſich unjere Gegend
von den Kriegsnöten erholen, aber der
Weinbau war ſtark zurückgegangen, an
Ausdehnung und auch an Qualität, denn
was die Produktion an Anbaufläche ein—
gebüßt hatte, ſuchte man möglichſt raſch
durch Anbau reichtragender, aber geringer
Traubenſorten auszugleichen. Der Wein—
handel hatte von dem in anderen Wein»
baugebieten eingetretenen enormen Nüdgang
der Produktion gewiſſe Vorteile, indem ſich
neue Abjaggebiete erichloffen, aber die Be—
völferung ging vielfach zum Bier über.
Für die Entwidelung einer eigentlichen
Qualitätsfultur maren die Zeiten nach den
großen Ariegen und unter der Feudal-
herrichaft zahllufer Yandesherren - in der
heutigen Pfalz allein 44 — die denkbar
unglinftigften.. Wie follte ein Qualitäts-
bau auffommen, troß mander guten landes-
herrlichen Verordnung, wenn man des
Behnten wegen immer nur auf Quantität
ſehen wollte, wenn man die Beit der Yeie
in den einzelnen Lagen ohne Rüdficht auf
deren Qualität vorfchrieb, um die Zehnt—
bitten nicht mehrfach dorthin bringen zu
müffen, wenn man die meilten Gehälter
zum guten Teil in ompetenzwein bezahlte,
alfo au in diefer Richtung auf quanti-
tativ große Erträgniffe des Lardes ohne
Intereſſe an der Qualität angemiejen war.
Als einzige Säule aus jener Feudal—
zeit ragt in unjer modernes Jahrhundert
noch der gemeinſame Leſebeginn.
Dualitätskultur konnte nur aufkommen
in freien, von Abgaben möglichit unab-
hängigen Großbetrichen, die Intereſſe an
der guten Qualität haben fonnten. Das
waren eigentlich nur die Klöfter, da die
Yandesherren, zumal hier ın der Pfalz, in
den guten Lagen nur unbedeutend begütert
waren und auch meilt zu fern mohnten,
um mit perfönlichem Intereſſe dem Betrieb
zu folgen.
Leider waren gerade in der Pfalz von
‚jeher wenige Klöſter in der Weingegend
jelbit gelegen und dieſe waren frühzeitig
zu Grunde gegangen, ich erinnere nur an
Alingenmünfter, Heilsbrud bei Edenfoben
und Limburg bei Dürkheim; die größten,
befonders reih im Weinland begüterten
Klöfter der Pfalz lagen im Weftrich, wie
3. B. Otterderg, Hornbad u. a., und fie
murden meift durch die Reformation auf:
gehoben. Ihre Dependence-Höfe im Wein
baugebiet Fonnten feinen Qualitätsbau
treiben; der Name „Hofſtück“ erinnert
heute noch vielfah an ihr ehemaliges
Dafein.
Anders lagen die Berhältniffe im Rhein—
gau. Dort lagen von der Reformation
unberührt Johannisberg, Eberbach und
andere Klöſter inmitten ihrer wohlgepflegten
Weinberge; da das Quantum für jeden
Bedarf genügte, mußte man im eigenen
Intereſſe auf Beförderung der Qualität
fommen.
Und doch wird die Entdeckung des in
unjerem Klima bei weißen Qrauben meift
ſegensreichen Einfluffes der Edelfäule dem
112
Zufall zu verdanken fein, wenn fie nicht
mit den Vorſchriften der römiihen Schrift:
ftellev iiber Geminnung von Trockenbeer—
weinen zujammenhängt.
Die erften Qualitätsleſen unter Be—
rückſichtigung der Edelfäule jollen um die
Mitte des 18. Yahrhunderts von den be-
rühmten Rheingauer Klöſtern gemacht wor-
den ſein, die dadurch den hohen Ruf der
Rheingauer Weine begründeten.
Hier in der Pfalz, wo feine Nlöfter
mehr im Weinbaugebiete lagen, bei der
unfreien, gedrüdten Winzerbevölferung und
einem meift wenig begüterten Adel war
dergleichen zunächſt nicht zu erwarten, jolche
Beitrebungen find hier erſt möglih ge
weien, als der Winzer, freilich durch Die
Stürme der franzöfiidhen Nevolution,‘, frei
geworden war und die 44 pfälzer Yandes-
berrichaften verschwanden.
Die erften Qualitätsweinpreiie für
pfälger Gemwächje, die noch im 18. Jahr—
hundert faſt nie über 300 fl. per Fuder
(ca. 1000 Liter), meiſt aber unter 100 ft.
erzielt hatten, find gegen Ende, des ger
nannten Sahrhunderts an der Mittelhaardt
von einem Produzenten?) in Deidesheim,
Forſt und Ruppertsberg erlöjt worden;
alle Umftände weiſen darauf hin, dat bei
Erzielung Ddiefer Gewächſe der Rheingau
Lehrmeifter geweſen ift; 3. B. 1798er
Forfter erbrachte 1300 fl.; der auch noch
als Franzoſe gewachſene pfälzer 1811er
erzielte ſowohl für Deidesheimer wie für
Forſter und Ruppertsberger Wachstum
»1800 fl. per Fuder. Schon um 1820
waren die grundlegenden Berbellerungen
an der Mittelhaardt ziemlih Allgemeingut
geworden, und dieje Berbeflerungen waren
ja auch nicht jchwierig:
Leſe im richtigen Beitpunft unter Be—
rücfichtigung der Lage, die überall damals
erſt anfing, dem Wein jeinen Namen zu
geben; jorgfältige Leſe unter Berückſich—
tigung der XTraubenjorten, des Rieslings
und Gemwürztraminers, welch' legterer aber
jeit der Mitte des 19. Jahrhunderts gegen:
über dem Riesling außerordentlich zurück—
gegangen ift. Die ſchlechten Sorten, wie
' Alben (Sleinberger) u. dgl. find jeit jener
*) Andreas Jordan, Bürgermetiter in Dei—
desheim.
— 13 —
Zeit in der Pfalz allmählich gänzlid ver
ſchwunden.
Mit Zehntwirtſchaft, Zwangsleſe u. dgl.
war bier die Erzielung von Qualitäts-
weinen unvereinbar. Der eigentlihe Bau
der Weinberge dagegen, Erziehung an dem
niederen, römifchen Joch (Rahmen) oder
der camera (Kammert), Bewirtichaftung,
Düngung x. waren in der Pfalz ſeit alter
Zeit auf Qualitätsbau zugejchnitten, ebenſo
war die Keflerbehandlung frühzeitig jorg- |
fältig. ’
Der immer allgemeinere llbergang der
Pfälzer zum Qualitätsbau, etwa jeit den
1820er Jahren, ließ es erft recht empfinden,
wie jchwer die auch innerhalb des deutichen
Bundes bejtehenden Bollgrenzen den Erport
hbemmten, obwohl das früher jo zerjtücdelte
Land bald nadı Aufhören der Franzoſen—
berrihaft nur noch einem Herrn, dem
bayerijchen König, unterjtand.
Und das alte Renommee des pfälzer
Gewächſes mußte eigentlich neu geichaffen
werden, da viele der berühmteiten fur:
pfälziihen Weinbauftätten fich nicht mehr
unter der bayeriſchen Krone zujamınen»
fanden, jondern an Preußen, Hellen u. a.
fielen, und da andererjeit3 die meiften der
heute befannteften pfälzer Weinorte nie
kurpfälzifch waren, ındem z. B. Deides-
heim, Forſt und Ruppertsberg und viele
Drte zwiichen Hambad und Edesheim zum
Fürſtbistum Speyer, Dürkheim, Ungftein
Kalljtadt u. a. zum Fürſtentum Leiningen
gehört hatten.
Freilich bot das neue bayerijche Vater:
land ein wichtiges Abjabgebiet, und es war
für die Pfalz von großer Bedeutung, daß
ihr Weinland früher ald das von Franken
ih mit Bayern vereinigte; aber fremde
Staaten lagen leider auch bier trennend
dazwiſchen; den pfälziichen Quantitätswein
alter Zeit fonnte man im Inland konſu—
mieren, der pfälziſche Qualitätsmwein brauchte |
auswärtige Abſatzgebiete.
Als König Ludwig I. 1829 zum erjten
Dale die Pfalz bereifte, jprach er zu Deides:
heim die Worte: „Ein neuer Markt ſoll
Reben preismwirdiges Grzeugnis“®); und
*, Ähnlich äußerte der König in Dürkheim,
daß „gewiß recht bald die Lage der Weinprodu:
jenten befier werden“ jolle. (7. VI. 1829.)
diefes Königswort war bereitö voll in der
Einlöfung begriffen dur Gründung des
Bollvereins, als noch unzufriedene Winzer
hinter der ſchwarzen Winterfahne am 27.
Mai 1832 auf das Hambader Schloß bei
Neufiadt zogen und fangen:
„Wir wohnen in dem jchönften Land
auf Erden
Bon Gottes Segen voll,
Doch müflen wir noch all’ zu Bettlern
werden
Durd den verdammten Zoll“ ...
Erit nad Einführung des Zollvereins
hat fich der moderne pfälziiche Weinhandel
von anderen Berufen fondern und felbit«
ftändig entwideln fünnen; aus den Wein:
ftihern find größtenteil® die modernen
Weintommilfionshäufer erwachſen, die viel-
fach ein jehr hohes Alter haben.
In die 1830er Jahre fällt aud die
für Bayern hochbedeutijame, nod heute
mufterhafte Anlage des Landesfatafters,
welche zur Ausführung des Grundjteuer-
gejeges von 1828 erfolgte; dabei fand die
Feitlegung der Lagenamen und die Feſt—
jegung der Boden Bonitätsflaffen ftatt,
mwobei den befannten Reborten der Mittel-
baardt die höchſten Bonitäten des ganzen
Königreich$ zuerfannt wurden.
Bollverein, Zollparlament und Deutjches
Reich führten zum freien Wettbewerb der
deutjchen Weine in Deutichland, gleichzeitig
traten fie immer impofanter im auslän-
diichen Weltmarft auf, wobei daß um die
Mitte des 19. Jahrhunderts beginnende
Ausftellungsweien fürdernd mirfte; auch
den pfälzer Weinen haben die internatio«
nalen Breisrichter der MWeltausjtellungen
von jeher ebenjo wie den anderen beiten
deutichen Weinen die jeweils höchiten ver:
fügbaren Auszeichnungen zuerfannt. Welde
Höhe die Anfaufspreie für die edelften
Gewächſe erlangt haben, ıft befannt.
Vieles ging für den pfälzer Weinbau
aufwärts im 19. Jahrhundert gegen die
Duodezwirtfchaft der alten Leiten‘; die
kriegeriſchen Verwüſtungen blieben endlich
dem Rheinfreis geöffnet werden für jeiner |
aus, Qualitätsproduftion und Handel er-
blühten, landwirtichaftliche und weinbau—
liche Vereine und Schulen famen auf, die
Klage des alten Golumella, daß,e8J Schulen
gebe für alles, für Redner, Köche, Mufiker,
— 14 —
Buderbäder und Haarkräusler, nur nicht |
für Landwirte, wurde hinfällig, die Qampe
des Gelehrten, deren nächtlicher Schein die
Welt erleuchtet, brannte auch für den
fleißigen Winzer. Und notwendig war es,
daß alle Kräfte fich zujammenfanden, denn
e8 famen neue, natürliche Feinde der Rebe
größtenteild aus Amerifa; das Didium
hielt in den 1850er Yahren in der Pfalz
feinen Einzug, die Peronofpora hier in den
1880er Sahren, die furdtbare Reblaus
zeigte fih 1895 auch auf pfälzer Boden;
die aufblühende Induſtrie verteuerte dem
Weinbau die Löhne, mit denen die Wein-
preife nicht Schritt hielten, dabei murden
die Weinbergsarbeiten durd) den Fortfchritt
der Schädlinge zahlreicher und foftipicliger ;
der Antialfoholismus trug zur Verminde-
rung des Abſatzes bei, und nicht felten
machte fich bedauerlicherweiie gehäffige Ston-
furrenz unter einzelnen Weinbaugebieten
bemerkbar; vielfah mußten pfälzer Be-
wäcje die Anmendung falfher Namen
über fich ergehen laffen und anderen Reb—
gebieten das Renommee maden helfen.
Und doch zeigten fid) auch Symptome,
ald ob es dem Weinbau zu gut ginge;
die Bedürfniffe der Winzer wuchſen ber
deutend, ebenjo die Anjprüce der Wein-
füufer; Fälfcher ließen nicht von ihrem un-
jeligen Handwerk, und andererfeits follen
Klagen laut werden, dab hie und da
fapitaliftifcher, ſportwer Weinbau die
vernünftige, rentable Weinbergsfultur be-
drobe.
Das beginnende 20. Jahrhundert findet
unjeren Weinbau feineöwegs in glänzender
Lage”), aber vielfah zeigt ſich auch be-
merfenswerter Fortſchritt; Wiſſenſchaft und
Prarıs arbeiten eifrig zuiammen, die mäch—
tige Hand des Staates ſchützt den Wein-
bau gegen die Bedrohung der Reblaus,
die im Ausland jo furdtbar gehauft hat,
aber in der Pfalz danf den getroffenen
Mahregeln jeit 10 Yahren unberufen nicht
mehr aufgetreten ift®); der Strafrichter
verfolgt die Unreellität, die den Winzer
um feinen Lohn zu bringen ſucht, es ift
gerade darin die bayeriiche Staatsbehörde
mit Erfolg führend vorangegangen, und es
wird eine einheitlich durchgeführte Nah
rungsmittelfontrolle im ganzen Neid un-
abweisbar notwendig; die Intereſſenten in
Weinbau und Weinhandel ſchließen ſich
immer mehr zulammen, und es wird aud)
auf diefem Gebiet noch weiter fortzu-
jchreiten jein.
Blicken wir zuverfichtlich in die Zukunft,
die hiftsriihen Erinnerungen diejes alten,
ſchwer heimgeſuchten deutſchen Grenzlandes
ſind der beſte Beweis dafür, daß ſein ge—
ſegneter Weinbau die innere Kraft hat,
alle Stürme zu überdauern.
) Die fchlimmite — bildet zurzeit
der Sauerwurm, der gerade in den beſten
Reborten ſeit bald 10 Jahren alljährlih den
größeren Teil der Weinernte vernichtet hat.
*, Beſondere Verdienſte hat ſich hierbei, wie
um die Reblausgeſetzgebung, der 1896 verſtorbene
hie Dr. Armand Buhl in Deidesheim er—
worben.
Das große Faß zu Feidelberg.
Der Segen und der Umfang der Wein-
fultur auf pfälziſchem Boden hat einen
charakteriſtiſchen Ausdrudf gefunden in dem
„magnum vas vinavium*, dem großen Faß
auf dem Heidelberger Schlofje. Wie diejes,
jo hat aud; „das Faß” feine Schidjale ge-
habt; tatjächlich iſt das jegt vielberwunderte
Ungetüm jchon das vierte feiner Art, Das
erfte ließ Pfalzgraf Johann Kaſimir nad
dem Weinfegen von 1589 vom Faßbinder
Michael Werner von Yandau zwiſchen 1589
und 1591 erbauen. Es hatte 27 Fuß
Länge und das Eifen daran allein 122 Bir.
Gewicht; feine 112 Dauben waren durd
24 eiferne Ninge verbunden. Der Küfer
hatte dabei 1500, der Schloſſer 1400 Gulden
verdient, Das durch 30 Jahre gebraucdhs«
fähige Faß hielt 132 Fuder, 3 Ohm und
3 Viertel. Als es dem 30jährigen Kriege
zum Opfer gefallen\war, lag es 40 Jahre
lang in Trümmern. — Gin zweites Faß
rief Kurfürſt Karl Ludwig ins Dajein, in-
dem er e8 durch den „Hofkeller“ Johann
Maier 1664 in einer Länge von, 30, Fuß
bei 24 Fuß Höhe und 204 Fuder Anhalt
berftellen ließ. Es war mit allerlei fünft-
licher Bildnerei und mit Schnigmwerf ver:
ziert; in der „Franzoſenzeit“ ift es „vers
let” und zufammengebroden. — Kurfürſt
Karl Bhilipp ließ e8 1727 durch Hoffeller
Johann Anton Engler reitaurieren und
1728 neu füllen; e8 war Clemens Berfeos
Faß „Clementel“. — Kurfurft Karl Theodor
endlich ließ durdh Johann Jakob Engler jr.
ein neues Faß 1751 vollenden, das 32 Fuß
lang und vorn und hinten 22 Fur hoch
war und 80088 fr. Gulden gefoftet hat.
Es war aus 127 jehlerfreien Dauben zu-
jammengejeßt; fein Spundlody war 3'5 Boll
breit. Achtzehn verzahnte Stück Balfen-
reifen von 8 Zoll Dife und 15 Zoll Breite,
fomwie äußere Eijenreifen von 18 Boll Bıeite,
die mit Bändern und Schrauben verjehen
15 -
Das Faßlager beftand aus fünf geſchnitzten
mächtigen Hölzern. Born ward ein mit
dem Kurhut abgeichloilenes Schild mit dem
Namenszug Karl Theodors angebradt.
Daneben jah man das Handwerkszeug:
einen Birfel von 8'» Fuß Länge, eımen
Hobel T Fuß 10 Boll lang und 4 Fuß
dick. Bei einer Gemwölbehöhe des Feller-
raumes von 35'4 Fuß maß das artige
Gefäßlein vom Kellerboden bis zum oberen
Rande 26' Fuß Es hıelt 236 Fuder
oder 283000 Flaſchen und war 1753,
1760 und 1766 gefüllt. ine Treppe
führe auf seinen Rüden, wo auf einem
3 Fuß hohen Boden für eine ganze
macht rafche Fortichritte. Zwar fehlen in
diefem fruchtbaren Gartenlande, das wie
der Wormjergau von jeher der Stonfurrenz
des Bölferfampfes ausgeſetzt war, die reichen
Gräberfunde Rheinheſſens. Es ijt nur ein
neolithijches Gräberfeld, und zwar vom
Flomborner Typus (Spiral-Bandkeramif
mit Hodern) in der Borderpfalz fejtgelegt
worden, und zwar das von Kirchheim
a. d. Ed. Um jo mehr Wohnſtätten aus
dem genannten Zeitraum find während der
legten Monate entdeckt morden, jo daß
hierin die Vorderpfalz faſt Rheinheſſen
gleichkommt. Bei Speyerdorf wurden
nahe bei einander Wohngruben mit Röfjener-
und mit Spiraibandferamif freigelegt,
ebenjo zwijchen Niederluftadt und Weftheim.
In der gleichen Gegend find in der legten
Beit vom hiftorijhen Verein der Pfalz
zahlreiche Tumuli mit verhältnismäßig an
fehnlichen Funden aus der mittleren Bronze-
zeit (Radnabdel, gejchweiftes Meſſer, Yronze-
beil und anderes) unterfucht worden. Weitere
Wohnftätten der jüngeren Steinzeit find
im legten Jahre befannt geworden von
VBenningen und von Stnittelöheim. Cine
Bodenhafe aus Hirfchhorn, ſowir ein mit
Randtupfen verziertes Gefäßſtück weiſen
jene Funde dem Pfahlbautypus zu, während
diefe nad) ihrer Keramik und ihren eleganten
Jaſpismeſſern der Kultur der Bandferamif
angehören. Letztere entitammen den weftlich
im Wasgau bei Waldhambach im Alingbadh-
tale offenftehenden Melaphyrbrüchen. Bon
der gleichen geologijchen Formation ift ein
feines Karneolmeſſer, das bei Knittelsheim
gefunden wurde. Der Neolithifer hat den
weiten, mühevollen Weg von feiner pfahl-
bauähnlichen Niederlaffung im hinteren
Wald zwiſchen den beiden Armen der Queich
bis zu den Fundftellen des wertvollen Roh-
materials im Stlingtale, etwa 20 Kilometer,
nicht gefchent, um ih Material für Mefler
und Schaber zu verichaffen. In kurzer
Zeit wird die Topographie der Steinzeit-
periode fr die Vorderpfalz feftgeitellt fein.
Ber Wafferverbrand
in 50 deutichen Städten mit Wafjerleitungen
wird durch eine Tabelle in dem „Sejundheits-
ingenieur” trefflich illuftriert. Die Sta
tiftit ergibt im Durdjichnitt einen Ber
brauch von 111,6 Litern für jeden Kopf
täglih. Natürlich läßt fi hieraus weder
auf die Reinlichkeit, noch auf den Durft
ein Schluß ziehen; vielmehr beitehen je
nach den örtlichen Berhältniffen und Be-
dürfniſſen große VBerfchiedenheiten im Ber-
brauch des Waſſers, namentlih an Orten
mit ausgedehnter Bierproduftion oder mit
vielen Fabrifanlagen; an anderen Orten
laufen wiederum ungemeffene Mengen reinen
Waſſers aus Springbrunnen und ähnlichen
Runftanlagen jozujagen unausgenügt davon,
— 116 —
intereffanter wäre, feitgejtellt zu ſehen,
Breisgau, nämlich 332 Liter auf den Stopf | für welche Zwede die teueren Wafler-
und Tag. Mehr als 200 Liter entfallen | leitungen in verjchiedenem Grade nutzbar
auf Würzburg, Dortmund, Bodum, Lübeck gemacht morden find. Auch in der
und München ; zwifchen 100 und 200 Liter | Pfalz werden ja fortgejegt neue Anlagen
auf Barmen, Franffurt a. M., Hamburg, | zur Herleitung reinen Gebirgswaſſers
Mes, Eſſen, Defjau, Altona, Karlsruhe, | unternommen; da ift es nicht ohne Intereſſe
Köln und Bremen. Vielerortö wird zudem | denen, die etwa vor den Anlagekoften zurück-
auch aus Flüffen Wajler zu verschiedenen | fcheuen möchten, ein Beiſpiel zur Ans
Zwecken entnommen, jo daß obige Statiftif | feuerung zu geben. Eine Wafjerverjorgung
immerhin eine ftarf einieitige, ja gewiſſer | pflegt auch wie faum ein anderes Unter—
maßen gegenjtandsloje jein möchte, da doch | nehmen zu ventieren.
Ein Weihnadtsbud.
Gottlieb Gutfreunds Adventbilder, Weihbnahtsgefhichten und Wintermärchen.
Aus dem Nachlaß herausgegeben von Dr. Karl Beder.
Die traute Zeit vor Weihnachten mıt | iſt — gejchrieben hat und in verjchiedenen
ihren Wünſchen und Erwartungen, ihren | Beitichriften erjcheinen ließ, wo fie un»
Tränen der Freude und der Sorge rüdt | geteilten Beifall fanden.
heran. Der Winter mit jeinen Schnee | Es find Fleine Erzählungen und Szenen
ſtürmen ſteht vor der Türe, Da wird es | aus dem heimlichen Leben der Advent- und
immer traulicher und lebendiger im Haufe, | Weihnachtszeit. Die Poeſie der Kinderjahre
nit den luſtigen Böglein und dem Laube | und des Familienlebens jollen darınnen
der Bäume find die Kinderfreuden auf der | zur poetiichen Veranſchaulichung und Ver:
Straße fortgeflogen, die warme Stube klärung fommen, — eine Gattung duftiger
wird von den Stleinen gejucht und fie Seelengeihichten aus der Wirklichkeit, die
laſſen ſich vom Chriſtkindlein und ſeinen | nicht ſelten ins märchenhafte hinüberſtreifen.
Beicherungen auf Weihnachten erzählen. | Die ganze traute Weihnachtszeit wird dem
Das meifte Wafjer verbraucht Freiburg im
Da muß nun ein Bud) willfommen jein, Lejer aus dem Büchlein auftauhen, das
weldyes gleihmäßig für Erwachſene mie | nichts enthält, was nicht die Aleinen auch
für Kinder gejchrieben ift, jene in ihre leſen fünnen.
Kindheit mit ihren Freuden zurüdverjegend, Aber noch ein anderes Intereſſe bietet
diefe mit Erwartung umd Luft erfüllend | das Weihnachisbuch⸗ nämlich für den
" f
an die nahende Weihnachtszeit. Freund der heimatlichen unit und Forfchung.
Wieder ift es der Pfälzer Dichter | Spielen doc die meiften der Erzäh—
Auguft Beder, aus defjen poetiſchem Nad- | [ungen in der Heimat des Berfajiers
laß eine Ausleje von Erzählungen geboten | oder der näheren Umgebung und
wird, welche er vor nahezu fünfzig Jahren | bringen jie doch zahlreide Sdil-
unter jeinem Pjeudonym: Gottlieb Gut- | derungen des Wolfslebens der
freund — weil er Gott lieb hat und dejjen Pfalz in früheren Jahren!
Kindern, den Menſchen ein guter Freund
FYfälziſche Sagen. Herausgegeben von F. W. Hebel. Mit 18 Abbildungen. Be-
ſprechung diejes trefflihen Geſchenkwerkes folgt im Januarheft mit Illuſtrationsprobe.
Dnbalt: Bayeriſcher Fiußgebiets-Atlas. — Dünen in der Pfalz. — Zur Gefchichte des
Weinbaues in ber Rheinpfalz. Bortrag, beim 22. Weinbaufongreh gehalten von Dr. jur. Friedrich
Baflermann-Fordan. (Schluß. — Das große geb zu Heidelberg. — Die Erforfhung der neo-
lithiſchen Berhältnifie der VBorderpfalz. — Der Waflerverbrauch in 50 deutfhen Städten. — Ein
Weihnachtsbuch. — Pfälzifche Sagen.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandjtuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Raiferslautern.
Für Form und Inhalt der Belträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
Die „Pfälztiche Heimatkunde“ Loftet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Bellellungen werben von allen Buchhandlungen ıud
Poftanflalten ferner vom Verleger (Portofreie Streifbandiendung) angenommen.
Kfäßilche Heimarkunde
Monnts[deift
für Schule und Baus
unter Berückſichtigung der Bedürfnilfe der pfälzifhen Schulen.
— — —— ——
Schriftleiter: Behrer Fh. Fauth, Sandſtuhl.
Zweiter Jahrgang.
1906.
ur men —
Mit 4 Abbildungen und 2 Aartenfkizzen im Wezt.
Kaiferdlantern.
Drud und Berlag der Hofbuchdruderei von Hermann Kanfer.
Digitized by Google
Inhalts-Verzeichnis.
Archãologiſche Studien.. . 3.8.38
Alte Hochſtraße
Wajaitgang im Haardtgebirg.
Barometriſche Auriofirät
Bebenimern, don den
Battenberger Oxydröhren ’
Beiträge zur Geſchichte der Dörfer Min.
feld und Freckenfeld
Bemwegung des Grundwaſſers
Denkmalpflege .
Erdbebenforſchung
Erdmagnetiſche Bermeſſung der —
Rheinpfalz ne Eee
Endziltige Ergebniffe der Borfszäblung
tom Sabre 1905 j
Ergicbigfeit u. vorausfichtiiche Geiophung
der Steinfohlenlager ei
Eignung der Pialz zu einem Zentralinſtitut
für Aſtrophyſil zc. .
Eußerthal
Erhaltung alter Straßennamen .
Erihöpfung der Wälder
Forſchungen über die verfchiedenen Formen
de& deutichen Banernhofes u. -baufes
Forſtliches Intereſſe für den Pfälzerwald
Frühlingseinzug in Deutſchland.
Flora der kleinen Kalmit
Gredenttage . . 1 24, 36, 48, 60, 76,
[100, 116, 140.
' Delmatihg .
Bra g«
-.—
Gemeiner Bauerntag zu Arzheim
Grabungen und Bunde . b
Geichichte des Geisbocks von —
Geſchichte des Kunſtgewerbes.
Generalſtabsblätler zum Schulgebrauch).
Gollheim .
Goldwäſcheret am hen.
Sımmeikihan .
EBEEBERBERE BEEREBERE
Heimat und Deimatfunit .
Hildegard von Hobencken .
Hiße und Durit
Denfieber . .
Hrizung des —
i Höbenfchichtenfarte von Bayern .
Jahrhundertfeler vom Königreich Bayern
1806 — 1906
| Yahresverfammtung 65. der „policha
Intereſſanter Fund
Naiſergräber in Speyer
Kaltlſteingeblet der kleinen Kalmit
Kontlgintätsentſchädigung der Krone Öfter:
reih an Bayern
Königsiand im Jahre 1600
Kartenkunde. pfälztiche
Kurpfälziſches Oberamt Lautern
Liebesweh von Wilenjtein .
| Materialien zur bayer. Ornithologie IV .
Menſchliche Wohnung
Ü
=
—
*
ke
Sa Eon.
—
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E Eke
EB
Neunkirchen und Neukirchen
Neumayer- Jubiläum . 5
Neuejte geographiiche ——
Naturpflege in der Pfaltz
Piälzliche Sagen .
Pfatziſches Krelsmuſeum
Maͤuberleben des Hühnerhabichts
Rundfrage über den Wolf
Richard Lowenherz auf Trifels .
Sickingens Tod
Schub der Naturbenfmäler
Saargruben ftantliche
Sidingen vor Wormbs .
Trunfk aus bem Stiefel
Unwetter vom 4. Mai . j i
Ueber die Ernte des Jahres 1905 in —
Ueber bie Aderböbden der Pfalz im Zuſam—
menbang mit bem geologiihen Aufbau
IV
Seite Seite
18 | Ueber Anfänge ciner geregelten Forſtwirt⸗
47 fchaft durch fünstliche Wiederbewaldbung
61 im Reihöwalb . . . . 110
62 | Ueber den falifornifchen Arzt Slebr. Barl
II: Be nt ee
11 | Verfhiedened 2 2 ren. 60
109 | Berfpätete Schwalben . . » 2 2... 5
Volksarzneipflanzen. 16
an Volkskundtiches aus Stichbad) i. d. Balz 235
“ Bolfezählung . .» . . ick Ze = ———
181 Berwertung ber Srügttngsbtumen ce 88
10 Volkstunde — Bolksktunit . -. » » . . 109
34 Borfommen des Wolfes in der Pfalz 102, 128
* Weichbild von Laiſerslauten 1
100 Maflerreichtum und Grumdbwaflerftand . 25
135 | Wittelsbah auf Landsburg . . . . .. 838
Waldmeiiter — Maltranf . . » 2 ...56
64 ! Wie nehmen unfere Höhen ab? . . . . 78
86 | Wetterpropheten unter ben Bögen . . 183
| Weidwerk zur Mammutzet . . . . . 150
103
II. Jahrgang. Nummer 1 Januar 1906.
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
1806-1906.
Am Neujahrstage 1806 morgens um | Stämme ging unjer Bayernland aus
10 Uhr ritt der bayerische Randesherold | den Prüfungen jener Tage hervor; es
duch Münden und verkündete unter | ift nad Preußen der gewidtigfte Faktor
Zrompetengeichmetter den Bewohnern | des neuerjtandenen Kaiſerreiches geworden.
der Stadt die Erhebung des Kur- | Eine NAllerhöhite Entichliegung jeiner
fürjten zum Könige von Bayern. | K. Hoheit, des Prinzregenten Luitpold,
„Da durd die Vorſehung Gotte8 es | vom 6. Dezember kennzeichnet die heutige
dahin gediehen ift, daß das Anjehen und | Lage der Dinge trefflihh mit den dent»
die Würde des Herrichers in Bayern | würdigen Worten:
jeinen alten Glanz und jeine vorige Wenn das Gefühl der Zujammen-
Höhe zur Wohlfahrt des Bolkes, umd | gehörigkeit ſich fo innig geftaltet hat, fo
zum Flor des Landes wieder erreicht, | ift dies nicht zulegt in der Erfenntnis
jo wird der Allerdurchlauchtigſte und pegründet, zu welher hoben Stufe
Großmächtigſte Fürft und Herr, Herr | der kulturellen Entwidlung wie
Marimiltian Joſeph, ald König von | der materiellen Wohlfahrt das
Bayern, und allen dazugehörigen Län: | Rand in vereintem Wirken von
dern hiemit feierlih ausgerufen, und Fürſt und Bolk unter Gottes
diejes jeinen Völkern allenthalden Eund | gnädigem Beiftand ſich emporge-
und zu willen gemadt.” Es waren | hoben hat.
ſchwere Leiten, weldhe damals, fünf e :
Tage nad) dem von Napoleon 1. diktierten | .,; Den Gerungenidaiten früherer et
— reiht ſich als die wertvollſte an der Zu
Frieden zu Preßburg, über dem Geſchike fammeufchluß der deutihen Stan
des „taujendjährigen deutihen Reiches“ | ton zu einem mächtigen Reide, in
lagen und die deshalb 14 deutjche Fürſten dem Bayern ſich geahtet und an-
zu einem „Rheinbunde” vereinigten. geiehen weiß
Aber groß und mächtig im Bunde der i
Das Meichbild von Aaiferslantern.
Bon D. Häberle, Kaijerl. Rechnungsrat, Heidelberg.
In den älteren Urkunden der Reichs- pfändung gefliffentlich bemüht waren,
ftadt Lantern, oder wie fie jeit 1322 | die frühere Schreibweife wieder in Auft
offiziell Heißt, Kailerslautern, — troßdem | nahıne zu bringen und dadurd die Er-
die pfälzischen Rurfürften nach der Ber- | innerung an die Reichsunmittelbarkei—
zu verwilhen, — it oft von den
ftädtifhen Ramſteinen die Rede, ohne
daß hiefür eine nähere Erklärung ge
geben wird. So ift 3. B. in der Be:
Ichreibung des Dberamts Lautern!) vom
Jahre 1601 (Kreisarchiv Speyer) darauf
bingewiejen, daß die Bürgerichaft auf
Grund Eaiferlicher und königlicher Privi:
legien einen eigenen Rat an der Spike
habe und frei jei von Frohnden, Leib-
eigenichaft und Dienitbarkeit, joweit die
Hamfteine reihten. „Es hat aud die
Stadt Rautern ihr eigen peinlid Hals:
gerichtögerechtigkeit, zu richten über Hals
und Bein, was fih in der Stadt in
deren Ramiteine für a begeben.“
(Blutbann — Recht über Leben und Tod.)
Wenn auch der Ausdrud „Ramſtein“
in dem großen Wörterbud von Grimm
u. a. feine Aufnahme gefunden hat, jo
geht aus defjen Anwendung doch uns
zweifelhaft hervor, daß hierunter die Ab—
grenzung (Rahmen) des eigentlichen
Stadtbezirfes gegen das Territorium
(Feld: und Waldmarf) durch bejondere
Steine zu verftehen ift. Unwillkürlich
wird man hierbei an das Dorf Ram:
ftein bei Steinwenden erinnert, welches
den Namen vielleicht jeiner Nandloge
an den Grenzen des Reichswalds zu
danken Hat, Sofern derjelbe nicht aus
einem Gigennamen (vergl. Wolfram)
hervorgegangen ift. Auch in der Grenz-
beichreibung von Sippersfeld aus dem
Jahre 1019 wird ein Nannenftein (auch
Ranıeftein) als Markzeichen gegen das
zum Sattelhof bei Langmeil, einem alten
faliſchen Königsgut, gehörige Dorf Bon»
badı"aufgeführt.*)
Uns ıft heute die aus Norddeutich-
land ſtammende Bezeichnung „Weichbild“
für das Stadtgebiet geläufiger, dem aber
diefelbe Bedeutung trotz verjchiedener
Erflärung?tinnewohnt. Denn während
e8 die einen von dem altdeutichen wih
— geweiht und Bild — hölzerner oder
fteinerner Bildftod (Kreuz, Cäule), ıv0- |
mit die Grenze einer Stadtflur im Mittel-
alter bezeichnet war, abzuleiten juchen,
!) Beitbilder Nr. 15 von 1904.
) Diefen NRamenjtein für identifch mit |
Römerſtein zu halten, erjcheint zum mindejten
zweifelhait (Pf. Gejchichtsblätter 1905 ©. 48). |
\ Weichbildes
ſehen andere in Weich das niederdeuticdhe
wich, lateiniiches vieus — Flecken oder
Stadt, und in Bild Recht (mod in
Unbill und billig erhalten), alio Gel:
tungsbezirk des Stadtredits.
Die ſtädtiſchen Namfteine begrenzten
den unter der Aurisdiktion des Rates
ftehenden Gerichtsbezirk, zunächſt die
Stadt felbit und dann auch die unmittel-
bar an die Mauern ftoßende Flur. Die
Ausiheidung aus dem Berband des
alten Wormsganes erfolgte wohl im
September 1276, als Kaiſer Rudolf von
Habsburg der Stadt diejelben Rechte
und Freiheiten verlieh, wie fie der Reichs—
ftadt Speyer von Sailer und Königen
zugejtanden worden waren. Hieraus
erklärt ſich aud, daß in bejonders
ſchwierigen Nechtsfällen der Lauterer
Rat nah dem erhaltenen Gerichtsbuch?)
von 1440 bei dem von Epeyer fi Be
lehrung erbat. Wiederum wurde das
Lauterer Stadtrecht durch Kaiſer Karl 4.
am 7. Scptember 1349 an den Grafen
Heinrih von Beldenz für Obermojcel
und Ddernheim am Glan weiter ver:
lieben, ſodaß fegtere indirekt diejelben
Privilegien wie Speyer zu genießen
hatten. Welch geringen Borteil dieſe
beiden Pläge wegen ihrer ungüuftigen
Verkehrslage aus ver kailerlihen Gnaden—
bezeigung ziehen konnten, hat ihre Ge—
ſchichte beiviejen.
Wenn demnach die Nedte für Lau—
tern damals im Einzelnen aud nicht
aufgeführt wurden, jo war in eriter
Linte neben Berleihung der hohen Ge—
richt&barfeit und des Marktrechtes ver-
bunden mit Erhebung von Marftgeld
(Oktroi) unter dieſem Privileg die Bes
freiung von Zoll und Leibeigenſchaft,
Negelung des LZunftweiens, und als
äußeres Leihen die Befeſtigung der
Stadt mit Mauern, Graben und Toren
zu veritehen. Schon 1247 wird eine
| eigene Lauterer Münze und 1285 ein
Lauterer Mat als Beweis für das Auf
blühen des jungen Gemeinweſens erwähnt,
Leider jind über bie Ausdehnung des
nur unvollſtändige Nach:
richten auf uns gekommen; foviel aber
im ftädtifchen Archiv,
jteht feit, daß die das Gebiet des Stadt-
rechts. begrenzenden Ranıfteine an ſämt—
lihen in die Stadt führenden Straßen
als Hoheitszeichen ftanden. Zufällig
erwähnt der kurfürſtliche Forſtmeiſter
Belmann in feiner Befchreibung der
Ländereien des Stiftes Lautern*) vom
16. Mai 1600 einige diejer Steine mit
folgenden Standorten: Der erite Ram—
jtein an der Yautertalitraße bei der dem
Spital gehörigen Mühle (jegt Kamm
aarnipinnerei), der zweite als ſogenannter
Bodramftein neben dem ftädtiichen Allmen
(Almende), der dritte am Gersweilerweg,
der vierte bei den drei Linden am Baal-
bornerpfad, der jegt eine kurze Strede
mit der unter Napoleon I. vollftändig
neu angelegten Kaiſerſtraße zuſammen—
fällt, der fünfte neben der Enkenbacher—
ftraße zwiichen Lentel und Beditein, der
jechfte an der Straße nah Neuftadt,
von welcher am neuen Kirchhof die
Römerſtraße durch die Hellen Eichen
über das Weidjohl nach dem Schorlen—
berg abzweigte.
Als Ramftein ift wohl auch das in
dem Erbbeitandsbrief für die Papier:
mühle aus dem Jahre 1656 erwähnte
Ramiftelkreuz gegen den Erbſenberg auf:
zufaffen. (Forſtarchiv.) Auh in Bel:
manns gleichzeitiger Beichreibung des
Reichswaldes (Stadtarhiv) werden uns
Ramſteine aenannt, fo am Kohlbruch
neben den Stadtwiejen, an der Tripp—
ftadter Straße, anı hohen Sand, an der
Hohenecker Straße und an den Neideder
Wieſen {bei der Praffichen Fabrik an
der Witteldbaher Straße) Von bier
bis zum Ramſtein an der Rautertalitraße
Elafft eine Lüde Belmann erwähnt
zwar auf diejer Strecke zwiichen der
zum Reihswald gehörigen Forithube und
den Stadtgebiet, aud einige Grenziteine,
die aber wegen Streitigkeiten ımit der
£urpfälziihen Regierung damals um—
geftürzt waren. Dod jcheinen diejelben
bald darauf beigelegt worden zu fein,
da ein noch erhaltener Stein die Jahres:
zahl 1604 trägt. Die Grenze verlief
von dem zulegt aenannten Ramitein
über den Galgenberg und folgte dem
*, vergl. Pfälz. Preſſe Nr. 330 vom 27. | R
1904 : ı gehenden früheren Heerjtraße,Lmelche über
Rovdember 1904.
nach der Benderichen Fabrik auf dem
Lothringerhof hinabführenden Feldweg.
Kurz vorher Ereuzte fie vor dem Bau
der Kaiſerſtraße die alte Landituhler-
ſtraße bei Stein Nr. 310 aus dem Jahre
1604. Getzt Diebspfad — Dietspfad
— Volk- oder Heeritraße; die Buchſtaben
F I = foröt imperiale machten den
Reichswald als franzbſiſches Staatseigen-
tum fenntlih.) Der nädite Stein
Wr. 309 oberhalb des Einjchnittes der
Lautertalbahbn an der alten Schanze
Iichließt den Ring und ermöglicht eine
Rekonſtruktion des alten ftädtiichen Weich—
bilds unter Zuhilfenahme eines modernen
Stadtpland. Es braucht wohl nicht be—
ſonders hervorgehoben zu werden, daß
eine derartige Skizze eine wertvolle
Beigabe zu der im Erſcheinen begriffenen
ſtädtiſchen Chronik von Herrn Küchler
bilden würde.
Hatte alſo ein armer Schächer inner—
halb dieſes Bezirkes ein Kapitalverbrechen
begangen, ſo wurde er nach Stadtrecht
gerädert, gevierteilt oder gepfählt, wäh—
reud er außerhalb der Ramſteine nach
Landrecht die Vergünſtigung genoß, wohl
mit gleichem Effekt gepfählt, gevierteilt
und gerädert zu werden. Unter kur—
pfälziſcher Regierung wurde Lautern
durch bureaukratiſche Bevormundung
immer mehr herabgedrückt und die
ſtädtiſche Verwaltung 1440 durch die von
Pfalzgraf Otto von Mosbach als Vor—
mund ſeines Neffen Ludwig, des ſpäteren
Kurfürſten, erlaſſene Ordnung und den
Vertrag von 1510 geregelt, aber auch
in ihrer Selbſtändigkeit beſchnitten. Noch
faſt drei Jahrhunderte hindurch wußte
die Stadt wenigſtens einen Schein davon
zu retten, bis die franzöſiſche Herrſchaft
bei Neuordnung aller Dinge der zuletzt
nur noch auf dem Papier vorhandenen
reichsſtädtiſchen Herrlichkeit ein klangloſes
Ende bereitete.
Von allen dieſen Grenzzeichen des
Stadtgebietes haben nur drei die Stürme
der Jahrhunderte Überdauert, da ein
weiterer am Baalbornerpfad beim Bau
der Lila Raab bejeitigt wurde. Der
am beiten erhaltene fteht beim alten
Friedhof an der vom autor aus:
4
die Wormſer Höhe und hinter der Nenn- | dem Gutadhten von Herrn Oberlehrer
bahn hinunter auf die Eſelsfürth, als | Hahn aus Berlin vermuten, daß ihre
Borläuferin der Kaiſerſtraße über Enfen-
bad, den Stumpfwald und Göllheim
nad) dem Rheine führte. Ein anderer
fteht im Stadtpark (= auf dein hohen
Sand) und wird in der Beichreibung des
Neihswalds aus dem Jahre 1763 als
Anfang und Endpunkt dieſes 45400
Schritt umfaffenden ausgedehnten Wald-
gebiet3 erwähnt, und endlich dev legte?)
ın der Nähe der Billa Ritter, der wohl
mit dem von Velmann auf der jtädtifchen |
&
Allmende erwähnten . identiih ift. Die
Form des ftädtiichen Wappens läßt nad)
|
Aufrichtung ungefähr um 1400 erfolgte.
Alle anderen find der über die ehemaligen
engen Etadtmauern hinaus ſich bes
tätigenden Bauluft oder den Straßen—
anlagen ftillichweigend zum Opfer gr
fallen. Möge diejer drei einzigen Zeugen
alter reichsftäotijcher Herrlichkeit für die
Folge etwas Sorgfalt für ihre Erhaltung
gewidmet und ein beiceidenes Plätzchen
gegönnt werden!
) Frodl. Mitteilung don ger . Küdler,
Pfälz. Prefie vom 19. Dezember 1904.
Die Aaifergräber in Speyer.
An den Grüften des altehrwürdigen
Domes zu Speyer, deffen Bau von
Konrad II. dem Salier 1027 beichloflen,
und der unter Heinrich IV. 1061 vollendet
wurde, ruhen nicht nur die Erbauer
dieſes Gotteshaujes, jondern eine Reihe
von bedeutiamen deutichen Fürften und
deren Gemahlinnen. Auch Rudolf von
Habsburg hat dort feine legte Ruhe ge:
funden. Bei ihrem Einfall in die Rhein:
pfalz haben die Franzoſen 1689 auch im
Dom zu Speyer bös gehauft. Einer
beuteluftigen Soldatesfa waren jelbft die
Kailergräber nicht heilig; fie wurden
durhmwühlt, mehrere Särge erbrocden,
denn man glaubte dort Gold und Edel:
fteine zu finden. Uber zwei Jahrhunderte
wurden die Kaiſergräber weiter nicht
mehr berührt. Auch bei der verdienit-
vollen Renovation des Domes unter
König Ludwig I. ging man nicht an die
gewagte Aufgabe, hiev Wandel zu ichaffen.
Der Neuzeit war e3 vorbehalten, die
Berunglimpfung des umvergänglichen
Andenkens hervorragender deuticher Für:
jten wieder gut zu machen. Bor mehreren
Jahren jegte die bayerijche Regierung
eine Kommiljion ein, die Gräber zu
öffnen, ihren Anhalt zu prüfen und zu
ordnen. Anthropologen, Hiftoriker, Künſt—
ler, Architekten und Geijtliche taten fich
unter Zuftimmung des Biſchofs von
Speyer in jeltener Einmütigfeit zuſammen,
um unter Wahrung aller gebotenen
|
Pietät die Erdgräber bloßzulegen und
nad genauer Unterſuchung dev mumi—
fizierten Leichen und der Gebeine ſowie
nad) den vorhandenen Anichriften feit-
zuftelen, wer im Dom begraben liegt.
Dies gelang der wiſſenſchaftlichen For:
hung vollftändig.
Die Hiftorifer, namentlich Profeſſor
Grauert, ftellten die Forderung auf, daR
die Särge an derjelben Stelle und auf
demielben Niveau bleiben müßten wie
bisher, und danach jollte auch die neuere
Ausgeftaltung der Gruft ſich richten.
Eine Kommiſſion, gebildet aus den
Herren Oberbaurat v. Stenpel, den
Profefforen Heinrich v. Schmidt,
Gabriel v. Seidl, Kunſtmaler Dtto
Hupp, beichäftigte fich eingehend mit der
Frage des Umbaues der Gruft. Die
Forderungen der Hiftorifer find nun er:
füllt, die Särge ftehen aber frei, man
fann um fie herumgehen und kann fie
auch von dem Grufteingang aus über:
bliden. In der Gruft befindet fich ein
Eleiner Altar mit pradtvollen Kreuz,
Altarleuchtern und Ampeln. Am Dom
hängt über jedem Sarg eine Ampel,
außerdem tft darin eine mächtige, aus
Kupfer getriebene, vergoldete Karfer:
frone und ein großes Kruzifix auf:
gehängt. Dieje Kunftgegenftände wurden
dur die Kommilfiondmitglieder ent:
worfen und von PBrofeffor Otto Hupp
ausgeführt. Bon dem gleichen Künitler
ſtammt auch das Eingangstor zur Gruft,
das in dielen Tagen von der Erzgießerei
v. Miller fertiggeitellt wurde. Dieſes
Portal iſt im Gegenſatz zu der ein-
fadhen Art des Gruftbaues von pompöjer
Wirkung. Es ijt maifiv in Bronze ges
goffen und hat ein Gewicht von 45
Bentnern. Otto Hupp hat ſich beim
Entwurf liebend in den Charakter des
romantichen Bauwerks vertieft und jtreng
in dem Stil ded Domes auch das Tor
gehalten, jo daß dieſes ſich harmoniich
dent altehrwürdigen Bau cingliedern
wird. Das Rundportal wird durd) die
Form eines Kreuzes in vier Felder ge
teilt, die durch Gitter aus maſſiven
Bronzeitäben durchbrochen find. Die
mit Roſetten geichmüdten Gitter geftatten
einen Einbli€ in die beleuchtere Gruft.
Auf den Kreuze thront in der Mitte,
die heilige Schrift mir der Linken auf
den Knien haltend, die Rechte ſegnend
erhoben, Ehriitus in der Auffaſſung als
„König der Könige.“ Dem entipricht
aucd die finnige, in großen Buchitaben
plaſtiſch Hervortretende Inſchrift „Per
me reges regnant.* (Durch mic; herr»
chen die Könige.) Auf den Enden des
Kreuzquerbalkens find Engelöfiquren mit
Spruchbändern, dereu Inſchrift lautet:
„Te Christe laudamus!* Ein Orna—
ment und ein togenannter konkaver Eier-
ftab umfaſſen die Kante des Rundbogens.
Der figürlihe Schmuck des Kreuzes, die
Engel und die Chriitusgeitalt wurden
von dem Münchener Bildhauer Profeſſor
Pruska modelliert,
Bornehme Ruhe, getragener Ernit ift
die Signatur dieſes Funftgewerblichen
Prachtſtücks. In dem warmen, goldigen
Bronzeton wird es in der von Halb-
dämmerung unfangenen Gruft vorziig:
lih wirkten. Dem Gejamtgewicht des
Portals entipricht auch die Schwere der
beiden verichließbaren Türen, von denen
jede 6 Bentner wiegt. Tas Portal,
deffen Guß in muftergiltiger Weile aus-
gerührt iſt, ging an jenen Beſtimmungs—
ort ab. Nach jeiner Aufſtellung iſt die
Speyerer Kailergruft in ihrer Neue
geitaltung vollendet. Jeder Bayer, jeder
aute Deutsche, kann fich freuen, daß die Kat.
jergräber in Speyer eine ſowürdevolle Aus:
ftattung erhalten, und für uns iſt es ehren—
voll, daß daran die Kunſtſtadt Müncen fo
reihen Anteil hat. (M. M. N.)
Verſpätete Schwalben,
die aus irgend welchen Gründen die
Reiſe nach dem wärmeren Süden unter—
laſſen haben, ſcheint es im abgelaufenen
Herbſte ungewöhnlich viele gegeben zu
haben. Mitte Oktober fanden ſich in
denn Stalle einer Neuſtadter Fabrik
jeden Abend 500-600 Schwalben ein,
die ein warmes oder wenigſtens geichügtes
Plägchen für die Nacht juchten. Leider
überlebten jedesmal viele nicht die Ealte
Naht und lagen früh erftarrt am Boden.
Futter nahmen die Tieren auch nicht
an und mußten jo zum größten Zeile
nad) und nach zugrunde gehen. Man
bat ſich der nützlichen Tierchen auf andere
Weile angenommen, jo gut e3 gehen
wollte. Herr Jakob Belten in Speyer
ließ mehrere Sendungen eingefangener
Schwalben, die ihm zumteil auc bereit:
willig von auswärts zugelandt wurden,
mit den Schnellzgügen über die Alpen
befördern. Um die gleiche Zeit (Mitte
Oktober) waren Wanderzüge der Schwal-
ben in der Schweiz von dem frühzeitig
eingetretenen Schneewetter überraicht
worden. Kälte und Hunger trieben fie
in die Ortichaften, wo fie gleichwohl
aus Futtermangel zu Hunderten zu—
qrunde gingen. In Luzern forgte die
Ornithologiiche Geiellihaft für die be-
dauernswerten Reilenden, jammelte die
noh Lebensfähigen, fütterte fie und
jandte fie mohlverpadt mit dem
Botthardsichnellzuge nad) dem jonnigeren
Süden, wo der ABugführer und die
Stattonsbeamten von Chiaſſo 200 Stüd
aufflattern ließen. Nur 3 Tierchen
waren auf dem Transport eingegangen.
Die durd Herrn Jakob Velten ge:
janımelten und nah Chiaffo in Italien
abgejandten Schwalben (etwa 1500 an
der Bahl) find nah einer Sarten-
mitteilung aus Chiaſſo von dem dortigen |
Stationächef, datiert vom 27. Oktober, |
gut dorten angekommen. Es find laut
„Speyerer Beitung“ von der großen
Menge nur 42 umgekommen, alle übrigen
flogen freudig in ihre Winterheimat
weiter. Bei einer Sendung mußte der
Ausflug wegen zu Starken Nebels ver:
ichoben werden. Bon allen Gegenden
Deutichlands, fo aus Berlin, Stuttaurt,
Dchienfurt, Würzburg, Tauberbiſchofs—
heim, Baden-Baden, Babern i. Eli.,
Neuftadt, Edenkoben, Fußgönnheim,
Haßloch, Schifferſtadt ꝛe. trafen An—
fragen über die Art und Weiſe der
Verſendung ein, wie man ſie verpacken |
oder verföjtigen joll ꝛc. Am beiten it
ein leichter Spankob oder ein Kiltchen,
6
mit dünnen Steden oder Dräbten ver-
jehen, auf welden die Tierchen figen
können und mit Packtuch luftig zugenäht.
Sie frejjen am liebften fliegende Inſekten.
Die Berjendung ging immer 8.57 morgens
mit dem D-Zug über Bajel ab. Die
Adreffe bei direfter Sendung wurde an
die Bahnverwaltung Chiaffo gerichtet
mit der Aufforderung: „Bei Ankunft
fofort ausfliegen zu laſſen“. Die Schwal-
ben, welde tagsüber eintrafen, ließ Herr
Velten in feinem Palmenhaufe fliegen
bis zum mäditen Morgen; über Tag
wurden fie von Zeit zu Zeit mit Müden,
die man in Stallungen oder jonftigen
Räumen mit dem Bejen oder Gänie-
flügel in ein Bigarrentiftchen raſch hinein»
kehrte, gefüttert.
65. Iahresverfammlung der „Pollichia“.
Im großen Stadthausjaale von Bad
Dürkheim fand am 29. Oktober, mit:
tags 12 Uhr, die vd. Jahresverſammlung
der „Pollichia”, naturwiljenichaftlicher
Berein der Pfalz, ſtatt. Der Ehren-
präfident, Seine Erzellenz Profeſſor
v. Neumayer, übernahm den Borjig
mit herzlicher Begrüßung. Lokalvoritand |
Nektor Roth hier eritattete zumächit den
Jahres- und Geihäftsberiht. Die Pol:
lichia zählt gegemwärtig 237 Mitglieder, |
5 weniger als ımı Borjahre. Der Tauſch—
verkehr der Bollichia mit wiffenichaftlichen |
Inſtituten tft ein vegerer geworden. Sie
jteht mit 140 Bereinen und nitituten
in Fühlung. Die Gelamteinnabmen der
Pollichia im Jahre 1904 betrugen
2978 M. Die Ausgaben 2005 M. Es
ergibt ſich fomit ein Ueberſchuß von |
973 M. Das Nettovermögen des Ber:
eins beziffert fih auf 4120 M. Als
wertvolle Geichenfe, die der Pollichia zus
gegangen, nennt der Berichteritatter einen
Faſan, ſowie eine Krofodilshaut, ge: |
jpendet von Direktor Janſen-Lambrecht.
Die meteorologiiche Station erhielt einen
jelbft regitrierenden Regenmefjer. Als
wertvole, ja hochbedeutſame Publikation
der Pollichia bezeichnet der Bericht: Eine
erdinagnetiiche Vermeſſung der bayerischen
Nheinpfalz 1855,56 von Direktor Dr. ©. |
; Entgegenfonnmen der Bevölkerung.
waige Funde möge man den einzelnen
v. Neumayer, ſowie eine kurze geologiiche
Beichreibung der magnetiihen Stationen
von Brofeffor Dr. v. Ammon und Dr.
M. Reis. — Anichliegend an den Bericht
des Meftord Roth verbreitete ſich Dr.
Mehlis über die MWirkjamkeit der
anthropologiſchen Station der Pollichia.
Hienach wurden einige Befeitigungen der
Südpfalz (Bergzabern, Abtskopf, Bären:
berg 2.) unterfucht, Straßenzüge am
Dradenfel® und Donnersberg (alte
Nömeritrvaße) fejtgeitellt und mehrere
Wohnjtätten aus der neolgthiichen und
Bronzezeit entdeckt (Weitheim, Ben:
ningen, Speyer, Wallböhl ꝛc.). Der
Neferent wünſcht vor allen ein größeres
Et⸗
Muſeen als Depoſition überlaſſen, damit
der Forſcher dort Gelegenheit habe, die
Fundſtücke zu ſtudieren.
Admiralitätsrat Exz. von Neumayer
leitete alsdann zum wichtigſten Gegen—
ſtande der Tagesordnung, zur Ge—
dächtnisrede des Bezirksamtsaſſeſſors
Dr. Poeverlein-Ludwigshafen auf
den verdienſtvollen pfälziſchen Gelehrten
und Botaniker Karl Heinrich Schultz
Bipontinus über. Anläßlich dieſer Feſt—
rede waren eine reiche Anzahl Gemälde,
Photographien, Zeichnungen, Werke, Di-
plome, Tagebücher, Briefe, Faclimiles xc.
ausgelegt, die fih alleiamt auf Schulg
Bıpontinus bezogen. Es gebührt Herrn
Stationseinnehimer Auguft Händen in
Hailerslautern, einem Verwandten
Familie Schulg, das Berdienjt, im zivei
ausgelegten Mappen Briefe bedeutender
Noaturforiher an Schulg, ſowie bio-
araphiiche Arbeiten desjelben über jeine
Wanderungen und Wandlungen zc. ger
ordnet zu haben. So warm ſchon die
periönlihen Erinnerungen des Ehren—
vorfigenden berührten, der namentlich
die Verdienfte des heimgegangenen Ge:
lehrten um die Bollihia feierte, jo licht
und lebenswarnt geitaltete fid) das pietät-
volle Bild, das Affelfor Dr. Poeverlein
von Karl Heinrich Schule, deſſen 100,
Geburtätag am 30. Juni 1905 wieder—
gekehrt war, entwarf. Sculg wurde im
Jahre 1805 in Zweibrüden als der Sohn
eines Apothefers geboren. Am elterlichen
Haufe fand feine Neigung zur Botanik
reichlihe Nahrung und als Student der
Medizin zu Erlangen und Münden
arbeitete er getreu feinem Wahlipruce:
„&3 lebe der fefte Wille“ auf dem Felde
der Naturwiſſenſchaften rüſtig weiter.
Nachdem er jeine freiheitlichen Beitre-
bungen leider mit einer dreijährigen Haft
in Münden büßen mußte, ließ er fich
als Hoipitalarzt in Deidesheim nieder.
Seine politiihe Bergangenheit war Ur:
fache, daß die bayeriihe Krone ihm die
Beitätigung ald Ordinarius der Uni—
verfität Erlangen verlagte. Aber die
wifjfenichaftlihe Welt ichägte den tüch—
tigen und berühmten Botaniker Schulg
und ließ ihm gar manche Ehrenbezeigung
zuteil werden. Anläßlich der 25. Fubel-
feier der Pollichia erhielt Schulg als
Gründer und Direkter derjelben den
der
|
Micaelsorden erfter Klaſſe. Das An-
denfen an dieſen trefflihen Mann wird
1 der Geſchichte der Wiffenihaft fort:
eben.
Darauf folgten die Mitteilungen von
Schäfer:Neuftadt über die Ein-
wirkung des Weins auf die Strafitatijtik
anftelle des verhinderten Oberlandes—
gerichtsrats Oehlert. Dr. Schäfer reſu—
mierte dahin: Der Wein kann beſtehen
vor dem Forum der Kriminalſtatiſtik.
Körperverletzungen, Roheitsdelikte x. ꝛc.
find in der Regel weniger dem Wein—
genuß zuzuichreiben, fie find wohl eher
eine Folge der Bolksverrohung, die
nantentlih in Induſtrie-Gegenden ſich
breit mache. Auch der Volkscharakter
müſſe bei Behandlung der vorwürfigen
Frage in Betracht gezogen werden.
Erz. von Neumayer bericter jo:
daun über die Vorarbeiten der Pollichia
zur Errichtung einer Erdbeben-
tation in der Pfalz. Diejelbe joll
als Nebenitation der Benkale Straß-
burg in Kaiſerslautern gegründet
und an die dortigen Mittelichulen (In—
duſtrieſchule und Nealichule) angegliedert
werden. Hierzu tt ein einmaliger Ber
trag von ca. 1400 M. und ein laufender
Fahresbetrag von TOO M. nötig. Hier
wegen ſoll dem pfälziichen Landrate eine
Dentichrift unterbreitet werden. Pro—
feſſor Rudolf von der Bentrale Straß-
burg unteritügt die Ausführungen des
Borjigenden und gibt eine Meihe ichäß-
barer Winfe und Ratichläge, die Errich—
tung der Station betreffend. Die
Generalverfammlung genehmigte alle
Schritte, welche die eingeiegte Kommiſ—
ſion behufs Gründung der beiagten ſeis—
mijchen Station demnächſt zu tun gedenkt.
Pr. Pr.)
Erdbebenforfchung.
Ein deuticher Gelehrter war es, der
die Überzeugung zum Ausdruck brachte,
daß die Koſten und Mühen der ſeis—
mologiſchen Arbeit nur einen ent—
iprehenden Erfolg ergeben könnten,
wenn in allen Stulturitaaten nach ein-
heitlihem Syitem und mit möglichſt
gleichen, jedenfall® vergleihbaren In—
jtrumenten die Unterſuchungen aufges
nommen werden würden. So entitand
durh Profeſſor ©. Gerland’3 Ber
mühungen die internationale ſeismo—
logiſche Bejellichaft, die alle Kulturitaaten
von Japan bis Südamerika, ganz Eu-
ropa, Nordamerifa, das Gebiet der
Südjee (Samoa), Auftralien und Afrika
umfaßte. Als Zentralſtelle für dieſe
weitverzweigte ſyſtematiſche Arbeit wurde
einſtimmig Straßburg i. E. und als
Präſident dieſer Aſſoziation Profeſſor
Gerland dortſelbſt erwählt. Eine vor—
treffliche Anſtalt, ausgeſtattet mit den
beſten, ununterbrochen aufſchreibenden
Apparaten (Seismographen) wurde ge—
ſchaffen und damit dem vom Deutſchen
Reiche unterſtützten neuen Forſchungs—
zweig eine feſte Grundlage gegeben. Es
war nun der neugeichaffenen Einrichtung
die Aufgabe der Organijation geftellt
und dieſe zunädit innerhalb des Ge—
biete des Deutichen Reiches ins Leben
zu vufen. So wurde dad Reid in 11
Bezirke geteilt mit den Orten: Wachen,
Karlsruhe, Darmftadt, Münden, Göt-
tingen, Hamburg, Leipzig, Jena, Bres—
lau, Königsberg i. Pr. und Potsdam.
Diefe „Haupt-Srationen“ find mit vor:
züglichen, teilweiie ſehr komplizierten
Apparaten ausgejtattet, die ohne Unter—
bredung die mafrofeismischen (mit dem
Störungsherde in der Nähe), die mikro—
ſeismiſchen (von der weiten Ferne her
wirkenden), und die bradyleismiichen
(langjame Scmanfungen der Niveaus
fläche) Erjchütterungen aufzeichnen und
zur Bearbeitung tm internationalen
Syſteme vorbereiten. Zur Feititellung
eines Gebietes der mafrojeismiidhen Er: |
Ichütterung, aus welcher Feititellung nur
allein wieder allgemein verwertbare Er»
gebniſſe abgeleitet werden können, dienen
die Nebenjtationen. Jede der genannten
Hauptitationen iſt mit einer größeren
und geringeren Anzahl jolcher Neben-
ftationen umgeben.
Die bayerijhe Rheinpfalz ge
hört nah der getroffenen Einterlung
dem Bezirk Hefjen Darmftadt, Heſſen—
Naſſau an und es jollte dementiprechend
aud) wenigitend eine Nebenjtation
dajelbit eingerichtet werden, welde die
Begrenzung aller ſeismiſchen &ricei-
nungen und in erjter Linie die lang»
jameren Schwankungen der Niveaufläche
aufzeichnen fönnte. Das Fehlen einer
jolben Nebenjtation in der Pfalz, die
etwa ın Kailerslautern einge—
richtet werden könnte, wird bei
Forihungen der Seismologie, deren
Hauptaufgabe die Feititellung der „Seis—
mizität“, d. h. des ſeismiſchen Verhaltens
der Geſamterde iſt, wird in hohem
Grade jtörend empfunden, weshalb darauf
Bedahıt genommen werden müßte, dieſe
ſchwer ſühlbare Lüde auszufüllen. Die
„Bollihia”, als naturmilfenichaftlicher
Berein der Gejamt:Pfalz, hat fi denn
auch diejer wichtigen Angelegenheit an-
genommen und eine Kommiſſion er-
wählt, die in der Hauptveriammlung
am 29. Dftober v. %. in Bad Dürk—
heim durch eines ıhrer Mitglieder Bericht
eritattete. (Pf. Br.)
Eine barometrifrhe Anriohtät
haben wir gegen Mitte November er:
lebt. Schon am Ende der eriten
Oktoberwoche v. %. war dad Duedjilber
innerhalb vier Tagen in raſcher Be:
mwegung um 18,5 mm geftiegen, als
gleichzeitig ein Rieſenſonnenfleck die dies-
feitige Hälfte der Sonne pajfierte; er
war eine von drei ungewöhnlich aus:
gedehnten und lebhaft „tätigen Sraft-
quellen, die ihre Wirkung auf dev Erde
ehr prompt fühlen ließen. Vom 10,
bis 12, November aber, als die gleiche
Fleckengruppe wiederum vorüberzog, fiel
das Barometer in zwei Tagen um volle
22 mm, woraus fi denn auch das
mwechjelnde Wetter erklärt. Wetterftürze
von fo jchroffem Charakter find auf dem
Feitlande nicht gerade häufig; fie haben
aber ihre eigentliche, tiefere Urſache nıcht
in atmosphäriichen Vorgängen, jon«
dern find kosmiſch beeinflußte Er-
jheinungen, über deren nähere Be»
gründung man in abjehbarer Zeit noch
näheres erfahren wird.
9
Bimmelsfchan.
Wie die teilweife jehr auffälligen
Witterungsabuormitäten der zweiten
Hälfte des abgelaufenen Jahres manchen
veranlaßten, den Blick öfter nach denn
Wolkenhimmel zu richten, von woher
erfahrungsgemäß Wohl und Wehe für
Land und Leute kommt, jo wird gegen-
wärtig mancher zum geitirnten Himmel
aufbliden, jo oft es die neidiichen Wol—
fen oder der mildere Schein de Mondes
zulaffen. Zu jehen ift allerdings vielerlei,
was da in ruhiger Majeſtät feinen ge
heimmisvollen Gang geht, und wer ſich
an einem erhebenden Scaujpiele im
Jungfernfprung.
Freien erbauen will, hat gerade im
Januar die ſchönſte Gelegenheit dazıı.
Nidt ald ob man im Spätherbite jich
nit die gleihen Genüfje verichaffen
könnte! Aber wen zieht es, wenn es
nicht jein Beruf ift, in dem aflezeit auf:
geichlagenen Buche der Natur zu leſen,
in den jpäten Stunden nach Mitter:
nacht ind Freie oder nur ans Fenſter,
1
I
wo er der Gefahr ausgejegt it, feine |
löbliche Begeifterung für Naturichaufpiele
mit einer Erkältung zu büßen? Der
Liebhaber kann abwarten, bis die lang»
ſam fortrüdende Sonne allmählih mehr
die Schönheiten des Firmamentes und
jeine Überrafhungen in die Abendzeit
hereinrüdt, und das iſt gerade in den
kommenden Wochen der Fall. Wie ein
Wald oder ein Gebirge beſonders au—
zichende Stellen bat, wohin ſich der
Strom der Beſucher gerne und regel
mäßig mendet, jo gibt es auch am
— —
Sternenhimmel gewiſſe Bezirke, auf | weiten wird der Himmel wieder
denen das Auge des Kundigen immer | intereflant: da glänzt Hod oben der
wieder mit Befriedigung und Bewunde— | Schwan und darunter die Leier mit
rung ruht. Da. jteigt joeben allabend- | der glänzenden Wega. Ihr gegenüber,
(ih im Dften das glänzende Sternbild | unterhalb des Orion kommt der hellite
des Orion herauf: ein großes Viereck Firitern des geſamten Himmelsraumes
mit zwei Sternen erfter Größe links | über den Horizont herauf, Sirius,
oben und rechts unten, von denen der | aber gleihwohl nicht zu vergleichen mit
erftgenannte goldgelb ſchimmert; dar | Jupiter. Über unferem Haupte Hin
zwiichen in gleihen Abſtänden drei zieht in mildem Schimmer das zarte,
aligernde Edelfteine „im Gürtel des | unbeitinnmt begrenzte, bald flodige, bald
Drion.” Darunter, wie ein umge | unterbrocdene Band der Milchſtraße,
kehrtes Ausrufzeihen, befindet fih eine | Drion und Leier verbindend. Unterhalb
Eleine Sterngruppe, die aber eins der | der Wega aber befindet ſich der Ziel—
fonderbarften und größten Gebilde des | punft — per — der Sonnenbahn,
Himmeld enthält, den Drionnebel, | wohin die Reife auf unferen Welten:
ſchon mit einem Opernglaſe als janfter | Schiffe geht. Bon Polaritern hängt der
Lichthauch erkennbar. Leber dem Orion | „Eleine Bär” oder kleine Wagen fait
jteht das Stewnbild des Stieres, ge | jenfreht herab und quer darunter iſt
wöhnlich durch die Sterugruppe der | der „große Bär’ oder Wagen öſtlich
Plejaden (lucke) und den Haupt: | im Emporiteigen begriffen. Unjere Erde
ftern Aldebarann ausgezeichnet. Heuer | befindet jich mit Beginn des neuen Jahres
aber ſchmückt noch ein anderer Glanz: | — genauer am 21. Dezember ſchon —
punft diefe Gegend, der den Blick jofort | mit von der Sonne abgewendetem Nord-
auf fich zieht: der Planet Jupiter, | pole in Winteritellung, und nur dem
zwar nur ein Kollege der Erde in der | zeitlihen Nachinfen der Folgen einer
Bejellicdhaft derer, welche die Sonne in | minimalen Erleuhtung und Erwärmung
ewigem Laufe ummpandern, aber von elf | ift es zuzujchreiben, dat die Kälte erit
mal fo großen Durchmeſſer und faſt im Januar ihren Höhepunkt erreicht.
310mal jo großer Maffe. Seiner Rie- | Man muß aber nicht glauben, daß die
jengröße verdankt er feinen Glanz, denn | Entfernung der Sonne um dieje Zeit
die Sonne erleuchtet ihn mur ZT mal | größer wäre; im Gegenteile befindet ſich
ihwächer ald unjere Erde. Er jtand im | unjere Erde am 3. Januar am näch—
vorigen Winter im benadhbarten Sterne | jten bei der Sonne, 5 Mill. Kilo:
bilde rechts und wird um das nächite | meter näher als im Hochſommer, woraus
Neujahr iin Sternbilde der „Zwillinge“ | folgt, daß das Maß der Entfernung nicht
links davon jtehen, denn ev braucht fait | für den Charakter unſerer Se
12 Jahre zu einem Kreislaufe, der ihn | ausschlaggebend ift. In dev Neujahrs-
mitten durch den. Stier führt, wo er nacht endlich ging die: Erde durch jene
gegenwärtig zu finden ift. Gegen ihn | Richtung, welde der, Richtung des
ift fein Nachbar Saturn, der abends | Sonnenfluges genau entgegenge
etwa im Südweiten zu finden ift, ein | fegt it. Wer den Wunſch begt, über
unfcheinbarer Geſelle. Nurein Neunzigitel | gewiſſe, immer wiederkehrende aſtro—
unferes Lichtes erhellt ihn, jo daß auch | nomische Berhältniffe unterrichtet zu
eine über 9mal jo große Leuchtkraft | bleiben, wird gut tun, vorjtchende drei
gering ericheint. Im Weiten und Norde Überlegungen im Gedächtnis zu behalten.
Sickingene Tod,
Bon Dr. Earl Puid.
1. Wie neu befebe mit alter Pracht 2, Der Landgraf Bbilipp, der Fürſt von Trier
Er wiederum deutfche Kaiſermacht, Erboben des Pfälzer Kriegspanier,
Das ließ Franz Sidingen nimmer ruh'n, | Für fie war Sidingen allzugleich
Den Ländern der Fürſten web zu tun, | Nur Störenfried und ein Feind im Reich
Ron Landſtuhl, feiner Beite. | Auf Landſtuhl, feiner Weite.
3. Die Fürſten hatten fi drum bedacht
Und hatten viel Kriegsvolk aufgebracht,
Wo boffnungsfroh hinter Mauernſchutz
ER Eidingen bot jeinen Feinden Truß
u Landſtuhl, auf der Beite.
. Harıbaunendonner und Büchſenkrach,
Die brachten der Burg viel Ungemad,
Und Franz erkannte mit Sorg' und Not,
Daß batd feine Mauer nicht Schuß mebr bot
Zu Landſtuhl, auf der Beſte.
An jonnig blühendem Maicntag
Der Held dem Geſchütz' des Feindes erlag;
Die Landsknecht' trugen ihn till. beiſeit'
Und meinten in bitterem ig
Zu Landftubl, auf der Veſte.
. Nun übergab man dem Feind das Schloß --
Und als fie da kamen hoch zu Roß,
Trug Franz ihr Scelten in jtunmem Schmerz,
Sie ſahen verbluten ein Heldenherz
Zu Yandjtubl, auf der Beite,
7. Die Landsknecht' wußten's ihm Lob und Preis:
„Ein Nitter, wer fo zu jterben weiß!“
Wo Franz in Ehren fein Leben gab,
Da rubt er mit Frieden im kühlen Grab
Zu Landitubl, bei der Bejte.
Dfälsifche Sagen.
Herausgegeben von F. W. Hebel.
Mir 18 Abbildungen. — Elegant gebunden 2.40 ME,
Das Bud, beitimmt für Volk und Jugend,
für Haus und Schule, will unfere beimatlichen
—
|
Sagen, die immer mehr der Bergeflenbeit ans | Ausgang nahmen.
heimzufallen drohen, davor bewahren und fie
wieder dahin bringen, von wo jie einften® ihren
Dabei bietet e8 die alten
Rheingrafenitein.
pfälzifchen Bolfsdichtungen in der ihnen eigenen
ſchlichten und einfachen Darjtellung, nicht aber,
wie es bie und da immer noch beliebt if, in
weiter phantafiemäßigen Ausgejtaltung und ein—
gehender ſprachlichen Umarbeltung und Aus—
Ihmüdung. Neben dieſem Zwecke der Erhaltung
unferer Volksſage, melde „Angſt und War—
nung vor drm Böfen umd freude an dem
Buten mit gleichen Händen austeilt“, wird
durch die vorliegende Sammlung weiterhin be=
abjichtigt, insbefondere auf die Jugend einen
erzicheriichen Einfluß auszuüben, und in ber
Tat findet die Wahrheit der eben zitierten
Grimmſchen Worte auch in den „Bfälzifhen
Sagen“ ihre dolle Betätigung. Da mit ber
zunehmenden Stenntnis der Be und mit der
Erfemmmtis all ihrer Vorzüge ımd Schönheiten
die Yiebe zu ihr und damit zugleich zum weiteren
— IE —
re. und Norboitpfalz 16, für Haardt-
nebirg und Ada Täler 27, für Speyer und die
reich wirken. Rheinebene 18, für die füdlihe Pfaly 18, für
Vielfach tft die irrige Anſicht verbreitet, als Bweibrüderland und Bliesgegend 16, für Glan-
Baterlande eine Steigerung erfährt, jo dürfte |
ob unſere Balz fagenarm fei; das wäre denn tat und Nordmweitpfalz 14, für Nahetal und Um—
endlich das Buch auch in iefem inne jegend«
doch in einen Lande mit fo vielen Burg- und | gebung 7 Sagen. Dazu treten nuch einige zum
Klofterruinen gar verwunderlih. Manches, am | Teil jagenbafte Volkslieder. — Was die äußere
Ende wohl vieles iſt durch die Ungumnft der Ber: | Ausſtattung des Buches angeht, jo enthält das-
hältniſſe verloren gegangen. Aber dennoch darf | felbe 18 wohlgelungene Abbildungen von Dert-
unfere Sammlung reichhaltig genannt werben. | lichkeiten, an denen Sagen ſpielen. Außerdem zeigt
Zum Beweije deſſen fei aus dem Inhaltsver- der vornehme Einband in Prägedrud eine wenig be-
zeichnis, das die Stoffe in örtlicher Gruppierung | Fannte Zrifels:AUnfiht vom Jahre 1461. — Alle
und Marer Uebe fichtlichkeit bringt, angeführt, | diefe Vorzüge laſſen die „Pfälziſchen Sagen“ als
daß ſich ergeben: treffliches Gefchent für alt und jung erjcheinen.
Für SKaiferslautern und Umgebung 16 | (Die Abbildinngen find durch das Entgegenkommen
Sagen, für Alfenztal und Umgebung 16, für | des Berlags dem Buche entnommen.)
—
Unter dieſem Titel erfchten ſoeben eine hoch⸗ und Poeiiſchen im ſchlichteſten bürgerlichen wie
intereſſante Schrift aus der auf dem Kunſtgebiete im Öffentlichen Leben, in Architektur, Skulptur
äußert Fundigen Feder des f. Gymnaſialprofeſſors | und Malerei, ebenfo wie in Muſik und Literatur,
Hermann Baur in Burghaufen. An Furgen, | Erhaltung maleriiher Landfchaftsbilder, kunit-
markanten Zügen jchildert der Berf afler die be: hate Banten, denfiwürdiger Stätten, deutfcher
dauerlihen Einflüffe ausländiicher Kunſt auf | Bolfsitten umd Feite, Volkstrachten, Volks—
| lieder ufw. Um diefes gemeinfame edle Biel
zu erreichen, jollte ein jeder, der für Patertand
deutfhen Renaiflance, und micht mir Unrecht | und vaterländiiche Kunſt, Sitten und Gebräuche
ſchreibt ex die Geringfhägung, die wir bei Eng- | ein warmfühlendes Herz bat, dieſe berrliche
ländern, Franzofen uſw. finden, gerade diejen | Schrift lefen. Namentlich follten alle hiſtoriſchen
Hange zur Nachahmung fremder Kultur, Sprache Vereine, alle Mujeumsd- und Kunſtbereine dies
und Gefittung zu. Mit Worten flammender | felbe unter „seen Mitgliedern umd Freunden
Begeiiterung wendet firh der Berfafler dann an | verteilen. Die Brofchüre tit zum Preife von
das gefamte deutihe Volt und an jeden Ein- | 0.25 Mt. erhältlich in jeder Buchhandlung,
zelnen, ſich zu vereinen in einem großen Bunde ſowie bei der Verlagshandlung W. Trinkl in
—— deſſen Aufgabe fein foll: | Burghauſen (Oberbayern)
ahrung und Wicdergewinnung des Perfönlichen |
die Entwicklung deutjcher Kultur und deutfcher
Eigenart, namentlich zur Zeit der jogenannten
Gedenktage im Januar.
Beboren: ob. Hch. Bejtalozai, | (18491. — 8. Galileo Galilei, der zuerit und
Begründer des —* Erziehungs und Unter- am glücklichſten das neu erfundene Fernrohr
richtsweſens (1746). — 22. Gotth. Ephr. Yeffing, | auf den Himmel ammendete (1642). — 19. Hans
Reformator der deutſchen Nationalliteratur und | Sachs, der Nürnberger Metjterfänger und
des gelitigen Lebens in Deutjchland überhaupt, | fruchtbarite Dichter (1576. — 9. €. M.
Borläufer unserer Digterfürjten Schiller und | Arndt, Dichter der FFreibeitöfriege (1860). —
Goeihe (1729). — 24. — ur Große, | 31. Fr. Rüdert, fein Zeitgenoffe und Dichter:
König von Preußen (1712). - Rolfgung | follege (1866).
Amadeus Mozart, Neiftertomponiit von un— Aus dem großen Rricge: 15.-17.
verwüſtlich reicher Eigenart und Begründer einer | Schlacht bei Belfort: Werder fiegt über
neuen Zeit in der Muſik (1750). Bourbafi (1870). — 18. Wiederaufrihtung
Gejtorben: 4. Franz Xaver Sabels- | des Deutfhen Reiches in Verſailles.
berger, Begründer der Stenographie in 1871). — 38. Waffenftilljtand (1871).
Deutichland und Erfinder eines eigenen Syjtems |
nBalt: 1806 — 1906. — Das Weichbild von Kaiſerslautern. — Die Kaiſergräber in Spever.
— Berjpätete Schmwalben. — —* Jahresverſammlung der Pollichia. — Erdbebenforihung. — Eine
barometrifhe Suriofität. — Hinmelsſchau. — Sidingens Tod. Pfälziſche Sagen. — Heimat:
ſchutz. — Gedenktage im Januar.
Schriftleiter: Lech ec Ph. Sauth, Landituhl — ſermann Aanfer’s Der!aa, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
Die Pfalziſche Heimatkunde” Ffiet ithrlich in 12 Ge ften Mt. 250. Mer e'lumaen werden bon allen Buchhandlungen u
BVoftanflalten ferner vom Verleger (Bortofrere Etreifbandiendurg) angenommen.
II. Jahrgang.
Nummer 2
Februar 1906.
(
——
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
v
FMANKRENN A
—
Aus dem Ränberleben des Hühnerhabichts.
Ich durdhitreifte vor Fahren bujchie-
rend die Flur, ald außer Schußmeite
ein jogenannter Dreiläufer aufftand und
über das friich gepflügte Feld dem nahen
Walde zurannte. Da drang plöglicd
heftiges Rauichen durch die Luft mir ins
Dhr, und kaum hatte ich überraicht den
Blick aufwärtd gerichtet, jo ſauſte ſchon
der Hühnerhabicht wenige Meter ber
dem Haſen nieder und jchlug im Nu feine
Fänge in deſſen Weichen. Der Haie
brady unter der Wucht des Anpralls zu:
jammen und Elagte laut in dem ihm
eigentümlihen näfelnden Ton. Dod
ſuchte er ji wieder zu erheben und die
Laft abzumwerfen. Mit den Hinterläufen
zappelte und jchlug er auch, den Leib
ſchnellte er mit Anitrengung aller Kräfte
empor, er überjchlug und wälzte ſich und
rutjchte niedergehalten am Boden hin.
Mit ausgebreiteten Flügeln dedte ihn
der Habicht, der ihn mit Fängen und
Schnabel zu verwunden und zu betäuben
ftrebte. Zuweilen löſte ſich die Wolle
des Haſen in Kleinen Fetzen oder ein
fang war abgeglitten; eilig aber jchlug
ihn der Habicht von neuem in den Balg
ein, um fein Opfer fiber zu bannen.
Wıld funfelten des Räuber Augen,
Wut, unbejchreiblich leidenſchaftliche Hin-
gebung an den Augenbli der Zat, eine
Art Beraufhung unter der Wirkung der
Mordgier feffelte ihn an das wider:
ftrebende Opfer. Jetzt aber ward meine
Aufmerkiamkeit durch eine neue Er-
iheinung geteilt. Mehrere Krähen kamen
eilend, mit lautem Feldgeſchrei herbei;
ihr ſcharfes Gehör hatte die Klagetöne
de3 Hafen vernommen und ihr meit-
ichweifender Blick entdedte aus der
Ferne die feindliche Szene. Entichlofjen
griffen jie den Habicht an, indem fie ſich
mehrere Ellen hoch über ihn erhoben
und dann ihre Schnabelhiebe herabftoßend
auf ihn richteten. Dieſer beugte ſich
jedoch zurüdt und wehrte den Angriffen
mit freigehaltenem Yang. Das madıte
die Krähen vorjichtig. jo daß es jelten
eine Dderjelben wagte, dicht genug auf
ihn zu ſtoßen. Die Stellung des
Habichts wurde indefjen immer ſchwie—
tiger und unhaltbarer. Verzweiflungs—
voll Erallte er ſich an den Hajen feit,
während er mit dem abmwehrenden Yang
nah den Krähen hieb. In buntem
Durdeinander ward der Kampf jo eine
Zeit lang mit großer Erbitterung einer:
ſeits und mit hartnädfigem Widerftand
andererjeits fortgeiegt. Wolle vom Hafen
und Federn von zumeilen jid über:
purzelnden Krähen und dem Habicht
flogen davon. Endlich fonnte fi der
Räuber nicht mehr in feiner Doppel:
jtellung halten, ev mußte in der Be-
drängnis den Raub fahren lafjen und
mit dem Aufgeben desjelben war aud)
jein Abzug von dem Schlachtfeld ver:
bunden. Aber die Krähen, noch nicht
zufrieden mit ihrem Sieg, verfolgten
den meichenden Feind unter ftet3 er-
neuerten Angriffen, wobei der Fliehende
pur felten ſich zur einentliden Wehr
feste, jondern jein ganzes Streben dar:
auf richtete, außerhalb des Bereiches der
feindlihen Zeugen ſeines Raubanfalles
und jeiner ungeftümen Dränger zu
kommen. Weit in die Ferne ward er
von ihnen getrieben und dann erſt kehrten
diefe nacheinander zurüd. Wäre der
Hale von den Fängen des Habichts
tötlich getroffen worden, unfehlbar wür—
den die Krähen ihn nun zerfleiicht
haben, wie fie ed mit anderer Beute
auch machen, welche fie dem Raubgefindel
abjagen.
Wer ergründet aber die ganze Ab—
fiht der Krähen, dieſer anicheinenden
Polizeiwache der Felder, mit Sicherheit?
An dem vorliegenden Falle hatten offen:
bar zwei Beweggründe Anteil an dem
Unternehmen der ſchwarzen Gejellen,
einesteild der unaustilgbare Hab gegen
den Räuber der Lüfte, und andernteils
ein innewohnender Trieb, einem bedrohten
und bedrängten Tiere behülflich zu jein.
In vielen Fällen mag die eigene ange:
regte Raubluft ein wirkſamer Un:
trieb jein.
Der hervorragende Eharakterzug des
Habidts ift in dem eben geſchilderten
Erlebnis Elar genug ausgeiprocdhen. Die
ganze Familie der Habichte, von der
unjer Hühnerhabiht Haupt und Reprä-
jentant iſt, teilt diefen unbändigen Trieb
zum Raub und Mord. Wenn jchon der
gemeine Sperber, ein vergleichämweile
kleiner Räuber, fih in Seiten der Not
an alte Eihhörnden wagt, wie vielmehr
(afjen fid derartige und weit verwegenere
Angriffe von dem viel größeren umd
ftärferen Better — dem Hühnerhabidt
— erwarten! Sch ſelbſt jah, wie ein
Habicht eines Eihhörnchens habhaft werden
wollte. Fehlgehende Stöße, vergebliche
Sprünge von Alt zu At, mißlungene
Anwendung des Kreiiend um den Baum:
ftamm und die Äüſte, erfolglojes ftilles
Auflauern — alle diefe Unternehmungen
eugen von der großen Leidenichaft für
aub, Mord und Fraß. Die eriten
Angriffe find immer jähb und von
14
blinder Hingabe an den Augenblid be-
gleitet.
Ein Habicht, der auf Sperlinge ftieß,
welde ji in die Heden und Dornen
ftürzten, vermwidelte fi vor ıneinen
Augen dergejtalt in das Dorngeftrüpp,
daß ich ihn dort niederitredte Ein
zweiter jaufte während des Stoßes auf
eine in meiner Nähe Schu jucende
Taube jo diht an meinem Kopfe vorbei,
daß ich den Quftzug deutlich ſpürte. Es
ift died ein um jo wichtigerer Beweis für
die rajende Mordgier des Räubers, als
er e3 vermag, während des Stoßens
iharfe Wendungen zu machen. Wird
aber der einmal fehlitoßende Berauichte
ernüchtert, jo handelt er mit Überlegung
und Benugung jeiner Erfahrung. F
älter und erfahrener der Habicht iſt,
deſto mehr Liſt und Schlauheit wendet
er zu ſeinem Vorteil und zur Täuſchung
des auserſehenen Opfers an.
Der ältere, erfahrene Hühnerhabicht
iſt ein verſchmitzter, verſchlagener Räuber
und voller Verſtellungsgeſchicklichkeit.
Wahrlich, man fieht e8 dem Stillauernden
nicht au, daß fein Naturell heikblütig,
raſch enticloffen, zur Zat fortwährend
bereit if. Wit aufgeblajenen Federn
verweilt er ftundenlang an einem und
demjelben Bläschen fait regungslos, um
das Ziel feiner Hintergedanken zu er:
reihen. Aber in feinen wachen Blid
leuchtet unheimlich und verftohlen das
Feuer der Mordluſt; der Bau jeiner
kurzen, abgerundeten Schwingen, die
jegt loie am Leibe herabhängen, jpricht
für da8 Vermögen, den Bogel wie einen
Pfeil unter mächtigem Rauſchen durd
die Luft zu tragen und der über 15 cm
lange Schwanz verrät jeine Eigenſchaft
als wirkſames Steuerruder im Meer
der Lüfte. Und nun gar die zum Grei-
fen und Schlagen jo tücdhtigen „Fänge“
an den hohen befiederten „Läufen“ und
der ſeitlich zuſammengedrückte, von breiter
Wurzel in einer Wölbung jcharf zu:
laufende, gedrungene Schnabel, — welche
naddrudsvolle Waffen gegenüber der
unbewehrten Schar der Bögel und
Säugetieren!
Ya, diefer unermüdliche Wegelagerer,
der aus feinem Hinterhalt hervoritößt,
oder aus der Höhe herabrauidt, oder
tief an der Erde her, womöglich in ge:
dedtem Fluge die Tiere überraſcht, diefe
iogar noch auf der Erde im Sprung:
lauf durch @eftrüpp und bis im Die
Heden hinein verfolgt, er lehrt das
ganze Hontigent der befiederten Wald»
und Feldbewohner vom Faſan bis zum
Goldhähnden, vom Rebhuhn bis zur
Lerche, er lehrt das Federvieh auf dem
Bauernhof von der Gans bis zur Taube
und dem Küdjlein die ihnen zu gebote
ftehenden Rettungsmittel zu gebrauchen, die
weitaus am meilten nur Mittel der
Flucht find. Der todedmutige, tapfere
Haushbahn weiß ihm Freilich manchmal
zu begegnen und durch jeine Tollkühn-
heit Achtung einzuflößen. Nicht jelten
greift auch der Habicht deu Hamſter
und jelbft das ſich windende und beißende
Wieſel vom Boden auf, oder er gleitet
in leifem Fluge über das Waller des
Fluſſes oder Teiches Hin, um die Ente
zu erfaflen, welche ſich überraichen läßt
oder im Eifer des Ernährungsgeichäftes
den Hopf unter das Waſſer oder zu
tief in die Wafjerpflanzen geftedt hat.
Sein ſcharfer Sinn hat mit Hülfe
des vortrefflihen Gedächtniffes die Ab-
fiht des wiederholt am Badhufer nad)
den Wildenten ſchleichenden Schützen er-
foriht. Er weiß, daß er die Wildente
im Flug ohne große Schwierigkeit ftoßen
fann, während fie auf dem Wafler fait
immer vor ihm fiher ift. Wachen Auges
folgt er dem Schügen und benugt kühn
entichloffen den Augenblid, wo ſich die
Enten vor dieſem erheben. Dann fährt
er plöglich unter fie, Ichlägt eine der:
jelben und ftrebt mit ihr wiehernd vor:
wärtd. Sein Ungeftüm ıjt da zuweilen
Urfade, daß er, vom Hagel getroffen,
die Ente fahren laffen muß und ftatt
ihrer oder auch mit der gleichfall3 Ge—
troffenen zum legten Mal den Weg
zur Erde zurüdlegt.
Einit jah ich, wie eine Stodente
hoch in der Luft von einem Habichte
gejagt wurde. Die Ente, anfänglich dem
Berfolger bedeutend voraus, hatte fich
allmählih in fchiefer Richtung geſenkt
und jegt nocd einen Raum von mehreren
hundert Schritten bis zum Bette ves
15
Mohrbaches zurüdzulegen. Immer Kleiner
wurde der Abſtand zwiſchen Ente und
Habicht; da auf einmal Über den Spiegel
des Baches fuhr die Ente mit ihrem
langen Halſe nach unten und ftürzte fich
vor dem nur noch einige Schritte hinter
ihr her und nun über fie hinmeg Tau:
jenden Dränger turmhoch jäh in den
Mohrbad herab, daß das Wafler mehrere
Meter body Iprigte.
And die Elfter ift vor dem Habicht,
diefen lebendigen Schred aus der Höhe,
nicht fiber; er ſchlägt und trägt leicht
davon die von einem Baum zum andern
oder über freie Feld- oder Wiejenflächen
ftrebende Diebin; vie Geichlagene ftöht
verzweiflungsvolle Töne aus und ihre
Berährten erheben unter fehr erregtem
Bebahren lautes Gezänk. Insbeſondere
zeigt er fich au derartigen Angrıffen bei
Schnee und Kälte gereizt. Die belieb-
teften Plätze, wo er jeinen Raub ver:
zehrt, find deckende Heden und Hohlwege.
Ber ſolchem fortwährenden Bedadıt
auf Raub und Mord, jelbit dann, wenn
die jchwer zu ftillende Freßgier befriedigt
ift, läßt fi das Einzelleben des Habichts
und feine entichiedene Abneigung gegen
jegliche Gejelligkeit, jogar mit feines-
gleichen außer der Brautzeit, zur Ge—
nüge erflären. Hielten fih die Habichte
nicht gegenieitig in Meipeft, es würde
fiherlih wenigitens zur Seit der Not
einer den anderen ftoßen. Ein merklich
verlegter wird von einem andern ihn
wahrnchnmenden ohne weiteres getötet
und aufgefreffen. Beſonders zeichnet
ſich durch Unternehmungsluſt das jtärfere
und das Männchen um 10 em über—
ragende Weibchen aus.
Von zwei Jungen, welche auf einem
Horſte ſchon zur ſtattlichen Größe heran—
gewachſen waren, gelang es mir, das
Weibchen wegzuſchießen. Das Männchen,
hierdurch ſcheu gemacht, kehrte nur ſelten
mit Futter zum Horit zurüd. Als ic
von der Bemühung abjtand, das ulte
Männden ebenfalls zu erlegen und den
Baum nad einigen Tagen beftieg, wo:
rauf der Horit mit den ungen ftand,
war nur noch ein junger Habicht allein
am Zeben oder vielmehr überhaupt nod)
vorhanden; der jüngere war ihm zur
Beute geworden, wovon noch faum Die Unerfättlichkeit der jungen Ha—
nennenswerte Überrefte Zeugnis ablegten. | bichte nimmt die Sorge der Eltern fort-
Es bejteht fein Zweifel darüber, daß der | während in Anſpruch. Dadurch werden
Habicht unter Umftänden die Bande des | diefe nod) verwogener und furchtlofer bei
Familienlebens nicht in Geringiten achtet, | ihren Räubereien. Es ıft Tatſache, daß
und wenn man gar jeinen Charakter im | fie zu diejer Zeit in den Gehöften vor
Gefangenenleben kennen gelernt hat, wie | den Augen der Leute Hühner ꝛc. ichlagen.
ih, kann man ſich des natürlichen Ab— So fennzeichnet ſich jelbit dev mit
ſcheues nicht erwehren, denn da ift nichts | Recht von Beichügern der nüglichen Tiere
als Mord, der an den Genofjen fremden | gründlich gehaßte Habicht, und bei der
und verwandten Bejchlecht3 begangen wird, | geringen Ausdauer unddernocd geringeren
fobald diejfe nur bezwingbar find. Geſchicklichkeit, mit der ihm nachgritellt
Trog diefer unumftößlichen Tatiachen | wird, treibt er leider jein verheerendes
habe ich mich auch Hinlänglich von der | Unmejen in ausgedehntefter Weile. Zwar
großen Anhänglichkeit‘ der Habichte an | nötigt er durch jeine Gerwandheit und
ihre Brut überzeugt. Nie vergefje ich | insbejondere durch feinen zum Schuß
die hHaarjträubende Szene, wie mein | der Nachfommenicaft hochiteigenden Mut
jugendliher SKamerad, der als guter | dem mit diefen Zügen Bertrauten eine
Kletterer bekannt war und dem es ſonſt gewiſſe Achtung ab; aber als Mörder,
wahrlich nidt an Mut fehlte, im Horft | der keine Grenzen einhält und oft jeine
von dem Habichtspaare angegriffen wurde, | eigene Sippe nicht ſchont, und als wider:
als er die En ausnehmen wollte. | wärtiger Nimmerjatt, jomwie als Feind
Sie jegten ihm durch Flügelichläge und | des geielligen Lebens und Vorbild der
das Weibchen jogar durch Ankrallen an | ausgeprägteiten Selbſtſucht verdient er
jeine Kleider jo zu, daß er beinahe alle | ed ebenio wenig, eines Menjchen wie
beionnene Haltung verlor und mit ge | eines Vogels oder eines andern Tieres
nauer Not vom Baume herabfam. Freund zu fein. J. B.
Über Volksarzneipflanzen.
Gar mannigfach ſind die verborgenen Blaubeeren: getrocknet gegen
Säfte und Kräfte, die in den Pflanzen Diarrhbe.
ihlummern. Sind die Säfte der einen | Dide Bohne (Saubohne): die Hül«
u heilfräftig gegen bejtimmte | jen gegen Wafjerfucht.
Krankheiten und Leiden, jo vermögen Dornichleeblüten: mildewirfendes
andere ſolche hervorzurufen und jogar | Abführmittel.
den Tod herbeizuführen. Wir nennen Eibifchtee (Alteewurzel): gegen
hier die wichtigeren Volksarzneipflanzen Huften.
mit ihren gebräudlichen deutichen Namen. hei {
Leider weichen die volfstümlichen Be- | ERS AENS DE FIELDONUNGRDEHRUEL BER.
nennungen in den verjchiedenen Gegenden einer Samen bei Lungen:
jehr voneinander ab.
Aderveilhen: das Kraut wird an. | _ HLieder (Hollunder): die Blüten und
gewandt gegen den Ausichlag der Kinder. | Der eingedidte Saft der Beeren als
— Schweißmittel bei Erkältungen, die Blätter
Anis: Abkohung geaen Blähungen gegen entzündete Wunden, die Wurzeln
und Eranıpfartige Kolikzuſtände. und innere Rinde als harntreibendes
Brennefjel: der Samen gegen | Mittel. Fliedertee wirft blutreinigend.
Blutjpeien. Gundermann: dad Kraut gegen
Brombeerftraud: die Blätter ger | Lungen: und Harnkrankheiten.
trodnet ald Tee gegen Yungenfatarrh, Gänſefingerkraut: Abfohung mit
die Beeren getrodnet gegen Durchfall. Mil gegen Krämpfe.
Hausmwurz (Hauslaud): der aus:
gepreßte Saft mit Del beiBerbrennungen.
Huflattich: Blätter wirken auf ent:
zündeten Stellen und Eleinen Wunden
beilfam; vor Gebraud find die Blätter
nit warmen Wafler jauber zu waſchen.
Tee aus getrodneten Blättern gut gegen
Huften und Berichleimung.
Johannisbeeren, ſchwarze: die
Beeren in Branntwein als harntreiben—
des Mittel.
Kalmus: die Wurzeln bei Ver—
dauungsſchwäche.
Kamille: gegen leichte Berdauungs-
ftörungen, Leib: und Blafenichmerzen.
Königskerze: die Blüten ald Tee
gegen Wechielfieber.
Knoblaud:
Spulwürmern.
Lindenblüte: Tee davon ift ſchweiß—
erregend.
zum Mbtreiben von
Löwenzahn (Rettenblume): die
Wurzel gegen Gelbjucht; auflöiendes
Mittel.
Lilie, weiße: die Wurzel ald Brei»
umſchlag bei Abfreſſen (ſchwärenden
Fingern.)
Meerrettih: die Wurzel gegen
Appetitlofigkeit und Wafjerjucht.
Miſpel: die unreife Frucht gerditet
im Aufguß gegen Durdfall.
Mohn (Klatichroje): Blüten ge
trodnet als Bruſttee.
Nupbaum: die Blätter aufgekocht
in Wafjer gegen Skropheln und Haut-
ausichläge der Kinder; das Geficht mit
dem Aufguß gewaſchen,
Mückenſtich.
der Pferde.)
Pfefferminze: das Kraut getrock—
net und An Tee bereitet genen Magen-
ſchwäche, Magentrampf, Blähkolit, Durd;-
fal. Dieſe Pflanze jollte in feinem
Garten und feiner Haushaltung fehlen.
Beterjilie: der Samen und die
Wurzel gegen Waſſerſucht; auch gegen
Deren friſche Peterfilie zu
ee gekocht.
Dueden: die Wurzel gegen Unter:
leibsleiden.
Quitte: die Kerne gegen Durch—
liegen.
(auch bei wunden Stellen
ſchützt gegen |
17
ſohle gelegt vder innerlich
| wenigen Aufguß gegen Wafjerjuct.
Rainfarrn: die Blüten, Blätter
und Samen gegen Würmer.
Rettich: als Prekjaft gegen Keuch—
huſten.
Rosmarin:
urintreibend.
Salbei: die Blätter als Tee gegen
Verſchleimung und übermäßige Schweiße,
als Gurgelmittel bei Mund-, Zahn- und
Halskrankheiten.
Salep (Knabenkraut): gegen Darm:
katarrh.
Schafgarbe: die Blätter und Blüten
gegen Lungenblutungen und Unterleibs—
leiden.
Sellerie: die Knolle zu Brei ge—
kocht und oft gegeſſen gegen Gicht und
Rheumatismus.
Spargel: als Gemüſe reichlich ge
noſſen gegen Stein- und Blaſenkrank—
heiten.
Spitzwegerich: Tee davon wirkt
gutes Magenmittel;
ſchleimlöſend bei alten Lungenkatarrhen.
Stechpalme: die Blätter gegen
Gelbſucht.
Stangen-und Vittsbohne: die
Fäden der Schoten im Aufquß gegen
Waſſerſucht.
Sternmiere (Miere): zu Breium—
ſchlägen bei Abſzeſſen, ſchwärenden
Fingern, Blutſchwären.
Wermut: das Kraut als Ver—
dauungsmittel.
Wachholder: die Beeren bei Wafler-
fucht; dem Sauerkraut beigefügt, ver-
leihen fie ihm bejonderen Wohlgeihmad
und Verdaulichkeit.
Binnkraut (Schadtelhalm): gegen
Naienbluten und Harnbejchwerden.
Baunrübe: die friihe Rübe im
Scheiben geichnitten und unter die Fuß—
in einem
Dean fieht aus der Zujammenitellung,
daß die Natur nicht nur Wunden jchlägt,
jondern auch in den der Pflanzenwelt
innewohnenden Kräften und Säften die
Mittel an die Hand gibt, diejelben
wieder zu heilen. Indeſſen jollen dieſe
Mittel nur bei leichten Erkrankungen
angewendet werden. Nimmt die Krank—
beit einen ernfteren Gharafter an, ſo
verfäume man nicht, einen Arzt zu
Nate zu ziehen. Aber auch die Kraft,
ung zu Freude und Frohmut anzuregen,
wohnt dev Pflanzenwelt inne; denn die
18
Narur bringt Hopfen und Gerjte hervor |
—
und Wein, von dem es ſchon in der
Bibel heißt, daß er des Menichen Herz
erfreut, und den bereits die Alten als
Sorgenbrecher rühnten. (9. Tabl.)
NHennkirchen nnd Meukirchen.
Zwei pfälzer Ortönamen.
Bon D. Häberle, faiferlicher Rechnungsrat, Heidelberg.
Grenzfteine, Orts- und Ylurnamen
find eine Geidichtäquelle, die bei Ab»
taffung von Dorichronifen durd richtige
Deutung ein reiches Material an dic
Hand geben können und Borgänge oder
Berhältniffe veritehen laffen, von denen
wegen der Ipärlichen Überlieferung aus
dem frühen Mitrelalter keine Kunde auf
und gekommen ti. Während ich mit
den Flurnamen der Pfalz und ihrer
aefhichtlichen Bedeutung Gyinnafialreftor
Ohlenſchlager in München ın einer be
jonderen Schrift beichäftigt bat. iſt für
die Deutung pfälziicher Ortsnamen, ab:
geiehen von den Veröffentlichungen des
Profeſſors Heeger u. a. für cinzelne
Gebiete, noch wenig neichehen, obwohl
ihon aus dem Namen an und für fich
auf die Zeit und den Zweck der Dorf:
anlage, die Gründe, tele für die Be:
nennung maßgebend waren md jogar
die Stammesangehörigkeit der eriten
Koloniften geichloffen werden kann. An—
regend für jolde Studien wirken die
Werfe von Meigen: „Siedlungen und
Wanderungen deuticher Stämme”, Ar:
nold: Anfiedlungen, Lamprecht u. a.
Als Beweis für die voritehenden
Ausführungen mögen die beiden Prälzer
Dörfer Neunfirhen am Potzberg und
Meufichen bei Kailerslautern dienen.
Die jegige Schreibart des eriteren als
Neunkirchen iſt inlofern unzutreffend,
als es jeiner Ableitung nach richtiger
Neukirchen genannt werden müßte, da
es bereit8 936 ber Verſchenkung feiner
Hauptfirche durch Otto I. an das Wormſer
Domftift als Niunkirche — Neunfirche
erwähnt wird und wohl feine Gründung
befehrungseifrigen, chriſtlichen Sendboten
aus den benachbarten Remigiuslande
zu danken bat.
Ganz anders liegt es mit Neukirchen,
das bei jeiner eriten Erwähnung (1185)
und auch im Ipäteren Mittelalter als
Nunkirchen, dann audı alö Neunkirchen
ericheint. Die Silbe Nun — Nunne oder
Nonne, abd. nunna, jeltener mit einem n
geichrieben, läßt vermuten, daß die rich
tige Schreibart der Entwidelung der
Sprache folgend, jegt Nonnenfirche zu
lauten hätte und das heutige Dorf aus
einer um die von Nonnen gegründete
Kirche angelegten Siedlung vielleicht im
Anihluß an eine bereits vorhandene
kleine Niederlaffung, entitanden iſt, doc)
it aud eine Ableitung aus Niun, zu—
janmengezogen aus Niuwenkirchen
Neukirchen nicht ausgeichloffen, wenn
anftatt vom hiſtoriſchen vom jprad)-
geichichtlihen Standpunkt ausgegangen
wird.
Das nächſte Nonnenklofter war das
der Prämonftratenjerinnen im benadı):
barten Enkenbach, welches 1148 bei
feiner Begründung durch Ludwig Graf
Arnitein und Dunfried von Alienborn
zuerit dem Kloſter Müniter- Dreiien
und dann vorübergehend der Ciſterzienſer—
abtei Otterberg unterftellt wurde. Da
legtere nur vier Jahre früher gegründet
worden war, beitand zwiſchen Dielen
beiden geiftlihen Niederlaffungen an:
icheinend eine gewiſſe Rwalität, und
Enkenbach jegte mit Erfolg alles daran,
wieder unter die Dberaufficht von Müniter-
Dreiien zu kommen. Hierzu traten noc
materielle Differenzen, weil Otterberg
mit feinen Aniprüchen auf das Enfen-
baher Wiertel der Wuldmarf ein ob:
fiegendes Urteil aemwann. Vergl. hier-
fiber die interejlanten Aufſötze von
Pfarrer Stod in Sembah über die
Waldmark, Feierftund, 1899, Nr. 43 — 45.)
Da im Lagerbud) des Kloſters Enken—
bad von 1567 (Kreisarchiv zu Speyer)
en Zeil der Neukicher Gemarkung vom
huchgelegenen alten Kirchhof, bei dem
früher die Kirche itand, nah dem
Fröhnerhof Hin „Schwanden“ genannt
und diefe Flurbezeihnung als Rodung
im Walde durh Brand (Neubruch) ge
deutet wird, jo ift die Vermutung nicht
von der Hand zu meilen, daß die
Nonuenkirche ichon frühe von den Prä-
monftratenjerinnen auf einem Zeil der
ftrittigen Waldmarf, deren genauere
Begrenzung erit aus dem Jahre 1277
datiert, und die dann ſpäter, als 1254
die Enticheidung zu ungunften von
Enkenbach getroffen worden war, an die
Abtei Dtterberg fiel, angelegt wurde.
Dafür iprehen auch die eigentümlichen
Mechtöverhältniffe, weil bis zur Eins
ziehung der beiden Klöſter und Errich—
tung einer eigenen CEdultheißerei in
Neufirchen, des jogenannten Büttelamtes,
durh Kurpfalz dad Miedere Gericht
dajelbft durch den Abt von Dtterberg,
dad Obere Gericht dagegen durd den
Probſt von Enkenbach ausgeübt wurde,
„mit der Beredhtigung, den Schultheiß
au jegen und zu entjegen‘. In einer
Nenovation des Klofters Otterburg von
1488 wird das Niedergeriht in Ne:
kirchen auch das Schwander Gericht ge-
nannt. Wenn auch Frey II., 127, Neu:
kirchen als eine Zubehör zur Burg und
Stadt Lautern aufgefaßt haben will,
und die Ritter und Brüder Rudolf und
Johannes von Neukirchen 1185 als
Zeugen bei der Ausjteiungsurkunde des
Dtterberger Klofterbezirfes zitiert, To
beweifen doch die Anichriften auf den
zahlreichen, die Neufirher Gemarkung
gegen Enkenbach, Daubornerhof ujw.
abichliegenden alten Grenziteinen, daß
Neutirhen ſchon fehr früh zur Mbtei
Dtterburg gebört haben muß. Da die
Beihnungen im Laufe der Jahrhunderte
durch Bermitterung oder mutwillige
Beichädiqung mehr oder weniger uns
fejerlihh geworden find, mag bier nad)
der Velmanſchen Beichreibung aus dem
Jahre 1600 eine Schilderung derjelben
folgen, um Intereſſenten ein Vergleichs—
mittel an die Hand zu geben: Sie tragen
auf der, dem früheren Otterberger Befik
zugewandten Seite zunächſt zwei jogen.
Eideshände, dargeftellt durch je zwei
gegeneinander geneigte Striche, dazwiſchen
den gefrünmmten Abtſtab als Hoheits—
zeichen, der mitten durch die Buchſtaben
ottbg und das darunter befindliche
Dtterberger Wappen mit den drei Eich—
hörnchen, wohl richtiger Ottern, verläuft.
Ein beionders wohl erhaltener Stein im
alten Aınjeltale, der aber zur Abgrenzung
der Waldmarf gegen den Wartenberger
Beſitz diente, dicht neben dem Aufftieq
der Kaiſerſtraße von der Eſelsfürth nad
den Fröhnerhofläßtdieie Zeichen heute noch
deutlichertennen. Eine Ausnahme bildet der
Grenzftein neben dem Weg von Enkenbach
nach Niedermehlingen an der Weinfurt,
aufden, anicheinend bei Säfularifation des
Kloiterd 1559, das kurpfälziihe Wappen
nadıträglich mit aufgelegt wurde.
Dafür, daß Nuntirhen ald Nonnen:
kirche zu deuten ift, möge die auf weit:
hin fihhtbarem Bergrüden in der Nähe
von Simmern als Einzelbau fich erhebende
heutige Nunfircche, eine Gründung des
Frauenkloſters NRavengieröburg, an der
merkwürdige Überlieferungen haften, ala
Beweis dienen. Wegen ihrer zentralen
Lage bildete fie früher in fommerzieller
und rechtlicher Beziehung den Mittelpunkt
des Kloftergebieted. „Hier wurde (nad)
denn Hunsrüdführer) eines der beiden
Handgedinge des Gotteshaufes gehalten
zum Schuß von Straß und Weg, von
Waſſer und MWeid, zur Prüfung und Er:
haltung von Maß und Gewicht; auch
peinliche® Gericht ward bei ihr geübt.
Zum Galgen in Nunkirchen Itellten die
Bewohner von Tiefenbach) 2 Steil(Pfoften),
die von Riesweiler die First (Duerbalfen),
die von MWeidelbah 2 Leitern, die von
Holzbach Kordel und Geil, die von Bub-
jtof einen hähen (hainbuchenen) Knebel,
die von Ohlweiler das Siedel, da die
Richter figen, die von Auen dem Nadı-
richter einen Stuhl, die von Mengericied
den Waſumb, d. bh. die Binde zur Be:
deckung des Angelichts des Gerichteten.”
Dur dieſe Arbeitsteilung wurde der
Schimpf vermieden, weldher aus der an—
rüchigen Hantierung für die Beteiligung
an andern Orten oft entſtand.
Auch ein großer Markt finder anfangs
September bei der Kirche ftatt, welder
jedoch, wie alle diefe Volksfeſte, im Laufe
der Zeit an Wichtigkeit verloren hat;
dagegen bildet der neu erbaute Bismarck—
turm einen Anziehungspunft für die ganze
Umgegend.
Menn auch unjer Neukirchen dieje
Bedeutung ald Mittelpunkt eines ganzen
Bezirks wegen der anders gelagerten
20
|
Berhältniffe nicht gewonnen hat, da der
jogen. „Kreis“ nad den benachbarten
Kailerslautern konvergierte, jo konnte
doch die anicheinend gleiche Veranlaſſung
zur Dorfbenennung hier nicht Übergangen
werden, zumal die Findigfeit des Abts von
Ravengierdburg weitere Kreiſe im Anichluß
an die Beröffentlihdungen von Herrn
Küchler in der Feieritunde über den Lautrer
Soldatengalgen interejfieren dürfte.
Das Aalkfleingebiet der kleinen Aalmit.
Ueber die kleine Kalmit bei Arz- | Ausdehnung des ganzen Gebietes be-
heim jchreibt Auguft Beder (Die Pfalz
und die Pfälzer ©. 397) u. a. Folgendes:
„Die Eleine Calmit ift nur ein Hügel,
aber in mehr als einer Hinfiht beachtens-
werth. Sie erhebt fich zwiichen dem fteil
abfallenden Rande des Gebirges und der
Stadt Landau als höchſter Punkt des
Landrüdene, der das Thal der Queich
jüdlich abgrenzt. Oeſtlich dacht fie ſich
allmählig ab, weſtlich jedod; ziemlich
ſchroff, und gewährt von ihrer frei nad
allen Seiten fih bis zu 900 Fuß —
272 m — erhebenden Kuppe eine präd)-
tige Rundfict, befonders auf die Schluchten:
reihe Gebirgäfette der Vogeſen, vor der
fie liegt. Die Franzoſen nannten die
fleine Galmit „le rocher blanc*, der
weiße Feld. Sie befteht aus weißgrauem
dürrem Geftein, aus Tertiärkalf, der aus
gezeichnete Conchilien*) enthält, und in
zerflüfteten, grobmafligen, fteilen und
zeriplitterten Fyelien in dem Gebrüche
gegen die Straße zu Tage tritt.”
Diejes Kalkiteingebiet erftredt fich
vom Dorfe Ilbesheim in der Richtung
von Süden nah Norden, weftlih am
Dorfe Arzheim vorüber, bis hart an
den von Ranſchbach herabtommenden
Bach gleihen Namens, ja es fett fich
auf deffen nördlihem Ufer in nordmweft-
liher Richtung fort, allerdings äußerlich
nicht mehr fihtbar; hier tritt der Kalk—
ſtein nicht al8 großes Lager auf, ſondern
in @eftalt von og. Findlingen, daher
der Flurname „im Steingäſſel“. Die
)d. h. h. verſteinerte Schalen von Weichtieren
2 ufw.). Solche findet man häufig,
jelten jedoch ein größere® Eremplar.
trägt etwa 2!/s km in der Ränge. Gegen
Dften zu ift der Landrüden der kleinen
Kalmit angebaut als Wderland und
Wingerte. Auf der Höhe wächſt ein
guter Wein, denn der Kalkboden befigt
jo ziemlich alle Hiezu notwendigen Bor-
bedingungen umd Eigenſchaften. Im
übrigen iſt der Boden, ſoweit das Terrain
von alter® her noch brach liegt, mit
einem niedrigen Graswuchſe überzogen
und ſomit geeignet zur Viehweide umd
als folche auch tatlächlid; benügt. Bor:
zugsweiſe find es Biegen, welche dorthin
getrieben werden. Auch Arzhein hat
jeine „Geißbuben“, die zum mindeſten
nicht bräver find als die andermärts
auch; ıhre „Hirtenerfebnifje* und Aben-
teuer find jehr mannigfaltig.
Die Trodenheit des Bodens bedingt
eine dem Kalkiteingebiete eigentümliche
Flora, welche dem Botaniker ein dankens—
wertes Arbeitsfeld bietet. In der Tat
ſah auch die Kleine Kalmit viele Bejucher
von nah und fern, die gerade zu dieſem
Bwede dahin gefommen waren. Bon den
verjchiedenen, jonft Yeltener auftretenden
Pflanzen jeien nur erwähnt die beiden
hübſchen DOrcideenarten: Ophrys mus-
cifera Huds., fliegenähnliche Frauenträne,
und Ophrys Arachnites Murz., jpinnen»
ähnlihe FFrauenträne, im Volke nur
„Mücden und Spinnen” genannt. Gehr
zahlreich anzutreffen ift die Pulsatilla
vulgaris Mill., die gemeine Kuhſchelle.
Mit diejer Blume vergnügen ſich be-
fonders gerne die Kinder, indem fie dar
raus Kränze und Sträuße winden oder
aber die Zweige der dort in Menge
wachſenden Schlehdornheden in der Weije
ihmüden, daß fie auf die Dornen folde
Blumen fteden und das Ganze mitunter
auswärtigen Bejuchern der Kalmit gegen
ein £leines Entgelt überlafjen.
Bei der großen Bedeutung des
Kalkſteins ald Baumaterial iſt jeine
Ausbeutung an diefem Orte natürlic)
eine jehr alte. Beſonders ift der rechts
der Straße von Aızheim nad) Ilbesheim
liegende nördliche Abhang - der kleinen
Kalmit, der jog. Steinberg (früher
„Steinweide“ und „Steinert“ — Steinerde
genannt) im Laufe der Zeit ausgebeutet
mworden, zieht ja unmittelbar an jeinem
Fuße die fränfiiche Heeritraße, der jog.
Weißenburger Weg, vorüber! Große
Schuttmaſſen ringsum find übrig geblieben
und vor mehr als hundert Fahren mit
Nupbäumen*) bepflanzt worden. Boden
und Bäume find Eigentum der Gemeinde
Arzheim; Nüffe und fallendes Laub werden
jedes Jahr zur Meifezeit öffentlich ver-
jteigert. Weil nahezu das ganze Kalk:
gebiet in Banne der Gemeinde Arzheim
liegt, dieje aljo Eigentümerin des weitaus
größten Teiles ift, jo wurde naturgemäß
vor allem von Arzheim aus der Abbau
und zwar vorerft des dem Dorfe zunädit
liegenden „Steinberges“ betrieben, wäh.
rend jegt mehr die im engeren inne
jo benannte Kalmit die meisten Steine
liefert. Früher fand der Kalkitein eine
größere Berwendung als heutzutage,
er war nicht bloß Mittel zur Herftellung
des Mörteld, jondern wurde aud als
Bauftein benügt. Eine große Zahl älterer
Wırtichaftsgebäude (Scheuer, "Stall,
Kelterhaus ujw.), jogar viele Wohnhäuſer
beitehen aus lauter Kalkitein, wozu fich
die Findlinge reht gut eigneten. Da—
neben fand der Kalkitein Berwendung
als Dedmaterial der Straßen, als
Pflafterftein für die Dorfgaffen; heute
freilich ift das anders geworden.
Nod vor wenigen Jahren dedten
viele Kalkbrennereien und Biegeleien der
Lorderpfalz ihren Bedarf an Kalkſteinen
zu Arzheim, allen voran die Herrheimer.
Schon vor mehr denn 200 Fahren war
*) Für durchmwandernde Zigeuner find biefe
roßen Bäume famt ihrer Umgebung ein be-
tebter Mufenthaltsort.
21
das jo. Als im Jahre 1516 Arzheim
zum Hochſtifte Speyer kam, da fand ſich
in dem meugebildeten Amte Medenburg
noch feine Ziegelhütte, erit im Jahre
1527 ward die erjte gebaut zu Arzheim,
unmittelbar an der Weitfeite des Stein:
berges; heute allerdings ift jie dem Erd-
boden gleihgemadt und nur der Name
der „Biegelwiefen“ bewahrt noch ihr
Andenten. Der Erbauer, Nıkolaus
Biegler von Godramftein, ſchloß mit der
Gemeinde Arzheim im Jahre 1529 einen
Vertrag, demzufolge er der Gemeinde
das Achtel gebrannten Kalkes um einen
niedrigeren Preis (1 Albus) als ven
Privaten, dem Landesherrn um neun
Pfennig auf die Medenburg liefern mußte.
Am Sahre 1562 wurde ihm reip. feinem
Nachfolger jeitend der Gemeinde die Er:
höhung des Lieferungspreijes auf adıt-
zehn Pfennige zugeftanden. Dafür hatte
er gemäß des Vertrages von 1529 neben
anderen aud noch dies Vorrecht: er
durfte umentgeltlih „uff dem, jtein
graben” und zwar dort, „wo man ed
ihm anweiſt“.
Früher wurde der Kalkſtein wirklich
gegraben, indem er von der Oberfläche
aus ſchichtenweiſe abgehoben wurde. So
kommt es, daß beſonders auf der Höhe
der Kalmit der Boden viele Unebenheiten
zeigt. Am beſten wird dies bewieſen
durch die Tatſache, daß man in einer
Tiefe von etwa 30—40 em mitunter
aufzerbrocdhene und zerichlagene Conchilien
jtößt, die [oje umberliegen. Später wurde
der Berg vom Weftabhange aus in An-
griff genommen, mwodurd die jegigen
Steinbrüde entitanden find. Nach
Erbauung der Ziegelhütte treten jozujagen
zwei Unternehmer auf zur Ausbeutung
des Kalkſteines, der Arzheimer Ziegler
und die Gemeinde jelbjt. Lettere ließ
die Steine von den Abnehmern jelbit
ausgraben und verkaufte ſie dieſen —
auswärtigen Kalkbrennern und einzelnen
Gemeinden wie Privaten. Unter den
Abnehmern finden fih 3. B. jolde
aus Herrheim (1698 und jpäter), aus
Wollmesheim und Germersheim (1724),
die Gemeinden Rohrbach und Leimersheim
(1725), die Gemeinde Mörzheim (1728)
ufw. Sehr viel Kalk wurde geliefert
— ———
an Private zu Landau (1725, 1728 u. Bürger gegen Erlegung einer kleinen
ſ. f.), mußte aber auch unentgeltlich zum Gebühr, Kalkſtein zu brechen. Das war
Baue der Feltung Landau in den Fahren | fiir ärmere Leute eine gute Art Winter:
1688—90 abgegeben werden. Der un- | beihäftigung; Ablag fanden fie immer.
gebrannte Kalfitein wurde nad Klaftern Selbit die „Geißbuben“ fanden Gefallen
verkauft; der Preis für ein Slafter | und Unterhaltung an diefem „Geſchäft“,
belief fih 3. B. in den Jahren 1724 | das fie jedoch gebührenfrei betrieben.
und 1725 auf 1 Gulden, 1728 dagegen | Einige Arzheimer befchäftigten fih fo
bezog ein Bürger von Landeu 83 Klafter, | das ganze Jahr hindurch und gaben den
aA 30 Kreuzer = ("a Gulden), während | Anftoß zur Deritellung von Brennöfen
die Gemeinde Mörzheim für das Klafter | ummittelbar beim Steinbrucde. In legter
im jelben Jahre 11 Bagen (1 Baten = | Reit pachteten die Ziegeleibeſitzer ein
8 Kreuzer) 8 Pfennig zahlen mußte. | größeres Terrain und laffen nunmehr
Ein Wagen Kalkfteine wurde in der | durch ihre Taglöhner die Kalkiteine graben
Regel mit 2 Bagen bezahlt. — Der | bezw. brechen. Mit dem Verſchwinden
Ziegler mußte der Gemeinde den Kalk | der Ziegelei, vor etwa 30 Jahren,
in gebranntem Zujtande liefern ; für das | änderte fi zwar das Wild, die wirt:
Malter erhielt er (wenigjtens jeit 1684) | ichaftlihe Bedeutung der Eleinen Kalmit
3 Batzen. Außerdem mußte ihm much | jedoch ift geblieben, wenn fie ſich aud
ein bejtimmtes „Meßgelt“ und, wenn | mehr zu gunjten des Weinbaues ver-
er den Kalk an Ort und Stelle lieferte, | jchoben Hat: dem trodenen und jonit un:
der „Laderlohn“ bezahlt werden. fruchtbaren Kalkboden ſucht man ein
In ſpäterer Zeit gab die Gemeinde edleres Naturprodukt abzuringen.
ihren „Betrieb“ auf und erlaubte jedem J. Weber.
Heimat und Heimatkunf*)
Die große Jahresverſammlung des | Scherhol auffommen. Fern im Norden
Vogeſenklubs fand voriges Jahr im nörd- | leuchten im freundlichen Lichte der hellen
lichſten Zipfel des Randes, in Weißenburg, | Morgenfonne die ſchimmernden, weißen
jtatt und die meilten Teilnehmer werden | Gemäuer der weitläufigen Madenburg,
wohl der Einladung der Weißenburger | deren Ausficht obne leihen ift,; weiter
Sektion folgend hinauf gepilgert fein | djtlich davon ragt aus der Queichtalſenke
zum beliebten Ausflugspunft der Weißen: | bei Annweiler die ſchlanke Bergpyramide
burger, zu ihrer Scherhol, die dem Be: | des Scharfenberg mit ihrem feinen Berg-
jucher von der Zinne ihres elegant und | fried, die dftlichfte der Zrifelsburgen;
geihmadvoll erbauten Ausjichtsturmes | miehr tm Vordergrunde ragt auf der
eine fo weite, eigenartige Rundfiht dar- | grüne Bergfegel des Gutenberges, der
bietet über das Wäldermeer der Nord» | auf feiner Höhe noch die fümmerlichen
vogefen, über den alten Wasgau, den | Muinenreite feiner Burg zeigt. Drüben
die Burgenromantif und die Wälderpoefie | der Stäffelsberg und die jagenhafte Peter:
miteiner lichten Aureole vergoldet. Wunſch- nefl erinnern an die Bohänmermetropole,
land, Traumland möchte man's heißen, | das aufblühende Bergzabern.. Dann
jenes Fzledchen Erde, wu Bergeund Burgen, | wieder verliert fich nah Nordweften der
landichaftlide Schönheiten und geichicht- | Blid in dem fatten Grün der weiten,
liche Erinnerungen in gehäufter Fülle | hohen, fühlen Buchen- und Eichenmwälder,
das leibliche und geiftige Auge entzüden. | die den langen, breiten Bergwall der
Eine Ahnung von den wunderbaren, | hohen Droit und das Maſſiv des Boben-
keuſchen Reizen dieler einzigartinen Qand- | taler Anopfes bededen und jenen jelt-
ſchaft läßt ſchon der Ausbiit von der | ſamen MWintergäften, den Bohämmern,
*, Ded wig, Roman aus dem Wasgau don Auguft Beder. (Halferslautern 1905, Ber’
lag von J. 3. Taſchers Buchhandlung).
reihe und fette Nahrung bieten. Ein
Stückchen, gerade die oberfte Spike des
Gemäuers des Lindelbronn, ſieht das
fundige Auge Hinter dem Ausläufer des
Bobentaler Knopfes herüberguden. Dann
aber fieht man die Felſenwunder des
Dahnerlandes und fie jelbit, die weitläufige
Burg Dreifaltigkeit von Altdahn, Grafen-
dahn und Tomſtein. Ernſt und groß,
beinahe greifbar nahe, ragt aus dem
Bergegewirr der machtvolle, Doppelgipflige
Bergrüden auf, der die Wegelnburg,
die Hohenburg, den Lindenichmidt auf
freier Höhe trägt. Ganz im Weiten
verſchwimmen die jagen: und mythen—
reichen, einfamen Bergwälder von Bitſch
und Niederbronn.
Es mag wohl im Herzen manches
Vogeſers damals auf freier Bergeswarte
der ſehnſüchtige Wunſch fich geregt haben,
ad, könnte ich doch auch einmal die Berge
und Täler durchſtreifen, über die jet
jo leiht das jchönheitsirunfene Auge
bineilt. Bei manchem wird es ein frommer
Wunſch bleiben, aber audı ihm kann ge:
holfen werden. Wenn er mit Dichters
Auge diejes Ländchen ſchauen will, dann
will ich ihm einen verraten, feinen trodenen
Wegmarkierer, jondern einen lebeniprühen:
den, gemütvollen Wasgaudichter ; ich meine
Auguft Beder mit jeinem Heimat- und
Wasgauroman „Hedwig“.
Bücher haben ihre Scidjale.. Das
läßt fih aud von diefem Buche jagen.
Unter diejen Titel hat der Verein
für Volkskunde und Mundartforihung
das 1. Heft umfänglicherer Beröffent:
lihungen nah Sammlungen ded Herrn
Lehrer Klceberger in Qudwigshafen a. Rh.
(Bgl. ©. 39 vorliegender Monatsichrift!)
im Jahre 1902 im Berlage eben ge
nannter Schrift herausgegeben. Nach
dem Vorwort des 1. Heftes ſoll dieſes
als Durchſchnittsbild einen Überblid über
das einihlägige Forihungsmaterial und
ein Borbild für ähnliche Arbeiten gewähren.
Beim Durchleſen diejes Heftes fanden
wir, daß es wirklich ein Durchſchnittsbild
liefert ; denn für manche Gegend unjeres
23
|
Auflage in die Welt hinaus. Und viel
leicht erit jet nadı 40 Fahren wird die
Beit für den Roman gekommen fein.
Das liegt im Charakter des Buches und
im verjchiedenartigen Gepräge der da-
maligen und der jegigen Bet. Bor
40 Jahren noch waren die Menjchen
ihollentreu, die wirtichaftlihen und
Berfehrsverhältniffe, die ja hierin von
ausschlaggebender Bedeutung find, waren
noch derartig, daß der größte Teil aud
der Gebildeten, vornehmlich aber des
Bürgerftandes, ihre Lebensheimat in
ihrer Jugendheimat finden Eonnten,
Die Menſchen verjpürten fein nagendes
Heimweh nad ihrer Heimat. Sie ver-
ſteht und jhägt man ja immer erft
dann als koſtbares Gut, wenn man fie
niht mehr hat, wenn man aus der
Ferne mit jehnfüchtigen Augen nad ihr
bliden muß. Eine Fernwirkung ift es
denn auch, daß wir an unjerer Heimat
dann nicht mehr die ftörenden gemöhn-
lihen Züge des nüchternen Alltagslebens
ſehen; es liegt dann eine hehre Feiertags—
ftimmung über ihr und eine verklärende,
vom Zauber der Romantik umfloffene
Aureole umftrahlt fie. Damals empfanden
die Menſchen kein Heimweh, eher erfaßte
fie mandmal ein Fernweh, ein heißes
Berlangen, au einmal von der Scholle
loszukommen, ſich Hineinzutauchen in den
raujhenden, braufenden, wirbelnden
Strom fonzentrierten Welt- und Men-
ſchenlebens. (Schluß folgt.)
eimatlandes brauchte man nur einzelne
triche zu ändern oder beizufügen, um
einen andern Schrifttitel zu rechtfertigen.
In Erwägung, daß kein anderer
Stand im Ganzen in jo naher Beziehung
zum Bolfe und feinen Kindern fteht und
daher Gelegenheit hat, auf dem ge—
nannten Gebiet zu jammeln und die
Ergebnifje zugleih unmittelbar zu ver:
werten als der Bolksidullehreritand,
jeien die Herren Kollegen auf dieſe
Schrift und auf den herausgebenden
Berein hiermit hingewieſen.
Derjelbe erleichtert Intereſſenten die
Mitarbeit an genannten Beröffent-
Zu Mi 2
lihungen, indem er ihmen Hefte der | liebige Exemplare derjelben, mit Papier
obigen Schrift, zum Beichreiben mit Mit- | durhichoffen, und Fragebogen Eoftenlos
teilungen und Ergänzungen, aud) ber | zur Verfügung ftellt. 3. Daditeiner.
Himmelsſchau.
Noch ſtehen wir im Zeichen der Februar gar den Vorhang zu und ver—
winterlichen, langen Nädte; aber eine ſteckt ſich gerade während ſeines Unter—
deutliche Zunahme der Tageslänge kündet ganges in den Schatten unſerer eigenen
ein fieghaftes Näherrüden der Sonne | Erde. Wenn er au jo rüdjichtsvoll
an, die immer merklider ihre Mittags: | ift, fein langjames Eintauchen in die
höhe vergrößert und immer angenehmer | Dunkelheit in diejenige Morgenitunde
die wärmende Kraft der länger wirfen- | zu verlegen, in der die meiſten Menichen
den Strahlen fühlen läßt Unjere Sonne | bereitd ohne Änderung ihrer Tages»
hat friſch eingeheizt: man jicht die | ordnung denne der „totalen Mond:
Stellen, wo die wilde Glut ihrer äußeren | finfternis“ fein Eönnen, jo wird es doch
Schichten um Eräftig markierte Brand» | kaum ein bejonderd anziehendes Schau—
ftätten lodert, fortgejegt in einer jelten | jpiel geben, denn die Dünfte am Hori—
vorfommenden Größe und Zahl. Wer | zonte machen bei folden Gelegenheiten
fi) der Vorfihtsmaßregeln bedient, welche | gerne einen Strich durd die Rechnung
wir ım vorigen Sahrgange geichildert | derjenigen, die der bequemen Umſtände
haben, kann fih mit einem Feldſtecher wegen auch einmal was Außergewöhn-
von der Wucht überzeugen, mit welcder | liches jehen wollen. — Iſt einmal der
unfer Sonnenofen gegenwärtig geheizt | Nachthimmel Elar, jo liegt er aber auch
wird. Bejonders um den 25. Februar | wie ein offenes Bud vor dem Blide
herum dürfte es möglich fein, ausge: | und weiß vielerlei zu bieten: abends im
dehnte Sonnenfledengruppen zu er: | Süden den glänzenden Orion, von den
kennen. Haben wir im Januar merk: | die Milditrape aufwärts quer über den
würdige Witterungserjcheinungen im Zur | Himmel zieht; hoch im SW jteht der
ſammenhange mit der diesjeitigen Lage | glänzende Yupiter, „der die Nacht regiert”,
diefer FFleden auf der Sonne erlebt, jo | während der Mond jeinen Hocditand er-
diirfen wir au Ende Februar abnormes | reicht, wenn er wenig links von Jupiter
Wetter erwarten. — Aud unfer Mond | fteht. Sogar zwei Kometen eilen in langen
ftreift; nicht genug, daß er jahraus, | Tagesmärichen zwiichen den Sternen hin;
jahrein Flecken die liebe Menge hat, die | nur haben fie die Tüde, dem Laienauge
aber bei ihm als Schönheitsfehler gelten | verborgen zu bleiben, aber die Aſtro—
können, er zieht am Morgen des 9. | nomen befigen bereits ihre Legitimation.
Gedenktage im februar.
Geboren: 9. Franz Xaver Gabelsberger — En — 13. Richard Wagner (1883).
(1789). — 16. Melanchthon, Luthers reforma: 15. ©. €. Leffing (1751). — 18. Martin
torifher Mitarbeiter (1497). — 19. Kopernitus, | dather (1546).
ber die Sonne als Mittelpuntt unſerer Welten: | Aus dem großen Striege 1871: 15. Bel-
infel fennen lehrte (1473). — 23. &. Fr. Händel, —* kapituliert. — 20. Eröffnung des Bundes—
Komponiſt (1685). ates. — Friedensprälimingarien verabredet zu
Geſtorben: 12. Kant, der Königsberger | Berjailes.
Dnbalt: Aus dem NRäuberleben des Hühnerhabichts. -— Über VBolfsarzneipflanzen. —
Neunkirchen und Neukirchen. — Das Kalfjteingebiet der Meinen Kalmit. — Heimat und Deimat-
funjt. — Volkskundliches aus Fiſchbach in der Pfalz. — Himmelsichau. — Gedenktage.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — Kermann Kayſer's Derlag, Kaiferslautern.
Für Form und Ynbalt der Beiträge Rad bie Herren Berfafler verantwortlich.
Die „Bfälziihe Heimatkunde” koſtet jährlich in 12 Heften mt. 2.50. Bellellungen werden von allen Buchhandlungen ınd
BVoftanfalten ferner vom Verleger (Portofreie Streifbandiendung) angenommen.
II. Jahrgang.
Nummer 3
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
v
L/
Mallerreihtum und Grundwallerfand.
Am Schluſſe jeines NAufjages über
„Dünen in der Pfalz” erwähnt Herr
Häberle eine in unjerer Beit vielbejprochene
Vermutung, nad) welcher die Niederjchläge,
hauptjächlich im Winter, abgenommen hätten;
dad Grundwafjer habe fich mejentlich ge:
jenft, Quellen und Brunnen laſſen nad); |
man könne vielleiht an die Vorboten einer
„Steppenzeit* denken. Auch wird da ein
jehr lejenswerter Aufjak von A. Stenzel '
über das „Austrodnen der Kontinente”
angeführt, nach welchem wir gegenwärtig
„in einer Periode der Austrodnung” leben
jollen.
und auf bloßer Schätung der Erjcheinungen
beruhende Vermutungen nicht zu Mißver:
ftändnijjen führen, ſei dem Gegenftande
näher getreten!
Es ift nicht zu leugnen, daß unjere
einheimijhen Winter und die Zufuhr des
naffen Glementes in unjeren mittleren
Breiten jeit einer Reihe von Jahren von
dem weit abgemwichen find, was man glaubte
erwarten zu dürfen. Bielleiht müſſen wir
jolde Erfahrungen mit teuerem Lehrgelde
auch fernerhin bezahlen, mwenigftens noch
eine weitere Reihe von Jahren, bis einmal
die Erkenntnis beſtimmter Urſachen zur
Verbeſſerung derjenigen Zuſtände geführt
hat, über welche der Menſch Macht beſitzt;
höheren Gewalten zu gebieten wird freilich
unmöglich bleiben.
Wenn wir an vielen Orten Quellen
abnehmen jehen, jo liegt es wohl nahe, dieje
Damit derartige Gedanfengänge |
' man
| Ericheinung der allgemeinen Witterungslage
zuzujchreiben ; man fann da aber jehr weit
fehlgehen, und es fommt darauf an, wie
man den Begriff Wetter auffaßt. VBerfteht
darunter die der Erfahrung ent-
Iprechenden Formen, unter denen man ge:
wohnt iſt, Wind, Niederjchläge, Nebel, Kälte
u. dgl. zu erleben, jo mag e8 richtig fein,
daß die ebenjo lokalen Formen der Wafler-
produktion in laufenden Quellen ober
künſtlich angezapften Waſſeradern (Biehr,
Bump- und arteſiſchen Brunnen) unmittel-
bar mit dem Witterungscharafter zujammen»
hängen. Begreift man unter Wetterlage
aber die Summe von Erjcheinungen, mie
fie über einem größeren Teile der Erbd-
oberfläche, 3. B. Mitteleuropa, in direktem
BZufammenhange mit dem wechſelnden Quft-
drucke ftehen, jo fann man füglich beweifeln,
ob unjer da und dort zu beanftandender
' Quellwafferreihtum, bezw. unjer Mangel
an jolhem geradezu ein Abbild mittel-
europäilcher Niederichlagsarmut ift. Kurz
gejagt, es fann gung wohl der Fall jein,
daß Quellen überhaupt als lokale Bildungen
von ebenjo lokalen Umftänden beeinflußt
find, In diefem Falle heißt e8 wohl meit
übers Biel jchießen, wenn das Gejpenit
eıner „Steppenzeit” vor dem geiftigen Auge
der allzu ngftlihen auftauht. Eine
Steppenzeit ift ein geologiicher Begriff und
als Gharakteriftitum einer geologijchen
Periode ein gewordener Zuſtand, der aber
Beitabjchnitte zur Vorbereitung braudte,
26
gegen die unfere hiftorifche Zeit vielleicht |
furz genannt werden muß, der ebenſolche
Beiträume dauerte und ebenfolde einer
allmählihen Wiederdurdhfeudhtung
erlebte. Wenn alfo ein paar Jahre lang
das, mas der Landwirt Bodenfeuchtigfeit
nennt, in geringerem Maße geboten wurde,
jo hat es noch gute Wege, dab hieraus
Anzeichen einer neuen geologiichen Zeıt-
periode abzulejen jeien. Wir hatten bereits
Gelegenheit zur Mitteilung einer Anjchauung,
nach welcher gewiſſe Niederichlagsiormen
nicht meteorologificher, jondern rein fosmifcher
Natur find; wir werden bald mehr davon
hören. Ebenſo fünren grundlegende Ande:
rungen im Witterungscarafter einer geo
graphiihen Zone (Breitengegend) nur vom
kosmiſchen Standpunfte aus gemiürdigt
werden; fie entipringen Urſachen, welche
die Erde als Weltförper und Glied des
Sonnenreiches betreffen.
Nun ift aber unbeitreitbar auch unfere
Pfalz in der Lage, gerug Beijpiele von
der Abnahme des Quell» und der Senfurg
des Grundwaſſers zu liefern. Unſere Be—
trachtung foll fich deshalb den möglichen
Urſachen dieſes Umſtandes zumenden und
Vorſchläge zu deren Behebung machen.
Bei uns kann man ja vorläufig dem allerorts
fühlbar gewordenen Mangel durch Er—
ſchließung neuer Waſſeradern, durch tiefere
Bohrungen und ſorgfältigere Unterhalturg
der befiehenden Quellen (3. B. Verhütung
unnötiger Wafferverzettelung), auch durd)
Anlage der immer beliebter gewordenen
fünftlichen Wafferleitungen begegnen. Das
ift aber feine Beſſerung des BZuftandes,
jondern nur eine auf Ummegen betriebene,
weitere Ausbeutung des Grundmwafjers,
deſſen Spiegel ſich folgerichtig weiterhin
ſenken muß; daraus erwächſt derjelbe Schluß,
wie dort, wo außer den Zinjen allmählich
aud das Stapital aufgezehrt wird, Wir
werden uns aljo nicht nur „behelfen”,
fondern auch nach Gegenmaßregeln umiehen
müſſen. Bu diefem Zwecke müſſen wir uns
flar werden, in welchem Maße uns bie
verjchiedenen Formen der Niederichläge
Erſatz Ichaffen und wovon dieie abhängen.
Betrachten wir den Niedergang eines
fräftigen Gewitterregens, jo fjehen wir das
flüſſige Element mit Wucht fommen und
gewöhnlich ohne fonderliche Durchtränfung
des Bodens wieder ablaufen. Auch wo die
Erde „mwailerhart” geworden iſt, ijt der
Gewinn der Durchfeuchtung mit einer rauhen
Sandanſchwemmung erfauft, deren größere
Poroſität einer rafcheren Verdunftung günftig
it. Bei einem länger dauernden leichten
Regen, gar bei einem Landregen, dringt
dagegen eine Menge Waſſer tief in den
Erdboden ein und jenft fih der Schwere
zufolge bis zum Grundmafjerjpiegel; Die
Verdunſtung ift ziemlich gering, da tage,
ja wochenlang die Luft mit Wafferdampf
gelättigt bleibt, zur Aufnahme der Ber-
dunstungsprodufte unfähig. In ähnlicher
Weiſe wirkt in der kühleren Jahreszeit der
lofale Nebel, weldyer Gras, Sträuder und
Fäume unter Umftänden triefend durchnäßt,
jo daß alle Poren, aud des Erdreichs,
durch und durch naß werden fünnen. Über
einen Landregen haben wir zwar teine
bemalt, aber Über Nebelbildung wohl, das
beweiien die „klimatiſchen Berbefferungen”
gewifjer Gegenden, wo man es im Laufe
weniger Jahrzehnte fertig gebracht hat,
den „läftigen Nebel“ zu vertreiben — auf
Nimmerwiederjehen! Schon vor adhtzig
Jahren hat ein fachverftändiger und weit:
blitender Mann den mwohlbegründeten Nat
gegeben, die Austrodnung der oberbayerifchen
Moore nicht zu übertreiben, denn dem augen:
blicklichen landichaftlichen und landwirtichaft-
lichen Gewinn ftehe für jpätere Jahre eine
Elimatiiche Verſchlechterung der ganzen
weiteren Umgebung gegenüber, die
ſich zunächft in einer deutlichen Armut an
Luftfeuchtigkeit bemerflid made und die
Pflanzenwelt unmittelbar beeinfluffe. Sobald
die Nebelbildung zurüdgeht, befommt die
angrenzende Landſchaft ein ungeheures
Quantum Wafler weniger als früher. Daß
Nebel fogar „naſſer“ ift als Regen, macht
ung eine Auslaſſung des „Brometheus“
(Berlag von Rud. Midenberger, Berlin
W. 10) in leicht verftändlicher Form be-
fannt wie folgt: „Wenn es ftarf regnet,
enthält ein Kubikmeter der Luft weit weniger
Waller als bei dıchtem Nebel. Das ericheint
auf den erſten Blick parador, ift aber durch
aus richtig, wenn es uns aud) manchmal
bei einem tüchtigen Blatrrgen jo vorfommt,
' alö würden wir durchs Waller gezogen.
Bei einem fehr heftigen Regen, für den
dev Regenmeſſer 60 Millimeter anzeigt,
fällt pro Stunde auf einen Quadratmeter
eine Waflermenge von 60 Kilogramm, pro
Quadratmeter und Sefunde alfo etwa 16
Gramm. Bei einer Gejchwindigfeit der
NRegentropfen von 1 Meter pro Sekunde
ergibt das für 1 Kubifmeter Luft während
des Regens einen Baflergehalt von 16 Nubif
zentimeter, bei 2 Meter Geichwindigfeit der
Tropjen nur 8 ubifgentimeter u. ſ. f. Die
Geihwindigfeit der Negentropfen ift be
fanntlih proportional ihrer Größe und
ichwanft von 1,84 Meter pro Sekunde bei
I Millimeter Tropfendurchmeſſer bis zu
4,08 Meter bei 5 Millimeter Durchmeffer.
Bei heftigem Megen beträgt der Tropfen
durchmeiler etwa 1 Millimeter, jo daß ſich
der Waſſergehalt von 1 Kubikmeter Luft
bei Regen im Durdichnitt auf 10 Kubik—
zentimeter Stellen dürfte. Andererfeits aber
berrägt der FFeuchtigfeitsgehalt der mit
Waller gefättigten Luft bei 15’ C. etwa
13 Ntubifzentinrerer, woraus fich ohne weiteres
der größere Waſſergehalt der Lust bei Nebel
al& bei Regen ergibt.“
Die Erfahrungen an der Trodenlegung
des „Yandftuhler Torfbruches” find ein
wertvoller Beleg für die Wichtigfeit der
Waſſerzufuhr und »verbreitung durd Nebel.
Nochgegen das fahr 1900 hin fonnte
man in fühlen Sommernäcten aus den
feuchteren Bruchflächen joviel Waſſerdampf
aufficeigen fjehen, daR die ganze Gegend
80— 100 m hoch wie von einem (von oben
gejehen) leicht gewellten, flodigen Meere
erfüllt fchien, aus dem nur die Häupter
des Höchenerbergs, Potbergs, Nönigsbergs
und in glnftigen Augenblicken die oberen
Qurmränder der Burg Sıfingen mit dem
Arlaggenmafte mie Inſeln und Klippen
herauftauchten ; die Morgenſonne löjte da
mals in verhältnismäßig kurzer Zeit den
langſam ſich erhebenden Nebel ſpurlos auf,
nachdem er gelegentlich jo die war, daß
unten cine bleierne Dede über Yandftuhl
fag, während auf der eriten Terralfe der
Sidingerhöhe (130 m höher) der blunfe
Mond ſchien. Seit jener Zeit gibt es
dieje Ericheinungen nicht mehr Mit
dem Bertreiben des Nebels, der ja aller
ding feine angenehme Zugabe zu der
Nahbarichaft des Torfbruches war, nahmen
die Quellen auf der nördlichen Borftufe
27
der Sickingerhöhe zufebends ab und Tal»
ichluchten, wie die des als Wusflugsziel
befannten „Fleiſchackerloches“ zeigen heute
nur noch leere Rlutgräben, in denen das
den Berg herunterlaufende Waſſer höchftens
im Frühjahre nad dem Abgange des
Schnees überhaupt noch die „Kaiſerſtraße“
erreicht; vom Juni ab läuft fein Waſſer
mehr. Hier iſt Mar, daß der Nebel einzig
der Spender des Quellwaſſers war, welches
in wenigen Jahren völlig verſchwunden jein
wird Zugleich muß die Qualität des
Wald und Nderlandes auf der nördlichen
Terrafie der „Höhe“ zurücdgehen und das
trodnere und weniger bewachſene Terrain
bet Gewitterregen allmählich feine ohnedies
geringe Grund und Humusdecke verlieren,
fo daß in dieſer Region tatſächlich ein
klimatiſcher und wirtſchaftlicher
Schaden aus der Urbarmachung und allzu—
weit getriebenen Entwäfjerung des früheren
Bruches erwacien muß. — Die Fähigkeit
des dichten Nebels, die Landichaft intenfiv
mit Wafjer zu durchtränfen, geht auch aus
einem anderen Beiſpiele aus der Nähe
von Landſtuhl bemeiskräftig hervor. Die
Sickingerhöhe befigt in ihrer nördlichen,
jpigen Endigung zwiſchen Yandftuhl und
dem Tal von Bann ihre höchſte Erhebung
überhaupt und zmar mit 462 m abfolut.
Zu ihren Füßen gabelt fi das Arnbachtal
in zwei Zweige von 500 m Abſtand. Zu
gewilien Zeiten des Jahres treibt num der
in unjerer Gegend vor herrichend ſüdweſtliche
Quftftrom die Nebelmaflen des etwa 10 kın
langen Zales in dieſe Sadgafje und über
die Höhe, wo fie jich wie Rauch oder wollige
Wolfen über die Fluren wälzen und ſchieben
— mobei fie ihren Wajjergehalt zum großen
Teile an die Aderflächen abgeben. Unter
diefem Gefichtöpunfte iſt nichts Merkwürdiges
dabei, daR dieje höchjte Ruppe auf ihrem
Scheitel ein jumpfiges, von Waſſer—
tümpeln überjäctes Gebiet aufmweilt,
deſſen Brombeer- und Sclehenbüjche des
wegen — außer im Hochſommer — ſchwer
zugänglich find. Bier findet der Nebel ein
Ktondenfationsfeld auf dem 2 erggipiel, wo:
rauf dann tiefer eine Quelle auf dem Nord-
abhange und eme auf dem Südabhange
ihr Waſſer filtriert zu verfchiedenen Fluß—
gebieten (Glan und Wallalb) entjenden —
‚ und unweit davon müſſen große Streden
Wald und Flur aus Gründen des Rück—
ganges der alten Bruchnebel verdurften.
28
Ein ſehr wejentliher Faktor zur Er
haltung der aus Niederichlägen gewonnenen
Bodenfeuchtigkeit und ebenfo zur leichteren
Beranlaflung lofaler Regen find die Wälder.
Die finnlofe und rückſichtsloſe Entwaldung
der iftrianischen und dalmatinifchen Hüften:
gebiete und Inſeln hat diejen einft üppigen
Gegenden den Ruin und die VBerarmung
gebracht; von Corſika fommen bittere Klagen
über mißratene Ernten und Ruin des Wohl-
ftandes der Bewohner, jeitdem übermäßige
Abholzung eine Flimatifche Änderung auf
der Inſel eingeleitet hat, und wenn die
einft unermeßlichen Urmwälder Nordamerikas
in nicht allzuferner Zeit der Geſchichte an-
gehören werden, dann wird es fein Wunder
jein, wenn Niederfchlagsmangel auf der
einen Seite, Sterilität auf der anderen
und außerdem Erhöhung der Gefahren,
welde aus den Wirbelftürmen erwachſen,
dem Lande unerjeglichen Schaden bringen.
Mehr als heute wird dann der Anſchein
erwedt jein, als ſei die gemäßigte Bone
im Begriffe, in eine Art „Steppenzeit”
hineinzugeraten; aber die Schuld tragen
zum großen Teile die Menjchen, welche zu
ſpät erfannt haben, welchen Nußen ihnen
die Wälder durch ihr bloßes Vorhanden-
jein gewährt haben. In wie großem Maße
aber jegt jchon einzelne Länder bedroht
find, Waflermangel zu leiden, las man
neulich bezüglich Englands, des Inſellandes
und des Landes der vielen Nebel. Profeſſor
Bentley, der Präfident der königlich eng-
liihen Meteorologijchen Gejellichaft, führte
jüngft in einem Vortrag vor den Mitgliedern
der genannten Bereinigung aus, daß, ver
anlaßt durch die riefige induftrielle Tätigkeit
und den wachſenden Waflerbedarf der Be:
völferung, England fich jchon in naher
Bufunft einem Problem von verblüffender
Größe, nämlich dem Mangel an Wafler,
gegenüberjehen werde. So enorm hat jchon
die Entwäfjerung des Bodens, das Wachs—
tum der zahlreichen Städte, die Ausdehnung
der für Waſſer undurdläffigen Straßen
oberflädhen, die Zerteilung der natürlichen
BWaflerläufe und ganz bejonders das
Berihmwinden der Wälder der Natur
entgegengearbeitet, daß den engliſchen
— — — — —
die Löſung einer Aufgabe von faſt unüber-
' windlicher Schwierigfeit vorbehalten bleibt.
Wir Lebenden fünnen einigermaßen dieſer
„Waffernot” in anderem Sinne entgegen-
arbeiten, indem wir zahlreihe Ddungen,
welche jogar mitten zwiſchen Aderland an-
zutreffen find, nicht brad liegen lajjen,
jondern wo es geht, mit Wald bepflanzen,
ferner daß wir unjeren Wald nad; Möglich
feit zu erhalten ſuchen. Es mird nicht
mehr allzaulange dauern, jo ſuchen wir
unfere fließenden Gemwäfler mehr als je zu
Kraftquellen zu geftalten, und eine fommende
Generation wird es umbegreiflich finden,
daß das Geſchlecht, welches mit Kohlenrauch
aus den Dampfmaſchinen die Quft verpejtere,
die nad Millionen zählenden Pferdefräfte,
welche in dem fließenden Waller unjerer
Bäche enthalten liegen, unausgenügt hat
zuial laufen laſſen. Man könnte Fälle
genug anführen, in denen es nur einer
ſehr beſcheidenen „Talſperre“ be
dürfte, um zur Zeit des Schneeabganges
und der Frühlingsregen bedeutende Waſſer—
mengen zurückzuhalten, alſo aufzuſparen,
welche heute zwecklos ablaufen; ſie könnten
den Wieſengründen bis tief in den Sommer
hinein bei weiſer Verteilung des Überfluſſes
nutzbar gemacht werden und würden zugleich
zur Feuchterhaltung der Luft weſentlich
beitragen. Die Flüſſe aber werden nicht
ſowohl unmittelbar aus den Niederſchlägen
in Regen- und Schneeform geſpeiſt, als zu
einem großen Teile auf Umwegen aus dem
Überſchuſſe der Luftfeuchtigkeit, welcher ſich
jahraus, jahrein, Tag und Nacht hindurch
an allem Hervorragenden verdichtet und in
Tropfen in die Erdſchichten eindringt. Dann
erſt können Quellen fließen und Brunnen
Waſſer geben.
In neuerer Zeit hat man an Orten
die mit friichen Quellen zu geizen jchienen,
auf originelle Art Waflerläufe entdedt —
durch die „Wünjchelrute”“. Die Wünfchel-
rute hat von jeher auf empfängliche Ge-
müter einen großen Eindrudf gemadt. Sie
hat tatjächlich in mancher Beziehung einen
realen Hintergrund, denn Verſuche haben
es als erwieſen bingejtellt, daß man mit
' Hilfe von Weidenholzruten in der Erde
verborgene Wafjerftellen auffinden kann.
Sin der legten Beit hat fich beionders ein
Ingenieuren und Meteorologen der Zukunft | Mann große Verdienſte mit der Wünſchelrute
— 29 —
erworben, ein gewiſſer Herr Paſſehl, der Wirkung ausüben, läßt ſich noch nicht be+
fließendes Waller fogar in der Tiefe von | ftimmen, vielleiht find es magnetijcdh-
etwa 100 Metern nod fefiftellen ann. elektriſche Ströme, die wir 3. Zt. noch nicht
Daß an der Sade etwas ift, geht aud | nachweiſen fünnen; dann müßte die Gabel
daraus hervor, daß jüngft die preußifche | aber eigentlich nidyt aus Holz, fondern aus
Regierung Stellung zu der Angelegenheit | Metall jein; da aber gerade Holz auf dieje
genommen hat und eine Brofchüre ver- | Wirkungen reagiert, jo muß man vielleicht
öffentlichen läßt, in der auf die Wünjchel- | doch damit rechnen, dat die Fähigkeit, die
rutenfrage näher eingegangen wird. Was | auf die Annäherung an eine Wafjeritelle
für Einflüffe auf die Rute jelber ihre | wirkt, einen Einfluß auf das Holz ausübt.
Materialien zur bayerilhen ®rnithologie IV
nennt fich eine ungemein inhaltsreiche und der 12, April.” Bergleiche mit der be-
mit großem Fleike und von Sadjfenntnis | treffenden Witterungslage ergaben erfreu-
unterftüßter Liebe zum Gegenftande be» | liche Beftätigung früherer Schlüffe:
arbeitete Broſchüre, die Herrn K. Bertram „Noch bevor das Yuftdrudminimum
in Raiferslautern zum Berfafler hat. Sm | feinen deutlihften Ausdruf angenommen
Zufammenhange mit den zeitgemäßen Be- | (am 15. IV.), erreicht die Bewegung ihren
ftrebungen auf dem Gebiete der Beobachtung | Höhepunft (11.—13.1V.). Was auf Grund
des Vogellebens, die im vorigen Jahre zur | reicher Beobadjtungen die ungarischen Orni«
öffentlichen Aufforderung führte, man möge | thologen in geradezu Flaffifcher Darftellung
ein SHauptaugenmert auf den Bug der | feit länger Eonftatierten, trifft auch für ung
Rauchſchwalbe richten, find hier zahl- | zu, nämlich daß Depreffionen einen jördern-
reiche Notizen über das Gintreffen und | den Einfluß auf den Zug nicht nur der
Wegziehen unjerer gefiederten Gäſte aus | Schwalben, jondern vieler anderen Wander«
den Jahren 1903 und 1904 geſammelt und | vögel ausüben, indem die aus Süden zu:
gefichtet. Hauptbeobachtungsorte inbezug | fließende Luft die Vögel mit fi nimmt,
auf den Frühjahrszug in der Rheinpfalz | Wie die „gute” Seite der Depreſſion be»
waren Bad Dürfheim und Wolfftein, wo | fchleunigend, jo wirft die „jchledhte” Seite
bauptfählih Bejiedelungsdaten ge- | mit ihren fühlen, nördlichen Strömungen
monnen wurden, und Kaiferslautern, deſſen verzögernd auf den Bug.“
Lage für Durchzugserſcheinungen be- Folgerungen jolcher Art find gleichwohl
ſonders günftige Berhältniffe darbietet. | mit Borfiht aufzunehmen, und der Ber.
Schwalbe, Stordd und Kuckuck konnten | faffer spricht deshalb auch mit vollem
naturgemäß an viel mehr Orten beobadıtet | Rechte ein danfenswertes Schlußwort:
werden. Da das Material über Hirundo „Am Sciuffe angelangt verhehle ich
rustica aud für unfere Lejer näheres In» | mir nicht, daß die von mir eingefchlagene
tereife haben wird, jo führen wir zunächſt Methode einer Gruppierung des Beobad)-
an, daß fich die Befiedelung der Pfalz in | tungsmaterials auf der Grundlage immerhin
der Beit vom 23. März bis zum 2, Mai ziemlich willfürlich angenommener Witte
vollzog, alfo in einem Zeitraume von an- | rungsperioden geeignet jcheint, einer faljchen,
nähernd 6 Wochen. Naturgemäß find die | allzu mechanischen Auffafjung des Bug-
Erftbeobadhtungen bis zum Eintreffen der | phänomens Vorſchub zu leiften. Allein ich
Haupteinwanderung hin durd; die Beobachter | bin andererjeits gewiß, daß von einer ſolchen
bevorzugt worden, jo daß „der Beginn und | Gefahr nicht die Rede ſein kann, wo der
der Berlauf der Befiedelung bis zur Aul- | nötige Reſpekt vorhanden ift vor dem, mas
mination treffend zur Anſchauung fommt, | wir von diefer großartigen Naturerjheinung
der weitere Fortgang der Füllungserichei- | nicht wiſſen und vorausfichtlih auch nie
nung und ihr langjames Berlöfchen jedoch | wijjen werden und mo die Erfenntnis
nicht entfprechend berückſichtigt ſind.“ „Als | ift, dab die Natur überhaupt nicht nad)
durchfchnittlicher Ankunftstag ergibt ih — | der Schablone wirft und ſchafft. Es gibt
30
auch hier teinen beiferen Dämpfer auf vor- | geteilten Ankunftsdaten berechnet ſich als
eilige Affoztationen und Kombinationen ald ' Durchſchnitt der 13. IV.
die Achtung vor dem Unerforjchten und dem |
Unerforichlichen.”
Die Art der Bearbeitung mag aus dem
nachfolgenden Auszuge hervorgehen, den
wir im Einverftändnis mit dem Berfafler
hier wiedergeben, und der zugleich ein jchönes
Beugnis für eine vielfeitige Opfermilligfeit
im Dienfte der Erfenntnis der Naturbor-
gänge und eine Anregung zu friiher Mit-
arbeit jein wird,
Vom 8. April bis zum 3. Mai.
Es iſt zunächſt noch kühl und regnerisch;
bald aber tritt eine entjchiedene Beſſerung
ein, melde fich mit geringen Schwanfungen
als beftändig erweiſt. Ausgezeichnet ift der
15. IV. dur tiefften Barometerftand,
völlige Windftille und höchſtes tägliches
Temperaturmittel. Die heftigen Winde,
welche der vorigen Periode ihr Gepräge
geben, jchweigen feit dem 8. IV. Die
Windrichtung ift jet feine fonftante, jedoch
wiegen weftlihe Strömungen vor. Nur
ein einzigeömal in der Nacht geht Die
Temperatur unter den Gefrierpunft zurück
Un den Tagen ift viel Sonnenfchein. In
der Nacht zum 18. IV. regnet es außer:
ordentlich ſtark. —
Der Zug verläuft normal.
Daten am 18. IV.
Der Kudfud (Cuculus canorus) wird
zuerft gehört zu
Negative
Scifferftadtt am 8. IV. 1 Er.
Hoerdt „11. IV. 8 h. a. m
Wolfſtein 12. IV.
Wörth a. Rh. „ 12. IV.
Scifferftadtt „ 12. IV., mehrere
Kaltenbach „13. IV. 7 h. 30 a. m.
Krähenberg „13. IV.
Landau „ 13. IV.
Mölſchbach 13. IV.
Birkenhördt 13. IV. Th.a.m, 4 Er.
Dürfheim „ 13. IV. Th.a.m. 1 6Er.
Trippftadt 14 IV. 1 Er.
. „ 12. IV. 5 ©.
Stailerslautern „ 15 IV.
Rutsweiler ER Iv.
Am 17. IV. hört Herr Kollege Lawall
auf einer Fußtour von hier nach Neuſtadt
(ca. 35 km durch den Wald) ca. 5—6
rufende Kuckucke. Aus diejen 16 mit
Der Wendehals (Jynx torquilla), der
jih wie der Kuckuck auch erft durch jein
Rufen bemerflih zu machen pflegt, wird
in Dürkheim und Kaijerslautern zuerjt am
12. IV. bemerft. Am 13. IV. rufen bier
mehrere. Die erfte Notiz aus Wolfitein
lautet vom 20, IV.: er fcheint indes hier
überjehen worden zu jein,
Die Nachtigall (Addon luseinia) trifft
ein zu Scifferftadt am 11. IV., eine zweite
am 14. IV., zu Landau am 15. IV., zu
Wolfftein am 16. IV., zu Dürkheim am
18. IV. In Wörth findet fie Herr Lickroth
am 17. IV. jhon vor. Eıne hier in Kaiſers—
lautern durchziehende Nachtigall ſchlägt am
14. IV. 6 b. 30° a. m. in einem ®rivat-
parfe, eine zweite am 27, IV. im alten
trriedhofe. An Franfelbah trifft fie erſt
am 30, IV. ein.
Auf den 12, IV. fälle außerdem für
bier die erjte Stonjtatierung der Schafitelze
(Budyles flavus) und des Möndes (Sylvia
atricapilla), die beide in Dürkheim jchon
in der vorigen BZugperiode auftreten. Am
15. IV. find hier viele Schwarzföpfchen
vorhanden, ebenjo in Dürkheim ſeit dem
13. IV. Die erfte Notierung für Yandau
und Wörth fällt auf den 17. IV. Außer
ordentlich viele Grasmliden, neben Schwarz-
föpfen aud Dorn» und Baungrasmücen
(Sylvia sylvia et curruca) beleben am
Morgen des 18, IV. die Büfche und Heden.
Die Dorngrasmüden verhalten fich ftille,
während die Mitllerchen einen abgebrodyenen
Geſang hören lajjen. Sylvia sylvia wird
in Wörth jchon am 12, IV,, in Dürfheim
erit am 20, IV. notiert. Die erfte Spur
der Einwanderung der Gartengrasmüde
(S. simplex) zeigt fi in Woljjtein am
24, IV., in Trippftadt am 2, V. Die
meiften Gartengrasmüden treffen indes
erit nach dem 11. V. ein,
Am 10, IV. werden in Wolfftein be»
merkt die eriten Girlige (Serinus serinus),
Baumpieper (Anihus trivialis), Gartene
rotfhwänze (Rulicilla phoenicura) und
Steinichmäger (Saxicola oenanthe). In
Kaijerslautern tritt der Baumpieper auf«
fallend häufig am 14, IV. auf, in Dürt:
heim am 17. IV. Der Gartenrötel wird
hier und in Dürkheim am 12, IV, zuerft,
—
feit dem 17. und 18. IV. häufig bemerft.
Um 3. V. wird er in Trippftadt gejehen
und gehört. Der Steinihmäßer kommt in
Dürkheim jhon am 7. IV. häufiger jeit
dem 12. IV. vor. Am 18. IV., dem
Tage nad der Nacht mit ftarfem Regen,
werden hier auf einem Ader ca. 15 Stein-
ſchmätzer beiſammen angetroffen, meift 55
(3 bi8 4 im Alterskleid). Ein 5 juv.
fingt ſehr eifrig. Unter den Schmägern
zeigen fih die erſten Braunfehlchen
(Pratincola rubetra).
Fitis (Phylloscopus trochilus) fommt
bier und in Wolfftein zuerft am 11. IV,
zur Beobachtung, der Waldſchwirl (Phyllos-
copus sibilator) wird in Dürfheim am
14. IV., hier am 21. IV. gehört und ge
ſehen. Am 23, IV. find es mehrere. Sn
den legten April- und den eriten Maitagen
ftarfer Durchzug diefer Urt.
Die Hausſchwalbe (Chelidonaria urbica)
fommt zur Beobachtung in Dürkheim am
9. IV. 3 h 30 p. m. (2 Ex.), in Rei»
polt3firhen am 10. IV. 12 h (1 Er.),
in Wörth am 13. IV. (ca. 100 Er.), in
Wolfſtein jeit 13. IV. häufiger, in Kaiſers—
lautern am 25. IV. 5 h p. m. (bei Nord-
wind in nordöſtl. Richtung durchziehend)
und in Bobentgal und Trippftadt am 1. V.
(2 bezw. 6 Er); am 3. V. find es in
Bobenthal ca. 15 Er., am 4. V. in Tripp-
ftadt (ca. 10 Er.)
Der Zurmfegler (Apus apus) erjcheint
in diejem Jahre troß der anſcheinend befferen
Zugsverhältniffe (Ende April) fpäter als
in den vorausgegangenen Jahren, nämlıd)
in Dürkheim am 1. V., in $aijerslautern
am 2. V. (ca. 12 Er.), in Landau am
3. V., in Wolfſtein am 7. V. (Am 2, V.
wurden in Frankenthal noch feine Segler
bemerft.)
Der Kothahn oder Wiedehopf (Upupa |
31
epops) wird am 9, IV. 5 h. p. m. auf
dem Durchzug bei Reipoltsfirchen, in Dürk—
beim zuerſt am 13. IV. bemerkt. Ein
Lanius senator, bei ung ziemlich jpärlicher
Brutvogel, wird ſchon am 14. "IV. bei
BWolfftein, ein rotrüdiger Wärger (Lanius
collurio) am 30, IV. 4 h. 30° p. m. bei
Dürkheim, am 1. V. bei Dreihof £onftatiert.
Hypolais salicaria fommt am 1. V. bei
Dreihof, am 2, V. bei Dürkheim ſchon vor.
ebenfo Oriolus galbula am 3. V. in Dürfheim,
Ein prächtig ausgefärbtes 5 der jchwarzen
Form von Museicapa atricapilla zeigt ſich
ſchon am 18, IV. ‚bei Saiferslautern auf
dem Durchzug, unjere Brutoögel (graue
Form) treffen am 23. IV, und fpäterhin
ein. Erſte Beobachtung aus Dürkheim
datiert vom 2, V.6 h. p. m. (3 Er.)
Bon Durchzüglern aus diefer Zeit jeien
noch erwähnt zwei Gejellichaften von Wieſen—
piepern (Anthus pratensis), die am 18.
und 20. IV., zwei Flüge Saatfrähen, die
am 25. und 28. IV. und eine kleine Schar
Singdrojjeln, die am 18. IV. durchziehen,
Dem Bolfe, das feit undenflichen Zeiten
dem Wanderzug der Vögel jeine Aufmerf-
jamfeit geichenft, das, lange bevor jich die
empiriftiihe Forſchung mit Aviphänologie
befaßte, mußte, daß eine Schwalbe nod
feinen Sommer made, ihm ift aud das
pedantiſche Einhalten der Zugzeiten dieſes
geheimnisfundigen, viel befannten und
wenig gefannten Lenzfünders nicht ent-
gangen und in Redensarten bat fich dieje
Erfenntnis niedergejchlagen. So hört man
in der Vorderpfalz vom Kuckuck jagen:
„Am 10. April fann er fumme,
am 15. April muß er kumme,“
und in der Dinterpfalz:
„Am 13. April
freilcht der Kuckuck,
er man ſtecke, wo er will,“
Heimat und Beimatkunf.
Schluß.)
Die. Seelen:. und vor allem die Ge- | dernen Berkehrslebens hat die Scollen»
mütsjtruftur der modernen Menjchen bat
in. den legten Jahrzehnten eine tiefgreifende
Umbildung erfahren. Der reißende, raſche,
bis in die entfernteften und abgelegeniten
Zandesteile eindringende Strom des mo»
feftigfeit der früheren Zeiten ſchwer er-
Ichüttert und die Menjchen mehr und mehr
murzellofer gemacht. Seine zehn Prozent
der modernen gebildeten Menichen haben
das Glück, in ihrer engen Jugendheimat
— 32
ihre Xebensheimat gründen zu dürfen. Sa
ganze Stände und Berufsflaffen, vor-
nehmlich die Beamten, gehören zur mo—
dernen Bohöme, die bald hier, bald dort
ihre Zelte aufſchlagen muß. Die Bins-
wohnung beherricht den Wohnungsmarft.
Und fo ıft es nicht zufällig, daß ein hef-
tiges Heimmeh, eine Sehnfuht nad der
ihnen fremd gewordenen Heimat, bejonders
nad) jenen Gegenden, wo unverfäljchte,
reine Natur, wo autochthones Volksleben
blüht, die heutigen Menjchen bejeelt. Wie
man heute, wo Volksſitte und Volksbräuche
im Schwinden find, diejelben eifrigft ſammelt,
jo durchzieht die heutigen Menſchen jekt,
wo die meijten ihre Yugendheimat verloren
haben, ein beftiges Heimmeh. Und darum
ift es nicht verwunderlich, wenn auf dem
fruchtbaren Boden diejer veränderten Da-
jeinsbedingungen die Heimatfunft und das
Berlangen darnach erwadte. Und jo ift
eben für unjer Bud, das ein reifes Pro—
duft edeljter Heimatkunft ift, mohl erſt jet
jeine Zeit gefommen. Während früher nur
wenige Auserlejene Sinn und Berftändnis
hatten für die munderbaren Reize und
Schönheiten des alten Wasgaus, [lenkt heute
mehr und mehr in jährlich fteigender Anzahl
die Touriftenmwelt ihre Schritte in diefe
landichaftlich wie geihichtlich fo anheimelnde
ihöne Gegend. Sekt ift die Beit der
Heimatkunft, und „Hedwig“ ift eine ihrer
ihönften Perlen.
Wenn auch der Roman fein Schlüfjel«
roman ift, jo liegen den Schilderungen der
Perſonen und Ereignilfe wahrhafte Begeben-
heiten zugrunde. Die Hedwig hat gelebt,
zwar nicht die Hedwig des Romans, dieje
ift ein eigenftes Produkt dichterifcher Phan-
tafie; aber die Berjon, an die des Dichters
Phantaſie anknüpfte. Perfönliche Beziehungen
und Berührungen zwijchen dem Dichter und
feinem Urbild jehlen nach übereinftimmenden
Mitteilungen ſowohl von jeiten der Familie
des 1828 in Alingenmünfter geborenen und
1891 in Eiſenach verftorbenen Dichters,
als aud von Seiten der direften und in«
direften der in Weißenburg und Überlingen
lebenden der 1816 im Mainzifchen geborenen
und erſt 1900 hochbetagt verftorbenen Hedwig,
die eigentlich einen anderen Namen trug.
Trogdem wird man jagen müſſen, es jind
Büge von ſolch piychologiicher Feinheit und
ſolch überrafchender Eigenart in dem Roman,
daß man unmillfürlich das Gefühl hat, hier
hat nicht bloß die Phantafie, fondern wohl
aud die perjönliche Erinnerung die Feder
geführt. Aber die ſeltſam verjchlungenen
Fäden entwirren zu wollen, ift ein über—
flüffiges Bemühen, angefichts der deutlich
ausgeſprochenen und meifterhaft durch⸗
geführten Tendenz des Dichters, die in
nicht8 anderem beſteht, als in einer poetijchen,
darum aber nicht unwahren oder ungeredht«
fertigten Berberrlichung jeiner ſchönen Heimat.
Das aber ift die feine Kunft des Dichters,
daß er die feelenloje Landſchaft zu bejeelen
weiß, daß fie nicht wie eine fremde, ftörende
Staffage fich zwiſchen die handelnden Per-
jonen jchiebt, jondern jedesmal gerade auf
den Höhepunften der Darftellung eine voll
tönende Reſonanz bildet zu ihren inneren
Leiden und Freuden. Dazu gehört aber
eine einzigartige Einfügung in die Yand»
ichaft, eine ſcharfe, fait inftinftmäßige Fein-
fühligfeit für das Weben und Walten des
Geiftes, der der Gegend ınnemwohnt, eine
abfolute Vertrautheit mit ihrer Eigenart,
die fich offenbart in ihrer landichaftlichen
Schönheit, wie in der Fülle der hiftorijchen
und fagenhaften Ummallungen, die dieje
Gegend fo anziehend machen.
Die im Lande murzelnden Berjonen
find mir Künftlerauge gejchaut und meifter«
haft gezeichnet, der Schafob von Bergzabern
mit feinem Faftotum, dem liebenswürdig-
liederlihen Kumpan, dem Hammichel —
bejonders im Kapitel der Bohämmerjagd
lernen wir beide fennen — find prächtig
getroffene Geftalten der fröhlichen Weinpfalz ;
die jchönften und wundervolliten Perlen des
Buches Yind die Szenen, die im Herzen des
BWasgaus, am Fuße der Hanstrappburg
in Holenbach, ſich abjpielen, wo die ge-
Ihichtlihe Hedwig einige Zeit bei Ber-
wandten ſich aufhielt. Es kann nicht meine
Aufgabe jein, den Hergang des Romans
zu Schildern, ich fünnte nur ftatt blühenden
Lebens ein lebloſes Gerippe geben. Der
Roman will jelber gelejen jein und wird es
mit dem höchften Genuß von dem, der
einigermaßen mit der fchönen Gegend und
ihren treuberzigen Bewohnern vertraut ift.
Den mutet dann die Hedwig an wie eine
Verförperung der reinen Keimatliebe und
Heimatſehnſucht. Und wenn der Dichter
fie frühe fterben läßt, im Gegenfag zur
- Wirklichkeit, jo bat er damit unbewußt jein
tragijches Verhältnis zu feiner Jugendheimat
geichildert. Ihm, der jo mit allen Fajern
feines Herzens an feiner Heimat hing, ift
fie in der Tatziweggeftorben, es war ihm
nicht vergönnt, in feiner Jugendheimat ſich
eine Xebensheimat zu gründen. In der
Fremde lebte er mit ftillem Heimmeh im | gegeben hat.
33
Herzen. Und von ihm gilt auch das jchöne
Wort: Selig find, die da Heimweh haben,
denn fie jollen hineinfommen. Seine näheren
und entjernteren Landsleute und die vielen,
die bei uns eine zweite Heimat gefunden
haben, werden ihm aber Dank wiſſen für
die in vieler Hinficht innigfte Gabe, die
er ihnen mit dem Heimatroman „Hedwig“
Nah %. L., Str. Poſt.)
Wittelsbach anf Landsburg.
Ein Stüd pfälziſcher Geſchichte von Ludwig Eid,
(Berlag v. Erufius, Kaiferslautern. 2,80 Mt.)
Dem Nationalftolz des Pfälzers mag
ed von bejonderem Reiz erjcheinen, daß
der Fürftenftamm, welcher unferem weiteren
Baterlande Bayern jo hervorragende Könige
gegeben, ſeines Fleiſches und Blutes ift.
Gern erinnert er ſich daran, daß die Vor-
fahren feines auch von ihm über alles ge
liebten Regenten unjerer pfälziichen Heimat
Herricher gaben, deren Namen in der Ge-
ihichte der Zeiten dauern werden,
Diefem gerechten Stolze verleiht aud)
das neuejte Werf unjeres durch jeine ge-
diegenen Forihungen auf dem Gebiete
pfälziſcher Gejchichte beftbefannten Lands-
mannes Ludwig Eid Ausdruck. Es ift
Sr. Kgl. Hoheit dem Wrinzen Ludwig
dediziert worden und trägt die Benennung
„Wittelsbach auf Yandsburg”.
Wie der Titel jchon erkennen läßt,
will der Verfaſſer nicht etwa eine Gejchichte
der merfwürdigften unter den nordpfälziichen
Burgen, der Landsburg bei Dbermojcel,
bieten; jeine Abficht geht dahin, darzuftellen,
„was die Landsburg den Wittelsbachern
gewejen, welche Wittelsbacher das Haus
ausgeftaltet, was fie in demjelben als
Hausherren und Familienhäupter erjtrebt,
erzielt, genofjen und erlitten haben“, und
die Verwirklichung dieſer Mbfichten dürfte
nicht8 zu wünſchen übrig laffen. Ein
rejpeftables Kapital an Forſcherfleiß Liegt
in diefer Schrift geborgen und? — man
muß geitehen — ohne Wufdringlichkeit.
In blühender, teilweije poetiſch gehobener
Sprade fließt der Strom der geichichtlichen
Darftellung dahin. In förmlichen Kultur
bildern — die wie hiftorijche Erzählungen
anmuten — entrollt uns der Verfaſſer ein
wirklich anfchauliches Bild von dein „Schaffen
und Weben, Dichten und Tradıten, Streiten
und Leiden auf der Burg“ bis zu ihrem
Ende im Jahre der Niedertracht 1689,
Was der Forſcher an interejjanten
Details politiihen und fuzialen Genres
der Öffentlichkeit unterbreitet, das fann
und foll hier nicht des Breiteren Erwäh—
nung finden; dafür jei jeder Gejchichts-
freund auf das Eid’she Buch aufmerkſam
gemadht.
Hingegen dürfte es in den Rahmen
der „Pfälziſchen Heimatkunde” wohl paflen,
der bisher wenig befannten, von 2%. Eid
ziemlih eingehend gejchilderten Tatſache
zu gedenken, wie die Landsburg einft
Induſtriezentrum gemejen.
Schon jeit 1429 war es befannt, daß
die Höhen des Landsburger Amtes Silber
und Quedfilber in ihrem Schoße trügen.
Nachdem fie über ein Jahrhundert lang
im Befige bürgerlicher Eigentümer gemejen,
trat 1546 Herzog Wolfgang von BZrei-
brüden als Mitaftionär in die Bergwerfs-
leitung ein. Da im erften Sabre eine
Silberausbeute von 60000 Gulden große
Hoffnungen ermedte, reorganifierte der
Herzog den ganzen Betrieb, indem er aus
Sadjen, Böhmen, Tirol und der Schweiz
Bergleute heranzog und in der Perſon
des Niürnberges TIhain einen tüchtigen und
energiihen Fachmann an die Spike des
Unternehmens ftellte.
Allein die erwartete Ausbeute Fam
nicht, viefige Summen an Betriebsfapital
gingen verloren und wurden nicht wieder
eingebradt. Thain fam nun auf den Ge-
danfen, das Tonjteingebirge des Stahlberges,
das neben feinen Kupfer-, Gilber- und
Duedfilbererzen auch ſchwefelhaltige Erden,
Schweripat und Schwefelkies führt, zur
Heritellung des damals jehr gut im Preis
ftehenden Alaum zu verwenden. Schmefel-
faure Tonerde, der eine Bejtandteil des
Alaun, war wegen des reichen Schmwefel-
gehaltes leicht zu gewinnen. Es handelte
fih daher nur darum, wie die andere
Hälfte des gewünſchten Doppelfalzes zu
beichaffen fei, nämlich Kali uder Ammoniaf,
und furz entichloffen nahm man — „Harmb
oder Urina“,
Mit ungefähr 10000 Mt. Unkoſten
murde eine Giederei eingerichtet. „Ein
Sieder wurde aus Joachimstal (Böhmen)
berufen und ihm ein Junge als „Fürläufer”,
ein Küſer und zwei Holzhauer und Köhler
(als Heizer) beigegeben. In die benad)-
barten Dörfer aber ftellte man zur gütigen
Benügung einige „fahlin, fo den Harmb
oder Urina in fich jamblen und aufnehmen
mögen.“
Die Fabrikation fchien anfangs auch
flott von jtatten’zu gehen und Thain fonnte
jeinem hohen Auftraggeber einen guten
Überſchuß in Ausficht ſtellen. Aber die
Sachlage änderte ſich, als die Ammoniak:
lieferanten, die Bauern, mit der Lieferung
ihrer Salze verjagten. Trotzdem gab man
die Hoffnung nicht auf.
Da die Bergwerfe doch nicht rentierten,
entließ man die Arbeiter, verbeijerte in der
Alaunfiederei die Inventur, regelte die
Holz- und Kohlenlieferungen und fuchte den
„toßigen Ungehorfam der Pauren“ bei
— — — — — — — — — nr —— — — —
Lieferung der „Harmbs“ zu brechen. Thain
ſchlug dem Herzog vor, „daß ein ernſtlich
Mandat, ſchriftliche Urkund angeſchlagen
und den Untertanen bei einer Straf auf—
erlegt, auch Keller und Schultheißen ernſtlich
befohlen werden, den Harmb zu ſamblen
. . Und ſoll dem Mandat ſonderlich ein:
geleibt fein, daß die Untertanen bei ernſter
Straf fein Waſſer in den Urin oder Harmb
mengen und daß ihnen die Schultheißen
und Seller ernjtlicdh zu geben, dasſelbe
ernſtlich und nicht fchimpflich zu verjehen,”
Meiienheim joll 2 „ziembliche Fäſſer“
befommen; auch mit Mofchel und Gted«
weiler war man nicht zufrieden, „denn
wo die Bauren zu Stefmwerler am Berg»
werk hindern fünnen und dasjelbe gar zu
Boden treiben fönnten, fparen fie feinen
Fleiß.“ Tie Antwort des Herzogs ift
nicht bekamt. Tatſächlich ſoll die Alaun—
ſiederei nochmals eine ſolche Blüte erreicht
haben, daß ſie das geſamte Bergweſen in
Schatten ſtellte.
Auch mit den Gruben wurde es noch—
mals verſucht. Bergfundige aus allen
kergbautreibenden Staaten zog man als
Sachverſtändige bei, etwa 25 neue Zechen
wurden angelegt. Der Herzog jelbit warb
unter den befreundeten Fürſten und Städten
um Teilnehmer und fand fie auch in über:
rafchend großer Anzahl Eine große Vlüte-
periode ſchien fi für das Yand zwilchen
Glan und TDonnersberg vorzubereiten, da
raffte der Tod die Seele des ganzen Unter:
nchmens, den Herzog Wolfgang, am 11,
uni 1569 weg; jein Nachfolger zog feine
Stammfupitalien zurüf und das ganze
Unternehmen zerfiel.
Schut der Haturdenkmäler.
Das Beltreben, die fogenannten Natur«
denfmäler — ichöne Wald- und FFelspartien,
jeltene, befonders mächtige oder hiſtoriſch
interefjante Bäume und dergl. — zu er»
halten, ift derzeit allenthalben ein jehr
reges; aus Privatkreiien (Prof. Conmeng),
von Berichönerungsvereinen angeregt, hat
es bei den FForftverwaltungen der ver»
ſchiedenen deutſchen Staaten freundliches
GEntgegenfommen gefunden, zu einer ganzen
Reihe von Publifationen wie zu mandem
Erlaß feitens der Regierungen Beranlaffung
gegeben
Auch in Bayern it jeitens des Sal.
Staatöminifteriums der Finonzen im vorigen
Fahr eine Verfügung an die jämtlichen
Forftämter ergangen, melde unter Din-
meis auf jchon früher für einzelne Bezirke
getroffene Anordnungen ausipricht, daß den
mehrfach in die Offentlichkeit getretenen
Beitrebungen auf Pflege und Erhaltung
der landihaftliden Schönheit jomwie der
jogenannten Naturdenfmäler in ſachgemäßer
Weiſe Rechnung getragen werden ſolle.
Es wird zu diefem Behufe angeordnet,
daß bei jedem Forftamt ein eigener
Akt anzulegen ift, in welchem alle auf
diefen Gegenſtand bezüglichen Aftenftücfe und
Korreipondenzen einzuordnen find; ins—
bejondere find auf befonderen Blättern die
etwaigen Beftimmungen über Bewirtichaf-
tung und Behandlung einzelner Waldteile
vorzumerfen.,
In den Akt ift ferner ein Verzeichnis
einzufügen über bemerkenswerte Bäume
und Baumgruppen, die durch Alter, jeltenes
Borfommen, Gigentümlichfeit der Wuchs—
form, durch hiſtoriſche Erinnerungen und
dergl. mehr eine beiondere Beadhtung und
Berüdfihtigung, Erhaltung über den Ab-
tricb des umgebenden Beltandes hinaus
verdienen; auch Borfommen jeltener Pflan-
zen fann in diefe Berzeichnijfe aufgenommen
werden. Wo nötig, wird zur Erleichterung
des Auffindens und der liberwachung der
verzeichneten Objekte ein kleiner Handriß
deren Stelle im Walde bezeichnen.
Auch andere Vorkommniſſe — jo z. B.
ſchöne Felspartien, welche mit der Stein:
gewinnung zu verichonen find — können
in jenen Berzeichniffen Aufnahme finden,
Bon UÜberſchwänglichkeiten ſoll man ſich
ſelbſtverſtändlich ferne halten, den Rückſichten
35
des Verkehrs und der Sicherheit bei Er—
haltung ſchadhaſter alter Stämme, brüchiger
Aeſte entſprechend Rechnung zu tragen.
Die Aufnahme der betreffenden Objekte in
jene Verzeichniffe ſoll feitens der Forft-
ämter nach vorheriger Beiprechung mit den
Inſpektionsbeamten an Ort und Stelle
und auf Grund übereinftimmender An-
fihten über Erhaltungs-Würdigfeit er:
folgen.
Mit Recht wird am Schluß jener jehr
zu begrüßenden Entjchließung darauf hin-
gemwiejen, daß, mie einerſeits den Beſtre—
bungen nach Erhaltung des Intereſſanten
und Schönen jeder Vorjchub zu leiften, jo
andererjeit8 auch zu verhindern jei, daR
bei dem Streben nadı Naturverjchönerung
Mißgriffe aus eigener Initiative der Fort
beamten oder auf fremde Anregung hin
gemacht werden, wie fie durch Errichtung
einfacher Gebäulichfeiten, gartenmäßige An—
lagen, Anpflanzung zur Waldumgebung
nicht pafjender Holzarten und dergl. mehr
jhon vorgefommen find.
Schließlich wird den Forftbeamten em-
pfohlen, auch für die ihnen unterftellten
Gemeinde- und Stiftungswaldungen An»
regung in obigem Sinne zu geben und
mit Willen und BZuftimmung der Beliger
auch Für deren Waldungen ähnliche Ver:
zeichniffe anzulegen. (Forſtl. Zentralbl.)
Denkmalpflege.
Eine Entſchließung des f. Staatömini-
fterrums des Innern empfiehlt den Ge.
meindebehörden die Beachtung folgender
Leitfäge, welche der jechite Tag für Denf:
malpflege über die Erhaltung alter Straßen-
namen aufgeftellt hat:
1. Jede alte und als foldye neichichtlich
bedeutungsvolle Bezeichnung von Straßen,
aber auch von Plägen, Brüden, Häufern
und ganzen?Stadtteilen, dann von Uder:
und Waldftüden, Flüſſen, Bächen, Zeichen
und Bergen ift auf alle Fälle zu ſchützen
und zu erhalten, und zwar umjomehr, je
eigenartiger und finnvoller fie iſt.
2. Inſonderheit dürfen alte Namen
nicht zu Gunften von ſolchen berühmter
oder verdienter Männer des Baterlandes
oder der engeren Heimat bejeitigt werden.
3, Bei Benennung neuer Straßen find
in erjter Linie die alten Flur- und Orts—
bezeichnungen zu verwenden.
4, Da, wo erft in neuerer Beit der
alte Name durch einen modernen erjekt ift,
foll der erfte, jo weit ed irgend angeht,
wieder zu Ehren gebracht werden.
5. Es muß freilih dem Taftgefühl der
betreffenden Behörde überlaffen bleiben,
a) inwieweit auch jolde Namen, die
ichon im Gedächtnis des Volkes geſchwunden
find, wieder in Gebraud zu jegen find,
b) inwieweit aud; ein neuerer Name
bereits geichichtlichen Wert gewonnen und
deshalb auf Schuß Anspruch zu erheben hat,
c) inmieweit alte, aber verderbte
Namen ihre urjprüngliche Form wieder
erhalten können.
— 36 —
6. Zu allen Umnennungen alter Straßen | fundige Perſonen, insbeſondere die Leiter
und zur Benennung neuer jollen ſtets die | der ftaatlichen und ftädtiichen Archive, Biblio»
örtlihen Geſchichts und Altertumsvereine | thefen und Mujeen als Sadjverftändige zu
ſowie auch einzelne gejchichts- und jprad)- | Rate gezogen werden,
Forſchungen über die verfchiedenen Formen
des dentfchen Banernhofes und Banernhanles.
Das. b. Staatsminifterium des Sinnern | und für die Gefchichte der wirtichaftlichen
hat an die Diftriktsverwaltungsbehörden, | Verhältniffe der deutichen Bauern. Der
die £. Bauämter und die Gemeindebehörden | Verein für bayeriſche Bolfsfunde
folgenden Erlaß gerichtet: und Mundartenforihung in Würz:
„Der Gefamtverein der deutichen Ge- burg bildet für Bayern die Zentralſtelle
ſchichts und Altertumsvereine hat beichloffen, | der Erhebungen und bittet um förderliche
dur; Fragebogen die verfchiedenen Formen | Unterftügung feiner Bejtrebungen durch
des deutichen Bauernhofes und Bauern, | die Berwaltungsbehörden. Diejem Wunſche
haufes nach ihrer geographiichen Berbrei- | entipredhend werden Die Diſtriktsverwal ·
tung zu verfolgen. Dieſe erfreuliche tungsbehörden, die f. Bauämter und die
Forschung ift nicht nur von Bedeutung für Gemeindebehörden veranlaßt, die bezeichnete
die eigentlihe Volkstunde und Kultur: Forſchung bei gegebener Beranlafjung tun«
geichichte und für die alte Stammesgefchichte lichſt zu unterjtügen.”
Gedenktage im März.
Geboren: 21, Yean Paul (1763) 1871: Am 1. Einzug don 30000
und Joh. Seb. Bad (1685). — 23. 9. H. Deutihen in Paris. — Am 22. März
Francke (1663). — 31. Joſ. Haydn (1732). | 1797 Kaiſer Wilhelm 1. geb, am 9,
Geftorben: 14. Klopftsc (1803). — : März 1888 geft. — 1813: Am 31, Ein:
22. Goethe (1832). — 26. 8. v. Beet- | zug der Verbündeten in Paris,
boven (1827), |
Rundfrage.
Den verehrlichen Leſern unſerer „Pfälz. Heimatkunde“ iſt bekannt, daß wir ein
Zuſammenwirken veranlaßt haben, um über die Einführung des Kartoffelbaues in der
Pfalz genauere Daten zu gewinnen. Das Refultat, wie e8 im vorigen Jahrgange
vorliegt, fann nur befriedigen; es ermutigt uns, zunäcft über das Vorfommen
des Wolfes in unferen Wäldern Grfundigungen einzuziehen, Wir bitten aljo
befonders unjere verehrten Gönner in der Südpfalz, die Traditionen der Bewohner
zu prüfen und vornehmlih Notizen aus dem Beginne des 19. Yahrhunderts zu
jammeln. (D. Sch.)
Inhalt: Wafferreihtum und Grundwafleritand. — Materialien zur Bayerifchen Orni—
thofogie IV. — Heimat und Heimatkunſt. (Schluß). — Witteldbah auf Landsburg. — Schu
der Naturdentmäler — Denkmalpflege. — Forichungen über die verfchiedenen Formen des deutſchen
Bauernhofes und Bauernhaufes. — Gedenktage im März. — Rundfrage.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Kandftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find bie ‚Herren Berfaffer verantwortlich.
Die „Pfälgtiche Helmatkunde“ koſtet jährlich in 12 Heften at. 2.50. Peftellungen werden bon allen Buchhandlungen und
Poftanflalten ferner vom Berleger (Vortofreie Streifbaubfendung) angenommen.
II. Jahrgang.
\PALzIs
FÜR SCHULE UND HAUS.
Städte:
1) Ludwigshafen
2) Saiferslautern
3) Birmajens
4) Speyer
5) Neustadt
6) Franfenthal
7) Landau
8) ©t. Ingbert
9), Zweibrüden
10) Oggersheim
11) Dürfheim
12) Germersheim
13) Homburg
14) Edenkoben
15) Grünftadt
16) Landſtuhl
17) Annweiler
18) Kuſel
19) Lambrecht
20) Kirchheimbolanden
21) Dtterberg
22) Bergzabern
23) Deidesheim
24) Yautereden
25) Wacenheim
26) Blieskaſtel
27) Hornbad)
28) Obermojchel
29) Wolfftein
Nummer 4
Bolkssählung 1905.
I
Die Ergebnifje der Volfszählung in den Städten und den größeren Land,
gemeinden der Pfalz Haben wır zufammengeftellt und ihnen zum Vergleich die Zahlen der
BVolfszählung vom Jahre 1900 hinzugefügt. Daraus ergibt fich nachftehende Reihenfolge:
1905
712168
52197
34500
21792
18565
18187
17141
15521
14145
6639
6360
5914
5491
5144
4514
4442
4013
3871
3690
3625
2692
2681
2678
2223
2220
1580
1472
1339
1205
1900
61914
48310
30195
20921
17795
16899
15824
14050
13716
6128
6207
5868
4785
5232
3931
4202
3664
3122
3629
3458
2701
2600
2808
1952
2275
1558
1339
1347
1100
2
April 1906.
CHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
L/
Yandgemeinden:
1905
1) Scıfferftadt 7508
2) Haßloch 7119
3) Mutterftadt 4653
4) Mittelberbad) 4502
5) Herrheim 4426
6) Lambsheim-Mardorf 4322
T) Oberberbad 3998
8) Rheingönheim 3766
9) Kandel 3664
10) Oppau 3661
11) Rodalben 3623
12) Rülzheim 3368
13) Maifammer-Alfterweiler 3298
14) Bellbeim 3243
15) Eifenberg 2955
16) Hochſpeyer 2684
17) Mußbach 2676
18) Freinsheim 2504
19) Iggelheim 2470
20) Neuhofen 2467
21) Rohrbach b. St. Ingbert 2453
22) Offenbad) 2406
23) Weijenheim a. ©. 2362
24) Albersweiler 2325
25) Lachen Speyerdorf 2281
26) Edesheim 2273
27) Hambach 2234
28) Ramftein 2213
29), Wörth 2168
1
1900
6075
6423
4294
3972
4179
4095
3415
3118
3601
3354
3151
3201
3475
2955
2555
2508
2632
2462
2315
216U
2185
2202
2362
2143
2266
2264
2244
2082
2018
Die größeren Städte (mit iiber 10000
Einwohnern) haben danach ihren Plat be:
hauptet. Die fleineren Städte dagegen
haven alle, mit Ausnahme von Germers-
heim, Annweiler und den vier legten,
ihre Pläße geändert, Bemerfenswert iſt
aud) diesmal wieder der Bevölkerungs
zuwads von Ludwigshafen, das jeit |
1895, wo es 39779 Einwohner zählte,
jeine Einwohnerzahl nahezu verdoppelt hat.
Pirmaſens vermehrte fi) um rund 5300,
tailerslautern nur um 3900, Nadı
diefen drei großen Fabrikſtädten hat die
größte Zunahme St. Ingbert mit 1471
aufzumeifen; es folgt dann Yandau mit
1317, Sranfenthal 1288, Zweibrüden
1029, Speyer 8T1 und Neuftadt mit
768. Abgenommen hat die Einwohnerzahl
in Deidesheim um 130, in Edenfoben
um 88, in Wadenheim um 55, in
Dtterberg um 9 und in Obermoſchel
um 8. Bei den größeren Landgemeinden
haben nur Maifammer und Hambad
einen Bevölferungsrüdgang, und zwar
eriteres einen jolchen um 176, letzteres
einem jolhen um 10 Köpfe. Dagegen
haben in der Neihenfolge nadı der Be-
völferungszahl nur fünf der größeren Yand-
gemeinden ihren Platz behauptet, nämlich)
Mutterfiadt, Oppau, Bellbeim,
Freinshbeim und Wörth. Haßloch,
das bisher die größte Landgemeinde der
Pfalz mar,
überflügelt. Mittelberbad kam über
Herrheim und Yambsheim-Mardorf,
Maitlammer-Alfterweiler rüdt von
der 8. auf die 13. Stelle und umgefehrt
Nheingönheim von der 13, auf die 8. uſw.
Die Gejamtbevölferung der Pfalz beträgt |
jett 885280 und ift feit dem Jahre 1900
um 53602 Seelen gewachſen. (X. U.)
II.
Das Erhebungsmaterial der Volks—
zählung vom 1. Dezember 1905 (Bäh
lungsliften, Stontrofliften ujmw.) ift nun:
mehr zum größten Zeile dem fgl. Sta-
tiftiihen Bureau zugefommen, jo daß da»
jelbft die Arbeiten für die Auszählung
bereitö beginnen fonnten, Für mehrere
Monate find das jedoch nur Vorarbeiten
zur eigentlihen Zählung, der Feititellung
der Ergebniſſe.
wurde von Scifferftadt |
38
Man begegnet häufig der Anichauung,
daß die Bolfszählung mıt dem Erhebungs-
tage des 1. Dezember oder doch alsbald
nachher beendet jei; dies iſt eine irrige
Annahme. Die Volkszählung findet aller:
dings nad) dem Stande vom 1, Dezember
ftatt; an diefem Tage werden aber nur
die Berjonalangaben (die Zählungslifte ent-
hält für jede einzelne Perſon 17 Spalten)
aufgezeichnet ; die Auszählung diejer An»
gaben kann erjt nach mehreren Monaten
in den ſtatiſtiſchen Bentralitellen der ein»
zelnen Bundesftaaten beginnen, und die
Ichließliche BVeröffentlihung der Ergebniffe
fann jeweils erft längere Beit nach dem
Bolfszählungstag erfolgen. Beiſpielsweiſe
mag erwähnt werden, daß das Staijerliche
ftatiftiiche Amt in Yerlin die Grgebniffe
der Volkszählung vom 1. Dezember 1900
für das Deutfhe Reich im April 1903
veröffentlicht hat.
Da es die Allgemeinhei intereifieren
dürfte, etwas über den Gang einer Bolfs-
zählung zu erfahren, mögen hier einige
Angaben folgen.
Das bayeriſche Zählungsmaterial der
legten WBolfszählung befteht — abgeiehen
von etwa 30000 Nebenliften (Kontroll—
liften 20.) — aus den für jede einzelne
Haushaltung angelegten Liſten, zujammen
rund 1500000 Zählungsliften, welche —
bei einer Yiftenbreite von 49 Zentimeter
— nebeneinander ausgebreitet eıne Yänge
von über 750 Kilometer ergeben würden,
gleich der Bahnftrede von Münden nad
Florenz.
Nach Eintreffen des Materials ım kgl.
Statiſtiſchen Bureau erfolgt zunächit die
Prüfung der Zählungsliften auf Boll«
zähligfeit (nach Gemeinden und gemeind-
lihen Zählbezirken), jodann die Prüfung
des Yilteninhalts. Bei der vorletten Zäh—
lung waren rund 25000 Lilten mangelhaft
oder unrichtig ausgefüllt und mußten zu
bejonderer Erhebung zurücdgejendet werden.
In den beum Statijtiichen Bureau zu
bearbeitenden Zählungsliften find die Per-
fonalangaben von rund fehs Millionen
Perjonen aufgezeichnet (die Zählungs—
ergebniffe für die Stadt Münden
werden durd) das ftädtiiche Statiftifche Amt
bearbeitet). Alle dieſe verjchiedenen Per—
jonalangaben (Geſchlecht, Geburts-Tag,
39
Monat und -Jahr, Geburtsort, Familien- |
jtand, Meligion, Staatsangehörigfeit, Mili-
tärzugebörigfeit ujw,) können aber nicht
gleichzeitig aus den Grhebungsliften aus
gezählt werden. Daher werden die für
die erite Bearbeitung (j. u.) erforderlichen
einzelnen Angaben für jede Perſon auf
ein fleines Blättchen — für männliche und
weibliche Berjonen je von befonderer Farbe
— aufgejchrieben und dann je nach dem
Inhalte der zu fertigenden BZujammen-
ftellung gruppiert und abgezählt.
Da bei diejer erften Bearbeitung für
jeden der außerhalb der Stadt München
gezählten rund jechs Millionen Einwohner
zwölf Angaben in Betracht fommen, müffen
172 Millionen Angaben ausgeichrieben
werden, Die ausgejchriebenen 72 Millionen
Angaben werden durch Bergleihung mit
den rund anderthalb Millionen Urliften
auf Nichtigkeit geprüft. Erft nach dieſen
Borarbeiten beginnt die erſte der ver-
Ichiedenen Auszählungen, bei der Volks—
zählung von 1900 begannen dieje im
Dftober 1901, aljo zehn Monate nad) dem
Erhebungstage.
Das Auszählen erfolgt in der Weile,
daß die Vlättchen nach den auf ihren ver
zeichneten Angaben — 3. B. nach dem
Familienſtand in vier Häufchen (für ledige,
verheiratete, verwitwete, geichiedene Per—
fonen) — ausgeſchieden und dann abge:
zählt werden. Wird 3. B. die Staats—
angehörigfeit bearbeitet, jo werden Die
Blätthen in ebenjoviele Häufchen aus:
einandergelegt, als Staaten berüdlichtigt
werden. Das bezügliche Verzeichnis deut-
jcher und ausländischer Staaten umfaßt
rund 60 Staatennamen. Yede einzelne
dev Bearbeitungen der Bolfszählung er-
fordert eine” folde gefonderte Ausscheidung
und Abzählung von ſechs Millionen Blättchen.
Die erfte der Bearbeitungen beim fgl.
Statiftiihen Bureau bezieht fih auf das
von Ddiejem herauszugebende Gemeinde—
verzeihnis, welches für jede Gemeinde
15 verichiedene Angaben über den Be-
völferungszuftand und die Unzahl der
Haushaltungen nachweiſt. Da 7993 Ge—
meinden in Berradıt kommen, ergibt die
Ausicheidung rund 120000 Häufchen von
Bählblättern, jo daß ebenfoviele Zahlen feit-
zuftellen und in Rubrifen einzutragen find,
— — — — —— — — ——
Mit dieſer Arbeit ſind aber nur für
jede einzelne Gemeinde die Summen her—
geitellt, die für da8 Gemeindeverzeich—
nis erforderlich find (3! B, für jede Ge-
meinde die Summe der fämtlichen Aus:
länder nur in einer Zahl). Für die nad)
Bundesratsbefchluß herzuftellenden elf be—
jonderen Tabellen ift noch eine Reihe von
bejonderen Bearbeitungen (nad) Religion,
Staatsangehörigfeit, Alter ujw.) erforder«
lid. Hinfichtlih der Religion jcheint
dies eine einfache Arbeit zu fein, da die
meiften wohl nur an die drei Hauptnamen
Natholifen, Proteftanten und Söraeliten
denken. Das Verzeichnis der Befenntniffe,
die bei der Erhebung jelbit in die Liften
eingetragen werden fönnen, umfaßt aber
weit über 200 verjchiedene Bezeichnungen,
die bei der Bearbeitung in neun Haupt-
gruppen zu vereinigen find.
Noch umfangreicher ift die Ausscheidung
nad dem Alter der Perjonen. Diele
erfolgt zwar nicht nad} einzelnen Gemeinden,
fondern nur nad größeren Gemeinden,
Städten und Amtsgerichten, Es ergeben
fich aber 3. B. für jedes Amtsgericht zus
nächſt 100 Päckchen von Zählblättchen für
die 100 Geburtsjahre jeit 1805. Da
ferner die Zählung am 1. Dezember ftatt:
fand, muß bei der Altersziffer ſtets auch
in das Borjahr zurüdgegriffen werden.
3. B. die am Bählungstage im 1, Lebens-
jahr ftehenden (unter 1 Jahr alten) Kinder
jegen ſich zuſammen aus jolden, die im
Jahre 1905 (bis zum 30, November), und
folchen, die im Dezember 1904 geboren find.
Bei der Ausscheidung nah dem Alter
find daher die Wlättchen für jeden Yahr-
gang in ſolche zu jcheiden, welche die in
der Zeit vom ‚Januar bis zum 30, November
eines Jahres uud in folche, welche die im
Dezember des Vorjahres geborenen be-
zeichnen. Dies ergibt, da mit einem Lebens—
alter bis 100 Jahren zu rechnen ift, 200
Alterspädchen, die wieder für fich nach dem
Geſchlecht und den vier Hamilienjtandsarten
der dargeſtellten Perſonen auszujcheiden
find, Die Altersausjcheidung für die Per,
onen eines Amtsgerichts ergibt daher —
wenn man als geringites Alter für Ver—
heiratete das 20, Lebensjahr, für Ver—
twitwete und Gejchiedene das 30. Lebens-
jahr annimmt — etwa 1230 Päckchen von
— 40 —
Zählblättchen, jene ſür ſämtliche Amts— | der 1. Zuli 1907 für die Tabellen nad
gerichte, Städte und größere Gemeinden | Oberlandesgerichtsbezirfen, Wahlkreiſen,
etwa 380000 Pädcen. Für jedes diejer | Eleineren Verwaltungsbezirken (unmittel:
Päckchen ift die Zahl der Blättchen (Per- | baren Städten und Bezirfsämtern), Ger
fonen) durch Abzählen feitzujtellen und in | meinden und Wohnplägen und endlich für
die betreffende Tabellenrubrit einzutragen. | Ausjcheidung nad der Religion, welche den
Ähnlich vollziehen fich die Bearbeitungen | Schluß der Bearbeitung bildet.
der Volfszählung für die übrigen Tabellen. Mit Nücjicht auf diefe Termine ift im
Un das Abzählen der Blätthen und | fgl. Statiftiichen Bureau ein beitimmter
den Eintrag in die elf Tabellen fjchließen | Arbeitöplan aufgeftellt, von welchem nicht
ih dann jeweild noch die Arbeiten der | abgewichen werden fann.
Prüfung, Vergleihung, Auffummierung der Die eingangs erwähnte irrige Auffaſſung,
Bufammenftellungen ufw., welche gleichjalls | als ob am BVolkszählungstage das Volks:
einen erheblichen Zeitaufwand beanfpruchen. | zählungsergebnis geihaffen würde, und
Tiefe verjchiedenen Bearbeitungen der | die bald nach dem Bählungstage erfolgte
Volkszählung können felbftverftändfich nur | Bekanntgabe des vorläufigen Ergebniſſes
je für fih und nad und nad) erfolgen. | binfichtlich der Gefamt-Einwohnerzahl der
Da die Bearbeitung in allen deutichen | Bezirfsämter und unmittelbaren Städte
Staaten gleichzeitig und gleihmäßig voll- | haben zur Folge gehabt, daß beim gl.
zogen wird, find vom Bundesrat für die | Statiitifchen Bureau ſchon von manchen
Sertigitellung der einzelnen Tabellen ber | Seiten nad Einzelheiten der Erhebungs:
jondere Termine feitgejegt. Es find dies: | ergebnifje angefragt wurde, die nicht mit-
der 1. März 1906 für die vorläufige | geteilt werden fonnten, da deren endgil-
Überficht; der 1. November für Flächen | tige Bearbeitung erft jet in der oben
und Einwohner und die bejondere Auf | dargeftellien Weife vorbereitet werden fann.
ftellung nach Boll: Direftivbezirfen; der 1, Diefe Zeilen jollen daher nicht nur
Februar 1907 für die befondere Bearbei: | weiteren Streifen der Bevölferung einen
tung der Haushaltungen nach Art und Zu- | Einblid in die Werfjtätte des Wolfs-
jammenfegung; der 1. Mai 1907 für die | zählungsgeichäftes gewähren, fondern aud)
Ausscheidung nach der Staatsangehörigkeit | eine zutreffendere Bürdigung der Bolfs-
“und die Nadweilung der Landiturmpflich- |; zählungsarbeiten ermöglichen, welche ver
tigen nach ihrer militärischen Ausbildung; | frühte Anfragen verhindern. (M. N. NR.)
Aontignitätsentfchädigung der Arone öſterreich an Bayern.
Bei der Beratung der Nacmeifungen | geichloffen zu Wien am 23. April 1815
zum Gtat der Zinſen, Menten und zus | zwilchen Dfterreich, Rußland, Breußen und
fälligen Einnahmen ujw. fragte Referent Bayern unter Mitwirfung von England,
Neicherat Frhr. dv. Wiirgburg nad) der | wurden die Gebietsverhältniffe Bayerns
Herfunft der mehrbeiprochenen, in diefem | neu geregelt und insbefondere der Anfall
Etat verrechneten 150000 ME Konti- | beträchtliher badiſcher Webietsteile an
guitätsentfhädigung der Strone Ofter- | Bayern verabredet. Der Vertrag wurde
reich. Der Finanzminifter gab darauf Über | aber nicht genehmigt. Im Vertrage mit
deren hiftorifhe Entwicklung eine längere | Dfterreih vom 14. April 1816 mußte
Erklärung ab; hiernach war Bayern fchon | Bayern auf den Zufammenhang feines Ge:
in einem geheimen Artifel des Rieder Ver: | bietes verzichten. In den beigefügten ge-
trage von 1813 für etwaige Gebiets: | heimen Artıfeln wurde aber der badijce
abtretungen cine Gntihädigung in der | Main- und Tauberkreis beſtimmt, der
Weije veriprochen worden, daß Abtretungen | Krone Bayern als Entſchädigung zu dienen
in Bayern mit diefem ein zuſammen- für den veriprodjenen territorialen Zu—
hängendes und ununterbrochenes Ganzes | jammenhang. Damit die Intereſſen Preußens
hilden. In einem weiteren Bertrage, ab» durch den Aufichub, welchen die Abtretung
des Main- und TQauberfreijes erfahren
würde, nicht verlegt werden fünnen, über:
nahm aber durch Artikel II diejes geheimen
Vertrages der Kaiſer von Delterreich die
jährlihe Zahlung einer Entihädigung, die
nad) freiwilliger Übereinkunft auf 100000
Gulden RW. feitgeiegt wurde. Auf Grund
Bertrages von 1819 mit Baden wurde in
den Frankfurter Gebietörezeß die Beſtimmung
aufgenommen, daß die Baden im Bertrage
von 1813 auferlegte belajtende Klauſel
widerrufen jein joll. Zugleich verwandelte
der Kaiſer von Defterreich in Artikel VII
dieſes Rezeſſes die bedingte und temporäre
Nente von 100000 Gulden, welche er in
41
dem Münchener Bertrage von 1816 über:
nommen hatte, zum ®Borteile Bayerns in
eine immermwährende Rente (un rente
perpetuelle). Hierin hat die Öfterreichifche
Kontiguitätsentichädigung ihren Grund.
Die Staatsſchuldenkommiſſion in Wien
beichloß neulich, die Regierung aufzufordern,
ihr die Aften über die Abfindungsjumme
von 100000 Gulden, die jeit dem Jahre
1814 für die Abtretung des Main-Tauber-
Kreijes in Bayern bezahlt wurden, auszu-
folgen und eine Ginigung durch Zahlung
einer einmalıgen Abfindungsjumme
anzuregen.
Ein Balaltgang im Baardtgebirg,
Bon Otto Stang.
Die hohe Dfthaardt mit dem fteilen
Abfall nach der Nheinebene wird durch den
jogenannten Buntjandjtein gebildet, deſſen
tiefere Schichten längs des Djftabhanges
überall fihtbar zu:
tage treten und ein
vortrefflihes Baus
material liefern,
das in zahlreichen
Steinbrücdhen ge
brochen und weit:
hin verjendet wird.
Auch die Unterlage
de8 Sandſteines
wird? an vielen
Stellen fihtbar
und beſteht «us
Gneis, Porphyr,
Melapbyr und ans
deren Gefteinsar-
ten, die jämtlih älteren Uriprungs find
als der Buntjandftein. Während das
Haardtgebirge fich ſonſt frei von jüngeren
GEruptivgefteinen zeigt, macht das mächtige
Vorfommen von Bafalt in einem engen
Tale bei Forft eine Ausnahme. Ungefähr
3 km meitli von dem Dorfe hat ein
mächtiger Bajaltgang den Sandftein durd)-
brochen. Der Zeil des Bergrüdens, der
diefes fchwarze Geftein birgt, heißt der
Pechſteinkopf, der zugleich eine prachtvolle
Ausfiht auf das Nheintal bietet.
Diefer Bafalt hat durd feine eigen-
tümliche Beichaffenheit, durch interefjante
Mineraleinichlüffe, ſowie durd feine Lage—
rungsverhältniffe und nicht zulegt durch)
feine praftijche Verwendbarkeit jchon lange
die Aufmerfjamfeit —
weiterer Kreiſe auf
ſich gezogen.
Der Balaltgang
erſtreckt ſich in der
Richtung von Nord»
oft nah Südweſt
aufeine Entfernung
von 7T00- 800 m.
Dod find die beiden
Enden des Ganges
nod) unbefannt, da
fie durh über
lagernden Grus
verdedt find. Der
Gang hat nad) den
bisherigen Aufichlüffen 150 —200 m Mäd)-
tigkeit. Wie weit er in die Tiefe geht, ift
unbeftimmt. Nach Anfiht der Geologen
ift feine Tiefe unbegrenzt. Der Bajalt
heißt im Volksmunde Pechſtein. Als Pech—
ſtein bezeichnet die Wiſſenſchaft halbglaſige
Maſſen von pechähnlichem Ausſehen mit
mehr oder minder ſtarkem Fettglanz, vor—
herrſchend dunkelgrau, bräunlich oder ſchwärz⸗
lich gefärbt, denen ein Waſſergehalt eigen-
tümlich ift. (Siehe: Zeitfchrift der deutichen
geologischen Gejellichaft, 19. Band, 1867,
S. 778 ff.)
Der Bajalt bei Forft ift durch Brüche
aufgejchloffen. Einen gar ichönen Anblick
gewähren hier die aus gewaltıgen Säulen
pfeilern aufgebauten Gefteinsmafjen. Die
Bafaltmaffen find nämlih in regelmäßigen
jechsjeitigen Säulen abgejondert, die durd)
wagrechte Teilung in 80—150 cın lange
Stücke gegliedert erjcheinen
von 40—80 cm und wohl auch noch da-
rüber fteigen die Säulen in langgejtredten
Reihen meistens fchief auf.
Säulen haben fih im Laufe der Zeiten
weiße weiche Rinden abgejegt, die 90— 96
fohlenfauren Kalk enthalten. Zahlreiche
Spalten im Bajalt find aud mit Kalkſpat
ausgefüllt, jo daß die falfigen Majjen wie
Schnüre oder Adern die Bujaltlager durd)-
ziehen. (Über die Stalkbildungen fiche Jahres-
bericht der Pollihia, 1866, ©. 214 ff.)
Der Bajalt bildet im Bruche ein dichtes
blaufhmwarzes Geftein. Sein jpezifiiches
Gewicht iſt 3,5—-39. Nah Profeflor
Dr. Leppla in Berlin (Siehe Yahresbericht
der Pollichia, 1884, ©. 54 ff.) find im
Forſter Bafalt folgende Gemengteile zu
beobaditen: Mit bloßem Auge erfennt man
die häufigen und oft ziemlich großen blaß
grünen Körner von Dlivin. Die frijchen,
lebhaft glänzenden Kryſtalle find mit ſchwach
grünlidy-gelber Färbung durchſichtig. Faſt
alles, was nicht dem Olivin im Geſtein
angehört, iſt Augit. Die Augite beſitzen eine
blaßbräunliche bis gelbbräunliche Färbung,
der Rand iſt etwas dunkler. Im Augit
find hin und wieder Olivinkryſtalle und
vereinzelte Magnetitförner eingeſchloſſen.
Als dritter Gemengteil find leßtere ver:
treten. Der Magnetit bedingt die Schwarze
Färbung des Geiteins durd feine große
Berbreitung in annähernd gleichmäßig großen
Kriftällhen. Die Bafis bilder gleid)-
jam das Bett aller einzelnen Mineralaus-
jcheidungen, tritt aber gegen dieje fo zurück,
daß es bei flüchtiger Betrachtung Überhaupt
nicht leicht jein dürfte, die Balis zu jehen.
Sie ftellt fih als ein farblojes Glas dar.
Weitere Kriftalle find nicht im Bajalt ein:
geftreut.
Brofeflor Cohm von Straßburg äußert
fi über den Bajalt von Forſt aljo: „Das
Beftein von Forſt ift ein Lımburgit; die
Grundmaffe befteht aus Augit, Magnetit
and einer nicht allzu reichlich vorhandenen
In einer Dide |
des Mephelinbajaltes
Zwiſchen den |
farblojen, ijotropen Balis, die in der Kälte
durch Salzſäure zerjegt wird und eine
reichlich Chlornatrium enthaltende Yöjung
lieſert. Porphyrartig eingeiprengt treten
Augit, Olivin und einzelne große Magnetite
auf, der Dlivin mit zierlihen Einſchlüſſen
von PBicotit. Nach dem Berhalten der Baſis
wiirde der Yimburgit als ein Acquivalent
aufzufaflen fein.“
(Jahresbericht XL—XÄLI der Bollichia,
Dürfpeim 1884, ©. V.)
Der Foriter Bafalt it aljo aus Augit,
Dlivin, Magnetit in farblofer Baſis zu:
jammengejegt und alfo ein typiſcher Lim:
burgit, wie Profeſſor Roſenbuſch ſolche
Geſteine nach einem Vorkommen am Kaiſer—
ſtuhl bezeichnet hat. (Neue Jahrbücher für
Mineralogie von. C. v. Leonhard, 1872.35.)
Der den Bajalt bedefende Sanditein
ift von heller Farbe, jehr ſchwach verfittet
und läßt fich leicht wieder zu Sand zer
ftoßen. Sein Bindemittel ift teil$ Quarz,
teils Kalt. Auch Liegen fefte quarzige
Mailen auf den Gehängen. Das Volt
nennt fie Waden.
Die Entftehung des Baialts hat viel-
fahe Deutung erfahren, Auch über die
Beit der Entitehung gingen die Anfichten
ichon weit auseinander, Die ziemlich all:
gemeine Annahme, daß der Bajalt in vor—
geichichtlicher Zeit zu Ende der Tertiär-
periode entitanden, der Pechſteinkopf eine
Veranlaffung des Diluviums diefer Gegenden
jei, blieb nicht unbeftritten. Aus Mißver—
ftändnis einer bedeutungsvollen Stelle des
Taecitus (Annal., XII, 57), die von einem
Feuerausbruche aus der Erde in den ger:
manchen Rheinlanden unmeit Köln handelt,
ließ man ihn inmitten der hiftorijchen Zeit
entjtehen. (Neues Jahrbuch der Mineralogie
von Dr. Leonhard, 1833, ©. 670.)
Im Hinblide auf die Lehre von der
Entjtehung des Bajalts fann man 2 Schulen
unterjcheiden, da über die Bildungsweife
des Bajalıs zwei verjchiedene Anfichten
geltend gemacht werden. Die eine Schule
betrachtet das Waſſer als Bildungsurfache
des Baſalts und wird deshalb als die
neptuniftiiche bezeichnet nach Neptun, dem
Gott des Meeres in der griechiichen Götter:
lehre. Die andere Schule, die plutonijche
oder vulfaniihe (nad) Pluto, dem Gott
des Feuers), lehrt, daß das Feuer bei der
Bildung des Bajalts wirfiam geweſen jei.
Dr. F. Mohr in Bonn vertritt die
Theorie, daß aller Bajalt auf naffem Wege
entjtanden ſei, d. h. er hätte fich nach und
nah auf dem Grunde der Gewäſſer nad)
dem Geſetze der Schwere abgelagert oder
niedergeichlagen.. War doch das ganze
Rheintal von Bajel bis Bingen nach Anficht
der Beologen in der Urzeit ein ungeheuerer
Ere. In diefen großen Binnenjee ergoffen
fich die Waffer des Aheines und Maines,
welche das nördlich und früher tiefer ge-
legeue Schiefergebirge bei Bingen durch—
bradyen und den Abfluß des Waſſers nad
der Nordiee bemwirften. Was unleugbar
die Überijchwemmung diefer Gegend durd)
das Meer bemeift, Jind die Ülberrefte von
Haififhen und anderen Seetieren, die man
bejonders bei Alzey und an der Nahe findet;
ferner die Schichten zahllojer Meerjchneden,
welche ganze Hügelreihen des Rheinufers
von Mainz bis Laubenheim bilden und fich
auf eine Tiefe von 15—18 m erftreden.
Die Anficht, daß der Bajalt eine Wirfung
des Wallers jei, findet nah Dr. Mohr in
dem Forfter Bafalt die vollftändigite Be-
ftätigung. Der Forſter Bajalt enthalte
1’ o/o Kohlenjäure und 2,025 » Wajier
in jeinen Stanälen eingeichloffen Auch jei
er verwitterbar, während alle geichmolzenen
Steine früherer und noch tätiger Bulfane
geradezu unverwitterbar feien. Die Urjache
diejer Vermwitterungsfähigfeit fieht Dr. Mohr
in dem Gehalt des Baſalts an Eohlenjaurem
Waſſer und Spateifenftein. (Siehe Dr. Mohr,
der Bajalt vom Bechfteinfopf im XXII.XXIV.
Fahresbericht der Pollichia, Dürkheim 1866,
©. 214 ff.)
Gejteine, welche wie unjer Bajalt Waſſer
und Sohlenjäure enthalten, können nad
Anfiht der Neptuniften nie gejchmolzen ge-
weſen jein, da mafjerhaltige Subftanzen
das Waller in der Glühhige verlieren und
Kohlenjäure durch Glühen ausgetrieben
werden kann. Es lehren dies Beobachtungen,
die man im Laboratorium gemacht. Aber
gewiß fann in der Natur möglic) jeın, was
im Laboratorium oder fonft Fünftlich nicht
gelingen will. Es fann der Baſalt Waſſer
und Stohlenjäure enthalten und doc aus
feurigflüffigen Maſſen, die an die Erd—
43
oberfläche gelangten, entjtanden jein. — |
Iſt doh auch Schon Waller in der Lava
beobachtet worden. Biele Geologen, wohl
die Mehrzahl, erflärt deshalb den Bajalt
für ein Gluterzeugnis. Die heute den
Bafaltgang füllende Maſſe jei urfprünglich
in einer weiten Spaltenfluft des Sandfteins
aus der Tiefe in geichmolzenem Buftande
emporgeprekt worden.
„Und vorwärts troß Schichten und Seen
Drang ſiegreich der feurige Held,
Bis daß er von fonntgen Höhen
Zu Füßen ſchaute die Welt.”
(B. Sceffet.)
Mächtige Kräfte, wie fie bei Erdbeben
fich offenbaren, haben die feurigflüffige Maſſe
emporgehoben. An der Oberfläche fühlte
fich diefe ab und erftarrte. Die eigentliche
Gangmaſſe des Baſalts hat fich bei der
Abfühlung und Erſtarrung zunädit zu
großen Kugeln abgejondert, die teilmeije
ineinander übergreiſen und jo verwachſen
find. In diefen Gebilden hat dann bei
weiterer Abkühlung die Abjonderung der
ihon erftarrten Maffe zu Säulen ftatt-
gefunden.
Treten wir auf Seite der PBlutoniiten,
welhe den Bajalt für echte alte Laven
halten, die an dem Orte ihrer jegigen
Pagerftätte aus Spalten übergeflojlen find!
Der Augenschein ſchon läßt faum einen
Zweifel über ſeine eruptive Natur, über
fein Flüffiggeweienfein. Oberfläche und
Inneres gaben Kunde von dem einftigen
glühend-flüffigen Zuftand. Doch
„Grau, teurer Freund, ift alle Theorie
Und grün des Lebens goldner Baum”,
fagt Goethe. Wenden wir uns deshalb
der Indnſtrie des Bruches zu!
Der Bajalt bei Forſt liefert ein äußert
wertvolles Deck und Pflaftermaterial für
Straßen. Untern 6. Mai 18909 wurden
dem mechaniidytechniichen Laboratorium der
föniglihen technischen Hochſchule München
Eteine aus dem Forster Bruche überjendet,
um das Material einer Prüfung auf Ab—
nügbarfeit und Druckfeſtigkeit zu unter
werfen. Aus den überfandten Steinen
wurden 6 Stüd Probewürfel von je 5,5 cm
Stantenlänge herausgejchnitten, deren Prü—
fung in der üblichen Weife erfolgte. Das
Ergebnis der Unterfuchung, das äußerſt
glinftig ausfiel, ift in nachjtehender Tabelle
enthalten.
44
| | | Abnügbarfeit |Drud '
\ | | für 200 Umdrehungen ber Bußeifen- feitig |
Labor. 5 ! ‚Spn. ſcheibe im Normalradius von 49 cm! Feit
| Material | & nn in kg) Bemert
A 8 ‚Gem. tes 2tes | Btes | Mittel nah N
| 8 | | mal | mal | = — Boiume pro
| \ — ie er gr _| ccm Om, _ ß
I J — a J | f Ei ki
16 | Bafalt , a | 3091 185 | 118 | 1165| 120 | 3,9 | 3250 ne
aus dem Brude, b | 308 | 194 | 115 | 116 | 118 | 38 1380) „
ce | 3071| 16|8|15 | 115 | 3,7 || 3030 | x
| ber Gemeinde | 5 | 306 | 108 | 130 | 117 | 115 | 38 |sı0 | „,
Forſt 5 e 306 | 108 | 112 [110 | ı10| 36 |sı0) ,
a. d. Haardt | f Ä 306 | 97 | 105 | 116 | 106 | 35 | 8155| „ |
N N
| —
| | Mittel | ‚07 | 114 | 3,7 | 3170 | |
| | |
Mechanifch-tehnifches Laboratorium der K. techniichen Hochſchule
(S.) gez.: Foppl.
Die Bauverwaltungen haben aber auch
mit dem Forfter Material im praftifchen
Betriebe die beiten Erfahrungen gemacht. |
Auch die zerfegten Bajaltmafjen, die in |
braune, mürbe Mafjen und fruchtbare Erde
übergehen, finden Verwendung. Sie werden
ald ausgezeichnetes Material zur Boden»
miſchung für die Wingerte benüßt und zur
Erzeugung von Bufettwein gepriejen. Hier
und in dev Umgebung ift Bajalterde ein
hochgeſchätztes Material zur Bodenverbejle-
rung und man überfährt die Wingerte mit
Dunderten von Wägen, wodurch der Boden-
wert natürlich ungemein ftieg.
im Jahre 1828 von der Kgl. bayerischen
Regierung vorgenommenen Stlalfifizierung |
des Bodens nad) feiner Güte befindet fich
Forft in der höchſten Bonitätsklaſſe (65)
des Stönigreiches. Seine Rebenfelder tragen
den König der Pfalzweine. „ES jcheint”,
jagt der Pfälzer Dichter Fr. Blaul, „als
ob das Feuer des ehemaligen Bulfanes
noch fortglühe und als ob die Erdgeiſter
da unten das lautere Gold ſchmelzen zum
würzigiten feuerigfien Tropfen.“
Die Anfänge der Ausbeutung des Bruches
liegen weit zurück. Sie find höchſt primi-
tiver Natur, aber doch interejlant genug,
fie zu verfolgen, da merkwürdige alte Rechts»
verhältniffe damit verknüpft erjcheinen. Sie
führen uns in frühere Jahrhunderte zurück.
Entgegen der jegigen Praris treten in der
Geſchichte als erſte Arbeiter „Weiber” auf,
Im Dienfte der Stadt Neuftadt, melde
Nah der
altem Herfommen zufolge das Recht hatte,
am Pfingftdienstag im Forſter Wald Pech—
fteine zur Straßenpflafterung zu beziehen,
finden wir an diefem Tage die „Weiber“
von Forſt als Arbeiterinnen auf dem Pedh-
fteinfopfe beſchäftigt. In mühjamer Arbeit
leſen fie an der Oberflähe Steine für die
Stadt Neujtadt zujammen. Aber die jauere
Arbeit wird den Frauen reichlich gelohnt.
Wenn fie, was Feld und Garten boten,
nad Neuftadt zu Marft trugen, genojjen
fie Freiheit von Weggeld und Marftabgaben.
Ya, jedem Bürger war dieſe Marftrecht-
und Weggeldfreiheit zugeftanden. Uber auch
' ein Tranf voll füßer Labe wurde am Pfingit-
dienstage den müden Weibern gereicht
Um recht viele fleißige Hände rege zu
machen, hatte der Nat von Neuftadt oder
ein Bürger diefer Stadt den jogenannten
Weiberwein geftiltet. Bon einem Morgen
Wingert im Schnepfenflug, heute Plan-
Nummer 1305 "s, "a und "5, an der
Niederfircher Straße gelegen, mußten jähr-
lit) 2 Logeln Moft in den Gemeindefeller
geliefert werden. Bon diefem Weinvorrate
wurden 7 Biertel und 2 Maas „hellen“
Weines als der Mühe Preis den Bürgers:
weibern nach vollbrachtem Werke gereicht.
„Tages Arbeit, Abends Gäſte,
Saure Wochen, Frohe Feitel (Goethe.)
Die Stiftung beftand ſchon zur Zeit
des dreikigjährigen Krieges und dürfte bis
in das Ende des 15. Jahrhunderts zurüd-
reichen. Die merfwürdigen Rechtsverhältniffe
zwiſchen Neuftadt und Forſt erhielten fich
fort bis in unjere Zeit herein. Nod in
den vierziger Jahren des 19, Jahrhunderts
zahlte Neuftadt für das Recht, in dem
Forſter Gemeindewalde Bajaltfteine zur
Unterhaltung des ftädtiichen Pflaſters holen
zu dürfen, jährlich 1 Gulden 30 Kreuzer.
Erſt im Jahre 1847 verzichtete Die Gemeinde
Forft auf diefe Erfennungsgebühr und das
Recht der Stadt Neuftadt erlofjh. Im
Laufe der Zeit wurde die Lieferung von
Wein vom BWeiberfeld an Weinzinfen für
21 Maas Treberwein 2 Gulden 37 '/s
Kreuzer an die Gemeindekaſſe abgeliefert.
Im Jahre 1864 wurde dieje Weingülte
um den 20jachen Betrag losgekauft. Damit
ihwand das Andenfen an die Stiftung.
Die primitive Art der Ausbeutung des
Bruches wurde Jahrhunderte geübt. Wan
brach einfach die Steine willtürlich an der
Dberfläce des Pechſteinkopfes. Die Käufer
hatten die Steine zu brechen und alles zu
45
jtellen, was zum Brechen und Transport |
der Steine erforderlihd war, ohne hiefür
Entjchädigung verlangen zu fünnen, Bon
einer Ausſcheidung der Steine nad der
Qualität war feine Rede. a, die Aus-
beute geſchah ohne Auffiht und Stontrolle.
Das Jahr 1838 brachte hierin eine Wendung
zum Beilern. Durch Gemeinderatsbeichluß
vom 19, uni 1838 murde eine Kontrolle
eingeführt, mit welcher der Gemeindeadjunft
und der Waldſchütz betraut wurden und
hiefür eine GEntjchädigung von 2 Kreuzer
pro chm zu beanjpruchen hatten. Das
Bürgermeifteramt erteilte nun Anmeifungen
und ftellte Ladeſcheine an die Fuhrleute
aus, um Ordnungsmwidrigfeiten vorzubeugen,
Sonit blieb alles beim alten. Den Grund
zur heutigen ſyſtematiſchen Ausbeute des
Prudjes legte der Gemeinderatsbeichluß vom
25. Juli 1846. Beranlafjung zu diejem
Beichluffe gab der geregelte Betrieb des
Bruches des Agl. Ärars, der im Auguſt
1841 in unmittelbarer Nähe der Gemeinde-
bruchitellen eröffnet wurde. Der Gemeinderat
befchloß, den Gemeindebruch in derjelben
Weiſe auszubeuten, wie dies bei dem Sol.
Aerarialſteinbruch geſchieht. Ein Bruch
von 20 m Länge und 10 m Breite ſollte
angelegt und das Geftein fiir die Folge auf
Negie der Gemeinde gebrochen merden.
Nach der Qualität wurden die Steine in
3 Nlaſſen eingeteilt, wovon die 1. Klaſſe,
ausgejuchte Steine, zu 2 Gulden, die 2.
Klaſſe, gewöhnliche Pflafterfteine, zu 1 ®ulden
20 Kreuzer und die 3. Hlaffe, Steine zur
Chauffierung von Wegen, zu 40 Kreuzer
pro cbm verkauft werden follen.
Der Beſchluß war von großer finanzieller
Tragweite. Die Betriebskfoften, ein neuer
Faktor, betrugen gleich im Jahre 1846/47
690 Gulden und murden hivon 617 Gulden
für Brecher der Steine und 73 Gulden
für Stontrolle und Aufficht verausgabt. Die
Die Einnahmen ftiegen auf 1587 Gulden;
mitbir ergab das Jahr einen Reingewinn
von 897 Gulden. Die Broduftion belief
fi auf insgefamt 1605 cbm.
Dad Ergebnis mar immerhin ein
günftiges troß der verhältnismäßig fehr
beträchtlichen Betriebsfoften. Freilich war
der Reinertrag in früherer Beit, in der
man noch feine oder nur geringe Ausgaben
fannte, zuweilen noch beträchtlicher, jo im
Jahre 1840, das einen Reingewinn von
2500 Gulden abwarf, da nur 5l Gulden
für Auffiht und Drud der Radefcheine auf-
zuwenden waren. Das Jahr 1830, alſo
ein Jahr, in dem es noch feine Betriebs:
auögaben gab, erbradte eine Einnahme
von 300 Gulden. Der Preis der Steine
betrug in dielen Jahren 36 Kreuzer pro
ebm. Die Einnahmen aus einem joldhen
Betriebe find ihrer Natur nad eben
ſchwankend und unficher. Sie bewegen fi
aber jeit 1847 in einer auffieigenden Linie.
Folgende liberficht über die Einnahmen und
Ausgaben des Bruches jeit 1850 und zwar
von zehn zu zehn Jahren liefern den Be—
weis, daß der Betrieb einen großen Aufs
ſchwung genommen und für die Gemeinde
eine hHochbedeutende Ginnahmequelle ge
worden ift. Bemerft jei noch, daß in der
Jahr Einnahme Ausgabe | Gewinn —
Gulden | Gulden | Suiden |
1850 115 82 33 —
1860 | 2500 | 1355 14 | —
‚ 1870 4356 | 2507 1849 —
Dart Mart Mart
1880 5094 4051 1045 —
1890 | 114160 ⁊6620 3884 | —
1300 | 34322 | 16705 | 17617 | —
Summe der Ausgabe jämtlihe Betriebs-
foften, aljo die Löhne, der Aufwand für
Unterhaltung der Geräte, des Bruchmeges,
die Beiträge zu den Arbeiterverficherungen,
foweit dieje in Betracht fommen, das Gehalt
des Aufſehers u. j. mw. eingeſchloſſen find,
Wir erjehen aus den Zahlen vorftchender
Tabelle, wie ſich der Bruch aus beſcheidenen
Anfängen zu einem bedeutenden Unter—
nehmen entwicdelte. Obgleich die Breiie
der Steine im Yaufe der Jahre geitiegen
find und zwar für nicht abgerichtete Steine
pro cbm I. Klaſſe auf 6 ME, I. Klaſſe
4 ME. und für abgerichtete Steine das
ebm 1. Klaſſe auf 13 ME, IT. Klaſſe auf
11 Mk., 11. Klaſſe (Schottermaterial) 3 ME.
ab Bruch, hat doch der Abſatz eine ganz
unerwartete Höhe angenommen. Im Jahre
ar wurden 3. B. abgejett 445 cbm
Klaſſe, 253 I. und 883U III, alfo ins:
. 9528 cbm gegen 1605 ebm im
Jahre 1847. An Bafaltgrund murden
im Jahre 1890 2101 chm abgefahren
a 050 Mt. Es gilt auch hier das Wort:
das Gute bricht ſich Bahn.
Freilich find auch die Betriebsfoften
höher geworden, Während 3. B. noch im
Jahre 1850 1 chm I. Klaſſe zu brechen
1 Gulden, Il. Klaſſe 36 Kreuzer, II. Klaſſe
12 Streuzer Eoftete, ſtellen sich heute die
Preiſe wie folgt: 1. Klaſſe 2,25 Mk., IT. SL.
1,50 ME. und IT. At. TO Pig. Für das
Ubrichten der Steine werden pro cbm
(I. und I. Alaffe) 4 ME. bezahlt, für das
Schlagen des Straßenfchotters 3,60 ME.
bis 4 ME,
Bon der größten Bedeutung für den
Aufihwung des genteindlichen Bruches war
die Einftellung des Betriebes des Sal.
Hrarialbruches im Jahre 1897, ſowie die
ftreng durchgeführte ſyſſematiſche Ausbeute,
der rationelle Betrieb des Gemeindebruches
unter einem praftiich vorgebildeten AuleREN
46
der durch Gemeinderatsbeihluß vom 21.
März 1896 aufgeftellt wurde. Das Sol.
Straßen: und Flußbauamt Speyer ift jeit-
dem bei fulanteftem Geichäftsverfahren ein
prompter Abnehmer der im Ghemeindebruche
anfallenden Bflafterfteine I. Klaſſe. Auch
bezieht e& bedeutende Quantitäten Baſalt—
rohmaterial für Straßenichotter auf die
Staatsitraßen.
Den Betrieb erichwert die örtlich un-
günftige Lage des Bruches, da derſelbe
etwa 1100 m vom Dfteingange des Forjter
Tales entfernt ift und der Transport doch
eine jehr wejentliche Rolle für die Renta—
bilität ſpielt. Schon unterm 30. April
1839 regte daher das damalige Yand-
fommillariat Neuftadt an, für den Trans
port eine Holzbahn vom Bruche bis zur
Staatöjtraße anzulegen, da die Noften
geringer jeien, als die einer Eifenbahn.
Der Bezirfsbaufchaffner, der Plan und
Koſtenvoranſchlag auszuarbeiten hatte, be»
zeichnet eine Holzbahn als unpraftiich und
empfiehlt den Bau einer Eifenbahı.
Da die often einer Eiſenbahn nur
vom Bruch bis zum Djteingange des Tales
Ihon zu hohe waren — fie murden ver:
anichlagt zu 20176 Gulden — entſchied
fih der Gemeinderat für die Anlage eines
Rollpflafters. In neuer Zeit wurde wieder
die Anlage einer Drahtieilbahn in Erwägung
gezogen, aber das WProjeft wieder fallen
gelaffen. (Gemeinderatsbeichluß vom 12,
Juli 1895 und 11, Januar 1896.)
So it das mächtige Vorkommen von
Bafalt bei Forſt in mehrfacher Hinficht
von großem miflenfchaftlichen und ökono—
milden Intereſſe und Die „ſteinreiche“
Gemeinde Forft befigt in den ‘Bajaltfteinen
ihre jchwarzblauen Diamanten, in dem
Baſaltgang des Bechiteinfopfes ein außer:
ordentlich wertvolles Objekt, das hoffentlich)
einen andauernden Betrieb geftattet.
Bas forflide Intereffe für den Pfälzerwald.
Der Bfälzerwald, die Freude des Natur« |
freundes, geihäßt wegen der außerordentlich
reihen Gliederung feiner Bodengeftaltung |
und wegen des reizvollen Wechjels von |
freundlichen Laub- und düjteren Nadelwald
beftänden, wird auch von forftliden Fach—
männern häufig als Neijeziel gewählt zum |
N)
Studium der forftlich technijchen Behand:
lung. Was neben der großen Mannigfal-
tigfeit der Beſtockung die Wirtichaft jo be»
jonders intereljant macht, ift das heute noch
erkennbare Ergebnis der jeinerzeitigen Wald»
behandlung unter der großen Anzahl von
Herrihaften, welche fich vor der Ummwälzung
im Gefolge der großen franzöjiichen Revo- |
lution in den heutigen Pfälzerwald teilten.
Das waren hauptfächlih der Kurfürft von
der Pfalz, der Herzog von Zweibrüden, der
41
Biihof von Speyer, der Fürſt und die
gräflichen Linien von Leiningen, der Fürft
von Naſſau Weilburg, der Marfgraf von
Baden, der Landgraf von Heffen und na»
mentlich uud) eine Anzahl beliehener Klöſter.
Dann famen noch, ehe die Pfalz dem Staate
Bayern angegliedert murde, zwei Dezenien
franzöfiicher Herrichaft dazwiſchen. Cine
forſtliche Praxis war auf mwifjenjchaftlicher
Grundlage damald noch nicht aufgebaut,
und fo wirtichafteten die Jägermeiſter und
Forjtmeilter der Herrſchaften mehr oder
weniger jozujagen jeder nad) eigenen Heften,
wobei das verjchiedene Bedürfnis jeder
Herrichaft und deren Untertanen, die Abſatz—
möglichfeit für die Waldprodufte und —
nicht zum wenigſten — die Pflege der Yagd
die maßgebende Rolle jpielten.
Nun find die hiernad) damals erfolgten
großen Anzahl der legteren maßgebend für die
künftige Behandlung, und es werden von jeßt
ab immer noch manche Jahrzehnte vergehen,
Maturpfleue.
Die Staatöminifterien des Innern beis |
der Mbteilungen geben im „Minifterial-
amtöblatte” folgendes befannt:
„Die Wlpenvereinsjeftion Mün-
chen har gemeinfam mit anderen Ber:
einigungen einen „Yandesausihuß für
Naturpflege” gegründet. Diejer bezweckt
den Schuß derjenigen Naturgebilde Bayerns,
deren Erhaltung einem hervorragenden ide:
alen Intereſſe der Allgemeinheit entipricht,
und zwar a) durd Abgabe von Gutachten
für die Behörden; b) durch möglichft um«
fangreiche jelbitändige Tätigkeit, namentlich
durh Weckung und Verbreitung des Sinnes
für Naturpflege in den weiteſten Kreiſen
und durch geeignetes Eingreifen bei Be-
drohung einzelner Naturgebilde, insbejondere
Stellung von Anträgen bei den zuftändigen
Behörden; c) dur Heranziehung gleich-
artiger Beftrebungen im Lande zu gemein»
jamem Bujammenmwirfen.
So kommt es, daß 3. B. das dem
Pfälzerwald nadı Bodenart und natürlicher
Holzartenvertretung am nächſten ftehende
Waldgebiet des Speſſart, welder in der
Dauptjadhe nur einer Herrichaft und darnach
auch nur einem Wirtſchaftsſyſtem unterjtand,
weniger eigenartige Bilder bietet, wenn
auch in Einzelnem ohnegleichen großartige.
Die reihere Abwechſelung in unſerm Hei«
matmald macht denjelben daher jo intereilant
für den Studierenden wie für den Praktiker.
Der Pfälzerwald ift deswegen fchon
immer das Biel zahlreicher foritlicher
Studienreilenden, auch aus nicht deutjchen
Ländern mit größerem Waldbelig gemweien,
3. B. von Ruſſen, Defterreichern, Fran—
zojen, Japaneſen.
Am abgelaufenen Jahre wurde er nur
von Ddeutichen Fachmännern bejucht, und
zwar von Forſtprofeſſoren der Hochſchulen
von Karlsruhe und Gießen mit Studierenden,
von rechtörheiniich bayerischen, heifiichen und
fürſtlich leiningenihen Wirtſchaftsbeamten.
Eingriffe in den Wald entſprechend der |
natürlichen Langlebigkeit jeiner Bejtände
heute nad) einem Jahrhundert noch bei einer |
Sie alle konnten fich befriedigend über ihre
Wahrnehmungen ausipreden und werden
faum verjehlen, in ihren Streifen neues
Intereſſe für unjeren Wald zu werden und
Nachfolger befommen, die dejlen Hegern
und Pflegern gleihermaßen willkommen jein
aren.
(R. im Pſfwald.)
Der Ausſchuß für Naturpflege wird ge—
bildet aus Vertretern von Vereinen, welche
die vorbezeichneten Beſtrebungen zu fördern
| geeignet und bereit find. Zur Zeit beſteht
derielbe aus PBertretern: 1. der Alpen:
vereinsjeftion München, 2. des Vereins zur
' Erhaltung der landfchaftlihen Schönheiten
| der Umgebung Münchens, bejonders des
ı SYartales, 3. des Vereins für Naturfunde,
4. der Ornithologiſchen Geſellſchaft in
Bayern, 5. der Bahyeriſchen Botanifchen
Sejellihaft zur Erſorſchung der heimischen
Flora, 6. der Seographiichen Gejellichaft,
7. der Münchener Künftler-Genofienichaft,
8. des Vereins bildender Künſtler Mün—
chens „Sezeilion“, 9. der Stünfilervers
einigung Yuitpoldgruppe, 10. des Baye⸗
riihen Architekten und Ingenieurvereins,
11. des Bayeriſchen Bereins für Volfsfunft
und Volfskunde, 12. des Bayerischen Bezirfs-
dereins des Vereins deutjcher Ingenieure”.
— 48 —
Um die neue Einrichtung nicht zu | dem Vorſitzenden und zwei weiteren Mit-
ſchwerfällig zu geftalten, mußte man ſich | gliedern befteht. Gr erledigt die Bureau
bei der Auswahl der im Ausichuffe ver: | geichäfte einschließlich des Rechnungsweſens.
tretenen Vereinigungen eine gewiſſe Be- In der Regel aber erfolgt Beichlußfaflung
Ichränfung auferlegen. Um ferner die Mit: | inden Berfammlungen des Landesausſchuſſes.
glieder auch in dringlichen Fällen folort Alle Zuschriften find an die Adreſſe
zur Verfügung zu haben, wurde die Aus | „Landesausihuß für Naturpflege in Mün—
wahl zunächſt auf Vereine gerichtet, die in | hen, Mathildenjtraße Nr. 4”, zu richten,
Männchen ıhren Gik haben, An der Ger Die erwähnte Minifterialbefanntmacjung
Ihäftsordrung ift jedoch bejtimmt, daß zu | enthält noch folgendes: „Den Stellen und
Referenten und Sorreferenten nicht nur | Behörden der inneren Verwaltung wird an-
Mitglieder des Landesausfchufles, jondern | heimgegeben, in geeigneten Fällen den Nat
aud; anderwärtige Sacdverftändige aus- | des Landesausſchuſſes zu erholen. Diejelben
gewählt werden fönnen, welden dann in | werden ferner etwaige Beftrebungen, welche
den Berjammlungen Stimmredt zufommt. | auf die Bildung ähnlicher Ausſchüſſe in den
Ferner ift zum Zwecke einer möglichft ein» | einzelnen reifen und Berwaltungsbezirfen
fachen und fürderlichen Geichäftsbehandlung | gerichtet find, in jeder Weile unterftügen.“
ein engerer Ausſchuß eingejegt, welcher aus (M. N. M)
Auf den ſtaatlichen Saargruben Gefamttiefe von 666 Metern, Die nädjt-
die Gejamtförderung im Jahre 1904 im | tiefen Schächte find die Brefeldichächte mit
ganzen 10 Millionen 364 777 Tonnen gegen , 619, die Camphauſerſchächte mit 568 Dietern
10 Millionen 67338 des Vorjahres, Die Geſamttiefe. Es folgen dann der Helenen-
Entwidlung der fiskalifhen Gruben ver ſchacht mit 564 Meter, die Meybaächſchächte
anfchaulicht gerade ein Bericht über die | mit 525 Meter, der Redenſchacht Il mit
Förderung am beiten. Sie betrug im Jahre | 490 Meter, der Herminenſchacht des Stein«
1820 nur 101337 Tonnen, 1860 war mit kohlenbergwerks König mit 458 Meter, der
1 Million 955961 Tonnen nahezu die zweite | Bildftoderihadht mit 451 Meter, der Ame-
Million erreicht, 1870 brachte 2 Millionen | Iungichacht II des Stohlenbergmwert3 Bon der
734019 Tonnen und in der Dekade 1870 | Heydt mit 446 Meter, die Altenwalder Eijen:
bis 1880 jchnellte fie bis auf 5 Millionen |- bahnjchächte mit 436 Meter, der Wilhelm«
211389 hinauf, um dann innerhalb 24 ſchacht Il des Steinfohlenbergwerfs König
Jahren fi) beinahe zu verdoppeln. Der | mit 417 Meter, die Dudweiler Scalley-
Gefamtabfag im WBerichtsjahre belief fich | ſchächte mit 410 Meter Tiefe. Die geringiten
auf 10 Millionen 350797 Tonnen gegen | Tiefen haben der Jägersfreuder Schacht
10 Millionen 82121 ın 1903. Die Stein» | und der Wellesweiler Schacht (je 149 Meter),
Eohlenbergwerfe an der Saar haben zur | der Rhein-Nahe-Bahn-Schadht (156 Meter)
Beit 34 Hauptichächte, deren Gejamttiefe | und der Förderſchacht Geislautern (160 Mtr.)
jehr verfchieden ift. Die tieffte Schacht iſt
der Fettkohlenſchacht Louiſenthal mit einer (fatz. Preſſe.)
Gedenktage im käry.
Geboren: 1. Bismard (1815). — 22. Kant | E. Geibel (1884). — 7. W. bp. Kaulbach (1874).
1724), — 23. Shafejpeare (1564). — 26. Uhland — 8. W. vd. Humboldt (1835). — 13. Händel
(1787). — (1759. — 19 Melanditbon (1560. — 23.
Geſtorben: 6. Albr. Dürer (1528) und | Shalefpeare (1616), — 24. Moltke (1891). —
Dnbalt: Bollszählung 1905. — SKontiguttätsentfchädigung ber Krone Defterreih an
Bayern. — Ein Bafaltgang im Haardtgebirge. — Das forftliche nterefi je für den Pfälgermald. —
Naturpflege. — Bon ben ftaatlihen Saargruben. — Gedenktage im April.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landſtuhl — ſermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern.
Für form und Inhalt ber Beiträge find bie Herren Berfafler verantwortlich.
Die „Blälziiche — koſtet jährlich in 12 Beften ar. 2.50, Vehellungen werden von allen Buchhandlungen und
Voflanfialten ferner vom Berleger (Bortofrele Streifbandbiendung) angenomuien.
U. Jahrgang.
JPALZISCH E HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
EMAINWn Ch
Nummer 5
Mai 1906.
9
Eine erdmagnetifche Vermeſſung der bayer. Kheinpfalz 1855]56
bon Dr. &. von Neumayer.
So iſt die neuefte Mitteilung der
Pollichia, des naturmillenjchaftlichen
Vereins der Rheinpfalz, betitelt (Mr. 21.
LXI. Jahrgang 1905). Unſer berühmter
Yandsmann, Wirkl. Geheimer Admiralitäts-
rat v. Neumayer, welder bis vor kurzem
Direftor der von ihm gegründeten und
eingerichteten Deutjchen Scewarte in Ham
burg und früher Direktor des Flagſtaff
Dbjervatory in Melbourne (Auftralien)
war, fam erit 50 Jahre nadı Anjtellung
der Beobachtungen ın die Yage, die auch
heute noch mertvollen Grgebnijje einer
wiljenjchaftlichen Bearbeitung zu unter:
ziehen. Die romanhaft zu lejenden Um—
jtände diefer Verzögerung wolle der Yejer
aus der aus guten Gründen umfänglichen
Einleitung: „Zur Gejchichte der Magne—
tiihen Vermeſſung der Rheinpfalz“ ent:
nehmen, die wir um jo lieber einem weiten
Leferfreife vorführen, als zugleich ein hod)-
intereflanter Einblick in die Werfjtätten
der Beiftesfultur gewonnen und erjehen
werden fann, welche Arbeitslalt auf füh—
renden Männern der Wiſſenſchaft laftet.
„Als ih im Spätjommer 1855 mit
der Ausrüſtung an Inſtrumenten, erforder:
lich für erdmagnetiſche Beobachtungen, jo»
weit zu Ende gefommen war und nament-
lid die magnetischen Inſtrumente mit den
Normalinftrumenten der Sternwarte in
Bogenhaufen (Minden) genaueftens ver-
glihen hatte und die SKonftanten meiner
Apparate geprüft worden waren, fahte ich
den Entichluß, einer Anregung Profeſſor
Lamonts folgend, meine Heimat, die bay
riſche Pfalz, magnetijch genauer zu unter-
juhen Für mich konnte dies in gewiſſem
Sinne als eine Vorübung für die von mir
in Auftralien auszuführenden größeren Ar«
beiten auf diefem Gebiete gelten. Da
Profefior Lamont im Jahre 1851 und
1852 im mittleren Rheingebiet und in der
Pfalz (im meiteren Sinne) etwa 13
Stationen nach ihren meteorologiichen Ele-
menten bejtimmt hatte, wovon fieben auf
die bayeriihe Rheinpfalz entfielen, jo
ihien es zwedmäßig, daran anjchließend
eine größere Anzahl von Stationen mag—
netiſch zu beobachten, und entichloß ich mich
daher, dieſe intereflante Arbeit noch vor
Berlaffen Europas auszuführen. Das war
nun allerdings ein etwas jchwieriges Unter-
nehmen, da meine Abreiſe von Europa
für den Sommer 1856 in das Auge ge
faßt worden war und der Vorbereitungen
noch jehr viele zu treffen waren. Es iſt
befannt, daß ich durch Seine Majeftät den
König Marimilian 1. von Bayern im
Sommer 1855 den Auftrag erhalten hatte,
dahin zu wirken, es möchte in Auftralien
ein Objervatorium für die Phyſik der Erde
und im bejonderen für die erdmagnetiiche
Forſchung errichtet werden, und dazu durd)
Seine Majeftät eine Ausftattung an In—
ftrumenten, Apparaten uf. bewilligt erhielt.
Unter die mir gejtellte Aufgabe gehörte
auch die Ausführung einer größeren erd-
magnetijchen Vermeflung im Südoften des
auftraliichen Feſtlandes (Viktoria), weshalb
infoferne die Ausführung der erdmagne:
tiſchen Aufnahme der bayerischen Rheinpfalz,
wie ich fie plante, als eine Vorſtudie der
größeren auftraliihen Aufgabe anzufchen
if. Die foesen dargelegten Berhältniffe
in Erwägung zicehend, wird man mir wohl
zugeftehen, daß die Ausführung der pjäl-
ziihen Vermeſſung von erheblichen Schwie-
rigfeiten umgeben war, zumal dafür tat«
fählidy nur die Wintermonate November,
Dezember 1855 und Januar, Februar 1856
zur Verfügung blieben. Während überdies
die Ausführung magnetischer Beobachtungen
im Freien bei ungünftiger Witterung über:
haupt jehr fchmwierig ift, jo ift dies in
erhöhtem Grade in den Wintermonaten
der Fall. Denn dabei ſtößt die Ermitte
fung der genauen Lage der beobachteten
Station, fowie die des Azimuts entfernter
Stationen auf befondere Schwierigfeiten;
aber darauf beruht in erjter Linie die
Beltimmung der erdmagnetiichen Deklination.
Auf die Möglichkeit der Durdführung
aftronomifcher Beltimmung für diefen Zweck
fann man in den Wintermonaten in unjerm
Klima nur wenig rechnen, während anderer-
jeits auch die Fernſicht zum Cinfchneiden
von geodätijch beftimmten Gegenftänden
durch Mebel, Niederjchläge ujw., haupt:
jählih in manchen Gegenden der Provinz,
jo beichränft ift, daß man auf große
Shwierigfeiten rechnen muß bei der Durd)-
führung der oben angedeuteten Aufgaben.
Nur die gröhte VBorjicht bei der Wahl der
Station und der bei der Ginjchneidung er:
forderlichen Objekte fann hier einigermaßen
vor Irrtümern und Weiterungen bei der
Ausarbeitung der erforderlichen Berech—
nungen jchügen. Alles Ddiejes hatte ich
mir beim Entwerfen des Planes einer erd-
magnetiihen Bermefjung der bayerijchen
Rheinpfalz Far zu machen; wie es mir
gelungen iſt, unerachtet der Ungunft der
Berhältniffe, den Plan durchzuführen, wird
aus der Darlegung der Ergebnifje erjicht-
lich werden.
Bunädjft joll nun einiges über den
Plan jelbit gejagt werden. Es murde
50
1851:1852 einige Stationen (alle Elemente)
erdmagnetiich beftimmt hatte. Es maren
deren fieben: Homburg, Kaijerslautern,
Langenfandel, Ludwigshafen, Neuftadt a. 9.,
Pirmaiens und Speyer, woraus ſich, den
Flächeninhalt der Provinz zu 5928 qkm
angenommen, eine mittlere Entfernung
diejer Stationen von 29 km ergibt. Gin
wejentlich engeres Neß der Beobachtungen
zu erhalten, mußte nun mein Bejtreben
jein, wenn die immerhin mühevolle Arbeit
dem Ergebniffe noch entiprechen ſollte:
daher ſchien es mir zweckmäßig die Durch:
ichnittsentfernung der Stationen auf die
Hälfte zu vermindern, was mir denn auch
in der Folge gelungen ift, indem ſich nad)
der Durchführung der Arbeit]eine Durch—
Ichnittsentfernungder Stationen von 13,2km
ergab. Nur jelten dürfte ſich bei Arbeiten
diejer Art in früherer Zeit eine größere
Dichte der Mafchen des Beobadhtungsneges
ergeben haben. Was die Anordnung der
Beobachtungen betrifft, jo erichien es mir
am meiften zwedentiprechend, jo zu ver—
fahren, daß, von Frankenthal als der
Bafısitation ausgehend, zuerjt peripheriſch
bon den nördlichen Stationen Göllheim,
Kirchheimbolanden, Ebernburg uſw. in der
Rıdıtung nach Südweſten herumgegangen
werden würde bis wieder nah Franken
thal. Schlierlich ſollte wieder, im äußerten
Südweſten anfargend, die Stationen auf
einer Linie mitten durch die Balz gewählt
werden. Bon diefem Wlane abweichend
find nur einige Stationen in der Nähe
von Frankenthal gewählt worden: Mörſch
und Weijenheim a. ©. Die weiteren
Modalitäten der Durhführung des Planes
betreffend jei erwähnt, daß als Regel alle
Strefen zu Fuß durchwandert, im An—
fange nur von Franfenthal bis Göllheim
zu Wagen vorgegangen und gelegentlic)
nur vereinzelt, bejonders auf der Noute
mitten durch die Balz, die Eiſenbahn be-
nügt wurde. Dieje Weile des Reiſens
war unter anderem dadurch geboten, daß
ic ein Schiffschronometer bejter Nonftruftion
zu aftronomiichen Beobadhtungen, wie aud)
zur Beitimmung der Horizontalintenfität
des Erdmagnetismus mittelft Schwingungen
mitzuführen gedachte, Inſtrumente dieſer
Art aber den Transport auf Wagen nur
ichon hervorgehoben, daß Profefjor Lamont | unter Anwendung der größten Sorgfalt
51
ertragen können. Diejes Inſtrument wurde aſtronomiſchem Wege die Azimute der ge-
von einem geeiqueten Diener ın der Hand
frei jchweberd und nur dur ein Band
von der Schulter herab unterjtügt getragen,
während derjelbe die übrigen Inſtrumente
auf einem Rückentraggeſtell (Käze) trans-
portierte. Die Erfahrung hat ergeben, daß
die jämtlichen Anftrumente, Chronometer,
eingeichloffen, vom Transport nicht wejent«
lid) nachteilig beeinflußt wurden. Zunächſt
möge einiges über die Bajisftatıon Franken: |
thal geiagt jein.
Dit Genehmigung der fgl. Regierung
wurde auf dem fgl. Holzhofe, außerhalb
der Stadt und vor dem Speyerer Tore,
eine Hütte aus Holz mit Klupfer-
fteinernen Bfeilern, jowohl die Instrumente
fir Beobachtungen der Bariationen des
Erdmagnetismus, ald auch die Inſtrumente
für die abjoluten Werte der erdmagnetijchen
Elemente aufgejtellt werden fonnten, Zu
Ende des Dftober 1855 war diefes fleine
Dbiervatorium gebrauchsfähig. Bei der
Auswahl der Bauftelle diejes Objervatoriums
wurde Bedacht darauf genommen, daß feine
Yofalftörungen einen Einfluß auf die Be:
ſtimmung der magnetischen Beobadıtungen
äußern fonnten, Ferner hatte man darauf
zu achten, daß Mirenpunfte in genügender
Anzahl vorhanden waren, um jomwohl die
Bofition der Beobadhtungsftelle als aud
die Azimute genaueftens beitimmen zu
fünnen. Es mußten zu diefem Zwecke in
der Holzhütte und in der Umgebung Yüden
und Delfnungen gelajlen, beziebungsweife
gebrochen werden, um einen Durchblick nad
oder |
Mejlingverbindung errichtet, in welcher auf |
|
der Sternwarte in Mannheim und der |
Kuppel des Jeſuitendoms daſelbſt einerjeits,
andererſeits nach den Kirchtürmen von
Fraukenthal und Edigheim zu geſtatten.
Selbſtverſtändlich wuren in den Seiten—
wänden des kleinen Gebäudes verſchließ—
bare Lucken gelaſſen, um die genannten
Punkte anviſieren zu
Univerſalinſtrument von Ertel und Sohn,
Münden, eine ſichere Auſſtellung finden
fonnte. Da das Dad verjchiebbar mar,
jo daß man die Sonne oder auch ein
anderes Geſtirn beobachten fonnte, ſo
wurden mittelſt dieſer Einrichtung auf
können. In der |
Mitte des kleinen Obſervatoriums befand
ſich ein ſteinerner Pfeiler, auf welchem ein
|
|
|
|
|
nannten Objekte genauejtens beſtimmt,
jowie andererſeits audh aus den Stadt:
plänen und eıner Triangulation die Pofition
des Dbjerpatoriumd ermittelt wurde. Es
foll fpäter von den Werten, die auf diefem
Wege erzielt worden find, die Rede jein.
Zunächſt jei jedoch bemerkt, dat der mag-
netiiche Theodolit nad) Lamont auf dem-
jelben Bentralpfeiler, auf weldem das
Univerjalinftrument zu ftehen fam, auf*
gejtellt werden fonnte und auf einem zweiten
Pfeiler das zu den Bariationsinftrumenten
gehörige, mit Spiegelablefung verjehene
Fernrohr Aufftellung fand; die Variations—
inftrumente jelbft wurden auf entiprechend
rund um das Fernrohr in bejtimmter Ent-
fernung errichteten SHolzpfeilern montiert.
Die Anftrumente waren ein Bariometer
für Deflination, ein anderes für Horizontal-
ntenfität und ein drittes für Inklination;
legteres war nad) dem Lloyd'ſchen Prinzip
mit vertifal aufgehängten, weichen Eijen-
ftäben verfehen. Eine Beichreibung diejer
Inſtrumente ift nicht erforderlich, da die:
jelben in feiner Weile von den Lamont'ſchen
Inftrumenten diefer Art, die ja als all
gemein befannt anzujehen find, ,abwichen,
Der Erwähnung bedarf nur noch, daß auf
dem Mittelpfeiler des Fleinen Gebäudes,
nach) Gntfernung der’ jeweilig zu verwen»
denden anderen Inſtrumente ein Spiegel:
inflinatorium nach Meperftein in Göttingen
aufgeftellt war, womit beobadjtet werden
konnte. Auch diejes Inſtrument ift allge:
mein befannt und bedarf einer bejonderen
Beichreibung hier nicht.
In diefem Eleinen Gebäude wurden nun
von Zeit zu Zeit die zur Beltimmung des
Wertes der magnetischen Inſtrumente er-
| forderlichen Beobachtungen ausgeführt, wo—
bei die ın dem Objervatorium in, Bogen«
haujen ermittelten Konftanten der Inſtru—
mente zur Verwendung gelangten. = Auch
die Werte der Sfalenteile der einzelnen
Variometer wurden nach der von Lamont
aufgejtellten Inſtruktion ermittelt, allein es
wurde davon abgejehen, eine fortlaufende
Aufzeihnung dieſer Inſtrumente auszu:
führen, einmal weil es fich ergab, daß der
Ort der Aufftellung doch nicht frei war
von zeitweiligen Störungen durch vorüber:
gehende Fuhrwerke und zum !zweiten die
mwilfenfhaftliche Hilfskraft nicht zur Ver—
fügung ftand, um während meiner Abweſen—
heit auf der Beobadhtungsreife die Auf
zeichnungen durchführen zu können. Unter
diefen Umftänden erachtete ich es für das
zweckmäßigſte, jämtliche Beobachtungen auf
die Nullpunfte der VBariometer des Objer-
vatoriums in Bogenhaufen zu beziehen.
Nahdem in den legten Tagen des
Monats Oktober und anfangs November
die erforderlichen Bafisbeobachtungen aus-
geführt worden waren, trat ich am Mor-
gen des 4. November, wie jchon erwähnt,
mit Wagen die Reife nach dem Norden der
Pfalz, zunächſt nad Göllheim an. An dem
genannten Tage machte ich gegen Abend
die erſten magnetijchen Beobachtungen nicht
allzuweit von dem Schlachtfelde am Hajen-
bühl, wo Kaifer Adolf von Naſſau unter
den Schwertitreichen Albrechts I. von Deiter
reih im Tode erlegen ift (Juli 1298),
entfernt. Von Göllheim ging die Neife
nad Sirchheimbolanden, meinem Geburts-
orte, allmo ich am 6. November in der
Nähe der katholifchen Kirche, die heute als
Turnhalle benügt wird, Beobachtungen aus»
führte. Die Reife über den Donnersberg,
nad Rodenhaufen und der Ebernburg joll
weiterhin im einzelnen bejchrieben werden.
Für jet jei nur noch erwähnt, daß die
Witterung fich nach und nad) jo ungünftig
gefialtete im Verlauf der Weile, daß die
Beobachtungen mit der Station Berghaufen
(bei Speyer) am 21, November 1855 ab-
geichloffen werden mußten, nachdem 22
Stationen beobachtet worden waren, eine
Leiftung, die wohl allgemein und in Son:
derheit in Anbetracht des Falten und um»
freundlichen Wetters als eine recht günftige
bezeichnet werden darf. Während des erjten
Teils dieſer Beobachtungsreife hatte ich
Gelegenheit, die Erfahrung zu machen, daß
es zeitweife tatfächlich nicht möglich war,
vor Erftarrung der Finger die Inſtrumente
gehörig zu bedienen. Im Monat Dezember
wurden nur, nachdem furz nad der Rück
fehr von der Reiſe wieder die erforder- |
fihen Bafisbeobadhtungen im Obfervatorium
ausgeführt worden waren, gelegentlicdy ab
jolute Beltimmungen vorgenommen. Ein
gleiches gilt für den Monat Januar 1856,
wo gegen das Ende, als die Witterung
milder geworden war, in Mörjch und in
52
Weilenheim am Sand beobadıtet wurde.
Grit am 17. Februar 1856 fonnte ich
daran denfen, an der Station Zweibrüden
die Beobachtungen auf der Mittellinie durch
die Balz in Angriff zu nehmen und bis
zum 23. d8. Mts. mit der Beobachtung
an der Station Edenkoben zu beenden.
Die legte Zeit meines Aufenthaltes in der
Pfalz wurde dazu vermendet, die ab»
jchließenden Beobachtungen in dem kleinen
magnetiichen Obfervatorium auf dem Holz:
hof in Frankenthal auszuführen. Ende
Mai 1856 nahm ich Abſchied von der
Pfalz, begab mich direft nad München,
um auf neue die don mir in Franfenthal
und in der Pfalz benügten Anftrumente zu
verifizieren, was in den eriten Wochen des
Monats Juni geihah. Zwar verjuchte ich
auch die Reduktion der in der Pfalz aus:
geführten Beobachtungen in Angriff zu
nehmen, in der Hoffnung, daß es mir
möglih werden würde, die Ergebniſſe
meiner unter erjchwerenden Verhältniſſen
ausgeführten, ich darf mwohl jagen „er:
rungenen” Beobachtungen in der Pfalz vor
meiner Abreife nady Auftralien zu ver-
öffentlichen, worauf auch Profeſſor Lamont
Gewicht legte. Schon wurden jogar die
erforderlichen Statafterblätter geſammelt, die
Koordinatenverzeichniffe zuſammengeſtellt
und mit der Berechnung der Stoordinaten
der Beobadhtungsstationen und der Azimute
der Miren begonnen. Allein unerachtet
der mir von Profeffor Lamont und feinem
langjährigen, treuen Aſſiſtenten Ch. Feld
firchner gewährten Unterſtützung fonnte
diefe wichtige Vorarbeit nicht zu einem er-
ſprießlichen Ende geführt werden. Es
lafteten der BVerpflichtungen fo viele auf
mir, der zahlreichen Vorbereitungen waren
jo viele auf den verjchiedenen Gebieten —
galt es doch, fih für ein Obfervatorium
der Phyſik der Erde auszurüften — daß
ich die Hoffnung aufgeben mußte, das fo
ſehnlich erhoffte Ergebnis zu erringen. Die
Inſtrumente für aftronomiiche Beitimmung,
für erdmagnetifche Forſchungen, für meteoro«
logiiche und allgemein phyſikaliſche Arbeiten
waren in München zu beftellen, zu prüfen
und zu verpaden, was meine ganze Arbeits:
fraft abjorbierte. Alles was ich damals
erreichen konnte, war die Anfertigung au«
thentiicher Abjchriften meiner Beobachtungen
in der Balz und ein gewiſſenhaftes Zu—
fammentragen aller derjenigen Daten, welche
auf die Berechnung der Beobachtungen, auf
die Feitlegung der Stationen einen Einfluß
äußern fonnten. Someit war dieje Arbeit
der magnetiihen Aufnahme der Pfalz, als
ich Mitte Juni München verließ, um über
Berlin nah Hamburg, wo ich mich ein-
zufchiffen beabfichtigte, zu reifen. In Berlin
angefommen, erwarteten mich neue Aufgaben
von Wichtigkeit für mein auftralijches Unter-
nehmen. Dort waren ebenfalld wieder
Inſtrumente zu fonftruieren und zu prüfen
und die Wünjche hervorragender Männer
der Willenjchaft entgegenzunehmen, Wie
in München Yamont, von Viebig, Stein.
heil, Jolly, Kobell u. a, mich mit ihren
Aufträgen bechrten, jo war es nun Alexander
von Humboldt, Karl Ritter und Heinrich
Wilhelm Dove, die mir ihre Wünſche mit
Beziehung auf die Ausführung der nur in
Auftralien zu erlangenden Beobadtungen
ans „Herz legten, und ich erfannte nun,
daß möglichermweife die Herausgabe der Er-
gebnijje meiner magnetischen Aufnahme der
Pfalz ad Kalendas graecas gelegt werden
müfle. Denn in Hamburg angelangt, traten
fo viele wichtige Anforderungen an mid
heran, deren Erledigung mir gemifjermaßen
zur Pflicht gemacht werden mußte und aufs
neue dahin wirkte, meine pfälziichen Arbeiten
beijeite zu legen. Der durch jeine Arbeiten
auf dem auftraliichen Kontinente und als
Direftor der Navigationsichule und der
Sternwarte in Hamburg berühmt gewordene
Dr. Charles Rümfer, der damals fon |
nabe an den fiebziger Jahren ftand, Flagte
mir jeine Not, die darin beftand, daß fchon
jeit vielen Jahren die Werte der magne—
tifhen Elemente in Hamburg nicht beftimmt
worden waren, jo daß er dringend wünichte,
ich möchte vor Verlaſſen Deutichlands dieje
Lücke in unferem nautiſchen heimijchen
Willen ausfüllen. Wer nun weiß, welche
Bedeutung die Kenntnis der Bariation des
Kompaß und der magnetijchen Elemente
überhaupt im Geeverfehr einnimmt, wird
begreifen, daß bei mir, dem einjtigen
Schüler der Navigationsihule in Hamburg
und dem geprüften Kapitän, die Klagen
meines würdigen Lehrers ein geneigtes Ohr
fanden, und mit Eifer trat ich in der eriten
Hälfte des Monats Juli in die Arbeit der
Beitimmung der magnetiichen Elemente in
Hamburg und in Norddeutichland bis nad)
Schleswig ein, führte die Beltimmungen
denn aud) durch und hatte, da bier ein
brenrendes Bedürfnis für den Seeverfehr
vorlag, nicht nur die Beobachtungen ausd-
zuführen, jondern auch die Ergebnijle davon
zu beredinen und zu veröffentlichen. Yet:
teres geichah in der fiebenten, noch von
Rümker veranlaßten Auflage jeines be—
rühmten Werkes der Schiffahrtskunde und
Navigation. Begreiflicherweiſe waren das
traurige Ausſichten für die Vollendung
meiner erdmagnetiichen Aufnahme dev Pfalz.
Auguft und September gingen darüber Hin,
eine Reife nach England auszuführen, um
dort die millenichaftlichen Berbindungen,
unerläßlih für die Ausführung meiner
ſchwierigen Miſſion in Auftralien, anzu—⸗
knüpfen und die Wünſche von Faraday.
Airy, Sabine und Glaisher entgegen»
zunehmen. Burüdgefehrt nach Hamburg,
mar meine Zeit vollauf in Anjprucd ge
nommen mit Vorbereitung für die Abreife,
die dann endlich am 5 November mit der
„La Rochelle” erfolgte. Unter den zahl«
loſen Ballen und Sliften von Inſtrumenten
befand fi auch eine mwohlverlätete Blech»
fapjel, welche die jämtlichen anf die erd-
magnetiiche Aufnahme der Pfalz bezug-
babenden Dofumente enthielt.
Mit Aufgaben überbürdet, die fich auf
die Errichtung eines Obſervatoriums in
Melbourne, die magnetische Tandesaufnahme
des Südoftens Auftraliens und fogar auf
die Durchquerung des Kontinentes bezogen,
war die Aufnahme meiner pfälzifchen Arbeit
völlig ausgeichloffen ; denn die Löſung diejer
Aufgaben erheifchte meine ganze Willens»
und Wrbeitsfraft und als ich nad) adıt
Yahren, am 21. Juni 1864, mit dem
guten jchottiihen Schiff „Garawald“ Mel-
bourne verließ, um nach Europa zurück—
zufchren, befand ſich auch die teuere Blech—
fapiel unter den wertvollen Schägen der
Wiſſenſchaft, welche ich mit mir nad) Europa
zurücknahm. Da wir um das Kap Horn
zurücdfehrten und um das Kap der guten
Hoffnung die Reife nach Auftralien aus:
geführt hatten, jo vollführten die erd-
magnetifchen Beobachtungen in Berbin-
dung mit der Aufnahme in der Pfalz
eine Meile um die Erde, gewiß ein
mit Dofumenten diejer Art jelten vor-
fommendes Ereignis.
Die Regierung der Kolonie von Biftoria
ſah mic ungern aus ihrem Dienfte jcheiden,
hatte ed mir aber zur Ehrenpflicht gemacht,
die Nejultate meiner Beobachtungen auf
dem auftraliichen Kontinente in ihrem Auf-
trage herauszugeben und ftellte mir hierzu
beträchtliche Mittel zur Berfügung. Nach
der Pfalz zurücgefehrt, war meine einzige
Sorge darauf gerichtet, mich diefer Ehren:
pfliht zu entledigen, und es vergingen 5
volle Yahre darüber, bis endlich im Jahre
1870 meine wijjenichaftlichen Ergebnifje in
Auftralien in 4 Quartbänden, in englijcher
Sprache gejchrieben, vorlagen. Wichtige
geographiiche Aufgaben traten nun an mic
heran und nahmen meine ganze Aufmerf-
iamfeit in Anſpruch, bis ich endlich um die
Mitte des Jahres 1872, meinem vater:
ländifchen Drange folgend, als Hydrograph
und WUdmiralitätsrat in den Dienſt des
neu begründeten Deutſchen Reiches trat.
Es ift faum nötig, des Näheren zu er
örtern und zu begründen, daß es bei den
vieljeitigen und jchwierigen Arbeiten, die
es bei der Einrichtung der unter meiner
Leitung zu errichtenden Inſtitute, von welchen
ih nur die Deutjche Seewarte nennen will,
ganz unmöglid war, an die Grledigung
älterer, wie immer auch wertvoller Arbeiten
zu denfen, und erjt nach nahezu 5 Dezennien
gedachte ich der Erledigung meiner erd-
magnetiihen Aufnahme meiner Heimat.
Als ich vor nunmehr einem Jahre nad)
3ljährigem Reichsdienft in den Ruheftand
trat, war mein erjter Gedanfe darauf ge-
richtet, nunmehr zu meiner „erjten Liebe”
zurüdzufehren und die teuere Dofumenten-
fapjel aus dem Verwahrungsorte und zur
Verwertung hervorzuholen. Es ijt ja ein
jeltenes Geſchick, das dieje Arbeit erfuhr,
etwas legendenhaftes, aber auch ein jeltenes
Glück, daß es einem Gelehrten vor dem
Abſchluß jeines Lebens vergönnt ift, einen
aus den Fährniſſen eines bewegten Lebens
geretteten Beobachtungsſchatz feinem Heimat»
lande als eine wifjenjchaftliche Erinnerungs-
gabe vorlegen zu fünnen.
‚9 Mit Recht wird die Frage aufgeworfen
werden, ob die Ergebnifje einer magnetijchen
Aufnahme nad) nahezu 50 Jahren nod
einen Wert haben fünnen. Darauf ift die
54
Antwort zu erteilen, daß es in der Eigen:
art umd dem gegenwärtigen Stande der
erdmagnetiihen Wijjenschaft begründet liegt,
daß die Veröffentlihung von älteren Be-
obachtungen, vorausgejegt daß diejelben
mit guten und jtreng verglichenen Inſtru—
menten und nad jtrengen Methoden aus»
geführt wurden, zur Ableitung der Ver:
änderungen der erdmagnetijchen Kraft, die
nah einem jo langen Zeitruum jehr er-
beblich fein müjjen, von erheblichem Werte
find. Die nun in der Neuzeit ausgeführten
magnetifhen Aufnahmen, die in Bayern
und auch bei und in der Pfalz zur Aus:
führung kommen, werden fi auch dieſe
nun 50 Jahre zurüdliegende Arbeit, wenn
auch nur auf ein fleine® Gebiet lich be-
ziehend, zu Nußen zu machen wifjen. Bor
dem Beginne der eigentlichen magnetiichen
Bermeflung im Felde mußte begreiflicher-
weile meine Sorgfalt darauf gerichtet
werden, eine Station als Bafisftation für
die Vermeſſung einzurihten. Es war
die8 erforderlid, um an diejer Bafis«
ftation die Inſtrumente zu vergleichen,
die erforderlichen Beitbeftimmungen aus»
zuführen und gewiſſermaßen ald eine Vor:
übung in der Behandlung der ver-
ichiedenen Bariometer, welche während der
Ausführung meiner auftraliihen Miſſion
zur Unmendung fommen follten, dienen
zu können; die Errichtung einer Fleinen
magnetiihen Warte war denn auch, wie
eingangs jchon erwähnt, die erjte Aufgabe,
der ich mich zu widmen hatte,”
Aus den Ergebnifjen der glüdlich nod)
zu einem befriedigenden Abſchluſſe ge—
langten Wrbeiten wollen wir tabellariſch
die Werte der magnetiſchen Abweichung
der Deflinationsnadel (Kompaßnadel) von
der mahren Nordrichtung, aljo dem
„Meridiane“ der einzelnen Stationen,
gegen Weften anführen, ebenjo die Werte
für die Neigung einer ſenkrecht drehbaren
Nadel gegen die Wagrechte:
Magn. | Magn.
Ro. | Stationen ——
I-VIII) Frankenthal 17° 6,24 | 66” 10,17
1 ölldeim 16 42,94 166 22,86
2 Nirchheimboland. 16 49,45 ||66 30,08
3 || Donneräberg 16 48,841 0 —
4 || Rodenbaufen 16 52, 534 66 27,65
]
r- Magn. Magn.
No. Stationen | Deklination Intlination
5 || Baterfeld 16°58,'60 | 66°81,,90
6 ) Obermojchel 17T 2044 — —
7 Ebernburg 16 40, 33 66 27,20
8 Obdenbad a. Gl. ;19 2,00 66 30,40
9 | Wolfitein 16 44,83) 66 24,75
10 | Brücken-Ohmbch. | 16 38,34 || 66 26, 31
11 | Mittelberbah 1 |16 55, 43 — —
12 m 16 54,58 66 11,07
13 || Der bremn. Berg | -— — — —
14 || Biefingen 16 36,20) 66 15,43
15 | Dietridhingen 17 2,47 || 66 11,71
16 || Pirmafens 6 45,90 66 12,09
17 Rumbach 16 32,75 || 66 12,55
18 | Slingenmünjter 1|17 2,52|| 66 1,83
19 || Klingenmünfter 2 | 17 17,69 66 7,98
20 | Zangenfandel 16 51,43 || 65 59,30
21 | Mectersheim 16 46,16 66 9,40
22 Bergbaufen 16 57,581 — —
23 Moöorſch 16 86,16 — —
24 Weiſenheim a. ©. | 16 45,87) 66 15,60
25 mweibrüden 1 16 23, 11 ee
26 | Smweibrüden 2 17 0,7161 — —
27 | Kaiferslautern 16 25,89 || 66 14,60
28 | ®immeldingen 16 60, 10 66 17,33
29 | Neuftadbt a. 9. 16 50,60 | 66 16, 37
30 | Ebentoben 16 51,63) 66 11,11
Auf 28 Seiten folgt eine genaue Be-
fhreibung der 31 Gtationen,
welche durch kleine Situationspläne unter-
ftügt ift, worauf allgemeine Betrachtungen
über die geologijhen Einflüjje auf
den Berlauf der magnetiichen Linien einen
interefjanten Einblick in teil verborgene
und teils in Rechnung zu ziehende Störungs-
urjahen gewähren. Dem Werke find ferner
3 Starten der Pfalz angefügt, welche durch
rote Linien den Berlauf der „Linien
gleiher magnetijher Deflination
(Iſogonen)“, der „Linien gleider
magnetijher Inklination (Iſo—
klinen)“ und der „Rinien gleicher
magnetiſcher Kräfteentfaltung
(Iſodynamey) überſichtlich, wenn auch
nach der Natur ſolcher Verallgemeinerungen
und bei der relativ großen Entfernung
zwiſchen den wenigen Stationen vorläufig
mehr ſchematiſch angeben. In zwei An—
hängen gewinnen wir Einblick in das reiche
Beobachtungsmaterial jener wiſſenſchaftlichen
Erfurfion und finden eine „Kurze geo—
logiſche Bejhreibung der magne
tiſchen Stationen“, deren reicher In—
halt gleichwohl allen Nichtfachleuten eıne
55
willlommene Fundgrube für
Fragen jein wird.
Für Neuftadt a. H. haben wir zur Er»
mittelung der langjamen, fogen. Säfular-
änderung der magnetiihen Glemente drei
vorzügliche Beftimmungen: 1) von Brof.
Lamont für 1. Januar 1850; 2) von
Dr. v. Neumaper für 1856 und 3) von
Dr. Mefjerfhmitt in Bogenhaufen bei
Münden für 1903. Sie ergaben die ab-
joluten bezüglichen Werte für die Defli-
nation 17,°7833 (Lamont) und 12,070
(Meflerihmitt) und miürden für 1856
17,°007 bedeuten; das direft beobachtete
Ergebnis lautet 16,835 bis 16,843
(vd. Neumayer), alfo eine jehr befriedigende
Uebereinjtimmung. Dr. Meſſerſchmidt be-
obadhtete auch in Homburg und gibt für
1903 den Wert der Deklination zu 12,708
an. Seine Beitimmung der Inklination
betrug für diefen Ort 64,602, für Neu.
ftadt 64,0362 für den Jahresanfang 1903,
Es kann fein Zweifel fein, daß ältere
Urbeiten folder Art, jobald fie fih auf
Kräfte beziehen, deren Stärfe und Rich—
tung veränderlid find, einen bleibenden
Wert für wiſſenſchaftliche Betrachtungen
haben. Wie ftarf die magnetijchen @le-
mente im Wandern begriffen find, mas
freilih die „Landratten” weniger unmittel-
bar angeht als die Seeleute und Küjten-
bewohner, möge aus folgender fleinen
Überficht erjehen werden, melde für Paris
gilt (au8 Annuaire astronomique pour
1902 von C. Flammarion):
Detltination:
1897 1898 1899 1900 1901 (1902) (1908)
1,0085 1,0988 1,0857 1,0708 1,0789 (CET) 11k,°60)
Intlinationt
65,008 6,0982 CHE , —
Noch Lehrreicher ift eine bei Dr. 3.
Müller, Lehrbuch der Phyſik und Meteoro-
logie (1864) gegebene BZujammenftellung,
aus welcher Sinn und Größe der Veränder-
lichkeit beider magnetijhen Elemente her—
vorgeht und die ebenfalls für Paris gilt.
Darnad) betrug die Deklination (1580)
11,50 öſtlich, (1618) 8% Hftlich, (1663)
fiel die Richtung der Kompaßnadel mit
dem Meridiane zujammen, (1700) 8,0167
weſtlich, (1780) 19,°92 weſilich, (1805)
22,01 weſtlich, (1814) 22,057 weſtlich,
(1835) 22,°07 weitlih ujm. — Die In—
einichlägige
flination betrug ebendort (1671) 75°,
(1780) 72,8, (1806) 69,°2,(1820) 68,033,
(1835) 67,°40.
Für den praftiihen Gebraud) des
Spaziergängers, der fi) im Pfälzerwalde
56
gelegentlich mit jeinem Kompaß orientieren
will, genügt natürlich volltommen der Wert
12! 2° der auch in dieſer abgerundeten
Form für 1906 zufällig ſtimmt.
Hildegard von Hohenerken.
Leis atmet der Wald in der Mittagäglut;
Es regt fich fein Blatt im dichten Gezweig,
Der Rogel träumt auf der fchlummernden Brut,
Die Blume nidt, nur die goldene Flut
Des Lichtes tert zitternd durch’& dämm'rige Reid).
Nun fchallt aus der Ferne verworrener Klang
Und Hundenebell und Pferdegeitampf.
Es gellen die Hörner, und fehmetternder Sarg
Brauſt näher und näher; den Waldſaum entlang
Hoch wirbelt's von Staub und von jprübendem
(Dampf.
Wie zwiichen den Stämmen enteilet der Zug,
Da hemmen zwei Nofie des Yaufes Gemalt;
Da ichwingt von des Rappen fchäumendem Bug
So leicht fidh und weiß wie Mövenflug
Hernieder Schön-Hildegards fchlanfe Geftalt:
„Hier will ich erwarten das flüchtige Wild,
Bom ftürmenden Troß mir entgegengejagt.”
„„Und ich barre bei Dir, Du Herrin mild,
Bis dar Du mein Hoffen und Schnen geftillt
Und endlich ein Wort mir der Liebe gefagt.*”
„Wie hoffte Herr Neitbard fo feltenen Lohn ?” —
„Und ſcheim ich zu Schlecht Dir, holdſelige Frau?““
„Und ſetztet Ihr mich auf des Kaiſers Thron,
Mich reizte nicht Macht, nicht die ſunkelnde Kron',
Ich Hol’ mir den Falken aus ſonnigem Blau.” —
Sein Auge rollt in flammendem Born:
„Richt ſoll ich Dir’ danken, hochfahrende Maid!“
Er beiteiget jein Roß, und er gibt ihm den Sporn,
Hinfprengend durch Dickicht und rigenden Dorn:
„Nun wahr Dich, o Falk, vor des Geiers Geſjaid!“
Sie lacht fo hell durch den fchweigenden Wald;
Hoch kreifet ein Falke im jonnigen Licht.
Da ſchnellt ſchon ihr Pfeil; von der Schne Gewalt
Beflügelt, durchbohrt er den Vogel alsbald;
Der ſtürzt und fie fucht ibn und findet ihn nicht.
Der Abend rinnt durch die Wipfel fadht;
Herr Neitbard fchleicht durch den dumfelen Tanır:
„Den Pfeil noch im Herzen fand ich vor Nacht
Am Gebüfch einen Falk. Stolz Mädel, hab acht!
sam foll mir dein Edelfalt’ nimmer von dann!”
Schon naht aus der Ferne das frobe Gejaid —
Die Meute bellt und es jubelr der Troß —
Der ftattliche „Flörsheim“ an Hildenards Seit’
yı trautenm Gekos mit der herrlichen Maid,
a plötzlich ein Schrei — und er finfet vom Roß.
Schön⸗Hildegard bebet zu jammern au:
„O nimmer auf Erden blüht mir ein Heil!
Dein Trauter, mein Edelfalf, fich mich doch an,
Das hat uns der Geier, der Neithard getan;
Dein Herz, ad), durchbohrte mein — eigener Pfeil !*
3. Böshenz.
Waldmeiſter und Maitrank.
Vieles Liebliche aus dem Pflangenreiche |
bringt der Frühling, Veilchen, Anemonen,
Schlüffelblumen und auch den Waldmeijter,
den die Botanifer Asperula adorata nennen,
Als echtes Waldfind gedeiht der Wald-
meifter am beften in fchattigen Buchen:
wäldern. Nur unter dem Schirm des
Yaubdahes zeigen ſeine Blattquirle das
ihnen charafteriftiiche Tiefgrin. Nur bier
treibt das WPflängchen luftig weiter. Aus
dem weichen Moospoljter erheben ſich dann
dicht beieinander, gewiflermaßen ein Wäldchen
im Walde bildend, die ſchlanken Stielchen
mit ihren ſechs oder acdhtfirahligen Blatt-
fternchen und den porzellanmweißen Blütchen.
Das truppmeile Vorkommen des Wald-
meilters bat indefien jeinen bejonderen
Grund. Die Mutterpflanze fendet nad
allen Seiten hin unterirdiiche Sproffe, deren
Enden im Frühjahr aus dem Waldboden
heraustreten und neue Bflänzchen bilden,
während die älteren Stengel abjterben,
Nicht nur auf dieſem Wege forgt das
Pflänzchen für jeine Erhaltung. Der Duft
feiner Blüte loct Fleine Inſekten an, die
von den am Grunde der winzigen Blüten-
röhre lagernden Neftartröpfchen najchen
und dabei die Beftäubung bewirken. Bleiben
indes dieje Gäfte aus, fo fällt der Bläten-
ftaub auf die Narbe der gleichen Blüte und
jtatt der Fremdbeftäubung tritt Selbit-
beftäubung ein. Die mit fteifen, jadigen
Furchen befegten PFrüchtchen gleichen den
ftefnadelfopfgroßen borjtigen Stügelchen,
welche beim Durchitreifen des Waldes ung
fo oft cn den Kleidern hängen bleiben,
Das find aber nicht Waldmeifterfrüchtchen,
jondern die des Woaldlabfrauts, welche
Pflanze dem Waldmeifter jo ähnlich ift, daß
beide von Unkundigen leicht verwechſelt
werden. Gin fiheres Unterjcherdungsmerf-
mal iſt immer der Gerud.
Es iſt befannt, daß der in jrhattigen
Wäldern mit humusreihem Boden ftehende
Waldmeifter am duftreichiten ift. Werden
aber die fchattenfpendenden Bäume gefällt und
fünnen die Sonnenftrahlen auf den moofigen
Waldboden ungehindert herniederbrennen,
fo wird das Pflänzchen krank und bleich
und verfümmert allmählich. Ya, wer ſelbſt
das Sräutlein im Walde jammelte, wird
wiſſen, daß es frühmorgens am intenfioften
duftet, während es tagsüber faft geruchlos
ift. Schneidet man es aber zur rechten
Beit, fo fteigert fih fein Duft, inden es
trodnet; es ift, als hauche e8 fterbend jeine
ganze Seele aus.
Der Botaniker kennt den „Meifter des
Waldes” unter dem Namen Asperula
adorata. Die klaſſiſchen Lateiner nannten
ihn Herba stellaria und cordialis, weche
Namen unfere transrhenaniſchen Nachbarn
in la cordiale par excellence, „das vor-
trefflih Herzſtärkende“, überjegten, von
welch' franzöfifierter Meberjegung wiederum
das mittelalterlihe „Herzfreyd“ ſtammt,
das ſich in der Schweiz als „Herzfreudeli“
bis heute erhalten hat. Asperula heißt
auf deutſch Rauhlein oder Rauhchen, und
zwar aus dem Grunde, weil einige Arten
dieſes Geſchlechts rauhe Blätter haben. Aus
verſchiedenen in mittelalterlichen Kräuter⸗
büchern gebrauchten Namen der Pflanze
kann man erkennen, daß ſie einſtens viel—
fach in der Heilkunde Verwendung fand.
So bemerkt der Arzt Hieronymus Bock in
ſeinem Kräuterbuche von 1539 von dem
Kräutlein, daß es im Mai „in Wein ge—
legt und darüber getrunken“ das Herz er-
freue und der verjehrten Leber wieder auf-
helfe; darum heiße es auch Leberfraut und
Steinleberfraut. Noch im vergangenen
Jahrhundert wurde das getrodnete Nraut
als Herba matrysilvae gegen Unterleibs-
ftofungen und Wafjerfucht verordnet, und
57
ein Aufguß von „Waldmutterfraut” lieferte
unferen Großeltern einen bejonders bevor-
zugten fchmweißtreibenden Tee. Bor Yahr-
hunderten freilich erfreute fich das Pflänzlein
eines ungleidy höheren Anſehens in diejer
Beziehung; e8 war faft ein Univerfalmittel.
Seine belebenden und verjüngenden Kräfte
werden jchen in den Schriften des im 13.
Jahrhundert lebenden berühmten Aldhimijten
Arnoldus Billanovus gepriefen. Auch das
„Varadiesgärtlein”, 1588 vom Pfarrer
Konradium Roßlahium herausgegeben, er:
wähnt das Nräutlein „Herzfreyde“ und
nennt manche Siranfheit, gegen die e8 helfen
fol. Theodor von Bergzabern jagt in
feiner Botanif: „Im Mayen, wenn das
Sträutlein noch friſch ift, pflegen es viele
Menjchen in den Wein zu legen und darüber
zu trinfen, dak es der Leber wohl tue und
fie ftärfe, item foll e8 aud das Herz
ftärfen und erfreuen, weswegen es auch den
Namen Herzfreud befommen bat. So hat
ed auch die Natur, die Leber zu eröffnen,
und dient wider alle Gebreften derjelben,
fo von Hite fommen.” Ähnlich äußert fich
Jakob Bräuner in feinem 1713 erfchienenen
botanischen Werke über das „Stein Leber—
fraut”, und Qudwig Onfen jagt in feiner
„Allgemeinen Naturgeichichte”": „Es ſchmeckt
etwas bitter, wird daher im Frühling als
Kräuterwein getrunfen gegen Hautausichläge
mit anderen Sträutern, mie Ührenpreis,
Sunifel, Erdbeerblättern, Gundelrebe, Me—
liffe, Nelfenwurz, auch gegen Waflerfucht
und Gelbfucht.“ Neuerdings ift der Wald-
meifter rieder zum Heilkraut gemacht worden,
und zwar von Pfarrer Kneipp und den
Anhängern des Naturheilverfahrens. Troß-
dem ift der Maitrunf nicht gefährlich.
Im allgemeinen fieht die heutige wiſſen—
ichaftlihe Heilkunde ın Asperula feinen
Wohltäter der leidenden Menſcheit mehr,
und in den Mpothefertaren iſt Herba
matrysilvae längft geftrichen; deſto deut»
fiher fteht fein Name auf der Karte, die
der Freund eines guten Tröpfchens begehrt,
dient er doch zur Herftellung des beliebten
Maitranfs, der nichts anderes iſt als eine
Ausicheidung des der Pflanze eigenen Aromas
durch leichten Weihmwein. hr wunderbares
Aroma verdanft fie cınem Ulkaloid, dem
Numarin, welches auch in anderen Pflanzen
enthalten ift, jo im Ruchgras, das dem
friihen Heu jeinen Duft verleiht, in dem
58
jeltenen Mariengrad und, wit Donigduft |
gemischt, auch in den Blüten des Stein:
Elres, Beſonders rei an Kumarin find
aber die Tonfabohnen, die Samen cınes
hohen Baumes der Wälder Guahanos,
welche von den Gingeborenen ihres Wohl»
geruch& megen zu Stetten gereiht um den |
Hals aetragen werden und erportiert zur
PBarfiimierung des Tabaks umd zur Be
reitung dev Maibowleneſſenz dienen, Wald
meilterertraft kann fich übrigens eine praf
tiiche Hausfrau auf die einfachlte Weije
jelbjt herſtellen. Recipe: Von zwei großen
Maldmeiiterfträußen die Blätter und häcke
fie gröblih. Dazu gib 250 Gramm feinen
Walde!” und davon nicht zu wenig, jondern
ziemlich viel, den man aber nur furze Zeit
in der goldenen Flut ziehen läßt, weil er
jonft Sirenge wird und herbe. „HYuder
nimm’, jo viel notwendig, und, id bite
dich, jei verftändig, mach' die Bowle nicht
zu ſüß!“ — „Dann vor allem merfe du:
Gar kein Waſſer milch’ hinzu, weder Selters
noch gemeines, denn es iſt ein Feind des
' Weines; höchſtens ichnigle in den Wein ein
paar Apfelfinenicheiben oder laſſ' es lieber
Budfer und zmwer gewiegte Orangenſchalen.
In einer recht meiten Flaſche übergieße
dieſe Miſchung mit einem halben Liter Rum.“
Berkorke die Flaſche gut und ſtelle ſie vier
Wochen lang an einen ſonnigen Ort. Schüttle
während dieſer Zeit den Anhalt oft und
tüchtig und bringe die Flache dann in den
Kteller. Für Herrichtung der Bowle, die
zu jeder Jahreszeit angejekt werden kann,
gib auf eine Flaſche Wein 's Yiter Ertraft
— ein halbes Fläſchchen Schaumwein joll |
den Geſchmack erhöhen.
Dieje Waldmeiſter-Eſſenz, die ja käuflich
zu haben ift, bietet aber nur eiren minder:
wertigen Erjaß für das Jriichgepflücte Straut.
Ohnedies ift es nicht nach jedermanns Ge:
ihmad, zu jeder beliebigen Zeit Maibowle
zu trinfen.
auch die früher üblıden „Zutaten. Die
jelige Tavidis, die ja ſonſt wirflid ein |
Segen für die Menjchheit it, empfiehlt in
ihren älteren Ausgaben als ſolche Thymian,
Salbei, Dragun, Baljam, Yavendel, Pimper—
nelle, Zimmt und Zitronen; ſie follen „lot:
weile” genommen werden und „nur“ ein halb
Stündchen ziehen!
Dean meide bei der Anrichtung |
Zur Heritellung der Maibomwle verwende |
man nur Waldmeiiter, „ſelbſtgepflückt mit
manchem Bückling vor dem frühlingsahnenden
bleiben” — und „Fleißig Eoften immerzu
must du ohne Naft und Ruh.” Dann
„Werden all’, die davon tranken,
Undern Tages dir noch danken
Für den wundervollen Tranf.
Zage, gibt es jhönern Dank?“
Seit warn der Maitrank als ſolcher
bekannt iſt, haben wir erſt in jüngſter Zeit
erfahren. In der Bibliothek der Benediktiner
abtei der Eifelſtadt Prüm hat man ein im
Jahre 854 geichriebenes Menologium, d. h.
eine Schilderung der zwölf Munate des
Jahres, entdeckt, welches u. a. einen Hera»
meter enthält, der überjegt etwa lautet:
„Jetzt iſt es ratſam, den herben Wein mit
duftigen Kräutern zu verſetzen und mit
Tränken, die zu mancherlei Arzenei die
Fluren hervorſprießen laſſen“. . . und wenn
der Schreiber dann fortfährt, daß der Trank
das Herz froh und die Leber geſund mache,
to iſt er ein Vorbote aller Fräuter umd
heilfundigen Männer des 16., 17. und 18,
Jahrhunderts, denn auch ſie find der An:
ficht, daß „das Sträutlein mit feiner Bluet
in Wein gelegt” nicht nur den Körper ge
jundet, jondern auch die Seele erfreut, Der
Schreibersmunn aber war Wandalbertus,
diaconus et monachus Prumiensis mo-
nasterü, ein Nheinländer, der zuerit den
duftigen Tran? aus heimiſchem Gemächs
gemischt zu haben jcheint. Gewiß, eine
Rheinweinbowle ſchmeckt gut, iſt aber doc
nicht jo aromatiſch wie die Moſelweinbowle
und auch nicht fo angenehm — am andern Tage.
Die Merwertung von Frühlingsblunen.
=
Die in den eriten FFrühlingsmonaten
Diärz und ‚April ericheinenden Blüten ev
freuen lich begreiflicherweite einer bejonderen |
Rorliebe ſeitens des Menfchen, Zwar
kann man jetzt Blumen zu jeder Jahres—
zeit haben, aber. im Winter weiß man, daß
ſie in einem Zuſammenhang mit einem
langen Eiſenbahntransport oder mit mehr
oder weniger unnatürliden Wachstums
bedingungen ftehen, und im Sommer gibt
es wieder zu viel Blumen, als daß aud |
die einfacheren und gewöhnlichen einzeln
geihägt werden follten. Im Frühjahr da-
gegen hat faft jedes Blümchen jenen Hang,
auch wenn es wicht jo bejondere Eigen—
Ichaften hat wie das Veilchen durch feinen
Geruch, das Schneeglüfchen durch feinen
Triumph über die winterlichen Schnecrefte
und andere mehr. Außerdem haben
jondere Verwertung gefunden. Einen medi—
zinischen Gebrauch findet eine befannte Art |
des Himmelsichlüffels, die deshalb auch mit
dem lateinijchen Zunamen offieinalis oder
mit der deutſchen Bezeichnung Apotheker—
primel belegt wird. Sie wächſt in lichten
Gehölz oder auf trodenen Wieſen. iu
Aufguß der Blüten gilt als Heilmittel gegen |
Erfranfungen der Atmungsorgane, gegen |
Migräne und gegen Schwindel, Brimeltee
wird für ebenjo beruhigend gehalten wie
Lindenblütentee und foll ſich durch guten
Geihmaf und Duft auszeichnen, Die
großblütige Primel unferer Gärten befigt
die
Frühlingsblumen vereinzelt aud ihre be: |
59
dem Bater) bezeichnet, weil_die Blüten bei
ihr vor den Blättern erjcheinen. Wegen
ihres jtarfen und angenehmen Geruchs hat
man ſeit alter Zeit die Blüren des Huf:
lattich als heilfräftig für Bruſtleiden be»
trachtet, und der lateinische Gattungsname
die gleiche Eigenjchaft, aber ın geringerent |
Grade,
Beicherdenheit und des Wohlgeruchs, hat
außerdem gleichfalls einen Ruf als Arzt,
da aus jeinen getrockneten PBlättern auch
ein Tee bereitet wird, der gegen Huſten
nügen joll; ferner werden fie verfchiedenen
Säften beigemiicht, die gegen Bruſtkrank—
heiten verabreicht werden, oder auch anderen
Medifamenten, denen fie wenigſtens einen
angenehmen Geſchmack mitteilen ſollen.
Daß die Veilchen in der Bereitung von |
Parfümen zum Gegenftand einer anichn-
lichen Induſtrie werden, braucht nur in
Erinnerung gebracht zu- werden. In diejer
Dinfiht wurden fie jhon vor Jahrtaujenden
geihägt. Die Schönen im alten Athen
trugen bejonders gern Beilchenfränge in den
Haaren, und aus dem berühmten Tal von
za
Tas Veilden, diefer Birtuoje der |
Zempe brachten die Yandbewohner jeden |
Morgen ganze Körbe voll Beilchen nad
dem athenifchen Markt. An feuchten Stellen
ift die frühfte Blüte der Huflattich, deilen
Blätter vom Rolf mit Pierde- oder Eſels—
hufen verglichen worden find. {fm Mittel
alter wurde dieje Pflanze mit dem hübſchen
Namen filius ante patrem (der Sohn vor
Tujftlago hängt mit dem lateiniihen Wort
tussis, der Huften, zufammen. Neuerdings
freilich hat man diefer Arznei jede Wirk:
famfeit beftreiten wollen. Neben dem Huf:
lattich ericheint auf nalfem, tonigen Boden
die Peſtwurz, Fälfchlich auch großer Huf»
lattich genannt, dejlen Wurzeln früher als
Mittel gegen die Belt gejammelt wurden,
Bon diefer Schäßung ift man längft zurück—
gefommen, und auch die allerdings vor-
bandenen‘; Eigenschaften” der Blüten als
Mittel zur Beförderung des Schweikes
ind zu geringfügig, um ſich Beachtung zu
erobern, Zu den befanntejten Frühjahrs-
pflanzen gehört ferner das Yungenfraut,
das früher in Europa als Gemüſe gegeilen
oder an Fleiſchſuppen und Eierſpeiſen getan
wurde, weil es einen jtärfenden Einfluß
auf Lunge und Herz haben jollte. In
Beftalt von Tee follen die Blüten, denen
man zumeilen auch Blätter hinzufügt, gegen
Rruftfrantheiten helfen; jedoch ift dieſe
Wirfung nicht derarı, dat der vielverheißende
ame „Yungenfraut” gerechtfertigt wäre,
Danı kommt ferner die Kuhblume, die
früher gleichfalls ganz beſonders geſchätzt
und benußgt wurde, und zwar als Mittel
gegen die Pocken und die Peſt. Entweder
wurden die Blüten in Milch oder in Bier
' gefocht, oder es wurde ein Eſſig daraus
gewonnen. Außerdem wird, wie wenigen
befannt jein dürfte, aus den gelben Blüten«
blättern der Nuhblume durch Anwendung
von Alaun ein KFarbjtoff gezogen, der in
der Induſtrie Benugung findet, Wie ver-
ichiedene andere Gewächſe, die vom Bolf
al8 Burtterblume bezeichnet werden, jollen
die Kuhblumen, wenn fie reichlich auf der
Weide ſtehen, der aus der Milch gewonnenen
Butter eine mehr gelbe Farbe verleihen;
auch wird jener Ffünftlid” gewonnene Yarb-
jtoff von Yandleuten gelegentlich zum Fär-
ben der Butter gebraucht. Die in Eſſig
gelegten Knoſpen gelten ald ein Erjaß-
mittel fir Napern, ebenfo wie die Knoſpen
de3 Ginſters. Die Ginfterblüten werden
übrigens noch immer reichlich als Arznei
benußt, und zwar in der Geſtalt von Tee | Tränflein zur Herzftärfung, gegen Schlag—
oder Syrup gegen Gicht, hronischen Rheu- Fluß, Lähmung und Srämpfe. Namentlich
matißmus, Sfropheln und Berftopfung. | in Deutjchland benugte -man fie vorzugs-
Ihr gelber Farbitoff wurde zur Herftellung | weiſe als Beimifchungen zum Wein. Die
einer Farbe und eines Lacks benugt, der | neuere Wiſſenſchaft hat damit aufgeräumt,
von Malern jehr aejhägt wurde. Die | nachdem fie nachgewiefen hat, daß der
Blüten ded Maiglödchens dienen jegt vor- | Maiglöckchenſaft auf das Herz nicht anders
zugsweiſe zur Parſümierung von Seifen, | wirft als der des giftigen Fingerhuts.
und vor Alters bereitete man aus den ge- | Dadurch wird er zwar gerade wie diejer
trodneten Blüten Schnupfpulver, die gegen | zu einem Heilmittel, das aber mit großer
Ktopfleiden dienen und nervenftärfend wirken | Borficht zu gebrauchen ift.
follten. Außerdem madte man daraus (Heidelb. Tagbl.)
Verſchiedenes.
„ | wurde dad Gänſegretel von Fechingen, ſpätere
— a — a — .. Gräfin von Naflau-Saarbrüden, geboren.”
12. Uprit in Frankenthal der Neftor der pfäl- Die erften Schwalben. Wohl mehr als
glhen und wohl auch ber bayeriſchen Buch- | Hundert Schwalben hatten fi am DOjtermontag
ruder, ber Berleger der „Sranfentbaler Zeitung” | an der Iſar in der Nähe des Bolfsbares in
Friedrich Albeck geftorben. 1824 in | München eingefunden. Man kann es als ein
Frankenthal geboren, trat er 1839 in die mit | gutes Zeichen für andauernd gutes Wetter be:
der genannten Zeitung verbundene Buchdruderei | tradhten, daß gleich anfangs fo viele Schwalben
als Lehrling ein, um nach beendeter Lehrzeit | auf einmal eingetroffen find. Auch Schwarz-
und einer mehrjährigen Tätigkeit al8 Gehtfe | blättchen, Graßmüden, Rotkehlchen u. a. m.
in Augsburg, Karlsruhe, Kaiferslautern, Speyer | find in unſeren Auen und Anlagen zablreid)
und Worms das in Rede ftchende Geſchäft zu | vertreten. Yeider fehlen auch die VBogelfänger
übernehmen, war bi$ vor ganz furzer Zeit noh | nicht und geben wieder ihrem jchändlichen
täglid) ton morgens bis abends im Geſchäft Handwerk nad).
tätig und erfreute ſich bis dahin einer niemals MandelBäume in der VBorderpfalz, die
durch Krankheit geftörten Geſundheit. negen Mitte War) Ion, biühten und durch den
a „, |, Kälterüdfall geſchädigt ſchienen, haben Mitte April
ee — en Ga a zum ziweitenmal ihren Blütenichmud entfaltet.
wegen Baufälligkeit abgetragen werden. Gegen— Motiz. Wir begimmen bereits im nächjten
mwärtig ift an derfelben Stelle ein ftattlicher Bau | Hefte mit der Mitteilung der Ergebniſſe innerer
aufgeführt, in welchem ein Gedenkſtein, geitiftet | Anregung betreffs Borlommens des Wolfes in
vom Hiitorifhen Berein Saarbrüden, eingefügt | der Pfalz und bitten wiederholt um gefl. weitere
wurde. Diejer Stein trägt die Infchrift: „Hier | Beiträge zu diefer Frage. (D. Sch.)
Gedenktage im Mai.
Geboren: 16. Fr. Nüdert (1788). — | 9. Fr. Schiller (1805). — 24. Kopernitus (1543)
19. J. ©. Fichte (1762). — 21. U. Dürer (1471). | und Ranke (1886). — 31. 3. Haydır (1809). —
— 22. Ri. Wagner 1813. — | — 1618, 23. Mai, Beginn des 30 jähr. Krieges.
Geftorben: 6. 4. v. Humboldt (1859). — | — 1871, 10. Mai. Friede zu Frankfurt. —
Berichtigung. Am Schluß des vorigen Heftes muß e8 beißen: Gedenftage im April.
Dnbalt: Eine erdbmagnetiihe Bermeffung der bayeriſchen Rheinpfalz 1855/56. — Hilde:
gard von Hoheneden (Gediht). — Waldmeiiter und Maitrank. — Die Berwertung don Frühlings:
blumen. — Berſchiedenes. — Gedenktage im Mai. — Berichtigung.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich.
Die „Plälziiche Heimatkunde” Toflet jährlich in 12 Heften ar. 2.50. Heſtellungen werden von allen Buchhandlungen und
Vofanftalten ferner vom Berleger (Portofreie Streifbandiendung) angenommen.
U. Jahrgang. Nummer 6 Juni 1906.
\IPÄLZISCHE ==!
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
Exzellenz v. —
Am 21. Juni vollendet unſer allverehrter Landsmann, der als
Hydrograph und Geophylifer, als Lehrer und Schriftiteller hervor:
ragende pfälziiche Gelehrte
Se. Exzellenz Wirklicher Geheimrat
Brof. Dr. Georg v. Neumayer
ſein 80. Lebensjahr in jeltener Frijche des Körpers und Geiltes. Die
Ehrungen, welche diejem außergewöhnlicdhen Manne am 17. Juni in
Neuftadt von der Bürgerjchaft, feinen nahen und fernen Freunden und
von den Vertretern deutjcher Hochſchulen erwiejen werden, gelten dem
Wirken einer auch nad) riejiger Arbeitsleijtung im jelbjtlojen Dienſte
der hehren Wiſſenſchaft ungebrochenen Heldennatur, die bei der Ber:
folgung neuer und jchwierigiter Bahnen der Erdforſchung märchenhaft
zu lejende Wege wandeln und wahrhaftig abenteuerliche Grlebnijje
machen mußte, um nad) Vollendung jo wichtiger als ehrenvoller Auf:
gaben im ferniten Winkel der Erde auf heimatlihem Boden wiederum
ebenjo neue als weitlichtige Unternehmungen zu gründen und zu leiten;
jie gelten aber auch dem liebenswürdigen und fürjorglichen greifen
Vertreter unferer freilich ihm gegenüber jo Kleinen heimatlichen Gruppe
naturwifjenjchaftlich fühlender und jtrebender Landsleute und nicht zum
wenigſten dem allezeit opferfreudigen, mit Rat und Tat Hilfreichen, bis
in die legten Tage wirkſam tätigen Mitbürger. Gerne verzeichnet aud)
die Pfälzische Heimatkunde den Ehren: und Freudentag St. Exzellenz
und fügt zu den MWünjchen für die freundliche Gegenwart den aus
tiefitem Herzen kommenden Wunjc für ebenjo freundliche künftige Jahre!
Eine neueſte geographildhe Ortsbeſtimmung.
Anfangs Mai hat die Aftronsmijche
Abteilung der Sternwarte Königsituhl bei
Heidelberg ein neues Heft herausgegeben,
das als notwendige Ergänzung einer bereits
1903 verjandten Beröffentlihung „Beſtim—
mung der Polhöhe der Sternwarte zu
Heidelberg” gelten muß; es teilt unter
dem Titel „Bejtimmung der Yängendifferenz
zwifchen der Großh. Sternwarte bei Heidel-
berg und der Staif. Univerfitätsiternmwarte
in Straßburg im Jahre 1903” diejenigen
Beobachtungen mit, die zur Gewinnung
auch einer genaueften geographiiden Länge
des Inſtitutes, bezw. der Mittellinie durd)
fein wichtigftes Inſtrument führten. Waren
ihon jene Arbeiten während der Zeit vom
Juli 1900 bis Auguft 1901 — es wurde
in 124 Nächten dafür gearbeitet — ſehr
umfangreich und peinlich, bis fie zu dem
allerdings äußerft gevauen Werte führten,
den man als die „Bolhöhe” oder „geo-
graphijche Breite” des gejuchten Punftes
auf der kugelförmig geſtalteten Erde be-
zeichnet: + 49° 23° 54”,60, jo geftaltete
fich die FFeitftellung der „Länge“ desjelben
Bunftes zu einer noch fomplizierteren Auf:
gabe, denn fie fann von einer Station
allein gar nicht ausgeführt werden.
„Unmittelbar nad) Bollendung der
Großh. Sternwarte auf dem Nönigsituhl
bei Heidelberg trat an das Aſtronomiſche
Anftitut die Aufgabe heran, jeine Polhöhe
und Yängendifferenz gegen die eine oder
andere ihrer Yage nach gut befannte Stern:
warte zu ermitteln. Während die Be:
ftimmung dev Polhöhe alleinige Aufgabe
des Inſtituts bleibt und demgemäß dieſe
Koordinate auch ausſchließlich durch das
Perſonal der Heidelberger Sternwarte feft-
gelegt wurde, Fonnte die Bejtimmung der
Längendifferenz nur unter Mitwirkung einer
anderen Sternwarte erfolgen. Es war
naheliegend, dag vom Heidelberger ne
jtitut die Beihilfe der Kaiſerl. Sternwarte
in Etraßburg erbeten wurde.” Die Be:
obacdhtungen an den Meridiankreisfernrohren
von 162 mm Lichter Weite wurden den
Aſſiſtenten der beiden Sternwarten, den
Herren Dr. L. Courvoiſier in Heidel—
berg und Dr. 2. Garnera in Straßburg,
die als die ftändigen Meridianbeobadhter
mit der Behandlung der Inſtrumente und
der Art der Beobadhtung an ihnen voll:
ftändig vertraut waren, übertragen; außer-
dem fungierte der Direktor des Aſtronom.
Inſtituts auf dem Nönigsftuhl, Herr Hof-
rat Brof. Dr. W. Balentiner, als Be
obachter an einem dritten, transportablen
Inftrumente bald in Straßburg, bald auf
den Königsſtuhl. War damit ſchon eine
bedeutende Erſchwerung der Arbeiten ver-
bunden, jo erhöhte fie fih in fehr unan-
genehmer Weiſe durdı die Ungunft der
Witterung, indem mährend fajt zweier
Sommermonate — 14. Juni bis 8, Auguft
1903 — oftmals bededter Himmel die
Beobachtungen vereitelte oder unruhige Luft
lie beeinträdtigte. Dennoch wurde danf
der Ausdauer und Umficht des Berfonals,
ſowie der über alle Laienbegriffe gehenden
Feinheit der Inſtrumente, Präziſion der
Veranſtaltungen und der Ausarbeitung des
unmittelbaren Beobachtungsmaterials ein
Rejultat gefunden, das würdig neben dem
ebenio genauen Werte der früheren Breiten:
beitinnmung ftehen kann.
Aus dem Materiale, weldes an beiden
gleihen Meridiankreiſen erhalten murde,
von denen der in Heidelberg mit Ber:
größerung 150, der in Straßburg mit
Vergrößerung 216 ausgeftattet war —
Prof. Balentiners 65 mm-Fernrohr ver:
größerte 90 fach —, ergab fich die Längen—
dıfferenz beider Ynftrumentenpofitionen
nad) Uhrzeit zu 3 Min. 48,609 Sek.,
jedody zu 3 Min. 48,601 Sek., wenn je
die Beobadhtungen an dem größeren firen
und dem Eleineren beweglichen Inſtrumente
fombiniert wurden. Dem Laien jcheint
diefer Unterfchied wohl nicht mehr der
Nede wert, da es fih bloß um 8 Tau—
jendjtel der Zeitjefunde dreht. Die Aſtro—
nomen haben aber herausgeflügelt, daß
Gourvoifier, der in Heideiberg eine etwas
Ihwächere Vergrößerung gewöhnt war, mit
der ftärferen Bergrößerung des Straßburger
Anftruments die Sternantritte an die
Spinnfäden im Befichtsfelde um 0,030
Sekunden zu fpät, Garnera dagegen aus
dem entgegengejegten Grunde in Heidelberg
je um 0,016 Sekunden zu früh regiitriert
haben dürftel! Der Ferneritehende molle
aus folhen Unterfuhungen einen erhöhten
Reſpekt vor der aftronomijchen Gewiſſen—
haftigfeit befommen, die aber feine Ge—
nauigfeitsfererei ift, jondern aus inneren
Gründen und zur inneren beijeren Fun—
dierung der Grundlagen der vechnenden
Aftronomie bejtändig erhöht werden foll,
Man arbeitet aber auch mit entiprechenden
Apparaten: Die Hauptuhr der Heidelberger
Sternwarte, bejtändig unter Kontrolle ge-
63
halten und mit der Normaluhr am Hinmel |
verglichen, ging zwar nicht asjolut genau
mit dem FFiriternhimmel, fondern blieb
ftündfich etwa ein Hundertftel Sefunde im
Vorſchuß; vergegenmwärtigen wir uns aber,
daß nur die Aftronomen hier von „Falſch—
gehen” sprechen dirfen, denn im Munde
eines Yaien ift eine ſolche Bezeichnung
eine Direfte Beleidigung für die Uhr,
den Uhrmacher und die
Witronomen!
„Nach der von Th. Albrecht vorge,
nommenen Ausgleichung des zentraleuro-
päijchen Yängenneges beträgt die Längen»
Differenz
Sternw. Straßb. Stw. Greenwich I1m4, 523
Sternw. Straßb.—Sım. Paris 21m43,:591
Sternw. Berlin—Stw. Straßburg 22% 30, > 272
und deshalb find mit Anbringung der
Differenz
Sternw. Königeftuhl — Stw. Straßb. Im 48, s 604
die definitiven Yängendifferenzen (in Zeit)
Stw.Königsit. tw. Greenmw. 34m 53, 127 (dftl.)
Stw. Königsit.— Stw. Barit 25m 32,» 195 (ditl )
Stw.Königsit. - Stw. Berlin 18m 41,» 668 (meftl.).
„In der Bublifation des K. Preuß.
Geodätiſchen Juſtituts „Das Rheiniſche
Dreiecksnetz“ III. Heft p. 171 finden ſich
die unter Annahme der Dimenſionen des
Beſſel'ſchen Erdellipſoids von Bonn aus
übertragenen Yängen
Königsſtuhl (Ausfichtsturm) 19 37° 52,03 öftlich
bon Bonn
Straßburger Münfterturm 0° 39 9,62 öſtlich
bon Bonn.
Nach dem im Yuni 1898 von Herrn
Major von Bertrab ausgeführten Anſchluß
der Heidelberger Sternwarte an das Net
dev Trigonometriihen Abteilung der K.
Preuß. Yandes-Triangulation liegt der
Königsftuhl-Turm 10,99 öftlich vom Meri-
dıanfrei8 der dortigen Sternwarte, und
nad „Aftronom. Nachrichten” Nr. 2769 der
Münfterturm 1’ 6,”80 weſtlich vom Meri-
dianfreis der Straßburger Sternwarte.
Hiermit und unter Annahme des Albrecht'ſchen
ausgeglichenen Wertes der Yänge Straß-
burg-Bonn 2”41,°349 ergeben fich die
aſtronomiſchen Längenunterſchiede gegen
Bonn
Königsſtuhl Turm 1? 37° 40,9
Straßburger Münftertum 0° 39% 13,”44
mithin aftronomifch-geodätiiher Yärgen:
unterschied von Bonn (vgl. obige Werte!)
Königsſtuhl — 11,474
Straßburg + 3,82
entiprechend einer relativen öftlihen Yot-
abweichung fir den Nönigsftuhl von 7,64
und einer weftlichen für Strakburg von
2,"53. Nach den Angaben „Hauptdreiede*
(der E, Preuß. Yandes-Triangulation) be-
übertwachenden
— —
trägt der Längenunterſchied Königsftuhl- | und 0,0041 Sekunden. — „Berechnet man
Zurm bi8 Münfterturm 58° 42,"56, wor | den mittleren Fehler einer Stromzeit aus
raus die Differenz der aftronomijchen und | den Abweichungen der einzelnen librdiffe-
geodätifchen Länge zu 15,“71 oder die | rerzen von ıhrem Mittel, jo ergibt er ſich
öftliche Lotabweichung des Nönigsftuhl gegen | zu + 0,0028 Sekunden. Die einfadhe
Straßburg 10,“2 wie vorher folgt.“ — | Länge der Leitung Straßburg (Sternw.)
Die Yotabweichungen haben zunädjit ihren | bis Heidelberg (Sternmw.) beträgt 185,4
Grund in Iofalen Berhältniffen der betr. | Kilometer. Hiermit berechnet fich Die
DOrtlichkeiten, alfo in der Maflenanziehung | Stromzeit aus Albrechts Formel zuO,* 0046,
der Gebirge: Bogejen weftlid von Straß- | mithin 0,*0035 bezw. 0,0018 größere
burg, Nedarhöhen öftlih vom Königsſtuhl. als die beobadteten Werte.”
Da die aftronomifhen Anftrumente mit Selbftredend kann es an dieſer Stelle
empfindlichften Waſſerwagen fontrolliert | nicht unfere Aufgabe fein darzulegen, aus
werden oder auch mit Duediilberipiegel- | weldyen inneren und technifchen Gründen
flächen, welche ihrerfeits von der Richtung | die Nftronomie fo feiner Beltimmungen
der Schwere abhängig find, jo gehen die | bedarf und beftrebt fein muß, noch wejent:
aus diefen Abweichungen folgenden Be- | lid weitergehenden Yinforderungen zu ge
träge voll in die aftronomische Meffung ein, | nügen. Bemerft fei nur, daß unfere Erd-
fönnen aber als befannte Werte wieder | fugel fich keineswegs genau um zwei Bol-
elimmiert werden. Es läßt fi) fchon der | punfte dreht und daß es derartig feinen
geographiichen Situation entjprechend ver- | Mejjungen zu verdanken ift, wenn wir
muten, daß die Yage beider Stationen | willen, daß ſich die Erdpole feit 16 Jahren
feinen merflihen Einfluß auf die Pol: | auf einem Raume hberumbewegen, deſſen
höhenbeftimmung äußert; es ergibt fich auch | Durchmefler O,“4 oder 13 Meter beträgt;
tatfächlich, „daß der Unterichied aftronomisch: | infolgedeffen ſchwanken die Volhöhen (geogr.
geodätifcher Breite unter Annahme der Er- | Breiten) aller irdijhen Punkte um
gebniffe der geodätifchen Übertragung von | diefen Betrag um eine mittlere Lage herum
Bonn für Straßburg 1,78, für Nönigs- | wie ein Pendel um feine Ruhelage.
ftuhl 1,”79 gefunden wird, wonach eine Im übrigen geftattet unjer Bericht
meridionale Lotabweichung des Königsſtuhl Über die meuefte Längenbeftimmung einen
gegen Straßburg nicht vorhanden ift.” weiteren (vgl. die magnet. Vermeſſung der
Die vorftehende Differenz von O,*OL | Pfalz im vorigen Hefte!) interefjanten Ein-
ift gleichbedeutend mit einer Daaresbreite, | blif in die Werfftätten der Naturforichung
gejehen auf 2 km Entfernung, was zur | und läßt erfennen, daß hier die Natur
Erhöhung des Reſpektes vor den NRejul- | jpigfindigere Aufgaben ftellt als die fteiffte
taten einer eraften Wiſſenſchaft noch be- Vedanterie des Bureaufratentums etwa
merkt fein mag. Anforderungen an die fogen. „Gewiflen-
Um die beiderjeitigen Ubrzeiten in | haftigkeit” nur ftellen könnte. Dort aber
Königftuhl und Straßburg mährend der | fteht das deal einer volllommenen Gr-
Beltimmung der Yängendifferenzen nach | fenntnis als Biel in der Ferne, während
Menſchenmöglichkeit auszugleichen, hat man | im täglihen Umgang und Getriebe der
telegraphiiche Signale gemwecelt, gegen 30 | Buchftabe tötet und nur ein in maßvollen
allabendlich; verwendet wurde eın „Chrono- | Grenzen freier Geift frifches Leben pul-
graph mit Doppelanfer.” Die Strom- | fieren läßt.
zeit der Elektrizität betrug zwifchen 0,0008 |
Bas Unwetter vom 4, Mai.
Wir nehmen Beranlaffung, in diefer | ungefähren Wortlaut einiger Meldungen
Beitichrift dem ungemöhnlich heftigen Un- | folgen.
weiter in der erften Maiwoche cın trauriges | Neuftadt. Es entluden fih am Nad-
Denkmal zu fegen und laffen zunächit den | mittage des 4. Mai zwei Gemitter
unter heftigem Blitzen; ein ftarfer
Blagregen ſetzte zeitweilig eın.
Mußbach. Das Schwere Gemitter
tötete im Felde einen Mann nebjt feinem
Pferde an der Haßlocher Banngrenze.
Bimmeldingen. Leute wurden im
nahen Walde durch Blitzſchläge zu Boden
geworfen. Der Regen war mit Schlojfen
gennfcht; unmittelbar darnah fam ein
zweites Gewitter, das wieder heftig tobte.
Ruppertsberg. Eine gewaltıge
Waffermafle ftrömte zutal, riß Wingerte
auf, wühlte Gräben und bededte die Wingerte
mit Waſſer und Schlamm. Mit Aufgebot
aller Araft wurde der Bahnverfehr aufrecht
erhalten; im Felde wateıen Arbeiter bis
an die Knie im Waller. Die Ortsftraßen
waren in voller Breite überflutet und fur
body mit Schlamm überdedt. Die älteſten
Yeute können fih eines ſolchen
Unwetterd nidyt erinnern,
Deidesheim Die Nordhälite der
Hauptitraße ift bis zum Marftplag von
der „großen Hohl‘ ber mit Sand und
Steinen überflötzt. Mehrere Mauerr
wurden eingerijfen, im Zufammenhang
damıt cin Weinberg überjchüttet und aus-
geflögt. Tiefer liegende Gärten und Wiefen
ftanden ganz unter Waſſer; der Steg über
den Marladjgraben wurde weggerijlen, und
der Hagel zerichlug einen Teil der Obſt—
und Weinernte, Seit 1868 jollen
feine jolden ®Bajjermafien mehr
die Gegend vermwülter haben. Der
Eifenbahndamm war überfchwemmt und an
einem Daufe wurde eıne Steintveppe weg:
geriffen. Der Schlamm liegt ſtellenweiſe
'; m hoch.
Forft. Das Unmetter dat furdhtbar
gewütet; die Straßen find voll Geröll
und Schlamm; Mauern wurden nieder
geriffen. In BWohnhäufern drangen uns
geheure Waſſermaſſen ın die Zimmer, mwo
die Möbel förmlich ſchwammen. Die
Keller jtanden im Nu unter Waller, in
den Läden wurde durch Wegſchwemmen von
Waren großer Schaden angerichtet. In
der „Wahlshöhle” wurde eine 20 m lange
Mauer total abrafiert; die Gewäſſer häuften
Geröll, Sand und Haufen von ausgejätetem
Gras um die Weinjtöde herum.
Bad Dürfheim Ein ungemein
65
und 6 Uhr, wobei der Blitz fiebenmal
einfhlug Die Straßen waren bald
überflutet; eine Weile war der Regen mit
Hagel vermiſcht. „Wir erinnern und
nidt, jemals anfangs Mai ein
jo Schweres Unwetter erlebt zu
haben.“ Seller wurden unter Bajler ge-
jeßt, auch wurde vom Orkan maſſenhaft
Wäſche von der Bleiche in die Iſenach be»
befördert. Ein Brennereifamin und ein
Teil des anftoßenden Keſſelhauſes wurde
durh Blitzſchlag zeritört. — Bejonders
gegen Reiftadt zu wurden viele Weinberge
arg verflögt; Bäume ftehen faft entwurzelt,
Kartoffeln find aus den Feldern fort-
geſchwemmt, Pfähle und Drahtfteine fort:
geriffen, Die Gärten und Felder an den
Burftmarktswiejen, ſowie diefe felbit, glichen
einem See und find mit Geröll, Schutt
und Schlamm bedeft. Hochgelegene Wein:
berge find faſt vollitändig aus: und tief-
gelegene wieder ganz zugeflött. Das
Waſſer fam fo fchnell und in ſolchen
Mengen von den Höhen in die Stadt, daß
mehrere niedere Wohnungen im Nu unter
Baffer ftanden. „Den älteſten Leuten
gedenft ein Unwerter, das jo ver
hbeerend haufte, wie daß geitrige,
nicht.“
Dürfheimer Tal Das furdt
bare Gemitter dauerte beinahe drei
Stunden. Schon lange nidt mehr
hatten die Dörfer unſeres Tales ein jolches
Unwetter gejehen. Der Regen bradıte auch
kirſchgroße Schloſſen. In Grethen
ftürzten die Waäſſermaſſen an den Berg—
abhängen der Ruine Limburg und der
Ningmauer mit ſolcher Gewalt ins Tal,
daß tiefe Gräben in die FFruchtfelder gerifien
und im Tal kleine Seen gebildet wurden.
Keller wurden voll Waſſer; der Blitz ichlug
an mehreren Stellen, audy in Haufen, ein.
Saufjenheim, Der Blig beſchädigte
den QTurm der prot, Kirche und zerftörte
einen Birnbatım,
Kleinfarlibad. Bei dem ſchweren
Gewitter jchlug der Blig in das „Altpörtel“
und jpaltete einen Slirjchbaum. Der mit
Hagel vermifchte Negen war fo jtarf, daß
der Eckbach bach anichwoll; die Orisſtraßen
waren davon überflutet.
Kindenheim Ein brauner, breiter
beftiges Gemitter entlud ſich zwiſchen | Waflerjtrom ſtürzte ins Tälchen, durch—
querie die Felder und richtete empfindlichen
Schaden an; das Wafler ftand ſtellweiſe
noch anderen Tages.
Kichheimbolanden Das un
gemein heftige Gewitter, da& weiter
im Heffifhen in einen Wolkenbruch aus-
artete, der einen Dammrutich zur Folge
hatte, bielt den um 6 Uhr 36 Minuten
fälligen Berjonenzug auf, der erſt um
10 Uhr 15 Minuten antam,
Worms. Beidem ſchweren Wolken—
brucd, verbunden mit Dagel, wurden in
Gundersheim drei Perjonen vom Blik
erichlagen.
Mainz, Schwere Gewitter haben
in Rheinhefien Schaden angerichtet; in
Gonſenheim geihahb ein Wolfenbrucd,
bei dem Wohnungen geräumt werden mußten.
In Quadersheim, wo die Feuerwehr
als Waflerwehr funftionierte, wurden zwei
Perjonen auf dem Felde erichlagen, in
Niederflörsheim ein Arbeiter in einem
Steinbrude.
Hanau meldet, daß bei den ſchweren
Unmwettern ein Mädchen in Marburg
erſchlagen worden Sei.
Wenn nun auch dieje Auszüge beredtes
Zeugnis ablegen von der Stärfe der Natur
gewalten, der Plöglichfeit der Erſcheinung
und der unabſchätzbaren Eleftrizitätsmenge,
die hierbei überall und insgeſamt zur Ent-
ladung fam, fu wollen wir doch nod) daran
erinnern, daß am T. Mai ein Wolfen
bruc zwiſchen Bajjau und Wernftein
ganze Felder vernichtete und den Erlenbach
zum reißenden Strom madte; aud in
Paſſau find mwolfenbrucartige Regen ge
fallen. Bei einem am 9. Mui über
Aſchaffenburg ziehenden Gewitter wurden
ein Mann und zwei Kühe erjchlagen; an
demfelben Tage traten Gewitter mit
Hagel mit befonderer Heftigfeit im
Iſartal (Thalfirchen, Grünmald, Prinz
Ludwigshöhe) auf, ebenjo gleichzeitig eine
ganze Reihe von ſchweren Gemwittern
über Unterfranten und den angrenzenden
badifhen und württembergijden
Gebieten, bejonderd wurde durch die
Hagelihläge und Wolfenbrüde
das Taubertal heimgefudt. Am 10,
Mai wurde das Iſartal nochmals ſchwer
betroffen; am 9. Mai erlebte auch die
Weftpfalz ein fehr ſchweres Umnmetter,
abgeiehen von den faft tagtäglich bald
da bald dort eingetretenen (leftrizitäts-
entladungen, die in jedermanns Erinnerung
blieben, weil fie eine faft nicht unterbrochene
Kette von Gemittererfcheinungen darftellten.
Wir haben ein nterefje daran darzu—
legen, wie ungemein weit ausgebreitet Diele
Ericheinung war und wie ftarf fie ſich troß
ihrer Ausbreitung über ein riefiges Gebiet
an allen Orten äußerte. Man it gewöhnt,
nad) Sommergemwittern, die fi „ausgetobt”
haben, deren Straft- nicht „jozujagen“,
fondern ganz im mörtlichen Sinne er-
ſchöpft ift, unter Umftänden fofort reinen
Himmel zu ſehen; in den geichilderten Fällen
zeigt ich keineswegs eine Intenfitätsabnahme
weder der Niederichläge, noch der Eleftrizität.
Das alles muß feinen bejonderen Grund
haben; wir bitten unjere Leſer, welche ich
bemühen wollen, dem Berftändnifie diejer
Ericheinungen näher zu fommen, nod ein:
mal unjere auf ähnliche Zufälligfeiten be-
züglichen Mitteilungen des abgelaufenen
Jahrganges (Seite 2- 3, 53 - 54, 89- 91,
104) nachzuleien und fich zu erinnern, daß
wir mitten auf dem SHöhepunfte des
Sonnenflefenmarimums ftehen, wenn auch
unfere Sonne nicht gar jo fledenreich ift,
wie fie das Bild Seite 53 (22 September
1870) zeigt. Wir dürfen außerdem daran
erinnern, daß vom 5. bis 12, Mai eine
fortlaufende Gefahr beitand, daß die an
diefer Stelle vorläufig nur zu erwähnenden
unmittelbaren Einflüffe, die von jehr großen
Sonnenfleden auszugehen pflegten, ſich im
Bufammenhange mit zwei Riejenfledfen
bemerfbar machten, die am 10, Mai die
Sonnenmittellinie pajfierten. Wer fie ſah
und die Einflüffe erfahrungsgemäß fannte,
fonnte die von den Zeitungen gemeldeten
Wirkungen faft mit Beftimmtheit auf
Tage vorausjehen. Nicht gerug damit, ging
die Sonne nad trüben Tage mit Aufflärungen
unter, es folgte flare oder faft klare Nacht
— und mit fteigender Sonne trat wieder
Bemwölfung ein — natürlich von Cirren,
den Trägern alles meteorologifchen Übels.
Seit Dftober war die Wechjelmirtung
zwiichen den jeweils vorübergehenden großen
Gruppen von Sonnenflefen oder Ginzel-
Erplofionstrichtern einerfeit8 und den
meteorologischen Störungen (Cirren, Schnee,
Kälte, Regen, Gewitter) andererjeits eine
faft tadellos präziſe. Etwa in der
eriten Yunimwocetmukten dieſelben großen
Flecken, wenn auch in veränderter Geltalt,
vielleicht aud) merklich abweichender Yage und
Größe mwiedergefehrt fein; es hat fich gezeigt,
inwieweit Dann Regen- oder Gewitter—
erſcheinungen neuerdings auftauchen, deren
Art der Außerung aber davon abhing, wie
eıne andere, jchon vorher mirderfehrende
große Fleckengruppe ihrerjeits die Witterung®»
lage beeinflußt hatte. Da dieje Phänomene
in beftändigen Fluß befindlich find und
da8 Hunderterlei von gegenjeitigen Gin
flüffen derfelben gar nicht zu überjehen ift,
auch die rem irdischen" Wettervorgänge fid)
mit dieſen kosmiſchen Einwirkungen viel
fältig vermengen, jo fann natürlich von
einer ernfien Prognofe oder gar Termin
angabe nicht geredet werden. Unjere Lehre
von den akuten und fiber das gewöhnliche
Maß weit binausgehenden Erſcheinungen
im Yuftmeere muß fi vorerft an die An
Ihauung gewöhnen, daß der vielgenannte
„Nreislauf” des Waſſers keineswegs aud)
nur im Gntfernteften ausreicht, um Bor:
fommniffe zu erflären, wie ſie die zweite
Maiwoche allenıhalben gebracht hat.
Es jer aber ausdrüdlich hervorgehoben,
das das Hagelunwetter vom 10. Auguſt 1905
67
— ebenfo das Ungemwitter vom 11. Auguſt
1904 und, das Hochwaſſer von 1889 bei
Landſtuhl — zumteil ganz anderer Natur
it, auch anderer Herkunft. Diefe drei
Überraihungen waren Einbrüche je eines
Eisboliden in unjere Atmopjbäre, wobei
durch Reibung, Erwärmung und infolge
deſſen Beriplitterung des jpröden Eifes in
Milliarden Stüde Hagelunmetter mit
Sturm WMeſt der lebendigen Kraft des
fosmiichen Eindringlings) und eleftrijchen
Schlägen (HReibungseleftrizität) reſul—
tierten. Die zweite Maiwoche aber hat eine
unmittelbare Zufuhr von Eirruseis gebracht,
das mit Abkühlung und Regen, natürlic)
im Zujammenhang damit aud mit Sturm,
aber exit in zweiter Linie auch mit Hagel
niederging. Über dieje doppelte Form von
Eiszuflüſſen aus dem Weltraum hat der
vorige Jahrgang (8. 91) bereits An»
Deutungen gebradt. Nähere Ausführungen
geſchahen auch im Frühjahre gelegentlich
eines Öffentlihen Vortrags über Bagel-
fatajtrophen ım Anjchluß an das Unwetter
vom 10. Auguft 1905 im Berein für
Frauenintereffen in Haiferslauterın. Auf die
ım Anfange des Monats Juni fich wieder:
holenden Stataftrovhen fommen mir nod
zurück. Ph. F.
Der „gemeine Bauerntaäag'“ zu Arzheim.
Zur firfibiichöflichen Zeit hatte Arzheim
neben dem Torfgerichte, beftchend aus
Schultheiß und 7 Schöffen, noch jeine 2 |
„Dorfmeiſter“, auch „Bürgermeiſter“
genannt, welche jedes Jahr aufs neue ge—
wählt werden mußten. Dabei war eine
Wiederwahl zwar zuläſſig, in der Regel
aber wurden zwei andere Bürger zu diefem
Amte erforen. Sie hatten cin wichtiges
Amt zu verwalten; denn fie waren We:
meindercchner, Gemeindeeinnehmer und zu
gleich Kirchenpfleger. Als ſolchen war ihnen
die ganze finanzielle und wirtichaftliche Ver—
waltung der Gemeinde und deren jümt
lihen Bermögens wie auch der Pfarrei
(Behent, Gülten ujw.) und Schule über:
tragen, ja fie hatten jogar die herrichaft-
lihen Abgaben und Steuern der Bürger:
Ichaft zu jammeln und in die Nellerer ab
zuliefern. Ihre Bildung mußte demnad;
wenigftens einen joldhen Grad erreicht haben,
i
dak ſie geläufig leſen und fchreiben fornten,
ganz bejonders aber zu rechnen verftanden,
umjomehr, da fie ihr Amt jelbftändig zu
führen hatten, Meiftens gehörten fie auch
zu den jog. befleren Familien und ‚zufolge
ihres Amtes bradıte man ıhrer Perſon
mehr Achtung und Hochſchätzung entgegen
als den „Gerichtsſchöffen.“ Naddem
fie um Martini jeden Jahres ihre „Dorf-
rechnung” und Stivchenrechnung zum Ab»
ihluß und dem Gerichte zur Borlage ge:
bradıt hatten, traten fie von ihrem Amte
zurüd, An dem nämlidhen Tage fand noch
die Neumahl Statt. i
Dieier Tag — das Datum läkt ſich
nicht bejtimmt angeben — mar befannt
unter dem Namen: „gemeiner Bauern:
tag.” Zwar hatte Arzheim in früherer
Bet aud) jeine Handmwerfer, aber alle hatten
eın mehr oder minder großes liegendes
Gut, das fie ſelbſt bebauten, und darum
waren fie troß ihres gewerblichen Betriebes
im wahren Ginne des Wortes Bauern.
Im Gegenjage zur Stadtbevölkerung war
die des Dorfes eine bäuerlide. „Bauern:
tag” hieß diefer Tag deshalb, weil an ihm
die Bauern ein altes Borrecht ihres Stan-
ded ausübten, das Recht der freien Wahl
derer, melden fie die Verwaltung ihres
gemeinfamen Beſitztumes anvertrauten.
Darum war diefer „Bauerntag” ein Feſt—
tag erfien Ranges für die ganze Bürger-
Ihaft, wie ihn der Bauernfalender nur
felten im Jahre verzeichnete. Dieſer Tag
hat nad) und nad; viel von jeinem alten
Glanze verloren; der Tag der heutigen
Gemeinderatswahl fann damit gar nicht
verglichen werden. Diejes Bild aus dem
Bolfsleben bauptjächlich des 17. und 18,
Yahrhunderts der Bergeflenheit zu ent-
reißen ift die Beranlaffung nadıfolgender
Schilderung.
Selten verſammelten fich die Mitglieder
des Dorfgerichtes zu einer jold feierlichen
Sigung wie „ahm Jahrtag”; denn heute
galt es die „neuen Ämter zu maden
und auszuteilen.“ Hatten ja in der
vorigen Sitzung vor dem verjammelten
„Bollgerichte“ die bisherigen Bürger-
meister zugleich mit ihrem Rechnungsabichluß
auh Amt und Würde „laut Berordnung”
niedergelegt, weshalb heute nun die Neu—
wahl jtattfinden follte. Schon einige Tage
vorher hatte der „Büttel” Tag und Stunde
diejes feierlichen Altes „durd; die Orts—
ichelle” bekannt gegeben. Und mährend
alfo oben in der „Gerichtsſtube“ der
Schultheiß und die Schöffen fich anſchickten,
ihres Amtes zu walten, war unten im den
offenen Hallen des Rathauſes gar zahlreich
die Bürgerſchaft verſammelt, voller Er:
wartung, wen heute das Los treffen würde,
Endlich hatten fie fich geeinigt und eine
Lifte der zu dem Amte eines Dorfmeifters
„taugliden“ Bürger aufgeftellt und dem
„Heimberger“ übergeben, auf daß er fie
dem. verjammelten „Hubgerichte“ (oder
„Kubhofe”) vorlege. Dieweil man aber
nur zwei Männer zu wählen hatte, wurde
eines jeden Name auf einen „Zedul“ ge
Ichrieben und fämtliche Zettel in einer Urne
geborgen. Drunten war e8 jeßt ganz Stille
geworden, nichts regte ſich. Denn der
„Heimberger“ trat mun heran, die neuen
Dorfmeifter jollten „gezogen“ werden. Das
Recht, fie auszulojen, hätten nämlich nur
Schultheik und Gerihtsihöffen, an deren
Stelle der Gerichtödiener, Heimburger
(oder Heimberger) genannt, den feierlichen
Alt vollzog. In kurzem hatte er ſich feiner
Aufgabe entledigt, und „al man hat
die burgemeifter gezogen”, da wurden
alsbald ihre Namen der harrenden Menge
feierlich verfündet. Alles fam in freudige
Erregung bei der Stunde, daß „die newen
ämbter vnd dienemwen burgermeifter
gemadht worden” jeien. Die beiden
Grforenen erjchienen alsbald vor dem Ge—
richte und wurden bier in Bflidyt genommen,
in Amt und Würden eingejegt. Darauf
folgte dıe Einmweifung in ihr Amt, indem
man ihnen den noch übrigen Wein aus
den Gemeindewingerten libergab; denn jo
war es herkömmlich bei „wieder Neuer
befegung der Ämpter.“
Nach dem offiziellen Feftafte folgte am
Nachmittage die „Feier“ der Bürgerichaft.
Wohl felten im Jahre jah der „Rathaus:
wirt“ in der „gemeinen Herberge”
jo viele Säfte wie am „gemeinen Dag”.
Alle Bürger waren bei ihm verjammelt
und wurden dajelbit „von Gemeinde wegen”
mit Speife und Trank „traftiert”. Bu
diefem „Traktament“ ftellte der „Schild-
wirt” die Speifen, und wahrlid, Spariam-
feit ließ man an diefem Tage nicht walten.
Denn jo berichten es uns die Dorf.
rechnungen, die in mandem Jahre eine
hohe Ausgabe für diefen Tag aufweiſen;
jo 3. 8. 1671: 15 Gulden, 1691 : 10'%
Gulden, 1717 : 11 Gulden, 1725 : 15
Gulden ulm. Dazu ftellte die Gemeinde
den Wein den „Bauren” gratis; ihn
fredenzten die neuen Dorfmeifter. Bu ihrer
Ehre aber fei e8 gejagt, daß fie wenigſtens
an diefem Tage nicht Emauferig waren.
So wurden 3. B. im Jahre 1671 etwa
106 Liter geirunfen, anno 1684 aber
1 Ohm 5 Biertel (= 136 Liter); 1725
gar gingen an Wein nicht weniger als
2 Ohm 4 Viertel (= 224 Liter) auf.
Manchmal geftaltete fi das Feſt durd
irgend einen Umftand noch feierliher. So
berichten uns 3. B. „Jeſae Meyer vndt
Baulus Schmidt alß verorderte Dorfi-
meijter” in der Rechnung vom %. 1692,
daß bei ihrer Wahl im Spätjahre 1691
gegeben mwurden „3 Biertel (— 24 Liter)
wie man die Ämpter beſetzet hatt Bor die
miliß fo geipielt hatt“; es war da-
mals gerade „Einguartierung” im Dorfe.
Daß troß der Kriegswirren die Feſtes
freude feinen Eintrag erlitt, hatte man nur
dem Umftande zuzufchreiben, daß die
mufizierenden Milizfoldaten zum Feſte
„engagiert“ worden waren.
So ſchildern uns die alten Gemeinde—
9 —
rechnungen den „gemeinen Bauern
tag”. Jährlich ſah man feinem Er—
jcheinen freudig entgegen, bis auf einmal
die franzöfiiche Revolution diefer Poeſie
ein Ende machte und mit rauher, gewaltiger
Hand auch diefes Stück deutichen Volks—
tumes und deuticher Heimatfitte wie fo
manches andere vernichtete und für alle
Zukunft zu Grabe trug.
Joh. Weber.
Das Bönigsland im Jahre 1600.
Bon D. Häberle, kalferl. Rechnungs Rat, Heidelberg.
Beim Niedergang des deutichen Kaiſer⸗
tums unter den legten Saliern löfte ſich
die alte Gauverfaflung auf und die ver-
waiften Krongüter wurden von den fleinen
und großen Gemwalthabern zur Begrindung
jelbftändiger Herrſchaften anftatt als Lehen
nun als Eigentum in Anfprud genommen.
Nur im Herzen der heutigen Pfalz hatten
einige Landftriche noch feinen Herren ge:
funden, da dichte Wälder, mweitousgedehnte
Sümpfe und ein rauhes Klima fie als einen
wenig erftrebenswerten Belig erjcheinen
ließen und die jett jo zahlreichen früheren
Waldhufendörfer erft einer jpäteren Rodung
ihren Urjprung verdanften. Es war Dies
dad Gebiet des königlichen Bannforftes
Lutara, mwelder fih als Ausläufer des
Bfälzer Waldes nad) einer Urkunde Kaiſer
Dtto I. aus dem Jahre 945 vom Donners:
berg bis in die Gegend von Boſenbach und
Neihenbad und zum Reichsforſt Winter:
bauch Hin erſtreckte und die weſtlichen Teile
des Wormd- und Nahegaus als jpäteres
Reichs und Hönigsland zwifchen Glan und
Lauter in ſich ſchloß. Diefer Bezirk wurde
in der Beit des allgemeinen Zerfall Mitte
des 12. Jahrhunderts von dem tatfräftigen
Friedrich Barbarofia für das Reich gerettet
und erhielt dur) die an der Peripherie
gegründeten Burgen Lautern und Wolfftein
fefte Stützpunkte. Reichsſchultheiße be—
ſorgten im Namen des Kaiſers die Ver—
waltung und blühende Gemeinweſen ent-
widelten fih in Anlehnung an die fidhern
Schuß gemwährenden Reichsfeſten, ſodaß
beiden Plätzen 1275 bezw. 1276 duch
Kaiſer Rudolf von Habsburg die Redıte
und Freiheiten der Reichsftadt Speyer ver-
liehen werden fonnten.
Auch nad dem Übergang an die Kur-
pfalz blieb der Hiftorifch begründete innere
Bufammenhang zwifchen Reichs und Königs—
land fortbeftehen und Wolfftein wurde als
Unteramt an dad Oberamt Lautern an-
gegliedert. Über die ungefähren Grenzen
des Geltungsbezirks des Reichsrechts gibt
das Weistum der Lautrer Burgmannen von
1417 Auskunft, doh muß angenommen
werden, daß damals das Königsland fich
meiter jüdlih über das Reichsland hin
ftredte, wie das fpätere Amt Wolfftein.
Denn nad) der NAufftellung Ottos von
Mosbah, des Vormunds von Aurfürſt
Ludwig IV., waren 1437 beim Ableben
Johanns von Sponheim die Dörfer Kübel-
berg, Sulzbach, Brambach, Katzweiler, Ols—
brücken, Frankelbach, Zweikirchen, Ruths:
weiler, Rothſelberg, Kritbach (7), Kreimbach,
Kaulbach, Ußbruck (?), Wirnsbach (?), Hape:
bach, Nanzweiler, Steinwenden, Nieder
mohr, Obermohr, Mackenbach u. a. nad)
Neu⸗Wolfſtein mit Frohnden und Abgaben
dienſtbar. Vielleicht erfolgte die aus dem
Jahre 1600 genau bekannte Abgrenzung
ſchon 1549 oder 1566, als nach dem Ab—
leben des mit Wolfftein und Zubehör be-
lehnten Schweickard von Sidingen das
Nönigsland wieder mit dem Oberamt
Lautern vereinigt wurde, Damals beftand
es aus der in der Gemarfung von Ruths—
meiler gelegenen Stadt Wolfftein und den
beiden Gerichten Rothjelberg uud Katzweiler.
Zu NRothjelberg gehörte der untere Teil
des Amtes mit Ruthsweiler, Zweikirchen,
Kaulbach, Franfelbah und Kreimbach; zu
Katzweiler der obere Teil mit Olsbrücken,
Dber- und Unter Sulzbad, Hirſchhorn und
Mehlbah. Durch Taufch mit Zweibrüden
wurde das Unteramt 1768 durd; Einöllen,
Hohenöllen, Roßbach, Tiefenbah, Ober
weiler, Rödweiler- und Sulzbadherhof ver:
größert und mehr arrondiert. Die von
Plarrer Lehmann entworfene Starte des
Reichs: und Nönigslands in der urkundlichen
Geſchichte von Yautern würde dem ent:
Iprechend zu modifizieren fein,
Eine ausführlihe Schilderung des ehe
maligen Nönigslands verdanfen wir dem
Forftmeifter Philipp Belmann aus Germers-
heim, welchet 1600 auf Anordnung jeines
Herrn, des Aurfürften Friedrich IV. von
der Pfalz für die Gebiete links des Rheins
Wald und Grenzbefchreibungen verfaßte,
Die dar Amt Wolfftein betreffende ift in
der Zeit vom 21. Juni bis 2. Juli 1600
geichrieben und in einer 304 Folio:Seiten
umfaflenden und von der Hoffammer-
regiftratur zu Mannheim gefertigten Kopie
aus dem fahre 1730 anf uns gekommen,
welche als Sal: und Yagerbud Nr. 124
im Kreisarchiv zu Speyer verwahrt wird,
Der ftattlihe Band gibt uns zumächft Seite
1 bis 5 Nachricht über den Velmann er-
teilten Auftrag:
1. Feftzuftellen, was an Wald, Ader:
land, Wiejen, Fiſchbächen, und
Weiher Kurpfalz allein oder mit
andern gemeinfam jei.
. Die Grenzen zu beichreiben und
dabei fich ergebende ftrittige An—
iprüche zu prüfen,
. die Brand. und Bauholzberedti:
. gungen, die Eichel-, Weide-, Yagd-
und FFiichereinugungen zu unter-
juchen,
*über die vorfommenden Wıldarten
und die Erträge der Yüändereien
zu beridhten.,
Mit der Grenzbeforchung wurde am
21. Juni in Gemeinjchaft mit dem fur
pfälziihen Amtmann von Wolfitein, dem
Oberſörſter Philipp Frey und dem „fuß-
gehenden” Forſtknecht Michael Gailinger
aus Yautern unter Zuziehung von nament- |
70
— — — — nn. — — — —
lich aufgeführten Gemeindevertretern aus
Katzweiler, Sulzbach, Rothſelberg, Kraim—
bach, Olsbrücken, Ruthsweiler und Mehl:
feſtgeſtellt waren,
bach begonnen. Man ging von der
Mündung des Eimerbaches, (des Scheid
grabens, gegen den Hoheneder Belik), in
die Lauter aus, folgte der Sapmeilerer
Vanngrenze den Gimerbady aufwärts bıs
zur Quelle, wo die Hirten nad einer
tadelnden Bemerfung Belmanns mit An—
brennen des dort ftehenden Loch (Brenz)
Baumes müßig gingen. Bon bier ab
bildete iiber Eulenbis hinaus das Oberamt
Yautern die Grenze bis zu Dem beveits
damals verfchwundenen Bernhardskreuz auf
der Weftedfe des Bannes von Rotbielberg,
welches am Schnittpunft der Eulenbifer und
Gaſſenberger Straße Reiche- und Königs—
land ſchied. Nach Süden umbiegend folgte
dann die Grenze dem weſtlichen Rand der
Mark von Norhielberg, und vom weißen
Stein ab auf dem Heerweg über den Kinſch—
(Nönigs)berg, dem von Ruthsweiler und
Zweifirchen bis zum Jungwald.
“ Die Nordgrenze ftieg durch den Bieber—
graben, unterhalb des Röckweilerhoſes —
einem alten Nönigshofe und damals dem
Kloſter Offenbach gehörig — hinab zur
frummen Weide an der Yauter und folgte
diefer dann aufwärts bis zur Weipolz
firhiihen Schmeikbader Mühle in der
Weiſe, dab ein drei Fuß breiter Pfad am
öjtlihen Ufer liegen blieb und ſomit die
Fiſcherei Kurpfalz allein gehörte. Roßbach,
welches früher mit Stahlhauſen und
Immetshauſen cine Gemeinde ausmachte,
lag bereits außerhalb des Königslandes.
Dasjelbe galt für das zur Herrſchaft
Neipolzfirchen gehörige Dorf Morbach, das
Flörsheimer Wörsbad) und dus Sicingeniche
Schallodenbach.
Hier bildete die Hochſtraße von Mor—
badı nach Dtterberg und dann der Heerweg
von Schallodenbacdh über den Homberg am
Yauerhof vorbei die Grenze bis zur Ge—
marfung von Sambach, diejer entlang und
! die Lauterftraße abwärts fehrte man wieder
zum Ausgangspunft am Eimerbach zurüd.
Dtterbah und Sambadh bildeten eine den
Grafen dv. d. Yeyen gehörige Enflave. (Seite
10 - 76.)
Nachdem fo die äußeren Grenzen des
Bezirks an der Hand von Wafferläufen,
Markſteinen, Höhenwegen, hervortretenden
Felſen und im Feld alleinftchenden Bäumen
folgte Seite 77 bis 83
eine Aufzählung der Dörfer mit ihren Feuer:
ftellen; zum Wergleich werden die von
Widder in der Beichreibung der Kurpfalz
aus dem Yahre 1788 gegebenen Zahlen in
Klammern daneben gefeßt: Feuerſlellen Bewehner
Wolfſtein — (— 486)
Aatzweiler 32 (54 409)
Nieder Sulzbach 10
Ober⸗Sulzbach 9 133 186)
Rutsweiler | cine Gemeinde 16 |.
Zweikirchen bildend 7 130 160)
Kreimbach 15 (24 186)
Kaulbach 14 (23 146)
Rothielberg 40 (52 332)
Frankelbach 14 (21 120)
Olsbrücken 23 (67 402)
Mehlbach 11 (39 217)
Hirſchhorn — (26 177)
Dieſer, für die Bevölkerungsdichte vor
dem dreißigjährigen Krieg intereſſanten Auf:
ſtellung folgte eine Aufzählung der dem
Amte BWolfftein abgabepflichtigen Höfe und
Mühlen (Seite 78-82) Hirſchhorn be-
ftand damals lediglich in einem dem Prä—
monftratenjer-Stift Yautern gehörigen Hof-
gut, welches ebenjo wie die Hirſchalber
Mühle bei Geijelberg den Namen Hühner:
Icherre führte. Die Schaafmühle mit der
Walkmühle unterhalb Kapmweiler war von
Kurpfalz in Erbbeitand verliehen, ebenjo
die Oppenfteiner Mühle nebſt zugehöriger,
aber verfallener Delmühle bei dem Hofe zu
Prombach, der die Stelle des eingegangenen
Dorfes Brambah einnahm; aud in der
Yauttenbad bei Katzweiler wird ein jchon
damals verjchwundener Hof erwähnt.
Hieran fchließt fih nun der für die
Lokalgeſchichte wichtigite Teil des VBelmann-
ſchen Berichts, nämlich die eingehende Be:
ihreibung der einzelnen Gemeindebezirke.
So wird behandelt: @eite
Katzweiler 83— 116
Dber- und Nieder Sulzbach 117. 136
Rothielberg 137 - 175
Ruthsweiler, Zweificchen und
Wolfſtein 176 - 518
71
Seite
Kreimbad) 219 - 239
Olsbrücken 240 - 253
Mehlbach 254 - 266
Hirſchhorn 267 — 272
Frankelbach 273 - 281
Kaulbach 282 — 291
Den Schluß bildet die Aufzählung der
Kurpfalz allein gehörigen Fiſchbäche und
Weiher (292 bis 296) und eine Bejchreibung
des Waldes hinter der Burg Wolfitein, bei
deffen Umgang am 1. und 2, Juli der
Bürgermeifter und die Stadtverordneten
mitwirften (Seite 297 - 303). Weber die
Verwüſtung der Wälder, die nur nod aus
Buſchwerk beftanden, führt Belmann bittere
Klage, da die Untertanen „zu aasrabild)
und ungetreulich” damit umgingen, und
fchlägt vor, des Amtmanns Schützen eine
kleine Befoldung zu geben und ihnen die
Beauffihtigung der Wälder in Eidespflicht
zu übertragen. Die Fiicherei in der Lauter
war verpachtet, dagegen ftand die Jagd im
ganzen Königsland dem Amtmann zu; „er
hat es wegen Dienft zu bejagen und wegen
Pfalz zu bejuchen; wenn die Hunde ab-
geichoffen oder mit einem Knebel behängt
würden, wiirde der Haſe in dem raub-
gräbigen Feld gern feine Wohnung nehmen.“
So ſchildert uns Belmann die damaligen
Verhältniffe in der vielfeitigften Weile. Wir
erfahren von ihm nicht allein die Grenzen,
die urjprünglichen Flurbenennungen und die
Namen einzelne! Bewohner, fondern mir
können audy auf den damaligen Stand der
Land und Forftwirtichaft, die Verteilung
von Feld und Wald, Wiejen und Dedungen,
die Höhe der Pachten, Yehrer- und Pfarrer:
befoldungen, die Jagd und Fiſcherei, die
Straßenzüge, die Ausdehnung des Wein:
baues bis über Dlsbrüden hinaus uſw.
wichtige Schlüffe ziehen.
Bielleiht finden fi in den genannten
Gemeinden Gejchichtsfreunde, welche dieſe
wichtige Quelle für die Heimatsforichung
nußbringend verwenden werden.
Bom Frühlingseinzug in Bentfchland
gibt Brof. Ihne einen lefenswerten Auf-
ſchluß. Er betrachtet den Frühling im
Reihe beitimmter Pflanzen aufblügen. Der
Frühling dauert demnach 23 bis 33 Tage.
botanischen Sınn als jene Zeit, wo eine , Das Mitieldatum füllt auf die Zeit der
12
Apfelblüte. In Mitteleuropa findet der
Srüflingseinzug, abgejehen von einigen be
vorzugten Orten an der Südabdachung der
Alpen, am früheſten ftatt in der ober:
rheinischen Tiefebene von Bajel bis Mainz,
in der Borderpfalz ineinem breiten
Streifen, der fih dann verjchmälernd
fortjeßt im Rheintal bis Düffeldorf, an
der Mojel bis Nancy, am Nedar bis Kann»
ftatt. Bier hält der Frühling überall
feinen Einzug zwiſchen dem 22, und 28.
April, am früheften im Rheingau und
der Pfalz, den berühmteften Weingauen.
Nun erfolgt die Verbreitung des Frühlings
raſch, am 1. Mai find jchon die Niede
rungen des Marchlandes, am 2. und 5. Mai
find Linz und Salzburg erreicht, das übrige
öfterreichiiche Alpenland folgt zwiſchen dem
4, und 6, Mai. Innsbruck ficht infolge
des Föhns den Frühling fogar ſchon am
3. Mai. In der Zeit bis zum 5. Mai
fällt der Frühlingsbeginn aud für das
Donautal bis Regensburg, für die ebenften
Teile Böhmens, für die Gegenden von
Dresden und Leipzig, für das Tal der
Saale und Unftrut jowie für Teile der
Weſer. Im meitaus größten Teile Mittel:
europas erfolgt der Frühlingseinzug zwiſchen
dem 6. und 12. Mai. Der nördliche Teil
der Niederlande und ganz Rorddeutichlands,
bis zu einer Linie, die von der Meier
mündung gegen Kiel und von da über
Grabungen
Wörrftadt (Rheinh.) Hier wurden
Gräber aus fränkiſcher Zeit, etma aus
dem 5, bis 7. Yahrhundert n. Ghr., auf:
gedeckt. Der zuftändige Direktor des
Mainzer Mufeums Yındenjchmit leitete die
Urbeiten. Eine Armfpange, ein £ugelför-
miges Glas ohne jede Definung, Glas und
Zonperlen, Metallbeſchläge eines reichen
Frauengewandes, ein Tongefäß u. a, m.
wurden ans vicht gefördert, und für das
Mainzer Diufeum in Berwahrung genom:
men. Früher jhon fand man in dieſem
fränfiihen Totenfelde lange und furze
Schwerter, Dolce, Pierdezäume, ie
Kämme, Lederftücde und dergl. mehr. Ä
Monat Oftober v. J. beabfichtigte ——
direktor Lindenſchmit auf dem alten Gräber— |
Stettin und Thorn nach Rußland zieht,
gehört hierher, ebenjo die Marf und mit
ihr Berlin; ferner Schlefien, das bayeriiche
und jchmwäbifche Borland — München hat
um fünf Tage jpäter Frühling als Inns—
brud und jehs Tage jpäter als Nürnbeig
— und die höheren Teile des fränfiichen,
thüringifchen und heffiihen Hügellandes.
Nur die Gebirge ragen in Siüd- und Mittel«
deutichland heraus, wo das Frühlingsdatum
erft in die Zeit nach dem 13., auf dem
Höhen fogar erft nah dem 20, Mai fällt.
Gegen Norden zu erjcheint der Frühling
zwifchen dem 13. und 19 Mai in Schles-
wig, dem nördlichen Mecklenburg und Bor-
pommern, in gan; Öinterpommern und
Preußen bis zum Samland, Am Nuriichen
Haff, in Ecdonen, Eceland und Yürland
hält der Frühling erft nach dem 20. Mai
jeinen Einzug, in Starlöfrona, in Süd-
ſchweden ſogar erft am 29. Mai, ebenjo
wie zu Neipenhain im Erzgebirge. Bei
diefen Beobadytungen ift Seehöhe und geo-
graphiiche Breite allein nicht maßgebend,
jondern jehr die Örtliche Page. Bei 100
Meter Höhenyunahme tritt eine Verzögerung
des Frühlingseinzugs um drei bis vier
Tage ein. Nad dem 20. Mai hält der
Frühling feinen Einzug am Harz in über
515 Meter, am ſchwäbiſchen Jura in 725
Dieter Höhe. (Feierft.)
und Funde.
felde weitere planmäßige Ausgrabungen vor:
nehmen zu lajjen, auf deren Ergebnifle man
gejpannt ſem darf.
Marau Ein palüolithijcher, bie
ber am Mittelrhein noch nicht fonftatierter
Fund wurde am Rheinufer bei Marau ge-
macht. Derjelbe beftcht in einer roh be-
hauenen Lanzenjpige aus Urfalfgeftein von
13 Bentimeter Länge und 5 Bentimeter
Breite für jede der drei Geiten. Ein Ein
Ichnitt in den unteren Dritteil ermöglichte
das Anbringen eines Schaft aus Holz
oder Hirihhorn. Der jeltene Gegenstand
gelangt in das Mujeum der „Bollihia” zu
Bad Dürkheim.
Neuftadt. Die Fauna, die Tier:
welt, die einft die Neolithiker von Wallböpl
umgab, tourde durch freundliche Vermittlung
‚bon Dr. Ohler in Neuftadt von Profeſſor
Dr. Stoß in Münden 3. T. beſtimmt.
Bon Yagdtieren ift der Ur, der gewaltige
Bos primigenius, bemerfenswert. Ebenſo
ift ein Equide, eine wahrjcheinlich wilde
Bierdeart, nachgemiejen, die den Wallböhlern
zur Nahrung diente. Bon weiterem Wild
find nad) dem „Pf. 8.” Hirſch und Reh
zu nennen. — Bon Haußtieren hat die
Wallböhler Menſchenraſſe aus der Fremde,
wahrjcheinlih aus Uberitalien und Nord
afrifa mit an den Rhein gebradt: 1) das
Hausrind, 2) das Schaf, 3) das Schwein. —
Aus der noch ausftchenden Unterfuchung
der Tierfnochen, die in München und Speyer
untergebracht find, wird fich ergeben, ob
auch bereits der Haushund das Gehöft und
die Herden der Wallböhler geihütt hat.
Andernortö diente der Hund in neolithifchen
Anfiedelungen des Mittelrhein auch zur
Nahrung. — Der micdhtigfte, ja geradezu
phbänomenale Fund der prähiftorifchen
Archäologie beiteht in den von Brof. Dr.
Mehlis auf dem „Böhl” zwiichen Neuftadt,
Mußbach und Haardt aus unberührten
Schichten mit Schriftzeichen ꝛc. bemalten
Kiejeln neolithifcher Abkunft. Es find jetzt
4 Stück diefes Art vorhanden, die 11 pifto-
graphiiche Zeihen und bandkeramiſche Ver-
zierungSmotive aufmweifen. Die Unter:
juchungen werden fortgejeßt. Der Leiter
wird obige Objekte einer wiljenfchaftlichen
Kommiffion vorlegen, bejtehend aus den
Herren Hofrat Schliz-Heilbronn, Profeſſor
13
Dr. Schötenjaf Heidelberg und Dr. 8,
Wilfer- Heidelberg. Der Fund wird im
Mufeum zu Speyer deponiert. — Die
Unterfuchungen in der ausgedehnten Neo-
lithiſchen Station „Böhl“ werden fort-
gejegt. Ein Hauptfundgebiet ift das Terrain
der fol. Obſt- und Weinbaufchule, das von
Direktor Dr. Zſchokke in liebensmwürdigfter
Weiſe zur Verfügung geitellt wurde. — Un
der Weitipige des Ordenswaldes, Abteilung
Sandfaut, fand der Borftand der
anthropologiichen Seftion das 6,5 cm breite,
45 cm lange Fragment einer Gteinart
aus Foriter Bafalt. Da Frau Wiedemann
von Haardt im Ordenswalde vor Yahren
ein prächtiges Steinbeil aus Siejeljchiefer
auffand, fo war Hier wahrjcheinlich eine
weitere Station der jlingeren Steinzeit vor»
handen. Diefe Siedelungen reichten vom
Abhang des Hardtgebirges bis an den Rhein
bei Speyer bin.
Nah einer Mitteilung des Sanitäts—
rates Dr. Köhl an die anthropologijche
Sektion der Pfalz wurde bei Dirmjtein
ein wichtiger neolithifcher Grabfund gemadıt.
Bei landwirtſchaftlichen Arbeiten ftieß man
dort auf ein Hodfergrab, das offenbar zu
einem Hoder-Srabfeld gehört. Bei dem
Efelett, das zur Hälite erhalten ift, lag ein
mit parallelen Linien-Riefen gezierter Zonen
becher. In der Gegend der Arme lag eine
Platte aus Kiejelichiefer, die ein feltenes
Werkzeug, eine Armſchutzplatte gegen das
Burücdjchnellen der Bogenfehnen, darftellt.
Archäologiſche Htudien.
Bon Dr. C. Mehlis, VBorftand der anthropol. Seftton der Bollichia.
I.
NReihengräberfunde bei Deidesheim.
(Mit Zeichnung.)
Neuftadt, im Dez. 1905. Archäo—
logijhbe Funde wurden Ende Januar
bis Anfang Februar 1905 zwiſchen
Deidesheim und Niederfirden „im
Hutmweg“ nahe der „Wlten Wormſer
Straße”, einem Geleitswege, gemacht, der
nad; Miniſterialrat Heing („die Pfalz unter
den Mömern”, ©. 76 und arte) auf
römifher Grundlage beruht.
-10 maren
Hier |
ftieß Herr Dr. Karl Kimmich, Gutsbefiger
zu Deidesheim, beim Roden auf ca. 25
fränfifhe Plattengräber, die zu einer
Friedhofanlage des 5.—6. Yahrhunderts
nad) Chriftus gehören. Dieje Gräber find
von Weit nah Oſt in Reiben angelegt.
Die Sfelette lagen zwiſchen den roh ge-
brochenen Steinplatten in einer Tiefe von
1,40 Meter. Die meiften Gräber waren
ihon früher ihrer Beigaben beraubt, nur
noch unverjehrt. In ihnen
waren Männer, Frauen, Ehegatten,
Kinder vertreten. Ein fränkiſcher
=
Edelmann hatte zur Rechten die breite
Spatha mit QUuergriffitange und Griff-
fnopf, die nad, Reften in einer Holz
jheide lag. Uber diefem Schwert ſtieß
man auf den fleineren Sar, ein ein-
jchnittiges großes Meſſer. Eine Edel-
dame war mit einem SKollier geſchmückt,
das aus ca. 150 Perlen befteht, die z. T.
aus Ton, Glas, 3. T. aber aus Amethyſt
und Bernftein hergeitellt find. Die Tunika
war geſchmückt mıt einem halben Dugend
von plattenförmigen Metallfnöpfen oder
Rundfibeln, die fid mit geometrijchen ein-
geftanzten Muftern verziert zeigen. —
Mehrere zeigen ein Kreuz in der Mitte auf.
Undere Fundftüde beftehen in Schnallen
und Beichlägen für Riemenwerk aus Bronze,
ein
für
hübſches Kinderhalsband, aus einer großen
aus einem filbernen Scieber
Millefiori-Berle, die an einem Silber
draht (?) befeftigt war, aus Mefjern uſw.
— Bon Tongefäßen ıft nur ein Stüd
erhalten, eine doppelfonijche, jchwarze Grab-
urne, verziert mit fleineren und größeren
Model Eindrüden. Das Knochen- und
Schädelmaterial wurde leider nicht
aufgehoben, doch waren die Unterjchenfel
der Männer und Frauen nah Herrn
Dr. Kimmichs Angabe von bejonderer
Größe. — Zmeifellos ift hier der ältefte
Begräbnisplag für die Gründer des
im Sabre 770 zuerit urkundlich erwähnten
Didinesheim — Diotin's oder Thiotin’s
Heim (vgl. Heeger: Die germaniiche Ber |
fiedlung der Borderpfalz, ©. 11) feftgeitellt.
— Herr Dr Kimmich verjprad dem Ber-
treter des Kreismuſeums, dieſe Funde
teilweije dem Hiftoriihden Muſeum
der Pfalz nad) Beendigung der Grabungen |
Ebenjo erteilte er
überlafjen zu wollen,
14 —
die Erlaubnis, ein vollftändiges Platten
grab mit allem Anhalt dem Friedhofe zu
entheben und nad) Speyer in das Fünftige
Landesmujeum zu transferieren, jobald die
Nodung auf diefem feinem Grundftücde
jpäter fortgefegt wird. — Beiten Danf
auh an diefer Stelle hiefür! — Im
Muſeum zu Dürkheim find aus einem
etwas weiter nadı Norden gelegenen Felde
von Werle jenior (Forft) vor ca. 20 Jahren
gewonnene Fundftüce deponiert, die Stein
järgen entjtammen, welche zu demjelben,
weitläufig angelegten Reihengräber-
Friedhofe zu gehören jcheinen, jedoch
etwas jpäter anzufegen find. — Über vie
Bedeutung dieſer Grabfunde von
Deidesheim für die erjte Berbreitung
des Chriftentums in der Border
pfalz geben dieje Funde einige Aufklärung.
ll.
Neihbengräberfunde bei Knöringen.
Neuftadt, 16. Dez. 1905. Nad) voll«
zogener Audgrabung auf der „Böhl“ bei
Neuftadt und auf Burgrume Walahftede
wurden heute alamanijhe NReihengräber-
funde in Snöringen zwiſchen Yandau
und Edesheim vom Borftande der anthro—
pologijchen Seftion der Pollichia fejtgeitellt.
Es handelt ſich hierbei um ein Grabfeld
der merovingiichen Periode, das ſchon im
Fahre 1880 angejchnitten wurde und defien
dumalige Fundſtücke, eingejendet von Prof.
Mebhlis, an das Muleum zu Speyer ge-
langten. (Bergleihe „Studien zur ältejten
Geſchichte der Rheinlande“, 8. Abteilung,
Seite 33.) Sie beftanden in Tonperlen,
Reiten von Hornlamm, Eiſenmeſſern und
anderen geringfügigen Grabbeigaben. Die-
jem ärmlichen Gharafter entſprechen auch
die heutigen Fundumſtände. In derjelben
Gemwanne, wie ım Jahre 1880, im „Roden-
häufer” wurden 14—15 Meter nördlich
der zum Bahnhof führenden Ortsſtraße
drei Gräber feitgeitellt. Zwei derjelben,
die dicht nebeneinander lagen und zwar in
einer Entfernung von 0,60 Meter, waren
bloße Erdgräber, eines, da8 3 Meter
von diejen nach Oſten zu lag, ein Blatten-
grab. Xeider waren alle drei Gräber bei
Ankunft des genannten Sektionsvorftandes
bereits geftört und zerftört, jodaß nur die
Fundumſtände feitgeftellt und einige Skelett:
— TB u
teile (Schädel und Tibia vom 1. Grab) | zweifellos die erjten germanischen Anfiedler
für das Hiftorishe Mufeum der Pfalz ge: | von Snöringen, einer Ortichaft, die nad
rettet werden fonnten. Der Schädel, deifen | der Bildung ihres Namens auf ala-
linföjeitiger hinterer Quadrant zertrümmert | manijche Siedler zurüdgeht. Knoringen
ift, weiſt ſtark dolichofephale Bildung auf | urf, i. J. 775 zuerjt erwähnt, geht nad)
— Inder 74. Die Tibia hat 35,5 cm | Heegers Schrift: „Die germanifche Be-
Länge, was auf mäßige Körpergröße hin- | fiedlung der Borderpfalz”, ©. 6 und ©. 5
weiſt. In der Augenhöhlengegend lagen | (Mlamannen) auf einen germanijchen Eigen:
zmwei abgerundete Handjteine, ebenjfo wurde | namen Knoro (?) zurüd, der, nad) der
ein folder beim Nachbargrabe fonftatiert. | Vertaufchung von inlautendem „d* mit „r”,
E3 dürften Wärmejteine gewejen fein, | mit ziemlicher Sicherheit auf die Namens-
die man den Toten nad heimifcher Sitte | form Chnodo in Chnodomar zurüdzuführen
mit in das falte Grab gab. Beim Blatten- | it. %. Grimm leitet diefen von knoton
grab, deffen Sohle nicht 1,50 Meter, wie | — jchütteln ab. Zu Chnodos „Sippen”
die beiden erften Gräber, jfondern nur 1,30 | wurde im 5.— 6. Jahrhundert die Neu:
Meter tief lag, waren feine Beigaben, | gründung von den einmwandernden Ala—
nit einmal Wärmejteine vorhanden. Ym | mannen benannt, und Glieder diejer alt:
allgemeinen fcheinen die Blattengräber etwas | germanischen Sippe find es, die man im
jünger zu fein, al8 die reinen Erdgräber. | Jahre 1880 und 1905 hier gefunden und
Beide Arten von Sfelettgräber bergen | ausgegraben hat.
Gelchichte des Geisborks von Lambredt.
Auszug aus der Ehronif von Lambrecht.
1404: Der erfte fleine Anfang von | gefahren wurde, zu fpät bei Sonnenjcein
Lambrecht. Kaiſer Rupprecht bejtätigt den | eintraf und die vertragsmäßige Körperjchaft
Nonnen in Lambrecht das Recht, nach altem | (bien cornulus et bien capabilis) nicht
Herkommen in gewijjen Dijtriften des Dei- | hatte; dem Führer wurde daſelbſt fein Mahl
desheimer Waldes ihr Vieh weiden zu | entzogen (und ein Prozeß begonnen, der erſt
dürfen. Für dasjelbe muß aber Yambrecht | 1858 beigelegt werden konnte).
jährlih an Pfingitdienstag vor Sonnen- 1858: Der Deitesheimer Bockprozeß
aufgang einen Geißbock nah Deidesheim | wird vom Zweibrücker Appellhofe zu Gunften
liefern. Der Führer, ftets der jüngfte | Lambrechts emtichieden, jedoch mit der
Bürger Yambrects, erhält in Deides: Glaufel, daß alle Böcke feit 1851 nachge-
heim ein Käſebrod und eine Flaſche Wein. liefert werden müſſen.
1534: Eine Urkunde von diefem Jahr 1859: Lambrecht liefert 8 Geisböde,
ſagt, daß Lambrecht jeit „urfürdenklichen“ | die vorher von Bezirfstierarzt für tauglich
Beiten jährlih an Deidesheim zur Rekog- | befunden worden, nach Deidesheim, welches
nition einen Geißbock liefern muß aber den achten nicht annimmt, weil die
1808, 26. Nov.: Der Vertrag über Böcke erft nad Sonnenaufgang präfentirt
die Qambrechter Bocklieferung nach Deides- wurden. Yambredt glaubt an die Beit „ bor
heim wird durch eigenhändige Unterfchrift | Aufgang der Sonne“ laut gerichtlichen Ur-
Napoleons I. im Lager zu Burgos in Spa- | teils nicht gebunden zu fein.
nien erneuert, mit der ausdriidklichen Bei- 1860: Der wieder „zu ſpät“ in Dei»
fügung: „sous la condition cependant, de desheim eingetroffene und daher wieder zu.
fournir annuellement comme jusqu’a | Yüdgewiejene Lambrechter Bock wird wie
present un boue bien cornu et bien ea- herkömmlich daſelbſt verfteigert umd der
pable*. Mindererlös Lambrecht auferlegt.
1851 Juni: Deidesheim nimmt den von 1906: 500. Ablieferung des Geiß—
Lambrecht gelieferten Bock nicht an, weil er wie | be bodes,
— 16 —
Die Geſchichte des Kunſtgewerbes.
Bon Dr. Anton Kiſa.
Mit 61 1JJ. (Hermann Hilger Berlag, Berlin W 9. Brofchiert 30 Pfg., gebunden 50 Big.
Auf fnappftem Raum ift Hier in über- | hat. Der reihe umd nicht leicht zu be-
fihtliher Form die Entwidlung der ange- | herrichende Stoff ift troß des geringen
wandten Sünfte, die fih in erfter Linie | Umfanges des Büchleins Mar und anfchau-
die Beredelung des Hausrates zum Biele | lid) zufammengefaßt, die lebendige Dar:
fegen, durd alle Jahrhunderte, von der | ftellung durch Einzelzüge bereichert, nament-
vorgejhichtlihen Zeit bis heute, von den | Lich durch jcharf gezeichnete Charafteriftifen
primitiven Verzierungen der Renntierfnochen | der einzelnen Zeiträume, aus melden fich
bis zum Dreieditile Joſef M. Olbrichs | die verjchiedenen Erſcheinungen erklären,
verfolgt. Neben den alten Stulturländern | Das Hauptgewicht ift auf die Renaifjance
des Drients und Europas fehlt audy die | und die folgenden Stilperioden gelegt und
Kunft Chinas und Japans nicht, ebenfo- | innerhalb Ddiefer mit großer Wärme der
wenig die aufftrebende unferer Bettern jen- | hervorragende Anteil Deutichlands hervor»
feitö des großen Waſſers. Gerade heute, | gehoben, für defien Kunftgewerbe ja auch
wo die Eunftgewerblihe Bewegung durd | jet wieder beffere Tage gefommen find.
die Schöpfung neuer, den modernen Be | So hat ein ebenfo großes, wie allgemeiner
dürfniffen entiprechenden Formen zum Biele | Teilmahıne ficheres Wiffensgebiet eine Be-
gelangt ift, erjcheint eine ſolche Rückſchau Handlung gefunden, die fich den bisher er-
jehr zeitgemäß, zumal fie troß des großen | fchienenen Veröffentlihungen des befannten
Anwachſens der Kunftliteratur bisher no | gemeinnüßigen Unternehmens vollwertig
feine zufammenfaflende Darftellung erfahren | anreiht.
Gedenktage im Juni,
Geboren: 15. Rembrandt (1606). — Geftorben: 5. 8 M. v. Weber
22. ®. v. Humboldt (1767). — 28. J. J. | (1825). — 8. 9. Franfe (1727) —
Rouffeau (1712), — 29. Campe (1746). — | 14, Frdr. v. Raumer (1873). — 19. Ludw.
| Richter (1884). — 30. Reuchlin (1522),
An die Zefer und Mitarbeiter,
Das gegenwärtige Heft erjcheint ausnahmsweife im Umfange von 16 Seiten, da-
mit wir den Stoff unterbringen; an die verehrten Herren Mitarbeiter aber müffen wir
trogdem die Bitte richten, wicht ungeduldig zu fein, wenn Beiträge etwas verfpätet ab:
gedrudt werden, denn es beengt uns nichts als der zur Verfügung ftehende Raum.
Die Schriftleitung.
DInbalt: Graclteng v. Neumayer. — Eine neuefte geographifche Ortsbeftimmung. — Das
Unmetter vom 4. Mat 1906. — Der „nemeine Banerntag” zu Arzhein. — Das Königsland im
Jahre 1600. — Frühlingseinzug. — Grabungen und Funde — Archäologiſche Studien Canit
Selchnung). — Geſchichte des Geisbocks von Sambredit. — Die Gefchichte des Kunſtgewerbes.
edenktage. — An die Leſer und Mitarbeiter. —
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Kayſer's Verlag, Haiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge And bie Herren ®Berfafler verantwortlich.
Die „Bfälztiche Heimatkunde” Toftet jährlich in ı8 Heften mt. 2.50. Vefellungen werben vom allen Buchhandlungen und
Pohanfalten ferner vom Verleger (Portofreie Gtreifbandiendurg) angenommen.
ÜPALZISCHE FIEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
Nummer 7
Juli 1906.
[7
Hitze und Burf.
Am Hochjommer freuen fich alle, die vom
Durft ihrer Mitmenjchen leben: Bier und
Weinwirte, kohlenſaure Waſſerjungſern, Obit-
händler.und Konditoreien, ſogar die großen
Warenhäuſer jollen dann jchier den größten
Umſatz in der Ware Eiscröme, Eisfaffee
und ähnlichem haben. Man munfelt jogar,
daß das — Leitungswafler von echten
Miündnern zur Gtillung ihres Durjtes
in Anſpruch genommen wird! Ya, diejes
köſtliche Naß, wer weiß es bei uns zu
Ihägen? Die allerwenigiten! Nur wer
einmal in einer Gegend gelebt hat, wo
man wegen Anftekungsgefahr Wafjer nur
nad) vorberigem Abfochen trinfen fann oder
wo das Waller einen üblen Geichmad hat,
der weiß zu würdigen, was es heikt, ein
jo herrlicher, klares und frisches Waſſer zu
haben wie aus Bergquellen. Aber, heißt
ed, Wafler löſcht den Durft nicht! Darin
liegt ein Körnchen Bahrheit. Wenn näm
lid eine größere Portion Waſſer in den
Magen gelangt und dieſen abfühlt, jo
ziehen fich die Blutgefäße zufammen und
die Aufjaugung im Magen und die Be:
wegung des Magens zur Weiterbeförderung
der Flüffigkeit wird verringert. Daher
dauert es einige Zeit, bis der Körper die
nötige Flüffigkeitsmenge aufnimmt. Sit
Alkohol oder Stohlenjäure zugejekt, jo er—
weitern Sich die Gefäße durch den Meiz
rajcher. Alſo nur in ganz engen Grenzen
ift jene Behauptung zutreffend. Auf die
Dauer löſcht Waller den Durft am beiten,
Eine alte Erfahrung ift e8, daß derjenige,
der viel trinft, am allerdurftigften
wird, Das ericheint unglaublich, und doc
ift es eine alte Erfahrung von Tropen:
reijenden, daß auffallend geringe
Mengen Flüſſigkeit jelbit in diejen
Gegenden genügen, um das Durftgefühl zu
bejeitigen, ja, daß es überhaupt nur durch
äußerfte Mäßigfeit im Trinfen möglic)
ift, den dortigen Strapazen ftand-
zubalten. In Stalien wird relativ jehr
wenig getrunfen. Man kann Wehnliches
auch an fich jelbjt erleben. Es ift 3. B.
auffallend, wie gering bei vielen Menjchen
das Durfigefühl wird, wenn fie eine Zeit:
lang bei heißem Wetter gehen. Der Durft,
der vorher beim Sigen im warmen Zimmer
vielleicht groß war, wird nicht nur nicht
jtärfer, er vergeht. Worauf dieje Er:
icheinung zurücdzuführen ift, ob fie durch
die lebhafte Blurzirfulation bedingt iſt,
welche den Teilen des Gaumens, die beim
Trodfenwerden das ſchlimmſte Durftgefühl
übermitteln, mehr Flüſſigkeit zuführt, ift
noch nicht klar. Sicher aber ift es, daß
es bis zu gewijjen Grenzen aud
eine Gewöhnung an wenig Trinken
gibt wie an wenig Eijen. Das fieht man
auch bei den am Unterleib Operierten, die
nichts trinken dürfen. Der erjte Tag ift
der allerunerträglichjte. Schon am zweiten
läßt das ſchreckliche Durftgefühl - nad).
Alfo, es ift ganz fiher, daß viel von dem
Durſt nicht auf Mangel an Flüſſigkeit im
Körper zurüdzuführen ift, ſondern wohl
nur auf eine Trodenheit der Mund» und
Rachenſchleimhäute. Und dieje wird durch
das Hinunterfchluden der Flüſſigkeit nur
für einen Moment bejeitigt, um dann in
umfo größerem Sontraft zu erſcheinen.
Ein einfadhes Mittel, um folden
Durft zu verfheuden, ohne gleichzeitig
die Laft des Trinfens, die dieſes fiir den
Körper, für Herz, Nieren und die ſchweiß—
abfondernden Drüſen bedeutet, mit in lauf
zu nehmen, ift etwas fehr Einfadyes: Das
Gurgeln mit faltem Wafjer, dem
man noch etwas Pfefferminzipiritus aufeßen
fann, oder in vielen Fällen nod etwas
ganz verfehrt Ericheinendes: Das Aus—
jpülen mit warmem. ja heißem
Waſſer. Danad fühlt fi der Schlund
ganz fühl an. ES ift jehr zu empfehlen,
ſtatt des SHineintrintens dieſes Gurgeln
audzuführen. Denn es iſt gar fein Zwei—
fel, daß das viele Trinken, namentlich)
untertags, eine ganz bedeutende Erhöhung
des Unbehagens in der Hitze bedeutet.
Das Schwigen ift nicht ein einfaches Durch—
fifern des Waflers durch die Haut mie
etwa durh ein Tuch. Es ift Arbeit der
Taufende von Schmweißdritfen und des Her
zens, und das geht mit Ermüdung einher.
Alſo verſuche es einmal jeder, der im Tag
mehr als ein bis zwei Liter Flüſſigkeit,
Suppe und Kaffee mit eingerechnet, zu fich
nimmt, ſich mit Gewalt zurückzuhalten, er
wird jehen, daß der Durſt bald nicht mehr
zunimmt, jondern abnimmt. Ganz be:
fonders gilt dies von den alfoholifchen Ge-
tränfen, die alle mehr Durft machen als
andere. Man jagt nicht umfonft, das Bier
jei ſüffig. Es ftillt den Durft im Augen:
blid, um ihn dann umjo ftärfer zu er:
regen,
Da indes nicht anzunehmen ift, daß
viele gerade jegt das Erperiment auf eine j
weiteres ;
Flüſſigkeitsverminderung ohne
machen wollen, jo ſei wenigitens darauf
hingewieſen, daß leicht angejäuerte Ge-
18
tränfe am beiten den Durft Löfchen.
Etwas Bitronenfaft, einige Tropſen ver:
diinnte Salz: oder Whosphor- oder Wein-
oder Zitronenjäure, auch wie dies in der
Bibel ſchon erzählt wird, ein paar Tropfen
Eſſig laffen mit viel weniger Flüffigkeits-
menge den Durft löfchen. Im bejonderen
vorteilhaft find die Früchte, weil fie jehr
viel Waller — über 80 Prozent — ent
halten und diejes nicht jofort, fondern erſt
allmählid bei der Berdauung abgeben, fo
daß dadurd eine Art von Vorratskammern
von Flüffigfeit durch den Körper mitge
nommen werden. Im übrigen enthalten
auch alle unfere anderen Nahrungsmittel
viel Waller: trodenes Brot fogar noch
40 Brozent. Unfer Körper befteht zu zwei
Dritteln aus Waffer Daraus aber fchließen
zu wollen, daß es nun nötig iſt, auch recht
viel zu trinken, ift falfch, und jeder, der
li) über das momentane Durjtgefühl bin-
megjeßt, eventuell mit Hilfe des Gurgelns,
der wird ſehen, daß er bald über die—
jenigen lachen fann, die mit tropfendem
Angeſicht und ganz aufgelöſt vor Mattig:
feit jegt einherjchreiten. Denn der Körper
hält äußerft zähe an dem für ihn nötigen
Waflerbeitand feſt. Nur diefen brauchen
wir zu erhalten. Was darüber hinausgeht,
ift Ballajt, der bei der Hitze doppelt be-
ſchwerlich fällt.
So unglaublich es aljo Elingen mag:
Nicht viel trinken verringert den Durft!
Damit ift nicht gejagt, daß man nichts
trinfen joll. Aber mit Mäßigfeit und
bejonders nicht viel untertags, jolange man
arbeiten foll, und abends möglichſt wenig
Alkohol. Die Erhaltung eines gejunden
Magens und Darms — bei der Sonmer-
hige eine jehr wichtige und nicht leichte
Aufgabe — und größere Friſche wird den
belohnen, welcher fich felbft dieſes ver»
meintlihe Dpfer bringt. Dagegen zum
Eſſen nichts zu trinfen, ift für einen ge-
| funden Menfchen eine unnatürlihe und un-
nötige Forderung.
Mie nehmen unfere Höhen ab?
Bon D. Häberle, Kalſerl. Rech-⸗Rat, cand. palaeont., Heidelberg.
Wenn wir unjere fchönen Pfälzer Berge |
und Täler durchwandern oder von einem
ringsum über die Gegend jchweifen Laffen,
jo Scheine ich alles in reicher Abwechslung
hochaelegenen Ausfichtspunft unſere Blide | zu einem von der Natur gegebenen, bon
Ewigkeit her beitehenden Landjchaftsbild zu
verbinden. Verfolgen wir aber mit fundigem
Auge den Aufbau der Höhen oder die Aus-
geitaltung der Täler, jo zeigen uns ſchon
ihre äußeren Formen, daß fie erft im Yaufe
langer, nah Jahren nicht meßbaren Zeit-
perioden zu dem wurden, was jie heute
find und daß fie noch tagtäglich nach be-
ſtimmten Naturgejegen eine Umbrldung er:
fahren. Die Konturen unjerer Berge
(Negel, Kuppe, Niüden, Plateau) laſſen
ohne weiteres erfennen, daß jede Geſteins—
art unter dem Einfluß verichiedener, aber
zujammenmwirfender Kräfte eine beitimmte
Oberflädyenform erzeugt: teild wurden fie,
jofern fie aus vulfanifhem Geftein zu:
jammengejegt find, als glühendes Magma
aus dem Erdinnern emporgetrieben (Suppen:
Donnersberg, Nönigsberg), teils als fchichten-
meije abgelagerte und verfeftigte Abſfätze
des Waflers entweder durch Sontraftion
der erfaltenden Erdrinde in die Höhe ge
preßt und dabei oft gefalter (Höhenrüden:
Soonwald), oder durch Berteilung einer
vorher einheitlihen Maſſe (Blateau: Pfälzer
Wald) aus diefer herausmodelliert, Kaum
dab die Laven erfaltet oder die Ablage—
rungen durch die aus dem Erdinnern heraus:
mwirfenden Einflüffe aus dem Waſſer auf:
getaucht waren, begannen bereits zerjtörende
Einflüffe auf fie einzuwirken: Site, Froft,
Wind, bejonders aber die abtragende Fraft
der Miederichläge (Atmoſphärtlien) und
des riejelnden und flichenden Wailers
vereinigten fi zur gemeinfanten umge
ftultenden Arbeit Co gering aud im
Einzelnen die Wirkungen dieſer einer
laufenden Beobachtung ſich entziehenden
Faktoren fein mögen, im Yaufe langer
Beitperioden muß durh ihr Zuſammen—
wirfen unſere Grdoberflähe eine voll—
ftändige Umwandlung erfahren. Uriprüng-
lich bejtand dieje, joweit fie aus dem Waſſer
Notliegenden der Nordpfalz und im Mufchel-
aufgetaucht war, aus einer fahlen Felſen—
decke, wie wir fie heute noch im Hochgebirge,
in der Wüfte oder in Wolargebieten be-
obadıten fünnen. Darauf unternahmen
wohl ZTemperaturichwanfungen den erften
zerftörenden Angriff. Die Sonne dehnte
das Beltein dur Erwärmung aus (In—
jolation), die Nadyrfühle oder plößlicher
Regen zog 08 zujammen, Hierdurch wurde
dad Gefüge der verjchiedenen ſich nicht
19
gleichmäßig gegen die Strahlung verhalten-
den Dlineralier gelodert, es bildeten ſich
feine Boren und Spältchen, in welcde die
Niederfchläge eindrangen. Bier wirkten fie
vermöge ihrer hemiichen Beichaffenheit zer—
jegend und auslaugend, oder bei Froft
durch Vergrößerung ihres Volumens (um !ı«)
auseinandertreibend und Riffe hervorrufend,.
Flechten und Mooſe fiedelten fidy darüber
an, höhere Pilanzen jenften ihre Wurzeln
in fie ein, loderten die Schichten auf, er:
weiterten die Spalten und unterftügten
durd; Ausfcheiden von Säuren die löjende
Tätigfeit des Waflers; feine einzige Ge-
fteinsart kann ihr auf die Dauer mider-
ftehen.
Infolge diefer teils phyſikaliſchen uud
mechanischen, teils chemifchen, teils orga-
nifchen feit vielen Millionen von Fahren
ohne Unterbrehung von außen wirkenden
(erogenen) Einfliiife verändert das Geſtein
auch äußerlich feine Farbe; abweichend vom
frischen Bruch wird feine Oberfläche ent-
weder heller (gebleicht) oder dunkler: es
ift mürbe und vermittert, Die geloderten
und losgelöften Teilen werden dann ent:
weder durc den Wind oder Regen binmweg-
geführt (Ablation), oder bilden je nad) der
Zujammenfegung des Geſteins und dem
rad der Vermitterung eine allmählich zus
nehmende Decke von Schutt, Grus, Sand
oder Lehm, welche wir ald Boden be-
zeichnen, In ihm finden Regenwürmer
und andere wihlende Tiere Unterkunft und
damit Gelegenheit zur weiteren Auflodferung.
Unjere Adererde (Humus) ift lediglih ein
mit Berjeßungsproduften gemijchter Ber:
witteruingsrejt des darımter liegenden Ge:
fteins und im ihrer Fruchtbarkeit in eriter
Yınie durch deilen chemischen Zujammen:
jegung bedingt. So finden wir Fimmer-
liches Sandteld im Buntjanditeingebiet des
Pfälzer Waldes, fruchtbares Aderland im
falE der Sicdinger Höhe.
Auf die loje, mehr oder weniger von
Steinen durchfegte Erde übt nun der Wind
(Teflation), tod) mehr aber das Waller
(Denudation), eine abtragende und nivel-
lierende Wirfung aus. Die als Negen,
Schnee, ulm, fallenden Niederichläge ver-
fifern entweder in die Erde, um auf un-
durchläffigen (j. B. tonigen) Schichten
wieder als Quellen zutage zu treten, oder
verdunften, oder ftreben auf geneigtem Ger
lände abwärts. Hierbei belaften fie Sich,
fleine Rinnen bildend (erodierend),
Sand, Lehm ufw. und tragen die auf-
genommenen Bartifelchen den Quellbächen
zu, weldie fie dann als Trübe dem Meer
zur Ablagerung neuer Schichten zuführen;
treten dieſe im Yaufe der Erdgeſchichte
durch Verichiebung der Strandlinien oder
innere teftoniiche Kräfte wiederum an die
Dberfläche, jo beginnt an ıhnen das Waſſer
von neuem jeine umlagernde Tätigkeit.
Wenn wir num die Entftehung unferer
Täler betrachten, jo finden wir, daß fie
faft ohne Ausnahme dem fliegenden Waſſer
(Erofion) ihre Entjtehung verdanfen und
aus unfceinbaren Anfängen fi zu ihrer
jegigen Form entwidelt haben. Schliekt
doch jchon der Begriff „Tal“ für eine lang:
geſtreckte Hohlform in eirem Gebirgsſtocke
dad Merkmal der genetiihen Entſtehung
durch fließendes Wafler in fich!
In ein geneigte Gelände jchnitt ab-
laufendes Waſſer zuerft eine Ninne ein,
wobei das mitgeführte, je nach dem Gefälle
und der Waſſermaſſe gröbere oder feinere
Material jchleifend, feılend, nagend und aus-
grabend auf den Untergrund mwirfen mußte
(Corraſion). Die Rinne wurde ullmählic
zu einer ſchluchtartigen Furche vertieft, aus
deren urſprünglich fieillen Seitenwänden
durch Einflüffe der Berwitterung und der
Niederfchläge bezw. durch Abſtürze
Materials in Folge Unterwühlung, je nad)
der Gefteinsbejchaffenheit mehr oder weniger
geneigte Hänge entjtanden. unge Täler
haben daher fteile Talwände. (Neuftadter
Tal.) Es ift dies die gleiche Ericheinung,
wie fie und mitunter bei der Entftehung von
Hohlwegen entgegentritt, wo die erodıerende
Tätigfeit des den Geleiſen folgenden Waf-
ſers durch den bodenlöjenden Wagen: und
Fußgängerverkehr noch verftärft wird und
deshalb jchneller wirfen muß. Manche
Hohlmwege (3. B. die Schwenmhohl an der
Pirimmerfteige) fönnen jogar als Fleine, in
biftorischer Zeit entitandene Täler an-
geiprochen werden,
In dem Beftreben, bei gleich bleibender
Menge der MNiederichläge ein möglichit
Fonitantes Gefälle zu erreichen, ſuchen fich
die Flüſſe ftändig weiter nach rücdwärts
80
mit |
1
des’
bis zu einem bejtimmten Grad einzufchneiden ;
mit der Ausdehnung der Talſyſteme werden
immer größere Flächen ın das Abtragungs:
gebiet mit einbezogen. Die Neigung der
Talſohle fteht dabeitim umgefehrten Ber-
hältnis zur Menge des über fie fließenden
Waflers, d. h. Fleine Bäche haben ein
größeres Gefälle als große Bäche, welche
ihre Konſtante nahezu ſchon erreicht haben.
Da nmım die nach verfchiedenen Rich:
tungen ftrebenden BWafjerläufe gegeneinander
wirfen, müffen die zwiichengelagerten Höhen
durch Abtragung des Verwitterungsichuttes
erniedrigt und immer mehr gegliedert werden.
Eine andere Folgeericheinung ift die Ver—
legung der Waflerjcheide, mobei der mit
ftärferem Gefäll ablaufende Bad feinen
Konkurrenten die Zuflüſſe abzapjen wird.
Widerftandsfähige, aus vulkaniſchem Gejtein
oder jfeitverfittetem Geröll (Conglomerat)
beitehende Schichten werden der Abtragung
langiamer unterworfen fein und fih all-
mählich als Kuppe mit fteigender Höhen:
differenz über die vom weicheren Gejtein
entblößte Umgebung erheben. (Donners:
berg, Eichkopf.)
Verwitterung und fpülendes Waſſer
haben alfo unſere Pergformen in ihrer
heutigen Geſtalt geichaffen und unjerem
heimatlihen Landjchaftsbild fein charafte:
riftifches Gepräge verliehen; die Höhen des
Piälzer Waldes find in ihrem ormen:
ſchatz lediglich die Reſte einer großen Tafel,
gewiſſermaßen Rückſtände, die das Wajier
verichont hat.
Es joll nun verſucht werden, die
Tätigfeit der verfchiedenen Faktoren an
Beiipielen in ihrer Geſamtwirkung nud)
zuweilen. Der Begriff der Wetterfeite ift
wohl jedem bekannt; langjährige Erfahrung
bat gezeigt, daß in unferem Klima die den
regneriſchen Weftwinden direft ausgejegten
Felswände und beionders Gebäude ftärfer
den Einflüffen der Verwitterung unterliegen,
al8 ihre davon abgemwendeten Seiten.
Die Ziegel auf dem Dache, der Verpuß
der Wände, Holzwerf und Farbe werden
hier Schneller zerftört und müſſen öfters
erneuert werden. Urjprünglich glarte Steine
erhalten eine rauhe Oberfläde und der
Schichtung entiprechende Rillen, laſſen ein-
| geichlojienes Geröll aus härterem Material
als Eleine Erhöhungen hervortreten und
bieten niederen Pflanzen einen Nährboden,
Die dem Wetter ausgejegten Inſchriften
ton Grabdenfmälern, Feldfreuzen, Meilen«
zeigern, Grenziteınen uſw. merden in
menigen Jahrzehnten undeutlich, die jcharfen
Ränder der Buchjtaben verfchwinden und
bedürfen von Zeit zu Zeit je nad der
Härte des verwendeten Material der
Nacharbeitung, wenn jie nicht unlejerlich
merden jollen. Inſchriften im Wetterſchutz
von Gebäuden haben eine fast unbeichränfte
Dauer. Der Grad der Bermitterung ge—
ftattet oft allein, wenn alle anderen Zeichen
uns im Stiche lajjen, einen Rüdichluß auf
das mutmaßliche Alter eines Denkſteins
zu ziehen, Toniger, den Cinflüffen der
Atmojphärilien ausgejegter Buntjandftein
verliert feine Stonfiftenz, wird brödelig,
läßt fih in je nad der Witterung ver-
ichiedenen Zeiträumen leicht abheben und
dient dann als gejuchter Bau- und Form:
land, (Schmalenberg, Gallenhäuschen und
Landftuhl.)
Der den Feld zertrümmernde Spalt-
froft wirft im Hochgebirge faft das ganze
Jahr und erzeugt durch mechaniſche Ge—
fteinszerfleinerung den gefürchteten Stein-
ſchlag. Auch bei uns läßt fich feine Tätig-
feit, namentlih im Frühjahr beobachten,
wenn 3. B. ein einzelner, frei emporragender
Fels (Hinkelftein bei Kleinkarlbach) oder
an teilen, Eünftlich Hergeftellten Böfchungen
anftehendes Geſtein bei Tauwetter herab:
ſtürzt. Bon unjern pfälzifhen Straßen
find um dieje Zeit enge Talwege oder am
Steilabfall von Bergen entlang ziehende
Ghaufjeen, 3. B. von Odernheim nad)
Dudroth oft nicht ganz ohne Gefahr zu
pajlieren, wenn die erwärmenden Strahlen
der Sonne die Adhäfion der Eiskriftalle
durch Berringerung ihres Volumens in den
ermeiterten Klüften aufheben. In den Ge:
bieten alter vulfanifcher Tätigkeit (Donners-
berg, Lemberg, u. a. DO.) find die jchroffen
Hänge bie und da mit edigen und rauh—
brüchigen Gefteinsbroden bededt, deren Ent»
ftehung auf gleiche Urfachen zurüdzuführen
it, Der vielfach vorkommende Flurname
„Rofjel” oder „in den Roſſeln“ ift aus dem
Herabriejeln von ſolchen, durch Spaltfroft
losgetrennten und zu Schutthalden auf-
gehäuften Felstrümmer zu erflären. Die
Aufloderung durch Froſt ift eine dem
81
Landwirt befannte Erjcheinung, die er in—
jofern für fich nutzbar zu maden verfteht,
als er im Herbit das Feld hoch aufpflügt,
um den Wderboden durch Ausirieren im
Winter „müll” werden zu laffen. („Bodens
froft.*) Vielfach werden am Gehänge bei
Ausihadhtungen zu Selleranlagen oder
Kulturarbeiten 2—3 m unter dem heutigen
geneigten Boden Werfe von Menjchen-
hand gefunden, die ihrer Natur nad) nur
an der Oberfläche geftanden haben fünnen,
Als vor etwa 60 Jahren auf dem Dauben-
bornerhof an einem Bergabhang Erde zur
Auffüllung von Wiejen entnommen wurde,
fam 2" m unter dem Gehängeſchutt etwas
über dem Niveau des heutigen Tales die
niedrige Einfafjung einer Quelle zum Bor-
ichein, die zur Wafjerverforgung der 1430
zerftörten Burg Breidenborn gedient hatte,
Innerhalb 400 Jahren hat aljo der Berg
an jeinem Fuß Gehängeſchutt in dieſer
Höhe abgelagert. Solche Beifpiele werden
ſich vielfah anführen Lafjen.
Auf die abtragende Tätigfeit des Win-
des, namenlich in Gebieten mit nicht zu—
jammenhängender Pflanzendecke, habe ich
bei anderer Gelegenheit hingewieſen.“*)
! Der beim Pflügen und Eggen vom feld
oder aus dem zermalmten Schotter von der
Landftraße aufgemirbelte Staub wird vom
Wind verfradhtet und an anderer Stelle ab-
geiegt. In trodenen Sommermonaten iſt
auf der Leeſeite das Feld meithin von
Staub wie mit einem grauen Schleier be-
det, ungezählte Zentner werden ald März-
ftaub von den am meiften der Wirkung des
Windes ausgejegten Höhen hinweggeführt.
Am augenfälligften ift die abtragende
Tätigkeit des Waſſers. Jeder Negenjchauer
bringt grobes und feines Material von
den Höhen herab, das nie wieder an feinen
Urjprungsort zurüdgelang. Bon den
Bächen aufgenommen wird es entweder als
Geröll, Sand, Schlamm, oder auch in ge»
löftem Buftande talabwärt® transportiert:
die bei Regen getrübten Waſſer von Glan
und Aljenz führen in einem Tage allein
als Flußtrübe manden Kubikmeter Material
aus der Nordpfalz der Nahe zu. In unjern
Tälern ragen vielfah die Schichtköpfe von
Felſen aus gleihem Material, und in
*) Pfalziſche Heimatkunde 1905 ©. 106.
gleicher Neigung auf beiden Taljeiten rechts
und links aus dem Gehänge hervor; fie
belehren uns, daß fie früher in Zufammen-
bang geftanden haben müllen, ehe das
Waſſer mit dem wie eine Säge wirkenden
mitgeführten Geröll und Kies fie durch
ſchnitt. Härteres ſich entgegenftellendes
Material wirkt als ein hemmender Riegel,
verurſacht ein Ausweichen des Waſſers in
der Richtung des geringſten Widerftundes
und dadurch die Bildung einer Kurve oder
Schlinge. Ein klaſſiſches Beifpiel für diefe
Ericheinung bietet das untere Glantal bis
zur Nahe, welches auf feinen beiden Seiten
die gleiche Neigung der Schichten nah NW
erfennen läßt. Bänfe von Außerft hartem
Tonſchiefer (Eisgallen), deren Durchkreuzung
beim Eijenbahnbau ziemlih Schwierigfeiten
bereitete, veranlaßten den Glan bei Odern:
heim zwei große Schlingen zu bilden.
Heute ericheinen uns die Bäche in ihren
weiten Tälern als jchmale Rinnen, die in
feinem richtigen Verhältnis zu dem breiten
Talboden ftehen. Um für dieje Erjcheinung
eine Erflärung zu finden, müflen wir uns
in eine weit entlegene Zeit zuriidverjegen,
al der Menih noch fein Heim auf der
fonnigen Höhe aufſchlug. Die Täler waren
damals verjumpft, unzugänglid, mit Bäu—
men und Gebüjch bededt, zwiichen denen
ih das Wafjer träge in vielen Armen
dahin wand (Altrhein). Ging nun ein
plöglicher Wolfenbrudy nieder oder trat im
Frühjahr ftarfer Eisgang ein, jo verftopf-
ten ſich die engen, bewaldeten Täler, das
Waller wurde zu einem See geitaut und
über natürliche Hindernifle hinweg in ein
neues Bett gemwielen; das alte Bett wurde
jpäter vielleicht wieder eingenommen, blieb
aber auch oft als Schlinge leer zurück.
Wer einmal von der maleriichen Stlofter-
ruine Difibodenberg ins Nahetal hinabiah,
dem werden die alten, huchgelegenen Flußläufe
dieſes Wildwaſſers nicht entgangen fein, Nicht
gewundene Spalten und Klüfte in der
Erdoberfläche, wie man vielleicht annehmen
fünnte, haben dem Waſſer jein Bett von
vornherein beftimmt, jondern es hat fich
jeinen Weg unter dem Zwang natürlicher,
aber der Beränderung ıunterliegender Ber-
hältniſſe jelbft gejudht.
Nocd heute vertieft fich das Bett unferer
Bäche fortwährend, für manche Stellen
82
läßt fich hierfür fogar ein zahlenmäßiger
Beweis erbringen. Unterhalb Rehborn
wurden beim Bahnbau im alten Glanfies
einzelne römifche Münzen gefunden, die nur
durch Wafler dahin verichleppt jein konnten.
Wahrſcheinlich führte in alter Zeit an
diejer engen und durd) einen weniger fteilen
Bergausläufer doch wieder für einen Ueber—
gang geeigneten Zalftelle eine Furt dur
den Glan. Da das Bett des Fluffes an
diefer Stelle jegt etma 3 m tiefer liegt,
muß fich der mit ftarfem Gefäll fließende
Glan feit ungefähr 2000 Jahren dort um
dieſen Betrag tiefer eingejchnitten haben.
Ein anderes Beifpiel ift noch augenfälliger:
Um das Waſſer der Flüffe für induftrielle
Betriebe nußbar zu machen, wird es durch
Wehre geipannt und deren Höhe durd
einen jeitlih am Ufer in geſchützter Yage
eingetriebenen Aichpfahl normiert, damit
die Angrenzer nicht durch millfürliches,
allzu hohes Stauen geichädigt werden.
Erfahrungsgemäß muß nun ein juldes
Wehr alle 20-30 Jahre um etwa ca. 10
bis 15 cm bis zum Niveau des Nichpfahls
wieder erhöht mwerden, da es innerhalb
diejer Zeit durch das bei höherem Wailer-
ftand mit dem Ueberlauf in großer Vehewenz
darüber herabjtürzende Material um joviel
abgeichliffen worden iſt. Natürlich jpielen
lokale Umftände bierbei aucd eine Wolle,
(e8 fann 3. B. der Untergrund etwas
nachgegeben haben), aber der Erfahrungs:
fat bleibt beitehen und geftattet für be»
ftimmte Punkte eın Operieren mit genauen
Zahlen. ch vermute, daB ſich aud an
Pfeilern alter Brüden über Flüſſe mit
itarfem Gefälle eine Vertiefung des Betres
durch allmähliges Freimerden der Funda-
mente erfennen lajlen wird, vorausgejegt,
daß nicht durch Gingriffe des Menſchen
(Regulirung) die erodirende Tätigfeit des
Waſſers beeinflußt wurde,
So leiht es nun it, für einzelne
Ortlichkeiten durch Tiefbohrung oder Gras»
bungen (Sanal- und Fundamentbauten)
die aufichüttende Tätigkeit des Waflers _
(Akkumulation) nachzuweiſen, jo ſchwierig
ift es, für deilen abtragende Wirkung
einen zahlenmäßigen Beweis zu erbringen.
Man hat vielfach verfucht, aus dem von
einem Fluß mitgeführten Schlammquantum
die Menge des jährlich Wwegtransportierten
Materiald und daraus die Erniedrigung
feines Gebietes zu berechnen, hat aber dabei
nur unſichere WRejultate erzielt. Nach
Penck beträgt der jährlihe Verluſt der
Erdoberfläche durch Flüffe 0,64 mm, mit-
hin für 1440 Jahre 1 m! Nah meinen
Beobachtungen befteht aber die Möglichkeit,
für einzelne hochgelegene Punkte das Maß
der Abtragung mit einiger Sicherheit zu
beftimmen. Gelegentlih der Triangulation
der Pfalz (1838 — 1851) wurden die wid)
tigeren trigonometriichen Punkte durch hohe,
mit ihrem roh behauenen Sodel tief in |
ſteinen entlang der alten Hochſtraßen herab-
die Erde eingelaffene Steine bezeichnet.
Einjam oft mitten im Feld und Wald
jtehend, vielfach mit Jahreszahl und trigono—
metrijchen Zeichen verjehen, werden fie vom
Bolk ohne nähere Kenntnis von ihrer Be-
deutung als Langerftein, Hinfelftein, Fin-
fenftein uſw. bezeichnet. Die meijten von
ihnen, joweit fie im freien Felde auf nicht
ebenem Gelände ftehen, hängen jett ſchief.
Eine nähere Unterjuchung ergibt, daß fie
mit ihrem roh behauenen Sodel mehr oder
weniger freigelegt find und deshalb im
Boden feinen richtigen Halt beiten. Ein
ühnlihes Bild bieten unter gleichen ört-
lichen Berhältniffen alle Grenziteine, aber
mit der Einfchränfung, daß die auf ihnen
angebrachten Yahreszahlen nicht immer das
Alter des betreffenden Steins anzuzeigen
brauden, jondern aud) nachträglich darauf
eingehauen jein fönnen. Bielfah fommt
auf ihrem freigelegten Sodel das über der
Erde angebrachte Hoheitözeichen zum zweiten:
mal zum Vorjchein. Namentlich im Gebiet
der alten Kurpfalz finden fich derartige
aus der zweiten Hälfte des 18. Jahr—
hunderts ftammende Steine, wo man unter
einfacheren Berhältniffen durch Doppelte
Signierung den Standort von in Abgang
geratenen Örenzzeihen durch die im Boden
ftefenden Stümpfe leichter feitzuftellen
hoffte. Mißt man nun die Höhe des frei»
gelegten Sodels und zählt die jeit dem
Steiniag verfloflenen Jahre, jo ergibt ſich
mit ziemlicher Sicherheit für den Standort
des Steines die Höhe der NAbtragung;
dabei läßt es fich mit trigonometrijchen
Steinen zuverläjfiger operieren, da deren
Aufftellungsjahr genay befannt ift.
Es ließe ſich nun einmwenden, dat letztere
83
dem Rüden
urjprünglich überhaupt nicht ganz mit dem
Sockel eingegraben gemwejen jeien, oder ſich
aud im Berlauf der Freilegung dur ihr
Eigengewidit noch meiter geienft haben
könnten. Gegen erjtere Annahme ipricht
aber der Umitand, daß die auf Hochflächen
ftehenden, bis jett nur menig freigelegten
Steine bis zu einer zwiſchen dem oberen
behauenen Zeil und dem rohen Sodel be»
findlihen Furche eingelajjen find, ferner dak
bei gewiſſen Grenziteinen das beftimmungs«
gemäß urfprünglih im Boden verftedte
zweite Wappen fichtbar wird und endlich,
daß die Spuren von NRadnaben an Grenz»
rüden und mit dem Freiwerden des Sodels
gleihen Schritt halten. Iſt aber der Stein,
wie es vielfach geichieht, durch Abweiſer
geichügt oder im Feld von Lejefteinen oder
Dorngeftrüpp umgeben, dann tritt dieſe
Eriheinung an ihm jelbit weniger hervor,
dagegen hebt ſich der ganze Fleck wie eine
kleine Inſel aus der Umgebung ab.
Die Höhe der Abtragung ift jehr ver»
ſchieden. Zunächſt ift fie von der Boden«
geftaltung abhängig. Auf einer von allen
Seiten der Denudation ausgejegten Kuppe
muß fie raicher vorwärts gehen, als auf
Höhenrüden mit nur zwei Angriffsflächen
oder im geneigten Gelände, In dem durch
Bebauung gelodferten Feld, im leichten
Sand, auf undurdläffigem Boden wirft fie
Ichneller als im Wald oder in jchwerem
Lehmboden oder auf durchläſſigen Schichten,
welche die Niederichläge nicht ablaufen
laifen, jondern zum größten Teil in fich
aufnehmen.
Bur näheren Unterjuhung und zahlen»
mäßigen Feftftellung diefer mir ſchon früher
aufgefallenen Tatſachen unternahm ich im
April ds. 8. als der zum Betreten der
Felder geeignetiten Zeit eine Fußwanderung
durch die Pfalz. Bon der Rheinebene aus«
gehend Freuzte ich den Pfälzer Wald, be»
rührte das Holzland, ftieg zur Sickinger
Höhe hinauf, wanderte durch den Yand-
ftuhler Bruh und den Reichswald nad
des Stumpfwalds umging
nördlich den Donnersberg, gelangte bis zur
Bereinigung von Glan und Nahe und glan-
aufwärts zu den Höhen der Stemalb und
fehrte dann über den Roßberg und die
Hochſtraße nach dem oberen Alfenztal zurüd,
Überall fand ich durch Meflungen meine
Bermutung beſtätigt. Am ftärfiten war
die Abtragung der Höhen im Rotliegenden
der Nordpfalz, dann folgte in einigem Ab-
ftand das Buntfandjteingebiet, weit zurüd
blieben das Muſchelkalkplateau der Sıdinger
Höhe. So har fih 3. B. der gerundete
Segel über Nehborn „auf Leyen” (Uder-
feld, Rotliegendes) jeit 1838 um 50 cm
erniedrigt; andere, weniger ſtark gemölbte
Erhebungen der Nordpfalz ergaben unter
gleichen Bedingungen 25 - 35 cm, geneigtes
Gelände 10 cm; alte £urpfälziiche Grenz:
fteine hießen in legterem Fall jeit 1775
eine Abtragung von 25—30 cm, erfennen.
Im Buntjanditeingebiet der Mittel-
pfalz, der Heimat des Waldes, war es mir
auch möglich, die dur eine zujammen-
bängende Pflanzendecke mehr gegen die
Abtragung geichügten Steine zum Vergleich
mit heranzuziehen; den Humus bildenden
und dadurch erhöhend wirkenden Einfluß
der Begetation zog ich hierbei nicht in Be-
rechnung. Bei den im Feld auf der Höhe
jtehenden trig. Steinen fonftatierte ich feit
1838 bis zu 30 cm, an Grenzfteinen von
1763 etwa 40 und 55 cm, an foldyen von
1786 bis 40 cm; im Wald oder auf
Ddungen, je nad) dem Geländeabfall und
dem Standort (ob in geichloflener Rajen-
dee, ob an Waldrändern, Wegen, Vieh:
triften ufw.) bei Grenzfteinen von
1600 eine Abtragung von cm 30, 25,
1764
6% nn m 480,8,
1786 , Ri „ „40, 30, 5, W.
Auf den durdläffigen Kalfichichten der
plateauartigen Sidinger Höhe fonnte ich
jeit 1838 nur Abtragungen bis zu 10 cm
feſtſtellen. Daß ſolche vergleichenden Be-
obachtungen ſich auch an hochgelegenen
Burgruinen, Gebäuden, Mauern und an
Ausfichtstürmen ausführen laffen, brauche
ich nicht beſonders hervorzuheben; bier
werden freigelegte Yundamente, überhöhte
Türſchwellen u. a. einen Anhalt bieten
fünnen.
Aus diejen Zahlen läßt fi der Schluß
ziehen, daß tatſächlich innerhalb beftimmter
Beiträume eine ganz beträchtliche Erniedri-
gung einzelner Höhen ftattgefunden hat.
Naturgemäß geht fie im Felde rajcher vor
fih, da hier der Boden durd die Bear-
beitung beitändig gelodert wird; es iſt
” * 49 “u
dies eine dem Landwirt mohl befannte
Ericheinung, die er als Abbau bezeichnet
und durch manderlei Maknahmen (Hin-
aufpflügen uſw.) zu verzögern ſucht. Durch
die Denudation findet auch die troß langer
Bearbeitung immer noch fteinige Bejchaffen-
heit vieler Höhenäder ihre Erklärung: Aus
dem, vom unterlagernden Geftein los»
gewitterten Material werden die feineren
Beitandteile durch die Niederichläge immer
wieder weggeſchwemmt, die gröberen bleiben
zurück. Feldſteine fommen trog jährlichen
Aufiammelns immer wieder zum Borjcdein.
(Wachſende Steine.) Dem gleihen Prozeß
bezw. der Wegijpülung von untergelagerten,
mweicheren Schichten verdanfen aud die jo-
genannten Felſenmeere ihre Entſtehung
(Karlstal). ALS weitere Folgeerjcheinung
läßt fich hieraus ableiten, daß im Laufe
der Beit früher fruchtbares Land nad) Ab»
tragung der eine gute Aderfrume liefernden
Schichten an jeiner Qualität einbüßen
fann, wenn 3. B. der dem Muſchelkalk
untergelagerte Buntjanditein einmal in den
Bereih der Bermwitterung gezogen jein
wird (Sifinger Höhe). Da ein paar hun»
dert fahre bei diefem fih nur allmählich
und in großen Zeiträumen vollziehenden
Prozeß feine große Rolle jpielen, braucht
für die Beteiligten noch fein direfter Grund
zur Beunrubigung vorzuliegen.
Mit der Abtragung kann aud eine
Änderung der Ausficht zufammenhängen,
wenn bei wechjelndem Gejtein einzelne, die
Ausfiht hHemmende und aus weniger
widerjtandsfähigerem Material aufgebaute
Höhenrüdfen jchneller erniedrigt erden,
ald der Standort des Beſchauers. Wie
mir Herr Lehrer Bubmann (Odernheim)
mitteilte, pflegte der 1904 im Alter von
66 Jahren verjtorbene Gutsbefiger Großarth
vom Difibodenbergerhof oft darauf Hinzu»
meifen, daß er in feiner Jugend den durd)
eine Bodenjchmwelle halb verdedten oberen
Teil des Kirchturmes von Duchroth nicht
jo mweit hervorragen gejehen habe, wie in
jpäteren Jahren. Ob diefe Wahrnehmung
nur auf fubjeftivem Empfinden beruhte,
oder etwa eine deutlich hervortretende Abtra⸗
gung des aus ſandig lehmigen Schichten
(Aderjeld) beſtehenden, zwiichengelagerten
Rückens innerhalb eines Menfchenalters ftatt=
fand, oder auch tektoniſche Kräfte in dieſem
altvulfanijchen, von zahlreichen Verwer—
fungen durchfegten Gebiet eine Niveau:
änderung hervorgebracht haben, muß eine
offene Frage bleiben. Jedenfalls wollte ich
dieje mit dem von mir behandelten Thema
möglicherweise in Zufammenhang ftehende Er-
ſcheinung nicht mit Stillichweigen übergehen.
Für Dlitteilungen aus dem Lejerfreis über
ähnliche Beobachtungen wäre ich fehr dankbar.
Als eriten Beitrag fügen wir eine Mit-
teilung durch Herrn Lehrer Glück in
Langmwieden an. Als er vor etwa 50
Jahren dort anſäſſig wurde, Fonnte man |
jugendlichem Alter! (D. ©d).)
von dem nordöftlichen Gemwannenweg auf
dem Taubenberg aus das gegenüberliegende
Martinshöhe nod nicht fehen, da der
„Rößberg“ davor lag. Beute aber, wie
wir und überzeugten, ijt dieſer ftarf
jandige Ausläufer ſoweit vom Wafler
und Winde gegen die anderen, mehr lehmigen
Höhenterle „abgebaut“ — vielleicht hat auch
die Bodenbearbeitung dazu beigetragen, eben:
fo mehrere ungewöhnlich ſtarke Wolfenbrüche
(1856, 1870, 1898, 1906 3.8.) —, daß die
oberen Zeile der Häufer von Martinshöhe
herausragen. Am Falle des Gutsbefigers
Großarth ift zu bedenfen, daß dieſer als
Mann auch —24m größer war als in
Bas —
Das „Heufieber“ fordert gegenwärtig
wieder ſeine Opfer. Da iſt es denn vielen,
die an der merkwürdigen Krankheit leiden
und aud den Arzten gewiß willtommen,
daß gerade rechtzeitig (bei %. %. Yehmann,
München, für 3 ME. 60 Big.) eine aus—
führlide Abhandlung über „Das Heu.
fieber, fein Wejen und jeine Be
handlung“ von Dr. Alfred Wolff:
Eisner erſchienen ift, die fidh mit der
Geſchichte der Erkenntnis der jo lange rätjel-
haft gebliebenen Stranfheit, mit ihren Er-
iheinungsformen, ihrer Unterfcheidung von
und ihrer Beziehung zu andern Krankheiten,
vor allem auch mit der Behandlung mit
Serum, Klimawechſel, mit dem Wirken des
Heufieberbundes und der Bedeutung der
Stranfheit für die Allgemeinheit befaßt.
Wir entnehmen dem anregenden und gründ:
lihen Buch vor allem, daß in Deutjd:
land die endgültige Erkenntnis von der
Urſache der Krankheit gefunden worden ift.
Zwar hatte man fchon früher die Anficht
vertreten, daß die Srankheit durch den
Gräferblütenftaub und den Blütenjtaub an-
derer Pflanzen veranlagt ift, namentlich)
der Engländer Bladley brachte jchon 1856
bis 1877 erperimentelle Beiträge zur Stüße
der Anſchauung, daß Blütenpollen Die
alleinige Urjache des Heufiebers find und
Marſh nannte die Krankheit 1877 „Heu:
fieber” oder „Bollenvergiftung”; aber erſt
1903 veröffentlihte Dunbar, dem gegen:
über jein ehemaliger Ajfiftent Weihardt
den Anfpruc erhebt, die Anregung zu defien
Berfuchen gegeben zu haben, jeine Mono:
graphie, in der er den experimentellen
Nachweis erbrachte, daß bei Leuten, die zu
Heufieber disponieren, eine Heufieberattade
auch außerhalb der eigentlihen Heufieber-
zeit hervorgerufen werden kann. Diele
beiden Forſcher baben auch das Verdienſt,
je ein Mittel gegen die Krankheit gefunden
zu haben, jener das PBolantin, diejer
das Greminol, die beide ein Serum find,
die nach den Prinzipien der fonft ſchon ge-
brauchten Begengifte gegen Diphterie zc.
gewonnen find, aber von diejen in ihrer
Wirkungsweiſe ſich wohl mejentlih unter:
icheiden, indem fie fein Antitorin darjtellen.
Das erftere ift das Produft der Impfung
von Tieren mit dem Bollengift, das letztere
wird aus dem Blut von Tieren während
der Beit der Grasblüte gewonnen, wo lid)
Gegengifte gegen die ſtets eindringenden
PBollengifte von jelbft bilden. Der Name
Heufieber trifft eigentlich ſehr
wenig zu. Denn das Heu hat mit der
Krankheit faum etwas zu tun; es find viel:
mehr gerade die friichen Pollenkörner, die
gefährlich find, die getrodneten enthalten
wohl das Gift noch, aber es bedarf der
Verreibung mit Kochjalzlöjung zc., um es
aus den Körnern herauszubefommen —
und anderjeits bildet Fieber fein irgendwie
charafteriftiiches oder aud nur häufiger vor—
\ fommendes Symptom der Erkrankung. Aber
der Name hat fich eingebürgert, und es
weiß jept jedermann, was darunter zu ber-
ftehen ift. Gefährlich find für die zur
Krankheit Neigenden nicht nur die Blüten | Leider beziehen fich die mangelnden Erfolge
der Gräfer- und Getreidearten, es hat ſich gerade auf die jchweren Fälle mit Aſthma.
auch eine große Zahl von anderem Pflanzen- | Das Graminol ergab auch recht günftige
blütenftaub als Gift für fie erwiefen, jo | Erfolge; es wurde nie behauptet, daß es
3. B. aud) der von Maiglöckchen, Weißwurz, gegen ſchwere Fälle helfe, vielmehr wurde
Neps, ftachlicher Diftel, Makliebehen, Korn» | e8 nur als Linderungsmittel empfohlen und
blume, Aſtern, namentlich auch Hollunder: | deshalb gab es auch feine Enttäuſchung.
und Lindenblüten. Bei dem einen Individuum Es hat den Vorteil, nie Berjchlimmerungen
wirken nur die einen oder anderen, bei | hervorzurufen. Da dieſes Mittel auch
manchen alle die verjchiedenen genannten und | billiger ift, wird es daher fidher mehr Ans»
wohl noch mehr Blütenarten giftig. Sehr | wendung finden. Leichtere Fälle können
wichtig, aud für die Heilmaßnahmen, ift | jhon ohne Serumanmwendung bei Ein—
die Erjcheinung, daß mit den Jahren die | haltung eines entipredhenden Verhaltens be-
Krankheit dazu neigt, ſchwerer zu werden: | jchmerdefrei bleiben; jchwerer Kranken wird
die Aranfen werden 3 B. gegen Pollen: | dagegen auch weiterhin nichts übrig bleiben,
arten empfindlich, die ihnen anfangs nicht | als an beftimmte Orte zu gehen, wo jie
Ichadeten und Bollantin und Graminol, das | der Blütenzeit ausweichen können. Jeden—
in den erften Jahren vielleicht Half, wirft | falls aber mögen nicht weiter die Aranfen,
jpäter ſchwächer oder gar nicht mehr. Die | die von der Zeit, die für jeden Naturfreund
Erfolge im Beginn — fehr lange reichen | fonft die ſchönſte Zeit des Jahres darftellt,
die Beobadhtungen ja nicht — find mit | jo fchwere Leiden zu erdulden haben, ver-
Pollantin nad) den günftigiten Statiftifen | lacht und als „nervös“ verſpottet werden,
in 60 "ja gute, in 29°). teilmeije gute, in | wie dies noch häufig geſchieht.
11”. waren feine Erfolge zu erzielen. (M. N. R.)
Ueber die Ernte des Jahres 1905 in Bayern
find der vom fgl. Statift. Bureau bearbei- | Weizen, Winteripelz und Roggen höher als
teten Zufammenftellung der Ernteergebniffe | im Borjahre, bei Sommergerfte und Safer
folgende allgemeine Daten zu entnehmen: | jedod) geringer; den aus den Ernteergeb-
Die Anbaluflächen betrugen im Jahre | niffen der legten 34 Jahre (1871 - 1904)
1905 ber Weizen (Winter: und Sommer: | berecjneten Gejfamtdurdfchnittsertrag über—
weizen) 289991 Hektar, bei Winteripelz | trifft er mehr oder weniger bei allen er
72480, bei Roggen (Winter und Sommer | wähnten Getreidearten mit Ausnahme von
voggen) 567396, Sommergerite 362876, | Hafer. Aus den Ziffern des Durchſchnitts—
Hafer 495660, Winterreps 1258, Star: | ertrages vom Hektar und jenen der An-
toffeln 349597, Klee 267372, Luzerne | bauflächen berechret fich die gelamte KHör-
40675, Wieſen 1286988, Hopfen 25386, | nermenge auf 4764107 Doppelzentner bei
(davon neu angelegt 1580) und endlich ber | Weizen (1904: 4369151 D;.), 1264328
Wein 24846 Hektar (davon 2298 nicht | Dz. bei Winterjpelz (1904: 1248605 D;.),
im Grtrag Stchend). Gegenüber den Ber- | 9351333 Dz. bei Roggen (1904: 9100016
hältniffen des Jahres 1904 ift bei Winter- | D;.), 5507487 Dz. bei Sommergerite
weizen, Winterrogen, Binterreps, tartoffeln, | (1904: 5722755 D3.) und 5985415 Dz.
Luzerne, Dopien und Wein eine größere, | bei Hafer (1904: 7421468 Doppelztr.)
bei den übrigen FFruchtarten hiegegen eine Der Ertrag an Stroh belief fich bei
geringere Anbaufläche zu verzeichnen. Weizen auf 30 (im Vorjahre 29), bei
Bei den Körnerfrüchten berediner | Winterjpel; 33 (31), Roggen 32 (34),
fich fir 1905 der Durdfchnittsertrag von | Sommergerfte 20 (21) und bei Hafer auf
einem Heftar auf 16,4 Doppeljtr. Weizen, | 19 (23) Doppeizentner vom Hektar; für
17,4 bei Winterjpel;, 16,5 bei Roggen, | die ganze Erhebungsperiode 1871 - 1904
15,6 bei Sommergerfte und 12,1 bei Safer. | beziffert fich der durchichnittliche Strobertrag
Der Durdjchnittsertrag war hiemit bei | bei Weizen und Winterſpelz auf 26, bei
Roggen auf 28, bei Sommergerfte auf 19
und bei Hafer auf 21 Doppelzentner vom
Hektar. Die Qualität des Strohes wurde
im allgemeinen als „gut” bezeichnet, abge:
ſehen vom Haferſtroh, das etwas geringer
geichäßt murde.
An Sartoffeln murden im Sfahre
1905 vom Hektar durchſchnittlich 138 Dop
pelzentner geerntet gegenüber 112 ım Vor—
jahre und 103 als Durchſchnittsertrag der
Jahre 1871— 1904; der Geſamtertrag des
Jahres 1905 ift der höch ſte ſeit 1871 und
übertrifft mit 48137362 Doppelzentner
erheblich jenen des Vorjahres (38 790 159)
ſowie den aus den Ernten der Jahre 1871
bis 1904 berechneten Durdjjchnittsertrag
(diefen um 16,9 Millionen Doppelzentner).
Die Qualität der Kartoffeln ift mit Note 1,7
(gegen I1,5 im Borjahre 11,4 für die ganze
Erhebungsperiode) bemeſſen; erfranft waren
4,5 Proz. der geernteten Startoffeln (gegen:
über 2,5 Proz. im Borjahrefund 4 Proz.
im Durdichnitt der Erntejahre 1871 bis
1904); unter den 294 Erhebungsbezirfen
waren 57 mit einer Anbauflädhe von im
Ganzen 72960 Heftar von Sartoffelfranf:
heiten vollftändig verſchont.
Das Erträgnis an Futtermitteln
war ein ziemlid günftiges. Bei Klee
wurden durchjchnittlih 49 Doppelzentner
wie im Borjahre und bei Yuzerne 58 (im
Borjahre 61) Doppelzentner vom Hektar
geerntet; Gefamtertrag bei Stlee 13000292
und bei Quzerne 2344424 Doppelzentner
(Durcichnittsertrag 1871 1904: 13072871
und beziehungsmweife 2140854 Doppel
zentner). Qualität bei Nlee 1,8, bei
Luzerne 1,9.
Der Wiefjenertrag an Heu und
Grummet ergab 48 Doppelzentner vom
Hektar und 62004587 Doppelzentner im
Ganzen; Uualitätsnote 1,8.
Bei Winterreps, dejlen Anbaufläche
gegen das Borjahr um 21 Hektar fih er:
höhte, berechnete fich die Ernte im Ganzen
87
auf 18173 Doppelzentner gegen 17983
Doppelzentner des Borjahres und 32559
Doppelzentner Durchichnittsertrag der
Perivde 1878-1904. Ertrag vom Hektar
14,4 Doppelzentner; Qualitätsnote 11,1.
Über die Hageljhäden in Bayern
während des Yahres 1905
veröffentlichte die „Zeitichrift des k. Bayer.
Statiftifhen Bureans” eingehende Zu—
fammenjtellungen mit Rückblicken auf die
Erhebungen jeit 1879. Das Jahr 1905
brachte für Bayern einen Hagelichaden von
12689362 ME., wovon das rechtörheiniiche
Bayern mit 5067245 Me. gleih 39,9
Prozent, die Bfalz mit 7622117 ME.
gleich 60,1 Prozent beteiligt ift. Höhere
Sejamtichadenfummen find nur 1900 mit
17004652 Mk. und 1903 mit 20951554
Mark nachgewieſen. Im SYahre 1905
wurden 933 Gemeinden gleich 11,7 Bros.
jämtliher Gemeinden vom Hagel betroffen;
für den ganzen Zeitraum von 1879 — 1905
ift die Durchſchnittszahl 1043 Gemeinden
gleich 13,0 Proz. Dabei läht das 27jäh—
rige Durdjchnittsergebnis die Regierungs:
bezirfe Oberbayern, Schwaben, die Ober:
pfalz und Niederbayern als am meijten
vom Hagel betroffen erjcheinen, während
ipeziell für 1905 die Pfalz an die
erfte Stelle rüdt. — Der Umfang der
1905 verhagelten Tandwirtichaftlihen An—
baufläce beträgt 118142 Hektar gleich
3,13 Proz. der im Juni 1905 ermittelten
Anbaufläche, d. i. um 8590 Hektar weniger
als der Durchichnitt der Jahre 1887 — 1905.
Die Zahl der Hagelgeichädigten landwirt-
ichaftlichen Anmwejen beträgt für 1905 im
Ganzen 45787, wovon nicht weniger
als 22328 gleich 48,8 Proz. auf die
Pfalz entfallen. Der ſchon genannte
Geſamtſchaden von 12689362 ME. ift um
4558 794 Mt. höher als der durchichnittliche
Schaden von 1879 - 1904 mit 8130565 M.
Archäologiſche Htudien.
Bon Dr. C. Mehlis.
I. Arhäologijhesvon timburg und Heidenmauer bei Dürfheima.d. 9.
Bad Dürkheim, 4 April.
Dradenfelsflub bat im Herbſt 1905
und Frühjahr 1906 einen hübichen neuen
|
Der | Touriftenweg don der Limburg in
der Richtung nad) Haufen vollendet.
Er zieht in Serpentinen etwa 100 Meter
zwijchen zwei Steinwällen herab, die zehn | auf der MNordfeite die nicht minder be-
Meter von einander entfernt liegen und | rühmte „Deidenmauer” oder Ringmauer,
unten, d. h. oberhalb Haufen, in einem fünf | urfprünglih Rentmauer oder Rindmaner.
Meter hohen baftionartigen Borfprung | Auf ihrer Nordjeite, jenfeit® des fogen.
endigen. Auf der Weftjeite des 257 (120) m | Wurfttrapp-Grabens, in dem Nitter
hohen Limburg-Berges murden zahlreiche | Hans Trapp nad der Bolfsjage die ge-
Gefäßſtücke von Ichwarzglängender und gelb- | ftohlenen Würfte hoch zu Rot heimbringt,
roter Farbe, ferner Bruchftüde von Neib: | liegen 4 Grabhügelgruppen, die in den
fteinen(Donnersberger Tonporphyr, Duarzit) | legten Jahren vom Wltertumsverein für
jowie Brandplätze aufgefunden, Die Gefäß- | den Aanton Dürkheim mit dem Spaten
ftücfegehören vorwiegend derjüngeren Bronze: | unterfucht wurden (vgl. Mufeum in Bad
zeit und der Ja Tene-Zeit an. Nach allen | Dürfheim). Die vierte diefer Hügelgräber
Anhaltspunften und den im Mufeum zu | Gruppen liegt vor dem nordmweftlichen
Bad Dürkheim vorliegenden Beweisſtücken Gingang, deflen Abitieg zur Wurzel des
waren Yimburg und feine Hänge jeit der | Schindtales und zur dort gelegenen Fleinen
jüngeren Steinzeit bald mehr, bald weniger | Nefropole geleitet. Bei einer Unterjuchung
beſiedelt. Wie bei den Ringwällen im | des nördlichen Einganges durch den Bor:
Taunus, bei den galliihen Städten Bibracte | ftand der anthropologiihen Sektion der
und Wlefia, waren die Siedlungen, d. h. | Bollichia (4. April) wurde auch hier an
die Hütten, auf Fleinen Zerraiien gelegen, | dem zum „Stallftadter Tälchen“ ziehenden,
die an der Nordoftjeite des Limburg-Berges | alten Fußwege eine weitere (5.) Tumulus:
zum Teil noch erhalten find und bis zum | Gruppe feitgeftellt. Sie beiteht aus einem
Tal herabreichten. Zahlreiche Neibfteine | Dugend Eleiner, 2-5 im Durchmefjer
beweilen, daß dieſe Uranfiedler Aderbau | haltender Hügel, an deren Peripherie noch
getrieben haben. Ein vor mehreren fahren | ftellenweije der urjprünglich vollftändig fon»
an der Limburg gemadter Schapfund | ftruierte Steinfreis wahrzunehmen ilt.
römifcher Denare, die meijt der republi- | — Nach den bei bisherigen Unterjuchungen
fanischen Zeit angehören und bis Gäfar | gemachten Beobachtungen gehören die
herabreichen, deutet an, dab verhältnis: | Eleinen Tumuli der äflteften Weriode
mäßiger Wohlftand unter den Limburgern | der Bermohnung der Heidenmauer an, der
berrihte. Die obigen Barallelmauern | Zeit des Ülberganges von der neolithijchen
bilden wohl den auf geficherter Seite ge- | Periode zur Metallzeit (— ältefte Bronze-
gelegenen Aufgang zur alt-galliihen Stadt. | zeit). Die 5 Gruppen von Grabhiigeln,
Eine zweite Siedlung aus der gleichen | die in der ſogen. „BZuringmauer” liegen,
Zeit lag nah Norden zu auf der 299 | deuten wohl auf d verichiedene Sippen
Meter hohen Heidenmauer oder Ring: | bin, welche die Ringmauer bewachten und
mauer, bewohnten. — Der Alrtertumsverein
Bad Dürkheim, 5. April. Das | Dürkheim wird in dieſe Frage durch
Gegenſtück zu der oben betrachteten „Befte | Grabungen bald die nötige Stlarheit bringen.
der Urzeit* auf der füdlichen Seite der | Die archäologıiche Wilfenichaft wird ihm
Iſenach, der befannten Yımburg, bildet hiefür Danf willen.
Gedenktage im Duli.
Geboren: 2, Nlopftof (1724). — | 18. Petrarka (1374). — 28. Joh. Seb.
20. Betrarfa (1304). Bah (1750), — 30. Fürft Bismarck
Geftorben: 2. 5%. J. Rouffeau (1778). , (1898).
Dnbalt: Hite und Durft. — Wie nehmen umfere Höhen ab? — Das Heufieber. — Über
die Ernte des Jahres 1905 in Bayern. — Archäologifhe Studien von Dr, E. Meblis. I. Archäo—
fogifches von Limburg und Heldenmaner bei Bad Dürkheim a. d. H. — Gedenktage. —
Schriftleiter : Lehier Ph. Sauth, Landftuhl — Bermann Kayſer's Derlag, Raiferslautern.
Tie „Pfalziſche Heimatkunde“ Lofer jährlich In 12 Heften ME. 2,50. Perellungen werden bon allen Buchhandlungen und
Voſtanſtalten ferner vom Berleger (Portofreie Streifbandjendung) angenommen.
II. Jahrgang.
August 1906.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
U)
L/
Yon den Behemmern.*)
Von Karl Bertram, Kaiferslautern.
Was ift nicht Schon von diefen geheim»
nisvollen Vögeln erzählt und über fie ge-
jchrieben worden! Und doch ift jo außer-
ordentlich wenig über fie befannt. Saum
weiß man, daß es ſich um gefiederte Winter-
gäfte handelt, die auf eine kurioſe Art in
den Wasgaumäldern geyagt werden. Scilde-
rungen ſolcher Behemmerjagden werden ja
immer wieder einmal „unter dem Strich”
oder in den Unterhaltungsbeilagen unjerer
Tagesblätter und auch jonjtwo dem lejen-
den Publikum aufgetiiht. Jedoch gewinnt
der nlüchterne und unbefangene Xejer aus
ihnen nicht immer die gewünſchte Klarheit
über den mirflihen Sadverhalt, weil an
die Stelle jchlichter, jahliher Mitteilung
meift eine phantafievolle, mitunter gar
pbantaftiihe Darftellung tritt, in melcder
auf das Objekt diefer abjonderlichen Jagd,
eben den Vogel jelbft, nur in allgemeinen
Wendungen und dunklen Andeutungen ein«
gegangen ift, dafür aber die mancherlei
Wunderlihfeiten und myſteriöſen Neben:
umftände um jo deutlicher hervorgefehrt
werden. Solche Darjtellungen find dazu
angetan, das Preſtige, defjen fich dieſe
Bogelart jeit alters bei uns erfreut, zu
feftigen und bei Fernſtehenden übertriebene
und falſche Borftellungen zu erwecken.
Nachfolgende Mitteilungen, auf dem Boden
ftrenger Sachlichkeit ftehend, zielen indes
durchaus nicht darauf ab, vormürfigen
Stoff jeines volfstümlihen BZaubers zu
entkleiden.
1. Begegnung.
Ein nebliger Oktobermorgen. Auf den
Feldern arbeiten die Leute in kleinen
Gruppen. Der ſchwache Nordoſt trägt den
herben Rauch des verbrennenden Slartoffel-
frautes berüber. In der Nähe geht ein
Pflug. Die lebten weißen Bachltelzen
trippeln zierlich in den Furchen. Obenhin
ziehen krächzende Naben: eine einzelne
Nebelkrähe, die erfte für diejes Spätjahr,
zeigt fi) dabei. In ernfter Würde fteht
die braune Wand des hHerbftlichen Laub»
hochwaldes. Schmärme von Kleinvögeln
fommen mehrmals vorbei und ziehen den
Waldrand entlang nah Weiten. Sekt
bäumt eine kleine Gejellichaft ganz nahe
bei uns auf. Es find Buchfinken, meift alte
Männchen. Die Menge der Weibchen und
ungen iſt fchon vor Tag und Woche vor-
übergefommen. Da dringt zwijchen den
befannten Rufen eine fremdartige Stimme,
eın vornehmliches, gezogenes „Quäck“ her-
vor. Wir haben Glüd heute; denn das
ift jchon der zweite Wintergaft, dem wir
) Nah den gründlichen und überzeugenden Ausführungen des Herrn Brof. Dr. Heeger
muß dieſe Schreibtweife al8 die mit den Qautgefegen unferer Mundart am beiten im Einklang
jtehende bezeichnet werden.
begegnen, der Bergfint oder Behemmer. | etwas früher als der ihrer Bettern,
Sie treffen immer etwa zur gleichen Zeit
bei uns ein, der graue Rabe und der
Behemmer, nämlich wenn der Winter vor
der Tür fteht. Wie nun die Fimkengeſell—
ſchaft in elegantem Fluge in ein Stoppel-
feld niederjchwenft, fünnen wir uns die
fremden Säfte näher betrachten. Es find
ihrer nur wenige. Das ungeübte Auge
unterscheidet fie zunächſt faum von ihren
Bettern, zumal nit nur in der Größe
und den Bewegungen fondern aud in der
Anordnung der Narben des Gefieders die
nahe Verwandtſchaft zum Ausdruf fommt.
Emfig juchen die Tieren nad) Nahrung
und nügen fo die kurze Raſt auf ihrer
weiten Reife, Doch jett fliegen fie auf,
durch unjere Annäherung unruhig geworden,
und wir fünnen nun die paar Bergfinfen
recht deutlich unterjcheiden, indem im Fluge
die charafteriftiiche weiße Färbung des
Unterrüdens hübſch zur Geltung kommt.
Wie enge die Stinder des Nordens im Fluge
zufammenhalten!
2. Bug.
Zweimal im Jahre ift der Behemmer
oder Bergfinf (Fringilla montifringilla, L.)
in unferen Gegenden eine gewöhnliche,
allerdings meift liberjehene Erſcheinung,
auch in folchen Jahren, in denen nur ver»
hältnismäßig wenige Individuen bei uns
überwintern: im Spätjahr (zweite Hälfte
Oftober und anfangs November) und im
Frühjahre (März). Als frühefte Herbitdaten
finde ih in meinem Tagebuche vermerft
den 26. X. 1902, den 14. X. 1903, den
10, X. 1904, den 11, X. 1905; als
legte Beobachtungsdaten im Frühjahre
jeien angeführt der 4. IV. 1900, der 2,
IV. 1901, der 26. Ill. 1903, der 30. III,
1904, der 23. II. 1905, der 9. IV, 1906.
Auf ihren großen Wanderungen ſchließen
fih die Behemmer gern wit verwandten
Arten, jo mit Grünfinfen und Bänflingen,
am liebften aber mit den Buchfinken zu—
fammen. Die BZugsverhältnifje der Be-
bemmer und Budfinfen*) wären völlig
die gleichen, fiele nicht der Herbitzug der
eriteren etwas ſpäter, der Frühjahrszug
*) 68 handelt fi bier nicht um unfere
beimifchen Brutvögel, fondern um Individuen
aus nördlicher gelegenen Teilen des paläarftljchen
Haunengebiets.
90 —
Auch
dauert der Hauptzug der Behemmer nicht
ganz ſo lange. Sind einmal die erſten
kleinen Verbände vorübergekommen, jo folgt
raſch Flug auf Flug. Nach 2-3 Wochen
iſt der Durchzug vorbei. Freilich kommt
es im Frühling nicht ſelten vor, daß ſich
der Zug durch eintretende Witterungs—
unbilden verzögert oder gar eine rückläufige
Zugsbewegung eintritt, wie dies gerade im
legten März infolge ſtarker Schneefälle
borfam. Wie bei den meiften Arten, welde
am Tage ziehen, ift auch bei den Bergfinfen
der Zug im Herbite gegen Weiten mit ge-
ringer Wendung nadı Süden, im Frühjahre
nah Oſtnordoſten gerichtet. Gewöhnlich
in den erſten VBormittagsftunden hat man
Gelegenheit ziehende Berg: und Buchfinken
zu beobachten. Es fommen dann an guten
BZugtagen mit leichtem Gegenwind oft
Tauſende vorüber. Die Behemmer mengen
fich vielfach unter die Buchfinfenflüge, bilden
aber auch jelbjtändige Verbände, Dieſe
find zumeift ganz loder: es zmeigen ſich
Zeile ab, neue Individuen und Gejellichaften
ſchließen fih an. Selten fommen Flüge
von mehr als 200 Eremplaren auf dem
regulären Zuge vor. Die Höhe beim Zuge
wechjelt ftarf, bald geht er fo hoch von—
ftatten, daß er ſich der Beobachtung völlig
entzieht und nur die Wanderrufe ſchwach
berabdringen, bald ziehen die Vögel nur
wenige Meter hoch über dem Erdfejten da-
hin. ine beftimmte Anordnung wie bei
Kranichen und wilden Gänjen ift nicht zu
erkennen. Der gewöhnlihe Ruf im Fluge
ift ein hartes „Jäck, jäd”, das der Be:
obachter bald von dem weichen „üb, jüb“
der Buchfinken untericheiden lernt. Cine
Trennung nad Gejchlehtern und Lebens—
altern, wie fie beim Buge der meilten
Vögel mehr oder weniger deutlih durch:
geführt ift, fällt bei unjerer Art nicht auf;
jowohl im Frühjahre als auch im Herbfte
trifft man Männchen und Weibchen, Junge
und Alte beifammen. Am Frühjahre haben
es die Wanderer fehr eilig: als mächtiger
Herricher waltet der Trieb, Plat zur Fort—
pflanzung zu gemwinnen, über ihnen. Im
Spätjahre meilen fie hingegen oft tage-,
ja wochenlang an zujagenden Ortlichkeiten.
Namentlich jcheint bei den zuletzt eintreffen-
den Flügen der Wandertrieb nahezu oder
—
ganz erlojhen zu fein. Gerade fie jind es
auch, welche im Falle des Borhandenjeins
ausreichender Nahrung, beionders bei reich-
fiher Buchenmaſt den Winter bei uns über-
dauern. Im zeitigen Frühjahre, meift ſchon
Ende Februar, jegt der Zug wiederum ein.
Auf den Feldern erjcheinen große Flüge,
Jetzt zeigt fich mitunter der Todfeind des
Behemmers, ein nordijches Fälkchen, das
auch in unferen Breiten überwintert, der
Merlin oder Steinfalf (Falco wesalon,
Tunst). Gelingt es dieſem gemandten
Näuber die Finken auf freiem Felde zu
überrafchen, jo muß in der Regel einer
von ihnen das Leben lafjen. In der erften
Hälfte des März vollzieht fi dann meift
jhon der Hauptdurchzug in der oben an-
gegebenen Richtung. Wenn die große
Menge der Buchfinfen vorüberfommt, läßt
der Zug der Bergfinfen jchon deutlich nach.
Sehr wertvolle Beobachtungen laſſen fich
an Tagen mit bejonders jchlehtem Wetter
— bei heitigem Gegenwind, niedriger
Zemperatur und ftarfen Niederichlägen —
anftellen, indem dann die Wanderer ge-
zwungen find den Zug zu unterbrechen und
zu raften. Dan jpridt in der Aviphäno-
logie dann von negativen Daten, welche
gleihlam einen Querjchnitt durch den
Strom des Frühjahrszuges zur Anfchauung
bringen, indem, was ſonſt unbemerft viel-
leicht in großer Höhe vorgegangen wäre,
jegt in den Bereich der Beobadhtung ge-
rüdt ift. Ein folder Tag mit „negativen“
Daten, war beiſpielsweiſe der 17. III. 1904,
Ich entnehme darüber meiner Arbeit über
den Frühjahrszug in der Rheinpfalz 1903
und 1904*): „Am frühen Morgen findet
bei leiſem Gegenmwinde jtarfer Zug ftatt
In der furzgen Beit von Th 20’ —8h
werden ca. 450 durchziehende Buch: und
Bergfinfen gezählt und geihägt. Es iſt
aber anzunehmen, daß vor 7 h20° jchon
Hunderte von Bögeln pajlierten, da um
7h20 der Bug jhon in vollem Gange
geweien ıft. Um 8h wird der Gegenwind
ftärfer und fälter. Cine großartige
Stauung der Wanderer auf den Adern
des Rotenberges ift die Folge. Mehrere
Flüge von 800—1000 Er. treiben ſich
*) Mitgeteilt in den „Berbandtungen der
Ornithol. Gefellichaft in Bayern Band V“, pap.
394 f. bei Guſtav Fiſcher, Jena.
91
umher. Auf einem auch während des
Winters von den Finkenvögeln bevorzugten
Acker iſt eine Geſellſchaft von ca. 3000
Tieren zuſammengedrängt, zu zwei Dritteln
aus Buchfinken, im übrigen aus Behemmern
beſtehend. Die Männchen von Fr. monti-
fringilla find jetzt ſehr ſchön ausgefärbt;
die lichten Federränder haben ſich abgeſtoßen
und Kopf und Rücken find infolgedeſſen tief-
ſchwarz.“ Ähnliche Stauungen, ja ein aus—
geprägter Rüdzug traten im heurigen
Frühjahre in Erjcheinung. So traf id
am 30. Mär; auf der Höhe des nod
ſchneebedeckten Königsberges eine nach vielen
Hunderten zählende Gejelliaft. Dies er-
mwähne id; deshalb eigens, weil die Männ-
chen lebhaft fangen, was in dem nod
winterlihen Wald aus jo vielen Kehlen
ih fremdartig anhörte und eine geringe
Vorftellung von der Ienzlihen Situation
eines nordiihen Birken» oder Föhren—
mwaldes wachrief. Der „Geſang“ des
Bergfinfen ift gegenüber dem jchmetternden
Sclage des edlen Finken eine recht geringe
Yeiftung. Gin Ereifchendes, an ähnliche
Laute des Grünfinfen und Sperlings er-
innerndes „Schrüik“ fcheint den Stern diejer
Gejangsleiftung auszumachen, zu dem nod
einige flirrende und zirpende Bfeiftöne
treten. Einen geradezu ohrenbetäubenden,
durch den Geſang taujender von Behemmern
verurfachten Yärm, mit welchem das Spek—
tafulıeren der Sperlinge, wenn fie um
Allerheiligen auf bevorzugten Bäumen ihre
großen Bolfsverfammlungen halten, gerade
nod) verglichen werden kann, hörte ich am 1.
April 1906 in dem nördlich unjerer Stadt
binziehenden Hagelgrundgehölz. Es war dies
die größte Behemmeraniammlung, melde
mir je hier vorgefommen ift. Cine genaue
Schätzung war ausgefcloffen; über 5000
Er. waren es fiherlid. Am folgenden
Tage war fein Stüf mehr zu hören noch
zu jehen. Zu der oben angedeuteten r lic:
läufigen Zugsbemwegung geben meift
ſtarke Schneefälle während des Frrühjahrs-
zuges Anlaß. Das war ihm Jahre 1901
der Fall geweien. Mitte März fonnte
man in jenem behemmmerreichen Nach—
winter feinen Vogel diejer Art mehr jehen.
Sie waren alle bei lauen füdmeftlichen
Luftitrömungen abgezogen. Seit 19. II.
übte ein ſehr Falter Nordoft feine Herr:
haft aus und bradte den Frühjahrszug
ins Stofen. Da lief am 26. III. neuer-
dings der Wind um; Weft- und Südmelt-
ftrömungen führten eine Menge Feuchtig-⸗
feit heran und überjchütteten während des
26. Il. und in der Nacht zum 27. II.
ganz Mitteleuropa mit Schnee. Das
führte dann den Rückzug herbei. Nad
Hunderten und Tauſenden wichen die Sing-
drofieln, Krammetsvögel, Feld- und Heide-
lerchen, Bud und Bergfinfen aus dem
Bereihe der zujammenhängenden Schnee-
dee zurüdf. Auch am 28., 29. und 30, Ill.
zeigten ſich allenthalben große Behemmer-
jhwärme. Mit dem 2, IV., nachdem die
Schneedefe wieder zufammergeichmolzen
war, verſchwand auch der lebte wieder.
Zum andern Mal jah ich Bergfinten auf
dem Nüdzuge am 2. Mär; 1904, wenn
fie auch damals nicht jo entichieden und
fopflos ausriffen als 1901 oder gar am
14. Mär; 1906. Gine fleine Epifode, aus
der früher zitierten, phänologiihen Arbeit
mwörtlih angeführt, möge die jchtwanfende
Haltung der Bergfinfen illuftrieren: „Auf
einer Scmarzdornhefe bei einem Hohl-
weg ſaßen ca. 40 Behemmer. Üben zog
eine etwas jtärfere Schar in geringer Höhe
darüber hin. Eifriges Locken beider Teile.
Die oben auf dem NRüdzug begriffenen
fcheinen unſchlüſſig, ob fie meiterfliegen
oder fich niederlafjen, die unten fißenden,
ob fie bleiben oder ſich anſchließen jollen.
Jetzt erheben fich einige, gefellen fih zu
ihren obenhin ziehenden Stameraden und
fuchen durch lebhaftes Locken und ermuntern-
des Umfliegen auch die übrigen zum Auf:
bruch zu bewegen. Dieje bleiben indeflen,
auch ihrerfeit® unausgejegt rufend, ruhig
auf ihrem Schmwarzdorn, mährend Die
ziehende Schar nad einem minutenlangen
Aufenthalte, während deſſen fie ohne Ord—
nung gejhwärmt, in der uriprünglichen
Richtung (S.-W.) meiterfliegt. Doch jekt
trennen fich die wenigen, die fich ihnen an-
geichloffen, ab und ehren wieder zur Hede
zurück.“
3. Heimat.
Über das Verbreitungsgebiet des Berg—
finken finden ſich in Meuen Naumann,
dem vollſtändigſten Werke, das wir über
die Naturgeſchichte der Bögel Mitteleuropas
befigen, folgende Angaben: „Ein nordiſcher
Bogel, der im Sommer die europäiſchen
und aftatiihen Yänder in der Nähe und
innerhalb des arftifchen Kreiſes bewohnt,
auf feinen jährlichen Wanderungen fich aber
auch über das ganze übrige Europa, bis
Griehenland, Jtalien und Spanien hinab
verbreitet und im den mittleren Teilen,
wie 3. B. in Deutihland dann ganz
beionders häufig vorfommt. In Schweden '
und Norwegen zeigt er fih im Sommer
und niftend erft da, wo die Feldlerche und
der Turmfalf aufhören dad Yand zu be»
wohnen, d. i. vom 65. Grad nördl. Breite
an, fehr häufig, und nimmt in den dor:
tigen Wäldern die Stelle unjeres Bud)
finfen ein und verbreitet ſich meiter jo
body nah Norden hinauf, ald es noch be-
deurende Waldungen gibt und die Bäume
nit gan; verfrüppelt ericheinen. Die
Waldungen des oberen Nordlands, Finnlands
und der Qappmarfen find dann überall ber
lebt von diejer Finfenart. (Zuſatz der
neuen Wuflage): Am Uralgebirge reicht
feine Brutzone bi8 zum 62, Grad nördl.
Breite. An Sibirien ift er überall jehr
häufig, brütet bis zum 50. Grad nördl.
Breite auf der Inſel Sadalin, in Kamt-
ihatfa und den nördlicheren Zeilen des
Umurlandes. Im Winter erjcheint er in
Japan, China, Turkeſtan, Afghaniftan,
Nordweit-Pendshab, Kleinafien und wurde
fogar, wenn auch jelten, in Algier und
Marokko beobadıtet.”
Bezüglich der Fortpflanzung weiß Nau:
mann folgendes anzugeben: „Ihre Weiter
bauen die Pärchen zerftreut im Walde auf
Pirfen wie auf Nadelbäume in die dichten
Zweige, auf einen jtarfen Aſt oder dicht
an den Schaft eines Baumes, in welcdem
Falle das Neft ſich an diefen anlehnt und
an feinem Boden von fleinen Äftchen
unterftügt wird, Es gehört unter Die
fünftlihen Nefter, befteht aus einem dichten
Gewebe von Moos und zarten Hälmden
und ift von außen mit den Flechten des
Baumes, worauf es fteht, jo ſchön be—
fleidet, daß es einem mit Flechten über»
mwachjenen alten Aſte vollfommen ähnlich
fieht und deshalb oft ſchwer zu entdeden
ift. Es bildet inwendig einen tiefen, am
Rande etwas eingebogenen Napf und ift
im Innern mit Federn und Haaren weich
ausgepolftert. Das Neft gleicht in allem
dem des Buchfinken jo volllommen, daß
fid) die nahe Verwandtſchaft beider Arten
auch hierdurch wunderbar ausſpricht.“
4. Uus dem Winterleben.
Darf der Bergfinf in den Zugzeiten
vorwiegend als Bogel des freien Feldes
gelten. wie die meiften übrigen Yinfenarten,
jo nimmt er doch im Winter wieder den
Laubhochmwald zum Aufenthalt. Hier findet
er auch jeine Lieblingsnahrung, die ölhal-
tigen Früchte der Buche. Geraten dieje
einmal ausnehmend gut, jo fann man mit
viel Beltimmtheit auf ein gute Behemmer-
jahr rechnen. Zu vielen Tauienden fallen
fie dann in die Buchenjchläge ein und ver-
urjachen lofalen Schaden, indem an ſolchen
Orten, wo die Behemmer gehauft, nad
Ausfage der Forftleute auf reichlichen
Samenaufſchlag aud in den beiten Maft-
jahren nicht mehr zu hoffen jei. Die Ge-
jäme, von dem ſich die Behemmer nähren,
auch die Bucheckern, werden von ihnen faft
ausnahmslos vom Boden aufgenommen.
Für Turn und Stletterfünfte, wie fie etwa
die Beifige auf den Erlen ausüben, fehlt
ihnen die nötige Geſchicklichkeit. Daher
fommen fie auch in große Berlegenbeit,
wenn infolge ſtarker Schneefälle der Boden
fid) tage oder wochenlang unter der weißen
Hülle verbirgt. Es gibt dann nur zwei
Auswege, entweder fich durch ichleuniges
Ausweichen nach fchneefreien Gebieten zu
retten oder aber mit den Goldammern,
Haubenlerhen und Buchfinken in Dorf und
Stadt einzurliden, wie dies in dem grim—
migen Februar 1901 gejchah, wo fie nad)
vielen Tauſenden die Straßen bevölferten
und mander unfundige Beobachter nicht
flug werden fonnte, woher plöglich die
vielen „artlichen“ Buchfinfen gefommen
fein modten. Wie andere Wintervögel
legen fie in folden Tagen der Not ihre
Scheu vor dem Menſchen faft völlig ab
und der Bogelfreund hat an dem Futter-
plag, den jie bald regelmäßig und in
mwachjender Anzahl befuchen lernen, Ge:
legenheit ihre nähere Bekanntichaft zu
madhen. Der Behemmer ift ein mürriſcher
Gejelle, auch gegen jeinesgleichen, fo jehr
auch während der Wanderungen und im
Winter der Gejelligfeitstrieb hHervortritt.
93
Beim Futterplag zeigen fi namentlich die
alten Männchen jehr zänkiſch, ftreiten unter
einander, vertreiben die ſchwächeren Buch:
finten und beißen fi mit den robujten
Sperlingen herum, die fi gern als Die
allein berechtigten Eigentümer der Futter:
ftelle auffpielen. Ihre große. Unerfahren-
heit im Verkehr mit dem Menjchen zeigt
fi) recht deutlih. Wir haben in jenem
erwähnten Februar bei einer ftarf frequen-
tierten Futterftelle in einem fleinen Hofe
inmitten der Stadt Landau die Berg—
finfen zu Dußenden unter dem Sieb ge-
fangen. Niemals ging ein Buchfinf oder
Grünling in die Falle, vom Sperling gar
nicht zu reden*) In große Flugfäfige
gebracht gingen die Gefangenen jofort daran,
dıe Tröge zu leeren, bifjen die jcheu aus—
mweichenden Stanarienmweibchen fort und jaßen
dann ganz behaglich auf der Stange. Nach
dem Leben im Freien ichienen fie gar feine
Sehnſucht zu haben. Als die jchlimmen
Tage vorüber waren, durften fie ſich wieder
der Freiheit erfreuen, Nur ein bejonders
Ichönes, altes Männchen hielt ich in einem
fleinen Bauer zurüd, um an ihm den Vor—
gang beim Farbenwechjel des Gefieders
genau zu beobadten. Diejer alte Herr
entpuppte fich aber als ein ſchlimmer Gaſt,
der meine Anweſenheit im Zimmer durd-
aus übel vermerfte und fich nicht eher be-
rubigte, bi$ ich den Käfig mit einem Tuche
verhing oder wegging, worauf er in meiner
Abweſenheit mit viel Hingebung fi mit
dem Futternapf bejchäftigte. Nach ca. vier-
mwöcentlicher Haft wurde er mieder in
Treiheit geſetzt. Er hatte no immer
feinen melierten Sopf und Oberrüden,
während die Bögel im Freien an diejen
Körperteilen jhon eine tiefichwarze Farbe
aufwiejen, worin ein Beweis zu erbliden
fein dürfte, daß die Abftoßung der lichten
*, Ganz ähnliche Erfahrungen teilt Herr
Dberjtabsarzt Dr. Gengler- Erlangen im
2. Jahresbericht des Ornith. Bereins Münden
(jegt Orn. Gef. in Bayern) mit pag. 19: „Die
Vertrauensſeligkeit des Bergfinken iſt großartig.
Ein Männchen, vor dem das Netz zuſchlug, ohne
es zu fangen, ging eine halbe Stunde darnach
ruhig in dieſelbe Falle und ließ ſich fangen;
die andern, die vom Baume aus zuſahen, flogen
nicht weg, ſondern beeilten ſich, ſobald das Netz
wieder in Ordnung war, auch hineinzuſpazieren,
m. die Buchfinfen alle Nee forgfältig
mieden.
Federränder fih unter dem Einfluß des
Lichtes (vielleicht des direften Sonnenlichtes)
vollzieht.
5. Yagd.*)
An Bayern ift nach Allerhöchſter Ber-
ordnung vom 15. November 1889 der
Bergfinf ausdrüdflich vom Vogelſchutz aus:
genommen. So erklärt es fi, daß noch
heute die vielleicht ichon Jahrhunderte alte
Pehemmerjagd im pfälziihen Wargau im
Schmunge ift, wenn auch nicht mehr in fo
ausgedehnten Maße wie früher, was viel-
leicht auf ein weniger ftarfes Auftreten der
Tiere zurücdzuführen if. Denfwürdige
Behemmerjahre leben in der Erinnerung
des Bolfes jener Waldgegender fort, So
jollen nad glaubmwürdigen Überlieferungen
in dem auch jonft ausgezeichneten Jahre
1811 die Behemmerichwärme die Sonne
verfinjtert haben und joll von denjelben
ein ohrenbetäubendes Getöſe ausgegangen
fein. Auch in den 60er Jahren des ver-
floffenen Jahrhunderts habe man forb-
und fadfmweife die Tiere nachhauſe ges
ichleppt.
Die furiofe Jagd ift ſchon fo häufig
beichrieben, daß ich mich kurz fallen darf
und mich wejentlich auf Eindrüde beichrän-
fen möchte, die ich ſelbſt auf einer jolchen
nädtlihen Exkurſion gewann, mwelder ich,
einer gütigen Einladung des Herrn Förſters
Fath in Birfenhördt bei Bergzabern nad)»
fommend, am 6. Februar 1901 beizu-
wohnen das Vergnügen hatte,
Haben ſich die Behemmer tagsüber in
den Buchenmwäldern gütlich getan, ſo er-
heben fie ſich etwa 1 Stunde vor Einbrud)
der Dunkelheit ın großen Schwärmen und
fuhen ihre Nadtquartiere in den meijt
mit jüngeren Fichten- und Siefernjchlägen
beitandenen Borbergen bei Bergzabern auf.
Diefe Stunde des „Schwärmens” verpaßt
der Behemmerjäger nicht. Geduldig ſteht
er draußen an einer verichneiten Berg:
lehbne auf der Lauer, jpähend, wo die
Schwärme niedergehen. Dies zu willen
ift infofern für ihn von Wichtigkeit, als
ihm das lange Suchen während der Nadıt
eripart bleibt. Doch geichieht es nicht
*) Teilweije unter Bernügung meiner Arbeit
„Böhämmerjagd im pfälziichen Wasgau“, mit-
geteilt in „Natur und Haus” XII pag. 360f
94
jelten, daß jchen eingejeffene Vögel aus
irgend welchem Grunde ihren Platz wieder
verlafien, um fich an einer anderen, ficherer
erfcheinenden Stelle, vielleicht ftundenmweit
davon entfernt, von neuem niederzulaffen.
Ber Gelegenheit des „Lauerns” fonnte ich
Schwärme bis zu 2000 Stüd fehen, doch
follen ftärfere Flüge feine Seltenheit jein,
Haben fih die Bögel auf ihren Sclaf-
bäumen beruhigt, ift auch die übliche Abend:
unterhaltung beendigt und jenft fi über
Berg und Tal die Naht, die echte, tiche
Wasgennacht, dann ift für den Behemmer-
jäger die Zeit zum Auszug zu rüjten. -
Dort zieht ein Trupp von drei bis vier
Leuten dem Walde zu, voran der „Schütz“
mit dem Blasrohr, dann der Träger des
Feuerbrandes, zulegt „Hammichel“*) mit
dem Harzholz. Das Blasrohr aus leid.
tem Holze, mit Ringen aus Birfen- oder
Kirichhaumrinde feſt ummidelt, hat eine
Länge von 1,80 bis 2 m und einen Durd):
meſſer im Lichten von durchſchnittlich 10 mm.
Als beite Rohre werden folde gerühmt,
melde innen mit Maulmwurfsiellen aus‘
gelegt find. Die Geſchoſſe find Lehmkugeln,
die genau dem Rohre angepaßt fein müffen.
Die Brände werden in einem halbfreis-
förmigen Korb aus eijernen Bändern nad)-
getragen, der an einem über meterlangen
Stiel getragen wırd. Das feuer unter-
hält „Hammidel”, indem er ın gewiſſen
Paujen friiche, mit Harz getränfte Späne
nadhlegt.
Es ift oft ein mühjames, ftundenlanges
Suden nad) dem „Wilde“ und diefes nächt—
Ihe Umberftreifen im Walde bergauf,
bergab iſt um fo geheimnisvoller, als
Yärmen und Reden möglihit vermieden
werden müſſen. Sind endlidy die Schlaf-
pläße entdedt, jo ift Stille um jo mehr
geboten. Die Brände werden hochgehoben,
jo daß die ahnungslofen Scläfer in
iharfer Beleuchtung erfcheinen. Der Schü
nimmt jene Kugel zwiſchen die Lippen,
jegt das Blasrohr an, zieht tief Atem,
zielt und ftößt gemaltfam den Atem aus —
das erſte Opfer liegt. In früheren Jahren
jolen gute Schügen auf dieſe Weiſe oft
weit über hundert Vögel ın einer Nacht
erlegt haben. Doch nur wenige Kugeln
*) Zupiiche Beitalt aus „Hedwig“, Roman
ı bon Auguft Beder.
find abjolut tödlich; in den meisten Fällen
müffen die armen Tiere erſt durch Kopf-
umdrehen oder Buhalten der Kehle „ab
getan” merden. Wehe, wenn ein Vogel
nur leicht gejtreift ift oder das Geſchoß den
Zweig trifft, auf welchem die Tiere fiten!
Einige jchreiend ausgeftoßene „Quäf, quäf”
genügen, um im Sandumdrehen die ganze
Situation zu ändern Die Schläfer er
wachen und „meithin im Walde, fo weit
man fieht und hört, brauft und raucht,
Ichreit und lärmt es aus den hohen ®ip-
feln der Bäume, daß man glauben möchte,
der milde Jäger, der Gott des Sturmes
und Wetters jelbit, fei im Anzuge.“ Die
verdugt daftehenden Behemmerjäger haben
da8 Nachſehen. Steiner will fchuld fein
und es entitehen die ergöglidhiten Wort-
gefechte.
Bei ſtrenger Kälte ſollen die Behemmer
dicht aneinander gepreßt ſitzen und die durch
Abſchuß entſtehenden Lücken durch gegen—
ſeitiges Zuſammenrücken wieder ſchließen.
So heißt es in Beckers „Pfalz und Pfälzer“:
Fühlen die Bögel im Schlafe eine Lüde,
jo rüden fie dumpf und leiſe zwitichernd
wie im Traume zufammen. Diejer Ge-
wohnheit verdanft der pfälziihe Sprach—
gebrauch das Wort „behemmern”,
Zum Schluſſe jei noch kurz zur frage,
ob es recht ift, daß mir die harmlofen
BWintergälte vom Bogelihug ausnehmen,
95 —
Stellung genommen. Wenn ja auch an»
erfannt werden muß, daß die Jagd auf
Behemmer nichts oder nur wenig gemein
hat mit dem Bogelmafjenmord in Südtirol
und Stalien, dab fie fogar mweit weniger
verwerflich erjcheint, als der Fang in Doh-
nen, wie er leider noch un fo vielen Orten
im Reiche floriert, jo muß fie doch aus
ethiichen Gründen bedauert werden. Kann
doch, um nur eines herauszugreifen, die
nicht zu umgebende Graujamfeit bei der
Abtötung der Tiere nicht. anders als ver-
robend auf das Gemüt, namentlich der
Jugend wirken. Möge daher bald die Zeit
fommen, da man die Jagd auf Behemmer
mit all ihrer Nomantif und Driginalirät
zu den Raritäten der „guten, alten Zeit“
zählt und ihrer vielleiht mit Wehmut ge-
dent. Freilich wird fih ein derartiger
volfstümlicher Sport nicht jo leicht aus-
rotten laffen, namentlih da man für den
Behemmer nicht das Mitgefühl wie für
unfere einheimischen Brutvögel bejigt,. „a,
der Behemmer ift doch fein Vogel wie die
andern!” hört man an Ort und Gtelle
jagen, wenn man zugunften des barmlojen
Geſellen plädiert. Berftände es der Berg»
finf, fi ald Zimmervogel beliebt zu machen,
dann wäre er fidher ein trauter Haus—
genoffe ın den Häuschen der Gebirgsdörfer
im Wasgau und mit dem Maflenfang für
die Küche wäre ed wohl bald vorbei.
Bie Flora der kleinen Kalmit bei Sandan.
Bon Prof. Dr. Heeger in Landau.
Eine fleine Stunde von Landau ent-
fernt, zwijchen den Dörfern Arzheim und
Ilbesheim erhebt fich die ſog. „Eleine
Kalmit“ (270 m Meereshöhe, aljo 120 m
höher als Landau). Der Name „Kalmit“
wird gewöhnlich von dem lateinischen Worte
calamitas (= Wetterſchaden) abgeleitet,
Über die Kalmit fommen vom Gebirge her
die verheerenden Wetterftürme, Regen- und
Hagelichauer gezogen. Zum Schuge gegen
diefelben wurden früher bier hohe Wetter-
freuze errichtet, und die von den Bemoh-
nern Arzheims zur Höhe hinauf veran-
ftalteten Prozeſſionen hatten urſprünglich
nur den Bwed, drohendes Wetterunheil ab-
zuwenden. Der Berg war einft den Wetter
gottheiten geweiht; Hier hatten nah dem
heidnifchen Bolksglauben die Wetterheren
ihren Sig. Eine Stelle in der Nähe der
Kapelle, die den Gipfel frönt, heißt „Deren:
plag”. Die Franzoſen nannten die aus
weißem Salfgeftein beitehende Kalmit „le
rocher blanc* (= der weiße Felien).
Der Name „Kalmit“ ift jedenfall ver-
hältnismäßig jung; der ältefte germanifche
Name diejer prächtigen Höhe war, wie ich
ein andermal nachzuweiſen verjuchen werde,
wahrſcheinlich „Kapfer” oder „Kaffenberg“
d. h. Schauberg, und diefe Benennung
würde zu der wundervollen Ausficht, die
man da droben hat, vortrefflih ſtimmen.
Des herrlihen Blides wegen wird Die
Kalmit viel befucht. Der Naturfreund, den
die Liebe zur Natur zum tieferen Studium
derjelben geführt hat, wird hier des An
ziehenden noch mehr finden; bejonders zwei
Dinge werden ihn immer wieder hierher
loden: die geologifhen Berhältnifje
und die Flora.
Geologiſch ſtellt die Feine Kalmit einen
Tertiärfalfhügel dar, der hier die
höchſte Erhebung des dem Gebirge vorge
lagerten Hügellandes bildet. In dem Kal:
geitein, da8 dem jlingeren Tertiär angehört,
trifft man zahlreiche Einjhlüffe von Land»
fchneden, namentlih Helixarten (Land-
ſchneckenkalk), daneben finden ſich auch Ein-
ſchlüſſe von Meerestieren, 3. B. Eerithium-
arten (Cerithienkalk).
An botanifcher Hinficht hebt fich die
feine Kalmit ganz ſcharf von ihrer Um—
gebung ab. Mag man von Dften her, aus
dem Quartärgebiet, oder von Weften her,
aus dem Gebiete der Trias mit dem be-
jonders mächtig entwidelten Buntfandftein
fommen, ſtets wird die Eigenart der mie
mit einem Bauberfchlage veränderten Flora
fh auffällig bemerfbar maden. Der
Lehrer, der feinen Schülern deutlich vor
Augen führen will, in welch hohem Maße
das Begetationsbild von der Bodenbeichaffen-
heit abhängt, kann faum eine lehrreichere
Erfurfion machen als die nad der kleinen
Stalmit.
So wird es vielleiht manchem Natur:
freunde und Lehrer willlommen fein, wenn
ich im folgenden die charakteriftifchen Pflan«
zen der fleinen Kalmit, ſowohl des nod)
brach liegenden Geländes ald aud der an—
grenzenden Weinberge und Üder, aufgrund
eigener botanifcher Erfahrung kurz zu:
fammenftelle.
1, Ranunculaceae.
Anemone ranunculoides L.
Gelbes Windröshen. Mpril. In
Weinbergen an den Südhängen der Kalmit
in großer Menge, bis gegen Wollmesheim
bin. Auch auf Wieſen an der Straße von
Wollmesheim nad Ylbesheim.
Pulsatilla vulgaris Mill. (= Ane-
mone Pulsatila L) Küchenſchelle.
März, April, Auf dem unbebauten Ge—
lände in großer Menge. Die Leute nennen
fie vielfah „Kalmitblume”, ein Beweis,
96
pn
wie dharafteriftifch fie für die Kalmit ift.
In Arzheim nnd Ilbesheim ift der volfs-
tümlihe Name „Gadelsblume“.
Adonis flammea Jacq. Bluts
tröpfchen. Juni, Juli. Auf Adern, zu»
ſammen mit der häufigeren Adonis
aestivalis L.
Clematis Vitalba L. Waldrebe.
Juni — Auguft. Un den unbebauten Hängen,
bejonders in der Nähe der Heden häufig.
2. Fumariaceae.
Fumaria Vaillantii Lois. Erd»
raud. Mai— September. Auf dern
jehr Häufig. Seit Jahren beobachte ich,
wie dieſe Pflanze in beftändigem Bor-
dringen begriffen ift und jchon in der Nähe
von Landau die häufige Furnaria offi-
einalis L. immer mehr verdrängt. Die
gleihjalls Falkliebende Fumaria parviflora
Lmk., die ich vor Yahren auf dem nahen
Dörrenberg entdedte, habe ich im Gebiete
der Fleinen Kalmit bisher nicht gefunden.
3. Cruciferae,
LepidiumDrabaL. Pfeil Kreſſe.
Mai, Juni. In Weinbergen jtellenweije
in großer Menge, und immer weiter um
fich greifend. Die Pflanze ift in der Gegend
bei Ilbesheim und Wollmesheim bereits
ein läftiges Unfraut gemorbden. -
Camelina sativa Koch. Leim
dotter. Juni, Juli. Auf Adern häufig.
Thlaspi perfoliatum L. Durch—
wacjenes Pfennigkraut. März — Mai,
Überall häufig.
Alyssum calieinum L. Kelch—
Steinfraut. Mai— September. Sehr
häufig.
4. Linaceae.,
Linum tenuifolium L. Dünn
blättriger Lein. uni, Juli. Auf
dem unbebauten Gelände fehr häufig.
5. Umbelliferae.
Trinia glauca Dumort.
dolde. April, Mai,
Scandix
Nadelkerbel,
fehr häufig.
Daar
Jetzt ſehr felten.
Pecten Veneris L.
Mai, Juni. Auf Adern
6. Papilionaceae.
Lathyrus Aphaca L. Ranken—
platterbje. Juni, Juli. Auf Adern.
7. Gentianacenae.,
Gentiana ciliata L. Franſen—
Enzian. September, Dftober. Auf dem
unbebauten Gelände jehr häufig.
8. Scrophulariaceae.
Veronica Teucrium L. Breit:
blättriger Ehrenpreis. uni, Zuli.
An den unbebauten Hängen, bejonders in
der Nähe von Gebüſch häufig.
Veronica präecox All. rüber
Ehrenpreis. April, Mai. Auf Adern
und in Weinbergen häufig.
9. Orobanchaceae.
Orobanche caryophyllacea Sm.
Nelfenfommermwurz. uni, Juli. Auf
Galium ſchmarotzend. Die Pflanze, die an
dem ausgeiprochenen Nelkenduft leicht er:
fannt werden fann, findet fi in verein-
zelten Gremplaren an den unbebauten
Stellen des mweftlihen Hanges. Dajelbft
finden ſich au Orobanche Piecridis
F. Schultz (auf Pieris hieracioides), O.
rubens Wallr. (auf Medicago falcata
und sativa).
10. Labiatae.
Teucrium Chamaedrys L. Ga—
mander. AYuli, Auguſt. Am Hohlwege
bon der Arzheimer Kapelle zum Gipfel,
rehtd. Auf dem unbebauten Gelände
häufig.
Teucrium Botrys L. Trauben-
Gamander Juli, Auguft. Auf dem
Schutt der Kalkſteinbrüche, auch auf be
bautem Lande in der Nähe der Stapelle
auf dem Gipfel. Nicht mehr jo häufig wie
früher. An den fiederjpaltigen Blättern
leiht von der vorigen Art zu unterjcheiden.
Ajuga Chamaepitys Schreb.
Gelbblühender Günſel. Juni— Auguft.
In den Wderfurden in der Nähe des
Gipfels.
Stachys recta L. Aufrechter
Zieſt. Juni— September. Auf den brach—
liegenden Stellen häufig. Es iſt dies das
in der Landauer Gegend und auch ſonſt
in der Pfalz geſchätzte „Abnehmekraut“,
97
das als das befte Heilmittel gegen Ab»
magerung (= Abnehmen) angejehen wird,
In gleiher Weife wird aud) Stachys annua
L. verwendet, die ich vor zwei Jahren auch
auf Adern bei Landau entdedt habe.
Bon fonftigen Labiaten find noch be-
fonders häufig auf der Kalmit zu finden:
Calamintha Acinos Clairv. und
Galeopsis Ladanum L.
11. Rubiaceae.
Asperula cynanchia L. Rain
Waldmeifter. uni, Juli. An rafigen
Stellen ſehr Häufig.
12. Compositae.
Chrysanthemum corymbosum
L. Traubige ®Bucderblume. uni,
Juli. An den weftlichen Hängen in Menge.
Anthemis tinctoria L. Färber-
Kamille. Juli, Auguſt. Sehr häufig.
Aster Amellus L. Berg-After.
Auguft — Oftober. Un: den unbebauten
Stellen jehr häufig.
Cirsium acaule All. &tengel:
loje Krapdiftel. Juli September. Wie
vorige, jehr häufig.
Crepis taraxacifolia Thuill.
Lömwenzahnblättriger Pippau. Mai,
uni, Auf bebautem Lande, an Weg:
rändern, auf Rafenplägen.
13. Liliaceae.
Muscari neglectum Guss. Über
jehene Muskathyazinthe, April, Mai,
In Weinbergen und auf Adern. Etwas
jpäter findet man auch dajelbft Muscari
comosum Mill.
Anthericum ramosumL. üſtige
Graslilie Juli. Auf der Weftfeite in
Menge.
Gagea pratensis Schult. ®iejen»
Goldftern. April, Mai. Auf dern
und in Weinbergen.
Allium rotundum L. Wunder
Laud. Juni, Juli. In Weinbergen und
auf Adern.
14, Orchidaceae.
Ophrysaranifera Huds. Spinnen»
Ragmurz. Ende April, Mai. Auf dem
unbebauten Gelände in manden Jahren
häufig.
Be
Ophrysmuscifera Huds. Fliegen- | toxicum officinale Mnch., Ana-
Ragmurz Mai. Wie vorige, aber | gallis coerulea Schreb, Specularia
ziemlich jelten. Speceulum DC.,SambueusEbulusL.
Ophrys apifera Huds. ift vor meh | In neuerer Zeit wurde die von Schulg
reren Sahren zum legten Mal auf der | für das Gebiet der Kalmit verzeichnete
Kalmit gefunden worden. Die von Schul Thymelaea Passerina Coss. u. Germ.
als dort vorfommend angegebene Ophrys nicht mehr gefunden.
fuciflora Rchb. habe ich bis heute ver: An Kryptogamen find bemerkenswert:
gebens gejucht. Die Mooje: Hylocomium chrysophyllum
PlatantheraviridisLindl. Grüne | Brid. Hypnum molluscum Hedw. Hyp-
Stendelmwurz. Mai, Juni, Auf Rajen- | num rugosum Ehrh. Encalypta strepto-
plägen. carpa Hedw. Barbula tortuosa Web.
Außer diejen finden fich auf der Salmit | u.M. Die Flechten: Cladonia endiviae-
noch die folgenden bemerfenöwerten Bhanero- | folia Fr. Cladonia turgida Hoffm.
gamen: Carlina vulgaris L., Vince- | f
Archäologiſche Studien.
Bon Dr. €. Meblis.
IV. Mejolithifhe Fundftelle in der Rheinpfalz.
Eine ſolche wurde vom Berichterftatter | plaftiichen Verzierungen und der farbe des
vom September 1905 bis Ende März 1906 | Tones dem Laufe der 3. Jahrhunderts an.
auf dem Böhl, einer Gewanne zwilchen | Dieje Nefie fjelbit find wohl als Studien
Neuftadt a. H. und Mußbach feitgeftellt. | eines römischen Urnenfeldes zu betrachten.
Nah der Anficht des Direktors der fgl. | In 60—80 cm Tiefe ftieß man unmittel-
Obſt- und Weinbauſchule zu Neuftadt, | bar auf den „gewacjenen” braunroten
Dr. Zſchokke ift die Lage des Fundplatzes Lehm, auf Anzeichen eines Feuerherdes,
für eine Frühanfiedlung jehr günſtig, E8 | an dem angebrannte Herdfteine, zerichlagene
handelt fih um ein kieſiges Terrain, das | Stiefel, ein roter, fchlechtgebraunter Ton-
in Blateauform unmittelbar am Ufer des | jcherben ufw. lagerten. An jeder der beiden
Speyerbacdhes gelegen ift und nach Süden | Fundftellen ftieß man auf einen der be-
zu abfällt. Die Fundſtücke beitehen in | kannten rot bemalten Stiefel, jodaß deren
eigentümlich roh bemalten, meift weiken | Provenienz durch dieje Lagerung als ge
Kieſeln, die verfchiedene Figuren, bald in | jichert ericheint. Charafterifiert ift damit
Geſtalt von Bilderzeihen (Bogen, Kreuz, | die ältefte unterfte Schidytung 1. durch
Hacke, Plug (?), Dreieck, Schild ujm.), | zahlreiche angejchliffene und ungeichliffene
bald in Geſtalt buchitabenähnlicher Formen, | primitive Werfzeuge, bergejtellt aus Ge:
beionders M, E, O1 uſw.) aufweifen. Nah | jchiebeftüdfen und Geröllfteinen des mittel:
Unterfuhung von fompetenter Stelle ift | rbeinifchen Diluviums, 2. durch angebohrte,
diefe Farbe fünftlich aufgetragen und unter | öfters mit roter Füllung verjehenen Kiejel,
den Figuren als plaftiicher Auftrag erfenn- | 3. durch die galets coloriees, die 3. T.
bar. Dr. Röhl und Dr. Wiljer haben die | als Anhänger gedient haben, 4. durch ſehr
zweifellofe Echtheit der Bemalung aner- | \eltene Beigabe roher, unverzierter Töpfer:
kannt. ware, — Bon diejen meſolithiſchen Schichten
Bon bejonderer Wichtigkeit für die ur- | wurde die erfte im Rheintale am „Böhl“
jprünglide Schichtung am „Böhl” waren | bei Neuftadt a. H. nah mehr als halb»
zwei Grabungsverjuche, der 1. am 27. | jähriger Arbeit feitgeftellt. Zwei Einzel»
Dftober, der 2. am 1. Dezember. In der | funde haben jchon vorher auf die Eriftenz
Tiefe bis zu 30 em fanden fi) an beiden | emer folchen Anfiedelung bingedeutet. Bes
Stellen (Nr. 47 u. 62) Stüde von Tegulae | ginn der 0er Jahren fand Theodor Schaaf,
hamatea und bejjeren Sigillata auf. Dieje | Gutsbefiger in Winzingen, bei landmirt«
römifhe Schichtung gehört nah den | jchaftlichen Arbeiten, ca. 25 cm vom „Eleinen
Böhl” entfernt, in einer Tiefe von 3 m
6 rohe, aus Tonmulften beftehende Netz—
beſchwerer auf, wie ſolche häufig in den
Pfahlbauten der Schweiz vorkommen, Sie
lagen in einer geraden, mehrere Meter
langen Linie, offenbar jo, wie vor Jahr—
taufenden das hiezu gehörige Fiſchernetz
lief (2 Eremplare in den Muſeen zu Speyer
und Pad- Dürkheim). Bor etwa 8 Yahren
wurden bei landwirtſchaftlichen Arbeiten
auf dem „Böhl“ zwei neolithifche Anhänger
ausgegraben. Der eine beiteht aus einer
länglichen, abgeichliffenen Platte aus Kiejel-
ichiefer, der oben zum Durchzichen einer
Sehne gelocht iſt. Der andere in einer
primitiven „Berle”, zu der man einen
natürlich durchbohrten fchwarzen, abgerun-
deten Geröllftein benüßt bat. Alſo aud
bier wieder ift mie bei den im Jahre 1905
bier gewonnenen Fundftüden, die ftrifte
Benüßung der aus der diluvialen Rhein:
ſchotterterraſſe herausgeſuchten Gerölle zu
beachten. Das erſte Objekt iſt wohl als
ein aus dem Süden (Schweiz oder Mittel—
meerfüfte?) importiertes Kunjtproduft zu
betrachten. Beide Fundplätze charafteri-
fieren den ganzen Horizont der fogen.
„meſolithiſchen“ Kultur jo gut wie die vom
Berichterftatter durch Nachſuchen und Nadı-
graben gewonnenen Refultate! Die be-
malten Kiejel von Böhl bei Neuftadt
a. 9. haben nad) Mitteilung von Dr. Wiljer-
Heidelberg ein Gegenftiif aus Südfranfreic
erhalten und zwar außer der befannten
Fundſtelle Mas-d’Azil. Das vorlegte Heft
der Barifer Beitichrift: „Anthropologie“
(1905 45, Heft) bringt Nachrichten über
durchbohrte Kieſel aus der Höhle von Lacove
und über jchriftähnliche Zeichen aus den
Wandmalereien der Höhle von Marsoulas
(Südmeitfranfreih). — Die Arbeit über
die Böhler Funde, die zweifellos der mejo-
lithiſchen Stufe angehören und nad dem
Urteil von Sanitätsrat Dr. Köhl, der fie
jüngft befichtigte, mit der neolithifchen
Beriode nichts zu tun haben, erichien joeben
in der Beitfchrift „Slobus” (1906 Nr. 11)
mit Photographien, Situationsfarte und
Abbildungen ſowie mit Tert.
Außer den Siefeln mit Bemalung find
zahlreihe, rohe Werkzeuge in der
gleihen Schichtung und an ca. TO Fund:
jtelen (vgl. Kartenjkizze im Globus, Bd.
89, ©. 171), ebenjo zwei primitive Mahl:
fteine mit einem Klopfer aufgefunden worden,
Die erfteren find weder völlig geichliffen,
noch völlig behauen, fondern angeſchliffen
und angehauen und nehmen, wie die eben
erwähnten ſüdfranzöſiſchen Funde, eine
Mitteljtellung zwiichen palaeolithiijhem und
neolithiichem Gebrauchswerfzeug ein. Dieje
Werkzeuge dienten nah ihrem Wusjehen
als Haden, Pfriemen, Schaber, Wet und
Schleiffteine, tlopfapparate, Mefler (?) uſw.
Zahlreihe Nuclei und angejchlagene Kieſel,
Grauwaden-Findlinge, Melaphyre, Bafalte
zeugen einerjeit® von der Findigfeit diejer
rheinifchen Urbewohner, andrerfeitö von ihrer
manufaftuellen Tätigfeit. Eine rohe, braune,
unverzierte Tonſcherbe, die in 60 cm Tiefe
an einem Feuerherde lag, beweift, daß diejen
Meiolithifern die Kunft des Tonformens
nicht völlig fremd war. Der rätjelhafte
Hiatus, der bisher zwijchen der Renntier—
periode, die auch in der Pfalz (Neuftadt:
Landauerftraße), in Baden (Terniberg bei
Freiburg i. Br.) und im Elſaß (Bölflins-
hofen) vertreten ift, d. h. der palaeolithifchen
Steinzeit und der neolithifchen Periode, welche
die erften Kulturelemente in das Rhein—
tal gebracht hat, beftand, ift durch die jüdmweft-
franzöfifchen Befunde und die Böhler Fund-
ftelle aus der mejolithijchen Zeit, wenn nicht
überbrüdt, jo doch 3. T. ausgefüllt. Bmeifel-
los kamen diefe erften Einwanderer aus
dem Süden in das Mittel-Mheintal, wofür
ihon der Mangel an Siler ($lint-Jwerf-
zeugen Zeugnis ablegt. — Die Böhler
Funde wurden bereits zumteil im Mufeum
der PVollihia in Bad-Dürfheim aufgeftellt,
wo fie der meiteren Forihung als ein-
wandfreies Material dienen können. —
Noch immer werden in Böhl weitere Funde
gemacht. Unter letteren ift ein weißer
Kiefel von 8,5 cm Länge bemerkenswert,
der auf einer Seite einen fünftlichen, 5 cm
langen Einfchnitt für eine Schaftung birgt.
Der vorn abgenutzte Kiefel diente mwahr-
icheinlich als Bodenhade. Außerdem ift er
am oberen Ende mit drei Zeichen rot be
malt, von denen das dritte das Werkzeug
jelbft: Hacke mit Schaft darftellt. Eine
zweite, gleichlange Bodenhacke trägt au]
ihrem Rücken ein 5 cm langes, pflugähn-
liches Zeichen in roter farbe. — Trügen
nicht alle Anzeichen, jo trieben dieje erften
Anfiedler im Rheintale bereits den Hack—⸗
bau zur Gewinnung von Bodenfrüchten.
Ihre Wohnungen beftanden in leichtgebauten
Hütten, deren Herde noch in situ zwiſchen
Kies und Lehm angetroffen worden find.
Soweit der Tatbeftand von „Böhl”. —
Bur Chronologie ift noch folgendes zu be-
merken: M. Hörnes hat in feinem Werke:
„Der diluviale Menſch in Europa”, ©. 92
den bisher unüberbrüdten Hiatus zwiſchen
Palaeolithikum und Neolithikum durch obige
und ähnliche Horizonte (Campignien uſw.)
für überbrückt erachtet und zwar für einige
Gebiete Italiens und Frankreichs. Durch
die Unterſuchungen am „Böhl”, die eine
bor der eigentlichen neolithifchen Kultur
100° —
liegende, jedoch an ihren Beginn zu ftellende
Schicht nachgewieſen haben, wird auch für
die Mittelrheinlande eine folde Übergangs-
periode nachgewiejen und zwar mit den-
jelben Kulturerfcheinungen, melde die ent-
fprechenden Horizonte in Südmweftfranfreich
(Mas d’Azil, Abei Dufaure u. a.) auf«
weiſen. Auch die neolithiiche Kultur, die
bochentwidelt bei uns im Rheinlande auf-
tritt, hat jomit ihren Vorläufer gehabt.
M. Hörnes, J. Evans u. a. find übrigens
einig, daß Bölferfrämmen, die vom Mittel»
meer ber längs der Rhöne in dad Rhein—
tal ald Jäger und Hirten eindrangen,
diefe meolithiichen Ur»Anfiedelungen zu
danken find.
Sirkingen vor Wormbs,
Ein luſtigs newes Died, wie er zu herbſt 1515 dor Wormbs zu beld gelegen.
Bon Dr. Carl Puſch.
An ainem berbitag morgens frub
ruckt Frank uf Wormbs, die reichsftatt zu;
mit fartaunen iſt und ſchlangen
er ihr Hart zu leib gegangen.
Er wollt’ ben Wormbfer guoten mein
ſich Heuer ſelwer herbſten ein,
und thet, um ihn nachhauß zu tragen,
im Wormbſer veld ſein lager ſchlagen.
Derweil er vor den thoren lag,
ließ nimmer er mit ſchießen nad);
er thet zwar arg geberlich fchleßen,
bie Wormbfer kunnt's nit jehr verdrießen.
Man fah fie uf der mauern ftahn,
und heimlich's lachen fam fie an;
ihr wein that fchon feit wochen ruhen
im feller tief in hölzen truben.
Denn farrer wein mächt größern ſpaß,
als noch jo volles maflerfaß:
fo dachten ſchlau die Wormbfer eben
und ſchnitten unzeit ihre reben.
Und der euch dieſes lied trug vor,
ber ftobt uf dem Andreasthor
und thet's wie alle Wormbfer machen,
thet weidlich über Franken lachen.
Gedenktage im Auguft.
Geboren: 7. Karl Ritter (1779. — 11. Fr. 2. Jahn (1778. — 25. Herder (1744). —
28. J. W. Goethe (1749). — Geftorben: 14. Herbart (1841).
4. Schlacht bei Weißenburg; 6. bei Spichern und Wörth; 18. bei Gravelotte. — 1875:
— 27. Korner (1813). — 1870:
16. Ent⸗
bülung des Hermannsdentmals im Teutoburgerwald.
Motiz: Unfer Wolf: Artikel muß leider nochmals zurüdgeftellt werden.
(D. Sch.)
DInbalt: Bon den Behemmern.
Landau. Bon Prof. Dr.
Bon Karl Bertram. — Die Flora der Fleinen Kalmit bei
Heeger. — Arhäologlihe Studien von Dr. C. Meblis. IV. Mejotithiiche
Funbftelle in der Ahetnpfalz. — Sickingen vor Wormbs, Gedicht von Dr. E. Puſch. — Gedenttage.
Schrifileiter :
Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl. — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find Me Herren Verfaſſer verantwortlich.
Die „Pfälgiiche — toſtet jährlich in 12 Heften mt. 2.50,
Berellungen werden bon allen Buchhandlungen und
oftanflalten ferner nom Berleger (Bortofreie Etreifbandfendurg) angenommen.
Nummer 9
September 1906.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
W
2
MONATSSCHRIFT
—
MAN EA
FÜR SCHULE UND HAUS.
Bie Battenberger Oxydröhren.
Von Karl Wagner.
Am öftlihen Abhange des Battenbergs
ericheint der Sandftein auf eine jonderbarc
Weije mit Brauneisenftein (Eiſenoxydhydrat)
verbunden. Zuweilen durchziehen dünne,
wellenförmig gebogene Lagen von Braun:
eijenftein der Sand, oft laufen mehrere
ſolcher Lagen übereinander hin, begegnen
fih in Wellenbiegungen und bilden chylin«
driſche meift etwas plattgedrüdte Röhren,
welche den dazmijchen liegenden Sand um:
ichlıeßen, bisweilen aber auch aus Braun»
eilen beftehen. Oft find die Röhren viel-
fach verzweigt und jtellen verjchiedene
Formen und Geftalten dar, die für den
erſten Augenblif zu Mikdeutungen Anlaß
geben können.
Über die Entftehung diefer Röhren wur:
den verjchiedene hypothetiſche Anlichten
ausgefproden. Anfangs hielt man jie für
Bligröhren. Daher auch ihr Name. Die
Bligröhren beftehen aber nicht aus Braun»
eijenftein, jondern aus gejchmolzenen Quarz
förnern und find inmwendig emailartig und
außen rauh und hörferig und haben meiſtens
einen geringen Durchmeſſer.
Andere ſchrieben die Bildung derjelben
Burzeln zu, um melde ſich eiienhaltiger
Sand gelagert oder legten ihnen eine Kalk—
bildung zugrunde. Vulkaniſches Produft
fönnen dieje Röhren nicht fein, da Spuren
einer vulkaniſchen Tätigfeit fich nicht vor-
finden.
Was die Anficht betrifft, dak die Röh—
ren ſich durch Ablagerung eijenhaltigen
Sandes an Wurzeln gebildet hätten, fo
fann ſich nur jemand zu diefer Anficht ver-
irren, dem eine richtige Anſchauung abgeht;
denn es läßt ſich nicht erflären, wie durd)
Ablagerung eijenhaltigen Sandes an Wur—
zeln etwas plattgedrüdte zylindriiche Röh—
ren don mehreren Metern Länge und 10
bis 15 cm Durchmeſſer entitehen, ſich
fleinere Röhren, von größeren umgeben,
bilden und dann die Wurzeln gänzlich ver:
ſchwinden fönnten, Noch nie fand man im
Innern der Röhren Beftandteile von Wur-
zeln oder anderen Bflanzenteilen. Ebenſo
menig zeigten fich bei Anwendung von Säuren
Spuren von Kalt. Es ift daher die An-
fiht, daß der Röhrenbildung eine Salfbil:
dung zugrunde liege, gleichfalls eine irrige,
jelbjt dann noch, wenn angenommen würde,
daß der Kalk vollftändig vom Waſſer fort:
gelührt worden wäre, weil die Röhren an
Stellen gebildet wurden, wo fein Salt
vorhanden iſt. Unterjucht man die Röhren
genauer, fo findet man, daß fie durd; Waſſer
gebildet wurden, Man fieht, wıe der Waſſer—
ſtrahl von oben eindrang, ſich oft in meh—
rere Äſte teilte und allmählich verlief.
Das Waſſer, welches auf jeinem Laufe
Eiſenoxyd aufnahm, fiderte durch den Sand
und es bildete fi an der äußeren Fläche
des Waflerftrables, der zylinderförmig und
— 12 —
wie der Waſſertropfen etwas gedrüct ift, | aufnehmen, da dies im Waller unlöslid
Brauneifenftein (Eiſenoxyd-⸗Hydrat), welcher
mit etwas Sand vermijcht, zu einer harten
Rinde erhärtete.
Am Südabhange des Battenbergs wer:
den die jchönften und mannigfaltigjten
Röhren gefunden, weil das Wafjer über
diefen Abhang feinen Weg uach dem Tale
nehmen mußte und auf feinem Laufe Eifen:
oryd vorfand, mit welchem es ſich zu Eifen-
orydhydrat verband. Gelangte das Wafler
auf feinem Laufe an Steine oder irgend
einen anderen Widerftand, jo fand eine
Ablenkung oder Teilung des Strahles ftatt
und es bildeten ſich alsdann verſchiedene
Verzweigungen und VBeräjtelungen,
Die Röhren hängen entweder mıt den
wellenförmig gebogenen Lagen von Braun-
eijenjtein zufammen, oder enden im Sand,
wo ihre unteren Teile nur wenig Eiſen
enthalten und ſich leicht zerbrödeln laſſen.
Legtere find ziemlid dünn und wurden
daher von ſchwachen Wailerjtrahlen, melde
ihren Eijengehalt größtenteil® oben abge-
fett hatten, gebildet, während jene, die mit
den wellenfürmigen Lagen von Brauneijen
ftein zufammenhängen, größer und dider
find und daher. durch größere und längere
Beit fortdauernde Strömungen fich bildeten,
wo das Waſſer in der Tiefe durch den
Drud der hohen Waflerfäule und die Boden:
verhältniffe begünftigt, ſich in horizontaler
Richtung wellenfürmig zuverbreiten fuchte. (?)
Mit der Ablagerung des Oders in der
Tertiärzeit hat auch die Bıldung der Röhren
begonnen und hat bis auf unjere Zeit fort:
gedauert, Weſtlich und nördlich ver«
ſchwinden die Röhren und die Buntjand-
fteinform tritt auf. Die Röhren werden
zu Gartenausichmüdungen verwendet. In
Dörfern und Städten der Rheincbene, in
einigen VYehrerbildungsanftalten, aud) in Bad
Ems findet man Battenberger Orydröhren.
Vorftehende Abhandlung ift nad Auf:
zeichnungen des verftorbenen Volksſchul—
lehrers Trott aus Kirchheim a. Eck be—
arbeitet. Hiezu gab Dr. Friedrich Mohr
aus Bonn ſolgende Erklärung in Erläuterung:
Waſſer kann kein Eiſenoxyd als ſolches
iſt; und aus aufgeſchlämmtem Eiſenoxyd,
was ſogar von dem Sand zurückgehalten
würde, kann feine feite zuſammenhängende
Maſſe entſtehen. Der Vorgang der Bil—
dung kann nur folgender geweſen ſein:
In den oberen Schichten des Sand
ſteines haben eingedrungene Wurzeln eine
Reduktion des Eiſenoxyds bewirkt und dies
in lösliches kohlenſaures Eiſenoxydul ver-
wandelt. Dieſes konnte im Waſſer fort-
geführt werden und erzeugt in tieferen
Schichten Ausſcheidungen von Spateifenftein,
welhe nah außen wuchſen. Nach dem
Heben des Gebirges und dem Aufhören
der Infiltrationen gingen dieſe Bildungen
in Brauneijenftein durch Orydation- über,
jowie denn dieſer Vorgang unendlich oft
in der Natur vorfommt. Die Bildung des
Sphäroſiderits beruht auf derjelben Ber:
jegung. Der Brauneijenftein (Eijenoryd-
hydrat) kann in Roteifenftein durch Wafler-
verlufte übergehen, aber nicht umgekehrt.
Die große Adhäſion diefer Gebilde, die
nur durch einen Siryftallifationsaft, nicht
aber dur bloße Anſchwemmung erklärt
werden fann, ergibt fi) von jelbit.
Herr Oberbergdireftor v. Gümbel,
weiland in München, äußerte fih ım Jahre
1892 über die Orpdröhren mie folgt:
Trott hat Recht, wenn er die Gebilde
der Einwirkung von Waſſer zuſchreibt, nur
irrt er darin, daß er dicjelben für eine
Ausiheidung von Waſſer hält, welches
oberflächlich über Abhänge und Steine tal«
abwärts abgeronnen fei. Vielmehr wurden
die Röhren durch einen Akt der Infiltration
von eifenhaltigem Waſſer durch den bereits
abgelagerten, aber nocd) ungebundenen Sand,
welcher die Ausfüllungsmafle neben und
zwiichen den Röhren auch jegt noch aus-
macht, gebildet. Sie find eine Art Tropf-
fteinbildung nur mit dem Unterſchiede, daB
ihre Erzeugung nicht in freier Luft inner-
halb von Höhlen, fondern in lojem Sand
ftattfand und das Abfagmaterial nicht Half,
wie bei den gewöhnlichen Xropfiteinen,
fondern Brauneifenftein iſt. Es entipricht
dies ungefähr der Schilderung des Dr. Mohr.
Borkommen des Wolfes in der Pfalz.
Im Fichtelgebirge ift der legte der ein- | Luchfe 1710 und zwar in der Vutzenreuth
beimiihen Wölfe 1811, der legte der
bei Wunfiedel erlegt worden. 1883 tauchte
bei Wunfiedel plöglih ein Wolf auf, der
fi längere Zeit in der Gegend umbertrieb,
dann aber bei einer Treibjagd in Culmain
bei Kemnath erfchofjen wurde. Der Schädel
des Wolfs befindet fich wohl in den Samm-»
lungen des naturbiftoriihen Vereins zu
Regensburg. — Der legte Bär wurde 1769
im Fichtelgebirge am Schneeberg beim Dorfe
Vordorf erlegt. Es war ein alter zahmer
Burfche, mit dem die Holzhauer ihr Brot
teilten und den zu töten der Marfgraf von
Bayreuth verboten hatte. Der Bär hatte
einen Haß auf den Unterförfter von Bor-
dorf und als fich beide im Walde begegneten,
griff er den FFörfter an, der ſich nur da-
durch retten fonnte, daß er ihn niederichoß.
Im Ulentale nächſt St. Panfraz trieb
im Mai 1906 ein Bär fein Unmwejen. Er
zerriß fieben Schafe. Die Jäger ſpürten
ihn auf und jchoflen auf ihn; doch der Bär
entfam. Er trieb aud) im {uni noch immer
jein Unweſen und richtete unter den Scaf-
herden große Berheerungen an, Eine neuer:
liche Jagd blieb erfolglos, da man ihn nicht
zu Geſicht befam.
Der in der Münchner zoologifchen
Staatsfammlung audgeftellte Wolf war
fiherlich einer der legten Wölfe, die im
rechtörheinifhen Bayern erlegt wurden.
Der an diefem Stüd angebrachte Zettel
befagt: Diefer Wolf wurde am 27. Dez.
1836 im Yagdrevier Wieser, Forſtamts
Tegernfee, durch den Forftgehilfen Hohen-
adel erlegt. Hinzugefügt ift die Bemerkung:
Es war der legte Wolf in Oberbayern.
Wahrſcheinlich war aud dieſer herüber—
gewechſelt aus Tirol, wo in den Jahren
1833 bis 1835 noch 18 Wölfe geſchoſſen
wurden. Im übrigen Yayern find nad
1836 noh Wölfe erlegt worden: einer
103
einer 1852 bei Langenbrud in der Ober-
pfal und mehrere 1848 in der
Rheinpfalz. Leider fcheinen von allen
dieſen nur wenige in Öffentliche Sammlungen
gefommen und jo der Nachwelt erhalten
geblieben zu fein, nur der legte Wolf in
Unterfranfen, der 1810 bei Burgwallbach
in der Nähe von Würzburg gefchoffen worden
ift, wurde in der zoologifchen Sammlung
der Univerfität Würzburg aufgeftellt.
Herr Lehrer EC. Roos in Thal:
fröſchen beridtet: 1. Als Knabe von
jech8 oder fieben Jahren — im Jahre
1846/47 — ſah ih in Zweibrücken einen
in dortiger Nähe friſch erlegten Wolf, den
ein Mann in Urbeitertraht auf einem
Sciebfarren in der Stadt umberfuhr und
für Geld zeigte, (Er hatte ihn mit einer
gewöhnlichen alten Pferdsdecke zugededt.)
Ich ftege heute im 67. Lebensjahr, das
Bild jener Beftie ift mir aber noch jehr
lebendig in der Erinnerung. Es war ein
gewaltige8 Tier, viel fräftiger und ſchöner
als die, melde man in den Menagerien
zu jehen befommt.
2. Im Winter des Jahres 1865 oder
66 har fih ein Wolf in der hiefigen
(Fröſchener) Gemarkung und der Umgegend
mehrere Tage umbergetrieben und hat an
Schafherden, namentlih an der hiefigen
erheblichen Schaden angerichtet. Bürger
von Höhfröjchen wollten ihn verichiedenemal
am Tage gejehen und ficher ald Wolf er-
fannt haben. Die Aufregung, die damals
unter der Bevölferung biefiger Gegend
berrichte, ift mir und den ältejten Leuten
hierorts gleichfalls noch ın guter Erinnerung.
Man vermutete damals, Ddiejes Tier habe
aus der Gegend von Hornbach geftammt,
wo damald® dem VBernehmen nad die
1846 zu Falkenftein im Bayeriichen Wald, | Wölfe noch zahlreicher hauften.
Meber die Acherböden der Pfalz im Bufammenhang mit dem
geologiſchen Aufban.
Es ift ein leider feineswegs in allen |
einjchlägigen Streifen zum rechten Veritänd-
nis gefommener Mißftand, daß in Bayern
und damit auch in der Pfalz zurzeit für
Erforihung der Bodenverhältnifje weniger
geihieht ald in den Nachbargebieten. Am
deutlichjten ergibt fi) das aus dem Auf:
wand für Herſtellung von geologifchen
Karten; das fleine Helfen gibt jährlich
mehr, faft noch einmal jo viel dafür aus
ald das große Bayern! Verſuche der
bayerijchen Akademie der Wiflenfchaft, hier
eine Belferung zu Semwirfen, find unferes
Wiſſens völlig unbeachtet geblieben, Es
— 104 —
berührt eigentümlich, wenn man dagegen
gewahrt, wie emſig wirtſchaftlich klare Köpfe
in Amerika, in den Vereinigten Staaten,
auf dieſem Gebiete vorwärtsdrängen und
deshalb insbeſondere in den Schulen
auf Förderung des Kartenverſtändniſſes mit
allen Mitteln hinwirken. Sicher wird ſich
bei uns ein Zurückbleiben der Schule in
dieſer Beziehung ſpäter bitter und nach—
haltig rächen. Profeſſor Nipeiller, der
Vorſtand der Kreisackerbauſchule Kaiſers—
lautern, hat ſich anläßlich der Frage, wie
gute Heimatkarten für die Schulen zu be—
ſchaffen ſind, über das beteiligte landwirt—
ſchaftliche Intereſſe geäußert. „Mit der
Durchführung“, jagt er, „wird die Grund«
lage geichaffen, welche allein das Ber-
ftändnis für agronomifche und Aulturfarten
in die breiten Schichten der Bevölkerung
zu tragen vermag.” Das jollte den ver-
ichiedenen Stellen, die es angeht, Stoff zu
einigem Nachdenken geben! Daß übrigens
doch in den direkt beteiligten Streifen jchon
vereinzelt ein Gefühl für die wahre Sach—
lage fich einftellt, beleuchtet grell die inte-
reſſante Tatjache, daß ein einfacher Defo-
nom aus Yangmeil bereit$ vor mehreren
Jahren, freilich vergeblich, die Bitte geitellt
hat, e8 möchten auch für die Pfalz richtige
agronomische Karten hergejtellt werden, wie
fie für die Nachbargebiete bearbeitet wer:
den oder bereit vorliegen.
Unter folden Umſtänden ift e8 doppelt
verdienftlih, wenn anderweitige Kräfte fich
daran machen, jomweit e8 möglich, die ein:
ichlägigen Verhältniffe zu flären. In
jüngfter Zeit hat der Geologe Dr. E. Bland,
z. Zt. in Kaiſerslautern an der Landwirt:
ſchaftlichen Verſuchsſtation tätig, eine Arbeit
über den Boden der Rheinpfalz in feiner
Beziehung zum geologiihen Aufbau der—
felben veröffentliht, Im folgenden foll
verjucht werden, einzelne Ausführungen
daraus einem größeren Publikum zugäng-
fih zu maden, wobei freilich durch die
Verfürzungen, zu denen wir mit Rückſicht
auf den uns zur Verfügung ſtehenden Raum
uns entjchließen mußten, die Arbeit nicht
eben gewann.
Dr. Bland führt aus: „Eng mit dem
geologischen Bau einer Gegend hängt der
Boden, die Adererde, zuſammen. Der
Boden ift nichts anderes, als das Ber-
witterungsproduft feines anftehenden Ge-
ſteins, jomweit er nicht ein fogenannter
Schmwemmlandsboden ift, und auch diefe find
nur durch medanifche Kräfte aufbereitete
Vermitterungsböden. Daher führt die
Kenntnis des geologifhen Baues einer
Gegend am jchnelliten und ficherften zur
orientierenden Beurteilung der chemijchen
und phyſikaliſchen Berhältnijje der Böden
dieſes Gebietes, mithin zur FFeftitellung
ihrer Güte, Unbaufähigfeit, Verwertung
und Berbefjerung. Die Betrachtung der
Böden eines Gebietes von diefem Stand-
punft muß für den gebildeien Landmann
ein weit höheres Intereſſe beanipruden,
al8 die bloße Aufzählung der chemiſchen
und phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens,
Eine nicht unmwefentliche Anzahl geologiicher
Hormationen beteiligt fih an der Zuſam—
menjegung der Pfalz. Es find dies vor-
mwiegend, dem Alter nach geordnet, das
Friftallinifche Urgebirge, der Granit, darauf
folgend die Steinfohlenformation oder das
Karbon, das Notliegende mit dem eruptiven
Porphyr und Melaphyr, der Buntjandftein,
Muſchelkalk, das Tertiär, Diluvium und
Alluvium. Was die Räumlichfeit des Auf-
tretend diejer Formationen anbelangt, fo
find nur ‚drei derjelben, Rotliegendex,
Buntjandftein und Diluvium von großer
Verbreitung und nimmt der Buntjandftein
von diejen wiederum den größten, in der
Mitte des Landes gelegenen Anteil ein,
Diejes gilt aber natürlid) nur dann, wenn
man die zum Alluvium bezw. Eluvium zu
rechnende oberfte, alles bededende Ber-
mwitterungsrinde unberüdfichtigt läht. An
den Puntjandftein jchließt fih nad) Norden
das Motliegende an, während der Oſten
der Pfalz der Hauptſache nach diluvialen
Bildungen angehört. Die übrigen genannten
Formationen treten mehr oder minder zu*
rück, was ſich namentlich von den Eruptiv-
geiteinsvorfommniffen, Granit, Porphyr
und Melaphyr, die nur in Durchbrüchen
oder Durcdragungen vorhanden find, jagen
läßt, ebenfo aber aud von dem Ober:
Karbon, welches im Nordweſten der Pfalz,
teild an der Grenze des Buntiandfteins
nad Südweſten, teild innerhalb des Rot—
liegenden auftritt, wo es von diefem um-
gebene Inſeln bildet. Der Muſchelkalk
nimmt ein fleines Gebiet jüdmeftlich des
— 15 —
aroßen Buntjandfteinmaflives ein, indem er
ihn dortjelbft überlagert, und die terttären
Schichten bilden einen langgeftreften Saum,
faft den ganzen Oſten des Buntjanditeines
begrenzend und zugleich den Übergang zu
den diluvialen Ablagerungen bildend. Das
Aluvium jchließlih treffen wir an allen
Flußläufen und in den Niedermgen an,
jomweit es nicht eine den älteren Formationen
auflagernde Dede bildet, namentlih am
Rhein und in der nordweitpfälziichen Moor:
niederung in größter Ausdehnung. Bed:
ftein, Reuper, Lias und Bajalt, welche
außerdem vorfommen, find nur von ganz
lofaler Bedeutung.
Wie ichon oben angedeutet, tritt der
Granit oberflählih nur gang vereinzelt
auf. So ſehen wır ihn, von Süden aus-
gehend, bei Weiler oberhalb Weikenburg
im Lautertal, bei Albersweiler, Annmeiler
im Queichtal, ferner zwifchen Weiher und
St. Martin, dann nördlich Lindenberg und
ſüdweſtlich Wachenheim hervortreten. Ends
fi werden noch werter nördlich bei Batten-
berg zahlloſe Blöcke von Granit gefunden,
die auch wohl dort noch auf ein Vorhanden-
jein dieſes Gejteing nahe unter dem Ter:
tiär jchließen laſſen, jo daß diefes der nörd«
lichſte Bunft in der Verbreitung des Grund»
gebirges auf pfälzifchem Boden wäre. Im
Gebiete des Granits finden fi) vorwiegend
nur leichte Böden, wie reine, fein bis
grobförnige Sande, weniger häufig lehmige,
grufige Sandböden, ausnahmswrife wohl
jandige, grufige Yehme und nur ganz jelten
eigentlich jchwerere Böden. Der Gehalt
an Feinboden fann jehr ſchwanken, ſtets
ift der Granitboden jedod) rei an Sand
und Kies, arm an feiniten Teilchen, wie
an Ton und Humus, Der Phosphorfäure-
gehalt iſt meiſt ein mittlerer, Stickſtoff iſt
gewöhnlich ausreichend, Kalk dagegen gering
vorhanden, doch mit Kali iſt der Boden
meiſtens gut verſorgt. Ein innerhalb ſeiner
Grenzen oft recht ſchwankendes Sand—
Lehmgebilde läßt alſo die Verwitterung aus
dem Granit hervorgehen.
Faſſen wır die Ergebniſſe des Ber-
witterungsprozeſſes der Granıtgemengteile |
zujammen, fo jehen wir ein Gemenge frei-
gewordener Körner von Quarz und
Glimmerblättchen, son Ton, vermijcht mit
Eiſenoxyden, zurücdfbleiben, aljo ein Ge:
menge von Sand und Ton, in dem Phos—
phorjäure und Kali in geringen wechſelnden
Mengen vorhanden fein fünnen. Da von
allen Beftandteilen der Quarz bezw. Sand
vorwiegt, fo Stellt fich der Boden als Sand
oder im glnftigiten Falle als fandiger
Lehm dar. Bei ebener oder gering mul«
denförmiger Qage wird der Granitvermitte:
rungöboden bei längerer Zerſetzung einen
ftarfjandigen, eiſenſchüſſigen Lehm bilden,
der noch größere Gefteinsfragmente des
Muttergefteins einjchließt, und nur die
leichtlöslihen Verbindungen fünnen durch
die Tagewäſſer gelöft, dem Boden entzogen
werden, Wejentlih anders ift die Be—
ichaffenheit des Bodens, wenn jeine Ober-
flähe mehr oder meniger fteil abfällt.
Dann werden nicht nur jene leichtlöslichen
Berbindungen, fjondern aud die feineren
Ton: und Glimmerteildhen, melde leicht
durch das Wafler in Schmwebe gehalten
werden, entführt, um am anderer Stelle
zum Ubſatz zu gelangen; die Folge davon
ift, daß der Boden einen viel fandigeren,
rejp. grufigen Charafter erhält und dadurd)
mehr zu einem Sandboden oder Grusboden
wird. Aber nicht allein die Lage bedingt
die Beſchaffenheit eines Öranitverwitterungs»
bodens, auch der Fortichritt in der Ber:
witterung jelbft liefert in Verbindung mit
eriterer Urſache alle Bodenvarietäten vom
Icehmig-grufigen Sand bis zum fandigen
Lehm. Auch die Mächtigfeit des Bodens
findet hierin ihre Urjache, fie kann, da der
Untergrund meilt der Ackerkrume ähnlich
ift, zwiſchen wenigen Bentimetern und
mehreren Metern jchrwanfen.
Anjchlickend an den Granit als erup-
tives Geftein mögen num zunächft feine ihm
verwandten Eruptivgeſteine Porphyr und
Melaphyr ihre Beiprehung finden. Im
Norden des pfälziichen Berglandes ſehen
wir Porphyr infelförmig im NRotliegenden
— reipeftive Karbon, Wolfftein — ein»
gelagert, dem er zugleich gleichalterig it,
in drei größeren Enflaven bei Wolfitein,
am Donnersberg, den ce faft ganz bildet,
und bei Kirchheimbolanden anftehend, außer-
dem aber nur jehr ſpärlich am Dftabfall
des Haardtgebirges an vereinzelten Punkten.
Der Mineralfombination nah find die
Vorphyre im meientlihen den Graniten
gleichartig zufammengejegt. Die minera»
— 106 —
logiſch⸗chemiſche Zuſammenſetzung ift gleich
der des Granits, fann aljo feinen anderen
Bodendharafter hervorrufen, was in der
Zar der Fall ift, denn auch hier find es
faft reine Sandböden, die mit lehmigen,
grufigen Sanden bezw. fandigen, grufigen
Lehmen medjeln. Sollte ein Unterſchied
von jenen zu beobadıten fein, jo muß er
anderen Urjachen feine Herkunft verdanfen,
Wir finden ihn in der bereit3 erwähnten
dichten Struktur, die den Porphyrboden
noch jteiniger macht, weil das dichte Ge:
jtein der Bermitterung meniger leicht An-
griffspunfte für ihre Tätigkeit darbietet.
Die Bodenſchicht ift ſtets recht ſchwach,
enthält wenig Feinboden und ift mäßig
kalkarm. Der Untergrund zeichnet fich ge—
wöhnlich durch große Trodenbeit aus, eben-
falls eine Folge der ftrufturellen Berhält-
nifje, die ein zerflüftetes Gefteinsmaterial
ſchafft.
Das Hauptverbreitungsgebiet der Mela-
phyre, die vielfah in der Pfalz als Diorit
bezeichnet werden, liegt wiederum im Nor-
den der Pfalz, in Gebiete des Rotliegenden
und ed gehört auch dieſes Eruptivgeftein
dem Alter nach jener Formation an, In
mehreren jchmalen, vielfach unterbrochenen,
geitörten und untereinander parallel ver-
laufenden, NW „is SO ftreichenden Zügen
ziehen ſich Melaphyrvorkommniſſe durch das
Rotliegende hin. So treffen wir ihn an
den Orten Waldmohr, Gries, Dietſchweiler,
Niedermohr, Reuſchbach, Neukirchen, Lang-
meil, Ruppertsecken, Kirchheimbolanden und
von dieſen weiter nördlich wie Herjchmweiler-
Pettersheim, Montfort ꝛc. Gin weit flei-
neres Melaphüurgebiet liegt im Dften des
Buntjandfteinmajfives, am Rande der Haardt
zur Rheinebene. Einige Punkte wie bei
Albersweiler, Klingenmünfter, Silz, am
Scieferfopf, Waldhambach mögen hier ge-
narnt fein. Mllgemein geiproden, wird
die mineralogiihe BZujammenjegung des
Melaphyrs durd die Kombination eines
Kalknarronfeldipates (Plagioklas) mit Augit
und Dlivin nebjt reichlichem Borkommen
von Apatit und Magnetit gefennzeichnet,
der eine Menge Alzefjorien beigejellt find.
Der Melaphyr liefert in den erften Stadten
jeınes Berfalld neben vielen Starbonaten
Grünerde und Gerpentin nebit tonigen
Subitanzen und Eijenoryöhydraten, ſpäter
führt er zu einem Gemenge von Siejel«
fäure, Raolın und Toneiſenſteinen, durch
Wegiührung der Kieſelſäure kann fogar in
manchen Fällen ein Gemenge waſſerhaltiger
Tonerde und Gifenoryd reftieren. Wir
haben es alfo in den Melaphyrböden mit
Ton-Lettenböden und Lehmen zu tun, Die
wegen ihres ftarfen Eijengehaltes bläulich-
rot bis rötlich gefärbt find. Sie find meilt
ziemlich tiefgründig, enthalten his zu 90
Prozent Feinboden und haben meiltens
einen hohen Gehalt an Kalk und Magnefia
aufzumweiien. Überhaupt zeichnen ſich die
Böden der bafiihen Gejteindgruppe, zu
denen der Melaphyr gehört, in ihrem Nähr-
ftoffgehalt vorteilhaft von denjenigen der
jaueren Gefteine aus, von melden wir als
Bertreter den Granit und Quarzporphyr
fenren gelernt haben. Hinſichtlich des ge
ringen Auftretens der Melaphyre auf pfäl-
ziſchem Gebiete ift diefed eine recht be»
dauerliche Tatſache. Auch der fait gleiche
Böden bildende Bajalt fommt nur an einem
Punkte der Pfalz, am Pechſteinkopf bei
Forft vor, io daß leider fein größeres
Verbreitungögebiet jener oft zu den beiten
zu zählenden Böden in der Pfalz vor:
handen ift.
Die älteften an dem Aufbau der Pfalz
teilnehmenden Sedimentformationen find
die Bildungen der Steinfohlenformation
und zwar die des Dber-Starbons mit den
Dttmweiler- und Saarbrüder- Schichten. Ihre
ebenfalls geringe geographijche Verbreitung
ftellt fich als Fortießung des großen Saar-
brüder Stohlengebietes dar, und gehört der
nördlichſte Teil derjelben bei Breitenbach,
Oberfirchen, Dunzmweiler bis Ober Ohmbach
ihon zur Pfalz, während das Gebiet um
den Porberg, von Eiſenbach, Matzenbach
ſich bis Tiefenbach jenleits Wolfftein hin—
ziehend, eine karboniſche Inſel innerhalb
des MNotliegenden bildet. Die an der
Bodenbildung ſich beteiligenden Geſteine
des ObersStarbons find vorwiegend Sand—
fteine, teil8 Schieferiteine und Tonfteine.
Sandfteine find ihrer Entftehung nad ur-
fprüngli einmal als mechaniſche und
chemiſche Zerftörungsprodufte aus Eruptiv-
geiteinen oder anderen Sedimenten hervor»
gegangen und aus dem Wafler — ſoweit
e8 feine Wüftenbildungen find? — als loſe
Sande abgelagert worden, Sn den Sand-
ablagerungen der älteren Formationen jind
diefe Mineral» und Geſteinsbruchſtücke Feine
lofen Sandanhänfungen geblieben, jondern
durch Infiltration von irgend weldem in
Löfung befindlichen Bindemittel, das jich
an ihrer Oberfläche durch VBerdunftung des
Löſungsmittels ausgeichieden bat, und durd)
ipäter erfolgten Gebirgsdruf zu einer Ge-
jteinämafje verfeftigt worden. Diejes Bınde
“mittel iſt es nun, welches die Verſchieden—
heit aller Sandfteine verurfadht und für
Quulität und Quantität des Sanditein:
bodend maßgebend wird, Dasjelbe kann
fiejelig, kieſeltonig, kalkig, mergelig, eifen-
orydul- oder rilenorpdhaltig ſein . . . Se
nach der Beſchaffenheit diejes Bindemittels
wird die Bermwitterung verichieden wirkſam
das Gejtein zerjegen föünnen und nad) der
hemijchen Zulammenfegung desfelben wird
es ſich richten, ob der Boden mehr oder
weniger günſtig in feiner Nährftoffführung
ansgeitattet fein wird, Der Bermwitterungd«
prozeß verläuft hier genau analog den am
Granit fennen gelernten Vorgängen, nur
wird die Quantität der aus dem Binde:
mittel Hervorgegangenen Bodenteile eine
weit geringere jein müſſen, dagegen der
„Sand“ dominieren, da folder im Geftein
ihon den Grundton ın der Zuſammen—
jegung angab. Das Motliegende nimmt
den ganzen Norden der Pfalz ein, mit
Ausnahme jener Karbon:, Melaphyr-, Bor:
phyrvorfommniffe und mırd im Süden
durch eine zwischen Dunzweiler ım Weiten
einerferttö und Göllheim im Often anderer-
jeitS gezogene Linie jcharf begrenzt. Bier
tritt e8 unter den Buntjanditein, um wieder
am Dftrande des Haardtgebirges in den
tiefen Taleinſchnitten zutage zu treten,
jo im Neuftädter-, Waldhambacer:, Ann»
weiler- und Yautertal. Die mit den far:
bonischen oft als permokarboniſch zufammen-
efaßten Sejteinsbildungen des Rotliegenden
Ad auh wie jene Sandfteine, Sciejer:
tone und Tonſteine nebit Konglomeraten
und Schieferletten. Der Gejamtcharafter
der Bermitterungsböden des Notliegenden
wırd dementiprechend im allgemeinen dem:
jenigen des Karbons ähnlid sein, aljo
jandige oder trümmerigrtonige Böden mit |
allen möglichen Zwiſchengliedern je nad
ihrer Herkunft liefern, die jedoch durch ihre
intenfiv rote Färbung von den mehr grauen,
107
bräunlich-gelblichen bis grüngelblidhen Böden
der Steinfohlenformation deutlich unter-
ichieden find, Doch auch Tonmergelböden
fünnen entitehen. Der Gehalt an Kalk in
den Böden ift meiſt recht beträchtlich, was
namentlid für das Oberrotliegende gilt,
dagegen Magnefia und Stohlenfäure find
nur in geringen Mengen vorhanden für
die Landwirtſchaft bemerkenswert find die
in den tieferen Schichten lagernden dolo—
mitifchen Kalkbänke, welche an vielen Orten
der Pfalz wie Altenkirchen, Rammelsbadh,
Wolfitein, Yauteredfen 2c. angebaut werden
und als Diingemittel Verwendung finden
fünnen. Hieran anfchließend mag das ver:
einzelte Borfommen von Zechſtein am Djft-
abfall der Haardt Erwähnung finden. Das
ſchmale Zechſteinband wurde zuerft am
Hohenberg ermiejen, woran ſich jpäter wei»
tere Vorkommniſſe am jüdöftlichen Haardt-
rande anichlojien. Das Geſtein des Haupt-
buntjanditeines beiteht vorwiegend aus
QDuarzförnern undgangzvereinzelten®limmer:
und Feldiparbroden, die Voren zwiſchen
den einzelnen Körnern find durd ganz
kleine, waflerhelle, Quarzkriftällhen zum
Teil ausgefüllt, welche das ganze Geſtein
mit einander verfitien und die größeren
Körner umhüllen. Durd die Anordnung
der Körner bleibt die Borofität des Ge—
jteins gewahrt, das färbende Eifenoryd liegt
frei zwifchen jenen, jo dak die Sickerwaſſer
ungehindert durch das Geftein zirfulieren
können. Die Schichtflächen werden manch—
mal durch Tonlagen erfüllt und häufig
finden fi in Geftein weiche Tongallen,
welche ohne Kieſelſäureüberzug find, ferner
jelten gerollte Kieſel mit jefundär über-
zogenen Quarzfriftallen. Diejer Sandftein
zerfällt durd; Verwitterung leicht, da das
Eifen Schnell ausgelaugt wird, in Sand
und bildet einen fterilen flachgründigen
Sandboden; nur dort, mo die tonigen
Bwiichenlagen zunehmen und damit feine
Härte abnimmt, liefert er ſchwach lehmigen
Sand. Einen für die landmwirtjchaftliche
Praris entschieden vorteilhafteren Boden
ergeben die Sanditeine des oberen und
unteren Buntlandjteins mit ihren tonigen
und eiſenſchlüſſigen Bındemitteln, in deren
Schichten Sandfteinbänfe mit Zetteneinlagen
abwechſeln. Alle Bodenarten find falfarın,
haben bei ausreichendem Saligehalt genügend
Stickſtoff, nur Phosphorſäure ift gering
zugegen. Ihr Untergrund ift der Acker—
frume ähnlich; bildet Sandftein das Lie—
gende, jo find fie durchläſſig, Yettenjchichren
an der Balis verringern die Durchläffigfeit
und verbeflern ihn ın gewifler Beziehung
phyſikaliſch. Der fogenannte Röt, die oberfte
Stufe des Buntjandfteins läßt einen Lehm:
bis jchweren, falten Xonboden mit vielem
Ktaligehalt vorgehen. Vielerorts auf den
Höhen des Buntjandfteinplateaus begegnen
wir mächtigen Yehmablagerungen, melde
nicht Wrodufte feiner VBermitterung find,
Als Meliorationsmittel jür die falfarmen
Böden des Buntjandfteins bilden die Dolo-
mitmergel und Gipſe des oberen Bunt»
landfteins ein vorzügliches Material. Im
Südweſten der Pfalz wird der Buntjand:
ftein vom Muſchelkalk überlagert und zwar
im Gebiete der Blies, Birfenalb, Hornbad
und Erbach. Sein Auftreten läßt fich durd)
die Marken Hechingen, Blieskaftel, Zwei—
brüdfen, Sidinger Höhe, Birmajens, Horn»
bach, Bliesbrüden und abermals Fehingen
umgrenzen. Die bier lagernden Muſchel—
falkbıldungen find vorwiegend den unteren
Schichten dieſer Formation, Wellenfalf,
Muſchelſandſtein zugehörig. Dem größeren
Berbreitungsgebiet im Weſten reiht ſich ein
weit fleineres im Often an, wo e8 am
Oſtfuß des Haardtgebirges längs der ab-
gejunfenen Buntfandfteinjchollen einen oft
unterbrochenen, ebenfalls teftonisch geitörten,
ihmalen Streifen bildet. Die Gefteine der
Formation find hellgraue Kalkſteine, Dolo-
mite, dolomitiihe und tonige Sandfteine
von grauer bis gelblich-brauner Farbe.
Wir werden folgern, daß aus den dolo—
mitiſchen und tonigen Sandjteinen leichte
Lehmböden mit etwaigem Kalkgehalt ent-
ftehen.
Der Mufcheltalf bildet durchaus feinen
108
falfreichen Boden, wie dieſes wohl ange-
nommen werden fönnte, vielmehr einen
Lehmboden vom mehr oder weniger merge—
liger Natur. Die Lehmbildung erfolgt in
um jo größerem Maße, je toniger die Kalk—
fteine und je mehr Bmilchenlagen von
Mergelichiefern vorhanden find, meld) lektere
auch häufig einen etwaigen Kalfgehalt ver-
urjadhen. Wenn der Muſchelkalk bei ebener
Bodenbeichaffenheit vermittert, jo dab die
Abſchwemmung der vermitterten Teile mög-
lichſt vermieden ift, jo entmwidelt fih ein
bindiger Lehmboden, dem noch zahlreidye
Kalkfteinbruchjtüide beigemengt find. Doch
auch ziemlich zäher Ton fann unter Um-
jtänden als Reſiduum verbleiben, der viele
Geſteinsbrocken umschließt und einen durd)-
läjfigen, recht flachgründigen, falfreichen
Tonboden über einem aus grobem Gefteins-
arus beftehenden Untergrund hinterläßt.
Nur die Ddolomitiihen Kalkſteine zeigen
erdiges Berfallen und bedingen einen fein-
jandigen, mergeligen Rulturboden ton wäjle-
riger Durcläffigfeit und tieferer Gründig-
feit, der jedoch durch Gejteinsfragmente
ebenfalls gewöhnlich verſchlechtert wird.
Faft alle hierher gehörigen Bodentypen
tragen den Gharafter jchwerer Tonböden,
deren Untergrund infolge von Spalten
und Berklüftungen des Geſteins und der
grufigen Beichaffenheit der erfteren Ber-
mwitterungsftadien des anftehenden Mufcel-
falfes gut drainiert ıft, andererjeits durch
den Gehalt an löslıhen Salzen, nament:»
lid Kalkſalzen, lange nicht die Plaftizität
der übrigen Tonböden befigen. Sodann
wendet fich der Artifel der Betrachtung der
Tertiärformation zu. Wir brechen unjere
Auszüge hier ab und behalten uns vor,
vielleicht Später auf diefen Teil der Blank:
ihen Ausführungen zurüdzufommen.
(Pi. Pr.)
Heizung des
Die Temperatur des Bodens bleibt im
Frühjahre jehr ftarf hinter derjenigen der
Oberfläche zurüdf und ift viel geringer, als
man bei dem hohen Sonnenftande erwarten
jollte. Die Pflanzen könnten ſich raſch ent:
wiceln, wenn nidjt der Boden die Winter:
fälte zurüdhielte. Der Boden hat im März
Erdbodens.
in 50—90 Bentimeter Tiefe durchichnittlich
nur 1 Grad Wärme, im April etwa 7 Grad
und erft im Mai 11 Grad. Dieje Tem:
peraturen auf die Höhe der Oberflähen-
temperatur zu bringen, ift das Biel der
von Privatdozent Dr. Mehner erfundenen
Bodenheizung. Das Verfahren verfolgt nach
- m —
einem Auffaß der „Deutjchen Landwirtichaft- | getrieben werden; die Heizung tut meiter
lihen Preſſe“ den Zweck, durch Hervor- | nichts, als den Beginn des Wachstums auf
bringung von frühen Gemüjen und Früchten | eiven früheren Zeitpunft zu verlegen. Auf
der ausländischen Konkurrenz zu begegnen. | Beranlafjung des preußiichen Landwirt
Da die Verwendung der Dampf und Heik- | jchaftsminifteriums ift Anfang Juli in der
waſſerheizung nicht angängig ift, heizt Dr. | Gärtnerlehranftalt zu Dahlem eıne Ver—
Mehner den Boden, indem er ein laumarmes | jucdhseinrihtung nah Mehnerichem Mufter
Gemiſch von Luft und Dampf mittels eines | in Betrieb gejegt worden. Die Koſten der
im Boden liegenden Tonrohrftranges, der | Anlage und der Heizung find verhältnis-
zahlreihe Spalten und Löcher befigt, dem | mäßig gering. Als Heizrohre verwendet
Boden zuführt. Durch die Definungen des | man die überall gebräudlichen Entwäſſe—
Rohres entweicht die Luft nach oben und | rungsröähren. Fachleute find der Meinung,
bewegt fich quer durd die ganze Erdſchicht daß die Bodenheizung für die Verjorgung
nach aufwärts. Es mwird alſo der wärme: | der deutichen Märkte mit gutem und dabei
tragende Körper ſelbſt an diejenigen Orte | billigem Frühgemüfe die größte mwirtichaft-
geführt, wo die Wärme gebraucht wird. | liche Bedeutung erlangen wird.
Bemerkenswert ift, daB die Pflanzen nicht
Holkskunde — Bolkskunf.
Der Berein für fächfifche Volkskunde, | liche Bedeutung der Bolfskunft; Vortrag
der Sal. jähhjtfche Altertumsverein umd der ! von Herrn Profejlor O. Seyffert (Dres-
Berein für Gefchichte Dresdens luden aus | den) zur Einführung in die fich daran an
Anlaß der 3. Deutichen Nunftgewerbe-Aus- | jchließende Befichtigung der Abteilung für
ftelung in Dresden für den 7., 8. und Volkskunſt in der Kunſtgewerbe Ausitellung.
9. September 1906 zu einer Berjamm- | 3 Uhr nachmittags: Fefimahl im Ausftel-
lung für Bolfsfunde und Bolfs- | lungsgebäude, 8 Uhr abends: Freie Ver-
funft ein. Qagesordnung: 7. September, | einigung auf dem Belvedere. Sonntag,
abends: Empfang im Belvedere der Brühl: | 9. September, 10 Uhr vormittags:
ihen Terraſſe. — 8. September, 11 Uhr | Dampferfahrt nad der Baftei. Marktfeſt
vormittags: Feſtakt im großen Saale des | in der Stadt Wehlen. — Die Anmeldungen
Ausftellungsgebäudes unter Ghrenvorfik | zur Teilnahme an dem Feſte find an die
Sr. 8. Hoheit des Prinzen Johann Georg, | Zentralftelle res Vereins für fächfiiche
Herzogs zu Sachſen. Begrüßung; Haupt | Bolköfunde, Dresden-A., Wallftraße 9, l.,
vortrag von Herrn Brofeflor Dr. C. Fuchs | zu richten.
(Freiburg i. Br.) über: Die volfswirtjchaft-
Pfälziſches Arcismufeum.
Herr Profeſſor Hildenbrand, Son- | ein diluvialer Schädel (mit Gehörn) vom
jervator des pfälzijchen Kreismufeums, teilt | Bos primigenius, der Stammform der zahl:
uns mit, daß die paläontologijche (ur- | reichen Rafjen des europäiſchen Hausrindes
mweltlihe) Sammlung des Mufeums in | (Bos taurus). Faſt einen ganzen Edıranf
den Tagen vom 27. Juli bis 1. Auguft | füllen die Überrefte von diluvialen Ger-
I. J. überfichtlih geordnet und mit deut: | viden. Darunter befindet fi) der Kopf
lien Auffchriften verjehen wurde, was den | und das fchaufelförmige, in feiner ganzen
Bejuchern des Mujeums wohl willlommen | Größe 3 Meter jpannende Gemeih de&
fein wird, Riejenhirjches (cervus giganteus) ſowie
Auf den Schränken ftehen fünf Schädel | Überbleibjel an Gemweihen uſw. des ſchon
(mıt Gehörn) des ım europäilchen Poſt- ım Dilupium vorfommender Edelhirſches
pliogän vorfommenden Bison priscus und | (cervus elaphus). Zwei Schränfe und ein
— 10 —
Tiſch weiſen die mächtigen foſſilen Knochen- gefunden werden.
refte jenes befannten, urmeltlichen Ele—
fanten, de8 Mammuts, auf. Im erjten
Schranf liegen die etwas rautenförmigen
Molaren oder Badenzähne des dem
älteren Dulivium ongehörenden Elephas
antiguus ſowie der Unterfiefer und zahl:
reiche Badenzähne des häufiger vorfom-
menden Elephas primigenius mit ſchmalen
Querleiften auf der Kaufläche. Unter den
zahlreichen Brudftüden von Stoßzähnen
befindet fi eın fait ganz erhaltener Zahn
eines jugendlihen Mammuttieres von 1,58 m
Länge und 27T cm Umfang ſowie das große
Stoßzahn-Bruchſtück eineserwachjenen Tieres
von 50 cm Umfang und über 5 m ur:
iprünglicher Länge. Auf einem langen Tiſche
längs der Schränfe liegen u. a. Hinter
gliedmaken vom Mammut, darunter ein
Dberjchenfel von 1,5 ra Yänge, ſowie
Bordergliedmaken, dabei ein Oberarm von
1,08 m und ein Sculterblatt von 1 m
Länge Leicht ließe fich aus den erwähnten
wie den anderen hier aufgejchichteten Knochen
ein faft vollftändiges Mammutifelett, deflen
Schulterhöhe über 3 Meter meſſen würde,
darftellen. In einem Sammelfchranf be:
finden ſich einzelne diluviale Hörner von
Bovinen oder (diluvialen) Rindern, Zähne
eines altertiimlichen Broboscidiers, nämlich
des im Pliozän der Mheirebene vorge:
fundenen Dinotheriums, Überrefte (da-
runter ein gut erhaltener Oberkiefer) von
Rhinozeros tichorhinus (diluviales Nass»
horn) aus dem rheiniſchen Obermiozän,
Knochen und Zähne des Hippopotamus
maior (diluviales Flußpferd), zahlreiche
Zähne von Notidaniden (Haififchen), wie
fie im tertiären Gebiete der Rheinebene
Der Tertiärformation
gehören auch einige 1905 dem Mufeum
geichenfte Gremplare von Ostrea (Aufter)
und Pectunculus crassus aus der Nord»
pfalz an. Die genannten organischen Reſte
ftammen aus der Rheinebene, vornehmlid)
aus der Rheinpfalz felber. Bon ander:
weitigen Foililien find hervorzuheben der
Oberfiefer eine® Belodon (Phylosaurus)
und der Zahn eines Maftodoniaurus (Trias),
der Stopf eines Ichthyosaurus longirostris,
ein Aspidorhynchus acutirostris und ein
Pierodaciylus suevicus, ferner Gebißrefte
vom diluvialen Höhlenbären (Ursusspelaeus)
und der Höhlenbyäne (Hyaena spelaea).
Anzuführen wären auch noch der Kopf eines
in der hiftoriichen Zeit ausgeftorbenen
Dronten und die Fußknochen, ein Fuß und
zwei riefige Eier des ausgeſtorbenen Hoch—
vogels (Aepyornis maximus s. australis).
— In einem der Schränfe find zahlreiche
Pflanzenfojfilien aus der Steinfohlenzeit
ſowie alle Arten der auf pfälzifchem Gebiet
vorfommenden Steinkohle ausgeftellt.
Die eben furz gejdilderte Sammlung
im 2. Mujeumsjaale mit dem im gleichen
Raume befindlichen, am 5. Mai 1869 bei
Homburg in der Pfalz (Hrähenberg) ge:
fallenen Meteorjtein zog von jeher viele
Einheimifche und Fremde ın unfer Muſeum—
Die Pfälzer Landsleute aber werden ge»
beten, auch etwaige urweltliche Funde,
jeien es Pflanzen: oder Tierfoffilien, dem
Kreismufeum zuzumenden und zwar direkt,
zumal neuerdings die Erfahrung gemadıt
murde, dab wiederum dem Kreismuſeum
zugedachte, zumteil auch auf Staat und
Gemeindegrund gemacdte Funde nicht ab-
geliefert wurden. (Nachdruck erwünſcht.)
Heber Anfänge einer geregelten Forſtwirtſchaft durch künſtliche
Miederbrwaldnng im Reichswald.
Bon D. Häberle, Kaiſerl. Nechnungsrat, Heidelberg.
Der heutige Reichswald bei Kaiſers—
lautern ijt der fette Reſt des zur Sailer
pfalz gehörigen füniglihen Bannforftes; in
ihm bejaßen von alters her die Bürger von
Yautern und die Bewohner des jogenannten
Reichslandes als unmittelbare Königsleute
große Holz: und Weideredite, nur Jagd
und zumteil auch Fiſcheret blieben dem
| Landesherrn als Regal vorbehalten. Jedem
„Neichögenofjen* war es geftattet, feine
Schweine zur Eidhelmaft in den Wald zu
treiben, das Bieh darin zu hüten und Bau—
und Brennholz; nad) Belicben zu Ichlagen.
Als aber die Zunahme der Bevölkerung
nicht allein neue Rodungen notwendig
machte und die Wälder zulammenjchmelzen
— 11 —
ließ, fondern auch das Aufblühen der In— |
duftrie (Herftellung von Faßdauben, Reifen,
NRadnaben ufm.) immer fteigende Anſprüche
an feine Produkte brachte, ftellte ſich infolge
der planlofen Verwüſtung allmählich Holz-
mangel ein.
Bon einer rationellen Baldwırtichaft
war damals noch feine Rede, die wenigen
Forjibeamten ließen fich in erfter Linie nur
von mweidmännijchen Intereſſen leiten und
glaubten durch Sicherung der Grenzen jchon
ein übriges getan zu haben. Jeder Reichs:
genoffe nahm das Holz, wie er es brauchte
und wo cr es fand, die Neubemwaldung
überließ man der Natur, melde durd
Samenanflug oder Stodausihlag für eine
Verjüngung forgen mochte. Daß durch den
planlo8 ausgeübten Weidetrieb der junge
Nachwuchs aufs äußerfte gefährder wurde,
daran dachte niemand,
Befler wurde es erft, als Lautern
mit dem Reichsland durch Verpfändung an
Kurpfalz gekommen war. Die neuen
Landesherren fonnten fich der Einficht nicht
verichließen, daß es in der bisherigen Weije
nicht weitergehen dürfe. In mohlberedhneter
Fürſorge wurden nad) und nach verschiedene
die jelbftändige Holz» und Weidenußung
einjchränfende Verfügungen erlaffen und
die Berechtigten als nunmehrige furfürft-
lie Untertanen nolens volens zu Ver—
gleidhen und Berzichten genötigt: daneben
begann man, die vorhandenen Blößen und
Lücken fünftlid wieder aufzuforften.
Die Hurfürften folgten darin dem
Veifpiel der Städte, melde während ihrer
mittelalterlichen —S auch in der
Waldwirtſchaft bahnbrechend vorangegangen
waren. Nürnberg hatte bereits 1368,
Frankfurt a. M. 1420 Saatbeete für
Nadelholz angelegt und Seligenſtadt 1491
Eicheln in ſeinen Waldungen ausgeſteckt.
Auch für den Reichswald beſitzen wir, wenn
auch aus etwas ſpäterer Zeit urkundliche
Nachrichten über dieſe Art der Verjüngung.
So verbot Herzog Johann Caſimir 1579
den Weidgang der Ziegen im Reichswald
„weil fie den jungen Eichen: und Buchen—
wäldern hochjhädliche Tiere find, injonder:
heit aber aud, weil wir hbiebevor
und noh im NReihswald junge
Bäume erziehen laſſen, weldes der
Rürgerihaft und ihren Nachkommen zum
Beiten gereicht”. Cine weitere Nachricht
befigen wir aus dem Jahre 1600, wo der
urfürftliche Forjtmeijter Philipp Vellmann
bei Beichreibung des Hütjchenhauiener
Bannes nachfolgende berichtet: „Ein
Wald, im Nermel genannt, iſt mit ein
wenig alten Eichen bewachſen, aber mit
jungen Eihbäumen mieder be
jeget und joll weiter bejeget
werden.“
Bald ſollten dieje erſten Anſätze zu
einer geregelten Forftwirtichaft durch die
Stürme des Dreißigjährigen Krieges auf
lange Beit hinaus erftidt und der Wald-
verwüftung bon neuem Tür und Tor ge:
öffnet werden.
Beiträge zur Gefchichte der Börfer Minfeld nnd Frerkenfeld.
Bon Joh. Walter, Bezirks:Hauptlehrer in Landau. (Selbjtverlag des Berfafferd). Preis 2.50 ME.
Der Stoff zu dieſen Beiträgen ift
mit Bienenfleiß zufammengetragen und mit
Heimatsliebe und bejonderem Intereſſe für
ſolche Geſchichte bearbeitet zu einem Werte,
das nicht nur von den näheren Zandsleuten
des Berjafjers ficher mit großem Intereſſe
und Genuß gelejen wird, ſondern auch von
den Yehrern der heimatlichen Landſchaft als
willfommene Gabe zur Förderung ihres ge-
ihichtlihen Unterrihts entgegengenommen
werden blrfte, ;
Wir haben leider an ſolchen Büchern
aus leicht begreiflihen Gründen nur eine
geringe Zahl, denn Yeute, die aus reinem
Intereſſe für eine Sache arbeiten oder aud)
nur arbeiten fünnen, finden ſich felten.
Die „Beiträge“ find geeignet Lehrern,
die vaterländiichen Gejchichtsunterricht zu
erteilen haben, Winke zu geben, nad) wel:
hen Richtungen und an melden Ortern
fie fih den Stoff zu eigenem Bedarf zu
ſuchen hätten; denn ohne die Grundlage des
heimatlichen Wilfens ift der vaterländijche
Gejhichtsunterricht nur ein Schloß in der
Luft,
Der Preis des Buches, das 250 Seiten
— 12 —
umfaßt, ift ein ſehr beicheidener und die
Anichaffung desjel..n auf öffentliche Koſten
für die oberen Schulklafjen der Pfalz wäre
zu empfehlen. J. D.
Bas Liebesweh von Wilenſtein
Bon Dr. C. Bud.
Es wollt der Ritter Sicgbert frei’n
Das Burgiräulein vom Wilen’tein:
Das Fräulein fah 'nen Andern gern
Und wünfchte den zum Eheherrn.
Sie hatt! den Schäferfüngling lich,
Der oft am Schloß vorübertrieb,
Blau leuchtete fein Augenpaar,
Bom Haupte floh ibm golbnes Saar.
Ste jah Ihn und von Stunde an
War beiß ihr Herz ihm zugetan
Bei feiner Flöte fühem Stang
Bor Schnfucht bald ihr Herz zeriprang.
Und als er Sienbertö Freit' erfuhr,
Bergoß er leife Tränen mur;
Kein’ laute Klage man vernahm,
Sein Herz verging in jtilem ram.
Man tat’8 dem Fräulein fhonend fund,
Da zudte Leidmur um den Mund;
* ſelbſtvergeß'ner Seelennot
and fie in kühler Flut den Tod.
Gar friedlich nun im felben Grab
Ruht Ritterbraut und Hirtenfnab'.
rg: ein Kreuz macht bis zur Stund'
a8 Liebesweh der Beiden fund.
Böhenſchichten-Karte von Bayern
im Maßſtab I : 250000
Bearbeitet im Topographiichen Bureau des k. b. Generalſtabs.
(Lithographie und Drud in zehn Farben.)
Bon dem auf zehn Blätter veranjchlag: .
ten Kartenwerk find vor furzem die erften
drei das ſüdliche Bayern umfaflenden
Blätter (Nr. T— 9) erichienen, deren nörd—
liher Rand ungefähr durch die Linie Ulm:
Landshut-PBallau bezeichnet ift.
Mit den gleichinhaltlihen Teilen der
erften im Jahre 1872 begonnenen und
1905 (bis auf ein Blatt) vollendeten Auf-
lage der „Hypſometriſchen Karte von Bayern
in 1: 250000 verglichen, ſtellen die neu:
bearbeiteten Blätter unleugbar einen ge»
waltigen FFortichritt dar, insbejondere be-
züglih der unmittelbaren Beranichaulichung
der Höhe ın Farben wie auch in tedhniicher
Hinſicht.
Der Scichtlinien-Zeihnung — als
dem geomerrijchen Bild des Geländes —
liegen die neueſten auf Normal Null fich
beziehbenden Höhenmeſſungen zu Grunde,
Bei 100merriger Schichthöhe enthält fie
bis zur Höhe von 500 ım nod; 50 metrige,
in geriffenen Linien gegebene Zwiſchen—
ihichtlinien, während die 500er Kurven
verjtärft find, Daß bei Darftellung der
Höhe in Farben eine Verſtärkung der
Kurven eigentlich gar nicht am Blake und
auch nicht notwendig ijt, da ja die Farbe
die Aufgabe der dideren Linie erfüllt —
deilen war man ſich bei Anlage der Starte
jehr wohl bewußt. Allein man mußte fie
wohl oder übel mit ın den auf nehmen,
da auch die Herftellung einer bejonderen
Ausgabe ohne Farben beabficdhtigt iſt,
in der eben die jtärfer gezogenen Kurven
die Orientierung in den Höhenverhältniljen
erleichtern ſollen.
Was nun die farbige Darftellung
der Höhe betrifit, jo befolgte man bei der
Bearbeitung der älteren Ausgabe allerdings
auch, mie jeßt, dem zuerit von Hauslab
angeregten Gedanken: die im Scidptlinien-
bild geometrijch verebnete und damit wohl
meßbar, aber nod nicht direkt ſichtbar ge:
mordene Höhe durch Töne mehrerer Far—
ben auch unmittelbar anſchaulich zu
machen. Allein fıatt feinem weiteren Bor-
ihlag zu folgen und biefür Farben zu
wählen, die bei entiprechender Stufung
auch zugleih phaſtiſch zu wirken vermöch—
ten, trug man — offenbar nur in Der
Abficht, benachbarte Höhenftufen leicht unter-
ſcheiden zu können — verſchiedene, ſich
grell voneinander abhebende Farben mill-
fürlich der Reihe nah auf. Damit erhielt
man ein Bild, deflen Höhenfarben dem er-
ftrebten Zwecke zwar vorzüglich dienten,
aber, zum großen Schaden des Ganzen,
— 13 —
die Daritellung der Bodengeftaltung weit | fafjung der Bodengeftaltung zu Hilfe fommt.
mehr verhüllten als anſchaulich machten. Ein weiterer Borzug der Karte iſt deren
Bolllommen anders geartet Sieht fi | reihere Beihreibung. Die Zahl der
daneben das Bild an, das die farbige | Namen von Wohnitätten ift ungefähr um das
Darftellung der Höhe in der neuen Slarte | doppelte geftiegen, da jämtliche politischen Ge—
bietet. Bei ihr liegt eben der Farben- | meinden eingetragen find, während die ältere
verwendung zur Erfichtlihmadhung der Höhe | Karte außer den Namen von Städten und
eine gänzlich veränderte Auffaffung zugrunde, | ‚Märften nurnod die der Piarrdörfer enthält.
Bezüglich der Wahl und der Aufeinander:- Bom techniſchen Standpunft aus
folge der $arben hielt man ſich im all» | müfjen wir die Starte ald ganz vorzüg—
gemeinen an die Gejepe der Peuckerſchen liche Leiftung bezeichnen. Die Schärfe
Höhenplaſtik in Farben*, die als | der Gravierung von Schrift und Gerippe,
wiſſenſchaftlich begründeter Ausbau der | die Reinheit und Schönheit des Drudes
urſprünglichen Hauslabſchen dee in der | an fidh wie im bejonderen der durchfichtige
Kartographie erfreulicherweife immer mehr | Drud der verichiedenen Farben laffen zur
an Boden gewinnt. Unter Beachtung der | Genüge erjehen, daß man jorgfältig bemüht
von Peucker gegebenen Gefichtspunfte für | war, den zeitgemäß bearbeiteten Anhalt
die Berwendung zurüdtretender und | der Starte aud in ein möglichit gefülliges,
borjpringender Farben murde ein | aniprechendes Gewand zu Fleiden.
Geländebild geichaffen, das infolge ver- Alles in allem haben wir ſonach ge:
einigter Anwendung von Linien (Schicht- | nügenden Grund, von dem Begonnenen
linien), Farben und Schatten (im Gebirge | mit Stolz; als von einem Werfe zu reden,
nad jchräger Beleuchtung) als eine fertige, | dad, muitergiltig in jeiner Art, ein
dreidimenfionale Karte fi darjtellt. | neuer glänzender Beweis von der Leiltungs:
In weich ancınandergepakten und denn: | fähigkeit unferes Topographiichen Bureaus
noch gut unterjdeidbaren Farbeufiufen — | und dem Borwärtsjtreben deifen derzeitiger
vom Blaugrlin über Grün und gelbliches | längit bewährter, umfichtiger Leitung iſt.
Grün (0—500 m), dann Gelb und Orange Unſeres Wiſſens ift die neue Höhenſchichten-
(500 — 1000) und Braun in dreierlei Tönen | farte die erfte von militäriicher Seite
(1000— 2000) zu NRotbraun und Rot | bearbeitete und wohl au die erjte um-
(2000— 3000 m) anrfteigend — baut fih | fangreihere Karte größeren Maß—
das Gelände nad der Höhe auf und läßt, | ftabs, in der das Gelände im Peuckerſchen
troß diejer Gliederung in merflichen Stufen, | Sinne farbenplaftiich dargeftellt iſt;
die Formen in gerundeter Plaftif beraus- , denn bisher jahen wir dieſes Verfahren
treten -- ein Vorzug, den bejonders jene | nur in geographifchen Starten verwendet.
Ihägen werden, die im Leſen von Schicht: | Wir können der prächtigen, namentlich aud)
linienbildern weniger gelibt find und denen | für Unterrichtsjwede geeigneten arte nur
daher eine fait greifbare Plaftif zur Er- | die beiten Empfehlungen mit auf den Weg
. uder, Scattenplaftif nnd Farbenplaſtit. geben und wünſchen, daß fie in den weiteſten
@ien 1898 * — 5 * ſtreiſen Anklang und Aufnahme finde,
Alte Socftrafe.
In einer Tour von 40 Kilometern | jchmalen Hängen ift diefe Hocftrake 3 m
wurde im April ds. 8. die Hochftrake, | breit. An mehreren Plätzen find Brunnen
welche vom St. Martiner Frohnbaum über | und Tröge zur Tränfung dicht neben der
Forſthaus Heldenftein bis Taubenfugl (530 | Straßenlinie angebradt. — In alten
Meter Höhe) auf der Waflericheide zwiſchen Grenzbeichreibungen (vergleihe Bilfinger:
Speyerbah und Queich führt, archäclogiih | Johanniskreuz, Thiemeſche Drudereien,
unterfuht. Dieſe alte Straße hat an | 1904, ©. 9) wird diefe auf den Wafichen-
vielen Stellen noch 5 m Breite, wobei ein | firft laufende uralte Verkehrsſtraße zwiſchen
deutliches Bankett, aus großen Sandftein- | Yandituhler und Landauer Gegend Mar:
platten beftehend, noch erhalten if. Un | lemerftraße, gleich Martinerftraße, genannt.
— 114 —
Noch Heute ftehen an ihrem öftlichen Traft
die Grenziteine von St. Martin (5. 4.
M. 1822). Bilfinger (a. ©. S. 9 -10)
Spricht diefe Trace als Römerſtraße an.
Es glückte jedoch dem Vorftand der anthro-
pologiichen Sektion der Pollichia an zwei
Stellen links und rechts, d. h. ſüdlich und
nördlih von ihr, vier alte Tumuli nad.
zumeifen. Dieje liegen an der ÖStrede
zwiſchen Silzgrundfopf und Erbenfopf am
Kiefelek und am Feuerplag. In der un-
mittelbaren Nähe der erfteren Stelle findet
fich jchief gegenüber einem Tumulus zwiſchen
Nußdorjer Grenzitein 212 und 211 ein
vierediger Brunnenfhadht, der von der
f. Forjtverwaltung jüngit freigelegt wurde.
— Schon vor den Römern hatten bier
auf der Höhe des Mond Bofagus Ur:
bewohner ihre einjamen Höfe und Wohn—
ftätten erbaut,
Ueber den kalifornifchen Acıt Friedrich Karl Cafelhun,
der vor furzem in San Franzisfo das
Zeitliche fegnete, jchreibt Dr. A. Wirth
im „Tag“: Er war von eritaunlicher Biel-
jeitigfeit, jener Sohn eines Stailerslauterer
Beamten, ein fröhliches Kind der Pfalz,
die fo viele ihrer beiten Söhne, mie den |
ebenfalls jüngft verftorbenen Jakob Müller,
meiland Bizegouverneur von Ohio, mie
Engelmann und Billard, eigentlich Dilgard,
den berühmten Journaliften, der fich zum
Eijenbahnmagnaten aufihwang und feinen
Bruder Hilgard, den bedeutenden Geologen
der Berfely:Univerfität, nad) Amerika ge:
fandt bat. Caſtelhun wandelte auf den
Spuren Platens und Schillers, Neben
hohem Dden- und Balladenihmwung mußte
er innige Töne der Lyrik feiner Laute zu
entlofen und verjtand es, mit heiligem
Zorn das bligende Schwert des Hafles
und der Satire zu jchwingen. So ın feinen
Angriffen auf Bismard und auf ameri-
fanifche Staatdmänner, in jeinem Föftlichen
Spotte über andere Barden, wie Udo Brad):
vogel „„O du Udo! Lak das Dichten fein!” ), in
feinen tiefen und jchneidigen Epigrammen und
Diftichen, in jeiner Begrüßung an einen ber
juchenden Großfürften („in Aleris”), den er
mit dem Sohn des WPräjidenten Grant ver:
gleicht und den Zaren mit Grant jelbft:
Ihn benutzt auch die Umgebung
Wie ein Werkzeug mit Geſchick;
Dod; Zigarren, Schnaps und Pferde
Wählt er aus mit Stennerblid.
Wir auch haben Staatöbeamte,
Treiben’3 wie in Rußland ganz,
Suchen in dem eignen Wohle
Nur das Wohl des Baterlande.
Wir auch haben Generale,
Mordgefellen, nlaube mir!
Eine zweite Heimat findeit
‚ Du, Alexis, bei uns bier.
Eines nur blieb merfwürdigermeije dem
lebensvollen Pfälzer Kinde verfagt: das
alühende Wort leidenſchaftlicher Liebe.
Immerhin ift feine Dichtung das Beite,
was deutiche Lyrik ım Ueberjee geichaffen.
Formvollendet, flar mie Bergmwafjer, fcharf
gefantet wie Bergfriftall und ein Bürnen
und Toſen darin mie im braufenden
Bergtobel. Das Ichöne herrliche Gedidt:
„Bflegt die deutihe Sprache” bat den
Ruhm Caſtelhuns über ganz Amerifa ge-
tragen; es ijt als Inſchrift für das Wor-
tal einer neuen Schule in Graz gemählt
worden. Wflerdings, noh ein Mangel
baftet der Poefie des Deutſch-Kaliforniers
ar. Caſtelhun war ein Achtundvierziger
und als folder mehr als gemöhnlid ein:
genommen und verbittert gegen die nette
Entwicklung im alten Baterland. Unein-
gedenf prometheiichen Hochgefühls, dem es
nicht verjchlägt, „wenn auch nicht alle
Blütenträume reiften”, war Gaftelhun
geradezu ungereht gegen das heutige
Deutjchland und feinen dritten Sailer.
Die Angriffe waren derart, daB die zweite
Auflage der Gedichte im Weiche verboten
wurde. Leider war auch im Leben der
Doktor allzufehr Dichter, Nachdem er als
Arzt nahezu eine halbe Million erarbeitet,
verlor er alles in gewagten und unnötigen
Minenfpefulationen. Aber er war ein auf:
rechter, lauterer Charakter. Auch äußerlich
eine äußerſt ſtattliche, hoch und mohl-
gebaute Perſönlichkeit; prächtige Zähne und
reihlihes Haar bis ins hohe Alter, ein
mild blidendes Auge, das aber auch far-
kaftiich funfeln konnte. Gaftelhun ift als
Achtundfiebziger geitorben. — Zum Schluß
mögen die prächtigen Verſe mitgeteilt wer-
den, „Au meine Rinder” überjchrieben:
— 15 —
Pflegt die deutſche Sprache! Wenn bereinit entfallen
Hegt das deutſche Wort, Mir der Wanderjtab,
Denn der Geiſt der Bäter Wenn ich längit fchon rube
Lebt darinnen fort, Sn dem fühlen Grab:
Der fo viel des Großen Was die Gunst der Mufe
Schon der Welt geichentt, Freundlich mir befchied,
Der fo viel des Schönen Ehrt e8, meine Kinder,
Ihr ins Herz geſenkt. — — Ehrt das deutiche Lied!
Meturpflege in der Pfalz.
Auf Einladung der Kgl. Regierung, | Eigner beicdlofjen, im Anſchluſſe an den
Kammer des Innern, fand fi am 27. | unlängft zu Münden gebildeten Landes»
Juli d8. Is., nadhmittagg 4 Uhr, im | ausihuß für Naturpflege und nad defjen
Rollegialfigungsjaale des Negierungsge- | Borbild einen ſolchen Ausihuß zu bilden
bäudes zu Speyer, unter dem Borfige | zum Schuge derjenigen Naturgebilde der
Seiner Erzellenz des Herrn Regierungs- | bayeriihen Pfalz, deren Erhaltung einem
präfidenten Ritter v. Neuffer eine An» | hervorragenden ıdealen Intereſſe der Al-
zahl von Bereinsvertretern und Einzel» | gemeinheit entſpricht. Zum Scluffe er:
perjonen zufammen, um über die Bildung | folgte die Bildung eines engeren Ausſchuſſes
eines Pfälziſchen Kreisausjhujjes für | unter dem Vorjige des Herrn Univerfitäts»
Naturpflege zu beraten. Giner dom | profellors Dr. Yauterborn in Ludwigs—
Pfälzerwaldvereine ausgehenden Anregung ! hafen a. Rh., an melden auch alle auf die
entjprechend wurde nach eingehendem Re: | Sache bezügligden Mitteilungen und An
ferate des Herrn Kgl. Regierungsrates | regungen zu richten wären.
Gencrallabsblätter zum Schulgebrauch
werden im Maßſtab 1: 100000 zum Preiſe liegt. Für Städte fünnen die Lofaljchul:
von 30 Pfennig vom XTopographijchen | fommijfionen, für ländlide Diftrifte die
Bureau in München verausgabt. Kür | Bezirfsämter, ım übrigen die Vorftände
jeden Lehrer oder Schüler dürfen jährlich | höherer Schulen Beitellungen erledigen
nicht mehr wie 1 Stück eines Blattes der | zwijchen dem 15 September und 15,
Gegend beftellt werden, in der die Schule | Dftober.
Ein interellanter Fund
wurde laut „Bweibrüdfer tg.” auf der |; v. Leinenweber Zunft Sigel im* der
Gemarfung von Schönenberg gemadt, | innere: „Gericht Kibelberg Obera. Lau-
nämlich das BZunftjiegel der Leinenweber | tern.” Im mittleren Felde fehen wir die
und Schneider im Stübelberg-Amte vom | Schere und das Leinenmweberjchiffchen als
Jahre 1728. Der Abdruck hat einen | die Symbole der beiden Zünfte, fowie die
Durchmefjer von 36 mm. Der äußere | Jahreszahl 1728,
Kreis zeigt die Inſchrift: „Der Schneider |
Endailtige Ergebniffe der Holkszählung vom 1. Bezember 1905.
Die Ergebnifje der legten Volkszählung | gionsbefenntnis und der Staatsangehörig-
(1905) im Königreich Bayern find nunmehr | feit) für das Gebiet des Königreichs, der
endgiltig feitgeitellt. Eine zulammenfajlende | acht Regierungsbezirke, dann der unmittel:
Darftellung (Zahl der ortsanweſenden Per- baren Städte, jowie der einzelnen Bezirks:
jonen, Verteilung der Bolfszahl nad dem | Ämter und Amtögerichtsbezirke, veröffent-
Geſchlechte, dem Familienſtande, dem Reli | licht ſoeben das ftatiftiihe Bureau im 3,
— 16 —
Hefte (Jahrgang 1906) feiner Zeitichrift, | Prozent) die ftärkfte verhältnismäßige Meb-
zugleich mıt einer Ueberficht der ummittel- | rung jeit 30 Yahren. Der Bevölfe
baren Städte und einiger anderer größerer | rungszuwachs tritt auch diesmal, wie
Gemeinden nah ihrer Einwohnerzahl und | jhon in früheren Perioden, in erheblich
unter Bergleihung diefer Einwohnerzahlen | höherem Maße bei den Städten zutage
mit den Ergebniſſen der Zählung vom | als bei den Landgemeinden; doc) zeigt ſich
Jahre 1900. Die für die jämtlihen | bei dem Bergleihe mit den im Jahre
einzelnen (rund 8000) Gemeinden des | 1900 feitgeitellten allgemeinen Zumadjs-
Königreihs feitgeftellten Ziffern merden | ziffern die Zunahme der Bolfszahl von
im übrigen in dem zur Beit im Drudf be- | 1900 auf 1905 bei den Städten und
findlihen Gemeindeverzeihnis für das König- | Übrigen Gemeinden mit mehr als 5000
reich Bayern niedergelegt, welches voraus- | Einwohnern erheblicdy geringer, dagegen bei
fichtlich noch im Laufe des Monats Dftober | den (Gemeinden mit weniger als 5000
zur Ausgabe kommen wird. Der Veröffent- | Einwohnern erheblih größer als die Meh—
lihung ın der Zeitjchrift find die folgenden | rung während des Zeitraumes von 1895
allgemeinen und bemerkenswerten Daten zu | bi8 1900 war, denn der Zuwachs betrug:
entnehmen: Die GBejamtbevölferung
des Königreichs betrug am Bählungstage
(1, Dezember 1905) 6524 372 Berjonen; | a in ummittel-
in Grundzahlen in Progenten
das bedeutet gegenüber dem Stand 5 baren Städten 213619 135172 16,7 8,9
1900 1905 1900 1905
Jahre 1900 mit 6176057 Perſonen eine | b) In ®emeind. m. _
Bunahme der Bolfszahl um 348315 ———— 273283 180778 174 94
Verfonen oder 5,64 Prozent, abgejehen | one unm. St. 83665 16705 20 39
von der noch etwas Höheren Zunahme der j
Bevölkerung von 1895 auf 1900 (6,14 | (Schluß folgt.)
Gedenktage im September.
Geboren: 5. Wieland (1733. — | (18601. — 22. 3. P. Hebel (18%). — 3. 8.
14. A. v. Humboldt (1769. — 238. 8, | Ritter (1859).
Richter :1803). 1870: 1. und 2. Scladt bei Sedan. —
4. Frankreich wird Republik. — 19. Beginn der
Gejtorben: 3. Chr. vd. Schmid (1854). — | Belagerung von Parid. — 27. Einnahme von
20. Hal. Grimm (1863). — 21. Schopenhauer | Straßburg.
Berichtigung. Am vorigen Hefte Seite 98, 13. Beile links ließ rot; 18. Zeile lies
M, E, O, P; 2. Belle von unten lic® hamatae und befferer; 9. Zeile rechts lıc8 rob;
9. Zeile von unten lies diefer mejolithiihen Schichte; Seite 99, 23. Zelle rechts lies Tuni-
berg; Seite 100, 7. Zeile rechts lies Abri Dufaure; 15. Zeile lie8 meſolithiſchen.
nbdalt: Die Battenberger Orydrösren. Bon Karl Wagner. — Vorkommen des Wolfes
in der Pfalz. — Ueber die Aderböden der Pielz im Zuſammenhang mit dem geologifchen Aufbau.
— Heizung des Erdbodend. — Volkskunde — oltsfunft. — Pfälzifches Kreſsmuſeum. — Ueber
Anfänge einer geregelten Forſtwirtſchaft durch Fünjtliche Wicderbewaldung im Reichswald. Bon
D. Häberle, Kaifer!. Nehnungsrat, Heidelberg. — Beiträge zur Gejchichte der Dörfer Minfeld und
gg von Koh. Walter, Bezirfd-Hauptlebrer in Landau. — Das Liebesweh von Wilen—
ein. Gedicht von Dr. E. Puſch. — Höohenſchichtenkarte von Bayern. — Alte Hochſtraße. — Ueber
den kaliforniſchen Arzt Friedrich Karl Eaftelhun. — Naturpflege in der Pfalz. — Generaljtabs-
blätter zum Schulgebraud. — Ein intereflanter Fund. — Endgiltige Ergebnifte der Volkszählung
am 1. Dezember 1905. — Gedenktage. — Berichtigung.
Echriftleiter : Echrer Ph. Sauth, Eandftuhl — MKermann Aanjer’s Derlag, Aaiferzlautern.
Rür Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
Die Pfatziſche Heimattunde” koſtet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. PBerellungen werden von allen Buchhandlungen und
Feftonflalten ferner vom Verleger (Portofreie Etreifdandfendurg) angenommen.
Nummer 10
Öktober 1906.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
U)
MONATSSCHRIFT
N
EMANER ERICH:
FÜR SCHULE UND HAUS.
—
Br m
Die Ergiebigkeit und vorausſichtliche Erſchöpfung
der Steinkohlenlager
ift ohne Zweifel eine Frage von eminenter
ZTragmeite für den Stonfurrenzfampf der
Nationen. Dem ſtatiſtiſchen Zahlenmaterial
Profeſſor Dr. Frechs und den Ausfüh-
rungen ®. Trodels in der Stuttgarter
Halbmonatihriftt „Aus der Natur”
(Herausg. Dr. W. Schoenichen, Verlag E.
Nägele) zufolge hat England von jet
an gerechnet noch Sohlenvorrat für nur
255 Jahre! Andere Schägungen lauten
zwar günftiger; Tatſache iſt jedenfalls, daß
die Erſchöpfung der engliichen Flöze in nicht
allzuferner Zeit zu erwarten und ein Sturz
der induftriellen Vormacht Englands in ab»
jehbare Nähe gerüct ift. Für Frankreich
dürfte, obwohl die Broduftionsziffer in den
legten Jahren über Erwarten jchnell ge:
wachſen ift, bei der Mächtigfeit der Schichten
der Vorrat noch für 350 bis 400 Jahre
reichen. Bei weiten beffer liegen die Ver—
hältnifje für Belgien. Die Mächtigfeit
der Schichten und das langjame, gleich-
mäßige Wachen der Förderung läht ein
Ausreihen des Materiald auf 700 bis
800 Jahre hoffen. In Rußland dürfte
troß der Lager am Donez bei der geringen
Mächtigfeit der Flöze die Stohlenproduftion
niemals eine Bedeutung erlangen. Amerika
verdankt dem Typus von Benniplvanien einen
Kohlenreichtum, der unter allen erotijchen
Ländern nur von China übertroffen wird.
Nach der legten Schäßung werden dieſe
Vorräte 640 Jahre reihen. China be-
figt vor allen Dingen bei Peking, in Schan:
tung und bejonders in Scanfi joldhen
Ktohlenreihtum, daß die Produktion die
aller europäijchen Länder weit überdauern
wird. China hat aljo Ausficht, ſich einftens
zu einem Zentrum der Weltinduftrie zu
entwideln.
Wie fteht es nun mit Deutſchland?
Hier haben wir die beiden nordmejtdeutichen
Becken von Aachen und Weitfalen. Neuere
Bohrungen in der Kölnischen Tieflandbucht
haben den Zuſammenhang beider Gebiete und
zugleich die Möglichkeit einer bedeutenden Er—
meiterung diejes Gebietes ergeben. Auch im
Nordoften des weſtfäliſchen Gebietes ift eine
jolche möglid. Die Abjchägung der Kohlen—
mengen hat für das Aachener Revier eine Bro-
duftionsdauer von 80V, für das weſtfäliſche von
mindeftens ebenſoviel Jahren ergeben, wobei
die Erweiterung des Gebietes noch nicht in
Rechnung geftellt ift. Dazu trıtt das zufunfts»
reiche oberjchlejiihe Revier mit einer Flöz—
entwicklung, wie fie einzigartig Ddafteht.
Nah den meueiten Berechnungen ift im
preußijch- oberjchlefiichen Krohlengebiete mehr
Kohle vorhanden als auf. den britijchen
Inſeln zufammen. Cine Erjchöpfung diejer
gewaltigen Vorräte fteht erjt Anfang des
4. Jahrtauſend zu erwarten. „Lieb Vater—
land, magft ruhig jein!”
— 18 —
Die Eignung der Pfalz zu einem Bentralinfitnt für Aſtrophyſik.
Meteorologie und Geophyſik.
Der bevorſtehenden Generalverſammlung der Pollichta gewidmet von Ph. Fauth.
Unſere heimatliche Provinz' iſt nicht
arm an naturwiſſenſchaftlichen Ar—
beitskräften; ſie verfügt ſogar über
recht anſehnliche äußere Mittel zur
Gewinnung von wertvollen Beobachtungen
aller Art. Nirgendwo aber findet ſich bis
heute der Verſuch oder auch nur der Ge—
danke daran, die Eignung unſerer Pfalz
für dergleichen Arbeiten im großen Stil
zu prüfen. Es ſoll der Zweck dieſer Zeilen
ſein, dieſen Punkt einmal in das ent—
ſprechende Licht zu rücken und das Intereſſe
weiterer Kreiſe auf ein Bedürfnis zu
lenken, das natürlich vom großen Publikum
nicht als ſolches empfunden wird, deſſen
Vorhandenſein aber jedem natur—
wiſſenſchaftlich intereſſierten,
wenn nicht gar unmittelbar tä—
tigen Pfälzer fühlbar geworden
ſein dürfte.
Eine Unterfrage muß wohl ſein, ob
gewiſſe Veranſtaltungen in unſerem Sinne,
welche bereits ſeit längerer oder kürzerer
Friſt beſtehen, berechtigten Anforderungen
genügen oder nicht genügen; und dabei
dürfte eine Kennzeichnung dieſer Veranſtal⸗
tungen von klärendem Werte ſein. Sehen
wir uns in dieſem Sinne die Verhältniſſe
in der Pfalz an, ſo finden wir da und
dort wiſſenſchaftliche Vereinigungen, in
welchen in mehr oder weniger zwangloſer
Form mehr oder weniger freiwillig dar-
gebotene Vorträge, zumteil mit Demon-
ftrationen, häufig aber auch ohme jolche,
ftattfinden; wir denken da in erfter Linie
an den Naturmwiffenichaftlihen Verein in
Kaijerslautern und an den Wiſſenſchaftlich—
Literariſchen Verein ebendort, welche beide
regelmäßig im Winterhalbjahre Zufammen-
fünfte veranftalten, und an den Natur-
wiſſenſchaftlichen Verein Pollichia, welcher
leider nur einmal im Jahre tagt. Wir
dürfen aber nicht vergeſſen, daß in manchem
Laboratorium unſerer Mittelſchulen reiche
inſtrumentelle Mittel mit Fleiß benützt
werden und mancher Privatmann „redlich
ſtrebend ſich bemüht“; aber in allen dieſen
Fällen kann dem Einzelnen kaum „Erlöſung“
im Sinne rechter Befriedigung willenfchaft-
lihen Dranges werden, folange ſich feine
Tätigkeit in ftiller Vereinfamung abfpielt:
vereinfamt im Wirken jelbft, vereinfamt im
fehlenden Anfchluß an Bleichgefinnte, ver-
einfamt inbezug auf den Wert der Arbeiten
für die Öffentlichkeit. Wir haben mit
Abficht die Erwähnung der zahlreihen ſo—
genannten meteorologifhen Stationen 2.
und 3. Ordnung an den Schluß geitellt,
denn deren Tätigkeit fcheint einzig auf
mechaniſche Regiſtrierung einiger Beobach—
tungsnotizen beſchränkt zu ſein.
Sehen wir alſo nochmals zurück, ſo
erkennen wir ein mehrfältiges Bedürfnis,
ſich gegenſeitig in verſchiedenen Zweigen
des Naturerkennens auszuſprechen und
auszuhören, d. h. ein ſichtliches Be—
dürfnis nach häufiger Bewegung in den
verſchiedenen diesbezüglichen Gedanfen-
kreiſen. Das iſt berechtigt; aber die Ber-
anftaltungen zu feiner Befriedigung feinen
einesteild an einer gewiſſen Beſchränkung
nad) Perjonen, Stoffen und Gelegenheiten
zu leiden, andernteil® die Unterſuchung
herauszufordern, ob da nicht von Staats-
wegen oder auf irgend welchem anderen
Wege Mittel zu finden wären, gleichſam
in einer Öffentlih im Sinne der Natur-
wiffenihaftler wirtenden, der Öffentlichkeit
und jedem arbeitöfreudigen Mitarbeiter zu*
gängliden Zentraljtelle den ruhenden
Punkt ın der naturforfchenden Bemühungen
Flucht zu jchaffen, der aber zugleich eine
Art Kryſtalliſationspunkt wäre auch für die
Intereffen, für das Fühlen und Denken
derer, denen eine pofitive Mitarbeit fern
liegt oder verjagt if. E8 gibt Fälle,
in denen eine Brovinz auf ein der
artiges Inſtitut „stolz if”. Was
heißt das anderes, ald man lebt in dem
frohen Bemwußtjein, dorten nicht allein im
Sinne der eigenen, liebgewordenen Bor-
ftellungsfreije gearbeitet zu ſehen, jondern
auch ebenjolche Geiftesrichtungen im großen
Publifum propagiert zu willen, nicht zum
Schaden für dieje Tätigkeit, auch nicht zum
| Schaden für ein den Zwecken der allgemeinen
Bıldung und der Veredelung geiftiger Be—
dürfniffe zugängliches Publikum; es heißt
aber auch mit Genugtuung zu mwilfen, daß
man Fühlung mit den Öffentlichen Einrich—
tungen halten und gegebenen Falles an Ort
und Stelle des Genufjes einer edlen Pe
triebjamfeit, ja unter Umftänden der initrufs
tiven Mitbeobadhtung und, was noch höher
zu veranjchlagen ift, der Mitarbeit jelber
teilgaft werden fann, Das alles zuiammen
fann man dad Angenehme als erfreuliche
Beigabe zum Nützlichen nennen und es
wird faum jemand zu finden fein, der beides
fo ganz unnötig finden Sollte. Weifen doc)
die Darbietungen, wie fie in bejonderer
Form vom Wiſſenſch. Vereine in Dürk—
heim oder von der jungen Hochſchulkurs—
Bereinigung in Saijerslautern gepflegt
werden, genau nad demjelben Ziele hin,
wenn fie fi an die DOffentlichfeit wenden!
Kräfte find vorhanden und Mittel
fehlen nicht, aber fie find getrennt und zer-
jplittert; nur dad Bedürfnis ift allgemein
— aud in reifen, die man nicht gerade
al8 naturwiſſenſchaftlich vorgebildete wird
bezeichnen wollen. Es gibt auch da ſchlum—
mernde Wünjche und Erwartungen, Gab
ed nun in der Pfalz niemals derartige An-
ftalten, die jowohl im öffentlihen Dienite
Nützliches mirften, als der Bevölkerung
Achtung vor diejfer Arbeit im allgemeinen
und vor dem Arbeitsfelde im bejonderen
abnötıgten? Man darf da wohl an die ehrr
würdige, jegt allerdings dem unmürdigen
Schickſal einer Mietskajerne verfallene
Sternwarte zu Mannheim erinnern, die
ſchon im 18. Jahrhundert begann, den Ruhm
der Furpfälziichen Reſidenz zu begründen;
heute noch, obwohl feit 26 Jahren dort
nichts mehr beobachtet wurde, nennen die
großen aftronomifchen Jahrbücher die geo-
graphiihen Koordinaten der ehemaligen
Himmelöwarte. Es fei auch der Ajtronom
Schwerd genannt, der in Speyer fleibig
beobadhtete und dieje Stadt in den Gerud)
brachte, eine Sternwarte zu befigen; wie
man dort den Gelehrten und feine Tätig:
feit ehrte, zeigt uns das Denkmal Schwerds
im Domgarten. Das Berliner aftronomifche
Jahrbuch verzeichnet ebenfall8 (wohl heute
noch) die genaue Lage der Speyerer Warte.
Nicht minder ijt das temporäre magnetijche
DObjervatorium Dr. v. Neumayers auf dem
119 —
Kal. Holzhofe in Frankenthal zu erwähnen,
das im Oftober 1855 gebraucdhsfertig war
und durch mehrere Monate als Stüßpunft
für die magnetijhe Vermeſſung unierer
beimatlichen Provinz diente; erft vor furzem
ift ja die Wichtigkeit jener Arbeit in ge
bührender Weije gejchildert worden. Geit-
dem ift es allerdings ftill geworden inbezug
auf Beranftaltungen, denen gegenüber die
Öffentlichfeit in merflicher Form interefliert
wurde. Wenn auch das feit 16 Jahren
tätige Objervatorium bes Berfafjers für
Mond: und Planetenerforfchung wegen jeines
rejpeftablen Inſtrumentes und der in-
zwijchen erzielten Rejultate noch genannt
fein mag, jo ift doch zu bemerken, daß aud)
dieje Arbeiten fi fern vom öffentlichen
Leben abjpielten und abjpielen mußten, und
daß ed außerdem noch zwei andere pfälzische
Liebhaberobjervatorien mit ſehr ſchönen
Fernrohren ausgerüiftet gibt, nämlich in
Rodenhaufen und in Frieſenheim, ebenjo
daß es bis vor 15 Yahren noch ein klei—
neres DObjervatorium gab, nämlich in Ger-
mersheim, von welchen drei Stätten opfer-
freudigen aftronomijchen Liebhabertums aber
wohl die allerwenigften Bfälzer eine Ahnung
haben werden. Darum nochmals: Es ift
jehr ftill geworden inbezug auf die Reprä—
jentation wiſſenſchaftlicher Forſchung durch
ein angeſehenes Inſtitut der Pfalz.
Was nun früher anders und beſſer war,
könnte wohl künftig wieder erfreuliche Ge-
ſtalt gewinnen, wenn nur das eingeengte
Intereſſe beſtehender Vereinigungen und
privater Mitbürger, ſowie das latente In—
terefje aller der Forſchung mwohlgefinnten
Piälzer lebendig mitwirft eine zentrale
Stelle zu ihaffen zur Freude der Bürger,
zur Genugtuung der Gönner und zum
Nutzen der Wiſſenſchaft und der Menichheit.
Iſt aber die Pfalz nad) Maßgabe ihrer
Lage und orographiichen Verhältnifje, ihrer
Größe und Nahbarjchaft bei ähnlichen In—
jtituten geeignet etwa eine vereinigte geo-
graphiich:meteorologiicraftronomische Stätte
zur Sammlung wichtiger, ja fundamentaler
Handhaben zu pflegen, jo daß etwa außer-
gewöhnliche Erfolge den willkommenen
Lohn für aufgemwendete Laften darftellten?
Wir glauben dieje Frage mit guten Gründen
mit einem fräftigen, bedingungslojen Ja!
beantworten zu fünnen. freilich ift e8 eine
— 120 —
ganz beſondere Sache um den Ort für
dieſes geplante Inſtitut. Nicht jede Gegend
der Pfalz, am allerwenigſten aber irgend
eine Stadt eignet ſich für die Aufſtellung
jo feinfühliger Apparate wie fie ind Auge
zu fallen find, oder für fo empfindliche Be:
obachtungen, wie fie angeftellt werden müſſen,
wenn die ganze Beranftaltung ihr Ber-
iprechen halten fol. Der Sachfundige wird
zugeben, daß gemilfe Unterjuchungen über-
haupt nur an Örtlichkeiten, die weit abjeits
von allen möglichen jtörenden Einflüfjen
gelegen find, mit Hoffnung auf Erfolg an—
gejtellt werden fünnen. Es gibt auch Fälle,
in denen die Erfahrung bittere Lehren ge-
geben hat. Führen wir zur befleren Wür—
digung diejer Bedenken einige Fälle an!
Die große Univerfitätsfternwarte in
Straßburg liegt unweit der Zitadelle gegen
die Orangerie hin; marjchiert in den Abend:
ftunden des Winterhalbjahres ein größerer
Truppenförper auf Straßenlänge ent
fernt vorüber — und die Sternwarte fteht
viele Meter tief mächtig im Alluvialboden
fundiert, dazu auch noch weit innerhalb des
Univerfitätsparfes —, jo find troß alledem
gewiſſe Feinbeobadhtungen ſolange unmög-
lich, bis fich die Zitterbemegungen des Erd-
bodens beruhigt haben, — In Karlsruhe
war ähnliches der Fall, wenn Rangierzüge
in etwa zwei Straßenlängen Abſtand ar
beiteten. Als im Auguft 1896 das Objer-
vatorium auf dem Sirchberg bei Yandituhl
(125 ın relative Höhe) feine Tätigfeit be:
gann, dedte die erſte Beobachtung den
Mikitand auf, daß die in 500 m Entfer-
nung am Fuße des Berges vorüberfahrenden
Büge den ganzen Berg jo erzittern machten,
daß feine Wahrnehmungen an Planeten
während der Erjchütterungen unmöglid)
wurden. — Seismometer zur Regiltrierung
feiniter Erdbebenwellen müſſen höchſte Em—
pfindlichkeit beſitzen; es iſt alſo klar, daß
ſolche Apparate auf keinen Fall innerhalb
einer Stadt mit Yuhrmwerfsverfehr oder nahe
bei FFabrifanlagen, ja nicht einmal unmeit
eines braujenden Waflerwehres ıhren Platz
finden oder behalten fünnen. Gewiſſe auf
der Dderiniel innerhalb des Stadtgebietes
ın Breslau aufgeftellte Mekinftrumente
zen einfeitige Ablejungsfehler, je nad):
der rechte oder linfe Oderarm durd)
Wehr abgejperrt, aljo mit den jchweren
Waſſermaſſen gefüllt oder nicht gefüllt ift. —
Magnetiihe Stationen dürfen natürlich nicht
nahe bei Eiſenbahn oder Telegraphen» oder
eleftriihen Bahnlinien liegen, ja nicht ein-
mal eijerne Beichläge, Schienen, Klammern
am Beobachtungsgebäude ſelbſt befommen,
wenn die Aufzeichnungen der empfindlichen
Apparate nicht gefälſcht erfcheinen jollen. —
Angefihts ſolcher Beiipiele begreift auch
der Laie, dab rechte Erfolge nur am
rechten Orte und unter entiprechend pein-
licher Borforge zu gewinnen find. Diele
Rückſicht erftredt fich aber jelbit auf die
gewiß weniger anſpruchsvollen Ablefungen
der meteorologifchen Inftrumente. Wenn
man 3. B. aus Erfahrung weiß, daß eın
Negenmefjer wefentlich verfchiedene Regen—
mengen anzeigt, je nachdem er auf irgend
einer der vier Eden eines freiftehenden
Turmes plaziert ift, oder je nach der Höhe
jeines Standortes, oder je nad) der Form
und Größe feiner auffangenden Offnung.
jo muß es geradezu lächerlich ericheinen,
fieht man fo ein „Bräzilionsinftrument” in
einem Garten hinterm Haus und zwiſchen
Dbitbäumen aufgeftellt. Thermometeran-
gaben find bekanntlich von der Ausitrahlung
umgebender Flächen nicht gering beeinflußt;
dennoch gibt e8 „meteorologijche Stationen“
in der Pfalz, wo fie die denkbar fragwür—
digite Aufftellung gefunden haben. Mehr
noch ift die Richtung und Stärke des Win-
des von lofalen Umfiänden abhängig, fogar
von der Lage des Beobadhtungsortes (Ebene,
Tal, Abhang, Höhe) überhaupt; wie joll
es da bei der üblichen Unordnung der
Apparate in Städten, in der Nähe von
Straßenzügen, langgeitreften Plägen mit
merflihem Einfluß auf die Windridtung
uſw. zu unbeeinflußten Angaben der jonft
ja zuverläffigen Hilfsmittel fommen? —
Wir können getroft den Sag aufftellen, daß
die meteorologiichen Elemente, wie fie im
allgemeinen in der ganzen Pfalz an vielen
Stationen erhalten werden, feineswegs von
ihädlichen Einflüffen gereinigt find und daß
fie darum wenig zuverläjfig bleiben, ſolange
man der bequemen Bedienung der Apparate
zuliebe ihre üblichen Standorte beibehält.
Welhen Wert hat denn der immerhin be»
trächtlihe Aufwand von Geld, Arbeitskraft
und Zeit, wenn man fich offenfundig mit
nicht einmwurfsfreiem Materiale begnügt?
Welche Schwierigkeiten erwachſen nicht da
der bayerijchen oder irgend einer Zentrale,
welche mit ſolchen Elementen arbeiten muß!
Wie wertvoll wären dagegen Notierungen,
welche man von all diefen Einflüffen bis
auf ein unfhädfiches Minimum frei wüßte!
Setzen wir einmal den Fall, eine Stätte
der mwilfenichaftlichen Beobachtung, wie wir
fie im Auge haben, jei fomeit vorbereitet,
dab es fi nur noch um die Beftimmung
ihrer age innerhalb der heimatlichen
Grenzen handelte, Es wäre dann eine
Gegend zu ſuchen, deren Zugänglichkeit und
doc; erponierte Freiheit bezüglich eines
. großen Wirfungsfreijes wenigitens für einige
Zwere mit allen jenen Umitänden verbun-
den bleibt, welche vorausgehend als uner—
täglich fir gewiſſe Leitungen genannt wor-
den find. Das ift natürlich weder der
Donnersberg, noch die Kalmit, noch der
Potzberg, ja überhaupt fein Berggipfel, denn
befanntlich zieht ein folder zu gemiljen
Jahreszeiten mit leicht veränderlichen Witte-
rungszuftänden nur gar zu gern feine Wol—
fenhaube auf oder er gilt in gewiſſem Sinne
als „Wetterverteiler.” Die Praxis erfordert
aber einen Standpunft innerhalb normas
ler und nicht innerhalb außerordentlicher
Verhältniſſe. Somit bleibt nur die Ebene
übrig und wir haben die Wahl zwiichen der
Rheinebene und der mittelpfälziichen und
der ficfingiichen Hochebene. Die erite kann
unbedingt nicht inbetracht fommen; fie befitt
in ihrer Ziefenlage, Nord - Süd» Richtung,
Bevölferungsdichte und bejchränfteren Ent-
fernung der Horizontlinie ſchon allein Hin—
dernifje für die und jene Unterjucung,
liegt aud) räumlich zu nahe bei den Haupt»
ftationen Heidelberg -Königsituhl und Sarls-
ruhe als daß eine dortige Station befon«
dere Wertung im internationalen Beobad):
tungsneß erfahren könnte. Die zweite ift
ungeeignet, weil fie in allzu großer Nähe
zwei Ausgangspunfte ftarfer Einflüffe befigt,
die, wenn fie nicht zwangsweiſe hingenom-
men werden müſſen, gerne umgangen werden:
es iſt dies die große Stadt Saijerslautern
mit ihrer nächtlihen Beleuchtung, die fi
auf zwei Meilen in der Runde bemerflich
macht, mit ıhren Rauchmaſſen und ihren
unrubigen Verkehrsverhältniſſen — alles
natürlich vom empfindlichen Standpunft des
Beobachter aus geurteilt —, und ferner
121
|
h
[3
iſt es das gewaltige Maifio des Donners-
berge3, der ohne Not nicht die Nachbar«
ichaft einer Wetterwarte bilden darf. Es
bleibt jomit als einzig inbetradjt kommende
Gegend die Sıdingerhöhe übrig, deren
Eignung zu prüfen wäre.
Die Frage lauter nun: Bejigt die
Sidingerhöhe überhaupt die er
forderlihen Eigenſchaften und in
welhem Maße fommen Diejelben
zur Geltung?
Für den Fernerſtehenden geben wir eine
furze Charafteriftit der Umftände. Ziehen
wir von Staiferslautern eine Linie nad
Birmafens, jo folgt dieje im allgemeinen
der Richtung des Moosalbtales und jcheidet
die weitlichen flurenbededten, flachgemölbten
Rücken der „Höhe“ von dem öſtlichen wald-
bedeckten mit Rüden und Suppen gefenn»
zeichneten, unregelmäßigen Berglande der
Hardt. Die „Höhe“ dehnt fih in meitem
Zuge und in einer Länge von faft 40 und
einer Breite von faft 20 km vor dem Blicke
aus und fteigt dabei von Südoften gegen
ihre höchfte Erhebung und zugleich Endigung
bei Landſtuhl nur von rund 400 m bis
rund 455 Meter. Yandftuhl nahe Liegt
an ihrem äußerften Ende zugleich ihre
höchſte, wenngleich jehr fladhe Kuppe mit
462 Meter Meereshöhe (210 Meter über
der ehemaligen „Bruch“ Ebene). Hier in
der Nähe ift die gejudte Stelle,
An einer Höhe von 450 Meter liegt
freies, ebenes Aderland auf flachem Rüden
und der Blick trägt nördlidy bis zu den
langen Rüden des Hod- und Soonmwaldes
(50 km), jüdlich bis zur Lothringer und
Elſäſſer Grenze (bis 45 km). Zwar find
die höheren Erhebungen der vorderen Hardt
Srenzpfeiler des Geſichtskreiſes, aber inan—
betracht meteorologijcher Umblicke kann man
den die Wolfenformen einichließenden Hori-
zont mit einem Radius von 70 und mehr
kın anjegen. Der Ausblif it fozufagen
nirgends gehemmt, was z. B. gerade für die
Beobahtung heran: und vorlberziehender
Gemitter von großem Werte tit.
Ein Fußpfad zieht in nächſter Nähe
über die Waflerfcheide, welche Glan- und
Schmwarzbadjgebiet trennt; eine feite Yand-
ftraße zieht in T50 m Abftand vorüber und
hat Pojtverfehr und Telephonleitung. Ob-
wohl die Stadt Landſtuhl nördlih nur
2 km entfernt (aber 200 m tiefer) Liegt, ift
der Platz jchallfrei; daß er raudjrei ift,
bedarf feiner Verficherung. Für Staubfrei»
beit Hilft ein rings an den Hängen ziehen-
der Ring von Laub» und Nadelmwald forgen.
Der unter geringer Ackerdecke „gewachfenen”
Sandjteinfeld zeigende Boden ift erjchüt-
terungsfrei und troden, wierwohl in geringer
Tiefe an beiden Hängen Wafferadern zutage
treten. Fahrbare, ebene Wege führen hart
am Plage vorüber dur Sulturland; die
Entfernung von Landſtuhl und Oberarnbad)
beträgt auf janft anjteigenden Straßen 4,5
und 1,5 kın, die Entfernung von Bann und
Mittelbrunn je 2,5 und 3 km.
Die Gegend wird weitaus am häufigften
von SW-Winden beitrichen, die allerdings
zuzeiten den Talnebel aus den beiden an—
liegenden Tälern über die Waſſerſcheiden
herübertreiben, aber beiderjeits in Strömen,
welche einige hundert Meter vom Orte
des projeftierten Dkfervatoriums entfernt
bleiben, fo daß deflen trodene Lage ge
fihert bleibt. Baumaterial fann aus 1,5
Kilometer Entfernung auf faſt ebenem
Wege — zur Hälfte Landſtraße, zur Hälfte
Feldweg — herbeigebradht werden. Der
oben genannte Fußpfad dient zum aus«
ichließlihen Verkehr der Talbewohner mit
Landftuhl, bei ca. 400 m Entfernung vom
Plage nahe genug zur Bequemlichkeit und
fern genug inbezug auf rhögliche Störungen.
Die Natur der Gegend bringt es mit ich,
dab fozufagen ebene Streden bis zu 2
Ktilometer Länge in drei Richtungen zur
Verfügung ftehen, je eine von 4, 5,5 und
6,5 km, welche insgeſamt als Baſislinien
für verjchiedene Unterfuhungen und Beo—
badıtungen dienen können, bejonders Linien
von 2 und? 4 km Länge in Meridian:
rihtung. Eine Anzuhl Punkte in allen
Azimuten können als Anhalte zu allerlei
Meſſungen und Kontrollen dienen.
Sehen wir fo den inbetracht gezogenen
Pla aus einer Summe von Tatbeftänden
und Tatlähhlichfeiten heraus als für ein
wiſſenſchaſtliches Inſtitut geradezu ideal
gelegen gekennzeichnet, jo darf aud die
Hoffnung ausgeiprochen werden, daß Ar-
beiten, welche von einer folden Station
unter vorzüglichen Umftänden geleiftet wür-
den, an ſich vorzüglich und anderen gegen:
122
über zmwecdmäßiger, zahlreiher und wert:
voller ausfielen. Anderswo hat man mit
Koſten, welche nur die Opfermilligfeit ein-
zelner Stellen und Privaten aufbringen
konnte, weil ein laufender Betrieb für Staat
und Gemeinden allein zu koſtſpielig ge-
worden wäre, Hochobſervatorien für ge
wiſſe Zweige der aſtronomiſchen Be—
obachtung und zur temporären Be—
nützung angelegt, wo mit Unterbrechungen
gearbeitet wird: jo in Frankreich (Pic du
Midi), Stalien (Ätna), Amerifa (Mt. Wıth-
ney u. a, Orte) für hauptſächlich aftro-
nomifche Studien, und auf dem Säntis,
der Bugfvige und dem Sonnblid für rein’
meteorologijche Zwecke. Alle dieſe Ortlich-
feiten haben in jeder Beziehung bedeutende
Schmwierigfeiten im Gefolge, welche bewirfen,
daß die Mejultate der dort gepflegten Unter:
fuhungen weder qualitativ, was doch
zu erwarten wäre, no quantitativ, was
auch natürlıch erjchiene, in einem einiger-
maßen befriedigenden Berhältniffe zu dem
finanziellen Aufwande für die Inſtitute und
zu dem phyſiſchen und moraliſchen Sraft-
aufwande ſeitens der in die Verbannung
geſchickten Beobachter ftehen. Das ift nicht
zu ändern und wäre noch jchlimmer, wenn
man in noch bedeutendere Höhen ftiege,
wo die Unzugänglichkeit, die Unmohnlicfeit,
die Kälte und die atmoſphäriſchen Gemalten
nod) geiteigert zu finden find. Mit einem
ganz Eleinen Bruchteile des Aufwandes
für eine jo erponierte Warte wäre in
unferem Sinne auf der Gidinger Höhe
eine Forichungsftätte zu begründen, die ab-
jolut frei wäre von all jenen Unbilden der
Gipfelitationen und nur wenig hinter
ihnen zurüdjtehen würde inbezug auf die-
jenigen atmoſphäriſchen Verhältniffe, derent-
wegen man die jchwierigen Beranftaltungen
getroffen bat. Warum geht man denn
überhaupt in große Höhen? Doch des-
wegen nur, damit ein weſentlicher Teil
der DHinderniffe aus dem Wege geräumt
jei, die in der Dichte, dem Dunft- und
dem Staubgehalte der Yuft begründet find,
Nun liegen die Berhältniffe praftiich fo.
dab man eine mweientlide Eliminie-
rung der Hindernifje nur mit ganz
erorbitanten Leiſtungen erfaufen
fann. Will man nur ein Drittel der
Dichte oder des Drudes der Luft aus»
ichalten, jo muß man jchon in gut 3000 m
Meereshöhe auffteigen; und ganz Europa
mit dem Raufajusgebier hat feinen
Gipfel, der mehr als die Hälfte der
Dichte Überwinden ließe. Andererſeits aber.
iſt der Umſtand jehr erfreulih, dab die
feſten Moafjenteildhen, welche die Klarheit
unſerer Atmoſphäre
ſchaftlichen Studien hinderlich werden, eigent
lich nur in den allerunterſten Schichten
ſchweben und daß man ſich demnach nur
in mäßige Höhen zu begeben braucht,
um annähernd die günftigen Verhältniſſe
anzutreffen, wie fie in gang weſentlich
größeren Höhen durchaus nicht wejent-
lih bejier zu finden find, Daher find
Hochebenen von mäßiger Erhebung vorzu:
zichen, beionders wenn fie von Tälern durd)-
furdt find, welche den Maſſenteilchen von
höherem fpezifiihen Gewichte geftatten,
noch tiefer zu bleiben. Damit foll natür-
lich nicht gejagt fein, daß auf der meft-
plälzifhen Höhe dasſelbe geleifter werden
könne, wie etira auf der merifanifchen oder
peruaniichen Hochebene; aber was in diefen
erotischen Regionen nit jo gar viel
beijergemadht wird, Eoftet vielleicht
bunderrmal joviel Geld, ald wenn es
etwa bei und gemadt würde, und das
ift der fpringende Bunft; darum eben
eignet ſich unjere Sidingerhöhe
vorzüglih für eine Beobadtungs-
ſtation.
In welchem Umfange die Tätigkeit
eines derartigen Obſervatoriums entfaltet
werden kann, bedarf noch eingehender Dar—
legung. Die Überzeugung von der ſeltenen
Gunſt ſeiner Lage bedingt die Ausdehnung
des projektierten Arbeitsprogramms auf alle
Zweige der Forſchung, welche hier in ver—
mehrtem Maße wertvolle Reſultate zu
gewinnen hoffen. In erſter Linie kommen
da diejenigen Forſchungsarten inbetracht,
deren Materie innerhalb der Erdatmoſphäre
und jenſeits derjelben, im Weltraume liegt,
aljo die Aftronomie und die Meteoro:
logie, Weniger megen der gewöhnlichen
Verbindung beider Wiſſenſchaften mit Unter-
ſuchungen terreitriicher Natur, als weil die
gegebenen Umftände einer Hereinbeziehung
auch vornehmlich ſeismologiſcher und erd—
123
trüsen , und millen: :
find, wäre aud der Erdbebenforihung mit
ihren Unterzielen und der Überwachung
der magnetiſchen Elemente ein fruchtbarer
Boden angewieſen. Nicht al® ob derartige
Studien getrieben werden müßten; aber
ed wäre erwägenswert, ob man nicht im
befondererr Ausnahmefalle die gebotene Ge—
legenheit fruktifizieren wollte! Heute be»
| kommt jedes durch Telegrapy oder Tele:
magnetifcher Beobachtungen bejonders glinftig
phon mit der betriebjfameren Welt ver-
bundene Dörfchen in ganz Deutjchland von
Staatsmwegen ein Beitfignal, welches ihm
die genaue mitteleuropäiihe Zeit über-
mittelt. Wenn man darauf ichon jo großes
Gewicht legt, jo bedarf e8 aud feiner
weiteren Worte, um das öffentliche Intereſſe
an Himmels und Witterungsbeobadhtungen
zu begründen.
Die Sidinger Höhe hat im Norden eine
breit ausladende Vorſtufe, die ſich mit faft
horizontaler Oberflähe bis hart an den
Rand des einftigen Moorbruches erjtredt
und fteil zu ‚diefer Ebene abfällt. Auf der
Endigung diejer Terrafje unmittelbar über
der Stadt Landjtuhl befindet fich in 130 m
relativer Höhe feit dem Sommer 1895 das
planetographiiche Privatobjervatorium des
Verfaſſers. Iſt dieje Lage auch beichwerlich
und für gemiffe Arbeiten, melche ftunden-
lang in gleichen Zeitabjchnitten fortgejegt
werden jollten, ein direktes Hindernis, be—
fonders in den jtrengen Wintermonaten, jo
war fie doch zur Gemwinnung wertvoller
Rejultate unumgänglich nötig, und die Er-
fahbrung hat die Borausjegungen
glänzender geredtfertigt, als nur
zu erhoffen war. Es bejteht aber Die
begründete Hoffnung, daß eine Warte am
projeftierten Orte, der fi 2,5 km jüdlicher
und noh 70-75 m höher befindet, noch
wejentlich günftigere Berhältnijie
ausnügen könnte. Haben die Unterjuchungeu
am Wonde (vergl. des Verfaſſers Bud
„Was wir vom Monde willen”, H. Hillger,
1906) und an den Planeten, ganz bejonders
am Planeten Jupiter, weitgehende Schlüffe
auf die wahre Oberflächenbejchaffenheit und
Aufflärungen bezüglich ihrer kosmiſchen Ge—
ſchichte gezeitigt, ſo dürften diefe Rejultate
unter beijeren Umftänden, zumal vielleicht
bei Anwendung eines nod) leiftungsfähigeren
Inftrumentes übertroffen werden, fo daß
die Grenze überjchritten würde, jenjeits
welcher gerade die fosmologiich jo hochwich⸗
tigen Erfenntnijje zu erwarten find. Das
Biel der diesbezüglichen Arbeiten hieße auch
fernerhin: Genauefte Erforihung der Zur
ftände und Borgänge im Bereiche gewiſſer
bejonders interejjanter Mondgegenden und
auf den Planetenoberflächen, damıt die ver-
wandtichaftlihen Beziehungen diejer Fami-
lierglieder des Sonnenreihes und ihre
Schöpfungsgeihichte immer deutlicher er-
fannt würde. Um die vorzüglichen Be»
dingungen des Platzes auszunügen, wären
auch die Planeten Venus, Merfur und wohl
auch noch Uranus in das Programm ein-
zubeziehen.
Dem Laien könnte es fcheinen, als jei
die Erwartung jo ganz erquifiter Rejultate
auf einen vielleicht wohl verftändlichen, aber
nicht gerechtfertigten Optimismus des Ver—
faffer8 zurüdzuführen. Die Dinge liegen
aber ganz andere. Der Laie folgert ja
ganz richtig: Das Landftuhler Fernrohr ift
16,5 cm did, das Lie oder Nerkesfern:
rohr 6 mal jo groß, folglich leiſtet e8 auch
6 mal joviel — und doch ift diefe Anihauung
fo faljch, als nur jemals eine fein konnte,
wenn jie nur auf der formell richtigen
Schlußfolgerung beruhte. Um aud ?en-
jenigen, welche nie Gelegenheit zum Beob-
achten mit einem aftronomiihen Fernrohre
hatten, einen drajtiichen, aber in dieſem
Falle ganz zutreffenden Vergleich anzufüh-
ren, wolle man die folgenden beiden Sätze
vergleichen: Ein Hammer von 50 g Gewicht
fteht dem Goldarbeiter trefflih zur Hand;
ein folder von 300 g Gewicht muß ihm
6 mal jo bequem und zmwedmäßig fein.
Jedermann fieht ein, dab die FFolgerung
nicht zutrifft, weil es nicht auf die Wucht,
fondern auf eine zweckmäßige Feinheit der
Wirkung anfommt. Genau ebenjo iſt e8
bei den Fernrohren. Wenn man mit Hilfe
der modernen WRiejeninftrumente bis zu
20 m Länge in allen Zweigen der
ajtronomiihen Forſchung in gleichen
Verhältniffen mehr leifien könnte als mit
fleinen Mitteln, dann wären dieje legteren
zur erniten Arbeit untauglih und über-
flüſſig. Die Praris hat in den legten zehn
Jahren deutlicher als früher das entjchei-
dende Wort geiprochen und die planeto-
graphiichen Arbeiten, welche an Fernrohren
von nur 16—20 cm Öffnung geleiftet wur«
124
—
den, übertreffen faſt durchweg diejenigen, zu
deren Erledigung viel größere Rohre ver-
wendet wurden. Es kann heute fein Kweifel
mehr darüber beftehen, dak ein aftrono»
mifches Fernrohrobjektiv von 25—30 cm
lihtem Durcdmefjer in den Händen eines
erfahrenen Beobadhters und am rechten Orte
in der Anwendung auf Blaneten von feinem
großen Inſtrumente übertroffen wird,
Aus diefem Grunde und infolge langjähriger
praftiicher Erfahrung hegen wir die Hoff-
nung auf einen wejentlichen Fortſchritt in
der Blanerographie, wenn es gelänge, auf
der Sickinger Höhe die entipredende Ein»
richtung zu treffen. Das will joviel heißen,
daß ein folches, wenn äußerlich auch noch
jo bejcheidenes Inſtitut imftande wäre, in
feinen Leiftungen vorbıldlid für alle
Sternwarten der Erde zu werden,
welche das gleiche Feld bearbeiten, wie auch
vor erft menigen Jahren die beicheidene
Privatiternwarte des jeßigen VBorftandes der
aftrophotographiichen Hälfte der Sternwarte
Königsituhl, Hofrates Prof. Dr. M. Wolf,
vorbildlich geworden ift für alle ähnlichen
Sternmwarten, obwohl fie damals inmitten
der Stadt Heidelberg mit zahlreichen Hin-
derniljen zu kämpfen hatte. Wir betonen
dieje Bunfte den Laien gegenüber, weil hier
Berhältniffe inbetracht fommen, wie fie nur
praftifche Erfahrung betätigen und würdigen
lernt. Wie in einer Dynamitpatrone eine
gewaltige Kraft konzentriert liegt, welche in
weiſer Hand viel Nütliches vollbringen
fann, jo jchlummert gewiſſermaßen aud in
dem optiihen Wundermwerf, welches das
aftronomische Fernrohr in der Tat ift, eine
erjtaunliche Kraft, deren Nugbarmahung
freilid nur wenigen, von der gütigen Natur
Bevorzugten gelingt, denn das altronomilche
Feinjehen, welches für planetographiiche
Erfolge unerläßlih ift, fan zu einem
großen Teil niemals „durd Übung“ erwor-
ben werden, weil e8 auf einem phyfio-
logifhen Zuſtande der Nephaut des
Beobadters beruht. „Das Fernrohr madıt
den Beobachter”, gewiß! Uber der Beo-
bachter macht die Entdefungen, und es gibt
genug Fadhaftronomen, melde ın ihrem
ganzen Leben nicht die wahren BZuftände
auf den Oberflähen der Planeten fennen
gelernt haben oder hätten fennen lernen
fönnen; es gibt ja auch eine fehr große
— 15 —
Anzahl „Farbenblinder“ oder „Ihmwer-
höriger“ Menſchen.
Bei der großen Wichtigkeit, welche heute
allen Naturvorgängen beigelegt wird, die
in ihrem wechſelnden Verlaufe eine deutliche
Abhängigkeit von dem großen NRegulator
unjerer engeren Welt, der Sonne, befigen,
wird ed in Bufunft immer wichtiger jein,
wenn alle Veränderungen auf dem befannt-
lich nicht fleckenloſen Angefichte der Sonne
recht ausgiebig überwacht werden, Ein
DObfervatorium von der geichilderten Ten-
denz entzieht fich natürlich einer folchen
Aufgabe um fo weniger, als die betr.
Arbeiten graphiiher Natur nur ein
Seitenftüd zu den übrigen, auf die Planeten
bezüglichen, bilden. Tägliche Aufnahmen
der Sonne, joweit es die Witterung zuläßt,
wären demnach ein jelbitverftändliches Biel.
Auch die Überwahung des Licht.
wecdhjels veränderliher Sterne ift in
der letten Zeit zu einem dringlichen Be-
dürfnis geworden. Die Zahl der veränder:
lihen Sterne ift in ungeahntem Maße ge:
ftiegen und die Theorie des Berlaufs der
Lichtkurven und gar die Theorie der Bari:
ablen überhaupt ftedt nod in den Sinder-
ihuhen. Auf diefem Gebiete ift noch eine
Menge Beobadhtungsmaterial zu jammeln,
und wenn eine gemwifle Befriedigung über
den Stand der Dinge nicht gerade geleugnet
werden kann, fo hat man privaten Be:
mühungen einen guten Zeil des VBerdienftes
daran zu verdanfen. indem nun Reinheit
der Quft, Freiheit von Nebeln und ftören-
den Lichtquellen, häufigere Klarheit im all»
gemeinen die Signatur der Höhenlage ift,
jo erfcheint diejelbe auch zur Beobachtung
veränderliger Sterne vorzüglich geeignet.
Nicht minder leicht find in durchfichtiger
Luft Beobadhtungen des Tierfreislichtes
und feiner Begleitericheinungen (Brücken,
Bänder, Strahlen oder Lücken, Gegenſchein)
zu gewinnen. Daß ſolche Unterfudungen
nit von geringem Gewichte wären, geht
aus der Tatſache hervor, daß über das
Wejen und die kosmiſche Rolle diejer Er-
Iheinungsformen noch gar nidts Sicheres
befannt ift und fie zweifeldohne kosmologiſch
hochintereſſante Probleme darftellen. Die
gewöhnlichen Stationen, welche der Him-
melsfunde dienen, eignen fich nur jelten zur
duftiger Ericheinungen, weil die Erleuchtung
in den Städten und um dieſelben her zu-
viel ftörende Helligkeit verbreitet, als daß
3. B. die Grenzen und Intenſitätszonen des
Tierkreislichtes mit wiffenichaftlich erforder-
liher Genauigfeit feftftellbar wären. Auch
das Studium des Phänomens der Mild-
ftraße ift noch lange nicht als abgeichlofjen
zu betrachten und bietet im allgemeinen die
gleihen Schwierigkeiten, fände aber am
beredeten Drte bejte Gelegenheit zu wert⸗
vollen Unterfuchungen.
Wir Haben ſchon meiter oben durch
Bezugnahme auf die Bermittelung der
mitteleuropäifcdhen Zeit angedeutet, daß das
geplante Obfervatorium einer bejcheidenen
Einrihtung zur Zeitkontrolle bedürfe,
Der Befiß einer aftronomifc genauen Zeit:
angabe ift einerjeits ein weſentliches Er—
fordernis für manderlei Beobachtungen,
die jonft nur geringen Wert hätten, anderer:
feit8 wird man die mohltuende Sicherheit
in diefer Hinficht gerne auch ſolchen Er«
eigniffen gegenüber nußbar machen, welche
zahlreich vorfommen und bequem im Rah»
men der Hauptarbeiten mitgenommen werden
fönnen. Daß Mond und Sonnen
finfternifje das gebührende Intereſſe
finden, wenn fie nur nad Tagesftunde
und Witterung zugänglich find, ift natürlich;
aber auh Bedeckungen von Firfternen
durch den Mond oder durch Planeten müß
ten beobachtet werden und die im Jupiter-
ſyſteme vorfommenden vielhundertfachen
Fälle von Borübergängen der Trabanten
vor der Scheibe des WPlaneten, ihr Ber-
Ihwinden Hinter derjelben, ihre Berfinfte-
rungen im Supiterjchatten und ‚die Vor:
übergänge der Mondesichatten auf der
Scheibe wären jo interejjante, als wichtige
und dankbare Anläffe zu präzifen Felt
ftellungen.
So märe denn dad Programm der
aftronomijchen Abteilung einer pfälzifchen
Hochwarte reichlich bejegt; wenn es aud
allzu vielfältig erjcheinen jollte, jo muß
man doch bedenken, daß eine ganze Gruppe
gleichartiger, technisch verwandter und zeit
ih und örtlich benachbarter Tätigkeiten
dabei einbegriffen ift, daß die einzelnen
Aufgaben fich periodiich abzulöfen pflegen
und daß gerade die peinlichen, umftändlichen
Gewinnung von Daten bezüglich fo feiner, | Mikrometermeflungen, eine ſpezifiſch fach
4
— 16 —
männifche Betätigung an offiziellen Stern-
warten, mit Abficht und guten Gründen
außer Acht gelafjen worden find.
Das meteorologijhe Programm
ift ähnlich vollftändig zu denfen. Die aus«
ichließliche - Beftimmung einer erponierten
Warte zur Gewinnung von jachlichen Grund
lagen für jpätere theoretiſche Folgerungen
bedingt eine Bieijeitigfeit innerhalb der
meteorologiihen Spezialziele und eine
Gründlichkeit in der Grmittelung der
Elemente dieſer Forſchungszweige, welche
naturgemäß nur von menigen derartigen
Unftalten verbürgt werden fünnen. Indem
wiederum nur Straßburg, Karlsruhe und
Heidelberg und in weiterem Umfreije gegen
Weiten nur Meg und Trier inbetradht
fommen, faın man ermeijen, von welcher
großen Bedeutung eine Wetter
ftation I. Ordnung in bevorzugter Page
an dem geplanten Orte werden müßte.
Die Yuftdrud- und Temperatur
mejlungen geſchehen mit Rückſicht auf die
wünſchenswerte Vollftändigfeit ihres Wertes
und wilfenjchaftlichen Gehaltes ſowohl fort«
laufend durch automatische Regiſtrie—
rung, als zu mehreren, beftimmten Tages—
zeiten an Präzifionsinftrumenten durch
direfte Ableſung, melde die Drud-
und Temperaturkurven £ontrollieren. Auch
der Grad der Yuftfeuctigfeit kann
in diejer Weiſe ermittelt werden. Inbezug
auf die Sonnenfstrahlung (Rlarheit und
Durchlichtigfeit des Himmels) werden Auf:
zeichnungen mit dem Sonnenicheinauto-
graphen und aftinishe Meflungen im Ber-
eine mit Beobachtungen der Bewölkung
und Verjchleierung des Himmels die nötigen
Angaben liefern und in diejer Richtung
find Aftronomie und Meteorologie in gleicher
Weile an den Stonftatierungen interejliert.
Die Art und Dichtigkeit der Wolfendede
fann auf höchſt bequeme und zuverläjlfige
Weile mit Hilfe eines Wolfenpanoramas
und freier Beobachtung feitgeitellt werden,
in erfterer Form zugleidy die Zugrichtung.
Beſondere Beranftaltungen zur regelmäßigen
Beitimmung von Wolkenhöhen mürden
das Programm mejentlih im Werte er
höhen. Windridtung und geſchwin—
digfeit find automatiich zu regijtrieren
und bei fräftigerem Zuge auch dadurch
ausjnbeuten,
abnahme nad) aufwärts bringen.
durch Dradenaufftiege aus größeren
Höhen herab Kunde von der Temperatur:
Gerade
hiefür wäre güuftigere Gelegenheit geboten
als vielleiht an vielen anderen Orten.
Die Menge und Form der Nieder-
ichläge ergibt der Regenmeſſer, die Dide
der Schneedede oder Lage des Hagels, deu
Grad derjelben die Dauer der Regen und
Schneefälle. Die Tiefe des Eindringens
von Megenmwafler, die Dauer der ober
flächigen Bodenfeuchtigfeit, die Tiefe und
der mechielnde Stand des Grundmwajlers,
die Ergiebigkeit und Temperatur der nahen
Quellen zu beftimmten Beiten, etwa am
Monutsbeginn, wären Fälle von genügendem
ntereffe, um den Gang der wäjlerigen
Erſcheinungen tiefer zu erforichen. Es jei
nur im Zuſammenhange damit erwähnt, daß
die optifchen Phänomene — Regenbogen,
Höfe um Sonne und Mond mit ihren Be:
gleitericheinungen, Halobildungen, Biſhop—
iher Ring, Düämmerungsanomalien, aber
auch die leuchtenden Nachtwolken des Hoch—
jommers und die Polarlidter — gleihfalls
bier einichlägig find. Der Gemitter:
und Sturmbeobadtung ilt am pro-
jeftierten Orte um fo mehr Aufmerkjam-
feit zu ſchenken, als nicht nur lofule Er:
eignilfe inbetradht fümen, jondern dem
freien Ausblicke zufolge Gewitterzüge über
dem Rheine, über dem Hunsrück und in
der Gegend vor dem Donon unter Um-
ftänden der unmittelbaren Beobadtung,
fiher aber mittels des Gemitterfernmelders
zugänglich wären. ortwährende Bejtim-
mung der Intenſität der Qufteleftrizirät
ift bloß zu nennen.
„Zwiſchen Himmel und Erde” gibt es
Geſchehniſſe, welche heutzutage noch völlig
als innerhalb der Atmoiphäre vor Nic
gehend betrachtet werden, obwohl man mit
guten Gründen auch anderer Meinung jein
kann; das find die Meteorfälle und
Sternfhnuppenphänomene. Üritere
find zwar jelten, aber an fich jo interefjant,
daß ein phänologifches Dbjervatorium fi
der Sicherung ſolcher Zufälligkeiten nicht
entziehen fann; leßtere erfordern heute
mehr als je fachmännische Überwachung,
denn Soviel man auc über das äußere
Auftreten der flüchtigen Gäſte erfannt haben
daß Wegiftriertherinometer | mag, jo dürftig ift unjer Willen über die
— 127 —
fosmiihe Rolle zahlloſer Stleinförper um
die Sonne,
Gehen wir zur Geophyſik und Geo»
dynamif über, jo darf man mohl aud
eine gewiſſe Sorte Refraktionserſchei—
nungen — horizontale Refraftion auf
etwa 10—15 km Entfernung und jolde
am Horizonte betrefjs der Sonne oder ger
wijler glänzender Sterne — hier einbe»
ziehen. Die Abweichung der jeweiligen
Lotlinie von einer mittleren Normalen
ift leicht und zuverläffig nad; Abbejcher
Methode beftimmbar, bejonderd an einem
erjchütterungsfreien Plate. Dieſer eignet
fih, wie eingangs jchon bemerkt, gleichzeitig
für die Aufitelung von Seismometern
. zur Regiftrierung der Horizontal- und VBer-
tifalintenfität. Schließlich böte eine Menge
bequemer und gut verteilter Marken in
allen Wzimuten Gelegenheit, erdmagne:
tifjhe Meſſungen und Bergleichungen
mit Erfolg auszuführen. Cie fänden ober:
irdiich in einem Holzhäuschen eine pafjende
Stätte, während die Anftrumente für die
Erdbebenforfhung im Felögrunde unter dem
Niveau der Umgebung zu fundieren wären,
Damit mögen die programmatijchen
Andeutungen in groben Umrifjen gegeben
fein. Es ift nicht zu leugnen, daß damit
dem geplanten Inſtitute eine jeltene Biel-
jeitigfeit imputiert wird, zu welcher die
ebenfall8 geplante relative Einfachheit
der Ausjtattung und des Betricbes in einem
BWiderjpruche zu Stehen fcheint. Aber man
wird zugeben, daß da und dort eine Öruppe
von Arbeiten zufammengefaßt werden fann
und daß einige gar nur als Sontroll
beobadhtungen anzujehen find und nach feiner
Richtung Hin einen nennenswerten Auf:
wand von Zeit und Mühe verurſachen.
Einem ernften, für feine Wiſſenſchaft
lebenden Beobachter verläuft das kompli—
zierte Bild der verjchiedenartigen Erſchei—
nungen immerhin in einer Slette verwandter
Glieder, jo daß die Behandlung des jeweils
Wichtigen und Gharafteriftiichen in den
Vorgängen, aljo die Technik des Beobad)-
tens, zu einer aus dem perjönlichen Inte—
reſſe herauswachſenden Handlung wird,
Freilich kann nicht eine Perſon allen An-
forderungen gerecht werden und es wären
batoren ind Auge zu fallen, die unter Um—
ftänden auch jeismologifche und erdmagne-
tiiche Arbeiten nebenher bejorgen würden,
Auch ift der Gedanfe nicht abzumeijen,
daß Hiliskräfte zeitweije oder zu gewiſſen
Jahreszeiten oder überhaupt im Turnus
in Geftalt von Bolontären zu gewinnen
wären,
Was das Inſtrumentarium anlangt, jo
fann für die aftronomijche Abteilung der
Nefraftor, das Hauptfernrohr der Land—
ftuhler Sternwarte als vorhanden betrachtet
werden. Das Inſtrument von 163 mm
freier Öffnung ift zur Not ausreichend;
aber wie jchon eingangs bemerkt wurde, wäre
ein merflich ftärferes Hilfsmittel, welches
foftiih die weit hinausgeſchobene
Grenze des heute Bekannten inbezug auf
die Mondfläche und die Planeten mit gutem
Erfolge zu überjchreiten gejtattete, im Hin:
blick auf das, was der bejchreibenden Aftro»
nomie not tut, gewiß wünſchenswert. Gin
Objektiv von 23 cm 3. B. würde nad) Maß
gabe feiner lichtauffangenden Fläche und
der ermöglichten jtärferen Vergrößerung ge-
nau doppelt jo ſtarke Wirkung erzielen laffen,
was vorerft völlig genügen dürfte. Sm
übrigen erfordert das Programm einige Hand-
fernrohre von abnehmender Größe, die jo:
wohl transportabel, als zu verſchiedenen
Zwecken geeignet wären, einen Brismen-
teldftecher zu Beobachtungen veränderlicher
Sterne und eine Einrichtung zur Gewinnung
zuverläffiger Zeitangaben, Ein Silber-
ipiegelfernrobr von 175 mm Offnung. fteht
ebenfalls in vorzüglider Qualität zur Ber-
fügung. Als Nebenapparate mwären- er:
wünſcht und zu dem Hauptinftrumente ge—
börig: ein SHeliosfop für die laufenden‘
Sonnenbeobadhtungen, ein Eleines Spef-
trojfop, ein einfaches Photometer, ein Fleines
Ofularmitrometer und Ring- oder Kreuz—
ftabmifrometer. Ein Raum mit einer 4 m
großen Drehtrommel würde den Nefraftor
und den Beitapparat aufnehmen, ein ein-
fadherer Raum den Nefleftor und event. die
tragbaren Inſtrumente.
Für die meteorologiichen Ableſungen
wären außer automatischen Drud:, Tem
peratur- und Feuchtigkeitsmeſſern die ent:
Iprechenden Quedjilberbarometer und Ther—
mometer nötig, ferner die für die Nieder:
wenigſtens zwei Spezialiften als Obſer« | ſchläge, Bewölkung, Yuftbemegung, Inſolation
— 18 —
und Gleftrizität gemünzten Einrichtungen | erwieſen bat, wieweit das Intereſſe
üblicher Art. Es ift fein Zweifel, daß das | der Pfälzer an der praftiihen För-
geplante Inſtitut in allerfürzefter Beit Be- | derung der Naturforfhung reicht,
weije liefern würde, daß der vergleichsweife | ob es ſich nicht lediglih in plato-
geringe finanzielle Aufwand bei feiner Yn- | nifher Liebe zur Buchgelehrſamkeit
ftandfegung reichliche Zinfen in Geftalt von | genüge tut und feine verfügbaren
wiffenichaftli wertvollen Arbeiten tragen | Kräfte im Kampfe gegen widrige
würde. Alle näheren Fragen befommen | Umftände erlahmen läßt.
aber erft dann eine Bedeutung, wenn es ſich
Horkommen des Wolfes in der Pfalz.
3. Nod im fpäten Mittelalter war der | und entvölferten, nahm das Raubzeug der-
Wolf, obwohl er eigentlich mehr ein Steppen« | art Überhand, dab das Oberamt Yautern
tier ift, in unferen pfälzifchen Wäldern ein , 1713 den Adolf Weifenauer als Wolfs-
ftändiger Gaft; er wurde gemwöhnlid in j jpürer annahm. Nach den von Herrn Küchler
Gruben gefangen, an welche fi die Er- | herausgegebenen Ratsprotofollen von Sai-
innerung ſowohl in der Bolksfage, wie | jerslautern finden wir den Genannten 1718
aud in den Namen mancher Walddiftrifte | als ftädtifchen Wolfsfänger. Nah 1737
wie Wolfsgrube, Wolfsloch, Wolfskaut ujw. | mußte die Stadt in ihren Wäldern zur Ber-
erhalten hat. So erwähnt der kurpfälzifche | tilgung des Raubzeuges Gruben anlegen
Forftmeifter Velmann in feiner Bejchrei« | lafjen; die Hirten wagten fi nur bewaff-
bung des Neichslandes bei Kaiferslautern | net mit ihren Herden in den Wald. Troß
bom Sabre 1600 auf der Mühlhöhe am | wiederholter Eingaben tat die furpfälziiche
der Schwedelbaher Grenze 3 Wolfsfauten. | Regierung wenig für die Ausrottung der
Gegen das Überhandnehmen der Wölfe | Wölfe; für fie mar es wichtiger, das Wild
richtete fih ein in den Mannheimer ®e- | ungeftört zu lafjen als auf die Wölfe Jagd
ichichtsblättern für 1903 S. 276 abge» | zu maden. Gründliche Remedur bradıte
drudter Erlaß des Aurfürften Karl Ludwig | erft die franzöfiiche Revolution, als die durch
vom 18. November 1658 an die pfälziichen | ſchweren Drud lange niedergehaltenen Bürger
Oberämter: „Wir feind glaubhaftig berichtet | und Bauern in berechtigter Selbfthilfe nicht
worden, dab die Wölf fih Hin und ber | allein mit dem die Felder verwüftenden Wild,
häufig jehen laffen und unferen Unterthanen | jondern auch mit dem Raubzeug gründlich
nicht wenig Schaden zufügen; ift derowegen | aufräumten. Gleichzeitig mit dem Hirſch
unfer gnädigfter Will, daß allen unferen | verſchwand aud der Wolf im Anfang des
Unterthanen Wölf zu fchießen, zu fangen | 19. Jahrhunderts aus den Wäldern unferer
und tot zu fchlagen und einem jeden dafür | Heimat. Der lette Wolf auf dem Dauben-
die Haut für fih zu behalten erlaubt zu | bornerhof bei Enfenbacd wurde von meinem
fein bedeutet werde, hergegen aber aud | Großvater Georg Häberle ungefähr 1803
unfer gnädigfter und ernfter Befehl, daß | erlegt; das im Laufe der Zeit ziemlich ftruppig
Ihr wohl beobachten follet, daß unter diefer | gewordene Fell wird wohl heute noch in
Prätent kein Wild gejchoffen oder gefangen | meinem Elternhaufe als Trophäe aufbe-
werde.“ Der Chroniſt Qucä, der 1663 in | wahrt werden. Spuren ehemaliger Wolis-
Heidelberg ftudierte, jah in diefem Sabre | gruben finden fich heute noch zwiſchen der
auf einem Ritt von Speyer nach Heidelberg | Eſelsfürth und Enkenbach links ven der
mebrere Wölfe, die ihn heulend verfolgten. | Stumpfwaldftraße in den Walddiftriften
infolge der ftändigen Kriege, welde im | „Schwarzfehr und „Egersberg.“
17T. Jahrhundert unfere Pfalz verwüfteten D. Häberle, k. Rechnungsrat.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiſerslautern.
Für Form uad Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
Die „Pfalzliche Helmattunde“ Toftet jährlich In 12 Heften at. 2.50. Befellungen werben von allen Buchhandlungen und
Pohanftalten ferner vom Berleger (Vortofreie Streifbandiendurg) angenommen.
Nummer ii
PALZISCHE FIEIMATKUND
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
EMANNREICA:
November 1906.
9
Zur pfälziſchen Kartenkunde.
Bon D. Häberle, Kaiſerl.
Gute Karten ſind für den, der ſie leſen
fann, wichtiger als gute Lehrbücher. Ein
richtiges Verſtändnis wird aber einzig und
allein durch den fteten Vergleich mit der
Natur erreicht und bei jedem Ausflug joll
dad beite und genauefte Startenblatt der
Gegend unſer Begleiter fein: denn nur jo
vermögen wir uns mit der Darftellungs-
weiſe, der Abihätung der Entfernung, dem
Höhenunterjchied und dem Böſchungswinkel
in den Brofillinien vertraut zu machen und
auf Grund unferer Wahrnehmungen eine
Vorftellung von der Lage, der Form und
den Dimenfionen der verjchiedenen Teile
der Erdoberflädhe zu geminnen.
Bejonders für die Heimatkunde und
Heimatforfhung find gute Spezialfarten
ein umentbehrliches Hilfsmittel!) und id
glaube vieljeıtigen Wünſchen zu entiprechen,
wenn ich nachitehend ein Verzeichnis der
für unfere engere Heimat in Betracht
fommenden wichtigeren Starten unter An—
gabe der ungefähren Breife?) und der Be—
) Eine gute Anleitung zur Benügung der
Karten für diefe Zwecke gibt der Herausgeber
der „Deutfhen Gaue“ Gurat Frank „Braktiiches
Handbücdlein für den ——— l Terrain:
forihung“. 48 ©. aufbeuren 1903. WBreis
0,80 Mt. Selbjiverlag des Berfallerd. Grails
Doppelheft Nr. 15 und 16 des IV. Bandes der
„Dentfchen Gaue“.
», Die Preife der Karten jind in den geo»
graphiſchen Handbüchern verjchteden angegeben
und daher nur annähernd.
Rechnungsrat, Heidelberg.
zugsquellen zujammenftelle; wie ich aus
eigener Erfahrung weiß, find gerade letere
noch vielfach wenig befannt.
Je nad) der, durch ihren Hauptinhalt
gekennzeichneten Beitimmung lafjen fich fol-
gende Gruppen unterjcheiden, wobei ich die
Plan: und Flurfarten zu den topographijchen
Sarten ftelle:
l. Topographiſche Karten.
1. Im Buchhandel zu haben.
a) Topographifche Weberfichtsfarte des
Deutſchen Reiches, herausgegeben von der
Kartographiichen Abteilung der Kgl. Preuß.
Landesaufnahme mit Höhenkurven (frühere
Reymann’sche Karte). Kupferſtich im Maß:
ftab von 1:200000. Blatt 149 Trier,
150 Mainz, 151 Darmftadt, 159 Saar:
brüden, 160 Landau, 161 Karlsruhe, 169
Straßburg; das Blatt zu 1,00 bezm.
1,50 ME.
Dieje Karte jomohl wie die im Er
icheinen begriffene Höhenjdichtenfarte von
Bayern?) ım Maßftab 1: 250000 und die
Ravenftein’sche Karte der Pfalz im Maßſtab
von 1: 170000 (6 Blätter) find Lediglich
Ueberfichtsfarten und fommen daher für
») Näheres über diefes muftergültige Karten—
werk findet fid, auf ©. 112/113 d8. Jahrganges.
Schulwandfarten, Handfarten für faufmänniiche
und Verkehrszwecke, ſowie Uberfichtöfarten habe
ih abfichtlich nicht in den Kreis der Betrachtung
gezogen.
ipeziellere Zwecke der Heimatkunde weniger in
Betracht. Die Ravenſtein'ſche Karte hat in
der 3. Auflage von Heujers Pfalzführer
Aufnahme gefunden.
b) Karte des Deutjchen Reiches (Grad:
abteilungsfarte, 30°’ aftronomijhe Yänge
— 37 km und 15’ aftronomıshe Breite
— 28 km), bearbeitet von der Königl.
Preußifhen Landesaufnahme, den Topo—
graphiichen Bureaus des Kgl. Bayerijchen
und Kgl. Sächſiſchen Generalſtabs und
dem Kgl. Württembergiſchen ſtatiſtiſchen
Landesamt im Mapftab von 1: 100000.
Kupferftih. Verlag von R. Eiſenſchmidt,
Berlin, Neuftädter Kirchſtraße.
Diefe aus 674 Blättern beftehende
Reichökarte, „diefes Ehrendenfmal für das
Reich für alle Zeiten”, bildet mit den 3699
Mektifchblättern der SKgl. Preuß. Landes-
aufnahme nicht allein für militäriiche Zwecke,
ſondern auch für alle Kulturaufgaben wegen
ihrer wiſſenſchaftlichen Genauigfeit eine un-
übertroffene Grundlage, doch war der Preis
von 1,50 bezw. 0,50 ME. für ihre allgemeine
Verbreitung lange ein jtörendes Hindernis,
Leider greifen die preußifchen Mektifchblätter
nicht auf die Rheinpfalz über.
Neuerdings hat nun die Kgl. Preuß.
Landesaufnahme eine bedeutende Preis—
ermäßigung der genannten Starten um 75
und 90}% eintreten lafjen.
Bur Orientierung lafle ich die Beding-
ungen, unter denen die Starten verabjolgt
werden fünnen, in ihrem ’ungefähren Wort-
laut folgen:
Bedingungen
für den Bezug bon Karten der Königlich
preußifchen Landesaufnahme durch die Unter:
ridtsanftalten zum Dienjtgebrauch bezw.
zu Lehrzwecken.
Die Karten find auf dem vorgejchriebenen
Formular tunlichft gefammelt bei der Plan—
fammer der fgl. preuß. Yandes-Aufnahme,
Berlin NW. Herwarthſtraße anzumelden.
Die Preife verftehen fich für unaufgezogene
Karten, doch werden auf Antrag unter Ber:
längerung der Lieferfrift auch aufgezogene
Eremplare geliefert.
1) Die für Slarten zum Dienjt
gebraud in der Armee ſowie bei allen
Behörden fejtgeiegten ermäßigten Breije
find ohne weiteres auch allen Unterrichts»
anjtalten zugejtanden.
130
|
2) Die Startenbejtellungen erfolgen durch
die Schulbehörde (Anitaltsleiter) bei
der Blanfammer der Yandesaufnahme, Ber:
lin NW. 40, Herwarthftraße 23 möglichit
nad) dem vorgejchriebenen Mufter.
3) Genauefte Bezeihnung der
gewünfchten Karten nad Nummer und
Namen unter Benußung der betreffenden
Überfihtsblätter ift dringend geboten, da
Umtaufh oder Rückgabe unzuläffig iſt.
Überfichtöblätter der Hauptfartenwerfe und
Beftellformulare ftiehen grati® zur Ber-
fügung.
4) Die für Lehrzwecke hauptſächlich
in Betradht kommenden Kartenwerke find
die folgenden: 1, Meßtifchblätter (nur für
ÜSerfihtsfarte
zur Karte ded Deutjchen Neiches 1: 100000.
Der bayerifche Anteil iſt ſchwarz eingefaht (566,
557) und dom topograph. Bureau d. fol. bayer.
Generaljtabes in München zu beziegen.
Preußen erichienen) 1: 25000 mit folo:
rierten Gewäſſern 0,50 Mt. 2, arte des
Deutſchen Reiches 1 : 100000 (Breuß. An-+
teil; Blatt Karferslautern und Landau find
vom topogr. Bureau des kgl. bayer. Gene-
ralftabes in München zu beziehen. Die
für den Bezug diefer Blätter gültigen Be-
ftimmungen find auf ©. 115 ds. Yahr-
ganges bereit8 angegeben.) Ausgabe A.
Kupferdruf mit folorierten Gewäſſern und
Grenzen 0,75 Mf. Ausgabe B. 3farbiger
Kupferdruck (nur in bejchränfter Blattzahl,
Weſtfalen und Hannover fertig) 0,75 ME,
Ausgabe C. Schwarzer Umdrudf 0,30 ME.
3. Topographiiche llberfichtöfarte des Deut-
jhen Reiches 1 : 200000 (3farbiger Kupfer:
— 131 —
drud) 1.00 Mt. 4. Topographiiche Spezial-
farte von Mitteleuropa 1: 200000 0,50 Mt.
5) Eine weitere Ermäßigung tritt
für die nachfolgenden Starten ein, wenn
mindeftens 50 Eremplare desjelben
Blattes beftellt werden, Es merden dann
Ihwarze Umdruceremplare ohne Kolorit
geliefert. Beftellungen find an die Karto—
graphiſche Abteilung der Landesauf-
nahme zu richten. 1. Mektifchblätter
1: 25000 0,25 Mt. 2. Starte des Deut-
Ichen Reiches 1: 100000 0,15 Mt. 3. Topo-
graphiihe Spezialfarte von Mitteleuropa
l: 000 0,15 Mt. 4. Garnifonum-
gebungsfarten 0,30- 0,60 ME.; einzelne
Eremplare hiervon werden nicht geliefert.
——
zum Topograph. Atlas von Bayern 1:
50000.
Für unjere eugere Heimat fommen von
der Reichskarte in Betracht: Platt 525
Simmern, 526 Mainz, 542 Nufel, 543
Kirdhheimbolanden, 544 Worms, 555 St.
Wendel, 556 Saijerslautern, 557 Neuftadt
a. H., 558 Mannheim, 570 Saarbrüden,
571 Birmafens, 512 Landau, 573 Rarls-
ruhe, 588 Raftatt; das Blatt aufgezogen
je nad) Ausführung 1—2 Mt.
Aus dieſen Blättern werden die be:
fannten Mandöverfarten durch ein billiges
Umdrudverfahren zufammengeftellt; aud)
im Weſtrichführer haben obige Blätter,
teilweife in fombinierter Form Aufnahme
gefunden.
ce) Topographiicher Atlas des König—
reih8 Bayern, die jogenannte Baheriſche
Generaljtabsfarte, herausgegeben vom Sal.
Bayer. topographiichen Bureau im Maß—
ftab von 1:50000. Verlag von Th. Riedel,
München. Die Blätter erfcheinen des beſſeren
Formats halber neuerdings teilmeije in Halb-
blättern; das Blatt je nach Umfang in Stupfer-
druck 3,00 bezw. 1,50 ME., aufgezogen 4 ‚20
bezw. 2, 10 Mk., in Ueberdrud ein ganzes
Blatt 1 50 Me., ein halbes 0,75 ME., auf:
gezogen 2, 70 bezw. 1,35 Me. Blatt 101
Ebernburg, 102 Sufel, 103 Lautereden,
104 Kirdhheimbolanden, 105 Homburg, 106
Kaiferslautern, 107 Frankenthal, 108 Zwei»
brücden, 109 Birmajens, 110 Speyer, 111
Bobenthal, 112 Langenfandel. Auf den
Grenzblättern reicht die Karte nur bis zur
bayerijchen Grenze.')
Dieſe Blätte. des topographifchen Atlas
dienen der von H. Kohl aufgenommenen
Karte der Wegezeihen in der 3. Auflage
von Heuſers Pfalzführer ald Vorlage.
d) Pofitionsfarte von Bayern im Maß-
ftab von 1:25000. Bhotolithographie.
Beröffentlihung der Originalmektifchblätter.
990 Blatt zu 1,05 bezw. 1,50 ME.; für
die Pfalz find bis jegt noch feine erſchienen.
e) Umgebungsfarten pfälziicher Städte,
herausgegeben vom Kgl. Bayer. topograph.
Bureau, Verlag von Th. Riedel, München,
Brannerftraße 13.
Germersheim 1:50000 zu 1,50 Mt.
— „ 1:100000 „ 1,20 „
Bweibrüden 1:50000 „ 150 „
nn 1: 100000 „ 1,20 „
2. Nicht im Buchhandel erjchienen:
a) Kreisüberfichtsfarte der Pfalz im
Mapftab von 1:400000 zu 1,25 bezw.
1,50 ME.; enthält die Grenzen der Amts-
gerichtöbezirfe und ein Verzeichnis der ein-
zelnen Flurkarten (jiehe c).
b) Amtögerichtsüberfichtöfarte der Pfalz
im 1 Mabflob von 1: 100000 zu 1,25 bezm,
', Einen zuverläffigen Anhalt für die Aus«
woahl der für einen bejtimmten Ort in Betracht
fommenden Karten bietet für die Wejtpfalz das
im Wejtrihführer auf der Innenfeite des legten
Umiclages befindliche Gradnetz. Vergl. aud
Weitrihführer S. XL. Ueberfichtsblätter zu
den Startenwerfen des j Königl. Bayer. topo-
grapbiihen Bureaus verfendet die Theodor
Rledel'ſche Buch- und Landkartenhandlung,
Münden, Prannerftrake 13, welche den Kom:
miffionsverlag befigt, gratis.
1,50 ME. ; enthält die Grenzen der einzelnen
Gemeinden,
ec) Lithographierte Flurfarten 1: 5000
zu 1,00 Mk.; aus diefen Karten (Satafter-
blättern) fegen fich die Gemarfungspläne
der einzelnen Gemeinden zufammen.
d) Ortspläne 1:2500 als Ausschnitte
aus den Statafterblättern,
Die vorftehend unter a—d aufgeführten
Karten ac. ac. find bei der Königl. Bayer.
Ratafterbureaufafje in München gegen Nach—
nahme zu haben; durd die Berpafung und
das Porto wird der Bezug einzelner
Karten ſehr verteuert.
e) Forftfarten-Steinabdrüfe im Maß—
ftab von 1:25000, angefertigt in der
Startographifchen Anftalt der Minifterial«
forftabteilung in Münden, à Blatt 1 ME.
mit den Namen der einzelnen Waldparzellen.
Die Abdrüde find mittels Eingabe durch
Vermittlung der FForftämter oder Direkt
von der Regierungsforftabteilung in Speyer
zu beziehen; die Verrechnung erfolgt durch
dad Rentamt.
1. Hiftorifhe Karten.
Hiftoriiche Karte der Rheinpfalz nad
den Xerritorialbeftänden im Jahre 1792,
bearbeitet von Profeffor und Ardhivar J.
C. Rau und Oberforftrat K. A. v. Ritter.
Verlag von Ludwig Witter, Neuftadt a. 9,
Preis 3 ME.
II. Geologiſche Karten.
a) Geologische Ueberfichtsfarte von
Württemberg und Baden, dem Elſaß, der
Pfalz und den weiterhin angrenzenden
Gebieten, herausgegeben von dem Königl.
Württembergifchen ftatiftifchen Landesanıt.
Bearbeitet von C. Regelmann im Maßſtab
von 1:600000. Sechſte Auflage 1906
mit Tertheft 3,50 Mt.
b) Geologiſche Karte des Deutichen
Neiches, bearbeitet von Yepfius im Maß—
ftab von 1:500000. Berlag von J.
Perthes, Gotha. Blatt 22 Straßburg,
zum Preife von 2,40 ME. (aufgezogen).
c) Geologiſche Karte der Rheinprovinz
und der Provinz Wejtfalen, bearbeitet von
Dechen im Maßſtab von 1: 80000, Ber-
lag der Schropp’ichen Landkartenhandlung,
Berlin W., Zägerftraße 61. Blatt 30
Kreuznad zum Preife von 3 Mt.; enthält
132 —
den nördlid der, Linie Rujel-Hirihhorn-
Wartenberg: Hettenleidelheim gelegenen Zeil
der Rheinpfalz.
d) Geognoftifche Beichreibung des König-
reichs Bayern, herausgegeben auf Befehl des
Kal. Bayer. Staatsminifteriums des Innern.
V. Ubteilung, Rheinpfalz. 4 Blätter im
Maßſtab von 1:100000, WBerlag von
Piloty und Loehle, München,
Kartenblatt Nr. 18. Speyer 24 ME, Er-
läuterungsheft hierzu 2 ME., umfaßt das
Biere Ludwigshafen-Kaijerslautern-Lem-
bach arlöruhe.
Startenblatt Nr. 19, BZmeibrüden 24 Mk.,
Erläuterungsheft Hierzu 6 ME., bilder
die mejtlihe Fortſetzung des vorigen
Blattes,
Kartenblatt Nr. 20. Kuſel Pr
Kartenblatt Nr. 21. Donnersbergi begriffen.
Durch diefe hohen Breije wird Privaten
die Anihaffung erjchwert; der preußiiche,
badische und hejliichej Staat gibt feine geo-
logiihen Starten im Maßſtab von 1 : 25000
mit einem Heft Erläuterungen für 2 Mark
ab, ſodaß fie überall, namentlid) bei Touriften
zu finden find und bei ihrer ftarfen Ber-
breitung auch in weiteren Streilen der Be-
völferung ein tiefer gehendes Berftändnis
für die Yandesnatur erweden. Das preu-
Bifche SKartenblatt mit Grläuterungsheft
Eoftet für Schulen fogar nur die Hälfte,
aljo eine ganze Markl!)
e) Geologiſche Spezialfarte von EljaR-
Lothringen, herausgegeben von der Direktion
der Geologiihen LandesUnterfuhung im
Maßſtab 1 :25000, Berlag der Schropp-
schen Landfartenhandlung, Berlin W.,
Yügerftraße 61. Preis für das Blatt mit
einem Heft Erläuterungen 2 ME. Entlang
der reichsländiihen Grenze fommen in Be—
tracht: Blatt 26 Saargemünd, 27 Blies-
brüfen, 28 Wolmünfter, 29 Roppmeiler,
40 Stürzelbronn, 41 Lembach, 42 und 43
Weikenburg. Die Darftellung erftredt fich
aber jelten auf bayerijches Gebiet.
f) Das Gleiche gilt für die bis jeßt
erfchienenen geologischen Spezialfarten von
Breußen entlang der pfälzischen Grenze aus
demjelben Verlag: Blatt 47 Dudmeiler, 42
) Bgl. Hierzu die Beſchwerden aus lanb-
twirtfchaftlichen Kreifen über den} Mangel von
agronomifchen Karten in der Pfalz auf S. 104
diefed Yahrganges.
— 13 —
Neunfirdhen a. Blies, 36 St. Wendel, 30 | jein, da er naturgemäß auch doppelt joviele
Freifen, 53 Hanmeiler. Dbjefte zur Darjtellung bringen fann, Will
g) Auch die anftoßenden Karten der | man aber Aufnahmen im Gelände machen,
Badiihen geologiihen Landesaufnahme | jo wird man jchon zur Flurkarte (1 : 5000)
ichneiden faft immer mit der Grenze ab, | greifen müſſen, weil auf Karten im Maß-
jodaß fie für die Pfalz kaum Bedeutung | jtab von 1: 10000 faum mehr die Form
haben. Es find dies die Blätter: 45 Graben, | der Objekte (Einzelgebäude, Brüden, Flüffe,
39 Bhilippsburg, 30 Altlußheim, 21 Mann: | Wege) ohne Zuhilfenahme von Uebertreibung
heim, 12 Sandhofen (noch nicht aufge» | dargeftellt werden kann. Auf einer Starte von
nommen). Berlag der Carl Winterihen | 1:10000 ift 3.8. 1 mm = 10 m,
Unwerfitäts- Buchhandlung in. Heidelberg. alfjo 1 qmm = 100 qm = 1 Ar,
In Heſſen hat entlang der rheinpfälziichen 1: 100000 ift 1 mm = 100 m,
Grenze noch feine Aufnahme ftattgefunden.') | alfjo 1 qmm — 10000 qm = 1 Hektar.
Für die Auswahl der Karten ift der Empfehlenswert iſt es, im freien, ab:
Zweck bejtimmend. Bon den geologifchen | gejehen von den Satafterblätiern, nur auf
Karten wird die Karte von Lepfius für | Leinwand aufgejogene und in handlichem
denjenigen genügen, der die hohen Anſchaf- Tajchenformat (12:20 cm) zufammenleg-
fungsfoften der bayeriichen Starten jcheut. | bare Karten mit breiten Bruchbändern zu
Die Karte des Deutichen Reiches im | benügen, da unaufgezogene Eremplare bald
Mapitab von 1: 100000, die fogenannte Ihadhaft werden. Das Aufziehen wird je
Generalftabsfarte, läßt fih ziemlich viel- | nad der Größe des Kartenblattes mit 0,50
feitig verwenden, da fie die Verteilung der | bis 1,00 ME. berechnet. Es empfiehlt fich,
Wohnpläge, deren Geftalt und gegenfeitige | vun vornherein ſchon aufgezogene Starten
Entfernung, den Verlauf der Verkehrswege, | beim Buchhändler zu. bejtellen, da der Ber-
die Ausdehnung von Feld, Wieſen und Wald | lag meift zweckentſprechend aufgezogene
noch deutlich zeigt; der topographiiche Atlas | Eremplare auf Lager hält. Futterale find
von Bayern wird ihr aber doch wegen des | überflüffig, direfter Bezug bei der mit dem
|
doppelt jo großen Maßſtabes vorzuziehen Vertrieb beauftragten Verlagsanſtalt ver⸗
— teuert die Starten, welche jeder Buchhändler
') Eine vergleichende Zufammenfafiung der | ni PR? *
Koſten der geol. Landesunterſuchung verſchledener zum ZQriginalpreis liefern kann, unndtig
Staaten bat yengid geneben in der Zeitichr. f. | Durch Porto für Beitellung und Nachnahme.
prakt. Geologie 1906, Bd. 14 ©. 47—54.
Metterpropheten unter den Bögeln.
Bon Philippfen in Flensburg.
Es ift eine allgemein befannte Tatjache, | veranlaßt, ift aufgefallen und man hat ſolche
daß mande Menſchen Witterungsmecjel | Tiere ald Wetterpropheten gehalten. Einige
vorher zu fühlen vermeinen: dem alten In- | Vögel, wie Sturmpogel, Sturmmöve, Regen:
validen judft der Stumpf, dem an Rheuma» | pfeifer find gar nach diejer ihnen eigen fein
tismus Leidenden jchmerzen oder reißen die | follenden Gabe bejonder8 benannt. Der
Glieder und andere verfpüren in den Hühner: | alte Schäfer mill an der Haltung jeines
augen das Herannahen von jchlechtem Wetter. | Leithammels das Wetter vorher beftimmen
Für diefe Eigenartigfeiten gibt es verichiedene | fünnen, der Landmann jchaut nad den
Erflärungen und Mutmaßungen, eine ge: |- Spinnen und flröten, der Gelehrte nad
nügende Begründung dafür hat aber nie- | jeinem Laubfrojch ufw., furz, die Zahl der
mand geben fünnen. Weit ficherer als | als Wetterpropheten geltenden Tiere ift unge-
Menſchen vermögen verjchiedene Tiere, die | mein groß. Unter diejer großen Zahl von
zweifellos mit einem feineren Gefühls- | Wetterpropheten gibt e8 eine ganze Menge un-
vermögen auögejtattet find, einen Witte | zuverläfliger, aber auch jolche, auf die man
rungswechjel vorher zu erkennen; ihr eigen- | fich abjolut verlafjen fann, und ſolche habe
artiges Betragen, durch ein VBorherempfinden | ich namentlich unter den Vögeln beobachtet.
Alle Ungemwitter, die bei der Borher-
verfündigung durch die Bögel ın Betracht
fommen, laſſen fih wohl unter Regen oder
Niederichläge, Sturm, Kälte und eleftriiche
Ericheinungen unterbringen, und danach
würde man die Vögel in vier Hlaffen von
Wetterpropheten einteilen fünnen,
Der herniederfallende Regen madt für
die meiften Bögel nichts aus, ihr dichtes,
eingeöltes Federkleid fchügt fie vor Durch—
näjlen, oder jie können in Scughöhlen
befieres Wetter abwarten; deshalb ift die
Zahl der den Regen anzeigenden Bögel
nur gering und von Menichen vielleicht
mehr eingebildet als wirklich beobadıtet.
Der Bolfsmund ſpricht vom Regenpfeifer,
defien anhaltendes Pfeifen Regen verkiinden
joll; welches aber ilt diejer Regenpfeifer?
Die zahlreichen Arten der Regenpfeifer, zur
Familie Charadrius gehörig, die ich habe
beobachten können, fommen nicht in Betracht,
fie pfeifen auch bei gutem Wetter ; gleiches
gilt auch vom Regenbrachvogel, Numenius
phaeopus L.. fowie von dem ffliegen-
jchnäppern, die auch wohl Regenpieper ge
nannt werden, Unter den erotiichen Vögeln
gibt e8 ebenjo zahlreiche Arten, deren Namen
mit Regen in Verbindung gebradjt wird, die
vermutlich aber ebenjo falſch benannt find,
wie die Regenpropheten unter unjern Bögeln
Die einzigen Vögel, die infolge ihres weniger
dichten und weniger eingeölten Gefieders vont
Regen zu leiden hätten, find die Hühner
und Tauben, aber aud) fie können vor dem
Regen leicht ein ſchützendes Obdach aufjudyen.
Der Volksmund jchreibt den Hühnern, be:
fonders dem Hahn die Gabe des Wetter-
vorherverfündens zu; das laute Krähen des
Hahns bedeutet bei dem einen jchönes Wetter,
ein anderer deutet es auf Negenmetter. Eine
größere Wahrfcheinlichkert hat aber folgende
Volksbeobachtung, melde beiagt, daß die
Hühner bei kurz dauerndem Regenſchauer
Schutz im Stall fuchen, bei lang anhalten«
dem Regen aber draußen bleiben und im
Negen ihrer Nahrung nachgehen. Die
Tauben jollen vor dem Regen ıhren Schlag
auffuchen, von den Schwalben iit befannt,
daß fie vor Negen oder bei niedriger Luft
dicht über dem Erdboden fliegen, jedoch nicht
aus Furdt vor dem Regen, jondern weil
fie den fi vor dem Regen hierhin flüchten:
den Inſekten nachjagen. Es ergibt fich alio,
134
— — — — — — —— —— — — —— — — — — — —— —— —— — —— — =
daß die Zahl der den Regen verkündenden
Bögel nicht im Verhältnis ſteht zu der Zahl
der danach benannten, ja, daß es ſolche viel
leicht gar nicht gibt und ihre diesbezügliche
Benennung auf falſcher Beobachtung beruht.
Wie unzuverläſſig in manchen Fällen
die Beobachtung des Volkes iſt, ſieht man
ebenfalls darin, daß faſt keine Vögel be—
kannt ſind, die als Propheten kommender
ſtälte gelten, und doch iſt es gerade die
Kälte, gegen welche die meiſten Vögel ſo
wenig Widerſtandskraft haben. Deshalb
verlaſſen im Herbſt und Winter ſo viele
Arten ihre nördliche Heimat und gehen ſüd
wärts, bis der fommende Frühling ihnen
ihre liebe Heimat wieder angenehm erwärmt.
Nicht Mangel an Nahrung allein treibt fie
fort, mandje Arten würden wohl im Winter
ihren Unterhalt bier finden fünnen, nein,
das Vorgefühl kommender Kälte ift ed, das
fie im Herbft der wärmenden Sonne ent
gegen treibt, und im Frühjahr das Bor-
gefühl Üübermäßiger Wärme, welches fie die
Sonne fliehen heißt. Wohl gibt es manche
Vogelarten, die der Kälte des Winters
trogen; es find das folche, die ein beſonders
warmes fFederfleid haben, oder denen auch
im Winter der Tifch reichlich gedeckt if,
oder endlich jolche, die im Schutze menſch
liher Anfiedlung der Kälte trogen fünnen.
Solden Standvögeln dürfte das feine
Empfiudungsvermögen nad) und nad) ver:
loren gegangen fein; fie fünnen deshalb
nicht als Wetterpropheten gelten, vielmehr
muß man dieje unter den Zugvögeln juchen.
Doch da dieje gerade im Winter, wenn es
kalt ijt, fern von uns find, jo können nur
jolche Bögel in Berradt kommen, die aus
dem eifigen Norden fich in unjere Gegenden
gerettet haben und bier ein Dafeın ähnlich
dem des Strichvogels führen. Als beionders
zuverläſſige Kältepropheten habe ich die Enten
und Gänſe, zahme wie auch wilde, kennen
gelernt. Alle milden Gänje und Enten
find Zugvögel, jedad gibt es eine ganze
Anzahl nordiicher Arten, melde bier bei
uns ihre Winterherberge haben und Die
man gelegentlich recht gut beobachten famı,
außerdem aber ift unjere Hausente ein
direkter Abfümmling der wilden Ente, mit
melcher fie alle Eigenichaften gemein har.
Dies legtere gilt mit vollem Recht von den
Hausenten auf der Inſel Föhr; denn da
es hier feine Raubtiere gibt, auch dem
biederen Friejencharafter die genaue Grenze
zwijchen dem Mein und Dein befannt ift,
jo fann man bier die Enten des Nachts
unbejorgt fich ſelbſt überlaffen. infolge
deſſen vermifchen fie fih mit den Stock
enten und find nidjt viel mehr ald gezähmte
Storfenten. Zur Nachtzeit halten ſich unfere
Enten immer außerhalb des Dorfes in den
Sümpfen auf, während fie den Tag über
mehr beim Hauje find. Kommen im Winter
die Enten des Abends freimillig nach Haufe,
fo kann man fiher annehmen, daß eine
ftrenge Kälte im Anzuge ift; desgleichen,
wenn fie bereits ım Hofe find und von
felbft den Stall aufjuhen jo hat das Bor-
gefühl fommender Stälte fi bewogen, den
märmeren Stall aufzufuchen. Befinden fie
fih aber eingejperrt im Stall oder ım Hof
und werden dann plöglich unruhig, fangen
an berumzufliegen, als wollten fie hınaus,
beginnen laut zu fchnattern, legen ſich auf
den Boden und machen Bewegungen, ale
ob fie ım Waſſer wären und ſich badeten,
jo tritt innerhalb einiger Stunden ein
Witterungsumſchlag ein, die Temperatur
fteigt allmählich, und wir befommen Tau-
oder Schneewetter. Das unendlich feine
Empfinden des berannahenden Witterungs-
wechſels offenbart fidy bei den Enten früher
als an Barometer und Thermometer, und
fann man an dem Gebaren dieſer Tiere
auch nicht zahlenmäßig ablefen mie bei
obigen Inſtrumenten, jo find fie doch als
Berterpropheten bezüglich der Stälteericher-
nungen abjolut zuverläffig. — Die wilden
Enten entziehen ſich meiftens unierer Be-
obachtung, desgleichen auch die meiften wil—
den Sänje, Unter den Gänſen iſt e8 die
Bernidel- oder Nottgans, die man an den
Meerestüften einigermaßen beobachten fann.
Sie trifft hier im Herbft ein, bald früher,
bald jpäter, je nachdem Kälte und Eis fie
im Norden vertreiben. Mit einem gewiſſen
Recht vermag man aus ihrem frühen Er-
fcheinen auf einen frühen Wintersanfang
zu ichließen; zieht fie wiederum früh von
bier fort, jo ehrt auch der Frühling
zeitig ein,
Als ziemlich ficherer Kälteprophet gilt
auh der Schneefint, Emberiza nivalis.,
Er ſcheint fih mit größter Borliebe an der
Eis: und Schrieegrenze aufzuhalten und ift
135
— — — — ner ve
ſo gewiſſermaßen ein Vorläufer von Kälte
und Tauwetter. Wenn er im Winter er-
icheint, jo folgt ihm größere Kälte nad,
die ihn im Norden vertrieb, und zieht er
wieder nordwärts, jo ift auch ziemlich regel-
mäßig Taumetter zu erwarten.
Als ziemlich fichere Kälteanzeiger fann
man im Winter die großen Scharen der
Aufternfiicher, Brachvögel ujw. anfehen, die
oft plöglich eintreffen und nur jo weit ziehen
als jie nötig müſſen, und deren Erſcheinen
faft immer ftrenge Kälte folgt. Diele
Bögel find ähnlich wie der Schneefinf durd)
die Kälte im Norden vertrieben, man kann
fie nicht als direfte Wetterpropheten an:
fehen, wohl aber läßt fih aus ihrem Er-
iheinen ein Schluß auf das Wetter ziehen.
Mit den Bögeln, die den Sturm heran:
nahen fühlen, verhält es ſich wohl ähnlich
wie mit den Regenverfündern. Der Sturm
geht wie der Regen verhältnismäßig jchnell
vorüber, die Yandvögel finden überall Shut
und kümmern ich jomit wenig um den—
felben. Anders aber ift eö mit den Ser
vögeln. Nicht nur beim Fliegen, jondern
auh im Wafler haben fie von dem Sturm
zu leiden, und unter den Seevögeln wird
man deshalb die Sturmmarner ſuchen
müffen. Da in Sturm und Bellen fein
Bogel lange dauern fann, fo muß das Be-
ftreben diefer Vögel darauf gerichtet jein,
vor Ausbruch eines Sturmes den ſchützenden
Strand zu erreihen, und ein Borgefühl
de3 herannahenden Unwetters müßte alfo
für fie von größter Bedeutung fein. Die
Bahl der Bögel, deren Namen mit dem
Sturm in Berbindung gebradt ift, ift eine
recht große: Sturmmöwe, Sturmpogel,
Sturmjhmalbe, Sturmtaucher ujw, ; an allen
wird man eine auf den Sturm fi be
ziehende Beobachtung gemacht haben. Die
Sturmmöwe joll vor dem Sturme in ftar-
fen Scharen das Meer verlafien und fid)
landeinwärts flüchten; aber auch bei gutem
Wetter fann man zahlloie Sturmmöwen
auf Üdern fehen, wo fie Würmer und Sterb-
tiere ſuchen. Seeſchwalben verlaffen bei
ftarfem Sturm den Strand, aber nicht
vorher. Sturmmömwen und Seeſchwalben
find deshalb nicht zuverläflig, ebenjowenig
die anderen Möwen. Die Seeleute be-
richten, daß bei ſchweren Stürmen die ge:
fiederten Begleiter der Schiffe verſchwunden
— 1356 —
find, fie wollen aber ein Abnehmen des
Sturmes erkennen, wenn erjt die Sturm-
ihwalben oder Haptauben wieder erfcheinen
und um den Wimpel des Schiffes herum
ipielen, d. 5. wohl eigentlich in ihrem
Heißhunger danach beißen. BZuverläjfige
Sturmmarner find aljo jelten, dem Binnen-
länder ift die Beobachtung derielben un-
möglich, für den Küſtenbewohner nicht minder,
dem Seemanne mag das Gebaren derjelben
einige Anhaltspunkte geben; würden mir
aber aus dem Gebaren unierer Seevögel
urteilen, jo würden wir häufig zu falſchen
Schlüſſen fommen.
Die gewaltigſte und erhabenſte Witte:
rungserjcheinung, da8 Gewitter, übt auf
die Vogelwelt einen ftarfen Einfluß aus.
Zunädit ift es wohl die Furcht vor Blig
und Donner, welche alle Vögel bejchleicht.
Der plöglich aufleuchtende Blig verſcheucht
alle Bögel und der rollende Donner macht
ihre Angft noch größer. Bor herannahendem
Gemitter fuchen faft alle Vögel zeitig ihre
Schutzwinkel auf und eine ängftliche Ruhe
geht dem Ausbruche des Unmetters vorher.
— Eigentlihe Gewitterwarner find felten,
nur Angſt empfinden alle. Wohl jagt die
Schwalbe trog Blig und Donner den In—
jeften nad, bis die erſten fallenden Regen:
tropfen dieſe Beute unter das Obdach des
Ihügenden Laubes treiben, und wohl durch—
fucht die Wildente den Pfuhl, bis fie durch
den grellen Blig in das Röhricht gejagt
wird, mehr oder mweniger Angſt zeigen alle,
Als beften Gemwitterpropheten babe ıch die
Silbermöwe fennen gelernt, und ich glaube
faum, daß ihr in dieſer Fähigkeit ein anderer
Bogel gleihfommt. Jahrelang habe ich
Mömer gezähmt gehalten und ihr Benehmen
beobadhten können und ihre Gewitterwar—
nungen haben niemald getrogen, eine
Mömen liefen vor Gewitter immer ängft:
fih umher, ſuchten fortzufliegen, was fie
der bejchnittenen Flügel wegen allerdings
nicht fonnten und ftießen ein heijeres Ge—
frächze aus. Oft neichah dies bei flarem
Himmel und bei gutem Barometerftande;
doch e8 dauerte nicht lange, fo zeigten fich
am Horizont die hellen Köpfe aufiteigender
Gewitterwolfen, oder aber man fonnte
einige Tage jpäter in der Beitung lejen,
daß in einer ziemlich entfernten Gegend
ein Gewitter zum Ausbruch gefommen war.
— Eine gewifle Unruße zeigten die Möwen
auch bei Beginn der Flut. Befanntlidy
fommt bei Eintritt der Flut die Atmoiphäre
in eine gewiſſe Aufregung und da die meiften
Gewitter mit dem Eintreffen der atmofphä:
riihen Flut zum Ausbruch fommen, jo fann
man wohl annehmen, daß zu diejer Beit
die Luft am ftärfften mit Elektrizität ge-
laden ift und daß die Mömen dadurd) zu
ihren Benehmen veranlakt wurden. Be:
ſonders unruhig waren fie, wenn bei Ein
tritt der Flut ein Gemitter heraufzog. —
Die eigentliche Unruhe zeigte fich aber
meiftens nur vor dem Gemitter, während
des Gewitters waren fie ruhig. Fingen fie
jedoch beim Aufhören des Wetterd mieder
an unruhig zu werden, jo war mıt Sicher-
heit anzunehmen, daß noch ein Gewitter
fommen würde. Die jchmeren Stürme im
Herbit, die an der Nordjee fait immer von
eleftrifchen Entladungen begleitet find und
die zum Schrecken der Seefahrer oft meh-
rere Tage anhalten, murden regelmäßig
von den Mömen vorher verfündigt. Ebenſo
ließ fih an dem Gebaren der Mömen die
Abnahme oder das Ende des Wetters er-
fennen: blieben fie unruhig, jo war das
Wetter noch nicht vorüber, verhielten fie
ı ih aber ſelbſt beim Eintritt der Flut
rubig, fo konnte man auf baldige Abnahme
des Ummetters rechnen. Aus Gejagtem
geht hervor, daß die Möwen tatfächlich als
Gemwitterpropheten angejehen werden fünnen,
und meine Möwen maren aud) als Wetter-
propheten in weitem Umkreis befannt ge-
worden. Dod nicht alle Mömen find mit
gleicher Fähigkeit ausgeftattet, vielmehr
icheint dieje Gabe nicht allen Andividuen
in gleihem Maße gegeben zu fein, wenig»
ſtens ift bei einigen Möwen faum ein ver-
änderte Betragen zu erfennen, während
andere vor Unruhe fich nidt zu faffen
wiſſen. So ıft alfo auch nicht jede Möwe
ein zuperläjfiger Wetterprophet, und was
fih bei gefangenen Tieren beobachten läßt,
das entzieht fich den Augen bei den im
Freien lebenden, Mir ift es nie vergönnt
gewejen, bei wilden Möwen vor Gemitter
eine Unruhe bemerkt zu haben, wenn ich
gleich nicht zmweifle, daß fie wie gezähmte
oder gefangen gehaltene die betreffende
Fähigkeit wenigftens in demfelben Grade
beligen. Wenn ſich aber die angegebene
— 1377 —
Fähigkeit der Möwe jchon den Bliden des
Beobadhterd am Strande entzieht, jo wird
fie für den Binnenländer erft recht wert-
108 fein und Möwen gefangen zu halten,
wird nicht jeder in der Lage fein,
Aus meinen Ausführungen geht aljo
hervor, daß einige Bögel imftande find,
verjchiedene Witterungsericheinungen vorher
zu erfennen und durch ihr eigenartiges Be-
tragen jo das Wetter vorher verfündigen,
mithin als Wetterpropheten gelten fünnen.
Gewiß ift die Zahl jolher Bögel weit
größer, als bier angegeben; ich habe nur
die berüdjichtigt, die ich ſelbſt habe be»
obachten fönnen. Doch, wenn auch die Zahl
eine viel größere wäre, eine praftiiche Be:
deutung würden die Wetterpropheten unter
den Vögeln nie erlangen, nur für den Natur-
freund und Naturbeobadter dürften fie
größeres Intereſſe erlangen, und vielleicht
tragen dieſe Zeilen etwas dazu bei, ein
folches hervorzurufen.
NAichard Löwenherz anf Trifels.
1. Saß König Richard Lowenherz
In Trifel®’ Turm gefangen;
Sein Knappe war durchs beutfche Land
Bu ſuchen ihn gegangen.
2. Und wenn er vor ein Burgtor kam,
Tät Hell fein Lied erklingen;
Da warb ihm freubig aufgetan,
Man ließ die Riegel fpringen.
3. Einft fang er fih ein Abendlich
Im Schatten einer Linde,
Juſt, wie's der König felber fang
Herzliebem Königskinde.
4. Da hallte e8 durch tiefen Wald
Bu ihm wie Echo nieder
Und alle feine Strophen fang
Bom Turm ein Undrer wieder.
6. Hei! Blondel wußt' nun, wer das mar,
War ledig aller Schmerzen
Und fann, wie er befreien könnt'
Mit Lift Herm Löwenherzen.
6. Den Burgpfabd ftieg er flugs binan,
Tät Obdad) fich getoinnen.
Und um des Burgbogts Töchterlein
Mit fühen Liedern nrinnen.
7. Eh' früh vom Zurm der Wächter blies,
Da konnt' der König fliehen;
Sie hieß ihn aus dem Burgverließ
In Blondels Kleidern ziehen,
8. Doch den beßielt fie in Berbaft
Bum eigenen Behagen,
Schnell ſchwand ihm die Gefangenschaft
In heiten Minnetagen.
Eußerthal.
1. Eußerthal, das alte Kloſter,
Zwiſchen Bergen tief verſteckt,
Iſt vom Boden längſt verſchwunden,
Dichter Raſen hats bedeckt.
2. Finſter ragen felne Trümmer
In die Helle Nacht empor,
Lautlos huſchen graue Eulen
Durch die Schatten tief im Chor.
3. Uls ber Feind es einſt bedrängte,
Grub man, was das Kloſter barg,
Bor ber Flucht die reihen Schäße,
In des Tals verfchwieg'nen Sarg.
4. Seine Orgel ruht im Grunde
Schon vielbundert Jahre lang,
Seine Sitbergloden ſchlafen
Tief im Sumpfe ohne Klang.
5. Doch wenn fieben Jahr' vergingen,
Oſternachts zur Geljterftund”,
Hört man leiß die Gloden ſchwingen
In des Tales ftilem Grund,
6. Und die zarten Orgelflänge
Dringen durch die Nacht jo weich,
Schwermutsvoll wie Aeolsharfen,
Süßen Hirtenflöten gleich.
T. „Ave regina coelorum“
Hebt ſich ber Töne Schmwall:
„Domina angelorum“
Bittert'8 im Widerhall.
8 Weiß e8 Reiner uns zu jagen
Wo,die Orgel ruht im Grund.
Öffnet fie mit Felerklängen
Manchmal felbft den goldnen Mund:
„Ave regina coelorum, — domina angelorum!"
— 18 —
Trunk ans dem Stiefel.
1, Das mar ein Trunf gemefen,
Die feiner noch getan,
Hoch jegte Boos von Walded
Den Reiterftiefel an
Und trank ihn bis zur Brandſohl' leer,
Als ob's ein Feiner Becher wär.
2. Er ftrich fich durch den Echnurrbart
Und fprach mit feuchten Blid:
„Herr Rheingraf, ließ der Reiter
„Roc einen Schub zurüd,
„So reicht auch diefen ber geſchwind,
„ch trink ihn leer für Weib und Kind.“
3. „Und gabt ihr Brief und Siegel,
„Daß Hüffeläheim mir wär”,
„Wenn ich mit einem Zuge
„Den erften tränfe leer,
„Zo füllt den zweiten mir mit Wein
„Und gebt bei diefem Rorbeim drein!“
Dr. 8. Yuſch.
Die Bewegungen des Grundwallers.
Nach; Direktor Hädicke in Siegen.
Die Bewegung des Grundwaſſers hängt
innig zujammen mit der Entjtehung, die
heute noch vielfach fäljchlicherweiie auf das
Eindringen des Negenmwaflers in den Boden
und Anfammlung über undurchflüſſigen
Schichten zurücdgeführt wird. Der Bor:
tragende fommt aufgrund vielfacher Experi—
mente und langjähriger Beobachtungen zu
dem Schluffe, daß das Grundwaſſer ſtets
nad dem Hygrometer und jehr häufig
vor dem Regen jteigt, jowie, daß oft
ein Regen ftattfindet, ohne daß liberhaupt
ein Gteigen eintritt. Die Yuftfeuchtigfeit
führe immer nur dann zu Regen Nieder:
ſchlägen, wenn die entjprecdyende Abkühlung
wirft, und diefe ift im Grunde jtets, in
der freien Luft durchaus nicht immer ge:
geben. Es fommt fogar jehr häufig vor,
daß die Luft erft nach dem Wegen feucht
wird. In ſolchen Fällen freilich kann ſich
feiht ein fpätere® Steigen des Grund:
waflers zeigen, was dann zu dem TQTrug-
ichluffe Beranlaflung gibt, das Steigen des
Grundmwajjers ſei dem eingedrungenen Regen-
waſſer zuzufchreiben. Als Nukanmendung
bezeichnet der Bortragende zunädhjt , die
num leicht fich ergebende Grflärung der
Grundwaſſerbildung ohne Niederichläge,
meld; legtere nur dann dazu beitragen
fönnten, wenn fie durh Spalten bis zur
nädften undurdläffigen Schicht gelangen
fönnten. Dies ſei für die allermeisten
Gegenden ausgeichlojfen. Auch die jchein-
bare Wafjerdurchläffigfeit der Sperrmauern
der Talſperren jei auf diefe Erſcheinung
zurüdzuführen, denn wenn man leßtere zur
Waflergewinnung ausnügen wolle, müffe
man fühle, luftdurchläffige Mafjen ſchaffen
und Ddiefe mit Wbzugsröhren durchſetzen.
Hierzu find nun gerade unfere modernen
Sperrmauern mit ihren Abzugsrohren mie
geichaffen.
Vor allem jeien alle Dauerquellen und
fiher aud ein großer Teil des jonftigen
Quellwaſſers ſowie viele der ‚gewaltigen
unterirdifchen Wajjeranfammlungen ein»
ichließlih wohl aud der warmen Quellen
auf die Luftkondenſation im Erdinnern
zurüdzuführen, ferner aber erjcheine nun
auch die Wünjhelrute — das Wajler-
juchen mit der Rute — erflärlih. Denn
überall ift der Boden in der Tiefe feucht
und überall da, wo eine durchläffigere Fläche
in durch die Bumpe erreichbarer Tiefe vor-
handen fei, müfje fih Waller finden, Ein
wenig Drtsfenntnis, Geſchick und Glück
reicht alſo aus. Aber dies Waſſer könne
ſich naturgemäß nur da anſammeln und in
einigermaßen größeren Mengen nur da er—
pumpt werden, wo der undurdläffige Grund
muldenförmig geftaltet oder jo wenig ge-
neigt iſt, daß der ſich abwärts bewegende
Grundwaſſerſtrom als Anſammlung auf
träte. In ſehr vielen Fällen liegt der
undurchläſſige Boden fo tief, daß das an»
gefammelte Waſſer nicht erreichbar iſt.
In jolden Füllen? ließe ſich durch einge»
legte, geeignete Blatten aus dem Feuch—
tigfeitögehalt der Luft und der Temperatur
im runde ziemlich genau vorher beftimmen,
wieviel Waller zu erwarten ſei. Diejes
Berfahren wäre bejfonders für die Tropen
— 139 —
von Wert. Der Bortragende hat ein Ber- | iſt, Waller zu entnehmen. Im übrigen
fahren erprobt, dem nur feuchten Sande, | will der VBortragende jeine Mitteilungen
welcher jtets über den Anjammlungen und | nur als Anregungen für Grundmajler-
oft in leicht erreichbarer Nähe zu finden beobachtungen angejehen wiſſen.
Die menſchliche Wohnung.
Einen höchſt anziehenden Vortrag über | namentlich) in indomalayifchen und pazifiichen
Wie wohnt der Menid hielt Dr. DO. | Gebieten, häufig angetroffen werden. Die
St. R. Lampert im Württembergiichen | fünftlich hergeftellten Wohnungen ließen ſich
Anthropologijchen Verein. Wir wiffen zwar | auf vier Urtypen zurüdführen. Die
nicht, ob die primitive Wohnung etwa dem | Erdwohnung in ihrer einfachſten Yorm,
laden Nefte nahe fteht, das ſich beifpiels- | ein Erdloch, und bejonders häufig noch) bei
weile der Orang-Utang ziemlich Funftlos | den Einwohnern des hohen Nordens und
aus Äſten und Zweigen in den Kronen der | bei afrifaniihen Völkern, dürfte fih an
Bäume herftellt, oder ob eine flahe Grube | die natürlichen Höhlenbehaufungen an-
im warmen Sande den bejcheidenen Woh- | ichließen und ift der Typus, defjen weitere
nungsanjprüchen des Urmenichen zu genügen | Entwidlung und Ausgeftaltung zu unjeren
vermochte. Doch fünnen wir wohl mit | meift ja noch unterfellerten Steinbauten
Sicherheit annehmen, daß es nicht ein in- | geführt hat. Einen zweiten Typus bilden
ftinftiver Bautrieb, wie 3. B. bei vielen | die durch Zujammenneigen und »binden der
Inſekten und Bögeln war, der den Men- | Spiten von bodenftändigen oder in Kreis
ſchen zur Herftellung einer Behaufung ver- | form angeordneten gefteften Stämmchen
anlaßte, daß es vielmehr lediglich das Be- | und Zweigen gewonnenen Rundhütten.
dürfnis nah Schuß gegen Witterungs- | Mit diefem Typus nahe verwandt ift die
unbilden und feindliche Angriffe vonfeiten | mweitverbreitete Kegelhütte, die fich von
der Tierwelt gemwejen ift, was ihn dazu | der Mundhütte nur durch den Belig eines
veranlaßte. Sn erfter Linie waren es wohl | Mittelpfahles unterſcheidet. Aus dieſen
natürliche Höhlungen, Felsklüfte und Nifchen | beiden Typen hat fich die befannte Form
fowie auch hohle Bäume, die als Unter: | des Nomadenzeltes entwidelt, die ihre raffı-
ſchlupfe in Betradht famen; doc; dürfte | niertefte und fomfortabelite Ausgeftaltung
auch der Aufenthalt in gejchloffenen Baum- | in den Jurten der Kirgiſen gefunden hat.
fronen und in dichtem Buſchwerk die Grund- | Als vierter Typus gejellt ſich hiezu das
lage zu Baum- und Bujhmwohnungen ge | Langhaus mit rechtwinkeligem Grundriß,
bildet haben, wie man ſie jegt noch in | das jegt in allen Kulturländern die end-
Südindien und Südafrika antrifft. Be: | gültige Form darftellt. Dft ſchon auf der
jonders deutlich tritt der jchügende Charafter | niederften Kulturftufe findet fih ein aus-
der Wohnung bei den im Wafjer errichteten | geprägted® Bedürfnis, das Heim durch
Pfahlbauten hervor, die auch heute noch, Schmudf zu verjchönern.
Zur Erhaltung alter Straßennamen
wurden auf dem Tag für Denfmalpflege | um jo mehr, je eigenartiger und finnvoller
zu Bamberg folgende Leitſätze einftimmig | fie ift. 2. Inſonderheit dürfen alte Namen
angenommen: 1. Jede alte und als jolche | nicht zu Gunften von foldhen berühmter
geichichtlich bedeurungsvolle Bezeichnung von | oder verdienter Männer des Baterlandes
Straßen, aber auch von Plätzen, Brücden, | oder der engeren Heimat bejeitigt werden,
Häufern und ganzen Stadtteilen, dann | 3. Bei Benennung neuer Straßen find in
von Ader- und Waldſtücken, Flüffen, | eriter Linie die alten Flur- und Orts—
Bächen, Teihen und Bergen iſt auf alle | bezeichnungen zu verwenden. 4. Da, wo
Fälle zu jhügen und zu erhalten, und zwar | erft in neuerer Zeit der alte Name durch
- 10 —
einen modernen erjegt ift, joll der erfte,
fomweit e8 irgend angeht, wieder zu Ehren
gebracht werden. 5. Es muß freilih dem
Taftgefühl der betreffenden Behörde über:
laffen bleiben, a) inmiemweit auch folde
alten Namen, die ſchon im Gedächtnis des
Bolfes gejchwunden find, mwieder in Ger
brauch zu ſetzen find; b) inwieweit aud
ein neuerer Name bereits geichichtlichen
Wert gewonnen und deshalb ebenjall® auf
Schub Anfpruch zu erheben bat; c) inmie-
weit alte, aber verderbte Namen ihre ur-
ſprüngliche Form mieder erhalten fünnen.
6. Zu allen Umnennungen alter Straßen
und zur Benennung neuer follen ſtets die
örtlichen Geſchichts- und Altertumsvereine,
fowie auch einzelne geſchichts- und ſprach—
fundige Perjonen, insbefondere die Leiter
der Staatlichen und ftädtifchen Archive, Biblio»
thefen und Mufeen ald Sadverftändige zu
Hate gezogen werden.
Bie Erfchöpfung der Wälder.
Wenn von einer Erjchöpfung der Koh—
lenlager der Erde in abjehbarer Beit ge
ſprochen worden ijt, fo gilt dasjelbe für
die Wälder. Gin großer Teil der Länder,
die noch in nicht allzu ferner Bergangen-
heit einen ungeheueren Waldreihtum auf-
wiejen, ift gegenwärtig nicht mehr imjtande,
feinen Bedarf an Holz aller Art zu deden.
Deutihland führt nad) den Angaben von
Gazal im „Bulletin de la Societe de Géo-
graphie de l’Est* jährlich für 276 Mil-
lionen Marf Holz ein, England für unge:
führ 455 Millionen Mark, Frankreich für
112,8 Millionen, Belgien für 81,6 Mil-
lionen, Stalien für 24,8 Millionen, Spanien
für 24 Millionen. Nur fünf europäifche
Länder haben einen Überfhuß an Holz,
und zwar find es Oeſterreich-Ungarn, das
Moti
20 Millionen Heftar Wald befigt und
für 160 Millionen Marf Holz erportiert;
Schweden mit ungefähr demfelben Wald-
reihtum und einem Export von gleicher
Höhe; Rußland, das danf feiner unge:
beueren Wälder von 160 Millionen Heftar
Ausdehnung troß jeines eigenen riefigen
Bedarfes noch für 124,8 Millionen Mark
Holz ausführen kann; dann Finnland, das
für 72 Millionen ausführt, und Norwegen,
deffen Holzerport ji im ganzen auf 60
Millionen Markt beläuft. In Amerika
führen die Bereinigten Staaten für 117,6
Millionen Marf aus, der übrige Bedarf
wird von Kanada gedeckt, dad mit feinen
320 Millionen Hektar Wald einen größeren
Holzreihtum aufweift als das gejamte Eu—
ropa zujammen genommen.
Im Anfchlu an unfere Artikel über arhäologifche Funde, die aud in der
Tagesprejie een murbden, bringen wir auf Wunfch des Herm Prof. Dr. C. Mehlis bie
Mitteilung zur Beröffentlihung, dat im Gegenfage zu den Borausfegungen einer gewiſſen Eritt:
fierenden Befprechung die wertvollften Fundſtücke fih noch im Privarbefige bed Leiters der
antbropologifchen Sektion der „Pollihia” befinden, der fie auf feine Koften ausgraben ließ.
Gedenktage im Oktober und YHovember,
Oktoßer. Geboren: 4. er. Gotthelf (1797). — 33. A. Stifter (1806). — 26. Moltke
(1800). — 29. Diejterweg (1790). — Geftorben: 8. Rembrandt (1669). — 15. 8.
Jahn (1862 )
— 22. Campe (1818). — 28. %. Tode (1704). — — 1813: 16.—18. Bölkerſchlacht bei Leipzig. —
1831: 18. Kalſer Friedrich III. geb. — 1870: Kapitulation von Met.
November. Geboren: 5. Hans Sachs (149). — 10. Luther (1483) und Schiller
(1759). — 21. Schleiermacher :1768). — 24. Spinoza (1632). — Geſtorben: 13. Ubland (1862).
— 14.
Sean Paul (1825). — 15. J. Stepler (1630), Gluck 11787) und 9. U. Comenius (1670). —
16. Guſtav Adolf (1632), — — 1870: 9. Rüdzug der Bayern von Orleans.
Dnbalt: Zur pfälzifchen Kartenktunde. — Wetterpropheten unter ben Bögeln. — Die Be-
wegungen des Grundwaſſers. — Richard Löwenher
auf Trifeld. Eußerthal. Trunt aus dem
Stiefel. Gedichte von Dr. E. Puſch. — Die menſchliche Wohnung. — Zur Erhaltung alter Straßen-
namen. — Die Erihöpfung der Wälder. — Notiz. — Gedenktage.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
Die „Bfälziſche Heimatkunde” koſtet jährlich in 12 Heften De. 2.50. PBerellungen werden von allen Buchhandlungen unb
Voltanftalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbandfendung) angenommen.
II. Jahrgang.
Nummer 12
Dezember 1906.
JPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
v
L/
DI
(Nachdruck verboten.)
Bas kurpfälzifche ®beramt Lantern im Jahre 1601.
Von D. Häberle, Kaiferl. Rechn.Rat in Heidelberg.
Die erjtarfende und im Zeitalter des
Abjolutismus immer mehr hervortretende
Territorialherrichaft mag gegen Ende des
16. Jahrhunderts bei den fomplizierten
Beligverhältniffen in der Pfalz wohl die
einzelnen Fürſten in erjter Yinie dazu ver«
anlaßt haben, durch bejonders beauftragte
Beamte ihre verjchredenen, oft nur auf
mündlichen Abmachungen beruhenden Beſitz—
titel nadhprüfen, etwaige Zweifel an Ort
und Stelle durch Verhandlungen mit den
Intereſſenten beheben und die Ergebniſſe,
ergänzt durch die Aufnahıne der bisher oft
nur mündlich überlieferten Gewohnheitsrechte
in umfangreichen Amtsbeſchreibungen nieder-
legen zu laffen, welche dann für die Folge
bei Differenzen als Norm zur Schlichtung
dienen fonnten. Die Berhältnijje lagen in
der Pfalz noch verwicelter, ald nad Säfu-
larijation der verjchiedenen Klöſter zwiſchen
1550 bis 1580 die Yandesfüriten in Beſitz
der ausgedehnten Stloftergliter umd der
Nirdjengefälle gelangt waren, für deren
ordnungsmäßige Verwaltung bei dem all-
mählich angeitrebten Übergang von der
Natural: zur Geldwirtjchaft bejondere Be-
hörden eingefegt werden mußten. Für die
Kurpfalz 4. B. wurde durch Friedrich II.
(1559 — 1576) zu diefem BZwede die Ad—
miniftration der geiftlihen Güter ins Leben
gerufen, die ihren Sig zu Heidelberg hatte
und in den einzelnen Yandesteilen die Ver-
waltung durd Schaffner (Pfleger, Seller)
bejorgen ließ.
Die ältefte derartige Beichreibung wurde
im Uuftrage des Herzogs Johann I. von
Zweibrüden dur den Geometer Tilemann
Stella von den beiden Ämtern Zweibrücken
und Kirkel im Jahre 1564 verjaht. (Im
Kreisarchiv zu Speyer.) Daran jchloß ſich
1585 der zweibrüdijche Amtmann Hoffmann
mit einer Schilderung des Amtes Lichten-
berg. Auch die Kurpfalz blieb nicht zurück,
indem Friedrich IV. den Forſtmeiſter Philipp
‚ Velmann zu Germersheim im Jahre 1600
beauftragte, für die kurpfälziſchen Gebiete
linfs des Rheins Wald- und Grenzbeſchrei—
bungen anzufertigen und die Rechte des
Fürſten und der Untertanen zu präzilieren.
Diejer Aufgabe hat ſich Velmann in der
eingehenditen Weije entledigt und jeine klaren
Berichte haben in der Folge, bejonders zu
Anfang des vorigen Yahrhunderts nadı
MWiedervereinigung der Pfalz mit dem rechts—
rheiniſchen Bayern, zur Entſcheidung man:
chen Nechtsitreites in Wald und Weide-
angelegenheiten mit beigetragen und oft
genug den Ausichlag gegeben.) Aus der-
jelben Zeit ftammt auch eine andere, aber
') Nähere Nachrichten über Belmann und
die von ihm verfaßten Amtsbefchreibungen finden
fih im Pfälz, Muſeum 1906 ©. 41-43,
infofern wichtigere Amtöbejchreibung, als
diefe ſich nicht allein mit Wald, Wild,
Weide und Grenzen, jfondern auch mit den
Bewohnern jelbit in eingehender Weiſe be-
ihäftigt und uns einen Blik in die da-
maligen Verhältniſſe mit ihrem zerjplitterten
Beſitzſtand tum läßt; das ift die „Beichrei-
bung des Oberamts Yautern Recht und
Gerechtigkeit vom Jahre 1601”, melde
jegt im Streisardiv zu Speyer als Nr. 50
der Sal: und Yagerbücer verwahrt wird.
Der Reicht zur Abfaſſung muß von
Deidelberg aus im letten Dezennium des
16. Jahrhunderts ergangen fein, da einige
der von den verichiedenen Scultheiken-
ämtern eingereichten Unterlagen zu dieſer
aus dem Jahre 1598 datieren und der
Kurpfälziiche Amtmann zu Yautern, Stefan
Quad von Wickrad in feinem llberreichungs-
berichte an Kurfürſt Friedrich IV. vom 21.
März 1601 ſich wegen der Verſpätung
damit entichuldigt, daß die Herbeifchaffung
der Unterlagen viel Zeit erfordert base,
nebenbei die laufender Amtsjachen erledigt
werden mußten und er jelbit ein ganzes
Jahr mit „Yerbesblödigfeit” behaftet geweſen
ſei. Die Beichreibung ſelbſt ift von dem
Landichreiber Jakob Schwab verfaßt und
zerfällt in zwei Zeile, den eigentlichen Be-
richt von der Hand Schwabs und die von
den verichiedenen Unterbebörden als Material
beigebrachten Anlagen. Das Ganze ift ge- |
bunden und enthält 339 Blätter, wovon
36 auf den eriten Teil, 333 Blätter auf
die Unlagen entfallen,
Yautern gehörten damals:
l. Die Städte: Kaiſerslautern (mit
Höfen und Mühlen) und Otterberg.
2. Die Geridte: a) Ramftein mit
Ramſtein, Weltersbach, Katzenbach, Spes-
bach, Hütſchenhauſen, Elſchbacher-Hof (oder
Capell), Nantzweiler diesſeits des Glans,
Zum Oberamt richtsſtühle im Stumpfwald nach der krummen
142
Dbermiejau;')e)Waldfiihbac mit Wald»
fiſchbach, Steinalben, Schopp, Scmalen-
berg, Heltersberg, Geiſelberg und Tiefental.
3. Das Büttelamt mit den Gerichten:
a) Erlenbach mit Erlenbach, Morlautern,
Gersmeiler,, Horter- und Meſſersbacher—
Hof und der Galappmühle; b) Neukirchen
mit Neufirchen, Baalborn, Daubenborner-
und Fröhner Hof und Reichholzmühle;
ce) Aljenborn ınit Aljenborn und Enfenbad).
4. Das Schultheißenamt zu Aljen»
brüf und Wartenberg.
5. Das Stijt Lautern, die Pflege
Dtterberg, die Probſtei Enfenbady, die
Klauſe Fiſchbach (aus den jäfularifterten
Klojtergütern gebildet) und die Kirch
ſchaffnei Yautern. Diejelben unterjtanden
der Dberauflicht des Eurpfälziichen Amt—
mannes zu Yautern, rejjortierten aber von
(jenjeits v. d. Venen), Niedermohr, Ober- |
mohr und Schrollbach; b) Weilerbad mit
Weilerbah, Schwedelbach, Pörrbad), Erzen-
haufen, Eulenbis und Rodenbach; ce) Stein-
wenden mit Steinwenden, Stottweiler,
Mackenbach, Mieſenbach, Schwanden und
Stegen; d) Kübelberg mit Rübelberg,
Schmidmeiler, Dietweiler, Altenkirchen,
der geiftlihen Güteradminiftvation zu Hei:
delberg.
Diefe Orte lagen fämtlich innerhalb des
beim Zerfall des Reichs durch den tat-
fräftigen Kaiſer Friedrich Barbarofja 1152
für die Krone geretteten Neichslandes, deſſen
Örenzen unter Gmvehnung des Königs—
landes (Amt Wolfitein) nah dem Weistum
der Yauterer Burgmannen von 1417 fol-
gendermaßen verlief: Bom Wolfsbirnbaum
auf der Höhe bei Krottelbach nad) der weißen
Dohle (andere Yesert: Wiefental), dann
hinter Wadenau?) den Sternberg?) hinab bis
‚zur frummen Weide bei Yautereden, von
da Hinter Falkenftein herum über die Ge—
Birfe auf den Schorlenberg (bei Aljenborn),
von da hinter Peilftein herum über den
Bremenrein (Bremerhof) und die Staffeln
nach der Bartenfurt (unterhalb der Mohrer
Mühle bei Waldmohr), von hier über Ztridel-
bad) zurücd zum Wolfsbirnbaum, Uriprüng-»
lich waren die Örenzen wohl noch weiter
vorgeſchoben, namentlich nad) Süden Hin,
da die außerhalb dieſes Bezirkes gelegene
Burg Wilenftein bei Trippftadt eine Reichs—
fefte war und von den Yauterer Reichs—
burgmannen bejett wurde.
Y Das Amt Kübelberg wurde 1779 gegen
Duchroth, Oberhaufen und andere Stücke an
Frohnhofen, Ohmbach, diesjeits der Bad,
(jenjeit3 Pfalz Zweibrücken),
Brücken,
Schönenberg, Sand, Elſchbach, Nieder- und |
Bfalz- YSmweibrüden abgetreten.
*, Eingegangene Tiefburg beim Frohn—
bacher Hof.
) Sternberg bei Niederalben.
Bei der Einzelbeichreibung werden die
Städte Yautern und Otterberg nur flüchtig
berührt. Binfichtlich der erjteren wird auf
die alten Rechte als ehemalige Neichsitadt
innerhalb ihrer Ramſteine (eigenes Hals—
gericht unter dem Vorſitz des Furfürftlichen
Amtmannes, Freiheit von Leibeigenſchaft zc.),
fowie auf die Ordnung des Bfalzgrafen
Otto und die inzwifchen abgeſchloſſenen Ber»
träge verwieſen. DOtterberg fommt nod)
fürzer weg, da hier nur auf die 1579 mit
den vertriebenen Reformierten aus Schönau
und dem Stift Yüttih durch Kurfürft
Johann Kafimir abgeichlojfene Kapitulation
und die kurz vorher (1581) zugeftellte Stadt:
ordnung Bezug genommen zu werden brauchte.
Für die Geſchichte Otterbergs, die leider
bis jegt noch feine zulammenhängende Be—
arbeitung gefunden hat, kommt zunächft
das Urkundenbuch des Nlofters Otterberg,
herausgegeben von Frey und Nemling, und
für die heutige Stadt Heft 7 der Gejchichts-
blätter des Ddeutichen Bugenottenvereins
neben den die ganze Pfalz umfaffenden
Beichreibungen von Widder, Frey und Rem-
ling in Betradt.')
Im Gegenfag zu den Städten find die
Gemeinden um jo eingehender behandelt.
Für dieſe ift im einzelnen ein genaues
Verzeichnis der auf ihnen ruhenden Rechte,
jowohl von Aurpfalz wie von den im Amt
begüterten oder angrenzenden fleinen und
großen Herren an Zehnten, Gülten, Zinſen,
Frohrden, Steuern, Hagen und Sagen,
Yeibeigenen, Wildfängen, Baftardfällen, Frei:
zügigfeit, Frevel und Bußen, furzum eine
eingehende Schilderung der Rechtsverhält:
niffe unter Beifügung von Abjchriften der
BWeistlimer, Verzeichniſſen der Yeibeigenen
ujw. gegeben. Dieje FFeititellungen waren
bei der Zerſplitterung des Beſitzes für den
damaligen Pandjchreiber feine leichte Auf:
gabe, da in dem verhältnismäßig Fleinen
Oberamt Yautern damals begütert bezw,
berechtigt waren:
1. Bialz-Zweibrüdfen und Pfalz-Lau—
tereden.
2. Der Markgraf von Baden.
3. Die Grafen von Falkenſtein, Yeiningen:
Hartenburg, und Leiningen Wejterburg,
Hanau, Naffau Saarbriiden.
H Neuerdings bat Pfarrer Stod mehrere
Artikel zum Geſchichte Drtterbergs veröffentlicht.
143
4. Die Herren von Diemerftein, Eltz,
Flersheim, Hoheneden, v. d. Leyen, Lich
tenberg, Müngheim, Rodenſtein, Sickingen,
Wallbronn und Wartenberg.
5. Die Komthurei Einfiedel und Saar-
brüden.
6. Klaus Fiicher, Ratsherr von Yautern
und Hans Philipp Schlör von Kreuznach.
7. Die damals bereits jäfularifierten
Klöfter Hornbach, Otterberg und Wadgaffen,
das Stift Yautern, die Probjteı Enkenbach,
und die Klauſe Fiſchbach bei Hochſpeyer.
Dab während der nächſien beiden Jahr—
hunderte feine wejentliche Anderung ın dem
vorbezeichneten Befigitand eintrat, lehrt ein
Blick auf die — Karte der Pfalz
von Ran und Ritter aus dem Jahre 1792.
Ganz anders aber war das Bıld wenige
Jahre ſpäter, als infolge des Beichlufjes
des Vollziehungsdireftoriums zu Paris vom
4. November 1797 unterm 15. März 1798
die durch die franzöfiiche Republik eroberten
Länder der heutigen Pfalz dem Departement
des Donnersberg zugeteilt wurden und mit
einem Schlag zum Segen unieres engeren
Vaterlandes der Vielherrſchaft ein Ende
bereitet war.
Was dıe Beichreibung für den Lokal—
hiftorifer bejonders wichtig macht, ijt die
Behandlung jeder Ortjchaft für fich unter
namentlicher Aufführung der Yeibeigenen
und Huber, jomwie die gelegentliche Erwäh—
nung von Flurnamen ꝛc. in den Weis—
tümern, wodurch fich ein ungefähres Bild
der Gemeinweſen vor dem 30jährigen Krieg
gewinnen läßt. Auf diejelbe wurde des-
halb früher in gejchichtlichen und geo=
graphiichen Werfen über die Pfalz vielfach
zurücgegriffen, in neuerer Zeit von Pfarrer
Bilfinger in der intereflanten Schilderung
des Holzlandes und Yohannisfreuzes, und
in der Etudie des Forſtaſſeſſors Keiper
über den Reichswald. Auch der Verfaſſer
der Gejdichte von Wartenberg, Wılenftein
und Neuhemsbach im Spntelligenzblatt des
Nheinkreifes für 1827 Ceite 167, 213
jcheint aus derjelben geſchöpft zu haben.
Auf die Wichtigkeit der Weistümer für das
damalige bürgerliche und bejonders das
bäuerliche Leben ift in Heft 16 der Mit
teilungen des Hiſtoriſchen Vereins der Pfalz
eingehend vermwiejen und nachſtehende Deft-
nition gegeben: „Weistum ift das von
— 14 —
bäuerlichen Gerichten in regelmäßigen Friſten
oder auf jpezielles Anſuchen um Rechts
belehrung bin feitgeftellte bäuerliche Ge—
wohnheitsrecht. Es meilt aus den Um—
fang des Gemeindebanns, den Anteil an
MWald und Weide und Wafler, es weiſt
den Grund: und Gerichtäheren, es meijt
die Abgaben und Frohnen, kurzum die
Rechte und Laſten der Herren und Bauern
in ihrem gegenjeitigen Berhältniffe.” Daran
ihließt ſich ein Werzeichnis der für die
Pfalz und die Nachbargebiete im Kreis—
archiv verwahrten Weistiimer, in das Die
dem Lagerbuch abjchriftlich beigefügten Auf-
nahme gefunden haben. Ein Teil derfelben
ift bei Grimm (Weistiimer) und Maurer
(Dorfverfaffung) abgedruckt. Der Boll-
ftändigfeit halber werden fie zur Grleichte
rung des Nachſchlagens in der Reihenfolge
des Driginals bier aufgeführt:
Blatt 124. Kübelberger Gerichtöbe-
Ichreibung. Das Stübelberger Gericht fam
1779 durch Tauſch von Kurpfalz an Ziwei-
brüden,
Blatt 158. Weistum der drei Gerichte
Weilerbach, Ramftein und Steinwenden, im
Reich genannt, abgedrudt Grimm 5, 660.
Blatt 174. Weistum der Comthurei
Einfiedel zu Weilerbach.
Blatt 191. Weistum der Hüber zu
Alfenborn von 1588,
Blatt 208 und 234. MWeistum der
Gemeinden Alfenborn und Enkenbach von
1560 und 1581.
Blatt 217 und 313. Weistum der
Gemeinde Morlautern und des Gerichts
Morlautern,
Blatt 233, 291 und 337. Weistum
der Gemeinde Neufirhen im Obergericht
des Probites zu Enfenbadh und im Nieder»
gericht der Herren von Otterberg, beide
doppelt, aber nicht ganz gleich lautend,
Ferner ein erweitertes Weistum von 1543
für das Obergeriht des Probſtes von
Enkenbach. Ein in dem Lagerbuch nicht
enthaltenes Weistum für das Gericht Neu-
firhen aus kurpfälziſcher Beit ift bei Grinm
d, 710 und Maurer 2, 443 abgedrudt.
Dazu tritt außerdem das Weistum der in
der Waldinarf berechtigten Gemeinden Neu:
firchen, Mehlingen und Baalborn von 1579,
abgedrudt in Heft 9 der Mitteilungen des
Aiſtoriſchen Vereins der Pfalz Seite 235.
Abts bon
1507.
Platt 241,
Dtterberg zu
Grimm 1, 789.
Blatt 255. Weistum des Schultheiken-
amts Wartenberg von 1560. Grimm 1,
781. Die Dörfer Mehlingen und Gem:
bach trugen die Kolbe von Wartenberg da»
mals von Kurpfalz zu Lehen; trogdem
find für einen Teil ihrer Einwohner nament-
liche Liſten beigefügt. Ein genaues Ber-
zeichnis des furpfälzer Lehens der Warten:
berger vom 15, Yuli 1558 befindet fich im
Kopialbuch der Stadt Lautern, Blatt 216
(Kreisardiv zu Speher).
Blatt 260. Der Karlsburger Vertrag
zwiichen Blalzgraf Johann Kafimir und
Herzog Johann vom 14. März 1587,
Blatt 290. Weistum der Gemeinde
Erlenbah, von dem nur das Titelblatt
erhalten ift.!) Eventuell iſt das bei Maurer 2,
450 und Grimm 5, 663 abgedrudte mit
dem fehlenden identiih. Erlenbach mar
ein altes Neichsdorf, deſſen Gefchichte mit
der Burg in Yautern enge verbunden war
und das infolge jeiner wachſenden Bevölfe:
rung zum 1. April 1904 zu einer jelbjt«
ftändigen Bürgermeifterei erhoben und
daran erinnert wurde, daß es ſchon vor
faft fünfhundert Jahren Sig eines Schöf-
fengeriht3 war. Denn im Jahre 1467
vereinigte der Abt Peter II. von Ötterberg
mit Berilligung des Kurfürſten Friedrich 1.
von der Pfalz des Schug- und Schirmberrn
des Stlofters, die drei Hubgerichte in feinen
Dörfern Erlenbach, Reichenbach und Gers—
weiler (die beiden legteren heute nur noch
Höfe) zu einem Schöffengericht in Erlenbach,
Flatt 294, Weistum der Herren von
DOtterberg zu Baalborn von 1567, Grimm
5, 710. Weistum der Herren von Otter:
berg zu Hühnerjcherre (Hirſchhorn) von 1566.
Grimm 1, 797. Leider fann auf den In—
halt der einzelnen Urkunden, jo interejfant
er auch ift, Hier nicht näher eingegangen
werden.
Für das Stift Yautern (Blatt 307) die
Probftei Enkenbach (319) und Klauſe Fiſch—
bad) ber Hochſpeyer ift ein Verzeichnis der
erblich und auf Zeit verliehenen Hofgüter,
der Behnten und in eigener Verwaltung
!, Das Weistum ift in der Abjchrift der
Amtsbejchreibung, Salbuch Nr. BI des Kreis—
archivs Speyer volljtändig verzeichnet.
Weistum des
Aljenbrüf von
— 15 —
befindlichen Wuldungen, Weiher ꝛc. beige
fügt. Wegen der Kolleftur oder Kirchen:
geblieben und beim Bujammerbrud der
alten Ordnung während der vapoleonijchen
ichaffnei Yautern und deren Gefälle, Ber | Zeit nicht wie jo viele andere Archivſchätze
joldung der Pfarrer, Glödner und Scul- | mangels entiprechender Fürjorge verichleu-
diener und des Slirchenjages (Jus patro- | dert worden find. In beiden findet der
natus) im Oberamt Qautern wird auf die | Yofal-Hiftorifer eine reiche Quelle für die
bei der Verwaltung zu Heidelberg befind- | Ortögeichichte und vielleicht tragen dieſe
lihen Rechnungen und das Kompetenzbuch Zeilen dazu bei, den Sinn für die Heimat:
verwiejen. Über den reichen Befit des | forschung zu fördern. Auch für die Ramilien- '
Klofters Otterberg (Blatt 281 ff.) im Ober- | geichichte bietet die Amtsbeſchreibung eine
amt und aud außerhalb Kurpfalz gibt die | Fundgrube. Noch heute eriftieren in den
eingehende Schilderung des damaligen | meiften Dörfern Träger der vor mehr als
Pflegers Johann Paul Flemmingen ein | dreihundert Fahren aufgeführten Namen,
Elares Bild und man muß geitehen, daß | aber nicht mehr als fait rechtloje Leibeigene,
dieje Sloftergüter in Verbindung mit dem | jondern als freie Bürger und liefern den
raſch aufblühenden und gewerbtätigen Städt- | Beweis, daß fie troß der mechielvollen
chen Otterberg einen wertvollen Zuwachs | Zeiten und dev vielen Kriegsſtürme, welche
für die Eurprälziichen Lande bedeutete, jeitdem über die Plalz dahingegangen find,
Daß dieje der geiftlihen Güteradmini« | auf der heimarlihen Scholle ausgedauet
ſtration unterjtellten Bejigungen bei der | haben.')
Beichreibung mandmal etwas kurz megge: | —
fommen, beruht darauf, daß der Yand»
ichreiber in jeinem Bericht oft nur auf die
von Forftmeilter VBelmann im Jahre zuvor |
abgefahten Befordyungen (Grenz: Bejchrei-
bungen) Bezug zu nehmen brauchte.
Wir müflen eö mit Danf begrüßen,
dab uns dieſe beiden Urkunden erhalten
‘ı Dank der verjtändnisvollen Unterſtützung
der Neihemwaldgemeinden und der Stadt Kaiſers—
sautern werden die für diefe Gegend jpeziell in
Betracht fommenden Teile aus der Belmann-
ſchen Beforfhung ſowohl, wie aus der ber:
amtöbefchreibung, ergänzt durch mehrere bisher
teilmweife noch nicht benugte Urkunden demmnächit
in Buchform im Berlag der Thiemefchen Druderei
zu Kaiferslautern ericheinen.
Göllheim.*)
Hiltorifch-topographifches Bild von J. Yang.
Der Marktflecken Göllheim, am nörd— | Wirundus, Abt von Hornbad), beflagte fich
Iihen Abhange des Höhenzuges gelegen, | nämlich im Jahre 820 bei Kaiſer Ludwig
der von der pfälziſchen Hauptwafjericheide | dem Frommen, daß feinem Kloſter ſchon
fich zwijchen Eis und Pirimm nah Dften | zu Zeiten Starls des Großen gewille Güter
erjtreft und gegen den Rhein abfällt, ger | zu Gylnheim im Wormsgau und zu Hab:
börte nebſt den Dörfern Stauf, Ramjen, | firchen im Bliedgau ungerecdhterweije ent: '
Eijenberg, Kerzenheim, Sippersfeld, Breu- | rijfen worden jeien. —’ Der Kaiſer beauf:
nigweiler, Rojenthal, Kerzweiler, Albus: | tragte den Eüniglihen Sendboten Donatus
heim und Pirimmerhof zu der frühern | mit der Unterjuchung der Sache, welcher
Herrihaft Stauf, weldhe vom Jahre 1393 | ihm den Bericht erftattete, daR im Worms:
bis zu deren Auflöſung durch die fran- | gau in der Mark Gylnheim dem oben:
zöſiſche Revolution 1793 mit der Herrfchaft | genannten Klofter einige Güter, die das—
Kirchheim unter Nafjau-Saarbrüdf’icher und | jelbe in Gemeinjchaft mit Warinus und
jpäter Naſſau Weilburger Herrichaft ver» | Wido bejaß, von dem vormaligen Grafen
einigt war. Göllheim gehörte zum Worms- |; Hatto unrechtmäßigerweije entzogen worden
gau und fommt unter dem Namen Gyln- | jeien. Auf diefen Bericht befahl der Kaiſer
heim, Gelnheim, Gillenheim und Gellum | dem bejagten Kloſter die ihm entrifjenen
jeit dem 9. Jahrhundert urkundlich vor. | Güter wieder zurückzugeben.
) Nadı Köllner, Geſchichte ber Herrſchaft Kirchheimbolanden u. Stauf.
In Gylnheim bejiegelte und unterjchrieb
König Ludwig der Fromme im Jahre 828
eine Urfunde, durch welche Wiligarte, eine
Entelin des Grafen Werinher im Blies-
gau, dem heiligen Pirminius, d. 5. dem
Kloſter Hornbach, das Dorf Wiligarts-
wiefen im Annmweiler Tal ſchenkte. Es
war demnad in Göllheim jehr wahrjchein-
lich ein fönigliches Hofhaus (Mansio regia),
wo fich die Könige auf ihren Reifen auf-
zuhalten pflegten. — Nach dem Berichte
des Geichichtsiorichers Crolltus follen die
olten Grafen des Worms: und Speyer-
gaues dafelbit begütert geweſen ſein.
Bon oben genanntem Beitpunfte ver-
ſchwinden alle geihichtlichen Nachrichten von
(Höllheim, bis wir den Ort im 13. Jahr—
hundert als Beitandteil der Herrſchaft
Stauf wiederfinden.
Graf Eberhard II. von Eberjtein, Herr
zu Stauf und jeine Gemahlin Adelheide
von Gain gründeten im Jahre 1241 das
in der Nähe von Göllheim gelegene Frauen:
flofter Rojenthal und beichentten dasjelbe
1247 reichlich nebft andern Gütern aud)
mit dem Patronat der Kirche zu ®illen-
beim (Göllheim), mit allen dazu gehörigen
Ginfünften, die aus folgenden Gefällen,
Renten und Gülten beftanden:
„Ständiger Ader: und Wiejenzins 45
Sulden, 10 Albus, 7 Big., 2 Heller. Bon
den Hofleuten zu Gellheim, 33 Malter Storn.
Rom großen Hof dajelbit 22 Malter Spel;.
Vom Yorenz- und Niklas: Altar dafelbit 54
Gulden, 13 Malter Korn und Hafer. Vom
Mappes: und NRübenzehnten 10 Gulden
Im Jahre 1263 fam Göllheim durch
Erbichaft an das Zweibrück'ſche Haus und
hatte jufzeifive die Grafen Heinrich IL,
Eberhard I. und Wolram I. zu Oberherren.
Die beiden legteren waren Brüder und
Anhänger des Herzogs Albrecht von Djter-
reih, welcher im Mai
Heer aus dem Elſaß durd die ihnen als
lothringiiches Yehen gehörige Grafichaft
Bitih gegen Göllheim zog und dort dem
Staifer Adolf von Naſſau am 2. Juli 1298
eine Schlacht lieferte, in welcher legterer
Krone und Yeben verlor.
Die Stelle, auf welcher der König fiel,
wurde bald nach jeinem Tode mwahricein-
lih durd feinen Sohn Rupert, welcher
1298 mit ieinem |
146
ſelbſt der Schlacht beimwohnte, oder durch
deifen jüngeren Bruder Gerlach mit einem
Denfmale bezeidynet, das noch zu Göllheim
vorhanden und unter dem Namen Nönigs-
kreuz befannt if. Das erite Denkmal
bildete eine 11 Fuß lange, 9 Fuß hohe
und 3 Fuß 9 Zoll dide Mauer, in melde
eın einfaches Chriftusbild aus Stein ein-
gefügt war. Ein zu den Füßen des Bildes
eingehauener Naſſauer Löwe deutete das
Gejchleht und eın über dem Haupt befind-
liher einfüpfiger Reichsadler die Königs‘
würde des Gefallenen an. Eine Stein
tafel, welche neben dem Ghriftmöbilde in
die Mauer eingefügt war, trug folgende
Inſchrift: Adolphus a Nassav Romanorum
Rex interfieitur ad Gellinheim
“ls im Verlaufe der Zeit das Denkmal
durd Wind und Wetter gelitten hatte, ließ
es ein Nachkomme Adolis, Graf Ludwig
von Naſſau, 1611 mieder ausbejlern und
auf emer Steinplatte folgende Inſchrift
beifegen: Anno Milleno Trecentis Bis
Minus Annis in Julio Mense Rex Adolphus
Cadit Ense. — Renovatum Hoc Monu-
mentum Sub Ludovico Comite Genero-
sissimo a Nassau. Anno 1611. — Nach—
dem das Denfmal faft wieder zwei Yahr-
hunderte überdauert hatte, wurde dasjelbe
in der franzöfiichen Revolution mit Gewalt
zeritört und drohte mit völligem Einiturz.
Allein den Bemühungen der Königl. Re—
gierung und des Hiſtoriſchen Vereins von
der Pfalz gelang es, durch jreimillige Bei-
träge und Subjfriptionen auf die von Dom:
fapitular Geifjel geichriebene Monographie
„Die Shlaht am HDajenbühl”, die
nötigen Geldmittel zu keichaften, um das
Denkmal in feiner heutigen Geltalt aus-
zuführen und durch Ankauf der darum:
liegenden Grundſtücke dasjelbe für alle Zeit
in mwürdiger Weile zu fchligen und zu er
halten,
Bon den Grafen von BZmeibrüden fam
Göllheim an die Grafen von Sponheim
und von legteren 1393 an Najjau. Die
Herrihaft hatte die hohe Obrigfeit und
Berichtsbarfeit nebſt anderen obrigfeitlichen
Gerehtiamen daſelbſt. Aber das nahe
gelegene Kloster Roſenthal beſaß den grök-
ten Teil der Gefälle und Renten, jorwie den
Zehnten und bedeutende Hofglter auf der
‚ Göflheimer Gemarkung, welche jedoch zur
Beit der Reformation von der Yandesherr-
ihaft angezogen murden.
Nach dem Berichte Andrä's bezog die
Naſſauiſche Regierung ım Jahre 1631 fols
gende Gefälle zu Göllheim:
Bon der Beed*) 70 Gulden; Amts-
geld 10 Gulden; Bannwein 11 Gulden;
Frohngeld 84 Gulden; Soldatengeld 15
Gulden, Sodann gewiſſe Einfünfte von
der Bannbäderei, Güterzinien, Wächter:
geld, Erbzinjen. Bon den Backhäuſern 13
Sulden; TU Kappen (Sapaunen); 59 Fajt-
nachtshühner; 58 Erntehühner; 5 Bıns-
hühner; 100 Malter Beedhafer; 142 Malter
Korn von ausgelichenen Gütern. Vom
Behnten: 72 Malter Kom; 38 Malter
Spelz; 14 Walter Gerfte; 26 Malter
Erbien und Linien. Endlich den Kappes—
und Rübenzehnten.
Das Denombrement vom Jahre 1683
fagt Über dieſen Ort: Der Varftfleden
Göllheim ift in den legten Kriegen außer:
ordentlich ruiniert worden. Die Unter«
tanen entrichten dort Beed, Amisgeld,
Bannmwein und Wächtergeld, Zins von Erb«
pädıten, Bannofen-Gelder, Frohndienſte oder
Frohngeld, Zinskorn, Beedhafer, Zinshafer,
Kapaunen, Eier, Hühner, großen und Eleinen
Behnten ulm. — der auf der Gemarfung
von Söllheim gelegene Plunfershof, welcher
Jahre 1485 mıt 160 Morgen fFeld, da-
runter einen Ader „bei dem Creutz“ und
einen Bujh am „Haſenbohel“ als freies
Eigentum „um dreyzehn halb hundert gülden |
147
[1
laufenden Hund als
von dem Edelfneht Adam von Sötern im
reiniher in golde landeswehrunge, den
würdigen und GErjamen Frawen Eptijlin
und Gonvent des Kloſters zu rojendale”
verfauft murde, gehörte jet wieder der
Herrſchaft, welche aud, wie Kremer be:
richtet, 1780 den Grundheimer Hof da:
ſelbſt beſaß.
Die Pfarrkirche zu Göllheim hatte zwei
dem heiligen Laurentius und Nikolaus ge—
widmete Altäre, welche mit 54 Gulden,
7 Malter Korn und 6 Malter Hafer jähr-
liher Einfünfte begabt waren. Die Colla—
tur des leßteren ftand 1518 dem Stlojter
Diterberg zu. Das Patronat der Sircdhe
zu Göllheim bejaß die Herrichaft; es ging
von diejer an das Kloſter Rofenthal über
und fiel nach Aufhebung desielben 1573
wieder an erjtere zurück. — Göllheim wird
in den Urfunden des WRojenthaler Stopial-
buches, das fih im Speyerer Kreisarchiv
befindet, noch im 16. Jahrhundert als
Dorf „villa* bezeichnet; es muß aber jpäter
zum Burg. oder Marktflefen erboben wor-
den fein, denn es war bis zur franzöftichen
Revolution mit Mauern, Gräben, Türmen
und Toren befeitigt. Der gegen Norden
jtehende feite Turm mar noch längere Beit
ziemlich erhalten und an ihm zeigte man
den fremden einen die Mauer hinauf:
altes Wahrzeichen
des Ortes.
*) Bede (Betitio) eine Abgabe, die man
anfänglich bittweiſe von den Untertanen erhob,
die aber endlich unter diefem Namen cine ftändige
Steuer wurde.
Bie Goldwäſcherei am Aheine.
Bon Ed. Mang, Speyer.
In den 60er Jahren des letten Jahr
bunderts jehen wir zwei ehemals blühende
Zweige der Edelmetallgewinnung in unferer
Pfalz verichwinden: den Quedjilberbergbau
und die Nheingoldwäfchere. Obwohl che:
dem die Ausbeute an Duedfilber in der
Pfalz die Gejamtproduftion Deutichlands
weit übertraf, trat nad) 4% Jahrhunderte
langem Betriebe Erzmangel ein, der in
Verbindung mit den ungünftigen Lagerungs—
verhältniffen der noch vorhandenen Erze zur
gänzlihen Einftellung des Quuedfilberberg-
baues geführt hat. Gleiches Schickſal wider-
fuhr der noch viel älteren Nheingoldwäicherei,
d. 5. der Soldgewinnung aus den Sande
des Rheines durch Waſchbetrieb.
Eritmal& geichiehbt der Goldwäſcherei
am Rheine Erwähnung durch Dttfried von
Weißenburg, welder in dem Vorwort zu
jeinem Govangelienbuch (um 870) bei der
Yobpreifung jeiner Heimat vom Rheine jagt:
„Joh lesent thar in lante
Gold in iro sante.*
Doch dürfte die Goldgewinnung aus dem
Rheinjande viel meiter zurücgehen und
zwar bis ins 3. Jahrhundert vor unierer
Zeitrechnung, da man wohl annehmen darf,
dak die Goldmünzen der feltiichen Volks—
ftämme aın Rheine, wovon ung noch einige
erhalten find, aus Rheingold hergeftellt
waren, weil andere Goldfundorte bier nicht
befannt find. Auch die ungeheuren Gold»
mengen, die Cäſar nad) der Groberung
Galliens nah Rom ſchickte, können nur
aus dem heine und feinen Nebenflüflen
ſowie aus einigen goldführenden franzöfiichen
Flüffen ftammen. Urkundlich finden mir
die Goldgründe erwähnt ın Schenkungen,
Berleihungen, Verpachtungen 20. vom 7
Jahrhundert an bis im die meuefte Zeit.
Das Waſchrecht bejaken nämlid die am
Rheine
welche ed häufig wieder weiter verliehen
oder die Goldgründe verpacdteten ine
große Anzahl jolcher geichichtlichen Angaben
finden wir in einer Arbeit von Broiejior
Dr. Neumann, Darmitadt, betitelt „Die
Goldwäſcherei am heine” und abgedrudt
in der Zeitſchrift fiir das Berg, Hütten:
und Salinenweien Jahrg. 1903.
Woher kommt das Gold im Rheine?
Der Oberlauf führt bi8 zum Bodenfee nur
wenig, von hier bi8 Waldshut gar fein
Gold. Somit kann nur die Yar der eigent-
liche Goldlieferant fein. Tatſächlich iſt dieſer
Fluß ſowie ſeine Nebenflüſſe, beſonders die
Reuß und die beiden Emmen, ſtark gold—
führend. Aus dieſen fommt es alio in den
Rhein. Auch einge Schwarzwaldbäche führen
dem Rheine Gold zu; der überaus größte
Teil desielben ftammt aber aus den Alpen.
Tas goldhaltige ‘Serölle wird im Wajler
yertrümmert und zu Sand zerrieben. Die
leichten Zeile werden vom Strome mit-
genommen, die ſchweren Goldteilchen aber
bleiben liegen oder gelangen nur allmählich
vorwärts, Da von Waldshut bis Bajel
die Strömung ſehr ftarf ift, fo finder fich
bier wenig Gold,
waren von jeher zwiichen Kehl und Philipps»
burg. Unterhalb Mannheim war die Aus-
beute gering und unterhalb Mainz findet
jich fein Gold mehr vor. Aus dem gleichen
Grunde erklärt es ſich aud, daß die Gold—
flitterchen 3. B. bei Kehl viel größer find
als bei Speyer. Die reichten Goldgrinde
finden ich auf Stiesbänfen, die der Strom
am Ufer abriß und an einer ruhigen Stelle
anlegte, mas gewöhnlid) bei Hochwaſſer vor:
anjäffigen Fürſten und Herren,
148
‚ erhöhten Leiſten verjehen,
Die rentabelften Wäjchen |
fommt und vor der Stromregulierung häu—
figer geihah als jegt. Die ſchweren Sand.
teile und die Goldkörnchen lagern fi am
Kopfende oder der Stirn der Banf ab,
wobei das Gold ziemlich oben auf zu liegen
fommt. Der geübte Goldwäjcher erfennt
ſolche waſchwürdige Goldgründe jomohl an
der Lage wie an der Farbe des Sandes
(dunfler Magneteijenjand). Trogdem nimmt
er eine Unterfuchung auf die Goldhaltigkeit
vor und bedient ich hiebei der jog. „Sichel“,
einer kleinen Schwarzen Holzſchauſel. In
diejer wird eine Sandprobe durch wieder:
holtes Aufgießen von Wajler und durd)
ruckweiſes Schütteln von dem weißen Sande
befreit, welcher hinausgefchleudert wird. In
dem ſchweren, dunkeln Rückſtande werden
nun die Goldflitterchen, die ſich auf dem
dunkeln Grunde deutlich abheben, gezählt.
Soll der Sand waſchwürdig fein, fo müſſen
bier in Speyer mindeſtens 40 -50 Flitter-
chen auf der Schaufel gezählt werden können,
| während meiter oben am Rheine, 3.8. bei
Straßburg, wo die Goldpartifelchen viel
größer find, deren 10—12 genügen.
Die zur Goldmwäjcherei verwendeten
Geräte habe ih im Belize einer alten
Speyerer Wäjcherfamilie noch vollftändig
vorgefunden, Sie befinden ſich jegt im
Hiftoriichen Mujeum der Pfalz in Speyer,
das aud einige Rheingoldmünzen befigt.
Das Hauptgeräte iſt die Waſchbank, eine
Holzplatte von 1,90 m Länge und 90 cm
Breite, melde auf zwei gabelförmmgen
Böen — 50 und 20 cm hoch — ruht,
aljo geneigte Stellung hat. Der obere
Teil der Platte iſt mit einem Stück Bar-
chent, welches feitgenagelt ift, der untere
Teil dagegen mit zwei rauhen, wollenen
Tüchern belegt. Die Langjeiten und die
obere Schmalſeite der Platte find mit wenig
Ueber dem obern
Ende des Waſchbrettes befindet ſich der
Sturzforb aus Weidengeflecht, welcher un:
gejähr den 4. Zeil der Tafellänge bededt
und an der dem Wäſcher gegenüberliegenden
Yangfeite um ein Scharnier beweglich ift.
In diefen Sturzkorb kommen etwa drei
Schaufeln des waſchwürdigen Sandes.
Durd; Aufgießen von Waſſer mittels eines
Waſſerſchöpfers wird der Sand durch den
Korb und über die Tiicher des Wajchbrettes
hinuntergejpült. Das gröbere Gejtern bleibt
— 149 —
im Slorbe zurück und wird durch Umftürzen
des Korbes entfernt. Der fchwere, dunkle
Sand und die Goldflitterchen bleiben auf
den rauhen QTüchern hängen.
abgenommen und in einem Waflerfübel aus
gewajhen. Dadurd erhält man ange:
reiherten Sand, dem aber immer nod)
etwas meißer Sand beigemifcht iſt. Die
Anreicherung wird deshalb noch fortgeſetzt,
indem der leichte, weiße Sand in dem
„Nierſch“ vollftändig entfernt wird, Der
Nierſch iſt ein fahnförmiger Holztrog von
I m Yänge und 20 cm Breite. Am
hintern, geraden Ende, an welchem fich ein
Handgriff befindet, ift er 10 cm tief, nad
dem andern Ende verläuft der Boden des
Troges flah nad oben. Der Nierich ift
aljo eine große Iſchel, von welcher oben
geiprochen wurde; auch erfährt der Sand
in beiden Geräten die gleiche Behandlung.
Durch Hin: und Herſchieben des Sicher:
troges (Nierjches) und Anftoßen des geraden
Endes an einen Stein wird der noch vor:
handene leichte, weiße Sand hinaus:
gejchleudert. Der nunmehr zurücgebliebene
angereicherte Sand wird nachhaufe gebracht,
wo alsdann das fogenannte Nusmachen des
Goldes erfolgt. In einer irdenen Schüffel
wird der Sand mit Quedjilber vermengt
und jo lange gejchüttelt oder mit der Hand
durchgearbeitet bis die Amalgamation voll:
ftändig erfolgt ıft, was über 1 Stunde
währen fann. Hierauf wird der Sand
hinweggewajden und das Amalgam in
einen leinenen Lappen gebradt. Das
Quedjilber wird durch den Lappen ge
trieben, während das Gold in demjelben
zurüdbleibt. Da aber durch diefe Mani:
pulation das Queckſilber nicht gänzlich ent
fernt werden fann, fo bringt man das Gold
im Lappen im einem Löffel übers Feuer,
wodurch das noch anhaftende Queckſilber
verflüchtigt und das pure Gold übrig bleibt
Dieſes wird nun unter Zuſatz von Borar
in einem Ziegel geichmolzen, um es „ge
ihlacht” zu machen. Das Schmelzen be:
forgten aber nicht die Wäſcher jelbit, ion
dern ed waren hiezu beionders verpflichtete
Gewerbsleute beitimmt. So wurde im
Jahre 1832 angrordnet, daß alles an die
bayerische Regierung abzulicfernde Walch:
gold dem Uhrmacher Borth in Speyer zum
Nach etwa |
30 Füllungen des Korbes werden die Tiicher |
Einfchmelzen zu übergeben ſei, der eine
Scmelzgebühr von 9 fr. für die Krone
(3'2 g) erhielt. Im Fahre 1847 wurde
erlaubt, daß das Gold auch in Germers—
heim und Kandel eingeichmolgen werden
durfte. Die Auszahlungen an die Wälcher
und die Ablieferung des Goldes an das.
Hauptmünzamt bejorgte die Kreiskaſſe.
Über die gewonnenen Goldmengen be»
figen wir in der Pfalz genaue Angaben
von 1825— 1862, während fie in Baden
bis zun Jahre 1748 zurüdgehen Nach
diefen Ausweiſen lieferte das Jahr 1748
in Baden 870 & und ftieg die Produftion
auf 12,9 kg im {Jahre 1831. Alsdann
verringerte fie fich allmählich, fiel aber nad)
1860 ganz vapid ab, ſodaß das Jahr 1814
nur noch 89 g lieferte In der Pfalz
weiſt das Jahr 1825 3,2 kg auf; das
Jahr 1831 iſt auch bier das ergiebigite
mit einer Anlieferung von nahezu 5 kg,
während 1862 nur mehr 278 g gewaſchen
wurden. Der Staat hatte fernerhin fein
Intereſſe mehr an der Einlieferung ; ſolch
fleiner Goldmengen. Einzelne Goldwäſcher
trieben zwar das Gewerbe noch einige Zeit
fort, fo ein hieſiger alter, Wäjcher bis furz
vor feinem Tode im Jahre 189. Seine
beiden Söhne nahmen unter Beihilfe eines
dritten Arbeiter im Jahre 1900 den Iet-
ten Wajchverfuh vor. Ihre Ddreitägige
Wajcharbeit wurde durch 6'2 g Gold be-
lohnt, wofür fie ausnahmsweije einen Lieb—
haberprei3 von 3 ME. pro Gramm er:
jielten. Wie boch ſich der Tagesverdienſt
eines Wäſchers bezifferte, iſt leicht zu be—
rechnen. Bedenft man nun, daß 1852
ihon der durchichnittliche Tagesverdienit
eines Goldwäſchers in der Pfalz 90 kr.
betrug, daß alfo in diefem Gewerbe feine
Steigerung des Verdienſtes eingetreten tft,
während in allen übrigen Betrieben mit
der Yebenshaltung auch die Yöhne ganz er-
heblich geitiegen find, jo begreift man, daß
die Leute dem unrertablen Gewerbe den
Rücken kehrten und anderen, einträglicheren
Beſchäftigungen nachgehen. Manchem Leſer
dürfte ſich der Gedanke aufdrängen, ob
wohl nicht die Berwendung von Maſchinen
anſtelle des durch 5 Jahrhunderte unver—
ändert gebliebenen Handbetriebes eine größere
Rentabilität ermöglichte. Berſuche mit Ma:
ſchinen wurden ſchon vor hundert Jahren
gemadt und bis Witre des vorigen Jahr—
bunderts fortgejiegt. Das badijche Finanz—
miniſterium jegt 1822 einen Wreis von
50 - 100 Dufaten aus für die Erfindung
einer brauchbaren Waſchmaſchine; er wurde
jedoch nie vergeben, Die meiſten Maſchinen
150
| waren zu fompliziert und wenig wider:
‚ Standsfähig, aud verhinderten die eigen
artige Yagerung der goldhaltigen Sand:
jchicht und der beitündige Wechſel der Gold—
gründe die mafchinelle Bearbeitung.
1
Das MWeidwerk zur Mammutzeit.
Bon Hermann Berdrom (Berlin).
Tief hinab in der Vergangenheit Schoß
müſſen wir fteigen, um cine Epoche zu finden,
in der der Menſch noch nicht zum Jäger
geworden iſt. Nach allen, was die Ur:
gefchichtsforichung bisher ermittelt
näherte ſich allein die Tertiärzgeit dem deal,
das der Dichter von dem eriten, dem goldenen |
Beitalter entwirft: nur damals ftand unjer
Wejchlecht der Natur ohne Gewalt und
Waffen gegenüber.
Jahrzehntelang angezweifelt und doc
durch den verhältnismäßig hohen Kultur
zuſtand des Menichen der älteren Steinzeit
gebicterifch gefordert, iſt die Exiſtenz der
Tertiärmenjdien nunmehr durch das Auf-
finden zahlreicher eigenartiger Steinmerf:
zeuge in den Tertiärichichten Europas zweifel—
[08 ſichergeſtellt. Es beftehen dieſe Eolithen,
die Beweisſtücke des Morgenrots der Menjch
heit, aus Stüden und Splittern von euer:
fteinfnollen, an deren natürliche Beichaffen:
heit durch Abjchlagen unbequemer Stanten
und Vorſprünge nur gerade ſoviel gemodelt |
Den Ge:
die
ift, daß fie in die Fauſt pailen.
brauch dieſer Fauſtſchlägel ererbten
meinfamen Ahnen der jpäter in die Menſchen
und die höheren Affen aeipaltenen Primaten
reihe; wiſſen doch felbit niedriger ſtehende
Affen ſich ſolcher Werkzeuge zum Aufflopfen |
harter Fruchtkerne ſehr qut zu bedienen,
wie das Prof. Schweinfurth im Jahre 1891
in einer Talwaldung der Stolonie Gritrea
an Pavianen jelbit beobachtet hat. Dem
Tertiärmenſchen mögen feine Handſteine
auch noch zum Ausgraben nahrhafter Wurzeln
gedient haben. ‚Waffen dagegen beſaß er
nicht ; denn er bedurfte ihrer augenscheinlich
nicht. Gin geübter Baumijteiger, die
eigentümliche Wölbung unjerer Fußſohle,
das gebogene Rüdgrat, die mächtige Ent:
wicelung der erſten Zehe und der Berluft
ihrer Gegenüberftellbarfeit verdanfen ihren
bat. ,
Machdruck verboten.)
| Uriprung offenbar dem nad rt der
| Auftralier geibten Baumerflinnmen — konnte
er ſich nicht nur etwaigen Feinden, den
' Löwen, Tigern und andern Raubtieren der
Tertiärzeit leicht entzichen, fondern auch
| faft feinen ganzen Nuhrungsbedarf den
Zipfeln der riefigen Waldungen entnehmen,
ı die ihm außer Früchten und Nüſſen nod)
Gier, Neftjunge, Honig, jhmadhafte Raupen,
Käferlarven und ähnlihe in den Tropen
noch heute gejchägte Delifatejfen boten.
Was hätte da wohl den Tertiärmenichen
zur Jagd verloden jollen? Es mußte erit
eine neue Zeit anbrechen, eine Zeit, die die
Dajeinsbedingungen des friedlichen Frucht
und Sterbrierellers gründlich ummälzte und
ihm die Waffen des Kriegers und Jägers
in die Hand drüdte. Und diefe Zeit fam.
Yangiam und unabmwendbar wie das
Schickſal ſelbſt rüdte von Norden ber eine
riefige Eiswand, der Rand des gewaltigen
nlandgletjchers, den die Höhen Finlands
und Normegens jpeiften. Gifige Fluten
trieben Scaren von Wild, das bisher
! nördlichere Breiten bevölfert hatte, vor ſich
Tertiärenropäer vielleicht Schon von den ger |
ber. Der Boden gibt uns noch jetzt ganze
; Yeichenfelder jener Tierwelt zurück, und
wenn er's nicht täte, jo würden uns Die
Schnitzwerke und Sravierungen, die Felſen—
und Söhlenzeichnungen der altdıluvialen
Jäger das lebendighte Bild der eiszeitlichen
Fauna miderjpiegeln. Dem Urelefanten
| und Rhinozeros der warmen Tertiärzeit
ftellten Tich das langhaarige nordiſche
Mammut und- eine entiprechende Nashorn:
art an die Seite. Der grummige Höhlen:
bär trat an die Stelle der großen Raub:
faßen, die ihrer bisherigen Beute ſüdwärts
folgten. Scharen von Rieſenhirſchen und
Moſchusſchafen breiteten fi bis zum Fuße
der Pyrenäen, Alpen und Starpaten aus,
deren Gleiſcher ihnen ein Überſchreiten un—
möglich machten.
Bald genug jah ſich der Diluvialmenfd)
gezwungen, von diejer Lberfülle von Wild
ausgiebigen Gebrauch zu machen; denn mit
der Tierwelt änderte ſich auch die Flora
Mitteleuropas, An die Stelle der reichliche
Nahrung bietenden jungterttären Yaub und |
Nadelhölzer trat der ernite, Farge nordiiche
Wald mit jeinen Eichen und Buchen, Fichten,
Tannen und Kiefern, arın an Früchten, Beeren
und Nüſſen. Eiſige Winter zwangen den
naften WMenichen, ın lüften und Höhlen
Unterichlupf zu juchen und deren bisherige
Bewohner, den Höhlenbären und die Höhlen-
hyäne, daraus zu vertreiben. Nicht nur
das Fleisch der Mammut, Renntier- und |
Pferdeherden veizte den hungernden Wilden; |
nicht minder wertvoll erichien das wärmende
Fell, die zu allen möglichen Geräten
dienenden Knochen und Geweihe, Hörner
und Zähne der nordilchen Ginmwanderer.
Nun fam dem Diluvialmenichen auch der
Funke des Prometheus zur Dilfe: er er
mwärmte, jchuf Licht in der Finſternis der
Höhlen, er half die Nahrung bereiten, er
iheuchte das Raubzeug, er half jelbit beim
Erbeuten des Wildes,
Weit jchwieriger als die Frage nad
der Jagdbeute ift die Frage nach den Jagd—
weilen der Urzeit zu beantworten. Wie
vermochte der fait waffenloſe Wilde fich mit
feinen unvollfommenen Beilen, Haden,
Speeren und Pfeilen aus Stein, Bein und
Holz des riehigen Mammuts, des ftreitbaren
Wiſents, der flinfen Dirfcharten und Wild:
pferde zu bemächtigen?
Darüber geben uns jeine Schnig und
Bilderwerfe, die im übrigen eine jo beredte
Sprache führen, faft nirgends Auskunft,
Eine Schieferplatte aus Doylestown in
Benniylvanien zeigt freilich eine vollitändige
Jagdſzene: ein riefiges Mammut fieht Tich
von einer Schar mwinziger Männlein mit
Bieilen,
grimmig jchreitet der Dirfhäuter zum An
griff vor, indem jeine Borderfühe einen am
Boden liegenden, anjcheinend von jeinem
Rüſſel gefällten Angreifer zertrampeln;
Pfeile und Speere ſtecken in feiner Daut.
Eine Wammutjagd Fönnte ſich wohl jo zu
getragen haben: willen wir doc, daß aud)
die winzigen Pygmäen der Urwälder Afrikas
den Elefanten kühn mit ıhren vergiiteten
Waffen entgegentreten und das riefige Tier
151
überwinden. Und den Gebrauch des Giftes
dürfte der Urmenjch wohl bald entlernt haben.
Höchſt wahricheinlichaber zog der Paläoli—
thiker, der ſich mit ſeinesgleichen nur familien:
weile oder in kleinen Horden zuſammenſand,
dem offenen Angriff meiſtens die Jagdliſt
vor, nicht nur dem wehrhaften, ſondern
auch dem flüchtigen Wilde gegenüber ;, denn
es fehlte ihmmoch dev treueſte Sefährte des
Weidmanns, der Hund, dev dem Jäger
ohne Feuergewehr unentbehrlich it. Dem
Mammut, dem wollhaarigen Rhindzeros
und den großen Winderarten juchte er
vielleiche mit Fallgruben beizufommen ; aud)
die „Bedumen des Urwald”, die afri—
kanifchen Zwerge, erlegen das meijte Wild
mittel3 Fallen und Gruben, Auch mag
der Steinzeitmenich, wie die Pygmäen es
beim Elefanten tun, das ruhende Mammut
und Rhinozeros beichlichen und ihnen mit
Bieilen und Yanzen die Zub und Hand—
wurzeln durchichnitten haben, Leicht wird
ihnen das freilich nicht geworden jein, da
er für dieſen Zweck nur über fägeblatt-
artig eingeferbte Freuertteinlamellen verfügte,
während die Urmaldpygmäen ſich von den
benachbarten Negerſtämmen eiferne Spiten
ſchmieden laſſen.
Die Niederlaſſungen der älteren Stein—
zeit finden ſich häufig in der Nachbarſchaft
heutiger Moore, die früher offene Gewäſſer
waren und der damaligen Tierwelt als
Tränfen gedient haben; denn fie geben
uns nicht nur Bruchitüde von Sinochen,
jondern bisweilen ganze Sfelette vom
Riejenhirich, Wilent und anderen Mitgliedern
jener Fauna zurück. Bier vor allem wird
der Jäger Seine Beute belauert haben;
fauernd im Scilf und Geſtrüpp erwartete
er die Scharen der rieſigen Wiederfäuer
| und Diehäuter, der Wildpferde, Wijente
Speer und Bogen angegriffen; |
und Hirſche, um plöglich hervorbrechend die
an der abendlichen Tränfe ſich [egenden
Tiere mit Beichrei zu erſchrecken und hie und
da cin veriprengtes Stüd zu füllen. Feuer:
fteinipigen, die mehrfach, 3. B. im Schädel
eines MWildpferdes in Schweden, eines
' Höhlenbüren in Böhmen, gefunden find,
zeigen, mit welcher Kraft und Gefchteflichkeit
er jeine törlichen Stöße zu führen mußte,
Neben diefen Einzeljagden gab es in
dev älteren Steinzeit gerade wie heute
Treibjagden im großen. An den teil:
— 12 —
hängen umfangreicher Plateaus, bejonders | Vorzugsweiſe ıft jedod das Wild dargeftellt,
im mittleren und füdlichen Frankreich, hat | das Mammut, das Wijent, das Renntier,
man große Knochenlager entdedt, die ſich die Antilopen- und Hirfcharten ſowie die
jaft nur aus den Gebeinen einer einzigen | Wildpferde jener Epoche. Man fragt ſich
Wildart zujammeniegen. Es iſt, al& ob | angelicht3 diejer zahllojen, meist jehr natur:
ein paniſcher Schrefen hier ganze Scharen ; getreuen Xierporträts, die fih zum Teil
getrieben hätte, Fich Föpflings in den Abgrund | tief verjteft im Hindergrunde dunkler
zu ſtürzen. Ein franzöſiſcher Urgeichichte- | Höhlen auf den Kalkſteinwänden befinden,
forjcher macht darauf aufmerfiam, daß die nach dem Zweck der urzeitlichen Stunftübung.
ganze Beftaltung dev Täler, die der Menich | Wäre es das Wohlgefallen am Schönen,
ın Südfranfreid; zu bewohnen pflegte, der | das offenbar aud vorhanden war, allein
Diaffenjagd Sehr günftig war. Die Bla: | geweien, weshalb dann dieſes Berfteden
teaus brechen am Rande an vielen Stellen | der Bilder an Orten, wo fchon ihre Her-
jo jcharf ab, daß cs cin leichtes fein mußte, | ſtellung — bei Fadellidt — mit großer
Tıerherden an den Überhängenden Wänden | Mühe verbunden jein mußte?
zum Abſturz ins Tal zu bringen, wo die Franzöſiſche Foricher haben die fehr
Tötung und jofortige Verarbeitung der | wahrfcheinliche Vermutung aufgeftellt, daß
Opfer vollzogen wurde. Dieje primitive | die Kunſt nicht, was die Kunſt für zivili-
Art zu jagen, vielleicht in der Dunkelheit | fierte Völker it, ein Yurus oder ein Spiel
mit Hille von fFeuerbränden, mag im der | freier geiftiger Fähigkeiten war, fondern
älteren Steinzeit eine allgemeine Rolle ge: | vielmehr der Ausdruf einer ſehr groben,
fpielt haben. Der Menſch könnte fie von | aber jehr tiefiwurzelnden Religion, die aus
den Raubtieren, beionders von den Hpänen | magischen Beremonien beftand und einzig
und Scafalen, gelernt haben. Für den | und allein die Erwerbung der täglichen
Fels von Solutre und die Entſtehung des | Nahrung bezweckte. Daß das primitive
Magmas oder Breies von WPrerdefnochen | Gemüt des ſogenannten Wilden dem Bilde
an jeinem Fuße nahm man jchon lange eine | ebenjo wie der Verſchwörung einen magischen
ſolche Jagdweiſe an, und auch die Arhäufung | Eiuflug auf das abgebildere Wejen zu:
von maſſenhaften Tierfnochen zufammen mut | jchreibt, läßt ſich an vielen Beijpielen aus
Feuerfieinartefatten an anderen Orten läßt | der Gegenwart, bejonders bei den Anitra-
faum eine andere Erklärung zu. lievn, beweiſen; bis vor wenigen Menichen-
Wenn unfere heutigen Nimrode viclfah | altern herrichte diefev Glaube jogar noch
in Bezug auf die Jagd mod) recht aber: | im gebildeten Mitteleuropa. Macht und
gläubifch jiad, jo darf man es denen der Einfluß magiſcher Art über das Jagdwild
Vorzeit nicht verübeln, daß fie Zauberei | zu gewinnen, e$ mittels jeines Bildes zu
und Beiprechung anicheinend in ausgedehnten = lähmen oder zu töten, dieſe Borftellung
|
Maße zur Gewinnung ihrer Jagdbeute mag alſo immerhin ein großer Anftoß für
anwandten. Auf den Sfulpturen, Gra- | die erite befannte Blüte der Kunſt im
vierungen und Zeichnungen der älteren | Steinzeitalter gewejen jein, und jomit hätte
Steinzeit möchte faum eines der damals | der Künſtler von heute alle Urſache, des
lebenden Wirbeltiere nicht vertresen jein. Nimrods der Vorzeit dankbar zu gedenken.
Notiz. Der Aufſatz im vorigen Hefte N — unter den Vögeln“ iſt der Zeit—
ſchrift „Die Heimat” entnommen, Schriſtleiter Rektor Joach. Ekmann im Kiel. Dieſe „Monats:
ſchrift des Bereins zur Pflege der Natur: und Landeskunde in Schleswig-PHolſtein, Hamburg, Lübeck
und dem Fürſtentum Lübeck“ erſchrint in Kiel und koſtet 2,50 ME, tm Buchhandel 3,50 DE.
Gedenktage im Derember,
Geboren: 17. Beethoven (1770. — 18. K. M. v. Weber (1786. — 21. 2. vd. Rande
(1795). — 36. E. M. Arndt (1796). — 27. Kepler (1571). — Geſtorben: 5. Mozart (1791) umd
Blaten (1835). — 16. W. Grimm (1859). — 18. Herder (1803).
DInbalt: Das kurpfälziiche Oberamt Lautern im Jahre 1601. — Göllheim. — Die Gold:
mwäjcherei am Rheine. — Das Weidwerf zur Mammutzeit. — Notiz. — Gedenktage.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, CLandſtuhl — Kermann Kayſer's Derlag, ARaiferslautern.
Ahr Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortiid.
Bfähifhe Deimarkunde
Monadtsſchrift
für Schule und Haus
unter Berükfidtigung der Bedürfniffe der pfätzifgen Säulen.
Shriftleiter: Sehrer Ph. Sauth, LSandfinff.
I
Dritter Jahrgang
Aaifersfautern
Drud und Berlag ber Hofbuchdruderei Hermann Kayſer.
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Inhalts-Berzeichnis.
Aus der Entftehungszeit des Dorfes
Arzheim
Yusgerottete und ausgeftorbene Tiere
wann
Seite |
-
Bayerns (in hiftorifcher Zeit) 37
Aufbruch zur Kaiſerſchlacht 89
An den Bayerngräbern zu Weißenburg 40
Atmofphärifche Lichteffekte 54
Arſenquelle in Bayern . 68
Adolf von Naffau’s Tod : 89
Achthundertjähriges Jubiläum des
Kirſchbaumes 97
Anleitung zu geologiſchen Betrachtungen
in der Heimat ; 109
Bevölkerung Arzheims zur Zeit bes
BOjährigen Krieges . 67
Burgen, Schlöffer und Rlöfter der Pfalz 69
Beiträge und Proben zur Erklärung
bedeutungsvoller Worte 78
Blid in das Sinnesleben der Haut 85
Barbarofja auf Trifels . . 108
Beobachtungen über emberica ciklus
(Baum: oder Hedenmaner) . 182
Bevölterung Deutfchlands und belon»
dere Berüdfichtigung ber Pfalz 149
Darftellungen ausder bayerifchen —
und Heeresgeſchichte 50
Die zwölf Apoftel 1907. 61
Deuticher Lehrerverein für Naturkunde 68
Deutſche Geſchichte auf —
Grundlage . 98
Deutichland, eine Einführung. in die
Heimatkunde 111, 126
Dentmale der Heimat . 150
Ende eines gräflichen Abenteurers 51
Entwidelung der Rirfchblüte 65
Enthällung bes ee zu
Dggersheim . : 110
nie· ·v ren
Friedensglode zu Ejchingen
Fremde Wald: und — für
Europa ; .
Feinde des Nehes .
Flora von Weißenburg .
Fliegen: und Müdenplage
Funde .
Fünfzigjähriges Amtsjubiläum des Aal.
Oberforſtrates K. U. v. Ritter
Geſchichte der Butter i
Geſchlechts veränderung einer Weide
Gewittergefahr im Walde
Geſchichtliche Nachrichten über das ehe:
malige Dorf Servelingen .
-Beichichte der Stadt Mannheim
Begenwärtiger Stand ber prägen
Beichichtsforfchung .
Haarkugeln
Hildegard von Hohened
Himmelsihaun .
Heſſiſche Landes: und Voltstunde
Hiftorifhe Runenfteine aus der Um⸗
gegend Schleswigs . . i
Hagelſchläge in Bayern 1906 .
Heimattundliches
SJahresverfammlung der —
Johannisbeerwein
Karten ſämtlicher bayeriſcher ——
rungsbegirte .
Kälterüdfälle im Mai .
Rampf gegen die Mücdenplage
Areugottern in der m
Aududseier
Rinnefeter
Randestundliche Riteratur
Seite
Marienbild zu Gräfinthal 90
Mehr als 100 Jahre alt 111
Monolith in Martinshöhe 118
Mitteilungen i 128
Notiz für Altertumsfreunde . 108
Obſteſſen. 127
Pfälzifhe Ortsnamen . . 4 14
Polichia. . 5 . 1
Pfalz: Sweibrüdener Borzelanmanufattur 150
Dueichlanal .23, 36
Rebftodanlage . 64
Regentarte von Deutfehland 76
Reichsland 9
Ruine Sauerburg 111
Schneefloh 38
Steintreuze bei Raiferslautern . 42
Gelbftreinigung der Flüſſe 49
Schuß der Natur 62
Schädliche Pflanzen und Pflanzenfchub 94
Schloß und Garten in Schweßingen . 109
Schmetterlingsinvafton . . 126
Trinten im Sommer 77
Totenhand zu Eifenberg &)
Umfrage den Weinbau betreffend 52.
— — — — — — — —— — — —
Seite
Urſache der grünen Färbung des natür—⸗
lihen Waſſers ; 68
Urgeſchichtliche Forſchung in Bayern . 898
Unfruchtbare Bäume : 127
Umfrage über den Weinbau in ber
Rheinpfalz . 186, 151
Bortommen des Wolfes in der Pfalz; 21
Balentin Fre Bush in Bab
Dürkheim 48
Velten Dftertag . 44
Bollsmund ; 84
Bortommen der Rauchſchwalbe und
der Hausſchwalbe in der Pfalz 114
Verein der Rheinpfälzer 128
Wildkatze. 44
Wann hält der Frühling — Einzug 68
Weinberganlage . 64
Wann hat der Sommer 1907 begonnen? 87
Wie deutet der Pfälzer fremdartige
Yusdrüde um .100, 128, 135
Bur älteften Befchichte von Forſt und
Umgebung . 25
Zur Meſſung der Foriſchritte der Erofion
und Denudation . 109
Zu den angeblichen Söhtenfunden im
Meftrich ; 129
Zühtung der Rartoffel . 142
III, Jahrgang.
Nummer 1
Januar 1907.
IPALZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
v
%
Aus der Entſtehungszeit des Borfes Arzheim.
Das Dorf Arzheim, eine halbe Stunde
weſilich von Landau gelegen, ift eine früh—
zeitige (fränfifhe?) Anfiedlung. Zwar wird
es erjtmals im Jahre 1280 urfundlid) ge-
nannt, allein jein älterer Name „Arbods-
heim” (— Heim des Arbod) deutet auf ein
hohes Alter, es gehört darum einer frühen
Periode der Befiedlung an. Auffällig er
fcheint es aber, wenn wir jeine heutige
Lage betrachten, daß es an einer ziemlich
hoch gelegenen Stelle gegründet wurde und
als ganz bejonders merfwürdigen Umftand
möchten wir vielleicht den hervorheben, daß
es entgegen der alten Sitte nicht an einem
fließenden Gewäſſer entftanden ift, Be
Fanntlich wählten ja die früheiten Anfiedler
vorzugsweiſe die Täler der Flüſſe und Bäche
zur Gründung ihres Heims aus leicht be»
greiflihen Gründen; Arzheim dagegen liegt
heute abſeits don einem fließenden Ge—
wäjler. Doch das iſt wohl heute der Fall,
früher aber war es anders. Daß Arzheim
nicht an einem Wajlerlaufe entitand, ift nur
ſcheinbar, tatſächlich iſt das Gegenteil der
Fall. Freilich ließ die mit den Zeit und
Ortsverhältniſſen fortfchreitende Entwidlung
des Volkstums ein ganz anderes Bild ent-
ftehen.
Früher hatte Arzheim einen beträdt-
Lihen Wald, der ſich ın ſeiner weſtlichen
Yängsrichtung von etwa ciner Stunde bis
an den Fuß des Neufajtels eritredte. Erſt
im 3. und 4. Jahrzehnt des verflojjenen |
Jahrhunderts wurde dieſer Wald auöge-
hauen und urbar gemadt. Seit einigen
Yahrhunderten bis in die legte Zeit jeines
Beitandes endigte er ungefähr 15 Minuten
vor dem Dorfe bei dem Geisberg. Dem
Geisberg liegt öſtlich der Steinberg
gegenüber, welcher die nördliche Fortſetzung
der kleinen Kalmit darſtellt. Zwiſchen
Geisberg und Steinberg liegt eine Mulde
bez. ein Seitentälchen des Ranſchbaches,
durch welches der alte Weißenburger
Weg zieht, deſſen im Jahre 1319 gedacht
wird und deſſen Teile zwiſchen Ilbesheim
und Godramftein heute noch als Fahr:
wege benugt und jo benannt werden, In
diefer Mulde hatte ſich durch einen Quell»
zufluß des Ranjchbaches ein größeres
jtehendes Waſſer gebildet, an welches noch
heute der Flurname „Seie“ (Seye, Sewe,
See), ihon im Jahre 1634, erinnert.
Etwa jeit dem 13. oder 14, Jahrhundert
bıldere der „Seye“ den Abjchluß des Waldes ;
vordem war aber auch der Hang des Stein-
berges mit Wald bewachſen, ſelbſt jeine
Höhe bis halbwegs gegen das Dorf zu.
Das jagt und der Name des Weges, der
zum Steinberg führt, wo die Straße nad)
Ilbesheim abzweigt, er heißt nämlich
Holzweg d. h. der Weg, der zum Holz
(— Gehölz, Wald) führt. Wir finden den
Namen zum erften Mal in einer Urkunde
des Jahres 1457. Der Steinberg hatte
früher den Namen Steinert, welder dem
17T, und 18. Jahrhundert unverftändlich
' geworden war, weshalb man ihn als „Stein®
erde” (1670 in der Steinärdten) erflärte,
In Wirklichkeit hieß er urſprünglich „Stein:
hart”, wie denn viele andere Wörter die
gleihe Ummandlung zeigen. Es bedeutet
fonah der Name Steinert joviel als Wald
auf dem Steine, Steinwald, wobei unter
Stein der Kalkſtein zu verftehen it.
heutige Steinberg war demnad ebenfalls
mit Wald bewachſen, ſodaß wir zu dem
Ergebnis fommen: Urzheim lag bis zum
13. oder 14. Jahrhundert ganz nahe am
Walde.
Auf der urfprünglichen Grenze des
Waldes einige hundert Meter vom Dorfe
entfernt, liegen einige Gras- und Pflanz-
jtücfe, welche das ganze Jahr feucht, mit:
unter jehr moaflerreich find. Am Bulfs
munde heißen fie „Schlotterömweiler” und
find der letzte Reit des ehemaligen
Sclotersmweiher (1639), deſſen Name
heute noch als Flurname gebräudlich it
in der erjtgenannten form. Wie der Name
jagt, war bier ehedem ein Weiher, gebildet
durch das Waſſer einer dajelbit entipringenden
Quelle. Es war ein natürliches Waſſer—
beten, das jeinen Namen trug entweder
von dem funnpfigen Boden (slöte) oder von
dem dajelbjt wachſenden Scilfrohr (säte);
beide Erklärungen find in unſerem Falle
gleich gut und zutreffend, Neben dem
„Sclotersweiher” liegt der Gänsacker,
dejien Bedeutung ſonach Flar jein dürfte,
Die Niederichläge auf der Höhe des Stein:
harts (Steinberges) ſammelten fih und
traten in der Quelle des Schlotersmweihers
wieder zu Tage. Als die Gegend nod
ſehr waldreich war, da jprudelte die Quelle
ohne Unterlaß,; dem fonjtanten Waſſer—
Der |
Unjiedler von Arbodsheim»-Ar;heim
ihre Heimftätte erridteten.
Merfwürdig: mit dem Berjchwinden des
Bades ıft aud fein Name in Bergejjen:
beit geraten; feine Urkunde, feine jcrift-
liche Aufzeichnung aus vergangenen Zeiten
nennt ihn uns. Aber wir glauben troß-
dem gang bejtimmte Anhaltspunfte für
jeinen Namen zu haben. Un der hödjiten
und ehemals meitlichfien Stelle des Dorfes
fteht die Kirche, an deren Südſeite ſich noch
im 17. Sahrhundert ein jet nahezu voll»
ftändig verbautes Wiejengelände ausdchnte,
wo die Arzheimer Winzer ihre Weiden
fultivierten. Befanntlid) braucht man zum
Bınden der Neben die Weidenruten, volfs:
tümlich „Bann“ d. hd. Band (Rebenband)
genannt. in derartiges „bandjtief” bei
der Kirche wird uns in einem Staufafte
vom Jahre 1637 genannt; es war gelegen
in den „Bergelswiejen”, jo hieß dieſes
Wiejengelände nämlid, Der Name er-
Icheint auch in der Form „Berkelswieſen“
(1652) und ift entitellt aus Bürkels—
wiejen, wie es ſchon in einer Eußer—
thaler Urkunde vom Jahre 1336 heißt
(ebenjo 1667 die Bürfelswiek). Die jegige
„Heſſengaſſe“, die ihren Namen von einer
dortjelbft lagernden Wbteilung heſſiſcher
Soldaten während der Yandauer Belage-
' rungsfriege (1702) erhalten hat, hieß vor:
|
zufluß mußte auf der anderen Seite ein
ebeniolher Abfluß entipreden. Deſſen
Lauf läßt fid auch Heute noch vom Schlo—
tersmweiher an verfolgen bis zum Dorſe,
er ift noch vorhanden in einem Graben,
in welchem zurzeit ftarfer Niederjichläge
wegen das Waller dem Dorfe zufließt, wo
ed durch die Heſſengaſſe, Hauptitraße und
Staubgaffe weitergeleitet wird. Die Quelle
im Scloteröweiher ift zwar nicht mehr
fichtbar, aber noch nicht verfiegt. Früher
lieferte fie eine reichliche Waſſermenge, und
ihr Waiferabfluß war ebenfalls ein fon:
ftanter, alſo ein regelvrechter Bad. Diejer
Bad ift es, an weldem die erjten
her die Bürfelswiejengaife (1652).
Die Bürkelswieſen zogen fich längs des
Bichleins hinunter bis ans Ende des
Dorfes. Diejes lag uriprünglih nur auf
der rechten Seite des Baches, der weiter
unterhalb der Stirche durch den „Staub-
brunnen“ geſpeiſt wurde. Seinen Lauf
nahm er längs der heutigen Straße nad)
Yandau bis zur Stelle, wo die Straße von
Landau nach Godramitein abzweigt. Dort
lief er quer über die Wiejen der Queich zu.
Offenbar haben die „Bürfelswiejen*
ihren Namen von dem Büchlein erhalten,
an deſſen Ufer fie lagen; daran ift zunädjit
zu denken. Wir fünnen darum annehmen,
dab der Name des Bades chemals Pür:
kelsbach gelauter hat. Freilich iſt das
nur eine Vermutung, die aber nad) dem
Borausgehenden qut begründet ift und dar
durh an Wahricheinlichfeit mehr geminnt.
Wenn wir daher den Namen des Baches,
nämlich Bürfelsbuch, einjtweilen beibehalten,
fo fünnen wir das Refultat unferer Unter—
juhungen zujammenfaflen in die Worte: |
nach der allgemein beobachteten Sitte; denn
Arzheim entftand aus einer Gied-
Die Befiedlung Arzheims erfolgte genau | lung am Bürfelsbad. 3. Weber,
Die Geſchichte der Butter.
Der Urfprung der Butter ift zwar uns | fortgeerbt zu haben, in deren Sprache ſich
befannt, ſcheint aber bis in jehr frühe
Zeiten hinauf zu reichen. In der Bibel
findet fich die erfte Erwähnung dieſes Nah—
rungsmittel3 ſchon im 18. Stapitel der
Geneſis, wo Abraham den drei Engeln,
die ihm die Geburt des Sohnes verheiken,
unter anderem Butter und Mild aufträgt.
Später jagt der Prophet Jeſaias (Stap, 7) vom
Sohne Davids, dab er Butter und Honig
eſſen werde, und weiterhin: „und wird jo
viel zu melfen haben, daß er Butter eſſen
wird.” Aus folchen Angaben hat man den
Schluß gezogen, daß jchon in alten Zeiten
Milch, Butter und Sahne in Baläftina ein
jehr gewöhnliches Nahrungsmittel geweſen
jind. Die heiligen Bücher der Inder, die
Beden, die etwa 1500 Jahre vor unjerer
Zeitrechnung entjtanden find, ſprechen aud)
bereit von der Berutung der Butter bei
gewiſſen religiöjen Zeremonien. Es hat
danach den Anichein, dat ſchon das Urvolf
der Arier, von dem die meilten europäifjchen
Bölfer, ebenfo wie die Inder, abſtammen,
die midhtigiten Zubereitungen der Milch
gefannt hat. Die Anwendung der Butter
bei den Opfern jcheint jich aber nad) dem
Weiten nicht verbreitet zu haben, denn
Homer, Euripides, Theofrit und die anderen
griechischen Dichter iprechen zwar oft vun
Milh und Käſe, aber nie von Butter, und
auch bei Ariftoteles, der in feiner Geichichte
der Tiere noch verschiedene mit Milch und
Käſe im BZulammenhang ftehende Dinge
erwähnt, jagt Fein Wort über die Butter.
Auch die Römer fcheinen die Butter erit
von den Germanen fennen gelernt zu haben,
Plinius jagt von ihr, daß fie eine der föft:
lihiten Sperien bei den Barbaren jei.
Merfwürdig genug diente die Butter bei den
Nömern und Spaniern auch dann nicht
als Nahrungsmittel, fondern als örtliches
Heilmittel in der Wundbehandlung. Der
Gebrauch der Butter, wie er von den alten
Ariern eingeführt worden war, fcheint ſich
bei den Germanen, Slaven und Selten
auch Ausdrücde dafür finden, die mit demen
des indifchen Sanskrit verwandt find. In
den erjten Jahrhunderten der chriftlichen
Kirche wurde, wie Klemens von Alerandria
berichtet, Butter anjtelle von Del in den
Altarlampen gebrannt, eine Sitte, die fi
in Abejlinien noch lange erhalten hat. Die
gründlichite AbhandInng über die Butter
ichrieb ein holländiicher Gelehrter, Martin
Schoofius, im Jahre 1641. Sein Werk
beginnt mit einer jprachlichen Unterfugung,
in der er alle griechiichen, lateinifchen und
deutſchen Namen der Butter zufammenjtellt
und ihre Entitehung ſorgſam erörtert.
Dann erzählt er von den Skyten und der
bei ihnen üblichen Art der Butterbereitung.
Weiterhin bejchreibt er andere Arten der
Heritellung, die zur Färbung der Butter
angewandten Mittel uſw. Er bejtätigt den
Gebrauch der Butter zur Heilung von
Wunden und Geſchwüren in Spanien und
empfiehlt fie außerdem als Zahnpugmittel,
Er ſchließt mit der jonderbaren Behaup:
tung, daß es ohne die Induſtrie der Hol-
länder, die er als „Butterbauern” bezeich—
net, jelbit in Indien feine Butter geben
würde. Perjchiedentlich hat aud) die Butter
in die Politik eingegriffen. 1491 verord-
nete der Papſt Innocenz VII. in einem
beionderen Erlaß, daß die Benugung der
Butter in der Faſtenzeit innerhalb der
Herrichaft der Sönigin Anna in der Bre:
tugne geftattet fein follte, und dieſe Er-
laubnis wurde bald auch auf andere Pro-
binzen ausgedehnt, jedoch nur gegen Ent:
rihtung von Spenden an die Sırcen.
Letztere benußten dieſe Mittel im allge:
meinen zu ihrer Verjchönerung und nantente
lic) zum Bau von Türmen, und daher tragen
viele Türme bedeutender Kathedralen in
Franfreih und anderswo den Namen der
Buttertürme. Längere Zeit beherrichte fran«
zöfiiche Butter den Markt, ift aber jett von dem
Erzeugnis anderer Yänder, vor allem von
dänischer Butter verdrängt worden. (9. T.)
4
Pfälziſche Ortsnamen.
Bon Theodor Zink in Kaiferdlautern.
Drtönamen find Eigennamen, die zur
Bezeihnung einer ganz beftimmten Ort:
lichkeit dienen, um dieſe von andern ört-
lihen Einzelwejen zu unterjcheiden. Sie
fommen aljo in ihrer Gtellung und Be-
deutung den Perfonennamen gleich. Ihre
Entftehung beruht auch auf den gleichen
pſychologiſchen Urſachen; denn der Menſch
ſieht alles, was ihn umgibt, von ſeinem
perjönlihen Standpunft aus an; daher
unterjcheidet er mit Hilfe der Sprache nicht
nur die andern Menſchen, jondern alle
Lebeweſen und tote Dinge. Hervorſtechende,
jozufagen in die Augen fallende Eigen:
haften haben in der älteften Beit zur
Namengebung der belebten und unbelebten
Natur geführt. a, diefe Tätigkeit ift
heute noch jo lebendig wie vor Yahrhun-
derten und Jahrtauſenden, fie fommt uns
nur nicht immer zum Bewußtſein.
&o benennen wir einzelne Tiere oder
gar Bäume, die in näherer Beziehung zu
uns ftehen; aber niemand denft daran, die
gleihhartigen Glieder einer erde einzeln
zu benennen oder gar die QTaufende von
Bäumen zu benamen. Haben aber Bäume
eine ganz bejondere Bedeutung für uns,
dann treten fie aus der Gejellichaft als
Einzelwejen mit individueller Bezeichnung
heraus. ch führe aus meiner Orts: und
Flurnamenſammlung folgende an, die in
der Pfalz heimiich find: Am Notenbaum,
Gutenbacherhof in der Nordpfalz; an der
hohen Bude, Dennweiler; an der Iron:
buche auf dem Donnersberg;; bei den zwölf
Apofteln, 12 Tannen auf dem Donners—
berg; am Heidenbaum, Bledesbah; am
Germansbaum bei Großkarlbach; Grübel—
nußbaum, DOttersheim; am Bildbaum,
Pforg; am Wörfchbaum, Homburg; an der
Wettereih bei Niederſulzbach a. d. Yauter;
am Wahtbaum, Morichheim; am Hutbaum
bei Haardt und beim unholden Baum un:
weit Neuhofen am Rhein. Ich fünnte dieje
Reihe leicht um eine jtattlidhe Unzahl ver-
mehren ; doch mögen die angeführten Bei-
Ipiele genügen.
Wir benennen nicht nur bewohnte Orte,
jondern auch unbemohnte, ja Berge, Täler
und Gewäſſer, und weil zwei Orte auf
der Erde ſich nie gleich find, jo ift die
Nanıengebung etwas ganz Natürliches.
Selbft zwei ebene Landftüde gleichen ſich
nie völlig, da ihre Umgebung fie ſtets anders
erjcheinen läßt. Wie die Eigenjchaften jehr
mannigfaltig find, fo find auch die Namen
außerordentlich zahlreih. Dazu fommen
noch hinzugedachte geichichtliche Eigenjchaften,
die aus beionderen Ereigniffen oder Zu
fränden hervorgingen. Ta, dieſe Namen
find für den Sprachkenner die wichtigiten,
da fie auf eine ältere, oft jogar die ältefte
Beit der Gefchichte hinmeifen. Auch find
unfere pfälzıichen wie die andern deutichen
Ortsnamen ſprachlich verichieden; denn
viele Volfsftämme haben fich auf unſerer
heimatlihen Erde niedergelafjen. An die
ehemalige feltiihe Bevölferung erinnern
unfere Bad: und Flußnamen, wie Aljenz,
Glan, Nahe, Rhein, und Städtenamen,
wie Borbetomagus und Nemetum für
Worms und Speyer; der keltiſchen Beſied—
fung folgte die römijche, die nicht nur in
zahllofen Denfmälern und Funden, jondern
auch in vielen Orts: und Flurnamen ſich
zu erfennen gibt. Den Römern folgten
die Alemannen; Ddiefe wurden von den
Franfen verdrängt, die heute noch die Pfalz
bewohnen. Ihre Epuren finden fi in
den Ortsnamen. Die Gründung der
Klöſter, Städte und Burgen, die Sulti:
vierung des Landes lafjen fi in dieſen
ebenfalls erfennen Dit befteht der Gegen-
ftand, der den Namen veranlaßte, nicht
mehr; aber der Name jelbft haftet noch
an der Örtlichfeit und erhält jahrhunderte-
lang die Erinnerung an denjelben mad).
Unjer Name wird zur Urkunde,
Ein Beifpiel für viele: „Am fteiner-
nen Mann“ heißen mehrere pfälziiche
Drtsbezeichnungen, die auf das Beftehen
eines Steinbildes hinweiſen, von dem jeßt
freilih feine Spur mehr vorhanden ift.
So liegt bei Oberberbah eine Waldabtei-
lung „am fteinernen Mann“, die ıhren
Namen von einem vieredfigen römischen
Altere hat, der als Markſtein diente und
auf defien einer Seite noch das Bild des
Herkules zu ſehen war. Herkulesbilder
bezw. »Altäre ftanden oft an römijchen
Straßen, die in unferer Pfalz ſehr zahl«
reih find. Ein Berg „Steinerner
Mann“ liegt zwifchen Boſenbach und ER-
weiler, ein anderer ſüdweſtlich von Ulmet,
auf denen Römerwege nacmeisbar find,
Am „Steinernen Mann” bei Quirnbad)
jollen 1789 zwei Steine, einer mit dem
Bilde des Merkur, ein anderer mit dem
der Juno aufgefunden worden jein. Auch
bei Rothjelberg und bei Franfweiler finden
fih Flurnamen: „Am fteinigen Mann“.
Wir erfehen, daß römiſche Herfules- oder
Merkurbilder oder Altäre mit den Bildern
mehrerer Gottheiten in älterer Beit den
Namen veranlaßten. Sicher ftanden dieje
Bilder noch lange im Mittelalter; aber
ihre ehemalige Eriftenz ift dem Volke nicht
mehr bewußt. Der Name wird „gedanken:
108” gebraudt.
Nicht immer jedoch ift ein Name fo
leicht zu erfennen und zu deuten wie diejer
oder wie die folgenden; Winterhalde,
Sommerhbalde, ®interborn, Som
merborn, Schneeberg, Schneewieje,
Rundwieje, Mühlwieſe, Buhmwald,
Schwarzwald, Braunbad, Stein
gruben, Kieſel, Galgenberg,
Schanze u. d. a, fondern wir müſſen
die Sprachgeichichte zu Hilfe nehmen, um
eine befriedigende Erklärung zu erhalten,
die bejonders dann ſchwierig ijt, wenn die
Beranlaffung zum Namen nicht jofort er-
fannt wird,
Das wejtpfälziihe Dorf Kindsbad,
im Volksmunde Kinſchbach geiprocden,
verdanft jeinen Namen jeiner Lage am
Kinſchbach, d. i. Königsbad, und an
der Kinſchau, d. i. Königsau Denn
diefer Ort liegt nicht nur an der Königs
ftraße, 1332 via regia et impera-
toria genannt, fondern aud im Reichs—
oder Königslande, an das heute noch die
Reichswaldgenoſſenſchaft erinnert. Gleichen
Urſprungs ift der Königsberg bei Wolf:
ftein mit dem Königsbach, deren Aus:
Iprache ebenfall8 der obigen gleicht. Die
ältere vollere Form heißt nachweisbar
künegesbach bezw. -berg, die durch
Entrundung und Bufammenziehung in der
nordweftpfälziichen Mundart zu kinsch-
werden mußte. Das vorderpfälziiche Dorf
Königsbah wird vom Volke Kingſch—
bad genannt, Bir erjehen ſchon aus
diefem Beifpiel, daß die Ältere Spradhform
die vollere ift.
Wollen wir aljo viele Namen in ihrer
Bedeutung erkennen, fo müfjen wir die
Geſchichte um Rat fragen, In alten Weis»
tümern, Grenzbeichreibungen, Bermächt-
niffen, Saal- und Yagerbüdern finden ſich
ihon diefelben Namen, die heute noch an
der betr. Ortlichkeit haften; aber die ältere
Form ift voller und verftändlicher, fie hat
noch nicht das abgegriffene Ausjehen der
heutigen. Sie läßt uns daher einen Blic
in die Geichichte einer Gegend tun; ja,
viele Ortsnamen find die Gefchichte der
Ortlichkeit auf dem fürzeften Ausdruck ge-
bradt. Profeſſor Dr. Heeger in Landau
bat feine vortreffliche Befiedelungsgeichichte
der Vorderpfalz vielfach auf die Orts—
namenforfhung aufgebaut —, und ijt in
dem Beinamen Saijer zu Yautern als
Kaiſerslautern nicht furz die Geſchichte
der Stadt zufammengefaßt?
Im allgemeinen ift die Namengebung
eine unbemwußte, d. b. fie geſchieht ohne
Abſicht; oft aber finden wir Namen, die
mit Abſicht gewählt wurden, dahin gehören
zahlreihe Namen von Burgen, Alöjtern,
Häufern, die auch zu den Ortsnamen ge-
rechnet werden müſſen. Wir erfennen fie
an einem gewiljen jentimentalen Beige»
ihmad oder an dem Humor, der fi in
ihnen zu erfennen gibt. Aus dem Mittel-
alter wären anzuführen: Treuenfels,
Borburg zur Ultenbaumburg, Madenburg,
d. i. Magdeburg b. Landau, Scharfened,
Löwenſtein, Eberjtein, Ehrentraut;
Schaudichnichtum! Kehrdichan—
nichts! Murrmirnichtviell Aus
franzöſiſcher Einwirkung nad dem dreißig—
jährigen Kriege gingen Namen wie Mon—
bijou, Eremitage, Sansſouei her—
vor. An den vertriebenen Polenkönig
Stanislaus Leszezynski erinnert Tſchiff—
lid bei Zweibrücken.
Biele Namen find nicht nur von ger
fchichtliher Bedeutung, jondern auch bon
geographifcher und naturgeſchichtlicher, weil,
wie ſchon ausgeführt, im Drtsnamen oft
eine charafteriftifche Eigenſchaft der Gegend
zum Ausdrud kommt. Wenn wir daher
die Bedeutung einer Ortsbezeichnung er:
fannt haben, jo mundern wir uns viel-
feiht, wie auch jchon vor Jahrhunderten
gewiſſe Eigenjchaften auffielen. In dem
feltiihen Wort Glan liegt wie in dem
deutichen Yauter, älter Luter, hlutera,
hluteraha, die Bedeutung: hell, Elar
ım Gegenia zu Schwarzbach, Braun.
bad. Wir finden in der Pfalz öfter den
Namen „Schleecht” zur Bezeichnung einer
Hocebene. Niemand im Bolfe aber fann
fih den Namen als ſolchen erklären, weil
er unferm Sprachbewußtſein entichwunden
it. Wir kennen aber alle die Wendung:
schlichtes Haar, d. h. glattes, und erfehen
daraus, daß beide Wörter Schleecht und
jhliht einige Verwandtſchaft in der Be»
deutung haben. Denken wir aber an das
Beitwort „ichlichten“, das uriprünglich
„glatt machen“ bedeutete und in diejem
Sinne von den bäuerlihen Leinewebern
der Weit- und Nordpfalz als „ſchleechten“
angewendet wurde, jo iſt die „Schleecht“
al8 Ebene, bezw. Hochebene flar. Das
Eigenihaftswort „ſchlecht“ fommt eben
daher und das mittelalterliche sleht heißt:
in gerader Fläche oder Yinie, Ebene; gerade,
glatt, im Gegerjage zu frumm und raub.
Mittelhochdeutich bedeutet slehtecheit (wört-
ih: Scledtigfeit) ftets Glätte und Ebene.
Die Gegend des Yandftuhler Ge:
brühs hat eine ganze Weihe charafte-
riftiiher Ortsnamen, die dem ferner
Stehenden ganz leicht die geographiichen
Verhältniffe erjchliegen können: Wald:
mobhr, Gries, Sand, Miesau,
Dber:, Kirch- und Niedermohr,
Miejenbad, Schernau, Lichten—
bruch, Bogelmwoog, Kinſau, Brud-
mühlbach, Bogelbad, Brudhof,
Sanddorf. Die Kriegsdell bei
Ktübelberg ift jedenfall$ eine Griesdell,
d. i. Sanddelle.e. Auch der Ortsname
Kriegsfeld ftammt jedenfalls nicht von
Krieg ber, fondern von Gries; noch heute
fagt das Volk der Umgebung Gries
feld; der Striegsfelder Bach wäre demnad
ein Griesbach, d. i. Sandbach. Bergl. die
Ortsnamen Samba, Sembad, die Sant-
bach bezw. Sentbach hießen! Das
Kriegswert bei Ludwigshafen (Inſel)
fann nur Grieswert, d. i. jandige Inſel
bedeuten. Grieß, mittelhochdeutih: griez,
grüz, männlichen und ſächlichen Gefchlechts,
althHochdeutih grioz ift Sand, Kies; ihm
entſprechen altſächſiſch griot, angelſächſiſch
gréot — Sand, altnordiſch grjöt — Ge—
ſtein. Aber nicht alle Namen mit „Kriegs“
mögen auf Umdeutung des Wortes „Gries“
beruben, jondern wirklich auf Krieg zurüd-
zuführen fein, 3. B. der Ortsname Kriegs:
verhbau im Bienwald in der Nähe der
Weißenburger Linie; aber die Kriegs:
ädfer bei Ottersheim mögen der Boden:
beichaffenheit ihren Namen verdanken, wenn
nicht eine hiftoriiche Sage oder irgend eıne
volfstümliche Überlieferung diefen Schluß
verbietet. Wir erjehen hieraus, daß oft
nur genauefte Ortsfenntnis Aufichluß zu
geben vermag und wie wichtig jcheınbar
unbedeutende Namen für die Heimatkunde
werden fönnen.
Wie dem Alpengebiet die Namen Nadel,
Spige, Zinken, Zahn, Schrofien,
Kogel, d. i. Kegel, Wand, Gabel,
Klamm, Hölle u, v. a. eigen find, jo
treffen wir im Gebiete unjeres VBogejen-
jandfteines hauptjählih Kopf: Peters—
£opf, Eihfopf u. a. m., fowie Platte,
d. i. Ebene; denn die wagrechte Schichtung
des Steines läßt feine jpigen Berge zu;
die Haardt erjcheint vielmehr als eine nur
vielfach durchichnittene Hochebene mit etwas
meftlicher und nordweftlicher Neigung: diejer
Eigenjchaft verdanfen wir die Namen:
Blatte bei Hütichenhaujen, Kaijerslautern,
Dbernheim, dafelbft auch Plattenwald,
bei Aljenborn, Oberſulzbach, Schauerberg,
Erlenbad, Enkenbach. Ein Blattberg
ift bei Saaljtadt auf der Sidinger Höhe,
ein Blattwald bei Albersbah. Auch
das Kohlengebirge läßt, wie die Nordpfalz
zeigt, die Hochebene zu, daher findet fich
längs der Hochſtraße zwiſchen Alfenz
und Appel mehrfad; der Gemwannennamen
„Blatte”.
Wie wir aus den Ortönamen aus der
Landftuhler Gegend erjehen, fünnen das
Tier, WBflanzen: und Steinreih einer
Gegend vielfach erichloffen werden. Der
Felfen „Balfenftein“ am Donners-
berg wird jchon im 11. Jahrhundert ge-
nannt. Sperberfopf, Geiershede,
Krähenhübel, Rabenhorft, Habichts—
horſt, Wolfsſels, Wolfsfaut,
Katzenbach, Bärenloch, Vogelbach
brauchen hier nicht näher erklärt zu werden.
Dieſe Namen helfen uns aber leicht das
Bild der Tierwelt der Pfalz in älterer
Zeit vervollftändigen. Manche Namen find
jchwieriger, wie 5. B. Kräelberg am
Donnersberg und Krähel bei Ötterberg.
Auch fie haben ihre Benennung von der
Strähe, wurden aber mißdeuter, weil der
Name Krähe aus der Volksſprache der
Pfalz verihwunden iſt. So murde der
Kräelberg zum Kreulberg, Kraul
berg und Krallenberg.
Namen wie Römwenftein, Fallen
burg, Wolfsburg find gefchichtlich zu
erklären, ebenjo die vielen Namen bei
Mölſchbach ın der hintern Haardt, die mit
der Pferdezucht zujammenhängen. Der
heutige Stütterhof bei Mölfchbach hat
jeinen Namen von dem dafelbit eingepfercht
gewefjenen Pferden. Schon 1426 trat das
Kloſter DOtterberg den Hof mit Gärten,
Adern, Wald und Weidegang ſowie 80
wilden Pferden um 1100 rheinische Gulden
on den Bfalzgrafen Ludwig ab, der das
Geftüt erweitern ließ. Auch in der Folge
zeit verblieb dasjelbe im Belige der Pfalz:
grafen und Namen wie Stütterberg,
Stütterbah, Roßrück, Stall,
Bferdsbrunn bei Johanniskreuz be»
zeugen ed. Stütterfopfund Stütter-
tal find auch am Dradenfels zwiſchen
Weidenthal und Iſenach. Ein „Füllen:
garten” mird auch im Mölichbacher
Weistum von 1603 erwähnt.
Bon allen Namen unjerer Städte, Dörfer
und Fluren bieten die hiſtoriſchen das meifte
Intereſſe. Ich erwähnte fchon, welche Völker
Spuren ihres Dajeins in den Ortönamen
Hinterlaffen haben. Schon vor den Felten
jaß ein Volk nichtindogermanifcher Abftam-
mung in unjerer Rheinebene und in unjern
Tälern; zahlreihe Funde der Steinzeit,
insbefondere die Ausgrabungen in der Rhein»
ebene bezeugen jchon das Daſein diejes Volfes
vor den Kelten. Vielleiht waren es kleine
rundföpfige Leute von dunkler Farbe. Ob
fie aber verichiedene Namen hinterlafjen
haben, wiſſen wir nicht; aber es gibt in
der Pfalz wie am Rheine manche, die weder
als keltiſch, noch al8 römifch oder germaniſch
erflärt werden fünnen, Bielleicht erfennen
wir in manchen Bewohnern unferes Berg:
landes die Züge jenes untergegangenen
Volkes, das von den Selten, den eriten
Indogermanen, verdrängt wurde. Die
Kelten vermögen wir auch nicht mehr im
Volke zu erfennen; denn da ſie körperlich
den Germanen jehr nahe jtanden, ver-
Ihmolzen fie mit diefen. Aber vielleicht iſt
die Annahme nicht unberedhtigt, daß da,
wo fich zahlreiche: keltiſche Namen finden,
auch viele Kelten fidh unter den Germanen
erhalten haben. Da diefe Namen in der
Weſtpfalz ftärfer vertreten find, jo mag
auch hier das feltiiche Element zur Beit
der deutichen Befiedelung ftärker gemwejen
fein. Die latinifierten Namen auf — acus,
jacus find ficher £eltiih. Mons Brisiacus
— Breiſach, Moguntiacum — Mainz, ebenio
auf — magus: Noviomagus — Bad) Neu-
magen und Ninnmwegen, Borbetomagus —
Worms und Nemetomagus oder Novio-
magus — Speyer, und auf dunum: Tara-
dunum — Barten, Lupodunum — Laden
burg. Unjere Eijenbäde und die Eis
haben weder vom Eilen noch vom Eiſe
ihren Namen. Letzteres gebe feine charaf-
teriftiihe Eigenichaft für einen Bad ab.
Wir haben vielmehr einen Namen, der von
dem keltiſchen Flußnamenelement — is —
abftammt, wie es in Iſar, Iſenach,
Isere, Iſer, Nebenfluß der Elbe, er-
iheint und das wir für unjere Gegend den
Kelten verdanfen. Die Salzad, die jetzt
einen flaren deutichen Namen führt, hieß
Isontus oder Isontia. Isana ift der
alte Name für Bäche, die zum Zeil heute
Eifenbad, Eiſenach lauten. Stamm-
wort aller diejer Namen, die ich nicht weiter
vermehren mill, ift die indogermanijche
Wurzel: eis, is, jansfritiich &sh, isch; da—
zu vergleihe man das zendifche: ishara,
d. i. reißend, ftarf, Gin Eiſenbach mwäre
demnac ein reißender, raſch dahineilender
Fluß oder Bad. Auch in dem Flußnamen
Alfenz, der in latinifierter Form Ali-
sentia lautete, enthält die zweite Silbe
das Flußnamenelement is.
Als noch die Kelten das Linfsrheinifche
Land in zahlreihen Siedelungen bewohnten,
drangen die Römer jeit 58 v. Ehr. ein und
romanilierten das Land. Aber jchon hatten
fich einige germaniſche Volksſtämme fuebiicher
Herfunft über den, Rhein gewagt, denn
zwifchen Rhein und Elbe ſaßen jchon längſt
feine Selten mehr. Um die Mitte des
1. Zahrhunderts v. Chr. zogen die Tribofer,
Nemeter und Vangionen über den Fluß,
eroberten das Rheintal, und die Stelten
festen fich in dem wilderen Gebirge feit. |
Aber bald nah der erften germanijchen
Befiedelung auf dem linfen Rheinufer fam
die große römische als Folge der Kriege
Cäſars und feiner Nachfolger. Mehr als
vierhundert Jahre lang dauerte die Römer-
berrichaft, deren Zeugen uns noch allent-
halben entgegentreten. Die Geſchichte dieſer
römiſchen Beſiedelung, jo dankbar eine
weitere Darſtellung wäre, können wir hier
nicht weiter beachten, als ſie mit unſerm
Thema zuſammenhängt. Die Orts- und
Flurnamen geben un® ausreichende Beweiſe
für dieſe jahrhundertelange römische Aultur
an die Hand. Das feltiihe Nemeto-
ınagus oder Noviomagus befam den
Namen civitass Nemetum (Spexer).
Rheinaufwärts treffen wir Vicus Julius,
d,i. Germersheim, Tabernae rhenanae
— Rheinzabern. Auch an die Aheinhäfen,
die Saifer Valentinian im Jahre 369 in
der regio Nemetensis anlegen ließ,
erinnert da8 Dorf Pfortz, von portus-
Hafen. Nördli von Speyer erhob fich
auf der rehten Rheinſeite eine starke
Befeftigung auf hohem Ufer, wie ja aud
Speyer und Worms Hocufern ihre Be-
deutung verdankten. Alta Ripa nannten
ed die Römer und das Dorf Altrip ver-
danft diejer FFefte feinen Namen. Der
Name Ruphiana oder Rufiana fommt
nach den Darlegungen des Forichers Karl
Ehrift im Heidelberg ebenfalls unferm
Ultrip zu, nad Dr. Mehlis jol es der
lateinische Name für Eifenberg jein. —
Un die römifche Zeit erinnern auch unfere
Drtönamen = kaſtel oder Staffel. Bei
Kapsweiher liegt ein Kaftelgraben, bei
Linden ein „Kaſtel“ und ein Kajjel,
eine Kaſtelwieſe bei Boſenbach, ein
Kaftelweg bei Welchweiler, ein Kaſſel—
berg in der Mittelhaingeraide, hiezu treten
noch Burg Neukaſtel und Blieskaſtel.
— Der Name Castellam ad Blesam
für Blieskaftel ift nur gelehrte Stonftruftion,
fann aber nicht urkundlich belegt werden.
Die volkstümliche Namensform ift Kafchtel,
d. i. Kaftel. — Am Gebirge liegt als
römifher Ort Bergzabern, Tabernae
montanae, am Glan Ulmet (Ulmetum,
d. i. Ulmengebüfch?). — Die römische Be-
fiedelung hat unferer Ortsnamengebung ein
wichtiges Wort gegeben. Bon dem römiſchen
villare ftammt unfer deutſches — mweiler,
das fi Hauptfählih im Weſtrich und in
der Nordpfalz findet, aber aud in einem
gang beftimmten Gebiete der Borderpfalz
vorfommt. Wehyher bei Edenkoben hieß
77T Wilere, der Weierhof bei Kirch—
beimbolanden 1135 Wiire Im Elſaß
tollen heute noch die meilten Weiler
Drte durh weier oder wir in der
Volksſprache erjegt werden. Auch pfälzifchen
Ortsnamen, die heute -weiler beißen,
ging ein ältere® wir voraus, Kirr—
weiler = flirrwir, Reinsmweiler =
Lentzwir; Hergersweiler hieß nod-
im 18. Jahrhundert Ergerswir. Dr.
Heeger in Landau nimmt aufgrund diejer
Tatjahen an, daß alle unſere heutigen
-weiler im alten Volksmund meiher
vivaria gewejen find, daß vivarium die
volfsmäßige, villarium die gemwähltere
feinere Bezeichnung war, an der nod die
Grinnerung an den prunkvollen römiſchen
Landfigen baftete. In den Namen Weiler-
bad, richtiger Weiherbad ift das alte
vivarium in der Bedeutung Teih im
wilre — villarium umgewandelt
worden. Römiſche Villen find ungemein
häufig in der Pialz; auch dıe Weitpfalz
fann mit der dichter beiiedelten Border:
pfalz gut einen Vergleich aushalten.
Unfere Geldäder, Geldlöder,
Goldberge, -brunnen, +»felien,
:gruben, «hübel, »ftüder, Gulden-
äfer, Münzäder find oft Fundftätten
von Römermünzen, wie die Geldäder
bei Eifenberg. Zu den ficheriten römischen
Orten gehören die meiften Zuſammen—
jegungen mit „Heiden“, im Bolffmunde
„Häde“ bezw. „Häre“ geichrieben und
fäljchlid ald „Herren“ gedeutet. So heißt
auf Blatt 103 des topographiichen Atlas’
für Bayern 1862 63 die befannte Heiden:
burg bei Niederfiaufenbah Herrenburg,
was fih nur aus dem mißverftandenen
mundartlihen Häreburg erllären läßt.
Spätrömifchen Urfprungs find aud die
beiden andern Heidenburgen des Weſtrichs,
die bei Kaulbach a. d. Yauter und bei
Waldfiſchbach gegenüber dem Dorie
laufen Tiegen. NRegierungspräfident von
Stihaner ftellte in dem Sntelligenzblatt
des Rheinfreifes von 1827 Nr. T, ©. 75 76;
37 Ortsnamen auf Heiden zuſammen
9
und Rektor F. Ohlenichlager in München |
war in der Lage in feinem Bud: „Die
Flurnamen der Pialz und ihre gefchichtliche |
Bedeutung” 170 Stellen zu nennen, Daß
auch diefe Zahl noch nicht erichöpfend ift,
wie der Verfaſſer zugibt, lehrt eine Notiz,
die vor einigen Tagen durch die Zeitungen
ging: Am Herrenweg, d. i. Hären
weg oder Heidenmwege, einer ehemaligen
Nömerftraße zwiſchen Iggelheim und Schiffer
ftadt, wurde ein römiiches Hypofauftum
(Raum zur Heizung der Wohnung mit Luft),
wie es in den römijchen Häufern Gerinaniens,
Salliens und LOberitaliend vorfam, auf
gededt. — „Die Haide”, eine dorfähnliche
Siedlung bei Hirchheimbolanden, führte vom
Heideland ihren Namen wiedie Schlauder-
hbaıd und Danteshaid bei Odernheim.
Da römiſche und vorrömiſche Grabhiigel
bei uns häufig vorfommen, wenn fie aud)
im Kulturlande oft jchwer zu erfennen find,
' fo find auch entiprechende Flurnamen nicht
jelten. Im althochdeuticher Zeit heißt der
Grabhügel hléo, Genetiv hlewes,
Mehrzahl lewä, leä, mittelhochdeutſch
noch l&; davon mögen die Namen: Leh—
wiefen, Lehmann (Ortsnamen) fommen.
Das Grabmal des Drujus in Mainz hieß
im 9, Jahrhundert Trusiläh, d. ı. Grab—
mal det Drufus; heute noch joll die Gegend
an diejem Male, das allgemein Eigelftein
beißt, Drufenloc genannt werden. Wir
jehen, wie das mihverftandene lch in
«loch umgedeutet wurde.
(Schluß folgt.)
Baarkugeln.
Bon E. Kleeberger, Ludwigshafen a. Rh.
Es find jept ſaſt 25 Jahre her, da
zeigte mir der damalige praft. Arzt von |
Trippftadt, Herr Dr. Bogel,') cine |
ſchwarze Kugel in der Größe einer fleinen |
Kartärfchenkugel, die aber gar nicht aus |
Eifen war. Gie war im Magen eines |
Nindes gefunden worden, das Herr Dep
germeilter Faulhaber von Trippſtadt furz
vorher geichlachtet hatte.
So täuſchend die fchwarze Farbe und
das glatte Ausjehen für das Auge waren,
jo verriet doh das Gewicht zu deutlich,
daß es feine metalliiche Kugel war. Herr
Dr. Bogel jchnitt dann auch mit einem
iharfen Mefler die Kugel entzwei und fie
zeigte ſich durch und durd aus Filz. Ganz
deutlich waren Haare und Faſern zu
unterjcheiden, aber fie waren viel, viel
fefter zufammengeballt als 3. B. in einem
Bierfil;, wie man fie ehedem in Wirt
ſchaften benütte.?)
Solde Haarfugeln finden jich nicht
gar jo jelten in dem Magen aller Wicder:
fäuer, aud der Pferde und mander Affen.
Und wer fchon beobachtet hat, wie 3. B. |
’) Sept i in Hamm it. W. Sollten ihn dirfe |
an u Geſicht kommen, fo mögen fie ihm
rüße bringen aus der Bfalz.
*, Bergleihe: Harz, die Bezoare (Saar:
fugeln) des Pferdes und Rindes. Wien. 1876,
Kühe mit ihrer rauhen Zunge fich jelbft
belefen (man möchte jagen: fich bürften
und ftrählen) oder in mütterlicher Sorg—
falt ihr Junges, dem wird ed als nichts
Unnatürliches erſcheinen, wenn dann hinunter-
geichlufte Haare ſich mit Speichel und
andern Nlebftoffen zu Ballen formen.
Nicht jo unbefangen war man in früherer
Beit und dieje Zeit liegt nicht gar meit
hinter uns, So berichtet der 2. Band
von den „Borlefungen der phyſ. ökonom.
Gefellichaft”?) ©. 469:
„Aus dem zwilchen Hirihhorn und
Eberbach gelegenen, halb mainziſch, halb
pfälzifchen Dörfchen Igelsbach fam am
27. November 1785 ein Bauer zu Herrn
Yang*)' und fragte ihn fchmermütig um
Rat, was er wegen böjen Yeuten, melche
ihm ein jchönes, fettes Rind behert, am:
fangen jollte. Gr mollte vieles darauf
verwenden, um den Zauberer ausfindig
zu macen, welder dem Winde dicje
Derenfugel zum Maule hineinge—
Ihojien. Das Stück Bieh jei jo gelund
als all jein übriges geweſen, als am Abend
| ein Bube das Gerafiel der Ketten im
Stalle hörte. Als der Bauer hierauf jo:
J Aus den Jahren 1754 1790.
Kurfürittich Dainziicher Leib Chirurg und
Kammerdiener.
gleich in den Stall fommt, finden fie das
Rind am Erftiden und in dem Halje einen
Knopf, den fie aber weder hinauf nod)
hinunter bringen können, und daher dem
Viehe den Hals abſchneiden und hernach
eine gewöhnliche Haarfugel finden, welche
unter dem gemeinen Namen der Heren-
fugeln belegt wird. Eine ſolche Kugel
macht daher aud ein ſolches Stück Vieh
verdächtig, jo daß man das Fleiſch davon
nicht zu genießen pflegt, mwiewohl der Herr
Leib Chirurg Yang durch gründliche Be—
griffe über die Entjtehung der Haarfugeln
dies Vorurteil vertilgte und das Fleiſch
von jenem Stüdf Vieh von den Bauern
vernußt wurde.”
Diefe Haarfugel, 1% Pariſer Zoll
und 1!4 Barifer Boll im großen und
Meinen Durchmefler, wurde der öffentlichen
Naturalien- Sammlung der Staatswirt—
ichafts Hohen Schule zu Heidelberg ein»
verleibt.
Über die Haarkugeln herrfchte früher
auch viel wijjenfchajtlicher Aberglaube.
Der berühmte ſchwediſche Naturforicher
Ritter von Linné teilte fie unter dem
willenichaftlihen Namen Aegogropilae dem
Mineralreih zu, jowie er auch Nieren-,
Blajen: und Gallenfteine dahin rechnete.
Sein in vielfacher Beziehung willenichaft-
liher Gegner Dr. Friedr. Caſ. Medicus?)
wies jchon damals das Unhaltbare dieſer
Syftematifierung nad).
Die ältejten Bücher über die Natur,
die von Aberglauben ftrogen, wiſſen jogar
von Spezies der Haarkugeln zu be
richten. Am befannteften war der deutſche
Bezoar, der fih im Magen der Gemſe
fand, Daher aud Gemsballen, Gem
fugeln genannt, die al8 unfehlbare Bauber-
mittel gegen alle möglichen Übel helfen
follten. Sicher rühren daher aud die
fabelhaften Gemseier, unter denen
man figlirlich heute Jagdgeſchichtchen im
gröbften Jägerlatein verfteht.
Der Glaube an die vermeintliche arz—
neilihe Wirfung der Haarkugeln ſcheint
°, Batriotifche Männer hatten 1769 die
phuſ. õöonom. Geſellſchaft zu Lautern gegründet;
1770 wurde ſie beſtätigt, 1774 die Kameral hohe
Schule zu Lautern errichtet; 1784 nach Heibdel-
berg verlent. Dr. Medieus war der Borftand
diefer Anſtalten, ſowie auch des Kurfürſtl.
botaniſchen Gartens zu Mannheim.
10
aus dem Morgenland zu ſtammen. Dort
fand man ſie im Magen der wilden oder
Bezoar Ziege, der Antilopen ujw. Das
war der orientaliſche Bezoar. Der
Name jtammt aus dem Werfiichen, von:
bäd-sahr-Gegengift®)
Da die Nachfrage nad ſolchen Kugeln
ſehr groß war, wurden fie aud künſtlich
gemadt. Das waren die Bezoar de Goa”),
vergoldete Stugeln aus einer mit Moſchus
und Ambra°) vermifchten Erde, die jehr
teuer bezahlt wurden.
Vermutlich war es eine ſolche goldene
Kugel, von welcher die Weltgeichichte er:
zählt:°)
Nah der Schladt bei Pavia (1524)
trat ein ſpaniſcher Pandsfucht aus Kaiſer
Karls Söldnerheer an. den gefangenen
König Franz I. von Frankreich heran und
überreichte ihm eine goldene Büchſen—
fugel mit den Worten: „Da ich in der
Schlacht feine Gelegenheit fand, mid ihrer
gegen Didy zu bedienen, jo erlaube mir,
fie Dir jetzt als Geſchenk anzubieten.”
Der König nahm die Gabe, wenn auch
nicht ohne Beiremden, fo doch mit Danf an.
Und auf meld heterogenen Gebieten
fih der Wunderglaube an die Wirkung
dieſer Goldkugeln berührt, beweiſen
Caſanovas Memoiren, wenn er ſeine ga—
lanten Abenteuer in dem ſittenſtrengen eal—
viniſtiſchen Genf erzählt.
Warum nun der Aberglaube gerade
über unjere Haustiere jomeit in die Neu—
zeit bereinreiht?_ Yung: Stilling'")
in jeiner Porlefung vom 10, November
1784 jagt: So lange Schmiedemeifter,
Viehhirten und Wajenmeifter die privile:
gierten Tierärzte jind und folange der
* Ein aus Sid Amerika ftammended Krant
(Dorstenia contrayerva) wird Bezoar- Wurzel
genannt, da es gegen Schlangengift gebraudt
wird.
) Portugieſiſche Stadt auf der gleichnamigen
Inſel in Border-Indien.
*, Gallenſtein des PVottfiſches, bat auch
Moſchusgeruch. Gelber Ambra Bernſtein.
*, Nah: Hans v. Trutzſchler, Bom Sol—
datenaberglaube. (Für alle Welt ©. 668).
, Dr. Johann Heinrich Yung, Brofeflor
an der Kameral hoben Schule zu Kaiſerslautern,
jpäter an der Univerfität Marburg.
Bajen (Echindanger) an den Henker!!) ver:
pachtet wird, darf man fich über die Dumm»
heit und den Aberglauben nicht wundern;
gegen fie iſt Paracelfi Archidoris himm—
liiche Weisheit.
Und zum Grempel dafür erzählt er:'?)
Ein Bauer im Oberamt Lautern!?)
hatte eine Kuh, welche vom Klee aufgebläht
war. Ich fam von ungefähr dazu, ein
Trupp Weiber und Nachbarn ftand um fie
her. Da war nun des Natens fein Ende,
die meilten Stimmen gingen dahin, man
jolle den alten Biehhirten holen. Wäh-
rend der Zeit holte der Bauer jelbft fein
Wetzfaß (d. i. das hölzerne Gefäß, ın welchem
der Wetzſtein in einer jauern Brühe auf:
behalten mwird, womit man die Örasienjen
wegt) voll von einer klaren Mijtpfüige und
jhüttete fie dem franfen Tiere ein, In—
dejien fam der alte blinde Kuhhirt. Er
ließ fi) bei das Tier führer, nahm dann
jeinen Hut ab und fing an zu liipeln, in:
") Der Scharfrichter Hieronymus Menges
von Landau entichuldigt in einem Berhör vom
8 April 1777 fein Nichtericheinen zu einer
früheren Borladung damit, daß er als Tierarzt
zu franfen Pferden beiufen worden jei.
ꝛ) Borlef. der phuf.:öfon. Geſ. Bd. 1,S.28.
ie) War es vielleicht auf dem Weg nad dem
Siegelbadher But, einem Berjuchsfeld der
phyf.-ofon. Geiellfchaft, wohin Kung: Stilling
de& Öftern kam?
11
dein er beftändig mit feiner rechten Hand
über den Rüden des Tieres hinſtrich. So
wie er fein Zeremoniell vollendet hatte, io
befam auch das Tier ordentlich Öffnung
und wurde beiler. Nun hätte man das
Gejauchze und den Triumph der Bauern
hören jollen! Indeſſen jchwieg der Befiger
der Ruh ganz Still und lächelte. Das ge
fiel mir. Ich nahm ihn allein und Lobte
ihn, daß er nicht an ſolche Narrheiten
glaube; denn die Miftpfüige fei wirklich
ein gute® Mittel. „Ya,“ antwortete er
mir, „die Miftpfüge tut's nicht allein, fie
muß auch durchaus in einem gebrauchten
Wetzfatz eingegeben werden.” 't) — O!
dachte ich und ging fort.
DO! müflen wir auch heute noch mand)-
mal mit ihm ausrufen. Mber wir fünnen
aud an unjerm Teil dazu beitragen, daß
Unmwifjenheit und Mberglaube jchmwinden,
indem wir den naturfundliden
Unterridt in der Bolfs- und fort:
bildungsihule recht anjdaulid
geitalten und auf biologijden
Grundlagen aufbauen.
Ich beſinne mich als Knabe ciner ähn-
lichen Szene beigewohnt zu haben. ch konnte
damalf gar nicht begreifen, warum man fo eifrig
nach dem „Sclorrefaß” juchte, wo doch andere
Gefäße genug zur Hand waren.
Hildegard von Hohenerk.
Ron Dr. C. Puſch.
Schön Hildegard ritt in den Wald hinein,
Bon ferne fchien ihr cin Käuzlein zu fchrei'n.
Ihr Hund jagte raſtlos im Walde.
Sie pürjchte, bis dämmernd der Abend kam
Und müde fie Raſt an dem Waldjaum nahm.
Das Abrndgeläute verballte.
Zur Seit’ entfprang ihr ein Silberquell,
Der ſprudelte fröhlich, lebendig, hell.
Ein Mütterhen fam aus dem Walde.
Das griff mit der Hand in die fühle Flut;
„Bib mir Lebenskraft, gib mir Lebensmut“ —
So raunte die zitternde Alte.
Und Hildegard kam's wie Hohn in's Herz:
Halb ſpöttiſch mid lannig und halb im Scherz
Begehrt fie ihr Schidjat zu wiſſen:
„Laßt ruhen, o Herrin, ich ıat! Euch gut,
„Was all noch im Schofe der Zukunft Euch rubt;
„Ihr möchtet die Freude fon miſſen!“
Erſchoß tım Fi
Und wiederum wollt’ fie mit frevelndem Mund
Die Zukunft wiſſen aur felben Stund'.
Draur die Alte: „So höre vom Morde!
„Wiß, einer der Brehle im Köcher Dein
„Wird Deines Geliebten Berderben fein!“
Hohnlachend vernahm fie die Worte, —
Mit ſchwirrendem Pfeil auf den Lüften frei
3 ſie den kreiſenden Weih',
Er fiel in des Waldes Dickung.
Und andern Tages, da fand man im Wald
Den Nibling von Flörsheim eritarrt und kalt,
So hatte erfüllt fih die Schidung.
Es hatten im Wald fich geitellt zum Streit
Die Ritter all’, die um's Fräulein gefreit;
Hei! blitten die Schwerter da Funken!
Mit zen Pfeil getroffen man fand
Den Nibling meudlings durch Mörderhand,
Tot war er zu Boden geſunken.
12
Gelchlechtsverändernng einer Weide.
An der Halbmonatsjchrift „Aus der
Natur” (Berlag von Erwin Nargele in
Leipzig) berichtet Prof. %. Nömer (Kron—
ftadt): Im Schulhofe der evangeliſchen
Mädchenſchule in Kronſtadt (Siebenbürgen)
ftehen neben dem Brunnen zwei große
Hängemeiden. Die Beide ijt Feine Trauer:
weide, jondern ein Baltard von Salix baby-
loniea mit S. fragilis, der vom Botanifer
Andrzejowsfy S. blanda benannt worden
it. Als die zwei Weiden vor etwa dreikig
Jahren gepflanzt wurden, waren fie männ-
lid. Manche Zweige babe ich im Yaufe
der Jahre abgejchnitten und präpariert und
nie andere als ftaubblattblütige gefunden.
Bor fieben Jahren fiel es mir auf, dat
hie und da an der Spike des Kätzchens
einzelne Stempelblüten ſich gebildet hatten.
Diefer Vorgang wiederholte fi in den
nächſten Jahren und zwar fo, daß immer
mehr Stempelblüten, meiftens an der Spike
des Kätzchens fich bildeten, Bald fand ich Kätz—
chen, die ganz weiblid; waren. Sie bildeten
auch Früchte und bald flogen zahlreiche Samen
von den urfprünglidd männlichen Weiden |
davon, »In den nächſten fahren maren |
Ichon Fleine Zweige mit lauter Stempel:
füschen bejegt und heuer fand ich einen
großen Aft, der Schon ganz weiblich geworden
war. Nachbaräſte waren zum Teile noch
mit männlichen, zum Zeile aber auch jchon
mit mweiblihen Kätzchen bejegt. So hat es
denn den Anichein, als ob in furzer Zeit
die zwei großen Werdenbüume das Ge—
ichlecdyt der Blüten ganz ändern mollten,
jo dat ſchließlich aus den, zwei Weiden
mit Staubblattfäghen ſolche mıt Stempel:
fägchen werden müſſen. Liber die Urſache
dieſer Gerchlechtsveränderung läßt ſich wohl
nicht einmal eine Bermutung ausſprechen.
Die Verhältniſſe des Bodens, des Stand-
ortes, des Alimas find die gleichen ge:
blieben. Bon einem Rückſchlag fann wohl
auch nicht geredet werden, am eheſten fünnte
die Erichernung zu den Mutationen gerech—
net werden. — Die Tatjahe an ſich aber
ſteht feſt und iſt auch ein Fleiner Beitrag
zur Menge derjenigen Erfahrungen, die uns
zweideurig bezeugen, daß die Organismen
plaſtiſch und nicht ftereotyp find, daß ihnen dem:
nach eine gewiſſe Art von Flüſſigkeit und Ver:
änderlichkeit nicht abgeiprochen werden fann.
Bimmelsfchan.
Im Monate Januar 1907 bietet der |
Abend: und Morgenhimmel eine Reihe von
Erfcheinungen dar, melde wert find, daß
auch der Yaie den Blick zu ihnen erhebt,
um einen Schimmer des hehren Glanzes
zu erhaſchen, den der Berufsaftronom ge-
vießen darf. Im Südweſten ift Saturn,
der ringgeichmücdte und in feiner Eigenart
noch immer nicht enträtielte Planet als
hellfter Stern dieler Region zu ſehen. Im
Dften jteigt der gewaltige und glänzende
Jupiter im Sternbilde der Zwillinge
hoch auf und ift die ganze Nadır ſichtbar.
Im Süden fteht in den Abendjtunden das |
Sternbild des Drion voll Glanz und
Reihtum an merfwürdigiten Scauftüden
des Firmamentes und nahe dabei zieht in
breitem Bande der milde Schimmer der
Milchſtraße quer Über den ganzen Himmel,
— Intereſſant war die am 11. Sjanuar er:
folgende Zufammenfunft des Mondes mit
der Venus, mwober dieje Geftirne äußerſt
nahe aneinander vorbegingen. — Merf-
würdig für viele Leute ift auch die Tatr
ſache, daß am 2, Januar die Erde die
geringfte Entfernung von der Sonne erreicht ;
die Winterfälte rührt darum offenfichtlich
nur don der Neigung unjerer nördlichen
Erdhälfte, bezw. von dem ftärferen Weg—
gewendet jein von der Sonnenridtung her.
ndbalt: Aus dev Entitehungszeit ded Dorfes Arzbeim. — Tie Gefchichte der Butter. —
Pfälziſche Ortsnamen. — Haarfugein. — Hildegard vor Hoheneck. — Geſchlechtsveränderung einer
Weide, — Himmelsſchau.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Laudftuhl
- Hermann Kayſer's Derlag, Kaiferzlautern.
Kür Form und Inhalt ber Beiträge find die Herren Rerfafler verantwortlich.
Die „Blälziiche Heimattunde” Lofer jährlich in 12 Heften ME, 2.70, Weteflungen merben von allen Buchhandlungen und
Boftanflalten ferner vom Berleger (Portefreie Streifbandiendung) angenommen.
1. Jahrgang.
Februar 1907.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
L/
v
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
FI MANENEmICH
66. Iahresverfammlung der „Pollichia“,
einesfnaturwiffenichaftlichen Vereins der Rheinpfalz.
Sie tagte diesmal am Nachmittage des
16. Dezember v. Is. im Stadthausjaale
zu Bad Dürkheim und war aus Anlaß der
hodhintereffanten Tagesordnung von fremden
mie von einheimijchen Hörern zahlreich be:
fuht. Nachdem der Borfigende, Rektor
Roth, die Erjchienenen, insbefondere den
Ehrenpräfidenten, Erzellenz von Neumaper,
und den fgl. Regierungspräfidenten von
Neuffer willlommen geheißen und die Ent-
Ihuldigungen ausmwärtiger Kapazitäten mit-
geteilt hatte, erftattete er in furzer Über—
fiht den Jahres und Gejchäftsberiht. Das
Bermögen des Vereins beziffert ſich ein-
ichließlich des Überjchuffes von 1905,06
auf rund 4060 ME.; die Mitgliederzahl iſt
feit dem Vorjahre um 16 zurüdgegangen
und beläuft fi auf 226 Mitglieder.
Nunmehr nimmt der Chemiker, Privat:
dozgent Dr. Erih Ebler- Heidelberg das
Wort, um über den wichtigſten Gegenstand
der heutigen Berhandlungen: Radio:
Aktivität und Arſengehalt der
Dürfheimer Mineralquellen einen
fünfviertelftündigen Vortrag zu halten.
Auf Anregung des Studenten Heinrich
Bart hat Redner die „Margquelle“ des
Bades Dürkheim unterfucht, jene Quelle,
in der die Heidelberger Forſcher Bunjen
und Kirchhoff, die Entdedfer der Speftral-
analyfe, die beiden Glemente Rubidium
und Gäfium fanden. Dieje Quelle iſt geo-
Peih fehr intereffant und für Unter: |
juhungen infolge ihres reihen Sediments
(Niederihlag, Schlamm) ſehr günftig
Redner ftellte einen hohen Grad der Radio-
aftivität feit, der jedenfalls gleich den"
Quellen von Baden-Baden, von Gaftein,
von Nauheim eine beträdtlihe Heilkraft
verbürge. Jnsbefonderel zähle das
Dürthbeimer Quelljediment zu
den ftärfften radioaktiven Quell:
jedimenten. Ganz entgegengejeßt zu Baden»
Baden, deffen Quellen jährlih nur ein
Sediment von etwa 20 kg ergeben, bildet
fih im Wafler der hiefigen Marquelle ein
fo ftarfe8 Sediment, daß pro Jahr ein
Schlamm:Niederjchlag von 180 Zentner
nicht zu hoch gegriffen fein dürfte. Die
Unterfuhung diefes hiefigen Quellfediments
durd; den Bortragenden im Berein mit
stud. chem. Bart hat da8 überrafhende
Ergebnis zutage gefördert, daß die
Marquelle nit weniger als 7,2
Prozent arjeniger Säure aufmeift.
In 1 Liter des Marbrunnens fände
'fih 155 Milligramm Arfen vor.
Keine andere Mineralquelle in
Nord: und Mitteleuropa zeige einen
jo hohen Urjengebalt. Im Hinblid
auf die Heilkraft des Arjens müſſe darum
den hiefigen Mineralquellen und damit dem
Bade Dürkheim eine verheißungsvolle Zu—
kunft bevorftehen.
Die Zuhdrerſchaft fpendete lebhaften
Beifall. Der Ehrenvorfigende Erzellenz
bon Neumaher bringt dem Medner den
wärmften Danf des Bereins und der Ber-
fammelten zum Wusdrud. In der fi
anjchließenden Diskuffion nehmen das
Bort Hofrat Dr. Kaufman- Dürkheim,
Dr. Schäfer-Neuftadt a. H. Dr. Biſchoff
und Reallehrer Schaechtl. Hofrat
Dr. Raufmann verbreitet fi in eingehender
Weiſe über die Geſchichte und den Werde:
gang des biefigen Badeslund feiner Quellen,
und gibt aus dem reihen Schatze jeiner
Erfahrung einen Beitrag zur Löſung des
Widerfpruches zwiſchen der älteren und
neueften Heidelberger Unalyje, welche let-
tere einen jo hohen Arjengehalt des Waſſers
ergab, während früher nicht die Spur von
Arſen gefunden worden war. Die Anficht,
daß diejer Gehalt ſich von jeher gleich ge:
blieben ſei und die heidelberger Forſcher
infolge des Übereiferd der ausführenden
Stelle in Dürkheim feinerzeitYabgeftandenes
oder gar filtriertes Waſſer (aljo möglichſt
„lauber* im Sinne des Laien) erhalten
und chemiſch unterſucht hätten, ergänzt
Hofrat Kaufmann dur die Feitftellung,
daß feine Batienten das Waſſer nicht direft
von der Quelle benugen Eonnten, weil fie
es nicht vertragen hätten. Die Begleit-
erſcheinungen bewiejen jet Far, daß es
fih um leichte Arjenvergiftungen gehandelt
habe und jomit indıreft die Arjenhaltigfeit
des Waflers in !jener Zeit erwieſen jei.
14
Er regt neuerdings an, wie er es vor
einem Menjchenalter jchon getan hatte,
das arjenhaltige Wafler der Marquelle mit
demjenigen des „Wleichbrunnens” zu ver-
diinnen; dann werde es ein vorzügliches
Heilmittel fein für Hautfrankheiten, Lupus
uſw. Mit einem Hinweis auf die glän—
zenden Heilerfolge der Dürfheimer Klinder-
heilftätte fchließt er jeine Ausführungen,
für die Exzellenz von Neumaher den
wärmſten Danf ausipridt. Dr. Schäfer:
Neuftadt erklärt, das Dürkheimer Salz-
wafler jei ein völlig reizloſes Waſſer zum
Spülen der Quftivege, des Mittelohrs ujw.;
Dr. Bifchoff weift auf die abfolut fidheren
Unterfuhungen des Dozenten Dr. Ebler hin
und Neallehrer Schaechtl verbreitet ſich ein-
gehender Weife über eine Reihe von Krank:
heiten, bei denen dad Arſen ein nicht zu
unterfchägendes Meditament abgebe.
Nach diejer erichöpfenden Debatte ſchließt
Erzellen; Dr. von Neumayer die Verſamm—
fung mit einer ernften Mahnung an die
pfälziſchen Ärzte, nunmehr in Spitälern,
Krankenhäuſern zc, zu prüfen und klarzu—⸗
ftellen, in welcher Weife die heutigen Reful-
tate der chemiichen Forichung im Dienjte
der leidenden Menjchheit heilungipendend
zu bermerten feien. Den intereflanten,
2’ ftündigen Verhandlungen folgte ein
Elfen im Parkhotel, das durch verjchiedene
Tifchreden gewürzt wurde. (Nach d. Pf. Pr.)
Pfälziſche Ortsnamen.
Bon Theodor Zink in Kaiferslautern.
Schluß.)
Manche pfälziſche Gewann verdankt
einem Stein ihre Benennung, der alter
Zeit entſtammt. Ob Grenz- oder Gerichts—
und Malſteine vorhanden waren, kann
nicht immer entſchieden werden. Sie heißen
Hinkel-oder Hühnerſtein, d. i.
Hünenſteine, Kunkelſteine, Golden—
ſteine, auch lange oder hohe Steine,
Bekannt iſt der Gollenſtein bei Blies—
kaſtel, der auf Karten fälſchlich den
Namen Gotenſtein führt; dieſe Ent:
ftellung war ſogar die Veranlafjung zu
einer Sage, dab die Goten hier vorbei-
zogen und diejen Stein als Denkmal jeg-
ten. Wie aber ein flaches Melief am
Gollenfteine ausmeift, ift diefer ein römiſcher
Grenz oder Straßenfteın, Nidt
immer aber ftehen die Steine no, nur
die Ortöbezeihnung nad ihnen hat fich
erhalten. Ich fann aber Ohlenfchlager
nicht beipflichten, der in feinem erwähnten
Bude ©. 17 einen Lebenſtein nördlid
von Kriegsfeld und eine Pickelſäule bei
Diedeltopf erwähnt. Erfterer Name ift
nur die Entſtellung des munbdartlichen
Lewenftein ; denn das nordpfälziiche Ritter-
geichleht der Löwenſteiner bejaß bei
Kriegsfeld Güter. Pickelſäule ift Um
deutung von Bileljeiel, älter »jiel oder
fiegel, was nafle oder jumpfige Niederung
im Aderlande bedeutet Auch unjere zahl:
15
reihen Shelmenäder,-bäce, »dellen, |
»gärten, »beden, »gruben, »fanten,
:föpfe, »jeugen, »teiche fünnen Orte
bezeichnen, wo römijche oder ältere Gräber
überhaupt zu treffen find. Am Schel—
mengraben bei Hengſtbach wurden 1882
römifche Gräber gefunden und im Schel—
menmwalde am Rande des Otterbachs
wurde auf Beranlaffung de um uniere
Heimatgejchichte hochverdienten Fabrikanten
Wilhelm Ludovici in Jockgrim ein größeres
römiſches Bad aufgedeft. Schelme ift
mittelbochdeutfh und bedeutet Leichnam,
alfo find unſere Schelmenäder uſw.
Plätze, wo Tote, oft auch gefallenes Bieh
liegen.
“ls um das Jahr 400 n. Chr. die
römischen Heere vom Rhein abgerufen wur-
den, um das Land Italien und Nom vor
dem Eindringen der Hunnen und Germanen
zu jchligen, fiedelten fi die Burgunder
und nach deren baldigem Abzuge die Ale—
mannen an, die dad ganze linfe Rhein:
ufer bis zur Mojel fi unterwarfen.
Aber um das Jahr 500 verdrängte der
jugendliche Frankenkönig Chlodwig, der mit
Lift und Gewalt alle Teilftämme der
Franken unter feinem Machtgebote vereinigt
hatte, die Alemannen aus den mittleren
Nheingegenden und zwang fie auf ein Ge-
biet, das fie heute noch als Schwaben und
Alemannen bewohnen. Die Frankenſtämme
befiedelten nun die Rheingegenden, anfangs
wohl die fruchtbare Ebene und die Täler.
Die Alemannen, die wohnen blieben, wur-
den unterworfen, oder fie zogen fich in das
Gebirge zurück. Alemamiſche Spradele-
mente reihen in der Weſtpfalz weiter nad)
Norden als in der Rheinebene, aud in
den Bolfsbräuchen beiteht heute noch ein
gewiſſer Gegenjag zwiſchen Borderpfalz
und Weſtrich.
Bir fünnen mit Dr. Heeger annehmen,
daß die Hauptmaſſe der pfälziichen Dorf:
namen mit «ingen älter jind als die mit
heim oder bach uſw. Auf feinen
Wanderungen war unjer Volk in diefelben
Gaue, Hundertichaften, Zehntichaften und
Sıppen geteilt wie in der verlaflenen Hei—
mat. Die Niederlaffung in den eroberten
Ländern geichah familien: oder fippenmeife.
Die Angehörigen einer joldhen Sippe wurde
als Gefamtheit mit „ingen” bezeichnet,
wie wir in der Geichichte,ja auch noch von
Meromwingern, Agilolfingern, Ka—
rolingern reden. "Die Nachkommen eines
gewiflen Siebolt waren die Siebol-
tingen), der einzelne ‚ein Siebolting;
von Otto oder Odo ftammen bie
Öttingen, von Beizo)die Zeizingen.
Yedenfalld wurden ſchon während der
Wanderzeit die einzelnen Sippen derartig
unterſchieden; dennzda?bei dem rubelojen
Banderleben an eine Ortsbenennung nicht
zu denfen war, mußte\die Berfonalbezeich-
nung eintreten. Natürlich) mar es ferner,
dat diefe Namen ber Anſiedelungen ge-
braucht wurden und auf diefe übergingen.
Alle Ortsnamen find Dativbildungen;
daher haben wir /und Orte wie Win
zingen, Gimmeldingen, Efjingen,
Nüffingen, Benningen u a, als
ze den Winzingen ujw, au erklären.
Mit Recht fünnen wir daher unſere pfäl-
ziihen Ortsnamen auf -„ingen” als bie
nachmeisbar älteften germanifchen Siebe.
lungen bezeichnen.' Wenn wir auch nicht
die Spuren der Nemeter und Bangionen
in ihnen direft nachweifen, fondern nur
vermuten können, fo find wır doch bered)-
tigt, fie mwenigftens als burgundifchen oder
alemanrifhen Urfprungs aufzufaffen.
Daß viele ingen-Niederlaſſungen in
der Nheinebene von?Tden Franken be
jeitigt wurden, weiſt Dr. Heeger fchlagend
nah: Geinsheim bei Neuftadt hieß 774
im Lorfcher Koder Gunzingen, Eden-
£foben d. h. Ottinghoben wird 776
Botingen, d. i. ze Öttingen, alfo
bei den Öttingen genannt. So wird ın
Weißenburger Urfunden von T74—91
ein ‚Ort Zusinchoven (oder Hursin-
chova?) ermähnt. Diefe Namen find,
wie ich vermute, mit dem Hofe Zusen-
koben oder Usenkoben identifch, der
bei Luſtadt lag und jedenfalls mit einem
der beiden }Dörfer dieſes Namens ver-
ſchmolz, denn in einer Urkunde von 1350
beißt e8: in terminis et in bannis sive
distrieibus Lustat et Usenkoben
und noch einmal: curia hubatica dieta
Zusenkoben, propeLustat. Zusen-
koben ze Usinghofen, älter
Usingen.
Die fränfifche Eroberung der mittel“
rheinifchen Lande hemmte die weitere Bil-
dung bon ingen-Namen; denn dieje be
zeugen die ältefte Zeit des gemeinjamen
Grundeigentums, wo die Marfgenofjenichaft
noch in voller Blüte ftand. Wenn aud
diefe ingem-Orte nur vom 8. bis 11. Jahr⸗
hundert bezeugt find, fo find fie doch viel
älter; frühere Aufzeichnungen find nicht
vorhanden. Wir verdanken die Überliefe-
rung hauptſächlich den Klöftern, die ihren
Befig genau firierten. Noch heute find
jolche ingen-Namen eine frieſiſche und nieder-
jähfifhe Eigentümlichfeit. Dort waren die
Ebbinge oder Hayenga Nadfommen
eines Ebbo oder Hayo. Die Beamten
und Paſtoren Weftfalens verwandelten im
18. Jahrhundert die vielen ing-Namen in
jolde auf -mann, aber das Volk nennt
einen „Zimmermann“ heute noch
‚„Zimmerint“.
Nicht nur Orte, fondern auch Länder
murden nad ſolchen Geſchlechternamen ge-
nannt. So Ferlingen, das Land der
Karuvlinger, Lotharingen, das Land,
da8 den Nachkommen Kaiſer Lothars
zukam. Förſtemann zählt in ſeinem alt—
deutſchen Namenbuche über 1000 ingen—
Orte auf; von dieſen hatte der rein ale—
mannifche Schweizerfanton Zürich etwa 150
auf -inga, »ingun, »ingen oder ink-
hova (Bergleihe: Otinghova — Ebden-
foben, inkhoven!), abgeſchwächt zu
ikon oder iken. Bollifon entftand
aus Bollinghoven, d. h. zu oder bei
den Höfen der Nachkommen eınes Zollo.
Merkwürdig ift uud, dab fich die pfäl:
ziſchen umd andere ingen-Giedelungen in
fruchtbarer Gegend befinden und die engen
(Hebirgstäler oder Höhen meiden. Dieje
murden erft befiedelt, ald die Namenbildung
auf -»ingen ſchon längft erloſchen mar.
Schon nah den Karolingern war bie
Bezeichnung der Fürftengeichlehter auf
«ingen außer Gebrauh. Da aber gerade
Fürftenhäufer noch heute in der Namen-
gebung Eonjervativer find, jo dürfen mir
annehmen, daß im deutichen Volke diefe
Art ſchon früher erloſch.
Die Franken, die um 500 n. Chr. den
Rhein erobern, bringen neue Namen, weil
an Stelle der engen Sippengemeinſchaft
jegt der einzelne mit jeinem Sondereigen:
tum tritt.
16
Der erfte Anfiedler, der Er
oberer, gibt dem Drte feinen Namen.
Friejenheim ift das Heim oder Dorf
eines Frieſo, Fries, Gommersheim
das ein Guntmar, Medenheim
eins Mado, Germersheim eines
Bermar. Der Einzelne ift jegt Herr.
Wenn wir bedenken, daß Chlodwig Stüde
des eroberten Randes an jeine Krieger aus»
teilte, die von dieſen bejegt und bebaut
wurden, fo erflären fi die „Heim: Siede-
fungen der Rheinebene ungeziwungen. Sie
liegen bejonder8 von Rheinhefjen her-
auf an den Römermwegen, die mit dem
Strome laufen oder am Gebirge entlang
heute noch verfolgt werden fünnen. Das»
neben erideinen als ältefte Orte die mit
»feld, »dorf, «haufen Der Raum
diefer Abhandlung verbietet mir nur, Dieje
Ortönamen näher zu betradhten. Das nord:
pfäßziihe Rockenhauſen wird ſchon im
9. Jahrhundert ald Rockinhusn, d. i.
Haus eines Rodo erwähnt. Wir dürfen
alfo nicht nach landläufiger Annahme an
Roggen denken, wie aud; jchon ein Wappen
aus dem 16. Jahrhundert annimmt; Rocken⸗
haufen hat drei tornähren heute noch im
Wappen. Weitergehören Friedelhaujen,
Godelhbaufen, Immetshauſen,
Nyrthauſen, Bettenhaujen, Hert-
lingshaufen, Walshauſen, Biederd
haufen, Schnedenhaujen, Benn-
bauien u.a, hierher. Bettenhauſen
fann aus biftorischen und lautlihen Gründen
nicht von Bethaus, aljo von beten, ab»
geleitet werden, da eine ältere Form noch
im 15. Jahrhundert Bottenhufen lautete.
In diefem Botten liegt der ſchwache alt-
hochdeutihe Genetiv eineds Bodo oder
Boto mie auch jedenfalls in Botten«
bad. Als „Feld“ und „dorf”;Ramen der
fränkiſchen Beit ericheinen Schiersfeld
= Skeringesfeld, Sippersfeld —
Siparidesvelt, Lohnsfſeld, Bayer
feld — Burvelt, die fi bis ins 9,
Jahrhundert verfolgen laſſen. Als rhein-
fränfifch gilt auch ſcheid oder ſchied,
das ſich in einer ganz beitimmten Richtung
von der Südgrenze des Frankenftammes
im Neichslande bis zu den Niederlanden
verfolgen läßt. Ich Führe aus meiner
Sammlung nur an: Trippſchied, d. i.
Trippftadt, Birſchied, d. i. das heu—
tige Börrftadt, der untergegangene Hof
Dlichied bei Obereiſenbach, Eidel
- fheid bei Homburg und bei Winter
born in der Nordpfalz, Wettſcheid,
d.i. Witt- oder Waldſcheid bei Ober:
haufen an der Appel, Hamſcheid bei
Altenbaumburg, Biſterſchied am Stahl-
berg. In feinem andern Namen fommt
mehr als in diefem die Kigentümlichkeit
der Franken, fih zu zeriplittern und ein
geiondertes politiiches Leben zu führen, zum
Ausdrudf.
Wie in den Ortsnamen fih em gut
Teil unierer Volksgeſchichte offenbart, jo
drüct ſich auch älteſtes Heidentum in ihnen
aus, Alſo auch in diejer Dinficht können
fie fulturhifioriiche Denkmäler jein. Auf
alten Götter- und Naturdienft lafien die |
Namen Beuerberg, Ofterberg,
Pfingſtwieſe, Plingftbrunnen, Jo
bannisbrunnen, Kindelöbrunnen |
schließen. DOfterberge fand id) bei Ober:
wieien, bei Bell, bei Otterbach, Bezirk
Sailerslautern, ein Diterfeld bei Alt
heim, Brenſchelbach, eine Oſterwieſe bei
Niedergailbah. An allen diefen Orten
wurden um Oftern oder an den Feuer: |
bergen um Johanni große Feuer anger
zündet, die als Yohannisfeuer noch in vielen
Drten der Pfalz bejtehen.
Die Pfingſtbrunen ftanden einft im
Mittelpunft der volfstümlichen uralten
Pfingitumzüge, die im pfälziichen Holzlande
und auf der Sidinger Höhe jomie bei
Bliestaftel Heute noch leben und als Pfingit- |
reiten oder Quadreiten große Anziehungs- |
kraft beligen.
Der Donnersberg mit feinem Ge:
nofien, dem Eleinen Donnersberg bei
Neuleiningen erinnert direkt an den Donner:
gott, dem die Donnerfeile und die Donner:
diftel, die fich in der Pfalz jo häufig finden,
geweiht waren. Noch bis in unjere Beit
dauert ihre Verehrung als ſchutzſpendende
Dinge. Der Donnersberg hieß bereits
im 8. Jahrhundert Thonaresberg.
Sjedenfalld verdanft er den Franken, die
um 500 n. Chr. bier eindrangen und troß
Chlodwigs Belehrung noch vielfach heidniſch
blieben, dieſen Namen. Schon zur Römer—
zeit hieß er.Mons lovis, und dem Um—
ftande, daß Jupiter audı der Donnerer ift,
mag die deutiche Penennung bezw. Ueber:
tragung zuzuschreiben fein. Ein Felfen auf
17
der Höhe des Perges trägt die Buchſtaben
:J. ©. M. als Anfang einer Votivinſchrift
auf Jupiter den beiten und größten; denn
fie müflen als Jovi optimo maximo auf-
gelöft werden
Der Drensberg ift aber fein
Odinsberg, wie Auguft Beer glaubte;
auch der Name Odinstal iſt Entfiellung.
Ein Ort mit Beziehung zum oberiten
germanifchen Gotte müßte Gobenstal,
Godesberg heißen, da ſich altes w in
unferer Mundart gern in ® verwandelt,
zum mindeftens müßte W erhalten fein.
' Odin ift die altnordiihe Form des alt-
hochdeutſchen Wuotan oder Wodan, da-
ber konnte audh der Odenwald fein
Odinswald fein, fondern er muß als
Odonowalt, silva Ottonis, als Wald
| eine8 Otto oder jeiner Nadhlommen ge-
deutet werden.
Mit Sage und Mythologie hängen die
unzähligen Ortsnamen auf „Teufel“ zu:
fammen, die noch häufiger auftreten als
die auf „Heiden“ Es gibt Teufels
brunnen, »berge, graben, löcher, felſen,
wieſen, »bäche, »reche, d. i. Raine, uſw.
Die verſchiedenen pfälziſchen Sagenſamm—
lungen wiſſen mancherlei von dieſen Orten
zu berichten. Der römiſche Grenzwall heißt
Teufelsmauer und der Felsblock am
Dürtkheimer Kingwall Teufelſtein. Nach
Ohlenſchlager treibt der Teuſel im Teufels-
berge und Teufelsfelſen ſein Unweſen
und durch das Teufelsloch im Modenbacher
Tal zieht brauſend im Sturm das wilde
Heer. Sagenhaften Urſprungs find Namen
wie Sclangenbrunnen, Schlangen
bad, Schlangenidlag, Schlangen-
halde, Höhle, -ſelſen, Wildfrauenlod,
-berg und Ungeheuer. Die Erforſchung
der örtlichen Flurnamen, die ſaſt nur den
Lokalkundigen, alfo in erfter Linie dem
Lehrer, möglich ift, könnte noch mandes
| zutage fördern, das der Heimatkunde und
Geſchichte nicht.nur, jondern auch dem Unter:
richte zugute käme.
Wenn wir die keltiſche und römische
Seit unferer Heimat als erften Zeitraum
der Namengebung, die fränkische Befiedelung
vom 5. bis 8. Jahrhundert aber als zweiten
aniehen, fo erjcheint die Zeit der Ktlofier-
grüindungen vom 8, bis 12. Yahıhundert
als dritter Zeitraum. MUeberall entjtehen
Rodungen geiftlicher und weltlicher Herren.
In einer Wildnis, die bisher nicht bewohnt
war, erhob fid) 3. B. das Zifterzienjerflofter
Dtterberg und legte jo den eriten Grund
zu der ipäteren Stadt; die Brüder rodeten
aflenthalben die Wälder, die ihnen von den
Grundherren des Yandes gegeben wurden.
Neue Gotteshäufer werden gegründet, Bur:
gen entftehen auf der Höhe der Berge.
Aus diefem Beitraume ftammen fait alle
Namen auf burg, fappel, bagen,
firden, reute oder rode und zell,
Die Kirche ift die mächtigite Grund:
berrin wie jchon einmal zurzeit Karl Mar—
tele. Zur Bewirtichaftung ihrer Güter
legt fie Bauernhöfe an oder erwirbt folche
au durch Kauf. Unjere Mündmeiler
und »böfe in der Pfalz beitätigen dies;
denn fie find aus ehemaligen Slojterhöfen
hervorgegangen. Unjere Biaffenberge,
-wälder und »-äder uſw. entitammen
derjelben Zeit. Für den Örtspfarrer, den
Pleban wird im Yaufe der Jahrhunderte
dad Pfarrgut oder Wittum ausge
fdireden, das heute wenigitens dem Namen
nach zu erfennen iſt. Auch Namen wie
Achte und Brühl find hierher zu zählen.
Gin in der Diarf angefeffener geiftlicher
oder weltlicdyer Grundherr war, namentlich
wenn er die Stellung eines Obermärkers
inne hatte, am erjten in der Yage, ganze
Nottländereten ın der Almende,
alſo dem, was allen gemeinfam war, für
fich zu erwerben. So entitanden die ſoge—
nannten Beunden, Bunden oder
Achten, auch berridaftlide Bifange
genannt, welche nicht wie die Frohnlände—
reien mit den eigenen Vrbeitöfräften des
DHerrenhofes, fondern im Gelamtdienit der
zur Fron verpflichteten Bauern beſtellt
wurden, ber auch noch nach dem Ber:
fall der gutsherrlichen Gigenwertichaft jeit
dem 12, Jahrhundert erinnern die Namen !
nody an die alten Verhältniſſe. Frohn—
bofen, Frohnbach, Frohnbuſch find
gleichen Alters. In ihnen ftedt das alt-
deutihe Wort für Herr: Frö, zu dem aud)
Frau, d. i. Herrin: Frowa gehört.
Die meilten Almenden, d. i. ge
meinschaftliche Felder, Wiejen und Wal: | Standenbühl, d.
18
beftehen die Almenden noch. Daran er-
innern Flur und Waldnamen mie: die -
Alme bei Gonbah, Almenmoog bei
Meehlingen, Almengajje in Sembad,
Roſenalme, die heutige Rojenftraße in
Kaijerslautern, daſelbſt auch eine Gaſſe:
Ruhallmend, die Almen bei Weiters—
weiler, uff dem Almrode bei Münch—
weiler an der Aljenz, genannt im 15,
Jahrhundert. 1202 Heißt der marfgenofien-
ihaftliche Befig an Wald, Weide, Fiicherei
beim Hofe Affolterloh am Rhein die
Almede, 1821 wurden in Dudenhofen
die „Almengüter“ in 91 Lofen ausge:
boten. Auch die fogenannte Franken—
waide im Gebiete ded oberen Speyer-
baches ift nur eine große Almende, ein
gemeinschaftliher Wald: Franfenmwaide,
d. i. freier Wald, der feinen Namen jeden«
falls ſchon der erften Befiedelung durd) die
Franken verdauft. Es wäre alfo ein Wald,
der aus dem großen föniglihen Forſte
Vosegus, franzöfifch Vosges, daher Vogeien,
ausgejchieden murde.
Dieje Andeutungen werden wohl zeigen,
daß fih an den Orts- und Flurnamen die
Fulturgefchichtliche Entwickelung zeigen läht,
die unjer Volk durchlebte.e. Es wäre ein
leichtes, aus diefem Material die altger-
manijche Bemwirtichaftung, insbejondere auch
die Bedeutung des Hirtenlebens, das für
das Werden unferes Volkes wichtig war,
zu erfennen. Wielleicht ift hierzu fpäter
Gelegenheit. :
Wir dürfen aber nicht ſchließen, bevor
auch der Namen gedadıt ift, die im Sprach—
ſchatze des Volkes heute nicht mehr be-
ftehen, aber nod an Drtlichfeiten haften.
Die Ortsnamenfunde ift daher ein wich—
tiger Zweig der Sprachgeichichte, denn fie
bewahrt uns mandes Wort und vermag
uns menigitens teilweiſe Auffchluß über
ültere Sprachverhältniffe zu geben. Aus
dem Munde des Volkes find Wörter wie
Bühl, Hart (Daardt), Schaden,
Hag, Lob, Mar u a. verfchmwunden;
aber unjere Ortsnamen haben fie bewahrt;
wir fennen in der Pfalz zwei Dörfer:
Böhl, älter Buhel oder Bohel, und
i. am fteineten
dungen der Markgenofjen, find heute auf | Bühl oder Böhl, und zahlreiche Eleinere
geteilt; vielfach geihah es im 18, Jahr—
hundert, aber auch noch im 19. Zum Teil
Erhebungen: Lindenbühl, Teufels
bühl, Meifenbühl (1361: Meysen
Buhel bei Landftuhl), Fahrenbußpl,
Hohe Bühl, Schenfelbühl, Reis—
böpl, Geisböhl u. v. a.
Der Name Hart (oollſtändig entftellt
in Haardt) findet ſich nicht nur als Ber
zeihnung des großen Waldgebirges, das
die Fortſetzung der Vogefen bildet, fondern
auch anderer Wälder, oder er gibt nur an,
wo ehemals Wälder beftanden: Harthübel
bei Weılerbah, Bautenhart bei Pörr-
bad, Schauenhbart ber Sriegsfeld,
Darrerfopf bei Kaiſerslautern, eine
Hart bei Schopp, bei Merzalben und die
Dörfer nicht zu vergeifen, die ihrer Yage
am Walde oder in demielben den Namen
verdanken: Grevenhart, abgegangenes
Dorf bei Speyer, Harthauſen, Schei—
benhardt, Schindhardt, Kuhardt jomwie
Hördt, älter: Herde und Birfenhördt.
„Hardt“: Die Bezeichnung des mittel:
pfälziihen Berglandes und Waldgebietes
ald Dart oder Hartgebirge hat troß
unferer Gemwöhntheitt an das Wort aud)
für den Bfälzer einen eigentüimlichen Klang;
auch die Schreibweije war jeit langen
Beiten nichts weniger als feftftehend und
bat fi vom einfachen Hart bis zum ortho-
graphifchen Wort-Ungetüm Haardt in mehr-
facber Form bis heute erhalten. Das
prachtvoll gelegene Nachbardorf der „Perle
der Walz”, Neuftadts, heißt heute noch
Haardt; natürlich gilt diefelbe Ortho—
graphie für das Haardter Shlößden.
Heute bezeichnet man das mittlere Berg:
land der Pfalz in einfacherer und hiſtoriſch
befjer begründeter Form als Dart oder
Dartgebirge, was eigentlich ein bißchen
viel auf einmal ıf. Dart, genauer
hartes, bedeutet ja jchon joviel als be-
maldetes Gebirge, waldige Höhe, wie aud)
in Dr. Autenrieths Pfälziſchem Idiotikon zu
lejen if. So müllen wir in dem Namen
des norddeutichen Gebirges Harz und im
Spejjart, der ſoviel als Spedteshart,
Spedtswald, den alten Stamm erkennen;
ja der Harz hieß fogar bis ins 11. Jahr-
hundert hinein hart und der heutige Name
rührt von hartesburg her. Die weibliche
Form die Hart, genauer hartin, harten,
welch' letztere Lesart in Hartenburg
wiederkehrt, leſen wir ſchon im frühen
Mittelalter für den nördlichen Teil des
mons Vosagus zwiſchen Neuſtadt und
19
Grünſtadt; Neuſtadt ſoll ſogar urkundlich
als Neuß auf dem Woſichou (Waskengau)
oder am Speierbach vorfommen. Erſt ſeit
dem Ende des 16. Jahrhunderts entſtanden
die Variationen hard, hardt, haardt,
aber auch hert und hördt. Autenrieth
nennt das Wort fränkiſch, bayeriſch und
bſterreichiſch; nach ihm gibt es auch eine
Anwendung der jählihen Form das hart.
Als Beiname zur näheren Bezeichnung
von Ortſchaften iſt e8 uns geläufig ge
worden: Dürfheim a. 9, Wachenheim
a. H., Neuftadt a. 9.; fonft ift der
Name nicht gerade auffällig. Wer aber
feine Pfalz genauer fennt, findet außer
den oben genannten Namen noch einen
Hardtmwald bei Weilerbad und erınnert
fih an Burg und BWalddiftrift Lützel—
hbardt, welder legtere noch bei Peters—
bächel an die pfälziſche Südgrenze jtößt;
er fiebt neben dem Dorfe Hardenburg
die Runen der großen Hartenburg; die
Gemwannennamen Hardt und Hardter
Eck bei Gersheim an der Blies find nicht
mißverftändlih Aber näher dem Wasgau
fehrt das Wort mehrfad wieder; jo gibt
es ein Forſthaus Haardt öftlih vom
Geisberg bei Weißenburg und ein anderes
Forſthaus Nonnenhardt, 5 Silometer
nördlich von Wörth. m mittleren Was:
genmwald finder fih der 477 m hohe
Hohart weſtlich von Wafjelnheim und
bei Mutzig ein Gehöfte namens Wangen
bardt. Diefem füdlichſten Vorkommen
— fomweit unjere Slenntnis reiht — ent—
ſpricht ein mördlichftes in dem Mund—
bardterhof bei Türfheim (Seebad). Es
gibt auch ein Gehöfte Schafhardt bei
Straßburg, jo daß wir in der Gbene alle
drei Echreibmweijen angetroffen haben.
Daß fih auch anderwärts die mittel:
und althochdeutihe Bezeichnung für eine
bewaldete Höhe erhalten hat, fehen wir
im Hunsrück, welder Geſamtname feiner-
jeits gleichfalls alt ift. Bei Neumagen,
zwilchen dem Hochwalde und der Mojel
beißt ein größerer Bezirf Stronzbuſcher
Haardt, ein fleinerer meiter jüdlid
Haardtwald. , Weitlid davon, jenjeits
der Mojel bei Ehrang, gıbt es einen
Hanrdter Tunnel. Ein Nordabhang
füdöftlich bei Stürzelbronn heißt Hardt,
eine Ortichaft zwifchen Bitſch und Philipps»
burg Egelshardt; ebenjo gıbt es Gehr—
hardt ſüdöſilich von Philippsburg.
die Forſthäuſer Hungerhardt 8 km von
Bird, Nonnenhardt bei Yangenjulz:
bad und unmeit desjelben Ortes das Ge-
höfte Hard mären hier zu nennen. —
Im Norden finden wir bei Kreuznach eine
Höhe Haardt und bei Wiesbaden einen
Haardtwald.
Auch rechts des Rheines finden wir den
Ausdrudf wieder: im Odenmwalde bei Wald:
michelbach ift ein Hardberg und im Be-
zirfe Karlsruhe gibt es „Leute in der
Haard” ; die nicht wenig anfteigende Höhe
jüdöitlıch von Lahr im badiichen Oberlande
heißt Yangenhard. Gehen wir noch weiter
ms Schwabenland, jo treffen wir ein
Murrhardt an dem Flüßchen Murr,
und die Ortichaften Nothenhaar (Murr-
hardt Ellwangen), Gründelhardt und
Hohnhardt bei Crailsheim, ſowie einen
Bezirf Hardt ber Ebingen in der Rauhen
Alb. Die öſtliche Endigung diefes Jura—
plateaus heißt an der bayrifhen Grenze
bald Härtfeld, (Sohr Berghaus), bald
Härdtfeld (Säbler), bald Hardtfeld
(Sydow), oder Hartfeld (Andree).
Weiter von uns weg lejen wir eine
Hardt bei Düffeldorf, einen Haarſtrang
und ein Rothaargebirge Daß das
Wort auch „ölterreichiih“ iſt, ſehen wır
in der Gegend von Wien, wo die aus-
gebreiteten Höhen im Nordmeften der Stadt
den Namen Manhardsberg oder Man
hardtsberg tragen. D. Cd.)
Schaͤhen, Hag Loh und Striet oder
Strut, oft auch Streit, find Namen für
Heine Waldteıle. Nach dem erften nennt fich
der Schacherhof bei Rodenhaufen, nad)
Loh: Lohnweiler, mundartlıh: Roh
mwiller, nah Striet oder Strut die
Strurmieje bei Gerbadh, der Streitwald
bei Diarienthal, das Striet bei Rothſelberg.
Das alte Wort mar für ftillftehendes
Wafler ift jedem Beſucher der Eifel mohl-
befannt; davon abgelertet ift unjer Meer
und der merkwürdige lurnamen „im
roten Meer* ber Hoddorf; im 14.
Nahrhundert wird am Rhein bei Speper
das Mar von UÜdenheim, wohl ein al
rhein erwähnt.
Schließlich gebe ich noch eıne — Zu⸗
ſammenſtellung der Grundwörter, die zu
20
Auch
Ortsnamen im weiteſten Sinne, wozu alſo
alle geographiſchen Namen gehören, geführt
haben. Quellen beißen Spring oder
Spreng, Bronn, Haupt, Sod oder
Klinge, die Mündung: Mund, Gemünd,
Ort oder Ed, Übergänge werden Surten
genannt: Bartenfort bei Waldmohr, Ejels:
fürtb, Breitfurt, Fürth, Bezirfsamt Kuſel;
Inſeln: Wörth, Wert, Werder, Au.
— Für Bodenerhebungen find häufig:
Hauf oder Hauch: Winterhbaud,
Pübel, Bud, Leh, Firft, Rück und
Rick, Ort, Kopf, Kuppe, Naie,
Stauf, Fels, Stein (Münjter a, Stein).
Täler heißen: Mulde, Grund, Dell,
Kehl, Hehl, Helle (Hälichlidh: Hölle),
Saig oder Seiel. — Der Wald heißt:
Holz, Wiede (Witt), Marf, Forſt,
Horit, Dag, Lob, Schaden, Striet
oder Strut. Auch nad jeinen Päumen
kann der Wald benannt fein: Eichenlod,
d. i. slohb, Bucdhenberg, Yındenau,
Birfenhördt, Tannen Dannenfels,
Dannjtadt, Fohren (Dorf bei St.
Wendel im Negierungsbezirf Trier), Haß—
loch — Hajelad, älter: vielleiht Hasal-
ahi, d i. Dajelmald. — Übenes be—
bautes Land wird Feld, Flur (deri,
Ebnet, Boden, Land, GSpreite,
Adler, Hufe, Morgen genannt, 3. B.
Schmoalfeld, aufdem Flur, die Kappel—
flur bei .einer ehemaligen Kapelle uſw.
— Sitmpfe find zwar nicht mehr jo zahl«
reich in der Pfalz wie ehedem; aber Stellen
mit den Namen Brud, Moos, Mies,
Buhl (Buhl), Sohl oder Suhl,
Schlier, Hor und Leimen find ſichere
Beiden, daß folche beftanden. Auch Horn=
bach ift ein Horinbach oder Horenbadh,
d. h. ein fumpfiger Pad. Ein Schlier—
tal liegt bei Franfenjtein und im feuchten
Pfälzer Walde liegen viele „Sohle“, 5. B.
Waidſohl, Taubenfuhl, Trauterjohl
und Schwarzfohl.
Unjere Orts-Flurnamen find vielfadhen
Mikdeutungen unterworfen, weil fie jehr
oft altes Sprachqut in uniere Yeit gerettet
haben, das im Wortſchatz des Volkes feine
Stütze findet und daher fih an anderes
anlehnt. Dieje Ericheinung bezeichnen mir
nad) des Sprachforſchers Andreſen Vorgang
mit Volksetymologie. Wichtiger wäre volks—
mäßige Umdeutung. Hier nur einige Bei-
fpiele: Die heutige Mabdbenburg hieß noch
im 18. Jahrhundert Magdeburg und gab
als ſolche dem fürſtbiſchöflich ſpeyeriſchen
Amt Magdeburg den Namen. In mittel
hochdeutijcher Zeit wurde fie Meideburg
genannt mie die befannte Stadt an der
Elbe. Beide führen von der Yungfrau
(maget, meit) Maria den Namen. —
Einſelthum entſpricht dem mittelhod-
deutſchen Insultheim, fpäter Einselt-
heim; um = heim. Man vergleidje
hierzu: Oberkum = Obrigheim,
Dertem = Dürkheim, BZeisfam =
Zeizenkheim, dem ein nod älteres
Beizingen möglicherweiſe vorausging.
Grünftadt entipricht einem alten Grinde-
statt, d. i. Ort oder Stätte an einem
Hügel, Grind iſt alfo etymologifch mit
den Hornißgrinden (nit gründen) und
dem Grindelwald verwandt. Noch
heute werden mehrere Erhebungen in der
Pfalz; Grind genannt. Mefjersbad
hat feinerlei Beziehung zu Meſſer, fondern
hieß urfprünglid Maßholderbach und
21 —
der Wäſchbacherhof am Donnersberg
war ein Wiesenbach, wie Rammels—
bach ein Remigsbad, d. i. Remigius-
bad.
Bir erjehen aus dieſen furzen Aus»
führungen, die überall nur andeuten fonn-
ten, welch reichen Stoff die Ortsnamen-
funde bietet. Da ſich aber in jeder Ge-
markung zahlreihe Namen finden, die in
geihichtlicher, geographiſcher und natur-
geichichtlicher Beziehung einer näheren Be-
tradhtung wert find, fo ergibt fih für die
Heimatkunde Material, das befonders auf
der Dberftufe unferer Volksſchulen ver«
wendet werden fann. Wo ein Namen jo-
zufagen die Gefchichte der Ortlichkeit oder
der Gegend mwiderfpiegelt, wird der Lehrer
gerne zugreifen und einige Augenblide ver«
weilen. Schwierige Etymologien gehören
jelbftverftändlih nicht in die Volksſchule;
aber unjere Flurnamen bieten mit den
eigentlichen Ortsnamen in ihrer Mannig-
faltigfeit brauchbaren Stoff genug, dem der
Lehrer Leben verleihen muß.
Heber das Borkommen des Wolfes in der Pfalz.
4, Die Anfiht, daß das Vorkommen | zweiten Wolf. Bei einer Frhr. v. Stumm-
des Iſegrims in unſerer heimiſchen Pfalz
in die fernfte Zeit zurlücdverlegt werden
müffe und derielbe nur nod in Fabeln
und Märchen bei uns befannt jei, ift irrig.
Tatſachen beftätigen, daß ab und zu der
gefürdhtete Räuber feine Streifzüge von
den Ardennen nad) Lothringen in die Bor
gefen und von da in unfere Forften und
Fluren in fchneereichen, harten Wintern
unternimmt und da freibeutert. Soviel
ih mich erinnere, wurden in den fechziger
und fiebziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts in der Nähe von Landjtuhl
4 Wölfe erlegt.
Im Februar 1867 wurde bei einer
Zreibjagd im Revier Hausberg bei Bann
ein ftarfer Wolf zur Strede gebradt in
einem Gewichte von 95 Pfund. Der glüd-
lihe Schüße war der num ſchon längft ver-
ftorbene Raufmann Martin aus Landſtuhl.
Das ausgebalgte Tier ift noch im Beſitze
des prakt. Arztes Herrn Dr. Martin. Im
März desfelben Yahres erlegte der Förfter
H. eber im Revier Kahlenberg einen
ſchen Treibjagd im Jahre 1869 mußte ein
dritter Wolf feinen Pelz dem glüdlichen
Schützen H. Oberftleutnant Schmitt von
Eichberg im Nevier Stahlenberg laffen. Der
vierte und legte wurde anfangs der fieb-
ziger Yahre bei Schnee im Schlage Did:
bef in der Nähe des Steigerhofes bei
Bann von einem Frh. v. Stumm’ichen
Förſter morgens gejpürt und eingefreift.
Sofort murde eine Wolfsjagd von dem
Frh. v. Stumm'ſchen Oberförſter Herrn
Schütz in Landſtuhl arrangiert. Hohe und
niedere Herren, unter anderen der damalige
kgl. Bezirlgamtmann zu Homburg, Siebert,
nahmen: daran teil. Nachdem in aller
Ruhe der Schlag Dickheck von den Jägern
umjtellt war, ging das Treiben los. Wie
mag da mandem Jäger du8 Herz ım
Leibe geflopft haben vor Aufregung ob der
Dinge die da kommen follten! Den An-
lauf eines Wolfes zu haben, ift eine Sel:
tenheit und babe ih mir auch jchon oft
die Gelegenheit herbeigemwünicht, mit dem
Rohr in der Hand Befanntichaft mit dem
Raubgejellen machen zu dürfen. Wohl
mag manden unerfahrenen Weidmann die
Erfahrung, daß der Wolf bei jclechtem
Schuß den Schügen annehme, auf jeinem
Poſten in nicht geringe Angſt verjegt haben.
Es dauerte auch nicht lange und Iſegrim
ward flüchtig. Mit aufgeiperrtem Fange
jaufte er im Holze die Schüßenlinie ent-
lang. Schuß fradte auf Schuß, aber
Danf der Hißigfeit der Schützen paifierte
der Schlaue. Wohl mag er aud beim
Austritt aus dem Holze die richtige Ent-
fernung zwiſchen zwei Schützen gegriffen
haben. Ein Nimrod hatte allerdings das
Glück, aus der Nähe jein Rohr abzufeuern.
Während die einen dem in fchnellftem Tempo
davoneilenden Gejellen nachſchauten, hielt
die anderen der Änblick des letzterwähnten
Schützen gefeflelt, der freilid mit dem
Schafte in der Hand einen traurigen, viel:
leiht auch komiſchen Eindrud gemacht
haben mag; infolge der übermäßig ftarfen
Ladung war ihm nämlich beim Schuß der
Lauf mit davongeflogen. Ob diejes jchlimmen
Ausganges der Wolfshege bemächtigte fich
jegt der Schützen eine große Nieder:
geichlagenheit, bis jchließlich em eifriger
Beobachter der Fährte im Schnee trium—
phierend Fonjtatieren konnte, daß Iſegrim
ichweiße, was dann die Stimmung allge:
mein etwas hob. Das Glüd, Iſegrim an:
gefragt zu haben, glaubte natürlich jeder
für fih in Anſpruch nehmen zu dürfen,
der überhaupt nad ihm gejchoflen hatte.
Später fand man ihn am SHoheneder
Weiher, über eine Stunde vom Anſchuß
entfernt, tot auf. Die Palme bean:
ſprucht heute noch energiſch der rohrlofe
Jäger. Böje Zungen behaupten freilich,
Iſegrim habe feinen ehrlichen Wolfstod
fterben fünnen und jo habe er in feiner
Verzweiflung in ſelbſtmörderiſcher Wbficht
den Tod ım SHoheneder Weiher geſucht
und gefunden.
5. Mir jelbft begegnete in dem jchnee:
reihen Winter 1889 in einer mondhellen
Nadıt auf dem Wege von Obermohr nad)
Steinwenden ein Wolf, der in ruhigem
Trabe die Straße entlang den ausge
tretenen Fußpfad mir entgegenfam. Leider
war ich unbewaffnet und hatte bloß einen
Spazierftof in der Hand. Der fühne
Räuber ift befanntlih bei ſolch einjamen
Begegnungen äußerft keck, was ich wirklich
beitätigen fann. Schnurſtracks kam Sie
grim auf mich zu. Als wir uns auf etwa
3 Schritte genähert hatten, blieb ich ftehen,
was ihn einen Moment ftußig machte.
Den Stod emporhebend, verjuchte ich einen
Hieb nah ihm zuführen. Doch im näch—
ften Augenblif ftand der Wolf etwa 4 m
feitlih von mir unter der ziemlich bedeu-
tenden Böſchung. Den unbejchreiblich ele-
ganten Sprung vergeffe ih nie. So
firierten wir uns einige Sefunden. Doc
wahrſcheinlich durch meine ftramme, ruhige
Haltung bewogen, trabte er vielleicht 30 m
weiter und blieb dann wieder ftehen. Die
graugelbe Färbung, der biß zur (Erde
herabhängende Schweif, die aufrecht ftehenden
Ohren, furz die ganze Haltung und Figur
ließ bei mir feinen Ymeifel, das Tier als
einen Wolf anzujprehen. Ich ging ge
meſſenen Schritte, mich dabei immer über
die Schulter nad der Beftie umjehend,
weiter. Ich ſah noch, daß er jeinen Kurs
änderte und die Straße in meinem Rüden
querend jeldein z0g. Am nächiten Morgen
ging ich nochmals zur Stelle und verfolgte
feine Fährte eine Bierteljtunde, bis zur
Stelle, wo fie in den Wald einführte, wo:
bei ich durchaus beftätigt fand, daß es ein
Wolf war, indem derjelbe bei jeinem ge-
wöhnlichen Trabe gerade jo jchnürt, wie
jein liftiger Stiefbruder Reinefe, nur da&
die Fährte bedeutend größer ift.
6. Noch von einem Falle, daß Wölfe
in der Pfalz beobachtet wurden, kann id)
berihten. Ym Jahre 1873 brachten näm—
ih zwei Wölfe über eine brave Lehrers-
familie ein tragiiches Geſchick. Frau Lehrer
Hofmann von Dmmersheim begegnete auf
dem Heimmege vom Beſuche ihrer Eltern
in Bliesbolden in den Nacdmittagftunden
oberhalb Gräfental zwei Wölfen; fie ver-
legten ihr den Weg, indem fich die beiden
Beitien gerade vor diefelbe ſetzten. Bor
Angft jchrie Frau Hofmann überlaut um
Hilfe, was die Wölfe aber nicht außer
Faſſung bradte. Ihre Überlegenheit der
wehrlojen Frau gegenüber bewußt, blieben
fie ruhig fiten. Etwa 5 Minuten befand
ich die hilfloſe Frau voll Angft und ‚Ber:
zweiflung in diejer gefährlichen Situation.
Endlich wichen die Wegelagerer ohne an:
zugreifen, indem fi der eine links, der
andere rechts in langfamem Trabe ind Ge-
büſch ſchlug. Nach Haufe zurücdgefehrt
mußte ſich Frau Hofmann ſogleich zu Bette
begeben und war infolge des ausgeſtandenen
Schreckens innerhalb 8 Tagen eine Leiche.
— Eine veranſtaltete Wolfsjagd brachte die
Wölfe zwar zu Geſicht, jedoch leider nicht
zur Strecke. 3. 6.
7. In Frankreich beſteht noch faſt allent⸗
halben die alte Einrichtung der „Wolf—
leutnants“, die die Wölfe zu vernichten
haben. Man hört im allgemeinen ſelten
etwas von ihnen, und ſo hatte ſich in
Frankreich die Meinung herausgebildet, daß
ſie allmählich nebſt den Wölfen ausgeſtorben
wären. Demgegenüber ſtellen die „Annales
forestieres* feſt, daß es nod heute in
Frankreich faft 400 folder Wolfleutnants
gibt, und zwar in den @ebirgsgegenden
begreiflicherweije mehr, aber aud im De:
partement Seine-nferieure noch deren 11.
Allerdings find fie in 15 Departements als
unnüg bereits ganz abgejchafft morden.
Die Zahl der Wölfe in Frankreich jcheint
noch immer beträchtlich zu fein, a.
jegt lange nicht mehr fo viele jährlich ge-
tötet werden, ala Wolfleutnants vorhanden
find. Im Jahre 1901 wurden 155 Wölfe
erlegt, 1905 immerhin noch 93. Diefe
Bahlen bedeuten eine fehr ftarfe VBerminde-
rung gegen früher. In der Zeit von 1818
bis 1820 murden durch die Wolfswächter
im ganzen 18709 Wölfe zur Strede ge
bracht, was einen Jahresdurchſchnitt von
1559 ergibt. 1865/66 follen nur noch 232
erlegt worden jein, aber dieſe Angabe ift
fiher ungenau, da nur der dritte Teil der
beftallten Wolfsjäger überhaupt einen Be—
richt eingefandt hatte. Im Departement
der Bogejen murden von 1817 bis 1842
im ganzen 1612 Wölfe, aljo 64 jährlich
erlegt, in den Jahren 1901 bis 1905 nod)
35 oder 7 aufs Jahr. Weit mehr Wölfe
wurden in derjelben Zeit noch getötet in
den Departements der oberen Bienne (100),
der Dordogne (80), der Charente (66),
der Maas (35). — Im Anſchluß an leß-
teren Bezirk jei erwähnt, dab erft wieder
am 28. Dezember 1906 bei Hillesheim
in der Nähe von Birresborn ein Wolf ge-
jehen morden ift — zum erften Male
feit 1888,
Ber Queichnanal.
Im Jahre 1687 kam der franzdfiiche
Marſchall Bauban im Auftrage feines
Königs Ludwig XIV. nah Landau, um
dafelbft Entwürfe für eine an der Queich
anzulegende ftarfe Feſtung anzufertigen.
Der Plan des Königs fam auch, mie be-
fannt, in der Tat zur Ausführung und
ihon im April des folgenden Jahres 1688
wurde bon dem Striegdminifter Louvois
jelbft der Grundftein zu den neuen FFeftungs:
werfen gelegt. Das für jene Beit ge
waltige Werf war in einigen wenigen jahren
vollendet, nicht zulegt infolge der bequemen
und billigen Transportmittel für das un—
geheuere Material an Steinen. Hierzu
diente ein eigener anal von dem Gebirge
an bis zur Stadt: Der Queidfanal,
Es mar ein Fluger Gedanfe des
Feitungserbauerd® Bauban, die Wajler-
fraft der Queich fi dienftbar zu machen,
Der Bedarf an Baufteinen war ein unge:
beuerer, ihre Herbeifchaffung mußte darum
möglichit leicht und billig bewerfjtelligt
werden, da man das Werk des Feſtungs
baues raſch der Vollendung entgegenführen
wollte. So fam es, daß wahrſcheinlich
im Frübjahre 1688 ein Kanal gegraben
wurde von Wlberöweiler ber, wo man die
erforderlichen Mengen des ald Baumaterial
vorzüglich geeigneten ®ranits in den Stein-
brüchen leicht gewinnen fonnte, bis nahe
an die Stadt heran. Auf diefem bequemen
Waflerwege wurden die Steine faft bis
zur Bauftelle befördert. Der 5's Kilo
meter lange Kanal war ein großes,
bewundernswertes Werk für ih allein
Ihon, und doc; follte er nur ein Hilfe
mittel fein; nach Vollendung des Feftungs-
baues hatte er feinen Zwed erfüllt. Aber
überflüjfig war er nicht geworden, und feine
Bedeutung in den feither verfloffenen zwei
Yahrhunderten in wirtichaftlicher Hinficht
war entjchieden größer als die Rolle, die
er zur Beit des Feſtungsbaues geipielt
hatte. — Berfolgen wir jedoch zunächſt
feine Ausführung, bevor wir auf feine
jegige Bedeutung noch aufmerffjam maden
wollen,
Der Stanal beginnt am früheren weſt—
lihen Ende des Dorfes Albersweiler in
unmittelbarer Nähe der Granitſteinbrüche.
Seine Anlage erforderte im großen und
ganzen wenig Überwindung von Schmwierig-
keiten, da jein Lauf ın einem günftigen
Terrain ſich vollzieht, wo nur einige
Brüden notwendig waren. In der Nähe
des Dorfes Siebeldingen, beim ehemaligen
Dörfhen Kolchenbach, konnte mit Leichtig-
feit das wenige Waller des Kolchenbächleins
den Waſſermaſſen des Sanals zugeführt
werden. GErft in der Nähe Landaus, etwa
25 Minuten oberhalb der Stadt, gab es
ein größeres Hindernis zu bejeitigen, das
tief eingejchnittene Bett und die Kreuzung
des Ranſchbaches. Wenn man bei Frey,
Beichreibung des Rheinkreifes I. Bd. S. 293
lieft, der Kanal ziehe „von Ranſchbach ber
das Ransbächlein“ an fih, jo merft ein
der Gegend Kundiger fofort, daß Frey dieſe
Ortlichkeit vorher nicht gefehen hat; denn
der Kanal überjhreitet bier den
Ranſchbach. Freilich war das erft mög-
lid, nachdem leßterer, da er viel zu tief
lag, auf eine Strede von etwa 20 m voll.
ftändig überwölbt worden war, fodaß jet
jein bischen Wafler, das jedodh nur im
Frühjahre noch zu fehen ift, feinen Weg
unter dem Kanal hindurd nimmt. Dabei
ift aber das Gemölbe jo hoch, daß man
in etwas gebüdter Stellung gut hindurch
gehen fann. Es dürfte darum dieſer
„Zunnel” der einzige feiner Art in unferer
engen Heimat fein. Dort, wo heute Die
Streuzmühle fteht, fällt das Gelände; daher
war man genötigt, hier große Schleußen
anzulegen, deren gewaltiges Mauerwerk vor
einigen Jahren noch vollftändig zu jehen
war, während jegt nur noch Trümmer vor«
handen find, die allein bisher verichont
24 —
blieben dem Mammon zum Opfer zu
fallen. Bermutlih war an diefer Stelle
auch der Ausladeplag für die Steine, indes
das Holz biß ans Ende des Kanals geflößt
werden fonnte. Der Endpunkt des Stanals
dürfte faum 25 m tiefer liegen als jein
Ausgangspunft.
Nachdem der Kanal feinem urjprünglichen
Zwecke gedient hatte, ſuchte man alsbald
feine Waſſermaſſe in anderer Weiſe auszu-
nügen, vor allem in der Landauer Gegend.
Das geihah jedenfalls zum erften Male
dur den Bau der Kreuzmühle. In—
folge jeiner hohen Zuge und ha uptjädlich
infolge Mangel8 an genügendem fließendem
Waſſer hatte Arzheim ſowohl wıe das ganze
bifchöflich fpeieriihe Amt Madenburg feine
Mühle. Zeit und Ort waren aber nun
mehr günftig für die Erbauung einer
ſolchen. So murde denn an den großen
Scleußen bei Landau, auf dem Ende der
Arzheimer Gemarkung und auf der rechten
Seite des Kanals eine Mühle erbaut;
oberhaupt der Schleußen wurde das Wafler
des Kanals durch einen eigenen Zweigkanal
abgeleitet und der Mühle zugeführt. Nach
einem Kreuze, das bis vor einigen Jahrzehnten
in nädjfter Nähe geitanden, erhielt dieſe
den Namen „Kreuzmühle“ d. 5. die Mühle
beim ſtreuze (molendina apud crucem).
Das geihah ziemlich bald nad) der Anlage
des Kanals. Bereit in der Belagerung
des %. 1702 wurde die Sreugmühle zur
Berteidigung eingerichtet ; aber jchon vorher
beftand fie, nahmweislih im Jahre 1697,
ja fie hatte damals jchon ihren heutigen
Namen. — Eine zweite Mühle (Ölmühle)
entjtand jpäter unterhalb der Kreuzmühle
auf der linfen Seite, zwiſchen Kanal und
Queich. ine dritte Mühle verdankt ihre
Entftehung der 2. Hälfte des 19. Yahr-
bunderts, die ſog. Kanalmühle bei
Siebeldingen. (Schluß folgt.)
Unfere verehrl. Herren Mitarbeiter bitten mir mwieberholt um Gebuld, ba bie Bei-
träge —2 in der Folge ihres Einlaufes verwendet werden müſſen. D. Sch.
Inbalt: 66. Jahresverſammiung der „Pollichia“. — Pfälziſche Ortsnamen. (Schluß.) —
Das Vörkommen dei Wolfes in der Pfalz. — Der Queichkanal. — Notiz.
Schriftleiter :
Eehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
Die „Bfätzi Helmatkunde“ koftet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Beflellungen werben von allen Buchhandl a unb
EEE — —B Kane Se Er (Bertofreie "Streifbenbfendung) angenommen. *
III. Jahrgang.
Nummer 3
März 1907.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
v
2
MONATSSCHRIFT
N
FMINKHECH
FÜR SCHULE UND HAUS.
—
Zur älteſten Geſchichte von Forſt und Umgebung.
1. Urzeit.
Das Vorland der Oſthaardt, der Haupt-
träger des pfälziihen Wein- und Getreide:
baues, war ſchon in entlegener vorgeſchicht—
licher Zeit, von der uns noch fein Schrift-
fteller Runde gibt über Land und Leute,
fein ödes und unbevölkertes Rand. Der
Reiz des Befites des zu jeglichem Anbau
fähigen Landes, dieſes blühenden Gartens,
voll von überftrömender Fruchtbarfeit, hat
jhon in den früheften Zeiten zur Anfiede-
lung geloft. Die Spuren der Menjcden
reihen weit zurück in eine Zeit, die aus
Stein und Stnochen ihre Geräte und Waffen
zu verfertigen verftand und die man des:
halb als die jogenannte Steinzeit be-
zeichnet.
Beugen diejer Zeit find die vielen Funde
an Steinwaffen und Steingeräten, an denen
gerade das mittlere Haardtgebirg von
Deidesheim bis Weifenheim a. ©. auf
fallend reich if. Die Eanımlungen des
Altertumsvereind don Dürkheim, des Hifto-
rifhen Mufeums in Speyer ufw. bergen
zahlreihe Funde diejer Art. Aus Forit
ftammen 2 Bruchſtücke von Hammerärten
aus Glimmerjciefer, aus Deidesheim
Gteingeräte aus Porphyr, Liasichiefer,
Stiejelichiefer, aus Wachenheim Steinjachen
aus ZTonjdiefer, aus Friedelsheim Stein
geräte von bejonders jchönem Scliffe aus
Liasichiefer, Syenit, Bajalt uw.) Bon
) 8. Mitteilungen des Htitorifchen Bereins
ber Pfalz, VI, 1877, ©. 45 fi.
— — — — — —
durchbohrten Steinwerkzeugen ſind zu nennen
ein Steinhammer von Forſt und ein be—
ſonders ſchöner Hammer aus Königsbadh.?)
In den frübeften Zeiten ftanden ſchon
die Bewohner der Rheinlande in Handels-
verbindung mit weiter ferne. Geräte und
Schmuckſachen aus Bronze, dem älteſten
Metall, einer Miſchung aus Aupfer und
Bınn, fowie Geräte aus Eijen haben fie
im Taujchhandel von den Mittelmeerländern,
bejonder8 aus Etrurien, bezogen. Es war
ein lebhafter Tauſchhandel. Die Bölfer
des Südens brachten die Erzeugnifje ihrer
Induſtrie: bronzene Stannen, Eimer, Gür—
telhafen, Helme, eiferne Schwerter, Wagen»
räder und andere Dinge nad Deutichland
und meiter nad) dem Norden. Dagegen
taujchten fie die Naturerzeugnilfe der Völker
de8 Nordens: Pelze, Felle, Salz, Bern-
ftein ufw. ein. Das Eijen trat anfangs
nur fpärlid auf und zwar zunächſt als
Schmuck, verdrängte aber mit der Beit die
Bronze. Die Übergangszeit von der
Bronze: zur Eifenzeit teilt man in zmei
Perioden: die Hallftätterzeit, jo benannt
nad dem Städtchen Halljtaıt im Salz—
fammergut und in die La Töne-Bertode,
die ihren Namen von einem Orte am
Neuenburger See in der Schweiz trägt.
Erftere Periode, welche zur Bronze das
Gijen in das Rheinland bradıte, reicht von
ca. 800—400 v. Chr., lektere, in mwelder
) ©. Katalog der hiſtor. Abteilung des
MNujeums in Speyer, 1888, ©. 69.
der Gebrauch des Eiſens vorherridt, von
400 v. Chr. bis zum Beginn der Römer:
berridaft am Rhein.
Die Bronze- und Gijenwaren haben
aber die Bewohner der Rheinlande nicht
alle vom Taujchhandel bezogen. Gußformen
für Bronzegegenftände, nämlich für Dolce,
Pieiljpigen, Ringe uſw. die man jchon in
unjerer Nähe bei Medenheim, Friedels-
heim, am Feuerberg bei Dürfheim fand,
beweijen, daß man in der Pfalz aud) ſolche
Bronzeftüde ſelbſt anfertigte.
Beugen diejer Zeiten jind bei ung viele
zu Tage gefördert worden, jo in Friedels—
heim, wo man Bronzejchwerter, in Nieder«
firhen, wo man Finger und Ohrringe und
andere Schmuckſachen nebjt einer eiſernen
Lanze, in Wacenheim, wo man einen
Haarpfeil mit Kreuzitäben am Kopfe fand.
Bon der größten Seltenheit find aud 2 in
einer Sandgrube bei Haßloch aufgefundene
Bronzeräder von 75 cın Durchmefler.
Weſtlich von Deidesheim entdeckte man im
Erdboden 2 GEijenluppen oder Barren aus
Schmiedeiſen, melde die Geftalt einer nad
beiden Enden ſich verjüngenden Doppel»
ppramide haben und etwa 3 kg ſchwer
find. Bollbarren zu 6 kg und Halbbarren
zu 3 kg jollen die Gallier als Zahlungs»
mittel gebraudt haben.) Ein Glasarm-
ring, blau und außen mit zwei Reihen von
Knöpfen verjehen, der aus Forſt ftammt,
98. Pfäfzifches Muſeum, 1888, ©, 76.
rührt aus der Zeit der etrurifchen Handels-
verbindung her.*)
Ein glänzender Beweis, daß ich der
Handel mit den Erzeugnifjen der etruskiſchen
Kunft auch in unfere Gegend erftredte, ilt
der fogenannte Dürfheimer Dreifuß, die
Krone aller Funde des Aheinlandes, mie
ihn Senner nennen. Diefer bronzene
Dreifuß nebit dem dazu gehörigen Kohlen-
befen und einem mit einem Dedel ver-
jehenen, gehenfelten Krug gehört als Re-
präjentant der Halljtatt-Bertode mit zu dem
wertvollften Befig des Hiftoriishen Mufeums
in Speyer.?) Derjelbe, ſowie ein Gold»
ſchmuck aus verziertem Kopfreif, Armreif
uſw. beftehend, wurde 1864 im jogenannten
Heidenfeld bei Dürkheim aufgefunden. Als
Prachtwerk etruskiſcher Kunſt ift er von
der größten Bedeutung für die Kenntnis
von den früheften Handelsverbindungen
zwifchen unjerer Gegend mit den alten
Kulturftaaten des Mittelmeeres.
Refte uralter Wohnungen aus vorge»
Ihichtliher Zeit find die jogenannten Ring«
mälle auf den Höhen der Berge der Pfalz,
wozu auch die fjogenannten Heidenlöcher
auf dem Michelöberge bei Deidesheim ge-
hören. Sie verdanfen ihren Namen der
Gewohnheit, alles Nichtchriftliche, alive auch
dad Vorchriſtliche, alles, was uralt oder
unbefannten Urſprungs ift, kurzweg als
9 Hiftor. Mitteilungen, VI, S. 76ff.
) ©. Katalog a. a. O., ©. 67.
heidnifch zu bezeichnen, Es find Löcher,
Gruben, die als Grundbauten alter Woh—
nungen erfcheinen und in der einfachſten
Weije von einem ovalen Ringmwalle aus
Steinen und Erde eingeichloffen find. Um
fi} einen Begriff von der Größe des ein-
geichloffenen Raumes zu machen, jei be
merkt, daß deifen Flächeninhalt ca, 21000
Quadratmeter beträgt. Die Heidenlöcher
dienten den Bewohnern der Umgegend als
Zufluchtsort in Kriegszeiten; bier fanden
fie jihern Schuß, hier trieben fie ihr Vieh
zujammen und bargen ihre fahrende Habe.
Hier Scheint auch der Beratungsplag für
öffentliche Angelegenheiten gemejen zu jein.
Auch noch in jpäterer Zeit floh das um—
mwohnende Volt in Striegszeiten hierher:
Bauernburgen nennen daher Gelehrte folche
Ringwälle. Eine Zeichnung der Anlage
der Heidenlöcher findet fi in der Anlage
zum Intelligenzblatt des Rheinkreiſes, 1827,
Auguft-Nummer,
2, Kelten» und Germanenzeit.
Die erften gejchichtlih befannten Ein-
mwohner unjeres Nheinufers waren Stelten,
die über eın Jahrtauſend dasfelbe bewohn—
ten. Es mar der feltiihe Stamm der
Mediomatrifer, an den uns der heutige
Name ihres Hanptortes Meg erinnert.
Der Rhein verdanft den Kelten feine Be-
nennung. In Speyer, Worms, Alzey,
Mainz beftanden blühende Eeltiiche Nieder-
laſſungen. In unvordenflichen Zeiten hatten
die Kelten mit ihren arifchen Genoſſen, den
Germanen, die alte Heimat in Afien ver:
laſſen und waren als Nomaden donau—
aufwärts nad) Weiten gezogen. Bleibend
bejegten fie die fruchtbaren Flußniederungen
am Nheine und im mittleren Franfreich,
während die Germanen nordwärts wander:
ten und die wald» und jumpfreichen Gegenden
nördlich des Maines zwiſchen Elbe und
Weichfel ın Belig nahmen. Infolge der
feltiihen Niederlafjungen befam unjere
Gegend cin verändertes Ausfehen. Se
volfreicher die Siedelungen waren, defto
mehr Wald mußte gelidhtet werden, um
Boden für den Mderbau zu gewinnen,
Der rege Handelsverfehr mit dem Süden
hob die keltiſche Kultur.
Unaufhaltjam drängten die Germanen
nah Welten gegen den Rhein vor, ange:
27
lockt durch die Fruchtbarkeit des linken
Ufers, durch die ftattlichen keltiſchen Siede-
lungen, die fruchtbaren @etreidefelder und
üppigen Weiden. Sie überfchritten den
Rhein, drängten die Selten in das milde
Sebirgsland und ließen ſich im linken
Rheintale nieder. So fam es, daß die
Pfalz feit Mitte des 1. Jahrhunderts von
Deutichen bewohnt war. Es mar der
deutihe Stamm der Nemeter, der nun
zwiſchen Lauter und Iſenach ſaß. Die
Germanen mijchten ſich mit den noch zurüd«
gebliebenen Kelten. Sie nahmen die vor:
gefundenen WUnfiedelungen in Befig und
gemöhnten ſich allmählıd an das Zuſammen⸗
leben in größeren Gemeinſchaften. Speyer,
da8 unter feltifcher Herrichaft den Namen
Noviomagus führte, war bald die Haupt«
ftadt des germanifhen Stammes der
Nemeter, die ihm den Namen civitas
Nemetum, Nemeterftadt, beilegten.
3. Römiſche Herrſchaft und Aultur.
Kaum hatten die Germanen auf dem
linfen Rheinufer feſten Fuß gefaßt, als
ein wmeltgejchichtlibes Ereignis von der
größten Bedeutung eintrat. Gäjar, der
größte aller römischen Staatdmänner und
Heerführer, unterwarf im Jahre 52 vor
Chriſti Geburt Gallien bis an den Rhein.
Der Rhein wurde die Grenze des Römer—
reiches, Bon hier aus unternahmen fie
ihre Groberungszüge gegen die Germanen,
Unjere Gegend ftand nun unter Roms
Szepter. Das eroberte Land auf der
BWeitjeite des Rheines wurde in 2 Bro-
vinzen geteilt, weldye von den germanifchen
Bölferichaften den Namen Ober und
Untergermanien erhielten. Erſteres be-
wohnten die Nemeter. Mainz murde der
Mittelpunft der römiſch germaniichen Mili«
tärgrenze am Oberrhein und SHauptitadt
der römischen Provinz Obergermanien.
Während der mehr als vier Jahrhun—
derte dauernden Herrjchaft der Römer am
Rheine änderten ſich dad Ausfchen unferer
Gegend und die Sitten der, Bewohner.
Ein meit verzweigtes, kunſwoll angelegtes
Straßenneg wurde hergeitell. An den
militärifh wichtigen Punkten entjtanden
bejeftigte Standlager oder Kaſtelle. Aus
den SKaftellen entwidelten ſich Städte,
Wälder wurden gelichtet, Sümpfe getrodnet
und immer größere Gebiete für den Ader-
bau gewonnen. In den Gärten grünten
bald Bäume mit köftlichen Früchten, wie
Pflaumen, Pfirfihe, Mandeln ufm., um
die Kaftelle grükten die erften Weinreben.
Römiſche Villen erhoben fih neben der
einfadhen, ftrohgededten germanijchen Holz:
hütte.
Von Straßburg bis Mainz zog eine
römiſche Heerſtraße längs des Gebirges
und zwar über Weißenburg, Edenkoben,
an Neuſtadt vorbei. Von Mußbach lief
fie direkt nach Ruppertsberg. Hier, auf
der ſogenannten Hohenburg, hatten die
Römer eine militäriiche Station, ein Kaſtell,
wie zahlreiche Bodenfunde bemeilen. So
entdedte man hıer in den Jahren 1820 21
beim Roden von Wingerten in ziemlicher
Tiefe, in alten Mauern und Gemölben,
fieben größtenteil$ mohlerhaltene römiſche
Denfmäler, nämlid 3 Altar und 4 Leichen—
fteine mit Aufſchriften. Auch Steinfärge
hob man dajelbft und in der angrenzenden
Hohl aus dem Schoße der Erde und präg:
tige, wohlerbaltene Gläſer, auch jolche mit
Inſchrift, Becher und Krüge aus terra
sigillata und gewöhnlichen Ton und römijche
Münzen, die in der Beit Hadrians be-
ginnen und in der Stonjtantiniichen Epoche
enden. Biele diefer Funde ſind im Be:
fige der Familie Baflermann: Jordan in
Deidesheim.)
In Deidesheim befand fich bereits vor
Jahrhunderten ein dem Mars gewidmeter
Dentjtein.”; Bon Deidesheim aus führte
eine Abzweigung diefer Straße ber die
Foriter Höhe nah Wachenheim, Dürkheim,
Grünſtadt, Bıngen,
Heute wird die Straße von Deidesheim
an die Wormier Straße genannt. Auch
in Wachenheim entdeckte man ſchon römische
Grabſteine. In Forſt und in jämtlichen
Drten der Umgebung wurden römiſche
Münzen gefunden, in Dürfheim 2000
Bronzemünzen fleinfter. Art, die aus der
legten Zeit der Römerherrichaft am Rheine
herrühren.“)
In den Muſeen zu Dürkheim, Speyer
) Hiſtoriſche Mitteilungen, 1900, XXIV,
S. 280ff. und XX, 18%, ©. Mff.
e } 5. Bavaria, Rheinpfalz, München, 1867,
. 591
” ©. Katalog a. a. O., ©. 40.
28
— U —ñ ——— — — —— —
v. a. können wir zahlreiche römiſche Funde
bewundern, Funde, Die ein beredtc& Zeug-
nis von der großartigen Kulturtätigfeit des
römijchen Volkes in unferer Bialz ablegen
und bemweijen, daß unjere Pfalz, ipeziell
die frudtbaren Gefilde der Ebene, ſich da»
mals in einem blühenden Buftande befunden
haben müſſe. Ja, diefe römiichen liber-
refte enthalten, wie ein Kenner der Alter
tümer fagt, die Anfänge unferer rheinischen
Kultur und Bivilifation.
4. Burgunderherridaft.
Die erften 2 Yahrhunderte der römi-
ſchen Herrihaft am Reine waren eine
glüdflihe Zeit, ın der fi das Reid) der
Bivilifation in unferer Pfalz ausbreitete.
Am Antange des 3. Jahrhunderts begannen
die Kämpfe der Germanen, melde die
Schwäche und innere Zerrüttung des römi«
jhen Reiches erfennend, das Neid der
Nömer mit unausgejegten Hammerſchlägen
in Trümmer fchlugen. Alemannen, Bur-
gunder, Franken, Goten, Bandalen erichienen
an der rheinischen Grenze des römiichen
Reiches, fielen über deſſen Bejigungen ber
und verheerten fie Es enibrannte ein
heftiger Kampf un den Rhein, um das
Elſaß und die Pfalz. Trotz aller An»
ftrengungen dev Römer, den Rhein als
Grenze des Reiches zu behaupten, über»
jchritten die Germanen den Rhein und
nahmen das Land in Beiig. Es war zu
Anfang des 9. Jahrhunderts, in der Zeit
der großen Bölfermanderung, als unjere
Nheinprovinz den Römern entrilien ward.
Zunächſt bejegten Burgunder die Vorder:
pfalz und ſaßen dajelbft von 413—437,
Ihr Gebiet wurde weſtlich durch den Huns—
rüf, im Süden durch die Yauter begrenzt.
Hier begründeten jie unter dem König
Gunther ein eigenes Reid; mit der Haupt-
ftadt Worms, Auch das Gebiet der
Nemeter mit unjerer Gegend gehörte zu
dieſem Reiche. Aber nur eine kurze Dauer
war dieſem Reiche bejchieden, nur furz
mwährte die NHerrlichfeit der Burgunder:
fönige in Worms. Es erlag im Stampfe
mit den wilden Scharen des Hunnenfünigs
Attila, die ſchon damals ihre Raubzüge
üser den Rhein ausdehnten. Einen Ab-
glanz der Herrlichkeit des burgundiichen
Neiches gerahren wir aber noch heute in
dem Nibelungenlied, dem größten deutſchen
Heldengedicht des Mittelalters, welches das
grauſame Geſchick des burgundiichen Königs—
geſchlechtes durch das Lied verherrlicht.
Noch leben fort in unſerm Geiſte die ge—
waltigen Recken des herrlichen Liedes:
der ſtarke Siegfried, der grimme Hagen,
der tapfere und unerſchrockene Volker von
Alzey; noch ſtehen lebendig vor unſern
Augen die ſchöne racheſinnende Chriemhilde,
die Schweſter der Burgunderkönige und all
die jtolzen Helden des burgundiſchen Könige:
geichlechtes, um melde die Poejie einen
undergänglichen Zauber gewoben, Werden
dody gerade dieje ſagengeſchichtlichen Er:
eignijje an Orte aus unjerer nädjiten Um:
gebung gefnüpft: Dürkheim hat jeinen
Drachpenfels, auf dem der hörnene Sieg:
fried den Drachen tötete, der in der Drachen«
fammer des Berges haufte; im düſteren
Walde ftrömt der Siegfriedsbrunnen, allmo
der finitere Hagen den herrlichiten aller
germaniichen Helden, Siegfried, hinterliftig
erihlug. Freilich wird von vielen Seiten
beftritten, daß die Anfnüpfung der er:
wähnten jagengeichichtlihen Perſonen und
Geichehnifie an die Dürfheimer Gegend
eine zuverläjjige Unterlage hat. Doc) laſſen
wir uns durch dieſen Gelehrtenftreit die
Erinnerung an das herrliche Nibelungen»
lied, melde die genannten Ortsnamen in
uns mwachrufen, nicht trüben!”)
5. Alemannen=- und Franken—
herrſchaft.
Nach dem Abzuge der Burgunder kam
die Pfalz in die Gewalt der Alemannen.
Schwer litten unter ihnen die römiſchen
Städte am Rhein, die noch an den römiſchen
Sitten und am römiſchen Reiche feſthielten.
Das flache Land war in den Händen der
Alemannen. Bier wohnten ſie in Marf:
genoſſenſchaften nebeneinander. In der
Zeit der Alemannenherrſchaft überſchritt
der Hunnenkönig Attila mit ſeinen wilden
Scharen den Rhein. In Speyer ſoll Attila
die Prieſter beim Gottesdienſt überfallen
) &. Im Nibelungenfande, mythologiſche
Wanderungen von Dr. Mehlis, Stuttgart 1877,
©. 47f.; dagegen Dr. Steiper im „Pfälziſchen
Muſeum“ 1888, Nr. 5, &. 39 und Dr. Ehriit:
Der „Brunoldesſint“ im Pfälz Muſeum 1895,
Nr. 3, ©. 1ff.
und fie alle rings um den Hochaltar er-
mordet haben, jo daß das Blut im ganzen
Dome umberfloß.!) Die Ulemannen
mußten Heeresfolge leilten. Auf den Kata—
launijchen Feldern wurde 4öl die Macht
der Hunnen vernichtet. Attila floh mit
dem Überreſt feines Heeres über den
Rhein zurück. Bon diefem Rüdzuge haben
wir Zeugen ganz in unjerer Nähe. Es
ift das die Heidenmauer oder Ringmauer
bei Dürkheim. Die Sage erzählt, in diefem
Ringwalle hätte Attila auf feinem Rück—
zuge mit dem liberreite jeiner Horden ge-
lagert und geraftet, daher man dieje Ring-
mauer in alter Zeit das Bunnenlager
nannte.!!) Die rohen, heidniſchen Ale:
mannen blieben nicht ganz 100 Jahre Herr
und Beliger des linfen Uſers am Ober-
rhein, das fie von 437—506 bejegt hielten,
Einen Todfeind hatten fie an den Franken,
die fiegreih vom Niederrhein aus vor»
drangen und die Alemannen zu unterwerfen
tracdhteten. In den Jahren 496 und 506
gelang es den Franken die Alemannen zu
beiiegen und zu unterwerfen. Die Franken
bejegten nun die Pfalz und jchlugen auch
in unjerer Gegend ihre Wohnfite auf.
Ein großer Teil der Alemannen wird
ausgewandert jein, ein anderer Teil blieb
unter fränfifcher Herrſchaft. Die zurück—
gebliebenen Alemannen wurden zinspflichtige
Untertanen (Leibeigene) oder Knechte der
Franken. Der fremde Boden wurde mög:
lichſt gleihmäßig unter die Freien ver:
teilt. Nun murden fie aus Striegern
Bauern; ein Eigentum, das vorher unbe»
fannt war, bildete jih aus. Das ganze
Land wurde in Gaue oder Grafichaften
eingeteilt. Jeder Gau zerfiel wieder in
fleinere Bezirke, in Hunderiſchaften. Unſere
Gegend gehörte zum Speyergau, der im
Norden bis zur Iſenach reichte und hier
mit dem Wormögau zufammenftieß. Die
Stadt Speyer, melde die Franken be:
jegten, wurde zur Hauptitadt des Gaues
erhoben ; hier eritand nun auch eine fränfıfche
Königspfalz, die einzige dieſes Gaues, die
unter url dem Großen urfundlıch ericheint.
6. Kultur der Germanen.
Die Franken wurden nun die lern-
’) S. Geiffel, Der Kaiſerdom, ©. 2.
) S. Bavaria, Rheinpfalz, S. 601.
— 3
begierigen Schüler der in den Städten
zurücdgebliebenen Romanen und dieſe nah—
men von den Franfen mande Gemohn-
beiten an. Franken ließen ſich nun aud)
in den Städten nieder. Die Einrichtungen
der römischen Kaiferzeit: Münzen, Maß-
und Gewichtsſyſtem, Ackerbau, Gemerbe
und Kunſt wurden von den Nomanen den
Franken übermittelt. An den Wroduften
der römifhen Kunſt und der Gewerbe
lernten fie ihre eigenen Erzeugnifje, Waffen,
Schmuckſachen und Geräte, vervolllommnen.
Ein Bild der Kultur alemanniſch-⸗fränkiſcher
Beit liefern uns die zahlreichen Gräber-
funde, Auch in unferer Gegend find mit
Erfolg Ausgrabungen angeftellt worden,
deren Reſultate uns don der Stleidung,
Bewaffnung, Beichäftigung ufm. der Franken
ein anſchauliches Bild geben und zugleich
mit Gewißheit das Borhandenjein von
fränfifchen Anfiedelungen befunden. Diefe
fränfifch-alemanniichen Reihengräber, welche
aus dem 5.— 8. Jahrhundert nad Ehriftus
herrühren, haben ihren Namen davon, daß
die Toten in ihnen in regelmäßigen Reihen
im Erdboden begraben jind, aljo ähnlich,
wie es auf unferen Friedhöfen von heute
geichieht. An der alten Straße, die von
Deidesheim Über Niederfirchen, Nödersheim
in der Richtung nad) Speyer führt, fand
man an 3 Stellen fräntiich-alemannifche
Gräber, fogenannte Plattengräber oder
Plattenfammern, da diefelben aus roh ge«
arbeiteten Steinplatten ſargähnlich zuſam—
mengeftellt und ebenfo mit Platten zuger
dedt find, Die erfte Stelle ift zwiſchen
Deidesheim und Niederfirchen, wo links der
Weg nad Rambsheim und Worms abführt.
Am Yahre 18653 ftieß man hier in 1 m
Tiefe unter der Oberfläche auf ein Platten-
grab von 2 m Länge und !s m Breite
und Tiefe, in dem 2 Leichen lagen. Als
Beigaben fand man aud eine goldene,
freisförmige fogenannte Rundfibel, d. i.
eine verzierte Broſche von der Gröke eines
Taler aus dünnem Goldbleh mit der
Daritellung eines Dracens auf der Ober-
fläche. Südweſtlich von Rödersheim liegt
die nächſte Fundftelle: Bon Diten fommend
geht rechts der Weg nah Niederfirchen,
lints nad Meckenheim. Im Oftober 1883
ftieß man hier in der Niederfircher Feld:
gewann „Lehmfaut” auf ein Plattengrab, | ©. 280
dem man ein ftarf verroftetes Eiſenmeſſer,
einen eilernen Gürtelhaken, Kleine, gelb-
braune Tonperlen, eine blaue ®lasperle
und ebenfalld eine goldene Bierplatte
(Brojche) entnahm. In der Mitte diefer
Brofche ift eine Art von Roſetten einge:
ichlagen, die einem Wappen gleihen. Ein
2. und 3, Plattengrab wurden ganz in
der Nähe aufgededt.'?)
Ein meites Gräberfeld wurde nördlid)
von Miederfirhen zu beiden Seiten der
fogenannten Wormfer Straße im Januar
1886 gefunden. Dieſe Plattengräber be»
ftanden aus Steinplatten von 2 m Breite
und bis °4 m Länge. Die Sfelette
lagen darin auf dem Erdboden ohne jede
Unterlage. Die Beigaben beftanden meiftens
in einfachen, farbigen Tonperlen, aud Bern»
fteinperlen, in kurzen eifernen Mefjern und
eijernen Qanzenipigen.!?)
Am Ofthofe bei Wachenheim entdedte
man Gtüde eines Lanzenſchwertes und
Lanzenjpigen, die ebenfalls aus dieſer Zeit
herrühren.) Was erzählen uns dieſe
Funde von unjern Borfahren ?
Die Luft am Kriege, melde dieſe
germanifchen Stämme beherrfchte, zeigt fich
in der äußern Musftattung der Gräber.
Die Männer liegen mit ihren Waffen im
Grabe, jederzeit bereit, auch im Grabe jedes
Unrecht zu rächen. Sie hatten zwar ſchon
längft gelernt, den Acker zu beftellen. Doch
der Übergang vom Kriegertum zum Bauern-
tum geht jehr langjam von ſtatten. Noch
lange dauerten bei den alten Deutjchen die
friegerifchen Neigungen fort. Die Panze
war die verbreitetite Waffe. Daher fommt
fie oft in den Gräbern vor. Nur der freie
durfte fie tragen. Sie war Symbol der
Vollfreiheit. Und weil dem Germanen die
Waffen das liebfte waren, mochte er aud
im Tode fih nicht von ihnen trennen,
Perlen fommen in fFrauengräbern vor.
Urmringe aus Perlen von Glas und Bern»
ftein waren ein beliebter Schmud, ebenio
Halsringe, aus aneinandergtreihten Perlen
beftehend. Bon hervorragender Bedeutung
find die Gemwandnadeln oder Fibeln, die
) ©. Jahrbücher des Bereins für Alter-
tumöfreunde im Rheinlande, Heft 77, S. 225 ff.
) &. Pfälziſches Mufeum, 1886, ©. 14.
) S. Hiftor, Mitteilungen, XXIIL, 1899,
Fundftüfe aus Deidesheim und Röders—
beim. Diefe Rundfibeln werden von Ge-
lehrten als Erzeugniſſe fremder, d. 6.
römifcher Induſtrie angejehen.'’) Die
ganze Herftellungsweife dieſer Schmud-
ftüde zeigt eine überaus hoch entwidelte
Kenntnis der Metalltehnif. Mit der Zeit
haben dieſe Rundfibeln den Zweck von
Gemwandnadeln verloren und haben mehr
zum Schmud als Broſche (Medaillon) ge-
dient, Überaus mannigfadh find die
Schmudjahen, die man Gräbern diejer
Zeit entnommen hat. Wilde waren eben
die Germanen nit mehr. Schon als fie
in das Licht der Geſchichte traten, hatten
fie die erften Stufen der Bivilifation er-
ftiegen, fie waren empfänglich, geiftesrege,
bildungsfähig. In dem vielhundertjährigen
Berfehr hatten fie von den Römern vieles
gelernt und auf allen Gebieten des Lebens
die mirfjamfte Förderung empfangen.
So mar die Beligergreifung unjeres
Gebietes durd die Franken ein Ereignis
bon meittragender Bedeutung für die
Befiedelung, Kultur und Bivilifation der
Pfalz. Sie machte den Kämpfen um den
Befig des reihen Landes ein Ende. Ruhe
und Frieden wurde unter fränfiiher Herr-
ihaft hergeftellt und erhalten. Aus den
Ruinen einer ſchweren Bergangenheit er-
blühte neues Leben. Noch heute trägt die
Bevölkerung der Pfalz als ein reich be-
gabter Zweig des fränfiihen Stammes
inbezug auf Sprache und Sitte echt frän-
fiihen Charakter.
Unter der römijhen Herrſchaft am
Rheine erlangten die alten Deutjchen, wie
wir gejehen, Schritt für Schritt eine
höhere Kulturftufe. Bon allen Fortſchritten
kann fich feiner an Bedeutung mit dem
Übergang vom heidnifhen zum chriftlichen
Glauben mefjen. Die in der Pfalz wohn:
haften Deutfchen hingen einem Heidentum
an, das ſich von dem germanischen über-
haupt wohl nicht viel unterjchied und für
deſſen Kenntnis wir in der Hauptjache auf
Schlüſſe aus den Zuſtänden der andern
deutihen Stämme, aus den Sitten und
Sagen und aus den Perjonen: und Orts«
namen uns angemwiejen ſehen. So weiſt
uns der Name eines ganz in unjerer Nähe
») 5, Vindenfchmitt, Handbuch der Alter—
tumstunde, I. Teil, Braunfchweig 1880—89.
31
gelegenen Tales, des Ddinstales (Drenftall
im Bolfsmunde), auf Gott Ddin (Odo,
Dito??) hin, In den Sitten und Sagen
des Bolfes lebt ſodann unzweifelhaft
ein reicher Niederichlag des alten Götter-
glaubens bis heute fort. In Forſt
wird alljährlihd am Sommertag das Spiel
„Hanfelfingerhut” aufgeführt, das im wejent-
lihen den Sampf des Sommers mit dem
Winter darftellt. Diefe Sommertagsfeier
hat fiher einmal dem Sonnengotte, dem
altgermanifchen Licht: und Sonnengotte
Balder oder Phol gegolten. Die Schid-
fale desjelben, jeine Wiedergeburt und fein
vielbeweinter Tod jpiegeln ſich noch ab in
dem angeführten Spiele.
Daß Balder auch bei uns verehrt wurde,
ift unbeftreitbar. Sa, feine 4 Hauptfefte
haben fih im volfstümlichen Gedankenkreiſe
erhalten, wenn auch dieſe Erinnerungen
verworren und verblaßt find: Das 1. diefer
Feſte ift der Sommertag, das 2. am 2,
Mai; die Nacht, die diefem Tage voran-«
geht, iſt befanntlich die Hexennacht; das
3. ift die Sommerjonnenwende, Balders
Todestag, der Yohannes- oder „G'hanstag“,
an dem die G'hansfeuer abgebrannt wurden;
der 4. Feſttag, Balders Wiedergeburt, war
der Tag der Winterfonnenwende, der 21,
Dezember. Die Nacht des 21. Dezembers,
die lange Nacht, gilt heute noch als eine
heilige, in der allerlei Gebräuche üblich
waren.) Auch finden wir noch Aber:
glaube im Volke, der in den heidnifch-
religiöjen Anfchauungen wurzelt. Ciniges
möge hier ftchen! Der Donnerstag ift
ein Glüdstag. Unglück verfündend ift der
Freitag, bejonders der Gharfreitag; man
ſoll nichts anfangen, feine Arbeit, feine
Neife, fein michtige8 Unternehmen ulm.
Die Bedeutung des Ohrenklingens gehört
aud) hierher. Klingt das rechte Ohr, dann
wird Schlechtes, Flingt das linke Ohr, dann
wird Gutes von der Perjon geſprochen. In
Krankgeiten läßt man fih „brauchen“ uſw.
Bur Beit der Römerherrihaft hat fich
dann der ganze Götterhimmel der Römer
in unferer Pfalz niedergelaffen, wie die
vielen noch erhaltenen Gedenfiteine, die
römiſchen Göttern geweiht waren, bemeijen.
Hiernach jcheinen Jupiter, Juno, Merkur
") S pfalziſches Muſeum, 1889.
die außgebreitetite Berehrung am Rheine
genofjen zu haben,
Über die Ausbreitung des Chriftentums
haben wir feine fichere Hunde, auch chrift«
lihe Denfmäler aus der Römerzeit fehlen.
Doch ſollen ſchon im 2. Jahrhundert
Chriſtengemeinden am Rheine beſtanden
haben.!) Die erſten Chriſten werden
dahin aus Italien gekommen ſein. Fremde
Kaufleute, Handwerker und Sklaven ſind
wohl die erſten Chriſten am Rheine ge:
weſen. Daß durch römiſche Soldaten das
Chriſtentum an den Rhein gelangt ſei,
wird von neueren Geſchichtsforſchern als
Legende erklärt. In den Städten am
Rheine entſtanden die erſten chriſtlichen
Gemeinden, an deren Spitze ein Biſchof
ſtand. Das Landvolk blieb noch lange
heidniſch. Um das Jahr 346 wird ein
Biſchof Jeſſe in Speyer genannt.!?) Bon
den Burgundern iſt bekannt, daß ſie zum
Chriſtentum übertraten. Da müſſen doch
ſchon zu Anfang des 5. Jahrhunderts
zahlreiche Chriſten am Rhein gelebt haben,
denn ſchwerlich würden ſonſt die Burgunder
zum Chriſtentum übergetreten ſein. Von
der größten Bedeutung für die Ausbreitung
und Beſeſtigung des chriſtlichen Glaubens
am Rheine war die Annahme der cdhrift-
Iıher Meligion durh den Franfenfönig
Chlodwig und feine Franfen. Unſere
Pfalz enthält wohl das ältefte Denkmal
von dem Übertritt der Franken zum Chriſten
tum: Kuſel, Altenglan, der Remigiusberg,
welche Orte der König dem Bıfchof Nemigius,
der ihn taufte, jchenfte, Das älteſte chrift
fihe Denfmal in unferer Gegend ifi der
Turm der Klirdje zu Niederfirdjen, der aus
dem 10. Jahrhundert ftammen soll. Am
günftigften wirfte für die Befeitigung der
hriftlihen Kirche in der Pfalz die Stiftung
des Bistums Speyer um das Jahr 610,'?)
Verfolgen wir noch kurz die Anfänge
der landesherrlihen Gewalt der Biſchöſe
von Speyer, da Deidesheim und damit
auch die Gemarfung von Forft vom Yahre
1100 an unter dem Krummſtabe der Fürſt—
biichöfe von Speyer ftand!
nn ©. Boos, Geſchichte der rheinischen
Stäbtefultur, S. 102.
") ©. Remling, Geſchichte der Biichöfe, 1,
58.
, 5, Remling a. a. O., L, ©. 102f.
32
Die Anfänge der mweltlihen Herrſchaft
der Biſchöfe fallen in die Merovingerzeit,
in das 7. Jahrhundert. Die Meropinger-
fönige verliehen den Bijchöfen wichtige
Rechte und Vorteile, jo den Genuß des
Behnten von allen Früdten (Wein, Vieh
ufm.) rings um die Stadt Speyer; jodann
die Freiheit des Kirchengutes von jeder
föniglichen Auflage. Damit erhielten die
Biihöfe „wahrhaft landesfürftliche Rechte”
und ward damit der Grund zu dem Wohl-
jtande des Bistums und zur fürfitlichen
Gewalt der Biichöfe gelegt. Im 10. Jahr:
hundert erlangten die Biſchöfe noch von
Staifer Otto I. und Dtto IM. die Gerichts-
barfeit über die Stadt Speyer und über
den ganzen Sprengel und wurden fo melt-
lihe Herrn der Stadt und des Bistums;
fie waren nun Fürſtbiſchöfe.
Bon der größten Bedeutung für die
müterielle Wohlfahrt unferer Gegend war
die Einführung des Weinbaues Seine
Geſchichte enthält die Urſache des Gebeihens
der Gegend, ihres Wohlitandes und des
rafhen ortichreitens der Kultur. Daß
der Weinbau der Pfalz von den Römern
herrührt, ift unbeftritten. Er entmidelte
fih auf römiſcher Grundlage und befolgte
römisches Mufter. Der Kultureinfluß der
Römer war aud auf diejem Gebiete ein
überaus ftarfer. Saden und Wörter mıe
Wein — vinum; Stufe = copa und daher
Küfer; Logel loeulus; ealcatura =
Kelter; Fatz — vas u, a. [ernten die Ger-
manen von den Römern fennen. „Bater
Bachus*, der Gott des Weines und der
Freude, der das Gemüt von Sorgen ent»
laftet, die Menſchen froh und glüdlich
macht, wurde zur Zeit der Römerherrſchaft
am Rheine auch in unjerer Pfalz hoch ge-
ehrt. Darüber befigen wir bildliche Funde.
Ein Gedentitern, der dem „Vater Bachus“
geweiht war, wurde jchon zutage gefördert.
Bei Hagenbad fand man eine etwas über
8 cm hohe, roh geformte Statuette eines
Bacchus, der in der Linken eine Traube
emporhebt.?) Die prächtigen, wohl er:
baltenen Gläfer, die man bei Deidesheim
dem Schoke der Erde entnommen, die
zahlreichen Humpen mit Berzierungen, die
aus Trauben und Zweigen bejtehen, die
”), ©. Statalog a. a. O., ©. %.
Pokale, Trinfbeher, Gläjer, die man in
Speyer und Rheinzabern ausgegraben und
die eine Bierde des Hiftorijchen Muſeums
in Speyer bilden, bemeijen, daß man ſchon
zur Römerzeit das Geſchenk des Gottes
Bachus in unjerer Pfalz hoch zu ſchätzen
mußte.
Den Bein lernten die Germanen durd
römische Kaufleute kennen, Weinbau und
Weinbereitung wurden auch durch die
Nömer in unferer Pfalz eingeführt. Aus
Frankreich, von der Rhöne aus, gelangte
der Weinbau bereits im 2. Yahrhundert
nad Ghriftus in unfere Pal. Am 3.
Jahrhundert breitete fih die Rebkultur
meiter aus, indem Kaiſer Brobus (276 bis
282) viele Koloniften anfiedelte und unter
römiſchem Befehl Weinberge anlegen ließ.
Bei feinem Vorwärtsdringen nad Norden
folgte der Weinbau den römischen Straßen,
von denen die Bergftraße durch unjere
Gegend (über Neuftadt, Mußbach, Deides-
heim, Dürkheim, Grünftadt uſw) 309.
Vorzüglich in der Nähe der alten Römer:
faftelle und Städte wurde Wein gepflanzt.
Die erwähnten Funde, fowie die Trauben
ferne, die jhon in römischen Gefäßen ge
funden wurden, die Weinreben und Winzer-
geräte — ein eijerned Rebmeſſer aus
römifcher Beit, bei Speyer dem Boden ent-
nommen, bejigt das Hiftorijche Mufeum —,
welche mit den Inhalt römiiher Gräber
bildeten, die römiſchen Landhäufer mit
ihren Weinfellern, die man ſchon aufgededt
bat, ftügen die Annahme, daß zur Zeit
der Römer Weinbau in der Pfalz ge-
trieben wurde. Der gewaltige Sturm der
Völkerwanderung brachte die Rebkultur zum
Stillftand. Erft unter der Herrichaft der
Franken blühte der Weinbau wieder auf.
Aus der Zeit der Merovinger haben wir
die erfte Urkunde, die vom pfälziſchen Wein:
bau berichtet. Es ift dies die Schenkungs—
urfunde des Königs Siegbert III. von 653,
worin diefer dem Bifchof von Speyer den
Behnten an Wein im Speyergau fchenft.
An diefen Zeiten wurde die Kirche für den
Weinbau von der größten Bedeutung. Sie
breitete denjelben weiter aus, da fie des
Beines zum Gottesdienfte und zum privaten
Gebrauche bedurfte, Auch Kaiſer Karl der
Große gab dem deutjchen Weinbau Arleitung
zu einem rationellen Bau der Rebe. Mit
3 —
Ruhm find in der Geſchichte des Weinbaues
unjerer Gegend die Mlöfter Weißenburg,
Lorſch an der Bergitraße und Fulda ge-
ſchmückt. Sie erwarben jih auch bei uns
Güter, darunter auch Weinberge, und viele
Wingerte mögen damald von den Mönden
diefer Klöfter auch bei uns angelegt worden
fein. Aus den Urkunden des Klojters
Lorſch über feinen Befigftand (Codex Lauris
hamensis) ift erfichtlih, daß ſchon im
8. Yahrhundert die Orte WBachenheim,
Deidesheim, Friedelsheim, Medenheim uſw.
Weinbau trieben und daß überhaupt der
Weinbau in der Ebene bis zum Ufer des
Rheines viel ausgedehnter war als heute,
T. Unfiedelungen der Germanen
ın unferer Gegend.
In der germanifchen Zeit, die man in
die vorfränfiihe (von Beginn unferer Zeit:
rechnung bis ca. 500) und in die fränfifche
(von 500 ab) enteilen fann, entftanden in
unferer Gegend eine Reihe neuer Anſiede—
lungen. Die neueite Ortsnamenforjhung ?')
zählt nun die Orte, deren Namen auf
„ingen“ endigen, den älteiten germaniſchen
Siedelungen zu, die vor der Beſetzung der
Borderptalz durch die Franken entitanden
und daher alemanniichen Urjprungs find,
da vor den Franfen die Alemannen die
Pfalz befiedelten.
Die vorderpfälziichen Orte auf „heim“
betrachtet fie als jlingere Giedelungen. In
den Ortsnamen aufheim erfcheint eine einzige
Berfon als Benenner und zugleih als
Grundherr der Siedelungg. Das Wort
Heim bedeutet das Haus, den Wohnfig, das
liegende Gut, dad man nad dem Grund»
herren benannte. Solche Siedelungen ent-
ftanden in unjerer Pfalz in den von den
Franfen eroberten Gebieten, in denen der
König Chlodwig und feine Söhne Yand an
feine Krieger austeilten. Dieje ließen die
urfprünglihen Bewohner in ihren Dörfern.
Der neue fränkiſche Eigentümer fchaltete nun
als Grundherr über das Dorf, das er als
jein Heim bezeichnete und da8 jeinen Namen
trug. Forſt wird nun von einem Kranz
von „heim“ Orten umgeben. Zum erjten-
male werden viele diefer Orte ım Urkunden
n, 5. Die germaniiche Beliedelung der
Vorderpfalz von Dr. 8. Heeger-Fandau, Kauß-
ter, 1900,
des Kloſters Lorich, bei Bensheim an der
Bergftraße gelegen, genannt. Das Kloſter
wurde zur Beit Starls des Großen gegründet,
war auch begütert und erwarb, wie ſchon
erwähnt, aud) in unferer Gegend Ländereien.
Deidesheim erjcheint in Urkunden des Kloſters
Lorich von TTO—TT1 als Didinesheim, Di-
dinisheim und bezeichnet der Name joviel als
Heim des Didin — Diotin, Theotin. Bis
zur Mitte des vierzehnten Yahrhunderts
hieß es gewöhnlich Oberdeidesheim, um
dasjelbe von Niederdeidesheim, dem jekigen
Niederkirchen, mit welchem es eine Gemeinde
bildete, au unterjcheiden. 1460 murde
Niederdeidesheim von den Reiningern nieder:
gebrannt. Allmählich erhob es fich wieder
aus der Aſche und nahm den Namen
Niederfirchen an. Rödersheim erjcheint zum
erftenmal in Urfunden vom Jahre 946 und
978. Der Ort hat feinen Namen von
einem gemwiffen Radheri erhalten. Friedels—
heim kommt in Urkunden von 770-775
unter dem Namen Fridolfisheim vor und
beißt demnach ſoviel ala Heim des Fridolf,
Wachenheim, 766 und 788 genannt, foll
jeinen Urjprung dem in unjerer Gegend
begüterten Wacko oder Wacho verdanfen,
deſſen Schenfungen an das Kloſter Lorſch
a. 770 und 773 gedacht wird,
Die Ortsnamen auf „ingen” bezeichnen
urſprünglich nicht einen Ort, auch nicht
eine Einzelperfon wie die Namen auf „heim,
fondern eine Mehrheit von Perſonen, näm-
li die germaniſche Sippe, d. i. verwandte
Familien. Gewiß find diefe Benennungen
ihon während der Wanderzeit der Ger—
manen entjtanden, behielten bei der end»
giltigen Wnfäffigmahung Geltung und
wurden allmählid“ zum Namen der Drt«
ihaft. An geeigneter Stätte fiedelte die
Sippe fih an. Durd; gemeinfame Arbeit
gewannen die Anfiedler die freie Flur, die
Marf, Gemeinfam genoffen fie auch die
Grträgniffe derjelben, fie waren Mark
genofien und bildeten zufammen die Marf-
genoflenichaft. Dieſe Ortsnamen auf ingen
können als die eriten Marfgenofjenfchaften
angejehen werden, die im neuermworbenen
Lande gegründet wurden,
Hiernach will z. B. Gimmeldingen, das
1298 als Gumillingen genannt wird, jo
viel beiagen, mie bei den Nachkommen des
Gumildus. Das alte Winzingen wird in
Urkunden von 774 Wincingas genannt.
Der Name bezeichnet urjprünglich die Sippe
eines gemiffen Winzo. Ein Angehöriger
diefer Sippe war ein Winzing. Winzingen
heißt demnach zu dem Perfonennamen Winzo
oder bei den Nadjfommen des Winzo.
Über den Anfängen des Dorfes Forit
lagert Dunkel. Der Name jelbft bewahrt
die Erinnerung an eine Beit auf, in der
da, mo heute das Dorf fteht und Feld
und Flur ſich ausbreiten, Wald ſich Hin«
308. Auch der Name Haardtgebirg weift
auf Wald Hin; denn hard bedeutet Wald.
Das Wort „Forft” bezeichnet nun einen
ron» oder Herrenwald im Gegenjaß zu
einem alle gemeinjamen Wald (Gemeindes
wald), an dem jeder jeinen Anteil hatte,
jeder drin meiden, holzen und roden durfte,
der einen eigenen Herd befaß. Den Forft
durfte nicht ein jeder frei benügen, meil
er Sondereigentum eine8 Herrn und der
föniglichen Jagd vorbehalten war. Das
Wort fommt nicht vor der Mitte des 6.
Jahrhunderts vor. Es erjcheint zum eriten-
mal in einer Urkunde aus dem Jahre 556,
häufiger fommt es zur Beit der Karolinger
vor, Ein Bild des Ortsnamens bietet und
das alte Dorf: und Schöffengerichtsfiegel
der Gemeinde, das von 1724—1816 in
Gebraud) war. Der Schild des Wappens
ift in 3 Felder geteilt. In dem Haupt-
feld, dem obern Schildesteil, figt der für
den Namen der Gemeinde fprechende „Forft”,
eine Reihe Fichten. Das Wappen bes
Hochſtifts Speyer, zu dem die Gegend etwa
700 Jahre, von 1100—1801, gehörte,
iteht im 2, Felde: ein filbernes Kreuz im
blauen Feld; dıe Figur des Oſterlammes
nimmt den legten Platz, das dritte Feld
ein. Der Forftmann, mit Waldhorn und
Hirſchfänger ausgeftattet, ift als wachſende
Figur dem Helme als Schmuck und Zier
beigefügt.
Der Forſt ſcheint das Eigentum eines
Adeligen geweſen zu ſein, der daſelbſt ein
Gehöft begründete, das zu einem Herren:
hofe heranwuchs. Hörige Bauern des
Grundherrn fiedelten fich in der Nähe des
Hofes, aber auf Deidesheimer Gemarkung
an, wohl weil der Grundherr nicht Grund
und Boden genug hatte, fie alle zu verjorgen.
Die Marfgenofien von Deidesheim maren
damit einverjtanden,; denn wer den Wald
bebaute, forgte für den gemeinen Nußen, |
da der Wald mit feinen milden Tieren
Ihädlih für Viehzucht und Aderbau mar.
So entjtand ein neuer Ort in dem ehemaligen
„Forſte“, der Teil an der Allmende Deides-
beims, d. i. an Wald, Wiefen und Ader-
flur hatte und defjen Bewohner vollberechtigte
Genofien der Mark Deidesheim
melche die neue Anfiedelung umfchloß. Die
Lage des Ortes gab demjelben den Namen
Forst. Auch nad) der Überlieferung mar
der urfprüngliche Kern des Ortes ein Forit-
haus, d. h. ein Haus oder ein Hof im
mußte von allen Marfgenofjen die gleiche
' Frucht angebaut werden, die für das Jahr
beftimmt war. Die angebaute Ylur wurde
durch einen Zaun eingeſchloſſen, um fie vor
der Beichädigung durch milde Tiere zu
ihügen. Wald und Weide, BWaflerlauf,
' Wege und Pfade, Sand: und Lehmgruben,
waren, |
Forſte, dejien Lage man zwiſchen Kirche |
und Brunnenpfad dahin vermutet.
Die Marf Deidesheim umfaßte ur
jprünglich die Ortsfluren von Deidesheim,
Niederfirchen, Forft und wahricheinlich auch
die von Ruppertöberg und Königsbach, von
denen Niederfirchen oder Niederdeidesheim,
wie es anfänglich hieß, die ältefte Anfiedelung,
das Mutterdorf, zu fein fcheint, das aud |
die ältejte Kirche hat. Während Deides:
heim urkundlich ſchon 699 genannt wird,
erjcheint Forft in Urkunden erjt 1231.
Mit der Zeit wurde der Wald immer
mehr zurücgetrieben, jo daß rings um das
Dorf die freie Aderflur immer größer wurde.
Gegen Wachenheim hin gewann man für
den Anbau mit Einwilligung der Deides:
heimer die Gewannen Hinterer Yangenader,
Pechſtein, Mühlweg, Zollftot, Yanzfammert,
gegen Welten hin Maßweinkopf, Altenberg,
Sperb, Neunmorgen, die legteren von der
Gemeinde Rödersheim, wie die Überlieferung
berichtet, für 1 Maß Wein und 1 Laib
Brot: FFreilih dürfte damit nur eine
‚ noch heute daran.
jährliche Leiftung der Gemeinde Forst an |
Rödersheim für die Nubnießung Ddiejes
Feldbezirfes, eine Art Anerfennungsgebühr,
zu verftehen fein.
durch mühevolle Rodung dem Walde die
Feldmark abgewinnen mußten, davon legen
noch heute einzelne Gemwannennamen Zeugnis |
ab, wie 3. B. Hellholz.
Die Anfiedler zerlegten das Aderland
in 2 Abteilungen oder Ringe, in das obere
und das untere Feld oder in die Sommer:
und Winterflur. In jedem Ringe machten
fie foviele lange und jchmale Streifen, wie
Gehöfte da waren. Dann lojten die An»
fiedler, jo daß jede Familie in jeder Flur
ein Stüf Land erhielt. In jeder Flur
Wie dann die Anfiedler |
Steinbrüce ujw. waren gemeinfames Be-
fittum oder die Allmende. Die Nußungs-
rechte der Markgenoſſen an der Allmende
beitanden im Recht auf Brennholz, Nuß-
und Bauholz, auf Viehweide ujm. Auf
die Weide gingen ihre Pferde, Rinder,
Schafe und Schweine zujammen in Herden,
Der Gewannennamen Biehtrift erinnert ung
Bollberedhtigter Genofle
war nur, wer Haus und Hof, jelbjtändige
Haushaltung, eigenen Rauch, bejaß. Nicht
vollberechtigt waren die jogenannten Hinter»
ſaſſen. Ausfaat und Ernte, Herbitanfang,
Weidegang uſw. ordneten die Forfter nad)
eigenem Ermefjen in gemeinfamer Beratung
und hielten Gericht Über die, melde an
der eigenen Flur gejrevelt hatten. Abtreiben
des Waldes, Ziehung der Grenzen um die
Markt, PVerteilung des übriggebliebenen
Waldes, Grrihtung der Markfteine, Ber
jtrafung an revlern, Maß und Gemidt,
Weinausichanf uſw. waren gemeinjame An-
gelegenheiten, die von der gejamten Marf«
genofienjchaft auf gemeinfamem Gerichts:
plate beraten wurden.
Mit der Zeit ging die urjprünglich freie
Dorfmarf an verjchiedene Grundherrn über,
von denen der Fürftbiichof von Speyer als
größter Befiger und Landesherr die größten
Serechtiame beſaß. Der Bijchof ericheint
als der Obereigentümer der Dorfmarf mit
Wald, Wafjer und Weide und befigt die
Vogtei und alle „Herrlichkeit und Ober—
keit.” Die Biſchöfe gaben ihre Rechte als
Grundherren wieder an andere Herren zu
VLehen und fo fam es, daß in Forſt mehrere
Adelsfamilien begütert waren.
Die Dorfgenoffen, die Hubgüter des
Bilchofes im Genuffe hatten und daher
Hörige des Hubhofes waren, jtanden unter
der Hubgerichtsbarkeit. Alljährlich auf
Donnerstag nad; Martin wurde unter dem
Vorſitze des Schultheißen das Hubgericht
im Hubhofe gehalten. Zu diefem Gerichte
mufiten die Hofhörigen ericheinen, um Redt
| zu jprechen, das Urteil zu finden und Zinſen
und Bülte (Wein und Hühner) der Grund«
berrichaft zu reichen. Frevler in Wald und
Feld hatten ſich vor dem Gerichte zu ver-
antworten. Dre Beitrafung jchwerer Ber-
gehen, verhauenes Gewand, blutige Wunden
und trodfene Streiche, jtand dem Frft-
biichofe zu.
Zwei Freiltätten gab es im Dorfe:
der Hubhof und die Dorfitraße zwiſchen
den 2 Geleilen. Wer zwijchen den 2 Ge—
leijen war, der jollte frei fein und feiner
jollte ihn halten ob jeiner Schuld, Dem
Gerichte verfiel er nur, wenn er mit Liebe
oder mit Güte herauszubringen war. Die
Geldbußen fielen zu 28 dem Flirftbiichofe,
zu "3 den Hubgenofien zu. (Nach dem
Hubgerichts: Weistum von Forſt vom Jahre
1470). Neben diefem Hubgericht beftand
das alte freie Dorigericht mit marfgenojjen-
36
ihaftlihen Beamten an der Spike (Dorf-
meiftern uſw.) noch lange fort.
Mit der Ausdehnung des Ortes und
der Feldflur wuchs auch das Beftreben der
Forfter, aus der Marfgenoffenichaft Deides-
heim auszujcheiden und jelbitändig zumerden.
Durch Jahrhunderte zieht ſich der Streit
um die Selbitändigfeit. Erſt durch Vertrag
vom 23. April 1818 wurde die ganze Ge-
markung Deidesheim nad dem Verhältnis
der Seelenzahl zwiſchen Deidesheim und
Forit geteilt. Forſt hatte demgemäß An:
ipruh auf "5 der gejamten Flur von
Deidesheim, Niederfirhen und Forſt.
Unterm 28, Januar 1825 erhielt der Ber:
trag von 1818 die föniglihe Beftätigung
und Forjt hiermit feine jelbitändige Ge-
marfung in der Ausdehnung, wie fie heute
noch) beiteht. Otto Stang.
Ber Aneidhkanal.
Schluß.)
Für die Gemeinde Arzheim war die
Erbauung der Kreuzmühle nicht der einzige
Vorteil. Jenſeits des Kanals erftredt ſich
hinüber bis zur Dueich die Almende des
Dorfes, außerdem lagen dort viele Wiejen,
welche Privateıgentum waren, Dieje jahen
nur jelten einen Tropfen Waſſers, zumal
der Ranſchbach nur eine verichmwindend Fleine
Menge, meistens aber gar feines mit ſich
führte. Stein Wunder, daß man das ganze
Gebiet zur Linken des Kanals die „Bürre
Almül” nannte. Diefem Mangel juchten
die Arzheimer abzuhelfen, und wandten fidh
darum im Jahre 1701 an den General
und Direktor der FFortififationen, Franz
Kormontaigne Mit ihm fanden ſich
eines ſchönen Tages der Schultheis Paul
Stern und einige Gemeinsleute „auff dem
Ganal” ein und haben dort „den augenichein
Eingenohmen, wie man dab waßer auf die
gemein Allmiell bringen könne“, haben bei
der Gelegenheit auch 1 Gulden 2 Batzen
und 4 Bfennige verzehrt. Hatten es aud)
redlich verdient. Dann der Erfolg der
Einſichtnahme“ war der, dab fie einen
ausgehöhlten Baumftamm durd den Weg
bis an den Kanal hindurchziehen durf—
ten, durch welchen nunmehr über 200
Jahre der Kanal fein Wafjer entjendet,
die „dürre Almül“ feucht und fruchtbar zu
machen.
Bald entftand aud) eine Holzflößerei
auf dem Kanal, Bon dem ehemaligen
Holzhofe zwiſchen Alberöweiler und Stebel-
dingen ſteht noch das frühere Wohn-
gebäude des einigen Holzhofaufſehers;
zurzeit beherbergt es das kgl. Foritamt
Albersweiler. Noch fteht in Siebeldingen
die ehemalige Behaufung eines. Auflichts-
beamten des Kanals, erbaut im Jahre
1731 (Haus-Nr. 200), Ein Wappen am
Torbogen zeigt eine Scleuße mit je einem
Floße ober- und unterhalb derjelben.
Die Ableitung des Kanalwaſſers, welche
den Arzheimer Wiejen jehr zu ftatten fam,
findet Sich ebenfalls, aber in weit aus:
gedehnter Anlage, vor der Stadt Landau
jelbft.. Die meiften, im Welten der Stadt
gelegenen Gärtnereien, melde die Um—
gebung Yandaus vor allen oder doch vor
den meiften pfälziſchen Städten jo ſehr
auszeichnen und ſie gleichham zu einem
fleinen Baradieje umgefichaffen haben, ver:
danfen ihre Entitehung der vorteilhaften
Nähe des Queichlanals, der heute, in fried»
lien Tagen der Stadt zum größeren
Nugen dient als in franzöfiicher Zeit.
Und wenn aud mit der Zeit jein Bert
und feine
ent:
Denn
fih immer mehr verengt bat,
Waflermengen Fleiner geworden find,
behren fann man ihn nicht mehr.
gerade hier an jeinem Ende,
37
unmittelbar |
vor der Stadt, hinterläßt er in uns den
Eindrud, als ſei er nur dazu geichaffen,
ı der Bevölferung Segen und Wohlftand zu
Joh. Weber.
bringen.
Bayerns in hiflorifcher Beit ansgerottete und ausgeftorbene Tiere.
Unter diefem Titel veröffentlicht Dr. Joſ.
Reindl eine intereflante Abhandlung in
den empfehlenswerten „Mitteilungen
der Geographiidhen Geſellſchaft
in Münden“ (Liter.-artiftiihe Anftalt
Th. Niedel, Prannerftraße 13), der wir
auszüglich einige Daten entnehmen:
In Bayern war noch 1499 eine jolche
Menge Wild vorhanden, daß in einer alten
Urkunde verfichert wird, in Niederbayern
habe der Wildichaden zur vpollfiändigen
Berödung mander Güter geführte. Auch
ein Jahrhundert ſpäter klagten die Bauern
im Ansbadhiichen, daß die Felder durch
das Wild jümmerlich vermwüftet würden;
zwei Drittel der Ernte waren 1581 nur
Strumpfen, die Ühren vom Wild abge-
freien. Der dreißigjährige Glendsfrieg,
der bald darauf folgte, brachte feine Beſſe—
rung; nad der Chronik von Andechs nah-
men die Wölfe 1642 fo überhand, daß das
ſchutzloſe Wild faft ausgetilgt murde,
Mehrere Gemeinden hielten gemeinjchaftlid)
große Jagden ab, um das Naubzeug zu
vermindern. Die letten Spuren des
Wiſent laſſen fih noh Ende des 15,
Jahrhunderts im Neuburgerwald in Nieder
bayern verfolgen. Eben dort murde um
diefelbe Zeit noch der Auerochs erwähnt,
von dem ſich häufig foffile Überrefte in
mehreren Torſmooren finden. Der Elch
oder Elent, der große Ähnlichkeit mit einem
Hirſch Hatte und bis 12 Zentner mog,
ſcheint ım Algäu vorgefommen zu fein;
der Elbſee führte dort früher den Namen
Elchſee. Zu den lebenden Tieren — in
Schleſien fam er nodh bis 1776 vor —
rechnet ihn der Abt Rumpler noch Ende
des 15. Jahrhunderts.
Der Luchs verfdhmand aus der Nhön
im 16. Jahrhundert; 1664 wird fein Vor:
fommen in einer Rothenburger Chronif als
Seltenheit aufgeführt. In Zmiejel wurde
1815 der legte Luchs erlegt, in Wolfftein
1823. Indeſſen fommt ein Luchs nod
1846 im Baheriihen Wald vor. ®ei
Tegernjee und Schlierſee gab es 1832 noch
einzelne Luchſe; bei erfterem Orte müſſen
fie häufig gemwejen fein, da 1710 bis 1757
dort AT Lucie gefangen wurden, In der
Riß wurden 1826 fünf Luchſe gefangen,
ein lebender Luchs wurde 1824 nad Mün—
chen gebradt, und dem König Mar I. ge:
zeigt. Jäger Maier von Oberwinfel trug
1829 einen gefnebelten Lude im Ruckſack
nad) Tegernſee, 1838 oder 1840 murde
der legte [chende Luchs ım Algäu erlegt,
dody ſpürte man einen Luchs 1850 nod
im Dinterjteiner Tal, Wildkatzen fommen
wohl hie und da noch im Böhmerwald und
im Fichtelgebirge vor, doc ſehr jelten.
1667 wurden nah Münden 86 Wölfe
und 6 Luchſe zum Berfauf einge
liefert. Zur Beit des 30jährigen Srieges
waren die Wölfe in Bayern, wie jchon er: -
mwähnt, noch eine Yandplage. Bei Zwieſel
wurde 1846 ein Wolf erlegt, 1853 im
Forſtamt Vilseck. Der lettere hatte bei:
jpielloje WVerheerungen in den Scafherden
angerichtet, wurde dann erichojjen und bes
findet ſich jekt in der Sammlung des
Boologifch« mineralogifhen Vereins in
Regensburg. Ein eingewanderter Wolf
wurde 1853 im Fichtelgebirge geichoffen,
der legte einheimische bereits 1811, im Al—
gäu der legte bei Hindelang 1805, bei
Kreuth aber 1837, In der Pfalz funnte
man 1846 bis 1848 noch mehrere
Wölfe erlegen, wobei aber nidt
‚ausgeichlojjen erfheint, daß fie
aus den franzöfifhen Ardennen
hberüberliefen, (Wir vermweilen dies»
bezüglich auf unfere 7 Artikel iiber das
Borfommen des Wolfes in der Pfalz in
den legten Heften diejer Zeitihrift. D. Sch.)
Auf den braunen Bär murden im
Iſarwinkel früher Jagden abgehalten.
Bon 1700 bis 1800 wurden 40 Bären
im Gebiete von Tegernſee geftredt. Der
feste jcheint 1807 um Vermanskopf, nahe
=
der Beindlalpe, gefallen zu jein, bei Rub- | erde die Rohrmeihe und andere
polding 1835. Sn den Wäldern von , mehr. Der Slolfrabe ift im Flachlande
Zwieſel erlegten zwei Jäger, Gebrüder | ausgerottet, er fommt nur noch im Hod)
Forjter, von 1760 bis 1800 an 60 Bären. | gebirge vor. Die Nachtigall ift als Beute:
Seit 1833 verfhwanden fie aber auch aus | vogel jeit 20 Jahren eingegangen, bie und
dem Bayeriſchen Walde. Das Bild da eriftiert fie noch in der Pfalz. Ebenſo
ſchwein erhielt ſich als Standwild im ſind der graue Fiſchreiher und mehrere
Steigerwald bis 1813. m Sebalder | Deijen- und Grasmüdenarten weggezogen.
— wurden x er un * Pe . — wurde 1902 bei
geſchoſſen, im Speſſart der letzte freie ammelburg angetroffen.
Keiler erſt 1859, bei Wallerſtein in An Fiſchen ſind mehrere Arten ver—
Schwaben die letzte Wildſau 1867. Ger ſchwunden, dagegen aber auch mehrere
hegt wird das Wildſchwein befanntlih noch neue eingeführt worden. Flußperlmuſcheln
im Speſſart und im ?oritenrieder Park. | gab es früher im Fichtelgebirge und im
(Wildſchweine find in der Pfalz feine Sel- | Zöhmiſchen Wald; 1696 murden noch
tenheit. D. Sch.) Der Dambirfh iſt mehrere hundert Stüd an den Hof abge-
in Bee er: Fre eg liefert, aber in den Zeiten der napoleonifchen
er — a — * umAriege wurden die meiſten ausgerottet, die
Partenfirchener Alpenland; früher waren | meiften Perlbäche find jetzt verödet. m
fie un - — bis zu 200 GStüd. | der Nähe von Regen ift jegt zur ratio-
ud, der Biber ift ausgerottet. Im | mellen Züchtung ein Mufterbach eingerichtet
Jahre 1688 hielt Mar Emanuel noch eine | worden, aus dem frühere Bäche wieder be:
Jagd bei Benediftbeuern auf Biber und ſetzt werden ſollen.
Dttern. Bei Straubing gab es 1796
mehrere Biber. In den Sahren 1819 Von ben Schmetterlingen ift der
bis 18553 murden einzelne bei Bafjau, „Totenkopf“ jo gut mie verſchwunden.
Deggendorf, Lechsend und Höchſtädt ge- Die Urſache, daß er in Bayern auf den
ichofjen, der lette 1853 bei Stepperg auf Ausfterbeetat gejegt wurde, ift die forg-
der Donaufchlitt. Am Inn wurden die | Jame Bearbeitung des Startoffelfeldes (er
lehten Biber um 1867 eine Beute der lebt meift von Sartoffelblättern) von Seite
Wilddiebe. Im Stadtgraben von Augs— des Menden, wobei die meilten Raupen
burg wurde 1685 der letzte Biber ge- ar hübſchen großen alters zerftört
fangen, bei Gerfthofen 1847. In der | werden.
Amper wurden von linterbruf bis Bolling Bei manden Tieren, fagt der Ber-
bei Freiſing 1808 bis 1830 26 Biber ge: faſſer zum Schluß, hat allerdings zu ihrer
ichoffen oder gefangen, 1853 nod 5 Stück. Ausrottung aud der Verkehr, ferner unjere
Der lebte Biber des Nymphenburger nervöſe Zeit, weiter die bejjere Lebensweiſe
Schloßparks iſt 185657 beſeitigt worden, | des Menſchen und endlich der Bau von
1856, auch der letzte bei Stockach im Fabriken beigetragen. Neu eingewandert
Aſchaffenburgiſchen. Der Biber kam früher ſind mehrere Tiere, zum Beiſpiel die Hau:
— * Fr = ja jegt ja benlerche, —— — ag nn
eutſchland verichwunden, ud) das | ratte, au orddeutichland in die jlid-
Alpenmurmeltier ift in den bayrrifchen deutichen Seen der Zander und aus Amerika
ug“ een ; : — * —
on den geln find manche in forelle, der Bachſaibling und der Forellen—
Bayern verſchwunden, jo der Kranich, der barſch dureh fünftliche Züdtung. (M. N. N.)
Der Schneefloh.
Mit dem Herannahen des Lenzes er- | lci Frühlingsboten, die mit der Bitte um
hält die Raritätenfammlung der Redaftionen | nähere Beſchreibung der „Seltenheit von
gewöhnlich veichlihen Zuwachs von aller | den Lejern der Zeitungen zugehen. Nicht
u
jedem Gremplar der Tier- oder Pflanzen: | Bauche des Tieres; wenn es dieſe raſch
melt, das auf diefe Weile eine bejondere | ausftreft und gegen die Erde fchlägt, wird
Würdigung erfährt, kann ein papierenes | fein Körper vorwärts gefchnellt. Die Tiere
Denkmal gefegt werden, jonft müßten 3. B. | leben an feuchten Drten, entwideln ſich
den ganzen Winter über die Maifäfer- | langſam, vermehren fi aber ganz enorm.
notizen und GSchmetterlingsfonftatierungen | Gleticherflöhe, im Gegeniage zu ihren
eine ftändige Rubrif bilden; aber etwas | Namensvettern ganz harmloſe Geſchöpfe, und
befonderem oder einem Objekte, das ge- | Schneeflöhe find nahe Verwandte. Letztere
möhnlich achtlos überjehen wird, kann ınan | werden gegen 2 Millimeter lang und find
ſchon eine Kleine Betradhtung widmen. bald jchwarzblau, bald, wie andere jahen,
Alljährlich iſt im Waldlande eine merk- | gelbbraun mit ſchwärzlichen Querbinden
mwürdige Erjcheinung zu beobachten, jchrieb | und einem dunklen Fleck am Stopfe; ihre
ein aufmerffamer Naturfreund. Die Wege- | Beine und Fühler find rot. Schneeflöhe
pfüßen, Tümpel find mit einer dunfeln, | treten im Frühjahre, bejonders wenn nad)
jchwarzbraunen, oft mehrere Bentimeter | großer Kälte plöglid Wärme, etwa bei
dien Maſſe dicht bededt. Bei genauerem | Süd- und Südmeftwind eintritt, zahlreich
Bufehen ergibt fi, daß diefe Maffe voller | in Waflerpfügen und auf der Oberfläche
Leben ift und aus Myriaden von Kleinen | des Schnees auf. Ihrer Entwidelung nad)
Inſekten befteht, die fich jehr meit fort- | bilden die Harmlofen Tierchen einen Über-
jchnellen können. Es find Eremplare der | gang von niederen Tieren zu den Inſekten,
Gattung Schneefloh (Deegeria nivalis L.), | gleihfam eine Zwiſchenſtufe. Sie heißen
eıne Art Springſchwanz. Diefe fleinen, | mit ihrem Yamiliennamen Podurae aqua-
Langgeitredten Tierchen befigen einen Apparat | ticae, heißen auch bezeichnend Frühlings-
zum Fortichnellen, indem ihr SHinterleib | jchneefloh oder im Bolfsmunde „Schnee-
durch eine gegabelte Doppelfpige verlängert | laus.“ Mit eintretender Wärme verſchwindet
if. Beim Ruben liegt die Gabel am | die Erfcheinung wieder.
Menue Karten Jämtlicher bayerifchen Regierungsbezirke
find ſoeben auf jehs Blättern verteilt in W. Liebenowſche Startenwerf zugrunde liegt,
der befannten geographiichen Verlagsanſtalt bis auf die jüngite Zeit vollftändig find,
Ludwig Ravenftein, Franffurt a. M., Dieſe ſechs neuen Blätter enthalten: ſämt—
fertiggeftellt worden. 68 find folgende lihe Orte bis zum Weiler herab mit Namen;
Karten: Unter und Oberfranken; Mittel | Bahnen mit Stationen, Landftraßen,
franfen und Oberpfalz; Schwaben; Nieder: | Straßen, Fahrwege, Flüffe in Schwarz;
bayern; Oberbayern und Bayeriſche | Bebirge in grauen oder bräunlichen feinen
Pfalz. Sämtlihe Karten find im ein: | Schraffen; politifche Abgrenzungen in Far:
beitlihen Maßftabe 1:300000 gezeichnet | ben, deögleichen Bezirfsamts-, Amtögerichts«
und ftellen bei dem überaus niederen Breije | und Burgfriedensgrenzen. Gin weiterer
bon nur 1 Me. bis 1.20 ME. für die | Vorteil ift der, daß gleichwertige Karten
Karte ein ganz vorzügliches und billiges | bereit8 von allen preußijchen Regierungss
Kartenmaterial für Bayern dar. Zur Be: | bezirfen, Provinzen, von Baden, Württem-
arbeitung hat das FH. Bayerifche topo- | berg, Sachſen uſw. erjchienen und wie die
graphiihe Bureau das nötige Ma- | bayerijchen einzeln durch alle Buchhand-
terial zur Verfügung geftellt, jo daß | lungen oder vom Verleger bezogen werden
die Starten, denen das berühmte Brofeflor können.
Der Aufbruch zur Aailerfchladt.
Bifton zu Speyer.
1. Rheinaufmwärts jtieß der Oftuberiturm | Aufrütteln zu heller Siegesfreude.
. Und fuhr um ben Speyerer Glodenturm, Die Kaiferglode, feit Jahren ftumm,
Als wollt’ er das alte Domgeläute ‚ Ermwadte vom Schlafe mit tiefem Gebrunm,
— 40 —
2. Um Mitternacht ſaß ein Schiffer am Rhein: | 4 Der Schiffer befah ſich den Färchenfold,
„Fahr' über, doch muß e8 im Augenblid fein!” Da waren e8 Münzen von lauterem Gold;
So ſprachen tiefſchwarze, vermummte Geitalten; Er wußte lange nicht, wie ihm geſchehen,
Ste famen vom Dom zu des Rheines Halden Solch' Münzen batte er nie gelben,
Und mollten noch, ehe der Hahn erwacht, Und all’ mit dem Bilde der Kalſer geprägt,
Hinüber zur Leipziger Völkerſchlacht. Die einft man in Speyer zu Grabe gelegt.
3.&o majeitätiich, fo fol ihr Tritt, 5. Und wie er noch dachte, da wurde ihm klar,
So ehern ertlang er wie Feldherrnſchritt; Die Kaifer waren die ftumme Schar,
Die Schwerter jo handlich im Gürtel figen, Die Kaifer, die einft fie im Dome begruben,
Stahlpanzer unter den Mänteln bligen. — Und die vereint fih zum Kampfe erduben,
Starr ſaß im Nachen die düjtere Schar, Daß in der Leipziger Kaiferfchlacht
Bis drüben fie plößlich verfchwunden war. Dem Baterland Freiheit werde gebracht.
An den Bayerngräbern zu Weißenburg.
1. Schlaf fanft auf Deinem Ehrenjchild, 4. Manch’ Mutterauge bat geglüht
Du tapire Bayernichar, Und war von Tränen naß,
Die Wacht an Deinen Gräbern hält Manch' Wange, die gejund geblüht,
Der deutſche Kaiſeraar. Die wurde welk und blaß.
2, Wie heiß ſchlug Euer Bayernherz d. Dod find fie all damit verſöhnt:
Für's deutiche Vaterland, Ihr bliebt als Heldenfchar;
Bis früh im ſtillen Heldengrab Und hoch um Eure Hügel kreiſt
Es ſeine Ruhe fand. Der deutſche Katjeraar.
8. gu fur; nur für den Heldenmut 6. Bon Euren Ruhmestaten raufcht
ar Eure Lebensbahn, Der deutfche Rhein noch lang’,
Doch gabt Ahr Euer Beites Hin, Und traut berüber aus der Pfalz
Gabt Euer Herzblut dran. | Erflingt der Heimat Lobgefang.
Die Friedensgloce zu Eſchringen.
Die Glocke liegt verſunken Die armen Seelen fommen
m jtillen Wiefental, Bon Schmerz und Reu' erfüllt,
ünt dann und wann im Jahre Erbitten Seelenfricden
Nur mweltfern noch einmal. Bom hoben Gnadenbild.
Lorenzinachts, da klingt fie Ste büßen und beten und meinen
Bis morgens in der Früh’ Und ringen fi) wund die Hand,
So mwunderfam-gemwaltig, Bon allen Seelen bis heute
Selbſt Tote hören fie. Noch keine den Frieden fand.
Dann fpielt tie einjt die Orgel Und tönt im nahen Dorfe
Der Küſter, der ſchon tot; Der erite Habnenfchrei,
Es affistiert dem Prieſter Dann iit die Glod’ verſchwunden,
Ein Mehner ganz in Rot. | Dann ift der Spuf vorbei.
So muß bie Blode liegen
Unfindbar drauß’ im Feld,
Bis alle Zwietracht ſchwindet
Und Frieden Einkehr hält.
Dr. Sarf PYufch.
Inbalt: Zur älteften Gefchichte von Forft und Umgebung. — Der Queichkanal. (Schluß.) —
Bayerns in biftorifcher Zeit audgejtorbene und auögerottete Tiere, — Der Schneeflob. — Neue
Karten fämtlicher bayerijchen Regierungsbezirke. — Der Aufbruch zur Kaiferfchlaht. An den
Bayerngräbern zu Weißenburg. Die Friedensglocke zu Eichringen. (Gedichte.)
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl Bermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Ynbalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
Die „Ffalziſche Heimatkunde” Toflet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Befellungen werden von allen Buchhandlungen und
Voftanftalten ferner vom Verleger (Portofreie Etreifbandfendung) angenommen.
III. Jahrgang.
Nummer 4
April 1907.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT |
FÜR SCHULE UND-HAUS.
\\
L/
Steinkrenze bei Anilerslantern.”)
Bon D. Häberle, Raijerl. Rechnungs-Rat, Heidelberg.
Beim Wandern dur Wald und Flur
ftößt ein aufmerkjamer Beobadhter nicht
allein in rein fatholifchen Zändern, jondern
auch in unſerer Gegend ab und zu auf alte
Steinfreuze oder deren halbvermitterte Reſte
und ergeht ſich, da viele von ihnen feine
religiöje Bedeutung haben fünnen, megen
der ihrer Errichtung zugrunde liegenden
Beranlafjung in Vermutungen. Denn wir
finden fie jomwohl auf Grenzen wie mitten
im Felde, an öffentlichen Straßen mie tief
im Walde verftedt, je nah dem zu er-
füllenden Zweck. Ginmal dienen fie als
Grenzzeihen, ein andermal entjpringen jie
dem frommen Sinne unferer Vorfahren,
jei ed zum Andenken an einen zufälligen
Unglüdsfall, einen jähen, unvorhergejehenen
Tod, eine abgebrochene Eonjefrierte katholiſche
Kirche oder Kapelle, oder aud) zur Sühne
für eine Mordtat, wobei das bei VBerübung
des Berbrechens benüßte Inſtrument bild»
lich durch Ginmeifelung dargeftellt werde.
Da in den älteren Nachrichten über
unjere Stadt oder deren Umgegend einige
derartige Kreuze erwähnt werden, ijt ein
Hinweis auf diejelben vielleicht von In—
tereffe und regt Geſchichtsfreunde zur Be
obachtung an.
So durdlief kürzlich eine Notiz von
Herrn %. Küchler die Prefje über die Auf:
findung eines verftümmelten Kreuzes beim
Friedensplag an der alten Straße nad
der Ejelsfürth, ſowie iiber die daran haf-
tende Sage von den ſich gegenjeitig tödlich
verlegenden drei Bimmerleuten. Man geht
wohl nicht fehl, wenn man in demijelben
den Meft einer in der Stadtgeſchichte öfters
erwähnten Gruppe bon drei Kreuzen auf
der Wormjer Höhe fieht, zumal ſich die
Ortlichfeit wie auch die Zahl der Kreuze
mit dem Inhalte der Sage dedt. Schon
der Waldumgang vom 6. Mai 1539 be»
wegte ji von St. Georgs Bild an den
drei Kreuzen auf der Wormjer Höhe vor-
bei, dem Stalfofen zu und auch der vom
14. Juni 1730 fand die Kreuze noch an
ihrer alten Stelle, während St. Georgs
Bild jhon 1600 umgeftürzt und 1730 an
defien Stelle das Heiedjche Kreuz errichtet
mwar.!) Dasjelbe ift jpurlos verjchwunden
und ftand wohl am heutigen Stoffelspfad,
den Belmann Enfenbadher Pfad nennt, und
Heing irrtümlich als die weiter ſüdlich am
neuen Kirchhof einmündende Römerftraße
anfieht. Eine ähnliche Sage liegt auch dem
Kreuz an der Telephonlinie zwiſchen Stauf
und Rojenthal zu Grunde; hier jollen zwei
Kejjelichmiede einander tödlich verlegt und
fromme Seelen zur Sühne der Bluttat
den Denfftein gejegt haben; eine Inſchrift
ift nicht zu erkennen. Früher foll darauf
") Zauterer Kopialbuch, Kreisarchiv. Hein:
—
Pfalz unter den Römern, S. 59.
) Bergl. Bilfinger: Johanniskreuz, S. Hff.
geitanden yaben:
Keßler.“
Ferner wird in dem Erbbeſtandsbrief
der Papiermühle für die Erben Bayer vom
8. November 1656 bei Begrenzung der
dazu gehörigen Yäudereien ein Ramſtel
freuz gegen den Erbeöberg genannt, unter
welchem vielleiht ein ſtädtiſcher Ramftein
oder Kreuz zur Ausfteinung des MWeid):
bilde an der Straße zur Yauteripring ver—
ftanden mwerden kann ?)
Das Hannidelfreuz im Stiftswald auf
der Höhe des Diitrifts Lindenföpfe am
Bärenkopf trägt die Inſchriſft:
Johann Nikol. Asenmacher
1769 d. iten Dezember
ferner: erneuert 1852, Der Sage nad
joll ein Wilderer einen anderen an diejer
Stelle aus Unvorfichtigfeit erfchoflen haben.)
Kreuzzeihen an Bäumen auf einer
Blöße, ca. 40 m unter dem Plateau des
Pfaffenberges am ZTrippftadter Pfad, be-
rihten von einer noch ungejühnten Mord:
tat. Bier wurde auf Lichtmek 1868 die
19 Jahre alte Julie Schäfer von Tripp—
ftadt das Opfer eines Überfalles, der auf
ihrem Grabftein in Trippftadt bildlich dar:
geftellt fein ſoll.)
Über der Eichelsmühle an der Stumpf⸗
waldftraße fieht ein verftlimmeltes Kreuz
mit der Inſchrift: „Diefen Stock Hat ger
ftiftet Nic. Denrih Sommer, Derjelbe
geftorben 1749.“ Hierbei handelt es ſich
nicht, wie die Überlieferung will, um den
Denfftein für einen umgefommenen Sol⸗
daten, ſondern um einen von dem Beſitzer
der Mühle geſtifteten Bildſtock. Denn nach
Prozeßakten im Kaiſerslauterer Archiv war
bis 1748 ein Heinrich Sommer auf der
Mühle wohnhait, deſſen Witwe 1749 Heinrich
Krauß, den Stammvater einer weitver—
zweigten Müllerfamilie, heiratete.
In Neufirhen famjvor einigen Jahren
beim Wegebau in der Nähe der alten
KKönigsftrake ein unter Gehängefchutt ver-
grabenes Kreuz zum Vorichein, das viel
leicht in Beziehung auf die frühere Kirche
ftand. Leider wurde es aus Berjehen zer—
trümmert und beim Brüdenbau verwendet.
’, Ulten ber u Pfälz.
— 1904 Nr.
rdl. —* von Hrn. Forſtmeiſter Erb.
ı dgl. von Herrn Stabtförjter Kugelmann.
42
„Hier erichlugen fich zmei |
Tas Kreuz in den Wiejen beim Bahn-
hof Neuhemsbach ift wahrſcheinlich der ein«
zige Überreſt des eingegangenen Dorfes
Bundmweiler, dejjen Gemarfung in der von
Sembad) aufgegangen ift.?)
Das Torftenfonfreuzs an der Straße
nah Hochſpeyer hat fchon vielfah Er—
flärungen hervorgerufen, ohne daß bis jet
eine ganz einwandfreie Deutung gegeben
werden fonnte.®)
Namentlih an den alten Straßenzügen
nah dem DOften befanden ſich zahlreiche
Bildftöde und Kreuze. So erwähnt Bel»
mann 1604 an der Straße nad dem
Schorlenberg (Römerftraße) ein Efmanns-
bild, Waldmannsbild und Combekreuz auf
der Paßhöhe von St. Nicolaus, welches
allein auf uns gefommen ift und 1749
ein zweites als Grinnerungszeihen für
einen Unglüdsfall neben fi erhalten hat.
Unmeit davon fteht im Fiſchbacher Wald
ein großer, wohlerhaltener Stein, der
eigentlich), wie nähere Unterſuchung lehrt,
ein Kreuz ift, deſſen beide Arme abge»
ichlagen find.
An der Hochſtraße von Aljenborn über
den Roßſteig wird im Göllbeimer Weistum
‘ von 1607 ein Staffelftein und Lautenbild,
an der nad Heiligenmojchel beim Hinkel—
ftein ein „ungarifch Kreuz“ genannt, von
dem die Hohe Kreuzftraße nah dem Münch—
Ichmwanderjeld führte, wo über dem Tanzen»
brunnertal das Fiſchkreuz ſtand. Blur
bezeichnungen wie „am Kreuz“, „Kreuz
berg” in Baalborn, Enfenbad und anderen
Orten lafjen den Standort eingegangener
Feldfreuge vermuten. Da diele oft an
alten Straßen oder Straßenfreuzungen
ftanden und fomit weithin fidhtbare dauernde
Wegweiſer und Grenzzeichen bildeten, wie
3. B. das Bernhardsfreug am Schnittpunft
der alten Gulenbißer und Gafjenberger
Strafe an der Ede des Reichs- und
Königslandes bei MRothjelberg‘), das or
hanniskreuz u. a., jo fünnen fie oft hiſto—
riſche Bedeutung haben und mit vollem
Recht das Anterefje der Geſchichtsfreunde
in Anfpruch nehmen.
) Prälz. . Mufeum 1903 ©. 164,
* Bilfinger: —— ©. 85 —
) Velmanns Beforſchung des Amis € Wolf
jtein von 1600,
43
—
Bie Balentin Oftertag-Htiftung in Bad. Bürkheim.
Es mögen wohl andere Städte reicher
fundierte Stiftungen aufzumeifen haben als
obige; doch dürfte diefe ſowohl hinfichtlich
der Verwaltung als aud) ihrer Beitimmung
vielleicht einzig daftehen. Yeider find die
Urkunden über den Stifter im Jahre 1794
bei einem Überfalle der Franzoſen teilweiſe
verloren gegangen, jodak fein vollftändiges
Bild des edeln Mannes möglich iſt. Valentin
Dftertag ift im Jahre 1450 zu Dürfheim
geboren. Er war der Sohn armer Eltern
und ſoll in jeiner Jugend die Gänje ge-
hütet haben. Da er ein aufgemweıdter
Anabe war, ließen ihn wohlhabende Bürger
ftudieren. Er erwarb fich die Doftorwürde
beider Rechte, wurde kaiſerlicher Reichs»
Fisfalrat in Rottweiler, ipäter in Wien,
mojelbjt er im Jahre 1506 ſtarb. In
jeiner hohen Stellung hatte er fih wohl
bei jeinen bejcheidenen Anſprüchen ein be:
deutendes Vermögen erworben. Da jeine
Ehe finderlog geblieben, jeßte er jeıne Ge—
mahlin Margarete zur alleinigen Erbin
ein mit dem Wuftrag, feiner Wuterftadt
Dürfheim zu gedenken. Dieſe kam, mie:
wohl jie fi) nocd zweimal verheiratete,
den Wunfche im Jahre 1509 nad, indem
fie der Stadt Dürkheim ein anjehnliches
Kapital vermachte. Die Verwaltung dieſer
Stiftung übertrug fie 6 ehrbaren Männern,
weshalb diejelbe auch unter dem Namen
„Sechſerfond“ befamnt ift.
Zugleich ließ fie fih von dem Grafen
Emih VII. von Leiningen eine Urkunde
ausftellen, worin fich dieſer verpflichtete,
in dieje Stiftung feine Eingriffe zu machen,
vielmehr verſprach, fie nad Kräften zu
ſchützen.
Dieſe erſte Urkunde iſt nicht mehr vor—
handen. Im Jahre 1511 hob ſie die erſte
Stiftung auf und errichtete ein neues
Teſtament, welches noch vorhanden iſt und
in welchem ſie der Stadt Dürkheim 2000
Goldgulden vermachte, für die damalige
Zeit eine ganz bedeutende Summe. Es
ſollte dieſes, wie es in der Urkunde heißt,
hauptſächlich ein Almoſen zur Eheſteuer
ſein. Bon den ZFinſen ſollten jährlich 4
arme, aber ehelich geborene Kinder des
Fleckens jedes mit 20 Gulden in die Ehe
ausgeftattet werden. Sollten aber arme
Verwandte des feligen Dftertag von Dürk-
beim, Merſch oder Gdenfoben vorhanden
fein und fi zur Ghefteuer melden, jo
follten 2 von denjelben und 2 andere von
Dürfheim ausgefteuert werden, fall aber
feine Berwandten DOftertags vorhanden,
dann jollte die Ausfteuer den Dürfheimer
Kindern allein zufallen. Falls die BZinjen
des Kapitals fih mit der Zeit vermehrten,
jo follte der Überfhuß zur Hälfte als
Unterftügung der Hausarmen und zur
Hälfte als Stipendium für Dürfheimer
Studierende verwendet werden. Dieje Ur-
£unde erhielt jpäter durch die Gtifterin
noch mancherlei Abänderungen, wodurch den
6 Berwaltern nad) deren Gutdünken einige
Abweichungen in der Teitamentsbeftimmung
geftattet wurde, bejonders infagen der Ehe
ausfteuerung.
Da in der Urkunde ausdriüdlich be-
ſtimmt ift, daß die Verteilung der Gaben
jährlih auf den Valentinstag, als dem
Namens und Gedäcdhtnistag des Stifters,
ftattfinden ſoll, fo ift der 14. Februar für
Dürtheim cin Feiertag, für jämtliche Lehr—
anitalten ein jchulfreier Tag. In den
beiden Stirchen findet Gottesdienft ftatt.
Dabei erhält der Geiftliche, der die Feſt—
predigt hält, einen ganzen und der Or—
ganift einen halben Goldgulden.
Die Volksſchüler verfammeln ſich bei-
zeiten im ihren Lehrfälen, woſelbſt ihnen
von ihren Yehrern die Bedeutung des Tages
erklärt wird. Unter Abfingen des von
Blarrer Häncen*) gedichteten Veltenliedes
ziehen die 4 oberen Klaſſen nah dem
Stadthaufe, woſelbſt fi unterdeffen die
Sechſerkommiſſion und der amtierende Geijt«
liche eingefunden haben. Nun geht es in
ſtattlichem Auge nad der Kirche. Nach
Beendigung des Gottesdienites begeben ſich
die Schüler abermals in ihre Lehrfäle um
die Veltenswede in Empfang zu nehmen.
Diejenigen Brautpaare, welche zur Aus-
fteuer bejtimmt find, nehmen während des
Sottesdienftes vor dem Altare Aufftellung
und werden unmittelbar nach der Predigt
getraut. Hierauf findet die Verteilung der
* Händen war in den Jahren 1860—1864
eriter Stabtpfarrer in Dürkheim, fam dann nach
Kandel, wo er 1879 geitorben tit.
— U
Gaben an die Ortsarmen im Stadthauje | zöfiiher Soldaten überfallen; die Stifte
ftatt. Aber auch mährend des SYahres | wurde ihnen abgenommen und nad Wachen»
werden reichlihe Gaben aus der Stiftung | heim gebradt. Dafelbft fanden die Sechſer
an diejelben verteilt. in einem Gartenhaus ihre Sifte erbrocden
Das Beifpiel des edeln Stifter hat | wieder; aber mande Urkunde fehlte und
im Laufe der Zeit viele Nachfolger gefunden, | einen Pakt mit Obligationen mußten jie
Größere und Fleinere Vermächtniſſe wohl | einem Hufaren um 6 Stronentaler abhandeln.
tätiger hiefiger Bürger haben zur Ber: | Darauf ermwirkten fie fih von dem Kom—
größerung der Dftertag-Stiftung beige- | mandanten eine Sicherheitsgarde und brady-
tragen, jodaß diefelbe zurzeit über 136000 | ten unter deren Schuge die noch geretteten
Mark beträgt und e8 darf wohl angenommen | Papiere wieder nah Dürkheim zurüd. —
werden, daß ich das Kapital auch ferner: Möge die Stiftung in Zufunft vor
bin durch edle Menfchenfreunde noch mehren | ähnlichen Gefahren bewahrt bleiben, damit
wird. Alle Anerfennung aber verdient | diejelbe auch weiterhin ihren Segen ent-
aud die gewiſſenhafte Berwaltung der | falten fann! Valentin Oftertag aber hat
Stiftung durch die Sechierfommiffion, welche | durch diejelbe jeinen Namen in jegens-
für ihre Mühewaltung feine Entihädigung | vollem Andenken bei den Armen erhalten.
erhält als am Balentinstage je 6 große | jeder Dürfheimer erinnert ſich gewiß noch
Beltenswede. in feinen jpäteren Jahren mit Bergnügen
Als im Jahre 1794 der Stiftung, wie | des Wohlbehagens, mit welchem er uls
ihon oben angedeutet, durch die Franzofen | Kind feinen Valentinsweck empfing und in
Gefahr drohte, wollten die 6 Bermalter | kindlihem ®emüte den ſchon längft ver-
am 11. April jämtliche Urfunden und Obli- | blidenen Stifter diefer Gabe im nadı«
gationen, um fie vor dem Raubgeſindel zu | ftehenden Liederterte beim öffentlihen Um:
ſichern, nach Mannheim bringen, wurden | zuge lobte und jegnete.
aber unterwegs von einer Abteilung fran- Aöckel.
Delten Oſtertag.
Bon Pfarrer Händen.
Zum Beltenzug beran, beran! „Was ijt mein Glück? Ein goldnes Hoch!
Es gilt dem beiten Mann, Wär’ ih in Dürkheim noch!
Des unf're Stadt fi rühmen kann. Am jchönjten war's in Dürkheim doch!”
Ein Hoch dem Djftertag! &o rief der Oſtertag.
Hoch Belten Oftertag! Hoch Belten Oſtertag!
Der Gänſe hier gehütet hat, „Seh' ich nicht mehr mein Heimatland,
War ſpäter Freund und Rat Soll doch mein Name dort
Des Kaiſers in der Kaiſerſtadt: In Segen bleiben fort und fort!“
Das war der Oſtertag! So ſprach der Oſlertag.
Hoch Belten Oſtertag! Hoch Belten Oſtertag!
Doch ihn berauſchte nicht ſein Glück, Du haſt Dich, Belten, nicht geirrt;
Oft warf er einen Blick Dein edler Name wird
Auf ſeine Gänſehut zurück. n Segen bleiben, Gänſehirt!
Das war der Djtertag! tn Hoc dem Diftertag!
Hod Velten Dftertag! Hoch Belten Djtertag!
Die Wildkabe.
Zum Heile für unjere Yagd ift die | großer Zahl vorkommt. Indeſſen ift ihre
Wildfage im deutichen Baterlande ziemlich | gänzliche Ausrottung, die gewiß jeder Jäger
jelten geworden. Ausgenommen find jedoch wünſcht, da fie nicht den geringjten Nußen,
einige maldreihe Teile, vorzüglich des | wohl aber überaus großen Schaden ftiftet,
mittleren und weftlihen Deutjchlands, wo | darum fehr ſchwer, weil dieſes ebenjo
fie noch häufiger, wenn aud niemals in | fcheue, wie vorfichtige Tier nicht leicht zu
fangen ift, auch bei Treibjagden nur äußerft
ſchwer aus der gewohnten Didung heraus»
geht. Übrigens wird jo mandes Eremplar
als echte Wildfage angeiproden und die
Erlegung überall gemeldet, deren Wiege
unterm Kamin, hinterm warmen Ofen oder
in irgend einem Stalle oder einer Scheune
ftand. Die fiherften Unterfcheidungsmerf-
male zwifchen einer echten Wildfage und
einer der wilden sehr ähnlich gefärbten,
vermwilderten Hausfaße merde ich nachher
befannt geben. — Raturgeihichtlich gehören
die Wildfagen zur Drdnung der Raub-
tiere, zur Gruppe der Sagen und zur
Familie der Zehengänger; die vormiegende
Farbe des Balges ift das dunkle grau.
Die Färbung am Rüden, Hals und Kopf
ift ein Gemiſch von gelblid- und rotgrau,
griesaichgrau und bräunlid. Am Unter:
bals und der Bruft fällt die Färbung am
meisten ins Rötliche. Die Wildfagen haben
einen ſchwärzlichen Rüdenftreifen und einige
ebenjolche Querftreifen, die fih vom Rücken
über die Rippen bi zum Bauche ziehen
und häufig verwiſcht und unbejtimmt er-
Icheinen.
Das Haar ift fein und weich, im Winter
lang umd dicht; die Kehle hat einen weiß—
lichen, oft aud einen gelblichen Fleck, der
Bauch ift mweißlichgrau und blaßgelb ge-
miſcht. Die Lippen und Sohlen find
Schwarz, ebenio hat die Rute mehrere
glänzend ſchwarze, nahe zujammenftehende
Ringe und ein ſchwarzes oder doch ſchwärz
lich gefürbtes Ende. Schwarze Xippen,
jchwarze Fußſohlen, der gelbliche oder
weißliche Fleck der Kehle find harafteriftifche
Abzeichen der Wildkatze. Die Läufe find
dunfler gezeichnet als der Rücken, bejonders
an der inneren Seite fait ſchwarz.
Färbungsvarietäten fommen bei der
echten Wildfage nur jelten vor und anders
gefärbte Eremplare fünnen füglich nicht als
milde angeiprochen werden, da fie in den
meisten Fällen wohl nur Bajtarde von
wirklich wilden und vermwilderten Skagen,
bez. mit Baftarden, find. Befanntlich gıbt
es viele verwilderte Hauskatzen oder Baftarde
von wirflih milden und zahmen, da eritere
und auch zahme Hausfagen mit edjten
wilden bei zufälliger Begegnung im Freien
nicht jelten rangen, die mit ihren milden
Verwandten eine jo auffallende Ähnlichkeit
in der Färbung haben, daß oft jelbft tüch—
tige Jäger und Kenner im Zweifel find,
ob diejelben als Wildfaßen oder nur als ver-
wilderte angefproden werden ſollen.
Außer den nachher noch zu nennenden
fihern Unterſcheidungsmerkmalen finden
auch einige Säger an den Ringen der
Lunte — Rute — ein Unteriheidungs«
zeihen. Dieje follen nämlih an der
Lunte der echten Wildfage immer wirkliche
Ringe, d. h. vollfommen geſchloſſen fein,
während dies bei zahmen, vermilderten
Katzen, reſp. Baftarden nicht der Fall ift,
denn bier find diefe Ringe an der untern
Nutenjeite offen, aljo nicht gejchloffen und
ericheinen unbejtimmt und vermifcht.
Im dritten Lebensjahre ftehende, alfo
vollfommen ausgewachſene Wildfagen er-
reihen eine Yänge von 50—70 cın, noch
größere Gremplare mögen bier und da
vorfommen, gehören jedoch zu den Selten-
heiten; übrigens jind die Kater ſtets be-
deutend größer und ftärker als die Weib-
chen. Junge Wildfagen erreichen im erften
Herbjte nad) der Geburt ungefähr die Stärfe
einer Hausfage. Die Yunte ift etwa 30 cın
und Darüber lang; die Körperhöhe be»
trägt 30—36 cm. Das Gewicht iſt ſehr
verjchieden und hängt vom Alter und der
Nahrung ab, im allgemeinen wird eine
ausgewachſene Wildkatze 6—9 kg ſchwer.
— Die Zunge iſt ſcharf und feilenartig
rauh. Der RNopf erſcheint plattgedrückt,
bei dem Weibchen iſt er weniger ſtark als
beim Kater. Die vordern fünfzehigen und
hintern vierzehigen Branfen find in der
Form genau jo mie bei der zahmen State,
nur größer, jedoh haben die Sohlen der
Hinterläufe nur unten einen ſchwarzen
Fleck; die einziehbaren Waffen find länger
und ſchärfer. Beim Wildfater ift Die
Brunftrute nicht fichtbar. Die dichtbehaarte
und glänzend geringelte Lunte ift im Ver:
gleid; zum übrigen Körper kurz zu nennen
und nicht — nie — wie bei der zahmen
Katze — oder Bajtard — zugeipigt, fon»
dern erſcheint wie kurz abgehackt. Wie
ſchon bemerkt ift die Ähnlichkeit zwiſchen
den echten Wildfagen und den Baitarden
oft eine jehr große, ein faljches Anſprechen
daher leicht möglich; ich will daher noch»
mals die hauptſächlichſten Unterjcheidungs-
zeichen bier furz zuſammenfaſſen.
Die völlig ausgewachjene Wildfage ift
viel jtärfer als die zahme; der Hals ift
länger, der Kopf platter, gedrüdter und
die Lauſcher find fteifer als bei der zah-
men Katze; bei letterer ift auch die Be-
baarung weniger fein und lang und dicht.
Das Gejceide iſt bei der Wildkatze
ungefähr ein Drittel fürzer als bei
46
der zahmen; die MWildfage hat eben den
Darm der reinen Fleiſchfreſſer, während
die zahme Sage den Darın eines Tieres
bat, welches von gemiſchter Koſt lebt. Alle
Wıldfagen haben einen furzen und alle
Hausfagen einen gleihmäßig längern Darm.
Die Frage, ob die Hausfake von der
Wildkatze abjtammt, iſt noch nicht gelöft. —
Wie das wilde Tier im gezähmten Zu
ftande und unter dem Einfluſſe menſchlicher
Behandlung an jeiner Eigenart verliert und
eine gewiſſe Änderung mit Beibehaltung
der charafteriftiichen Grundeigentümlichkeiten
wahrnehmen läßt, jo erkennen wir aud)
eine teilmeije Annäherung und Rückkehr
zum urjprünglichen Wejen und Leben, wenn
eines unjerer zahmen Tiere vermildert.
Was eine unüberjehbare Periode der Ber:
gangenheit bewirkt hat, das fann die ver-
Ihwindend kurze Lebenszeit eines Tieres
nicht verwijchen und es fann bier nur von
Andeutungen die Rede fein, welche uns zu
dem Schluſſe berechtigen, daß bei ver-
wilderten Tieren unter der Vorausſetzung
ununterbrochener Verwilderung die Nad):
kommenſchaft einer fernen Zukunft fich von
Generation zu Generation dem Urtypus
mehr nähern werde. Am langjamften fcheint
diefe Rückkehr zur Urjprünglichfeit in der
äußeren form und Geftaltung, in den
fihtbaren Unterjheidungsmerfmalen von
ehedem und jet, am jchnelliten in der
Lebensweiſe und der jenjuellen Begabung
ftattzufinden. Man nimmt bei verwilderten
Katzen einen unverfennbaren Unterjcied
im Vergleiche zu den an Haus und Hof
geieffelten zahmen Sagen wahr, teils in
NRücdficht der Größe des Körpers, der Stärke
und Ausbildung der Gliedmaßen, der Ges
wandtheit in Ausführung von Unterneh-
mungen, ſowie in der Zeichnung, die ſich
derjenigen der Wildfage allmählih zu
nähern jcheint, teil$ aber vorzugsmeije in
der Wildheit der Natur und der Schärfung
der Sinne wie in der Kühnheit der Raub:
— — — — — — — — — — — — — — — — —
taten. Mit ihrer Verwilderung betritt
unſere Hauskatze ein anderes Gebiet des
Wirkens und der Lebensweiſe, auf dem ſie
zwar der Hauptſache nach bleibt, was ſie
war, aber auf ſich ſelbſt nun angewieſen,
Zögling ihrer Erfahrungen und der dar—
gebotenen Gelegenheiten und Umſtände wird.
Ihre Stellung zum Menſchen, ihr Ber-
halten und ihre Leiftungen gegenüber feinen
Forderungen, eingedent des guten Rufes
der Hausfagen wegen ihres wejentlichen
Eingriffs in das jchädliche Heer der be:
läftigenden Nager, wird von neuem geprüft
werden müſſen und zwar vorurteılslos.
Habt hr, meine Leſer, Euch jchon die
Frage geitellt, wie vermwildert die Haus—
tage? Unſere Kage fühlt fi nur wohl
draußen in Gärten, Wieſen und Feldern.
— Sehen wir uns zunächſt einmal nad)
ihrem Haufen in den Gärten um.
Mit jcharfen Sinnen verfolgt jie den
Wandel der Vögel. Erfahrung belehrt fie
über die Eigentümlichfeiten derjelben; fie
lernt ihre Schwähen und Stärfen, die
Mittel und Wege zu ihrer Erhaltung,
Sicherheit und Rettung fennen; fie zieht
Schlüſſe aus ihren Tönen, ihrem Fluge,
ihrem Weſen und Benehmen; fie jühlt aus
allen dieſen Äußerungen den Seelenzuftand,
in welchem ſich die Tierchen befinden, heraus,
ihre Furcht, ihre Angſt, VBerlegenheit, Ver—
zweiflung und Bejorgnis um Neft und Brut.
Da darf eine Maus den Weg freuzen, die
vogellüfterne Hape fieht ihr entweder im
Kampfe mit vorübergehender Unichlüfligkeit
in der Wahl nad, oder fie verfolgt nad)
raſch volljogenem Fange ihren urjprüng-
lihen höheren Zweck, die getötete Maus
zur Seite legend. Was hilft nun die Lift
der ihrem Naturtriebe folgenden Gras»
müde, welche fi zur Rettung der Brut
in der Abficht, den Feind abzulenfen, zur
Erde niederfallen läßt und in täufchender
Beritellung die mühjam Ddahinflatternde
Flügellahme darftellt?! Die Hape hat das
ihon öfters gejehen und ihre mißlungenen
Sprünge nad) der trefflihen Schaufpielerin
haben fie bereit8 von der Erfolglofigkfeit
ihrer Bemühungen überzeugt. Eingedenk
fo mancher glüdlihen Entdeckung, jpäht
und laufcht fie umher. Zuweilen führt das
Auskundſchaften in den nädhititehenden
Büſchen und Stauden zum Ziele, fiherer
aber das zurüchaltende Lauern. Denn
entweder fehren die Eltern bald mit Futter
zur Brut zurücd oder dieſe legtere verrät
durh Locken den Stand des Neites und
nun bat die Kae nur zu prüfen, wie fie
zum Sig der auserfehenen Opfer gelangen
fann, Hier erreicht fie durch Klettern Die
auf Büſchen und Bäumen ftehenden Weiter;
dort weiß fie durch einen Sprung Neft und
Inhalt zu ſich hinabzureißen. Hier greift
fie mit der Pfote möglichit tiet in den
Starenfaften hinein; dort fängt fie auf
der Lauer die Ernährer vor der Öffnung
mweg, jo daß die Inſaſſen jämmerlich ver:
bungern oder, wenn fie flügge genug find,
futtergierig jchreiend hervorlugen und ſich
von der Mörderin ergreifen laffen. —
Gelungene Unternehmungen reizen und
treiben zu neuen an und da die Vogel—
beute für Sagengaumen eine wahre Leder:
jpeife ift, jo mwırd der Sinn der alfo
Lüftern gewordenen State mit aller Ent»
ichiedenheit ganz vorzüglih auf ſolche
Raubzüge hingelenkt. Die Folge ift em-
pörend genug, denn die VBerheerungen find
oft der Art, daß faft fein einziges Vogel»
neft den Sommer bindurdh in den Gärten
verjchont bleibt, die von Katzen bejchlichen
und ausgejpürt werden, ausgenommen dies
jenigen Nejter, welche auf äußerft ſchwan—
fen Bweigen und in den unzugänglichen
Stronen der Bäume angebracht find oder
in engen und tiefen Höhlungen ſtehen.
Den Erdneitern geht es in Feld und
Wieſe nicht befjer, womöglich noch jchlimmer,
denn die Hape nimmt zu wie an Alter jo
an Schlauhert und erſprießlicher Ausnügung
ihrer im Gedächtnis haftenden, die Neigung
beftimimenden Grlebniffe und Erfahrungen.
Hier erweitert fi der Kreis ihrer Raub»
taten und Übung mit Erfolg führt fie vom
Kleinen zum Großen, von der Lerche zum
Nebhuhn, von der Maus zum Hajen. Da
ift es nicht bloh die brütende Wadıtel, das
brütende Rebhuhn, die fie über dem Nefte
fängt, fondern ihr Verftand leiter fie zu
weit bewundernswürdigeren Ausführungen,
fein erfonnenen Taten, — Das allabend-
the Loden der zeritreuten Hühnerketten
weckt ihren Unternehmungsgeift. Sie bat
das Aufftehen der jungen Hühner in der
Dämmerung gejehen und das „Einfallen“
derjelben in der Nähe beglnftigte einen
47
Sprung nad einen derfelben. Nun fteht
die Stenntnisreiche zur Dämmerzeit mit ge
ipanntem Gehör und gejchärftem Geficht
am Blätchen, wo die Hühner fich zuiammen-
rufen oder einzufallen gewohnt find, Ge»
legenheit macht Diebe — Übung macht
den Meifter — Erfahrung bildet aus und
um! Unſere verwilderte Katze fängt nun
lieber Hühner, Wachteln, Verden und
Wiefenichmäger, als Mäuſe. Nber nod
nicht genug. Es fpredye das Räuberleben
eines Katers, den ich perjönlich fannte —
eı war meinen Eltern — und der weniger
verwildert, als vielmehr periodiidy der Hei⸗
mat entiremdet war. Eines Morgens fehe
ich ihn vor unferer Türe auf das Öffnen
ivartend, mit einem jungen, fait halb»
wüchligen Hajen Unverfehrt lieferte er
die Beute ab und in dieſer einen Woche
brachte er 5 Hafen, alle unverjehrt.
Zur Erläuterung diejes Auftritts möge
die genügend verbürgte und ficher feitge-
ftelte Beobachtung dienen, daß Skaten,
welche nicht gänzlich dem Hauje entfremdet
find, den großen Raub nachhauſe fchleppen.
Vermwilderte Haken dagegen, die fi von
Haus und Hof ganz und gar entfernt haben
und eigentlich nirgends daheim find, tun
dies jelbitverftändlich nicht, ſondern ver»
zehren auch den größeren Raub an ſicherem
Drt. Übrigens find es vorzugsweiſe die
ftarfen, alten Sater, melde ſich ſowohl
durch Mannigfaltigfeit der Raubtaten, wie
auch durch regelmäßiges Heimtragen der
größeren Beute auszeihnen, — Nad) diejer
fleinen Abjchweifung zur Haus- und ver-
wilderten Kate fomme ich noch einmal zur
Wildfage, diefem deutichen Panther. Im
Juli vorigen Jahres ging id) auf die Birſche
nad) einem Bock. Die drüdende Hite hatte
nachgelaſſen; mie ausgeftorben war der
Wald. Die Sänger des Waldes jchwiegen,
bloß ließ hie und da die Amfel noch ihr
Lıed erichallen. Immer mweiter dehnte ſich
der Schatten aus, Wlöglich hörte ich den
ftörenden Schrei des im Didicht aufge:
ichredten Eichelhähers. In der Richtung
von jener Stelle fommend zeigte ſich vor-
fichtig jchreitend eine Katze. Am Rande
des Waldes blieb fie ftehen, ficherte eine
Weile und trat nun etwas vertrauter auf
die Wieſe. Ich beobadıtete fie auf etwa
250 m durds Glas. Sie ſchlich jehr
borfihtig in der Liefer des Waldes mir den
Rüden fehrend. Als fie um eine Ede bog,
benußte ich die Deckung vorwärts zu kommen.
Als ih in die Nähe von 80 ın fam, war
fie gerade mit Verzehrung eines kleinen
Raubes fertig und behielt die geringe Ent—
fernung von 2 m vom Walde bei immer
wieder mit größter Vorſicht weiterftreifend.
Scharf an der Liefer des Waldes ftrebte
id; näherzufommen und gelang mir aud
bis auf 60 m. Bligfchnell warf fie den
Kopf gegen mich um, ein Sprung gegen
den Wald, ein Knall und fie war meinen
Augen entſchwunden. Schnell [ud ich den
rechten Yauf wieder, näherte mich vorfichtig
der Einiprungftelle, als ich fie im Gehölze
auf etwa 30 m pfauchen hörte. Sie rich:
tete die großen, funfelnden Augen auf mid,
ein zweiter Schuß und der gewaltige Räuber
hatte außgelitten. So leicht gelingt es
zwar nur jelten, daß man einer Wıldfage
babhaft wird. Zum Aufenthalt wählen
die Wildfagen die engiten Dickungen in
großen zulammenhängenden Waldbezirken
und liegen hier tagsüber jchlafend in Fels—
ipalten, hohlen Bäumen oder in Dadıs-
und Fuchsbauen, kehren fih aud nicht
daran, ob legtere bewohnt find oder nidıt;
übrigens meidet Meifter Reinede die nähere
Berührung mit diefem ſtets unmwillfommenen
Eindringling und geht ihm gefliffentlich aus
dem Wege. An jchönen, fonnigen Tagen
bringen die Wildfagen auch den Tag
im Freien jchlafend zu. Am Sommer
haufen fie zuweilen im hohen Getreide und
befiegeln damit ohne Gnade das Scicjal
aller dajelbit lebenden Nebhühner und Hafen.
Der Freibeuter Reinede erſcheint der Wild:
fate gegenüber faft als harmloſer Stümper,
denn ihre überaus große Mordluft und
Wildheit, ihre Stärfe, Gemandtheit, Aus-
dauer und die Vorzüglichkeit ihrer Sinnes—
organe jtempeln fie zum aflergefährlichiten
beimifchen Raubmwilde und die einzig gute
Seite, die fie bat, ift die, dat fie ſich in
unjern heimatlihen Wäldern von Jahr zu
Jahr jeltener macht. Ebenſo vorfichtig
ichleichend mie jprunggemwandt, jo fühn mie
blutdürftig, zerrüttet fie bald jedweden
BWildjtand, denn was davon dem nimmer—
48
fatten Mordgejellen nit nah und nad
zum Opfer fällt, mwechielt jehr bald von
dem jo bedrohten, unheilvollen Standorte
hinweg. An den aufgefundenen, immer
nah ganz beftimmter Art geriffenen und
angeichnittenen Stüden Wild wird der be:
jagende Waidmann jehr bald gewahr, —
auch ohne noch die darin würgende Beitie
jelbft von Angeficht zu Angeſicht oder nur
deren Gefährte erblidt zu haben — weſſen
Geiftes Kind den Waldfrieden ftört. Bon
den Dachs und Fuchsbauen aus, melde
Schlupfwinfel die Mörderin zu ihrer feiten
Heimftätte wählt, durchſtreift fie rajtlos
Wald und Gebirge, dabei in ihrer heißen,
nie zu ftillenden Blutgier Raub auf Raub
bäufend. Zu ſolchem Zwecke lauert die
geichmeidige Kanaille hinter Felsblöden und
alten Baumftümpfen oder aud) aufgebäumt
in dem unterften ftarfen Geäft großer
Bäume liegend, ftundenlang in fteinerner
Unbeweglichkeit und doch nie eingeichläferter
Yufinerfiamfeit dem Wilde auf jeinem
Wechfel auf. Und wehe dem Stüd, das
an fo verhängnisvoller Stelle feiner Bahn
wandelt, — bligichnell figt ihm das Erallige
Teufelstier im Nacken. Wie eın vom
Bogen abgeichnellter Pfeil fliegt das Wild
mit jähem Sage body in die Luft. Feſt—
gefrallt wanft und weicht die Kage nie von
ihrem Site, unrettbar verloren iſt das be—
dauernswerte Opfer! —
Die das ganze Jahr als Einfiedler
lebenden Stater gehen im jFebruar, in ſehr
falten Wintern auch wohl im März; aus,
eine Kätzin zu ſuchen, denn in diejer Beit
beginnt die Ranzzeit; die Ranzperiode
fällt faft mit der der Hausfage zuſammen
und jegt geichieht audy die Kreuzung mit
denjelben. Durch lautes und Flägliches
Miauen locken die Geſchlechter einander
an; meiftens finden ſich dann auch mehrere
Freier um eine Schöne ein und es gibt
eine Stagenbalgerei; der jchwächere, arg
zugerichtet, muß weichen. Das erfte Heim
der Nachkommenſchaft befindet fich meiſtens
in Dachs- und Fuchsbauen. Nah 9 Wochen
wirft die Kätzin 3—6 Jungen, die 3 Wochen
blind find,
3. Sayermann.
49
—
Die Helbfireinigung der Flülfe.*)
Bon R. H. France.
Jedem, der mit offenen Augen in die Flüſſe leiten, unbedingt deren Wafler end-
Natur blickt, wird es jchon aufgefallen jein, | giltig verpeften und die fürdhterlichiten
daß die jo lebhafte und reingrüne Farbe
des Frühlingslaubs im Laufe des Som—
mers fih verwiſcht. Dunflere Töne,
ſchmutziges Grün, Beimengungen von Gelb
und Braun treten auf und ein in das
Weſen der Natur eindringender Landſchafts—
maler wird fih mohl hüten, in einem
Spätjommerbild dieſe jatten, jeltjamen
Nuancen der Bäume zu vergefjen. Gerade
fie geben ja dem Bilde einen wejentlichen
Zeil jeiner charafteriftiihen Stimmung.
Fragt er bei einem Botanifer an, worauf
diefer Farbenwechſel beruht, jo fann ihn
diejer aufflären, es jeien die Zerſetzungs—
produfte des Chlorophyll durd das inten-
five Sonnenliht. In den Tropen geht
dad noch viel meiter. Gelbliche Fär—
bungen des Laubes jind ganz allgemein
und bei gewifjen Bäumen (3. B. Pisonia
alba) werden die in der Yugend reingrlünen
Blätter infolge des Sonnenlichtes im Alter
Ichneeweiß. Dieſe VBerfärbung hat aber
mweder bei uns, no im Süden zu dem
Bertrodnen und dem Laubfall Beziehung;
fie ift nicht8 anderes als ein Symptom
des Alterns, das bei jedem, grellem Sonnen:
licht ausgefegten Chlorophyll ſich einftellt.
Das Blattgrün erleidet den Lichttod —
es wird ebenjo zerjtört wie Anilinfarben an
der Sonne verbleihen und dadurd muß es
aud feine phyſiologiſchen Funktionen ein-
ftelen.. Dieje Tatjahe machte nun die
Naturforihung darauf aufmerkſam, daß man
vieleiht auch schädliche Pflanzen durch
grelles Licht abtöten Fünne. Gin Natur-
vorbild hierfür mar ohnedies in jener,
unjeren Gebildeten jaft gar nicht befannten
und wirtſchaftlich doch jo wichtigen Er-
ſchemung gegeben, die man die Selbſt—
reinigung der Flüffe nennt. Das ift ein
Phänomen, das man für ein Wunder halten
mußte, bevor man feine Grflärung mußte,
Es befteht darin, daß der gejamte Unrat
unferer Städte, den wir gewöhnlich in die
Seuden nad) fich ziehen müßte, wenn nicht
die Flüffe all ihre Berunreinigungen jelbft
verzehren würden. Das anſchaulichſte Bild,
um welch ernfte und wichtige Angelegenheit
es fich hierbei handelt, gibt uns der Bericht,
den eine vor Jahren in Paris eingejekte
Kommiſſion erftattete, die den Grad der
Verunreinigung der Seine durch die Parifer
Kanäle unterfuchte. Der Bericht jagt u. a.:
„Während oberhalb der Brüde von Asnières
das Flußbett mit weißem Sande bededt,
der Fluß dort von Fiſchen belebt ift und
die Ufer mit reihlihem Pflanzenwuchs be-
ftanden find, verjchwindet dies alles von
der Stelle an, wo der große Sammelfanal
von Clichy einmündet. Er bringt eine Flut
Ihmwarzen, mit Fettungen, Bfropfen, Haaren,
Tierleihen und anderem Unrat bededten
Waſſers, das fi nur langjam mit dem
Strome miſcht. Ein grauer Schlamm, mit
organiihen Reſten vermijcht, Häuft ſich
längs des rechten Ufjerd und erzeugt er-
höhte Bänke, welche zeitweife übelriechende
Inſeln bilden. Diefer Schlamm bededt
weiter unten das ganze Flußbett. In ihm
gärt es und die bei Berjegungen frei
werdenden Gasblajen, welche auffteigen und
an der Oberfläche plagen, haben in der
beißen Jahreszeit oft I—1!s m Durd-
mefjer und heben den ftinfenden Schlamm
vom Boden des Fluffes. Sein lebendes
Wejen, weder Fiſch noch Pflanze gedeiht
hier.“ Aber wie merkwürdig, troß dieſer
ungeheuerlihen Verunreinigung, die das
Leben von 2! Millionen zujammenge-
drängter Menſchen mit fidy bringt, ift die
Seine 70 Kilometer abwärt® von Paris
wieder ebenjo rein, freundlich und appetit-
lid, wie vor der Stadt! Und dasjelbe
Bild, wie die Seine in Paris, zeigt die
Themje unterhalb Londons, die Spree
binter Berlin, die Dder nad Breslau, die
Donau unterhalb Wiens, kurz alle Flüſſe,
die durch große Städte ftrömen. Ye nad)
Wir entnehmen diejen intereflanten Abfchnitt der zweiten Lieferung von Frances großem
Werke „Das Leben der Pflanze“, das Fürzlich im Verlag des „Kosmos“ in Gtuttgartizu:er-
feinen begonnen Hat. Die 1. Abteilung: „Das Pflanzenleben Deutſchlands“ iſt auf 26 Liefe-
rungen (& 1 Marf) berechnet.
der Größe der Stadt bezw. der Berun-
reinigung find fie nad 50 - 70 Stilometer
wieder völlig gereinigt. Die Hygiene be-
grüßte das freilich danfbarften Herzens,
aber es madte ihr viel Kopfzerbrechen.
Heute wiſſen wir, daß es eigentlich das
Sonnenlicht iR, welches die Flüffe und
alle Wäfler reinigt. Und zwar in folgender
komplizierten Weife: Die organifchen Ab—
fallftoffe ernähren Billionen von Waſſer-
bafterien und Fadenpilzen. Dieſe jpalten
die Subjtanzen in einfachere chemijche Ber-
bindungen, erzeugen aber zugleich giftige
Berjegungsprodufte, die keinerlei anderes
Pflanzenleben auffommen laſſen. Aber
wenn meiter flußabmwärts ſich die Abfall.
jaude mehr zerlöſt und das Sonnenlicht
tiefer in das Waſſer eindringen kann, be«
ginnt die Selbftreinigung. Die Bafterien
können dem hellen Sonnenlicht nidyt wider:
ftehen. Sie erleiden den Lichttod. Die
durch fie erzeugten organijchen Stoffe bleiben
zwar, aber ihre Gifte werden durch die
immer weitergehende Berdünnung unmirf-
fam und die Sonne, welche die uns ſchäd—
lihen, Organismen tötet, ruft die uns
nüglihen ins Leben. Cine Unmenge
50
mifroffopifcher, grüner Pflänzchen fiedelt
fih dann an und verzehrt eifrig alle Reſte
der Jauche, melde dur die Bakterien
merfwürdigermeije jujt jo weit chemiſch zer-
legt wurde, daß fie in den Stoffwechſel
der grünen Pflanzen einverleibt werden
kann. Es ift derfelbe Prozeß, den wir bei
der Humusbildung fennen lernten, nur
ift er bier ins Wafjer übertragen und jpielt
ſich ausfchließlih ın den Wegionen mikro—
ſtopiſcher Kleinheit ab. Die grüne Pflanze
ift eben überall die Erhalterin der Ge—
jundheit; jo wie fie eine kahle Einöde zum
Baradies verwandelt, jo kann fie den übel-
riechenden Kanal aud wieder zum Flaren,
durchlichtigen, poetiſchen Flüßchen machen,
und dur den zarten, grünen Schimmer
unferer Gewäſſer, von dem der Stundige
weiß, daß er aus lauter mikroſkopiſchen
Bflängchen beiteht, uns vor Geuden und
den Giften der Bafterien bewahren, Des»
halb fucht man jet dieje „biologiiche Klärung
der Abwäſſer“, wie der techniſche Ausdruck
für diefen Vorgang lautet, mit allen Mitteln
zu erzielen und zu bejchleunigen. (Seidel-
berger Tageblatt.)
Barflellungen aus der bayerifhen Ariegs- und Heeresgeſchichte.
Das 15. Heft der Darftellungen aus |
der bayerifchen Kriegs und Heeresgeſchichte,
herausgegeben vom f. b. Kriegsarchiv (J.
Lindauerihe Buchhandlung, Echöpping) legt
gleich jeinen Vorgängern rühmliches Zeug:
nis ab von der erfolgreichen Tätigfeit, mit
welcher unter der zielbemußten Leitung des
derzeitigen Borftandes die Schätze unſeres
ſtriegsarchivs für die Allgemeinheit nugbar
gemacht werden. — Das diesmalige Heft
enthält an Epezialartifeln:
l. Die Neubildung der baye
riſchen Heeresabteilung nad dem
Nüdzug aus Rußland 1812 und die
Greigniffe bis zur Rückkehr in die Heimat
1813. Bon Heinrid Demmler, Ober
leutnant im 1. Jäger-Bataıllon. 104 Seiten.
2. Der Anteil des k. b. 6. Jäger:
Bataillons am deutſch-franzöſiſchen
Kriege 1870,71. Bon Eduard Hagen,
Generalmajor 3. D. (Mit 4 Skizzenbei⸗
lagen.) 157 Seiten.
|
Ad. 1, Aus der gewifjenhaften ſorg ·
fältigen und auf eingehendes Quellenſtudium
gegründeten Arbeit des Oberleutnants
Demmler erjehen wir, meld; erhebliche An—
ftrengungen Bayerns Sriegsverwaltung
machte, um feiner mobilen Armee die
dringend notwendigen Erjagtruppen zuzu—
führen. Diefe wurden in 5 Stolonnen
formiert, von welchen man die erften 3
noch im Oktober, die legten 2 im Dezember
abſchickte. Beſonders die eriten, von älteren
Stabsoffizieren geführten Kolonnen waren
infolge der überaus ſchlechten Straßen, der
höchſt mangelhaften Etappeneinrichtungen
und einer unmenſchlichen Kälte großen
Strapazen unterworfen, jo daß viele ihrer
Yeute bereit8 während der Märſche in
Polen zu Grunde gingen, noch ehe fie zu
ihren Truppenteilen gelangen fonnten.
Weiterhin findet der Rüdzug vom Niemen
bis zur Weichſel, die Neuformation des
bayerischen Korps in Klozk, die Fortſetzung
- Sl —
des Rückmarſches von der Weichfel nad; | November 1861 bis 20. Dezember 1862
Thüringen und die Rüdfehr nach Bayern als Unterleutnante in feinem Stande ver-
ausführlihe Schilderung, in der bejonders | blieben. — Das Bataillon nahm am FFeld-
auf die Darftellung des Gefechtes bei Kol- zuge 1866 rühmlichen Anteıl und kämpfte
dig am 29. März gegen ruffiiche lavallerie | tapfer bei Roßdorf und Kiffingen. Nach
und des Überfalles von Langenjalza am | dem Feldzuge ward ihm Forchheim und
13. April durch preußifche Hufaren als all- | im März 1868 Erlangen ald Standort
gemein intereffante und lehrreiche Epifoden | angewiejen.
hingemwiejen werden darf. Die beigegebenen In Erlangen insbefondere hatte ſich das
Ausweiſe über GStärfe und ABujammen- | Bataillon vorzüglich eingewöhnt und mit
fegung der Grgänzungsfolonnen beim Ab: | der Bevölkerung fomohl als mit den An—
marſch von Bayreuth, der Kriegsgliederung | gehörigen der Univerfität auf den beiten
und Kopfftärfen des 6. Korps der großen | Fuß geftelt. Mächtig war daher die An-
Armee nad) dem Stande des 1. Januars | teilnahme der von hoher patriotiicher Be—
und der Divifion Rechberg nad) dem Stande | geifterung bejeelten Univerſitätsſtadt, als
vom 17. März 1813 vermehren den Wert | ihre Jäger am 22. Juli 1870 mit den
der Abhandlung ganz beträdtlich. anderen Truppenteilen der 7. Infanterie
Ad. 2. Noch mehr intereffiert uns der | Brigade zum Grenzihug in die Rheinpfalz
feinem Inhalt nach zeitlich mäherliegende | eilten. Wie nun das Bataillon am Gefecht
zweite Auffag, weil jo manchem der Feld: | von Weißenburg, an der Schladt von
zugsteilnehmer damit Selbfterlebtes wieder | Wörth, bei der Einnahme von Marjeille,
in Erinnerung gebracht wırd: Der Unteil | bei der Einſchließung von Toul, der Schladt
des k. b. 6. SYäger-Bataillons am deutfh- | von Sedan, beim Vormarſch auf Paris,
franzöfiihen Kriege 1870,71. — Das 6, | bei den Gefechten von Petit Bicetre und
Jäger: Bataillon wurde am 1. Januar 1851 | Ehatillon beteiligt und bei der nun fol-
errichtet und ging am 1. Dftober 1878 | genden Belagerung von Paris bejonders in
im f, 6. 17. Infanterie-Regiment „Orff“ dem ihm auf längere Zeit zugemiejenen
wieder auf. So kurz diefes Dafein auch Abfchnitt von Bourg la Reine tätig war,
war, jo intereffant geftaltete fich dasjelbe | fann hier nur angedeutet, möchte aber
und mit voller Befriedigung und regem | jedem Offizier zu aufmerfiamem Studium
Intereſſe wird der Leſer die friih und | beftens empfohlen werden.
lebendig geichriebene Darftellung der Er- Gerade die Berwendung des Bataillons
lebniffe des Bataillons verfolgen. Die An- | in der Stellung bei Bourg la Reine,
gabe der benugten Quellen läßt deutlich | welche durch vier jehr gut ausgeführte
erfennen, wie jorgfältig und gewiſſenhaft Skizzen eine vortreffliche Illuſtration er-
der Berfaffer die eigenen und perjönlichen | hält, erjcheint für den jungen Offizier ganz
Erfahrungen aus dieſen ergänzt und er- | befonders lehrreich.
weitert hat und wie es ihm gelang, ein jo Die Feldzugsgefchichte des 6. Jäger⸗
farbenreiches Bild jenes Beitabjchnittes vor | Bataillons ift vielleicht nicht fo glänzend,
unferen Augen zu entrollen. wie die vieler anderer vom Soldatenglüd
Nach feiner Errichtung ftand dad Ba | begünftigteren Truppenteile — doch war
tailon 11 Fahre in München, wodurch ihm | fein Anteil am Kriege 1870.71 in hohem
die Auszeihnung zuteil werden konnte, daß | Maße ruhmvoll; auch die 6. Jäger haben
Ihre E. Hobeiten die Brinzen Yudmwig | ihr redlich Teil beigetragen zum Ruhm des
und Leopold ihre militärische Laufbahn | bayerifchen Namens und zur Wiederauf-
in jeinen Reihen begannen und vom 28, | richtung des Deutichen Reiches,
Bas Ende eines gräflidhen Abentenrers.
Aus Frankfurt a. M. murde den „M. | in feiner Wohnung Graf Emich Friedrich
N. N.” geichrieben: Im tiefften Elend | Thomas zu LReinigen-Wefterburg-
ftarb am 6. Juli vorigen Jahres hier | Alt-Leiningen. Der Verftorbene hat
ein beivegtes, abenteuerlides Leben geführt. |
Im Yahre 1846 zu Mainz geboren, genoß
er in Ungarn im Haufe feiner Tante, der
Witwe des Grafen Karl zu Leiningen, feine
Erziehung. Wit 16 Jahren wurde er
Leutnant in der öfterreichiichen Armee,
machte den Krieg von 1866 mit, wurde
aber nad Friedensihluß wegen Feigheit
vor dem Feinde verabſchiedet. Dann war
Graf Emich kurze Zeit päpftliher Zuave.
Gar bald ging es bergab mit ihm. Syn
Monte Carlo, Homburg und Nauheim
hatte er im Spiel noch Glüf. Nach Öfter-
reich zurüdgefehrt, heiratete er ein Fräu—
fein Fiſchl v. Gumpendorf, deren
Millionen er bald fleingemadt hatte, jo
daß der Vater der Gräfin Emich fi ge-
nötigt ſah, die Scheidung herbeizuführen.
Graf Emich geriet nun unter Hodjtapler
und Buhälter in Wien, murde zum Dieb
und mußte mehrere Jahre Kerker abfigen.
Dann murde er des Landes verwieſen.
Er wandte fih wieder nah Deutichland
und madıte in Dresden nochmals Belannt-
ſchaft mit dem Gefängnis wegen Betrugs.
In Freiheit gejegt, machte er mit einer
Wienerin namens Zeidelberger Deutſch—
52
land, Öfterreih, England und Amerika
unſicher. Die Zeidelberger, die fi Gräfin
Leiningen nannte, fam in Wien in Haft
und ftarb dort. Der Graf mandte fid
nun nad Frankfurt, wo er volljtändig
mittellos anlangte. Er fand bier eine alte
Bekannte, die Schneiderin Olga Bauern:
feind, die ihm Geld jchenfte. Beide ent:
führten 1895 die 15jährige Lifette Schweig-
höfer nad London, Die Folge war eine
zweijährige Gefängnisftrafe dortielbft. 1898
war Graf Emich wieder in Frankfurt. Er
war eine Zeitlang Häufermafler und lebte
fonft von Spiel und Bump. Sm legten
Jahre feines Lebens litt er an Zungen-
frebs. Sechs Tage vor feinem Tode hei«
ratete er zum zweiten Male und zwar ein
Fräulein v. Horded aus Wiesbaden, die
ihm, der mit Nahrungsforgen auf jeinem
Kranfenlager zu kämpfen hatte, einige tau—
jend Mark mitbradite. Einſam und mit
jeinen vornehmen Verwandten gänzlich zer-
fallen, erlag er der jchredlichen Krankheit.
Auf feine agnatifchen Rechte hatte er bereits
im Jahre 1882 für fih und jeine Nach—
fommen (eine verheiratete Tochter aus eriter
Ehe lebt in Ofterreich) verzichtet.
Eine Umfrage, den Weinbau betreffend
regen die „Pfälziſchen Gejchichtsblätter”
(Monatsbeilage zur „Pfälziichen Preſſe“)
in Ar. 11 von 1906 an und wir folgen
gerne dem auch von uns geplant gewejenen
Aufrufe, der hoffentlih wie unfere Er-
fundigungen über die Ginführung des
Startoffelbaues oder das Vorkommen des
Wolfes in der Pfalz von Erfolg gefrönt
fein wird. Es wäre an folgende Einzel»
aufgaben zu denfen:
1) Ale Weinflurnamen (Sirchenftüd,
Kies, Hunger, ftet® mit Ortsbezeichnung).
2) Alle Rebenforten, gleichviel ob noch
angebaut oder bereit verſchwunden.
3) Wo kommen die Namen Bunger,
Heuniſch, Heinſch, Haniſch u. dgl. vor?
4) Wo kennt man Überrefte des Keller—
rechtes, eines Küferprozeſſes, wie z. B. in
Franfen ?
5) Namen der beim Weinbergbau ver-
wendeten Geräte und volfstümliche Ausdrücke.
6) Lieder, die im Herbfte beim Wein-
lefen und eltern gejungen werden,
7) Bo murde früher Wein gebaut,
aber heute nicht mehr?
8) Wo wird in der deutichen Literatur
des Pfälzermweines gedacht? (Iffland, Die
Jäger z. B.)
Inbalt: Steinkreuze bei Kaiſerslautern. — Die Balentin Oſtertag-Stiftung in Bad
Dürkhelm. — Die Wildkatze. — Die Selbſtreinigung der Flüſſe. — Darſtellungen aus der baye—
riſchen Kriegs⸗ und Heeresgeſchichte. — Das Ende eines gräflichen Abenteurers. — Eine Umfrage,
den Weinbau betreflend.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern.
Für Form und Inhalt ber Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich.
Die „Biälziihe Heimatkunde“ Toftet jährlich in 12 Heften DE. 2.50. Weflellungen werben von allen Buchhandlungen und
VoRanflalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbandfendurg) angenommen.
III. Jahrgang.
U
EAN EA
Nummer 5
Mai 1907.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE |
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
Atmoſphäriſche Lichteffekte.
Sonne und Mond find nit mit Un
recht im Sindesalter der Menjchheit gött—
liher Ehren teilhaft geworden. it es
doch neben der belebenden Wärme faft das
Licht allein, welches organifches Leben ge:
deihen läßt, welches jelbft in den tiefften
Tiefen des Ozeans zu den Dajeind-
bedingungen gehören muß, wenn die letzten
Lebewejen, welche ihre einjame Zeit in
jolhen Oden verbringen, noch mit Licht»
apparaten ausgerüftet jind und dorthin
einen matten Schein tragen, wohin jelbjt
die grellen Strahlen unferes Tageögeitirns
nit mehr zu dringen vermögen. Das
Licht ift e8 auch, das die munderbaren
Zöne in die fonnenbejchienene Landſchaft
bringt und den Dingen Geitalt und Farbe,
dem Himmel Bläue, den Entfernungen
Tiefe gibt. In ſcharfem Sontrafte hebt
fih das plaftifche Objekt von feinem düftern
Scatten ab; aber jelbft wenn die Sonne
unferem Blicke entzogen ift, läßt die milde
Wirkung des zerftreuten Tageslichtes unjerem
Auge no alle Nähen und Fernen offen-
bar werden, oder feine erjten Worboten
grüßen den werdenden Tag, indem fie den
Dfthimmel blutrot färben, wie die lekten
Strahlen die Nacht mit rojigem Schimmer
verfünden.
Auh hoch oben in der Atmojphäre
gibt es reizvolle Lichteffekte, die den innen:
den Blid feſſeln. Ein magiſcher Dunjtkreis
um Sonne und Mond, eine breite Storona
um dieſe Himmelskörper, die zumeilen
zauberhaft überrajdyend auftreten, große
Lichthöfe am leicht verjchleierten Himmel
und die impojante Farbenpracht der Luftigen
Brüde eines Regenbogens, fie find Kinder
der Sonne und leben ihr kurzes Dafein
auf den Flügeln des Lichtes. Schon die
Bartheit der Grjcheinungen und die ger
milderte Pracht ihrer Färbung verraten
uns, daß fie auf Ummegen zu unjerer An-
ihauung gelangen; fie find Phänomene, zu
deren Entjtehung es eines Mitteld bedarf,
das uns zugleih als Träger diejer Lichter
ericheint: des Waſſers. Diejer wunderbare
Stoff, deilen Eigenſchaften an fi jchon
taufenderlei Folgen für unfere irdifche Welt
bedingen, ift auch Urſache für das Auf-
treten und die Geftaltung der atmojphärijchen
Lichterjcheinungen, ob er nun in Form von
Dunft oder von Waffertropfen oder von
Eisnadeln auftritt.
Blifen wir am nebeligen Abend die
Straße hinauf, deren lange Lichterreihe
allmählich in der Ferne verblaßt, jo ge-
wahren wir um jede Flamme einen runden
Lichtichein im dichten Dunftfreife. Die in
der Luft ſchwebenden Nebelbläschen wirken
in der Nähe der Lichtquelle nämlih nad
Art von Prismen und leiten infolge der
Brechung aud noch bis zu einer gewiſſen
" Entfernung im Umkreiſe der Flamme Licht
nad) unjerem Auge; indem dies nun ringsum
geichieht, jo Hat die Korona aus einiger
Entfernung gejehen, die Geftalt einer kreis—
fürmigen, am Rande matter werdenden
Fläche. Gewiſſe Waſſerteile in der näheren
Umgebung vermögen jogar bejonders viel
Licht zu uns zu brechen, ſodaß ein Wing
von ftärferer Reuchtfraft als feine Umgebung
nahe um die Laterne entfteht, die Aureole.
Was jo an jedem Nebeltage in die Er-
ſcheinung tritt und im Fleinen jogar an
der dunftbeichlagenen Fenſterſcheibe bemerft
wird, kann man in ausgeprägter Form
etwas jeltener am Monde, aber auch ge-
legentlih an der Sonne wahrnehmen. Die
Urſachen find die gleichen und das ge-
dämpfte Mondlicht ift beionders geeignet,
das Phänomen in aller Zartheit darzuftellen.
Manchmal erfennt das farbenempfindliche
Auge leiht eine Tönung des Ringes, wo—
bei der violette Rand die innere Begren-
zung bildet. Gewöhnlich beträgt fein
Durchmeſſer 2 Bogengrade oder 4 @ breiten,
alfo foviel, daß man ihn durch einen mit
ausgeftredtem Arme gehaltenen Taler gerade
bedefen kann. Wenn aud der hoch—
ſchwebende Nebel der Träger der Aureole
ift, jo hat man doch in den Geſetzen der
Bredung ein Mittel gefunden, die Größe
oder vielmehr Kleinheit der Dunftbläschen
zu bejtimmen, welde den feingefärbten
Sreisring hervorzaubern; der Kuriofität
wegen jei hiermit angemerft, daß die Bläs-
chen wohl faum gröher als ein Taujendftel
eines Millimeter find, dem Auge aljo
böchftens bei Anwendung eines Mifrojfopes
mit wenigftens hundertmaliger Vergrößerung
fihtbar gemacht werden fünnten. So wirft
das Sleine Großes — denn der Ring ſelbſt
hat am Orte jeiner Entftehung ficherlich oft
100 m Durdmefler.
Ähnlich den Aureolen, aber noch ein-
drudsvoller im Anblıfe find die Höfe,
die ebenfall3 am leichteften beim Monde
geiehen werden, weil dergleichen zarte Effefte
bier nicht wie bei der Sonne durd den
blendenden Glanz der erzeugenden Licht
quelle überftrahlt werden. Die großen,
leeren, von einem jcharf begrenzten Licht
mwalle unizogenen „Höfe“ um den Mond
treten in unjerem Grdftrich zu häufig auf,
als daß fie nicht allgemein befannt fein
ſollten. Es gibt aber 2 Arten; die einen
haben einen Durchmeſſer von 22 Grad,
die anderen find bis zum doppelten Maße
ausgeipannt, umfaflen alfo ein volles Biertel
der Himmelsfugel über uns!
Meiſtens treten diefe Höfe, auch „Halo“
(Mehrzahl Halonen) genannt, nur auf,
wenn das erzeugende Geftirn ziemlich hoch
ſteht; es ift auch einleuchtend, daß der im-
pojante Lichtkreis vollftändig nur gejehen
wird, wenn fih Mond oder Sonne hoch
genug über den Horizont erhoben haben,
was 3. B. beim Bollmonde nur im Winter,
bei der Sonne nur im Hodjommer dann
der Fall jein wird, wenn zugleich beide
nicht weit von der Südlinie, dem Meri-
diane, entfernt ftehen; aljo wären die beiten
Bedingungen nad) der Tageszeit ausgedrüdt
etwa um Mittag oder um Mitternacht
herum gegeben. Auch dieje jchmalen Licht:
wälle laſſen häufig die feine Tönung des
Negenbogens erfennen; den inneren Saum
bildet da8 Rot, den äußeren PBiolett.
Daraus folgt; daß Bredhung des Lichtes
im Waſſerdunſt bezw. in den Eisnadeln der
größeren Höhen allein die Urjage der
zarten Erſcheinung fein kann, denn nur ge—
brochenes & Licht wird da in feine Einzel-
farben zerlegt. Wenn aber außer dem
Ringe auch nod eine jäulenförmige Garbe
gleihfam als Durchmeſſer des Halo ficht-
bar wird, fo fommt das nicht von einer
Brehung, was ſchon aus dem Fehlen far:
biger Säume zu ſchließen ift, fondern
diefer Schimmer ift eine Folge von Spie—
gelung, welche wohl durchweg an den glatten
Flächen regelmäßig gelagerter Eiskryſtällchen
ftattfindet. Cine entfernt ähnliche Streifen-
erjcheinung ift jedem Träger eines Augen
glafes befannt: Wenn man nämlich mit
fettigen Fingern über ein Brillenglas ftreicht,
etwa der Längsachſe des Glafes parallel,
jo fiehbt man beim Durdbliden alle Licht»
punkte mit jenfredten Lichtfäulen durch—
quert; hat man bie Glasfläche quer über-
ftrihen, jo ftellen fi die hellen Bänder
horizontal über die Lichtquellen. Man kanu
aljo das Streichen mit einer Art Barallel-
tigung der Fettichichte vergleichen; dadurch
entftehen Willen oder vielmehr lauter
Stäbchen, deren Seiten das Licht ins Auge
ipiegeln. So ähnlich werfen die aus irgend
einer Urjache (vielleiht Windrichtung) un»
gefähr parallel gerichteten Eisfryftalle auch
von ihrer Umfläche Licht in unfer Auge,
weshalb die Richtung des Schimmers in
einer geraden Linie liegen muß. Gleich—
zeitig leuchtet auch ein, daß jeder Beobachter
diefe Säule nebit dem Haloumfang an
anderer Stelle jehen muß, weil die Reflerion
jamt der Refraftion nur nad einem be-
ftimmten Punfte zielt, zu dem eben für
jede8 Auge an jedem Drte eine eigene
Richtung führt. Würden aljo zwei Beo—
badıter, die am Nande einer Stadt photos
graphiihe Aufnahmen des Halo und der
dunflen Silhuette der Stadt mit Türmen
und hoben Häufern machten, ihre Bilder
mit den durch die Turmſpitzen 2c. gegebenen
Fixpunkten vergleichen, fo wäre jofort eine
Berjchiebung der Halverjcheinung erfennbar,
die aber nicht allein aus der großen Ent
fernung der Quelle derfelben ſtammte,
fondern auch davon, daß der Ort, mo
der Ring und fein Anhängjel entitanden,
mit dem Beobachter wandert!
Unter den luftigen Sindern des eilenden
Lichtftrahles, die in großen Höhen unjerer
Atmojphäre ihre Heimat haben, gibt es
noch ein merkwürdiges Wejen, das aud
dadurd einzigartig ift, daß es liberhaupt
nur in allerhöchhten Regionen jeinen Ur
ſprung nimmt: der „Bistopifche Ring“.
Wenige Menjchen werden dies Phänomen
gejehen haben und da es von einem einzig
großartigen Elementarereigniffe auf unferer
Mutter Erde abhängig war, jo muß feine
Sichtbarkeit bis zum völligen Verſchwinden
erblajfen, mas vielleiht heute ſchon ge:
ihehen ift. Der Krakatau Ausbruch im
Maı 1883 fchleuderte joviel pulverifierte
Aichenbeitandteile oder Rauchmaſſen in die
höchſten Schichten der Erdatmoſphäre, daR
diefe in den wohl meiltens gleichmäßig
flutenden Regionen gleichſam lange Zeit
ftationär blieben und dur Beugung des
Sonnenlichtes beim Borbeiftreifen an den
feinen, fejten Stoffteilhen einen 14° bis
fogar 19° großen Ring um die Sonne
verurfadhen fonnten. Es wäre nicht un:
möglih, daß man einen gewilfen, als
„Burpurlicht” bezeichneten und heute noch
erkennbaren Schein als mit dem genannten
Ninge verwandt finden wird. Die Staub:
teilen ſollen, theoretisch berechnet, nur
!soo mm groß jein.
Räumlich, wie nadı der Häufigfeit des
Auftretens viel näher liegend ſind jene
wunderbar lieblichen Brüden, die wir unter
dem Namen Regenbogen fennen. Treten
die vorbejprochenen Ringe nur in weiteren
Entfernungen von der Grdoberflähe auf,
fo erfcheint der Regenbogen ſchon in feiner
Figur als ein nahes Meteor; ift er doc
nie mehr als höchſtens halb zu jehen, ja
meiftens nur als flachgemölbte Brücke über
nahe Landſchaften ausgeipannt! Und in
der Tat fann man e3 der davoneilenden
Gemitterwolfe anjehen, daß fie der naher
befindliche Träger des zarten Lichtbildes
ift — ja, der Sprühregen eined vor uns
ftehenden Springbrunnens miſcht fich die
Farben des intereffanten Bogenjegmentes
vor unjeren Augen jederzeit ohne Gewitter
und Gefahr, fobald nur die Sonne in die
Zaufende der tanzenden Xröpfchen ihr
ftarfes Licht jendet! War es bald Bred)-
ung, bald Spiegelung, bald Bergung, die
am hohen Himmelsdome die weſenloſen
Kreife z0g, fo ift es im Falle des Regen«
bogens allein die Brechung, melde das
farbige Band webt. Allerdings wirft aud)
hier die Spiegelung mit; fie hat aber. auf
die Färbung des Bandes feinen und auf
jeine Breite nur geringen Einfluß; dagegen
bewirkt fie, was jedesmal mit einer Licht
reflerion verfnüpft ift, nämlich eine Um—
fehrung des Bildes, bezw. der Rarbenfolge,
wie wir unten jehen werden,
Die vom Winde gejagten Regenitreifen
und «bänder einer von Ferne gejehenen
eilenden Gemwitterwolfe find allgemein be»
kannt. Denken wir uns dieſes die Auf-
faffung erleichternde Bild jo betrachtet, daß
wir die Sonne im Rüden, die fich ent-
fernende Wolfenwand aus fallenden Trop—
fen vor uns haben, jo erfennen wir, daß
dieſe mittelft ihrer glatten, Eugeligen Trop—
fen jowohl fpiegeln, ald das in dieſe ein-
dringende Sonnenlicht brechen kann, In
unjerem alle werden wir nur die ein-
dringenden Strahlen betrachten, Diejelben
werden durch Brechung nad) der abgefehrten,
hinteren Wand jedes Waſſerbläschens ge-
lenft und dort „total reflektiert” und ge—
langen, ſowohl wegen des jeßt längeren
Weges im Wafler, als wegen nochmaliger
Brehung beim vorderen Wiederaustritt in
die Luft, als ziemlich ſtark zerftreutes
Farbenbündel zum Auge des nachblidenden
Beobachters. Diefes Zerftreuen an ſich
würde bei einem einzelnen XQropfen ‚nur
den Effekt haben, daß irgend eine farbe
fihtbar würde; da aber die Farben nad)
oben und unten, bezw. im $freisbogen nad)
aus: und einmärts zerftreut werden, jo ift
ed verftändlich, daß in einer längeren Reihe
von Tropfen, die in Richtung des Radius
des Bogens liegen, von jedem Tropfen aus
eine andere farbe zu einem bejtimmten
Punkte (Auge) gelenkt wird. Bon gewiſſen
Punkten der Reihe an wird aber weder im
einen noch anderen Sinne farbiges Licht
in das Auge gejandt werden, denn dieſes
geht entweder darüber oder darunter vor-
bei. Aus diefem Grunde ift eine Begrenzung
der Farben ald Band ebenjo natürlich als
das Erfordernis, daß die Tropfen, melde
farbiges Licht zum Auge des Beobachters
jenden, in gewiſſem, überall gleihem Ab-
ftande von einem Mittelpunfte liegen
müſſen; ein einfaches Nachdenken lehrt uns,
daß dieſes Zentrum der Gegenort der
Sonne an der Himmelsfugel ſein muß,
aljo in einer Linie liegt, die von dieſer
durch unferen Kopf geht. Würde aljo bei
Sonnenauf» oder »untergang ein Regen:
bogen gejehen werden, jo müßte dieſer
genau ein Halbfreis fein; in jedem anderen
Falle, aljo mit der Erhebung des Tages:
geftirns über den Horizont, ift er fleiner;
und wenn die Sonne um den Halbmeſſer
des immer gleichen Bogens hoch geftiegen
ift, fo gibt es für einen Beobachter in der
Ebene überhaupt feinen Regenbogen mehr;
nur wenn jein Standpunft etwa auf einem
boden Turme oder fteil abjtürzenden Tal—
abhange gedacht wird, ift auch dann noch
eine Sichtbarkeit des Bogens tief unter
dem Beichauer zur Möglichkeit geworden.
Die innere Begrenzung des Regenbogens
ift immer violett; an der Stelle des Rot,
außen, ift der Durdjmefler des Bogens
41 Grad groß, daher kann bei einer
Sonnenhöhe von mehr als 41 Grad fein
Bogen mehr gefehen werden.
Nun bejteht aber die Möglichkeit, dat
das Licht innerhalb der Wajlertröpichen,
bejonders bei mittelhoher Sonne, erft deren
unteren Teil durdjläuft, an der Hinterwand,
weil an einem tiefen Punkte reflektiert, auf:
wärts geht und dann nad vorn und oben
wieder austritt. Da doppelte Spiegelung
eintritt, muß das fo entftandene Bild die
umgefehrte Farbenfolge haben; und in der
Tat hat der Nebenbogen, der oftmals den
glänzenden Hauptbogen in blafjerem Lichte
außen umfpannt, innen rot und außen
violett; legterer Farbenring hat einen Halb-
56
meffer von 54 Grad, jo dab bei großen
Sonnenabftand vom Horizonte ein Neben:
bogen immer noch ſichtbar fein kann, wenn
der Hauptbogen auch längft für den Be—
ichauer unmöglicd geworden ilt.
Was die Sonne hier vermag, fann im
aflgemeinen auch der Bollmond zuftande
bringen ; doch find jo zarte Mondregenbogen
aus leicht begreiflichen Gründen eine jehr
jeltene Naturericheinung.
So bekannt und häufig ın den Sommer:
monaten die Negenbogen find, jo gibt es
doch nur jeltener Gelegenheit, die Doppel:
brücden zu erfennen, meil zu deren Ent-
ftehung eben bejondere Umjtände zu den
allgemeinen Borbedingungen (der Höhe und
Richtung der Sonne, der Höhe und Dich:
tigfeit der fortziehenden Regenwand, nach—
folgenden Klarheit des Himmels) gehören.
Aber auch noch mehr fomplizierte Segmente
laſſen fich gelegentlich auffinden. So ge
lang es dem Berfafler am 17. Mai 1899,
jogar innerhalb des Hauptbogens noch mehr-
fahe Wiederholungen violetter Ränder zu
zählen, deren nad innen gut begrenzte
Farbe in vierfaher Wiederholung vom
Hauptbogen aus die Abftufung blau-violett,
blau:violett ꝛc. erfennen ließ, wobei die
immer ſchwächer werdenden farben, aud)
an Breite abnahmen. Es ſchienen bier
mehrere Regenbogen jchichtenförmig vor
einander zu liegen, wobei die Verſchiebungen
nad innen geringer waren, als die Breite
des Tfarbigen Regenbogenbandes jelbft, jo
dat die Bogen zwar konzentriſch blieben,
aber durch Überlagerung nur immer die
inneren Ränder markant genug abzeichneten.
In Wirklichkeit aber rührt dieje innere
Wiederholung der inneren Bogenzone gar
nicht don Brechung in Waflertropfen ber,
fondern fie ift eine höchft feltene und auf
merkwürdige Weile durch das zufällige Zu-
jammenmwirfen mehrerer Umſtände hervor—
gebrachte Snterferenzerjcheinung, deren ge-
naue erperimentelle Erflärung nicht gut mit
einfachen Mitteln zu geben ift. Wie bier
eine Vervielfältigung der einfachen Er:
iheinung eintreten kann, jo fommen in
ähnlich jummierender Wirfung auch bei den
Sonnenhöfen Nebenbogen und fnotige Licht:
verdichtungen vor, die dann ın etwas ftarfer
Übertreibung des Eindrudes Nebenjonnen
— und wenn dad Mondlicht die Quelle
des Phänomens ift — Nebenmonde ge-
nannt werden, ber eine meitere Licht—
ericheinung in hohen Regionen — das
Nordliht — darf der Berfafjer in dieſem
Zufammenhange hinmeggehen, da diejelbe
fait nur in den äußerſten Grenzgebieten
der irdiichen Atmoſphäre ihren Sit hat.
Die Bevölkerung Arzheims zur Beit des 30jährigen Krieges.
Verſchiedentlich wurde jchon die Anficht
ausgeiprochen, „daß die Berichte über die
Entvölferung der Pfalz im 30 jährigen
Kriege an ſtarken Übertreibungen leiden.“
Selbſt wenn wir unterſcheiden zwiſchen
ſolchen Berichten, die ſich auf eine amtliche,
offizielle Zählung ſtützen und ſolchen, die
aus privaten Mitteilungen oder Aufzeich—
nungen ſtammen, ſo leiden beide doch an
dem leicht erkennbaren Mangel, daß ſie nur
die an einem beſtimmten Termine in einem
Orte anweſenden Einwohner angeben ohne
zu berückſichtigen, daß viele nur geflohen
waren oder ſich in die Wälder zurückgezogen
hatten und daß ſie in friedlicheren Zeiten
vielleicht noch im nämlichen Jahre oder
Monate wieder zum heimatlichen Herde
zurücgefehrt find. Dagegen läßt fich eine
verläjfigere Berechnung der damaligen Be-
völferung anftellen unter Berüdjichtigung
der dor und nad) dem Striege auftretenden
Familiennamen oder Gefchlechter. Freilich
werden fie mit Sicherheit für jene Zeit
wohl faum mehr in allen Ortichajten ge—
nannt werden fünnen. Bielfacdh treten nad)
dem Kriege ganz andere Namen auf, teils
finden ſich aber auch die alten wieder vor;
in größerem oder geringerem Umfange hat
fi) danach auch die urjprüngliche Bevölfe-
rung über die Zeit des Krieges hinaus
erhalten.
Da Arzheim, im Hodjitifte Speyer ge:
legen und nur eine halbe Stunde von der
Stadt Yandau entfernt, allen Drangjfalen
und Nöten des langjährigen Krieges aus
gejegt war, ergibt fich jofort aus den bei—
den genannten Umjtänden. Es darf darum
auch von vornherein erwartet werden, daß
Arzheim nicht einmal den Schein für ſich
hat, als fei es in diejem Striege glimpf-
liher behandelt worden als feine Nachbar:
orte. Die Quellen, die nachfolgender Be:
rechnung zugrunde liegen, find drei Ber-
zeichniffe: ein Verzeichnis der Haushaltungen
jamt der ihnen zuftehenden Buſchrechte aus
dem Jahre 1595; ein gleiches aus dem
Yahre 1628; das dritte ift das Verzeich—
nis der Haushaltungen und ihres zu lie-
fernden Schughaberns aus dem Jahre 1652.
Zwar eriftieren noch weitere Verzeichniſſe
derjelben Arten, fo 3. B. von 1564, 1576,
1585, von ca. 1610, welches unjerer Be-
rechnung jceheinbar glünfliger wäre, weil es
dem Ausbruche des Krieges näher liegt;
allein mit Abficht ift das Jahr 1595 ge—
wählt, weil Arzheim in diefem Jahre die
größte Zahl von Haushaltungen aufmweift.
Uebrigend braucht über die Verläſſigkeit
diefer drei Verzeichnijje weiter fein Wort
gelagt zu werden, da ja in allen jämtliche
Haushaltungen ausnahmslos aufgezählt
find. Aufgrund diejer drei Berzeichnifie
ergibt fich eine mehrfache Berechnung; es
genügt eben nicht etwa bloß die Zahl der
Bewohner feftzuftellen, intereflant ift auch
die weitere Frage: In welchem Bro-
zentjaßge hat ſich die urjprünglide
Bevölferung während des 30jäh—
rigen Srieges erhalten? — Beginnen
wir zunächſt mit folgender
Tabelle 1.
Überfiht über die Zahl der Ge-
ſchlechter.
= — — 1505
* 15
1 | us arte
— 22
en | wor.
rg I ; 6
2 | | @3+3)
Zum Beifpiel im Jahre 1652 gab es
in Arzheim 32 Geſchlechter, davon find 28
namentlich aufgeführt, 4 dagegen nicht na—
mentlidh, obwohl fie vor und nad) dem
Jahre 1652 erijtierten (vgl. Tab. 4); von
diefen 32 Geſchlechtern finden fich im Jahre
1628 nur 20 und im Sabre 1595 nur
15 ujw. Daraus ergibt ſich:
1) In dem Zeitraum von 1628
bis 1652 haben jih 20 Geſchlechter
erhalten.
2) In dem Zeitraum von 1595
bis 1652 haben jih 15 Geſchlechter
erhalten.
Die Antwort, wieviele Familien auf
die in den Jahren 1652, 1628 und 1595
vorfommenden Geſchlechter entfallen, zeigt
in gleicher Weije die folgende Tabelle,
wozu jedoch bemerft wird, daß für die in
einem Jahre nicht namentlich aufgeführten
Geſchlechter nur je eine Familie ange-
nommen wird, wodurd unjere Berechnung
umjo weniger an libertreibung leidet.
Tabelle 2.
Überjicht über die Zahl der
Familien.
1652 | 1
a N a — —
+ | (TH)
| 46 33
ee) | (4442) | (31+2)
nn | 97
— | (5443)
Zum Beiipiel die im Jahre 1652 er-
jcheinenden 32 Geſchlechter (nah Tab. 1
find es 28+4) zählen in diefem Jahre zur
jammen 38 (34+4) Familien; die im
Jahre 1652 vorhandenen und bereits 1628
genannten 20 Geſchlechter (nah Tab. 1)
waren im Jahre 1652 in 26 Familien
vertreten ujw. — Cine vergleichende Über:
ficht bietet die folgende Tabelle, welche die
beiden vorhergehenden vereinigt in der
MWeife, daß die 1. oder fleinere Zahl die
der Gejchledhter und die 2, oder größere
jene der Familien darftellt,
Tabelle 3.
Überjidht über die Zahl der Ge—
ſchlechter und Familien.
1652
1628 1595
* — 80 | 6 Er 5 | 3°
22844) (3444) (24+2 (17 +4)
E 3 46 22 33
102 kasralar } JEZEIUEE,
um | I83+3 (5443)
Wenn oben bemerft wurde, daß ein-
zelne Gejchlehter in einem Jahre nicht
58
genannt werden und doch vorhanden find,
jo liefert biefür den Nachweis die
Tabelle 4.
Überjidt über die fehlenden Ge
ſchlechter.
1652 | 1625 | 1895 .
Brauner | 1656 | — Sa u Ge
Müller il -— 31
Scherrer ' 1653 | — 3 | 3
Wittmann , 1656 | — 2 | 2
Erlenwein 1 — I! 1)
u Jıl-l|ei
Diemer 21:4 — | 1550
Dueichmer 2 1 | — 1550
Stern 3 — 158
Zum Beijpiel der Name Brauner wird
genannt 1595 mit 4 Familien, 1628 mit
1 Familie, 1652 nicht, dagegen wieder
1656; oder: das Geſchlecht der Stern er-
icheint im Jahre 1652 in 3 Familien,
1628 in 1 Familie, 1595 überhaupt nicht,
aber jchon im Jahre 1585 uſw.
Bevor mir in unjerer Berechnung mweiter«
gehen, ilt vor allem notwendig die An—
gabe der Haushaltungen. Die Zahl der
Haushaltungen vder Familien (l.) und
dementiprechend die Zahl der Bewohner (II.)
betrug in den fahren:
J. ll.
1564: 41 205
1576: 41 205
1585: 45 225
1595: 57 285
1610: 45 225.
. Die Berechnung der Bevölferungsziffer
für die Jahre 1628 und 1652 jedod läßt
fih nicht in der gemöhnlihen Weiſe unter
BZugrundelegung der Kopfzahl 5 anftellen.
Einem Kenner der damaligen Berhältnijje
muß es jofort Far jein, daß im langen
und ſchweren Striegszeiten ſoviele Umſtände
zuſammentreffen, daß die Zahl 5 als Kopf—
zahl eine viel zu hohe Ziffer ergäbe. Neh—
men wir dagegen die Zahl 3 als KKopfzahl
einer Familie, jo haben wir den Vorteil,
daß wir ein Minimum der Einwohnerzahl
erreichen, das der Wirklichkeit ziemlich ge«
nau gleichfommen dürfte; eine Überjchreitung
nah unten iſt nicht leicht denkbar, eine
Überfchreitung nach oben, d. h. wenn die
Stopfzahl als zu Elein angenommen iſt, läßt
dann die Bevölkerungsverhältniſſe um jo
günftiger erſcheinen. Es hat demnach die
Bevölkerung folgende Zahlen aufzumerien:
1. ll.
1628: 46 138
1652: 38 114
Wenn wir nun das gemonnene Rejultat
in Verhältniszahlen zufammenfaflen und
dabeı berüdfichtigen, daß Arzheim die größte
Einwohnerzahl im Jahre 1595 aufmeiit,
jo ergibt ſich:
1. Familienzahl. Arzheim hatte
im Jahre 1628 noch 80,7 Prozent feiner |
Familienzahl von 1595, 1652 noch
a)
82,6 Broz. feiner Bamilienzahl von 1628; |
b) nodı 66?3 Prozent feiner Familienzahl
von 1595.
2. Einwohnerzahl. Arzheim hatte
im Sahre 1628 a) noch 61!3 Proz. feiner
Einwohnerzahl vom Jahre 1610; b) nod)
482, Proz. feiner Einwohnerzahl vom
Jahre 1595; 1652 a) noch 82°; Proz.
feiner Ginwohnerzahl vom Jahre 1628;
b) nod 50°s Proz. feiner Einwohnerzahl
vom Jahre 1610; ce) noch 40 Proz. feiner
Ginmwohnerzahl vom Jahre 1599.
Es war demnach die Einwohnerzahl des
Dorfes Arzheim von 1995— 1652, alfo in
einem Zeitraum von 97 Jahren auf ?5
59
t
i
, 1550 Diemer*)
ihres höchſten Bejtandes zurücdfgegangen. |
Frägt man nach dem Einfluſſe des 30jäh—
rigen Krieges auf den Rüdgang der Be-
völferungsziffer, jo ift das Jahr 1610 als
Ausgangspunft zu nehmen, woraus ſich
ergibt:
An der Zeit von 1610-—1652,
aljo in einem Zeitraum von 42
Jahren, beginnend 8 Jahre vor
und endend 4 Jahre nad dem 30:
jährigen Striege ſinkt die Zahl
der Bewohner Arzheims infolge
des Krieges um rund 50 Prozent
oder um die Hälfte.
Troß unjerer genauen Berechnung, die
uns auf die niedrigite Ziffer führen mußte,
klingt unjer Rejultat etwas ungewohnt, aber
nur dann, wenn wir und die weitere Frage
ihenfen würden: In welhem faujalen
(vderwandtihaftliden) Verhältnis
ſteht die Bevölferung des Jahres
1652 zu jener vom Jahre 1595?
Die Beantwortung diejer Frage iſt umſo
notwendiger, weil fie uns intereflante Auf:
Ichlüffe gibt zur Befämpfung einer viel
verbreiteten falichen Meinung.
Wir haben oben feftgeftellt, dab zu
Arzheim im Jahre 1652, alio nad dem
Kriege, noch 15 Familiennamen oder Ge-
ichlechter eriftierten, welche ſpäteſtens aus
dem Jahre 1595 datieren: fie bilden gleich:
fanı den Stern der Bevölkerung. Es find
folgende: 1489 Heim (1), Merkel (2);
1492 Brauner (3); 1543 Kerth (4);
(5), Erlenwein (6),
Queihner (7), Scherrer (8); 1554
Hafjel 9); 1561 Müller (10); 1576
Wittmann (ll); 1585 Stern (12);
1595 Felir (13), Finfelberger (14) und
Hermann (15). Diefe 15 Geſchlechter find
vertreten: 1595 in 30, 1628 in 25 und
1652 in 21 Ramilien. Vergleichen wir
zunächſt die Zahl 15 mit der Gejamtzahl
der Gejchlechter in den genannten Jahren,
jo ergibt fich das Überrajchende Refultat,
daß dieje 15 Geichlechter im Jahre 1595:
41%3 Proz., 1628: 42*%5 Proz. und 1652:
46*%5 Broz., aller Geichlechter oder Familien:
namen bilden, Vergleicht man jedoch die
Zahl der Familien, in welchen dieje 15
Geichlechter vertreten find, mit der Geſamt—
zahl der Familien, jo ergibt fich noch ein
bedeutend höherer Prozentſatz: 1595: 52°
Proz., 1628: 54’ Proz, 1652: 55!
Proz, d. h. mit anderen Worten: Im
Jahre 1652 find 55a Proz aller
Familien eingejejiene Bevölfe
rung jeit dem Jahre 1595. Der-
jelbe Brozentjag ergibt ſich demnach aud
für die Zahl der Bewohner, ohne Rückſicht
darauf, ob wir die Zahl 2 oder die Zahl 3
oder die Zahl 5 als Koptzahl für eine
Familie annehmen.
Es bat fich demnach bei unjerer Be—
rechnung ein bisher wenig beachtetes Wo-
ment ergeben, das nämlich, dab die Be—
völferung nah dem Kriege mehr als zur
Hälfte eingejeffene Bevölkerung aus der
Zeit vor dem Striege, jpeziel aus dem
*, Die durchichoffen gedbrudten Familien—
namen fommen heute nod in Arzheim vor,
Ende des 16. Jahrhunderts war. Diejes
Ergebnis ift in mancher Beziehung inte
refjanter und auch michtiger als die An—
gabe der Einwohnerzahl. — Fallen mir
nun am Scluffe das Rejultat unjerer Be-
rechnung zujammen, fo ergeben fich folgende
Tatiadhen:
Infolge des 30jährigen Krieges
geht die Bevölferung Arzheims
indem Zeitraume von 1610—1652
60
um 49 Brozent oder rund umdie
Hälfte zurüd. Bon den im Jahre
1652, aljo 4 Jahre nad dem Ftriege,
vorhandenen Bewohnern find Bd!“
Prozent Angehörige von 15 bereits
in der Beit von 1489—159 vor
fommenden Geſchlechtern, aljo
über die Hälfte jeit dem Jahre
1595 eingejejjene Bevölkerung.
Ioh. Weber,
Fremde Wald: nnd Yarkbäume für Europa.
Bon Heinrich Mayr.
In dem befannten botanischen Verlag
von Paul Parey in Berlin ıft unter obigem
Titel ein Buch erjchienen, das weit über
die Kreiſe der Fachleute hinaus freudige
Aufnahme und Zuftimmung zu finden aus:
erjehen jein dürfte. Der rühmlichit be:
kannte Verfaſſer, Brofejjor Heinrich Mayr,
Vorſtand der K. Baheriſchen forſtlichen
Verſuchsanſtalt in München, hat die wiſſen—
ſchaftlichen und praktiſchen Ergebniſſe
25 jährigen Pflanzverſuchs, dreier Welt—
reifen und eines dreijährigen Aufenthaltes
in Japan bier zu allgemeinem Nuß und
Frommen niedergelegt.
Es ift hier nicht der Ort für eine mir
verjagte fachwiſſenſchaftliche Würdigung des
Werkes; aber nad zwei Richtungen ſei e8
geftattet, die allgemeine Aufmerffamteit auf
dieje hocherfreuliche Ericheinung zu lenken.
Der auf hoher Kanzel ftehende Verfaſſer,
der jeinem ganzen geiftigen Werdegang nad
wie fein zweiter zu jolcher Arbeit berufen
Ihien, hat mit offenem Blid und jcharfem
Auge die Wälder aller Erdteile und aller
Zonen durchforfcht und es ift ihm die Gabe
wahrhaft fünftleriicher Geftaltung jeines
Stoffes nicht verjagt: er führt die Feder
und den Zeichenftift mit gleicher Meifter:
ſchaft. So ifis denn nicht zuviel gejagt,
wenn wir behaupten, daß jeit Alerander
Humboldts Schriften die einichlägige Yite-
ratur fein auf gleicher künſtleriſcher Höhe
der Naturjhilderung ftehendes Werk
gezeitigt hat; am eheften Fünnte das Buch
in diefer Richtung mit den Darftellungen
von Alfred Brehm verglichen werden. Jeder,
der fih noch Sinn und Genußfähigkeit an
der Natur zu bewahren vermocht hat, wird
dieje farbenglühenden Schilderungen mit
von Abſchnitt zu Abſchnitt ſich fteigernder
freude und mwachjender Begeijterung lejen
und nur ungern aus der Hand legen. Das
Buch erjcheint in diefer Richtung geradezu
beftimmt, neben Brehms Tierleben der
Bücherei jedes gebildeten Haujes einverleibt
zu werden: denn Alt und Yung werden
in gleicher Weiſe an der wahrhaft plaftijchen
Anschaulichkeit und Lebendigfeit des Vor—
trages ih zu erfreuen und zu belehren
vermögen.
Iſt hiernach der erite Abſchnitt des
Buches, der mehr als ein Drittel des ganzen
in Anſpruch nimmt, für die weitefte Allge—
meinheit der Gebildeten von höchitem
Intereſſe, und geeigenjchaftet, ihm größte
Berbreitung zu fihern, jo bieten die folgenden
Abjchnitte — immer abgejehen von der Be-
deutung des Buches für den Fachmann im
engeren Sinn, aljo zunächſt den Botaniker
und Forſtmann — für alle Garten: und
Barfbefiger eine unerfchöpflich ericheinende
Fundgrube der Anregung und Belehrung.
Jedem, der ein Stüdf oder auch nur
ein Stückchen Yand fein Eigen nennt, das
als Forst, Park oder Garten bewirtjchaftet
wird, wird alljährlic) eine wahre Flut von
BPreisliften über alle möglichen ımd unmög-
lihen oft nur in der Phantafie beftehenden
Bäume ins Haus gejchieft, geſpickt mit den
überjchwenglichiten Anpreijungen neu ein»
geführter fremdländiiher Bäume. Der
Unglückliche jaß dieſen verlodenden Schilde:
rungen nur zu oft rat- und hilflos gegen-
über und gab häufig Mühe und Geld hin,
ohne anderes als Ärger und Enttäufchungen
an den hochtrabend getauften Neuerwerbungen
zu erleben.
Für Coniferen ftand uns ja mohl
Beißners Nadelholzkunde zur Seite; aber
fie ift — vor 15 Jahren eridienen —
durh Amportierungen neueften Datums
zum Teil überholt; für fremdländijche
Yaubhölzer gebrad es aber völlig an
jedem halbwegs verläſſigen Wegmeiler.
Einen ſolchen bietet unfer Buch in hervor»
ragender Weije, denn es enthält nur Selbit-
geichautes und Selbfterprobtes: die Ergebniſſe
der jeit 1894 vom Berfaſſer in den ftaat-
lihen — übrigens höchſt jehenswerten —
61
Pflanzgärten Grafrath bei München ge:
machten Verſuche und Beobachtungen.
Die vielen Hundert, faſt alle vom
Berfafler der Natur abgelaufchten techniſch
trefflich mwiedergegebenen Abbildungen, wie
dıe gelamte vornehme Austattung des Buches
vervollftändigen den vorzüglihen Eindrud
des ganzen, dem wir Verbreitung in den
weiteften Kreiſen aller Gebildeten wünſchen.
Bei einer notwendig werdenden weiteren
Auflage wird ſich dann auch Gelegenheit
geben, die nicht allzu ſeltenen Druckfehler
zu vermeiden.
(Dr. Fr. Dahn in den M. N. N.)
Die zwölf Apoſtel 1907.
Einem ſchönen alten Brauche entſprechend, heim, Amtsbezirk Donauwörth (Schwaben),
fand heuer, wie alljährlich, am Gründonners—
tuge (28. März) in der Refidenz die
91 Jahre alt.
Das Gefamtalter der zwölf Wpojtel
Bermonie der Fußwaſchung ftatt. | betrug 1123 Fahre, im Vorjahre betrug
Zwölf über 90 Jahre alte Männer aus | es 1099 Jahre. Der ältefte der Apoftel,
verjchiedenen Teilen des Königreiches waren
auserjehen, als Upoftel zu fungieren;
es waren:
1. Beter Huter, Privatmann ın Ens-
beim, Amtsbezirk St. Ingbert (Bialz),
102 Jahre alt; 2, Michael Samer, Aus:
trägler in Saulorn, Amtsbezirt Wolfftein
(Niederbayern), 95 Jahre alt; 3. Lorenz
Kühnel, Austrägler in Unterwangenbadh,
Amtsbezirt Mainburg (Niederbayern), 95 |
Jahre alt; 4. Peter Endgruber, Aus
trägler in Falkenberg, Amtsbezirk Gbers-
berg (Oberbayern), 95 Jahre alt; 5.
Joſeph Baptift Schindler, Taglöhner in
Vohbühl, Amtsbezirt Wunfiedel (Ober:
franfen), 93 Jahre alt; 6. Pius Eharts-
berger, Pfründner in Leeder, Amtsbezirk
Kaufbeuren (Schwaben), 92 Jahre alt;
T. Baul Fiicher, Austrägler in Tegernau,
Umtöbezirt Mühldorf (Oberbayern), 92
Jahre alt; 8. Jakob Geißler, Pfrlindner
in Germersheim (Pfalz), 92 Jahre alt;
9. Georg Hofmeister, Schneider in Freifing,
92 Jahre alt; 10. Franz Reiſchl, ehe:
maliger Poſtbote in Sandbach, Amtsbezirk
Paſſau, 92 Jahre alt; 11. Dom. Filcher,
Pfründner in Babenhaufen, Amtsbezirk
Slertiffen (Schwaben), 92 Yahre alt, und
12. Frz. Schröttle, Austrägler in Auchies:
der 102 Jahre alte Peter Huter, hatte
bereit mehrere Male an der Fußwaſchung
teilgenommen, jo zuerit im Jahre 1896,
dann 1899, 1902 und als 100jähriger
Greis im Jahre 1905; ebenfo maren
Michael Samer und Lorenz Kühnel bereits
ım Jahre 1904 und Endgruber im Jahre
1903 zur Fußwaſchung zugelaffen. Bon
den Apofteln famen je drei aus Oberbayern,
Niederbayern und Schwaben, zwei aus
der Rheinpfalz, darunter der
ältefte, und einer aus Dberfranfen.
Außer den zwölf alten Männern wurden
am Gründonnerstag noch zwölf arme
Mädhen, die jogenannten Sklaven:
mädchen, auf allerhöchſten Befehl gefleidet
und mit Geld bejchenft; diejelben hießen:
Therefe Bruckmeier, Pflafterersmaile, 13
Jahre alt; Therefe Frei, Maurerstochter,
10 Jahre alt; Joſepha Maier, Schuh—
macersmwaije, 11 Jahre alt; Aura Reichen:
eder, Münzarbeitersmaije, 11 Jahre alt;
Johanna Röfer, Taglöhnerstochter, 11 Fahre
alt; Franzisfa Roſenwirth, Taglöhners—
tochter, 10 Jahre alt; Marie Roſt, An-
ftreiherstochter, 10 Jahre alt; Bertha
Siebinger, Meßgehilfenstochter, 13 Jahre
alt; Bertha Sturm, Straßenbahnihaffners-
waife, 11 Jahre alt; Thereſe Ullerich,
— 62 —
Schloſſergehilſenswaiſe, 11 Jahre alt; | der zwölf Mädchen, die ſämtlich aus München
Barbara Boithenberg, QTaglöhnerstochter, | gebürtig find, war die 81 Jahre alte Näherin
12 Yahre alt, und Marie Wagner, Tag- | Yofephine Ott aus München beftimmt.
löhnersmwaije, 11 Jahre alt. Als Führerin
Aülterürkfälle im Mai.
Der Frühling ift jegt zu einer Hälfte | Dieje Verteilung der Kälterüdfälle auf drei
borüber und bat uns vorwiegend jchlechtes | nahezu um zehn Tage von einander ent-
Wetter gebracht, diefes Mal wie in den | fernte Perioden des Maimonats hat es
meiften früheren Jahren. Vom holden | mit fid) gebradt, daß auch im Gregoria-
Lenz der Dichter weiß der Meteorologe | nifchen Stalender (der nad) dem 4. Dftober
wenig zu berichten und die Frühlingslüfte | 1582 ſogleich zum 15. Dftober überging)
begünftigen vorwiegend durdfchnittlih nur | die alten Eismänner ihr Recht behielten.
die Berbreitung von Hulten und Schnupfen. | Gemäß den Bolfserfahrungen waren ftet®
Wir haben noch den Wonnemonat Mai | der 1, Mai (Philippus, Jakobus), der 13.
und wir fünnen hoffen, daß er uns für | Mai (Servatius) und der 25. Mai (Ur-
jeine beiden rauhen Borgänger eine ge- | banus) wegen FFroitgefahr gefürchtet. In—
nügende Entſchädigung bieten wird. Solche | folge der Stalenderreform änderte fich aber
Hoffnung beftätigt fi in einzelnen Jahren — worauf Brofefjor Hellmann vor einigen
wirklich, aber meiftend wird fie graujam | Jahren zuerft bHingewiefen bat — die
enttäufcht. Der Mai unferer Gegenden | Stellung der Salenderheiligen, aljo auch
und der Mai „in Dichters Rand” find jehr | der Eismänner, um zehn Tage. Für die
verjchiedene Gejellen. Wer hätte nicht von | Wetterregeln des Yandmannes blieb dies
den gejtrengen S)erren, von den Eismännern | ohne Einfluß. Anfangs Mai find Kälte:
oder Eisheiligen des Mais gehört? Ma | rückfälle faft ebenjo häufig wie um den 13.
mertus, Pankratius und Servatius find | Mai; aljo in betreff der früheren Zeiten
beim Bolfe als Froftbringer wohl bekannt, | müſſen die Kälterücdfälle des 13. Mai dem
nicht nur in Deutjchland, jondern auch in | alten Urban in Rechnung geftellt werden,
Frankreich. Schon vor taujend Hahren | Wie die Beobachtungen in Köln ergaben,
werden verderblide Maifröfte in den | kann man für jeden Tag des Mais auf
Ehronifen erwähnt, ja, am 10. Mai 1439 | einen Kälterüdfall bis zu Froft gefaßt jein,
fiel in Braunſchweig jo viel Schnee, daß | vor allem, wenn nordweſtliche bis nord:
die Üfte der Bäume unter jeiner Laft | öftliche Winde durchgreifen. Es beftätigt
bradyen. Die Bolfsmeinung, daß gerade ſich aljo nicht das Wort des Dichters vom
in den Tagen der genannten Stalender- | „Wonnemonat“, jondern der Wetteriprud)
heiligen vorzugsmeije Kälterüdfälle zu er- | in dem alten 1591 zu Wittenberg er-
warten find, beftätigt fich; aber diefe Tage | jchienenen Stalender von Johann Golerus,
find es nicht ausfchlieglih, an denen im | welder lautet: Der Meye ift felten fo gut,
Mai Froft eintritt. Nacd den Zdjährigen | er ſetzt dem Baunpfahl einen Hut (nämlich
Aufzeichnungen auf der Wetterwarte der | von Schnee). Hoffen wir, daß der dies»
Kölnifshen Zeitung gibt e8 im Mai drei | malige Mai fich beffer erweife. Ob er es
Berioden, die mit Kälterückfällen hervor | tun wird, davon wiſſen heute die Meteoro-
treten. Die Hauptperiode ijt die Zeit vom | logen ebenjo viel Sicheres, wie der alte
10. bis 14. Mai, aljo die Zeit der Eis- Schäfer Thomas oder der hundertjährige
männer, dann die Tage vom 2, und 3., | Kalender, nämlich nichts.
endlich die Tage des 26, bis 28, Mai. (Feierftunde d. Pfälz. Preſſe).
Der — en
heißt der Titel der Nr. 1 der „Beröffent | (Münden, Kgl. Hofbuchdruderei Kaftner
lidungen des Landesausfhufjes für | und Gallway, 1906). Der Autor ift ein
Naturpflege” von Prof. Mar Haushofer | warm fürjprechender Anwalt der guten
— 65 —
Sade, die es unternimmt den Gedanken | Bäume, die Generationen hindurch als
allgemeiner werden zu lafjen, daß die Natur» | Wahrzeichen galten, verjchwinden. Auch die
Ihönheiten des Schußes gegenüber dem | Tierwelt wird in ihren Eriftenzbedingungen
Menſchen bedürfen. Auf 14 Seiten be- | eingefchränft (vgl. den Artikel im vorigen
handelt er in ausgiebiger Form, wie der | Hefte), befonders die Bogelmelt dezimiert.
Kampf des Ermwerbsbetriebes gegen | Wie fi Amerika feinen „Nationalparf”
diejelben, die wahre Schäße darftellen, fi) | unverfehrt erhält, jo jollte bei uns durd)
fteigert, je größer die Menfchenmafle wird. | Staatögefeg (mie bei der Yagd, in Forft
Die nicht zu unterjchägenden Quellen der | und Fiſcherei) in beftimmter Weife Vorſorge
Naturerfenntnis müſſen zumteil fchon | gegen wirtihaftlide und äſthetiſche
aus Gränden weiterblidender Wirtfchafts | Frevel getroffen werden. Staatsforft-
politif erhalten werden, fonft wird der | behörden und innere Bermwaltung, Bau»
Spielraum edten Waturgenujjes | und Gemeindebehörden, die Lehrerjchaft
noch mehr verengert. Einen ftarfen Schuß | im Vereine mit den Geiftlichen und Orts»
bat die fteinerıne Erdrinde zwar in ſich vereinigungen jeder Art könnten berufen
jelber ; aber der Menjch macht fi Trümmer- | fein, hier einmütig zur Erhaltung unver:
gefteine, Erdmwälle, Ufergehänge, Gräben, | fäljchter Naturdenfmäler im meiteften Sinne
Schluchten, Höhlungen, Felsbildungen jür | des Wortes beizutragen. Verzeichniſſe
jeine Zwede nugbar, oft bis zur völligen | folder merden dur Darftellung ihres
Beritörung. Gewäſſer werden getrübt | Gejamtwertes die Freude an ihrem Vor—
und dur Anlagen zur Gewinnung von handenſein nähren und Abbildungen den
Waſſerkraft verunftaltet. In den Alpen | Wunjch nadı Erhaltung rege erhalten.
find gewiſſe Pflanzen faft ausgerottet;
Die Urfadhe der grünen Färbung der natürlichen Waller.
Im Gegenfag zu der von Aufſeß ver- | Lichtes zurüdzuführen. Diefe Teilchen
tretenen Anficht wurde, wie W. Spring | fönnen durch einen ftarfen Lichtftrahl ficht-
in der Ghemifer-Zeitung mitteilt, durch | bar gemadt merden. Im Wereine mit
Verſuche nachgemwiejen, daß Kalkverbin- | den Eiſenverbindungen bewirken die Salt.
dungen keine eigene Farbe zufommt und ſalze des Wafjers die Eliminierung der
daß dieje daher niemals die Urfache der | Huminfubftanzen. Die Urſache, dab nicht
grünen Färbung, die man öfters bei an- | alle kalkhaltigen Wafjer der Natur blau
Icheinend klaren kalkhaltigen Waflern be» | erjcheinen, ift die, daß bei gewiſſen Waflern
obachtet, fein fünnen. Die grüne Färbung | bezliglich der reinigenden Wirkung der Kalk—
mancher Waſſer ift vielmehr auf eine dur , und Gifenverbindungen und der Humin»
die im Waſſer enthaltenen unfichtbaren ſubſtanzen eine Art Gleichgemwichtszuftand
Teilchen von organiſcher Subftanz hervor- | eintritt.
gerufene Beugungserjheinung des (Frkf. Big.)
Mann hält der Frühling feinen Einzug?
Für den Aftronomen beginnt das Früh- | bringt. Für den gewöhnlichen Sterblichen
jahr auf der nördlichen Halbfugel unferer | beginnt der Lenz mit dem Eintritt milder
Erde mit dem Eintritt der Tag- und | Witterung und dem gleichzeitigen Grün—
Nachtgleihe, nah dem diesjährigen Sa- | werden und Wufblühen der Bäume und
fender aljo am 21. März. Der Meteoro» | Sträuder. An melden Tagen des Yahres
loge dagegen rechnet jchon den ganzen | diejer ZToilettenwecjel in der Natur ge:
März zu den Frühlingsmonaten, unbe: wöhnlich vor fich geht, ift für alle Gegen-
fümmert um die fcharfe Kälte und die | den Mitteleuropas aus einer Starte zu er-
Scneefälle, die er uns fajt regelmäßig | jehen, die Profeſſor Dr. €. Ihne (Darm-
— 64 —
ſtadt) entworfen hat. Nach den an vielen | in dem ganzen Gebiet ſein Erſcheinen ſich
Drten und viele Jahre hindurch beobadj- | in ungefähr fünf Wochen vollzieht. In
teten Aufblübzeiten von 13 wichtigen Baum | Deutichland haben wir den zeitigjten Früh-
und Straudarten hat Profeſſor Dr. Yhne | lingseintritt (22. bis 28, April) in der
eine Starte des Frühlingseinzugs in | oberrheinifchen Tiefebene, ferner im Mojel«,
Mitteleuropa entworfen, von der die natur- | Nahe: und Nedartal. Der nächſtliegende
wiflenihaftlihe Zeitſchrift „Kosmos“ im | Ort mit früherem Frühling ift Bozen
vierten Heft des laufenden Jahrgangs einen | („Oſtermünchen“), deifen Frühlingsdatum
bauptjächlich das deutfche Gebiet umfaſſen- auf den 11. Aprıl fällt. Münden und
den Ausſchnitt veröffentliht. Die Karte | mit ihm die ganze ſchwäbiſch-bayeriſche
lehrt, daß der Frühling in unferem Erd- | Hochebene mit Ausnahme eines den Alpen
teil regelmäßig von Südweſten her ein» | angrenzenden Streifens liegen in der dritten
zieht. Für in Deutichland gelegene Orte | Bone mit einem mittleren Frühlings
ergibt fi, daß das mittlere Datum des | anfang vom 6. bis 12. Mai. Am
Frühlingseinzugs ungefähr mit dem An» | jpäteften (20. bis 26. Mai) ftellt fi der
fang der Apfelblüte zufammenfält. Die | Frühlıng in Nordichleswig und Oftpreußen
Ihneſche Karte umfaßt fünf Zonen: in der | ein, außerdem natürlich in den höheren
erften hält der Frühling durchſchnittlich Lagen der Gebirge. In diefem Jahre
vom 22. bis 28. April feinen Einzug, | Scheint ſich der Frühling darauf zu fapri-
innerhalb der fünften jedoch erit zwiſchen zieren, die legten Tage feines mittleren
dem 20, und 26. Mai (und jpäter), jodaß | Erjcheinungstermins einzuhalten.
Ein Kebſtock von 150 Jahren Alter.
Diefe große Seltenheit im Weinbau | aber auch ohme weiteres glaubhaft, dent
gebt eben in Lachen ihrem Ende ent | der Rebſtock bat die Dicke eines anfehn-
gegen. Die Niefenrebe befindet fi im | lichen Baumftammes und ift vier Meter
Hofe von Johannes Klamm dortjelbft und | hoch. In guten Weinjahren gab es an
wurde jeit langen Jahren von jedem dort- | dem Stodf bis zu 300 Litern Moft, in
hin kommenden Fremden mit berecdhtigtem | legter Zeit trug er immer weniger und
Erftaunen betraditet. Das angegebene | nun ift er völlig verdorrt, der Stamm
Alter ift verbürgt durch Überlieferung in | kann aber noch in Augenſchein genommen
der Familie wie aud) durch Sachverſtändige, werden. (Pf. Pr.)
MWeinberganlage.
Forftmeifter Glöckle (Glädlein) ließ im | Caroli Theodorus den 1, Mai 1749 diefer
Jahre 1749 den Berg unter der Burg | Weingarten vermog erhaltenen gnädigten
Neidenfels zu eınem Weinberg anlegen und | Churf. v. Pfaltz Forftmeifter des Oberamtes
zur Erbauung der Mauern die Steine der | Neuftadt, auch Salinen und Holkfaftor
Burg abtragen und verwenden. Eine In- | Herrn Geörg Franz Glödhlin und defjen
ſchrift zeigt die Gejchichte der Erbauung | Eheliebften Maria Catharina angefangen
der Burg. Diefelbe lautet: und den 30. Mai 1750 zu Ende gebradt
Unter der glormwürdigiten Wegierung | worden.
Inbalt: Atmoſphäriſche Lichteffekte. — Die Bevölkerung Arzheims zur Zeit des 30 jähr
Krieges. — Fremde Wald- und Barfbäume für Europa. — Die zmölf Apoftel 1907. — Kälte»
rüdfälle im Mai. — Der Schug der Natur. — Die Urfahe der grünen Färbung der natürlichen
Waſſer. — Wann hält der Frühling feinen Einzug? — Ein Rebſtock von 150 Jahren Alter. —
Weinberganlage.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — Kermann Kayſer's Derlag, Kaiſerslautern.
Für Form und Inhalt ber Beiträge find bie Herren Berfaffer verantwortlich.
1II, Jahrgang.
Nummer 6
Juni 1907.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
W
—,.
9
Die Entwicklung der Kirſchblüte.“)
Bon R. H. France.
Man hat in dem Heidelberger bota-
nischen Garten das Blühen der Kirſchbäume
auf das allergenauefte erforjcht und dabei
gefunden, daß es fidh in ziemlicher Unab-
bängigfeit von den Launen des Wetters
abſpielt. Dieſe Tatjache ift jo bemerkenswert
und allen Alltagserfahrungen fo wider:
Iprehend, daß ich nicht umhin fann, fie
ausführlicher zu ſchildern.
Nach diefen Unterfuchungen, die neuer-
dings von anderer Seite ihre Beftätigung
fanden, zerfällt die Entwidlung der Blüten:
fnojpen der Kirſche in zwei ftreng geichiedene
BVerioden, zwijchen denen die Winterruhe
liegt. Nur dauert diefe nicht jo lange wie
die blattloje Zeit des Baumes, die man für
gewöhnlich als die Ruhezeit der Vegetation
anfieht. In Heidelberg währt die „ent-
widlungslofe Zeit” nur von Ende Dftober
bı8 Anfang Februar. Die erfte Wachstums:
periode der Blüten beginne jchon lange,
bevor wir Menſchen fie veranlafjen würden,
wenn wir das Blühen der Bäume zu
dirigieren hätten. Sein Hausvater iſt jo
vorfichtig wie die Natur. Noch bevor fi
die Blüten des Jahres 1906 entfalten, legt
fie jchon jene des Jahres 1907 an! In
aller Berborgenheit im heimlichften Winkel
der Knoſpen reift da die Blüte als zarte
vertraut machen fann, lernen wir am beiten aus
Wulſt heran, mehrt Belle um Belle, ver:
ihiebt und ordnet ihre Baufteine jo lange,
bis fie etwa im Juli auch dem unbemwaffneten
Auge als feines Kelchlein erkennbar wird,
als ſtecknadelkopfgroßes Schüfjelhen, in
defien Grund mieder Fleine Wülfte auf-
ſprießen. Barte Köpfchen erheben fich,
hauchdünne Blättlein breiten fich jchligend
darüber, und im mwohlgeborgenen Zentrum
wölbt fih langjam das „ſüße Geheimnis”
der zukünftigen Blume, die Knoſpe, die
ihon den zur Befruchtung Heranreifenden
Samen in fi birgt. Dieje jachten Regungen
und Entfaltungen dauern den ganzen Sommer
über, bis ſpät in den Herbſt hinein. Noch
lange, nachdem die Aquinoftialftürme das
legte verdorrte Blatt vom Baume gerifjen
haben und er wie tot dafteht, find in ihm
taufend und abertaufend Knoſpen raftlos
tätig, das Blütenfer des fommenden Früh:
fings vorzubereiten. Die Natur denkt im
Herbfte mwahrlidh nicht and Sterben, wie
wir Kurzſichtigen fo lange glaubten; uner-
ſchöpflich entquillt ihr Leben und Lebensluſt,
und dort, wo wir Ruhe und Tod zu ſehen
vermeinen, ift e8 nur die beflagensmwerte
Beſchränktheit unjeres Blickes, melde uns
irreführt. Nirgends fieft man dies jo
deutlich wie an der angeblihen Winterruhe
*) Wie man fi jpielend mit allen Borgängen im Leben der Pflanzen und mit diefen jelbit
Frances an anderer Stelle empfoblenem Werte
„Das Leben der Pflanze”, welches 3. Zt. im Berlag ded „Kosmos, Gefellfchaft der Naturfreunde”,
Stuttgart, in Lieferungen a ME. 1 erjcheint.
—
der Knoſpen. Ende Oktober erftarren fie
und erwachen erſt wieder durch die matten
Küffe der Februarſonne. So fpiegelt es
uns das Auge vor. Aber in Wirklichkeit
hat die Knoſpe troß Schnee und Kälte nicht
gerubt. Ungeheure Wandlungen haben fich
an ihr vollzogen; es ift etwas vorgegangen,
für das uns noch das richtige Berftändnis
fehlt. Wir können es erft an den Folgen
erfennen und nur als innere Wandlung
bezeichnen. Wie wenn das Stnöjplein ein
feelentiefer Menfch wäre, der durch innere
Erlebnifje zu einem anderen Wejen wird.
In einer Periode jcheinbarer Berhärtung
und Untätigfeit formt es fih um, und nur
dadurch wird es befähigt zu neuem Leben.
Der nun verftorbene Heidelberger Botaniker
Askenaſy, der die Kirſchblüte zuerſt unter-
juchte, jagt, aus jeinen Verſuchen gehe
„deutlich hervor, daß die Blütenknoſpen
der Kirſche zwiſchen Ende Oktober und
Ende Dezember eine Anderung in ihrer
Beſchaffenheit erleiden, die fich nicht im
einer Gewichts- und Größenzunahme der
Teile, ſondern nur in dem verjchiedenen
Verhalten zu höheren Zemperaturgraden
zu erkennen gibt. Es liegt nahe, anzu:
nehmen, daß diefe Anderung demifcher
Natur iſt.“
Was berechtigte ihn zu dieſer über-
rajchenden Erklärung? Welche Tatſache
verrät die angeblihe Wandlung? Wir
hörten e8 jchon, eine Änderung in dem
Einfluffe der Temperatur auf die Blüten:
entwidlung. Sie zeigt fi darin, dab wir
ruhende Zweige der Kirſche im November
oder Anfangs Dezember vergeblich in das
Warmhaus bringen. Sie fchlagen nicht
aus, Wohl aber geichieht dies nad) Weih-
nachten. Nach der hohen Zeit der geheimnis-
vollen Zwölfernächte ift ein großer Zeil
der heimifchen Pflanzenwelt wie verwandelt.
Baldurs Geburt, die Winterfonnenmwende,
brachte ihnen wirklich die Auferftehung.
Bon da ab brauchen fie nur noch günftige
Temperatur, damit Blüte und Blatt raſch,
mit zauberhafter Schnelligkeit, fich entfaltet.
Über vor Weihnadhten fünnte es noch jo
warm fein, fie bleiben leblo8 und harren
ruhig der inneren Wandlung, die ihnen
nit von der Wärme, jondern bon der
Beit fommt.
66
Bon den erften wärmeren Tagen bes
Nahminters an beginnt dagegen für die
Kirihhlüte eine Zeit der gemwaltigften Ent-
wicklung. Die Blüten wachſen an Größe
und Maſſe anfangs langfam, jpäter fchneller,
zum Schluß mit erftaunlider Geſchwindig
feit. In den legten 6 bis 10 Xagen vor
ihrer Entfaltung verdoppeln fie ihr Gewicht;
in den legen Tagen wird eine federleichte
Kirſchblüte täglih um "sn Gramm ſchwerer.
Das macht bei den 200000 Blüten, die
ein nur mittelgroßer Kirſchbaum hat, eine
folofjale Arbeitsleiftung aus.
Alle diefe Tatjahen bringen uns aber
dem Berftändnis des Lebens um einen ge
maltigen Schritt näher; die Poeſie des
Frühlings erhält durch den Gelehrten eine
ſolche Folie des Wifjens, daß jeder Kirſch—
baum für den Willenden ein ergreifend
eınftes Erlebnis wird, weil er uns an die
tiefften Tiefen des Seins mahnt. In dem
lieblihen Zauber des Frühlingsblütenmeeres
tritt und wuchtig und jchwer das Lebens:
rätiel entgegen. Borläufig bat e3 die
Geftalt, daß die Pflanzen innere Fähig-
feiten befigen, welche fie teilweife in der
Entwidlung unabhängig machen von den
Einflüffen der Temperatur.
Bir jehen deutlih, daß die Sommer-
temperatur die Entwidlung der Kirſchblüte
gar nicht beeinflußt. Aber auch während
der Frühlingsentwiflung vermögen Schwan:
fungen der Temperatur den Verlauf des
Wadhstumstempos nicht zu ändern. Die
Blüten entwideln ſich im März ſtets rajcher
als im Februar, und es ıft dabei gleich
gültig, ob der März wärmer ift als der
Februar oder nicht. Nur auf den Gejamt-
verlauf der Blütenbildung hat die Tempe»
ratur Einfluß, und ein nafjes, dabei mwar-
mes Frühjahr fieht die Gegenden früher
im Blütenichmude prangen, als ein faltes
und trodenes. Ganz bejonders aber gibt
fich die teilweife Unabhängigkeit der Lebens»
erjcheinungen von der Temperatur dadurd)
zu erfennen, daß vom Dftober an bie
Snofpenentfaltung ruht, mag nun ein herr-
licher Spätherbft die Sommermärme wieder
auf Wochen zurüdrufen, oder ein Früh:
winter und um dieſes jpäte Glück der letz—
ten Herbſttage bringen,
(Heidel®. Tagbl.)
Ber Rampf gegen die Mürkenplage.
Der Leiter ded Breslauer Hygieniſchen waren und die beionders beliebten Brut-
Anftituts, Geheimrat Flügge, erftattete
im Gemeindeblatt einen eingehenden Bericht
über die bisherigen Refultate der Maß—
nahmen zur Müdenbefämpfung in
Breslau (1905). Geheimrat Flügge glaubt,
daß die Verſuche, die vom Februar j. %.
an unternommen wurden, jchon gewille Er-
folge gezeitigt hätten und ficherlich zur wei:
teren Fortſetzung ermunterten,
Zunächſt handelt es ih um die Ber-
tilgung der namentlih in Keller
räumen überwinternden Mücken, d. 5.
von eiertragenden Weibchen. Bereinzelte
Müden murden mittelft Lötlampe abge-
brannt; in den Räumen, in denen fie in
großer Zahl vorhanden mwarer, bediente
man fich eines energiich wirfenden, übrigens
nicht Foftipieligen Räuchermittels. Die
Bahl der auf diefe Weile getöteten Mücken
muß eine fehr erhebliche gemeien jeın. Zur
Gewinnung einer ungefähren zahlenmäßigen
Schäßung wurden des öfteren vor dem An«
zünden des Näucherpulvers Wapierbögen
längs der Wände auf dem Fußboden aus-
gebreitet, auf melde dann die Mücken
herabfieien, fodaß fie gefammelt und gezählt
werden fonnten, Obſchon ihre Zahl natür-
lid nur einen geringen Teil der überhaupt
getöteten ausmachte, belief fie fih in ein«
zelnen Stellen doch auf über 2000,
Es wird fodann weiter über die Ber:
nichtung der in Tümpeln zc. fih ent-
widelnden Müdenlarven und Puppen be»
richtet. Die Bernichtung der Larven geichah
mittel eines von Gelli angegebenen, aus
Ballol beftehenden, „Larvicid” genannten
Pulvers, melcdes, mit wenig Waſſer zu
einem Brei verrührt, in einer Menge von
ca. 3 Gramm pro Stubifmeter Wafler in
die Tümpel eingegoffeen wurde, Diejer
Brei tötet die Mückenlarven binnen einer
halben Stunde ſicher ab, ift auch für einzelne
andere Inſekten bei längerer Einmirfung
nicht unjchädlih, wohl aber für größere
Tiere, Fröſche, Fiſche und dergleichen. Zur
Bergiftung der Tümpel wurde täglich ein
Feuerwehrmann ausgejandt, und zwar be—
gingen diefelben Leute während des ganzen
Sommers das gleihe ihnen zugemiejene
Terrain, jo daß fie alsbald darauf heimiſch
ftätten fehr mohl fannten. Die Zahl
der borgefundenen Larven war mandmal
eine enorme; die bon den Feuerwehr—
leuten mitgebracten Proben ftellten zu—
weilen einen dien Brei von Müdenlarven
dar. Selbſt in ſolchen Tümpeln aber er-
gaben nach einiger Beit entnommene Kontroll»
proben die vollftändige Vernichtung der
Larven. Weit fchwieriger als gegen die
Larven ift ein erfolgreiches Vorgehen gegen
die Puppen. Dieje find gegen das Larvicıd
unempfindlid. Die Auffindung eines aud)
gegen die Puppen praftifch brauchbaren und
wirffamen Mittel8 wird eine der nächiten
Aufgaben im fommenden Sommer jein.
Neu ift an dem Breslauer Vorgehen
die fonfequente Bertilgung der über.
mwinternden Miüden, die eben nur in
ftädtifhen Terrains möglich ift, bier
aber bejondern Erfolg verſpricht. Schon
einige vorläufige Notizen in den Tages—
blättern haben in hohem Make das In—
tereffe anderer, von der Mückenplage ftarf
heimgefuchter Orte erregt; Anfragen über
die Art des Vorgehens find von vielen
Seiten nad) Breslau gerichtet (z. B. von
Düſſeldorf, Karlsruhe i. B., Deffau, Dorn»
birn (Vorarlberg), Wiedenbrück, Scheve-
ningen, Kreuznach, Kiſſingen, Bad Münſter
u. a). Breslau dürfte immerhin die
erfte europäiiche Stadt fein, welche durch
eine ſyſtematiſche Bekämpfung fich der über-
mäßigen Anfammlung von Stehmüden er-
wehrt,
Geheimrat Flügge ſchließt feinen Be-
riht mit Mitteilungen über die im vor:
vergangenen Eommer beobachteten Erfolge,
die noch fein abjchließendes Urteil ervmög-
lichen, aber doch wohl als erfte günftige
Resultate aufzufaffen find. Der Sommer
1905 war der Mückenentwicklung keineswegs
ungänftig, fondern im Gegenteil durch die
häufige Aufeinanderfolge niederjchlagsreicher,
tiimpelbildender und andererjeitd warmer
Tage zweifellos ſehr förderlih. Gin Be
weis hierfür ıft auch darin zu fuchen, daß
in den Gebieten, auf melden feine Be-
fümpfungsinaßregeln vorgenommen waren,
vielfach über heftige Müdenplage geklagt
wurde. Zum Schluß des Artikels wird
geftellt, die im mejentlihen nur eine fort:
eine Reihe von Thejen zur weiteren zmwed- | führung der bisherigen Maßnahmen be:
mäßigen Befämpfung der Müdenplage auf: | deuten.
Ber Beutfche Lehrerverein für Maturkunde
blidt nun auf ein 20jähriges Beftehen
zurüdf und hat aus diefem Anlaß eine kurze
Geſchichte feiner Entwidlung veröffentlicht.
Wir entnehmen derjelben, daß dieſer Ber-
ein infolge feiner außerordentlihen Lei—
ftungen bei geringem Jahresbeitrag (2,50
Mark, bezw. wenn inindeftend 10 Mit:
glieder die Vereinsjchriften gemeinjam be-
ziehen, 2 ME.) aus Pleinen Anfängen die
ftattlihe Zahl von 26000 Mitgliedern er-
reiht hat. Der Hauptverein gliedert fich
in 15 Landes: bezw. Brovinzialvereine,
davon einer (Landesverband Böhmen) in
OÖfterreih; die Gründung weiterer Yandes-
und Provinzialvereine ift in die Wege ge-
leitet. Die große Mitgliederzahl ermög-
lihte die Heruusgabe der berühmten Flora
von Deutjchland von J. Sturm, die dem-
nächſt in 14 Bänden abgejchlofjen vorliegt,
und den Mitgliedern neben der Vereins:
ichrift „Aus der Heimat” (6 Hefte) gegen
den Sahresbeitrag in jährlid 2 Bänden,
bezw. gegen 1,05 ME. für jeden Band ge-
liefert wurde. Im Jahre 1907 erhalten
die neu eintretenden Mitglieder: 1. Bio:
logie der Pflanzen von Dr. Mayer:
hojer, einen Quartband mit vielen Ori—
ginal-Aluftrationen; 2, Erfurfionsflora
von Deutfhland von Dr. Emft 9. 8.
Kraufe, Priv.:Dozent an der Univerfirät
Straßburg, enthaltend die allgemein als
vorzüglich anerkannten Beitimmungstabellen
der Sturm'ſchen Flora, endlich die Roß⸗
mäßler-Feftfihrift des Bereind, Den
bisherigen Mitgliedern, welche die Feſt—
ſchrift fchen befigen, wird ftatt derielben
das Generalregifter der Sturmjden
Flora geliefert, ebenjo denjenigen neu ein-
tretenden Mitgliedern, welche die Flora
nachbezichen.
Im Sabre 1908 wird der Verein mit
der Herausgabe eines auf 4 Bände (Duart-
format) berechneten Käferwerks, mit min-
deftens 144 Tafeln in feinftem fFarben-
drud, Tert von Edm. Reitter, Kaiſerl. Rat,
Redakteur der Wiener Entomolog. Zeitung
in Pasfau (Mähren), beginnen. Zurzeit
fehlt ein die ganze deutiche Fauna um:
fafjendes Käſerwerk; deshalb wird das eben
angekündigte jedem KHäferfammler unent-
behrlich fein. Sobald die erfte, vom Verein
herausgegebene Auflage abgejegt ift, tritt
eine bedeutende Preiserhöhung ein.
Da fih der gegenwärtige Beitpunft
für den Eintritt in diefen Verein fehr gut
eignet, machen wir unjere Leſer auf den-
jelben aufmerfjam. Anmeldungen nehmen
in den Ländern und Provinzen, in denen
Landes: oder Wrovinzialvereine beftehen,
die Kaffiere diefer Vereine, fonft der Kaſſier
des SHauptvereind, Lehrer Obermeyer,
Stuttgart-®ablenberg, entgegen.
Nähere Auskunft erteilt gerne der
Schriftführer des Haupt-Vereins: J. Baß,
Stuttgart, Silberburgftraße 79 1.
Eine Arlengnelle in Bayern.
Arjenquellen von Bedeutung gibt es
nicht viele. Die befannteften find Roncegno
und Levico in Südtirol mit etwa 6 Milli»
gramm Arſenik im Liter, die Guberquelle
in Bosnien mit etwa 6,1 Milligramm, La
Bourboule in Frankreich mit 11,4 Milli-
gramm Arjenif, An Deutfhland gab
es bisher nur eine einzige ſchwache
Arfenquelle, und zwar in Eudomwa in
Sclefien mit 1,2 Milligramm Arſenik. Da
ift e8 nun don größter Bedeutung, daß in
Bayern, und zwar inder Marquelle
im Bad Dürkheim in der Rhein-
pfal;, ein ganz ungewöhnlich ftarfer
AUrjengehalt entdedt wurde. Diefer Be-
fund ift in verſchiedener Hinfiht von In—
terefje. Die Quelle, 1857 erbohrt, trat
Ihon bald in nahe Beziehungen zur Ent-
wicklung der Chemie. Denn ihr Wafler
war das, in dem Bunfen und Kirch—
hoff dur die damals gerade entdedte
Speftralanalyje gleich zwei neue Elemente,
Rubidium und Cäſium, auffanden. Bon
Arſen dagegen ift in den Analyjen nichts
vermerft, und jo war das einzig Auffallende
an diejem leicht Eohlenjäurehaltigen Kochjalz-
waſſer, daß e8 zu Trinkzwecken nicht recht
verwendbar war. Syn größerer Menge un-
verdünnt genofjen, wurde es ſchlecht ver-
tragen, ohne daß man mußte, weshalb,
Dieje Beobachtungen erflären fich jett jehr
einfah. Sn dem Waller hat ſich nämlıd)
Arſenik in der großen Quantität von
etwa 17 Milligramm im Liter nad:
weiſen laſſen. Es ift damit eine fehr ge:
baltreiche und überdies ganz neue Art von
69
natürlihem Arſenwaſſer erichlofjen. Denn
die übrigen Arjenquellen find Eijenjäuer-
linge. Die Marquelle dagegen ift ihrem
chemiſchen GCharafter nah ein SKodjalz-
jäuerling ohne Eifen. Für das Bad Dürf-
heim dürfte diefe Entdeckung Eblers, über
die er im naturhiſtoriſchen medizinijchen
Berein zu Heidelberg referiert hat, von
großer Bedeutung werden; es wird fich zu—
nächſt darum handeln, die Wirfungsmeife
der neu erjchlofjenen Arfenquelle zu ftudieren.
Bu diefem Zweck werden an fi interej-
fierende Aerzte Proben Eoftenfrei
jeitend der Badeverwaltung abgegeben
werden, und es fteht fiher zu ermarten,
daß damit Bayern eine weitere wichtige
Heilquelle für dauernd erhalten haben wird.
Burgen, Schlöffer und Alöfter der Pfalz.
Bon D. Häberle, Kaiferl. Rech-Rat, Heidelberg.
Für uns Pfälzer ift es eigentlich eine
beihämende Tatſache, daß wir bis jeßt
noch fein überfichtliches Berzeichnis der
urfundlih erwähnten Burgen, Sclöfjer
und Slöfter unjerer Heimat, welche deren
auf ihrem engbegrenzten Gebiet verhältnis-
mäßig wohl die größte Anzahl in ganz
Deutjchland befitt, aufzumeifen haben.
Lehmann und Gärtner bzw. Nemling haben
fih wohl mit der Geſchichte der wichtigeren
beſchäftigt und auch Zuſammenſtellungen
davon gegeben, aber auch manche, über
welche die Nachrichten ſpärlicher floſſen
oder deren Lage unbekannt war, kurzer
Hand vernachläſſigt. Mit dieſen haben ſich
nun in den letzten Jahrzehnten in dankens—
werter Weiſe die Lokalhiſtoriker befaßt und
Aufſchluß über manche vergeſſene Burg—
anlage gegeben, nur ſind die betreffenden
Publikationen in der pfälziſchen Literatur
ziemlich zerſtreut und nicht jedem Intereſſenten
zur Hand.
Wir ſcheint daher der Verſuch, eine
Überficht über die verſchiedenen Burgen zu
geben, ganz zeitgemäß zumal in legter Zeit
bereits Anjäge dazu gemacht worden find.
So hat 3. B. Herr ingenieur Gngelhard
im „Blälzer Wald” vom 15. Yuli 1906
©. 167—168 die ihm befannten pfälzijchen
oder auch dicht an der pfälzifchen Grenze
gelegenen Burg. und Schloß- Ruinen zu«
fammengeftellt und auch bauliche Überrefte
mit einbezogen, die früher Klöfter, Kapellen,
Forfthäufer, Römerftätten ꝛe. waren bzw.
auf der Starte des deutſchen Reiches
(1: 100000) mit einem Ruinenzeichen ein»
getragen find. Hierbei fam er auf die
Zahl 117, welche aber die heterogenften
baulihen Reſte zc. in ſich ſchloß und auf
Bollftändigkeit feinen Anfpruch machen fann,
da es ja, wie Herr Engelhard ſelbſt hervor:
hebt, in der Pfalz ca. 144 Ruinen geben
jol: e8 blieb alfo noch eine ziemliche Lücke,
zu deren Ausfüllung er fich mit der Bitte
um weitere Angaben an den Lejerfreis
wandte.
Diefem Wunfche entiprah Herr Emil
Heujer in Nr. 13. des Pfälzer Waldes
vom 15. Auguft 1906 ©. 186—188, indem
er einen umfangreichen Nachtrag unter dem
Titel „Pfälziſche Ruinen” bradıte, dabei
aber mit vollem Necht betonte, daß ſich
ſolche FFefiftellungen ohne Zuhilfenahme der
Literatur nicht ausführen ließen: habe doc)
jhon Gärtner allein 134 pfälziſche
Burg- und Scloßruinen angeführt.
Daß auch diefe Angabe noch nicht er-
ſchöpfend jein fonnte, bewies eine, anläßlich
des für den 21. Yuni d. Is. in Ausficht
genommenen Feſtes des Vereins zur Er-
haltung deutſcher Burgen in der „Pfälz.
Preſſe“ vom 19. März d. %8. erſchienene
Notiz, nach welcher fi „in der Pfalz 195
Burgen, 50 Klofterruinen und 5 alte Jagd—
ichlöffer befinden“ ſollen. Ich zog nun zu»
nächſt Gärtner zu Rate und fonftatierte,
daß es fich bei dem in feinem zweiten Band
am Schluß befindlihen alphabetijchen Re:
gifter lediglihb um urfundlich erwähnte
Schlöſſer und Burgen, nicht aber um Ruinen
handelt; ebenjo ergab ein Bergleid; mit
Remling, daß 50 Slofterruinen in der
Pfalz nicht mehr vorhanden jein können:
Es hatte alſo der Umstand, dak die Begriffe
Burg (bzw. Klofter) und Ruine wechjelmeije
gebraucht worden waren, zu abweichenden
Reſultaten geführt.
Da die Bezeihnung „Ruine“ für bau-
liche Überrefte von Intereſſenten ſchon auf
fpärliche Mauertrümmer angewendet werden
fann, halte ıch e8 zur Herbeiführung einer
reinlihen Scheidung für bejjer, zunächſt
ein möglichit vollftändıges Verzeichnis der
urkundlich erwähnten Burgen und Hlöfter
der Pfalz aufzuftellen, als die Ruinen auf:
zuzählen, welche an und für fich jchon ın
der Reiſeführer- bzw. Fachliteratur ihrer
Wichtigkeit entſprechend regiftriert find
(3. ®. Heujers Pialzführer, Baudenkmale
der Pfalz ꝛc.).
Ich trat deshalb mit dem Berfaffer der
Notiz, Herrn Buchhändler Chr. Böhm in
Bad Dürkheim in Verbindung, welcher mir
in liebenswürdiger Weile die, jenen Un-
gaben in der „Pfälz. Preſſe“ zu Grunde
liegenden, von Herrn Karl Fränger unter
feiner Anleitung aus der Literatur gejam-
melten Notizen zur Verfügung ftellte. Indem
ich diefen nad Nedigierung noch meine Auf:
zeihnungen Hinzufügte, konnte ich die Zahl
der urfundlich erwähnten Burgen und Mlöfter
unferer pfälzıschen Heimat noch bedeutend
bermehren.
I. Bezirfsamt Bergzabern.
a. Kanton Bergzabern.
l. Burgen.
1. Bergzabern in Bergzabern
2. Landeck bei Klingenmünjter
3. Walahjtede bei Klingenmünſter
4. Guttenberg bei Oberotterbach
5. Kirchhof zu Dörr Hauptfefte d. Herr-
renbad) ihaft Guttenberg
70
— — — — — — — — — — — — — —
6. Rohrbach in Rohrbach
7. Pleisweiler in Pleisweiler
8. St. Remiq bei Großſteinfeld
9. Billigheim in Billigheim
10. St. Paul bei Schweigen.
2. Alöſter.
1. Klingenmünſter
(Blidenfeld, Bene-
diktiner) in Klingenmünſter
2. Bergzabern (Kapu
ziner) in Bergzabern
3. Kloſter 3. hl. Geiſt
auf dem Kolmer—
berg bei Bergzabern.
b. &anton Annmweiler.
1. Burgen.
1. Trifels bei Annweiler
2. Anebos bei Annweiler
3. Scharfenberg bei Annweiler
4. Lindelbrunn bei Vorderweidenthal
5.—6. Falkenburg
(Neu- und Alt-) bei Wilgartöwiejen
7. St. Yohann bei Alberömweiler
8.- 9. Scharfened
(Neu: und Alt-) bei Ramberg
10, Meifterjel bei Ramberg
Il, Ramberg bei Ramberg
12. Modenbad bei Ramberg
13. Rechberg bei Unumeiler bezw.
Albersweiler
14. Urnsburg? (auf
dem Orensberg) bei Alberöweiler.
2. Klöfter.
1. Eußerthal (Ci—
ſterzienſer) bei Albersweiler
2. St. Johann
(Reuerinen) bei Albersweiler.
N. Bezirksamt Dürkheim.
1. Burgen.
1. Dürfheim bei Bad- Dürfheim
2. Hartenburg bei Hartenburg
3. Scloßed bei Hartenburg
4. Schugburg für die
Limburg bei Bad- Dürkheim
5. Pfeffingen bei Ungjtein
6. Geiers- oder Wach⸗
tenburg bei Wachenheim
— —
2õà OD =
. Hollenburg
. Kehrdichannichts
. Murrmirnichtoiel
. Schaudidhnidtum
m ww
. Sägertal
. Deidesheim in Deidesheim
Freinsheim in Freinsheim
Friedelsheim in Friedelsheim
. Herrbeim a. B. in Herxheim a. B.
bei Wachenheim.
2. Jagdſchlöſſer x.
bei Bad- Dürkheim
bei Bad- Dürkheim
bei Bad- Dürkheim
bei Bad- Dürkheim
bei Hartenburg.
3. Klöfter.
Weilach
. Limburg (Benedif-
tiner) bei Bad- Dürfheim
. Haufen (Benebdif-
bei Bad- Dürkheim
bei Bad» Dürkheim
tinerinnen)
. Seebad (Benedif-
tinerinnen)
. Schönfeld (Bene-
diftinerinnen) bei Bad- Dürkheim
II. Bezirksamt Frankenthal.
a. Kanton Frankenthal,
1. Burgen.
1. Frankenthal in Franfenthal
2. Eppftein in Eppjtein
3. Heuchelheim in Heuchelheim
4, Stlein-Niedesheim in Slein-Niedes-
beim
5. Lambsheim in Lambsheim.
2. Klöfter.
Frankenthal:
1. Rapuziner
2. Auguftinerhorherrn Groß Frankenthal
3.
. Ult-Leinigen
. Battenberg
. Laumersheim
. Ritterftube
nn DD a
Auguftinerchorfrauen Klein Frankenthal
b. Kanton Grünftadt.
1. Burgen,
bei Alt Leiningen
bei Neu:Leiningen
bei Battenberg
in $tleinbodenheim
in Laumersheim
Neu-Leiningen
Emichsburg
des Wormſer Adels in Dirmſtein
.Reſidenzſchloß der
Wormſer Biſchöfe bei Dirmſtein
. Kurpfälzifche Burg in Dirmſtein
71
9. Heidesheim in SHeidesheim
10, Biffersheim in Bifjersheim
11. Quirnheim in Quirnheim
12, Mübhlenthal in Großfarlbad
13. Unterer Hof in Grünftabdt
14. Oberer Hof in Grünftadt
15. Großbodenheim
(fefter Turm) in Großboden-
beim.
2. Alöfter.
1. Höningen (Uugu-
ftinerchorherrn) in Höningen
2, Hertlingshaujen (Au-
guftinerchorfrauen) in Hertlingshaufen
3. Heidesheim (Eifter-
zienferinnen) in SHeidesheim
4, Grünftadt (Kapu⸗
ziner) in Grlnftadt
5. Gernsheim (Tempel-
Rumww-
berrn) bei Kirchheim a. €.
IV, Bezirksamt Germersheim.
a. Kanton Germersheim.
1. Burgen.
. Germerdheim in Germersheim
. Reimersheim in Leimersheim
Beisfam in Beisfam
. Spiegelburg bei Hördt
. Weingarten in Weingarten
. Friedrichsbühl bei Bellbeim.
2. Klöfter.
1. Hördt (Auguftiner-
Ehorherrn) in Hördt
2. Heimbah (Johan⸗
niter) bei Luftadt
3.—4. Germersheim:
Franziskaner
Serviten in Germersheim.
b. Kanton Kandel.
1. Burgen.
1. Hagenbach in Hagenbad)
2. Yodgrim in Jockgrim
3. Minfeld in Minfeld
4, Neuburg in Neuburg
5, Neulauterburg in Neulauterburg
6. Rheinzabern in Rheinzabern
7, Rülzheim in Rülzheim
Affalterloch
Winden
bei Wörth.
in Winden.
2. Klöfter.
feine.
V. Bezirksamt Homburg.
a. Santon Homburg.
1. Burgen.
. Hohen: od. Homburg bei Homburg
. Karlöberg bei Homburg
. Bundenbad in Großbunden-
bad)
bei Kirrberg.
2. Klöfter.
Homburg (Franzis-
faner)
— = Ö+
. Merburg
in Homburg.
b. Kanton Landftupl.
l. Burgen.
1. Nanftein od. Nanftal bei Landſtuhl
. Hauptftul bei Hauptſtuhl.
2. Klöfter.
Seine.
c. Kanton Waldmohr.
1. Burgen.
bei Kirkel
in Jägersburg
. Kirfel
Jägersburg
. Scheidenberg
2, Klöſter.
Steine.
an -
VI. Bezirksamt St. Ingbert.
a. Kanton St. Yngbert.
1. Burgen,
Stiefeler Schloß
(Weinantiteın?) bei St. Yngbert.
2. Klöfter.
feine.
b. Ranton Blieskaſtel I.
1. Burgen.
1. Bliesfaftel ın Bliesfajtel
jpäter ward daraus
2. das Layenſche Schloß in Blieskaftel
bei Niedermiejau,
12
3. Mengen bei Bliesmengen
4. Bhilippsburg bei Nieder » Würz-
badı
5. BWedlingen bei Ballweiler
6, Luiſenthal bei Schwarzen-
ader,
2. Klöfter.
1, Börfchweiler (Eifter- |
zienjer bei Schwarzenader
2. Gräfinthal (Wilhel-
miter) bei Bliesmengen
3. Bliesfaftel (Franzis-
faner) in Blieskaſtel.
v1. Bezirksamt Kaiſerslautern.
a. Kanton Saijerslautern.
1. Burgen.
1. Dieburg bei Aljenborn
2. Beiljtein ber Faijerslautern
3. Diemerftein bei Frankenſtein
4. Frankenſtein bei Franfenftein
5. Hoheneden bei Hohenecken
6. Lautern in Saijerslautern
T. Perlenburg bei Kaiſerslautern
8. Stelzenberg bei Stelzenberg
9. Wilenftein bei Trippftadt
10. Trippftadt (Schloß) in XTrippftadt
11. Breidenborn bei Kaijerslautern.
2. Klöfter.
1.—2, Lautern
—
Otterberg (Ciſterzienſer) in
Einſiedel
Otterburg
Schallodenbach
. Sterrenberg
a) Franziskaner
b) Prämonftratenjer in Kaiferslautern
. Entenbad
(Brämonijtratenjer)
(Deutich-
in Enkenbach
bei Kindsbach
bei Hochſpeyer.
herrn)
Fiſchbach (Auguftiner-
chorfrauen)
b. Stanton Ötterberg.
1. Burgen.
bei
bei
bei
Otterberg
Schallodenbach
Otterbach.
2. Klöſter.
Otterberg.
VII, Bezirksamt Kirchheimbolanden.
a. Kanton Sirhheimbolanden,
l. Burgen.
1, Albolfesheim bei Albisheim
2, Dannenfels bei Dannenfels
3. Gtauf bei Stauf
4. Wildenftein bei Dannenfels
5. Stetten in Gtetten
6. Kirhheimbolanden in Kirchheimbol.
T. Bolanden «m Bolanden
8. Alt-Bolanden bei Polanden
9. Warte auf dem
Schillerhain bei Kirchheimbol.
10. Niedeck bei Kriegsfeld
11. Weiſſenſtein bei Mörsfeld.
2. Klöſter.
.Paradies (Ciſter⸗
zienſerinnen)
bei Mauchenheim
2. Syon oder Sehyl
(Ciſterzienſerinnen) bei Mauchenheim
3. Roſenthal (Ciſter⸗
zienſerinnen) bei Göllheim
4. Münfter-Dreijen
(Prämonſtratenſer) bei Dreiſen
5. Ramſen (Ciſter⸗
zienſerinnen) bei Ramſen
6. Rothenkirchen
(Prämonſtratenſer) bei Kirchheimbol.
T. Bell (Stift) in Bell
8. Hagen (= Hane,
Brämonftratenfe:
rinnen) bei Bolanden
9. Deimbach (Eifter-
zienferinnen) bei Mörsfeld
10. Donnersberg
(Bauliner) auf dem Donners-
berg.
IX. Bezirksamt Kufel.
a. 8anton Kuſel.
l. Burgen.
1. Michelsburg bei Theisbergftegen
2. Quirnbach bei Quirnbach
3. Wadenau bei Dennmweiler-
Frohnbach
4. Petersheim bei Herjchmweiler-
Petersheim.
2. Klöfter.
Kujel und Remigius⸗
berg (Benediktiner) bei Theisberg-
ftegen.
b. Kanton Lauterecken.
1. Burgen.
1. Lauterecken in Lauterecken
2. Odenbach in Odenbach
3. Reipoltskirchen in Reipoltskirchen
4. Neuenburg bei Ginsweiler
5. Ingweiler bei Reipoltskirchen.
2. Klöſter.
Keine.
c. Kanton Wolfſtein.
1. Burgen.
1, Alt-Wolfftein bei Wolfftein
2, Neu Wolfſtein bei Wolfſtein
3. Sprengelberg bei Eßweiler
4. Herrenburg bei Oberftaufen-
bad).
2. Klöfter.
Steine,
X. Bezirksamt Landau.
a. Kanton Landau.
1. Burgen.
1. Altheim bei Offenbach
2. Eifingen in Eſſingen
3. Heuchelheim in Heuchelheim
4. Queichheim in Queichheim
5, Mörlheim in Mörlheim
6. Franfenburg bei Franfweiler
T. Madenburg bei Eſchbach
8. Neukaſtel bei Leinsweiler
9. Herrheim in SHerrheim
10, Beggalingen in Göcklingen
11, Landau in Landau.
12, Rodenburg zwiſchen Eſchbach
und Leinsweiler
13. Arzheim in Arzheim.
2. Klöfter.
Landau:
1) Auguftiner,
2) Rapuziner,
3) Beguinen in Landau.
14
b. Kanton Edenkoben. . Hohe: oder Rup⸗
. Bars prechtöburg bei Ruppertöberg
1. Altd { 8 " 16, Lichtenftein bei Neidenfels
. Altdorf in Altdorf 17. Neidenfels bei Neidenfels
2, Uljtermweiler in Alſterweiler 18. Marburg bei Hambach
3. Bödingen in Böchingen 19. Königebadh (Turm-
e —— bei ee ruine) in Königsbach
. Edesheim in eöheim - 2 i
6. Rietburg bei Rhodt 20. Grunenberg? bei Appenthal.
T. Krobsburg bei St. Martin 2, Kloſt
8. Gaisburg bei Burrmeiler 5 en
9. Marienburg bei Kirrweiler 1—4, Neuftadt:
10, Altenkirrweiler in Sirrmweiler a) Sefuiten
11. Benningen bei Benningen b) Rapuziner
12, Kredenburg bei Maifammer c) Beguinen
d) Auguftiner:
2. Klöfter. Ehorfrauen in Neuftadt
Heilsbrud (Cifter- 5. St. Lambrecht
ztenferinnen) bei Edenkoben. (Benebiftiner) in Lambredt.
XI. Bezirksamt Ludwigshafen. XII. Bezirksamt Pirmafens.
1. Bürgen. a. Kanton Pirmajens,
1. deaveht bei Frieſenheim 1. Burgen.
.Gronau bei Alsheim
1. Lemburg bei Lemberg
a a be — ri 2. Ruppertöftein bei Ruppertsmweiler
3 Nuchheim in Nuchei . 3. Steinenſchloß bei Biebermübhle
6 5 ; — 4. Pirmaſens in Pirmaſens
Fußs nnheim > Bußgönnheim 5. Eppenbrunn in Eppenbrunn
T. Ongeröheim in Oggeröheim. 6. Windsberg bei Windsberg.
2. Klöfter.
1, Altrip (zur Abtei 2. alöfer.
Prüm gehörig) in Altrip Glasberg bei Pirmaſens.
2. Oggersheim in Oggersheim.
b. Kanton Dahn,
XII. Bezirksamt Neuftadt.
1, Burgen,
1. Burgen. 1. Berwartftein bei Erlenbach
1. Breitenftein bei Appenthal 2. Klein Frankreich bei Erlenbach
2. Duttweiler bei Neuftadt 3. Dradenfels bei Bufenberg
3. Lachen in Lachen 4.-6. Alt Dahn
4, Lindenburg bei Lindenberg (3 Burgen) bei Dahn
5, Medenheim in Medenheim T. Neu-Dahn bei Dahn
6. Winzingen bei Winzingen 8. Wegelnburg bei Schönau
T. Wolfsburg bei Neuftadt 9, Blumenftein bei Schönau
8. Erfenſtein bei Franfened 10. Bigeunerfels(Ober-
9. Spangenberg bei Frankeneck Bafigenftein) bei Schönau
10. Elmftein bei Elmftein 1l, St. German bei Bobenthal
11. Geiſpitzheim bei Mittelhpambah | 12. Kaldenfels (Kalten-
12, Haßlod) in Haßloch bacher Schloß?) bei Dintermweiden-
13. Hildebrandsed bei Lobloch thal
14, Willibertsed bei Lobloch 13, Kulmenfels bei Nothweiler.
2. Klöfter.
feine.
e. Ranton Waldfiſchbach.
1, Burgen.
1. Grevenftein bei Merzalben
. Heidelöburg (Bunen-:
ftein?)
bei Burgalben.
75
2. Felsberg
3. Imsweiler
4. Hohenfels
5. Randed
6. Neuhemsbad
T. Unjelburg
8.—9. Wartenberg
(Alt: und Neu-)
10, ®innweiler
bei Imsweiler
bei Imsweiler
bei Imsbach
bei Neuhemsbach
in Neuhemsbach
bei Neuhemsbach
bei Wartenberg
in. Winnmweiler
2. Klöfter.
Steine.
XIV. Bezirksamt Rodenhaufen.
a. Kanton Rodenhaujen.
1. Burgen.
1. Gaugrehmeiler in Gaugrehmeiler
2. Ruhenburg bei Rodenhaufen
3. Ruppertsed bei Ruppertseden
4. Stolzenberg bei Bayerfeld
5. Martenberg-Schnee-
berg bei Gerbach
6. Frauenftein bei Ruppertseden
7. Gutenbad) bei Gaugrehweiler.
2. Klöfter.
Marienthal (Prämon- am Donnersberg.
ftratenferinnen)
b Kanton Obermoſchel.
1. Burgen.
1. Ebernburg bei &bernburg
2. Montfort bei Hallgarten
3. Landsberg bei Obermojcel
4. Römenftein bei Niedermojchel
5. Randed bei Mannmweiler
6. Altenbaumburg bei Altenbamberg
T. Treuenfels bei Ultenbamberg
8. Bernhardsſchloß? bei Altenbamberg
9, Ddernheim in Odernh. a. Gl.
2. Klöfter.
1—2, Difibodenberg bei Odernheim
a. Benediftiner
b. Benediftinerinnen
3. Trombad) (Beguinen) bei Feilbingert
4. Balbrüden( „ ) bei Altenbamberg
5, Münfterappel in Münfterappel.
c. anton ®Binnmweiler.
1. Burgen.
1, Falkenftein bei Falkenſtein
11, Gehrmweiler
12, Gunderömeiler
bei Gehrweiler
bei Gundersweiler.
2. Klöſter.
Hainweiler
bei Steinbach.
XV. Bezirksamt Speyer.
1. Burgen.
l. Marientraut bei Hanhofen
2, Scifferftadt in Scifferftadt
3. Kaiferpfalz in Speyer
4. Dudenhofen bei Speper.
2. Klöfter.
1. Germansberg (Bene-
diftiner) bei Speyer
2— 14. Speyer:
a) Jeſuiten
b) ®ilhelmiter
c) Franziskaner
d) Franziskanerinnen
e) Kapuziner
f) Auguftiner
g) Auguftinerchorfrauen
h) Garmeliter
i) Dominikaner
k) Dominifanerinnen
I) Beguinen
m) Brüder des heil.
Grabes
n) Deutſchherrn.
XVI. Bezirksamt Zweibrüden.
a. Kanton Zweibrüden.
1. Burgen.
1. Hornbad in Hornbach
2. Kirchheimer Schloß bei Hornbach
3. Medelsheim bei Medelsheim
4, Schorrenburg bei Breitfurt
5. Tſchifflick bei Zweibrücken
6. Zweibrücken in Zweibrücken
7. Riesweiler in Riesweiler.
— 76 —
2. Klöfier.
bei Irheim
bei Hornbad
1. Irheim
2. Hornbach (Benedil-
tiner)
3. Marienftein (Reue-
rinnen) in Bmeibrüden.
b. Kanton Bliesfaftel II.
1. Burgen.
feine.
2. Klöfter,
feine,
Im Ganzen: 239 Burgen (einſchl. 5 Jagd⸗
ihlöffer) und 78 Mlöfter.
Borftehende Zufammenftellung betrachte
ih als eriten Verſuch; zur vollftändigen
Löfung der Aufgabe bedarf ich freundlicher
Unterftügung. Ich bitte daher Geſchichts—
freunde, insbejondere Lokalhiſtoriker, das
Verzeichnis auf feine Bollftändigfeit hin
prüfen zu wollen. Jede Belehrung oder
Berichtigung unter Angabe der Literatur
wird ſelbſtverſtändlich mit Dank auf
genommen werden. Bei Aufftellung eines
endgültigen Verzeichniſſes beabfichtige ich
bei jeder Burg ac. die darauf bezügliche
Literatur kurz zu zitieren, um Intereſſenten
fofort das Nachſchlagematerial an die Hand
geben zu können.
Hegenkarte von Deutſchland.
Mit erläuternden Bemerkungen. In amtlichem Auftrage bearbeitet von Profefior Dr. ®. Hellmann,
Abteilungsvorfteher im Kgl. Preußifhen Meteorologifchen Inſtitut.
Preis im Umſchlag 3 Mt,
in Rolle ungebrochen, 64 X 72 cm, 3 Mk. 10 Pfg. Berlin SW. Dietrich Reimer (Ernſt Vohſen).
Profeſſor Hellmanns Regenkarte von
Deutichland ift die e:fte genaue derartige
Karte, die veröffentlicht werden konnte. Sie
beruht auf den Beobachtungen, die an 3000
deutichen Stationen im Jahrzehnt 1893 bis
1902 über die Niederſchläge angeitellt
worden find, nahdem durch die Bemühungen
diejes Gelehrten Norddeutichland zu Anfang
der neunziger Yahre ein dichtes Netz von
Regenftationen erhalten Hatte und ſeitdem
aud in Süddeutſchland zahlreiche ſolche
Stationen eingerihtet wurden. Da die
mittlere jährlihe Niederſchlagsmenge in
Deutichland zwifchen 41 und 212 cm ſchwankt,
wird ihre räumliche Verteilung mittels 12
Farbenabftufungen auf der Karte veranjchau-
lit. Dadurch, daß für die beiden niedrigften
Stufen (40—50 und 50-60 cm) ein
lihtes Braun, für alle höheren aber Blau
gewählt wurde, treten die trodenen und
feuchten Gebiete jcharf hervor und die
ganze Karte madıt einen plajtijhen Ein-
druf. Der begleitende Text hebt die
wichtigften Gefichtspunfte hinſichtlich der
Niederichlagsverteilung in Deutſchland her»
vor und gibt die größten mie Fleiniten
Yahresmengen eines jeden Landes bezw.
jeder Provinz in Zahlen an.
Die Starte, die viel Neues lehrt, wird
nicht nur den Männern der Wiſſenſchaft,
wie Geographen und Meteorologen, will-
fommen jein, jondern vor allem aud) denen
der Braris (Land- und Forftwirte, Gärtner,
BWafjerbauer, Yngenieure, Techniker u. |. w.),
die an der möglichſt zweckmäßigen Ver—
wertung der atmojphärifchen Niederjchläge
ein unmittelbares Intereſſe haben.
(Münd. N. N.)
Snbalt: Die Entwidlung der Kirihblüte. — Der Kampf gegen die Müdenplage. — Der
Deutiche Yehrerverein für Naturkunde. — Arfenquelle in Bad-Dür
heim. — Burgen, Schiöfier
und löfter der Pfalz. — Regenfarte von Deutſchland.
Schriftleiter: Eehrer Ph. Sauth, Eandfluhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Ynbalt der Beiträge Rab bie derren Berfaſſer verantwortlich.
Die „Pfülgiicge Helmattunde“ koſtet jahrlich in 12 Heften Mt. 2.50. Beflellungen werden von allen Buchhandlungen und
Voflanftalten ferner vom Berleger (Bortofreie Gtreifdandfendung) angenommen. .
it. Jahrgang.
Nummer ?7
Juli 190%.
(
/ * m
A. Q
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
v
BUN
L/
Hom Trinken im Sommer.
Der Sommer hat jeinen Ginzug ge:
halten und die Zeit ift jomit Herangefommen,
mo manchem gelegentlid die Zunge troden
am Gaumen Elebt, wo man fich jehnt nach
einem fühlen Trunk. Da fann man nun
oft die Behauptung hören, man ſolle nicht
jo viel trinken, denn: „Je mehr du trinkt,
defto mehr jchwigeft du!” Dieſe Behaup-
tung ift jedoch nicht unbedingt richtig. Es
ift jelbftverftändlih, da die Feuchtigkeit,
die dem Körper durch Schwigen entzogen
wird, wieder erjeßt werden muß. Aber
ebenjo felbftverfiändlich und auch nötig ift
es, daß man im Sommer mehr trinft als
in der fühlen Jahreszeit. Die VBerdunftung
der Feuchtigkeit im menjchlichen Körper
durch Schwitzen ift jehr lebhaft. Man
Ihäßt die Schweißabjonderung eines er-
wachſenen Menihen an einem Tag auf
durchſchnittlich 600—800 Gramm; bei
großer Hitze, beim Marſchieren oder anderer
Diuskelanftrengung kann die Schweißbildung
fogar bis zu 1500 Gramm in der
Stunde gejteigert werden. Da ift es
aljo gar nicht zu verwundern, wenn man
Leute fieht, die mehrere Glas Flüffigkeit
zu fih nehmen. Und dies ift auch gerade
nicht jchädlih. Gefundheitswidrig ift nur
das Genießen zu Falter Getränfe. Viele
fönnen das Bier, den Wein, das Waſſer
uſw. im Sommer gar nicht falt genug be-
kommen; bejonder8 groß find darin Die
Amerifaner, die eisfalte Getränke in un—
glaubliher Maſſe und Schnelligkeit ge
nießen. Die verjchiedenen „American
drinks*, „mixed drinks*, „Coctails*,
„Cobbler* ufw. werden aber audh bei uns
Mode und deshalb ift die Mahnung doppelt
angebradt, beim Genufje eisfalter Sachen
wenigſtens vorfichtig zu jein und in ganz
Fleinen Schluden zu trinfen. Dann bewahrt
man ſich vor Schaden. Aber gegen dieje
jelbftverftändliche Regel wird in den heißen
Sommertagen leider jehr oft gejlindigt.
Überhaupt ift es ſchon mehr als leicht
finnig, wie rückſichtslos manche Leute ihren
Magen behandeln. Einem Ochſen, einem
Pferd gibt fein Bauer eisfaltes Wafler im
Sommer, ftets nur etwas „überſchlagenes“;
aber in den menichlihen Magen werden
Maſſen eifiger Getränfe gepumpt. Und
dann wundert man fi) noch, wenn man
mit 60 Jahren nicht mehr „schwere Sachen“
genießen fann. Wenn zugegeben werden
darf, daß das Fühle, ja jelbft ein Faltes
Getränf einem gejunden Magen nichts
ſchadet, jo ift doch ebenſo leicht einzujehen,
daß jede Übertreibung irgend eine, wenn
vielleicht auch nur augenblidlide Unan-
nehmlichfeit nach fich zieht. Es ift wohl
ein Zeichen von guter Erziehung und von
Berftändnis für vernünftige Lebensweiſe,
wenn man fi) auch in der Richtung der
Befriedigung des Trinkbedürfniſſes eine heil«
jame Selbftzucht auferlegt.
18
Beiträge nnd Proben zur Erklärung bedentungsvoller Wörter.
Nachdem bereits mehrere Artikel diejer
Beitfchrift darauf Bezug genommen haben,
wie moderne Wortbilder aus älteren For:
men entftanden find und welche finnreiche
Bedeutung gewöhnlich in Ddenjelben ver:
borgen liegt, mögen hiermit noch weitere
Beifpiele in einer Zujammenftellung ge:
geben fein, welche ſich an die Einteilung
eined neueren Werfes von Rem. Vollmann,
Oberlehrer in Münden, anjchließt. Seine
„Wortkunde in der Schule auf Grundlage
des Schulunterrichtes“ ift ein dreibändiges
Werk von 122, 198 und 208 Seiten und
ift vor vier Jahren erjchienen. Der Stoff
ift nach folgenden Oberbegriffen gefichtet:
I. Heimatort, Bodenformen, Bewäſſerung,
Witterungserjcheinungen, Bewohner, Staat
und Gemeinde, Himmelsförper, Beographiiche
Eigennamen, Ausdrüde der Seemanns-
ſprache. II. Die alten BDeutjchen, Aus—
breitung des Chriftentums, Kari der Große
und das Franfenreich, Lehensherrichaft,
Deutihe Kaiſer, Rittertum, Städteweſen
und Bürgertum, Häusliches und gejelliges
Leben im Mittelalter, Gewerbe und Handel
im Mittelalter, Rechtspflege im Mittelalter,
Söldner und Landsfnechte, Bauernfrieg,
Familiennamen, Erfindungen und Gnt«
defungen, Reformation und 30jähr. Krieg,
Deutijhland nad) dem 30jährigen Stiege,
Sranzöfiihe Revolution, Staatsverfaffung.
II. Der Menſch, Tierreich, Pflanzenreich,
Mineralreih. — Dazu folgt jedesmal ein
reiches Wörterverzeichnis.
Es ift unmöglich, für die Bwede hei—
matfundlicher Klarſtellung alles pafjende
Material an diefer Stelle auszuziehen und
joll dagegen gejagt fein, daß die über:
rafchende Fülle des Gebotenen jedermann
befriedigen wird, der das Werf in ernit-
fihe Benügung nimmt. Ob die Schule in
einem Maße von diefen Schägen Gebraud
machen fann und foll, wie es ſich der
eifrige Berfaffer vorftellt, fei dabingeftellt.
Uber in manden Fällen darf die allge:
meine Volksſchule auch in dieſer Richtung
das Nügliche mit dem Intereſſanten miſchen,
vielleicht jogar mit der Wedung der Luft
zur Deutung überbradhter Ausdrucdsformen
ihr Biel erreicht jehen. Hier enticheidet
ja fiher mehr die Neigung als das Pflicht:
gefühl, wieviel Wiffen im Gedächtnis haf-
ten bleibt.
Wir greifen eine Reihe von Erklärungen
gekürzt aus dem Werfe und machen mwörtliche
Zitate durh Anführungszeichen kenntlich.
Weiler, verwandt mit villa — Land-
gut, althochdeutih wilari, inzelgehöft,
Eleines Dorf.
Dorf, thorp, dorp (Dörper für Dorf»
bewohner und das Eigenjchaftswort dörper-
lih) — Anfiedelung der Hörigen um den
Herrenhof.
Markt und Marftfleden von mercatus,
althochdeutich markät.
Burgfrieden — daS Gebiet, ſoweit
da8 Gelände um die Burg umfriedigt, ein-
gefriedigt ift.
Weihbild, (vichbilde Stadt-
gebiet; von wih — Stadt (vieus — Dorf)
und bilida — Recht, Gerichtsbarkeit.
Gegend, verw. mit gegen (contre),
aljo örtliche Ausdehnung gegen einen
Bunft hin (oder um einen foldyen her).
Dften, (austa, aurora (ausosa) Mor-
genröte) die Richtung des Aufleuchtens des
Tages, daraus folgend aud Oeſterreich
und Oftern
Süd, sund (vgl. Sundgau, Südgau)
mit sunna — Sonne verwandt.
Weft von wisan verweilen oder
wesan — fein, bleiben oder vesper —
Abend; demnach Abendjeite, wo die Sonne
zu verweilen ſcheint.
Gebiet — das Gebieten, jomweit das
Gebietsrecht (Gebot) reicht, vgl. Stadtgebiet,
Flußgebiet.
Fläche von flach, auch blach (Blachfeld)
— Ebene (vgl. platt).
Hügel verm. mit body, von houc
niedriger Berg (Winterhaud).
Bühl (Bühel) von bahil — Hügel.
Leite — Leiter, (Hainleite), Abhang,
wie Halde von hald — geneigt.
Steil von fteigen (Stiege, Steig, Steg)
= anfteigender Weg.
Jäh, gäh von gach, gaehe — ſchnell,
plötzlich.
Paß von passus — Schritt.
Tal verw. mit Dalle, Delle, Dulle —
Mulde.
Schlucht (Schluft) zu fchliefen, hinein—
jchliefen (Höhle).
Kluft von klieben —
flaffen.
Schrund von fdrinden, berften; vgl,
Hautjchrunden — Riſſe.
Klamm von klemmen.
Urbar = ertragsfähig, von ur (er)
und bern (tragen).
Matte verw. mit Mahd, mat, mad
ipalten, vgl.
— dad Mühen.
®rummet — grünmat, gruonmat
— das grün Gemähte.
Ohmet, Ohmd (amat), zweites
Mähen, Nachgemähtes.
Weide — Suden von Speije dur
Menſch und Vieh; vgl, Weidmann, Weid-
wert, mweidlich (jagdgemäß).
Heide — unfruditbares Land; Heid»
ihmude von snucken, d. i. ſchluchzen, etwa
das Bloken bedeutend; vgl. auh der
Heide.
Ried — riet, Schilfrohr, mit Ried
und Moos bewachſene Fläche; (aber das
Donau-Ried von Gereute, Rodung!).
Brunnen von brunno, brinnan
— brennen, mwallen, fieden. Bronn und
Born ift dasjelbe.
Furt, feichte Übergangsftelle, von
fahren.
Lade von lacus — See, aljo zus
jammengelaufenes Waſſer.
Pfütze — Lade; pfuzza — Brunnen;
(putens).
Pfuhl von pfuol = Pfüge, Sumpf.
Beiher — Fildteih, von wiwer,
wiwari, (vivarium).
Schleuße und Schließe (Schleufe)
von sluis, sclusa, exclusa.
Wert (Wörth), wohl von ver = Meer,
alfo Land am Wafler.
Aue (Au), ouwa verw. mit aqua,
Flußniederung, bewäflerte Wiefe.
@iland, eilant, einlant — einfam
gelegenes Yand — Aue, Inſel.
Haarraud, Heerraud, Höhenraud
von haar — Höhe; (vgl. hardt, Harz)
— Trodenrauh vom Moorbrennen,
Wind — der Wehende.
Sturm von storan, storren — ger
waltiam in Trümmer legen.
Föhn von favonius, eig. Weftwind
und fonno = Regenwind.
Jura von joria, juria = Bald.
Hohenftaufen von stouf — Fels,
Bergfegel; vgl. Stauf bei Gifenberg.
DOrfan vom faraibifhen ouragan
= Sturm (vgl. Hurrikan).
Blitz, blikize, blieze, blie = Blid,
plötzlicher Schein.
Dampf von dimpfen — rauden.
Hagel, hagal mit der Bedeutung des
Stehenden, Schneidenden; vgl. hageldicht ;
Janhagel — Pöbel, Schloſſen = jdloh-
weiß.
Erde, airtha, ertha, erda, hertha,
herda = Pflugland, das zu bebauende
Land; auch bewohntes Land.
Belt, werlt, weralt von wer = Mann,
Menih und alt (alan) Alter, Zeitalter;
alfo Gejamtheit der Lebenden, auch ebenfo
Zeitalter, wie Wohnplag der Menſchen
oder alles Geſchaffene.
Sonne, sunne — Licht, Glanz, aud
Schein (schin); ebenfo Blid. Sonnen
ftrabl ( - strale = Pfeil); Sonnen
wende — sunnewende um die Tag: und
Nachtgleichen.
Mond, mane, mone, mon, monot
— Mondumlaufsfrift.
Tag, dah — brennen, aljo leuchten;
Beit des Sonnenſcheins.
Stunde von stantan —
„zur Stunde”, „ZTodesftunde”.
Minute von minutum, (das Ber-
minderte), alſo ein Bruchteil,
Sefunde = secunda (pars), alfo
Teil zweiter Ordnung.
Frühling, erft feit dem 15. Jahr⸗
hundert gebräuchlich, früher Lenz bon lenzo,
lenzin, lengizin, Beit der Verlängerung
der Tage.
Herbft von herbist, herbest — Ein»
ernten der Früchte; zu einem alten Stamm
harb gehörig ; vgl. herba — Srautpflanze.
Hormung (urjprünglid der Yanuar),
vielleih mit dem „hornharten” Froſt zu
deuten.
Wonnemonat (wünne — Weideland),
aljo Weidemonat.
Brahdmonat (Juni) benannt nad
brahha — Umbreden des Ackers (vgl.
brach liegen).
Alpen von albi montes, weiße Berge ;
vgl. auch Rauhe Alb, wohl vom hellen
Kalkftein her. Algäu — Alpgau. Hier
ſtehen; vgl.
ift auch interefjant: Bintfhgau von
vallis Venusta = Tal der Venosten.
Bormjer Jod von Bormiv, wie
Berner Klauſe von Berona,
Arlberg nad den Arlen (Xegföhren)
benannt. (Gehört au Arles, Arelate
bierher ?)
Hohenftaufen von stouf = Fels,
Bergkegel; Donauftauf viel, auch mit
Stufe verwandt. (Hohenftoffeln eben-
falls ?)
Hohenzollern von zoller = Zöllner;
ebenjogut von tulgjan — befeftigen, als
von tol, tul = Bergfefte abzuleiten ; vgl,
bier Hohent wiel.
Wasgenwald von Wosago (waso)
— Waſen, Raſen alſo Waſengau. Vogeſus
hieße alſo richtiger Voſagus; vgl. franz.
Vosges.
Haardt, hart — Wald.
harz.
Kniebis (pass) — Chnieboz — fnie-
brecher; vgl. einen Kniepaß in den Alpen
und einen Felsſteig bei Landſtuhl „Knie—
brech“.
Odenwald, Odanwald (odi — leer)
dder Wald. Hierzu vergleiche die
neulich in der Frankf. Ztg. enthaltenen Aus:
laffungen: „Zum fünfundzwanzigjährigen
Jubiläum des Ddenmwaldflubs wird im
„Zourift”, der amtlichen Beitjchrift des
Berbandes deutjher Touriftenvereine (Re:
daftion und Geichäftsftelle: Frankfurt a.M.)
ein Aufſatz veröffentlicht, der eine neue,
beachtenswerte Löſung des Rätſels, woher
der Ddenmwald feinen Namen hat, vorbringt
und eingehend begründet. Der Aufjag er-
innert zunächft an die Ausführungen, die
Profeſſor Dr. Sütterlin aus Heidelberg
vor einiger Zeit in der „Frankfurter Zeitung“
veröffentlicht hat, und er ftimmt mit ihm
vollfommen darin überein, daß alle bis:
berigen Erklärungen des Namens ungenügend
find; er bringt für diefe Ablehnung der
bisherigen Erklärungen neue Beweiſe bei
und fnüpft dann an die Sütterlinjche Ver—
mutung an, der Ddenmwald habe mohl ur-
Iprünglih einen „Wald des Otto (Odo)“
bezeichnet, nur fenne man feine Perſönlich—
feit von folcher Bedeutung, die hier ernitlich
für die Namengebung in Betracht kommen
könnte. Warum denn, jo fragt der Ber:
fafjer des Aufſatzes, beim Maskulinum
Vgl. haar,
80
itehen bleiben? Der Name Odenwald tritt
zum erften Mal in dem umfangreichen
Grundbefig auf, den das reiche Wormſer
Stift am und im Odenwald hatte. Er
umfaßte den jidlihen Zeil des Gebirges
zwiſchen Nedar und Itter bis hinüber zum
Malchen (Melibofus). E8 erhielt fi in
der Heppenheimer Gemarkung bis 773 der
Name Burgundhart, Wald der Burgunden;
Worms aber ift in Geſchichte und Gage
der Königsfig der Burgunden. Nun bes
richtet die Ältefte und beſte Handjchrift des
Nibelungenliedes (die Hohenems Laßbergſche)
in Aventiure XIX, daß die „riche vürsten
abtei ze Lörse* eine Stiftung von Frau
Uote jei, die fie nah dem Tode ihres
Gatten Danfrat gemacht habe. Auch Kriem-
bild beſchenkt nad Siegfrieds Ermordung
das Klofter reichlich. Zwei Strophen weiter
heißt es:
Dö was der vrouwen Uote ein sedelhof bereit
ze Lorse bi ir Kloster mit grözer richeit;
där zöch sich diu witewe von ir kinden sit,
dä noch diu vrouwe h&hre begraben in einen
sarke lit.
Ulfo das berühmte Kloſter Lorſch, das in
der Gegend lag, für die zuerft der Name
Ddenwald auftritt, ift eine Stiftung der
Burgunderkönigin Uote; in der Nähe hat
fie einen Hof, wohin fie fi nad Siegfrieds
Tode zurüdzieht; in Lorſch liegt fie auch
begraben. Kriemhild, erzählt das Nibelungen«
lied weiter, joll alsdann bei ihr wohnen
(ze Lörse in mime hüse); deshalb wird
Siegfrieds Leiche ausgegraben und in Lorſch
neubejtattet. Das Sagen, bei dem der Held
getötet wurde, fand ftatt in einem Walde,
der rechtörheinifch den Burgunderfönigen
gehörte und der Odenwald genannt wird,
Demnach hätte der Burgundhart jeinen
Namen nachträglich in Odenwald geändert.
Die Mordftelle liegt bei Dtenheim:
Von dem selben brunnen, dä Sivrit wart
erslagen,
sult ir diu rehten maere von mir hoeren
sagen:
vor dem Otenwalde ein dorf lit Otenhein;
da vliuzet noch der brunne, des ist zwifel
dehein.
Der Dichter will feinen Zweifel dulden,
daß der Brunnen bei Dtenhein fließe, das
vor dem Odenwalde liegt. Heute vermögen
wir über diefe Ortichaft, die dody im Be-
ı ginn des 13, Jahrhunderts, als die Laß—
bergiche Handſchrift niedergejchrieben wurde,
eriftiert haben muß, nicht Gewiſſes mehr
zu berichten. Sie muß infolge des Mordes
einen üblen Klang gehabt haben; Simrock
berichtet von dem ſprichwörtlichen Segens-
wunſch: „Möchteft du nie nah Odenheim
gelangen”, den die Gejchichtsfchreiber zwar
auf eine Schlacht beziehen, die zwijchen
dem Pfalzgrafen Ezzo und dem Herzog
Dietrid von Lothringen bei Udenheim
(BHilippsburg) ftattfand, die aber Simrod
mit Recht in Beziehung zu Siegfrieds Er-
mordung fegt. Alſo unmeit Lorſch, der
Stiftung der Königin Uote, im Burgundhart
in der Heppenheimer Gemarkung, lag Oden-
beim, wo der Mord jtattfand. Wie nun,
wenn jener „sedelhof* der Königin nad)
ihr genannt wäre? Ob die Endfilbe „hein”
oder „heim“ lautet, ift gleichgültig. Der
Genitiv von Uote heißt Uoten; ſprachlich
fteht nichts im Wege, daß aus Uote Dte
und Dde fih bilden. Allerdings fchreibt
die Handſchrift ſtets Uote und hat fomit
die alte Form der Sage bewahrt, während
fie anderjeit8 Otenwald, Dtenhein hat;
das ließe ſich aber leicht dahin erklären,
daß der Dichter die bereits feftftehenden
geographiichen Namen jo benüßte, wie er
fie zu feiner Zeit vorfand, ohne an die
Abftammung derielben zu denken. Die
Geſchichte weiß zwar nichts von einer Stiftung
des Kloſters Lorſch durch die Königin Uote,
jondern nennt als Stifter den Grafen Cancor
und feine Mutter Wiliswinde. Uber nad)
Dahls Beichreibung von Lorich lebte gleich:
zeitig mit Wiliswinde eine Klofterfrau Uda,
melde die zweite Stifterin des Kloſters
ward. Hier reichen fich alſo Gejchichte und
Sage die Hand. Das Ergebnis diefer Aus-
führungen ift, daß das Volk jeine alten
Sagengeftalten an die geſchichtliche Uda,
an den Burgundhart, an das Dorf Dten-
heim angefnüpft und von ihnen der Gegend
und dem Walde den Namen gegeben hat.
Der Berfaffer will fi nicht anmaßen,
Abſchließendes geliefert zu haben; immerhin
ihien ihm feine Unterjuchung wert zu jein,
dem Ddenmwaldflub als Fleine Feftgabe ge-
widmet zu werden.
Der Ddenmwald und das Nibe
lungenlied, Auf der Generalitabsfarte
findet man zwei Stunden nördlich von
Bergiih:-Gladbadh den Spezzard:
81
Bald in der Nähe von Odenthal bei
Altenberg. Dort liegen auch die Grim-
berge = Ddinsberge. Grimmner ift Odins
Beiname. Nun beachte man, daß in der
Edda nirgendwo Worms und der Odenwald
erwähnt werden. Erft in driftlicher Zeit,
als das heidnifche Fundament der Mythen
verlaffen war, erweitert fih das urfprüng:
lihe Sagengebiet, das zwiſchen der Gieg
und Wupper lag. Die Sänger jchmeichelten
den FFürften, indem fie das berühmtefte
Heldengedicht bei ihnen möglichft lokaliſierten.
Worms, Pöchlarn, Aquaquintum (Budapeft-
Dfen), Xanten, der Broden, ja jelbft
Schweden wurden mit dem Liede in Ber-
bindung gebracht. So unglaublich es Elingt,
daß Ehrimhild nad graufamer Rache von
den Wellen des Rheins, in welchen fie den
Tod fucht, ind Meer und von diefem durchs
Sattegat nach Schweden getragen wird, jo
wurde doch dergleichen fabuliert. Im Richard
Wagner-Jahrbuch von Dr. Frankenſtein
habe ich mit den Belegen der mythologiſchen
Flurfarte von Asgart und Mittgart die
Fahrten Siegfrieds genau nachgemiejen:
uls Wölſung zieht er von den Wolsbergen
der Sieg dur die heiligen Lande (durd)
den Königs ˖ und Frankenforſt) zur Stätte,
wo der Drade Faffnir bei Baffrat in
Niltum-Neidſtätte hauft. (Nittum = Gnitar
heide). Das Waldvöglein fingt ihm: „Du
ſchauſt die Stätte, wo die Umwaberte ſchläft.“
In der Edda heißt es, Brunbilds Fels
liege am Hinda- und Heidberg. Kine
Stunde von Nittum liegt der Wibberzhof
am Hirz; und Heidberg. Giudis Halle,
König Gunthers Refidenz, dürfen wir bei
Udendorf bei Troisdorf annehmen. Dort-
hin zog Siegfried (nad) dem Geſang des
Waldvögleins) durh die grünen Pfade
Mittgartd. ES hindert jomit nichts, daß
von dort die große Jagd in dem Spezzard
unternommen wurde, freilich wird in der
Edda Siegfried meudlings im Bett er-
ichlagen. Spätere Lieder zogen wohl den
Mord auf der Jagd vor. Dann lag es
nahe, den Spezzard mit dem Spejjard
zu vertaufchen und die Ddinberge in den
Ddenmwald zu verlegen. Diejer war ſchon
in fernfter Borzeit Ddin geweiht, denn er
liegt öjtlid von der weiten Rheinebene.
Im Often thronten auf den Berghöhen die
Lichtgötter oder Aſen (derem vornchmiter
Odin war), bei Bensheim 3. B. Freya
= Bendis. — Fr. F. — Eine zweite Zu-
Schrift wendet fi ebenfall$ gegen die
Folgerungen der früheren Notiz, im ber
jonderen gegen die Ableitung des Namens
Ddenmwald aus „Uoten-Wald*. Sie jagt:
Erftens: es find zwar die Namen der
Könige Gunther und Gifelher Hiftorifch;
Uote dagegen ift zwar ein Name, der
biftorifch vorfommt, aber als Name einer
burgundifchen Königin zur jelben Beit mit
Gunther ift Uote nicht nachzuweiſen. Da:
gegen fommt Uote in der deutjchen Helden-
fage mehrmals als Name von Heldenmüttern
vor, ift aljo nicht beweiſend. Zweitens:
Uoto und Ddo, Uota und Dda find aller:
dings dasfelbe; aber U. ift oberdeutid, DO.
niederdeutfch; moher eine niederdeutiche
Benennung des Ddenmwalds fommen follte,
ift unerfindlih. Der Name des Ddenwalds
fann aljo nicht von Uote herfommten.
Drittene: Die Laßbergiihe Hand:
Ihrift, in der allein der Bericht über
die Stiftung des Kloſters Lorſch ſteht,
ift zwar an fi) eine gute Handidrift; es
zweifelt aber heute niemand mehr daran,
daß fie den jpäteften Tert der Nibelungen
enthält und alle nur in ihr ftehenden
Strophen Zufäge find. Biertens: auch die
Stelle über Dtenhein fteht nur in diejer
Handſchrift, gehört aljo nicht dem alten
Zert an. Gie braucht gar nicht zu be:
weilen, daß ein Dorf Dienhein damals
eriftiert habe. Wenn ein Dorf in den zahl:
reihen Urkunden, die wir aus der Zeit
um 1200 haben, und aud fpäter nicht
vorfommt, jo ift die Wahrjcheinlichkeit
immer ſchon groß, daß es damals nicht
beftanden hat. Gewiß hat der Verfaſſer
jener Bujaßftrophe den Namen erfunden,
d. h. aus dem Namen Otenwalt gefolgert;
er macht gerne derartige Zuſätze.“ — H. F.
Kapenbudel von Ghatten — Heſſen
abzuleiten. Hierher gehört auh Katzen—
ellenbogen — Ghattimelibocus, Meli-
bocus von mel = ſchwarz; nad Egli hieße
der Berg richtiger Malchenberg (malsc
ftolz), was zum Anblid von der Rheinebene
ftimmt.
Bogrlöberg vgl. mit Geiersberg,
Spedtswald (Speſſart), Habichtswald.
Rhön iſt unbeſtimmt, manche denken
82
an braun = Lavafeld oder rono = Baum⸗
ftumpf.
Haßberge entweder Heſſenberge
(Haßfurt) oder Berg des Hazzo.
Der Pfahl (im bayer. Wald) = wohl
nur eine verichärfte Ausiprade von val
(vallum) = Wall, denn der Pfahl iſt ein
wallartig hervorftehender Quarzgang von
ca, 50 km Länge.
Hunsrüd fann Hunderliden bedeuten
(Hünenrüden ?)
Tuunud bon dun, daun == Höhe;
vgl. Schloß Dhaun bei Firm.
Zurlei, Lorelei, von lur, lurlo —
elfenartiges Wejen und leie — Felſen, vgl.
Leie für Schiefertafel und Leiendeder
— Schieferdeder.
Sauerland — Süerland — Süder-
oder Südland.
Lauſitz und
Moor» und Wieſengrund.
Bewohner des Landes.
Geſenke von Bejenife, jesenik=&jche,
alſo Ejchengebirge.
Sudeten von sud — Sau, alfo wegen
des Reihtums an Wildſchweinen.
Walchenſee von meld,
Welſchländer.
Königsjee von Chuno (= Chnonrat)h,
der jo genannten Familie, in deren Befig
der See einft war.
Rhein = Nhenus, renos = Fluß.
Bodenjee = Bodmanjee nah der
Kaiferlichen Pfalz Bodoma am Überlinger
See.
Laufen im Fall von Lauf, Sprung.
Wiefe (Fluß) von vis = Waſſer.
Nedar (Nicar, Neccara) wohl ven
nick = jpülen, waſchen.
SI von eilen.
Lauter (Quteraha), = lauterer, Flarer
Fluß.
Queich verw. mit quie, quec
lebendig oder nach Heeger verw. mit queic,
= weich, fumpfig.
Main (Moenus) von mo geben,
fließen. Mainz hat mir Main nichts zu tum,
Rednig (Radantia) von rad = jchnell
fein und inza = Fluß.
Tauber (Dubra) von dubr = Waſſer.
Nahe und Nab von Nava = Fluß.
Mofel von Moos, alio Moos,
Moorfluß; vgl. Maas!
Lufiten — die
See der
Saar von sar = Fluß, Waſſer.
Zahn und Laacher von lac = See,
Gewäſſer.
Deutſch von diutise; von diot, diet
= Bolf.
Limburg, Lintbure
Dradenburg.
Kafjel von Caſtellum oder Gas-sali
(Chad-sali) Saal eines Chad,
Homburg = Hohenburg.
Pfalz von pfalanza(palantium murus)
= Pfahlburg oder von palatium = Balaft,
Kaiferburg.
Baden von feinen Bädern benannt.
Elſaß (Elisazzo, Alisatia) = Wohnfik
der fremden; Land der Fremdſaſſen, d. i.
der auf ehemald römishem Boden ange»
fiedelten Alemannen, dieje von ali, eli
fremd, verw. mit alius = anderer.
Yothringen nad Lothar II. genannt.
Heſſen = Band der Chatten, Hut:
heute von hattuz = Hut.
Mainz verfürzt aus Mogontiacum
(nad einem Gallier Mogontios).
Worms aus Borbelomagus = Hoch—
ftadt; vgl. magen = Stadt, 3. B. Remagen,
Mäujeturm= Mautturm, Bollftation,
Gießen von giezzen; giezo = Fluß.
Schaffhbanjen = Sciffhaufen.
Habsburg = Habichtsburg.
Holland = Holzland (Holtland); vgl.
„im Haag”.
Quremburg von luzzil = flein, aljo
kleine Burg.
Rußland von Ros, Rodsen = Ruderer,
Seefahrer.
Bärenhäuter = der auf der Bären-
baut Liegende, Faulenzer.
Kerl von charal, coerl = „Mann“,
Ehemann, aud) Freier.
Schalk von scale (scolan -söllen) = der
Schuldige, auch Hörige.
Germanen bon gairm = Geſchrei,
aljo etwa Rufer im Kampfe — oder von
gair. ger = Nadbar, vielleicht aud von
germanus leiblich, echt, ſtammecht; jeden-
falls ift die Deutung „Germänner“ unrichtig.
Sigambrer (nit von „Sieg”) von
gambar = munter, tapfer.
Franfen = die Unabhängigen. Sal-
franften = Galier = Anwohner der (Is)-
sala = Jjssel, woran jet nod ein Saalland
Linden: oder
83
liegt; die Unterfranfen (Ripuarier)
am Mittelrhein,
Schwaben von Sueben,
Eigene, Verwandte, Freie,
Pflaſter, Eftrich von astricus,
Kterfer von carcer.
Keller von cellarium (cella). _
Speicher von spicarium (spica= Ühre).
Kreide von crela = Erde von Streta.
Wein von vinum; Winzer = vinilor.
Stelter von calcatura.
Spund von puncta (punt) = eigentlich
Stich, Loch.
Semmel von simila = Weizenmehl,
Brot.
Brezel von bracellum = Armden.
Eimer und Zuber = eimbar (einbar)
und zwibar nadı der Zahl der Henkel
(Dandhaben, „Tragen”).
Kachel wohl von cacabus = irdener
Topf.
Pfühl von pulvinus, pfulwo, pfuliwin,
pfülwe.
Flaum von plerma (pfluma), daraus
„Pflaumfeder“.
Lid von Hit = Dedel; Augenlid,
Scheel von schel(ch), scelah = quer,
ichief, frumm, auch einäugig.
Milch von miluh, zu melfen, melchan;
vgl. Molke.
Spanjferfel von spen (spünne) =
Bruft, Muttermilh, alfo noch jaugendes
Ferkel.
Blecken verw. mit blicken, die Zähne
zeigen.
Rauchwerk (Rauhwerk) = Pelzware.
Murmeltier = mus montis = Berg:
maus,
Hühnerauge iſt nicht
Auge”, jondern Elſternauge.
Eule, iule, uwila, huwflil)a, verwandt
mit heulen.
Kerbtier von kerfan, jchneiden,
Matjeöherıng von Maatje = Lehrling,
alſo unreifer Hering.
Schmetterling von smetana = Milch—
rahm und smieder dünner, magerer
Gegenitand.
Ameije von ameiza; Emse, Imse,
daher „emſig“ = beharrlich, fleißig.
Wanze = wantlus = Bandlaus,
Spaß = Kojeform von sparo, sparwa
(vgl. Sperber), spor = zappeln,
Sweben;
„bürnenes
Knospe verw. mit Knoten, Knopf.
Zwetſch(ghe, Quetiche von (prunum)
damascenum = damaskin = dwaskin,
alfo Pflaume von Damaskus, durch Kreuz
fahrer gebracht.
Flegel, Negil von flagellum; vergl.
Flagellanten = Geißler.
Heu, höu, houwe. von houwen
hauen, jchneidend fchlagen.
Efeu, ep-höu, ebehöu, Eppid.
84
Feldjpat von spat
Geſtein. x. %.
Es jei genug an diefer Auswahl von
Beilpielen, die nur gekürzt der Sanımlung
entlehnt find.
Die ingefamt weit über 1000 betragenden
Wortgruppen bietet eine. Gewähr, dab dic
Erwartung auch anſpruchsvoller Benüger
des Vollmannſchen Werfes nicht getäujcht
wird.
ze
—
ſpaltbares
Volksmund.
Den Beſitzern von Heinrich Wolgaſts
Büchlein „Schöne alte Kinderreime“ wird
die Mitteilung von Intereſſe fein, dab im
Januar: und Junihefte der jchleswig-hol-
fteinifchen Monatsichrift „Die Heimat” von
G. F. Meyer in Stiel ähnliche Sammel:
ergebniffe veröffentliht morden find.
„Blattdeutfhe Wedensarten von
firhliden und religiöjen Dingen“
fand er 191, von denen wır der Originali:
tät und des Anklangs an heimifche Aus-
drüde wegen einige abdruden.
. Uns Herrgott fieft nich na'n Rod.
. Wer Gott vertrut, de mangelt nid).
. Wat de leev Gott natt maft, dat maft
be of wöller drög.
. He lött Gott eenen goden Manu fin.
. He levt ad Gott in Franfrief.
. Im Beenhus un in Gottes Rief
fin wi eenanner alle glief.
. Wenn Gott een Dör tomaft, maft he
de anner mwör apen.
. He jüht den Himmel för'n Dudelfad an.
. Dat is jo gewiß a8 Gott in'n Himmel is.
.Tröſt di mit Hiob und ſmer di mit
‚Sirup!
. Du fümmjt as Nilodemus in de Nadıt.
. Se jdidt em von Pilatus na Herodes.
. He hölt dat mit 'n fort Gebet un
lange j Bratwurft.
. Up 'n Danzjal un in’t Komedihus is
de Platz fuapper as in de Kirch.
. Ra, nu ſeh it 'n Dümel, jä de Yung,
da harrn's em dat Og utflag'n.
. Gliet um glief gefellt fit gern, ſä de
Dümel un feem bi 'n Sahblnbrenner,
(Schlechte Leute finden ſich.)
Dumm wu
17. To wenig un to vel iS den Düwe
fin Spel,
18. Wenn man von 'n Dümel jnadt, is
be nich wiet.
„Neckreime“ hat derjelbe Autor 64
gefammelt, deren Humor, Urwüchfigfeit und
Naivität aus den nachftehenden Proben her:
vorgeht.
l. Anna Maria Rehbod,
Geboren in de Teepott,
Geftorben in de Kaffeefann un
Begraben in de Pannkok'npann.
Schwanſen.
GEliſabeth,
De Klümp ſind fett,
De Klümp ſind gar,
Giff mi en paar. (Is all nid wahr.)
(Fürſt. Lübeck.)
.Fritz Franz Friederich,
Jochen Korl Diederich!
(Fürſt. Lübeck.)
Fritz Franz Friederich,
Wat büft du (doch) jo liederlich (niederich).
. Hans, Hans, Piperjad,
Gah to Schol und lehr dı wat,
Lehr di ni fo vel,
Sünft frigft wat mit de EI.
. Hinnerf
Mit de Binnerf,
Mit de Bidbeernbeen, —
Heit den Dübel danzen jehn?
(Eichenburg in Holm.)
Kiel,
Kriſchan,
Lat de Katt nich bi de Fiſch gahn.
.Marik, Marak, Ma—-Rolltabak,
Het fefuntmintig Klümp (Bund) in de
Nad, Schwanſen.
9, Peter mit 'n Geeter,
In'n Sommer ward 't heeter,
In'n Winter ward 't folt
Un Peter ward olt.
(Efchenburg in Holm.)
10, Peter, jo heet 'r,
In'n Sommer ward 't heeter,
In'n Winter ward ’t föller,
Un ®eter ward öller.
(Sud in Oldesloe.)
Il, Büft bös?
Ga na de Gös.
Büft gut?
Ba na de Brut. Fürſt. Lübeck.
12. Bock, Bock, ſtöt mi nich,
Hawergrütt mag ik nich,
Bofmweetngrütt hef if nich,
Bol, Bord, ftöt mi nid.
(Fürſt. Kübel.)
13. Schofteenfeger fitt up 't Dad,
Flickt fin Yad,
Godn, godn Stummel-Tabaf.
Fürſt. Lübeck.
14. Schoſteenfeger,
Trummelſläger,
Sitt up 't Dad,
Flickt ſin Jack,
Het keen Nadel, het keen Tweern,
Het of keen lütt ſöte Deern. Kiel.
Ein Blick in das Sinnesleben der Haut.
Die „Bettenfoferhbaus-Borträge”
bedeuten eine außerordentliche Bereicherung
unjeres Bortragslebend. Und das will viel
beißen, wenn man bedenkt, was alles in
diefer Beziehung geboten wird. Hoch—
interefjante Vorträge, auserlejene Redner,
ein vornehmes Publikum, das find die
GCharafteriftifen, Es ift, als ob der edle
Zweck der Borträge, ald ob die dee des
Heimes für naturwiſſenſchaftliche volfstüm-
lihe Bildung jchon einen Glanz voraus»
jenden wollte. Gerade das Programm
des Winters mar bejonder8 anziehend,.
Auch der Bortrag, zu dem PBrofejjor
v. Frey aus Würzburg zu uns gefommen
war, bot ungewöhnlich viel SYntereffantes
und Neues, Er wurde denn aud mit ge-
jpannter Aufmerkſamkeit von den Anweſenden
— an der Spike Brinzeffin Thereie —
angehört umd mit reihem Danfe belohnt.
Der Bortragende meinte launig: Es fei
eine arge Mißachtung, die wir der Haut ent»
gegenbringen, wenn wir fie ald „niederes“
Sinnesorgan zu erachten uns gewöhnt haben,
Sie erichließt uns vielmehr ein weit reicheres
Gebiet der Außenwelt ald wir ahnen. Ger
wiß ſei es jchredlic, blind zu fein. Aber
noch viel fchredlicher müßte es fein, wenn
die ſämtlichen Hautempfindungen verloren
gingen. Genügen diefe doch nicht nur beim |
Berluft des Sehens, wie wir ftaunend an
Blinden fehen, zu einer Erſchließung der
Geifteswelt, find fie doch aud, wie wir an
dem märdenhaften Fall von Helen Seller
erjehen haben, wirffam genug, um ohne
Auge, ohne Ohr zu einem hohen Bildungs»
grad emporzufteigen.
Den Reichtum der Haut an Empfindungen
uns näher fennen gelehrt zu haben, ift mit
ein bejonderes Berdienft des Vortragenden.
Bon feinen mühjam errungenen Arbeits-
refultaten hörten wir das allgemein Intereſ⸗
jante.
Der Bortragende führte zunächſt aus,
daß die menſchliche Haut nicht nur ein
Gegenftand des Schmudes, fondern ein höchft
lebenswichtige8 Organ ift, vor allem, weil
fie das Werkzeug bildet, durch das die
Temperatur des Körpers reguliert wird,
Stleichzeitig ift fie ein Schuß für die inneren
Organe und der Vermittler für deren
Wirkungen nad) außen. Die enge funftio-
nelle Verbindung zwiſchen der Haut und
den inneren Organen gejchieht dur eine
außerordentlih große Bahl von
Nerven, die teild Erregungen zu den
Blutgefäßen, Drüfen und Muskeln der Haut
leiten, jogenannte motorijche oder zentri-
fugale Nerven, teil umgekehrt Erregungen
aus der Haut in die zentralen Teile des
Nervenipftems bringen, jogenannte jenfible
oder zentripetale Nerven. Letztere find
bedeutend in der Ueberzahl.
Unter gewöhnliden Umftänden jcheint
die Fähigkeit der Haut und ihrer
Nerven, die Eigenschaften der äußeren
Dinge wahrzunehmen, oder was das:
jelbe befagt, durch Drud, Kälte, Wärme ꝛc.
„erregt“ zu werden, überallauf der Haut
gegeben zu fein. Es ift daher verfiändlich,
daß bis in die 80er Jahre des vorigen
Jahrhunderts an der Auffaſſung feft
gehalten wurde, daß jeder Hautnerv
imftande fei, je nach Umftänden die eine
oder andere Empfindung hervorzurufen
(Drudgefühl, Wärmegefühl, Schmerz).
Dieje Lehre mußte aufgegeben
werden, ald Magnus Blir zeigte, daß
man bei entiprechender Kleinheit des reizenden
Mittels, alſo z. B. bei Verwendung einer
dünnften Borfte, an der Haut Stellen finden
fann, die auf diejen Reiz reagieren, andere,
die ihn nicht empfinden. Wenn man mit
einer ſolchen Borjte von 0,6 Millimeter
Stärke z.B. am Arm eine Fläche abtupft,
jo findet man, daß nur relativ wenig Bunfte
ein Gefühl der . Berlihrung, des Drudes
übermitteln. (In einem Beifpiel, das im
Bild vorgeführt wurde, trafen auf 6
Duadratzentimeter Haut 91, d. h. auf den
Quadratzentimeter 15 ſolcher „Drud-
punfte”.) ®enauere Unterfuchungen haben
dann gezeigt, daß dieje „Druckpunkte“ über
dem Eingang jeweils eines Haarbalges
liegen. Danad) würde der Haarbalg,
der ja auch durd jeine anatomijche Be-
Ichaffenheit dazu geeignet jcheint — es um-
jpinnt ihn ein Kranz feinfter Nerven —
ald das „Druckorgan“ anzujehen fein.
&o wie die brechenden durchfichtigen Medien
des Auges die Lichtftrahlen fammeln und
dem Nervenneß zuführen, jo würde diejer
Nervenfranz den Drud aufnehmen und dieje
Empfindung übermitteln. Und wie die Seh-
nervenausbreitung auf jeden Weiz nur mit
einer Sehempfindungs- Anregung antwortet,
jo diefer mit einem Drudgefühl. Außer
der Drudempfindung übermittelt aber die
Haut noch Wärme, Kälte: und Schmerz-
empfindung. Es ift num jehr interejlant,
daß auch diefe nur an beftimmten Stellen
zu erzeugen find. Man nahm ein mit
Waſſer gefülltes Röhrchen, das in einer
feinften Hohlnadel auölief, dur die ein
dünnfter Faden (Nr. 18) durchging. Ließ
man mittels dieſes ein feinftes Tröpfchen
auf die Haut fallen, jo entftand nicht das
Gefühl eined Tropſens, jondern Kälte:
gefühl, allerdings nur an beftimmten
86
Stellen, den „Kältepunften”, deren fih auf
einem Quadratenzentimeter nur etma 4
finden. Nahm man eine heiße feinfte Nadel,
jo fand man Stellen, wo Wärme gefühlt
wurde. Diefe Stellen find nod) fpärlicher,
nur etwa eıne auf einem Quatratzentimeter.
Ganz mwiederfinnig mag es jcdeinen, daß
Kälte empfunden wird, wenn man mit
einer folhen warmer Nadel nicht auf einen
Wärmepunft, jondern auf einen Kältepunft
fommt. Das heißt eben, daß jede Erregung
(3. B. auch eleftrijche), dieſer verfchiedenen
Punkte immer nur das zugehörige Gefühl
ausldft wie das Auge beim eleftriichen Strom
oder einem Schlag Licht zeigt. Ganz un:
möglich war es, für den Schmerz die einzelnen
Punkte feftzuftellen.. Es war ſchon ſchwer,
eine Methode zu finden. Man wandte
ſchließlich eine Nachahmung der Brenneſſel-
ſtachel an (Ameiſenſäure). Da zeigte ſich,
daß die Schmerzpunkte äußerſt zahlreich find,
ja die ganzen Zwiſchenräume zwiſchen den
andern ausfüllen, vielleicht zu 200 auf einen
QDuadratzentimeter treffen. Man darf aber
doch - wit Sicherheit annehmen, daß aud
die Schmerzpuntfte ifoliert find und der
Auslöſung des Schmerzes mie der der. drei
andern Hautempfindungen: Drud:,' Kälte—
und Wärmeempfindung, ganz eigenartige
Nervenapparate entiprechen.
Die ärztlide Erfahrung lautet
durhaus zu Gunſten diejer Folge:
rungen, denn fie zeigt, daß einzelne der
Empfindungsqualitäten über Fleinere oder
größere Bezirfe der Haut geftört fein oder
aud ganz fehlen fünnen, während an den
gleihen Stellen der Haut die anderen
Empfindungsqualitäten erhalten jein können.
Es fann 3. B. die Empfindung der
Wärme verloren gehen und der Fall
eintreten, daß alle Temperaturen, cin
ichließlich der hohen, als falt empfunden
werden. Oder es fann eine Hautftelle die
Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, einbüßen,
für Wärme, Kälte, Truf aber no emp-
findlich bleiben. Anderſeits fann aber auch
die Echmerzempfindlichfeit allein zurück—
bleiben und alle andere Empfindung er:
lojchen fein.
Sehr eigenartige Verhältnifje treten auf,
wenn an einem Körperteil der Fall auftritt,
daß die jämtlihen der Haut zufommenden
Empfindungsarten ausgefallen find. Es
fommt nämlich dann zu ganz auffälligen
Bemwegungsftörungen, auch wenn die Musfeln
ganz unverſehrt find und die Nerven, die
wir bisher als die alleinigen Webermittler
der zu ihren Bewegungen führenden Impulſe
angejehen haben, in nichts von der Norm
abweichen.
Einige ſehr intereſſante Bilder erläuterten
dieſe Störungen. Ein Mann hatte die
Dautempfindungen am ganzen rechten Arm
verloren. Die Bewegungsfähigkeit war da-
gegen vollflommen erhalten, Wenn er nun
die Hände bei geichloffenen Augen ftreden
jollte, jo war die linke vollkommen ftramm
ausgeſtreckt, die rechte aber machte eine un«
beholfene Bewegung, die Finger hingen
herab; und jelbft wenn er nun mit den
Augen fontrollierte, fonnte er dieje einfache
Stellung nicht ordentlich ausführen, Ähnlich
mar es, menn er die Hände mie zum
Schmören erhob u. ſ. w. Es wurden aud
nod Bilder von einer Taube gezeigt, der
in Chloroform die Empfindungsnerven der
Flügel bezw. Beine durchſchnitten worden
waren, Im erften Fall Eonnte ſie nicht
mehr fliegen, fidy nit mehr vom Boden
erheben, wenn man fie auf den Rüden
legte; im zweiten machte das eıne Bein den
reinften Stechjchritt beim Gehen, e8 hing
beim Sitzen auf einer Stange herunter u. |. w.,
und all dies, obgleih die Bewegungen
an ſich alle möglich waren.
87
Danad haben die Hautempfindungs-
nerven einen jehr bedeutfamen Einfluß auch
auf die Bewegungen des Körpers. Während
man alio bisher annahm, daß es zur Aus—
führung der millfürlihen Bewegungen ge:
nüge, wenn die Bewegungsmerven in
Ordnung wären, müſſen wir jegt annehmen,
dat der Wille nur gleihjfam den allge
meinen Befehl gibt, daß dagegen die Aus-
führung im einzelnen und in jedem Moment
des Ablaufs geregelt wird durch Erregungen,
durch Nachrichten, die teild aus der Haut,
teils aus den bewegten Musfeln und Sliedern
nad dem NAusgangspunft des Willens«
impuljes, dem Zentralnervenſyſtem gelangen.
So mie hier die Haut als ein die
Bewegung regelnder und fördernder
Faktor erſcheint, jo unterſtützt anderjeits
dag Muskelſyſtem die Haut in ihren
Leiſtungen als eines unjerer Sinne in
Form der Taftbewegung. Grit das
aktive Taften, das Abtajten gibt unjerem
Zaftgefühl die Vollendung. Dan lege eine
Medaille zum Beijpiel auf die Finger und
dann führe man diefe iiber den Begenftand
und man wird die unendlich größere Reid:
haltigkeit die ſer Zaftenpfindung an dem
Unterfchied ſofort erfennen. Erſt diefe Aus»
bildung des Taftfinnes ermöglichte das Leſen
der Blinden, ermöglichte das Geiſteswunder
der Helen Seller.
(M. N. N., Nov. 1906.)
Mann hat der Sommer 1907 begonnen?
Die Frage erſcheint müßig; lernt doc)
heute jedes Kind, daß der Sommer am
21, uni feinen Anfang nimmt, Wenn
man ein Übriges tun will, jo fügt man
hinzu, das fei dad Datum, an weichem die |
Sonne bei ihrem ſommerlichen Höchſtſtande
angelangt jei, die Zeit der längiten Tage
und fürzeften Nächte, der beftändigen
Dämmerung, der Beginn des Niedergangs.
Schlagen wir in unjerem Slalender nad,
wie es gemillenhafte Leute getan haben,
die dieje Erörterung zu veranlafjen mußten,
jo finden wir zu unferer Überrafhung, daß
der Sommer am 22. Yuni begann und
zwar zudem erft Nachmittags 3 Uhr.
Sehr gewifjenhaft beftiimmt! Aber die
Frager wollen genauen Ausweis umd es
fei ihnen und allen Intereſſenten darum
im Voraus mitgeteilt, dab diefer Beitpunft
fogar leicht bis auf Minute und Gefunde
angebbar ift. Man denke ſich einen Kreis—
bogen, den eine Gerade in einem einzigen
Bunfte berührt. Wie die Lage dieſes
„Punktes“ mit einem hohen Grade von
Sicherheit gefunden werden fann, wenn
nur die Schärfe der Linien eine ebenjolde
Schärfe der Meſſung erlaubt, jo ift auch
die Anjchmiegung der Bahnkurve der Sonne,
wie fie uns am Himmel erjdeint, an einen
gedachten himmlischen Parallelfreis genau
zu verfolgen und zu erfennen, wann der
| Moment der Berührung des Mittelpunftes
der Sonnenſcheibe mit dem Kreiſe ftatt-
findet, der 23” 27°’ nördlich vom Himmels:
— 88 —
äquator zu denken if. Noch einfacher: | wird deshalb auch nicht am „üblichen“ 23.,
Es ift leicht der Abftand der Sonne vom | fondern am 24, September beginnen und
Frühlingspunft (Überquerung des Aquators) | der Winter am 23. Dezember nachts 1 Uhr.
zu finden, der genau "Ja des Umfangs beträgt. | Wenn wir im Februar 1908 einen Er-
Aber die Differenz gegen den allbe- | gänzungstag zuhilfe genommen haben, wie
kannten „21,“ ! die Vorjchrift feit Einführung des re:
Auch da ift Rat. Weder das Datum | gorianifchen Kalenders fordert, jo werden
bleibt, noch die Stunde. 3. B. traf der | wir uns von der „Anomalie” der Datums»
Beginn des Sommers 1896 auf den 20. | zählung für die Anfänge der Jahreszeiten
Juni, nachts 11 Uhr. Die Forderung | immer mehr erholen, je weiter die Yahre
eines Scalttage® nad je 4 Jahren weiſt ins neue Jahrhundert voranſchreiten. Daf
uns darauf bin, daß wir. von Zeit zu Zeit | in der Nähe des vollen Hunderts die
unjer Datum berichtigen müffen, wenn wir | Abweichung vom üblichen „21.” am fühl:
nicht langfam gegenüber der Himmelsuhr | barften ift, leuchtet ein, denn dort liegt
zurüdbleiben wollen. Das ſoll nun aber auch die Lücke in der Bemefjung der Jahres»
nach Übereinfommen alle volle Jahrhunderte | dauer. Für 1908 lauten die Epochen der
nicht eintreten, der Schalttag full unbe- | Yahreszeiten 21. März 1 Uhr 27 Minuten
rüdfihtigt bleiben. Geſchah auch 1900; | nadts, 21. Yuni 9 Uhr 19 Min. abends,
aber eben darum find wir feit 1896 auch | 23. September 1 Min. vor Mittag und
um rund 2 Tage „voraus“, obwohl 1904 | 22. Dezember 6 Uhr 35 Min. früh. Für
ein Schaltjahr war: wir find auch wieder | 1909 kommen die gleichen Tage inbetracht,
3 Jahre jenfeitS der damaligen Korrektur | den Stunden nad) treten die Sornenftände
angefommen. Unjer diesjähriger Herbit | je 5 Stunden 46 Min. jpäter ein.
Arengottern
gibt es entgegen der Meinung vieler Leute | aus ihrer Ruhe geftörten Dtter, die fich
aud in der Pfalz, bejonders an fteinigen | anfangs dur Steinwürfe hatte vertreiben
Halden und in der Nähe von Wafler. | laffen, gebiffen; da ärztliche Hilfe bald zur
(Vgl. Hierzu unfere früher gebrachten Mit- | Stelle war, fonnten jchlimme Folgen ab-
teilungen.) Es ift nicht unangebracht dar» | gewendet werden. Bei Saargemünd fing
auf zu verweilen, daß die heiße Jahreszeit | Mitte Yuli 1906 ein junger Mann eine
Begegnungen mit Sreuzottern hHerbeiführen | „Blindjchleiche”, die ſich leider nachträglich
fann, fei e8 zufällig beim Spaziergange | als Otter erwies. Er murde von dem
oder beim Beerenfuchen. Die Behauptung, | Tiere gebiffen und ftarb an Blutvergiftung.
der Biß der Giftjchlange fei nicht eigentlih | In der 2. YJunihälfte ds. 8. fam ein
gefährlich, wird menige Anhänger finden ſolches Neptil ſogar in die Stube einer
und höchſtens geringere Beunruhigung er: | Winzerfamilie zu Ylbesheim bei Landau.
weden; es dürfte unter allen Umftänden | Die anmefenden Kinder flohen auf die
Vorſicht am Plage fein, wenn man einer | Straße und alarmierten die Nachbarſchaft,
Schlange begegnet, die faft wie eine Blind- | worauf ein beherzter Mann das zum An»
jchleiche ausfieht und nicht die Kennzeichen | griff geneigte Tier (?) erichlug. Die Otter
und Färbung einer Kreuzotter deutlich zur | dürfte mit dem Streumwerf furze Zeit vor«
Schau trägt. Erft vorigen Sommer wurde | her in die Behaufung gelangt jein.
eın Mädchen bei DOberharmersbad) von einer
Über —— im Walde.
Ein furchtbares Unglück, das vor kurzem waldes waren mehrere Perſonen mit Kultur—
in der fränkiſchen Schweiz bei Potten- | arbeiten (Pflanzenſetzen) beſchäftigt. In den
ſtein ſich durch Blitzſchlag ereignete, macht Nachmittagsſtunden zog ein ſchweres Ge—
in Jäger- und Forſtkreiſen viel von | witter herauf; die Leute legten ihre Werk—
fich reden, In einer Abteilung des Stadt | zeuge weg und flüchteten ſämtlich unter eine
große Buche. Ein in diefen Baum fahrender
Bligftrahl tötete faft ſämtliche Perſonen,
dreı Männer und zwei frauen; nur ein
Mädchen fam mit jchweren Brandwunden
und mit einer lang andauernden Betäubung
davon. Die am Leben Gebliebene jchleppte
fih mit Aufgebot aller Kräfte aus dem
Walde und rief Hilfe herbei, die leider zu
jpät fam. Aus diefer Hiobsbotichaft geht,
jo jchreibt die „Deulſche Jägerzeitung“,
hervor, daß auch die gegen Blitzſchlag an—
geblich als immun geltende Bude nicht
immer als fiherer Zufludhtsort zu betrachten
ift. Die jeitherigen Beobadhtungen haben
gelehrt, daß die Eichen am wenigſten gegen
elektriſche Entladungen gefeit find; ihren
fließen fih andere Laubbäume wie
PBappel, Ahorn, Birke, Eide,
Erle ufmw. an; hierauf fommen die Nadel-
bäume, in die der Bli erfahrungsgemäß
jeltener jchlägt, al8 in die Raubbäume; am
geringfter. iſt der Prozentſatz aller feſt—
geftellten Bligfchläge beı den Buchen, deren
Immunität gegen den eleftriichen Strahl
jprihmörtlich geworden ift. Die alte Jäger—
regel lautet: „Bor Eichen jollft du
weihen, vor den Fichten follft du
flüdten, vor den Tannen mweid'
von dannen, doch die Buchen jollfi
du fuhen” Es murde ftatiftiih nad.
gewiejen, dak der Blitz etwa 30 mal in
Eihbäume, 12 bis 15 mal in die verfchiedenen
anderen Yaubbäume (ausgenommen die
Buche) und 5-8 mal in Nadelbäume ein-
ichlägt, bis er fich einmal eine Buche als
Biel ermählt.
In der gemwitterreichen Zeit dürfte es
angebracht fein, einige Yingerzeige zu geben,
wie men fi vor der Blikgefahr in Feld
und Wald einigermaßen ſchützen fann.
89
Wenn das Gewitter einen im Walde über-
raſcht und zahlreiche eleftrijche Entladungen,
ſowie direft in der Nähe niederfahrende
Bligftrahlen eine unmittelbare Lebensgefahr
befürchten lajjen, dann verlafje man das hohe
Holz und begebe ſich in einen niederen
Buchen- oder Nadelholzſchlag oder
freie Feld. Um nicht als Anziehungs-
punft für die atmoſphäriſche Clektrizität
zu dienen, ift es jehr vorteilhaft, wenn man
fih in einen mwafjerleeren Graben oder
eine Erdfurde legt. Auf alle Fälle ift zu
empfehlen, daß man mindeitens 5—6 Meter
von den Üüberhängenden Zweigen des nächſten
Baumes ſich entfernt hält. Auch in der
Nähe von Sturzbähen und Wafjerfällen
fih aufzuhalten, ift gefährlich, da der Blik
gern in ſolche Waflerfäulen, die gute
Eleftrizitätsleiter find, ſchlägt. Bor allen
Dingen möchten wir dringend raten, me
tallene Gegenftände weit von ſich abzu-
legen, da ſolche Sachen den Blik anziehen.
Ein ergrauter Forftmann war einft Beuge,
wie der Blig in eine Bappel ſchlug, an die
ein Weidgenoffe jeinen Vorderlader geftellt
hatte. Das Gewehr war wie eine Spirale
verbogen, und beide Schüſſe hatten fich,
ohne Schaden anzurichten, entladen. Ein
anderer Jäger beobachtete vor einigen Jahren,
wie ein Bligjtrahl in eine Schafherde fuhr,
deren Schäfer inmitten der Herde mit gen
Himmel gerichteter Schaufel geftanden hatte,
Bahlreihe Schafe waren tot, und der leicht«
finnige Hirte erlitt außer einer ſchweren
Betäubung und teilmeijen Lähmung zahl«
reihe Brandwunden. Radfahrer jollten
abfteigen und einige Schritte von ihrem
NRade entfernt das Ende des Gemitters
abwarten.
Adolf von Hallaus Tod.
(+ 2. 9. 1298.)
Es war um die glühende Erntezeit,
Ein tiefblauer Himmel fpannte fich meıt,
Da ftanden bei Göllheim an Würde gleich
Adolf und Albrecht im Kampfe um's
Neid,
Wie Sturmwind klang's in der ſchwülen
Schlacht:
Daß ſchnell ſie durch Zweikampf
entſchieden ſei,
Ritt König Adolf zu Albrecht herbei
Und hielt im Kampfgetümmel ihn feſt:
„Hie iſt, wo du Krone und Leben mir läßt.“
Doch hatte ſein Schickſal es anders
gewollt —
„Sanct Marie, Mutter Gottes und Magd!“ | König Albrecht die Krone nicht tragen ſollt',
FE -
Noch glühte das Haupt ihm vom Gonnen-
brand;
Da ftrich fie mit fchmaler bebender Hand
Die Loden von feiner Stirne zurück —
Hell jpielte der Mond im gebrochenen Blick.
Sie neigte fi; nieder im Mondenftrahl
Und füßte den Mund ihm in ſtummer Qual.
Derweilen in Sorgen triib und bang
Zu Roßenthal heiß im Gebete rang
Imagine, feine Gattin alleın:
Der Himmel möge ihn Sieg verleih'n. —
Und als fie beim Pförtchen Hufichlag
vernahm,
Sein Roß mit dem Windfpiel ledig kam.
Es ſtrich ein Duft über'm reifen Korn,
Wildrofen glühten am Hedendorn,
Da jchlih aus Rojenthals ftiller Klaus’
Imagine leis in die Nacht hinaus,
Sie fand den Gemahl auf dem Scladt:
Die Nonnen trugen im Sternenſchein
Den Toten zur Klofterfapelle hinein.
Imagine fniet an der Totenbahr'
Die Füße bloß und gelöft das Haar,
Und als fie ihr Haupt in die Hände
felde tot, vergräbt,
Bon Wunden entftellt und vom Blute jo rot. | Im Chor fih Geſang der Schweftern
erhebt. — —
Streiht traumhaft der Wind an den Mauern entlang,
Dann ſummt es noch heute wie Totengejang:
Divus vir factus, effuso sanguine nactus
Tantam virtutem, quod nune conferre salutem
Dieitur acgrotis. — Nostris, Deus, annue votis,
Ut tua laus crescat, et Rex in pace quiescat.*)
Dr. Earl Puſch.
*) Aus den Denkverjen an der Wand der Klofterkirche zu Roſenthal.
Bie Totenhand zu Eifenberg.
Sieh’ Hin und hüt’ dich wohl mein Kind | Wer ftets nur Sclimmes führt im Sinn
Und merk's und beff’re dich geſchwind. Und fährt in feinem Unrecht hin,
Schau’ dir mit eignen Augen an Dem gibt, das merk’ dir wohl mein Sohn,
Die Hand, die nie verweſen fann. Der Himmel fihtbar feinen Lohn,
Einft war ein ungeraten Rind
Und all fein Lebtag bös gefinnt,
Das ſchlug noch jung die Eltern ſchon
Nun ftarrt die Hand als Gotteslohn,
Um einen Grenzitein war einft Streit,
Da war zum Meineid er bereit.
Er hob zu Gott empor die Hand
Und ſchwur dem Andern ab jein Land.
Die Hand wuchs ihm zum Grab heraus
Bu andrer Sünder Schred und Graus. —
Dies Liedchen Euch ein Bater fang,
Dem um des Sohnes Zukunft bang.
Dr. Carl Puſch.
Bas Marienbild zn Gräfinthal.
Die Muttergottes zu Gräfinthal
' Kam juft vom Walde ein Träger in Eil',
Am Kreuzweg unter der Linde ftand,
‚ Berfonnen in teuflifhen Wlan;
Ließ ſpielen der Augen holdieligen Strahl
Wohl über das weite blühende Yand,
Der ſpannte den Bogen und fchoß mit dem
[Bfeil —
Was hat ihm das Bild nur getan?
Wollt! dreimal zielen auf's Gnadenbild,
Dann jhöß’ er vom Heiland fich frei,
Daß fünftig im Wald und im Feld kein
Dem Schüten könne vorbei. [Wild
Er hielt auf's Bild, wie traf er jo gut,
Ein Blutftrahl drang aus der Wund';
Der Waidmann jah’s, da jank ihm fein Mut,
Leid zudte der Heiligen Mund,
Und weil ihm nur eıner der Schüſſe gelang
Konnt' fürder der Böfe fein Helfer nicht fein.
Die Erde erbebte, die Erde verichlang
Ihn bis zur Brufi in den Boden hinein,
Und als man Gharfreitags den Freoler fand
Als feitgewurzelten Menjchenftumpf,
Da ſchlug mun, wie er eben ftand,
Sein wüſtes Haupt ihm ab vom Rumpf.
Die Muttergottes zu Gräfinthal,
Die trägt noch bis zur Stund'
An ihrer Bruft des Pfeiles Stahl
In tiefer Herzenswund'.
Dr. Carl Puſch.
Johannisbeerwein.
Zur Bereitung des Johannisbeerweins
kann man ſowohl rote als weiße Beeren,
oder auch beide miteinander vermiſcht, be—
nutzen; jedoch geben die roten, die viel
Säure und Gärungsſtoff beſitzen, einen
befonders haltbaren und ganz vorzüglichen
Wein, der mit dem Alter an Stärfe und
Wohlgeſchmack zunimmt. Klima und Stand»
ort der Yohannisbeerfträucher haben ebenfo,
wie bei dem Traubenwein, großen Einfluß
auf die Güte des Johannisbeerweins. Die
von niedrigen, dicht an der Erde hängenden
Zweigen gepflüdten Johannisbeeren find nicht
fo gut, als die auf hohen Sträuchern ge:
wachſenen. Der Sohannisbeerwein wird
auf folgende Weile gewonnen. Man nimmt
gute, vollfommen reife Sohannisbeeren,
jäubert fie ohne fie zu wachen, da alles
Unreine durd die Gärung entfernt wird,
von den Stielen und von einzelnen jchlechten
oder unreifen Beeren und läßt fie einige
Stunden an der Sonne ausgebreitet ftehen.
Hierauf drüdt man fie, in Ermangelung
einer Preſſe oder einer Stelter, durch einen
Beutel grober Leinwand aus, jedoch mit
Borfiht, damit die Kerne nicht mit zer:
quetjcht werden, wodurch der Weinfaft einen
bitterlihen Gejhmad annimmt. Dann wird
der Saft gemeſſen und durd ein Haar-Sieb
in ein großes Gefäß gegoflen, dann eben
foviel weiches Brunnenwafjer, wozu man
auch das zum Auspreflen der Hülſen ge-
brauchte mit benugen fann, hinzugetan und
mit der erforderlichen Zucdermenge verjeßt.
Auf jede Kanne diejer halb aus Saft und trlibe zu merden.
halb aus Waſſer beftehenden Flüffigfeit
rechnet man, wenn der Wein ſüß und geift-
reih werden foll, 1'. Pfund Meliszuder;
ſoll er aber nur leicht fein und gleich weg-
getrunfen werden, jo genügt auch 1 oder
Ye Pfund BZuder. Hat fi der Zucker
mit der Maſſe vereinigt, jo wird diejelbe
in ein gut gereinigtes und mit einer Mus»
fatnus ausgebranntes Fäßchen getan. Iſt
das Fäßchen voll, fo bringt man es in den
Keller und legt es bier mit offenem Spund-
loche, auf ein Lager ruhig bin. Nach
einiger Zeit fängt nun der Wein an zu
gären. Während der Gärung füllt man
von Zeit zu Beit jo viel von dem zurück—
behaltenen Safte nad, als fih die Flüffig«
feit im Faſſe durch das Ausſtoßen ver-
mindert hat. Die GArung dauert jo lange,
bis der Wein alles Fremdartige ausgeftoßen
und Elar geworden ift. Hierauf wird das
volle Faß, nachdem man das Spundlocd
fauber abgemifcht, nur locfer mit dem Spunde
bedeft und bisweilen mit gutem Johannis-
beermweine aufgefüllt. Soll der Wein jpäter
auf Flajchen gezogen werden, jo iſt e8 rat-
jamer, ihn durch eine Federſpule abzuzapfen,
al8 durch einen gewöhnlichen Hahn; dabei
darf man aber aud das Faß nicht zu tief
anbohren, damit nichts Trübes in die Flafchen
fommt, weshalb man am beften tut, wenn
man das Faß anfänglich in der Mitte an—
bohrt und nachdem der Wein bis dahin
abgelaufen, mit der Anbohrung von Zeit
zu Zeit tiefer geht, bi8 der Wein anfängt
Die Flafhen müſſen
—
aber jehr jauber jein.
gezogen, jo darf man die Flajchen anfangs
nicht feft zupfropfen, ſonſt zerfpringen fie;
auch dürfen die Flaſchen nur bis an den
Hals gefüllt fein. Will man den Johannis⸗
beerwein längere Beit in Flaſchen auf-
bewahren, jo muß man ihn in einen trodnen
2 —
Sit der Wein ab» | Seller bringen und forgfältig vor Froſt
bewahren. Hat man noch Borrat, wenn
im fünftigen Jahre die Johannisbeerfträucher
in Blüte ftehen, jo muß man die Flafchen
etwas lüften, weil um diefe Zeit der Wein
gewöhnlih unruhig wird.
Bas Reichsland bei Aailerslantern.
Quellen zur Förderung der
eimat- und Familienlunde im Gebiete ded Bannforftes Lutra. Mit
2 Wappenabbildungen Im Tert, 8 Starten und einem Plan der Stadt Kaiſerslautern.
Bon D. Häberle, Kaiſersl. Rechn.-Hat.
Es ift die neuefte und dankenswerte
Gabe unjeres fleißigen Mitarbeiters und eif-
rigen Förderers heimatfundlicher Forſchung.
Sein Anlaß liegt in dejjen warmer Liebe
zur heimatlihen Scholle, der das Werk ge-
widmet ift, und fein Zweck ift der, die
Philipp Vellmannſche „Beforhung des
Reichsgewäldes“ aus dem Jahre 1600 und
die Beichreibung des Dberamtes Lautern
vom Sabre 1601 „weiteren Sreijen zu:
gänglidy zu machen, zumal fie uns einen
guten Einblid in die vor den Stürmen des
30jährigen Krieges herrfchenden Verhältniſſe
geitatten.” Einige zumteil noch unbefannte
Urkunden und des Berfaffers wertvolle, auf
Wanderungen angejtellte Lokalſtudien er:
gänzen das hiftorifche Material weſentlich.
Weitgehende Rüdfiht auf Mitteilung der
überlieferten $amiliennamen wird zur Be«
lebung des Familienfinnes beitragen und
das ganze 37 Seiten umfafjende Verzeichnis
von Kenn; und Stichwörtern wird die Be-
nügung des Werfes erleichtern. Der Bell-
mann’shen Urkunde über die Grenze des
ganzen Waldes und feiner Bezirke, die
Weiher, Fiſchbäche und Mühlen, das Forft-
perfonal, die Teilnehmer an der Beſorchung
und die Berehtigung im Reichswald —
103 Seiten groß — find zwei Karten des
Geometers Yof. Etienne vom Yahre 1785
beigegesen, die öſtliche und mweftliche Hälfte
des Reichswaldes darftellend und allein
ihon des Studiums wert. — Die Be
Ichreibung des Oberamtes Lautern wird
dur den Stadtplan von Lautern unter-
ftügt, der eine Überficht über das Wade»
tum der Stadt gibt mit Ginträgen von
Küchler und Häberle. — Auch der dritte
Zeil: Urkunden und Urkundenauszüge zur
Geſchichte des Reichslandes und Reichs—
waldes beſitzt eine kartographiſche Erläute-
rung „Begriff und Zirkel des Reichsrechtes
um Kaiſerslautern nach dem Reichsſpruch
von 1357“ vom Verfaſſer. Das Quellen-
wert jei bejonders den Dörfern „an der
Straße” empfohlen, für deren Familien-
Borgeichichte und Flurnamen fi bemerfens-
werte Materialien vorfinden, Das bereits
vielerorts benügte Buch von Forftrat Keiper*)
über den Reichswald wird durch obiges neue
und bezüglich der Urkunden weitergreifende
Werk in der beften Weife ergänzt.
*) Forſtwirtſchaftliches Zentralblatt, 16. Jahr⸗
gang 1905. Die 73 Seiten große Arbeit (mit
einer Karte 1: 100000) tft al8 Separatabdrud
bei Paul Parey (Berlin SW,, Hedemannſtr. 10)
erichtenen.
Berichtigung: Seite 69, Zeile 4 von unten lied Rudolf Engelbad.
Notiz: Die nähjte Nummer erfcheint als Doppelheft Mitte Auguſt.
DInbaft: Bom Trinken im Sommer. — Beiträge und Proben zur Erklärung bedeutender
Wörter. — Bolksmund. — Ein Bid in das Sinnesleben der Haut. — Bann bat der Sommer
1907 begonnen? — Kreuzottern. — ®ewittergefabr im Walde. — Gedichte von Dr. C. Puſch. —
Johannſsbeerwein. — Das Reichsland bei Kaiferdlautern. —
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Kayſer's Derlag, Kaiferslautern.
Für Form und Inbalt der Beiträge find bie Herren Berfafler verautwortlich.
Die „Pfatziſche Helmattunde* toflet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Pelelungen werden vom allen Buchhandlungen und
Boftanflalten ferner vom Berleger (Bortofrete Streifbandfendung) angenommen.
it. Jahrgang.
Nummer 8 u. 9
August-September 190%.
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
U)
L/
Feinde des Mehes.
Eine im Anfang des Juli von der | fliegen, die Chephalomya, oder, wie fie in
„Vf. Preſſe“ gebrachte Meldung, wonach
im letzten Jahre in einem einzigen Bezirke
Badens, in dem 4300 Hektar großen Forſt—
amte Lörrah, 300 tote Rehe auf
gefunden wurden, war geeignet, nicht nur
das Herz des rechten Forſtmannes mit
Trauer zu erfüllen, ſondern aud das Be-
dauern ded Natur» und Tierfreundes zu
erregen. Mit Bezug auf diefe Meldung
wird weiter geichrieben: Das Reh und
fein grimmigfter Feind. Wohl nur
wenige, denen es vergönnt ift, das ſchmucke
Reh in der Freiheit, im grünen, fühlen
Forft bewundern zu fünnen, ahnen, welche
Leiden dieſes zierliche Geſchöpf, welches jo
viel zur Belebung unjerer Wälder beiträgt,
auszuhalten hat, und es wäre mwohl mög-
fih, daß in abjehbaren Jahren die Frage
zu erwägen ift, ob der Beftand des Mot-
reſp. Rehwildes überhaupt nicht der ſchwerſten
Gefährdung, oder gar dem Ausfterben in
unferen Gegenden ausgejeßt ift. Der ärgfte
Feind unferes Rehwildes ift die Familie
der Dafjelfliegen (Oestridae) und ihre
Unterabteilungen. Die eine Urt diejer
Fliegen, die Hypoderma Diana, legt ihre
Eier auf die Haut der Xiere, die aus:
fchlüpfenden Maden bohren fih in das
Bellengewebe der Unterhaut und bilden dort
quälende Beulen. Die Maden verlajjen
nad) einiger Zeit das Wohntier, fallen auf
die Erde, verpuppen fih und entmwideln ſich
zu Fliegen. Die zweite Art der Daſſel—
den Berichten der Zeitungen genannt wird,
Oestrus Diana, legt ihre Gier an die
Nafenlöcher des Rehes und es entmwidelt
fih daraus ein brauner, faft nadter Sterf,
welcher fih in die Naie, in den Rachen
und bi8 zur Gtirne zieht. Dieſer Kerf
hält ſich mit zwei Hornhafen an der Schleim-
haut des Tieres feft und lebt dort ca. 8
bis 9 Monate, worauf er zur Erde fällt
und fi geradejo entwidelt, wie die erfte
Abteilung. Übrigens leiden fehr viele Tier:
arten an derartigen Schmarogern, melde
nur in ihren Unterabteilungen verjchieden
find. Die Oeftriden treten aud) beim Schaf,
Edelwild, Elefant, Rhinozeros, Renntier und
vielen anderen Säugetieren. Die Witterung
mander Jahre trägt wohl das meifte dazu
bei, daß fi) die Dajjelfliege ftärker oder
ſchwächer vermehrt. In den legten Jahren
iheint fie jedoch den Berichten nad) fo
mafjenhaft aufgetreten zu fein, daß man
den Rehbeſtand unjerer Wälder ernitlic)
gefährdet betrachten kann. Vermutlich hängt
die Seuche aud mit mehr oder meniger
Baflermangel zufammen. Saum zu be
ftreiten ift, daß die Wälder faft
überall zu [ehr abgeholzt werden,
wodurd ein Sinfen des Waſſer—
ftandes der Quellen bedingt wird.
Andireft könnte diejer Umftand
wohl aud eine ſolche Seude be
fördern,
94
Schädliche Pflanzen und Pflanzenſchuthhz.“
Bon Univ.»PBrofeffor Dr. Baul Giſevtius
Direktor des Landtwirtichaftl. Inſtituts der Untverfität Gießen.
Die Befämpfung von Pflanzenjhädlingen
bereitet für ganz Deutichland die Kaiſerliche
Biologische Reichsanftalt für Land- und
Forftwirtichaft in Dahlem bei Berlin vor.
Außerdem find für alle deutichen Länder
Hauptjammelftellen eingerichtet, unter deren
Anleitung „Sammler”, d. h. Männer ar:
beiten, die überall Rat zur Bekämpfung
von Schädlingen erteilen.
1. Die Balterien. Große, uns von
außen als feite Maſſe erjcheinende Fabrik:
gebäude ermweifen ſich bei dem Eintreten als
aus vielen Zimmern und Gängen beftehend.
So zeigt ſich eine Pflanze bei ftarfer Ver:
größerung unter dem Mikroſkope ala aus
vielen Kammern oder „Bellen“ zuſammen—
geiegt. Nun gibt es aber auch fleine Ge-
bäude, die nur einen Innenraum haben
(Wellblehbuden der Eijenbahnmeichenfteller,
Scilderhäufer der Wadıtpoften und Nadıt
wächter, Schlafbuden für Hirten und Obft
wächter), und jo gibt e8 auch Pflanzen, die
nur aus einer Zelle bejtehen und nur Selten
mehrzellig find, die fogenannten Baf-
terien, die allerding® nur mit ftarfen
Mikrojfopen beobachter werden fünnen, An
Länge fehr minzig (11000 oder 12000
Millimeter) vermehren fie fih dur Zei:
lung jo außerordentlich fchnell, daß fie in
ungeheurer Anzahl vorfommen und dann
ftärfere Wirkungen äußern fönnen. So
werden fie als Siranfheitserreger (Cholera,
Typhus, Dipheheritis, Quberfelfrankheit,
Influenza u. a.) mit Recht gefürchtet.
Andererjeits find fie uns auch als Stick
ftofffammler im Boden, ale Milchſäure—
bafterien bei dem Säuren von Milh und
Rahm, als Käfebakterien mannigfach nüglid).
Bei den Kartoffeln rufen fie die Ring-
franfheit, d. h. das ringweije Faulen
*) Diefen Beitrag entnehmen wir mit
Erlaubnis des Berlegerd dem vortrefflichen
Werke: Bifevius, Die landwirtſchaftliche
Naturfunde Ein Leitfaden für Lehrer an
ländlichen Fortbildungsfchulen, ſowie zum Selbft-
unterriht. 11 Bogen, reich illujtriert. Preis
3.40 Mark, geb. 3 Mark. Ein Schapfäitlein,
mwelches nicht allein jeder Lehrer, fondern jeder
ftrebende Landwirt befiken ſollte. Klar und
faßlich, recht belcehrend und nugbringend, —
der Stnollen und ein lückiges Auflaufen der
Kartoffeln hervor, gegen das nur ein rüd-
ſichtsloſes Beſeitigen des Saatgutes im
Falle des bein Durchſchneiden zu erkennen
den Auftretens dieſer Krankheit Hilft.
Ferner rufen Bakterien die Naßfäule
der Kartoffeln in Mieten und die gefähr—
liche Schwarzbeinigkeit hervor, bei
deren Auftreten die Beſchaffung geſunder
Saatknollen, bei der Schwarzbeinigkeit jonft
jorgfältiges Befeitigen der ganzen erfranften
Stauden bei dem Abmwelfen dringend zu
empfehlen ift.
2. Bahlreich find die jhädlihen Pilze,
welche fich durch einzellige, felten mehr:
zellige Sporen fortpflanzen. Bei den
Halmfrüchten jhädigen die Brandpilze,
indem fie die Fruchtblätter, teilmeife auch
die Halme mit ſchwärzlichem Pulver (Sporen)
erfüllen. Sie gelangen an dem Gamen-
forn figend mit diefem in den Boden und
wacdjen mit der Getreidepflanze in ihr
empor; auch fünnen fie u. a. als Sporen
in die Blüten fliegen und in diefe eindringen.
Am ſchlimmſten ift der Stinfbrand des
Weizens, weil er den erdrofchenen Körnern
und dem Mehle deu Gerud nach Herings-
lafe gibt. Man tötet die Sporen an den
Samen durd Beizen mit Blaufteinlöfung
("sr Nilogramm Blauftein auf 100 Liter
Wafjer) zwölf Stunden lang unter mehr:
maligem Umrühren, oder durch „Bekruſten“,
indem man die Körner in zweiprozentige
Blaufteinlöfung eintaudt und dann trodnen
läßt. Die Sporen der Roftpilze über:
wintern auf Zwiſchenwirten (Berberige,
mande Wildgräfer, behaarte Pflanzen) und
werden von dort auf Getreide verweht, fich
von der erften befallenen Pflanze aus weiter
im Felde verbreitend. Aus jener Spore
entwidelt fih eine Feine Roſtſtelle; viele
Roititellen ſchaden den Pflanzen (Halm-
früchten, auch Hülſenfrüchten) fehr. Die
Bejeitigung der Bmwifchenwirte ift das
einzige praftijche Befämpfungsmittel. Die
Kartoffeltranfheit erzeugt auf den
Blättern braune, weiß umrandete Fleden,
worauf das Straut zu früh abftirbt und die
unveifen Kleinen Stnollen leicht faulen. Wan
befämpft fie durch Beiprigen mit Kupfer
fodabrühe (2 Kilogramm Blauftein in
50 Liter Wafler, 2 Kilogramm Soda in
50 Liter Wafler, dann beides gemifcht und
mit einer „Sartoffeljprige” ausgeftäubt),
Roggenhalmbreder und Weizen—
balmtöter zerftören die Halme unten am
Grunde und merden durd fofortigen
Stoppelumbrudy befämpft, der die Blätter
befallende weißlihe Meltau durch Herbei-
führung eines dünneren Standes der Frucht
in den nächiten Yahren. Das bei Roggen
und anderen Gräſern vorfommende Mutter:
forn fann ber Tieren das Verwerfen, bei
Menjchen die Sriebelfranfheit erzeugen; da
aus dem Mutterkorn ſich Sporen entwideln,
welde die Krankheit auf neue Pflanzen
übertragen, muß man es bei der Saat-
reinigung jorgfältig entfernen. Gegen die
Schwarzbeinigfeit junger Runkel—
pflänzchen muß man durch Beizen (50
Kilogramm Samen in 3 Heftoliter Wafler
und 1,5 Silogramm bundertprozentiger
Karbolfäure) vorbeugend einfchreiten. Gegen
die Herzfäule der Runfelrüben hilft nur
Kräftigung der Pflanzen durch Chileſalpeter⸗
düngung und Hacken.
3. Auf dem Ader finden wir von den
Unfräutern weit verbreitet die dem
Weizen verwandte Quecke vor, welche ſich
ſtark durch Wurzelausläufer vermehrt. Wir
befämpfen fie dur dichten Stand der
Früchte, dur) den Anbau ftarf boden-
beichattender Gewächſe (Raps, Rüben); wir
fönnen fie aber auch mechanifch mit der
Enge und dem Sultivator oder Grubber
herausholen, jammeln und verbrennen (oder
verfüttern).. Weit verbreitet ift auch der
Hederidh. Gelingt es, ihn im Frühjahr
rechtzeitig zur Keimung zu bringen und
dann zu vertilgen, jo ıft man ihn für ein
Jahr los; er fommt aber aus den wider-
ftandsfähigen noch übrigen Samen im
nädjten Jahre wieder hervor. Neuerdings
befümpft man ihn dadurd, daß man die
jungen Halmgetreidefelder zu der Zeit, in
der der Hederich feine erften Blätter zeigt,
mittel8 einer SHederichiprige mit einer
löprozentigen Eifenvitriollöfung (15 Kilo—
gramm Eifenvitriol in 100 Liter Waſſer)
beſprengt. Dem Stlee fchadet die Klee—
jeide indem ihre kleinen fleeforngroßen,
aber mit ganz rauber Oberfläche verjehenen
95
Samen wurzelloſe Stengelchen bilden, welche
in Die jungen Slleeftengel Saugmwurzeln
treiben und fi von diefen auf often der
Kleepflanzen ernähren laflen. An den röt-
lihen windenden Stengeln der Aleeſeide
bilden ſich ſpäter rofagefärbte Blüten, die
wiederum Kleeſeideſamen erzeugen. Slee-
faaten find darum jorgfältig auf Stleejeide
zu unterfuchen und bei Bejaß zurückzuweiſen.
Kommt Kleejeide trogdem im Stleefelde vor,
jo find die befallenen Stellen fofort gut
unterzugraben. Bei einem Abmähen und
Forttragen fallen jonft Seideftengel auf
gute Kleepflanzen und erzeugen neuen lee»
jeidebefall. In ähnlicher Weife wie Klee—
jeide wird die Flachsſeide befümpft.
SKleeteufel (Kleewürger) und Hanf.
wiürger ſchmarotzen auf den Wurzeln von
Klee und von Hanf. Die feinen Sämden
diejer ſchädlichen Pflanzen kann man durd)
forgfältige Reinigung fehr wohl aus dem
Saatgut des Klees und des Hanfes fern»
halten. Kommen fie doch zum Borfcdein,
jo muß man die befallenen Kleepflanzen
oder Hanfpflanzen forgfältig mit der Wurzel
ausftehen und bejeitigen, Ein jehr ge-
fährliches, weil ſchwer zu vertreibendes
Unkraut ift der Flughafer, den wir an
den langen Grannen, der ſchwärzlichen
Farbe und vor allem an der flaumigen
Behaarung des Samenkornes leicht erfennen,
Zur Bertilgung muß man vor allem den
Hackfruchtbau benugen, da man ihn in den
Hackfruchtſchlägen leicht finden und vor der
Blüte beieitigen fann; mit Flughafer be-
jeßte Suaten find von der Berwendung
auszufchließen. Die Fleinfamigen wilden
Wicken, mwelde durch SHerunterziehen
reifender Halme fehr läftig werden, Lafjen
fih durch forgfältige Vewendung eines
Trieurs jehr wohl aus dem Saatgut ent:
fernen, ebenjo die Kornrade, melde im
Roggen eine unbequeme Zugabe bildet.
Bei dem Weinftod tritt der Meltau-
pilz (Aeſcherig) als weißer Ueberzug auf
den Trieben und Blättern auf und jchädigt
die Ausbildung der Beeren; man befämpft
ihn durch rechtzeitiges Weberftäuben mit
pulverifiertem Schwefel. Die Blattfall-
krankheit (faliyer Meltau, Meltau-
ihimmel, Peronofpora), welche als weißer
Flaum die Blattunterfeite überzieht, auch
auf Stiel und Trauben übergeht, jchädigt
den Ertrag oft jehr ſtark. Ein rechtzeitig ein-
jeßendes und wiederholtes Bejprigen mit
90 —
Kupferlöſungen hat einen ftarfen Erfolg bei
der Befämpfung der Krankheit. (H. Tgbl.)
Die Flora von Weißenburg.
Man jchreibt der Frkf. Bing: Die
Botanifh-mwiffenihaftlide Ber
einigung von Baden, Eljaß und der Pfalz
unternahm neulich eine Erfurfion in das
pflanzengeographifch jehr intereffante Gebiet
von Weißenburg im Elſaß zur genauen
Durchforſchung der dortigen Sumpfflora.
Neben dem großen Ererzierplaß zieht fich
dort ein weites Sumpfgebiet bin, das fich
bis in den durd feine reiche Flora und die
jeltenen Schmetterlinge fih auszeichnenden
BDienwald ausdehnt. Es ift ein alter
Faffiiher Standort, der ſchon feit langer
Beit von allen deutſchen Pflanzengeographen
mit großer Vorliebe befucht wurde. Einige
Pflanzen der mefteuropäiihen Flora haben
bier ihren legten öſtlichen Standort
erreiht.. Wir finden hier den Stern:
fümmel (Carum vertieillatum Koch), der
feit nodı nicht langer Zeit in die Flora
Deutjchlands aufgenommen ift; er findet
fi in Deutichland nur noch bei Heins:
berg im Regierungsbezirt Aachen. Die
Pflanze ift auf den erften Blick an ihren
feinen, wirtelförmig ftehenden Fiederblättchen
leiht zu erfennen und fann mit feiner
anderen Art verwecjielt werden. Sie be-
wohnt bei Weißenburg eine naffe Sumpf:
wieje, und die ſchneeweißen Blütendolden
glänzen ichon aus der Ferne. Hier fteht
fie in vielen Hunderten von Exemplaren
und wer fie zum erfien Male fieht, ift
ganz verwundert iiber ihren feltiamen
Habitus. Am Gipfel der Stengel ſitzen
die meifi 12jtrahligen Dolden; dieje find
ſehr zart, ungleich lang und werden durch
furze, borftenartige Hüllblätter geftügt.
Die fieinen Döldchen find 12blütig, haben
Hüllen und Blümchen von dem Durd)-
mefler eines Rapskorns. Die Blütenteile
und die Früchte find kleiner als beim ge»
meinen Kümmel. (Carum carvi.) Als
zweite botaniiche Seltenheit der Weißen-
burger Flora ift dann die zierliche, im
geheimen vegetierende und blühende Wahlen-
bergia hederacea Reichenbach zu er:
mwähnen. Sie wächſt vollftändig in dem
Moospoliter von Sphagnum, und wer fie
nicht kennt, wird fie überhaupt nicht finden.
Sie ijt Mein, fte£t tief unter den Begleit-
pflanzen und wurzelt nicht in der Erde,
fondern nur in dem feuchten Mooje des
Sumpfes. Der fadenförmige, haardünne
Stengel liegt wagerecht und friecht zwiſchen
dem Torfmooje hin. Die zarten Blätter
find einen Zentimeter lang und fehen
unferen Gfeublättern ähnlich, find aber
ein winzige Miniaturbild derjelben. Wenn
die Sonne ihren höchſten Standpunft er:
reiht hat, dann erjcheinen die Fleinen,
blaßblauen Glöckchen, die aber nit abwärts
gerichtet find, wie bei den Glockenblumen,
fondern nach oben hervorfchimmern. Yinne
bat fie zu den echten Campanulacee gerechnet.
Neihenbah hat eine eigene Gattung
daraus gemadt, weil die Samenfapieln
an der Spige hochipaltig auffpringen, ftatt
ih mit 3 bis 5 Löchern zu Öffnen. Sie
ift eine jehr Seltene Pflanze unjerer Hoch
moore und bewohnt nur den weſtlichen
Teil von Deutichland; nur bei Walldorf
unweit von Darmftadt findet fie fih rechts
vom Rhein. Ihren Namen verdankt fie
dem berühmten ſchwediſchen Naturforicher
Wahlenberg, dem Reichenbach damit ein
ichönes Denfmal gejegt hat. Das Pflänz:
en ift bei Weißenburg reihlih vorhanden
und wurde in der bayeriſchen Pfalz von
Fridrid Zimmermann auch bei
Edenfoben und ber Kaiferslautern
in Glimpfen gefunden. Bon anderen
Seltenheiten find noch die Sonnentau-
arten (Drosera longifolia und Drosera
rotundifolia) und die Mittelform (Drosera
intermedia) zu erwähnen; ferner findet
ih der Sumpfbärlapp (Lycopodium
inundatum). Merfwürdig ift, daß ſich
dieje vollftändig an die Torfmoofe gebundene
Pflanze mit den Drojeraarten gänzlich auf
dem ausgetrodnetftien Sandboden des
Ererzierplaßes vorfindet. Das ift eine fo
intereffante Anpaſſung an die gegebenen
Berhältniffe, wie man fie felten finden
wird,
——
800jähriges Inbiläum des Kirſchbanmes.
Obgleich ſchon Karl der Große 768 — 814 | dort aus verbreitete ſich ihr Anbau nad
auf jeinen Gütern zahlreiche Obftarten eın- | Böhmen und nad) der Laufik. Bor jener
führte, jo dauerte e8 doch 300 Jahre, | Zeit gab es tatjädhlih bei uns nur die
bevor fi die Kultur der beſſeren Sorten | fogenannten Bogelfirihen. 69 v. Chr.
im Often Deutichlands Bahn brad. Wie | foll Lucullus den Kirſchbaum aus Stlein-
alte fächfiiche Urkunden berichten, wurden | afien nad Italien gebracht haben, Hundert
3. B. die erften Süßfirfchen im Jahre 1106 | Jahre fpäter war die neue Frucht bereits
bei Miltig unmweit Meiken gepflanzt. Bon | am Rhein befannt,
„Geſchichtliche Machrichten itber das ehemalige Borf Hervelingen.
Nach gedbrudten und ungebrudten Quellen
bearbeitet von Joh. Weber, Kaplan in Ensbeim. Selbftverlag. Preis 60 Pig.
Der Berfaffer der uns vorliegenden | entfernt „auf einer Ffleinen Anhöhe mit
Studie ift unfern Leſern Schon des öſtern, wundervoller Rundficht über die ganze Ge—
zum legtenmal in der diesjährigen Mai» | birgsfette und die Rheingegend“ und umgeben
numaner der „Pfälz. Heimatkunde” begegnet, | von einem Kranze fchöner Objtgärten. Die
wo derjelbe in einer äußerft interejfanten, ge- | Einwohnerzahl wird faum die Zahl 100
vadezu typiichen, normgebenden Abhandlung | erreicht haben. Von 1086 bis zu feinem
unterfucht, um wieviel "o die Bevölferung | Untergange gehörte Servelingen zum Hod-
Arzheims zur Zeit des 30jährigen Arieges | ftift Speyer. Um die Mitte des 15.
zurüdging, in welchem Prozentiage ſich Jahrhunderts begann der Untergang des
während dieſer Beit die uriprüngliche Be: | Dorfes. Ein Teil der Bewohner erlag den
völferung erhalten hat, und dabei zu liber- | öfters auftretenden peftartigen Krankheiten,
raſchenden Refultaten fommt. während der Reit ſich in Landau oder in
Ebenfo originell ift die uns vorliegende | den umliegenden Ortfchaften niederlieh.
Schrift über Servelingen, worin Weber | Allmählich zerfielen die Häufer, deren
zum erftenmale eine foitematifch geordnete, | Trümmer um die Mitte des 18. Yahr-
topographiich: hiftorifhe und im gewillem | hunderts nod fichtbar waren, Länger er:
Sinne fulturhiftorifhe Darfiellung der | hielt ſich naturgemäß die Kapelle: von ihr
Bergangenheit eines verfhwnndenen Dortes | war 1836 noch cin gutes Stück der
verfucht, durch welche unjere Stenntniffe von | Mauern zu fehen. Sept ift die ganze
der Geihihte unferer engeren Heimat | Stelle ein Wingert, bei deffen Rodung
eine wlinichenswerte Erweiterung erfahren | 1897 eine Menge menſchlicher Knochen,
dürften. Sargrefte ufm. ausgegraben und Die
Die Studie ift in 3 Abjchnitte gegliedert, | Fundamentmauern des Friedhofs und der
melde die politifche Geſchichte, die firh | Stapelle bloßgelegt murden, Servelingen war
lihen Berhältniffe Servelingens und die | feine Pfarrer, obwohl es eine eigene Seel-
Servelinger Gemarkung zum Gegenftande | forgerftelle hatte, jonderu mar ftets Filiale
haben. Daran fließt fich ein ſehr leſens und Saplanei zu Arzheim. Es hatte eine
werter Anhang über „die Kreuzmühle“ ſehr ausgedehnte Gemarfung und mar
und „Servelingens Mitberechtigung an der | bannftößig mit Mühlhaufen, Godramftein,
oberen Haingeraide“. Weber erklärt | Giebeldingen, Birkweiler, Ranſchbach und
Servelingen als „die Sippe oder die Familie Arzheim. Dieſes letztere Dorf darf ſich
des Sarwilo, d. h. des Striegäbereiten, des | freuen durch den größeren Zeil der
zum Kriege Gerüfteten“. Urkundlid wird | Servelinger Gemarfung etwa um ?5 feines
das Dörſchen Servelingen zum erftenmale Beſitzſtandes vergrößert worden zu jein,
im Jahre 1100 genannt, es ift aber um | zumal wenn es an die Umlagen denkt.
ca. 500-600 Jahre älter. Es lag etwa | Lehrreih ift u. a. auch das Kapitel Über
25 Minuten nordwefilih von Landau | die Flurnamen u. v. a. mehr, und wir
wollen nur wünſchen, daß Die
reihe Studie Webers viele Leer findet.
Allen, in deren Gemüt eine Saite lieb:
98
lebr: | lich
ertönt, wenn von SHeimatgeichichte
die Mede ift, ſei Ddiefelbe warn em:
pfohlen. — N. Ofterroth.
Urgeſchichts-Forſchung in Bayern.
Bei der am 15. und 16. Juli abge»
haltenen Generalverfammlung des Gefamt-
verbande8 bayeriiher Geſchichts- und Ur- |
geichichtsvereine wurden eingehend Jahres—
und Gefchäftsbericht, die Schaffung eines
Bentralorgand, Anventarijation der Boden-
altertiimer (Grabhügel, Hochäcker, Schanzen,
Beieftigungen, Straßenzlige 2c.), Organi-
fation des prähiftoriichen Landesdienftes
und vor allem das Material für ein zu
fünftiges Denkmalſchutz-Geſetz ein
gehend beraten. Demzufolge ſoll die Pflege
der im Bufammenhang mit der Wflege
unferer heimiſchen Bodenaltertümer,
mworunter nicht mur die präbiftoriichen,
fondern aud) die römischen und frühmittel-
alterlihen Altertümer zu verftehen find,
im Bufammenhang mit der Pflege der
übrigen Aunftdenfmäler einem General:
fonjervator übertragen werden, dem
drei ftaatliche Pilegerim Hauptamt
unterftellt jein jollen, denen wieder eine
Anzahi freiwilliger Pfleger zur Seite
ftehen wird,
Da der Staat jederzeit die Möglichkeit
haben foll, von jedem einſchlägigen Funde
auch deſſen milfenfchaftlihe Verwertung
durchzuſetzen, und es auch höchſte Zeit ift,
dem bayerifchen Lande feine für die Urge-
ſchichtsſorſchung liberaus wichtigen Weber:
reſte aus frühgefchichtlicher Zeit voll und
ganz zu retten und zu wahren, erachtet
e8 der Geſamtverband als eine jeiner vor:
dringlichften Aufgaben, ein bayerifches
Denkmalſchutzgeſetz in die Wege zu
leiten. Die Verſammlung beſchloß daher,
dem Staatöminifterium zum Schutze aller
auf die Fulturelle Bergangenheit Bayerns
in allen Beitperioden bezüglihen Denf-
mäler beweglicher und unbemweglicher Art,
die von Menichenhand geichaffen find, ſowie
zum Schuge der Schönheit oder Eigenart
der natürlihen Beſchaffenheit unferes Bater-
landes (Naturpflege) einen Gejekentwurf
zur Vorlage an den Yandtag zugehen zu
lafien. Hiernach ftünde bei unbeweglichen
Bodenaltertünern dem Staate zu a)die
Pflicht des Schußes, b) das Recht
der wiſſenſchaftlichen Unterſuchung,
c) das Recht des Vorkaufes. Jedes
Bezirksamt hat ein Verzeichnis der im
Bezirke befindlichen Denkmäler zu führen.
Schutzmaßregeln dürfen dem Be—
figer feinen Schaden bringen; im Schaden-
falle wäre der Beſitzer voll zu entfchädigen.
Bewertung des Schadens, auch durch Unter-
ſuchung, ebenfo die Bewertung im Falle
des Anfaufs erfolgt dur den Dentmals-
pfleger des betreffenden Kreiſes unter Be—
rüdfihtigung aller Umftände, innerhalb
vier Moden vom Tage der ftaatlichen
Mafregeln an, bezw, vom Tage der An—
zeige der Berfaufsabfiht. Der Befiger
hat das Recht, das Gutachten eines von
ihm zu bezeichnenden anerfannten Sad:
verftändigen zu verlangen und eventuell
binnen wenigen Wochen die Entſcheidung
des Generalfonfervator® und der urge:
ſchichtlichen Kommilfion herbeizuführen, wo»
bei ihm feine Koften entitehen dürfen.
Beabfichtigt der Befiger jelbft eine Ber
änderung an einem Bodenaltertum vorzu—
nehmen, fo ift dem zuftändigen Pfleger
14 Tage vorher Anzeige zu machen.
Ausgrabungen nah Gegenftänden
fulturgeichichtlicher oder ſonſt gejchichtlicher
Bedeutung dürfen nur nad vorberge:
gangener Anzeige an das Bezirksamt oder
an eine andere ſeitens des Minifteriums
des Innern zu bezeichnende Behörde aus—
führt werden. Zufällige Funde find
umgehend dem Bürgermeifter oder Bezirks:
amt des Fundortes anzuzeigen.
Lang dauernde Verhandlungen fnüpften
fih an das Kapitel Enteignungsredt
im Intereſſe von Ausgrabungen
und an die Strafbeftimmungen.
Möchten nun Regierung und Landtag die
von allen beteiligten Kreifen einftimmig als
dringendjt notwendig befundene gefegliche
Regelung des Schußes unjerer vor: und frühge⸗
fhichtlihen Denkmäler in Bälde herbeiführen!
„Deutſche Geſchichte auf heimatlihder Grundlage“
von Th. Zink, 1907, I. Lieferung, das
uns die nähere Beiprechung diejes erfreu-
1. Jahrtauſend umfaſſend. Wir behalten | lichen Werkes im nächſten Hefte vor.
Die Fliegen und Mücken find von jeher
wenig beliebte Begleiter der Sommermonate
gewejen. Neuere Forſchungen haben aber
ergeben, daß es ſich daber nicht nur um
unangenehme, jondern gelegentlih um jehr
gefährliche Tiere handelt. Es hat fich ge:
zeigt, daB das Wechjelfieber und das gelbe
Fieber, dann aud die Schlaffranfheit und
andere anfterfende Stranfheiten durch Mücken
übertragen werden. Fliegen find wahr:
ſcheinlich ſehr gefährliche Ueberträger von
Typhus und der jommerlichen Brechdurch—
fälle. Sie leben ja mit Vorliebe von
tierifchen und menſchlichen Abfällen und
übertragen die darın enthaltenen Keime
auf die Speifen. Es wäre daher nicht nur
eine Forderung der Neinlichkeit, jondern
auch eine der Hygiene, daß man die Speifen
in Näumen aufbewahre, die durd; möglichit
feinmafchige FFliegengitter gegen das Ein—
dringen der Tiere geſchützt find, daß man
eventuell da, wo das nicht möglich ift, Über
Speijen, die vor dem Genuß nicht nochmals
gekocht werden, namentlich Fleiſch, Milch,
ſüßes Brot, Mehlipeifen, Früchte, eine
Drahthaube ftellte. Direkt gefordert müßte
das werden in Wirtichaften und anderen
Beichäftsbetrieben, wo Speifen verkauft
werden. Gegen die Folgen des Stiches der
Müden, Weipen ꝛc. ſich zu fchügen, it
ichwieriger. Am beiten bewährt es fich noch,
wenn man Ammoniaf fofort nad dem Stid)
in die Wunde einzureiben ftrebt. Allerdings
ein ausgiebiger Schuß gegen die in manchen
Gegenden graffierende Mücenplage iſt damit
nicht gegeben. Es muß hier eine allgemeine,
hygienische Bekämpfung eingreifen. Wie
viel dabei zu erreichen ift, dafür it, wie
die „Blätter Für Volksgeſundheitspflege“
jchreiben, die Stadt Havanna auf Kuba ein
ichlagender Beweis. Durch die ſyſtematiſche
Vertilgung der Mücken, die während der
amerikaniſchen Beſetzung durchgeführt wurde,
ſind die Todesfälle am gelben Fieber von
467 pro Jahr auf 5 herabgedrückt worden.
Breslau, wo man unter den Mücken auch
viel zu leiden hatte, hat auf Flügges Ver—
anlaſſung den Kampf gegen dieſelben vor
wenigen Jahren aufgenommen und ebenfalls
vorzügliche Erfolge erzielt. Es geichieht,
indem man der Mückenbrut zu Leibe rüdt.
Dieje wird auf ftehende Gewäſſer abgelegt.
Eine weibliche Müde legt ungefähr TOO
bis 900 Eier, die in 14 Tagen voll aus-
gebildete Müdfen werden. Dan foll daher
einerjeitd dafür jorgen, daß Waſſertümpel,
Plügen, Wafler in Töpfen, Giehfannen,
Blumenunterfägen, Tonnen nit ftehen
bleibt: Wo man das Waſſer nicht entbehren
fann, genügt es, die Oberfläche mit einer
dünnen Schicht ‘Petroleum oder Saprol zu‘
begießen. Soll das Waſſer benüßt werden
wie in Regentonnen, jo fann man es mittels
eincd am Boden eingelegten Hahnes aus:
laufen laffen. In ähnlıdier Weife hat man
auch verjucht, durch Berroleum in fiehenden
Tümpeln das Ablagern der Mücdenbrut zu
verhüten. Mit Necht wird bejonders ge-
fordert, daß Bade , Luftfurorte und Sommer»
friſchen ſich die Mühe nehmen follten, ihre
Säfte, wie fie fie vor anderen Schädlid-
keiten umd Unannehmlichkeiten zu ſchützen
juchen, au vor den Mücken zu bewahren,
indem fie die relativ einfache Methode zur Be—
fümpfung ſyſtematiſch Durchführen laffen. Die
Häuſer ſelbſt jollten durh Abbrennen von
Inſektenpulver von den darin enthaltenen In—
jeften, Fliegen und Mücken gejäubert werden.
Bo durch Weleitigung der Waflertümpel
nicht8 zu erreichen ift, müßte wenigftens durch
Drahtnege das Eindringen in die Wohnräume
verhindert werden, was jonft nur durd Ab»
ſchluß der Feniter vor Beginn der Dämmerung
und auch dann nur unvolljtändig zu erreichen ift,
Ruckuckseier.
Daß der Kuckuck ſeine Eier mit Vor—
liebe in die Neſter kleinerer Vögel legt und
von dieſen das unbequeme Brutgeſchäft be—
ſorgen läßt, iſt eine bekannte Tatſache.
Das Sonderbarfte aber dabei ijt, wie
Bergmann in einem Auſſatz „Hausmirt
und Mierer im Tierreih” in „Aus der
Natur” (Heit 7, 1905) mitteilte, daß die
Gier der Farbe des übrigen Geleges meift
angepaßt find, jo daß aljo das Kuckucksei
in einem Neft mit braunen Giern braun,
in einem Neft mit blauen Eiern blau und
in eınem mıt gejprenfelten Eiern gejprenfelt
it, Diefe Anpaffung geht jo weit, daß
100
man das Audfudsei oft nur an dem Größen»
unterjchied erfennen fann, bat aber ihren
Grund mwohl darin, daß jedes Kuckucks—
mweibchen immer nur die Nefter einer ganz
beftimmten Singvogelart heumfucht. Stein
Wunder, daß dann die Pflegemutter das
eingeihmuggelte Ei für ihr eigenes nimmt,
bis der ausgebrochene Kuckuck als gefräßiger
Einmietling den Wahn gründlich zerftört.
Mie deutet der Pfälzer fremdartige Ausdrücke nm?
Bon Theodor Zink in Haiferslautern.
Im 200. Märden erzählen uns die
Brüder Grimm, wie ein armer Junge
draußen im Walde den Schnee wegicharrte,
um fi ein Feuer zu bereiten. Da fand
er, wie er fo den Grdboden aufräumte,
einen Fleinen goldenen Schlüfjel und glaubte,
wo der Scjlüffel wäre, mühte auch das
Schloß jein, grub in der Erde und fand
ein eifernes Käſtchen. Nad vielem Suchen
entdefte er auch das Schlüſſelloch dazu,
aber fo Elein, daß man es faum jehen
fonnte. Er probierte und der Schlüſſel
paßte glüdlihd. Da drehte er herum und
öffnete und fand wunderbare Sachen in
dem Käſtchen, Perlen und Edelſteine.
Die Brüder Grimm ſelbſt fanden
ein ſolches Käſtchen und in ihm den
wunderbaren Schatz der deutſchen Sprache;
denn fie erſchloſſen den Schatzbehälter und
zeigten im Sonnenlidjte all die funkelnden
Edelfteine dem erjtaunten Volke, das bis
dahin den Schatz nicht zu heben vermochte.
Eine Berle aus diefem hat uns der Sprad:
forjher Andreſen bejonders gefaßt:
er jchenfte unjerem Volke jenes prächtige
Bud: „Ueber die deutfhe Volks—
etymologie“*), das jeder freund der
Sprade kennt. Er bezeichnet diefe Sprach—
erjheinung als die Kraft, durch welche
zwei etymologifch in der Regel ganz unver-
wandte Wörter miteinander verfnüpft werden.
*, Genauer Titel: Ueber deutſche Polls:
etymologie von Karl Andreſen. Sechſte, ver:
beflerte und vermehrte Auflage. Beforgt von
Dr. Hugo Andreſen, Profefior an der Akademie
zu Münſter. Leipzig, Verlag von DO. R. Reis—
land. 1899. Meine Urbeit enthält nur Volks—
deutungen, die Andrefend Bud nich (nt)
Zink.
Den unſchönen Namen Bolfsrty-
mologie verdanfen wir dem berühmten
Spradforjher Förftemann, der damit
eine Spracdeigentümlichfeit bezeichnet, die
wohl uns allen geläufig ift, die aber den
wenigiten zum Bemußtjein fommt. (Wir
haben eine Erfcheinung vor uns, die, um
e8 kurz zu fagen, auf Ajfimilation der
Torftellungen beruht.) Unter ihr verftehen
wir das Sjneinanderübergehen zweier Wörter
entweder bdesjelben Schatzes oder ver-
ichiedener. Im erften Falle, wenn es fich
für uns um Berichmelzen zweier deutjcher
Wörter handelt, reden wir gewöhnlid von
Anlehnung, Umbildung, Zurechtlegung oder
Umdeutung, welche Begriffe alle treffender
die Sache fennzeihen als die merfwürdige
Bildung: Volksetymologie. Der Allgemeine
Deutihe Spradjiverein ſpricht von volfs-
tümlicher Umdeutung oder Volksdeutung.
Dod der Ausdrud ift in der Sprachwiſſen—
ichaft gang und gäbe geworden und wohl
nicht mehr auszurotten,
Im zweiten Falle fprehen mir von
einer Umdeutſchung aljo, wenn ein fremdes
Wort irgend einer Sprache fi den
deutihen Zautverhältniffen anpaßt
und feinen urſprünglichen Sinn verliert.
Wir haben uns in der Volfsetymologie
mit dem Unverftandenen, fremden
zu beichäftigen, das, weil e8 fremd ift,
Beränderungen erleiden muß.
Wollen wir aber alles das als Bolfs-
etymologie aufnehmen, mas beim Auf-
treten im Sprachbewußtſein nicht dem
Etymon (der Wahrheit) entjprechende Be:
deutung auslöft, jo müßte man ihr Gebiet
weit ausdehnen; denn faft alle Wörter
vermögen wenigſtens in der Borftellung
eine volksetymologiſche Erklärung wachzu—
rufen, die mit dem ſachlichen Sintergrunde
des betreffenden Worted gar feine Be:
rührung hat; jo denft man ficher bei
„Heiland“ und weiland“ an „Land“, bei
Lindwurm an Linde, bei Badbord in Mittelr
und Oberdeutichland an baden, bei Dam:
birihd an Damm, bei Dienstag an dienen,
Daß nıcht zulegt die jogen. Rechtichreibung
Ihuld an der Umdeutung ift, bemweift
legteres Wort.
Bei der häufigen lautlichen Aehnlichkeit
von Wörtern mit andern, die oft mur
Silben oder Teile berührt, kann es nicht
wundernehmen, daß Uuseinanderliegendes
zulammengerüdt wird, Dem jpraclid-
logijch wenig geſchulten Wolfe, aljo denen,
die mehr nadı dem Herkommen und dem
Zufall denfen, genügt oft ein Buchitabe,
der die richtige Beurteilung des Ganzen
gefährdet.
Die Bolfserymologte kann nur durch
die Piychologie erklärt werden. Das
Sprachbewußtſein wehrt ſich dagegen, daß
der Name bloßer Schall je. Es wird
hiebei aber feine große Denftätigfeit ent:
faltet, ja diefelbe tritt gegen XYaune und
Zufall oft ganz zurück; von logiichem
Denken kann feine Rede fein,
Es kommt bei volfsetymologiichen
Bıldungen jehr auf Beit, Ort und Um—
fände (Stimmungen) der einzelnen Berjonen
wie ganzer Bölferr an. Was ſich der
einzelne volksetymologiſch zurechtlegt, braucht
noch nicht immer der Gejamtheit zu ge:
fallen. Ich erinnere nur an ein Beifpiel
aus der Pfalz aus den legten Jahren.
Den Volkskreiſen war das Wort Influenza
ganz unbefannt. Als es vor etwa fünf.
zehn Jahren Modewort wurde, gebrauchten
es auch die weniger gebildeten Kreiſe,
freilich nad ihrer Weiſe; denn Influenza
wurde zu Infulenzia und Ddiejes zu
nfaulenzia. Das Wort mwäre in feiner
legteren Form ficher in früheren Jahr—
hunderten, wo das geichriebene Wort noch
feinen folden übermächtigen Einfluß hatte,
feft geworden, aber die Tagesliteratur, die
das richtige Wortbild zu gewiſſen Zeiten
Tag für Tag brachte, hat der Entſtellung
vorgebeugt.
Ein Kind wird anders vollsmäßig
umdeuten als ein Erwachſener und die
Gegenwart anders als die alte Beit, denn
heute beherrſchen ganz andre Vorftellungs-
reihen die Sprade ald vor etwa taufend
Jahren; andere Lautverhältniſſe liefen auch
andere Deutungen zu. So dachten, um
nur ein Beiſpiel zu erwähnen, unſere Vor—
fahren bei dem griechiſch-lateiniſchen marga-
rita in der althochdeutſchen Zeit an
meregriez. Mehrzahl: meregriezzön, gotiſch:
märikreitus, d. i. fürniger Meerfand, ob:
wohl dem mirfliden Sinne nad unter
margarita Perle zu verftehen ift.
Daß dieſe oberflächliche pſychologiſche
Tätigkeit den Mundarten mehr eigentümlich
ift als der Schriftſprache, iſt klar; denn
es ift ficher, daß Wörter, die nie oder
ſehr felten geichrieben werden, eher dieſe
Veränderungen erdulden müſſen, als die
häufigen Wörter der Schriftſprache.
Wenn auch die Sprachwiſſenſchaft im
19, Jahrhundert uns erft das Weſen der
Volksetymologie erflärt hat, jo treibt dad)
gerade die Wiſſenſchaft jelbft noch öfters
Volksetymologie“. Wir fünnen fie nad)
Andreien die „gelehrte” nennen. Ich
denfe hierbei in erfter Linie an pfälziſche
Verhältniſſe.
Man tut ſich nämlich in der Erklärung
zahlreicher Orts- und Flurnamen außer—
ordentlich leicht und iſt mit der erſten
beſten Deutung, die ſich gerade ergibt, zu—
frieden. Ich will nur einige Beiſpiele an—
führen: Jeden etwas fremd klingenden
Namen fuht man gerne vom Yateinijchen
berzuleiten oder man will ihm einen mytho-
logiihen Sinn geben. Wurde mir doch
vor furzer Beit allen Ernſtes entgegenge-
halten der jüdpfälziihe Name Kuhard, in
älterer Form einmal als Cohard erhalten,
fomme vom lateiniichen Cohors und bes
deute das Lager einer Cohorte, Ale
älteren formen diejes Ortsnamens haben
aber als zweiten Sompofitionsteil hard
und diefer bedeutet Wald oder vielmehr,
wenn wir den erften Teil des Wortes
wirklich als „Kuh“ deuten wollen: Wald:
mweide; denn auch in diefer Anmwendung
fommt hard (richtiger härt) vor. In
Albersweiler bei Landau gibt es den Flur—
namen fälbert, der nad Dr. Bhil. Keiper,
Weſtpfälziſche Geſchichtsblätter 1903, Nr. 3,
früher Küälber-hart lautete, und die von
Birlinger aufgeftellte Behauptung beglaubigt,
daß härt als Waldweide aufgefaht werden
fann. Kuhardt ift aber jedem Pfälzer als
Dorf an dem weitbefannten Bienmwalde ge»
läufig und es ift nicht auffallend, daß hier
Ortsnamen mit härt häufig find.
Ueber den Namen Grünftadt jchreibt
ein hervorragender ſtenner der pfälzischen
Geſchichte, daß er von Criniti statio fomme,
Crinitus war ein Vorname des römiſchen
Kaiſers Trajan und da Grünftadt nad
weislich römifchen Urfprungs ift, jo ſchließt
der Berfafler des Werkes: Grünftadt und
Umgebung von Emil Müller, Grünitadt
1903, ©. 29, daß jeine Deutung einer
guten Grundlage mit entbehre. In
Grünftadt haben wir fidher einen deutſchen
Namen, wenn auch „Grün“ jelbit wieder
volfämäßige Umdeutung eines alten Grind
bezw. Grinde ift; noch heute fagt das
Volk richtig Grinnstalt, Grennstadt, nur
entfernter wohnende gebraudhen Grün:
ftadt—=grinstatit. Grind (Urindestat bis
ins 16. Kahrhundert) war einft in ber
rheinfräntiichen Volksſprache Gattungsname
fo gut wie bei den Wlemanen,
Dies bezeugen Flurnamen aus unierer
Pfalz: uffem Grind = d. i. auf dem
Scheitel einer Erhöhung. So heißt es in
einer Falkenfteinifhen Urkunde vom Jahre
1551, wo von einem Grenzbegängnis bie
Rede iſt: „Johannescreuz ftett, ann. bis
den negften volgenden ftein vffm grindt,
die richt und ſchlicht ſuchen“. Moch deut:
Iıher wird eine Urkunde des alten Aur-
pfälzer Oberamtsftädtchens Alzey im Algeyer
Urfundendbub vom Wimmer, &. 271:
Ill ingera vinearum sita in monte dieto
„Grind“ apud Alceiam. Der Grind iſt
heute noch im Volksmunde der Pfälzer der
Sceitel des Kopfes: ich hau der ens
iwer de Grind. Ich glaube, dieje Belege
genligen, um Grünſtadt, d. i. die Grinde-
statt, als Plag an oder auf einem Grinde,
d. t. einer Erhöhung, zu erflären. at:
ſächlich ſtimmt damit die Lage der Stadt.
Als weiter möglich fann nur ein Perjonen-
name Grindeo, Grimdeo oder Grindo in
betradht fommen, da die meiften Zuſammen—
ſetzungen mit — stadt bezw. statt auf ben
Namen des erften Siedlers zuriidgehen, |
3: ®. Dannstadt — Dandistadt oder Tanti-
102
statt, Mutterstadt = Muotheres- = statt
u.a Mm.
Der fehr klare Namen Kaiſerslautern
mußte ſich bei den alten Chroniſten aller:
band Deutungen gefallen laffen, die ich
ber Merfwürdigfeit halber bier anflihren
will: In der Lauterer Chronik als An—
hang zu den Antiquitates imperii ad
Rhenum erzählt ein alter Chronift allen
Ernftes, daß zur Beit Diocletians in Trier
eine edle Frau Lutrina aus aſſyriſchem
Geſchlechte gelebt habe, die gezwungen
wurde, mit ihrem Geſinde in die Wälder
zu fliehen, meil fie Chriftin war, Als fie
aber irr in den Wäldern umbergezogen
und nirgends eine Ruheſtatt fanden, feien
fie in einer maldigen Wildnis zur Stlaufe
eines Einftedlers gefommen (Eınfiedlerhof
bei Kaiferslautern) und hätten allda eine
Wohnung erbaut und diefelbe fur; Lauteram
Litoram genannt, woher denn der Name
Yautern fomme,. Gerade fo märdenhaft
klingt die folgende Behauptung derjelben
Ehronif, die Fan demnad; nicht mit einer
hiſtoriſchen Erflärung begnligt: Kaiſer Karl
der Große jei auf einem Zuge nad) Sachen
814 nach Lautern gefommen, habe den Ort
ganz tauglich zu einer Stadt gefunden und
deshalb angefangen, ihn mit Gräben,
ftarfen Mauern und hohen Türmen
zu umgeben, darauf babe er den Ort mit
Stadtrecdhten begabt und Lutram Latoliam
Pr Als aber in diejer Gegend die
ranzbſiſche Spradye verdrängt worden fei,
da Sei fie Naiferslautern genannt worden. —
In Wirklichkeit kommt der Name Qautern
vom durchfließenden Bache Yauter, der in
althochdeutſcher Zeit Lutra heißt, abgefürgt
aus der vollern Form lüteraha oder
Lutaraha vom Adjektiv hlüter, d. i. flares
Waſſer im Gegenfaß zu den Sümpfen der
Gegend. Auch die Ableitung aus lutra,
d. i. Fiſchotter, ift als gelehrte Umdentung
zurüdzumeijen, da fle neben dem nahen
Otterbach und Dtterburg, bezw. Otterberg
auffallen muß.
In gewiſſen Streifen befieht zum Zeil
heute noch die Sucht, in unfern Berg- und
Flußnamen irgend etwas Miüythologifches
zu finden. So bdenft der befannte und
bedeutende Schriftfteller Auguft Berker in
dem Namen Orensberg an einen Odinsberg,
indem er „re in Orens als ftimmbaftes
— 18 —
d, pfälgifch wie r geiprocen, auffaßt. Odin
ift befanntlich die nordifche Form für das
al thochdeutſche Wuotan, das im Schwäbiſchen
ald Muetes in Muetesheer fortlebt. Ein
Ddindberg iſt ſprachlich nicht möglich in
der Pfalz.
Den Modenbach bei Edenkoben furzer-
hand als Wodenbach zu deuten, weil in
der pfälzifhen Mundart w oft zu m wird
(Schmalme — Schwalbe, meer — wir) ift
folange gewagt, als fein urfundlicher Beleg
vorhanden ift, der die Deutung erhärtet.
Es klingt jehr kühn, in gewilfen Namen
einen altheidnijchen Hintergrund zu finden,
da er ja nie Ddireft nachgewieſen werden
kann. Sowohl der Siegiriedsbrunnen in
der Nähe des Dracdenfelfen in der untern
Haardt ald auch der befannte Brummholz-
ftubl bei Bad Dürkheim erinnern nit an
unfere Heldenfage. Denn diefer Brumm:
holzſtuhl iſt kein Brunhildisftuhl, jondern
ein brünoldes stul. Im Burgfrieden von
Dürkheim vom Yahre 1360 heißt es: vnd
von dem stein der da stat an der furte.
biez an den stein der da stat in dem
wingarten. vnder brünoldes stul. vnd
dan von brünoldez stul biez in den
phat der die sumerwune herabegat.
Siehe Ohlenſchlager, Mitteil. des Hiftorifchen
Dereins der Pfalz, 1895,
Die dieſe wenigen Beijpiele bemeifen,
beruht die piychologiiche Tätigkeit, die mir
Dolksetymologie zu nennen gewohnt find,
vor allem auf dem ®leichklange zweier
Wörter. a, der Gleichllang übt bei
flüchtiger geiftiger Tätigkeit eine folche Ge»
malt aus, daß Sinn: oder Gedanfenlojes
leicht entſteht. Daher darf e8 uns auch
nicht wundernehmen, wenn die Behauptung
allgemein gilt, in volfsetymologifchen Dingen
jei alles möglid. Dem ſprachlichen Gleich«
flang folgen bei der Mpperzeption die
mwiderjpredhendften Worte. So mird im
Volksreim aus (Profeſſor — Brotfrefier,
auf welchem Wortſpiel ſich eine Weſtricher
Volkserzählung aufbaut) aus succesive —
ſchluckzeſive (trinfen), aus fourage — Futter»
afch unter Anlehnung an Futter. Das
beliebte Bolfslied vom Prinzen Eugenius
hat das auch in der Pfalz bekannte
foutragieren ftatt fouragieren.
Manches Sprachgebilde feuchtfröhlicher
Laune fand bereitwillige Aufnahme im
Spradihage. Was aber bemußt umgedentet
wird, alfo abſichtlich in falfche Beziehungen
kommt, hat lange nicht die Ausſicht, all»
gemeine Gilltigkeit zu erlangen, wie die
dem unbewußt ſchaffenden Spradigeift des
Volkes entftammenden Änderungen. Letztere
find Erfcheinungen, die fih naturgemäß
nicht nur bei uns, fondern bei allen
Völkern, befonders bei Naturvölfern finden.
Wir können auch bdieje Spraderjcheinung,
wie ich fchon erwähnte, bis hinauf in die
ältefte Zeit verfolgen. Eines der älteften
Beifpiele ift es mohl, wenn im Gotifchen
anftelle von gardwaldands = Hausherr —
gardawaldands ſteht. gards = Haus,
garda — Stell. Wohl das jüngfte Bei-
fpiel aus der Pfalz ift Mentor ftatt Motor.
Der Schreiber der älteften Beit fteht
gerade jo unter dem Eindrudf der geiprochenen
Sprache wie ein großer Teil unjeres Volkes
von heute; fie verlaffen fih nur auf das
Ohr. Die zahlreihen Fehler in der
Schreibung alter Ortsnamen in unſern
Urkunden find imgrunde genommen nichts
anderes ald augenblidliche volfsetymologifche
Bildungen, die nur furze Lebensdauer
hatten.
Gerade für die Umdeutung unferer
Drtönamen gelten Goethes Worte aus
Dihtung und Wahrheit II, 12. Buch,
&. 59 der Cottaſchen Ausgabe der Biblio:
thek der Weltliteratur: „Reine Überlieferung
wird ihrer Natur nach ganz rein gegeben,
und wenn fie auch rein gegeben wilrde, in
der Folge jederzeit vollkommen verftändlich
fein, jene8 wegen Unjulänglichfeit der
Organe, durch melde überliefert wird,
diejes wegen des Unterſchieds der Beiten,
der Drte, bejonders aber wegen der Ber-
fchiedenheit menichliher Fähigkeiten und
Denkweiſe“.
Als Belege hiezu diene folgendes:
Aus Berichten über die Göllheimer Kaiſer—
fhladıt 1298 ftammen für den Namen
Donneröberg : Tursperg, Tunsperg, Dorns-
perg. Ein Fugger fchreibt: Thurnsberg,
Thaunersberg, andere wieder Dohrsperg,
quasi Tonnersperg, ut vulgo volunt, quasi
Tonantis montem dicas.
Ich will im folgenden zuerft eine größere
Bahl pfälzifher Ortsnamen bringen,
die ſich das Volt in feiner Weiſe zurecht
gelegt hat. Wir treffen unter ihmen nicht
nur veraltete deutiche Wörter, die im jpäteren
Sprachſchatze des Volkes feinen verwandt-
ſchaftlichen Anſchluß fanden, jondern auch
fremdſprachliche Güter in reichſter Fülle,
Neben dem Lateinifchen und Franzöfiichen
verjchwinden zwar andere Sprachen; aber
im entlegenen Weftrich finden wir einen
Ortönamen, der der türfiihen Sprade
entftammt und leicht umgedeutet werden
konnte. Ich bringe ihn zuerft.
Als König Karl XII. von Schweden in
Bender von den Türfen gefangen gehalten
wurde, wagte es der Polenkönig Stanislaus,
ıhn dort aufzufudhen. Er wurde aber eben-
falls gefangen gefegt und bewohnte ein
Jahr lang ein in der Nähe von Bender
gelegenes Landgut, ein Tſchiftlick nad
türkischer Bezeichnung. Als der vertriebene
Polenfönig jpäter im jtillen Biweibrüden
Aufnahme fand, nannte er feinen Sommer:
fig in der Nähe der Stadt: Tſchifflick; eine
Eijenbahnftation mit zwei Bauernhöfen in
dichter Nähe des jegt verödeten Fürftenfiges
trägt heute noch den fremdflingenden Namen,
den das Volk als Schifflick und Schubflid
deutet. Es wußte früher in Anlehnung an
diefe Entjtellung zu erzählen: Stanislaus
jei jo arm gewejen, daß er jeine Schuhe
in der Einjamfeit des ſchönen Waldtales
jelber habe flicken müſſen. Aus Ddiejem
Beiſpiele erjehen wir, daß die volfstüimliche
Umdeutung auch Sagen, jogenannte Namen»
lagen, verurjadhen kann.
Die ſchöne Sage vom Jungſernſprung
bei Dahn ift jedenfall auf dieſe Weije
entftanden; denn im zweiten Worte „ſprung“
haben wir die ältere befonders im Fränfiichen
häufige Form „ipring“ für Quelle. Yungfern-
ſprung iſt demnad Jungfernſpring oder
»fpreng und die geringe lautliche Aenderung
hat hier eine weitverbreitete Sage hervor»
gerufen.
Die Ebernburg an der Nahe hat nad)
Ausweis ihrer älteften Namensform Eburon-
bere vom Perjonennamen Ebur ihre Be-
nennung; das nordpfälziiche Volk Tegte ſich
den Namen, wie folgt, zurecht: Als einſt
die Burg belagert wurde und die Vorräte
nah wochenlangem Widerftande der Be-
wohner zur Neige gingen, ſah man mit
Schreden, daß bei ausbrechender Hungers:
not feine längere Verteidigung möglich jei.
Nur noch einen mädjtigen Eber hatte der
104
Burgherr im Stalle. Wenn nun morgens
der Tag graute, zerrten ihn die Sinappen
in den Burghof, legten ihn wie zum
Schladten bereit auf den Boden und der
Burgherr figelte ihn da mit dem Schwerte,
wo jonjt der Megger zum Schladten an-
jegt. Natürlich erhob das geängftigte Tier
ein mörderifches Gejchrei; da man aber jo-
gleich einen Tränfeimer voll Futter bereit
hielt, um das Tier wieder verftummen zu
laffen, mußten die Belagerer meinen, in
der Feſte werde geichladhtet und der Nauch
fang hänge voll Schinken und Würſte. —
So trieben es die Burgbewohner einige
Wochen; der Feind aber verzichtete auf die
fernere Belagerung, da er verzmeifelte, die
Burg jemals bei ſolcher Ausrüftung erobern
zu fönnen. Der Burgherr ſchlachtete jett
aber dod feinen Eber und verzehrte ihn
mit den Seinen an einem Tage; denn alle
waren jehr hungrig. Zum Andenken gab
er Seiner Burg den Namen Cbernburg.
So die Sage.
Der Name Hinfeljtein bei Staiferslautern,
der nur Entjtellung aus älterem Hünenſtein
ift, alſo einen vorgejchichtlihen Begräbnis
plat bedeutet, hat zu folgendem Brauche,
den uns Hollenſteiner in feiner Kleinen
Geſchichte der Stadt erzählt, geführt: Wenn
früher Buben zum ersten Male in den Stadt:
wald gingen, um Holz zu leſen, wurden fie
am erften Marffteine des Stadtmwaldes, der
jegt Hinfelftein heißt, mit dem Kopfe un:
ſanft aufgeftoßen und dabei gefragt: „Hörft
du die Hinkelpfeifen?“. Alſo vollitändige
Umdeutung.
Treten wir eine furze Wanderung durch
die Pfalz an und jehen wir uns nad) volfö-
tiimlichen Umdeutungen in Ortönamen um,
Beginnen wir mit der alten, erniten Kaiſer—
ftadt Speyer. Der große Sprachforſcher
Zeuß hält „das große Paradies" des Domes
vor 1689 für latein. portieus; denn Simonis
fagt in feiner „Beichreibung aller Biſchoffen
uſw.“ „das Vorzeichen der Domkirchen, das
große Paradeiß geheißen“. Schon in den
Bolizeiverordnungen des 14. Jahrhunderts
wird es verboten „vnder dem paradiz
zum Dome* feil zu halten. Zeuß Un-
nahme hat manches für fid).
Der große Geſchichtsſchreiber Speyers
Chriſtophorus Lehmann leitete feinen
Retscherpalast von Retſchar (Räteſchar)
— 15 —
ab; andere dachten an den böhmifchen
Radſchin (vom Slavifhen Hradezana —
Burg) und jchrieben unbedenklich „Retschin*.
Der Retſcher, der heute nur noch in dürf:
tigen Ueberreften aus der Zeit des großen
Brandes vorhanden ift, war der Hof des
reihen Adelsgeſchlechtes Retzelin, Ret-
schelin, Retscheln, Retzel, Retschel, deren
Name nur Kurzform für Radolf, Radhart,
Radewin if. ine ältere Form mußte
nah Zeuß Ratzilin fein; vergleiche den
Namen Ratzel! „el* erflärt fich leicht
als Bertleinerungsfilbe der Kofeform. Schon
in mbd. Beit find in Speyer Spradformen
wie gärtel, gessel, burgel, für Gärtden,
Gäßchen, Burglein jehr gebräudlid. Auch
eine Speyerer Urkunde bei Lehmann, ©. 313
beweift mit den Worten: In civitate Spi-
rensi in curia Retzelini die Abftammung
des Hausnamens von einem Perfonennamen.
Die alte Dietbrüde in Speyer hat ſich
die unſchöne Entftellung in Diebsbrüde
ihon ſeit Yahrhunderten gefallen laſſen
müflen. Ueber diefe Brücke führte die
große Heerftraße, in alter Sprache Diet-
strazze, d. i. Volksſtraße, nah Worms,
Im Sabre 1214 wird die Kirche zum
heiligen Grab: ecclesia sancti sepulcri
apud Spiriam sita que Dietbruege nun-
cupator genannt. Die Mönche des Klofters
dajelbft hießen domini in dippruggen:
1312 wird ein Binsvelt ultra Diebrugge
erwähnt. Der Ausfall von t, der ın unjerer
Mundart vor b, g und p, k jehr häufig
ift, hat fih erhalten und wir finden nur
noch Diepbrucken, in den Binsblihern des
16. Yahrhunderts jogar Diebsbrücke, wie
heute. Ob alle Namen auf Dieb dieſe
Wandlung durdliefen, fann aus Mangel
an urfundlichen Belegen nicht immer ent«
fhieden werden. Wir finden Diebswege
bei Stirrmweiler und Herrheim, Diebspfade
bei Kaijerslautern und Marnheim. Einen
Diebsbrunnen nennt die 3564. Regefte der
Pfalzgrafen und ein Diebsgraben ijt bei
Nanzdiezweiler. Sicher find unfere Diebs-
wege und Diebspfade = Dietwege bezm.
Dietpfade, d. i. allgemeine Wege und Pfade,
mittelhochdeutich diet — Boll, Im Flur-
plan von Speyer von 1715, herausgegeben
von Harfter, in Nr. 13 der Mitteil. des
Hiftorifchen Vereins für die Pfalz, ©. 95
findet fich folgende Anmerkung zum Bud)
ftaben G: „G Sind zwölff Loch = Gruben,
die gleichfalß Speyer und Schifferſtadt
fcheiden und mit denenfelben Anno 1574
gemeinjfam eroffnet und ausgeworffen: Auch
in folgenden Jahren verjchiedentlich wiederum
von den beeden Theilen aufgehoben und
renovieret worden.”
Diefe Loch Gruben find Lachgruben;
d. h. Gruben als Grenzzeihen. Das mittel.
hodydeutich läche, lächene bedeutet Ein-
ichnitt, Kerbe auf dem Grenzftein, Grenz
ftein jelbft, oder überhaupt jedes Grenz«
zeichen. Das lange a der mittelhochdeutichen
Zeit geht bei uns regelmäßig in 6 liber,
das in BZufammenfegungen verkürzt wird,
Gine Ausnahme bildet der Flurname
Lachenbösch, d. i. Buſch an der Grenze,
der jich bei Ulmer findet und heute noch
die Banngrenze teilweife bezeichnet.
Deutlich ſchimmert die alte Bedeutung
auch in dem zu Loch gewordenen Läche
durch, wenn e3 in der Velmann'ſchen Be:
ichreibung der Grenzen von Wolfftein 1602
heißt, daß der Stadtwald „abgelocht*
wurde. In der Urkunde liber den Grenz
begang ſteht:
„Das erfte geloch fteht vnden an der
ftraßen vnd ift ein Buchbaum, von diejem
geloch 30 geloch, deren noch vier findt,
biß herab vff Bruderborn vnd ift daz
vnderſte Geloch ein Eychbaum, findt alle
mit Creutzen gezeichner.”
Wenn ed in der erwähnten Speherer
Flurkarte von 1715 heißt „drey davon
(Steine) in einem Drey-Angel* zwiſchen
der Haßlocher und Nehhütter Straße, fo
haben wir eine ſchöne Umdeutung des
lateinifchen triangulum = Dreief vor ung,
die aber nicht mehr üblich ift, weil unfer
deutijches Wort Dreief doch noch mehr
Lebenskraft beſaß. Wo aber feine Um—
deutung ftattfindet, meine ich, da ift das
Iprachliche Leben erftarrt, da nimmt das
Bolt als Geſamheit feinen Unteil mehr
am geiftigen Berfehr mit der Fremde.
Wir alle find heute logischer gefchult uls
felbft die größten Männer unferer Vorzeit.
Volkstümliche Veränderungen find uns da»
ber nicht mehr fo geftattet, wie es ehemals
der. Fall war. Pfalzgräfin Elifaberh Char-
lotte und Frau Rat in Frankfurt durften
fih ſolche Freiheiten geftatten; unſern
Frauen von heute werden fie als fehler
angefreidet. Der gelehrte, ehelgefinnte
Biihof von Flersheim zu Speyer fonnte
fih zur Beit des Sirchenftreits ftatt des
Wortes Quthertum oder Qurherei ruhig der
Horm Lautherei bedienen und in feinem
prächtigen Buche „Die Flersheimer Chronik“
ichrieb er deutjche und fremde Ortsnamen
nur nach dem Gehör, fo daß es für den
Herausgeber nicht immer leicht war, die
heute üblihe Form diefer Namen fejtzu-
ftellen, weil fie nach dem deutfchen Sprad-
gefühl des Verfaſſers umgedeuter find,
Doch zurück zu unfern umgedeuteten
vorderpfälzifhen Namen! Biele derjelben
fönnen bis zur Sarolingerzeit verfolgt
werden; manche haben ihre ältejfte Form
treu bewahrt. Uber die meiften hat der
mehrfach aufgetretene Lautwandel fo ent-
ftellt, daß die urjprüngliche Bedeutung ver-
loren gehen mußte.
Wenn die Südpfälzer von der Ruine
Bärwelftein reden, jo denfen fie an die
weithin befannte Ruine Bermartjtein, mo
der berühmte Kurpfälzer Amtmann Hans
von Droth jaß. Der ſchöne altdeutſche
Namen Berwart muß fich gefallen laſſen,
in den echt pfälzischen Frauennamen Bärmwel
überzugehen, der aber gar nicht rittermäßig
Flingt. Der Lautübergang erfolgte aber
auf gejegmäßige Weile.
Billigheim hat zu „billig“ Feinerlei
Beziehung, noch weniger zu bello campus,
wie zopfige Gelehriamkeit des 17. und
18. Jahrhunderts meinte. Wir haben viel-
mehr einen rein deutichen Namen, der auf
eiren Eigennamen Bullo zurückgeht; die
älteren formen mie Bullinheim, Bullen-
keim, Bullinkeim oder gar Bunninkeim
mweifen darauf hin, daß dem fränfifchen
Bullinkeim jedenfalls ein vorfränfifches,
alemannifche8 Bullingen borausging.
Für Burrweiler begegnet uns in der
älteren Beit Bubenwilre von Bubo. (Eigen
name.)
Branchweiler, Hof und Hojpital bei
Neuftadt a. d. H., hieß früher Brünechen-,
Brunechenwilre, hängt mit dem ſturznamen
Bruno zufammen, auf den aud das Nord
pfälger Dorf Breunigweiler, die Cigen-
namen Breunig und Braun zurückzu—
führen find,
Dannstadt ift jcheinbar eine Tannen—
ftatt, ein Ort, wo Tannen wachſen, mhd.
106
Tannestat, wie auch Dahn mit den Neben:
formen Dan, Than, Thane, Tan, Dunn,
Tanne und Dannenfels, in älterer Beit
Tannenfel® und Dennweiler. Die ältefte
Form Dantistatt, ſpäter Tantestatt deutet
auf einen Perjonennamen hin. Die Be-
deutung Tanne wird bei Dahn nicht mehr
herausgefühlt, jelbjt nicht in Dennmeiler,
obwohl die Volksſprache jener Gegend hin
und mieder noch die umgelautete Yorm
Denn für Tanne hat.
Dürkheim (mundartlid Derkem) fteht
weder mit Türken, pfälziih Derfe, noch
mit Thüringen in BZufammenhang; mir
haben auch hier eine fränkische Siedelung
auf „heim” vor uns, der eine ältere auf
„ingen” vorausging und die ſich in ältern
Belegen noch findet: ın Durenheim, Duren-
keim, Dürenkeim, Durncheim, During-
keim und Thuringeheim. So wenig Dürk—
heim an die QTürfen erinnert, fo wenig
Bayerfeld a. d. Alſenz an Bayern; denn
die ältefte Form iſt Burvelt. Bur
— Haus oder Eigennamen, vgl. Sippers-
feld Sipparidesveld, Schiersfeld
Skeringesfeld.
So ift auch Gönnheim auf den Eigen:
namen Gyn oder Gain und nicht auf
„gönnen“ zurüdzuführen, da mittelhodh:
deutfche Urkunden Gynheim, Gineuheim
bewahrt haben. Die Ableitung von „gönnen“
fann auch nicht logiſch begründet werden,
Hanhofen ging aus Heyenhoven,
Hagenehoven, d. i. umhegter, umzäunter
Hof am Walde hervor. Der Hanauerhof,
Gemeinde Dielfirchen a. d. Aljenz, lag ehe»
mals in einem Walde: Hag; daher iſt die
Form Hagenouwe aus dem 12, Jahrhundert
richtiger.
Der merfmwürdige Name Einsellum
heißt volfstümlich Anseldem, welches auf
Einseltheim, mbd. Insultheim beruht. Hier
finden wir beide Teile des Wortes entftellt.
Die abgeihmwädhte Silbe heim wird im
Nheinfränkiichen, aber noch mehr im Nieder:
fränfifchen zu um (mit unbetontem u), jo
noch in Pepenkum — Heim eines Pippin
und Oberkum, d. i. Obrigheim, 1411 er
iheint aud ein Tyrkum. Bekannt find
Jockgrim ftatt Jochenheim oder Juchen-
heim, d. i. Juckenheim. Der Südpfälzer
jpricht daher noch lautgerecht: Jockerem.
Zeiskam, mundartlid Zeiskem, hat
als ältere Formen Ceisinken, Ceizenkeim
und Dr. Heeger in Landau feßt bier ein
Ceizingen voraus. Go menig Zeiskam
mit Nammer, hat Maikammer, mundartlid
Maikem, mit Stammer irgend eine Bezieh—
ung; denn die 1437 auftretenden Meyn-
keimmmere und Meynkeymer weijen auf
« „beim“ hin,
Das Dorf Lug bei Annmeiler hieß
Luoch; nbd. luoc bedeutet Tagerhöhle des
Wildes, Tauerhöhle und ift ſprachverwandt
mit Loch und Luke, aber nicht mit lügen,
nbd. liegen. Die Lage des Dorfes beftätigt
diefe Deutung,
So denkt jeder Pfälzer bei Mutter-
stadt an Mutter; aber der Lorſcher Goder
II. 2027 fi. 2257. 3679 bezeugt uns,
daß ein fränfifher Edelmann Meginther
zur Geelenrettung jeines Berwandten Muther
dem KHlofter St. Nazarius bei Lorſch fünf
Morgen Sand bei Mutherstath oder Muter-
stat ſchenkte.
Dod auch dem ftillern Weftrich wollen
wir einen Beſuch abſtatten; es ift nicht nur
jehr reich an geichichtlichen Erinnerungen,
fondern es bietet auch dem freunde der
unverfälfhten Bolfsart ein reiches Be-
obadhtungsgebiet. Freilich der Borderpfälzer
ipottet Über das Weftrich als Wüftreich oder
Biehftrih und fein Donnermwetter! mird
zu „Donner Weftrih”! weil er in das
entlegene Gebiet jenfeit3 der Dart jelten
fommt und daher oft nur dürftige Vor—
ftellungen von ihm befigt. Auch die volks—
mäßige Form der Weftrich erklärt fih nur
ald Anlehnung an Gänserich u. a. ſowie
an Strich. Weſtrich — Weſtreich — Neu-
stria, als Gegenſatz zu Ostarrichi. Austria.
Denn wir durch das Neuftadter Tal
nah Weften wandern, jo begegnet uns bei
LYambredt der merkwürdige Name die
Kränk für ein enges kurzes Tal. Er er
innert uns jofort an die Verwünſchung:
Kri di Kränk, die allgemein bekannt iſt.
Ich begehe aber jedenfalls feinen Fehler,
wenn ich das im 10. Jahrh. bezeugte
Krankendal mit dem ältern kranc, ®effen:
fall kranges = Kreis, Umfreis verbinde,
Der fachliche Hintergrund des Namens
Kränk bietet mir Gewähr genug hiefür.
An derſelben Bahnftrede liegt das
freundliche Weftrichdorf Kindsbadh, am Bache
107
gleihen Namens, der durch die Kinſau
fließt, Wer denft dabei nicht an Kind, wie
der Wolffteiner, wenn er vom Kindſchberge
und ebenfalld vom Kindſchbache jpricht?
Auh der Donneröberger fennt einen
Kinschbach.
Ale diefe Namen ftammen von dem
älteren künec, d. i. König; denn urkundlich
nachweisbar heißt Kindsbach kunegesbach,
der Königsberg bei Wolfftein kunegesberg.
Der Borderpfälzer hat in feinem „Hönigs-
bach“, geipr. Kingschbach, den geſchichtlichen
Bujammenhang treuer bewahrt.
Das alte Nanstein oder Nannenstein,
auch Nanstall und Nannenstuhl genannt,
muß dem verſtändlicheren Zandftuhl weichen,
das als Burgname gar nicht übel Flingt
und und an Landöburg und Landesfron
erinnert. |
Sin gleicher Weife lehnt fich der Name
Eigelmutesheim als Elbisheimer Hof in
der Gemarkung von Marnheim am Donners-
berg an den Dorfnamen Albsheim oder
auch Albisheim an. Der Donnersberger
jagt nur Albsemerhof.
Die zahlreihen Einödgüter treten in
älteren Urkunden, beionders in denen des
16. Sahrh. als Einheit oder Einhayde
auf; aud ift Einöd die ältere Form für
Eindllen bei Lauterecken; dieſe Umdeutung
unter Anlehnung an Elle erklärt ſich aus
dem aſpirierten weichen d, das r — ähnlich
klingt und zu | übergehen kann. In der
Nähe liegt Deinzenhaufen. Das ältere
Hansemanneshüsen wurde zu Heinzen—
haufen (mundartlidh hänsehause). Heisines-
heim zu Hessheim, Hornesowe zu Hirsau,
mdartl. hörscher körch. Unter deutlich
bemerfbarer Anlehnung an das nahe Ein-
öllen bildete fih aus dem Ortänamen
Hohenhelde — Hohenöllen.
In den Bezeichnungen Buchenloch (bei
Kaiſersl.) und Lohnweiler (Dorf bei Zauter-
een ijt der zweite Teil das Jalte loh —
Wald, Lohnmeiler ſpricht der, Einheimijche
beute noch Lohweiler aus.
Zwei Dorfnamen mit der rheinfränfifchen
Bildungsfilbe -scheid, die bei uns in der
älteren Form schied vorhanden ift, aber
auch als schült umgedeutet wurde, erfuhren
im Bolfsmunde eine Umwandlung in
-stadt. Trippstadt hieß nod im 16.
Jahrh. (1563) Trippschitt = schied und
das Dorf Börrstadt am Donnerdberg im
14. Jahrh. Birrscheid. Diejen Übergang
fönnen wir uns leicht durch die Abſchwächung
des Wortes scheid erflären, alfo aus
Trippschet und Birrschet, jo fagt der
Weitricher ftatt Breitscheid — Brätschet
u.a.ım, Auch der Burgname Frauenstein,
der am nördlichen Donnersberg auftritt,
mußte ſich infolge ftärferer Betonung des
eriten Teiles in Fräster umwandeln laffen.
108
Ein „Fräſchter“ ift im Pfälziſchen aber
ein Menſch, der bei allen Gelegenheiten
übertreibt fräschlich, fräschterlich von
mbd. freislich.
Der in der Nähe liegende Russmühler-
hof hieß einft Rulichswilre und Ruodliches-
wilare, der Hof Massholderbach murde
nach Abſchwächung von holder zu Messers-
bach, während doch die alte Form einen
Blit in die Natur der Gegend tun läßt.
(Schluß folgt.)
Barbaroffa auf Zrifels.
Was leuchtet allnächtlih wie Fackelſchein
Bom Trifeld droben in's Queichtal hinein?
Es ift, ald zögen Mannen und Troß
Dinauf nad) dem alten Saiferichloß.
Und Ritter ftehen und Knappen bereit,
Dem Rotbart zu bieten das Chrengeleit.
Er war im Leben hier gerne als Gaft,
Drum hält er au auf der Nachtfahrt Raſt.
Er fitt mie einft auf den eichenen Truh'n,
Darinnen des Reichs Kleinodien ruh'n;
Den Kopf mit dem Bart in die Hände geftüßt,
Sein Auge verhaltenes Feuer bligt.
Doch funfelt der erfte Sonnenftrahl
Bom Berg herüber in's Annweiler Tal,
Dann ehrt vor der leuchtenden Morgenpracht
Der Kaiſer zurück in die Todesnadt.
Dr. Karl Puſch.
Aotiz für Altertumsfreunde.
Im Juniheft des „Heidelberger Bücher:
freundes”, herausgegeben von dem Antiquariat
Bangel u. Schmidt «Dtto Wetters) Iint-
berfitätsbuchhandiung Heibelberg find eine
Anzahl pfälzifcher zc. Anfihten und Städte:
bilder zum Berfauf aufgeboten, auf die mir
Intereſſenten aufmerkſam machen wollen,
(Die Bildgrößen find in Zentimetern angegeben.)
Kat.-Rr. Mt.
521 Lambsheim. Anfiht um 1650
Merian.) 7a: 1748 . 1.—
522 Landau (Pfalz) Anſicht um 1710
3 J. Senfftel fec. Kupferitich
alt: 29%. Schöne Ka leider
one Rand . . 2.-—
627 Landſtuhl. dodichunt um "1630
12/4: 17! 1,50
529 Lautered. Anfiht um "1660
(Mertanı. 10:17. . .. . 1
556 Neuftadt an der Haardt. Anficht
um 1710 aus Bodenehr 20" : 34
Schönes Blatt. Leider etwas ftarf
befchnitten 1.50
KatNr.
601 Speyer Anſicht um 1650. Anon.
Kupferſtich 18:84. Prachtvolles
Blatt mit reicher landſchaftlicher und
figürlicher Staffage. Der Rheinſtrom
tft don zahlreichen Schiffen belebt.
Mit vollem Rande. (Papiergröße
38:51.) Sehr jelten . ur
602 — Stahlſtich um 1850 11:17. .
649 Fleckenſtein. Anſicht der Burg
Fl. im Unter-Elfai um 1650
Merian.) 11: 5%
753 Areuznad. Anſicht
um 1850. Stabljih 9:12 . . .
754 — Unfiht ber —
Stahiftih 10:16 . .
75 — Anſicht von —— bet
Kreuznach. Stahlftih 10:16 .
756 — Unficht von Rheingrafenftein bei
Kreuznach. Stablitih 10:16 .
769 Meifenheim. Unfiht um 1650
aus Merlan. 8a: 17T .
Mt.
der Stadt
— 109 —
Anleitung zu geologifchen Beobarhtungen in der Heimat.
Vorſchule der Geologte, eine gemeinver | gebenderem Stubium Haben. Darauf werben
ftändliche Einführung und Anleitung zur Be- | beſprochen: 2. Die geologischen Auſſchlüſſe.
obachtung in der Heimat von Prof. J. Walther | 3, Die Bertoltterung. 4. Die Folgen der Ber-
in Halle. 2. Auflage mit 105 DOriginalgeich- | witterung. 5. Die Felsarten. 6. Die Gejteins-
nungen, 132 Uebungsaufgaben und 8 Ueberſichts | Hüfte. 7. Das unterirdifhe Wafler und die
karten. 230 Seiten. Jena 1906 Preis 2,60 Mf. | Quellen. 8. Die Ausfüllung von Spalten und
Diejes 1905 zum erjten Mal erjchienene Buch | Hohlräumen. 9. Die fließenden Gewäfler.
mußte bereit8 im folgenden Sabre eine ber | 10. Die ftehenden Gewäſſer. 11. Am Meeres-
deutend erweiterte Auflage erfahren und kann | ufer. 12, Die Gebirge und Berge. 13. Schichten:
als fchlagender Beweis bafür dienen, dab die | ftörungen und Erdbeben. 14. Plutonijche Er:
Vorſchule in weiteren Kreifen Auklang gefunden | fcheinwngen. 15. Der Bulkanismus. 16. Die
und in der beimatfundlichen Literatur eine vor | Schichtenfolge. 17. Das Rartenbiid. 18. Die
bandene Lücke ausgefüllt hat. Beitenfolge. Daran fchließt fi ein Literatur.
Bon den gewöhnlichſten Erfcheinungen aus- | verzeichnis für geologtihe Erkurfionen und eine
gehend fucht der Verfafler den Anhänger mit | Erklärung der Fremdwörter; ein ausführliches
ben Grundlagen der Geologie vertraut zu | Sachverzeichnis geftattet eine leichte Ortentierung
machen und ihn zur felbitändigen Beobadtung | über den behandelten umfangreihen Stoff.
in der Natur anzuregen. Der Stoff iſt in Dem Naturfreund, bem Lehrer auf Unter—
18 Kapiteln kurz dargejtellt und durch eine An- | richtögängen, jpeziell aber dem Heimatforſcher
zahl leicht zu beobachtender oder mit Hilfe der | bietet das gemeinverftändlich geichriebene Buch
einfachſten Inftrumente auszuführender Lebungs- | nach jeder Richtung Hin reiche Anregung und
aufgaben dem Berjtändnis näher gebradt. An | geftatter durch fein handliches Format ein be-
bie das Wefen, den Zweck und den hoben | quemes Mitführen auf Spaztergängen ; bei dem
Bildungswert der Geologie behundelnde Ein- | verhältnismäßig billigen Preis kann feine An—
teitung ſchließt fi eine Literatur. Zufammen- ſchaffung nit warm genug empfohlen werben.
ftelung für folche, die ben Wunfch zu ein- Dr. D. Häberle, Hatj. Rechn.Rat, Heidelberg,
„Aur Mellung der Fortfritte der Erofon und Benudation‘
von Katferl.Rehn.»Rat cand. paläont. | eine ausführliche, mit Literaturbermerfung ber-
D. Häberle iſt im Neuen Jahrbuch für ſehene Darlegung über ben auch im borigen
Mineralogie, Geologie und Paläontologie ver: | Zahrgange unferer Pfälz. Heimatkunde (S, 78)
öffentlicht (Jahrg. 1907, Bb. I.), wo nochmals | behandelten Gegenftand gegeben wird.
Funde.
Beim Abreißen alten Gemäuers am Dft- | von Antonins Auguftus Pius pater patriae,
abbange des Mandeltales zwiſchen Bebeldbeim | eine andere Fauftina, die Gemahlin diefes Katfers
und Habfirhen fand im Juli Adam Petri von | (2. Jahrhundert n. Ehr.), die dritte war ein
Bebelsheim nebjt vielen Tonfcherben und Ziegeln | kleiner Denar mit dem Bilde Trajand, Unter
auch drei Münzen. Der Fund wurde Dr. Hoppe | ben Scherben fand fich ein befonders fchönes
in Hablirchen übergeben, der fejtftellte, daß e8 | Stüd terra sigillata mit den Anfangsbuchftaben
fi um größere Brongemünzen aus der Römer— | de8 Töpfers 2. A. V. Die Funde ftammen bon
zeit handelt. Eine zeigte Bild und LUinterfchrift | einer römiſch-galliſchen Niederlaffung.
Schloß nnd Garten in Schwetzingen.
Bon Rudolf Sillib. Heidelberg, Earl Winter. 86 ©.
Zum erjten Male wird bier eine gründ- | boten. Die biöher vorhandene Literatur, bie -
lie miffenfhaftlide Monographie ſich meiſt nurin Beſchrelbungen und Zlluftrationen
über das kurpfälziſche Berfailles ge= | bewegte, ift mit Sorgfalt berüdfichtigt; aus den
— 110 —
Archiven Karlsruhes und Münchens ijt neues | Buches, iſt es Sillib in ausgezeichneter Weiſe
Material gewonnen, da8 uns über die Ent» | gelungen, die Vergangenheit zur Gegenwart zu
ſtehungsgeſchichte des Schloffes | machen, Indem er uns die ehemaligen Bewohner
und Gartens, ſowie über die öfonomifchen | von der Mitte des vierzehnten Zahr—
Berhältniffe ber Bauherren widtige | hunderts ab bis auf die Tage Mar
Aufſchlüſſe gibt. Sehr anfchaulih tritt uns | Joſefs voun Bayern in ihrem Tun
entgegen, wie fi bie ebemalige Waffer- | und Treiben in lebensvoller Anſchau—
burg und Feite der Erligheimer zum pfalze | lichkeit vorführt Auch bier erhebt er
gräflihen Jagdſchloß und fchliehlich zur kurfürft, | das Einzelne dadurch zu allgemeiner Bedeutung,
lichen Sommerrefidenz entwickelte. Namentli | daß er ihm einen typiſchen Zeitcharakter zu ver:
bie Projette Karl Theobors, der Hier von Pigage | leiden weiß. Beſonderes Lob verdient bie
einen im Stil Louis XV, gedachten, pompöfen | Ausftattung des Wertes, das der Berfajler
Neubau errichten wollte, erweden großes Inte- feiner Vaterſtadt Mannheim zu ihrem drei—
reſſe. Die Pläne find im Anhang nad) den in | Kundertjährigen Jubiläum widmet. In ben
Heidelberg und Mannheim aufbewahrten Ent- | alten Breitfopffchen Typen gedrudt, mit feinem
twürfen wiedergegeben. Bortrefflih ijt die | illuſtrativen Schmud der Schloß- und Garten-
Geneſis des Gartens behandelt. Die | anfidhten und der als Kopf: und Schlußvignetten
detalllierte Erörterung der einzelnen Phaſen er» verwerteten Schwetzinger Motive, trägt e8 ein
Hält dadurch) einen großen Zug, daß ber Verfafler | jo ftilehtes Gepräge, daß au
die Ideen der Schöpfer diefer Anlagen jſewells [Kon das finnenfällige Aeufere
mit dem Charakter und dem fünftlerifhen Zug | zum geiftigen Benuß einlädt. Der
ihrer Zeit in Zuſammenhang bringt, und, ohne | Anhalt aber wird jelbftden reihlidbe-
boftrinär au werden, in wenigen Maren Linien | friedigen, der, wie der Berfaffer
die Gedanken und Ausdrudömittel de8 Barod | dieſer Anzeige, bem®egenftand mit
und Rococo wiedergibt. Mit Eritaunen fehen | Heimatliden Gefühlen gegenüber-
wir aud bier, welche Fülle von Geijt und | ftehbt und der Bubtilation mit
Grazie bdiefen fo lange verfannten Stilarten | bohgefpannten Erwartungen ent-
Innewoßnt. In den „Bulturgefhiht- | gegenjah.
Ithen Bildern“ dem britten Teil bes (Frf. Ztg.) Dr. Ernft Trautmann.
Eine Geſchichte der Htadt Mannheim.
Zum Mannheimer Stadtjubi- | Metropofe intereffieren, freudig begrüßt wird.
läum erfheint ein dbreibändigeß, | Die beiden eriten Bände find von Profeſſor
mit zahlreichen Jllujtrationen ge- | Dr. Friedrich Walter auf Grund mehrjähriger
ihmüdtes, vornebm ausgeftattetes Acrchtoforſchungen verfaßt; an der Schilderung
Wert ‚Mannheim in Bergangendheit des modernen Mannheim find unter Leitung
und Gegenwart”, das im Auftrag der | von Stadtbeirat Dr. Schott, Direktor des
Stadtverwaltung verfaßt ift und al8 eine Gabe | Statijtifchen Amts, zahlreiche Fachleute beteiligt.
von bleibendem Wert, die ben ſchnell vorüber: | Mannheim bietet in feiner früheren Gejchichte
raufchenden Feſtesjubel überdauern wird, zweifel- wie in feinen nenzeitlichen Werfen jo vieles,
[08 von allen denen, bie fich für die gefchichtliche | was allgemeinere Beachtung beanipruchen darf,
Entwicklung der ehemaligen Eurpfälzifchen Refi» daß ficherlich auch viele Nicht- Mannheimer von
denz und jegigen badiſchen Handels: und Induftrie- | diefem Werke Einfiht nehmen werden.
Enthüllung des Hıhiller-Benkmals zu Oggersheim. |
Unter Beteiligung einer ungebeuren Feſt— | und Ringen bei der allzufpäten Anerkennung
berfanmlung von nah und fern wurde auf dem | von Fürft und Bolf der lautlos zubörenden
Liederplag das Sciller-Dentmal entbünt. An | Menge vor Augen. Nach Uebergabe des Dent-
zündender Rede feierte Profefior Zimmerer mals an die Stadt beivegte fich der Feitzug zum
. bon Ludwigshafen Deutichlands Lieblingsdichter | Schillerbaus, wo Schiller nad) feiner Flucht aus
und führte in bollstümlicher padender Weife | Mannheim in erwünſchter Verborgenheit längere
Schillers Leiden in Oggeräbeim, fein Kämpfen | Beit lebte und den „Fiesco“ dichtete.
— 11 —
Linnefeier.
Um 23. Mai waren es 200 Yahre, daf der | fellfchaft Hat diefen bedeutungspollen Tag nicht
große Naturforfcher Linne geboren wurde. Die | unbeadhtet vorübergehen laffen und veranftalteteant
Abteilung Pfalz der Bayertjch Botanifchen Ge- | 26. Mat auf dem Donnersberg eine Gedenkfeler.
Die Ruine Sauerburg.
die, in einem Seitental der Wisper gelegen, mit ! Lord; war das Letzte von allem reichen Befig,
ihrem zugehörigen Hofgut Sauerburgerhof im | der dem legten, 1760 geborenen Grafen franz
Mai zur zwangsweiſen Berfteigerung ausge | von Sidingen geblieben war. Dort ſchlug ber
ſchrieben war, murde im 10. Jahrhundert erbaut | Ablömmling des Ritters bei dem Pächter feinen
und war 1670 durch Erbichaft an die Sidinger | Sig auf. Wie ein Stein auf feinem ®rabe auf
gefommen. 1689 wurde fie bon frangöfifchen | dem Kirchhof des Dorfes Sauerthal am Fuß
Raubfcharen erobert und zeritört. Der Meine | des Berges, der die mächtige Ruine trägt, fagt,
Bauernhof bei der Sauerburg in der — von — er im Elend“, und zwar im Jahre 1836.
Wehr als 100 Jahre alt.
Seinen 102. Geburtstag beging kürzlich der | Bayeın befannte Greis war körperlich und geiitig
Oekonom Beter Huter in Enshelm, Bezirksamt noch rüftig. Der fturmvollen Zeit, in dic feine
St. Ingbert. Der dur feine mehrfachen | Jugend fiel, wußte er ſich noch genau zu er-
Neifen zur Fußwaſchung nah München in n ganz Innern. (Er ift neulich geftorben.)
Heſſiſche Sandes- und Yolkskunde.
Das ehemalige Kurhefien und das Hinter: | Karl Hehler. Band I: Heffifhe Landeskunde.
land am Wusgange des 19. Jahrhunderts. Zweite Hälfte. Mit einer Karte und zahlreichen
% 8. mit dem Verein für Erdkunde zu Caſſel Abbildungen. Marburg 1907, N. G. Elwertſche
und zahlreichen Mitarbeitern herausgegeben von | Verlagsbuchhandlung. XI und 869 ©.
„Bentlchland, eine Einführung in die Heimatkunde‘
bat Friedrich Nagel ein Buch genannt, dem er | ftattete Buch, dem auch zivel Starten beigegeben
die Aufgabe ftellte, den Deutfhen darüber zu | find. Gerade in unſerer Zeit, die über dem
belebren, was er an feinem Lande babe. Das | Streben, fremde Länder kennen zu lernen, oft
wollte er erreichen, indem er zeigte, twle der | der Heimat allaufehr vergikt, ift einem folchen
Boden und das Bolk zufammengebören. Unter | Buche weite Verbreitung zu wünſchen. So ift
dieſem Geſichtspunkt behandelte er Deutfchlands | e8 zu begrüßen, daß das preiswerte Werf nun
Lage und Raum; den deutfchen Boden; das | in zweiter, von Dr. R. Buſchick durchgefehener
Meer und die Küften; Klima. Pflanzen: und | und ergänzter Auflage im Berlage von Fr. Wilh.
Tierwelt. Bodenkultur; Bolt und Staat. Bier | Grunom (Leipzig) erfihienen iſt (VII und 332 ©.).
Landfchaftöbilder ſchmücken das hübfch ei
„Bie hiſtoriſchen Anuenfeine ans si Umgegend Schleswigs“
beißt der erfte Aufſatz in der Zeitfchrift Die | mann in Flensburg. 3 Abbildungen ber Steine;
Heimat, Heft 7, 1907. Berfafler F. Konft- Urtezt und Ueberfegung ihrer Anfchriften.
Bie Pollichia
naturwiſſenſchaftlicher Verein ber Pfalz mit dem | Dr. W. Medieus in „Landes- und Volkskunde
Stk In Bad Dürkheim, veröffentlicht diefe® Jahr | der Bayer. Rheinpfalz 1867” von W. Scufter;
folgende Bereinsfähriften: 1. Mitteilungen | „Die Schwalben in ber Pfalz” von W. Schufter;
ber Pollidhia Pr. 22; Zur Gefchichte des | 3. Nachtrag zur Flora von Zmeibrüden x. von
Vereins; Jahresbericht; Repetitio et Correctio | Dr. &. Trußer; „Verzeichnis der in der Pfalz
des zoologifchen Teiles: „Die Tierwelt” von vorfommenden Sieinfchmetterlinge”“ von 9,
— 12 —
Disqué; „Raturwiffenfchaftliher Beriht aus
ber Weftpfalz" von W. DO. Hoffmann; Kaſſa⸗
beriht 104. — 2. Separatbeilagen:
1) „Grundlagen einer Stabilitätstheorie für
und für
2) „Der
pajfive Fylugapparate Gleitflleger,
Dradenflieger” x. von 9. Zwick;
| Arfengehalt der Marquelle in Bad Dürkheim”
| x. von €. Ebler.
‚Ber gegenwärtige Stand der pfälzer Geſchichtsforſchung“
Bortrag bei ber Jahreöverfammlung des Lite |
Streben und eine Mare Weifung für die Rich—
rarifhen Bereins ber Pfalz am 8. | tung, in welcher zunächſt dringliche Wünſche ſich
Dez. 1906 in Neuſtadt von Dr. Albert Beder.
Ein dankenswerter Leberblid über gegenmwärtiges
an maßgebender Stelle bemerflih machen
follten.
Die Hagelſchläge in Bayern 1906.
Nach der vom Statiftifhen Bureau bear- | mehr als der Durchſchnittsbetrag (8,299,412 ME.)
beiteten Statiftif der Hagelfchläge in Bayern
mwurben im Sabre 1906 im ganzen 1144 Ge—
meinbden, das find 14,3 ° aller bayerifchen Ge»
meinden überhaupt, von Hagelſchlag betroffen,
und zwar 180 Gemeinden in Oberbayern, 128
In Niederbayern, 21 in ber Pfalz, 230 in ber
Oberpfalz, 163 in Oberfranfen, 126 in Mittel:
franten, 177 in Unterfranfen und 119 in
Schwaben. Der Umfang der verbhagelten land-
wirtfchaftlihen Anbauflähe betrug 153,527
Heltar oder 4,07 °% ber im Juni 1906 er-
mittelten Anbaufläde, bie Zahl der Hagelge-
ſchädigten landwirtfchaftliden Anweſen belief
fih auf 41,328. Bon ber Hagelfläche entfallen
32,218 Hektar = 21,0 °%% auf Unterfranken,
27,715 (180 °%%) auf die Oberpfalz, 23,451
(15,3 °) auf Oberbayern, 21,460 (14,0 °6) auf
Dberfranten, 17,512 (11,4 °6) auf Niederbayern,
14,999 (9,7 %,,) auf Schwaben, 13,303 (8,7 °%)
auf Mittelfranten und 2869 (1,9 °%) auf bie
Pfalz. Der durch Hagel verurſachte Gefamt-
ſchaden berechnet fi) dem Geldwerte nad auf
8,6383 468 Marl, db. i um 4,055,894 Marf
weniger als im Borjahre und um 334,056 Mt.
Dndalt: Feinde des Rehes.
bes Beitraumes von 1879 bis 1905. Bon ber
gefamten Schadenfumme treffen 19,6 *% auf
Unterfranten, 18,6 % auf Oberbayern, 18,0 °o
auf Schwaben, 17,3 % auf Oberfranten, 11,6 °
auf Niederbayern, 10,2 %% auf die Oberpfalz,
43 %% auf Mittelfranfen und nur 0,4 °o auf
die Pfalz. Letzterer Regierungsbezirk, welcher
im Sabre 1905 am meiften durch Hagelichlag
geihädigt war, blieb im Berichtsjahre aljo
nahezu verjchont. Faft der gejante Schaden
(über 99 °%) entfällt im Jahre 1906 auf das
rechtörheintiche Bayern. Bon ben Mitgliedern
der Baperifchen Landes - Hagelverfiherungsan-
ftalt wurden im ganzen 20,770 mit rund 127,000
Grundjtüden von Hagelſchlag betroffen mit
einem Geſamthagelſchaden von 3,600,000 ME. ;
da jebocd die Jahres - Einnahme auf 4,059,828
Mark fi berechnete, konnte bie Anſtalt nad
Dedung der Berwaltungsfoften und Einhebe—
gebühren nicht nur biefen ganzen Jahresſchaden
voll vergüten, fondern auch noch einen Ueber-
ſchuß don 324,828 Markt dem nunmehr auf
beinahe acht Millionen Mark angewachjenen
Reſervefonds zuführen.
— Schädliche Pflanzen und Pflanzenſchutz. — Die Flora
bon —— en Jubiläum des Kirfhbaumes. — „Geſchichtliche Nachrichten über
or
da8 ehemalige
auf beimatliher Grundlage.” — Die
Servelingen. — Urgeihichts-Forfhung in Bayern. — „Deutiche Geſchichte
Fliegen- und Müdenplage. — Kududseier. — Wie deutet
der Pfälzer fremdartige Ausdrüde um? — Barbarofia auf Trifeld. — Notiz für Altertumsfreunde,. —
Anleitung zu geologifchen — in der Heimat. — „Zur Meſſung der
unde. — Schloß und Garten in Schwetzingen. —
Erofion und Denudation.? —
ortjchritte der
ine Gejchichte
der Stadt Mannheim. — Enthüllung des Sciller-Denftmald zu DOggershein. — Linnefeler. —
Die Ruine Sauerburg.
„Deutichland, eine Einführung in die Heimatkunde.” —
— Die Bollidhia. — „Der gegenwärtige
negend Schleswigs.“
Die Hagelichläge in Bayern 1906.
Schriftleiter :
— Mebr als 100 Jahre alt. — Heffiihe LYandes- und Boltstunde. —
„Die hiſtoriſchen Runenfteine aus der Um—
Stand der pfälger Geſchichtsforſchung.“ —
Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern.
Für Form und Inhalt ber Beiträge And bie Herren Berfafler verantwortlich.
„Tie Pfalziſche Heimatkunde” Toflet jährlich in 12 Heften at. 2.50. Veflellungen werden von allen Buchhandlungen und
®oftanftalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbandfendung) angenommen.
U)
HUMAN EICH
Oktober 1907.
FPÄLZISCHE HEIMATKUND J
MONATSSCHRIFT
Monolith bei Martinshöhe.”)
H. Als erfte Sehenswürdigkeit des
hoch über der Landftuhler Bruchniederung
gelegenen Dorfes Martinshöhe gilt neben
der ftattlihen neuen Pfarrfirhe und dem
ruindjen alten Kirchlein ein großer Mono-
lith (Hinfelftein). Früher ftand er etwas
verftet in dem Hofraum von Peter Theiß
und führte deshalb bei den Dorfinſaſſen
den Namen „Theiße-Stein’. Als dann
ein Neubau feine Entfernung notwendig
machte, wurde ihm in den neunziger Jahren
auf Beranlafjung des Bezirfsamts Homburg
in unmittelbarer Nähe ein ſicherer Stand»
ort an dem der Straße zugefehrten Giebel
eined Stalles angewiefen. Hier erregt er
nun wegen feiner anfehnlihen Größe das
berechtigte Intereſſe der vorlibergehenden
Fremden und gibt zu den verichiedenften
Erflärungsverfuhen Beranlaffung. Ge:
möhnlih werden derartige Monolithe als
alte Grenzzeichen gedacht, doch find die
Meinungen darüber noch geteilt (Bgl.
„Pfälz. Muſeum“ 1904 ©. 103). Im
vorliegenden al wird dieſe Annahme
wohl doch zutreffen, da ein anderer, etwa
4 km in der Quftlinie entfernter, großer
Stein mit dem Monolith von Martinshöhe
in Beziehung zu ftehen jcheint. Auf der
Höhe zwifchen Bildſchacherhof und Mittel:
*) Bergl. Baudenkmale in der Pfalz, Bd. I,
©. 159.
brunn, dort wo der topographifche Atlas
von Bayern den Flurnamen „Langer Stein”
verzeichnet, fteht nämlich mitten in einem
Rartoffeladfer ein mächtiger, über 3 m hoher
Monolith, der wegen Abbaus der Ackerkrume
feinen Halt im Boden verloren bat und
infolgedefjen ftarf überhängt. Er befindet
fih auf dem gleihen Höhenzuge, wie der
von Martinshöhe, zeigt ebenfalld Spuren
nanz roher Bearbeitung und außerdem ver+
ſchiedene primitive Skulpturen von müßigen
Händen. Als Material ift in beiden Fällen
der liberaus harte Kryftallfandftein zur
Verwendung gelangt, wie er etwas tiefer
am Gehänge, z. B. am Fleiſchhackerloch
anfteht und durch Auswitterung der unter-
lagernden weicheren Schichten beim Abfturz
die befannten Trümmerhalden des Steil-
abfall8 der Sidinger Höhe hervorruft. Da
der Stein faft ganz umliegt und ein wefent-
liches Hindernis bei Beftellung der Ländereien
bildet, ſcheinen mir feine Tage gezählt zu
fein, wenn nicht eine forgende Hand fich
bald feiner annimmt. Es wäre eine danf-
bare Yufgabe für den Freund heimatlicher
Geſchichte, die Ueberführung diejes ftummen
Beugen längft vergangener Generationen
von feinem gefährdeten Standort in der
Mitte des Feldes an einen der benachbarten
Wege zu veranlaffen und dadurch jeine
dauernde Erhaltung zu fihern. (Pf. Pr.)
— 114 —
Bas Borkommen der Aauchſchwalbe und der Bausſchwalbe
in der Pfalz.
Bon Karl Bertram.
Ein fauniftifcher Verſuch, Per über die
Verbreitung einer beftimmten Vogelart in
einem politifch begrenzten Gebiete abhundelt,
fol auf möglidft reihem Beobachtungs-
material fußen, das von vielen Orten vor»
liegt. Nur dann fann — wozu bie nod
jo reiche Erfahrung des Einzelnen nicht
ausreichte — ein einigermaßen vollftändiges
Bild gewonnen werden. Der Beihaffung
des Materiald diente in diefem Falle ein
Fragebogen, der den Böglingen der ver-
ichiedenen eig Sarg der Pfalz
zu SRaiferslautern, Speyer, Blieskaſtel,
Edenkoben, Kirhheimbolanden und Kuſel
während ber Weihnachtsferien 1906 zum
Ausfüllen mitgegeben wurde in ihre Heimat.
Den verehrten Herren Vorſtänden dieſer
Anſtalten ſpreche ich meinen beſten Dank
aus für ihr Entgegenkommen und ihre
wertvolle Unterſtützung. Der ausgegebene
Fragezettel hatte, ſoweit er ſich auf das
Vorkommen der beiden Schwalbenarten be—
zog, folgenden Wortlaut:
Beobachtungsort: Beobachter;
1. Vorkommen der Rauchſchwalbe (oben
offenes Neft in Ställen, Hausfluren ꝛc.).
Iſt fie jehr Häufig, häufig, ziemlich häufig,
jelten, jehr fjelten? (Nicht Zutreffendes
durchſtreichen!)
Fehlt ſie als Brutvogel ganz? Aus
welchem Grund?
2. Vorkommen der Hausſchwalbe Meſt
außen an den Häuſern mit ſeitlichem
Einflugsloch). Iſt ſie ſehr häufig, häufig,
ziemlich häufig, ſelten, ſehr ſelten? (Nicht
Zutreffendes durchſtreichen!)
Fehlt ſie als Brutvogel ganz? Aus
welchem Grund?
3. Können große Niftfolonien an ein-
zelnen Häufern namhaft gemacht werden?
(Die Zahl der Nefter angeben!)
4. Welche der beiden vorjtehenden Arten
ift die häufigere?
5. Weiß man etwas darüber, daß im
Sommer die Schwalben (Art?) an be-
ftimmten Orten gemeinfam übernadten
(Wald, Rohrjeld zc )?
6. Nimmt die eine oder andere Art gegen
früher ab?
7. Welche Urfache für die Abnahme glaubt
man zu erfennen?
8. Iſt etwa noch die Meinung verbreitet,
daß die Rauchſchwalben den Winter im
Schlamm der Gewäſſer verbringen?
Mit danfenswertem Eifer bat fidh eine
große Anzahl von Schülern freiwillig in
den Dienſt diefer Enquöte geftellt und in
der Hauptjahe braudybare Angaben zu-
fammengetragen. Bon 228 pfälziichen
Orten liefen ca. 300 ausgefüllte Bogen
ein, die nun einer fritiihen Durchficht
unterzogen mwurden und neben den auf
Erfurfionen gejammelten Erfahrungen des
Bearbeiter und perfönlichen und brieflichen
Mitteilungen ſachkundiger Leute die Grund:
lage zu der Unterjuhung bildeten. Die
unfere Pfalz betreffende ornithologiiche
Literatur wurde, ſoweit fie mir zugänglid)
ift und unferen Gegenstand betrifft, nach—
gejehen und in weitgehendem Maße konnten
die einfchlägigen Angaben in den „Materialien
zur bayerischen Ornithologie” 1897 — 1906
(herausgegeben von der Ornith. Gejellichaft
in Bayern) herangezogen und berüdfichtigt
werden,
1.
Unjere beiden Schwalbenarten find jeder-
mann befannt und vertraut. Gie zählen zu
den Lieblingen des Volkes. Die etwas grö-
Bere Rauchſchwalbe [Hirundo rustica L.],
auch „Dorf-, Land», Küchen-, Yeuer-, Schlot-,
Stall-, Stadhel-, Babel- und Blutſchwalbe“,
von unjeren Pfälzer Landsleuten wie aud)
die andere Art meift ſchlechthin „Schwalb“
genannt, befit roftbraune Stirn und Kehle
und eine weiße, an den Seiten ſchwach
bräunlich überlaufene Unterjeite. Die ge-
ſamte Oberjeite ift ſchön metalliich ſchwarz.
Bon eben diefem Stahlglanz ift ein den
Kehlfleck umrahmender Gürtel, weldjer den
Vogel bejonders vornehm kleidet. Die
äußerften Schwanzfedern find ftachelartig
verlängert. Aeußerſt gewandt, weich und
anmutig ift ihr Ylug. Das aus Lehm ge-
- 115 —
baute Neft, in welches allerlei Hälmchen ge:
ſchickt hineingefnetet find, ift oben ftets offen
und im Innern der Häufer, bei uns meift
in Biehftällen angelegt. In der Regel
werden in einem Sommer zwei Bruten
aufgezogen, wozu ein und dasjelbe Neft,
in vielen Fällen aud zwei Nefter benützt
werden. Nicht allaujelten fommt es indes
bei uns vor, daß drei Bruten auftommen.
Ich entnehme über einen ſolchen Fall fol-
gende aus Wolfftein ftammende Mitteilung
den obengenannten „Materialien“. „1904:
Erfte Brut, 5 Junge, im vorderen Nefte
(in einer offenen Einfahrt) flog am 22. Mai
aus; zweite Brut, 4 Junge, am 23. Juli
im binteren Neft; dritte Brut, 4 Junge,
am 12. September, ebenfalld im hinteren
Neft.” Auch in anderen Jahren murden
dritte Bruten in Wolfftein Eonftatiert, was
ich bervorhebe, weil in den meiften Büchern
nur immer zwei Bruten zugegeben find,
Die kleinere HausſchwalbeſChelidonaria
urbica L.], auch „Stadt-, Mehl«, Fenfter-,
Giebel: und Dachſchwalbe, Speierling und
Dredfteier" genannt, fällt jofort auf durch
ihren weißen Unterrüden und die blendend
weiße Unterfeite. Ihr halbkugelförmiges
Neft Flebt fie außen an die Häufer unter
den Dachvorſprung und in beiderjeitig offene
Einfahrten. Es befigt eine Eleine jeitliche
Deffnung, durch welche die Tierchen ein-
und ausjchlüpfen können. Un manden
Häufern Hängen oft mehrere derartige
Nefter neben: und übereinander. Dritte
Bruten fommen bei diefer Art wohl meit
jeltener vor als bei der Rauchſchwalbe.
Erafte Beobadjtungen darüber ftehen mir
nicht zur Verfügung; jedoch wird es von
einem guten Beobachter für höchſt wahr-
icheinlid gehalten, daß derartige Fälle bei
uns vorfommen. Man darf gerade bei den
Hausſchwalben vielfach vorfommende Spät-
bruten (Ende September, ja Anfang Oftober)
nicht ſchlankweg als ſolche anfehen, da diefe
Erjcheinungen faft immer ihren Grund
haben in Brut-Berzögerungen und »Unter-
bredungen infolge ungünftiger Witterung
oder anderer Umftände. Mehr noch als
die Rauchſchwalben lieben ihre Fleinen
BVettern die Gejelligfeit, namentlih wenn
die Beit des Abzuges naht. Ihre Ber-
fammlungen im Spätjommer find jeder:
mann befannt.
Außer diefen beiden kurz bejchriebenen
Arten, auf die e8 bier anfommt, haben
wir in der Pfalz noch die Ufer-, Rhein-
oder Sandſchwalbe, die in Erdlöchern brütet.
Sie tritt ftellenweife am Rheine, nament-
lih in der Speyerer Gegend häufig auf
und kommt auch bei Blieskaftel und, wenn
ich nicht irre, bei GContwig vor. Bon einem
Borfommen fonftwo in unferem Kreiſe ift
mir nichts befannt, Sie ift noch Eleiner
als Chelidonaria und auf der Oberſeite
mausgrau.
Bu den Schwalbenvögeln werden gemöhn-
lich auch Turmſchwalbe (Mauerfegler) und
Nachtſchwalbe (Nachtſchatten, Nachtram,
Ziegenmelker) gezogen. Die Turmſchwalbe
iſt jetzt in allen größeren Städten gemein
und auch in den kleineren Städten und
vielen Landgemeinden mehr oder weniger
ſtark vertreten. Mit ihrem lebhaften Ge—
ſchrei und ftürmifchen Wefen bildet fie einen
auffallenden Gegenfag zu dem ſympathiſch
anmutenden Leben und Treiben der Eleinen
Schmalben. Die Nachtſchwalbe fcheint eben-
fal8 im ganzen Gebiet als Brutvogel vor»
zutommen, ausgenommen vielleiht nur die
Gegend um Yudwigshafen, mo e8 des Waldes
völlig ermangelt.
u.
Nah den Grgebnifien der Umfrage
fönnen beide Schwalbenarten als häufige
Brutvögel der Pfalz gelten. &8 ift nicht
ein einzige8 Dorf namhaft gemacht worden,
in dem eine der beiden Arten völlig fehle.
Auch bei vielen vereinzelt gelegenen Siede-
lungen wie Forfthäufern, Gehöften, Mühlen
ift meift wenigſtens eine der beiden Arten
vertreten. Allerdings kommt es vor, daß an
Orten, wo die eine oder andere Art ſehr
felten auftritt, wie beiſpielsweiſe Hirundo in
Ejelsfürth, Mölſchbach, Breitenbach, Alten:
firhen, Bruchhof b. Homburg, Hintermweiden-
thal, Aſchbacherhof, Fleckenſteiner Hof und
vielen andern Höfen in einem Jahr einmal
gar feine Brut aufgezogen wird. Aehnlich
liegt e8 für Chelidonaria an andern Orten
wie Böbingen, Trahmeiler und Aßweiler.
Auf dem hochgelegenen Forſthaus Helden»
ftein bei &denfoben kommt die Rauchſchwalbe
nicht vor; in früheren Jahren nifteten dort
Hausjchwalben, von denen aud heute noch
Pärchen vorübergehend ſich da aufhalten;
— 16 —
in den legten 13 Jahren iſt e8 nur einmal
vorgekommen, daß ein Paar ernſtlich Miene
machte ein Neft zu bauen um nad) Stägigem
Aufenthalt ſchließlich doch davon abzuftehen.
Die Berbreitung ift feine gleichmäßige.
In der Rheinebene jcheint die Rauchſchwalbe
etwas häufiger zu fein: von 62 Orten dort-
felbft wird in 33 Fällen die Rauchſchwalbe,
in 25 Fällen die Hausjchwalbe als die
häufigere bezeichnet; in 4 Fällen liegt gleiche
Häufigkeit vor. Aehnlich ſcheint es fich in
wiefenreihen Niederungen des Weſtens zu
verhalten, fo in der Bmweibrüder Gegend.
Dagegen überwiegt in dem größeren Zeil
des librigen Gebietes, bejonderd in den
Landftädten faft durchweg die Eleinere Haus-
ſchwalbe. Auffallend tritt die Rauchſchwalbe
zurück im Bereiche des zu Tage tretenden
Buntjandfteind: aus allen Bfälzerwald:
Orten liegt die Mitteilung vor von der
Seltenheit der Rauchſchwalbe namentlich
im Berglei mit der Hausſchwalbe, die ſich
gerade in dieſem Gebiete in großer
Häufigkeit findet (Hochſpeyer, Eſelsfürth,
Franfenftein, Weidenthal, Lambrecht, Hert-
Iıngshaufen, Höningen, Altleinigen, Danjen-
berg, Aſchbacherhof, Stelzenberg, Mölſchbach,
ZTrippftadt, Leimen, Merzalben, Glaujen,
Ramberg, Dernbach, Birkenhördt, Vorder.
weidenthal, Oberſchlettenbach, Erlenbach,
Niederſchlettenbach, Bobenthal, Rumbach,
Schindhart, Dahn, Hinterweidenthal, Wil-
gartswieſen, Ludwigsthal, Eppenbrunn, Lud⸗
wigswinkel, Petersbächel, Schönau, Hirſch-
thal, Nothweiler, Rinnthal und Annweiler).
Wo man die Waldzone an irgend
einer Stelle verläßt, wird das häufigere
Auftreten der Rauchſchwalbe für den Be—
obachter deutlich fühlbar. Orten mit Wald-
lage jcheint mithin die Hausſchwalbe, Orten
mit Wafjerlage — darauf iſt nochmals
zurüdzutommen — die Rauchſchwalbe den
Vorzug zu geben. Wo die Dörfer und
Städte und Siedelungen dünner gejäet find,
ift au das Vorkommen der Schwalben
beichräntt; denn dieſe find nad ihrem der:
zeitigen Anpafjungszuftand an die Woh-
nungen der Menſchen gebunden. Bon einem
Brutvorfommen an Felſen oder entlegenen
Ruinen ift mir weder von der einen nod)
von der anderen Urt irgend etwas zu
Ohren gefommen. Die Wohnftätten der
Menſchen bieten ihnen den nötigen Schuß;
bier aud finden fie Nahrung genug. Der
Anſchluß an den Menfchen ift ein unbedingter.
Oder ift e8 nicht rührend zu-fehen, wie dıe
Bögel ein Haus zu meiden - beginnen, ſowie
deflen Inwohner es verlafien? Wie Sper-
ling und Lerche dem Getreidebau, jo find
unfere Schwalben den Biehbeftänden und
Häujern gefolgt. Wo viel Wiejenland ift,
gibt es volle Viehftälle, wo Ställe find,
gedeihen als Schmaroger menjchlidher Kul-
turen Millionen von Dipteren und anderen
Inſekten und jchaffen die Lebensbedingungen
für den Aufenthalt ihrer gefiederten Feinde.
Durch Wegfangen der unbequemen und
läftigen Müden und Fliegen nägen die
Schwalben, dieje jchnellen Segler der Lüfte,
Menſch und Tier. Freilich kann dabei nicht
von einem großen mwirtidaftlidhen
Nutzen die Rede jein (Altum, Forftzoologie
Il: Band).
Folgende Ueberfiht gibt dem Ber-
breitungsbild der Schwalben den zahlen:
mäßigen Ausdrud:
Die Rauchſchwalbe fommt vor
ſehr häufig in 21. Orten
häufig in 102 Orten
ziemlich häufig in 76 Orten
jelten in 29 Orten
fehr jelten in 8 Orten
Die Hausſchwalbe fommt vor
ſehr häufig in 63 Orten
häufig in 96 Orten
ziemlich häufig in 47 Orten
jelten in 24 Orten
jehr ſelten in 6 Orten
Die Rauchſchwalbe überwiegt in 84 Orten
Die Hausſchwalbe überwiegt in 137 Orten
BleiheHäufigfeitgemeldetvon 15 Orten
Diejes aus Mitteilung von 236 Orten
der Pfalz gewonnene Bild dürfte hinreichen
die Befiedelungsdichtigfeit von Hirundo und
Chelidonaria im ganzen Gebiet zu veran-
ihaulichen, indem durch Heranziehung aller
Brutorte das Berhältnis der Bahlenwerte
faum weſentliche Aenderungen erführe.
Darnadh überwiegt im ganzen genommen
die Hausfhmwalbe, zu deren Guniten
ih das numeriihe Verhältnis beider
Arten in den legten Jahrzehnten verjchoben
haben mag. Biele Dörfer und Landftädte
— 17 —
haben weit über 100 bewohnte Nefter diefer
Art aufzumweifen. Größere Niftkolonien ge
hören durchaus nicht zu Seltenheiten. Bon
einem Orte (Höheindd) wird mitgeteilt,
dat fämtliche Nefter des Ortes (ca. 30
bis 35 Stüd) ſich unter ein und demjelben
Dache befinden. In folgendem fei eine
Ueberficht über größere mir befannte oder
nambaft gemachte Kolorien gegeben.
15—20 20—25
Neiter Reiter
29 a | 2
Kefer | Ran
ss 1:21 17]
Die Neftfolonien befinden fih ſowohl
an Wohnhäuſern als aud an den Defonomie-
gebäuden, in einzelnen Fällen an Kirchen,
in einem Falle an einem alten Turm (Alt
pörtel in Speyer mit 17 bewohnten Neftern).
|% efter
In BE 70
in
III.
Ueber die Zugverhältniſſe der Rauch ;
und Hausſchwalbe will ich in dieſem Zu—
ſammenhang nur einiges Allgemeine be—
merken. Der Frühjahrszug der Rauch—
ſchwalbe erſtreckt ſich für unſer Gebiet von
Ende März bis Ende April; feine Kul—
mination fällt in das zweite Drittel des
April, gewöhnlich in die dritte Aprilpentade.
Der Frühjahrszug der Hausſchwalbe be»
ginnt anfangs April und währt bis Mitte
Mai; er kulminiert in der Regel im legten
Drittel des April, Nicht jelten werden
ihon zeitig im März einzelne Vorläufer
der Zugsbewegung beobachtet, die ſich aber
in vielen Fällen wieder verziehen, jo daß
man nicht ficher ift, ob man in ihnen ein-
heimifche Brutvögel zu erbliden hat. Der
Herbſtzug beider Arten gewinnt bejon-
deres Intereſſe durch die Vorbereitungen,
welche zum Aufbruch getroffen werden,
große Berfammlungen, Flugübungen und
erregtes, lautes Treiben. Der Abzug ge
fchieht in der Regel im September (zweites
Drittel). Eines Tages find die Schwalben
fort und die Stille, die nad ihrem Abzug
in Dorf und Städtchen eintritt, löft ein
wehmütiges Herbftgefühl bei und aus,
Wieder ift ein Stüf Sommer dahm—
gegangen. An folden Tieren, die infolge
fpäter Bruten oder aus anderen Gründen
noc) einige Zeit bleiben, fehlt es in feinem
Yahre. Sie bleiben oft noch bis gegen
Mitte Dftober, ausnahmsweiſe, wie im
Spätjahr 1905, bis in den November.
Diefen Vorgängen, die es fich jährlich
wiederholen jah, hat auch bei uns das Volt
feit alter8 feine Aufmerkſamkeit gejchentt.
Die erfte Schwalbe, die nach dem von
bemerfenswert genauer Naturbeobadhtung
zeugenden Sprichwort nod feinen Sommer
macht, wird mit Freuden begrüßt; für die
Weggezogenen bat man ein wehmütiges
Gedenken übrig. Iſt e8 doch ein merf-
wirdiges Ding um jenen unfihtbaren Faden,
welcher das Schmwälblein, das unter dem
Dache oder im Stalle irgend eines pfäl-
ziihen Bauernhaufes das Licht erblidte
und jegt taufend Meilen weit irgendwo in
einem verlorenen Erdenwinfel mweilt, mit
feiner Heimat verknüpft und an dem es
fih im Frühjahre mieder dahin zuräd.
zufinden vermag.
Bon den alten Märchen, daß die
Schwalben, insbejondere die Rauchſchwalben
im Schlamme der Gewäſſer eine Art von
Binterfchlaf hielten und gleih den Am-
phibien und Meptilien durch die Fräftiger
wirfende Frühjahrsſonne hervorgelockt
würden oder daß ſie (und hier iſt wohl
an die Hausſchwalbe gedacht) in hohlen
Bäumen dicht gedrängt die kalte Jahreszeit
überdauerten, finden ſich bei uns nur noch
wenige Spuren. Glauben wird in unſerer
Zeit kaum jemand ernſtlich daran, wenn
auch noch in manchen Köpfen Reſte dieſer
Anſchauungen ſpuken aus einer Zeit, wo
überlieferter Aberglaube mühelos das Feld
behaupten konnte gegen die eindringliche
Sprache der Tatſachen. Auch derartige
irrige, volkstümliche Anſchauungen beruhen
auf wahrer und getreuer, oft unbewußter
Naturbeobadhtung und find nur verurjacht
durch falfche Deutung und unzulängliches
Denken; zu unterjuchen, wie dies fich im
fpeziellen Falle verhält, märe jehr interej-
fant, würde aber etwas weit abführen.
IV.
Ein bejonderes Gewicht legte ich der
Frage bei, ob der Beftand der Schwalben
gegen früher der gleiche geblieben ſei oder
— 18 —
fih verändert habe. Ach war nicht Über:
raſcht von faft fberallher die Klage über
den ftändigen Rüdgang der Bahl zu
hören. Faft allenthalben, auch bei uns glaubt
man dad Seltenerwerden der Schwalben
fonftatieren zu müſſen. Ob mit Recht,
jcheint einer eingehenden Unterfuchung wert.
Zunächſt fafle ich die Antworten zufammen,
die der Fragebogen lieferte.
Darnad nimmt
die Rauchſchwalbe ab in 59 Fällen,
die Hausſchwalbe ab in 115 Fällen.
Ein im ganzen fi gleich bleibender
Beitand ift von 53 Orten gemeldet.
Eine Zunahme wird Eonftatiert
für die Rauchſchwalbe in 9 Fällen,
für die Hausfhmwalbe
Wollte man diefe Angaben fritiflos hin»
nchmen, fo müßte man allerdings an eine
beträdhtlihe Abnahme des Beltandes
glauben. Die Abnahme gewifjer Arten in einer
beftimmten Gegend und zu beftimmten Zeiten
ift vielfach zu augenjcheinlih, als daß fie
geleugnet werden könnte. Iſt diefe Abnahme
eine dauernde, fo iſt das Ende, daß eine
Art völlig verichwindet, wie wir es mit
dem Uhu in der Pfalz erlebt haben und
mit dem Solfraben eben erleben. Nicht
immer aber ift ein noch fo eflatanter Rüd-
gang ein dauernder; jo haben fit Schwarz-
ſpecht, Wachtel und Heidelerhe nach einer
Zeit längeren Rückgangs in den legten
Jahren wieder erholt. Heute haben mir
in unferen Wäldern ficher die doppelte Zahl
von Schwarzipechten als vor 15 Yahren,
dagegen in großen Teilen des Gebietes
faum mehr die Hälfte an Singdroffeln.
Wer bürgt aber dafür, daß wir die Sing-
droffel in einem Menjchenalter wieder viel
häufiger vorfinden, vielleicht gar in den
Städten wie ihre Bafe, die Schwarzamjel!
Auch ift nicht ausgefchloffen, daß fich die
Kolkraben jchließlih als „Naturdenfmäler”
an bejonders günftiger Stelle doch behaupten,
Hier handelt es ſich um zumächft noch dunfele
Bewegungen in dem Artbeftand, die mit
der Anpaffung an dur die Kultur ge
änderte Berhältniffe zufammenhängen. In
Wirklichkeit ift e8 mit der Abnahme der
Bögel, befonders der Singvögel, gar nicht
in 10 Fällen,
' fo ſchlimm und man hält nur größere und
Fleinere Schwankungen, wie fie bei allen
Arten vorfommen, für Symptome des Rüd-
gangs. Welcher aufmerkffame Beobachter
hätte nicht fchon gefunden, daß das Auf-
treten einer Vogelart in zwei aufeinander
folgenden Yahren die größten Unterichiede
aufweit? Man kann in einem Jahre
beiipielöweife den Baumpieper, die Wiefen-
ſchmätzer, einen Qaubjänger, den Diftelfinfen
jehr häufig antreffen, wo fie im Borjahre
nur vereinzelt vorgefommen find. Die
Schwanfungen find auch vielfadh örtlicher
Natur. Hier kann z. B. der Kiebitz ab-
nehmen, ein paar MWegjtunden entfernt er-
freut er fich einer ftetigen Zunahme. Ganz
abgejehen von Arten, melde wie Star und
Turmſchwalbe durchweg Start an Zahl zu-
nehmen, Nun reinen unfere beften Kenner
die Schwalben auch zu jenen Arten, deren
Beltand großen Schwankungen unterworfen
ft. Dies gilt auch für die Pfalz; aller-
dings dürfte auch ein ſchwacher Rückgang
der Rauchſchwalben gegen früher ftatt-
gefunden Haben; von der Hausſchwalbe
mödte ich es faft beftreiten. SYedenfalls
liegt bei weitem für beide Arten nicht die
ftarfe Abnahme vor, von der man häufig
reden hört. Ich habe Hier den ganzen
Schmalbenbeftand unferes Gebietes im Auge
und bezweifle nicht den. vorübergehenden
oder dauernden Rüdgang in einem einzelnen
Halle. Yedenfalls ift in den größeren Städten
eine Abnahme zu verzeichnen. Immerhin
haben wir hier in Kaiſerslautern einige
Dugend in der Stadt zerftreute Nefter der
Hausſchwalbe und aud die Rauchſchwalbe
in den größeren Biehftällen.
Auch iiber die Gründe des Rüdgangs
follte der Fragebogen Aufihluß erteilen;
ed wurden mehrere Gründe genannt, von
denen namentlich zwei häufig wiederfehren:
die Bogelmorde in den Mittelmeerländern,
fpeziel talien und in Bezug auf die
Hausſchwalbe das Herabftoßen der Nefter
wegen der dadurch verurfachten Unreinlid-
keit. Im folgenden feien die wirklichen
und wahrſcheinlichen Gründe für die Ab-
nahme, bezw. die großen Schwanfungen im
Beitand zufammengeftelt und fei zulegt
verjucht die Urſachen der übertriebenen An-
fihten über die Abnahme aufzudeden.
Wie alle Vögel, welche dem nordifchen
— 19 —
*
Winter ausweichen und die mannigfachen
Gefahren einer zmweimalıgen großen Reiſe
im Jahre auf fich nehmen, jo werden aud
unfere Schmwalben ein großes Kontingent
zu der. ungeheueren Bahl jener armen Ge-
ſchöpſe ftellen, die ihr Leben in den Netzen
der Südländer, auf fturmbemegtem Meere,
durd; Anprall an den Drähten und an den
Scheiben der Leuchttürme beenden, infolge
Ermattung fterben oder in dieſem BZuftand
eine leichte Beute ihrer vielen Feinde werden.
Gerade auch den faum erwachſenen Jungen
verjpäteter Bruten mag es auf den großen
Banderungen jchlecht ergehen, indem fie den
Schwierigkeiten derjelben nicht mit der nötıgen
BWiderftandsfraft und Ausdauer zu begegnen
imftande find,
Ein nafjes und kaltes Frühjahr, ein
vorzeitig rinbrechender Winter fordern ihre
Opfer namentlich unter jenen, welche ſchon
zeitig in die Heimat zurldfehrten, bezm.
länger bier vermweilten. „In ftrengen Nach
wintern”, sagt der gründliche Andreas
Johannes Jäckel, „oder bei lange an-
haltendem nakfalten Wetter ergeht e8 ihnen |
oftmals ſehr ſchlimm. Sie ſuchen dann die
Scuafherden, fliegen viel fiber dem Wajjer-
jpiegel der Weiher und Hochwaſſer, befon-
ders bei ſtarkem Wind und Wellenjchlag,
der manches Geniehbare, Käfer, Spinnen,
Baflerinfeften ufw. an die Oberfläche bringt,
ſuchen zeitweilig Schug an den Dämmen
der Weiher und in anderen windſtillen
Lagen, fjegen fih auf Steine im Wafler
und auf den aus den Ställen geichafften
frifchen Dünger und flüchten fich, wenn der
Landmann die Fenſter fchon zu Öffnen wagt
in die mit Überminterten liegen noch wohl
verjehenen Viehſtälle.“ (Syſt Ueberſicht
der Bögel Bayerns.) Ein ſolches Frühjahr
mit Kälte und Näffe war 1903, wo die
zahlreich zurüdgefehrten Rauchſchwalben um
die Mitte des April fchlimme Tage hatten,
fih beim Wafler jammelten und bier mıt
den. wenigen. früh fliegenden Inſekten ıhr
Dafein frifteten. Am 16. April 1903 be:
obachteten gegen Abend die Seminariften
Hook und Weitel über dem Neuhöfer Alt
rhein „wohl drei Tauſend“ Rauchſchwalben,
welche ganz niedrig Über dem Wafler jagten.
Der ausgezeichnete Bogelforjcher und Elaj-
fiiche Beobachter Karl Theodor Liebe fieht
in. den ſchlimmen Frühjahren die ärgite
Geißel für die Schwalben. Er fchreibt:
„Der Beſtand der Rauchſchwalben unter:
liegt fehr ftarfen Schwankungen, je nadı-
dem jchlimme Frühjahre mit Nachmintern
oder anhaltenden Spätfröften eintreten oder
nit. Namentlich in den ſechziger Jahren
rafften jonnige aber trodene und anhaltend
kalte Apriltage eine Menge Schmwalben hin-
weg. Damals holten fie die ausgeſogenen
Fliegenleiber aus den vorjährigen Spinn:
weben und lafen jogar flatternd die Blatt-
läufe von Bimmerpflanzen ab, melde in
die Mittagsionne vor das FFenfter geftellt
worden waren. Die armen Tiere verfrocdhen
fi) bei Gera und nordöftli im meiteren
Umkreiſe 1859 und 1865 ſowie auch fpäter
noch einmal infolge von Nahrungsmangel
fterbend in das am Boden liegende Scilf
der Teihe und Flußufer, in Maus- und
Maulmurfslöcher und unter das dürre Laub
an den Waldrändern, wo fich ihre Leichen
jpäter vorfanden.” (Die Brutvögel Dit:
thüringens und ihr Beſtand.) Ueber den
Beitand der Hausichwalben teilt Yiebe an
derfelben Stelle mit: „Die Schwanfungen
in der Zahl der jährlich niftenden Mehl:
ſchwalben find noc größer als bei den
Rauchſchwalben; denn jene Zahl reduziert
fidh von einem Jahr auf das andere bis»
weiten auf ein Viertel und weniger, wächſt
aber dann unter günftigen Umftänden aud)
wieder fehr jchnell. Ich bin daher in diejem
Falle nicht imftande zu enticheiden, ob im
ganzen jeit 50 Jahren eine Zu- oder Ab—
nahme ftattgefunden hat. Viele behaupten
zwar, es gebe jet weniger Mehlichwalben
als fonft; wenn man aber genauer nad)
forfcht, jo zeigt fich, daß die Häujerzahl
zwar gewachſen, die der geichlofjenen
Schwalbennefter aber diefelbe geblieben
iſt.“ Auch frühzeitig einbrechender Winter
kann den fich beim Herbſtzug verfpätenden
Schwalben verderblic werden. Wenn man
die Älteren Jahrgänge der Fachzeitſchriften
durchlieht, fann man manches darüber finden.
Uns ift das Beifpiel aus dem Jahre 1905
in lebhafter Erinnerung, wo Ende DOftober
und Unfang November noch beide Arten
nicht felten zu fehen waren und fie bei dem
falten Wetter, das fie auch am Wegzug hin:
derte, fiherlich nach Hunderten umfamen. Ob
es fich bei diefen Nachzliglern um einheimifche
Brutvögel handelte, erfcheint mir fraglich.
— 19% —
Bur Brutzeit ifteine naßfalte Witterung
oft noch verderblicher. In dem naſſen Bor-
jommer des Jahres 1894, mo e8 4 Wochen
lang faft ununterbroden regnete, find in
BWolfftein eine ganze Menge von Bruten
in den Neftern verhungert. Auch ift bei
ftändigem Regen die Gefahr groß, daß die
Neftwände aufweichen und die Jungen das
Neſt fprengen, berabfallen und umfommen.
Bejonders jhlimm, wenigftens in Thüringen
mar auch das Jahr 1881, von dem Liebe
über die Hausſchwalben ausführt, nachdem
er fur; vorher erzählt hat, wie jchlimm die
Rauchſchwalben mitgenommen waren: „Noch
weit trauriger geftaitete fi das Los der
Mehlſchwalben. Schon am 9. und 10, Juni
gaben fie das Brüten auf und ſah man
ihrem Fluge Mattigkeit an. Am 11. jtarben
ſchon viele und fielen von den Fenfterfimfen,
wo fie momentan auszuruben pflegten, her⸗
unter auf den Boden um nicht wieder da-
von zu fliegen. An diefem Tage jchon ver-
ließen fie da8 engere Heim der Nififtätten
und zogen fih an jenen Dertlichkeiten zu-
fammen, an welchen fie fi im Spätfommer,
teilweiſe zuſammen mit den Rauchſchwalben
zu ſcharen pflegen um die Abreiſe vorzu—
bereiten. Am 12. trat das Hauptſterben
ein: an jenen Sammelplägen fielen die
armen Tiere von den Dächern und Fenfter-
fimfen herab in die Höfe und auf bie
Straße um nicht wieder aufzuftehen;; indem
fie über den Wafleripiegel hinflogen um
noch ein Inſekt zu erbeuten, übermannte
fie die Mattigkeit und fie fielen in das
Waſſer und ertranfen. Der Anblid war
berzbrehend. Ein Knabe hatte gerade
100 Stüd tote Mehlihwalben in wenigen
Minuten aufgelefen und mir jelbft wurden
Mengen der Eleinen Leichen angeboten. Die
Tiere waren außerordentlid; abgemagert,
hatten eine entzündete Kropfhaut, zeigten
aber feine Symptome, welche auf eine
Epidemie hätten fchließen laffen. Die fo
dem Hunger erlegenen waren vorzugsweiſe
junge, refp. jüngere Tiere. Alte Tiere mit
volllommen erwachſenen Epiphyſen und er-
bärteten Bändern und Sehnen waren jehr
jelten darunter und mögen die wenigen
Ueberlebenden in recht alten Yndividuen
bejtehen. Bon den Mehlichwalben ift nicht
nur die ganze erfte Brut zu Grunde ge:
gangen, fondern auch noch mindeftens 85
Prozent von dem diesjährigen guten Früh
jahrsbeſtande.“
Auch Wetterkataſtrophen können die
Beſtände dezimieren, ſo wurde bei dem
ſtärkſten Hagelichlag, den unſere blühende
Provinz feit Menſchengedenken erlebt hat,
am 10. Auguft 1905 in der Gegend von
Landau, Edenkoben und Neuftadt taufende
von Schwalben von den bis zu fauftdiden
Eishroden zu Boden geichlagen und getötet.
Die Lokalprefje hat über eine Reihe von
Fällen berichtet.
Allerhand Feinde bedrohen das Leben
auch diefer leicht beſchwingten Geſchöpfe.
Da find zunächſt jene Menſchen, meldhe
aus Vorurteil, Mißgunit oder Ueberdruß
den Schwalben die Neftanlage unter ihrem
Dache nit erlauben; da find böfe Buben,
die ſich mancherorts nicht fcheuen auch diefen
Vögeln die Eier oder Jungen zu nehmen
und zu verderben, wenn aud nicht an«
nähernd ın dem Umfang, wie fie durd)
diefe Roheit anderen Arten ſchaden.
Hin und wieder gelingt es einer Rage
eine Schwalbe zu erwiſchen oder zu einer
faft flüggen Brut zu gelangen.
Sperlinge ergreifen Befig von gerade
fertigen Neftern; dann haben fich bie
fleißigen Baumeijter umfonft gemüht und
fönnen häufig nur eine Brut aufziehen.
Bon den gefiederten Feinden kommt
nur der Baum- oder Lerchenfalte in Frage,
diejer kühne Beherrſcher der Lüfte, dem es
zumeilen gelingt eine Schwalbe zu erhaſchen.
Beſonders die Jungen find nicht ficher vor
ihm. In Wolfftein konnte ih im Juli
und Auguft oft dieſen eleganten Flieger
unter den Schwalben erſcheinen ſehen. So-
bald er allein jagt, wagen fie ihm in
reſpektvoller Entfernung zu folgen; erjcheint
er aber mit feinem Weibchen, eines oben
das andere unten, jo flüchten die Schwalben
bligichnell zu den jchügenden Häufern, mo-
bin ihnen das Fälkchen nicht folgt. Oft
genug müſſen die Falten ohne Erfolg wieder
abftreichen.
Ob die Turmſchwalben durd; ihr lautes
und ungeftümes Benehmen und ihre befiere
Ausrüftung im Kampf ums Dafeın dazu
beitragen den Eleinen Schwalben den Auf-
enthalt in den Städten zu verleiden, wie
man ſchon gemeint bat, Elingt nicht un-
wahrfcheinlich, ift aber ſchwer zu erweiſen.
a an
— 21 —
Die bisher namhaft gemachten Gründe,
von melden der letzte (Feinde) kaum jehr
in das Gewicht fällt, beziehen fi mehr
oder weniger auf beide Arten. Nun gibt
es noch eine Anzahl Gründe, wirkliche und
mögliche, durch welche nur immer eine
Art betroffen ift.
Der Rauchſchwalbe dürfte es heut-
zutage vielfach an entiprechender Niftgelegen-
beit fehlen, was zujammenhängt mit den
Neuerungen im Bau der Ställe. Anſtelle
der Balkendurchzüge mit ihren Borfprüngen,
hölzernen GStüßpfeilern und dem Deden-
fachwerk hat man jegt immer häufiger glatt
gewölbte Ställe mit eifernen Tragbalken.
Damit find in vielen Fällen die guten
Niftgelegenbeiten gefchwunden und die Tiere
müflen ſich mit weit weniger guten Stellen
zum Neftbau begnügen, wenn fie überhaupt
ein Neft anbringen können.
Ein anderer Grund, auf melden von
zwei weit auseinander gelegenen Orten
(Bobenthal und Finkenbach) hingewieſen ift,
cheint durchaus einleudhtend. Herr Forft-
amtsafſeſſor Niederreuther berichtet aus
Bobenthal (Materialien zur bayer. Ornith.
IV), daß das feltenere Auftreten der Raud-
fhwalbe in jener Gegend darauf berube,
daß die Bauern wegen der auch im Hod-
fommer jehr fühlen Nächte die Viehſtälle
beinahe „hermetifch” verichließen. Mehr-
fach ift zu beobachten, daß begonnene und
balbfertige Nefter infolge der angeführten
Umftände nicht fertig geftellt werden. Aehn⸗
liches berichtet Geminarift Börker aus
Finkenbach, daß die Bauern im Frühiahre
die Ställe wegen der falten Nächte lange
verſchloſſen hielten umd damit den Tieren
das Einfliegen wehrten. In den Städten
verſchwinden mehr und mehr die Stallungen
der Fleinen Leute, Durch ähnliche Neue-
rungen baulicher Natur ift die Rauchſchwalbe
in einer Zeit, die jet ſchon etwas zurüd-
liegt, aus Kühe und Kamin vertrieben
worden und fie trägt jebt ihre Namen
„Raud, Küchen, Kamin, Schlotſchwalbe“
eigentlich mit Unrecht. Früher, ala es in
den Dörfern nur die weiten, unten offenen
Kamine gab, die jegt mehr und mehr ab-
fommen, bat die Rauchſchwalbe bier mit
Borliebe ihre Nefter angelegt. Jetzt kommt
das nur noch felten vor (von zwei Fällen
aus dem Bliesgau wurde berichtet).
Auch daß mancher Waflertümpel, manche
Bruchftelle und manches verfumpfte Wald.
tal durch die moderne Landkultur befeitigt,
bezw. entwäfjert find, mag diefer Urt, die
jene Orte mit Borliebe aufjudt, die Eri-
ftenzbedingungen geſchmälert haben,
Ein Beobachter hat als Grund für die
Abnahme der Rauchſchwalbe die Zunahme
der Hausſchwalbe bezeichnet, was ich bier
anführe ohne Stellung dazu zu nehmen,
Der Hausſchwalbe wird es von
vielen Hausbefigern verübelt, daß fie die
Bände verunreinigt. Ihre Nefter werden
abgeftoßen oder es mird der WWeiterbau
eines angefangenen Neftes verhindert, In
vielen Fällen geichieht dieſes Abftoßen der
Nefter auch ohne böfen Willen aus Unvor-
fihtigleit oder gedanfenlos durch die Tüncher.
Wenn die Häufer alljährlih einmal gekalkt
werden, mie dies namentlich in vielen Orten
der Vorderpfalz üblich ift, fommt dieſes
„Reinmadhen“ der Wände für den Beftand
der Hausfchwalbe ſchon in Frage, zudem
dasfelbe meifiens vor der Kerwe“, aljo
noch in der Brutzeit ftattfindet.
Aengftlihe Gemüter haben auch Furcht
vor Läufen und Wanzen, die durch die
Schwalben in die Häufer gejchleppt werden
fünnten und dulden daher nicht, daß Nefter
unter ihrem Dache angelegt werden. Daß
die auf den Schwalben ſchmarotzenden Laus ˖
fliegen uſw. nichts gemein haben mit dem
Ungeziefer, welches der Menſch Grund hat
zu fürchten, ift längſt erwiejen.
Auch der Hausfchwalbe ſchadet eine jegt
auch auf den Dörfern Pla greifende Neue-
rung, nämlich der Delfarbenanftridh der
Häufer. Sole Häufer bieten dem Neſt
feinen Halt und werden gemieden.
In vielen Walddörfern fehlt an den
Häufern und Hütten die Bretterverjchalung
unter den Dächern oder diefe ift zu fteil,
ala dak das Neft vorteilhaft angebradt
werden könnte. Daß aud) ganz neue Häujer,
die noch unbemohnt find, von der Haus-
ſchwalbe angenommen werden, konnte ich diejen
Sommer in Trippftadt wahrnehmen, mo
an einem Neubau mit weit voripringendem
Dad mehrere frische Nefter lebten.
Einen eigenartigen und interefjanten
Grund für die Seltenheit diefer Art in
Städten führt Herr Oberftabsarzt Dr.
Gengler in feiner hübſchen Arbeit über
- 12 —
die Vögel des Regnitztales und jeiner Neben:
täler an. Er fagt dort jpeziell für Erlangen:
„Nach meinen Beobachtungen hängt die An-
fiedelung der Mehlichwalbe mit dem Bor-
bandenjein guten Neftbaumaterials in nächſter
Nähe der Niftftellen zufammen. Da die
moderne gepflafterte, ajphaltıerte, fanalifierte
Stadt,
dahin zurüdziehen, wo es diefen Stoff noch
in entiprechender Qualität gibt. Denn der
von mweither geholte Neſtbaukot wird ſpröde
und läßt fih nicht mehr an das ſchon
fertige Neſtſtück anfleben,. er fällt: wieder,
herab, und wenn er auch fleben bleibt, fo
befommt das Neſt doch nicht - die nötige
Feftigkeit und fällt bald auseinander, Der
Speichel allein — von dem ich. Übrigens:
trog mifroffopifher Unterfuhung an den
zum Bau gebrauchten Rotſtückchen nichts
finden Eonnte, weshalb ich diefe Theorie
etwas ‚bezweifle — fann dem durd das
weite Herbeitragen jpröde gewordenen Bau:
fot die verlorene Feuchtigkeit nicht mehr
beibringen.”
Die falſche Meinung von
rapiden Nüdgang der Zahl
Schmwalben erflärt fi in erjter Linie fo,
daß man oberfläcdhlicher Weije einen Ber:
gleich zieht zmifchen dem Frühjahrsbeftand
und dem vorjährigen. Herbftbeftand. Wo
einem
find die vielen Schwalben geblieben, welche:
im Auguft und September nad Hunderten,
zählten, fragen fi die Leute. Diefer
Standpunft die Herbitzahlen mit den Früh—
jahrszahlen zu vergleichen liegt bei unferen
Vögeln, deren Abſchätzung bei ihrem vor
aller Augen fih offen abjpielenden Leben.
und Treiben feine Scmwierigfeiten bietet,
ja nahe, führt aber zu irrigen Anfichten,
die fi) noch fefter einwurzeln, wo man
zu rechnen anfängt, daß, jedem Pärchen
2 Bruten zu je 4 Jungen zugedacdht, die |
Bahl der Schwalben mwährend einer Brut-
periode ſich vervier-
müßte; davon jolle
irgendwie umfommen, jo läge doch noch
eine Verdoppelung des alten Beitandes bor
uſw. Weit gefehlt! An der Hand. fold
einfacher Rechenerempel läßt fi die Natur
deren Straßen mit Kehrmaſchinen
gebürftet werden, ſolches Material nicht
mehr liefern kann, jo muß der Vogel ſich
unferer:
und verfünffachen.
einmal die. Hälfte
nicht auf die Spur fommen. Bei derartigen
Klügeleien pflegt man namentlich auch das
Ulter der Vögel zu Überfchägen, indem
man an eine durdjichnittliche Lebensdauer
von 6 bis 8, ja 10 Jahren und darliber
dent. Man wird wohl das Leben dieſer
rafchlebigen, heißblütigen Schmwalben im.
Durchſchnitt faum- über 3 Jahre. annehmen
dürfen, Hinweiſe auf Käfigvögel, die. leicht
das 3 - Öfache: Alter erreichen, vermögen
diefe Erkenntnis in feiner me zu beein»
trächtigen. - :
Gine Tauſchung fei.. noch ‚erwähnt,
Wird irgendwo. in einem Dorf ein Gebäude
niedergerifjen, an welchem ſeit vielen Jahren
Dugende von Neftern geklebt Hatten und
fommt darnad) Jahre lang feine annähernd
fo große Kolonie zuftande, jo tft man leicht
geneigt zu jagen: früher waren mehr
Schmwalben da. Es ift aber gar - nicht
wahr; die Schwalben. niften zerftreut oder
es bildet fi irgendwo langjam eine neue
Kolonie. In Wolfftein gab es früher. drei
größere Rolonien von ca. 15, 18 und 30
Meftern. Die find infolge Umbaus ver:
fhwunden. Heute zählt die größte Kolonie
faum 10 Mefter und doch haben die
Schmwalben ſeit 30 Jahren nicht ab-
genommen. In manden Yahren, wie
1901, 1903, 1904, 1905 fann man- im
Auguft über 500 Stüc auf einem Draht
oder Dad zählen, die alle im —
ausgebrütet wurden.
V.
Wie iſt der lokalen Abnahme vorzu—
beugen, bezw. zu begegnen? Man gönne
den zutraulihen Tierchen den Pla - zur
Niftgelegenheit in Stall, Einfahrt,
Hausflur oder unter dem Dach, ſchaffe wo—
möglih für die Rauchſchwalbe durch An;
bringung eines Brettchens an einer ger
eigneten Stelle ım Stalle eine gute. Neit-
unterlage (ca. 12 cm unter der Dede)
und ermögliche ihnen den freien: Aus- und
Einflug, jo wird auc in zufünftigen Tagen
das pfälzifche Dorf, die pfälziſche Stadt
der . über ihren Dächern Freuzenden
Schmälblein. nicht entbehren zum Nutzen
des Landmannd und zur Freude des
Naturfreundes,
— 13 —
Wie dentet der Pfälzer fremdartige Ausdrüche um?
Bon Theodor Zink in Kaiferslautern.
(Fortſetzung.)
Ehe ich die umgedeuteten Ortsnamen
verlaſſe, muß ich noch ſolche erwähnen,
deren veränderte oder unrichtig aufgefaßte
Namensform zu einem redenden Wappen
geführt hat. Rockenhausen führt ſeit
dem 16. Jahrh. drei Kornähren im Wappen,
die ald finnvolle Zeichen noch heute mit
dem Ortsnamen zujammengebradht werden.
Rockenhauſen ift eine Bildung, wie Ernit-
haufen, Friedelhauſen und gibt den erften
Beliger oder Gründer einer Siedlung an.
Rocken ift der ſchwache Weilenfall des
Namens Rocko, der als Rock heute noch
fortlebt. Die Gemeinde Würzmweiler führt
einen Würzstein (Mörschel) im Wappen,
obwohl an Wurze, d. i. Kraut zu denfen
ift. Der Srieger im Wappen Kriegsfelds
fam auf ähnliche Weiſe auf (Griesfeld.)
Iſt Schon die Zahl der Ortsnamen
fehr groß, die eine volfstümliche Umdeutung
erfuhren, jo mußte das noch mehr mit dem
übrigen Wortichage der Fall fein; das
Bolt will fih unter allen Umftänden unter
dem Lautgebilde etwas denken und in jedem
Menſchen ftedt ein Etymolog. Der Vorder- |
pfälzer bildet daher aus dem lateinijchen
oblongus in Dürfheim ableng und bei
Germersheim gar obleng: e ablanges
Körbches.. Ebenſo lehnt der Wejtpfälzer
obstinat an ab an, indem er absenat
ſpricht. Der Advokat wird ein Affegat
und die Apollonia eine Appel oder
Applane, Der Brutale ift brädal.
Der die Koften eines gerichtlichen Ber:
fahrens tragen muß, zahlt die Keſchte, d. i.
Kaftanien, woran um jo eher gedacht wird,
als man im Spridwort von den Kaftanien
redet, die man aus dem feuer holt,
Der Mennonit wird zum Mannijchten,
wie die neue Kartoffelſorte Magnum bonum
in der Borderpfal; zu Mannemer Bohne
(Mannheimer Bohnen) wird. Sn der
Beit- und Nordpfalz hörte ih hauptfächlich
Mangem bonem, bin und wieder aud)
lange Bohne. An diefem Beifpiel aus
der neueften Beit erjehen wir, daß es dem
Volke genügt, wenn dur eine Qautver-
bindung eine annähernd ähnliche, aber be-
fannte hervorgerufen, wird. (Daher wird
auch das lateinijhe papaver rhoea zu
paffeblum und paff; die Aehnlichkeit mit
der Sapuzinerfreffe, die im Volksmunde
paffe-tutie heißt, mag auch das ihrige
beigetragen haben.)
Ebenfalls Umdeutung eines lateinifchen
Wortes ift Presskammer für Saftiftei,
auh BPreisfammer oder am Niederrhein
Breifterfammer genannt, nad den preis
würdigen Gemwändern und Sachen. In
althochdeutfcher Zeit redete man von einer
triso- und trösochamara, mittelhochdeutſch
tröskamere.
Allgemein befannt find die Ber-
änderungen, die radikal erlitt, einmal
wird es, mie gewöhnlich zu raltekahl, ob»
wohl die Ratte doc nicht kahl ift, dann
zu ratzekahl und ſchließlich noch zu rachse-
kahl. Ja, der Nordpfälzer jagt ratt unn
kahl oder rutz unn kahl, das wohl aus
rutz unn butz, d. i. rutzebutz, entftanden
if. (Berg. Sünd unn schad!) Der
Geometer wird im Bliedgau zum Schöne»
meder ; das Feſt des Kirchenpatrons zum
Stremmes (unter Anlehnung an Stremmer),
lateinifh: strena = Einweihung.
Unfer weftpfälzifhe® Lander für
Laterne ift wohl nicht auf das lat. laterna,
fondern auf das näherliegende franzöfijche
Lanterne zurüdzuführen,; aber Lutzer für
das Licht fommt geradenmwegs von lucerna.
Das Eindringen franzöfiiher Fremd»
linge in unſere Sprache läßt fi zum erften
Mal in der Blütezeit der mittelhochdeutichen
Dichtung nachweiſen; mit dem franzöfiichen
Nittertum und der franzöfifchen Dichtung
gewannen gewiſſe Wörter Heimatrecht bei
ung. Zuerſt drangen fie in die Sprade
der Gebildeten ein und fiderten teilmeije
in die Umgangsipradhe des Bolfes herab.
Diefer Einfluß hat nie ganz aufgehört;
im 16. Sahrhundert hat er wohl jeinen
tiefften Stand, wird aber im 17. und 18,
Jahrhundert jo mächtig, daß wir jet noch
darunter leiden. Für die Pfalz kommt
außerdem in Betracht, daß fich die Ein-
flüffe des Bistums Metz und des Herzog-
tums Lothringen in ſprachlichen Dingen
geltend machen, Diejer ehemals deutſche
— 1M —
Beſitz ſteht bereits im frühen Mittelalter
im Banne der franzöſiſchen Sprache.
Außerdem herrſchten ſeit dem Jahre 1794
tatſächlich die Franzoſen auf dem linken
Rheinufer; in Landau beginnt der fran-
fiihe Einfluß fogar fhon nah dem
jährigen Kriege. Kann es uns da
wundern, daß die Umgangsſprache des
Rheinpfälzerd von franzöfiihen Brocken
vollgeftopft ift! Es fam mit dem fremden
Gute auch der fremde Ausdrud; aber der
Pfälzer nahm ihn nicht immer unbejehen
auf. Wir finden im Gegenteil, daß er
überall anzugleihen beftrebt if. Die
männliden Dingmwörter Hussier, Monsieur
Greffier werden zu jädlichen Dingmwörtern,
da die fremde Gndungsfilbe ala Ber-
Eleinerung aufgefaßt wird; daher das
Hussje (der G®ericht8vollzieher) das Musje;
fo muß die Endung -on zu ung werden:
prisson = Brissung; jelbft ımaterie =
madöring. Golsong = frz. Colson.
Der Hugenottenname Dantrimont wird
au Dandermann, Mehrzahl: Dander-
männer. Hubing von Hubin, Hussong
oder Hussing aus frzſ. Housson. Eine
merkwürdige Umdeutfchung erfuhr der Name
eines Hofgutes bei Homburg, das nad)
dem franzöfifchen General La Bretäche,
der ihn von 1684— 1714 inne hatte, be»
nannt iſt. Gemöhnlih heißt der Hof
Lappertesche Hof, im Volksmunde ver:
wandelt er fi aber in Lappentäscher
oder Lappentascher Hof, Aus jener Beit
mag aud der Landauer Ortsnamen die
Flach ftammen, der einen ehemaligen
Feſtungskeſſel, jegt einen Teich bezeichnet,
franzöfiih Ja Flaque. Ein gewiſſer Zu—
fammenhang zwiſchen der deutfchen und
der franzöfiihen Bezeichnung ift nicht zu
verfennen, da Flaque eine Lade oder
Pfütze ift.
Bon umgedeuteten franzöfiihen Namen
. nenne ih noch Schönung für Chenon,
Schording für Jourdin, Tussing für
Toussaint, Klemang, Lorang, Weisang
für Clement, Laurent, Vincent, Lesswing
für Lesoin').
In Frankreich nennt man eine „Fleiſch⸗
Schlack Leberwurft” andouille; der Pfälzer
bildet hieraus Anduudl, der Nordpfälzer
') Larusch aus La Roche, Gatohr aus
Catoir,
hin und wieder Handıuudl. Der Landauer:
der am längften franzöfifchem Einfluß aus,
gefegt war, jagt für Schmetterling Bubeller,
welches Wort von papillon, latein. papilio
ftammt, während der Weftricher fein Flecker⸗
maus für Schmetterling bis heute treu
bewahrt hat. Sicher dachten die, melde
die Entſtellung zuerft anmendeten, an
Puppe oder Bube.
Wie bier das fremde a zu u oder o
wird, jo am Donnersberg o zu a, ſonſt
zu „u: Mantuur für Montur, d i. mon-
ture, Paschtuur für positure, jonft
Poschtuur oder Buschdür.
Am Volksmunde wird von einem Ge—
meindediener erzählt, der bei einer Be
fanntmadung von Militärläus ftatt von
Mitrailleusen ſprach; es ging ihm mit
diefem jchwierigen Worte nicht bejier als
unfern Sriegern, die getroft maulproper
für malpropre jagen. Auch die passpoile
des Dienftrofes wird zu basswoll, mo»
durch fich für den Unfundigen ımmer noch
ein Sinn ergibt. Die Wendung du jour
wird zum deutichen „die Schur“.
Die bamblocke, d. i. doppelte Ohr-
ringe, der Landauer Gegend erinnern eher
an unfer deutiches bambeln ald an das
gallifhe Wort pendeloque und bei der
basstränk d. i. dem Tanzlokal, denft man
bei Speyer gewiß an Bass und tränk, d. i.
trinken, liegt doch beides näher als das
fremde la bastrinque, das nur Schenken:
tanz bedeutet.
Hier in der basstränk ruft der lebens-
frohe Rheinpfälzger dem Nachbarn zu, in—
dem er fein gefülltes Glas erhebt: „alle
bott sante*. Freilich, wenn er alle bott,
d. i. oft, jein Glas erhebt, wird er bald
nicht mehr wiſſen, was er redet; denn jetzt
ihon trinft er auf die Geſundheit des
Angerufenen nad dem franzöfiihen Mufter
à votre sante.
Die kö'skri (conserits) der Franzojen
werden in meiner Heimat zu Kunschtkri,
der Stleiderftoff poil de chevre zu Wald:
ihäfer oder Waldriſch.
Außer der lateinischen und franzöfifchen
Sprade hat in der Pfalz nur neh die
bebrärfche einigen Einfluß auf den Wort-
Ihag ausgeübt. In der Umgangsſprache
finden fich wohl viele Ausdrüde, die dem
DHandelöverfehr mit Jsraeliten entftammen;
— 125 —
ih nenne aber bier nur eine Umdeutung
spones rasseles oder bones rasseles für
Geld, daher wohl Bohnen für Geld, wie
man ja auch von „chriftlichen Linsen” redet.
Zum Schluffe muß ich noch der deutſchen
Ausdrüde gedenken, die der Pfälzer um:
deutet. Außer den Orts: und WBerjonen:
namen find es beionder® Xier- und
BPflanzgennamen. Unter eriteren ift be
ſonders merfmwürdig unfer Mauerwolf oder
-wulf. So nennt der Weſtricher den Maul
mwurf; auch am PDonnersberg und bei Göll-
beim tritt diefe Form auf. Der Süd-
oftpfälger jagt Maulwölfer auch Maul-
wölber, der Rheinbewohner bei Neupfot
Maulälpser. Auch Maulwurm ift zu
hören. Schon in mittelhochdeutfcher Zeit
war unfer moltwörf in mülwörf, mülwelf
und mürwerf untgedeutet, ja fchon im
9. Jahrhundert fann muwerpf nachge-
wiefen werden. Zu dem Nordpfälzer
Moltruf, Molteruff, Moltrof paffen die
befien » nafjauifhen molter, moltertier,
molteroff, moltroff, molpert, molwert.
Alle erinnern an molte, molta, d. i. weiche,
lodere Erde, am Donneröberg gemulter
für lodere Stoffe. Der Uder ift mill
(bolländiid mul — lodere Erde), wenn
er jehr „zart“ ift. „der iss so mill wie
lauter escherig‘“ oder purer (Puder) oder
mill wie e äschekaut. Der Grumbeere-
miller (nit Müller) dient zum Lockern
der Adererde.
Bor. anderen Tiernamen mußten fid
noch folgende eine Umdeutung gefallen
laffen: Der Lapin, d. i. das Feldfaninchen,
beißt entweder Laping oder gar Labbär,
die Barsch wird zur Berſcht — Bürfte,
mozu aud ihre Stadelfloffen Anlaß ge
geben haben mögen, der Milchner (Hering)
zum Minchner, d. i. „Münchener“.
Bon Bogelnamen hat fi als alter am
Donnerberg Margrub, Mehrzahl Mar-
gruwe, erhalten. Es darf aber weder an
Mär = Here no an Grube gedacht
werden; denn die ältere Ausſprache, Die
fih bei Kirchheimbolanden findet, iſt Mark-
grof, d. i. Markgraf. Heißt doch auch im
„Reinede Wuchs” der Träger dıejes
Namens, der Häher: Markwart. Die
fonderbare Veränderung erklärt ſich einfach
aus den Lautverhältniſſen der Volksſprache,
von denen f am Ende zu b erhärtet, im
Inlaute aber in w übergeht. Aus gleichen
Urfachen wurde der Ylurname Burggrafen-
acker zu Borgrumenader.
Unſere jhöne Tulpe (Tulipane) wird
zu Dollebäm oder Dullebam, ala ob fie
eine Baumart jei, die Balsamine zur
Bazeline, indem das Bolt an Porzellan
denft. Der alte Name Katzenzagel, d. i.
Katzenſchwanz (Schwanz — zagel, zagil),
für Schaftheu oder Schadtelhalm, der
ſehr anfchaulich ift, wird zur Katzenzahl
ihon im 16. Jahrhundert, wie auch
Rübenzagel zu NRübenzahl und Zagelholz,
d. i. Gipfelholz, zu Bahlen oder Behlen.
Aus Huflattid, d. i. Lactuca, entjteht in
der ganzen Pfalz Huflatte, kurz Latte und
jelbft das befcheidene Maßliebchen wird
nit nur in der Kinderſprache zu Ma-
zinselche, Mazeminche, Märzisel und
Mazisel. In Knoblich ftedt nicht die
ſüdpfälziſche Verfleinerungsfilbe lich, jondern
loch für Lauch, weſtpfälziſch: Jaach. Der
Gemwürztraminer wird oft zum Dreimänner-
mein; zwei halten, wenn der dritte trinkt
und unfere guten Borsdorfer verwandeln
fih am mittleren Glan zu Poſchtäffchen.
Wer mag dad auch dem Glanbauern übel
nehmen, da er nicht wiſſen kann, mas
Borsdorf ift und wo es liegt!
Der Sperberbaum erinnert uns mit
feinen Früchten nicht an den Vogel Sperber,
mbd. sperwaere, ahd. sparwäri, jondern an
ber und sp£r, die beide Frucht bedeuten,
Benn die befannte Malve im Volks—
mund Säfepappel, ahd. papula, mhd.
papele, in Sräuterbüchern des 16, Jahr⸗
bunderts aber Bappel heißt, fo lehnt. fi
das Wort an Bappelbaum, mittellateinifch:
papulus, latein. populus an, Unſer be
iheidener Sauerampfer wird in meiner
Heimat zu Sauerrumpel, fonft in der
Pfalz zu Sauerhämberich oder -hamber
oder -rambel; an ampfer, ahd. ampfaro,
denft niemand mehr. Ya, der Wiejenbods-
bart, tragopogon pratensis, muß fi) den
Namen: Sühhamberir gefallen Laffen.
(Schluß folgt.)
ge
— 16 —
Deutſche Geſchichte auf heimatlicher Grundlage.
So iſt der Titel eines in diefem Sommer
dem Berlage von Hermann Kayſer in
Raiferslautern zum Drude übergebenen
Buches. Das Werk erjcheint in drei
Lieferungen, wovon die erſte bereits er-
bältlih ift. Berfaffer ift Lehrer Zink in
Ktaiferslautern, der als Geſchichtsforſcher,
auch in Fachkreiſen, rühmlich befannt iſt.
Soweit ſich das in Frage ſtehende Werk
aufgrund der erſten Lieferung beurteilen
läßt, iſt es ein Beweis für die große Um—
ſicht des Autors auf dieſem Gebiete. Be—
ſonders trägt der Verfaſſer zwei langjährigen
Forderungen gebührend Rechnung:
Der Stoff iſt guten Quellen entnommen
und daher wahr.
Er iſt, mo nur möglich, auf heimat-
liher Grundlage aufgebaut.
Infolge diefer Betrachtungsweiſe zeigt
fi der Glorienſchein mander geichichtlichen
BVerfönlichkeit etwas getrübt. Doch ift ja
das Buch, feiner ganzen Unlage nad, für
urteilsfähige Erwachjene beftimmt. Es ift
eine möglichſt vollkommene Stoffgabe für
den Unterrichtenden. Der Lehrer, der beim
Betriebe der Heimatkunde geichichtliche An-
fnüpfungspunfte geben mill, wird folche
bier reichlich finden. Insbeſondere ift in
diefer Beziehung unfere Pfalz viel berüd-
fichtigt.
Aber auch das Kulturgeſchichtliche kommt
entiprechend zur Geltung und einen be-
fondern Reiz haben die zahlreihen Ab-
bildungen pfälziicher Funde. Hauptſächlich
diefer Umftand verleiht dem Bude all:
gemeine® Intereſſe, macht es lejenswert
für jeden Wltertümer- und Gejcichts-
freund.
Möge daher das Buch, dem Wunſche
des Verfaſſers entiprechend, recht freundliche
Aufnahme und viele Leſer finden!
ud. Müller.
Dem Berfafjer, einem gewiegten Kenner
der pfälziſchen Gefchichte ift es in vortreff-
liher Weife gelungen, feinen Landsleuten
und allen Gejhichtöfreunden ein Werk zu
bieten, das wie fein zweites mehr geeignet
ift, fie hauptſächlich mit der Geſchichte der
Pfalz von frühefter Zeit an befannt zu
maden. Das, was Zinks Buch fo jehr vor-
teilhaft von andern Geſchichtswerken abhebt,
ift feine fterige Bezugnahme auf die Heimat,
auf Pfälzer Orte, Pfälzer Gebiete, Pfälzer
Funde zum Teil aus vorgefhichtlicher Zeit,
Pfälzer Sagen und Redensarten und es
mutet einen recht heimijh an, wenn man
plöglich feinen Heimats- oder irgend einen
andern pfälzifhen Ort mit einer gejchicht-
lihen Tatſache vor taufend oder zweitauſend
Yahren verknüpft findet. Der Wert. des
Buches wird aber noch erhöht durch feine
naturgetreue Wiedergabe zahlreicher alter
Funde, die fih Heute zum Teil im Mufeum
zu Speyer, zum Teil auch in Privatbefig
befinden. So ift die 1. Hälfte des I. Bandes
eine geradezu glänzende Pfälzer Kultur-
geſchichte. Aber auch im 2, Xeile, der
weiter ausgreift und ſich mit der Deutſchen
Geſchichte bis 973 beichäftigt, bleibt der
Berfaffer, jo viel ihm möglih ift, auf
heimatliher, d. h. pfälziſcher Grundlage.
Mein Urteil über den bereit8 erjchienenen
Band kann ih dahin zufammenfaflen, daß
Zink ein Werk gejchaffen bat, an dem die
Schule nicht achtlos vorübergehen fann,
das aber auch in andern Kreiſen der Be-
vlöferung eine Heimftätte finden wird.
K. Königftein.
Eine Schmetterlingsinvahon
hatte am Abende des 5. Auguft dieſes Jahres |
Breslau zu überftehen. Wiefige Schwärme
von Nachtjchmetterlingen, meiſt Nonnen, ber:
miſcht mit Ringelipinnern, Weidenſchwärmern,
Förleulen, Siefernfpannern und Kupfergloden
fielen plöglich am Abend wie ein Schneegeitöber
in die Hauptverfehrsftraßen ein und begannen
ben Tanz um die eleftrifchen Yampen und Gas—
laternen. Um jede Bogenlampe tanzten ſtunden⸗
lang viele Taufende der Tiere, deögleichen um
die Lampen der Reitaurationen. Sie bededten
dicht die beleuchteten Schaufenjter und Schilder
und fielen in Maſſen ermattet zu Boden, mo fie
tot getreten wurden. Am tolljten ging es, einem
Beriht der „Schlefifchen Zeitung” zufolge, im
Weitportal des Hauptbahnhofes zu. Dort konnte
— 12717 —
man kaum in ben Bahnhof Hinein; wer es ver⸗ die Gaslaternen. Biele von ihnen flogen in bie
fuchte, gab es bald auf und fam mit Hunderten | Lampen binein und famen bort um. Bald war
bon Schmetterlingen bebedt wieder zurüd. Die | faum nod ein Glübftrumpf Beil, fo. daß bie
Tiere fegten fi überall bin, fie frochen in. die | Flammen trüber brannten, etwa wie früher bie
Kleider, in die Haare, auf das Geſicht, wo fie | offenen Gasflammen. Bis in die Morgenftunden
eben gerabe anflogen. Die Damen mit bellen | dauerte dad Treiben der ungebetenen Bäfte. Die
Kteidern waren für die Nachtſchwärmer hervor | Schmetterlingsfchwärme ftanımen aus den fehle
ragende Unziehungspunfte. Das Treiben der | fiichen Forſtrevieren, die in diefem Jahre von
Schmetterlinge war vor dem Hauptbahnhof fo | den Nonnen ftark heimgeſucht wurden. Auch bie
ftark, daß man die Borhallen ausräudern mußte. | Müdenplage iſt in Schleften jehr bedeutend
Brennende Papterfadeln wurden im Kreife ge- | geweſen. Längs ber Ober beläftigen bie In—
ſchwungen, aber e8 half nur wenig, denn immer | feften die Menfchen derart, daß ber Beſuch von
wieder verjüngte fidh die Schar der mwirbelnden | Reftaurationen beeinträchtigt wird, Schuld
Infelten. Beſonders ſtark war das Spiel, als | trägt das Hochwaſſer, weldes In zahl-
um elf Uhr bie eleftriichen Straßeniampen aus: |; lofen TZümpeln frudtbare Herbe zur
gingen, und bie Tiere nun noch wütender ald | Entwicklung der Mücken zurückgelaſſen
borher gegen die Nernſtlampen des Bahnhofs bat. Der warme Sonnenfhein wedte
flogen. Nach Erlöfchen der elektriichen Straßen- | während jener Tage die Tierden zu
lampen bejtürmten die Nachtſchwärmer fchließlih | fröhllichem Leben auf.
Unfruchtbare Bäume,
Es ift befannt, daß einzelne Bäume nicht | einen vielleicht nur wenigen belfannten Rat. Er
tragen wollen, obgleich fcheinbar alle Bedingungen | meinte nämlich, der Apfelbaum müßte daran ge—
erfüllt find, die man borfehen kann, um ihnen | möhnt werben, Laſten zu tragen, dann würde
das Fruchttragen zu ermöglichen. Ebenſo finden | er auch Aepfel tragen. Man folle bie Kronen—
. wir in ben Gartenbüdhern Winke, wie biefem | äfte miteinander durch Drabt verbinden, fo daß
Uebeilftande abzuhelfen jet, ehe man fich dazu | eine Art Net oder Korb entftehbt. Da Hineln
entfchließen muß, einen jonft fhönen mund trag- | müßten größere Feldſtelne getan werben, die auf
baren Baum als Brennholz zu beriverten. An | den Stamm brüden. Der Rat wurde befolgt,
einem Bfarrgarten in der Uckermark ftand, | und bas Ergebnis war, daß ber Baum im nächſten
tie der Praktiſche Ratgeber im Obft- und Garten« | Jahre Früchte trug. Es märe intereffant, zu
bau mitteilt, fo ein faulfer Baum, der noch nie- +) erfahren, ob dies Hilfsmittel, unfruchtbare Bäume
mals Luſt gezeigt hatte, etwas anderes als Holz | durch Belaftung mit Steinen in fruchtbare zu
und Blätter zu erzeugen. Der Pfarrer erhielt | verwandeln, auch fonft befannt ift und erfolg-
bon einem Gajte, der fich feinen Garten bejah, | reich angewendet wird.
Bas richtige Obſteſſen.
Wir lefen in ben „Blättern für Bolls- | bis ein Pfund frifches Obſt genteßen würde,
gefundhettspflege” (Berlin W. 30, Deutjcher | fall nicht Störungen im Berbauungdtraftus
Verlag für Bollswohlfahrt): Im allgemeinen | dagegen fprechen. Mit der Ungabe einer be+
wird das Fleiſch bei unferer Ernährung zu j ftimmten täglichen Obftmenge haben wir ſchon
och eingefchägt. Wir eſſen Im Durchfchnitt zu | angedeutet, daß auch im Obftgenuß berftän«
viel Fyleifch, was für die Geſundheit nicht ohne | diges Maß gehalten werben muß, da auch
nadhteilige Folgen ift. In einem gewiſſen Gegen» | bier ein Zuviel Schaden bringen fann. Indeſſen
fag zum Flelſch fteht das Obſt, welches eine die | noch von einer zweiten Gefährdung iſt das Objt
Schäden zu reichlicher Fleifchnahrung in gerotfiem | nicht freigufprehen und das find die Krank—
Sinne ausgleichende Wirkung bat. Der Herbit | beitsteime, die feiner Außenfläche an-
mit feinen köſtlichen Objtgaben foll daher | haften Fönnen. Wir mwollen bier nur im alls
reichlich benußt werben und ed wäre jeht | gemeinen darauf hinweiſen, daß bei ben vielen
würifchendmwert, wenn jeder täglich in diefer Zeit , Händen, dur bie vor allem Mepfel, Birnen
- 1238 —
und Steinobft- gehen, reichlich Gelegenheit zu
umäfthetifcher Beſchmutzung gegeben tft, und wir
wollen im befonderen hervorheben, daß auf den
Obſtſchalen die Eier bon Eingemeibe-
würmern- fiten Binnen. Es empfiehlt fidh
baber umter allen Umftänden, Obit bor bem
Genuß genügend zu reintgen. Bei Wein
trauben und Stetnobft ift diefe Reinigung durch
Waſchen in lauwarmem Wafler ohne weiteres
burchzuführen, und bei Aepfeln und Birnen wird
das Abſchälen ja auch etwaige Unreinlichkeiten
mit der Schale radikal entfernen. Nun bat man
aber feftgeftellt, daß bei Aepfeln und Birnen
gerade in ber Schale daß feine Aroma ber
Frucht vorhanden ift, und man bat jerner darauf
hingewleſen, daß ber Genuß der Schale gleichwie
ber ber Kleie beim Korn bie Berdauung:
tätigfett anregt: Esſſpricht daher mehreres
bafür, bie Schale mitzugeniehen, und ba
Waſchungen von Birnen und Wepfeln die Halt- |
barleit des Obſtes herabſetzen und gleikfalls
das Aroma verringern, fo ſcheint bie befte Rel⸗
nigungsart fräftiges Xbtrodnen mit einem
baumtvollenen rauhen Tuch und unmittelbar
vor dem Genuß leichtes Abſchaben der Ober-
fläche mit einem Obftmefler. Diefes Berfahren
bürfte in allen Fällen genügen, um bie Frucht
fo zu fäubern, daß fie ohne Schaden genoflen
werben kann und im ben Körper Feine ſchäblichen
Keime trägt. Freilich wäre e8 auch zu wunſchen,
daß bie Obftgühter und Obfthänbler bei
der Behandlung dei Objtes don Anfang an ber
größten Sauberfeit ſich befleißigen, und bei ber‘
heutigen billigen Herftellung von Papier könnte
man wohl fordern, daß nicht nur bie ebeljten
Obſtſorten, ſondern alle zum Eſſen beftimmte
Kernobſt in Papter eingewickelt wird, ſobald es
ber Produzent an den Händler oder direkt an
ben Konfumenten meitergibt. Die Arbelt tft
nicht groß, ihr Reinlichkeitseffekt recht bebeutenb.
Ber Berein der Aheinpfäher
zu Düffelborf Batte am 16. Oktober feine Mit- |
giteder, Freunde und Gönner zu einem Familien⸗
abend im Hotel „Bweibrüder Hof” eingeladen.
Dur das Vortragen von Pfälzer Dichtungen
jeiten® einzelner Mitglieder und das Abfingen
ber beliebten Pfälzer Lieder aus dem Archiv bes
Bereind Hatte bald eine recht fibele Stimmung
Platz gegriffen und der Abend verlief infolge-
befien in fchönfter Harmonle. Für Anfang
November iſt zur Erinnerung an ben Dürk-
beimer Wurftimarft ein Wurfteffen vorgeſehen,
mobet echte Pfälzer Würfte ſowie Pfälzer Wein
verabreicht werben.
Aleine Mitteilungen.
Bin Mäuber. Ein junger Mann fand
bei einem Habichtneſt am alten Schloß bei
Wilgartöwiefen zmölf Metallringe mit ver-
fhiebenen Nummern, teiter drei Gummiringe
mit Nummern und eine Feder. Sämtliche
Gegenjtände rühren von Brieftauben her.
Eine weiße Schwalbe tft in Wolferk-
beim als Abnormität beobachtet worden, bie vom
dein Elternpaar fürforglich gefüttert wurde.
Sturmfchabden. Der durch ben Sturm
| bom 5. Zuli im Stadtgeblete von Aſchaffenburg
angerichtete Schaden wurde im Wuftrage ber
Negterung feitgeftellt. Demmad wurden ver-
nichtet: an Privatelgentum 506 Objtbäume im
Werte von 2550 Mark, mit denen der Stadt
zufammen rund 20000 Marf. Berhagelt wurden
853 Heltar. Der gefamte Schaden wurde auf
300 000 Mark beziffert.
lt: Monotith bei Martinshöhe. — Das Borkommen der Rauchſchwalbe und ber
—* walbe in der Pfalz.
on Th. Zink. (Fortf. ſiatt Schluß.) —
Schmetterlingsinvafion. — Unfruchtbare Obftbäume. —
äuber. Eine weiße
Rheinpfälger. — Kleine Mitteilungen: Ein
Zon 8. Bertram. — Wie deutet der Pfälzer frembartige Ausdrücke um?
Deutſche Gefchichte auf heimatlicher Brundlage. — Eine
Das ng Obſteſſen — Der Berein ber
chwalbe. Sturmfchaben.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Bär dera und Juhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
„Die vinuua · Geimattunden toßet, jühric In 18 Heften I. 240 Bee
Voſtauſtalten ferner dom Berleger (9
m werben von allen Bucdkandblungen und
ng) angenommen.
3%
November 1907.
JPÄLZISCHE HEIMATKUNDE)
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
DLILDIENZZE
Bu den angeblichen Höhlenfunden im Mefrid.
Mitte legten Monats durchliefen nicht | laufes aus dem unterirdijchen Reſervoir zu
allein pfälzifhe, jondern auch auswärtige
größere Beitungen fenjationelle, von ver-
ſchiedenen Berichterftattern ftammende Nadı-
richten über die Entdefung großer unter-
irdiſcher Höblungen bezw. großer Tropf:
fteinhöhlen in der Mufchelfaltregion Blies-
faftel-Saargemünd, Bitich und Zmweibrüden,
für deren Borbandenjein zahlreiche, nad
ftarfen Gemwittern fich einftellende Einbrüche
und Erdjenfungen jprechen follten. Bejon-
ders für die Gegend bei Böckweiler wurde
eine Tropffteinhähle mit Sicherheit anger
nommen und für fie auf Grund von anr
geblih angeftellten Schallverjuchen jogar
eine Ausdehnung von mindeftens 1,5 Kilo:
meter vermutet; fie jei deswegen wohl die
größte Höhle Deutjchlands und verſpreche
eine Sehenswürdigkeit erſten Ranges zu
werden, In fie follten jhon vor Jahren
neugierige Qandleute und geologiſche Foricher,
als durch einen Einbruch der Zugang vor»
übergehend geöffnet worden mar, einge:
drungen und durch das Geſchaute zu den
kühnſten Hoffnungen berechtigt worden jein,
doch babe der Mangel an entiprechender
Ausräftung und die durch Erdrutſchungen
und Waſſer bedingte Lebensgefahr ein
weiteres Bordringen in die nun leider wieder
verſchüttete Höhle unmöglich gemacht. Einen
weiteren Zugang zu dieſer Höhle hoffte
man in 1500 Meter Entfernung von diejer
Stelle auf den Wieſen bei Bödmweiler durch
Erweiterung eines angeblihen Wafjeraus-
gewinnen, nur war man nod nicht einig,
ob die zur Erjchliegung notwendigen Schächte
und Stollen im Walde an den oben er-
mwähnten Einbrüchen oder auf den Wieſen
bei Böckweiler an der Wustrittöftelle des
Waſſers aus dem großen unterirdiichen Re
jervoir angelegt werden müßten. Noch tage-
lang follten nad ſtarkem Regen dieſe Höh-
lungen ſchmutziges Waſſer ausjpeien, mäh-
rend fonft nirgends mehr etwas von demielben
zu fehen jei.
Aus dieſen jenfationellen, von vielen
Zagesblättern übernommenen Berichten
konnte jedermann annehmen, daß tatſächlich
große, die „jeltenften Sehenswürdigkeiten“
bergende Höhlen vorhanden fein müßten,
von denen man merfmwürdigermweije bisher
noch nicht8 gehört hatte. Weiter wurde das
Intereſſe für die Gegend durch den Hinweis
auf vulkaniſche Schlammausbrücdje von ver-
ihiedenem geologiichen Alter gewedt, in
welhe Saurier, Muſcheln und AUmmons-
hörner auf der Höhe des Kahlenberges in
einer eigentümlihen Urt eingebettet, die
Saurier aber in Quarz verjteinert jein
ſollten; durch die in allerneuefter Zeit be
jtätigte Vermutung, dab die Gegend pvulr
kaniſchen Gharafter beſitze, könnte der Reiz
der Höhle noch um ein Bedeutendes ver-
mehrt jein.
Sanguinifhe Berichterftatter maßen
diefen Angaben eine große Bedeutung für
die Pfalz bei und erwarteten von der Er
— 130
fhliegung der Höhlen eine Bereicherung an
Naturfchönheiten und einen wirtichaftlichen
Aufſchwung der ganzen Gegend. Sollte
do jchon ein vorbereitendes Komitee die
wiſſenſchaftliche Erforfhung der Höhlen in
die Hand genommen und fich die Mit-
arbeiterfchaft verjchiedener, namentlich auf:
geführter Gelehrter gefichert haben.
Someit kurz die phantafievollen Zeitungs:
berichte, die Überall das größte Auffehen
erregten. Hervorgehoben verdient aber auch
zu werden, daß ed nicht an Stimmen fehlte,
die vor zu weitgehenden Hoffnungen warnten
und Enttäufhungen in Ausſicht ftellten.
Konnte fich doch jeder mit den einfachfien
Elementen der Geologie vertraute Leſer von
vornherein ſelbſt jagen, daß in diefen ver—
ſchiedenen Notizen um ein wahrjcheinlich vor-
handenes Körnchen Wahrheit viel Unmwahr-
ſcheinliches gruppiert fein müſſe.
Um mir nun ein eigenes Urteil in diejer
Angelegenheit zu bilden, beiuchte ich unter
ortöfundiger Führung an zwei Tagen die
Höhlengegend zwiſchen Böckweiler und Mim—
bach und benutzte hierbei neben anderem
Kartenmaterial beſonders Blatt Zweibrücken
der geognoſtiſchen Karte des Königreichs
Bayern nad) den Aufnahmen von L. v. Am»
mon, U. Leppla, %. Pfaff und O. Reis.
Hiernach liegt Böckweiler ſelbſt und das
nad der Biden:Albe abfallende Gehänge
im Unteren Muſchelkalk (Muſchelſandſtein
und dem darüber folgenden Oberen Wellen-
falf), das Plateau von Böckweiler im Mitt-
leren Mufchelfalt und die Hänge des ſich
darüber aufbauenden großen Kahlenberges
im oberen Muſchelkalk (Troditenfalt und
und darüber Nodoſenkalk).
Zunächſt wurde mir nordöftlid vom Dorf
in einem kleinen Wieſengrund, der Schredel:
bad), eine ganz ſchwache, etwa eindrittel
Sefundenliter Waſſer liefernde Quelle als
wahrſcheinlich mit der Höhle in Verbindung
ftehend gezeigt; darüber befindet fi etwas
im Bufchwerf verſteckt eine durch ein paar
Sprengihüffe nur wenig ermeiterte luft
im Geftein, die nach ftarfen Regengüjfen
Waſſer und damit vermengt zuweilen aud)
Laub ausfpeien fol, An diefer Stelle fei
die große Höhle, deren Ausdehnung durd)
den beim Sprengen hervorgerufenen Schall
auf 1500 Meter Entfernung unter der an-
ftoßenden Flur und dem Sceidwald hin—
durch bis zum Grünbachwald beftimmt jei,
durd) einen Stollen zu erſchließen; die zahl-
reihen Erdjenfungen in jenen Bezirken er:
möglichten dem Regenwaſſer den Eintritt in
das unterirdifche Reſervoir.
Tatſächlich treten auch in den genannten,
faſt ebenen Walddiſtrikten zahlreiche Erd»
ſenkungen von ſchüſſel;, keſſel oder wannen-
förmiger Geſtalt auf; als früherer Zugang
zur Höhle wurde mir im Grünbachwald dort,
wo vom Ausläufer des Kahlenberges die
alte Medelsheimer Hochſtraße nad Süd—
often den genau nördlich führenden Wald-
weg freuzt und der topographiiche Atlas
die Cote 115 verzeichnet, ein etwa 6 Meter
tiefer, wannenförmiger, früher verfchütteter
Einbruch gezeigt, der furz vorher von in
Böckweiler einquartierten Soldaten aus:
geihaufelt worden war und auf eine 30 bis
40 Bentimeter breite, teilmeife mit Wafjer
ausgefüllte Spalte hinabführt. In der
ihmalen Kluft Horizontal weiter vorzu-
dringen war mir nicht möglih, Tropfftein-
bildungen Eonnte ich Eeine beobachten. Einige
Meter weiter ın nördlicher Richtung befindet
ſich eine ähnliche, auch kürzlich ausgefchaufelte
Erdjenfung, die ebenfalls auf einen gleichen,
wahrjcheinlich ſogar denielben Spalt hinab-
führt. Andere Bemerje für das Borhanden-
fein einer Höhle bezw. den Zulammenhang
der Erdjenfungen mit der Austrittitelle in
der Schredelbah fonnten nicht erbradt
werden ; die angeftellten Schallverjuche halte
ich für belanglos, Hinfichtlich des aus der
Austrittsöffnung hervorgefchwenmten Lau:
bes möchte ich zunächft annehmen, daß diejes
in den nach außen geöffneten lüften von
oben abgelagert und durch das von Zeit zu
Beit bervorquellende Waſſer herausgeſpült
worden ift, bis bewieſen wird, daß es ſich
um Laub von bejtimmten, in der Grünbach
vorfommenden Waldbäumen handelt.
Bei dem zweiten in Betracht fommenden
Gebiet zwiſchen Mimbah und Bödweiler
befinden ſich links und rechts der Straße,
befonders auf dem Plateau, wo fie „am
Triſch“ in den Seiterd.Wald eintritt, zahl«
reiche Einbrüche, in die bei ſtarken Nieder-
Ihlägen das Regenwaſſer, an einzelnen
Stellen fogar mit donnerndem Geräuſch,
verjchwinden ſoll. Mit diefen Einjenfungen
nun jcheinen tatlächlich ein oder zwei räum-
li getrennte, weite Austrittsöffnungen zu
forreipondieren, melde bei Gewitterregen zc.
fiher ftarfe Waflermafjen entftrömen laſſen.
Eine davon befindet ſich direft neben der
Mimbaher Straße am oberen Ende der
Sitteröflamm, eine zweite im Trichter der
Dupp- (Tuff) flamm. Aber aud hier fehlt
der Beweis für die Eriftenz einer größeren
Höhle.
Daß tatfähli Hohlräume in unſerem
Gebiete vorhanden jein müflen, geht aus
den trichterförmigen Senkungen der joger
nannten Erdfälle hervor. Sind doch ge:
rade diejenigen Gegenden, melde im Waſſer
leicht lösliche Gefteine, wie Halt, Gips ꝛc.
führen, die eigentlihe Heimat von Höhlen
und der Begleiterjcheinungen. Das in den
Boden einfidernde Waſſer ſucht ſich im Erd-
innern auf lüften feinen unterırdijchen
Weg und ermweitert dieje vermöge feiner
Fähigkeit, gewiſſe Beitandteile der Gefteine
aufzuldien, zu zerjegen und auszulaugen,
zu Kanälen. Bei fortjchreitender Auslan-
gung nady allen Seiten bilden fi größer
werdende, fejjelförmige, unterirdiihe Hohl:
räume, bis die Dede nicht mehr imftande
ift, die auf ihr ruhende Gefteinslajt zu tragen,
und zuleßt einſtürzt. So entitcht ein Erd-
fall, der ſich mit nadhgejunfenen Teilen der
darüberliegenden Schichten erfüllt. Da nun
gerade Gips fich jehr leicht löſt, werden
wir Einbrüche bejonders dort zu erwarten
haben, wo zahlreiche Gipsſtöcke vorkommen.
Tatfählich treten nun auch im Mitt-
leren Mujchelkalt in der Umgebung von
Böckweiler zahlreiche Gipseinlagerungen auf,
die früher einmal abgebaut wurden. Wahr:
fcheinlich dürfen wir aljo in eriter Linie für
jeden Erdfall einen vereinzelten, ausgelaugten
unterirdijhen Gipsftod, in zweiter Yinie
eine aufgelöjte Partie fohlenjauren Stalfes
als Urjache des Einbruches annehmen, ohne
eine zulammenhängende größere Höhle vor-
ausfegen zu müſſen. Im Gegenteil läßt die
geradlinige Anordnung der oben erwähnten
Erdfälle im Grünbadhmalde vermuten, daß
jpeziell diefe auf eine, auf größere Ent-
fernung verfolgbare Spalte hinabführen, von
welcher die Auswaſchung ausgegangen ift.
Die entjtandenen Hohlräume und Rejer-
voire, welche bei ftarfen Niederjchlägen fich
füllen und bei geringem Querfchnitt der
Ablaufsöffnung die auf den Alüften und in
den Kanälen zirkulierenden Gewäſſer noch
131
——— —————— —— —— — —— — —— — — —
längere Zeit ſpeiſen können. Endlich treten
die unterirdiſchen Waſſerläufe beladen mit
fremden Stoffen als ftändige oder auch nur
periodifche Quellen zu Tage; hierbei jchei-
den fi) die mitgeführten Subftanzen aus
und lagern fich ab.
Ein gutes Beiſpiel hierfür bietet die
Kalkfinter abjegende Quelle in dem mitt:
feren Teil der Dupp-Slamm, die davon
auch ihren Namen hat (Tuff — landläufige
Bezeichnung für Kalkſinter). In ihr ift das
Bachbett mit Kalffinter wie zementiert,
während die Ränder durch den oberen Bunt«
fandftein gebildet werden und jchon durd)
den Farbenfontraft auffallen. Hervorheben
möchte ich noch, daß die oben erwähnten drei
großen Austrittsöffnungen ungefähr in einem
Niveau auf der Grenze zwiſchen Mufchel-
jandftein und Oberem Wellenfalf liegen und
eriterer ſomit als majlerleitende Schicht
fungiert, während die Kalkſinter abjegende
Quelle weit tiefer im Buntjandftein austritt.
Was den angeblich am Kahlenberg auf:
tretenden vulkaniſchen Schlammftrom mit
eingelagerten Ammoniten betrifft, fo ift diejer
nichts anderes als die befannte dünnplattige
Nodojen Schicht des oberen Muſchelkalkes,
welche gerade mwegen dem zahlreih darin
auftretenden Ceratites nodosus ihren Namen
erhalten hat. Der zweite, angeblich jüngere
jurafiihe Schlammftrom am Binninger Berg
bei der Warte auf dem Wege zwijchen Bödel-
heim und Neu-Altheim ift nur eın tiefbraun
verwitternder mittlerer Muſchelkalk. Die in
ihm bier auftretenden eiförmigen Gebilde
(verfteinerte Saurier Eier!) find ais Kon—
fretionen aus Hornftein zu deuten. Syn
Quarz verwandelte Saurier fonnten bei
meiner Anweſenheit nicht gezeigt werden,
wurden mir aber in Ausficht geftellt. Viel—
leicht handelt es fich dabei um eigentümlich
geformte Linſen aus Hornftein,'der im Zuge
der Medelsheimer Hochftraße beim Aufftieg
zum Turm von Norden her aud) in mehreren
bi8 15 cm ftarfen, tieffhwarz gefärbten
Bänfchen auftritt. Verſchwiegen fol jedoch
nicht werden, daß nad) den Erläuterungen
zu Blatt Zweibrücken beim benachbarten
Breitfurth auffälliger Weile Saurierfnochen
in dem darunter liegenden Wellenfalf vor-
fommen, Ziehen wir nun aus den vor»
ftehenden Ausführungen kurz das Fazit, jo
ergibt fich, daß in unferem Gebiet 1) vul-
— 12 —
kaniſche Erjcheinungen fehlen, 2) wohl ver-
einzelte Hohlräume an Stelle von ausge:
laugtem Gefteindmarerial (in erjter Linie
Gips), die unter fih und wohl aud mit
der Außenwelt durch Spalten und Stanäle
in Berbindung ftehen mögen, aber wahr-
iheinlich Feine großen zufammenhängenden
Höblen, wenigitens nicht von den angenom-
menen Dimenfionen, vorhanden find. Yeden-
fall wäre es nicht nur ein recht Eoftfpieliges,
fondern daneben aud ein menig ausſichts-
reiche8 Unternehmen, etwa vorhandene
größere Hohlräume dur Schächte oder
Stollen ohne fiheren Anhalt auffuchen und
erſchließen zu wollen; der Nachweis für
ihre eventuelle Exiſtenz bleibt beſſer einem
glücklichen Zufall überlaffen.
Dr. D. Häberle.
Beobarhtungen über Emberiza cirlus.
Bon Friedr. Zumſtein, Lehrer in Bad Dürkheim.
Der Baun: oder Hedenammer (Em-
beriza cirlus) hat im Sommer 1906 bei
Bad Dürfgeim gebrütet. Damit ift dieſe
Bogelart, die bisher ſehr vereinzelt in
Deutfchland feftgeftellt wurde, in die Reihe
der pfälzifchen Brutvögel eingetreten, Es
ift daher wohl am Plate, weitere Kreiſe
mit Ddiefem jüngften Bürger unferer ein-
heimifchen Bogelmwelt befannt zu machen.
Der Baunammer, ein naher Bermandter
zu unjerm allbefannten Goldammer, hat
eine Länge von etwa 15 cm. Kopf, Hals
und Oberbruft find grünlichgrau Der
Rüden ift roftbraun; die einzelnen Federn
find mit ſchwärzlichen Längsfleden gezeichnet.
Auf dem Unterrüfen und Bürzel ift die
Färbung aud grünlichgrau, im Gegenſatz
zu dem Roſtrot beim Goldammer. Die
Unterteile find bei den beiden Geſchlechtern
gelblihweiß. Charakteriſtiſch ift die hübſche
Kopfzeichnung des Männdens. Durch das
Auge läuft ein ſchwarzer, oben und unten
gelb eingefaßter Streifen. Derfelbe biegt
an der Ropfieite nad) abmärts und jchließt
fih an einen ſchwarzen Kehlfleck an. Unter-
halb dieſes Kehlfleckes befindet ſich eine
gelbe, halbmondförmige Zeichnung. Die
beiden Brujtjeiten zeigen hübjche, roftbraune
Färbung. Das Weibchen ift weniger ſchön
gezeichnet. Der Augitreifen ift undeutlicher,
der ſchwarze Sehlflef mit der hübichen,
gelben Zeichnung ſowie die roftbraunen
Bruftflede jehlen, jo daß eine gewiſſe Aehn-
lihfeit mit dem Goldammerweibchen nicht
zu verfennen ift,
ALS eigentliche Heimat des Zaunammers
werden die jüdeuropäijchen Ränder bezeichnet.
Auch in der Schweiz ſoll er nicht gerade
felten fein. In Deutfhland wurden bisher
die Bodenjeegegend und das Mofeltal als
ftändige Wohngebiete genannt. Ym rechts-
rheinifhen Bayern ſcheint diefe Ammerart
ald Brutvogel zu fehlen. Yädel, einer
der befannteften bayerifchen Drnithologen,
kennt fie aus eigener Beobachtung nicht
und bezmweifelt ihr Vorkommen als Stand»
vogel. Auch in den Beröffentlihungen der
„Drnithologiihen Geſellſchaft in Bayern”
(Jahrg. 1899 — 1904) ift der Zaunammer
für Bayern nicht vertreten. Umfomehr
muß daher das relativ häufige Borfommen
diefer Bogelart als Brutvogel in der Um—
gegend von Bad Dürkheim auffallen,
Am 15. November 1903*) jah ich zum
erftenmale ein BZaunammermännden auf
einem Dorngebüfch zwifhen Bad Dürkheim
und Grethen. Doc hielt ich diefes Erem-
plar für eine zufällige Erjcheinung. Erſt
fpäter, nachdem ich durch einen glüdlichen
Bufall mit dem Gefange des Vogels be-
fannt wurde, konnte ih den Baunammer
an verſchiedenen Dertlichfeiten feftftellen.
Nach der Zahl der fingenden Männchen zu
jchließen, brüten in der nähern und meitern
Umgebung der Stadt mindeftens 10—12
Paare. Im Frühling und Borfommer hatte
ich fogar öfters Gelegenheit, auf dem kurzen
Spaziergange von Bad Dürkheim zur Lim-
burg ('2 Stunde) 4 —5 fingende Männchen
fonftatieren zu können.
Das Iſenachtal zwiichen Bad Dürkheim
und Grethen und die Bergabhänge zu beiden
Seiten des Tales und an der alten Slofter-
ruine Limburg bilden hauptſächlich das
* ©. kurze Mitteilung in „Materialien zur
bayr. Omithologie“, Band IV, Seite 361.
Wohngebiet des Zaunammers. In dem
Tale, direkt hinter der Stadt, befinden ſich
Gärten, mit vielen Obſtbäumen bepflanzt.
Die Bergabhänge find ſehr ſteil. Durd
Anlage von zahlreichen Mauerterraflen ent:
ftehen anbaufähige Bodenfläden. Weinberge
und Wderfelder, vielfah mit Obſtbäumen
bewachſen, wechſeln miteinander ab. Da-
zwiichen erblidt man Sandfteinbrüche, teil
meile außer Betrieb gejegt, aufgeſchichtete
Stein» und Schuttmajlen und Fleine Ded-
ungen, mit Haidekraut, Bejenginfter und
Dorngebüſch bededt. Nleine Feldgehölze,
aus Gdelfaftanien, Birken und Afazien ge
bildet, reichen ſtellenweiſe herab bis zur
Taliohle. Höher hinauf an den Bergen
beginnt dann der Kiefernwald.
Gebiet ift der Zaunammer, wie ſchon früher
erwähnt, verhältnismäßig am häufigiten an-
zutreffen. Als weitere Wohnpläge find Die
Bergabhänge vor Hardenburg, bei Seebad)
und bei Wachenheim am Ausgange des
Poppentales zu erwähnen,
In feinem Wohngebiete führt der Zaun—
ammer ein ziemlich verborgene Daſein.
Gewöhnlich figt er auf einem Buſch oder
in dem Wjtwerf eines Baumes Den
Menichen jcheut er wenig. Dit konnte ich
ganz nahe an den Vogel herankommen.
Auch auf Bäunten unmittelbar neben menich:
fihen Wohnungen jah ih ihn öfters. Um
jeine Nahrung zu juchen, welche größten:
teıl3 aus Sümereren befteht, fommt der
BZaunammer auf den Boden herab. Ich
traf ihn auf den Dedungen, zwiſchen Gras
und Haidefrautbüihen. Im Nachſommer
findet er fi) gern auf den abgemähten
Korn- und Kleeädern der Bergabhänge ein,
wo ıhm reichlich der Tiſch nededt ift. Dem
Beobachter verrät er fih durch feinen Lod-
ton und den charafterischen Geſang.
Der Lodton ift ein lang gezogenes
„ieh“, welches, von furzen Pauſen unter:
broden, mehrmals wiederholt wird. Faſt
ganz ähnlich klingt der Lockruf des BZipp-
ammers (Emberiza cia), welder an den-
jelben Dertlichkeiten vorfommt. Nach meinem
Tafürhalten lodt der Baunammer etwas
lauter. Doch ift die Aehnlichkeit jo groß,
daß ich noch jegt troß längerer Beobachtung
nicht imftande bin, beide Vogelarten nad)
dem Lockruf fiher zu unterfcheiden. Da
auch die unterjcheidenden Merfmale des
In diefem |
133
Gefieders nicht befonders auffallend find
und in furzer Entfernung jchon verfchwinden,
fo iſt die Möglichkeit einer Verwechſelung
beider Arten leicht gegeben.
Kaum hat die Frühlingsionne die Berg-
abhänge von der minterlihen Schneedecke
befreit, läßt jchon der Zaunammer fein eigen
artiges Lied hören. So fonnte id 1906
am 6. März, 1907 am 28. Februar den
eriten Frühlingsgeſang feititellen. Beim
Singen ſitzt der Bogel gewöhnlich ganz frei
auf der Ajtipige eines Baumes, ähnlich mie
es Amſeln und Drofjeln zu tun pflegen.
Manche Sänger haben geradezu Lieblings:
bäume, auf denen man fie immer mieder
antreffen fann. Der Gelang befteht aus
einer furzen, einförmigen Strophe, melde
etwa 3 Sekunden andauert. Man fann
ihn mit den Silben zir, zir . . wieder:
geben. Dabei denfe man fich diefelben jo
raſch ausgeftoßen, daR eın ununterbrodenes,
lautes Klirren entſteht, indem einzelne Töne
nicht mehr unterjchieden merden können.
Bei den einzelnen Eremplaren ift die Hlang-
farbe des Gejanges verſchieden. Manchmal
hört man Strophen, weldye rauher flingen
und durch die Silben zär, zär.... . . dar-
geftellt werden können. Um den Gejang
des Baunammers zu veranfhaulichen, möchte
ih aud an das Geflapper der Zaungras
müde erinnern; doc ijt dieſes Geflapper
reiner und wohlflingender. Das Lied ſcheint
dem Vogel Anſtrengung zu verurſachen;
denn der ganze Körper befindet ſich beim
Singen in Erſchütterung. Der Zaunammer
iſt ein eifriger Sänger; von Tagesanbruch
bis in die Abenddämmerung hinein läßt
er ſich hören. Auch kann man bei dieſer
Vogelart einen ausgeſprochenen Herbſtgeſang
feitftellen.. Nach einer Pauſe, welche etwa
von Anfang Auguſt bis halben September
dauert, beginnt die Il. Periode des Gejanges
und endigt erit etwa Mitte November. Aus
meinen Aufzeichnungen möchte ich folgende
Daten anführen: 1906: 19. September,
1907: 30, September eriter Herbitgejang;
1905: 4. November, 1906: 18. November
legter Herbitgelang. Un jchönen Herbittagen
flingt das Lied jo häufig und lebhaft wie
im Borjommer,
Das Neit des Baunammers fand ih am
1. Juli 1906. Die piependen ungen, von
den Nlten gefüttert, wurden zu Verrätern.
Das Neit befand fi) am Bergabhang auf
der linken ienachfeite, ungefähr TO m über
derZahljohle. Die Aefte eines verfrüppelten
Stieferbäumchens am Rande eines lichten
Gehölzes waren fo dicht ineinander ver:
mwacjen, daß man nicht hindurchſehen fonnte,
An diefem Aeſtegewirr ſtand das Neft, un-
gefähr 1'/; m vom Boden entfernt. Es
befaß eine ftarfe Unterlage aus dürren
Halmen und Wurzelwerf;; die Nukenmände
waren aus Halmen, Moos und einzelnen
dürren Gichenblättern hergeftellt. Yın Innern
war c8 mıt feinen Würzelchen und einzelnen
Haaren ausgelegt. Das Neft enthielt zwei
beinahe flügge Junge und ein unbefruchtetes
Ei. Obwohl ich die Aefte vorfichtig in die
Höhe hob, verließen die ungen das Neft,
trogdem fie noch nicht gut fliegen Fonnten, |
und verjtedten fi) im Haidekraut fo gut,
daß feines mehr aufzufinden war. Das Ei,
welches fich noch in meinem Befige befindet,
hat eine Länge von 21 mm und einen
Breitedurchmeiler von 16 mm. Die Grund
farbe iſt weißarau, etwas ins Grünliche
ſchimmernd. Davon heben ſich zahlreiche
ſchwarzbraune Punkte und Fleckchen ab.
An manche derſelben ſind kleine Kritzelchen
angehängt, ſodaß Gebilde entitchen, die mit
winzigen, erit dem Ei entichlüpften Kaul—
guappen eine gewiſſe Mehnlichkeit haben.
Zwiſchen den jchwarzbraunen befinden fich |
dann auch noch hellere, verwaſchene Fleckchen.
Jedoch muß bei diefem Etberückſichtigt werden,
daß es infolge der Nichtbefruchtung mindeſtens
4 Wochen im Neft gelegen iſt und die Friſche
der Farben jedenfalls gelitten hat, Die Fund:
zeit des Neſtes (1. Juli) läßt die Annahme
einer II. Brut vechtfertigen
Der Zaunammer iſt bei uns Zugvogel.
Anhaltspunkte für den Frühjahrs und werbit-
zug bilden die weiter oben erwähnten Daten
über den eriten bezw. legten Sejang. Die
erften Ankömmlinge treffen demnach anfangs
März ein, Nach der Häufigfeit des Ge:
junges zu urteilen, find bis Anfang April
alle Gremplare angefommen,
zug beginnt Mitte Oftober und dauert bis
tief in den November binein.
Im legten Fahre hat der Haunammer |
jogar übermintert. Es iſt dies umſo be:
merfenswerter, als der Winter 1906.07 für
unjere Gegend der fältefte und jchneereichite
jeit 10 Jahren war, Die erſie Beobad)-
Der Weg |
134
tung, die auf eıne Ueberwinterung ſchließen
ließ, datiert vom 4, Dezember 1906. Zu
meinem Erjtaunen vernahm ich in der Nähe
des Friedhofes Zaunammergefang und fonnte
bald den Sänger auf der Spige einer Linde
auffinden. Am nädjften Tage hörte idy an
der gleichen Dertlichfeit ein Eremplar unter
Finken lodfen. Kurz vor Weihnachten
(24. Dezember) beobachtete ich ein Baar auf
einem Zwetichgenbaum am Bergabhang hinter
dem Friedhofe. Am 9, Januar 1907 jah
ich 1 Männden und 2 Weibchen nebjt einem
Bippammermännchen auf einem Slecader
am Yımburgabhang. Die Sonne hatte ftellen:
weiſe, namentlich am Rande des ftügenden
Gemäuers den Erdboden vom Schnee frei:
gemacht. Hier ſuchten die Vögel Gras:
und Unkrautſamen. Aufgeicheucht flogen fie
in ein nahes Dorngebüfch Am 13. Februar
jaßen 1 Männchen und 2 Weibchen (viel:
leicht die gleihen vom 9, Januar) im Ge:
büſch am jogenannten Geißenmweg. Die
Weibchen zeigten an den Schenfelieiten
dunfle Längsfleckchen. Die Bögel flogen
| bald ın einen nahen Wingert und fuchten
dort eifrig den Samen des Hühnerdarmes,
Um dieſe Zeit war die Kälte und Schnee:
periode vorüber, ſodaß die Vögel ſicherlich
den ſtrengen Winter fiberftanden. Den früher
erwähnten, auffallend frühen Frühlings—
pelang vom 28, Febr. 1907 möchte ich einem
ſolchen überwinterten Exemplare zuichreiben.
Zum Schluſſe muß ich noch einer Ferien—
beobadytung Erwähnung tum. Am 16. Julı
diefes Jahres konnte ich den Zaunammer
ber dem Dorfe Tannenberg am Fuße der
vohenfönigsburg feſtſtellen. Zwei Männ-
chen ließen aus den Obitbäumen des Wielen-
grundes unterhalb des Dorfes ihren Belang
hören. Much bei dem franzöfiichen Bogelen-
bade Gérademer vernahm ich am 18. Juli
den charafteriftifchen Geſang diejer Ammer—
art. Demnach ift der Raunammer auch
Bemohner der Bogejen. Aa, aus diefen
zufälligen SFeftitellungen ift anzunehmen,
daß dieſe Vogelart häufiger vorfommt als
bis jegt befannt war. Beſonders wünſchen
möchte ich, daß der eine oder andere Leſer
der „Pfälz. Heimatkunde” nach dem Baun-
ammer Umschau halten würde. Ich bin der
fihern Ueberzeugung, daß er noch an ver-
Ichiedenen Stellen, namentlid am Rande
der Haardt zu finden ift.
135
Mir deutet der Pfälzer fremdartige Ausdrücke um?
Bon Theodor Zink in Katferslautern.
(Schluß).
Ehe ich umgedeutete Spridmwörter und
Redensarten fur; anführe, möchte ich eınige
beionders ſchöne Beiipiele aus dem Gebiete
der Gattungsnamen anführen:
Wer fih in der Nordpfalz durch Holz:
frevel eine FForftitrafe zuzieht, der erhält
eine Waldruh, der FFeldjrevler vom Feld—
ihügen eine Feldruh. Auf den erjten Blick
weiß niemand, der das Wort zum eriten
Mal hört, was er fich unter dem zweiten
Teile denfen ijoll; denn Ruhe darf er, wie
das Volf es tut, nicht heranziehen, obwohl
ruh in Waldruh und Ruhe lautlich gleich
find. Daß das Volk diefe Beziehung her
ftellte, ilt leicht zu erflären, da unjerm ruh
fein meitered ftammvermwandtes Wort zur
Seite ſteht. Es hängt mit ruge, d. i. Rüge,
zujammen, das die Mundart nicht mehr |
Daß e8 aber einſt häufig war, be= |
fennt.
zeugen BWaldruh und Feldruh und die
iormelhafte Wendung in unjern Weistümern:
die schöflen weisen und rügen. Sm
amtliden Verkehr ſpricht man auch heute
roh von Forſtrüge und Forftrügegericht.
Im 16, Jahrhundert wird in Natjerslautern
noch von Waldruge geſprochen.!)
Umgefchrt wie ruge zu Ruhe wird,
verwandelt fich altdeutiches ruowa in der
Borderpjalz in rug, Eigenichaftswort: riwig
(ruewig) — ruhig und in das Yeitwort ruge.
Der befannte Eleine Handbohrer Näber
aus Nabegör, älter nabi-" ger, wird im
Weſtrich zu mälbörxe, das ſich auf die
Umitellung nageber, negeber zurückführen
lässt.
obwohl der Begriff „teuer” bezeichnet wird,
Der Bollerwie, ein großer Wagen mit
jchweren Dielen, it fein „Polterwagen“?)
troß ſeiner Schwerfälligfeit, jondern ein
Bohlenwagen, auch Bordenwogen genannt.
!, Der Nordpfälzer jagt im Sprichwort:
„Hör uff je ruhe!” (Hör auf zu ruhen‘), wenn
er im Geſpräche einem andern widerſpricht. Daß
„ruhen“ feinen Zinn ergibt, liegt auf der Hand.
Der Vorderpfälzer aber jagt bei Annmeiler und
Bergzabern „hör uff se rüge!*. rugen — rügen,
das, weil e8 in ber Volksſprache nicht mehr
tebendig iſt, Hier nur noch formelbaft erjcheint
oder umgedeutet wird.
) Bollern = Böllern!
macher.
Koftſpielig iſt koſt billig (koöſcht bellia). |
So wird das alte Borfird (empor) zur
Bordekörch; der Trauring aber zum Drei-
ring.°)
An Kraftausdrüden deutet der Pfälzer
gerade fo gerne um wie die andern Deutſchen.
Das Ehrwürdige möchte er doch nicht fo
ganz in den Staub ziehen und wählt daher
lieber ähnlich Elingende Wendungen: Statt
einem fräftigen: Donnerwetter! hört man
überall! Dunnerschbere! Dunnerledder,
Dunnerweſchtrich!
Aus der Herrgottsſonnenwelt wird Herr:
gotts hunnewelt; aus dem franzdf. Sacre
nom de dieu!®): Saderdiss noch e mool!
Sappermoicht! Sabberdibunnojh. Ein Herr-
gottiaframent: Herrgott, ſags kä'm Menſch!
oder Herrgott ſacker minſch! (Bliesgegend.)
Allmächtiger Gott! lautet oft im Scherz:
Allmeeſiger Kruck. Kreuz Stempel an der
Bettlad — Kreuz: Standeböhl (Ort) oder
„Speyer, Dum un Altpörtel!“
Wer übertreibt, macht e Aria aus ebbes
(Aria für arg). Der Streikende „macht
Stricke“.
Wenn aber ein Kind verdroſſen iſt und
„e Schibbche macht“, jagt man auch: „es
läßt die Fläſch henke“. Fläſch ift wohl die
Flaſche, tritt aber an Stelle von Flenich
oder Flinſch, mbd. flinz für Lippe,
Ein anderes Mal heißt e8: Do figt er
un bakt uff wie e Hechelmaus, ftatt Hechel:
Die Hechel iftein feines vielzähniges
Werkzeug zum Meinigen des Hanfes oder
Flachſes, das jorgfälttg behandelt fein will,
Auf flüchtiger Umdeutung beruhen ferner:
„Weis emool!" — „S'iß net weiß!“ — „ch
gläb Ss net!” „Wann du’s net gläbft (flebft),
dann babbe!” Er iß net vun Merkſem
(Merrheim am Hunsrüd), weil er nicht
viel behält. Amer er fann leſe, wo's did
leit (liegt), do raffe meerd. ES geht aud)
zur Bas Lehue (leihen). Endlich geht er
noo Berhlehem (häm ins Bett).
Wer eine Schwierige und ausjichtsloje
Arbeit übernimmt, „treibt Schnee imer
die Broch” (Brachacker). In Saiferslautern
und in der Eifel treibt man iwer's Brut!
a» Treuring ?
*% Salernunbidjee.
— 136 —
denn dem Städter liegt die Bruchlandichaft | laffen, da ich glaube, auf diefem Gebiete
näher al8 die Aderbrache, die er vielfach | den Reichtum unjerer Volksſprache erwieſen
nicht mehr fennt. Die alte Redensart aut | zu haben. Es find, jtreng genommen, Irr—
oder naut: etwas oder nichts, ahd, iowiht | tümer, die ich aufdecken mollte, aber jolde,
und niowith, klingt Haut oder naut. — | auf die wir ftolz jein fünnen, da fie von
Meinen Borrat an volfstümlichen Um- | der großen Sprachkraft des einfachen Volkes
deutungen babe ich lange nicht erichöpft. | Zeugnis geben. Nur lebende Spraden
Ich mill ed aber mit Beiſpielen genug fein | kennen die echte volfstüimliche Umdeutung.
Bur Umfrage über den Meinban in der Rheinpfalz.
Durh das fürzlib im Verlag von | und Odenbach a. Glan 893, Nocd gegen
Heinrich Keller, Frankfurt a. M., erichienene | Ende des 15. Yahrhunderts beſaß das
3bändige Werf von Dr. Friedrich Baſſer- Hlofter St. Marimin in Trier ca 10 Morgen
mann Jordan: Gejchichte des Weinbaues | Weinberge in Münfterappel.?)
unter bejonderer Berüdjichtigung der Baye— In Kirchheimbolanden befanden fich nad)
riſchen Rheinpfalz iſt eine Lüde in der | Hopp vor dem 30jährigen Kriege Weinberge
Literatur ausgefüllt worden, da es die erite | an dem jetzt mit Niederwald bewadjienen
Veröffentlichung über diefen Zweig der | Yudenberg, wo noch heute Spuren davon
pfälziſchen Kulturgeſchichte darftellt. Eine | vorhanden find,*)
furze Ueberficht über den reichhaltigen Jn+ | Nefte alter Weinberg Terraflen fonnte
halt gibt ungefähr der von dem Autor vor | auch ich in mehreren bochgelegenen Wald:
zwer Sahren auf dem 22, Weinbaufongrek | parzellen ſowohl ım Glantal bei Odernheim
gehaltene und auch in diejer Zeitichrift 1905 | und Rehborn, als bejonders an den Hängen
9.97 ff. abgedrudte Vortrag und geftattet | der Haardt beobachten, wo unter den heu
dadurc) die Erledigung einer Anzahl der | tigen Berhältniffen' die Bedingungen für
geftellten Fragen; auch die Veröffentlichung | die Erzeugung eines die YUrbeit lohnenden
von Otto Stang auf ©. 32—33 dieſes Qualitätöweines nicht mehr ausreichend
Jahrganges bietet ſchon Material für die | fein dürften.
Beantwortung der Umfrage. Naturgemäß | Daß die Klöfter infolge der ungünftigen
find hierzu die Bewohner der heute noch | Verkehrsmittel durd Anlage von Reben—
Weinbau treibenden Gegenden cher berufen | pflanzungen an nur einigermaßen geeigneten
ald die des rauheren Weſtrichs, für die | Punkten ihrer Umgebung den eigenen Be:
hauptiählich nach Frage 7 nur die Feſt- darf an Wein zu deden fuchten, ift eine
ftellung derjenigen Lofalıtäten in Betracht | befannte Tatſache und wird 3. B. aud
fommt, an denen urkundlich’) früher Wein: | durch den heute nod gebräuchlichen Flur—
bau getrieben wurde; nur zu frage 1 möchte | namen „Wingertsberg” bei Otterberg be—
ich ergänzend bemerfen, daß auch die &ewann- wieſen.
bezeihnung „Hofſtück“ nah Ballermann: Ein anderer Wingertöberg wird gelegent»
Jordan (1905 ©. 112) neben Kirchenftüd | lich der Beſchreibung der Wälder dieſes
als alter Weinflurname anzuiehen ift. Klofters bei Sippersfeld erwähnt; an ihn
In einer Ueberficht über den Weinbau | ftieß, durch die Örenze getrennt, der Laden
im Alfenztal nennt Pfarrer Drefcher?) | berg.?)
neben Kreuznach als alte Weinorte: Nor- Auch an der Yauter reichte der Wein
heim 766, Hüffelsheim und Cangenlonsheim | bau früher weiter talaufmärts als heute.
169, Monzingen 778, Münfterappel 860 Nah der Beichreibung des Königslandes
(Amt Wolfftein) durch den Kurfürſtlichen
— R Die in den Urkunden des Kloſters Sorfe Forftmeifter Bellmann befanden ſich 1600
(Codex Lauris hamensis) aus dem 8. HYahr- | TI 2
hundert aufgezählten Weinbau ara DR ) Ebendafelbft 1905 ©. 67.
jeße ich als befannt voraus. *, Ebendaſelbſt 1906 ©. 1.
) Norbpfälz. Geſch.Bl. 1906 ©. 22 fi. ®, Kreis⸗Archiv, Faſzikel 344 ©. 4.
— 137 —
zu Kaulbach am Kirchberg und zu Olsbrücken
in der Dittenbad, in der Höl und am
Nebiger Weinberge.)
Auch in KRaiferslautern ſcheint man da»
mit Berfuche gemacht zu haben. Um 1.
Februar 1571 murde nämlich dem Rat
durch den Bürgermeifter mitgeteilt, daß
mehrere Bürger am Stahlenberg Wernberge
anlegen wollten. Der Rat gab eine Zu:
fiimmung „die Weinumpflanzungen fürzu-
nehmen, welches do eö geratten möcht und
der Tiebe Gott jeinen ſegen und gedeien
dazu geben und verleihen möcht, gemeiner
Natt und Bürgerfchaft nit allein zu lob,
fundern auch zu gut gereichen möche.“ Bur
Förderung diefes gemeinnügigen Beſtrebens
wurden die Grundftüde auf 12 Yahre ohne
Zins überlaffen.”)
Bur Gewinnung möglichft großer Quan⸗
titäten ohne Rüdfiht auf die Qualität hat
man vielfad auf Grundftüden, die ſich eher
für alle anderen Aulturpflanzen als für
Reben eigneten, Weinberge angelegt. Mit
Recht wurde daher auch im Gartorius-
Prozeß darauf hingewieſen, daß mancher
Kartoffelader mit Neben bepflanzt und
deren recht geringwertiger Ertrag durd
ſtarkes Zuckern genießbar gemacht worden
jei. Es ift vorauszufehen, dak wir mit
der Beit zu einer Einichränfung des Reb-
baues in den hierfür meniger geeigneten
Lagen kommen werden: „Wo der Pflug
anwendbar ift, wird Adferfeld, wo
Obftbäume gedeihen, wird der
DObftbau, wo beides verjagt, wird
der Bald an die Stelle der Neben
treten müſſen.“
Als in den Bereich der Umfrage fallend
find bier wohl auch die jährlichen fogenannten
Bau- oder Weinfahrten oder Fahrten ins
Beingebirge?) zu erwähnen, welde den
Pächtern der Klofterhöfe im Weſtrich auf-
erlegt wurden, aus von den in der Border:
pfalz gelegenen Weingütern die Kreszenz
beimzuholen. Wie nun jpäter beim Ueber:
gang von der Natural= zur Geldverpflegung
der „Gompetenz-Wein“ nicht mehr einen
Teil der Befoldung bildete, wurde für die
®, reidarchiv, Saal- und Lagerbuch Nr. 124
©. 240 ff. und 2382 ff.
) Küchler, Chronik von Lautern ©. 46.
*), Hüberle, Das Neihsland ©. 178,
Fahrten?) gegen den Willen der geldarmen
Pächter, die lieber die Fahrt geleiftet hätten,
eine beftimmte Summe in bar eingezogen.
Dr. D. Häberle.
MWeinpreife ans alter Zeit
verraten manchmal gewiſſe Inſchriftſteine.
Was im Jahre 1576 der Wein koſtete,
davon gibt nach der „Gegenwart“ ein am
Haufe Göring jr. in Rhodt angebrachter
Stein Zeugnid. Seine Inſchrift lautet:
„Man zählet 1576, da der Bau angefangen
bat, da koſtet der Wein 40 fl. und Neuer,
und das Malter Korn war 4 Bapen bar”,
— Ueber dem Torbogen der Burg Flecken
ftein bei Schönau ift eine Anfhrtt auge:
meijelt, worin in gotiſchen Minusteln be-
kundet wird, daß Torwarte und Umfaflungs-
mauer der Burg im Jahre 1429 erbaut
wurden, da ein Seſter Korn 10 Schilling
Denare, ein Ohm Wein 9 Schilling Denare
und 10 Heller Eofteten (Heuſers neuer
Pfalzführer).
Wo iſt der älteſte Wein der Welt zu
taufeu?
Amerikaniſche Blätter antworten: In
Amerika! In New-York find ſoeben 20000
ME. für ein Faß Sherry aus dem Jahre 1767
bezahlt worden. Die Leje wurde für Napo-
leon I. aufbewahrt, und eine Feine Menge
ging an den König von Spanien. Napoleon
erflärte den Jahrgang für befonders gut;
aber er war zu ſehr mit jeiner Sriegs-
führung bejchäftigt, um ſich viel um feinen
Weinteller zu kümmern. Das Faß murde
in den Tuilerien niedergelegt, fam nach der
Schlacht bei Waterloo zu Tage und wurde
ſchließlich nach Amerika verkauft.
Ein ſeltſamer Handel.
Eine jüdweftdeutiche” Zeitung aus dem
Yahre 1816 berichtet uns von einem merf-
würdigen Handel. Im Herbite diejes Jahres
ihloffen zwei Bürger aus Pfeddersheim bei
Worms miteinander folgenden Bertrag:
der eine überließ dem anderen im boraus
die Kreszenz von D aut erhaltenen Morgen
Weinberg gegen ein Maß Wein aus dem
Jahre 1811. Das Blatt fügt hinzu, daß
) Für eine folche Fahrt wurde & B. vom
Daubenbornerhof bei Katjerslautern bis £ ben
Stiftägütern im BZellertal um 1770 der Betrag
von 5 fl. angeiet.
— 18 —
die Männer, die diefen Handel abſchloſſen,
ernfte, vernünftige Qeute gewejen jeien und
nicht etwa übermütige, junge Burfchen, die
wohl im Wirtshaus gern einen folden
Handel abfchließen, um hinterher von den
beiderjeitigen Abmadhungen zurüdtreten,
wenn der, der bei dem Gefhäfte zu Schaden
gefommen wäre, der Tiichgejellichaft reichlich
ſpendiert. Diefe Nachricht ift überhaupt
jehr glaublih; denn die Jahre 1811 und
1816 waren, was die Ereigniffe der Ernte
anbetrifft, von Grund aus don einander ver:
fchieden. 1811, dag „SKometenjahr” ge:
nannt, weil im Frühjahr ein merfmürdiger
Schmweifftern am Himmel ftand, war von
jeltener Fruchtbarkeit. Der Kometenwein,
der Elfer, war der vorzüglichite des ganzen
19, Zahrhunderts. Die folgenden Jahre
brachten nur mittelmäßige Ernten, und das
Jahr 1816 führt heute noch im Munde der
nadjlebenden Generation den Namen „das
Hungerjahr”. Unhaltende Regengüſſe im
Sommer ließen das Getreide nicht reif
werden, das daraus gewonnene Brot war
faum zu genießen. Das Futter faulte auf
dem Felde, der Weinitof kam nicht oder
vereinzelt zur Blüte. Infolgedeſſen war die
Not in den Gegenden Deutichlands, die
wie die Eifel und der Wefterwald ohnedies
von der Natur ftiefmütterlich bedacht find,
jehr groß. Im deutichen Südweſten, mo
dur; die in der Franzoſenzeit gejeglich
ſanktionierte Parzellenwirtſchaft jo ziemlich
der ärmite Taglöhner jein Stüdchen Land
hatte, da8 er mit Startoffeln beftellte, war
der Mangel nicht in gleihem Make fühl-
bar. Gute Geſchäfte fcheinen damals die
Eifigfabrifanten und Branntweinbrenner
gemacht zu haben, denn in Rheinheſſen legte
man im Hungerjahre diejen beiden Gewerben
eıne bejondere Steuer auf, deren Ertrag man
an die Notleidenden verteilte. (H. Tgbl)
Tierifhe Rebihadlinge und ihre Feinde.
Während man gegen die in die Klaſſe der
Ktryptogamen gehörigen pflanzlichen Rebichäd:
linge in den legten Jahren ziemlich Eräftıge
Abmwehrmittel gefunden hat, fonnte man den
tieriichen Feinden des Weinftodes bis jetzt
noch nicht recht beifommen, Nach neuer:
lihen Beobachtungen wurden die Raupen
des Traubenmwidlers (Gonchylis ambiquella
Hübn.) und des Springwurmmidlers (Tor-
trix pilleriana 3) in ziemlich ftarfe Säuren,
fomweit fie den Reben jelbft nicht ſchädlich
waren, geworfen. Die Kerfe blieben jedoch
nah 30 Min, Aufenthalt in diefer Löſung
nod am Leben, zeigen demnach eine unge»
meine Zähigfeit des Lebens; dabei entwideln
die Schädlingsraupen eine ſtaunenswerte
Gewandheit, fich ihren Verfolgern durch die
Flucht zu entziehen, indem fie ſich bei Be—
rührung des Aufenthaltsblattes fofort zur
Erde fallen laffen. Der Springwurm
fchnellt fi) mit außerordentlihen Mustel-
fräften fort, daher jein Name. Der Haupt-
grund, warum ſich diefes Ungeziefer fo ſtark
vermehrt, ift darin zu juchen, daß die fort-
ichreitende Bodenkultur die als Niftorte für
unfere nüglichen Smfektenvertilger in der
Vogelwelt unentbehrlihen Heden und Ge—
fträuche mehr und mehr ausgeroder hat.
Die Folgen hiervon konnten nicht ausbleiben,
Die nüglichite Vogelart bei Bertilgung der
Ferien find die Meijen (Paridae), melde
es verftehen, ein beitimmtes Gebiet auf das
gründlichfte zu unterſuchen und die ver:
borgenften Sterbtiere aufzufinden. Da ein
einziger Bogel pro Tag wohl an 1000
Kerfe zur Nahrung braucht, ift der Nugen
befagter Bögel augenfcheinlid. Einen neuen
Feind, der nad) jüngsten Beobachtungen jehr
intenfiv zu arbeiten fcheint, befigen die Reb—
ftöde in dem Ohrwurm (Forficula auri-
eularia). Wir bemerften bei Unterjuhungen
der Rebanlagen, daß aus fat jedem dürren
Blatt, worin fi Raupen oder Puppen der
Widler befanden, ein Ohrwurm jchlüpfte
und fanden da die Larven oder Puppen
des Traubenwidlerd und ded Springwurm-
wicklers überall außgehölt und ausgefreflen.
Es jcheint alfo der Ohrwurm bei Bertilgung
des erwähnten Ungezieferd, welches die
MWeinanlagen dezimiert, eine große Wolle
zu Ipielen. Ob nun der Ohrwurm bei
Beihädigung der reifen Trauben‘, jeinen
Nugen ftarf verringert, bleibt wohl nod) zu
unterfuhen. Da er an unreife Früchte
nicht geht, die Zeit des völligen Reifſeins
und der Süße der Trauben ſich jedoch auf
eine nicht zu lange Zeit beichränft, iſt eine
intenfive Schädlichkeit des Ohrwurms viel:
leicht doch nicht anzunehmen. Im Intereſſe
unjeres heimiihen Weinbaues ift eım fort:
ichreitende® Studium der Weinjchädlinge
jehr zu wünſchen. Pfälz. Preſſe.
— 158 —
Eine alte nnterfräntifhe Traubenfelter.
In der dem Zentralblatt der Bauver-
waltung beigegebenen Zeitjchrift „Die Denk»
malpflege” jchreibt Prof. Delenheinz: In
dem alten Pfarrdorf Unfinden bei Königs:
berg in Franken hat fih ein altes ein-
ftödiges, jet unbewohntes Haus aus dem
Jahre 1568 erhalten. Der einftige Beliger
hatte gewiß große Weinberge zu eigen, denn
im binterften großen Raum fteht noch eıne
mächtige hölzerne Kelter. Heute außer
Gebrauch, vergeffen und verftaubt, ift fie
doch ein Werk, das Beachtung verdient, fo
recht geeignet, einen Platz im Deutjchen
Mufeum für Meifterwerfe der Technik ein
zunehmen. Die gewaltige hölzerne Maſchine
ift nicht nur ein bloßer Gebrauchsgegenftand,
fie ift au, man möchte jagen, eine archi—
teftoniihe Leiſtung monumentaler Art.
3,52 m meffen die ftarfen eichenen Pfojten,
welche die Führungshölzer einer Schraube
von 30 em Stärke tragen. Der Aufbau
zeigt fchlicht und Elar die Beftimmung der
Maſchine zur Ausübung eines ftarfen Druds
nah) unten. Die menigen Öliederungen,
meift Faſen, mwirfen im Verein mit den
teilen und Scheren ganz reizvoll. Alles
ift aus Eichenholz, und das erhöht noch
den gediegenen Eindrud. Wir werden nicht
fehlgehen, wenn wir das Alter dieſes jeltenen
Bauwerks in die Zeit vor dem dreißig.
jährigen Krieg, vielleicht bis 1568, in die
Erbauung des Haufes zurüdverlegen. Denn
nad dem großen Kriege war die ganze
Gegend lange verarmt durch unendliche
Blünderungen und Rriegslaften. In einem
anderen alten Hauje des Ortes jteht eine
ähnliche Kelter, doch nicht von jo jchöner
Durdführung wie die bejchriebene.
Rebe und Rofe.
Um der Not der Weinbauern im Süden
Frankreichs abzuhelfen, wird von gärtneriſcher
Seite ein eigenartiger Vorſchlag gemacht:
einen Zeil der Weingärten in Rojengärten
umzuwandeln. Der Boden, auf dem die
Rebe gedeiht, jo wird verfichert, iſt auch
für den Roſenſtock günſtig. Es würde fich
um Unlage von Rojenfeldern zur Gewinnung
von Rofenöl handeln, in der Art, wie die
Roſenkultur im Orient, beifpieldweife auch
in Bulgarien, gehandhabt wird. Das Rojen:
öl, der Roſenextrakt, ift für die Parfümerie
von großer Bedeutung, und der Induſtrie⸗
zweig der Parfümerie fteht ja gerade in
Frankreich in hoher Blüte. Man hat aus-
gerechnet, daß ein Hektar 8000 Roſenſtöcke,
mit je 1 Meter Abftand, tragen könnte.
Nach drei Jahren könnte jeder Stock 200
Roſen hervorbringen. Wiegt die Mofe
4 Gramm, jo würde man auf einem Hektar
6400 Kilogramm Rojenblätter erzielen. Ein
Kilogramm Roſenblätter liefert allerdings
nur 8 Dezigramm GErtraft; ein SHeftar
brächte aljo nur etwas mehr als 5 Kilo»
gramm Ertraft; aber das Stilogramm Roſen⸗
ertraft wird von der Induftrie mit mindeitens
1000 Fres. bezahlt. Der Ertrag eines
jolhen Rojenfeldes betrüge demnach min-
deitens 5120 Fres. Dabei ift zu bemerken,
daß der Preis des Rofendls fi, je nad)
der Qualität, bis zu 3000 res. für das
Kilogramm fteigert. Womit ermwiejen wäre,
daß die Winzer ein einträgliches Geſchäft
machen Eönnten!... Bei diefer Berechnung
wird vielleicht daß eine außer acht gelafjen:
daß eine große Produktion von Rojenöl im
Inlande notwendigerweije bald zu einer
Berbilligung der Ware führen müßte. Ein
gejunder Gedanfe ift e8 jedenfalls, den
Winzern eine andere Bepflanzung ihres
Bodens zu empfehlen. Man braudte da
jedoch nicht einmal an Roſen oder ähnliches
Bernliegende zu denfen. Bis um Mitte
des 19. Jahrhunderts hat man in den jeßt
notleidenden Gebieten nur den minder-
mertigen Boden mit Reben bepflanzt, den
fetteren Boden allenthalden mit Weizen.
Erft jeit 185354 eine Getreidefrankheit
ausbrach, änderte man allmählich das Syſtem,
und als dann eine Haufe der Weinpreife
eintrat, ftürzte fich faft die gefamte Land»
bevölferung auf den Weinbau, Es märe
zu erwägen, ob man nicht wieder zum
Getreidebau zurüdfehren ſollte. Auch die
Anpflanzung von Dlivenbäumen fäme in
Betradt. Vorläufig bat das aber einen
Hafen: die Winzer leugnen hartnädig, daß
die Ueberproduftion an ihrem Elend ſchuld
jei. Sie laffen fich nicht davon abbringen,
daß der Grund lediglich in der Weinfälfchung
zu fuchen ſei. Sie wollen nidhts anderes
bauen als Wein, und ihr Verhältnis zu
den Behörden ift zur Zeit nicht derart, daß
fie fih irgenhwelden Anregungen und Rat-
ſchlägen von oben zugänglich zeigen würden.
Seit wann gibt es bei uns Wein-
utſchereieu?
Ein Präludbtum zum neuen Weinparlament.
Bon Theo Seelmann.
Graf Poſadowsky wird ein neues Wein»
parlament von 50 Sadverftändigen ein
berufen, um mit ihnen über Mittel und
Wege zur Einſchränkung und Unterdrüdung
der Weinpantjchereien zu beraten. Den
artige Weinparlamente find nichts Neues
in. Deutjchland. Bereit® 1487 trat zu
Rothenburg an der Tauber ein Wein
parlament am Reichsdeputationstag zu-
fammen, aus deſſen Beratungen eine auf
ärztlihe Gutachten geftügte Weinordnung
hervorging, deren jtrengfte Ausführung die
Kaiſerliche Majeftät des Heiligen Römifchen
Reiches deuticher Nation allen Reichsftänden
aufs nahdrüdlichfte anbefahl. Geholfen hat
fie wenig, denn die Weinpantſcher waren
Ihon damals ebenjo hartgejottene Sünder
jeelen wie geriffene @ejegdurchichlüpfer. Wie
bier durch die Reichsgeſetzgebung, jo juchte
man ſchon 100 Jahre vorher durch ſtädtiſche
Bolizeiverordnungen das Uebel zu bannen,
das durch feine abfcheuliche Berderbtheit allen
arglojen Zechern den guten Tropfen verdarb,
Das Wäſſern des Weines nannte man
im Mittelalter Schrenten und verfälichte
Beine gemachte Weine. Im Laufe des
15. Jahrhunderts dringt dann mehr und
mehr der SKunftausdruf Schmieren für
Mantichereien und Bantfchereien durch. Eine
der älteften Verordnungen, die ſich gegen
das Weinpantjchen kehren, ift diejenige der
freien. Stadt Frankfurt vom Jahre 1391,
Sie wird im Eingang durch die biedere
Erklärung begründet, daß es veligionswidrig
fei, den Wein anders zu machen, als Gott
der Herr ihn babe wachſen lafjien. Weine
indefjen, die umzuſchlagen drohten, oder
denen man eine größere Haltbarkeit ver-
ichaffen wollte, durfte man durch unſchäd⸗
10 —
galt diefe Ausnahmebeftimmung aber nur
für Weine, die als Haustrunk verwendet
werden follten. Für Berfaufsweine, bie
einer unfchuldigen Aufbefferung bedurften,
war eine jedesmalige Einholung der obrig-
keitlihen Erlaubnis vorgejchrieben. Wurde
fie gewährt, jo durfte die Aufbeſſerung nicht
von dem Gigentümer des Weines und feinen
Leuten vorgenommen werden, ſondern nur
von berufsmäßigen Küfern, die an die Be-
achtung der fehr genauen Borjchriften des
Bunftbuches eidlich gebunden waren, Als
Aufbefjerungsmittel waren allein geftattet
Erde und Mild. Und wie bier in der
Großſtadt, jo jah man ſich um diejelbe Zeit
aud in den Stleinftädten gezwungen, gegen
dad Weinmahen einzufchreiten. Sn den
bifhöflihen Sagungen der Stadt Zeig aus
dem 14, Jahrhundert heißt es: „Wer Wein
ſchenken will, er jei Wirt oder fremder,
es jei welſcher Wein, Elſaſſer, Ofterwein
(Oefterreiher), Würzburger oder Landwein,
guter oder jchlichter, jo joll er, wenn ihm
der Wein verfteuert wird, ſchwören, daß er
den Wein nicht fälſcht.“ Ganz ebenfo
mußte man in Zürih zum Schmwur feine
Bufludt nehmen, um gegen die Weinfäljcher
eine Schugwehr zu gewinnen. Im Jahre
1397 mußten jämtlide neun Weinwirte mit
Weib und Kind ſchwören, den Elſaſſer Wein
rein zu halten. Aber die Obrigfeit Zürichs
ſcheint über die Heilighaltung von Schwüren
ihrer Weinwirte ſehr befremdlihe Erfah.
rungen gejammelt zu haben, denn zwei
Jahre jpäter nahm fie den Verfauf fremder
Weine in eigene Verwaltung, indem fie am
11. Auguft 1399 die Bekanntmachung ver-
öffentlichte: „Wir, der Bürgermeifter, die
Näte, die Zunftmeifter und der große Rat
von 200 Zürichern, tun männiglich zu wiffen,
daß wir einhellig find übereingefommen, daß
die Stadtgemeinde Zürich dieſes Jahr allen
fremden Bein fol jchenten und niemand
anders,“ (Schluß: folgt.)
lihe Mittel aufbeſſern. In erjter Linie |
Inhalt: Zu den angeblichen Höhlenfunden Im Weftrih. Bon Dr. D. Häberle. — Beobadh-
tungen über Emberiza cirlus. Bon Friedr. Zumſtein, Lehrer in Bad-Dürfgeim. — Wie deutet
der Biälzer frembdartige Ausdrüde um? Bon Th. Zink. (Schluß). — Zur Umfrage über den Wein-
bau in der Rheinpfalz.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Für Form umdb Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
"Die Pfälzt attumde” toflet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Ver werden von eil »
NEON TE Glenn Kar 2 nn Wortofreie Etreifi Endung) 22 SE
II. Jahrgang. Nummer 12. Dezember 1907.
IPALZISCHE HEIMATKUNDE
N 7
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
EMANNN ERICH
ERSE Zum 50. Iahrestage EIS
des Eintritt3 in den K. B. Staatäforftverwaltungsdienft brachte der Hauptvorftand
des Pfälzerwalovereins feinem 1. Vorfigenden, Herrn K. Oberforftrat
Karl Aldredt von Ziffer
in Speyer
eine finnige Huldigung dar, indem er die Nr. 16 des diesjährigen Yahrganges
„Der Pfälzerwald“ zur Feſtnummer geftaltete. Das vorzüglih gelungene
Bild des Yubilars jhmüdt, umrahmt von der Widmung, die erjte Seite. Poeſie
und Proſa geben — fiher im Sinne des Gefeierten, wie ihn Dr. Albert Beder
mit markanten Strichen in einem feflelnden Lebensbilde durchbliden läßt — der
in jeder Hinficht glänzend ausgeltatteten FFeitichrift ein jo wertvolles Gepräge,
wie es der allverehrte und aus dem gegenwärtigen Anlaß zum Ehrenmitgliede
des „Pfälziihen Verſchönerungs-Vereins“ ernannte Yubilar mit Rüdficht auf fein
eminent fegensreiches Wirken inbezug auf ein rationelles forstliches Wirtſchaftsſyſtem
und auf jeine nicht minder wichtige und danfenswerte Förderung der Intereſſen
pfälzifher und nahbarliher „Waldläufer“ durch Teilnahme an allen Unternehmungen
der Verichönerungsvereine reichlich verdient hat. Auch die „Pfälziſche Heimat-
kunde” will es ſich nicht nehmen laffen ein Blatt zum Ehrentranze zu ftiften und
ein beicheidenes Mal zu jegen dem Manne, welcher einen großen Teil feiner Kraft
feiner pfälziihen Heimat gewidmet hat aus Liebe zur heimatlihen Scholle.
——
Die Züchtung der Kartoffel.
Bon B. Renner, Landwirtſchaftslehrer zu Frankenthal.
Nach den ftatiftiichen Ermittelungen über
die landmwirtichaftliche Bodenbenugung im
Königreich Bayern vom Yahre 1893 hat die
Pfalz nicht nur inbezug auf die abjolute Größe
der mit Startoffeln bebauten Fläche, jondern
auch inbezug auf den prozentualen Anteil diefer
an der Gejamtflädhe einen gewaltigen Bor-
ſprung vor den andern Regierungsbezirfen
Bayerns, wie aus der folgenden Weberficht
hervorgeht.
Bon 100 ha
Bon 100 ha! user. und
Regpterungs: ar YO Gartenland
R Kartoffeln find mit
bezirk: En Ra: teffein
ER J ha ha
Pfalz 60 560 10,33 23,37
Unterfranten‘ | 48 254 5,74 12,28
Oberpfalz 46 332 4,71 | 11,%
Oberfranfen 43 478 6,21 14,49
Mittelfranken 36 285 4,19 10,41
Niederbayern | 31770 2,% 6,60
Oberbayern 28 339 1,69 5,13
Schwaben 21 340 2,17 6,34
Darnach ift Yıo der Gejamtflähe und
nahezu "4 des Ader- und Gartenlandes der
Pfalz mit Kartoffeln bebaut.
Bur Orientierung über die Berteilung
des mit Startoffeln bebauten Areals in der
Pfalz diene die folgende der genannten
Statiftif entnommene Zujammenftellung.
J (em 100 ha Bon 100 ha
Briefen | FÜamtThe| Gerntand
a Be eh·
ha ha ha
Bergzabern 1: 3736 80 270
Frankenthal 5126 179 23,7
Germersheim 4700 | 10,0 23,7
Homburg 8258 15,1 34,5
Statferslautern 4943 73 29,0
Kirchheim: *
bolanden | 5599 94 | 165
Kuſel 4424 10,2 17,3
Landau 3313 94 20,6
Ludwigs hafen 2536 14,2 19,9
Neuftabt
(mit Dürkheim); 3483 | 65 | 68
Pirmaſens Ge | 86 33,3
Speyer 1861 | 114 295
Bweibrüden 6052 | 11,7 21,1
Angefichts der großen Bedeutung, die
dem Sartoffelbau in faft allen Teilen der
Pfalz zukommt, darf das Intereſſe der Lejer
für die folgenden Ausführungen über die
Züchtung der Kartoffel vorausgefegt werden.
Der Volksmund pflegt die Begriffe
„Pflanzenzüchtung“ und, Pflanzenbau” nicht
auseinander zu halten. Während aber die
Aufgaben der Pflanzenzüdhtung in der
Verbeſſerung vorhandener oder in der
Schaffung neuer Sorten beftehen, handelt es
fih beim Pflanzenbau lediglih um Erzeu«
gung großer Mengen pflanzlicher Subftanz.
Wer fi mit Pflanzenzüchtung beichäftigen
will, muß im Befige gewiſſer, nicht häufig
anzutreffender Fähigkeiten fein. Daher
lafjen fih die Namen der Pflanzenzücdhter
Deutjchlands leicht auf einen Bogen Bapier
ichreiben, während jeder Landwirt Pflanzen-
bauer it.
Die Zahl der vorhandenen Sartoffel-
forten ift jehr groß. Hamm fhägt fie in
feinem Lehrbuch der Landwirtihaft vom
Jahre 1853 bereit? auf 1000. Auf der
internationalen Sartoffel- Ausftellung zu
Altenburg im Jahre 1875 maren 2264
benannte Sorten vertreten. Yahr für Jahr
lieft man auf den Saatgutliften der Züchter
die Namen zahlreicher neuer und man greift
gewiß nicht zu hoch, wenn man die Zahl
der bis jeßt entftandenen benanntenSorten
auf 5000 ſchätzt.
Man jollte daher glauben, daß jeder
Landwirt in der Lage jei, aus der riefigen
Bahl der vorhandenen Sorten einige feinen
Anſprüchen genügende ausfindig zu machen,
und man muß fich fragen, ob denn aud
fernerhin die Notwendigkeit der Kartoffel:
züchtung vorliegt.
Nach einer bis in die neuefte Zeit fat
allgemein und auch gegenwärtig noch weit
verbreiteten Anficht joll jede Startoffeljorte
einmal „alt* werden und alddann der Ber:
jüngung durch Züchtung aus dem Samen
oder des Erſatzes durd eine neue Sorte
bedürfen. Für diefes „Altern? madıt man
die Tatſache der vegetativen Vermehrung
verantwortlid, indem man jede Kartoffel:
forte, da fie aus einem einzigen Samen
hervorgegangen ift, als ein einziges Indi—
viduum auffaßt. Alle Knollen einer Sorte,
jagt man, mögen fie zeitlich und räumlich
aud noch fo weit von der Sämlingspflanze
entfernt jein, ftehen zu dieſer in demielben
Berhältnis mie die jungen Sproſſe eines
Baumes zu diefem; denn die Knollen find
nichts anderes ald ſtark angeichwollene
unterirdiiche Sproffe. Wie jedes Yndividuum
ſei daher auch die Kartoffelſorte der Ver—
gänglichkeit unterworfen; nach Entwickelung
aus dem Samen erreiche ſie in einigen
Jahren ihre volle Leiſtungsfähigkeit, be—
haupte dieſe kürzere oder längere Zeit und
verfalle endlich dem Niedergang, der lang
fam,aber unaufhaltiam zur „Altersſchwäche“
führe, als deren Symptome geringe Er:
träge, Empfänglichfeit für Krankheiten, Ber-
luft der feruellen Befähigung ꝛc. zu be:
tradhten feien.
Es ift aber nicht einzufehen, warum die
vegetative Vermehrung zum „Altern“ der
Sorte führen müfje, da die Vegetation
fegel der Stnolle ebenjogut mit „embryonaler
Subftanz” begabt find wie der Steimling
des Samens. Auch zeigen Unterfuchungen
über dıe Fortpflanzung vieler Gewächſe, daß
die vegetative Bermehrung die geichlechtliche
Fortpflanzung fo vollftändig erjegen fann,
daß diefe ohne Gefahr für die Erhaltung der
Art dauernd verloren gehen fann. Als
eines von vielen Beiipielen führe ich den
im öÖftlichen Afien einheimischen Rohrkolben
(Acorus calamus) an, welcher bei uns nie
mals zur Fruchtbildung gelangen fann und
gleichwohl feine Anzeichen von Altersſchwäche
erfennen läßt.')
Aber nicht nur theoretiiche Heberlegungen
und Analogieſchlüſſe erjchüttern den Glauben
an das „Altern“ der Startoffeliorten, ſon—
dern auch direft hierauf gerichtete Unter:
ſuchungen. So läßt 3. ®. das ſtatiſtiſche
Bemweismaterial, welches Ehrenberg?) zu-
jammengetragen hat, jelbjt bei jo alten Sor-
ten mie der „Daber“ feinen Niedergang
erkennen. Dagegen ift ein „Abbau“ von
Kartoffeljorten infolge der Einmwirfung un
) Weitere Beifpiele fiebe bei ig vd. Mari⸗
laun, Pflanzenleben 1898, Bd. II, ©. 406 u. f.,
ferner bei Noll in Stradburgers Lehrbuch der
Botanil 1902, ©. 236.
») Dr. $.
toffeln ; Landwirtſchaftl. Jahrbücher 1904, ©. 859.
Bergl. au: TZudermann, Mitteilungen der Landiv.
Inſtitute der Univ. Breslau, II, Heft 1, 1904.
Ehrenberg, ber Abbau der Kar-
143
|
günftiger äußerer Umftände, mie des
Klimas, der Bodenbeichaffenheit,L der Saat-
gutbehandlung, von Krankheiten uſw. fon-
ftatiert. Allein diefe Tatfachegigebietet noch
nicht die Züchtung, da man ja, jo oft es
nötig erjcheint, das „abgebaute”, Material
durch Saatgut aus Gegenden bezw. Wirt-
ichaften erjegen kann, deren Boden, Klima ıc.
befanntermaßen geeignet find, die betreffende
Sorte auf der vollen Höhe ihrer Leiftungs-
fähigfeit zu erhalten.
Die Norwendigkeit der Züchtung, ergibt
fih aber aus der Nadjfrage nach dank—
baren, d. 5. ſolchen Sorten, die auf die
intenfiver werdende Bodenkultur mit ent-
jprechenden Erträgen zu reagieren vermögen
und zugleid den Anforderungen, die der
Markt an fie Stellt, genügen.
Die Kartoffelzüchtung erftrebt entweder
die Berbeflerung (Veredelung) vorhandener
oder die Bildung neuer leiftungsfähiger
Sorten.
Die Möglichteit der VBerbefjerung
eıner Sorte beruht auf der ſtets vorbhan-
denen Barıabilität derjelben. Mögen die
einzelnen Individuen einer Sorte inbezug
auf ihre morphologifchen Merkmale auch
vollftommen übereinftimmen, fo lafjen fie
doch ſteis Verſchiedenheiten in phyſiologiſcher
Beziehung, Unterſchied in der Leiſtungs—
fähigkeit, im Ertrag, in der Qualität (Stärke—
gehalt, Geſchmack) uſw. erfennen. Man fann
dieſe Verjchiedenheiten kurz charafterifieren
als Abweichungen vom Sortenmittel nad)
der Plus: oder Minusfeite.
Darnach befteht die erfte Aufgabe des
Büchters, der die Verbeſſerung einer Sorte
anftrebt, in der Ausleje (Selektion) ſolcher
Pflanzen, welche jeinem deal entſprechen
oder doch nahe fommen. Die Auslefe fann
Maſſen- oder Yndividualausleje jein. Wenn
ein Landwirt vor, bezw. während der Kar—
toffelernte ertragreiche, gefunde Kartoffel-
ftauden aufjucht und deren Erträgnis als
Saatgut für das nächfte Jahr beftimmt,
jo ift diefe Mafjenauslefe bereitö als züch—
teriſche Maßnahme anzusprechen. "Auf diefem
Wege wird freilich die höchfte Leiftung nicht
zu erreichen fein, da ſehr viele, vielleicht
die meiften der ausgewählten Pflanzen die
Eigenschaft, wegen der fie ausgewählt wer-
den, nicht vererben. Der „Hochzüchter“
wird daher zunächſt an die auszumählenden
- 144
Pflanzen erhöhte Anforderungen jtellen, | Jahren angeitellt.
Nachrichten über joldye
weiterhin aber behandelt er jede einzelne | Verſuche aus früherer Zeit liegen z. B. vor
ausgewählte Pflanze ſozuſagen als eine
Sorte für fid. Er bewahrt den Ertrag
jeder diejer Pflanzen ſorgfältig vor fremden
Beimifhungen und baut ıhm geiondert an.
Die Nachkommen jeder Stammpflanze läßt
er nun einige Jahre hindurd unter mög-
lihft gleihen Bahstumsbedingungen fon-
furrieren. In einem „Buchtregifter” bucht
er jeine Beobadhtungen und Feititellungen
über Wachsſtumsdauer, Widerſtandsfähigkeit
gegen Krankheiten und extreme Witterungs
einflüſſe, Ertrag, Stärkegehalt, Geſchmack
uſw. So wird er nach einigen Jahren
imſtande ſein, den leiſtungsfähigſten Stamm
zu erkennen. Dieſer ſtellt alsdann die
„verbeſſerte Sorte“ dar, während die andern
Stämme dem Untergange geweiht werden.
Damit ift aber die Arbeit des Züchters
nicht zu Ende. Sobald nämlich Hocdzuchten
irgend welcher Art der züchteriihen Selek—
tion entbehren, degenerieren fie. Daher
muß der Züchter von Jahr zu Jahr fort-
fahren, innerhalb des beiten Stammes das
Beite nad) den einmal ald richtig erfannten
Prinzipien auszuwählen, und jo den Yung:
brunnen zu erhalten, aus dem der Yand-
wirt ſchöpfen kann, jobald die Wahrnehmung
einer bedenklich verminderten Xeiftung des
„Nachbaues”?) dazu auffordert.
Die Möglichkeit neue Kartoffel
jorten zu zlidhten, gründet fih auf das
Mutieren der Pflanzen, d. 5. auf das plötz—
(ide, unvermittelte Auftreten neuer mor:
phologifher Merkmale, neuer Sorten:
merfmale und auf die faft ftets vorhandene
Vererbung derjelben. Eine oft riefige An-
zahl folder Neubildungen tritt unter den
aus Samen ermwadjenen Pflanzen auf.
Groß ift die Zahl neuer Formen in der
Regel, wenn die Samen dad Produft der
Kreuzung verfchiedener Sorten find, klein
hingegen, wenn die Samen einer dur)
Selbjtbeftäubung entitandenen Beere ent:
ftammen. Am geringiten ift die Ausficht
auf Mutationen bei vegetativer Vermehrung.
Verſuche, Kartoffeln aus Samen
au ziehen, wurden fchon vor mehr als 100
2) „Nachbau“ bildet den Gegenſatz zu „Dri-
ginalfaat”; unter legterer verſteht man da& direkt
bom Züchter bezogene Saatgut, unter „Nachbau“
die auf die „Originalfaat“ folgenden Generationen.
vom Baron v. Montöton auf Priort aus
den Jahren 17944), 1795°) umd 18009),
von dem Prediger Richter zu Anhalt
aus dem Jabre 1800), von dem Faktor
Wurm in Botsdam®) u. a. m.”)
Alle diefe Berichterftatter verfuhren in
der Hauptjahe ım folgender Weiſe. Sie
zerquetichten die reıfen und weich gewordenen
„Samenäpfel“, gewannen die Samen daraus
durch Auswaſchen, trodneten fie und jäeten
fie im Anfange des Frühjahrs möglıchit
flach in freie Land, Nachdem die Pflänzchen
einige Zoll hoch geworden waren, verjegten
fie diefelben. Im Herbfte erhielten fie von
diefen Bilanzen meift hajelnußgroße Knollen.
Montöton 3. B. erhielt neben ſolchen im
erften Jahre nur wenige, die bezw. 6',«,
bt, 5%, 4° Rot wogen. Heute gelingt
es jedoch, bereits im erften Jahre einzelne
Anollen im Gewichte von 200 g und dar-
über zu erzielen, und Liebſcher!“) glaubt
daher, „die in älteren Schriften über Far:
toffelbau zu findenden Angaben, daß man
von den Sämlingspflanzen im erften Jahre
hafelnußgroße, im zweiten walnußgroße und
im dritten Jahre normale Knollen erhielte,
heute einfah in das Gebiet der Ammen-
märchen verweiſen“ zu müſſen. Das heu-
tige Verfahren zur Anzudt von Sämlingen
ift folgendes: Die reifen, weich gewordenen
Beeren werden liber einem engmajchigen
Siebe oder Tuch zerquetiht, die Samen
dur Auswaſchen mit Wafler vom Frucht-
fleifch befreit und getrodnet. Im zeitigen
Frühjahr werden die Samen in Schalen
*, Annalen ber Märtifchen Detonomifchen
Gefellichaft zu Potsdam, IL Bb., Heft 1, ©. 174.
Dajelbit erwähnt v. Monteton eine einjchlänige
Anleitung des Superintendenten Rüber zu Tanne:
berg in deſſen Briefen über den Küchengarten,
fowie eine Abhandlung über benfelben Gegen:
itand im Berliner Or des a res
1784. Nr. 94.
eft 3, ©. 69.
) A. a.
um S. d. I, —* 4, ©. 52.
) Annalen ber Mär, efon. Geſ. zu Pots-
dam, Bb. III, Heft 4, S
®) Annalen der ee Qeton, Bef. zu Pots-
dam, Bd. II, Heft 5,
%) Andere einfchlägi e Berfude älteren Da-
tums find erwähnt bei ge * er Ss
der landıw. Kulturpflanzen, Bd. Il, 1906, ©. 30,
Jahrbuch der ri Sandiwirtichafts-
Gefellfgaft 1894, IV, ©. 3
— 145
geſäet und dieſe in ein Frühbeet geftellt.
Aus den Schalen werden die Pflänzchen
in ein Mijtbeet, aus diefem in ein Garten»
beet veriegt. Nah Fruwirth!!) fördert
dreimaliges Verſetzen die Entmwidelung der
Pflänzchen jehr. Das erfimalige Verfegen
(aus den Samenſchalen in ein Miftbeer
oder in Töpfe, die man in ein Glashaus
ftellt) erfolgt, wenn die Pflänzchen 3-4
Blättchen gebildet haben, das zmweitmalige
(aus dem Miftbeet oder den Töpfen ın das
Gartenbeet) mit 4—5 Blätthen und das
legtmalige mit T—8 Blättern. Der Stand»
", Fruwirth, die Züchtung der laubwirt-
ichaftlichen Aulturpflangen, Bd. III 1906, ©. 34.
raum, der beim legten Berfeßen den
Pflanzen zu gewähren ift, fann im allge
meinen der in der Braris des Kartoffel«
baues übliche fein. Behufs einwandfreier
Entſcheidung einiger rein wiſſenſchaftlicher
ragen, 3. B. der frage, ob ein Sämling
Stnollen verſchiedener Art erzeugen fünne,
genügt aber ſelbſt ein Standraum von
60 cm noch nicht, wie fi meiter unten
jeigen wird.
Soweit ftellt die Zucht von Sartoffeln
aus Samen feine befonderen Anforderungen
an den Züchter. Die eigentliche züchteriſche
Arbeit beginnt aber jetzt erft. Die Ausjaat
der Samen zielt nur daraufhin, neue Formen
erjtehen zu jehen.
ur Beranſchaulichung der Tatfache, dak aus den Samen einer Beere viele Sorten hervorgehen
Önnen, führe ich bier einen kurzen Auszug aus den WUufzeichnungen über ei
ene Züchtungs—
Berfuche mit der „Roren Niere“ an, wobei ich der Kürze halber nur die Beihaffen eit ber
Knollen berüdfichtige.
| Rnollenform
lang, piatt,
nierenförmig
Stammforte („Rote Niere”)
Nr.
Scale | Fleiſch | Augen
rot, glatt | gelb wenig, flach
Sämling Wie bei der Stammſorte
r 13 Wie bei der gelb, glatt Wie bei ber Stammſorte
Stammijorte
r 24 fang, oval, platt blaßrofa Wie bei der Stammſorte
„ 2 lang, walzen- | Aunfelrot, rauh gelb binter den Augen
förmig, feulig | ftarfe Hügel
2 26 wie Ar. 25 weißgelb, rauh weiß wie Nr. 25
4 r 8 birnförmig dunkelgelb tief gelb flach
— — 4 etrund braunrofa weißlich ſehr flach
— ö 6 rundlidh, braumrot gelb tief
etwaß platt
” „ 12 Langsdurch“ braungelb gelb flach
meffer fürzer
al& der eine
Querdurch—
mejfer, auf der
Krone eine
tiefe Mulde
|
Jetzt handelt es ich darum, aus dem | der nicht fchon bei der Ernte wegen irgend
Hunderten von neuen Formen die brauch—
baren ausfindig zu machen. Für die Be:
handlung der Sämlinge während der Ernte
bat man ſich daher vorzuhalten, daß jede
einem Samen entjprofiene Bilanze
einer neuen Sorte entjpreden fann.
Daher muß man den Ertrag jedes Sämlings,
eines bedenflichen Fehlers auszumerzen ift,
gefondert aufbewahren (in einem Säckchen,
einem Blumentopf 2c.) und natürlich im
Frühjahr gejondert auspflanzen. Selbft
Sümlinge, die dem Augenjchein nach mit
einander übereinftimmen, müſſen voneinander
getrennt gehalten werden, da eine genauere
Prüfung dem Auge verborgene Unterſchiede
(3.B. inbezug auf Stärfegehalt, Geſchmack etc.)
aufdefen fann und muß. Im eriten Jahre
mag freilid eine Prüfung der Sämlinge
nah dem Augenjchein genügen, aber bereits
im zweiten follen fich zu diefer erafte Gr-
mittelungen über die quantitativen und
qualitativen Yeiftungen der neuen Sorten
gejellen. Die Prüfung joll fich im einzelnen
auf folgende Punkte erftrefen: Befchaffen:
heit des Krautes, Blüte- und Neifezeit,
Ertrag an Knollen, Anordnung derielben
im Horſi (ob zerftreut oder nahe bei ein:
ander), Form und Farbe der Knollen, Be-
ichaffenheit des Fleiſches, Zahl und Lage
der Augen, Stärfegehalt und Gejchmad der
Knollen, Krankheiten. Das Prüfungsrefultat
entjcheidet darüber, ob die einzelne Sorte
dem Untergange geweiht oder weiter geprüft
werden joll. Es ift jelbftverftändlich, daß
nur auf Grund des gewöhnlichen feld-
mäßigen Anbaues der einzelnen Sorten
nebeneinander ein endgiltiges Urteil über
deren Stulturwert gefällt werden fann. So
verbleiben dem Züchter noch aus den Hun-
derten von einer oder don einigen Beeren
entitammenden neuen Sorten einige, viel:
leicht aber auch gar feine, denen er Exiſtenz—
beredhtigung zuerfennen darf.
In der Pegel verwenden die Büchter
nicht die freiwillig entitandenen, jondern die
aus Fünftliher Kreuzung bervorge-
gangenen Beeren. Der Züchter, der ſich
fein beftimmtes Biel geſetzt hat, der etwa
nur irgend eine brauchbare Sorte zu züchten
beabfichtigt, mag ruhig die ohne jein Zutun
entitandenen Beeren verwenden ; irgend eine
eriftenzberechtigte form wird ſich unter den
Sümlingen fchon finden lalfen. Anders muß
146
aber der Züchter verfahren, deſſen Beſtre-
bungen ein Scharf umjchriebenes deal vor
fchwebt, der eine’ brauchbare Sorte mit ganz
beitimmten Eigenſchaften zu züchten wünſcht.
Wollte er fozufagen der Natur auflauern,
bis fie unter den Sämlingen die gewünjchte
Form auftauchen läßt, jo könnte er unter
Umftänden jein Yeben lang vergeblich harren.
Nun findet er aber einen Teil der ge:
wünjchten Dierfmale bei der ihm befannten
Sorte A, den andern Teil bei der Sorte B.
Kreuzt er beide, fo darf er hoffen unter
den Freuzungsproduften Formen zu finden,
die alle gewünſchten Merkmale in fich ver-
einigen oder doch eines derielben mehr als
die Ausgangsform bejigen. Im legten Falle
wird er das erhaltene Kreuzungsproduft ziel«
bewußt weiter freuzen und jo weiter fahren,
bis er endlich jein deal verwirklicht fieht.
Zur Erläuterung diejer Ausführungen möge
ein von dem Startoffelzüchter Bauljen in
Nafiengrund herrührendes Beifpiel dienen:
Paulſen fchreibt:'?)
„Es follte eine Erportfartoffel für England
gezogen werden, diejelbe follte große, runde
Rnollen mit flahen Augen, roter Schale und
weißem Fleiſch haben, fehr ftärfereich fein und
rich auch große, fichere Ertragsfäbigfeit ber
itzen.
Die Daber war auf dem engliſchen Markt
beliebt, aber deren Knollen find tiefäugig und
nicht groß genug und der Ertrag diefer Sorte
tft viel zu umnficher, weit fie von der Krankheit
zu fehr leidet. Es ift mir auch nicht gelungen,
aus der Daber die beichriebene Sorte zu er:
halten. Die Ablömmlinge davon hatten Fehler,
welche die Daber felbft nicht befigt, die aber
wahrjcheintich deren Eltern oder Großeltern ge-
habt haben. Da babe id eine andere rote
Sorte mit einem weißen Sämling befruchtet,
welcher widerjtandsfähig war md die geforderten
Eigenichaften befaß, mit der Ausnahme, dat
die Rmollen nicht aroß genug waren und der
Ertrag zu klein war, ch erhielt davon rinige
Sorten mit den gewünſchten Eigenjchaften, nur
nicht ertragreich genug. Mit dieſen babe ich
andere ertragreiche Sorten befruchtet, Die er-
haltenen umd nach ihren Eigenjchaften aufge:
mählten Zümlinge wurden wieder unter fich
befruchtet und fee ich Died meiter fort. Jetzt
befige ich eine Anzahl fchöner ertragsfähiger
Erporttartoffeln — nachdem der Erport nad
England aufgehört hat — und prüfe nur noch,
weiche von diejen Sorten die beite iſt“.
Die Durchführung der Kreuzung bietet
feinerfei techniiche Schwierigfeiten.
Bekanntlich bilden die 5 Staubgefäße
der Nartoffelblüte, indem fie mit ihren
Spigen zujammenneigen, einen Segel, aus
dem der Griffel mit der fnoflenförmigen
Narbe weit hervorragt. Bei ihrer Weife
öffnen fich die Staubbeutel an der Spike
und entlaſſen hier etwas Pollen. In der
Negel geichieht das am 2, Blühetag. Zu
ungefähr derielben Zeit wird aud die
Narbe geichledhtsreif, was an dem Aus:
ſchwitzen eines flebrigen Saftes zu erfennen
it. Die Uebertragung des Pollens auf
die Narbe anderer Blüten erfolgt in der
Hauptfahe durch Inſekten. Selbftbe-
2 Rabrbuch der deutfchen Landwirtſchafts⸗
nefellichaft 1894, IV, ©. 310.
ftäubung fann eintreten, jfobald die Blüte
oder der Griffel fi jo neigt, daß der
herabfallende Pollen die Narbe treffen muß.
Wer nun freuzen, d. h. die Sorte B
auf die Narbe der Sorte A übertragen
will, hat zunächſt Vorkehrungen zu treffen,
die jede Beftäubung der betreffenden Narbe
mit anderem ald dem gemwünjchten Pollen
ausichließt. Erzeugen die Staubgefäße der
Mutterpflanze (A) keimfähigen Bollen, dann
hat man zunädft die zu befiäubenden
Blüten zu fafırieren; mit einer kleinen
Sceere, einer Pincette oder auch einem
Meſſer jchneidet oder bridt man Die
Staubgefäße heraus, wobei man nur da—
rauf zu adten braucht, daß der Griffel
nicht verlegt wird. Natürlid muß das
geichehen, bevor die Staubbeutel ſich ge:
öffnet haben, Um ficher zu gehen, nimmt
man daher die Saftration dann vor, wenn
die Blütenfnofpen kurz vor dem Aufbrechen
ftehen. Solche Knoſpen find an ihrer
ftarfen Färbung zu erfennen und laſſen
fih durch einen leifen jeitlihen Drud
zwijchen den Fingern leicht Öffnen. Die
Staftration kann jelbfiverftändlich bei all
den Sorten unterbleiben, weldye feinen
oder feinen feimjähigen Pollen erzeugen
3. B. bei „Prof. Wohltmann”, der „Weiken
Stönigin” etc. Um fremden ®ollen von
der zu freuzenden Blüte fernzuhalten,
bindet man fie nach der Kaſtration in ein
engmaſchiges Gazebeutelcen.
Die fünftliche Uebertragung des Pollens
fann auf verjchiedene Weije erfolgen. Ich
habe im Jahre 1906 und 1907 mit beftem
Erfolge den einen Pollen mit einem „Feder:
mejjer” aus den Staubbeuteln genommen
und den auf dem Mejjer liegenden Bollen
fofort auf die Narbe geftrichen. Selbſt—
verftändlich ift die Fünftliche Beftäubung
nur dann don Erfolg begleitet, wenn die
Narbe empfängnisjähig (Elebrig und glänzend)
geworden ift, was in der Negel am 2. Blüh—
tag eintrifft. Um ſicher zu geben, fann
man die Beltäubung an drei aufeinander
folgenden Tagen, und zwar am 1., 2.
und 3. Blühetage vornehmen, wobei man
niemals verjäumt, nad) der Betäubung
die Blüte wieder zu iſolieren. Sobald
die Narbe vertrodnet, der Fruchtknoten
fhwillt und die Blumenfrone welkt, ift die
Iſolierung überflüffig geworden. —
147
Bis in die neuere Beit glaubte man
dad Auftreten neuer Merfmale, alio die
Entftehung neuer Sorten bei Startoffeln
an geichlechtlihe Borgänge gebunden,
während die aus einer einzelnen Säm—
lingspflanze durh vegetative Ber:
mehrung hervorgegangene Sorte konitant
fein follte.°) Nun ift es v. Lochow in
Petfus!*) gelungen, aus der Sorte „Prof.
Wohltmann“ durh Selektion einzelner
Pflanzen mehrere von einander verjchiedene
Familien zu ifolieren. Er glaubt feftge-
ftellt zu haben, „daß ſich Verſchiedenheiten
und Abweichungen in der Farbe und Form
der Stnollen und Blätter und aud in der
Neifezeit bei diefer Startoffel entwidelt
haben“. Wenn aber derartige Verſuche
für die Mutabilität vegetativ vermehrter
Kartoffeln beweiſend jein follen, jo muß
der Nachweis geliefert werden fünnen,
daß dad Uusgangsmaterial tat
jählih einer einheitlihden Sorte
entſprach, daß es aus einem einzigen
Sämling hervorgegangen und von
zufälligen Beimengungen fremder
Sorten bewahrt geblieben ift. Nun
ift aber fehr leicht möglich, daß fih in
den erjten Lebensjahren der Wohltmann—
Eartoffel, ohne daft der Züchter (O. Cimbal
in Frömsdorf) es bemerft hat, Fremdlinge
unter diefe Sorte geichlichen haben. Viele
Pflanzen der Wohltmannkartoffel bilden
nämlid lange Ausläufer. In dieſem
Jahre fand ich häufig folche von 50 — 60 cm
Yänge; einer beſaß fogar die anjehnliche
Länge von 80 cm und trug T5 cm vom
Stof entfernt eine Sinolle Defters konnte
ih beobachten, dat die Stolonen in das
Gebiet des Nachbarſtockes vorgedrungen
waren und hier Stnollen gebildet hatten.
So fand ich 3. B. in einer Reihe von
25 Bflanzen der „Gelbfleiichigen Speife:
fartoffel” drei Pflanzen, die von der benad)-
barten Wohltmannkartoffel mit „Kuckucks—
eiern” bejchenft worden waren. Solches
fann aud dem Sämling „Wohltmann“
von feinen Nadhbarpflanzen angetan worden
) Bergl. Hugo de Bries, die Mutations-
theorie; 1901, ©. 61: „Bei begetativer Ber-
mehrung erhalten ſich aber die einmal erreichten
Eigenichaften ganz oder nahezu unverändert“.
4, Kabrbuch der Deutjchen Landwirtſchafts⸗
Gefellichaft 1906, ©. 311.
— 18 —
fein, und wer weiß, ob nicht au die Mu-
tanten, die Graf Arnim » Schlagenthin'?)
unter feinen BZüdtungen auf vegetativen
Wege bat auftreten jehen, nichts meiter
als ſolche Kuckuckseier“ muren?
Die Möglichkeit der Mutation bei vege:
tativer Vermehrung der Startoffel kann
nicht geleugnet werden.’®%) Solange aber
Nachrichten Über ſolche Mutationen feine
Ungaben enthalten über Maßnahmen zur
Vermeidung von Yrrtiimern oder liber
Umftände, melde ſolche Irrtümer aus:
Ichließen, tut man gut, fie mit einer ge-
willen Reſerve aufzunehmen.
Auf Grumd der vorftehenden Ans:
führungen wird man nun verftehen, warum
e8 jo wenige Kartoffelzüchter, wie Bflanzen-
züchter fiberhaupt, gibt. Erfolgreiche zlichte-
rifche Tärigfeit jeßt eben neben einer aus-
reihenden Beobachtungsgabe und genligender
Sadıfenntnis ein hohes Maß von Fleiß
und Ausdauer voraus. Auch ift es nicht
jedermanns Geſchmack, eine fo intenfive
Tätigkeit 5—6 Jahre lang ohne den ge:
ringften fiingenden Erfolg, ja unter nicht
unbedeutenden Opfern an Arbeit und Geld
zu entfalten, wie e8 der angehende Züchter
tun muß, Denn
dauert e8 5—6 Sahre, bis der Züchter
bon einer neuen Sorte geringe Mengen
(einzelne Kilogramm bis einzelne Bentner)
in den Handel bringen fann.
Inder Pfalz werden Kartoffeln gegen-
märtig nur an 2 Stellen gezüdjtet. Herr
Defonomierat Wüft (Rohrbach bei Yandau),
feit längerer Beit damit befchäftigt, hat
einer liebensmwirdigen Privatmitteilung zu—
folge in den Jahren 1898— 1903 auf dem
Wege der Fünftlihen Kreuzung in Verbin»
dung mit Individualausleſe viele neue,
darunter 10 Sorten gezlichtet, die fih nad
den Ergebniffen feiner Anbauverfuche „den
beiten Züchtungen anſchließen fünnen und
diefe in ſehr vielen Fällen übertreffen.“
) Jahrbuch der Deutfchen Landwirtſchafts-
Geſellſchaft 1906 ©. 309 und V, ©. 227
und 228.
) Vergl. Labergerie, Le Solanum
—— et ses Variations. Paris 1905,
„14.
im glnftigften Falle ;
Gine Reihe neuer von ihm gezüchteten
Sorten wird in den nächſten Jahren zu
erwarten jein.'?)
Ferner bat die Feldverjuhsftation
zu Frankenthal, die ſich feit dem Jahre
1902 mit Gerfter und Weizenzüchtung be»
faßt, ſeit 4 Jahren auch die Startoffel-
zühtung in ihr Arbeitöprogramm auf«
genommen.
Wenn oben gejagt worden ift, daß die
Züchter ihre neuen Sorten einer mehr
jährigen jcharfen Prüfung unterwerfen, die
mindermertigen ausmerzen und nur die
beften behalten, fo folgt hieraus noch nicht,
dab die neuen in den Handel gelangenden
Sorten ohne Weiteres dem Landwirte em-
pfohlen werden fünnen. Denn der vom
Züchter ermittelte Anbaumert gilt zunächſt
nur für feine eigene Wirtfchaft, weiterhin
höchſtens für folche Gegenden, bezw. Ber
triebe, die fich ähnlicher Flimatifcher, ähn-
fiher Bodenverhältniffe, unter Umftänden
felbft ähnlicher Bewirtichaftungsverhältnifle
wie die Geburtsftätte der neuen Sorte
erfreuen. Um nım dem Landwirte die
Auswahl zu erleichtern, ift eine Reihe von
Anftalten bemüht, durch Anbauverfuche den
Kulturwert neuer Sorten unter den ver
Ichiedenften Berbältniffen feftzuftellen. Solche
Berjuche werden 3. B. durchgeführt von
der Deutichen Kartoffelftulturftation
zu Berlin mit zahlreichen in den ver
Ihiedenften Gegenden Deutichlands’beitehen-
den Unterftationen'®), von der Kgl. Baye-
rifhen Agrikulturbotaniſchen Anm
ftalt zu Münden unter Mitwirkung
vieler Landmwirtichaftliher Schulen (au in
der Pfalz), von mehreren Feldverſuchs—
ftationen!?) u.a. m.
) Herr Öfonomierat Wüft hat ſich auch
erfolgreich auf dem Gebiete der Runfelrüben-
üdhtung, ſowie der Weiden-, Rofen- und
terpflangenzüdtung betätigt. Bekannt iſt
ferner die don ihm gezüchtete weißblühende
Bicia villoſa (Zottelmide).
e) In der Pfalz beiteht eine ſoiche auf
dem Hofgute Scharrau Im Bezirke Frankenthal
unter ber Leitung des Vorſtandes der Landwirt ·
ſchaftlichen Schule zu Frankenthal.
) In der Pfalz von der Kreisfeldverſuchs⸗
ftation zu Statferdlautern und der Feldverſuchs-
ftatton zu Frankenthal,
149
Die Bevölkerung Beutfchlands unter befonderer Berückſichtigung
der Pfalz.
Das Saiferliche ftatiftifche Amt hat die
endgiltigen Ergebnijje der Volkszählung
am 1. Dezember 1905 für das
Deutiche Reich herausgegeben. Dar:
nad wurden ortsanmwejende Perſonen im
ganzen Reiche gezählt: Männlich 29 884 681,
weiblich 30 756597 zufammen 60 641278,
Nach den Altersftufen zerfallen die Gezählten
in 8696 204 Berfonen männlichen Geſchlechts
unter 12 Jahren (8640966 weiblich),
1258345 männl, von 12 bis unter 14
Jahren (meiblih 2361 322), 17561 8302
männl, von 18 und mehr Jahren (meiblich
18503452). Aktive Militärperfonen wurden
668853 gezählt, davon 2791 unter 18 Yahren.
In den obigen Zahlen find 599320 männ-
lihe und 429240 weibliche, zuiammen
1028560 „Reichsausländer” einbegriffen,
fodaß die Zahl der deutſchen Staats-
angehörıgen 59610 462 beträgt und zwar
29 283 826 männliche, 30 326 636 meibliche,
einfchließlih der Deutichen in den Schuß-
gebieten, wenn man 2256 ®erfonen, deren
Staatdangehörigfeit nicht zu ermitteln ge-
weſen, ebenfall& zu den Nichtdeutfchen rechnet.
Am 1. Dezember 1891 gab es in Deutſch—
land 206 756 Nichtdeutfche, d. i. 5,04 auf
1000 Reichödeutfche, am 1. Dezember 1905
waren es nach allmählihem Steigen der
Biffer, die einen Eleinen Rüdgang nur von
1875— 1880 zeigte, 1028560, d. i. 16,96
auf 1000 Reichsdeutſche; ſeit 1871 hat fich
die Verhältmiszahl alfo um faft das 3'2:
fache vermehrt. Die Religionsbefenntnifie
verteilen fi auf die Bevölkerung wie folgt:
Evangeliiche (alle) 37646852, NRömiid-
Kath. 22094 492, Ruſſiſch Orthodore 1991,
Griechiſch- u. Orientaliſch⸗Katholiſche 13 161.
Bir laffen nun die Ziffern folgen, die
die Pfalz betreffen. Und zwar fteht uns
bier eine Tabelle zur Verfügung, in
welder die Bevölkerung des Reiches
nah Wltersftufen und Oberlandes-
gerihtsbezirfen aufgeführt ift. Dar-
nad wurden im Oberlandesgerichtäbezirke
Bweibrüden (d. i. Reg. Bezirk Pfalz) ge
zählt: Perſonen unter zwölf Jahren männ-
lih 139955, weiblich 137777, zufammen
287732; von 12 bis unter 14 Jahren
männl. 19128, weibl, 18669, zufammen
37797; von 14 bis unter 18 Jahren männl,
34168, weibl. 33927, zuiammen 68095;
von 18 und mehr Jahren männl, 245290,
weibl. 256 919, zufammen 502 209. In der
Pfalz am 1. Dezember 1905 ortsanmwe-
jend iiberhaupt waren männt. 438 541 weibl,
447 292, zuf. 905 833, darunter (aftive Mili»
tärperjonen 8505, davon 8 unter 18 Jahren).
Nah NReihstagsmwahlfreijen und
NReligionsbefenntnis ergibt fi für die
Pfalz folgendes Bild: 1. Wahlkreis, umfaſſend
die Bezirksämter Speyer, Ludwigshafen,
Frankenthal, Bevölkerung überhaupt (nad)
der Reihe der angeführten Bezirksämter):
40 713,103641,64 491, zuſammen 208845;
darunter@vangelifche 11 140,55049, 38147,
zufammen 104336; Römiſch Katholische
28894, 46668, 24900, zujammen 100 462;
Sonftige 649, 1924, 1444, zufammen
4047. - 2. Wahlkreis, Landau, Neuftadt,
Bad Dürkheim: Bevölferung: 71681,
52235, 28893, zufammen 152809; da»
runter Evangelifche 32 015, 30837, 18638,
zujammen 81490; Römiſch Katholifche
38108, 20668, 9735, zufammen 68511;
Sonftige 1558, 730, 520, zufammen 2808,
— 3, Bahlfreis, Germersheim, Bergzabern:
Bevölferung 55183, 39257, zufammen
94 440; darunter Evangeliihe 19822,
20441, zujammen 40263; Römijc-Sarho-
liihe 34724, 18179, zujammen 52903;
zufammen 52903; Sonftige 637, 637, zu»
jammen 1274.— 4. Wahlfreis, Zweibrüden,
St. Ingbert, Birmajens: Bevölkerung 45079,
40081, 78217, zuf. 163377, darunter
Evangeliihe 29701, 5855, 39719, zuf.
15275; Römiſch-Katholiſche 14751, 34019,
37203, zuſ. 85973; Sonftige 627, 207,
1295, zuf. 2129. — 5. Wahlfreis Homburg,
Kuſel: Bevölterung 67384, 45835, zul.
113219, darunter Gvangeliiche 32180,
40470, zuj. 72650; Römiſch⸗Katholiſche
34704, 5103, zuj. 39807; Sonftige 500,
262, zuſ. 762. — 6. Wahlkreis Kailers-
lautern, Kirchheimbolanden, Rodenhaujen:
Bevölkerung 87633, 26 742, 38 768, zui.
153143; darunter Evangeliihde 56391,
19479, 29813, zuſ. 105883; Römiſch—
Katholiiche 29737, 6521, 8043, zuj.44 301;
Sonjtige 1505, 742, 912, zuj. 3159,
er DE
Beimatkundlides.
„Die Pfalz: Zweibrüder Borzellanmaun-
faktur, ein Beitrag zur Geſchichte der Por:
zellanfabrifation und zur Stulturgejchichte
eines deutjchen Stleinftaares im 18, Jahrh.“
von Emil Heujer, dem verdienten Heimat-
foricher, Sefretär des Hiftor. Vereins der
Pfalz, ericheint joeben im Berlag von
Ludw. Witter in Neuftadt a. 9. — Die
Darftellung, welde dur Abbildungen auf
6 Tafeln unterftügt wird, umfaßt 31 Bogen
Quart und ftammt aus Alten des Kreis»
archivs, mo fie zwiſchen Prozekaften des
zweibrüdifchen Bergmwejens gefunden wurden.
Manerfährt da ganz überraſchende Tatſachen
über die Betriebe im Schlößchen Gutenbrunn,
in Bweibrücden, in der Fayencefabrik Irheim,
die Fabriken des Engliſchen Rorzellans in
Bubenhaufen und auf dem Firichbacherhof,
die zwiſchen 1777 und 1786 beitanden
haben. Außer Abbildungen von Porzellan:
erzeugniffen find das Bild Chriftians IV.,
Karten und Pläne beigegeben, ferner Ab-
bildungen von Gutenbrunn, Jägersburg,
Bireibrüden und Karlsberg. Die Auflage
ift nur auf 260 Eremplare feitgelegt (53
Erempl. auf Sunftdrudpapier zu 12 4
und 207 Erpl. auf nachgeahmtem Bütten-
papier zu 10.4 und dieje find nummeriert
Anterefienten werden alfo gut tun, fich eins
diefer Kabinettftüfe zu fichern, denn an
eine Ergänzung oder Neuauflage ift faum
zu denfen.
Deufmale der Heimat. Mit einem
neuen, fehr zu begrüßenden Unternehmen
tritt der unermüdliche Herausgeber der
„Deatihen Gaue”, Kurat Frank in Kauf:
beuern, an die zahlreihen Heimatfreunde
heran, den „Dentmalen der Heimat”. Sie
find als eine Ergänzungsichriit zu den in-
baltsreichen „Deutjchen Gauen“ gedacht und
dazu beftimmt, eine Fundchronik zu bilden
und Berichte über Kultur- und Narurdenf-
male zu jammeln, um die in Zeitungen
zerftreuten, nicht nur lofalgejhichtlichen, fon:
dern oft auch wifjenjchaftlich wichtigen Nach—
richten für den Forſcher zu regiftrieren und
vor dem Bergefjenwerden zu retten. Da:
neben bringen die Denfmale Original»
notizen über Yunde, ſorgen für die Er-
haltung gefährdeter Kultur, Kunft- und
Naturdentmale und halten ihre Leſer über
die neueften Forſchungen zur Geſchichte der
Kultur auf dem Laufenden. Sie erjcheinen
ſowohl als einfeitig bedrudte Fahnenabzüge,
um fie zerjchneiden und nah Stichworten
in Ercerptenmappen unterbringen zu fönnen,
wie auch als bejondere Hefte. Der Preis
wird nad, Verfiherung des Herausgebers
jehr mäßig fein und für das Jahr über
eınige Mark nit fommen. Zahlreiche
Mitarbeiter, auh aus der Pfalz, tragen
zur Förderung diejes Unternehmens bei;
jo betreffen 3. B. von den bis jegt ber-
öffentlichten 160 Notizen nicht weniger als
13 unfere engere Heimat. Ein Probe:
Abonnement ſowohl auf die Deutichen Gaue
(jährlih 2,40 A) wie auf die „Denfmale
der Heimat” fann daher jedem Pfälzer
warm empfohlen mwerden.
Kurat Frank hat mit den „Dentmalen*
einen z2Gedanken verwirklicht, dem ich ſchon
im April 1905 in diefer Zeitſchrift S. 48
ausgeſprochen habe, ohne bis jegt die rich-
tige Unterftügung au finden. Um aber das
Sammelmwerf für den beabfichtigten Zweck
noch geeigneter zu machen, dürfte es fich
empfehlen, einmal die vielfady irritierenden
Ueberſchriſten ganz megfallen zu laſſen,
daflirzaber in jeder Notizfden Ortsnamen
und den behandelten Gegenſtand durch
Drud deutlich hervorzuheben und dann
jedem Heft ein ſowohl nah Stichworten
wie nad Zandesteilen geordnetes Regiſter
unter Unführung der Ordnungsnummern
den einzelnen Notizen beizugeben ; hierdurch
würde dem Intereſſenten nad) jeder Richtung
bin fofort ein Ueberblid über den Inhalt
ermöglicht werden. Häberle.
Laudeskundliche Yireratur, Manchem
unſerer Leſer dürfte es nicht bekannt ſein,
daß wir aus der Feder von Herrn Ph.
E. Stucky (Freinsheim) für mehrere pfäl—
ziſche und der pfälziſchen Grenze zunächſt
liegende außerpfälziſche Städte nebſt Um—
gebung eine Zuſammenſtellung der darauf
bezüglichen Karten, Stadtpläne, Führer,
Reiſebücher und ſonſtigen Druckſchriften
hiſtoriſchen 2:. Inhaltes beſitzen, die, alpha»
betiſch geordnet, im Pfälzerwald, IIl. Jahr:
gang, 1902 veröffentlicht worden iſt. Es
— 11 —
find behandelt: Alzey, Annmeiler, Bad | Daran fließt fich ferner eine Leber«
Dürkheim, Bergzabern, Edenkoben, Franken | ficht fiber die pfälzifche mundartliche Literatur
tbal, SKaiferslautern, Kirchheimbolanden, | in derjelben Beitichrift IV. SYahrgang, 1903
Kufel, ſtreuznach, Landau, Landftuhl, | Nr. 10 u. 14. Beide Zufammenftellungen
Ludwigshafen, Mannheim, Neuftadt, Bir: | find als wertvolle Vorarbeiten für die an-
majens, Saarbrüden, Speyer, Weißenburg, | zuftrebende landesfundliche Bibliographie
Worms und Bweibrüden. der Rheinpfalz zu begrüßen. Häberle.
Zur Umfrage über den Weinbau in der Aheinpfals.
; * belegte, trotzdem man entehrende Strafen
Seit waun gibt es — Wein über fie verhängte, es blieb beim alten.
pantibereien Im Zahre 1435 mußten zu Köln ein Wein:
Ein Präludium zum neuen Weinparlament. ichenfer ſamt jeiner Frau gebunden auf
Bon Theo Seelmann. einem Faß unter dem Pranger fißen, weil
Schluß) ſie dem Wein geſottene Beeren zugefügt
hatten. Die aufgereihten Beeren waren
Der ehrbare Rat der Stadt Feankfurt ihnen wie Paternofter um den Hals gelegt.
ernannte von Zeit zu Beit aus feinen Mit | Nach der Strafe wurden fie aus der Stadt
gliedern einen Ausihuß, dem die Aufgabe | verwiefen. Im Jahre 1427 wurden in
zufiel, durch protofollariihe Vernehmung | Köln zwei Kaufleute gefangengefegt, die
der Küfer und Weinmwirte die Fälſchertricks Nahewein gefüßt und gefärbt hatten. Man
feitzuftellen. Nach dem Protokoll von 1402 | jchenkte ihnen das Leben, brannte fie aber
ergab die Enquete dieſes ſtädtiſchen Wein- | durch beide Baden und in den Naden und
parlaments, daß als Wufbeflerungsmittel | peitjchte fie mıt Ruten aus der Stadt.
üblih waren: Erde, Eiweiß, Kupferrauch, Das war zu Weihnachten geſchehen. Im
Beinftein, Senf, Salz, gebranntes Salz, | März wurde diefelbe Betrügerei von neuem
füge Wild, Branntwein, Mandelmild, | verfucht.
Weizenmehl, Weidafche, Lehm, Teit, Gliet, Zahlreich find die Nürnberger Bolizeis
Ingwer, Reis, warmes Brot, Wacholder | verordnungen, die gegen die Weinfälichungen
holz und Kieſelſteine. In jpäteren Proto- | erlaffen wurden. Im 14. Jahrhundert wird
tollen werden als Sunftmittel angeführt: | heftimmt: „Es fol niemand feinen Wein
Aland, Alaun, Kalt, Galizienftein, Zieger, | maden mit Alaun noch mit Glas. Wer
Schlehen und Peifuß. Dabei ging es in | das bricht, ift er ein fremder, jo muß er
Frankfurt noch nicht einmal am jhlimmften | ewiglich der Stadt fern bleiben, ift er aber
her. Denn in anderen Städten verwandte | ein Bürger, jo foll er ein Jahr die Stadt
man jogar Bleiweiß und Bitriol! So | verlaffen.” In einer anderen Bolizeiordnung
betrieb die Weinfäljhung das brave, hoch-· des 14. Jahrhunderts wird gefagt: Es foll
kirchliche Mittelalter. niemand feinen Wein maden mit Alaun,
Diefen behördlichen Unterfucyungen jegten | Glas, Kalk, Branntwein, Flugfinter, noch
die Fälfcher die größtmögliche Verfchlagen: | mit feinerlei Sachen, wodurd jemand an
heit entgegen. Im Jahre 1402 erjchien auf | dem Leibe geichädigt wird.“ Im 15. Jahr—
der Frankfurter Mefle ein Straßburger | hundert wird der Stampf gegen die Wein-
Beinhändler, der, um feine gemachten Weine | panfcher eifrig fortgejeßt. Jetzt gebietet
durchzupaſchen, Fäffer mit mehreren Böden | man: „Wein, der mit gefährlichen oder
mit fich führte. Die eine Wbteilung eines | jchädlichen Sachen, als mit Branntwein,
jeden Faſſes war mit reinem Wein zur | Weidafche, Senf, Senfförnern, Sped oder
Entnahme einer Probe, die andere mit | dergleichen bereitet, gemacht oder zugerichtet
Runftwein gefüllt. Trogdem man die Fäller ift, oder auch mit Milch, Waller und anderen
der Panſcher auslaufen ließ, troßdem man | Dingen verdünnt, gemengt, gemifcht oder
die Frebler mit empfindlichen Geldbußen | verfchnitten ift, ſoll in diefe Stadt nicht
— 12 —
geführt, gebracht, feilgehalten, verfauft noch | Breisgauer, desgleichen weder Waſſer noch
in die Steller gelegt werden.” Am Ausgang
des Kahrhunderts ergeht: Ein Geſetz von
den böien und ſchädlichen Weingemädten,
insbefondere vom Schwefeln der Weine.
Die Einleitung dieſes Geſetzes lautet:
„Nachdem, wie offenbar und Fundig ift, viel
und mancherlei jchädliche und gefährliche
Gemädte und befonders Schwefel in ver-
gangenen Beiten gebraudt morden find,
wodurd; nad) glaublichen Anzeigen und
Unterrichtung hochgelehrter Doktoren der
Arznei vielen Menjchen, und namentlich
bom weiblichen Gejchlechte, die ſolchen Wein
genießen, Verkürzung des Lebens und viel
andere jchwere Krankheit davon entitanden
und erwadjen find, jo hat ein ehrbarer
Rat, jolches abzuitellen, folgende Gejege und
Ordnungen erlaffen, daß fie von männiglich
alfo geftrenglich gehalten werden.”
In den Nürnberger Bolizeiverordnungen
lieft man zwiſchen den Beilen, wie heiß man
fih bemüht, jede nur denfbare Lüde zu
vermeiden, die den Weinfäljchern einen
Durchſchlupf ermöglichen konnte. Dasjelbe
Beitreben herrichte auch in anderen Städten,
Man hatte es nicht umfonft mit Leuten zu
tun, die fo klug und fchlau waren, daß fie
es verftanden, aus Wafjer Wein zu machen.
In Aargau in der Schweiz mußten die
Weinwirte aljährlih fchmören, ſich aller
unlauteren Machenſchaften zu enthalten.
Die Eidesformel, die für dieſe unficheren
Rantoniften aufgeftellt wurde, faßt alle nur
irgendwie vorftellbaren Möglichkeiten ins
Auge: „Des erjten werdet ihr ſchwören,
Elſaſſer für Elfaffer, Breisgauer für Breis-
gauer, Landwein für Landwein zu jchenfen.
Und foll feiner zweierlei Eljafjer, er wäre
gefäuert oder getrebert, oder jchlechten
zweierlei Breisgauer oder Landwein in
einem Seller jchenfen, es wäre denn alter
oder neuer oder weißer und roter. Auch
folt ihr feinen Landwein in -Eljafler oder
Fülmwein in den Wein tun, nachdem die
Fäffer in den Seller gefommen find, noch
es euer Gefinde oder ſonſt jemand tun
lafjen. Ihr follt auch fein ſchädlich Ding
in den Wein tun, wie Weidajche und anderes,
was ſchädlich ift, und die8 auch nicht von
eurem Geinde oder jemand anders be-
forgen laſſen.“
Wie bemerkt, fuchte man auch durd) die
Neichsgefepgebung die Weinpanſchereien zu
unterbinden. Zehn Jahre jpäter, nachdem
der MNeichsdeputationstag in Rothenburg
feine Paragraphen zu Papier gebradht hatte,
wurde zu Freiburg im Breisgau Römiſcher
Königlicher Majeftät Ordnung und Satung
über die Weine, Anno 1497, ın fieben
Artikeln aufgerichtet. Beſonders war diejer
Erlaß gegen das Schwefeln gerichtet. Schon
1500 war man, der fieben ſchönen Artifel
ungeachtet, wieder auf dem Reichstag von
Augsburg genötigt, den Weinmwirten das
Gewiſſen zu fchärfen, und 1548 drohte
Karl V,, abermals auf einem Reichstag zu
Augsburg, den Übeltätern mit ſchwerer Buße
und Pön. Alle Strafandrohungen waren
in den Wind geredet. Man fälfchte im
16., man fäljhte im 117. Yahrhundert
furdtlos weiter, und im 18. Jahrhundert
erfand man fogar noch ein neues, treffliches
BWeinaufbefferungsmittel in dem... Arfenif.
Die moderne Chemie, der wir jo gern
die Weinpanfchereien der Gegenwart in die
Schuhe jchieben, ift aljo feineswegs die
Stammutter diefer Berfehlungen. Die Ge:
fchichte, aus der jonft jo menig gelernt
wırd, lehrt hier ummiderleglich, daß die
BWeinfälfhungen ſchon eine unverwüſtliche
Lebenskraft beſaßen, als die Chemie noch
nicht geboren mar, und daß darum die
vormaligen Geſchlechter weit mehr noch als
wir jelbft die Wichtigkeit des blendenden
Wortes bezweifeln durften: Im Wein ift
„Wahrheit“.
DInbalt: Zum 50. Jahrestage. — Die Züchtung der Kartoffel. Bon B. Renner, Landwirt-
ſchaftslehrer zu Frankenthal. — Die Bevölkerung Deütſchlands unter befonderer Berückſichtigung
der Pfalz. — Heimatkundliches. — Zur Umfrage über den Weinbau in der Rheinpfalz.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Ymbalt der Beiträge find bie Herren Berfaffer verantwortlich.
*Die Pfälgiihe Heimatkunde“ Toftet jährlich im 12 Heften ME. 2.50. Behtellungen werden von allen Buchhandlungen und
Voſtanſtalten ferner vom Verleger (Portofreie Streifbandfendung) angenommen.
Pfäßilche Heimatkunde
MonntsfArift
für Schule und Kaus
unter Berückhfihtigung der Bedürfnille der pfälziſchen Schulen.
Schriftleiter: Lehrer Ah. Fanth, Landfnhl.
— — Bierter Jahrgang. ————
1908.
*
Kaiſerslautern
Drud und Verlag der Hof-Buchdruckerei Hermann Kayſer.
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Inhalts-Verzeichnis.
— ——
Seite Seite
Ausgang des füdpfälzischen Bergbaues 13 | Gefolgſchaft des Menicen . 23, 38
Ameiſen und Pflanzen . 62 | Geologie und Heimatkunde 26
Ausmwanderer, Pfälziſche 67 | Gewitter Niederſchlagsbeobachtungen 78
YAusgrabung der gallifchen ae Grab, einſames. ur 80
bei Deidesheim . Ey: 79 | Gruppenwaſſerverſorgung des — 90
Alt Heidelberg, dab Schlvß — jenule Brüfte dev Kloſterruine Limburg 104
Schickſale 128 | Goldfund . 116
Allerlei vom Taval . 129 | ®emeindeardjwalten . 142
Altertümer 136 |
Seimatfchuß . 5
Brauntoblen bei Klingenmüniter . . . 7 | Helmat im Schulunterricht . 6
Biologiiche Abwaſſerreinigung cn u | Helmatfundlihe® . . . . . ....8,80
Beiträge zur Gefchichte des Heimatſchutzes | Hadmefjerjeite — Bucher Yändıe 15
in Bayern . . 25 | Himmelsihau — zum 10, Febr. 1908 — 0
Beheizung unjerer — 28 | Hagelichiehen 36
Blaumeife i 68 ; Hundeitjahrgebdenticier der — —
Bitumen — VBortommen bei —— 117 | vermeflung F 60
. ! Hafe fhlätt mit offenen — 689
Dünen in der Weitpfalz 2, 91 | Sungerbrunnen im Stiftswald bei Kaiſers—
Deutſche Eigennamen 58
lautern . 102
Deutſche in Louiſiana x |
Diluviale Funde in ber Rbeinpfatz u und | Iinventarifierung von Naturdenfmälern
deren wiſſenſchaftliche Ausbeute 97 | in Baden 88
Ernte Bayerns im Jahre 1906 . . . . - ER der verjchiedenen Belcuchtungsarten 17
Eiche, die bei Rehborn 91 Kalſer Heinrich IV. Beftattung 2
Entſtehung des Pfälzer Liedes 92 | on IREIBBEN: TREE m
Edeitaſtanien 142 | g von Dürkheim, ein aupfaigiſcher
Pfingſtgebrauch . 89
Feſtlegen des Oſterfeſtes 36 |
Franzöfifche Kolonien in der Pfalz 41) iterarifches . . 24, 139
Flachs und Hanf . 442 Leben des Baumes 49
Flur und Waldkapellen im Bfälgerwald . 48 | Landesvermeſſung Bayerns 60
| Lebensgewohnbeiten der Ameiſen zc. 64
Gruß an die Pfal . -» » » » 2... 3 | Landitubler Gebrüh - - » » 1109
Glodenmwunder zu Speyer... 21 | Luftſchiffahrt in der Pfalz . 119
Gefiederte Wintergäjte in den Bfalgmäfdern 22 | Lembergturm 128
Mein Biälzerland .
Mordwirtin von Odernheim
Milbenhäuschen ur
Mönd, der. von St. Medard
Mineralquellen, zwei neue .
Mitteilungen aus der —
Stand und Entwickelung, baveriſchen
Niflungen Hort, der
Neuen Bergwerksanlagen
Nahrung der Bögel — Neuen —————
Naturpflege .
Ernithotogifche Geſellſchaft; Bayer.
Oftertag Balentin
Ditertag- Denfmal
Ortöpruppe Ludwigshafen des ” gfälger
Waldvereind
Projektierter Babnıbau . }
Poeſte und Proſa in der ——
Pfinaften, die Spargelzeit
Pflanzencharafter der Umgebg. Landſtubis x.
Bapiergeld, berüchtigtes, franzöfiiches .
Petroleumborkommen, angevliches bri
Beteräbächel j j
Pollichia — 68. EEE NENNE ;
—
—
—
———,
5
72
73
116
2 m 00
© De 8
| Raichi-Rapelle in Worms .
| bein, Schiffahrt — Fiſcherei
@ootiquellen- Salzgewinnungi B. Dürkheim
Schaffer Niitpläge für unſere Vögel
Storh — ift er nützlich oder fhädlih —
Städteverfafiungsgejeß .
Sunnmwend oder Johannisfeuer
Sammlung bayerifch-pfälzifcher Münzen .
Zurmruine in Odenbach, ein gefährdeter
Baudenkmal
Unſere Urahnen aus der Steinzeit .
Urbheimat der Germanen
Ueber das Alter des Landftubler Brudies
und über Ürtefeftenfunde in Torf:
mooren
Ueber Blitzgefahr
Verſchie denes
Bögel, giftfeſte
Verein „Badiiche Heimat“
Wild: und Jagdbeobachtungen pfälgifche
| Wachtel und Wachtelfchlag
124 !
125 ı
44, 93, 108,
12
56
102
143
71
101
37
69
-(JOJR qum yradıg) S qum p "ı26
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IV, Jahrgang. Nummer 1. Januar 1908.
IPÄLZISCHE HEIMATKUNDE
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MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
— — Gruß an die Prag, me >
Gegrüßt mir, du fruchtbares fonniges Die Felder fo reich und fo üppig erblüht,
Land
and, Die öftlichite Traube am Berghange
Umglänzt von des Rheines grünfilbernem glüht —
Band! Und mag mir die Heimat auch näher wohl
Ich jchrieb deinen Namen in's Herz mir ſein,
hinein, Von Herzen doch lieb' ich die Pfalz am
Um fürder mein ewiges Heimweh zu ſein. Rhein.
Die waldigen Berge von Burgen gekrönt, Und wander' ich ferne vom pfälziſchen Land,
Die prangenden Fluren durch Täler Da faßt mid die Sehnſucht wohl ſacht bei
verfhönt — der Hand;
Wo immer ich auch im Leben mag fein, Ich jchlage vor Wehmut die Hände dann ein
Gegrüßt mir, du wonnige Pfalz am Rhein, | Und bete: Gott ſchütze die Pfalz am Rhein!
Dann fumm’ ich ein Lied, dem jo gern id)
gelaufcht,
Wenn leife zur Seite der Rhein mir’s
geraufht —
Bon Deutfchlands Yumel und köftlichftem
Stein,
Dann fing’ id mein Lied von der Pfalz
am Rhein! Dr. Earl Bufd.
Bie Holquellen nnd Halzgewinnung in Bad Bürkheim.
Am öftlichen Fuße des Hardtgebirges, | nad allen Richtungen aus, gegenfNorden
da mo die Iſenach zwiſchen fteilen Höhen | und Süden von rebenbefränzten Hügeln
in die Ebene tritt, liegt das weit über die eingeſchloſſen. Herrliche Parkanlagen und
Grenzen der Pfalz durch feinen ausgedehn- ſchattige Ulleen umgeben die Stadt. Der
ten und vorziglihen Weinbau und jeinen | reizenden Lage und Umgebung und nit
Burftmarft berühmte Bad Dürkheim. | minder feines edlen Weines wegen bildet
Polypenarmig ſtrecken fich feine Häuferreihen | Dürkheim von jeher das Biel vieler Befucher
von nah und fern. Aber auch für Franke
und Erholungsbedürftige bietet Bad Dürk—
heim mandherlei Vorzüge. Seine Heil:
quellen haben jchon vielen Stranfen die er:
hoffte Genefung gebradit.
Die Dürfheimer Solquellen*) find ſchon
feit dem Jahre 1136 befannt, wurden aber
erft von 1595 an zur Salzgewinnung ver-
wendet. Befanntlich überließ Kaifer Konrad.
im Jahre 1030**) das den Saliern ge
börende Schloß Limburg den Benediftinern
als Kloſter. Um diefem ein reiches Ein-
fommen zu fihern, fchenfte er demſelben
4 Orte auf dem linfen Rheinufer (Grethen
am Fuße der Limburg, Dürkheim, Wachen:
beim und Schifferftadt) und 4 auf dem
rechten Ufer. (Eichen, Feuerbach, Sund-
lingen und Sulzbach.) Im Jahre 1387
belehnte der Abt von der Limburg die
Grafen von Leiningen, denen Kaiſer Philipp
von Schweden 1206 den Schuß des Klofters
übertragen hatte, mit den Salzbrunnen
von Dürfheim, behielt aber den auf dem
„Brühel”, der damals für den ergiebigften
gehalten murde, für die Abtei. Wahr-
ſcheinlich ſchöpfte man zu diejer Zeit nad)
Bedarf die Sole und fochte fie. 1594 ver-
pachtete Kurfürft Friedrich IV. das ehe:
malige Klofter Schönfeld (an Stelle der
heutigen Saline) an Georg von Menkingen
unter der Bedingung, daß er daſelbſt ein
Salzwerk anlege. Durd) den bald darauf
ausbrechenden 30jährigen Krieg aber wurde
diefes Vorhaben unterbroden und es trat
wieder ein längerer Stillftand in der aus-
giebigen Verwertung der Solquelle ein.
*), Die Real-Encyklopädie der gefanıten
Pharmacie Fennzeichnet die Sachlage wie folgt:
Dürtheim in der Pfalz, Bayern, befitt
8 Mineralquellen, von denen 7 ftarfe Stochfalz-
wäfler und eine ein Eifenfäuerling tft. Diefer
enthält in 1000 Th. Na C1 0.196, Na, SO, 0.156,
CaH, (CO,), 0.362, FeH, (CO,), 0.047. Die
reichite der anderen Quellen iſt die Soolquelle,
mit Na Cl 12.699, Ca Cl, 3.018 und Na Br 0.019
in 1000 Th. Diefer ichließt fih an der Birgilius-
brunnen mit NaCl 10.275, CaCl, 1.799 in
1000 Th., der Bleihbrunnen mit 9.245 und 1.98,
der Engelbrunnen mit 8.625 und 1.366, der Ult-
brunnen, Fisfcher und Wiefenbrunnen mit etwas
geringeren Mengen. Alle Quellen enthalten
au Mg Cl, ferner Na J und NaBr., die Sool-
quelle audh etwas Li Cl (0.039).
5 So iſt auch auf der Tafel am Weftportale
ber Yimburg zu lefen. Nach neuerer Forſchung
dürfte die Bründung des Kloſters in das X
1025 fallen. D. Sch.
Erft im Jahre 1699 wurde das Unter:
nehmen wieder in Angriff genommen und
das Salzwerk einem gewiſſen Rousseau
de Lescu aus Lothringen verpachtet um
die Pachtſumme von 5000 Gulden und
gegen Lieferung von 100 Ztr. Salz an
den kurfürſtlichen Hosf. Obwohl der Pächter
Brunnen anlegen ließ und ſich alle Mühe
gab, die Salzgewinnung vorteilhaft zu ge—
ſtalten, geriet er bald ſo in Schulden, daß
er flüchten mußte. Einem Elſäſſer namens
Duppert, der 1716 einen zwanzigjährigen
Pacht einging, gelang es endlich die Salz:
gewinnung mit Borteil zu betreiben. Er
war ed aud, der das erſte Gradiermert
anlegte. Nach Beendigung der Pacht z0g
der Hurfürft Karl Philipp das Salzwerk
an fi und zahlte an den bisherigen Pächter
für gemachte Verbefjerungen eine Ent:
ihädigung von 18000 'Bulden. Hierauf
ließ der Kurfürſt eine beffere Einrichtung
der Gradierwerfe ſowie der Siedehäuier
und der Solbrunnen vornehmen. Um ein
entiprechendes Gefälle zum Betriebe der
Pumpmerfe zu befommen, mußte der Lauf
des Iſenachbaches verlegt werden, wodurch
die Fronmühle, die Cleophas« und
Pfeffingermühle eingingen. Das Salz
werk hieß von jegt ab die „Philippshalle“.
Nachdem verjchiedene Verbefjerungen in der
Einrihtung vorgenommen worden, ver
mochte das Salzwerk jährlich, nahezu 10 000
metr. Bentner Salz zu liefern.
Eine abermalige Störung im Betriebe
erfolgte durch die franzöfiiche Revolution;
während einer mweiteren Verpachtung, deren
Ertrag zur Dotation einer franzöfiichen
Prinzeffin diente, wurden die Gebäude und
Einrihtungen außerordentlich vernachläjfigt.
Erſt nachdem die Pfalz wieder bayeriſch
geworden war, murde der Philippähalle
wieder die gebührende Aufmerkſamkeit Fzu-
gewendet, Dürkheim wurde nun der Sik
eines Hauptzollamtes. Bier fönigl. Beamte
mit 25— 30 Urbeitern mwidmeten fich der
Salzgewinnung, jo daß jährlid 4 — 5000
metr. Btr. Salz gewonnen wurden. Syn
diejer Veriode wurde 1847 auch der jetzige
über 300 m lange, auf 162 Sandftein-
pfeilern ruhende Gradierbauferrihtet. Im
Jahre 1867 ging die Saline in den Beſitz
der Stadt über, welche die Salzgewinnung
Ipäter dem Bad: und Salinenverein über-
— u
Pan über die Sage der Pürkheimer Soolbrunnen.
Maßftab 1: 10000,
Norizentats. \;
4 steriauf.
Erklärung: Ziffer 1 — Allubium n. unbelannt.; 2 = Dilubium; 3 — Half und Thon (tertiärer) ;
4 — melßl. Bunt: und Sandſtein; 5 —= thonig. Mittel- und Dedftein; 6 — roter
Boged-Sanbdftein (Todtliegenbdes); 7 — älterer Schiefer; IM — Bohrlöcder und Soolquellen.
trug. — Bon den nad und nad) erbohrten
Solquellen jollen Hier nur 8 angeführt
werden, welche teilmeife wieder außer Betrich
gelegt wurden.
Eine der älteften Quellen ift wohl der
Wiejenbrunnen oder der Pimbur:
giſche Brunnen (Siehe I des Planes)
jo genannt, weil ihn, wie oben bemerft,
der Abt des Nlofters Limburg für fich be-
hielt. Er befindet fih an der Stelle, wo
jegt das Licht- und Luftbad errichtet iſt
Da ſich jein Salzgehalt mit der Zeit immer
mehr verringerte, mwird er jeit vielen Jahren
zur Öradierung nicht mehr verwendet.
Der Altbrunnen (ll.) auf den eigent—
lihen Wurſtmarktswieſen, deſſen Salzgehalt
anfangs 1—2°%% betrug, dann auf 0,8"
berabging, ift ſeit 1866 außer Gebraud
gejeßt, im vergangenen Jahre aber nad
der Kinderheilftätte geleitet zur Verwendung
von Solbädern.
Der Klammer: oder Oberbrum:
nen (V.) neben der Buchdruckerei Rhein:
berger, wurde 1737 gegraben, jeit dem
Jahre 1866 des geringen Gehaltes wegen
aufgegebenTund) übermölbt,
Der Nagelbrunnen, zwiſchen dem
Klammer: und Engelsbrunnen, 1738 ge
graben, lieferte anfangs eine reichhaltige
Sole; diejelbe nahm aber raſch ab, jo daß
er bald aufgegeben wurde und heute feine
Lage nicht mehr mit Beftimmtheit bezeichnet
werden fann,
Der Bleich- oder Kurbrunnen
auf den Bleichwiejen ift 1773 angelegt
worden. Sein Waſſer dient hauptſächlich
zum Trinken und befigt einen Salzgehalt
von 1a'o bei einer Temperatur von
15!a° C.
Der Engelsbrunnen (VI.) an der
Ede des Nitterichen Parkes, ift 1739 ge-
graben worden, lieferte anfangs cine 1—
1a ige Sole, im Jahre 1850 nur nod
0,4°0' und fam daher 1864 außer Benützung.
Der Bigiliusbrunnen (X1.), welder
fich in der Nähe des Schlachthaufes befindet,
wurde 1830 erbohrt und hat einen Salz:
gehalt von I—1'/5 "jo bei einer Temperatur
von 16,25° C.
Die bedeutendfte und in letter Zeit
mwegen ihres hohen Arſengehaltes vielfach
genannte Quelle ift der Marbrunnen
(XIL), an der Hinterbergitraße gelegen.
Da die bisherigen Quellen infolge der
Zuflüſſe weniger ſalzhaltiger Gewäſſer, die
in den zerklüfteten Sandfteinlagen nicht
genügend abaedämmt werden fonnten, nad
und nad an Gehalt abnahmen, unternahm
die Salınenverwaltung in den Jahren
1857 — 59 einen neuen Bohrverfud bis zu
eıner Tiefe von 294,34 m. Die oberfie
durchbohrte Schihte bis 6,86 ın beftand
aus Alluvıalgebilde, von da ab fam Sand:
ftein mit etwas Ton vermiſcht. Bis 56,65 m
Tiefe zeigten fi nur ſüße Gewäſſer mit
einer Temperatur von 12,5" C. Bon da
an fam auch falzhaltiges Wafler von etwa
ao Salzgehalt. Bei fortichreitender
Tiefe nahm die Sole an Gehalt, Quantität
und Temperatur ſiets zu, jo daß in einer
Tiefe von 203,23 m die legten und reicheren
Quellen erbohrt wurden mit einem Gehalt
von 2! und einem Quantum von 801
in der Minute bei 18,15° CG, welcher
Stand fich bald minderte, bald mehrte. Zur
Beit dürfte das Verhältnis folgendes fein:
Der Salzgehalt 2,07—2,1°, das Quantum
701 in der Minute, die Temperatur 19,5 °C.
— Unterhalb 203,23 m Tiefe murden
durh 91 m feine Solquellen mehr an:
getroffen.
Es darf wohl mit Sicherheit angenom-
men werden, daß die in Bad Dürfheim
vorfommenden Quellen ihren Salzgehalt
der Auslaugung von Maflen verdanten,
welche einftens von Meerwaſſer durchtränkt
worden find.
Gegenwärtig werden zur Salzgewinnung
nur die Solen des Marbrunnens, des
Bigilien- und des Kurbrunnens ver:
wendet. Da aber bei dem geringen Salz:
gehalt ein fofortiges Sieden ih kaum
lohnen würde, indem zu viel Brennmaterial
erforderlih wäre, wird das Salzwaſſer
durch ein Pumpwerk, das von der Iſenach
getrieben wird, auf den Gradierbau ge
leitet, wo ed über die Weißdornwände
herabtröpfelt und fich in mehreren hölzernen
Behältern unter denjelben fammelt. Dabei
verdunftet ein großer Zeil des zerftieben-
den Waflers und die Sole wird um jo
jalzhaltiger, je öfter fie diefen Weg macht.
Wie oft man diejes geichehen läßt, hängt
von der jeweiligen Witterung ab; gemöhn:
lich muß fie den dornenvollen Weg 12 —2Omal
machen. Hat die Sole einen Salzgalthe
= 5.5
von 27% erreicht, jo wird fie dur Ma- | Mutterlauge genannt und findet bei
ſchinen auf die nahe Saline geleitet, wo | Bereitung von Solbädern Bermendung.
fie in großen Sudpfannen fo lange gejotten | Das Sieden beginnt gewöhnlich im Dftober.
wird, bis das Wafler zum größten Teile | Die hiefige Saline liefert durchichnittlich
verdampft ift und das Salz fi in Sriftall- | im Jahre c. 5000 Zentner Salz, nämlid)
form ausjcheidet. Hat fich die ganze Ober: | rund 2000 Btr. Kochſalz, 1500 Bir. Vieh-
flähe mit Kriſtallen bededt, jo gleicht die | jalz und 1500 Ztr. Badeſalz.
Sudpfanne eınem kleinen zugefrorenen Teiche. Große VBerdienfte um die geologiſchen
Das erftmalige Sieden liefert das Koch: | Unterfuchungen der nächſten Umgebung
falz, daß zweite da8 Viehfalz und das | Dürkheims haben fi die beiden Salinen-
dritte dad Badefjalz. Das gewonnene | Snfpeftoren Ph. Ruſt und H. Laubmann
Salz wird mit Schaufeln aus der Pfanne | erworben. Deren Refultate find in den
in unten fpig zulaufende Körbe gefüllt und | Berichten der Pollihia vom Jahre 1861
in den Trockenraum gebracht, um fpäter | und 1868 veröffentliht. Der dort bei-
zum Verſand in Säcke gefüllt zu werden. | gefügte Blan über die Qage der Dürfheimer
Die in der Sudpfanne zurücfgebliebene, | Solbrunnen ift dem Jahresbericht von
gelblich:braune, nicht mehr kriftallifierende, | 1861 angehängt. —
meil allzu ſtark gejättigte Röfung wird
2 — -— no,
Heimatſchutz.
Das kgl. Staatsminiſterium des Innern geführt werden, und daß namentlich die
veröffentlicht eine längere, an die kgl. Re- Bauten für öffentliche Zwecke den An—
gierungen, die DiftriftSverwaltungsbehörden | forderungen der Zweckmäßigkeit und Schön-
und die fgl. Landbauämter gerichtete, außer- | heit entſprechen. Denn gute neue Bauten
ordentlih beachtenswerte Entſchließung find neben den guten alten die beften und
über den Heimatſchutz, der wir folgendes | lebendigften Lehrmittel für die Baumeifter
entnehmen: und für das Publikum.
Der Bayerifhe Verein für Volkskunſt Die bahyeriſche Architektenſchaft und
und Volkskunde in Münden hat Richt- | insbefondere der Baperifhe Verein für
punfte für die Pflege der heimiſchen Bau- Volkskunſt und Bolksfunde in Münden
weife in den kleineren Städten, in den | (Gruftftraße 1) ift bereit, den Diftriktsver«
Märkten und auf dem Lande ausgear- | waltungsbehörden und Gemeinden bei Be-
beitet und den Diftriftsverwaltungsbehörden | fanntgabe der erforderlihen techniſchen
mit der Bitte Üüberjendet, den biefür in | Grundlagen und des Bauprogramms ge-
Frage kommenden Baumeiftern die Drud: | eignete Skizzen und Pläne zu bejchaffen.
chrift auszuhändigen. Zugleich wurde von | Bei einigen Bezirkfsämtern befteht Die
diefem Berein angeregt, die eigenartigen | Uebung, die Pläne für wichtigere Bauten
Bauformen der einzelnen Bezirke in Be- | vor. der baupolizeilihen Beicheidung an
Ihreibung und Plänen im Benehmen mit | das k. Landbauamt mit dem Erfuchen um
dem fgl. Landbauamte feftzuftellen und | Würdigung in fchönheitliher Beziehung
die dort wirkenden Baumeifter hierauf auf | nnd allenfallfige Fertigung von Tekturen
merfjam zu machen. zu fenden. Gine ſolche Mitarbeit der
Unſere Dijtriftsverwaltungs « Behörden | Bauämter auf dem Gebiete der Baupolizei
werden angemwiejen, dieſe danfenswerten | ift ſehr zu begrüßen. ferner ift auf die
Beftrebungen zu unterftügen. Auch die | Bauftelle des bayerifchen Landwirtichafts-
Amtstechnifer find naddrüdlichft anzu: | rates als Beratungsftelle für landwirt—
halten, fich mit diefen wichtigen Aufgaben | fchaftlides Baumejen aufmerffam zu
vertraut zu maden und tunlichft ın diefem | machen.
Sinn zu wirken. Um eine ausgiebige und erfolgreiche
Bon bejonderer Wichtigkeit ift e8, daß | Mitarbeit diefer Sacjverftändigenfreife zu
möglichft viele muftergültige Bauten aus | ermöglichen, müfjen freilich die Baupolizei,
behörden auf rechtzeitige Vorlage der Pläne
für Neu- umd Umbauten dringen und aud)
dahin wirken, daß die Vorſchläge der
fachverftändigen Berater wirklich zur Aus»
führung gelangen. Nicht minder ift die
Baulinienziehung für die Frage des Heimat-
Ihuges von großer Bedeutung.
Beſondere Aufmerkſamkeit joll ferner
den Friedhöfen, namentlich den alten Fried⸗
bofanlagen mit ihren fchmiedeeijernen
Grabfreuzgen und jonftigen alten Den.
mälern, zugewendet werden. Auch der
Brücdenbau fol fih der Landſchaft an-
fhmiegen, die Ufer harmoniſch verbinden
und nicht die Landſchaft zerreiken.
Der Belebung des Intereſſes an den
Beftrebungen des Heimatſchutzes wird es
dienen, wenn die Allgemeinheit zur Mit-
arbeit Herangezogen wird. Hiezu find
namentlih auch die bereits beftehenden
örtlichen Vereine verwandter Richtung mit
dem Erſuchen einzuladen, allenfallfige
Wahrnehmungen über den Berfall oder
die Gefährdung geſchichtlich oder ardji-
teftonifch intereffjanter Baumerfe, über die
drohende Beeinträchtigung ſchöner Orts»,
Straßen: und Landſchaftsbilder u, dgl.
umgehend zu berichten.
Auch wird zu erwägen jein, inwieweit
zum gleihen Zwecke die Beſtellung geeig-
neter Berfonen ald Obmänner für beftimmte
Bezirfe veranlaßt ift.
Die behördliche Berätigung des Heimat»
ſchutzes muß jedoch frei bleiben von Zu-
dringlichfeit und polizeilicher Bevormundung,
fie fordert ein verftändnisvolle8 Eingehen
auf die Gigenart des Volkes und taft-
volle Erwägen.
Die Heimat im Schulunterricht.
Die Gejellihaft für Verbreitung von
BVolfsbildung hat auf ihrer diesjährigen
Hauptverfammlung in Hannover über
„Heimat und Volksbildung“ verhandelt.
In den Vorträgen und Debatten murde,
der praftiichen Wirfjamkeit der Gejellichaft
entiprechend, in erfter Linie die Verwendung
heimatliher Stoffe in den öffentlichen
Borträgen und auf den Bolfsunterhaltungs:
abenden und die Einſtellung von Heimat:
büchern in die Volksbibliotheken beſprochen.
Geſtreift wurde indeſſen auch mehrfach die
Berückſichtigung der Heimat im Jugend—
unterricht. Jeder Unterricht ſollte in
ſeinen Anfängen nichts weiter als Heimat—
unterricht ſein. Die Heimat, ihre Geſchichte
und ihr Naturleben dem Kinde zu er—
ſchließen, iſt eine der weſentlichſten Auf-
gaben der Schule. An dem Gewerbefleiß
der Heimat ſoll ſich auch die kindliche
Schaffensluſt entzünden. Aber damit nicht
genug. Die lebendige Erfaſſung der
Heimat bildet die Brücke zu allem außer—
halb des Anſchauungskreiſes der Kinder
liegenden Wiſſen. Je meniger das Kind
Belegenheit hat, Über den engen Kreis der
Heimat hinaus zu fommen, um jo größer
ift die Gefahr, daß fein Schulwiſſen der
anichaulichen Grundlage entbehrt. Jedes
biftorifche Denkmal in der Heimat, das
an eine, wenn auch noch jo unbedeutende
Epifode in der Geſchichte des Vaterlandes
erinnert, jede mirtichaftlihe Berbindung
der Heimat mit der fremde, jeder Gegen-
ftand in der Heimat, der die Berhältnifje
der Fremde veranichaulidt, belebt die
Phantafie des Kindes, vermindert die Ge—
fahr des toten, wertlofen Budmiffens und
regt die Lernluft des Kindes in der wirk—
famften Form an. Die neuere Schul-
meıhodif hat das auch immer mehr erfannt
und jelbft da, wo e8 nad einem Ausipruch
auf der BVolfsbildungsverjammlung „feine
Heimat mehr gibt”, wo „die Heimatlojen
wohnen“, in der Grofftadt, der Heimat-
funde einen breiteren Raum im eriten
Schulunterrichte zugemwiefen. Namentlich
haben die lebensvollen Schilderungen der
Bremer Lehrer Gansberg und Scarrel:
mann viel dazu beigetragen, daß auch bier
das das Sind umgebende Leben in Die
Schulftube gebracht wird. Wber bei allen
unterrichtlihen Bemühungen follte man
eins nicht vergeffen: die rechte Heimat—
funde und Heimatgeſchichte lehrt man
draußen, unter freiem Himmel, in Bald
und Feld, im Hof und Biehftall des
Bauern, in der Werfftatt, nit in der
dumpfen Schulftube. Gin derartiger Unter:
richt in der Heimatkunde und Keimatge-
fhichte erzielt nicht nur eine genaue Stennt-
nis der Heimat, jondern als wertuolleres
Ergebnis auch eine echte, an den Dingen
der Heimat haftende Heimatliebe,
—
Braunkohle bei Alingenmünfer.
Bor einigen Monaten ging eine Notiz
durch die Zeitungen, daß man in Klingen⸗
münfter beim Sraben eines Brunnens in
fieben Meter Tiefe auf Braunfohle ge
ftoßen ſei; diefe komme als obere Schicht
unferer pfälzifhen Steinfohlenlager vor.
Unbefangene Lefer mußten annehmen, daß
beim Weitergraben vorausfichtlich bald auch
Steinkohle erfchloffen werden würde, Leider
hat diefe in der ARheinebene an verſchiedenen
Stellen vorfommende Braunfohle mit den
pfälziſchen Steinfohlenlagern nichts zu tun,
da fie fi in einer ganz anderen, weit
jüngeren Erdperiode (Tertiär bzw. Dilu-
vium) gebildet bat. Wahrfcheinlich fteht
diefer Fund bei Sklingenmünfter mit
anderen aus der Gegend (Hördt, Yodgrim)
befannten ſchwachen Moos» Braunfohlen-
Flögen der Diluvialzeit im Bufammen-
bang, die leider nicht den Abbau lohnen,
wie die etwas älteren Brauntohlenlager
bon Erpolzheim bei Dürkheim. Auch
weiterhin wird man beim Grafen in be
ftimmten Tiefen vorausfitlih auf Braun-
kohle ftoßen, die fonft gemwöhnlid von
jüngeren MWblagerungen bededt ift, bei
Schaidt aber in einer Grube nahe. beim
Bahnhof mit Cyrenenmergel (Dligocän)
offen zu Tage tritt.*) Häberle.
*) Bgl. bierüber Gümbel, Geologie bon
Bayern, Bd. II, ©. 1083 f.
Die Ernte Bayerns im Jahre 1906.
Ueber die Ernte-Ergebnilfe des Jahres
1906 enthält die Beitichrift des k. Stati-
ftiichen Bureaus in dem foeben erjchienenen
Doppelheit Nr. 1 und 2 ihres 39. Yahr-
ganges (1907) folgende allgemeine Daten:
Die Anbauflächen betrugen im ganzen
Königreih Bayern im Jahre 1906 bei
Winterweizen 264,817 Hektar, bei Sommer-
meizen 22,793 Hektar, bei Winterjpelz
70,722 Heftar, bei Winterroggen 526,372
Heftar, bei Sommerroggen 40,424 Heftar,
bei Haber 495,126 Heftar, bei Winterreps
1142 Heftar, ferner bei Kartoffeln 352,312
Hektar, bei Klee und Quzerne 267,205
Hektar und bezw. 42,340 Hektar und bei
Wiejen 1,284,273 Hektar. Gegenüber den
Anbauflähen des Sahres 1905 ift bei
Sommerroggen, Sommergerfte, Kartoffeln
und Luzerne eine Mehrung, bei den übrigen
Fruchtarten aber eine Minderung zu ver—
zeichnen; der Abftand gegen die Berhält-
nifje des Jahres 1905 ift jedoch faft überall
nur ein geringer, nur der Anbau von
MWinterreps ift verhältnismäßig in etwas
ftärferem Maße zurüdgegangen (im ganzen
Königreih um 5,2% und bezw. 9,2 %0).
Der Gejamtertrag an Körnern belief
fih auf 4,719,517 Doppelzentner bei
Weizen, auf 1,227,357 Dz. bei Winter:
ſpelz, 8,246,745 Dz. bei Roggen, 5,935,942
D;. bei Sommergerite und 8,462,934 D;.
bei Haber (gegen 4,767,107 und bezw.
1,264,934, 9,351,333, 5,507,487 und
5,985,415 D;. im Jahre 1905).
An Stroh, deffen Qualität im allge»
meinen als gut bezeichnet werden fann,
ergab Weizen 31, Winterfpelz 36, Roggen
31, Sommergerfte 24 und Haber 27 Dz.
vom Hektar, gegenüber den Durchſchnitts—
ziffern der gefamten Erhebungsperiode
1871:1905 (26, 26, 28, 19 und 21 D;.),
ein ziemlich günftiger Ertrag.
Kartoffeln wurden durchſchnittlich 108
Dz. vom Hektar geerntet gegenüber 138 D;.
im Jahre 1905 und 104 als Durchſchnitts-
ertrag in den Jahren 1871—1905. Der
Gejamtertrag des Berichtsjahres fteht mit
einer Ernte von 37,874,852 D;. erheblich
jenem des Borjahres (48,137,362 D;.)
nad, übertrifft aber immerhin den aus 1871
bis 1905 berechneten Durchichnittsertrag
noh um 6,2 Mill. Di. Erkranft waren
im Jahre 1906 5,5% der geernteten
Kartoffeln, im Jahre 1905 dagegen nur
45%, im Durchſchnitt der Erntejahre
1871 - 1905 jedoh 8,9%.
Was den fünftlichen Futterbau betrifft,
fo zählt das Yahr 1906 in Bezug auf die
Menge des Ürtrages zu den glinftigften
Jahren jeit der erften Erhebung im Fahre
1871. Der Gefamtertrag bezifferte ſich
nämlich bei Klee auf 15,388,136 und bei
Quzerne auf 3,062,883 Doppelzentner gegen-
über einem durchfchnittlihen Ertrag von
13,1 Millionen und 2,1 Millionen Dz. in
der ganzen Erhebungsperiode 1871/1905.
Die Qualität war bei Klee fomohl wie bei
Quzerne eine fehr gute. An Heu und
Grummet wurden im ganzen 69,369,260 D;.
geerntet gegen 62,004,587 Dz. im Bor-
jahre, 61,6 Millionen Dz. nad) dem Durd-
fchnitt der Jahre 1871/1905. Bon dieſem
gefamten Heuertrag entfallen 9,406,985
Doppelzentner auf „Bewäſſerungswieſen“,
deren Gejamtfläcdhe im Berichtsjahr 180,600
Hektar umfaßte. Bei Winterreps, defjen
Anbauflähe gegen das Vorjahr um 116
Heltar zurüdgegangen ift, berechnet fich die
Ernte im ganzen auf 16,096 Dz. gegen-
über 18,173 Dz. des Jahres 1905; der
Ertrag bleibt hiemit erbeblih hinter dem
Durdjichnitt der Erhebungsjahre 1871/1905
(32,045 D;.) zurüd.
Hinfihtlih der Ergebniffe der Bein-
mofternte, bei deren Feſtſtellung im Jahre
1906 zum erften Dale Weißwein und Rot-
wein auseinandergehalten wurden, ift fol-
gende hervorzuheben: Die ertragende
Rebenfläche der Gemeinden mit mindeftens
5 Hektar Rebland (Weinbaugemeinden) in
den Regierungsbezirfen Pfalz, Mittelfranken,
Unterfranfen und Schmaben, auf melde
allein die amtlihe Ermittelung der Bein-
mofternte fich erftredt, betrug im ganzen
22,217 Hektar, wovon 20,015 Hektar dem
Anbau von Weißwein und 2202 Yeltar
dem Anbau von Rotwein dienten. Der
Gefamtertrag an Weißwein belief ſich in
den (466) Weinbaugemeinden des Erhebungs-
gebietes auf 177,552 Hektoliter, der Ertrag
an Rotwein auf im ganzen 28,171 Hefto
liter, die gejamte Ernte johin auf 205,723
Hektoliter. Ber einem Durdichnittspreis
von 36,1 Mt, für ein Heftoliter Weißwein
und 31,5 Mt, für ein Heftoliter Rotwein
ergibt fi als Gefamtwert der Weißwein
ernte jener Gemeinden der Betrag von
6,403,415 Mk., ald Gejamtmwert der Rot-
mweinernte ein folder von 888,769 Mt.
(zufammen 7,292,184 ME.) Auf Grund
der Angaben für die Weinbaugemeinden
läßt fih unter Einbeziehung der ®emeinden
mit ertragenden Rebenflächen von meniger
als fünf Hektar ſchätzungsweiſe für das
ganze Königreich Bayern ein Gejamtertrag
von 208,460 Heftolitern beredinen (gegem
815,454 Heftoliter im Jahre 1905).
Beimatkundlices.
Eolgenfteiner Turm. Cine Bierde des
ganzen dortigen Eistales ift der neuerbaute
Turm der Kirche geworden. Diefer Turm
wurde genau nach dem Modell des aus
dem 12. Jahrhundert ftammenden Bor-
gängers, welcher, dem Ginjturz nahe, ab-
gebrochen werden mußte, vollendet. Wie
der Augenschein zeigt, ift auf die genaue
Wiedergabe des alten Modells große Mühe
beriwendet worden. Die Rekonſtruktion, bei
welcher teilmeije aud die alten Steine
nummeriert zur Berwendung kamen, ift
aufs prächtigfte ausgefallen. Der meiße
Zurm mit feinem Fleinen Biegeljatteldach
wirkt hauptſächlich durch jeine edle Ein
fachheit der Bauart mie fie die Epoche
des 12. Jahrhunderts zeigt, und ift eine
biftoriihe Merkwürdigfeit erften Ranges.
Bon Intereſſe dürfte es fein, daß ähnliche
majfive Türme aus diefer Zeit, natürlich
nicht genau fo erhalten, wie der Turm zu
Golgenftein, in Reinheim, Heßheim,
AUlbisheim, Rodenbad, Groß—
bundenbah, Ajhbadh und Freinsheim
zu finden find.
Aus alter Filhbaher Zeit. In dem
idpllifch gelegenen, waldumſponnenen Fiſch⸗
bach bei Hodjpeyer — heute ein Dorf
von 541 Einwohnern — ftand jchon zu
Barbarofjas Zeiten die jogenannte Marien-
fapelle, die ein vielbejudhter Wallfahrtsort
war. Sie wurde im Sahre 1471 in ein
Kloſter verwandelt und den WUuguftiner-
Ehorjrauen übergeben, unter welchen ſich
verfchiedene aus adeligem Geſchlechte be
fanden. 1546 jchon löfte es der Hurfürft
Friedrich III. von der Pfalz auf und über-
ließ es feinem Verfalle. Der Nordwind
pfiff bald durch die offenen Hallen und
peitichte den Regen und das falbe Laub
des Herbſtes in die öden Räume. Die
Eidechſe hufchte über die zerbrochenen Treppen:
ftufen, und die goldene Sonne warf ihre
Strahlen in das verlafjene Gebäude. Das:
jelbe wurde nad und nach abgebrochen und
lieferte die Steine zu Privathäufern, die
fih allmählih anfiedelten. Der nagende
Bahn der Zeit tat noch jeine Schuldigfeit
am Werfe der Berftörung, und fo blieb
vom ganzen herrlichen Klofter nichts mehr
übrig als ſpärliches Mauerwerf und einige
altbemooste Strebepfeiler der Kirche, Zeugen
von verjchwundener Pracht, die der finnige,
gefühlvolle Wanderer mit friller Wehmut
betrachtet. Die Benennungen lofterfeld
— eine fruchtbare Aderflur unferer Ge—
marfung — Nonnenbrunnen, der unjere
neue Wafjerleitung ſpeiſt, Nonnentopf,
Nonnenwiefe, Nonnenmweiher, Nonnenberg
u.a. haben ſich jedocd erhalten bis auf den
heutigen Tag. Bom Rloſter jelbft aber
erzählt uns die Sage folgendes: Bu den
Koftbarkeiten des Kloſters gehörte auch eine
filberne Glode, deren mwunderjamer Klang
in der ftillen Waldeinſamkeit auf den gefühl»
vollen Wanderer einen bezaubernden Ein»
druf gemacht haben mag. Zur Beit eines
großen Krieges verjenften die Nonnen die
Glocke in den nahen, tiefen Weiher, damit
fie den Blünderern nicht in die Hände fallen
ſollte. Dieſe famen aud in diejes ftille,
meltabgejchiedene Waldtal und ließen das
herrliche Kloftergebäude alsbald in hellen
Blammen aufgehen. „Die Dächer waren
gefallen und der Wind ſtrich durch die
Hallen; Wolfen zogen drüber hin.” — Die
frommen Nonnen gingen tränenden Auges
bon dannen; die filberne Glocke aber, die
fie jo oft zur heiligen Andacht rief, hat
auch bis heute noch niemand gefunden,
2% Müphlberger.
Der Typhus in der Pfalz. Der oberfte
Medizinalbeamte der Pfalz, Dr. Demuth,
bat auf Grund feiner reihen amtlichen
Unterlagen für die Pfalz einen Rückgang
des Typhus feitgeftell. Zu Anfang der
10er Yahre ftarben in der Pfalz jährlich
.. 447 Perſonen an Typhus,
d. h. 72 von 100000. 1872,75 waren
es 61,8. Diefe Zahl verminderte ſich
ftetig, 1891/95 auf 44,9, 1901/05 auf 6,4;
für das Fahr 1906 ergab ſich die Zahl 3,4.
Erreiht wurde dieſes überrajchende Er:
gebnis durch die zielbewußte Durchführung
weitverzweigter medizinalpolizeiliher Mak-«
nahmen unter der Führung Demuths.
Die Lehre Robert Hochs, daß es der kranke
Menſch ift, der als Typhusträger die An—
ftefung vermittelt, hat auch in der Pfalz
eine glänzende Bejtätigung erlangt. Die
gänzliche Ausrottung des Typhus liegt im
Bereih der Möglichkeit, wenn es gelingt,
tpphusverdächtige Perfonen fo früh mie
möglih zu ermitteln und zu ifolieren
(Kafienpraris!), um ihre Abgänge unjdäd-
lid zu maden.
Die Waflerverforgung „der Felsalb—
gruppe” geht ihrer Bollendung entgegen.
Die Anlage umfaßt 26 Gemeinden des
Landbezirt3 Pirmajens mit 62 Stilometer
Hauptrohrleitung und ift bis jeßt eine
der größten Wafjerverforgungen in Bayern,
Das Bumpwerf liegt im fogenannten
Scelertal. Die Leitung wurde mit Unter:
bredung in zirfa 2's Jahren mit einem
Koftenaufwand von rund 700000 Marf
ausgeführt bei einem Staatszuſchuß von
10 reſp. 12 Prozent. Die örtlide Baus
leitung lag in den Händen des Ingenieurs
Senger-Tohr a. M., der bis jekt 36 Ge-
meinden unferes Bezirk mit Waffer ver-
jorgt Hat und dem infolgedefjen mit
nächſtem die dauernde Inſpektion jämtlicher
BWafjerverjorgungsanlagen im Landbezirf
Pirmafens übertragen wird.
Ergiebigkeit der Haardtquellen *) Was
die Wafjerverhältniffe betrifft, jcheint die an
den Ausläufern der Haardt liegende Gegend
von Wachenheim, Forſt und Dürfheim, jo-
9) Bergl. hierzu: Leppla, Über das Bor-
fommen natürlicher Quellen in den pfälzifchen
Nordvogeien eg Be f. ur
tiiche Geologie. 18983. S. 10-11
10
weit die Wafferleitungen in Frage kommen, ;
vorzügliche Ergebniffe zu Haben. Während
in Frankreich, Oberitalien, Südtirol und
Spanien jehr häufig Überſchwemmungen ge-
meldet werden, mweijen die meiften Gegen-
den Deutihlands in diefem Jahr enormen
Waſſermangel auf und find in mandıen
Bezirken die Quellen faft ganz verfiegt,
was in dieſer Jahreszeit eine Seltenheit
genannt werden muß. Des Bergleiches
und allgemeinen Intereſſes wegen fann man
folgende Drte anführen: Brade bei Bremen
fein Waſſer; Ofterburg großer Waſſermangel
(da8 Vieh kann kaum getränft werden);
Mühlhauſen i. Th. im ganzen Eichsfeld
großer Waflermangel, einzelnen Gemeinden
wird dad Waller zugemefjen; Fulda, alle
Quellen find verfiegt; die Brunnen der
BWafjerleitung Minden”; ipeifen solche nicht
mehr; Freifing, Hagen, Regensburg fein
Bafler; St. Blafien Wafferleitung teils
geiperrt; Württemberg (Stuttgart) jchwere
Waſſerkalamität. Ebenſo kommen trübe
Nachrichten über Waflerverhältniffe aus den
Begenden von ſchwäb. Gemünd, aus der
ſchwäb. Alp, hauptſächlich aus dem Uradı.
Große Waſſernot herrſcht jeit einigen Tagen
in Bopfingen, wobei die Leitung tagsliber
abgeftellt werden muß. Erfreulich ift dem:
gegenüber, daß die waldreichen Gebirge der
Haardt ihre Wafjerleitungen bis jetzt jehr
gut fpeifen. So hat das, Waſſerwerk Bad
Dürkheim einen Überfluß von zirka 100000
Liter, das Wafjerwerf für Wachenheim und
Forft fogar einen Überlauf von ca. 350 000
Liter pro Tag aufzumeifen. (Pf. Preſſe.)
Die Arfenquelle in Bad Dürkheim,
Wie mir bereits im legten Jahrgang
S. 68—69 ‚berichtet” haben, ift im vorigen
Jahr durch den Privatdozenten an der
Univerfität;;Heidelberg, Dr. E. Ebler in dem
Waſſer der Marquelle ein bedeutender
Gehalt an Arjenik entdedt worden*). Seitens
der Badevermwaltung wurde daraufhin durd)
£oftenfreie Abgabe von Proben verjucht, die
Ärzte für Ddiefe wichtige Entdefung zu
interejfieren. Dieje Bemühungen hatten nad
einer Notiz in der Bf. Preſſe vom 2. Dezbr.
9 gl. da darüber: Der Arjen-Gehalt der Mar-
quelle in Bad Dürkheim a/Hardt. Berband-
lungen des naturbiftorifch-mediziniichen Bereins
DE DIESER Nene Folge. Bd. VIII. 3/4 Heft. |
©. 435455.
auch den erfreulichen Erfolg, daß an bie
Borftandichaft des Bad: und Salinen: Vereins
Bad Dürkheim vom Reichs-Kolonialamt der
Auftrag erging, Sofort einige Stiften des
Arſenwaſſers der hiefigen Marquelle nad
Dar-e8:Salaam (Deutid-Oftafrifa) abzu-
jenden. Dr. ©. 9.
Steinzeitliher Bohuplag bei der Eyers⸗
heimer Mühle. Bei den anfangs November
1907 beendeten Ausgrabungen im Gebiete
der Eyersheimer Mühle wurde eine bis
jeßt in Süddeutſchland fehlende neolithijche
Kulturftätte entdeft. Der erwähnte Hof
„Eyersheim” ift der Reſt des längſt ein-
gegangenen Dorfes Agirsheim oder Agrides»
heim. Hier wurden bereits im Jahre 1899
in einem Weinberg nahe am Walde die
Reſte einer urgeſchichtlichen Anfiedelung ge-
funden. Bei der Fürzli vorgenommenen
dreitägigen Grabung gelang es dem erjten
Konſervator des hiftoriichen Vereins der
Pfalz Prof. Hildenbrand und dem Archä—
ologen Dr. Sprater, außer Hinweijen auf
verſchiedene andere Beitperioden bejagte
bisher in Süddeutjchland vergebens gejuchte
neolithifche Beitepoche zu bejtimmen, weldje
die Bezeichnung „Eyersheimer Typus” er-
hielt. Die Grabungen bezwedten vor allem,
für diefe neu gefundene Kulturperiode um«
fafjendes Material für dag Muſeum in
Speyer zu beichaffen. Es fanden fich gute,
mit charafteriftiihen Ornamenten dieſer
Stufe verjehene Scherben, ald hervor-
ragender Ginzelfund eine völlig erhaltene
Bafe mit Henkel, außerdem ſchöne Frag-
mente von Feuerfteinmeflern, Knochen:
pfriemen und bearbeitete inochen. Bei den
aufgedecten fünf Brandgruben lieferte die
eine große Wengen von Tierknochen, Die
behufs Beltimmung der Haustiere jener
Beiten von befonderem Intereſſe fein dürften.
Erfannt wurden die Knochen vom Rind,
Schwein und Widder. Daß die Jagd in
diefen Gründen jehr ergiebig geweſen jein
muß, bemeifen die vielen Knochen, Schädel
und Gemeihfragmente vom Hirſch. Yeden-
falls wurde in dieſen waſſerreichen Niede-
rungen auch ftarter Fiſchfang betrieben.
Beweis die vorgefundenen gebrannten, flachen
ZTonfugeln, die zum Beichweren der Netze
dienten. (Frkf. Big.)
Niedriger Bafferkand des Rheiues.
Der BWafjerftand des Rheines und feiner
Nebenflüffe war in den letzten Monaten
zurücdgegangen, wie jchon lange nicht mehr.
Einen fo tiefen Stand wie vor Jahren hatte
der Rhein freilich nicht aufzumeifen. Ein
Bericht über den Stand des Fluffes im
Winter 1857— 58 jagt: „Der Fluß ift jo
feiht, daß das Ausjehen des Rheines ganz
verändert ift und die älteiten Rheinſchiffer,
die fozufagen ihr ganzes Leben auf ihm
zugebracht haben, ſich nicht ausfennen und
fih nicht erinnern, einen jo niedrigen
Bafferftand gefehen zu haben”. Bei Kehl
bot das Strombett ein eigenartige® Schau-
ipiel dar. Wohin das Auge blidte, jah es
nur Sandbänfe, während der eigentliche
Wafjerlauf nur dem eines Baches glich.
Stellenweife ragten aus dem Bett 4 des
Fluſſes Felfen hervor, von deren Vor—
bandenfein man feine Ahnung hatte. Bei
Koblenz ließ die Regierung bis ſpät in den
Binter hinein mächtige Felſen aus dem
Talweg entfernen, die der Schiffahrt oft
binderlich waren. Oberhalb Bafel kam bei
dem badiſchen Dorfe Kleinlaufenburg auch
ein Felſen wieder zum Vorſchein, der nur
bei jehr niedrigem Waflerftande hervorragt
und an welchem fi eine Eijenplatte be»
findet, in welche jeit drei Jahrhunderten
der Rheinftand eingetragen wird. Auf der
Platte waren damals die yahreszahlen 1672,
1692, 1714, 1750, 1797, 1823 und 1848
eingetragen, zu denen dann die Zahl 1857
fam. Auch die Nebenflüffe des Rheines
führten wenig Waſſer. Sn der Aar famen
Fellen zum Vorſchein, die niemand vorher
gejehen hatte. Einer diejer Felſen zeigte
die Jahreszahl 1305, wohl zur Erinnerung
an einen ähnlichen tiefen Waſſerſtand in
jenem Jahre. Der Lehrer von Olten führte
feine Schüler auf die Felsplatte und ver-
anftaltete darauf einen Fleinen Schmaus,
in der Annahme, daß es wohl feinem der
Schüler mehr vergönnt jein werde, Ddiejen
Felſen in feinem Leben noch einmal zu
ſe hen. (Bf. Preſſe.)
Orts: und Laudesmuſeeun. Der Stadt:
rat von Raijerslautern hat in jeiner Sitzung
vom 31. Oftober v. Is. den nacdahmens»
werten Beichluß gefaßt, ein ftädtiiches
Altertumsmujeum zu errichten und dieſes
neben dem hiſtoriſchen Mufeum im Gebäude |
der Realſchule unterzubringen. Sn dem
Mujeum follen alle für die Stadt wichtigen
11
oder intereffanten Altertümer gefammelt und
aufbewahrt werden. Hoffentlich mehrt ſich
der bereits ) vorhandene Grundſtock bald
durch zahlreiche Geſchenke aus der Bürger:
ſchaft. Anderen pfälzifchen Gemeinmejen
aber ſei diejer zeitgemäße Beichluß des Stadt-
rates von Kaiſerslautern aufs wärmſte zur
Nahahmung empfohlen. Dr. ©. 9.
Als Leiter der Stadtgeſchichtlichen
Sammlung in Qudmwigshafen murde
vom Stadtrat Gymnajiallehrer Dr. Albert
Beder aufgeftell. Die Stadtverwaltung
hat zur Anſchaffung all defien, was in den
Rahmen eines joldhen Muſeums paßt, einen
nennenswerten Betrag zur Verfügung geftellt.
Den Grundjtod der Sammlung bildet das
Material an arten, Plänen, Bildern,
Büchern, die beim fünfzigjährigen Stadt-
jubiläum 1903 zufammengebradht worden
waren und die nun zu einem Ganzen ver»
eint als „Stadtgeicichtlide Sammlung”
in mehreren Räumen der neuen ftädtifchen
höheren Mädchenjchulen Aufftellung gefun-
den haben.
infolge einer Verfügung des Großh.
Minifteriums des Innern wird in Heflen
en „Qandes-Schulmufeum“ gegründet.
Diefes Mufeum foll alles das in ſich ver-
einigen, was in Heflen vor dem Jahre 1830
an Schulbüchern, Lehrmitteln und fonftigen
für die Schulgejchichte bedeutfamen Gegen:
ftänden in Gebraud war. Das „Landes»
ihulmufeum” wird feinen Sik in Darm:
ftadt haben und jedem zugänglich fein. —
Phosphor - Streihhölzer verjhwinden.
Bon der Bildfläche vollends verſchwinden
werden vom 1. Januar 1908 ab die alt-
ehrwürdigen Phosphor-Streihhölzer. Die
Verwendung von meißem und gelbem
Phosphor zur Herſtellung von Zünd—
hölzern und anderen Bündwaren war jchon
vom 1. Sanuar 1907 ab verboten ; ebenjo
durften Zündwaren der bezeichneten Art
zum Bmede gewerblicher Verwendung nicht
mehr nad) Deutichland eingeführt werden.
Bom 1. Januar des neuen Jahres
ab dürfen aber Zündwaren, die unter
Verwendung von meißem und gelbem
Phosphor hergeitellt find, auch nicht mehr
gewerbsmäßig feilgehalten, verfauft oder
ſonſt in Verkehr gebracht werden. Zu—
widerhandlungen werden mit Geldjtrafen
— 12 —
bis zu 2000 Mark beftraft neben Ein- | in Weſtpreußen, Brandenburg (Plage⸗Fenn
ziehung der verbotswidrig hergeftellten, ein- | mit See- und BWaldbeitand), Pommern,
geführten oder in Verkehr gebrachten Sclefien, Sadjen, Schleswig: Holftein
Gegenftände. (Gegend von Düppel), Hannover (Geſchütztes
Beiträge zur Naturdenfmalpflege heißt Zwergbirfenmoor bei Bodenteic), Weſt.
der Obertitel neuer Beröffentlichungen der rei ar er Re —
Staatlichen Stelle und anderer Abhand- | MIT er bie Brundjüge Tür bie
, Wirkſamkeit der Staatl. N., über
Beten gi won ai - = : einichlägige Minifterialerlaffe und j über
: 21 Fälle von bereits gelichertem Schutz
a i > ——— es vorhandener natürlicher Bildungen berichtet.
der „Beiträge ete.”, Brof. Dr. H. Conmeng | Man fann ſich des Cindrudes nit er-
enthält. Die Bermwaltung (Einrichtung, wehren, daß, in Diefem neuen Üweige
Neifen, Vorträge, Veröffentlichungen, heimatlicher Fürſorge aufs lebhafteſte ge
Bücherei und Gefchäftsverfehr) orientiert . rd > * ** re ſich
im allgemeinen; Anfragen in beſonderen uue Slise Tätigeit zu emiialten —
Fällen erledigt der Herausgeber (Danzig, immerhin eın [höneß und beherzigenötvertes
Langemarft 24) und der Verlag, wenn Beiden von Idealismus zwiſchen vordring-
Geichäftliches betreffend (Gebr. Borntraeger, lien realen Sorgen. = den Kampf
Berlin S W 11, Großbeerenftraße 9). Die | Um die bayer. Bafjerfraftquellen der oberen
Fortfchritte auf dem betretenen Wege ylar verfolgt hat, finder in den neueren
bafieren auf generellen Maßnahmen äfthetiich"praftijchen Gegenvorjglägen ben
mit Fühlungnahme mit den Minifterien gleichen gefunden. Sinn wieder. Hoffen
und Bereinen und auf örtlichen Maß— m, daß das Gute, meldes in ber Raat-
nahmen. Bezüglich lehterer verbreirer | lich Überwachen N. jtedt, nicht durch
ſich der Bericht Über erfreuliche Tätigkeit Uebereifer Schaden nehme!
Ber Niflungen Bort.
Tief war die Nacht, leis wallte der Strom, | Es fahen die fchmweigfamen Sterne ber
Aufragte im Nebel zu Worms der Dom. Nacht
Was bligt in die Wellen mit güldenem | Im Strome verfinfen die gleißende Pracht;
Schein? Und glättend verzogen die Wellen ſich leis,
Die ſpielenden Waſſer, die wiſſen's allein. Daß keiner den Schatz mehr zu finden weiß.
Der Tronjer verſenkte an ſicherem Ort Doch funkeln die Spangen noch bis zur Stund’
Der Niflungen männertötenden Hort, Glührot tiefunten im Wellengrund;
Daß mit verderblicher Goldringe Glut So ift in den Rhein für die Emigfeit
Frei jchalte Hinfort des Rheinſtroms Flut, | Gebannt mit dem Hort alles Glüd und Leid.
Dr. Carl Build.
Indalt: Bruß an die Pfalz. — Die Solquellen und Salzgewinnung in Bad Dürkheim.
— Helmatihug. — Die Helmat im Schulunterridt. — Braunfodle bei Klingenmünfter, — Die
Ernte Bayerns im Jahre 1906. — Heimatkundliches. — Der Niflungen Hort.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern.
Sfr Form umb Inhalt der Beiträge find bie Herren Berfaffer verantwortlich.
„Die Bfälgtihe Deimattunde” toftet ährlich in 12 Heften DI. 2.50. Weiten den db Hi bi
Voftanftalten A vom Berleger (Vortofreie Streifbanjendung) ee — ——
(Bo6T = 6 Aqunzwund alplıPınlak)
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IV. Jahrgang.
\FÄLZISCHE HEIMATKUNDE
Nummer 2.
Februar 1908.
—9
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
FAN EMSCH
Pia,
— —— —
Bum Ausgang des ſüdpfälziſchen Bergbanes').
Bon Redin.-Rat Dr. Häberle, Heidelberg.
Bekanntlich wurde früher in der Berg-
zaberner Gegend ein lebhafter Bergbau be-
trieben ; an der Petronell?), bei Erlenbach,
Niederjchlettenbah und Nothmweiler gewann
man Brauneijenerz,
Neftern, meift aber auf Klüften in Gängen
auftrat und als Abjak von eijenhaltigen,
aus der Tiefe aufgeftiegenen Gemällern
anzufeben if. Bei Schönau eröffnete
Herzog Johann I. von Pmeibrüden im
Yahre 1580 Eifengruben;; eine herzogliche
Pulvermühle verwendete ſchon 1567 den
bei Bergzabern gefundenen Salifalpeter.
Bleierz wurde am Breitenberg bei Erlen:
bad) und auf der Silbergrube bei Boben-
thal gegraben und in benadbarten Blei-
bütten verarbeitet. Dieje waren von Graf
Loupopia aus Paris auf Grund von Gut.
) Bal. Bierzu: Gümbel, Geologie von
Bayern, Bd. II ©. 1013—1014; Erläuterung
zur — Karte von Bayern, Blatt Speyer
S. 37; Frey, Beichreibung des Rheinkreiſes,
Bb. IV ©. 241, 358; Eid, der Hof: und Staat#-
dient im ehemaligen Herzogtum Bmeibrüden
1444— 1604. Mitteilungen des biitoriichen
Bereins der Pfalz 1897, Heft XXI, ©. 139 ff.
*) Diefer eigentümliche Bergname bat ſchon
zu ben verjchiedeniten Deutungen Beranlaffung
egeben. Bgl. Hierzu 3. B. Georg Weber:
Kuinenbeindrüde und Grlebniffe 1887 5. 314,
dad ab und zu in |
ferner Pfälz. Muſeum 1902 ©. 136 und Weit-
Zeizuch Geſchichtsblätter 102 S 1 und 1903
S. 9. Einen Ort Petronell gibt es auch bei
Hainburg in Nieder-Dejtreih. (Frdl. Mitteilung
von Herrn Pfarrer Neubauer in Hornbad).)
achten franzdfiiher Geologen und Che—
mifer (Gavillier und PBauquelin 1799)
angelegt worden und beftanden nach Frey
aus einem Pochwerke bei Bobenthal, einem
Schlemmmerfe bei Lauterfhwan, 2 Wafd-
berden, dem Schmelz und dem Sunftge-
bäude an der Portzbach. Da die Gruben
jedoch auf die Dauer nicht ergiebig genug
waren, wurde der Betrieb im erften Viertel
des 19. Jahrhunderts wieder eingejftellt.
Die Gifenerzgruben dagegen blieben
länger ertragsd- und Fonfurrenzfähig und
verjorgten die Eiſenſchmelze in Schönau,
mweldhe 1592 durch eine elſäſſiſche @ejell-
ſchaft unter der Führung von Philipp
Scheyd aus Hagenau errichtet worden
war, ausreichend mit Nohmaterial. Ein
anderer im Jahr 1587 angelegter Schmelz-
ofen mit zugehöriger Kohlenjcheuer ver-
arbeitete das im Querenberg bei Berg-
zabern gewonnene Eijenerz. Als Schaffner
des herzoglichen Eifen- unnd &tahlmwerfes
bei der Stadt Bergzabern in der Beternell
wird 1598 Hoft Görze genannt. Berg-
verwalter war um dieje Zeit Adam Jäger.
Wie Frey berichtet, lieferte das zu
Anfang de& vorigen Jahrhunderts in ftaat-
lihem Befig befindlihe Scönauer Wert,
beftehend aus zwei Hochöfen, 2 großen
und einem Eleinen Hammer, jährlich (1837)
über 6000 Bentner Eijen von vorzüglicher
Güte, das viel nah Franfreih eingeführt
wurde. Späterhin gelangte die Hütte in
den Beiig Brivater, die fie durd Neu:
bauten zwar bedeutend erweitern ließen,
aber unter den veränderten Beitverhält-
niffen nicht auf die Dauer fonturrenz-
fähig erhalten fonnten. Zulegt wurde fie
ganz aufgelafien und der ganze ftattliche
Sebäudelompler veräußert.
14
Kürzlich rief eine in der Pfälz. Preſſe
vom 16. November v. rs.
Notiz, welche wir im Wortlaut folgen
lafien, die Erinnerung an die frübere
induftriele Bedeutung von Schönau in
unſer Gedächtnis zurüd.
„Bürgermeiſter Miſchler, der gegen—
wärtige Beſitzer des ehemals Gienanth—
ſchen Hüttenwerks, läßt zurzeit die
Unterbauten der früheren Eiſenhämmer
enthaltene
ausgraben. Bereits iſt der Unterbau
des großen Hammers freigelegt und meiften-
teil herausgeſchafft. Dabei erwies fid
diefe Unterlage als ein ganz hervor:
ragendes Stüd; denn zwiſchen diem, feit-
gefügtem WMauerwerf lagerten mächtige
Eichenſtämme und Alöge, alle von einer
Menge maffiver Eifenftangen und Balken
zufammengehalten. Etwas leichteren Unter
bau haben die beiden kleineren Hämmer.
‘ Unter dem bis jegt herausgeichafiten Holze
befinden ſich Eichenſtämme, melde einen
; Wert von 2—-300 Marf repräfentieren.“
Hoffentlih verihminder damit auch die
Rurnen, melde dem rühmlichſt befannten
vLuſtkurort nicht
gerade zur Zierde ge—
reichten. Häberle.
Meuere Bergwerksanlagen.
Zum pfälziſchen Kupferbergbau. Schon
ſeit etwa fünf Monaten werden im nahe—
gelegenen Niedermohr Ddurh Herrn
Abrefh aus Neuftadt Bohrungen nad
Kupfer vorgenommen, die bis jegt ein
recht glinftiges Refultat ergeben haben jollen.
Die Anlage einer NAupfererzgrube jcheint
fiher zu fein, da das Geftein 14 Prozent
Kupfer und außerdem auch Eiſen enthalten
jol. In letzter Beit find über 20 Dann
mit Erzgraben beichäftigt, auch find jchon
einige Eifenbahnmwaggons dieſes Erzes nad)
dem am Donneröberg gelegenen Imsbach
abgegangen, wo ein Betrieb zur Auslaugung
des Kupfers fich befindet. Stellt ſich die
Ausbeute für die Folge ald rentabel heraus,
fo wird ſicher eine jolche Unlage zur Aus-
laugung des Erzes in Niedermohr einge:
richtet werden.
Weniger Glüd jcheint man in Watten-
heim gehabt zu haben, wo das mit großen
Hoffnungen in Arbeit genommene Kupfer:
bergmwert der Firma v. FFriedländer Feld
in Berlin im Verein mit Eugen Abreſch
in Neuftadt vor zırfa drei Wochen ftill-
gelegt worden ift. Den Arbeitern wurde
gekündigt und auch der Betriebsleiter, ein
Steiger aus dem Harze, wird nad) Erledigung
der berggeleßlich vorgeichriebenen Sicherheits-
maßregeln und Veräußerung des Betriebs-
material8 den Ort verlaflen, jo daß bie
' Hoffnungen, welde man auf die Wieder:
‚ belebung des jchon von dem Grafen von
‚ Zeiningen betriebenen Kupferbergbaues jeßte,
mohl begraben find. (Nach der Bf. Preſſe
vom 9. bzw. 12, Dez. 1907.)
Yubetriebfeguug alter Bergwerke. Der
früher an verjchiedenen Punkten der Pfalz
betriebene Quedfilberbergbau jcheint
jegt auch wieder jeine Auferfiehung feiern
zu follen. So wird ſeit einigen Wochen
durch Bergbeamte und Arbeiter eine Frei-
legung und Aufräumung des Queckſilber—
Bergmwerfes „Erbitollen” bei Mühl bach
a. Sl. vorgenommen. Es bejteht die Ab-
ficht, wenn fi noch genügend Erz auf:
chließen jollte, da8 Werf wieder in Stand
zu jegen. (Nach d. Pf. Preſſe v 8. Dez. 07.)
Bohrungen bei Wolfſtein. Wie man
hört, follen die von der Norddeutichen
Tiefbohr » Aftiengefelichaft - Nordhaufen im
Auftrage unternommenen Bohrungen
nad Steinfohlen in nächſter Beit er:
heblihe (Grmweiterungen erfahren, indem
außer dem feit einigen Wochen in Betrieb
befindlichen Bohrturm am Nordabhange des
Königsberges noch vier weitere Bohrturm:-
anlagen auf den nördlichen Ausläufern des
Königsberges eingerichtet werden jollen.
Ye einer der Türme joll in der Nähe des
Böcdweiler Hofes und des an der Grenze
der nördlichen Königsbergausläufer liegenden
— —
Dorfes Aſchbach zu ſtehen kommen, während verſtändigem Urteile!) bis zum Königsberge
die beiden anderen ſo plaziert werden dürſten, herreichenden Saarkohlenflözes er—
daß ein ſicheres Erforſchen des nad fach | möglicht wird. (Pfälz. Preſſe.)
') Bgl. hiezu: „Über die un neuer Koblenfunde.“ Erlänterungen zu Blatt Zweibrücken
der geogn. Karte v Bayern ©. 106.
Mon der Hackmeſſerſeite nnd dem Bitfcher Ländle.
Hackmeſſerſeite — eine fonderbare Be: | Strede hinan; man hat immer das be-
zeihnung, mit der ſich die GEtymologen | ängitigende Gefühl, es möchte plößlich der
merfmwürdigermeile bis jegt noch nicht be- | ftampfenden und ächzenden Machine die
ihäftigt haben. Das mag vielleicht daher | Pufte ausgehen, jodaß man für das Pano—
fommen, daß fich in feinem geographiichen , rama, das die Gegend bietet, faſt feine
Werke, feinem Nonverjationslerifon dieſe Augen bat. Und doch — dieſes Banorama
Benamfung eines Ddeutichen Landftriches | ift gar prädtig. Man glaubt fich im den
findet. Bon Pirmajens erzählt man dem | Schmarzmald, in die hohen Bogejen verjept,
Kinde Ichon in der Elementarſchule. Der | jo wildromantifch fteigen an den fteilen Ab-
Name Pirminius prägt fi dem mwadıs | hängen die Wälder auf, um von ihrer
weichen Gedächtnis ein mie der des Boni- | luftigen Höhe herab das in ſattem Grün
fazius, Difibodus und der anderen Germanen» | prangende Wiefental zu grüßen. Und der-
apoftel, die einft Thonar, den PVonnerer, | artige Partien finden ſich auf der Hadmeller-
und jeine Kollegen entthront haben und | feite in Hülle und Fülle. Wo man aud
dem Deildhrift in den deutichen Sauen den | wandern mag, allüberall ſchwelgt die Lunge
Weg bahnten. Noch mehr vielleicht, wie | im „Srdduft”, dem Ddem, den eine ur
durch diefe und andere hiſtoriſche Erinne- | wlchlige, noch nicht in die Feſſeln verichönern
rungen ıft Bırmajens in aller Welt befannt | follender Schablone gezwängte Natur aus—
geworden dur feine Schuhinduftrie, feine |, ftrablt. Den Weittelpunft diefer Gegend
„Schluppen”. Bon der Gegend, ın der die | bildet Pirmalens Die Höhen, an die
Horebfradt liege, kennt das größere Bublifum | es ſich anfchmiegt, grüßen hinüber nad
aber nur jehr wenig; ihm find die prächtigen | Lothringen, mo auf fteilem Gebirgskegel die
Wälder, die fruchtbaren Niederungen, die | Feite Bitich thront. 1870, als Bitch
lauſchigen Täler, deren friftallhelle Bäche von , von den Deutichen belagert wurde, vernahm
der jcheuen Forellebelebt werden, die roman: | man auf der Hackmeſſerſeite jeden einzelnen
tiichen Schluchten umd die vzonreiche Luft | Kanonenihlag und auf den Berggipfeln
böhmiiche Dörfer ; nach der „Hackmeſſerſeite“ ftanden wir Kinder, um aus ficherer Ferne
hat ſich der Zouriftenftrom noch nicht ergoffen. | dem Sriegsipiel zuzuſehen. Viel ſahen wir
Und darunter leider auch das direft an: | allerdings nicht, aber der Rauch, der fo
ftoßende Biticher Ländle, obwohl es auf jeine | oft die Feſtung umhüllte, ſagte und genug
natürlichen Schönheiten ftolz jein fann. ı von dem Handwerk deö grimmen Wire,
Hackmeſſerſeite — ın Pirmafens erflärt | Damais noch ftand der Pfälzer mit dem
man fich die Bezeichnung jo: Unjere Gegend Lothringer im Verhältnis des Hundes und
ift durch Berge, die oft fteil auffteigen und | der age. Die Gegenjäge beitehen äußerlich
ſchroff abfallen, jo zerflüftet, daf fie aus- | noch zum Teil, im übrigen aber ift das
fieht, als jei fie in der Urzeit mit einem | gegenfeitige Nerhältnis jo geworden, mie
riefigen „Hackmeſſer“ bearbeitet morden. es ſich für gute Nachbarn geziemt.
Ob dieſe Erklärung richtig iſt, ſei dahin— Außerlich, ſagte ich, beſtehen die Gegen-
geſtellt; annehmbar ift fie jedenfal® auch jäße noch. Der Weg von Pirmajend nad)
und bejonders für den, der zum erjtenmal | Bitſch führt auch durch das legte Dorf auf
in dad Pirmafenier Land fommt. Schon | bayrifher Seite, Kröppen. Bon ba
die Fahrt von Biebermühle nad) der Stadt | hat man nod eine Fleine halbe Stunde bı8
des hi. Birmin läßt auf die Wirkung des nah Walſchbronn zu gehen, dem erjten
„Hackmeſſers“ ſchließen. Keuchend jchleppt , Dorf in Lothringen. Der Wltdeutiche
die Lofomotive den Wagenzug, die fteile | glaubt bier tatjächlıch in ein anderes Yand
gefommen zu fein. In Kröppen meit-
pfälziſcher Dialekt, piälziihe Tracht, in
Walſchbronn ein unſeren Ohren hart
klingendes, vielfach mit verunſtalteten fran«
zöfiſchen Brocken durchmengtes Idiom; dazu
tragen die Frauen das charafteriftiiche loth—
ringiihe Häubchen, die Männer die Bluſe,
das bequemfte Stleidungsftüc der Welt. Hit
in Kröppen Kirchweih, jo trompetetS und
fiedelt8 überall und der Burſch ſchwingt
fein Mädel in ausgelaflenem Tanz. In
Walſchbronn geht diejes Volksfeſt ſang—
und klanglos vorüber. So war es wenigſtens,
als ich in den achtziger Jahren in Walſch-
bronn den alten Sprung, den Dorfmirt,
kennen lernte, Ya, der alte Sprung! Er
war das Urbild eines lorh:ingıfchen Yand-
bewohners Bierjchrötig, kurz und beftimmt
in feinen Reden, allen Nomplımenten abhold
— ed mar einer, der gerade herausjagte,
was er dachte. Die „Breußen” mochte er
nicht leiden und nur miderwillig beugte er
fi) ihrem „Joche“, aber von den Franzoſen
wollte er auch nichts mehr willen. „Die
Franzoſe“, fagte er mir, „finn Chaibe“,
um dann von jeinen Erlebniſſen 1870/71
zu erzählen. Da mar er in Bitih einmal
Beuge, mie ein franzöfiiches Bataillon aus-
geladen wurde. in blutjunger Leutnant
hüpfte grazids wie eıne Saharet aus dem
Zuge und apoftrophierte die Zufchauer mit
den geringichäßig betonten Worten: „Oü
sont les prussiens?* Das ärgerte den
alten Sprung und er entgegnete mürriſch:
„Vous les verrez bientöt!* Der Leutnant:
„Vous n’ötes pas Frangais?* Sprung:
„Mieux que vous!* Er hatte Recht, der
Leutnant hat wohl bald darauf die Preußen
geliehen, denn fie hatten jchon der Heimat
des alten Sprung einen furzen Beſuch
abgeftattet. „Wie die Diables finn je de |
Berg erunner fumme”, erzählte Sprung. |
Es war eine Ravalleriepatrouille, die durch |
Walihbronn gefprengt war ohne fih auf:
zubalten, aber fofort wieder Kehrt gemacht
hatte. Je länger der Krieg dauerte, um
jo unheimlidher wurde es den Lothringern.
Dan follte es micht für möglich halten,
aber e8 war jo: Ddireft an der deutichen
Grenze wußten die Leute nicht* Beitimmtes
über die Vorgänge auf dem Kriegsihauplag. |
Wan glaubte den deutichen Siegesnad:
rihten nicht, zumal ja Bitſch noch nicht
16
aefollen war, und wenn man ihnen von
den franzöſiſchen Niederlagen erzählte, ſo
war die ftereotype Antwort: „Des glaame
mer net.”
In einer romantischen Gegend gibt es
immer auc Leute, die mehr oder meniger
romamtiihen Berufen zuneigen. Freilich
find diefe nicht immer moraliſch und gejeß-
mäßig. Das gilt aud von der Wilddieberei,
die in der Pirmajenjer Gegend, trog aller
Wachfamfeit der Behörden, immer nod
ſehr im Flor jteht. Die Birmajenjer haben
einen ausgeiprodenen Sinn für die Natur.
Wenn der Sonntag foınmt, jo ftrömen die
Arbeiter, faſt durchweg Schuhmacher, hinaus
in Wald und Feld, mahen Tagestouren,
um jpät abends müde, aber an Leib und
Seele erquidt, heimzufehren. Daß ſich
darunter auch Yeute befinden, die mit einem
ausgedehnten Spaziergang auch einen Neben:
zweck verbinden, verfteht ſich von felbit. Die
Forelle im Klaren Bach reizt den Appetit.
Der Liebhaber find viele und in die Pfanne
muß fie. Da wird aber nicht jportsmäßig
geangelt — das geht viel zu langſam —
eine Kalfflafche oder gar eine Dynamit-
patrone beforgt alles viel gründliher. Daß
mit diefer Art von FFilcherei der Beitand
ganzer Bäche vernichtet wird, jchert die
Leutchen nicht. Und ebenjomenig maden
fie fih etwas daraus, während der Schon-
zeit eine trächtige Häfin oder eine Rehgeiß
zu Schießen, für fie ift die Jagd ftets offen!
Man geniert fih nit einmal viel. Dit
werden regelrechte Xreibjagden veranjtaltet
und äußerft jelten fommt etwas jo heraus,
dak der Staatsanwalt eingreifen könnte.
Die „Braconniers* haben in Dorf und
Stadt ihre Hehler und namentlih auf den
Dörfern Kameraden genug. Wer durd
ein Dorf auf der Hackmeſſerſeite geht, dem
fallen die vielen Köter auf, die ihn ankläffen.
Einen Stammbaum hat feiner von ihnen,
ı und eine Nafjebeftimmung ift unmöglid.
' Ruppig, ftruppig, die Produfte aller mög»
; lichen und unmöglichen Kreuzungen, find
fie alle „icharf”, finden fie ſich alle zurecht,
wenn e3 gilt, unauffällig ein Häslein dorthin
zu treiben, wo feiner ein warmer Empfang
durch die zerlegbare Flinte wartet. Und
fommt unverjehens der Förſter hinzu, fe
fommt es auf eine blaue Bohne für ihn
auch nicht, an, wenn man fid anders nicht
mehr helfen kann. Ich ſaß mit dem alten
17
Förfter C. — jeßt deckt ihn ſchon Tängft |
der Rajen — einmal in einer Wirtfchaft
zu Bottenbab, 10 Minuten von der
lothringiihen Grenze, zufammen, als ver-
fchtedene Burjchen aus einem Nachbardorfe
bereinfamen. Die fingen fofort an, über
den Förſter zu fticheln, und ſchließlich trat
man vor ihn und redete ihn alio an:
„Groobärtel (Graubärtden), unter der
difen Bude am ®...r Hof liegt meine
Flinte. Wenn Du Nuraſch haft, hol fie!*
Der Förfter bewahrt eine unerjchütterliche
Ruhe. Uls die Burichen fih entfernt
hatten, flärte er mich, der ganz erftaunt
war, auf: „Sie wundern fi, daß ich dem
Kerl nicht herausgegeben habe. Zuhauſe
warten meiner eine rau und vier under.
forgte Kinder. Es ift nicht das erjtemal,
daß mir die blauen Bohnen um den Stopf
geflogen find, und wenn id dieſe Jungens
behandelt hätte, wie fie es verdienen, fünnten
Sie mid vielleicht morgen ſchon als toten
Mann unter der „diden Buche“ finden!”
Der eine der Burfjchen hat denn auch einige
Jahre jpäter jein Gemiffen mit einem
Mord beladen. Er milderte auf offenem
Felde und bei hellihtem Tage, hart an
der Sandftraße, bei Winzeln. Ein Gendarm,
der feine Braut heimbegleitete, entdedte ihn
und ging auf ihn zu. Als er auf fünf
Schritt Entfernung herangefommen mar,
ſchoß ihn der Wılderer einfach nieder. Das
Schwurgeridt zu Zweibrücken verurteilte
den Mörder zum Tode; in einer ftärmiichen
Novembernacht brach er aber aus dem Ge—
fängni® aus und ift jeitdem verſchwunden.
Er foll in dem Bölfermeer Amerifas unter-
|
getaucht jein. Es mag fein, daß die frühere
unmittelbare Nähe der Landesgrenze das
Wildern befördert hat. Wer aber Land
und Bolf fennt, wird mir zugeftehen, daß
den Leuten auf der Hackmeſſerſeite die
Fagdleidenichaft vielfah im Blut Tiegt;
und „was da drin begrift ift, ift auch drin
begragt”, würde Onkel Bräfig jagen.
Daß die Hadmeflerfeite dem Yremden-
verkehr jo wenig erichloffen ift, liegt an
dem Mangel eines Schienenmweges,
einer Pirmaſens und Bitſch verbindenden
Bahn. Seit Jahren wird hierfür eine
eifrige Agitation entfaltet; die Sache ſcheint
jegt in Fluß zu fommen und die Zeit
dürfte nicht mehr fern fein, wo in den
Tälern der Gegend die Lokomotive pfeift.
Dann wird fomohl PBirmafens als Bitſch
ſich ungleich fräftiger vorwärts entmwideln
können als jegt; die Pirmajenfer brauden
fih, um zur Quelle des billigen lothringifchen
Rotweins zu gelangen, nicht mehr die Füße
mund zu laufen und die Rorhringer Bauern
werden ihre Produkte bequemer, rascher
und billiger auf den Marft der Schub:
metropole bringen fönnen. Ja, die Schub:
induftrie! Sie nährt nicht bloß Pirmafens
jelbft, fondern teilmeife auch noch das Land
bis nach Lothringen hinein. Hat der Bauer
mehrere Söhne, jo ift mindeftens einer
darunter, der Schuhe madt. Sonntags
wird abgeliefert, das Geld in Empfang
genommen umd neues Nohmaterial heim-
geihafft. Gerade die dörflichen Heimarbeiter
würden von einer Bahn viel profitieren.
Möge fie ihnen und der ganzen Gegend
bald werden! (Str. Boft).
F. W. Mohr.
Die Koſten der verſchiedenen Belenchtungsarten.
Als vornehmſtes Beleuchtungsmittel
gilt nach der Entſtehung ſo vieler und
wirkſamer Beleuchtungsarten gerade die
altmodiſche Kerze, aber ſie iſt auch das
teuerſte Licht, und aus dieſem Grunde
ſowie aus dem andern, daß die Wärme
Entwicklung dabei außerordentlich groß iſt,
wird dieſe Beleuchtungsart wohl immer
mehr verſchwinden. Nach einer Zujammen-
ftellung die von der Zeitſchrift Gaslicht
gegeben wird, gehören zur Erzeugung einer
normalen Kerze 83 Gramm Stearin, was
| Beleudtungsart
einer Ausgabe von rund 12 Biennigen
entſpricht. Das nächltteuerfte Licht wäre
eine Dellampe mit Rundbrenner, die 34
Gramm auf die Normalferze braucht und
3,55 Pfennige foftet. Zunächſt fteht diejer
an Softipieligfeit eine
offene Gasflamme im gemöhnlichen
Spaltbrenner zum Breije von 2,55 Big.
pro Normalkerze. Nicht viel meniger
lururiös, dafür freilid auch meit ange-
nehmer und wirfjamer ift das Licht einer
eleftriihen Glühlampe mit Sohlen-
faden, die etwa 2,2 Pfennige foftet. Dann
folgen eine offene Gasflamme im Rund»
brenner und die gewöhnliche Betroleum-
lampe, der das Spiritusglühlict
nabefteht, indem für jene 1,41 und für
diefe 1,35 Pf. pro Normalkerze angegeben
merden. Die weitere Reihenfolge würde
dann jo ausfallen, daß etwas billiger als
das Spiritusglühlicht eine eleftriiche Glüh—
lampe mit Metallfaden ift, wieder
etwas billiger als diefe eine Betroleum-
|
1 Folge: die eleftriihe Bogen:
8 —
Stiftbrenner und das
Acetylenlicht, die aber alle noh mehr
als 1 Bf. pro Normalferze foften. Unter
diefem Betrag bleiben zurück in nad:
lampe mit
lampe mit gewöhnliden Kohleuftiften, die
Benzinlampe, die eleftriiche Bogenlampe
mit imprägnierten Stoblenftilten, Die
Quedfilberdampflampe und endlich
als billigfte Beleuchtungsart das Gas»
glühlicht.
Biologiſche Abwaſſerreinigung.
In der zweiten Verſammlung des
naturwiſſenſchaftlichen Vereine 1908 zu
Kaiſerslautern beſprach der erſte Vorſtand
Dr. Niggl das ebenſo intereſſante als
wichtige Kapitel der „biologiichen Abmwafjer:
reinigung“. Dieſe Reinigungsmethode ift
deshalb von jo großer Bedeutung, meil
nur mittelö Diejer die gelöften organiichen
Stoffe aus dem verunreinigten Wafler
entfernt merden fünnen, (Eine gewiſſe
Ausnahme bietet die Reinigung mittels
PBraunfohlenihlamm, die aber nicht in
diejes Gebiet gehört.) Die organijchen
gelöften Stoffe, namentlich der Kanalwäſſer
find es, melde hauptſächlich die Flußver—
unrernigung hervorrufen. Nimmt man den
Wäflern diefe Stoffe, jo verlieren fie die
Fäulnisfähigkeit. Das ift heutzutage das
Biel der Reinigung. Letztere gilt als ge:
nügend, wenn die Fäulnisunfähigkeit er-
reicht ift. Biologiſche Methoden nennt
man ſolche, denen, wie ſchon der Mame
andeutet, Xebensvorgänge pflanzlicher und
tierifcher Organismen zugrunde liegen.
Damit aber iſt das Wejen der Methode
noch nicht genügend erjhöpft. Es gehören
dazu noch Kräfte, welche dieje Stoffe aus
dem Waller abforbieren, Abjorptionsfräfte,
ferner reichlihe Zufuhr von Sauerftoff,
mit deffen Hilfe die von den Mifroorganis:
men gelpaltenen und zerjegten organiſchen
Stoffe orydiert, d. h. mineralifiert werden.
Bei der biologischen NReinigungsmethode
find aljo drei Faktoren tätig, Abjorption,
Mikroorganismentätigfeit und Oxydation.
(Dunbar.) Unter Mifroorganismen jind |
nicht bloß Bakterien zn verjtehen, es be—
teiligen fih an der
' Selbftreinigung der Flüſſe.
Reinigungsarbeit auch noch die verjchieden-
artigften andermweitigen Mikroorganismen,
auch höher organilierte Lebeweſen jpielen
eine Rolle. Betrachtet man die Reinigung
von diefem Standpunfte aus, jo finder
man, daß die erwähnten Faktoren beı
ſchon befannten Neinigungsverfahren maß—
gebend find. Es find dies das Niefelver-
fahren die Bodenfiltration und die
Man fann
diefe Verfahren demnach ald natür-
lihe biologiihe Verfahren bezeichnen
im Gegenfag zum fünftlichen, bei dem der
Menſch die von der Natur gegebenen Be-
dingungen herjtellt und beachtet. Man
nennt legteres ſchlechthin das biologiiche
Berfahren. Redner beſprach nun kurz
die drei natürlichen biologiſchen Berfahren.
Was die Bodenfiltration anlangt, ſo konnte
dies Verfahren ſo lange zu keinem guten
Erfolge führen, als man darin nur einen
mechaniſchen Vorgang ſah. Erſt als man
die Tätigkeit der Bodenbakterien erkannte
und noch mehr, als man beobachtete, daß
gewijfe Unterbredhungen im Aufgießen von
Abwaſſer auf das Land erforderlih ſeien,
entitand daraus eine brauchbare Reinigungs-
methode. Dan nennt jie nah den Unter:
brechungen Die ıntermittierende (unter:
brochene) Bodenfiltration. Sıe hat eine
befondere Ausbildung und große Ber-
breitung namentlich in Maſſachuſetts (Nord:
amerika) gefunden. Man kann fie gerade:
zu das Modell der fünftlihen biologischen
Methode nennen. Denn man fann die
Borgänge, die ſich ım Boden abjpielen,
fünftlid nachmachen, mweın man Boden:
Berjegungs- und | arten von beftimmter Korngröße in Holz—
fäften bringt und unter ähnlichen Be-
dingungen mit ungereinigtem Wajjer über—
gießt. Aus ſolchen Verſuchen heraus ent:
ftand in England das biologische Reinigungs-
verfahren. Es bejteht im weſentlichen
darin, daß man Baſſins mit Stüden von
Koks, Schlade, poröjem Kies, von be-
ftimmter Größe (3 bis 25 Millimeter)
fült. Man läßt nun ungereimigte Ab»
waſſer zulaufen, bis das Baifin voll ift,
das Waller drinnen etwa zwei Stunden
ftehen nnd dann jchnell ablaufen. Zwiſchen
dem Ablauf und dem nädjten Zulauf
muß eine Bauje von mindeftens 9 Stunden
ftattfinden. Wiederholt man dieje Proze-
dur ungefähr 2 Wochen lang, jo findet
man, daß die Abflüffe rein und geruchlos
und fäulnisunfähig find. Man jagt dann
das Filter ſei gereift. Unterſucht man die
einzelnen Körner des Füllmaterials, jo
findet man, daß fie fich mit einer jchleimigen
Hülle umgeben haben, welche mit der Zeit
immer ftärfer wird. In dieſer Hülle
haben ſich die Mikroorganismen feſtgeſetzt.
Dort merden die gelölten organijchen
Stoffe abforbiert und unter Beihilfe des
Sauerftoffs geipalten, orydiert und mınerali-
fiert. In der technijhen Sprade nennt
man ein jolches Filter einen biologifchen
Körper und das Berfahren, in welchem
der ganze biologiiche Körper auf einmal
angefüllt wird, das Füllverfahren Bei
diefem Berfahren müſſen die Körper in
Mauerwerk oder Bajlins eingebaut werden.
Man kann das Abwaſſer auch regenförmig
verteilt über den biologijhen Körper
bringen. Dies nennt man das Tropf:
verfahren. Bei demjelben werden die
Tropfförper frei aufgebaut und höchſtens
mit leihtem Mauerwerk umgeben, fie
brauden aljo nicht in Baſſins eingebaut
zu werden. Man kann hier das Material
von gröberem Korn nehmen (80 bis 120
Millimeter und darüber). Im allgemeinen
ift der Betrieb der Tropfförper einfacher,
fiherer und leiftungsfähiger. In England
ging man jofort an die praftiiche Aus—
führung ſolcher Anlagen in großartigem
Maßſtabe; Manchefter baute eine ſolche
für die Abwäſſer von 564000 Einwohnern.
Um die wiſſenſchaftliche Seite kümmerten
fih die Engländer wenig, die wurde im
Deutſchland beforgt. Bier ift in erfter
19
Linie Prof. Dunbar, Direktor des hygie—
nifchen Inſtituts in Hamburg, zu nennen,
durch den das biologiſche Berfahren die
denfbar eingehendfte Prüfung und milfen-
ſchaftliche Durhbildung erfuhr. Er wurde
der Vorfämpfer der biologijhen Reinigung
in Deutichland und verbeflerte das Ber:
fahren dur die Stonftruftion des foge-
nannten Hamburger Tropfverfahrens. In
England gewann das biologiiche Verfahren
jchnell eine große Ausdehnung, jo daß zur Zeit
bereitö über 300 große und mittlere bio»
logiiche Anlagen im Betriebe find. Um
den Stand diejer Reinigungsmethode in
England fennen zu lernen und Erfahrungen
zu fammeln, die für Deutichland vielleicht
verwendbar waren, jchicte die fgl. preußische
Berjuchs- und Brüfungsanftalt für Wafjer-
verjorgung und Abmwajlerflärung eine Kom—
miffion nad England. Nach deren Urteil
hat fi) das biologische Verfahren als voll»
wertige WReinigungsmethode bewährt. Es
ift aber dem Rieſelverfahren nur eben»
bürtig, wenn die Abflüffe der biologifchen
Anlage noch der intermittierenden Boden»
filtration unterworfen werden; denn fie
find noch ziemlich bakterienhaltig. Was
die Gejamtherftellungsfoften einer joldhen
Anlage betrifft, fo ftellen fie fi in Eng:
land durchſchnittlich auf 20 ME. pro Kopf
der Bevölkerung. Die Betriebsfoften inkl
Verzinjung etc. betragen pro 1 Kubikmeter
Abwaſſer 2,9 Pig. bei größeren Anlagen
und 3,3 Big. bei fleineren Anlagen. Da
man in England auf den Kopf der Be-
völferung pro Tag 150 Liter Abwaſſer
rechnet, jo ergeben fich Betriebsfoften pro
Berjon und Jahr von 1,57 Mk., demnad
für eine Stadt von 50000 Einwohnern
eine Yahresausgabe von rund 78000 ME.
In Deutfchland würde fie 62000 ME. be:
tragen, da man bier 120 Liter Abwaſſer
pro Kopf und Tag rechnet. (Hierbei muß
bemerft werden, daß es fih um Sanali-
fationen handelt, bei welchen die jümtlichen
häuslichen Wäſſer meift nebft den Regen—
wäfjern getrennt find von den öffentlichen
Flußläufen) Das Riefelverfahren ift auch
bezüglich der Koften dem biologijchen Ber:
fahren überlegen, außer wenn es fih um
ganz abnorm hohe Bodenpreije handelt.
Auch in Deutichland hat das biologijche Ber-
fahren Eingang gefunden, und es befinden
fich bei uns meit über 100 allerdings
meift Fleinere Anlagen. Es find hierbei
zahlreiche Miberfolge zu verzeichnen. Die
Erfahrungen, welche man mit dem bio-
logifhen Berfahren in Deutfhland gemacht
hat, find ebenfalld von der genannten fgl.
Prüfungsanftalt gejammelt morden und
beziehen fih auf die Ergebniffe des Be-
juhes von 37 deutfchen biologiihen An—
lagen und von 60 Anlagen überhaupt.
In Deutichland baut man im allgemeinen
billigere Anlagen. Bei Städten zmwijchen
10000 bis 50000 Einwohnern betragen
die Anlagen pro Kopf der Bevölkerung
4 bis 10 Mark, die Betriebsfoften infl.
Verzinfung etc. 0,50 bis 1,10 ME. jähr-
li auf 1 Einwohner. Das Reſume diejer
Kommiffion über den derzeitigen Stand
des Verfahrens in Deutichland lautet: „Das
biologiihe Berfahren ift nicht das Ber:
fahren, welches man jo lange geſucht hat.
Es ift vom mirtjchaftlihen Standpunfte
aus nur in ganz beftimmten Fällen geeignet.
Es jcheidet von vornherein aus, wenn für
die Borflut ein mechaniſches Berfahren
genügt oder wenn die Borflut zwar eine
weitgehende Reinigung des Abwaſſers ver-
langt, aber Riejelfelder oder unterbrochene
Filtration möglich und billiger find.” Trotz
dieſes menig günftigen Standes ift der
BVortragende der Anficht, daß man des—
megen nod nicht den Stab über das ganze
Berfahren bredien dürfe. Das biologiiche
Verfahren ift auf fo gejunder richtiger
Grundlage aufgebaut und wiſſenſchaftlich
aufs gründlichfte jo durchforſcht, daß es
bei richtiger Handhabung zu einem guten
Ergebnis führen muß. Es wird aber fein
Univerjalmittel für alle Gebredhen der
Flußverunreinigung fein. Die Geredtig-
feit erfordert, daß man erft die meiteren
Ergebnifje diejes in Deutſchland mitten in
der Entwidelung ftehenden Verfahrens ab-
warte, Abwarten ift die Parole. Wenn
irgendwo jo ift in diefer Frage vorfichtiges
Abwägen und Borgehen am Plage. Zur
anfchaulihen Erläuterung des Bortrages
waren viele Pläne und Abbildungen von
Modellen ausgeftellt. Reichiter Beifall lohnte
die hochintereffanten Ausführungen des Vor—
tragenden jeitens des fehr zahlreichen Audi—
toriums, in welchem aud) die Vorftände und
Bertreter der Berwaltungs: und tedhnijchen
Behörden, ſowie des PRürgermeifteramtes
und mehrere Stadträte zu bemerfen waren.
(Bf. Pr.)
Bimmelsfhan zum 10. Februar 1908.
Wer in der legten Zeit den Blif in | alten Chronos am 10. Februar und eilt
den abendlıhen Dämmerungsftunden zum | dem weiter öſtlich in rotem Lichte ftrahlenden
Wefthimmel erhob, dem fiel der blendende | Mars entgegen, den er aber erft am 4.
Glanz de Abendfterns, des Blaneten | April erreicht. Benus zieht oberhalb Saturn
Venus, Sofort ind Auge. Obwohl die
Helligkeit des intereffanten Geſtirns noch
bi8 zum 29. Mai zunehmen wird, fällt es
doch fchon feit Neujahr auf und beherricht
die Situation nad) Sonnenuntergang. Nun
befinden ſich aber noch zwei weitere Planeten
zur gleihen Zeit ım Südweſten und bilden
mit Benus eine jeltene, für den Planeten:
beobachter arbeitsreiche Konftellation. Der
blaffe Stern, welcher am 10. Februar ein
wenig unterhalb Venus zu finden ift, heißt
Saturn und ift der Riejenplanet, deſſen
Ringicheibe gerade wieder ein wenig in
unſere Gefichtslinie gerückt erjcheint, jo daß
wir den Ring im aftronomijchen Fernrohre
als breiten Strid durd den Planeten jehen
fönnen, Der Nbendftern überholt den
| und Mars vorbei.
Der Mond, melcder
faum das erite Viertel überjchritten hat,
folgt am 10, Februar links von der ge
nannten Planetengruppe. Man fieht ihn
während einiger Stunden oberhalb des
Hauptjternes im „Stier” deutlih nach links
fortrüden ; rechts oben jteht die Sterngruppe
der „Plejaden“ (Glucke) und darunter ftrablt
in hehrem Glanze das andere „Sieben:
geftirn“, Orion, im Südoften vom „Großen
Hund“ gefolgt, deſſen Hauptfiern Sirius der
hellfte Firftern des ganzen Himmels ift.
Wer ein Freund himmliſcher Schaufpiele ift,
verfäume nicht den Genuß einiger erhebender
Minuten und muftere den diesjährigen
winterlihen Schmuck unjere® geftirnten
Himmels!
21
Bas Glochenwunder zu Speier.
Als Heinrich den vierten zu Grab man
getragen,
Und weithin über die deutſchen Lande
Sie ihren dumpfen Wehruf ſandie.
Begann die Kaiſerglocke zu klagen |
Als Heinrich der fünfte in Siechtum ge-
ſchieden,
Klang Glockenläuten zum Todesfrieden;
Doch ſchrillte hell in die Leichenfeier
Die Armefünderglode zu Speier.
Raifer Heinrichs IV. Zeſtattung.
Ragte Hoch der Dom zu Speier;
Heimlich klang mit feifem Schauer
Dur die Pappeln Web und Trauer.
In den ſchwanken Weidenzweigen
Hing's wie tiefed Todesſchweigen,
Und rheinauf durch grüne Wogen
Kam ein Katferfchiff gezogen.
Durd) die grauen Nebelfchleier |
Lautlos ohne Sang und Klagen
Wurde til zu Grab getragen
Heinerich des Bierten Leiche,
Weil geächtet er vom Reiche.
Seit des Papſtes Sprud ihn bannte
Und die Reichsacht ihn entmannte,
War er ledig aller Rechte
Gleich dem Knecht und Aberknechte.
Wo als Kaiſer er geſchlichtet,
Lag er ſelber nun gerichtet;
Und ſtatt heißem Kindeslieben
War ihm Kindeshaß geblieben.
Stieß der Sohn ihn doch vom Throne,
Raubte ſelber ihm die Krone,
Als auf Böckelheim, der Beite,
Tronentfagung er erpreßte. —
Nach der Kirhe St. Marien
Sab den Trauerhor man ziehen,
Lautlos ohne Orgelklänge,
Ohne fromme Betgeſänge.
m
Durft’ ihn Glockenklang nicht grüßen,
Mußt’ der Dom die Tür ihm ſchließen;
Nur in ungemweihten Mauern
Konnt' man um den Kailſer trauern.
Daß der Fluch erfüllet werde
Stand auf fegenlofer Erbe
Fünf der bangen fchiveren Jahre
Einfam fo die Kaiſerbahre.
Bolkeslieb' als bejte Habe
Blieb ihm treu noch über'm Grabe,
Ihm zu Häupten Kerzen glübten,
Blumen ihm zu Füßen blübten.
Und ein Pater ihm zur Selte
War bes Toten letzt' @eleite.
Auf den Kaiferfarg, den bebren,
Tropften feine berben Zähren.
Als der Jahre fünf verflogen,
Ward ber Bann zurüdgezogen,
Und man bradt’ in eich'ner Truhe
Unterm Domdor ihn zur Ruhe.
Als ob ſchwere Himmeläflüche
Heinerich fein Sohn ertrüge,
Mußt' zur Gruft er erblos fliehen,
Dort zur Seit' des Baters liegen.
Ruhte in den Kaifergrüften,
Bis es qualmte in den Lüften,
Und man plündernd aus dem Schreine
Nik die modernden Gebeine,
Dr. Carl Build.
Bie dicke Eiche bei Mehborn.
ift eine der impofanteften Wlteichen der
Pfalz ſowohl der Stammiftärfe nah —
auf Bruftöhe bei 1,85 Meter Durchmefler
ein Umfang von 5,70 Meter — als aud
was Mächtigkeit und Schönheit der Krone
betrifft. Sie fteht auf dem Höhenrüden
zwifhen Rehborn und Meifenheim nahe
am Baumald auf Grund und Boden der
Gemeinde und ift weithin fihtbar Mit
Ausnahme einiger ſchadhafter Stellen auf
der Südjeite des Stammes ift fie vollflommen
geſund. Die Eiche dürfte 250 bis 300
Jahre alt jein. Wir geben ein Bild der
Eiche als Beiblatt zu Heft 2.
22
Gehrederte Wintergäfe in den Yfalzwäldern.
B. Flur und Wald find in einen dichten
Schneemantel gehült und die andauernde
ftrenge Kälte hat diefen mwinterliden Schuß
der Erde ziemlich gefeſtigt. Das ift die
Beit, melde den Tieren des Waldes, be-
fonder8 den Böneln, bitteren Nahrungs:
mangel bringt, denn die Kterfe und Inſekten
haben fi tief in die Erde und in die
Bäume zurüdgezogen, und für die Körner
freffer bietet fih außer den zu Ende ge-
henden vertrodneten Beeren fajt gar nichts
mehr. So ziehen fih denn alle Körner:
frefier, welche überwintern, nad) den menſch
lihen Wohnftätten, wo fie ihr Färgliches
Brot finden. Trauriger aber geht es den
echten Icheuen Waldvögeln, welche ausichließ
ih auf Inſektennahrung angemiejen find
und melde die Nähe des Menichen durchaus
meiden. Es find dies bejonders die Spedt-
arten, von denen jegt wohl eine ziemliche
Unzahl den Tod infolge Nahrungsmangel
findet. Es ift gewiß, daß in furzer Beit
bei uns die Grau: und Grünſpechte, Die
fleineren Bunt: und Schwarzipedjte jo
fiher ausfterben, wie die Indianer infolge
der Kultur. Manche diejer Vögel find bei
uns zu Lande faft Raritäten geworden, fo
der Schwarzipeht. Diefer Müärchenvogel,
welcher die Springwurzel beichaffen foll,
mit der man verborgene Schäße hebt, kommt
in den Pfalzwäldern nur noch vereinzelt
vor. Wir hatten am 4. Dezember Gelegen—
beit, den Bogel, welcher ſich durd einen
flagenden Ruf ‚Kliä“ bemerfbar macht, im
Revier „Drei Eichen” zu beobachten. Auch
auf dem Ebertsberge zeigt er fich im ca.
drei Gremplaren. Auch der Grünipedt
tritt in Gefelfhaft auf. Bogelfundige be-
haupten, daß das geiellichaftlihe Auftreten
diefer jonft fcheuen Vögel einen ſtrengen
Winter bedeute, und Brehm ſah im ftrengen
Winter vom Jahre 1860 - 61 eine Unzahl
Spedte in einem Eichenwald veriammelt.
Am Iſenachweiher wurde der fchöne, metall-
Ihimmernde Eisvogel gejehen, weldyer bei
firenger Kälte vereinzelt wandert. Am
Limburgabhang zeigten fi zwei Eremplare
des Bergfinf, der aud unter dem Namen
„Böhämmer“ in der Pfalz befannt ift und
in manden falten ®intern jcharenweife am
Abtskopf, bei Bergzabern und im ganzen
Wasgau gejehen wird. ES ift zu erwarten,
daß auch in diefem Yahre bald jein Auf
treten in genannten Gegenden bemerft wird.
Bei anhaltender Kälte wird fih wohl noch
mancder jeltene nordiiche Vogel einfinden.
(Plälz. PBreile.)
Brojektierter Bahnban.
Im Verfolg der Beftrebungen zum Bau
einer durchgehenden Eiſenbahn
Würzburg » Wertheim » Miltenberg : Amor-
bad) Worms Eifenberg : Kaiferdlautern fand
anfangs Dezember v. %. in Amorbad
(Unterfranfen) eine ftarf bejuchte Tinte:
refjentenverfammlung ſtatt zwecks Be:
iprehung der Maßnahmen zur Wermirf-
lihung des Projektes der in Ausficht ge:
nommenen bayerijch: heſſiſchen Teilſtrecke
Amorbach- Kirchzell Watterbah (Unter:
franfen) : Erbach: Michelftadt (Heſſen) Nach
längerer Beratung wurde eine Einigung
dahin erzielt, daß die heififchen und bay- |
riihen Stomitees, nachdem fie über die
ZTracen Frage vollfommen einig find, un-
abhängıg von einander, fei es für Boll-,
ſei ed für Lokalbahnbau, wirken follen.
Um dem heiliichen Stomitee entgegenzu-
fommen, wurde einmütig beichloffen, daß
die abzufaffende Eingabe an die bayerijche
Staatöregierung folgende Gedanfen zum
Ausdruck bringen joll: „Bon der heifiichen
Bevölkerung werde mit allen Mitteln der
Ausbau einer Vollbahn erftrebt, auch auf
bayeriicher Seite ſtehe dieſer Wunfch im
Vordergunde,; falls aber die bayerifche
Staatöregierung aus irgendwelchen Gründen
nicht in der Lage fein jollte, eine Boll—
bahn zu gewähren, jo begnüge man, fi
jeitend der bayeriihen Benölferung mit
einer Lokalbahn. Ga, man ſei jolchen
Falles jogar bereit, die Projeftierungs- und
Srundermwerbungskoften auf die beteiligten
Gemeinden und Privat: Intereffenten zu
übernehmen. Schließlid wurde der Wer:
fammlung die erfreuliche Mitteilung ge
| madt, daß bon verichiedenen Seiten bereits
|
namhafte Berräge zu den Brojeftierungs
fojten gezeichnet worden find,
23
Die Gefolgichaft des Menſchen.
Bon Hermann Löons, Hannober.
Es ift ein Heidmoor, eins der vielen
in Norddeutjchland, unberührt, urmüchfig,
wild und weit. Heidekraut, Torimoos,
Wollblumen und Riedgras bilden den Unter:
grund der Pflanzenwelt ; einzelne Birken,
Kiefern und Wachholder überfchneiden die
braune Fläche. Ganz fern bollwerft der
Wald wie ein ſchwarzer Strich.
So ſah es vor hundert Jahren bier
aus, und vor taufend und vor zehntaujend.
Alle dreißig Jahre änderte hier und da
der Torfftich ein wenig das Bild, bis das
alles gleich madende Torfmoos und nad
ihm Ried, Wollblume und Heide die Spuren
menſchlicher Arbeit hier verwiſchten Selbjt
die großen Moorbrände änderten menig
an dem alten Bilde.
Auch die Tierwelt blieb, wie fie war,
nahdem Mammut und Rieſenhirſch,
Mofchustier und Renntier, und noch viel
jpäter Wiejent und Elch, und wieder einige
Beit nachher Bär und Luchs, und nod
fpäter Biber und Wolf verjchmunden waren.
Dat Rotwild und die Sauen medjieln
nach wie vor über das Moor, wenig Rebe,
nod weniger Hajen leben in ihm, und
Fuchs und Otter, Dachs und Iltis.
Heute noch, mie zu Urzeiten jagen
dort Schwarzftorh und Schreiadler die
Kreuzotter, trompetet der Kranich bei
Sonnenaufgang, Elagt die Mooreule in der
. Dämmerung, ruft der NRegenpfeifer, jpinnt
die Nachtſchwalbe, medert die Heerjchnepfe.
Saufenden Fluges ftreicht der ſchwarzweiß
rote Birfhahn dahin, über den Sinfen
ſchwebt die Wiejenmweihe, aus den Wolfen
dudelt die Heidlerche, Wieper und Rohr:
ammer trillern und zwitichern.
Ein Menſchenpaar zieht in das Moor,
ein Knecht und eine Magd. Sie haben
lange genug gedient; nun wollen fie frei
fein auf eigener Scholle im weiten Moore.
Ein Haus entfieht, ein Gärtchen wächſt,
eine Wieje grünt auf, Aderland drängt die
Heide fort, Zaunwerk ragt auf, Obftbäume
fämpfen ſich hoch, Staumerfe und Stege
bringen neue Farben in die Wildnis,
— — Ein Jahr geht hin. Es iſt ein
Sommerjonntag, warm und ftill. Dann
und Frau fiten auf der Knüppelbank vor
der Türe und jehen in das Abendrot.
Aus dem Haufe ichallt das frohe Ge:
frähe des Grben, den die Großmutter
hütet. Da zickzackt ein jchwarzes Ding
um den halbfranfen PBflaumenbaum. Der
Dann zeigt mit der Pfeifenipige danach:
„Eine Fledermaus!” jagt er und lächelt.
Herbit wird ed. Die Ernte ift ge-
borgen. Sie fiel mager aus, aber es langt
für die drei Menjhen. Der Bauer pflügt
die Stoppel um, Da fommt zwitichernd
ein Flug fleiner Vögel heran und fällt
auf der Stoppel ein. Der Mann lächelt
wieder. Die eriten Spaken find es, die
ib hier jehen laſſen. Vorläufig find es
die Feldſpatzen.
Der Wınd ftöht den Schnee gegen die
Scheiben. Bei der Tranlampe flidt die
rau des Mannes Zeug; er flicht Bienen-
körbe. Im Ofen glühen Heidfchollen und
verbreiten einen ftrengen Geruch. Hinter
dem Scranfe raſchelt es. Mann und
Frau ftehen auf. Es piept, ein ſchwarzes
Ding huſcht jcheu durch die Stube. „Wahr-
baftig, eine Maus! Wo fommt die mohl
ber?“ (Schluß folgt.)
— —
Dünen in de
Daß wir in unſerer engeren Heimat
neben der Siegelbadher Straße feine Berüd-
troß ıhrer binnenländijchen Yage eine ganze
Anzahl typischer Dünen bejigen iſt eine be:
fannte Tatjahe. Bereits 1905 wurde in
der „Biälziichen Heimatkunde” (Seite 106)
ein Erflärungsverjud für deren Entitehung,
ſowie eine Zufammenftellung der befannteften
pfälziſchen Dünenlandſchaften ge
geben. Leider fand dabei das ausgedehnte
r Weſtpfalz.
Dünenfeld im Tränkwalde bei Rodenbach
ſichtigung, obwohl es nicht allein wegen
ſeiner charakteriſtiſchen Ausbildung als
Produkt anhaltender N-W-Winde, ſondern
auch wegen einer ganz beſonderen Eigentüm—
lichkeit unſer Intereſſe verdient. In dem
genannten Dünengelände iſt nämlich gleich
hinter Rodendach beim Eintritt der Straße
ihon längft gegen die Begradigung der
Straßen eiferte, und fonft eine reihe Fülle
von Heimatjhug-deen in feinen Schriften
niederlegte, famen nach feinem Tode mehr
zum Durchbruch, und uns, feinen Schülern,
waren fie von Anfang an Richtlinien zwifchen
dem zu viel und zu wenig; den alten bäuer-
lihen Hausrat fanden wir auf dem Dadı-
boden, von wo er ins Feuer oder in die
Hände eines Antiquard wandern jollte.
Riehls Gedanken riefen die „Deutjchen
Gaue“ ins Leben, die an der Spike des
erften Heftes (Mai 1899) feine Worte
trugen: „Seder rehte Dann hält jeine
Heimat für die jhönfte und ſpricht von ihr
gern und meint, ed müßten auch andere
gern von ihr jprechen hören.” Die Baſis
des Heimatichuges ift die Heimatfunde und
die Heimatliebe im Bolfe. Die Denfmale
der Heimat müſſen dem Berjtändnis und
dem Gemlite des Bolfes näher gebracht
werden; das zu erreichen, muß bereits in
der Schule die Heimatkunde Ausgang und
Mittelpunft des geographiichen Unterrichtes
fein (mie die Stulturgefchichte die Yührerin
fein fol für den Gejdichtsunterridt).
Können wir das Volk nicht zum Ber-
ftändnis feiner Heimat heranziehen, dann
belien alle Klagen, Forderungen und Maß-
nahmen, die den Heimatjchug betreffen, nichts.
Aus Ddiefen Gedanken ift der Berein
„Heimat“, gegründet zu Füſſen 1900,
hervorgegangen, der ſich allmählich über
Bayern verbreitete und als er die freudige
Buftimmung jo vieler vernahm, die Worte
Audorffs als feine Devife wählte: Wir
wollen jein „eine Zuſammenſcharung aller
Sleichgefinnten, denen e8 darum zu tun ift,
deutſches Volkstum ungeſchwächt und un:
verdorben zu erhalten, und was davon
unzertrennlich iſt, die deutſche Heimat mit
Geologie und
Unter allen Naturwiſſenſchaften ſteht
wohl feine jo wenig im Anſehen, ift wohl
feine in Laienfreifen jo unbefannt wie die
Geologie, die Lehre von der Erde. Schon
lange flagen die Geologen hierüber, jchon
oft haben fie gebeten, ihrem Wiſſenszweige
die verdiente Geltung zu verichaffen. Diefe
Geltung befiten jeit ihrer Einführung in
ihren Denfmälern und der Boefie ihrer
Natur vor meiterer Berunglimpfung zu
fügen.” Deutjhe Gaue III 145 (24.
Februar 1902).
Am Sommer 1902 war darauf der
Berein für Volkskunſt und Volkskunde in
Münden gegründet worden, für mehr jpezielle
Aufgaben; nämlid „auf dem Lande Bor-
handenes und Überliefertes in Bau und
Einrichtung des Hauſes, ſowie in Sitten,
Gebräuden und Sagen zu jammeln.“
Er verfolgt dabei den Zweck, das Ber-
ftändnis für das Llberfommen wieder zu
erweden, die alten Sunftformen wieder
praftifch zu verwerten und die Handmerfer
zur Berügung der alten Vorbilder aufzu-
muntern.“
Dabei mag erwähnt werden, daß auf
nichtbayeriihem Gebiete 1904 der Bund
„Deimatihug” und 1905 der Berein
„Deutihe Heimat” in Wien gegründet
wurde. 1905 £onftituierte fi für Bayern
ein Landesausihuß für Naturpflege; die
gegenwärtige Mitgliederzahl der durch den
Landesausihuß für Naturpflege vertretenen
Vereinigung entzieht fich unferer Stenntnis,
der Berein für Volkskunſt und Volkskunde
hat wohl rund 3500 Mitglieder; der Verein
„Heimat“ zählte am 4. November 1907
4133 Mitglieder. Wir erjehen jchon aus
diefen unvollftändigen Bahlenangaben, dar
in Bayern weite Kreiſe für die Idee des
Heimatjchußes gewonnen find, bejonders
wenn wir die Mitgliederziffern aller oben
angedeuteten Bereinigungen dazu in Betracht
ziehen, deren Aufgaben ganz oder teilmeije
bier einjchlagen; wir jehen aber auch eine
reiche Fülle von Arbeit erftehen, an der
jeder Heimatfreund teilnehmen kann.
Kurat Franf:Haufbeueren.
Heimatkunde.
die Schule Botanik, Zoologie, Anthropologie,
Geographie, Aftronomie, Chemie, Bhnfit
und bis zu einem gewiſſen Grade auch die
der Geologie naheverwandte Mineralogie.
Uber die Geologie ift oder war bis vor
furzem in den Schulen gänzlih vernad-
läſſigt. ch jelber erinnere mich nicht,
während meiner Schulzeit von ihr gehört
zu haben — mas id) noch jeßt bedauere,
Denn ih weiß feinen Wiſſenszweig zu
nennen, der jo jehr die Forſchungsergebniſſe
aller anderen Naturmifjenichaften verwertet,
ja zum eigenen Betriebe jo nötig hat wie
die Geologie. Stein Geologe vermag das
Werden und Bergehen der Gejteine, der
Oberflähenformen, des Erdbodens zu er-
flären, ohne mehr oder weniger die Geſetz—
mäßigfeiten zu Rate zu ziehen, die die
übrigen Naturmifjenfhaften kennen lehren
— und dieje drei Forſchungsgebiete machen
den Anhalt der Lehre von der Erde aus.
Die bei diejer Stellung zu den Schweiter-
wifjenichaften die Geologie in die Schule
einzuführen wäre, entzieht fich meiner öffent:
lien Beurteilung als der eines Nichtfadh-
manned. ber wir haben nidht nur die
Schulen als Bermittler von wiſſenſchaft—
lihen Erfenntniffen und Anregungen und
Anſchauungen. Neben fie treten jegt in
jreigendem Maße die naturmwifjenihaftlichen
Mufeen, die wohl bald feiner noch fo £leinen
Stadt mehr fehlen werden. Der biöherige
Typus ift allerdings kaum geeignet, etwas
anderes zu jein als eine Unterftügung der
Schule im naturwiffenichaftliden Anſchau—
ungsdunterricht. Die Ergänzung der Schule,
dad Weiterführen über die Schule hinaus,
vermag er nicht zu bieten. Die Anordnung
der Ausftellungsobjefte ift die nad dem
wiffenichaftliben Syitem, für den Fachmann
wertvoll, für den Yaien aber „zum Davon»
laufen“. Ich habe ſchon manches Mufeum
geiehen, durch das die Beſucher, die mit
den beiten Abfichten kamen, jchlieklid hin:
durcheilten, es jejfelte fie nichts. Dies
Feffeln aber ift der Zweck der Mufeen;
fie find nicht nur dazu da, einige wadere
Sammler im Bejtimmen ıhrer Sammel-
gegenftände zu unterftügen, fie jollen be-
lehren, anregen, erwärmen. Die Wiſſenſchaft
ift ja nicht lediglich Sache des fühlen Ber-
ftandes, jie jchließt auch eine Liebe ein und
führt zu veligiöjer Erhebung — mobei man
unter „Religion” nicht gleich „einen Beweis
für das Dafeın Gottes” im dogmatifchen
Sinne verftehen möchte.
Sollen die Mufeen etwas für das
„Gemüt“ bieten, jo muß man mit dem
beginnen, was jedem Menjchen am nädjiten
liegt, mit dem Alltäglichen, aber mit dem
Zeile des Alltäglichen, der zu unferem
27
Herzen am reinften |pricht, mit der Heimat.
In den Mittelpunkt der Mufeen fol die
Heimatfunde treten. Dieje wieder kann
nicht anders als mit der Geologie beginnen,
mit der Lehre des Bodens, von dem wir
fommen und zu dem wir gehen werden,
Ich denfe mir, den Mittelpunft des
Mujeumsjaales einnehmend, die geologijche
Starte des natürliden Geländeabfchnittes,
in dem der betreffende Ort liegt. Alſo
etwa für Berlin das oftelbiiche Flachland,
für Franffurt a. M. das Mainzer Beden,
für Düffeldorf die niederrheinifche Bucht ufm.
Dann wird der Streiß enger gezogen auf
den Ort und jeine nädfte Nachbarſchaft
beichränft.
Die geologiiche Karte wird man von
drei Geſichtspunkten aus betradjten: fie ift
eine ſtratigraphiſche und gıbt als ſolche die
Geſchichte des Bodens; fie iſt eine agro-
nomijche und zeigt, was auf ihm mächft,
gewachſen iſt und wachſen fann als Pflanze,
Tier und Menſch; fie ift eine bergmännifche
und zeigt, was in ihm liegt. Daß dabei
mit bildliher und jchriftlicher Erläuterung
nicht gefargt werden darf, iſt jelbftverftänd-
(ih. Die Reliefdarjtellung ift daneben von
größter Bedeutung.
Hiermit habe ich die Richtlinie für den
Mujeumstyp gegeben, der meinen eigenen
Anforderungen an eine Scaujammlung
entipricht. Diejer Typus gibt dem Orts-
anfälfigen den natürlichen Ausgangspunft
für feine naturwiſſenſchaftlichen Intereſſen,
gibt dem interejlierten Fremden die Mög:
lichkeit zur fchnellen Orientierung, hilft dem
BZugezogenen die neue Heimat finden. Diejer
Typus unterftügt die Beftrebungen für
Heimatſchutz und Naturdenfmalpflege, geht
der Unmifjenheit des Städterd Über den
Zandbau zuleibe, läßt den Landmann in
der Stadt die Belehrung leichter finden —
ift für die wirtichaftlichen Intereſſen be-
deutungsvoll,
Schwierig ift allerdings die Verwirk—
lichung dieſes Typus. In den zahlreichen
Mujeen, die ich bisher ſah, finder fi faum
eine Spur davon, Nur eine Arbeit von
vielen Jahren fann uns dahin bringen,
daß wir das Normalmujeum haben. Ihrer
Borbildung nach find am geeignetjten zu
defien Einrichtung die Geologen. Die
Hauptſache aber ift: der Leiter muß aus
vielen leblojen Dingen einen lebendigen
Organismus jchaffen können.
Die bisherigen nad dem Syſtem aus-
geitellten Sammlungen verlieren durd die
28
—
Angliederung der heimatkundlichen Abteilung
natürlih nicht von ihrer Bedeutung, fie
gewinnen im Gegenteil erheblich.
Dr. 9. Stremme.
Über die Beheizung unferer Wohnungen.
Bon Dr. Karl Brabbec.
Wenn man jeßt, da die Macht des
Winters endlich gebrochen Icheint, zum Leſer
über die Beheizung unjerer Wohnungen
ſprechen will, jo hat das genügend Bered-
tigung in der großen Bedeutung, die diefe
Frage für die Förderung und Erhaltung
unjerer Gefundheit befigt. Noch ift der
beurige jchwere Winter in aller Erinnerung ;
jo mande Grfälturg, die wir uns in den
legten Monaten zugezogen haben, mag auf
ungenügende Beheizung unferer Wohnungen
zurüdzuführen gemejen fein, jo manches
Bimmer ift trog aller Mühe und Sorgfalt
falt geblieben, der jonft jo gemütliche Erfer
war faft während vier Monaten nicht zu
benügen, und die Hausfrauen denken gewiß
recht ungern an die vielen Kohlen und
Brifette zurüd, die die Kachelöfen ver-
Ichlungen haben, ohne genügende Wärme
zu ſpenden.
Doch der brave alte Kachelofen hat
ftets eine gute Ausrede zur Hand und leife
murmelt er in feiner ftillen Ede das jatt-
fam befannte Märchen von den Zimmern,
die eben „infolge ihrer ungünftigen Tage
fo gar nicht zu erheizen find.“ In der
Tat, au der beſte Kacdelofen fann oft
auch bei forgfältigfter Wartung nicht die
nötige Wärmemenge ſchaffen, wenn plößlich
ftarter Windanfall eintritt oder zufällig
der Mieter unter und oder neben und aus:
zieht und die Wohnung nun wochenlang
leer fteht. Und alle, die in ıhren Räumen
die Dfenheizung haben, haben wehmütig
und ftillfchrweigend auf die Benütung der
ichönen Erfer mwährend der Wintermonate
verzichtet. So hat denn auch der gute
alte Kachelofen den Höhepunft jeiner Herr-
ſchaft überjhritten. Wir wiſſen heute, daß
die Erzielung einer gleihmäßigen und ganz
beftimmten Qemperatur in unjeren Wohn-
räumen zur Erhaltung unferer Gejundheit
unbedingt nötig ericheint, und wir müſſen
uns daher als zielbewußte Menjchen von |
jenen Einrichtungen abwenden, die diejer
berechtigten Forderung nicht genügen, und
müjjen unjere Aufmerfjamfeit auf jene Ein-
rihtungen lenken, die eben diejer Forderung
entiprehen. So find denn wiſſenſchaftliche
Tehnit und praftiiche Induſtrie in fteter
Entwiflung und bemußtem Fortichritt von
der alten Lokal- oder Dfenheizung zu der
modernen Zentralheizung gelangt.
Danf der theoretiihen Forſchung und
der ftetigen und mächtigen Entwidlung der
neueren Heizungstechnik ift es heute möglich,
Zentralheizungsſyſteme auszuführen,
die alle Forderungen, die wir an eıne gute
Heizungsanlage jtellen fünnen und müſſen,
voll befriedigen. Wenn ich nun die zentrale
Beheizung unferer Wohnungen kritiſch be-
jprehen und insbejondere ihre Borteile
gegenüber der Dfenheizung ins Licht ſtellen
will, fo leitet mich dabeı der Gedanfe, dat
vielleiht mancher, der in dem heurigen
ihweren Winter die Unzulänglichfeit jeiner
Heizungsanlagen bitter fennen lernte, ent:
fchlofjen ift, in feiner Behaujung eine neue
Heizungsanlage ausführen zu lalfen oder
aber jeıne alte Wohnung gegen eine meue
vertaujchen mill, die mıt bejjeren Ein—
richtungen verjehen ift. ferner führt mic
die Erfahrung, daß gerade jegt die Bau
herren vor der fchwierigen Frage ftehen,
mit welchem SHeizungsiyftem fie die neuer-
bauten und mit dem kommenden Herbft zu
beziehenden Wohnhäujer einrichten jollen.
Soll uns aber der nächſte Winter gerüftet
finden, fo ift e8 hohe Zeit, endgültig Be-
ichlüffe zu faflen.
Bon all den vielen Bentralbeizungs-
igftemen, die für die Erwärmung von Wohn-
häufern in Frage fommen, verdienen zur
Beit nur Niederdrud-Dampf- um
Niederdrud-Warmmwaljerheizung
eingehende Beiprechung, denn die Beheizung
unjerer Wohnung mit Gas oder Elektrizität
fann wegen der hohen Koſten nur für
jpezielle Zwecke und nur in ganz bejonderen
Fällen in Frage kommen, während wieder
andere Gründe die früher viel bemühte
Luftheizung mweit in den Hintergrund drängen.
Bei der Niederdrud-Dampf- und Nieder
druck Warmmaflerbeizung werden umiere
Wohnräume dur Körper, die jogenannten
Seizförper, erwärmt, die nah außen
vollftommen dicht verſchloſſen find
und in deren Inneres heißer Dampf oder
warmes Waſſer jtrömt. Durch dieje furze
Darlegung der Sadlage wird jofort ein
Einwand hinfällig, den man gegen die
Zentralgeizung vollitändig ungeredhtfertigt
erhebt, ındem man von ſolchen Unlagen
behauptet, daß fie „rauchen“. Aber voll
ſtändig verjchlojfene Körper fünnen unmög-
ih ſolche häßlihen igenfchaften haben,
Diele ſchwere Anflage ift vielleicht dadurd)
entftanden, daß lichte Wände, an denen
derartige Deizförper fteben, über und hinter
diefen ſchwarz werden. Genau Ddiejelbe
Erſcheinung fünnen wir bei Kachel- oder
eijernen Dejen beobachten, und diefes „An-
rauchen“ rührt einfach davon her, daß die
an dein fen erwärmte Quft, die immer
ftaubig ift und womöglich den auf dem
Dfen lagernden Staub noch mitreikt, auf-
wärts ſteigt und den Staub dann an den
Wänden abjegt. Gerade dagegen fann man
ſich bei den kleinen Heizförpern der Zentral:
heizungen ihügen, indem man zunächjt dieje
Heizkörper peinlichit und jeden Tag von
Staub reinigt, jerner die Yuft durch ge:
eignete Borrichtungen von den Wänden
wegzuftrömen zwingt, oder jchließlich die
Heizkörper vor Flächen jegt, die von dem
angeichleuderten Staub leicht zu reinigen
find, 3. B. enter und Spiegel.
Viel beachtenswerter erjcheint mir aber
die ziemlich allgemein verbreitete Anficht,
daß Zentralherzungen die Luft aus
trofnen. Um diejen Vorwurf zu ent-
fräften, muß ich ein bißchen weiter ausholen.
Wir alle, und bejonders die Hausfrauen,
wifjen, daß zum Trodnen von Wäſche im
Freien nit nur warmer Sonnenschein ge:
hört, jondern daß ein Iuftiger, fröhlicher
Wind fait noch michtiger ift, dab ſonach
zum NAustrodnen der Wäſche nicht nur
Wärme, jondern auch Yuftbewegung not-
wendig ijt.
daß Wohnungen, die durch Zentralheizungs:
anlagen dauernd und gleihmäßig erwärmt
werden, ohne unjer Zutun reichliche Mengen
von friicher Luft durd die Wände hindurch
erhalten; die hierdurch entitehende Quft-
bewegung, die unferem Wohlbefinden ebenſo
zuträglich ift wie die durd die Bentralhei-
zung erzielte gleichmäßige Wärme, trodnet
nun im Bunde mit diefer Gegenftände und
' insbeiondere Pflanzen aus. Die Luft felbft
Nun ift längft nachgemwiejen,
aber ıft hiebei ebenjomwenig troden wie der
Wind, der uns die Wäſche trodnet, und
zahlreiche, Direkte Unterfuchungen haben
nachgemwiejen, daß die Luft, über deren
Trodenheit geklagt wurde, in neunundneun:
jig von hundert Fällen mehr als genug
Feuchtigkeit enthalten hat. Sclieklich dür-
fen wir nicht vergeflen, daß gerade Pflan-
zen zu ihrer gedeihlichen Entwidlung weit
mehr Feuchtigkeit benötigen als die Men-
ihen und daß für unjere Gejundheit eher
zu feuchte als zu trodene Yuft nachteilig
fein kann. Dft genug babe ich in Räumen
mit Zentralheizung Klagen über zu trodene
Luft vernommen. Dann bin ich ftetö zu
den Heizkörpern getreten, habe die oftmals
nur jehr fchwierig zu löjenden Verkleidungen
entfernt und babe allen Anweſenden die
difen Staubjchichten gezeigt, die auf den
Heizförpern lagerten. Der Staub aber hat
die unangenehme Cigenjchaft, ſich bei den
hohen Temperaturen, die die Heizförper auf:
weijen, zu verändern, und erhigter Staub
reizt die Schleimhäute der Naje, des Mun-
des und der Atmungsorgane im allgemeinen
genau fo wie zu trodene Luft. in allen
dıefer Fällen war die Urjache der Klage
leicht und einfach nachgewieſen.
Doch nun zu den Vorzügen der Ben:
trzlheizungsanlagen! Bei richtiger
Bahl und Aufftellung der Heizkörper er:
möglicht eine ſolche Anlage die gleihmä-
Bige Erwärmung unjerer Wohnräume, fie
gewährleijtet diejelben Temperaturen am
Fenfter wie an den Rüdmänden des Rau-
mes, und fie verhindert, daß der Fuhboden
gegenüber den anderen Flächen des Raumes
ſich mejentlih abfühlt, ein Umſtand, der
bei Dfenheizung faum zu vermeiden ift und
das läftige „Kaltwerden” der Füße nad
fih zieht. Die gleihmäßige Erwärmung
eines Raumes ift die Grundbedingung für
unfer Wohlbefinden. Wir ftellen aljo die
Heizförper dorthin, wo im Raume die größte
Abfühlung erfolgt: das ift in die Fenfter-
niihen. Auf diefe Weile läßt fich die jo
wichtige gleihmäkige Erwärmung um
jerer Wohnungen durch Zentralheizung ein«
wandfrei uud vollfommen ficher erzwingen.
Bentralbeizungen jener Spfteme, die ich
eben beſpreche, können audy ununterbro-
hen betrieben werden, ohne daß für den
Nachtdienſt bei den einzelnen Apparaten
und Keſſeln irgend eine Bedienung erfor
derlih wäre. Hierin liegt ebenfalld ein
großer Vorteil diefer Syſteme, der ſich na-
mentlih für Arbeits: und Bohnräume und
beionders bei ftrenger Kälte außerordentlich
wichtig ermeift.
Ein weiterer Vorteil der Zentralheizung
ift die vereinfachte Bedienung. Jeder Koh:
fen- und Wichentransport in den Räumen
fällt meg, dıe Feuerung für die ganze An-
lage ift an eine einzige Stelle, meiftens in
den Steller, verichoben, die Regelung der
Temperatur in den Räumen kann durd
einen einzinen Handgriff bemerfftelligt oder
auch dieje Regelung bei der Warmwaſſer—
heizung aus den Häumen entfernt und die
gejamte Regulierung z. B. vom Heller aus
vorgenommen werden.
Endlich ift die Zentralheizung nicht nur
viel beiler als die Dfenheizung, jondern in
den meiften Fällen auch im Betriebe billiger,
nicht zu gedenfen, afl der anderen damit
verbunden Annehmlichkeiten, z. B. der zen:
tralen Warmmaflerverjorgung.
Noch einige Worte über dad Anwen:
dungsgebiet der beiden genannten Syſteme.
Die Niederdrufwarmmaiferheizung
hat den großen Vorteil, daß das hiebei ver-
wendete Waſſer nicht höher als etwa 80
Grad Gelfius erwärmt wir), eine Tempe-
ratur, bei der fich der Staub noch faum ver-
ändert, weshalb bei Räumen mit Warm-
waſſerheizung weit meniger über trodene
Luft geklagt wird als bei Räumen mit
Dampfheizung. Die Regelung der Tempe:
ratur fann, wie ſchon erwähnt, von einer
einzigen Stelle aus zentral vorgenommen
werden, jodaß jede Bedienung der Heizkörper
in den Räumen entfällt. Dem Bedenken
gegenüber, die Warmmaflerheizungsanlage
fünne eventuell einfrieren, kann ich feftftel-
len, daß von hundert folden Anlagen
höchſtens eine einfriert und daß auch diefer
eine Fall ſicher auf nadhläflige Wartung und
; jorgloje Bedienung zurüdzuführen ift.
Alle
diefe Ermwägurigen fichern der Niederdrudf:
warmtwaflerheizung den erften Rang ; über-
dies ift die Lebensdauer einer derartigen,
gut ausgeführten Anlage fait umbegren;t.
Nur in einem Falle ift ihre Anwendung
nicht am Plage. Wenn Räume zu heizen
find, die einmal mehr und eınmal weniger
Wärme benötigen oder in denen fi zeit:
weilig viele Menichen aufhalten, 3. ®.
Hotels, Schulen, dann fann fih die Warm-
mwaflerheizung nicht leicht dem wechſelnden
Wärmeerfordernis anpaflen, wie denn auch
Räume, die mit diefem Syſtem verjehen find,
längere Beit brauchen, bis fie fih auf Die
vorgejchriebene Temperatur erwärmen it
daher für Räume feine gleihbleibende
Wärmeerzeugung ermünſcht, follen fie fich
innerhalb furzer Zeit auf verichiedene Tem:
peraturen bringen laſſen oder ſchwankt die
Befegung der Räume ftarf, dann wird die
Niederdrud-Warmmafjerheizung zweckmäßig
durch eine Niederdrud: Dampfheizung erjegt.
Diefe arbeitet mit höheren Temperaturen,
die Heizkörper werden auf rund 100 Grad
Gelfius erwärmt und die Gefahr der Ber:
änderung des Staubes liegt wieder näher.
Auch ift, wie bereit® erwähnt, eine Regelung
der Heizkörper in den Räumen jelbit erfor-
derlih; dadurd tritt unter jonft gleichen
Berhältnifien die billigere Niederdrud:
Dampfherzung gegen die teuere Nicderdrud
Warmwaſſerheizung zurüd,
Es gibt auch Konftruftionen von Dampf:
heizförpern, die eine Erniedrigung der
Deizförpertemperaturen von unter 100 Grad
Gelfius ermöglichen. Eine Beiprehung die-
jer Einrichtungen, die fih noch nicht allge:
mein Geltung verichaffen konnten, ift bier
nicht nötig.
Am Grundgedanken find Niederdrud-
Dampf und Wiederdrud: Barmmaflerheizung
vollftändig glei, nur daß einmal Dampf,
dad andermal warmes Wafler durch die
Anlage ſtrömt. Wenn ıd) daher zum Schlufie
ein fleines Bild einer Bentralher
zungsanlage entwerfe, jo fann diefes ſo—
wahl auf Dampf wie auf Warmwaſſer be:
zogen werden. Gewöhnlich werden im Keller
eines Haufes oder eines ganzen Häuſer—
fompleres Fleine Keſſel aufgeftellt, die den
Dampf oder das warme Wafjer zu erzeugen
haben. Dieje Keffel wurden früher meiftens
aus Schmiedeeijen hergeſtellt. Bor etwa
15 Jahren find darn aus Amerika Keſſel
aus Gußeifen zu uns berübergefommen, die
heute für Wohnungs-Bentralheizungen fait
ausnahmslos verwendet werden. Die hei-
mijche Induſtrie hat ſich in der Herfiellung
diefer Gußfefjel, die vollftändig zufammen-
gebaut geliefert werden und feiner Ein-
mauerung bedürfen, fo weit vervollfommnet,
daß ihre Anwendung aufs wärmfte empfoh:
len werden fann. Seder jolche Keſſel bildet
ein in ſich vollftändig geichloffenes Ganzes,
das ohne befonderes WPerfonal für den
Nachtdienſt ununterbrochen im Betriebe ge—
halten werden fann, ein Umjftand, der für
den angenehmen und ökonomischen Betrieb
einer folchen Anlage von großer Wichtigkeit
ift. Dieſe Keſſel werden mit allen jenen
Vorrichtungen veriehen, die für eine gute
Betriebsführung erwünſcht und für den voll»
ftändig gefahrlofen Betrieb der Anlage er:
forderlih find. Bon den Keffeln zweigen
Rohrleitungen ab, die den Dampf oder das
Waſſer zu den Heizkörpern in die einzelnen
Räume leiten, von wo wieder Rohrleitungen
zu den Keſſeln zurücdführen. Als Heizkörper
jollten heute für Wohnungen ausnahmslos
Radiatoren, das find gußeijerne, aus Ame—
rifa zu uns gefommene Heizkörper ganz be»
ftimmter Form verwendet werden, die all
den Anſprüchen entjprechen, die Nützlichkeit
und Hhgiene an fie ftellen fönnen. Beſon—
ders jei hier vor den ſogenannten Rippen-
heiztörpern gewarnt, die in Wohnungen als
gejundheitsjchädlich bezeichnet werden müſſen.
Heizkörper jollen jo wenig ald möglich ver-
fleidet werden, und bringt man Berflei-
dungen überhaupt an, jo müſſen fie eine
leichte und jchnelle Reinigung der Heizflächen
jowie eine gute Quftführung an den Heiz:
fürpern ermögliden. In neuerer Zeit
werden Wohnungs « Warmmwafferheizungen
auch fo eingerichtet, daß jedes Stodwerf
für fih oder auch jede einzelne Wohnung
bon einem in der Wohnung jelbft liegenden
Raum (Stüche) zentral beheizt werden fann.
Diejfe Anlagen, die natürlich teurer find
ald eine einzige, alle Räume umfafjende
Bentralheizungsanlage, haben den Vorteil
der Unabhängigkeit jedes einzelnen Mieters
und find im Prinzip genau fo wie die oben
jkigzierte Anordnung ausgeführt.
So einfach derartige Zentralheizungs—
anlagen nad dieſem kleinen Ueberblick er:
jcheinen mögen, jo erfordert doch ihre Her-
ftellung genaue Berechnung, peinlichfte Aus
führung und eim ausgezeichnet gejchultes
Montierungeperfonal, und es fann nicht
oft genug darauf verwieſen werden, daß
nur erfttlaffige Firmen zu der Herftellung
jolher Heizungsanlagen herangezogen werden
ſollten. Wie leicht ift man geneigt, bei
einer mangelhaft wirkenden Unlage das
Syſtem jelbft zu verurteilen, ohne dabei zu
bedenfen, daß auch das beſte Syftem bei
ſchlechter Durchführung verjagen muß.
Alle jene aber, die die Wohltat genießen,
Räume mit guten Bentralheizungsanlagen
bewohnen zu fönnen, jeien auch bei diejer
Gelegenheit wieder aufmerfjam gemadıt, daß
die peinlichfte Reinhaltung aller zur Hei-
zungsanlage gehörigen Einrichtungen und
bejonders der Heizkörper für unjer Wohl:
befinden, für die förderung und Erhaltung
der Gejundheit von größter Wichtigkeit ift.
(M. N. N.)
Die Ornithologiſche Gelellfhaft in Bayern
hat unlängft den Band VII ihrer Ber:
handlungen für 1906 erfcheinen lafjen, ein
ftattliches Werf von 28U Seiten, bei Guft.
Filder in Jena um 7 Mark erhältlich,
das pfälzijhe Material feparat um
2 Marf, Neben geichäftlichen Mitteilungen
lefen wir fünf Referate über verichiedene
Seiten des Vogellebens, zwei Diskuffionen
über Wetterlage und Bogelzug und über
Bogelnahrung. Den Hauptinhalt bilden
größere Abhandlungen, unter denen uns
befonders der „Allgemeine Bericht“ über
die Mheinpfalzs und der „Phänologiſche
Bericht” von Karl Bertram intereifieren.
Um einen Einblif in den ungemein reich
baltigen Anhalt des mit Ausdauer und
Fleiß zufammengeftellten Werkes zu bieten,
jei ein Auszug aus dem legten größeren
Beriht nachfolgend zum Abdruf gebracht.
32
Über neuere Unterfuhungen und Beiträge zur Kenntnis der Nahrung der Vögel.
Bon Dr. ®.
Auf dem Gebiete des modernen Bogel-
ſchutzes jpielt, abgejehen von den ethiſchen
und äfthetijchen Geſichtspunkten und gewiſſen
Rüdfihten auf die Erhaltung der Fauna
oder wenigſtens einzelner jeltener Arten,
die Frage nad) dem Nugen und Schaden
vieler Vogelarten eine große Rolle.
Bas nun die Begriffe von „Nuten“
und „Schaden“ der Vögel anlangt, jo hat
man fich im allgemeinen in legter Zeit
daran gewöhnt, die Verwertung der Vögel
ald Nahrungsmittel, oder für Schutzzwecke
ꝛc. nicht mit in Rechnung zu feßen und in
dieſem BZufammenhange nur von der Ein:
wirkung zu Sprechen, welche die Vögel
während ihres Lebens direft oder indireft
auf die vom Menſchen gepflegten land- und
forftwirtichaftlichen Betriebe ausüben. Dieje
Einwirfung fann je nad Vogelart und
Betriebsform jehr verfdiedener Art fein,
zu einem großen Teil befteht fie in der
Nahrung, melde der Bogel aufnimmt.
Hierbei ift als „Schaden” aufzufaffen der
all, wenn die vom Menſchen gepflegten
Pflanzen oder Xiere direft den Bögeln
irgendwie zur Nahrung dienen, ebenjo auch
wenn die jogenannten „nüßlichen” Tiere
irgend einer Klaſſe vertilgt werden. Umd
von „Nugen” pflegt man dann zu reden,
wenn die Vögel jogenannte „ichädliche”
Tiere oder Pflanzen verzehren.
Es gibt nun verjhiedene Methoden,
um in erafter Weile Aufichluß über die
Nahrung der Bögel zu erhalten:
Die eine find die direkten Beobach—
tungen lebender Bögel in Feld und
Wald, Beobadtungen, die ſowohl die Art
der Nahrung als die Häufigkeit der Auf-
nahme betreffen fünnen.
Der zweite Weg find die Fütterungs-
verfuhe an Bögeln in Gefangenſchaft.
Hierdurch fann felbftverftändlih für die
Art dev Nahrung nur wenig erforjcht,
jedoh für die Größe des Bedarfs
bezw. der Leiftung allein ein eraftes
Nejultat erbracht werden.
Die dritte Methode jchließlich find die
Unterjuhungen am toten Bogel nad
den nody im Traktus jeiner Berdauungss
organe vorhandenen Reiten, aljo des Stropfr,
Leiſewttz.
Magen- uud Darminhaltes, ſowie der von
gewifjen Arten auögeworfenen Gemölle.
Dieje Methode ift ſchon feit langem von
Forfhern angewendet worden, um erafte
Reſultate über die Art der Nahrung bei
den Bögeln zu erhalten.
Mit jeder Einzelunterfuhung nimmt
man nur eine Stichprobe aus dem ganzen
Leben des Bogels, nämlih man fann nur
darüber etwas erfahren, was der Vogel
in einem gewifjen, wahrſcheinlich nicht zu
langem Zeitraum (einen oder wenige Tage)
vor der GErlegung aufgenommen hat, und
mas ſich davon in mehr oder weniger ver:
dautem Buftande, ſowie in unverdaulidhen
Reiten in den unteriudten Teilen des Ber
dauungstraftus erhalten hat.
Um nun eine Anſchauung von dem zu
geben, was mit joldhen Unterjuhungen er-
zielt worden ift, feien im Nadfolgenden
als Beilpiele die Rejultate von einigen
Unterfuchungen angegeben, die auf verhältnis-
mäßig großes Material begründet find.
I
Für den Mäujebuifard (Buteo
buteo [L.]) laffen fih den Arbeiten von
Rörig, der wohl die weitaus größte Zahl
bon Mägen diefer Vogelart unterjucht Hat,
folgende Ergebniffe entnehmen:
1122 Bufjarde hatten im Magen die
Nefte von
1. Jagdwild und Haustieren:
4 Reben,
22 Hajen,
10 Junghaſen,
15 Staninden,
18 Rebhühnern,
11 Fafanen,
3 Haushühnern,
5 Tauben.
2. Sonftigen Tieren:
108 Maulmürfe,
94 Spitmäufe,
9 BWiefel (großes und fleines),
1711 Mäuſe (hauptſächlich Feld-
mäufe),
10 Mollmäufe (Arvicola amphi-
bius),
3 Ratten,
46 Hamfter,
2 Eichhörnden,
18 mittelgroße Vögel,
22 Stleinvögel.
3. ferner murden gefunden (angegeben
nad) der Häufigkeit des Vorfommens, nicht
nad) der Bahl der Beutetiere):
bmal Refte von Fijchen,
I, u» Brölcen,
5, u» Unfen und Aröten,
39, Eidedhien,
24 „ u» Blindfchleichen,
6, „u NRingelnattern,
20 „ u» Infelten,
Il, # „ Regenwürmern.,
NRöriyg berichtet dann in jeinen Arbeiten
noch ausführlich und eingehend über einzelne
wichtigere Fälle und über das Gejamt
refultat. Bir entnehmen diejen Bemerfungen
folgendes zur Erläuterung der oben ange-
führten BZahlenüberfichten :
Die Weite von Reh (4mal), nämlich
Ballen von Haaren und einmal etwas
Wildpret, laſſen megen der Jahreszeit
(Dezember, Yanuar Zmal und Februar)
mit großer Wahrjcheinlichfeit den Schluß
zu, daß es ſich hierbei um Fallwild ge:
handelt habe, an dem die Buffarde gefröpft
hatten, da diejer Bogel wegen feiner ſchwachen
Fänge überhaupt nicht ımftande iſt, drei:
vierteljährige Kitze oder Schmalrche zu
Ichlagen.
Tie Reſte von alten Hafen (22) und
von Fajanen (11) wurden fajt nur in
den Mägen jolcyer Bufjarde gefunden, die
in den Monaten September bi8 März cr:
legt worden waren. Infolgedeſſen fann
man wohl ebenfalld annehmen, daß es fid)
hier meift um franfe, angejchojjene oder
verendete Tiere gehandelt habe,
Ähnlich Liegt die Sache bei den Reb—
hühnern (18), die ebenfalls in der größten
Mehrzahl in der Jagd- und Winterzeit
aufgenommen wurden.
Die Zahl der Junghaſen (10) iſt
im Bergleihh zur Bahl der unterjudten
Bufjarde und zu der Menge der anderen
Beutetiere ähnlicher Größe (3.8. 46 Hamfter)
jo gering, daß man wohl annehmen darf,
die jungen Häschen jeien durch ihre Färbung
und ihr Verhalten vorzüglich vor den Raub:
vögeln gejchligt und das Borhandenjein von
Bufjarden belanglos für den Hafenbeftand
eined Revieres.
Bejonders zu betonen wäre wohl nod
die Zahl der vom Buflard erbeuteten
Hamiter (46 Stüd), melde als jehr hoch
angejehen werden muß in Anbetracht der
verhältnismäßig geringen Verbreitung des
Hamſters in Deutjchland und des meiteren
Umftandes, daß der Hamfter einen großen
Teil des Jahres im Winterlager ſich be-
findet, aljo fiir Raubvögel nicht erreichbar ift.
Bezüglih des Mäufefanges von
jeiten des Bufjardes ergeben ſich verjchiedene
interejlante Tatſachen:
1) Die Buffarde obliegen das ganze
Yahr über glei eifrig dem Mäufefang,
troßdem es ihnen im Sommer durd die
höhere Pflanzendecke viel mehr erſchwert
jein dürfte als zu den Zeiten, wo die
Felder kahl find.
2) Daß die Buffarde fih in mäufe-
reihen Jahren ganz überwiegend von
Mäufen ernähren; in merfwürdiger Be-
ziehung dazu fteht der Umftand, daß Rörig
gerade in dieſen Jahren auch die meiften
Bufjarde erhielt.
In ſolchen Beiten aber, in denen die
Bufjarde nur wenig Mäuje finden, nehmen
fie mit anderen Eleinen Tieren vorlieb (In—
ſekten, Amphibien u, a.), die Übrigens aud)
jonft bei vormiegender Mäufenahrung eine
mehr oder weniger regelmäßige Beigabe
bilden. Jagdwild findet man in mäuje-
armen Jahren nicht häufiger im Magen
der Bufjarde als in mäufereihen Jahren.
Bezüglich der Aufnahme von Inſekten,
die am wenigſten allgemein befannt jein
dürfte, jeien bier noch einzelne Beijpiele
nadgetragen, da in der obigen Bufammen-
ftellung nur die Zahl der Fälle, in denen
Inſekten überhaupt im Mageninhalt vor:
gelundeu wurden, angegeben ift. Es wurden
vom Bufjard Inſekten der manigfachiten
Arten und Größen und verfchiedener Ent-
widlungsfiufen aufgenommen, fo 3.8. Lauf:
fäfer, Maifäfer (häufig), Julikäfer, Dtift-
fäfer (häufig), Plattfäfer, ugelfäfer, Trauer-
fäfer, Aaskäfer, Schnellläfer, Bockkäfer,
Drahtwürmer und andere Säferlarven,
Schmwärmerraupen, Eulenraupen (häufig),
Scmetterlingseier, Ohrwürmer, Gras:
hüpfer und Heufchreden (häufig), Feld
grillen (häufig), Maulmwurfsgriflen (häufig),
Vibellen, Banzen, Blattwespenlarven.
Dabei fcheint der Buſſard manchmal
eine ziemlich große Anzahl von einer Art
Inſekten aufzuleien, jo fand Rörig einmal
7 Maulmwurfsgrilien, ein andermal 12
Worzenbeißer (Decticus verrueivorus), ein
andermal 28 Haupen vom Piejernihwärmer
(Sphinx pinastri) und einmal fogar 64
Erdraupen (Agrolis sp.).
Il.
Für den Rauhfußbuſſard (Archi-
buteo lagopus [Brünn)), der bei uns in
der Regel nur im Winter ſich aufhält,
ftammt die größte Scrie von Unterfuhungen
ebenfalld ven Rörig.
Er fand in den Mügen von 362 Raub-
furbuflarden die Reſte von:
Il. Jagdwild:
2 Junghaſen,
3 Stanindıen,
6 Rebhühnern,
I Faſanen.
2. Sonitigen Tieren:
18 Maulwürfen,
14 Spitzmäuſen,
1280 Mäuſen,
3 Hamſtern,
6 Wieſeln (großes und kleines),
3 mittelgroßen Bögeln,
I kleinen Vogel,
Inſekten 2 mal,
Für den Rauhfußbuſſard treffen in
mancher Beziehung aud die beim Mäuſe—
buffard gegebenen Erläuterungen zu.
Ebenio har Rörig vom Turmfalfen
(Tinnunenlas tinnuneutns L) die meiften
Mägen unterſucht. Seine Rejultate find:
Die Mägen von 481 Turmfalfen ent:
hielten die Reſte von
I Junghaſen,
3 Spitmäufen,
597 Mäuien,
19 Stleinvögeln,
I mittelgroßen Vogel,
Reite von Gidechien,
Imal Reſte von Blindichleiche,
119mal Reſte von Inſekten (Raupen,
Srıllen, Maulmurfsgrillen, Heu-
ſchrecken, Miſtkäfer, Maifäfer ujw.),
Imul Hefte von Spinnen.
ferner Imal
Bon 481 Turmfalten batten fi 414,
alfo 86", an der Mäufejagd beteiligt.
Gemölle des Turmfalfen baben
W. Baer und DO. Uttendörfer in größerer
Zahl unterfucht und dabei folgende Rejul-
tate erhalten:
202 Gewölle des Turmialten (fttammend
aus den Monaten Januar—April) ent»
hielten die Reſte von:
180 Feld- und Wühlmäufen,
4 echten Mäujen,
I jpigichnäbeligen Vogel,
I Maulwurfsgrile,
1 Feldgrille.
wenigen Näfern und Engerling (?)
IV.
Bom Hpühnerhabicht (Aslur palum-
barius [L.)) madıt Rörig folgende Aus«
gaben:
164 Hühnerhabichte
Stoffe im Magen:
1. Jagdwild und Haustiere:
21 Haſen,
3 Kaninden,
40 Rebhühner,
T Faſanen,
6 Haushühner,
10 Tauben.
2. Sonftige Tiere:
31 Diäufe,
2 Hamſter,
19 Eichhörnden,
1 Katze,
2 Wieſel,
21 mittelgroße Vögel (Eichel—
heher, Krähen, Bläßhühner,
Spechte uſw.),
ZU Kleinvögel (Stare, Drofjeln,
Sperlinge ufw.).
V.
Gleichfalls liefert Rörig für den
Sperber (Accipiter nisus [L.]) die größte
Unterfuchungsreibe:
Bei 393 Sperbern wurden nachgewieſen;
4 junge Rebhühner,
I Taube,
I Fledermaus,
2 Spitzmäuſe,
1 Wiejel,
170 Mäuſe,
hatten folgende
4 mittelgroße Bögel,
378 Kleinvögel.
außerdem fanden fi
4mal Inſektenreſte vor.
VI.
Über die Nahrung der Eulen (Stri-
gidae) bringt Geyr von Schweppen
burg eine Zufammenitellung der Rejultate
verjchiedener Unterfuher (Altum, Baer,
Geyr, Jaeckel, Rörig, Uttendörfer
u. a.), die hier wiedergegeben ſein möge.
6025 Gewölle der Waldohreule
(Asio otus ILP enthielten die Reſte von:
40 Maulwürfen,
57 Spitzmäuſen,
1442 echten Mäuſen,
107 Rötelmäuſen (Arvicola glareolus)
8307 Wühlmäuſen (die übrigen Arvicola-
Arten),
171 Bögeln,
47T Fröfchen,
8 anderen Beutetieren (Siebenjchläfer,
Hamfter, junge Haſen und
Kaninchen).
13100 Gewölle der Schleiereule
(Strix flammea [L.]) enthielten:
74 Maulmwürfe,
12926 Spigmäuje,
67 Fledermäuſe,
65 Ratten,
9494 echte Mäufe,
328 Rötelmäuje,
18936 Wühlmäufe,
650 Bögel,
161 Froͤſche,
9 verschiedene andere Beutetiere (Wie-
jel, Hafelmäufe und einige Vögel).
vb. Geyr gibt [, c. auch für andere
Eulenarten (Steinfauz, Waldkauz, Sumpf-
obreule) Reſultate folder Gemöllunter-
ſuchungen, doch iſt das Material nicht jo
groß, als bei den eben erwähnten Arten
und ed möge daher die ſpezielle Anführung
bier unterbleiben und nur furz bemerft fein,
daß aud bei diefen Eulenarten die Wühl:
mäufe einen hohen Brozentiag (58— 88"),
35 —
die kleinen Nager zuſammen genommen,
70—90 6 der Nahrung ausmachen.
Bur weiteren Ergänzung jeien ın folgen-
dem die Reſultate einiger Magenunter:
fuhungen gegeben, welche mit den Er:
gebnijjen aus den Gemöllen gut liberein-
ftimmen.
Rörig unterjudhte 212 Mägen des
Waldkauzes (Syroium alnco [L.]) und
fand die Reſte von:
5 Maulmwürfen.
25 Spigmäufen,
120 Wiühlmäufen,
20 echten Mäujen,
2 Junghaſen,
1 Wieſel,
5 mittelgroßen Vögeln (Eichelheber,
Rebhuhn, Taube),
42 Aleinvögeln,
2 mal die Neite von Eidechſen,
32 „ Fröſchen,
über 0 u u u u „ Dnjeften
(Makäſer, Miſtkäfer, Maul-
wurfsgrillen, Heuſchrecken,
Raupen uſw.).
Desgleichen unterſuchte Rörig die
Mägen von 309 Waldohreulen (aAsio
otus [L.]) und fand darin die Reſte von:
19 Spigmäujen,
2 Fledermäujen,
587 Mäuien (Wühlmäuje und echte
zujammen),
1 Wiejel,
23 Kleinvögeln,
Imal Reſte von Eijchalen,
einem Froſch,
Inſekten.
ferner
A “ "
l " n „
I 2 " ” u
Es jei abfichtlich vermieden, an dieſe
Beijpiele noch weitere Betrachtungen über
Nutzen oder Schaden der einzelnen Arten
zu fnüpfen.
Mögen aber doc; die mitgeteilten Zahlen
und Tatjahen zum Nachdenken anregen
und diejes zur Folge haben, daß manche
unjerer Raubvogelarten in höherem Maße
als bisher vor der Stugel oder den Qualen
des Pfahleiſens bewahrt bleibe,
Bas Hagelſchießen.
S.WK Das Befämpfien des Ha—
geld buch Schießen mit Böllern ift ein
Ion jeit langer Zeit verbreitet geweiener
Braud, der Hauptjählih in Gegenden mit
Anbau von Üdelgewädhien großen ...ıgen
veriprad. Die allgemeine Aufmerkjamfert
wurde jedoch erft im Jahre 1896 auf dıes
Berfahren gelenft, das bie Landwirtſchaft
von einem ihrer ſchrecklichſten Feinde be-
freien wollte.
Dürgermeifter Albert Stiger in Bindiid-
Damald unternahm der :
Freiftrig (Steiermark) den Verſuch, jeine :
Beingärten durch das Hagelſchießen zu
fügen. Er ging dabei von der Anficht aus,
dab, wenn bie jedem Hagelwetter voran-
gehende Ruhe der Atmoiphäre geftört wird,
dann auch die Bildung des Hagels nicht
mehr ſtattfinden fünne ; und um die Schall⸗
mwirfung, der der Bollöglaube die Haupt-
rolle bei dem Borgange zuichrieb, zu ver
ftärfen, bradjte er auf den Rat des Oberſten
Mundy über dem Böller einen trichterför-
migen Auffag aus Eıifenbleh an. Der Er-
folg biefer Anordnung war überrafchend,
die Stunde, daß es fiber den Stigelichen
Beingärten nıht mehr hagle, erwedte überall
den größten Jubel; ed wurden (Stalien)
Konjortien gebildet zum Zwecke eines plan:
mäßigen Vorgehens, man jchuf ein Signal
ſyſtem ufm. Die Zahl der Stationen wuchs
rapide und betrug ſchon im Jahre 1900
allein in Stalien gegen 1300. Man war
zwar immer nod Über den Mechanismus |
| Beriiherung beſſer und mit weniger
der Wirfung des Hagelſchießens im Unge
miflen, doc was bedeuteten die Zmeifel der
Gelehrten und ihre auf theoretiihen Er:
mägungen gegrlindete Bedenfen gegenüber
den glinftigen Erfahrungen der Praktiker,
die täglidy von neuen Erfolgen zu berichten
mußten. Nur der energijche Proteſt des
Direftors der Öfterreichifchen meteorologijchen
Bentralanftalt, Prof. Bernter, verhinderte
ed, dab ein Antrag auf dem ;meiten ınter-
nctıonalen Werierichieh- Rorgreß, der im
ihre 1900 zu Badza abgejalten wurde:
„Lie Birkiamkeit des BWetterihießens je
nicht nur praktiſch feitgeitellt, jondern habe
auch wiſſenſchaftlich als erwie ſen zu gelten“,
zum Beihluß erhoben wurde. Tod dieſer
Kongreß ſtellt leider den Höhepunkt der
Begeifterung für das Wetterſchießen dar.
Echon die für den Sommer 1902 nad
Prag einberufene Experten Konferenz. fam
nad eingehender Würdigung des vorliegen-
den Material zu dem Ergebnis, dab die
Birfjamfeit des Wetterſchießens nıdt nur
als zweifelhaft, jondern als unwahricheinlich
zu betradten je. Rod vernichtender iſt
die Kritif des Profeſſors Prohaska, eines
der hervorragenditen Gemitterforicher über
die Ergebnifje des öſterreichiſchen Wetter
ihießens im hagelreihen Jahre 1904, wo
gerade die durch Kanonen beichügten Ge—
biete beionders heimgejuht wurden. Auch
die in Frankreich angefiellten Beriuche mit
in der Höhe erplodierenden Rafeten haben
bei genauer Nachprüfung nur zu negativen
Refultaten geführt. Eine große Yllufion
ift damıt zu Grabe getragen. „Die Land:
wirte - jo jchliekt Prof. Dr. B. Deifau
eine Betrahtung über „Das Ende des
Hagelichiekens” in Nr. 29 der „Umichau“
(herausgegeben von Dr. %. 9. Bechthold,
Frankfurt a. M.) — müſſen zufehen, ob fie
nicht auf dem Wege einer allgemeinen
Koiten als dur einen ausfidhtslojen Kampi
die Schäden des Hagels lindern fünnen,
Der Pſychologe aber mag nachdenkliche Be-
tradtungen anftellen über die Rolle der
Suggeition im Leben der Maſſen — eine
Rolle, die in der Geichichte des Hagelſchie
Bend mieder einmal eigenartig zutage ge:
treten ift.“
Feſtlegung des Oſterfeſtes.
Mit dieſer Frage befaäßte ſich nad
beſchlußmäßig an das Reichsamt des Innern
Zeitungsmeldungen der Ausſchuß des zu richtenden Eingabe entnehmen wir
Deutſchen Handwerks: und Gewerbekammer- | folgendes:
tages, der am 14. und 15. Februar Die Feier des Dfterfeftes findet all:
n Münden eine Sitzung abhıelt. Der
|
jährlid” an jedem Sonntag ftatt, der zu:
nächft auf den Frühlingsvollmond fällt; | erit in der zweiten Hälfte des Monats
als jolcher wird derjenige angefehen, der | April jtatt, jo wird, weil auch Pfingiten
am Tage der Frühjahrs- Sonnenmwende, | fi nach dem Ofterfeft richtet, vielen Ge—
dem Stalendertag der Tag: und Nachtgleiche | jchäften die Sommer: und Herbitjailon ver
im Monat März oder nach diefem eintritt. | kürzt und das Geſchäft nachteilig beeinflußt.
Dies hat zur Folge, daß das DOiterfeft in | Aus diefen und anderen Gründen Hat ſchon
die Zeit zwifchen dem 21. März und 26, | in früheren Jahren eine Bewegung du:
April fallen kann. Es befteht jomit ein für eingefegt, den Diterfeft-Termin
Unterfhied von 35 Tagen, zwilchen | Feitzulegen oder wenigftens jeine
denen das Diterfeft hin- und herfchwanft. | Beweglichkeit einzujhränfen. m
Diefe weitgehenden Schmwanfungen haben | beionderen Maße beteiligte ſich hieran der
Mißſtände mannigfaher Art gezeitigt, | Direktor der Berliner Sternwarte und
ganz befonderö aber machen ſich dieje fühl- | Mitherausgeber des preußiichen Normal:
bar für die Schule und das Geſchäfts- falenders Geheimrat Profeſſor Förſter,
leben. In vielen Teilen des Deutichen | nach deſſen Borfchlag die Schwanfung auf
Reiches richtet jich die Entlafjung der Volks- die Zeit vom 4. bis I1. April eingeichränft
ichüler wie auch der Semefterihluß an | werden follte, was ficher eine danfenswerte
höheren Schulen nad dem beweglichen | Berbefferung bedeuten mwirde, Aus der
Oſterfeſt. nfolgedefien werden die aus | von Profeſſor Förfter verfahten Schrift
der Schule auötretenden Scitler ın einem | „Das Ofterfeit und die Einheitlichfeit des
Jahr Schon Ende März, im anderen Jahr | Kalenders“ ift zu entnehmen, daß Bedenfen
erit Ende April entlaffen. Nach der Zeit | kirchlich dDogmatiicher Art nicht vorhanden
der Schulentlaffung richtet fich auch der | find. Weiterhin bat ſich aud der berühmte
Eintritt in den zu ergreifenden Beruf der | Nationalötonom Wilhelm Roſcher ın Lerpzig
jungen Leute. Der ungleiche Eintritt in | in jeinem Buche „Seiftliche Gedanfen eines
die und der Austritt aus der Lehre bringt | Nationalöfonomen“ für die Feſtlegung des
aber für den Gejchäftöbetrieb oft uman- | Dfterfeftes auf einen beftimmten Sonntag
genehme und manchmal erhebliche Störungen | ausgeiprocdhen, Die Bemühungen des Ge:
mit fih. Auch kann es vorfommen, dab | heimrats Brofejlor Förſter bei den maß—
ein Schüler, der nad) Semefterichluß jofort | gebenden firhlihen und weltlichen
als Freiwilliger in da8 Heer eintreten will, | Inftanzen der ganzen Fulturmwelt
nicht mehr die Möglichkeit hiezu befigt, da | ergaben im Jahre 1895 das überrajchende
der Schluß der Schule erit nach dem 1. | Rejultat, daß alle, auch der rämifche Stuhl,
April ftattfindet, weil Oſtern erſt auf | einer Reform der Öfterrehnung
diefen Termin fällt. ı grundfäglid zuftimmten. ine Yus-
nahme madjte nur Rußland, Neuerdings
|
)
Noch empfindlicher aber treten die \
Schäden der Beweglichkeit des Oſterfeſtes hat num Profeſſor Förfter die Reform der
in vielen Zweigen des hochentmwidelten Ge—
Ihäftslebens unierer Kulturſtaaten in
die Erjcheinung. Fälle Oftern früh, dann |
ift zumeift das Wetter noch jehr raub und
kalt, und diejenigen Gewerbe, die auf den | nahme finden, da inzwiichen die mahgebenden
Saifonverfauf des Frühjahrs angemiejen | Verfonen gewechjelt haben. Mit diejer Frage
find (insbefondere Befleidungögemwerbe), ere | wird fich aud der nächſte internationale
Ofterrehnung in Wetersburg wieder an—
geregt.
Es iſt die Möglichkeit nicht ausgeſchloſſen,
daR Vorichläge nunmehr eine andere Auf-
Brälzifche Mild- und Jagd-Beobachtungen.
Mit Anfang diefes Monats it die | fih eine Zeitlang ungeftört ıhres Lebens
Jagd abgebiafen worden; die Scunzeit | freuen. Es dürfte nun nicht unintereffant
des Wildes beginnt und Has, Reh, Neb | jein, einige Streiflichter auf die Jagd—
huhn und viele andere Wildtiere fünnen | ergebmfje in den einzelnen Gebieten der
Pfalz zu merfen und einen kurzen Rückblick
auf Erlegung bemerkenswerten Wildes im
vergangenen Jahr zu geben. Unter mancher-
lei Erfolgen und Mißerfolgen der pfälzifchen
Hubertusjünger tritt hervor, daß in den
Rheinanlagen bei Speyer von 14 Schüßen
die rejpeftable Bahl von 350 Haien zur
Strede fam. Auch eine Treibjagd bei
Mußbach zeigte auf 24 Schügen 230 Mit-
glieder deren von Yampe, mährend bei
einer größeren Treibjagd auf dem Donnerö-
berg von 20 Schügen nur 2 Hafen geftredt
merden fonnten. Hieraus aber auf die
Geſchicklichkeit allein, oder nur auf den
Bildjtand genaue Schlüffe ziehen zu wollen,
dürfte doch nicht angängig fein. Während
echte Jünger des Weidmerfes alles uuf-
bieten, um zum Schufje zu fommen, find
oft Gelegenheitsjäger von der launiſchen
Göttin Diana auffallend begünjtigt. So
gebt die Sage, daß Kaminkehrer und Wirte
jehr oft Jägerglück haben, auch die Schul:
lehrer und Bädagogen überhaupt follen
einen beionders trefflihen Unlauf haben
und von ıhmen gilt der Spruch „Quisquis
amat cervam, cervam putat esse Miner-
vam.* Won bemerfenswertem, in der Pfalz
voriges Jahr zur Erlegung gefommenem
Wild fünnen wir regiftrieren: Am 20.
Februar eine Xafelente bei Lambsheim.
Am 12. Auguſt ein Eremplar des großen
Brachvogels (Mumenius arquatus) bei
Erpelsheim. Diefer Bogel foll früher nad
Medicus „Bavaria, Rheinpfalz” häufiger
bei uns vorgefommen jein. Die erite
Scnepfe meldeten die Zeitungen am 15.
April bei Diedesfeld. Werdmannsglüd auf
Auerhähne fam am 18, April aus dem
Bezirt Schwarzjohl, am 25. und 26. April
von Johanniskreuz, mo 4 Eremplare er:
(egt wurden, zur Stenntnis, Am 13. April
wurde eine Auerbenne in einem Garten zu
Bad Dürfheim lebendig erbeuter, was ficher
bei dem jo jcheuen Wilde ſelten vorfommen
dürfte. Füchſe in größerer Anzahl wurden
am 6, Mai im Waldgebiet von Waden-
heim ausgegraben, ebenjo 5 Kohlfüchſe im
Abteil Hülfel bei Wolfftein, wo zur ſelben
Zeit auh 3 Edelmarder zur Erlegung
famen. Bon Pirmaſens aus wurde am
4. November gemelder, dat in der Nähe
der Bapiermühle Windsberg eine mächtige
Wildkatze von einem Meter Länge und 40
Zentimeter Höhe geichoffen wurde. Es
ftebt Seit, daß die Wildfage in der Pfalz
häufiger ift als im übrigen Bayern. Das
naturbiftoriihe Mujeum in Raijerslautern
ſoll vier Eremplare beſitzen. Die Babhl
der in der Pfalz mildlebenden Säugetiere
gibt Medicus auf 57 an. Unter dieſer
Babl befinden fih 14 Handflügler, 7 In—
jeftenfrefier, 12 Raubtiere, 15 Nagetiere,
1 Didhäuter, 6 Wiederfäuer und 2 Ein-
bufer. Diefe Aufftellung ift einem Jahres
bericht der Bollichia entnommen. Dieſelbe
Beitichrift gibt die Zahl der pfälziſchen
Bögel auf 252 an, nämlich 97 Singvögel,
6 Schreivögel, 9 Nlettervögel, 30 Raub-
vögel, 4 Tauben, 8 Hühner, 50 Sumpf-
vögel und 48 Schmwimmvögel. Die Zahl
der Fiſcharten beträgt 37, darunter 2,
welche ın Südbayern fehlen. Aus Ge—
ichildertem dürfte zur Genüge die Reich
haltigfeit der pfälziichen Tierwelt dargetan
fein. Stein abzumeifender Gedanke möchte
der fein, darauf hinzuwirfen, daß die ver-
jchiedenen Arten, jomweit fie feinen nennens-
werten Schaden verurjacdhen, erhalten bleiben,
rejp. gefchont werden. Luft und Liebe zur
beimifchen Tierwelt ift mit ein Grundzug
zur Stärfung und Erhaltung der Bater-
landsliebe.
Die Gefolgſchaft des Menſchen.
Bon Hermann Fön, Hannover.
Schluß.)
Die Jahre gehen, die Bäume halten |
ihon ihre Zweige über das Haus, die
Stadelbeerbüjche hängen über den grauen |
Baun. Im Garten blühen bunte Blumen. |
Rund um die Anbauftelle mußte jedes
Jahr ein Stüf Heide vor Wieſe und Ader |
zurücdgehen. Und jedes Jahr brachte neue
Bäfte. Zuerſt brütete ein Paar Feldipagen
unter dem Dache. Dann fiedelte fich die
weiße Bachftelze an. Als jehs Kühe auf
der Weide waren, fam die gelbe Bachjtelze
hinzu, und nad) ihr ein Paar Elftern. Der
Maulwurf war jchon lange da, die Wühl- |
ratte auch. Auch die WBanderratte ftellte
fi) ein, wurde aber vertilg. Den Haus-
mäufen folgte das Fleine Wiejel. Zwiſchen
den Heidlerchen fingen Feldlerhen. Haus:
ipagen fommen vom fernen Dorf zu Bejud;
ichließlih baut ein Baur. In einem alten
Kaften, den der Bauer an den Stall hängt,
brütet der Star. Die Hajen werden
häufiger; um die jungen Kohlpflanzen müſſen
ihon Scheuchen geitellt werden. Auf ein:
mal iſt aub ein Rebhuhnpaar da und
bringt die Brut hoch; der Hahn lockt
jeden Abend und alle Morgen. Am Bad:
hauje hat der Fliegenichnäpper fein Neft,
im Stall wohnt die Rauchſchwalbe.
Weiter oben im Moore jteht noch eın
Haus, ein neues; es trägt ein Ziegeldach.
Bon deſſen Firft ſingt der Hausrotſchwanz.
Im Schafftalle brütet das Steinkäuzchen.
Hollunder und Flieder blühen dort; in
ihnen Elettert fingend der Gartenjpottvogel
umber. Jeder der ſechs Starfäften iſt be-
jegt. Das Rad auf dem Dache itand drei
Jahre leer; jet flappert der Storch darauf.
Eine neue, dem Moore fremde Tierwelt
ergriff Belig von den beiden Flecken Bau-
landes, zu dem die Anjiedler das Urland
ummandelten. Sin der Fährte des Menſchen
rüdte feine Gefolgihaft an.
Dieier Vorgang, der fih heute überall
wiederholt, wo der Menſch das Urland zur
Kulturſchicht macht, ift jo alt, wie alle
menjichlihe Kultur, Schon der Wander:
birt griff in die Zufammenjegung der Tier-
mwelt eın. Der Jäger und Fiſcher der
Urzeit tat das noch nicht. Er ſtand nicht
über der Tiermwelt, er lebte in ihr; er war
nicht ihr Herr, er war nur der ver»
39
ſchlagendſte, gefährlichfte Räuber. Mit jeiner
und Seuchen zurücgehaltenen Vermehrung
brachte er es zu feinem feſten Gejcäfts-
gefüge, jo daß jein Einfluß auf die Tier
welt gering war.
Er hatte feinen feſten Wohnfig; eine
Horden zogen den Beutetieren nach, man-
derten ihnen entgegen. Er wehrte die Raub:
tiere ab, jo gut er ed fonnte, und tötete
von den Nugtieren jo viele, als er friid)
aufbrauden oder durch Eis, Rauch und
Sonne aufbewahren fonnte. Er jagte nie
zum Vergnügen, immer nur zum Bedarf,
und fo vertrieb er fein Tier, rottete er
feine Art aus und lodte auch Peine fremden
Arten an,
Das wurde anders, ald der Wander:
birte auftrat. Der mußte fein Bieh gegen
die Raubtiere jchügen; er war auch ge-
zwungen, die Wildpferde und Wildrinder
ju vertreiben oder auszjurotten, denn zur
Brunftzeit näherten fie fi feinen Herden,
brachten wildes Blut in das zahme, lodten
brünftige Stüde in die Wildnis, kämpften
jeine Hengfte und Bullen zu Schanden.
Darum befehdete der Menfch fie jo gut wie
er fonnte, jchredte fie mit Slappern und
Feuern fort, holzte ihre Berfiede ab, brannte
ihre Schlupfwinfel aus, rottete manche Art
ganz aus, rieb andere bis auf fleine Be-
fände, die in unmirtliden Gegenden übrig
blieben, auf. Aber jo wie er mit Art und
Feuersrand das Land kahl machte, ſchuf er
ſolchen Tieren, die die Steppe lieben, Da-
jeinsbedingungen, und mande Art, die vor
jener Zeit jelten gemwejen fein mag, mie
Neb, Haſe, Feldhuhn und Wachtel, wird an
Bahl zugenommen haben.
Andere Tiere dagegen, die in dem Lande
bisher wenig Nahrung und Brutgelegenheit
fanden, wie die Schwalben, merkten, daß
ih ihre Nefter an feiner NRindenhütte, an
jeiner Fellkibittke ebenſo gut bauen ließen,
wie an den Klippen des Mittelmeeres, und
da die Fliegenſchwärme, die fein Vieh ums»
jummten, ihnen reichlide Nahrung boten,
jo fiedelten fie fich bei ihm an, wie fie heute
noch bei den Wanderhirten Nordafiens leben.
Als der Menſch aus dem Wanderhirten
BWeidebauer wurde, fi ein feftes Haus
baute, ih umzäunte VBiehweiden ſchuf, auch
ein wenig Ader- und Wildwiejenbau trieb,
geringen, durd) ewige Stammeskriege, Hunger
da bot er wieder einer ganzen Anzahl von
Tieren füdlicher und öftlicher Herkunft be»
queme Dajeinsbedingungen. Südliche Fle—
dermäuje, die im Norden bisher feine warme
Schlafräume fanden, ftellten fi in feinen
Gebäuden ein; die Hausmaus folgte dem
Setreidebau, das kleine Wiefel und der
Steinmarder der Hausmaus, und eine Bo:
gelart nad) der anderen rlidte vom Süden
nad Dften vor und nahm von dem Lande
Beiig. Damals werden fih der Stord
und der Stiebig, die weiße und die gelbe
Bachſtelze, die Elfter und die Dohle, bie
vier Kürger arten, ber KRedebobi, die Man⸗
del? rãhe und das Stemfä:ihen bei un:
nıebergelafien haben, cUes Fögel, die freies,
tteppenährlidies Gelände, Zırien oder dıe
Hähe von Reidenich brauden, sm bei uns
beauem leben zu fönnen.
Je meäsr der Menich zum Aderbau
überging, je mehr fremde Getrerdearten er
anbaute, je enger ſich die Weiler zu dori—
lichen Berbärden einınder drängten, ſich
mit Stragen verbanden, je mehr Urland zu
Beide, Ader und Birte umgewandelt wur de,
um jo mehr nahm dort die uriprünglide
Zierwelt ab, um jo ftärfer war die Ein:
mwanderung und Bermehrung fremder Arten.
Immer mehr breitere ſich die Kultur
aus, immer mehr ichrumpite das Urland
juiammen. Aus Dörfern wurden Flecken,
aus Fleden Städte. Um jede Niederlafiung
bildete ſich ein neues Stüf der Kultur
ihicht, das dur Wege und Straßen mit
den älteren Aulturflächen verbunden mar;
immer mchr wurde die alte Tierwelt zu
rüdgedrängt, immer mchr breiteren fich die
neuen Formen aus und fie erhielten neuen
BZuaug.
Die großen Ummälzungen, die die Böl:
fermanderungen und die Feldzüge der Römer
in politiicher Beziehung brachten, hatten auch
in botanischer und zoologiſcher Hinſicht be:
40
deutenden Einfluß. Die wandernden Volks-
mafien fdhleppten neue Fruchtarten mit, '
denen neue Schädlinge folgten, wie die alte
Dausdratte, die dann am Ausgange des
Diittelalters wieder von der Wandirı itie
verdrängt wurde.
Aud die Eroberung Nordweſtdeurſch
lands durch die Franken wird neben vielen
Nutz- und Zierpflangen mande wilde Tier-
art des Südens zu uns gebradt haben,
und da die Streuzfahrer eıne ganze Anzahl
jüdlider Nug- und Ziergewächſe, jo auch
die Springe, einführten, jo iſt anzunehmen,
daß um dieje Zeit die ſpaniſche Fliege, die
an Springen frißt, und einer unjerer beiten
&ingvögel, der Gartenlaubvogel, bei uns
eingemwandert find, denn er findet fich faſt
nur in folden Gärten und Anlagen in
denen viele Springen stehen.
—
mebr jein Stratzen- und Schienenneg €
mir dem Süden und Tien verbindet, um
‚0 mehr drängt die Tierwelt des Südens
und THens nad uns Yin.
Tözel, nad ibrer gınzen Lebensweiſe,
nah Fardung und Stimme ausgeiprodgene
Stepseutiere, wie Haubenlerche und Grau-
ammer, )isd erit jeit verhältnismäßig kurzer
Zeit be: uns heimih. Der Sausrot-
ſchwanz, urtprünglih ein Rlippenpogel der
Diiıtelmeerlärder, tinder, daB es fih auf
unleren fünhlihen Alivpen, den Dächern,
ebenio gut leben läht, wie im Süßen, und
jo bürgerte er fib vor hundert Jahren bei
uns ein; der Girlitz, ein bübicher Fleiner
Fink Züdeurspas, Borderahens und Nord:
afrıfas, ı'r jeit ungefähr fünfzig Jahren bei
uns heimiſch geworden umd nımmt mit der
Zunahme des Tbitbaues ftändig zu, und es
ift nicht unmwahrjcheinlich, daS fich auch die
Zwergtrappe, ja vielleiht jogar das Step:
penhuhn, auf die Dauer bei uns jeßhaft
maden.
Bei vielen Tieren, von denen man an:
nehmen fann, dat fie zu der eingewanderten
Tierwelt Deutichlands gehören, läßt ſich der
Nachweis nicht führen, daß fie einft zugereift
iind, Bern aber ein Bogel, wie unjere
TZurmichwalbe, jegt einer unferer gemeinſten
Stadinögel. ſeine ganze nächte VBermandt-
ihaft im Züden hat, außerdem nah Füh
rung und Stimme uns jehr fremd anmutet,
jo fann man rubig annehmen, daß er aus
dem Süden ftammt und erft bei uns ein-
wanderte, als höhere Steinbauten, zuerit
mwahricheinlich die Kirchen und Burgen, ihm
das boten, was er bei uns früher nidt
überall fand, die Klippen. Wenn andrer:
jeitö ein Vogel, wie der Ortolan, in Nord-
deutichland verhältnismäßig jelten ift und
nur an Yanditraßen auf bebautem Sand-
lande vorkommt, während er ım Süden
häufiger und richt jo wähleriih in feinem
Aufenthalte ift, oder wenn die hübſche
Brandmaus auf Sandboden und Urland
nientalg bei uns vorfommt, jondern nur auf
ihwerem, bebautem Boden lebt, fo ıft auch
von dirjen anzunehmen, daß es Einwan—
| derer jind, wenn aud) ihre Einwanderung
Diefe Zumanderung jüdliher und öjt- |
licher Formen findet fortwährend Start. Je
mehr Deutichland durch die Zunahme der
Bebauung zur einer Kulturſteppe wird, je
ſchon jehr lange zurücdliegt.
Die Fledermäuſe, die nur in Ortichaf-
ten bei uns leben, wie die Heine Hufeifen-
naje, die langohrige, die Mops-, die raub-
bäutige, die Zwerg», die fpätfliegende und ; dabei mit. Der jüngften geologiſchen Schicht,
die gemeine Fledermaus, die Spitmäufe, | dem Quartär, zwang er eine noch jüngere
die wie die Haus- und die FFeldipigmaus, | auf, das Quintär; er jchuf ihr ein eigenes
nur in und bei Gebäuden, in Gärten und | Pflanzenbild, die Kultur- und Advenaflora,
dicht bei den Ortſchaften liegenden Feldern | und eine eigene Tierwelt, die Duintärfauna,
bei uns vorfommen, Wiejel und Steinmar» | zu der jomohl die weite Ferne wie die Nähe
der, die immer in der Nähe der Menjchen | beifteuern mußte; er drüdte der Natur fei-
leben, ein Bogel, deſſen Stimme, wie die | nen Stempel auf, jchuf fie um.
der Nachtigall, gar nicht im die deutſche Der echten Quintärfauna, feiner alten
Landſchaft hineinpaßt, oder die, wie Haus | Gefolgichaft, jchuf der Menih von Tag zu
und eldiperling, Feldlerche, weiße und | Tag beijere Lebensbedingungen; je mehr
gelbe Bachſtelze, Elfter, Storh und Kiebitz Häufer, je mehr Gärten, Felder und Wieſen
ohne die Nähe menſchlicher Gebäude oder | es gibt, um jo beffer geht es Maus und
von Aderland und Wieſe nicht zu denken | Natte, Spatz und Lerche. Die übrige Tier-
find, können mit gutem Gemiffen ald Ein- | welt ftellt er aber fortwährend vor eine
manderer betrachtet werden, denen der | neue Form des Stampfes um das Dafein.
Menſch erit Vorarbeiten leiften mußte, che | Jahrhunderte lang behielt die Kulturſchicht
fie fih hier heimiſch machen fonnten. Deutichlands im großen und ganzen die
So haben wir zwei getrennte Fyaunen, | alte Form: da änderte der Menſch fie völlig
eine urfprüngliche, an urwüchſiges Land, | durch die VBerfoppelung, die die Einzelbäume
und eine hinzugefommene, an die jüngite | und Wäldchen, Hecken und Feldbüſche be-
Erdſchicht, nämlich an die Stulturichicht ger | feitigte. Nun hieß es für viele Tierarten:
bundene; der urjprüngliche Wald, die Heide, | „Biegen oder brechen; puß di an oder
das Moor, das unbemohnte Gebirge, ie | ftirb !”
haben eine ganz andere Tierwelt, als die Und jo wie bei uns, ift e8 auch in an-
auf ihnen zerjtreuten menichlihen Sied- | deren Ländern, anderen Erdteilen; hinter
lungen mit ihren fünftlihen Steppen, den | dem Rulturmenjchen ber zog von alteröher
Aeckern, Wieſen und Weiden, ihren fünft- | eine Gefolgichait von Säugetieren, Vögeln,
lihen Gebüfchen und Wäldchen, den Gärten, | Inſekten und Schneden, gar nicht zu ge—
Friedhöfen und Anlagen, mit ihren fünft» | denken der Schmaroger an Menich und Vieh,
lihen Felsflippen, den Häujern, ihren fünft- | und mo heute die neue, europäiihe Kultur
lihen Dolomiten, den Dörfern, ihren fünft- | mit ihrer Technik die alten Kulturen um—
lichen Gebirgszügen, den Städten. Jedes | formt oder ausbaut, da bringt fie, ſoweit
Stüf Bauland ım Urland ift ein abgejon- | es das Klima zuläßt, der alten Gefolgſchaft
dertes zoogeographijches Gebiet, defjen Tier- | der Menjchen eine neue, führt aus unüber-
welt größere Berjchiedenheiten aufmeift | legter Sentimentalität den Spaß in Amerifa
als die von Ebene und Bergland, Wald | ein, fchleppt die Wanderratte über alle Erd:
und Heide. teile, die Stellerjchnede durch alle Breiten
Erdfräfte ſchufen früher allein an dem | und international, wie er felber, wird auch
Aufbau der Tierwelt; dann half der Menich | die Gefolgichaft des Menſchen.
Franzöſiſche (evangelifche) Kolonien in der Yfalz
von Dr D. Häberle, Kalſerl. Rechn.Rat, Heidelberg.
In der von Baul Langhans Heraus: Paſtor Lic. Dr. Henri Tollin in Magde-
gegebenen Zeitſchrift „Deutihe Erde“ *) | burg eine zujammenfailende Überficht über
(Jahrgang 1902 ©. 4—T mit Karte) gibt | die franzöfiihen Kolonien in Deutſchland
— nad ihrer geſchichtlichen Entwidlung und
*) Deutjche Erde, Beiträge zur Kenntnis ; cl
beutfchen Bolfstums allerorten und allerzetten. | —— — on vhaſen der
Herausgegeben von Profeſſor Paul Langhaus. rundung bezw. Einwanderung:
Gotha: Juſtus Perthes. 6 Hefte jährlich 8 ME. l. BWaldenfer aus dem WRhonethal,
Aderbauer und BıeLiädter, feit dem 12, 2. Biligheim, 1626, Ballenen,
Jahrhundert, vor päritliher Berfolzung 1705 Franzoien,
Aıchenb. ; 3. Emitweiler, 1573, Franzoſen,
2. Ballonem aus den jübmweirlihen 4. Eidingen (Eichern,, 1574, Franzoien,
Niederlanden, (Jnduftrielle und Ländler) 5. Frantenthal. 1561, Ballonen
feit 1554, von Raiier Karl V., Bhilipp IL ; (Komente 1572— 1606),
und beionders von Derzoz Alba hart be- 1132 Franzojen,
brängt, etwa 6000 6. Yambredt, 1574, Ballonen,
7. Neuhãuſel (Reubauien), 1579, Fyran-
PR Aranzoien (Gandwerfer ufw.) jeit 3ofen
] Bluthochzeit, Hauptiächlich aber unter u -
Ludwig XIV. nad Widerruf des Toleranz- —
a 9. Stterberg, 1579, Ballonen,
edıftes von Nantes 1685, etwa 30000. 1720 Franzoien
4. Ballonen aus der Pfalz, jeit 10. Speyer, 1579, Wallonen,
1669 nad der Berwüitung ihrer dortigen 11. Stein, 1579, Franzoſen,
Zufluchtsſtätten durch Ludwig XIV. nad 12. Zweibrüdfen, 1629, Ballonen.
Norddeutſchland fliehend. Die Schickſale einzelner dieier Kolonien
f (Annweiler, Billigheim, Yambredt, Otter⸗
D. Dugenotten (Baldeufer) auf | berg, Zweibrüden ufw.) find in den Ge-
Piemont, feit 1699, von ihrem eigenen |
' fchichtsblättern des Deutſchen Hugenotten:
Landesherrn, dem Herzog von Savoyen, : nn. .
; | Bereins bereits eingehend geichildert worden,
vertrieben, etwa 3000,
— andere harren noch der Bearbeitung. Be—
In dem beigefügten Verzeichnis von richtigend ſei bemerkt, daß unter dem von
211 Kolonien werden in der Bfalz nah Tollin als franzöſiſche Kolonie erwähnten
ber Beit ihrer Gründung folgende auf- | „Schönau (Bfalz) 1574 Franzofen” nicht
geführt: das pfälzifche Dorf, jondern der gleichnamige
Il, Annweiler, 1595, nn Ort bei Heidelberg zu verſtehen iſt.
Balentin Ofertag.
Am 14. Februar war wiederum der | der Berfügung, daß nad ihrem Ableben
Ehrentag Balenıin Oftertags in Bad Dürf- ein Teil jeiner Vaterftadt Dürkheim zu:
heim. Balentin Dftertag, geboren 1450, | fallen ſolle. Diejer Auflage fam diejelbe
war armer Yeute Kind. Hervorragend be- | nad, indem fie durch Teftament vom 20,
gabt, lenkte er die Aufmerffamkeit edler | Mai 1519 eine Stiftung von 2000 Gold:
Menfchenfreunde auf fich, welche ihn ftudieren | gulden begründete, mit der Beitimmung,
ließen. Mit Eifer und Fleiß oblag er | daß die Binjen hieraus zur Verleihung
dem Studium, erwarb fih die Doftor- | von Stipendien an Theologie-Studierende,
Würde beider Rechte und ward fpäter | zur Gewährung von SHeiratsfteuern und
faiferliher Neichsfisfalrat in Wien, wo | zur Unterftügung von Armen hiefiger Stadt
er im Jahre 1506 verftarb, Das anfehn- | ohne Unterjchied der Konfejfion alljägrlich
liche Vermögen, welches er fich bei feinem | verwendet werden jollen. Durch zahlreiche
hohen Einfommen und feiner befcheidenen | Bumendungen hat die Stiftung die Höhe
Lebensweiſe erworben hatte, vermadte er | von 138000 Mark erreicht.
feiner Frau Margarete, geb. Dei mit |
— —
Flachs und Hanf.
Die Verwendung des Flachſes zu Ge- Flachs die Nede; es wird berichtet, der
weben reicht in das hohe Altertum hinauf. | Hagel habe in Ägypten den Flachs und die
Schon im zweiten Buche Mofis ift vom | Gerfte vernichtet. Die Mumien Ägyptens
u A.
find in Linnen eingehüllt. Des Landes es auf ein geſticktes Tiſchtuch von Flachs-
Priefter fleideten fich in reines Linnen. In | garn. Man ficht aljo daraus, mie alt
Griechenland und Rom, in Gallien und | die Kunſt der Linnenmweberei ift, da fie
Hiſpanien finden wir in ältefter Beit das | fogar bis in die Götterjage zurüdreicht. -—
Gewebe des Flachſes; in Rom wurden in | Der Hanf murde ebenfalls ſchon fehr
den älteften Zeiten wollene Stoffe getragen, | frühe gebaut. So erzählt Herodot, daß
jpäter linnene, Plinius erzählt ausdrüdlid, | man in Thrazien ihn fultiviere und zu
daß die Germanen und die Bataver linnene | Kleidern verarbeite; in Griechenland, Rom
Kleider trügen. In Skandinavien bildeten | und Gallien fertigte man Säcke, Segel:
zuerft Felle und grobe wollene Gemwänder | tücher ꝛc. aus Hanf; Blinius gedenft bereits
die Befleidungsftoffe; ım neunten Jahr: | einer galliihen Stadt, die durd) ihren Hanf-
hundert trugen Fürften und freie Bauern | bau berühmt war. In Afrifa wird er wie
Linnen, doch nicht die Sklaven. Nach der | Tabaf geraucht und im Morgenlande aud
alten Dichtung bejucht der nordijche Gott | zu einem berauichenden Getränk benukt
(Afe) Rig das Haus des Jarls, und findet | (Dafchiih). Das berühmte Nepenthe der
Dann und Frau eifrig befchäftigt; der | Alten, ein Getränk, nad deifen Genuß
Mann dreht Saiten zu einer Bogenjehne, | man alles Unangenehme vergeflen haben
die Frau glättet Linnen; fpäter trägt die | umd heiter geitimmt worden jein joll, wurde
Frau dem Gaſte ein Mahl auf und jet | ebenfalls aus Hanfblättern bereitet.
Die Mordwirtin von Odernheim.
Anlehnend an darüber vorhandene Bolkslieder.
Mit Gold und Silber und Beute beladen Hielt andern Morgens um: halber viere
Heimkehrten vom Krieg einjt zwei Soldaten. Sein Kamerad ſchon vor der Türe:
Als beide zu einem Wirtshaus famen, „rau Wirtin, mo ift der and’re Reiter ?*
Ste dort über Naht ihr Obdach nahmen. Sie ſprach: „„Der And’re tft längſt weiter!““
Man bracht' ihnen Fiſch und Wein und Braten, „Bein Rößlein feh’ in Stall ich ftchen,
Ste zahltens der Wirtin mit güld’nen Dufaten. | „Und märe dein Reiter ein Leids gejcheben,
Die Wirtin dacht‘, eh’ Mitternacht worden, „Ihr hättet's Leben dem Sohne genommen,
Den einen der Reiter im Schlaf zu ermorden. | „Der jet aus dem Kriege erft heimgekommen.“ —
Ein Mord der bleibt nicht lang berfchwiegen. Man fand den Wirt in den Erlen bangen,
Drum fprach der Wirt: „Bleib lieber liegen!’ — | Die Wirtin war in den Teich gegangen:
Ste würgten zu Tod ihn mit linnenem Bande, | Und alfo Hat ſich's zugetragen
Berjcharrten im Keller ihn meuchlings im Sande. | Zu Odernheim in alten Tagen.
Dr. Gar! Puſch.
Flur: und Waldkapellen im Yfälzerland.
Droben itebet die Kapelle
Schauer jtil ind Tal hinab. . .
An des großen ſchwäbiſchen Dichters | und die Zeit ihre Mauern zermürbt, jo
herrliche Berje wird der Wanderer wohl | find fie uns doch als Zeugen der Bolfs-
gar oft erinnert, wenn er auf der Fahrt | geichichte einer oft fernen Zeit in ihrer jo
durchs Schöne Pfälzerland aus dem dunklen | beredten Stummheit von bejfonderem In—
Grün der Höhen ein einjames Sirdhlein | tereffe. Man dürfte in der Pfalz ca. 30
oder die Ruinen desjelben traulih in die | derartige abgejonderte Flur- und Wald.
Ebene herabgrüßen fieht. Wenn aud in | fapellen zählen, von denen viele inbezug
den meiften diejer einen Gotteshäufer eine | auf ihre Erbauungszeit jehr weit ind Mittel:
öffentliche Andacht nicht mehr ausgeitbt wird | alter zurüdbliden. In kurzen Umrifjen
feien bier einige Kapellen aufgeführt. Bei
Herrheim am Rlingbah liegt nordweſtlich
auf der Höhe im Ackergefild die „Flur
fapelle”. In der Nähe von Burrmeiler
an der oberen Haardt fteht auf einem Bor-
ſprung des Teuſelsfelſens die St. Annen:
fapelle, deren Urfprung tief ins Altertum
bineinreichen foll. Nach ihrem Berfall wurde
fie 1765 wieder erbaut, leider nicht ın ihrer
urfprüngliden Schönheit. Die St. Jergen:
fapelle, ein hübfches Flurfirchlein, befindet
ich zwiſchen Völkerweiler und Goflersweiler,
Ber Ulmer, auf dem Flursberg liegt die
uralte Flurfapelle eines verſchwundenen
Dorfes. Bei Winnmweiler fteht eine freund»
lie Sapelle.. Das Streu; dabei joll ein
Ritter, welcher durch Stehenbleiben jeines
Pferdes an Ddiefer Stelle vor einem ge
fährliden Sturz bewahrt geblieben, errichtet
haben. In der Nähe von Rülzheim befand
jih die uralte „Dieterich8fapelle* ein Wald-
kirchlein auf einem fleinen Hügel. Die
Nuinen von diejer Sapelle follen fpäter
Bigeunern und Keſſelflickern als Schlupf:
mwinfel gedient haben und murden jpäter
niedergerifjen.. An der unteren Haardt
44
beim Dorfe Lindenberg ſchaut von einer
waldigen Suppe die BWallfahrtöfapelle „St.
Cyriack, herab. Die Legende erzählt, dat
die Kapelle im Jahre 1550 ım Zal hätte
erbaut werden follen, jedoch fand man jeden
Morgen Balfen und Steine auf der Höhe,
fodaß man fich entichloß, das Kirchlein dort
zu errichten, womit dei Heilige einverftanden
geweſen. Im Uebrigen finden wir aud
auf der Limburg bei Dürkheim Anflänge
an diefen Heiligen, e8 war ihm dort ein
Altar geweiht und noch vor einigen fahren
ſahen wir in der verfallenen Krypta diejer
Ruine einen roten Sanditein, welcher die
Aufſchrift „St. Cyrikas“ trug. Bon br
jonderem Intereſſe iſt auh die „St.
Michaelöfapelle bei Deidesheim, welche
mehrmals zerftört und miedererrichtet, im
Jahre 1792 zum legten Male in Trümmer
gelegt wurde. Dieje Flur und Wald
fapellen in der Pfalz repräjentieren ein
Stüf Kulturgeſchichte Wir möchten durd
diefe kurze Skizze Anregung geben, die
einzelnen Napellen zu ftudieren, Die Ber:
öffentlihung evtl. Ergebniſſe wird gewiß
jehr intereifieren.
Merlchiedenes.
Aali⸗ und Salzlager in der Rbeinm-
pfalz ? In Nr. 104 des „Badiſchen Muſeums“
von 1907 erörtert der babdijche Landesgeologe
Dr. Hans Thürach im Anſchluß an die im Ober:
Elſaß gemachten Yunde von Salz- und Rali-
lagern die Möglichkeit von deren Uebergreifen
auf badifches Gebiet und fommt zu dem Ergeb:
nis, daß diefe aus dem Unteroligocän (Tertiär-
formation) ftammenden nußbaren Ablagerungen
vielleicht auch in der Gegend von Freiburg i. Br.
fübmweitlih vom Tuntberg dur Bohrungen er-
ſchloſſen werden fünnten. Da man ferner im
Unterelfaß und im fübmeltlihen Teit der Rhein-
pfalz (Bienmwald) bei Bohrungen nach Erdöt fehr
häufig Salzwaſſer, defien Saljgebalt weder dem
oberelfäffiihen Salzlager, noch etwa den in ber
Tiefe im Muſchelkalk oder im Keuper einge-
ſchloſſenen Salzlagerı entjtammen fünne, ange
troffen hat, bejteht nach Thürach die Möglichkeit,
da man bei Berſuchſsborungen fomohl auf ba—
difchem Gebiet zwiſchen Yangenbrüden, Bhilipps-
burg und Karlsruhe, wie auch in der Mheitt«
pfalz, in der Gegend zwiſchen Berg, Hagenbach,
Wörth, Jockgrim und dem Rhein vielleicht auf
Salzlager ftoßen wird; meiter nah Norden bin
bürften Bohrungen wegen allmählichen Ausken
tens der Sala führenden unteroligoränen Schid)-
ten feinen Srfolg verfprehen. Die Salz
quellen don Dürfheim und Kreuznad
entjtammen älteren Salzlagern.
(Pfälz. Brefie.) Häbertle.
Quedfilber und Aupferbergbau. In
einem Referat über „Der QDuedfilberberg-
bau in der Pfalz” (Prometbeus Jahrg. 1905
Nr. 850 ©. 2845285) wird „die Meinung aus
geſprochen, daß diefer Bergbau nicht an Wer-
armung nad der Teufe, fondern ausſchließlich
an der Unmöglichkeit, die zufegenden Wafler zu
mältigen, zugrunde gegangen tft”, v. K. Geolog
Gentralblatt Bb. X, 1908 &. 621—622. H.
Das mit großen Hoffnungen bei Wattenbeim
In Arbeit genommene AupferBergmwerk der
Firma v. Friedländer-Feld in Berlin im Werein
mit &. Abreſch in Neuftadt iſt im Novembet
borigen Jahres ftillgeiegt worden.
— 4
Die Weinmoflernte Wanerns 1907.
Die Statiftit ber Weinmofternte erjtredt fich auf
die Regierungsbezirke Pfalz, Mittelfranken, Unter-
franfen und Schwaben und zwar auf Gemeinden
mit einer Rebenjlähe von mindeitens 5 Hektar
(„Beintaugemeinden”).
Im Dahre 1907 wurden folde Weinbaus
gemeinden 460 gezäblt (im Borjahre 466). Die
im Ertrag jtehende Geſamtfläche dieſer Wein-
baugemeinden* betrug im Sabre
1907 1906
für Weißmeln 19791 Heftar 20014 Heltar
„ Rotwein 216 „ 2202 „
im ganzen 21987 Hektar 22217 Heftar
Der Moitertrag beziffert fich
bei Weißwein anf 527435 HI. 177552 Hl.
„Rotwein „ 112880 „ 28171 „
zujammen auf 640305 Hl. 205723 Hl.
Der gefhägte Wert beläuft fich
für Weißwein auf 24912456 M. 6403415 M.
„ Rotwein „ 4171164 „ 888769 „
im ganzen auf 29103620 M. 7292184 M.
Der Durchſchnittsertrag dom Hektar
berechnet ſich
bei Weißwein auf 26,6 Hl. 89 Hl.
„ Rotwein „ 314 „ 128 „
im Mittel 29,1 Hl. 108 91.
Der Qualität nad) ergibt fich
für Weißwein die Note ILO 113
„ Romwen u u 1,6 111,2
im Mittel bie Note 19 UL
Der größte Anteil an dem bayeriichen Wein:
bau trifft auf die „Weinbaugemeinden” der Pfalz;
es berechnen ſich als
Erntelläde Ertrag Wert in
ha hl Miltonen
in den Jahren
1907 1906 1900 1906 197 1906
für die Pfalz
15598 15572 615069 195502 27,86 6,92
Dann folgen: Unterfranken
5901 6135 19905 5001 1,01 0,19
Mittelfranken
394 414 1671 600 0,09 0,02
Schmaben
24 96 3660 4620 0,14 0,16
Während das Jahr 1906 für die „Weinbaus
gemeinden“ und im allgemeinen einen großen
Fehlherbſt zu verzeichnen hatte, war die Moft-
ernte 1907 in den „Weinbaugemeinden”, deren
Ernteergebnts für das Geſamtergebnis des König⸗
reichs maßgebend ijt, der Dualität fowie ber
Güte nach eine gute und dem Werte nad) eine
fehr gute. Berüdfichtigt man noch die Reben-
flächen der Gemeinden mit weniger al& 5 Heltar
im Ertrag itebenden Reblandes, jo erhält man
für das gefamte Bayern
im Jahre 1907 1906
eine Ernteflähe von 22474 Ha. 22718 Ha.
einen Gejamtertr. von 648184 Hl. 208460 Hi.
einen Gefamtw. von 29455202 M. 7380504 M,
Brinkwafferverforgung, Bon den
etwa 1900 Städten, ®emeinden und Weilern
Württemberg find in den Jahren 1864 bis
1896 durch jelbitändige zentrale Anlagen mit
Hauswafferleitungen rund 800 verjorgt worden:
550 mit natürlichen Quellzuleitungen und 220
mit fünftlicher Waflerförderung. Die Baukoſten
biefür betrugen fiber 32 Millionen Mt. Neuer-
dingd find ganz beſondere Erfolge mit ben
Sruppenmwafferverforgungen auf der Alb,
dem Härbdtöfeld, dem Heuberg, dem Schwarziva!d
und auf den Fildern erzielt worden. Solche
Waflerverforgungsgruppen gibt ed in Württem
berg bis heute 27, die 378 Gemeinden das Wafler
liefern. Die Baufoften für diefe Gruppen haben
etwa 15800000 ME. in Anſpruch genommen. —
Auch die Stadt Sturtgart fteht dor einem
NRieien: Wafferprojeft. Die Quellen des
Enztales wurden aufgefauft, fie jollen zuſam—
mengefaßt und mit einem Aufwand von 13 Mili.
Mark der Hauptitadt zugeleitet werben. Neuer-
dings haben ſich aber erhebliche Schwierigkeiten
durch den Protejt der Enztalbewohner ergeben,
die der Stadt Stuttgart die denkbar größte Ber-
legenbeit bereiten Die Stadivermaltung wird
fi) in allernädhiter Zeit mit zwei weiteren großen
Projekten, aus dem Jllertat und vom Boden-
jee, zu beichäftigen haben.
Der ältefte Pfälzer. In Nußbad) feierte
am 3. März „Der alte Wenz“ feinen 104. Ge—
burtstag. Antäßlich der Ichten Reichstags—
wahl, bei der Herr Wenz nod) von feinem Stimm-
recht Gebrauch machte, war ihm vom Reichs—
fanzler ein Schreiben zugegangen.
Bergfinken auf der Wanderung.
Bon der oberen Donau, 8. Februar wird
gefhrieben: In ungewöhnlich großen Scharen
hielten fich die legten Wintermonate die Berg
finten (Fringilla montifringilla), welche überall
im Worden der alten Welt heimiſch find, im
Herbit in großen Zügen durch Deutichland Font:
men und nach dem Süden wandern, in den aus—
gedehnten Buchenwaldungen des oberen Donau-
tates, hauptſächlich im der Gegend zmifchen Sig-
maringen und Tuttlingen auf Die
Buchedern waren im vorigen Jahre in Menge
geraten, und dies iſt neben cinem nicht allzu
ftrengen Winter mit der Grund, warum biefe
Tiere beuer fo lange verweilten. Es mar ein
eigenes Bild, zu jchauen, wie die viele Taufende
zäblenden Vögel geichlofien, einer dbunflen Wolfe
gleich, über den Bergwald dabinjagten und dann
ucplöglich in deffen Inneren verfhtwanden. Die
Horjtleute jollen dic vielen Vögel nicht gerne
ſehen; indeſſen ift der Schaden, den biefe durch
das Auflefen der ausgefallenen Buchenſamen
anrichten, wohl unbedeutend. Im Beuroner Tal
ſah man die Bergfinten heuer bis Ende Januar;
die eriien hohen Schneefälle trieben fie weiter
füdlih. Sole in Maſſe wandernden Finken
wurden in den legten Tagen aud am Rhein
mahrgenoinmen. Aus Schaffhaufen mird
berichtet: Ein Bogelzug von feltener Gröke ift
Sonntag Morgen um 8 Uhr in Schaffhaufen
beobachtet worden. Es müflen Zaufende von
Bogeln geweſen fein; fie bildeten eine förmliche
Wolke und flogen über den Kohlfirſt nach Süden.
Waren es Wandervögel, die zu früh aus dem
Süden gefommen maren und wieder borthin
jtrebten, oder waren eö Vögel aus bem Norden,
die einem erſt jet bereinbrechenden ſtrengen
Winter eutjlohen find?
Schuß der Stechpalmel! In den Wäl—
dern des Schwarzwaldes ſteht zur Zeit die ſonſt
ſehr felten vorfommende Stehpalme (llex
aquifolium) in ihrem ſchönſten Schmude da,
weil fie cben die herrlichen roten Früchte trägt.
Aljäsriih fommen um dieſe Zeit Gärtner und
fremde Händler in jene Gegend, bie die Stech—
palmen jchneiden — und zwar in ganz rückſichts—
lofer Weiſe — und dann bie gefammelten Zmeige
für teures Geld verlaufen, Es iſt num durch
eine Berordnung des zuftändigen großberzogl.
Bezirksamtes fämtlichen fremden Händlern und
Bärtnern verboten, Stedpalmen zu ſchneiden.
Zumiderhandelnde werden beftraft. Die Wald:
und Feldhüter find zur ftrengen Aufficht ver-
pflichtet. Obige Berfügung fit fehr zu begrüßen,
ba fonjt, mie die betreffende Bekanntmachung
auch binzufügt, diefer fchönfte Schmud unjerer
Wälder bald ganz ausgerottet wäre, da die Leute
fhonungslos vorgehen.
Die Aunfldenkmäler des Großßer:
zogtums Baden. Der im Auftrage des
Großh. Miniftertums der Juſtiz, des Kultus und
— —— — — — — — — — —
— —
Unterrichts durch Direttorialaſſtſtent Profeſſor
Dr. Wingenroth in Karlsruhe bearbeitete
Band VII des Werkes „Die Kunſtdenkmäler
bes Großherzogtums Baden“, enthaltend:
die Kunſidenkmäler der Amtsbezirfe Steht, Laht,
Oberlirh, Offenburg und Wolfach, ift erfchienen.
Die ftaatlichen und kirchlichen Behörden, fomie
die Gemeinden können bdiefe Bublifation zu dem
ermäßigten Preife von 12 Mark durch Bermitt-
lung des Großh. Mintfteriums der Juſtiz dei
Kultus und Unterrichts beziehen und find Be
ftellungen an die Erpeditur genannten WMint-
ſteriums zu richten.
Warum Bat der Hebruar den
Schalttag? Die alten Römer pflegten vor
Einführung des julianischen Kalenders das Yabr
mit dem Monat März au beginnen, dem Monate,
ber zu Ehren ihres olympifhen Ahnherrn —
bed vornehmen Kriegsgottes Mard — benannt
war. Der Februar war demnadh ihr leiter
Monat. Diefem Benjamin unter den zwölfen,
ber ed niemal® zur Bollmertigfeit und Eben—
bürtigfeit bringen konnte, wurde darımı bie Ehre
zuteil, den Füll- oder Scalttag zu erhalten.
Doch iſt dieſes keineswegs der letzte Tag im
Februar, wie man meinen möchte, jondern er
folgt auf den 23. 24., auf die fogen „Xermi
nalien*, ein Feit, das Iın alten Rom dem Gotte
Terminus, d. i. der Gott der Grenzen und
Markiteine, zu Ehren gefeiert wurde. Die
römisch-katholifche Kirche, jo berichtet F. J.
Bronner in feinem ſchönen volfäfundlichen
Werte „Bon deutfcher Sitt' und Art“ (Mar
Ktellerers Verlag, München, 1898) bebielt dieſe
Ordnung fpäter und bejtimmte, dab das Feit
jenes Heiligen, beflien Tag in eittem gemöhn-
lichen Jahr auf den 24. Februar fällt, in einem
Schaltjahr auf den 25. Februar zu verlegen ſei.
Glochen als Barometer. In ber
Monthiy Weather Review wird mitgeteilt.
ba in Belgien in der Nähe von Lebekee
einige kleinere Kirchengloden befannt find
ald Regenghocken. Wenn fie auf eine weitere
Entfernung deutlich zu bören find, fanın man
fiher fein, daß es bald regnet. Zu diefer Zat-
ſache werden nun folgende Erklärungen gegedeu.
Der Schall einer Glocke hängt in erjter Limie
von ihrem Material und Bau, ferner von dem
Turm ab, tn dem fie fich befinde. Nur zum
geringen Zeil kommt die Feuchtigkeit und
Dichtigkeit der Luft für die Art des Tones in
Betracht. Anders aber ift es mit der Stärte
des Schalles. Wenn die Yuft gleichförmig if
— 4
und der Winb ihr eine horizontale Strömung
verleiht, Hört man den Schall auf fehr meite
Entfernungen. Uber die Richtung bed Windes
im Berbältnis zum Standpunft des Hörers iſt
das Ausfchlaggebende. Es kann fein, daß der
Wind den Schall nad aufwärts über die Köpfe
hinweg entführt, er kann aber auch umgelehrt
den Schall aus der Höhe nad) der Tiefe tragen
und ungewöhnlich deutlich wahrnehmbar machen.
Gewöhnlich ift aber die Luft nicht gleichförmig,
fondern fie feßt fih aus verjchiebenartigen
Schichten zufammen, fie iſt ein Gemiſch von
wärmeren unb Ffälteren, trodenen und feuchten
Strömungen. Während bes heißen Sonnen
ſcheins mird die Luft gewöhnlich ziemlich un-
durdhläffig, der Schall wird vielfach gebrochen
und refleftiert und verliert jo feine Sraft.
Bei mwolligem Himmel und feuchter Luft
wird der Schall kräftiger. Dies dürfte aber
nit am Zeuchtigkeitsgehalt der Luft liegen,
fondern an ihrer größeren Gleichförmigkeit und
an ber für den Schall günftigen Bewölkung,
ſowie an dem mit diefer Witterung verbundenen
Winde.
Citerariſches.
Bemerkenswerte Bäume im Groß-
Berzogtum Baden (Foritbotantfches Merk-
buch). Bon Dr. Ludwig Rlein, Direktor des
Botantihen Inſtituts der Techniſchen Hochſchule
Karlsruhe. Mit 214 Abbildungen nad photo»
grapgifchen Naturaufnahmen. Carl Winter's
Univerfitätsbuchhandlung in Heidelberg. Breit:
eleg. geb. Dif. 4.— Das vorliegende Buch, die
Frucht zwolfjähriger Arbeit des Berfaffers, fchil-
dert nad) Holzarten geordnet, die durch Alter,
Größe und Schönheit hervorragenden Bertreter
unferer Waldbäume im Walde und im Freiftand,
ferner alle auffallenden Spielarten und Wuchs—
formen, ſowie die mejentlihen WUbnormitäten
derjelben, aljo in der Hauptfache das, was man
neuerdings als botanifhe Naturdbenfmäler
im weitejten Sinne des Wortes bezeichnet. Es
wendet fich, als ein Teil der Heimatkunde, naturs
gemäß In erfter Linie an die Bewohner des
ſchönen Badener Landes und will vor allem den
Intereſſen bed SHelmatihußes dienen. Erſte
Borausjegung bierfür ift, daß man die zu ſchü—
genden Dinge auch wirklich fennt, daß man ge
nau weiß, was bei uns an bemerfens und er-
haltenswerten Bäumen vorfommt und daß man
ferner weiß, was an foldhen Bäumen bemerfens-
wert ift. Darum wird das Buch in Umkehrung
des befannten Sated: „Er fieht dor lauter
Bäumen den Wald nicht“ den Naturfreund leh—
ren, wie man die Bäume überbaupt betrachten
foll und was man alles an ihnen ſehen fann.
Die in dem Buche geichilderten Baumformen
fommen auch im übrigen Deutjchland vor und
die aus ganz Deutichland befannten Spielarten
und Wuchöformen unferer Waldbäume find zum
meitaus größten Teil auch in Baben gefunden
worden und bier zum eriten Mat in einer Boll-
ſtändigkeit und Reichhaltigkeit, alles wichtigere
durch mehrere Vertreter charakteriſiert, abgebildet,
wie das bisher nirgends verfucht worden ifı.
In diefer Hinficht jtellt dad Buch ein Unikum in
feiner Urt dar, dad nicht nur für bie Badener
wichtig iſt, nit nur für Forftleute und Bota-
nifer im meitejten Sinne des Wortes, nicht nur
für jeden Lehrer der Pflanzentunde und für
twißbegierige Schüler 2c., fondern für jeden ge-
bildeten Naturfreund überhaupt. Das Kleimn'ſche
Buch will zeigen, welche Wunder und Schäße
unfere Wälder bergen, die der Mehrzahl ber
Menſchen unbekannt und doc jo leicht zu finden
und zu heben find, Schäße, die bei jedem
Spaziergange im Walde neuen und ungeahnten
Naturgenuß bieten, wenn das Auge erft einmal
geöffnet, ber Blick erft einmal gefchärft iſt. Aus-
ftattung und Preis des Buches find geeignet,
ihm den Weg zu bahnen zum Biel, das ber Ber-
fajler geitellt Hat, neben den wiflenjchaftlichen
Kreifen auch die große Schar der Naturfreunde
zu erreichen. (Heibeld. Tabl.)
Sine neue Beitfehrift für Heimat:
kunft. Man jchreibt uns: Die Bereinigung
zur Körderung der Künfte in Heffen und
im Rhein: Maingebiet gibt durch Dr. Daniel
reiner eine Zeitfchrift heraus, welche die Kunſt
biefer Gegenden pflegen will „durch Zufammen:
ſchluß aller fünitlerifchen Kräfte Heflens und des
Rhein-Maingebiete8 auf dem Gebiete ber Lite»
ratur, ber bildenden und angewandten Fünfte,
ber Runitindbuftrie und des Kunſthandwerks und
der Muſik einerfeits, ſowie der Kunſtfreunde an-
dererfeitd.? Das Biel iſt löblich. Rhein⸗ und
Matingau, Odenwald, Taunus und Bogeläberg
erfreuen fi von Alters ber einer fo reichen und
jtetigen Gefittung, ftädtifcher und bäuerlicher, daß
es an Ausbeute aus vergangenen Tagen und
an lebendigem Zufluß nicht fehlen kann. Die
zeitfchriftlihe allgemeine Kunftpflege quillt
eben in einer Fülle, dab das Bedürfnis, fie zu
bermebren, nicht dringend ift; aber die bejon-
dere mit ber Landſchaft zufammenbängende
Runft und Kultur zu fördern, das tft wohl er-
jtrebenswert. Die Zeitjchrift wird alfo um fo
wertvoller werden, je mehr fie fih wirklich die
ganze künſtletiſche Kultur ihres Meinen Landſtrichs
angelegen fein läßt, ber Gattung nach weite, dem
Urjprungsgebiet nad enge Grenzen einhält, das
Land: und Bollstümliche vor das Schrift: und
Runfttümliche jekt. Dann wird fie trog und
neben den „Rheinfanden*, die ſich ja eine um»
fänglichere Aufgabe geitellt Haben, ihren Freun—
beöfreis finden. Das laffen die vier erften Hefte
erhoffen. Wir begegnen dem vielfeitigen Heraus-
geber ald Dichter, Zeichner und Bildner und
mandem guten Namen in Wort und Bild. Die
Richtung, die ich der neuen Beitjchrift wünfche,
drüden am bejtimmteften aus: Ubbelobde,
3. Lippmann, Como („Oberheffiiche Töpfe-
reien”), Dolzamer, Alfred Bod („Der Napo—
leon*), Henfelmann („Das Odenwälder
Bauernhaus”) K. E. Anodt. Wenn der Weiter-
wald, der ja ebenjogut Heimatrecht in der Zeit—
ſchrift Haben muß wie der Bogelöberg, mit herein»
bezogen wird, barf auch Frig Philippi nicht
fehlen. Und im übrigen Glück aufden Weg. F.R.
Pfälzer Yrüßlingsfeiern von Dr. Al⸗
bert Beder, Beiträge zur Heimatkunde
der Pfalz Il. 8%. 49 ©. Preis br. 1 Marl.
Die dem Pfälzerwaldverein gewidmete
Schrift hat zum Motto Lifelottens ſchöne
Worte: „Mic deücht, wir Pfaltzer haben baf,
wir lieben daß vatterlandt biß in todt undt gebt
unß nichts drüber.” In unferer Zeit der Heie-
matbewegung muß doppelt intereffieren, mas
der Berfafler, geſtützt auf umfaffende Samm-
(ungen, in der vorliegenden Arbeit bietet.
Sie iſt berborgegangen aus einem Vortrag,
den der Berfafier bei der Hauptberfammlung des
48 —
Gejamtvereind der deutſchen Geſchichts- umd
Altertumövereine (5. Abteilung) am 17. Sep-
tember 1907 zu Mannheim hielt. Vielfach er-
mweitert und mit zahlreichen Literaturnachmweijen
verfeben, ericheint er in ſchmucken Bändchen ale
Monographie über unſere Pfälzer Yrüblıngd«
bräuche, ein räumlich und fachlich begrenztes und
doch volfsfurdlih ungentein reiches Gebiet.
Schon die Faſtnachtsbräuche, bie fih an
einigen Orten am Sonntag Invocabit, dem
„Funkenſonntag“, erhalten haben, find da-
bin zu rechnen: fo das Ubfingen von Früh—
lingöliedern, das Feuerrad, dad man im
Lautertal vom Berg berabrollen lieh, das Len—
herausrufen (Lehenausrufen) im Gaartal,
dad Winterverbrennen im Wejtrich und das
Stabaudverbrennen in der Nordoſtpfalz
Zahlreicher find die am Sountag Lätare nod
an vielen Orten üblihen Frühlingsfeiern,
Am befanntejten ijt die Sommertagsfeier,
die in jüngjter Zeit in Mannheim wie in Lud—
wigähafen und Heidelberg zu neuer Blüte er-
wacht it. Trotz einzelner Verſchiedenheiten ijt
der Kern dieſes Feſtes die Freude über die Wie-
derfehr ded Frühlings und der Kampf zwifchen
Winter und Sommer, in bem der legtere Sieger
bleibt. Eingehende Schilderung findet dann das
in Forjt bis auf den heutigen Tag erhaltene,
hochintereſſante Rätarejpiel und meiterhin
eine Reihe Pfälzer Bfingitbräucde, die ebenio
wie die anderen erwähnten Bräudhe durch Heran-
ziehung zahlreiher WUnalogien aus alter und
neuer Zeit erläutert und erklärt werden; im An-
bang find über ein halbes Hundert den Bräuchen
entjprechende Lieder mitgeteilt. In der glück
lihen Mifhung fränfifcher und alemannifcher
Elemente in ber pfälzifhen Bevölkerung fiebt
ber Berfafler die Gewähr für die Erhaltung um-
ferer Pfälzer Bräuche, deren Pflege bejonderer
Aufmerkſamkeit wert tit.
— Geologie und
Literariſches. —
nBalt: Mein Bfälzerland (Gedicht) — Beiträge zur Gejchichte des Heimatfhuges in
- Seimatkunde. — Ueber bie Beheizung unferer Wohnungen.
— Die
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
(Unverlongte Manuftripte werben nicht zurädgeiandt.)
„Die Pfalziſche Heimatkunde” koſtet jährlich in 12 Heften ME. 2.50. Behellungen werden von allen Buchhandlungen umd
Poftanflalten ferner vom Verleger (Bortofreie Streifbandiendung) angenommen.
IV. Jahrgang. Nummer 5 und 6. Mai, Juni 1908.
L/
\PALZISCHE HEIMATKUNDE |
MONATSSCHRIFT
ns) FÜR SCHULE UNDHAUS. (m 7
MANN EA
Bas Seben des Baumes.*)
Von R. H. France.
Die Lebensform des Baumes bedeutet | der Naturgejege mehr zum Bemußtjein, als
die größtmögliche Entfaltung der Pflanzen: | jo ein unbegreiflih in die Jahrhunderte
lebenskraft. Der Baum ift der höchſte ; hinein grünender Baum, neben dem Menjchen
Bauftil, zu dem ed das Gewächs bringen | aufblühten und vermwelften, jo oft wie ein
fann, er iſt auch das dauerhafteite Gebäude, | Menfchenleben die Rojenblüte erlebt, an
das weit alle anderen Produfte lebendigen | dem Städte und Staaten verjanfen, unter
Schaffens überragt. Zugleich das gemaltigfte,. | dem eine Kultur und Religion aufging und
Eufalyptusbäume Auftraliens reichen bia zu | wieder abdorrte und eine neue gegründet
152 Meter, die Mammutbäume Nord: | wurde, die dem furzlebigen Menjchenauge
amerifas bis zu 142 Meter. Diefe Ger | auch jchon wieder altersmüde und fichelreif
mächje find gotifhen Domen ebenbürtig. | erjcheint, ein Baum, der es erlebte, wie
Neben ihnen erjcheinen allerdings unjere | Römer, pfeilbewehrte Mongolen, fellum-
Tannen und Fichten, die nur jelten bis | gürtete Neden und eifengepanzerte Mitter,
zu 75 bezw. 60 Meter Höhe erreichen, | Batrizier, Landsknechte, Herenprozejjionen
beicheiden, aber dafür bringt das europäifche | und Eifenbahnen an ihm vorbeizogen, unter
Klima Baumriejen hervor, die wie die be» | dem Millionen Seufzer von Leiden, die
rühmte GEdelfaftanie am Aetna 20 Meter | glaubten, unjtillbar zu jein, Küſſe und
Stammdurchmefjer, oder wie die griechiichen | Liebesijhmwüre, die alle Gmigfeiten vom
und türfiihen Platanen bis zu 15 Meter | Himmel holen wollten, Träume und ehr-
Durchmeſſer erreichen. geizige Gedanken, die nach Unjterblichkeit
Kein lebendes Geſchöpf kann fich dem | lechzten, wejenlos dahinftarben und in nichts
an die Seite jtellen, feines umjpannt auch | verwehten, während ihr Zeuge inmitten
in feinem Leben die Jahrtauſende jo wie | diejes Masfenzuges in wahrer Unjterblid-
Eiben oder Kaſtanien und Eichen. feit gleichjam jpottet über den Größenmwahn
Schon das genügt, um fie mir dem | diejer jo raid) verbrennenden Eintagsfliegen,
romantijhen Sauber altehrwürdiger Ge- | indem er gelaijen bei jeder Sonnenmwende
Ihichte in unvergleichlichiter Weile zu um- | einen neuen lebendigen Ring zu den alten
fleiden, denn nichts führt uns die Majeftät | und toten fügt. Gegenüber diejer in fid)
*) Wie ein Abfchnitt aus Stifters herrlicher Novelle lieſt fich die reizvolle Schilderung, die
France in feinem”bon poetifhem Schwung getragenen „Leben der Bllanzer bon nen
deutfhen Wald entwirft. Das große, prächtig illuftrierte Werk, aus dem mir Beute eine Kleine
Probe entnehmen, ſei Hiermit angelegentlich empfohlen; es erfcheint in Lieferungen à 1 ME. im
Berlag des „Kosmos, Geſellſchaft der Naturfreunde”, Stuttgart.
rubenden Größe ilt die Weltgeichichte wie
ein Wortgeiedht. . . .
Das Stünftleriiche in uns aber ſchwelgt
darin, daß jeder alte Baum die Gejdichte
diefer halben Ewigkeit auch erzählt, ıhre
Spuren an feiner Gewandung trägt. Willen:
ſchaftlich erfaffen freilich die wenigſten diefe
Phyſiognomik des Baumes, umſo
deutlicher aber in dem Empfinden, dab ein
alter, von Sturm zerfeßter, von Regen
gebleidhter, von Blitzſchlag zeriplitterter
Baum bejonders jhön und eine® Malers
würdig ſei.
Der Baum bietet etwas, was die meijten
Tiere nicht haben, etwas, das ihn mit dem
Menſchen verfnüpft: er hat Individualität.
Die Steinabler oder Fröſche jehen fih alle
gleich, bei den Schmetterlingen vermag auch
das jchärffte Auge nicht, Unterfchiede zwiſchen
den Individuen gleicher Art zu entdeden,
bei Hund und Pferd errät nur der liebe
volle Blick des Beligers die leijen Nuancen,
die das Wiedererfennen erlauben, wenn
fonft die Raffe und Abftammung gleich ift
— die Bäume aber find alle verjchieden.
Ye älter fie werden, deſto mehr prägt ſich
in ihrem Untlitze ihre Geidhichte, fo wie
in dem unieren. Das madıt fie liebwert
und intereſſant. Darum gibt es Lieblings»
bäume und ein ftarfes perjönliches Ber-
hältnis zu ihnen. ber das Myfterium
der Sache ift bald entichleiert. Die Pflanze
ıft dezentraliliert;; fie, das vorfichtigfte aller
Weſen, hat alle Organe in großer Zahl
angelegt und fann daher leichten Herzens
Einbußen erleiden, ohne dahinzuſiechen.
Daher erträgt der Baum, daß ihn der Blig
jpaltet, daß der Herbititurm ihn der ſchönſten
Weite beraubt, daß ihn unnatürlicher Garten»
geihmad nach Belieben zurechtſtutzen darf.
Aber dieſe Charafterföpfe finden fih nur
dort, wo der Baum in freiem Lichte die
ganze Nachbarvegetation beherrichen fonnte.
Unter Drud und in dumpfer Enge wird
auch aus ihm ein charakterfchwaches Herden:
geihöpf, deflen Züge nicht von Adel und
Eigenart, jondern von Lebensmühe und
Not und ausgeitandenen Kämpfen erzählen.
Gerade dieje find mie alle Herdenmejen
nüglih. Sie find wahre „Hauspflanzen“,
das Entzücken des Förſters. Und Diele
Runftnatur umgibt uns heute in Deutich-
50
|
(and allenthalben. Wo ſchießt noch der
Wald aus „Gottes Gnaden“ auf? Faſt
überall werden ſorglich die Baumjchulzög-
linge in Reihen gepflanzt, abfichtli jo
dicht, daß fie in beflemmender Enge ſich
am Lebensraum hindern. Das madıt die
Bäume langihäftig, jagt ſchmunzelnd dazu
der Holzhändler. Man benüßt da eine merk:
würdige Erfcheinung des Bflanzenlebens, die
ih Lebensangit nennen würde, wäre das
nicht an eine bemwußte Seele gefnüpft. Dicht
ftehende Bäume veranitalten nämlih ein
BWettrennen. Sie wachſen raſcher als
„Solitäre“. Warum? Wer vermag eine
andere Antwort zu geben als die: meil
jeder Baum aus Lebenserhaltungstrieb
traten muß, den anderen zu überwachſen?
Mit gelafjener Grauſamkeit hat e8 die Natur
fo eingerichtet, daß die Zurüdbleibenden
verhungern. Sie fterben am Lichthunger.
Und die übrigbleibenden werden — wozu
e8 beihönigen? — Baumtrüppel,
Sterben durd; den immer dichteren Zu—
ſammenſchluß auch ſchon bei dem Einzel—
baume die inneren Äfte im Laufe der Zeit
ab, fo ift die Verfümmerung vieler Nite im
geichlofjenen Berbande die Regel, Bei allen
Borfibäumen ift die Strone relativ Flein,
der Stamm mwalzenrund, jchlanf, namentlich
im unteren Drittel faft ftets afılos. Die
Sunftiprache der Waldleute nennt das voll:
holzig und armfronig. Und wie fonderbar:
die Natur ift jo volllommen, daß fie aus
der Not einer neuen Schönheit das Leben
zu geben verſteht Der Hochwald, denn
jo heißt ja diefer Wettrennplag, verwandelt
ſich dadurd in einen gigantifchen Dom, den
berrlichften, der je erjonnen wurde, ge:
tragen von tauiend fchlanfen, lichten Säulen,
die das Tragen der Dede in einer jeder
Baumeifterfunft fpottenden Weile Iöjen.
Der Buchenhochwald joll ja auch das Bor-
bild des gotiihden Domes gewejen fein,
was id) ſchon deshalb glaube, weil ich ge
funden habe, daß man die von jo viel
Geheimniffen umranfte Symbolit der go:
tiihen Ornamente in wunderbar einfacher
Weife veritehen lernt, wenn man die alte
deutſche Religion eınfadh in Stein überjegt.
Der Deutſche kann Gottesdienft eben nur
im Walde feiern.
51
Milbenhäuscen.
Bon R. 9. France.
Die mädtige Dorflinde, die jchon un-
gezählten Generationen Schatten und Er-
quickung geipendet, diefer harmonifch fchöne
Baum, für den wir Deutichen aus einer
noch unerflärlihen Urſache ſeit altersher
jo viel Vorliebe gehabt haben, daß er eben⸗
jogut Nationalbaum fein könnte wie die
Eiche, ift der Schauplaß des Fleinen Nacht-
idylls, das ich hier jchildern will.
Um jpäten Sommerabend, wenn nur
noch Dämmerlicht verglimmt und alles ruhig
und ruhiger wird, beginnt auf unferm
Lindenbaum ein jeltiam Leben und Treiben.
Nur muß man genau binjchauen, denn es
find Zwerge, die da ihr Unweſen beginnen,
Die herzförmigen Blätter find ihr Tummel«
plag. An deren Unterjeite gibt es in den
Winkeln, die die Blattnerven mit dem
Hauptnerv bilden, merfwürdige kleine Haar-
ichöpfe, kleine Flödchen, die wohl ſchon
jeder einmal gejehen, die aber feiner von
jelbft beachtet hat! Aus ihmen ftrömt des
Nachts eine Schar flinfer, kleiner Weſen.
Wie die Arbeiter aus einer Fabrik, fommen
fie ſcharenweiſe in Reihen zu zweien und
dreien. Hurtig laufen fie nun die Nerven
entlang, dann wagen fie fich auf die freien
Zwiſchenräume; hier bleibt eines ftehen,
dort da® andere und jcheint emfig zu fnab-
bern. So geht es die ganze Nacht hindurch;
mit beginnendem Frührot gehen fie langſam
zur Ruhe, eines nad dem andern fchlüpft
in das Häuschen, und morgens ift der
Spud vorbei. Iſt das ein Traum? Nein,
es ift Wirklichkeit, und wenn wir am
nädjten Tag bewaffnet mit dem Handwerks»
zeug eined Naturforſchers nachſehen, jo
finden wir leicht die zierlihen Haarjchöpfe,
wie ein unfäglich zartes, mwolliges Neftlein,
das gegen die Blattjpige zu feine Öffnung
bat. Scneiden wir ein Stüdchen ab, da-
mit wir ins Innere jehen können, fo figen
richtig winzige Blattmilben darin, anein-
andergedrängt wie Schafe im Stall, beun-
rubigt wegen des ungewohnten Lichts.
Das ift ein Acarodomatium —
dieſes kleine Wortungeheuer bedeutet in der
Gelehrtenſprache ein Häuschen, das der
Lindenbaum freiwillig und aus eigenem
Antrieb den Milben erbaut, weil er mit
— — — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — — — — — — — —
ihnen in gemeinſchaftlichem Haushalt lebt.
— Ein ſolches Domatium befteht baupt-
ſächlich aus Haaren, die aus den Blatt«
nerven hervorjprießen, ſich libereinander-
beugen und fo ein mohlgebautes, für ein
milbengroßes Weſen wohl jehr behagliches
Belt bilden. Dieje Zelte — und bier be-
ginnt das Aufregende an der Sade —
entftehen jedoch jchon, bevor die Milben
da find: es ift dies ebenfo, wie wenn ein
ordentlicher Hausvater zuerft die Einrichtung
fertigftellen läßt, bevor er einzieht. Gie
entftehen gleich, nachdem die jungen Linden»
blättlein aus der Knoſpe gefrochen find,
und barren ihrer Bewohner. Dieje rüden
auch alsbald an. Aus ihren engen und
dumpfen Winterquartieren kommen die
Milben herausgezogen und bejegen die
Sommermwohnungen. Die beſorglichen Mil
benmamas legen nad etwas übereiliger,
aber allgemeiner Inſekten und Spinnenfitte
als erftes gleich ihre Eier ind neue Quar-
tier, Aus diefen fchlüpft dann die junge
Herde aus, die des Nachts oder an wolfen-
verhüllten Tagen fo luftige Tänze aufführt.
Es kommt ihnen dabei darauf an, allen
Staub, Unrat, Bilzteime, was nur auf das
Blatt gelangt ift, abzufrefien. Das ift ihre
Nahrung, denn fie gehören zu der unter
den Gliedertieren weit verbreiteten Gilde
der Gefundheits- und Reinlichkeitspoliziften,
dazu berufen, die Abfallftoffe zu vertilgen,
d. h. fie wieder dem Kreislauf des Lebens
zurüdzugeben.
Das geht jo den ganzen Sommer über.
Im Herbft, bevor die Blätter abfallen,
wird das Zelt unbraudbar, denn die Schuß»
haare biegen fih zurüd. Das ilt das
Signal zum Aufbrud. Die Milben ver-
lofjen ihre Domatien und gehen auf die
Suche nad) einem geeigneten Winteraufent-
halt. Früchte, Zweige mit Borfenrifjen,
die warm hüllenden Schuppen der fürs
nächſte Frühjahr fi ſchon ſachte vorberei-
tenden Knoſpen, fie geben gute Schlupf:
winfel ab, und wenn der heulende Herbft-
wind die legten Blätter entführt, dann ift
auch die Schar ihrer Sommergäfte zerftoben.
An diefer anmutigen Geſchichte ericheint
mandes unmahrjcheinlihd. Beſonders die
Behauptung, daß der Baum freiwillig die
DHaarneftlein bereitftele.e Man vermutet,
daß den Beobadtern ein Irrtum unter-
laufen jei und daß es fidy eigentlich um
Pflanzengallen handle. Doc aud) die jorg-
fältige Stontrolle beftätigt jene Behauptung.
Nur in einem Punkte taucht allmählich eine
andere Meinung auf. Der Hauptnugen
diefer Symbioje jcheint für die Pflanze
nicht fo jehr darin zu beftehen, daß fie be-
ftändig von den Milben gereinigt wird, als
vielmehr darin, daß fie von dieſen aud)
beihmugt wird. Denn diefer „Schmuß“
ift eine fticjtoffhaltige Nahrung und fommt
einer Pflanze ſtets zuftatten. ...
Diejelben Milben — es handelt ſich
dabei. hauptjählih um die Gattungen Ga—
mafus und Tydeus — finden auch nod)
bei mandhem andern Straudh und Baum
Gaftfreundichaft. Befonders Linden, Krapp—
gewächſe, Ol- und Lorbeerbäume, fomwie
Becherfrüchtler find es, die Milbenhäuschen
bauen, aud dann — menn fid) feine Mil»
ben einfinden. Qundftröm machte darüber
Berjuche, die feinen Zweifel beftehen laſſen.
Er ſäte wohlgereinigten Samen von Linden,
Lorbeerbäumen, Saffeebäumen und andern
milbenliebenden Pflanzen in fterilifierte
Erde und erhielt doch wieder, auch wenn
er ein Hinzukommen von Milben nod jo
jehr verhinderte, ftets Pflanzen mit Domatien.
Man kann fi dies gar nicht anders er-
klären, als daß dieje Eigenjchaft einftmals
durch Milbenbefall entftand, der die Blätter
zu dieien haarartigen Wucderungen reizte,
und die jpäter erblich wurde. Dieje Ber-
mutung findet eine gewiſſe Beftätigung in
der Zatjache, daß bei andern Pflanzen ſich
die Milbenhäuschen erjt dann einitellen, |
52
wenn die Milben ein Blatt beſucht haben,
mandmal aber auch mieder verjchmwinden,
wenn ihre Bewohner ausgeftorben find.
Auch find es nicht immer Haargeipinite,
was die Pflanze ihnen zuliebe vorbereitet,
obgleich dieje gerade bei unjeren Au» und
Baldbäumen vorzugsmweije auftreten. Die
Bude und die Bogelfirfhe machen es fo,
au die Bergulme, der Spigahorn und
die Erlen; aber ſchon beim Haſelſtrauch
verwenden die Baumeifter anderes Material,
indem bier die Ränder der Haupt» und
Nebennerven zum Zeltdache beitragen.
Unjere Steineihe bat die Sache wieder
anders angeordnet. Jedes Blatt trägt nur
zwei Häuslein, die dadurd) erbaut wurden,
dab die Blattränder fih zurüdkrümmen;
bei andern (namentlich erotijchen) Gewächſen
find es flache Schalen, bei der Alpenlonizera
wieder fleine QTäjchhen, ebenjo bei dem
Ulpenribes, während bei der Yohannis- und
Stachelbeere die Milben faft immer unter
dem vertrodneten Kelch, an der Frucht,
ohne beiondere Wohnung figen. Es fehlt
aljo nicht an Mannigfaltigfeit.
Dagegen ift diefe Erjcheinung bei jehr
vielen Pflanzen völlig unbekannt, jo 3. 2.
bei den Weidenarten, bei allen nur ein
Steimblatt führenden Gewächſen und ebenio
bei allen Nadelhölzern und Kräutern.
*) Wir entnehmen diefe anziehende Schilde-
rung Frances großangelegtem „Leben der
Pflanze”, das zur Zeit in Lieferungen a 1 Mt.
im Verlag des „Kosmos, Geſellſchaft ber Natur-
freunde“ in Stuttgart (Geſchäftsſtelle Franckhſche
Verlagsbuhhandlung) ericheint. Jeder Natur:
freund mird durch bdiefes ausgezeichnete und
länzend auögejtattete Werl viele genufreice
tunden haben.
Schaffet Aiftpläte für unſere Vögel!
Bon Rudolf Bergner.
Un uns ift e8, den Slampf gegen die
Feinde unjerer Vögel zu führen, zugleich
aber auch alles aufzubieten, um das zu er-
halten, was uns am Bogelbeftand bisher
geblieben if. Ganz töricht würde es fein,
wollten mir jagen: „Weshalb jollen denn |
wir die Vögel hegen und pflegen, da fie
doh von anderen zu Millionen vernichtet
werden?“ Bei jolcher Logik würden wir |
jenen Barbaren gleih zu achten fein, umd
die Folge wäre, daß es wirklich bald feine
Bögel mehr gäbe. Nein, laßt uns retten,
was’noch zu retten ift, einerjeits durch den
Kampf, den wir mit Entrüftung gegen
Gewinnſucht und mit Eifer gegen Unkennt—
nis führen, andererſeits dadurch, daß mir
‚ unjere lieben Fleinen Vögel durch Winter:
fütterung unterftügen. Mit der Winter
fütterung allein ift es natürlıch nicht ab»
getan, es muß fi unſer Augenmerk aud
darauf richten, daß wir den Bögeln das
Dajein im Sommer erleichtern.
Weil nun in der jchönen, anmutigen
Jahreszeit Mutter Natur den Tiſch reich:
lich dedt, indem fie Myriaden von Fliegen,
Käfern, Raupen, Würmern, Früchten und
Sämereien erzeugt, haben wir nicht not«
mendig, in der warmen SYahreszeit die
Vögel zu füttern, wir würden fie dadurch
ihrer Beftimmung entfremden und uns jelbft
ſchädigen; Dagegen jollen wir mit aller
Sorgfalt auf das Darbieten von Wohnungen
bedacht fein. Es ift nun einmal leider im
Intereſſe der Vögelchen zu beflagen, daß
man in unſeren nordiihen Yändern mehr
und mehr ordnungsliebend und geminn-
füchtig wird.
Ein Borwurf full niemanden daraus
erhoben werden; es handelt fich bier viel-
mehr um Tatſachen, wie fie die fort-
ichreitende Aultur im Gefolge hat. Der
Forftmann entfernt in den feiner Obhut
anvertrauten Wäldern jorgfam die hohlen
und franfen Bäume; der Parkwächter und
der Gärtner befleißigen ſich, das gleiche zu
tun und jeden fränfelnden Baum fo bald
al8 möglich durch einen gejunden zu er:
jegen; auf den Wieſen und auf den Feldern
fallen die Gebüjche, auf Daß der Wiejen-
fultur und dem Wderlande mehr Boden
gewonnen werde; und im großen und ganzen
muß man mit eineı bemerkenswerten Ber:
ringerung der Laubbäume und Büjche über-
haupt rechnen. Das ift nun jehr ſchlimm
für unfere Vögel. Sie fommen aus dem
Süden, überwinden die Gefahren, die ihnen
die Mordgier des Italieners und die Putz—
juht der Modedame bereitet, und finden
ihre Wohnungen nicht mehr. Das eine
Pärchen ift ein Höbhlenbrüter, fein hohler
Baum wurde gefällt, zerhadft und verbrannt ;
das andere nijtet im Gebüſch, das Gebüſch
wurde ausgerodet und das Land in eıne
Wieſe verwandelt. Da iſt denn guter Rat
teuer. Man fieht fid) nach neuen Wohnungen
um; mas braudbar wäre, ift jchon be-
jegt; man zieht in eine andere Gegend,
um fi anzufiedeln und der Schaden ift
da. Ein Starpärden vertilgt jährlich mit
jeinen Jungen za. 150000 größere Schäd-
linge, ein Meijenpärchen deren Millionen,
53
— — — — —— — — — — — — —
Welche Nachkommenſchaft aber Hätten dieſe
Schädlinge erzeugt! Hat man doch die
Nachkommenſchaft mancher Fliege in einem
Jahre auf za. 5000000 geſchätzt! Lohnt
es ſich da nicht der Mühe, der Frage näher
zu treten, wie fann man Nijtpläge jchaffen
und Niftkäftchen aufhängen?
Wer den Bögeln Freude bereiten will
und ihnen und fich jelbft zu helfen wünjcht,
der trachte danach, dab nicht jeder hohle
Baum fajliert wird; er rede den An
pflanzungen von dichtem Gebüſch das Wort;
er richte die Aufmerkjamfeit der Gemeinde-
vertretungen und der Anpflanzungs- und
Berjchönerungsvereine auf den jo wichtigen
Vogelſchutz; er jorge dafür, daß durch orte»
polizeiliche VBorjchriften das Bejchneiden der
Heden nur im Herbſte oder im zeitlichen
Frühjahre geichieht, weil fonft manche Brut
gehindert oder zeritört wird; und wo ſich
ein Bogelpärden einen ungewöhnlichen Wohn:
ort ausgefucht hat, wie bei Denfmälern, in
Häufern, in Yufthäufern, da dulde man es
und halte jede Störung fern. Außerdem
empfehle man die Anlage dichter lebender
Heden. Den Slindern aber jage man nn-
unterbrochen, daß jedes Vogelneft in feiner
funftvollen Ausführung, mit feiner ent-
züdenden Auskleidung durch dürres Laub,
Gras, Moos, Haare, Federn, Reijer, Erde
und Lehm von den Wundern der Schöpfung
predigt, wie e8 in rührender Weiſe für un-
nachahmliche, aufopferungsvolle Elternliebe
zeugt, und man lehre die Slinder das Bogel-
nejt al& ein Heiligtum betradhten. Wie
da8 Schwalbenneſt und die Schwalbenbrut
dem Landmanne heilig ift, jo möge fortan
auch jedes Vogelneſt jedermann heilig fein.
Iſt die Wohnung bezogen, jei es das Neit
im Gebüjch, die Baumbhöhlung oder das
Niftkäftchen am Baume, jo jorge man für
das Fernhalten ftörender Einflüffe, ins-
beiondere für das der Vogelfänger und der
Hagen. Zum Schug gegen taten befeftige
man in Meterhöhe um den Baumjtamm
einen Dornenfranz oder ein Drahtgefledt.
Außerdem verfheuhe man fie dur Be»
Iprengen mit faltem Waſſer.
Yeder Park. und Gartenbeliger jollte
auf die Anlage eines Vogelheims bedadjt
fein. Er fchaffte in einer Ede feines Befig-
tums ein dichtes, jchattiges Gebüſch. Ferner
aber follten der einzelne, die Vereine und
die Behörden darauf achten, daß Eijenbahn-
einfchnitte, Eifenbahndämme und Ufer-
böſchungen entiprechend bepflanzt werden,
Und endlidi möge man Feldgehölze oder
Nemifen jchaffen. Auf mertlofen oder
wenig wertvollen Grundparzellen foll man
fie anlegen. Der Boden wird rigolt oder
doch ftarf gelodert, und was bisher als
unfruchtbare Berghalde oder unbeachteter
Weidefleck galt, trägt nach furzer Zeit eine
Buſch- und Baumgruppe, in der fich Vögel
wohlfühlen. Solche Feldgehölze feien hier:
mit allen Bogelfreunden nahdrüdlichit emp-
fohlen. Ganz befonders eignen fich zum
natürlichen Bogelheim megen dichter Be-
laubung Hainbuche, Rotbuche, Salbei, Yas-
min. Wegen ihrer den Bögeln als Nah.
rung dienenden Früchte empfehlen wir
BVogelfiriche, Bogelbeere, Faulbaum, Holun-
der, Schneebeere, Yohannisbeere und wegen
ihrer auffälligen Befiedlung durch Ungeziefer
Bappel, Weide und Ginſter. Weißdorn,
Schmwarzdorn und milde Roſen ftehen bei
den Bögeln in großer Gunft. Das Ideal
eines ſolchen natürlichen Vogelheims bleibt
allezeit ein auf allen Seiten vom Wafjer
umzogenes Stückchen Land, welches, wie
die weit und breit befannte Vogelinjel des
botanifhen Gartens zu Gießen, die Idylle
gegen mutivillige Knaben und Katzen ab-
jchließt. Sie ift und muß ſelbſt im Fleinften
Maßftabe unferen Bögeln als Paradies
erjcheinen, und man hat vorgeichlagen, an»
ftatt hervorragenden Drnithologen koſt—
ipielige Denkmäler aus Stein zu widmen,
zu ihrem Gedenfen folhe Bogelinfeln zu
Ihaffen und diefe nad) jenen großen Vogel:
freunden zu benennen.
Wir Haben vorftehend einige Winke
über die Erridhtung von Niftplägen erteilt
und fommen nunmehr zur Beiprechung der
Niftkäften. Solche find für unfere Höhlen-
brüter eine große Wohltat, nur müffen fie
genau nad Bedürfnis der einzelnen Vogel-
arten angefertigt und richtig aufgehängt
werden. Sollte dennoch die Befiedelung
nicht fofort erfolgen, jo möge man nicht
mit dem Geſchick und den Fleinen Sängern
hadern, dieje find begreiflicherweife miß-
trauifh und nehmen die Käſtchen nicht
immer jchnell an. Die Befeftigungshöhe
über dem Grdboden beträgt für Stare,
Bachftelzen, Wendehälfe T—8 Meter, für
Meifen 4—5 Meter nit an großen Bäumen,
für Rotſchwänzchen 3—4!, Meter an mitt:
Ieren und großen Bäumen, für Fliegen
fchnäpper 3 — 4'/s Meter an großen Bäumen.
Die Niftkäftchen werden am beften aus
Baumftämmen hergeftellt. Bor dem Flug:
loch fann fih ein Zmweiglein oder auch ein
Holzſtock zum Sißen befinden; nur fei er
klein, damit er nicht Raubvögeln zum An:
flug diene.
Die Erfahrung hat nun die folgenden
Geſetze gelehrt: Für Stare fann man hohe
Bäume auswählen, aud mehrere Käſten
an einem Baum anbringen, da der Star
mit jeinesgleihen gut ausfommi. Meijen-
fäften find da zu befeftigen, wo mehrere
Bäume beieinander ftehen und in der Näbe
womöglich kleine Tannen und Fichten find;
das Flugloch ſoll ichräg nach dem Boden
zu Stehen, ıhre Käften find gleich denen für
Rotihwänze und Fliegenſchnäpper mit
Dornen zu ſchützen. Die Niftkäftchen für
die beiden legtgenannten Vogelarten bringe
man an Gartenhäujern und Wandgefimjen
an, auch der Starfaften kann am Dad
giebel befeftigt werden. Die Befeftigung
an Bäumen geicieht am bejten mit Draht;
das infchlagen von Nägeln würde den
Baum beihädigen. Der gewählte Baum
darf nicht allzu frei ftehen und muß fid
frühzeitig belauben. Alle Käſten jollen feft
hängen, damit fi) der Bogel nicht jchredt;
alle jollen mit dem Flugloche gegen Sonnen—
aufgang gerichtet fein und alle müſſen im
Frühjahr gründlich gereinigt werden, damit
der alte Unrat entfernt wird und die Vögel
nicht durch die jo läftigen Vogelmilben zur
Verzweiflung getrieben werden.
Wer nad) einem billigen illuftrierten
Leitfaden ſowohl für die Winterfütterumg,
wie für die Niltfäften jucht, ſei hingewieſen
auf die vorzüglihen im Berlage von B. ©.
Teubner, Leipzig, Poftftraße 3, erfchienenen
Schriftchen: „Wutterpläge für Bögel im
Winter”, von Hofrat Profefior Dr. K. Tb.
Liebe. Bollftändig neu bearbeitet von Dtto
Kleinſchmidt. 1 Stüd 20 Pfg., 100 Stüdf
5 Marf, — „Niftpläge und Niftfäften“
Jubiläumsſchrift von Dtto Kleinſchmidt
1 Stüd 20 Pfg., 100 Stüf 5 Mark.
Beide Schriftchen find auch beim Ber
liner Tierſchutz-Verein zu beziehen.
(Anwalt d. Tiere.)
55
Poeſie und Brofa in der Haturwiflenidaft.
Was in dem Bettenkoferhaus-Bortrags:
zyklus in Münden Brof. Lipps jeinen
Zuhörern neulich bot, war ein feiner geiftiger
Genuß. Man befam wieder einmal ein
flares Bild von der Scheidung, die im In—
terejle der Naturwifjenichaft wie der Philo-
jophie nötig ift.
„Naturmwiffenichaft und Poeſie“ — dieſe
Wortverbindung fcheint ein Widerſpruch in
fich ſelbſt. Wiſſenſchaft und gar erit Natur
wiſſenſchaft ift nüchterne Broja. Aber in
diefe Proſa fann Voeſie hineingetragen
werden und auf dem Wege etwas entitchen,
was als Naturmiflenichaft gilt.
Einft Überflutete die Philojophie ihre
Grenzen und flutete hinein in das Gebiet
der Naturwiſſenſchaften Das Ergebnis
war ein Dillettantismus jchlimmer Art: die
Naturphiloiophie. In gewiſſer Weije haben
wir jetzt das Gegenteil: die Naturwifjen-
ſchaft flutet hinein in das Gebiet der Bhilo
fophie und die Folge ift ein bedenflicher
philofophiicher Dilettantismus gewiſſer Na-
turwiſſenſchaftler.
Die Naturwiſſenſchaft, heißt es, „erkennt
den Zuſammenhang der Dinge“, die
Beziehungen zwiſchen den Dingen, die
geſetzmäßigen Kräfte, die in den Dingen
fi offenbaren, die Energie, die in ihnen
verborgen iſt. Sie erfennt nun in Wirk.
lichkeit nur, daß ein Stein fällt, wenn wir
ihn nicht ftüßen, daß ein Magnet das Eiſen
anzieht. Aber wir begnügen uns nicht mit
diejen Sonftatierungen von Beziehungen der
Dinge untereinander. Wir jagen, nicht nur
das Eijen bewegt fich auf den Magnet hin,
wir jagen, e8 muß dies tun Wir unter:
icheiden das Müſſen vom einfachen Ge-
jchehen, weil wir das Eijen anthropo-
morphijieren, es uns als lebendes
Weſen denfen. Ebenjo wenn wir von
einer Anziehungskraft des Magneten jprechen,
jo vermenfchlichen wır auch hier wieder das
Lebloje und ſchmücken das Dajeın und Ge:
ichehen in der Welt der Dinge mit un
jeren Eigenjchaften, nur müſſen wir uns
klar fein, daß wir nicht mehr auf dem Boden
der naturwifjenfchaftlichen Erkenntnis ftehen,
wenn wir von einer Naturfraft, von
von Naturnotmwendigfeit ulm. jprecen.
Die Raturwiffenihaft kann nicht um ſolche
Formen in ihrer Ausdrucksweiſe herum:
fommen, denn fie muß ihre Worte der
menjchlihen Sprache entnehmen, Aber fie
muß fich bewußt jein, wo das Bild aufhört
und die Sache anfängt. Wır dürfen in den
Naturfräften nicht mehr jehen als poetifche
Schöpfungen unjerer Sprade. Und e8
gibt Solche Naturforicher, die den leeren
abjtraften Begriff der Energie, 3. B. diefes
fünftlich bergerichtete Schubfach, durd) das
es gelingt, beliebige Naturgeſchehniſſe von
einer beftiimmten Seite ber zu fallen und
vergleichbar zu machen, zum allumfafjenden
Träger des Weltgeſchehens machen, für eine
Subftanz ein Ding halten, das man mit
Sceffeln meffen fann. Schon in der älteften
Geſchichte der Philoſophie war einmal eine
folche Naturpoefie den Philoſophen über die
Köpfe gewachſen. Das war zur Zeit der
Pythagoräer. Da jah man die Zahlen als
die mweltbewegende Macht an, Geiftesver-
wandt namit ift der fcholaftiiche „Realismus
der Univerjalien.”
Die Aufgabe der Naturwiſſenſchaft
ift es, die Erfcheinung zu erforjchen und in
ein Syſtem einzuordnen, in dem alles mit
allem nad) allgemeinen Gejegen zuſammen—
hängt. Die Philojophie beichäftigt fich
damit, die Geſetzmäßigkeit der Erjcheinungen
in Begriffe zu faflen, wozu in legter In—
ftanz die einzige Möglichkeit durch unjer
Bemwußtjein gegeben ift. Durch diejes Be-
mwußtjein führt der Weg zu dem, wonach
die Naturmwifjenichaft fir immer und emig
vergeblich forichen wird, zu dem Wejen der
Dinge, zu dem „Was“ der Welt. Freilich
ift die Philofophie auch in diefem Punfte
Stücmwerf. Wäre es dem menſchlichen Geift
bergönnt, die Gejchmäßigfeiten, welche die
Naturwiffenihaft erfennt, aus der Sprade
der Erjcheinungen in die Sprade des Wirf-
lihen zu übertragen, aus der Sprache des
Scattenipiels die Geſetze des Wirflichen
berauszulejen, dann hätten wir volle Er-
fenntnis. Aber es jcheint und nur erlaubt,
jo jchloß der Bortragende, den Verlauf des
Gejchehens auf der Bühne der Wirklichkeit
Trägheit der Maijen, von Anziehung, | im Schattenfpiel zu fehen.
— 56
Unfere Urahnen aus der Hteinzeit.
Im Laufe der legten Jahrzehnte ift un-
fere Kenntnis von den Geräten und damit
auh vom Leben des Menfchen in der vor-
geſchichtlichen Steinzeit um vieles gewachſen,
und man fann fich jegt in manchen Dingen
ein ganz gutes Bild davon madjen, was
diefe unfere Borfahren vor vielen Yahr-
taufenden trieben. Im allgemeinen ift bis-
her der Standpunft vertreten worden, daß
man von einer nennenswerten Kultur jener
meitentlegenen Beit noch nicht reden könne.
Nah der Anfiht von Dr. Eduard Hahr,
die in jeinem vielfeitigen Werk „Das Alter
der wirtichaftlihen Kultur der Menichheit”
(Heidelberg, Karl Winterd Univ.-Bud
handlung) auseinandergejegt wird, hat man
die Steinzeitmenjchen bisher etwas unter-
Ihägt. Einmal iſt die Anfchauung zu be»
richtigen, derzufolge die Menſchen damals
nur Steingeräte beſeſſen haben ſollen. Na-
mentlich die großartigen Funde bei Schaff-
haufen am fogenannten „Schweizerbild“
haben bewiejen, daß der Steinzeitmenſch
auch aus Knochen vielerlei Nüpliches her-
zufiellen mußte. Auch leifteten die Leute
damals jchon recht Anerfennenswertes in
Beichnungen und Schnigereien, ſogar Befjeres,
menigftens an Originalität, als man e& bei
vielen jpäteren Bölfern finde. Hervor—
ragende Forſcher haben die Menichen der
Steinzeit in ihren mirtjchaftlichen Verbält-
niffen mit den Esfimos verglichen, aber die |
Berjchiedenheit muR doch eine ziemlich er:
heblihe geweſen fein; jedenfall® äußert
Hahn von der geiftigen Entwidlung der
Esfimos eine recht hohe Meinung, wie fie
von den Steinzeitmenfchen doch nicht voraus:
gejegt werden fann. Bon einzelnen Kul—
turerrungenichaften der legteren ift nament-
lid das Feuer zu nennen, über das fid
der Menjch damals bereits eine fichere Ber:
fügung verjchafft hatte. Daraus folgt, daß
man in der Steinzeit bereit8 baden, braten
und röften Eonnte. Zum Kochen gehörten
Hahn nad, dak darum die Töpferei noch
nicht erfunden zu fein brauchte. Das Kochen
war auch in Steinlödhern möglich, und die
Benennung folder Tücher als „Riejentöpfe”
führt der Forfcher auf eine uralte jagen-
hafte Erinnerung an dies Verfahren zurüd.
In ſolchen Steinlöhern konnte das Kochen
begreiflicherweife nur auf einem Ummeg
geichehen, indem nicht die Speije jelbit über
Feuer erwärmt oder das Waller im Loch
durch glühende Steine zum Kochen gebracht
wurde. Noch wunderbarer berührt uns die
Mitteilung, dag jene Urmenjchen aud) ſchon
gewiſſe berauſchende Getränke herzuſtellen
vermochten. Hahn erinnert daran, daß die
Naturvölfer Auftraliens, die angeblich ziem-
(ih) am Anfang einer Kultur ftehen, nod)
heute aus dem Honig von Holzbienen in
Felslöchern oder in gebogenen Rindenjtüden
durch Gärung ein alfoholhaltiges Genuß:
mittel bereiten. Aber auch das Bier jelbit,
fo weit man darunter einen gegorenen Ab-
jud von Getreidekörnern verfteht, war den
Steinzeitmenfhen vermutlid ſchon befannt.
Allerdings hatten fie, da der Aderbau noch
nicht erfunden war, auch fein eigentlihes
Getreide zur Verfügung, behalfen ſich aber
mit dem Samen von wilden Gräjern, die
in die nämliche Pflanzengruppe gehören.
Eine derartige Bierbereitung ift noch jeßt
bei amerifanifchen Sndianerftämmen zu
finden. Der Zuſatz von Hopfen ift erft
jehr viel jpäter hinzugefommen, vermutlich
erst jeit etwa einem Jahrtauſend. Was
die Kleidung des Steinzeitmenfchen betrifft,
fo beftand fie in der Regel wahrſcheinlich
aus Fellen, die aber ſchon mit oft recht
zierlichen Nadeln und PBfriemen aus Knochen
zufammengebeftet wurden. Auch Spinnen
und Weben reicht in feinen Uranfängen
vermutlich jehr hoch in die vorgeichichtliche
Beit zurüd. Daß ein gewifjes Kunftbedürfns
in der Steinzeit vorhanden war, hat ſich aus
' Wandmalereien in Höhlen und durch bunte
nun allerdings auch Geſchirre, jedoch weiſt
Verzierungen von Kiejeln ergeben. K.
Die Urheimat der Germanen.
Die fulturgefhichtlid überaus wichtige | Entdefungen ein jehr verändertes Ausſehen
Frage, wo die Urheimat der Germanen zu | gewonnen.
Die frühere, vornehmlich auf
fuchen fei, bat durch eine Reihe neuerer ſprachlichen Beweiſen beruhende Borjtellung
bon einer weltunfpannenden Maflenwande-
rung der indo ariichen Urftämme im Jugend»
alter der Menfchheit Scheint, wie Dr. Erif
Boigt aus Stodholm im jüngften Hefte
der „Deutſchen Rundjchau fir Geographie
und Statiftif” hervorhebt, mehr und mehr
der Muffaffung weichen zu müflen, daß die
Abzweigung der germanischen Urrajjen der
alleräfteften Kulturphafe angehört, und daß
fie innerhalb eines vergleichsweiſe beichränt-
ton Naumes auf der ffandinavifchen Halb-
infel vonftatten gegangen if. Nad den
Darlegungen des befannten Borzeitfennerd
Brofeflor Axel v. Koch find in erfter Reihe
die Küſtenſtrecke des jüdlichen Schwedens
(Schonen) und dann das ganze Gebiet
zwijchen Göta Elf, der Inſel Gotland, See-
land, fowie gewiſſe Teile des nördlichen
Deutichlands zwiſchen Dder und Elbe als
der eigentliche Urjig der germanischen Raſſe
anzufehen, Bun da aus erfolgte die große
Wanderung in jüddftliher Richtung, um
erit am Schwarzen Meere ihren vorläufigen
Abſchluß zu finden. Zahlreiche Befunde
ſprachlicher und volfsfundlicher Art legen |
Zeugnis davon ab, mit welcher Planmäßig:
feit die alten Gotenſtämme bei der Aus:
wahl ihrer neuen Wohnfite zu Werfe gingen.
Noch im Sommer 1905 hat E. v. Stern
auf der Inſel Berezanij im Schwarzen
57
Meere eine altnordiſche Steinfchrift
zutage gefördert, die einen unmittelbaren
Beweis dafür liefert, daR die alte gotijche
Heerſtraße zwifchen Oftjee, Weichiel, Dnjepr
und Schwarzen Meere bi8 „Miflagard”
(d. i. große Stadt, Byzanz) bis in gefchicht-
liche Zeiten hinein ein bevorzugtes Binde:
glied zwiichen dem Norden und Gliden
Europas darftellte. Rußland ift das Land
der Ros oder Ruotſi — das find die alt-
nordiihen Wäringer Solonifien. Das
klaſſiſchſte Zeugnis aber bildet wohl der
berühmte Marmorlömwe von Piräus,
jeit 1687 in Venedig, ein Werf griechifcher
Bildhauerkunſt, das aber an den Lenden-
jeiten zwei lange, exit ſpät entdeckte Runen-
jchleifen aufmweilt, deren Inhalt von ruhm-
reichen Fahrten der Goten nad) dem Wittel-
meere und Byzanz Kunde gibt. Übrigens
wird aud in dem veichen Sagenjhage aus
jpäteren Perioden der Gotenwanderung
immer wieder Sfanza oder Sfondia (Schonen)
als Bezeichnung der Urheimat aller ger:
maniichen Stämme angetroffen; und es
wird als ſicher anzujehen fein, daß die
dort beheimateten Stämme bereits auf eine
mehrtaufendjährige Entwidlung zurückblicken
funnten, als fie fich zu ihren Wanderungen
in Bewegung fegten. K. F.
(MN. R.)
Die Raſchi-Kapelle in Worms.
Die unter Denkmalſchutz ftchende Najchir |
Stapelle bei der Synagoge ins Worms joll
ausgebejlert werden. Nach einer Verfügung
des dortigen Streisamts darf die Schrift
an Rajdyi- Stuhl nur gereinigt werden und
es jofl eine Überjegung derfelben angefertigt
werden, Cine daraufhin vorgenommene ge:
naue Befichtigung des Raſchi Stuhles hatte
nım das Ergebnis, daß ſich nicht nur eine
Schrift an der Außenfeite des Stuhles
vorfand, jondern aud an den drei innen:
jeiten Ynfchriiten aufgedeft wurden. Man
hofft, dieſe nach gründlicher Reinigung ent:
ziffern und mit Hilſe diejer Inſchriften
vielleicht einen wiſſenſchaftlichen Streit ber
treffend die Erbauungszeit der Rafdi-
Kapelle enticheiden zu fünnen. Durd
Urkunden läßt ſich nämlich feftftellen, daß
|
die jetzige Kapelle im Sahre 1624 von
Tavid, Sohn vor Joſua Joſeph Oppen:
heim, erbaut wurde. Der frühere dortige
Prediger Dr. Levyſohn (Stodholm) be-
hauptete nun, daß Oppenheim die Raſchi—
Kopelle an der Stelle eines früher ſchon
beitehenden Baues wieder aufbauen
lich, indem er das hebräifhe Wort „bonoh*
mit „wiedererbauen” überjegt. Dagegen
vertritt der Altertumsforicher U. Eppftein
(Wien) die Anficht, daß das Wort „bonoh*
mit „bauen“ zu überjegen fei, und daß
Oppenheim die Stapelle neu erbaut habe,
ohne daß fie mit Raſchi in irgend einem
Bufammenhang ftehe; das. Raſchi Lehrhaus
habe ſich vielmehr in dem heutigen israe
litifchen Hoſpital befunden.
Br. 8.)
58
Deulſche Eigennamen.
Im Gegenfag zu dem heute üblichen
Sprachgebraud, eine Berfon außer mit dem
Vornamen (Eigennamen) auch noch mit dem
Familiennamen zu bezeichnen, benannten fich
unfere Vorfahren, die Germanen, feit alters
her bis ins Mittelalter hinein jeweils nur
mit einem Namen, dem Eigennamen.
Solche Namen, die durchgehends Bezeich—
nungen aufmeifen, die auf den friegerijchen
Beruf, auf Waffen, Kampf, Ruhm und
Herrſchaft hindeuten, waren: Danfıvart,
Dierleib, Gunther, Hildebrand, Notger, Ort«
lied, Sigenot, Theoderich; aber auch die
rauen hatten ihren Anteil daran: Brun—
bild, Gerlind, Gudrun, Hildeburg, Bilde-
aund, Kriempild, Sigelind.
Seit der Einführung des Chriſtentums,
aljo jeit dem 9./10. Jahrhundert, erhielt
der neu in die Kirche Aufgenommene einen
biblifchen oder Heiligennamen (David, Jo—
hanncs), doc) wurden diefe fremden Namen
nur im kirchlichen Leben geführt, dev gute
deutihe Name blieb meiterbejtchen.
Am 14, Jahrhundert traten alsdann
mit dem Verfall des Wittertums, nachdem
ih die höfiſchen Romane eines Wolfram
von Eſchenbach vder eines Gottfried von
Straßburg zu Voltsbüchern umgewandelt
hatten und ſomit weithin befannt waren,
die daraus entnommenen, zum Teil breto:
niſchen oder feltifhen Namen wie Parzival,
Gawan, Herzeloide, Triſtan, Iſolde, ins
Volk über.
Inzwiſchen hatte ſich die Sitte heraus
gebildet, eine Berjon außer mit dem Eigen:
namen auch noch durch ihre Zugehörigkeit
zur Familie, aljo dem Familiennamen
zu Sezeicdinen, wozu wohl vor allem der
Umstand beitrug ein Individuum möglichft
von den anderen mit gleidyen Eigennamen
ſchon aus jozialen und rechtlichen Gründen
zu umterfcheiden. WUnfäge zu diejer Zwei—
namigfeit treten feit dem 12./13. Jahr
hundert auf; die Literatur diefes Zeitraums
tweilt bereits einen: Heinrich den Glicheſäre
(Gleißner- Zöllner), einen Wernher den Gar—⸗
tenäre und andere auf. Zumeiſt geben dieje
Namen Stand und Gewerbe des Trägers
an: Müller, Kaufmann, Bittel, Hoch, Berk,
Hafner, Mebger, Schmied, Scloffer, Bud):
ftab (Vehrer), Schneider, Ziegler, oder die
' die Seele diefer Bewegung.
| Patein, dem zuliebe fih mande wie die alten
Herkunft: Bayer, Württemberger, Elſäſſer,
Bürder, Defterreiher, Schweizer, Sadje
oder irgend welche charakteriſtiſche Merk:
male: Schwarz (von der Haarfarbe), Bart,
Böß, Echlimm, Ehrlicher, Groß, Klein,
Lang, Mohr, Hübfch. Freilich hatten dieje
Benennungen zu Anfang noch nicht wie jet
mit dem Familiennamen eine organiſche
Berbindung eingegangen, wie der noch hie
und da beigefegte Artikel beweiſt, jondern
fie dienten hauptfächlicd zum Unterzeichnen
von Urkunden oder fonftigen Schriftfiüiden,
waren alfo gewifjermaßen zuerft nur Schreib-
namen, um den Betreffenden noch näher
bezeichnen zu können. Die äftefte Urkunde,
in dev uns eime ſolche zwiefache Benennung
zum erften Male entgegeniritt, ſtammt aus
Bafel um 1250, in der fid ein Ditericus
dietus (genannt) Beck unterzeichnete, aljo
ein Bäder feines Zeichens. Mit Anfang
des 14. Yahrhunderts bürgerte ſich Diele
Art der Benennung immer mehr ein, bis
fie im Verlaufe diefer Zeit völıg durchdrang.
Die lateinifshe Spracde, die neben dem
mehr dulgären Deutſch die eigentliche, offi
zielle Sprache des Staates, der Kirche und
der gelehrten Kreiſe war, zeitigte eine neue
Tendenz, nämlich die Familiennamen ins
Lateiniſche zu übertragen oder zur lati-
nifieren. So eutjtanden Namen wie Biftor
(Bäder), Agricola (Land: oder Baumarın),
Molitor (Müller), Sutor (Schuiter), Faber
(Schmied), Textor (Weber) oder Mullérus,
S:ultetus (Schulze) und viele andere. Dies
Beltreben kam bereit3 vor dem Eindringen
des Humanismus (Wiederaufleben der an-
‚ tifen Nunft und Wiffenjchaft) in Deutidı:
land auf, wie Urkunden aus den Matrifeln
der Heidelberger Univerfität aus dem Jahre
1450 beweijen. Auch diefe Wortüberfegungen
und Latinifierungen wurden zuerft nur zur
Namensunterfchrift gebraucht und murden
dann erit in den allgemeinen Ddeutjchen
Spracbereih eingeführt.
Selbjiverftändlich wurde dieje Gepflogen-
heit durch den Humanismus etwa mit dem
Jahre 1490 erſt recht gefördert und vor
allem war Reudlın, der gründliche Kenner
ı der griechiſchen und hebräiichen Spradye,
Außer dem
Römer den Geſchlechtsnamen noch einen |
dritten Namen beilegten, wirfte auch die
griechiihe Sprache ein, jo daß Namensbil-
dungen entjtanden wie Gapnio (Reudlin), |
Melanchthon (Schwarzert) Grachus Pierius
(Grachenberger); beionders günftig aber
waren die Träger von unſchönen, deutjchen
Namen daran, die fie in mohlklingende
lateinifche oder griediiche Benennungen um
bildeten; jo wird Hajenfuß zu Dafypodius,
Hausjcheın zu Decolampadius, Hofanderlc
zu Dfiander und andere mehr.
Dieje Sitte oder vielmehr Unfitte machte
ſich anfangs nur in der gefchriebenen Sprache
geltend, vor allem wurde fie in der gelehrten
Korreſpondenz gepflegt. Zu wirflichen Fa—
miliennamen aber wurden dieje lateinijch-
grichiichen Namensbildungen erſt im IT.
Jahrhundert, einer Zeit in der diefe Mode
bejonders bei den Proteftanten, aber aud
bei den Katholiken ſich großer Beliebtheit
erfreute; denn es war ja die Zeit, wo in
Deutidland die Nahäffung fremdländifchen
Weſens und ausländijcher Eigenart als Be:
weis für bejonders feine Bildung galt.
Segen diefe Modetorheit wendete fich
vor allem der bedeutendfte Satirifer des
16. Hahrhunderts Fiſchart und goß die
Iharfe Lauge jeines Spottes über Ddiejes
Unmejen aus. Gleichwohl dauerte dieſe
Bewegung bis zur Flaffifchen Literatur:
periode eines Goethe und Sciller, bis ihr
die Romantif, die fi) mit Vorliebe in die
59 —
Betrachtung des Mittelalters verjenfte und
der wir die Schöpfung der ganzen deutichen
Altertumsfunde zu verdanken haben, end-
gültig Einhalt gebot. Auch die Eigen—
namen, die natürlich jeit dem Emporfommen
der Familiennamen die Stelle des Vor—
namens erhalten, erlitten eine Veränderung.
Seit dem 14. und 15. Jahrhundert ge-
langten nämlih im Bürgertum und im
Bolfe, durch die Kirche beeinflußt, im Gegen:
fage zu den altgermanijchen Namen, biblıjche
' und Heiligennamen aus dem Lateinijchen
und Hebräifchen zur Geltung, während ſich
der Ndel dagegen noch ablehnend verhielt.
Gegen diefe Neuerung erhob ſich alsbald
in den reformatorischen Kreifen Oppofition.
Noch zu Luthers Lebzeiten erjchien in Witten-
berg ein lateinijches, anonymes Büchlein,
welches eine Anzahl altehrwürdiger, deutjcher
Namen enthielt. Dagegen eiferte der fatho-
liſche Gelehrte Wizelius und befürmortete
die biblifchen und SHeiligennamen, deren
Sinn er erflärte, während er anriet, die
altgermanifchen Namen wie Wolf, Ebert,
Us, Eung zu meiden.
infolge der Reformation fam es jedoch
ichließlih zu einer bis auf den heutigen
Tag fortdauernden ſprachlichen Spaltung,
indem der proteftantiihe Norden an den
überfommenen, deutfchen Eigennamen felt:
hält, der fatholifhe Süden dagegen mehr
den lateinifchen und hebräiſchen Vornamen
zuneigt. Dr. &d).
Ofertag: Denkmal.
Bum Andenken des mweiland farferlichen
Nates Dr. Valentin DOftertag, deſſen
Name durch eine im Jahre 1519 gegründete
MWohltätigfeitsftiftung in Bad Dürkheim in
hohem Anfehen fteht, foll im Kurpark dort-
jelbft ein Denkmal errichtet werden. Bur
Erlangung von Entwürfen fir dieſes Denf: -
mal wird ein Wettbewerb unter den in
Bayern lebenden Stünftlern eröffnet. Das
Denfmul muß den Zweck der Erinnerung
an Dr. Valentin Oftertan erkennen laflen,
doch darf dieſer Zweck nicht durch ein
Standbild oder cine Büſte zum Ausdrud
gebracht werden. Für die Heritellung des
ganzen Denkmals ſteht mit -Einrechnung
eines aus dem ftaatlihen Kunſtfond
gewährten Zuſchuſſes die Sunme von
27500 Mark zur Verfügung. Bon der
Staatsregierung find als Preisrichter er—
nannt die Herren: Profeſſor A. v. Hilden»
brand, Afademieprofeilor B. Schmitt, dıe
Alademieprofefforen R. v. Seit und Franz
v. Stud, jämtlih in Münden, Aus dem
Stadtrat zu Bad Dürkheim find fiir das
Breisrichterfollegium beſtimmt die Herren
Bürgermeilter Rudolf Bart, Adjunft Heußer,
Dr. 9. Biſchoff, Gutsbefiger J. ©. Zumftein.
Für Geldpreife jteht ein Betrag von 200
| Marf zur Berfügung.
60
Aundertjahr-Gedenkfeier der bayerifhen Landesvermellung.
An dem mit den Porträten und Werfen
der Männer aus den Unfangszeiten der
bayeriichen Landesvermeffung, mit Appa—
raten, Inſtrumenten und Gerätjchaften
ftiimmungsvoll ausgeftatteten, mit Lorbeer
reich deforierten Mufeumsfaal des Statafter-
bureaus in Münden fand unlängft eine
fleine Gedenkfeier ftatt, zu der fidh Die
Beamten des Bureaus vollzählig eingefunden
hatten, Der Borfiand, Regierungsdireftor
Wilhelm v. Camerer, begrüßte zumädhft
den als Vertreter des Finanzminifters er-
ſchienenen Regierungsrat Biegler, zollte
dem Steueraſſeſſor Aman für das anläß-
(ih der Humdertjahrfeier verfaßte Werk
mwärmjten Dank und Anerkennung und gab
dann eine umfaffende Darftellung der Ent-
wicklung der bayerifchen Landesvermeſſung
im erjten Jahrhundert ihres Beftehens und
ehrte darin zugleich das Gedächtnis der um
die Yandesvermeflung verdienten Männer;
er danfte den Beamten des Bureaus und
bat fie, in ihrer ferneren Mitarbeit nicht
zu erlahınen, damit der gute Ruf der
bayeriihen Landesvermeffung auch im
zweiten Jahrhundert in Ehren bejtchen
möge. Negierungsrat Biegler bradıte
des Finanzminifters volle Zufriedenheit mit
der Tätigfeit des Kataſterbureaus zum Aus:
druck; er würdigte die hohe Bedeutung
dieſes Anftitutes für das allgemeine Staats:
wohl, für die Landwirtſchaft, Induſtrie und
den Ymmobilienverfehr und ſprach die Hoff:
nung aus, daß das zweite Jahrhundert für
das bayerische Vermeſſungsweſen ein weiteres
Nuhmesblatt werden müge. Negierungs:
direftor v. Camerer bradte hierauf ein
herzliches Glückwunſchſchreiben vom Topo—
graphiichen Burcau ſowie Telegramme der
Streisverbands -Morftände der baheriſchen
Meffungsbehörden wie der Bezirfsgeometer
zur Berlefung. Damit fand die Feier
ihren Abſchluß.
Bayerns Sandesvermellung,
die Grundlage der amtlichen Anrtenwerke.
(„Deutſche Gaue“)
Die folgenden Ausführungen ſcheinen
zwar wenig unterhaltend, ſind aber einmal
notwendig; Bayerns Hauptdreieckspunkte
ſowie die 3 Grundlinien find faſt nur Fach—
leuten bekannt, da unſeres Wiſſens keine
Zeitſchrift eine ſolche Zuſammenſtellung bis
jetzt brachte. Auch werden die Winke für
Verſtändnis und Benützung der Kataſter⸗
blätter und Generalſtabskarten nicht unmill-
kommen ſein.
Meſſung ganzer Länder.
Zweck einer Landesvermeſſung iſt ent
weder die Herſtellung von Plänen, aus
denen ſich die Grenzen und Flächen der
Grundſtücke mit hinreichender Genauigkeit
entnehmen laſſen, oder Anfertigung von
Starten, welche die Lage oder Größe der
natürlichen und künſtlichen Bildungen der
Bodenflähe angeben. Der erfiere Zweck
wird bei den Statafterplänen, der leßtere
bei den geographiihen und topographiichen
Karten verfolgt.
Die atafterpläne dienen zu verfchiedenen
ſtaalswirtſchaftlichen und technifchen Zwecken,
3. B. Entwürfen von Straßen- und Eifen-
bahnanlagen, Ent- und Bewäſſerungen, Flur:
bereinigungen und anderen technifchen Unter:
nehmungen.
Die topographifchen Karten eignen ſich
hauptjächlich fiir militärifhe und geogra-
phiſche Zwecke.
Die erſte Grundlage einer Landesver⸗
mellung wird durch die Pandestriangulation
geichaffen. Darunter verfteht man die Der:
ftellung eines Neges von Dreieden, welches
über das ganze Land geipannt wird; man
erhält dadurch eine große Anzahl genau
beftimmter Punkte, deren gegenjeitige Lage
die Aufnahme aller Terrainpunfte ermöglicht.
Wenn bei einem Dreied eine Seite und
zwei Winfel befannt find, jo iſt das ganze
Dreiek der Lage nah beſtimmt. Wenn
alfo die Grundlinie des Dreiedd und die
beiden Baſiswinkel gemeffen merden, ſo
läßt fich die Page der Dreicdipige und die
Länge der Dreiedjeiten berechnen. Mit
den Dreiedjeiten hat man jedoch ſchon
wieder die Bafis eines neuen Dreiedes,
dad man an das erfte anhängt und mie
dieſes berechnet. So fortgefeßt erhält man
ein ganzes Netz von Dreieden, welches der
Lage nach genau beftimmt ift.
Bur Bermeffung Bayerns hätte es dem
nad) genügt, nur cine Grundlinie, etwa
jene zwiſchen Münden und Aufkirchen
(Erding), die altbayriſche Grundlinie ge:
nannt, zu meffen und man hätte lediglich
durch Winfelmefiungen das gunze Rand mit
einem Dreiednege überziehen und jo ver-
mejlen können.
Die drei bayrifhen Grundlinien.
1. Die altbayrijde Örundlinie
zwiſchen München (nördlicher Frauenturm)
und Auffirhen (Kirchturm). Da felbftver-
Htändlih bis am die beiden Türme nicht
direft mit dem Maßſtab gemefjen merden
fonnte, fo wurde auf diefer Strede eine
Eleinere gerade Linie gewählt, deren beide
Endpunfte, nordöjtlih von Oberföhring und
jüdmweftlih von Aufkirchen, fpäter durd
Steinpyramiden gefennzeichnet wurden. Die
gerade, genaueft gemellene Linie zwiſchen
diefen Pyramiden mißt auf die Meeres:
flähe reduziert 21653,96 m*) — 1419,262
bayrifche Ruten. Die Grundlinie München:
Aufkirchen — 28497,11 m.
Es werden folgende Eurze Angaben in:
terejlieren: Auf der ganzen Linie ftard
fein Haus; die in der Linie ftehenden
Bäume wurden entfernt, die Bäche reguliert.
Die einzelne Mebitange war c. 5 m lang,
aus trodenhem Tannenholz angefertigt und
mit dreimaligem Olanſtrich überzogen. Es
wurde immer mit 5 ſolchen Meßſtangen,
die auf ſtatifähnlichen, dreibeinigen Geſtellen
lagen und genaueſt aneinandergeſtoßen
wurden, gemeſſen (alſo je 25 m), unter
Anwendung der genauelten Inſtrumente:
Feuchtigkeit , Wärmemefjer, Senkel, durd)
Blechröhren vor Luftzug geſchützt . . Die
Leitung hatte Ingenieur-Geograph und
Oberſt Bonne, der Vorſtand des damals
in Bayern beftehenden, franzöjıjden
) Nach Beiträge zur Yandısfunde Bayerns
München 1884 9. 218 die längfte unter
allen bisher unmittelbar gemejjenen
Bajislinien.
61
!
topographiichen Bureaus.
außer Offizieren .. . 2 Zimmerleute und
18—20 Soldaten zur Verfügung. Für
diefe Truppe waren Zelte, für die Jnſtru—
mente war cine verichließbare Holzhütte
zum Schuß gegen Negenwetter, . , errichtet.
Die Mefjung der alıbayriiben Grundlinie
von Oberföhring bis Anffirchen dauerte
vom 25. Auguft bis 2. November 1801;
bie und da wurden Wuhetage eingelegt,
auch die Arbeiten durch Sturm und Regen
unterbrochen; an einem befonders günftigen
Tage konnten 1000 m gemehjen werden,
jonft jedoch nur die Hälfte im Durchſchnitt.
Wie die jpätere Stontrolle ergab, wurde
eine Meßſtange, aljo 5 m, bei der Ber-
meſſung aus Berfehen nicht notiert; es
mußten am betreff. Tage wegen drohenden
Regens die Anftrumente vafch geborgen
werden; der Fehler wurde verbejlert. Die
Endpunfte der altbayerijchen Baſis bezeich-
nen die beiden Pyramiden, von denen eine
bei Oberföhring und die andere bei Auf-
firchen fteht. Ihr Grund wurde mit Ziegeln
aufgemauert und darauf der Grundjtein,
in Mörtel gebettet, gelegt. In dem Grund:
ftein ift ein fleiner Mefftingeylinder mit
Blei eingegofjen, der genaueſt den betr.
Endpunkt anzeigt. Das ganze wurde 1802
mit einer Marmorplatte überdeckt und auf
diefer die Pyramiden gebaut. Letztere
tragen die Inſchrift: „Anfang der zwijchen
Münden und Auffirden im SYahre 1301
gemeflenen Grundlinie”,
2. Die fränfifhe Grundlinie.
Nach ichwierigen VBerjuchen fand man die
pafiende Strede vom Qurme der Gottes—
aderfirdhe zu St. Yohannis-Nürnberg bis
zum Kirchturm im Markte Brud. Aller—
dings ging diefe Linie durch Bordorf. Die
Meflungen dauerten vom 21, September
bis 29, Dftober 1807. Die Linie beträgt,
reduziert auf die Meeresfläche, 13796,5654
Meter. An den Endpunften bei den beiden
Türmen wurde je ein drei Fuß hohes Sand-
jteinprisma verfenft, auf welches cine Meifing
platte gejchraubt wurde, deren Mittelpunkt
genau den Endpunft bezeichnet. Die Mejling-
platte beim Gndpunft St. Johannes fand
ſich 1812 durch unmijjende, bushafte oder
habgierige Yeute abgefprengl,. Auf die
Meilingplatten wurde die Inſchrift gravdiert
(verdentfcht): „Südlicher (rejp. nördlicher)
Ihm ftanden
Endpunft der Bafis zwiſchen dem Fohannis«
turn in Nürnberg und dem Turm im Orte
Bruf, mit eifernen Maßſtäben beftimmt
62
auf Befehl des bayer. Königs Marimilian -
Joſeph von Ulrich Schiegg und Thaddäus
Yänımle im Sept. und Oftober 1807*.
hat die Richtung vom nördlihen Domturm
licher) Endpunkt der Bafıs, welche zwiſchen
dem nördlihen Domturme zu Speyer und
dem jüdlihen Turme an der Xorettofirche
zu Oggersheim auf allerhöciten Befehl
Sr. Majeftät des Königs von Bapern
' Marimiliaon Joſef zum Behufe der Lataſter—
3. Die pfälzifhe Grundlinie |
su Speyer zum jüdlichen Turm der Loretto: |
fire zu Oggersheim. Gine Merfwürdig:
feit in diefer fruchtbaren Gegend war: Nur '
ein einziger Baun ftand fiörend in der |
Linie und wurde gefällt. Drei Sandhügel
wurden durchgraben, über den Rehbach eine
Brücke geſchlagen. Selbjtverftändfich fonnte
man aud) auf diefer Linie nicht bis zu den
Türmen jelbft mit dem Maßſtab meilen;
die ‚eigentlihen Endpunfte waren deshalb:
der weitliche beim Bartturm oder Chauſſee—
Häuschen rechts an der Straße Speyer-
Worms, und der öſtliche in eirem Acker
am Pienniggartenmweg bei Oggersheim. Die
Länge der Bafıs ıft 19794,974 m reduziert
auf die Meeresfläche. Die Meſſungen fanden
ftatt im September und Dftober 1819,
Die Signalfteine an den Enden find in
die Erde verjenfte Säulen mit Meifing:
platten, auf denen der Endpunft und folgende
Inſchrift eingraviert ift: „Südlicher (nörd-
vermefjung des Rheinfreifes in den Monaten
September und DOftober 1819 dur den
f. b. Steuerrat und Bermeſſungskommiſſär
Thadäus Lämmle mit eijernen Stangen
gemeſſen worden iſt“.
Auch unſere Herausgeber von Orts
chronifen.. . . müſſen jih mit dem vor-
handenen Karten Material vertraut machen.
Man vermißt bei den meiften einen bear-
beiteten Orts und Flurplan, aus dem fich
doch ſehr vicl Herauslejen ließe; für einen
jofhen wären die Satafterpläne etwa in
drei: bis fünffacher Berkleinerung dienlid) ;
dann fehlt meiit ein Überſichtskärtchen über
die behandelte Gegend; dazu diente etwa
ein Ausſchnitt aus der 250000 teiligen
Überfichtefarte oder aus der Reichskarte.
Selbitveritändlich ift dazu die Genehmigung
der einschlägigen Behörden erforderlich, Die
dem Verein Heimat für die von ihm herauszu-
gebeuden Publikationen, auch Ortschronifen,
in danfenswerter Weije gegeben wurde.
Bon den Ameilen.
Ameifen und Pflanzen.
Das Ende eines naturwijfenfhaftliden Idylls.
Bon Dr. Ernft Teihmann (Frankfurt).
Der Forftmann fieht die großen Solo»
nien der Waldameije nicht ungern in jeinem
Nevier. Weiß er doch, daß die gejchäftigen
Tierchen aufs fleißigfte bei der Wertilgung
allerhand ſchädlicher
helfen. Auguſt Forel, der Schweizerische
Myrmekologe, hat ausgerechnet,
einem einzigen Tage liber Qunderttaujend
Inſekten von den Bewohnern eines Neftes
der Waldameife zum Opfer fallen. Freilich
gibt es in den Tropen aud) unter den
Ameifen ſelbſt hinwiederum folche, die zu
den grinimigften Feinden der Pflanzenwelt
gehören. Das find jene merkwürdigen
dah an |
„Blattichneider” oder „Schlepper“ genannten, |
dev Gattung Atta angehörigen Tiere, deren
aus zahllojen Yudividuen beitehende Züge
in fürzefter Zeit Bäume und Sträucder
entlauben. Mit ihren fcharfen Kiefern
ichneiden fie aus den Blättern grofchengroße
Pilanzenfeinde mit: | Stücke heraus und fchleppen fie zu ihrem
Neft, um fie dort, nachdem fie zerkleinert
und zu einem Brei zermalmt worden find,
als Düng: und Nährmaterial für kleine
Pilze zu verwenden, die fie höchſt Eumit-
gerecht zlichten und nicht ander& verwenden
wie der Menſch den Kohl, den er baut.
Unter den Bäumen, die in diefer Weile
heimgefucht werden, Stehen die Akazıen und
Gecropien Südamerifad bei den Blatt:
jchneidern in bejonderer Schäßung. Trotz
dem bleiben deren viele von ihnen völlig
unbehelligt: aus irgend einem runde
werden fie von den Ameifen verſchont. Was
mochte wohl die Urjache dafür fein?
Zwei Forfcher, Frig Müller und 9.
3.8. Schimper, glaubten das Geheim:
nis entdedt zu haben.
daß die genannten Bäume häufig von andern
Ameijen bewohnt wurden, die der Gattung
Azteca angehören und denen fie einen be:
jonders kriegeriſchen Sinn beilegten. Die
Azteca betradhte dann den bewohnten
Baum als ihren Machtbereich, den fie gegen
jeden Eindringling aufs nachdrücklichſte ver-
teidige. So kommt es, argumentierten die
beiden Gelehrten weiter, daß die Blatt:
Ichneider hier vergeblich ihr verderbliches
Handwerk auszuüben verjuchen: fie werden
mit Schimpf und Schande von den tapferen
Aztecen heimgeſchickt. Und der Baum, von
dem jo ſchweres Unheil abgewendet wurde,
erweift ſich feiner £leinen Freundin dankbar.
Wit nur gewährt er ihr im den Hohl:
räumen feiner Zweige bequemen Unterjchlupf,
fondern er erleichtert ihr den Eintritt nod)
befonders, indem er die jonjt ringsum gleich-
mäßig die Winde feiner Äfte an einer
Stelle nur dünnwandig anlegt und fie roch
iiberdie8 durch eine grübcjenartige Ein:
jenfung kenntlich macht. Dort erbohrt ſich
die Ameiſe nun leicht die Tür, durch die
fie in ihr Haus einzieht. Und — faſt
wunderbar Flingt das Lied von der dank—
baren Pflanze — aud; dafür jorgt fie, dab
es ihrem Gaft nicht an fräftiger Speije
gebricht: kleine eimeißhaltige Körperchen,
die fie an den Blättern oder den Stielen
bervortreibt, bieten fi) der Ameiſe als will:
kommene Nahrung dar. So hat ſich denn,
nach Müller und Schimper, ein Freund»
Schaftsverhältnis zwiſchen Pflanze und Ameiie
ausgebildet, bei dem jeder Teil feine Red):
nung findet; jo innig gar ift es geworden,
daß weder Pflanze noch Ameiſe ohne das
andere mehr fein fann.
Faft dauern muß es einen, daß dies
naturwiſſenſchaftliche Jdyl von rauher Hand
zerftört werden ſoll. Und doch wird es
den Angriffen, denen es feit einer Reihe
von Jahren ausgejegt ift, faum länger
Stand zu halten vermögen. H.v. Yhering
und andere haben es fich zur Aufgabe ge
macht, die Beziehungen genau zu prüfen,
die zwiſchen Pflanzen und ihren Schutz—
Sie fanden nämlid, |
ameiſen beitchen folen. Die Refultate zu
denen fie gelangten, find für die eben
ſtizzierte Theorie pflanzlicher Myrmekophili
höchſt ungünſtig. Ihering hat nämlid) be:
obachtet, daß die Cecropie ohne Ameiſe
ebenfogut fortfommt wie mit ihnen, Gr
pflanzte im Garten des Mujeums von Sao
Paulo einen jungen Baum ein, der ftattlich
heranwuchs. Aber obgzleich er von Ameijen
ganz frei blieb, wurde er dod; niemals von
den Blattjchneidern heimgefucht, die ganz
in feiner Nähe ein riefiges Neft befaßen.
Überhaupt trifft es nach diefem Forſcher
durchaus nicht zu, daß die Pegetation
durch) das Verfahren der Blattichneider
vernichtet werde. Wohl entblättern fie bie
und da eine Gecropie; aber der Baum er-
holt fich Leicht, jelbit wenn er die Prozedur
des Wlattjchneidens mehrere Male binter-
eınander zu erdulden hat. Die „Schuß-
ameiſen“ aber laſſen es unter Umſtänden
ruhig geſchehen, daß die Blätter ihres
Wirtsbaumes von Inſekten zerfreſſen werden—
ſie geben durch nichts zu erkennen, daß ſie
mutiger und kampfluſtiger ſind als andere
Ameiſenarten, die ihr Neſt zu verteidigen—
haben. Und auch die eimeißhaltigen:
Nörperchen, die die Cecropie an der Bafis
der Blatifticle hervorbringt, werden ihrer
Bedeutung für die Ameiſen entkleidet.
Ihering verpflanzte einen zwei Meter hohen
von Ameijen beivohnten Baun aus dem.
Walde in den Mufeumsparf, Das hatte
zur Folge, daß all feine Blätter abwelkten.
Tropdem nun die Ameiſen auf dieje Weije
cin und einen halben Monat lang jene
Körperchen nicht zu freilen befamen, blieben
fie doch am Leben und wurden in der Auf-
zucht ihrer Brut nicht im mindeften geftört.
Stirbt freilidd der Baum völlig ab, fo ift
das Schickſal der ihn bewohnenden Azteca-
Kolonie bejiegelt, fie geht im furzem zu
Grunde. Nach diejen Beobachtungen jcheint
es, ald 05 zwar der Baum für die Ameije
unentbehrlich fei, daß aber die Umkehrung
des Satzes nicht gilt. Nicht jene mechfel-
jeitige Freundſchaft hätte ftatt, die die
Wiſſenſchaft Symbioſe nennt, fondern das
Verhältnis der Azteca zu ihrer Wirtspflanze
wäre als ein Fall von ganz gemeinem
Paraſitismus zu betrachten: „Die Cecropien
bedürfen”, fo drückt fi v. Ihering etwas
draftifch aus, „zu ihrem Gedeihen der
Azteca-Ameife jo wenig wie der Hund
der Flöhe*.')
Und noch in einem anderen Punkte
dürfte die Theorie der „Ameijenpflanzen“
einer kritiſchen Revifion zu unterzichen fein,
Es gibt in den Tropen zahlreiche Gewächſe,
die außer den Zuder ausfcheidenden Organen
innerhalb der Blüte aud) fogenannte extra—
florale Neftarien hervorbringen; fie ſitzen
an Laubblättern, Hochblättern, auf dem
Kelche, am Blütenſtiel und anderen Stellen.
Nach einer von Delpino und Welt aufge
ftellten Theorie dienen fie dazu, Ameiſen
anzulodfen, die dann die Pflanzen gegen
allerhand Feinde zu ſchützen hätten. Aud)
in Ddiefen Bildungen hätten wir mithin
Anpaffungen der Pflanzen an die Bedirf-
nifje der Ameiſen zu erbliden, die gewiſſer—
maßen als Belohnung für die guten Dienfte
dargeboten würden, die die Ameijen den
Pflanzen erweiſen. Auch dieſe Theorie hat
ſich bei genauer Nachprüſung als unrichtig
erwieſen. Frau Dr, M. Nieuwenhnis v.
Uerfüll:- Syldenbrandt hat im bota
nischen Garten zu Buitenzorg auf Java
diefe Verhältniſſe eingehend ftudiert; fie ift
dabei zu Ergebniffen gelangt, die fidy mit
den Belt-Delpinojden Anfchauungen nicht
in @inflang bringen laffen,?) Schon die
Stellen, wo die ertrafloralen Nektarien
angebracht find, erfcheinen, wenn diefe den
Zweck haben follen, Ameifen zum Schutz
der Pflanzen anzuloden, als dazu wenig
geeignet. Denn bei weitaus den meiſten
der unterfuchten Gewächſe fiten die Nektarien
auf der Unterfeite der Blätter und lenken
jo die Pflanzenbeſchützer geradezu von der
beſonders von den Feinden bedrohten Blüten:
region ab; auch mwären die an der Linter-
ieite der Blätter beichäftigten Ameifen dem
Blick der Blütenfeinde entzogen und könnten
nicht einmal abichrefend auf fie wirfen.
64
Ganz ſchlecht paßt es ferner zu der Schuß-
theorie, daß Nektarien am oberen Rand
der Blumenkronröhre vorfommen. Würden
nämlich Ameiſen bierhergelodt, jo müßten
fie ja die befiäubenden Inſekten verfcheuchen
und Dadurch auf die Befruchtung jehr nach—
teilig einwirfen. Dabei ift vorausgejegt,
daß dieſe Ameijen in der Tat jene fricge:
riſchen Eigenſchaften befigen, die ihnen die
Theorie zuſchreibt. Num zeigt fich aber,
daß gerade die Ameiſen, don denen die
Zuckerdrüſen befigenden Gewächfe regel
mäßig befucht werden, durchaus harmlos
ind. Sie benehmen fid) gar nicht feindlich
gegen Pflanzenichädlinge wie NRaupen,
Banzen und Käfer; ja in manchen Fällen
laffen ſie ſich ſogar von ihnen vertreiben,
So bringen die Ameijen den Pflanzen mit
ertraflorıten Buderausfcheidungen feinerlei
Borteil. Im Gegenteil, fie können diredt
ihädlıd) Für fie werden, indem fie ſich auf
ihre Koſten ernähren, ausgedehnte Läufe»
zuchten auf ihnen anlegen, nit dem Buder
die Neftarien ſelbſt herausfreflen und bis:
weilen auch die Blätter angreifen.
Wenn diefe Beobachtungen von Frau
Nieuwenhuis v. Uerküll-Gyldenbrandt richtig
find — und es liegt fein Grund vor, fie
anzu;weifeln — fo dürfte aud) die Theorie,
die in den ertrafloralen Neftarien cine An—
paſſung der Pflanzen an den Ameiſenſchutz
erblidt, aufzugeben fein Weldyes aber die
wirflihe Bedeutung dieſer Gebilde ſei,
bleibt vorläufig ungeflärt.
9 Tl. P. v. Jhering „Die Ceeropien
und ihre Schutzamciſen“ in Englets gt
Jahrbüchein für Syſtematik 1907 Bd. S.
666 bis 714.
) Bal. M. Nie nwenhuis- vd. Uerfült-
Byldenbrandt „Ertraflorale Buderausfchel-
dungen und Ameiſenſchutz“ in Annales du
jardin botanique de Buitenzorg 1907 Scrie
J
2 Vol. VI p. 195-327.
Don den — der Ameiſen.
In einem intereſſanten Buche, das die die Lebensweiſe der Ameiſe.
vielfach betriebenen Studien der Ameiſen—
funde jorgfältig verarbeitet und reichlich
mit eigenen Forichungen durdjjcti*) fchildert
der Straßburger Privatdozent K. Eſcherich
u *) Die Amelie. Schilderung ihrer Lebens—
weiſe. Mit 68 Abbildungen. (Brammichmeig,
Friedrich Bieweg & oh.)
Er tritt den
Forschern, die den Ameiſen ein menjchen:
ähnliches Schlußvermögen, eine fast menſch—
liche Moral und menſchliche Intelligenz
zufchreiben, ebenjo fonfequent entgegen wie
den Gelchrten, die in ıhmen nur reine
Neflerautomaten ſehen, die aller Empfindung
ı bar blindlings auf äugere Neize reagieren,
Für ihn ift vielmehr die Ameiſe ein mit
Empfindungen reichlich ausgeltattetes Wejen,
das ein gutes ſinnliches Gedächtnis
befigt, Afjociationen von Sinne:
bildern, Wahrnehmungen und indi-
viduelle Griahrungen hat und auf
einer hoben Stufe des inftinftiven
Handelns fteht.
Man muß fidı jedoch davor hüten, durch
allzugroße Analogien mit menſchlichen Ber:
bältnıffen die Ameiſen zu Miniaturmenjchen
zu ftempeln und die fomplizierten Vorgänge
ihrer alltäglichen Yebensäußerungen bei der
Brutpflege, beim Neftbau und beim Nahrungs»
fuchen auf eine gewiſſe Intelligenz und auf
eine bewußte Begründung einer fozialen
Kultur zurüdzuführen.
Beifpiel als unzweideutige Beweije für den
großen Verftand der Umeifen die „Brüden
bauten” angeführt, die die Ameijen über
im Wege liegende, Hinderliche Gegenftände |
ichlagen, indem fie fie mit Sand bededen
und dadurch fich den Übergang ermöglichen.
Diefe Handlung wird aber nich: durd) eine
bewußte Abficht der Tiere in Angriff ge
nommen, jondern fie wird ihnen durch ihren
Reinlichkeitstrieb nahegelegt. Die
Ameifen haben nämlih die Gewohnheit,
Fremdkörper, die nicht aus dem Meft ge:
ſchafft werden fünnen, einfach mit Erde zu
bedefen, und jie dehnen das bei ihren
Banderungen auf jeden fich ihnen in den
Weg ftellenden Körper aus. Diejer Rein:
lichkeitöfinn ift in ihrem fozialen eben
aufs tieffte begründet, dern ohne die pein-
lihite Sauberfeit würden fie fich ſonſt
gegenfeitig nicht erfennen noch irgend etwas
mitteilen fünnen, da der Bujammenhang
des einzelnen Individuums mit den Genojjen
nur durch den Geruchsſinn hergeftellt wird.
Würden fie mit Staub bededt jeın, jo würde
dadurd die Möglichkeit des Erfennens durch
den Geruch außerordentlih vermindert
werden, Beſonders müſſen die Fühler ftets
fauber jein, denn nur durd fie fteht das
Tier mit dem ganzen Stamm in engiter
Verbindung. Sie pugen daher fortwährend
an dieien Fühlern, aber auch den Körper
beleden fie fih fortwährend und nehmen
häufig die fomijchiten Stellungen ein, um
mit ihrem Munde an jede Stelle des Störpers
zu gelangen. Uber mögen fie fich noch fo
verfrümmen und verdrehen, gewiſſe Stellen
So hat man zum |
|
' und die Brut zu treffen.
des Rückens bleiben ihnen doch immer un-
erreichbar und dann bitten fie einen Kame—
raden um Hilſe Der beleft fie dann vom
Kopf bis zum Fuß und macht fie ganz
jauber.
Durch dieſen Reinlichkeitstrieb läßt ſich
auch eine Gewohnheit der Ameiſen erklären,
über die die abenteuerlichſten Dinge erzählt
werden. Es find die „Begräbniſſe“, die
die Ameiſen auf beſtimmten Friedhöfen
vornehmen ſollen und bei denen ſie die
Leichen in ſchönſter Ordnung reihenweiſe
hinlegen. Aber die Tiere haben dabei nicht
etwa die Abſicht, ihren Toten eine letzte
Ruheſtätte zu bereiten, ſondern ſie folgen
nur ihrem Reinlichkeitstriebe, der ſie alle
Abfälle aus dem Neſte entfernen und nach
einem beſtimmten Ort ſchaffen läßt. Ebenſo
haben die Ameiſen einen ſtarken Ver—
teidigungstrieb, der ſie im Verein
mit ihren Erſahrungen dazu führt, beſon—
dere Sicherheitsmaßregeln für die Weibchen
Sie laſſen die
Ein: und Ausgänge der Neſter von einer
Anzahl Arbeiter jorgfältig bewachen, die
beftimmte Alarmiignale von ſich geben,
wenn der Feind herannaht oder auch durch
aufgeregte Wühlerjchläge den Stameraden
die Gefahr mitteilen. Bei der perfönlichen
Berteidigung beſteht eine große Berfchieden-
heit zwiichen den einzelnen Ameiien. Wird
das Neſt irgendwie angegriffen, jo ftürzen
fih die einen wütend auf den Friedens»
ftörer, andere ſuchen die gefährdete Brut
zu ſchützen; wieder andere aber haben gar
feine Luft, das Baterland zu fchligen und
zu verteidigen, fie flüchten ſich, verfteden
fi, ja bleiben jogar manchmal bewegungslos
liegen, um durch dieſe inftinktive Lift des
„Scheintodes” jeden Vorwurf von ſich
abzuwehren.
Auch bei den gelegentlihen Wande—
rungen, die die Ameijen unternehmen,
herricht durchaus nicht Einmütigfeit unter
ihnen. Bielmehr jcheinen einige tempera-
mentvolle Ameijen von der Luft zum „Um-
zuge“ erfaßt zu werden, während andere
wieder lieber im alten Nefte bleiben wollen.
Die Umzugsluftigen treten dann ganz nahe
un die andern heran, Liebfojen fie mit
ihren Fühlern, ziehen fie an fi und laden
fie fchließlih auf ihren Nüden, um fie in
das neue Neſt zu tragen. Das Beijpiel
dieſer refoluten Ameijen jtedt dann andere
an, auch fie paden ſich ihre Gefährten auf
und jo wandert immerfort ein langer Zug
idiwer beladener Zräger nad) dem neuen
Nefte, bis endli alles herübergeſchafft ift.
Jedoch tiagen die Ameifen ihre Genoſſen
nit etwa aus „Mitleid“: denn die Ge—
tragenen find keineswegs ſchwache oder
franfe Individuen, fondern fie find häufig
viel größer und viel ftärfer als ihre Träger
und werden einfadh von den Ameijen, die |
gerade von dem Trieb zum Umzug erfaßt ;
find, forttransportiert, die auf dieje Weile
am einfahiten und jdnellften zu ihrem
Biele gelangen. her ift es fchon ein.
BWohltätigkeitsaft, wenn die Ameijen eine |
ihrer Sameradinnen, die fi verirrt hat
und fib nicht mehr orientieren fann, in
das Neſt zurüdtragen.
Am nächiten aber ftehen den Hußerungen
des menichlihen Mitleids die Handlungen,
welche die Ameifen mitunter an ihren
franfen Gefährtinnen vollziehen. Sie |
üben dann eine dırefte Krankenpflege
aus, indzm fie die leidenden Tiere forg- |
fältig belefen, dann ummenden, wieder
belefen und mit den Fühlern unterjuchen.
Der Erfolg diefer Kur ift gewöhnlich voll»
ftändig und das Tier, das ohne dieje Be:
Spinnende
Die Welt der Ameije ift ſeit Menſchen-
gedenfen eines der interefjanteften und lehr—
reichften Gebiete der Naturforſchung und
der Landwirtſchaft, denn vielfah muß auch
der Landwirt mit dem Volke der Ameijen
wie mit dem Bienenvolfe rechnen. Trotz
der intenfiven Beobadhtungen vieler Forjcher,
die weder Zeit noch Mühe icheuten, die
Ameiſen ber ihrer Arbeit zu belaufchen,
werden immer mehr weitere ftaunenerregende
Eigenſchaften von einzelnen Umeifenarten
befannt. So ift im Orient eine Ameiſe
weit verbreitet, die zu der Gattung der
Blattbemohner „Defophylla” gehört umd
nach ihrer Färbung den Beinamen „Sma:
ragdina” führt. Dieſe Ameifen haben eine
höchſt merkwürdige Fähigkeit, ihre Blatt»
häuſer zu bauen oder nötigenfalls zu repa— |
rieren, wovon Dr. Doflein im „Biologiichen
Bentralblatt” eine anziehende Schilderung |
entwirft. Wenn die Ränder des Blattes |
“iteinander zu verbinden find, oder wenn in |
handlung fiher fterben würde, wird wieder
bergeftellt.. Freilich find die Fälle noch
häufiger, in denen fi die Ameijen um
Kranke und Berwundete nicht im geringften
fümmern und fie einfach verfommen laſſen.
Auh Spiele fann man in dem Ameijen-
ftaat beobaditen. Zum mindeften unter:
nehmen fie jehr oft Umzüge, die feinen
eigentlihen Zweck haben und nur dem Be
dürfnis zu dienen fcheinen, fih von der
überjhüjfigen WMusfelenergie zu befreien.
Häufig vollführen die Tiere auh Schein—
fämpfe, ringen miteinander, paden fich,
jerren ſich, überjchlagen ſich mehrmals,
lafjen dann vom Kampfe ab und beginnen
ihn nad furzer Zeit von neuem. Manch—
mal balgen fi fjogar zwei Ameifen zum
Beiipiel um einen fleinen Strohhalm wie
junge Kätzchen um einen Ball. Selbit
VBerjammlungen finden bei den Ameijen
ftatt: jo treten plöglih an einem hellen
Tage alle Tiere zujammen, wenden die
Köpfe einander zu und bleiben gan; ruhig
ftunden-, ja tagelang bei einander, wobei
fie nur die Fühler langjam und gemächlich
bin und herbewegen. Was fie freilich da
verhandeln, das bat noch fein menschlicher
Berftand herausbringen fünnen. C.K.
Ameifen
dem Blattneft ein Riß eingetreten ift, wird
zunächſt eine kleine Schar von Arbeitern
fommandiert, die fi in einer Reihe quer
über den Spalt ftell. Dann halten fie den
einen Rand mit den Kiefern und den anderen
mit den Beinen feſt, welch' letere zu diefem
Zweck möglichft weit ausgeftredt werden. Nun
wird mit gemeinfchaftlichen Kräften ein Zug
ausgeübt, bis die beiden Ränder einander
berühren. Darauf erjcheint eine zweite Bartei
auf dem Schauplaß und jorgt dafür, daß die
Ränder fo aneinander fommen, daß fie genau
zufammenpaffen. Nachdem auch dies geſchehen
ift, kommt endlich eine dritte Gruppe von
Ameiſen, deren jede eine Larve in den Kiefern
trägt. Die Larven diefer Ameifenart befigen die
Fähigkeit zu ſpinnen und üben fie in jenem Falle
aus, jobald fie auf die betreffende Stelle nie:
dergelegt werden. Dadurch werden die beiden
Blattränder feit miteinander vereinigt, und
das grüne Lufthaus der Ameifenjchar ift dann
wieder für einige Beit in Ordnung gebradıt.
67
Samariterdienft bei der Waldameifr.
Sn der „Umſchau“ (Frankfurt a M., 9.
Bechholds erlag) berichtet Hans Siegert:
Am Sommer 1907 fite ih auf einer Bank in
der Nähe von Hertenſtein am Biermwaldftätter
See. Zufällig blicke ich auf die Erde unter mir
und mache num die betrübende Entdedung, daß
ich mit meinen ungefügen Bergſchuhen zahlreiche
Ameiſen in den lehmigen Boden getreten habe.
Die Nachricht von dem „Blutbab*, das ich an-
gerichtet, muß ſich fehr fchnell verbreitet Haben,
denn ſchon mwimmelt dad Schredensfeld von ben
Meinen, flinfen Tierchen, ®ejchäftig laufen fie
bin und ber, und bald babe ich Gelegenheit, bie
Ameijen von einer mir neuen, bewundernswerten
Eeite kennen zu lernen: Es Handelt fich bei
diefer auffallenden Geſchäftigkeit nämlih um
nichts Geringeres, al8 die Rettung und Bergung
der Berunglüdten. BZunädit erjtredt fich ber
Samariterdienft auf die Berlegten, die noch mit
einem Teil ihres Körpers in der Erde fteden.
Sobald die Suchenden eine jolche Unglüdsameije
entdedt haben, faſſen fie zu und ziehen die Ärmſte
mit vereinten Kräften and ZTagesliht. Bon
einer einzelnen Ameife wird fie dbapongetragen.
Eine der ZTrägerinnen verfolge ich zwei Meter
weit. Ste überwindet alle Hinderniſſe, benüßt
bie und da ein Hälmchen als Yaufbrett, macht
zeitweilig einen Ummeg um einen Stein, verliert
dabei aber nie die Richtung aus dem Auge.
An einer Stelle ſehe ich drei Ameifen beifammen
ftehen, untätig wie in Beratung. Bon Zeit zu
Beit fenfen fie die Köpfe, als wenn fie in der
Erde graben mollten. Aber der feuchte Lehm
ift für die Kiefer der Ameifen wohl zu zäbe.
Sollten hier etwa Berunglüdte begraben liegen ?
Ich grabe mit meinem Meifer nach und finde
num etwa einen halben Zentimeter tief eine
Ameife, ſchwer verwundet, au einem Klümpchen
zufammengeballt. Nachdem ich die Unglüdliche
bon der Erde befreit habe, übergebe ich fie ben
Samariterinnen, die fie auch fofort in Empfang
nehmen und ferttcagen. Eine weitere Außgrabung
bat dasjelbe Ergebnis. Ein ſeltenes Beiſpiel
von Opfermut gibt eine Ameiſe, die ich eben
aus dem Lehm gejhält babe. Obwohl jelbit
ſchwer verlegt, daß fie nur mit Mühe ſich fort-
beivegen kann, beteiligt fie fich doch lebhaft an
ber Rettung einer verunglüdten Nachbarin, bie
noch zur Hälfte in der Erde jtedt. Auch bier
greife ich helfend ein. ine andere Ameiſe, die
ftatt des Hinterleibes nur einen kurzen Stumpf
trägt — eine frühere fchmere Verlegung feheint
demnach gut verheilt zu fein — zeigt befonderen
Eifer beim allgemeinen Rettungswerk. Ich
ſelbſt betätige mih mit allen Sträften im
Samariterbdienit, um wenigſtens einigermaßen
meine Schuld wieder gut zu madjen. Nach einer
Stunde ijt bie legte der Begrabenen zutage ge-
fördert, und num gehen die Ameifen daran, auch
die freiliegenden verlegten Schtweitern zu bergen.
Bald iſt dad Unglüdsfeld von Verwundeten
rein. Doch nicht ganz. Eine einzige Ameiſe
noch zappelt und krümmt fi und fann nicht
fort. Und merfwürdig! Viele der Santarite-
rinnen fommen zu ihr, befühlen fie und gehen
weiter. Endlich aber jcheint eine Helferin zu
nahen. ine fräftige Arbeiterin kommt, umfaßt
die Kranke und trägt fie etwa zwei Zentimeter
weit fort — dann läßt fie die Unglüdliche liegen
und eilt weiter. Ich kann mir feinen Grund
für diefe Unbarmherzigkeit denken. Leider
babe ich bei der Beobachtung der übrigen die
eine aus dem Auge verloren. Wie aber mögen
| bie Umeifen ihre vermundeten Sameradinnen
a 1 gepflegt haben ?
Bfälzifhe Auswanderer.
Wie Heute, fo waren e8 auch in früheren
Beiten politifche und wirtfhaftlide Ur-
ſachen, melde die „Landeskinder“ diefes oder
jenes Staates in die Fremde trieben, befonders
nad der „neuen Welt“, nad Amerika. Diefe
Maffenansmwanderungen ließen natürlich auf
politifche und wirtſchaftliche Mißſtände aller Art
fehließen und ftellten der Staatsfunft der jewei—
ligen Machthaber ein ſehr übles Beugnis aus.
So iſt ed auch noch heute; denn ein Boll, das
fi im allgemeinen in der Heimat wohl fühlt
und db rivärt® fommt, denkt nicht daran, bie
Scholle dauernd zu berlaffen. Am jtärkjten mar
die Auswanderung aus Deutichland nah Ame—
rifa im 18. Jahrhundert und nad den Jahren
1848 49. Die traurigen poltttichen und wirt⸗
fchaftlichen Folgen des 30jährigen Krieges machten
fi bis meit in das 18. Jahrhundert hinein
geltend und der Abfolutismus in Reinkultur
ſtand damals in der üppigften Blüte. Daß
biefer tiefe Rulturzuftand für nicht ganz fataliftifch
gewordene und geiſtig lebhaftere Bolksftämme
feinen Reiz zum Bleiben bot, tft begreiflih. So
hatte umter dem Drud ber elenden Zuftände im
18, Jahrhundert die Auswanderung aus der
Pfalz nah Amerika, Polen, Rußland und
Ungarn kolofjale Dimenfionen angenommen und
dem platten Sande drohte die Entvölferung.
Das fiel felbjt der befanntlih immer meifen
Staatöverwaltung fchließlih auf ımdb es kam
ihr eine Ahnung, daß bdiefes ewige Auswandern
ber „Lanbeöfinder” für die damals churfürjtliche
Pfalz zu einem fehr jchlechten Ende führen müßte.
Man entſchloß fich alfo, „etwas zu tun”, und
die Bureaufratie raffte fih auf, die lieben
„Landeskinder“ in väterlicher Weife zu mahnen,
und das geichah zumellen auf recht wunderliche
Ar. In den Pfälzlſchen Gefchichtäblättern
(Kaiferdlautern) wird darüber das Folgende er-
zählt: „Als 1784 viele Pfälzer nah Polen
auswanbderten, riet ein pfälziſcher Nechtögelehrter
in einer gedruckten „Freundſchaftlichen Erinnerung
68
eines Pfälzerd an feine nach Polen ausziehenden
Mitbürger”, ſich über die fie bebrüdenden Be-
amten bei beren Borgefeßten zu »beſchweren.
„Willen aber eure Beamte diefe zu täufchen, jo
leidet weitere Bebrüdungen, fo er:
traget fie, meine Brüder, mit Geduld;
nehmt euer ſtreuz aufeudh und folget eurem
Erlöfer nad. Er bat euch ein Beijplel ge-
geben, daß ihr auch tum follet wie er getan Bat.
Evang. Johann. XII. 15.% Aber die Pfälzer
taten nicht wie ber Erldfer, fondern fchnürten
entfchlofjen dad Bündel und fuchten fich in ber
weiten Welt eine andere Heimat, wo fie mit
ihrem Fleiße, ihrer Energie und Regſamkeit es
jedenfall3 weiter brachten. In Amerika, Bolen,
Rußland, Ungarn (Banät) ujm. gibt es infolge
ber ſtarken Ausmwanderungen mehr Pfälzer als
in der Pfalz felbit, wenn aud) das lebende Ge—
fhledt in der neuen Heimat fich vielleicht nicht
überall mehr bewußt tft, wo „feine Wiege” ſtand,
nämlih am Rhein, Nedar und an der Nabe.
Mon der Blanmeile
plaudert ein Mitarbeiter der illuitrierten Jagd—
zeitung „Wild und Hund” (Berlin, Paul Barey):
Wie ihre Verwandten, fo ift auch fie ein aller-
liebjter Bogel, der ſowohl durch feine behenden
Bewegungen mie auch durch fein hübſches Ge—
fieder das Auge ergößt. Sehr harmlos fieht er
aus, der Fleine Gefelle, aber er ift fähig, Schand-
taten zu begeben, die man ihm wirklich nicht
zutrauen follte. Ohne Zweifel find die Meifen
nügliche Vögel, ſelbſt unter Berüdfichtigung der
Untugenden, die fie wie jedes andere Geſchöpf
an fi Baben. ch bin in der Lage, eine von
ganz einmandfreier Seite gemachte Beobachtung
mitzuteilen, die geeignet fit, die allerdings als
zantfüchtig bekannte Meifengefellihaft in einem
etwas eigentümlichen Lichte erfcheinen zu laſſen.
Mein Gewährsmann fand im vergangenen
Winter anı Feniter feiner freigelegenen Wohnung
und fah einen Spatzen mit einem irgendivo
ergatterten Stüd Brot auf die dad Grunditüd
begrenzende Mauer jliegen, um die Beute bier
ungeftört zu berzedren. Er follte nicht lange
unbebelligt bleiben, denn plötlich ſauſte ein
fleiner Bogel beran, der zwei- bis dreimal auf
den Kopf des Sperlingd loshadte und den | Berfolgung oder
armen Kerl zum Umfallen brachte; er war tot
und mudite nicht mehr, Damit war die Sache
aber noch nicht erledigt, denn der Attentäter,
der fi) al8 eine Blaumelfe entpuppte, hatte mit
feinem Angriff einen ganz; anderen Zweck ver:
folgt, als ſich dos karge Brot des Spatzen an-
zueignen. Ein Schnabelhleb nach dem andern
fiel aut den Schädel des Opfers nieder, das
nach einer geraumen Zeit im Stich gelafien
wurde. Nachdem die Biaumelje fich verzogen
hatte, unterfuchte der beobadhtende Lehrer bie
fleine Spagenleiche, und fiebe da — die Blau-
meije hatte den Schädel vollftändig zertrümmert
und da8 Gehirn berausgepidt. Auf®rund
diefer Beobachtung fann man als ficher an«
nehmen, daß der Fall nicht fo ganz bereinzelt
dajtehen wird, und dab bei derartigen Mord-
gelüften, die wohl faum als eine Eigenart des
Individuums, fondern jedenfall der Urt anzu—
jeben find, Neitjungen und Bogeleier
häufiger demſelben Schidfal verfallen. Wenn
dies auch nicht binmeggeleugnet werden kann,
fo darf man die Tatjache doch nicht zu tragiic
nehmen, und namentlih in ben fo häufig ge
machten Fehler verfallen, die Tatfache des Ein-
griffes in fjchädlihem Sinne ald Anlaß zur
gar zur Bernichtung ber
Schaden anrichtenden Bogelart zu nehmen, denn
eö kommt darauf an, ob die wirtichaftliche Be
— 60 —
deutung bie eintretenden Nachteile übermiegt, | verfolgung zu inſzenieren, denn ihr praktiſcher
was bie Verminderung, aber noch nicht die VBer- | Nuten überwiegt ohne Zweifel den Nachteil.
nichtung rechtfertigt. Wer eine Meife bei einem | Das Vorkommnis ift aber geeignet, die Auf-
Bogelmord betrifft, der fann natürlich mit voller | merkſamkeit auf die Metfenfamilie zu lenken,
Berechtigung diejen einzelnen Bogel töten, aber | namentlich wenn ber Dohnenſtteg in Betrieb
nicht8 wäre verfehlter, als wegen dieſes ge= | gejeßt wird.
fegentlihen Schadens eine allgemeine Metien-
Scläft der Sale mit offenen Augen?
In einer Erörterung diefer Frage in dev | Damenhand ftreiheln. Wie im Wohlbebagen
Nalurwiſſenſchaftlichen Wochenfchriitt (Berlag ſchloß er dann die Seher bi auf einen geringen
Guſtav Fiſcher in Jena) zieht Dr. H. Reeker | Spalt, fo dab man faum die Hornhaut durch»
(Münjter) eine Beobadtung von Dr. E. Schäff, | fchimmern fehen fonnte. Es ift dies ein Beweis,
Direftor des Boologijchen Gartens in Hannover, | wenn auch nur an einem Eremplar, daß ber
heran. Diefer äußert fich bierüber folgender- | Hafe die Seher jchliefen kann, wenn er will;
maßen: „Bor einigen Fällen, in denen ich im | warum follte er fie nicht fchließen wenn er
Freien fi drüdende und fehr feit liegende | fchläft? Daß aber fchon irgend jemand, außer
Hafen mit offenen Sehern ſah, aber ohne da | im der Sefangenfchaft vielleicht, einen fchlafenden
die Hafen fchltefen, moill ich abjehen. Dagegen | Hafen geſehen bat, das glaube ich nicht. Bei
babe ih an Hafen, die ich in dem von mir ge- | unferem Lepus timidus iſt eben das Gehör
feiteten Boologifhen Garten pflegte, des | fo unendlich fein ausgebildet, dak ihm auch im
öfteren fejtitellen können, daß fie gerade fo gut | Schlafe nicht das leiſeſte Geränfch entgeht; mie
ihre Seher fhließen, d. b. die Mugenlider | follte fi ihm wohl ein Wenich nähern können,
über den Augapfel ziehen fönnen, tie andere | ohne daß er rechtzeitig erwaht? Daß er dann
Tiere. Wenn Lampe im Herbft oder Winter doch nicht aufſteht, ja fih im Lager fait
zur Zeit, wo wenige oder gar feine Befucher im | treten läßt, wenn auch der Menjch, fein Feind,
Garten waren, bebaglich in der warmen Mittags: ſchon auf Schrittnäbe herangekommen ift, rührt
fonne faß, fo konnte ich, nachdem ich eine Zeit | aus ganz anderen Bründen ber. Der Haſe bofft,
lang ruhig dor dem Käfiggitter geitanden, Häufig | in feinem Lager nicht geſehen zu werden, er
bemerken, wie fih bie Augenlider des Hafen | drüdt fih immer mehr aufammen, und meit
langiam fdhloffen, gerade mie bei einem nach | öffnen fi die Scher in jtarrer Angſt. Sieht
Tiſch fchläfrig werdenden, in bequemer Sofaede | er dann aber feine Rettung mehr, jo fährt er
fipenden Menfchen. Schließlich blieben die an | mie ein „gediter Blitz“ im einer ganz beftimmten,
fänglich bier und da halb wieder geöffneten Liber | ich möchte jagen vorber überlegten Richtung
geichloflen, Lampe ichltef. Dod war ber Schlaf | Heraus.” Hierzu fchreibt Dr. Reeker: „Ich
fehr leicht, und jedes mäßige Seräufch genügte, | fenne noch mehr ähnliche Äußerungen. Doch
um den Schläfer zu weden.” Dr. Reeker zitiert | fcheinen mir die borjtehenden zu genügen, um
dann noch zwei weitere intereflante Berichte aus | den Schluß zu ziehen: auch freilebende Hafen
ber Deutfchen Päger-Beitung. Der eine ftellt | ſchließen beim Schlafen die Mugen, erwachen
feit, dab ein in @efangenfchaft gebaltener FFeld- | aber beim geringiten ®eräufche; wenn fie dann
baje regelmäßig mit gefchloflenen Augen ges | vielfach nicht jofort vor dem Feinde die Flucht
ichlafen babe; der andere erzählt von einem | ergreifen, fo liegt das daran, daß fie zu jenen
Hafen folgendes: „Sein Lieblingsplag war auf | Tieren gehören, bie fich in der Befahr gern bis
dem Schoße feiner Herrin. Hier fauerte er fih | zum leiten Augenblicke zu duden oder zu drüden
zufammen und ließ fich gern von ber meiden | fuchen.“
Etwas von Wachtel nnd Wachtelſchlag.
Aus der Schweiz wird der F. 3. gefchrieben: | dem frühen Morgen» und fpäten Abendwanderer
Während noch vor dreikig Jahren der Wachtel | vertraulich in das Ohr fang, iſt er in den legten
flag in den oberen Gegenden der Oſtſchweiz Jahrzehnten in einzelnen Landftrihen geradezu
zur Seltenheit geworben, Nachfragen bei ber
Schuljugenb ergeben dies ganz deutlich; mur
ein ganz kleiner Prozentfag der Schüler hat
den Wachtelſchlag fhon vernommen. Der ehe:
mals fo vollstümliche Vogel ift ihnen nur aus
Gedichten und Liedern des Leſebuchs befannt.
Um Verſchwinden der Wachtel mag mohl die
Tatſache ſchuld fein, daß der @etreibebau zu
Gunften des Wieswachſes immer mehr einge-
fHränkt wird. Auch finder bie Heuernte jetzt
bedeutend früher ftatt, al® früher. Beides ent-
zieht der Wachtel die notwendigen Bedingungen,
ihre Brut ungefährdet heranzuziehen und treibt
fie in Gegenden, wo bie Lebendbebingungen
günftiger find. Die Wadıel galt beim Landvolk
als eine Art gebeiligten Tieres, deshalb ihr
warnender Ruf, wenn die Schnitter and Ähren⸗
feld fommen: „Tritte mi nit!” Ihr Dableiben
deutete man auf Jahresfruchtbarkeit; des—
Halb überfegte man den Wachtelſchlag mit dem
Bimeizetler: „Sim-mer Brot; 's bet fei Not.“
Die Anzahl der Wachtelſchläge am Pfingittag
vor Sonnenaufgang beitimmte dem Bauern ben
fünftigen Brotpreis; fo viel Schläge, fo hieß es,
wird der Malter Korn often. Uhland und
Mörike, in deren ſchwäbiſchem Vaterlande das
Getreide in weiten, goldenen Auen wächſt, mußten
die Eigenart bed Wachtelſchlages zu ſchätzen:
„Nur die Wachtel, dte fonjt immer
Ber Sud im
Schon in der Schule wird gelehrt, daß ber
Nudud kein eigenes Neſt baut, fondern feine
Gier in die Nefter von Singpvögeln legt und
diefen ruhig das Ausbrüten überläßt. Kommt
dann ber junge Kudud ans Licht der Welt, dann
it er ein Autokrat jchlimmiter Art, ber nicht
nur feine anderen jungen Bögel neben ſich im
Nefte buldet, fondern auch durch feine ungeheure
Gefräßigkeit feinen Pflegeeltern die arößte Mühe
macht. Bisher aber war man doch nicht ganz
genau darüber unterrichtet, wie es ber junge
Kuckuck treibt, weil man fi nur auf mehr oder
tveniger ungenaue Beobachtungen verlaflen mußte.
Jetzt aber hat, wie bie Wiener Arbeiterzeitung
mitteilt, John Craig, ein engliiher Amateur»
photograph, in einer englifchen Fachſchrift einen
Artikel veröffentlicht, in dem er mit Hilfe zahl⸗
reiher Momentaufnabmen in einmandfreier
Weife darftellt, welche Schlecdhtigfeiten der junge
Kudud begeht. Craig fand nad) langem Suchen
ein Neft, in dem ſich neben anderen Eiern auch
” eines Kududs befand. Er nahm nun feinen
70
Frühe ſchmälend wedt ben Tag,
Schlägt dem überwadten Schimmer
Jetzt noch einen Weckeſchlag“,
ſagt Uhland in dem Gedichte „Sonnenwende“.
Mörike erwähnt des Wachtelſchlages in dem
dramatiſchen Fragment „Spillner“ mit ben
Worten: „Um biefe Zeit fängt plöglih in ber
Nachbarſchaft eine Wachtel an zu fchlagen. Nichts
bat mir in meinem Leben fo im Innerjten wohl ge:
tan, mein Herz Hüpfte mir tm Leibe, und hinweg⸗
geitoben waren alle unheimlichen Gedanken bor
dem einfachen Raturlaut biefes Bogeld. Die
Wachtel afzentuierte wieder ihr Helles „Dal
wa mal“; ich fah fie in Gedanken aus einem
bellgrünen Aderfeld beraus mit ihrer Stimme
die Wölbung des Himmeld treffen und dem
Morgen entgegenfhlagen, ber den Inſtinkt
biefeß Tieres beſonders begeiftert.” Bezeichnend
tft, daß der Dichter Hfer den erfien Entwurf zu
feinem übermältigenden „Geſang zu zweien in
der Nacht” eingereiht Hat. Kulturhiſtoriſch inte
refiant ift die von Döllinger in „Heidentum
und Yudentum” (Seite 707) mitgeteilte Stelle,
wonach Augujtus feinen Verwalter Ero8 am
Maſtbaum feines Schiffes Freuzigen ließ, weil
biefer eine zum Tierkampf abgerichtete Wachtel,
die mehrmals gefiegt, gebraten und ver—
ehrt Hatte! — A.K.
im fremden Aefe.
Begleiter Beat Millar zu Hilfe, damit diejer
die verjchiebenen Stadien ber Borgänge photo:
grapbtere, jobalb ber junge Kudud dem Ei ent-
ſchlüpft ſel. Nach öfterem Nachſehen fanden fie
eines Tages den jungen Rudud im Neſte vor-
Unter dem leßteren aber lagen bie unausge-
brüteten Eier und ble ſchon ausgebrüteten
Jungen feiner Pflegeeltern. Nun wurde aus
einem benachbarten Neft, forgfältig gegen Wärme⸗
verluft gefhüßt, ein anderes Ei geholt, das ber
nod blinde Kudud in faum einer halben Minute
aus dem Neft warf. Er arbeitete folange herum,
bis er e8 auf dem Rücken Hatte, und ſchob es
dann mit einem Ruck über ben Reftrand. Alle
biefe Borgänge zeigen die Millarfhen Aufnahmen
ſehr deutlih. Die beiden englifchen Beobachter
konnten auch feitjtellen, baß der KRudud, ſobald
er am neunten Tage zu fehen anfängt, im
Neft Ruhe gibt und dort vorhandene Vögel
nicht mehr Hinausdrängt. In den erjten adht
Tagen aber bduldet er feine Geſchwiſter
neben fi.
u —
IR der Storch nützlich oder ſchädlich?
Diefe Frage wird fchon lange zrolichen | die Furchen nad) Ungeziefer abfuchen möchten,
Naturforfhern und Naturfreunden befprochen, | dann würde man bald nicht mehr an ber über-
ohne daß es bis jetzt zu einer beftimmten DMei- | mwiegenden Nüglichkeit der Stelzfüße zweifeln.
nung gekommen ift. &8 fällt gewiß jedem ſchwer, Sicher ift aber auch anderfeits, daß da, mo
biefem beliebten und geſchätzten Dachgaſte etwas | fi große Scharen unbeweibter Störde — ſo—
am Zeuge zu fliden, aber Freund Adebar ift | genannte „Oi ter“ — anfammeln, ber Schaben,
allerdings nicht immer jo KarmloR, als man | den diefe Bönel anrichten, überwiegend ift, denn
meint. Seine Anlläger begründen ihr Urteil | viele gegnerifhe Stimmen find darin einig, baf
damit, daß der Storch auf feinen Streifereien | der Storch allen Bögeln, welche ihre Nefter
durch die Fluren junge Vögel töte und verzehre, | auf die Erbe bauen, ſiark nachftellt: Lerchen,
er raube die Nefter auß, er verſchone auch die | Schnepfen, Strandläufer, Wieſenſchnarrer, Stie-
jungen Hafen und Rebhühner nicht. bige, Rebhühner vertilgt er in großer Menge.
Diefes Hin: und Herftreiten über die Nüg- | Ein Herr Horm in Weitpreußen ſchoß einen
tichkeit oder Schädlichkeit des Storches veranlaßte | Storch Herunter, als dieſer das zmölfte junge
feinerzeit den Direftor Michelfen, eine große | Rebhuhn ins Neft trug; auch beim Fiſchen wurde
Zahl jahverftändiger Männer zur Abgabe ihreß | er ertappt, aber obwohl man im Kropfe eines
Urteil® über den Storch aufzufordern. Es gingen | erlegten Storcheß zwölf fingerlange Karpfen fanb,
viele Urteile mit einer Menge intereflanter Be: | wird doc angenommen, bat er ben Fiſchſang
obachtungen ein. Alle Stimmen, melde den | nur aus Not betreibt, Blelfach bezeugt ift aber,
Standpunkt der Landwirte vertraten, erflärten | daß der Storch ein eifriger Bienenjäger It;
ben Storch für Überwiegend müßlich, benn tm | wenn er durch die Sleefelder ſtelzt, dann fucht
Frühlinge verzehre er Fröſche, Kröten und | er alle Blüten ab und verſchlingt die Bienen
Schlangen und fpäter Gewürm, namentlich | welche bort Honig jammeln: in bem Stropfe eine#
Engerlinge, mit denen er feine Jungen füttere, | Storches fand man über 300 Bienen.
ſolange diefe noch klein jeien; dann aber Mäufe So lauten die Urteile über die Nüglichkeit
und dergleichen. Einzelne Beobachter betonten, | und Scäblichkeit ded Storches und man barf
daß der Storch enorme Maſſen diefer ſchädlichen daraus den Schluß ziehen, daß diefer Bogel in
Tiere vertilge, dies befonder8 in fogenannten | manchen Gegenden und manchen Jahren ſchäd⸗
Mäufejahren. Ein Beobachter mwünfchte, dab | li und an anderen Orten und Beiten wieder
hinter jedem pflügenden Sandmann einige Störche | nüßlich wirtfchaftet. C. T.
Giftfeſte Vögel.
Aus dem ſoeben im Verlage der Stuttgarter | zehren Ferner wurde beobachtet, daß Grün—
„Koſsmos“-Geſellſchaft erſchienenen Jahrbuch finken Stechapfelſamen, Buchfinken gemennigte
der Bogellunde“ entnehmen wir die intereſſante Fichtenſamen, Amſeln Bitternußbeeren, Sper-
Tatſache, daß viele Bögel bis zu einem gewiſſen linge Tabakſamen und Rebhühner Nachtſchatten—
Grade giftfeſt erſcheinen und jedenfalls große | beeren in großer Menge und mit augenſchein⸗
Mengen von Giftitofien aufnehmen können, ohne | lichem Wohlbehagen fraßen. Geier follen ver»
da fte ihnen irgendwie ſchaden. So fah man | Hältnismäßig große Mengen Strychnin vertragen
Turteltauben maflenbaft Wolfsmilchſamen und | können und Schleiereulen fich ebenfo dem Zyanfalt
Amfeln fogar die Beeren der Tolllirſche ver: | gegenüber verhalten.
Pfälziſches Städteverfaſſungsgeſetz.
Dem Landtag iſt der Entwurf eines pfäl- unmtttelbarkelt verliehen werben. Der
ziſchen Stäbteverfafjungsgeieges zuge | Untrag bedarf ber Bujtimmung bon zweil Drit-
gangen. Nach dem Entwurf fann den pfälgifchen | teilen der abftimmenden Gemeindebürger. Die
Städten auf Antrag der Gemeindevermwaltung | Abjtimmung erfolgt nad; öffentlicher Belanntgabe
dur Kgl. Entſchließung die Berfajfung der des Antrags fchriftlich zu protofoll. Das Ab-
ftädbtifden Gemeinden redts bes | ftimmungsprotofoll ift innerhalb einer ausfchlie-
Rheins ſowie, neben dieſer, die Kreis⸗ ßenden Frift zur Aufnahme ber Unterſchriften
=. —
im Gemeindehaus aufzulegen. Die Verleihung | gen. Für diefen Fall gelten befondere Borjchrif-
der reisunmittelbarfeit erfolgt nach Einvernahme | ten. Der Art. 23 Abſ. 6 des Geſetzes über
bes Yandrats. Für die pfälzifchen Städte, denen | Heimat, Berehelihung und Aufenthalt
die jrädtifche Berfaffung oder die Kreisunmittel- | (Gejeg- und Verordnungsblatt 189 ©. 470)
barkeit verliehen wird, gelten diefelben gefeglichen | tritt für die pfätztjchen Gemeinden mit ſtädtiſcher
Vorſchriften wie für die Städte rechts des Rheins Verfaflung außer Kraft. Bei Berleibung der
mit gleicher Verfaſſung. Die Einrichtungen der | jtädtifchen Verfaſſung an eine pfälziihe Stadt
Gemeinde:Einnehmereien hat für die pfälziichen | treten für diefe die VBorfchriften über die Wahl
Gemeinden mit ftädtifcher VBerfaflung fortzube- | der Gcmeindebevollmädtigten und bes
ftehen. Im Bereiche von gefeglichen Borfchriften, | Magiftrat$ drei Monate vor dem Zeitpunkte
die nur für die Pfalz gelten, tritt in den pfäl- | in Sraft, in dem die Verleihung wirkſam mird.
zifchen Gemeinden mit ftädtifcher Berfaffung an | Die erjten Erneuerungswahlen finden gleich:
Stelle der Zuftändigleit de8 Gemeinderats und | zeitig mit den nädhiten regelmäßigen Gemeinde-
der Gemeindeverfammiung die Zuftändigkeit des | wahlen ftatt. Befoldete Mitglieder des Gemeinde:
Magiftrats und der Gemeindebevollmädhtigten. ; rats treten mit ihren vertragsmäßigen Rechten
Die Berleifung der Kreisunmittelbarkeit an | in den Magijtrat über. Unterliegen fie noch
pfälztfche Städte kann auch unter Aufrecht- | eıner Wiederwahl, jo erfolgt diefe durch die Ge—
erbaltung des Dijtriftsperbandes erfol- | meindebevollmächtigten.
Pfingſten — die Spargelzeit.
Zu den älteften Lederbiffen der Kulturge- | gel wild auch an der engliichen Küjte und im
ſchichte wird man den Spargel rechnen können; | Rußland, und in den ruffifhen Steppen tit er
es iſt wahrjcheinlich, daß die Zubereitungsmweije | fo häufig, dat ihn das Vieh abgraft. Bielleicht
des Spargels wenigſtens feit reichlich 2000 Zah» | ijt der Spargel auch in Deutihland heimiſch.
ren fih in der Hauptſache gleich geblieben tft. | Wilder Spargel iſt ja auch bei und weit ver—
Was das Alter des Spargels angeht, fo treffen | breitet, und der erwähnte Plinius erzählt, daß
wir den angenehmen Anblid eines Spargelbün- | im oberen Deutichland auf Feldern eine Menge
dels bereit8 auf einem ägyptifchen Grabgemälde, | Spargel wachſe, über den der Kaijer Tiberius
das in die Zeit der 5. Dynaſtie, d. 5. in die | einen „Witz“ zu madjen geruhte. Er jagte näm-
Jahre 3566 bis 3333 v. Chr. zu fegen ift. Ebenfo | lich: er erinnere ſtark an den richtigen Spargel.
fannten Griechen und Römer ben Spargel, und | Zit dies richtig, fo dürften wir den Spargel wohl
befonders bei den Römern wurde er nach Gebühr | zu den einheimifchen Pflanzen rechnen. In der
geihägt. Aus einer Bemerkung des älteren | edleren Form wird er aber erjt, fo weit befannt,
Plinius geht hervor, dab die Spargelfultur in | in dem Sträuterbuche des Hieronymus Bock vom
ben Tagen des großen Veſuvausbruches Schon | Jahre 1539 erwähnt. Dort heißt es von ihm:
ungefähr fo hoch entmwidelt gemejen fein muß, | „ein gemeiner Salat bei den Walen und Hispa-
wie fie es heute it. Riefenfpargel gab e8 ſchon niern, iſt nunmehr auch, wie andere Leckerbißlein,
damals, und in Ravenna mwogen drei Stüd ein | ins Teutfchland fommen.” Bod bezeichnet ben
Pfund. Neben dem Aulturfpargel wurde der | Spargel fernerhin als „ein lieblich' Speif für
milde Spargel nicht verachtet, deſſen dünne | die Ledermäuler.” Darin bat er recht, und es
Stangen ſelbſt mander Feinſchmecker al8 im | Hat fi in diefem Punkte feit den Tagen des
Geichmade feiner eradhtete, wie den in Beeten | Ehren-Hieronymus noch nichts berändert.
gezogenen Spargel. Noch heute wächjt der Spar- |
Dnndalt: Das Leben des Baumes. — Milbenhäushen. — Scaffet Nijtpläge für unjere
Vögel! — Poeſie und Profa in der Naturmwiffenfchaft. — Unſere Urahnen aus ber Steinzeit. —
Die Urheimat der Germanen. — Die Rafdhi-Kapelle in Worms. — Deutjche Eigennamen. —
Ditertag-Dentmal. — Hundertjahr Gedenkfeier der bayerifchen ggf “Bing — Bayerns Landes-
vermefiung. — Bon ben Ameijen. — Pfälztfhe Auswanderer. — Bon der Blaumeife. — Schläft
1
der Hafe mit offenen Augen? — Der Kudud im fremden Neſte. — it der Storch nüßlich oder
ſchädlich? — Giftfeſte Vögel. — Pfälzifches Städteverfafiungsgejeg. — Pfingiten — Die Spargelzeit.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Kayſer's Derlag, Haiferslautern.
Ffir Form und Ynbalt der Beiträge find bie Herren Berfafler verantwortlich.
(Unverlangte Manuftripte werben nicht zurüdgefanbt.)
Die Pfalziſche Heimattunde“ Toftet jährlich in 12 Heften ME. 2.50. Peflellungen werben von allen Budbandiungen und
Boftanflalten ferner vom Berleger (Bortofreie Streifbandfendung) angenommen-
1V Jahrgang.
Nummer 7 und 8.
Juli, August 1908.
IPALZISCHE HEIMATKUNDE
U)
L/
MONATSSCHRIFT
—
EIMANNH EICH:
FÜR SCHULE UND HAUS.
Der Mönd von Hit. Medard.
Im Slofterwalde im Schatten der Linde
Saß Bruder Martin im Abendwinde.
Boll Zweifel ſann er den Worten nad):
„Vor'm Herrn find taujend Jahr' wie ein
Taq.”
Und während er Emigfeiten durdhträumte,
Er drüber die Veſperglocke verjäumte.
Wie oft ihn das Glödlein zur Hora auch rief,
Der Bruder den Schlaf des Gerechten jchlief.
Und als er erwachte, da pocht' er am Thore,
Es fiel ein Lichtichein hinaus aus dem Chore,
| Die Brüder umstanden ihn alle mit Schauern,
„Was ftörft Du den Frieden der Stlojter:
mauern ?
„Es find nun dreihundert Fahre ſchon bald,
„Seitdem Du verjchwunden im Klojterwald.
„So steht in der Stlofterchronif gejchrieben. —
„Verſchwunden biſt Du bis Heute geblieben,
„Willft heute Du wieder ins Kloſter herein,
„So fann’s Dein unjeliger Geilt nur fein.”
Der Bruder erblaßte, graumallten die Haare,
Er hatte verichlafen dreihundert Jahre.
Der Pförtner befrug ihn nad) jeinem Begehr, | Und ſterbend ſprach gläubig die Worte ernad):
Im Mlofter kannte ihn niemand mehr.
\ „Bor'm Herren findtaujend Jahr’ wie ein Tag.
Dr. Karl Bujd.
Ber Pflanzencharakter der Umgebung Landfiuhls und feine
Beziehung zur Bodenbelchaffenheit.
Bon Hermann Weyland, Neujtadt-Orla.
Vegetation und Bodenbeichaffenheit ſte—
hen befanntlich in gewiljer Wechjelbeziehung.
Es gibt Pflanzen, wie Salicornia herbacea
L., welche auf jalzhaltigem Boden wachſen
oder wie die meilten Orchideen, welche einen
falfreihen Nährboden bevorzugen. Erjtere
wird man daher nur an der Meeresfüfte oder
im Binnenlande nur an ſalzreichen Orten
antreffen, legtere dagegen find an die Falk:
reichen Formationen gebunden, etwa an
tertiäre Salfablagerungen oder an den
triadiihen Muſchelkalk. Man wird daher
allgemein behaupten fünnen, daß derjenige
einen feineren Sinn im Auffinden von
Pflanzen haben wird, dem auch die Geo»
logie fein ganz fremdes Gebiet ift, als
ein anderer, der fich mit der anorganijchen
Welt noc gar nicht befaßt hat.
So joll denn den Aufzeichnungen über
den Pflanzendarafter der Umgebung Yand-
ftuhls auch eine kurze Darlegung der geo-
logiſchen Verhältnifje der Gegend voraus»
gehen, wobei ich mich an Yeppla halte, der
die Bodenbeichaffenheit feiner engeren Heimat
einer eingehenden Betrachtung unterworfen
bat*).
Obwohl für das Borliegende mehr
die eigentliche Talung in Frage kommt,
jo müffen auch die die Talung begrenzenden
Schichten fur; betrachtet werden. Die
triadiijhen Schichten im Süden laſſen ich |
dem Wlter nach einteilen ın den mittleren
Buntjandftein, den oberen Buntjandftein
und den Voltzien- und Mufcheljanditein.
Der mittlere Buntiandjtein bildet den ge-
famten Nordrand der Sidinger Höhe.
Harte Schichtenbänke treten auch innerhalb
der Bruchniederung als kleine Erhebungen
auf, jo bei Hauptftuhl und bei der Moor-
dammühle.
der Niederung gegen Norden. Der mitt:
lere Buntjandftein und der aus ihm durch
Bermwitterung entitandene Boden ift für den
Botaniker ein unergiebiges Feld und für
den Bauern ein Schlechter Aderboden.
Südlich jchließt ſich an den mittleren Bunt»
jandftein der obere Buntfanditein, der in-
defjen vom erfteren nicht immer jcharf ge-
trennt iſt. Ihn zeichnen teil& der lodere
Zuſammenhang der einzelnen Sandförner,
teil Bänfe mit ftarf tonigem Bindemittel
aus, Den fruchtbaren Ackerboden der
Sidinger Höhe jedoch bedingt der Mujchel:
jandftein, der auch als unterer Mujchelfalt
bezeichnet wird, im verein mit dem Bolt-
zienjandftein.. Der Mufceljanditein bildet
auf dem Rüden der Sidinger Höhe eine
Dede, welche durch die Abmwajchung auf
20 m Dicke herabgedrüft wurde, Die
Beitandteile diefer Schichten, insbejondere
ihr SKalfgehalt, find wohl aud einigen
ftärferen Einjchnitten in das Gebirge durch
das von der Höhe herabrieielnde Waller
zuteil geworden, hauptjächlicd; dem Fleiich-
aderloh. Es ließe fih ſonſt faum der
gegen das übrige Webirge abjtechende Reich:
tum an Pflanzen erklären. — Im Norden
folgen auf den begrenzenden mittleren
Buntſandſtein eine Reihe von Stonglomeraten
zwijchen Elihbah — Obermohr — Schwanden
und Schwedelbach, die als „Urerbildung im
Buntjandjteinmeer” aufgefaßt werden.
9 Sitzungsberichte der mathem. phyſ. Klaſſe
der r Bay. Akademie der Wiſſenſchaft 1886,
Heft U.
74
Er bildet auch die Grenzen |
Die Bruchniederung ſelbſt ift, wie aus
den geologischen Aufnahmen folgt, eine alte
Talung, die bejonders in ihrem oberen
Teil mit Ablagerungen von Sand und
Geröll bedeckt ift, welch letzteres teilweiſe
"aus dem Stohlengebirg und Rotliegenden,
teilweile aus dem Buntjandjiein ftammt.
An einigen Stellen des alten Flußbettes,
befonders im unteren Teil, finden fi auch
„einere Schlemmprodufte des lieh
wajjers”, der Yehm, der dort die flachen
Hügel bedeckt und die Fruchtbarkeit der
Striche bedingt.
Ueber die erfte Epoche der Waller:
fäufe, welche die Anfänge der Talerofion
hervorriefen, weiß man nichts Genaueres.
Die zmeite Gpoche murde durh den
Waſſerlauf bezeichnet, der durch den Blies—
durchbruch bei Neunfirhen und Welles—
weiler aus dem Stohlengebirg trat und in
einer Breite von mehreren Kilometern et-
wa die Richtung der heutigen Moor—
niederung einhielt. Die Abflüſſe des
Stromes dürften einerſeits nach dem Glan
tal, andererſeits nad dem Yautertal ge
richtet gemweien ſein.
| Die Üntftebung dieſer gemaltigen
Waſſermaſſen erklärt Peppla damit, daß er
| annımmt, „daß in denjenigen Mittel
gebirgen, melde zur älteren und mittleren
Diluvialzeit einer Wergletiherung nicht
unterworfen waren, an Stelle der legteren
jahreszeitlihh machjende, bedeutende atmo-
iphäriiche Niederjchläge in Form von Schnee
und Regen fich einftellten.“
Durch die fortichreitende Erofion wurde
das Flußbett tiefer, der Waſſerſpiegel ſank
wohl auch durch die Berminderung der
Niederichläge. Höhere Orte und ganze
Hüpgelfetten wurden troden gelegt und es
entitand nach und nad eine Art See von
geringer Tieſe, der nur noch von Fleinen
Rinnjalen geipeift wurde, Die Vegetation
drang vom Rande aus in das Innere vor
und dad Ündergebnis war ein reich
bewadjjener Sumpf, wie er am Nordrand
der Sickinger Höhe bis ın hiſtoriſche Zeit
beitand und ſich annähernd noch in der
Gegend des Vogelmoogs erhalten hat. So
war die Gelegenheit zu ausgedehnter Torf:
bıidung gegeben, wie wır fie von Homburg
bis nahe an Haijerslautern beobadıten.
Was hat nun der Botanifer von diefer
Gegend zu erwarten?
Scharfe Unterſchiede ın der Begetation
ließen ſich meiner Anjiht nad ın der
Weile machen, daß mir unterjcheiden zwi—
ſchen der eigentlihen Bruchebene, dem
Buntjandjteingebier und dem Muſchelkalk
im Süden und den Stonglomeraten im
Norden.
75
Beginnen wir mit dem Muſchelkalk der
Sickinger Höhe, dem in botaniſcher Hinſicht
auch der obere Buntſandſtein nicht unähn: |
Lich it, obwohl ihn der Mangel an Kalt
unterfcheidet, fo wird der Sammler recht
enttäufcht fein, wenn er nidt etwa die
Flora der geologiid; gleichen Zweibrücker
Umgebung zu jehen befommt. Aber bei
der geringen Ausdehnung des Muſchelkalkes
in unjerer Gegend einerjeit® und bei dem
ausgedehnten Aderbau andererjeits, durch
den mit Samen fremde, meift Unkraut:
pflanzen eingeführt und die einheimiſchen
verdrängt werden, ift e& nicht anders zu
eıwarten, Es gibt in diefer Gegend nur
jehr wenige, räumlich eng begrenzte Brad)
ftellen, meiſt fleine Hänge, die jedoch zu
flein find, als daß auf ihnen die zur ort:
pflanzung nötigen Bedingungen gegeben
mären, 3. B. bei jelteneren Arten das
Vorhandenſein von zahlreihen Exemplaren,
jodaß eine recht wechſelſeitige Beiruchtung
ftattfinden fünnte. Früher mag das an-
ders geweſen fein, jo erwähnt Schul das
übrigens jchon damals jeltene Borfommen
von Örchis ustulata L. bei
Wenn die ehemalige Bedefung der Höhe
nit Mujchelfalf für die heutige Vegetation
noch von Bedeutung ift, abgeiehen natlirlich
davon, daß fie die Urfache der Fruchtbar—
feit der Sickinger Höhe ift, jo möchte ich
fie, wie gejagt, darin erbliden, daR Ge:
jteinstrümmer diejer Formation von den
fleiren Rinnjalen in die jchluchtenförmigen
Einſchnitte des Gebirges hinabgeführt mur-
den und dort die reiche Flora haben auf:
fommen lafjen, die mir bejonders ım
Fleiſchackerloch antreffen. Much das Bären»
loch iſt hier vielleicht zu nennen, obmwohl
jene Flora ganz den Gharafter der Bruch—
flora trägt. Im Fleiſchackerloch finden
wir im Frühling Mercurialis perennis L.,
Convallaria multiflora L., Corydalis
cava Schwg. u. K. und Paris quadri-
Roſenkopf.
folias L. Herr Dr. Groß-Landftuhl traf
an der gleiden Stelle Anemone ranun-
euloides L. an, für unjere Gegend ein
jehr bemerfenswerter Standort. ferner
fand ich Lunaria rediviva L, für die bis
jest, joweit mir befannt ift, in der Pfalz
fein Fundort angegeben murde, alles
Pflanzen, die wir auf dem eigentlichen
Gebiet des Buntjandfteins nicht antreffen.
Das Bärenloch charafterifieren ſeine
mit Acorus Calamus L., Menyanthes
trifoiiata L. und Lysimachia thyrsiflora
bewachjenen Weiher und feine mit zahl:
reihen Formen, beionders Blechnum bore-
ale Swartz, bejtandenen Hänge.
Weniger noch ift über die Flora des
Buntjandfteins zu jagen. In den dunfeln
Kiefernmwäldern gedeiht die Heidelbeere, im
Namfteiner Wald auch die Preißelbeere,
wenige SHieracien ein paar Pyrolaceen,
einige Vertreter der Gattung Luzula, dar
zu im Spätjommer Monotropa Hypo-
pitys L. Lycopodiumarten und Farne fin»
den fih in mäßiger Bahl; von den
jelteneren farnen jei Botrychium Lunaria
Swantz genannt, das von Herrn Dr. Wey-
land-Pandjtuhl an der Landſtraße nad
Bann gefunden wurde, Etwas reichhaltiger
find die kahlen, jonnigen Brachſtellen. Hier
finden wir Dianthus deltoides L. und
Lychnis Visearia L., Moenchia erecta
Fl. Wett. und Trifolium alpestre L.,
Helichrysum arenarium DC. und Arno-
seris pusilla Gaertn., ferner Centaurea
nigra L. und Galeopsis ochrolenca Lmk.,
welches dem mejtliyen Deutichland vorbe-
halten ift. Auf Brachitellen über den gro»
Ben Yandituhler Steinbrüchen fand ich einen
neuen Standort von Orobanche coerulea
Vill. Zuweilen trifft man wohl aud
Anthericum Liliago L. an, mweldes häu—
figer auf Sandfteinhügeln im Moor, fo
beim Ginfiedlerhof, zu ſehen iſt. Bon
Bäumen find vielleicht Sorbus Aria Crantz
und Sorbus ancuparia L. zu nennen, die
an Waldrändern bin uud wieder vorfont-
men. Bilanzen, deren Erijtenz etwas mehr
an das Vorhandenſein von Waſſer gebun-
den ift, fünnen auf den Buntjandfteinbergen
unjerer Gegend faum feiten Fuß faflen.
Ueber die Flora der Stonglomerate im
Norden der Bruchniederung ift ungefähr
das Gleiche zu jagen wie über die des
Mujchelfalfes der Sidinger Höhe. Die
falfreicheren Stonglomerate find teilmeije
mit diluvialem Flußlehm überdedt und lie-
feru vermittert neben diejem einen vorzüg:
lihen Aderboden. Cine jelbjtändige, ab»
gegrenzte Flora dürfen wir alſo auch hier
nicht erwarten. Was und auffällt, das
find meiftens gelegentlihe Eindringlinge
aus dem nördlich gelegenen Rotliegenden
oder dem Eruptivgeftein, welche wiederum
viel botaniſch Antereflantes bieten. Doc
liegt da8 außerhalb des Rahmens diejer |
Ausführungen.
Nun zu dir Flora der Moorebene.
76
Die eigentlihe Moorflora ift gegen die der
Ränder ſcharf abgegrenzt. Man fünnte
vielleicht auc fie wiederum einteilen und |
unterjcheiden zwijchen der Flora der Wald-,
Heide: und Sumpfitredfen, doch find natür-
lih alle Uebergänge zu beobachten. Bon
dem urfprünglichen „Bruch” ift nicht mehr
viel vorhanden, wenige Stellen bei Bruch-
mühlbach und Hauptjtuhl, bei der Moor:
dammühle bei Landftuhl, beim VBogelmoog
bei Kaiferslautern. Teilweiſe find Tannen:
forften angelegt worden, deren fünjtliche
Anlage jhon aus Richtung und Abitand
der Bäume hervorgeht; teilweije hat man, |
wo die Torfichicht dünn mar, durch Ab-
heben und Auffahren befjeren Grundes an
Stelle der „jaueren” Wiejen,
Carex-Arten vorwiegend gebildet werden,
nußbare Wieſen angelegt, während Die
diferen Schichten allmählih als Brenn—
material abgeftoßen werden. Neue, nicht
hier einheimische Pflanzen find jchon durch
die mweither bezogenen Grasjämereien ein»
geführt worden, wie wir jpäter jehen mer:
den, und mehr noch werden folgen. Wie-
der andere find durch die Eiſenbahn ver:
ichleppt worden und machen fich zu beiden
Seiten des Bahnförpers breit. Bon den
menſchlichen Wohnungen dringen Die be-
fannten Schutt» und Unfrautpflanzen mit
Dünger und Nbfällen in das Moor vor.
Dem allem gegenüber geht die alte
haraftervolle Moorflora langjam aber jtetig
die von |
zurück. Bergegenmärtigen wir ung einmal |
einen Gang durchs Moor,
einer meterdiden ZTorfihicht. In großen
Abjtänden wachſen verfrüppelte Kiefern, ein
paar Bappeln, Birken und Weiden. Der
Boden ift mit Moojen, Flechten und Seggen
Wir ftehen auf |
überzogen, id; nenne von den jelteneren
(nad) älteren Angaben) Carex paneiflora
Lehtf.. C. paniculata L., C. limosa L.
und C. filiformis L. In Mengen finden
ih oft Galium saxalile L. und Polygala
amara L. Hier und da erhebt fich, meiit
einen ftarfen, halbfugeligen Strauch bil
dend, Vaceinium uliginosum L. m
Sommer erfreut uns die große, gelbe Blüte
der Arnica montana L, im Herbſt die
blaue, grün getüpfelte der Gentiana
Pneumonanthe L. Im Weitergehen ge-
langen wir an einen Sumpf. Der ihn
umgebende Boden ift ein weiches Sphag-
numpolfter. Hier treffen wir Vaceinium
Oxycoccos L. und Andromeda polifolia
L. an. Drosera rotundifolia L. fahnder
bier auf die zahlreichen Inſekten, die der
Moraft ausbrütet, während ihre Schweiter
Drosera intermedia Hayne fi mitten im
Waſſer wohlfühlt. Auch Drosera Congi-
folia L. wird von Schultz noch angegeben,
doch ift e8 mir nicht gelungen, fie zu fin-
den, Mn zwei Stellen bat fih auch
Wahlenbergia hederacea Rchb. noch er- '
halten inmitten von Polygala serpyllacea
Whe. und der eigentümlichen Umbellifere
Hydrocotyle vulgaris L. Dieje jcheint
ıhren runden Blättern und wenigen Blüten
nad mit ihren anderen Familienmitgliedern
Pencedanum palustre Moench und Seli-
num Carvifolia L., die ebenfalls ın der
Nähe wachen, nichts gemein zu haben.
Un feuchten Stellen fteht Viola palustris
' L. und zumeilen Parnassia palustris L.,
eine Verwandte der Drojeraceen. Lotus
uligioosus Schkuhr und Comarunı palu-
stre L., das dunfelpurpurrote Blutauge,
vervollfiändigen das Bild. Auf den grö-
Beren ftehenden Gewäljern, jo dem Vogel
woog und dem Blehhammer, wiegt ſich
die weiße Teichroje, während an den Teid-
rändern und auf den nahen najjen Wieien
Pedicularis palustris L. und silvatica L.,
Veronica scutellata L., CGrepis paludosa
Moench und Cirsium oleraceum Scop.
oft in Menge zu finden find. Aus Tüm-
peln und Gräben ftreft Utricularia vul-
garis L., jelten au U. minor L. ihre
gelben Blüten der Sonne entgegen.
Welch reiche Begetation mögen wohl
frühere Zeiten an diejen Stellen gejehen
haben! Schultz gibt noh in den 40er
Jahren des vorigen Jahrhunderts unter
manden anderen Seltenheiten Calla palu-
stris L. an, die nun wohl längit vollftän-
dig bei uns verjchwunden ift, und er nennt
bei Kaijerslautern Toriheiden als Fundort
für Daphne Cneorum L.
Werfen wir nody einen kurzen Blid auf
die Monofotylen der Moorniederung. Mit
Piliaceen und Orchideen ift e8 recht Schlecht
beftellt und auch nicht anders zu erwarten
bei dem gänzlicd Fehlen des Kalkes. Bon
Orchideen haben wir faum andere als Or-
chis maculata L., OÖ. Morio O. und O.
incarnata L., an einigen Stellen aud
Listera ovata R. Br. und Platanthera
hbifolia Rehb. Reicher vertreten find
natürlich die eigentlihen Waſſerpflanzen.
Abgeſehen von den allgemein verbreiteten
merden nambaft gemacht Scheuchzeria
und
L. und Sparganium natans Auet. Junica-
ccen und Gramineen finden fich in reichiter
Auswahl aut trofenen fo gut wie auf
feuchten Plätzen; es jeien erwähnt Iuncus
capitatus Weig., J. supinus Moench
und J. squarrosus L., Rhynchospora alba
Vahl und fusea R. u. Sch, jehr deforativ
wirfende Wollgräier, Eriophorum vagina-
tun L. und gracile Koch. ; von Gramineen
der leicht an den gelben Antheren fennt
Ihe Alopecurus fulvus Schmitt und
Calamagrostis epigeios Roth.
Einer genaueren Betradhtung, da fie
jtetig an Bedeutung zu gewinnen jcheinen,
jeien diejenigen Pflanzen der Woorniederung
unterworfen, die böchftmahricheinlich als
Eindringlinge bezeichnet werden müſſen.
Ich möchte vielleicht aud bier eine Unter—
Icheidung machen zwiſchen jolchen Pflanzen,
die aus der näheren Umgebung des Movres
eindringen, und dazu gehören auch alle
jene Schutt und Unfrautpflangen, und jolchen,
die durch die Eiſenbahnlinten verbreitet
häufig amerikaniſchen Urjprungs find. Bei
der erjten Abteilung kommen hauptſächlich
Pflanzen der nördlichen Gebi te, des Glan—
und Nahetales, ın Betracht, die zum Teil
durch die Verwendung der Gefteıne jener
Formationen in der Niederung ſich in ber |
ichrärftem Maße ausdehnen fonnten,
77
fularia eanina L. auf dem Damm an der
Ramjteiner Bahn bei Landſtuhl.
Weit mehr Beachtung noch verdient die
zweite MWbteilung, das Borfommen von
Hieracium aurantiacum L., Aquilegia
atrata Koch, Nareissus poöticus L. und
Verbascum phoeniceum L. Es jeien im
Folgenden die Fundorte aufgezählt:
Hieracium aurantiacum L., in Schultz’
Flora, wie auch alle anderen, nicht ge—
nannt, wurde zuerft von Herrn Dr. J.
Weyland-Landjtuhl weſtlich der Ramfteiner
Bahn auf Moormiefen gefunden, dann aud)
von mir Öftlih der Bahn bei der Moor-
dammühle, bei Schernau und zwiſchen Ein»
fiedel und Kindsbah. Bei Echernau hatte
die Pflanze gänzlich Befig ergriffen von
den Fundamenten eines niedergelegten
Haufes, ſodaß es fchien, als begünſtige die
palustris L., Potamogeton oblongus Viv. '
rufescens Schrd., Typha latifolia |
36
Anmejenbeit von Kalk jehr ihre Entwidlung.
Aquilegia atrata Koch, in Wuchs und
Ausjehen ganz mie die alpine Pflanze,
wurde einmal von Herrn Dr. Weyland
und einmal von mir in der Umgebung von
Schernau gefunden.
Nareissus poöticus L. fand ich ver:
einzelt in fräftigen Stöfen von der Moor-
dammühle bei Landftuhl bis ins obere
Slantal bei Steinwenden auf feuchten
Wiejen.
Verbascum phoeniceum L fand id
in einem einzigen Exemplare auf einer
Wieſe mweitli der Namfteiner Bahn,
Wie bereitö gelagt, jcheint ed mir am
mwahrjcheinlichiten zu jein, daß dieje Pflan-
zen mit Grasjamen, der zur Rultivierung
des Moores häufig bezogen murde, aus
anderen Gegenden hier eingejchleppt worden
find. Ich glaube, daß man gute Erfolge
erzielen würde, wenn man 3. B. Pflanzen
der Münchener Hochmoore wie Primnla
Auricula L. oder Gentiana acaulıs L. bei
uns an geeigneten Stellen ausjegen würde.
‚ Vielleicht finder der Vorſchlag Beachtung.
Die dritte Abteilung der eingemwanderten
Pflanzen umfaßt diejenigen, für deren Ber-
breitung die Bahn Sorge trägt. Es find
3. ®. Erigeron canadensis L. und Oeno-
thera biennis L., welde jegt fait auf
jedem jandigen Plate zu finden find, ferner
erwähne bier das Borfommen von Scro- | Stenactis annua Nees und Solidago cana-
densis L., die zwiſchen Cinfiedel und
Kindsbach im Bordringen begriffen find.
Die angegebenen Namen und Stand—
18
orte mögen nun zur GCharafterifierung des |
bier, wie bei allen irdiihen Dingen gilt
Pflanzenlebens der Umgebung Yandjtuhls
genügen.
Man wird mit Bedauern den
Rückgang der heimischen Flora betracten |
und follte fie jo gut mie möglich zu jchügen
juhen; aber man mird aucd die Ber-
änderungen, den Wechſel in der Flora
nıcht ohne Intereile anſehen dürfen. Auch
der Sag des alten Heraklit: zävea fat,
alles Flickt, beitändig ift nur der Wechſel.
Gewitter: und Miederlchlagsbeobantungen,
I
Das Sl. Hydrographiſche Bureau in |
München verfendet in weitere Kreiſe Bayerns
ein Birfular zur Belebung der diesbezüglidyen
Beobachtungen.
Für die Berechnung der an einer be-
ftimmten Stelle eınes Fluſſes oder Bades
zu erwartenden größten Hochwafjermenge ift
unter anderem die Stenntnis der räumlichen
Ausdehnung der Gemitterregen und der
dabei gefallenen Regenmenge von großer Be
deutung. Dieje Kenntnis fann nur durch
ein möglichſt dichtmaichiges Netz von Be-
obachtungen erreicht werden,
Die dermalen in Bayern eingerichteten
370 Regenftationen reichen hiezu bei Weiten
nicht aus, weshalb das K. Hydrotechniſche
Bureau beabfichtigt, im beurigen und nächſten
Jahre eine möglichit große Anzahl von über
ganz Bayern verteilten Meßſtellen jür Ge
mwitterregen einzurichten, deren Tätigkeit
möglichft einfach ausgeftaltet werden joll.
jeder Beobachter erhält eine fleine An:
weilung und eine Unzahl von vorgedrudten
Meidefarten, in melde das Ergebnis der
Meſſung einzutragen tft und die dann um—
gehend dem K. Oydrotechniſchen Bureau
eingejendet werden jollen. Als Beobadıter
find in erfter Linie in Ausficht genommen
Staatd-, Diftrifts- und ſtädtiſche Straßen
mwärter, jtändige Vorarbeiter ujmw.; die Be-
teiligung auch anderer Perſonen, B.
Landwirte würde ſehr gerne geſehen.
Das K. Hydrotechniſche Bureau ſtellt
nun das Erſuchen, möglichſt viele Perſonen
ſamt deren Wohnort zu benennen, welche
ſich zu dieſen Beobachtungen eignen, und
daber insbeſondere im Auge zu behalten,
daß jeder Beobachter eine Stellvertretung
hat, wozu ſehr zweckmäßig weibliche Haus—
genoflen verwendet werden fünnen.
Es jei noch bejonders hervorgehoben,
’
5
daß mit Übernahme des PBeobachtungs-
geichäites durchaus nicht die Verpflichtung
verbunden fein joll, an der Beobachtungs—
jtelle bei etwa eintrerendem Gewitter per
fünlıdı anwejend zu jein; Niemand joll be:
leinen fonitigen Geicdhäften eine Behinderung
erfahren.
1.
„Anleitung zur Beobaditung und Meſſung
von Gemitterregen in den Jahren
1908 und 1909.”
Zweck der Meſſung der Gewitterregen.
Durch dıefe Mejlungen will man haupt:
jächlich die Antwort auf zwer Fragen ent-
halten: 1. Welche Regenmenge fällt beı
einem Gewitterregen? 2, Weldye räumliche
Ausdehnung haben die Gemwitterregen ?
Daraus follen dann Schlüſſe gezogen
werden auf die Durch Gemitterrenen hervor:
gebrachten Hochwäſſer und deren Berlaut.
Die zur Meffung nötigen Geräte.
Ein rundes (nicht ovales) von ober bis
unten möglichit gleichweites Waflerihaff von
Holz mit etma 40 cm Durchmeſſer oder
beffer, da dieſe leicht lecf werden, eın oben
und unten gleich weiter Hafen von Bled
mit erwa 20—3U cm Durdmeljer und ein
geeichtes von oben bi unten möglichft gleidı
weites Halbliterglas. Das Waſſerſchaff bezw.
der Hafen dient zum Auffangen des Megens,
dns Halbliterglas zum Abmeſſen des auf:
gefangenen Regenmaflers.
Berfahren beim Mefjen des gefallenen
Regens.
Beim Herannahen eines Gewitters wird
das Schafft — bezw. der Hafen — im
‚freien To aufgeftellt, daß der Negen von
' allen Seiten freien Zutritt zu diefem Auf:
fanggefäß hat; zu vermeiden ift eine Auf-
jtellung in zu großer Nähe von Bäumen,
Gebäuden, Mauern, Zäunen u. del. Das
Auffanggeſäß fann auf den Erdboden zu
itehen fommen, befler ift jedoch eine Auf—
jtellung etwa 1 m über dem Erdboden.
-
Es ift darauf zu fehen, daß jein Boden
annähernd mwagredt ſteht.
Beginn und Ende des Gemitterregens
iſt nad der Uhr zu notieren. Bei allen
Gewittern folgt auf einen etwas jchmächeren
Rorregen ein ftärferer Gußregen und dann |
wieder ein ſchwächerer Nachregen; Beginn
und Ende des Gußregens ift ebenfalls nad)
der Uhr zu notieren. Gemitterregen bei
Nacht zu beobachten, wird nicht verlangt.
Die Zeitbeſtimmung hat nah Stunden |
uud Minuten zu erfolgen, 3. B. Beginn
des Gemitterregens 920 Bm., Ende 12'* Am.
Damit das aufgefangene Waller nicht
verdunitet, muß ſofort nad Auihören des |
9
Gewitterregens das im Auffanggefäß be—
findliche Waſſer mit dem Halbliterglas ab:
gemeljen werden. Dabei mwird man am
beiten mit einem Eleinen Trinkglas das
Bafler aus dem Auffanggefäß ausfchöpfen
und in das Meßglas (Halbliter) üiberichütten,
das Meßglas jedesmal bis zur Eiche an:
füllen und in der Meldefarte fir jedes volle
Glas einen Stridy verzeichnen. Wird das
Halbliterglas nicht bis zur Eiche voll, fo
ift der Inhalt nah Biertel-, Halb: und
Dreiviertel Släfern einzuichägen und dies
in der Meldefarte zu verzeichnen.
Die im Auffanggefär etwa vorhandenen
Dagelfürner werden zulekt in das leere
Meßglas geichüittet und das aus ihnen nach
dem Auftauen entftandene Waſſer wie Regen
waller gemeljen und das Maß in der Melde:
farte verzeichnet.
Ansgrabung der gallilhen Uranfiedelung bei Beidesheim.
| der Mauer auf der Weftieite fonnte man
Etwas nordweitlih, drei Kılometer von
Deidesheim, liegen die ſchon mehrfach be:
iprochenen „Heidenlöcher“, eine, wie die
in dieſem Jahre beendeten Ausgrabungen
bemwiejen haben, galliiche Uranfiedelung, die |
mit Sicherheit dem damals an der Border-
hardt anjäjlig geweienen Volke der „Medio-
matrifer” zugeichrieben werden fann. Die
Ausgrabungsarbeiten, die auf Beranlajlung
des Hiſtoriſchen Vereins der Pfalz unter
Yeıtung des Archäologen Dr. Sprater fiatt-
das ehemalige Vorhandenjein von horizon-
talen Pfoſtenlöchern nachweijen, Wir haben
darin einen Beweis gefunden, dab die
Mauern eine Holzveriteifung hatten, genau
in der Art, wie fie Cäſar ın jenem Werk
‚De bello gallico* in der Anlage von
Bibracte beichreibt. Bor dem Wall ift auf
der Weſtſeite auch ein wohlerhaftener Graben
fanden, geben ein überfichtliches Bild über |
den Wohnungs- und Befejtigungsbau dieſer
felto galiihen Bevölferung. Die Beltchti
gung der Anlage geihieht am beiten vom
Düdtore aus. Südweſtlich von dieſem
Tore liegt ein aus mächtigen Steimblöden
gebauter Borwall. Diejer läuft in 8 bis
OÖ Meter Entfernung vom Bauptwall
parallel mit diefem und ıft meiltens nur
“3 Meter hoch, nur auf der Südweſtſeite
vom Südtor ift er bejonders jtarf und
bier aus großen Felsblöden errichtet. Der
zu beachten. Der größte weitöftliche Durch:
mejjer der YUnlage beträgt 150 Meter, der
nordjüdliche Durchmefler 110 Meter. Zwei
Tore, eines auf der Nordjeite und eines
auf der Südjeite, führen in das Innere
des Walles,
Dauptwall, der den Gipfel des Berges in
einer Yänge von 450 Meter umzieht, iſt
auf der Auhenjeite aus mächtigen Find»
lingen gebaut. Die Innenſeite beiteht aus
ihwächeren Mauerwerk. Die Höhe diejes
Hauptwalles beträgt heute noch an einzelnen
Stellen zwei Meter. Bei der Freilegung
Auf der Nordjeite divergieren
die Mauern, auf der Südjeite ijt das Tor
eine einfache Durchbrechung der Mauer.
Auf der Wejtfeite führt ein gemauerter
Aufgang von 3 Meter Breite und 1,80
Meter Höhe auf den Wall. Die Mauerung
dieſes Aufganges iſt vorzüglich erhalten,
Der Wall umſchließt die Anſiedelung, in
der ſich noch die Reſte von BU Wohnhäuſern
nachweiſen laſſen, von denen 22 ganz und
21 teilweiſe freigelegt find. Die Häufer:
reite laſſen deutlih Stein: und Blockhaus—
bau erkennen. Während der Wall haupt:
jählih aus Findlingen erbaut ijt, find die
Häujer aus Bruchjteinen hergeitelli. Es
findet fich feine Spur von Bearbeitung mit
— 80 —
dem Meißel. Oeſtlich vom Südtor liegen | würdige Anlage liegt auf der Weſtfeite.
drei Häufer neben einander am Wall. Bei | &3 zeigt ſich, daß fich hier ein Steinbrud
dem mittleren it der FFeuerherd als Stein | befand, der fpäter ausgebaut werden jollte.
faften noch wohl erhalten. Cine merf:
Ein einſames Grab.
Die Schlacht bei Kaijerslautern (28. | tender Goldichrift zu lejen: „Hier ruhet
30. November), in der die Franzen von Fried. Graf v. Einjiedel, Churfürft.
den Preußen bejiegt wurden, war vorüber | Sächſ. Kammerjunfer und ©. Lieut. im
und hatte auf beiden Seiten ſchwere Opfer | Chevaurleger-Regiment Herz. Carl v. Cur—
gefordert. Der jog. Blutader, unmeit der | land, geb. 29. Febr. 1772 zu Wolfenburg
Stadt, trägt nicht umfonft feinen Namen, | in Sacdien, geft. 30. November 1793 zu
und aud; noch andere Zeugen erinnern | Raijerslautern an jeinen tags vorher in der
und an jene fturmbemwegte Zeit und an | Schlacht bei Morlautern für Fürft und
den heißen Kampf, der hier ausgejochten | Vaterland empfangenen tödlichen Wunden.“
murde, — An der Schladht nahm aud das | Die Rückſeite zeigt die Inſchrift: „Dem
Chevaurleger-Regiment Herzog Karl von | edlen Toten ift diejer Grabftein gewidmet
Gurland mit großer Bravour teil; freilich | von den noch lebenden und ihn betrauern-
ſank mancher feiner fchmuden Reiter vom | den vier Brüdern und zwei Schweitern im
Pferd „ım Feld des Morgens früh.” | Jahre 1821.* Die linfe Seite trägt die
Unter den Schwervermundeten befand ſich Inſchrift: „Er demütiget auf dem Wege
aud) ein junges Soldatenblut, ein Offizier | meine Kraft, er verfürzet meine Tage.
aus gräflihem Geſchlechte. Das Regiment | Wi. 102 B. 24.” Auf der rechten Seite
zog ab durd SKaiferdlautern nach Hoch- lieft man: „Und die richtig vor fich ge
ipeyer das Neuftadter Tal entlang und be- | wandelt haben, fommen zum Frieden und
zog in Frankenſtein Quartier, mofelbft der | ruhen in ihren Kammern. Jeſai 57 8. 2.“
inzwijchen verftorbene jugendliche Held auf | — Viele gehen an dem einjamen Grabe
dem Eleinen Dorffirchhofe feine legte Ruhe | vorüber, ohne es auch nur eines Blickes zu
fand. „Ullzufrüh und fern der Heimat | würdigen. Wer follte ſich auch um den
mußten fie ihn bier begraben, mährend | fremden Schläfer fümmern, den man vor
nod) die Jugendlocken jeine Schultern blond | mehr als 100 Jahren hierher gebettet bat?
umgaben.” — Ein einfacher Stein bezeih- | Er ift aber wert, daß man jeinen Namen
net dem Wanderer die Stätte, wo der | nicht ganz der Vergeſſenheit anheim gibt,
* Schläfer einem fröhlichen Aufer- und das iſt auch der Zweck dieſer Zeilen.
tehungsmorgen entgegenſchlummert. Auf ü
der Vorſeite des Grabmals fteht in leuch— TENANERELREN,
irgend —— — —
Heimatliches.
Das Beitalter des Abſolutismus mar | in hervorragender Weiſe der Fall, mo die
auch die Epoche fürftlichen Mägenatentums, künſtleriſche und kulturelle Entwidlung ihren
Das Vorbild, das der Roi Soleil gab, | Höhepunkt unter Karl Theodor fand, bis
verlied dem Wejen der Zeit, jomeit die ; fie durch die franzöftiche Revolution und
berrichenden Streife in Betracht kamen, voll» | die Folgen einer neuen Beitanihauung jäh
endeten Ausdruck und drängte auch ander: | abgejchnitten und in andere Bahnen gelenft
wärts zu fünftlerijchen Taten, die umjo bes | wurde. Mannheim und Schwegingen find
deutender waren, je mehr ſich bei ihren | Seredte und fortwirfende Zeugen von der
Schöpjern der Zug ind PBrunthafte mit | Größe der damaligen Ideen, die durch cm
echter innerer Größe verband. Dies war | fiheres Stilgefühl zu grandios geformten
bei den Herrichern aus den Pfälzer Linien | Leifiungen gelangten.
—
Joſ. Aug. Beringer hat es unter—
nommen, in feinem Buch: „Surpfälziiche
Kunſt und Kultur im 18. Jahrhundert”
dem bunten und vielbemegten Leben jener |
Beit ein Denkmal zu ſetzen. Das Werk
ericheint als eriter und vielveriprechender
Band einer Serie von Monographien über
„Baden, jeine Kunſt und Kultur“, melde
von der Bereinigung für heimatliche Kunſt—
pflege herausgegeben wird,
fih durch frühere eingehende Studien,
z. B. über den Bildhauer Berichaffelt,
als Kenner auf dem von ihm behandelten
Gebiet eingeführt, und es gelingt ihm auch
diesmal vortrefflich, uns den Geiſt jener
verflungenen Tage wieder lebendig zu machen.
Beringer hat |
|
|
Bon der Gründung Mannheims führt er
und bis zur Vollendung der Schwetzinger
Anlagen, in denen fich wie in einem beion:
ders liebevoll gearbeiteten Prunkſtück alles
vereint, was damald an Tüchtigem in der
Pfalz zufammengehalten war. Bon Bild:
hauern finden wir bier ®rupello vertreten,
deſſen Standbild auf dem Paradeplaß in
Mannheim als eines der charafterijtiichen
Barockwerke befarnt ift. Seine Schöpfungen
waren von Düſſeldorf her, wo fein Reiter—
denkmal des Kurfürſten Johann Wilhelm |
noch heute bewundert wird, an den Hof
nah Mannheim und zum Teil auch nad
Schmwegingen gefommen ; dort im Park fteht
jeine Galatea, das ſchönſte Marmorbild ım
reih geihmüdten Garten. Die andern
bildhauerifchen Werfe von Bedeutung find
81
fabrif, die Gründung einer Akudemie der
Wiffenihaften, die Pflege der Malerei:
alles fälle in jene glanzvolle Epoche, die
und das Beringerfche Buh in ihrer Biel-
feitigfeit lebendig vor Augen ſtellt. Frei—
lih, e3 war eine Serrenfultur. Das
Bürgertum ftand all diefen Beltrebungen
fremd gegenüber; die Fortſetzung der ge:
' gebenen Anregungen, die Pflege des ererb-
ten Gutes macht es ſich erft in unjeren
Tagen zu eigen. Die vorigjährige Kunit«
und Gartenbau Ausftellung in Mannheim
war das erſte, aber auch glänzendfte Doku:
ment für die Wiederaufnahme einer großen
Tradition, und das Theater beredhtigt unter
jeinem neuen Intendanten zu froben Hoff:
nungen auf eine neuzeitlihe Bühnenkunſt,
die jih vom alten Schlendrian eines ver:
brunchten Komödiantentums befreit, jo wie
einft die redvolutionierenden Sciller’ichen
Dramen den franzöfiihen Ungeichmad de»
finitiv in die Flucht jchlugen.
*
Ein Zweig der kunſtgewerblichen Be:
tätigung aus jenen Tagen hat ſich heute zu
‚ einer neuen, felbftfihern Höhe entwidelt:
die Keramik. Wir haben an der Hand
von Beringers Ausführungen das köſtliche
größtenteils von Verſchaffelt, der durch feine
Mannheimer Werke an der Jeſuitenkirche
und im Palais Brefenheim nicht minder
berühmt ift al8 durd die Gründung einer
Kunſtakademie und des Antiken-Kabinetts,
in dem Schiller, Goethe, Leſſing und Her—
der bedeutjame Unregungen empfangen
haben, Mit Schweßingen verknüpfen fich
dann wiederum die Namen von Voltaire
und Mozart und lenken auf die bod)-
entwidelte Mufifpflege und die Gründung
des Theaters hinüber; dieſes erlebte be-
fannılich unter Dalberg eine Glanzzeit, als
Schiller und Iffland feinen Ruhm ftügten
In Schwegingen geitalteten Pigage als
Arciteft und Scell als Gartenfünftler jene
ftimmungsvollen Anlagen, deren Bauber
auch jegt noch underaltet zu uns ſpricht.
Die Blüte der Franfenthaler Porzellan:
Franfenthaler Porzellan erwähnt. In
Mosbach beftand damals eine weitere Fa-
brif, die den Bedarf an tägliden Ge-
brauchsgegenftänden in Fayenee-Ware dedte.
Das zweite Werk aus der neuen Mono»
graphienfolge ift ganz diefem Spezialgebiet
gewidmet. Brofefjor Widmer orientiert hier
ausführlich, mit vielen Detailfenntnifjen
und feinem Geſchmack über die Entwidlung
der Keramik von jenen Mosbadher Tagen
an bis auf die gegenwärtigen Erfolge der
Töpferfunft. Neben der Mosbacher bejtand
auf badifchem Gebiet bis gegen 1840 die
Durlader Borzellanfabri. Der heutige
Stand wird am deutlichften und rühmlich
durch die Namen Länger, Kornhas, Schmidt-
Beht und Süs cdharafterifiert, denen ſich
in der Groß. Majolifa- Manufaktur außer
dem legterwähnten noch Thoma, Würten:
berger, Lunz, Taucher und andere an:
Ichließen. Widmer gibt ausführlih Be—
icheid über die Technifen und Stilarten der
einzelnen NRepräfentanten unferer hoch ent-
wickelten badiichen Keramik, deren Erzeug—
nifje von einfachen Kacheln und Gejdirren
bis zu Funftwollen Reliefs und Plaſtiken
gehen; er mweift dabei auf die Wirkung hin,
melde die Schwarzwälder Bauerntöpferei,
die Kenntnis feramiicher Kunſtwerke, aus
Franfreich, England und Japan, die An:
fnüpfung an alte Traditionen oder das
Vorbild der Renaiffance Künſtler Donatello
und Robbia auslöiten.
Nicht genügend eingegangen fcheint mir
auf die Bedeutung des Stonftanzer Kera—
mifers Geidler, der jeine Schöpfungen nicht |
nur entwirft, jondern auch jelber brennt, |
der aljo in jeiner Perſon die Verſchmelzung
von Sünftler und Handwerker einheitlich
vollzieht, mas zur Folge bat, daß er nur
Originale ſchafft; jeine Produktionsweiſe
läßt freilih aus Ddiefem Grunde feine
marftbeherrichende
Belehrung und Anregung find, jeben wir
den folgenden voll Erwartung entgegen.
Wir können nur wünſchen, daß das Wer,
das unſere heutigen Beltrebungen teils
durch Verdeutlichung der Vergangenheit an-
ſchaulich machen wird, in meiteften Streifen
die gebührende Unterftägung finde. Der
Preis von 3 bezw. 2 ME. für den
brojchierten Band ift bei der gediegenen
Ausftattung, der fih ein veichhaltiger und
wertvoller Bilderſchmuck einfügt, jehr ge
rind. Es Sind allenthalben im Land
Schäte verſtreut, die für uns nugbar ge:
macht werden können; und ein flares Ins—
Maflenfabrikation zu, |
wogegen jeine Erzeugniſſe fich dur eine |
hohe Bollendung der Form und vor allem
FIR: UBEELENDE Pan we BD. ERISCHRNGE TOR. der wir felber unflar und drangvoll das
einzig daftehende Glaſur auszeichnen.
* *
Nach den Proben, die wir in den zwei
erſten Bändchen der geplanten Sammlung
erhalten haben, die reich an weitgehender
augefaſſen der Ziele, die vor uns und
durch uns erreicht wurden, wird unſern
Leiſtungen auf allen Gebieten zum Vorteil
gereichen, indem er uns die Bedingungen
aufzeigt, unter denen unſere eigene Exiſtenz
ſich auswirkt. Die Fäden, die ſich von der
Vergangenheit her ſpinnen, lauſen in uns
zuſammen und in die Zukunft hinein, zu
Gewebe wirfen. Die uns helfen, das Ge—
webe entwirren, tun uns einen guten Dienit
und maden uns die Heimat heimlicher, jo
daß wir gern rüdwärts und vorwärts jchauen.
Dr. Defteringim U.Bl. der „Bad. Br.“
Maturpflege.
Es ift ein erfreufiches Beiden, daß
man fich jegt auch bei uns in der Pfalz
mit erhöhten Eifer der Pflege der
Naturjhönheiten zumende. Die
Aufgaben, die es da zu beobaditen gilt,
find gar mannigfaltiger Art und fie liegen
auf einem jo weitverzmweigten Gebiet, daß
nur eine lückenloſe Organijation aller auf
die Naturpflege abzielenden Beftrebungen
wirkliche Erfolge erhoffen läßt. Dieje zu:
nächſt liegende wichtige Aufgabe hat der
pfälziſche reisausidhuß für Natur-
pflege in beiter Weije gelöft, indem er über
die ganze Pfalz ein Neg von Obmännern
ausbreitete und ihnen bejtimmte Richtpunfte
für ihr Tun und Handeln ſtellte. Im
wejentlichen find ihnen folgende Aufgaben
geftellt: 1. fih über alle Naturdenfmäler
ihres Bezirfes genau zu unterrichten, deren
Beitand fortlaufend zu überwahen und fich
von allen die Naturpflege berührenden Vor—
gängen wöglichfte Kenntnis zu verichaffen;
2. im Falle drohenden Schadens underzüg-
lih die erſten Schritte zu feiner Abwehr
einzuleiten und ftets namentlich aber dann,
wenn es nicht ihnen jchon gelingt, Die
Gefahr abzumenden, mit aller Beichleuni-
gung an den StreiSausihuß für Naturpflege
Bericht zu erjtatten und Antrag zu ftellen;
3. bei der Berzeihnung der Naturdent⸗
‚ mäler (nventarifierung) nah Anweiſung
des Kreisausſchuſſes mitzuwirken; 4. aud
fonjtige ihnen zugewieſene laufende oder
befondere Arbeiten der Naturpflege vorzu-
nehmen; 5. endlih Aufflärung und Be-
lebrung im Sinne der Sade jo weit und
und jo gründlich al8 möglich zu verbreiten.
Die der Kgl. Negierung unterftellten Be
hörden werden angemwiejen, die Obmänner
bei der Erfüllung ihrer Obliegenheiten tun:
lichſt zu unterftügen und die von ihnen
etwa gejtellten, der Erhaltung von Natur:
denfmälern bezielenden Anträge, unbejchadet
gebührender Rückſichtnahme auf etw ent-
gegenftehende anderweitige Intereſſen mohl-
mwollend zu würdigen. (Pfr. Breife.)
Baumidus! fordert F. Avenarius im
„Kunſtwart“ (Berlag Georg D. W. Callwey,
Münden) und erzählt dazu folgendes: Bor
einem ‘Jahr wurde im Waldparf zu Dre&den
Blajewig einer der allerjchönften Bäume
gefällt, eine alte Kiefer. Warum? Sie
begann wipfeldürr zu werden. Alſo: was
uns aus den Bildern etwa Ruisdaels als
bejondere elegiiche Naturfchönheit anjpricht,
das muß aus den Gartenanlagen weg: die
Altersichönheit . . . Heute zwei neue Bei
jpiele anderswoher. An den Rheinniede-
rungen weſtlich von Karlsruhe bringen
ichlanfe wiegende Bappeln malerische Bılder
ın die Ebene. Bor einem Dorfe am Fluſſe
ftanden ihrer ungefähr zwanzig formreic
beifammen. Bor einigen Wochen wurden
fie abgehauen. Die weiterhin die Ebene
für den Beichauer ordnende und gliedernde
lebende Gruppe fchlt nun: es iſt als fei
dieſes Stückchen Welt plöglidy in Nüchtern
heit gefunfen. Einer befchwerte fich darüber
in einer Tageszeitung. Antwort: ob diejer
Bappelfreund denn nicht wiſſe, daß die
Pappeln jedenfalls von Napoleon |. ge
pflanzt jeien, weil der joldhe Bäume wegen
ihreé „militärischen Ausſehens“ aeliebt habe.
BVerjtändnisvoll, nicht wahr? ber das
war immerhin nur ein Unfug im fleinen.
Im großen will man ihn, ſoweit man in
Reuß j. P. von großem ſprechen kann, dort
betreiben. Napoleon hat die Bappeln nicht
wegen ihres „militäriichen Ausſehens“ ge-
pflanzt, jondern meıl fie, ſchnell aufwachſend,
jehr bald den Lauf einer Landftraße meit-
bin fennzeichneten — eben diejelben Eigen:
ichaften geben ihren Reihen im LYandjchafts-
bilde auch einen befonderen äjtheriichen
Wert mehr: fie teilen vortrefflich die Fläche.
Nun wollen die Reußer die Chauſſecpappeln
abihaffen. Aber nicht nur die: auch) die
herrlichen alten Eichen: und Lindenalleen.
Unjereinem wird's jchmer, gegenüber der
Gejinnung, die fich in ſolchen Wüften aus
Gewinnſucht verrät, einen anderen Aus—
druf zu finden, als ein herzliches „Pfui
Teufel”, Das Baumfällen fcheint in
Deutihland Manie zu werden. Deshalb
rufen wir auch diefes Jahr mieder ins
83
—
Land: ſchützt die Bäume! Die Gemeinden
und, wenn ſie ihre Pflicht nicht tun, die
Freunde des Schönen fonft im Lande müſſen
ihöne Bäume bewadhen. Sie nadı dem
Holzmwerte zu ſchätzen, iſt ſo dumm, mie
‚einen Freund nach dem Gewicht zu tarieren.
Aber wir müllen auch jehen lehren, wie
ein Baum eine Landſchaft ſchmückt, nicht
nur ſchmückt: auch gliedert und geftaltet.
Zum Schuß des Landfhaftsbildes. Die
rechtöfräftig gewordene von der Stadt
‚ verwaltung Heidelberg erlaffene ortspolizei»
lihe Borichrift über die Erhaltung der
landmwirtichaftlihben Schönheit des
Nedartals Hat folgende Fallung er:
halten: Bauliche Herftellungen, welche
im Hinblick auf die beabfichtigte Art ihrer
Ausführung die Annahme rechtfertigen, daß
durch ihre äußere Erjcheinung im Zuſammen—
hang mit ihrer Lage das landſchaftliche
Bild des Nedartales beeinträchtigt wird,
fünnen von der Raupolizeibehörde nach An-
börung des Stadtrat unterjagt Merden.
Auf bejtehende Bauten findet diefe Vor—
Ihrift bei Bauderänderungen oder Bau-
ausbejjerungen finngemäße Anwendung.
Zur Nahahmung empfohlen!
Boagdiſcher Kandesverein für Naturkunde.
| Durch Verfchmelzung des jeit 25 Jahren
beftehenden „Badiihen Botaniidhen
Vereins“ mit dem vor 10 Jahren be-
gründeten „Badiihen Zoologiſchen
| Berein” hat fich vor furgem auf erweiterter
Grundlage ein das ganze Großherzogtum
Baden umfalfender Yandesverein für
Naturkunde gebildet, deſſen Sig fih in
Freiburg befindet. Der Verein bezwedt
eine möglichit vollftändige Erforichung der
reihen Naturfhäge des Yandes mit dem
hohen Biel einer umſaſſenden Yandesfunde,
Auch der Erhaltung und Rettung gefährdeter
Naturdenfmäler, will er jeine Aufmerkſam—
feit widmen und murde dafür der Unter-
ftüßung durch die Behörden verlichert, Wenn
aud; der neue Verein von feinen Eltern-
| vereinen die runde Zahl von 300 Mitgliedern
übernommen bat, jo entipricht dieſe bei
weitem nicht dem im badiichen Lande fo
hochentwickelten Natur» und Heimatfinn, fie
entjpricht auch nicht der Beteiligung, deren
ſich ähnliche Vereine in den Nachbarländern
ı erfreuen dürfen. Sicherlich liegt dies nicht
am Mangel an guten Willen, jondern nur
am Fehlen der Gelegenheit, Cine jolde
wird jet geboten. Jeder Freund der Natur,
meger nun Pflanzen jammeln oder Schmetter-
linge, Käfer, Steine ujw., mag er fi für
Aufbau und Gliederung jeines Heimatlandes
intereffieren oder für deſſen Bevölferung
und Urgeichichte, jeder wird auf feine Nechnung
fommen, jeder fann aber auch jein Scherflein
beitragen, die gemeinnügigen Zwecke des
Vereins zu fördern, wenn auch nur durd
Yeiftung des beicheidenen Yahresbeitrages
von 2 ME. Dafür erhält er die Vereins
ihriften unentgeltlich neliefert, hat er das
Recht zur Benupung der Bibliothet und
der Sammlungen. Anmeldungen nımmt
der Schriftführer des Bereins, Herr Dr.
84
Sclatterer, Freiburg, Sternwalditr. 19, .
entgegen; er iſt auch gern bereit, Anfragen
über Einzelheiten zu beantworten.
Die Kilinnsrebe. Bezüglich der Kilians:
rebe hat dasst. Staatäminifterium des Innern
mit Entſchließung vom 30. April 1908 er:
öffnet: Die Gutachten der einvernommenen
Sadverftändigen gehen übereinftimmend da:
hin, daß die jogenannte Kiliansrebe nidt
eıne der einheimijhen Arten der
Bitis vinifera ift, jondern zu den in
Umerifa heimiſchen, alio den jo:
genannten „reblausjeften“ Weben im
Sinne des $ 2 Abſ. 4 des R.-Gefekes vom
6. Juli 1904, betr. die Befämpfung der
Reblaus, gehört. In Ausführung der
mit Befanntmachung des Reichsfanzlers vom |
10. März 1905 veröffentlichten Grundfäge |
für die Ausführung der SS 1 bis 3 des
erwähnten Gejeges wurde in Biffer 3 der
Minıfterial Bekanntmachung vom 27, Mai
1906 jeder Anbau (Anpflanzung und Ber- |
mehrung) aller in Amerifa heimiichen Reben
oder von reuzungserzeugnifjen jolcher Reben |
unter einander oder mit anderen Nebarten,
abgejehen von den nadı $ 2 Abi. 4 des
Reblausgeſetzes zugelaffenen Verſuchen, in
allen Weinbaubezirfen unterjagt. Es kann
daher die Bitte der Gemeindeverwaltungen
Harthauſen, Dudenhofen und Han: |
hofen um Geftattung des weiteren
“nbaues der jogenannten Silians:
rebe feine Folge gegeben werden,
Dagegen wird mit Rüdjiht auf den
Umftand, daß die erwähnte Stiliansrebe be-
Nebenäſte
| und die
reits ſeit längerer Zeit in der Balz angebaut
warde und die Beliger der Hebenpflanzumgen
fih wohl des amerifanijchen Uriprunges
diejer Hebiorte nicht bewußt geweſen fein
mögen, ausnahmsmeije geftattet, da
die bis zum Grlaß der Entſchließung der
K. Regierung der Pfalz, K. d. J., vom
1. März; 1908 Nr. 6526 O, (betr. Ber-
bot des Aubaues amerifaniicher Heben),
gepflanzten Niltansreben in den Beın-
bergen belnijen werden. Dagegen find
dıe Heben der bezeichneten Art, welche erſt
nadı Belanntgabe dieſer Regierungsent-
ſchließung angepflanzt oder welche in Reb—
ihulen zu einer bevorftehenden Anpflanzung
herangezogen worden find, vernichten zu
laſſen. Jede weitere Anpflanzung
der Kiliansrebe oder einer fonftigen zu
den jogenannten reblausfeften Reben ge-
hörenden Rebenart ift zu unterjagen.,
Bon einer Strafverjolgung derjenigen
Berjonen, welde die Niliansrebe bis zum
jegigen Beitpunft angepflanzt haben, iſt ab:
zuſehen.
Zwei neue Pilanzen in der Flora der
Pfalz. Es ift für einen Botaniker immer
ein jreudiges und intereflantes Greignis,
wenn in jeinem Florengebiet eine neue
Pflanze aufgefunden wird. Diesmal können
wir gleih von zwei neu entdedten Ge:
wächſen fprechen. Herr Oberlehrer Lieb-
rich von Franfenthal fand im fogenannten
Hammelstal bei Wachenheim in einem jungen
Föhrenwalde eine ganz jtattlihe Kolonie
von Ulex europaeus L. auf. Es ift ein
äftiger mit vielen Dornen und jpigigen
Blättern bejegter Straud aus der Gattung
der Ginfter, der an vielen Orten auch
Hedjame, Stechginfter oder Heideginfter ge:
nannt wird, An günftigen Standorten
wird die Pflanze wohl bis 2 Meter hoch
und ihre Zweige endigen mit langen, jehr
jpigigen und ftechenden Dornen. Alle Aeſte
ind wieder mit abftehenden, abwärts ge-
frümmten grünen Nebenäſten dicht bejegt
ganze Pflanze fällt durch die
grüne Färbung aller Holzteile ſchon aus
der Ferne in die Augen. Die Blätter find
flein und unfcheinbar und bei einer ober:
flächlichen Betrachtung fünnte man den
Straud für blattlos halten. Die jungen
Triebe fommen aus den Adjeln der
hervor und find mit Dichten,
85
weißen und abjichenden Haaren befteider. | wird, Fann eine abgeichloflene Flora von
Die ſchönen gelben Blüten ericheinen nur | Deutschland gejchrieben werden; bis dahin
an den älteren Aeſten und entipringen aus |
' Franfreih und die Schweiz in diefer Be:
einem WBlattwinfel. Sie erreichen eine
Länge von einem Bentimeter und haben |
furze dünne Stielchen.
zwei ovale, ſtumpfe Deckblättchen. Der
ockergelbe Kelch iſt dicht mit jeidenglänzen-
den Haaren bedeckt und erreicht faſt die
Länge der Blumenkrone. Bei der ſchmetter—
lingsblütigen Blumenfrone ift die Fahne
am ftärfften entwidelt; die beiden Flügel |
find größer als das Schiffchen, das von
den anderen Blütenteilen eingeſchloſſen
wird, Die Frucht it eine feinhaarige
Hülje, die mehrere ecktige Samen einichliegt.
Bon Linné wurde die Pflanze zu den
eigentlichen Ginfterarten geredinet und
führte den Namen Genista spinosa, d. h.
Dornenginfter, der große Naturforfcher
nannte den Strauch; Ulex, welcher Name
Jede Blüte hat
jhon von Plinius einem dem Rosmarin |
ähnlichen Gewächſe gegeben wurde. — Die
zweite, von Profellor Groß in Neuftadt |
a. 9. neu aufgefundene Pflauze ift Scirpus
holoschoenus L. Syn. Isolepis holoschoenus
R. S. Holoschoenus vulgaris Link.
Wegen der zujammengedrängten Blüten
föpichen heißt die Pflanze auch Kopfbinie.
Da fie ſelbſt von den eifrigiten Forichern
der Pfalz bisher nicht beobachtet wurde,
jo muß fie wohl erft in neuerer Zeit bei
bei und eingewandert fein. Es iſt ein
meterhohes ftattliches Gewächs, das ſchon
aus diefem Grunde und dann megen des
merkwürdigen Blütenftandes nicht leicht zu
überjehen ift.
einer nafjen Wieje, gelangt aber jelten zur
völligen Entwidlung, da fie mit dem Heu
graje abgemäht wird und die ſpäteren
Triebe weit ſchwächer und niedriger bleiben.
Es iſt wohl eine der interellanteften Arten
aus der großen Familie unjerer Sauer:
gräjer und jie hat eine jchr große Ber:
breitung durch ganz Europa und in einem
Zeile Nordamerifas, wie neuere Botaniker
feftgeftellt haben. Dieje zwei neuen Funde
zeigen recht deutlih, daß die Flora der
ſchutzes.“
Sie ſteht bei Neuſtadt auf |
Pfalz immer noch nicht gründlich genug |
| loren gegangeren Beltand an Baumgruppen
durchſorſcht iſt und bei eifriger Unterjuchung
an abgelegenen Orten immer nod neue
Pflanzenarten nacdhgewiejen werden könnten.
Erft wenn die Beteiligung größer fein
hat e8 aber nocd lange Zeit, mährend
ziehung uns weit voraus find,
F. Z. (Mannheim). Fri. 3. Nr. 143.
Bog-libng. Die Bedeutung der Vogel«
welt im Kampfe gegen die mannigfachen
Schädlinge unferer Yand- und Forſtwirtſchaft
und namentlich auch des Weinbaues mwird
leider noch nicht jo recht gewürdigt. Und
doch bilden anerfanntermaßen die injeften-
freffenden PVogelarten ein außerordertlich
' wichtiges Hilfsmittel zur Vertilgung unferer
Pflanzenſchädlinge
Von dieſem Geſichts—
punkte aus erging dieſer Tage von dem
Leiter der zoologiſchen Abteilung der Wein-
bauverjuchsftation Neuftadt a. H., Deren
Dr. Schwangart, ein Rundjchreiben an ver:
ichiedene Intereſſenten und an folche, die
vermöge ihres Amtes für. den Bogelichug
direft oder indireft wirken fünnen, mebit
einer „Anleitung zur Ausübung des Bogel-
(Eremplare der leßteren ſind pro
Stüf um 10 Big. im Berlage Kahſer,
Kaijerslautern erhältlich.) Die Beftrebungen
der Weinbaujchule Neuftadt gehen dahin, ins»
bejondere die Weinbautreibende Bevölkerung
unferer Balz für die Maßregeln der jo
wichtigen Aufgabe des Bogelichuges zu
interejfieren und zu gewinnen. Als Haupt-
maßregel gibt obige „Anleitung“ folgende
an: 1. Es find die nüglichen Vogelarten
gegen ıhre gefährlichiten Feinde — Eperling
und Stage — zu ſchützen. Wo dieſe beiden
Tierarten freien Lauf haben, ift die Ein-
bürgerung nüglicher injeftenfrejjender Vögel
undenfbar, Als weitere Feinde der legteren
werden Würger, Krähen, Eljtern, Häher
und Dohlen genannt, ferner Eichhörnchen,
Mäuje und Ratten. — 2. Die Fütterung der
nüglihen Vögel im Winter und Nachwinter.
Die Fütterung iſt bejonderö notwendig, weil
gerade die für den Weinbau nützlichſten
Bogelarten, die fleinen Höhlenbrüter, die
falte Jahreszeit bei uns zubringen. — 3. Es
müſſen fünftliche Niſtgelegenheiten gejchaffen
werden. — 4.Es muß verfucht werden, den ver:
u. einzelnen Hochſtämmen nach Tunlichkeit zu
erfegen. Sogenannte „Vogelſchutzgehölze“
hat man an vielen Orten mit großem Er-
folge augelcgt, da fie ausichlieglih der An«
fiedelung von Vögeln dienen. Mit Hilfe
folder Gehölze habe ſich die Zahl der nütz—
lihen Vögel verzehnfachen laflen. Wo der
Raum für regelrechte Bogelichußgehölze fehle,
empfehle fich die Anlage von Fichtenſchönungen
und die Anpflanzung von einzelnen Hoc
fämmen auf fahlen Flächen. In die Wein:
berge jelbft feien allerdings feine Bäume
zu pflanzen An Straßen, Fußwegen und
Bächen jeien Obftbäume oder Büſche (Hecken)
Akazien und Fichtenheden zu pflanzen. Die
„Anleitung® empfiehlt am Scluffe die An:
ihaffung von ausführlichen Bogelihugvor:
Ichriften, 5. ®. „Der gelamte Bogelihut“
von 9. vd. Berlepih. (Preis 1,50 Mf.),
die Hieſemann'ſchen Vogelſchutzſchriften
(Berlag: Franz Wagner Lerpzig) „Vogel—
Ichugfalender” ꝛc. Die „Anleitung“ appel»
liert zum Schluſſe an die Schulen, die
bierin Großes leilten fünnten, indem fie
forgen helfen, daß die Schüler direften
Einblick in das Leben der Bögel gewinnen
und fo Intereſſe an der lieben Vogelwelt be-
fommen,. Mögen voranftehende Zeilen nicht
unbefolgt bleiben zu Nu und Frommen
der geſamten pfälziichen Bevölferung,
Die Antunftstermine vieler heimischen
Zugvögel verichoben fih im April im
diefem Jahre bedeutend; man fann hierin
einen Bemweid dafür erblicden, daß die An:
funft der Vögel von dem Fortſchreiten oder
Zurüdbleiben der Begetation abhängig tt.
Nadıdem einige jonnige, warme Tage im
Anfang und gegen Ende des März zwei
Ankunftswellen der heimischen Wandervögel |
gebracht hatten, zeigte ſich in den Falten
86
\ Wochen des April ein auffallender Ztill-
ftand im Zuge mander Arten. Die Sing:
droffel belebte am 4. März bereits Die
Wälder, auch die Bauınlerde ließ am 6.
Mär; ihre flötendes Trillern jogar bei
Strichregen hören. Am 16. April trafen
am Iſenachufer bei bedeftem Himmel und
fühlem Wetter größere Züge der weißen
und gelben Bachſtelze ein. Das muntere
Rotſchwänzchen machte fih am 23. März be-
merfbar.. Es fam voriges Fahr mur
einen Tag früher. Bei hellem Better
bemerften mir jdon am 23. März
eine Rauchichmwalbe, welche allerdings jehr
bob flog. Der mittlere Anfunftstermin
der Schwalben in der Pfalz ift der 13 April.
Es famen aud in diefen Tagen größere
Züge an. Der Auckuck, deſſen mittlerer
Anfunftstermin in dev Pfalz auf den
15. April gefegt wird, hatte fich bisher nur
fehr vereinzelt hören laffen ; im Jahre 1906
war er bereit3 am 9. April da. Nur der
Stord hat feinen Anfunftstag, den 6. März,
auc diesmal eingehalten. Bei mwindigem,
regnerijcen Wetter fpazierte er in den
Gründen bei Speyerdorf. Eimge Züge
von Wandervögeln bradıte der Öfterjonn-
tig. Die Tierchen waren jedoch durch den
jäh einjegenden Schneefturm, wie wir am
Berersfopf zu beobachten Gelegenheit
hatten, jo erichredt, daß ſich einige mut
den Händen fangen ließen. Bei der an:
haltend fühlen regneriihen Witterung dürf»
ten fih die Ankunftsdaten mancher em
pfindlicher Arten von Singvögeln noch be-
deutend meiter verjchieben.
(Böhm in der Pfz. Pr.)
Beldhreibung 3weyer Mineral-Anellen,
weiche im königl.
eine Biertelftunde von Büchelberg liegen,
bayer. Rbeinkreife, im Laud Commiffariate Germersheim, im Kanton Candei,
und unter dem Namen:
Guten Brunnen und
Heilbrunmen, in der ımnilicgenden Gegend befannt jind.
Bon J. Wend, Apotheker in Kandel, 1819.
Der Guten Brunnen.
Dieje Quelle liegt eine Bierteljtunde
von Büchelberg an defjen Wejtjeite im |
Bienwald, wohin ein angenchmer
Ntirichenbäumen bejegter Weg, troß dem
mit SKalffteinen angefüllten Erdreiche, an
reigenden Fruchtfeldern vorüberführt. Auf |
dem halben Wege dahin erblidt man zur '
rechten Seite,
ungefähr Hundert Schritte
' vom Weg, einen großen, hohen auf der
mit |
Oberfläche auögebreiteten Hügel,
Ausjagen des Herrn Pfarrers und des
Herrn Bürgermeijterd von Büchelberg,
ı welche mich dahin begleiteten, vor etlichen
Hundert Jahren ein Tempel, den Tempel:
herrn gehörig, geftanden haben joll. —
wo nadı
Die oberflächliche Größe diejer Quelle
bat 3", Schuh im Quadrat, und ift mit
6 Zoll dien, zufammengeftämmten eichenen
Pfoſten auf ihrer oberen Erdfläche gefaßt,
wo das Wafjer durch den einen, der 2 Boll
breit und ebenjo tief, ausgehauen ift, in voller
Ausfüllung diejesAbleiters, in einem ungefähr
12 Schuhe davon entfernten fleinen Bach aus:
fließt, welcher den Namen Heilbad führt.
Die Tiefe diefer Quelle beträgt 4 Schuh,
wo das Waller aus einer lofern mit blauen
Ktalffteinen gemifchten fetten Sanderde,
trog der bey naſſer Witterung etwas
fumpfigten Umgebungen, dennoch Eryftallhell
hervorquillt.
Durd die Bemühungen des zur Ber:
bejlerung in feinem Forſtbezirk unermüdeten
Herrn Forſtmeiſters Binger, wurde dieje
Quelle im Sommer 1819, vollkommen ge:
reinigt, mit fteinernen Scaalen in der
Runde gefaßt; der Platz um dielelbe mit
Sand überführt und geebnet, auch die Quelle
87
felbften mit einem Dah auf Eichitämmen |
ruhend, vor Regen und jonftigen Unreinig:
feiten geichüßt, und diente diefen Sommer
über, zu mehreren ländlichen Bergnügungen.
Das Waſſer diefer Quelle ift völlig
Far und ungefärbt, auch jo falt, daß mir
dad Thermometer bey einer äufleren er
böhten Temperatur von 26 Grad Neaumur,
auf 10 Grad darinnen, in den heiſeſten
Tagen des Junius fiel. — Der Barometer:
ftand zeigte dazumal einen Grad über
ſchönem Wetter an. Seine Ipecifiiche Schwere
mar augenblidlid; an der Quelle 2 Grad
leichter, vermöge feines flüchtigen Gaſes
als unfer gewöhnliches Brunnenwaſſer ift.
Dieſes Waſſer ift mit Schmweieltheilen
jo ftarf angejchwängert, daß das geſchwefelte
Bailerftoffgas, (Gas Hydrogenium sulphu-
ratum) beym Schöpfen und Trinken, ſehr
bemerkbar ift; jein Gejchmad ift dem der
faulen Eyer etwas Ähnlih. Es wird von
den Bewohnern Bichelbergs und in mehreren
nahliegenden Ortſchaften zur Frühjahrskur
und bey chroniihen Hautübeln, häufig ge:
trunfen, wo es die Schärfe auf die äufferen
Theile treibt und die Leute nad) einem
fortgejegten Gebraud jehr munter macht.
Ich unterwarf diejes Waſſer einer demifchen
Unterfuhung nad) den Erfahrungen Gött-
lings, Hambftädts und Trommsdorffs, wo
in Qufigeftalt, theils in feſten oder trockenen
Beitandteilen, dur die Evaporation und
Kryftallifation zeigte.
Die Beftandterle des Waflers der erften
Duelle oder des guten Brunnens, in 1'%
Maas oder 96 Unzen Waſſer find folgende:
I. Hauptjächlicd in Gasgeftalt,
a) Kohlenfäure und 3 bi8 Amal foviel
b} Gejchwejeltes Waſſerſtoffgas.
ll. In trodnen oder feſten Beftandtheilen.
a) Rohlenjaures Mineralaltali 10 Gran.
b) Schwefelſaures Mineralaltali 6 —
c) Salzjaures Mineralalfali 4 —
d) Kohlenſaure Stalferde 6 —
Bufammen 26 Gran.
Der Heilbrunnen.
Dieje Quelle liegt ungefähr 300 Schritte
von erftgenannter entfernt, in einem von
bejahrten Eichen rund herum eingefaßten
Biefenthal im Bienwald. Ihre oberflächliche
Größe bat 3 Schuhe im Quadrat, ihre
Tiefe beträgt 6 Schuhe — auch ift diejelbe
anf die nämliche Art wie erftere gefaßt, und
für den Abflug durchſchnitten. Der Zufluß
diefer Quelle icheint nicht jo ftarf wie bey
erjterer zu jein, indem das Waſſer viel lang:
jamer aus feiner durchgeichnittenen Öffnung in
die an diejer Stelle ungefähr 50 Schritte da-
von entfernte Heilbad), oberhalb der eriten
Quelle abläuft. Nad) der Sage alter Männer
von Büchelberg jollen vor 40— 60 Jahrennod)
Duadratfteine und mehrere flache Brunnen:
ichaalen, welche legtere vermuthlid als
Deicheln dienten, und movon noch eine vornen
am Ablauf des Brunnens liegt, aus einer
größeren Umfaffung des Brunnens aus:
gegraben worden fein, woraus fich ichließen
läßt, daß jeine Größe ın früheren Zeiten
viel bedeutender als jeßo war und er
ordentlich gefaßt, geweien fein möchte. —
Auch graben die Bewohner Blichelbergs,
welche dorten begütert find, noch öfters an
dem an der Südfeite daranjtoßenden erhöhten
cerfelde, bedeutende Yundamente und zer:
| brochene Gefälle von Samifcher Erde aus.
fich mir fein Gehalt folgendermaßen, theils |
Das Waſſer diejer Quelle ift, ungeachtet
ich diejelbe bey einer Unterfuchung jehr mit
Schlamm und Froſchleich (Sperma Ranarum)
überzogen fand, ganz Kryſtallhell und un:
gefärbt, der Geruch ıft etwas julphurisch,
wie das an erfterer Quelle, auch ift der
Geſchmack Ddejjelben viel einſacher, jedoch
glaubte ich etwas Saliniſches darinnen zu
bemerfen.
‚88
Diefes ift eigentlich die Quelle, welcher |
die Bewohner Wüchelbergs die Heilfräfte
zufchreiben. So wird daher noch heut zu
Tag der Heilbrunnen, genannt; — Und es
ift ganz gewiß, daß der Bach der nahe
daran vorbeifließt und gar feine Spur von
Scmwefelteilen ꝛc. befigt in früheren Beiten
feinen Namen von diefer Quelle erhalten hat, !
Obgleich das Waller der erften Quelle |
mehr von den Bewohnern Büchelbergs als |
gewöhnliches Getränfe genofien wird, jo
joll fich doch dieſes in Hinficht feiner Heil
fräfte ſowohl äufferlich als innerlich weit
würfjamer bemweijen, wie mir mehrere glaub»
würdige Beilpiele von dem dortigen Herrn
Pfarrer und einigen alten Münnern des
Drts, erzählt wurden. Borzüglic bey
Bädern foll ich diejes Wafler äufferft würk
jamer beweijen wie eine jehr alte Geſchichte
und Beichreibung dieſer Quelle bezeuget,
welche aber ohngeacdhtet aller meiner Nach
juchungen in der Gegend nicht mehr zu
finden war.
Reftandtheile des Waſſers in 1!» Maas,
oder 96 Unzen Waffer find:
I. In Gas Geſtalt,
a) Kohlenjäure, ein Theil und
b) Gejchwejeltes Waſſerſtoffgas,
Theile
Il. In trodnen vder feiten Beitandtheilen:
a) Kohlenjaures Minerafaltali 10 Gran
b) Schwefeljaures Mineralalfali 2
e) Salzjaures Mineralalfali 6
d) Kohlenjaure Kalkerde 8
ec) Stiefelerde mit jehr wenigem
Eiſen
zwei
Zuſammen 28 Gran
Inventarikierung von Matnrdenkmälern in Baden.
Gebilde der Erdoberfläche oder des Erd"
Die fortichreitende Ananfpruchnahme
der Naturfräfte, die Nugbarmacung der |
Naturihäge für gewerbliche, Handels und
Verkehrszwecke haben in weiten Gebieten
Deutichlands eine Strömung hervorgerufen,
' gruppen,
Bäume und Fellen, Fels’
Blöcke, Moränen,
wie
erratiſche
innern,
Duünen, Bergſtürze, Gewäſſer (Waſſerfälle,
Teiche), Grotten, Schluchten, Höhlen, ferner
die auf den Schuß und die Erhaltung ger |
fährdeter Naturdenfmäler, jchöner Yand-
ſchaftsbilder, jeltener Bilanzen und Tier:
arten gerichtet ift und in Bildung von
Bereinen, Herausgabe forftbotaniicher Merk—
bücher und anderer literariicher Beröffent:
lihungen Ausdrud gefunden hat. Wührend
in Baden die Erhaltung von Kunſidenk—
mälern und Altertümern ſchon im Jahre
1853 Gegenitand ftaatliher Fürſorge war
und fogar zur Errichtung eines befonderen
Amtes geführt hat, ift für den Schuß von
Naturdenfmälern bisher nur verhältnis:
mäßig wenig gejchehen. Umjomehr verdient
ein Erlaß Beadtung und weitgehende
Nahahmung, den neuerdings der Direktor
der Großh. Forſt- und Domänendireftion, |
Herr Reinhard, an jämtliche Forſte und |
Domänenämter des Yandes gerichtet hat,
worin fie beauftragt werden, alle Natur:
denfmäler Badens zu inventarilieren und
dad Ergebnis der Erhebungen der Forſt—
direftion vorzulegen. Zu den Naturdenf«
mälern find zu rechnen: Gharafteriftiiche
- Schließen.
ı weitere Entichließungen vor.
jeltene, in ihrem Beftand gefährdete
Pflanzen und Tierarten, deren Erhaltung
aus naturgeichichtlihen oder -üfthetiichen
Gründen, aus Nüdfichten auf die Volks:
age und »Geſchichte von Intereſſe tft; ſo—
dann unter Ddenjelben Borausiegungen:
Teile einer Landſchaft, die durch die Ur—
jprünglichfeit des Yandichafts- und Lebens:
zuitandes charafteriitiih find, wie Weite
von Urmwaldungen, Moore, Altrheine um.
Dazu gehören ferner aber auch Waldbe-
fände, die im Intereſſe der Erhaltung
ſchöner Yandichaftsbilder oder vermöge ihrer
Lage in der Nähe von Städten, Kurorten,
von Ausfichtspunften und dergleichen in der
Bemirtichaftung beiondere Behandlung ver-
langen, oder die durh Seltenheit der
Holzarten, Form und Alter der Stämme
ih auszeichnen oder Naturdenfmäler um—
Ueber dıe fünftige Fürforge für
die Erhaltung dieier Naturdenfmäler behält
ih die Forſt und Domänendireftion
(8. 8.)
—
89
Die Sunnwend- oder Johannisfener.
Das Hohannisfeft, auch Mitſommer-⸗
oder Sonnmwendjeft genannt,
einem heidnifchen Bolksfefte. Der Johannis:
tag bedeutet mit Beziehung auf Weihnachten
die Hälfte des Jahres, denn mährend zu
Weihnachten die Sonne am tiefften ftcht,
steht fie an Johanni am höchſten.
dieje Wendung knüpft das alte Heidentum
das Hauptfeit, welches der Sonne in ihrer
Kraft und dem Feuer galt.
all und jegt noch in manchen Gegenden
werden am Sohannis-Borabend große
Feuer angezünde. Man tanzte darum,
ſprang darüber, warf gemilfe Blumen und
Kräuter Hinein und jang Lieder. Am
Fohunnistag fand ein Feitihmaus ftatt,
das jog. Yohannisefjen, das in vielen Ge»
meinden noch als Erinnerung lebt. Wunder-
gläubige pflegten am Johannismorgen ver:
ichiedene Kräuter zu jammeln, denen man
dann gewiſſe Kräfte beilegte. Aug. Beder,
unfer pfälzifcher Hiftorifer und Romanzier,
gibt uns vortrefflihen Aufſchluß bierüber
in feinem mahezu verichollenen
„Das Johannisweib.“ Pielleiht auf
Früher über: |
Roman |
entitammt |
An |
Menichenopfer deutet die Sage. daß am |
Fohannistag jährlich drei Menichen ver-
unglüdfen müßten. In einigen Gegenden
feiert man am ohannistag noch ein
Blumen: und Roſenfeſt, das wohl aud ein
Ueberbleibjel des älteren Feitgebrauches ift.
Intereſſante Forichungen auf dem Gebiete
des Johannisfeuers find die feltenen Werke
von Joh. Reiskius, die heydnischen Nordfyr
und Johannisfeuer 1696 und % €.
Beumer, Difjertatio de Igne Johanne 1699
Was die Pfalz betrifft, ſcheint fich der
Braud bier lange erhalten zu haben.
Schon um 1564 verfügt eine Bolizeiord
nung des Rates der Stadt Landau hier
über: „Zum fünfften ſollen alle Johannes
feuer, dieweil es ein haideniſch Werk, auch
das Nachzerren, ſobey denſelbigen Feueren
bi hieher angeſtelt worden, hiemit abgetan
ſein.“ Im Jahre 1579 verbietet eine Biſi—
tationsordnung des Pfalzgrafen Johannes
von Zweibrücken alle Feuer und Halfeuer
am Rhein und dergleichen Gaudelwerf.
Trogdent wurden die Johannisfeuer in ein-
zelnen Gegenden der Pfalz, wenn aud oft
im Geheimen, bis zum Sabre 1830 an:
gezünder In neuerer Zeit hat fi) der
Prälzerwaldvercin dıejes Braudes wieder an:
genommen und es leuchten jegt wieder all:
jährlih von vielen Bergesgipfeln und
Kuppen des Prälzermwaldes die feuer weit
hinaus über die Yande,
Böhm i. d. Br. Br.
Ber Räskönig von Bürkheim, ein altpfälziſcher Pfingſtgebranch.
Bor Zeiten beitanden in einzelnen Orten
der Pfalz mancherlei jeltiame Gebräuche zu
Pfingſten. Wenige haben ſich noch erhalten,
wie das Feſt des Lambrechter Gaisbockes
zu Deidesheim, andere find völlig von der
Bildflähe verfchmwunden, fo das Felt des
„KRäsfönigs von Dürkheim”. Der
Vorgang diejes jonderbaren Braudes war
folgender: Auf dem Bruchbuckel bei Dürk
heim, welcher vom Eyersheimer Hof in einer
Weite von 1!» Stunden fich eritredt, hatten
vor Alters einige benachbarten Gemeinden
das Weidrecht. Dieſes Recht ſoll mit
König Dagoberts Schenkung des Limburger
Waldes in Verbindung ſtehen. Daran fnüpft
ſich die erwähnte Feierlichkeit des „Käs—
königs von Dürkheim“. Am 2. Pfingſttag
verſammelten ſich die Burſchen von Dürk—
heim auf dem Markt. Sie waren zu Pferd
und in phantaſtiſcher Kleidung. Sn der
Frühe des Pfingitmontages hielt der aus
den Dürfheimer Bürgersfühnen gewählte
König mit jeinem Marjchall und zwei Achtern
nebit großem Gefolge jeınen Umritt in den
zum Bruchweidgang berechtigten Dörfern
und Höfen zur Empfangnahme des Weid-
zinfes, welcher in lauter großen Käſen ge-
zahlt wurde. Nachmittags hielt der König
jeinen Einzug in die Stadt, auf dem Haupte
eine Sirone von Nornblumen, in der Hund
als Szepter rinen Stab mit einem darauf
geſteckten Käſe. Auf dem oberen Marfte
harrte jeiner die Königin. Alsbald ſchloß
die Bürgerwache einen Kreis um das Paar,
welches einen Ehrentanz aufführte, nadı
welchem die gaffende Menge ın %as König-
er —
reich ſtrömte. Das war ein Wirishaus, nahm auch dem Käskönig Macht, Krone
welches eigens dazu beſtimmt, drei Tage und Würde für immer, und nur die Weid⸗
fang von allen Abgaben befreit war. In | buben äfften, wie um 1858 Auguft Bechker
Tanz und Schmauß endete das grotesfe | erzählt, in drolliger Weije im Bruch die
Felt. Spüterhin zog man auch nadı dem | Sitte nah. Ihren Urjprung wollte man
Eyeröheimer Hof und feierte den Brauch bis auf den König Dagobert zurüdzuführen.
dort. Bis zur franzöſiſchen Revolution Böhm i. d. Pi. Vreſſe.
wurde das Felt aufrecht erhalten. Dieie
Dir Deutſchen in Lonihana.
Aus der Gejchichte der Deutihen in ' Franzojen. Die Tragif, die darın liegt,
Houifiana,, die Univerfitätsprofeflor Hanno | wird nur wenig durch die Komik gemildert,
Deiler in New: Orleans erforicht hat, teilt die durch die unglaubliche franzöſiſche oder
Henry F. Urban im 12, Heft der Oftav» ſpaniſche Berhunzung der uriprünglicen
Ausgabe von „Ueber Land und Meer | deutichen Namen entitand. Aus dem braven
(Stuttgart, Deutiche Ne lags-Anitaft) eine | deutichen Kindermann wurde dev Franzoſe
Reihe interefianter Ginzelheiten mit. Der | Qnindreman, aus Bürdel wurde Pircle,
erſte Deutihe am Miffifippi, den man bis Berele oder Percle. Schr ſpaßhaft m
jegt kennt, ericheint um 1684: ein deutfcher | eire Heiratsurfunde, in der eıne Nadı
tanonier, der nur unter dem Namen Hans | fommin dieſes PBürdel als Martanrc
uder in franzöfischer Berftimmelung „Hiens“ Perele einen edlen Spanier Don Eantınzo
befannt war. Nah ihm ift cın Fluß | Pillenol heiratete, deſſen wahrer Name
„Riviere Hiens“ benannt, In den Jahren , Jakob Wilhelm Nolte war. Der gut
1719 und 1720 erſchienen die erjien deut: | Echmidt verwandelte ſich ın Chemitt,
ihen Ginmwanderer in größerer Anzahl, | Schenf in Ehing, Edelmaier tn Heldewaire.
Bauernfamilien aus der Pfalz und aus Yidelmer, Eldemere und Delmatre um
Elſaß Lorhringen, die fi nad) anfänglichen | Gin Deuticher namens Jakob Helfer bier
Mißgeſchicken in der Nähe von New Orleans | allgemein bei feinen Landsleuten der Jock!
anfiedelten. Die neue deutsche Anfiedelung ; Als feine Tochter heiratete, trug ſie Der
lag zu beiden Scıten des Miſſiſippr und , franzöfiiche Ignorant in das Trauregtiter
erhielt den Namen „Aux Allemands”, ' kurzerhand als Mademoijelle Joele ein.
Dieje deutichen Anfiedler und die zahlreichen | Ein Deuticher namens Achtziger wurde zu
anderen, die feitdem einwanderten, fanıen | Monfieur Hadfiger, Ortiger und zuiegt zu
wirtichaftlicd vorwärts und mehrten fih in | Monfieur Quatrevingt. Die Familie Zweiz
eritaunlicher Weile, aber ihre Nationalität verwandelte fi) in Yabrandjie. Die Deut:
vermochten fie, wie der Deutjche leider im | jchen, die heute im Louiſiana ſitzen, ver
Auslande zumeiſt, nicht zu bewahren. Auch | wandeln ſich nicht in Franzoſen, ſondern
hier war der Deutſche völlig zufrieden, in Amerikaner von vielfach deutſchem Em
Völkerdünger für andere zu ſein. So ver- pfinden — dank dem etwas ſtärkeren deut
wandelte er ſich in Youifiana fchleunigft ın ! ſchen Raſſebewußtſetn unter zahlreichen
einen Spanier, häufiger aber in einen | deutichen Nıswauderern von heute.
Gruppen-Walerverlorgung des Lantertales.
In derfchiedenen Lautertals-®emeinden des | fich zur Einrichtung einer jolchen zufammentim.
Amtsbezirkes Naiferslautern beitebt ſchon feit | Hat das kgl. Waflerverforgungsburean in München
mebreren Bahren eine lebhafte Bewegung zu | für die Gemeinden Siegelbad, Rodenbach
Gunſten einer Waflerleitung. Am Hinblid auf | Weiterboh und Schmwedelbah ein Proje:
den alten Erfahrungsiog, dab zum mindejten | über Erbauung einer gemeinfamen Hoch
der Aufwand an Zeit und Selb für den Betrieb | drudanlage eritellt und bierbei den Auſchluß
einen folchen geringer wird, je mehr ®emeinden | der Gemeinden Stodborn, Olsbrücken
- 9
Sambad, Katzweiler, Hirihborn und |
Unterfulzbad ins Auge gefaßt. Das Waſſer
foll durch Bohrung dem im „Bruchbachtal” (@e-
marfung Rodenbach) ausſtreichenden ftarfen
Grundmwaflerittom entnommen werden. Die
Brunnenanlage fol! durch eime Saugleitung mit
der Bumpitation verbunden werden, in welcher
ein Diejel- oder Sauggas-Motor eine Pumpe |
zur Beförderung von ca, 45 Kubikmeter Wafler
ftündlich treibt. Das Förderwafſer gelangt daun |
durch eine Druckleitung einerfeit® in den zum |
Mefervoir auf dem Rodenbacher Berg führenden
Rohrſtrang, anderjeits im den zu den 4 Orten '
führenden Hauptverteilungsitrang. Um für
Schwedelbach noch günitige Druckverhältniſſe zu
erzieten, foll oberhalb diefer Ortichaft auf deven
alleinige Koſten ein klemes Gegenreſervoir bon
a. 80 Kbm. Anhalt errichtet merden. Alle Orts:
teile erhalten Hudranten.
Die reinen Baufoiten diefer vier Orte
umfaflenden Waſſerleitung find auf insgefamt
193000 Mt. berechnet; Die Jahresausgaben jegen
fich im einzelnen zufammen aus: 9650 ME. Ber-
zinfung und Tilgung des Baukapitals, 1100 ME.
Berbrauch von Brennmaterial, 1200 ME. für
ben Mafchiniiten, der außerdem freie Wohnung,
freie Beheizung und Belcuchtung bat, 450 Me
Unterhaltung zc., was insgefamt 12400 ME. be
ziffert.
vier Orte mit ihren 4205 Einwohnern pro Tag
und Kopf 90 Yiter Wafler verbrauchen, jährlich
138700 ebm. Wafler gefördert, was an Selbit-
fojten, pro Abm. rund 9 Pfennig bedeutet. 2 Pig.
entfallen auf die Betriebs- und Unterhaltungs
foiten, ca. 7 Big. auf den Schuidendienit. Ver—
teilt man die Baukoſten auf die vier Gemeinden
im Berbäfttnis der Einwohnerzahl und überweift
man der Gemeinde Schmedelbach die Koſten des
eigenen Reſervoirs, jo entfallen auf
Siegelbah 48900 M. d. i. pro Einmw. 44,03 M.
Rodendah 46700 „ un m „ 4,03 „
Weilerbach 64600 „ un m „ 403 „
Scmedelbah 32800 „ vn m m 518 „
was jchr günftig iſt im Vergleich mit ähnlichen
Anlagen. Unter Berüdfichtigung diefer Anteile
treffen von der Jahresabgabe mit 12400 ME
auf die Orte
Für dieſen Betrag werden, wenn bie
Siegelb. pro 3.3170 M. od pro Wohndh. rd. EM
Rodenb. AH 6 Pe ee} ” 2) 15 »
MWeilerb. Pe 4 4 ” " 16 Bi
Schwed. "nu — * " 21 *
“
Schr leicht könnte die Gemeinde Stodborn
vom Endhydranten in Ziegelbach aus angejchlofien
werden. Für fie find die Koſten unter Teilnahme
au dem Aufwand der Anlage, ſoweit fie gemeinſam
tt, auf 16300 ME. berechnet. Techniſch betrachtet
fann auch Olsbrücken ohne Schwierigkeit ein-
bezogen werben. Schlöſſen jich die Orte Sam—
bad, Kagmeiler, Hirſchhoörn und Unter-
fulsbad gleichzeitig mit an, dann wäre bie
Berjorgungsanlage auch finanziell für Ols—
brüden und die anderen Orte günftig. Ein
ſchileßlich der Koiten für das in Dirfchhorn oder
Olsbrücken erforderliche Gegenrejvrpoir und die
Bergrößerung de Hauptreſervoirs bei Rodenbach
würde diefe von Ziegelbach über Katzweiler nad
Hirihhorn: Disbrüden zu führende Berteilungs-
leitung auf 147000 ME. und mit der Teilmahnıe
an dem Aufwand für die gemeinfame Anlagen
teile anf 173000 Dee. zu ftehen kommen. Bro
Einmohner träfen alddann in Siegeibach, Noden
bad) und Weitlerbach je 37,84 ME, in Schtwebel:
bach 52 ME. und in den übrigen Orten je 65 DE.
Im eigenen Intereſſe der Gemeinden wird
ed Liegen, an diefem für fie bochbedeutianen
Brojefte einer Gruppen- Wafjerverjorgung,
womit man in neuerer Zeit überall vorgebt und
jters die günſtigſten Erfahrungen macht, nicht
achtlos vorüber zu gehen. Ed wird ihnen dazıı,
wie wir vernchmen, Gelegenheit geboten werden.
da allen inbetracht fommenden Gemeinden je ein
Abdruck des Brojefted zur Stellungnabme zu—
geben wird. Das fal. Bezirfsamt würde fich
ein unvergänglichet Berdienſt erwerben, wenn
es ihm gelänge, das großzügige Brojeft im
bugientichen und wirtſchaftlichen Intereſſe der
finanziell zum einen Teil nicht beſonders günſtig
geitellten zum anderen Teil überlafteten Ge—
meinden des Lautertales zur Durchführung zu
bringen. In der Hauptfache liegt der Erfolg
der Bejtrebungen bei den Gemeinden felbit;
möchten fie den ihnen fich bier bietenden Vorteil
in jeinem ganzen Werte erfennen und bald zu
der wünſchenswerten Einigung gelangen.
Pfälziſche Dünen.
Daß mir in unferer engeren Heimat trog | Tatjache.
Bereits 1905 wurde in der „Biälz.
ihrer binnenländtichen Lage eine ganze Anzahl | Heimatkunde“ (Seite 106) ein Erflärungäverjucd
tupifcher Landdünen befigen, iſt eine befannte |
für deren Entitehung, ſowie eine Zuſammen—
ftellung der befannteiten pfälzifhen Dünen
landſchaften gegeben. Xeiber fand babei das
ausgedehnte Dünenfeid im Tränkwalde bei
Rodenbach neben ber Siegelbadher Straße Teine
Berädfihtigung, obwohl es nicht allein wegen
feiner harafteriitiichen Ausbildung als Produkt
anhaltender N-W-®inbe, fondern auch megen
einer ganz; befonderen Eigentümlichkeit unfer
Intereſſe verdient. In dem genannten Dünen-
gelände ift nämlich gleich Hinter Rodenbach beim
Eintritt der Straße in den Wald links neuer-
dings eine große Sandgrube angelegt worden,
welche den beutlich geichichteten hell- fleifchfarbenen
Dünenfand gut aufſchließt. Dabei zeigt ſich
eine auffallende Erfheinung An der Küdwand
der Grube tritt nämlich eine etwa 80—100 Etm.
mächtige gelbe Schicht, die ſich gegen den über-
und umterlagernden roten, leichter abgleitenden
Dünenfand fimsartig abhebt, deutlich Hervor.
Aeußerlich erinnert dieſe gelbe, Tehmähnliche
Schicht zwar an fandigen Löß, wie er den Weit-
abfall des Schwarz- und Odenwaldes begleitet,
doch brauft das fie zuſammenſetzende Material
beim Betupfen mit verbünnter Salzſäure nicht
auf; fie ift alfo falffrei. Dieſe Zwiſchenſchicht
beweiſt durch ihre auch dem Laien auffallende
Beſchaffenheit, daß während der Aufſchüttung
der 3—4 Meter hohen Dünenwälle eine größere
Bauie in der Ablagerung ber roten Düncnjande
bezw ein vorübergebender Wechiel der Bor-
bedingungen bierfür eingetreten fein mut. Was
diefe Schicht für und noch interefianter macht,
it der Umjtand, daß darin Scherben von ganz
primitiven Gefäßen, gebrannte Tonitüde, Kohlen⸗
tete, Fyeuterjteiniplitter zc., als Zeugen früherer
Befiedlung vorfommen. Cine deutliche, bunfel-
gefärbte Kulturſchicht, wie fie 3. B. im Löß von
Nieder- Schopfheim bei Lahr oder in den vom
Flugiand verfchätteten präbijtorifchen Wohnitätten
ber Sedenheimer Dünen bei Mannheim aus-
gebilder iſt, fehlt Hier vollſtändig; die Fragmente
treten in der geiben Bank nur ganz bereinzeit
auf; berausgemittcrte und berabgerollte Stüdt
find auch auf dem Boden der Grube zeritreut.
Es ſoll verfucht werden, das ungefähre Alter
diefer jpärlichen Reſte menihlicher Kultur zu
beitimmen, um bieraus ev. die Ablagerungszeit
der Dünen folgern zu können. Jedenfalls find
fie ebenfo wie die den N.-W.- Abfall der Sidinger
Höhe begleitenden Sandmwälle cher entitanden,
als das Landitubler Bruch dur jtagnierende
Gewäſſer gebildet wurde. Bi. Pr. 1907/2955.
Bur Entflehung des Pfälzer Liedes.
Untäklich des Streited um das Joſtdenk—
mal wird auch neuerdings wieder viel über die
Entitebung des Pfälzer Liedes geiprocden
und gefchrieben. Die ‚Bf. Pr.’ bradte im
Herbite dazu einen Fieinen Beitrag, nad weichem
die vierte Strophe des Liedes erit nach 1900
entitanben fein fol. Das ftimmt indeſſen nid,
denn bereit in Nr. 35 ihrer „Beitbilder* vom
12. September 1897 tft das ganze Pfälzer Lied,
aud die vierte Etrorbe, abgedrudt und
es fcheint überhaupt, dat das Lieb in einem
Guß entitanden tit und zwar im Jahre 1869.
lleber bie Entſtehung des Pfälzer Liedes Ipricht
fih Joſt in der genannten Nummer der „Zeit:
bilder” felber aus. Er fchreiht dort:
„Es mar in den eriten WUuguittagen des |
Jahres 1869 Ach lebte damald in dem
fonnigen Dürfheim an der rebengeihmüdten
Haardt ald Redakteur des dortigen „Anzeigers”.
Eines ſchönen Sonntags ging es wieder einmal
zur Abtei-Ruine Limburg. Was ih bis dahin
nie getan, unternahm ich diesmal, obgleich es
Wageſtück belohnt.
des Gotteshauſes Feuer wütete.
ein halsbrecheriſches Unternehmen war. Ich
ſtieg nämlich im Innern des gothiſchen Turmes
der Ruine auf jchlechten Leitern bis zur oberiten
Dachlucke. Reichlich wurde dort das Fleine
Ih lieh meine trunfenen
Blicke über die weite, ſonnige Rheinebene
ſchweifen. über diefen Garten Gottes mit feinen
zahlreichen Städten, Dörfern, Weilern, Burgen
und Billen.
Da unten links fhimmerten die Türme des
Doms zu Wormö, dort rechts der majeftätiiche
Kaiferdom von Spever, in deilen Fyenitern die
Nachmittagsſonne biitte, ald wenn im Innern
Dort drüben
ſchimmern die Höhen ber babiichen Bergitrafe,
bort fchlängelt fich der alte Rhenus Bin und
weiter drüben fchimmern in blaugrauem Dufte
die Ruinen des Heidelberger Schloſſes. O mie
jhön, wie umvergleichlich Liegt dies Fleckchen
Erbe, dad Pfälzerland, vor mir. Plötzlich faßte
mich die Begeifterung und ich ſchrieb in mein
Taſchenbuch nachſtehende Verſe:
— 3—
„Am deutſchen Strom, am grünen Rheine | damals noch mit einem ſtarken Feſtungsgürtel
Biebjt du dich Hin, o Pfälzerland! umgebenen Stadt Landau, deren reiche Geſchichte
Wie lächelit du im Frühlingsſchmucke, mich mächtig anzog. Da traf an einem Herbit
Wie winkt des Stromes Silberband ! tage des Jahres 1877 der Harmonium-Birtuofe
Da ſteh' ich auf des Berges Gipfel J Sauplet in Begleitung der ſchwediſchen
Und ſchau auf dich in füRer Hub, Sängerin Spendfon in Landau ein umd ver—
Und jubelnd ruft's in meinem Herzen: anjtaltete im Hotel zum „Schwan“ ein Konzert,
D Pfälzerland, wie jchön iſt du! dem ich beiwohnte. Sauplet fpielte reigend anf
ber „orgue jerapbine*, und die ſchwediſche Sängerin
trug mit einer glodenbellen Stimme deutſche
und jchmwediiche Lieder binreigend vor. Das
dicht gefcharte Publikum jpendete denn auch riefigen
Es nidt von deinen janiten Hügeln
Die Rebe mir im Sonnenitrahl,
Es lodt das Grün mich deiner Wälder,
Der Fluren Pracht in jeden Tal. ' Beifall. Dad Programm mar erjchöpft und
Bon deinen Kirchen und Kapellen ' Saudler machte DMiene, fein Anitrument zu
Tönt mir die Sonntagsalode zu, ſchließen; ftürmifch aber verlangte das Publikum
Und Andacht und Begeiſt'rung flüjtern: noch eine Zugabe. Sauvler gab der Sängerin
O Pälzerland, wie ſchön biſt du! Svendſon einen Wink, diefe trat wieder auf das
| Podium, ein Klingelzeichen ertönte und Sauvblet
Und deiner Burgen graue Trümmer annoncierte: „Auf mehrfachen Wunih: Ein
Und deines Domes ftolzer Bau, Prälzerlied!” Im nächſten Augenblid ſaß der
Wic grüßen fie im Sonnengolde Künit!er wieder an dem Imitrument und lieh
Bom Berge mic und aus der Au! ein freundliches Ritornell in Es-dur Hören und
Es zieht mich hin zu ihren Näumen, in einfacher, Herageminnender Melodie — jene
Es treibt mich ihren Hallen zu, Bere, die ich vor mehr als 8 Jahren auf dem
Und wie ich wand're, tönt es freudig: Turme der Abtei-Ruine Limburg niedergefchrieben
O Pfälzerland wie ſchön bijt du! und im „Kurier“ veröffentlicht hatte!
Ih ſaß da, wie von einem feligen Traume
Fa, ſchön bift du, o Fleckchen Erde umfangen. Als der Beifalleiturm über dieſe
Am deutfchen Strom, am grünen Rhein, Zugabe fich geiegt hatte, trat ich zu Sauvlet und
Du Land voll Biederfeit und Treue, fragte ihn über die Herkunft diejes Liedes. Er
Du Land im Frühlingsionnenjchein! fagte mir, dag er vor zehn Tagen in Speyer
Und find’ ich einit in deinem Scoße, fonzertterte und jich einige Stunden vor Beginn
O Brälzerland, die fel’ge Ruh‘, des Konzertes eine paar weiße Glacchandſchuhe
Dann ruf’ ich mit dem legten Hauche: für den Abend gelauft habe. „Diefe Handſchuhe“,
D Plälzerland, wie fchön bijt du!“ fagte der Künſtler, „wurden mir in dieje alte
Beitung eingewickelt.“ Bei diefen Worten 309
Diefe Berje fandte ich an die Redaktion deö | er aus der Brufttajche jene Nummer des „Kurier“,
„Plälziihen Kurier? in Ludwigshafen, in deſſen in welcher meine Berfe abgedrudt waren. „Sehen
Feuilleton fie wenige Tage jpäter erjhienen. | Sie”, fuhr er dann fort, „das Gedicht hat mir
Ste wurden gelefen, gelobt und — vergelien, | fo gefallen, daß ich e8 fomponierte und im zweiten
mie fo vicle® im Strome der Tagesliteratur. Konzert von Frl. Spendion fingen ließ. Es
Acht Jahre waren vergangen. Es war mir | murde beitällig aufgenommen; cbenfo in Neujtadt,
inzwijchen die Redaktion des „Eilboten“ in Landau | Kutferdlautern, Zweibrüden, und Pirmaſens.“
angetragen worden, die id auch annahm. Ich Durch diefe Darlegung dürfte der Streit um
fand ein behagliches Heim in den Mauern der | das Pfälzer Lied erledigt jeln. (Bf. Pr.)
Verſchiedenes.
Die Wallervögel am Abein. Man | Menjchengedenfen nicht michr der Fall ma
fchreibt und aus Mainz: In legter Zeit iſt Bor allem find in diefer Beziehung die Möven
am Rhein das verjchiedene Wafjergeflügel | zu nennen. Geit einer Neihe von Jahren ver-
in jolher Zahl vorhanden, wie dies ſeit | tert fi nicht nur die bekanute Stummelmöve
während des Winters an den mit Eis gehenden
Rhein, fondern es Hat fich meuerlich die
Ihmwarzföpfige oder Lachmöve bei ums
völlig eingeniftet. Beſonders bei Ginsheim und
Niederwalluf finden ſich zahlreiche Wohnungen
dieſes Bogels, und unſchwer hat man Gelegen:
beit, die ſehr gefräßigen Stoktaucher bei ihrer
Jagd auf Regenwörmer und Inſektenlarven zu
beobachten. Auch das Waſſerhuhn GBläß—-
huhn) erblickt man faſt beſiändig ſchwimmend an
den ſchilfreichen Ufern, ebenſo das Teichhuhn;
kahle Uferſtellen zieht der ebenfalls zahlreich
vorhandene Waſſerläufer (Heiner Rot—
ſchenkel) vor. Auch Störche, Fiſchreiher,
Rohrdommeln find vielgeſehene Bögel, von
denen letztere abends oft einen weithin hörbaren
brüllenden Ton bören faffen. Als gefürditeter
Feind des Hals ift der Kormoran ſchwarze
Scharbe) bekannt. Dieſer niſtet auf den
Weidenbäumen und iſt heuer, da er ſehr zahl—
reich auftritt, der Fiſcherei ſehr gefährlich. Mehr
auf die ſtehenden Gewäſſer in der Nähe des
Rheins als auf den Fluß ſelbſt baut der
Haubentaucher ſem ſchwimmendes Neſt.
Wegen ihres ſchmackhaften Fleiſches Hauptgegen⸗
ſtand der „Waſſerjagd“ ſind von jeher in unſerer
Gegend die Sumpfſchnepfen (Betaffinen‘,
die Wildenten und die Wildgänfe, von
denen bei und fehr zahlreiche Varietäten an und
auf dem Waller leben.
Ferdenjagd in Lothringen. Die
Straßburger Poſt veröffentlicht folgende öffent-
liche Rüge: „Etwas ſpezifiſch Lothringiſches
it die Jagd auf die Meine harmlofe Lerche,
die jo manchen Wanderer fröhlich ftimmt und
als erjter heimischer Singvogel das Naben des
Frühlings und das Scheiden des Winters
kündet. Jetzt ift für die Lerchen die böfe, ge
fahrbringende Zeit angebrochen, das Blei des
Jägers trifft unfere graugefiederten Sänger im
ſchönſten Jubilieren und holt fie erbarmungslos
aus den Lüften. Auf Fablen Stoppelfeldern
fit der lauernde Jäger umd zieht feinen
Spiegel, burd defien Blinfen in der Sonne
die armen Bögelchen angelodt werden. Wer
ſchon einmal einer derartigen „Jagd“ beigemohnt
und gejeben bat, wie die angefchoflenen Tierchen
fih in der Nähe des Spiegels auf dem Boden
berummälzen, der verſteht den hartherzigen
Jäger nicht, der, um die übrigen angelodten
Lerchen nicht zu verfcheuchen, rubig auf feinem
100 Meter entfernten Blage fiten bleibt, nur
ab und zu fein verderbenbringendes Rohr bebt
und weitere Opfer aus der Luft holt. Es find
tatfächlih mur Opfer, denn im gerupften Bu:
itande ift die Lerche kaum größer als ein Spag
und fo ift es erflärlich, da der Jäger entiveder
mehrere Dugend Lerchen ſchießt oder einige
wenige feiner Rage als frugales Mahl beim-
bringt. Am Elfa wird das Lerchenſchießen
weniger beobachtet als in Vorbringen, im übrigen
Neiche gebört die Lerche nicht zum „jagbaren
Federwild“. Die Hagdbarerktärung it dem
franzdfiihen Rechte entnommen; dic Auf-
hebung bdiefer Beitimmung würde ficher auf
feinen großen Widerſtand jtoßen.“
Wuine Sriedridsbüßl bei Well-
Beim. Etwa eine Biertelftunde von Bellheim
entfernt liegt das fogenannte „Neuhaus“
die Überreſte eines don Kurfürjt Friedrich IL.
(1544— 1556) erbauten Jagdſchloſſes — mitten
im Walde. Das noch vorhanden geweſene Stein-
material wurde 1870— 71 beim Kirchenbau ver:
wendet, die Schloßanlage und der Heute noch
mit Waſſer gefüllte Burggraben find noch deutlich
erfennbar. In den eriten Maitagen murden
beit der Umrodung und Nevanpflanzung des
über dem Graben gelegenen Waldes einige ganz
interefjante Funde gemadt. Es waren
zumeift gut glafierte Zongefäße. Eines ber
beiten Stüde mit Buchjtaben und Ziffern wurde
feider aus Unkenntnis durch die Waldarbeiter
zerſchlagen. Die gefammelten Saden wurden
borerit auf dem Forſtamt Sondernheim in Ber:
mahrung genommen. (Btälzg. PBreiie.)
Drei Biftorifche Denkmäler an einem
Tag — dem 3. Juni — erworben und zwar
durch Gefchenfgebung bat das Kreismufeum der
Pfalz: 1) Eine frühromanifche Tumba, gefunden
zu Bergzabern an der Straßenfreuzung rad
Pleisweiler. Der Dentitein tft vierfeitig, 1,7 m
lang und breit, 0,80 m hoch und aus einem
Block funftvoll gehauen. Berziert ift er auf den
4 Außenfeiten in 15 cm hohen Welief® mit
Lifenen und je drei Säulen mit Würfelfapitälen.
dte durch Nundbögen verbunden find. Zwiſchen
den Bögen find Blumen: Lilien und Weinlaub,
welch beide dhriftianifche Bedeutung haben, eim-
gehauen. Diefe zwiſchen 1000 und 1050 angu-
fegende Tumba diente wahricheinlich urſprünglich
als Altar einer zeritörten Kapelle (St. Georg ?ı.
Man vergleiche den Altar der Ullerbeiligenfapelle
zu Regensburg. 2) Ein romanijcher Kopf im
Baßrelief von 2 cm Höbe auf einem Fladhitein
dargeltellt Der männliche Kopf (18:16 cmı
ift mit zierlich geordnnetem Haupthaar und barılog
95
dargeitellt. Er gehört gleichfall® der romaniſchen
Bauperiode an. Gefunden im Schutt der Burg»
ruime Sande oberhalb Alingenmüniter. 3) Bon
Klingenmünſter felbit rührt eine Säule mit
Kapitälchen, die nach Herrn Bürgermeifter Keyſers
Mitteilung in der alten kurpfälzifchen Amtmanns-
wohnung mit zwet anderen, verloren gegangenen
Säutchen ſich vorgefunden hat. Zeitſtellung der
teßteren Skulpturen ift noch unbejtimmt.
Mückenplage in der Vorderpfalz.
Bon der untern Hardt meldet Herr Buchhändler |
Böhm in Dürkheim: „Am 17. Mai gingen in |
der ganzen Borderpfalz förmliche Wolfen eines
Eleinen fliegenartigen Inſekts nieder. In Bad
Dürkheim wimmelte e8 in den Straßen und An—
lagen von ben kleinen Quälgeijtern, welche haufen:
weiſe in die Wohnräume drangen. Der Volks—
mund bezeichnete dieſe Inſekten als geflünelte
Ameiſen, oder auch Eintagsfliegen. Es handelt
ſich hier jedoch durchaus nicht um dieſe beiden
Inſektenarten, fondern das in Frage kommende
Tierchen iſt eine Haarmückenart und zwar
zur Familie der Bibtoniden gehörig. Die Fliege
ſelbſt iſt nicht imitande, Schaden anzurichten,
isre Larve jedodh fann, wenn fie maſſenhaft auf-
write, den Pflanzen gefährlich werden, indem fie |
die feinen Würzelchen abfrißt. Wir fanden Nadh-
weise, daß die Larven der Haarmüde im Jahre |
den bayertfhen Wajferitraßen im Jahre
1875 jung angelegte Sparge:beete vollftändig
vernichteten, indem fie die Pflanzenmurzel zer-
jtörten. Es darf deshalb nicht von der Hand
gewiefen werden, daß das diesmalige maflenhafte
Auftreten der Bibtoniden in der Borderpfalz
jpäter Schaden bewirken kann. Die Fliege tft
ſehr harakteristifch durch ihr träges Umberfricchen
ımd ihren ichmwerfälligen Flug. Man bat zwei
Hauptarten: die März-Haarmücke (Biblio Marci)
und die Gartenbaarmüde
Dabei eine große Menge Abarten. Glücklicher—
weile räumen die infektenfrefienden Bögel tüchtig
mit diefem Injekt auf; es dürkte in einigen Tagen
verichwunden fein.” — Ühntiches wurde inmitte
August 1907 von Liefer an der Moſel berichtet.
Damals berrichte dort in ben Abendftunden reges
Leben. Un den Uiern der Mojel wurden bei
Eintritt der Dunkelheit zahireiche Feuer an:
gezündet, um die in großer Anzahl auftretenden
unter der Bezeihnung „Weißwurm“ ein vor-
zügliches Bogelfuiter.)
Auch von Heidelberg aus wurde mitte Auguft
vorigen Jahres über dic gleiche Plage berichtet
wie folgt: „Sn der legten Zeit konnte man
wiederholt an den Nedarufern, befonders auf
der Neuenheimer Seite, abends zwifchen 8 und 10
Uhr große Schwärme von Eintagsfliegen
bemcrfen. Sie waren zritweife jo dicht, da man
fih in ein Schneegeftöber verfeßt glaubte, Es
waren zum Xeil die Ephemera vulgata, bie
ſchlechthin Eintagsfliegen oder Haften genannt
werden, in ber Mehrzahl aber Palingenia horaria,
das gemeine Uferaas. Beide Gruppen gehören
zu den Ortihoptera oder Geradflüglern. Ste
befigen zwei große vordere und kleine Hintere
Flügel, die negartig geäbdert find. Die Mund-
teile find bet ihnen verfünmert, da fie währen)
ihres nur Aſtündigen Lebens Eeinerlet Nahrung
aufnehmen, Nach der zweiten Häutung beginnen
fie ihren Hochzeitsflug. Vielſach, aud bier,
werden die Reichen der Tiere, die im Boltsmund
„Augſt“ genannt werden, gefammelt und getrodnet
und dienen als Bogelfutter oder ald Köder beim
Flichfang. (Pf. Preffe.)
Wfälzifcher Frachtverfießr auf dem
Mbein. Das gl. bayer. jtatiitifche Burean
bat nunmehr die Ergebniffe des Berfehrs auf
1907 zufammengeitellt. Hiernach weiſt dieſes
Jahr gegenüber dem Jahre 1906 im großen
ganzen günſtigere Zahlen auf. Wir greifen bier
' die Bablen für dad bayeriihe Rheinitrom:
gebiet längs der Pfalz heraus. Berüdfichtigt
find dabei die Aufzeichnungen, welche in Speyer,
Ludwigshafen a. Rb., Frankenthal gemacht worden
Bibio Hortutanus). |
find. Den Hauptverkehr auf dem Rhein bat --
fowelt bayeriſche Berhältniffe in Berracdht
fommen — das induiftriereihe Qudmwigshafen
zu verzeichnen. Der Verkehr war bier folgender;
Eintagsfliegen anzuloden und einzufangen. |
Der Fang war jehr lohnend und bildete für viele
Bewohner einen ſchönen Nebenerwerb. Wurden
doch viele Zentner diejes Inſektes eingefangen
und pro Zentner (getrodnet) mit BO--100 ME,
bezahlt. (Die getrodneten Eintagsfliegen bilden
Angelommen find: beladene Segelſchiffe
zu Berg 389%, zu Tal 657; die Ladung betrug
bei den eriteren 1603556 Tonnen, bei ben letzteren
23448 Tonnen; auf Dampfichiffen beförderte
Ladung zu Berg 444256 Tonnen, zu Tat 89
Tonnen. Abgegangen find: beladene Segel-
ſchiffe zu Berg 269, au Tal 1654: die Ladung
betrug für eritere 10078 Tonnen, für leßtere
467864 Tonnen. Die auf Dampfidiffen be-
förderte Yadung betrug zu Berg 611 Tonnen,
zu Tal 37999 Tonnen. (Pf. Preſſe.)
Verſchwinden der Htroßdäder. Am
21. Mat brannte in Körborn das Haus des
Jakob Kraug nieder. Das Haus hatte noch ein
Strohdach, das letzte, das noch in der Kuſeler
Gegend ertitierte. „Die Brandurfache tit un—
befannt * (Bi. Preſſe.
Dicke Eiche. Im Elmſteiner Wald beim
Brennföppel jtebt eine dide Eiche mit 5,30 m
Umfang am Boden und 4,50 m Umfang in einem
Meter Höhe. Diejelbe fann nur mit Führer ges
funden werden. %. €. Goßler.
Ein Anmefen auf drei Sandes:
gebieten iſt nicht eben häufig. Ein ſolches
Anmejen tft die Ulrichsmühle bei Bliesbolden.
Das Wohngebäude jteht auf preußiichem Gebiet;
die Mühle gehört zu Lorhringen; Scheune und
Stallungen find pfälzifch. Bor einigen Jahr—
zehnten jtand der Grenzſtein mitten in der Küche.
Er wurde auf Anjuchen des Müntenbefigers
verſetzt. Jetzt fteht er neben der Mühfe auf
einer Wicje.
Zerlenfifcherei in Gebirgsbäden.
Der Bayer. Landes Fiichereiverein hat neuerdings
mehrere, im Bezirksamte Regen gelegene Berlen-
bäche des Bayer. Waldes in Baht genommen,
um durch in denfelben anzuftellende Berjuche
die miffenjchaftlihen Grundlagen zu geminnen
für cine wirklich rationelle Perlmuſchelzucht. Es
ſoll ſowohl die Biologie der Berimujchel in ihren
verjchiedenen Altersjtadien, welche noch manchen
dunflen Punft aufweiſt, geflärt, namentlich auch
in die Frage der Perlenbildung, welche bis auf
den heutigen Tag noch ungelöjt ijt, obwohl ſich
jeit langem nambafte Naturforicher damit befaßt
haben, Licht gebracht werden. Den gleichen
Zweden dient ein im Marfte Regen angelvcgter
Beriuhsweiber. Die Unterfuhungen mwurden
von der f. b. biologischen Berfuchsitation für
96
| ftandes, Profefior Dr. Hofer durdigeführt. Die
pefumiären Mittel Hinzu gewährt die Staate-
regierung, welche an der Sache nicht nur ein
allgemeines, jondern auch ſpezielles Intereſſe
bat, da die Berlenfiicherei in den Bächen des
Bayerischen Waldes heute noch Regel iſt. —
Da die Perlmuſchel auch in verichiedenen
Bächen des Odenwaldes (z. B. Steinach vor
fommt, könnte auch an deren Einführung in
unjere Waflerläufe 3. B. des Prälzer MWaides,
wo die gleichen Lebensbedingungen vorbanden
‚ find, gedacht werden. H.
Eine Reven-Veredeſungs · Station
größeren Stus beabſichtigt die Regierung auch
für die Nahe zu errichten. Der Zweck dieſer
Station ſoll ſein, amerikaniſche Reben, die gegen
die Reblaus immun find, mit den in dem einzelien
Weinbaugebieten angebauten heimiſchen Reb-
forten zu veredein, um im Falle dringender
Reblausgefahr dem Winzer Gelegenheit zu
geben, reblausfeit? Neben anzubauen und dei
Weinbau vor ſchwerem Schaden zu bewahren.
Nbeinfifdfang. Gegenwärtig wird der
Fiſchbeſtand des Rheins durch einen
Schmarotzer heimgeſucht und es fallen dem-
ſelben hauptſächlich Forellen, Aeſchen, und
Barben, aber auch Hechte und Weißfiſche zum
Opfer. Die Fiſche ſind an den Floſſen, im
Manl und an den Kiemen von kaum d.e
Zentimeter langen Blutegeln Fiſchegeln) beſetzt
und ſtehen einzeln und haufenweiſe am Ufer
ermattet, bis ſie vor Entkräftung abiterben.
Sehr viele tote Fiſche treiben auf den Fluten
des Rheins ſtromabwärts. Welche Dimenſionen
dieſe Fiſchkrankheit annimmt, iſt momentan nicht
abzuſehen, tatſächlich gehen viele Zentner Fiſche
Fiſcherei in München unter Leitung ihres Vor— | zu Grumde.
Inbalt: Der Mönd von St. Medard (Gedicht). — Der Pflanzendarafter der Ilmgrbung
Landſtuhls und feine Beziehung zur Bodenbeichaffenheit.
Gemitter- und Nicderichlags:-
beobachtungen. — Ausgrabung der galliihen Uranfiedelung bei Deidesheim. — Ein einfames
Grab. — Heimatliches. — Naturpflege. — Befchreibung zweyer Mineralquellen. — Snventarifierumg
von Naturdeitmälern in Baden. — Die Sunnwend oder Fohannisfeuer. — Der Käsfönig bon
Dürkheim, ein altpfälziiher Pfingſtgebrauch. — Die Deutfhen in Loniſiana. — Gruppen- Wafler-
verforgung des Yautertaled. — Wälziihe Dünen. — Zın Entitehung des Pfälzer Licdes. —
Verſchiedenes.
Schriftlerter : Lehrer Ph. Sauth, Candſtuhl — Bermann Kayſer's Verlag, Kaiſerslautern
— —
IV, Jahrgang.
September 1908.
IPALZISCHE HEIMATKUNDE
U)
L/
MONATSSCHRIFT
N
EMMA:
FÜR SCHULE UND HAUS.
—
— — bi.
Bilnviale Funde in der Aheinpfalz und deren willenfdaftliche
Aunsbente.
Die Geologie, die Wiſſenſchaſt, welche
fi) mit dem Aufbau der Erdrinde und der
Entmwidlung der heutigen Geſtaltung der
Erdoberflähe beichäftigt, unterjcheidet in
der Erdgeſchichte meyrere gewaltige Beit-
perioden, die insbejondere durch die in
ihren Ablagerungen eingeichlojfenen Ber:
fteinerungen dharafterifiert werden.
Auf eine ältefte (archäiiche) Gruppe,
die feinerlei Reſte von Lebeweſen binter:
lafien bat, folgt die paläozoiſche, das Alter:
tum der Tierwelt darbietende Gruppe. In
deren älteren Ablagerungen fehlen noch alle
Klafjen der Wirbeltiere vollftändig, während
wir aus jpäteren Abjchnitten bereits Fiſche,
Amphibien und die erfien Spuren von
Reptilien, allerdings in hochaltertümlichen
Formen, kennen. In der darauffolgenden
mejozoifchen Gruppe (Mittelalter der Tier:
welt) iſt befonders die Entwidlung der
Amphibien und Reptilien von Bedeutung.
Wir fehen hier Riefenformen von 25 m
Länge und mehr. Die Säugetiere erfahren
erſt in der folgenden Periode, im fänozoifchen
Beitalter (Neuzeit der Tierwelt) eine reiche
Entwicklung. Was uns aber diejes Zeit:
alter, das jlingfte der vier Grdperioden,
ganz beſonders wichtig macht, ift das Er-
ſcheinen des Menſchen.
Innerhalb des känozoiſchen Zeit
alters unterſcheidet der Geologe drei Ab—
ſchnitte: a) das Tertiär, b) das Dilu—
vium und c) das Alluvium (die geo-
logijche Jetztzeit).
Im Tertiär berrichte hierzulande ein
tropiiches Klima, von dem uns nicht nur
die Ueberreſte von Didhäutern (dem ele-
fantenähnlichen Maftodon, Rhinocerosarten,
Flußpferd ufw.), ſondern aud die Pflanzen-
welt (3. B. Balmen, Feigen, Magnolien)
Zeugnis ablegen, Nicht unerwähnt möchte
ich laffen, daß wir auch in der Pfalz mäd-
tige Ablagerungen aus dieſer Erdperiode
bejigen, in denen der Berfafler zuerit das
Borfommen von Gäugetierjfeletten nad)
mweıjen fonnte.
In ſchroffem Gegenjaße zum Tertiär
fteht die folgende Periode, das Diluvium.
Schon gegen Ende der Tertiärzeit har fich
eine Abfühlung bemerfbar gemadıt, die ſich
im Diluvium in jo hohem Grade fteigerte,
daß die durchichnittlihe Jahrestemperatur
bi8 um 3— 4 Grad niedriger war als die
hzutige. Dieſe Temperaturerniedrigung ge»
nügte, um ein gewaltige Anwachſen der
Gletſcher Skandinaviens und der Alpen zu
veranlafien. Zur Zeit der größten Aus:
dehnung derfelben waren gewaltige Streden
Landes, die heute fruchtbares Aderland find,
jo die ganze bayerijche Hochebene und die
norddeutjche Tiefebene, von Eis und Schnee
bedeft. Durch den deutichen Geologen
Penk wurden im Diluvium vier große Eis-
zeiten nachgewieſen, die durch märmere
—
Zwiſcheneis zeiten unterbrochen ſind und auf
die noch verſchie dene Schwanfungen folgten.
In dieſer Periode erfolgte auch die Ab—
98
|
lagerung des Löß, dem 4. B. die Rhein. |
ebene ihre außerordentlihe Fruchtbarkeit |
verdanft. In der Tierwelt des Diluviums
fönnen wir zwei deutlidy getrennte Gruppen |
unterjheiden, eine ältere wärmeliebende
Fauna und eine jüngere fälteliebende Yauna
In dem älteren Arichnitt find von befon-
derer Bedeutung verſchiedene Didhäuter
wie Elephas antiquus, Rhinoceros Merkii.
Die Dikhäuter fehlen zwar ın der zweiten
Gruppe nicht, fie haben ſich aber durch ein
dichtes Bollfleid den veränderten Lebens
verhältnifjien angepaßt (Elephas primi-
genius oder Mammut und Rhinoceros
tichorhinus). Immer mehr treten jeßt
auch unter den Säugetieren formen auf,
die zum Teil aud heute noch leben, die
fi) aber größtenteils in nördlichere Breiten
zurüdgezogen haben, erwähnt jei nur Renn-
tier, Moſchusochſe, Eisfuchs, Lemming. Die
Pfalz befigt ein recht gutes Material an
diluvialen Zierfnodhen. Leider aber hat
man ed ın früheren Zeiten "häufig ver
fäumt, den genauen Fundort derjelben zu
vermerfen. Bon märmeliebender Yauna
find befannt geworden: Elephas antiquus,
Rhinoceros leptorhinus, Rhinoceros
etruscus, an fälteliebenden Tieren: Ele-
phas primigenius (Mammut), Rhinoceros
tichorhinus, Renntier, Höhlenbär, Riejen-
hirſch, Urochs.
Reſte ſämtlicher hier aufgezählten Tiere
finden ſich in der naturwiſſenſchaftlichen
Abteilung des Speyerer Muſeums, wo vor
allem die gewaltigen Elefantenknochen und
»zähne dad Staunen der Beſucher hervor—
rufen, Auch die Sammlungen der Pollichia
(Bad Dürkheim) enthalten einige ftattliche
Mammutknochen, während von der übrigen
Fauna nur noch das Renntier (?) ver:
treten ift.
Was dem Diluvium eine ganz bejondere
Bedeutung verleiht, ifi der Umſtand, daß
wir in diefer Periode zum erften Male
auf Spuren des Menſchen ftoßen. Un
zahlreichen Stellen hat man zujammen mit
diluvialen Tierfnochen in unzweifelhaft un-
geftörten diluvialen Schichten menjchliche
Artefalte aus Stein und Knochen gefunden.
"uch menschliche Sfelettrefte kennen mir
ftellen benannt hat:
aus diejer Frühzeit bereits im einer grö-
Beren Anzahl. Bejonders reih an dilu-
vialen Funden it Franfreid. Aufgrund
der verichiedenen Werkzeugtypen bat bier
Mortillet innerhalb der älteften Steinzeit,
wie dieje Periode von den Bräbiitorifern
meiſt genannt wird, fünf Abjchnitte unter-
ſchieden, dıe er nad veridhiedenen Fund—⸗
Adeuleen, Ghelleen,
Moufterien, Solutreen und Magdalenien.
Eine alljeitig befriedigende Einreibung diejes
auf rein ardäologijher Baſis aufgebauten
Syſtems in die verichiedenen geologiſch
nachweisbaren Nbichnitte des Diluviums ift
bi heute nıcht gelungen. Aufgrund der
bis jegt vorliegenden menſchlichen Skelett:
refte lafien fich zwei verjchiedene Raſſen
unterjcheiden, eine ältere Neanderthalrafie
und eine jüngere Ero Magnon Rafje. Die
Neanderthalrafje unterfcheidet fi vom heu-
tigen Menſchen vor allem durd eine auf:
fallend niedrige Stirne, durch mächtige
Augenbrauenmwülfte, wie dur das Fehlen
einer Kınnbildung am Unterkiefer. Das
Behirnvolumen entjpriht hingegen dem
Mittelmaß der heutigen Menſchenraſſen.
Nur die auftraliihe Raffe hat noch An:
Fänge an die Neanderthalraffe bemahrt.
Die Ero-Magnon-Rafje unterjcheider fi
hingegen in feinem wejentlihen Punkte vom
heute lebenden Menſchen.
Während mir tierijche Ueberrefte aus
der Pfalz recht reichlich befigen, fehlt bis
jest jede Spur des gleichzeitigen Menſchen,
ſowohl Sfelettrefte wie Werkzeuge. Ach
möchte aber ganz bejonders darauf hin
meijen, daß die Verhältniffe hierfür im der
Pfalz jehr günftig gelagert find, und daß
ed bei einem Bufammenarbeiten aller
Freunde der prähiſtoriſchen Forſchung ficher
gelingen wird, den diluvialen Menſchen aud
für die Pfalz nadjzumeifen. Bor allem
wird es nötig fein, das Augenmerk auf die
Lehm: und Löhgruben zu richten. Man
fann bisweilen in Lößwänden braune hori-
zontgle Ränder beobachten. Diele können
alte Bermitterungsichichten (ehemalige
Bodenoberflähe) oder aber menſchliche
Kulturfhichten fein. In legterem alle
wird es jedenfalls möglich fein, verajchte
Erde oder Holzkohlen, vielleicht ſogar einige
bearbeitete Steine zu finden.
Diele diluvialen Kulturſchichten find
ehr leichte von jüngeren vorgeſchichtlichen
BWohnftellen zu unterſcheiden. Bon lepteren
finden wir fejlelförmige Gruben, die immer
bis an die Bodenoberfläcdhe reichen.
Bei einem geeigneten Zufammenarbeiten
aller derer, die fih für die Vorgeſchlchte
unferer engeren Heimat interejfieren, wird
es gewiß möglich fein, auch dieſe Lüde,
die empfindlidfte in dem prü
biftorifhen Material der Rhein
pfalz, zum Scmwinden zu bringen.
Sprater, Pf. Br.
— — —
Ueber das Alter des Candſtuhler Bruches) und über Artefakten-
Funde in Torfmooren.
Bon Dr. Häberle, Kaif. Red.-Rat Heidelberg.
In der Februar-Nummer diejer Zeit.
ſchrift (S. 24) hatte ih auf das Bor-
fommen von Gefäh-Scherben, gebrannten
Tenftüden, Sohlenreften und Feuerſtein—
jplittern in den Dünenwällen des Tränf:
waldes bei Rodenbad) hingewiejen und von
dem vergeblidhen Verſuch berichtet, mittels
diefer ſpärlichen Reſte alter menſchllcher
Kultur die Ablagerungszeit der Dünen zu
beſtimmen. Mehr vom Glück begünſtigt
war Prof. Baumann, der die Entſtehung
der Friedrichsfelder Dünen bei Mannheim
auf Grund verfcdiedener Funde in die Zeit
des Ucberganges von der jüngeren Steihzeit
in die Broncezeit, alſo etwa um das Jahr
2000 v. Chr. verlegen fonnte?). Als ziem-
lich fiher aber hob ich hervor, daß die
Rodenbacher Dünen ebenjo -wie die den
N. W. Abfall der Gidinger Höhe be»
gleitenden Sandmwälle eher entitanden jein
müßten, als das Pandftuhler Bruch durch
ftagnierende Gewäſſer gebildet morden jei.
Dieje Annahme findet nun durd einen, dent
Rodenbacher ungefähr gleihaltrigen Fund
auf den mid Herr Dr. Sprater?) freund»
lichft auſmerkſam machte, ihre Beftätigung.
In der Sammlung des Altertumävereins
zu Mainz befinden fich nämlich nad jeiner
verdienfivollen Zufammenftellung 2 Stein»
beile, die 1822 im „Reihsmwaldtorf:
moor” gefunden und durch Wevierförfter
) Die Hydrographiichen und geologijchen
Berbältnifje der meitpfälziichen Moornicderung
haben Leppha und Heiß eingehend erörtert,
eriterer ın: Sigungs:Ber. der bayr. Acad. d.
Wiſſ. Münden, mathem. phyſik. SF. 1886,
legterer in: Geognoſt. Jahreshefte 12. Jahrg.
1900. Wegen weiterer Literatur vgl. Häberle,
Pfälz. Bibliographie I ©. 136 unter „Landſtuhl“.
— Geſch. Bl. 1901 Sp. 262 u. 1908
p. 26.
) Bol: auch Pfälz. Muſeum 1906 S. 56.
Grimmeiſen in Ramftein 1855 dem Mujeum
geichenft worden find; uriprünglich waren
es vier, von denen fich jedoch zwei nicht
mehr indentifizieren lafjen. Das eine be-
fteht aus Grünftein, das zweite ift durch:
bohrt; abgebildet find fie bei Linden-
ihmit: „Wltertümer unjerer beidnifchen
Vorzeit, Bd. I Heft I Taf. 1 Nr. 13 bezw.
Heit I Taf. I Nr 6.
Die Fundumftände find nun für die
Altersbeftiimmung der KXorfablagerungen
fo interejlant, daß idy fie nach Sprater im
Wortlaut folgen laffe: „Sämtliche Steine
wurden in dem Reichswald-Torfgebrüch
zwiſchen Landſtuhl und Ramitein unter
einem 1U—12 bayriihe Fuß tiefen Torf—
lager und zwar in einer mit Sand und
Ton vermiichten Erdſchicht aufgefunden.
Ueber diejer Erdſchicht beginnt die Torf»
bildung, aus den gemöhnlihden Sumpf-
gewächſen beftchend, dann Erlen: und
Birfengehölz, jodann erfcheint in der mitt:
leren Torfſchicht Kıefernholz übereinander
liegend, endlich fommt in der oberen Schicht
Ihmwaches Kiefernholz bedeckt mit leichtem
Torf vor“.
Nach vorftehendem Bericht waren die
Beile, für die nad Sprater ein jungneo»
lithiiches Alter in Anspruch zu nehmen ift,
ebenjo in Sand eingebettet, wie die Aul«
turreite ın den Rodenbacher Dünen und
wurden zu einer Beit benußt, in der noch
ein troceneres Klima als heute herrichte
und Scharfe Nordmweftwinde im Gebiet der
heutigen Bruchlandſchaft den lojen Sand
vor fich herfegten und zu Wällen auftürm-
ten*). Der neolithiiche Menſch hatte aljo
*, Daß die den Torf unterlagernden Sande,
weiche jegt an einzelnen Stellen in Gruben
ausgebeutet werden, bielfah vom Winde und
nicht vom Wafler angebäuft worden find, ergibt
md aleın in dem Lößgegenden der
Vorderpfalz, jondern auch bei uns ım Weite
rich noch vor der vollen Herricait des
gegenwärtigen Waldflimas jeinen Einzug
gehalten und die Dünenlandidait befiedelt.
BZeumwerie famen wohl die Dünen zur Ruhe
und bedeften fi, wie bei Rodenbach, mit
einer Kulturſchicht. bis erneute Sandver-
wehungen auch dieje wieder veridütteten.
Für die geologische Kenntnis unjcres
Gebietes find dieſe prähiftoriihen Funde
infofern von Widhtigfeit, als fie uns einen
Anhalt für die Beitimmung des ungefähren
Alters der mweftpfälziihen Moorniederung
bieten. Nah Venck ıft nämlich die Dauer
der jüngeren Steinzeit etwa auf 5 7000
Jahre zu ſchätzen; da die ihr folgende
Broncezeit bis ungefähr 1500 v. Chr.
hınaufragt, jo fann die Torjbildung ınfolge
KHimamedjield und der dadurch bedingten
Entftehung ftagnirender Gewäſſer vielleicht
9000 Jahre vor unjerer Zeitrechnung be:
gonnen haben.
Wie mir Herr Dr. Sprater ferner nod
mitteilte, werden auch aus dem Billig:
heimer Bruch Steinmeſſer und Steinbeile
von aniceinend früh neolithiihem Alter
erwähnt und in den Sammlungen der
Pollichia zu Dürkheim 4—5 Steinbeile
aus dem Dürfheimer Bruch aufbewahrt;
ferner habe das Muſeum in Speyer neuer-
dıngs aus dem Medhtersheimer Brud Tier:
knochen (meiſt Hirſch) erhalten, die auch
früh neolithiſchen Alters ſein dürften.
Leider ſind die Fundumſtände nicht näher
bekannt, ſodaß alle dieſe Stücke zur Alters—
beſtimmung jener Torfablagerungen nicht
herangezogen werden können. Für das Billig:
beimer- und Bruchmühlbacher Bruch werden
auch Pfahlbauten?) angegeben, doch find die
Spuren davon zu unficher ; möglicherweije
rühren fie nur von Torfhürten ber. Bei
fegterem, von einem Dünengürtel begrenzten
Ort wären Pfahlbauten erft dann nötıg
gewefen, wenn die infolge vermehrter Nie—
dericdjläge ın der Dünenlandſchaft zu Tage
tretenden Gewäſſer fich geitaut gehabt hätten,
Weit jlingeren Datums jind die römtjchen
fih aus dem Vorkommen don typiichen „Drei
fanten”, auf die ich bei anderer Gelegenheit
zurüdtommen werde.
®) —— —— Ver. d. Pfalz 1884
Heft XII.
100
Tiefe gefunden wurden.
Altertümer, die 18557 ım Mainz“, beim
Brunnengraben in der Zorjablagerung eines
verfumpften Rheinarmes in 29-30 Fuß
Da die bei-
gegebenen Münzen in ihrem Alter nid
über das Jahr 137 n. Chr. hinausgehen,
muß die Ginbettung vor diefem Beitpunft
erfolgt jein.
Auch ın Saijerslautern Wurden
fürzlıh nach irdl. Miteilung von Herrn
Küchler bei Faſſung der Yugerquelle (gegen-
über dem Barbarofia Schulhaus) 2 wohl:
erhaitene ZTerrafigilata Scherben römiſcher
Derfunft etwa 3’ m unter der heutigen
Oberfläche gefunden, dıe von Yand , Moor-,
wieder Land-, Letten- und endlich wieder
Moorſchichten überlagert waren, worauf
dann die Raſendecke den Abjchluß machte,
In dem jetzt ausgetrodfneten Buſſenſee
bei Litzelſtetten unweit der Juſel Mainau
fand man unter dem Torf in einer Tieſe
von 5 m verſchiedene aus der Stein- und
Broncezeit ftammende Geräte ujw., ſowie
einen gut erhaltenen Schädel, deflen Alter
auf 3000 Jahre geſchätzt wird’).
Zu erwähnen find bier aud die Unter
ſuchungen über das Alter der Bohlwege
und Snüppeldämme?) in den nordmeit:
deutijchen Mooren, von denen einzelne, 3.
B. der Bohlweg im Lohner Moor bei
Behta nur 06 1 m über dem Sand:
untergrunde des Moores zieht und jelbit
wieder in 1 km Entfernung vom Rande
mit 5,5 m Torf überlagert iift. Da für
den jüngeren Moostorf unjerer nordweit-
deutichen Hochmoore etwa ein Alter von
1500 - 1900, höchſtens aber von 2000
Jahren angenommen mwird®), mühten dieſe
Nöggerath. Eine Torfablagerung
mit römtfchen Ueberreiten bei Mainz. Berbandi.
d. naturbiit. Ber. d. Rheinlande 1859, Bd. 16,
Sig. Ber. S 114—116.
W. Wolff und J. Stoller: Ueber
einen vorgeſchichtlichen Bohlweg im Wittmoor
Golſteimn) und ſeine Altersbeziehungen zum
Moorprofil. Mit zahlreichen Literaturangaben.
Jahrb. d. eig preuB- zuß- geolon. Landesanftalt u.
Bergafademie f. 323—335. Beitich.
D. arol. Gef. 19085 x; 28,
) C. A. Weber, Aufbau, Entſtehun
Pflanzendecke der Moore. Mitt. d. Ber rd.
d. Moorfultur im Deutjchen Reich. XI.
Jahrg. Nr. 8 Berlin 1904.
) 9.0. Ed, Verzeichnis der mineralogiichen
ꝛc. Viteratur von Baden ©. 7167 ıfür das
Jahr 1884).
Q,
und
— 101
Wege ungefähr um die chriftliche Zeitmende
angelegt worden ſein.
Reſte eines Knüppeldamms haben fid)
auch im Torfmoor bei Alſenborn gefunden,
doch fehlt leider jeder Anhalt für deſſen
Altersbeſtimmung!““). Die das Landſtuhler
Bruch durchkreuzenden „Spicke“ (Bergl.
Keiper, der Reichswald S. 69) ſind
jüngeren Datums.
Aus dieſer kurzen Zuſammenſtellung
dürfte hervorgehen, wie außerordentlich
wichtig es iſt, bei derartigen Funden
genau auf die Umſtände zu achten und
die Aufeinanderfolge und Stärke der
überlagernden Schichten aufzuzeichnen. Nur
dann wird es möglich ſein, eben ſolche
Schlüſſe zu ziehen, wie es auf Grund der
muſtergiltigen Notizen von Grimmeiſen im
Vorſtehenden geſchehen konnte.
) Pfälz. Muſenm 1906 S. 129.
Verein „Badiſche Heimat“.
Schon wieder ein neuer Verein? wird
mancher entſetzt ausrufen. Ja, und doch
nein! Zwar ein neuer Verein, aber doch
ein Verein weniger. Der badiſche Berein
für Volkskunde und der Verein fir
ländlide Wohlfahrtspflege in
Baden planen, fich zu einem neuen ®er:
cin zu verjchmelzen, der den oben ſtehenden
Namen tragen jol. Wach dem uns zu:
gegangenen Satungsentwurf iſt der Zweck
des neuen Vereins! Erhaltung, Pflege und
wiſſenſchaftliche Erforichung des heimiichen |
Volkstums, Förderung der ländlichen Wohl-
fahrt auf materiellem und geiltigem Gebiete,
Schuß der heimiſchen Landſchaft, ihrer
Kultur- und Naturdenfmäler, ihrer Tier:
und Pflanzenwelt und dadurch Weckung und
Vertiefung der Heimatliebe. In manden
Punkten hatten fich beide Vereine jchon be-
rührt, jo 3. B. in der Beranftaltung von
Vortrags: und Unterhaltungsabenden auf
dem Lande oder in Städten, im denen liber
Volkslied, Märchen und Sagen gejprochen
murde, Volkslieder gejungen, heimiſche
Dialeftdichtungen vorgetragen wurden,
heimischer Hausbau und heimische Tracht
ım Bilde gezeigt wurde. Der eine Verein
tat ed aus rein wiljenjchaftlichem Intereſſe,
der andere, um dem Bolf eine edle Unter—
haltung zu bieten und damit in fozialem
Sinne zu wirken. Natürlich taten ſich
beide Bereine in gewiſſer Weije Abbrud).
Das joll durch die Berichmelzung nunmehr
ander® werden. Aber noch einen anderen
Vorzug wird dieje haben. Es werden da
durch größere Geldmittel flüſſig und an
eine Stelle geleitet werden, was für ein
planmäßiges Arbeiten von großer Wichtig
feit jein dürfte. in Bedenfen bleibt ja
nun allerdings, daß erma die cine Richtung
der bisher in befonteren Bereinen gepflegten
Arbeit in dem neuen Verein durd die
andere in den Dintergrund gedrängt und
dadurch Schaden leiden möchte, daß alio
etwa der ſozialen Arbeit gegenüber die rein
wiffenichaftliche der Voltsfunde benachteiligt
würde oder umgekehrt. Natürlich wäre eın
ſolches Ergebnis zu bedauern, und es wäre
al$dann befjer, wenn die Berichmelzung
unterblrebe. Zoch ſteht ſolches wohl faum
zu befürdten. Es ſollen nämlidy zur Ber
folgung der einzelnen Zwecke des Vereins
Arbeitsausichiiife für Volkskunde, ländliche
Wohlfahrtspflege, Heimatichuß und nötigen
falls andere Gebiete gebildet werden. Deren
Aufgabe wırd es dann jein, dafür zu forgen,
dat ıhrem Arbeitsgebiet die nötige Berück—
fichtigumg zuteil wird. Der Heimatsſchutz,
alfo der Schuß der heimischen Landichaft
uim,, wie er oben umjchrieben it, hatte
bisher in Baden noch nicht genügende Pflege
gefunden, Daß es daher dringend nötig
ift, jein Augenmerf darauf zu lenken, wird
jedem Einjichtigen Elar fein. Hier gilt es,
einen fräftigen Mittelpunkt zu jchaffen, der
mit Naddrud ſich zum Schüger gefährdeter
Ktultur- und Naturdenfmäler aufmirft. Es
ſteht zu hoffen, daß dieje Seite der Arbeits:
tätigfeit des neugegründeten Bereins ihm
viele Freunde zuführen wird, die vielleicht
den anderen Seiten weniger interefliert
gegenüber ftehen. Um dem Verein möglichſt
meite Kreije zuzuführen, ift der Beitrag jo
niedrig mie möglich vorgefehen: 1 ME. oder
2 ME. für einzelne Mitglieder, für An—
italten oder Körperſchaften mindejtens 3 ME.
Biffenichaftlie Zeitichrift des Vereins wird
die von Prof. Biaff in Freiburg geleitete |
„Alemannia“ fein, der fi das häufiger
erfcheinende, mehr volfstümlih gehaltene
102
Blatt „Badiſche Heimat” anſchließen fol.
' Wer mindeftens 2 ME. zahlt, erhält beide,
| wer nur 1 Mk. entrichtet, nur das zweite,
(Hbg. Zgbl.)
Ueber die
In der Pfalz famen im Monate Juni
471 Brandfälle vor, 24 davon waren durd
Bligihlag entftanden. Die „Beitung
für Feuerlöſchweſen“ berigtet, daß in der
Zeit vom 13. bis 30. Juni in Bayern
allein 117 Brandfälle durch Bligidhlag ver-
urfadyt worden find. In Spraitbach (Würt:-
temberg) hat der Blig im Mai und uni
6 mal eingeihlagen. Am 19. Juni traf
er dort eine Zelephonitange neben der
proteftantiichen Sirhe. Nicht den hod-
ragenden Bligableiter der Kirche juchte der
Blig, ſondern die Telephonftange, deren
Spige nod) tiefer fteht als das Fundament
des Turmes und von dieſem in wagrechter
Linie faum 3 Meter abiteht. - Was jagen
dazu jene Xheoretifer, welche behaupten,
daß durch überragende Blitableiter auf |
Türmen und hohen Giebeln die niedrigeren
Gegenſtände im Radiusbereich geſchützt ſeien?
Dieſe Theorie iſt nicht immer zutreffend.
Vor zwei Jahren ſchlug der Blitz in dem—
ſelben Orte neben der hoben katholiſchen
Kirche in die niedere Voltzeidienersmohnung.
— Aud in Sailerslautern trai vor etwa
15 Jahren der Blig in der Glockenſtraße
ein 1ftödiges Bohnhaus, das zwiſchen
2ftödigen höheren Gebäuden ftand, Das
feine Wohnhaus ift nun mit einem Blitz—
ableiter verjehen. Im Frühling des vorigen
Jahres hielt ingenieur und Brofejjor Sig-
Blibgefahr.
| wart Ruppel im Phyſikſaale der neuen
Induſtrieſchnule zu Kailerslautern einen aus:
| Führlichen Vortrag über Bligableiter. Profeſ
for Ruppel (jegt in Frankfurt a. M.
mwohnend) wies darauf hin, wie ſalſch es
' fei, durch wenige hohe (Auffange-)Stangen
| ein Haus fhügen zu wollen. Gr zeigte
fih alö Gegner der theorethiihen Annahme
vom Schutzkreis ım Radiusbereich hoher
Türme u. dgl. Er hat namentlich in ſeinem
(von Sintereffenten aus der ganzen Pfalz
zahlreich beſuchten) Bortrage darauf hin:
gewielen, daß ed mit geringen Mitteln
möglich ift, ein Gebäude zu jchüßen, wenn
die bereits am Gebäude vorhandenen Metall-
teile (Firfiblehe, Dachrinnen, Regenabfall:
rohre) oder einfahe Materialien, 3. B.
Bandeıjen, verwendet werden. Wir mollen
darum darauf aufmerfjam machen, wit
wichtig es ift, bejonders die auf dem Yande
befindlichen Gebäude, die ja 50 Dial mehr
der Blipgefahr ausgejegt find als ſtädtiſche
Gebäude, mit Bligableitern zu verjehen.
Nach den Angaben von Profeflor Ruppel
ift dies bei einfahen Anlagen mit etwa
20 Mark Stoften zu bemerfftelligen, befonders
wenn die Blipableiter gemeindewerie ber:
geftellt werden. Darım ihr Yandleute,
Ihügt euch und euer Gut rechtzeitig vor
Blitzgeſahr! (Pf. Br.)
Der Hungerbrunnen im Stiftswald bei Kaiſerslautern.
Bon Dr. Häberte, Kaiſ. Rec. Rat Heidelberg.
Obwohl wir in der Pfalz verichiedene
„Hungerbrunnen“ zu verzeichnen haben, iſt
doch meines Willens feiner jo befannt ge-
worden, als der Hungerbrunnen im Stifts-
wald öftlih von Saiferslautern, um den
die Volfsphantafie einen ganzen Sagenfreis |
germoben hat. Schon Forſtmeiſter Bel.
mann führt ibn 1600 in feiner Beſchrei—
bung des Stiftswaldes als „Hungerborn“
am Ausläufer des Dammberges auf, deſſen
Ablauf durch das Hunger: bzw. Dilsberger
tal gegen die Lauteripring floß und den
Fudjs: und Stofmwoog ſpeiſte. „Wenn aber
dürre Jahre einfallen, find feine Weyer mehr,
ſintemahl der Born ausbleibt.* Auch am
Beren- {nit Bären:) Kopf und Steins-
berg wird gleichzeitig je ein Hungerborn
erwähnt.
Bu verfehlen ift der auh auf Blatt
Kaijerdlautern des topographiſchen Wtlas
von Bayern eingetragene Hungerbrunnen
ſo leicht nicht, da er etwa eine halbe Stunde
jüdlih von der Qauterfpring an der Wb-
zweigung eines Öftlichen Seitentälchens
direft neben der Waldftraße liegt und auch
in trodnen Jahren durch mehrere am Fuß
einer fteilen, tannenbejchatteten Böſchung
fib öffnende Löcher, die periodiich als Aus—
laufitellen dienen, jein Dajein befundet,
Ehe ich mich jedoch der Schilderung feiner
Tätigfeit zumende, will ich zur Orientierung
einige Worte vorausſenden.
Unter Hungerbrunnen (Quellen) ver-
fteht man zunächft jolche periodijche Quellen,
die je nach der Jahreszeit oder den Nieder-
ichlägen bald ftärfer, bald ſchwächer fließen
bzw. in trodnen Jahren ganz verfiegen,
Sie bilden ſich gemöhnlid über einer in
geringer Tiefe befindlichen waſſerundurch—
läſſigen Schicht und vermögen ſich nicht
fange zu halten, wenn die Niederichläge
über ihrem Sammelbezirf ausbleiben; ſie
ſtehen alſo in deutlich erfennbarer Abhängig:
feit von jenen, find aljo tatlählih nur
Zeitquellen, die nur ab und zu in
Tätigkeit treten. Hierdurch dürfte auch der
Name feine einfachfte Erklärung finden.
Am befannteften aus diefer Kategorie find
die Frühjahrs- oder Märzquellen, die
namentlid) während und nad) der Schnee-
ſchmelze vorübergehend oft ganz anjehnliche
Waſſermengen entftrömen lafjen. Eine folche
iſt mir 5.3. aus dem Sauertal beim Dauben-
bornerbof befannt, die ihr Waſſer manchmal
bis zu 'z m Höhe emporjprudelt.
Als Hungerbrunnen werden aber auch
intermittierende falte Quellen bezeichnet,
die unabhängig von der Jahreswitte—
rung bald reichlid, bald ſchwach fließen,
dann aber auch plöglich verfiegen, um erft
nach längerer oder fürzerer Zeit eben jo
plöglic mit oft geradezu erplofionsartigen
Ausbrüchen wieder zu erfcheinen, ohne daß
äußere Umjtände, wie ftarfer Schnee- oder
Negenfall vorausgegangen find, Daß diejes
geheimnisvolle Erfcheinen und Verſchwinden
die Volksphantaſie mächtig beichäftigen
mußte, iſt leicht erflärlih. Früher brachte
man ihr Auftreten mit fetten umd mageren |
103
Yahren in Berbindung, prophezeihte aus
ihrem Fließen Mißwachs (vrelleiht auch
daher der Name) und verglich ſogar ihre
Ergiebigkeit mit den Kornpreiſen der be—
treffenden Jahre, heute dagegen wiſſen wir,
daß ſich ihre Tätigkeit aller Wahrſcheinlich—
feit nach auf beftimmte phyſikaliſche Gejege
zurüdführen läßt.
Dan leitet ihr Auftreten von Fleineren
oder größeren, in den unterirdiichen Lauf
des Waſſers erngeichalteten Hohlräumen
und lüften ab, in denen fich jenes von
oben jammeln und dann ſeitwärts durd)
einen heberartig gebogenen Kanal wieder
abfließen kann, fobald der Wajlerftand des
Sammelbedens die Höhe der Kniebiegung
des Hebers überfchreitet. Iſt jedoch das
untere Ende des fürzeren Schenfels aus
dem Wafjer bervorgetaudt, jo wird die
Duelle jo lange verfiegen, bis der Waſſer⸗
ftand die Höhe des Heberfnied wieder er-
reiht hat!). Die Dauer des FFließens ift
aljo abhängig von dem Umfang des
Sammelbedens, von deſſen Wafjerzufuhr
und endlich von dem Durchmefier des Ab:
Hußfanals, der felbitverftändlich ftärfer fein
muß als der Zuflußfanal. Daß der Heber
zeitweife durch herabfallende Erde verfiopft
werden fann und erft nad) und nadı durch
bindurchfiderndes Waller wieder geöffnet
merden muß, ſei nebenbei noch bemerft, da
diefer Umstand den Auslauf beeinfluffen
wird. Längere Trofenheit bezw. Näſſe
haben auf das MWerfiegen oder Fließen
folder Quellen wohl Einfluß, doch läßt
fi diefer mit Sicherheit nicht nachweiſen.
Es ſoll auch nicht verfchwiegen werden, daß
andere Autoren, 3. B. Antolif?) diefe Hy—
potheje ablehnen und die vorübergehende
Tätigfeit folder Quellen auf freimerdende
Soblenfäure oder auch auf Luftdruckver—
änderungen zurückführen. Eine voll—
ſtändige Klärung hat dieſe Frage bis jetzt
noch nicht gefunden.
Kehren wir nun nach dieſen allgemeinen
Betrachtungen wieder zu unſerem Hunger—
') Fr. Steiner, Ergiebigkeitsmeſſung tn»
termittierender Quellen. Sitzungsberichte des
Bereins „Lotos“ in Prag. Reue Folge. Bd. 20
für 1900 ©. 202—209 mit 2 Figuren im Tert.
», 8 Antolik, Ueber intermittirende
Quellen. Verhandl. d. Ber. }. Natur: u, Heil-
kunde zu — XX ©. 97—98. Preßburg
1900. ef. geol. Centralbl. 1901 S. 653 - 654.
brimnen im Stiftswald zurüd. Ueber feine
Tätigkeit in den letzten Jahrzehnten find
wir dan? der jorgrältigen Aufzeichnungen
von Herrn Forftmeiiter Erb auf Forfthaus
Stiftswald gur unterrichtet.
Nah den mir freundlidit zur Ber:
fügung gejtellten Notizen „tritt der Hunger:
brunnen ſtets mur in längeren Baufen von
je einigen Jahren zu Tege, dann aber ın
den eriten Tagen jo ftarf, daß er, wie die
Leute fih ausdrüden, gleich einc Fleine
Mühle treiben fünnte. So bleibt es 2,
3-6 Monate, plöglich ift er wieder ver-
ſchwunden. Mit Beginn des Frühjahrs
ericheint er dann und endet in der heißeren
Jahreszeit. So verhielt es ſich zu Anfang
der 80er Jahre, dann in den Jahren 1889
und 1902, wo er vom 14. Februar bis
1. Juli lief. Nach Ausfage der Leute ift
er früher in kürzeren Intervallen zu Tage
getreren; warum dies in den oben zitierten
jahren nicht mehr fo oft gejchieht, iſt mir
nicht erflärlih“. Nach einem andern Be-
richt im „Pfälzer Wald” (1902 Nr. 14)
„Ipendete er in dem regen und jchneearmen
Jahr 1887 geradezu enorme Waſſermengen,
verjiegte aber nad einiger Zeit wieder und
lag troß der naffen Jahre im legten Teil
des vorigen Jahrhunderts troden. Erſt
diejes Frühjahr (1902) hieß es: Der
Bungerbrunnen läuft! Die Forftbehörde
mußte die zugewachlenen und verfandeten
Sräben aufräumen laſſen, damit durd) den
jtarfen Wafferabfluß nıcht Wege und Wiejen
beihädigt wurden. Ebenſo plößlich, wie
die Quelle erichienn war, jeßte fie auch
mieder aus, um nadı cinigen Wochen, wenn
104
auch weniger ftarf wieder zu Tage zu
fommen und abermald zu verſchwinden“.
Als bejonderd merfwürdig wird im An:
ichluß hierar hervorgehoben, daß „die etwa
1 km unterhalb auslaufende Pauteriprıng,
melde das Waller zur Stailerslaurterer
Wajjerleitung liefert, ſtets gleihmäkig ihr
Naß jpendet und jelbft ın trodnen Jahren
nicht merklich nacläßt”. Diejer Umſtanß
bietet nun gerade nichts auffälliges. da das
Austreten der Qauterijpring auf ganz
anderen Urſachen beruht. Nach Yeppla?)
handelt es ſich bei ihr ebenjo wie bei dem
befannten Altleininger Brunnen um eine
wenig Beränderungen unterliegende
„Spaltquelle“, die ihre Exiſtenz wahrſchein
lih einer den SHauptbuntjardftein durch—
jegenden, von Echallodendady über Otter:
berg zum Gersmeilerhof zichenden Ber—
merfung verdanfen vermag.
Mögen Ddiefe Zeilen beitragen, der
Tätigfeit unferer pfälziichen Hungerbrunnen
etwas Aufmerkſamkeit zu widmen und ihr
Eriheinen und Verjchwinden regelmäßig
aufzuzeichnen, um nah Jahr und Tag
die Ergebniſſe in vergleichende Betrad
tung ziehen zu fönnen,
®) U. Teppla, Ueber das Borfommen
natürlicher Quellen in den pfälziichen Nord»
bogeien (Hartgebirge). Zeitſchr. f. praft. Geo-
logie 1895 ©. 100— 112.
Literatur: 9. Haas, Duellenfunde. Lehre
von der Bildung und vom Borfommen der
Duelle und vom Grundmwailer. Leipzig 1895.
S. 31 u. 81—84 über intermittierende Quellen.)
— Heim, Die Quellen. Baſel 18855. — H.
Bourguin, Naturw. Wochenſchrift 1906, Bb
V S. 813. — Pfälzerwald 1W2 Nr. 14.
Menes über die Grüfte der Kloſterrnine Limburg.
Sehr wenig ift der Allgemeinheit über
die Geſchichte diejer berühmten Abtei zu-
gänglih und diejes Wenige zeigt jo große
Lücken, daß es oft jchon zur Sage zu
werden beginnt. Vorhandene ſchriftliche
Hinweiſe find fpärlid in Klöftern, in der
Bibliorthef des Batıfans umd einzelnen
Ummwerfitäten vorhanden. Nur zufällige
Ergebnijfe können eine Ergänzung des
Zimburgmateriald bringen. Eine derartige
Gelegenheit bot fih am 28. und 29, Juni
38. %8., als man infolge Ausſchachtungs-
arbeiten behufs Anlegung eines Kellers auf
der Mordfeite des Querhauſes bei der
Safriftei auf einen Teil der früberen
Grüfte ftieß. Bei den Aufräumungs-
arbeiten an der Stelle bei der früheren
Safriftei, mo jegt das Büfett des Reſtau—
rants fich befindet, fam man vorerjt in der
geringen Ziefe von 25 cm auf eine Grab:
platte, die 1,80 m lang und 76 cın breit
war, und in die mit der Spighade cın
rohes Kreuz eingehauen war. In einer
Tiefe von ca. 40 cm wurden Sfelertreite
— 16 —
eines Mannes vorgefunden. Bleid an der
Treppe famen viele blau und grün glafierte
Ofenkacheln mit verfchiedenen Muſtern von
Tieren und Ornamenten und eine Anzahl
recht gut erhaltener Bodenbelagplättdhen,
ebenfalls hübjch verziert, zum Vorſchein.
Auf der einen Dfenfachel zeigt fich gut er»
halten die Figur eines Eichhorneds. An
allen Kacheln find deutlich die Spuren des
Rußes erfichtlich, fo daß fein Zweifel be»
a daß hier Reſte eines Ofens vorhanden
ind,
war 2 m lang und 1,25 m breit und
völlig mit Schutt und Mörtel gefüllt. Wir
find geneigt, fie als Eingang in die unter:
irdifchen Begräbnisftellen anzufprechen. In
einer Tiefe von ca. 1,50 m fand man mit
dem Kopf nad Welten liegend ein männ:
lies, nit gut erhaltenes Sfelett, an
deflen Cage man bemerfte, daß es in roher
Weiſe beijeite gemorfen und jedenfalls aus
feiner urfprünglichen Begräbnisftelle gerifien
worden war. Neben diefem Eingang ſtieß
man in Tiefe von 1 m auf einen Stein-
farg. Er lag von der nördlichen Haupt.
mauer 1,58 m, von der Ofimauer 1,11 m
entfernt. Letztere Ziffer dürfte von Wich—
tigkeit jein, da fie wahrſcheinlich die Lage—
Naturſchutz. Durh das Geſetz vom
6, 58. Mts., Aenderungen der Gemeinde-
ordnungen und des Polizeiſtrafgeſetzbuches betr.,
ift die Grundlage zur Erlafjung betr. bdijtriftö-
und ortöpoltzeilicher Borfchriften, einerjeitö zum
Schuß einheimiſcher Tier- und Pflanzen-
arten gegen Ausrottung, anbererieits zum
Schu von Orts- und Landſchaftsbildern
gegen verumftaltende Reklame geſchaffen worden.
Das Staatöminiftertum des Innern bat fofort
nad; Erlafiung bdiejes Geſetzes die Regierungen
bon Oberbayern und Schwaben beauftragt, die
Erlaſſung oberpolizeiliher Borfchriften zum
Schutze der Alpenpflanzen ins Auge zu faflen.
Ergibt ſich Hierbei, daß für beide Regierungs-
bezirfe im tmefentlichen die gleichen Beftimmungen
erforderlich find, jo wird das Königl. Stants-
minijtertum des Innern felbjt einheitliche Vor.
fchriften erlaflen. Was ſodann den Schuß ſon—
ftiger Pflanzen forte Tierarten betrifft, ſo bat
da8 Staatömintiterium des Innern ben jämt-
Die nunmehr ausgeworfene Grube
Berfchiedenes.
' entfernung der übrigen nad; Süden ziehen-
den Grüfte von dem Hochaltar aus angeben
fönnte. Die Länge des Steinjarges beträgt:
2,15 m, die Breite 82 cm, im Lichten
2 m lang und 53 cm breit. Die Be
arbeitung war eine rohe mit der Spitzhacke.
Nach Abheben des Dedels fanden fich einige
Skelettrefte, einige Fragmente der Beklei—
dung, ähnlich grüner Eride und braun
gewordenes Leinen, Außerdem Reſte von
direft mollartigem Stoff (Kutte), eine
Anzahl Eifennägel und cın Stück Bleiplatte
mit eigenartigem, großföpfigen Nagel.
Augenfcheinlich war diefer Sarg beraubt.
Man wird nicht fehlgehen, wenn man dieje
Beraubung in das Beritörungsjahr der
Limburg 1504 verlegt. Das vorermwähnte
Skelett dürfte in den betreffenden Stein-
jarg gehört haben. Die Vermutung liegt
nahe, daß man es hier mit einem Abts-
oder Konventualgrab zu tun hat. Jeden—
falls fann man aus Anlaß diefer Gründe
zur Vermutung fommen, daß fich die Nebte-
gräber auf der nordöftlichen Seite des
Duerhaufes in der Nähe der Safrıftei und
vor der linfen Apfide befinden,
Böhm id. Pf. Pr.
lichen Regierungen die Erlaffung oberpolizeilicher
Vorſchriften im Benehmen mit den Ausſchüſſen
für Naturpflege anbeimgegeben mit dem Ber
nierfen, daß daneben, ſoweit die beſonderen Be-
dürfnife eines Bezirks oder ciner Gemeinde es
ertordern, diſtrikts- und ortöpolizeiliche Bor—
ſchriften im Benehmen mit den Obmännern für
Naturpflege zu erlaſſen ſein werden. Ein be—
ſonders vordringliches Bedürfnis beſteht für viele
Gegenden himſichtlich einzelner beſonders be—
drohten Pflanzengattungen, dad Ausreißen und
Ausgraben mit ber Wurzel, forte das Feilhalten
und Berfaufen bemurzelter Pflanzen zu verbieten
und dat Sammeln zu gewerblichen Zweden von
befonderer Erlaubnis abhängig zu machen. Da—
bei können befondere Bewilligungen zu wiſſen-
Ichaftlihen Zwecken und Annahmen für bie
nachweislich im Wege des Gartenbaues gezogenen
Pflanzen vorgejehen werden. Hinſichtlich des
Schugßes der DOrtd- und Landjchafts-
bilder gegen verunſtaltende Reflame bat das
— 16 —
Staatöminifterium des Innern anempfohlen,
zunächft mit Rüdficht auf die Berfchiedenheit ber
Berbältniffe mit diſtrilts- und ortöpolizeilichen
Vorſchriften vorzugehen. Dur folche mird
beiſpielsweiſe nicht bloß für die zu Reflame-
zweden erfolgende Anbringung von Schildern,
Tafeln, Auffchriften, Abbildungen und fonjtigen
Gegenſtänden im Bereiche beitimniter Orts» und
Landſchaftsbilder polizeiliche Genehinigung zu
verlangen, fondern auch zu bejtimmen fein, daß
Gegenſtände, bie ſchon vor dem Inkrafttreten
der Vorſchriſten angebracht worden find, bom
Befiger binnen der von ber ‘Bolizeibehörde ge-
fegten Friſt befeitigt werden müflen, wenn es
die Polizeibehörde mit der Begründung verlangt,
dab dur ihre Anbringung das Dits- oder
Landſchaftsbild verunjtalter wird. Unter „Orts
bild“ ijı nach der Begründung des Geſetzes die
Unficht eines Ortes von außen oder von innen
(Straßen, Plaß:, Faſſadenbild) zu veritehen.
Die Kgl. Regierungen find angewieſen worden,
fih die Förderung des Heimatſchutzes in den
bezeichneten Richtungen befonders angelegen fein
zu laſſen. Ergibt fi, daß fich einzelne dijtrifts-
oder ortöpolizetliche Borfchriften zur allgemeinen
Einführung eignen würde, fo follen bie Regie
rungen entweder felbit die Erlaſſung ortöpoligei-
tier Borjchriften in Erwägung ziehen oder
biermegen dem Staatsminiſterium des Innern
berichten.
Fifcherei. Das Kreisamtsblatt der Pfalz
veröffentlicht das vom Landtag bejchlofiene
Landesfifcherei:-Gefeg. Das Gefeß tritt am
1. April 1909 in Kraft. Bon diefom Tage an
bört die freie Angelfiicherei auf. (PH. Brefle.)
Wettbewerb. Bei dem vom Bayer.
Berein für Bolkskunſtund Voltstunde
ausgeichriebenen Wettbewerb zur Erlangung
von Entwürfen zu Stand- und Wanduhren find
93 Arbeiten eingelaufen. Bon dem Preisrichter-
follegium wurden zuerkannt: der erſte Preis
Johann Schmuderer, Münden; je ein
zweiter Preis Franz Heuberer in Heuſenſtamm
bei Offenbach a.M. und Dtto Leitolf in
Freifing; je ein dritter Brei Anton Dengler
und Franz Baumann, Münden; je ein bier
ter Breis Chriſtian Metzger und U. Müller,
Regensburg, Hans Ebert, Münden und Otto
Fuder, Frankfurt a. M.
Bergbetriedb. Der Bohrturm, welcher
im vorigen Jahre auf ber Nordſeite des Königs:
bergeö zwecks Koblenbobrungen von ber
Deutfchen Tiefbohrgefellfchaft errichtet wurde, ift
nunmehr wieber abgebroden worben und wird
nah Sorau in Oberjchlefien verbradt, woſelbſt
die Sefellichaft im Auftrage weitere Bohrverſuche
nad; Steinfohlen vormimmt. Die Bohrungen
im Konigsberg, bie eifrig in Tag- und Nadht-
ſchicht betrieben wurden, find, wie berlautet, auf
über 500 Meter gediehen, haben außerordentlich
barte Geſteinsmaſſen durchſchlagen müffın und
waren infolgebefien für die Gelellſchaft mit Ber-
luften verfnüpft — man fpricht von 24000 ME. —,
weshalb fie nur unter der Bedingung eine Wei-
terboßrung übernommen hätte, daß ihr Auftrag-
geber Kommerzienrat Kannengießer aus Mühl⸗
beim a. d. Ruhr eine vertragdmäßige Erhößung
ber Bohrkojten Hätte eintreten laffeu. Wie ganz
bejtimmt verlautet, follen die Bohrungen nad
Steinkoßlen in Königsberg nicht aufgegeben,
fondern nach kurzer Friſt an einer andern Stelle
von der gleichen oder einer andern Tiefbohrfirma
wieder aufgenommen merben.
WBaffermangel. Der ungemein raſche
Uebergang von bem jchneereichen Nachwinter zu
einem beißen Sommer machte ſich erit im Zuli
in einer höchſt unlichfamen Weile bemerfbar.
Die Schneefchmelze im Schwarzwald ging zu
raſch vor fi und das Wafler, das bei almäh-
lihem Abtauen in größerem Maße vom Boden
aufgenommen und nad und nach mieber abge-
geben wird, ſchoß zu rafch zu Tal. Die Folge
davon war, baß bie Gebirgsbäche und Flüſſe
im Juli bedeutend weniger Waffer führten,
als zur gleichen Zett in anderen Jahren. Biete
von ihnen waren beim Austritt in die Rhein-
ebene völlig verfiegt, nachdem man ihnen oben im
Tal das zum Betrieb der gemerblihen Antagen
und zur Wiefenmwäflerung nötige Waller abge»
nommen hatte. Bei dem allmählichen Berfidern
der Flußläufe ftellten fich zahlreiche Möven und
andere Fiſchräuber ein, die in deu außtrodnenden
Tumpeln reichlihe Nahrung an Fiſchen fanden.
HSimmelsſchau. Die Frübauffteher
fönnen jet einen jelten glänzenden Unblid des
aeftirnten Himmels genießen. Die planetenarme
und auch fonft wenig ausgezeichnete Beit der
legten Monate weicht allmählich nieder größerer
Abwechslung. In der Morgendämmerung ftrabit
in munderbarem Goldglanze Benus am Oſt
bimmel; ihr zur Seite ift Sirius unter dem
reichen Sternbilde ded Orion bereits hoch berauf-
geitiegen. JZupiter ſchickt fi an, aus dem Ber
reihe der Sonnenftrablen zu treten und ‚ber
ringgefhmüdte Saturn tit im Südmwejten immer
noch gut au fehen; die glänzende Wega fteigt
u: MR
in Rordmweften zum Horizonte herab und hoch
über unferm Haupt windet fi die Milchſtraße
zeoifchen Stier und Perſeus hindurch.
D. Reiper, Kurpfälziſche Forıt- und
Jagdverwaltung im 18. Jahrhundert.
Mit einer Länderfarte von Rurpfalz und Pfalz-
Sweibrüden. Bmeibrüden 1908, Verlag bes
Pfälzer-Wald-Bereind. — Der dur feine
Forſchungen auf dem Gebiet der Foritgeidhichte
räbmtich befannte Speyerer Forftrat erfreut ung
mit einer neuen Frucht feiner Stubien, bie ſich
feinen Arbeiten über die „Surpfalzbayerifche
Forftverwaltung* (Berlin 1905) und „Die Kgl.
Bayer. Forftvermaltung und ihre neichichtliche
Entwicklung im 19. Jahrhundert (Berlin 1908)
würdig anreibt. Bejonderen Wert auch für ben
modernen Pfälzer Forfiverwaltungsbeamten ver-
leiht unſerer vorliegenden Schrift die ihr bei-
gegebene, vom Berfafler entworfene und bon
Regierungsforftfefretär 3. Lämmel in Speyer
gezeichnete Karte bed Länderbeſitzes ber Wittels-
bacher Pfalsgrafen bei Rhein in der 2. Hälfte
des 18. Hahrhundertd. Die Arbeit iſt im
„Pfälzerwald“ 1968 Nr. 11 erfchienen; einen
geihmadvoll ausgeftatteten Sonderdbrud aus
feinem " Bereindorgan wird der BPfälzer-Wald-
Berein fämtlichen kgl. Forftämtern der Pfalz
zum Gefchen? machen. Dr. U. Beder.
„Mafurpflege in Bayern“ bon
Regierungsrat G. Eigner beißt die foeben er-
fchtenene 3. Veröffentlichung des Bayer. Landes»
ausfhufles für Naturpflege, ein nah Inhalt
ebenfo erfhöpfender Bericht als ein ber Aus+
ftattung nad vornehmes Werl. Es will eine
Aufzelchnung ſchützenswerter Naturgebilde ſein
und hält trotz feines beſcheldenen Umfangs bon
127 Seiten DOftad fehr viel von feinem Ber:
ſprechen. Natürlich wird jeder Heimatliebhaber
aus eigener Erfahrung eine Anzahl Belfpiele
mebr aufzählen können, fo daß fpätere Inven—
tarifierung noch viel Gelegenheit zu fruchtbarer
Betätigung verbleiben wird. Da e8 fi um den
Naturfhug In weitem Sinne banbelt, kann das
Werfchen. auch nur eine lebhafte Anregung fen,
dem Sinn und der Fürſorge für Naturfchön-
heiten und Seltenheiten neue Anregungen zu
geben. Es werben in Wort und Bild Beljpiele
angeführt, die von Barbarismus jeder Art, ob
er aus Bösrilligfeit oder aus Untenntnis oder
aus Bteichgiitigkeit entiprang, ein unrühmliches
Zeugnis ablegen; andere fälle reizen geradezu,
fih auf Ähnliches zu befinnen, was in ber
eigenen Umgebung in ähnlicher Welle nad Er-
Haltung oder Erſchließung ruf. Wie Ber.
dorbenes unerfeglicher Berluft für eine Gegend
fein fann, wird an Beifpielen gezeigt; mas Ge—
winnſucht aus mandem Gelände gemacht bat,
fpricht fein rühmliches Wort für die Rüdficht-
nabme Einzelner auf das allgemeine Recht auf
Erfrifhung von Herz und Sinn an urwüchfiger
Beitaltung der fchaffenden Naturkräfte.. Wir
finden Berlufte der Tier- und Pflanzenwelt auf-
gezählt, fogar die tote Natur einer drohenden
Ausbeutung ausgeſetzt (vgl. Remigiustapellc!!).
So veritehen wir den Kampf zumäcdhit mit
geiftigen Waffen für Naturſchönheit, in welchem
juriftifche und Gerfömmliche Einwürfe ihres Ge—
wichtes verluftig geben. Gerade in Bayern find
Reſpekt und Fürſorge vor dem natürlich Schönen
und Originellen altgeübte Xugenden, deren
Pflege nur weitergeübt werben fol. Der „Yan-
desausſchuß für Naturpflege” iſt heute die be-
rufene Zentralſtelle diefer Bejtrebungen und das
vorliegende Werf die 3, größere Äußerung feiner
Wirkſamkeit. Außer 71 fehr ſchönen Bildern
find ein dankenswertes Literaturberzeihnis und
ein jehr ausführliches Namen: und Sachregliter
rühmend hervorzuheben.
Stwas über Rofenzüdtung. Es iſt
noch faum außer in ber gärtnerifchen Fachpreſſe
bermerft worden, baß wirin ber Pfalz einen
Roſenzüchter befigen, her durch eine größere
Unzabt gezüchteter in den Streifen ber Rojen-
freunde hochbeachteter Neuheiten fi Weltruf er-
mworben bat. Es ift died Dr. Müller in Wein—
gartem bei Zeisfam. Sein Gebiet erftredt ſich
in ber Hauptſache auf Kreuzungen mit winter:
barten Capuziner- und Rugofaarten. Bon
ber ſchönſten dieſer Züchtungen, die zinnoberrote
„Gottfried Seller”, bie er jedenfalld dem Andenken
ſeines Lieblingsdichters gewidmet Hat, erregte
insbeſondere in England großes Aufſehen. Von
älteren Züchtungen iſt die 1899 ausgegebene
„Conrad Ferd. Meyer“ (gleichfalls einem Lieb-
lingsdichter gewidmet, zu nennen. Zwei weitere
neuere prächtige Züchtungen Dr. Müllers find
„Johanna Sebus“ und „Gruß an Sangerhauſen“.
Den Neuheitenrekord ſchlug in dieſem Jahre die
weltbekannte Firma J. C. Schmidt in Erfurt
mit der 3000. Markroſe „Otto von Bismark“,
einer Kreuzung zwiſchen Caroline Teſtout und
La France, die nach mehrmaligen Gutachten den
Preis des praltiſchen Ratgebers für die beſte
Roſenneuzüchtung erhielt. Dieſe Rofe kommt
erſt im Spätjahr in den Handel. Prächtige Neu—
beiten dieſer Firma vom laufenden Jahr find
„Kronprinzeffin Gecilie” und „Friedrichsruhe“,
erjtere von der deutſchen Kronprinzeffin felbit
unter einer größeren Zahl Neuheiten ausgewählt
und bejtimmt, ihren Namen zu tragen. Nicht
unerwähnt feien bier die wertvollen Schmidt’jchen
Züchtungen: die „Lachskönigin“, die Thechybribde
„Blumenſchmidt“, und die neue fcharlachrote
Volyantdarofe „Aennchen Müller“. Die Stärke
der Firma J. E. Schmidt in Erfurt in Bezug
auf Rofenzüchtung erwies fich insbefondere auch
auf dem Gebiete der Schlingrofenzühtung,
108
Hier verbanfen wir ihr in der Hauptfache das |
Schönjte, was mir befißen: „Aglaria“ 1896,
gerner „Euphrofine” 1897 und fpäter die prächtigen
Neuheiten „Himmelsauge*, „Taujendichön” und
„Leuchtſtern“. Die Zahl der Im Schmidt’jchen
Roſenkatalog aufgeführten Rofen tit eine überaus
große, und wir möchten nicht unerwähnt laſſen, daß
auch die herrlichen Neuzüch tungen unferes pfälger |
Landmannes Dr. Müller darin enthalten find.
Die wildernde Katze. Bon allem Naub-
geſindel außer etwa zweibcinigen, welches nament⸗
lich die Niederjagb fchädigt, iſt Hinz, der Kater
oder feine liebegirrende Gattin vielleiht das ge-
fährlichite — wenn fie verwildern. Die Wildlage
ſelbſt lommt in Deutfchland nur noch in wald—
reichen Gebirgen vor, häufiger findet fie fich nur
noch) in den Bogefen. Daß Hagen auf dem platten
Lande Häufig vermwildern, ift weniger Schuld
der Tiere, als der Menfchen, welche fih um die
Hausgerofien nicht fümmern, fie bermahrlofen
laſſen und fie dor allen Dingen nicht füttern.
Fragt man jemand danadj, fo erhält man die
verwunderte Untwort, daß man Katzen nicht
zu füttern brauche, fie wären dazu da, um Mäufe
zu fangen und ſich ihren Unterhalt auf dieje |
Weife gewiſſermaßen felbit zu verdienen. Das
Hört ſich zunächſt vielleicht recht plaufibel an,
bei näherem BZufehen gewinnt die Sache jedoch
ein ganz anderes Geſicht. Zunächſt gibt es nicht
einmal überall Mäufe, dann tit e8 auch eine
Erfahrungstatfache, dat viele Kagen Mäuſe nur
im Notfalle als Nahrung annehmen, dat fie die
feinen Nager vielfach nur aus Spielerei fangen, | baberei der Katzenfreunde.
um der ihnen angeborenen Mordluft zu frößnen.
Eine Kake, die fi zunächſt unbeauffichtigt um-
bertreibt, wird ihre Spaziergänge und Forſchungs-
reifen immer weiter ausdehnen, fie wird ſchließlich
nur zu geriffen Beiten nachhauſe zurüdfehren"
Nur wenigen Menfchen fällt es auf, daß Hinz,
der Kater oder Miet, die Kate, trogdem ihr fo
gut wie nichts gereicht wird, dabei jehr gut in
„Form“ bleiben, daß fie an Leibesfülle zunehmen,
und man glaubt vielleicht gar, daß dtefes Fürper-
liche Wohlbehagen einzig und allein vom Mäufe:
frefien herſtamme. Die Katzen bleiben oft
wochen⸗, ja monatelang weg, fie erfcheinen immer
feltener und vermwildern dann ganz und gar.
Selbſt während des Winters bleiben fie draußen,
fie ſuchen einfam ftehende Scheunen oder Ge—
treidefchober als Tagquartiere auf, während fie
nachts aus Raub ausziehen. Bei ihrer Kraft
und enormen Gewandtheit ift ihnen dann nichts
heilig, fte werben Hühnern und Haſen gleich ge—
führlich, und es gelingt fehr felten, eines folchen
berfommenen Räuber8 babhaft zu werden. Nur
wenn fie dem mäufelnden Fuchs begegnen, wird
die Sache für fie unangenehm, Reineke würgt
aud den ſtärkſten Kater im Nu ab und namentlich
im Winter ift er ihm ein lederer Biflen, den er
allerdings auch im Sommer nicht verſchmäht.
Für den Jäger gibt e8 diefen Tieren gegenüber
nur einen Grundfag: rückſichtsloſe Vernichtung
zum Schuß des Nutmwildes. Eine Kate, die ſich
über zweihundert Meter von bewohnten Gebäuden
im Felde Herumtreibt, tft immer in hohem Grade
berbächtig, und es hängt natürlich von den be-
fonderen Umständen ab, ob e8 der Jagbberechtigte
für geboten Hält, den weiteren Entdeckungszügen
des „Mäufejägers” durch einen moblgezielten
Schub ein Ende zu machen. Im freien Felde
ift aber fein Pardon zu gewähren, denn an einem
ſolchen Bieh ift doch Hopfen und Malz verloren,
und wenn ber Befiker oder die Befigerin noch
fo entrüjtet die Hände ringen, jo fommt doch
erst die Rüdficht auf wertvollere Güter und dann
allenfalls auf die manchmal fragwürbdige Lieb-
R. C.
Dnbar”t: Diluviale Funde in der Rhempfalz und deren wiſſenſchaftliche Ausbeute. — Ueber
das Alter des Landjtubler Bruches und über Artefakten- Funde in Torfmooren. — Berein Badijche
Heimat. — Ueber die Blitzgefahr. — Der Hungerbrunnen im Stiftswald bei Kaiſerslautern. — Neues
fiber die Grüfte der Kloſterruine Limburg. — Berfchiedenes: Naturſchutz; Fiicherei; Wettbewerb ;
Bergbetrieb; Waflermangel; Himmelsſchan; Kurpfälz. Forit: und Yagdvermwaltung im 18. Jahrhund.;
Kulturpflege in Bavern; Etwas über Roſenzüchtung; Die mildernde Klage.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Ynbalt der Beiträge find bie Herren Berfaffer verantwortlich.
(Unverlongte Manuſtripte werben nicht zurüdgelandt.)
Tie „Bfälztiche Heimatkunde“ koſtet jährlich in 12 Heften mt. 2.50. Wefellungen werden von allen Buchhandlungen und
Voſtanſtalten ferner vom Verleger (Bortofreie Streifbandiendung) angenommen.
IV. Jahrgang.
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
m
Nummer 10.
Oktober 1908.
l
Mitteilungen aus dem Sandiinhler Gebrüch.
Bon kgl. Forjtmeifter Bohlig-Landftuhl.
Das Landftuhler Gebrüch erftredt ſich
in einer Länge von 30 Silometer von
Vogelweh bei Staijerslautern bis Homburg;
die größte Breite beträgt 2,25 Kilometer.
Im Süden treten die Steilabfälle der
Haardt hart bis an den Gebrüdsrand, im
Norden fieigt das Gelände nur jehr alle
mählich zum weſtricher Dinterlande an,
Bei einer Meereshöhe von durcdhichnitt-
lih 240 Meter find die diluvialen und
alluvialen Bildungen an der Gebrüchs—
Niederung dem oberen und mittleren Haupt:
buntjandftein aufgelagert. Das Yandftuhler
Gebrücd im engeren Sinne, das uns bier
vorwiegend interejliert, etwa die Niederung
zwijchen Einfiedlerhof und Hauptftuhl, bildet
eine jehr flache Mulde mit ftarf welligem
Untergrund, in der teil® Sandftein, teils
Schotter und Sandrüden die Moorfläche
überragten. Auf der Buntfandftein-Unter-
lage find vielerorts Schotter und Flieje aus:
gebreitet, durchgehend ein jehr feinförniger
Sand, der wieder mit einer 15-30 cm
hoben, graugefärbten, von Pflanzenüber—
reften ftarf durchſetzten Lettenfchicht über:
dedt iſt. Auf der Lertenunterlage liegt der
Torf, An einzelnen Stellen, bejonders im
mweitlihen Zeile, find Ton- und Xetten-
ſchichten von beträchtlicher Mächtigkeit ab»
gelagert. Schotter und Sand find, ſoweit
fie von humusjäurehaltigem Waſſer durd):
tränft wurden, vollftändig ausgewaſchen
' mineralifchen Nährſtoffen.
ſumpfige Stellen bildet.
‚ von Quellen im Gebrüch fteht mit dieſem
Grundwaſſerſtrom im engjten Zuſammen«
‚ hang.
und ausgebleicht, daher äußert arm an
Der Torf, von
ehr wechielnder, 3 Meter äußerft felten
‚ überfchreitender Tiefe, befteht in der Haupt-
ſache aus Ueberreiten von Scilf und Ried-
gräjern, in welche vielerorts die Reſte der
Wurzelftöde und Stammteile von Kiefern,
| Birfen und Erlen, jelten von Eichen, ein-
gebetret liegen. Die Pflanzen, die zur
Torfbildung das Material lieferten, würden
die Bezeichnung des Moores als Flachmoor
rechtfertigen, während der außerordentlich
geringe Gehalt an mineraliihen Pflanzen-
nährjtoffen, nämlich 0,42 pCt. Kalt, 0,06
pGt. Kali, 0,13 pCt. Bhosphorjäure, größere
Uebereinftimmung mit jenem der Hodymoore
zeigt. Für derartige Moore hat man die
Bezeichnung „Uebergangsmoore* gewählt.
Die Wafferzufuhr beforgt in der Haupt-
jahe ein Grundwaſſerſtrom, der fih im
Sande unter dem Letten bewegt, an manchen
Stellen den Letten durchbricht und ſtark
Das Borfommen
Es darf aber auch nicht verfannt werden,
‚ daß die Niederfchläge mit durchſchnittlich
700 mm Höhe, die auf dem Moorboden
weder raſch verlidern noch abfließen fünnen,
für die Feuchtigfeitsverhältniffe des Gebrüchs
von großer Bedeutung find.
Aus der Menge größerer und Fleinerer
Rinnjale, meift fünftlichen Anlagen, ſammeln
fih die Maſſen der abfließenden Gewäſſer
in zwei Bächen, dem Moorbah und dem
Schwarzbach, die in den Glan münden.
Die erfte größere Entwäfjerung wurde
in den Jahren 1745—48 durch Anlage
des jog. Floßgrabens ausgeführt, der zu-
gleih als Triftgraben für die Ausbringung
der Hölzer des Reichswaldes beftimmt war.
Durch die Trodenlegung der ausgedehn:
ten Weiher von der Unterjchernauer Mühle
Ende der fiebziger Jahre wurde eine Tiefer:
legung des Waflerftandes in dem ganzen
öftlich der Schernauer Mühle liegenden Teile
des Gebrüches bewirkt.
Die durchſchnittliche Temperatur im
Gebrüc dürfte von jener feiner Umgebung
mit ca. 8” C. faum abweichen, dagegen
weilen die Temperatur-Extreme bedeutend
größere Ausſchläge auf. Sehr empfindlich
treffen jede Begetation in Wiefe und Wald
die Fröfte, die fait in jedem Monat des
Jahres fich einftellen.. Auf der flach ein-
gejenften, mit Waſſer ftarf durchtränften
Gebrücsoberflähe beträgt die nächtliche
Abfühlung oft 4—5° mehr als in der
nächſten Umgebung.
Eine Nugung im Gebrüd war r.atürlich
erft möglich, nadıdem es durch Senkung
des Waſſerſpiegels zugänglich gemacht worden
war. Die höchjtgelegenen, nur mit ſchwacher
Torfſchicht bedeften Teile waren natürlich
zuerft zugänglid. Der Nugung des Torfes,
mit der erit im legten Drittel des acht—
zehnten Jahrhunderts begonnen wurde,
folgte die Gewinnung don Sauergräfern
und Heide zu Futter- und Streuzwecken,
die heute noch auf vielen Flächen die einzige
Nutzung bilde. Zur Verbeſſerung der
ſandigen Böden findet die fiarf zerſetzte,
nicht mehr zu Deizzweden geeignete obere
Humuserde-E. dichte Verwendung. So nup-
bringend dieſe Verwendung für die Sand:
böden ift, bejonders in Verbindung mit
einer entiprechenden Stompoftierung der
Humuserde, jo jchadenbringend iſt die gänz-
lihe Entfernung der Humusichichte für die
ipätere Nutzbarmachung der Moorflächen zu
landwirtichaftlihen Zweden. Gine min-
deftens 30 cm ftarfe Humusſchichte foll
immer über dem Sand belaffen merden.
Neuere Forichungen über Leben und Wirken
110
der Bakterien im Boden haben die hohe
Bedeutung des Humus für die Pflanzen:,
ſpeziell Stidjtoff-Ernährung, dargetan und
dem eine zeitlang zur Seite gejchobenen
Humus wieder zum alten Anfehen verholfen.
Die Mißachtung der Humuserde fann bei
einer Bevölkerung nicht Wunder nehmen,
für die Sumpf und Humuserde jahrhunderte-
lang ein Begriff war und der eine Art der
Kultivierung des Moorbodens, bei der ein
barer Gewinn fofort zu erzielen war, be-
jonders einleuchtere. Der gänzlidhen Ent
fernung des Humus jollte mit allen mög:
lihen Mitteln entgegengetreten werden,
denn was auf dem vollftändig ausgemaide:
nen, ausgebleichten Sande wächſt, das zeigen
große Flächen im Gebrüche, auf denen der
Raubbau bereit3 gemiitet hat.
Ich bitte mir diefen Vorgriff zu ver
zeihen. Was nun die Befigverhältnifje auf
der großen Moorfläche, die vom Glan bis
zum Ginfiedlerhof reicht, betrifft, jo gehört
etwa die eine Hälfte Privaten, die ander
dem Staate und der Reichswaldgenofien:
ſchaft. Das Gelände im Privatbeſitz ift
mit geringen Ausnahmen in Kultur ge:
nommen jetzt jchon ift der Belig ein außer:
ordentlich zerfplitterter. Vorwiegend ift
felbftverftändlih die Wiefenkultur. Teils
find die Wiejen, bei. im meftlihen Teile,
im Beſitz tüchtiger, ftrebfamer Landwirte,
teıld in jenem von SHeinbauern, Hütten:
arbeitern und Taglöhnern, die die Land—
wirtichaft als Nebengewerbe betreiben; jo
finden fih Wiefen jeder Behandlungsart
und Güte. Gemeinjam ift allen Wieſen,
daß don einer regelrechten Ent- und Be
mwäfjerung noch feine Rede ift; bier fände
fih für den Aulturingenteur ein weites
Feld der Tätigkeit, vorausgejekt, dag ſich
die Gebrüchswieſenbeſitzer von der Nützlich—
feit derartiger Hultur- Unternehmungen über:
zeugen laſſen und durch genofjenjchaftlichen
Zuſammenſchluß die Vorbedingung für die
| Grundlage rationeller Ent: und Bemäfle
rungsanlagen erfüllen.
Die im ungeteilten Beſitze des Staates
und der Reichswaldgenoſſenſchaft befindliche
Gebrüchsflädhe, deren Bemwirtichaftung dem
Forftärar unterfteht, umfaßt 1310 ha. Sie
jett fih zufammen aus:
Torflagen mit 190 ha
Bruchwieſen und Torferdelagen 170 „
— 11 —
Bald } 785 ha
Kulturwieſen. ee
Unproduftive Slühe . . . 55
4
Die Torfgewinnung geht jeder Aulti-
vierung voran; die jährliche Nutzung beträgt
jegt 10 Millionen Torffäje gleich ca, 42000
Kubifmeter ungetrodnete Torfmaſſe.
Der Roh: Erlös wird auf 65000 Mt.
veranschlagt, die Arbeitskosten für Gewinnung
(Stehen und Trodnen) diefer Torfmafje
betragen etwa 24000 ME.
Bruchmwiejen heißen die mit Habergras,
Sauergras, Binjen und Heide bewadjienen
Flähen auf noch nicht abgebauten Torf:
lagern oder auf nicht mehr abbaumürdigen
durch früheren Raubbau für die Torf—
gewinnung unbrauchbar gewordenen Hunus»
erdejhichten, die als Torferdelager für die
Landwirtichaft befondere Bedeutung befigen.
Die Bruchwieſen werden jährlıh um
einen recht bejcheidenen Betrag an die ge-
ringere Landwirtſchaft treibende Bevölkerung
verpachtet. Das Futter, das fie liefern,
ift jelbftverftändlih von jehr fragwürdiger
Güte, die Gewinnung desjelben erfordert
viel Mühe; nur der Umftand, daß ein Teil
des auf den Bruchwiejen gewonnenen Ma:
terials als Streu Berwendung finder, recht:
fertigt die Nutzung. Die große Bedeutung
der Torferde hauptſächlich im fompoftierten
Buftand für die Bodenverbefjerung murde
ihon erwähnt. Sie findet in ganz be:
deutender Menge zur Verbeſſerung der
Weinberge Bermendung, nicht viel weniger
zu gärtnerijchen Zwecken der verjchiedeniten
Art. Durch die freigende Nachfrage ift die
Fläche der Torferdelager jchon jehr zurüd-
gegangen, auch macht ſich bereit8 die er:
höhte Wertihäßung in einem recht erheb-
lihen Preisauſſchlag bemerkbar, deſſen
weitere Erhöhung raſch fortichreiten wird,
Es iſt diefer durch die Torferdegewinnung
erzielte bedeutende Erlös zwar für manchen
Beſitzer von Gebrüchsgelände ein Anreiz,
durch Berwertung der Torferde bis auf die
legte Faſer aus feinem Gelände Gewinn
zu ziehen, aber es liegt auch die Betrach
tung recht nahe, daß das, mas anderen
Böden gut tut, auch auf den eigenen von
Nugen fein wird und daß es töricht ıft,
die Henne zu jchladhten, die die goldenen
Eier legt.
Im Yahre 1889 begann man mit der
Bermwirklihung des Planes, die bisherigen
Bruchwieſen dur planmäßige Ent und
Bemwäflerung, Bodenbearbeitung, Blanierung
der Oberfläche und Zuführung der nötigen
mıneraliihen Näbhritoffe nad Futtergüte
und :menge in einen weſentlich höheren
Ertragszuftand zu bringen.
Hier ift wohl aud) der Blaß, der Männer
zu gedenken, die mit weitichauendem Blid,
nie verjagender Energie und unermüdlicher,
Jahrzehnte langer Arbeit die Kunſtwieſen—
anlage in ihrer gegenwärtigen Geſtalt ge-
ichaffen und damit die Grundlage für jeden
Weiterbau gelegt haben. Es waren der
verjtorbene £, Forftmeifter Köhl in Landſtuhl
und der k. Kreis Kultur- Ingenieur Dfonomie-
rat Merl in Speyer, die in gemeinjamer
ih ergängender Tätigkeit für den wirt-
ſchaftlichen Wohlſtand der Bevölferung und
für die Hebung der Schäge des Gebrüchs
fih ein hohes dauerndes Verdienſt erworben
haben und deren Namen wohl immer ge
nannt werden, jo lange die Wiejen wieder
grünen.
Die Anlage der Entwäfjerungsgräben
ftügt fich jelbjtverftändlich auf ein ausführ-
liches Nivellement des Gebrüchsgeländes.
Nah Schaffung der nötigen Worflut, die
beı den zahlreichen Abflüffen und dem ver-
hältnismäßig ſtarken Gefäll wenig Schwierig:
feiten machte, wurden die Hauptgräben
meilt in der Richtung des ſtärkſten Gefälles
angelegt, an die fich die möglichſt horizontal
liegenden Seitengräben anicließen, deren
Entfernung zugleich die Breite der einzelnen
Felder mıt 25—30 m beitimmt. Die
Seitengräben find? 50-60 em tief und
ſchneiden womöglih den Sand an.
Wenn im ganzen die Entwäflerung eine
genügende iſt, jo fommen doch Stellen vor,
wo der Drud des Grundwaſſers nad) oben
ein jo ftarfer iit, daß diejes bis nahe an
die Oberfläche ſteigt und troß löjähriger
Entwäfjerung die Wiejenflora für Vieh un-
zugänglih madt. Doc ift aud hier eine
entiprechende Senkung des Grundwaſſer—
ſpiegels unschwer zu erreichen.
Bei dem mellenjörmigen Bau der
Sebrüchsniederung ift es leicht möglich, daß
an den höher gelegenen Rändern fich der
Grundmwafleripiegel erheblih tiefer jenfen
mußte, als im eigentlichen Bedfen der Mulde,
jo daß dort der Wiefenbau mit Schwierig-
keiten zu fämpfen bat und der Übergang
zu einer anderen Bewirtichaftungsmeife rat-
ſam ericheint.
Die Bewäſſerung der Wiejen fann nur
auf einer 4,3 ha großen Fläche durch Über-
riejelung geichehen. Auf der Übrigen Fläche
muß fie durch Einftau erfolgen. Die Vor—
teile der oberirdifchen Wafferzuführung find
auf Gebrühsmieien ganz beionders große,
wenn man die Zufuhr von Pflanzennähr-
ftoffen zunächft ganz außer Berüdfichtigung
läßt, weil nur ſüßes, fauerftoffreiches Waller
den Pflanzen zugeführt wird und der
Wechſel zwiihen der Durdlüftung und
Durdtränfung des Bodens ein viel rafcherer
ıft, als beim Einftau. Bei diefem muß
das am jeitlichen Abflug in die Gräben
gehinderte Grundwaſſer die tiefer liegenden
unzerjegten, mit Humusfäure durchtränften
Schihten bei jeinem Weg von unten nad)
oben durchdringen und bringt jo von neuem
Humusjäure in die oberen Schichten, wirft
alſo einer allmähligen Ausjüßung entgegen,
Die planmäßige Herrichtung der Wiejen-
flächen erfolgte ausnahmslos durch Hand»
arbeit. Stöde und gröbere Holzteile wurden
aus der Oberfläche entfernt, Unebenheiten
ausgeglichen und eine mindejtens 30 cm
hohe Mullichichte als oberfte Dede belafien;
zu größeren Erdmaffebemegungen fteht eine
Rollbahn von 1,5 Kilometer Geleislänge
mit 15 Kippwagen zur Verfügung. Selbit-
verftändlich wurde die obere Mullfchicht um:
geipatet und jo für Durdhlüftung und Zer—
jeßung der Humusjchichte geforgt. Wo das
Umjpaten der Mullihicht verfäumt wurde,
da tritt baldiger Rüdfall in die Gebrüchs—
flora ein, Heide- und Habergras oder Binjen
haben in kürzeſter Zeit die fühen Gräfer
verdrängt und die Fläche bietet das Bild
der Bruchwieſen. Bekanntlich ift eine land:
wirtfchaftliche Bewirtſchaftung des Moor-
bodens ganz von der fünftlichen Beiſchaffung
der Pflanzennährftoffe abhängig. So wird
denn auch bei der Anlage einer Wieje auf
Grund der befannten Wagnerſchen For:
Ihung&: Ergebnifje eine Vorratsdiüngung von
125 kg WPhosphorfäure ın Thomasmehl,
200 kg Kali in 40 Proz. Stalifalz gegeben.
Die jährlihe Erhaltungs Düngung mit |
60 - 65 kg Vhosphorjäure in Thomasmehl |
und 120 kg Kali in Kainit oder 40 Proz.
Ralifaiz bringt im wejentlichen den Entgang |
112
an diefen Nährftoffen wieder zurüd. Die
nur furze Beit geprobte ftarfe Kalkdüngung
in Form von Sceideihlamm bat man als
mehr jchädlich denn nüßlich nach furzer Zeit
wieder aufgegeben.
Einige Düngungsverfuhe mit Stiditefi
führten zur Überzeugung, daß eine künſt-
liche Zufuhr von Stieftoffdünger für Wiejen
nicht nötrg ift. Damit foll aber die Frage,
ob durch gelegentliche Zufuhr von Jauche
nicht eine weientliche Erhöhung der Boden-
tätigfeit fich ergeben würde, nidjt berührt
werden, Zum Ausftreuen des tunftdüngers
wird eine Düngerſtreumaſchine Marke Welt:
falia in neuefter Zeit benügt, die außer-
ordentlich gleichmäßig arbeitet und das
Ausftreuen faft bei jedem Wetter geftattet.
Die Koften find etwas geringer als beim
Streuen aus der Hand.
Die Bufammenftelung der Mifchung
von Grad und Sleearten, die für Die
erftmalige Anjaat der Wiejen verwendet
wird, geichieht nad einer Anweiſung der
K. B. Moorfulturanftalt; auf den Hektar
wird ein Bentner Gras. und Kleeſamen
gejäet.
Ergänzend muß noch beigefügt werden,
dab ſich die ganze Einteilung der Wieien
in Parzellen an ein Straßenneg anjchliekt,
das in einer Anzahl rechtwinklig aufeinander:
ftoßenden Linien von zufammen 12 Kilo
meter Länge die Abfuhr der Ernte mie
Düngerbeifuhr in außerordentliher Weile
erleichtert. ß
Die Verwertung des Wiejenertrages
geichieht in der Weile, daß der Heu- umd
Ohmetgras-Ertrag zufammen in Loſen von
0,2—0,4 ha, die durch Gräben eingegrenzt
find, öffentlich meiftbietend verpadhtet wird.
Auf dieje Werfe wird der Futterbedarf
einer Menge fleinerer landmwirtichaftlicher
Betriebe in weitem reife rings um das
Gebrüch gededt.
Daß durch Angebot einer jehr bedeuten-
den Futtermenge in kleinen Loſen jährlich
einer großen Anzahl Landwirtichaftlicher
Kleinbetriebe die Möglichkeit gewährt wird,
den unbedingt nötigen Viehftand zu erhalten,
darf als das glinftigfte Ergebnis in volks—
wirtichaftliher Beziehung betrachtet werden.
Jede Bergrößerung der Wiefenanlage
ift notwendiger Weije von einer Erweiterung
des Abnehmerfreiies abhängig. Die Ergeb:
niſſe der Wiefenverpachtungen ın den legten
Jahren legen die Annahme nahe, daß der
Abnehmerkfreis, auf den die bisherige Ber:
wertungsweije zugeichnitten ınar, an der
Grenze der Aufnahmsfähigkeit angelangt
ift. Sollte, was ja mit Sicherheit in Aus-
ficht fteht, eine erhebliche Ermeiterung der
Biejenanlagen ftattfinden, dann merden
intelligente Landwirte fich die Gelegenheit
nicht entgehen laſſen, das günftige Angebot
guten Futters zur Ausdehnung ihres Wirt-
ichaftsbetriebed zu verwerten,
Die Erfahrung, die bisher bei allen
Moorfulturen gemacht wurde, nämlich, daß
die Erträge der erften Jahre durchaus
feinen Schluß für fpätere Jahre geftatten,
blieb auch hier nicht eripart.
Bo der Grundwaſſerſtand nicht genügend
hoch oder die Mull zu ftarf abgenommen
mar, zeigte fich oft ſchon im dritten Jahre
ein bedenflicher Rüdgang der Grasbeſtockung.
Das Mittel wieder aufzuhelfen, war Nadır
faat, d. h. es wurde die Oberfläche mit der
Glieder: Wiejen-Egge, in neuerer Zeit mit
der Auraser Egge jcharf geeggt, mit Gras—
und Kleeſamen — etwa ein Drittel der
zur Weujaat verwendeten Menge — an
gejät und der Samen eingeſchleift und ge»
walzt. Auf stark rüdgängigen Flächen
fonnte nur vollftändigr Umbrud mit
folgender Neufaat helfen, ein Mittel, das
bei geringem Ertrag in kurzen Zwiſchen—
räumen wiederfehrend, jeden finanziellen
Erfolg unmöglih macht. In neuerer Zeit
beginnt man die nicht zur Wieſenkultur
geeigneten Yändereien abzuftoßen und unter
Benützung längerer Bachtperioden geringerem
fandwirtichaftlihen Betriebe zuzuführen.
Auh auf Wiefen mit hohem Grund:
waſſerſtand macht fich ein langjames Zurück—
gehen bemerkbar; die Gründe find noch
nicht aufgeklärt. Mag dur das empor:
fteigende Grundwaller, das in den tieferen
Schichten Humusjäure aufnimmt, eine ftarfe
Anreiherung der oberiten Schichten an
Humusjäure erfolgen, mag das Auffrieren
der oberjtien Schichte ein Zerreißen der
Graswurzeln und ein Yustrodnen der voll:
ftändig vom Untergrund losgelöften Scichte
während des Sommers zur Folge haben,
es bleibt immer noch ein ungelöjter Reit.
Den Folgen des Aufirierens, das fich be-
fonders im Winter 1906/07 beobadıten
113
— ee — — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — — —
ließ, ſucht man durch Niederdrücken der auf
geirorenen Schicht im Frühjahr mittelft
einer jehr jchweren Walze zu begegnen.
Um für die often des Wiejen-Umbriiches
wieder eine entiprechende Einnahme zu er»
zielen und dem Moorboden die Wohltat
einer mehrere Jahre fortgejegten Boden-
bearbeitung angedeihen zu lajlen, hat man
feit dem Jahre 1901 den Zmwiichenbau von
Hafer eingeſchaltet. Die bis jept erzielten
Erträge müflen als normale, teilweije als:
jehr gute bezeichnet werden. Es murden
bis jetzt Anbauverfuhe mit Schlanftedter,
Befeler 11, Beftehorns Überfluß, Swaldfs
Ligomohafer und einheimiſchem Hafer ge—
madıt, um die für den Gebrücdhsboden am
beiten geeignete Sorte feitzuftellen, Berjuche,
die ſicher für alle Yandmirte, die auf
Gebrüchsboden mwirtichaften, von Intereſſe
find,
Ein Abſchluß der Verſuche über die
Wirkung des Haferzwiichenbaues und über
geeignete Sortenauswahl liegt noch nicht vor.
Eine Urſache für den Wiejenrüdgang
muß noch erwähnt werden, das ift die Un:
frautplage. Auf dem Moorboden macht
fich eine ganz erftaunliche Menge von Un»
fräutern breit, die den normalen Wiejen:
pflanzen das Leben jauer maden,
Es ift faum glaublich, mıt welcher Hart-
nädigfeit die Unfräuter ſich ausbreiten.
Hier hilft als Radifalmittel auch nur Um:
bruch und mehrjährige gründliche Boden-
bearbeitung, zu mweldem Zweck die Flügel»
egge durch Zerſchneiden und Berkleinern
der Schollen und mit diefen der Unkraut—⸗
wurzeln ganz vorzüglide Dienſte leiftet.
Wenn aud die finanziellen Erfolge der
eriten Jahre zu den kühnſten Erwartungen
verleiteten, jo fann doch jegt auf Grund
einer jehr eingehenden, jämtlihe Ausgaben
und Einnahmen für jede Gewanne gejondert
bringenden Buchführung gejagt werden, daß
die Berzinjung des Anlagefapitals, das jet
auf 80000 Markt angewachſen ift, zwar
eine jährlich wechſelnde, im Durchſchnitt
aber eine zufriedenſtellende iſt.
Wenn auch der Nutzen der Moorkulturen
in erſter Linie auf volkswirtſchaftlicher Seite
geſucht werden ſoll, ſo iſt doch mit Freuden
zu begrüßen, wenn auch ein finanzieller
Erfolg jolche Unternehmungen begünitigt.
(„Die Scholle”, 1907).
114
—
Sammlung bayerildy:pfälzifcher und anderer Münzen
und Medaillen.
Eine ungewöhnlich reihhaltige Samm:
fung von vorwiegend bayerifchen und pfäl-
zilhen und daran angeſchloſſenen ander-
mweitigen Münzen und Medaillen brachte die
Münzhandlung von Dr. Merzbacher Nachſ.
in Münden im Oftober ds. Is. zur Ver—
fteigerung.. An der Hand des dazu er-
ſchienenen Rataloges (1270 Stüd, mit 11
Lichtdrudtafeln) heben wir zur Gharafteri:
fierung der Sammlung einiges bejonders
Bemerfenswertes hervor:
Unter den Geprägen des Hauſes Habs-
burg und des Kaiſers Marimilian '. ragt
hervor, abgefehen von dem häufigeren Ber:
mählungstaler des jugendlihen Herrichers
mit Daria von Burgund 1479 von ıtalieni-
fcher Fabrik, ein noch mit fpätmittelalter:-
lihem Aſtwerk und Wappenformen gezierter
Scautaler mit beiderjeits tellerförmigem
Rande v. J. 1517, der bisher nur einmal
in einer Auktion Slebelsberg 1869 auf-
taudte. Gin dreifacher Stärntner Taler
Erzherzogs Ferdinand II. 1600 feiert dejlen
Bermählung mit Maria Anna, Brinzeifin
bon Bayern.
Eine Serie der von den berichiedenen
wittelsbachiſchen Regentenlinien anfangs aus
reinerem Silber, ſpäter geringhaltig ge
münzten Bfennige (darunter der jeltene
Straubinger Pfennig mit Pflug, gemeinfam
bon Herzog Johann IV. mit Sigmund |,
um 1460) zeigt die beharrliche Einförmig-
feit des bayerischen Münzweſens vor Ein-
führung eigener goldener und größerer
Silbermünzen 1506. Seltenheiten find
die vorliegenden Straubinger Goldgulden
1508/09; deögleichen von Wilhelm IV. und
Ludwig X. und der zugehörige Bierteltaler
diefer Herzoge von 1534; Die drei be-
kannten Varianten des eriten für den
Geldumlauf Seftimmten Talers der bayer.
Herzoge zu 72 Kreuzer 1557; eine filberne
Medaille des Nurfürften Mar mit Dar-
ftellung von Altmünchen, noch im Schmud
feiner Binnentürme von 9. Stadler in
Augsburg 1624; eine Halbtalerklippe des
Kurfürften Mar von 1624 (Unikum); fein
Heidelberger Doppeltaler 1626 und, eben-
falls in Heidelberg geprägt, die einzig be:
fannten doppelten und einfadhen Taler mit
dem Bruftbild desfelben Herrichers von 1627;
ferner deſſen in der Oberpfalz und andermeitig
auögegangenen geringhaltigen Stippermünzen.
Dann aus den Beiten nad dem großen
Kriege der Bifariatstaler von Kurfürft
Ferdinand. Maria mit Modonna und
Wappen 1657 und die zugehörigen Teil-
ftüde herunter bis zum os Xaler; von
Mar Emanuel die filberne Medaille auf
die Befreiung von Wien mit der Anſicht
diefer Stadt, wovor die vor dem dabin:
reitenden Sturfürften fliehenden Türken,
feine ın den Niederlanden (Namur) ge
ſchlagenen Münzen; aus der jpäteren Weu-
zeit die Dufaten aus Iſar-⸗, Inn-⸗, Donau-
und Rheingold; der erfte bayerijche Königs—
tufat von 1806; die Würzburger Hul-
dıqungsdufaten. Unter den Münzen und
miünzförmigen Grzeugniffen der Stifter,
Städte und Eleineren Herren zeichnen ſich
aus die Gepräge der Stifter Pallau und
Regensburg, diejenigen der Landgrafen von
Leuchtenberg , wir erwähnen den Reitertaler
der oberbayerifhen Grafen von Haag
(1549), die Amberger und Weidener Schieß—
flippen (1596 und 1604), Auch aus
gezeichnete Bamberger Stüde, jo ein Taler:
goldabichlag des Biſchofs Markward
Sebaſtian von Staufenberg 1687, Scau-
münzen mit Bildnis des Biſchofs Melchior
Otto Boit von Salzburg von Braun und
Nohleder mit Bamberger Stadtanſicht,
deögl. vom Bilhof Johann Philipp von
Gebſattel (1599 — 1609) ; vom Bifchof von
Speyer, Johann Hugo von Orsbed, ein
Gedenkftüf auf die Verwültung der Pfalz
durch die Franzofen 1689 mit Anficht der
brennenden Städte Speyer, Worms, Heidel-
berg u. a., gefchnitten von dem namhaften
Medailleur Bhil. Hrch. Müller in Augsburg.
Die pfälziichen mittelalterliden und
neuzeitlihen Serien enthalten 53. B. vom
„Winterfönig” Friedrich ein böhmiſches
10-Dufatenftüd (1620) und einen wohl
bisher unveröffentlibten Dufaten auf jeine
Krönung; auch die Frranfenthaler Belage:
rungsflippen von 1623 („®ott unfer Eck—
ftein”), zwei der geludten Heidelberger
Taßmedaillen, deren eine mit „Halt 200
Fuder, 3 Ohm, 4 Biertel“ den Inhalit
diejes berühmten Monftrums angibt, den
Pfälzer fog. Yotterie-Dufaten von Kurfürft
Karl Theodor (zwifchen 1740 1750) u.a.
Unter den verfchiedenen an die bayerifch-
pfälzifche Stolleftion angejchloffenen Objekten
begegnen wir einer Spezialfammlung über
Napoleon I., die gegen 300 Stück Schau—
münzen umfaßt, einer goldenen Borträt-
medaille des Mainzer Erzbiſchofs Wolfgang
von Dalberg (1582 — 1601), einer filbernen
Schauminze auf Guſtav Adolfs Yandung
in Deutjchland und Einnahme von Stettin
von dem pfälziihen Münzmeilter ©. T.
Baur in Kallmünz.
Eine badijche Serie von TO Stüdf mit
einem rätſelhaften, ſpätmittelalterlichen
Rechenpfennig mit badiſchem Schild und
einem Vierteltaler von 1519 anhebend
bringt u. a. einen wohl bisher unbekannten
badiſchen Carolin von 1734, auch eine
merkwürdige Kupferprobe zu einem nicht
erſchienenen Dukaten auf die Geburt eines
gleich wieder verſtorbenen Prinzen 1784,
eine Reihe der badiſchen Aheinjand: und
Rheingold Dufaten von 1807 bis 1854,
eine Meſſingmünze auf die erhoffte, aber
nicht eingetretene Wiedervereinigung Frei—
burgs im Breisgau mit Ofterreich (1815).
Wenn dieje und mande andere der ın
Merzbachers Katalog enthaltenen Selten.
heiten Werte von mehritelligen Zahlen ver-
treten mögen, jo braucht fich deshalb doc
der minderbemittelte Sammler nicht von
der Pflege jeiner Intereſſen abjchreden zu
laſſen. Der Boden der Mutter Erde
liefert alljährlich von der Antike herab bis
zur Neuzeit derart viele und umfangreiche
Münzfunde, daß 3. B. jelbit einem
jammelnden Schüler mit geringen Mitteln
möglich ift, eıne Serie von originalen Ge-
prägen berzuftellen, die die Entwidlung der
Geſchichte etwa der römijchen Republik und
der Kaiſerzeit darſtellt. Ebenjo iſt ein
guter Zeil der phantaftifchen oder wappen-
reihen Gepräge der vielen mittelalterlichen
Territorien und Städte im Handel noch
für billiges Geld zu haben. Unſere Gym-
najien, die ja im den legten Jahrzehnten
das veraltete Formelweſen der grammatijchen
Finneſſen zu Gunften der Lektüre und der
archäologifhen Anihauung in fteigendem
Maße zurücdgedrängt haben, fünnen alte
Geſchichte und das Leſen der Schriftfteller
115
—
ſchwerlich mehr greifbar anſchaulich er—
läutern als z. B. durch gelegentliche Vor-
führung eines römiſchen Republikdenares
etwa mit dem Kopfe des Seipio Nfricanus
Major, oder eines folden des „Sulla
Conſul“ mit dem Herrenjeffel (sella curulis)
und Augurenftab, oder des Cäſar mit der
Galliertrophäe, des M. Brutus mit der
von Lictoren begleiteten Konſul, des Nero
mit dem Sfanustempel, der für menige
Plennige im Handel erhältlichen konſtan—
tiniſchen Bronzemünzen mit dem Feldzeichen
des Labarums oder gar mit deutlichem
Ehriftogramm um. Wo Driginale nicht
da find, können die vom vberitorbenen
Konjervator des Münchener Kabinetts
Prof. Riggauer für Lehrzwecke zufammen:
geltellten Galvanonadbildungen, morunter
3. B. ein Aes grave (römiſches Schwer-
fupfer ufw. aushelfen. In Gngland,
Frankreich und Oſterreich ift das Sammeln
antifer Münzen gewiffermaßen als geiftiger
Erholungsiport viel weiter verbreitet als
bei uns. Es gibt viele Öfterreichiiche Klö—
fter und faum ein Gymnaſium im Saijer-
ftaat, das nicht jeine oft recht bedeutende
numismatiihe Sammlung hätte.
Vom Standpunfte der Freude an
heimatlicher Geſchichte oder Kleinkunſt fann
man ganze Reihen von den in der
Renaiflance- wie in der Barod: und Ro-
fofozeıt oft ganz vortrefflich und gejchmad-
voll gearbeiteten Kleinmünzen der ober»
deutjchen Neichsitädte und großen und
kleinen Gebiete, wie Salzburg, Tirol,
Montfort, Löwenſtein Wertheim, Branden-
burg in Franken, Deutfhorden in Mer:
gentheim uſw. noch in großen Mengen
haben, und wer zu juden weiß, erhält
derartige vaterländiiche Stleindenkmäler gar
zum Schmelzwert oder mit geringem Auf:
ſchlag darüber. In diejen kleinen Objekten
liegen eben auch, ähnlich wie ın den vielen
Kupferſtichen und Wadierungen der zahl-
reihen oberdeutihen Kleinmeiſter, große
fünftlerische und kulturgejchichtliche Bildungs»
momente, und Wenn man etwa einen
heutigen Reichsnidel neben einen Stadt-
Nürnberger-Kreuzer mit der Stadtanficht
von 1773 legt, jo ſieht man anſchaulich
flav, mie weit wir in der fünftlerichen
Ausftattung diefer Objekte des täglichen
Berfehrs zurückgegangen find. (M. N. N.)
116
Goldfund.
Der Landwirt Peter Grafinus in Ims—
weiler bei Rodfenhaujen ließ im Frühling
in feinem Hofe einen Prunnen graben,
wobei am 15. Juni etwa 80 cm unter
der Erde ein kleines Tonkrüglein zum Bor-
ſchein kam, das 39 Golditüde entbielt.
nah Feftftellung durd den Sekretär des
Hiftorischen Vereins, Bahnvermalter Heujer,
find es zumeift Goldgulden der vier
Rheinischen Kurſtaaten, und zwar 8 von
Köln, 6 von Trier, 14 von Mainz; und
drei von der Pfalz. Die übrigen 8 Stüd
waren ftädtiiche Brägungen, nämlich 5 von
Frankfurt a. M. und 3 von Bafel. Stein
einziges der 39 Goldſtücke trägt eine Jahres»
zahl; gemäß der Regierungszeit der Münz-
herren oder der auf den frädtijchen Münzen
angegebenen Saijer fällt die Prägezeit der
Golditüde in die Jahre von 1390 bis 1463.
Die Kölner Soldqulden haben zum Münz—
berrn Erzbiſchof Dietrih von Mörs (1414
bis 1463) und find gejchlagen in Riel,
Bonn und Rhenſe. Als Nurmainzer Münz-
herren meilen die Inſchriften der Münzen
den Grzbiihof Johann 1. von Nafjau
(1397 — 1419) und Konrad Ill. von Dhaun
(1419— 1434) auf, als Prägeorte Hödjit
und Bingen. Der Hurftaat Trier ift durd
Erzbiihof Werner von Falkenſtein ver- | nicht reines Gold, jondern legiert,
find unter fi gleich, fie tragen auf der
Hauptjeite das Bildnis des ftehenden Kur—
fürften Ludwig III. (1410-1436) und
wurden in Bacharadı geichlagen. Nur von
den Frankfurter Goldgulden find unter dem
deutichen König Sigismund geprägt (1410
bis 1433), einer unter König Friedrich IN.
(1440— 1451); beide Herrſcher ericheinen
noch mit dem Titel Rex auf den Frank.
furter Münzen. (Als gefrönter Kaiſer
regierte Sigismund erft von 1433 — 1437
und Friedrich Ill. von 1451- 1493). Die
Bajeler Goldgulden fallen in die Regierungs-
zeit Sigismunds und zwar einer in Die
Königszeit (Titel Rer), die zwei anderen
in die Kailerzeit (Titel Imperator). Nur
eine fleine Anzahl diejer 39 Goldftüde hat
einen numismatiihen Wert, und auch bei
diejen ift er jehr mäßig; denn gerade aus
der fraglichen Zeit murden jhon ungemein
viele Golditüde aus der Erde gegraben,
vor etwa 15 Jahren in Köln allein auf
einmal mehrere Tauſend Stüf, Die meijten
der in Imsweiler gefundenen Goldmünzen
haben nur den Schmelzwert. Das Gewicht
einer der Fundmünzen beträgt durchichnitt-
ih 35 Gramm, während ein 10 Marfftüd
4 Gramm wiegt. Die Goldgulden find
und
treten (1388 — 1418) und zwar mit Gold: | lange nicht jo feinhaltig als die ipäteren
gulden, die er in Koblenz und Obermeiel | Dufatenprägungen.
Ichlagen ließ. Die pfälziſchen Goldgulden
Bas berüchtigte franzöſiſche Yapiergeld
aus den Zeiten der Nevolution von 1792 | porteur Guyon*.
bis 1793 fommt auch hierzulande ab und
zu aus Berfteden zum Borjdein. Vor
furzem fand ein Yandmwirt ın eınem Dorfe
des Eistales wiederum eine Anzahl ſolcher
Bapierjcheine bei der Wenovierung eines |
Haufe vor. Es find Scheine aus der
erften Periode der Ausstellung, melde die |
Überfchrift „Domaines nationaux* tragen
und zwar find es Wertangaben von zehn
Livred und zehn Sous, erjtere aus dem
Jahre 1792 vom 24. Dftober, legtere vom
23. Mai 1793 gezeichnet „payable au
Belanntlih wurden
dieje Aſſignate jeinerzeit von der National-
verjammlung zur Tilgung der National:
Ichuld defrediert. Die Gemährleiitung war
aber fo unficher, daß der Kurs der Bapiere
ein jehr niedriger war und nach Robespieres
Tod auf Null ſank. Eine Schapanmeijung
auf zehn Sous, wie ein Teil der oben er:
wähnten NWifignate zeigt, fennzeichnet wohl
genügend den tiefen Verfall des franzöfifchen
Nationalwohlitandes der damaligen Zeit.
(Böhm, Bi. Br.)
—
117
—
Bu dem Bitumen-Borkommen bei Petersbächel.
Bon Dr. Häberle, Kl. Rech.-Rat, Heidelberg.
An der Mittagsausgabe der Pfälz. Prefie
vom 6. Auguft Nr.217 war berichtet worden,
daß in Petersbächel eine jonderbar geformte,
fotsähnliche Steinmafje gefunden worden jei,
die intenfiv nah Teer und Schwefel rieche
und ausgezeichnet brenne ; die badijche Anilin-
und Sodafabrif habe fie nach den einge»
fandten Proben für bituminöfen Sandftein
mit etwa 15 Proz. Bitumengehalt erklärt.
Die Vermutung lag nun nahe, das es
fih im vorliegenden Falle vielleiht um
Asphalt (Erdpech) handeln fünne, der die bei
Petersbächel auftretenden untern Schichten
des Mittleren (Haupt:) Buntjandfteins im:
prägniert hätte. Diejes Borfommen wäre
infofern einer gewifjen Beachtung wert ge
mejen, als bis jegt Asphalt im Buntjand-
ftein in unferer Gegend meines Wifjens
nur don Nöggerath 1824 von Außen bei
Saarlouis und kürzlich von Bütſchli in
einer Sitzung des Naturbhiftorifchen Vereins
zu Heidelberg von Malſch bei Raſtatt er-
mwähnt worden ift. Berbreiteter ift er auf
Erzgängen bezw. auf Klüften und in Drujen-
räumen des Melaphyrs bezw. Porphyrs.
Nach Teppla tritt er „an zahlreichen Stellen
im Kohlengebirge und Rotliegenden an der
Saar und Nahe und im Weſtrich jomohl
in den Schichtgefteinen, z. B. in den Stalf-
bänfen der unteren Aujeler Schichten bei
Rammelsbach ald aud in Eruptivgefteinen,
in Klumpen und Zropfen auf und fann
möglicherweife als ein verdichtetes gruben-
gasähnliches Produkt angejehen werden,
welches aus Berjegung der tiefer liegenden
Kohlenvorräte herrührt.“!)
Um mir nun ein eigenes Urteil über
diejen Fund zu bilden, ſchloß ich Peters
bächel in das Programm meiner diesjährigen
Herbftwanderung ein, bejuchte jedoch vorher
nod zu meiner information über derartige
Borfommniffe zuerst die Gasquelle bei
Büchelberg im Bienwald, wo ich jedoch öft-
Lich von der nach dem Ragebudel führenden
Waldſtraße gleich hinter dem Wıldgatter
dicht am Wege auf einer von Unfraut
überwucherten fleinen Lichtung nur nod
') Wegen ber Literatur vgl. Häberle, Pfälz.
Bibliographie I, S. 146 u. 147, unter „As—
pbalt” und „Erbpech”.
einen Schladenhaufen als Zeugen ehe—
maliger, mit Maſchinenkraft bewerfftelligter
Bohrtätigfeit, entdeden fonnte. Mit diejem
Erfolg wenig zufrieden, wanderte id dann
zu den Asphaltgruben bei Lobſann und in
das Olgebiet von Pechelbronn, wo ich mid)
überall gründlihd umjah. So gewappnet,
richtete ich auf Ummegen meine Schritte
nach Betersbächel und ftelte auf dem Wege
dahın feft, daß es fich bei dem mir von
Nieder- Steinbad berichteten bugenweijen
Auftreten von „Asphalt“ im Buntjandftein
lediglih um den befannten, von Mangan
Sceinfriftallen durdjegten „Pſeudomor—
phojenjandftein” handelte.
In Petersbächel angelangt, ſtieß ich
gleich am ſüdlichen Dorfende auf die be—
treffende Stelle. Zwiſchen dem Walddiſtrikt
Wolfsſchachen, einem Ausläufer des ſagen—
berühmten Maimont, und dem fürzlich ab-
gebrannten Anmwejen von Ehriftian Homiller
dehnen ſich auf den geröllführenden Schichten
zwijchen dem mittleren und unteren Bunt-
jandftein die „Üder ober dem Dorfe“ aus,
Hier ftößt man überall auf dunfel gefärbte
Leſeſtücke, die teils aus jchiefrigen, von
Bitumen durchſetzten Sandfteinen, teild aus
vielen Eleinen, durch dasjelbe Material feft
zufammengebadenen Geröllftüden bejtehen.
Durch zahlreihe Schürfungen wurde nun
von mir feitgeftellt, daß etwa ein Fuß
unter der kärglichen Aderfrume fidh eine
zwifchen 5—10 cm ftarfe Dedfe aus dem
beichriebenen zähen Material ausbreitet,
aus der die Leſeſtücke durch den Feldbau
an die Oberfläche befördert worden waren.
Stärfer waren die Ablagerungen im Hofe
von Homiller, wo fie bei den Abräumungs-
arbeiten nad dem Brande zutage getreten
waren und bei den von mir vorgenommenen
Nachgrabungen eine mehr fiodförmige An-
bäufung erkennen ließen. Beim Losbrechen
und Berjchlagen entftrömte den conglomerat-
artigen jchwarzen, vielfach zelligen Stüden,
die Schon äußerlich mit dem mir von Yobjann
ın jeinen verjchiedenen Scattierungen be-
fannten Asphalt feine Ähnlichkeit beſaßen
und aud) im fochenden Waſſer und Betroleum
feine Veränderung erfuhren, ein intenfiver
Gerud. Diejer erinnerte lebhaft an Wagen
— 18 —
ſchmiere, wie fie früher im befonderen Harz»
ofen aus fienhaltigem Holz hergeftellt wurde,
Dies brachte mich auf den Gedanken,
daß es fich vielleicht um die Spuren eines
großen Betriebes zur Gewinnung von Harz
aus Fichtenholz gehandelt haben könnte,
doch machte mich die Ausdehnung der Ab-
lagerung — etwa 120: 50 Meter — ftußig.
Außerdem ſoll früher nad) Angabe des
älteften Mannes im Dorje in deſſen Um:
gebung nur Laubwald beftanden haben;
jomit hätte die Quelle zum Bezug des
Berriebömaterials gefehlt. Wie ich aber
durch weitere Ilmfragen feftjtellen konnte,
joll trogdem früher in Petersbächel ein
Harzofen beftanden haben. Erneutes Ab»
fuhen des Feldes ließ mich endlich ge-
brannte Tonftüde finden, wie fie nur aus
der Ausfleidung eines Harzofens herrühren
fonnten; außerdem ftieß ich bei meiterem
Nachgraben im Hofe von Homiller direft
unter den Ablagerungen auf gebrannten
Ton und endlih in der zähen, jchwarzen
Maſſe ſelbſt auf Holzſtückchen umd einen
Biegelbroden, Hierdurch wurde ed mir zur
Gemwißheit, daß es fich bei diefer unter der Ader-
krume verborgenen und weitausgedehnten bitu-
minöſen Ablagerung lediglich nur um die Ab-
gänge eines großen Betriebes zur Gewinnung
von Harz aus Fichtenholz handeln kann.
Diefe von mir in der Pfälz. Brefle
vom 18, Auguſt 1908 Nr. 229 Mittags-
ausgabe niedergelegte Auffaffung murde
jpäter durch eine in derielben Zeitung unterm
16. Sept. 1908 Nr. 258 Morgenausgabe
erichienene Notiz vollkommen beftätigt.
„In Übereinftimmung mit den Aus-
führungen unjeres pfälzifchen Yandsmannes
Dr. Häberle hat fih laut „U. 9.” nun aud)
die geognoſtiſche Abteilung des Kgl. Ober-
bergamte® in Wünchen, der Proben der
gefundenen Mafle von Intereſſenten zuge-
jandt worden waren, mie folgt gutachtlich
geäußert: „Die überjandte, von pehähnlichem
Stoffe durchſetzte Brobe eines loderen, jan-
digen Konglomerats verrät jchon durch ıhren
Geruch, der an die Pflanzenharze ım ge-
wöhnlichen Schuhmaderpedh erinnert, daß
bier feın dem Wetroleum vermandtes oder
davon abitammendes Produkt vorliegt. Dies
beftätigt auch das fonftige phyſikaliſche und
chemiſche Berhalten: die leichte Löslichkeit
der Subftanz im abjoluten Alkohol, die
rafhe und ftarfe Färbung, die fih nad
dem Zuſatz von fonzentrierter Schwefel:
fäure ergibt, find Eigenſchaften, die den
Mineralharzen fremd find. Die einge-
ſchickten Proben ermeilen fih ſonach als
bon vegetabiliihen Harzbeitandteilen
fünftlih durdjegte Erdmafien.
Aus der geologiichen Karte ift zu entnehmen,
daß am jüdlichen Ende von Petersbächel
ein Aluvialftreifen hinzieht. Es ift dadurd
wahrſcheinlich, daß aud) das konglomeratiſche
Stüd, worauf ſchon deffen Ausjehen deutet,
gar nicht dem fog. gerwachjenen Boden, jondern
einer Aufihüttungsmafle entſtammt.“
Ähnliche Reſte werden noch vielfach in
unferen Wäldern unter der Humusdede be:
graben liegen. So fchreibt 3. B. Herr Brof.
Dr. Mehlis in der Pf. Br. vom 20. Aug. 1908
Nr. 231, Mittagsausgabe, folgendermaßen:
„Die Unficht des Kl. Rehnungsrates
Dr. Häberle von der Provenienz der
Petersbächeler „Steinmaſſe“ fann
ih durch einen Barallelfund fichern.
Am September 1906 fand ich in Gegen:
wart von Direftor Baumerfer jüdlich vom
Bauweſen des Eiheljheidter Hofes
und zwar direft neben einer präbiftorijchen
Grabhügelgruppe einen vunden Bau aui.
Sein Äußeres beftand in einem Ddiden
Tonmantel, fein Inneres neben Holzkohlen,
Aſche, Lehm in bitumindjfen Mafjen, die
ftart nah Teer rohen, zweifellos die
Rudera eines Harzofens „Sarzofen“,
„Harzoſendelle“ ericheint öfters als Orts
name im Gebiet des Pfälzerwaldes und
des Schwarzmwaldes." Cine ähnliche bitu-
minöſe Mafje wurde kürzlich auch auf dem
Daubenbornerhof bei Rodungsarbeiten in
der Nähe eines alten Harzofens ausgegraben.
Von einem mit ſolchen Borkommmiſſen
in Beziehung ftehenden Fund wird audı
von Stauf berichtet. Hier legten nach frdi.
Mitteilung von Herm gl. Förfter
Siebeder in einer mweftlih von jenem Dori
gelegenen Waldabteilung vor einigen Jahren
mit Steinbredhen beichäftigte Urbeiter eine
geichwärzte, von zahlreichen, Eünftlich ber:
geftellten Rinnen bededte Steinplatte frei,
die nach eigener Anſchauung nur als Um
terlage für einen zur Gewinnung von
Teer beftimmten Betrieb gedient haben kann
ob jenesmal auch Bitumenrefte zum Vorſchein
famen, entzieht fi) meiner Kenntnis.
—
Bon brennbaren „Steinen“ wurde mir
übrigend auch von einer Stelle zwiſchen
Neisler-ForftHaus und der Saarbachquelle,
jomie von der Langmühle bei Lemberg be-
richtet, wo beim Ausjhadhten der Fun:
damente, für die dort befindliche Wirtichaft
im alten Weiherboden ein brennbares
Material zu Tage gefördert worden jei.
Im erfteren Falle handelt es ſich, mie ich
mich jelbft an Ort und Stelle überzeugte,
119
fritteten) Sandftein aus einem alten indu-
itriellen Betriebe (Stohlenmeiler, Glas»
hütte?); auf der Langmühle konnte mir
leider bei meiner Nachfrage eine Probe
nit zur Verfügung geftellt werden; ich
vermag mir aljo über diejes Vorkommen
fein Urteil zu erlauben.
Für eine techniiche Verwertung fommen
übrigens die oben bejchriebenen, von Harzbe»
ftandteilen durdhjegten Erdmafjen wegen ihrer
meift geringen Mächtigfeit faum in Betradt.
Zur Geſchichte der Luftſchiffahrt in der Pfalz.
Bon Dr. U. Becker (Ludwigshafen a. Rh.).
In diefen Tagen, mo das Gefühl des | Eonnte, der den Mut hatte, einen ſolchen
Stolzes über Zeppelins Erfolge jedes
Deutfhen Bruft jchwellt, mag an eine
längft hinter uns liegende Zeit erinnert
werden, die dem damals neuen Problem der
|
|
|
Luftihiffahrt mit gleichem Intereſſe begegnete. |
Als im Jahre 1783 die
Montgolfier ähnliche Triumphe feierten
wie heute Graf Zeppelin, machte die neue |
Erfindung auf die ganze gebildete ‚Welt
tiefen Eindruck. Zwei klaſſiſche Zeugen
jener Ereigniſſe, Goethe und Wieland,
braten 3 DB. den Montgolfieren und
Charlieren, leidenfchaftliche Teilnahme ent-
gegen und Wieland bejonders pries die
Erfindung in verjchiedenen Arbeiten als
das Höchſte, was Menſchenwitz und Men-
Ichenkunft jeit Erfindung der Waſſerſchiff—
fahrt hervorgebracht habe: „Eine Art Quft-
fahrzeug, deſſen bloße Möglichkeit behaupten
zu hören nur ſechs Monate zuvor jeden
großen und Fleinen Naturforfcher lächeln
gemadt hätte, mit
einer vom Winde getriebenen Wolfe hoc)
in den Lüften daher fchwimmen zu jehen
ein jo großes, jo munderbares, jo
fchauerliches, jo einziges Schaufpiel muß in
feiner erjten Neuheit, da es alle Spring-
federn der Einbildungsfraft und des Her-
zens zugleich jpielen macht und alle Arten
von Leidenjchaft, die das Gefühl des Er-
habenen entzünden fann, in eine einzige,
nie zuvor gefannte Empfindung zujammen-
Ichmilzt, bei jedem, der etwas mehr Seele
als eine Aufter hat, einen Grad von Ent»
züden bervorbringen, der nur dur das
Wonnegefühl desjenigen übertroffen werden
der Geichmwindigfeit |
Brüder |
' Berfude
Verſuch ſelbſt zu machen, nadhdem er die
Talente und Senntniffe gehabt hatte, die
Mittel dazu zu erfinden.” Man wiegte fidh
in dem Gedanfen nun bald die Luft im
lenfbaren Schiff durdhqueren zu fünnen
und geradezu prophetiſch Flingen Wielands
Worte in feinen ‚Aronauten:“ „Ob die mit
jo vielem Geräufch angefündigte Landung
in Großbritannien und Irland einer Luft-
flotte gelingen dürfte, wird die Zeit lehren.
Gewiß ift, daß der ausfchließliche Beſitz
einer jolchen Yuftmarine die frangöfiiche
Republif dem ganzen Erdboden jo gefähr-
lic) machen würde, daß dieſer einzige Grund
die jämtlihen übrigen Mächte in die un»
umgängliche Notwendigkeit jegen müßte, alle
ihre Kräfte zu gänzlicher Beritörung der-
jelben zu vereinigen.”
Wenn nächſtens Zeppelins Luftſchiff über
unſerer Gegend ſchwebt, ſo mag man ſich
daran erinnern, daß Montgolfiers Erfindung
wie überall ſo hier in der Pfalz 1784
großes Aufſehen erregte und die Veran—
laſſung gab, daß man hier am Rhein ſelbſt
mit Luftſchiffen anſtellte.
Freilich waren es nur Ballons aus Papier,
von der ſprachreinigenden Deutſchen Geſell⸗
ſchaft in Mannheim „Luftballen“ genannt,
die mit einer „Leuchtpfanne“ verſehen und
unbemannt in die Lüfte ſtiegen. Um dieſe
Verſuche machte ſich beſonders der Pfälzer
Meteorologe und Phyſiker Johann Jakob
Hemmer (1733—1790) aus Horbach bei
Bergzabern verdient, derjelbe, der auch die
Bligableiter in unjerer Gegend einführte.
Neben Hemmer ift dann der Adminijtrationg-
rat Joh. Andreas dv. Traitteur zu nennen.
Es ift von mir zuerft darauf hingewieſen
worden (Schiller und die Pfalz S. 41), daß
auch Schiller Zeuge der Hemmer'ſchen Ber-
ſuche mit Quftballons war und daß eine
früher nicht erklärte Briefitelle ſich hierauf
bezieht. Am 14. April 1784 fchrieb Schiller
von Mannheim aus an Knigge, den Ber-
fafjer des befannten Buches über den Um—
gang mit Meniden: „.. . Sollten Sie
vielleiht auch ein Zeuge des unglüdlichen
Brandes gewejen jeyn, der die Erwartung
des Herrn Hemmers in die Quft genommen,
jo bedauerte ih mich, Sie verfehlt zu ha—
ben..." Auf diefe Stelle fällt Licht,
wenn man folgende Notiz aus der alten
Mannheimer Zeitung daneben hält.
Diefe berichtet am 14. April 1784, aljo
am gleihen Tage: „Heute Mittag um 12
Uhr nahm Herr Brofeffor Hemmer die
neulih angekündigten Berjuhe mit dem
Luftballen in dem Schloßhofe wirklich vor.
Der fleinere von 18 Bollen im Durch—
mefjer, der mit brennender Luft gefüllt
war, entſprach der Erwartung der Zujchauer
vollftommen. Er erhob fich anfänglich lang:
jam, hernach jehr jchnell und ftieg zu ſolcher
Höhe empor, dak ihn endlich auch das
ihärfte Auge verlor. Der größere war
von Papier und hatte 20 Schuhe im
Durchmeſſer. Als man ihn nach angehäng:
tem Ofen füllen wollte, erhob fidh ein hef—
tiger Wind, der ihn gewaltig auf die Seite
trieb. Wie wohl nun die Flamme jchon
fehr hoch aus dem Dfen ftieg, jo murde
der Ballen doch durch gute Handanlegung
vor aller Verlegung des Feuers völlig ver-
mwahrt, aber der anhaltenden Gewalt des
Windes konnte er endlih nicht mehr wider:
ftehen, und diefer zerriß ihn in 2 Stüde.” Wir
mwifjen von meiteren Verſuchen in Seidel»
berg, Schweßingen, Germersheim, Burr-
mweiler bei Landau und anderen Orten.
Daß aud) Herr v. Traitteur, der haupt»
fähhlich in Heidelberg, aber auch bei Yandau
operierte, mit feinen Verſuchen nicht immer
120
Glück hatte, bemeift folgender in Heidelberg
£olportierte Spottvers, deſſen Kenntnis wir
den Mannheimer Geichichtsblättern (1906
Sp. 201) verdanken:
en Tretter, Herr Tretter
er Luftballon ſchlagt wedder,
ätt’ er unne mehr eneigebloje,
är’ er owe net ang'ſtoße!
Bejonders interefjant erjcheint die in der
Mannheimer Zeitung vom 21. Nov, 1784 ent:
haltene Nachricht über einen Verſuch nahe bei
der alten Rheinſchanze. Da heißt es:
„Geſtern Nachmittag ließ Herr Haupt-
mann Glosmann einen Luftballen von
66 Schuh Höhe auf den Mundenheimer
Wiejen dem kurfürftlichen Schlofje gegenüber
fteigen.. Ihre 8. Durchlaucht nebſt der
anmejenden Herzogl. Durdlaudt (von Zwei:
brüden) jahen diejem Schaujpiele mit vielem
Vergnügen und höchſtem Beifalle aus dem
Sclofje zu. Diejer außerordentlich große
mit vielem Fleiße verfertigte Ballen, der
an Größe wohl alle Yuftballen in Deutid-
land übertroffen haben mag, itieg anfänglich
aufwärts öftlich gegen das Schloß hinüber
und ftellte fich dadurdh den Durdl. Herr
ſchaften näher vor Augen, endlich aber nahm
er gleihjam wieder rückwärts in unermeh-
liher Höhe feinen Gang gegen Süd, zum
Bemweile wie in den verjhiedenen Höhen die
Luftſtröme verjchieden find. Er war, ehe man
jein Sinken bewerfte, bei einer Biertelftunde
faum in der Größe des vollen Mondes fichtbar
und mag in diejer kurzen Beit einen Raum
von mehr ald 8 Stunden durdlaufen haben.
Es war eine Gondel mit einer au
geftopften Figur zum Anhängen in Be
reitfchaft, da aber verjchiedene Umſtände
und bejonders die durch vorheriges Schnee-
geitöber verurjachte Näffe einige Vorſicht
anrieten, jo wurde das Schiff weggelafjen.“
Welch ein gewaltiger Schritt von jenen
beijcheidenen Anfängen zu dem weltbemwegen-
den Rekord des Grafen Beppelin, den zu
erleben jchon den Urenfeln jener Beugen
der Hemmerichen Verſuche vergönnt ıfti
Dndalt: Mitteilungen aus dem Landſtuhler Gebrüh. — Sammlung baheriſch pfälziſcher
und anderer Münzen und
ebaillen. — Goldfund.
— Das berüdtigte franzöfifche Papiergeld. —
Bu dem Bitumenvorfommen bei Vetersbächel. — Zur Geſchichte der Luftſchiffahrt in der Balz.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Hermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Ymbalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich.
(Unverlongte Manuftripte werben nicht zurüdgelandt.)
Die Wfalziſche Heimatkunde” Toftet jährlich in 12 Heften ME. 2.50. VBeellungen werden von allen Buchhandlungen amd
Boftanftalten ferner vom Berleger (Bortofrete Streifbandiendung) angenommen.
IV. Jahrgang.
Nummer 11 u. 12.
November-Dezember 1908.
IPALZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
U
FÜR SCHULE UND HAUS.
EMANEHEMICH:
—
—
X
Stand und Entwickelung der bayeriſchen Montaninduſtrie.
Unter dieſem Titel veröffentlicht ſo—
eben das kgl. bayr. Statiſtiſche Bureau
in Heft 70 der Beiträge zur Statiſtik
des Königreichs Bayern eine Arbeit, in
welcher an Hand der Statiftif die baye-
riihe Montaninduftrie eingehend tertlich
und tabellariih ſowie durch eine arte
dargeftellt wird.
Gegenftand der Unterjuhung find die
vier Hauptzweige der Montaninduitrie:
Bergbau (Mineralfohlen und Bitumen,
Erze, Steinjalz, Steine und (Erden),
Salzgewinnung (Siedeialz, Glauberjalz,
ſchwefelſaure Tonerde x.), Hüttenweſen
(Roheifen, Schmwefeljäure, Vitriol und
Potee) und Berarbeitung des Roheiſens
(Buß, Schmweiß- und Flußeiſen). Die
genannten Dlontaninduftriezmweige werden
in vorliegender Arbeit nechildert nad)
der geographiichen Verbreitung in Bayern,
nad der Größe der einichlägigen Betriebe
unter Berüdfihtigung der Belegichaft ſo—
wie indbejondere nad; dem Umfang der
Produktion. Soweit tunlid, find die
entiprechenden Zahlen bis zum Jahre
1870 zurüd wiedergegeben. Auf dieje
Weile iſt nicht bloß der Stand, fondern
zugleich die während der legten Yahr-
zehnte erfolgte Entwidlung der baye-
riſchen Montaninduftrie veranihaulidt.
In einem zweiten Abichnitt wird die
Belegihaft der vier Hauptzweige der
Montaninduftrie noch bejonders behandelt,
wobei auf die Arbeitöverhältniffe in den
Bergwerken ſowie auf das Knappicafts-
wejen weiter eingegangen wird.
Am ganzen fommen für die bayerische
Montaninduftrie 1778 Werke mit einer
Belegihaft von über 40000 Arbeitern
in Retradt. Die Produktion der baye-
riihen Montaninduftrie bezifferte fih im
an 1907 auf rund 6,7 Millionen
onnen mit einem Wert von 109 Mil-
lionen Mark. An dieſen Bahlen find
von den 4 Hauptgruppen der Montan«
induftrie am meilten die Eiſenhütten—
induftrie (WBerarbeitung des Roheiſens)
und der Bergbau beteiligt:
— en
Beleg: enge ert
Werke nat Bir ME.
Bergbau . . 1651 26898 6022606 36921719
bievon Steine
und Erben . 1597 16801 4148129 16806319
Salzgewinn⸗
ung aus wäſ⸗
ferig. Löfung 9 592 80543 4810867
ütten. - » 9 879 241918 13230161
erarbeitung
379679 54880729
109 343 467
d. Roheiſens 109 11983
Summa 1778 40352 6694746
biev. Staatd-
betrieb . . 21 4147 643835 12278571
Privatbetriebe 1757 36205 6050911 97064896
Was die geographiiche Verbreitung
der Montaninduftrie in Bayern betrifft,
jo fteht unter den Regierungsbezirfen an
eriter Stelle die Pfalz mit einer Pro-
duktion von 44,3 Millionen Mark oder
zweifünftel (40,5 Prozent) der gejamten
—
Montanproduktion Bayerns; es folgen
dann der Reihe nach:
Produltionswert
1000 Mk. Proz.
Oberpfalz 23156 21,2
Oberbayern . 14478 132
Mittelfranfen . 10 291 94
Unterfranfen 5 367 4,9
Schwaben . 4682 45
Oberfranfen 4277 39
Niederbayern . 2800 26
Für den bayeriihen Kohlenberg—
bau kommen 20 Werke in Frage mit
einer Belegihaft von fait 9000 Mann,
einer Produktion von 1,8 Millionen
Tonnen oder von 18,6 Millionen Mart.
Bon diejen Zahlen treffen
Produktion
Beleg⸗ Menge Wert
auf Werte ſchaft Tonnen Mt.
Stein- u. Pech⸗
fohlenbergb. 14 8184 1485895 17768085
Braunfoblen-
bergbau. „. 6 683 28626 852260
Die hauptiählichiten Stein: und Bed-
£oblenbergwerte liegen in Oberbayern und
in der Pfalz:
. * ———
eleg- enge er
Werte cart Tonnen Mt.
Oberbayern. 7 4082 780739 8757946
Bra... 5 3881 681967 8674508
Oberpfalz”). 1 4 _ —
Oberfranfen 1 2733190 335631
Königreich . 14 8154 1495 896 17 768 085
biev. Staat$-
betrieb. . 3 2661 499189 6292 1%0
Privatbetrieb 11 5523 996 707 11475965
Die Braunfohlenproduftion,
die immer noch — troß des raihen Auf-
ſchwungs in den legten 4 Jahren —
von geringer Bedeutung tft, verteilt fich
im wejentlihen auf Unterfranten (66
Prozent der Menge nad) und die Ober:
pfalz (33 Prozent); auf Oberbayern ent-
fällt 1 Prozent.
Rechnet man von der Gejamtproduf:
tion den SHaldenverluft und Selbſtver—
brauch der Werke ab, fo ergibt fich für
die Steinkohlenbergwerke eıne abjagfähige
Produktion von 1327405 Tonnen und
für die Braunfohlenbergwerfe eine ſolche
von 256755 Tonnen, im ganzen alio
eine abjagfähige Kohlenproduftion von
1584 160 Tonnen.
*) Der Betrieb der Oberpfalz wurde bereits
anfangs 1907 wieder eingeitellt.
122
Am Gegeniag zu der Braunfohlen-
produktion bat die Steinkohlen
produftion Bayernd eine erheblide
Steigerung erfahren:
Steinfohlenbergbau jeit 1848:
Abfagfähige Produktion
Beleg: Menge Wert
Jahr Werke nat Tonnen Mt.
184859 — 195 110596 826 002
185960 — 2142 205 648 183157*
1870 53 29755 361 254 3321519
1880 24 3351 529079 4639 863
1890 23 4338 740 753 7 9700%
1900 14 6757 1078837 12 609 215
1907 14 8184 1327405 16 877 281
Allerdings reicht die Kohlenproduktion
des Landes bei weitem nicht hin, um den
geiamten heimiichen Kohlenbedarf —
von Gewerbe, Induſtrie, Eiſenbahnen,
Privathaushaltungen 2c. — felbit zu be:
friedigen. Es iſt hierfür no eine jehr
beträchtlihe Zufuhr erforderlich; vier
Fünftel des Steinfohlenbedarfs und nicht
weniger als '?j2. des Braunfohlenbedarft
muß von auswärts bezogen werden.
Durch dieſe Kohlenarmut befindet ſich
Bayern in feiner volkswirtſchaftlichen
Entwidlung jehr im Nachteil gegenüber
anderen Gebieten des Reiches, deren
Kohlenproduftion zum Zeil das Sfache
(Sadjen) und das 100fache (Preußen)
der bayeriichen beträgt.
Bedeutender ald Bayerns Kohlen:
produktion ift jeine Eifenhüttenim-
duftrie. Freilich ift auch fie im Ver—
gleich zur übrigen deutichen Eifenhütten-
produktion nur geringfügig; fie machte
im Jahre 1907 2,5% der Produktion
des deutſchen Reiches aus. Am Jahre
1907 gehörten der bayeriſchen Eiſen—
hütteninduftrie 109 Werte an, mit
einer Belegihaft von i2000 Arbeitern;
fie produzierten aus Roheiſen run)
350000 Tonnen Gußeilen zmeıter
Schmelzung, Schweiß: und Flutzeiſen im
Werte von 54,9 Millionen Mark. Den
bedeutenditen Anteil an dieſen Summen
bat die Rheinpfalz, wo die für die
Eijeninduftrie jo wichtige Vorbedingung
der billigen Kohle (Produktion im eigenen
Lande und im nahegelegenen Saarrevier
ſowie billiger Transport per Schiff aus
den Ruhrrevier) gegeben ift. Auf die
— 13 —
8 Regierungsbezirke verteilt fi die Pro-
duktion der Eifenhütteninduftrie wie folgt:
Produktionswert
Mt. Proz.
Blal . » .» . 22662816 41,3
Oberpfalz 12176788 22,2
Mittelfranten . 7696626 14,0
Schwaben 4151232 7,6
Oberbayern. . 3505980 6,4
Oberfranfen 2432563 4A
Unterfranten 2092044 3,8
Niederbayern 162672 05
Die Fortichritte, welche die bayeriiche
Hütteninduftrie in den legten Sahr-
zehnten gemacht hat, find an ſich erfreu-
(ih. Es betrug die einfchlägige Produf-
tion Bayerns
im Jahre Tonnen im Werte von Mei.
1870 69717 15 026 806
1880 100 224 17 045 687
1890 178 663 28 020 715
1900 276501 44 895 231
1907 349 679 54 830 720
In Ergänzung geben wir nachjtehend
nod eine Weberfiht über die Montan-
induftrie der Pfalz.
In der Pfalz ftanden im Jahre 1907
im ganzen 561 zur Montaninduftrie ge:
hörige Werke in Betrieb; fie hatten eine
durchſchnittliche täglihe Belegſchaft von
14421 Arbeitern und produzierten
2159880 RTonnen im Werte von
44,4 Millionen ME. An diejen Bahlen
partizipieren im einzelnen:
an ——
Beleg⸗ enge ert
Werke ſchaft Tonnen ME.
Bergbau 624 8920 1836596 13016981
bievon Steine
und Erden 518 4994 1198218 4654663
Salzgewinn-
ung ausmäj-
ferig. Löfung 3 348 34888 2256 751
er .. 3 314 138691 6356140
erarbeitung
d. Roheiſens 21 4839 151485 22662816
Summa 561 14421 2159880 44292688
Für den Bergbau im engeren Sinn
fommen 6 Werke, 5 Steinktohlen-
bergwerfe und ein Kupfererzbergwerk
in — Die 5 Steinkohlenbergwerke
förderten bei einer Belegſchaft von
3881 Mann 681967 Tonnen im Werte
von 8674508 ME. (d. i. 46 Proz. der
Menge und 49 Proz. dem Werte nad
von der Produktion de3 gefamten König-
reihe). Rechnet man den Haldenverluft
und Gelbftverbrauh der Werke ab, fo
ergibt fih eine abjagfähige Jahres—
produktion von 633378 Tonnen im
Werte von 8317318 ME Kür das
erite Halbjahr 1908 beziffert ſich Die
pfälziihe Steinkohlen » Produktion auf
323956 Tonnen gegen 333770 Tonnen
im gleichen Zeitraum des Jahres 1907.
Seit dem Jahre 1870 hat der pfälziiche
Steintohlenbergbau jehr namhafte *
ſchritte gemacht:
Produktion
Jahr Menge Tonnen Wert Mt.
1870 170 699 1605 791
1880 176 753 1483 098
1890 243 896 3074273
1900 461689 5915943
1907 633 878 8317318
An Steinen und Erden, auf
welche fi die oben genannte Arbeit —
im Gegenjag zur Montanftatiitit des
Deutihen Reiches — eritredt, kommen
für die Pfalz folgende Arten in Betradt:
PBroduftion i. %. 1907
Menge Tonnen Wert Mt.
Dder und Fyarberde . 250 5.000
—— Tonerde . . 232225 1390 320
Khmweripat . . . . .» 3500 17500
Kalkſtein und Dolomit . 167271 148415
Sandjftein ... 286752 1436 610
Bajalt 26050 39 500
Gtunlt . 2 2 2020. .62659 126 530
Melaphyr, Porphyr,
Diabas,Hornblendegeftein
Serpentin . .» .» . 425058 1360 084
Duarzfand . 44453 130 704
Summa 1198218 4654 663
Die ziemlich beträchtliche Summe von
23 Millionen ME, welde für Die
Salzgemwinnung aus wäfleriger Lö—
fung nadgemwiejen ift, kommt in der
Hauptjahe der Produktion von ſchwe—
felfaurer Tonerde zu. Die in der
Pfalz gewonnene ſchwefelſaure Tonerde
madt allein mehr als die Hälfte (57,9
Proz. i. %. 1907) der Produktion des
Deutihen Reiches aus,
Für das pfälziihe Hüttenweſen
kommt nur die Shmweljäurefabrifation
in Ludwigshafen in Frage. Die Pro-
duktion der drei daran beteiligten Werke
bezifferte fih i. %. 1907 auf 136911
Tonnen im Werte von 6356140 ME.
Die pfälziſche Schwefelfäureproduktion
maht rund 96 Proz. der in ganz
Bayern hergeitellten aus.
Der wichtigſte Montaninduftriezweig
unferer Pfalz ift die Verarbeitung
von Robeifen (zu Gußeiſen zweiter
Schmelzung, Schweiß- und Slußeifen.)
Am Jahre 1907 waren an der hier ein-
ihlägigen Eifenhütteninduftrie im ganzen
31 Werke beteiligt; fie produzierten bei
einer Belegihaft von 4839 Arbeitern
151485 Tonnen im Werte von
22662816 ME., d. i. 41,3 Proz, von
der Produktion des gefanıten Königreichs.
Seit dem Jahre 1870 Hat fich die
pfälziiche Eileninduftrie ganz gemaltig
gehoben.
Roheifenverarbeitung in der Pfalz
feit 1870:
Brobuftion
Jahr Menge Tonnen Wert ME.
1870 24 173 4562172
1880 36 276 5811051
18% 61 487 9428 154
1900 129 066 19 102485
1907 151485
22662810
124° —
Diefe bedeutende Eifenindujtrie der
Pfalz beruht im wejentlihen auf der
billigen Beihaffung von Kohle — einer»
feitö durch Produktion im eignen Lande
bezw. im nahen Saarrevier, andererjeitö
durch billigen Waflertransport aus dem
Ruhrrevier.
In dieſem Umſtand iſt der Grund
zu füchen, weshalb die Eiſeninduſtrie der
Pfalz gegenüber den anderen bayeriichen
Negierungsbezirken, die hinſichtlich der
Beihaffung von billigerev Kohle viel
ungünftiger daran find, einen jo bedeu-
tenden Boriprung Hat. Doch ftcht ım
abjehbarer Zeit für das rechtsrheiniiche
Bayern zu erhoffen, daß ed durch die
Mobilifierung feiner Waſſerkräfte und
fomit durch die Erſchließung feiner
reihen Schäge an weißer Kohle, zu
einer ähnlichen indujtriellen Bedeutung
gelangt. (Pf. Br.)
Bu dem angeblichen Betroleumvorkommen bei Petersbächel.
Bon Dr. Häberle, Kl. Rech.Rat, Heidelberg.
Nachdem aufgrund des Gutachtens der
geognoftiichen Abteilung des Oberberg-
amtes zu Münden in Uebereinftimmung
mit der von mir bereitö früher gegebenen
Erklärung das Bitumenvorfommen
bei Petersbächel unzweifelhaft auf
einen dort betriebenen Harzofen zurüd-
zuführen ift, find auch die von Lokal.
patrioten daran gefnüpften Hoffnungen
für das Auftreten von Betroleum
binfällig geworden. Die erſte Nachricht
darüber, welche die Kunde durch fait alle
pfälziihen Blätter machte, brachte das
„Birmafenfer Tageblatt” vom 14. Aug.
in einer Korreipondenz von Petersbächel
mit folgenden Worten: „Hier ift Petro-
leum in der Erde Eonitattert worden,
fodaß auf eine Ausbeute zu hoffen fein
dürfte.” Die Eröffnung einer Raffinerie
als Konkurrenz-Unternehmen gegen das
unmeit im Glhah gelegene Pechelbronn
ihien nur eine Frage der Zeit zu fein.
Da aber Petersbähel im Buntfandftein-
** liegt und infolgedeſſen die geo—
ogiſchen Verhältniſſe durchaus nicht für
das Vorkommen von Petroleum ſprechen,
mußte dieſe Nachricht doch bei manchem
Leſer berechtigte Zweifel hervorrufen.
Durch meine Unterſuchungen an Ort
und Stelle wurden dieſe dann auch be—
ſtätigt. Unterhalb des Dorfes befindet
ſich nämlich eine etwas ſumpfige, von
Gräben durchzogene Wieſe, auf der ſich
elegentlich auch Irrlichter zeigen ſollen.
An diefen Gräben ftagniert num Waſſer,
in dem Algen und Bakterien einen
oderigen Schlamm, durdhiegt von
Pflanzenteilen, ausjcheiden. An einzelnen
Stellen ift dieje roftfarbene Mafle, aus
der fih da8 Sumpferz entwidelt, von
einer in Negenbogenfarben jhimmernden
Schicht überzogen, einer Eriheinung, die
fi) vielfad in den jogenannten „Faul⸗
gräben” fumpfiger Wiefen beobadten
läßt. Es iſt dies die jogenannte „Fett—
ſchicht“, die fih auch auf Aquarien
vielfach zeigt, aber mit Fett durchaus
nichts zu tun bat, ſondern hauptſächlich
Bakterien ihre Entitehung verdankt. Ein
phantafievoller Berichterjtatter Hatte
nun diefen leichten Elleberzug ala Be
troleum gedeutet, ohne fi durdh Graben
davon zu Überzeugen, daß der Unter—
grund durhaus feine bitumindje Bei-
miſchung aufweift, und die fette Ente
von dem Petroleumfund in die Welt ge-
ſetzt. Anicheinend waren die Gerüdte
von dem Petroleumfund (Gasquelle) im
Bienwald noch nicht vergefjen, wo bei
Bücelberg in den Hahren 1900/01
Bohrungen ftattgefunden hatten!), Auch
an andern Stellen wurden damals Bohr:
verſuche gemadt. So ſchloß im Mai
1903 die Gewerkſchaft „Hardt” zu
Straßburg in den bei Landau gelegenen
Orten Franfweiler, Siebeldingen und
Birfweiler mit dem größten Teile der
dortigen Grundbefiger Verträge ab, wo—
. ) Wegen näberer Nachrichten darüber vgl.
Häberle, Bibliographie I, S. 146—147 unter
„Erdöl? und „Gasquelle“.
125
nad diejer Gewerkihaft auf 30 Jahre
da8 Recht zuftehen folte, auf deren
Eigentum nach Petroleum zu bohren und
etwa gemwonnene® auf faufmännijche
Weije zu vertreiben. Außerdem wurde
noch vereinbart: Bleibt die Bohrung er:
folglos, jo erhält der betreffende Eigen⸗
tämer einen jährlihen Pachtzins von
4 Mt. pro Dezimal des dabei benütten
Grundftüdes; findet ſich jedoh Del vor,
jo werden 5_Prozent des jährlich ge-
wonnenen Duantumd entweder in
natura oder in bar vergütet. Zunächſt
wurden in Frankweiler Bohrungen vor-
genommen, wovon einige erfolgreich aus—
gefallen jein jollen. Da man jpäter je
doch nichts mehr davon gehört hat, ſcheint
jih die Gewinnung doch nicht verlohnt
| zu —
68. Jahresverſammlung der „Pollichia“.
Die Verſammlung, zahlreih aus allen
Teilen der Pfalz bejucht, fand unter Bor-
fig des Ehrenpräfidenten ©. Erz. Geh. Rat
Dr. von Neumapyer ftatt. — Herr Kgl.
Nektor Roth erftattete ald Bereinsvorftand
den Jahres- und Gejchäftäbericht.
gliederzahl 222, Der Kaffenbericht ſchließt
ab mit einem Plus in Cinnahme von
200 Mt. Somohl den Spendern von Geld
als auch von fonftigen Geſchenken wurde
Dank ausgefprocdhen, ſowie die Arbeit
Dr. Häberles, betreffend Zuſammenſtellung
der geologischen Literatur in ihrer Bedeu-
tung für die Pfalz, bejonders ehrend her-
vorgehoben. Ebenjo wurde der erjimaligen
Berleihung des Neumayer-Stipendiums zur
Förderung der Lütgens-Erpedition gedacht,
welche mit bejonders trefflichen Inſtrumenten
ausgerüftet wurde.
Her Hofrat Dr. V. Kaufmann
hielt zunächſt Vortrag über: „Erfolge mit
der Dürfheimer Mar-Quelle in der Pfälz.
Kinderheilftätte”. Unterſuchungen dieſer
Duelle ergaben einen Gehalt von 17,4
Milligramm arjeniger Säure in einem
Liter Waffer, jo daß die hiefige Marquelle
zu den ftärfften arjenhaltigen Quellen ge-
hört. Die Anwendung ihres Waflers zu
Trinkkuren, gemijcht mit anderem Wafler,
Mit- |
Körpergewichts zum Ausdrudf kam.
ihweren Sfrophulojefällen und bei ſchwäch—
lihen blutarmen Kindern günftigfte Wir-
fung, was in auffälliger Zunahme des
Ein
zwölfjähriges Mädchen (aus Frankenthal)
wies in diefem Jahre nad) einem Auf-
enthalte von 58 Tagen in der Heilftätte
eine Zunahme von 13 Pfund auf; 112
Gramm pro Tag bei gleichen Ernährungs
verhältniffen wie in früheren Jahrgängen.
Auch bei Erwadjienen ftellte ſich nach mehr-
wöcentlihem Arjenwafjergenufje eine Kör—
pergewichtözunahme von 4—6 Pfund ein.
Um Schlufje der Kur zeigten viele Kinder
auffallend frijche Gefichtstarbe infolge einer
Blutregeneration. Neuere Unterjuchungen
in Sranfenhäufern uſw. gelangten zu dem
Reſultate, daß durch die Darreichung arjen-
baltiger Wäſſer weſentlich der Stickſtoff,
d. h. der Eiweißumſatz, gefördert wird,
während eine Fettmaſt im Hintergrunde
ſteht, alſo der Fleiſchanſatz bedeutend ge—
fördert wird.
Auch bei Rachitis wurden günſtige Er-
folge erzielt. Ebenſo bei Blutarmut nach
ſchwerem Malaria⸗Fieber wurden im
Krankenhauſe zu DaresSalaam (Deutſch—
Oſtafrika) günftige Erfolge mit der Max—
Duelle neben der Chinin Kur erzielt. Wir
in Verbindung mit Solbädern, hatte bei | befigen zweifellos in der Dürkheimer Mar-
126
Duelle ein ausgezeichnetes Heilmittel zum '
Bohle der leidenden Menſchheit
Im Anſchluſſe daran machte noch Herr
Dr. Sally Raufmann als mit
behandelnder Arzt an der Pfälz. Kinder:
Heilftätte Mitteilungen, mwelder die Aus
führungen des Herrn Borredners noch des
meiteren ergänzten. Durch Gebrauch der
Mar-Quelle erfolgte bei den lindern
Muskel Anjag und Auffrifhung des Blutes,
wodurch fie fräftiger und munterer wurden,
fowie größere Yeiftungs- und Widerftands:
fähigkeit erlangen, glei wie Erwachſene,
befonders bei Nervofität auf anämiſcher
Bafis. Im Lazarett zu Kiel hat Herr
Marine-Oberjtabsarzt Dr. Nenninger das
Mar-Quellen Baffer in Anwendung ge:
bradt und bei Neurafthenifern wohl ſub—
jeftive als objektive Befjerung konftatieren
fönnen.
Se. Erzellen; Herr von Neumapyer
machte Hierauf die Mitteilung, daß der
Sejamtvorftand der „Bollihia” einftimmig
beichlofien habe, Herrn Hofrat Dr. B. Kauf-
mann (Bad Dürkheim) wegen deſſen Ber-
dienfte um dieſelbe und die wifjenichaftliche
Forſchung zum Ehrenmitgliede zu ernennen.
Der Geehrte gehört bereits ſeit 1852 der
„Bollihia” an,
Herr Direftor Dr. Zſchokke von der
Kol. Wein und Obftbaufchule Neuftadt a. 9.
beiprady nunmehr die „Beronojpora
der Weinreben”, vom wiſſenſchaftlichen
Standpunfte aus. Seine Ausführungen
wurden auch illuftrativ veranſchaulicht.
Bereits 1834 habe der Botanifer Schweinik
in Nordamerifa die Peronojpora an mild-
wachſenden Reben gefunden ; ſchon feit 1865
beichäftigte fih die Literatur in Amerifa
eingehender mit diefem Pilze. Die erften
genauen Unterjuchungen über den Bilz
machte 1863 Brofeflor Dr. Bary- Straßburg;
er nannte denjelben Peronoſpora viticola,
Die Berfchleppung Ddiejes verheerenden
Mebenfeindes aus Amerika wurde bereits
lange vorausgefagt. 1878 murden in
Frankreich die erften an Peronojpora er:
franften Reben gefunden ; in fürzefter Beit
verbreitete fich der Pilz Über ganz Europa.
In der Pfalz trat der bereits früher
bei uns gefundene Pilz zum erften Male
verheerender im Jahre 1888 auf und hat
jeit dieſer Beit die Pfalz- Weinberge fort-
gefegt mehr oder minder ſchwer betroffen.
Ausdrüflich trat der Herr Bortragende der
irrtümligen Anſicht entgegen, dab die
Beronofpora durh die fünftlichen Dünge—
mittel eingeführt worden wäre. Neben der
Einichleppung dur Amerikaner Reben jei
es auch möglih, daß der Pilz durch den
Wind nah Europa gebradt wurde, wenn
dies auch meniger mahriceinlider iſt.
Redner jchilderte die Entwicklung des Pilzes
auf dem Reblaub und den Trauben (Leder:
beeren-Stranfheit), die Folgen der Krankheit
auf Rebenblätter und Rebitof überhaupt,
fowie deren Befämpfung, wobei fleißigſte
Beiprikung mit Kupferfalfbrühe unerläßlich
ſei. Alle anderen Mittel haben bisher
diefe Mifhung in ihrer Wirkung noch nicht
übertroffen. Der Beronojpora-Bilz redt-
fertige das größte wiſſenſchaftliche Intereſſe.
— Auf eine Anfrage teilte Herr Direktor
Dr. Zſchokke noch mit, daß eine Jmmuniı-
tät der Rebe gegen Beronojpora
nit zu erzielen ift, weil wir die
Nebe nit aus Samen ziehen;
andernfall8 müßten wir andere Reben
£ultivieren.
Seine Erzellen; Herr Dr. von Neu
maher betonte, daß in diejer jo ſchwierigen
und wichtigen Frage Wiffenfchaft und Praxis
Hand in Hand gehen müpten im Intereſſe
unferer Weinfultur.
Hear Dr. Schwangart, Leiter der
zoologiichen Abteilung der Kgl. Wein: und
Obſtbauſchule Neuftadt, ſprach über den
„Deu: und Sauerwurm und jeine
Betämpfung“, gleichfalls mit injtruftivem
Hluftrationsmaterial Die außerordentliche
BWiderftandsfähigfeit de8 Sauerwurms jei
die Urſache, daß man bis jegt noch fein
Mittel dagegen gefunden habe. Der Herr
Redner beſprach Heu- und Sauerwurm und
deren verjchiedene Mottenarten (einbindige
und befreuzte, welch' legtere erft ſeit An-
fang der 9er Jahre befannt ift.)
Er beleuchtete die mechanischen, chemischen
und biologifhen Bekämpfungsmethoden ;
bejonders letztere dur Fünftlihe Ber-
mehrung bezw. Zucht von tierifhen Feinden
und Barafiten (Schmarogern) diefer Schäd-
linge, dabei den Bogelihug bervorhebend.
Bei dem Fortichreiten der BWillenjchaft
bleibe zu hoffen, daß dieſe au in der Be.
— 27 —
fümpfung des Sauerwurms
Reſultate erzielen werde.
Der Vereinsvorſtand wurde durch die
Herren Direktor Dr. Zſchokke und Dr.
Schwangart erweitert. — Herr Profeſſor
erfolgreiche
Hildebrand (Speyer) brachte Anträge ein
hinſichtlich Vereinsorganiſation und An—
nahme der „Pfälziſchen Heimatkunde“ als
Organ der Pollichia für laufenden Meinungs:
austausch. (Pfälz. Rundichau.)
Die Turmruine in Odenbadh, ein gefährdetes Bandenkmal.
Jeder Reijende, der Odenbach am Glan
und wenn audı nur flüchtig mit der Eiſen—
bahn berührt, wird die für den Ort
harafteriftiihe Turmruine in der Tal
niederung nicht überjehen fünnen. Es ift
dies der fpärliche Reſt einer alten Tief.
burg, deren Umfang fih in dem flachen,
vom Qurme aus nad allen Seiten etwas
abfallenden Gelände noch ganz gut be:
fiimmen läßt. Sie war von eınem Wajler-
graben umgeben, der durch einen vor
mehreren jahren freigelegten Kanal mittelft
einer Schleuje vom Odenbach her gefüllt
werden fonnte, und wahrſcheinlich zur
Deckung des Talübergangs beftimmt. Bon
dem Qurme find nur noch zwei etwa 15
Meter hohe, mit mächtigen Budelquadern
aus grauem, geröllführendem Sanditein
bekleidete Seitenwände erhalten geblieben.
Nah den „Baudenfmalen der Pfalz“
(Bd. III S. 44—45) war er, wie aus
einem älteren Holzichnitt erſichtlich iſt,
früher durch einen fteilen, von vier Ed:
türmdhen flanfierten Helm abgeſchloſſen;
auh auf alten Landkarten tritt er uns in
diefer Form entgegen. Die Ueberreite
eines Gemölbes, welches urſprünglich das
Erdgeichoß überdedte, find 1850 herab:
geftürzt.
Die Bauart läßt das 13. Yahr-
bundert als Entſtehungszeit für den
Zurm vermuten, doch wird eine Burg zu
Odenbach — auch Groß:-Ddenbah — erſt
1482 erwähnt, als Herzog Alerander von
Bmweibrüden dem Blick von Lichtenberg einen
Anteil an dem veldenz’shen Burglehen zu
Ddenbah verlieh. Das Dorf Odenbach
dagegen iſt ichon jehr alt, da es bereits
870 als Zubehör der Abtei Prum erjcheint.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts überliek
Herzog Ludwig Friedrih von Zmweibrüden
Burg und Dorf den Freiherrn von
Fürftenwärther, die einer morgana:
tiſchen Ehe mit Elifabethba Hepp, einer
Kammerfrau jeiner verftorbenen Gemahlin,
entftammten. Wann die Burg ihren Unter:
gang gefunden hat, konnte ich nicht in Er-
fahrung bringen. .
Jetzt geht dieſes alte Wahrzeichen von
Odenbach, wenn fich nicht bald eine jorgende
Hand der Ruine annimmt, ihrem rajchen
Berfall entgegen. Auf der Wetterfeite
arbeitet die Bermitterung an den Budel:
quadern, die ftarfen Mauern find geborften
und der Spaltfroft treibt die Riffe immer
mehr auseinander; troßdem würde fich
ohne allzugroßen Koſtenaufwand durch ge-
eignete Maßnahmen der Berfall wohl nod
lange hintanhalten laſſen. Da die Ge-
meinde Odenbach Befigerin der Ruine und
des jet als Garten verwendeten Burg-
geländes ift, werden wohl die Mittel auf-
zubringen jein, die Beitrebungen für Denf-
malihuß hier au einmal in die Tat
umzuſetzen. Dr. Daniel Häberle.
Die Ortsgruppe des PBfälzer-Mald-Bereins in Ludwigshafen
nahm in
verjammlung den Yahresbericht des
1. Borfigenden Herrn Direktor Kederer
entgegen. Das Intereſſe für Wanderungen
im Pfälzer Wald in den beiden Städten
Ludwigshafen und Mannheim bat fid
weiter gehoben. Die Pfälziſchen Eifen-
ihrer ordentlichen Mitglieder- | bahnen förderten den Verkehr durch weitere
günftige Zugverbindungen. Auch das In—
terefie an den gemeinjchaftliden Sonntags»
manderungen ift unvermindert geblieben,
Ebenio bat man mit den Scülerwander-
ungen der 7. und 8. Klaſſe der hiefigen
Bolksichulen die günftigften Erfahrungen
gelammelt. Daß der Haupt-Borftand in-
bezug auf Schaffung von Ausfichts:
türmen, wichtigen Wegkreuzungen, Schuß.
hätten, Faſſung von Quellen fid
alle Mühe gibt, beweiſen die ausgedehnten
Unternehmungen des Vereins, jo der Bau des
Quitpoldturmes auf dem Weißen
Berge. Die Einweihung des Turmes
wird ſpäteſtens im Monat Yuli erfolgen
fönnen. Die Herausgabe des großen
Kohl'ſchen Kartenwerkes, mit dem man eine
Markierungsfarte erhalten habe, wie fie
zuverläjfiger und genauer für fein anderes
Wandergebiet eriftier. Man hat daß fefte
Vertrauen, daß e8 dem Wirtichafts-Aus-
Ihuffe im Laufe der Zeit gelingen wird,
128
auch für das Pfälzer Waldgebiet Wirtichafts-
verhältniffe zu jchaffen, die demen anderer
Wandergebiete nicht nachſtehen. Das große
Unternehmen der Ortögruppe Ludwigshafen
war die Errihtung der Kalmithütte
mit einem Softenaufmand von 4700 ME.
ohne die Stiftungen. — Der Voranſchlag
für 1909 fieht unter anderem folgende
Poſitionen vor: Hauptlaffenbeitrag 1800 ME.,
Verwaltung 1000 Mt., Shülerwander:
ungen 300 ME, PBranfenthaler
Hütte 50 ME, Bibliothef 150 ME,
Schuldentilgung 400 Mk., Propagandazwecke
200 ME, Aufwendungen für Steben
berg und Kalmit 300 Mt.
Lemberg-Turm.
Wiederholt war ſchon in der Preſſe der
Gedanke angeregt worden, auf dem Lem
berg einen fieinemen Ausjihtsturm
zu errichten, doch war man in den be
teiligten Streifen über Borbefprechungen faum
binausgefommen. Nun ift die Turmfrage
infofern in ein anderes Stadium getreten,
als das Kgl. Katafterbureau in München
auf einen eingehend begründeten Antrag
hin unterm 23. Oktober einen Zufchuß zu |
den Baufoften in Ausficht geitellt hat unter
der VBorausfeßung, daß der Turm eine zur
Vornahme von trigonometriihen Beobad-
tungen geeignete KRonjtruftion erhält. Es
wird nun Sade der Intereſſenten jein,
zunädft dur Einleitung von Geldjamm-
lungen und entiprechende Agitation dem
nun als gefichert geltenden Projeft aud
eine finanzielle Grundlage zu geben.
Alt-Geidelberg, das Schloß und feine Schickſale in
drei Jahrhunderten
bildete das Thema eines recht unterhaltenden
Vortrags, den am 8. Dezember Herr
Dr. ®. Baldihmidt aus BWirsbaden
im Saufmännifchen Verein in Qudmwigshafen
bielt. Der Herr Bortragende fnüpfte an
die revolutionäre Volks- und Bauernbe-
mwegung zu Anfang des 16, Yahrhunderts
an, erwähnte, daß Luther im Frühjahr 1518
auf dem Heidelberger Schloß weilte und
erwähnte die MNiederwerfung des auf
rührerifchen Treibens durd den Kurfürſten
Ludwig V. von der Pfalz. Mit dem Ein:
zug diefes Hurfürften in Heidelberg begann
eine glanzvolle Zeit für das Schloß, das
als Burg fefte Ummallungen und Mauern
erhielt, um den Wirkungen der damals in
Aufnahme gefommenen Feuerwaffen zu be-
gegnen. Es entitand der Stüdgarten zur
Bwingburg,
mußte,
Friedrich II., vervollftändigte die Befeftigung
noch nad verfchiedenen Seiten,
gang verſchafft.
gemweien, begünftigte die letztere.
Aufftellung der Geichüge, der 30 Meter
weite Wall und der Turm mit den 7 Meter
difen Mauern, der unter der Bezeichnung
der „dicke Turm“ befannt ift, deifen maffives
Mauerwerk man heute noch beftaunen fann.
Das kurfürftlihe Schloß wurde fo zur
die uneinnehmbar erjcheinen
Der Nachfolger Ludwigs, Kurfürſt
Unter
jeiner Regierung verbreitete fic) die Re—
formation, mit dem alten wurde aufgeräumt
und der neuen Richtung immer mehr Ein:
Auch Otto Heinrich, der
ebenfalls ein Freund der neuen Richtung
Sn der
Baufunft wurde die Gotik zurüdgedrängt,
die Renaiffance begann ihren Zug durch
— 19 —
die Lande. Im DOtto-Heinrichs-Bau hat | gezeigte verdankt man nebft der Einführung
ihr diefer Fürſt ein Denkmal gefegt. | des Zwerges „Perkeo“ einem ſpäteren
Friedrich IV, reihte den Friedrichs Bau im | Kurfürften. Der Ausbrud; des 30jährigen
gleihen Stile an, der aber architektonisch | Krieges brachte auch trübe Zeiten für das
etwas maffiger und in dem Nahmen der | Heidelberger Schloß. In den prachtoollen
Burg wirfungsvoller wurde. Der Englifche | Sälen hauften abwechſelnd die Sölbner
Bau entftand unter Friedrich V., errichtet | Tyllis und Guſtav Adolfs, ſpüter belagerten
zu Ehren der Gemahlin Friedrichs, Elifaberb | und erftlirmten die Ftanzoſen unter Melae
Stuart von England. Diefer prunfliebende | das Schloß und mas beim erfien Sturm
Fürſt ichuf auf dem Scloffe ein Berfailles | 1689 dibrig blieb, das fiel 1693 den
im Meinen. Friedrich V., bekannt im der | franzöflihen Horden ganz zum Opfer. Gin
Geſchichte als Winterlönig — er hatte die durch Bligichlag entftandenes Feuer machte
böhmiſche Königskrone angenommen — ent: | dat Schloß vollends zur Ruine. Als folches
Fleidete das Schloß mieder zum Teil der | ift es dem deutichen Wolfe teuer geworden.
Befeftigungen, um Xuftgärten, Theater ujm, | Seine Dichter, wie Goethe, Matthiien,
anzulegen. Das Schloß war der pompöfefte | Brentane, Yenau, Schwab, Hölderlin, Viktor
Fürftenfig geworden. Ritter und Sinappen | v. Scheffel uſw. begeifterten fi an der
belebten die Räume, vornehme Edelfrauen | Romantik des Zerfalls und fangen wunder:
grüßten von den Erfern und Balkonen, die | volle Geſchichten von dem Schloſſe und
Verſchwendungsſucht hatte den höchſten feiner Bergangenheit. Ob ein Wiederaufs
Bunft erreidt. Füllten jchon bei den Bor- | bau zu befürworten fei? Dieſe Frage be
fahren Friedrichs Gaftereien und Schlem- | antwortet der VBortragende in verneinendem
mereien, ZTourniere, Tanzbeluftigungen und | Sinne; das noch Vorhandene follte aber
die Jagd die Tätigken der Fürften und | pietätvoll erhalten werden. In einer Am
ihrer Hofftaaten aus, jo trat bei Fried | zahl gelungener Lichtbilder zeigte Herr
rih V. noch der Prunk und der Bomp bin- | Dr. Waldſchmidt, von dem bei Dietrich in
zu, mit denen er die Peftlichkeiten aus- | Jena auch in diefen Tagen ein Buch über
ftattete und zu den glänzendften machte. | Heidelberg ericheinen wird, das Schloß mie
Bezeichnend für die Buftände jener Beit ift | es einft geweſen und den ABuftand von
die Entſtehung des Heidelberger Faſſes. heute. Auch von den Perſonen der Ge:
Das erfte wurde unter dem Surfürften ſchichte lieh er verſchiedene im Bilde auf:
Johann Kaſimir geichaffen, das heute nocd | treten. (Bf. Roſch.)
Allerlei vom Tabak.
Der Siegeszug bes Tabals. Altertum gab es Völker, die ſich dur
Gern verfenft man fi in die an Mert. | den Dampf verichiedener Kräuter oder durch
würdigfeiten reiche Geſchichte, die die Ent- | das Einjaugen des Rauches durd Rohre
defung und Verbreitung, die Gewinnung | betäubende Berzüdungen verſchafften; jo
und Verarbeitung fo allbefannter Pflanzen | ließen ſich die alten Gallier umd Germanen
wie des Staffees oder Tees, der Baumwolle | dur den Dampf von verbranntem Hanf
oder des Tabats ſchildern. Dazu bietet | erregen, und es iſt nicht unmöglich, daß
ein foeben im Verlag vom R. Voigtländer | die alten Babylonier, von denen es
in Leipzig erichiemenes illnftriertes Wert | Herodot berichtet, auch ſchon den Tabaf
„Kulturpflanzen der Weltwirtſchaft“ @e- | gekannt haben. Lange Zeit hat man jedem
legenheit. fall behauptet, daß der Tabak feim ameri»
Der dem Tabak gerwidmete, von C. | faniides, jondern ein urſprünglich aſiatiſches
J. K. Kokke verfahte Aufjag bringt im | Gemwächs jei, doc läßt ſich nicht nachweiſen,
tereflantes neues Material über den Ur | dab in China, wo das Rauchen eine uralte
fprung umd die Verbreitung dieſes Krautes. Gewohnheit ift, der Tabak ſchon vor der
Bann „das Rauchen erfunden“ worden Entdefung Amerikas befannt war.
iſt läßt fich ſchwer feftftellen. Schon im | An den Geſichtskreis der ſtulturvölker
— 108 —
trat das beraufchende Kraut jedenfalls erft,
ald Kolumbus die neue Welt betrat und
jein treuer Matroje Sancho der erſte dhrift-
lihe Zabafrauder wurde. Die Ein
geborenen hüllten fih in ganze Wolfen des |
getrodneten Strautes, das, in ein Reisblatt
gewidelt, an einem Ende angezündet und
am anderen in den Mund genommen wurde,
aljo ganz unferer Zigarre entſprach. Doc
baben die Cingeborenen von Kuba den
Rauch auch durch lange gabelförmige Röhren
direft in ihre Nafenlöder geleitet, um
ih an dem Geruh zu erquiden. Das
Rauchen war ihnen eine heilige Beichäftig-
ung, denn das Kraut war ihnen von dem
großen Gift aus der Sonne als ein Ge
ſchenk gebracht worden.
Im Anfang des 17. Jahrhunderts kam
das Rauchen in Frankreich in Mode
und griff unter Ludwig XIV. fo um ſich,
daß ein wilder Federkrieg zwiſchen Tabak—
freunden und Zabafgegnern entbrannte,
Moliére die Schale jeines Spottes über
die „Dampffreffer” ausgoß und fi Boileau
mit Entjegen von den „Stüffen voll von
Tabak“ abmandte. Ludwig XIV. ließ Tabak
unter das Striegsvolf verteilen und jeden
Soldaten mit Rauchgeräten verſehen; aud)
die Damen, vornehme und geringe, koſteten
in reihen Mengen von dem neuen Gift.
Bettfämpfe wurden veranfialtet, und Sieger
war der, der die jchönfte Pfeife beſaß und
täglid am meiften daraus rauchte. Die
hohe Steuer, die auf dieſes fogenannte
Königinnenfraut gelegt wurde, tat der
Staatsfafje wohl, jo daß ein Beitgenofie
ſchriebt „Man fann das Kraut eher Königs—
als Königinnenfraut nennen, weil es in die
Seldkiften des Königs mehr Gold und
Silber bringt als die reichjten Bergwerke“.
Den höchſten Taumel aber entfeflelte
die Tabafleidenfchaft, die im 17. Jahr—
hundert alle Länder überflutete, in Hol:
land. Hier raudıten 1590 die Studenten
aus irdenen Pfeifen trog der ernfthaften
Warnung der medizinischen Fakultät, daß
ihre Gehirne davon ſchwarz werden würden.
Die merkwürdigen Kräfte und großen
Tugenden des Strauttabafes murden in
Wort und Schrift angepriefen. Bald
wurden zahllofe „Tabakhäuſer“ eröffnet,
die das höchſte Mergernis der Gutgelinnten
erregten, und in denen doch hoch und nied-
rig „als fauler Stinfer inmitten des
ftinfenden Qualms“ voll Behagen jeine
Beit verbradte. Biele Rauder „tranfen“
täglich zwanzig Pfeifen ; ſchon Kinder von
ſechs und fieben Jahren ſaßen bei Tiſch
mit Pfeifen im Munde. „Taglöhner ließen
Frauen und Kinder verarmen, während fie
jelbft ji mit Rauch jättigten”. So Elagı
ein Sıttenprediger jener Tage. Entſtand
do ſogar 1699 in Haarlem des Rauchens
wegen ein Aufruhr, und manden Zwietracht
brachte die Pfeife in die Häufer, wenn fich
Mann und Frau darum ftritten.
Nächſt Holland wurde Deutihland
am ftärfften von der Rauchbegier ergriffen.
Ein guter Beobachter der Zuftände meldet
davon: „Bon dem Yugenblide, wo fie den
Tabak fennen lernten, breitete ſich die Ge—
wohnbeit des Rauchens dermaßen aus, dak
man bald feine Bauernwohnung mehr traf,
wo nicht die Pfeife zu finden war. Teils
rauchen, teilö eſſen, teils jchnupfen fie den
Tabaf auf, und man muß fi wundern,
daß noch niemand auf den Gedanken ge-
fommen ift, ihm fi in die Obren zu
ftopfen.” Der erfte preußiiche König war
ein leidenichaftliher Raudyer, und Friedrich
der Große, der jo gern jchnupfte, förderte
den Tabafbau ın Preußen mit allen Kräf-—
ten, trat mit den berühmteiten XQabaf-
fennern und Chemifern in Briefmechiel, und
betraute 1765 den Kaufmann Francois
Yazare Rauband mit der alleinigen
Fabrifation und dem alleinigen Verkauf
des in Preußen gebauten QTabafs, wobei
der Schnupf- und der Rauchtabaf ſowie der
Stanafter nicht über 24 Grojchen und die
geringeren Sorten nit über 5 bis 10
Groſchen das Pfund koſten duriten.
Sehr ipät fam der Tabaf nah Schme-
den; er war nod unter der Stönigin
Ehriftina bei den Bauern jo wenig befannt,
daß fie die Tabafrollen, die bei der Stran-
dung eines bolländiijhen Schiffes an Land
trieben, für Stride anſahen und mit ihnen
dad Vieh Efoppelten. Schwere Berbote
gegen den Genuß des Tabafs erfolgten in
der Türkei und in Rußland. Sultan
Amurath IV. beftimmte, daß jeder, der
beim Tabafrauden getroffen werde, getötet
werden jolle, und ließ jogleih einem
Käufer und Berfäufer von Tabaf Hände
und Füße abhauen und dann beide jo ver:
— 131 —
ftümmelt aufhängen und verbluten. Im
jelben Johre wurde der Tabaf in Peters.
burg feierlich verflucht, für unrein erflärt
und das Rauchen als Todfünde hingeftellt.
Als das feinen Erfolg hatte, wurde 1634
jedem, der rauchte, der Berluft der Naſe
angedrobt. 1641 wurde das Verbot dahin
umgeändert, daß der, der zum erften Dale
mit einer Pfeife im Munde ertappt mürde,
gefnutet werden folle; das zweite Mal
murde ihm die Naje aufgejchligt und er
dann nad Sibirien verbannt. Mber alle
Verftümmelungen und Todesftrafen nüßten
nicht, und jo gab denn Peter der Große
den Engländern für 15000 Pfund Sterling
die Erlaubnis, Tabak in Rußland ein:
zuführen. M. M. N.
Urſprung des Tabal⸗Schuupfeus
Das Schnupfen iſt die Erfindung einer
Dame, und zwar keiner geringeren, als der
Königin Katharina von Frankreich. Ihr
Sohn, der nachmalige König Franz II., litt
in feiner Jugend ſtark an Stopfichmerzen:
alle Kunſt der Ärzte vermochte nıcht das
Übel gründlich zu bejeitigen. Da fam die
fluge Frau auf den Gedanken, ihren Sohn
den damals befannt werdenden Tabak in
Bulverform in die Naje ziehen zu laſſen;
der Berjuh hatte den gemünfchten Heil:
erfolg. Selbftverftändlih wurde nun an
dem nahahmungsfüchtigen Hofe der Tabak
jofort beliebtes Heilmittel; bald fing man
indeß auch an, ihn in die Naſe zu ziehen,
wenn man feine Kopfichmerzen hatte. Auch
im ®Bolfe ward jodann das Schnupfen
Modejahe und endlich zur Gewohnheit.
Tabaksrauch als Desinfeltiousmittel,
In der engliihen medizinischen Beit-
ſchrift „Lancet” wird über neue Unter-
juhungen berichtet, welche zur FFeititellung
der desınfizierenden Eigenichaften des Tabafs-
rauches angeftellt wurden. Die Unter-
ſuchungen beftätigen die Beobachtung, daß
einer der Hauptbeſtandteile des Tabaks—
rauches, welche wegen ihrer keimtötenden
Eigenſchaften in Betracht kommen, das ſehr
wirkſame Antiſeptikum Formaldehyd iſt.
Von dem Formaldehyd ſind mehr als
Spuren vorhanden, denn wenn Waſſer,
durch welches man nur wenige Mundvoll
Tabaksrauch geblaſen hat, auf ſeinen Gehalt
an Formaldehyd geprüft wird, ſo zeigt ſich
immer, daß dieſes Antiſeptikum ziemlich
reichlich vorhanden iſt. Der Formaldehyt—
gehalt im Tabaksrauch hängt zwar von der
Qualität und der Behandlung des Tabaks
ab, doch kann man im allgemeinen ſagen,
daß eine Zigarre mehr Formaldehyd liefert
als eine Bieife Tabak, und eine Pfeife
Tabaf mehr als eine Zigarette. Es ift
mehr als einmal feftgeftellt worden, daß
Raucher gegen gewiſſe Krankheiten immun
find und das häufige Vorhandenſein eines
wirkſamen Antijeptitums im Munde, in der
Naſe und mandhmal in der Yunge — lebteres
bei „Lungenrauchern” — erflärt dieje Tat-
jache in gewiffem Grade. Formaldehyd ift
eine der michtigften Desinfeftionsmittel,
welches wir fennen: 1 Teil in 10,000
Teilen Waſſer zerftört alle Mifroben,
mwährend jolch eine verdünnte Löſung feine
Giftwirfung auf den menichlihen Organis-
mus ausübt Selbitverftändlich wäre es
durchaus nicht wünſchenswert, wenn die
berühmten Tatfahen zum Mißbrauch des
Tabafs verleiten mürden, denn Nifotin-
vergiftungen fommen viel häufiger vor, als
man dentft.
Das eigentlihe Gift des Tabakranches.
68 ift in den legten Jahren viel darüber
bin und her disfutiert worden, was denn
das eigentlihe Giftige im Tabak—
raub ſei? Daß im Tabakblatt das
mwejentlich giftige Prinzip das Nikotin it,
darüber find die Anſichten faum mehr ge
teilt. Höchftens wird vielleiht das Nifo-
tein noch als ſolches betradtet. Nach
Profeſſor Lehmann (Würzburg), der in der
„Münchner Mediziniihen Wochenschrift”
wieder jehr interefjante Studien über das
Tabafrauden veröffentlicht, iſt diejes aber
höchftens in jo geringen Mengen im Tabak
enthalten, daß als einzig praktiſch in Frage
fommendes, jchon vorhandenes Gift nur
das Nikotin in Betradht fommt. Biel
ſchwieriger liegt die Frage nad) der giftigen
Subftanz des Tabafraudhesd Es waren
nur grobe Unterjucdhungsiehler, die bei den
erften Unterfuchungen ein Übergehen von
Nikotin in den Tabakrauch auch ausgeichlofien
ericheinen ließen. Neben dem Nikotin ent-
hält aber der Tabakrauch noh Pyridin—
bajen. Ferner find für die Giftigfeit
— 12 —
des Tabakrauches verantwortlic gemacht
worden dad Rohlenoryd, von dem auf
1 Gramm Bigarettentabaft etma 15 bis
235 ccm auf I Gramm Bigarrentabaf
14 bis 85 cem und auf I Gramm Pfeifen:
tabat 74,5 bis 77,8 cem gebildet werden.
Der Raub, wie er in die Mundhöhle ge-
faugt wird, enthält 1 bi 6°. Koblenoryd.
An Meinen Mengen fommen meiterd noch
Blaujäure und Schweielmwajjerftoif
im Raude vor. Was madht nun die
Giftigkeit aus? Dieje Frage lieh fich da:
durch enticheiden, daß man zwiſchen die
brennende Bigarre und den Mund des
Rauchers ein Röhrchen mit trodener Watte
und ein zweites mit in verdünnter Schmefel:
fäure getunfter Watte einſchaltete. Dabei
dringt in den Mund des Rauchers ein voll:
fommen farblojes Gas, frei von Nifotin,
Pyridin und Teer. Es enthält aber diejes
Gas alle Blaufäure, Kohlenoxyd und
Schwefelwaſſerſtoff. Hiemit fann nun der
ſchwächſte Raucher ohne Schaden die ftärfften
Bigarren in großen Mengen rauchen. Es
fommen dieje Gaje alſo nah Profeſſor
Lehmann nit in Betracht. Dagegen gehen
von dem ım Kabaf enthaltenen Nikotin
ftet3 etwa 90 "o in den Rauch über. Aber
nur ein Drittel des Nikotins ge
langt aus dem Raud in den Mund,
Diefe Mengen werden aber auch nicht in
den Körper aufgenommen, denn der Raud)
wird ja auch wieder ausgeblajen. Um nun
die wirklich aufgenommenen Mengen zu
befiimmen, hat Lehmann eine geiftreiche
Methode angewendet. Die Differenz zwi:
chen den beide Male in der Quft bezw. in
einem Auffanggefäß zurüicdbleibenden Mengen
Nikotin zeigte, daß von einer Zigarre pro
Gramm etwa 1.7 bis 2,5 Milligramm und
bei einer Zigarette etwa 0,8 bis 1,5 Milli-
gramm Nikotin aufgenommen werden.
Pyridin dagegen nur in Mengen von 0.3
bis 0,8, bezw. 0.4 bis 0,5 Milligramm,
Das Byridin kann alſo ebenjo wie das
Ammoniak außeracht gelaflen merden.
Legteres mag zur „Schärfe“ des Eindruds,
zu den Reizſymptomen an Stimmbändern,
im Rachen, an den Zungen ıc. beitragen,
nicht aber zur Giftwirtung. Das Giftige
ift vielmehr das Nikotin. Trotzdem jeien
damit die Schwierigkeiten der Raudgiftig-
keit noch nicht gelöit. Einerſeits fommt es
vor, daß Stinder beim Rauden von anderen
Pflanzenſtoffen (Kaftanienblättern z. 8.)
ähnliche Ericheinungen zeigen: Erbrechen,
Blaßwerden, kalten Schweiß x. Das ilt
vielleiht auf eın von Lehmann aus dem
Rauch gemonnenes, ‘noch unbeltimmbares
Alkaloid zurüdzuführen. Für Erwachſene
ſcheint diejes faum giftig zu fein. Aber
ganz unverftändlic ift es zumeilen nod,
daß unter den Zigarren mit gleidem
mittleren Nikotingehalt die einen
„art und die anderen „ſchwach“ wirken.
Eine Möglichkeit wäre die, dab das Nikfotın
doch nicht der einfache Körper ift, als
der es gilt, daß es fi vielmehr als eine
nicht immer gleihe Miſchung verichiedener
Körper herausftellen wird, wie dies bei
den Hhofchyaminpräparaten (vom Stechapiel)
der Fall war.
Die Entgiftung des Tabakrauches.
Die widhtigften jhädlihen Brodufte des
Tabafrauches find das Nikotin, welches bis
zu 75" in den Raud; übergeht, und das
Kohlenoryd, von dem ein Raucher gin
30 Minuten ein halbes Liter produgiert.
Außerdem finden ih u. a. im Rauche nod
Pyridinbajen und Blaufäure. Legtere joll
im ®Bfeifenrauch fehlen, in den Bigarren
beträgt fie durchichnittlih 0,001°ı. Um
num die Schädlichkeiten des Tabakrauches
aufzuheben, hat man verjucht, dad Nikotin
aus dem Tabaf zu entfernen (jog. nifotin-
freie alias Strohzigarren). Es zeigte ſich
jedoh, daß mit Ertraftion des Nifotins
auch dem Tabaf die das Aroma bedingenden
Subftanzen entzogen wurden und womit
die eigentliche Genukwirkung megfällt. Es
gelang jedoch, wenn auch nicht alle fchäd-
lichen Stoffe des Xabafraudes, abzır
icheiden, jo doc durd ein Jmprägnierungs:
mittel wenigftens einen großen Teil zu ab
forbieren, und zwar ohne dadurdı dem
Genuß zu beeinträchtigen. Dieſes Impräg-
nierungsmittel, Watte mit Eiſenchlorid⸗
läfung getränkt, wird zwiſchen der Zigarre
und der Zigarrenſpitze eingeſchoben und
dient jo als Filter, durch das der Tabak—
rauch zieht und das den größten Zeil
der giftigen Gaje in fih aufnimmt. Cs
wurde beobachtet (Prof. Thoms), daß durch
Eifendhloridwatte von den Gejamtmengen
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der Bafen des Tabafraudes 70,8". Nikotin
gebunden werden, meiter abjorbierte die
Watte das unangenehm riechende ätherijche
Brenzöl und Schwefelmafjeritoff und etwa
die Hälfte der Blaufäure.. Es wird aljo
durch diejes Berfahren die Giftwirfung des
Tabakrauches ganz bedeutend abgeſchwächt,
daher ift der Gebrauch der in fleinen Päd
hen in den Handel kommenden {npräg-
nierungswatte jehr zu empfehlen.
Rauchhaſſer.
Köonig Jakob J. von
England war einer
der heftigſten Geg⸗
ner des Tabakrau—
chens und ſchrieb im
Jahre 1619 ſogar
eine Schmähſchrift
gegen dasſelbe. Die
Schrift nannte er
Misocapnus“, d. i.
Rauchhaſſer. Er
nennt in derſelben
das Tabakrauchen
einen Gebrauch, der
„häßlich für das
Auge, unangenehm
der Naſe, dem Gehirn
verderblich, den
Lungen ſchädlich iſt
und der in den
dicken ſchwarzen
Nauchwolken ein
Bild vom rauchen⸗
den Höllenpfuble
gibt.” — Sein Nad-
folger, Karl 1., ließ
dad „revolutionäre
Straut” von der
Stirche verfluchen. —
Bapft Urban VII.
erfommunizierte diejenigen, welche dem
Rauchen jih ergaben. — Guftan Adolf
von Schweden erließ ein äußerst ftrenges
Gebot gegen diesj&enußmittel, das jedoch
nad) jeinem Tode ſogleich wieder aufgehoben
murde. In Deutſchland eiferte der
fromme Seriver dagegen und nannte das
Rauchen eın Opfer, das dem Teufel dar-
gebracht werde. Ein gewifjer Dr. Trapp,
der um diefelbe Zeit lebte, hielt den Tabaf
für „einen Gehilfen des Teufels, der jeg-
133
Wildwahjende Weinreben
im Germersheimer Stadtwald,
Bildprobe aus G. Eigner, Naturpflege in Bayern
(vgl. ©. 107 dieſes Jahrganges).
liches Volt zu Bier und Wein verführe”.
— Das hohmwürdige Konfiftorium der Mark-
grafichaft Baden verlangte um die Mitte
des 17. Jahrhunderts von allen ‚Pfarrern
genaue Angaben aller Tabafrauder, um fie
davon durh Ermahnung abzuhalten
In Bern beitand von 1661 bis in die
Mitte des vorigen Jahrhunderts ein
Tabafögericht, welches mit „Geldftrafen,
Pranger und Gefängnis belegte. — Bar
Michael Feodoro⸗
witjch £drohte 4 den
Raudern mit Najen-
abjchneiden und Ber-
bannung nah Gi»
birien. — Der
graufame Sultan
Amuratb IV. ließ
einft einem beim-
lichen Raucher die
Pfeife durch die
Naſe bohren‘i und
ihn fo in den Stra-
Ben von Stonftan-
tinopelumberführen.
Die Einwirkung
ber Genußmittel
auf den menſchlichen
Organismus,
ſpeziell auf die Ber:
dauungsorgaue,
ift das Gebiet, das
Hofrat Dr. Friedrich
Grämer in dem
1907 erſchienenen
3. Heft feiner Bor:
lefungen über Ma:
gen- und Darm:
frankheiten (9. F.
Lehmanns Verlag,
München) behandelt.
&. Eigner phot.
| Der erfte Teil bejchäftigt fi mit der Ein—
|
wirkung des Tabaks, des Kaffees und des
Tees nicht allein auf den Berdauungstraftus,
jfondern auf den Organismus überhaupt.
Es erflärt fich dies aus der Abficht Grämers,
urjprünglih eine Monographie über die
allgemeine Wirkung diefer Genußmittel zu
ſchreiben. Der zweite Teil behandelt den
Einfluß des Alkohols auf die Berdauung.
Jener Teil enthält neben einer gründlichen
Bujammenftellung des bisher Grforjchten
zahlreiche eigene Verſuche über den Einfluß |
namentlich auch des Tabafs auf die fünft«
lihe Verdauung, die ebenjo wie die im
zweiten Teil behandelten des Alkohols in
feinen verichiedenen Formen (reiner Alkohol,
Bein, Bier 20.) fehr auffallende, bisher un-
befannte Refultate ergaben. Grämer er- |
achtet die drei genannten Genußmittel als |
jehr häufige Urfahen von Magen: er.
Darmitörungen. Den Alkohol will er eben: |
falls nur in gang mäßigen Mengen geitatten,
erblift aber in dem Tabaf einen faft noch
ichwereren Schädling der Volksgeſundheit
als im Alkohol — eine Anficht, die man
für das Individuum gelten lafjen wird,
134
mwährend man in Bezug auf die fozialen
Wirkungen den Alkohol als den jhlimmeren
Schädling bezeichnen muß. Grämer jchließt
fich ferner der Anficht an, daß der Kaffee,
wenn er bei der ärmeren Bevölferung in
großen Mengen über den ganzen Tag ver:
teilt, wenn auch nur dünn getrunfen wird,
dazu beitrage, eine lUlnterernährung Des
Organismus herbeizuführen. Magenkranke
insbejondere dürften ja nicht den Saffee
und Tee als unfchädliche Getränfe anjehen.
Da jeinerzeit ſchon die michtigiten Ergeb
niſſe der Crämerſchen Verſuche a. a. O.
mitgeteilt wurden, ſei hier nochmals auf die
intereſſante Arbeit verwieſen.
Rhein, Schiffahrt, Fiſcherei.
Früher als ſonſt iſt in dieſem Jahr
der Waſſerſtand des Rheins auf einem
Tiefſtand angelangt, deſſen ſich die älteſten
Leute zu dieſer Jahreszeit nicht erinnern
können. Die Schiffsbrücken ſtehen zum
Teil auf dem Trockenen und das Strom:
bett weift große Siesbänfe auf. In Breiſach
ift durch den niederen Waflerftand das
alte aus der Zeit des franzöſiſchen Krieges
Ludwigs XIV. ſiammende Rheintor der Be:
fihtigung trodenen Fußes zugänglich ge-
worden, während dieſes hiſtoriſch hoch—
intereſſante Bauwerk infolge jeiner Yage an |
einem Altwaſſer des Rheins bei normalem |
Wafferftand nur mit Hilfe eines Kahns
befichtigt' werden fann und infolgedefjen
den meiften Beſuchern dieſes an geſchicht—
lihen Erinnerungen jo reihen Städtchens
unbefannt bleibt.
Zwiſchen Bonn und Andernach ver-
fehren gegenwärtig zahlreiche holländifche
Fiſcherboote, deren Befiger mit rheinifchen
Fiſchereipächtern Verträge abgeſchloſſen
haben, wonach ſie als deren Vertreter nach
Aalen fiſchen und ihren Fang den Pächtern
pfundweiſe zahlen. Da die holländiſchen
Fiſcher jedoch mit großen Netzen von etwa
50 Merer Länge, die durch erjenbejchwerte
Holzbalfen im Wafler ſenkrecht ſchwimmend
ausgebreitet werden, ihren Fiſchfang be-
treiben, jo gehen ihnen auch viele andere |
Fiſche ins Netz. Die Holländer haben |
hierbei immer reiche Beute, und ihr Bor- |
gehen geſtaltet fih zu einem Maflenfang, |
der den Fiſchbeſtand des Rheines ernſtlich
gefährdet. Diejer ift derart zurüdgegangen,
daß die Breife für Süßwaſſerfiſche fort:
geießt in die Höhe gehen.
Bur Hebung der Fiſcherei im Rhein
bezw. eines einheitlihen Vorgehens von
Baden und der Pfalz ın diefer Beziehung
fand vor einigen Wochen in Germersheim
eine Beiprehung zwiſchen den Bertretern
der Rhein: und Teichfiicherei-Gefellichaft
Karlsruhe Mannheim und einem Vertreter
der pfälziichen Intereflenten ftatt. Die
ftetig zunehmende Berjandung der Altwaſſer
bildet neben dem ftärfer werdenden Dampf:
ichifföverfehr ein Haupthindernig. Da der
durch Trodenlegung der Altwaffer gewonnene
Boden ein ziemlich wertloſes Gelände ift,
das viel befler in feiner früheren Geftalt
im Intereſſe der Hebung der Filchzucht
ausgenügt werden könnte, jollen deshalb
von den Intereſſenten auf beiden Seiten
des Rheins geeignete Schritte unternommen
werden, um die Regierungen zu veranlafien,
einer weiteren Eindämmung der Altwafler
entgegenzumirfen. Des meiteren einigte
man fi über Maßnahmen zur Erzielung
einer einheitliden Sconzeit in der Pfalz
und Basen.
Vereinigung zur Förderung der
Schiffbarmachung des Rheines bis
zum Bodenjee. Eine aus allen jüni
Uferftaaten gut bejuchte Sigung genehmigte
einen Statutenentwurf und legte ein vor:
läufiges Arbeitöprogramm feſt. Man be
135
ſchloß, eine Eingabe an das großh. badiſche (A 1000 Kilogramm) Tragfähigkeit, jowie
Minifterium des Innern zu richten, in
welcher beantragt wird:
1. Befeitigung der fünftlihen Sciff-
fahrtshinderniffe im Rhein zwiſchen
Straßburg und Bajel.
. Einbau von Grokihiffahrtsichleujen
bei den am Rhein zu erjtellenden
Straftwerfen.
3. Prüfung des Rheinregulierungs—
projefts bezw. Ausarbeitung eines
folhden. Studium der Frage der
Regulierung des Bodenjeemwafler-
ftandes,
Die Hahresverfammlung des Vereins
fand ım September 1908 ftatt
Die nad) Art. 31 der revidierten Rhein—
ihiffahrtsafte von Zeit zu Zeit durch Wajler:
baubeamten jämtliher Rheinuferftaaten vor-
zunehmende Befahrung des Rheins, welche
durchſchnittlich alle 10 Jahre jtattfinder
und letztmals im Jahre 1897 ſtattgefunden
hat, hat am 10. Auguſt in Arnheim ihren
Anfang genommen. Zweck diejer Strom:
befahrung ift die Unterfuchung und Feſt⸗
fiellung der Beichaffenheit des Stromes,
der Wirkung der zu deſſen Berbeflerung
getroffenen Maßregeln und der etwa ein
getretenen neuen Hinderniſſe einer regel:
mäßigen Schiffahrt. Zeil nahmen daran
für Bayern Oberbaurat Ruttmann, für
Baden Oberbaurat Roßhirt, für Elſaß—
Lothringen Regierungs- und Baurat Neu
meyer, für Heſſen Geh. Oberbaurat Imroth,
für Niederland Hoof, Ingenieur Directeur
van den Waterftaat Solles, für Preußen
Dber: und Geheimer Baurat Müller, der
zugleich den VBorfig führte. Die Kommilfion
ift am 29. Auguft von Niederland her in
Mannheim eingetroffen und hielt ſich dajelbft
bis zum 1. September auf, um jodann den
Oberrhein bis Baiel zu befahren. Ihren
Abſchluß hatte die Befahrung am 10. Sep:
tember in Mannheim genommen.
Anteil Bayerns an der Binnenfchiff:
fahrt. Bor furzem erfolgte eine Reichs
erhebung über den Beftand der Binnen: |
Sıe |
fhiffe am 31. Dezember 1907.
erftredte fih auf alle zu gemwerbömäßiger
Fradhtbeförderung dienenden Schiffe ohne |
eigene XTriebfraft (Segel-, Ruderſchiffe,
Scleppfähne) von mindeftens 10 Tonnen
auf alle Schiffe mit eigener Triebkraft;
außer Betracht blieben die Regierungs-, Zoll»
verwaltungs- und Vergnügungszweden dies
nenden Fahrzeuge. Für Bayern hat das
Sol. Statiftifche Bureau folgendes Zählungs-
ergebnis feitgeftellt: Im ganzen wurden
518 Schiffe ermittelt, die in einem baye-
riſchen Orte beheimatet find. Nicht gezählt
find die bayerische Flüffe befahrenden Schiffe
außerbayeriſcher Gejellihaften uiw. (3. B.
die der Defterreichifch: Ungarijchen Donau-
Dampfichiffahrtsgejelichaft, wenn fie nıcht
in Bayern beheimatet find.) Unter den
518 Schiffen befinden fich 49 mit eigener
Triebtraft (27 Berjonen:, 7 Güter-, 15
Schleppdampfſchiffe). Die Gefamttragfähig-
feit der 518 Schiffe betrug 154303 Tonnen,
hiervon 4219 Tonnen bei den Schiffen mit
eigener Triebfraft. Unter 50 Tonnen ift
die Tragfähigkeit bei 30 Schiffen mit eigener
und bei 141 Schiffen ohne eigene Trieb»
fraft. Ueber 200 Zonnen Tragiähigkeit
haben 9 Schiffe mit und 176 Schiffe ohne
eigene Triebkraft. Die größte Anzahl
Schiffe befigt die Süddeutjche Donau: Dampf-
ſchiffahrtsgeſellſchaft in München (Heimatort
der Schiffe Regensburg), nämlich 93, da—
runter 10 Dampfidiffe. An zweiter Stelle
jteht das Staatsärar mit 10 Fahrzeugen,
darunter 5 Dampfidiffen, auf dem Ammerjee
und der Amper und 13 Fahrzeugen, hiebei
6 Dampfichiffen auf dem Bodenjee. Was
die einzelnen Stromgebiete anlangt, jo
treffen zwar auf den Main verhältnismäßig
die meilten Schiffe, aber der Tonnengehalt
der Schiffe ift weitaus am bedeutenditen
bei Donau und Rheın.
Gefamttragfäbig-
Schiffe * in une
Donau mit Zuflüffen 119 60737
Main 228 29408
Rhein 126 60493
Ludmwigsfanal 15 1720
Dberbayerifche Seen 17 420
Bodenjee 13 1525
(Bf. Preſſe)
Rom Rhein. Der Rhein ift nicht nur
der Ichönfte deutiche Strom, jondern auch
die wichtigite deutiche Waflerftrake. Diejer
Bedeutung entſpricht das Schiffsmaterial,
das jeine Wellen tragen und das nach den
— 136 —
Angaben des neueſten Rheinſchiffsregiſters Regenbogenforellen gehalten, in manchen
aus 9759 Segelſchiffen und 1318 Dampfern
beſteht. Seit 1906 hat ſich dieje Flotte
um 497 Segelihiffe und 46 Dampfer ver:
mehrt. Bon den Segelſchiffen find 3122
Holzihiffe mir einer Gefamttragfähigfeit
von 517081 Tonnen und einer Bejagung
von 6871 Köpfen, 6637 eijerne Schiffs—
fürper mit 344298 Tonnen Tragfähigfeii
und 17355 Mann Bejagung. Die Ge:
famtzahl der Raddampfer beträgt 172 mit
112338 indizierten Wferdefräften und 1895
Mann Bejagung. Die Zahl der Schrauben-
dampfer ift 1146 mit 183511 Bierdefräften
und 5389 Mannſchaften. Unter diefen
Dampfern find 632 deutſche, 153 belgiſche,
2 britifche, 1 franzöfifcher, 525 nieder-
ländifche und fünf anderer Nationalitäten.
Es beftehen 37 größere Dampfidiff:
Reedereien.
Die Fortellenzucht im Pfälzer Wald
befindet fich leider in der Abnahme. Dem:
nächſt werden die Forellenmweiher in Hinter:
weidenthal · Kaltenbach, jowie mehrere ſolcher
bei Lambrecht abgefiſcht werden. In den
Weihern werden teils Edelforellen, teils
auch beide Arten gemeinſchaftlich. Beide
Arten ſind ſehr ſchmackhaft und gehören
zu den edelſten und wertvollſten Fiſchen.
In einem der Forellenweiher werden zu—
ſammen mit den Forellen auch junge ſtarpfen
gehalten, merkwürdigerweiſe ohne daß ?ıefe
von den Forellen aufgefreflen werden. Be
kanntlich gehört die Forelle zu den gierigiten
Raubfiichen, die bejonders der Fiſchbrut
jehr gefährlich wird. Die Forellen-Seglinge
für die Weiher werden von bejonders dazu
eingerichteten Forellenzuchtanſtalten geliefert,
deren es aud) in der Rheinpfalz ſchon einige
gibt. In früherer Zeit, d. h. vor Erfindung
der Dampfmaſchine und der dadurch ent-
wickelten Induſtrie, famen die Forellen im
Spenerbadh bis Winzingen herunter. Damit
ift e8 aber längft vorbei. Das Speher—
badhmwafjer ift durch induftrielle Abwäſſer
fo verjeucht, daß nicht einmal mehr weniger
empfindliche Fiſche darin erıfiieren können,
geichweige denn Forellen. Im Speyerbad
gibt es unterhalb Lambrecht mit Ausnahme
ded | Mündungsgebieted überhaupt keine
Fiſche mehr. (Pf. T.Btg.)
Altertümer.
Berihleppung von Altertümern.
Daß troß vieler Bemühungen maß-
gebender Stellen und Berjönlichkeiten immer
wieder Händler von auswärts Altertümer
aus der Bfalz zu verjchleppen jucen,
beweifen uns die hin umd wieder in ge
wiſſen Zwijchenräumen auftauchenden Inſe—
rate folder Auffäufer, welche gewöhnlich in
Rofalblättern zur Veröffentlihung fommen.
Neuerdings bemerken wir wieder ein jolches
Kaufgefuch, welches von Mainz aus aufge- |
geben ift. Unter dem Stichwort „Wappen- |
fteine* werden billigft alte Wappenjteine
jeder Größe, Grab-, Grenz und Scluß-
fteine, indbefondere mıt Wappen ehemahliger
pfälzifcher Herrichaften geſucht. Es ift
eine dringende Notwendigfeit darauf hin
zumeifen, daß vor allem eine minifterielle
Berfügung befteht, nach welcher der Berfauf
fünftleriicher und hiſtoriſch wichtiger Yandes-
altertümer unterjagt ift. Leider ereignet es
fich immer wieder, daß trog aller Warnungen
wertvolle Altertümer, Wappenfteine, Waffen,
Bilder ꝛc. durch Auffauf fremder Händler
außer Landes fommen. Dft werden folde
Sachen auf Plägen gefunden oder wegge—
nommen, melde dem finder gar nicht ge-
hören, ſodaß eine Veräußerung ſchon an ſich
ftrafbar if. Eine Ehrenfahe muß es für
jeden Pfälzer fein, fortgejegt ein wachſames
Auge auf folhe Händler und Fortichlepper
feiner heimatlichen, oft wertvollen und ehr-
mürdigen Monumente zu haben. Jeder, der
jeine Heimat liebt, muß darauf jehen, daß
dieje ftummen und doch jo beredten Zeugen
der Bergangenheit feines Vaterlandes im
Lande bleiben. Nicht vergebens ift im der
Pfalz der herrliche neue Mufeumsbau zu
Speyer errichtet worden, worin alle wichtigen
Altertümer zur Aufftellung und Bewahrung
fommen. Dort ıft der geeignete Plag für
Wappenſteine ehemaliger pfälziicher Herr-
haften, nicht in den Händen berufsmäßiger
| Händler, melde jolche Kleinode pfälgifcher
Gefchichte nad auswärts verfchachern. Wende
man fi) in allen derartigen Fragen an dad
biftoriihe Mujeum der Pfalz in Speyer,
oder an Mitglieder und Bertrauensleute
diejes Vereins, welche fich faft überall be-
finden. Es wird hier jedenfalls die befte
Ausfunft gegeben, oft erwirbt der hijtorijche
Berein ſolche Sachen jelbft. Dieje Alter-
tümer bleiben dann in der Heimat. Für
jeden Pfälzer, der etwas auf feine Heimat |
bält, fei die Deviſe: Unſere pfälziichen Alter |
tümer bleiben bei uns in der Pfalz.
Bon einem im Baulande mwohnenden
Pfleger der badiſchen hiftorijchen Kommiſſion
ergeht folgende Mitteilung: Die Erfahrung
hat gelehrt, dab im Verlauf des legten
Jahrzehnts aljährlih eine große Anzahl
jogenannter Altertumsliebhaber die einzelnen
Drte des Bezirks auffuchen, und alle nur
erdenflihen wertvollen Gegenftände mand):
mal um einen Spottpreiß erwerben. So
find in den legten Jahren alte Münzen,
Waffen, Hausgeräte aller Art in Zinn,
Porzellan und Eifen, alte wertvolle Bücher
und Bilder in Mengen zu wahren Schleuder-
preiien zufammengefauft und aus den Orten
des Bezirtö meggeichleppt worden. Im
Intereſſe unjerer Gegend und ihrer ereignis-
vollen Vergangenheit ift dies jehr zu be:
dauern, und in Zukunft jollte es Pflicht
jedes Einzelnen jein, derartige Borgänge
zu verhindern. Um dem entgegenzuarbeiten,
ergeht an alle Stadt: und Bezirksbewohner,
die irgend melde altertümliche Gegenftände
bezeichneter Art befiken, die Bitte, ſolche
vorerft nicht zu verkaufen, fondern an orts—
anſäſſige Altertumsfammlungen ab:
zuliefern, die gewiß diejelben, wenn nicht
noch höhere Preiſe zahlen werden, Außer:
dem bleiben dann die gejchichtlich und fultur-
geſchichtlich wertvollen Gegenftände in der
Heimat ſelbſt. Recht meite Verbreitung
diefer Mitteilung wäre im Intereſſe der
Sade ſehr erwünſcht.
Aus Württemberg kommt wiederum die
Kunde von dem Verkauf eines Wappen-
ſteines an einen Antiquitätenhändler. Es
iſt die Tafel vom Gaſthof zum Ritter in
Hall, der alten SYohanniter » Kommende,
auf welcher der Kommentur Friedrih von
Enzberg 1502 als Bauherr genannt ift.
Ein Münchener Händler hat den Befiger
137
des Gaſthofes zum Verkauf überredet. Es
wird hohe Zeit, daß auch ın Württemberg
der Bund Heimatihug ſich organıfiert und
und dur Aufklärung Über den Wert der
heimiſchen Schäge und durch Wachſamkeit
ſolche Verkommniſſe für die Zukunft un-
möglich macht.
Der neunte Tag für Deukmalspflege.
Auf dem am 24. und 25. September
in Lübeck abgehaltenen neunten Tag
für Denkmalpflege erftattete Hofrat Prof.
Dr, v. Dedelhaeufer (Karlsruhe) den
Yahresbericht. Außerdem murden folgende
Borträge gehalten: „Die neuerlichen Ber-
waltungsmaßnahmen auf dem Gebiete der
Dentmalpflege in Bayern” (Minifterialrat
ſt. Kahr, Münden); „Freilegung und
Umbauung alter Kirchen” (Geheimer Hofrat
Brofeflor Dr. C. Gurlitt, Dresden);
„Schuß der Grabdenfmäler und Friedhöfe“
(Brofefjor Dr. B. Clemen, Bonn); „Die
Erhaltung von Goldſchmiedearbeiten“ (Di-
reftor Dr. v. Bezold, Münden); „Bei:
ipiele praftijcher Denkmalpflege aus neuefter
Beit“ (Baurat Bräbner, Dresden); „Ber:
ſuche zur Erhaltung des Lübecker Stadt:
bildes" (Baudireftor Baltzer, übel);
„Weber Ortsftatute” (AUmtsrichterDr. Bredt,
Barmen. Im Anſchluß hieran Berichte über
die Ortsftatute in Preußen, Bayern, Helfen
uſw.); „Städtische Kunſtkommiſſionen“ (Prof.
Dr. B. Weber, Jena); „Wismar und feine
Bauten” (Baudireftor Haman, Schwerin),
— Un der Tagung fonnte jedermann gegen
einen Beitrag von 5 Marf teilnehmen,
Kunftgewerblihes aus früherer Zeit.
Bei einer Tour durch die Vogeſen ent-
deckte Bergamtsjunftionär Emil Woll in
einem elſäſſiſchen Städten ein Spinett,
welches folgendes Fabrikationsſchild trug:
Henrih Henrian, Inſtrumentenmacher bey
Saarbrüfen zu Sanct Ingbert 1783 Nr.
121. Demnad hätten wir aljo zu einer
Beit, al8 St. Ingbert ein Ort mit faum
1000 Einwohnern war, eine Ynftrumenten:
fabrit mit für damalige Beit bedeutendem
Abfag (Nr. 121) hier beſeſſen. Bielleicht
erwirbt das pfälziihe Mufeum das für
unfere engere Heimat wertvolle Dokument
tunftgewerblichen Fleißes.
4
iu
Abgüffe für Muſeen.
Anfangs Dftober 1908 murden in
- Rüffingen durd Bildhauer Gelbert aus
“ Ludwigshafen am Portal der prot. Kirche für
- eine Reihe von Muſeen (Hiltoriiches Muſeum
zu Speyer, Baulusmujeum zu Worms,
Römijcd;germanifhes Mufeum zu Mainz,
Bayer. Nationalmufeum zu Münden u. a.)
Gipsabdrüfe des unlängſt aufgededten
Türſturzes abgenommen. SYahrhunderte
lang rubte dieſes vorromaniihe Relief
unter Mörtel und Delfarbenanftrid, ſodaß
feine Linien nur leife und lüdfenhaft bervor-
traten, biö es auf Beranlafjung von Pfarrer
Schäfer von allem Belag jorgfältig gereinigt
wurde. inmitten der ein Rechte bildenden
Sandfteinplatte, melde 2,05 Meter lang
und 0,45 Meter hoc ift, tritt ein Kreuz
hervor, und zwar in der ältefien Form,
bei welcher die Yängs- und die Seitenarme
gleiche Yänge haben. Bon rechts und linfs
dringen zwei langgeitredte Tiergeftalten
anscheinend im Kampf begriffen auf dasjelbe
ein. Bur Yınfen ein Löwe. Für das hohe
Ulter des Reliefs ſpricht insbefondere die
Form diejer Yömwenfigur. Der Störper ift
nämlih im Profil dargeftellt;; der Kopf
dagegen ſieht en face mit zwei mwuchtigen
Augen den Beihauer an, ganz fo mie
Kinder bei ihren erften Beichenverfuchen
Tiergeftalten Ddarzuftellen pflegen. Auf
gleicher Yinie mie der Löwe dringt von der
rechten Seite eine fauchende, geflügelte
Dradengeftalt gegen das Kreuz an, viel
lebendiger als die Löwenfigur, melde das
Gepräge ruhiger Entichloffenheit und Stärfe
trägt. Das Kreuz in der Mitte, welches
die chriftliche Kırche verfinnbiidlicht, ift nicht
ungefchügt. Zu beiden Seiten oberhalb
feiner Seitenarme ift es flanfiert von je
einer Taube, dem altfirhliden Symbol
des heiligen Geiftes. Am Fuße des Kreuzes
ift zu jeder Seite ein Pelikan vorgelagert.
Der Pelikan ift das altchriftlihe Symbol
des Unſterblichkeits und Auferftehungs-
glaubens. Daß die in diefen Bogelbildern
verfinnbildlihte Macht des Chriftentums
fi nicht vergeblich erweiſt, zeigt die Figur
eines Striegers, der, die Keule noch mit
ausgeftredtem Arm gegen das Kreuz ge
richtet, erichlagen auf feinem Schilde am
Boden liegt. Weil in der nächſten Um-
gebung von Rüjfingen, in Albisheim a. Pfr.,
138
fih ein PBalatium (Kaiferpfalz) Karls des
Großen befand, in welcher der große Kaiſer
und feine Nachfolger ebenjo wie auf dem
Königsftuhl des Donnersberges öfters
weilten, glaubt Pfarrer Schäfer in dem
' Relief den Sieg des farolingiihen Ehriften-
tums über das heidniihe Sadfentum ver-
berrlicht zu jehen. Der pfälziiche Archäologe
Dr. &prater, der zuerit weitere Gelehrten-
freife auf den Rüſſinger Stein und jeine
hohe kunftgeichichtliche Bedeutung aufmerf:
fam machte, verlegt feine Entſtehungszeit
an das Ende der farolingiichen und den An-
fang der DÖttonenzeit. — Zur Erhaltung
des Nelief3 in feiner jegigen Form und
' zum Schuge vor Bermitterung find geeignete
Schritte eingeleitet.
Funde.
Bei der Legung der Robrleitung für
das Gaswerf in Rülzheim ftieß man
auf die Ueberrefte mehrerer menfchlicher
Stelette der in den Gefechten vom 3. Aug.
1792 zwifchen öfterreihiichen Stabsoffizieren
und franzöfiihen Sägern und am 3. April
1793, fowie am 3. und 19. Juli zwiſchen
den Raiferlichen und Franzoſen hier Ge—
fallenen,
Rheinzabern. Nachdem in der ver-
gangenen Woche bei den durch Kommerzien:
rat Ludowiei veranlaßten Ausgrabungen 5
Römergräber aufgededt worden find, von
‚ denen eins einen jehr gut erhaltenen Sarg
mit ebenfolcgem Skelett enthielt, fonnte man
Steigerung erfahren.
geftern auf dem Schott'hen Grundftüf am
Ausgange des Ortes gegen Neupfog zu einen
gut erhaltenen römijchen Brunnen und in
defien nächſter Nähe einen Herd aufbdeden.
Die Arbeiten werden fortgejegt.
Prof, Dr. E. Meplis, Diluviale Funde
von Neuftadt a. H. Archiv für Anthro-
pologie (N. 5.) 1908, T. Band, 1. Heft,
3 ©. mit 3 Nbbildungen im Tert. Das
durch die erfolgreichen Ausgrabungen von
Dr. Sprater wieder mehr geweckte Intereſſe
für die Borgefchichte unjerer Heimat bat
durch einige, jegt erft genauer befannt ge-
wordene prähiftorifhe Funde eine weitere
Es handelt fih um
eine Anzahl diluvialer Tierknochen (Elephas
und Ren) die vom Berfafjer näher beſchrieben
werden; einzelne Stüde bejigen fünftliche
Einfchnitte, die Dr. Mehlis auf die Ein«
wirkung des diluvialen Menſchen zurüdführt,
die 1901 in Neuftadt a. 9. bei Anlage
eines Kellers, vergejellfchaftet mit einem ge-
Ihwärzten Rollftein aus verlehmten älterem,
fonft ganz geröllfreiem Löß audgegraben
139
worden find. Daran fjchließt fich ein orien-
tierender Ueberblick über die übrigen dilu—
vialen Yunde in der Borderpfali. Die
Stüde find in den Sammlungen der Pollichia
zu Dürfheim untergebradit.
Citerariſches.
1. Dr. Daniel Häberle: Die neo:
logiſche Literatur der Rheinpfalz vor 1820
!
und nach 1880 bis zum Jahre 1907 ein- |
ſchließlich. Sonderabdruf aus Nr. 23,
64. Jahrgang 1907 der „Mitteilungen der
Bolihia*. Heidelberg, 1908. — Eine
Hortjegung und Ergänzung vom in derjelben
periodischen Beitichrift von Prof. Dr. Yeppla
(Rheinpfälzer) verfaßten Literaturverzeichnis
der geologiihen Publikationen über Die
Rheinpfalz.
gabe mit großer Sorgfalt gelöft. Nice
meniger ald 1136 Xiteraturangaben ent-
hält die vorliegende Bibliographie. Die
ältefte ftammt a. d. %. 1514 und enthält
die „Bergordnung des Herzogtums Zwei—
brücken“. Wenn jceinbar aud nicht geo-
logijhe Produkte angeführt find, fo z. B.
Nr. 3, 4, 5, 16 ujm., fo enthalten dieſe
Schriften doch Hinweiſe auf einzelne geo-
logiſche und mineralogijche Berhältniffe des |
Unter Nr. 15a, |
behandelten Gebietes.
bezw. 33a, 37a wird ein Reifebericht von
Megalifjus erwähnt, der i. %. 1729 eine
vulkaniſche Tätigkeit — Rauchwolken! —
ded Donnersberges erwähnt. Eine Be»
fprehung diejer merfwürdigen Stelle, die
vielleiht mit dem „®ebrannten Berg”,
Der Berfafjer hat jeıne Auf-
einer Abteilung des Bergmaſſivs zufammen- | |
| ihnen verfaßten Arbeiten zujenden zu wollen,
hängt, erinnere ich mich, vor ca. 20 Yahren
in einer pfälziichen Zeitſchrift (Pfälziſches
Mujeum?) gelefen zu haben. Vielleicht
findet ein Leſer die betreffende Stelle
wieder? Die gejamte landesfundliche
Bibliographie der Rheinpfalz will Herr
Dr. Häberle ſpäter herausgeben.
2. Daniel Häberle: Paläontolo-
giſche Unterfuhung triadifher Gaftropoden
aus dem Gebiet von Predazzo. Sonder:
abdrud aus: „Berh. des naturf, » mediz.
Bereins zu Heidelberg, N. %. 9. B. 2 3.
Heft. — Heidelberg 1908, Winters Uni-
verfitätsbuchhandlung. — Mit vorliegender
Spezialarbeit, welche ſich mit der Unter-
ſuchung von Foifilien des Latemar Oftgipfels
und des PViezenagipfels in den Dolomiten:
Alpen beichäftigt, bat fih u. W. unjer
Landsmann den Doftorhut zu Heidelberg
geholt. Dem waderen Foricher wünjchen
wir hiezu und zu dieſem testimonium
eruditionis von Herzen Glück! — Speziell
pfälziihe und zwar Weftricher geologiſche
Berhältniffe werden ©. 556 und 566 er-
wähnt, wo von den Trochiten- und Tere—
brarelbänfen, jowie Qumadellen — Weiß:
Erläuterung zu Blatt Zweibrücken — die
Nede ift. Die Durcharbeitung des mühjam
von Häberle und Philipp an Ort und Stelle
geiammelten Materiales erfolgte im ftrati«
graphiich-paläontologifchen AInftitut — Bor:
ftand: Prof. Dr. Salomon — zu Heidelberg,
deſſen Bolontär-Affiftent Herr Dr. Häberle
jeit dem legten Jahre geworden it.
Neuftadt a. d. H., Dr. 6. Mehlis.
Mit dem Abjchluß einer „Pfälzer Bib-
liograpbie” beichäftigt, die nah Möglichkeit
alles erhalten fol, was über die alte
rheinifche Pfalz im Drud erſchienen ift,
rihte ih an die Herrn Berfaffer von
jelbftändigen Werfen und Fleineren Auflägen
die Bitte, mir ein Verzeichnis uller von
famt Angabe, wo und wann fie erjchienen
find, um auf dieje Weije das mir zugehende
Material mit dem bereit gejammelten ver:
gleihen zu können. Auch erbitte ich Nady-
weile von Aufjägen, die in Tagesblättern
erjchienen find, doch find rein belletriftifche
Arbeiten oder poetiihe Darftellungen der
Anlage des Buches entjprechend ausge:
ichloffen. Für alle mir zufommenden Mit-
teilungen jpreche ich jchon im voraus meinen
verbindlihiten Danf aus,
Münden Thierihplag 3/0.
Dr. Karl Haud.
F. M. von Franken, Eruftes und
Heiteres aus ber Pfalz, Verlag A. Gerle,
Raiferslautern, — Herr Dr. Heeger jchreibt:
„Ber aufregende Lektüre, gefünftelte Sprade
und Probleme fucht, wird in dieſem Buche
feine Rechnung nicht finden. Über mer
eine behagliche Stimmung liebt, wie
fie bier ein. fein empfindender Menid
durch Schlichte Darftellung einfacher Geſcheh
niffe und Charaktere in uns ermwedt, wer
fein PBerftändnis für pfälzifches
Volkstum und jeine Liebe zur pfäl-
ziſchen Heimat mit ihren mannig-
fahen Reizen erwärmen und ver:
tiefen will, der greife recht oft zu diefem
liebenswürdigen Bud. Ich bin
fiher, daß es fih recht bald zapl-
reihe $reunde im Pfälzerland er-
werben wird.“
Dur Inhalt und Ausftattung ift der
ftattliche Band, deſſen Borderjeite mit der
flotten Zeichnung einer Pfälzer Landichaft
geziert it, ale Geſchenk für Pfälzer
jeden Alters und Geſchlechts bejonders
geeignet und dürfte in vielen Fällen Die
Wahl einer jinnigen Gabe erleichtern.
Fir. Bernd. Störzner. Wie ift in
den Gemeinden der Sinn für die Ge:
(bite der Heimat zu weden umd zu
pflegen? 27 ©. mit 21 Abbildungen.
2. Aufl. Leipzig. Verl. v. Armed Strauch.
20 Big. Durd das kleine Schriftchen ſucht
der Verfafjer die verjchiedenen Zweige der
Heimatfunde zu fördern und gibt an der
Hand von Abbildungen Anleitung zu Be-
obachtnngen auf dieſem Gebiet. H.
„Bollslieder aus der Rheinpfalz. Mit
Singweifen aus dem Bolfömunde gefammelt.
140
|
Im Auftrage des Bereins für bayerifche
Volkskunde herausgegeben von Dr, Georg |
Seeger und Wilhelm Wüſt. Band I. Hof:
buchdrudferei Hermann Kayſer, Kaiſers
lautern 1909, Preis fein gebunden 3.80 4.
Hundert Jahre find gerade verfloflen,
feit ein Werf feinen Abſchluß fand, das
eine heute noch lebensfräftige Wirkung auf
die deutfche Literatur ausübte, die Volks:
liederſammlung des Knaben Bunder
born von Adım dv. Arnim und Clemens
Brentano Syn allen Gauen unjeres janges-
freudigen Baterlandes entftanden bald oder
jpäter ähnlihe Sammlungen von mehr oder
weniger großer Bedeutung; aber in der
rheinifchen Pfalz, die noh vom fanges-
froheften Völkchen deuticher Zunge bewohnt
wird, regte fich fait ein Jahrhundert lang
niemand. Wohl wurde bin und wieder auf
den Reichtum der Pfalz un Bolfsliedern
bingewiejen: aber jelbit die Randesfunde
Bavaria, die in Band IV, 2 die Bolksfunde
der Pfalz ausführlich berüdfichtigte, gedenft
ihrer nur vorübergehend. Nun ift dieſe
Lüde ausgefült; die Pfalz hat in dieſen
Tagen den I. Band ıhrer Volkslieder er-
halten, ein Werf, das wohl als das finnigite
Weihnachtsgeſchenk der Herausgeber an ihre
Heimat betrachtet werden muß. Schon jeit
Yahren hatte der „Berein für bayeriiche
Volkskunde“ den Entichluß gefaßt, die reichen
Volfsliederichäge der Pfalz endlih einmal
zu heben; aber wer getraute fih an dieie
Riejenaufgabe, die niemand doch unternehmen
fonnte als ein Pfälzer, der mit dem Denten
und Fühlen fo innig, wie nur möglich ver-
wachſen ift? Diejer Bearbeiter fand fich in
Herrn Konreftor Dr. Heeger, der fid
der Volkslieder in faſt Ljähriger ununter-
brochener Arbeit mit großem unermüdlichen
Fleiße und tiefftem Verſtändniſſe widmete.
War doch von allen Pfälzern, die fich mit
Volkskunde beichäftigen, feiner mehr dazu
berufen, als gerade er, der fih die Er
forfchung der heimifchen Gigenart zur
Lebensaufgabe geftellt hatte und jchon im
zahlreihen Studien und Auflägen jeine
Befähigung dazu befundete,
Wenn auch die Pfalz jekt erit mit
ıhrer Volksliederſammlung fommt, fo ift es
doch noch lange fein Zuſpätkommen; denn
wer den jtattlichen I, Band von 310 Seiten
nur flüchtig durchblättert, der gewinnt fo-
fort die Überzeugung, daß dies Buch die
mehr als 100jährige liebevolle Erforfchung
‚ der deutichen Volkslieder, die in unzähligen
Schriften niedergelegt ift, allenthalben ver:
wertet hat. Welch' ein Abftand zwiſchen
dem Wunderhorn und den „Pfälzifchen
Bolfsliedern”! Hier ein gewifjenhaftes
Sammeln und Prüfen, ein Zurüdgehen auf
die entlegenfien Quellen, ein genaues
Studium der Volksſeele, ein peinlich genaues
Vermerken jeder Abmweihung, dort, im
Bunderhorn eine zwar liebevolle Bejchäfti-
gung mit dem damals noch wenig neachteten
Reichtum, der dafür fein auswählendes und
— 141 —
ausjcheidendes Urteil, nur nichtsſagende
Quellenangaben und fogar Bearbeitungen,
die dem Weſen des Volfsliedes nicht ent-
fprechen.
Die meiften deutihen Sammlungen
laffen den wichtigſten Teil des Volksliedes,
dıe Melodie, vermiflen; wo fände ſich
auch immer eine Kraſt, die alle Melodien
aufzuzeichnen vermöchte! Dieje Kraft ge
wann Dr. Heeger in dem trefflihen Kenner
des pfälzifchen Volksliedes und feines
Melodienfhages in Herrn Strafanitalts:
lehrer Wilhelm Wüſt in Kaiſers
lautern, der jchon feit Jahren mit der
Mufit des Bolksliedes vertraut ift, mie
außer ihm niemand in der Pal. Man
fhaue nur auf den reihen Echak, der in
diefjem 1. Bande enthalten ift und dem
eifrigen Sammler und Stenner ein glänzendes
Beugnis ausftellt. Wir Pfälzer dürfen
getroft fagen: unjere Bolfsliederfammlung
fteht in literarifcher und mufifalifcher Be-
ziehung an der Spige der landidaftlichen
deutihen Sammlungen und der Berein für
bayerifche Volkskunde fann mit Stolz alle
andere Gaue feines weiten Gebietes auf
diejes Werf als Mufter hinmeijen.
Ein erhebendes Gefühl wird jeden be-
fchleihen, der zu diefem Werke greift. Wenn
ſolche Reichtümer in der Seele des Volkes
ſchlummern, ift e8 nicht fchlecht beftellt um
und Zwar überfluten jahraus, jahrein
die Bazarmaren der Bafjenhauer ſchlimmſter
Sorte unjer Yand; aber das Bolf, das fie
raſch aufnimmt, vergikt fie eben fo raſch
wieder. Die Bolfslieder aber, die hier
gelammelt find, haben vielfach Jahrhunderte
überdauert. Daneben ftehen ſolche aus
den legten Jahrzehnten, die von der Dichte»
rifhen Kraft der Einfachften im Volke das
befte Zeugnis geben. Es iſt auch nicht
wahr, was man jeit Jahren ımmer wieder
redet, daß unjer Volk die Luſt zum Singen
verloren habe. Selbft der Induftrialismus
bat die Sangesfreude nicht zu töten ver:
mocht; es find vielmehr die Gebildeten,
die das Volkslied nicht mehr kennen und
nicht verftehen, weil fie fih erhaben
dünfen über die einfachen jchlichten und
darum lebenswahren und lebensvollen Er-
zeugnifje der Volksſeele. Wenn aljo diejes
Bud, das bald in feinem Pfälzer Dorf
mehr fehlen wird, außer der in ihm liegen-
den Aufgaben noch eine andere erfüllen
wird, fo ift es die der ſozialen Verſöhnung;
denn in ihm liegt etwas, das uns allen
gemeinjam ift oder fein fol, da8 Gemlüts-
leben eines Volkes.
Was wurde feit Goethe nicht alles zum
Hausbuch des Ddeutichen Volkes gemadıt.
Das Wunderhorn follte e8 werden; es hat
freilich feine Wirkung getan; es lag nicht,
wie der Alte von Weimar münjchte, „am
Fenſter, unterm Spiegel, oder wo jonft
Gefang- und Kochbücher zu liegen pflegen“.
Die deutichen Poeten aber haben aus diejem
Jungborn ein Jahrhundert lang ihre Kraft
geihöpft. Die „pfälziihen Volkslieder”
werden bald Gemeingut aller Pfälzer fein;
denn diefes heimatfrohe Volk, das ſich in
diejem Spiegel wiedererfennt, wird gerne
zugreifen,
Grzählende Lieder: Mythiſche Bolts-
lieder, Balladen, Romanzen eröffnen den
Reigen (Nr. 1- TI), Liebeslieder (Nr. 72
bis 158) maden den 2. Teil aus. In
den zahlreichen Abweichungen in Wort und
Weile ift auch dem Nichtfacdhmanne ein
Beweis von der Lebenskraft diejer Lieder
gegeben; gleichzeitig beftätigen fie, wie aus
allen Teilen der Pfalz in Stadt und Land
an dem jchönen Werke mitgearbeitet wurde;
das reichhaltige Sammlerverzeihnris am
Eingang gibt ein deutliches Zeugnis und
wir können getroft jagen, die Pfalz jelbit
bat hier mitgemwirft.
„So ziehet denn hin, ihr Liedlein ſchlicht
und innig, ın denen die Klänge aus der
Jugendzeit wieder an mein Ohr jchlugen,
die ihr mir den Mut froh und das Herz
jung gemadt habt! Biehet hinaus und
erflinget hell und frisch im jchönen Pfälzer-
land!" jo wünſchen aud wir mit dem
Herausgeber Dr. Heeger.
Der Freude hat an heimischer Volks»
art, wer in der Fremde die heimijche
Scholle noch nicht vergeffen hat, wer ſein
Bolt im Spiegel des Liedes ſchauen mill,
der greife zu!
Die Ausftattung des ftattlichen Bandes
ift geichmadvoll und bezeugt, daß der Ber-
leger fein beftes tat. Th. Bint.
142
Edelkafanien.
In der Zeit, wo der neue Wein ge«
feltert wird, reift auch in manchen Gegenden
der Pfalz die Frucht eines Edelbaumes,
deſſen Heimat eigentlich weit im Süden iſt,
dort, wo die Bıtronen blühn, im dunklen
Laub die Goldorungen glühn. Es ift die
Edelfaftanie, melde, begünftigt durch
dad milde Klima unferes Landes ih in
vielen Gemarfungen verbreitet hat und auch
jehr oft wildwachſend, ja jogar in ganzen
Waldungen angetroffen wird. Dieje Süd—
frucht mit ihren herrlichen, malerischen und
ichattigen Bäumen zeigt ih) am Donnersberg
in ihrer jchönften Ausbildung. Gemaltige
Dannenfels, welches an
Morgenhalde gelegen ift. Auch das Berg-
gelände bei Alingenmünfter weiſt jchöne
Kaftanienanlagen auf, welche teilmeile als
Büſche und Haine auf bebauten Boden,
mehrenteil8 aber mild, mie der große
Kaftanienwald am Scloßberg, vorfommen,
Die Früchte der wildwachſenden Bäume
einer jonnigen
klettern.
Unterhaardt iſt der Kaſtanienberg bei Bad
Dürkheim zu nennen. Die geſchützt ge—
legene Mulde nad der Ebene zu und teil-
weile die Ringmauergegend, welche gegen
Dften fieht, zeichnet ſich durch viele mild»
wachſende präditige Saftanienbäume aus,
welche dort gleichfall8 ganze Haine bilden.
Bei Neuftadt a. d. H. jehen wir ebenjalls
viele Raftanienanlagen, jo am Nollen, mo
dıefe Bäume faft bis zum Gipfel empor-
Dichte, üppige Kaftanienmwälder
' finden wir in der oberen Haardt auf dem
find zwar etwas Fleiner, als auf dem be-
bauten Lande, deshalb aber nicht minder |
wohlſchmeckend. Beionders wegen des Laub: |
ftreuwerfs und Holzes, welches fich für
BWingertöftiefel und Balken vortrefflich eignet,
werden die Raftanien wild gezogen und an
Rainen und Plätzen, wo feine Reben und
Fruchtfelder find, angepflanzt. Un der
' Berggipfel der Marburg, auch Käftenburg
‚ genannt.
Kaftanienbäume jhmüdfen das jchöne Dorf
Die SHaftanien werden, wie er:
mwähnt, mit den Trauben reif und bilden
eine angenehme BZufpeife zum Süßen umd
Federweißen, wobei man fie gebraten ißt.
Auf den Wiejen, wo die Hirtenbuben das
Vieh meiden, brät fi) das Fleine Volk die
„Käſchte“ im Feuer. Friſch gefocht, ge
braten oder gedörrt wird die Frucht aud
als beliebtes Gemüje zu Dürrfleiich und
zum Gänfebraten genommen. Für viele
Bögel im Walde ift die Saftanie eine
Delikateffe. So legen fi bejonders die
Nußhäher, wie man an der Ringmauer bei
Dürkheim beobachten fann, ganze Vorrats-
fammern in faſt unauffindbaren Verſtecken
an. Im Yahre 1908 war die Kajtanien-
ernte recht gut, während im Jahre 1907
nicht viel zu jehen war. (Böhm.)
Gemeindearcivalien.
Im Jahre 1906 war den Gemeinden
das Recht zugeltanden worden, ihre Archi—
balien den Kreisarchiven zur Ber-
wahrung zu libergeben, und es war ferner
beftimmt worden, daß Gemeinden, die ihre
Ardivbeftände in eigener Verwahrung be-
halten wollen, fie aber noch nicht gehörig
geordnet haben, zu ihrer Ordnung die Mit-
wirfung des Kreisarchivs in Anſpruch
nehmen fönnen. ine Entſchließung des
ſt. Staatsminifteriumsd des Innern meift
nunmehr darauf bin, daß vom 1. Sept.
1908 ab beim allgemeinen Reihsardiv
in München zwei eigene Beamte aufgeftellt
find, die fi mit und neben den Streis-
arhiven der Förderung " der Gemeinde-
archive zu widmen haben. Die Entichließung
gibt den Gemeinden die näheren Wege be:
fannt, wie diefe Mitwirkung erfolgen kann,
und führt im einzelnen aus, daß die Be
ftimmungen im weſentlichen für fleinere
Gemeinden getroffen worden find, daß aber
auch größere Gemeinden, welche ihre Archive
als wichtigen Beitandteil ihres Gemeingutes
und als Quellen ihrer Geſchichte auf eigene
Koſten verwalten lafjen, für gewifje Zwecke
die Mitwirkung der Ardivbehörden erlangen
fönnen.
Nah einer den protefi. Pfarrämtern
der Pfalz mitgeteilten Entſchließung der
K. Regierung hat es fich gezeigt, daß in
‚ den Bfarrgebäuden vielfah Gemälde,
143
Schränke ꝛc. vorhanden find, die ficherlich | dem Vorhandenfein derartiger Gegenftände,
zu den betr. Gebäuden gehören, die aber
mehrfach als herrenlofes Gut oder als
Eigentum der Nutnießer betrachtet und
auch veräußert werden. Es wird daher
mit Rückſicht auf die Erhaltung der meift
fünftlerifch oder hiftorifch wertvollen Gegen-
ftände angeordnet, daß diefe inventari-
fiert werden. Hinfichtlid der in den
fatholiichen Pfründegebäuden befindlichen
Gegenstände bat das bijchöflihe Ordinariat
in Speyer die Pfarrvorftände angemiefen,
ein Berzeihnis anzufertigen und ihm vor:
zulegen. Die Bezirfsämter find beauftragt
mworden, fich bei gegebener Gelegenheit von
ihrer ungejchmälerten und unverjehrten
Erhaltung und der Führung der Ber-
zeichniffe zu Überzeugen und gegebenen Falls
Bericht zu erftatten. Hinſichtlich der in
proteftantifhen Pfründegebäuden etwa
vorhandenen, nicht im Eigentum der Kirchen:
ftiftung stehenden und als ſolche bereits
in den Wmtsinventarien eingetragenen,
fondern den Pfründeſtiftungen gehörigen
Gegenftände wird im Benehmen mit dem
K. Konfiftorium angeordnet, daß diejelben
in den Inventaärien, jedody unter einer be-
jonderen Rubrif als „Eigentum der Pfründe:
ftiftungen” vorgetragen werden.
Verſchiedenes.
Für eine lebensvollere Geſtaltung
des naturgeſchichtlichen Anterrichts in
den Volksſchulen Hat die Berliner Stäbdtifche
Scduldeputation Fürzlich eine dankenswerte Ans»
regung gegeben, indem fie den Schulen die An-
ihaffung eines Aquariums aus dem ihnen aus
gejegten Lebrmittelfond empfiehlt. Es iſt ganz
zweifellos, daß die Schüler durch die Beobad)-
tungen, die jie an einem folchen mit Leben
erfüllten Anſchauungsobjekt machen können, ganz
bejonders, wenn fie auch bei der Pflege miıhelfen
dürfen, erheblich ftärfer interejfiert und daß ihre
Naturerfenntnis wie ihr Naturgefühl dadurch
weſentlich bereichert werben. Es märe jehr zu
wünjchen, daß der Gedanke nicht nur in Berlin,
fondern überall, vor allem in ben bon der Natur
durch eine große Atuft getrennten Gropftadt-
fhulen in die Tat umgefegt würde.
Andererjeitö bat das Großh. beififche Mini-
ſterium kürzlich angeordnet, daß in allen ländlichen
Fortbildungsſchulen die landiw. Naturkunde
(Bodenkunde, Düngerlebre zc.) als obligatorifches
Unterrichtsfach eingeführt mird. Bu dieſem
Zwecke follen im Laufe der Monate September
und Dftober in allen Streifen Heflens Bortrags—
furje für Lehrer an Fortbildungsichulen abs
gehalten werden.
Das WVogelfchußgefeß in der neuen
Faffung vom 30. Mai 1908 trat am 1. Sept.
1. 38. in Sraft. Aus diefem Anlaſſe fei be-
fonders auf die Beftimmungen ber $$ 3 und 1
dieſes Geſetzes bingemiefen, die nunmehr im
ihrem wmefentlihen Teile lauten: „In ber Beit
— — —— — — — — — — — — —
vom 1. März bis zum 1. Oktober iſt daß Fangen
und die Erlegung von Vögeln ſowie der Un—
kauf, der Verkauf und das Feilbieten, die
Bermittelung eines hiernach verbotenen Ver—
und Ankaufs, die Ein-⸗, Aus- und Durchfuhr
von lebenden, ſowie toten Bögeln der in Europa
einheimischen Arten überhaupt, ebenje der Trans:
port folcher Bögel zu Handelszwecken unterfagt.
Dieſes Berbor erjtredt fih für Meifen, Kleider
und Baumläufer auf da8 ganze Jahr.“ Das
Beritören und Ausheben von Nejtern oder Brut-
ftätten der Vögel, das Zerjtören und Ausnehmen
von Eiern, da8 Ausnehmen und Töten von
ungen ift verboten. Desgleichen ift der An-
fauf, der Berfauf, die Un und Berlauföver-
mittelung, das Fyeilbieten, die Ein, Aus» und
Durchfuhr und der Transport der Nefter, Eier
und Brut der in Europa einheimischen Bogel-
arten unterfagt. Zugleich ſei auch noch auf das
Reichögejeg dom 29. Juni 1908 hingewieſen,
wonach der Handel mit lebenden Bögeln zu
unterfagen ift, wenn Tatfachen vorliegen, welche
die Unzuverläſſigkeit des Gemerbetreibenden
dartun.
Der Böhämmerjagd, dieſem von Aug.
Beder in feiner „Hedwig“ fo anſchaulich geichil-
derten Jagdvergnügen, wobei ald Waffe das
Blasrohr und ald Geſchoß eine Kleine Lehmkugel
biente, bat das demnächſt in Kraft tretende neue
Bogelfchußgejeg ein Ende bereitet. (Pf. Tgztg.)
Sernziele der Bugvögel. Die Feit-
ftellung, daß die Zugdögel ungeheure Wande-
rungen machen,” ift der Vogelwarte in
— 14 —
Empfang zu nebmen und unentgeltlich zur Poft
zu bringen hatten. Gin mefentlihes Mittel,
die Einfammlung der Korrefpondenzen zu er-
leichtern und die Pojtboten-Anftalt der Land—⸗
bevölferung nutzbar zu machen, bildete die Ein-
führung ber Brieffäften. Diefelben wurben
zeichnet worden war, am &t Bahira in Tunis | auf often der Gemeinden angejchafft und unter»
erlegt worden. Ein Storch tit fogar in Rhode- : halten und blieben deren Eigentum. Nach ber
Roffitten in Oftpreußen jet zum erjten |
fla wieder erfannt worden. Er war am 5. Juli Belanntmahung dom Kgl. bayer. Oberpojtamt
|
Mate gelungen. Ste batte im borigen Jahre
eine Anzahl Zugbögel mit Zußringen bezeichnet.
Die eriten der fo gezeichneten Bögel find jegt
aus Afrika gemeldet worden. So ijt eine
Roffitter Lachmöwe, die am 26. Yult 1907 ge-
borigen Jahres in Köslin i. P. gezeichnet worden | für die Pfalz gez. Seiler, vom 16. September
und trat am 25. oder 26. Auguft die Reife nad) | 1858 follten die Brieffäften den Vorteil gewäbren,
bem Süden an. Der Storh wurde bei Fort daß die Ortsbemohner ben Poſtboten nicht ab-
Jameſon geſchoſſen. zuwarten brauchen, ſondern jederzeit ihre Briefe
N in ben verfchloffenen Brieflaiten legen können.
Foftjubiläum. Die Pfalz fonnte am Durd) einen in dem Kajten angebrachten Stempel,
1. Oftober 1908 ein Jublläum eigener Art be- defien Abdrud der Poſtbote an die Bofterpedition
gehen, nämlid; das 50jähr. Bejtehen der zurüdbringen mußte, war zugleich die Garantie
Landpojtboten. Bon diefem Tage an murde für die richtige Leerung bes Bricflaftens gegeben
das durch die Verordnung vom 31. Yuli 1818 Die Einrichtung bewährte ſich fehr gut und im
eingeführte Inſtitut der Landboten aufgehoben Jahre 1860 fand fie für alle Kreife Bayerns
und deren ſamtliche Obllegentzelien den Poft- Einführung. Der 1. Dftober war aljo in Wirt:
boten übertragen. Die DiitriftSgemeinden hatten uͤchten ein Poftjubtläum für die Pfalz.
daher bie biöher an bie Landboten bezahlten
ftändigen Gehalte von jetzt ab an bie F. Poft- Daß es fih bei der Fflege des BBbft:
laſſe abauliefern, wogegen die Boftverwaltung | Baues um eime wirtfchaftlih wichtige Frage
bie Berbindlichkeit übernahm, die Storrefpondenzen, | handelt, zeigt eine von der Gemeinde Weifjen-
Alten und Geldfendungen der Kgl. Landkommiſ- | Heim a. ©. zurzeit bei der Landesobſtausſtellung
fartate an alle foordinierten und fubordinierten | in Nürnberg ausgeitellte Tabelle. Nach biefer
Behörden bes betreffenden Bezirkes, dann um- | wurden in Weiſenheim im legten Jahre geerntet
gekehrt die Sorrefpondenzen biefer Behörden ; 10000 Bir. Kirſchen, 10800 Zt. Weintrauben,
mit dem betreffenden Landfommifjariate und | 8000 Ber. Bmwetichgen, 7000 Ztr. Pfirfiche, 5000
unter fich, fomeit biefelben Gegenjtände der | Ztr. Stachel- und Johannisbeeren, 4000 Bir.
Polizei oder allgemeinen Bermwaltung betrafen, | Apritofen, 3000 Bir. Uepfel, 1700 Btr. Birnen,
durch die Poſtboten und eventuell durch Ber- | 1200 Ztr. Pflaumen, Mirabellen und Reine
mittlung ber 8. Boftanjtalten im Umfange jeden | klandes, 1000 Ztr. Erdbeeren 300 Ztr. Mandeln
Landfommiffariatöbezirfes gebührenfrei beforgen | und Nüſſe, alfo im ganzen 52000 Btr. Daß
und abliefern zu laffen. Die für das Kublitum auch der Obftbau an den Straßen lohnend if,
wichtigſte Beftimmung des neuen Snjtituts war beweiſt eine graphiiche Darftellung aus dem
bie, daß die Pofiboten alle Privatbriefe ohne | Diftrift Homburg. Während im Jahre 1901
Ausnahme gebührenfrei an die Wöreffaten in | der Erlös aus dem an den Diftriltsitraßen an-
den Gemeinden ihres Botenganges zu beforgen | gebauten Objt nur 2573 M. war, jtieg er 1908
und ebenfo die dort aufgegebenen Briefe in | auf 7865 Marf.
Inbalt: Stand und Entwidlung ber bayeriihen Montaninduftrie. — Zu dem angeblichen
Betroleumvorfommen bei Beteröbächel. — Jahresverſammlung der „Bollichta”. — Die Turmruine
in Odenbach, ein gefährbetes Baudentmal. — Die Ortögruppe des Pfälger-Wald-Bereins in Lupd-
wigäbafen. — Lemberg- Turm. — Alt Heidelberg, das Schloß und feine Scidfale in drei Yabr:
hunderten. — Wllerlei vom Tabak. — Rhein, Schiffahrt, Fifcherei. — Altertümer. — Literartiches.
— Gbeltaftanien. — Gemeindeardivalien. — Berjchlebenes.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
(Unverlangte Manujtripte werben nicht zurüdgefanbt.)
Die „Prätzi tkunde* t {ich in 12 Heften ME. 2.50. Benell werden dom allen Buchtandi >
— a hass —9 Berleger (Bortofreie ——— base) angenommen. — —
Bfätilche Deimarkumde
Honats[deift
für Schule und Sbauıs.
Mit 2 Bollbildern und 3 Abbildungen im Text.
nn — Fünfter Jahrgang.
1909.
®
Raiferslautern. ,
Drud und Verlag der Hofr-Buchdruderei Hermann Kayjfer.
Nach den Namen der Verfafler alphabetiich geordnet.
Inhaltsuerzeichnis.
I. Auffäte.
Für das vorliegende Inhalts:
verzeichnis habe ich eine von der bisherigen Form abweichende, dafür aber nach meinen
Erfahrungen dem praftifchen Bedürfnis beffer entiprechende Anordnung gewählt.
Dr. Häberle.
Anonymus, Abbe Richards Tätigkeit in der Pfalz als — — — —
Wünſchelrute
Böhm, Chr, Kardinal⸗Erzbiſchof Sohannes von Geiſel
Böhm, J.,
Pfälziſche Wild- und Jagdbeobachtungen.
Fränkiſche Gräber und vorgeſchichtliche Wohngruben in der Rheins
Ueber die Mammuthe des Reinthals s
Pfälziſche Berfammlungsorte in alter und neuer get
Fränkiſche Gräberfelder am Mittelrhein
Pflanzenihuß in der Pfalz .
Ueber pfälziichen Vogelichuß .
Brünger, 2, Unjere Dorflirchen
Chrift, C *
Die Fiſche des unteren Nedars
Gauth, Ph., Unfer letzter Winter
Gewitter und Hagelfälle in Sibentfehland
Neues am Oktoberhimmel
Mangs Univerjalfeldftecher
Habermehl, K. Dr. Friedrich von Haufen, ein Landemann aus jernen großen
Tagen (Auszug) .
Häberle, D., Dr., Ueber die Erdjentung bei Brüden
Die Naturverödung im Landjtuhler Bruch ’
Ueber das Vorkommen von Windlö ern („Fumarolen“) auf Spalten
und Klüften im Hartgebirge. Mit einer Zeichnung . . (8), 37
Dürre Hexen: oder Elfenringe auf den Wiejen bei Petersbächel 67, 88,
Der „Mainzer Brunnen“ auf den tertiären B—— am ——
berg bet Göllheim ;
Ueber die Spuren alter Quedfilberbergwerte bei Münfterappel .
Alte Eifengruben bei Waldmohr u. a. D.
— er Nachrichten in — Die Walz gweibricker Borzellan.
manufaftur
Die Vorzüge der Ortslage von Altenglan. Eine Schilderung aus dem
Jahre 1585
Schneckenzucht in der Pfalz
Die weftpfälziiche Moorniederung in ihrer Beziehung sur Kumpffläche
(Beneplain) der Mittelpfalz. Mit 2 Abbildungen .
Diineralguellen im Glantale . -
Der Gutenbrunnerhof, ein vergeflener Badeort bei Trippftabt
G
2*
—
—
*
Häberle, D., Dr., Pfälziſches Baumaterial am Reichstaggebäude in Berlin
— Ueber die angebliche vullaniſche Tätigkeit des ER im = 1729
— Eine vergeſſene Felſenburg bei Bufenberg .
Rampfmann, 2, Wanderungen pfälzifcher Ortichaften .
Mehlis, E., Dr., Studien aus dem Pfälzer Wald E j
a > m — — : Schneehöhen
_ z ri 2 Die Heine Kalmit
- Der Simburg-Dürtheimer MWaldprozeh
Schiller, a Ortichaften in der u ia Pfalz Abrud aus dem
älz. Memorabile 1873)
Schmwangart, Dr, nn die Ziele der Ornithologiihen Geſellſchaft in Bayern
se ESgerEbE
IH. Zandeskundlidye Notizen.
Verſuchsweiſe wird hier über die zerftreuten Notizen eine ' Toftematifche Ueberſicht
gegeben.
A. Allgemeines: Seite | Bevölterung. ©. 53, 125,
Kartographie nn. zu | Polfskunde, 6. 142,
Hiftor. Topographie » 1WVB | Wirtichaftlihe Kultur:
Achivbenägtung » > 0. MR | Statiftil. ©. 27, 53, 144, 159.
B6,
118, 136, 139, 140, 1 160.
Dbft: und Weinbau. ©. 4, MA.
Fiſcherei. ©. 12, 36, 59, 104, 135, 158, 154.
Forſt⸗ u. Denen: ©. 10, 59, 84, 87,
%, B, %, 135, 142, 148, 155,
B. Zandesnatur:
Geologie. ©. 35, SL 88, 118, 148
Hydrographie. ©. 32, 35, 60, 62, 68, 64, 65,
| Landwirtihaft. ©. 8, 3,
110, 141, 154, 155.
|
|
Waflerverjorgung. ©. ®, 104, Bergbau, Hütten u.Salinenwefen. ©. 12,
Klimatologie und Meteorologie. ©. 9, 21, | 28, 34, 52, BL 8, 131 148.
34, 59, 62, 71, 87, 110, 120. | Gewerbe u. Induftrie. ©. 73, 76, 88, 88,
Pflanzenwelt. ©. 12, 36, 47, 72, 84, 87, 97, 104, 108, 144,
88, 119, 120, 129, 135. Handel und Verkehr. ©. 27, 34, 55, 56,
Tierwelt. S. 9,11, 19, St, 29, 49, 76, 84. 85, | 64, 81, 127, 189, 145, 160,
86, 91, 92, 3, 9, Yo, 36, 98, 104, | Beiftige Rultur:
117, 131, 185, 136, 148, 1h4. Kirchen: u.Schulwejen. ©.24,34, 136,148.
Aulturgeichichtliches. ©. 10, 36, 55, 60,
C. Bewohner: | 73, 76, 78, 98, 194, 136, 182,
Urgeſchichte. ©. 55, 1. | Bauweſen. ©. 0 14.
Drtstunde. ©. 16, 24, 36, 60, 83, 87, 88, 135, Medizinalwefen u. Hygiene. ©. 98,99, 100,
136, 140, 142. 143, 160, Militärwejen. ©. 78, 88, 108, 104, 186.
Befiedelung. ©. 50, 52, &8. Touriftil. ©. 133.
II. Berfchiedenes.
Seite
Fundchronik 34 88, 136, 142,
Natur: und Dentmalfchuß . 5, 6, 7, 36, 49, &, 86, 87, 117, 120, 129, 134, 141, 149.
Bereine und Mufeen . 25, 34, 60, 65, 71, 72, 81, 84, 87, 138, 136, 143, 154, 156, 158.
Heimatlundliche Poeſie:
Hoffmann, R. D., Heimatlieder . ; i ; Ä ‚ 145, 157. »
Ruf, E., Dr., Gedichte . 18, 37, 8, 102, 108.
Biographiſche Notizen:
Seite |
Auguſt Beder . .:. 29 | Ph. Peter Lingenfelder
Erzbifchof Bettinger . . . 70 Georg v. Neumayer .
Louis Blenler . . .0..108 Aug. v. Parfeval
Friedrich v. Haufen . . . 180 E. v. Reichmann
Willi Koelſch 108 Karl Steinhofer
Heinrich Leher. . 18 | j
IV. Beitfchriften und Bücherfchau.
Attenfperger, best , Seogenphiite Studien über die ———— —
von Dr.
Becker, U, Dr. K. J. — der Pfälzer Freund von 8. Mayer u. Juſtinus Kerner
Chelius, E, Dr., Ueber die praftifche Anwendung und Verwertung der Geologie .
Grujius, E., Ratalog der pfälziichen Heimatliteratur
Führer - —— — vom Veniehes·Ausſchuß des Biälgermalde
ereins
Häberle we D., Dr., Pfälzifche Biöiographie l: Die beolooiſche Siteratur der Balz |
fprochen von A. R
Häberle, D., Dr., Die Mark von Sippersfeld im Sabre 1019
Häberle, D., Dr., Geologie und — der Mittel⸗ und Nordhart und ihres
Vorlandes .
Häberle, D. Dr., Auswanderung und Roloniegründungen der Pfälzer im 18. Jahr:
hundert. Beiprochen von Th. Zink
Heeger, & art u. war W., Boltslieder aus der Rbeinpfalz Beiproden von
Heujer, E., Münzfunde in der Pfalz 1907/8
Heymann, D., Dr., Die Entwidlung des Pfälzer Tabathandels feit den 70 Jahren
Rarte des Pfälzerwaldes. 8 Blätter 1:50000. 7*5* vom zo aphiſchen —
* erte Wege nach Aufnahme von H. K * * ⸗
Leuchs großes Landesadreßbuch für das Königreich —
Pfälzer Bitzler. Gedichte in Pfälzer Mundart
——— A., Dr., Die Organiſation des Rommunaltredits unter Tpegiele Be
rüdfichti gung der Berhältniffe in der Rheinpfalz
Stoltz, R., — — Bilder aus dem ———— Heſen. Veſprochen von
äberle
Echte — Aus der geitff „Deutfä Gaue⸗
Was liefert die Rheinpfalz? . ;
LU)
Nummer 1.
Januar 1909.
TPÄLZISCHE HEIMATKUNDE |
MONATSSCHRIFT
—
FAA.
FÜR SCHULE UND HAUS.
—
Ueber die Erdſenkung bei Brücken.
Bon Dr. Häberle, Kl. Rech.Rat Heidelberg.
In der Morgenausgabe der „Prälz.
Preſſe“ vom 8. Aug. vor. Is. Nr. 219
war von einer mellenförmigen Erd—
ſenkung bei Brüden berichtet und im
Anſchluß daran um eine Erklärung diejer
Ericheinung eriuht worden. Daraufhin
erihien in der Morgenausgabe vom
12, Auguft vor. Is. Nr. 223 eine Notiz,
daß es fich bei diefer Senkung vermutlich
um einen Erdfall handele, der auf den
Einfturz eines durch die auflöjende
Tätigkeit des Waſſers entitandenen
unterirdiihen Hohlraumesineinem kohlen«
oder fchmwefelfauren Kalk, wenn nidt
Salz haltenden Boden zurüdzuführen
jei; mit Recht aber wurde dabei bemerkt,
daß die richtige Beurteilung diejer Er-
ſcheinung eine genaue Kenntnis des geo-
logiſchen Aufbaues des betreffenden Ge—
biete vorausjege. Um mir diefe nun
an der Hand der geologiihen Starte
(Blatt Zweibrüden) zu verichaffen und
die Urfadye der Bodenienfung womöglich
zu ermitteln, berührte ih auf einer geo-
logiihen Erkurfion turd die Pfalz am
19. Anguft 1908 auch Brüden. Hier
fonnte ich unter der orts- und fach
kundigen Führung von Herrn Lehrer
Deubel und Herrn pen). Bergmann
Braun I. folgendes feitjtellen:
Unmittelbar am Dorfe erhebt fih in
nordweitliher Richtung der Dieterberg,
defjen Hänge fteil gegen die nah Ohm: |
' deutlich in Ericheinung.
bah Führende Straße abfallen. Der
mittlere, im Weften durch den neuen
Friedhof begrenzte Teil trägt zur Er—
feihterung der 8 elderbeftellung mehrere
Terraffen und führt den Namen
Pfaffenböih, da er ald Zubehör zu
einer benachbarten Kapelle noch bis zu
Anfang des legten Jahrhunderts bewaldet
war. y feinem unteren Zeil geht er in
flachen Wielengrund, „hinter Pfaffen“ ge-
nannt, über, in dem eine dag ganze Jahr
fliegende Quelle entipringt. Der
Böihungsmwinktel mag im Durchſchnitt
30—40 Grad betragen, wird aber im
oberen Teile des Abhanges allmählich
geringer. Hier ziehen nun mehrere, teils
der Gemeinde (Schule), teild Privaten
aehörende Aeder entlang, in denen fid
deutlid zwei verſchiedene Boden-
bewegungen erkennen lafjen, trogdem
durch die Bebauung das uriprüngliche
Bild ſchon etwas verwiſcht ift. Die eine
ift ein wannenförmiger, alljeitig deutlich
begrenzter Einbrucd von 30 m Länge
und 14 m Breite, der namentlich auf
einer Seite in drei gut ausgeprägten
Staffeln von 100, 30 und 60 cm gegen
die Mitte abfällt. Meben diejer Ein:
bruchſtelle tritt eine zweite Bodenbewegung
In einer Breite
von etwa 40 m laffen fi am Gehänge
bis zu TO m abwärts verjchiedene als
Staudungsericeinungen zu erklärende
Aufmwölbungen des Bodens bis zu 80 cm
Höhe, an anderen Stellen Ausbuchtungen
der Terraſſen nadı abwärts erfennen,
die nur auf ein allmähliches Abgleiten
des Erdbodens zurüdgeführt werden
können. Merkwürdigerweiſe ſind aber
einige hier ſtehende Bäume nicht nach
vorn übergeneigt, ein Beweis dafür, daß
ſich die Bewegung bis auf das unter—
lagernde Geſtein fortſetzt. Durch dieſes
Abgleiten haben die Grenzen einzelner
Grundſtücke bedeutende, ja mehr als
meterbreite Verſchiebungen erfahren, deren
allſeitig befriedigende Regelung ſicher mit
Schwierigkeiten verknüpft ſein wird.
Die Ackerkrume beſteht aus ſchwerem
lehmig-mergeligem Boden, welcher aus
der Berwitterung der grauen Schiefer
der unteren Kuſeler (Börsborner)
Schichten hervorgeht; dietieferen Echichten
befigen, wie ich an friich aufgeworfenen
Gräbern auf dem benachbarten Friedhofe
feftitelen konnte, einen bedeutend
ftärteren Mergelgehalt.e. Die Schiefer
jelbft treten in dem am Friedhof vorbei—
führenden Wege zutage und lafjen das
ſtarke Einfallen der Schichten deut—
lich erkennen. In ihnen treten ver—
einzelte SKonglomerat: und Kalkbänke
auf; eritere find in einem benachbarten,
ſüdöſtlich gelegenen Steinbruh auf
geichloffen, legtere (etwa 60 70 cm
mächtig) wurden früher in ca. 1 km
Entfernung am „Boſchert“ oberirdiich
abgebaut.
Dicht neben dem Einbruch wechſelt
plöglich die Bodenbeichaffenheit: ftatt des
Lehmes ftellt fi ein grobkörniger Sand—
boden ein. Hieraus ergibt fich mit
Sicherheit, daß die an diefer Stelle auf
der geologiichen Karte verzeichnete Ver—
— in der Richtung Nordweſt—
Südoſt verläuft; parallel zu ihr bezw.
von ihr ausſtrahlend ſind nun die meiſten
Spalten und Riſſe angeordnet, die das
vorftehend beichriebene Gelände durchſetzen.
Wie mir Herr Lehrer Deubel mit—
teilte, begann der Einbruch im Mat 1907
und trat fchon damals durch Schief:
neiqung der Kornhalme deutlih in Er-
ſcheinung, aber erit im Februar 1908
nahm die Bodenjenfung innerhab weniger
Tage ihre jegige Form an; die Ab—
gleitung und Aufwölbung begann jedoch
erft im Februar 1908 und jegte mit
dem Auftreten von Riſſen ein, ıft alſo
nad der Bodenſenkung entitanden.
Unzweifelhaft haben wir es bei
legterer mit einem fogenannten Erd-
fall, d. h. einer lofal beſchränkten, aus
der Senfung der Erdoberflähe hervor-
gegangenen Bertiefung zu tun, welche
auf den Aulammenbruh eıned Bobl-
raumes im Erdinnern zurüdzuführen ift.
Solhde Erſcheinungen können ver
ihiedene Urjadhen haben. Am
häufigſten treten fie in Kalkjtein, Gips
oder Steinjalz führenden Gegenden auf,
da die unterirdiſch zirkulierenden Ge:
wäfler jene Geſteine aufldöien und da-
durch nah und nad immer größere
Hohlräume ſchaffen, die, wenn ſie der
Dberflähe nahe genug liegen, endlich
einmal durch Nachgeben der Dede ein-
ftürgen und infolgedeffen als Boden—
jenfungen fich bemerkbar machen können.
Solche Erdiälle befinden fih z. B. bei
Böckweiler und haben im legten Jahre
als angebliche Anzeichen weitausgedehnter
Höhlen viel von fidh reden gemacht.
Am vorliegenden Falle halte ich dieje
Möglichkeit für wenig wahriceinlich, da
die au an der gegenüberliegenden Tal—
jeite auftretenden und bei Böräborn
unterivdiih abgebauten Kalkbänke im
Süßwaſſer zum Abſatz gelangten, nur
eine ganz geringe Mächtigkeit (60— 70 em)
befigen und außerdem die am Fuße des
Abhanges austretende Quelle keine Epur
von Kalkiinter ertennen läßt; ich mill
jedoh nicht bejtreiten, daß auch durch
Auslaugung von weniger mächtigen
Kalkbänken ſchon Bodenfenfungen hervor:
gerufen werden können.
Eine weitere Möglichkeit wäre die,
daß der Erdfall ald Binge (Tagebrud)
d. h. als eine durch den Bujammenfturz
eined alten ®rubenbaues entitandene
Vertiefung wie fie in Gegenden mit
altem Bergbau aufzutreten pflegen, zu
eıklären fein würde. Da aber nirgends
in dev ganzen Ungebung Halden vor:
handen end, halte ich aud) diefe Deutung
für hier nicht angebracht. Am richtigiten
dürfte e8 wohl fein, die Erdienfung, wie
auch ſchon an anderen Punkten nad
gemwiefen, mit der oben beichriebenen
Brud: bezw. Berwerfungsipalte in
Beziehung zu bringen, da in dem ohne:
bin ichon ſtark zerflüfteten Geftein das
auflöfend wirkende Spaltenwafler nament-
li beim Paſſieren von Kalkſchichten an
folhen Stellen leichtered Spiel gehabt
und die urfprünglihen Spalten zu Hohl:
räumen erweitert haben wird. Nach
Einiturz des Hohlraumes verloren dıe
die Vertiefung begrenzenden mergeligen
Erdmaffen ihren Zulammenhang mit
dem höher am Hange mehr horizontal
abgelagerten Material und kamen, ge:
jättigt von der Wetterfeuchtigfeit auf
den ftark geneigten Schichtflächen ins
Bleiten; auch fernerhin werden fie in
naſſen Sahrgängen ihre Bewegung nad
abwärts unaufhaltfam fortiegen.
Die ganze Erfcheinung nur als
Rutſchung aufzufaffen, dürfte, ganz ab:
geiehen von der charakteriſtiſchen Form
des Eıinbruches, Thon deshalb nicht an-
gebracht ericheinen, da dieſer ſich fait ein
Jahr früher gezeigt hat, ald das Nb-
gleiten begann.
Derartige Eriheinungen find übrigens
im Gebiet des Rotliegenden der Nord»
weſtpfalz in Folge jeiner vielfach fteil
einfallenden Schichten nicht ſelten. So
laſſen ſich z. B. in der Gemarkung von
Odernheim a. Glan an 2 Stellen ganz
umfangreiche Rutichungen beobachten; im
Waldbezirk „Klaus“, deffen teile Hänge
von zahlreichen Riſſen durdifegt und an
einzelnen Stellen ſchon mit verftürzten
Erdmaſſen verdedt find, und in der Ge:
wann „Borweiler“, wo jeit vielen Jahr:
zehnten ein mächtiger Scuttfegel im
langſamen Abgleiten begriffen tft und
dadurch die nach Duchroth führende
Straße deutlich ausgebuchtet hat. Seit—⸗
dem nun der Schuttkegel an ſeinem
unteren Ende durch den Bahnbau an—
geſchnitten iſt, ſind die mergeligen, mit
verſtürzten Blöcken untermiſchten Maſſen
bei ſtarken Niederſchlagen an der ſteilen
Böſchung im ſtändigen Abrutſchen be—
griffen gegen das alle von den Technikern
angewandten Mittel verſagen nd ver—
jagen müffen: ein folher Schuttkegel
läßt fi ınfolge des Nachſchubs von oben
auf den, in einem benachbarten Stein:
bruch gut aufgeichloffen, itarf abfallenden
Schichten einfach nicht aufhalten.
Auch aus dem Bann von Kerzenheim
wird von Ähnlichen Erdbewequngen be-
richtet, wo fie zu dem Gewann-Namen „im
Erdfloß“ Veranlaffung gegeben haben!).
1) MW, Küftner, Material für eine Orts—
chronik von Kerzenheim. Leininger Greichichts-
Biätter 1908 2.62, Fußnote 48. — Herr Brof.
Dr. Braun don der Univerfität Greifämwald ins»
tereffiert ſich zwecks wifienichaftlicher Verwertung
ſehr für ſolche Erdbewegungen und iſt für jede
darauf bezügliche Mitellung dankbar.
Die Waſſerdampfexhalation am Königsberg bei Menftadt a. H.
Während der legten Jahre wurde
in den Beitungen wiederholt über die
BWafjerdanıpferhalation („Fumarole“) anı
Königäberg bei Neujtadt beriditet und
audh wir haben ſ. Zt. (Jahrgang 1905
©. 22-23) davon gebührend Motiz ae:
nommen. Als im Nov. 1908 dieje Er:
ſcheinung erneut auftrat, beſchäftigten fich
die Zeitungen von neuem damit und befon-
ders der Neuit. Gen.-Anz. brachte darüber
eine ganze Reihe von Artikeln (4. B. am 3.
Nov ‚12. Dez. und befonders am24 Dez.).
Den Anlaß zu dem legtgenannten,
in weldhem die „Phänomene des Königs:
berg3” eingehend im Zuſammenhang ge:
ſchildert werden, hatte ein Aufiag von
|
Red. Rat Dr. Häbrrle von Heidelberg
in der „Pfälziſchen Preſſe“ vom 22, De-
zember gegeben, der unter Würdigung
der örtlichen Verhältniſſe die Waſſer—
dampferhalation für ein jogen. „Win ds
loc“ erklärte. Eine andere Auffaffung
vertritt Prof. Dr. Lepſtus von Darm:
jtadt, wonach eventuell durch Spalten im
Buntlanditein von unten ber wärmeres
Grundwaſſer beraufdampien könnte, Be—
vor wir uausführlicheres Über diefe Er-
ſcheinung und ihre mutmaßlichen Urſachen
bringen, wollen wir den zur Klärung dieier
Frage für fommendes Frübjahr in Ausſicht
geftellten Beſuch der betr. Stelle durch
| die beiden genannten Herren abwarten.
4
Unlere Borfkircden.
DBK. ®ir haben in deutichen Landen |
Kleinodien der Baufunjt, die viele von
und nidt fennen, und haben fie doc |
jahraus, jahrein vor Mugen. Ich meine
unjere lieben, alten, köſtlichen Dorftirchen.
— Wie, die alten, einfachen Kirchen ohne
Schmud, ohne einen geihichtlihen Stil,
die nicht gotiſch, nicht romaniſch find,
jollen Sleinodien fein? Ya, umd gerade
weil fie jo einfach find, ohne Schmuck
und Bier, meil fie weder gotiih noch
romaniich fein wollen, darum find fie jo
köitlich für den, der Auge und Herz der
ſchlichten Schönheit öffnet.
Ich will nicht den geichichtlichen Stil:
arten ihre Schönheit abipredhen. O nein!
Alle romaniihen und gotiichen Kirchen,
die in der Zeit erbaut wurden, als dieje
Rauftile entftanden und fih auswuchſen,
reden eine gewaltige, Herz und Gemüt
ergreifende Sprache zu und Aber ver
achtet un der gewaltiaen Dome willen
niht unjere lieben Dorffirhen! Sie
haben ihre eigene Schönheit. Welcher
ehte Mufitiveund würde die köftlichen,
einfältigen Volkslieder gering ſchätzen,
weil es Oratorien gibt? So iſt's aud
nit den Kirchen. Solch eine fchlichte
Dorfkirche ift wie ein inniges Volkslied,
ungefünftelt und einfältig. Die aroßen
romaniihen und gotiihen Dome aber
find den kunſtvollen Oratorien gleich.
Laßt uns aber auch von den alten
Dorftirhen lernen! Die früheren Bau-
meifter bauten einfah und beiceiden,
wollten nichts anderes bauen als ein
Gotteshaus im Dorfe. Wir aber, wir
mwoDen etwas vorftellen, was wir gar
nicht machen können. Wir progen aud)
mit unjeren Gotteshäujern. Es ift er-
ſchrecklich! Pfeiler banen wir aus Bad:
fteinen und bemalen fie, ald wären es
Sandfteinquadern. Gotiſch follen unſere
Kirchen fein, ald ob wir modernen Men-
ſchen noch den Geiſt der Alten hätten.
Denn aus dem Geifte der damaligen
Zeit find Bauftile entitanden. Wir find
andere Menihen, wir find nüchterner,
laſſen den Berftand mehr walten als
das Gefühl. Deshalb muß aud natur:
gemäß alles, was wir machen, nüchterrer,
fachlicher fein, als die Werke früherer
Zeiten. Wollen wir aber in der Weile
der Alten bauen, fo wirten unfere Bau-
werke tot und kalt. Die Fornen bilden
wir nad, ängſtlich genau, aber es fehlt
dad uriprünglihe Leben. Die Alten
haben fih auch nidt ſklaviſch an ein
Mufter gehalten, jondern fie haben frei
geichaltet mit den in ihrer Zeit gebräuch—
lihen Bauformen, die ein Ausflug ihres
inneren Lebens und Empfinden® waren.
Wurde aber in irgend einem Dörflein
eine Kirche gebaut, fo fchufen die ein-
heimifchen Bauleute aus der landes-
üblihen Baumweife heraus das Gottes:
haus und holten ihre Borbilder nicht
aus einer längitvergangenen Zeit oder
aus einer fremden Gegend. So find die
mwunderlieblichen Kirchlein entitanden, ein
Schmud der Landichaft, weil fie in die
Landſchaft paflen.
Ich wollte, ich könnte den Leſern all
die lieben Kirchlein in Bildern vorführen.
Aber wer ein Gefühl für ſchlichte Schön-
heit hat, wird ſchon von ſelbſt auf fie
achten und fih an ihnen freuen. Wer
fein Verftändnis dafür bat und aud
keins gewinnen will, dem ift auch durch
Bilder nicht zu helfen. Dem geht aber
eine Fülle edelfter und feinfter Genüfje
verloren. Solch ein Menih wird aud
ferner ruhig zujehen, wenn die jchlichte
Schönheit unierer Kirchen erbarmungs-
los zeritört wird, wie es leider jo vft
geſchieht. Da fieht man 3.8. Fachwerk—
firdhen, die inwendig ausgemalt find, als
wären fie aus mächtigen Ganditein:
quadern erbaut, und als wären die
Wände unten herum bis zu ein Meter
Höhe mit Teppichen behangen. Ya, daä
„nad etwas ausſehen ſollen“, die lüg—
neriihe Progerei, das ift der Fluch
unferer Aultur.
Die Lüge ſcheut fich jelbft nicht vor
dem Altare, oder find Fünitlihe Blumen
aus Bapier, Bleh und Draht keine
Lügen? Ich Tage, es find zu Körpern
gewordene Lügen! Aber wıe oft findet
man fie noch auf den Altären, wo wir
do nur in die volle, blühende, grünende,
duftende Natur hineinzugreifen braudyen.
— —
Jeden Sonntag ein friiher Strauß auf | aud nicht im Gotteshauſe, aber Wahr-
dem Altar, im Winter ein grüner | heit ift nötig, vor allem im Gotteshaufe,
Tannen- oder Gtechpalinetzweig, tie | Können wir die großen Fehler an unjeren
lieblıh und fchön! Wem das aber zu Kirchen nicht ändern, jo laßt uns die
mühlam ift, der laffe allen Blumen: | Meinen werigftens bejeitigen.
ſchmuck weg Schmuck ift nicht nötig, 2. Brünger (in der Pf. Roſch.)
Matur- und Altertumsſchuth.
m Anichluß an unfere Mitteilungen ſoll derjelbe in legter Zeit ins Innere
im Doppelhefte des vorigen Jahrganges | geihafft worden fein. Sollte es nicht
möchten folgende zwei Grörterungen | möglich jein, daß man fich an fonıpetenter
aus der „Pf. Pr.” von Intereſſe fein. | Stelle einmal hierfür intereffiert und
Gerade im Weſtrich haben mir zmei | vielleiht auch einmal verſucht, die Sool-
Beilpiele, die vielleicht in Frage kommen | quelle, die momentan anjdeinend durch
könnten, wenn es fid darum handelt, | Hınzutritt von Tagwaſſer und Bernad:
inwieweit die Verwaltungsbebörden ein | lälfigung wertlos ift, wieder aufzufinden?
Recht der Einmiihung geltend maden | Der Echmefel- ꝛc. Gehalt joll ja früger
dürften. Vor allem iftes der Remigius- | aanz bedeutend gemweien ſein. Mit der
berg, nad dem einft die ganze Gegend | Gejellihaft wäre ficher zu verhandeln.
den Namen „die Hemigiuslande“ erhalten | Ein mwarnendes Beiipiel haben wır an
bat und an den ſich jene bekannte Sage | der benadhbarten Lichtenburg. Wäre das
— oder auch Tatſache — betreffs Ber- dankenswerte Eingreifen von Seiten der
ſchenkung dieſes Landes an den Bilhof | Behörden vor 40-50 Jahren ſchon er-
Remigius durch den Frankenkönig Ehlod- | folgt, jo wäre jedenfalld die Erhaltung
wig knüpft. Zum Berdruffe jedes Wan- | leichter und die Ausgabe hierfür be-
dererd und Einheimifchen, der eimger: | deutend geringer. Berfügungen jollten
mapen Sinn für die Denkmäler früherer | nicht nur erlaffen, jondern auch gehand-
=” bat, iſt zwiſchen der Ruine habt werden. — Die Genteindeverwal-
ihelöburg und der Kirche ein Stein» | tungen des Alienztales 3. B. wurden vom
bruch angelegt worden, ſodaß die Ber- | Bezirksamt Rodenhauien in einem Rund»
bindung diejer beiden Bauwerke voll- | fchreiben erfucht, darauf zu achten, daß
ftändig zeritört it. Mit Bedauern ficht | die Außenwände der Gebäude, nament-
man bier, wie wenig ale Aufforderungen lich in den Ortichaften längs der Allenz-
und Berfügungen helfen. Sollte es | bahn, nicht mit aufdringlihen Plakaten
nicht möglich gemweien jein, hier behörd- | beflebt werden, da dadurch das ſchöne
licherſeits zu verhüten, daß dieie beiden | Landichaftsbild ſehr beeinträchtigt werde.
alten harakteriftiihen Baudenfmäler und | Bor allem wendet ſich das Rundſchreiben
deren Umgebung der Nachwelt jo er- | an die Gemeindevorftände und weiſt fie
halten bleiben, wie fie einft geweien find? | an, mit allen Mitteln darauf zu dringen,
— Ein anderes Berfpiel iſt das Bad | daß derlei Plakate nicht mehr an Stellen
Diedelkopf bei Kuiel, das der „Bade- | angebracht werden, wo fie ftörend wırfen.
geſellſchaft Diedelkopf” uehört. Dieied | Ebenio wird angeordnet, auf die Ent-
Bad wurde vor Kahrhunderten durch | fernung der vorhandenen Blafate bedacht
Ein Grafen (Ehriitoph von Beldenz?) | zu fern.
gegründet und Liegt gegenwärtig dem
Verfalle anbeimgegeben. Ein ſehr —— Alpeugarten.
janter Stein mit vielen Wappen und Die wiſſenſchaftliche Geſellſchaft in
der Inſchrift Über die Auffindung der | St. Gallen hat dem „Geogr. Anzeiger”
Soolquelle und Errichtung des Bades | zufolge den Plan gefaßt, im Säntis-
ftand lange Jahre im freien der Ber- | gebiet einen großen ſchweizeriſchen
witterung preisgegeben. Wie man hört, | Alpengarten anzuleaen. Auserſehen it
dazu ein jüdlih vom Hohen Kaften mit
herrlihem Ausblick nad dem Rheintal,
1700 Meter hoch gelegenes, mit prächtigen
Legföhren und Wlpenerlen beitandenes
Feleplateau. Diefer Alpengarten joll
nad jeiner Bollendung ein Bild des ge-
famten Pflanzenlebens der Schweiz dar:
Bie „Aaturverödung“
Shut des Landihaftsbildes und der
Naturdenkmäler ift jegt die Lojung, und
eigene Behörden lafjen ſich deren Pflege
angelegen jein; bald ift e3 ein ehrwürdiger
Baum, bald eine Felsgruppe, bald eine
feltene Tier- oder Pflanzengattung, die
zu ihrer Erhaltung einer rasen Hand
bedarf. Scheinen doc vielfach menid
fiher Unveritand, Mangel an Bildung
und nicht zulegt da® Streben nad Ge—
winn fich geradezu vereinigt zu haben,
um die urſprüngliche, natürlıhe Land—
ſchaft nicht allein zu verändern, fondern
jogar zu vernichten. Durch den Eingriff
der Behörden wird jegt aber doch ge:
Bindert, daß nicht alles, was an Die
Bergangenheit erinnert, der nıvellieren:
den Tätigkeit des Menſchen (Ausnügung
der Wafjerkräfte, Anduftrielle Anlagen,
Kultivierungsarbeiten, Wajjerlaufforref-
tionen ufiw.) zum Opfer fällt.')
Auch in der Pfalz jind dieje Beilre-
bungen auf fruchtbaren Boden gefallen
und haben befonders den Wunſch geiwedt,
einzelne Refervate zu ichaffen, wo die
urjprüngliche, durch eine immer ıintenjiver
betriebene Land- und Foritwirtichaft in
ihrem Fortbeſtand bedrohte Tier- und
Pflanzenwelt jih für die kommenden
Geichlechter zu behaupten vermag. Schon
1904 hatte Brof. Dr. Yauterborn in
den Mitr. der Bollıhia (Nr. 19, 5. 46
bis 48) angeregt, in unierer Heimat eine
Anzahl charakteriftiiher Lokalitäten als
derartige Aiyle zu ichügen und hierfür
in Vorſchlag gebradt: Eine der zahl:
) ®. Eigner, Naturpflege in Bauern (Ber:
öffentlihungen bes Bayertichen Landesausſchuſſes
für Naturpflege Nr. 3) Münden, 7. Lindauer
:Schöpping: 1908. 127 8.8. 1 Mt. Ebenſo
unfere diesbezügliche Beiprehung in den beiden
legten Heften bes vorigen Jahrgangs.
ftelen. Bon ihm aus foll jpäterhin die
Bergwelt mit den im Ausſterben be-
griffenen Wipenpflanzen neu befiedelt
werden. Auch jollen in diefem alpinen
Garten Hocgebirgspflanzen aus anderen
Gebirgen und Erdteilen heimiſch gemadht
werden.
im Sandfiuhler Brad.
reihen Rheininjeln mit Aumwald und an-
grenzendem Altwafler, ein Stüd Wieſen—
gelände in dem alten Rheinlauf zwiichen
Schıfferitadt und Dannjtadt, die wenigen
noch übrig gebliebenen Felſen von Terttär-
kalk zwiſchen Dürkheim und Grünitadt
ald vereinzelte Standorte kalkliebender
Pflanzen, feuchte, quellenreihe Schluchten
im Brälzer Wald, ein Strich Torfmoor
und endlich eın Stück Berowald am
Donnersberg. Drei Jahre ipäter kam
Reg.-Rat Eigner auf denjelben Ge—
danken zurück (HRitter-Nummer Des
„Brälzer Waldes’ vom Dftober 1907)
und machte eine Anzahl baheriſcher
Pflanzenhorte namhaft, die ausdrüdlich
al» Naturdentmäler bejtummt, den von
der furtichreitenden Kultur bedrängten
jeltenen Pflanzen eine ungejtörte Heimat-
jtätte zu bieten vermögen. Zum Schluß
berichtete er von dem Projekt, auch auf
dem Donnersberg ein Naturichußggebier
zu bilden. Ob dieſer Plan ınzwiichen
zur Ausführung gelangt tft, entzieht ſich
meiner Kenntnis, vordringlicher ſcheint
mir jedoch der Schug eines Gebietes im
Lanpjtuhler Bruch zu jein. Kaum eines
Menichenalters wird ed noch bedürfen,
um dort dad charafteriitiiche Landſchafts—
bild dur die planınäßig fortichreitende
Kultivierung zu vernidten. Die ur:
iprünglıd über das Gebrüh ald Stand
ort von Bäumen inſelartig zeritreuten
Maulwurfs Haufen ähnlichen Felsrüden
(Schaden: Wal’parzelle) werden einge
ebnet, die langgezogenen Dünenmwälle
zur Auffülung abgefahren, und in ab-
jehbarer Zeit die legten Torfitrihe aus—
gebeutet; damit muß aud die dem Ge:
brüh eigentümliche Pflanzenwelt ver
ihwinden. Unter dielen Umjtänden iſt
es die höchſte Zeit, eın, wenn aud nur
wenige Hektar großes, jedoch charak—
teriſtiſches Gebiet als Naturdenkmal zu
beftiinmen und jo für die Nachwelt zu
retten. Prof. Lauterborn hat bereits
als Rejervat für die Pflanzenwelt einen
Strih in der Richtung gegen Homburg
vorgeihlagen; auch in der Nähe der
Moordammühle dürfte fich ein geeignetes
Gelände finden laffen. Namentlich er
ſcheint mir der ijolierte, hHiftorifch merk:
mwürdige Felsrücken bei der genannten
Mühle, welcher aller Wahricheinlickeit
nad) bereit8 1359 von Kurfürft Ruprecht
al8 Standort für die mit Genehmigung
Kaiier Karls IV. anzulegende Burg
„Kaiferdgrund“ auserfehen war, ſowie
der Dünenrüden beim Borfignal der
Station Einfiedel der Erhaltung wert.
Hoffentlich neichieht bald etwas, ehe die
von allen Seiten heranrüdenden Sul:
tivierungsarbeiten den legten Meit dieies
eigenartigen Landſchaftsbildes zum Ber:
ſchwinden gebradıt haben.
Dr. Daniel Häberle.
Gegen die gemnflerten Bementziegeldächer.
Seit einigen Jahren hat eine Neue
rung in der Dachbedeckung Eingang ges
funden, die wohl mander tief bedauert,
Es find die Zementziegeldächer mit Buch—
itaben, Fahreszaglen und Muſtern in
Ichreiend bunten und häßlichen Farben:
— — Ein einziges ſolches
ach genügt, um das Bild einer an—
mutigen Ortſchaft zu ſchänden. An vielen
Orten bemühten ſich die Pfarrer und
Lehrer und andere einſichtige Menſchen,
die Hausbeſitzer von einer derartigen
Verunſtaltung ihres Hauſes zurückzu—
halten, aber meiſt vergeblich. Nun jteuern
in einer Reihe deuticher Staaten erfreu-
Licherweife die Behörden durch den Zwang
des Gejeges ſolchem Unfug. Den An-
fang damit hat Preußen gemacht. Nach—
dem zuerjt die Kreiſe Schmalkalden,
Münfterbera und Süderdithmarſchen
velbitändig Maßnahmen gegen die bunten
Däder auf Grund des Berunitaltungs-
geieged von 1907 ergriffen hatten, gab
das preußiihde Minifterium der
öffentlihen Arbeiten im Auguſt 1908
einen Erlaß heraus, in dem darauf hin—
gewiejen wurde, daß $ 1 des Berunital-
Sinniges
Nah LZeitungsberihten joll dem
weiland Kardinal-Erzbiihof Jo—
bannes von Geißel in jeinem Heimat»
orte Mußbach-Gimmeldingen eine
Gedächtniskirche erbaut merden.
lleber die Lebensgeichichte diejed um die
tungsgeieges gegen die bunten Dächer
anwendbar fe. Im September folgte
Sachſen-Weimar mit einem Erlaß
ähnlichen Inhalts, defjen bemerkenswerter
Schlußſatz folgendermaßen lautet: „Den
anderwärtd gemachten Erfahrungen nad)
zu ichließen, würde es übrigens aud den
beteiligten Fabrifanten nur erwünſcht
jein, die zeitraubende und wenig lohnende
Fabrikation der bunten Dadjiteine bei
zurüdgehender Nachfrage einichränfen zu
können, jo daß alſo mindeitens in diejem
Falle ein Widerftreit äjthetiicher und in-
duftrieller Intereſſen nicht befteht.” In
Württemberg waren inzmwildhen die
Dberämter Sulz und Oberndorf dem
Uebel durch bejondere Verfügungen ent-
aegengetreten. Und nun bat aud
Sahjen: Meiningen in gleiher Sade
einen Erlaß herausgegeben. Ueberall
wird ed mit Freude und Dank begrüßt,
daß die Behörden beftrebt find, die All:
gemeinheit gegen dieje Beleidigungen des
Geihmads in Schug zu nehmen. Cs
ift zu wünjchen, daß die Übrigen deutichen
Staaten den angeführten Beiipielen bald
folgen. (K. in M. N. N.)
Denkmal.
Pfalz verdienten Mannes ift zu berichten:
Als Sohn einfaher Winzersleute er-
blıdte Johann Jakob Geikel in dem am
Fuße des mächtigen Königsberges ge
legenen Dorfe Gimmeldingen am 5. Febr.
1796 das Licht der Welt. Er war nad
beendeten Studien PBrogymnafiallehrer
wa. auch an dem vom Pfarrer Jakob
Mayer in Edesheim errichteten Lehr-
Amftitut. Später Domherr, dann Biſchof
von Speyer, wurde Geißel im Jahre
1841 vom König Ludwig von Bayern
den König Friedrich Wilhelm IV. von
Breußen empfohlen. Er wurde fodann
Coadjutor des Erzbiſchofs Drofte-Biiche-
ring von Köln und im ahre 1845 nad
defien Tode jein Nadfolger. Als Führer
der Würzburger Verſammlung 1850 er:
warb er fih ſolche Berdienite um die
Selbitändigkeit feiner Kirche, daß er im
jelben Jahre zum Kardinal ernannt
wurde. Aucd Später ftand er mit der
preußiichen Regierung ſtets in gutem
Einvernehmen. Er ftarb am 18. Sep-
teınber 1864. Bei jeinen Landsleuten
erfreute er fi einer großen Popularität.
Auguft Beder ichreibt Über ihn: „Johannes
Geißel war ein Mann vom Schlage der
alten gbibelliniichen Biſchöfe, eine hohe
imponierende Geitalt, in der ein reicher
Geiſt und ein von Patriotismus be-
jeelter Sinn wohnte.“ Kardinal von
Geißel war aud ein hervorragender
Hiſtoriker und Schrüffteller. Das zeigen
befonders jeine trefflihen Monographien
über pfälziihe Geichichte. „Der Kaiſer—
dom zu Speyer” und die durd die
vielen urfundliden Anmerkungen wert:
volle „Schlacht am Hajenbühl, oder
das Königskreuz bei Göllheim.“
Letztere beiden Abhandlungen ſind ohne
weifel in die erſte Reihe pfälziſcher
chriften zu ſtellen. Durch die Abhand-
lung über die Königsſchlacht bei Göll heim
dokumentiert v. Geißel feine hohe Bater-
landsliebe. Diele Schrift, welde jenen
merkwürdigen Sronerfampf nad den
Duellen erzählt, wurde um 18 Kreuzer
verkauft und der Meinertrag dazu ver:
wendet, den Ankauf ded Grunditüdes
beim Königskteuz zu bewirken, das da-
mals der Bernihtung anheim fallen
follte. Als Subitribenten meldeten ſich
jeinerzeit ca. 2800 Berfonen aus dem
Rheinkreife und 3300 aus dem Herzog-
tum Naſſau. Durch die Energie Geißels
und den Opfermut der Buchabnehmer
konnte das altehrmürdige Denkmal deut-
iher Geidhidte, „Das Königskreuz
bei Göllheim“, erhalten werden.
(Böhm, ind. Bf. Pr.)
Einfchränkung des Wein-, Hopfen: und Hanfbaues.
Die vielen Mißjahre und der dies.
jährige, faft völlige Ausfall der Wein-
ernte haben in verichiedenen Orten der
Taubergegend die Winzer veranlaßt,
feine weiteren Rebanlagen berzuitellen
und ältere Weinberge auszubauen.
Das betreffende Gelände joll dann zu
Baumanlagen und zum Anbau von
Kartoffeln und —E— Verwendung
finden, wobei ziemlich ſichere Ernten und
reichere Erträge erzielt werden können.
— Dieſe Abkehr wird auch manchen
unſerer Pfälzer Weinbauern zu empfehlen
jein, beſonders wenn fie „Lagen“ betrifft,
die fi ohnmedies wenig zum Weinbau
eignen.
Die andauernd ſchlechten Hopfenpreiie
veranlaßten im Schlettitadter Kreiſe in
Baldenheim, Ohnenheim uſw. die
Dopfenanlagen zu beſeitigen.
Sue Zeil will man zu einem intenfiveren
Obſtbau übergehen, der viel geminn-
bringender zu werden veripricht und nicht
jo großen Schwankungen unterworfen
ift, wie der Hopfen.
Auh das Shidfal des Hanf—
bauesin Elſaß-Lothringen ſcheint
endgültig beſiegelt zu fein; er ſcheint
völlig auf dem Wusiterbeetat zu ſtehen
und es ift überraichend, in wie kurzer
Zeit ſich dieier Prozeß vollzog. 1878
wurden im Rande noch 4081 Hektar mit
Hanf beftelt. Auf dem Lande fehlte
nod in feinem Haufe das Spinnrad,
und die jungen Mädchen der reichiten
Familien waren ftolz auf ihre Fertigkeit
im Cpinnen und hielten darauf, mög-
lichſt viel jelbftgeiponnenes Zeug in ihren
Käften zu verwahren. 15 Jahre jpäter
waren es nur noh 944 Hektar, die
hierfür in Kultur genommen wurden,
und 15 Sahre ipäter, 1908, war aud
Zn Er ie
diefe Zahl noch weiter gelunfen, auf | Hanf, der dem ruffiihen überlegen ift,
98 Hektar, eine jehr geringe Fläche für | eine große Nachfrage vorhanden iſt.
ein Land von der Größe Eliak- | Der Rüdgang im Anbau tft im ganzen
Cothringens, und das ift um fo be- | Rande ziemlich gleihmäßig erfolgt. 1878
merfendmwerter, da jeit dem Niüdgange | waren im Unterelſaß 2622 Hektar ge-
der ruſſiſchen Hanfkultur die Preije für | baut, 1908 67 Hektar. Für das Ober-
dieſes Produkt jtändıg in die Höhe gingen | eljaß find die Zahlen 552 Hektar und
und vor allen bei der Vorliebe der | 18 Hektar, für Lothringen 97 Hektar
Marineverwaltung für den hiefigen | und 13 Hektar.
Aaubwild.
In legter Zeit mehren fih die Mel- | fort bi8 Herr Ludwig Bindewald von
dungen aus der Kirhheimbolandener Biſchheim durch einen wohlgezielten Schuß
Gegend, wonah hie und da Wild. | denjelben zu Boden ftredtee Bon allen
ihmweine auftaudhen. Auc das Raub- | Seiten eriholl ein Hurrah, und das Ab-
zeug kommt aus jeinen Schlupfmwinfeln | feuern der Gewehre verkündete dem
hervor. In kurzem Zwiſchenraum konnten | Wilde den Tod feines jyeindes. Der
fürzlih in unjerer nädjiten Umgebung | erlegte Wolf wog 70 Pfund und hatte
zwei flattlihe Wildfagen geihoffen | einichließlih der Rute eine Länge von
werden. Auch aus verjchiedenen anderen | 1 Meter 42 Eentimeter. Das Fell diejes
Orten der Pfalz wird derartiges gemeldet. | legten Räubers in Kirchheims Jagd—
Da ift es gewiß von Intereſſe zu er- | gründen eriftiert nod und zwar befindet
fahren, daß früher auh Wölfe in | fih die Jagdtrophäe in noch gut er—
unferen Waldungen hauften, von denen | haltenem Zuſtande im Befige des Herrn
der legte im Jahre 1874 erlegt wurde. | Wilh. Rıtterspad) in Kirchheimbolanden.“
Ueber den Berlauf diejfer aufregenden | Am 13. Oktober fand in der Biſch—
Wolfsjagd gibt das „Nordpf. Wochen: | heimer Gemarkung eine ſeltſame Jagd
blatt’’ (die enge „Pfälziſche Preffe”) | auf Schwarzwild ftartt. In der Richtung
in feiner Nr. 19 vom Februar 1874 | von Stbeöheim her fam ein Wild
eine amüjante Schilderung, aus der wir | ſchwein angerannt, verfolgt von einer
folgendes abdruden: Schar Kartoffelausmader, die mit Karſt
„Kirhheimbolanden, 11. Febr. | oder Sellſcheit bewaffnet war. Durch
Geſtern entledigte fich die hiefige Jagd- „hurrah, hufja, eine Sau!“ madten die
Gejellihaft eines der ungebetenen GBäfte, | Ermüdeten die näditen Leute darauf
die ſchon jeit geraumer Zeit Schaf | aufmerfiam und fo gelangte das Xier
herden und Wildftand beunruhigten | in den Bad, etwa eine Aderlänge unter:
und in bedenkliher Weiſe reduzierten. | halb der Kupfermühle. Dajelbit ver:
Um 1 Uhr des Nachmittags traf die | fäumte es fi ein wenig und man konnte
Nachricht ein, daß ein Wolf nahe der | näher kommen. Nachdem das Schwein
Ochſenwieſe eingefreist ſei. Sofort | den Bad zweimal bejudt und verlaffen
machten fi die Schügen zu Wagen und hatte, wurde ed außer demjelben er:
zu Fuß auf den Weg nad dem Plage, | ichlagen. Es war ein Seiler von ca,
wo fi das Tier lagerte. Als ſämtliche 100 Pfund Schwere. Daß es bei dieler
Shügen und Treiber ihre Plätze im | außergewöhnlichen Jagd nicht an komi—
größtmöglicherRuhe eingenommen, gingen | chen Szenen fehlte, läßt fid leicht denken.
die Treiber vorwärtd. In demtelben | So kam jchließlich, ald das Tier ſchon
Momente wurde auch ſchon der Wolf | jein Ende gefunden, Einer mit einer
vege und trabte vorfichtig durch das | roftigen Flinte atemlos herbeigeiprungen,
Treiben. Durd einen Schuß von Herrn brachte aber ftatt des PBulverhorns —
Bürgermeifter Ritterepah fichtlih ge: | die Schnapsflaiche mit. (Si non e vero,
troffen, jegte der Wolf jeinen Lauf noch | e bene trovato.)
10
Pfälzer Bolz!
Bon den pfälziihen ftaatlihen und
auch von vielen ftädtiihen und privaten
Baubeamten und Arcditeften wird bei
Neubauten die Berwendung von
pfälzer Kiefernholz unterjagt,
obwohl das pfälzer Kiefernholz dem
Tannen: und Fichtenholz aus dem
Schwarzwald nicht nur gleichfommt, ſon—
dern ed an Qualität übertrifft. Es ift
faft unglaublih, aber wahr, daß jelbit
an neuerbauten pfälziihen Forſt—
häuſern (Silz, Hofitetten, Dernbad
ulm.), welche inmitten des Pfälzer Waldes
mit den jchönften Holzbeftänden ftehen,
Iihwarzmwälder Holz verwendet wer-
den mußte. An der Volkeéheilſtätte bei
Ramberg mußte auch ſchwarzwälder
Holz verwendet werden, obwohl damals
in Bergzaberner Waldungen Hunderte
der ihönften Tannenftänme, durch Wind-
bruc angefallen, recht billig verkauft
werden mußten, da die eventuellen Lieb-
haber feine richtige Verwendung dafür
fanden. IAn der Volköheilftätte hätte ein
großer Zeil derjelben vorzügliche Ver—
wendung finden können, wenn nidt
ſchwarzwälder Holz vorgeichrieben worden
wäre. — An das Bellengefängnis in
Zweibrüden durfte nur oberbaye
riihes Bauholz verwendet werden, ob-
wohl pfälzer Bauholz billiger angeboten
| holzaufträge und ſomit
war; fogar für ein Quantum Fichten-
Iparren, die von Oberbayern nicht ſcharf—
fantig genug geliefert waren, wurde der
Erjag aus pfälzer Fichten abgelehnt, ob-
wohl ver Lieferant damald nus dem
Forſtamte Johanniskreuz im Befige von
großen Duantitäten Fichtenjtangenbölzer
war, die den oberbayeriihen an Qualität
fiher nicht nadjftanden. Wie weit in
diejer Beziehung die Bureau
fratie getrieben wird, bemweilt, daß
an eben dieſem Bau für die Gefimie
und Dadgauben, alio für Stellen, wo
das Holz den Witterungseinflüffen viel
mehr ausgeiegt ift, ald das zugededte
Bauholz, prälzer Kiefernholz verwendet
werden durfte. Ferner wird, wenn bei
Fußböden größere Anſprüche geitellt
werden, Kiefernholz vorgezogen, auch die
Eirenbahndirektionen geben bei Brüden-
und Waggonhölzern Kiefernholz vor den
Tannen den Borzug. Obmohl dıe Bau-
tätigfeit im Laufe des Jahres 1908 nicht
ehr groß war, jo hätten dod die mit
Bauholzichneiden beichäftigten pfälziichen
Sägewerke ıhr Rundholz ziemlich unter:
gebradt und könnten jegt wieder ala
Käufer auftreten, wenn nicht die Bau-
pfälziſches
Geld in den Schwarzwald wan—
dern würden.
Aus vergangenen Tagen.
1.$nder Kirche zu Münchweiler
wurde, wie wir hören, ein bisher von der
Kanzel verdecktes und durch mehrfachen
Kalkanftrih faſt unfenntlih gemadtes
Denfmal freigelegt. Es ıft im
Renaifjanceftil gehalten und befigt nad
dem Urteile von Sadjverftändigen einen
hohen Aunftwert und realen Wert, obmohl
ed einige Bejchädigungen erlitten hat. Das
ihön fomponierte Kunftwerf zeigt einige
Öruppenbilder, eine Reihe von Einzel-
figuren und 10 Wappen. Cs handelt ſich
vermutlih um ‚ein Denfmal des gräflichen
Haufes von Flörsheim. Das Denkmal ſoll
demnächſt an geeigneterer Stätte aufgeftellt
werden.
2. Auf der Gewanne Galgenberg bei
Aljenz ift die Stelle, an der ſich früher
der Galgen befand, aufgefunden
worden. Der eingerammte untere Teil des
Galgenftänders ift noch vorhanden und gut
erhalten,
3. Wie aus Breitenbach gejchrieben
wird, find diefer Tage unweit des benad-
barten preußifhen Dorfes Lautenbad
beim Kiedgraben mehrere, zumteil noch gut
erhaltene altertümliche Töpfe 2c. gefunden
worden. Am Donnerdtag wurden nun
unter Leitung des hiezu eingetroffenen
Direktors des Trierer hiſtoriſchen Mujeums
weitere Ausgrabungen vorgenommen umd
dabei bı8 jegt 4 Römergräber auf
gededt. Man fand außer Töpfen und
Umen eine Lanzenipige, Streitart, ver-
ſchiedene Agraffen ꝛc. Nach Anficht der
die Ausgrabungen leitenden ftammen dieje
Funde aus der Zeit des Kaiſers Auguftus.
Schon frühere Funde wieſen auf die Mög-
lichkeit bin, daß in unferer Gegend vor
2000 Jahren römiſche Anfiedlungen be-
ftanden hatten; dieſe Annahme erjcheint
nun endgültig beftätigt.
4. Unter einer großen Steinplatte
wurde in Diedesfeld kurz vor Weih—
Ornitbologifhe Notizen: Der Kranich in
Deutfhland. Wenn e8 noch eines Bemeljeö
dafür bebürfte, daß der Bufammenhang des
modernen Menfchen und insbefondere des
Städterd mit der Natur in bebauerlich hohem
Grade zurüdgegangen ift, jo könnte man ein
vereinzelte, aber fchlagendes Beijpiel aus einem
Aurfag berleiten, den WUlerander von Padberg
im neuejten Heft ber Monatsjchrift „Natur und
Offenbarung” über den Kranich veröffentlicht
dat. Eine Umfrage würde zmeifelloß ergeben,
daß bie meiſten Leute, fogar unter den „Ge:
bildeten”, dat Borfommen des Kranichs in
Deutfchland überhaupt nicht kennen oder für
eine außerordentliche Seltenheit halten. Jeden⸗
fall& werden die Perfonen unfchwer zu zählen
fein, die fi erinnern, einen Kranich außerhalb
eines zoologifchen Gartens gefehen zu haben.
Trotzdem Hat diefer Bogel nad ben legten Feſt⸗
ftelungen in Deutſchland 411 Brutpläße, bon
denen ber weitaus größte Teil auf die nörd«
lien und djtlihen Provinzen Breußens ent—
fällt. Auch in Medlenburg iſt ber Bogel noch
als gleich häufig zu bezeichnen. Wllerdings find
nur no 330 Brutitellen Beute noch bewohnt,
aber die Bahl der in Deutfchland baufenden
Franichpaare wird Immer noch auf 1300 bis
1400 gejhägt. Diefer Umjtand tft für ben Natur—
freund erfreulich ald eine Tatſache, daß bie
Kultur der Mutter Natur doch noch nicht bie
in alle Winfel mobelnd und zerftörend gefolgt
tft; denn ber Kranich niſtet nur an Stellen,
wo er bor dem Menſchen einigermaßen ſicher ift.
Solche Pläge Hält er mit Zähigkeit feit, ſodaß
die geograpbifche Bertellung der Kranichneſter
jegt mwabrfcheintich ein immerbin noch ähnliches
Bild zeigt wie früher. Uchrigen® gehört ber
Kranich zu den flügften Bögeln und wird im
allgemeinen auch zu ben nüßlichiten Xieren ge:
11
nadten im Drötjchgarten beim Umgraben
des Wingerts von Mitbürgermeifter Gies
das mohlerhaltene Skelett eines aus-
gewachjenen Menſchen von beträchtlicher
Stärfe und Größe aefunden. Für diejen
Winter ift e8 mit dem Skelett der dritte
Grabfund, dazu kommen die Grabfunde
von früher an diejer Stelle, jo daß mir
es hier mit einer förmlichen Begräbnisftätte
zu tun haben, die Sacdfundige in die
fränkiſche Zeit verlegen.
—— — — — — — —ñ — — — e —— — — — — — — — —— na
rechnet, weil feine angebliche Liebhaberel für
junge Saat durch feine Feindichaft gegen Enger-
linge, andere Inſekten und allerhand Ungeziefer
reichlich aufgervogen wird. Die Berühmtheit, die
ber Stimme des Kranichs durch die Schillerfche
Ballade vom Ibykus zuteil geworden iſt, Hat
volle Berechtigung, denn fein Ruf tft Höchit
Harafterlitiich und kräftig, und wer einen Kranich
zu ſehen befommt, wird wohl am eheſten durch
fein Ohr auf ihn aufmerkſam gemacht werben.
— Im Dezember wurde in Hornbad ein
intereffantes Naturfhaufpiel beobaditet.
Allabendlich beim Eintritt der Dämmerung famen
Taufende von Raben und Krähen aus allen
Windrichtungen berbeigeflogen und ließen ſich
in den Waldungen an ben Abbängen bes Trualb-
tale8 ober auf ben hoben Bäumen beöfelben
nieder, um ber Nachtruhe zu pflegen. In ber
Morgendämmerung erhoben fie ſich wieder,
machten unter großem Geſchrei einige Flug—
übungen, jplelten gern und jagten fich im Kreis
fliegend, um bald darauf nad ihren heimatlichen
Benaten zurückzukehren. — Die falte Winter-
toitterung bradite an die Wäfjerchen bes Lauter-
tales im Januar einen zahlreichen Zuzug bon
Wildenten, fo daß die Waidmänner reiche
Ernte halten konnten. — Bogelfhug. Mit
großem Intereſſe verfolgt man an der Mittel-
haardt tatfräftige Verſuche des Deidesheimer
Buͤrgermeiſteramts zur Beſiedelung des Weln-
berg« und Gartengeländes mit Meiſen nad dem
Syitem von Berlepfh. Nachdem die Spaten:
plage beträchtlich eingefchränft war, mar bie
Mehrzahl der in biefiger Gemarkung hängenden
ca. 500 Niſthöhlen M bereit im Frühjahr und
Sommer 1908 von brütenden Meiſenpärchen
bezogen, und eben zeigen ſich die erſten greifs
baren Erfolge. So wurden am 29, Dezember
1908 ein Schwarm bon 70—90 meiſt Blau,
12 —
meniger Kohlmeiſen, in der Weinbergslage Tal | Erſchließung ift der neue Schadt „Pelfen“ be-
ca. 900 Meter öftlih vom Oſtrande des Haardt-
gebirges beobaditet, die ſtundenlang Stod für
Stod bie fchmachverichneiten Weinberge nad
Inſekten abſuchten Die Unmaſſen der vor-
bandenen Sauerwurmpuppen fcheinen jegt ihre
Anziebungsfraft auf die Meiſen nicht mehr zu
verfehlen. Genau bie gleiche Beobachtung wurde
in den Weinbergslagen Kieſelberg und Haflert
gemadit. Die Meiſen benützten ſtets bereinzelte
Obſt- und Mandelbaume als Stüßpunfte. Um
noch größere derartige Meifenfchwärme ſtets in
Bereitichaft zu haben, müßten bie ganzen öſt—
lihen Teile des Haardtgebirge8 nad und nad
mit den Nijihöhlen U behängt und überall mehr
Bäume gepflanzt werden. Un Spagen wurden
in 1907 bier 1058 a 2 ®Pig., in 1908 1225 a 3
Pfg. abgeliefert. Ab 1. Januar 1909 werden pro
Stüd 4 Pig. vergütet. Die drei metjtabliefernden
Berfonen erbielten noch befondere Brämien.
S6 zucht. In der Fiſchzuchtanſtalt Loher—
mühle bei Kreuznach trafen im Dezember
20000 einjährige Zander ein, die im der
nädjften Zeit in der Nahe auögefegt werden
follen. &benjo wird bald eine große Zahl ein-
jähriger Schleien und Karpfen ausgefegt werben.
— Um den Fiſchbeſtand im Rhein und
feinen Nebenwäflern zu beben, und um dem
Publikum den Genuß einer billigen und ba“ei
ſehr nabrhaften Fleiſchnahrung zu verichafien,
ſah fi die Großh. badiihe Domänendireftion
veranlaßt, in genennte Sewäfler auf der Strede
von Mannheim bis warlöruße 100000 junge
Karpfen und Zander einzufegen.
Ansgedentele Grude Am 1. Dezember 1908
bat eine der älteiten ®ruben bed Suarreviers,
die Grube Geiklautern, ihren Betrieb
eingefteilt, da ihre Koblenlageritätten voll-
ftändig erjhöpft find. Schon im 16. Jahrhundert
find Kohlen dort gefunden worden, boch wurde
ein regelrechter Betrieb erſt 1771 eröffnet. Seit
einigen Jahren war die Bergmerfädireftion be-
mübt, Erfag für das abgebaute Feld zu ger
winnen und hatte damit vollen Erfolg.
Zur |
Dnbalt: Ueber die Erdienfung bei Brüden.
tumsſchutz. — Die „Naturverödung” im Landjtuhler Bruch. — Gegen bie
ziegeldächer. — Sinniges Denkmal, — Wein:, Hopfen- und Hanfbau. —
ftimmt, der auf dem rechten Ufer ber Roflel, unmeit
des Dorfes Ludweiler liegt Durch diefen Schacht
twird die jog. Roſſeler Fettkohlenpartie erichloffen.
E. Pie Mofe obne Pornen. Bon
einem Gartenbautechnifer wird ber Fr. Bing.
geichrieben: In Nr. 451 Ihres Blattes bringen
Sie eine Notiz, nad) welcher eine Schülerin bei
„Katiforniichen Blumenzauberers*, Luther Bur-
bank, das Blumenreich um eine neue Barietät
bereichert Habe: um die Rofe ohne Dornen.
Hiezu möchte id; bemerken: Das Berdienit, die
Rofe ohne Dornen zuerſt gezüchtet zu baben,
gebührt einem Deutſchen. Bor etwa 5 Zaren
gelang es dem Rofenzühter Mar Deegen in
feiner Baumſchule zu Köitrig in Thüringen durch
Kreuzung eine Roje zu gewinnen, deren Zmeige
auffallend wenig Stadheln aufzumeifen hatten.
Ich fage Stadeln, denn entgegen dem be-
fannten Sprichwort befigt die Rofe kein:
Dornen (umgebildete Zmeige oder Blätter),
fondern Stacheln (Auswüchſe der Oberhaut).
Bei diejer Roſenſorte jteigerte fih die Abnahmt
der Stacheln von Generation zu Generation, bis
fie Schließlich diefe natürlichen Schutzorgane vol:
ftändig einbüßte. Die ſtachelloſe Roje ſoll ibre
bewaffnete Schweiter an guten Eigenfchaiten
übertreffen; wegen ihres fräftigen Wuchfes imd
ihrer Widerftandsfähigkelt gegen Roſtkrankheiten
wird fie dem Gärtner bei der Beredlung aus-
gezeichnete Dienjte ermetjen.
An unfere verehriidien Mitarbeiter.
Un medrfachen Anfragen gerecht zu merden,
teilen wir mit, daß wir erft mit Beginn des
neuen Jahrganges wieder in die Qage veriegt
find, unferen geehrten Mitarbeitern baldigen
Abdrudibrer Beiträge zuzuſichern. De
Raumerfparni® wegen mußten am Schtuffe det
borigen Yahrganges vier prächtige Bilder joger
auf eigenen Blättern beigegeben werden. Wr
bitten unfere Gönner und Mitarbeiter um freund:
liche fernere Unterftügung durch Einfendung von
Originalbeiträgen. D. Scr.
— Uinfere Dorfkirchen. — Ratur- und Wlter-
emujlerten Zemen
aubmwild. — Wiälse
Holz. — Aus vergangenen Tagen. — Ornithologifche Notizen. — Fiſchzucht — Ausgebeuten
Gruben. — Die Roſe ohne Dornen.
Schrifileiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl
— Bermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Verfaffer verantwortlich.
(Unverlongte Manuftripte werben nicht zurüdgefandt.)
Die „BRäIKUIde Heimatkunde“ Toftet jährlich in 12 Heften MT. 2.50. Werellungen werden von allen Buchhandlungen =
Boftanftalten ferner vom Berlener (Bortofreie Streifbandiendung) angenommen. *
V. Jahrgang. Nummer 2 u. 3. Februar u. März 1909.
L/
\PFÄLZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
— ot Sarlstal. > —
Bon Dr. C. Bufd.
Gegrüßt, du herrlich Stückchen Pfälzer Erde,
Romantiſch Waldtal, liebli-ftil, verträumt,
Wo murmelnd über grünbemoofte Felſen
Die Moosalb ihre muntern Wellen ſchäumt!
So weltfern ziehen deine Schattengänge,
Am Elaren Bach entlang, um Bergeshöh'n,
Schlank ragen Buchen aus der Felſenenge,
Ihr Dämm’rungsfrieden jo unfagbar ſchön. —
Fernab vom Weg, drauf laut die Menge haftet,
Sucht' einft ich deinen fühlen Schattenhain
Auf ftillen andachtsvollen Wanderpfaden —
Durd; maiengrünes Laub glitt Sonnenfcein.
Umrankt von traulid-alten Minneſagen
Sah zeitenftolz in's Tal der Wildenftein
Und jeine dunkelsernften Trümmer lagen
Umglüht vom legten Abendſonnenſchein.
Wenn aud die Burg in Trümmer längft zerfallen,
Verheert von Streit, vom Zahn der Zeit zernagt,
Noch klingt wie Wehlaut durch die Buchenhallen,
Was man vom hohen Schloß all fingt und jagt.
Bald küßte Abendfriede die Gefilde,
Des „Eifenhammers” Glödlein fang durch's Tal
Und durd die ſchwanken Zweige, weich und milde
Stahl zitternd fid) de8 Mondes Silberftrahl.
14
Wanderungen pfälziſcher Ortſchaften.
Bon 8. Kampfmann, Waldfiſchbach.
Im Pfälzer Lande zählen eines Ortes
Lage, Name und Bannſcheide zu jenen
Dingen ım wechſelreichen Daſein der
Geſchichte, die keiner Wandelbarkeit unter:
worfen find. Für den hügeligen Weit
rich aber trifft diefe Iandläufige Anichau- |
ung nicht zu. Hier haben fih nicht nur
|
ı
Dentmünzen in der Geitalt von Flur—
nanıen geben davon heute noch Zeugnis;
fie heiten im Tal bei Altichmirshauien“
und „oben an Altſchmitshauſen“. Wäh—
rend fih bei Schmitshaulen der Orts—
wechſel zu Beginn des 16. Säfulums
vollzog, war jener des Dorfes Bieders-
die Ortsmarken im Zeitenlauf durd das | hauſen ihon vollendete Tatjache, denn
Eingehen vieler Dorf Weiler und Hof:
fiedlungen geftredt, hier änderten nicht
nur vtele Wohnitätten ihren Namen,
fondern vielen derielben widerfuhr das
Geſchick, daß ihrer Eritlage im Tal eine
mweitfiedlung auf der Höhe folgte.
ieje Musnahmeericheinung dev Wande-
rungen ganzer Orticaften von Tal zu
Berg läßt fich namentlich im Bereidy der
Sidinger Höhe und bei einigen Dörfern
im Gebiet des Buntianditeins nachweiſen.
Am eriterwähnten Bezirk, der im
Mittelalter den Namen „numwe Land“
führte, erfuhren die Orte Biedershaujen,
Gerhartöbrunn, Knopp, Krähenberg,
Deartinshöh und Schmitshauſen eine Um—
geitaltung ın der Weile, daß aus Tal—
dörfern und Muldenweilern dur Um:
fiedlungen volfreihe Höhorte entitanden.
Dieje Behauptung läßt ſich teild aus ge-
ſchichtlichen Überlieferungen, teils aus der
bewußt vollzogenen Anderung einzelner
Ortsnamen erhärten.
So beridtet T. Stella, der erite
Geometer des Zweibrücker Landes, auf
Seite 256 ſeiner im Jahr 1564 gefertig—
ten Oberamtsbeſchreibung,“) daß „alten
Schmitshauſen unter Schmidshauien
an der Walalben gelegen und nod bei
Menſchen Gedenken mwüft worden jei,
dieweil man der Dungfeld halben namen
Schmidshauſen darüber auf den Berg
gebauet hat“. Zu Anfang des 16. Yahr-
hunderts alfo wars, als die Schmitshauſer
Gemeinsleute den engen, unmirtlichen
Talgrund der Wallalbe verließen, um
auf der nahen Höhenzunge gefunder und
bequemer gelegene Wohnitätten zu
ihaffen. Die Erinnerung an die Erit-
fiedlung ift noch nicht erloichen. wei
*) Kal. Rreisarhiv Speyer: eibrüder
Domonialalten Rr. 1. *
T. Stella erwähnt gelegentlich in ſeinem
Oberamtsbuche, daß der Imgarten im
alten Bidershauſen liege. Da dieſer
Gewann:Name ſich heute noch unter
dem Namen „Bienengarten“ vorfindet
und als ſolcher jene quellenführende
Mulde bezeichnet, die fih gegen das
„Tiefental“ öffnet, fo darf wohl dieſes
Ortes Urfiedlung bier angenommen
werden. Die Zweitſiedlung aber war,
wohl wegen Wafjermangel, nur zu einer
Hangfiedlung gediehen, eine Stedelart,
welche für Menih und Bugtier glei
läftig iit. Darum verließen zu Mitte
und Yusgang veritrihenen Jahrhunderts
viele vermögende Ortseinwohner ihre
Behöfte am Bergeshang und ſchufen, nah
den Bergrüden, neue Wirtichaftsgebäude.
Hiedurch gliederte fih an die alte umd
dermalen einzige, von Süd nad Mord
ziehende Straßenzeile eine neuzeitliche,
von Weit nah Dit ji ftredende Orts—
ftraße an. Diefer Ort ift in feinem
Streben, die Höhe gemach zu erflimmen,
biß heute noch nicht zur Ruhe gekommen
und defjen Hangmwohner bejeelt nur der
Wunſch, jo wohlhabend zu werden, daß
fie ihre läftig gelegenen Häuſer verlaſſen
und fi auf der Höhe anfiedeln könnten.
— NAud der von einem Obitbaumkranze
umbegte Höhenort Gerhartäbrunn
ift eine Neufiedlung, entitanden zu Aus-
gang des 16. Jahrhunderts, Er iſt her—
vorgegangen aus dem Taldörflein Sums-
bad. Weil im Jahr 1601 legtmals der
„Beretsborner- oder „Sumsbader
Gemarkung““*) urkundlich gedacht wird, ſo
ſchließe ich, daß der Mutterort Sumsbach
in genarnter Zeit ſchon verlaſſen, das
Tochterdorf Gerhartsbrunn aber bereits
(* Bergl. L. Kampfmann, die Wüſtungen ber
Sübmefipfalz, Bweibrüden 1908, S. 14.
gegründet war. In Gerhartöbrunn ift das
Gedenken an dieje Anfiedlung noch nicht
erloihen und man erzählt fi dort: Ein
Jäger namens Gerhart wäre der Erſte
gewejen, der die Talenge des Sumsbaches
verlaffen und fih an der Höhenquelle
im heutigen Ort dauernd anfällig ge
macht habe. Nach und nad) jeien die
andern Hübner feinem Beilpiele gefolgt.
Eingedent diefer Erlöjertat habe man die
Neufiedlung nad jenem Weidmann be-
nannt. — Martinshöh wird in mittel.
alterlihen Briefen jtet8 Mertenicher oder
Mertensher genannt; erjt mit Anbruch
der Neuzeit taucht es in jeiner derzeitigen
Schreibweiſe auf. Ach vermute daher,
daß auch diefem Dorf eine Ortsänderung
beichieden war. Dieje Annahme wird
durch bedeutungsvolle Flurnamen diejer
Marke, wie „Gadem“ und Hüttenmwäld-
chen unterjtügt.
Auch der Höhenort Krähenberg
teilt das Geſchick der Borgenannten.
1589 nad) Krähenborn benannt,*) erhielt
er bei jeiner zuende des 17. Jahrhunderts
erfolgten Neubefiedlung jeinen derzeitigen
Namen. Nocd Heutzutage wiſſen defjen
Drtsinfaffen ihres Dorfes Urfig im
Muldengrund „am Krähenborn“ anzu—
geben. Weil der auf einem Bergvorfprung
gelegene Dit Knopp niemals in mittel»
alterliden Urkunden genannt wird, jon-
dern erit um 1700 in die Geſchichte ein»
tritt, jo ſchließe ich, daß damals viele
Hübner des Dorfed Labady den jeicht-
gründigen, fteilabfallenden Talgrund
der Laubah verließen, um auf dem
Knopf des nahen Höhenrüdens, der aus
frudtbarem „Budboden“ bejteht, ſich
dauernd niederzulafjen.
Daß aud den beiden Bundenbad,
fowie den Orten Mörsbach, Gers—
bad, Fehrbach, Bottenbah und
Seelbad eine Umfiedlung widerfuhr,
läßt fit aus der Unftimmigkeit zwiſchen
Ortslage und ———* erhärten.
Ein des Landes Unkundiger wird vor—
bezeichnete Höhſiedlungen im Tal zu
finden hoffen.
Während bei ſämtlichen vorgenannten
Drtichaften der Urfiedlung im Tale eine
Zweitfiedlung auf Höhen fi anreihte,
*, Bol. 8. Kampfmann a. a. ©. ©. 7.
laſſen fih an der alten @eleitöftraße
Metz — St. Ingbert — Kaiſerslautern —
Frankfurt zwei Dörfer nennen, die
innerhalb ihrer Gemarkung die Wohn
pläge wedjelten. Es find dies die
Dörfer Kirkel und Limbad. Ums
Jahr 1500 nämlich verließen die Ein-
wohner des uralten KHirchdörfchens
Bolkersfirhen diefen Ort und zogen
unter die Feſte Kirkel, ind Tal. Dies
bezeugt T. Stella auf der 259. Geite
feiner Amtsbeſchreibung mit den Worten:
„Volkerskirchen, weldes etwa vor Zeiten
ein Dorf gewejen, ift abgangen, dieweil
jeine Inwohner alle unter Kirkel in den
Tal gezogen find.”
Das urjprünglide Limbach lag
einftend? am linken Bliesufer, dort wo
fih zurzeit das Dorf Altftadt befindet.
Aber ihon um 1400 fiedelten ſich diejes
Dorfes Einwohner am redhten Bliesftaden
an. Dieje merfwürdige Tatfache bezeugt
eine aus dem Jahr 1434 ftammende
Urkunde,*) worin der beiden Limpad
„in der alten und neuen Stat” gedadıt
wird. Bekräftigt wird vorerwähnte Auf-
zeichnung durd das Zeugnis T. Stellas,
der auf Seite 357 feines Oberamtsbuches
berichtet, daß ein Flurteil, die alte Statt
genannt, Limpach gegenüber gelegen und
wohl daher feinen Namen gewonnen
habe, weil vor Zeiten eine alte Stadt
da gelegen hat, wie ſolches wohl zu
glauben ift, dann es dafelbft umher zu
beiden Seiten der Bad eine feine und
luftige Gelegenheit hat.”
Es liegt nahe nad den Gründen zu
forihen, die diefe Ortöwanderungen be»
dingten. Ihrer find mehrere Im
Siedeleifer zur Staufenzeit waren mande
Orte dadurd faljch gelagert worden, daß
fie in wohl wiejenreiche, aber aderarme,
enge Seitentäler zu liegen kamen. Als
dann ſpäter diefe Wetlerfiedlungen zu
Dörfern ſich dehnen wollten, gebrad) es
neben den erforderlichen Nahrungsquellen
auh am nötigen Raum. Ferxner er-
fannten dieje Talwohner beim Übergang
der Wirtihaftsordnung von der nahezu
"a. tz, Die Urkunden bed ehemaligen
—— loſters Wörfchweiler bei Zwei⸗
brücken Nr. 421.
reinen Viehzucht in den intenfiven Ader-
bau die Ungunft ihrer Siedellage und
fie verlegten ihre Wohnungen auf die
nabgelegenen, tiefgründigen Kalkbänke
der Höhe. Dadurd Hatten fie neben der
bequemeren ie ihrer Ackerflächen
den weiteren Borteil erlangt, daß die
Neufiedlung nun inmitten der Ortsmarke
fih befand. Kirkel mag wohl deshalb
entftanden jein, meil die Volkerskircher
Schirm unter der Felte gleihen Namens
erhofften.
An jenen Zeiten ging der Ortswechſel
ganzer Gemeinden auch deshalb leichter
Sen harten. weil die Hübnerhäufer meijt
rohgezimmerte, einftödige Fachbauten
waren, die, wenn noch braudbar, leicht
ab- und mieder aufgeichlagen werden
fonnten. Bei dem ausgeprägten Ge—
noffenichaftsfinn jener Tage half die
Neufiedlung in jenen unrubvollen Zeiten | Geſamtgemeinde ohne Entgeld am Werf.
Fiſchbach in alter Beit.
Auf den Überreften des Kloſters Fiſch—
bach, weldes zulegt Kurfürft Karl von
der Pfalz im Jahre 1682 der ihm ver:
wandten Herzogswitwe Maria von Sim:
mern als Wohnfig anmies, erhielt fich
fpäter das Jagdſchloß der Grafen von
Wartenberg, bei dem fich ein von hohen
Baliffaden umgarterter Tiergarten befand,
in dem man eifrig dem edlen Weidwerfe
oblag, beſonders jeitens der Gräfin Karo—
lina. Sie war die Gemahlin des Brafen
—— von Wartenberg, eine geborene
einingerin. Von dieſem Grafen Fried—
rich und ſeinem Bruder Ludwig, welch
letzterer dauernden Wohnſitz hier genom—
men hatte, befinden ſich heute noch eigen-
bändig von ihnen unterjchriebene Ur-
funden in Händen einzelner Ortsbürger.
Graf Ludwig wurde wıe jo viele jeınes-
gleihen 1793 von den Franzoſen ver:
trieben und das Schloß 1806 zu Mainz
auf den Abriß verfteigert. Ein Hoch—
fpeyerer Bürger namens Theubald Ritter
eritand es um einen Spottpreis und baute
dasjelbe in feiner Heimatögemeinde als
| Ichlichtes Landhaus mit ſchöner Freitreppe
auf — das heutige Ottmann'ſche An-
weſen.
Der gräfliche Tiergarten iſt verſchwun ;
den und hat einer fruchtbaren Ackerflur
Play gemacht, wo der Pflug feine Furche
dicht und goldene® Getreide reift im
| — Die Namen Tiergarten,
Tiergarter Bru
nnen, klein Türchen ꝛc.,
allwo der Jägerburſche in harter Winters:
eit das hungernde Wild fütterte, haben
ich erhalten bid auf den heutigen Tag.
Nur noch ein bedeutfaner, in einen Schup-
pen eingemauerter Stein vom ehemaligen
Grafenihloß iſt hierorts vorhanden und
trägt die Inſchrift: LVDOVICVS
COMES* REGENS AWARTEN-
BERG RESTAVRAVIT Q.D.B.V.**,
1777. Die arabiihe Zahl 1777 wurde
erit in neuerer Zeit angebradt und er-
; gibt fi aus der Inſchrift jelbft, wenn
man die betreffenden Buchſtaben
Zahlen lieft und richtig zuſammenzählt.
als
*), Comes = ®raf.
*) Q.D.B. V. = Was Gott menden möge.
Unfer letter Winter.
Der Berlauf des Winters bis Neu- | auf eine ungewöhnliche Höhe und bradite
jahr 1908. Im Gange der Temperatur
während des eriten Teiles des meteorolo⸗
iſchen Winters, laſſen ſich deutlich drei
ärmeperioden und drei Fälteperioden
unterjcheiden, die miteinander abgewechſelt
haben. Die fommerlide Wärme des
Dftober ftieg gegen Ende des Monats
in Mitteldeutihland am 29. und 30.
Temperaturen von 10 Grad und 21 Grad
Gelfius, fiel darauf aber fchnell ab. Mit
dem 2, November jegte in den meiiten
Gegenden Deutihlands die erfte Kälte-
periode ein, die bi * 16. November
andauerte und vom 9, November an in
Oſt-, Süd- und Mitteldeutichland ſtarken
Froſt zeitigte, wobei e8 am 9., 11. und
15. zu einer Kälte von — 14 Grad, am
14. fogar zu einer folden von — 18 ®rad
fam. Es folgte dann wieder eine
mwärınere Periode vom 17. November bis
zum 3. Dezember, in der zwar vielfach,
befjonderd in den Gebieten mit mehr
tontinentalem Klima, Nactfröfte ein-
traten, in der aber andererjeit3 Wärme:
Marima von 10 Grad und darüber, am
29. jogar von 14 Grad vorfamen. Einer
kurzen Kälteperiode vom 4. bis 7. Dez.
mit einem Minimum von — 9 Grad
ſchloß ſich abermald eine Wärmeperiode
vom 8.—18. Dezeniber an. Auch in ihr
blieben zwar in fontinentalen Klimaten
Nachtfröſte nicht aus, die Wärmemarıma
betrugen am 15., 16. und 17. aber nod
13 Grad, 14 Grad und 13 Grad Gel-
fius. Mit dem 19. Dezember nahm die
intenfive Kälteperiode ihren Anfang, die
bis zum Hahresihluffe ununterbrochen
fortdauerte und vom 26. Dezember an
ungewöhnlich ſcharfe Kälte brachte. Nach
den Wetterkarten der Deutſchen Seewarte
wurden im Oſten am 26., 27. und
28. Dezember Minıma von 18 Grad,
24 Grad und 12 Grad regiftriert, und
in dem überwiegend größten Zeile anderer
Gegenden lag die Temperatur im
Minimum unter — 10 Grad, erhob ic
auch tagsüber nur wenig. Die Schnee
perioden gingen mit den Kälteperioden
im allgemeinen parallel.
Im allgemeinen dauerte das Schwanken
der Temperatur auch im neuen Jahre
fort und es fehlte ebenfowenig an em»
pfindlih falten Nähten und Tagen als
an frühlingsmäßigen Wärmemellen. Es
ift intereflant, was darauf bezüglich
Merkwürdiges in den Tageszeitungen
alles zu lejen war. In Stalien, Spa-
nien und Südfrankreich traten ungemwöhn-
lihe und reichliche Schneefälle ein, die
nicht bloß für den Verkehr als eine Un-
annehmlichfeit empfunden wurden, fon«
dern die überraſchten Bewohner jener
Gegenden, die „etwas Beſſeres gewohnt”
find, auch durch andauernde Temperatur:
erniedrigung peinigten. Man lieft dies
alles wie einfache FFeititellungen und
über die Bemerkung, daß ſolche abnorme
17
Wetterlage jo und fo lange nicht mehr
erlebt worden ſei, kommt felten ein der-
au > Beriht hinaus,
olange der Menih im innigen
Abhängigkeitsverhältnis zur Natur und
insbefondere zur Pflanzenwelt fteht, deren
Gedeihen ihm Nahrung und Material
zur Sleidung gewährt, wird er dem
„Wetter“ und bejonders feiner von der
Erwartung abweidhenden Entwidlung ein
reges Intereſſe entgegenbringen. Da ift
ed um fo weniger angenehm, daß man
zwar allüberall regiftriert, wie das Wetter
war, aber felten vorausgejehen hat, daß
eö jo kommen werde; unjere Wetter-
vorherjage ift in diefer Beziehung noch
jehr der Ausbildung fähig und bedürftig
und die Entwirrung der dad Wetter be-
ftimmenden Faktoren iſt noch nicht in
dem münichenswerten Maße gelungen.
Einen Zeil der Schuld trägt vielleicht
die folierung der meteorologiſchen
Wiſſenſchaft von verwandten Zweigen
der Naturwiffenihaft. In abjehbarer
Zeit dürfte hierin eine ftarke Änderung
eintreten. Dieje Zeilen greifen in ge
mwifjem Sinne der angedeuteten &-
weiterung des Arbeitöfreijes der Meteoro-
logie vor; aber es iſt gewiß nicht
überflüfng jegt ſchon in die Richtung
hinauszumeiien, woher zukünftig der
Erkenntnis der Wettergeitaltung neue
Nahrung zufließen wird.
Schon im 1. Jahrgange diejer Zeit-
ſchrift (S. 89) Haben wir einen NAusblid
eröffnet und die folgenden Belegenheiten
find damit übereinftimmend geblieben.
Was dort berührt worden ift, hatten wir
von Monat zu Monat mit neuen Beı-
ipielen belegen und begründen können,
denn jeit Jahren bilden die damals an-
gezogenen Urſachen und ihre Wirkungen
*, unſere Wetterlage eine faſt lückenloſe
Kette von Ereigniffen, über deren kau—
jalen Zufammenhang kein Zweifel mehr
beftehen kann. Es wäre vage und billige
Weisheit zu jagen, unfere Sonne jei die
Duelle der von uns im Quftmeer der
Erde beobachteten Erſcheinungen; das ift
ja jeit langer Beit als jelbftverftändlich
erfannt worden. Man muß fichon be-
ftimmter werden, um das Intereſſe an
diefer Frage aufzuftaheln. Darum ſei
bei diejer Gelegenheit eine kleine aftro-
er anne da Abihweifung er-
aubt.
Man weiß ſchon Yahrzehnte lang,
da die zeihneriihe Darftellung der Ab-
mweihung der magnetiiben Elemente
(„Deklination” und „Inklination“ der
freiihwebenden Magnetnadel) vun ihrer
durchſchnittlichen Stellung eine Periode
befolgt, alſo durh eine wellige Linie
darzuitellen iſt. Es iſt ferner längjt er-
fannt worden, daß dieje Surve eine
überraihende Ahnlichkeit mit derjenigen
bat, welde die im Laufe der Sabre
wechjelnde Zeh! der „Sonnenfleden” ver-
finnlidt.
daß beide Kurven zeitlih von jeher
zufammengefallen find und fo
durch eine rein äußerlihe Kennzeichnung
(Gleidhzeitigfeit) ihren inneren, tieferen,
verborgenen, geheimnisvollen — oder
wie wir jagen wollen — Zuſammenhang,
ihre gegenjeitige Abhängigkeit verraten
haben. Natürltc werden es die Flecken—
bezirfe auf der Sonne jeın, welche die
„Variation der erdmagnetiichen Elemente“
beeinfluffen, und jegt hat es jchon einen |
tieferen Sinn, wenn wir die Gonne
irdiiche Berhältniffe regieren laffen. Man |
bat ununterbrohen Gelegenheit, in den
Beiten ſtarker Durchlöcherung der Sonnen:
18
ad MWichtigite ift aber dabei,
oberflähe die Unruhe der Magnetnadel
h beftätigen und kann fo zahlreiche
roben aufs Exempel maden; ja man
weiß, daß nadı dem VBorübergang einer
Fleckengruppe vor der Sonnenmitte je
nad Umftänden nur 15-25 oder mehr
Stunden verfließen, bis die Reaktion auf
der Erde erfolgt. Ein Zweifel it heute
ausgeſchloſſen.
Aber nicht nur die geheimnisvolle
Kraftäußerung des Erdmagnetismus er—
leidet eine kosmiſche Beeinfluſſung, die
ihre Quelle
in dem Sonnenball bat, |
fondern es laffen fich auch viel gröbere |
Beihen von unzweifelhafter, wenn aud)
noc nicht erklärter Fernwirkung nanıhaft
machen. Bor allem find es die Er:
iheinungen und Borgänge im irdiichen
Luftmeere, die einen mehr oder weniger
ausnahmelojen Parallelismus mit den
Sonnenvorgängen aufmweilen: Wolfen:
Daneben erwähnen wir die bei uns
felteneren, in der Breite der füdlichen
Oſtſee aber Häufig beobachteten Nord:
oder Bolarlidter. Wer in Die
Sache tiefer eindringt, findet in der eim-
ihlägigen Literatur gewichtige Gründe
dafür, daß ſogar die aus den Nieder:
ihlägen und damit zulammenhängenden
Temperaturihwantungen folgenden Grade
des Pflanzenwahstums und der FFrudht-
barkeit direft oder auf Ummwegen, 3. 2.
aus den Marktpreijen für die erzeugten
Produkte, mit den ſolaren Borgängen
parallel verlaufen. Das will viel beißen
und hat jeine völlige Richtigkeit, wenn
ed auch noch jo merkwürdig klingt. Wir
haben auch ſchon im 1. Zahrgange (S. 2)
auf die hochintereſſanten Zuſammenhänge
zwiichen den Sonnenzuftänden und den
„guten Weinjahren” der Pfalz hinge—
ı wiejen; bier liegt es freilih nahe, der
Sache Vertrauen entgegenzubringen, denn
Sonnenbrand und Weinreife faßt ſchon
die oberflächlichfte Überlegung zuſammen.
Nun ift ed wohl feine Seltenheit
mehr, daß aud in der willenichaftlichen
Literatur diefe äußeren Relationen betont
werden, wenn auch jelten Anla& gegeben
ericheint, auf die inneren Gründe dafür
einzugehen, denn dieje liegen auf einem
Gebiete, das heute als ein recht heißer
Boden gilt, nämlich auf deu Gebiete der
£osmologiihen Spekulation. Hier pflegen
heute die phantafievollen Auslafjungen
aus Raienfreijen häufig mit den jicheren
Ergebniffen wifjenihaftliher Detailfor:
ihung im Wideriprud zu jtehen, jo das
man nidt ohne Grund den nicht eraften,
ipefulativen Bemühungen um die Er-
fenntni8 der wahren Urfahen und des
Berlaufes im Weltgeihehen — und da:
u gehört auch zweifellos der größte
Keil deffen, was wir mit dem Begriff
Witterung umfaffen — mit Mißtrauen
begegnet. Es ift da angenehm, wenn
auch bezüglich des Wetters Tatſachen
mitiprehen. Seit 1905 iſt es leicht ge
mwejen, aus dem Sonnenzuftande auf un-
liebfame Überrafhungen zu ſchließen, die
tagelang, ja, gegebenen Falles wochenlang
vorherzujehen waren. Natürlich wırd
niemandem einfallen, aufgrund der Wahr:
bildung, Gewitter, Hagelſchlag. nehmung einer großen Sonnenfleden
gruppe für unfere Pfalz oder für
Kamerun oder für Turkeitan eine meteoro-
logiſche Rataftrophe zu prophezeihen ; das
wäre eine Eharlatanerie, die jolort durch
das Nichteintreffen Lügen geitraft würde.
Heute fann man nur die Rataftrophen-
gefahr wittern und muß abwarten, wo
und in welder Stärfe und Dauer
ein derartiges Naturereignis fpäter ein-
tritt. Daß diejes außergemöhnliche Ge:
ihehen „am Himmel“, ın der Atmo-
ſphäre und ım Innern der Erde vor ſich
gehen kann, beweiien allerlei Erfahrungen
bezüglich ſonderbarer oder intenfiver
Nord: und Südlichter, einer vorwiegenden
Neigung zur Eirrusbedekung des Him-
mels, häufiger Gemitter- und Hagel—
kataſtrophen und zahlreiher Erdbeben,
vulfaniihen Eruptionen und Gruben:
erplofionen. Damıt ift nicht behauptet,
daß die legteren drei Vorgänge unter
allen Umftänden denjelben Anlaß bejähen
wie die vorausgenannten; man müßte
bier einen viel breiteren Raum zur Ber:
fügung haben, wollte man dieje Unter—
Icheidung geophyfitaliih und kosmologiſch
begründen.
Das Studium der — |
zwiihen Sonne und Satajtrophen au
Erden hat die Borausiegung unmittel—
barer Einflußnahme der Sonnenfleden
zu einer Überzeugung verdichtet und
diefer zahlreiche Beitätigungen aus der
Beobachtung geliefert. Wie Martinique,
San Franeisko, Valparaiſo, Japan,
Veſuv, Stromboli, Meſſina (28. Dez.
letzthin), Smyrna, Turkeſtan und jetzt
wieder kürzlich Paläſtina auf gefahr:
drohende Sonnenfignale hin ihr Miß—
geici erlebt Haben, fo iſt auch der
19
Überfluß an Märzenichnee und gleich
geitiger Kälte an den Borübergang zweier
iejenfledengruppen geknüpft, die vom
28. Februar bid 3. März die Gonnen-
mitte überfchritten. Dieje Quellenangabe
muß vorläufig genügen. Die miljen-
Ichaftlihe Erörterung der näheren Um—
ftände und des oft verfchlungenen Weges,
auf welchem wir Reaktionen des Sonnen
inneren veripüren, bleibt anderer Ge:
(egenheit vorbehalten.
Etwas darfaber hier vorweggenonmen
werden. Unſere Hilfsmittel zur Er:
gründung der unmittelbar bevorstehenden
Wetterlage find vornehmlich das Baro—
meter und die Apparate zur Kennzeich—
nung der Wınd- und Wolfenbewegung.
Der Luftdrud it vielleiht die ſinn—
fälligite, populärfte und fruchtbarfte Aus—
gangserſcheinung für alle Prognoſe; aber
fie iſt unvolllommen, wenn jie, die doch
felber bloß Endreſultat mehrerer Wir-
tungen fein kann, ald blindes Werkzeug
benügt wird. Darum mird die Zeit
fommen, da man ebenjo wie das Baro-
meter an der Wand auc den Sonnen
zuftand im Fernrohr zurate zieht umd
neben der Quftdrudverteilung und dem
Zuge der „Depreifionen“, alio neben den
hinter uns liegenden Erfahrungstat:
| fahen, auch die drohenden, zufünf-
| tigen Einflüffe bei der Borausbeitimmung
der wahricheinlihen Wettergeftaltung in
Rechnung ſetzt. Dieje Seit ift nahe;
aber das Publikum darf jegt ſchon willen,
daß die Sonnenbeobadhtungen eine mes
jentlihe Unteritügung ficherer Wetter-
prognoſen bedeuten, bejonder® zu fleden-
reihen Seiten, wie 3. B. in den legten
vier Jahren.
Tiere als Borboten nnleres Winters,
Aus Jägerkreiſen wurde der „Neuen
Freien Preiſe“ gejchrieben: Allgemein befannt
iſt der Inſtinkt mancher Tiere, das Wetter
voraus zu ahnen. Heuer beobachtete man
zum Beijpiel ein frübzeitiges Sichſammeln
und Südmwärtsziehen der Hausſchwalbe.
Kaum waren die legten Vögel fort, trat
ſchon ein länger andauernder Froſt ein,
Audh der frammetspogel wird als ein
Wetterprophet angejehen ; in vielen Revieren
kellte er fihb im Jahre 1908 ebenfalls
früher als fonft ein, woraus man ſchon
im Spätherbfte auf einen ftrengen Winter
ſchließen konnte. Waldfchnepfen und Wild»
tauben haben ihren Zug ziemlich norma
angetreten, obwohl auch fie gute Wetter
— 20 —
propheten find und dem Gebirgsjãger regel- | logda jollen fie aus einem Dorfe in kurzer
mäßig den definitiven Ginzug des Früh. | Zeit über 50 Kühe und Pferde gerifien
jahres fünden helfen. Die Wachtel, ein | und das in tiefer Waldeinjamfeit gelegene
ſehr jenfitiver Zugvogel, ift nad den Be- Dorf förmlich belugert haben. In ben
obachtungen vieler Jäger v. Is. ebenfalld | Wald magte vor. den Dorfbewohnern nie-
ihon frühzeitig gegen Süden gezogen, wo | mand einzudringen, da man fürdhtete,
die Felder bei uns noch mit Getreidereften | die Beitien könnten auch Menſchen ohne:
verfjehen waren und daher von einem | weitereö angehen, und da die meiften Yäger
„Rahrungsmangel®” — einem Hauptmotiv | nur notdürftig mit alten Flinten bewaffnet
deö beginnenden Herbftzuges — wohl nicht | waren. Wie Privatnadrichten aus dem Gou-
die Rede jein konnte. Aber die Jäger haben | vernement Archangelst jagten, zeigten fid
nod) ein weitereö Beichen auf einen ftrengen | dort ebenfalls auffallend viele Bären; aber
Binter jchließen zu fünnen. Aus einigen | aud Elche zogen füdliher, und dabei mur-
Gegenden Rußlands meldete man nämlid | den viele erlegt. Aus dem Gouvernement
ein ftärferes Uuftreten der Bären, die | Tambow meldete man deögleihen das Auf-
weſtwärts zogen. Im Gouvernement ®Wo- | treten vieler Bären.
Studien ans dem Pfälzer Walde.
L
neuen Jahres haben in den Waldungen | prozei an der Südipige der 674 Meter
der Weſtpfalz durch Kombination von | hohen Kalmit, ebenjo auf der 620 Meter
Windbruch mit Schneebruh immenfen | anfteigenden Hohe Loog beobadhten.
Schaden angerihtet. Eine Begehung der | Diefe Zwergart wächſt auf fümmerlichem
Baldungen nördlihFund füdlih von Neu- | Boden und jehr langiam, murzelt feit in
ftadt, melde der Berfafler diefer Beilen | den Felsrigen, beugt fi) den Orfanen gleich
zwijchen 8. und 14. Febr. vollzog, bewies für | dem beften Byzantiner, und leidet deshalb
die am Dftrande des vorderen Haardtgebirges | nicht unter Schnee no Sturm. Diefem
gelegenen Bergmwälder glüdlicherweile das | Anpafjungsvermögen der pfälziichen Forle
Gegenteil. Nur bie und da, jo an der | oder Kuhne an die „Reize“ des milieu ver-
Königsmühle und am Nordabhange des | danfen wir im Pfälzerwald die Erhaltung
Beinbietes, hat der Orkan dieje faulwurz- | unferes Bergwaldes. Ebenfo aber auch den
lige Stiefer oder jene vorgebeugte Fichte um: | Bemühungen unferer Yoritbehörde, melde
geworfen. Im großen und ganzen find | ftetine Sorge trägt für Geſchloſſenheit und
unfere Baldungen trog der rafanten Luft- | Sicherung der Beftände auf den höheren
bewegung völlig intaft geblieben. Die Ur: | Gebirgslagen. — Kaum find die Fällungen
fache dieſer Erjcheinung ruht zum Zeil in der | im Laufe des Winters, jo 3. B. am Steiger:
Beitotung unferer Bordergebirgsferten mir | kopf jüdmweftlich der Edenfobener Steige in
Pinus silvestris, der gemeinen Siefer oder | ca. 60U Meter Seehöhe, vollzogen, jo wird
Föhre, deren Wurzeln mittels dichten Ge- | die häufig fteinige und felfige Fläche mit
flechtes gleihmäßig im Boden haften, wäh. | großer Mühe geitrieft, d. h. mit Furchen
rend die Fichte mit ihrer Vfahlwurzel und | durchzogen. In diefe tiefen Furchen werden
ihrem ſchweren und auögebreiteten Aftwert | dann die dem Xerrain angepaßten Wald—
dem Sturm viel mehr Angriffspunfte bietet. | pflanzen eingejegt und mwenn nötig jogar
Budem ift unfere Stiefer bejonders auf den | gedüngt, jo im Kgl. Forſtamt Ramfen, an
höher gelegenen und fchlechte Nahrung bieten- | dem der ſog. „Ortftein“ häufig auf den
den, über 500 Meter anfteigenden Gipfeln | Plateaus auftritt. --- Der Natur und der
und fetten vielfah zur Pinus pumilio, | Yorftverwaltung verdanken die Border:
der Zwergkiefer degradiert, die fjonft nur | waldungen ihr immergrünes Gewand. —
im Hochgebirge und am Rande von Hoch | Im Übrigen haben wır auh im Border
mooren im Scmwarzwalde zu finden ift. | walde der Pfalz Wind und Schner-
Die Stürme der erften Wochen des | Sehr gut fann man diejen Anpaffungs-
— — —— — — — —
21
brüche zu verzeichnen. So den großen
Windbruc, der im Jahre 1865 den Buchen
hochwald am Oſtgehänge des Dradenfels
in ca. 500 bis 570 Meter Seehöhe zerftört
hat. Ein dichter Jungwald von Buchen und
Tannen ift an feine Stelle getreten. Aber
folhe Fälle find jelten in der Sturmperiode
des Febr. 1909 auch „ohne Vermerk“ ge-
blieben. Am gefährlichiten find Fichten⸗
und Tannenpflanzungen, da); fie Schnee und
Wind mit ihren langen Zweigen auffangen.
Doc gerade dieje find auflden Höhen der
Pfalz nicht vertreten, jondern in Mittel
lagen und in Talmulden (vergl. die
Umgebung von Bergzabern, wo fich die
Tanne jeit ca. 150 Yahren eingebürgert
bat), anzutreffen, wo fie dem Anſturm, der
Ihädlihen Atmojphärilien weniger aus
gejegt find. — Die Kiefernbeftände
find in der Pfalz nicht einheimiſch, ſondern
die Kiefer ift erft im Laufe der legten fünf
Jahrhunderte bei uns allgemach eingewan-
dert und jpäter künſtlich angepflanzt worden
(vergl. Hausrath: Der deutſche Wald, bei.
©. 30—34; vergl. auch Oberforftrat Dr. |
Öraner: Der geologiihe Bau und die Be-
waldung des deutſchen Xandes in den
Wärttemb. Yahresheften, 1900, S. 312).
Beionders im Gebiete der Kaingeraiden,
d. 5. des Teils der VBorderwaldungen, der
zwiſchen Queih und Speyerbad gelegen
ift, wurde erft zum Beginn der bayerijchen
Herrichaft die Schäden der Waldgenoflen-
ihaften und der franzöfiihen Kahlhieb—
BWirtichaft durch Anpflanzung der genüg-
famen Kiefer zu heilen der Verſuch ge:
madt. Hieß doch damals die Kalmit,
der höchſte Gipfel dieſes Gebietes, mit
Recht die „KRahlmitt” (vergl. Teilungsakt
der 5. Haingeraide vom 11. Auguft 1823).
Nah den gejammelten Mitteilungen des
Herrn Kgl. Forftmeifterse Gambichler —
jegt zu Haßloch, Borftand des Kgl. Forft«
amtes, früher zu Edenkoben — war nad)
den Zeiten Napoleons das ganze vordere
Haardtgebirge „blott und blos”. Mit vieler
Mühe gelang es der Kgl. Forfiverwaltung,
die mwaldberaubten Hänge Fünftlid mit
der bodenzufriedenen, an Sand und Heide
im Oſten Deutſchlands gewöhnten Kiefer
zu bepflanzen und dieſe dadurch der moder-
nen Waldfultur, der Streumerf- und Holz-
produktion wiederzugewinnen. Früher ftand
auch hier Laubholz und zwar vorherrſchend
Eiche und Buche. Gerade jenen im Kampf
ums Dafein widerftandsfähig gewordenen,
frummen und windſchiefen Gejellen, den
Kiefernbäumen, ift es aber zu verdanken,
wenn Stürme und Schneefälle feine Opfer
erhalten im vorderen Bfälzermalde.
Dr. Mehlis.
Cuftige Geſtalten.
Ein Naturſchauſpiel, wie es in
unſeren Breitegraden nur höchft ſelten zu
ſchauen vergönnt iſt, wurde unlängſt auf
der Straße DörzbachObergünsbach
(Amt Mosbach in Baden) beobakhtet.
Es war vormittagd 10 Uhr, als fih am
mwoltenlojen Himmel in nordöftlicher Ridh-
tung, etwa 25 bis 30 Grad liber dem
Horizont, ein rojafarbiger, ziemlich breiter
Lichtſtreifen bildete, der an Helligkeit zu:
nahm, und fich mehr und mehr in eine von der
Sonne beſchienene, hellerleuchtete Landſchaft
verwandelte, worin Felder und Miejen,
Bäume und Wälder und auf einer Anhöhe
fogar ein Dorf mit Kirchturm ganz deutlich
zu unterjheiden waren. Plötzlich murde
es auf diefem in die Luft gezauberten Bilde
auch lebendig, denn verſchiedene Abteilungen
Soldaten bewegten fih in gefechtsmäßiger
Drdnung gegeneinander. Auf einmal machten
die Abteilungen Halt und man fonnte jogar
ein gegenſeitiges Gewehrfeuer deutlich
beobachten, bis fih mit einem Male zum
Leidweien der erjtaunten Beobachter mie
durch einen Zauberichlag das mundervolle
Bild verfhob und verihwand, Nur ein
fahler Lichtftreifen, der raſch verblaßte,
zeigte die Stelle an, mo fi das wunder—
volle Phänomen abgeipielt hatte. Die
Beobachter waren zumädjft ganz jtarr vor
Staunen und Üntzüden; mande aber
meinten, dies ſei ein untrügliches Zeichen
des Himmels und bedeute einen nahen
blutigen Weltkrieg. Einige aufgeflärte
Köpfe fanden jedoch bald die natürliche
Deutung. Die Rihtung gegen Nordojten
wies auf die etwa 18 Stilometer von dort |
entfernte Garnifon Mergentheim und bei
näherer Erfundigung erfuhr man bald, daß
an diefem Tage und zur jelbigen Zeit das
|
!
Mergentheimer Bataillon auf der Höhe bei
Löffelſtelzen eine Gefechtsübung abgehalten
hatte. Wir haben es aljo hier mit einer
durch Brechung der Lichtitrahlen erzeugten
Quftjpiegelung zu tun, wie ſolche bei
uns äußerft jelten, in der Wüſte Sahara jedoch
jehr häufig beobachtet werden fünnen. Befannt
ift vom Harz das Brodengeipenft,
eine Quftipiegelung, dieunter gleichen meteoro:
logiihen Bedingungen regelmäßig erſcheint.
— Im Mittelrheinlande wurde u.
W. dieje Erſcheinung nur jelten beobadıtet.
Bir wollen darum einige Berichte aus der
„Frankf. Ztg.” hierüber folgen laſſen.
„Quftipiegelungen entftehen, wenn
ih zwei Luftihichten mit verjchiedenem
Bärme- und Waſſergehalt übereinander be-
rühren.
den Luftſchichten muß ziemlich bedeutend
Der Wärmeunterjchied zwiſchen
|
Für wenige Minuten zeigte fih im Bellen
Sonnenjdein ungefähr haushoch über dem
Bafjerjpiegel das Bild eines fi bewegenden
Maindampierd Da ih damals nod
‚ der Meinung war, daß joldhe Erfcheinungen
eine jpezifiiche Eigentümlichkeit der Tropen
ſeien, war ich darüber jehr eritaumt umd
als ih mi nad einem Mitbeobadhter um:
ſehen wollte, war das Bild verſchwunden
Später traf ich bei meinen Erkfundigungen
nur einen Herrn, der dasjelbe beobachtet
hatte. M. S. — Aus Straßburg jchreibt
ein Leier zu dem gleihen Thema: Im
Sommer 1900 ſah ih von einem der
Kösliner Stranddörferr aus acht Tage
bindurd eine Quftipiegelung, die dir
über der ganz flach eindringenden Bucht
fihtbare Strandgegend von Kolberg
zeigte (zugleich aufreht und gefpiegelt).
Die Schiffer jagten mir, das fei bei Nord-
oftwind eine ganz gewöhnliche Ericheinung.
Am günftigften Tage ſah ih einem der
Strandjeen (nad) Oſten hin), der dem Blid
durh Dünen verdedt war, — W. V. —
Eine Leferin in Grünftadt (Pfalz) er-
fein, und die waflerhaltige Luftichicht muß
ſich ſtets oben befinden. Die Erjcheinung
fommt ſowohl in jehr heißen wie in jehr
falten Gegenden vor und ift jtets von
einer unheimlichen, bleigrauen, leichenfahlen
Beleuchtung begleitet, bei der jelbitverftänd-
(ih alle bunten Farben wegfallen. Dieſe
Spiegelungen treten in heißen Gegenden
meift nachmittags, in falten meift morgens
auf und die im Süden lafjen die Spiegel-
bilder verfehrt und verzerrt erjcheinen, da-
gegen geben die im Norden ihre Bilder
richtig werden. Ausgeichlofjen ift jedenfalls,
' zehn Jahren.
Erwadhjene und finder, bei herrlichem,
zählt folgendes Erlebnis: Es war an
einem Sonntag Nahmittag vor ungefähr
Wir unternahmen, mehrere
klarem Herbjtwetter einen Spaziergang auf
der Landitraße von Kaſtel nach Biebrid.
Kurz vor Biebrih jah ich plöglich zur
rechten Seite der Straße in einiger Ent-
fernung einen Schleppfabn in voller
Fahrt. Auf meine Frage: ift denn dort
auch ein Waffer? wurde die übrige Ge
ſellſchaft aufmerkſam, alle beobachteten mit
mir das Schiff, das nach etwa 3 Minuten
daß man z. B. Rüdesheim, das dicht
binter dem Niedermwalde liegt in Köln, nad
nördliher Richtung bin, miedergeipiegelt
ſehen kann. Überhaupt ift es nicht gut
denfbar, daß in unjeren Gegenden der ge-
nügende Unterſchied zwijchen den Quftichichten
binfichtlich der Temperatur und des Wajjer-
gehaltes eintreten fann, um eine Quft-
fpiegelung hervorzubringen. - E. P. — m.
— Im Gegenjag zu diefen Ausführungen
teilt eine Frankfurter Lejerin folgende
Beobachtung mit: Im Herbft des Jahres 1898
beobachtete id von der alten Mainbrücke
aus eine Yuftjpiegelung über dem
Main in der Gegend der Gerbermübhle.
unjeren Augen entihwunden war. Bir
waren. aufs äußerfte überrafcht; zur linken
Seite hatten wir den Rhein und auf der
anderen Seite fahen wir ein Schiff fahren,
an einer Stelle, an der wir uns gar fein
' zierungsfahrt nach dieſem Terrain,
Waſſer denken konnten. Um ganz ficher zu
fein, madte am anderen Tag ein Herr,
der mit bei der Partie war, eine Rekognos-
Da
er nichts fand, ihm aud niemand von
einem Wafjer in diefer Gegend etwas
jagen fonnte, nahmen wir alle an, eine Quft
jpiegelung geſehen zu haben. — F. St.“
Ein Mond-Regenbogen, Um
Abend des 14, Mai 1908, fo teilt ein Reier
— BB —
aus Zwingenburg (Heilen) mit, war | Wolfe gegen Nord-Oft in einen regelrechten
bier eine recht eindrudsvolle Naturericheinung | Regenbogen mit überrafchend intenfiven
zu beobachten, von der ich dom anderer | Farben überging. Diefer Regenbogen
Seite nie erwas gehört und auch in der | Ereuzte die Wolkenichichte von Süd nad
naturmwifjenichaftlichen Literatur nie etwas | Mord in leichtem Bogen; dem Monde zu«
gelefen Habe. Es mar kurz nad 9 Uhr, nächſt lagen die roten, gegen Diten die
als id) von einem Spaziergange in die | violetten Töne. Der helle, bunte Farben:
Ebene mweftlih von der Bergitraße zurüd- | ftrich, der mit der Grenze der fleinen und
fam; im Süden ftand die faft volle Mond: | weithin ifolierten Wolfe gegen Süd und
heibe am klaren Himmel. Langjam | Nord wie abgejchnitten war, fam im Ber-
näherte fi von Süd-Weſt eine leichte | eine mit dem fcharfen Konturen der dunfel
Wolkenſchichte von elliptiicher Form | bewaldeten Bergftraße bei gerade einge
und einer Qängenausdehnung bon etwa | tretener Nacht zu eigenartiger Wirkung.
30 Mondicheiben ; die zarte Dunftfhichte | Mit dem Wegzuge der fleinen Wolfe hatte
z0g am Monde vorüber, ohme deflen Glanz | das FFarbenfpiel ein Ende und war aud
mejentlich zu trüben. Da zeigte fich plöß- | bei nachfommenden Wolfen faum oder nicht
lich am öftlichen Rande der bereits vorüber | mehr zu beobadten. — Dr. &. (Die
gezogenen Wolfe in etwa 10 Mondbreiten | „Frankf-Ztg.“ hat vor etwa 10 SYahren
Entfernung vom Monde ſelbſt ein auf- | Über eine ganz ähnliche Erfcheinung aus
falendes Farbenſpiel, das in menigen | dem Karſt (ungarifch-Froatifches KHüften-
Sefunden mit weiterem Vorüberziehen der | gebiet) berichtet.
— ———
Pfälziſche Wild- und Jagdbeobachtungen.
Halali klingts durch die winterlichen | auch bei den Hafen verheerend auf. Da
Wälder, Sanft Hubertus pfeift die Hunde | in Bayern und der Pfalz feine Rebgaifen
zurüf und Dianens Gefolgichaft verläßt | gefchoffen werden dürfen, ftellt fih nad
die ftill gewordenen Foriten und Gründe. | Beobachtungen von Jägern das Verhältnis
Wieder ift die fröhliche Nagdzeit fiir die | zwifchen Bo und Gais wie 1:10, Der
Herren von der grünen Farbe vorüber, Nachwuchs ſoll daher ſchwächlich und wenig
„Hahn in Ruh” und „Büchlenranzen an | mwiderftandsfähig fein. Bon bemerfens-
den Nagel” heißt nunmehr die Parole. |, wertem in der Pfalz erlegten Wild können
Gott fei Dank, murrt Schelm Reinede, der | wir regiftrieren: Auffälligermeife zeigte fich
glüclich mit drei und einhalb Beinen davon: | heuer ziemlich Schwarzwild. Erlegt wurden
gefommen, in feinem Waldihloß Male | Wildfauen bei Sirchheimbolanden im
partus, und Meifter Lampe ftredt fich ber | Dezember 1 Stüd von 240 Pfund, bei
haglih in feinem laubgepolfterten Lager | Scaidt 1 Keiler von 150 Bfund, ferner
mit dem befriedigenden Bewußtſein, daß | wurden Wildſchweine bei Wattenheim be-
auh er nur den Berluft eines halben obachtet. Wildkatzen zeigten fich ebenfalls
Löffels zu beflagen hatte. Eine Träne der | jehr Häufig. Es murde ein 16 Pfund
Erinnerung weiht man nod den vielen | jchweres Eremplar am oberen Tierwaſen
Freunden und Belannten, die in der Jagd» | gefangen, ferner 1 Stüd am Eyberg bei
jaifon hinübergewechſelt find in jene Reviere, | Dahn im Gewicht von 12 Pfund, 1 Erem:
wo erfreulichermweife ewige Schonzgeit herrſcht. plar bei Waldfifchbach und 1 auf dem Trap-
Wohl las man in dreier Jagdſaiſon, penberg bei Mauchenheim. Füchſe wur«
daß die Treibjagd ziemlich befriedigende Er- | den in befonders großer Zahl als erlegt
gebniffe lieferte, aber die Stimmung in | und gegraben gemeldet aus Enkenbach,
Fägerfreifen ift in Bezug auf die Ergeb- | Siegelbah, Pirmaſens und Neukirchen.
niffe doch nicht rofig. Der Nehbeftand | Ueber Ürlegung von Mardern umd
hat, wie mehrfadhe Berichte aufweifen, im | Iltiſſen kommen fehr wenig Mitteilungen.
Jahre 1908 durch die befannte Rachenſeuche Eine einzige Mitteilung über einen ge:
ftarf gelitten; dieſe Rranfheit trat teilmeife | fangenen Marder erhielten wir aus Rhodt,
wo bie Knaben den getöteten Hühnerdieb |
an einer Stange im Dorf herumtrugen und
fih von den} Geflügelbefigern nach altem
Herfommen eine Belohnung erkaten. Sel- |
tenes Federwild kam gleichfalls wenig zur
Erbeutung. Schneegänje murden bei |
Hagenbühl, Speyerdorf und Gerolsheim ge: |
24
ihoflen, Faſanen bei Scifferftadt, mo
bei einer Treibjagd die Zahl von 270 diefer
geihäßgten Bögels"angegeben wird. Gin
eigened Kapitel |fönnte man den Wild
ihügen und Wildfijhern widmen.
(Böhm ii. d. Pf. Pr.)
Iubilänm.
Es rüftet fih die alte Herzogsſtadt
Bweibrüden in der Rheinpfalz, Mitte Juli
diejes Jahres die Erinnerung an die vor
350 Jahren erfolgte Gründung ihres
bumaniftiihden Gymnaſiums feſtlich
zu begehen. Der weiſe und tatkräftigte
Herzog Wolfgang von Zweibrücken, der
Stammvater des bayeriſchen Königshauſes,
war es, der die ſchola illuſtris ins Leben
gerufen, mit den Einkünften eingezogener
Klöſter ausgeſtattet und dem Schutz und
der Fürſorge ſeiner Nachfolger befohlen
bat. Am 1. Januar 1559 wurde fie in
dem nahegelegenen Hornbach mit 33 Stipen»
diaten eröffnet, mit dem gelehrten Emanuel
Tremmellius, einem zur proteftantijchen
Kirche übergegangenen italienifhen Juden
als Rektor an der Spige. Mannigfach
und wechſelnd waren die Scidjale diejer
Schule; Seuden und Kriege haben ihre
Eriftenz oft gefährdet, die Verlegung ihres
Sitzes gefordert. So mußte fie ſchon
5 Jahre nach ihrer Gründung wegen der
Belt auf ein halbes Jahr die Räume des
Benediktinerflofters Hornbach mit denen der
nit meit entfernten Gifterzienierabtei
Wörjchweiler vertaufchen, Das Reftitutions:
edift trieb fie 1631 nach Zweibrüden, die
Bermüftung von BZweibrüden 1640 — 1652
nad) Meijenheim, das damals ein Ober—
amtsftädtchen des Herzogtums mar; die |
; gebildet hat zur Vorbereitung der Jubiläums:
Reunionskriege 1676 wieder nach Meijen-
beim und erft 1706 murde fie endgiltig
nad Bmweibrüden zurüdverlegt und ift bier
geblieben bis auf den heutigen Tag, freilich
im 18. Jahrhundert noch bei den zerrütteten
Finanzen des Herzogstums vielfach leidend
unter mehrmaligem Wohnungswechiel und
haben.
nehmen, daß fich bereits unter dem Borfige
au Eonfeflionelem Hader. Aber alle
inneren und äußeren Stürme bat fie über-
ftanden und bejonder8 dur die weiſe
Fürſorge Ehriftians IV., dieſes hochherzigen
Beförderers der Wiſſenſchaft und Kunſt
aus dem Witteldbaher Haus, Zeiten des
Slanzes und Ruhmes erlebt, wie wohl
wenige Gymnaſien Deutſchlands. Es wirk—
ten damals an dieſer Schule ein Georg
Chriſtian Crollius, ein, Erter, Faber,
Embſer, die im Verein mit anderen ver:
dienftvollen Gelehrten von 1779 ab bie
alten lateinifhen und griehiihen Klaſſiker
in meifterhafter Weiſe berausgaben und
durch Diele editioned® Bipontinae von
58 Autoren in 115 Bänden dem Gym:
nafium und der Stadt Bweibrüden einen
Weltruf verfchafft haben. Ein Wieland hat
dem Unternehmen feinen Beifall geipendet;
ein Benjamin Franklin befand fi unter
den Subffribenten, Auch das 19, Jahr—
hundert bat das Gymnafium Bweibrüden
jeiner hohen Aufgabe allezeit gewachſen
gefunden. Es gibt wohl feine Fakultät,
feinen Beruf (den Stünftlerberuf einge»
ſchloſſen), in dem nicht Abjolventen des
humaniftiihen Gymnafiums Bweibrüden es
zu Hohen Ehren und Würden gebracht
Mit Freuden werden fie alle ver-
des Kirchenrates Jung ein Feſtausſchuß
feier, und im Juli herbeieilen zu der Stätte,
wo fie die jchönften Jahre ihres Lebens
verbracht haben, und werden mit alten,
lieben Studiengenofjen in froher Erinnerung
an dieje Zeit jchwelgen.
un
Lingenfelder F.
Am 6. Februar ftarb in Seebach der | unftreitig der befte Pilzforſcher in der Pfalz
penfionierte Lehrer Philipp Peter Lingen- | und ein Freund des berühmten Botanikers
felder in dem hohen Alter von 94 Jahren. | Dr. C. H. Schulg-Bipontinus. Bon den
Ber die Jahresberichte des naturwiſſenſchaft | Arbeiten Lingenfelders find u. a. zu nennen
lihen Vereins der Pfalz „Pollichia“ ftudiert, | „Verzeichnis der Agarici”, Blätterpilze, die
dem wird jein jehr oft mit Ehren genannter | in der Umgegend von Dürkheim gefunden
Name auffallen und unter der WRubrif | wurden; Lingenfelder nennt 115 Arten.
„Botanik“ finden wir manche wichtige und | Dann die Arbeit Über die Kirfchfliege nebſt
Ihöne Arbeit des bejcheidenen Lehrers aus | einem Nachtrag hierzu,
dem Dörflein GSeebah bei Dürkheim.
Über 50 Jahre wirkte er dort. Er war migm La Wi. We)
Ber Bfälzer auswärts.
Bereinder Rheinpfälger Krauffurta.M. | feier eine nette Anzahl von fidelen Pfälzern
Bor einigen Wochen mwurde in der alten | vereinigte, wurde auch für Sonntag, den
Kaiferftadt Frankfurt a. M. ein Verein der | 14. März d. %. eine größere Feier zur
Rheinpfälzer gegründet. Der Zufammen- | Begehung des Geburtstages unjeres Prinz-
ihluß hat den Zweck die Intereſſen unferer | regenten in Ausfiht genommen, Der be-
ihönen Rheinpfalz in Frankfurt a. M. und | kannte und beliebte Dialeftdihter Richard
Umgebung zu vertreten und die Pfalz dem | Müller aus Obermojchel, der feine Mit-
reifenden Publikum befannter zu machen; | wirfung für diefen Abend zugefagt, ſowie ein
und den in Frankfurt mohnenden Bfälzern | noch fonft reichhaltiges Programm, forgten
bietet der Verein jchönen gejelligen Anjchluß | für recht gemütliche Stunden.
im reife luftiger Landsleute durch Vereins: Rheinpfälzerverein Regensburg. Am
abende, die jeden Samstag Abend im | 9. Januar hielt der Rheinpfälzerverein
„ungen Krokodil” Kaiferitr. 55 ftattfinden, | Regensburg im feftlich deforierten Ober:
— BPfälzern, die nur vorübergehend hier | münfterfaal jein erftes Konzert mit darauf»
meilen, bietet er dur jein erftllaffiges | folgendem Tanze ab. Dasfelbe war bis
Bereinslofal neben guter Berköftigung auch | auf den legten Plag bejegt. Die Mufit
einen guten Tropfen Pfälzer Wein. Beı | ftellte eine Wbteilung der Regensburger
vorheriger Anmeldung Stehen jederzeit foften- | Militärfapelle und die Teilnehmer blieben
los und gerne einige Führer zur Beſich- bis in die frühe Morgenftunde beiſammen.
tigung der Stadt auh für Pfälzer | Somit ift dieje erjte VBeranftaltung, womit
Bereine und Geſellſchaften zur Ber- | der jeit einem Jahre beftehende
fügung. Im Bereinslofal jelbft dienen dem | Berein in die Öffentlichkeit trat, als
Bejucher heimatliche Zeitungen zur Unter | woblgelungen zu bezeichnen und es ift zu
haltung. Die Gründung einer Ortsgruppe | hoffen, daB diejenigen NRheinpfälzer in
des „Pfälzer BWaldvereins” Hier | Megensburg, welche dem Verein noch fern-
fteht bevor. — Nachdem bereit8 am | ftehen, durch Beitritt denjelben in feinen Be-
9. Januar eine jchön verlaufene Weihnachts: | ftrebungen unterftügen. (Pfälz. Rundſchau.)
Ergebnilfe der landw. Betriebszählung 1907 für Bayern.
Den im Auguft vor. Is. veröffentlichten | geben zahlenmäßigen Aufihluß über Stand
Ergebnifjen der Berufszählung vom 12, Juni | und Gntwidelung der bayerifchen Land»
1907 Läßt das Kgl. Bayer. Statiftifche | wirtjchaft, insbefondere über die wichtigen
Bureau nunmehr diejenigen der landwirt- | Fragen: In weldem Maße ift in
ſchaftlichen Betriebszählung folgen. Sie | der bayerifhden Landwirtſchaft
Klein-, Mittel- und Großbetrieb
vertreten? Welche Ausdehnung zeigt
Eigen» und Badhtwirtfhaft? Wie
nugen Klein», Mittel- und Groß-
betriebe ihre DBetriebsfläden?
Welche Änderungen find nad all’
diefen Ridhtungen ſeit 1895 eim
getreten?
Im ganzen wurden am 12. Juni 1907
669911 Tandwirtfchaftliche Betriebe er-
mittelt; diejelben umfaßten eine landmwirt-
ſchaftlich benügte Fläche von 249926
Hektar. Nach der Größe ihrer landmirt-
ſchaftlich benügten Fläche gliedern fich diefe
Betriebe in Barzellenbetriebe (bis 2 Hektar),
Hein» (2— 5 Heltar), mittel: (5—20 Hektar),
großbäuerliche (20--100 Hektar) und Groß-
betriebe (über 100 Hektar).
Es treffen 63,8 Prozent aller Betriebe,
nicht weniger als 93,7 Prozent der land»
wirtſchaftlichen und 91,6 Prozent der ge-
jamten Flähe auf die Bauerngüter
(2—100 Hektar). Die ftarfe Vertretung
des Bauerngutes, durch die fich die bayeriſche
Landwirtichaft ftets ausgezeichnet hat, ift
jonad) geblieben. Insbeſondere ift es der
mittelbäuerlihe Betrieb, der als
das Rüdgratderbapyerifhenland
mwirtjchaft bezeichnet werden fann; er
umfaßt 33,5 Prozent ſämtlicher Landwirt:
Ichaftsbetriebe, 52 Prozent der landwirt-
ſchaftlich benützten Fläche und 50 Prozent
der Gejamtflähe. Seit dem Jahre 1895
hat er feine überragende Bedeutung nicht
nur behauptet, fondern fie jogar noch er-
beblich verftärft: es hat nämlich die Zahl
der mittelbäuerlichen Betriebe um 7640 9.
— 3,5.-Prozent, ihre landwirtichaftlich be
nützte Fläche um 61 083 Heftar — 2,8 Bros.
und ihre Gejamtflähe um 71098 Hektar
— 2,5 Prozent zugenommen. Neben den
mittelbäuerlichen Betrieben haben jeit dem
Jahre 1895 nur noch die Barzellenbetriebe
(bis) 2 Hektar), die die zweitftärffte Ver—
tretung aufmweilen, eine Mehrung erfahren
und zwar um 5066 — 2,2 Prozent. Die
übrigen Betriebsgrößen zeigen Verminde-
rungen und zwar die kleinbäuerlichen Be—
triebe (2—5 Heftar) um 2977 — 1,8 Broz.,
die großbäuerlichen Betriebe (20 bis 100
Heltar) um]3519 — 8 Prozent, die Groß-
betriebe (100 Hektar und mehr) um 84 —
13,5 Prozent.
26
J
Die Abnahme der kleinbäuerlichen
Betriebe iſt wohl dadurch verurſacht, daß
ein Zeil derſelben ſeit 1895 durch Flächen⸗
mehrung in die Klaſſe der mittelbäuerlichen
Betriebe aufgerückt ſind, während die
Haupturſache für den Rückgang der groß—
bäuerlichen und der Großbetriebe in der
Güterzertrümmerung zu ſuchen ſein dürfte
In der Pfalz iſt ſowohl nach
der Zahl der Betriebe wie nach der
Fläche der Kleinbetrieb am ſtärk—
ſten vertreten.
Die Verteilung von Klein-, Mittel-
und Großbetrieb in der Pfalz iſt fol—
gende: Betriebe unter 2 Hektar 63,2 Proz.
(14,7 Brozent),*) Betriebe von 2—5 Heftar
21,3 Brogent (25,8 Brozent), 5—20 Heftar
14,7 Brozent (48 Prozent), 20— 100 Heftar
0,8 Prozent (3,2 Prozent), über 100 Deftar
0,03 Prozent (2,3 Prozent).
Wie die ftarfe Vertretung des Bauern
gutes, fo ift für die bayerijche Landwirt:
haft die große Ausdehnung der Eigen
wirtichaft harakteriftiih. Nicht blos
der Bauer ſchlechthin, ſondern
der Bauer auf dereigenen Scholle
ift der typifde Bertreter der
bayerijden Landmwirtihaft. Auf
66,4 Prozent aller Betriebe erfolgt aus-
ichließlich Eigenwirtichaft; von der Gefamt:-
flähe der landwirtſchaftlichen Betriebe
find 95,1 Prozent Eigenland. Weine
Pachtbetriebe, alfo Betriebe mit ausjchliek-
(ih Pachtland find es nur 3 Prozent der
Geſamtzahl; im ganzen beträgt die Pacht—
fläche 4,1 Prozent der Befamtflähe. Speziell
in den Größenklaſſen der mittel- und groß
bäuerlichen Betriebe find die genannten
Berhältniffe noch erheblich günftiger, mie
aus nachftehenden Daten hervorgeht:
Gegenüber dem Jahre 1895 ift die
Bahl der reinen Badhtbetriebe von
16014 auf 20250 (alfjo um 4236 —
26,4 Prozent) geftiegen und hat die Padı-
flähe von 195595 Heftar auf 239209
(alfo um 43614 Hektar 22,3 Prozent)
zugenommen, Bermutlich ift dieſe Mehrung,
an der jämtliche Betriebsgrößenklafien be
teiligt find, nicht ganz eine tatjächliche,
jondern zum Zeil durh formalftatiftiice
Momente bedingt.
*) Die in Klammern beigefügte Zahl gibt den
Prozentſatz ber landwirt. bemugten Fläche an.
— 121
Die wirtſchaftlich und agrarpolitifch
ebenfall$ wichtigen Ergebnifje der Betriebs:
zählung über die Bodenbenüßung und
insbefondere über die erftmals erhobene
Bebauung des Aderlandes bei den Stlein«,
Mittel- und Großgütern werden demnächſt
veröffentlicht werden. (Biälz. Br.)
Interellante Finanz⸗Statiſtik.
1890 1907
Die Gewerbeft. betr. in Mill. 6,456 12,099
„ Hausfteuer betrug 4,984 9,697
„ Eintommenft. betrug 2,085 4,257
„ Kapitalrentenft. betrug 3,972 7,126
eine Ermäßigung erfuhr ledig:
lih die Grundft. von 11,512 auf 10,384
Im ganzen find die ÖStaatsfteuern
innerhalb 30 Jahren (von rund 20 Mill,
auf 40 Millionen, d. i. um 100 Prozent
geftiegen, während die Staatsichuld gleich.
zeitig auf 1,649 Milliarden wuchs. Parallel
damit ging eine Steigerung der ftreis-
umlagen von 5,239 Mill. auf 16,662 Mill.,
das ift um 218 Prozent, der Diftrikts-
umlagen um ca. 80 Prozent und endlich
der Gemeindeumlagen von 14, 66 Mill.
auf 50,298 Mil.,d, i. um 255 Prozent. Wie
fi bejonders die Gemeindefinanzen in den
legten Jahren verjchledhtert haben, geht
aus der demnähft vom Statiftiichen Amte
zu veröffentlichenden Arbeit über die bayer.
Gemeindefinanzen hervor.
Es zahlten an Umlagen
1902 1906
Prozent Gemeind. Ortſch. Gemeind. Ortſch.
— 0 588 — 514 —
1— 50 1229 250 670 248
51-100 3004 151 2693 150
101—150 1727 54 2072 62
151— 200 789 15 1197 25
201-250 318 7 415 8
251 - 500 329 9 405 11
über 500 11 — 26 —
Gleichzeitig ſtiegen (alſo binnen 4
Jahren!) die Schulden der Gemeinden von
514,4 Mill. auf 650 Mill., der Zinsauf—
wand hiefür von 18,8 Mill, auf 23,1 Mill.
Die Zahlen wirken noch anfchaulicher, wenn
wir fie vergleichen mit ſolchen aus früheren
Yahrzehnten. So zahlten 1878-79 nod)
2550 Gemeinden weniger als 50 Prozent
Umlagen, die Diftrittsumlagen betrugen
damals 28,65 Prozent, der Schuldenitand
jämtliher Gemeinden war 1879: 116,227
Mil, Trogdem fah ſich damals ſchon der
Minifter Feiligih veranlaßt, gegen bie
Überbürdung der Gemeinden Stellung zu
nehmen und Vorſchläge zu befjerer Laften-
verteilung zu machen.
Bou der Eifenbahn. Preußen-Heffen
verfügt über eine Bahnlänge von 31 764 km,
Bayern über eine folde von 5777 km.
Diefem räumlichen Mibverhältnis fteht das
finanzielle zur Seite: Bei dem fleinen
bayerischen Net abiorbierten die Betriebs«
ausgaben im Durchichnitt der legten drei
Yahre 72,21 Prozent ber Einnahmen, in
Preußen nur 60,27 Prozent; wir erzielten
auf 1 km Bahnlänge im legten Jahr
(1902) einen Überfhuß von 8100 Marf,
Breußen einen folhen von 17046 Marf.
Für die bayerifchen Staatsbahnen berechnet
fih die Verzinfung des Bauaufwandes im
Jahre 1903 auf 2,69 Prozent, für bie
preußifch-heiftichen Bahnen auf 7,3 Broz.!
Dazu fommt noch, daß in Preußen bauliche
Ergänzungen bis zu 100000 Marf aus
dem Betriebe beitritten werden, während
wir für Derartige Ausgaben bejondere
Kredite zu beanfpruchen gewohnt find. Seit
der Berftaatlichung der Bahnen in Preußen
fonnten über 2 Milliarden Markt Eifen-
bahnſchuld getilgt werden, während in
Bayern die Eifenbahnihuld von 1880 bis
1903 um 416,8 Millionen anwuchs und
jegt rund 1,35 Milliarden beträgt. Aus
den Überfchüffen unjerer Bahnen find in
dem Beitraum von 1880 bis 1903 aller-
dings rund 43 Millionen der Staatskaſſe
für allgemeine Zwecke zur Verfügung ge
ftellt worden ; allein in der gleicgen Periode
mußte der Staat rund 100 Millionen für
Eifenbahnbauten und Beihaffung von Fahr:
material aus allgemeinen Mitteln den
Bahnen zumenden. (Aeltere Statiftif.)
Bayeriihe Schulden. Nah den Zu⸗
jammenftellungen des Kgl. Statiftifchen
Bureaus beziffern fich die Schulden der 36
bayeriihen Städte über. 10000 Ein-
— BB —
wohner auf zujammen 604 Mill. ME | wigshafen, Bamberg, Regensburg, Bay.
Davon entfällt nahezu die Hälfte mit 301 | reuth, Birmajens, Hof, Aldhaffenburg,
Mil, ME. auf die Stadt München; weitere | Yngolftadt, Rofenheim, Freiſing, Lechhauſen,
100 Mill. ME. hat die Stadt Nürnberg, | Landshut, Baflau, Straubing, Franken—
während die Übrigen 34 größeren Städte | thal, St. Ingbert, Yandau, Neuftadt
zufammen 202 Mill. Mt. Schulden auf: | a, Hdt., Speyer, Zweibrüden, Am:
weifen, München und Nürnberg haben aljo | berg, Weiden, ſtulmbach, Ansbach, Erlangen,
zufammen nahezu nochmal ſoviel Schulden | Schwaben, Schweinfurt, Kempten, Mem-
als die nächftgrößten Städte. Es find dies: | mingen und Neu-Ulm,
Augsburg, Kaiferslautern, Fürth, Qubd-
Brannkohlen
find bei Haßloch gefunden worden, Die ſoll, dürfte hier bald regeres Leben entjteben.
von einem Beamten des Bergamtd Zwei: Es werden zur Beit Verſuche gemacht,
brüden vorgenommene Befihtigung der in | die Braunfohlen zu entölen, um das Erb-
jener Gemarkung entdedten Braunfohlen- | wachs zu gewinnen. Dadurch, daß bie
lager zeigte, daß Kohlen in weit größerer | Braunfohlen noch jung und nicht feit bei-
Ausdehnung vorhanden find, ald bisher | jammen find, wird das Bermahlen gejpart,
angenommen worden ift. Diefe Gejamt: | und die SHerftellungskoften der Brifetts
länge der Braunkohlenſchicht foll fih etwa | werden dadurd; verringert. In nächſter Zeit
3 Rilometer weit erftrefen. Man ift bei | wird eine Baggermajchine bierher fommen,
den Bohrverſuchen ſchon in 2 Meter Tiefe | um die Braunfohlen zutage zu fördern.
auf eine 2'/s Meter dide Kohlenſchicht ge- Die alljährlich zu verausgabenden Urbeits-
ftoßen. Da mit der Förderung der Kohlen | Löhne werden auf nahezu 1 Million ME.
ſchon in allernäcdhfter Beit begonnen werden | geichägt.
Archivbenũtzung.
Wie amtlich bekannt gegeben wird, find | Monaten von 8 Uhr vormittags bis nad-
nunmehr jomohl das allgemeine Reichs- | mittags 4 Uhr bezw. bis zum Gintritt der
arhiv in Münden, wie aud die act | Dunkelheit der Benügung geöffnet. Nur
Kreisarhive ın Amberg, Bamberg, | an den Samstag-Nachmittagen find fie der
Landshut, Münden, Neuburg a. D., Nürn- | Reinigung halber gefhloffen. Es ift zu
berg, Speyer und Würzburg an den | ermarten, daß aud) von diefer Erleichterung
Wochentagen in den Monaten November | der WUrhivbenügung reger Gebrauch ge-
mit Februar von 8’. Uhr, in den übrigen | macht wird,
Citerariſches.
Auswanderung und Kolonie- | Dristany (1777) iſt dieſe Schrift heraus:
gründungen der Pfälzer im 18. gegeben. Allein ſie iſt keine gewöhnliche
Jahrhundert von Dr. phil. nat. Jubelſchrift, ſondern bietet zum erſten
Daniel Häberle, Verlag der Kol. Male in wohlgegliederter Form den
Bahyer. Hofbuchdruderei H. Kayſer, Kaiferd- | reichen geihichtlihen Stoff, der in zahl-
lautern, 1909. Breis 6 ME, reihen ®erfen und Zeitichriften, in Archiven
Zur 200jährigen Erinnerung an die | und Familienpapieren diesjeits und jenfeits
Mafjfenauswanderung der Pfälzer 1709 | des Ozeans zeritreut liegt. Es bedurfte
und an den pfälziihen Bauerngeneral | des Riefenfleißes von Dr. Häberle um diejes
Nikolaus Herhheimer, den Helden von | gediegene, reichhaltige Buch zu ſchaffen, das
und von den erften Ausmwanderungen aus
der Pfalz, ſoweit fih Spuren finden ließen,
29
Schilderer der landihaftliden Schön-
heiten bes Pfälzerlandes, feines Volkes
dann aber von den großen Wafjenaus | Braud und Sitte, als Hüter feiner alten
mwanderungen des 17. und 18. Jahrhunderts Volkslieder und Sagen kennen und ſchätzen
berichtet. Wir lernen bier eine für unfere
Heimat verderbliche Folge der entieglichen
Sriege des 17. Jahrhunderts und der
religidfen Bedrängung ım 18. Jahrhundert
in ihrem ganzen Verlaufe fennen. Gin-
gehende Nachrichten erhalten wir über pfäl-
ziüche Kolonien in Amerifa. Der Berfafler
führt uns an den Hudion, den Schoharia,
Mohamwt, nad Benniylvanien, New Jerſey,
Virginien, Earolina, Georgien, Louifiana,
Gayenne, aber auch in Europa meift er
überall in den Rheinlanden, in Branden-
burg-Bommern, in Dänemark, Rußland,
Spanien, in fterreid-lingarn, in
Galizen und der Bulowina, nicht zuleßt
in Bayern den pfälziihen Ginfchlag in
der Bevölkerung nad. Er meint zunächſt
nur eine Überficht gegeben zu haben und
gewiß läßt fid) das Material im Einzelnen
noch vermehren; aber da8 Bud ift tat-
ſächlich die Geſchichte der Aus
wanderung des 18. Jahrhunderts, die
zu eifrigem Spezialforfchen ſicher anregt,
weil fie auf Quellen hinweift, die bi® heute
vielfach unbefannt waren, nur aber durd
den unermüdlichen Forſcher an Tag kommen.
Eine ftattlihe Zahl mohlgelungener
Bilder und Kartenſkizzen dienen dem reich-
baltıgen Werke nicht nur zur Erklärung,
fondern auch als ichöner Schmuck. Was
Hüberle vom amerikaniſchen Freiheitskrieg
und dem Bauerngeneral Nifolaus Herch-
beimer zu berichten wei, hat fiher für
weitere Kreiſe großes Intereſſe. Der
Gebrauch des Buches wird durh ein
vorzügliches, vollftändiges Megifier fehr
erleichtert. Th. Bint.
Unier pfälzifher Dichter Aug.
Beder bat befanntlih zu Lebzeiten bei
feinen Landsleuten die verdiente Aner⸗
fennung nicht gefunden. Anders die Nach—
mwelt, die in feinen prächtigen Romanen
„Hedwig“ und „Nonnenjufel”, jenem lieben
Geſchichtenbuche „Ein Weihnachtsbuch“,
ſeinem kulturgeſchichtlichen Werke „Pfalz
und Pfälzer“, und vielen anderen Büchern,
die ja meiſt auf pfälziſchem Boden ſpielen,
den Dichter in feinem wahren Werte als
| gelernt Hat.
Auh bat ihm die danfbare
Nahmelt im Jahre 1907 in feiner Heimat-
gemeinde Alingenmünfter ein Denkmal er-
richtet. Bon feinen Büchern, welche die
ftattlihe Zahl von 44 Bänden umfaffen,
find leider viele vergriffen und nicht einmal
antiquarifch mehr zu haben. Hierüber ift
man vielleiht im Unflaren. Es darf daher
freudig begrüßt werden, daß die Hofbuch-
handlung von Eugen Cruſius in Raijers-
lautern ein Verzeichnis jämtliher Schriften
Auguft Becker's herausgegeben bat, aus
weldhem zu erfehen ift, welche Werte noch
im regulären Buchhandel zu haben und
welche vergriffen und vielleiht noch anti-
quarifh erhältlih find. Der heutigen
Generation dürfte weniger befannt fein,
wie der Liedercyflus: „Sungfriedel der
Spielmann”, der im Jahre 1854 ir dem
berühmten Cotta'ſchen Berlag in Stuttgart
erihien, einen wahren Wetteifer unter
den damaligen Stomponiften hervorgerufen
hat, dieje herrlichen Lieder in Muſik zu
ſetzen. Die bekannten Liederfomponiften
Franz Abt, Ferdinand Gumbert, Holſtein,
Hornftein, Liebe, Scharwenfa, Taubert und
viele andere, deren Aufzählung bier zu
meit führen würde, haben eine große An-
zahl in Muſik gejegt, teils für eine Sing-
ſtimme mit Stlavierbegleitung, teil für vier»
ftimmigen Männerdor, fo das ſchöne Lied
„Neues Leben”, deſſen erjte Strophe heißt:
Mein Herz, tu’ Dich auf, daß die Sonne brein ſcheint!
Du haſt J genug jetzt geklagt und gemeint!
Bob wiederum Mut,
u jungfriſches But!
Mein Herz, tu’ dich auf, denn die
Sonne meint’ gut! und das Brautlied:
„Sonnenlidht, Sonnenſchein, fält mir in’s
Herz hinein”, find fait ein Dutzend Mal
in Muſik gefegt. Dem Berzeichnis jeiner
Bücher ift au eine Zufammenftellung der
Lieder mit Angabe der verjchiedenen Kom»
poniften, welde fie vertont haben, bei-
gegeben. Freilich ift die Anzahl der Lieder
eine jo große, dab dies Verzeichnis feinen
Anſpruch auf Vollftändigkeit machen kann;
immerhin ift aber daraus zu erjehen, wel ·
her Wertihägung fih der junge Dichter,
der erit 26 Yahre zählte, erfreuen durfte,
Beide Berzeichniffe werden den Verehrern
unjeres heimifchen Dichters von genannter
Buchhandlung gerne gratis und portofrei
überjendet.
Tabafhandel. Als 5. Heft des
X. Bandes der von den Brofefforen Karl
Kohannes Fuchs, Eberhard Sothein
und Gerhard von Schulze Gaevernig
herausgegebenen „Bolfswirtichaftlihen Ab—
bandlungen der badiſchen Hocjchulen” ift
im Berlage der. G. Braun'ſchen Hofbuch—
druckerei zu Karlsruhe eine Schrift „Die
Entmwidlung des Pfälzer Tabatf:
hbandels jeit den Toer Jahren“ von
Dr. Otto Heymann erjdienen. Im
Pfälzer Tabafhandel hat fich in den legten
Jahren eine außerordentlid) intereflante,
bis jegt allerdings noch völlig unbeachtete
Entwiflung vollzogen; im Zeitraum von
nur 10 Jahren hat fih in Mannheim, dem
Hauptſitz dieſes Handelszweiges, die Zahl
der Tabakhandlungen um die Hälfte ver—
mindert. Die Gründe dieſer Entwicklung
werden vom Verfaſſer unterſucht. Er zeigt,
wie bier ein weitaus typisches Beijpiel für
die durch die Stonzentration in der faufenden
Induſtrie ermöglichte Ausichaltung des
Großhandels vorliegt, welhen Einfluß die
Entitehung des landmwirtichaftlihen Ge—
nofienichaftsmwejens auf den Handel ausübt,
Daneben fommen nocd bejondere der
Tabafbrande eigene Gründe in Betracht,
wie die Entwidlung des Tabakbaues, der
Induſtrie, der Erportverhältniffe, die dem
30
Berfafjer Gelegenheit gegeben haben, zahl- |
reiche hier beitehende Streitfragen durd
neues Material weſentlich zu flären. Die
Urbeit jollte beſonders einen praftijchen
Wert haben und fo erörtert der Berfajler
auf Grund der Urjachen, denen der außer:
ordentlihe Rüdgang im Tabafhundel zu-
zufchreiben ift, die Möglichkeiten einer
Beflerung, vor allem auch die Frage eines
zu erhöhenden Schutzzolls, die von ihm
verneint wird. Im Anſchluß hieran wird
die Tabaffteuergejeßgebung Überhaupt und
befonders der jegige Entwurf kritiſch ber
handelt. Der Berfafjer lehnt eine zu hohe
Beiteuerung ab, glaubt aber, daß eine
Höbherbefteuerung des Tabafs ſchwerlich aus»
bleiben wird, und jchlägt deshalb vor,
diefe Erhöhung durch eine ftufenmeife, auf
mehrere Jahre verteilte Erhöhung der
Steuerfäge durchzuführen, um fo jeden
Konfumrücdgang zu vermeiden. Dem Werk
ift ein umfaffendes Bahlenmaterial bei—
gegeben. (Heidelb. TagebI.)
Neue Touriftenfarten. Uber das
mit bedeutenden Koften vom Pfälzerwald⸗
verein herausgegebene große pſfälziſche
Kartenwerk fchreibt ein militärifcher
Fachmann in den „Münd. N. Nadır.“
u. a. folgendes: „Karte des Pfälzer—
waldes“. (8 Blätter in 1:50000; Preis
12 Mt.) Nach dem Borbilde der Wander-
karten großer Verbände hat der Pfälzer
mwaldverein mit einfacheren Mitteln im
fleineren Rahmen die Herausgabe von adıt
dreilarbigen Wanderfarten der Baper.
Rheinpfalz aufs glüclichite betätigt. Um
den Verlauf aller Fußwege, insbejondere
im Waldgebirge jo wiederzugeben, daß der
Wanderer feine Wege jozujagen von Schritt
zu Schritt verfolgen fann, war es geboten,
das Material des Bayer. Tooograph iſchen
Atlas 1:50000 als Grundlage zu mählen.
Den umiangreihen und langwierigen
Arbeiten der farbigen Eintragungen unter-
zog fich mit feltener Aufopferung ein Bor:
ftandsmitglied des Vereins, ein Pfälzer
Kind, Heinrih Kohl, Prokuriſt der
Pfälzifchen Bank, welcher infolge außer
gewöhnlicher Ortsfenntniffe jogar mander-
lei fleine SKartenberichtigungen liefern
fonnte, Es erhielten die Gemwäller einen
Aufdruf blauer Linien, und alle Zieien-
linien oder Senfungen ohne Waijerläufe
blaue Bunftreihen. Die Fußwege wurden
mıt roter farbe aufgedrudt ; mit den roten
Bahlen in diefen Linien fann auf der jedem
Blatt beigefügten Überfiht Farbe umd
Beihen der im Gelände angemwendeıen
Wegmarfierung ſofort ficher feſtgeſtellt
werden. Auch unmarfıerte wichtigere Fuß
wege find durch rote Punftierung, Aus-
fihtspunfte durch befondere rote Beichen
hervorgehoben. Zum Hchuge gegen Bit
terungseinflüffe erhielt das kräftige Papier
eine feine, durchſichtige Yadierung, die
außerdem geftatter, mittels Olftift Einträge
auf die Blätter zu madhen und mit dem
gefeuchteten Finger wieder megzumijchen
Die Drudarbeiten wurden in mufterhaiter
Weile vom Topographiſchen Bureau des
bayerischen Generalftabs in Münden aus:
— — — —— — — —— — — — —
geführt.” — Der Berein hat fi mit ber
Herausgabe diejes Werkes ein großes Ber-
dienft um die Erichließung unferer fchönen
Pfalz erworben und im Intereſſe der
Heimatkunde wäre es jehr erwünſcht, wenn
die Starte eine große Verbreitung finden
würde. Kür einen Wäldler ein jchönes
Feſtgeſchenk.
Geologie und Geographie der
Mirtel- und Nordbart und ihres
Borlandes von Dr. D. Häberle er
ſcheint als Sonderabdrudf aus Jul. Schmitt,
„Der Wonnegau der Pfalz und fein an»
grenzendes Waldgebiet” bei %. Aheinberger.
— Auf 17 Seiten Oktav gibt der ſach,
landichafts- und wirtichaftsfundige Verfaſſer
einen bei aller Knappheit jehr präzifen und
hodhintereffanten Ueberblif über Entſteh—
ung, Geologifhen Nufbau der Hart,
und ihres Borlandes und der Nheinebene,
Dberflähenform beider Gebiete, wie
fte fich dem Auge darbietet, Bodenfultur
auf Grund des geologiich-mineralogifchen Zu-
ftandes und Bodenſchätze, die weder an
Zahl, nody an Wert gering find. Es ift
Wiſſenwertes für jeden, der feine Heimat
lieben und jchägen mag, weil er fie fennt,
und ergänzt und vertieft nach mander Seite
das, was jonft die „Führer“ jagen.
Münzfunde in der Pfalz 190708
veröffentliht E. Heuſer in Speyer (aud
als Sonderabdruf aus den Mitteilungen
der Bayer. Numismatiſchen Gejellichaft,
XXVI. Jahrgang 1908). Er berichtet, daß
306 Silbermünzen, die bei Böbingen in
einem Topfe gefunden wurden, zu Beginn
des ſpaniſchen Erbfolgefrieges (1702 viel-
leicht) vergraben worden fein dürften. In
Speyer wurden gegen 40 Scheidemüngen
aus der 2, Hälfte des 17. Yahrhunderts
und bei Freckenfeld 167 Silbermünzen aus
gleicher Zeit für das Hiſtoriſche Mujeum
der Pfalz gewonnen. Bei Niederauerbach
wurde ein Feiner Goldmünzenfund gemacht,
bei Imsweiler gar ein Strüglein mit 39
Goldſtücken nur 80 cm unter der Erde
gefunden.
Rektor Dr. Ulbert Attensperger,
Geographiſche Studienüber dieBor-
derpfalz. Beilage zum Sfahresbericht der
Kgl. Realſchule Kronah für das Schuljahr
1907,08. Auch Differtation der Technifchen
31
nam I — —
Hochſchule Münden 1908. 51 S. — Nach
einer furzen Schilderung der Hart behandelt
der Berfafler die Entftehung und Heraus:
bildung der Rheinebene bis zur Quartärzeit
und geht dann auf die geologiichen Streit-
fragen über deren Umbildung in der Dilu-
vialzeit näher ein. Hierbei werden bejon-
ders in den reis der Betrachtung gezogen:
Die Frage der Bergleticherung der Hart
in der Eiszeit, die Entftehung des Löſſes
und die Bildung des Rheinlaufes, Den
Schluß nimmt eine Erörterung über die
Umbildung der Rheinebene in der Quartär-
zeit und über deren allmähliche Ausgeſtal—
tung in der Alluvtalzeit ein. — Die Arbeit
ift injofern recht verdienftvoll, al® der Ber-
faſſer referierend über die verichiedenen
geologiichen Streitiragen berichtet und die
einichlägige Literatur erichöpfend anzieht.
Mit der Urbeit von Bapyberger über das
nordweitlihe Yautertal gehört fie zu den
wenigen bis jegt über unjere engere Heimat
erjchienenen wirklich geographiiden
Schriften und bildet jo eine wertvolle Be—
reicherung der pfälziichen heimatfundlichen
Literatur. Dr. D. Häberle.
Dr. Alfred Rojenbujd, „Die Or
ganijation des Kommunalfredits
unter jpezieller Berücdfichtigung der Ber:
hältniffe in der Rheinpfalz. Die Schrift
ift auf Grund eingehender Unterfuchungen
des vom Pfälziſchen Städteverband über-
laffenen amtlichen Materials und ergänzen-
der perjönlicher Rückſprachen mit den ein-
zelnen Gemeinde-Bürgermeijterämtern ver-
faßt. Dargeftellt ift zunächit die Entwick—
lung von 1800 — 1800, dem Jahre, in dem
zum erften Male eine pfälziiche Stadt Obli-
gationen ausgab, In der Folge werden die
Berhältniffe von 1800 bis zum heutigen
Tage behandelt. Intereſſant ift die Auf:
nahme von Obligationenanleihen nach ihrer
techniichen Seite hin unter Beiprechung der
Bor- und Nachteile bei Fixierung der ein-
zelnen Punkte vom Beginn der Verhand—
lungen bis zum WBörfenhandel der aufge:
nommenen Anleihen. Zum Bmede der
Konftatierung typifcher Erfcheinungen find
die Gemeinden nach ihrer Größe in vier
Gruppen eingeteilt. Im Schlußkapitel find
die Gründe für die — mie überall, jo auch
bei den pfälziſchen Gemeinden zu bemerfenden
— ziemlich unbefriedigenden Grfolge bei
Aufnahme der Anleihen Flargelegt und Bor-
ſchläge zu einer geiunden Organifation des
Kommunalkredits gemacht morden. Das
115 Seiten ftarte Buch ift wegen dieſes
interejfierenden Inhalts ſowohl, als aud
ob der flotten, keineswegs trockenen Schreib⸗
weiſe und des deutlichen, ſauberen Drucks
ſehr zu empfehlen.
Pfälziſche Heimatliteratur. Hier-
über hat die Hofbuchhandlung Eugen
Cruſius in Kaiſerslautern ein Verzeichnis
aufgeſtellt und uns in dankenswertem Ent ⸗
gegenkommen zur Verfügung geſtellt. Wie
Bayeriſches
Am 1. Januar ds. Is. iſt in Bayern
ein neues Waſſergeſetz in Kraft getreten,
das in unſerer engeren Heimat vielleicht
nicht die Beachtung gefunden hat, die ſeine
Wichtigkeit verlangt. Daß es geeignet iſt,
unſere Waſſerrechtsverhältniſſe erheblich zu
verſchlimmern, lehren zur Genilge die
folgenden Artikel aus dem neuen Gejege:
„die Öffentlihen Gewäſſer, die bisher
zur allgemeinen Benügung beftimmt waren,
geben in das Eigentum des Fisfus über
und werden nad fisfaliihen Grundjägen
bewirtichaftet werden. (Art. 1.)
Auch Privarflüffe fönnen in Staatsflüffe
umgewandelt werden. (Art. 4.)
Die Uferlinie wird von der Bermal:
tungsbehörde feftgeiegt. (Art. 6.)
Die Entihädigung für Mbleitung von
Waſſer jet die Verwaltungsbehörde unter
Ausschluß des Nechtsmweges feſt. (Art. 19.)
Neue Anlagen und Veränderungen be-
ftehender werden nur mwiderruflid; genehmigt.
(Art. 42.)
Hiefür werden Gebühren erhoben.
(Art. TI. Die Höhe ift natürlich der
Bermwaltungsbehörde überlafjen.)
Befiger von Wafjerbenügungsanlagen
find verpflichtet, eine zeitweife Einftellung
des Betriebes ohne Entjchädigung zu dulden.
(Art. 82.)
Der Eigentümer des gegenüberliegenden
Ufers kann die Mitbenügung einer Stau«
anlage verlangen. (Art. 158.)
Der Bollzug des Geſetzes obliegt den
Bermwaltungsbehörden. (Urt. 164. Das
32
|
reihhaltig die Lifte ausgefallen ift, bemweiii
die Ordnungsnummer 245, obwohl älter:
Schriften, die vergriffen find (mit Ausnahme
weniger, im Antiquariatshandel bie und da
— mitunter zu hohen Breifen — ned
aufzutreibender), ſowie Gedichtfammlungen
in Pfälzer Mundart nicht in das Ber
zeichnis aufgenommen worden find. Eämt-
lide Nummern fann die Hofbuchhandlun
liefern und wir find felbftverftändlich br
reit, Interefjenten Auskunft auf Grund der
Lifte zu erteilen oder dieje jelbft zur Ein
ſichtnahme zu überlaflen. —
Waſſergeſetz.
ſind Juriſten, denen wirklich ſachverſtändige
Berater nicht zur Verfügung ſtehen.)
Die Auswahl und die Beeidigung der
Beugen und Sadiverftändigen erfolgt mad
freiem Ermeſſen der Behörde. (Art. 172.)
Die Behörden können Anordnungen
treffen und vollftrefen laffen. (Art. 172.)
Feitftelung von Entihädigungen erfolg:
durh Scägung der Berwaltungsbehörde.
(Art. 193.)”
Aus Vorftehendem geht ſchon flar ber:
vor, dab das Gejek nur Verpflichtungen
für den Waflerfraftbefiger kennt und ibn
in vielfaher Beziehung der bisherigen
Nechtsficherheit beraubt. Schon macht id
die Wirfung des Geſetzes allenthalben un
angenehm fühlbar und aud in der Pal;
bat es ſchon unerfreuliche Verhältniſſe ar
zeitigt.
Die Gemeinde Aljenborn beabfichtig!
den Bau einer Waflerleitungg. Da di
Berjuche wohl nıdht von gewünjchtem Erfols
waren, wurde der urjprünglide Plan eine
Hochdrudleitung fallen gelafien. Es murk
nun furzer Hand beſchloſſen, eine Pump
ftation zu errichten und das Waller dem
Duellengebiet des Wljenzbahes zu em:
nehmen. Alfenborn ift eine Gemeinde obm
Umlagen. Sobald eine Wafferleitung vor
handen ift, werden fih Fabriken der
etablieren, und es jollen zu diefem ABmedı
ihon jetzt Ländereien angefauft morde
fein. Ueberhaupt wird die Seelen
des Dorfes durch Zuzug von aufm
erheblich fteigen und in wenigen abe
Der Magiftrat von Münden beichäftigte
wird der Waflerverbrauh ein recht be» | alle Erwerbszweige, befonders auf die Yand-
deutender fein, der übrigens auch jegt | wirtjchaft, eingewirft hat und noch einmirft.
ihon nicht fo minimal jein dürfte, wie er | So dürfte der Kampf um ihre Erhaltung
behördlicherfeits angegeben wird. Dem | allein jchon ein gutes Werk für dad Ge—
Beifpiel diefer Gemeinde fcheinen andere | meinmwohl darftellen.
folgen zu wollen. Enkenbach plant eine Schlimmer als der Ruin eines einzelnen
BWaflerverforgungsanlage und e3 ift ziemlich | Ynduftriezweigs ift der Entzug des Waſſers
fiher, daß e8 mie Alfenborn die Mutter | im allgemeinen und damit der billigften
quelle der Aljenz anbohren wird. Anderer | aller Sräfte der Erde, der Waflerfraft, für
ſeits wollen Neufirchen-Mehlingen und der | ein ganzes Tal. Es mwürde bier zu meit
Mündihwanderhof ihren Waflerbedarf den | führen, all die tiefgreifenden Wirkungen
Quellen von Zuflüfjen der Alfenz und ihres | eines ſolchen Vorgehens, deren Zahl unab»
Nebenmwaflers, des Lohnbachs, entnehmen. | jehbar ift, nur angudeuten. Erinnert jei
So ift man überall am Werke, an den | nur an die Gefahr, welche für größere Ge—
Quellen zu ſchöpfen, die feit Jahrtaufenden | meinden, z. B. Alſenz, entftehen könnte.
einen Waflerlauf jpeifen, der ein Tal dur | Es ift befannt, daß in trodenen Sommern
eilt, dejlen Bewohner des Segens desjelben | — es jei nur an 1893 erinnert das
bemußt find, feine geringen Kräfte dankbar Bachbett der Alſenz oft faft vollftändig aus-
ausnügten und jeit Jahren jchon ängftlich | trodnet. Wen dann auch der legte Reit
das Ubnehmen ihres Baches beobachteten. | des Waſſers noch genommen werden jollte,
Was die Natur wieder hätte gut machen | würde bei Ausbruch einer Feuersbrunſt
können, will nun Menſchenhand mit einem | vffen-fließendes Waſſer, das dann unendlich
Diale verjchlimmern. wertvoll ift, nicht mehr verhanden oder doch
Nach dem Geſetz ift eine Wafferentnahme | bald erſchöpft fein. Die Folgen find un-
erlaubt, wenn die Menge nicht erheblich ift | abjehbar.
und das Gemeindemwohl nicht darunter leidet ; Es jeien deshalb dieje Zeilen ein Auf-
aber eine zehn Dal unerhebliche Entnahme | ruf an die öffentlichen Aemter, die Ge—
gibt ein ganz erhebliches Quantum, Diefe | meinden, die gewerblichen und landwirt-
Tatſache erfennend, haben die Mühlen und | fchaftlichen Korporationen und nicht zulegt
Triebwerköbrfiger der Alfenz und des Lohn- | an jeden einzelnen Bewohner des Aljenz-
baches zu dem Borgehen der Gemeinde | tales! Es ift die höchſte Zeit, Front zu
Alſenborn Stellung genommen. Es ift zur | maden gegen diejes Vorgehen und eine
Genüge befannt und wird in unferer Zeit | Yanze einzulegen für die Erhaltung eines
der Großmühlen immer wieder betont, wie | jegensreihen Wafferlaufes.
' fegensreih die Kleinmühleninduftrie auf (RR. i. d. Pf. Pr.)
Kleine Mitteilungen.
Borfhriften zur Berhütung von Rand, | wonach der Rauch gewöhnlich nur in durd)
Ruß, Gas: und Staub-Beläftigungen, | fihtiger Form dem Kamin entweichen darf
und wonad die Entwicklung von andauern-
dem undurcfichtigem Rauch verboten ift.
Diefe Borjchrift joll au Anwendung finden
fih vor einiger Zeit mit einer Revifion
der ortöpolizeilihen Vorſchriften zur Ber-
: Hütung von Beläftigungen und Gejundheitsr | auf Straßen Dampfmwagen, Lofomobilen,
gefährdungen durch Rauch, Ruß ꝛc. vom | Dampfwalzen, Wsphaltdarren, Asphalt:
11, September 1891 auf Grund von Gut- | jchmelzkeffel u. dgl. Weiter find neue Be-
achten des Gejumdheitärate8 und eines | ftimmungen zur Berhütung von Beläftigungen
don einer ftädtiichen Kummulativtommiffion | durd; Gasmotoren und Fiesquetichanlagen
: vorgelegten Entwurfer, der 15 Paragraphen | getroffen, ebenjo hinfichtlih des Aus—⸗
: umfaßt. klopfens und AWusftaubens von
Der Entwurf bringt eine mefentlihe | Teppihen, Matten, Läufern, Pol
Neuerung vor allem im Paragraphen 2, | ftermöbeln, Deden, Bettftüden ıc,
für das eine beftimmte Beit, an
Werktagen von 8 bis 11 Uhr vor
mittags, an Samstagen außerdem
von 3 bis 8 Uhr nadhmittags, feft-
gelegt if.
In einer längeren Diskuffion murden
von verichiedenen Seiten Bedenfen gegen
die neuen Vorſchriften geltend gemacht, doch
wurden fie jchließlich genehmigt.
Aus der Borderpfalz. Die Pfalz hat
diesmal eiren Winter, mie feit etwa 15
Jahren nicht. Fünfmal ift ausgiebiger
Schneefall eingetreten und der Rodelbetrieb
hat im Januar einen Umfang angenommen,
wie nie zuvor. Jetzt ift milderes Wetter
eingetreten, und mit dem Schnee dürfte es
für diefen Winter fo ziemlich vorbei fein,
obwohl nod genug davon in den Berg:
wäldern anzutreffen ift. An einigen Stellen
wurden ſchon die erften Schneeglödchen ge:
funden. Die Mandel. und Pfirſich—
blüte wird dies Jahr ſehr früh erwartet,
im Gegeniag zum Vorjahre. Mandel-,
Pfirfihd- und Aprifofenbäume haben gut
übermintert und zeigen durchweg gutes
Hol; und auch ſchon viele Knoſpen. Als
Spezialität diefes Winters ift auch hervor
zubeben, daß heuer in der ganzen Pfalz
auffallend viel Wildfagen gefchofien
werden. Auch das Wildjchmwein tritt wieder
in größerem Umfange als biöher als
Standmwild auf.
Der neugegründete „Berein pfälz.
Künftler“ in Neuftadt hat u. a, dıe Wieder:
einführung der pfälziichen Bolkstrachten
auf jein Arbeitsprogramm geftellt. Geplant
ift die vorläufige Einführung der Trachten in
Billigheim, Bergzabern, Bad Gleisweiler,
Neuſtadt a. H. Bad Dürfheim und
Leiningen. Es follen hiſtoriſche Volks—
trachtenkarten in Farbendruck herausgegeben
werden, die vor allem die Winzertrachten
berückſichtigen. Auch» iſt die Herausgabe
eines pfälz. Trachtenbuches in Farbendruck
beabfichtigt.
Die Mäuſe haben aud in den Speyerer
Gemarkungen in gewaltiger Zahl zu
genommen und üben ihr Zerſtörungswerk
im hohen Grade aus, Befonders haben
fie es auf die mit Winterfrucht und Klee be-
ftellten Meder abgejehen, jo dab viele Ueder
neu beftellt werden müſſen.
Der Rohlenverbraud der Welt. Im
Jahre 1907 find 900 Millionen Tonnen
Kohlen auf der ganzen Erde gefördert
worden. Wie ungeheuer der Bedarf der
Menſchheit an Kohlen unabläffig fteigt, er
gibt die Tatfache, daß 100 Sabre früher
1807, der Sohlenverbraudh der Welt nur
13 Millionen Tonnen Setrug. In 100
Jahren ift der Bedarf aljo um das Sieb:
zigfache geitiegen!
Aus der Bogelwelt. In dem Wein-
baugebiet die Unterhaardt, deſſen WRittel-
punft Deidesheim ift, hat man einen jebr
wichtigen Erfolg erzielt. In diefem Winter
werden in den Weinberglagen Shwärme
von Meijen gelehen, wie fie früher in
dıiefer Stärke nıe beobachtet wurden. Sie
ſuchen Stod für Stof nah den Buppen des
Sauerwurms ab, der in den legten Jahren
in den Wingerten geradezu verheerend auf:
trat. Schmwärme von TO bis 90 Blau-
meifen und Kohlmeiſen wurden zum Bei—
jpiel am 29. Dezember in der Weinbergs-
anlage im Tal bei Deidesheim und ebenio
in Stiefelberg und Haffert lange beobachtet.
Es beftätiat fih hier der Sa des befannten
Fachmanns v. Berlepih: Ye nach der Ab-
nahme der Spagen fteigt die Zunahme
aller anderen Vögel. Vom 1. April bis
31. Dezember 1907 wurden beim Würger-
meifteramt in Deidesheim 1058 GSpagen
(A 2 Pfennig), vom 1. Januar bi8 31. Des.
1908 1225 Spagen (a 3 Pfennig) abge
liefert. Bom 1. Januar 1909 ab werden
4 Biennig für das Stüd bezahlt. Es werden
Prämien von 10, 8 und 5 Mt. für die
erfolgreichften Spagenjäger ausgejegt.
Jubiläum der deutihen Briefmarke.
Es find jegt gerade 60 Jahre ber, daß in
Deutſchland Briefmarken eingeführt wurden.
Bayern war der erfte deutſche Staat, der
fie 1849 ausgab. Preußen folgte erſt ein
Jahr jpäter, Dann famen Sadjen, Ham
nover und Defterreich, und zulegt natür
licherweiſe — die beiden Medlenburg umd
merfwürdigerweile die Hanfaftädte. (In
England, dem Baterlande der Briefmarke,
waren die erften Briefmarfen am 13. Mei
1840 im Verkehr erjchienen.)
Die pfälziſchen Unterrihtsanftalten
weifen im Schuljahr 1908 bis 1909 fol:
genden Beſuch auf: Gymnaſien: Kaifers-
lautern 281 (in der 1. Klaſſe 20, in der
|
|
|
9. Klafje IT), Landau 400 (59 — 26), Lud⸗
wigshafen a, Rh. 289 (32 — 21), Neuftadt
296 (24—24), Speyer 382 (25 —30),
Zweibrüden 275 (16—30). Die Gejamt-
frequenz der Gymnaſien ſtellt ſich alſo auf
1923 gegen 1585 im Schuljahr 1898 — 99.
VBrogymnafien: Bad Dürkheim 96,
Edenkoben 94, Frankenthal 131, Germers-
beim 72, Grünftadt TI, Homburg 143,
St. Ingbert 145, SKirchheimbolanden 39,
Kuſel TI, Birmajens 86. Lateinſchulen:
Bergzabern 43, Bliesfaftel 34, Kandel 62,
Landituhl 54, Winnmweiler 63, biichöfliches
Stnabenjeminar in Speyer 107, bithöfliches
Stlerifaljeminar in Speyer 11. Ober
realjchulen: Kreisoberrealſchule Ludwigs—
hafen a. Rh. 733, Kreisoberrealſchule
Kaiſerslautern 575. Realſchulen: Lan—
dau 288, Neuſtadt a. Hdt. 275, Pirmaſens
266, Speyer 251, Bmeıbrüden 323,
Bräparandenidhulen: Blieskaſtel 63,
Edenkoben 76, Kaijerslautern 144, Kirch—
beimbolanden 52, Kuſel 98, Speyer 92.
Seminare: Lehrerbildungsanftalt Kaiſers—
lautern 152, Lehrerbildungsanitalt Speyer
89, frädtiihe höhere weibliche Bildungs
anftalt Sailerslautern 222, Landwirt:
ſchaftsſchulen: Alfenz 54, Bellheim 60,
Frankenthal 49, Homburg 22, Kirchheim—
bolanden 36, Landau 70, Wolfftein 27,
Bweibrücden 38, Streisaderbaufchule Kaiſers—
lautern 34, Wein: und Obftbaufchule Neu-
jtadt a. Hdt. 12. Sonftige Schulen:
Kreisbaugemwerfihule Kaiſerslautern 164,
mechanische Werkſtätte (Mebenanitalt der
Stgl. Kreisoberrealjchule) Kaijerslautern 117,
ſtädtiſche Webjchule in Lambrecht 89. An
der Kgl. Techniſchen Hochſchule in München
find? im Winterfemeiter 1908-09 174
Pfälzer eingejchrieben.
Fund. In der Kirche von Kirrberg
bei Homburg murde dieſer Tage ein
überrafhender Fund gemadt. In der
Safriftei befand fi noch der Opferftod
der alten Kirche; als diefer nun von jeiner
hölzernen Umfleidung befreit wurde, fand
man dahinter eine ziemliche Unzahl aus dem
18. und 19, Jahrhundert ftammende Münzen
der verjchiedenften Prägungen, Dreir,
Sechs und Bmwölffreuzerftüde, Heller ꝛc.
Es waren darunter kurpfälziſche, fur-
fölnische Münzen, Saalfelder und Bayreuther
Heller, badijche, heifiiche, württembergifche ꝛc.
35
Streuzer vertreten.
dürfte vielleicht
Stüd dabei fein.
Bom Oberrhein. Der gegenwärtige
Waſſerſtand des Rheins ift wohl der
niedrigite, der in den legten fünfzehn
Yahren beobachtet wurde. Bei Laufenburg
fommt oberhalb der Brüde eine große
Heljeninfel zum Borichein, ſodaß ſich dort
der Strom in einer Breite von faum fünf
Metern zwiſchen mächtigen Felſenblöcken
und Klippen hindurchzwängt. Dieſe gün-
ſtige Gelegenheit wird nunmehr benutzt,
durch Sprengung größerer Felsmaſſen das
Flußbett zu erweitern.
Die Rheiuregulierungsarbeiten find
nunmehr von Sondernheim bi8 Marau be-
endet und zur allgemeinen Zufriedenheit
ausgefallen. Der mit der Ausführung be-
traute Damm-Meifter Bug hat laut „Bad.
Preſſe“ feinen Standort von Leopoldshafen
nach Neuburgmeier verlegt, um von dort aus
die Arbeiten bis Straßburg weiter zu leiten.
Das Erdbeben in SüdeFralien und
Sizilien hat jogar einem juriftifchen Organe,
der Deutſchen uriften- Zeitung, Beran-
laffung gegeben, die Frage in den Streis
der Erörterung zu ziehen. Juſtizrat
Dr. Stranz mirft dort die Frage auf, ob
bei ſolchen verheerenden Unglüdsfällen es
künftig wirklich der moraliihen Pflicht der
Staaten allein überlaffen bleiben dürfe,
fi gegenjeitig Hilfe zu leiften. In diefem
alle jei zwar von allen Aulturftaaten in
einmütiger Hilfsbereuichaft eine weitgehende
Unterftügung gewährt worden. Dr. Stranz
verlangt, daß in folchen außergewöhnlichen
Fällen die einzelnen Staaten verpflichtet
jein müßten, ſich gegenjeitig zu unterftüßen,
Der Gedanke verdiene weiter verfolgt zu
werden, denn was heute dem einen Staate
pajfiert, fann morgen fi aud in einem
anderen ereignen. Gin Band, das über
die flammenden Augenblidsmwallungen hinaus
die Taten der Brübderlichfeit gegen die
Wechſelfälle der Zukunft fibert, wünſcht
Dr. Stranz. Es wäre eıne jehr verdienft+
volle Aufgabe für die nächſte Haager
Friedenstonferenz, die auf diefem Gebiete
mehr Erfolg zeitigen fünnte, wie auf dem
der fogenannten Friedensfrage jelbft. Eine
Ordnung der Ränder nad) ihrer Erdbeben-
frequeng müßte natürlich vorausgehen.
Für Münzjammler
noch mand wertvolles
36
Eine gewaltige Bappel, die unſer hift. | Einrihtung einer Auskunft und Be
Intereſſe beanfpruchen darf, liegt gegen:
wärtig auf der Scneidmühle Berner in
Bliesdalheim. Sie ift 18 m lang und
mißt 8cbm. Der Stamm allein befigt eine
Länge von 8 m einen Durchmefler von 95 em
und mißt 5 chbm. Diefer Rieſenbaum
ftand an der Kaiſerſtraße TC aargemünd-
Saarbrüden. Im Jahre 1870 drohte
ibm das gleihe Scidjal mie jeinen
Kameraden. Die Franzoſen fällten nämlich,
um die Straße zu ſperren, die daſelbſt
ftehenden Bappeln. Sie hatten aud, mie
heute noch erfichrlich ift, Schon diefen Baum
angehauen, fonnten jedoch ihre Abficht nicht
ausführen, weil ihnen die vorrüdenden
deutfchen Truppen auf den Ferſen waren.
&o blieb diefem ehrwürdigen Riejen eine
längere Lebensfrift beſchieden. Doch jekt
mußte auch er den Streichen der rt er:
liegen und wird bald feine legte Reife nad)
Kaijerslautern antreten. Die Möbelfabrif
Friedrih Graf ın Kaiferslautern hat näm:
lih das prachtvolle Eremplar angefauft.
Württemberg. Es ift von Intereſſe,
daß der Aultetat, einer Anregung der
Zweiten Sammer folgend, zum erjtenmal
eine Forderung für die Gründung eines
Schulmufeums enthält, das in Stuttgart
untergebradht werden joll und zunächſt be«
fonders die Bedürfnifje des Unterrichts in
Heimat und Naturkunde berüdfichtigen joll.
Zur Pflege ähnlicher Intereſſen hat ſich im
Jahre 1908 auf Veranlaffung des Stultis-
minifteriums ein „Landesausſchuß für
Natur: und Heimatſchutz“ gebildet,
der gegenüber den wachſenden Gefährdungen
für die Erhaltung der heimiſchen Land—
ſchafts und Ortsbilder, ſowie für die
Schonung der heimijhen Natur mit ihrer
Pflanzen und Tierwelt und ihren eigen»
artigen Formationen eintreten will. Zur
ratungsftelle wird ihm vom Staat in jedem
Yahre die Summe von 2500 ME. über:
wiejen. Die Ermeiterung der Pflege der
Kunft-» und Altertumsdentmäler wird er-
möglicht durch die Einrichtung einer zweiten
Konfervatorfielle bei dem „Koniervatorium‘*.
Bom Bodenfee. Die Königl. Bayer.
Biologifhe Verſuchsſtation für Fiſcherei in
Münden ließ Ende Dftober 44 GStäd
Silber: oder Schwebforellen im
Bodenjee marfieren. Es wurde an den
Fiihen unterhalb der Rückenfloſſe eine
filberne Slammernadel befeftigt,” am ber
ein fleines Aluminiumblätthen mit Dem
Beiden B 1 bis B 44 angebradt ıft. Die
Silberforelle wird nämlich als unfruchtbar
bis jegt bezeichnet. Ob fie nun dies zeit-
lebens bleibt oder nur in der Jugend, oder
bloß periodisch fich vermehrt, joll die Unter:
juhung folder marfierter wiedergefangener
Schmebforellen ergeben. Bereits in der
3. Dezemberwohe hat Fiihereiauffeher
Bilgeni in Lindau zmwei ſolche Schweb—
forellen, welche die Beiden B 12 und B 18
trugen, gefangen. Der Löjung der ange
führten Fragen fieht man in Intereſſenten
freifen mit Spannung entgegen.
Aus der Südypfalz. Maſſenhaft werden
auch leider in dieſem Jahr wieder bie
Nußbäume gefällt, die unjerer Gegend
ein jo charafteriftiiches Gepräge geben.
Die Gemehrichaftfabriten bezahlen ſehr
gute Preiſe, jo daß oft bis zu 200 Me. für
einen Baum bezahlt werden. Die Scaft-
fabrif Ritter & Co. ın Franfenthal kaufte
fürzlih in der Ramberger Gegend einen
Baum um 350 Mt, der eine Höhe von 22 m
und einen Umfang von 3,70 m hatte.
Kirdheimbolanden. Heuer verfloflen
50 Fahre feit Gründung des dem Andenten
Schillers gewidmeten Schillerhaines.
Inhalt: Karlstal (Bediht). — Wanderungen pfälziicher Ortichaften. — Fiſchbach in alter
eit. — Unfer leßter Winter. — Tiere ald Borboten unferes Winter. — Studlen auß dem
fälzer Walde. — Quftige Geftalten. — Pfälziſche Wild- und Jagdbeobadhtungen. — Jubiläum. —
Linoenfelder +. — Der Pfälzer auswärts. — Ergebniſſe der land. Betriebszählung 1907 für
Bayern. —
Bayeriſches
ntereſſante Fyinanz-Statiftil. — Braunkohlen. — Arhivbenügung. — Literariſches. —
ſſergeſetz. — Kleine Mitteilungen.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl. — ſermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern.
} und Inhalt der Beiträge find die Herren
al ug (Unverlangte Manuftripte werben wicht gurädgefandt.)
e I} ttunbe“ koſtet lich in 12 Heften Mt. 2.50, Ber
Du EHER — —— An 2. En — Streifb h
Berfafier verantwortlich.
"(Joyg qun lady) 5 qun p 226
„aqunzzompac "Pınysk“ an! afopag
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V. Jahrgang.
Nummer 4 u. 5.
April u. Mai 1909.
IPALZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
—2
FAN EIER:
—
Volker und Sagen vor Worms.
Ein Nadtbild.
Im Meidendididt auf Walmung gellügt,
Bor Worms der finflere Sagen fig,
Mm ganz zu erfüllen den arimmen Sluch,
Den als DBerbängnis er mit fih trug.
Sr hält am Mbein in graufer Macht
Dem Miblungenhort die Totenwacht,
Daf ewig er drunten verlenkt möcht' fein,
Weſtrahlt nidt von Sonne und Mondenfdein.
Die riefelten im Mebeltau wunderhold
Auf Mbeinlands Meben das Miblungengofd,
Daß fürder fo gülden erglänzt Kein Mein,
Wie lauteres Wachstum vom grünen CMbein.
Dur Seite ihm Dolker von Algen land,
Der freu fih zu Schug und Erus ibm verband,
Der kürze auf einfamer Totenwacht
Mit Saitenfpiel ihm die lange Mad.
Wie Hu vom Odenwald Sturmwind braust,
ie Alagton faht es im Lieharas faust
nd zwiſchendurch wieder mild und verföhnt
Anmutige Meifen ein Saitenfpiel tönt.
Was heiter in Molkers Haitenfpiel Klang,
Als Heldenlied klingt's nod) den CM hein entlang,
Doch heimlich fingt's durch's Tronecktal
on Bagens düſterer Seelenqual!
Dr. Earl! Pufd.
Heber das Borkommen von Windlöchern („Fumarolen‘“) auf
Spalten und Alüften im Bartgebirge.
Von Dr. phil. nat. Daniel Häberle, Kaijerl. Rech-Rat, Heidelberg.
(Mit einer Zeichnung.)
Wiederholt war während der letzten obachtungen ihres Entdeders. deö Herrn
Jahre in pfälziihen und auömärtigen
Zeitungen und Beitjchriften von einer
am Sönigäbera bei Neuftadbt an der
Haardt (419 m) bei niedriger Temperatur
aus einer Felſenkluft auffteigenden Dampf-
jäule berichtet worden, die nad) den Be—
Tabrifanten Ludwig Hed im Schönthal
aewöhnlid 4 bis 5 m, bei nebligem
Metter jogar 8 bis 10 m Höhe erreichen
und infolge ihrer aleichbleibenden Tem—
peratur von 9—10° Gelfius einen fidht-
lien Einfluß auf die niedere Pflanzen:
—
welt innerhalb der Austrittsöffnung aus—
üben jollte.'‘)
Für diefe eigentümliche, in unferer
engeren Heimat noch nicht beobachtete
bezw. bejchriebene Erſcheinung wurden
nun die verjchiedenften Erklärungsverſuche
gegeben: Die einen vermuteten in einer
Tiefe von 340 m ein mit warmem Wafjer
gefülltes Beden. dem Rinnen und Fels—
fpalten oberirdiiche Luft und Waſſer zu—
führen, andere Kanäle dagegen jene
Dampffäule entziehen jollten; andere da-
gegen, zu denen auch ich auf Grund der in
den Zeitungen gegebenen örtlichen Be:
jchreibuna zählte, dachten an eine mit
dem Rheintal» Ginbrude in Beziehung
ftehende Werwerfungsjpalte und hielten
die auffteigenden Dämpfe für vultanifche
Nachwirkungen, wofür aud) der allerdings
jehr aeringe, auf I—1,5 pro Mille feft-
geftellte Kohlenſäure-Gehalt fprechen
konnte?) Noch im November 1908 durch-
38
lief eine Notiz die Blätter, daß aus zwei |
fogenannten Fumarolen in der legten |
Zeit wieder heiße Waflerdämpfe empor-
) Prof. Dr. E. Mehlis, Die Fumarole am
Königsberg bei Neuftadt a. H. Pfälzer Wald
1905 3. 102— 103. — Derfelbe : Die „Fumarolen“
am Königsberg bei Neujtadt a. H Mit Zeich—
nung. Der Touriit vom 15. April 1909 Nr. 8
E. 152-153. — Ph. Fauth, Waflerdbampf-
Sruption bei Neuſtadt. Pfälz. Heimatkunde 1905
S
General-Anzeiger v 3. Nov., 12. Dez, 24. Dez.
1908 — Pfälzifche Preſſe dv. 22. Dez. 1908, 25.
März, 6. April 1909. — Piälz. Tageszeitung v.
10. April 1909. — Frankfurter Zeitung vom
2. Aprit 1909 Nr. 92. — Straßburger Poſt,
Dezember 1908 — Ueber die geſchichtliche
Bedeutung des mir einem Ringmwal! gefrönten
Königäberges berichtete Dr. Mehlis in der
Feſtſchrift zum 60jährigen Stiftungäfejt der
Bollihia 1900 2. 61. — Derſelbe Das Grab-
hügelfeld am Königsberg. Pfälz Muicum 1899
3. 118—120 und Studien zur älteiten Geſchichte
der Aheinlande, XIV Abteilung, 9. 7. — Der-
felbe Der Königäberg bei Neuftadt
Kartenſtizze und Textfigur. Pfälz. Wald 1905
5. 144— 145. — Pfälz. Muſenm 1907, 2. 174. —
Pfälzerwald 1907, 2. 30—32. — Auch Heuier hat
in feinem Bialzführer (3. Auf. 9. 45 —46) über das
Heidenlod u. die Fumarole einige Notizen gebradit.
22—23 u. 32 und 1909 5. 3. — Neuitadter |
Mit |
) Möglicherweife fit die aus der Tiefe auf: |
jteigende, durch ihren Arſengehalt und ihre Nadio-
aftivität ausgezeichnete Marquelle in Bad Dürk—
heim geradezu als eine „flüſſige Fumarole“ zu deu—
ten. Bale hierüber die Unterſuchungen v. E. Ebler,
Berbandi. des Naturhiſt. mediz Ber. z Deidelberg
Bd. VII S. 335 —354 und Bd. IX S. 87— 115.
ftiegen und dieje regere Tätigkeit vielleicht
mit dem Vulkanismus der ARheintaljpalte
in Verbindung zu bringen fei; nur
Dr Sprater wies im Neuftadbter „Gen:
Anz.” vom 12. Dez. daraufhin, daß man
es nicht mit einer fyumarole, ſondern wahr-
jcheinlich mit einem Windloch zu tun Habe
Durh die Meldung von der ver-
mehrten Tätigkeit der yumarole war nun
mein bejondered Jnterefje erregt worden,
und da ich ohnehin für den 13. Dezember
mit Herren Heinrich Kohl einen Ausflug
nad der Kalmit zweds Vorſtudien zu
deren Wafjerverforgung?) verabredet hatte,
beihloß ich, bei diefer Gelegenheit den
nur mwenia abjeit3 von meinem Wege
liegenden Königäbera zu bejuben. Ein
Blick auf die geologische Karte (Blatt
Speyer) belehrte mich, daß fih der Berg
aus den Schichten des unteren und mitt:
leren Buntjandjteins (Trifels- und Reb-
beraihichten), aufbaut, und daß die
MWafjerdampferhalation ungefähr auf der
Grenze zwiſchen den beiden zuleßt ae
nannten Schichtkomplexen etwas über der
halben Höhe am Gehänge zu fuchen ie.
Dom jchönften Wetter begünftigt zogen
wir aljo am 13. Dezember v. Ye. zu
bieren es hatten fi noch Hert
Dr Sprater und Herr Geiger zu uns
| gejellt, nady dem Schöntal und erreichten
bald auf einem Serpentinenpfad das
Bruderhäuschen, eine natürlide Höhlung
unter einem überhängenden, jet aber
allmählih abgleitenren yelien. Hier
hatte früher — nad) einer halbverwitterten
Jahreszahl um 1556 — ein Einfiedler
ein beichauliches Leben geführt und durd
Aufführung einiger den Hohlraum mad
außen abjchließenden Mauern, Errichtung
einer Feuerſtelle und eines Wafler:
yammlers fi einen einigermaßen bebag-
lihen Unterjchlupf zu ſchaffen gejucht.*)
Bon hier ging es zu dem etwas dft-
lid davon, aber ungefähr 13 m bHöber
’, Bat. bierüber „Prälzer Wald“, Jahrg
1909 5.7 fi.
+) Wie mir Herr Dr. Sprater frdl. mitteilte,
fol fit in dem roten Buch ded Neuftadter
Archives noch eine Notiz über den Ginfiedier
finden, und eine® ber zablreihen Steinmeg-
zeichen fich an den Wänden des Bruderbäuschens
auh am Casimirianum wiederholen. (Bali.
Baudenfmale der Pfalz, Bd. II ©. 60.)
qelegenen Heidenloch“) in daB ih zu
meiner Information über feine Entſtehung
eine Strede weit hinabftiea. Der Zugang
ift durch verftürzte Felsblöcke ziemlich er-
jhwert. Etwa 4-5 m durch die enge
Deffnung mühjam Hinabkletternd, gelangt
man zunädft in einen etwa 1,5 m
breiten, 4 m hoben un) 16 m gangartig
nad Südweſten verlaufenden Raum mit
alatten Wänden und ſchuttbedecktem
Boden, der fih in der bisher inne:
aehaltenen Richtung nad oben und unten
teilt. Die eine Abzweigung ſetzt ſich
unter der Dede vermittelft eines Schlupf-
loches Weiter nah Südweſten fort, die
andere führt abwärt3 in die Tiefe Da
ed und an geeigneter Ausrüftung gebrach,
verzichtete ih auf ein weiteres Wor-
dringen, zumal ih mir auf Grund des
Gejehenen über Art und Entftehung der
Höhle bereit3 klar aeworden war. Es
handelt fich beim Heidenloch, wie auch
bereitö Herr Dr. Sprater betont hat, nicht
um „die größte Erbhöhle der Pfalz“ oder
um einen durch zirkulierende Gewäſſer
erweiterten Schlund, jondern ledialih um
eine duch Zerklüftung des Buntſand—
fteines entftandene, ausnahmsweiſe breite,
überdedte Spalte Derartige Spalten
fönnen wir, wenn auch nur in ſchwächerer
Ausbildung, in jedem Steinbrud beobad)-
ten, wo fie in meijt vertifaler Richtung
die Schichtflächen fchneiden und den Stein-
bredern durch Zerftüdelung und Ab—
jonderung der Gefteinsmafjen weſentlich
ıhre Arbeit erleichtern. Ihre Entftehung
wird teils auf Austrodnung der Gefteine,
teild auf mechaniſche Vorgänge im Erd—
innern (Zug und Drud), vielfach infolge
von Berwerfungsjpalten und Erdbeben,
zurüdgeführt, die an Stellen der größten
Spannung den Zujammenhana der Ge-
fteine löjfen und oft Weitareifende und
beträchtliche Störungen in dem Schichten
bau bewirken können. Eme durch der-
artig wirkende Kräfte hervorgerufene luft
ıft nun auch unſer Heidenloch, defjen ur-
jprünglid nad oben Hlaffender Spalt
2) Huf ungefähr 300 m Meereshöhe. Die
Höhenmeflungen wurden von Herrn Kohl mittels
eines ausgezeichneten, der Ortögruppe Ludwigs⸗
bafen des Pfälzer Wald-Bereins gehörigen Ane—
rotdbarometerd vorgenommen.
39 —
durch verſtürzte Felsblöcke zwar abgedeckt
und verſchüttet, aber nicht, wie es auch
vorkommen kann, ausgefüllt worden iſt.
Aus dieſer Entſtehungsart dürfen wir
auch mit großer Wahrſcheinlichkeit folgern,
daß ſich das Heidenloch, wenn auch nur
in geringer Breite, noch recht weit und
zwar der Klüftung entſprechend, wohl
ſenkrecht in die Tieſe fortſetzen wird.
Eine andere Form der Höhlen iſt in
unſerem Buntſandſtein auch kaum zu er—
warten, da er der auflöſenden Tätigkeit
des Waſſers einen ganz anderen Wider—
ftınd entgegenzufeßen vermag, ald der
leichter lösliche Kalt. Ich bin auf dieje
Verhältniffe bier abfichtlid) etwas näher
eingegangen, da deren Kenntnis zur Be—
urteilung der im Folgenden bejchriebenen
Erſcheinung notwendig ift.
lleber den Berlauf der Kluft orientiert
die umftehende mir von Dr. Sprater
zur Verfügung geftellte Skizze. An der
gekreuzt jchraffierten Stelle bei e hatte
er im März 1902 zufammen mit mehreren
Mitihülern Ausgrabungen gemacht und
folgende Genenftände gefunden: 1 Silber-
münze. Faßdauben, Stüde eines gefloch—
tenen Korbes, Scherben aus Ton und
Glas und endlihd Tierknochen (Fuchs,
Reh, Schwein, Hafe). Dr. Sprater ver-
mutet, daß diefe Funde wohl alle aus
dem 16. Yahrhundert ftammen und von
dem Ginfiedler, der das Bruderhäuschen
bewohnte, herrühren dürften. °)
Ungefähr 16 m direkt über dem
ge wurde mir dann die Austrittö-
elle des Wafjerdampfes gezeigt, doch war
äußerlich bei der gelegentlich unſeres Be—
ſuches hHerrjchenden Temperatur, etwa
6—8 Grad Celfius, feine Spur davon
zu entdeden. Uebrigens belehrte mich
ein Blick auf die Dertlichkeit. daß meine
bisherige Vermutung über jeine Herkunft
von einer falſchen Vorausſetzung ausge—
gangen war. Der Dampf kann nämlich
gar nicht aus einer „Felſenkluft, in die
ein fi bis auf 80 cm Breite verengern—
der Spalt hineinführt“, entjtrömen,
da dort aller Wahrſcheinlichkeit nad
fein gewachjener Fels anjteht, jondern
*, Bol. hierzu die Beichreibung des Heiden-
loches und der darin gemachten Funde von
Dr. Mehlis, Pfälz. Mufeum 1902 ©. 155—156.
40
tommt unter einem verftürzten Bloc her-
vor, ber ſich von feinen vielen anderen
überall am Gehänge verftreuten Genofjen |
nur durch die Auffchrift Dampf-Loch“
unterjheidet. Unter diejem Felſen be:
age fih nun eine badofenartige Niſche,
ie an ihrer Deffnung etwa 2,80 m breit
und 60 m hoch ift und nad hinten in
horizontaler Richtung bis auf etwa 80 cm
Breite fich verengernd, ca. 2 m vom Ein:
gang entfernt nur no 30 cm in der
Höhe mißt; ihre weitere flach xöhren-
fürmige, etwas gewundene Fortſetzung
verliert ſich im Dunkeln.
ana gie dem Dampfloh und dem |
Rinawall auf der Höhe des Berges fand
Prof. Dr. Mehlis noch vier weitere Kleinere
„Humarolen“, über die er im „Zourift”
folgendermaßen berichtet: „Sie liegen
dicht aneinander an dem jog. „Felſenweg“,
der ziemlich fteil zur legten Höhe binauf-
führt und weiter oberhalb das zum Teil
von Felsblöcken bebedte Plateau erreicht.
Diefe vier kleineren Fumarolen ent»
jpringen, wie die untere, aus Felsklüften.
die 's bi I m Breite und unbefannte
Tiefe haben. Die Temperatur bes
Dampfes ift die gleiche wıe bei der un—
teren Fumarole; der Waflerdampfgehalt
jedoch ſcheint qeringer zu jein, da ich im
Winter 1907,08 einen Reifbelag der aller-
dings etwas entfernten Buchenzweige
nicht feftftellen konnte * ”)
Auf dem Bauche liegend, Erod) ich num |
joweit ala möglich unter den fyeljen und
empfand deutlich einen mir aus dem
dunklen Hintergrund entgegenmwehenden
ſchwachen, feuchtwarmen Luftzug, der die |
Flamme des Streichholzes nah außen
lenkte. Die feuchte Wärme des Luftſtroms
trat auch äußerlich infofern in Ericheinung,
ald er einmal auf dem mit Sand be-
deckten Boden der Nifche in der Richtung
feines Zuges einen feuchten etwa 80 cm
breiten Streifen ala Spur zurüdließ und
dann auch an der Unterſeite des Felſens
id fondenfierte. Da die Temperatur der
uft etwa 6—8 Grab Gelfius betrug,
mag die don mir empfundene höhere
Temperatur den bisher gemadten An—
) Das Vorkommen diefer Spalten war
mir beim Befuche des Dampflocdhes leider nicht
befannt.
lich die große Berwerfungsfpalte
‚ äußeren Gebirgärand entlang zieht, die
| Finfterbrunnental trifft.
gaben (10 Grad E.) tatſächlich entfprecdhen.
do war der Unterjchied zu gering, um
eine Dampfentwidlung bervorzurufen ;
' einen direkten Einfluß auf die Vegetation
' tonnte ich nicht beobachten.
Es frägt fih nun: Wo fommt biefer
feuhtiwarme, nur bei niedriger Tempe-
ratur bemerkbare Luftſtrom her? Die
auch von mir früher ohne Kenntnis der
' Dertlichleit gehegte Bermutung, daß es
fi vielleiht um eine vulkaniſche Nach—
wirkung handeln könnte, glaube id jept
nicht mehr aufrecht erhalten zu können,
da der Luftftrom ja richt aus einer Kluft
im anftehenden Geftein. jondern aus einer
gewundenen Röhre austritt, da Kohlen:
jäure in viel arößerer Menge, als ge
wöhnlih der Luft beigemiiht zu fein
pflegt, nicht nachgewieſen ift, und da end-
am
zweite ihr parallele, von Lambrecht fom-
mend, nad) der geologifchen Karte weſtlich
vom Köniqdberg verläuft und erft in
einiger Entfernung, das in der Nähe des
„Dampf-Loches” hinziehende, langgeftredte
Daß die Ent-
ftehung der oben bejchriebenen Klufthöhle
des Heidenlochs mit den beiden Verwer—
fungen troß ihrer darauf faft ſenkrechten
Stellung in urſächlichem Zuſammenhang
ftehen kann, gebe ich gerne zu.
Wenn nun nad Borftehendem eine
vulkaniſche Nachwirkung faum anzunehmen
ift, wird auch da3 im Erdinnern ver-
mutete Becken mit warmem Waſſer in
Abrede zu ftellen und eine andere Er:
Härung zu ſuchen fein. Hierfür bietet
nun die Beobachtung, nur bei
niedriger Temperatur ein 10 Grad Gel-
fius warmer Luftftrom bemerkbar wird,
einen Anhalt; wie die Verhältniſſe im
Sommer liegen, ift leider bis jetzt noch
nicht berichtet worden. Unſere mittlere
Jahrestemperatur beträgt nämlich un-
gefähr 9-10 Grad Gelfius; ihr entipricht
in einer beftimmten Tiefe (etwa 30 Fuß),
über melde hinaus fich die jährlichen
Zemperaturunterfchiede nicht mehr be-
merkbar machen können, auch eine gleiche
tonftante Bodentemperatur. Daß auf
diefe jedoch die Höhenlage und die im
Winter erwärmend wirkende Wald-
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u 1-3 uoa >puS ag w — 0 a ww zZ vana Slaymındlag)
\
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bedeckung einen merklichen Einfluß aus-
üben fönnen, ſei bier nur nebenbei
bemerft.
Wie wir bereit oben gefehen haben,
ift der aus Buntfandftein aufgebaute
Königdberg von lüften und Spalten
burchjeßt und feine Gehänge mit verftürz-
ten Felsblöcken bededt. Letztere find
vielfah im nachſtürzenden Gehängefchutt
vergraben, oben mit einer Pflangendede
überzogen, aber unter fi an ihren Auf-
lagerungsfläcdhen zweifellos bier und ba
durh Hohlräume, die fi zu allerlei
Kanälen zujammenjchließen können, ge—
ſchieden. Nimmt man nun an, daß dieje
aller Wahrjcheinlichkeit nach nur engen
Kanäle oben und unten, überhaupt auf
verichiedenen Stellen am Beraabhang ſich
öffnen, fi weit genug im Boden ver:
zweinen und mit den den Berg durd)-
jegenden und an den Hängen dur da3
Terrain angeichnittenen Hluftiyftemen in
Verbindung ftehen, jo wird ficher die
duch die engen Kanäle lanafam durch—
fireichende Luft allmählich die Temperatur
der umgebenden Wände (10 Grad) an-
nehmen und mit der hier austretenden
Bergfeudhtigkeit gejättigt werden. Eine
Berührung mit dem unter der Talfohle
fließenden Grundwaſſerſtrom ift alfo nicht
unbedingt notwendig. „Diele Luft“,
ichreibt Fugger bei Beſchreibung des
Nixenlochs am Untersberg bei Salzbura,?)
wo die Berhältniffe ähnlich gelagert find,
„it daher im Winter wärmer als die
äußere Luft. Da märmere Luft aber
leichter ift als kalte, jo wird fie warm
in dem Kanal emporfteigen und durch
die obere Mündung ins freie entweichen;
es entjtehbt im Kanal ein Luftzug und
durch die untere Deffnung muß die äußere
kalte Luft eintreten. Dieje wird auf
ihrem Wen durch den Kanal auf die
fonftante Temperatur des Bodens er-
wärmt und dringt durch die obere
s E. Fugger, Der Unteräberg (bei Berdhtes:
aden).
tudien. Beitfchr. d. D. u. Det. Alpenvereins
1880 Bd. XI ©. 117—197: VI Das Nirlodh
S. 166176. — “ Kraus, Höhlenktunde. Wege
und Zweck der Erforjchung unterirdifcher Räume,
mit Berüdfihti.ung der geographiſchen, geolo-
gifchen, phyſikaliſchen anthropologifchen und tech»
niſchen Berbältnifie, Wien, E. Gerold's Sohn.
Willenihaftlihe Beobahtungen und |
42
Mündung wieder ins Freie. Jm Sommer
findet natürlich das Umgekehrte ftatt und
die im Erdinnern abaefühlte Luft tritt
an der unteren Mündung als kalter
Zuftfirom aus. Wenn die äußere Luft-
temperatur der Temperatur ded Bodens
aleih ift, alfo vorzüglich zur Zeit ber
Tag: und Nachtaleihe, muß im anal
Sleihgewicht oder Ruhe heriihen. Die
Stärke des Luftftroms ift abhängig von
der Temperaturdifferenz der äußeren und
inneren Luft; fie wird am ftärkiten jein,
wenn die Differenz ihr Maximum erreicht,
aljo an den heißeften und fälteften
Tagen *°)
Da diefe Schilderung auch auf die
Erſcheinung am Königsberg ganz aut paßt
und mir von Dr. Sprater oberhalb des
Bruderhäuschens eine der wahrjcheinlid
zahlreich vorhandenen Eintrittsöffnungen
für den einwärts gerichteten Luftftrom.
durch den die Flamme des Streichholzes
nach innen gelenkt wurde, gezeigt werden
fonnte, möchte ich mit diefem annehmen,
daß es fich lediglih um eine auch von
anderen Orten bejchriebene Windröhre
bezw um ein Windloh handelt. Das
Borhandenfein einer größeren geichlofjenen
Höhle, die bei wechſelndem Stand bes
äußeren Quftdrudes bald durch Ein:
ftrömung, bald durch (im Winter warıne)
Ausſtrömung das Gleihgewiht im der
Höhlenluft durch die enge Röhre Herzu-
ftellen ſucht, halte ich nicht für gut an-
gängia.') Eine über das ganze Jabt
fortgejegte Beobachtung. namentlich im
Sommer, wo nad) obioem der Luftftrom
am „Dampf: oh“ nad innen gerichtet
fein muß, wird beftätigen, daß es ſich
bei der urfprünglih als Fumarole ge
deuteten Erſcheinung wahrjcheinlidd nur
um ein Windlod handelt.
9%, Unter diefen Umftänden dürfte auch die
„regere Tätigkeit der Fuımarolen” im November
legten Jahres durch den plöglichen Temperarur-
ſtürz zu Anfang jenes Monats zu erflären jein.
) Nah Zeitungsnachrichten wurde Ende
Januar d8. Is. in der Nähe des Bißmardturmes
bei Barmen im fog. „Hordbuſch“ eine große Tropf-
jteinböhle entdedt, die aus zabireichen größeren
und Eleineren Räumen mit wunderbaren Tropf-
fteinbildungen beiteht. Die Entdeckung erfolgte,
als man aus einer Erbjpalte Dämpfe auffteigen
ſah. Nachgrabungen legten einen Eingang frei.
Bei meinem zweiten Beſuch des
Dampflohes am 29. März ds Is hat
fi diefe Vermutung ols vollftändig zu—
treffend eriwiefen, da der Luitftiom im
Dampfloch tatfächlich nach Innen gefichtet
war 63 war ein ausnahmsweiſe warmer
Frühlinastag und an den von der Morcen-
fonne bejchienenen Hänuen des Köniasbergs
maa eine Luftteınperatur von etwa 15 Grad
Gelfius geheıriht haben.
Gin in der Deffnung angezündetes
Teuer von Laub entwidelte ftarfen Rauch,
der wie in einem Kamin direkt nach dem
Annern z0g. Leider reichte die zur Ver:
fügung ftehende Zeit nicht aus, um das
Feuer ftundenlang au unterhalten und
dadurch unter Umftänden die Austrittä-
ftele de3 Rauches, und jomit auch für
den fommenden Winter die Gintrittaftelle
des im Erdinnern fi) erwärmenden und
dann bei kaltem Wetter ald Dampffäule
äußerlih in Eıfcheinuna tretenden Luft:
ftromes zu ermitteln. Es ift wohl anzu—
nehmen, daß derartige mit ftarf raudhen-
dem Bıennmaterial (Strob, Laub ac) an
der Deffnung des „Dampfloches“ ange—
ſtellte und über mehrere Stunden ſich er—
ſtreckende Verſuche zu einem befriedigen—
den Reſultat führen können. In lleber—
einftimmuna mit diejer Feſtſtellung zeigte
auch das jchon länger bekannte, 20 Win.
weiter jüdweftlich an der Abzweigung des
‚infterbrunnentale vom Kaltenbrunner:
tale gelegene und unmittelbar darauf ve: |
iuhte „Windloch“ auf der Talſohle
neben dem Wege einen ſtarken, nad außen
gerichteten Luftftrom, der ein angezündetes
Streihholz jofort zum Erlöſchen brachte '')
Wir haben alſo an diejer Stelle die untere
Oeffnuna, beim Dampilody am Königs:
berg die obere Oeffnung zweier verjchiede-
ner Windröhren vor uus, deren durch
Berwerfungsipalten und -Klüfte korre—
"), Hier Öffnet fi bei dem Fiſchweiher am
Fuß des Sternenberges dicht neben einem mit
einer etfernen Tür verſchloſſenen Raum unter
einem Stein eine nach innen führende Röbre,
deren forrefpondierende Deffnung oben am Ge
hänge gejucht werden und auch im Winter durch
Dampfentwidiung fi; bemerkbar machen muß
Die Stelle tit dur eine Tafel mit der In—
ſchrift „Windloch” Eenntlich gemacht. Die betr.
Waldabteilung führt auf der Karte den Namen
„am Windloch“.
43
nt
ipondierenden Eintrittö- bezw Austritts—
Öffnungen vorläufig noch nicht bekannt
find; an einen räumlidhen Zuſammen—
bang Eınn ſchon wegen der Entfernung
und wegen der Niveaudifferen; nicht ne
dacht werden.
Ueber eine ähnliche Naturerfcheinung
bei Edenkoben brachte der „Neuſtadter
Generalanzeiger” vom 4. März d8. 8.
Ne 53 nachſtehende, aus der „Gegen:
wart” übernommene Notiz: „Seit eintaen
Tagen fieht man zahlreiche Perſonen die
Dentmalftraße binaufgehen, um die bei
dem Bi:mardftein entdedte „Höhle“ zu
befichtiaen. Ter Einfender war aud dort
und bat nichts weiter gejehen als eine
mehrere cm breite, mehrere m lange und
etwa 2 m tiefe Spalte im Sandjteinfels.
Dem Spalte entftrömt eine etwas warme
Luft, die, wenn es außen kalt ift, glei)
unjerm Atem wie ein weißer Rauch oder
Dampf ericheint. Das Ganze ift wohl
nur eine folge von den in unvordenl:
licher Zeit vor fi gegangenen Ber
jchiebungen der Gefteine, wie fie in Stein-
brüchen öfters bemerkt werden. Aengſt—
lie Gemüter denken wohl an ein Erd—
beben oder an die alte Sage vom See,
der im Hochberg lie.en ſoll und der, wenn
er einmal ausbridht, das ganze Land
überſchwemmen wird.“ Hieran war von
der Redaktion des „Seneral-Anzei.erd“
roh die Bemerkuna aefnüpit, daß nun
aud Edenkoben ebenjo wie Neuftadt an
feinem Möniasbera eine joa. Fumarole
(richtiger Windloch) aufzumeifen Habe '?)
Um mir nun ein eigenes Urteil über
die erſt neue din 3 entdeckte Waſſerdampf—
erhalation zu tilden, benußt: ih am
10. März auf einer Reife in die Pfalz
von Neuftadt aus die Gelegenheit zu
einem Mbftecher nad Edenkoben Vom
Bahnhof aus ging ich zunädft auf der
Denkmalſtraße bis an den Wald und
folgte dann, rechts abliegend. dem
Pionierweg an der Lehne des Werder—
beracd mach der Generalftabstarte „Kie—
fernberg“ 349 m) aufwärts bis zum
'*, Wegen der an den Hochberg fi an-
fnüpfenden Sagen vergl.: Dr. Schmitt, „Der
ochberg bei Edenfoben”. Eine mutbologifche
—— Muſeum 1884, 1. Jahrg.
S. 73—76.
Dismardftein Hier hielt ich nun nad
der Höhle, welche nad} der mir gewordenen
Auskunft dit am Wege Liegen follte,
Umſchau. Erſt nach langem Suchen fand
ih in dem fiefernwald einen friſch ge—
tretenen Pfad, der mich nach etwa 20—
30 m Steigen zu meinem Ziel führte.'®)
Hier etwa auf halber Höhe zwiſchen
den Dentfteinen und dem Gipfel =
Werderberges zeigt das Terrain zahlreiche
Unebenpeiten, welche auf die Arbeit von
Steinbrechern zurückzuführen ſind; ihrer
Tätigfeit haben wir es auch zu danten,
daß die Austrittäftelle des Dampfes neben
einer ſchräg liegenden aroßen Felsplatte
aufgeſchloſſen worden iſt An ihrer ſüd—
weſtlichen Kante öffnet fich nämlich jetzt
eine etwa 10 cm breite Kluft die in der
Richtung SW. - NO ‚alfo ziemlich parallel
dem Gebirgsrand gegen die Rheinebene
verläuft und mit den Blicken ungefähr
etwa auf 5 m ſeitlich in die Tiefe ver—
folat werden kann; ſoweit ift fie von
unten herauf mit Gehängeſchutt aus—
gefüllt. Auf fie ſtößt von Nordweften
fommend im fpigen Winkel eine andere,
«lei breite Spalte. Aus diefem Kluft
ſyſtem kam mir nun ein ſchon einen Schritt
vor der Oeffnung deutlich wahrnehmbarer
Luftſtrom entgegen, der ſich kälter erwies
als die äußere Temperatur (etiva 12 Grad)
und ein an ezundetes Streichholz jofort
auslöjdhte Ich batte aljo ein richtiges
Windloch vor mir, das, wie ich bei Er—
Härung des Phänomens am Königsberg
bei Neuftadt näher ausgerührt habe, bei
einer Lufttemperatur unter 10 Grad
Gelfius eine deutlihd wahrnehmbare
Waſſerdampfſäule entjenden wird.
Auf die Frage nach der Gntftehung
diejes Windloches gibt uns die aeologijche
Karte (Blatt Speyer) nähere Auskunft.
Aus ihr entnehmen mir, daß der
MWerderbera von dem ihn überragenden
Schraußenberg (582 m) durch eine
|
Berwerfung getrennt ift und feine aus |
auögebleihtem Buntjandftein (Haardt- |
se)
Um anderen das Auffinden zu erleichtern,
ſel bemerft, daß man die Austrittsftelle des
Waflerdampfes ſchon von der Straße aus er
bliden kann, wenn man zwiſchen Bismarditein
und Molftejtein, mit dem Nüden gegen Eden»
toben gekehrt, am Gehänge in die Höhe blidt.
I
fandftein) beftehenden Schichten in einem
tieferen Niveau liegen, als die ungefähr
gleihalterigen Schichten, die an dem
Aufbau des Schraußenberges teilnehmen.
Der Werderberg ift aljo beim Einbrud
de Rheintales am Schraußenberg ein
Stüd abgeſunken und bildet lediglich eine
an deſſen DOftabfall angelehnte Scholle.
Die urfprünalide Höhenlage der abae-
ftürzten Schichten läßt fi zwar megen
ihrer petrographijchen Aehnlichleit nicht
genau beftimmen, doch mag die Differenz
in der Yerrüdung der Schichten (Sprung:
höhe) etwa 150 m betragen; um ſoviel
wenigftens dürften nach meiner Shägung
die diefbankigen, ein qute® Baumaterial
liefernden Schichten des unteren Haupt-
buntjandfteins (Zrifelaftufe), auß denen
der obere Zeil des Werderberges bejteht.
am Schraußenbera höher liegen.
Bei diefem Abfturz wurden die ur-
Iprünglich horizontal abgelaaerten Schich—
ten gegen die Rheinebene in eine fteil ge—
neigte Stellung verjeßt und infolge von
Zug und Drud durch längd und quer
verlaufende Spalten und Klüfte zerſtückelt
Ueber ihre jegige Beſchaffenheit belehrt
uns ein Blid in einen Steinbcudy, der
fi in einem anderen, nördlid vom Wer:
derberg gelegenen Vorberg des Schraußen-
berges befindet. Hier find die urfprüng-
li roten, jet aber durch aus der Tiefe
emporgeftiegene, fto'lenjäurehaltise Ge:
wäfjer aelblicy weiß entfärbten, zerſtückel—
ten Gefteinsmaffen aut aufgeſchloſſen
Ebenjo müſſen wir und aud die Zer—
Hüftung des Werderberacd denken; ob
jedod jeine vom Hauptgebirgsftod abge-
riffenen Schichten infolge ihres Abfturzes
gegen die Rheinebene tatjähli jo ftart
nad Dften geneiat find, wie die zum Zeil
freigelegte Telsplatte neben dem Windloch
vermuten läßt, wage ich nicht zu ent-
fcheiden, da einmal die Windloh- Spalte
die Sch Hifläche nit wie man vermuten
jollte, jenkrecht jchneidet, und dann auch
zweifelhaft bleibt, ob die Platte nicht
etwa an dem fteilen Gehänge aus ihrer
Schicht verftürzt worden if. Da nun
die oben bejchriebene, wie überhaupt
die meilten Spalten erfahrungsgemäß
dem Gebirgsrand ungefähr parullel laufen,
müfjen fie durch die zwifchen den Wor-
bergen außdtretenden Täler gefchnitten
werden. Wenn die Schnittftellen am Ge-
hänge auch vielfach unter einer Schutt-
und Humußdede verboraen bleiben müjjen,
beftehen ficher doc Deffnungen, melde
Luft einftrömen, diefe ın den Spalten
zirtulieren und an anderen, höher ge
legenen Stellen wie)er austreten lafjen
werden. Liegen nun Eintritt und Aus-
trittöftelle weit genug von einander ent⸗
fernt, daß der Luftftrom die der mittleren
Sahrestemperatur (9 - 10 Grad Gelfius)
entiprechende konſtante Bodentemperatur
annehmen und ſich mit der an den Kluft
wänden austretenden Bergfeuchtigkeit jät-
tigen kann, jo wird bei einer Lu’ttempe-
ratur von unter 10 Grad die aus:
ftrömende wärmere Luft ald Dampfjäule
ſich bemerkbar machen.
So ift auch unfere Erſcheinung am Wer-
derberg zu erklären. Die Eintrittäftelle
des Luftftromes wird, der Kluftrichtung
entfprechend, wohl in dem, den Oftabjall
des MWerderberges begrenzenden Tälchen
zu juchen fein, ob man fie jedoch tat-
jählih auch einmal finden kann, muß
einem glüdlichen Zufall überlafjen bleiben
Empfehlen wird es ſich aber, dad Wind»
loh als interefjantes Naturphänomen
ducch einen mit geringen Koften vom Bis«
mardftein aus anzulegenden Pfad zu«
gänglid zu machen und durch eine Tafel
die Naturfreunde und Zouriften darauf
zu verweiſen.
Die don mir ausgeſprochene Ber:
mutung, daß noch andere Windlöcher
entlang des von zahlreichen Verwerfungs—
ipalten und Klüften durchjegten Hart:
gebirasrandes vorkommen und durch einen
glücklichen Zufall entdedit werden Fönnen,
bat inzwijchen ihre Beftätiqung gefunden.
Wie die Zeitungen unterm 14. April
meldeten wurde „unweit des Hambacher
Schloſſes ganz in der Nähe des nach dem
Hambader Bergftein führenden Tourijten-
wege3 ein weiteres Windloch entdedt, das
kalte Luft mit ziemlicher Heftigkeit aus—
ftößt. Dämpfe fteigen nicht auf, doch
bat die Luft einen ftarken Feuchtigkeits—
halt. Wie man hört, joll bei dem Winb-
loch eine erflärende Tafel angebradt
werden”. —
Auf eine ähnliche Urſache wird viel-
leicht auch das unterm 15. Febr ds 8.
von Wildbad gemelvete Außtreten von
warmer Luft'*) bei der oberen Berabahn-
ftation zurückzuführen jein. Die Zeitungen
berichteten vwierüber folgendes: „Schon
während des Bergbahnbaues Lehnupteten
einige Arbeiter, daß an der oberen
Berabahnftation Felsſpolten ſeien, denen
warme Luft entftröme. Die Behauptung
fand aber wenia Glauben. Bei einer
nunmehr von Stadtſchultheiß Baetzner
mittel8 Thermometer vorgenommenen
Unterfuhuna ergab ſich aber, daß tat—
jächlich aus einer in der Höhe von 710 m
über dem Meere gelegenen Felsſpalte ein
warmer Luftftrom fommt. Nah 5
Minuten langem Hineinhalten ftieg das
Thermometer um etwa 10 Grad Wenn
man bedenkt, daß die Thermen, bei
420 m Meereshöhe der Taljohle, Lagen
von etwa 390 m entipringen, und daß
der warme Luftſtrom alfo etwa 320 m
höher und 800 m von den Bädern ent-
fernt zutage tritt, jo gibt der Befund
doh zu denken. Wenn man aud noch
nicht zu boffen wagt, daß weitere warme
Quellen, die bisher unbenüßt irgendwohin
abfließen, vorhanden find, jo beweift der
Fund jedenfall auf neue bie ftarfe
Zerklüftung unſeres Gebirges“.
Leider fehlt auch hier bis jetzt eine
Angabe über Temperatur und Richtung
des Luftſtroms im Sommer, um einen
ſicheren Schluß auf die Entſtehungsurſache
ziehen zu können
) Vergl. hierzu: J. Krejei, Ueber die Er-
balationen warmer Luft auf dem @ipfel des
Kablenberges bei Lobofig. Sitzungsberichte der
böhm. Gef. d. Will. Prag. Jahrg. 1881 ©. 59—61.
46
Ber Hopfenban in Bayern.
Der bayeriiche Hopfenbau befindet fich
infolge der niedrigen Preiſe der legten
Jahre in äußerft ungünſtigen Verhältniſſen.
Die Preiſe haben in 1908 einen Tiefſtand
erreicht, der im allgemeinen die Selbſtkoſten
des Hopfenbauers nicht mehr deckt. Große
Mengen Hopfen lagern unverkäuflich, und
zwar auch in durch die Güte ihres Erzeug-
niffes befannten Gebieten. Cine weſentliche
Beflerung ift vorerst ſchwerlich zu erwarten.
Denn der Hopfen findet feine einzige Ber:
wendung im großen bei der Bıerbrauerei.
Die Biererzeugung hält erfahrungsgemäß
mit der Benölferungszunahme faum Schritt.
Dagegen hat der Hopfenbau in den legten
Jahren in einzelnen Ländern, namentlich
in den Bereinigten Staaten von Amerifa
und in Rußland, einen erheblichen Auf:
ſchwung genommen. Die in den legten
vier Jahren erzielten großen Welternten
haben die fichtbaren Vorräte in ungemöhn-
lihem Maße vermehrt. Dieje Berhältnifie
haben bereit einen fühlbaren Rüdgang der
Anbauflähen in Bayern zur Folge gehabt,
und zwar vom Jahre 1905 mit 25386
Hektar bis 22952 Heftar im Jahre 1908,
das iſt 9,5 Proz. weniger ald 1905. Un
diefer Entwicklung find die einzelnen Re-
gierungsbezirfe nicht gleichmäßig beteiligt;
jo weift Mittelfranken jeit 1905 eine Min»
derung von 1386 Hektar oder 12,7 Proz,
Dberbayern nur eine ſolche von 81 Hektar
oder 1,8 Proz. auf.
Für das Gebiet des Deutſchen Reiches
berechnet fi der NRüdgang von 39511
Heftar im Jahre 1905 auf 35865 Heftar
im Jahre 1908 oder 9,2 Proz. Gleich:
wohl find die Erntemengen verhältnismäßig
hoch geblieben. Das Yahr 1908 hat fid
mit 142000 D;. (zu 100 Silo) über dem
10jährigen Durdjcnitt von 120000 D;.
gehalten und ift nur vom Jahre 1905 mit
154000 Dz. abfolut übertroffen worden,
während die Ernte von 1908 mit einem
Durdfdnittsertrag von 6,2 Dz. auf die
Heltar, die Ernte von 1905 mit einem
Durchſchnittsertrag von 6,1 Dz. auf die
Hektar noch) hinter ſich läßt. Das Statiſtiſche
Landesamt ſchätzt den durchſchnittlichen
Yahresverbrauh von Hopfen im rechts
rheiniihen Bayern bei einer Braunbier:
erzeugung von 16,3 Deillionen Heftoliter
im zehnjährigen Durdichnitt auf etwa
65000 Dz. Berüdfihtigt man nod bie
Tatjahe, daß das bayerische Braugemerbe
ziemliche Mengen ausländijchen, in&befondere
böhmiſchen Hopfens verwendet, jo zeigen
jene Ziffern, daß Bayern auf die Ausfuhr
von Hopfen unbedingt angemwiejen ift. Unter
diejen Umftänden eröffnen ſich keineswegs
eünftige Ausfichten für den baheriſchen
Hopfenbau im allgemeinen. Durd wirt:
ichaftliche Berbefferungen, forgfältige Sorten-
wahl und ſachgemäße Behandlung des
Hopfens, endlich durch ftrenge Handhabung
der Siegelrechte mögen in einzelnen Gegen
den, zumal wenn der Preisdrudf durd ge
ringe WVelternten nadhlaffen jollte, günftigere
Erfolge zu erzielen fein; im allgemeinen
jedoch follten die Landwirte den mit erheb-
lihen Opfern an Geld und Arbeit ver
bundenen Hopfenbau durch andere, einen
regelmäßigeren Ertrag fichernde Betriebt-
zweige ınsbefondere überall dort zu erjegen
juchen, wo er auf hiezu nicht befonders ge
eigneten Bodenlagen betrieben wird. Auf
jeden Fall follte aber von der Neuanlagt
von Hopfengärten auf bisher anderen Kul
turen dienenden Flächen abgejehen werden.
Mir Rückſicht auf diefe Verhältniſſe find
die Diftriftsvermaltungsbehörden und land
wirtſchaftlichen Wanderlehrer angewieſen
worden, im obigen Sinne die Landwirte
zu beeinfluſſen.
— I ꝛñ r
Wert der Ernte Bayerns 1908.
Will man die Getreide-, Slartoffel- und
Futterwerie vom Jahre 1908, deren Gr:
trägnifje das Kgl. Statiftifche Landesamt
bereits im Dezember v. Is. veröffentlichte,
auf ihren Geldwert abjhägen, jo er
durchichnittlichen Novemberfruchtmarktpreiſe
der bayerifchen Schrannen, für Stroh, Kar-
toffeln und Heu (Grummet) die Viktualien
preije ded Monats November aus den
Marktorten zugrunde zu legen. Alsdann
jcheint es zweckmäßig, für das Getreide die | ergiebt fi) für die Getreideförnerernte eın
47
Wert von 532 Millionen Mark (1907:
596 Mill.), für Stroh 220 Millionen
(1907: 225 Mill.), ferner für Kartoffel
ernte 226 Millionen (1907: 246 Mil.),
für Futter 360 Millionen (1907: 375 Mil).
Im ganzen repräfentiert alfo der Ertrag
der Öetreidefelder, Kartoffelfelder und Wieſen
einen Bruttowert von 1338 Mil. Marf
im Jahre 1908 gegen 1442 Mill. Mart
im Jahre 1907.
Für die einzelnen Getreidefrüchte ftellt
fih der Geldbruttoertrag wie folgt:
im — auf die Hektar
1908 1908 1907
Millionen Mark Mark
für Weizen 100,83 112,44 352 392
„ Spelz 23,86 23,55 362 352
„ Roggen 159,65 186,99 283 329
„ @erite 119,95 126,59 332 360
„ Dafer 128,09 146,57 2 296
zufammen 532,39 586,14 300 3 |
Tabak
In Kapsweyer ift eine Tabafbau-
genoſſenſchaft neu gegründet morden
und zählt bereitd über 40 Mitglieder.
Aud in den bayerijch:elfäjfiichen Grenz—
orten wendet man fich in vermehrtem Maße
An diefem, für das Sönigreich abge:
ihäßten Wert der Getreideförnerernte find
die 8 Megierungsbezirfe in nachftehender
Weiſe beteiligt
Oberbayern 96,90 106,66
Niederbayern . 96,33 95,22
Ball . . 46,89 55,15
Oberpfalz . 63,68 75,61
Oberfranfen . 50,14 55,19
Mittelfranfen. 57,27 65,46
Unterfranfen . 64,01 74,21
Schwaben . 63,96 68,64
Die Getreideernte im Sjahre 1908 wird alfo
für die Pfalz mit rund 47 Millionen
Marf gewertet, gegen 55 Millionen Mark
ım Sabre 1907. Die Pialz fteht mit
diefem Betrag an legter Stelle unter den
baye iſchen Regierungsbezirfen.
bau.
dem Tabafbau zu. Es ſcheint, daß viel
fach Tabaf und AZuderrüben anitelle von
Hopfen treten, deffen Anbau nad der Sta:
tiftit ©. 46 mehr und mehr zurückgeht.
Pilgverwertung.
Aus dem Pfälzerwald jchrieb man |
am 5. März: Noch jind mir im Winter
drin. Aber es ift vielleicht gut, ſehr früh
zeitig auf etwas aufmerffam zu machen,
mas im Prälzerwald anders fein fünnte,
In faft allen Zeilen des Pfälzerwaldes
bezw. des Haardtgebirges wachſen jo zient
li in jedem einigermaßen feuchten Sommer
große Mengen eßbarer Pilze. Leider
madt der Touriſt immer mieder die
Bemerkung, daß nur fehr wenige davon
eingefammelt und verbraucht werden. Un
gezählte Zehntaufende präctiger Pilze ver:
faulen unbeachtet und gefährden dadurch
auch noch das Pilzwachstum der nächiten
Yahre. Der Pfälzer ift im allgemeinen
feın Bilzefier, fait nur der Weftrid
konſumiert Pilze. Auf den vorderpfälziichen
Märkten find jelbft zur Hochſaiſon nur
wenig Pilze zu fehen, die noch dazu mıt
Mühe verkauft werden, meift an Weftricher
oder Altbayern. So gehen auch Taujende
von Marf verloren. Wenn man näher
zulieht, fo findet man, daR es auch an Er-
portmitteln nad pilzeffenden Gegenden
faft vollftändig fehlt. Eine große Menge
von Pilzen könnte mit Leichtigkeit auf die
Märkte von Saarbrüden, Ludwigs
bafen ulm. gebracht werden. In anderen
deutihen Waldgebieten, z. B. im Böhmer
wald und im bayerischen Wald, im Fichtel:
gebirge, in der märkiſchen und nieder:
ichlefiichen Heide verdienen die Bewohner
der Walddörfer durch das Pilzſammeln
viel Geld. Warum ift ed in der Pfalz
nicht auch jo? Es fehlt nur an der nötigen
Anregung der Torfbewohner und an Ein-
fäufern, die ihnen die gejammelten Pilze
abnehmen und fie dann in größere Städte
und Induſtrieorte erportieren. Im Pfälzer:
wald wächſt auch der befte Dauerpil;, der
Steinpilz;, in großen Mengen, ebenio
der Habnenfamm, der Biegenbart,
der Champignon uſw. Es fünnte daher
auch der Grridtung von Eleinen Bil;
fonjervenfabrifen näher getreten
werden. Solche beftehen in den obenge:
nannten Waldgebieten ſchon in größerer
Zahl. Sie rentıieren ſich jehr gut und alle
Jahre entftehen neue Fabriken. Bielleicht
geſchieht im diejem Jahre rechtzeitig etwas
zur befjeren Ausnugung des Pilzreichtums
der pfälzifchen Waldungen. (Bf. Preſſe.)
Mandelblüte.
Bon der dftlihen Haardt wurde unterm
24. März berichtet: Die Mandelblüte
an den Hängen der Haardt beginnt in
diefem Jahre wieder verhältnismäßig fpät.
Wohl find ſchon Knoſpen zu jehen, aber
zur Blüte wırd e8 — mildes Wetter vors
ausgejeßt niht dor nädfter Woche
fommen. Im vorigen Jahre begann die
Mandelblüte ebenfalls ſehr jpät, am 28,
März. Gemöhnlich pflegt fie Ende Februar,
48
Ergänzend zu vorftehenden Ausführungen
jei bemerft, daß jchon anfangs der ftebziger
Jahre eine Ausftellung ebbarer Bilze der
Bfalz in Kaiferslautern ftattfand, worüber
Profeffor Medicus in dem 23. Pahres-
bericht der Bollihia für 1875 ©. 1—21
nähere Mitteilungen gemadt bat; über den
Nahrungswert der Pilze gab Brofeflor
Nipeiller im gleiben Jahresbericht näbere
Aufihlüffe. Leider haben die damals ge-
gebenen Anregungen feinen bleibenden Er—
folg erzielt. Dr. Häberle.
| Anfang März zu beginnen, in jehr milden
Wintern ausnahmöweije jogar jhon Ende
| Januar, Bei dem außergewöhnlih hart:
nädigen ®inter, den wir hinter uns haben,
darf man fih nicht wundern, daß die
Mandelblüte 3—4 Wochen zurüdgeblieben
ift. Bekanntlich find die Mittel und die
Unterhaardt die einzigen Gegenden Deutid-
' lands, in der Mandelbäume in größerer
Zahl blühen und Früchte tragen.
Großer Aebſtock — Edelkafanie.
Herr Gaſtwirt Schäfer in Rhodt hat
beim Umroden eines Xraminermwingerts
eınen Rebſtock ausgegraben, der eine Wurzel
länge von 6,80 m hatte und ſehr kräftig
war,
baujchule Neuftadt a. Hdt. übergeben.
Die Edelfaftanien haben infolge
des diesjährigen ftrengen Froſtes bei Dürf-
Storch-Manderungen.
Herr Sch. bat denielben der Wein- |
* heim fchwer gelitten. Durch die Einwirkung
der Kälte ift die Rinde bejonders an den
mittelgroßen Bäumen vielfach geborften,
fo daß dieje wohl durch Anfaulen eingeben
werden. Die Rieſen der Saftanienmwälder,
deren Rinde widerftandsfähiger ift, haben
die Kälte leichter überwunden,
Von der Vogelwarte Roffitten | dem die Worte „Bogelmarte Roffitten
wird und mitgeteilt: Im Cape Daily | Germania 769* eingraviert waren. Der
ZTelegraph (Port Elizabeth) vom 21. Nov
1908 und in anderen jüdafrifanijchen
Beitungen, die an die Vogelwarte Roſſitten
gelangten, wird folgendes berichtet: Im
März ds. Is. wurde an der Nordoftgrenze
der Stalahari-Wüfte einem Kaufmann von
Gingeborenen eines fleinen Dorfes unmeit
der Wüjte ein Aluminiumring gebracht, auf
Eingeborene gab an, diefen Ring von einem
Buſchmann erhalten zu haben, der ihn
wieder von anderen Buſchmännern (die
ziemlih weit in der Wüjte wohnen) er:
halten habe und zwar mit folgender Er:
zählung: Eines Tages, während einige
Buſchmänner ausgezogen waren, um Wur—
zen und Wild zu fuchen, jahen fie eine
Anzahl großer, weißer Bögel an einer aus:
getrodneten Waflerftelle. Die Buſchmänner
gingen dicht heran, um die Vögel mit ihren
Stöden zu erjchlagen. Die Vögel ergriffen
die Flucht, aber einer wurde erbeutet. Die
Bufchmänner fingen an, den Vogel zu rupfen,
um fi daraus eine Mahlzeit zu bereiten,
als fie ihn plöglich mit dem Aufe: „Es ift
ein Gott!“ fortwarfen. Sie hatten näm-
lid an dem einen Bein den Ring entdedt.
Boller Furcht vor Strafe des vermeintlichen
Gottes rannten fie in ihr Heimatdorf zurück
und erzählten ihre Erlebniſſe den anderen.
Ein beherzter Buschmann, der meniger
49
—
erlegten Bogel führen und nahm den Ring
an fih. Später fam der Ring in den Be-
fig des Kaufmanns, der darüber an die
Beitung Wide World in London berichtete
und auch den Ring dort einfchidte. — Die
Bogelwarte Roffitten bemerkt dazu, daß
der Storh Nr. 769 am 7. Zuli 1907 in
einem Nefte in Dombrowsken, Kreis Lyck
(Oftpreußen), marfiert worden iſt. Der
Fall ift für die Vogelzugsforſchung von
großer Bedeutung. Beigt er doch, daß
in Norddeutfhland ausgebrütete
angitvollen Gemütes war, ließ fih zu dem | Winterquartiere zu beziehen.
Bugvögel im Bfälzerwald.
Günftiger Wind und leichter Strichregen |
am 19. März begünftigte die Anfunft der
Bugvögel. So konnten wir bereits am 10.
März bei heller, warmer Witterung auf den
Feldern im „Bruch“ zahlloje Flüge der Feld:
lerche bemerken, die unaufhaltfam nord
wärts eilten. Das Hausrotſchwänzchen
wurde ebenfalls ſchon am 10. März auf
der Limburg beobadtet. Die weiße und
gelbe Bachitelze ift in zahlreichen Flügen
Ende voriger Woche eingewandert. Am
19. März wurden in Bad Dürkheim die
erften zwei Schwalben gefictet. Der
durchichnittliche Ankunftstermin der Haus
ihmwalbe in der Pfalz ift der 13. April,
Bemerkenswert ift, daß die Stare bereits
in der Mitte des Februar ihre „Revidenten“
oder Kundſchafter geſandt hatten, die fi
ftreichend in den Niederungen an der VBorder-
haardt umbertrieben, jedoch bei eiliger
Witterung und abjolutem Nahrungsmangel
|
Störhe biß nah der Südſpitze
Ufrifas vordringen, um dort
ichnell wieder verſchwanden. Die Baum:
lerche wurde dor einigen Tagen gejehen
und dürfte inzwiſchen allenthalben angelangt
fein, Bis zur Ankunft der ferneren Sänger
und eigentlichen Frühjahrsboten haben mir
allerdings nocd vierzehn Tage Zeit. Dann
aber, wenn der Kuckuck, deſſen mittlere An-
funftszeit in der Pfalz auf den 15, April
fällt, aus den fnofpenden Wäldern ruft und
die Brasmüde und das Schwarzblättchen
aus den grünenden Heden loden, dann ift
der Lenz wirklich da. (Böhm i. d. Pf. Pr.)
Der Stord traf am 10, Februar in
Freinsheim ein, wo er fein altes Neft auf
der Kirche bezog. — Am 24. Januar las
man aus dem Wasgau, daß die Böhämmer
ſich bis dahin nur vereinzelt haben fehen
laflen; größere Schwärme wurden gar nicht
erwartet, da die Buceln im legten Jahre
jehr jchlecht geraten find,
——
Bas nene Vogelſchutzgeſetz.
Das neue ee vom
30, März 1908 bejagt in $ 3: „Sn der
Beit vom 1. März bis zum 1. Oktober ift
das Fangen und die Erlegung von Vögeln,
fomwie der Anfauf, der Verkauf und das FFeil:
bieten, die Vermittlung eınes hiernach ver-
botenen An: und Berfaufs, die Ein, Aus:
überhaupt, ebenjo der Transport jolder Vögel
zu Handelszwecken unterjagt.” Wenngleich
im $5 u. a. und unter genauer Motivierung
geſagt ift, daß die zuftändigen Behörden ein«
zelne Ausnahmen bemilligen fönnen, fo er-
icheint es nach Obigem doch geraten, ohne
bejondere Erlaubnis die Finger von dem Be-
zug des Vogels zu laffen, wenngleich man ihn
von Brivathand evtl. „geſchenkt“ befommt.
und Durchfuhr von lebenden, ſowie toten
Bögeln der in Europa einheimifchen Arten
|
50 —
Eingegangene Orte in der dermaligen Pfalz.
(Nach den Intelligenzblättern des Rheinkrelſes, Frey, Beder ıc )
Affalterloch, zwiſchen Waldfee, Neuhofen
und Altripp.
Alsbeim, eme zum WRuralfapitel Neu-
leiningen gehörige Pfarrei.
Altenforft, zwiſchen Weyher und Burr:
weiler.
a zwiſchen Offenbah und Dtters-
eim.
Algbeim, in der Marfe von Herxheim.
Annenfeld, im Banne von Kirchheim
gegen Orbis zu.
Anfildeim, in der Nachbarſchaft von
Böchingen.
Anzweiler, eines von den Dörfern der
Uemter Reihenbah und Deinberg.
Appenkirchen, im Bliesgau.
Arhenweiler, im Ddermaligen Banne
von Öteinmeiler.
Aſchbach, ein Pfarrdorf in der Nähe von
Trippftabdt,
Babenheim, zwiſchen Rodenbach, Eberts:
heim und Kerzenheim.
Baldolfisfelde, im Wormsgau.
Bärenbronn, Dorf bei Bujenberg.
Beingen, bei Gfceringen im Kanton
Blieskaftel.
Bernesbach, hatte feinen Namen von
dem Bade, der zwiſchen Queichham⸗
bach und Annweiler in die Queich
mündet.
Bijinesheim, Pfarrdorf im Landfapitel
Bodenheim, das heutige Biedesheim
bei Göllheim.
Blatmaresheim, im Öpepergau,
Boppenheim, wahrſcheinlich das heutige
Pepefum, ım Kanton Hornbach.
Brambah, ein der Burg Wolfftein
dienjtbares} Dorf.
Brunnenheim, Izwiſchen Dammheim und
Landau.
Budenkeim, beifBilligheim.
Buchsweiler, der jetzige Hof Boßweiler
bei Quirnheim.
Cogrisheim, wahrſcheinlich in der Nähe
von Oggersheim.
Crothinchheim, im Speyergau, mög—
licher Weiſe das heutige Rhodt.
Dagine, Pfarrort im Landkapitel Sir:
heim.
Daffenheim, im Speyergau.
Darmweiler, mit zwei Kaplaneien, welche
die Grafen von Falkenftein zu bejegen
hatten,
Ebernthal, im 14. Jahrhundert erwähnt.
Eisberg, bei Birmafens.
Elmutesheim, der heutige Hof Elbis-
beim bei Marnheim.
Euflingen, zwiſchen Queichheim und
Landau, wo nod Ende des 15. Jahr⸗
hunderts eine Pfarrei, Frühmeſſerei
und Staplanei ſich fand.
Gygersheim, in der damaligen Ge—
markung von Weilenheim a. ©.
Felshalben, im Kanton Hornbad.
Forloch, im Goffersmweiler Tal . bei
Völkersweiler.
Gamundias, der am Zuſammenfluß der
Schwalbe und Trualbe gelegene Teil
von Hornbach.
Geilweiler, jetzt ein Hofgut der Gemeinde
Siebeldingen.
Gerlen, bei Ensheim im Kanton Bliesfaftel.
Germann, ehemals rin Dorf im Banne
von Bobenthal,
Gernheim, nädit Kirchheim an der Ed.
Gerftmeiler, bei Ötterberg.
Soffenberg, jegt nur noch ein Hof zur
Gemeinde Kollweiler.
Goſſenheim, ein Pfarrdorf bei Slein-
bodfenheim.
Guntersheim, wahrſcheinlich der jegige
Hof Guntheim im Banne von Göllheim.
Gutenberg, in den Fehden des Stur-
fürjten Friedrich |. untergegangen.
Daarmwerden, in der Gemarfung von
Dberotterbad.
Hagenheim, das heutige Hanhofen bei
Speyer.
Hanmeiler, früher eın Pfarrdorf, jest
ein Hof im Banne von Börritadt.
Hajelbadh, ein Pfarrort, von dem die
Kirchen ın Großkarlbach und Laumers
heim Filialkirchen waren.
Haſenecken, woſelbſt das Kloſter Eußers-
tal drei Morgen Weinberge beſaß.
Haſſelbach, bei Schweigen.
Heifanheim, dab heutige Höfen bei
Kandel.
Demingesheim, der heutige Hemshof
bei Frieſenheim.
Hemmendail, wahrſcheinlich in der Nähe
von Breunigmeiler.
Hemfpith, eine Kaplanei von Otterbach.
Sernboldesberg, bei Wilgartömiefen,
Hertingsmweiler, vielleiht jegt der
Erkelshäufer Hof im Banne von
Kridenbad.
Hillensheim, bei Mutteritadt.
Hilsberg, bei Trippftadt.
Hodftätten, ein im dreißigjährigen Krieg
eingegangenes Biarrdorf zwiſchen Ann⸗
weiler und Elmſtein.
Holzlingen, ein pfälziſches Leben der
Grafen von Falfenftein.
Hadenftein, dem Nlofter Otterberg
gehörig.
Hügelingen, bei Ormesheim.
Kaltenbach, ift nur noh als Hof im
Banne von Mündweiler vorhanden.
Raltenbronn, bei Leinsweiler, mit einer
Kapelle zu 2 Raplaneien,
Kannskirchen, bei Albersmeiler.
Ober-Kirrmweiler, war eine Staplanei
der Pfarrei Stirrweiler.
Roldenbadh, zwiſchen Birfmweiler
Siebeldingen.
Kritbah, der Burg Wolfftein dienftbar.
Langgquit, an der Straße von Neuftadt
nah Speyer, in der Mitte zwiſchen
Iggelheim und den drei Brücken.
Leihelbingen, früher ein Dorf, jet
ein Hof bei Dietridingen.
Lindesheim, zwiſchen Obrigheim und
DOffftein.
Zindmweiler, bei Ommersheim.
Quffelftadt, ein PBfarrdorf im Rural-
fapıtel Freinsheim
Marisco, vielleicht Möric.
Marrenheim, zwiſchen Berghaufen,
Heiligenftein und Mechtersheim.
Maßholderbach, früher ein Dorf, der-
malen der Hof Meſſersbach.
Mehlsbach, früher ein Dorf, jegt ein
Hof im Banne von Wattweiler.
Meiſenbach, Filialort von Eißweiler
(Thaleifchweiler).
Mengweiler, eine Staplanei des Land—
fapıteld Münfterappel.
Metersheim, welches Dorf eingıng und
erſt im Jahre 1791 wieder hergeftellt
wurde,
Metenbeim,an deflen Stelle heute das Dorf
Neuhofen im Kanton Mutterftadt liegt.
bi
Mettenbad, dermalen nur noch ein Hof
im Banne von Grevenhaufen.
Modenbad, früher ein Dorf, jet ein
Hof im Banne von Ramberg.
Mölkheim, fol ein Dorf zwifchen Rachen
und Geinsheim geweſen jein.
Morihbadh, war ein Dorf bei Namien.
Mühlhauſen, lag zwifhen Landau und
Godramftein.
Mundegen, bei Wachenheim (Mund-
bardterhof).
Mundorf, bei Rechtenbach.
Nauerth, im Ottenbacher Tal.
Nentersweiler, dermalen ein Hof bei
Raiferslautern.
Obermweiler, dermalen
Standenbühl.
Drmsheim, der dermalige Siebenbauern-
Hof bei Lambsheim.
Dfterna, mahrfcheinlid das heutige
Niederlirhen im Kanton Kuſel.
Oſthofen, jegt eın Hof bei Wachenheim, wo
vor der Reformation eine Staplunei war.
Othenheim, vielleiht Odernheim.
Pfeffingen, Hauptort der gleichnamigen
Grafſchaft.
Pillungesbach, ſoll das heutige Spirkel⸗
bach ſein.
Ponsheim, im Kanton Blieskafiel.
Reichenbach, bei Erlenbach.
Riegelborn, dermalen ein Hof bei
Mündmeiler.
Rinfenberg, ehemals eın Dorf, jegt ein
dem Hofpital Speyer zuftehender Hof.
Rotenbach, jegt ein Hof bei &reven-
ein Sof bei
haufen,
Roth, zwiſchen Gaugrebweiler und
Kriegsfeld.
Nüdweiler, dermalen ein Hof bei
Wolfſtein.
Rudersheim, Pfarrort im Landkapitel
ſtirchheim.
Rulichsweiler, zum Kloſter St. Johann
in Alzei gehörig.
Rundenheim, Filialklirche der Pfarrei
Kleinbockenheim.
Ruppach, ein Pfarrdorf im Ruralkapitel
Landſtuhl.
Sarlesheim, im Landkapitel Münſterappel
Schembach, in der Oberhaingeraide be—
rechtigt.
Schreinghauſen, zwiſchen
und Meckenheim.
Mußbach
— BE —
Sedenhauſen, auf dem Matzenberg. Waſenbach, dermalen ein Hof in der
Servelingen, deſſen, Gemarkung jetzt Gemarkung von Kriegsfeld.
Arzheim gehört. Watzenhofen, dermalen mit Edenkoben
Sethesbach, bei Ramberg. zuſammengeſchmolzen.
Steegen, am Einfluß der Rodalb in die Weiler, bei Bolanden, mag der heutige
Schwarzbach. Weyerhof ſein.
Steinbach, den Grafen von Leiningen Weiler, bei Otterberg.
gehörig. Wernersbrunnen, vor der Burg
Steinbad, ein Ort der Oberhaingeraide. Stauf gelegen.
Steinweiler, ein Pfarrort im Rural- | Wersmweiler, bei Striegöfeld.
fapitel Landftuhl. Befthofen, bei Erfweiler im Santon
Stransmweiler, pfälziihes Lehen der Blieskaftel.
Grafen zu Franfenftein. Weyher, zwifchen Oberhofen und Nieder-
Stratfeld, im Speyergau. horbadı.
Sulczen, mit Kaplanei und zwei Altars | Wichfe, in den Xorjcher Urkunden mit
pfründen. Freinsheim genannt.
Tiefenthal, bei Geiſelberg. Widergiſa, vermutlich Erlenbach im
Tribunisheim, wahrſcheinlich Dreiſen. Kanton Diterberg.
Turnusheim, im Speyergau. Bineswiler, bei Maifammer, icon i im
Ubftatt, im Speyergau. Jabr 957° genannt.
Ungenbad, bei Otterberg. BWinterbah, in der Nähe von Speper.
Ußbrud, der Burg Wolfftein dienjtbar. | Wiggarda, wo das Kloſter Vorſch
Volkerskirchen, bei Neuhäuiel. Güter beſaß.
Vorbach, im Amte Hagenbad. Wirnsbach, der Burg Wolfftein dienftbar.
Bandesheim, zwiſchen Rheinzabern und | Wifen, im Speyergau.
Neupfog. Wiſenbach, dem Klofter Otterberg gehörig.
— ⸗,
Huneburg, Kollenbach und Vrondan.
Topographiſche Nachrichten.)
Nach verſchiedenen urkundlichen Nach- zu ermitteln, das mit der ſchon längſt ge—
richten mußte im oberen Lautertale früher ſuchten Huneburg wohl identiſch ift.
eine dem Reiche gehörige Feſte, die Hune- Einen ausführlichen Bericht über dieſen
burg, geſtanden haben, mit welcher die Fund ſowohl, wie über das in der Nähe
Ritter von Hohenecken noch 1404 von Kaiſer gelegene, ſchon längſt eingegangene Dorf
Ruprecht belehnt worden waren; über ihre | Kollenbah und Über Brondau (— Breitenau
Lage war nichts betannt. Nun ift es | bei Hoheneden) enthalten die Brälz. Geid.
neuerdingd gelungen, auf dem Stäbels- | Bl. für Mär, 1909, ©. 18—22,
föpfchen zwiichen Yampertsmühle und Erfen-
bah die Spuren eines alten Baumerfes u ie di
Aus dem Jahresbericht der Bayerifchen Bergbehörden.
Aus dem Jahresbericht der Bayeriichen | 2729020 t im Geldwerte von rund
Bergbehörden für das Jahr 1908, der nun | 26064210 Mt. gegen 2281358 t im
im Drude vorliegt, ift folgendes bejonders Werte von rund 23350607 Mt. im Bor
hervorzuheben: | jabre. Un dieſer Mebrförderung von
Die Gejamtproduftion der Bergwerke 447662 t'find die Stein-"und Braunfohlen-
und der unterirdifchen Steinbrühe und | jomie die Eiſenerzgruben mit einem Mehr
Gräbereien im Betriebsjahr 1908 betrug | von 431895 t beteiligt. Es wurden im
— 63 —
Jahre 1908 an Steinkohlen gefördert | marftes ihren rund bat. Un fonftigen
1576 026 t gegen 1487665 im Jahre 1907, | Erzen wurden ım Sabre 1908 20000 t
d. 1. um 98961 t mehr, von welcher Mehr- Nupfererze ſowie 3767 Schweiel- und Mag-
förderung 88020 t auf die oberbayeriſchen netkiefe jowie 270 t Vitriolerge gemonnen.
Gruben und 11809 t auf die Steinkohlen- Im Jahre 1908 ftanden im Betrieb:
grube zu Stodheim treffen, während die | 13 Steinfohlengruben, auf melden 8795
Pfälzer Steinfohlengruben eınen | Berfonen bejchäftigt waren, 7 Brauntohlen-
Ausfall von 10868 t zumeiſt im: | gruben mit 640 Perfonen, 34 Erzgruben
folge eines Schadhtneubaues der | mit 1137 Berjonen, 1 Steinjalzbergbau
Grube Franfenholz hatten, mit 110 Berfonen, zujammen 55 Berg-
Die Braunfohlengruben weijen im Jahre | werfe mit 10673 Berjonen, ferner 304
1908 wieder eine MWehrförderung gegen | unterirdiiche Steinbrüdhe und Gräbereien
1907 und zwar von 340678 t auf. .E8 | (einichliehlich Bohrungen und Schurfbetriebe)
betrug die Produftion der im Jahre 1908 | mit 1566 Berjonen, demnach im ganzen
in Betrieb geltandenen fieben Braunfohlen- | 359 Werfe mıt 12239 bejhäftigten Berfonen
gruben 548421 ı gegen 207743 t im Bor- | gegen 336 Werfe mit 11845 bejchäftigten
jahre und 140290 Tonnen im Jahre 1906. | Berjonen im Borjahre.
Die Broduftion an Eifenerzen erftredte | Bon den befchäftigten 12239 Perfonen
fih außer auf eine Grube in Oberbayern | waren 11580 ermachjene männliche Arbeiter,
und einige Fleinere Betriebe in Oberfranfen | 293 erwadjjene Arbeiterinnen, 337 Jungen
ausichließlih auf die Oberpfalz; e8 waren | von 14—16 Jahren, 2 Zungen von 13 u,
dajelbft und im Oberfranfen 24 Gruben | 14 Jahren, 25 Mädchen von 14 bis 16
im Jahre 1908 in Betrieb, welche 276939 t | Zahren, 2 Mädchen von 13 bis 14 Jahren.
Eifenerz ſörderten. Die Gejamtproduftion Bon den vorhandenen, der Aufſicht
an joldhen betrug 280231 t im Geldwerte | unterfiellten Betrieben murden von der
von 2338400 Mk. gegen 276975 t ım | Berginipeftion Minden 98,99%, Bay-
Geldwerte von 2343080 ME, im Borjahre, | reuth 99,37%. und Bweibrüden 100 ®o
jo daß fich bier zwar eine Produktions | revidiert. Bierunter befinden ſich jämtliche
fteigerung von 3256 t, jedoch eine Minde:- | Steinfohlenbergwerfe, von welchen die
rung des Geldwertes um 4680 Mf ergibt, | größeren oft befahren wurden.
melche in der unglinftigen Lage des Gijen-
Bevölkerungshewegung im Jahre 1907.
In dem Vierteljahrsheite zur Statiftit | ftorben find 1178349 (1906: 1174464).
des Deutichen Reichs 1909, I, werden die | Im Verhältnis zur Gefamtbevälferung ift
hauptſächlichſten Ergebniffe über die Be | gegenüber dem VBorjahre die Eheichließungs-
mwegung der Bevölkerung veröffentlicht. Die | ziffer von 8,16 auf 8,12 v. T., die Ge-
ausführlihere Mitteilung erfolgt in nächiter | burtenziffer von 34,08 auf 33,20, Die
Zeit im Bande 223 zur GStatiftit des | Sterbeziffer von 19,20 auf 18,98 v. T.
Deutihen Reihe. Im Jahre 1907 wurden | gefallen. Der Geburtenüberihuß des Bor-
im ganzen 503964 Ehen geidlofjen (1906: | jahres mit 910275 oder 14,88 v. T. ift
498990), die Zahl der Beborenen betrug | danad) auf 882624 oder 14,22 v. T. ge-
2060973 (1906: 2084739), darunter ſunken.
61040 Totgeborene (1906: 62262), ge
Bigeunerbewegung in Bayern,
Nah den FFeititellungen der bei der | unmelens find im Yahre 1908 in Bayern,
Volizeidireftion Münden eingerichteten | das wiederholte Auftauchen ein und der-
Bentralftelle zur Befämpfung des Zigeuner: | felben Bande bezw. Familie zc. an ver»
ſchie denen Orten und zu verfchiedenen Zeiten
eingerechnet, beobachtet worden: 200 größere
bereit befannte Banden, 24 größere
bisher unbefannte BZigeunerfamilien, 30 be
reits befannte und 18 bisher unbefannte
Einzelzigeuner, Die Zahl der ftebrieflichen
Berfolgungen von Bigeunern war, die Nadı-
barländer mit einbegriffen, 312; hiervon
haben fi, größtenteil& wegen Ergreifung
oder Ausmittelung, 183 erledigt. In Bayern
wurden im Jahre 1908: 112 Bigeuner
gerichtlich beftraft, 18 aus Bayern (12 aus:
ländifhe) aus dem deutichen Reiche aus:
gewiefen und 10 in Arbeitshäufer einge:
ſchafft. An ſchweren Straitaten, die in
Bayern im vergangenen Jahre von Bigeunern
verübt wurden, find nur folche zu verzeichnen,
die fie unter fich begangen haben. Um
19. Mai nachts erſtach in Attenhaufen bei
Krumbach in Schmaben ein 15 jährıger
Zigeuner einen 44 jährigen und erhielt der:
jelbe ein Yahr Gefängnis, Am 29, Juni
erihoß in der Nähe von Gundhöhring bei
Straubing ein 42jähriger württembergiicher
Zigeuner einen 23jährigen heimatlofen
Zigeuner. Er wurde deshalb zu 3 Jahren
Gefängnis verurteilt, In der Nähe der
54
| bayerifhen Grenze, auf preußiichem Gebiete,
in einem Walde bei Rommerz, zwiſchen
Schlichten und Fulda erichok am 25. Aug.
ein 23jähriger heifiiher Bigruner den
Gendarmeriewachtmeifter Schenf aus Neu-
hof bei Fulda, während derjelbe eine arre
tierte Bigeunerbande transportierte. Das
jhwurgerichtlihe Urteil lautete auf Todes
ftrafe. Kleinere Diebereien und PBetrüge-
reien durch Zigeuner famen aud im Jahre
1908 ın Bayern mehrfad vor, doch hat ım
ganfe der legten Jahre in Bayern
die früher fehr läftige Bıgeuner:
plage unverfennbar und merflid
nachgelaſſen. Faſt ausnahmslos find es
deutjche oder auf deutichen: Boden geborene
beimatloje Zigeuner, meift ſog Halb—
jigeuner, die fih durch einen mit Bettel,
Diebereien und Betrügereien verbundenen
Semerbetrieb im Umberziehen bemerfbar
madhen. Ausländiſche Bigeuner tau
hen zwar dann und wann noch auf,
aber immer jeltener. Weſentlich bat
die Sdentifizierung von Bigeunern und die
Feſtſtellung ihres PBerfonenftandes durch die
Münchener BZigeurerzentrale oder durch
deren Vermittlung zugenommen,
Fränkifche Gräber und vorgeſchichtliche Mohngruben
in der ARheinpfalz
In Harrheim-Zell an der Pirimm | brachten neue einmwandernde Stämme die
famen bei der Anlegung eines Neubaues
drei fränkische Gräber zur Aufdefung. Die
vorgefundenen, gut erhaltenen Sfelette
waren jämtlih männlid. Zwei von ihnen
waren, wie jchon gemeldet, mit vielen
Baffenbeigaben, wie Langen, Schwertern
und Meflern beftattet. Die Ausgrabungen
wurden durch den Hiſtoriſchen Verein der
Balz beauffichtiet. Zu diefer Bejtattunge-
art iſt zu bemerfen, daß die germanifchen
Stämme am Mittelrhein, die jpäter unter
dem Namen „Franken“ auftreten, bereits
in vorgeichichtlicher Zeit den Brauch der
Zotenbeftattung ın Keihengräbern fannten
und übten. Später verbrannten die
romanifierten Rheinländer ihre Toten und
begruben Ajche und Urnen, oder brachten
dieſe Gefäße in großen Steinkiſten unter,
Im 4, und 5. Jahrhundert nach Chrifius
alte Beitattungsart in Reihengräbern wieder
mit; e8 wurde diefer Brauch allgemein am
Mittelrhein geübt. Meihengräber wurden
in der Rheinpfalz bis jet gefunden ber
Dürkheim am Michelsberg, bei Freinsheim,
Gersheim, Grlünftadt, Haßloch, Kirchheim
a. Ed, Mundenheim, Mußbach, Mutter—
ftadt, Neuhofen und Speyer. In der Nähe
von Deidesheim, im Gemwann Meilenbrunn
wurden bei Weinbergsrodungen auf sehr
beichränftem Raume 46 Wohngruben aus
dem Ende der Latène-KHeit aufgededt, die
zahlreihe Funde von Gefäßreſten, Mahl:
fteinen, Yanzenjpigen und Tierknochen
(Bierde, Schwein und Hirich) enthielten.
Diehrere diefer Gruben haben eine fid
nad; unten trichterförmig ermeiternde Ge:
ftalt und find bei etwa 1,5 m Durchmeſſer
ungefähr 3 m tief.” Um die Erhaltung der
Funde, die dem Hiftorifhen Muſeum in
Speyer übermiefen wurden, machte ſich
Görg: Deidesheim, der die Wrbeiten be-
auffichtigte, verdient. Bemerkenswert ift,
daß bereits früher in derjelben Gegend ein
vorgeſchichtliches
55
intereſſantes Gefäß ger |
funden wurde, das im Altertumsverein zu
Bad Dürkheim aufgeftellt ift. Aus den
foeben aufgefundenen Reſten der Gefäße
hofft man einige ganze Stüde zufammen-
ftellen zu fünnen,
(Böhm ı d. Pfälz. Br.)
Bie , Heidenlöcher“ bei Warhenheim.
In den legten Tagen ging durd die
pfälzifchen Blätter eine Notiz, wonach am
Rindskehlerfopf bei Wachenheim vor—
geichichtliche Wohnftätten ın der Art der
Deidesheimer Heidenlöcher gefunden worden
fein follen. Eine Befichtigung ergab nun,
daß es fich zweifellos um alte Steinbrüche
handelt. Wir haben hier auf dem Rüden
des „Berges größere und fleinere Löcher
von unregelmäßiger Form, an deren
Rändern der gewachſene Fels vielfach an-
fteht. An diejen Felswänden fann man
an verichiedenen Stellen an der oberen
Rante in regelmäßigen Abftänden dreiedige
Einferbungen beobachten, die zum Einjegen
der Sprengfeile dienten. Außerdem finden
wir Steinhaufen zumteil aus Schutt, zum
teil aus fertigen Baufteinen beftehend, an
deren Rändern die Steine teilmweile auf-
geichichtet find, um ein Nachrurichen der
Steine zu verhindern. Dieſe „Iroden:
mauerung“ bat wohl aud in erjter Linie
zu der irrtümlihen Annahme geführt, daß
hier keltische Wohnftätten vorliegen. Aehn—
lihe Anlagen finden wir nicht allzu jelten
auf unferen Bergen «nd fchon mehrfad)
waren diefe fleinen Steinbrücde als prä
bifiorifhe Häufer erflärt worden. Um
diefe Annahme zu miderlegen hat der
Hiftoriiche Verein der Pfalz im vergangenen
Jahre auf Veranlaffung des Bürgermeiiters
Baſſermann-Jordan auf dem Wallberg bei
Deidesheim zwei Derartige Löcher aus:
räumen lafjen, wobei fich gleichfalls mit
Beftimmtheit ergab, daß hier Steine ge-
brochen wurden. Auch auf dem Orensfels
bei Annmweiler und zwar innerhalb des
Ringmwalld liegen jolche Steinbrudjläcder,
die als galliihe Plattenwohnungen ver:
Öffentlicht wurden. Yeßterer Irrtum wurde
bereits in den Mitteilungen des Hiſtoriſchen
Vereins der Pials XXV, 1901, 523,24
berichtigt. 8.
Bas Jubiläum der Kaiſerſtraße.
Hundert Jahre find verfloſſen, daß
Napoleon, um einem Teil ſeiner gewaltigen
Truppenmaſſen aus Frankreich zu einer
der Hauptzentren feiner Operationen, der
Feftung Mainz, einen direkten und feiten
Verkehrsweg zu fchaffen, die von Südweſt
nach Nordoit ſowohl die ganze bayerifche
Pfalz, als auch in faft gleicher Richtung
die Provinz Rheinheffen Ddurchquerende
Landſtraße anlegen ließ. Die in auffälliger
Breite angelegte Straße führt noch heute
als einziged Denkmal des Erbauers, der
damit ein ungemein wichtiges ſtulturwerk
Ihuf, den ftolzen Namen Kaijerftraße, oder
|
|
|
dod allgemein in den Grundbüchern der |
Gemarfen der von ihr durcdhichnittenen
Gegend die Bezeihnung Pariſer Straße.*)
Wohl den größten Nugen bradte fie wenige
Jahre nach ihrer Fertigftellung dem faijer-
lihen Erbauer jelbit, al er, vor Mosfau
bei Naht und Nebel unter ftrömendem
Regen auf diefer Straße nach lebensgefähr:
licher Ueberfahrt über den hochgeichwollenen
Rhein Hals Über Kopf in jein Land flüchtete.
Und dann eine weitere Jronie des Schickſals:
es mußte gerade die Kaiſerſtraße dazu dienen,
im Sahre 1870 dem Neffen Napoleons, des
*) Die Kailſerſtraße wurde 1811 vollendet
und zwar murden bie Streden von Lohnsfeld
bis zur Eſelsfürth und von Bruchmühlbach bis
ur Grenze des Saarbepartements zulegt fertig
geitellt. H.
— —
Erbauers, ganz gewaltige Truppenmaſſennoch längere Zeit die zahlreichen, den Mainzer
entgegenzuführen. Dit der Eröffnung der | Markt verſorgenden „Hodenfuhren“ aus
Mainz-Alzeyer Bahnftrede im Jahre 1871 | den rheinheffifhen Orten, Heute bat due
ward der bisher jo befonders ftarf benutten | in ganz auffallender Beite angelegte Straße
Kaiferftraße mit einem Schlage der meifte | noch weniger Berfehrsbedeutung, fie ift zu
Berfehr genommen. Aus Franfreicd wurden | einem — megen ihrer Breite — koſt—
ichon weitaus die meiften Truppen mit der | fpieligen Unterhaltungsproduft für die betr.
Bahn heim befördert ; dieſe beforgte die Boft, | Kreiſe geworden. (Kirchheimb. Anz.)
und Hauptbenuger der Straße blieben dann
Ber dentiche Htantsbahnwagenverband.
Die württembergifche Regierung hat der | behrlich werden. Insgeſamt find im Jahre
Abgeordnetenfammer eine Denkfchrift zum | 1907 unter den deutihen Staatsbahnen
deutihen Staatswagenverband übergeben. | Wagenmieten im Betrage von 18'/s Mil.
Darin wird mitgeteilt, daß der neue Ber- | abgerechnet worden, die fih aus lauter
band über 500000 Güterwagen verfügt, | fleinen Mietöpoften von wenigen Mark zu:
von denen jeder etwa 34000 Achſenkilometer jammenfegen. In Bufunftwirdein Be:
zurüdlegen wird Die Leiſtung de& Ber- | amter die ganze Jahresrechnung in
band&mwagenparfes wird aljo 17000000 | wenigen Zagenfertigftellen fönnen.
Achſenkilometer pro Jahr betragen, Bor allem darf eg, abgejehen von dem wirt:
Es ift damit zu rechnen, daß die neue | fchaftlihen Gewinn, aud vom nationalen
Ordnung des Wagenverfehrs allen beteiligten : Standpunft freudig begrüßt werden, daf
Staatsbahnen Vorteile bringen wird, Die | die fämtlichen deutidhen Staatsbahnen auf
Eifenbahnen werden den Vorteil huben, daß | einem wichtigen Gebiete des Verfehrsmeiens
Ausfondern der deutjchen Staatsbahnmagen | zu einer bejonders bedeutjamen Ginigung
nad ihrer Heimatbezeichnung fortfällt; der | gelangt find.
Berrieb wird dadurch ſowohl bei der Bil- Württemberg rechnet au dem Staats:
dung der Züge als auch bei der Bedienung | wagenverband eine Gejamterjparnis von
der Lade: und Nufchlußgeleife vereinfacht ; rund 400000 ME. pro Jahr, ungerechnet
werden. Auf Bahnhöfen, auf denen zahl- | die Erjparniffe, die fi) aus der verminder:
reihe fremde Wagen zu behandeln find, | ten Beanfprudhung der Geleiicanlage als
werden bemerfensmwerte Erjparnıfje | Folge des Wegfalles von Leerläufen er:
zu erzielen fein. Der erbeblichfte Gewinn | geben. Die Denfihrift hebt hervor, es
ergibt fi aber aus der Verminderung der | fönne feinem Zweifel unterliegen, daß aud
Yeerläufe; ihre Zahl ift für alle deutichen | die miirttembergiihe Eifenbahnvermaltung
Bahnen auf mindeitens 200 Millionen | durch den Anſchluß an den deutichen Staats-
Adjenfilometer jährlich geſchätzt worden. magenverband neben dem gewiß nicht zu
Auch die Eriparung der Ürbeitsfräfte | unterihägenden ideellen Gewinn eine Ber
wird ins Gewicht fallen, die durd die Ber- | einfachung des Betriebes, jomwie eine Förde.
einfahung der Abrechnung und durch den | rung der Berfehrsinterejien erreihen wird,
Wegfall der zahllojen Aufichreibungen ent-
Studien aus dem Pfälzermalde.
N. Schneehöhen.
Die Schneedede ift von Bedeutung nicht | jomwie für fanitäre und touriſtiſche
nur für die Laändſchaft und deren Bild, Verhältniſſe.
fondern beionders für die Speifung des Die Literatur der Pfalz ift jehr arm
Bodens mit Feudtigfeit, für den Unter | an einfchlägigen Meffungen und Beobad-
halt der Quellen, Bäche und Weiher, | tungen, Die Bavaria IV, 2, enthält nichts
— En —
darüber. ©. 68 ift zwar das „Meteoriiche
Waſſer“ in Tabellenform angegeben, doch
nur für Karlsruhe, Heidelberg, Kreuz—
nad, Mannheim ; aber für feinen Ort
der Pfalz.
Allein und lediglich die „Mitterlungen
der Bollihia” enthalten darüber und zwar
Ipeziell für Bad- Dürkheim einiges Material;
aufgezeichnet und veröffentlicht von der
dortigen metereologijhen Station. Wir
geben daraus einige Zahlen wieder:
Für das Jahr 1893: „Schnee fiel nur
in ganz geringen Quantitäten“, Mittei:
lungen, Nr. 8, 1894, Tabelle. Für das
Jahr 1897: „Schneefall im Monat De
zember 29 cm;* Mitteilungen, Nr. 12,
1898, Tabelle. Für das Jahr 1899:
Scneehöhe „im Januar 8 cm, im Dezem-
ber 12 cm, Gefamthöhe 20 em;“ Mit:
teilungen, Nr. 13, 1900, Zabelle. Für
das Yahr 1900: Scneehöhe „im Januar
12 cm, im Februar 6 cm, im März 4 cm,
Summa 22 cm;” Mitteilungen Nr. 14,
1901, Tabelle. Für das Jahr 1902:
„Schneehöhe im Februar 10 cm; Mit:
teilungen, Nr. 19, 1904, S. 140. Für
das Yahr 1907: Im Dezember 28,5 cm
Schnee; Mitteilungen, Nr. 23, 1908,
S. 106. —
Darnach fällt dad Minimum in das
Jahr 1893, das Marimum in den De
zember 1897 mit 29 cm. —
Bur Erweiterung und Ergänzung diejer
danfensmwerten Beobachtungen nahm d B.
nad dem ftarfen Schneefalle vom 4. März
und der darauf folgenden Nacht des 4. 5.
März eine große Anzahl (ca. 50) von Ber-
meflungen der Neufchneedede vor, unter
der nur an einigen Stellen Altſchnee
gelegen mar, vor und zwar
1. um das Meinbietr-Maifiv,
2. in der Stalmit Gruppe.
Jene erfolgte am 5. März, Nachmittags
zwiihen 3—6 Uhr, diefe am 6. März,
Nahmittags zwiſchen 's3—!27 Uhr.
Die Meflungen erfolgten mit einem
feftftehenden Metermaß, deffen Ende mit
Meifingbeifchläg verfehen ift, fodaß der
Beobadter am Widerftande fofort den
Altichnee konftatieren konnte. Als Orte
der Meſſung wählte er freigelegene Stellen
57
und topographifh wichtige und befannte
Punkte, jo Höhenrüden, Sättel, Ruppen.
Die Meifungsergebniffe murden jo»
fort eingetragen. Ich teile dieſe im
Folgenden mit:
I. Schneehöhe am BWeinbiet-Maffiv,
vermeſſen am 5. Mär; 1909,
I) Wolfsberg = 2, 5, 9,5, 4,3 cm.
2) SW« Fuß der Kuppe = 11 cm.
3) Turm: N = 65 cm
W=7 m
S -45 cm
O : 4,5 em.
4) NÖ der Suppe = 6 cm.
5) Um Roofebrunnen — 5 u. 6 cm.
6) NO: Weißer Strich -—- 3, 4,6,6cm
OÖ: 5 „=3cm
So: ” a u 2,2, 3, 32,
2 cm (Brandmeg).
T) Meifental — 3 cm.
8) Qudmwigsplag = 1 cm.
9) Bromenademweg — 0-1 cm.
10) Kübelmweg und Dr. Welſchs Ter-
raſſe = 0—1 cm.
Die ftärffte Dede, mit ca. 1 cm Alt—
jchnee, fand fih am Siüdfuß der Kuppe in
ca. 500 m Seehöhe. Da die Windrichtung
am 4. und 4.5. März die weſtliche
war, jo erflärt fih die Anhäufung des
Schnee's an diejer Stelle und an ähnlid)
erponierten Punkten.
Sharatteriftiih hiefür find aud die anı
Zum (= 5527 m nah Then’jcher
Meflung) nah Norden — 6,5 cm und
Weiten — 7 cm gelegenen Bunfte, Die
von Süden und Dften um 2—2,5 cm
differieren. — Verdunftung war noch nicht
eingetreten. —
In der Kalmit-Gruppe dagegen
war am 6. März bei Südoftwind und-
Sonnenjdhein bereits der Einfluß von Wind
und Sonne eingetreten Ich nahm Bedacht,
Schattenftellen zu vermeſſen und für
eine Aufzeichnung mehrere Maße, deren
Durchſchnitt ih nahm, zugrunde zu
legen. Die Ergebnifje folgen:
II. Schneehöhe in der Kalmitgruppe,
vermeflen am 6. Mär; 1909,
1) Artwurfanlagen = 0—3 cm.
2) Römermweg = 1 cm.
3) Hirihbadtal 6 em.
Siriäbachtalfehre — 10 em.
4) Hambader Kühjunge in ca. 500 m
Seehöhe - 9-10 em.
5, Hühnerfels, Sattel zwiſchen Hoße
Loog und Zwerchberg, ca. 570 m
Seehöhe 11 em.
6) Bwerdberg-Höße — 10 em.
7, Hahnenſchritt“, Sattel zwiſchen
58
meinen aub die Schner-Höbe am, mir
aus unieren Meflungen bervorgebt. —
Beionders ftarfe Entwidlung ber
Schneedecke zeigen überall die dem damals
nah NW
Bwerdberg und Stalmit; 565 m,
Seehöhe 4 und 8 cm.
8, Ofthbang der Ralmit ın ca. 640 m
Söbe - T cm.
9) almit-Turm in 6741 m Höhe
(nah Then): N T em
W = 10 em
Ss - dem
0 — 5em
10) Am Nalmit Fahrweg, Nordgehänge
= 8 und 10 cm.
11) Zwerdberg: Südmweitgebänge - 6cım
Nordweftgehänge -- Tem
Kalten: Brunnertal:
500 m
12) Oberes
Sternbergauelle, ca.
10 cm,
Mittleres Kalten-Brunnertal
:= 7 und 10 cm.
13) Oberes Schöntal, 275,8 m=Ödem.
14) Hermannsfels, 252,9 m -- 5, 6,
8 cm.
15) Königsmähle, 199 m - 45—
D cm.
16) Bromenadeweg — blaumeißrot
marfiert — ca. 210 m -- 0—2 cm.
Die ftärffte Schneedede zeigte auf:
Das nad Nordweſt (vgl. oben) geöffnete
Hirſchbachtal, die Ebene des „KRüh:
junge” (alter Weideplag mit Quelle), die
Sättel am Hühnerfels und Hahnenſchritt, der
Zwerchberg, die Weftjeite des Kalmit-
turmes, die Nordfeite des Kalmit⸗Kegels,
das obere, Star-förmig geftaltete und nad)
Nordweiten ale Schneefang geöffnete
Kaltenbrunnertal, der Hermanns
fels, mo das von Süd nad) Nord erftredende
„Große Tiefental” das in das Haupt:
tal” des Schöntal Baches (früher Oden-
bäclein) einmündet.
Trotz Berdunftung und Inſolation zeigte
ih die Schneedede am Kalmit-Turm
(Summa — 26 cm) nod höher als am
Weinbiet:- Turm (Summa — 22,5 cm) —
Mit der Meeres- Höhe fteigt im Allge
berrichenden Binde entgegen gerichteten,
offenen Täler und Mulden
(--= are) auf, während auf den nad U.
SO und S gerichteten Gebängen und ır
den in derielben Richtung laufenden Mulden
und Ginfchritten (vgl. Beinbiet- Meflungen)
: die Schneedede um 3—4 cm geringen
Höhen aufweilt. —
Teilweile und völlig „aper* ermieien
fih am 5. und 6. März folgende Stellen:
l. Beinbiet-Maiiio:
Promenademeg zur Wolfsburg: ſchneefrei,
ebenfo die Gewannen: Bogelgeiang, Wogen
berg, Sulzwieje, An der Schanze,
Klaujenberg.
I. Kalmitgruppe:
Artwurfanlagen 3. T. aper, Oftgehäng
des Nollen 3. T. aper.
Der Abihmelzungsprozeh da
im Biälzerwalde lagernden Schneemaiien
ging zwar langiam, aber jtetig vorwärts.
Als Faktoren mwırfen hierbei Sonne un)
Wind. Am BWeinbiet-Turm (552,7 m nad
K. Oberleutnants Then Vermeſſungen) br
trug die Schneehöße am d. März 4,5 — 7 cm,
am 10, März, d. i. nah 5 Tagen nur
nohb 0-7 cm. Das Marimum ift nur
nad Norden und Dften bin vorhanden und
zivar in einzelnen Schneefleden. Nach Süden
zu ift die Umgebung ded Turmes völlig,
nah Weiten zu nahezu „aper*. Selbit
auf dem nad Norden gerichteten Gehänge
des Weinbiet-Maffives iſt die Schneededt
im Ganzen verſchwunden, nur an den Nord:
weithängen find einzelne Reſte, aber in
weichſtem Zuſtande, verblieben.
Scharfen Gegenſatz zum Weinbiet bilde:
die 121,4 m höhere Kalmit (674,1 m nach
Then). Bier lag der Schnee noch am
16. März hoch und dicht, und die Schnee:
felder glänzten im Strahle der Abendjonne.
Weinbiet und Kalmit verhielten fich damals
wie Frühling und Winter. Hier Sonne
und Licht, dort Schnee und Schatten. —
Erft die bis 14° C. im Schatten am
fteigende Wärme der 2. März: Dekade brachte
die Reſte des Schnees zur völligen Auf:
jaugung. ber noh am 29. März be-
obadtete Rat Dr. Häberle und der Ref.,
und am 31. März legterer allein, im Finſter⸗
Neuftadt a.d. 9., 1. April 1909,
59
tale und zwar an der Einmündungsſtelle
des Stellertales jo richtig; Hellertal falſche
Schreibung!) die legten Reſte von Schnee
und Eis.
Dr. &. Mehlis.
Bleine Mitteilungen.
Meteorologifhe Praris, Der Stadt.
rat von Bergzabern überließ das jtädtijche
Bläschen an der Bismarditrake dem Ber:
jchönerungsverein pachtweife zur Aufftellung
eines meteorologiijhen Wetterhäus—
chens und leijter hiefür einen Zuihuß von
50 Mt.
Wie verlautet, werden in diefem Jahre
von der Kalmit aus Berfuhe mitdrahtlojer
Telegraphie unternommen. Da aud
die Errichtung einer meteorologijden
Station auf der Kalmit geplant ift, die
Dradhenaufftiege veranftalten wird, jo
wird das Intereſſe an diefem höchſten Berge
ded Haardtrandes immer größer werden,
Befanntlih ift auch die Grrichtung eines
maffiven Kalmithauſes geplant.
Yagd und Fiſcherei. Am 1. April
88. Is. trat das neue Fijichereigejeg in
Kraft, wonach jämtliche ihr Filcherrecht aus»
übenden Berjonen analog der Jahreskarte
noch eine Berjonal Legitimation
farte führen müflen. Das neue Gejeg
beitimmt: „Wer Fiſche oder Strebie fängt,
muß im Befige einer auf jeine Perſon
ausgeſtellten Filcherfarte fein, die er mit
zu führen und auf Berlangen der Polizei
und dem Auffichtsperfonal vorzumeifen hat.
Die Karten gelten im ganzen Stönigreid)
und fojten pro Yahr 5 Me. Sie können
jederzeit bei Berfehlungen eingezogen
werden.”
Der Forellenzudt in den Ge:
wäflern der Haardt wird jeit einigen Jahren
bejondere Aufmerfiamfeit zugemwendet. Bor
der Entwidlung der Induſtrie waren dieje
weit fiichreicher als jegt, mo viele Bergbäche
durch industrielle Abwäſſer verjeucht werden,
ſodaß ſie fait ohne Fılde find. Es fann
3 B. im unteren Speherbach bei den
jegigen Berhältniffen fein Fiſch eriftieren,
da jchon in Lambrecht große Mengen In
duſtriewäſſer zufließen. Früher gab es im
Speyerbah bis zu deſſen Mündung
Forellen. Die Forellenzucht wendet fich
daher fait ausjchlieklih den oberen Ge—
birgämeihern zu. Die Wiederbelebung der
Forellenzudht geht von Hinterweiden
thal-Kaltenbach aus, wo die Forelle
von jeher gebegt wurde. Der pfälziiche
Kreisfiſchereiverein, der dort tagt, ift um die
Hebung der Zucht beionders verdient. Auch
der Krebszucht jcheint eine neue Blüte.
zeit bevorzuftehen, da es in der Rheinpfalz
trog der Streböpeit, die dor einigen Jahr:
zehnten gan; Deutidyland verjeuchte, noch
zahlreiche Gewäſſer gibt, in denen der Krebs
nicht ausgeitorben ift.
Betrefis Erfranfung des Bil.
des (vgl. Pfälz. Heimatkunde 1907, ©. 93)
wird mitgeteilt, daß auch im vorigen fahre
in Jägerkreiſen fiber maflenhafte Erfranfung
des Rehwildes geflagt wurde. Cine
Rachenmade ſetzte fich in großen Mengen
im Rachen der Tiere feſt und fchmarogte
dort. Das davon befallene Wild magerte
raſch ab, gab gurgelnde Töne von fi) und
ging ein, nachdem es fıh mühſam herum-
geichleppt hatte. Dieje Krankheit wurde
in den legten Wochen ebenfalld beobachtet,
allerdings in fleinerem Umfang als im
Vorjahre.
In der gleichen Angelegenheit wird jetzt
geſchrieben: Da im Wildſtande der Pfalz
momentan über große Berluſte, beſonders
beim Rehwilde, geklagt wird, ſahen fi
einige Jagdpächter veranlaßt, die Sache zu
unterfuchen, Es hat fich herausgeftellt, daR
ed fih mwohl um eine Lungenwurmſeuche
handelt. Weil nun in früheren fahren
dieje Krankheit unter den Schafherden öfters
auftrat, glaubten die Jagdpächter mit ziem:
liher Gewißheit annehmen zu dürfen, daß,
durh die Schafe die genannte Srankheit
eingejchleppt und auf die Rehe Übertragen
wurde. Da nun aber in den legten fahren,
60
beionder& aber im vergangenen und ım '
neuen Jahre überhaupt obige Kraukheit
unter den Schafen midt auftrat, und da '
sub aus idafarmen Gegenden, in denen
auch im Binter feine Schafweiden ver-
prechtet werden, Nachrichten von Krankheiten
der Rehe einlaufen, ift es wohl unbegründet,
dıe lebetragung der Yungenwurmieude,
wenn es fig) überhaupt um dieie Handelt, den
Schafen zuzuiſcheben. Das Berenden der
Rebe wird wohl in der Regel aut den
firengen Bınter zurädzuführen jem,
und damit ıumter Umitänden auf unge:
nügende Rahruı ı.
Der uwiedrige Rheinwallerftand. Auf ı
einem Felſen bei Sädingen im Rheine wurde
im Jahre 1891 bei außergemöt;nlidh nie: .
drigem Baflerftande zur dauernden Erinne-
rung an dieſe Tatfahe die Zahl 1891
eingegraben. Der jegige Balleritand des
Rheins ıft aber noch miedriger als da
mals, Auch dies wurde auf dem Felſen
durch die Anbringung der Jahreszahl 1909
verzeichnet.
Die anhaltend ftrenge Kälte hat rinen
folden Rückgang des Waſſerſtandes vom
Rhein zur Folge, daß im Zurbinenhaus
der Straftübrrtragungswerfe in Badiſch—
Rheinfelden mehrere Qurbinen abgeitellt
werden mußten, ſodaß infolge des Kraft
verluftes verjciedene größere Fabriken ihren
Betrieb zum Teil einftellen mußten, mo-
durdy eine große Anzahl Arbeiter entlafjen
wurden.
Der Rhein hatte bei Speyer den
niederſten Waſſerſtand ſeit 100 Jahren.
Der Begelitand war 1,70 m, während vor
100 Jahren der Pegelitand 1,74 m betrug.
Aus der Bergangenbeit. Aut Beran-
Ioffiung bes Berkehrsdereins bildete Aid
in Neufiadt ein Nomte zur Errid
tung eıned Alterrumämuieums
daſelbit Borligender dei Romiters iit
Stadtpfarrer Dr. Glaſet. Die Sammlung
_ eritredt fh nur auf Gegenttände, Die bie
Stadt Reuftadt direft intereiieren, Damıt
dem Piälziihen Muſeum ın Speyer feınerle:
Konfurrenz gemacht wird.
Die Borarbeiten für die Ranalıjarior
verlangen, dak das Bachbett des Speyer
bachs in Speyer um 1"s m tiefer gelegt wırd,
‘ wobei audy größere Aenderungen der Sal;
turmbrüde vorgenommen werden müflen.
Bei dieſen Arbeiten wurde bisber eine
Reihe von Altertümern gefunden, da-
runter Helme, Säbel, eine Steitart,
meifingene Sclöfler und jonftige Gegen-
jtände von hiftoriihem Werte. Auch eine
Unmaffe von Schädelfnohen wurde zutage
gefördert unb abgefahren. Die Arbeiten.
welche die Stadtverwaltung als Rotftar.ds:
arbeiten vornimmt, werden von Profeſſor
Dr. Sprater, Konjervator des Hiſtoriſchen
Muſeums hier überwadt, welchem die
Funde zugewieſen werden.
Aus Heſſen In Worms war bis zur
Berftörung der Stadt durch die Franzoſen
die Dftfuppel des Domes mit Blei bededt,
das bei dem Brande flüſſig wurde und die
Straße hinunter bis zum Marfte flo.
Ber dem jegigen Abbruch der Oſtkuppel
wurden in den Rigen des WMauermertes
zuſammen 15 enter Blei gefunden.
Diejes Blei bildete noch den alleinigen
Halt, denn der Mörtel war volljtändig
zerrieben und vermittert.
DInbalt: Bolfer und Hagen vor Worms (Ein Nahtbild) — Leber das Vorkommen ven
BWindiöhern („Aumarolen”) au
Spalten und lüften im Sartgebirge. — Der Hopfenbau in
Bayern. — Wert der Ernte Bayerns 1908. — Tabakbau. — Wilzverwertung — Mandelblüte —
Großer Rebſtock. — Ebdelkaitanie. — Storh- Wanderungen. — Zugvögel im Pfälgerwald. — Das
neue Bogelſchutzgeſetz. — Eingegangene Orte in ber dermaltgen Pfalz. — Huneburg, Rollenbad
und Brondau. — Aus dem Jahresbericht der Bayeriichen Bergbehörden. — Bevölferungsbervegung
im Jahre 1907. — Bigeunerbeivegung in Bayern. — Fränkiſche Gräber und borgefchichtlice
Wohngruben in der Rheinpfalz. — Die „Heidentöcher” bei Wachenheim. — Das Yubiläum der
Ratieritraße. — Der deutſche Staatsbahnmagenverband. — Studien aus dem Pfälgerwald. —
Keine Mitterlungen.
Echriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — hermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
und ber Beiträge find die Herren Berfafler verantwortit
De Bo — ee Su a Arm he *
Die falzcae Heimatkunde“ Toflet In 12 Heften Mt. 2.50. Benell werben von allen Buchhandiungen und
. ’ _ Voltanftalten rn. 38 (Bortofreie Etreifband dung) — *
V. Jahrgang.
\ÄLZISCHE HEIMATKUNDE
Nummer 6.
Juni 1909.
9
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
ÄNAN UN ERICA:
—
Geheimrat v. Aeumayer *.
Ein Telegramm meldete am 26. Mai
aus Neuſtadt a. H., daß nachts 3 Uhr
Exzellenz Wirkl. Geh. Admiralitäts-Rat
Profeſſor Dr. Georg v. Neumayer ge
ftorben if. Die Wiflenichaft verliert in
ibm einen Mann von großem Anfehen,
einen Gelehrten von meitreichender Be»
deutung. Die Hhdrographie und Geophyſik
verdanfen es zum großen Teil feinen Ver:
dıeniten, daß fie Tich zu ihrer heutigen Höhe
entwideln fonnten. Und namentlidh ift
auch die zu bemerfenswerten Refultaten
gelangte Polarforihung den Arbeiten
Neumanpers zu großem Dank verpflichtet. —
Von der größten Bedeutung murden
feine Vorarbeiten für eine deutfhe See
warte. Nah jeinen Entwürfen murde
diefes wertvolle Inftitut 1875 in Hamburg
ins Geben gerufen. Neumayer befam die
Direftorftelle übertragen, die er bis zum
Jahre 1903 inne hatte. Was Neumayer
in dieſen Jahren geleiſtet hatte, hat
dauernden Bert. Mn der ruhmreiden
Entwicklung Deutihlands zur See hat er
einen hervorragenden, ehrenvollen Anteil.
Reiche Anerkennung und hohe Aus»
zeihnungen blieben Neumayer nicht verjagt.
Nicht nur Bayern und Preußen, auch das
Ausland verlieh ihm ehrende Titel und
Orden. So iſt Neumayer al8 ein Mann
geftorben, dem es vergünnt war, die Früchte
jeines Wirfens zu ernten.
Was Neumayer an literarischen Werfen
hinterließ, hat Anſpruch auf bleibendes
Unfehen. Es feien nur genannt jeine
„Results of the magnetic survey of the
Colony of Victoria executed during the
yars 1858—1869*, 4 Bände, jomwie jeine
Schriften, die fih mit der Polarforichung
beſchäftigen. Sie verteilen fih auf die
Jahre 1872—1M01. „Auf zum Südpol!
45 Jahre Wirkens zur Förderung der Gr.
forfhung der Südpolar Region” ift jein
legtes zujummenfaffendes Bud.
Die irdifhen Reſte unjeres großen
Mitbürgers, der bis in die legten Monate
feines reichen und gejegneten Lebensganges
mit Intereffe und unermüdlicher Tatkraft
am wiflenichaftlichen Leben der Gegenwart
und befonderd in feiner engeren Heimat
teilgenommen hat, wurden unter Beteiligung
iluftrer Berfönlichkeiten in einem Ehrengrabe
auf dem Friedhofe zu Neuftadt beigejegt.
Unferer Pfalz werden die Spuren jeines
| Wirfens unvergeklicd bleiben.
Begel- und Regenmeh-Htationen in der Pfalz.
Das Kgl. Hydrotechniſche Bureau
in München bemühte ſich jchon ſeit Jahren
eifrig um die Einrichtung neuer Meitellen
in gang Bayern. Die bei denjelben vor-
genommenen Beobachtungen beziehen ſich
zunächſt auf Niederichläge,; ferner fommen
in Betracht Negenbogenbeobadhtungen, Be:
obachtungen über die Schneedede, die Eis
bildung und Frofttiefen, die Meſſung von
Waflerteniperaturen, Waſſerſtands- und
BWaflermengenbeobadhtungen, Hochwaſſer⸗
nachrichtendienſt ꝛe. Die Bahl der Hegen:
meßftationen in ganz Bayern beträgt
eiwa 400 Im Gebiete der Rheinpfalz
befinden ſich derartige Stationen an fol—
genden Orten: Hinterweidenthal, Oberotter-
bad Landau, Johanniskreuz (Schwarzen:
bad), Taubenſuhl, Hochſpeyer, Speyer,
Ludwigshafen, Ungftein, Kirchheimbolanden,
Waldmohr, Yandftuhl, Sonfen, Kaiſers—
lautern, Zautereden, Dudroth, Yangmeil,
Rockenhauſen, Alfenz, Ruppertsedfen, Zwei—
brücen, Birmafens und Hornbach. Neu
eingerichtet find in legter Zeit die Negen-
ftationen in Gicheljcheiderhof, Bellheim,
Hochdorf, St. Ingbert und ZTrippftadt.
Die Bermwaltung der Station erfolgt zu-
meift dur Kgl. Straßenwärter, zu den
prälziihen Beobachtern gehören aber auch
Yandmirtichaftslehrer, Foritbeamte, Damm-
meifter, Lehrer, Gutsbeſitzer ꝛc. Im
Interefje der weiteren Beobachtungen, die
in Münden verarbeitet werden und ſehr
wichtige Nefultate für Landmwirtichaft,
Weinbau 2c. haben, ift aud für die Rhein—
pfalz die Errichtung von weiteren Negenmeh:
ftationen an geeigneten Orten fehr erwünſcht.
Begelftationen für Hochwaſſernach—
richtendienft befinden fih auf pfälziichem
Gebiet bezw. in unmittelbarer Nachbarſchaft
bisher an folgenden Stellen: für den Rhein
in Neuburg (1882 eingerichtet), Mari:
miliansau (1850), Leimersheim (1823),
Sondernheim (1823), Medtersheim (1858),
Speyer (1824), Altripp (1836), Ludwigs⸗
bafen (1813), Frankenthal (1823) und
Roxheim (1822); für die Wieslauter in
Bobenthal (1904) und Hinterweidenthal
(1906); für die Queich in Landau (1904);
für den Speyerbach in Neuftadt a. H. (1904)
und Hanhoſen (1904); für die Glan in
Gumbsmweiler (1904) und Odenbad (190 11};
für die Nahe in Staudernheim 1904) umd
und Münfter a. St. (1904); für die Alien;
in Rodenhaufen (1903) und Gbernburg
(1904); für den Schwarzbah in Contwig
(1904); für die Blies in Schmwarzenader
(1904) ; für den Hornbach in Bubenhaufen
(1905) und für den Rohrbach in St. Ing—
bert (1904). Die pfälziichen Pegelbeobach
tungen werden in den meilten Fällen durch
Wajjerbaubeamte (Wailerbauvorarbeiter,
Kol. Dammeifter, Schleufenwarte zc ), ba
den Fleineren Flüffen aud durd Straßen:
und Bahnmwärter vorgenommen.
Intereſſante Aufihlülle über Die
Negenverhältnijie in der Pfalz und
Umgebung gibt die jetzt fertiggeitellte
Statiſtik des Kgl. Bayer. Hndrotechntichen
Bureaus über die Ueberregnung der Fluß
gebiete Bayerns im Jahre 1907. Die
Vorderpfalz (3125 qkm) hatte 1714
Millionen chm Geſamtniederſchläge bei
einer Riederichlagshöhe von 548 mın. Sıe
hatte 102 Regentage über 1 mm; Die
mittlere Niederjchlagshöhe pro Regentag be-
trug 5,4 mm. Die Grenzwerte der Negen:
höhen betrugen im Dinimum 423 mın und
im Marimum 480 mm, der Yahresipiel-
raum der Negenhöhen betrug 57 mm. Bon
der Hinterpfalz hatte das Nahegebier
(1470 qkm) 822 Millionen cbm Gejamt:
niederichläge bei einer Niederichlagshöbe
von 559 mm. Es hatte 108 Regentage
über 1 mm; die mittlere Niederichlag&böbe
pro Regentag betrug 9,2 mm. Die Grenz
werte der Regenhöhen betrugen im Mini:
mum 411 mm und im Marimum 753 mm,
der Jahresſpielraum der Regenhöhen 342
mm. Das Gaargebiet (1270 qkm) hatte
908 Millionen chbm Gejamtniederichläge
bei einer Niederjchlagshöhe von TiD mm.
Es hatte 116 Regentage über 1 mm; die
mittlere Niederichlag&höhe pro WRegentag
betrug 6,2mm. Die Örenzwerte der Regen:
höhen betrugen im Minimum 574 mm und
im Marimum 801 mm; der Jahresſpiel⸗
raum der Megenhöhen 227. Das Saar:
gebiet hat demnach die größte Be
regnung, was aud in der Periode
1899/1906 der Fall war,
63 -
Ueber die Mammnte des Aheintals.
Das Dunfel, das die Urgefchichte des ! eins „Pollichia“ in Bad Dürkheim aufzus
in vielen Beziehungen intereffanten Rhein—
tal8 Ddedt, erfährt in meuerer Beit er
freulicherweife durch häufige Funde und
Beobachtungen einige Aufhellung. Be:
ſonders tritt da8 Quartär mit feinen
namhaften Tiergattungen, wie Mammut,
Riefenhirih und Höhlenbär in den Border-
grund. Hauptjächlich find es die Lößſchichten
der Ebenen und die Stieslagen in der Nähe
des Rheins, die derartige Ueberreſte bergen,
und der Forſcher, der beim Suchen einiger:
maßen vom Glück begünftigt iſt, kann ab
und zu Funde von Knochenfragmenten diejer
längſt auögeftorbenen Tiere madhen. Go
fam vor einigen Tagen in der Gemarkung
Oppau in einem großen vierefigen Waſſer—
been nahe am Rhein eine Anzahl mächtiger
Knochen bei Baggerarbeiten zu Tage, die
fih nah Unterfuhung als Ueberrefte des
Mammut (Elephas primigenius) ausmiejen.
Im ganzen wurden acht Knochen gefunden,
deren größter, ein Schenfelfnochen, bei 60
Pfund Gewicht und 60 em Umfang eine
Länge von 1 m hat, Gin abgebrochener
Bahn in einer Zänge von 5 cm iſt voll:
ftändig verfteinert, Hätte das ganze Ge-
biet frei vom Waſſer ausgejchachtet werden
fönnen, jv wären wohl ſämtliche Knochen—
teile zu Tage gefördert worden. Da das
fragliche Gebiet zweifellos vom Rhein an-
geſchwemmter Boden ift, haben die Frag:
mente des Riejentieres jicherlich ihren Weg
mit den Fluten an ihren jeßigen Fundort
gemadt, und es ift jehr unwahrſcheinlich,
daß das ganze Skelett zufammenhängend
war. Sehr jchöne, gut erhaltene und nod)
mächtigere Anochen des Mammut hat die
Sammlung des naturmifjenfchaftlichen Ver—
werfen. Dort find etwa 13 Städ folder
Nefte des Urmeltriefen aufgeftellt. Darunter
befindet fih ein Schulterblatt von über
1 m Länge, das im Jahre 1847 durd
einen Fiſcher mit dem Nep bei Germers-
heim aus dem Rhein gefilcht wurde,
Dr. Hepp, der befannte Freifcharenführer
und erite FFeitredner beim Hambacher Feit,
jchenfte den wertvollen Fund der „Bollidia”.
Ferner find unter diefer Sammlung eine
Knieſcheibe, mehrere große Schenkelknochen,
deren größter 1,20 m Länge hat, und ein
im Jahre 1899 bei Mundenheim gefundener
38 cm langer Bahn des Elephas primi-
genius. Im vorigen fahre wurden in
Neuftadt ebenfalls einige mertvolle Funde
diefer Art gemacht, indem bei einer Steller-
ausſchachtung einige faft verfteinerte
Meolaren zu Tag famen, von denen jedoch
noch keine genauere Beitimmung vorhanden
iit, ob fie vom Elephas antiquus oder
primigenius herſtammen. Auch im Mufeum
zu Speyer befinden fi) mehrere Stnochen-
junde vom Mammut. Ein ganzes Sfelett
wurde Berichten nad früher in den Salt.
jteinbrüchen am Donneröberg ausgegraben.
Bweifellos war das Mammut in der
Nheinebene früher ziemlich häufig, auch
Rieſenhirſch und Höhlenbär find den
Funden nad nicht gerade jelten gemweien,
und es werden ficherlich im Laufe der Zeit
noch manche derartige Ueberrejte von Ur:
welt- Tieren bier zu Tage treten. Leider
find die meiften diefer Funde durch vieler-
lei Einwirkungen fo zermürbt und porös,
daß fie nur durch befondere Behandlung
gerettet werden können.
(Chr. Böhm i. d. Pf. Br.)
Gegen die Berunreinigung des Hpeyerbadjs.
An der Berjammlung im Stadthaufe |
zu Meuftadt zwecks Beratung Über die
Säuberung des Speyerbahmaflers nahnı
auch der ftaatlihe Kommiſſär für die
Unterfuhung der pfälzifchen Gewäſſer,
Univerfitäts-Brofeffor Dr. Yauterborm-
Ludwigshafen teil. Anweſend waren etwa
50 Intereffen und Fachleute, NRegierungs:
Aſſeſſor Stützel hob bejonders hervor,
daß fich die Megierung in Güte mit den
in Betracht fommenden Anduftriellen aus—
einanderjegen molle, daß es aber Beit fei,
der Verunreinigung des Bades entgegen:
zutreten. Das alte Waſſerbenützungsgeſetz
habe feine genligenden Handhaben zum
gejeglichen injchreiten geboten, während
jolhe im neuen Wafjergejeg und zwar in
den Artifeln 3T—40 gegeben find. Pro—
feffor Dr. Hofer-Münden, der Borfigende
der dortigen Kgl. biologiichen Werjuchs-
fiation, teilte u. a. mit, daß nad) dem Er:
gebnis feiner Unterfuhung im Speyerbad)-
waſſer viel Celluloſe und Wollfafern
enthalten find, (im Liter Waſſer etwa
100 mgr Gellulojefajern). Dieje Stoffe
dürfen in Zukunft nicht mehr in den Badı
gelangen, wenigitens aber müjje verlangt
werden, daß nicht mehr als 15 mer im
Liter Wafjer enthalten find. Dazu ift die
Anlage von Klärbaſſins in den einzelnen
Fabrifen nötig, in denen die Abwäſſer etwa
6 Stunden verbleiben müſſen, ehe fie in den
Speyerbady bezw. deifen Zuflüffe gelangen.
Seitens der Induſtrie gehören der ge
bildeten Kommiſſion Bertreter von fieben
64
Firmen an. Früher war der Bad vom
Rhein bis weit hinauf in den Brälzermal)
ſehr fiſchreich, jetzt kann fein Fiſch ım
Speyerbachwaſſer leben, wenigſtens auf der
| Strede von Franfened bi8 zur Mündung:
das gleiche trifft auf den Hochſpeyerbas
von Meidenfeld bis Yambrecht zu. Dat
wieder Fiſche in dieſem Gebirgswaſſer
* können, wird durch die geplanten
| Maßnahmen freilich nicht erreicht, das
\ führt das Waffer zu viel Farbftofie mr
ih. Bor einigen Wochen ift der Speyer
bady von Profeſſor Dr. Hofer und Profeſſet
ı Dr. Yauterborn gemeinjhaftlich inſpizien
worden. Dabei wurde oberhalb Frankene?
noch reichliches Tierleben im Speyerbad
waſſer angetroffen, unterhalb diejes Ortes
war das Tierleben faſt völlig verfchwunden.
(Pfälz. Brefie.)
Aydrographie
Bayerifhe Binneuſchiffahrts⸗Statiſtik.
Nach den Ermittlungen des gl. Statiftiichen
Landesamts bietet der Verkehr auf den
bayerischen Waſſerſtraßen im Jahre 1908
folgendes Bild:
Der Gefamtgüterverfehr in Balfau
und Regensburg ging gegenüber dem
Vorjahre infolge der Minderung des An-
funftöverfehrs erheblich zurück.
Auch der Berfehr auf dem bayerifchen
Zeile des Maind nahm während des legten
Jahres ab.
Der Durdgangsverfehr an Schiffe:
gütern hat fich etwas gehoben, dagegen ver:
ringerte fi der Floßverkehr infolge der
beichränften Nachfrage nad Bauholz.
Der Berfehr in Lindau bewegte fi
aufwärts.
Bei den Rheinhäfen minderte fich der
Verkehr in Speyer gegen das Borjahr
in erheblihem Maße (1907: 141912 t,
1908: 104922 t), während Ludwigs—
hafen troß eines kleinen Rüdganges im |
eine günftige Entwicklung zeigt. |
Der Sefamtverfehr betrug 1907:2 180444, |
ganzen
1908: 2176056t ; hievon trafen auf
1907 1908
Abgang 516522 t 616699 t
Ankunft 633892 ı 1559357 ı
und Schiffahrt.
Ludwigshafen ift überwiegend Zufuhr
hafen, namentlih für Steinfohlen (1908:
155368 t).
Der Ludwigs Kanal vermittelt nur einen
geringen Nahverfehr.
Uferverfhiebungen. Die bemertens:
werten Uferverjchiebungsarbeiten bei Rheinan
und bei Altrip nähern fih ıhrem Ende.
Auf eine Strefe von etwa 4 Kilometern
wurde das bayeriiche Ufer bei Altrip zu
rückverlegt und gleichzeitig auf der badiſchen
Seite ein über 33 Hektar großer, bisher
nicht ausgenügter Rheinaulandftreifen vor
den drei Haſenbecken des Rheinaubaiens
aufgefüllt. Die ichwierigen und nicht un:
gefährlichen Arbeiten wurden im Muftrag
der neuen Rheinau-Aftiengejellichaft von
der Firma Ph. Holzmann & Co. in FFrant-
furt a. M. ım Frühjahr 1908 begonnen
| Bmei Jahre waren ald Bauzeit vereinbart,
doc) ift es der Unternehmung, die zeitweiſt
ca. 500 Arbeiter und Angeſtellte beichäf-
| tigte, gelungen, die Arbeiten in bedeuten?
fürzerer Bet zu bemwältigen. Die Bol.
lendung des großen und Foftipieligen Unter
nehmens ift jehr bedeutungsvoll für die
Entwidlung des Rheinauhafens.
Eine Kommijlion höherer technifcher
Beamter der an der Rheinregulierung
|
|
|
|
— 6b —
beteiligten Uferftaaten Bayern, Baden und | lihen Maßnahmen in der eritrebten Weife
Elſaß Lothringen hat Fürzlih die in Be: | ausbilden wird. — —
tradht kommenden Bauftreden am Rhein Der heifiiche Brovinzialausfhuß befaßte
zwilhen Marau und Sondernheim ber | fich mit der Regulierung des unteren
fohren. Dabei wurde feitgeftellt, daß an | Teils der Nahe von PBlanig bis nad
den Grundſchwellen und Buhnen Beihädi: | Büdesheim. Es wurde mitgeteilt, daß ver-
gungen durch Hochwaſſer nicht vorgefommen | jchiedene Gemeinden nunmehr bereit feien,
waren. Hinfihtlid der Wirfung der Re ſich an den gemeinfamen Koften für jämt-
qulierungsmwerfe auf das Fahrwaſſer konnte | fiche 8 Gemeinden in Höhe von rund
feftgeftelit werden, daß in den fon im | 64000 ME. zu *eteiligen. Grundfäglich
Jahre 1907 in Angriff genommenen Teil- | vertraten aber die Gemeinden den Stand:
jtrefen von Fort Louis bis Dalhunden punft, daß fie Feine Beifteuer zu den Regu—
und von Sondernheim bis Yeopoldshafen | (ierungskoften zu leiften hätten, da das
die entwurfsgemäße Lage und Tiefe des heffiiche WBachgeieg bei einem Grenzfluß,
Fahrwaſſers eingetreten ift. Die plan | wie dies die Nabe fei, keine Anwendung
mäßige Breite ift noch nicht überall vor | finden fünne. Das Minifterium der Finanzen
handen. In den 1908 verbauten Teil ließ aber dieſe Anficht als irrig erflären.
|
fireten von Dalyunden bis Offendorf und | Die Gejamtfoften der Naheregulierung
von Peopoldshafen bi8 Maxau ift die ent- | herragen rund 110000 Me., wovon die
wurfsmäßige Yage des Fahrwaſſers teil | Gemeinden ein Drittel aufzubringen hätten.
weiſe eingetreten. Dagegen fehlt an diefen | Auch die Regierung hat fich verpflichtet,
Stellen nod die erforderliche Tiefe und | einen Teil der Unterhaltungsfoften der
Breite, Es darf indefjen erwartet werden, | Aegulierungsftrede zu übernehmen. Das
dab im dem legtgenannten Teilftreten das | Urteil über die Koftenverteilung erfolgt in
Fahrwaſſer ih unter der Einwirkung | nächfter Sigung
höherer Wajlerftände und der weiteren bau-
Ueber zwei für den Mein: und Obſtbau wichtige Bereinigungen.
Am T. Februar d3. 8. ift in Landau ! meiler, Formen aufmweift, die an feinem der
ein „Pfälz. Entomologen Verein“ | andern Flimatifh bevorzugten Orte Süd-
gegründet worden, die zoologifche Abteilung | deutichlands, ja nicht einmal in Meran
der Weinbanverſuchsſtation ift ihm bei der | Frei fiberwintern, — Daß die Erforfchung
Gründung beigetreten. Zweck des Vereins | der heimijchen Inſekten von Seiten des
iſt Austaufch von Sammel-Ergebniffen und | jungen Vereines gründlich angefaßt wird,
Gedanken und eine gemeinjame plannräßige | dafür bürgen die Namen der Mitglieder,
Erforſchung der einheimiichen Inſektenwelt. unter denen fich rühmlich befannte Spezialiften
Der Wiſſenſchaft wird fo zweifellos ein | auf dem Gebiete befinden.
großer Dienit ermwiejen werden, denn die Der Zweck diejer Zeilen ift der Hin—
Inſektenwelt umfaßt den größten Teil der | weis auf die Bedeutung der Beftrebungen
einheimischen Tierformen, darunter die aller- | des genannten Vereins für die Landwirt:
interefjanteften. Dazu fommt, daß die ſchaftliche Praris, in unferem Gebiete
Tierwelt der Pfalz in ihrer durch die be | fpeziell für den von Schädlingen fo jehr
jonderen Elimatifchen Berhältniffe bedingten | beimgejuchten Obſt- und Weinbau. Die
Eigenart bis jegt ſtark vernachläfligt ift im | große Wichtigfeit der genauen Erforjchung
Vergleich mit derjenigen anderer deutfcher | der an unjeren ulturpflanzen lebenden
Gebietöteile; hat fih doch bei den von dem | Inſekten für jede Art von Schädlings-
Botanifer Prof. Dr. v. Tubeuf-Müncen | befämpfung witd jeßt allgemein anerfannt,
angeftellten Unterfuchungen*) herausgeftellt, | Die Würdigung diefer Arbeiten von Seiten
daß die Gartenflora der Pfalz (Gleis: | der Staatsbehörden hat u, a. zur Er
*, Naturroiffenfchaftliche Zeitſchrift für orft- | Tibtung unferer zoologifchen Abteilung ge-
und Landiirtichaft 1908. ‚ führe. Jeder Wein: oder Obitbautreibende
hat großes Intereſſe an jolhen Beitrebingen welche Beobadhtungen für die Geſellicheit
und follte fi die Förderung des Bereins | anftellen, fie bieret in ihrer Kürze allen Yic®
angelegen jein lafjen, insbejondere ſollten habern wichtige Riditpanfte. Der Umter
die im Gebiete anfäffigen Sammler und ! zeichuete jelbit nimmt Beobachtunge
Beobadıter der Inſekten dem Berein bei | daten, die auf der Bajis dieſer
|
|
treten und ihre Tätigfeit in den Dienſt Borichriften gewonnen find, jeder:
diejed Unternehmens jtellen, daß der Ge: | entgegen und erjucht hiemit darum, ıbe
famtheit ebenſo müglih iſt, wie dem | jolde zujuftellen. Die Inftruftion Lauter:
Einzelnen. „Da bei jedem Unternehmen, das ber
Natürlich finden auch nterefjenten Auf | Mitwirkung vieler bedarf, ein gemeinjame:
nahme, die nicht in der Pfalz wohnhaft | Vorgehen nad) einheitlihen Plane jelbt
find; es ift fogar ausdrüdlih als im Sjn- | von BWidhtigfeit ift, möchten wir ım fol:
terefje der Beftrebungen und als erwünjcht | genden alle diejenigen, weldhe in dankens
bezeichnet worden, wenn ſich in anderen | werter Weile geionnen find, fih an der
Gegenden Wnjäffige anſchließen mollten. | Erforihung der heimiſchen Wogelmelt zu
Auch im nterefje des Wein: und Obit- | beteiligen, in Kürze auf die Bunfte him
baues wäre dies zu begrüßen, wir würden | mweifen, melde biebei ganz bejonders zu
dann ergänzende Mitteilungen aus den be: | berüdfichtigen wären,
nachbarten ſüddeutſchen Gebieten erhalten, Allgemeines.
in denen die Anbauverhältniffe den unjrigen Bor allem werden die Herren Br
gleichen. obachter erſucht, fih bei Notierung der
Bufdriften find an den Borftand des
Bereind, Herrn Oberzollinfpeftor Endres
in Speyer zu richten. Der jährlide
Beitrag beträgt 6 Darf. Den Mitgliedern
ftehen gute Fachzeitichriften zur Verfügung.
Die ornithologijche Gejellichaft
in Bayern, über die ſchon im vorigen
Jahrgang berichtet worden ift, hat an ihre
Mitglieder eine „Inſtruktion für die Be-
obachter der heimischen Vogelwelt“ verſchickt,
mit dem Erſuchen dazu beizutragen, daß
das Nek von Beobadjtungspunften, welches
Daten der größten Gewiffenhaftigfeit zu
befleißigen und, wenn fie über eine Vogel:
art im unflaren find, dies bei der Ein
tragung ausdrüdlich zu bemerfen, oder die
betreffende Beobachtung gar nicht zu notieren.
Es jollen die Beobachtungen befjer nur auf
wenige Vogelarten beſchränkt, dieje aber
genau und zuverläjfig verfolgt werden.
Undererjeits jei bier auch betont, daß die
anjcheinend geringlte Beobadıtung von Bert
fein kann und im Kahresbericht Verwendung
fih über das ganze rechtörheinische Bayern —
und einen Teil der übrigen ſüddeutſchen A. Zugsbeobachtungen.
Gebiete, darunter auch die Pfalz, erſtreckt, Bezüglich der Zugvögel werden nament
nach Möglichkeit erweitert und ergänzt | lich folgende Punkte zu berückſichtigen ſein
werde. Im Üntereffe der praftiichen 1. Im Frühjahr.
Wiſſenſchaft jchlieken wir uns Ddiejem .
Wunſche an und richten an die in unferem | 1- Das erfte ——— der am Beobad
Gebiete anfäjfigen Kenner der Vogelwelt tungöorte brütenden Arten (Motierung
die Aufforderung, ſich der Gefellfchaft zur der allereriten Wahrnehmung, dann
Berfügung zu ftellen, Die Bedeutung von der darauffolgenden swetiten).
Beobachtungen Über Borfommen und Lebens: | 2 Die ne ws Eintreffen.
weiſe der Bögel, insbejondere aud über | 7 Die J unft der Mafie. ;
den Bogelzug für unſere Wogelichug- — urchzug von nördlichen Ban
beftrebungen braucht wohl nicht erſt aus: | _ ei ; i
einander gejegt zu werden. Wiffenidaftlich | d. Das tatlädliche — am alu⸗
würden auch dieſe Beiträge zur Kenntnis Neſte un zufammenfallend mit der
der MNaturgefchichte unferes Landes durd) erſten Beobachtung).
die klimatiſchen Verhältniſſe erhöhte Be— 2. Im Herbſi.
deutung gewinnen. Die „Inſtruktion“ ift | 1. Beginn des Abzugs der Brutvögel.
‚Übrigens nicht nur für die von ntereffe, | 2. Der Durchzug der Vögel aus dem Norden.
u b
—
3. Die legte Beobachtung der einzelnen
Arten.
4. Das Eintreffen von Wintergäften und |
die Dauer ihres Verweilens.
3. Bezüglich beider Zugszeiten
(Frühjahr und Herbft).
. Wenn möglid, die Bugricdhtung der
beobachteten Vögel.
Der BWitterungscharafter und die Wind:
rihtung am Beobadjtungstage und am
Tage vorher (Thermometerangaben nur
nah Gelfius = C).
B. Beobadtungen über das Bor:
fommen und die Lebensweiſe
im allgemeinen.
. Ob ein Vogel Brutvogel,
oder Wintergaft ift.
. Angaben über das Brutgejchäft (Beginn
des Neſtbaues, der Eiablage, Bahl der
Eier, Dauer der Bebrütung 2c.), die
Nahrung und alle fonftigen Lebens:
gewohnheiten.
. Mitteilungen über das Gricheinen jel-
tener Bogelarten.
Es wird aljo jede, auch nur teilmeije
Beantwortung der geitellten Fragen und
nur lüdenhafte Ausfülung der immer
am Schluß des Kalender-Jahres
franfiert einzufendenden Beobad)-
tungsliften freudigft begrüßt werden und
ein weit höherer Wert auf deren abjolute
Zuverläffigfeit gelegt ald auf deren Menge.
In zweifelhaften Fällen oder bri Er«
fegung von als Seltenheit erfannten Ob-
jeften wäre deren Ginjendung an Die
Wbteilung jehr wünſchenswert und würden
alle Bortoauslagen erfegt, wie au Ertra-
vergütungen an Stelle der Raubzeugprämien,
Entihädigungen für Nutzwild zc. auf Wunſch
gerne gewährt werden. Weiter wäre es
nob von großem Borteile, mit jolchen
Herren, die zu eingehenderen Beobachtungen
an ihrem Wohnorte bereit find, in Korre
Durzügler
67
jpondenz treten zu fönnen, um denjelben
eventuell noch bejondere, für die Erforſchung
der betreffenden Gegend fpeziell wünjchens:
werte Fingerzeige zu geben,
Zur Eintragung der Bug
beobadtung dienen eigene Zettel
— für jede Bogelart einer —, welde
an die Berichterftatter in einer ge
mwijfen Anzahl verteilt werden, im
übrigen aber von dieſen jelbft leicht
nad dem gegebenen Muſter ergänzt
werden fünnen.
Die weiteren Beobadtungen liber
das Vorkommen, die Zur und Abnahme,
über Neueinbürgerung oder gänzliches Ver—
ſchwinden einer Art, ferner über die ſonſtige
Lebensweiſe (Nahrung 2c.) mögen, fofern
der betr. Bogel nicht jchon einen eigenen
Bettel für die Zugsnotierungen (auf deſſen
Rückſeite Pla für meitere Bemerkungen
ift) erhalten hat, auf einem jelbft an-
gelegten Bogen fortlaufend eim
getragen werden. (Papier einjeitig
beichrieben !)”
Daraus ergibt fih ſchon, daß nur
gründlide und mit Erſcheinungen der
Vogelwelt einigermaßen vertraute Perſonen
an den offiziellen Beobachtungen teilnehmen
fünnen. Anerbietungen, Beobachtungen
anzuftellen und fonftige Zufchriften find zu
richten an die „Ornithologiſche Geſellſchaft
in Bayern, Mbteilung für Beobachtungs-
ftationen, Münden, Therefienftr. 72/111.
Es ift jehr zu wünfchen, daß die Ge-
jellihaft au in der Pfalz eine höhere
Mitgliederzagl erreichen möchte, ſowie das
in anderen Gebietsteilen der Fall’ ift.
Jeder Naturfreund wird von dem Beitritt
Vorteil haben. — Der Beitrag beträgt
jährlih 6 Mark. Die Berichte enthalten
fters wiſſenſchaftlich und praftifch wichtige
Beiträge von Autoritäten. Die Geſellſchaft
verfügt über eine reichhaltige Vibliothef und
ſteht im Schriftentaufch mit den bedeutenditen
Fachvereinen und Beitichriften aller Länder,
Dr. Schwangart,
i. d. Pf. Wein: u. Obftbauztg.
Dürre Gexen- oder Elfenringe auf den Wieſen bei Vetersbächel.
In der jegigen Wanderzeit ift dem
Beſucher der Südpfalz die Gelegenheit ge:
boten, bei Betersbäcdel eine in unjerer
|
|
|
1
Heimat font jeltene Erſcheinung zu be»
obadıten.
Auf den Wieſen füdli vom
Dorfe hebt ſich nämlich in der Nähe einiger
Sırihertisme auf der Berisherie eines
Salbfre:ies von erwa 16 m Zurdhmeiier
em unrorfähr SD em breiter, vom Gras:
wuchs coliftärtig entklößter, ganz auffälliger
Strefen ob. Er it vor ungefähr 12 bis
15 Jahren ertftarden urd hat fi ſeitdem
immer mehr nad außen vorgeihoben, wo- '
bei jedoch ber Graswuchs in entipredhender
- Entiermung ſich aud wieder eingeftellt hat.
Schon im vorigen Jahre hatten die pfäl-
ziſchen Beiturgen über dieſe Erſcheinung
zuſammen mit dem dortigen Bitumen—
vorfommen kurz berichtet. Es handelt ſich
nach näherer Unterſuchung um einen der
ſogenannten Zauber-⸗, Heren- oder
Elfenringe, wie fie auch manchmal in
Wäldern vorfonımen, Früher spielten fie
im Bolfdsaberglauben als Zummelpläge
der Seren und Tanzorte der Elfen eine
große Holle und waren aud von Ecap-
gräbern und Geiſterbeſchwörern ganz; be-
fonders geſuchte Punkte zur Ausübung
ihrer dunflen Künſte. Lange konnte mun,
troß der veridjiedenften Erflärungsverfucdhe,*)
der Sache nicht auf den Grund kommen,
und erft 1874 fanden, wie „Die Natur”
(1901 &. 81) berichtet, „die Agrifultur:
chemifer von Rothamfted in England das
Richtige. Schon 25 Jahre vorher war
ihnen das abmedjjelnde Wuftreten von
Pilzen und lippigem Graswuchs in ſolchen
Glfenringen als eine Art natürlicher Frucht:
folge aufgefallen, ohne daß fie den richtigen
Schluß daraus gerogen hatten, bis die
Unterfuhungen vom Jahre 1874 in dieje
Angelegenheit Yicht brachten. Die chemische
Analyje des Bodens der Glfenringe und
ihrer Umgebung ergab nämlich Folgendes:
Die Erde innerhalb des Wınges enthielt
*, Bgl. 3. B. dv. Geyffer, Erklärung der
jvoen. ı — oder Hexenringe auf, Wieſen und
eldeplägen und Schloßbergen, Über die Be-
slebung der Pilzbüdung au den fogen. Heren:
ringen Jahresheft d. Ber. 5 baterländifche
Naturkunde In Württemberg. 2. Jahrg. 1847,
S. 160-165 und 239—243, — veren. oder
ea „Die Natın“, 50. Jahrgang, 1901,
. BI 8%,
am wen’atten, die aukerbalb erwas mei
und de Erde im Rırzge Vet am mete:
Enfkof. Der Rıng wer mirt:n Ir
die im Sabre vorher gewetienen #.::
gedüngt worden urd legtere Exrtem =:
indireft den üpr:ıgen Graswuchs bercr
gerufen. Ta nun das fraiteoll de:
Elienringes wieder den Eır:fhoit de
Bodens verbrauht und da aus birier
Grunde der Boden imnertalb desſelbe
ftifitoffärmer ift, als außerbalb, je Hr!
die Pilze gezwungen, an der äußere:
Peripherie des Ringes weiter :i.
wadien, was dann jeinerjeit# wieder r-
Borichreiten und eine Vergrößerung de—
Elfenringes zur Folge bat.“
Die ald Erzeuger der Elfenringe —
Rothamſted beobachteten Pilze find: Agarin:
prunutus Pers. und Marasmius Orcadur.
Pers. Außerdem find noch als folk
Spathularia flavida Pers. und Psallio‘a
campestris /rres. beobadıtet.
Diefe für Nothamfted gegebene Ed!
derung trifft im allgemeinen auch auf der
Herenring bei Petersbädel zu, doch Handel:
es fih bier um feinen grünen, jondern ur
einen der jelteneren dDürren SPerenringe.
bei dem graumweiße, fnotenförmigen Bılı
wie man fich beim Ausftehen eines Stüde
Nafen leicht überzeugen fann, etwa 4 cm
unter der ihrer Grasnarbe beraubten Ober
flähe an der Pheripherie weiter wuchern.*
An einzelnen Stellen, wo der Rafen in den
legten Jahren zufällig ausgeftochen worden
ift, bat fih der Graswuchs den jonft
regelmäßig verlaufenden fahlen Streifen
unterbrechend, wieder eingeftellt; eın plar-
mäßiger Abhub der befallenen Randpartien
würde den Herenring wahrfjcheinlich nad
und nach ganz zum Berichwinden bringen.
x Dr. Häberle.
"Nah v. Seyffer handelt es fich bei den
bürren Herenringen meiſt um Agaricus orcades;
ob bdiefer Pilz auch bier dad Wbjterben dei
er berurfacht, entztebt fich meiner
enntnis.
Untergegangene Börfer in der Pfalz.
Hochintereſſant ift die Flur der ein-
gegangenen Dörfer in der Nähe von Yandau,
Segen Godramftein, hinter dem „Fort“
lag das Dorf Mühldaufen, mit eigenem
Wochenmarft und einer Pfarrei, welde
| no am Ende des 15. Jahrhunderts vor-
fommt.
ift jede Spur verfchwunden. Am andern
Ufer der Queid, da wo die SHeeritraße
iiber den Sanal tritt, nach Godramftein
einbiegt und der Weg von Arzheim herab:
fommt, ftand das Dorf Servelingen, deffen
Namen fih nod in den Flurgewannen er-
halten hat. Der verftümmelte Grabftein eine®
Ritters von Bogeliang aus dem Jahre 1363
erinnert noch an die Stätte, wo fich Fried:
hof und Kirche des Ortes befanden (vgl.
II. Jahrg. S. IT). Das Dorf Eugingen
lag vor dem franzöfiichen Tore hinter den
Cornichons am Bierbach, der Eußinger
Brunnen bezeichnet allein noch jenen Ort,
Bor dem deutichen Tore, rechts von der
großen Heerſtraße auf dem Horft, lag das
Dorf Oberbornheim, deſſen Plap im
„Suftin“, wo die Kapelle St. Juftus war,
man noch erfennen fann. Auch im Speyer-
gau wird eine große Zahl folcher unter:
gegangener Drte genannt, wie Blatmares:
heim, Crothinchheim, Daſſenheim, Stratfeld,
Ubitatt u. a, Marürlich find unter diefen
als eingegangen bezeichneten Orten mand)e
noh als Höfe vorhanden, einige werden
aud noch als neue Dörfer beitehen. Nicht
jelten iit eines Dorfes Untergang nad
dem Bolfsglauben durcd eigene Ber-
gehen verjchuldet, doch haben ſich hierüber
69
Bon der Kirche und dem Dorfe | vielfach ipielt aud die VBinetafage hierher.
Es gibt in der Pfalz fleine Seen und
Flüffe, aus deren Tiefen zu beftimmten
Beiten die Gloden verjunfener Dörfer
läuten. Hierbei jei Altrip genannt, das
Alta ripa der Römer. Diefes einftige
Gaftel ftand auf dem rechten Rheinufer
und liegt jegt in der Tiefe des Fluſſes.
Im Jahre 1380 war das Mauerwerk noch
völlig ſichtbar und 1750 die Baurefte bei
niedrigem Waflerftand jo deutlich, daß der
Rektor Litzel aus Speyer diejelben genau
beobadjten und beichreiben fonnte, Der
König Dagobert gründete ſpäter hier ein
Kloſter, das gleichfall® unterging. In den
romantiſchen Dichtungen von Sarl dem
Großen und feinen Paladinen fommt Alta
ripa ebenfalls vor und die alten Sagen
melden von friftallnen Sclöffern und feen:
haften Gärten im Grund des Rheins. Es
ift erjtaunlich, wie fchnell das Volk die Art
des Verſchwindens mander Dörfer und
Orte vergißt. Bon im 3Ojährigen Krieg
zerftörten, verfallenen und dann ab»
getragenen Orten wird erzählt, daß fie mit
Kirchen und Gloden tief unter den Boden
gejunfen jeien und daß die Glocken an be:
ftımmten Tagen oder Felten herausfklingen
aus der Erde. So mebt die Nomantif
und die Poeſie ihren Kranz um mande
eigene MUeberlieferungen nicht erhalten, | öde Stätte, wo Steine und Tifteln ſtehen.
Ein neuer Führer durch die Aheinpfalz
In mehr als einer Dinficht ift e8 er:
freulich, daß ſich nunmehr auch die fchöne
Pfalz kräftig rührt, einen Zeil des Jahr
um Jahr ins In und Ausland fih er
gießenden Fremden. und ZTouriftenftromes
in ihre blühenden Gefilde zu leiten. Die
Anläufe, welche jeit einigen Jahren in diefer
Nihtung gemadıt worden find, find mim
neuerdings um einen beſonders glüdfichen
und vielveriprechenden vermehrt morden,
der vom Haupt Berkehrs-Ausſchuß
des Pfälzerwald Bereins, dem vor
allem dazu berufenen Organe, ausgeht und
hoffentlich die erwarteten Früchte zeitigen
wird. Zum erftenmal tritt die Pjalz mit
einem lediglich zu Bropagandazweden her-
geitellten Führer durh die Rhein
pfalz an die Deffentlichkeit. Auf 88 Seiten
Tert bringt er in Elarer präziſer Sprache
eine Bejchreibung der ganzen Pfalz und
wird Dabei in durdhaus ſachlicher Dar-
jtellung der Schönheit aller ihrer Gegenden
gerecht. Was bejonders begrüßenswert ift,
ift der Umftand, daß überall auch der
reichen geichichtlichen Vergangenheit des jo
eminent hiftoriichen Bodens unſerer Heimat
gedacht ift. Bei den größeren Orten gibt
der Berfajler außer einer Beichreibung und
einem geihichtlihen Rückblick aud in ſorg—
fältiger Aufzählung die Sehenswürdigkeiten,
jowie die näheren Spaziergänge und
weiteren Touren und Ausflugspunfte an.
Bon der praftifchen Einteilung des Führers
wird man am deutlichften einen Begriff
befommen aus der nachitchenden Aufführung
der hauptſächlichſten Kapitel: Am Rhein;
Lurmwigshafen Neuftadt; die untere Haardt;
von Neuftadt bis Weißenburg; in den
pfälzischen Bogejen ; in der Haardt; Kaiſers—
lautern ; Johannisfreuz ; Bahnlinie Kaifers-
lautern Odernheim; das mittlere Glantal;
vom Rhein durchs Aljenztal; der Donners:
berg; Mainz» Alzey Kaijerslautern - Meß;
Staijerslautern » Saarbrüden; durch das
Queichtal in die pfälzifche Schweiz: Bir
majens, Zweibrücken; im Bliestal. Wertvoll
ift, daß auch die wichtigften Marfierungen
im Bfälzerwald forgfältig und zuverläjlig
aufgeführt find und eine Ueberſicht der
pfälziſchen SHauptmurfierungs-Linien bei—
gegeben iſt. Als wertvolle Ergänzung dazu
iſt dem Führer eine Karte beigegeben, in
der die Haupttouriſten-Linien der Bialz |
mit roten Linien eingetragen find und die |
eine liberfichtlihe und leichte Orientierung |
ermöglicht. Weiter hat der Berfaller aud) |
den Plan einer ganzen l6tägigen Ferien:
Wanderung ausgearbeitet und beigegeben,
der nah Zeit und Neigung leicht ab-
geändert werden fan und dem fremden
in befter Weiſe behilflich ift, in bequemer,
wohl unvergekliher Wanderung die ganie
Ihöne Pfalz zu durchqueren. Ein genaues
Sadıregifter jchließlidy ermöglicht eine leichte
Orientierung. Auf die Ausftattung ıl,
wıe es fi für derartige Schriften aud
geziemt, ein ganz bejonderer Wert geleg
worden. In ihmudem Einbande, auf der
ın hellen Farben die Limburg fich vom
jatten Grün und von dem leuchtenden Ru:
des Abendhimmels abhebt, präfentiert Mid
der Führer ebenfo vornehm wie gejchmad:
voll. Reicher fünftleriiher Buchſchmuck unt
eine groke Anzahl aufs feinfte ausgeführter
Bilder, künſtleriſch ſchöner Aufnahmen von
bemerkenswerten Bunften aus allen Gegenden
der Pfalz, verleihen dem Buche einen
ganz bejonderen Reiz. Hier haben ſich die
Thieme'ſchen Drudereien in Kaijerslautern,
denen ſowohl der Entwurf wie die Aus:
führung des ganzen Führers übertragen
war, ein bleibendes PBerdienft erworben,
Ber neue Erzbifchof von Münden.
Seine Königliche Hoheit der Prinz.
regent haben den Domdecdant Franz
Bettinger in Speyer zum Erzbiſchof
von Münden fFreifing ernannt.
Domdekan Franz Bettinger wurde jchon
jeit Jahren in Pfälzer Streifen als ein Mann
beurteilt, dejjen Fähigkeiten ihn im voraus
beftimmten, zu den höchiten Stufen fird)-
liher Wiirde emporzufteigen. Es war dies
eine Meinung, die nicht nur im firdhlichen
und ihm naheftehenden Streifen herrichte,
fondern die auch da fich bildete, wo man
politiih oder religiös auf einem anderen
Standpunfte jtand. Ganz bejonders günftig
geftaltete fih die Beurteilung Franz
Bettingers während feiner löjährigen Tätig
feit ald Domfapitular und Dompfarrer in der
pfälz. Sreishauptftadt von 1895 bis 1909.
Ein echter Sohn der Pfalz — der neu
ernannte Erzbijchof ift 1850 in Landſtuhl als
Sohn eines Handwerksmeiſters geboren —,
hatte er als Staplan in Staijerslautern und
insbefondere al8 Pfarrer in Yambsheim und
NRorheim ſich als ein im wahren Sinne
des Wortes volfstümlicher und beliebter
Geiftliher bewährt. Speyer mit jeiner
fonfeifionell ſehr gemiſchten Bevölkerung
wurde dann das Feld, auf dem Pfarrer
franz Bettinger alle Borzüge eines ruhigen,
maßvollen Weſens in einer vernünftigen
Duldjamfeit offenbaren fonnte. Die Äußere
Laufbahn des neuen Erzbifchofes hat id
in fehr einfachen Bahnen bewegt, er bat
aber überall, wo er miıkte, ſich als eminent
tatkräftig bewährt. Seine Studien hatte
Franz Bettinger in Innsbrud, Würzburg
nnd Speyer gemacht; daß er in Würzburg
ih nicht den Doftorhut geholt bat, hat
damals viele verwundert. Der Brieiter:
mangel aber, der in den 7er Jahren in
der Diözefe Speyer herrichte, ließ die
jofortige Berwendung aller Neugeweihten
in der praftiichen Seelſorge notwendig er:
Icheinen, und jpäter, im aufreibenden Leben
eines vielbejchäftigten Pfarrers und Diftrifts-
ichulinfpeftors, fand Franz Bettinger nicht
mehr die Zeit, an die jchönen Erfolge an-
zufnüpfen, die feinem wiſſenſchaftlichen
Streben in Würzburg bejchieden gemejen
waren. Deftomehr betätigte er fich als
Dann der Praxis, leitete Sirchen- und
Spitalbauten in die Wege, war überall
zugegen, wo es zu raten und zu belien
und zu dirigieren gab, und zeigte fich ftets
auch den Andersgläubigen als freundlicher
Helfer.
1
Aleine willenfhaftliche Hotizen.
In diefem Yahre beginnen die Höhen-
chichten Aufnahmen in der Balz
urh das Topographiſche Bureau des
ayeriſchen Generalitabs. Der Anfang
vird im Südoften mit dem unmittelbar an
ie Reichslande grenzenden Amtsbezirk
Bergzabern gemadt. Die VBorarbeiten
ſierzu, das geometrijche Nivellement, haben
chon vor zwei Jahren begonnen. Die
Aufnahmen und Meflungen finden von An-
ang Mai bi8 Ende September ftatt.
Die Kalmit wurde am 27. April von
inigen Meteorologen beitiegen; ed handelt
ich um Borbereitungen zu einer Errichtung
'iner Dradenflieger- Station, die für
yen meteorologifchen Dienft rn bei
I
Bei der Kgl. Wein: und Obitbaufchule
in Neuftadt a, d. 9. wird eine meteoro:
logiihe Station eingerichtet, die haupt.
ſächlich den Zweck hat, dem vorderpfälziichen
Weinbau nüglih zu fein. Die Station
ift jedoch zurzeit noch nicht fomplett. Bis-
ber find vielmehr erſt Aegiftrier-Apparate
vorhanden, Die Anftalt wird aber dem-
nädft eine Eingabe an das Stel. Staats
minifterium einreihen und um Bewilligung
der in Ausficht geitellten Mittel nachſuchen,
damıt die neue meteorologiihe Station mit
den fehlenden genaueren Inſtrumenten und
den Apparaten zur Meſſung des Luſtdrucks
und der Feuchtigkeit verjehen werden fann,
Biftorifches Muſenm der Pfalz.
Das Hiftorifde Mufeum der
Pfalz veröffentlicht einen Aufruf an alle
Freunde des Pfälzer Weines, aus dem wir
olgendes hervorheben: Im neuerbauten
piftorifhen Mufeum der Pfalz zu Speyer
ol aud ein Pfälziſches Weinmufeum er-
tehen, wofür im Bauplan des Meifters |
Sabriel von Seidl geeignete, eigens dafür
rdadıte Räume vorgejehen wurden. Gin
Yerartigeds Weinmufeum mird eine in
Deutichland noch nicht beftehende Sammlung
Yarftellen. Um das Mufeum des pfälzijchen
BWeinbaues würdig zu geftalten, muß die
»ereits beftehende „Weinfammlung” erheb-
ich vergrößert werden. Es mendet ſich
Yaher das Hiftoriihe Muſeum der Balz
ın alle Pfälzer mit der Bitte, geeignete
Segenftände für das Weinmuſeum zu ftiften,
jegebenen Falles auch unter Gigentums«
sorbehalt zu hinterlegen, insbejondere alte
Fäſſer mit Schnitzwerk, alte Keltern, be
ſonders ſolche mit Jahreszahlen, gejchnitte
Faßboden und Faßriegel, alte Küfer umd
ſtellergeräte, Weingefäße jeder Art, Bein
maße, Weinurfunden, wie alte Preisliften,
Urkunden und Lieder, weldhe den Wein er-
vähnen oder betreffen, alte Weinfarten,
Bilder, Etiketten, Skulpturen, Bappen,
Werkzeuge, Gläjer, Krüge, Humpen, furz
les altertümliche, was irgendwie mit dem
Weinbau zulammenhängt, Der Name eines
jeden Stifters joll deutlih am überlaſſenen
Gegenitande angebracht werden. Auch find
Geldfpenden willlommen zum Anfauf ſolcher
Gegenftände von bedürftigen Beligern.
Das neue hiſtoriſche Muſeum
der Pfalz, das demnähft in Speyer
eröffnet wird, ſoll eine befondere Abteilung
für alte Bfälzer Trachten und Koftüme
erhalten. Ferner jollen aud die alten
Gaftwirtihaften im Weinbaugelände, ſowie
die Winzergenoſſenſchafts Wirtjchaften für
die Wiedereinführung der Bfälzer
Tradter dadurch intereifiert werden, daß
das Perjonal in Zukunft Trachten anlegt,
mie ed 3.8. im Spreemwalde, an der Ditjee-
füfte ulm, geſchieht.
Der Konjervator des Pfälz. Mujeums
in Speyer Dr. Sprater veröffentlicht
joeben in der Monatjchrift des Hiftoriichen
Vereins einen jehr intereffanten Bericht
über eine vorgeichichtlihe Höhenſiedelung
bei Bad Dürkheim. Unter Beleuchtung
mancher früheren Forſchungen erfahren mwir
bier von einem Fachmann viel neues über
die Urgeichichte des Lımburgberges, der mit
feinen zahlreichen Ueberreften einer früheren
Beit heute nod eines der interejjantejten
Nätjel des Pfälzerlandes ijt.
— IE —
Ber Berein „Bfälzifher Aünfler und Aunffrennde“ in Hrufadt
plant u. a. die Errichtung einer pfälziichen | Arbeiten erfolg. Auch die vielen vor:
Malerihule unter Zuziehung pfälziiher | Handenen Weinſagen follen gefammel:
und ausmwärtiger Künſtler. Auch mwird die | werden. ferner wird eine Sammlung ur)
Gründung einer pfälziihen Malerfolonie an- | fünftlerijche Auswahl der pfälzifchen Bolt—
geitrebt. ferner joll ein pfälzifches Künftler- | Lieder erfolgen, wobei ebenfalls ein Preis
heim gegründet werden, das als Mittelpunft | ausjchreiben für Maler und Mufifer vor
des pfälziihen Sunftlebens gedacht ift. geiehen iſt. Bejondere Aufmerkſamken
Unter den Aufgaben, die fich der junge | wird dabei den „Herbitliedern“ des Weir
Berein gejegt Hat, befindet ſich aud die | baugebietes geſchenkt. Parallel mit dieſer
Verbreitung der pfälziihen Sagen, 3. | Sammlung geht die der pfälziicder
B. der hiftorifch bedeutenden Sagen von | Heimatlieder von Sceffel, Aug. Beder,
Rihard Löwenherz (Burg Trifels), von Baumbach, Julius Wolf, Uhland, Greif u.a
Lindenjhmidt, Dagobert, Franz von Sif- | befannten Dichtern, ebenjo der dıe Pfalz be
fingen, der Nibelungenjage ulm. Die Ber- | treffenden Lieder von Loewe, Herm. Butter,
breitung jfoll durd Malerei, Boefie, Muſik, Liebe, Küken und andere mehr. Dabri wir
Bildhauerei und Nunfigewerbe erfolgen. ſich die Tätigkeit des Vereins auch daran!
Es follen Breisausfchreiben veranftaltet | erftrefen, daß gute VBertonungen de
werden, bei denen die Auswahl der beiten | jchönften Heimatlieder angeregt werden.
Sonnentan,
Un einer Stelle des Waldiaumes der | von deren FFanghaaren feftgebalten. De
Haardt in der Nähe unferes Ortes wurde | Haare fondern jofort einen Flebrigen Saft
vor einiger Beit eine fleijchirefiende | aus, der das Inſekt feitleim. Dann rollt
Pflanze entdedt, die anſcheinend dort | fi das Blatt zujammen und das Tierden
ichon jeit längerer Beit angefiedelt ift. Die | wird von dem Blatte regelrecht ausgejogen.
Pflanze wächſt an einer Stelle, die von | Der Saft des Tieres wird durch die Poren
einer Quelle beriejelt wird. Es handelt fi) | von der Pflanze aufgenommen, das Tierchen
um Sonnentau (Drosera rotundifolia), | wird durch diefen Prozeß getötet. Iſt dieier
ein zierliches Pflänzchen, das auf dem an | Vorgang zu Ende, jo rollt fi) das Blatt
dieſer Stelle ſehr üppigen Moos ſchmarotzt. wieder auf und der Yang beginnt aufs neur.
Betrachtet man die fleinen, runden, ſtark Im Frühjahr und Sommer fann man auf
behaarten Blättchen genau, jo findet man | den Pflanzen, die eine Sıedelung von viel-
auf ihnen die anſcheinend ausgerrodneten | leicht fünf Quadratmeter Fläche bededen,
Leiber kleiner Inſekten. In Wirklichkeit | Dugende von Fleinen Fliegenleichen jeher,
find es die Sfelette der Opfer dieſes die nod an den Blätthen hängen. Die
Pflänzchens. Sobald nämlih ein Inſekt mörderiſche Pflanze ift mit der merifanijchen
iiber eines der Blätter läuft, wird es | VBenusfliegenfalle nahe verwandt,
nBalt: Geheimrat v. Neumayer. — Begel- und Regenmeß-Stationen in der Pfalz. —
Ueber die Mammute des Rheintals — Gegen die Verunreinigung des Speyerbachs. — Hydro
graphie und Schiffahrt. — Ueber zwei für den Wein- und Objibau michtige Bereinigungen. —
Dürre Heren- oder Eifenringe auf den Wiefen bei Petersbächel — Untergegangene Dörfer in der
Pfalz. — Ein neuer Führer durch die Rheinpfalz. — Der neue Erzbifhof von München. — Stleine
wiſſenſchaftliche Notizen — Hiftorifhes Mufeum der Pfalz — Der Berein „Pfälztfcher Künitler
und Kunſtfreunde“ in Neuftadt. — Sonnentau. —
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landituhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern.
Für Form und Inbalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
(Unverlongte Manuftrıpte werben nicht aurüdgelandt.)
Die „Bfälziiche Heimatkunde” koſtet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Behellungen werden von allen Bu
Toflanflalten ferner vom Berleger (Vortofreie Streifbandiendung) angenommen. Abhandlungen as}
—
*
1
Beilage zur „Bfälz. Heimatkunde” Nr. 6, 1909.
V. Jahrgang.
Nummer 7.
Juli 1909.
TPALZISCHE HEIMATKUNDE |
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
EMANNE EU
—2
Eine Ausſtellung bayeriſchen Borzellans
betreffend erläßt das Bayeriſche National»
mufeum an die Intereſſenten eine Ein-
fadung zur Beteiligung. Es beabfichtigt
— in Verbindung mit dem Bayer. Verein
der Kunftfreunde (Mujeumsverein) — in
der Beit von Ende Yuli bis Mitte
September ds Is eine Ausftellung
bayerifhen Borzellansdes 18. Jahr—
hunderts zu veranitalten.
In Betracht fommen aljo in eriter
Linie die Manufafturen Nymphenburg,
Frankenthal, Zweibrücken, jomie Ans»
bad. Wenn auch im mejentlichen nur Er-
zeugniffe des 18. Jahrhunderts zur Aus-
ſtellung gelangen follen, jo fann bei
Nymphenburg die Grenze weiter — etwa
bis 1830 — geſteckt werden. Dabei joll
die figürliche Plaſtik befonders bevor-
zugt werden.
Die Direftion des Bayeriſchen National»
mujeums richtet deshalb an alle Borzellan-
befiger das Erſuchen die Ausftellung durch
Ueberlafjung der für genannte Bmede ge-
eigneten Stüfe aus ihren Sammlungen
fördern zu wollen. Der Sönigl. Hof in
Münden, verjchiedene namhafte Mufeen
außerhalb Bayerns und zahlreiche Privat-
jammler haben bereit8 ihre Unterftüßung
zugejagt.
"Das Mujeum trägt jämtlihe Fradıt-
und Berficherungstoften. Für die Sicher—
heit der Objekte in den dem Mujeum an:
gegliederten Wusftellungsräumen gegen
PBeihädigung, dann gegen Diebs und
Feuersgefahr ift im meiteftgehendeın Um—
fange — glei wie für die Sammlungs-
objefte des Bayeriihen Nationalmujeums —
Fürforge getroffen durch intenfive Beauf:
fihtigung durch Mufeumsdiener mwährend
der Bejuchszeit, ſowie durch öfteres Be
gehen der Räume nad Schluß der Befuds-
zeit und mährend der Nacht durd die
ftändige ftaatliche Feuerwehr des Bayer.
Nationalmufeums. Infolgedeſſen erjcheint
jede Gefährdung ausgeichlofjen.
Jeder Ausfteller erhält eine Freikarte
für ftändigen Beſuch der Ausitellung, fo-
wie ein Eremplar des illuftrierten Stataloges
gratis. Selbftverftändlich werden die Be—
figer bezw. Ausfteller der einzelnen Objefte
im Katalog jedesmal ausdrüdlich genannt.
Die für die Ausftellung beitimmten
Stüde follten bis ſpäteſtens Mitte Juli
an das Bayeriſche Nationalmujeum
abgeſchickt werden.
Um den Umfang der geplanten Aus—
ftellung rechtzeitig überjehen zu fönnen,
wäre baldgefällige Benachrichtigung durd)
Poſtkarte erwünſcht. Auch werden Adreſſen
von Sammlern, die für Zwecke geeignete
Stücke befigen und fih an der Ausftellung
beteiligen würden, mit Danf entgegen»
genommen. Die betr. Sammler oder Be»
figer mollen fi, ſoweit fie nicht ſchon Ein»
ladung erhalten haben, direft als Teil:
nehmer anmelden !
74
Abbe Richards Tätigkeit in der Yfalz als Auellen-Gucder,
aber ohne Wünfdelrnte.
Die Verſuche, welche ingenieur Bott:
mann und Dr. Migner gegenwärtig in
Münden madhen, um mittel® einer
BWünfhelrute unterirdiide Wajjer-
aderm aufzufinden, rufen die Erinnerung
an einen Mann wieder wach, der in den
Wer Jahren des vorigen Yahrhunderts
durch feine Geſchicklichkeit im Entdeden von
Quellen eine gewiſſe Berühmtheit im
Deutihland erlangte und der es verdient,
daß fein Name der Bergeffenheit entriffen
wird. Es ift dies der Ehrenkanonikus
Abbe Rihard, der bis zum Jahre 1863
als Profeſſor am Seminar zu Montlieu
im Departement Charente Inferieure tätig
war, dann aber von feinem Beruf als
„Hydrogeologe“ fo ſehr in Anſpruch ge
nommen wurde, daß er ſein Amt nieder
legte und nur mehr feiner Wifjenichaft lebte,
die ihm außer Ehren und Auszeichnungen
aud ein ganz anfehnliches Einfommen ver-
ſchaffte. Die eriten Berfuche, welche er in
den Jahren 1861 und 1862 in dem aller-
dings unglinftigen Gelände der Eifel unter:
nahm, jcheinen von feinem großen Erfolg
gekrönt geweſen zu jein, doch mwurde jein
Name befannt und überall murde jeine
Hilfe begehrt. Wir finden ihn während der
folgenden vier Yahre bald in der Nhein-
provinz, bald in Naſſau, in Helen, in
Sciefien, in Mähren und in Böhmen
tätig und faft überall wurden die Ermwar:
tungen jeiner Wuftraggeber in reichſtem
Make gerechtfertigt. Allgemein wurde er
als ein Beglüder der Menjchheit gefeiert;
aus gleichzeitigen Nachrichten erfahren wir,
daß ihm auf einer Reife, die er im Auguft
1863 von Aachen nach Lennep und Hückes—
wegen an der Wipper machte, liberal,
namentlih aber in Elberfeld Huldigungen
dargebradht murden. Im Herbſte des
gleichen Jahres fam er auch in die Pfalz.
Nachdem er auf dem Yangenjelder Hofe
bei St. Wendel für Gutsbefiger Getto und
auf dem Forbacher Hof des Herrn Starcher
bei Neunfirhen Quellen geſucht und ge
funden hatte, begab er fih am 1. November
auf den Offweiler Hof bei Zweibrücken,
wohin ihn der jeßige Königl. Landes:
Oekonomierat Freudenberg eingeladen hatte.
Durd den reichen Erjolg, den jeine Kunſt
bier errang, wurde jein Ruf aud im Der
Bfalz verbreitet und eine Reihe pfälzifcher
Gemeinden, wie Neuftadt a, H., Edenkoben
und Maitammer nahmen in den nädhiten
Jahren jeine Dienfte in Anſpruch. Herr
Freudenberg als vollendeter Beherricher
der franzöliiben Sprade mußte hierbei
öfters die Molle des Dolmerichers fpielen,
da Abbe Richard trog jeiner ausgedehnten
Tätigkeit in Deutſchland fein Wort deutſch
verftand. Auch in Schmittähaufen, dieſem
mwafjerarmen Orte auf der Sidinger Höhe
follte Richard feine Kunft verfuchen, doch
zerichlugen fich die Verhandlungen mit ihm.
Er war nämlich jo ftart in Änſpruch ge
nommen, daß er nicht allen an ihn geitellten
Geſuchen Folge leiften fonnte und mıt der
Ausdehnung jeiner Tätigkeit wuchſen auch
ſeine Forderungen. Für die Her und
Hinreiſe verlangte er 100 Fr., ebenſoviel
für Wohnung und Verpflegung und für jede
nachgewieſene Quelle waren ebenfalls wenig:
ftens 100 Sr. zu zahlen. Wenn er aber
für eıne Gemeinde eine befonder8 ausgiebige
Waſſerader angeſchlagen hatte, jo erhöhte
fi diefer Betrag je nah der Bedeutung
derjelben auf 100—150 Fr. Später ver-
langte er für Gelegenheitöbejudhe in Ge
meinden durchweg 250 fl. und freies Fuhr
werf, gleichviel ob er eine Quelle nad
zumeifen vermochte oder nidt. Das Ge:
ihäftsgebahren Rıchards war reell und von
allem Schmindelhaften weit entfernt, er
jelbft wird als ein Mann von einfachen
und beſcheidenem Auftreten gefchildert ; aber
die franzöfiiche Eitelkeit fam auch bei ihm
oft zum Vorſchein Der preußiihe Kronen:
orden und der Franz Joſefs ⸗Orden ſchmück
ten bei jeder Gelegenheit feine Soutane umd
gerne hätte er fih auch im Befig einer
bayeriihen Ordens Auszeihnung gejehen.
Allein ed kam nicht dazu, da er feit Ende
des Jahres 1865, ald man an höheren
Stellen gerade auf ihn aufmerfjam ge-
worden war, feine Gelegenheit mehr hatte,
in Bayern tätig zu werden, Kurze Beit
nach dem Striege von 1870—T1 fol er in
Frankreich geftorben fein. Richard arbeitete
nicht mit der Wünjchelrute, er beging ledig.
— 5 —
ih die ganze Umgebung des Ortes, für | diefes Mannes mit befonderen Eigenſchaften
melden Waller gefunden merden ſollte, | ausgeftattet, die ihn das metertief im Boden
ftudierte die nächſt gelegenen Steinbrlche, | verborgene Waſſer ahnen und empfinden
beiah fich die nächſten Quellen umd Wafler: | ließen? Oder waren feine Angaben wirklich
läufe und bezeichnete dann bei feinen Be- | nur die Folge von Berechnungen und nur
gängen Diejenigen Stellen, an melden | auf eine genaue Kenntnis der Geologie ge:
Walter vorhanden fei, mobei er auch — | gründet, wie er felbft e8 manchmal durch
und zwar meiftens vollftändig genau — an: | bliden ließ? Denn allen Erörterungen über
gab, wie tief man graben müfje, um auf | die Art und Weiſe feiner Kunſt ging er aus
das Wafler zu ftoßen.*) War der Slörper | dem Wege mit der furzen Bemerkung:
— #) Werau nach demielden Rerfahren wirt noch heute von | „Ü'est mon systeme — a moi*. —
dem berufsmäßinen Geologen das Borhandenfein von Waſſer
feflgefteltt
Der ‚Mainzer Brunnen‘ auf den tertiären Ablagerungen
am Badsberg bei Göllheim.
In der WMorgenausgabe der „Pfälz. eines fräftigen Bindfadens, Eine ftärfere
Preſſe“ vom 20. Nov. v. DB. Nr. 323 | fonftante Quelle ift an diefer Stelle auch
war eine berechtigted Nufjehen ertegende | faum zu erwarten, da das Niederſchlags
Notiz aus Dreifen zu lefen, welche damals | gebiet des Dachsbergs hierfür viel zu be
ihre Runde durh faft alle pfälziſchen jchränft ift. Beſtimmt wird ihr Auftreten
Blätter machte und folgenden Wortlaut | durch eine vom Gehänge angefchnittene un
hatte: „ALS geologifches Uniftum muß die | durchläffige tonige Schicht, welche als Duell»
bloßgelegte Quelle, beinahe am höchſten | horizont die durch die kalkigen Schichten
Bunfte des Dadjsberges bei Göllheim gelten. | raſch in die Erde eindringenden Nieder
In dem neu errichteten Stalfwerte des Land | fchläge nicht weiter in die Tiefe finfen
tagsabgeordneten Eugen Abrefch-Neuftadt | läßt, fondern fie auf ſich fammelt und ihrer
deckten die Arbeiter den dortigen früher be- | Neigung entiprechend nad außen leitet.
fannten Mainzerbrunnen auf, der in weiter | Dieje Schicht ift jet durch mehrere Schurf:
Ausdehnung Quellen aufmweift, die auch das | ſchächte und Stollen aufgefchloffen und
größte Etabliffement mıt Wafjerfräften ver- | liefert einen graublauen, zähen Ton, der
forgen würden. Haft unglaublih ift es, | ſ. Zt. in Bradwafler abgelagert morden
fo meinen nordpfälzifche Blätter, daß die | ift und nad einer in ihm zahlreich vor«
Duelle, die nahezu 15 Kubikmeter Waffer | kommenden foffilen Muſchel den Namen
liefert, nicht ſchon längſt gewerblih aus- | Cyrenenmergel führt; er tritt auch bei
genligt wurde. Das Waſſer hat einen fehr | Nierftein, Niederolm, Sprendlingen und
guten Geſchmack und ift vollftändig rein.” | Wöllftein auf und mird befonders zur
Da diefe Ausführungen leicht faliche Vor | Fabrikation von Ziegeln und Badfteinen
ftelungen ermeden fünnen, erjcheint ed an- | verwendet. Die dur die Schurigräben
gezeigt, den wahren Sachverhalt Flarzulegen: | aufgefhlofjenen Kalke dürften nah ben
Der Dachsberg ift der in der Göllheimer | darin auftretenden verfteinerten WWafler-
Gegend am weiteiten nach NW. vorgeichobene | fchneden zu den im Mainzer Beden meit
Ausläufer des Mainzer Beckens und haupt» | verbreiteten Eheritienfalfen und zwar
fächlich aus tertiären, eine fruchtbare Ader- | zu denen tiefften Niveaus zu rechnen fein,
krume liefernden Kalten aufgebaut. Die er- | wofür auch zahlreiche, die urjprünglichen
wähnte Quelle wurde jedod nicht „beinahe | Hohlräume ausfüllenden Kalkſinterabſätze
am höchften Punkte“, fondern ungefähr | zu fprechen fcheinen. Sie find aljo un-
auf der oberen Grenze des unteren Drittels | gefähr gleichaltrig mit jenen Kalken, die in
feines Gehänges freigelegt und entitrömte | Weijenauer Steinbrücen bei Mainz für die
bei meinem Bejuh Mitte —— obwohl Zementfabrikation abgebaut werden.
die Erde noch mit Winterfeuchtigkeit ge—
ſättigt war, ihrem Rohr nur in der Stärke erte dee
16
Herrſchaft Bitſch.
In der letzten Sitzung des weft ! Grafen von Zweibrücken, Herren von Bitſch.
-pfälzifhen GeſchichtsVereins hielt
Bezirksamtmann Pohlmann von Zwei—
brücken auf Grund zerſtreuter gedruckter
Literatur und urkundlicher Quellen einen
Vortrag über die ehemalige Herrſchaft
Bitſch. Im Gegenteil zu anderen deut:
ſchen Gebieten fehlte im Blies- und Saar-
gau eine herzogliche Gewalt, da die drei
großen Familien, die Walramiden, mweldye
fih in die Grafen von Limburg, Qurem-
burg, Saarbrüden — lehtere wieder in die
Landgrafen von Werd im Eljak, Herren
von Ochſenſtein, Grafen von Leiningen,
Grafen von Bmeibrüden fpalteten,
Grafen von Luneville-Me& und Grafen von
Elfaß, durd viele Zeilungen ihre Madıt
Ihwädten und da die drei benachbarten
Herzogtümer, Franken, Schwaben mit Elfaß,
Lothringen, den Schwerpunkt ihres In—
tereſſes an der dem Bliesgau entgegen:
gejegten Seite hatten. Unten den Herzogen
von Lothringen nahm die Herrichaft Bitſch
eine eigenartige Stellung ein; fie wurde
al8 Muttergut verwendet, um zmweitgeborene
Söhne auszuftatten. Ueber den Umfang
der Herrichaft Bitſch, in der zweiten Hälfte
des 12, Yahrhunderts, die fein mit Loth:
ringen zujammenbhängende® Xerritorium
war, geben vier Urfunden Aufſchluß.
Gegen Ende des Jahrhunderts drang die
Graffhaft Zweibrüden in die Herrſchaft
Bitſch, melde fih um den gleichnamigen
Ort gruppierte, vor, bis legtere 1297,
bezw. 1302 als lothringifches Lehen auf
dem Wege des Tauſches ganz an die
Grafen von Zweibrücken fam. Infolge—
deffen war bei abermalıgen Trennungen
der Titel der Landesherren von Bitſch:
— ⸗
Kurfürſtliche
Kturfürſt Karl Theodor, ein Freund
des Landbaues, unterjtüßte alle Beftrebungen,
welche eine Berbefjerung der Lage jeiner
Untertanen herbeiführen konnten. Er fuchte
den Dbftbau zu fördern, gab Anregung
zu einem rationellen Stleebau und. begründete
(1769) in Käfertal eine NRhabarber-
Plantage. Im Jahre 1770 führte der
Kurfürft planmäßig die Seidenzudt ein.
|
Nah dem Ausfterben der Grafen von
Bweibrüden 1570 entftanden langmierige
Erbihafts-Streitigkeiten: Die Anſprüche
zweier Gräfinnen, der älteren und jüngeren
Scmeiter des lekten Grafen von Zwei—
brüden, waren nichtig ; der eine Prätendent,
Gemahl der Erbtohter Amalie, Graf
Philipp von Hanau:Lichtenberg, nahm zwar
die Herrichaft in Befig, wurde aber, als
er die proteftantijche Lehre einführen wollte,
von Lothringen vertrieben. Den äußeren
Anlaß gab die Weigerung, eine lothringifche
Landfteuer zu zahlen, da Bitih reichs
unmittelbar und nicht der lothringifchen
Landeshoheit unterworfen jei. Ein Mannen:
gericht jprach die Entfegung Philipps, der
mit Ddemjelben Ginwand jein religiöfes
Borgehen dedte, aus. Durch Geldablöfung '
(135000 Gulden) gegenüber den anderen
Erben gelangte Lothringen in alleinigen
Beſitz von Bitſch, doch traten in der Folge
wiederholte Berpfändungen ein. 1605 jegte
Lothringen noch heute erhaltene Grenziteine.
Nah kurzer Beſetzung durch Frankreich
infolge eines ungerechten Spruches des
Metzer Reunionparlaments (1680) wurde
Bitſch 1697 bezw. 1718 endgültig mit
Lothringen vereinigt und kam mit Loth—
ringen 1766 an Frankreich. Nach dem
Unfall an dieſes Land wurde 1783 die
Grenze der Herrſchaft Birfch infolge eines
Sebietdaustaufhes mit den Grafen von
der Leyen abermals verändert. Auf dieſe
Teftfegungen griffen die Beftimmungen des
zweiten Barifer Friedens 1815 zurüd, mit
kleinen Aenderungen von 1826 blieben fie
bis 1871 in Sraft. (Bf. Br.)
Seidenzucht.
Eine Familie Rigal erhielt zur „Fun—
dation“ des Unternehmens ein Kapital von
2400 Gulden aus der kurfürſtlichen
Kabinettskaſſe, in der Abſicht, das Kapital,
„wunn dad Werk einen glücklichen Fort-
gang gehabt hätte, uns rückbezahlen zu
laſſen“. Nachdem die Seidenzudt an eine
Geſellſchaft übergegangen wur, verzichtete
Karl Theodor „zur Unterhaltung und Förde
rung des Werkes” auf Rüdzahlung des
Geldes und erflärte. die auf das Rigalſche
Bermögen beftellte „Special: Hypotheque
gnädigft als erlojhen und aufgehoben“,
Gleichzeitig erhielt die Unternehmerin neue
Brivilegien, welche in einer umfangreichen
Verordnung des Surfürften vom 25. Dez.
ITTT niedergelegt find. Die Seidenzuct-
Anstalt jollte durh Obmänner und Auf
jeher des Oberamis Heidelberg unterftügt
werden, melde „die Untertanen in der
Bflanzung und Pflege der Maulbeerbäume”
zu untermweijen hätte. Die jungen Bäume
- wurden aus dem großen Derrengarten in
Heidelberg geliefert, „dagegen wird er-
wartet, daß die Baumlöcder, vor dem
Winter gegraben werden, damit wenn die
Bäume anlangen, ſogleich gejegt werden
fünnen”. Der Dandel mit Maulbeerbäumen
wird bei jchmwerer Strafe verboten. Ber»
fonen, die fih mit Seidenzudt beichäftigen,
müflen ihre „Gocons der Gocietät” ab»
liefern, das Pfund zu 30 Str. Wer feinen
Unterhalt mit der Seidenzudt verdient,
joll mit der „jonft gewöhnlichen Nahrungs-
Ihägung nicht belegt, jondern von herr-
Ihaftlihen und fonjtigen Berjonal Laſten
befreit fein“. Diebſtahl an Maulbeer—
blättern jollte mir Zuchthausftrafe geahndet
werden, ebenjo jede erhebliche Beſchädigung
der Bäume, Für jedes Oberamt und jed
77
Ortſchaft wurde die Zahl der Seidenbäume
genau feftgefegt. Käfertal, damals zum
Amt Schriesheim eingeteilt, hatte 73 Bäume
zu unterhalten, Schriesheim 84, Weinheim
158 ufm. Ein „Gereral-Status, der an
die folgende kurpfälziiche Oberämter und
Hauptftädten alljährlich abzugebenden
Seidenbäumen” regelte für: Oberamt Alzey
6000 Bäume, Oberamt Bacharach 790,
Dberamt Borberg 840, Oberamt Bretten
1690, Oberamt Germersheim 4000, Ober:
amt Heidelberg 5000, Oberamt Kreuznach
3305, Oberamt Lindenfels 800, Oberamt
Wosbach 4000, Oberamt Neuftadt 5000,
Dberamt Oppenheim 3020, Oberamt Oß-«
berg 650, Dberamt Strömberg 1500,
Stadt Mannheim 200, Stadt Heidelberg
400, Stadt Frankenthal 200, im ganzen
37395 Stüd. Mit welchem Ernſt der
Kurfürſt das Unternehmen beſchützte, gebt
aus dem Schlufje der Verordnung hervor,
wo allen Ober: und Unterbeamten „nad
drudfamft und bei Vermeidung Unſerer
höchften Ungnade” zur Pflicht gemacht wird,
„Liefer gnädigften Konzeſſion zu folgen,
alles mit beizutragen, was zur Beförde«
rung diefes, Uns beſonders mwohlgefälligen,
Unferen Untertanen aber fo heilſamen Bor-
habens immer gedeihlich und beförderlich
ericheinen mag“. (N. M. Volksblatt.)
Pfälziſche Bolksverlammliungsorte in alter und neuer. Beit.
Nahdem im Juli vor. Is. auf dem
alten Mons Jovis, dem Donnersberg,
welcher jchöne Bergrieje die lange Kette der
Vogeſen abjchließt, ein überaus ftarf be-
fuchtes Bundesfeft der Landwirte ftatt-
gefunden, wird am 18. Nuguft auf dem
erhabenen Gipfel des Betersfopfes, dort
wo das Denfmal des eilernen Sanzlers,
„Der Bismarkturm”, weit in die Lande
ragt, ein zweites Bundesfeft der
pfälziihen Bauernfhaft abgehalten
werden. Dieje Berfammlungen des Land:
volfes auf genannten Höhen find ein Hin-
weis auf die Sitten uralter Zeiten, mo die
Bölfer ebenfalld mit großer Vorliebe ihre
Bufammenfünfte und Gerichtöbarfeiten unter
freiem Himmel, ın Hainen und auf Berg:
gipfeln hielten und ſolche Orte waren ge:
weiht. So war der Donnersberg ein
heiliger Berg, fchon den alten Selten ver-
ehrungswürdig und jpäter die gemeihte
Sammelftätte der germaniſchen Bangionen,
dem rotbärtigen, gewaltigen Donnergotte
Donar oder Thor zugeeignet, deflen Namen
er trägt. Als die Römer famen, nannten
fie den Donnerdberg „Mons Jovis“ und
Tacitus jpricht bereits von ihm. Der
Peterskopf, welcher vor Beiten mit Getreide
angepflanzt geweſen fein ſoll, war ficherlich
früher ebenfalls ein heiliger Berg. Auf
jeinem fahlen, rauhen Gipfel bemerft man
jegt noch die Spuren primitiver Fels:
wohnungen und die Sage erzählt, daß bier
eine GEremitenwohnung gemwejen fein fol.
Aud; Cooper, der berühmte amerifanifche
Romantifer, berichtet uns in jeinem Roman
„Die Heidenmauer”, dab hier der Einfiedler
„Bu den Tannen“ gehauft habe. Vielleicht
ftehen auch diefe Rudera in Berwandeichaft
mit der nahen SHeidenmauer und dem
Zeufelsftein, wo ficherlich die heiligen Haine
der Urbewohner diefer Gegenden maren,
wo in den verborgenen Wäldern die
Druiden ihre Site hatten. Dunfle Rätiel,
deren Löſung mohl ſchwerlich gelingen
dürfte. Dies find die Gipfel, um melde
von jeher die Sage ihren grünen franz
webt. Was die alten Berjammlungsorte
oder Maljtätte in der Pfalz betrifft, fo
befand fich z. B. der fogen. Stahlbühl bei
Flomersheim, weiter bei Tiefental auf dem
Fliegenjtein war der Malplag für die
9 Gemeinden, welche im tiefen Stumpf-
walde berechtigt waren und deren Schultheije
ihre Forftgerichte hier abgehalten haben. Im
Kreife ftanden 9 Steine. Ein berühmter
Malplag war der alte Stahlbühl im
Qutramsforft bei Frankweiler, der Ding-
ftuhl der Grafen des Speyergaues. Früher
war dieler Hügel mit herrlichen alten
Kaftanien angepflanzt, jegt find Ackerland
und Weinberge dort. Bis ins 14. Jahr—
hundert wurde bier Recht geiprocdhen und
noch 1819 hielt man in Frankweiler einen |
großen Bauerntag ab, obgleih die fran-
zöfiichen Geſetze es verboten. Auch an der
Landftraße nad Landau, eine halbe Stunde
nördlih gegen Grlenbadh bei der Brüde
war eine alte Malftatt („der Wählerplag“)
durh 4 Steine auf einem Hügel bezeichnet.
Bei Aljenborn deuten einzelne große Steine
auf die alte Maljtatt „die Gtole, oder
Stampe” hin. Bon Schweinichied mweftlich
liegt „Sien” auf der „Königshaihe”, wo
einft die Freiihöffen des „Haingerichts“
auf der Winterhauc ihre öffentlihde Mal-
tage hielten. Bei Oberftein liegt im
dunklen Walde der Winterhbauh „der
Malberg*. Der lange Stein bei Bär
weiler, der von meitem einen Mann mit
einem großen Hut täufchend ähnlich ſieht,
bildet die Grenze des Heidengerihts. Nur
noh wie ein leifer Haud weht die Er:
innerung zu uns aus einer fernen Zeit
herüber. Die BZufammenfünfte und Feit-
lichkeiten der Bauernbevölferung der Pfalz
auf mächtigen Höhen der Heimat find im
ftande, das Gedenken an die alten Ber-
fammlungsorte und Malſtätte unjerer
freien Altvorderen wieder zu ermweden.
(Chr. Böhm i. d. Pf. Pr.)
Die Freifhärler-Fahne von 1849,
Aus der Pfalz berichtet die „Fr. 3*.: |
Am 16. Juni 1849 wurden im Schloß
garten Kirhheimbolandens 18 Männer
erjchoflen, weil fie die deutfche Einheit ge-
liebt und für fie gefämpft hatten. Bur
Erinnerung an diefen Tag wurden im Rat-
bauje zu Kirchheimbolanden am 16. Juni
1907 die Fahnen der Freifchar und der
Bürgermwehr zur allgemeinen Befichtigung
ausgeftellt. Auf der Flucht vor den Preußen
wurde die Fahne von den Freifcharen mit:
genommen. Nach jahrzehntelangen Irr—
fahrten fam fie ın den Belig eines Kirch-
heimbolander Bürgers ramens Leieck in
Kanada, der fie im vorigen Jahre dem
Bürgermeifteramte feiner Vaterſtadt zur
Berfügung ftellte., Beide Fahnen find aus
Seide, in den Freiheitöfarben Schwarz:
Rot-Gold gehalten und tragen auf der
Rückſeite im golddurchwirkten Mittelftücd je
einen ın jdwarzer Seide
Doppeladler. Während die Fahne der
Freiihar auf der Vorderfeite in gleichfalls
durchwirkter Seide die Inihrift „Donners
berger Freiſchar“ trägt, zeigt die Fahne
der Bürgerwehr in derjelben Ausführung
die Worte „Kirhheimer Bürgermwehr
1848“. Dieje Fahne ift noch gut er-
halten; jene hat durch ihre lange Wande—
rung ſehr gelitten. Beide Fahnen wurden
jeinerzeit von Frauen und Mädchen geitiftet.
Ueber die vielleicht auch weitere Kreiſe
interejfierende Frage, ob in dem Gefecht
von Rirhheimbolanden 14 Juni
1848 preußiihe Soldaten gefallen
feien, ift dem „Sirchh. Anz.“ folgende
authentiihe Auskunft zugegangen: Die
mobile 4. Divifion des zufammengeftellten
preußijchen 1. Armeekorps, das gegen die
Pfalz operierte, war am 13. Juni 1849
von Kreuznach nach Alzey marjchiert, wo
ausgeführten | fih der Prinz von Preußen bei ihr ein
fand. Ihre Avantgarde, beftehend aus dem
Garde Landwehr-Bat. Berlin, dem Fül.-
Bat. des Inf. Reg. Nr. 24, 2 Kanonen der
Gpfündigen Fuß.-Bat. Nr. 37 und 2 Es—
fadronen des 7. Ulanen-Reg. hatten fich bei
Morihheim zum Vormarſch auf Kirchheim-
bolanden Fonzentriert. Nur die Avant-
garde fam ins Gefecht und weiter noch die
ſpäter vom Gros noch herbeigeholten
Haubigen der Batterie Nr. 37. Die
preußischen Verlufte betrugen: 3 Füfi-
liere vom Reg. 24 verwunder, | Ulan ver-
wunder und 3 vermwundete Pierde von dem
obenerwähnten Kanonenzug. Tote hatten
die Preußen nıdt. Die Behauptung,
daß bei Marnheim eine Anzahl Toter, die
in den Ambulanzwagen mitgenommen
worden jeien, begraben mworden wäre, ilt
falih. Sie iſt auf ein längft mwiderlegtes
Buch des Freiicharenführers Oberſt Becker,
der jpäter in Baden fämpite, zurüczuführen.
Beder hat fid; mit jeinen Angaben ledig:
ih auf Ausfagen von Kirchheimbolander
Bürgern geftügt. Die bei „Fleiſchmann“
ebenfalld midergegebene NAufftellung von
den preußiſchen Toten, die in die Ambulanz-
magen gebradt worden jeien, hat mohl
ihren Grund darin, daß man die 4 Ber:
mwundeten in den Ambulanzmagen gejehen
bat. Die zwei Kanonen ftanden zuerſt
öſtlich der Ehauffee nah Morichheim und
beichojlen von dort zuerft eine von feind-
lihen Schützen befegte Baumgruppe (mohl
das obere Eingangstor des Schloßgartens ?\.
Später nahmen fie noch weiter öftlich eine
Pofition und beichoffen den Schloßgarten
jelbft. Die jpäter vom Gros nocd vor:
genommenen Haubigen (2 oder 4 Stüd)
wurden weſtlich der Morfchheimer Chauſſee
aufgeitellt und bemwarfen von dort das
Innere des Scloßgartend. Bei den Hau—
bigen (meftlich der Morichheimer Chauffee)
nahmen auch ſpäter (al# dritte Poſition)
die beiden Kanonen Aufftellung.
Ueber die Spuren alter Queckfilberwirke bei Münfterappel.*)
Von Rech.Rat Dr. Häberle, Helbelberg.
Unterm 7. März brachte die Bi. Preſſe
in Wr. 66 einen ausführlichen Bericht über
die Entdefung einer Höhle ın der Gemanne
„Schwarzer Hübel“ bei Münfterappel
und über die ji) daran fnüpfenden Ber:
mutungen. Sie wurde nah Flurnamen
in der Nachbarſchaft mit einem Nonnen:
flofter in Verbindung gebradıt bezw. als
Sclupfwinfel des berüchtigten Räuber:
hauptmanns Schinderhannes angejehen, da:
bei aber doch auch auf die Möglichkeit hin
gewiejen, daß es fi um einen von Berg-
leuten angelegten Stollen handeln könne.
In der Morgenausgabe vom 9. März
Nr. 68 wurde dann dieſe Notiz ergänzt
bezw. berichtigt und mit Recht dabeı her-
*, Nähere Angaben über die für den Berg-
bau in jener Gegend in Betracht kommenden
Schriften befinden fih in meiner pfälzifchen
Bibliographie I, die geologiiche Literatur der
Pfalz. Mit den fon 1471 in Miünjterappel
erwähnten Queckſilberbergwerken beichäftigt fich
fpeziell ein Auffag von Pfarrer Drejcher in den
Nordpfälzer Gejch.:Blättern 1908, ©. 87—88
und 1904 ©. 8. Ueber die Dorfgeſchichte orten
tieren die Aufſätze desſelben Autors cbenda
1904 9. 61—64, 71-72, 77—78; 1905 ©. 23
bis 31, 65—67; 1906 ©. 67—68; 1907 ©. 79. | (Palaeoniscus)
vorgehoben, daß es ſich nad der eingehen:
den Schilderung weder um eine Höhle,
noh um einen bejonderen und, jondern
lediglih um einen von Menſchenhand an-
gelegten, jpäter verjchütteten und nun dur)
Bufall bloßgelegten unterirdiihen Gang
oder Stollen zwecks Gewinnung von Boden.
ſchätzen handeln könne.
Dieſe Erklärung hat ſich durch die Ört-
liche Unterſuchung als vollftändig zutreffend
erwieien. Wir haben es hier tatjächlich
mit einem Verſuchsſtollen auf Qued-
ſil ber zu tun, der anjdheinend gegen Ende
des 18, Yahrhunderts, als noch der pfäl-
ziihe Duedfilberbergbau in voller Blüte
ftand, angelegt worden ift. Mörsfeld,
Moſchellandsberg, Stahlberg, Königsberg
und Pogberg waren damals auf dem Welt:
marfte befannt. Namentlih Mänfterappel
wurde vielfach genannt ; einmal wegen jeiner
Quedjilbergruben am Forſtberg, dann
wegen jeiner den Lebacher Schichten an-
gehörenden bitumindjen Schiefer, aus denen
früher Erdöl gewonnen wurde, und endlid)
als Fundort von verjteinerten Fiſchen
und fleinen &auriern
80
(Apataeon), die in diefen dünngeſchichteten | aufgefchüttet find. Anſcheinend wurde. der
Schiefern gleih öſtlich vom Dorfe am
Wege nad) Striegsfeld und am FForftberg
vorfommen. Der jegige Zugang zu unferem
Stollen wurde zufällig beim Fällen einer
Stiefer freigelegt; fein urfprüngliches, nun
verſchüttetes Mundloch lag etwas tieier,
da die es fichernde hölzerne Zimmerung
ihon längſt verfault und eingeftürzt ift.
Aus diefem Grunde muß man jegt aud
etwa 4 m durd ein enges Schlupfloch von
oben in den Stollen hinabjteigen der etwa
in Manneshöhe auf ca. 75- 80 m mit
einer ſchwachen Srümmung nad) Südmweften
annähernd wagrecht in den Berg getrieben
ift. Zunächſt durchfährt er Gehängeſchutt
und zermürbtes Geftein; auf dieſer Strecke
find an den Wänden die Spuren der Hiebe
mit der Keilhaue noch deutlich zu ſehen;
nah etwa 5-6 m tritt er dann in ftarf
zerflüfteten Melaphyr ein, der nad den
noh ſichtbaren Bohrlöchern ſ. Zt. mit
Sprengſtoffen bewältigt worden iſt. Im
hinteren Teile des Stollens lagern noch
gelöfte, aber nicht mehr herausbeförderte
Gefteinsmaffen, ähnlih wie fie auf der
Halde vor dem ehemaligen Stollenmundlod
Berjuchsftollen als zu wenig ausfichtsreich
und zu ſchwierig borzutreiben bald wieder
aufgegeben ; waren doch die Duedfilbererze
am benachbarten Tyorftberg, wo fie in eine
1--1,25 m mädtige Zandfteinfhidt ein
geiprengt find, viel leichter zu gewinnen.
Nur vereinzelt zeigen fich in unjerem Stollen
auf den lüften des Melapbyrs ſchwache
Spuren von dıiefem damals jo gejuchten
Erz, das hier mit Schwefel verbunden in
der Form von Zinnober auftritt.
Der Beſuch des Stollens felbit ift ganz
ungefährlich, bietet jedoch nichts bejonderes,
nur jegt man fi der Gefahr aus, durch
einen Einſturz der loſen Erdmaflen über
der Einihlupföffnung von der Außenwelt
abgejchnitten zu werden. Unter diejen Um-
Händen dürfte es ſich empfehlen, den Zugang
zu fihern oder ganz zu jperren, da ein be-
fonderes Intereſſe für den Stollen und die
darin gemachten Funde (Gipspfeifenftummel
und irdener Topf) faum beitehen dürfte.
Werden im Laufe der Zeit doch ficher noch
mehrere derartige Funde in der durch ihren
Bergbau früher berühmten Gegend gemacht
werden.
Geologiſches.
(beologiihe Bilder aus dem Groß:
berzogtum Helfen. Zweiter Teil: Rhein-
heſſen von Brof. Dr. Karl Stolg, Groß:
berzogl. Oberlehrer, 40 S. Mit 1 Starte,
2 Brofilen und 2 Tafeln. Beilage zum
Jahresbericht des Großherzogl. Yudmig-
Georgs-Gymnafiums und der Vorſchule der
beiden Gymnaſien zu Darmftadt. Dftern
1909. — Aehnlich wie vor Kurzem Rektor
Dr. Yttenfperger für die Vorderpfalz (vgl.
die Beiprehung S. 31 diefer Beitichrift)
hat nun Profeſſor Dr. Stolt in dem vor-
liegenden Scriftchen für das benachbarte
Rheinheflen eine Ueberſicht über die geo:
logiichen Verhältniffe gegeben. Zunächſt
wird die Entftehbung der Oberrheinifchen
Tiefebene, hierauf der Untergrund von
von Rheinheffen (Rotliegendes mit Mela-
phyr ind Porphyr), dann das Tertiär mit
feinen verfchiedenen Ablagerungen und end-
lih das Diluvium und Alluvium eingehend
ften Berfteinerungen aus dem Gebiete ab-
gebildet. Alle diefe Fragen müffen auch
uns Pfälzer intereifieren, da einmal die
Borderpfal;s in das Gebiet der Ober—
rheinifhen Tiefebene füllt und dann die
ftratigraphifchen Verhältniſſe Rheinheſſens
ih auch in der Nord- und ODſtpfalz
wiederholen. Das Studium diejer mwert-
vollen Arbeit fann aud; dem Laien warın
empfohlen werden.
Dr. Daniel Häberle.
Ueber die praftiiche Auwendung und
Verwertung der Geologie in den ver
ichiedenften Gebieten, in der Induſtrie,
der Land» und Forftwirtichaft und im Ge-
werbe befindet fich ein fehr lejenswerter
Auffag von dem verftorbenen Oberbergrat
Brof. Dr. Chelius in der Beitichrift „Aus
der Natur”, IV. Jahrgang 1908, Heft 2
©. 56-61, der jedem Naturfreund ange
behandelt; auf zwei Tafeln find die wichtig- | legentlih zur Lektüre empfohlen werden
8l
Tarın, da nicht weniger ald 15 Willens: | naues Verzeichnis der Beröffentlichkeiten
zweige aufgeführt werden, für welche die
Heologie mit Nußen fich verwerten läßt.
Unter dieſen wırd auch die Sau,
Heimat: und Volfsfunde bejonders hervor:
gehoben; knüpft dieſe doch, wie Chelius
hervorhebt, ebenjo an den Boden an, mıe
die Tier- und Pflanzenwelt, die gleichſam
mit dem Boden geworden find und des
Bodens Stempel tragen.
Die 42. Berfammlung des Über:
rheinifhen geologiihen Vereins in Heidel-
berg fand am 13.—1T. April dis. 8.
ftatt, und führte 140 Teilnehmer de3 über
300 Mitglieder ftarfen Vereins nach der
Mufenftadtt am Nedar. Als Ort der
Tagung für das nächſte Jahr wurde Dürf:
beim a. 9. beftimmt. Maßgebend für
dieſe Wahl war in erfter Linie die günftige
geographiiche Lage diejfer Stadt, da die
Oſterwoche, in welcher dıe Verſammlung
regelmäßig ftattfindet, nächſtes Jahr ſchon
in den März fällt. — Auf der Verſamm
fung zu Heidelberg berichtete Privatdozent
Dr. Freudenberg über ein Steinwerf
zeug, das er in den diluvialen Schichten
von Altdorf bei Edenkoben legten Sommer
entdeckt hatte (vgl. auch unſere Notız im
Yahrg. 1905 der Pfälz. Heimatf., ©. 96).
Der Naturhiſtoriſch-Mediziniſche Berein
zu Heidelberg hat in den legten Jahren
einen erfreulihen Mitglieder Zuwachs zu
verzeichnen. In der legten Sigung des
jegt beendeten Winterſemeſters murde das
200. Mitglied angemeldet. Männer wie
Bunjen, Helmholg, Kirchhoff, Kußmaul u,
a. haben ıhm Beiträge geliefert. Auf An.
regung des Borftandes hat ſich der als
pfälziiher Schriftiteller gejchägte und
unjeren Leſern wohlbefannte Dr. Häberle
der mühſamen Aufgabe unterzogen, zu den
bisher erichienenen 6 Bänden der alten und
den 9 Bänden der neuen folge ein ge-
Berkehrsmelen
Dur die Verftaatlihung der Pialz-
bahnen ift die Frage der Erbauung neuer
Bahnlinien in der Pfalz in Fluß getommen.
Beſonders der weſtliche Teil der Pfalz wird
in den nächſten Jahren durch neue Schienen-
mit Yutoren-, Orts und Materienregiiter
anzufertigen. Da die im Taufh dafür
eingehenden mehrere Hundert Zeitjchriften
von dem Berein der Univerfitäts-Bibliothet
abgetreten werden, und jo der Allgemeinheit
zur Verfügung ftehen, jo find in dem Häberle
ichen Berzeihnis aud die Signaturen, die
die betreffenden Zeitjchriften in der Uni
verfitätsbibliothef haben, genau angegeben
Erzlager bei Grumbah? Cine Ent-
defung, die für die Zukunft des Dorfes
Yangmweiler bei Grumbad wie der ganzen
Umgegend vielleicht von weittragender Be-
deutung ift, wurde laut „Nordweitpf. Ztg.“
bier gemadt. Ein Herr aus Saarbrüden
ftieß nämlich in einem Ader auf hiefiger Ge-
marfung bei Nachgrabungen auf Erzlager.
Bei dem gefundenen Mineral wurde bereits
in einem angeftellten Yäuterungsprozeß feit:
geftellt, daß es fich wirklich um Erz handelt.
In Sulzbad find auf der Bahnftrede
Sulzbadj-Friedribsthal wieder erhebliche
Bodenjenfungen durd) den unterirdijchen
Grubenbetrieb wahrzunehmen. Der Bahn:
förper muß wieder um 20—30 cm erhöht
werden, trogdem erjt vor einigen Monaten
eine Geftängeregulierung ftattgefunden hat.
Auch im Weftende unjeres Ortes machen
fih in leßter Zeit wieder Grubenichäden
bemerkbar. An dem brennenden
Berg bei Dudweiler ſind in letzter
Zeit wieder neue Klüfte mit aufſteigenden
Waſſerdämpfen wahrzunehmen. Der Berg
ift jeßt auf feinem Scheitel infolge des jeit
150 Jahren beftehenden Flözbrandes auf
eine Gritrefung von faft 200 m jchludht-
ähnlich eingefunfen. Das Gebirge über
der Schlucht ift vollftändig ausgebrannt
und gerötet. Unaufhörlich fteigt heißer
BWaflerdampf an 15—16 Stellen durd
Gebirgsfpalten auf. Die Spalten haben
eine Gejamtlänge von etwa 40 m.
in der Pfalz.
wege erichloffen werden. Dabei ſcheint es
angebracht, den Blick einmal auf jene Zeit
| zurüdzulenfen, in der die Pfalz noch feine
| Bahnlinien hatte, auf die Zeit des Boft:
wagens in der Pfalz. Damals waren
Speyer, Landau und Bmweibrüden die
Dauptverfehröfnotenpunfte. Bon Speyer
liefen die Poften über den Mhein nad
Mannheim, Heidelberg, Schmwegingen,
Wiesloch Heilbronn, Waghäufel und Graben-
Karlsruhe, den Rhein hinunter nach Oggers-
heim: Wormsd-Mainz, den Rhein hinauf nad
Rheinzabern-Lauterburg-Straßburg. Ferner
liefen Poſten nah Yandau, Neuftadt, Ger-
mersheim und Dürfbeim, im ganzen nicht
mweniger als 12 Poſtkurſe. So war
Speyer eine der größten Pofthaltereien in
ganz Süddeuiſchland, was e8 zum erheb-
lien Zeile der alten Schifisbrüdfe ver
dankt. Yandau hatte Woftlinen nad
Neuftadt a. Hdt., Pirmaſens-Zweibrücken,
Germersheim, Weißenburg - Straßburg,
Kandel Lauterburg Straßburg und Speyer,
Neuftadt a. H. hatte Linien nad Mann-
heim, Franfenftein- Raiferslautern, Bad
Dürfhe.m, Worms, Landau und Germers—
heim:Sraben-Brucdjal. In Zweibrüden
trafen fich die Linien von Mainz⸗Kirchheim—
bolanden Kaiſerslautern Bruchmühlbach, von
Bingen + Sireuznad) - Rufel » Homburg, von
Saarbrücken Rohrbach, von Bliesfaftel, von
Landau Bırmajens und von Hagenau i, E.-
Bitſch Erweiler. Die wichtigſten Poſtkurſe
in und nach der Pfalz waren Straßburg:
Landau Mannheim, Etraßburg Lauterburg:
Speyer Mannheim (beide alſo faft unjeren
heutigen Schnellzugslinien ent»
fprechend), Meß Saarbrüden Bweibrüden-
Landau Speyer, Stuttgart-Brucdfal-Speyer,
Mainz» Zweibrüden, Bingen - reuznad)-
Bmeibrüden, Landau » Nevftadt - Wormö-
Mainz und Speyer-Neuftadt-Staiferslautern.
Im ganzen haben fid) aljo bei der Ein:
führung der Eifenbahnen die Verkehrsknoten—
punfte nicht jehr verjchoben, wenn aud) er
heblihe Wenderungen eintraten, Nur
Bweibrüden verlor jeinen Charafter ala
BVerfehrsfnotenpunft, während Neuftadt ihn
im verftärften Maße behielt. Ganz neu
entftanden die Knotenpunkte Scifferftadt,
Binden, Kaiſerslautern (das zur Poſtzeit
kein großer Knotenpunkt war) und Langmeil.
Im Mai ds. Is beſuchten die Ver—
treter eines norddeutſchen Unternehmens die
Haardt, um die Gipfel an der oberrheini—
ſchen Tiefebene daraufhin zu prüfen, ob
die Anlage von elektriſchen Bergbahnen
möglich und rentabel iſt. Der Gedanke an
82
fih ift nicht neu. Bereits in den 80er
Jahren entitand® ein Salmitbahn-
Projekt, das jedoch bereitd in den An-
fängen erftidte, .da das Intereſſe der Tal:
orte gering war und aucd die Elektrizität
nod nicht zur Verfügung ftand. Dies hat
fih indeflen jehr geändert. Gerade die
Kalmit weift nach der Eröffnung der „Lud—
wigshafener Hütte” heute bereits eine hohe
Frequenzziffer auf, die fich noch heben wird,
wenn das projeftierte fteinere Kalmithotel
mit ftändigem Wirtfchafts- und Hotelbetrieb
erbaut jein wird. Es fommen längs der
Haardt ferner no in Betradht der Orens
fels bei Landau, die Marburg bei Ham-
bad, der Nollenfopf und das Weinbiet
bei Neuftadt, der Effopf bei Deidesheim,
die Limburg und der Große Peters.
kopf bei Bad Dürkheim. Die Befid-
tigung der genannten Berge durd die In—
genieure hat die Möglichkeit der Errichtung
von Bergbahnen außer Zweifel geſtellt;
megen der Finanzierung werden nod im
Laufe des zeitigen Sommerd Vorſchläge
gemacht werden. Es leuchtet ohne weiteres
ein, daß die Anlage von Bergbahnen die
Touriſtik und damit die wirtſchaftlichen
Verhältniſſe an der Haardt weſentlich heben
würde. Bejonders Landau, Neuftadt, Eden:
foben und Bad Dürkheim haben das größte
Intereſſe an dem Wrojeft. Die betreffen-
den Firmen werden demnächft einige genaue
Projekte ausarbeiten und dann damit an
die Deffentlichkeit treten, Auch die fort
dauernde Grjchließung des Pfälgermaldes
durch neue Eifenbahnlinien legt Zeugnis
davon ab, daß das pfälziiche Gebirge wohl
einer neuen Zeit entgegenfieht; jo wird
der Verkehr der Südpfalz durch die neue
Line Kaltenbach-Bundenthal bedeu-
tend zunehmen, deögleichen der in der Bor
derpfal; durch die eleftriihe Sırakenbahn
Neuftadt-Yandau. Die Belichtigungen
find audh in der folgenden Wode fort
gejegt worden, da von vornherein in jedem
Falle die verfchiedenen Möglichkeiten in
Betracht gezogen werden. Die Bahn auf
den großen Peterskopf bei Bad Dürk—
heim würde eine der drei ſchönſten deutichen
Bergbahnen werden, da fie auf eine lange
Strefe durch herrlichen Bergmald führt.
Die Kalmitbahn würde verhältnismäßig
fur; werden,
83
Elektrifche Anlagen.
Ueber „Eleftrifhefraft-undtidt-
erzeugung” im allgemeinen und über ihre
Bedeutung im haus · und landwirticaftlichen
und Gemerbebetriebe jprah in Sindenheim
Herr ingenieur Hanftein von Eßlingen
Der VBortragende wog in aller Objektivität
die Peiftungen und Koſten anderer Licht
und Straftanlagen gegenüber denen der
eleftriichen Anlagen ab und überzeugte die
ziemlich zahlreich erſchienenen Intereſſenten,
daß man, wenn man doc einmal an eıne
Neuanlage herantrete, unbedingt zur Elek—
trizität greifen müffe. Nachdem dann der
Redner noch Über mandes Einzelne der
hier geplanten Anlage Aufihluß gegeben,
fam man zu dem vorläufigen Reſultate,
die Erridhtung einer Elefrrizität®-
zentrale für die drei Ortſchaften
‚Großbodenheim, Sleinbodenheim
und Sindenheim ins Auge zu fallen.
Einige Bodenheimer Herren fonnten be:
richten, daß aud in den beiden Bodenheim
eine größere Anzahl Intereſſenten die
Förderung des Projektes erftreben. Ganz
befonderd wünſchenswert jei die baldige
Einrihtung des Wertes im Hinblid auf
das fommende Pumpwerk, das beide Ge
meinden mit Wafler verjorgen Soll, --
Nachdem anfangs Mai die beiden Ge-
meinden Ejiingen und Bellheim mit
der „Rheiniihen Schudert Gefellichaft für
elektriſche Induſtrie“ in Edenfoben dahin:
gehende Verträge abgeſchloſſen Haben, ge:
langten auch die Verhandlungen genannter
Geſellſchaft mit dem Gemeinderate von
Niederhodhitadt zum Abſchluß und zur
Unterzeichnung des Bertrags. Die Gemeinde
erteilt der genannten Gejellihaft auf 40
Yahre die Konzeilion, die nötigen Leit-
vorrichtungen durch ihre Gemarkung zu '
führen und die Vorrichtungen für ihre
Straßenbeleudtung zu errichten und ver-
pflichtet fi dagegen, den eleftriichen Strom
zur Straßenbeleuhtung auf genannte Zeit
von der Geſellſchaft Schudert zu beziehen
und dafür eine jährlihde Pauſchal Ent
ihädigung von 462 Mark zu leiften.
Die oberbayerildhe Aohle — eine Braunkohle.
Wie bereits mitgeteilt, hat der Ber-
waltungsgerichtshof, veranlaßt durd die
von einem Intereſſenten eingelegte Be:
jchwerde, eine Enticheidung erlaffen, die für
Mutungen auf oberbayerifche Kohle von
prinzipieller Bedeutung ift. Danadı ift die
oberbayeriihe Kohle nunmehr einzig und
allein al3 Braunkohle anzufprechen, aber
nicht mehr als Steinkohle oder Mineral:
kohle. Es ijt dies bejonders bedeutungs-
voll für die in der Gegend von Miesbach
vorgefundene Kohle, die häufig auch als
Pechkohle bezeihnet wurde Da Diele
Stohle zweifellos viel wertvoller ift, als
andere Sorten von Braunfohlen, hat das
Oberbergamt feit 1873 (Anfrafttreten des
neuen Berggejeßes von 1869) bei Mutungen
die Bezeihnung Mineralfohle geduldet.
Die Gutachten der Sacverftändigen haben
ebenfalls darauf hingemwiefen, daß die ober-
bayeriiche Pechkohle im Miesbacher Bezirk
fich in verfchiedenen Eigenſchaften der Stein-
fohle nähere, doch ließ das Gutachten des
Oberbergrates Profeſſor Dr. v. Ammon
ichließlich feinen BZmeifel darüber, daß die
oberbayerifhe Bechfohle zu den Braun:
foblen gehört.
Wie jchon erwähnt, hat nun die Ent.
ſcheidung des Bermaltungs-Gerichtöhofes
jedem Zweifel ein Ende gemacht, danach
gibt es keine oberbayeriſche Steinkohle oder
Mineraltohle — dieſe Bezeichnungen
dürfen nicht mehr gebraucht werden,
die letztere war überhaupt ein ganz un-
beftimmter Begriff — Sondern nur eine
oberbayeriihde Braunkohle Das
Oberbergamt kann aljo in Zukunft nur
mehr Mutungen auf Braunfohlen in
Dberbayern ausftellen.
Diefer Enticheid hat auch nad einer
anderen Richtung eine ſehr weitgehende
Bedeutung. Die Braunkohle ift keineswegs
gleichartig, fie befigt jehr verichiedene Nuß-
abftufungen; dies trifft auch für Oberbayern
zu. So findet fich hier eıne ganz minder
wertige Braunfohle, die jogenannte Lignit-
kohle, die, weil fie noch fait Holz ift, eine
jehr geringe Heizktaft befigt, jo daß ihr die
fogenannte Pechkohle weit überlegen ift.
Findet nun aber jemand bei der von jekt
ab üblichen Verleihung der Mutung auf
Braunkohlen 3. B. unter ſolchen Xignit-
kohlen die mwertvollere Pechkohle, jo gehört
ihm auch diefe zu auf Grund feiner Mutung.
Er hebt unvermutet einen Schag, von defjen
Vorhandenſein er feine Ahnung hatte und
der ihn nad den früheren Gepflogenheiten
nicht zugefallen wäre.
Badiſche Heimat.
Die beiden alten Vereine für Volks—
funde und ländlide Wobhlfahrts:
pflege haben ſich befanntlih in einen
Berein zufammengeichloffen, dem fie den
Namen „Badijhe Heimat“ gegeben
haben, um zu zeigen, daß er es für jeine
vornehmfte Aufgabe betraditet, das Heimats:
gefühl zu pflegen. Schon feit längerer Zeit
. find innerhalb beider älteren Vereine,
zwifchen denen ein gemiljer Wettbewerb
vorhanden war, Stimmen für die Ber-
Ihmelzung laut geworden. Als nun nod
im legten Yandtag von einzelnen Rednern,
ſowie von dem Vertreter des Minifteriums
der Juſtiz, des Kultus und Unterrichts die
Berjchmelzung angeregt wurde, traten die
Vorftände der beiden Vereine an den Ber-
ſuch heran, der auch fchnell gelang. ——
konnte es aber nicht ermöglicht werden,
auch den Verein für Erhaltung von Volks
tradhten, der im Jahre 1894 gegründet
wurde, zum Anfchluß zu bewegen. Gleich:
wohl tritt der neue Verein an Anzahl der
Mitglieder wie an Geſchloſſenheit feines
Gebiets und feiner Zwecke adhtenswert in
die Oeffentlichkeit. Als feine Zwecke fün-
digt er an: Erhaltung, Pflege und wiſſen—
fchaftliche Förderung auf materiellem und
geiftigem Gebiete, Schuß der heimiſchen Zand-
fchaft, ihrer Kultur- und Naturdentmäler,
ihrer Tier- und Pflanzenwelt, und dadurd
Weckung und Vertiefung der Heimatliebe.
Der Berein gibt für feine Mitglieder die beiden
Schriften der alten Bereine weiterhin heraus,
die wifjenfchaftliche Zeitfchrift „Alemannia
und d die volkstümliche „Dorf und Hof*;
Beeren - Bflanzungen.
Die Seit zirfa’10 Jahren im hinteren
Odenwald vom Staatsweſen unter:
nommenen Verſuche zur Unpflanzung von
PBreißelbeeren find leider von feinem
Erfolg gemejen, da die klimatiſchen Voden-
verhältniffe unferes Gebirges für die Kul-
tur dieſes Beerengewächles nicht geeignet
find. Dagegen macht man jegt glinftigere
Erfahrungen mit der Anpflanzung der
weißen SHeidelbeere, die
mejentlich
Die Hängetiere des
Bon Dr. 8. Floerike. Reich illuftriert.
In Farbendruck⸗ Umſchlag gebeitet 1 Mk.,
geb 2 Me. Berlag des Kosmos, Gejell-
ihait der Naturfreunde (Gejchäftsftelle:
Franckh'ſche Verlagshandlung) Stuttgart.
(Die Mitglieder erhalten dieſen Band foften-
108.) Der als feflelnder Scilderer befannte
Verfafler des „Deutichen Vogelbuches“ und
der „Bögel des Ddeutichen Waldes“
be: |
1
handelt in Ddiefem Bändchen ebenjo an: |
wertvoller ift ala ihre Genoſſin in blauem
Gewande. Weiße Heidelbeeren trifft man
jhon an in den Waldungen der Tromm,
fowie bei Wffolterbah, Hammelbah und
Gras: Ellenbad).
Auch in unjern pfälziihen Wäldern
fommen ganz vereinzelt weiße Heidelbeeren
vor, doch find fie bier meift ein Gegen:
ftand des Uberglaubens. j
dentſchen Waldes.
ziehend die Bierfühler unferer Heimat.
Der Berfafler weiß den Stoff in lebendiger
Darftelungsweije zu meiftern und dem
Leer das jo menigen befannte eben
unferer freilebenden Säuger anſchaulich vor
zuführen. Nicht vom Standpunft des
Jägers, jondern mit den Augen des finnigen
Naturbeobachters find die Bilder geichaut,
die namentlich auch für die reifere Jugend
als bildende Lektüre geeignet find,
BE
Zu Adolf von Maflaus Tod (2. Inli 1298).
Bor Göllheims Thor am Haſenbühl
Da tobte heiß das Kampfgewühl.
Es gellte Schlachtruf durd die Lifte
Und Feldgeichrei in Flur und Haid’ —
Das Schwert flog von der breiten Hüfte:
Zwo Saifer jtanden kampfbereit!
Getroft ritt Adolf fort zur Schlacht
Und ftürmte in die Todesnadt.
Er jollt’ verlieren Kron' und Leben
Und mas ihm lieb im Heimatland —
Durch's Schickſal war Hinfort gegeben
Des Reiches Wohl in Albrechts Hand.
Im Kampf um’s Reich mit — Mut
Verſpritzte Adolf all ſein Blut,
Bon Naflau ſchien das Glück gewiden
| Und droben boh vom Himmelszelt
Ergoß fein Glüdsftern, jäh erblichen,
Fahl Licht nur in das Todenfeld.
Doch neu erblüßt und neu belaubt,
Hob Naſſau wieder ftolz jein Haupt. —
Blieb auch die Krone ihm verloren,
Wo feiner Kindheit Wiege ftand,
So minfte, edel, hochgeboren,
Ihm doch der Thron von Niederland,
Dr, Earl Puſch.
Bwei KRönigswitwen.
Wer nahte fih in ſchwarzem Seide
Mit wallend langem Witwenfchleier, _
Bar aller prunfenden Gejchmeide
Dem Brabgewölb im Dom zu Speyer?
Bwei Frauen nad) dem Domdor wallen ;
„Zwo Königswitwen!“ geht's Geflüfter
Sie ſchreiten langſam durch die Hallen
Zur Gruft hinunter modrig düſter.
Sie hatten reichlich Leids zu tragen,
Dod waren längit von all den Schmerzen
Berfiegt der Jammer, ftumm die Klagen
Und. all ihr Weh erftarrt im Herzen.
Wie mit dem Beten fie zu Ende,
Die Tränen fich getrodnet hatten,
Da reichten Beide ihre Hände
Verſöhnt fi über'm Sarg der Gatten.
„Im Tod hat Adolf Ruhm erworben !”
So ſprach Elijabeth voll Rührung:
„Imagina, durch Gortes Führung |
Iſt er den Heldentod geftorben.”
„Doch ſchlimmer Troft war mir beſchieden,
Denn Albredt ftarb durch Mörderhände
Und aljo fand ftatt Ruhm hienieden
Mein Gatte nur ein ruhmlos Ende!“
Dr. Earl Buid
Ornithelsgifdhes.
Naturbeobahtung. Aus dem Oden—
wald wird uns gejichrieben: Aufmerkſame
Naturbeobachter wollen die Wahrnehmung
gemadt haben, daß diejes Jahr alle Bogel-
arten 8-10 Zage früher angefommen
find als gewöhnlich. Aud trifft man be:
reitd Bogelbruten an, Amfeln, Lerchen,
Meifen und dergl. Hieraus wollte man
ichließen, dab mir anhaltendes marmes
Wetter behalten, Der Uebergang von
Winter auf Frühjahr ſoll große Aehnlichkeit
mit dem Sabre 1865 haben, aus welchem
Jahre bekanntlich eine jehr gute Ernte zu
verzeichnen ift. Beſonders war der 1865er
Bein ein Qualitätöwein, wie er in dem
ganzen Jahrhundert nur noch 1811 ge:
wachſen ift.
Die Schnelligkeit der Schwalben. Ein
Antwerpener Bürger hat kürzlich ein inte⸗
reffantes Erperiment gemacht, durch das
die ganz außerordentliche Schnelligkeit der
Schwalben erwiejen murde. Es gelang
ihm, eine Schwalbe zu fangen, die ihr Neft
unter dem Dad feines Haufes hatte; er
machte fie durch einen roten Farbenfled
fenntlih und fandte fie dann mit einem
Schnellzug nad Compiögne, der 250 Brief.
tauben mitnahbm. Am nädften Morgen
wurde die Schwalbe um 7’ Uhr zugleid
mit den Tauben aufgelafjen und jchnell wie
der Blig nahm fie die Richtung nach Norden,
während die Tauben erft längere Zeit frei-
fend die Richtung nad ihrer Heimſtätte
ſuchten. Um 8*? Uhr erreichte der Früh—
lingsbote wieder fein Neft in Antwerpen.
Die erften Tauben famen drei Stunden
fpäter an. Die Schwalbe hatte 235 Hilo-
meter in 1 Stunde 7 Minuten, alio 207
Kilometer in der Stunde zurüdfgelegt,
während die Tauben es faum auf 57 Kilo-
meter in der Stunde brachten.
Der Berband deutſcher Brieftanben-
Liebhaber: Vereine hatte, wie j. Zt. mit
geteilt, für das Abſchießen und Fangen von
Naubvögeln für das Jahr 1908 eine
Prämie vom 3500 ME., ausgejegt. Es
fommen dabei Banderfalfen, Hühnerhabichte
und Sperbermweibchen in Betracht. Darauf-
bin fandten 298 Bewerber gegen 352 im
Yahre 1907 NRaubvogelfänge ein. Im
ganzen wurden 4239 Baar Fänge ein-
geihidt gegen 4548 im Jahre 1907.
Vrämiiert wurden 2951 Baar Fänge
«1907:3407) und zwar 71 von Wander:
falten, 1182 von Hühnerhabichten und
1693 von Sperbern. Die meiften Fänge
famen aus Oftpreußen (464), Schlefien
(413), Hannover Mordfeegebiet (257).
Aus dem Königreih Bayern kamen 155
Fänge (1907: 141); davon entfallen auf
die Rheinpfalz 31 (1907: 35). Dieie
ftammen meift aus dem Weſtrich, ſpeziell
aus der Gegend von Saiferslautern und
Zweibrücken. Die vorderpfälziichen Fänge
famen meift aus den Wandgebirgen der
Haardt, von Landau und Bad Dürkheim.
Der Stord ein jagdbarer Bogel. Ob
der Storh ein jagdbarer Bogel ift, dieſe
bisher Ätrittige Frage wurde vom Ober—
Landesgericht in Stiel endgültig in verneinen
dem Sinne entichieden. Es fehlte bisher
eine landesgejegliche Beitimmung oder eine
Polizeiverordnung in Schleswig Holftein,
die das Abſchießen des Stores als jtraf-
bar erflärte. Die Entſcheidung wird dazu
beitragen, daB der jo gern geiehene Bogel,
der in manden Gegenden immer jeltener
wurde, Überall eine Freiſtatt findet. —
Vom Öftlihen Rande der Salahari«
Wiüfte, aus dem Khama Diftrift erhielt das
Wide World: Magazine ein intereffantes
Schreiben des Anfiedlerd C. E. Bialls, in
dem von dem Funde berichtet wird, der die
Eingeborenen eine zeitlang mit abergläu-
biger Scheu erfüllte: „Ein Eingeborener
aus einem der zahlreichen Krals der Um-
gebung brachte mir eines Tages einen Alu-
miniumring. @r hatte ibn von einem
Bufchmanne befommen, der ihn wiederum
von anderen Buſchleuten erhalten hatte.
In dem abgelegenften Zeil der Wülte
näherten fih jagende Buſchleute einem
großen Salzfelde, auf dem fie eine Anzahl
großer weißer Vögel bemerft haben wollten.
uls fie näher famen, flogen die Bögel da-
von, mit Ausnahme eines einzigen, der
verzweifelte Anftrengungen mudhte, fih zu
erheben. Es gelang den Schwarzen, den
Vogel zu fangen, der völlig erſchöpft war
und unmittelbar darauf ſtarb. Die Ein-
geborenen nahmen das Tier als mıll-
fommene Jagdtrophäe mit fi. Plötzlich
feffelte ein Gegenftand am Beine des
Tieres die Aufmerffamteit. Unter Schmutz
und Staub jdien es, ald ob ein Ring fid
um das Bogelbein lege. Einer der Leute
bieb das Bein ab; fie erfannten in der
Tat, dab es ein Ring war; mit dem Rufe:
„Modimo, modimo” (da8 Gott bedeutet),
fchleuderte er den Bogel entjegt von ſich
und eilte mit den Genoffen haftig zum
Lagerplag zurüd. Ein meniger Abergläu-
biger ſchlich fich jpäter zurüd, um den Ring
von dem Beine abzuldſen. Es war ein
kleiner Aluminiumreif, und er trug die In
ſchrift: „Vogelwarte Rofitten, 769 Ger-
mania”, Die Beitichrift, die den Wing
von dem Farmer befam, unterrichtete dic
Bogelwarte don dem Funde Es ftellte
ſich heraus, daß der Ring 769 an dem
Beine eines jungen Storches befeftigt wor:
den war, den man an den Ufern der Oſt
fee aufgegriffen und dann wieder fliegen
gelafjen hatte. Er muß aljo eine Ent-
fernung von rund 9000 Kilometern
zurüdgelegt haben, um in der Salahari
wüſte unter den Bujchleuten zu fterben.
Die Ehädlihkeit der Sperlinge. So
fehr die Singvögel Schuß verdienen, je
wenig gebührt er den Spagen. Denn
diefe vertreiben die infeftenfrefienden Sing-
bögel und ftiften überdies in den Gärten
großen Schaden. Wegen des Ueberhand
nehmens der Spagen hat gegenwärtig der
"Nupprechtsau» Straßburger Geflügelzudt-
verein jogar Bertilgungsprämien aus
geichrieben. Während des letzten Jahret
ftellte der Straßburger Tierjhup
verein wieder feit, daß der Sperling zu
den jchlimmiten Feinden der nüß-
lien Bögel gehört, daß er bejonders
da, wo Nifthöhlen aufgehängt werden, dieje
mit der größten Frechheit belegt, ja daB
er felbit andere Vögel, die ſolche Höhlen
berwohnen, rückſichtslos daraus vertreibt,
wie er fie im Winter von den Futterplägen
vertrieben hat. Die Sperlinge find aber
nit nur durd Vertreibung der anderen
Vögel jchädlih, fie verurfahen auch in
Hausgärten durh das Wegfreilen der
Sämereien, der jungen Salatpflanzen und
namentlih der jungen Erbſen oft großen
Schaden, ferner durch mutmilliges Abbeiken
der Blüten und friſch angefegten Früchte.
Welch großen Schaden die Spaßen an den
Beintrauben und an den Kirſchen anrichten,
it allgemein befannt. Sehr gering ift der
Nugen, den fie ftiften beim Bertilgen einer
geringen Anzahl von Maifäfern und durch
87
das Aufnehmen von Raupen, die fie aber
nur während die Agung der Jungen ſuchen.
Er Steht in gar feinem Berhältnis zu den
Schädigungen... Auch ım Geflügelhof ift
der Spaß fein gern gejehener Gaft. Er
paßt dort die Zeit der Fütterung genau ab
und ftiehlt dem Hauf-Geflügel beträchtliche
Mengen Butter. Selbft in die Volieren
dringt der verjchlagene Gejelle ein, wo ſich
fein anderer -Bogel hinwagt. Dabei liegt
die Gefahr der Verſchleppung von allerlei
ſeuchenartigen Geflügelfranfheiten vor, jelbft
Viehſeuchen können von Gchöft zu Gehäft
durch den Unhold verjchleppt werden. Die
Bermehrung der Spatzen läßt fi durd
Abſchießen und im Winter durch Darreihung
von Strychninweizen einjchränfen, mobei
jedoch jorgfältig Acht zu geben ift, daß feine
nüglıhen Singvögel zu Schaden kommen.
In der gegenwärtigen Brutzeit fann man
auch die Nefter und die Gelege zerftören.
Aleine Mitteilungen.
Der Pfäülzerklub „Palatia“ Köln a. Rh.
hat beichlofjen, fünftighin außer dem üblichen
Winterfeft alljährlich nod) je einen Herren.
Abend im Frühjahre und Herbſt einzu:
jchalten, wobei der erfte Teil aus Bor-
trägen Über: Auswanderung und Solonie-
gründungen der Biälzer im 18. Jahrhundert
und der zweite Teil aus „pfälziichen Dialefı-
Vorträgen und Gefangd und humoriftijchen
Darbietungen” bewährter Kräfte befteht.
Schlimmes Frühlingswerter
ginn des Mai wurde nad plöglichem QTempe-
raturfturg durch beitigen Schneefall das
ganze obere Gebirg mehrere Zentimeter
hoch mit Schnee bededt. Die Touriften
fahen grüne und blühende Bäume uuf
weißen Fluren ftehen. Am Abend des
1. Mai ging ein Gewitter bei 3° 6,
zwiſchen Maifammer und Weyher nieder. —
Im ganzen untern Nahetal hatte man
gewaltigen Froſtſchaden bezüglich der Obft-
ernte; aud die Weinberge hatten gelitten, —
In der Nacht auf den 2. Mai find in der
weiteren Umgegend von Speyer die Nuß-
bäume erfroren und haben die Neben fiarf
gelitten. — Tags darauf waren ähnliche
erheblihe Schäden in den Gemarfungen
von Gönnheim, Friedelsheim und Nöders-
Mit Ber’
beim zu beflagen, wo Obſt und Wein
dezimiert wurden. — Der Yuli läßt ſich mit
Kälte, Hochwafler und Schnee (am Ober:
rhein) auch nicht Übel an!
Pflauzeuſchutz. Zum Schuß der ein
heimischen Pflanzenwelt, um jeltene Pflan⸗
jenarten des Shwarzmwaldes vor der
drohenden Ausrottung zu bewahren, haben
ſämtliche Waldbefiger des Amtsbezirks
Engen durch das Großh. Bezirksamt ein
Berbot erlaffen, wonad das Sammeln von
Pflanzen in den Waldungen unterfagt ift,
namentlih wenn dies durch Gärtner,
Sträußchenverfäufer oder andere Perſonen
zum Zwecke des Gelderwerbs geſchieht und
insbejondere, wenn es mit einer Entnahme
von Wurzeln verbunden ift. Bumider-
bandelnde werden nah 8 29 des Forft-
geieges beftraft. Dieſes Vorgehen dürfte
bald Nachahmung in anderen Bezirken finden.
Die Waflerheil-Auftalt Bad Gleis:
weiler blickt in dieſem Jahre auf ihr
6öjähriges Beftehen zurüd. Sie ift die
ältefte derartige Anftalt der Pfalz.
„Obrenringe für Rehe“ ift nicht etwa
Yägerlatein; jondern auf Anordnung aus
Berlin ift an jämtliche deutſchen Forſtämter
Unmeifung ergangen, jeder jungen Rehfig,
die die Foritbeamten fangen fünnen, Obren-
ringe, d. 5. Patentfnöpfe, auf die ver:
ihiedene Buchſtaben und Zahlen gedrudt
find, ın die Lauſcher (Ohren) zu drücken.
E83 joll auf die Art und Weife eine Sons
trolle ermöglicht werden, wie meit Rebe
von ihrem Geburtsort wechſeln, mas ſich
beim Abſchluß ja herausitellt.
Korbinduftrie. Schon feit langem iſt die
Korbinduftrie einer der Haupterwerbözweige
des 1800 Einm. zählenden Ortes Eteinfeld,
Bornehmlih werden Rohrförbe angefertigt.
Es find dies in der Hauptſache ſtarke Körbe
aus Meerrohr für Eijenbahn,, Induſtrie—
und militärifche Zwede. So erfolgen zum
Beilpiel regelmäßig größere Lieferungen an
die Spandauer Artilleriewerfftätte. Dort:
hin werden Körbe zum PBerpadfen von
Artilleriegeichoffen gejandt. Die Weiden-
fultur bat in neuerer Zeit fräftig ein—
gefeßt und fich als lohnend erwiefen. Das
zur Verarbeitung fommende Meerrohr
fommt von Indien und China nach den
europäischen Hafenplätzen. Es mird in
Hamburg, Bremen, Brüffel zc., mo fid
größere Nohrfabrifen befinden, gereinigt
und zum Teil geipalten. Yn hunderten
von Sorten geht es dann an die Storb:
und Rohrmöbelfabrifen weiter. Fabrifation
und Rohrgroßhandel liegen faft ausſchließ
lid ın den Händen größerer Gefellfchaften.
Ohne Sarg und Stlang ift am 1. Mai
nachmittags die „Garnifon Raiferslantern“
unter ftrömendem Wegen, als mollte
Lutrina ihr eine Träne nachweinen, abge-
zogen. Die Inſaſſen des Zuchthauſes waren
zum größten Teile jchon von hier fortgebradht.
In dem alten Gemäuer, das die Mar
burg umgibt, wurden Gnde April zwei
Ziunbeter aufgefunden, welche die Gravie
rung „22. Mai 1832” zeigten. Ein eben-
folder Becher murde aud im vorigen
Fahre gefunden, E83 handelt fih um jehr
intereflante Erinnerungsſtücke an die be
fannte politiihe Bolksverfammlung, das
„Hambacher Felt”.
Ein großer Wallermangel macht ſich
in dem jo wajjerreihen Freinsheim ſeit
einiger Zeit an verſchiedenen Stellen be
merfbar. Der „Bachbrunnen“, der früher
ftündlich mehr als 20 Fuder Wafler
lieferte, läuft fo spärlich, daß man
längere Zeit warten muß, um einen Eimer
voll Waſſer zu erhalten. Das Waller, das
aus den vier Röhren früher äußerit ſtark
lief, fommt jegt nur nod aus 2 Röhren.
Woher diefer Waflermangel fommt, iſt
vorerst ein Rätſel. Auch an anderen
laufenden Brunnen madt fi) der gleiche
Mangel bemerkbar. Hoffentlich mwır“
er dur die Errichtung einer Wajjer-
leitung bald bejeitigt.
Nochmals die Herenriuge don Peters:
bächel. Auf S. 67 babe ich über diefe
bei uns jelten beobachtete und nod nicht
einwandfreie erklärte Ericheinung berichtet.
Wer fi für die Frage ihrer Entftehung ac.
näher interejliert, findet darüber weitere
Literaturnachrichten an folgenden Stellen:
Kosmos, Handweiſer für Naturfreunde,
Stuttgart, Frandh: 1906, Bd. III, Heft 12
©. 384; 1907, Bd. IV, Heft 1 ©. 24;
1909, Bd. VI, Heft 7 ©. 223 - 224, uls
weitere Literatur mird dort angegeben:
Dr. € Budde, Naturmwilfenjchaftliche
Blaudereien, 7. Aufl., Berlin, ©. Reimer
und Wurm, Waldgeheimniffe.
Dr. Häberle.
Indalt: Eine Ausftellung bayertfchen Porzellans. — Abbe Richards Tätigkeit in der Pfalz
al8 Duellenfucher, aber ohne Wünfchelrute. — Der „Mainzer Brunnen” auf dem tertlären Ab—
lagerungen am Dachsberg bei Göllheim. — Kurfürſtliche Seldenzudt. — Pfälziſche Bolls—
berfammlungsorte in alter umb neuer
as — Die Freifhärler-Fahne von 1849. — Ueber bie
Spuren alter DQuedfilberwerfe bei Münjterappel. — Geologifches. — Berkehrsweſen in der Pfalz.
— Elektriſche Anlagen. -— Die oberbayeriiche Kohle — eine Braunkohle —
Beeren-Pflanzungen. — Die Säugetiere des deutſchen Waldes. --
Badifhe Heimat. —
Bu Adolf von Naſſaus Tod.
Zwel Königswitwen (Gedichte). — Ornitbologifches. — Kleine Mitteilungen.
Schriftleiter: Lehrer Ph- Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Kaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfafler verantwortlich.
(Unverlangte Manuftripte werden nicht gurüdgefandt.)
te „Blälziiche Heimatkunde“ koflet jährlich in 12 Heften ME. 2.50. Behellungen werben von allen Buchhandlungen und
Boftanflalten ferner vom Berlener (Bortofreie Streifbandiendurg) angenommen.
V. Jahrgang.
August 1909.
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
Alte Eifengruben bei Waldmohr u. a. ©.
An den Prähiſtoriſchen Blättern hat
Herr Dr. ©. Mehlis über die Aufdeckung
von primitiven Schmelzöfen!) beim Eichel:
jcheiderhof berichtet und als Gemwinnungs*
ort des Rohmateriald die Brauneifenftein
lager im benachbarten Spiegelwald und am
Stellmeg vermutet. Auch auf ähnliche
Borfommnifje im oberen Kuhwald und in
Muh! zwifchen Waldmohr und ac |
machte er aufmerkſam. Tatſächlich a |
fih in diefer Gegend nach urfundlichen Be-
richten?) jogar noh im 16. Jahrhundert
eine Eifengrube. Sie lag unmeit der Stelle,
wo die Gemarfungen von Sleinottweiler,
Jãgersburg und Waldmohr zuſammenſtoßen
und in der Nähe des von Kleinottweiler
nach Waldmohr führenden Weges, aber noch
im Bann der letzteren Gemeinde. Für
einen Ortskundigen wird es nach dieſer
Beſchreibung leicht möglich ſein die be—
treffende Stelle wiederzufinden. Überall
ſind hier in den bis Kübelberg und zum
Fuchsberg oberhalb Waldmohr über das
Oberkarbon transgredierenden Schichten des
) Eiſenſchmelzen der Vorzeit. Mit einer
Abbildung Präaͤhiſtoxiſche Blätter 18. Jahrg.
1906, Münden ©. 87—88.
) Smeibrüden Oberamte Bannbuh dom
Sabre 1547, — ———— v. L. Kampfmann.
Heft IV d Mitt. d. hiſt. Ver. d. Mediomatrifer
1908 ©. 41 u. 62.
|
Buntjandfteins zahlreiche Eiſenſchwarten
eingelagert. Auch an anderen Stellen
durchziehen braune oder rote Eandeilen-
fteine und riefen früher an verichiedenen
Drten der Pfalz eine blühende Eiſen—
induftrie ins Leben. ch erinnere hier an
die längft verlaffenen Eiſengruben bei den
Erzhütten bei SKaiferslautern, bei Alt
leiningen, Wattenheim, Eijenberg, und im
Stumpfmwald, an welche fich ebenfalls eine
uralte Induſtrie knüpft,“) ferner an die
bei Niederauerbah und Großfteinhaufen.
Auh am Eifenftein bei Ktirchheimbolanden
und im Langental bei Imsbach wurde früher
Eifen gegraben. Über den an der Peternell,
beı Erlenbach, Niederſchlettenbach und Not»
mweiler betriebenen Bergbau auf Brauneifen«
erz, das dort meift auf lüften und Gängen
des WBuntjandfteind vorkommt, haben wir
bereitö 1909 ©. 13—14 berichtet.
Es dürfte ſich tatjächlich verlohnen,
einmal den Spuren des früher jo ausger
dehnten pfälziſchen Bergbaues nachzugehen.
Schon Pfarrer Lehmann jcheint fih nad)
jeinen Vorarbeiten mit dem Gedanfen ge-
tragen zu haben, ohne ihn jedoch zur Aus-
führung zu bringen. Dr. Häberte.
2) Wal. — Lein. Geſch. Bl. 1906 ©. 34
u. 1907 ©. 90; Nordpf. Geſch. Bi. 1906 ©. 2;
— — — — — —— —s« —— — 0
— ——
Heimiſche Banweiſe.
Ein Leſer ſchreibt in den M. N. N.: Feldkreuze zerbröckeln und einſinken in den
An die trefflichen Ausſührungen über dieſes mitleidigen Boden. Auch Gutsbeſitzer können
Thema, die in der Kunſtchronik des Bor: durch gutes Beiſpiel wirken, wenn fie vor
abendblattes vom 9. Januar enthalten find, | allem den eigenen Herrenfig, wenn er aus
wird jeder Freund des Heimatichuges den | früheren Jahrhunderten ftammt, in dieſem
Wunſch fnüpfen, daß fie au in Bayern, | Charafter erhalten, Aufbauten und Erfer
bejonders in den an Sadjen grenzen» | in Fachwerk im gleichen Material erneuern
den Gebieten, Beachtung finden. m | anftatt es verfchwinden oder durch verpußte
den benachbarten ſächſiſchen Herzogtümern, Badjteinbauten erfegen zu laffen. Wenn
befonders in Sachſen Meiningen, findet man | man aber am Rande eines fränfifchen Dorfes
in zahlreihen Orten die Beugniffe von der | eine moderne Billa im Dresdner Kommerzien-
Pflege der heimatlihen Baumeije. Das | ratftil binfegt, ftatt eines Herrenhauſes
Sntereffe, daß der funftfinnige Herzog Georg | mit Giebel oder Fachwerkaufſatz, dann wird
diefem Gegenſtande zumendet, erfennt man | freilich jeder Bauer glauben, er müſſe auch
an den ftilgerechten Bauten der herzoglichen | fein altes Fachwerk baldigit verichwinden
Domänenhöfe und Yöritereien, an Sirchen- | laffen und verpugen. Was die Auf:
und Schulbauten. In einem großen Staate | munterung der ländlihen Bevölkerung
fann natürlich von einer derartigen Ein- zur heimiſchen Bauweije anlangt, jo wäre
flußnahme feine Rede fein, und es it Sade | fie natürlid am wirffamiten, wenn man
der Sreisregierungen und einfchlägiger Ber- | zu jeder ftilgerechten Neuerung oder Reno
einigungen, dem gleichen Ziele zuzuftreben. | vierung eine Beilteuer in Geld leiſten
Die breiten Maſſen der Yandbevölferung | würde. Da dies aber ganz bedeutende
zu gewinnen, wird wohl am ficheriten er- | Mittel fordern würde, die gar nicht zu be:
reiht werden durh Beispiel und Auf: ſchaffen find, ift es ausgejchloffen. Aber man
munterung. Das erite müfjen die Be- | fünnte doc) wenigftens Brämien ausjegen,
hörden und die Großgrundbefiger geben, | ähnlich, wie es durc die Vereine zur Er—
die legte wäre Sache der einichlägigen Ber- | haltung der Bolfstrachten geſchieht. Es
eine (für Heimatfchug, Heimatkunde ufw.). | würden da jchon verhältnismäßig geringe
Umtsgebäude, Schulen, Dijtrifts- | Beträge genügen. Sicher wäre es ein An-
franfenhäujer müßten vorbildlih in | fporn für viele Bauluftige, denen es bald
traditionell ortsübliher Bauart ausgeführt | nicht nur um die Prämie zu tun wäre, jondern
werden. Zur Zeit werden in Franken 3. B. | um den Stolz, ein mufterhaftes Haus zu
in Ortichaften, wo fich erfreulichermweije der | bejigen. Sobald nur in jedem Bezirfsamt
heimische TFachwerfbau nod gut erhalten | einige folder Bauten entjtänden, würden
hat, Schulgebäude errichtet im nüchternften | fie nahgeahmt und der Erfolg nicht aus-
Borortitil mit Arelierfenftern, deren Scheiben | bleiben. Auch müßten die Baubehörden bei
6 ME. koſten, fo daß bei einem Hagelmetter | eingereichten Plänen nücterner Neubauten
der Bürgermeifter fih mehr um die Schul» es verjuchen, die Bauluftigungen zur Ab—
fenster ſorgt, als um feine Ernte. Die |; änderung im Heimatsſtil zu bereden und
Behörden jehen ruhig zu, wie alte Kirchen- diefe Planänderungen (natürlih nur der
mauern aus Bruchfteinen unter einem Ber: | Faffaden) dann gratis anbieten. B. B.
putz verichwinden, wie „Marterln“ und
Die Auerhahnbalz im Bfälzerwald,
(Köln. Zeitung aus der Pfalz.) An | jauchzende ?Flötenlieder aus dem jungen
der Haardt ift emdlih der Frühling ein: | Fichtenſchlag. Das Leben ift erwacht in
gezogen. Ihn fünden die purpurroten | den dunflen Waldtälern und mit ihm ent:
Blüten der Mandelhaine, die gelben Brimel | züdend dus taufendfältige Liebesleben der
an den fonnigen Hängen und der Drofjel | Tierwelt, Wohl ift auch aus dem Bfälzer-
wald die hohe Jagd mit Hirich, Wolf und
Wildeber verſchwunden, zu Sagen geworden
find die Erzählungen, dab einſtmals mäd)-
tige Kaiſer hier glänzende Jagden gehalten,
und wie ein Märchen klingt es von Bar-
barofjas Jägerhaus in dieſen Mevieren,
Aber noch kommt das fcheue Reh auf die
einfamen Bufchmwiefen, Reinede, der gelbe
Räuber, fchleiht durchs Didiht, und der
gewaltige „Tetraon”, der Urhahn, bat auf
den Kuppen der Haardt jein Standquartier.
Wenn man durh das Tal der Iſenach
wandert und von der breiten Heerftraße,
melde ins Elſaß führt, abbiegt in Die
Schluchten. die nach den Hohbergen, nad)
dem ſagenhaften Dracenfels, dem kelto—
gälifchen Drumdenhain leiten, dann umfängt
den Wanderer ein wilder herrlicher Forit.
Es ift das ureigenfte Gebiet des „Jägers
aus Kurpfalz”. Dort liegen die Trümmer
des Jagdhauſes „Schaudichnichtum“, in der
Nähe auf einer Hochwieſe das romantiſche
Sommerſchlößchen „Kehrdichannichts“ und
unweit davon der alte Trutzturm „Murr—
mirnichtviel“. Sie find geblieben, die alten
Namen aus der Banffehde des Leiningiſchen
und Eurpfälziihen Jägervölkchens, und in
diefen Revieren um die verfallenen Säger-
bäufer treibt heute noch der König dieſer
Wälder, der Auerhahn, fein Wejen. Nun
ift die Beit, wo die Hähne ſchon verhört
find, wo der ftolze jcheue Vogel im Taumel
der Liebesluft dem tötlihen Blei zum Opfer
fällt. Gleich nach Mitternacht brechen die
Jäger von Haufe auf. Stundenlang führt |
der Weg durch die Waldtäler und über
fteile Höhen, über die fich das tiefe Schweigen
9
der Nacht breitet. Nichts regt fich, nur in
den fernen Jägerhäuſern bellt ab und zu
ein wachſamer Dadel verloren in die Finfter-
nis hinaus, und das Käuzchen bollert durch
den Wald. Grotesfe Schatten wirft das
ihmwanfende Laternenliht auf die Pfade,
die ſich durchs Heidefraut ins Dickicht ver-
lieren. Nah ftundenlanger Wanderung
endlich auf der Höhe Drüben im Dften
heben fi über die Rheinebene purpurrote
Lichtitreifen, und ein leifer Hauch der
Morgendämmerung zieht über die Wälder.
Eine Schnepfe ftreicht balzend vorüber, und
in den Wipfeln der Stiefern ftimmt die
Drofjel träumerifche Strophen ihres Morgen»
lieded an. Die ſchußfertige Büchfe im Arm,
barren die Jäger des eriten Balzlautes des
Hahns zum Anfprung. Da, in furzer Ent-
fernung, ein fchnalzender, fnappender,
ichleifender Ton. Drüben auf einer hoben,
balbdürren Fichte hebt fih ein dunfler
Segenitand, der fich fchwanfend hin und
her bewegt, gegen den Morgenhimmel ab.
Kein Zweifel, er ift es, der Gebieter diejer
Wälder, der königliche Vogel des Gebirges.
Ein Ruf, das Gewehr fliegt an die Baden,
ein Knall, der fi donnernd in taujend-
fahem Widerhall in den Bergen bricht,
und jchwer fällt der Vogel aus der Höhe
herab. Ein Knacken und Sniftern der nadı-
gebenden Zweige, und alles ift ftill, Drüben
über der Rheinebene hebt fi der Sonnen- '
ball blutrot über den Horizont. Der
; Morgen erwacht, aber der König diejes
Neviers ift tot, fein legter Gruß flog der
Sonne entgegen.
Ber Kuckucksruf
ift im verichiedenen Gegenden verichieden.
Der gemwöhnlihe Kududsruf, jo leſen wir
im Türmer (Herausgeber Freiherr von
Grotthuß), geht in der Fleinen Terz. So
rufen auch die meiften Kuckucke in unſerem
mitteldeutjchen Land, ebenjo auch am ganzen
Nheinlauf hin, Daneben ruft aber eine
große Anzahl in der großen Terz. Es ift
dies charafteriftiich, auffallend, aber jeden-
falls pofitiv ſicher feitgeftellt. Die Terzen
jelbft, ob groß oder Eleın, find vollkommen
eraft. Es gibt aljo Dur- und Mollkuckucke.
Die große Terz, übrigens auch der Ton-
ſchritt des Komponiſtenkuckucks, klingt
melancholiſcher, als die friſche, fröhliche
Kleinterz. Etwa ein Viertel aller Vögel
läßt ſie erſchallen. Es gibt aber auch
ſolche Kuckucke, die ihren Ruf in noch an-
deren Tonſchritten erklingen laſſen, nämlich
in der Quart und großen Sekunde. Im
Mainzer Becken iſt es faſt regelmäßig das
eingeſtrichene e, auf das der Vogel mit
bewunderungswürdiger Sicherheit einfegt;
deögleihen im Schwarzwald in der Gegend
um Baden-Baden, in den Forſten des
Teutoburger Waldes; es gibt aber aud
Gegenden, wo der Nadbarton es als eriter
Ton nicht jelten angetroffen wird, fo in
einem beitimmten Odenwaldtälchen von
etlihen Bögeln. Im Mainzer Beden er:
ichallt die normale Kleinterz, fie jegt prompt
mit e (dem eingeftrichenen) ein und ift von
abfoluter Tonreinheit.
Die Kuckucksrufe im Land an der mitt»
leren Elbe, aljo etwa in der Gegend
Magdeburg Halle, haben eine andere Ton-
lage — mwenigftens hatten fie das vor 100
Hahren, zur Zeit Naumanns, und haben
es wohl auch heute noch. Der größte und
bedeutendfte Drnitholog nicht nur Deutfch-
lands, jondern der ganzen Welt, der ganz
unbedingt fihere Naumann, gibt für die
bezeichnete Gegend, jeine Heimat, als erften
Ton Fis an und er jagt: Auf der gemwöhn:
fihen Flöte, womit man ihn täuschend nad):
ahmen kann, find es die Töne fis und d
in der mittleren (eingeitrichenen) Dftave
und fie tönen jo laut, daß man bei ftillem
Wetter den Kuckuck mohl eine halbe Stunde
weit rufen hört. Man könnte nun vielleicht
meinen, daß die e—c-Bögel und e— cis:
Bögel auch mit es anfangen könnten. Es
wäre ja denkbar, daR z.B. Ermüdung zum
Detonieren veranlaßt. Aber dies ift tat-
jächli nicht der Fall. Die tiefere Stim-
mung in es wird jchon am frühen Morgen
gehört und fonftant bei denjelben Vögeln.
Alzu häufiges Rufen macht den Bogel
ichließlich heifer, ändert aber nicht die Ton:
‚ höhe ab. (Seit Jahren fällt in der nächſten
Umgebung von Landſtuhl das Intervall
: es—e auf, welches jo jehr die Regel ift,
dab neulih eine Kududsantwort mit
gis—e (!) lebhafte Aufmerkſamkeit erregte.
D. Schr.)
Es fcheint zweifellos, daß jede Kuckucks
mutter ihre Rufart auf ihre Jungen fort-
erbt. Und daß gerade in der Rhein Main—
gegend e: und es⸗, Dur- und Moll-, Sefund»
und Quartfudfudfe zujammenftoßen, erklärt
ih wohl daraus, daß die veridhiedenften
Terrainarten, die laubwaldbededten Berg:
rüdfen des Taunus, die nadelwaldbededten
des Speljarts, die jtillen Waldtäler des
Odenwalds, das ebene Gartengelände der
Wetterau, die Wiejen und Aderlandichaften
Starfenburgs, das mellige Rebhügelland
Kheinheflend am Rhein-Main zujammen-
ftoßen und damit eben auch verichieden ge:
artete Wald- und Feldkuckucke mit jpezifiich
verschiedenem Ruf.
Glühwürmchen.
Wir leben jetzt in der Jahreszeit, wo | fäfer, den Telephoriden, und bei der Gruppe
die Glühwürmchen ihre höchſte Pracht ent- | der Schmiede, die wegen ihrer Gejchicklich
falten. Der Techniker fieht mit Neid auf
diefe Fleinen Xiere, denn ihnen ift von
Mutter Natur gegeben, was dem menjcd-
lihen Erfindungsgeiſt in langer Arbeit und
fogar mit Hilfe der modernen techniichen
Hilfsmittel nicht gelungen ift, nämlicd die
Erzeugung eines Ydeallichtes, dad nur
leudtet und nicht wärmt, ſodaß
feine Kraft verichwendet wird. Die Leudt-
fäfer gehören zu drei verjchiedenen Gruppen.
Um befannteften ift unter ihnen die der
Lamppriden, zu der das große und Fleine
Johanniswürmchen (Lampyris) gehört.
Diefe Familie hat gleichzeitig auch die
zahlreichiten Gattungen, die mit Leucht—
vermögen begabt find und wohl über ein
Dugend zählen. Seltener ift diefe Eıgen-
fchaft bei einer anderen Familie der Weich—
keit, fi) aus der Rüdenlage emporzufchnellen
und jo wieder auf die Beine zu kommen,
eine große Beliebtheit erlangt haben und
aus diefem Grunde auch als Scnellfäfer
bezeichnet werden. Die Naturforihung bat
gezeigt, daß die Leuchtorgane bei dieſen
verjchiedenen Käfern nicht immer dieſelbe
Ausgeftaltung befigen; bei den Scnell-
fäfern, zu denen einer der berühmteften
Leuchtfäfer der Erde, der namentlich ſchon
von Humboldt beobadtete Kocuju, mit
wilfenfchaftlihem Namen Pyrophorus nocti-
lucus, in Südamerifa gehört, liegt der Leucht-
apparat auf der Oberjeite der Bruftenge
und beſteht gleihjam aus drei Herden, von
denen zwei vundlich ovale, jeitliche und nad
dem Tode des Tieres als zwei gelbliche
Flecken ericheinen, während der dritte in
der Mitte erglänzt. Bei den Lampyriden
und Telephoriden, aljo unjern Glühwürmchen
und Weichkäfern, ift das phosphoreszierende
Drgan dagegen an der Unterſeite des Unter:
leib8 gelegen, und erftrect ſich dort in der
Geſtalt von Punkten oder Duerbändern
über die zwei oder drei vorlegten Abjchnitte.
Acloque erinnert im ſosmos daran, daß
übrigens fchon alte Naturforjcher das Leuchten
bei einzelnen Inſekten beobachtet haben, jo
namentlih aud an einem Mitglied der
durh das alte Aegypten fo body berühmt
gewordenen Käfergattung Scarabäus. In
der Neuzeit hat dann eine Reihe der an-
gefehenften Naturforjcher die Erforichung
der Leuchtfäfer weiter fortgeführt. Man
weiß jeßt, daß beim Glühwürmchen die
Drüfen, aus denen der Zeuchtitoff abgejondert
wird, aus zwei verfcicdenen Bellichichten
beftehen, die ihre befonderen Aufgaben haben.
Trotzdem aber auch die Chemie herangezogen
worden ift und auch einige Aufflärung über
die Beichaffenheit der von den Drüfen ge:
lieferten Ausſcheidungen herbeigeführt hat,
ift man doc nocd weit davon entiernt,
jagen zu wollen, daß fich das Nätjel diejes
fonderbaren Naturlihts dem menjclichen
93
1
ı
Scharffinn völlig enthüllt habe. Die Be-
obachtungen haben auch gezeigt, daB die
Leuchtkraft in gewiſſem Grade unter der
Willkür der Käfer fteht, die fie verſtärken,
abſchwächen oder fogar nad) Belieben ganz
unterdrücden können, Gibt das Inſekt ſich
kräftigen Anftrengungen hin, jo wird das
Licht gemöhnlid; glänzender. Gejchieht dies
Leuchten audy ohne Wärmeentwidelung, jo
ift doch für fein Zuftandefommen eine ge
wiſſe Wärme nötig. Eine Temperatur bis
zu 50 Grad fcheint dem Käfer für feine
Lichtentwidelung am zuträglihften zu fein,
während diefe bei jtarfer Abkühlung immer
weiter abnimmt und bei — 12 Grad ganz
aufhört. Befonders merkwürdig ift der
Nachweis, daß man nad; dem Tode des
Stäfers die Leuchtdrüfen nochmals ins Glühen
verfegen fann, wenn das tote Inſekt in eine
Miihung von warmem Wafler, Del und
Alkohol gebraht wird. Die eigentliche
Entitehung des Leuchtens joll nad den
neueften Forfchungen von Dubois zwei be
jonderen chemiſchen Stoffen zuzufchreiben
fein, die als Luciferin und Yuciferaje be»
zeichnet worden find.
Meiße, gelbe, rote"und ſchwarze Anoblandykröten.
Die Knoblauch oder Wafjerfröte (Pelo-
bates fuscus), ein in gan; Bentraleuropa
verbreitete Tier, trägt ein recht unjchein
bares Kleid; fie ift oben ihmußiggrau mit
brauren oder jchwärzlichen Flecken; Fleinere,
verihwommen rötliche Flecken find über die
Seiten verteilt; der Bauch ift unrein weiß
bis leichenfarbig. Es ift intereffant, daß
diefe natürlichen Farben (ähnlich wie die
pflanzlider Gewächſe) auf erperimentellem
Wege vollitändig verändert werden fünnen.
Wie Buftad Tornier (Berlin) in dem jo-
eben erjchienenen 9.10. Heft des „Zoo—
logiſchen Anzeigers“ mitteilt, ift es ihm
gelungen, eine Methode auszubilden, durch
die es möglich wird, je nah Belieben
weiße, gelbe, rote, graue und nahezu ſchwarze
Senoblauchkröten zu züchten, fo daß man
alfo faft alle Farbenvarietäten erhält, die
überhaupt denkbar find. Die gemünfchten
Umfärbungen erreiht Tornier durch ver:
jchiedene Fütterung der eben ausgefrochenen
Krötenlarven. Bei rein pflanzlider Nah—
rung iſt es nicht möglich, die jungen im
der freien Natur an gemijchtes Futter
(Algen und tieriſche Stoffe) gewöhnten
Tiere am Leben zu erhalten; mwerden aber
die eben aus dem Ei gefommenen Larven
mit Fadenalgen und Fleiſch jo lange ger
füttert, bis die Hinterbeine entwickelt find,
und von nun an nur noch mit jo viel
Fleiſchkoſt aufgezogen, al im Minimum
zu ihrer Ummandlung in Bollfröiche nötig
ift, jo befommen fie bald eine rein glafige,
blaß-zitronengelbe Haut und behalten diefe
albinotiſche Hautfärbung auch nach ihrer
Ummandlung in Bollfröfche bei. Bei mittel»
ftarfer Fleijchfütterung in Algentöpfen bins
gegen nimmt die Haut die intenfiv gelbe
Farbe von Apfelfinenfchalen an; aus folchen
Larven gehen Volltiere mit einer Oberjeiten-
färbung in ſtark leuchtendem Binnoberrot
hervor; noch reichlichere Fleiſchnahrung end»
lich ergab faft rein graue und reine Fleifch-
sasırıq saltız suitsurmen Amar Brdeen- Verses, de file eeer Airischrung
keıs Braten mem cm Parsericeeet de rei iszeriäumerz getirte waren, durdg Ber-
Grsiierigsmrie high, is tr fe m rtelong ge temer Blseeecheeng innerhalb
Perser Zerr va bar maurm Mabrurg vcyern oft ieh eier Ice = grangeide Tiere zu
une grchere Caztirtkees en. &: geisn verwazdeiz, Ir igäter rem grame Belltiere
es be; eimeie, trewerl erwotime ersıten.
„Die bayerilhe Schildkröte.“
Zus Dieken wird ber „Art. Zeg.“ „Eimys europea*, bie eurortiide Zeid-
griärseben: „in der Agl. Allerbögiten ichtlofröte eberiower:g berwiidh wie etwa
Bersrbn ira vom 19. Mär; 1909, welde die die „Boa Constrietor* o®er der „Megaloba-
erſten Aut’ührungsbeltimmungen über den trachos maximus*. der vielleicht einmal
Kollsug 54 neuen bayerischen Fücheren in eırem modernen jaraniſchen Fiſcherei
gelegen a enthalt, lautet $ 1, Gegenhände geieg mit Recht erwähnt werden fann.
bes Fiſchererrechia. Auher dem Fiſchen und? Warum, frägt man Ah, ſteht aber die
Sirebien ſind Gegenſtand bes Fiſchereirechts Schildfröte, übrigens ein ummügliches, eber
bie Shilbfröten — Daß der erite ſchädliches Reptil, dennoh im Bauweriſchen
Paragraph einer Bollzugsverordnung mit Geſetz, und Berordnungsblatt, und jogar
„außer“ beginnt, foll nicht Eritifiert werden. unter & 1, der die Fiſche und Krebſe nur
Das fogenannte YJuriftendeutih ift ja be nebenſächlich als Gegenitände des Fiſcherei
kannt und geſchätzt. Es handelt ſich auch rechts erwähnt? Ich babe mich bei vielen
weniger um bie Inliftiiche Form al& um Juriſten erfundigt. Leider vergeblid. Bom
ben „Inhalt, in welchem die Scildfröten | jüngften Redtspraftifanten bi$ zum älteften
als ZGubjelt einigermaßen befremdend wirken. | Oberregierungsrat zuckt jeder die Achfeln
Denn eine Schllökröte kommt nad Brehm | und verweigert hartnädig die Auskunft.
und anderen naturmiffenichaftlihen Kapa: | Ih habe mich zuerit darüber geärgert.
jitäten innerhalb der weiß blauen Grenz: | Auch anderen guten Staatsbürgern mag
plähle nidyt vor; mwenigftens nicht „mild“, es fo ergangen fein. Schließlich aber findet
dafür vielleiht in manden Aquarien und | man fih mit der Tatſache ab, daß dieſes
Terrarien, die aber im Kigl. Baperifchen | Tier nun mwenigftens im Geſetz vorfommt,
Fiſchereigeſetz ſelbſt nicht einmal unter den | daß unjere Fauna menigitens um eın
Begriffen von „Ainftlih angelegten Fiſche ſchwarz auf weiß gedrudtes Fabeltier be-
teichen und Fiſchbehültern“ erwähnt werden, | reichert wurde. — W.“
mi einem Worte: in Bayern ift Die
Mon der Biene.
Der Orteſtun der Bienen. Gafton | ihrem Stock zurück; überdies ift das Bienen—
Vonnier, einer der befannteiten frangöfiichen | auge nicht zu bejonderen Sehleiftungen be:
Naturloricher, hat jlngft Unterfuchungen | fähigt.
Über den Ortsſinn der Bienen angeltellt, Innerhalb eines Kreiſes von zwei bis
deren Orgebniffe er in den „Annales“ ver- | drei Stilometer Radius findet eine Biene
Öffentliht, Dan batte bisher viellah an» | mit unfebhlbarer Sicherheit ihren Stod
genommen, daf die aufanmmmengejegten Augen | wieder, auch wenn man fie in einen ver-
der Bienen bei ihrer rätielhaften Fähigkeit, | fchloffenen Kaften befördert hat. Das Selt
aus großen Entfernungen ihren Stod wieder | ſame bei dem DOrtsfinne der Bienen ift
sufinden, eine weientlihe Rolle fpielten; | nun, daß die Biene nicht etwa ihren Stod,
dies dit beſtimmt micht der Fall, denn auch | fondern nur den Ort, wo diejer geſtanden
gehlendere Bienen fliegen aus großer | hat, wiederfindet; entfernt man den Bienen:
Entfernung in fchnurgerader Richtung nach | korb auch nur um wenige Meter, fo jammeln
Er —
ih die Bienen an dem alten Ort an. | bilden, find daran unbeteiligt, wie Bonnier
Bonnier hat feftgeftellt, daß die Bienen | angibt, denn fühlerlofe Bienen haben
auch bei der Nahrungsjuche ähnlich ver- | diejelbe Fähigkeit, ihren Stod wiederzufinden,
fahren. Etwa 200 Meter von einem | wıe normale. Bonnier vermutet, der Drts«
Bienenftof brachte er einen Reifigbaufen | finn habe jeinen Sitz in den Ganglıenfnoten
an, der mit Sirup beitrichen murde; | des Stopfes, die dem Gehirn höherer Tiere
Ihwärmende Bienen entdedten ihn bald | entiprecdhen.
und zwiichen dem Stock und dem Reifig: Bienenzudt in Oftafrifa. In unjerer
haufen entmwidelte fih ein lebhaftes Hin | ojtafrifanifhen Kolonie ift die Bienenzudt
und Her der Bienen, die den Sırup ihrem | im allgemeinen ſehr gewinnbringend. Die
Stof zutrugen. Bonnier bezeichnete alle | Eingeborenen höhlen Abjchnitte von diden
Bienen, die fih auf dem Reifighaufen | Stämmen aus und hängen fie in Bäume.
niederließen, mit einem Farbftoff, um fie | Bald find dieje Stlogbauten "von Bienen:
wiederzuerfennen. Am nächiten Tag fanden | jhwärmen bewohnt, die, weil e& in jenen
fich die bezeichneten Bienen wieder an dem | Gegenden feinen Winter, wohl aber reiche
Reifighaufen ein. Ein anderer, ebenfalls Tracht gibt, durchichnittlich alle drei Monate
mit Sirup behandelter Reifighaufe, der nur | eın anjehnliches Quantum Honig und Wachs
wenige Meter davon angebracht war, blieb | liefern. Die Ernte gejchieht in der Weile,
von ihnen ganz unbeadtet, wurde aber | daß die Immen durch Rauch betäubt und
bald von anderen Bienen aus demjelben | ihrer Produfte jchnell beraubt werden. Die
Ktorbe ausfindig gemacht, die nun zwijchen | weißen Anfiedler haben fich meiftens. die-
ihm und dem Stod verkehrten, Bonnier | jelbe Betriebsweile angeeignet. Die Zudt
bezeichnete dieje mit einem anderen Farb | im Haken mit mobiler Einrichtung ift noch
ftoffe, und nun ertwidelte fich das feltfame | wenig verbreitet, aber nach dem Gejagten
Schauipiel, daß die beiden verichieden be- | überaus lohnend, Die afrikaniſche Biene
zeichneten Bieneniharen von ihrem Stod | ift kleiner als die deutjche. Der von ihr
aus zwei Wege nad) den beiden Neifig | aufgeipeicherte Honig zeigt eine ziemlich
haufen einjchlugen, die unter einem ganz | dunkle Färbung, ift jehr ſüß, doch minder
jpigen Winfel aufeinandertrafen, ohne daß | aromatıldy als der europäiſche. Nur wenig
jemals eine Biene, die erft von dem eriten | davon wird exportiert. Das afrifanijche
Reifighaufen Nahrung geholt hatte, dem | Wachs jchmilzt erft bei höheren Hitzegraden
zweiten zuflog oder umgekehrt. als das unjerige und eignet ſich megen
Der Ortsfinn der Biene arbeitet, hie» | feiner Feſtigkeit vorzüglich zur Herftellung
nach zu jchließen, mit faft mathematischer ! von fünftlihen Waben. Aus vorftehender
Genauigkeit. Wo er feinen Sig hat, ift | Schilderung ergibt fih, daß die rationelle
zur Beit noch unbefannt Die Fühler, die Bienenzucht in unjeren oftafrifaniichen Be—
den Sig des Taft- und Geruchvermögens | figungen vielleicht eine große Zukunft hat.
Die Abſtammung und Heimat unferes Barkels
ift eine Frage, die erft durch die Unter- | rörlichgelber Farbe, abftammt. Bon diefem
ſuchungen C. Kellers und anderer Forjcher | ägyptiichen Windhund ftammen eine große
einigermaßen geklärt worden tft. Der ; Anzahl Rafjen ab, die jämtlich ſchlank und
lange, ichlanfe Leib, der feine, Kluge Kopf | hochbeinig find und fi Über die ganze
mit den Hängeohren und dem fräftigen | Erde verbreitet haben. Der Tedel nun ift
Gebiß, ſowie das glatte, ftraffe Haar fenn | allem Anjchein nad das Züchtungsproduft
zeichnen unjern Waldmann als einen Ber- | einer altägyptijchen Modetorheit. Geradefo
wandten des Windhundes, der jeinerjeit$ | wie vor etwa 40 Jahren eine Bwergform
nicht auf dem einheimifchen europäischen | der großen Doggenarten, der Mopshund,
Boden entftanden, fondern ein Kind des | in Mode kam, liebten die Aegypter eine
jonnigen Südens ift und vom abejlinifchen | Zeitlang gewiſſe Windhunde, deren Glieder
Wolf, einem mittelgroßen NRaubtier von | rhaditiiche VBerfümmerungen zeigten. Ya,
diefe Verfümmerung, eine anfangs mohl
rein pathologijche Ericheinung, wurde wahr»
ſcheinlich auch fünftlich hervorgerufen, und
zwar dadurd, daß den heranwachſenden
jungen Tieren jeder Kalk in der Nahrung
vorenthalten wurde; eine Folge davon war,
daß die Knochen und die Gelenke weich
blieben und fih unter dem Drud des
wadjenden Körpers verbogen. In den
Grabfammern von Benihaſſan findet fich
eine Beichnung, die nachweift, da damals
Ihon, aljo mehr als zwei Kahrtaufende
vor der neuen Beitrechnung, ſolche Tedel
in Aegypten gezüchtet wurden; allerdings
96
|
|
|
fcheint damals die Raſſe noch verhältnis
mäßig jung gewejen zu fein, denn die Ohren
find wie bei ihren Stammeltern, den Wind.
bunden, noch aufrecht. Obgleich unſer
Dackel alſo urſprünglich von einer Eranf-
haften Krüppelform abſtammt, die merk—
würdigerweiſe beſtändig wurde und auf das
ehrwürdige Alter von mehr als vier Jahr
tauſenden zurückblickt, iſt er doch heute eine
der feſteſten und beſtändigſten Hundearten;
dank ſeiner liebenswürdigen Eigenſchaften
hat der Dackel ganz beſonders das Herz
des Menſchen zu finden verjtanden.
Der — im Reichslande.
Im Sundgau iſt eine große Treibjagd
auf Wölfe abgehalten worden. Der Be—
ſtand an Rehen und Haſen war im Juli
1908 ſchon mehr als dezimiert, was er—
fahrene Forſtmänner unverhohlen zugeſtehen,
und die Bauern klagten wahrlich nicht über
Hajenfraß an den Qurlipsädern, mie in
anderen Jahren um dieje Zeit. Aus Ueber:
ftraß und Largigen liefen newe Klagen ein,
Der derer S. aus Merzen mollte Klee
aufladen; da fam der Wolf, der es feinem
Hündlein antun wollte. Der „Bello“ jprang
raſch auf den Brückenwagen; in demjelben
Augenblit jagte ein Haſe vorbei, einige
gewaltige Sprünge und ©. ſah das Häs—
lein ım Rachen des Wolfes. Der Ackerer
St. aus riefen mähte früh Gras. Auf:
fallend ängstlich fchlich fein Hiindlein an
ihn heran, zwiſchen feine Füße; St. ſchrie
aus Yeibesfräften, den Holzichuh als Sprach
rohr benugend, dar man es im nahen Hind
Lingen hören konnte: „der Wolf, der Wolf!”,
der einige Schritte von ihm auf das Hünd—
lein gelauert hatte. Der Uderer 9. von
Dindlingen begegnete faum 10 Minuten
öftlih vom Dorfe, beim Eipengraben, eben:
falls einem jungen, faum einhalb Schuh
hohen Wolfe, den er mit der Senje ver:
folgte. Der Aderer ©. von Hindlingen
ab, als er zum Mittageffen heimfehrte,
den Wolf (deffen Fußipuren nicht jo groß
waren, wie die eines anderen Wolfes) auf
dem Hohlenwege liegen. Raſch ließ er den
Förſter bemadır.chtigen, dem fich einige
Männer und Burfchen mit Senſen und
Gabeln anihloffen. Der Förfter gab einen
Schuß ab, der Wolf machte einen Sprung
in die Höhe, vermutlich an einem Dinter-
beine geftreift umd eilte dem Walde zu.
Aehnliche Beiipiele fünnten noch mehrere
angegeben werden. In Bindlingen, mo
man je ein Wolfspaar nebft Yungen im
Oberfeld und im Niederfeld vermutet, ge
traute fich feine Frau oder Rind auf die
Wieſe oder den Ader. Der Hauptherd der
Wölfe war ungmeifelhaft in den Wäldern
öftlih von Hindlingen, wo bei Merzen,
Füllern, gegen Carſpach, Hirtzbach und
Largigen zu mehrere „Strache“, d. h. tıefe,
dichtbewachſene Schluchten vorfommen, wo
fie unzmeifelhaft ihr Hauptlager hatten.
Auch in Ueberſtraß (Kreis Altfirh) war
der Wolf gefehen worden und zwar mehr:
‚ mals längs des Waldes und im Walde ar
der franzöfiichen Grenze. Der Gaftwirt
P. Eckenſchwiller, der 20 Minuten meftlich
vom Dorfe neben der Wallfahrtskirche
„Srünenmwald“ wohnt, verfolgte abends
T'’e Uhr die Beftie, eine hochträchtige
Wölfin, mit feinen zwei Söhnen mit Heu—
gabeln. Der Förfter Balkinger aus Nieder:
jept gab zwei Schüſſe auf das Tier ab, die
fehlgingen wegen der zu großen Entfernung.
Die Furdit unter den Einwohnern war jo
groß, dab die Leute die unzähligen Erd—
beeren und Himbeeren im Walde unbenügt
verfaulen ließen.
97
Giftgefahr!
Giftpflanzgen. In den kommenden Tagen
wiederholen ſich, wie alljährlich, die Fälle
ſtets von neuem, daß Kinder mit giftigen
Pflanzen jpielen, Teile davon zerfalıen und
verichluden. Da ein fchnelles Eingreifen
jederzeit geboten iſt, jo feien für die ein-
zelnen beimifchen Giftpflanzen die am
leichteften zu erreichenden Gegenmittel mit:
geteilt Da es am beiten ift, daß der
Giftſtoff möglichit chnell aus dem Körper
entfernt wird, jo empfiehlt es fich immer,
einen Brechaft hervorzurufen, Man bewirkt
ihn fehr einfah dadurd, daß man den
Kindern den Finger weit in den Mund
ftedt. Als Gegenmittel gegen die zurück—
bleibenden BPflanzengiftitoffe gelten für
Bilfenfraut Effig und Zitronenfäure mit
Waſſer verdünnt; für Tollkirſche jchwarzer
Kaffee oder Seifenmwafjer, wobei außerdem
falte Umschläge auf den Kopf zu legen
find; für Stechapfel Eſſig und Zitronen:
fäure;; für Nachtichatten fohlenfaures Natron;
für blauen Eijenhut Kaffee, Wein und Eſſig;
für Schwarze Nießwurz außer fchwarzem
Kaffee fette Dele. Ein Gegenmittel gegen
den roten Fingerhut bilden Staffee, Eſſig,
Bein und Werther. Dazu können alte
Uebergießungen des Kopfes zur Anregung
. borgenommen werden, Diefelben Mittel
find bei Vergiftungen durch den gefledten
Schierling anzuwenden. Das große, gelb-
blühende Scöllfraut erfordert Kampher,
während bei Wolfsmilh laue Milch oder
auch Eſſig gute Dienfte leiftet. Bei Gift-
lattig find Staffee und Pflanzenſäuren an«
gebracht, und bei der Herbitzeitloje ift neben
Eifig aud Honig zmweddienlih. Natürlich
ift bei irgendwie bedrohlichen Erjcheinungen
jofort zum Arzt zu fchiden, da es ih
bei allen den empfohlenen Mitteln nur um
eine einftweilige Entgegenwirkung gegen die
einzelnen Giftjtoffe handeln fann.
Erlennung gniftiger Pilze. Es dürfte
angebracht fein, nachftehend ein einfaches
Mittel zur Erkennung giftiger Pilze mit-
zuteilen. Man kocht eine ganze Zwiebel
mit den Pilzen; befindet fih auch nur ein
giftiger Pilz darunter, jo wird die Zwiebel
jo Schwarz, als wenn diejelbe in Tinte ge-
gelegen hätte. Andernfalls, wenn fich alfo
fein Giftpilz darunter befindet, erhält die
Bmwiebel genau die Farbe der Pilze,
Einer der aiftigiten Pilze ift der
fsliegeupilz, welcher an feinem hochroten,
mit weißen Punkten überjäten Hut leicht
fenntlich ift. Er fühlt fich Elebrig an und
das Innere des Stieles ift mit ipinnweb-
artigem Mark erfüllt. in in Buden-
wäldern häufig vorfommender Giftpilz ift
der Pantherſchwamm, welcher dem Fyliegen-
pilz sehr ähnlich fieht, nur ift Die Färbung
des Huted ein wenig dunfler als bei lek-
terem. Unter Birfen mwädft häufig der
Birfenreizfer, welcher nicht mit dem eßbaren
Eierſchwamm zu verwechſeln ift, doch kann
man ihn durch jeinen behaarten Rand leicht
erfennen. Gin der genießbaren Spigmordel
ähnlicher Giftpilz ift die Gift- und Stink
morchel, welche fih im Anfangsftadium in
einer ſchmutzig gelben Hülle befindet und
durch ihren widerlichen Geruch leicht kennt—
lih ift. Der Saupilz oder Hexenſchwamm,
welcher dem Steinpilz ähnlich fieht, ift
daran zu erfennen, daß er beim Durd-
ichneiden blau anläuft. Der Speiteufel
mit feinem roten, gelben oder auch glänzend
weißen Hute ijt mit einem ablösbaren,
ichleimigen Häutchen überzogen und ſchwer
erkennbar. Gin außerordentlich giftiger
Schwamm ift ferner der Stnollenblätter-
ihwamm, welcher an giftiger Birfung dem
Fliegenpilze gleichkommt. Derjelbe ift des:
halb jehr gefährlich, weil man ihn in jungem
Buttande leicht mit einem Champignon ver:
wechſeln fann. Seine Stennzeichen find jein
oben hohler und unten dider Stiel. Der
Scmefelfopf, ein namentlih an Baum»
ftämmen in Büfcheln machfender Giftpil;,
ift durch feine jchmefelgelbe Farbe kenntlich.
Endlich ift noch der Satanspilz mit einem
dien roten Schaft zu erwähnen, welcher
namentlih an Baumftämmen in Büfcheln
wächſt. Derjelbe fühlt fich Flebrig an und
fein ſchmutzig gelber Hut ift politerförmig
gewölbt. Ueberhaupt zeichnen ſich die Gift:
pilze bauptfächli durch ihre Tebhaften
Farben vor den eßbaren aus. — Bei Ber:
giftungsfällen durch Giftpilze find fchleunigft
Brechmittel anzumenden.
98
Bon der Aartoffel.
Bom Rerisfieiüchen Jede Hausfrau
weiß, daB eine gute Kartoffel via
ill beim Sieden. Barım tut nun
mande Kartoffel das nicht? Der Grund
Mn, wie Abel in „Chemie in Käche
und Haus” (Aus Natur und Geifteswelt,
B. ©. Teubner, Leipzig, auseinanderjegt,
daß das Eiweitßz, das im Sartoffeliaft ent-
halten ift und die Räume zwiſchen den
Bellen oustüllt, in der Siedezeit gerinnt.
Benn nun dieſes Gimeiß relatıv viel vom
(Gehalt der Kartoffel ausmacht, dann wird
fie ipedig. Es gibt Sartoffeliorten, bei
benen dies durch alle Hochtunft micht zu
verhüten if. In anderen fällen fann aber
aud eine gute Startoffel dadurch zu einem
harten, klatſchigen Rnollen werden, daß die
Startoffeln gleih ins heiße BWafier
fommen, wodurch die äußeren Gimeiß-
dichten gerinnen und die Ausdehnung der
Stärfmeblförner, auf der das Aufipringen
berußt, verbinden. Man muß deshalb zu-
ertt dem falten Wafler Zeit laſſen, ins
Innere der Rartoffel einzudringen, damit
die Stärfeförner die zum Aufquellen nötige
Menge Waſſer erbalten, ebe die Siedehige
die Gerinnung bemirft.
Die Rarroffelbläre im Brautlktauz. —
Johannes Matthäus, Profeſſor der Arznei
kunde in Derborn bis 1621, pflanzte die
erite Kartoffel, die er aus England erhielt,
in einen großen Blumentopf und ftellte
dieien zur Schau vor das enter. Sein
Nachfolger Zahariad Roſenbach erzählt,
daß ein angeiehener Bürger in Herborn
bei Berebelihung jeiner Tochter fich die
Blume diejer Pflanze in den Brautkranz
ausgebeten, und daß wirflid die Braut die
Startoffelblüäte bei der Trauung vor dem
Altare getragen babe.
Arieg den Mücken!
Ueber ein neues Müden-Abmwehrmittel | einem dichten Rafen überzieht, unter dem
wurde fürzlih in der „Allgemeinen Medi
zinal Zentral Zeitung” berichtet. Nach den
von einem Hamburger ‘Mitarbeiter der
Yeip. N. N. eingezogenen Erfundigungen
handelt es ſich bei diefem Abmwehrmittel,
das zur Beit im Inſtitut für Tropenfranf:
heiten ausprobiert wird, um eine zu den
Wallerfarnen gehörende Pflanze „Azolla”,
die in mehreren Varietäten vorfommt. Die
Pflanze ift im allgemeinen eine Tropen»
pflanze, gedeiht aber aud im Sommer in
Deutichland und foll auch milde Winter
feimungsfähig Überjtehen, Ihre Wirkung
ſoll darin beſtehen, daß fie bei geeigneten
Temperaturen fi jo ftarf vermehrt, daß
fie in kurzer Beit eıne Waflerfläche mit
die Müdenbrut wegen Luftmangels erſtickt
und der das Ablegen von Müdeneiern in
das Waller unmöglich macht. Fiiche werden
durch die Pflanze nıcht neihädigt. Vorſicht
ift megen der zu ftarfen Wucherung geboten.
Bum Beiipiel können Biehtränken in kurzer
Beit fo überwuchert werden, daß fie nid
mehr benugt werden können. Ganze Wiefen
fönnen in furzer Beit von diejer Pflanze
überwudert werden, Die Verſuche im In—
ftirut für Qropenfrankheiten zu Hamburg
find noch nicht abgefchloffen. Nähere Mit:
teilungen über dieje pflanzlide Müden
feindin können Intereſſenten durch Fiſcherei—
direftor a. D. Barthmann in Wiesbaden
erhalten,
Aydropathilches.
Ueber den Brunnenranfh. Auf der
29. VBerfammlung der Balneologıichen Ge:
fellichaft, die kürzlich in Breslau ftattfand,
bielt Herr Löwenthal (Braunſchweig) einen
Vortrag Über den Brunnenraufh. Es
handelt fich dabei, wie die Deutſche Medi—
ziniishe Wochenschrift berichtet, um eine
Störung des Nerveniyftems in den eriten
Tagen bei Bädern wie Trinfkuren, die ſich
in Kopfichmerz, Schwindel und Aufgeregtiein
äußert, In höheren Stadien verlieren die
Kranfen das Orientierungsvermögen. Bon
diefem Rauch abzutrennen ift das Brunnen:
fieber oder die Krifis, *ie gegen Mitte oder
Ende der Kur mit Magendarmftörungen,
Fieber, Widerwillen gegen den Brunnen
verbunden ift und bei wiederholten Kuren
immer früher aufzutreten pflegt. Als Ur:
fahe für den Brunnenraufh ifi nur ein
Gas anzunehmen, und es fann fi nad
Ausſchluß der übrigen Gaſe nurum Kohlen:
fäure handeln. In der Tat handelt es
fih bei der SKohlenjäure Intoxikation um
gleichartige Raufchericheinungen, bei denen
felbft in den hohen Graden ebenfalld mo:
toriihe Hemmungen fehlen. Da die größte
Wirkung für die eingeatmete Kohlenjäure
anzunehmen ift, wären die Trink und Bade-
räume der Kurorte auf den Gehalt an COs
zu unterjuchen,
Radium als Urſache des Fropfes. Die
bisher noch ungelöfte Frage Über die Ent:
ftehung des Kropfes jcheint eine unerwartete
Löfung finden zu follen. Es ftand bisher
feft, daß der Kropf durch den Genuß einiger
beitimmten Quellen hervorgerufen oder
wenigſtens begünftigt wird. Gibt es doc
ganze Gebirgsdörfer, in denen nicht ein ein-
ziger Bewohner ohne Kropf eriltiert. Eigen-
tümlicberweife verlieren aber viele Wajjer-
läufe, die an ıhrer Urjprungsjtelle ganz
unverfennbar eine fropfbildende Fähigkeit
befigen, dieje Gigenjchaft in kurzer Ent:
fernung von der Quelle. Nun hat Repin
der franzöfiichen Akademie der Wiſſenſchaften
die Überrafchende Mitteilung gemacht, daR
all’ die Quellen, die anerfanntermaßen zur
Kropfbildung beitragen, ſtark radium-
haltig find. Bei drei Gebirgsdörfern, mo
der Kropf außerordentlich häufig ift, konnte
Nepin Sehr ſtark radiumhaltıge Quellen
nachweiſen. Seltiamermweije find aber auch
viele als gejundheitsfördernd befannte
Mineralwafjer radiumhaltig. Nun erhebt
fi die intereffante Frage: Sollte hier die
Wirkung des Radiumsgehalts durch den
Einfluß eines anderen Beitandteils auf
gehoben werden, und welches find die Voraus—
ſetzungen dafür, daß der Genuß von Radium
zur Kropfbildung führt?
BWaflerverforgung uud Kropf. Die
Münchener Medizinische Wocenichrift ent
nimmt der rumänifjchen Revistra stüntelor
99
Medicale folgende Mitteilung: Die Ber-
mwaltung der Stadt Yaffy hatte beſchloſſen,
das notwendige Trinfwaffer von dem
etwa 100 Kilometer entfernten Gebirgs-
dorfe Timischeichti einzuleiten. Die Vor-
arbeiten mwaren beendet, ul8 die militär-
ärztlihe Affentierungsfommiffion darauf
aufmerffam madjte, daß ein großer Prozent:
jaß der aus jener Gegend ftammenden jungen
Leute an Struma (Kropf) oder Kretinis—
mus leide. Eine an Ort und Stelle ent:
fendete wiſſenſchaftliche Kommilfion hatte
nun darüber zu entjicheiden, ob die be-
treffenden Gndemien auf das Trinfwafler
zurüczuführen wären und ob aljo die Ein»
leitung Ddesjelben in die Stadt eine Ge—
fahr für die Bevölkerung in ſich Schließe.
Der nun vorliegende Bericht befchreibt in
Kürze die gemachten Unterfuhungen. Haupt
ſächlich zeigte es fich, daß in den betreffenden
Gebirgsgegenden jene Dörfer, welche Brunnen
von geringer Tiefe (etwa 1', Meter) be»
figen, viel zahlreichere Fälle von Struma
und Sretinismus aufweiſen, ald jene mit
Brunnen von 5 bis 9 Meter Tiefe, woraus
zu jchließen wäre, daß die oberflächlich ge-
legenen Waſſerſchichten Verunreinigungen,
möglicherweije bafterieller Natur, enthalten
und bierdurd zur Entwicklung der in Rede
ftehenden endemijchen Krankheiten Beran
lafjung geben können. Die bafteriologijchen
Unterfuhungen haben die Anweſenheit von
zwei jchleimbildenden Mikroorganismen ge
zeigt und es ift nicht unmöglich, daß dieje
zu akuten oder chronıschen Vergiftungen Ber»
anlaffung geben fönnen, Vergiftungen, deren
Hauptiymptome in Erjcheinungen von thyreo⸗
idealer Inſuffizienz beftehen. Wie dem aud)
jei, der heutige Stand der Wiſſenſchaft er-
laubt einen ſicheren Schluß in diefer Be
ziehung noch nicht, aud kann nicht mit
Sicherheit gejagt werden, ob das betreffende
Trinkwaſſer ihädlih im bejagten Sinne
fein wird, da die zu faflenden Waſſer—
ſchichen in einer viel größeren Tiefe
liegen, als der Wafferipiegel der unter-
fuhten Dorfbrunnen. Jedenfalls müljen
zur Löſung dieſer Frage noch mannig-
fache Unterſuchungen vorgenommen werden,
wodurch aber die Waſſerverſorgung der
Stadt Jaſſy wieder in eine ungewiſſe
Ferne gerückt wird.
— 100 —
Zur Bekämpfung der Stanbplage.
Der Belämpfung der Staubplage widmet | noch eine ganze Anzahl folder praftiichen
man jeßt von verichiedenen Seiten Intereſſe, | Löfungen, die dem Rechte des Straßengängers
wie z. B. eine Mitteilung erweiien mag, | wie des Automobiliften Genüge tun würden.
dab dıe bayeriihe Staats: Bauverwaltung | Wir möchten deshalb anregen, daß ſowohl
Beriuhe macht zur Befeitigung der dur | die Behörden ald auch die Automobiliiten,
den Automobilismus verurſachten Staubplage | infonderheit der Bayeriihe Aatomobilklub,
auf den Yanditrafen. Zum Schuße der | der fich erfreulichermeife auch für Bejeirigung
|
Bolkögefundheit gibt es auf diefem Gebiete | der Staubplage einjegt, die Straßenfarten
fofort anwendbare Möglichfeiten. Das bat | daraufhin nadjehen, welche Nebenftraßen
heute die Münchener Bolizeidireftion gezeigt, | in äußeren Stadt: und in Ausflugsgebieten
indem fie auf der Harladjinerftraße, dem | ausichließlich dem Fußgänger: bezw. Pferde-
Ihönften Höhenpromenademeg Münchens, den | fuhrmwerköverfehr zugemwiejen werden fönnten.
Straftwagenverfehr verbot und die Auto- | Die Allgemeinheit würde ein jolhes Ent
mobile auf die unfern von der Harladinger- | gegenfommen einfichtiger Automobiliftenfreiie
firaße laufende Parallel Ehaujfee, auf die | gewiß mit Danf begrüßen, zumal es um-
Grünwalderftraße, verwies. Auf diefe Weife | zweifelhaft ift, daß e8 für die Fußgänger
ift der Fußgänger am Iſarhang von den | und Radler noch viel Staub zu jhluden gibt,
Unannehmlihfeiten des Automobilverfehrs | bis Mittel gefunden find gegen die Staubplage,
geihligt und dem Automobiliften dennodh | die uns das Automobil brachte, das in jeinem
genligend Verkehrsmöglichkeit gefihert auf | Siegeszug durch die Welt den Berhältniffen
der eigentlichen Hauptſtraße. Es gäbe im | unjerer Zeit und der landläufigen Straßen:
Mündner Stadtbezirk und im Vorortverfehr | bautechnif fo weitvorausgeeilt ift. (M.N.R.)
Neu entderkte Windlöcher am Rönigsberg bei Menfadt.
Die von mir ©, 45 ausgefprocdene | Öffnungen und FFelsjpalten) befinden ſich
Vermutung, dak am Rande des von zahl- | oberhalb der befannten großen, vom Fabrik:
reihen Bermwerfungsipalten und Slüften | befiger Louis Heck gefundenen „Fumarole“
durchfegten Hartgebirges im Laufe der Zeit | und oberhalb der Heidenlodhhöhle.”
vorauslichtlich noch mehr Windlöder ent- Auch bei der an gleicher Stelle von
deckt werden würden, hat fich nad ciner | Wildbad erwähnten Erjcheinung handelt es
BZeitungsnotiz aus Neuftadt vom 23, Jum | fi, wie mir Herr Stadtichultheiß Baetzner
d. Is beſtätigt: bei der Empfangsbeftätigung meines Auf—
Am oberen Gipfel des Königsberges ſatzes mitteilte, ohne Zweifel um ein Wind—
wurden in den legten Wochen noch einige | loch, alſo nicht um eine mit den dortigen
bisher unbefannte ſogen. „Fumarolen“ | Thermalquellen in Werbindung ftebenden
oder Windlöher entdeckt, die auch Wajler- Felsſpalte. Dr. Häberle.
dampf ausſtoßen. Die Löcher (bezw. Geröfl« |
Citerariſches.
Einen trefflichen Beitrag zur mittel—
alterlichen Topograpbie der Pfalz bat ſo—
eben unſer Landsmann, der tätige Geologe
Dr. D. Häberle in ſeiner „Mark von
Sippersfeld im Jahre 1019* herausgegeben.
Der Verfaſſer bietet uns bier mit ſeinen
fleißigen Studien wertvolle Aufichlüffe über
einen Teil unferer pfälzifchen Heimat. ine
beigegebene deutliche Karte zeigt uns die
mutmaßliche Banngrenze des alten, unter-
gegangenen Dorfes Albusheim und von
Sippersfeld im Jahre 1019 und die heutige
Gemarkung. Dieje frühere Grenze ging
im Norden von Falkenſtein bis zur Doc
ſtraße im Süden, von Schnepfenberg weſtlich
bis Börrftadt öftlih. Häberle folgert aus
verichiedenen früheren Hinweiſen, daß das
verjhmwundene Dorf Albushbeim oder
Alvesheim in der Nähe der heutigen
Burgruine Hohenfeld am Südabfall des
Donnersberges zu ſuchen ift. Leider hat
diefe Annahme troß aller nach verjchiedenen
Seiten hin angeftellten Ermittelungen bis
jegt noch feine Beftätigung durch Funde
von Mauerrejten uſw. gefunden. Bon
Intereſſe ift ferner die Abhandlung über
„Hohenreina”, von dem man nicht weiß,
ob es ein Ort war, da die Deutungen
hierüber weit auseinander gehen. Ferner
jehen wir eine gute Abbildung des ſoge—
nannten „Langen Steine” bei Sippersfeld
mit feinem eigenartigen Wappen (Sonnen:
fugel mit Kreuz, ähnlih wie dad Wappen
Kallitadt). Ueber die beiden Bäche Unnes—
bahe und Wandbahe erhalten wir gleichfalls
Aufſchluß. Häberle indentifiziert diefe Bäche
mit dem Binsbadh und Wehnbach. Auch
die Benennungen „Rereunna”, „Ramme:
ftein” und „ad Ballem Hemmendail” finden
genauere Erflärung. Dr. Häberle hat uns
in dieſer neuen Arbeit wiederum etwas
recht Intereſſantes Über unſere Heimat ge-
fchenft, bei der Seltenheit von beachtens-
werten Aufichlüffen aus jener alten Beit
ift das Werfchen jehr willkommen.
Pfälziſche Bibliographie. Dr. Daniel
Häberle: Pfälz. Bibliographie 1. Die geo-
logiſche Literatur der Rheinpfalz vor 1820
und nach 1880 bis zum Jahre 1907 ein:
Schließlich. Sonderabdruf aus: Mitteilungen
der Pollichia, eines naturmilfenjchaftlichen
Vereins der Rheinpfalz.“ Nr. 23, 64,
Jahrgang 1907. 161 Seiten. Auch bei
GE. Carlebach. Heidelberg 1908.
Unter obigem Titel ift in diefen Tagen
ein Buch erichienen, da8 der Beachtung
aller geologiſch interejfierten Streife Slid-
mweftdeutichlands jehr wohl wert ift. Der
Berfaffer — in feiner pfälziſchen Heimat
und darüber hinaus wohl befannt durch
forgfältige Arbeiten auf hiſtoriſchem und
geologifchem Gebiete, die hauptſächlich den
Zweck verfolgen, der Erforſchung der pfäl«
ziihen Landeskunde zu dienen — gibt in
feinem Bormworte als Grund zu der Her-
ftellung dieſer Bibliographie das immer
regere Intereſſe an, daß ſich in der Pfalz
auch auf naturmwifjenichaftlidem Gebiete
geltend macht. Wer die Vorteile fennt, die
ein folches Literaturverzeichnis bietet, wird
101
nn ——— ⸗ —
es gewiß mit Freuden begrüßen, daß ein
ſolches jetzt auch für die Rheinpfalz vor-
liegt. Die Arbeit iſt als Ergänzung und Fort:
ſetzung zu dem Berzeichniffe von Leppla zu
denken, der ein chronologifches Register für
die Jahre 1820 — 1880 aufgeftellt hat.*)
Troß der aus dem Titel hervorgehenden
Beihränfung auf die Literatur der Bralz
find doch ın glücflicher Auswahl auch Arbeiten
über die Gebiete hinzugezogen, die mit dem
in engeren Sinne behandelten Gebiete in
genetischem Zuſammenhange jtehen. Wir
finden daher einen Auszug der Literatur
über das Mainzer Tertiär-Beden, den Bunt-
jandjtein des Odenwaldes und der Bogejen,
den Muſchelkalk Badens und Lothringens,
endlid auch über das Permofarbongebiet
der Saar Nahegegend, jomeit darin Be:
ziehungen zur Pfalz enthalten "find. Es
ift jomit weiter auch jelbitverftändlich, daß
die mwichtigeren Arbeiten darin verzeichnet
find, die Bezug auf den Aufbuu des ganzen
oberrheinifchen Gebirgsſyſtems haben.
Das ganze ijt fo angeordnet, daß den
Hauptteil‘ das chronologiiche Verzeichnis
bildet, innerhalb dejjen der einzelne Jahr-
gang alphabetiich geordnet iſt. Die durd)
laufende Numerierung ermöglicht ein raſches
Auffinden des gefuchten Gegenftandes, wobei
bejonders lobenswert ift, daß bei zahlreichen
Nummern noch auf Arbeiten ähnlichen In—
halts bingewiejen ift.
An den Hauptteil ſchließt fich ein alpha»
betijch geordnetes YAutoren-, Orts- und Sach—
regifter an. In dieſe drei Abjchnitte iſt auch
dag ganze von Leppla verfaßte Literatur:
verzeichnis verarbeitet, jodaß dadurch die
Benutzung dieſer Arbeit vereinfacht wird.
Das Sadregifter ift jo angeordnet, daß
e8 die einzelnen Zweige der geologijchen
Wiſſenſchaft getrennt enthält und daher die
Orientierung auf einem einzelnen Gebiete
erleichtert. Es ift dabei auf die Geologie
im weiteften Sinne Rüdfiht genommen,
Als Beijpiel führe ich als eine Unterab-
teilung der „Allgemeinen Geologie” Die
Siedelungsfunde an, melde jedoh nur
injofern Aufnahme gefunden bat, als in
den betreffenden Arbeiten geologiiche Be:
ziehungen enthalten find.
*), Jahresbericht der Pollichia 41 pro 1882.
Um ſich raſch über größere Arbeiten,
die fih mit einzelnen Landesteilen be-
ichäftigen, und die in Betracht kommenden
Karten orientieren zu fönnen, ift noch unter
Nr. 9 eine Zufammenftellung gegeben, die
nur einen Huszug aus dem Sachregiſter gibt.
Es ſoll nicht unerwähnt bleiben, daß
die Firma Rheinberger in Dürfheum durch
ſchönen Drud und geichmadfvolle Ausstattung
der Arbeit ein gefälliges Aeußeres gegeben hat.
Der Dank wieder wird dem Autor für
jeine fo forgfältige und wahrlich aud recht
mübevolle Arbeit ficher ſein. Der Titel:
Pfälziſche Bibliographie 1 läßt vermuten, daß
ähnliche Arbeiten auf anderen ®ebieten in
Angriff genommen merden jollen. Tat
ſächlich beabfichtigt der Autor des vorliegenden
Buches aud, eine genaue Zujammenitellung
der gefamten geographijchen Literatur der
Rheinpfalz in Bälde folgen zu laffen. Gewiß
wird er dann großen Anflang auch damit
finden. Albert Ratzel.
%. Schnler, der Pfälzer Freund
R. — uud Juſtinus Keruers erſchien
ſoeben als Nummer 3 der von Dr. Albert
Becker herausgegebenen „Beiträge zur
Deimatfunde der Pfalz”. Mit un-
gedrudten Briefen J. Kerners, 8. Mayers
und K. Geibs ſowie neun Ybbildungen,
Kaiſerslautern, 9. Kayſer, 1909. 32 ©.
broich. 80 Pfg.
Die dem Gymnafium Zweibrücken
zum 350 jährigen Beftehen gewidmete Schrift
dedt intereffante Beziehungen zwiſchen dem
Bmweibrüder Dichter Karl Joſeph Schuler
102
(1810 — 1889) und den ſchwäbiſchen Dichtern
Auftinus Kerner, Karl Mayer und 2. Uhland
auf und bringt fo die Pfalz in einen bis-
ber nicht näher befannten Titeraturgejchicht:
lihen Zufammenhang mit Schwaben. Uhland
und Karl Mayer beſuchten auch, wic bier
zum erftenmale eingehend dargelegt mird,
wiederholt unfere Pfalz und den Pfälzer:
wald und fnüpften periönlich Beziehungen
mit dem vielen unferer pfälziichen Leſer
befannten Dichter, dem Bater des Yuftiz-
rate8 Schuler in Zweibrüden, an. Pro—
ben aus dem Dr. Beder vorliegenden in-
haltsreihen Briefwechſel zwilchen Schuler,
Mayer, Kerner und dem Pfälzer Literaten
K. Geib erhöhen den Wert der gejchmad:
voll auögeftatteten Schrift, die zugleich mit
einer Reihe von Borträten und Bildern
pfälziiher Landſchaften geihmüdt it.
Wir benügen die Gelegenheit, um auf
die beiden früheren Nummern der Beiträge
zur Heimatkunde der Bfalz von Dr. Albert
Beder hinzuweifen. Über „Schiller und
die Balz“ liegen Urteile eriter Autoritäten,
wie Prof. Robert Petſch, Dr. Julius Peterſen
und Sarl Berger vor. Letzterer, der Ber»
fafjer der bekannten Scillerbiograpbie, des
Gegenſtücks zu Bilſchowskys Goethe, ſchreibt
u. a. im Literariſchen Echo: Ein ſchmucker
Einband, gute Ausftattung und treffliche
Abbildungen geben dem aud Titerariich
wertvollen Büchlein in feiner bejcheidenen
Art etwas Mufterhaftes. — Die „Pfälzer
Srühlingsfeiern“ bezeichnet Profeſſor
Brenner in Würzburg als WBorbild für
— Unterſuchungen.
Donnersberg.
Der Donnersberg trägt grün Gewand,
Umweht von blauer Morgenluft.
Weit träumt er in das deutſche Land,
Ummwallt von Abendfilberduft.
Er grüßt zum Rhein: und Nedarjtrand,
Den Taunus und den Odenwald;
Es ſchweift jein Blick durch's vhein’sche Yand
Und madıt erft bei der Eifel halt.
Und hüllt er fih in Purpur-Glut,
Wenn hell entflamımt das Morgenrot,
Der Sterne Diadem dann ruht
Um’s Haupt ihm, wenn der Tag verloht.
Es bligen ihm durch tiefen Hain,
Demant'ne Quellen als Geſchmeid,
Bergnelfen dort an Hang und Raın,
Rubinen ſind's im grünen Kleid.
Nod zieht die Bergeshöh' entlang
Ein Ringwall um den Götterhain,
Dort raufcht und raunt wie alter Sang
Der Wind durch ftolze Eichenreih’n.
Wenn Donar je dem Volk gegrollt,
Hat's grell im Widerhall gefracht ;
Im Glutgezuf der Donner rollt
Durch rabenſchwarze Wetternacht.
— 18 —
Doch ruht fein Zorn und ſchweigt er mild
Und fächelt lauer Wind durch's Tal,
Dann glänzt auf breitem Fruchtgefild
Berföhnt ein gold'ner Sonnenjtrahl!
Die Luthernlme bei Worms.
Es zog gen Worms zum Reichstag her | So flangs in trauter Abendſtund'
Der Menjchen ungezähltes Heer. Bor Worms aus des Prälaten Mund,
Um mit zu rechten, mit zu raten Daß höh're Wahrheit fund ihm merde,
Ging aud zur Stadt ein Paar Prälaten, | Stieß jeinen Stab er in die Erde.
Der eine jchien geneigt der Lehr”, Als er vom Reichstag heim wollt’ geh'n,
Der and’re ging noch zweifelsſchwer. Den Stab fah er in Blättern fteh'n. —
„Wenn wahr jein Wort, joll Wurzel fchlagen | Noch heut’ hält man den Baum in Ehre,
„Mein Stab und Blüt und Blätter tragen”! Es wuchs mit ihm ja Luthers Lehre.
Dr. Earl Puſch.
EU mn mn LU — I
Aleine Mitteilungen,
Wie fürzlich befanntgegeben, beabfichtigt | der Hauptſchöpfer der Wafferfünfte auf Schloß
der Berein Hiftorifhes Mujeum der Pfalz | Wilhelmspöhe. Unter all denen, die fidh
in jeinem neu eritehenden Heim eine eigene | durch ihre Kunſt auf Wilhelmshöhe ver-
Abteilung für die Geſchichte des pfälzijchen | emwigten, war er der populärfte Stünftler.
Weinbaus einzurichten. Es ift Dies Die Erinnerung au Blenfer. Eine inter:
erfte derartige Schöpfung in ganz Deutſch- efjante Figur aus dem Sturmjahr
land. Wie jehr die dee auf fruchtbaren 1848 ift Ende Mai 1908 in Neuyork in
Boden gefallen ift, beweiſen die zahlreithen | der Frau Eliſe Blenker dahingejhieden,
Zugänge, die jegt jhon für das Weinmufeum | Sie war die Witwe von General Louis
eingelaufen find. Leider haben einige Alter- Blenker, der fich im Jahre 1848, nachdem
‚tumshändler begonnen, auf den Weinbau | er in der bayeriichen Armee als Leutnant
bezüglide Gegenftände, die vom Handel | gedient hatte, in feiner Heimat in der Pfalz
bisher nicht beachtet wurden, zu erwerben, | am Aufſtand beteiligte, Ludwigshafen er:
anſcheinend ın der Hoffnung, fie fpäter mit | oberte und Worms bejeßte, und der dann
gutem Nugen an das Weinmujeum verkaufen | fchlieflich mit den verjprengten Reften feiner
zu können, Wir dürfen aber nicht verhehlen, Kämpfer in die Schweiz fliehen mußte,
daß unjere Pfälzer zum größten Teil jo Blenkers Gattin, die Tochter des Stadt:
viel Heimatliebe befigen, daß fie derartige | pfarrers Aue in Köthen, folgte ihm ins
Anerbieten zurüdweiien. Zudem zahlt das | Feld und machte das Freiheitsringen als
Pfälziſche Mujeum jedem, der für das Trommlerin mit, für welchen Zweck fie fich
Mufeum geeignete Gegenftände zu veräußern | gehörig in Uniform eingefleidet hatte.
wünjcht, mindeitens die gleihen Preife wie | Zlenker kam fpäter nach den Vereinigten
irgend ein Händler, « | Staaten und wurde im Bürgerkrieg General,
Bom Berein für heſſiſche Geſchichte und Itarb aber bald nach jeiner Beförderung
Landeskunde wurde einem verftorbenen pfäl- | Seine Witwe ift 84 Jahre alt geworden.
jilhen Landsmanne, Karl Stein Der jüngfte Soldat im Kriege 1870/71
bofer aus Zweibrüden, auf dem Fried- | ift ein Pfälzer Willi Koelſch, der am
hofe zu Mulung (bei Kaflel) ein Gedenfitein | 23. Auguft 1854 geboren wurde. Er ab
errichtet. Steinhofer, geboren am 5. April | folvierte im Jahre 1869 die Lateinfchule
1747 zu Bweibrüden und geftorben am | zu Pirmafens, und nadhdem ihm Die
19. Februar 1829 in Kaſſel, war einer | Einftellung bei dem damals in Zwei.
— 104 —
brücken liegenden 5. bayeriſchen Jäger— vorausſagen, daß in der Diamantinduſtrie
bataillon wegen Schwächlichken abgeſchlagen | ein großer Umſchwung eintreten wird. Die
worden war, begab er fih zu Fuß nad) hier geichliffenen deutichen Diamanten wurden
Fandau, wo er beim 8, bayerifchen | von der Arbeiterihaft die „Dernburger“
Anfanterieregiment, zur Beit in Meg, am getauft.
1. Dezember 1869 angenommen wurde. Pfalzaraf Stephan. In diejem Jahre
Nachdem er im Oktober 1870 mit dem ſi Fr
e ind 450 Jahre verflojfen, jeitdem Bialz-
2. Bataillon des Regiments nach Orleans | graf Stephan geftorben ıft, der Sohn
geididt worden WAR, machte er darauf die des deutichen Könige und Slurfürjten von
Belagerung von Paris mit umd marjchıerte der Bialz, Ruprecht 3, der Gründer der
mit dem Regiment im März 1871 nad) a heit —
Beendigung des Krieges in Meg ein, wo ——— Biwelbrhder ———
ſchlechts. Sein Sohn, Pfalzgraf und Herzog
er ſpäter Beamter der Stadt Meg, dann | Gudwige1J Nmeibrii
; * g I. von Zweibrücken, iſt der eigent
Beſiher des „Münchener Blirgerbrau“ war | (ie Gründer der Zweibrücker Linie.
und zur Zeit ald Rentner lebt. 1877—1885
war Stoelich Feldwebel der 2. Stomp. des Rarität? Einen feltenen Yang machte
bayer. 8. Inf. Reg. heute ein Arbeiter der —— * Herrn
PETER Maas in Beeden. Er entdedte näm ıch eine
BE ee ek er EL Ber
tärischen Nushebungsfommiilion vorzuftellen. und einem Gewicht von zirka I Pfund.
Gr befand fih unter den Weftellungspflich: Im Rhein bei Bhilippsburg, be
tigen des Dorfes Edigheim. Der dort | jonders auf der Strede Germersheim bis
geborene kleine Mufterungspflichtige, der | Speyer, wurden im Mai große Mengen
jeit einigen Jahren im der Franfenthaler | toter Fiſche bemerft; der Grund dieſes
Korkfabrik befchäftigt ift und defjen Brüder | außerordentlich ſtarken Fiſchſterbens fonnte
u. auf ihre förperfiche Entwidlung | nod nicht feitgeftellt werden.
nichts zu wünſchen übrig laſſen, ift bei einem
Alter von 21 Jahren fnapp 99 cm groß | sin a ln Be
und noch nicht einmal 60 Pfund ſchwer. auf, daß diefelbe kaum zu verıilgen ift und
In den beiden Brüdener Diamant: | mithin wenig Ausfiht auf Apfel ſowie
ihleifereien wurden im Laufe der 3. Januar: Zwetſchgen jein wird. — In Hilft madıt
Woche die erften Diamanten aus Deutfch macht ſich die Waſſernot immer mehr jühl-
Südweftafrita geidliffen. Diejelben | bar. Die meilten Brunnen find ausge:
ftehen den engliichen Kapdiamanten jowohl | trodnet, wenn hie und da noch einer til,
in Güte ald in Glanz und Farbe gleich | der noch ein bißchen Waller hat, jo wird
und werden fomit erjteren eine große Kon: | er ausgeſchöpft bis zur Meige. Als Zrinf-
kurrenz bieten, Es läßt ſich jegt ſchon waſſer iſt es nicht mehr zu bezeichnen.
— — — — — — — — —
Inbalt: Alte Eifengruben bei Waldmohr u. a. O. — Helmiiche Bauweiſe. — Die Auer
hahnbalz im Pfälgerwald. — Der Bududsruf, — Glühwürmchen. — Weihe, gelbe, rote und ſchwarze
Kuoblauchtröten. — Die bayerifche Schitdfröte. — Bon der Biene. — Die Abjtammung umd
Heimat unfered Dadeld. — Der Wolf im Reichstande. — Giftgefahr. — Bon der Startoffel. —
Krieg den Mücken. — Hydropathiſches. — Zur Bekämpfung der Staubplage. — Neu entbedte
Windlocher am Königsberg bei Neujtadt. — giterarifches. — Donnersberg. — Die Lutherulme bei
Wornd — Kleine Mitteilungen.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Aanfer’s Derlag, Aaiferslautern.
Kür Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich.
(Unverlongte Manuffripte werben nicht zurüdgeiandt.)
Die „Blälziiche Heimatkunde“ koſtet jährlich in 12 Heften Mt. 2.50. Pefellungen werben von allen Buchhandlungen und
oftanftalten ferner vom Berlener (Bortofreie Streifbandiendbung) angenommen.
V. Jahrgang. Nummer 9. September 1909,
>
7
\PALZISCHE HEIMATKUNDE
MONATSSCHRIFT
en FÜR SCHULE UND HAUS.
EMANNE EIN KCA: - Pd.
Die Fiſche des unteren Merkars.
Ton Rarl Chriſt, Biegelbaufen,
ALS danfenswerte Beilage zum Jahres- | geben wie fie ım Volksmunde lauten, jondern
bericht des badischen Unterländer Fılcherei: | auswärtige oder fchriftdeutihe Ausdrücke
Vereins für 1908 erjchien eine fleine, von | an deren Stelle gejegt, ohne dieje immer
dem jlingft verftorbenen Heidelberger Be | dur Einflammerung als ſolche zu fenn-
rufsfifcher Friedrih Nohrmann verfaßte | zeichnen. Bei der folgenden alphabetiichen
und von einem wifjenichaftlihen Kahmann, | Aufzählung der hauptſächlichen bodenftän-
Herrn Vrofeſſor Robert Lauterborn | digen Filche des unteren Nedars babe id)
in Heidelberg, Herausgeber des interefjanten | daher die volfstüimliche hieſige Namens:
alten Fiichbuches von Leonhard Baldner, | form vorausgeftellt und mit eigenen ſprach—
mit einer Einleitung verjehene Schrift über | lichen, gejchichtlihen und fachlichen Be-
die Nedarfifche bei Heidelberg ın der Hof: | merfungen verjehen, die ſich ſonſt gewöhnlich
buchdrudferei von Auguſt Lauterborn in | nicht finden:
Ludwigshafen. Dies begrüße ich umſomehr, Aal, der, geſprochen Ool. „Del, Hecht,
als ich felbit bei Bearbeitung der mittel- | Karpfen, Barken, Albeln, Bleden und ge-
alterlihen Ficherei-Drdnungen des Nedars | meine Filch”, als bei Hirfhhorn vortommend,
und Rheins (erjchienen teils in einer Schrift | werden anno 1560 genannt (Grimm, Weis:
über da8 Dorf Mannheim ©. 18, teils im | tümer I. 444).
neuen Archiv für die Geichichte von Heidel- Aalrupp, die, hochdeutſch Aalraupe,
berg, Bd. II. und im der Frankenthaler mit dem Aal verglichen, weil jchlüpfrig und
Monatsichrift des Gejchichtsvereins) mich ohne Gräten.
unter anderm auc des ſachkundigen Rates Ulbel, vergl. Schneider,
von Rohrmann zu erfreuen hatte. Diejer Barben, der, hochdeutich die Barbe,
hat auch das Verdienſt, funjtvolle Modelle | von lateiniſch barba, Bart, wegen der vier
der ehemaligen Fiſchwehre des Nedars | vom Finn lang herabhängenden Bartfäden.
bergeitellt zu haben, deren fich eines auf Bärſch, früher aus Bärßing, Beriching,
der Mannheimer Ausjtellung befand. In | der, hochdeutſch Barid).
feiner Schrift hat Rohrmann ſämtliche Bartgrundel, die, (cobitis barba-
biefige Nedarfiiche zufammengeftellt, aud | tula), am Grund von FFlüffen und Bäcen
folhe, die nur verirrte Fremdlinge find, | unter Steinen lebend.
und fie zoologijch angeordnet. Dabei hat Blede, vergl. Mackel, Schneider,
er aber öfter die einheimischen Namen nicht | Strungel.
in der ſprachlich allein richtigen Form ge» Bräſem oder Brefen, der, anderwärts,
aber nicht hier, ohne Umlaut Brachſen oder
Braflen genannt (abramis brama).
Dickkopf, vergl, Rotzkarpfen.
Elfe, die, vergl. Maifiſch.
Forel, die, hochdeutſch mit falfcher
Betonung Forelle.
Gangfiſch (squalius leuciscus oder
l. vulgaris), anderwärts Hafel, Häsling
und Springer genannt,
Selling, der, junges Fiſchlein von
gelt — unfrudtbar, noch nicht laichend,
Örundel, vergl. Bartgrundel,
Futterfiich dienend.
Halbbrejen, vergl. Madel. In einer
Mannheimer Filchtare von 1680 heißt es:
Geringere Meine Bräßen, io Diaden ge
nannt.
Hecht, der, befannter Raubfiih, hauſt
zwar auch im Nedar, mehr aber in lehmigen
und trägen WBaflerläufen oder Werhern.
Karpfen, der, auch jeltener im Nedar
al3 in Altrheinen mit Scilfgrund.
Knilps, der, aud Knülps geichrieben,
mohl mit den Worten Knirps und Knorpel
verwandt (squalius cephalus). In jener
Mannheimer Fiſchtaxe von 1680 heißt es:
Münemen oder Knülps (Mannheimer Ge»
ihichtsblätter 1901, S. 93 und 116).
Kreſſen, der, nicht mie hochdeutich
„die” Kreſſe (gobio fluviatilis), franzöſiſch
gouchon, engliſch gudgeon.
Lachs, der, bezeichnet eigentlih nur
den laichenden oder ausgelaihten Salmen,
twie auch ſem Name von dieſem Gejchäft
abzuleiten ift, während der im Oberrhein
und Nedfar bis zu den Quellen auffteigende
gewöhnlich Salmen heißt, lateiniſch salmo,
mit der Bedeutung Springer, da er jogar
Waſſerſälle überfpringt.
Hakenlachſe find alte Männchen, die
als
100
oft während und nach der Xaichzeit hafen- ı
fürmig nad oben gefrümmte Oberliefer
befommen. Ueberhaupt zeigt diejer Edel-
fiich bedeutende Abänderungen je nad Ge
ichlecht, Jahreszeit, Nahrung und fonftigen |
Einflüffen. Im Mai, beim Antritt feiner
Wanderung aufwärits im Rhein, ijt er fett
und bat rötliches feites Fleiſch. Der nad
dem Laichen im Herbft, wo es auf flachen
Kiesgründen geichieht, wieder zurück ins
Meer wandernde, aljo der eigentliche Yadıs, |
ift abgemagert, matt und hat meißliches
ungefundes Fleiſch. Lachſe werden ſchon
|
|
|
|
|
|
1560 bei Hirſchhorn, wo aud die Lachs—
bad; mündet, erwähnt in Grimms Weis
tümern |, 144. Der Strich oder Aufitieg
der Salmen wird jet teilmeife durch den
Maflenfang in Holland gehindert, teils
dur die zunehmende Verſchmutzung des
Rheins durd Einleitung der Fäkalien, da
er nur in reinem, hellem Waſſer beſtehen
fann.
Madel, früher Made, oder die Halb:
breje, daher benannt, weil fie, an ſich biei:
farbig, am Schwanz ſchwarze Madeln,
d. h. Frledfen oder Punkte hat. Anderwärts
heißt diefer bi8 30 cm lange, Ichmadhafte
Fiſch der Blick (d. 5. Glanz), auch die
Blife und Blefe. So merden 1560 im
Nedar bei Hirſchhorn u. a. Blecken ge
nannt. Uebrigens könnte Madel auch für
Model ſtehen, dies, fleifchiges Geichöpf.
Marufiſch, der große und fleine, daher
genannt, weil früher im Mai ſcharenweiſe
im Nedar zum Laichen auffteigend. hr
Hauptlaihplag war bei der Bergheimer
Mühle unterhalb Heidelbergs, wohin, mie
ih mich auch erinnere, nod um 1860 die
Bevölferung zog, um den QTumult bei der
Ankunft. der Maifiſche anzufehen. Der
ältere Namen der großen war Elje, von
lateıniih alosa, die fleinen hießen im
Mittelalter Undelinge.
Meerlinje, die, kleiner Bagatellfiich
(phoxinus laevis), benannt von der Aehn—
lichkeit mit einer wirklichen Meerlinie (Meer
im alten Sinn von Sumpf, wie nocd in
vielen Flurnamen), der grünen linjen
fürmigen Wailerpflanze, während der hoch
deutihe Name ÜEllrige beim Fiſchervolk
nicht gebräuchlich ift.
Minnemwe, Müneme (am Rhein Milbe)
gleich Knilps (anderwärts Döbel).
Nafe, vergl. Weißfiſch.
Rotauge, das, nad) pfälziicher Aus:
ſprache Routaagg.
Rotzbärſch, anderwärts Kaulbarſch
benannt, von feiner nackten rotzigen, d. b.
ſchleimigen Haut.
Rotzkarpfen oder Dickkopf (cottus
gobio), ein Bagatellfiſch.
Salmen, vergl. Lade, Sämling
gleich junger Salmen.
Schleihe, die, wie der Karfen eigent:
ih ein Sumpffiih, mehr im Obernedar
heimiſch.
Schneider (alburnus lucidus), der
bauptfählichfte Futterfiih, wohl benannt
von der einem Gchneiderfaden ähnlichen
Legröhre des Weibchens. Der junge, nod)
nicht geichlechtöreife Schneider, auch der
junge Gangfifh, heißt Gelling, früher
Selting, vergl. oben. Am ſchwäbiſchen
DObernedar heißt der Schneider Strohbleden,
Langbled und Silberblef auch Laube, Lauge,
Laugel; im flavifchen Dftdeutichland Uflei.
Schneiderfärpel, farpfenartiger
Bagatellfiih (rhodeus amarus).
Strunzel, die, (alburnus bipuncta-
tus). Vom dialeftifchen ſtrunzen, umber:
ſchweifen, herumfireihen. Am Obernedar
Breitbleck.
Sumen, Samenfiſche, d. h. eben aus»
geichlüpfte Fiſchlein jeder Art.
Undeling, in alten Filchereiordnungen
mit Eljen zujammengenannt, war wahr—
Icheinlich der Eleinere der beiden Maifiſche,
von altdeutfß undon, ünden Wellen
ichlagen, fluten franzöfifh onduler,ondoyer.
Dagegen verjteht Profeſſor Lauterborn
107
— — — — — —
darunter Flundern, die ſich wellenförmig
fortbewegen, aber doch nur ſelten ſo weit
flußaufwärts kamen.
Weißfiſch, früher meiſt Naſe genannt
(chondrostoma nasus), laicht auf ſoge—
nannten Rieden, d. h. flachen Siesgründen,
woher das Männden Rieder heißt.
Selten oder fünftlicd eingeführte Fiſche
haben wir bei diefer Aufzählung übergangen.
Bemerkt fei noch, daß das Wort Fiſch beim
pfälziichen Volt auch zu Frankfurt, fo nur
in der Mehrzahl lautet, in der Einzahl
dagegen Fuſch. —
Wenn wir nun diefe Zufammenftellung
veröffentlichen, jo gejchieht e8 mit der Ab-
ficht, auch Undere zu veranlafjen, die be-
treffenden Fiſchnamen ihrer Gegenden zu
fammeln und in derjelben Weije und an
gleiher Stelle mitzuteilen, da in den
neueften Wörterbüchern und wiſſenſchaft«
lihen Werken weder dieje noch überhaupt
die volfstümlihen deutſchen Xier-r und
Pflangennamen berüdfichtigt werden. (Aus
der „Neuen Badiſchen Yandesztg.”)
Landeskundlihe Aachrichten in Beufer, Bie Pfalz: Bweibrürker
Borzellanmannfaktur.
Bereits im Jahrgang 1907 ift auf |
Seite 150 von anderer Seite eine furze
Ueberficht über den Inhalt diejes ſchönen,
auf eingehenden Quellenftudien beruhenden
Werkes gegeben worden. Da defien Titel
jedoch nicht vermuten läßt, melde Fülle an
landesfundlihen Nachrichten darin nieder:
gelegt ift, joll in Nachftehendem kurz darauf
hingewieſen werden.
Bunädft erfahren wir Ausrührliches
über die Ton: und Staolinlager bei
dem ehemals pfalz-zweibrüden’ichen Dorfe |
Mohjelden an der Nahe, deren Material
ſchon im 18. Jahrhundert zur Herftellung |
von geringerem Porzellan (daher der Name
„Borzellanerde”) benüßt worden ift, jeßt
aber hauptiählih für die Fabrikation der
befannten Mettladher Plättchen und von
Terrafotten Verwendung findet. Auch
Sande von Wörſchweiler und Letten
und Erden von Alzey, Dürkheim, Eiſen—
berg, Albersweiler, Barbelroth, Meijen-
heim, Erbach und Altftadt werden erwähnt.
Eingeflohten find Nachrichten über die
Glashütte zu Hoof, die Eifenmwerfe zu
Schönau und Kontwig und die herzoglichen
Manufafturen in Homburg und Zwei—
brüden (Spinnerei, Weberei, Färberei).
Ausführliher ift die Geſchichte des ſchon
den Römern befannten Bades Guten-
brunnen bei Wörſchweiler behandelt.
Weitere Nachrichten finden ſich Über die
Bergmwerfe auf Silber, Quedfilber und
Steinkohle und über die Gewinnung von
Bitriol und Alaun im ehemaligen Oberamt
Meijenheim, ſoweit diefe Unternehmungen
in Beziehung zu Geheimrat Dr. Stahl,
dem Begründer der Zweibrüder Porzellan-
manufaftur ſtehen.
Im einzelnen werden genannt die
Silbergruben von Hotten:, Selb, und
Stahlberg; die QDuedjilbergruben am
Königsberg bei Wolfftein, am Moſchel—
landsberg und Stahlberg; endlih Die
Steinfoblengruben zu Breitenbad,
Dudroth, Halfreuz, Hoof, Reitzergraben
und Ulmet.
Mit diefen Nachrichten bildet die vor-
liegende, dur ein ausführliches Regiſter
audgezeichnete Arbeit eine millfommene
Ergänzung zu dem trefflihen Buche von
Seminardireftor 8, Eid „Wittelsbach auf
108
|
| vermuten läßt.
Landsburg” *), deffen Titel leider auch nicht
den wertvollen ([andesfundlihen Anhalt
Dr. Häberle.
"2. Eid, Wittelsbach auf Landsburg
[Mofchellandsberg bei Obermoſchel). Ein Stüd
pfälzifcher Geſchichte. Mit Bildern, Plan und
Stammtafel. Kaijerdlautern, Cruſius 1905. Auf
der Rüdjeite der beigegebenen Merian’jchen Starte
befindet fih ein Berzeichnis meiterer Landes—
kundlichen Arbeiten des Berfaflers.
Bayeriſche Borzellan-Ausfellung,.
I. Der offizielle Katalog der Ausftellung
alten Bayeriichen Porzellans ift erjchienen.
Einem kurzen Bormwort des Direktors
Dr. Hans Stegmann folgt zunächſt ein
Verzeihnis der Ausfteller, diefem dann
ein geichichtlicher Abrik der von den Wittels-
bacher Fürften ins Leben gerufenen Fabriken
Nymphenburg, Frankenthal und
Bweibrüden, ſowie der im heutigen
KKönigreihe Bayern gelegenen kleineren
Manufafturen Unsbah: Brudberg,
Würzburg und Regensburg.
Als Ausfteller find u. a. genannt und
interejlieren den Pfälzer zunädit: Die
Großherzöge von Baden und Helfen, Steuer-
einnehmer Ph. Mandler (Albisheim), Arzt
Dr. Beder (Baden-Baden), WBorzellan-
Mufeum Darmftadt, Dir. Dr. v. Dfter-
mann (Darmftadt), Familie Bafjermann-
Jordan (Deidesheim), Kommerzienrat Fr.
Edel (Deidesheim), Freifrau EL. v. Gienanth
(Eifenberg), von Frankenthal 3 Ausfteller:
Altertumsverein, Kaufmann Joh. Kraus
und Staufmann Louis Perron, Bürgermeifter
%of. Bordollo (Grünftadt), Priv. Georg
Hartmann und Bergrat Fr. Sachs (Heidel-
berg), Kunſtgewerbe Muſeum und Bähringer
Mufeum (Karlsruhe), Chemifer Dr. W.
Haß (Ludwigshafen), Mannheim 7 Aus:
fteller: Großfaufmann Karl Baer, Bank—
direftor Emil Feibelmann, nftallateur
Hd. Leonhard, Kaufmann Bictor Xoeb,
Großfaufmann Fr. Oefterlin, Priv. F.
Teubner und Priv. Jean Wurz, zulekt |
Kaufmann HH. Morig fen. (Speyer).
Hier ift aud das Marfenmweien der
einzelnen Fabriken und ihrer Künftler be:
handelt. Gin weiteres Verzeichnis führt
die bis jegt erjchienene Yiteratur auf.
Hienach ift die Beichreibung der ausgeftellten
Gegenftände angeordnet. Sie umfaßt 2151
Nummern, ift sehr eingehend und über-
fihtlih. Bei jedem Stüd find Fabrif.
marfen und Merfzeihen angegeben
durd; Hinweis auf eine der beiden Tafeln,
welche in 41 Abbildungen alle in der Aus:
ftellung vertretenen Marken und Merf-
zeichen bringen. Auf 24 Tafeln (Kunft-
drudpapier) kommen die bejonders hervor-
tretenden Typen der Yabrifation der ver-
jchiedenen Manufafturen in vorzüglichen
ganzjeitigen Abbildungen zur Anjchauung.
Durch jeine gediegene Darftellung und
vortrefflihen Abbildungen geht der Katalog
ın feiner Bedeutung über die ſonſt üblichen
Ausftellungsfataloge hinaus und wird jedem
Freunde und Sammler auch noch in Bu:
funft ein ſchätzbares Nachſchlagewerk bilden.
Sein Berfafjer, Kgl. Konjervator Dr. Fr.
9. Hofmann, verdient hiefür volle Aner-
fennung. Der Preis des Katalogs —
262 Geiten und 24 Tafeln — beträgt
I ME. 50 Pig. Daß es ermöglicht murde,
den Statalog zu dieſem wirklich niedrigen
Preiſe abzugeben, hiefür verdienen die
Beranftalter der Ausftellung bejonderen
Dank.
II. In der Pfalz blühte die Manufaktur
Frankenthal. Noch nie ward eine ſo
glänzende Kollektion Frankenthaler Stücke
zuſammengeſtellt, wie dies hier der Fall iſt.
1755 war dem Fayence- und Porzellan-
fabrifanten Paul Anton Hannong bie
Konzeſſion erteilt worden; vier Jahre
jpäter übergab er die Leitung des Betriebes
feinem Sohne Joſeph Adam. Unter ihm
war vor allem Karl Gottlieb Lück als
Modelleur tätig, der Hauptmeiſter der
Frühzeit, deſſen Werf feitzulegen bisher
noch nicht völlig gelungen if. Auch in
— —
dieſer Frage wird die Ausſtellung wohl
klärend wirken; vermutlich aber darf man
mit dem Namen Lück wohl eine Reihe von
Gruppen in Berbindung ſetzen, die, wie
das wundervolle Stüd „Toilette der Venus”
aus dem Würzburger Schloß, ein Reichtum
des Aufbaues bei rhythmiſcher Gefchloffen«
beit der Kompoſition zu den Glanzſtücken
deuticher Porzellanfunft gehören. Hervor—
ragende frühe Stüde find auch eine aus
elf Nummern fih zufammenfegende Jagd—
gruppe und die Göttergeftalten im gleichen
Kaften. Recht beachtenswert find eine An-
zahl Frankenthaler Frühwerke in Hinficht
auf ıhre Berwandtihaft mit der älteren
Fayence Induſtrie und deren Einfluß auf
das Porzellan. Teilweiſe find zu jolchen
Figuren, meift Jägertypen, Savalieren,
wie fie mehrere Schränfe im erften Saale
rechts des Eingangsraumes vereinen, jogar
die gleichen Modelle benüßt, die ſchon in
Straßburg, von woher die Hannongs famen,
in Gebraud; ftanden. 1762 kaufte Kurfürſt
Karl Theodor die Fabrik an, uns unter
feinem Broteftorate waren der Reihe nad)
Meiſter wie Konrad Link, Johann Freybolt,
Bauer, Simon Feylner und der ſchon bei
Nymphenburg genannte Johann P. Meldior
tätig. Der bedeutendfte davon, Konrad
Lint, ift auf der Ausftellung vorzüglich
vertreten; der große Mittelſchrank im
Frankenthaler Saal ift gefüllt mit Werten
von ihm. Gin Meijterwerf in Form und
Farbe ift ein heil. Borromäus, originell
erdacht und fein modelliert find die Figuren
des Tierfreifes ſowie verjchiedene Porträts.
Mehrere Niefengruppen mit Allegorien
und Berberrlihungen Karls Theodors im
Frankenthaler und im Gingangsraum ge-
hören gleichfalls Link zu. Fißgürliche
Rabinettftüde aus allen Epochen Franken:
thals find dann noh in einem Rund:
Ihränfhen im Cingangsraum aufgeftellt;
hochſeltene Stüde find ferner zwei Spiegel»
rahmen, eine Standuhr auf Rhinozeros
und ein mächtiger Weinfühler von erlefenem
Schmuck. Auch in der Gefdhirrfabrifation
hat Frankenthal Erquifites geleiſtet. Im
legten Saal beiſpielsweiſe find in ber
oberen Reihe eines Wandfaftens umfang-
reihe Proben ganzer Speifefervice gegeben,
beginnend mit einem in zartem Garmoifin
und Gold gezierten aus der Frühzeit, dem
ein föftliches, reich mit Bogel- und Orna-
mentmufter gejchmücdtes aus der mittleren
Epoche ſowie ein jhliht in Blau und Gold
gerändertes aus der Spätzeit folgt. ALS
Maler waren in Franfenıhal Bernhard
Magnus und %. Oſterſpeh vorzüglich tätig.
Bon Zweibrüden, Würzburg und
Regensburg gelang es nur vereinzelte
Stüde zujammenzubringen, immerhin aber
find die ausgeftellten Objekte von ftarfem
Intereſſe, da die Eriftenz erfterer Fabrik
erst jeit wenigen Jahren wieder befannt
gemacht wurde, Würzburg und Regensburg
aber als Orte der Borzellanfabrifation erft
neuerdings durch Fr. Hofmann nachgewieſen
find. Würzburger Stüde befonders find
von der äußerſten Seltenheit; die Fabrik
währte im ganzen nur fünf Jahre.
Bie Borzüge der Ortslage von Altenglan.
Eine Schilderung aus dem Jahre 1585.*)
(Mitgetellt von Dr. Häberle, Kalſerl. Rech.Rat, Heidelberg).
Es gehet eine alte Sage, daß das Dorf
Altenglan ein gar alter Ort ift, der mit
Trier und andern alten Städten mehr von
den Heiden (Römern) zu bauen angefangen
morden jei, von welcher die Heiden eine
jehr große Stadt haben machen und den
Glan mit der Ring und Stadtmauer zu
beiden Seiten einichließen wollen, daß alfo
der gemelte Glan mitten durd die Stadt
bat fließen follen, Wie es aber verhindert
ſei worden, daß ſolch Fürnehmen nicht ift
in Werk gelegt, wiſſen fie feinen Beridt.
Eglihe aber menden dies und jenes für,
die Berhindernis belangend, es lautet aber
etwas läcdherlih und ſeltſam. Aber eins
muß ich gleichwohl fagen, daß ih auf dem
) JZohann Hoffmann, Gründtliche und ——— Beſchrelbung des Ampts Lichtenberg.
Manuffrtpt im Ktreisarchiv zu Speier ©. 467—47
ganzen Glan feine berrlidere und
beifere Gelegenheit gefunden habe
als zu Altenglan. Denn mie fie jelbft
fagen und ich gehört, haben fie des Orts
alles, was ihr Herz wünſchet und begehrer.
Und mas fie nicht haben, das fünnen fie
auch gar mohl entbehren. Nämlich fie
haben einen föftlihen Feldbau, alldieweil
die Berge dajelbit nicht fo gehe find als
jonften am Glan; Spelz, Weizen und Gerft
neben Korn und Hafer wächſt dafelbft dıe
Menge. So haben fie au einen föftlichen
Wein (Wies )) wachs. ES ift der Wiejen:
grund des Ortes fo föftlih und haben die
Bielheit dergeftalt, daß mander fein Heu
und Grummet nicht wohl legen fann,
welcher Wiejengrund ſehr gedünget und
110
feift wird von dem Waflerjhleim. Denn
dajelbit fallen die Kufelbah und Reichen:
bad oben und unten an gemeltem Dorfe
in den Glan, welche Bäche ım Frühling
von dem großen Gewäſſer fi aljo ergieken,
daß fie aus dem Geftade ausbreden urd
über die Wiejen herlaufen. Darum bleibt
gemeinlichb ein feifter Schleim oder Dung
auf dem Boden, von mweldem dad Gras
trefflich ſehr wächſt, wenn ſich das Waſſer
wieder verlauft. So haben ſie auch die
Holzung nahe an der Hand. Derhalben
iſt es wohl glaublich, daß den Alten ſolcher
Ort nicht übel gefallen und wohl daſelbſt
etwas nambhaftiges anzuftellen und zu bauen
gemeint geweſen.“
Pfälziſche Hydrographie.
Vom K. Hydrotechniſchen Bureau in
München geht uns ein Auszug aus dem
10. Jahrbuch des H. B. zu, welchen wir
zur Vervollſtändigung der auf S: 62 des
laufenden Jahrganges gemachten Angaben
bier abdruden,
Wir find zugleich durd |
freundliches Entgegentommen der Münchener
Bentralftelle in die angenehme Lage verjegt
ein umfangreiches Startenmaterial in der
Pfälz. Heimatkunde für die Intereſſen der
Lejer gelegentlich zu veröffentlichen.
Station Ungftein.
Beobachter Herr Okonom Emil Schufter in Ungftein.
| Sefamtregen des Monars
Negenfälle 5 mm Niederjchlag
Dichte | |
Srößter Niederichlag
| Dichte | wma 8 ens
Monat | Höhe | Dauer pro | < ' Höhe Dauer | pro — —
Stunde | ag | | Stunde | Höhe Dauer En *
Stde. | mm | ‘mm | Stöe. | Min.| mm | mm | Min. |
| | | | \
| | 6./7.1148 | 16 | 4 | 09 06 |» 0,06
- 18.9 66 | 6 | 50 1,0 1,1 | 10 0,11
10 | 5.85 os | 40 - 30 2 1,00
— | 2. 80 | 9 | 10 093 | 03 10 0,03
| 44 5. lsıs | 6 | —-| 52 Iı2 6 1,87
ie 10. | 142 ı 1830|! 95 | 44 6 0,73
⸗ — || 20. 383 5 | 75 2,7 2 1,35
Jult | 742 | 16 #8 m - | m — 1,7 1 1,70
R -— | - 112 167 - I 8 — | 62 5 1,24
7 | — — — 19. u — — — | 2,4 2 1,20
# = _ — 1%. | 80 ıIl| -| so | 24 5 0,48
ei — — — 28. 80 5 10 15 12 5 0,24
Aug. | 104,2 | 62 17 | 67. | 174 6 2 | 239 1,1 ı | 110
[77 | — — rap 7. 95 7 20 1,83 0,7 10 0,07
r - = — 13. 66 4 48 14 | 10 5 0,20
z = — — 21. 83 ıl— | 83 | 50 5 1,00
pi — zu — 23.24. 12,5 7 40 ısc | 22 5 0,44
Sept. — = — | 10. | 55 1 | 10 | 47 I ı7 6 | 0,28
Ri | en — — PJ A. 128 | ı|50| 29 | 15| mw 0,15
— 111 —
Station Raijerslautern,
Beobachter K. Landwirtichaftsfchule Kaiferslautern.
|Gefamtregen de Monats
Regenfälle 5 mm Niederichlag
I Ren a
| er Größter Niederfchlag
N _ Dihte | Dichte während des Regens
onat | Höhe | Dauer | pro | Tag Höhe Dauer | pro — Dichte
I. 20; 2
| 1, jotade | ® Stunde ei Dauer pro Mt.
mm | &tde. mm ; mm | Stöe. Win, mm | mm | Min. mm
| Ä
Mai | - I - | - 1924| 219| 86 | 10 | 086 | 15 30 0,05
Pa — — — 24.25. 176 | 19 | 15 | 09 | 12 | 30 | 004
: | - | —- za 25, 7,0 8 — 0,9 15 3 0,50
‚| - — — 190.|ı2! 2! — | 66 | 85 4 0,88
In I — — — "5 92 2 25 3,8 5,4 6 0,90
‚I - | - — 1. 60 1 10 | 5,1 — —
J — — — 20. -|I|- — _ — — —
„N - | —- - : 1.| — | —- — — - | — _
Quti | 42| 17 2,6 9. 108 — | — 88 20 0,44
I -—- _ - en 2 3 || 15 2,8 8 0,35
I - — — 19. | 54 2 380 22 2,4 6 0,40
Aug. | 1924 | 72 1,7 | 90 2 20 339 25 5 0,50
— — _ 6. | 79 7 — | 1 18 | 0 0,09
z wa — 6.7. mol SI 10! 238 18 | 10 018
J - | - — 7.1168 | 14 30 12 1,0 3 0,33
:-1-+- | - _ u. 9202| 6| -—| 15 | 7! 8| 02
Er — — — 17.1 68| 3 — 22— 3,2 8 0,40
a _ — 1 582| 2 _ 2,6 1,8 5 0,36
x | 0 163 17 oil 5 | 074
ee — 18/9 77) 6 10 | 15 15 3 0,50
en — so. | 69 ı ı 50 | 38 18 | 5 | 0,36
Sept. | 67 | 25 | 19 123.724 2005| 13 | — | 16 2383| 1 0,16
| | | u |
Niederihlag und Abfluß im Jahre 1908,
Gebiet der Rheinpfalz, verglihen mit der Periode 1899;1903.
j — | Mittlere |
Aeder 7 gegen: | Nieder Grenzwerte der Spiele
ſchlags⸗ ſchlags⸗ *
tage oe Regenhöhen | _ der
böbe , np |
h et) pro Regen:
1 mm || Regentag | | NA hohen
mm
Geſamt⸗
Haupt»
flußgebiete
Gebietögröße
Niederichläge
1899| __ 1899|
"119091; 1503 | 9008| 1903
Min. Mar. ‚| Dein. Mar.
1908 | 1899/1903 1899
1908 7005
| | | |
1. Borbderpfalz 3125 | 2 681 | 633) 113 1131| 6 5,6 | * 1012 a 746 |
2. Nahegebiet | 1470| 946 643 |
3. Saargebiet 996) 729 | 710 116| 12363 | 39 | 581 ni es 780 190
641 108 | 6,0 | 5,7 j 508 930 | 560 | 838 424
|
Befamtgebiet r
der RHeinpfalz | ‚586 |
|
7
4001 | 682 5,7 |, 506 | 1012
| | 506 | 341
|
| ’
‚111 116) 6,1
ı
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| 3 3 B2l% | 5 ölsielz|3 si8|i:|e
4 € x 8 — = Fit 9 E 2 pr u fe 21 58
i 4 — 7 31337433333335135457
Ver | m |. #ıidıs|& |8 E “5 5A ini >
h 7 I) 10 | 11 | 12 | 18 | 14 | 15 | 16 | 17 20 2 | 3
Monats: und IJahresfnmmen
| nun Aal ara ah, 4654| 310 17a) B,2| 29,6| 29,6 175) 28,3 562 35 275
1 bon ö 11a 880 ano a1 | B1,8| 494 Ä 429| 384 955 a 670
11 an anti men) Tal al bb, 24,7) 10,8 | 2u2| 42, 41,1) 32,6 | 66,9| 47,5! 50,3
IV ol a, Bol Bu 1,o| 84,2 50,8 | 65,8 | 14,2! 62,0 57,5| 69,6 70,4| 61,01 63,0
V Mn u, oa 110,8 114,7: 79,9] 87,9 | 85,3|118,6 105,9| 87,1) 82,3
VI Bra il rt | 79,4 1008| 51,2 81,3] 75,4 9A] 66,3| 51,3) 70,7
vi BR | nah TEA] RLE| TOR 04,7) 60,8) van 90,7 | 66,0 6 479 34,7| 31,8 1| 495] 53,31 31,6 37,6
vi Pas lan oz ltandı 184,2 128,6) 04,7 108,1 1100,0 |180,} 1130,1104,7 127,8 172,9 126,4 117,2]120,7128,3 1175
* al anal) 464 RO! | 406 26,0 47,5) 32,7) 46,61 32,1 3,0 49,7) 34,4| 39,3
wu dal 20 58 1a TU 88) 97) 87] 39 ı 821 19 18, 5, 43 301 30
N | el 440 a a 20,7 | 1088| 1682| 28,4 32,9] 26,2 202 2 24,7 47,0 34,7| 195
xu | A REN DLR) 20) 28,4 30,6] Al, 29,5| 24,7) 27,4, 233,5 28,9 15,4 29,5] 35,5) 28,4, 33,0
pi (DER LO And RD TOLLE 710,3 881,6 |600,7 614,9 094,1 930,5 671,5 141, 1,609,7 553,2 6450 572,2 666,0 506,01 — [770,7,580,7 611,2
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2? 22 SD 2 4.0 —
* 8 4 4
113
Gewitter und Bagılfälle in Süddentſchland.
Hierüber veröffentlihen die M. N. %.
vom 27. Auguft eine vorläufige Mitteilung
und wir geben aus dem danferöwerten, jehr
überfichtlihen Auflage von Dr. Eugen Alt
folgenden, das Wejentlihe erichöpfenden
Auszug: Die eingehende Forſchung der Ge—
witter- und Hagelverhältniffe eines Landes
bietet nicht nur rein mifjenjchaftlihes In
terefje, fie wird auch eine wünſchenswerte
Grundlage zur Beantwortung wichtiger
Fragen des praftiichen Lebens. In erfter
Linie ift es der Landwirt, der mit bejorgter
Miene das drohende Gewölk aufziehen fieht
und oft in wenigen Minuten um den Rohn
monatelanger Arbeit gebradt ıft. Wenn
durch Wohlfahrtseinrichtungen auch für den
einzelnen die Wirkungen verheerender Blig-
ichläge und Hagelſchauer weniger folgen:
jchwer erjcheinen, jo wird die Schädigung
doch nicht hintangehalten, und ausgedehnte
Ylurvernichtungen bedeuten eine erhebliche
Verminderung des Nationalvermögens,
Demnach wächſt eine verläflige Erforſchung
der Gewitter: und Hagelverhältniſſe eines
Landes bis zu der Bedeutung einer jozialen
Maknahme an, auf Grund deren eine Ber:
minderung und gerehte Berteilung des
Schadens möglich wird. In Bayern befteht
bereits feit dem Jahre 1879, in Württem-
berg feit 1880 und in Baden jeit 1885 ein
mwohlorganifiertes Ne von Gemitter
ftationen. Die Örundlage der Bearbei-
tung bildet das Beobadhtungsmaterial von
180 über ganz Süddeutſchland möglichft
gleihmäßig verteilten Stationen während
ded Zeitraumes 1893 bis 1907,
Die tägliche Periode der Gemitterhäufig-
feit, das heißt die durchfichnittliche Vertei—
lung der Gewitter auf die einzelnen
Tagesftunden, geftaltet fi an den ein-
zelnen Orten Süddeutjchlands jehr verſchie—
den. Das Minimum der Gemittertätigfeit
fällt auf die Frühftunden zwiſchen 6 und
8 Uhr, das Marimum auf die Nahmittags-
ftunden zmwijchen 2 und 5 Uhr. 39 Pro»
zent aller Stationen weiſen das Marimum
zwifchen 3 und 4 Uhr, 25 Prozent zmwifchen
4 und 5 Uhr, 23 Prozent zwifchen 2 und
3 Uhr Nachmittags auf, während die Tages»
ftunden 5 bis 6 und 12 bis 2 Uhr Nach—
mittags nur von 9 beziehungsmweife 4 Pro-
zent aller Beobadtungsorte als Marimal-
zeiten der Gemwitterhäufigfeiten im fünfzehn-
jährigen Durchſchnitte belegt werden.
Unvergleichlich deutlicher ließen fich be»
ftimmte Typen der Jahresperiode der Ge-
witterhäufigfeit ald abgegrenzten Ge
genden eigentümlich erfennen. Die Ahein-
pfalz, das badiſche Unterland zwiſchen Nedar,
Enz und Rhein, ferner das untere und
mittlere Maingebiet und daran anjchließend
das Regnik- und Rednitztal verzeichnen im
Durdichnitte das Yahresmarimum der Ge-
mwitterhäufigfeit im Juni, Auch auf dem
ſchwäbiſchen Jura, im Quellgebiete der Do-
nau, fowie in Südjchwaben finden fi noch
Bezirke, in denen der Jahrestypus mit
einem Junimarımum vorherrſchend ift. Für
den Nordoften Bayerns, alſo für Franken—
mald, Fichtelgebirge, oberes und mittleres
Naabgebiet ift im jährlichen Berlaufe der
Gemitterhäufigfeit ein Doppelmarimum mit
Erhebungen im Mai und Yuli eigentümlich.
Der überwiegende Zeil Süddeutjchlands
jedoch weiſt das Marimum der Gemitter-
häufigkeit im Monat Juli auf.
Das praktiſch mwichtigfte Refultat der
Unterfuchung erbliden wir in der Feftlegung
der geographiſchen Berteilung der Ge—
witterhäufigfeit über Süddeutichland ſowohl
im Jahresdurchſchnitt, wie für die Haupt«
fommermonate Mai bis Auguſt. Schon
v. Bezold ift u. a. zu dem Reſultat gefom-
men, daß es neben gemwitterarmen Gebieten
Gegenden gibt, melde die Entftehung von
Gewittern bejonders begünftigen und die
deshalb als eigentlihe Gemwitterherde
bezeichnet werden können. Nach den neu-
eren Forjhungen tritt als intenfivfter Ge-
witterherd die Rauhe Alb und das württem-
bergifche Oberſchwaben hervor. Daran
ſchließen fich der nördliche Schwarzwald, ein-
zelne Gegenden des Mheintales, ferner der
nördliche Teil der Frankenhöhe und insbe-
fondere das Gebiet der Loiſach, der oberen
ar und des Tegernjeeds. Bon hier zieht
ſich eine breite Gemitterbahn ins Münchener
Beden, in welches aud die Gewitter ein-
münden, die aus einem weiteren Gemwitter-
berde in der Gegend des Hohenpeiflenberg
fommen. Das Marimalgebiet, das fi vom
Münchener Beden in nordöftlicher Richtung
— 14 —
bis ins obere Rottal erftredt, ıft eine Folge |
eben dieſes Zuſammenfluſſes zweier bevor:
zugter Gewitterftraßen. Als jefundäre Ge
mitterzentren treten ferner da8 Donaumoos,
dad Donautal von der Einmündung des '
Lech bis Über Yngolftadt hinaus, die Um-
gebung von Nürnberg und Bamberg, die
Lömenfteiner Berge und die Wafjerjcheide
von Nedar und Main hervor.
Gewitterarme Gebiete finden fi |
in der fjüdlıchen Bfalz, im mittleren Main- |
tale, daran anſchließend im Steigerwald und |
in der Gegend zwiſchen Frankenhöhe und |
Pegnitz; außerdem find noch die nordöftlichen
und öftlihen Grenzgebirge mit Ausnahme
des Bayerischen Waldes zu nennen.
Wenn wir nun auf die Ergebniffe der
Hagelforihung übergehen, jo fünnen
wir glüdlicherweije die beruhigende Tatſache
funftatieren, daß im großen und ganzen
Dagelfälle doch nur eine feltene Begleit-
erfheinung der Gemitterzüge find, Wie
Ihon erwähnt, lieferte die Beobachtungs—
periode 1893 bis 1907 neben 80666 Ge—
mwittermeldungen nur 3847 Nachrichten über
Hagelfall, fo daß aljo im Durchſchnitt noch
nicht ganz 5"jo aller Gemitter von Hagel—
Ichlag begleitet find. Dabei ift noch zu be:
denfen, daß unter den 3847 Hagelmeldungen
ein beträdhtliher Prozentſatz leichter Hagel:
fälle mit eingejchloffen ift, die feinen nennens—
werten Schaden verurjadht haben.
Don einer Tagesperiode einer jo
ſporadiſch auftretenden Erſcheinung fann
faum geſprochen werden. Hagelfälle zur
Nachtzeit und in den Morgenstunden find
eine ſehr jeltene Ericheinung und gelangen
jelbft in einem 16jährigen Beobachtungs—
intervall nur ganz vereinzelt zur Aufzeich—
nung. Hauptſächlich find es die Stunden
zwijchen 12 Uhr Mittags und 6 Uhr Ubends,
während welchen Hagelfall zu beobachten ift
und im allgemeinen darf ein Gleichlauf der
Semitter- und Hagelhäufigfeit hinſichtlich
der täglichen Periode angenommen werden.
Hingegen ift in Bezug auf den jähr—
lihen Berlauf der Hagelhäufig-
feit ein bemerfenswerter Unterjchied; gegen»
über der Gemitterhäufigfeit, die ihre höchſten
Beträge im größten Teile Süddeutſchlands
im Juli und in einem verhältnismäßig nur
engbegrenzten Gebiete im Juni aufmeift,
fällt das Maximum der Hagelichlagshäufig:
feit in nahezu gleicher Stärke auf die beiden
Monate Mai und Yuni. Es dürfte von
Intereſſe fein, die 15 jährigen Monats: und
Jahresſummen der Gemwitter- und Hagel:
häufigfeit nah den Meldungen der 180
Stationen einander gegenüberzuitellen.
1. Gemwitterhäufigfeit:
Yan. Fer. März Mr Mal Pumi Juri
224 197 1110 415 193,350 19,223 21,133
Augut September Dftober WRovember Dezember
14,570 5098 1120 ı22 104
2. Hagelhäufigfeit:
! Yan Fehr. Mär April Mai Yuni Juli
23 43 122 314 #7 877 787
Auguft September Oftober November Dezember
467 203 108 sı 9
Wir entnehmen diefen Zahlen ohne wei—
teres, daß die Wahricheinlichkeit, daß ein
Gewitter von Hagelſchlag begleitet ift, in
den Winter- und Uebergangsmonaten viel
größer ift, alö in den eigentlihen Sommer-
monaten. Im Februar trifft durchſchnittlich
ichon auf 5, im Mai erft auf 15, im Auguft
fogar erft auf 31 Gemitter ein Hagelfall.
Das größte Interefje nimmt wiederum
die Feftlegung der geographbijden Ber-
teilung der Hagelhäufigfeit in An-
ſpruch. Im allgemeinen zeigt fi, daß Ge—
biete größter Gemitterfrequenz auch als
Gebiete marimaler Hagelhäufigfeit auftreten.
Deutlih erhalten finden wir den Gemitter-
berd im nördfihen Schwarzwald, auf der
Rauhen Alb und im wlrttembergijchen
Oberichwaben, fowie die Gemitterbahn von
der Gegend des Hohenpeiljenberg über das
Münchner Becken gegen das obere Rottal
auch als Marimalgebiete der Hagelhäufig-
feit wieder. Bringt man die geographiice
Verteilung der Hagelhäufigfeit auch für die
Haupt: Sommer: und Anbaumonate Mai
mit Auguft zur Darftellung, jo bleiben im
großen und ganzen die Marimalbezirke,
wenn auch mit recht veränderten Umgren-
zungen, erhalten Mai und Juni weijen
die größte Verbreitung der Hagelfälle, wie
auch die höchften zahlenmäßigen Beträge der
Häufigkeit auf. Der Juli meift bereits
einen merflichen Rüdgang der Hagelgefahr
auf, der dann im Auguft bis zu einer rela-
— 15 —
tiven Seltenheit des Auftretens von Hagel:
fällen führt.
Bir haben den Schwarzmald, und daran
anjchließend den Jura, ferner wieder die
dem Alpenrande vorgelagerte Moränenland-
ſchaft, ſowie die Mittelgebirge an der Oſt—
und Nordgrenze Baherns als Gebiete zu
bezeichnen, in denen die Gewitter weit häu
figer von Hagelſchlag begleitet find, als dies -
in oft ganz benachbarten tieferen Lagen der
Fall ift.
Schneckenzucht in der Pfalz.*)
Wie kürzlich die Zeitungen aus
Klingenmünfter und Bergzabern berid-
teten, beabfichtigt dort ein ausländijcher
Unternehmer eine Shnedenzudt zu be
treiben und läßt zu diefem Zwecke am Ger
birgsrand Schneden, die mit 25 Pfennig
für das Hundert bezahlt werden, in grö-
Beren Mengen auffammeln. Es handelt fich
hierbei um einen in der Pfalz noch neuen
Induſtriezweig, der, wenn rationell betrie-
ben, bei wenig Mühe und geringen Koſten
ganz anjehnliche Erträge abwerfen kann,
Einige orientierende Bemerkungen über die
Schneckenzucht oder richtiger gelagt Schne:
fdenmäftung dürften daher ganz ange:
zeigt fein,
Schon von alters her bildet die einen
falfhaltigen Boden bevorzugende große
Weinbergichnefe (Helix pomatia), deren
bauchige, gelblihbraunen Sehäufe man bei
uns allenthalben finden fann, in vielen
Gegenden eine beliebte und ın den verjchie-
denften Zubereitungen genofjene Faſtenſpeiſe;
jehr geſucht find auch die nur ganz jelten
vorkommenden linksgewundenen Gehäuſe, die
fogenannten „Schnedenfönige”, für deren
Anfauf von Gonchylienfammlern ganz enorme
Preiſe aufgewendet werden. Die ftarfe
Nadjfrage, namentlih aus Frankreich, hat
nun in den legten Jahren dazu geführt, daß
an der oberen Donau die Züdjtung und
Mäftung von Schneden einen großen Auf-
ſchwung genommen und fich eine richtige
„Schnedeninduftrie” herausgebildet hat.
Ihren Hauptfig bat fie in Butenftein bei
Sigmaringen, wo im legten Jahre mehrere
*) Bgl. hierüber: C. Schentling, Schneden
als Nahrungsmittel. Yluftrierte Unterhaltungs»
beilage zum Tag Nr. 79 dom 11. Dezember 1902. —
Die Shnedeninduftrie an der oberen Donau.
ranffurter Zeitung vom 1. November 1908
tr. 304, 6. Morgenblatt. — Streid, Die
Schnedenzudt. Hetlbronn 1903.
Millionen Weinbergichneden gezüchtet wor—
den find; auch noch andere Orte am Süd
rande der falfreichen fchwäbiichen Alb wid—
men jich diefem Ermwerbözmweig. Sobald die
Tiere im Frühlommer ihr FFortpflanzungs:
gejchäft beendet haben, werden fie dort allent-
halben in Feld und Wald von Männern,
frauen und Kindern in Süden gefammelt
und an die Beliger von Schnedengärten ab:
gegeben. Es find dies mit einer ntedrigen
Mauer umfriedigte, etwa 200 Om. große
Flächen kalkigen und feuchten Bodens durch
welche Fußfteige ziehen. Anftatt mit einer
Mauer kann man die Grunditüdfe auch mit
einem mit Wafler gefüllten Graben oder
mit glattgehobelten und geteerten Brettern
umgeben und dann längs des Bretterzaunes
Sägmehl ausjtreuen oder Dornen legen,
damit die Tiere nicht entfliehen fünnen.
Hierzu zeigen fie befonders bei Regen große
Neigung und juchen immer neue Schleich
wege zum Entwijchen. Gerade während die-
jer Beit bedürfen fie beionderer Beauffic-
tigung durch eigene „Dirten”. Aber aud)
im Hochſommer fünnen die Tiere nicht ſich
jelbft überlaſſen bleiben, da fie bei unrich—
tiger Behandlung, namentlich bei Überfüllung
des Gartens, leicht abiterben. Während der
Gefangenſchaft füttert man fie mit Gemüſe—
abfällen und Kleien und, um fie recht ſchmack⸗
haft zu machen, aud mit aromatijchen
Kräutern. Gegen Ende des Herbites werden
im Garten fleine Häufhen von Moos und
trodenen Blättern ausgelegt, in denen ſich
die Tiere verfriehen und dann ihre Ge—
bäujeöffnung für die Winterrufe mit einem
Kalkdeckel verſchließen. In diefem BZuftande
ſind ſie transportfähig. Man verpackt ſie
zu je 500 und verſendet fie in Fäſſern bis
zu 10000 Stüd. Die meilten gehen nad
Frankreich, wo Paris der ftärffte Abnehmer
ift. Dort beichäftigen fih in den Marft-
hallen während des Winterd nicht weniger
— 116 —
als 500 Händler mit dem Schnedenverkauf.
Im oberen Donautal wurden im leßten
Jahre 6 Millionen Schneden gemäftet, die
in Bartien zu je 1000 Stüd in den Handel
gebracht, Preiſe bis zu 17 Marf erzielten.
Bon einem Schnedengarten von 200 Om.
fann man nad Scenfling eine Yahresrente
von 1 Million Stück erhalten. Wenn das
Zaufend nur mit 8 Mark bezahlt wird, fo
ergibt fih immerhin die hübſche Einnahme
von 8000 ME. jährlich, die einer Berzinjung
von etwa 400 Prozent gleichzujhägen wäre.
Jedenfalls verdient biefer neue Erwerbs
zweig im Intereſſe unjerer Volkswirtſchaft
eine ganz beſondere Beachtung.
Dr. Häberle.
Fräünkiſche Gräberfelder am Mittelrhein.
Während die Römerzeit mit ihrer Kultur
uns zahlreiche und genaue Ueberlieferungen
durch ihre Bodenüberreſte am Mittelrhein
hinterlaſſen hat, liegt über der Epoche der
erſten fränkiſchen Zeit noch ungewiſſes
Dunkel. Die Geſchichte ſchien in dieſer Pe—
riode zu verlöſchen, Menſchen und Ereigniſſe
ſchlichen in dieſer Zeit wie Geſpenſter über
den Rhein, kaum einen kurzen Schatten
werfend, der ebenſo ſchnell verſchwand, als
er bemerkt worden. Der an Ueberreſten
der verſchiedenſten Zeitabſchnitte reiche Bo—
den zwiſchen der Haardt und dem Mittel—
rhein hat beſonders in neuerer Zeit doch
intereſſante Beiträge für die Geſchichte der
alemanniſch-fränkiſchen Periode geliefert.
Namentlich ſind es die Täler der kleinen
Flüſſe, die von Weſten aus dem Waldgebirg
kommend dem Rhein zuſtreben, die hierbei
in Frage kommen. Bekanntlich mündeten
in die von Straßburg über Speyer und
Worms nad) Mainz führende Hauptſtraße
eine Anzahl Eleinerer Querftraßken, von
denen man wohl annehmen fann, daß fie
meiftens jenen Flußtälern, der Iſenach, dem
Eisbach, Eckbach und anderen folgten.
Zweifellos befanden fich zu jener Beit an
diejen Straßen zahlreiche Siedelungen, welche
in ihrer Nähe ausgebreitete Gräberfelder
beiaßen. Der Pflug des Landmannes und
die Schaufel des Sandgräbers find es, die
bäufig die erfte Entdedung bei Bodenfunden
machen und dem Forſcher die Wege weiſen.
Bei diefen Grabungen nun treten unter
mancherlei Ueberbleibieln aus ferner Beit,
wie erwähnt, auch Reſte der alemannijch-
fräntifhen Periode zu Tag. In der Nähe
des Dorfes Eppftein, dem fränfiichen Eben-
ftein, unfern von Flomersheim, wo einft-
mals das „Wallum Publicum* der Stahl-
bohl des Wormsgaues geitanden haben foll,
wurde vor kurzem anläßlih der Anlage von
Sandgruben ein ſolches fränkiſches Grä—
berfeld von bedeutender Ausdehnung an:
geichnitten, das bis jet folgendes Ergebnis
lieferte: In einer Tiefe von etwa 2 Meter
ftießen die Arbeiter auf mehrere Sfelett-
gräber. Die Leihen waren ganz einfach,
mwahrjcheinlid mit Unterjchiebung eines
Prettes auf den Sand gebettet. Zu Tag
gefördert murden 3 männliche Sfelette,
deren ausgeſprochene Langſchädel jämtlic
alte Hiebverlegungen aufmwiejen. &8 gelang,
noch einige Öliederteile zu meflen und hat-
ten die Oberjchenfeltnochen eine Länge von
ca. 45 cm, die Unterarmfnodhen eine ſolche
von etwa 28 cm. An Beigaben hatte das
eine Grab 1 Sframafar (einichneidiges
Kurzichwert) von ca. 31 cm Länge und 4 cm
Breite, 1 eiferne Gürtelfchnalle eine Fleine
Scheibe aus Weißbronze mit einem grünen
perlenartigen Gebilde, die wahrjcheinlich als
&ürtelverzierung gedient hatte. Zwiſchen
den Unterſchenkeln des Skeletts ftand ein
dinnmandiges Tongefäß nebit einigen zer:
drüdten Fleineren Schalen, auch lag ein
kurzes Gifenmejfler dort. Die beiden anderen
Skelette waren gleichfalls mit Waffenbeiga-
ben beitattet. Es fanden ſich bier ebenfalls
zwifchen den Unterſchenkeln Tongefähe, Eı
ſenmeſſer, Eifenringe, Gürtelfchnallen und
fonftige Eijenteile, ein Stück Rotftein und
eine mächtige, gut erhaltene Lanzenſpitze von
60 cm Länge aus Eifen, deren Tülle noch
Spuren des Holzichaftes aufwies. In
nächfter Nähe diefer Gräber fam noch ein
Kindergrab zur Aufdeckung. Es fanden
fih hier als Beigaben ein länglicher durdy-
fichtiger Rheinkieſel, ein rundlides Stein:
ftüf und ein Zerrafigillataplättchen, ein
durchbohrtes verjchobenes Rechteck darſtel⸗
lend, welches vermutlich ald Anhänger ge-
— 117 —
dient hatte. Ferner befanden ſich in diefem | geben, daß man es mit einem ausgedehnten
Kindergrab als wichtigfter Fund drei römische | fränkischen Gräberfeld zu tun hat, deflen
Bronzemünzen (Konftantine),. Bemerkens- | gänzliche Freilegung in Kürze erfolgen dürfte.
wert ift no, daß jämtliche Sfelertte mit | Sämtliche bisherige Fundgegenftände ge»
dem Kopf nad Weiten, mit den Füßen nah | langten in den Beſitz des Muſeums zu
Dften lagen, fjodaß der Blid des Toten | Speyer, mwojelbit fie zujammen mit früher
nach der aufgehenden Sonne gerichtet war ſchon erhobenen ähnlichen Objekten im erften
Nach fahmännifher Schäßung deuten die | Saale des jüdlichen Flügels bei den ale-
Funde auf das 6. Yahrhundert n. Chr. | mannijch: fränfiihen Fundſtücken zur Auf:
Nähere Unterfuhung des Platzes hat er- | ftellung fommen. J. Böhm in der Pi. Pr.
Einige Winke zur richtigen Behandlung von Blumenftränßen
dürften aud) jet noch am Plage fein. Bor | Jeden Morgen nehme man den Blumen-
allem jorge man dafür, daß der Behälter, in | ftrauß aus dem Behälter, entferne die welt
den man die Blumen ftellen will, fi) auch | gewordenen Blätter und Blüten und jchneire
wirklich praftifch dazu eignet. Man nehme | von den Stielen zirfa einen Zentimeter ab,
zur Aufnahme der Blumen eine Vaſe oder | damit hierdurch den Blumen die Aufnahme
ein Glas, das oben am Halſe nicht zu eng | neuer Nahrung erleichtert wird. Auch der
ift, und entferne die unten am Stil figenden | Behälter ift unten zu reinigen und ftetö mit
Blätter, die, wenn fie im Waller ftehen, | friihem Waſſer zu füllen. Eine Abbraufung
diejes sehr Schnell durch Fäulnis trüben, | der Blumen ift alle Morgen vorzunehmen,
Ferner Stelle man die Blumen nicht direft | Pflegt man auf diefe Weije die zarten Fin
in die Sonne, fondern an einem fchattigen | der der Natur, jo wird man auch längere
Plag im Zimmer auf. Un heißen Tagen | Beıt feine Freude an ihnen haben.
gebe man ihnen mehrmals friihes Waſſer.
Meber pfälzifchen Vogelſchutz
wird der Pfälz. Preſſe geichrieben: Wenn in |
einem Artikel in Nr. 199 der „ri. Ztg.“, der
fi auf das 2. Jahrbuch der VBogelfunde von
Dr. 8. Floerike fügt, ſchwere Anklagen
in Sachen des Vogelſchutzes gegen die Pfalz
erhoben werden, jo erjcheint es als Ehren-
ſache, mandes den gegenwärtigen Berbält:
niffen entjprechend feftzuftellen und nament« | liebt einen mächtigen Happen und macht
lich die Bogeljchugbeftrebungen nebjt den bis | fich feinem Gharafter nach gar nichts aus
jegt hierin erzielten Hortichritten ind rechte | einem jo winzigen Bilfen, wie ihn ein Bogel
weniger zu beobadten. Ya, Amjeln find
überall in Dörfern und Städten jo häufig
und jo zutraulich, daß fie faft zum Haus—
tier geworden jcheinen ; dies läßt doch ficher
nit auf ihren Fang jchließen. Mit der
Erlegung zu Küchenzwecken ift es gleichfalls
ſehr ſchwach beftell. Der Eräftige Pfälzer
Licht zu ftellen. BZehnjährige Beobachtungen | bietet. Es ift an der ganzen Haardt nicht
der Bogelwelt im Piälzerwald, namentlich | befannt, daß Bögel zum Efjen gefangen oder
in dem waldreichen Gebiete der Berge an | erlegt werden. Unders verhält es fich mit
der unteren Haardt, haben gezeigt, daß das | der Erlegung von Vögeln, die das Anterejje
Ausnehmen von Bogelneftern, das Tangen | der Weinbauern jchwer jchädigen. Hier
mit Sarnen und Sprenfeln bei weitem nicht | kann man nıdht vom Hörenfagen jprechen,
jo ausgedehnt betrieben wird, wie in an« | fondern nur aufgrund eigener langjähriger
deren Streifen Bayerns. Während in Unter: | Erfahrungen. Die Stare fallen 53. B. im
franfen 3. B. Rotkehlchen, Finken, Stieg- | Herbit, wenn die Trauben reifen, in Wol«
fige und Drofjeln jehr häufig in Käfigen | fen in die Weinberge ein. Man zählt hier
gehalten werden, ift dies in der Pfalz viel | nicht nach Hunderten im Schwarm, jondern
225 Iszieeter ers Bienisieder. 8
Fa eme iolche Erstengcll: = te Berame
reeberiitt, 1: geriet. Tert win es ba
Ga armen beirärzieen Wırier verdertern,
wien er Ih wehrt ars fräirs mt Schroi «
&izel m der Eiwarm Emergiefrm? Ar
ten Bogelfreurd ih dab keicuerl:s, Für
ven Bızier in es cher ion gates Ned.
Grssigel und Bofertiare Krb ın der Piel;
richt io häufig, alt bab von eirer Gridie-
Burg zu Tauientden geiproden werden
finrte; Notfebihen und Horidmärsden
werben gehegi und gepflegt, he bevölfern zu
Zaufenbden die Bart ber Städte und Heden-
anlagen der Törfer. Die GErlegung durd
Amfer gehört zur Selterbeit. Zer Punft,
bag bie Böhämmerjagb noch luftig mweiter-
betrieben wird, iſt freilich nicht direlt zu
widerlegen, Der ſogenannte Böhämmer ift
ein Bergfink, wandert in manchen Jahren
maſſenhaft aus Norden in die Wasgau—
wälder, wo er ſich von Bucheckern nährt.
Einen ausgeſprochenen Nutzen bringt er
nicht. In den letzten Jahren waren aber
die Wanderungen ſo ſpärlich, daß man von
einem Maſſenmord dieſes Fremdlings gar
nicht reden kann. Die Sache iſt mehr zur
Erzählung geworden. Aufgrund perſönlicher
Erfahrungen ſcheint das 2, Jahrbuch der
BVogelkunde, ſoweit es die Pfalz betrifft,
nicht zu ſprechen, denn es ruft zwar ben
Staat und den rlihrigen Verein für Vogel
hu in Bayern zu Hilfe, vergißt aber
11*
Pialz.
2223. wos dre Eirl; m den legres Jabren
rar den Begel —3 ger. Tas ⁊ gemih
für tie errgm Eoseiiüger der Pic;
seriik urd dem zꝛgle:ch Ein Zeuge,
ch ;e der Pelz dem Grkiste Des
Eiselitzges hrs er? vr Yebe gearbeiter
wırd, bürite amerielio® der arte Boael-
iger Arber. v. Berlepib fein. uf jei-
nem @ute bei Darnozer bet in dirfem Früb:
jebre die Ficl; den ertien Bogelwart
in ganı Eäübddeutidhlend ausbilden
lofien, Taujende und Atertouienbe von Rift-
böblen wurden bezogen, nicht zu gedenfen
der großen Ausgaben für Shut: und Fut-
terartıfel. Und was bat die fol. Bein und
Obſtbauſchule in Reuftadt geleiftet? Tas
Bürgermeitteramt Deidesheim hat durch jei-
nen trefflichen Bürgermeifter Dr. Baiier:
mann-Yordan das möglıdite hierin ge-
tan und bemwirft, daß der Bogelihug in
jenen Gegenden auf emer idealen Stufe
ftebt. Die Pfalz fann getroft die ſchweren
Vorwürfe, die ıhr auf dem Gebiete des
Bogeliduges gemacht werden, zurückweiſen.
Nirgends find Mikftände hierbei ganz aus—
jurotten, aber daß die Rheinpfalz ein ehr-
lies fruchtbringendes Pefireben auf dem
Gebiete des Bogelihußes gerade in den
legten Jahren befundet, das fann ihr fein
Stenner der Verhäliniſſe abipreden. Ein
Beichen dafür ift die ungemeine Vermehrung
nüglicher Vögel in faft allen Gebieten der
% Böhm.
-
—
—
Bodenknlturunternehmungen im Jahre 1908 in Bayern.
Nach einer Bufammenftelung des Kl.
Stariftiichen Yandesamtes ergeben fi für
dıe im Jahre 1908 in Bayern ausgeführten
Stulturunternehmungen folgende Zahlen:
Durh die amtlichen Aulturingenieure
wurden im ganzen 1245 Unlagen mit einer
Geſamtfläche von 5267,5 ha (darunter
4587,53 ha Wiefen) ausgeführt, Nach der
Art der Unternehmungen beftand die Boden:
verbefferung bei 3328,1 ha ın Graben:
entwäflerungen, bei 1372,0 ha in Drai-
nagen, bei 169,0 ha in Bewäſſerungen, bei
25,6 ha in Ent und Bemwällerungen und
bei 142,9 ha in anderen Qnlagen, wie
Kultur und Dedländereren, Planierungen,
Eduß gegen Ueberſchwemmungen ufm.
Der Gejamtfoftenaufmand für dieje Kultur
unternehmungen betrug über 1 Million ME. ;
biervon murden 277908 ME. durch Dar-
leben aus der Yandeskulturrentenanftalt
gedeft, während 21100 ME. durch Zu-
ſchüſſe aus Öffentlichen Fonds aufgebracht
worden find. Die Wertserhöhung des
fultivierten Landes berechnet ſich auf
3,8 Millionen, überftieg alſo die auf:
gewendeten Koften um mehr als das Drei:
fahe. Bon der fultivierten Fläche entfielen
1694,9 ha (31,6 Brozent) auf private:
2998,4 ha (56,9 Prozent) auf genoffen-
ı Ihaftlihe und 604,2 ha (11,5 Prozent)
— 119
auf Unternehmungen von Gemeinden und
Stiftungen.
Auf die TR REIN verteilen ſich
die Kulturunternehmungen wie folgt:
Kultivterte Fläche
Regierungsbezirle von 100 ha ber
in&gef. land. benützt. Koſten Wertserböb.
Fläche
ha ha Mt. Mt.
Oberbayern 21206 0,20 240432 991253
Niederbayern 129,9 002 36497 80200
Pfalz 1633 0,05 39501 245972
Oberpfalz 3485 0,06 115540 151955
Oberfranten 438,3 1,10 198610 542970
Mittelfranten 390,1 0,08 109276 659330
Unterfranfen 51,2 0,01 38835 70 100
Schwaben 15356 021 298188 1006915
Königreich 5267,6 0,11 1071879 3755695
Außer diefen fertig geftellten Anlagen
waren am Ende des Jahres 1908: 196
von den amtlichen Aulturingenieuren projef-
tierte Unternehmungen mit einer Fläche
von 8,123,6 ha in Ausführung begriffen.
Die hiefür veranjchlagten Koften belaufen
fh auf 1,3 Millionen Mk., wovon
512346 ME, der Landeskulturrentenanftalt
entnommen werden. Weitere 466 Anlagen
mit 17,332,8 ha Fläche und 3,7 Millionen
ME. Koftenaufwand find bereits fertig projef-
tiert und harren der Ausführung.
Ohne Beihilfe der amtlichen Kultur:
ingenieure wurden im Jahre 1908: 1368
Bodenverbefjerungen mit einem Stoften«
aufwand von 421800 ME. ausgeführt.
Sie erftreden fih auf eine Fläche von
2176,1 ha, deren Wert um mehr als eine
halbe Million geftiegen ift.
Menn die Heide blüht.
Stimmungdbilb aus der Qüneburger Heide.
Bald, ganz bald beginnen die Feſttage
der Heide. An einigen günftigen und warm
gelegenen Stellen bat fie ſchon in diefen
Tagen zu blühen begonnen, und bald wird
die ganze weite Fläche aufzuglühen be-
ginnen, rojarot und rofaviolett und in den
Tagen des Auguſt und September gibt es
dann feine Landihaft in Norddeutichland,
die fi mit der Schönheit der Lüneburger
Heide mefjen fann. Sechs Wochen lang
feiert die Tieblihe Erika ihre Hochzeit.
Lange Hochzeiten find oder waren ja in
Niederfahien Mode. Ihr Hochzeitskleid
glänzt weit und breit, und dort am Waldes»
rand bat fie ihren Myrtenfranz niedergelegt.
Die Heidelbeere (Vaceinium Myrtillis)
nämlich wird der „Myrtenfirauch der Heide”
genannt”, und ihr Grün paht reigend zur
lieblihen Farbe der Heidebraut. Einen
roten Unterrof babe die Braut an, jagt
man, und die unter den Blättern hervor-
leuchtenden Sronsbeeren jeien der Rand
desjelben. Und die Hochzeitsgäſte find die
Bienen, melde die Braut in ihren Ehren:
tagen täglich viele Male auffuchen, ſich von
ihr bewirten laffen und dafür fummen und
fingen. Der Neftar der Erifa, der Honig,
der feiner noch jo ſchönen Blume fo duftig
und füß verliehen ift, fcheint beraufchend
| Nattern;
auf das zarte Inſekt Biene zu mirfen.
Wie toll ſchießt fie hierhin und dahin,
nippt und faugt vom föftlihen Naß, ſchwingt
fih auf und trifft fummend unjere Baden,
aber fie jticht nicht, dazu hat fie heute
feine Zeit, fie muß genießen und trinfen,
trinfen. Raſtlos wirbelt die fleikige Schar
von Held zu Kelch. Schwer mit Blüten:
ftaub und Honig beladen beginnen einige
Bienen zu fliegen, fallen aber erft einige
Male zur Erde. Dann aber erheben fie
fih mit feſtem Entihluß, und pfeiljchnell
faufen die Duftberaufchten dem Bienen:
Eorbe zu. Auch andere fröhliche Gäfte hat
die Heide geladen, hübſche und andere.
Bläulinge und FFeuerfalter flattern über
den Feftplag, Heuſchrecken furren und
fchnellen daher, Eidechſen raſcheln und
ihnen allen und vielen anderen
fingen und geigen Grille und Heimchen den
ganzen Tag. Aber au ernithafte Geftalten
find auf dem FFeitplage zu jehen, die Wadh-
holder. Wie Pyramiden in der Wüſte
ftehen dieſe dunklen Pflanzenweſen da.
Wie Paſtoren im Hochzeitshaus nehmen fie
nidit am Tanz und Gelage teil, jondern
icheinen nur auf das Summen und Singen,
auf die Freude und den Genuß der Fleinen
Tiere, die fi unter ihnen in der Heide
u. —
tummeln und auf die von der Braut be: | bier auf dem einſamen Erdenwinkel ſchmückt
ftellte Grillen- und Heimchenmuſik zu | und welche Feittage fie hier für ihre Kinder
laufjhen. Wer da Augen und Ohren hat, | ihafft, der fomme hinaus auf die Seide,
zu jehen und zu hören, wie die Natur fi | wenn fie blüht. — H. D.
Bagelwetier.
In der Naht vom 25. Juli ds. Is. 28. Juli ds. 8. wurden aud in den
zog liber die bayerische Rheinpfalz, von den rechtsrheiniſchen Megierungsbezirfen mit
Rentamtsbezirken Bweibrüfen und Pir- Ausnahme von Mittelfranfen, bejonders
majens beginnend, über die Bezirke Land: | im Algäu, zahlreiche Gemeinden vom Hagel
ſtuhl, SKaiferslautern, Neuftadt a. Hdt., ſchwer betroffen. Für die bisherigen Ge-
Dürkheim, Grünftadt, Kirchheimbolanden, | witter diejes Jahres ilt im Gegenjag zu der
Frankenthal und Yudmwigshafen ein jchweres | vielfach aufgeftellten und geglaubten Theorie,
Dagelwetter, welches auf einer großen Zahl | daß es nachts nicht hagele, die Tatjache
von Gemeindefluren die Aderfrüchte, Tabak | feitzuftellen, daß die diesjommerlichen, mit
und Wein großenteils ergeblich beichädigte. | ſchweren Hageljchlägen verbundenen Gemitter
Am gleichen Tage, dann auch am 26. und | abends zwijchen 9 und 12 Uhr ftattfanden.
Schub der einheimilhen Yflanzenwelt.
Aus dem Oberlande wird gejchrieben: | der völligen Ausrottung entgegengeführt
Dem fürzlich gemeldeten Vorgehen des Be- | würden. Um diefen vom botanijchen, wie
zirksamts Engen, welches das Ausgraben vom Standpunkt des Naturfreundes aus
und Sammeln jeltener Pflanzen verbietet, | gleich bedauerlihen Schädigungen wirkſam
um diefe von der gänzlichen Ausrottung zu | zu begegnen, werden die Feld und Wald
ſchützen, find einige andere zuftändige Stellen | hüter, jowie die OrtSpolizeidiener angemwiejen,
gefolgt. Die Gemeinde Zaftler (Amt Frei» | darauf zu achten, daß die Schulkinder die
burg) hat einige diesbezügliche ortSpolizeiliche | ihnen in der Schule gewordenen Belehrungen
Vorſchrift erlaffen und das Bezirfsamt Etten- | befolgen und auch ſonſt mwahrgenommenen
heim weiſt in einer Belanntmadung darauf | unverftändigen und mutwilligen Schädigungen
bin, daß e8 eine bedauerliche und vielfach | der Pflanzenwelt entgegentreten. Die ganz
beflagte Tatſache fei, daß die einheimische | bejonders gefährdeten und zu ſchützenden
wildwachfende Pflanzenwelt durh Schul: | Pflanzen find? im Großherzogtum
finder, Sammler, Sommerfrifchler ufw. jo- | Baden: alle Orchideen, der gelbe Enzian,
wie zum Bmede des Handels in immer | der Türfenbund, die Küchenjchelle oder Kuh—
zunehmendem Maße gefchädigt würde und | jchelle (auch Dfterglode genannt).
einzelne jeltenere Pflanzenarten geradezu
nBalt. Die Fiſche des unteren Nedard. Bon Karl Chrift, Ziegelhaufen. — Landes»
kundliche Nachrichten in Heufer, Die Pfalz-Zweibrüder Porzellanmanufaktur. — Bayerifche Bor:
zellan-Ausftellung. — Die Vorzüge der Ortölage von Altenglan. — Pfälzifche Hydrographie. —
Gewitter und Hagelfälle in Sütdeutjchland. — Schnedenzudt in der Pfalz. — Fränkiſche Gräber:
felder am Mittelrhein. — Einige Winke zur richtigen Behandlung von Blumenfträußen. — Ueber
pfälziſchen Bogelihuß. -— Bodenkulturunternebmungen im Jahre 1908 in Bayern. — Wenn die
Heide blüht. — Hagelmwetter. — Schub der einheimiſchen Pflanzenwelt.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Landftuhl — Kermann Kayſer's Derlag, Aaiferslautern.
V. Jahrgang. Nummer 10. Oktober 1909.
“ns
N — J
MONATSSCHRIFT
— FÜR SCHULE UND HAUS. ge
Pi z
EMANNMENSCH«
%
Die wehpfälzifche Moorniedernng
in ihrer Beziehung zur Aumpffläche (Beneplain) der Mittelpfalz,
Bon Redn.-Rat Dr. Häberle, Heidelberg.
Am Zahrgang 1908 diejer Zeitjchrift | find durch die fegende und jchleifende Tätig-
S. 99 hatte ich bei Beiprechung des Alters | feit des mit Sand beladeren Windes mie
des Landſtuhler Bruces als Beweis für durch ein Sandgebläje abgeichliffen und be-
die äoliſche Entftehung der dort auftreten» | figen eine ganz charafteriitiiche matte, firnis-
den Sand— glänzende
anhäufungen - Bolitur,
das Borfom- mwährend die
men von fo: | vom Waſſer
genannten geichliffenen
„Dreifan» Rollfteine
tern” er: ohne einen
mwähnt. Dan derartigen
veriteht hier: Glanz find,
unter Ge: Solche wind-
ſteinsſtücke geglätteten
aus härterem Gefteins-
Material 3. ftüde fünnen
B. Quarzit, aljo nur da
Garneol, vorfommen,
verfiejeltem wo der
Sanditein Boden nicht
2c,, deren ” durch eine
Oberfläche Fig. 1. Windfanter (Ouarzit) mit Schußrinde aus einer Vegetationd-
mit 2-6 dünnen Sandlage unter dem Torf. decke geſchützt
ebenen iſt und der
Flächen bedeckt ift, die ſtumpfwinklig in Wind ungehindert größere Sandmaſſen um—
geradlinigen Kanten, nämlich in den Schnitt | zulagern vermag. In Wüften und Dünen»
finien, aneinander ftoßen. Die Flächen jelbft | gebieten find fie eine befannte Erſcheinung,
Anmerkung: Die beiden Abbildungen find aus dem 42. Bericht des Oberrheiniichen
Geologiichen Bereins über die Berfammlung in Heidelberg 1909 entnommen und mit freundlicher
Genchmigumg de Vorſtandes Hier miedergegeben.
und führen dort in Anſpielung auf ıhre
äußere Form oder ihre Entjtehungsart die
verjchiedenften Benennungen wie Santen-
geſchiebe, Facettengeſchiebe, Flächengefteine,
Kantengerölle, Wüſtenkanter, Facetten-
gerölle, Pyramidalgeſchiebe,
Windflächner, Sandgebläſeſteine ujmw., von
denen der neuerdings von Vorwerg aufge—
ftellte Name Windfanter, der die äutzere
Form und Entitehungsart am beiten fenn-
zeichnet, wohl der geeignetfte fein dürfte.')
Derartige Windfanter treten nun an
zahlreihen Stellen im Brudye auf, entweder
ın dünnen Sandlagen unter dem Torf, wo
fie meift eine fettglängende Rinde haben
(Fig. 1), oder ın den über die Niederung zer-
ftreuten Maulmwurfshaufen-ähnlihen Sanpd-
bügeln (Fig. 2), oder auch auf einzelnen Ter-
rallen am Fuße der Sidinger Höhe, aber nie
in den Diünenmwällen am füdlichen Bruchrand.
Es muß aljo einmal eıne Zeit gegeben
haben, wo die heutige Bruchniederung noch
nicht verjumpft war, fondern ftarfe Nord:
weitwinde über ihren vegetationslojen
Boden hinfegten und mit aufgewirbelten
Sandmaffen die herumliegenden Gelteins-
trümmer zu Windfantern umgeitalteten.
In diefer Zeit beſaß die in den Bunt:
jandftein eingejenfte Talung, melde ſich
über Saijerslautern hinaus bis auf das
Plateau von Enfenbadh verfolgen läßt, fchon
ihre heutige charafteriftiihe Muldenform.
Ueber ihre Entitehung find bereits
verjchiedene Hypotheſen aufgeftellt worden,
auf die ıch kürzlich?) näher eingegangen
') Bal. hierüber N. Jahrb. f. Min. ꝛc. 1906,
Il, ©. T1—80 und Bentralblatt für Mineralogie
1907, ©. 105—110, 330—341 und 547—549,
Ganz ausführlich unter Angabe der älteren
Literatur iſt ſpeziell für England die Windkanter
(Wind—Worn Pebbles) Fass behandelt von
Dr. F. A. Bather in ben Proceedings of the
Geologists’Association, London 1900 S. 396
bis 420 und im Geological Magazine, 1905
9. 358 -359.
‚) Häberle, Windlanter aus der weſt—
pfälziſchen Moornicdernng (dem Landſtuhler
Gebrüdh). Mir 2 Tertfiguren. Berichte des
Oberrhein. Geolog. Vereins über die 42. Ver:
fammlung zu Heidelberg 1909, ©. 104—109.
Dort iſt auch die weitere, bier einjchlägige Lite:
ratur (Qeppla, Reis, Bayberger) angegeben.
Diefe Berichte fünnen auch von Nichtmitgliedern
zum Preife von 1 bezw. 2 ME. bezogen werden.
Mitglieder erhalten fie gegen einen Jahresbeitrag
bon 2 ME. koſtenlos.
Windfanter, |
122
bin; dabei habe ich auch das Vorkommen
der Windfanter beiprochen. Ich führte aus,
daß ich die heutige Bruchniederung im
ihren erjten Anfängen gewiſſermaßen
als Saumtai eines Tafellaudes zwiſchen
den harten Felszonen des oberen Hauptbunt:
fandfteins und dem permofarbonijchen Pfälzer
Sattel auffaflen läßt, das, entiprecdhend der
| Neigung der Schichten, die Abdachungsflüſſe
' und
des heutigen Hartgebirges bis zum Ein—
bruch der Mheinebene in ſich ſammelte
In einer Periode trucdneren Hlımas wurde
der uriprünglich flache Rand diejer Talung
unter den Wirkungen der Erofion und
und Denudation allmählich zurüdverlcgt
in einen Gteilrand verwandelt.*
Dieler entftand hauptſächlich dadurch, daß
die oberen, am Rande der Sickinger Höhe
faft horizontal ausſtreichenden Bänfe der
Trippftadt: und Starlötaljtufe gegen Die
gejteinszerftörenden Sträfte bedeutend wider
ftandsfähiger find, als die fie unter
lagernden Rehberg Schidhten und des
halb gefimsartig Aber diefer rajcher ver
witternden Unterlage vorjpringen. Wir
baben bier alſo ähnlidh wie bei der
Schmwäbijhen Alb* eine durd den
Denudationsprozeß im Laufe der
Erdgejhihte entitandene Nauditufe
und nidt wie beim Dftabfall der
Hart gegen die Rheinebene eine
durch teftonifche Borgänge bewirkte
Brudftufe vor uns.
Im Zuſammenhang mit diejer deutlich
ausgeprägten Zandftufe fteht unzmeifelhatt
eine andere auffällige morphologiihe Er
iheinung, nämlich die Herausbildung der
jet ftrichweife mit LöR und Rehm bededten,
ausgedehnten Hochfläche zwiſchen Aljen-
born, Sembach, Dtterberg und Moorlautern.
Sie wird nur durch einige wohl auf Ber:
werfungen zurüdzuführende Unebenheiten
bei der Eſelsſürth (Dueidersberg, Eichel:
berg) unterbrochen und ftößt bei Kaijers-
lautern direft an die Ausläufer der Niede:
rung. Erwägt man nun, daß ſich dıe
Mulde aus dem Weſtrich bi8 nad Alſen—
», Bgl. hierzu DO. M. Reis, Das Rot-
(tegende und die Trias ber nordweſtlichen Rhein-
pfalz in: Erläuterungen zu Blatt Zmeibrüden
der geogn. Karte von Bayern ©. 157.
W. Branco, Schmwabens 125 Bulfan-
Embryonen S. % ff. Stuttgart 189.
born - Enfenbady verfolgen läßt, wobei die
fie jüdlich begleitende Landftufe nad Oſten
zu immer niedriger wırd, jo fommt man
unmwillfürlich zu der VBorftellung, daß die
ganze mit janftem Gefälle in vorherrjchend
123
weftliher Richtung ziehende Talung in eine |
alte Rumpffläde eingefenft ift; ihre
Nefte treten uns in der oben erwähnten
Hochfläche noch deutlich entgegen. Diejelben
geiteinszerftörenden Sräfte, melde im
Laufe der geologifchen Zeiträume dieje Faſt—
ebeue („Peneplain“)?) ichufen, werden auch
dazu beigetragen haben, den Steilrand
(die Landſtuſe) der Sidinget Höhe durch
mwaldes°) und Speſſarts in Beziehung zu
bringen ift, läßt fich von dem hochgelegenen
Fröhnerhof (325 m) gut überfehen. Wir
ftehen bier faft in der Mitte der oben be:
jchriebenen Hochebene, an der jegt von allen
Seiten her die Erofion nagt. Wenden wir
uns jedod nad) Süden, jo jehen wir die lang:
geſtreckten Rüden des Pfälzer Waldes bis
zum Oftabfall der Hart fo regelmäßig hinter-
einander auffteigen, daß fich die alte Bunt:
fandfteinplatte trog ihrer Zerſtückelung in
janfter Neigung von Süden ber bis zu unferem
Standpunfte mit Leichtigkeit refonftruieren
läßt. Gegen Südweften madt fi nur der
beträchtliche dur eine
Rückver Verwer⸗
legung des fung’) em-
Südufers porgehobene,
des alten SO—NW
Saumtales verlaufende
herauszubil⸗ Höhenzug
den. Der des Quei-
ZTafelrand dersberges
rüdte ımmer und Eidel:
weiter zurüd berges als
und überließ ftörendes
der ſich durch Moment gel:
diefen Pro— tend, Es
zeß mehr und ſcheint ſogar
mehr ver⸗ nicht aus
breiternden geſchloſſen,
Mulde das daß die brei—
Feld. In ihr ten Rücken
ſammelten im Rot—⸗
ſich dann in liegenden der
der folgenden Fig 2. Windkanter (Buntfanditein) aus einem Sandhügel. Nord- und
Beitftärferer Nordweit-
Niederſchläge fiagnierende Gewäſſer,
ſchließlich zur Verſumpfung führten.
Daß wir hier mitten in der Pfalz noch
Reſte einer alten Rumpffläche vor uns
haben, die vielleicht mit der des Oden—
) Dieſe Bun murde 1889 oon dem
amertlanifchen Geograpben W. M. Davis auf-
eftelt. Man ver hebt darunter ausgedehnte
— die Im Laufe der Erdgeſchichte, un—
abhängig von der Ar ie Bodengeftaltung,
unter der Wirkung der Erofion und der flächen«
baft wirkenden Denudation „fait in Ebenen”,
in Wirflichleit meift in rg Hügelland-
ſchaften umgewandelt worden find.
Daß fih die abtragende Tätigfeit diefer
Seräfte für beſtimmte Beitabfchnitte fogar zahlen»
mäßig nachweifen läßt, babe ich bereits früher in
diefer Zeitichrift (1906 ©. 78—85) bargetan.
die
pfalz, melde 3. B. aus der Donnersberger
Gegend, von Heiligenmojchel und vom Eulen
fopf nach dem Nahe- und Slantal ziehen und
fih auch nod darüber hinweg gegen den
Hunsrüf verfolgen laſſen und vielleicht
| auch die ‚Höhen der Bmeibrüder-Birmafenjer
Bol. ı SYahrb. d
auch meinen Aufſatz: Zur Meſſung der Fort:
fchritte der Erofion und Denudation. N. Jahrb.
f. Mineralogie 1907, ®.1®.7 12.
) F. Jäger. Ueber Oberflädhengejtaltung
im Odenwald. Forſchungen 3. beutichen Landes⸗
und Bollskunde. Stuttgart 1904.
) Bergl. U. Leppla, Die tr
Moorniederung, ——— der math.-p 6
Ki. d. Alademie d. Wiſſ. München, 1886, ©.
Aubnote und: Ueber ben Bau ber pfälzifchen
—— und des triabifchen ——
. preuß. geol. Landesanſtalt 1892 ©. 33
— 124 —
Gegend mit diejer Rumpffläche ın Berbin- | einflugt: Verwitterung, Erofion und Denu
dung zu bringen find. Daß jpeziell die
erfteren der fubaöriihen Denudation ihre
Ausebnung zu verdanfen haben, fann mohl
als fiher angenommen merden, zumal ihre
vielfach fteil ftehenden Schichten oben jchräg
abgeſchnitten find. Manche diefer Plateaus
laffen ſich noch jegt als Teile einer jrüher
zujammenbängenden Hochebene erfennen,
über welche die aus widerftandsfähigerem
Material beftehenden Gejteinsfomplere,
namentlich die vulfanifchen Urſprungs 3. B.
der Donnersberg, der Stönigäberg u. a.,
jegt als Denudationsrelifte emporragen.
Fragen wir jchließlich nach der Zeit,
in welcher ſich diefe Denudationsprozeſſe in
unjerer Mittelpfal;z und im Brud ab:
geipielt haben merden, jo müflen mir
für ihren Beginn jchon mit dem vor
dem Einbruch der Rheinebene liegenden
Frühtertiär bezw. mit der diefem voraus-
gehenden Streideperiode rechnen. Damals
war unfere Gegend nicht von Waller
bededt und ihr landichaftliches Relief aud)
noch nicht wie jegt durch jenen Borgang be»
dation waren damals wie in unterer Beit
vereinigt, die Niveauumterichiede auf der
Erdoberflähe auszugleichen.
Freilich wird fi der Fachmann nicht
damit begnügen fünnen, die beichriebenen
Abtragungsvorgänge als ein einziged zu:
fammenhängendes Greignis aufzufaflen.
Er wird fi vielmehr jagen, daß der im
Dligocän erfolgte Einbruch der Rheinebene
eine neue „Erofionsbafis“ ſchuf und jo den
Denudationsprogeß in zwei getrennte
Cyklen im Sinne von Davis zerlegte.*)
Wir haben daher in unjerer Gegend fireng-
genommen zwei Beneplains zu unter
iheiden, ein fretazeifch - früh terriäres
und ein oligocän +» poftoligocänes. Das
Peneplain de8 Buntjandftein-Odenwaldes
und Spefjarts gehört nach den Berbältnifien
am Katzenbuckel fiher zu dem zweiten.
*, Inwieweit die alten ZTalterrafien im
unteren Glan-, Lauter, Odenbach, Wifenz-,
Speyerbah-, Erbach- und Blicdtal hiermit im
Berbindung zu bringen find, bedarf noch der
Unterfudung.
Studien aus dem Pfälzerwald.
Bon Prof. Dr. C. Mehlis.
In.
Die „Sleine Halmit“ bei Neuftadt a. d. Hart.
Die „grande route*, melde der un—
ermüdliche B.-B. Weuftadbt mit Mühe und
Koften hergeftellt hat von Neuſtadt zur
höchften Suppe des Hartgebirges, führt der
roten Scheibe nach durch das Faltenbrunner-
tal, über den Hahnenſchritt und meiter die
Nordoftflante des eigentlichen Maſſivs hin»
auf. Als Höhenköte gibt die neuefte Aus:
gabe der Reichstarte 678,4 m, die der Kgl.
Bayer. Generalftabsfarte 673,1 m an, fo
daß eine Differenz von 5,3 m befteht.
Bom ca. 12 m hoben Turm bietet ih eine
umfafjende Rundficht deren Firpunfte |. 8.
Brof. Dr. Nachreiner beftimmt bat. Etwa
400 m lang läuft der etwas gebogene Berg-
rüden weiter nach Nordmeiten. um in eine
nad) Nord und Nordweiten fteil abfallenden
Spige zu enden, deren Cötierung um einige
Meter geringer als die des Haupiberges
anzufegen iſt. Dies ift die „Kleine Kalmit“.
Bom Touriftenweg führt ein 120 Schritte
— MW m langer Seitenmweg hinauf zur Höhe
der jogenannten „Sleinen Kalmit“, deren
Plateau mächtige Felstrümmer bededen,
deren Blödfe die jogenannte „Matragen-
Form“ aufzeigen (nah 9. Dr. Häberle
zu Heidelberg). Diefe Form der Grofion
findet fih bier oben fehr deutlich entwickelt:
2-6 m lange, flache Blöde find im der
Rihtung NWN zu SOS mie mit einem
Mefler durchſpalten. Diefelben Formen
der Erofion und Mblation finden wir am
fogenannten „Felſenmeer“, dem Zwerchberg,
dem Nollen, dem Königsberg. Am legteren
hielt man fie früher für Dolmen!! — —
Früher bot hieroben eine Bank des B
B. N. dem Wanderer Ruhe, jegt ging fie
den Weg aller Ruhebänke. — Die Aus:
ficht ift eigenartig. Zwar fein vollftändiges
Panorama, wie an dem nahen Turm, auf
Nord, Oft, Weit und Süd. Allein das
Gebotene, das in einem umfaflenden Blid
auf das Gebiet des Pſälzerwaldes beſteht,
entjchädigt, wenn es auch pars pro toto iſt.
— 125
Am Norden dad Maſſiv des Donners-
berged. Bon bier der ganze Hauptzug des
Burtfandgebietes von der „Platte“ an über
den Stütterberg, Johanniskreuz, den Eſch—
fopf- Turm, die Horterföpfe, den Weißenberg
mit dem Quitpold-Zurm, den Katzenkopf,
den Großen Giberg und endlih im Blauen
und am Ende die Weglenburg-Stette, hinter
der noch die Niederbronner Berge fichtbar
werden, Im Mittelgrunde ragt im Nord-
meiten der breite Rüden des Dradeniels
auf, im Weiten der Doppelberg des Blos
fülb hinter Elmſtein und im Süden
wird bei hellem Wetter der majlige
Turm des Trifels und der jchlanfe Auffag
ded Rehberg ſichtbar. Im Bordergrunde
liegen Königsberg, Zwerchberg, Oberſcheid,
Rothſohlerberg und Schafkopſ. Iſt es hell,
erkennt man das Forſthaus am Schwarz-
ſohl.
geraidenwaldungen die grünen Schlangen:
limen der Ziefungen des Finſtertalbaches,
des Wolſel und des Hüttenbaches; die
beiden legtern geleiten nad St. Martin und
jeinem trefflih befannten „Winzerheim“,
Im Nordoften fperrt den Blick der Haupt«
berg mit dem Obſervationsturm, im Sliden
das gewaltige „Felſenmeer“, über deſſen
Klippen der mächtige Hochberg (632 m),
der Nachbar des Morjchenberges jichtbar
wird, über deſſen „Platte“ (595 m) der
„weiße Strich“ einfam und ficher zum
„Schänzel” und zum Doppelforfihaus
Deldenftein den Wanderer bringt.
Ein Anblid der ftumm und doch bereden
Berghäupter, der Spigen und „Behörden“
des Pfälzer Waldes, d. h. der Ausſichts«
Türme, die über den Bergen und Tälern
wachen und fchirmen, der fich dem tief ins
Und umgeben von den dunflen Hain: :
Herze hinein jchreibt, der Augen hat zum
Sehen der Schönheiten des engern Bater-
landes. — Waldheil! —
"Und der Abftieg von der „Kleinen
Kalmit“, dem 3 »hödjften Berggipfel der
Pfalz? (Ungefähr gleich hoch ift der Kefiel:
berg bei Edenkoben, Reichskarte (neue
Auflage) = 662 ın). Das einfadjite ift die
120 Schritte rückwärts ın den nach Süden
vorwärts zu den Propyläen des FFelfen-
meered zum Pavillon und durchs Wolfel
(= Vallieula? romantifcher Ueberreft) nad
St. Martin, oder über den Turm mit
blauem Strid durd die Hamm nad Alfter:
weiler und Maifammer auf gutem Wege!
Wollen wir originell abfahren, dann
folge mir, lieber Bandersmann! Nach Nord-
weften zu führt eine fchmale, verwachiene
Schneiße über blühende Heide, über Fels-
treppen und PBaumftümpfe hinab — hinab
jtets den herrlichen Pfälzerwald vor Augen.
Nach zehn Minuten Abfahrt nimmt uns
ein Fußpfad auf. Dem laßt uns folgen!
Nah meitern zehn Minuten horizontaler
Wanderung find wir wieder am fogenannten
„Hahnenſchritt“ (565 m) angelangt.
Und von bier aus weiter längs des weißen
Striches, Über den Zwerchberg, den Hohe»
loog- Sattel, quer über den Hambacher „Küb-
jungen“ (Hühunter?), mo vordem die Breit-
gehörnten Hambachs zur Weide gingen,
hinein in die Wurzel des grünen Hirſch—
bachtälchens mit reizendem Blick auf die
| Wolfsburg und entlang dem Weftgehänge
des MNollen bis zum NRömerweg Am
blühenden „Axtwurf“ ſchimmert das Gold
diadem Neujtadts herauf zur mondbeftrahlten
Höhe! — Glück auf!
Bie Auswanderung aus der Rheinpfalz.
Die Rheinpfalz war von jeher ein Ge-
biet, aus dem eine bejonders lebhafte Ab-
wanderung ftattfand. Typiſch dafür ift,
daß auf dem pfälziichen Kreislandmwirticafte-
feft zu Landau im Jahre 1853 in der
Feithalle unter den Wderbaugerätichaften
auch eine Ausmwandererfijte aufgeftellt war,
mit der Inſchrift: „Bleib' im Lande und
nähre dich redlih”“. Die Mafjfenausmande-
rung in der Pfalz war jogar eine Zeitlang
| 1849 bis 1857 von 615005 auf 587 334
jprihwörtlih. Sie war jo ftarf, daß die
pfälziſche Einmohnerziffer in den Jahren
herabjanf. Sein Ddeutfcher Volksteil hat
wohl joviel Familienbeziehungen zu Amerika
wie die Pfälzer, die dort ein größeres
Beitungsorgan befigen. Es gibt wohl feinen
pfälziſchen Ort, deſſen Einwohner nicht Be-
ziehungen zur neuen Welr hätten, Die
Urjaden der itarfen Auswanderung lagen
früher auı meihten in politiſchen und wirt
ihaftlihen Berbältnifien, jegt wohl mur
no in legteren. Heute richtet der phälgiiche
Auswanderer jeine Route meift nach Amerıfa
und Afrika, früher famen aber auch Bolen,
Aupland und Ungarn (Banat) imbetradt.
So gingen z. B. von den 273 Auswanderern
des ‘Jahres 1908 251 nad den Berrinigten
Staaten von Nordamerika, 21 nad den
afrifaniigen Kolonien und 1 nad Kanada.
Davon ſchifften ſich 143 in Bremen, 122 in
Antwerpen und 8 in Hamburg ein. Am
ſtärkften war bie pfälziſche Auswanderung
in den Jahren 1848.49. Dann zeigten ſich
große Schwankungen, die mit geringen Aus-
nahmen bis in die neueite Beit binein an:
dauerten und die bier für die Zeit von
1871 bis 1908 aufgrund einer amtlichen
Statiftif genauer beobachtet werden foll.
1870 betrug die Auswandererziffer 2120.
Dffenbar übte die Kriegszeit I8T0 71 einen
126
erheblihen Einfluß auf die Auswanderung |
aus, denn 1871 wanderten 2869 Bfälzer aus.
Nah Beendigung des deutſch franzöſiſchen
Krieges fam der ſchnelle Aufihwung der
wirtichaftlihen Berhältniffe und als Folge
davon ein Rüdgang der Auswanderung,
der bis 1877 anhielt. Die Ausmwanderer-
ziffer ſank von Jahr zu Jahr; fie betrug
1873; 1741, 1874, 791, 1875: 468,
1876: 343 und 1877 gar nur 291. Sie
erreihte damıt einen Tiefftand, wie Yahr-
zehnte zuvor nicht und wie fpäter erft wieder
nach langer Beit. 1877 beginnt ein ra-
pides Steigen der Auswandererziffer,
das feinen Grund fiherlih nicht in ſpeziell
pfälzifhen Berhältniſſen, ſondern ın der
Allgemeinlage des neuen Reiches und in
der enormen Ausdehnung der großen Aus
forwie zumteil in dem wirtichaftlihen Auf-
ſchwung Amerikas. Diejes Auffteigen der
Auswandererziffer hielt bis 1881 an, alfo
etwa 4 Jahre. Wie gemaltig e8 war, zeigen
die folgenden Auswandererziffern: 1877:
291, 1878: 334, 1879: 502, 1880: 1768,
und 1881: 3235. Damıt erreichte die
pfälziihe Auswanderung 1881 den größten
Umfang jeit 1571. Bon diefem Jahre an
datiert eine Rückwärtsbewegung, die zuerft
zögernd einjepte, dann fogar noch einmal
ins Gegenteil umfchlug, ſchließlich aber ftetig
und mit geringen Schwankungen auf den
heutigen Stand der Anäwandererzifter zu
röftührte. Die Zıffer fanf vom 1881 au
1882 von 3235 auf 2695, ftirg aber 1883
nohmals auf 2968, um dann allmäälig
bı5 1886 auf 1492 zu fallen. 1887 geht
fie nochmals hinauf auf 2483 Dieſe kurze
Gegenkurve ift ohne weiteres ſchwer erflärlich.
Bon 1888 gebt es langiem zurüf, nur
1895, 1849 bis 1904 und 1906 zeigen
Tendenz; zum BSreigen Im allgemeinen
aber ift die jinferde Tendenz der Aus—
wandererziffer jeit 1888 io ftarf, das
fie durd die vorübergebenden, noch dazu
ganz; geringen Gegenkurven nidt geftört
werden fann. Die marfanteiten Jahres
ziffern aus der Reihe unjerer Betrachtungen
find alſo 1871: 2120, 1872: 2869, 1877:
291, 1881: 3235, 1908: 273. Daraus
ergibt fih, daß die Auswanderung zurzeit
gering ift. Es ift hierbei aber zu berüd-
fichtigen, daß es ſich bei dieſen Ziffern nur
um die Auswanderung über deutſche und
fremde Häfen handelt, alio um Auswanderer,
dıe dem Deutihen Reiche ziffernmäßtg ver-
loren geben. Dieie Auswanderung betrug
von 1871 bit 1908: 47938 Berionen.
Nicht gerechnet iſt hierbei die Auswanderung
nah den deutihen Dfjtmarfen, die ın
neuerer Zeit recht beträchtlich ıft. Die ge
jamte pfälziiche Auswanderung betrifft fait
nur das flache Land, wenig und gar nicht
die Städte, was einen deutlichen Fingerzeig
auf die Urjadhen der Auswanderung br
deutet. Biele pfälziiche Landwirte, die tu
der Heimat ınfolge der bereits maßlos ge-
mwordenen Bodenzerjplitterung feine
eigene Scholle von dem Umfang erwerben
fönnen, daß fie ihre Kräfte ausreichend
‚ darauf betätigen fünnen, gehen eben in die
wanbderer Dampficiffahrtsgefellihaften hatte |
fremde, wo ihnen diefe Möglichfeit noch
geboten wırd. Bemerft fei noch, daß von
den 47938 Auswanderern 28099 Männer
und 19839 Frauen find, Er erklärt fich
das daraus, daß hauptjählich die heirats—
fähigen Unverbeirateten über See aus:
wandern, die fih in der neuen Heimat
jelbftändıig machen wollen, Unter den 273
| Auswanderern des Jahres 1908 waren
153 männlichen und 120 weiblichen Ge—
ichledits. 1872 waren von den Auswan:
derern 1570 männlid und 1299 weiblich,
1877: 177 männlid und 121 weiblich,
1881 ; 1942 männli und 1293 meiblich.
—
127
— ⸗
Güterverkehr der Aheinhäfen Speyer und Ludwigshafen,
Die zahlenmäßigen Unterlagen bietet
eine Arbeit, die in der Zeitichrift des Sta-
tiftiihen Landesamts 1909, Heft 2 abge:
drudt iſt.
Ergebniffe der wichtigiten bayerischen
Hafenpläße in überfichtlicher Weiſe für das
Jahr 1908 (und zum Vergleich auch daneben
für 1907):
I 5 = - rn
| 2E.|.® 25 58
a5 —— #3 | 82
Ri: 25145
— — —
Tonnen J - 1000 Kg)
—— 28 10) — 54,962 57,003
Nürnberg | 30,678 2,907) 33,585, 34,778
Regens:
burg | 199,500] 79,645 199,335] 261,737
Paflau- |
Halenplag 64,768) 24.437) 89,200. 211,862
Yindau 66,179 237,145) 30:3,324| 245,977
Speyer X3,516) 21,406. 104922] 141,912
Ludwigs
ie 1,559, 357) 616,6
Faſt bei allen —— Hafenplätzen
iſt 1908 ein mehr oder minder erheblicher
Rückgang des Güterverkehrs gegen das Vor—
jahr zu verzeichnen, am ſtärkſten bei den
Donauhäfen Paſſau und Regensburg.
Der Geſamtverkehr Speyers belief
ſich 1908 auf 105000 Tonnen; dieſe Zahl
bedeutet gegen 1907 (höchſte Tonnenzahl)
eine Abnahme von rund 40000 Tonnen
oder 26 Prozent Diefer jtarfe Nüdgang
ıft einerfeits in den ungünftigen Waſſer—
jtandöverhältnifien des Rheines mährend
des Jahres 1908 und anderſeits nament-
lich ın der allgemeinen wirtfchaftlichen De-
preilion begründet. Während der lebten
Jahre entwickelte ſich der Gejamtverfehr
des Speyerer Hafens folgendermaßen:
5 gegen — gegen
—1
— a Borjabr * pas Vorjahr
1901 135,4 1905 114,0 — 4,2.
1902 1283 — 5,1% 1906 977 —143%%
1903 114,4 —10,8% 1907 141,9 +45,4°
1904 119,0 + 4,0/° 1908 1049 —%,17
Speyer ift überwiegend Zufuhrhafen.
Im Sabre 1908 betrug die Zufuhr 80
(83516 Tonnen;, die Abfuhr 20 Prozent |
21406) Tonnen) des Geſamtverkehrs.
Unter den bejörderten Gütern find im
Ankunftsverfehr die wichtigften Erde (einſchl.
Lehm, Sand, Kreide, Kies), nächftdem weiche
(Holz) Schnittwaren,; im Abgangsverfehr
jpielen die weichen Schnittwaren die Haupt-
rolle. Ueber meitere Ginzelbeiten gibt
folgende Zuſammenſtellung Aufihluß (für
das Jahr 1908):
= ©
2 Ss
= Ey
* ES
Tonnen
Erde x. . . 36,654 363
Weiche Shnittmaren. 21,275 9,985
Robtabaf — 75
Fette und Oeile — 193
Petroleum 1,3% —
Steine und Steinwaren Ä — 1,750
Kohlen . . . . 19,745 3,982
Dachziegel, Batiteine” ; 3569 5,068
Alte fonftigen Gegenjtände . 877 —
Weit umfangreicher als der Schiffs
Güterverkehr Speyers iſt der Ludwigs—
hafens. Er erreichte ſeine größte Höhe
im Jahre 1907 mit 2180000 Tonnen.
1908 blieb der Geſamtverkehr, trotz der
oben erwähnten ſehr ſchlechten Wailerftands-
verhältniffe und troß der allgemeinen wirt:
ichaftlichen Depreifion nur ganz unweſentlich
(um 4000 Tonnen) binter dem des Bor-
jahres zurüd. Uberhaupt iſt der Güter—
verfehr Ludwigshafen in einem erfreulichen
Aufihmwung begriffen. Dies veranfchaulichen
folgende Daten, denen des Vergleichs halber
die Ziffer jür das benachbarte Mannheim
gegenübergeftellt find :
Geſamtverkehr
1000 Tonnen Zu u. Abnahme gegen
= —— Mannbeim) das Borjahr im Proz.
& tobne Rheinaut Yurmwigsbafen D annherm
(ohne Rheinau)
1894 754 3,363
1805 769 3,280 +19 +10,4
1896 1,094 4,182 +42,3 +275
1897 1,219 4,202 +11, +05
1898 1,324 1,508 +8,7 +73
1899 1,447 4,714 +93 +4,
190 1,777 >,328 +22,8 +13, 0
1901 1,763 5,109 — 0,8 —41
1902 1,624 4,823 79 —56
1903 1,916 5,769 -+18,0 +19,6
1904 1,844 5,127 —3,7 —ili
1905 1,821 5,295 —12 +33
1906 1,777 5,506 —2,4 +40
1907 2,180 5,852 +22,7 +6,3
1908 2,176 5,650 -02 35
Ludwigshafen wird hiernadh von Mann-
beim zwar meit überflügelt, doch betrug
fein Geſamtverkehr immerhin im Durchſchnitt
der fahre 1901 05 34,3 Brozent, im Jahre
1906: 32,3 1908 37,2, 1903 38,5 Brozent
des Mannheimer Sefamtverfehre. Die be-
deutende Berkehrözunahme im Laufe der
legten Jahre ift in der Hauptſache auf den
ullgemeinen wirtſchaftlichen Aufſchwung zus
rückzuführen, der ſich wohl in feinem baye-
riſchen Gebietöteile intenfiver geltend ge
madıt hat als gerade in der Rheinpfalz,
dann aber aud auf dem fortichreitenden
“Ausbau der Hafenanlagen
Wie Speyer, jo ift aud Ludwigshafen
vorwiegend Zufuhrhafen. . Es verforgt
die Pfalz, das Elſaß und die Schweiz mit
rheiniſcher Steinkohle, die ſüddeutſche In—
duſtrie mit Rohſtoffen, namentlich die
Metallinduſtrie der Pfalz, Württembergs
uſw. mit Roheiſen und die Mühleninduſtrie
mit Getreide. Auf der anderen Seite werden
von Ludwigshafen aus die Induſtrieerzeug—
niſſe der Pfalz und ihrer Hinterländer
(Saargebiet, Lothringen) auf dem Rheine
ſtromabwärts befördert.
Von der geſamten Gütermenge des
Jahres 1908 treffen rund 28 Prozent
(617000 Tonnen) auf die Ausjuhr, 72
Prozent (1559000 Tonnen) dagegen auf
die Zufuhr. Unter den angefommenen Gütern
nehmen weitaus den erjien Rang die Stein:
kohlen ein mit 765000 Tonnen. Dann
folgen in weitem Abftand Weizen und Spelz
(242 000 Tonnen), Erze (102000 Tonnen),
Roheiſen und Brucheiſen (66U00 Tonnen).
Unter den abgegangenen Gütern ragen der
Tonnenzahl nad) bejonder& hervor: ver:
arbeitetes Eifen aller Art (181 000 Tonnen),
Erde, Roheiſen, Erze.
Über die Ludwigshafener Güter: Ein:
und Ausfuhr per Schiff während des Jahres
1908 unterrichtet im einzelnen nachfolgende
Ueberſicht:
= [- -)
= =
= [-1
= 3
= *
Tonnen
Düngermittel aller Art . 4,867 17,708
—— ren 757 14,230
Galpeter-, Sala, Zchmefel-
fäure . . FR 13,835
128
FT —,—i — — 4
= =
E S
- &
= =
Tonnen
Roheifen und Brucheifen 65510 732
Berarbeitetes Eiſen aller Art 9662 181,272
Erbe, Lehm, Sand, Kies,
Kreide . 22648 78910
Erze (andere "als Gifenerge) 101816 66,783
Weizen und Er — 241,749 5,254
Hafer . . . 23,086 1,34-i
Gerite . 31,723 1,37
Wi are. 2,184 7,139
Mebi- und en 5,720 27,336
—— Melaſſe, Syrup.. . 35,939 105
etroleum und andere Mine:
ralöle z . 233805 79
Steine und Sieinwaren 5582 35,274
Steinfoblen . 765,023 7,167
Brauntoblen . 38,664 —
Baditeine, daciegel⸗ Ton:
rödren . 20,439 —
Gegenüber dem — ſind 1908
ſowohl im Ankunfts-wie im Abgangsverkehr
bei manchen Güterarten namhafte Verände—
rungen eingetreten. Die Zufuhr von Weizen
ıfı gegen 1907 um rund 40000 oder 13;
Prozent zurücdgegangen, was wohl in der
vorhergegangenen günjtigen Ynlandsernte,
dann aber aud in den Preisichwanfungen
diefer Ware und der dadurch bedingten
Vorſicht bei der Spekulation begründet iüft.
Die Zufuhr von (anderen als Eiien ) Erzen
hat um 23000 Tonnen (18,6 Prozent),
diejenige von Roheifen um 18000 Tonnen
(14,6 Prozent) nadıgelaflen. Andererſeits
ift zu bemerfen, dat die Zufuhr von Stein:
kohlen trog der Ungunft der allgemeinen
Wirtichaftslage 15000 Tonnen (2 Prozent)
geftiegen ift; dies hängt wohl damit zu
jammen, daß das Syndifatslager in Lud—
wigshafen durd Vergrößerung feiner Aus
ladevorrichtungen an Leiftungsfähigfeit be-
deutend gewonnen hat.
Bezüglid des WUbgangsverfehrs iſt
namentlich hervorzuheben, das 1908 115000
Tonnen Eijen mehr verjandt wurden als
im Vorjahr. Dies ift auf den verftärften
Erport an Stahlfnüppeln, Walzendraht,
Schienen, Stabeifen ꝛc zurüdzuführen, zu
den fich die lothringiſchen Werke angelichts
der Verſchlechterung des Inlandsmarktes
gezwungen jahen.
Man hat im allgemeinen wohl faum
Grund, mit dem Bild unferes pfälzifchen
Binnenfhiffahrts- Verkehrs unzufrieden zu
ein. Möge er ſich neben und mit dem
129
Eifenbahnverfehr auch weiterhin kräftig ent:
wideln, zum Segen unferes Landes!
(Nah der Pfälz. Preſſe Nr. 250.)
Pflanzenſchutz in der Pfalz.
Große Anjtrengungen find in den legten
Jahren aud in unjerer Pfalz gemacht
worden, um die vorhandenen Naturdenf:
male und Ueberreite der Geſchichte und
Vorgeſchichte zu erhalten. Mit Freuden
ift es zu begrüßen, daß dieſe Beitrebungen
bereitd von (Erfolg begleitet waren. Sr
freulicherweiſe machen fih aber auch in
neuerer Beit verjtärfte Anregungen bemerk—
bar, die darauf hinzielen, die pfälzifche
Pilanzenmelt, die dur ihre Eigenart
weiteſtgehendes Intereſſe erweckt, in Schug
zu nehmen und das Auseſterben vieler
Bilanzenfeltenheiten auf diefem Gebiete, das
durch die fortichreitende Kultur bedingt iſt,
zu verhindern oder aufzuhalten. Die Pfalz
beherbergt eine große Zahl von Pflanzen:
jeltenheiten, die von großer Wichtigkeit und
der Erhaltung wert find. Die Kalkhügel
am Fuße der Haardt, die Bajaltbrüche der
Borderhaardt bei Wachenheim und Forſt, die
jalzhaltigen Wiejen in der Nähe der Saline
bei Bad Dürkheim und weiter die feuchten,
quellenreihen Waldſchluchten des Pfälzer
waldes nebft deſſen Moorem zeigen in gar
vieler Hinſicht wichtige botanifche Eigen—
tümlichkeiten. Dazu fommen die alpinen
Elemente, die dem Rhein bis zu ung ge—
folgt jind, oft wie Fındlinge plöglich auf-
tauchen und uns machzudenfen geben. So
findet man in der Nähe von Kallſtadt
die rainfarnblättrige Schafgarbe an Stellen,
die Verwilderung völlig ausichließen; auch
die echte Gemswurz, deren Heimat meiter
im Süden zu fuchen ıft, zeigt fih auf dem |
Dradenfels, mitten ım Pfälzerwald. Ebenfo
wurde das Wlpen-Leinblatt (Thesium
alpinum) auf dem Bechiteinfopf bei Wachen-
beim und dem Sclammberg bei Bad
Dürkheim gefunden. Bemerkenswert ift
auch die von ihrer Umgebung völlig ver-
ſchiedene Pflanzenwelt in der Nähe der Dürk—
heimer Saline. (Bol. Jahrg. 1905, ©. T.)
Der beftimmende Faktor für die Zufammen-
egung diejer Flora ift wohl in dem Salzgehalt
des Bodens zu ſuchen. Maſſenhaft über-
zieht dıe Gräben dieſer Saline wildwachſend
der Gartenfellerie. Feuchte, waſſerreiche
Schludten in den Wäldern find der Stand-
ort unſeres ſchönſten und ftattlichiten Farnes
„Osmunda regalis*. Eine Hirſchzungenart
von Ffolojjaler Größe und Gigenart wurde
vor Jahren aus dem uralten 80 Meter
tiefen Brunnen der Abteiruine Limburg
herausgeholt. Die jehr jeltene Wahlenbergia
hederacen, efeublätterige Wahlenbergia, die
vom Juni bis Auguſt mit hellblauen
Blumentronen blüht und uur an menigen
Orten in Deutjchland gefunden wird, wächſt
ın der Nähe von Kaiferslautern ober:
halb des Jagdhäusler Weiherd, wo auch
die gleichfalls jeltene Andromeda polifolia
noch ziemlich häufig vorfommt. Auf dem
Wiejengelände, das fih von Schifferftadt
gegen Dannftadt hinzieht (das Bett des
uralten Reinlaufes) und da8 vom pflanzen:
geographiichen Standpunft aus eines der
interejjanteften Gebiete der Rheinpfalz iſt,
fommen ebenfalls jehr zahlreich außerordent-
lihe Pilanzenfeltenheiten vor, bejonders
mehrere prächtige Ophrysarten. In der
Mitte Ddiefes Wiejengeländes erheben fich
mehrere vorgeichichtlihe Grabhügel, deren
reihe Flora völlig verſchieden von der des
umliegenden Wiejengeländes ijt. Leider find
auch hier viele der ſchönſten Arten dadurd,
dag die Beliger der Wieſen die beim Mähen
binderlihen Srabhügel einebnen und deren
Erde auf dad Gelände ausftreuen, ent-
weder ganz verichwunden oder dem Aus-
fterben nahe. Schon der berühmte Botaniker
| Schultz hat 1855 darauf hingewieſen, daß
damals bereits die herrliche und jeltene
Flora dieſer Gegend frändig zurüdging.
Brof. Lauterborn-Heidelberg hat nod um
das Jahr 1893 dieſe Grabhügel weithin
im Schmude der herrlichen, goldgelben
Blüten von Adonis vernalis förmlich
leuten jehen, jchon 1903 jedoch betrug
die Zahl der Stöde diejer Pflanze kaum
— 180 —
einige Dutzend. Erfreulicherweiſe murde | brettartig gefleckten Varietät auftritt. Die
vor furzem in der Nähe von Wachenheim | Pflanze hat in der Pfalz nur diejen ein
von intereffierter Seite eine Wiefe zur Er- | zigen Standort umd dürfte nunmehr der
haltung dort wachſender feltener Pflanzen | jehr zurüdgegangene Beltand erhalten
angefauft. &8 handelt ſich hier um die | werden. Aus dieſen einzelnen Hinweiſen
Fritillaria meleagris (der Raiferfrone oder | ift erfichtlich, da& der Pfalz auf dem Ge
Schachblume), die hier ſowohl in einer | biete des Pflarzenichuges noch viele Arbeit
weißen, als auch in einer prachtvoll ſchach⸗ zu tun bleibt. (J. Böhm i. d. Pf. Pr.)
Friedrich von Banfen,
ein Sandsmann aus fernen großen Bagen.
Nach; Divlomingenieur Dr. 8. Habermehl. (Auszug.)
Ziemlich algemein herrſcht in Literatur | ftammung und Heimat des Winnefängers
freien die Anficht, daß Friedrich von Haufen | Friedrich von Haufen“.
ein Pfälzer war, fo lehren die meiften Die Familie von Haufen, (de Domo)
Profefforen in ihren Borlefungen fiber beſaß Güter längs des Rheins zwiſchen
mittelhochdeutſche Dichtung. Beigen | Worms und Oppenheim in den Orten
doch die Lieder des Dichters rheinfränkiſche Dolgesheim, Dienheim, Ibersheim und
Spracfärbung und zweifellos war Haufen | Rohrheim bei Gernsheim. Ihr Stammfig
ein Landsmann vom Mittelrheine. In | (ag an der Weſchnitz, einem Nebenfluffe des
manchem jeiner Lieder ehrt der ung jo traute | Rheins, auf dem rechten Ufer, nicht meit
Name des jchönften deutichen Stromes wieder, | von Lorch, wo jet nod die Orte Groß-
und öfters Spricht Haufen vom Rheine ald | und Kleinhauſen find. Die älteften Glieder,
von feiner Heimat. So wenn er jene ger | die urkundlich befannt, find Rutger und
mahnt, die am Kreuzzuge nicht teilnehmen | Heinrih um 1090, „Liberi milites“, d. b.
wollen: „Sollte jemand geblieben jein, um zum del gerechnet. Gin Walther von
Liebe und nad der Minne Rat, ſo wär’ | Haujen ericeint in einer Urkunde um 1124
ich nod all um den Rhein.” Und in einem | Es ift der Großvater ded Dichters, und
feiner ſchönſten Lieder, das er voll Heimmeh | derjelbe, welcher mit Wernhart von Stein:
aus fernem Süden über die Berge jandte, | berg, Heinrih von Gibichenftein, Heinrich
leſen wir: „O, wär’ id irgend wo am | yon Staufen und der Familie der Dettinger
Rhein.“ ald Gönner und Beihüger der Dichter in
1879 erjhien eine Abhandlung „Zur | den Lıedern des jog. älteren Spervogel von
Frage der Abjtammung ded Minnejängers 1140 gepriejen werden. Ein zweiter Walther
Friedrich von Haufen”, herausgegeben von | yon Haufen ift urfundlich nachgemiejen erma
einem Mitgliede einer heute noch in Deutih- | yon 1140 an und dann ununterbrochen
land und als Bweiglinie in Frankreich be- His 1173. Im Jahre 1174 oder 1175 ift
ftehenden Familie „von Hauſen“. Dieſe | er geitorben. Deſſen Sohn nun war der
Familie war vor der großen Revolution Dinnefänger Friedrich von Haufen, der in
in Lothringen anfäflig. Der Verfaffer nimmt | den Urkunden 1171 auftritt, zuerft neben
nad den in jeiner Familie lebenden Tradi- feinem Vater, dann allein. Er ift bald
tionen Haufen für fein Geſchlecht in An- nach 1150 geboren und war anfangs Be
ſpruch und jucht dies auf heraldiihem Wege | amter des Erzbiſchofs Chriftian von Mainz,
zu bemeijen. | jpäter im Gefolge König Heinrichs IV. und
Bezugnehmend auf dieie Abhandlung | Kaifer Barbaroifas. (Pi. Pr. 227.)
erfchien 1880 eine Arbeit: „Über die Ab— |
— 131 —
Mineralguellen im Olantale,
Im legten Jahre wurde bei Vertiefung | jegt vorhandener Salzquellen befannt find
eine? Brunnens in Medard zufällig eine | 3. B. von Eiſenbach, St. Julian, Haus
falzbaltige Duelle erbohrt, deren Gehalt | meiler, Grumbach, Odernheim, Niederhaufen
nad) der Analyje von Dr. Ajchoff in Streuz: | und Ebernburg, abgeiehen non den berühm-
nad) zwifchen dem der Solquellen von Sreuz: | ten Solquellen zu Münfter a. St., Theo-
nad und Münfter fteht und die audı eine | dorshall und Kreuznach. In Meiſenheim
gewiſſe Radioaktivität befigt.*) und Rehborn befanden ſich Mineralquellen,
Diefer Fund erinnert daran, daß aus | die zu Trinkkuren benugt wurden. Es wäre
dem Glantal bezw. deſſen näherer Um- | interefjant zu ermitteln, inwieweit an den
nebung eine ganze Anzahl früher bezw. noch | einzelnen Orten noch eine Erinnerung an
— — dieſe Mineralquellen beſteht; in Odernheim
* & ; Pi r
ater die Radioaftioität von Oueden find zu | & Öl. Iceint der „lurname Sauerbrunn“
iammengeftellt von ®rof. Dr. %. Henri: | am Langenberg auf eine früher dort vor
Neuere Forſchungen auf dem Gebiete der Radto- | handene Mineralquelle hinzudeuten.
Dr Häberle.
|
1909, Heft 9, ©. 385— 391. Leipzig. Spamer. |
Bie Haline zu Odernheim am Glan.
Aus einem Artikel Dr. Häberles in den | Aber ihm fehlte Kapitul. Zwei Frankfurter
Pfälziſchen Geſchichtsblättern vom 9, Sept. | Beldleute ließen nach der Analyſe von Sol:
1909 geht aftenmäßig hervor, daß 1758 | proben nicht® mehr hören; auch Verband
der Salzgehalt einer Quelle zu DOdernheim | lungen des Salineninjpeftors Joſef Müßig
al8 „im Schadt hochgradig“ befunden | von Mosbach zerfchlugen fih, wohl wegen
worden ift. Es jollte nad dem Beiipiel | des inzwiſchen ermwachten Intereſſes der
ver furfürftlihen Saline Theodorshall bei | Regierung jelbft (1759), Ein Gutadten
Kreuznach auch in Odernheim ein Salzwerf | des Bergratsfollegiumd zu Meijenhein,
angelegt werden. Man zog zwar nidjt, aber | 30. Dez 1767 läßt endlich erfennen, dat
Private verhandelten mit Bergrat Kroeber | aus dem auf herrichaftliche Koften betriebenen
zu Meijenheim. Landmefler Frang aus | Unternehmen nichts herausgefommen jein
Offenheim plante 3. B. neben dem Salinens | dürfte, wohl weil der Salzgehalt der Quelle
betrieb ein Glanwehr wegen Gewinnung | zu gering war. Es ftellt ſich nad dieſem
von Wafjerfraft und hätte gerne den da: | Dokumente auch heraus, daß man beı
mals ftill liegenden Gruben von Adenbach, Medard Solquellen kannte; kürzlich ift eine
Odenbach, Reiffelbad und „in der Holler- | folche ja mieder dur Bohrung feitgeitellt
bad” das Brennmaterial entnommen, | worden, (Vgl. oben!)
Ueber das Borkommen von Hıildkröten in der Pfalz.
Hierüber wird der „Straßb. Poſt“ ge- | hat, hat es von jeher Scildfröten gegeben,
ſchrieben: Eine vor kurzem verbreitete Notiz | und fie fommen auch jet noch, wenn auch
erhebt gegen den im bayrischen Fijcherei- | nicht häufig, vor. Bor einigen Tagen wurde
gejeß neuerdings vorgeschriebenen Schuß der | in der Nähe von Deidesheim eine Fleine,
Schildkröten in Bayern Bedenken mıt dem | etwa 15 cm große Schildfröte von einem
Hinweis, daß diefes Reptil im Lande über | Winzer in einem Wafjergraben gefangen;
haupt nicht vorfomme. Nach verjchiedenen | ebenfo ſah der Schreiber dieſes in der
Beobachtungen und Studien muß diefer An- | Nähe von Saijerslautern mehrere
nahme jedoch mwideriprochen werden. Sn der | Eremplare der kleinen Sumpfſchildkröte
Rheinpfalz, die teilweiſe eın jüdliches Slima | (Emys europaea). Früher jcheint das Ver:
breitungsgebret biefer Tierchen ausgedehnter
gemweien zu fein. Konrad Gehner {1516 bis
1565) berichtet von ihrem Borfommen in
ber Schweiz unb zwar im See von Andel-
fingen im Kanton Zürich. Nah Yatıo fam
fie auch noch im 37. Jahrhundert in den
feinen Seen von Beiden (Aanton Züri)
und Loclat (Kanton Neuenburg) vor.
Bmweitellos lebte im 17. Jahrhundert die '
Sumpfichildfröte aud an einzelnen Stellen
der Hheinebene. Im Ausgabebud des Rur-
fürften Karl Ludwig findet ſich eine Notiz,
monad; „bes Seeknechts unge, welcher
Sturpfals 3 Schildfröten präfentierte”, drei
Gulden erhalten babe. Dieſer Seefnedt
mohnte in dem Geehaus, das zwiſchen
Schwetzingen und Hodenheim in dem weiten
BWielengelände liegt. Beit und Umftände
ipreden dafür, dab die Schildkröten uud
wirklich an Ort und Stelle gefangen wurden
Auch noch an einer anderen, allerdings
faum zu vermutenden Stelle geichieht der
Scıldfröten vom Karl Ludwigſee Ermüih-
nung, nämlih ın einem jener köſtlichen
Briefe, die Karl Ludwigs Tochter, Elifaberh
Charlotte, die Gemahlin des Herzogs
Philipp von Orleans, aus Frankreich
an die Verwandten und Belfannten in der
132
Heimat ſchrieb. So heißt es in einem
“ Briefe Liſelottens an die Raugräfin Luiſe
v. Deggenfeld vom 1. Februar 1721:
„Ich glaub’, ich werd’ endlih ganz aus
trofnen wie die Schildfrotten von der Lud
migiee, jo id im Heidelberg ın meiner
Sammer hatt.“ Möglich, daß dies diefelben
Scildfröten waren, die der Kurfürft vom
„Seefnedtö-Jungen“ erworben und jener
Tochter als Spielzeug mitgebradt hatte.
Wenn man auch Meldungen von dem Bor
fommen der „Emys europaea” in Bayern
und Pfalz*) mit etwas VBorfiht aufnehmen
muß, eın rundes Berneinen ihres Bor
handenjeins ın diefen Gebieten dürfte doc
gewagt fein. Es ift nicht zu zweifeln, dab
fih dieſes Reptil, wenn aud jelten, ın
waſſerreichen Strihen der Pfalz aufhält
und wenn das neue FFilchereigeieg vom
Schuge der „Scildfröten in Bayern“
ſpricht, möchten wir ihm nicht ganz Un-
recht geben. (Bergl. Seite 9 und 104
diejes Yahrganges.)
*) Im Torfgebrühe bei Maudach wurde
ebenfalld ein Schildfrötenpanzer gefunden. Bgl.
darüber Jahresber. db. Mannheim. Ber. f. Natur
funde 1834 5. I0 und Mitt. d. Pollichia Nr. 19
für 1903 ©. 74— 176.
Srhonet dir Felder!
Obwohl häufig daraur hingemwiejen wird, | zu gelangen. Das ijt Frevel! Mögen gleich
daß es eine grobe Unfitte ift, beim Pflücken
von Slornblumen, Mohn, Slornraden und
Nderwinden den Fuß ins Getreide zu fegen,
fann doch mit jedem Jahre aufs neue be-
obachtet werden, daß mandes Kornfeld durch
stinder arg beichädigt wird. Nun iſt es
allerdings auch oft das Wild, das die Ge—
treidefelder mit häßlichen Lücken verfieht,
und befonders find es die Mehe, Die fich
nern zwilchen den Aehren aufhalten. Sehr
viele Vermwüftungen rühren aber doch von
mutmilligen Kindern ber, denen noch nicht
beigebracht worden tft, daß es dem Land—
wirt viel Mühe macht, ein Feld zu bebauen,
und daß es einem Bergeben gegen fremdes
Eigentumsrecht gleihfommt, wenn ınan zehn
Dalme oder noch mehr niedertritt, um zu
einer Blume — die vielleicht dann mit den
anderen Blumen noch weggeworfen wird —
die Blumen im Getreidefeld ala ſchädliches
Unfraut betrachtet werden, io ıjt doch der
Schaden, der mit dem Entfernen dieſes
Unfrauts leichtfinnig verübt wird, oft noch
viel größer. Es muß jedem Stinde genügen,
die Blumen zu pflüden, die bis zur Armes
länge zmwilden den Halmen ſtehen. Gan;
unverantwortlich ift e8 aber, wenn felbfi
Erwadjene „da8 Brot mit Füßen treten“, was
leider auch vorfommt. Beduuerlicherweije ift
der Landwirt derartigen Schädigungen meift
wehrlos preidgegeben, da er gerade zur
Zeit der Kornblumenblüte mıt Arbeit über
laden iſt und weil Blumenpflüder erit dann
zwiichen die Halme treten, wenn im weiten
Geſichtskreiſe kein Menſch zu erbliden ift.
Schone fremdes Gigentum, aud das des
Landmannes! Diejer Sag jollte den Kindern
ihon frühzeitig eingeprägt werden.
133
Ber £uitpoldturm.
Aus dem Pfälzerwald grüßt jeit Ende
September ein neuer Ausfihtsturm, der
Quitpoldturm auf dem Weißenberg
von dem aus der Blick Über das ganze
Waldgebiet der Pfalz bis zur Trifelögruppe
und zum Rheine, bis zum Odenwald und
Donneröberg und zum Wasgau reicht.
Schon 1896 hatte „Frig Claus” öffentlich
dafür geworben, nachdem er auf ſchwanken—
der Leiter und im Geäft der großen Giche
fih von der entzüdenden Rundſicht über:
zeugt hatte. Mit 10 ME, begann die
Sammlung für einen Turm; durd die
Finanzkraft des Vfälgermald-Bereins fonnte
etwas VBollfommenes gejchaffen werden unter
Aufwand von I6000 Mk., nachdem 1907
einmal der Bau beichlofien war. Am
19. Juni 1908 wurde mit dem Fundament
begonnen und jeit einigen Wochen fteht ein
Turm da in Höhe von 35 Metern, jelbit
auf einem ®ipfel von 610 Metern. In
dem aus rotem Sandftein gebauten Riefen
unter den pfälziichen Ausjichtstürmen — der
auf dem Eichfopf (610 m) bat nur 20 m
Höhe — führen 149 Stufen zur Binne
und man foll gegen 300 Berggipfel zählen
können, Recht angenehm wird es bei zweifel
battem Wetter empfunden werden, daß am
Fuße der Warte eine Schughütte befteht.
Die näcdften Stationen find für diefe neue
Marke am pfälzishen Horizonte Rinnthal
und Wilgartsmielen, von wo aus der Turm
in 3’ bezw. 2,4 Stunden zu erreichen ijt
Henes am Oktoberhimmel
Um der gegenwärtig vom Abendhimmel
ftrahlenden Neuigkeiten zu gedenken und zu-
gleih einer Reihe von geftellten Tragen
gerecht zu werden, fei auf das Blanetenpaar
bingemwiefen, welches in den frühen Abend:
ftunden im Südoften glänzt. Es ift Mars,
der vielberedete, den man folort an feinem
jtarfen, nach Drunge fpielenden Lichte er-
fennt — er ift immer noch der hellfte Stern
des Himmels —, und links davon in etwa
gleiher Höhe der zwar beicheiden leuchtende,
aber in Wirflichfeit gewaltige Saturn mit
jeinem einzig wunderbaren Ringe. Beide
Planeten „regieren? die Nacht jegt und
nod) lange Wochen und geben im Fernrohre
ihre „planetariihen” Geheimniffe für
längere Zeit am beften preis, Mars nimmt
natürlich) das Hauptintereſſe in Anſpruch,
denn nicht bloß die Teilnahme des großen
Publikums ift durch lange Beitungsartifel
rege gemadt worden inbezug auf die „erden-
ähnliche“ und „vielleicht von Menichen be:
wohnte” Nachbarwelt, jondern gerade der
Planetenforſcher hat noch genug zu fuchen,
bis er hinter die gröbften Geheimniſſe diefer
fonderbaren Welt kommt; die „vermutliche
Bemwohnbarfeit” fpielt dabei eine gar fleine
Rolle. Das Laienauge wäre bitter ent-
täufht, wenn es den mirflihen Mars
— nit den im Feuilleton — betrachten
fönnte, Ungleich lieblicher und befriedigender
ift dagegen eine Betrachtung des Saturn,
der überhaupt eın Kabinettſtück darftellt,
und neben dem Monde dem gelegentlichen
Bejucher einer Sternwarte den tiefjten Ein
druck hinterläßt. — Hinter Mars und
Saturn fteht über dem Orion, noch im
Stier, der neülih (am 28. Auguft ſchon
photographiich wiedergefundene, aber des
chlechten Wetter wegen erft am 11. und
12. September ficher erfannte) wieder ent-
deckte Komet Halley (ipr. hällö), der alle
15-76 Jahre einmal feinen Beſuch in
Sonnennähe macht und dabei von der Erde
aus gut geliehen werden fann. Als ihn
Hofrat M. Wolf auf dem Königsſtuhle zu
erft erfannte, war er wie ein ÖSternden
16. Größe, d. b. man konnte höchſtens mit
Dilfe der zwei größten amerifaniihen Tele
jfope eine Spur davon zu ſehen hoffen.
Gegenwärtig mögen ihn die größten
deutſchen Sternmwarten, die befanntlih nur
über wenige Fernrohre von jehr großen Ab-
mejjungen verfügen, fchon erkennen. Sm
November dürfte er au auf dem Ob
fervatorium zu Landſtuhl fichtbar werden
#
%
134 —
— und wer fein derartige außergemöhn- | zeitig auf den Ort jeines Erſcheinens
liches Hilfsmittel befigt, wird fih mod)
gedulden müſſen; wir werden aber edit
für das unbemwaffnete Auge aufmerfiam
machen.
Mangs Univerfalfeldllecer.
(Neueite Nummer aus dem berühmten
Mang' ſchen Geographic : aftronomiichen
Berlag) ift ein verblüffend vieljeitig ver:
mwendbares Unterrichts”, Forſchungs- und
Demonftrationsmittel, Hinter dem Sfach
vergrößernden Felditecher vermutet niemand,
daß er durch einige einfache Beigaben (Stativ
zum vielfeitigen Verſtellen, Spiegelchen,
jog. Tafchenmifrojfop, Rundipiegel, Prisma
und Bappicheiben) zu einem wirflic uni»
verjellen Snftrumente wird, wie es der
naturfundliche Unterricht nicht vieljeitiger
und leiltungsiähiger mehr befommen fann,
uls Feldſtecher beim Unterrichtögang, als
Fernrohr für den Abendhimmel (wachſen
der Mond, Yupitertrabanten, Doppelfterne,
Sternhaufen!) oder ohne Okulare als
ſchwache Yupe mit großem Felde haben
ihon viele das wunderbare Ding benügt.
Mang lehrt es aber au als Fernbioſkop
anwenden, um das Leben der fleinen Tier—
welt im Freien zu belaufchen. Als Nah:
biojfop wirft es wie ein ſchwaches Mikro:
jfop; als eine Art Pantoſkop erjegt es die
große PBanoramalinfe, und aus den beiden
Objektiven läßt fih mit wenigen Handgriffen
eine Lupe ftärferen Grades herftellen. Mit
ſonſt gar feinen Zutaten als einem kleinen
Spiegeldhen entwirft man ein 15—20 cm
große8 Sonnenrbild an der Zimmerdede,
auf welchem deutlich und groß die oftge-
nannten Sonnenfleden erſcheinen. Bietet
das Taſchenmikroſkop von ca. õOfacher Ver—
größerung ſchon eine vierte Möglichfeit ge
jteigerten Eindringens in die Kleinwelt, jo
ergibt feine geniale Verbindung mit dem
Feldfieher und dem Spiegelchen ein gan;
überrajhend mirffames Sonnenmifro
jfop, welches Präparate in Rieſengröße an
die Dede des Schulzimmers entwerjen läßt.
Das Spektrum, der Sonnen: und
fogar der Mondregenbogen lajjen ſich
mit dem bejcheidenen Inſtrumentarium dar—
ftellen — und fo ſcheut man fih fait,
neber dem Herrlichen und Lehrreichen zu
erwähnen, daß im phyſikaliſchen Unterricht
natürlih aud die Wirfung des Brenn
glajes und Hohlglaſes gezeigt werden
fann. Man muß die 32 Seiten umfafjende
Broihüre Mangs lejen,. um einen Begriff
zu befonmen von den vielen Möglichkeiten
in die Lebenserfheinungen der umgebenden
Welt mit finnigem Auge einzudringen. Bier
feiert daS vulgäre „Opernglas“ Triumphe.
Die Benügung wird aber in ſolchem Um:
fange erft möglich durch das zweckmäßige
Stativ, weldhes Bequemlichkeit des Hantierens
und Ruhe der Beobachtung bis zu jenem
Grade gemwährleiftet, welcher erforderlich iſt,
um aus lehrreichen Unterjuchungen eine reiz-
volle geiitige Unterhaltung — einen wahren
Genuß zu machen. Mangs raftloje Fürſorge
für naturgemäßen Unterridt hat diesmal
| wieder einen großen Wurf getan. F.
Berfchlendert keine Altertümer!
Das Bezirksamt Speyer erläßt an die |
Bürgermeifterämter jeine® Amtsbezirks ein
Rundfchreiben folgenden Inhalts: Einer
Anregung des Kgl. Generalfonjervatoriums
der Runftdenfmale und Wltertümer ent-
jprechend, wird zur tunlichen Verbreitung in
den Gemeinden und zur jorgfältigen Beach—
tung befanntgegeben: „Ich erachte es als
Pflicht der Bürgermeifterämter und vertraue
zu der Heimatliebe der Bevölkerung, daß bei
der Abgabe von Altertümern mit größter
Borficht und Zurüdhaltung vorgegangen und
daß, wenn die Berhältnifje dazu zwingen
jollten, in jedem Falle zuvor mit dem pfäl
ziihen Mujeum in Speyer ind Benehmen
getreten wird. Es ift eine alltägliche Er-
icheinung, daß Händler, Agenten und Privat-
jammler das Land bereifen, um Altertümer
aufzufaufen. Stein Dorf, feine Einöde ift
jo abgelegen, daß nicht Kaufliebhaber ſich
135
dort einfinden und den Leuten Altertümer Denfmäler, wie Steinfreuze, Marterjäulen,
abſchwätzen. Meiſtens wird nur geringen. |
Entgelt bezahlt und oft werden dann die |
(Hegenftände vom eriten Mäufer an einen
größeren Händler in der Stadt mit Gewinn
meiterverfauft. Der größere Händler aber
gibt fie wieder an reihe Sammler und
geldfräftige Mufeen mit mehr oder minder
Beben Nugen. Bor allem gejucht
find gegenwärtig mittelalterliche Holzfiguren.
Aber au andere Schnißereien, Wand und
Dedenvertäfelungen, Bilder, Möbel, Gitter,
Wirtshausichilder, Zinngeräte, Geſchirr aus
Ton und Porzellan, Gläfer 2c. werden auf
gekauft. Urkunden, Handſchriſten und alte
Bücher finden Abnehmer. Tür- und Seniter-
verzierungen und fonftigen Schmuck entfernt
man von den Häufern. Nicht einmal Bu
Figuren in Feldkapellen find ficher vor der
Gemwinnfiht. Wir vertrauen zu der Be-
vöfferung, daß ſie zu ſtolz ift, um folde
Erinnerungen aus Großvaters und Ahnen:
zeiten ohne Not megzugeben. Und mir
hoffen, daß es nur diejer Warnung bedarj
um vor etmaigen übereilten Entichlüffen ab—
zubalten. Man wende fich lieber an eines
der vielen Mufeen in Bayern, wenn man
zum Verkauf genötigt oder zum foftenlofen
Ueberlaffen geneigt ift, Altertümer aber,
die mit einem Baue verbunden find, jollten
überhaupt nicht aus ihrem Zujammenhange
neriffen werden. Der einzelne Befiger wie
die ganze Bevölkerung jollte eine Ehre darein
legen, folhe alte Wahrzeichen der engeren
Heimat an Ort und Stelle zu erhalten.“
Kleine Mitteilungen.
Am 7. September waren es 560 Jahre,
daß Obermoſchel durd Kaiſer Karl IV.
zur Stadt erhoben wurde. Anlählich dieies
Gedenktages brachte die Pfälz. Breije in |
vom
239 die Berleihungsurfunde
September 1349 wörtlib zum WUbdrud
* ergänzte die Mitteilung in Nr. 243
durch eine Urkunde aus dem Jahre 1489,
durch melde die Pfalzgrafen Kaſpar und
Ilerander aus der Veldenzer Linie der
Stadt ihre Freiheiten bejtätigten.
Fiſchreiher. In der Gemarkung
Schlangenmweiher (Hardenburg) wurden im
September mehrfach Fiſchreiher gelichtet.
Diefer Vogel, der früher in der Pfalz jehr
häufig war, jedoch infolge der fortichreitenden
Kultur ſtark zurüdging, wird in neuerer
Beit häufig aus verfchiedenen Gegenden
der Pfalz gemeldet. Es ſcheint demnad)
wieder eine Bermehrung der Art oder eine
zahlreihe Einwanderung ftattgefunden zu
haben,
Die Pilzernte ſchien bis Oftober
ſehr jpärlıh auszufallen. Pilzkenner
führen dies nicht ſowohl auf den trockenen
Sommer, als vielmehr auf die ſtarke Kälte
des vergangenen Winters zurück, wodurch
die Sporen, das ſteimpulver und die Samen
erfroren ſeien. Tatſache iſt, daß an Plätzen,
wo ſonſt förmliche Pilzernten gehalten
werden konnten, dieſes Jahr faſt nichts zu
*
finden iſt. Der echte Pfifferling, auch Gelb-
oder Eierſchwamm, den man fonjt in großer
Menge findet, ift ſelten, ſodaß ſich fein
Sammeln gar nicht lohnt. Dagegen jteht
der Champignon an Waldrainen und Wiefen
etwas häufiger; jegt ift die richtige Zeit
für fein Wachstum. Der Steinpilz, jonft
einer der häufigiten und beften eßbaren
Schwämme in den Pfalzwäldern, will heuer
gar nicht zum Borjchein fommen. Er ift
gegen Kälte jehr empfindlih. Als in neuerer
Beit beadhtenswert findet man auf den
' Waldhöhen an den ditlichen Ausläufern der
Haardt den jeltenen und foftbaren Kaiſer—
ling (Amanita caesarea Seop). Dies ift
ein ſchöner großer Pilz. Der Hut goldgelb,
glänzend und mit weißen Warzen bejegt.
Vom giftigen Fliegenpilz läßt er fich durch
die gelben Blätter und den glatten Stamm
unterjcheiden. Bei uns fommt er nur ver-
einzelt in Süddeutfchland, dagegen häufiger
in Stalien und Franfreih vor, Bei den
alten Römern wurde er jehr geichägt und
bildete eine Delifatefje auf den Tafeln der
römifhen Gäjaren, daher Kaiſerpilz. —
In Ergänzung der Notizen über Heren-
ringe ©. 67 und 88 fei bemerft, daß fich in
| der Beitichrift Gartenflora, Jahrgang 1904,
eine bon Henning gegebene Zuſammen
ftelung der Bilzarten, melde Herenringe
bilden, befindet. Dr. Häberle.
Mänfeplane. Große Klagen herrichten
im Auguft unter den Yandleuten der Border:
pfalz Über die Mäufeplage. In geradezu
erichrefender Zahl treten dieje gefürchteten
(Häfte auf den Hefern auf. Großen Schaden
haben fie am Getreide angeridhtet. Dann
begannen fie ihr vernichtendes Werf an den
Kartoffeln. 82284 Mäufe und 58 Hamiter
und Ratten find in der Zeit vom 26. Juli
bis einſchl 4, Auguft in Harthaufen gefangen
und an die Gemeinde abgeliefert worden.
„Was liefert die Rheiüpfalz?“ Unter
diefem Titel erichien im Verlag von Julius
Kranzbühler & Gie., ©. m. b. 9. in Speyer,
ein mit Abbildungen reich ausgejtattetes
Heft mit der Beftimmung fomohl die Pfälzer
jelbft, als namentlich die fauffräftigen Kreiſe
außerhalb der pfälzifchen Grenzen auf das
aufmerffam zu machen, was die Pfalz zu
liefern und zu bieten imftande it. In
volfstümlich gehaltenen Abhandlungen werden
darin vorgeführt: Bergbau, Stein und
Holzgeminnung, Induſtrie, Yandwirtichaft,
Weinbau, Jagd u.a. Es find Sciiderungen
geboten der Städte und Padeorte, der Land—
ſchaft ufm. Der Preis ftellt ih auf 50 Pig.
Eine Gedenkfeier für den Grafen
Zeppelin hielten Surgäfte und Kirchweih—
befjucher in Nothweiler am Dorfbrunnen
ab, An diefem Brunnen hat Graf Zeppelin
auf der Nüdfehr von feinem berühmten
Erfundigungsritt Raſt gehalten, was durd)
eine bei diejer Feier am Brunnen angebrachte
Gedenktaſel der Nachwelt überliefert
werden joll,
Ein Schulmufenm. Durch eine Ber:
fügung des Großherzoglichen Scul-
minifteriums ift ein „Heſſiſches Landes-
Schulmufeum” mit dem Sige in Darm»
jtadt errichtet worden. Das Mufeum,
136 —
das fortwährend ergänzt und vermehrt wird,
foll alle das enthalten, was vor 1830
in Heffen auf dem Gebiete der Schule on
Lern: und Lehrmitteln im Gebrauche maı
Die Jnventare der heffiihen Schulgemeindeu
werden daraufhin auf ihren Beftand gepräf:
Die Mbreilung „Schulbücher“ ift bereits
recht zahlreih. Das Mujeum fteht unter
der Bermwaltung des Geſchichtsforſchers
Dr. Diehl (Darmitade). Es ift jedermann
zugänglich und wird nad jener Bollendung
ein recht anjchauliches Bild bezüglich de:
heſſiſchen Schulgefchichte geben.
Bei den Erdarbeiten am Marienheim in
Speyer fand man einige römische Gräber mır
Urnen. Ein Teilder Urnen und jonftige Fun?
ftüce wurden dem Pfälz. Mufeum übermieien
Ensheim. Bei den Ermeiterung:
| arbeiten an der fath. Kirche fand man ın
der vergangenen Woche beim Ausheben des
alten Chores eine ſchön ausgemauerte Gruft,
ın der fih ein ſehr gut erhaltener Giden-
jarg befand, Er enthielt die Ueberreite
des im Jahre 1782 verfiorbenen Baters
Thill, der bier von 1764 an als Seeljorger
tätig war. Die Reſte der Nleidung maren
noch gut erfennbar. Wie verlautet, jollen ſich
noch mehrere Grüfte im alten Chor befinden.
Bei einer Ausbefferung in der Mühle
von Gebr. Torjch (früher Lerch) in Landau
entdedfte man zwei Mauerfteine mit folgen:
den Inſchriften: Hank Glödner, difer Zeit
Baumeifter, 1587 — R 1787. Demnach
dürfte die Mühle eines der älteften Baı
werfe Yandaus fein.
Auf einem Wingert unterhalb der Stropi
burg bei St. Martin wurden einen halben
Meter unter der Erde franzöfifche Silber
münzen aus den Jahren 1792 bis 1813
gefunden.
Anbalt: Dre weitpfälziiche Moorniederung In ihrer Beziehung zur Humpffläche (Peneplain
der Mitteipfalz. — Studien aus dem Pfälzerwald. — Die Auswanderung aus ber Rbeinpfalz. —
Guterverkehr der Rheinhäfen Speyer und Yubdmwigsbaien. — Bilanzenihug in der Pfalz —
— von Haufen, ein Landsmann aus fernen großen Tagen. — Mineralquellen im Glantale —
ie Saline zu Odernheim am Glan. — Ueber dad Borfommen von Schildfröten in der Pfalz. —
Sconet die Felder. — Der Quitpoldturm. — Neues am Oftoberbimmel
feldjtecher — Altertümer. — Kleine Mitterlungen.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sautb, Candſtuhl
Für form umd Inhalt der Beiträge find bie Herren Be
— Mangs Univerjal
- Sermann Kanfer’s Derlag, Aaifersiautern.
rfafler verantwortlich.
(Unverlangte Manuflrıpte werden nicht zurüdgelandt.)
— —
De „ I} attunde” tofter jährlich im 12 Heften Mt. 2.50. Berellungen werben von allen Budbandlungen na?
—— Fohanftaltın ferner vom Berlener (Bortofreie Streifdandiendung) augenemmen
V. Jahrgang.
MONATSSCHRIFT
FÜR SCHULE UND HAUS.
N
BANNER:
Nummer 11.
November 1909,
l
Ber Gutenbrunnerhof, ein vergeflener Badeort bei Trippſtadt.
j Bon Red.-Rat Dr. Häberle, Heidelberg.
Etwa % Stunden füd öſtlich von Tripp-
ftaot liegt im oberen, muldenartig ver-
breiterten Moosalbtale der Gutenbrunnerhof,
defien Benennung ebenſo wie die der gleich»
namigen Niederlafjung') bei Bmeibrüden
auf eine dort aus dem Buntjanditein zu
Tage treiende Mineralquelle zurücdzuführen
ift. Wir befinden uns hier im mittleren
oder Hauptbuntjandftein, und zwar in der
Trippftadt: oder Karlstalftufe, deren charafte-
riſtiſche, mächtige Felsbänke gleich Hinter
dem Hofe an dem nach Trippftadt führenden
Bußpfade, noch deutlicher aber in dem
mweiter abwärts fich Öffnenden und tief in
diefe Schichten eingefchnittenen Karlstale
ſich beobachten lafjen?, Da Mineralquellen
im Buntjandftein verhältnismäßig jelten
find und der Gutenbrunnerhof früher als
Badeort eine gewiſſe, wenn aud nur lofale
Bedeutung bejefjen hat, machte ich ım legten
Herbit auf einer geologiihen Wanderung
durch den Pfälzer Wald dorthin einen Ab—
fteher. Was ih auf dem Hofe und in
Trippftadt durch Umfrage, bezw. durch Lite:
) Un biefen Butenbrunnerbof, ſowle an den
Gutenbrunnen bei Edenfoben und Rockenhauſen
fnüpft fich eine reiche Literatur, vgl. Darüber meine
Pfälzifhe Bibliographie I u. II.
*) Die unterlagernden, weniger widerſtands⸗
fähigen und deshalb raſcher vermitternden
Schichten, welche die Felsbänke des Karlstales
zum Abſtürzen brachten, laſſen ſich an deſſen
unterem Eingange am Pfade nach Trippſtadt gut
beobachten.
raturftudien über das Bad in Erfahrung
bringen fonnte, babe ih im Nadjitehenden
zufammengeftellt®).
Der Name Gutenbrunnerbof ift ver:
hältnismäßig jungen Datums. Bilfinger
vermutet, daß er ebenjo wie der benachbarte
Antonienhof erft von dem 1780 in der
Herrſchaft Trippftadt zur Regierung gelangten
Freiheren Karl Theodor von Hade (7 1792)
feinen Namen erhalten bat, da auf Starten
aus den Jahren 1761, 1767 und 1773 an
feiner Stelle für 5 Anmwejen nur der Name
„Hütten“ eingezeichnet ift. Dies ſcheint
die jenesmal übliche Benennung gemwejen zu
fein, da nad Bilfinger noch heute die Be:
zeihnung „Hüttental” für dieſen Zeil des
Moosalbtaled gebraudt mwird.*) Während
) Literatur J. Keiper, Das Trippitadter
Schloß und die Freiherrn von Hacke. Mann-
beimer Gefch.-Blätter 1904 Sp. 101—110 u.
141—142. Wbdrud: Pfälz. Muſeum 1905 ©.
145 156. — Derfelbe, Das Trippftadter Schloß.
Bi. Wald 1904 Nr. 12 fi. — U. Beder, Zur
Geſchichte Trippſtadts und der Freiherrn v. Hade
Bi. Muſeum 1904 ©. 1389 - 193 — E. Bilfinger,
ohannistreuz, eine Pfälzer Waldgeſchichte, ©.
3—65. Salferdlautern, Thieme 1904. —
%. Claus, Im Pfälzer Wald Xrippftabt.
„Blälzer Wald” 1905 ©. 161 fi. — Für freund-
üchſt erteilte Auskunft bezw. für zur Durchſicht
überlaffene Alten babe ich dem Bürgermeliter-
amt und dem Herrn Pfarrer Jakobi zu
Trippftadt, fowie Herrn Landwirt Zumbad
auf dem Gutenbrunnerhofe zu danfen.
) Dagegen führte das jegt mit Recht jo
gerühmte Karlstal noch 1767 den Namen „Wüſte—
alfo der Name Antonienhof auf eine Neu:
gründung Karl Theodors dv. Hade zu Ehren
feiner zmeiten Gemahlin, Antonia von
Sickingen, zurüdguführen ift, handelt es fich
beim Gutenbrunnerhof lediglih um eine
Umtaufe der alten „Hütten“, um durch dieſe
Neubenennung ſchon äußerlich auf die dort
austretende Heilquelle hinzumeifen. Frei—
herr Karl Theodor von Hade jomohl mie
fein Vater und Vorgänger in der Regierung,
Franz Karl von Hade (1752 — 1780), der
Erbauer des Trippftadter Schlofjes, waren
eifrig bemüht, ihre faum eine Quadratmeile
umfafjende Herrichaft durch planmäßige Ein
führung neuer Holzarten, durch umfangreiche
Anpflanzung von weißen Maulbeerbäumen
zur Förderung der Seidenzucht, durch inten-
fiven Betrieb der Gijenjchmelze ufm.” mit
mehr oder weniger Erfolg kulturell zu heben,
Wir dürfen ung daher nicht wundern, wenn
fie auch der bei den Hütten entipringenden
und durch ıhre abführende Wirfung ſchon
damals befannten Quelle ihre Aufmerffam-
feit zumendeten. Sie mußten fogar den
Heidelberger Profeſſor der Medizin, Fr. ©.
Schönmetzel dafür zu intereffieren und zur Abe
fafjung eines empfehlenden Gutachtens, das
ſpäter im Drud erfhien, zu veranlafien?).
Die Quelle wurde gefaßt und durd eine
ungefähr 40 m lange Robrleitung an einer
etwas tiefer gelegenen Stelle zum Auslauf
gebracht; dareben erhob fih zur Bequem»
lichkeit für die erwarteten Nurgäfte ein Bade—
that”, da anfcheinend die damalige Bevölkerung
noch fein Berftändnis für Naturſchönheit beſaß.
Ebenfo war es früher mit dem Steinalbtal.
Bol. darüber meinen Auffag im „Bfälger Wald”
1905 ©. 160 und U. Hoffmann, Der Sinn
für Naturfchönbeiten in alter und neuer Zeit.
Sammlung gemeinverftändi.cher Vorträge, Heft
69, Hamburg 1889.
’), Fr. G. Schönmegel Beichreibung
des Gefundbrunnens in dem Freuberrlih von
adifhen Orte Trippftadt. Ermähnt in Wundt's
fälzifchen Bibliographie Bd. 1, ©. 75 u Bb. III,
©. 47. Leider war es mir nicht möglich feit-
zujtellen, wo diefe Schrift erfchtenen iſt; anfcheinend
jtedt fie in irgend einem Sammelmwerf. Schön:
meßel ſtarb 1785. Da ber 1780 aus dem Leben
gefchiedene Freiherr Franz Karl d. Hade nicht
allein furpfätzifcher Obriit Jägermeiſter fondern
auh Oberanmtmann zu Heidelberg war, bat
vielleicht fchon er und micht erſt fein Sohn Karl
Theodor, auf den die Benennung „Butenbrunner-
hof“ gewöhnlich zurüdgeführt wird, den Heidel—
berger Gelehrten für die Heilquelle zu intereffieren
gewußt.
138
|
+
haus. Dank der Bemühungen und Fürforge
der Hade’ihen Familie fam der ins Leben
gerufene neue Badeort auh in Aufnahme
und murde fomwohl zu Trinffuren wie zu
Bädern benügt. Leider machte die bald
darnach einjegende franzöfiihe Revolution
der Herrichaft der Freiherrn von Hade in
Trippftadt ein jähe® Ende; die Familie
verſchwand aus der Gegend und ihr PBrivat-
eigentum, beitehend in Liegenſchaften, Ge—
bäuden uſw. ging 1803 durd Berfauf in
andere Hände über. Damit war es auf
einmal mit der Reklame und der Broteftion
für das Bad vorbei; mit den hohen Gäften
blieben auch die anderen Beſucher aus: es
geriet in Vergeſſenheit.
Nur wenige Spuren deuten noch darauf
bin, daß dort auf dem einjamen, jegt von
vier Familien bewohnten Hofe einmal ein
regered Reben geherriht hat. Die Quelle
ift zwar heute noch vorhanden, doch murde
über ihr im Jahre 1901 durch die Gemeinde
Trippfiadt ein Pumpenſtock aufgeitellt, um
damit die ftändigen Reparaturfoften für die
hölzernen und eifernen Rohre, durch melde
das Waller nad Eingang des Bades zwed-
[08 etwa 40 m weiter geleitet wurde, endlich
aus der Welt zu jchaffen. Der Pumpbrunnen
ſteht an der nordöftlihen Ede des Hofes
dicht neben dem nach Trippftadt führenden
Pfade. Hier fommt der aus den Wäldern
auftauchende Wanderer, ohne eine Ahnung
von der abführenden Wirfung des Waflers
zu haben, unmillfürlih in die Verſuchung,
jeinen Durft zu löſchen. Auch mir ging
es jo. Mit gutem Gemiffen fann id aus
eigener Erfahrung die eigentümliche Eigen-
ichaft der Quelle beftätigen. Cine bejondere
Heilfraft befigt fie nach Mitteilung der Ber
juchsftation Speyer, die vor einigen Jahren
auf Beranlaffung des inzwiſchen in Tripp
jtadt verftorbenen praktiſchen Arztes Dr. Woli
eine Analyſe vornahm, zwar nicht, doc
falle ihr hoher Eifengehalt auf.*) Diefer
) Freundliche Mittetlung von He
gate In — deider — ger:
möglich, eine Abjchrift der Analyfe von der Ber:
ſuchsſtation in Speyer zu erhalten.
Der hohe Eifengehalt der bier im Erb-
innern zirtulterenden Gewäſſer fteht im Bufammen-
bang mit den allentbalben in ber Gegend zu
Tage tretenden Eifenjteintagen, auf welche wohl
die eriten Anfänge der alten Trippſtadter Eiſen-
Induftrie zurüdzuführen fein werben.
— 139 —
tritt auch, ſobald man das Waller ganz |
kurze Zeit in einem Glafe ftehen läßt,
jofort in Erſcheinung.
Die öffnende Wirkung des Waffers zeigt
fi gewöhnlich nur bei fyremden ; aus diefem
Grunde vermeiden auch die auf dem Hofe
vorübergehend beichäftigten Handwerfer es
zu trinken, da das Wafler außer der eben
beichriebenen Wirkung auch noch Leibſchmerzen
hervorrufen fol. Die Bewohner des Buten-
brunnerhofes dagegen und die des benad):
barten Lauberhofes, welche ebenfalls zur
Deckung des Waflerbedarfes an dieſem
Brunnen beredtigt find, trinken e8 zwar
ohne Schaden, haben aber doc) durch Grabung
weiterer Brunnen fo 3. B. beim Zumbady’ichen
Neubau in ca. 50 m Entfernung von der
Quelle mit Erfolg anderes Wafler ohne
dieje ausgeprägten Eigenichaften erſchloſſen
Neuerdings erftreben die Hofberwohner durch
Erbauung einer Bafjerleitung von der Moos:
albe ber überhaupt eine beijere Wajler:
berforgung.
Das alte Badhaus ift jetzt noch erhalten,
nur dient e8, durch eine Scheidewand der
Quere nah halbiert, ald Wohnhaus für
zwei Familien. Gegenliber befindet ſich ein
alter Seller mit Schuppen und ein niedriger
Stall, die nad ihrer Bauart ebenjo wie
das Haus felbft ungefähr aus der zweiten
Hälfte des 18, Jahrhunderts ftammen mögen.
Schon äußerlich fticht das etwa 22 m lange
und 10 m breite einjtödige Haus, defien
urſprünglich aus Lehm und hölzernem
Riegelwerk beftehenden Wände jegt durch
fteinerne Mauern erjegt find, mit feinem
hohen, oben abgeflachten und mit zierlichen
Holzſchindeln befleideten, fenfterreichen Giebel
gegen die anderen Gebäude auf dem Hofe ab.
Die innere Einrichtung läßt fih in dem
zu Wohnräumen eingerichteten Dachgeſchoß
no gut erfennen. Ein mit der Treppe
in Verbindung ftehender, etwa 1,10 m
breiter Gang durchzog es in feiner ganzen
Fänge und vermittelte den Zugang zu 14
kleinen Gelaſſen — anders fann man die
unter dem jchrägen Dad befindlihen 3 m
langen und 21 m breiten Räume nicht
bezeichnen —, die auf beiden Seiten ver-
teilt, einen Menjchen netdürftig beherbergen
fonnten.
Anscheinend waren dies die Schlafräume
für die Badegäfte, während die größeren
Räume zu ebener Erde zum Aufenthalt
bezw. zu Badezweden beitimmt waren.
Dicht vor der Tür befand fi in den Wiejen
auch der oben erwähnte aber jegt zuge
fchüttete Auslauf der Quelle.
Wie mir Herr Zumbach freundlichit
mitteilte, wurde das Badehaus von feinen
Borfahren und der Familie Scheid zu An-
fang des legten Jahrhunderts von dem Vater
des früheren Forſtmeiſters Weilenauer auf
Johanniskreuz gefauft, durd) eine Querwand
in zwei Hälften geteilt und durch Fleinere
bauliche Veränderungen zu zwei Familien:
wohnungen eingerichtet. „ Später fam der
Anteil Scheid an die Familie Schwab, der
Anteil Zumbach durch meinen Gewährsinann
an feinen Tochtermann Schäfer.
Wenn erft einmal durch Weiterent:
widlung des pfälzifchen Eiſenbahnnetzes die
entlegene Waldniederlaffung dem Verkehr
näher gebracht fein wird, findet fich vielleicht
auch noch ein unternehmender Kopf, welcher
die der Quelle eigentümliche Eigenſchaft
und die Höhenlage des von Wald umgebenen
Hofes zu Hurzmweden auszubeuten ſucht.
Bie Bentren des Biehhandels.
Die pfälz. Viehzucht nahm fchon von | diefem Jahre infolge des befannten Boykotts,
jeher eine adhtunggebietende Stelle ein, be-
ſonders was die Qualität des Biehs an
belangt. In den legten Jahren zeigt fich
ein unverfennbarer Aufſchwung, der zum
Zeil den erfolgreihen Beftrebungen der
Budtvereine ꝛc. zu danken iſt. Entiprechend
dem Biehftande gibt es in der Pfalz aud
bedeutendere Biehmärkte, deren Beichidung
m allgemeinen fehr lebhaft ift und nur in
Lüden aufzumweifen hatte. Nachdem die
Zahlen für 1908 jegt vorliegen, läßt fich
ein Bild über die Lage der einzelnen pfäl:
ziichen Viehmärkte gewinnen. Auf pfälziichen
Märkten wurden in diefem Jahre 33964
(gegen 35308 im Borjahre) Schweine, 21 331
(gegen 22138) Rinder, 3155 (gegen 1679)
Kälber und Schafe und 1243 (gegen 1133)
Pferde aufgeftellt Stehen die Zahlen von
1908 bei Rindern und Schweinen auch gegen
die von 1907 zurüd, jo darf man indejjen
daraus feine ungünftigen Schlüffe ziehen,
da dus Vich im allgemeinen gut bezahlt
wurde. Wenn mir die Schweinemärfte
einer bejonderen Betrachtung unterziehen
(bezüglich 1908), jo ſteht Kandel mit einem
Yahresauftrieb von 9271 oben an. Es
folgen der Neihe nadı Landau 6865, Zwei.
brüden 5350, Billigheim 4228, Yautereden
3529, Bergzabern 1369, Kufel 606, Quirn-
bach 570, Wolfitein 486. Glanmünchweiler
428, Nlfenz 400, Ulmer 347, Neuftadt
194, Niederkirhen 133 und Selchenbach 18.
Die Rindviehmärfte haben 1908 folgenden
Jahresauftrieb gehabt: Meuitadt 8432,
Landau 6215, Zweibrücken 3800, Quirn:
bach 1112, Kuſel 639, Miefenbady 350,
Lauterefen 269, Seldhenbad 246, Alfenz
144, Langmeil 89 und Wolfftein 45. Beim
Kälber und Schafenmarft wuiden 1908
folgende Ziffern fejtgeftellt: Neuftadt 1629,
Yandau 1057, Quirnbach 160, Hundheim
140, Auſel 73, Selchenbach 67, Alſenz 20
und Lauterecken 9, Die Pfalz befigt nur
vier Pferdemärkte. Der Hauptmarkt ift
Kaiferslautern mit 635, dann folgen Quirn-
badı mit 260, Bmweibrüden mit 220 und
Rohrbach b. B. ınit 128 Stück Auftrieb 1908,
Danad) find die Hauptmärkte für Schweine
Kandel, für Rinder, Kälber und Schafe Neu-
ftadt und für Pferde Kaiferslautern Be:
rechnet man den Gefamtauftrieb, d. h. die
Zahl der verfchiedenen Tierarten, für jeden
140
—
Ort, fo find die größten pfälzifhen Bieh-
märfte der Reihe nach Landau mit 14137,
Neuftadt mit 10255, Zweibrücken mit 9370,
Kandel mit 9271, Billigheim mit 4228,
Lauterecken mit 3807, Quirnbach mit 2102
und Bergzabern mit 1369 Stüd Yahres-
Auftrieb. Der fleinfte Markt ift Yangmeil
mit 79 Stück Yahresauftrieb.
Der Bichbeitand Bayerns auf rund
der Biebzählung vom 2. Dezember 1907.
Wie groß ift der Viehſtand Bayerns und
wie hat ſich derjelbe zahlenmäßig entwidelt?
Wie verteilen ſich dıe einzelnen Biehgattungen
auf Stadt und Land, fowie in den Regierungs-
und Berwaltungsbezirfen ? Wie jet fich der
Bıehftapel nah Alter, Geſchlecht und Ber:
wendungsart der Tiere zufammen und welche
Beränderungen find hierbei vor fi) gegangen?
Iſt die bayerifche Viehzucht imftande, dem
inländiichen Bedarf an Fleiſch und tieriichen
Erzeugniffen zu decken? Bei welchen Bieh-
gattungen hat Bayern Ueberproduftien, bei
melden ift es Darauf angemiejen, bie
heimische Viehzucht duch Einfuhr zu er
gänzen? Wie hat fi die Aus- und Ein-
fuhr von Vieh in Bayern mährend der
legten Jahrzehnte entwidelt ?
Bahlenmäßige Auffchlüffe über dieſe
volfswirtichaftlih und fozialpolitiich gleich
wichtigen fragen gibt das foeben vom K.
Statiftifhen Landesamt ausgegebene Heft T2
der Beiträge zur Statiftif des Königreichs
Bayern (Berlag %. Lindauerihe Buchhand-
lung, Preis 4 Mt).
Seimatkundliches.
Bom Ban des Bergzaberner Schloffes. | Fürſtl. Reſidenz ·Schloß nicht auß Pracht,
Das fürzlih durch den Brand vernichtete | ondern aus hoher Not unter göttlichen
Schloß in Bergzabern hat beinahe ein Alter
von 200 Yahren erreiht. Ueber feinen
Bau gibt folgendes interellante Dokument
Aufſchluß:
„Von Gottes Gnaden Wir Guſtav Sa—
muel Leopold, Pfaltzgraf bei Rheyn in
Bayern, zu Julch, Cleve und Berg Hertzog,
Fürſt zu Mörß, Graf zu Veldentz, Spon«
heim der Marf Ravensburg und Riringen,
Herr zu Nauenftein zc. Liebe Getreuen!
Euch ift Allbereits bewußt, waßmaßen Wir
Unfer allhiefiges Aurh den vormaligen
Frranzöfiihen Brandt gänglich ruinierte
Beyſtandt wieder aufzubauen entſchloßen,
inmaßen ®ir dann aud in Gottes Namen
damit wirfli einen Anfang gemacht und
mit Unferen frohndbaren Unterthanen der
Dberämter Neucaftell, Weyſenheim und
Lichtenberg dahin gnädigft accordiren laſſen,
daß fie die dermalen darzu erfordernde Bei-
fuhren, weilen fie folde nicht wohl in
natura tun fönnen, mit ®eld bezahlen, ob
Uns nun wohl gnrädigft bewuht, daß bie
Stätte und Flecken frafft der ihnen gnädigft
ertheilten privilegien ordinarie feine $ronden
anders zu thun, als was zu ihren Stätt
und Flecken gehört, bauen wir auch Weg,
Steg und fonften nötig fein möchte oder
bei vormaliger Erteilung fothaner Befreiung
referbiret und bisher üblich gemejen, wir
auch keineswegs gemeint, ſelbige Darmieder
zu beſchweren. Dieweilen aber dieſes ein
gantz extraordinaire Sache, woran dem
ganzen Land gelegen und Wir nicht Bmeifeln
wollen, e8 werde Unſern ſämtlichen Tieben
Getreuen Untertanen in Städten und
Flecken ſowohl als auf dem Land an diefem
Unferen zu des gangen Lands Ehr und
Bortheil gereihenden Bornehmen eine Freude
haben und e8 zur funderbaren conjolation
nehmen, daß da diejes Herzogtum nun ſchon
joviele Jahre lang ihre Landesherrſchaft
nit gegenwärtig gehabt Wir dieſe uralte
Fürftliche refidenz nicht fonder große Be
ſchwerde wieder aufzurichten refolpiret und
dann *arzu ein weitmehreres als die jeßige
bloße Beyfuhren, forderlich zur Beyführung
des vom Rhein und anderen entlegenen
Orten zu holenhabenden Bauholzes und
übriger materialien, fo denen armen Unter:
thanen auf dem Land allein beizuſchaffen
allzufchwer fallen möchte ; erfordet wird und
wir das gnüdigfte Vertrauen zu Unjeren
Stätten und Flecken haben, daß, ob fie
ſchon nicht wie Unfere übrigen Unterihanen
an Hand gehen und anftatt deſſen einen
freywilligen Beitrag thun werden. Als iſt
an Euch Unfer gnädigſtes Geſinnen, Une
eure Erklärung darüber unterthänigſt und
förderſambſt zu berichten, um uns in einem
und anderen darnach richten zu können mit
der nochmaligen gnädigſten Verſicherung,
daß ſolches an Euren diesfalls habenden
privilegien ganz ohnnachteilig ſayen ſolle.
Indeſſen Euch mit allen Fürſtlichen Hulden
und Gnaden wohl gewogen verbleibend.
Zweibrücken, den 29. April 1720. Ahn
die Statt Bergzabern. Guſtavus, Pfalk-
raff.“ — Ter Bau murde dur den
falzgrafen Guſtav Samuel Leopold be:
fanntlid; au im Jahr 1725 vollendet.
(Bilz. Rundſch.)
An ber Meldung von der Waſſerſchau
am Epeyer- und Hochſpeyerbach ift noch
folgendes Hinzuzufügen. Nah dem neuen
bayerifchen Waflergejeg findet dies Jahr in
ganz Bayern zum erfienmale eine Wafler-
hau ftatt. In der Rheinpfalz erfolgt die-
„de dur die beiden am l. Sanuar 1909
141
neuerrichteten Fulturbauänter in Neuftadt
a. 9. und Homburg, melde anftelle der
früheren drei Aulturingenieurbezirfe bezw.
des KHreisfulturamtes Epryer traten Das
Kulturbauamt Neuftadt umfaßte, wie ın der
Deffentlichfeit bisher noch jo qut mie um:
befannt ift, die Vorderpſalz mit dem Alſenz
tal ; jein Gebiet reicht über Kirchheimbolanden
hinaus bi8 nadı Bad Münfter a. St. Tas
Kulturbauamt Homburg umfaßt die Weft-
pfalz. Jedes der beiden Aemter beginnt
jegt die Waſſerſchau feiner ihm zugewieſenen
Wafjerläufe, die ſich namentlih darauf er-
ftredt, ob die Stauanlagen ıc. der Fabrik:
etabliffemen:s in Ordnung find. Es betrifft
diefe Befichtigung daher haupiſächlich Befiger
von WRafjerbenügungsgerofienichaften ꝛc.
Dieje find nad dem Waflergeieg verpflichtet,
den mit der Waſſerſchau Beauftragten die
Befichtigung ihrer Anlagen und Grundftlide
zu geftatten und die erforderlichen Auskünfte
zu erteilen. Im Neuftadter Bezirk macht,
wie jchon gemeldet, der Speyerbach den
Anfang. Wenigftens teilweile, denn Unter:
lauf und Oberlauf fünnen diefes Jahr nicht
mehr befichtigt werden. Da die Kultur:
bauämter jehr wenig Perſonal haben, fo
wird es 3. B. im Neuftadter Aulturbezirf
etwa 10 Jahre dauern, ehe die Waſſerſchau
aller zugewieſenen Gewäſſer frattgefunden
hat. Der Rhein gehört nicht zum Neu:
ftadter Bezirf. Er ift als „öffentlicher“
Fluß der Obhut des Flußbauamtes zu
gewiejen. Bu der Befichtigung des Epeper-
und Hochſpeyerbaches wurde audı die am
2. Juni d. %. zu Neuftadt gewählte Kom—
miffion geladen, weldie Maßnahmen gegen
die überhandnehmende Verunreinigung diefer
Gewäſſer dur ındufirielle Abmwäfler vor:
bereiten fol. In den nächſten Jahren
fommen im Neufradter Bezirk zunüchft
Iſenach und Alſenz an die Reihe.
lleber den Schutz der Alleen bat das
Staatsminifterium des Innern folgende
Bekanntmachung erlafjen: Es ift zu beklagen,
daß im Innern und in der Umgebung der
Ortſchaften, an Diftrift8- und Gemeindemegen
mande alte Baumallee verfhmwinder, teils
weil aus dem Verfaufe des Holzes Nugen
gezogen werden fol, teil& weil die rund»
befiger glauben, daß fie durch den Schatten
und das Wurzelwerf der Bäume an der
Erzielung eines befjeren GErträgnifies vor
Grund und Boden gehindert ferien. Durch
die Bejeitigung der Alleen wird das Naturs
bild gejchädigt, und es bedarf eines langen
Beitraumes, um durch Neupflanzung von
Bäumen dies wieder gut zu machen. Die
mit der Niederlegung von Alleen verbun-
denen Borteile werden meiltens überſchätzt
und durch den Nachteil, den die für Be
fümpfung ſchädlicher Inſekten ſo nützliche
Vogelwelt erleidet, weit überwogen. Wenn
man in neuerer Zeit da und dort zum
Zwecke des Bogelſchutzes Gehölze und Hecken
anlegt, ſo erſcheint die Beſeitigung ganzer
Baumalleen, die oft auf weite Strecken die
einzige höhere Vegetation und ſo für viele
Vogelarten die einzige Niſtgelegenheit und
den einzigen Unterſchlupf bilden, unbegreif-
lit. Bu den Aufgaben der für die Natur:
pflege beftellten Obmänner gehört es, id
von allen Vorgängen, die den Beftand der
Naturgebilde berühren, Stenntnis zu ver-
ihaffen und im Kalle drohenden Schadens
dem zuftändigen Landesausſchuſſe zu beriditen,
auch jelbit unverzüglich die erften Schritte
zur Abwehr einzuleiten. Auf dem bezeichneten
Bebiete wird nun vielfah Anlaß zur Be
tätigung gegeben jein. Sollte die Ent-
fernung von Bäumen, die die Felder in
bejonderem Mate jchädigen, fih nit um-
gehen lafjen, jo wird ın vielen Fällen jchon
durch einen Wechſel in der Baumart fich
Abhilfe Schaffen laffen, ohne daß eine Be-
jeitigung der Nllee Platz zu greifen hätte,
Den Behörden der inneren Bermaltung
obliegt die forderliche Unterftügung der Ob-
männer durch entiprechende Einwirkung auf
Bemeinden und Private. Someit Baum-
pflanzungen als notwendige Beftandteile der
Wege ericheinen, 4. B. zur Sıderung des
Verkehrs erforderlich find, iſt es nicht aus
geichlojien, daß ım Einzelfalle auflichlich
auf die Anlage oder Erhaltung der Baum:
pflanzungen bingewirft werden fann.
Denkmäler der Haingraiden im Pfälzer:
wald. Unter dieſen, die von Vrofeſſor
Mehlis jüngft feftaeftellt find, ift das be-
deutendfte eine zwiichen Kalmit (671 Meter)
und Gohe-Loog (622 Dieter) am oberen
Stlaufental in etwa 550 Meter Seehöhe
gelegene Felsplatte. Sie bildet die Süd—
wand einer fleinen Erojionshöhle und hat
3 Meter Länge auf 2 Meter Breite. Dieie
ganze Fläche ift mit Hunderten von Yahres-
142
zahlen, Signaculis der benadpbarten Hain—
geraiden und Figuren bedeft Die Jahres:
zahlen reihen von 1601 bis 1653. Auf
mehrfaches Erſuchen hat Profeſſor Meblis
mühevoll dieſe Felsbilder abgezeichnet und
ſie der Wormſer Fachmännerverſammlung
am 10. September vorgelegt.
Es geht zurzeit in der Pfalz ein lebhafter
Bug nadı Wiederbelebung der pfälziſchen
Wolfätradien. Zu deſſen Beitrebungen
gehört die GErforihung und Erbaltung
diefer Trachten. Es wird ihre vorläufige
Einführung geplant etwa in Billigheim,
Bergzabern, Bad Gleismweiler, Neuſtadt und
Bad Dürkheim. Ber den diesjährigen
„Kerwen” in der VBorderpfalz ſoll die Tracht
in weıtem Umfange neuerjtehen, u. a. auch
auf dem Dürfheimer Wurſtmarkt. Auch im
Weſtrich joll die Tracht neubelebt werden,
BZweibrüdfen und Raijerslautern haben in
diefem Gebiete der Pfalz mit gutem Ber
fpiel voranzugehen. Der Berein pfälzifcher
Künſiler und Aunftfreunde plant zur Unter-
hügung diejer Beftrebungen die Herausgabe
hiſtoriſcher Volkstrachtenkarten und eines
pfälz. Trachtenbuches in Farbendruck.
Zur Feſtſtellung der beſonderen heimat
lichen Grundlagen für.einen erſprießlichen
auſchaulichen Unterricht in den Sad: und
Sprachfächern ift, laut Negierungsverfügung
vom 17. d. Mis. die entfprechende Durd:
forſchung der eugereu Heimat (des Schul:
ortes, der Gemarfung und ihrer nächſten
Umgebung) durch den Lehrer in erdfundlicher,
naturfundlicher, geichichtliher und ethno-
graphiicher Dinficht erforderlih. Ym Inte
reſſe der nicht nur für die Schule, ſondern
aud für die Allgemeinheit wichtigen An-
gelegenheit liegt e$, wenn diefen Nach—
forfhungen nötigenfalld die Unterftügung
der gemeindlichen und ftaatliden Behörden
jowie der Vfarrgeiftlichkeit zugeteilt wird,
Bereit8 vor einiger Zeit wurde im
jog. Wallböhl eine neolithifhe Anficdelung
aufgefunden, die etwa 5 '« Kilometer öftlich
von Neuftadt und nördlich von Speyerdori
liegt. Bor furzem gelang ed nun, etwa
500 Meter öftlih (gegen Haßloch) eine
zweite derartige Siedelung aufzudecken. An
deren Stätte wurden rohe Steinmwerfzeuge,
viele Gefäßreſte, Pfeilſpitzen und Hütten»
bewurf blosgelegt.
Schreinermeilter Kiſt in Landau jchenfte
dem Weinmujeum in Speyer die hölzerne
Spindel der Zehnten-Kelter des ehemaligen
Kloſters Hornbach, die auf dem Meierhofe
in Godramftein ftand, Die aus Nußbaum-
holz gearbeitere Kelter ift nachweisbar falt
500 Zahre alt.
Die ald Wallfahrtskirche weithin befannte
Gräfiutaler Kapelle bei Bliesmengen feiert
in diejem Jahre das 100jährige Jubiläum
ihrer Wiederheritellung. Die Kapelle birgt
in einer Nifche das Grabdenkmal der Gräfin
Elijaberh v Kaſtel (geft. 1270) ; ein Marmor-
jarfophag rechts enthält die Gebeine der
älteften Tochter Anna des vertriebenen
Polenfönigs Stanislaus Leszinsky (geſt.
1717), dem u. a. auch die heutige Faſanerie
bei Zweibrüden gehörte.
Dr. Theodor Welſch, früher Pfarrer
in Hardt, ift am 18, Juni feinem Leiden
erlegen. Durch teftamentariihe Verfügung
bat der VBerftorbene der Stadt Neuftadt die
nad) ihm benannte Welſch'ſche Terrafle ge-
ſchenkt.
Das kgl. Bezirksamt Landau erläßt eine
diſtriktspolizeiliche Vorſchrift, wonach alle
baulichen Aenderungen an den Baudenk—
mälern Madenburg, Neufaftel, St. Anna»
fapelle, fgl. Villa Ludwigshöhe, Steges-
denfmal bei Edenfoben und Kropsburg
beionderer bezirfsamtliher Genehmigung
vom Standpunkt des Heimatichuges bedürfen.
Aus Heflen. Der Dentmalsrat des
Großherzogtums hat bezliglich der Erhaltung
von Bildwerfen (Muttergottes- und Heiligen-
143
ftandbildern) an Häujern angeordnet, daß
die Bejeitigung derjelben nur nad vor-
gängiger behördlicher Genehmigung ftatt-
finden darf, weil derartige Standbilder in
der Regel als Baudenfmäler im Sinne des
Geſetzes anzufehen find. Zweck der Ber:
ordnung ift, die der Kunſt und den Stand
bildern drohenden Berlufte in Fällen der Ber-
äußerung und Berichleppung nad auswärts
zu vermeiden
In Stuttgart hat fi in einer gut be
fuchten Berjammlung von Männern der
verjchiedenften Berufsfreife ein Württem
bergifher Buud für Heimarfhng konſtituiert.
Nah den Sapungen zieht der neue Bund
in den Kreis jeiner Tätigfeit den Schuß
der Natur, Schuß der Eigenart des Land—
ihaftsbildes, Schug der heimiichen Xier-
und Pflungenwelt, Schuß der aus früheren
Beiten überfommenen Werke, der über-
lieferten heimatlichen Beimeije, der ländlichen
Baumeije, der ländlichen Sitten und Tradıten
uſw. Die Sagungen wurden, nachdem nod
die Frage der Aufſtellung von Vertrauens»
männern in bejahendem Sinne erörtert
worden, im ganzen angenommen. In den
engeren geichäftsführenden Borjtand wurden
u. a. gewählt als 1. Borfigender Prof. Baul
Schmohl-Stuttgart, als ftellvertr, Borfigende
die Uninerfitätsprofefloren Dr. v. Lange
und Dr. Fuchs. Außer dem engeren ge:
jhäftsführenden Ausihuß wurde ein aus
etwa 100 Mitgliedern aus dem ganzen
Land beftehender erweiterter Borftand durch
Buruf gemählt.
Indufrie und Berkehr.
Pfälzifhes Baumaterial am Reichstags:
ebäude iu Berlin. Kürzlich war in den
eitungen darauf bingemwiejen worden, daß
am 9. Juni 25 Jahre jeit der Grundftein-
legung des Reichstagsgebäudes, deffen Bau:
foften mıt rund 24 Millionen Markt aus
der franzöfifchen Sriegsentihädigung be:
ftritten wurden, verfloffen find. Uuch für
die Pfalz befigt diefes Jubiläum ein ge
wifles Syntereffe, da zu dem aus den ver-
ihiedenften deutſchen Gauen bezogenen
Baumaterial unſere „Iteinreihe” Heimat
ebenfalls ihren Anteil beigefteuert hat.
Im Innern des Baues, wohlgemerkt nicht
an den Fronten, ift nämlich für die Süd-
und Nordvorhalle der grünlic-graue Sand:
ftein aus dem Wotliegenden von Bayerfeld
im Alſenztal zur Verwendung gelangt.
Diefer Umftand mag wohl dazu beigetragen
haben, daß der Bayerfelder Sandftein audı
an dem Aufbau der „Geologiihen Wand”
im Humboldthain in Berlin, welche weiteren
Streifen einen ungefähren Weberblif über
die geologifchen Berhältniffe Deutjchlands
und insbefondere eine ideale VBorftellung von
der Aufeinanderfolge der Schichten im Erd-
144
—
innern geben foll, mit einem eigens zu diefem | 5057 Wrbeiter, in 7 Stonfervenfabrifen 331
Zwecke zugerichteten Stüf Berückſichtigung
gefunden hat.') Dr. Häberle.
Die pfälziſche Juduſtrie beichäftigte
im Sabre 1908 in den Fabriken, Hütten:
werfen, Zimmerplägen, Baupläßen, Werften
nnd Biegeleien, Brüchen und Gruben 80625
Arbeiter und zwar 64305 männliche und
16 320 meiblide. Mit diefer Zahl ſieht
die Pal; an der Spike der jämtlichen
bayerijchen Regierungsbezirke, ihr zunächſt
fommt Mittelfranken mit 78 747 Arbeitern.
Die Zahl der Betriebsanlagen beträgt in
der Pfalz 2819. Gegen das Vorjahr if
in der Bahl der Arbeiter ein Minus von
faft 900 eingetreten, während die Bahl der
Anlagen fih um 56 gehoben hat Ber»
gleiht man mit der nunmehrigen Zahl den
Stand vor 10 Jahren, fo ergibt fi im
Jahre 1898 eine Arbeiterzahl von 77773
in 2284 Betriebsanlagen tätig — man fann
alſo getroft behaupten, daß die pfälzijche
Induſtrie tüchtig in ihrer Entwicklung fort
geſchritten iſt. Bieht man die einzelnen
Induſtriezweige in Betracht, jo waren be—
ihäftigt in 1 Saline 5 Arbeiter, in 7
Balz: und Hammerwerfen 1664 Arbeiter,
in 58 Betrieben der Induſtrie der Steine
und Erden 2101, in 183 Steinbrücden
und Steinhauereien 4935 Arbeiter, in 157
Biegeleien 3902 Arbeiter, in 6 Glashütten
853 Arbeiter, in der Induſtrie der Maſchinen,
Inftrumente und Apparate in 92 Betrieben
11353 Mrbeiter; in 32 Betrieben der
chemiſchen Induſtrie waren 8855 Wrbeiter
tätig, in 2 Bündholzfabrifen 181 Arbeiter,
in 2 Farbfabriken 109 Arbeiter, in 2
Thomasmehlbetrieben 19 Wrbeiter. Die
Induftrie der Seifen, Fette und Dele be
Ihäftigte in 39 Berrieben 378 Arbeiter,
die Tertilinduftrie ın 43 Betrieben 7181
Arbeiter, die Bapierinduftrie ın 25 Betrieben
1061 Wrbeiter. Die 88 Betriebe der Holz.
und Schnigftoffinduftrie hatten 4079 Arbeiter
nötıg, 14 Bürften- und Bınjelmadhereren 387,
In 128 Betrieben der Induſtrie der
Nahrungs: und Genußmittel waren 2482
Arbeiter tätig, in 3 Nohzuderfabrifen und
Zuderraffinieren 1683 Arbeiter, ın 114
Anlagen zur Unfertigung von Bigarren
. Bgl. bierüber die Anregung, auch im
———— Muſeum zu Speyer eine derartige
nd aufzuitellen. 3. Wald 1909 ©. %.
Arbeiter, in 17 ®etreidemühlen 52.1 Arbeiter
in 1 Bichorienfabrit 22 Arbeiter. Den
923 Vertrieben der Belleidungs und
Reinigungsgewerbe dienten 1153. Arbeiter,
6 Fabrifen der Nleider und Wäſchekonfektion
63 Arbeiter. Auf 47 Bimmerplägen und
anderen Bauhöfen waren 1244 Mrbeiter
tätig, in 31 Buchdrudereien und Schrift:
gießereien 853. Die 34 jonftigen Induſtrie
zmeige beichäftigten 671 Arbeiter. Außerdem
beftanden in der Pfalz noch 9905 Hand
werföbetriebe mit insgefamt 23812 Arbeitern,
4559 Arbeiter waren ferner ın Gruben
und unterirdiihen Gräbereien beſchäftigt,
jo dak ih für die Pfalz eine Gefamt
arbeiterzahl von 108996 Mann ergibt.
Die yfälziihe Sıeiubrudinduitrie bzw
Erdgerminnung weiſt folgende Zahlen auf:
Don 1890 ſank die Bahl der Oder: und
Rarberdewerfe von 18 auf 1, die Werfe
zur Gewinnung feuerfefter Tonerde von
87 auf 76. Bei legterer hatte ji in den
Bwifchenjahren eine Aufmwärtsbemwrgung bie
auf 124 geltend gemadt. Das einzige
3. Zt. beftiehende Schwerſpatwerk wurde
1905 vröffne. Die Zahl der Kaltfitein-,
Marmor: und Dolomitwerfe flieg von 35
auf 63, die der Sandfteinwerfte von 256
auf 266, der Bajaltbrühe von 2 auf 4.
Die Zahl der Granitbrüde beträgt 2, der
Melaphyr- und Porphyrbrüche 46, der
Quarzfandmwerfe 1. Im Jahre 1908 wurden
befchäftigt in den Deder- ꝛc.Werken 7
Arbeiter (fowie 20 Frauen und finder,
in den Tonerdwerfen 421 Yrbeiter (jomie
987), in den Schweripatwerfen 55 (180),
in den Stalfftein- und Dolomitwerfen 238
(607), in den Sandfteinwerfen 1819 Arbeiter
(und 5848 Frauen und finder), in den
Bafaltwerfen 26 (Öl), in den Granıtwerfen
12 (180), in den Melapbyr. und Vorphur-
werfen 1727 (4594) und in den Quarz-
fandwerfen 42, (und 47) zuſammen aljo
in den Werfen für nicht vorbehaltene Mine
raljubftanzen 4394 Arbeiter, jomie 12514
Frauen und Hinder ın 465 Werfen, wobei
aber nur die Privatwerfe gerechnet find.
In diefen Werfen betrug die abjagjäbige
Produktion 1908: 1) Oder und Farberde
250 Tonnen im Werte von 5000 Mt,
2) feuerfeite Tonerde 196836 Tonnen
1155980 ME. 3) Schweriput: 8200 Tonnen
— 145 —
49200 Mk., 4) Kalkſtein und Dolomit
130047 Tonnen 220 655 Mt., 5) Sandſtein
262929 Tonnen 1508017 Mk., 6) Bajalt
24870 Tonnen 39855 Mt., 7) Granit
67840 Tonnen 142334 Mt., 8) Melaphyr
und Borphyr 399 667 Tonnen 1141456 Mt.
und 9) Quarzſand 25475 Tonnen 99472
Mt. Wert, zufammen in 465 Werten
1116114 Zonnen im Werke von 4371960
Me. Die pfälzifche Steininduftrie ift, wie
diefe Zahlen zeigen, ſehr ausgedehnt, doc
ift die allgemeine Tage infolge auswärtiger
Konkurrenz, Zollverhältniffe ſowie des Aus—
ſchluſſes pfälzifcher Steine von öffentlichen
Gebäuden in Baden, Heffen und Württem-
berg ꝛc. nicht überall günftig.
Ein Tunnels-Doppelihraubenbost hat
die Firma Gebr. Pagel in Mannheim er-
baut, das unlängft feine erfte Probefahrt
von Mannheim nah Speyer unternahm,
die glänzend verlief. Das Schiff hat eine
Länge von 50 Meter, ift 8 Meter breit
und hat 900 Pferdekräfte. Gs ift aus:
geftattet mit den modernften Schiffsmaſchinen
der Majhinenbau-Aft.-Bej.-Mannbeim.
Der Berlehr auf dem Rhein. Cine
erfchöpfende Ueberfiht über die Schiffahrt
und Flößerei auf dem Rheine gibt der jo-
eben erichienene Jahresbericht 1908 der
Bentralfommiffion für die Rheinſchiffahrt.
Darnach beträgt der Gefamtverkehr auf dem
Rhein von Straßburg bis Amfterdam 658
Millionen Tonnen d. i. gegen 1907 1,3
Millionen oder 1,9 Prozent mehr. Im
Borjahre betrug die Zunahme 4,5 Millionen
oder 7,4 Prozent. Der wirtichaftliche
Nüdgang findet demnach aud hier präg-
nanten Ausdruck; dieſes umſomehr, als die
Boafferftandsverhältniffe im ganzen mefent-
(ih glnftiger waren, als im Borjabr.
Konnte doch die Großſchiffahrt faft volle
8 Monate betrieben merden gegen faum
6 Monate im Vorjahr. Der Rheinverfehr
wurde bemerfftelligt durch 11,077 Rhein-
fchiffe mit 31,610 Mann Bemannung.
Bon diefen Schiffen find 1318 Dampfidiffe
mit 295849 Pferdeſtärken und 9759 Segel-
ſchiffe und Schleppfähne mit rund 4 Mılli-
onen Tonnen Tragfähigfeit.e. Bon den
Dampfichiffen ift die größte Zahl deutich
(632), von den Segelidiffen ift die größte
Zahl niederländiijh (4832), jedoh haben
die deutihen Segelſchiffe (2800) eine rund
500000 Tonnen größere Tragfähigkeit.
Bon den 1318 Dampfiiffen find 172
Räder- und 1146 Schraubenboote. 99
Dampfer dienen der Beförderung von
Berfonen und Gütern, 192 nur der Güter-
beförderung, 914 dem Schleppdienft und 45
verfchiedenen Zwecken.
Beimatlieder
von 8. D. Hoffmann (Bmeibrüden.)
Aus der Wefipfalz.
1. Im Erbufd.
Am dunflen Teich, tief in? bes Waldes Mitte,
Wie lieb’ ich's, dba im weichen Moos zu liegen,
u laufen auf des Waldes zage Tritte
nd auf ber Turteltaube ſcheües Fliegen!
S' iſt wie ein Märchen. Im Gerößre leiſe
Ein Luftchen flüſtert und die Halme ſinken;
908 oben zieht ber Turmfalt feine Kreiſe,
gſam nad) Süden ſchwindend meinen Bliden.
U. Abend im Heimattal.
Dämmerung fenft ihren Schleier
Sadt auf mein jtille® Tal,
Schon btintt im tiefen Weiber
Des erjten Sternes Strahl.
Nun mit des Windes Flüftern
Der legte Ton verweht
Unb ringsum durch das Düftern
Des Abends Schweigen gebt.
Da fhlafen alle Müben
Nah Tages Luft und Dual —
Und auch zu mir fommt Frieden
In meinem jtillen Tal.
IL Alter Weg.
ch geb’ die alte Straße,
te ich fo oft getan,
Und mit bertrauten Mugen.
Sieht rings mich alles an.
Wie ehemals eg bie Welten
m Tal ihr heimlich Lied
nd über den tau Wieſen
Der graue Nebel zieh
ch fomme am — ss
o Liebchen einit gewohnt,
Mit feinem fühen Sceine
Beleuchtets der goldne Mond.
Hoch jtehn’ die Sterne am Himmel
Und Balten ftille Wacht —
Und Mufit, —
Tönt fernher durch die Nacht.
— WW —
Aus dem Gebirg.
Morgen.
Biel Sternlein noch am Himmel blühen,
Da ſchon ber junge Tag erwacht
Und rings. die Berge all’ erglühen
In purpurgoldner Morgenpradit.
Die dunklen Tannen jteb'n und träumen,
Leis flüfternd in des Frühwinds Hauch
Uud über fernen Waldesfäumen
Schwebt fräufelnd, blau des Winter Rauch.
Berhallend tönt ein Schuß. Mit Rauchen
Segt durch's Gejtrüpp ein Bod vorbei.
Hell lacht ein Specht. Dann heimlich Rauchen
Und Hoc in Lüften Freift der Weih—
Literatur.
Boltslieder aus der Rheinpfalz. Mit
Singweiſen aus dem Volksmunde gefammelt.
Im Auftrage des Vereins für bayerifche Volks
funde herausgegeben von Dr. Georg Heeger
und Wilhelm Wüft. Band Il. Hofbud-
druderei Hermann Kayſer, Kailerslautern,
1909, Preis fein gebunden 3.80 4.
Vor acht Monaten erſchien der jehnlichft
erwartetel. Banddiejer Volksliederfammlung,
die fich feitdem die Herzen der Pfälzer nicht
nur erobert hat, fondern auch wegen ihres
Inhaltes und der wiſſenſchaftlich peinlich
genauen Bearbeitung als das Muiter einer
Volksliederfammlung anzujehen ift, bringt
die Fortiegung der Liebeslieder als Nr.
158b bis 294, dann Abjchieds- und
Banderlieder, Heimatlieder Nr. 245 -
385 und Nachklänge alter Tage und Wächter:
lieder, Fenſtergang und Ständcenlieder
No. 359 bis 378. Schon dies kurze Ber-
zeihnis mag beweiſen, wie reichhaltig auch
diefer Band if. Er ftellt vor allem den
Herausgebern Heeger und Wüft das
glänzendfte Zeugnis aus und bemeift, welch
glüdlihen Griff der bayerifche Verein für
Volkskunde tat, als er beide Kenner mit
der Sichtung, Ergänzung und Herausgabe
der gefammelten Schäge betraute.
Dr. Heeger hat in der Behandlung
de8 Tertes nicht nur gezeigt, daß er die
einschlägigen Schriftwerke gewiſſenhaft heran
zog und jo jedes Lied an feinen gebührenden
Platz jegte, jondern er hat es vor allem
verftanden den Kreis feiner Mitarbeiter
immer mehr zu erweitern. Das Mitarbeiter-
verzeichnis des I. Bandes ift ja ſchon ein
erfreulicher Beweis dafür, aber Heeger hat
immer neue heranzuziehen gewußt und wenn
man fo den ftattlihen Band von 310 Seiten
durchblättert, ftreift man im Geiſte durch
alle Gegenden der Pfalz und freut fi, daß
ed gar nicht wahr ift, was man immer
wieder behauptet, daß die Luft am Singen
der alten Lieder ſchwinde. Man jehe doch
nur, wieviel ſchöne Beiträge gerade unjere
Städte Ludwigshafen, Kaijerslautern umd
Pirmafens geliefert haben. Ya, e8 hat den
Anſchein, ala ob hier das Lied mehr blühe
als in unfern Landftädtchen, die fonft das
Alte treuer bewahren. Unter vielen Liedern
ftehen mehr als 40 DOrtichaften verzeichnet,
die das Lied fennen. Nah der Melodie,
die mit der erften Strophe dem Texte voran-
gelegt ift, fommen alle Abweichungen, die
zu erreichen waren, nicht nur in bezug auf
den Tert fondern auch auf die Weile, und
fo fünnen wir bier einen Blif tun in das
Leben des Bolfsliedes, das der Beränderung
unterworfen wird, bis e8 dem Untergange
anheim fällt. In diejer peinlich. genauen
Bearbeitung des/überreichen Stoffes Liegt
der hohe mwiljenfchaftlihe Wert der ganzen
Sammlung, auf die ftolz zu fein die Pfalz
alle Urjache hat.
Als wahre Fundgruben erwiejen ſich in
der Rheinebene außer Qudwigshafen die Orte:
Waldjee, Freisbach, Harthaujen, Weingarten,
Weſtheim, in der Südpfalz befonders Dahn,
Dinterweidenthal und Lemberg, im Weiten
Niefchweiler, Nünſchweiler, Heltersberg,
Eihenau, Adenbach, Ginzweiler und am
Donneröberg' Würzmeiler. Gefchriebene
Terte konnten fogar and dem 18. Yahr-
hundert beigebracht werden: das Lied 170:
„Dein falfhes Herz“ ift daher z. B. in
jeiner Entwidlung bis auf die neuefte Zeit
herauf vorgeführt. So bringt Heeger noch
oft ältere und mertvollere Belege als die
Sammlungen benadhbarter Ränder.
Wie die Liebeslieder oft von ergreifender
Bartheit find und dem Xejer, Hörer umd
Sänger fagen, daß hier nichts gemadhtes
im Gefühlsausdrudf ift, jo malen die zahl-
reihen Wanderlieder das Leben auf der
Walze oder die Heimkehr und ſelbſt die
munteren Fuhrmannsweiſen find noch nicht
verflungen, obwohl die Fyuhrleute ſchon
längft der neuen Beit gewichen find.
&o erinnern die Lieder‘ 359 a bis 378c
an die einst jo beliebten Tage- und Wächter:
lieder des Mittelalters, die felbft in geift-
liher Form in unfere Geſangsbücher ge-
drungen find und zum mertvollften Beftande
unferer Liederbücher gehören.
Eine Bolksliederfammlung "ohne Weijen
ift nur ein totes Buch; aber uniere Samm-
lung bat den großen Borzug in ihren Weijen
auch vollftändig und vollkommen zu jein.
Dies verdanft fie Herrn WB. Wüft, der
jeit Jahren unermüdlich beftrebt war überall
auf Wegen und Stegen, in Dorf und Stadt
den Tönen des Bolfsliedes zu laufchen und
fie in Noten feftzuhalten. Eine reiche Fülle
von ſchönen Weijen liegt in beiden Bänden
bor und, Wie vermag doch das Volkslied
gerade durch feine Töne den Feinheiten des
Gefühlsausdrudfes gerecht zu werden und
wie offenbart fi oft genug in den bon
Wüſt fo fiher aufgezeichneten Weifen jelbft
der Volkscharakter des Pfälzers!
Der Verein für Volkskunde, der mit
diefen Beröffentlichungen feine Schäße wieder
denen bieten will, die fie ihm gereicht haben,
bat mit der Herausgabe jeine hohe Aufgabe
erfüllt, er hat unjerm Volke gezeigt, daß
in feiner Tiefe reihe Schäße verborgen find,
die nur des Hebens harren. Dr. Heeger
und Wüſt find ſolche Schaggräber. Möchten
fie recht bald uns mir ähnlichem über-
rafchen. Th. Bin.
„Echte Volkslieder“ führt die von
Material und Anregungen zur Seimat-
kunde ftrogende Zeitſchrift „Deutsche Gaue“
(Herausgeber Kurat Frank in Kaufbeuren,
jährl. 20 Hefte 5 ME.) in Wort und Melodie
vor; Texte enthielt Band IX S. 14—32
und den größten Teil der Melodien, 19 im
ganzen bringt Bd. X, Heft 195/196, €.
259— 266. Man fieht, auch* „drüben“ be-
fteht gleiches Intereſſe altes Gold nicht ver:
loren gehen zu laſſen. Wer ſich in der Sache
näher unterrichten will, fann von uns das
Doppelheft leihweife beziehen. (D. Schr.)
„Bälzer Bigler“. Im Verlag von
147
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Herrn Wild. Marnet in Neuftadt a. Hdt.
Dıe weitaus meiften der Gedidhte find von
vornherein zum Bortrag an Herrenabenden
geichrieben, wo befanntlih nah Pfälzerart
beim Wein die Worte nit auf die Gold-
wage gelegt werden.. Einige Titel aus dem
Anhaltsverzeichniffe: „Fraa Knerzel in de
Abedeek“, „Die Mordtat mit de Struzel-
bichs“, „Die Jagobsfeier in Knowlochdahl“,
„De Sauhertjockel vun Otterbach“, „Die
Mainacht“, „Die Dunnersberger Baure-
maad“, „En Pälzer Wäldler als Hand—
werksborſcht“, „Herr Schutzmann Wubbdich“,
„De Biddel auf de Metzelſupp“, „Pälzer
Winzerſprich“ (Inſchriften der Ernſtſchen Ge⸗
mälde in der Dürkheimer Winzervereins⸗
halle), „Winzerlos”, „Die Biwel“, „Pfälzer-
maldgedichte” x. Für eine gejchmadvolle
Ausführung des Buches bürgt der Name
Marnet.
Leuchs großes Yandesabrehbud für das
Königreih Bayern. 1. und 2. Teil (16.
Auflage). Preis für ein gebundenes Erem-
plar 40 Mt. Berlag von C. Leuchs & Co.,
Nürnberg (Anh. Kommerzienrat W. Leuchs
und Georg Leuchs). Leuchs Adreßbuch von
Bayern ift nicht allein Hinfichtlich der An-
zahl der Drte (14900), fondern auch der
Adreffen wohl das vollftändigfte und zu-
verläffigfte einzige Spezialadreßbuch Bayerns,
68 enthält die Adreflen fämtliher Kauf:
leute, Fabrifanten, Gemwerbetreibenden aller
Art, Handwerker, Gutsbefiger, Apotheker,
Rechtsanwälte, Notare, Aerzte, Gaftwirte,
Kur, Heil- und Badeanftalten, Konfulate,
Staats ˖ und ftädtifchen Behörden, Berufs»
genoffenfchaften, Innungen und Bereine für
Induſtrie, Handel und Gewerbe aller Städte
und der Eleinften Gemeinden nach Regierungs:
bezirfen, Orten und Branchen geordnet mit
Angabe der Gerichtöbezirke, Bolt, Tele
graphen: und Eifenbahnftationen, Drts-,
Branden und Bezugsquellenregifter in zwei
ftarfen Bänden. Gin großer Vorteil des
Leuchs'ſchen Landesadreßbuches ift auch feine
große Ueberſichtlichkeit und feine Handlich⸗
keit, ferner der Umſtand, daß die Benutzung
amtlicher Quellen beim Sammeln des
Adreſſenmaterials eine abſolute Zuverläjfig-
keit verbürgt. J—
— WE —
Aleine Mitteilungen.
Die Heidenlod-Höhle am Königsberge,
x er. Höhle der Mheinpfalz, wurde
September von Touriften abermals
gründlich durchſucht, wobei Pechfackeln,
Grubenlichter und Seile verwendet wurden.
Unter Zuhilfenahme von großen Ötein-
bämmern murde das Geröll in dem nad)
unten führenden Felsſpalt fo zerichlagen,
daß ein Teil in die Tiefe ſank und dadurd
ein um etiwa zwei Meter tieferes Eindringen
der Höhlenbefucher ermöglich wurde. Es
wurde feftgeftellt, daß der Spalt bei etwa
vier Meter Tiefe eine Biegung macht, liber
die hinaus fein weiterer Verlauf bisher nicht
verfolgt werden fonnte, das Maujchen des
Waſſers? in der Tiefe war beim Anlegen
des Ohres an das Geftein wieder deutlich
hörbar. Es kann Touriſten, die bisher noch
nicht in den Feldgängen waren, nicht ge
raten werden, ohne genügende Borjichts-
maßregeln in die Höhle einzudringen. Bor
allem jeien einzelne Touriſten daver ge-
warnt. Da die Gefahr einer Geröllver-
ſchüttung nicht als ausgefchloffen gelten darf,
fo empfiehlt ſich die Aufftellung einer Sicher:
heitswache am äußeren Schlupfloch. Es
wird übrigens darauf hingewieſen, daß auch
* Nollen ſich Anzeichen von Höhlen finden,
z. B. an dem vom Zigeunerfelſen zum
Schöntal hinabführenden Felsgrat, der mit
großem Steingerdll überjchüttet ift.
Im legten Jahre find wiederholt Wild:
ſchweine geſehen worden. Zum letzten Male
wurde 1908 ein ſolches Borſtentier erlegt,
und zwar in der Donnersberger Gegend,
wo ein 240 pfündiges Wildſchwein zur Strecke
gebracht wurde. Es dürfte nicht allgemein
befannt fein, daß das Wildjhwein in der
Pfalz heute fat gar nicht mehr anzutreffen
ift, troß des großen Pfälzerwaldes, der zu
den größten deutichen Waldgebieten gehört.
Als Standmwild fommt das Tier feit. einer
Anzahl von Jahren nur no in dem an
der eljäffer Grenze gelegenen Bienmwald vor.
Die Schweine, die ab und zu im Innern
des Pfälzerwaldes geichoffen werden, wechſeln
vom Bienmwald herüber. Erſt jeit dem
Kriege von 1870 71 finder fih das Wild-
ſchwein in der Pfalz wieder ald Standwild.
Damals wurde diejes Wild durch die Kämpfe
in den Ardennen, wo es jehr häufig ift,
aufgefheudt und Hunderte von Schweinen
gingen über die Mojellinie, in die Pfalz
und deren Nacbargebiete. Infolge der
eifrigen Jagden auf Wildſchweine, die in
den beiden erften Yahrzehnten nad dem
deutfch-franzöfifhen Kriege ftattfanden,
wurden dann die Wildichweine mieder
jeltener.
Die Einführung einer Kagenftener
wünſcht der Vorftand des Bogeljhugvereins
für das Großherzogtum Heſſen; denn
mindeftend ein Drittel aller vernichteten
Bögel feien den Kagen zur Laft zu ſchreiben.
Die Kagenfteuer fei derart zu geftalten, daB
das Halten einer Katze nur eine mäßige
Steuer treffe, jede weitere Rage aber ſei
als überflüffig mit einer höheren Steuer
zu belegen. Die verjteuerten Katzen wären
durch ein Halsband zu fennzeichnen. Die
nicht gekennzeichneten Katzen hätten als
berrenlos zu gelten und dürften befeitigt
werden.
Am 18. Juli vormittags gingen an
mehreren Punkten der unteren Haardt ganze
Wolfen eined winzig Meinen geflügelten
Inſekis nieder. Die Tierchen, die fih als
eine kleine Blattlausart auswiejen, bededten
die Kleider von Spaziergängern und er-
ſchwerten teilmeife das Atmen.
Auf Antrag des Bad: und Salinen-
vereind Dürkheim, A.“G., wurde die arjen-
haltige Solquelle „Marbrunnen” als
Öffentlich benügte Heilquele im Sinne des
Artikels 20 des Waſſergeſetzes vom 23.
März 1907 erklärt.
nBalt: Der Butenbrunnerbof, ein vergefiener Badeort bei Trippitadt, von Dr. D. Häberle,
gebe, — Die Bentren bes pfälzifhen Viehhandels.
— Heimatkundliches. — Induſtrie und
erkehr. — Heimatlieder. — Literatur. — Kleine Mitteilungen.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — Hermann —— Verlag.
Kaiferslautern.
Für Form und Inhalt der Beiträge find bie Herren Berfafler verantwortlich.
(Unverlongte Manuftripte werde
— ñ —
jährlich in 12 Heften ME. 2.50. Beflelungen
Die „Bälgtite Helmattunde” Toftet
n nicht gurfdgefandt.)
werben bon allen Budibandblungen und
Softanftalten ferner vom Berleger (Bortofrtie Streifbandfendung) angenommen.
LU
Dezember 1909.
DEE
FPÄLZISCHE HEIMATKUNDE}
MONATSSCHRIFT
N
FMNANMRENCA:
FÜR SCHULE UND HAUS.
—
—
Ueber die angebliche vnlkaniſche Tätigkeit des Donnersberges
im Jahre 1729.
Bon Rech-Rat Dr. Häberle, Heidelberg.
Herr Prof. Dr. Mehlis hatte bei Be-
ſprechung meiner Pfälziſchen Bibliographie l.
im legten Jahrgang der „Heimatkunde“
©. 139 darauf hingewieſen, daß die von mir
gebrachten Literaturangaben Nr, 15a, 33a
und 37a über die angebliche vulfanifche
Tätigkeit des Donnersberges im Jahre 1729
vor etwa zwanzig Jahren jchon einmal in
einer pfälziichen Zeitſchrift (Pfälziſches
Mujeum?) Gegenftand einer Beſprechung
gewejen jeien und daran den Wunſch ge—
fnüpft, daß Jemand die betr. Stelle wieder
finden möge.
Bei meinen Literatur Studien zwecks
Fortführung der Pfälzifchen Bibliographie
(I: Landeskunde und II: Ortskunde) bin
ih nun im „Pfälziſchen Mufeum“, Nahrgang
1885 ©. 19 - 20 wirklich auf den betreffenden
Auffag geitoßen. Er ftammt von Archiv:
rat Dr. A. Kaufmann in Wertheim a. M.
und gibt die von mir erwähnte Erzählung
de8 unter dem Pſeudonym Megaliffus
ſchreibenden Jenenſer Brofejlors Georg Litzel
wörtlich wieder. Dieſer Reiſende berichtet
nämlich in ſeinem 1731 zu Jena gedruckten
Werkchen „Der undeutſche Katholik“ als
große Neuigkeit, „daß auch wir in Deutſch—
land einen feuerjpeyenden Berg wie den
Veſuv haben, von dem er fonft noch nichts
gehört hätte? und gibt hiervon folgende
Schilderung: Am 1. Mai 1729 kamen wir
auf der Reife dur die Pfalz nad Helen
abends nad) Rheintürfheim, wo wir rafteten.
„Wir jahen von ferne ein großes Lichte und
Funken in die Höhe fteigen, die bald ab-
bald wiederum zunahmen. Wir fonnten,
weil wir etlihe Stunden davon entfernet
waren, nicht abnehmen, was joldyes eigent-
lich fein mödte. Es jchiene uns ein Dorf
zu fein, weldjes im Teuer aufgebet.
Und wir waren in diejen Gedanken,
bis der Wirt, bey dem wir einfehrten, uns
ein anderes lehrete. Er fagte: es wäre
der Donneräberg, welcher das ganze Yahr
dergleichen Feuer auswerfe, doch zu gemiljen
Beiten mehr als jetzo. Er fügte verjchiedene
Graählungen bey von allerhand jeltfamen
Begebenheiten, die aber alle auf Fabeln
binausliefen. Zum Grempel meldete er,
daß ein fehr reiher Schag an Gold und
Silber dafelbft verborgen liege;!) ein ge»
wiffer Fürft habe vor Zeiten denjelben
wollen aufſuchen laſſen. Die Leute, jo er
dahin abgeſchicket, haben in der Höhle des
Berges einen Tiſch angetroffen, an welchem
vornehme Herren in jehr koſtbaren Kleidern
geiellen und Geld gezähle. Weilen aber
einer von den abgeordneten Männern ge-
redet, waren die Herren verſchwunden und
') Diefe Erzählung hat aud in Schöppners
Sagenbuch der bayerifhen Lande, 3 Teile,
Münden 1852/55 Aufnahme gefunden,
= 10 —
ſey der Tifch fammt dem Gelde tief in die |
Erde verjunfen. Bon jelbiger Zeit an habe
der Berg zu rauchen und euer auszumerfen
angefangen. jedermann wird dieje Er-
zählung für fabelhaft anjehen, indefjen ift
dod; an der Wahrheit des feuerjpeyenden
Berges nicht zu zweifeln... . Bey an-
brehendem Tage reifeten mir meiter fort
und mußten unfern Weg an dem Berge
vorbey nehmen, wohin wir auch gegen neun
Uhr kamen und einen heftigen Dampf und
Rauch, wie dife Wolfen, auffteigen jahen,
weilen die Sonnenftrahlen verhinderten. baß
wir die auffliegenden Funfen nicht jehen
fonnten. Es ift aber diefer Donnersberg,
welcher nicht weit von Darmjtadt gegen den
Rhein liegt, mehr ein Gebirge als eın Berg
zu nennen, weil viele hohe und breite Berge
aneinanderftoßen und zulammenhängen.”
Diefen merkwürdigen Bericht hat nun
ihon im Jahre 1783 M. E. Collini?) fritifch
beleuchtet und nachgewieſen, daß die topo-
graphiihen Angaben und die Beichreibung
des Reiſeweges mit den tatjächlichen Ber-
bältnifjen direft im Widerſpruch ftänden.
Zur Entſchuldigung der Reiſenden nimmt
er an, daß vielleicht der Gaftwirt zum Scherz
„einige Haufen Holz, aus denen man auf
dem Berge Stohlen brannte, für einen Bulfan
ausgegeben hat“. Auf der andern Seite
hält Collini e8 aber auch nicht für un-
möglich, da „diejes Feuer von irgend einem
Berge herrühren fönnte, welcher Steinfohlen
enthielt, die ſich nach der Beichaffenheit der
äußeren Quft von Zeit zu Zeit entzündeten.
Es ift jedoch die Urt, wie das Feuer in
diejen Bergen brennt, den Wirfungen eines
wahren Bulfans im geringiten nicht ähnlich
und man würde ſehr unrecht gehandelt haben,
wenn man diejen vorgeblichen deutſchen Vul⸗
fan mit dem Bejuv hätte vergleichen wollen“.
) M. C. Collini. geb. 1727 zu Florenz geit.
1806 in Mannheim, Freund und Gefretär
Boltaires, feit 1759 Direftor des naturmiflen-
ichaftlichen Gabinets In Mannheim und Mitglied
der dortigen Ufademie, befannt als Berfarfer zabl«
reicher geologifch-tehnologischer Schriften: Be:
trachtungen über die bulfanifchen Berge. Bor:
elejen in der hurfürjtlihen Mannheimſſchen Ge—
Peufchaft ber Wiſſenſchaften den 5. November
1781. Aus dem Franzöſiſchen überfegt. Dresden
173 S. 91— 101: Fünftes Kapitel: Bon
einem Bulfane welcher vor fünfzig Jahren um
bie Ufer des Rheins in der Nähe von Worms,
Darmijtadt und Rheindürkheim gebrannt haben foll.
Anjtatt aber der Sache direft auf den
Grund zu gehen und an Ort und Stelle
nachzuforſchen jchreibt Collini zum Schluß:
„Rimmt man nun aud endlih an, daß
diejed ein wahrer Bulfan gemefen jei, jo
will ich anderen die Mühe überlaffen, den
Berg nad) den in dem fleinen Werfchen an:
gegebenen Umſtänden aufzuſuchen“.
Es jragt ſich nun: Was mag der Stern
diejer merkwürdigen Erzählung fein? Daß
damals der Donnersberg feine vulkaniſche
Tätigkeit entfaltet hat, bedarf wohl feiner
bejonderen Begründung; ſchon Eollini Hätte
ih dies fagen müjlen, wenn er fi der
Mühe unterzogen hätte, den Berg zu be:
gehen: in unjerem Klima Fönnen nad 25
Jahren die Spuren eines ſolchen Natur:
ereignifies nicht vollfiändig verſchwinden.
Ueberhaupt iſt es fraglid, ob noch in
biftorifcher Zeit im Nheingebiet ein vul—
kaniſcher Ausbruch ftattgefunden hat. Zim—
mermann ift zwar geneigt, auf Grund einer
viel umjftrittenen Stelle des Tacitus (Ann.
LXIII, cap. 57) für das Jahr 59 n. Ehr.
einen ſolchen in der Eifel oder in der Nähe
des Laacher Sees anzunehmen, doc jcheint
es ſich damals um einen Moor- oder Haide-
brand gehandelt zu haben.?)
Eine ähnliche natürliche Erflärung müſſen
wir wohl auch für die vom Donneröberg
bejchriebene Erſcheinung ſuchen; fie ganz als
„Wirthausbären” aufzufaffen, wie Oberberg-
direftor dv. Gümbel an der von mir citirten
Stelle des „Pfälz. Muſeums“ meint, halte
ih ſchon deshalb nicht für angezeigt, da
Prof. Litzel als zuverläſſiger Gewährsmann
die Erjcheinung an zwei aufeinanderfolgenden
Tagen beobadtet hat. Wenn Raud und
s) Hieran fnüpft fi eine umfangreiche Lite
ratur. Bgl. 3. B.: . Nöggerath, Tacitus
und bie rheinischen eriofcenen ulcanc. „Aus:
land“ 1868 ©. T54— 760. - 8.9. Zimmermann,
Nochmalige Erörterung der Frage: Gibt Tacitus
einen biftoriichen Beweis von vnleaniſchen Erup:
tionen am Niederrhein ? N. Jahrbuch Für
Mineralogie, 1853 S. 557—553 und die Er-
widerung hierauf don 13: 3 ———— im „Aus⸗
land“ 1869 S. 263 H., Die faino:
Be Buitane gr und unſere
ultantbeorien, Naturw. Wochenſchrift, R. Kolge
VII. 1908 Nr. 49 S 769— 777. — Bericht über
die geolog. Erfurfionen der deutjchen Geologiſchen
Geſellſchaft nach dem Rodderberg bei Rodandseck
und nad * Laacher See, Tagung im Auguſt
1 — 33 —
“ - —
— 151 —
Feuer damals nad; Angabe des Wirtes das
ganze Jahr zu fehen waren, müßte man
mit Gollini an den Betrieb von SKohlen-
Meilern denken; Dr. Kaufmann hielt eine
durch einen Waldbrand veranlakte Myſti—
fication der Reiſenden nicht für audge-
ſchloſſen.
Letztere Erklärung dürfte wohl
am meiſten für ſich haben. Möglicherweiſe
beftätigt, wie bereits Dr. Mehlis in der Be-
ſprechung hervorgehoben hat, der Name
„Gebrannter Berg“ für einen Ausläufer
des Donnersberges in gewiſſem Sinne dieſe
Annahme.
Ber Limburg⸗-Aürkheimer Waldprozeß
Bon Dr. C. Mehlis.
Einer der älteſten Prozeſſe Deutſchlands
dreht ſich um Beſitz und Nutznießung des
an der mittleren und oberen Iſenach in
der Rheinpfalz gelegenen Limburg-Dürk:
beimer Waldes. |
Urfprünglich umfaßte diefer das ganze
Waldgebiet vom Dfthange der Haardt im
Diten bis zur Wafferfcheide zwiſchen Speyer-
bad, Leinbach und Lauter im Weſten, von
der das Iſenachtal im Süden umjchließenden
Firft bis hinüber zum Leininger Tal (j.
Ganerbenwald) u. enthielt ca. 30000
Morgen. Allmählich riß fi nach einge:
tretenen Begünftigungen von Seiten der
bte von Limburg eine Reihe von Wald:
itreden von deſſen Dberhoheit los, To das
Gebiet an Hartenburg, von Frankenſtein
als Limburger Lehen, die große und die
fleine Ganerbe zwijchen mittlerer Iſenach
und oberer Eckbach als kleinere Mark:
waldungen von Drtichaften, die am Dft-
bange der Haardt liegen, ebenjo z. T. das
Heidenfeld, gelegen zwiſchen oberer Iſenach
und Glasbad) (vgl. J. G. Lehmann: Das
Dürfheimer Thal F. 5i—52, ©. 151,
ren: Beichreibung des Rheinkreifes, 2. Teil,
&, 4117—478).
Was ſpäter und jetzt als Limburg-Dürf-
heimer Stiftswald bezeichnet wird, liegt im
Ganzen ſüdlich und weſtlich der Iſenach mit
Einſchluß des Heidenfeld d. h. geographiſch
rechts der Iſenach. Nördlich d. h. links
der Iſenach liegen nur die Walddiſtrikte
Ringmauer und Teufels Stein, welche an
den Rallftadter Gemeindewald, ſowie weiter
nad Weiten zu an den Hartenburger Staats»
wald angrenzen. Seinen Höhepunft bildet
im Südweſten des gejchlojfenen Waldgebietes
der 570,2 Meter hohe Drachenfels, der
deshalb vom Volksmunde „Hohberg“ genannt
wird. Im Norden war urjprünglid der
Rahnfels mit 515 Meter der höchfte Punft-
jegt ift e8 Strummes Eck 447 Meter, gelegen
1 Silometer füdweftlih vom Wattenfteiner
Häuschen, auf dem Kamme zwifchen Scheidt,
thal, der Nordweftgrenze des Limburg:
Dürfheimer Waldes, und Cafparthal (vgl.
Rau und Ritter: Hift. Karte der Rhein:
pfalz und Sarte des Pfälzerwald Vereins
von H. Kohl BI. 4).
Beftanden find dieſe Hocflähen und
BWaldteile jegt am DOftrande mit Kiefern,
im Verein mit Buchenhochwald, an einzelnen
Stellen mit Eichen und Fichten. — Noch
im 18 Jahrhundert bot die Vegetation im
Gebiete der fogen. „Hohberge* (= Draden-
fels, Stütter Kopf, Stütter-Berg ; nordieft-
(ih von legterem lag bis in die 30er Jahre
des vorigen Jahrhunderts der aus einem
halben Dugend Wohnhäufern beftehende
Stütterberger Hof; vgl. Mehlis: Der
Dradenfels 1. Abteilung ©. 8 Anmerk. 7
und „Plan de la Föret indivife de Lim⸗
bourg Dürkheim“ 1799 im Mufeum zu
Bad Dürfheim) das Bild eines Urwaldes
dem Beſucher dar, mie der Erbprinz von
Leiningen vom Jahre 1793 berichtet (vgl.
Lauterborn: Ein Begetationsbıld des Pfälzer-
waldes aus dem 18. Jahrhundert, ©. 15
bis 21). Eichen, Kiefern, Ahorne, Hain»
buchen, Rotbuchen und Aſpen bildeten bier
Hodhmaldungen, die von Jungholz durch:
zogen waren.
Bon Welt nah Oft mißt der jegige
Limburg. Dürfheimer Wald 15 Kilometer,
von Rord nah Süd (Iſenach Uriprung bis
zum „Schud”) 10 Stilometer.
Nah 2. von Maurer bildete dies Ge—
biet urfprünglich eine eigene Mark bezw.
eine chattifchfräntiihe Markgenoſſen—
haft an welcher „Edle, Briefter und die
ganze Gemeinde” Anteil hatten, (vgl. Ge»
— 12 —
ſchichte der Marfenverfaffung in Deutſchlund,
S. 296 —-304 und Urkunden von 1480 und
1515 ©. 303 Anm. 95). Dieſe war ein
Teil der „Silva Bojagus“, die zur Mero:
vinger- und Sarolingerzeit als Königsforſt
galt (vgl. Gregor von Tours 10. 8. 10 K.),
bon den fpäteren Rönigen aber größenteils
verſchenkt und verlehnt wurde.
Nah Gründung der Benediftinerabtei
Limburg durch König Konrad II. i. J. 1030
(10257), gingen die Waldrechte der Salier
auf den Abt diejes Stiftes über, welcher
fi) Befig und Nugung mit der Gemeinde
Dürkheim teilte, die al8 Thuringeheim im
Jahre 946 zum erften Male urfundlid er
ſcheint und mohl als eine Niederlaffung
angefiedelter Thüringer zu betrachten ift.
(Bgl. %. ©. Lehmann: Das Dürfheimer
Thal ©. 3, Frey: Beichreibung des Ahein-
freifes, 2. Teil, S. 388— 389; ferner die
neuefte Schrift des VBerfaflers: Beiträge
zur Gejchichte der Marfgenofjenichaften und
der SHaingeraiden im Mittelrheingebiete,
1, Abteilung a. m. ©t.)
Sahrhunderte lang beftanden zwiſchen
den drei Beftandteilen der Märker: Edlen,
d. h. den Bögten Über Dürkheim, dem
Grafen von Zeiningen, ferner den Aebten
von Limburg, und endlid der Ge
meinde Dürfhbeim, wozu ſpäter die
Siedelungen St. Grethen und Seebad) ge
hörten, Streitigkeiten über „Wald, Wafjer
und Waydt“
Endlih, Mitte des 15. Jahrhunderts
twurde,, der Rat der Acht”, der jog. „Achter“
(auch „Aechter“ genannt) eingeſetzt, welche für
Wald, Waller und Waide „Ainungen“ feft:
jegten. In eigenen „Aechterblichern” wurden
ihre Beichlüffe niedergelegt. (Archiv zu
Bad Dürkheim). Im Jahre 1482 murde
von dieſen eine eigene Waldordnung feit-
gefegt (vgl. Maurer a. DO. ©. 300 und
305). Im Sabre 1574 wurde die Nbtei
Limburg von Kurfürft Friedrich III. fäfulari-
fiert, und jämtliche Rechte der Abtei gingen
an Kurpfalz Über, welche diefe in be:
drüdender Weife ausübte (vgl. %. ©. Leh—
mann a. O. ©. 54—55). Zwiſchen dem
Kurverweſer Herzog Kohann Kafimir und
der Gemeinde Dürkheim wurde hierauf nad
Klagen der legteren im Jahre 1580 eine
neue „Einung“ feitgejegt, die nebſt der
Limburgiichen Wald-Rottel die Grundlage !
der Behandlung des Limburg-Dürfheimer
Gewäldes gebildet hat (vgl. %. &. Lehmann
a.D. S. 55-57). Im Jahre 1733 wurde
für den gemeinfamen Wald zwilchen den
Aechtern und dem fkurfürftlicden Stifts-
ichaffner eine neue Waldordnung vereinbart,
melche feither zur Richtichnur bis zur fran-
zöſiſchen Revolution diente (vgl. %. ©. Veh:
mann a. D. 73.) Letztere brachte im Jahre
1795 die Berteilung der Fürſten von
Leiningen und jpäter die Ginverleibung
Dürfheims an das franzöſiſche Departement
du Mont Tonnere, Unter diejer Regierung
wurde ım Sabre 1799 eine Teilung des
bisher gemeinfamen Waldes geplant, nad)
der das Los A 2955,09 Heftare, das Los
B 2848,28 in Summa 5803,34 SHeftare
umfaffen follte. Diefer „Plan“ liegt. im
Muſeum zu Bad-Dürfheim, Als Dies
Departement im Jahre 1816 aufgelöft
wurde, und Dürkheim an das Königreich
Bayern fam, verlangte das bayeriiche Aerar
ale Nechtönachfolger der Kurpfalz Die
Hälfte von Grund und Boden bes Lim—
burg: Dürfheimer Waldes für fih, Zwiſchen
Staat und Stadt entitand dann ein
langwieriger Prozeß, der erft im Jahre
1865 entichieden wurde. Dürkheim wurde
am Inſtanzenwege vom Fiskus damals ge
hindert. Demnach find Staat und Stadt
zu gleichen Teilen Befiger von Grund umd
Boden und teilen fich gleihmäßig in die
Erträgniffe und die Koften.
Gegen die beiden Beliger ftrengten die
Gemeinden St. Grethen und Seebad,
welche im Limburg: Dürfheimer Walde be:
rechtint waren und zwar als Hörige der
Klöſter Limburg und Seebad; (vgl. Frey
a. D. 2. T. ©. 450 - 451, 494 und 496;
%. ©. Lehmann a. D. ©. 163, 157- 158), .
einen Entjhädigungsprozeh für das
vorenthaltene Bau- und Nutzholz an. Dieje
Anfprüce wurden im November 1909 ver:
beichieden. Die „Pfälziihe Volkszeitung“
meldete darüber Folgendes:
„Branfenthal, 4. Nov. Heute wurde
in dem bei der Zivilfammer des hiefigen
Landgerichts anhängigen, wohl älteften
Prozeß Deutſchlands, dem jogen. Pim-
burge Dürkheimer Waldprozeh, die
Entſcheidung verfünde. Die Gemeinden
Grethen und Seebad) klagen gegen die Stadt:
gemeinde Dürkheim und das gl. Bayerische
— 13 —
Herar, nahdem eine Klage auf Schaden: | 2140 Morgen an der oberen Iſenach nicht
erfaganfprüche für die Zeit von 1819 bis
1849 durch alle Inftanzen abgewiejen worden
ift, für die Zeit von 1849 bis 1887 auf
Scadenerjaganfprüdhe in der Höhe von
über 500000 Markt. Heute wurden nun
die Beklagten, nämlich die Stadtgemeinde
Bad. Dürfheim und das Kgl. baberijche
Aerar, unter teilmweijer Abweifung der Stlage,
verurteilt, ald Gejamtichuldner zu zahlen:
17117,51 Mark ſamt Binjen aus verjchie
denen Beträgen und für verjchiedene Beiten
an die Gemeinde Grethen und 5705,84
Mark jamt Binjen aus verjchiedenen Be-
trägen und für verfchiedene Zeiten an die
Gemeinde Seebad. Bon den ermachjenen
Koften Haben zu tragen: Die Gemeinde
Grethen neun Sechözehntel, die Gemeinde
Seebad drei Sechszehntel und die Beklagten
vier Secjszehntel. Aus der Koftenent-
Iheidung ift zu entnehmen, daß die flagen-
den Gemeinden mit ihren Anſprüchen zu
drei Bierteilen unterlegen find.
Mit diefer Enticheidung, die der Stadt-
rat zu Bad Dürfheim angenommen hat,
find die mindeftens fünf Jahrhunderte lang
andauernden Streitigkeiten um Befig und
Nugung des Limburg: Dürfheimer Mark—
mwaldes endlih zum Abſchluß gekommen,
wenn nidt aud andere Gemeinden, fo
BWeidenthal und Franfenftein die Streitart
ausgraben werden. Der nahezu 15000
Morgen enthaltende Limburg-Dürfheimer
Wald, mobei das fogen. Herdenfeld mit
eingerechnet ift (vgl. J. ©. Lehmann a. D.
S. 151 und 51—52, Frey a. DO. 2. Teil,
S. ATT— 478), unterfteht in feiner Ber»
waltung den zwei Kgl. Bayer. Forſtämtern
zu Hartenburg und ranfenftein, ſowie der
Baldfommiffion der Stadt Bad- Dürkheim,
Berechtigt zu Bezügen von Bau, Nuß-,
Raff und Lefeholz, jowie von Streumerf,
find die Gemeinden St. Grethen und See
bad. Am „Heidenfeld” find außer Dürk—
heim 13 benachbarte Gemeinden beteiligt. —
Das ift da8 Ende der uralten früheren
Limburg: Dürkheimer Mark und Marfge-
noſſenſchaft!
Durchläuft der Prozeß der Gemeinden
St. Grethen und Seebach contra Staat
und Stadt vorausſichtlich auch noch zwei
Inſtanzen, fo werden dieje an dem erft-
richterlichen Urteile faum etwas ändern, da
die Urfunden- und Aftenprüfung bei legterer
Berhandlung ſchon ftattgefunden hat. Aus
diefen Streitigkeiten um „Wald, Waller und
Waid“, die ein halbes Yahrtaufend ange»
dauert haben, erfieht man die Wichtigkeit
aller Grenz» und Befigaltertiimer, wie
Grenzfteine, Kreuze, Inſchriften,
Sapellen u. fonftiger Denkmäler uſw.
Leider werden folhe „Altertüm er“ mehr-
fach bei uns verfauft, verfchändet und zer-
ftört; fo 3. B. viele alte Grenzmarfen.
Diefe im Stand zu erhalten, ift nicht nur
Aufgabe der Landeskunde, fondern
Pflicht der Waldeigentümer.
Mom pfälzifchen Gewäller.
Untere Lanter, (Juli), Eine Freude
ift e8 zu beobadten, wie aus dem Glan
des Öftern in größeren Bügen die Fiſche
in die Lauter einjtreichen, um diejfen Bad
zu bevölfern. Doh muß es den freund
des Fiſchereiſportes mit Unmut erfüllen,
wenn er die Wahrnehmung machen muß,
wie dieje Umzüge von Fiſchen gehemmt,
ja die vorhandenen Fiſche in großer Zahl
durch Einfließen von Säuren in den Bad,
wie diejes vor einiger Zeit in erheblichem
Maße feitgeftellt werden fonnte, getötet
werden. Zu Hunderten fonnte man die
Fiſchleichen Fleinerer Ziere auf dem Waſſer
find in Menge zugrunde gegangen. Ganz
abgejehen davon, daß dem Fiſchereiberech—
tigten durch die auf dieje Weile getöteten
Fiſche ein beträchtlicher Schaden erwächſt,
ſo wird durch das maſſenhafte Abſterben
der Vermehrung der Fiſche jede Möglichkeit
entzogen und die Lauter, welche durch ihr
ohnehin wenig reines Waſſer das Eingehen
mancher Fiſcharten zu verzeichnen hat, als
fiſcharmes Gewäſſer wenig Verlockung zum
Fiſchſporte bieten.
Eine Großfirma in Frankfurt a. M. be»
abjichtigt, im öſtlichen Teil des Pfälzer:
waldes die Forellenzuht in großem Um-
ihwimmen jehen; aber auch größere Fiiche | fange zu betreiben. Sie ſetzt ſich 3. Zt.
— 14 —
mit den zuftändigen Forftbehörden in Ber:
bindung.
Bir erfennt man das Alter der File?
Es ift der Wiſſenſchaft nunmehr gelungen,
jo wird in der „Revue Maritime“ berichtet,
ein ficheres Hilfsmittel zu gewinnen, das
genaue Alter der Fiſche feitzuftellen. So»
wohl für die Fiſcherei wie auch Für die
Naturwiſſenſchaft ift dies von großer Wichtig:
feit, da fih damit genau das Wachstum
der Fiſche feftftellen läßt und zugleich der
Einfluß, den die Fiſcherei auf den Fiſch—
reichtum gewiſſer Meeresftriche ausübt; all’
das konnte bisher nur durch vergleichende
Methoden abgefhägt werden. Das Alter
der Filche läßt fih an den Dtolithen bes
ftimmen, jenen fleinen, knochigen Bildungen,
die im Gehörorgan beftehen. Die Otolithen
wachſen jedes Jahr; die neuen Teile find
dann heller und dunfeln erft mit der Beit
nad). Jährlich bilden fich zwei Wachstums:
ringe um die Otolithen; der eine ift heller,
der andere, der im Herbft und Winter ent-
fteht, dunkler. Sie laffen ſich genau unter:
icheiden, jo daß man nadı der Zahl der
Ningpaare das Alter der Fiiche ficher an:
geben fann,
In den vier letzten fahren mwurden in
Bayern 716 Fiſchteiche meu angelegt; von
1905 bis 1908 wurden 157 Wufterteiche
eingerichtet, wovon allerdings nur 3 auf
die Pfalz treffen gegen 39 in der Ober:
pfalz und je 27 in Oberfranfen und Mittel
franfen.
Ein bekannter Heidelberger Gelehrter
ıft zurzeit mit der Wusarbeitung eines
Planes zur Vermehrung der pfälziſchen
Gebirgsweiher beichäftigt.. Man erwartet,
daß jhon in den nädften SYahren
mit der Neuanlage von Weihern in der
Pfalz in jchnellerem Tempo als bisher fort«
gefahren wird,
Der Verein Aquarium Speyer hielt
fürzlich feine Hauptverfammlung ab. Nach
dem Jahresberichte befipt der Verein ein
Süßwaſſeraquarium mit 34 Glasbehältern,
drei Terrarien und einem Käfig für Fleine
Säugetiere. Die Sammlung erftredt ſich
auf die mittelrheiniihe Fiichfauna, be»
ſonders auf die Fifche des Rheines und
feiner Zuflüffe in der Pfalz. — Gemäß
der am Schlufje der Berfammlung erfolgten
Wahl gehören der Borjtandichaft für das
neue Bereinsjahr an Buchdrudereibefiger
Dieckert (Schriftführer), Kaufmann Hd.
Disque, Dekonomierat Hauter (ftellv. Vor⸗
figender), Gymnafialprofejlor Hildenbrand
(Borfigender), Kommerzienrat Karl Scalf,
Poſthalter Franz Sid (Rechner) und Ober-
leutnant a. D. Franz Belten.
Die Opfer des Rheins. Auf dem
deutichen Rhein ereigneten fih im Jahre
1908 im ganzen 213 Unfälle, gegen 233
im Borjahre. Schwere Unfälle famen 65
vor, wobei 36 Schiffe janfen (im Borjahre
20). In 4 Fällen verloren 7 Menſchen
ihr Leben und 1 WMatroje wurde ſchwer
verlegt (gegen 17 Tote im Jahre 1907).
Nach den Uferftaaten verteilt, entfallen auf
Elſaß Lothringen 32 (17), mit 2 gejunfenen
Schiffen, Bayern 8 (15) mit 1 gejunfenen
Schiff, Helfen 32 (24) mit 5 gejunfenen
Schiffen, 6 Toten und 1 Schwerverlegten.
Die ſchwerſten Unfälle famen in der
preußiichen Strede vor.
Das Jahrbuch des fgl. bayer. Hydro
techniſchen Bureaus, Abteilung der Oberften
Baubehörde im fgl. Staatdminifterium des
Innern, für das Jahr 1908 enthält über
das Gebiet der Rheinpfalz aud folgende
Angaben: Das Bureau gab u. a. Am
gaben ab über die Kanalifationsan-
lagen fRaijerslautern und Zwei—
brüden. Für beftimmte Bwede wurden
in fleineren Gebieten Grundwaſſerbe—
obadhtungen ausgeführt, u. a. bei Rohrbach
in der Pfalz. Die Waſſerbücher find für
ganz Bayern fertiggeftellt, nur für die Ge»
‚biete Rheinpfalz und Unterfranfen find fie
noch in Arbeit. Aus den Beobachtungen
über Niederihlag und Abfluß im Jahre
1908 find folgende charakteriſtiſche Aufzeich-
nungen für die Rheinpfalz bemerfenswert:
Die Rheinpfalz war neben Rhein
und Maintal daß einzige baye
rifhe Gebiet, das im Februar an
weniger als zehn Tagen Schnee
batte, während die anderen Gebiete min-
deftensd 15 Schneetage hatten. Im April
hatte die Pfalz, ebenfo wie die vorgenannten
anderen Gebiete und die Donauniederungen,
an feinem Tage ded Monats eine zujammen-
bängende Schneedede. Die Pfalz gehört
in dieſer Hinfiht zu den begünſtigtſten
Gegenden Deutihlandse. Im Yuli waren
die Megenhöhen in der Weſtpfalz geringer
als der Normal ⸗Durchſchnitt. Im Nuguft
wurden die größten Niederſchlagshöhen in
der Pfalz am 7. gemeſſen.
Im nächſten Jahre werden von pfäl«
ziſchen Botanikern eingehende Unterſuchungen
des Gebietes ſtattfinden, auf dem der Rhein
ehemals gefloſſen iſt. Dieſer alte Rhein—
lauf führt an Schifferſtadt vorbei, worauf
ſchon der Name hindeutet.
Triftbetrieh in der Pfalz. Anfang
November wurde im Grundſchlamme des
Speyerbaches unterhalb der Schneide—
mühle (zwiſchen Neuſtadt und Lambrecht)
ein etwa 2 Meter langes Stück Buchen:
ſtamm aufgefiiht. Wie ermittelt wurde,
handelt es fih um ein ſog. Trift—
holz. Das erinnert an den Xriftbetrieb,
der früher auf diefem Gewäſſer ſtattfand.
Schon vor langer Zeit, bis Ende der 60er
Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde auf
dem Speherbach Holz geflögt, das zumeift
in ein Meter lange Stüde gejchnitten war
und aus den Staatöwaldungen der Forft-
ämter Elmftein und Iggelbach ftammte.
Die Hölzer, die im Bade zutal geflögt
waren, wurden an bejonders hergerichteten
Tagerplägen herausgefiicht und aufgejchichtet,
Diefe Pläge wurden Holzhöfe genannt.
Das Holz wurde dann durch die zuftändigen
Rentämter verfauft. Der Preis des Holzes
betrug je nah der Qualität pro Slajter
6- 8 Gulden. In Neuftadt beitanden zwei
Lagerpläge. Der eine hieß „Unter den
Linden” und nahm das Terrain der heutigen
Lindenstraße ein, daX damals noch dem
Staate gehörte, der andere hieß Kohlplag,
welchen Namen er heute als öffentlicher
Play noch fühlt. Der Name Kohlplak
fommt daher, daß hier früher auch Holz
fohlen verkauft wurden. Weiter abwärts
beitanden Holzhöfe in Haßloch, Schiffer—
ftadt, Speyer und Franfenthal Dieſe
lagen an den veridiedenen Berzweigungen
und der Zriftfanal-Abzweigung des Speyer⸗
bachs, die unterhalb Neuftadt ftattfinden.
Die Holzhöſe wurden durch penfionierte
Militärs oder alte Forftaufjeher verwaltet,
die den Titel Holzhofverwalter führten,
Der ganze Triftbetrieb jtand unter Aufficht
von fgl. Zriftmeiftern Die Trift der
Hölzer fand lediglich durch das Fließen des
Waſſers ftatt, nur wo fi Hölzer anitauten
bezw. quer legten, madten Triftaufſeher
155
den Waflerlauf wieder frei. Ausgangs der
60er Jahre wurde der Triftbetrieb ein«
geftelt und ed begannen die Holzver⸗
fteigerungen im Walde, wie fie noch heute
üblich find. Bor dieſer Wenderung fand
eine gründliche Erneuerung der Holzabfuhr-
wege in den Wäldern ftatt,
Waſſerſchau in der Pfalz, Vom 2.—15.
Dftober fand eine Waſſerſchau am
Speyer- und Hochſpeyerbache ftatt,
die fi von Neuftadt aufwärts bis Fran
fenftein erſtreckte. Die Waſſerſchau hat er:
geben, daß eine Anzahl Aenderungen an
den Stauvorrichtungen nötig merden, be»
dingt durch das neue Waſſergeſetz vom
23. März 1907. Die Waſſerſchau wurde
durh das f. Hulturbauamt Neuftadt vor:
genommen, das jet Bericht über das Er-
gebnis an die k. Megierung jendet, die
daraufhin die nötigen Aenderungen veran«
laßt. Die Einwendungen beziehen fich zum
Teil auch auf unzuläſſige Berengungen bezw.
Beränderungen des Bachbettes. Im Herbft
d. 5%. foll auch noch eine Waſſerſchau des
Nehbadhes, eines Mündungsarmes des
Speyerbades, vorgenoinmen werden, der
oberhalb Qudwigshafen (bei Rheingönnheim)
in den Rhein mündet, Ebenſo von dem
Trifttanal, der bei Schifferjtadt vom
Rehbach abzweigt und nad Yambsheim-
Frankenthal zur Iſenach führt. Das
Mündungsneg des Speyerbaces ijt außer-
ordentlich kompliziert, da es Verzweigungen
zu andern Gewäſſern abjendet, die meift
Altrheinwaſſer benügen. Das gilt ins
beijondere vom Triftfanal Scifferftadt:
Frankenthal, der vollftändig im frühern
Flußbette des-Rheines verläuft. Die Aus:
führung des Wafjergeieges in dem unteren
Speyerbachgebiet ift daher außerordentlich
ſchwierig. Bemerkt ſei noch, daß mit der
amtlihen Waſſerſchau gerade am Speyer.
bad der Anfang gemacht wird, weil an
diefem Gewäſſer die meiften induftriellen
Niederlaffungen vorhanden find. Bei der
Waſſerſchau wurde auch die Verunreinigung
des Waflers durh Fabrikabwaſſer nad
dem Augenſchein und den Angaben der betr.
Induſtriellen amtlich feitgeftellt und darüber
an die Regierung Bericht erftatter. Die
Kommiſſion, die zur Vorbereitung von Maß-
nahmen zur Syernhaltung von unreinen
Fabrifabwällern aus dem Speyerbah am
— 16 —
2. Yuni d. J. gebildet wurde, arbeitet | oft eine ganz bedeutende, fo ftellt fich für Qu d-
parallel, hat aber rein privaten Gharafter. | wigshafen-Mannheim der Berfjonen-
Sie arbeitet nur an der Reinhaltung der | verkehr im Jahre 1908 auf 595483 Perſonen
Blußftrede Neidenfels-Haßloch und entftand | (1907: 569054), Gepädverfehr 3141400kg
aus dem eigenften Bedürfnis der am Bache (2622690 kg), Viehwagen 6165 (5634),
angefiedelten Induſtrie, die einerfeits reines | Güter 835 041310 kg (931236 720 kg),
Flußwaſſer zu Waſchzwecken uſw. braudt, | Kohlen 168470000 kg (163222000 kp).
andererjeit8 Abwaſſer in den Bad läßt, | In Marimiliansau paffierten die Brüde
was bisher den Buftand jchuf, daß faft | 185272 Berfonen (162333) und 473601440
jedes Werk über das Nachbarwerf oberhalb | kg Güter und Kohlen, in Speyer 68437
zu Magen hatte. Zur amtliden Wafler- | Berfonen (66153 Berfonen) unb 45 352650
ſchau ſei noch bemerft, daß das fgl. Hydro» | kg Güter und Kohlen, in Germersheim
techniiche Bureau in München gehört werden | 127634 Berfonen (111242 Perfonen) und
muß, wenn durd die Bermaltungdbehörde | 1308437400 kg Güter und Kohlen. Der
Maßnahmen im Sinne des Art. 40 des | Gejamiverfehr der 4 Brüden betrug aljo
Waſſergeſetzes getroffen werden. 976826 Berjonen und 2830903800 kg
Der Rhein ift feine Grenze, das zeigen | Güter und Kohlen. Der Geſamtaufwand
am beften die Ergebnifle des Verkehrs über | für die Häfen diefer Orte betrug in Yud-
die vier Brücken, welche die Pfalz mit dem | mwigshafen 522 728Mf., Speyer 12504 Mt.,
gegenüberliegen’en Baden verbinden. Die | Marimiliansau 471 Mk., Germersheim
Steigerung in dem legten Jahre allein ift | TTO ME,
Die Jahresverſammlung der Bollichia
war eine der größten und bedeutungsvollften, | Heimat befchloffen hatte! Stellte jhon der
welche diejer Verein jeit feinem Beitehen | Berfammlungsjaal durch die mohlgelungene,
zu verzeichnen hat, und bildet einen Mark» | markante Büfte Neumayerd (von wBrof.
ftein, einen Ehren: und Freudentag derjelben. | Stolz.Haijerslautern), umgeben von frijchen
Das hat auch der jegıge langjährige nnd | Lorbeer- und PBalmbäumen, Yucca und
hochverdiente Borftand, Studienrat und | Dracänen, den Mittelpunft der Feier äußer-
Rektor Roth, in feinen Begrükungsworten, | lich lebendig vor Augen, jo erhöhte diejen
worin er der drei im Jahre 1909 aus dem | Eindrudf noch ganz befonders die nad Form
Leben gejchiedenen langjährigen Mitglieder, | und inhalt treffliche, aus warmem Freundes»
des Ehrenpräfidenten Georg vd. Neumayer | herzen geflofjene Feſtrede des Profeſſors
Erzellenz, Gutsbeſitzers W. Schellhorn Wall- | Dr. Günther, indem er in einftündiger
billich und Lehrers U. Lingenfelder, gedachte, | Rede die geiftige Geftalt und Lebens.
zu erkennen gegeben. Schon die Mitglieder» | arbeit Neumayers vor dem Auge der
verfammlung war fo zahlreich bejucht, wie | Berfammelten vorüberziehen ließ. Georg
feit langer Zeit nicht; aber noch zahlreicher | Neumayer, 1826 in Kirchheimbolanden ge-
war die allgemeine Berfammlung, zu welcher | boren, bejuchte die heimatliche Lateinichule
fi) Damen und Herren aus nah und fern, | und darauf das Gymnaſium in Speyer,
unter ihnen auch Juſtizrat Neumaher aus | wo er, außer einer guten bumaniftijchen
Karferslautern einfanden. Sie zeigte, daß | Grundlage, als für ihn wichtigſte Aus-
die Erichienenen eine hervorragende Perſön- ftattung für jeine fpätere Tätigfeit durch
lichkeit ehren wollten! alt doc dieje zweite | den mweitbefannten, fenntnisreichen Brofeflor
Beriammlung dem langjährigen Ehren- | Dr. Magnus Schwert gründliche Kenntniſſe
präfidenten der Pollichia, Sr. Erzellenz | in der Mathematit und Phyſik erwarb.
Georg dv. Neumaher, welcher am 23. Maı | Diefe vermehrte er jodann noch auf der
diefes Jahres ım Alter von 83 HYahren | polytechniſchen Hochſchule in Münden. Wie-
ſeine arbeitsreiche, ehrenvolle Lebensfahrt wohl er in Bayern alsbald eine Stelle als
zu Waſſer und zu Land, im In- und Aus» | Lehrer der Mathematik hätte bekommen
land, zulegt in feiner geliebten pfälziichen | Fünnen, zog es ihn doch hinaus in. die Ferne
— 157 —
und auf das Meer, um die weite Welt | Admiralitätsrates ernannt murde. Das
fennen zu lernen, um fi eine jeinen | war nun ein fchöner Lohn und eine hohe
Wünſchen entiprechende Stelle zu erobern. | Anerkennung feiner Tüchtigfeit, wie ſie noch
Er fing an ald Matrofe auf einem Handels: | fein deuticher Forſcher vor ihm erlangt hatte.
ſchiffe, wurde rajch Steuermann und Kapitän, Es kann jetzt nicht die Aufgabe diefer Zeilen
der alle Meere unferer Erde durchſchiffte fein, im einzelnen nadzumeifen, wie er
und ihre Völker und Länder fennen lernte, | Australien erforjchte, zuerft den höchſten,
Nachdem er fih reiche praftifche Erfahrung |; jchwerzugänglicden Berg Kosciusko (2400
und einige Geldmittel erworben hatte, ließ | Meter body) erjtieg und die Spuren und
er fih in NAuftralien — Melbourne in | Ueberrefte des verunglüdten deutſchen
Biftoria — "nieder, wo er eine Reihe von | Reifenden Dr. Leichhardt (1849) gefunden,
Jahren gleichſam feine zweite Heimat fand. | wie er die beften Seekarten anfertigte und
Mit feinen befcheidenen Mitteln baute er | viele andere für das Seeweſen nüßliche
fi hier eine Seewarte, die ihm durch ihre | Entdeckungen und Vorrichtungen veröffent-
für das Seewejen wichtigen Erfolge ſolches lichte! Sein Name wurde durch diejelben
Unfehen verichaffte, daß feine Seewarie als | bei allen jeefahrenden Nationen befannt und
ftaatlihe Anftalt von dem Staat Viktoria | geehrt! Dabei ift hervorzuheben, daß er
erworben und er ald Direktor derfelben be: | fein deutſches Baterland und auch jeine
ftellt wurde. Nun fonnte er ſich ganz feiner | pfälziihe Heimat bei feiner vielfeitigen
Lieblingswiflenihaft, der Erforfhung der | Tätigkeit nie vergaß und insbejondere aud)
Erde und der Meeres, widmen und mußte der Pollichia gedachte, indem er ihre Samm-
zugleih als rühriger Agitetor Gelehrte, | lungen bereicherte, feine vielen Schriften
Vereine, Behörden, Kaufe und Seeleute | ihr fandte an ihren Yahresverfammlungen
für feine Sadhe zu gewinnen. Scıne Be: | teilnahm, joviel er nur fonnte, Sein Name
jeidenheit und Anfpruchlofigkeit und die | bleibt in die Gejchichte der Erd. und See—
aus jeinem ganzen Streben hervorleuchtende | forſchung unauslöſchlich eingegraben und
Tüchtigkeit bewirften es, daß ihm die Mittel | wer ihn perjönlich fennen lernte, wird die
für feine vier großen Aufgaben, die Er, | Liebensmwürdigfeit und Ginfachheit feines
forjhung von Auftralien zu Waſſer und zu | Weſens und Charafıers in bleibendem Ge-
Land, des Erdmagnetismus, der verfchiedenen | dächtnis bewahren. Wenn das Leben köſt—
Eriheinungen des Meeres und der Er. | Lich geweſen ift, jo ift es Mühe und Arbeit
forſchung des Nord- und Südpols, reichlich | gemejen, fo findet das auf unferen Neu-
zufloffen. Selbft König Marimilian 2, | mayer gewiß aud) feine vollfte Anwendung.
unterftügte ihn mohlmollend. Ueberhaupt | Mit diefem Gedanken ſchloß die treffliche
wurde in unjerem deutichen Baterlande nun | Mede, durch welche der Feſtredner dem ge-
jeine verdienftvolle Tätigkeit für das See- | fchiedenen Freund und Landsmann ein
weſen erfannt und es erging an ıhm der | wohlverdientes Denfmal gejept hat, wie
Nuf, die Leitung der damals nod) privaten | aud der Vorſtand der Pollihia freudig
Seewarte des Dr. Peters in Hamburg zu | bewegt anerfannte, Unſere Bollihia aber
übernehmen. Und auch bier bewährte er | möge nun für alle Beiten drei Namen hoch
ih jo tüchtig, daß bald die Seewarte in | und in Ehren halten: „Joh. Adam Pollich,
Hamburg als ftaatliche Anftalt erklärt und | & Schulg und Erzellen; Gg. v. Neur
er zu ihrem Direftor mit dem Rang eines | mayer! M.
Beimatlieder
bon 8. O. Hoffmann (Bmweibrüden.)
Aus der Weſipfalz.
l. Im Erbuſch.
Am dunklen Teich, tief in des Waldes Mitte, S' iſt wie ein Märchen. Im Geröhre leiſe
Wie lieb ich's, da im weichen Moos zu liegen, Ein Lüftchen flüſtert und die Halme nicken;
gu laufen auf des Wildes zage Tritte och oben zicht der Turmfalf feine Kreiſe,
nd auf der Turteltaube ſcheues Fliegen! Langſam nad; Süden ſchwindend meinen Bliden.
158
1. Abend im Heimattal.
Dämmerung fenft ihren Schleier
Sadıt auf mein ftille8 Tal,
Schon blinkt im tiefen Weiher
Des erften Sternes Strahl.
Waldnachtigal am Hage
Singt leid ihr ſüßes Lied,
Das wie ber Liebe Frage
Durh Flur und Auen zieht.
Nun mit des Windes Flüftern
Der legte Ton verweht
Und ringsum durd) das Düjtern
Des Abends Schweigen gebt.
Da ichlafen alle Müben
Nach) Tages Luft und Dual —
Und aud) zu mir fommt Frieden
In meinem ftillen Tal.
Aus dem Gebirg.
Biel Sternlein noch am Himmel blühen,
Da ſchon der junge Tag erwacht
Und rings die Berge all’ erglühen.
In purpurgolbner Morgenpradit.
Morgen.
Die dunflen Tannen ſteh'n und träumen,
Leis jlüfternd in des Frühwinds Hauch
Und über fernen Waldesjäumen
Schwebt fräufelnd, blau des Meilers Raud.
Berballend tönt ein Schub. Mit Raufchen
Sept durch's Geftrüpp cin Bod vorbei
Hell lacht ein Specht. Dann heimlich Laufchen
Und hoch in Lüften freift der Weib.
Pfälzer und Pfalz.
Rat Heinrih Leber ift am 27. Auguft
an einem Gehirnſchlag verſchieden. Auf
hiſtoriſchem Gebiete war Leher überaus
tätig. Das veranlaßte ihn auch, vor zwan⸗
zig Jahren eine Lieblingsidee zu verwirf-
lihen und ein der Gejchichtsfunde gemid-
metes Blatt, „Das Bayerland“, heraus-
zugeben, Das Blatt trug viel zur Pflege
der Heimatliebe, zur Kenntnis der Geſchichte
unferes Baterlandes, feiner kulturellen Ver«
gangenheit und Gegenwart, feiner £ulturellen
Bergangenpeit und Gegenwart, feiner Natur-
Ihönheiten und Kunſtſchätze bei,
Major z. D. Auguſt v. Parſeval wurde
am 5. Februar 1861 zu Frankenthal
in der Pfalz geboren als der Sohn eines
Kämmerer und Regierungsrates. Nach
dem Beſuch der Pagerie in Münden fam
er im Auguſt 1878 als Fähnrih in das
3. Inf. Megt. in Augsburg; in diefem ver:
blieb er, bis ihn feine Erfindung veranlaßte
dem Militärdienfte zu entfagen. Am 13.
November 1880 wurde er Leutnant, Oktober
1890 Oberleutnant, Mai 1895 Hauptmann
und Stompagniechef und April 1904 Major
und Bataillonsfommandeur. Schon früh:
zeitig hatte er mathematifche und natur-
wiſſenſchaftliche Studien getrieben ; im Jahre
1902 wurde ihm ein längerer Urlaub be-
willig, um fih feinen Studien mehr
widmen zu können. Im Dezember 1906
trat er dann unter Stellung zur Dis:
pofition in Benfion. Er wurde zweiter Ge»
ihäftsführer der Motorluftichiffftudiengeiell-
ihaft in Berlin, melde Geſellſchaft im
Jahre 1907 den von ihm fonftruierten Luft ·
motor erwarb.
In Berlin ift ein Rheinpfälgerverein
in der Bildung begriffen. Bisher beitehen
folhe Vereine, auf deren Tätigfeit und
Beranftaltungen wir gelegentlidy hingewiejen
haben, in Köln, Augsburg, Würzburg,
Münden, Düffeldorf und Frankfurt a. M. —
Der Berein der Rheinpfälger in Köln wird
an Pfingften 1910 eine: Pfalzſahrt unter:
nehmen und dabei die Städte Neuftadt und
Landau beſuchen. — Die „Rheiupfälzer
Boltsliederfänger“ (Winzer u. Winzerinnen),
die meilt aus Dürfheim und Umgebung
ftammen und das pfälziiche Volkslied pflegen
wollen, haben fürzlich in Homburg debutiert.
Nah Weihnachten wollen Sie eine größere
Konzertreife unternehmen.
Der Pfülzerwaldverein bat in dieſem
Jahre einen Zuwachs von 3000 Mitgliedern
erhalten; er tritt in das Jahr 1910 mit
einem Gefamtbeftand von über 11000
Mitgliedern über. Die Bahl der Orts:
gruppen ift von 52 auf 80 geftiegen. Die
größte diefer Gruppen ift Ludwigshafen
— 19 —
mit etwa 2400 Mitgliedern. Es folgen
von größeren Ortsgruppen Kaiſerslautern
mit 800, Landau mit 600, Neuſtadt mit
550 Mitgliedern. Auswärtige Ortsgruppen
beſtehen bis jetzt in Saarbrücken, Karlsruhe,
Meiſenheim, Frankfurt a. M., Neunkirchen
(Bez. Trier) und Elversberg (Ber. Trier).
Neue auswärtige Ortögruppen find in VBor-
bereitung in Würzburg, Nürnberg, Berlin
und Straßburg i. Eli.
Notiz Über den 1893 zu Germers heim
verſtorbenen penſionierten Hauptmann Ed
mund von Reichmaun, welcher im Gefecht
bei Helmftädt 1866 den ſchwer vermundeten
Prinzen Ludwig von Bayern mit Hilfe
einiger Leute feines Kommandos aus der
Feuerlinie an einen fiheren Ort bradıe:
Ritter Reichmann von Starfenburg, wie
eigentlich jein Name gelautet hat, ift wohl
der legte männliche Sproß eines Adels—
geſchlechtes das jeinen Si auf dem
Schloſſe Starfenburg bei Heppenheim a. d.
Bergitraße — Ruine ift nod) vorhanden —
hatte und nad welchem die ſüdlich des
Mains und rechts des Rheins gelegene
Kine vergeffene Felfenburg bei Bufenberg.
Im „Biälzer Wald“, Yahrgang 1902
Nr. 14 befindet fich ziemlich verſteckt eine
aus der „Straßburger Poſt“ übernommene
Kotiz, die wegen ihres heimatfundlichen In
haltes verdient, bier regiftriert werden:
„Eine Feljenburg liegt etwa ein km füdlid
des Dracdenfels bei Bujenberg im Dahner
Telfengebiet. Nach der Unterfuhung von
Dr. Mugler ift der weſtliche Ausläufer des
Deidenberges von einer Höhle von ungefähr
10 m und von ausgehöhlten Kammern
durchjett, die nad) außen Lichtichlige be
ſitzen. Ihre Anlage erinnert jehr an dıe
Yage und Konftruftion der —
heſſiſche Provinz den Namen „Starken«
burg“ trägt.
Heidenlöcher bei Ueberlingen. Einen Zu—
gang von außen hat dieſe Höhlenburg nicht ;
man muß mit Striden und Leitern in ihr
Inneres dringen. Ob diejes Heidenjchloß
eine Borburg des nahen Drachenfels gebildet
bat oder in die Römerzeit binaufreicht,
worauf der Name Heidenberg hinzudeuten
iheint, — auch Bigeunerlager fünnen in
Betracht fommen — Dies muß einer weiteren
Unterſuchung vorbehalten bleiben.“
Hoffentlich gelingt es der fortichreitenden
Erforſchung der heimatlichen Geſchichte, auch
über dieſen vergeſſenen Wohnplatz etwas
Näheres zu ermitteln. Dr. Häberle.
Kleine Mitteilungen.
Das neue Statiſtiſche Jahrbuch
Bayerus. Das ſoeben vom Baheriſchen
Statiſtiſchen Landesamt herausgegebene
Statiſtiſche Jahrbuch für das König—
reich Bayern (Berlag J. Lindauerſche
Buchhandlung, München) gibt Rechenſchaft
über die neueſten Reſultate der bayerischen
Sejamtlandesftatiftiift und erteilt hierdurch
Aufihluß über Stand und Entwidlung
der wirtjhaftliden, fozialen und
jonftigen £ulturellen Berhältnijie
Bayerns, ſoweit fie zahlenmäßig erfaßt
find. Gegenüber den früheren Jahrgängen
ift das Buch infolge der in den legten zwei
Jahren durchgeführten Reform der bayerischen
Statiftif, die zugleich eine Erweiterung und
Vertiefung der Arbeiten des Statiſtiſchen
Landesamtes brachte, erheblich reichhaltiger
und vicljeitiger ausgeftaltet. &8 darf daher
als ein im großen Ganzen neues Wert
gelten. Die einzelnen Kapitel behandeln:
Staatögebiet und Staatövermaltung, Ber
völferung, Landwirtſchaft, Viehzucht, Forft-
wirtichaft, Jagd und Fiſcherei, Waſſerwirt—
ichaft, Gewerbe, Induſtrie, Handel und
Verkehr, Arbeiterverhältniffe, Konſum und
Preije, Geld- und Streditwefen, Genojjen-
ſchaften, Verſicherungsweſen, foziale Für—
ſorge, Geſundheitspflege, kirchliche Verhält-
niſſe, Unterricht und Bildung, öffentliche
Finanzen, Militärweſen, Rechtspflege,
Wahlen und Witterungsverhältniſſe. Den
Schluß bildet ein Verzeichnis ſämtlicher Ver—
öffentlichungen des Statiſtiſchen Landesamtes,
mwodurd; mähere Studien über baheriſche
Verhältniſſe weſentlich erleichtert werden,
ſowie graphiiche Beilagen, welche die Be:
rufsgliederung, die landwirtichaftlichen Groß-
und Slleinbetriebe und die Säuglingsiterb:
lichkeit in den einzelnen Teilen des Königreichs
veranfhaulihen. Allen, die fih mit
volfswirtihaftlihen Berhältniſſen praftiich,
politifch oder wiſſenſchaftlich befaffen, wird
die neue Veröffentlichung des Statiftifchen
Landesamtes als Nachſchlagewerk jehr will-
fommen jein. Der Breis des 400 Seiten
ftarfen Jahrbuchs beträgt 1,50 Mt.
Die Stadt Ludwigshafen Hatte nach
Mitteilung des Meldeamtes zu Beginn des
Jahres 81301 Einwohner. Am Scluffe
des Jahres befanden fich in der Stadt jelbit
59921 Einwohner. Die Zunahme war
namentlih in den Stadtteilen Frieſenheim
und Mundenheim fehr gering (45 bezm,
64). Geboren murden mährend des
Yahres im ganzen 3345 Stinder (im Bor-
jahre 3374). Geftorben find 1427 Ber:
onen gegen 1460 im Vorjahre. Es treffen
bei einer mittleren Bevölferungsziffer von
82000 Seelen nur 17,43 Todesfälle auf
je 1000 Einwohner, im Borjahre waren
e8 18,48 und 19,5 im Jahre 1906. Dieſe
immer mehr abnehmende Sterblichteitsziffer,
die zu den geringfien in allen größeren
deutichen Städten zählt, ift ein Beweis der
günftigen gefundheitlihen Verhältniſſe der
Stadt. Nod erheblich günftiger wird dieſe
Biffer nad) Abzug der Todesfälle der Säug
linge; es bleiben dann für alle übrigen
Altersklaffen zufammen nur mehr 749
Todesfälle (im Vorjahre 823), d. h. 9,3
auf tauſend Ginwohner, Beſonders be-
merfenswert ift die ftetige Abnahme der
Todesfälle an Tuberfuloje. Am Jahre
1905 ftarben 247 — 3,44 auf ZTaufend
der damaligen Bevölferung, im Jahre 1906
waren c8 241 — 3,17 pro Mille; 1907:
228 — 2,8 auf 1000; im Jahre 1908:
192 = 2,34 auf 1000.
160 —
Ym November ıft in der Unterhaardt
das Projekt einer Fahritrafe anf deu Br.
Peterslopf auftaucht. Weranlaffung gab
ein außergerichtlicher Vergleich zwiichen der
Gemeinde Kallftadt und dem fol. Forftärar
über die Eigentumsredte der jog. Stallftadter
Biehtriit, mo Kallſtadt früher die Wald—
weidewirtichajt betrieb. Das Aerar hat ſich
nerpflichtet. entlang der Nordgrenze
dieſer Trift eine gute, 5 Meter
breite Solzabfuhritraße berzuftel-
fen, jodaß eine Fahrverbindung von Kall-
jtadt bis zu beträchtlicher Höhe des Gr.
Peterskopfes gefchaffen wird. Es wird an-
geregt, dab die Gemeinden FFreinsheim,
Weilenheim a. &., Leiftadt und Herxheim
a. B. megen der bequemeren Abfuhr ıhrer
Forftprodufte fih an dem weiteren Ausbau
diefer Straße finanziell beteiligen, ſodaß
der Trage der Fortführung bis zum
496 Meter hoben Gipfel, auf dem
jıh der 30 Meter hohe Bismard-
turm erhebt, aftuell wird.
Aufhören des Flachsbans. AufS.8—9
d. Jahrganges (1909) Hatten wir von dem
überraſchenden Rückgange des Hanfbaues
in Elfaß Lothringen berichtet. Ähnlich ift
es auch bei ung mit dem Anbau des Flachjes.
Um ihn wieder etwas zu beleben, hatte die
fgl. Regierung der Pfalz fürzlich die Bitte
veröffentlicht, bei Vergebung von Lieferungen
durch Behörden möglichſt ſolche Fabrikanten
zu bevorzugen, die nachweisbar bayriidıen
Flachs verarbeiten. Wie dazu aus land-
wirtichaftlichen Kreiſen mitgeteilt wird, hat
der Anbau von Flachs in der Rheinpialz
aufgehört. Der Nüdgang ging Hand
in Hand mit dem Rückgang der Hausſpinnerei.
Am längften hat ſich nad) den vorhandenen
Aufzeichnungen der Flachsbau im Gebiet
des Glan erhalten.
Notiz. Die zu unferem früheren Artikel
ber die Hydrographie der Balz gehörenden
Kärtchen geben wir den Heften des neuen
Yahrganges bei.
"Inhalt: Ueber die angeblich vulfanifche Tätigkeit be8 Donne.sberges im Fahre 1729. —
Bom pflälziſchen Gewäſſer. — Die Yahresverfammlung der Polichia. — Heimatiteder. — Pfätzer
und Pfalz. — Eine vergefiene Felfenburg bei Bufenberg. — Kleine Mitteilungen. — Notiz.
Schriftleiter: Lehrer Ph. Sauth, Eandftuhl — Kermann Aanfer’s
Derlag, Aaiferslautern.
! Form und Inhalt der Beiträge find die Herren Berfaffer verantwortlich.
nen
(Unverlongte Manuſtripte werben nicht zurüdgelanbt.)
—
Die „Brälgiihe — doſtet jährlich In 12 Heften Dt, 2.50. Weflellungen werden von allen Bucbandlungen umb
VoRanfalten ferner vom Berleger (Bortofteie Streifbandiendung) angenommen.
hen
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